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Archiv
für
österreichisohe Oesohiohte.
Herausgegeben
▼on der
Historisellen Kommission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Vierundneunzigster Band.
Mit 2 Karten und 1 Kartenskizze im Texte.
Wien, 1907.
In Kommission bei Alfred HSlder
k. n. k. Hof- und ünirersitftts-Bvehh&Ddler
Boehhindltr der kmiterlieben Akademie der WiteeBMkftflen.
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]>niok Yoa Adolf HolshAOMB,
k. vad k. Hof- oad UDiT«nittta*Baehdni^*r ia W ito.
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Abhandlungen
Bum
'Historischen Atlae
der
österreicMsclieii Alpenländer.
I. Die Entstehung der Landgerichte im haTrisch-Österreicbia«
Rechtsgebiete. Von Hans ▼. Yoltelini. S. 1-
II. Immunitftt, Landeshoheit und Waldschenkangen. Von Edi
Richter. S. 41-
III. Gremarknngen und Stenergemeinden im Lande Salzburg.
Eduard Richter. S. 63-
IF. Das Liand im Norden der Donau. Mit einer historischen K
Von Julias Strnadt. S. 83— :
Y. Jmmnniti^t, Grund- and leibherrliche Qerichtsbarkeit in Südl
Von r>r. Hans von Voltelini. S. 311 —
YI. ly&B Grebiet zwischen der Traun und der Ens, Von Ji
Strnadt. Mit 1 Karte und 1 Kartenskizze im Texte.
S. 466-
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Heraasgegeben
fon der
Historischen Kommission
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"kainerlicheti Akademie der Wissengchaften.
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YieruiiiiiieiitirJKiiter Bitnil.
Er^tt? Hälftu.
Mit einer KArtc*
Wien, 1906.
In K ft IQ m i s ^ i o n bei Alfred H ti l d e i
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Archiv
ftr
österreichische Geschichte.
Herausgegeben
Ton der
Historisclien Kommission
d«r
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Vierundneunzigster Band.
Ente Hälfte.
Mit einer Karte.
Wien, 1906.
In Kommission bei Alfred Holder
k. Q. k. Hof- «od UmiTernt&tB-Bnobhindler
BaeUiiiidltr d«r kftiMrUch«ii Akftdemi« d«r WitseiiMluiAeB.
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Drnok Ton Adolf HolshaoMD,
k. «. k. Hof« and Uiüv«nittto*BoehdnMkcr in Wi«a.
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Abhandlungen
zum
Historischen Atlas
der
österreichischen Alpenlander.
I. Die Entstehong der Landgerichte im baTrisch- österreichischen
Rechtsgebiete. Von Hans v. Yoltelini. S. 1—40.
n. Inunanitfity Landeshoheit und Waldschenkungen. Von Eduard
Richter. S. 41—62.
in. Genaarkangen and Steuergemeinden im Lande Salzburg. Von
Eduard Richter. S. 68—82.
lY. Das Land im Norden der Donau. Mit einer historischen Karte.
Von Julius Strnadt. S. 88-810.
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Vorwort.
Im Laufe der fortschreitenden Arbeiten für den ^Histori-
scben Atlas der österreichischen Alpenländer' ergab es sich,
daß die den Karten beizugebenden ^Erläuterungen' bei der
notwendigen ELnappheit ihrer Fassung nicht immer ausreichen
Tmd mcbt der Ort sein können, um ausführlichere Nachweise oder
^ISTtemngen anfzunehmen, die, zwar durch die Forschungen
^T den Atlas veranlaßt, doch auch über die nächsten Fragen
Unausreicliende Probleme behandeln. So regte der Schöpfer
des yHistorischen Atlas^, unser allzufrüh verewigter Eduard
Richter, den Gedanken an, derartige Arbeiten in einer eigenen
Serie von ,Abhandlungen zum Historischen Atlas' zu vereinigen,
und auf Antrag Richters beschloß die akademische ,Eom-
mission für Herausgabe eines historischen Atlas der österreichi-
schen Alpenländer' im Einvernehmen mit der ,Historischen
Kommission', diese Abhandlungen im Rahmen des ,Archivs
für österreichische Geschichte' zu veröffentlichen, so daß ihnen
je nach Bedarf einzelne Bände des Archivs ausschließlich ein-
geräumt werden sollen.
Hiermit veröffentlichen denn die beiden genannten aka-
demischen Kommissionen eine erste Reihe der Abhandlungen,
welche der ersten Lieferung des ,Atla8' zur Seite geht. Zwei
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VI
der Aufsätze stammen von Richter selbst - er hat sie noch
im Dezember 1904 und Jänner 1905 druckfertig gemacht und
wenige Tage vor seinem Tode, am 31. Jänner 1905, die Schluß-
bemerkung zur ersten Abhandlung hinzugefugt — ein erheben-
des Zeugnis der Geistesstärke, mit welcher der todkranke Mann,
der das Ende mit klarem Bewußtsein nahe wußte, bis zum
letzten Augenblicke für sein großes Werk sorgte.
Wien, im Januar 1906.
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I.
DIE ENTSTEHUNG
DER
LAN DGERICHTE
IM
BAYRISCH-ÖSTERREICHISCHEN
RECHTSGEBIETE.
TOH
D" HANS VON VOLTELINI.
▲lehiT. XCIV. B»nd.
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LiM den Problemen der dentschen Verfassungsgeschichte,
die noch iminer eine befriedigende Lösung nicht gefunden
haben, zählt unter anderem auch die Entstehung der Landge-
richte.^ Und doch handelt es sich dabei um Gebilde, welche
durch Jahrliunderte die örtliche Grundlage fiir die Verwaltung
der deutschen Territorien darstellten, auf denen insbesonders
auch im bayrisch-österreichischen Rechtsgebiete bis ins 18., ja
teilweise bis ins 19. Jahrhundert die politische und gericht-
liche Verwaltung beruhten, an die sich vielfach auch noch die
heutigen Verwaltnngssprengel anschließen. Als etwas Fertiges
treten uns die Liandgerichte im 13. Jahrhundert entgegen. Für
Bayern liegt bereits in dem ältesten wittelsbachischen Saal-
buche, das zwischen 1221 und 1228 entstanden ist,* eine Auf-
Zählung der Amter oder Landgerichte vor, und die österrei-
chischen Quellen derselben Zeit lassen ebenfalls den Bestand
von Landgerichten erkennen.*
Daß diese Gebilde an die Stelle der älteren Grafschaften
getreten sind, daß sie Trümmer von Grafschaften vorstellen,
darüber kann kein Zweifel bestehen. Werden sie doch selber
^ Ka^h einem Vortrag, gehalten auf der Versammlung der dentschen
Historiker in Salzburg 1904.
* Monumenta boica 31, 1, 1 f.; Riezler, Geschichte Bayerns 1, 178; Bösen-
thal, Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation
Bayerns 52 f.
^ Über die Osterr. Landgerichte vgl. Laschin, Geschichte des älteren Ge-
richtswesens in Österreich ob und anter der Enns 103 f.; Ders., österr.
Beichsgeschichte 193; Huber-Dopsch , österr. Reichsgeschichte 64 f.;
Wernnsky, österr. Reichs- und Rechtsgeschichte 56, 245; Bachmann,
Reichsgeschichte *, 119; HasenOhrl, Österr. Landrecht 166 und 173 f.;
Richter, Zar historischen Geographie des Hochstifts Salzburg, Mitteil,
des Inst., Ergänzungsbd. 1, 590 f.; Egger, Die Entstehung der Gerichts-
bezirke Deutschtirols, ebendort 4, 373; Krones, Verfassung und Ver-
waltung des Herzogtums Steiermark 126, 391 f.; Meli, Der comitatus
Liutpoldi, Mitteil, des Inst. 21, 385 f.; Die Anmerkungen in der Weis-
tOmer-Ausgabe der Akademie der Wissenschaften.
1»
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nicht selten als Grafschaften bezeichnet.^ Aber die Ursachen,
welche zu dieser Zersplitterung führten, die Momente, welche
auf die Bildung und räumliche Abgrenzung der Landgerichte
gewirkt haben, liegen nicht so klar zutage. Denn die Ent-
wicklung ßlllt in eine Zeit, in der urkundliche Quellen in
unseren Gegenden nur spärlich fließen. Die Namen einzelner
Grafen und Grafschaften, einzelner Gerichtsmalstätten und zu-
letzt die Namen der Landgerichte sind fast alles, was wir vom
10. bis 12. Jahrhundert über die räumliche Ausgestaltung der
Gerichtsbezirke in unseren Gegenden wissen.
Verschiedene Erklärungen sind für die Entstehung der
Landgerichte aufgestellt worden. Die meisten Schriftsteller, die
sich mit dieser Frage beschäftigten, haben sie mit älteren
Hundertschaften in Zusammenhang gebracht, so vor allem
Riezler* und ihm folgend die Mehrzahl der österreichischen
Gelehrten.' Ja Egger* versuchte sogar aus den Grenzztigen
der späteren Tiroler Landgerichte die Zenten, die einmal in
Tirol bestanden haben sollen, wieder herzustellen. Man war
eben geneigt, den Ergebnissen, die Sohm in seinem berühmten
Buche über die fränkische Gerichtsverfassung gewonnen hatte,
ohneweiters auch für Bayern Geltung zuzuschreiben, obwohl
Sohm selber auf die Besonderheiten der bayrischen Gerichts-
verfassung hingewiesen hat.^ Indes ist es wohl zweifellos, daß
die Bayern Hundertschaften als lokale Unterabteilungen der
Grafschaften nicht gekannt haben. ^ Nicht daß die, wie es
scheint, gemeingermanische Einteilung in Hundertschaften von
Haus aus gefehlt haben wird, aber in ihren neuen Sitzen haben
sie sich nicht nach Hundertschaften gegliedert niedergelassen.
^ HasenOhrl 173; österr. Landrecht, erweiterte Fassang, Art. 4 nennt
die Landgerichte: grafscheften. Schwind-Dopsch, Urkunden zur Yer-
fassungsgeschichte 57, n. 1; Bosenthal 60.
* Geschichte Bayerns 1, 125 f., 761 f.
* Wie Richter a. a. O. 699; Werunsky 55; Egger a. a. O. 382.
* a. a. O. Auch Rosenthal scheint S. 93 dieselbe Ansicht zu teilen, wenn
er sich auch nicht klar ausgesprochen hat, indem er wenigstens die Ge-
richtsschrannen mit den alten Malstätten der Hundertschaften in Be-
ziehung bringt.
^ Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung 159 f.
^ Merkel in der Ausgabe der lex Baiwar., MM. LI. 3, 283, n. 4; Felix
Dahn, Urgeschichte der Germanen 4, 152; Brunner, Deutsche Rechts-
geschichte 1, 117; Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte 1*, 217.
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Keine bayrische QaeUe kennt Handertschaften ^ und eine
Glosse zu Hermann von Altaich bezeugt es ausdrücklich^ daß
die Bezeichnung Zent bei den Bayern nicht gebräuchlich war.*
Zwar kennt die lex Baiwariorum Zenturionen, jedoch nur als
militärische Unterbefehlshaber unter dem Kommando des 6ra-
fen.* Dem Grafen steht in Bayern allerdings ein Exekutiv-
organ zur Seite, der Vikar oder Schultheiß, wie er auch ge-
nannt wird, der frühzeitig mit dem Hunnen, dem Zenturio
identifiziert wird, wie dies auch sonst der Fall war.* Und
solche Zenturionen werden nicht selten in den Urkunden er-
wähnt;^ nichts aber weist darauf hin, daß sie etwas anderes
als Hilfsorgane der Grafen waren, daß sie etwa Gerichtsbarkeit
in Unterabteilungen der Grafschaft gleich den fränkischen Zen-
tenaren geübt hätten. Ebensowenig kann die Erwähnung von
Dekanen ftir das Vorkommen von Hundertschaften sprechen.
Denn die Dekane, die in Tirol nicht selten sind,® sind Vor-
* Vgl. Waitz, Denteche Verfassungsgeschichte 2, II', 404; Dahn, Deutsche
Geschichte 1, II, 431 und Urgeschichte der Germanen 4, 152.
* MM. 88. 17, 357, n. e.: In quibusdam provinciis iudices provinciales
appellantuT centenarii, quia locus indicialis, qni apud nos vocatur
dinchstat, apud eos dicitur ceud. Es ergibt sich somit, daß der Urheber
der Glosse nicht einmal über die Bedeutung von Zent im Reinen war.
» l, c. 5, 283; vgl. Waitz 2, II », 15, 212; Brunner, Rechtsgeschichte 2,
174, n. 2.
* Wilhelm Sickel, Mitteil, des Inst. f. »sterr. Geschichtsf. 4, 628. In Bayern
nennen bereits die Statuten der Synode von Aschheim: presides seu iu-
dices, centuriones atque vicarios, MM. LI. 3, 458. Entscheidend die de-
creta sjnodorum Bavaricarum aus dem 10. Jahrh. c. 3, MM. LI. 3, 487 ;
wenn der vom Priester Gebannte nicht Buße tut: exactor publicus id
est centurio aut suus vicarius cum sacerdote pergat ad domum huius-
modi presumptoris. Der centurio ist also das Organ, das eine Pfändung
vornimmt. Vgl. Beseler Zeitschr. ftir Rechtsgesch. 9, 250.
* Zosammengestellt von Merkel MM. LI. 3, 283, u. 4.; Riezler, Geschichte
Bayerns 1, 127 und Forschungen zur deutschen Geschichte 18, 528;
Egger a. a. O. 382. Die Erwähnung des Zenturio in D. O. II. 178 für
Brixen ist vielleicht aus einer Formel eingedrungen, vgl. D. O. 11. 78,
kannte im übrigen nach dem Gesagten nicht auffallen. Damach auch in
späteren Kaiserurkunden für Brixen wie 1155 Friedrich I. Stumpf 3726.
• Unterforcher, Zeitschr. des Ferdinandeums III, 41, 211 f.; Egger, eben-
dort240f., 251 f. Dekane und Dekanien finden sich vorwiegend im einst
langobardischen Südtirol und in den Teilen des Landes, die länger mit
Kurrätien in Verbindung standen, im Yintschgau und Oberinntale von
Zams aufwärts.
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Steher von Gemeindevierteln und haben mit der Gerichtsbar-
keit nichts zu tun, finden sich übrigens nicht in den ursprüng-
lich von Baiuwaren besetzten Gebieten des Liandes. Egger
glaubte vor allem jene Gerichte als Reste alter Hundert-
schaften in Anspruch nehmen zu können, die in der Folge
insbesonders als Landgerichte, iudicia provincialia den ein-
fachen Gerichten entgegengestellt werden. In der Tat wird
diese Unterscheidung in den Quellen gemacht. Indes scheint
sie sich auf Tirol zu beschränken, anderen Teilen des bayrisch-
österreichischen Rechtsgebietes fremd zu sein; und sehr wohl
kann die Bezeichnung Landgericht, iudicium provinciale an
der Schranne gehaftet und von ihr auf jene Gerichte überge-
gangen sein, die sich als Gerichtsstätte eine alte Schranne be-
wahrt hatten.^ Wie die Unterabteilungen der Grafschaften in
Bayern hießen und welchen Umfang sie hatten, ist dunkel.*
Für die Gerichtsverfassung waren sie ohne Bedeutung; das
Gericht war in Bayern Grafschaftsgericht und wurde
an den einzelnen Malstätten, deren jede Grafschaft mehrere
besaß, abwechselnd gehalten.^ Wir müssen daher von den
^ Die Verle^ng der Schrannen bedurfte noch im 14. Jahrhundert landes-
fürstlicher Ermächtigung: Markgraf Ludwig gestattet dem Perchtold von
Gufidaun, seinem Richter zu Gufidaun, und allen den Richtern, die
nach ihm gesetzt werden, daß sie: ,umb alle maleficzi mit vollem ge-
walt siezen und gerichten sullent an der schranne auf Camp ... in
eleichstaiding an dem lantgericht mit vollem gewalt und an allen dem
rechten', wie man früher auf dem dinsacker gerichtet hat. Wasserburg
1858 Juni 24. Handschr. 59, f. 74 Nr. 227, Innsbruck 8t.-A.
' Vermutungen bei Dahn, Urgeschichte der Germanen 4, 152.
• Entscheidend lex Baiuwar. 2, c. 14, MM. LI. 8, 287; vgl. Brunner,
Deutsche Rechtsgeschichte 2, 220; Schröder, Lehrbuch der deutschen
Rechtsgeschichte \ 175. Der Einwand, den unter andern Richter a. a. O.
599 erhebt, daß die bayrischen Gaue zu groß gewesen seien, als daß
monatlich eine Vollversammlung der Freien hätte stattfinden kOnnen,
erledigt sich durch die Ausführungen von E. Mayer in den GUJttinger
Gelehrten Anzeigen 1891, 349. Die Freien hatten nur zu erscheinen
,wann und wo der Richter es befahl* (Brunner a. a. O.), ,ubi iudex ordi-
naverit*. Übrigens darf auch nicht übersehen werden, daß wir über die
Größe der Grafschaften, die im 8. Jahrundert kaum mehr mit den Gauen
zusammenfielen, vgl. unten, nicht unterrichtet sind, daß im 8. und 9. Jahr-
hundert weite Strecken noch unkultiviert und unbesiedelt waren und
daß die Zahl der Freien vielleicht doch nicht so groß war, als allgemein
angenommen wird. Wenn Dahn, Deutsche Geschichte a. a. O. und
V. Below, Göttinger Gelehrte Anzeigen 1890, 310 n. 3 doch Unterbezirke
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Hundertacliafteii absehen, wenn wir die Bildung der Land-
gerichtssprengel erklären wollen; wir dürfen in Bayern nicht;
wie dies v. Below mit vollem Rechte flir fränkisches Rechts-
gebiet ausftilirt,^ von einer Isolierung der Handertschaften
sprechen.
Mit mehr Recht fiihrt Luschin* die Entstehung der Land-
gerichte auf die Zersetzung der Grafschaften durch Immuni-
täten und auf das Erstarken und die Fortbildung grund-
herrlicher Gerichtsbarkeit zurück. Doch werden wir
diese Entstehungsgründe kaum als ausreichend bezeichnen
dürfen. Denn Landgerichte treten auch dort auf, wo keine
Immunitäten vorhanden waren, sie durchsetzen ja auch die in
unmittelbarer Verwaltung des Landesherm verbliebenen Terri-
torien in Bayern, Tirol, Osterreich, Steiermark, und wenn auch
manche Patrimonialgerichte an vorhergegangene grundherrliche
Gerichtsbarkeit anknüpfen, so doch durchaus nicht alle.
Es wird überhaupt nicht gelingen, die Bildung der Land-
gerichte mit einer einfachen Formel zu erklären. Auch diese
Frage kann nur durch Detailforschung gelöst werden. Die
Arbeiten an historischen Atlanten, die gegenwärtig in einigen
Teilen Deutschlands im Zuge sind, werden sicher unsere Kennt-
nisse über die Entstehung der Landgerichte und ihre Entwick-
lung in wünschenswerter Weise klären und vertiefen. Für die
bayrisch-österreichische Gerichtsverfassung dürfen wir uns Ahn-
liches von dem großen Unternehmen des historischen Atlasses
der deutsch-österreichischen Alpenländer versprechen.
Möge es gestattet sein, einige Beobachtungen, die sich
dem Verfasser bei der Mitarbeit an diesem Werke aufgedrängt
haben, hier anzuführen.
Allerdings gehört das italienische Südtirol, das ihm zur
Bearbeitung zugewiesen wurde, nicht mehr dem bayrischen
der Grafschaften annehmen, die freilich nicht Hundertschaften hießen
und Y. Below aas ihnen die Landgerichte hervorgehen läßt, mnß doch
eben bemerkt werden, daß wir Yon dem Bestände solcher Gebiete nichts
wissen, daß wir sie sar Erklärung der Landgerichte auch nicht brauchen,
und daß das Landgericht hier überall an die Grafschaft und das echte
Ding und nicht an das Botding anknüpft.
' Historische Zeitschr. 59, 222. Daher finden auch die Ausführungen Thu-
dichums, Gau- und Markverfassung 86 auf das bayrisch-österreichische
Rechtsgebiet keine Anwendung.
' Geschichte des Gerichtswesens 105.
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Rechtskreise an; es folgt vielmehr der langobardisch-italieni-
sehen Rechtsentwicklung. Doch nicht ohneweiters. Im Privat-
recht und Zivilprozeß zeigt Südtirol allerdings große Annähe-
rung an die benachbarten italienischen Gebiete. Nicht so ganz
in den übrigen Gebieten des öffentlichen Rechtes. Die Graf-
schaft Trient^ stand seit der zweiten Hälfte des 10. Jahr-
hunderts in Verbindung mit Kärnten und Bayern, sie wurde
auch, nachdem diese Verbindung infolge der Verleihung der
Grafschaft an die Bischöfe von Trient 1027 gelöst worden war,
fort und fort politisch zum deutschen Königreiche gerechnet.*
Die deutschen Reichsgesetze hatten daher auch in Trient Gel-
tung und haben die Rechtsentwicklung mannigfaltig beeinflußt.
So fand beispielsweise die Constitutio criminalis Carolina bis zur
Säkularisation subsidiär in Trient Anwendung. Dazu kam, daß
schon früh, ja vom 14. bis ins 16. Jahrhundert fest ausnahms-
Bekanntlich ssählten vom houtigen italienischen Südtirol oder besser
gesagt — denn es finden sich auch deutsche Enklaven in diesem Ge-
biete — von den heutigen Sprengein der Landesgerichte Trient und
Rovereto die Landgerichte Primör, Ivano, Telvana und San Pietro-
Castelalto wenigstens seit 1027 nicht zur Grafschaft Trient, sondern zu
Feltre und sind erst seit dem 14. Jahrhundert mit Tirol verbunden
worden. Fassa gehörte zum Bistum Brixen und ist erst 1816 zum Kreise
Trient geschlagen worden. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
ist durch fortdauernde Zerbröckeln ng eine Anzahl von Gerichten der
ehemaligen Grafschaft Trient, die fast ein Drittel ihres Gebietes aus-
machten, in direkte Verbindung mit Tirol getreten, vgl. Bidermann, Die
Italiener im Tirolischen Provinzialverbande 61 f.
Ficker, Reichsfürstenstand 218; Stumpf in Forschungen zur deutschen
Geschichte 15, 160; Durig, Jahresbericht der Oberrealschule in Innsbruck
1857 — 1858, 9 f. Verfasser dieses Aufsatzes hat bereits Zeitschr! des Ferdi-
nandeums lU, 33, 23 nachgewiesen, daß Trient bezüglich des Wormser Kon-
kordates als deutsches Bistum behandelt wurde, also die Investitur vor der
Weihe empfing. Trotzdem fehlt Trient in Kretschmers Historischer
Geographie von Mitteleuropa unter den deutschen Territorien, ebenso
unter den deutschen Bistümern, obwohl es sich nicht nur wie auch sein
Metropolitan, der Patriarch von Aglei, über bedeutende rein deutsche
Gebiete erstreckte, sondern, wenn auch bis zur Aufhebung des Patriar-
chats 1751 zu einer vorwiegend italienischen Metropolie geh(5rend, doch
in Staats -kirchenrechtlicher Beziehung zu Deutschland zählte, indem
die Konkordate der deutschen Nation wie die anderen Reichsgesetze hier
Geltung hatten und das ganze Gebiet in der Folge bis auf die unbe-
deutenden im Venezianischen liegenden Pfarren Tignale und Bagolino
zum Amtssprengel des Wiener Nuntius gehörte.
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los Deutsche auf dem Bischofsstahle von Trient saßen, die ihre
Landslente vielfach als Beamte verwendeten und ihre heimi-
schen Einrichtangen hierher verpflanzten. Auch die enge poli-
tische Verbindung, in welche das Bistum Trient zur Grafschaft
Tirol trat, mag da eingewirkt haben. So zeigt sich denn ge-
rade auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung ein enger An-
schluß an die benachbarten deutschen Länder^ an Deutschtirol
und den bayrisch-österreichischen Rechtskreis.
Egger allerdings hat geglaubt, von einer besonderen Ga-
staldienverfassnng sprechen zu sollen, die auf die Entwicklung
der Gerichtsverfassung hier von Einfluß gewesen sein soU.^
Doch dem entsprechen die Tatsachen nicht. Die Gastalden, be-
kanntlich bei den Langobarden Verwalter des Krongutes, führen
hier die Verwaltung des bischöflichen Besitzes. Es kommen
ihnen keine anderen Funktionen zu als den deutschen Pröpsten,
Meiern, Pflegern oder Amleuten oder wie diese Wirtschafts-
beamten heißen mochten. Mit der Ausübung der öffentlichen
Gerichtsbarkeit hatten sie prinzipiell nichts zu tun. Wenn sie,
wie dies allerdings vorkam, damit wirklich betraut waren,*
entsprach ihre Stellung vollends der deutscher Burggrafen und
bayrischer Pfleger. Dann ist ihnen die Hut einer Burg und
die Ausübung der Gerichtsbarkeit in dem zur Burg gehörigen
Bezirke tibertragen. Nur der Name des Amtes lautet hier
anders, das Amt ist dasselbe. Und seit der Mitte des 13. Jahr-
hunderts verschwindet auch der Titel in dieser Verwendung.
Nun wird nach den Funktionen genauer geschieden. Der Wirt-
schaftsbeamte wird als caniparius oder massarius, der Burg-
vogt als capitaneus bezeichnet.
Allerdings ist der Ausgangspunkt der Entwicklung hier
ein etwas anderer als im bayrischen Rechtsgebiete. Zwar
wissen wir über die Unterabteilungen der langobardischen
* a.a.O. 418.
* 1234 August 29. Kink, Fontes rer. Anstr. II, 5, Nr. 169: Bischof Aldrich
verleiht dem Bonifacin die Qastaldie in Beseno und in der gleich-
namigen Pfarre: committendo ei faciendi racionem inter homines do-
mini episcopi gastaldie predicte et sentenciandi inter eos secandum
iuris ordinem, nnd die warda des Schlosses. Ähnlich die Stellang der Ga-
stalden KU Pratalia 1234 Juli 14, Wien St.-A. Liber iorium in valle
Lagari f. 3. Wenn sonst eine Gerichtsbarkeit der Gastalden besonders
in Urkunden über Freilassungen und Adelserhebungen erwähnt wird,
handelt es sich um gutsherrliche Gerichtsbarkeit.
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10
Herzogtümer nicht viel mehr als über die Teile der bayrischen
Gane. Es werden indes bei den Langobarden iudiciariae ge-
nannt, die teils mit den Herzogtümern zusammen£allen, teils
kleinere Gebiete umfassen/ dann wohl mit den sculdasiae, den
Amtsbezirken der Schuldheißen zusammenfielen. Und eine
solche iudiciaria ist in Südtirol urkundlich belegt,* die iudi-
ciaria summa lacuensis, die in etwas beschränkterem Umfange
noch im heutigen Talnamen Judikarien weiterlebt. Und eine
solche iudiciaria dürfte wohl auch im Nons- und Sulzberg be-
standen haben, der, soviel uns bekannt, seit jeher, im 12. Jahr-
hundert unter bischöflichen Vizedomen, dann unter Hauptleuten
einen eigenen Gerichtssprengel bildete.* Hier also finden wir
wirklich Unterabteilungen der Grafschaft,* an welche die
Weiterentwicklung der Gerichtsverfassung anknüpfen konnte.
Der Gang der Entwicklung ist nun in Südtirol besonders
lehrreich. Hier, auf dem Gebiete der Notariatsurkunde liegt
seit der zweiten Hälftie des 12. Jahrhunderts ein überaus reiches
urkundliches Material vor, das den Gang der Dinge näher
beobachten läßt als anderswo und Aufschlüsse gewährt, die
auch auf die Entstehung der Landgerichte im bayrisch-öster-
reichischen Rechtsgebiete ein überraschendes Licht werfen.
Nicht ganz ist die Auflösung der alten Gerichtsbezirke hier
erfolgt. Ein Blick auf die Anichsche Karte von Tirol zeigt,
daß die Landgerichtsbezirke in Südtirol von sehr verschiedener
Größe waren. Die alte Judiciaria summa lacuensis, Judikarien,
^ Amira, Grundriß des germanischen Rechts 73.
2 Schuldheißen erwähnt im Placitum von 845 Febr. 26, Hühner, Gerichts-
urkunden Nr. 740. Auf bayrischem Rechtsboden wird in Tirol Schuld-
heiß, Justiziar oder Landrichter gebraucht bei Schwind-Dopsch, Urkunden
zur (österr.) Verfassungsgeschichte Nr. 22. Die iudiciaria summa lage-
nensis erwähnt im Testament des Bischofs Notker von Verona von 927
Nov. 17, De Dionysiis, De duobus episcopis Aldone et Notingo 103, in
derselben liegen Breguzzo, Bondo und Bolveno bei Tione.
^ Reich, ArcUivio Trentino 17, 86. Dagegen bildete das Lagertal keinen
gesonderten Verwaltungssprengel; irrig dafür Suster, Archivio Trentino
16, 13 f. Der comes Ragilo (Paulus Diaconus Histor. Langobard. 3, c. 9.
MM. SS rer. Lang et Italic. 97) ist kein Graf im fränkischen Sinne des
Wortes, vgl. Schupfer, Istituzioni politiche Langobardiche 318. Er dürfte
wohl eine militärische Würde bekleidet haben.
* Das langobardische Herzogtum Trient wird in der Karolingerzeit zur
Grafschaft.
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11
heute das Grebiet einer Bezirkshaaptmannschaft (Tione) und
dreier Bezirksgerichte (Condino, Stenico und Tione), bildete bis
zu den modernen Umwälzungen der Gerichtsverfassung im
19. Jahrhundert ein einziges Eriminalgericht, das allerdings f&r
die bürgerliche Gerichtsbarkeit in mehrere Sprengel zerfiel.
Daneben lagern sich die kleinen Gerichtssprengel von Riva-
Ledro, Arco-Penede, Tenno und am Idrosee die kleine Graf-
schaft Lodron als Splitter der alten ludiciaria. Und nicht anders
im Nonsberg. Der Nons- und Sulzberg, heute das Gebiet einer
Bezirkshauptmannschaft (Cles) und dreier Bezirksgerichte (Cles,
Fondo, Malö) umfassend, bildete ebenfalls der Hauptmasse
nach einen Gerichtssprengel. Enklavenartig aber sind eine An-
zahl kleiner Gerichte eingesprengt: Castelfondo-Arzo, selber
wieder aus zwei unzusammenhängenden Hälften bestehend,
Rabbi, Flavon, Spaur und Beifort, dies letzte ursprünglich zu
Judikarien gehörend, in der Folge in Verbindung mit Nons-
bei^er Schlössern. Hier besonders wird es deutlich, daß der
Prozeß der Auflösung der alten Gerichtssprengel nicht überall
in Südtirol zum Abschluß kam, in seinem Laufe gehemmt
wurde. Dies hängt wohl mit der schwankenden Haltung zu-
sammen^ welche die Bischöfe als Territorialherren zur Auf-
lösung der Gerichtssprengel einnahmen. Noch in der Mitte des
13. Jahrhunderts ist der Versuch gemacht worden, den Lauf
der Dinge rückgängig zu machen, die ganze Gerichtsbarkeit
in Trient zu konzentrieren.^
Ebenso wie in Bayern zeigt es sich dann, daß die Ge-
richtssprengel keineswegs von altersher sich gleichbleiben.
Viel stabiler ist vielmehr die Pfarre, die sich in der älteren
Zeit sichtlich auch mit der Markgemeinde deckt. Die Ge-
richtssprengel schwanken vielfach, entstehen und vergehen und
^ 1259 November 25. Bischof Egno verordnet: qaod omnes cause et qne-
stiones tarn civiles, maleficiorum, iniariarum quam aliarum omniura
racionam Ananie et Volsane, ludicarie et aliorura locorum episcopatus
et districtns Tridenti debeant venire ventilari et cognosci et tenninari
locoram predictoram in civitate et curia Tridenti per d™ episcopum
Tridentinam vel eins assessorem vel indicem, und verbietet allen capi-
tanei und gastaldiones eine Klage entgegenzunehmen, nisi ut antiquitus
aadire et eog^oscere consueverunt, ausgenommen nur die gastaldiones
von Bozen und Riva, also die Stadtrichter. Liber Zachei f. 2^ Nr. 3,
Wien St-A.
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12
sind erst im Beginne der Nenzeit einigermaßen feststehend
geworden, insofern als damals die Entstehung neuer Sprengel
im großen und ganzen abgeschlossen ist.
Neben diesem vielfach engen Anschluß an das deutsche
Nachbargebiet darf freilich nicht übersehen werden, daß die
landesfiirstliche Gewalt, die sich hier bildete, in ihrer Macht-
fülle den benachbarten deutschen Fürsten kaum vergleichbar
war. Das 1 3. Jahrhundert, das in Bayern, in Osterreich, in
Tirol, selbst im Salzburger Stiftslande ein mächtiges Landes-
flirstentum emporblühen sah, war für Trient ein Zeitalter der
Schwäche und Auflösung. Schon früher waren die Bischöfe
nur mit Mühe der unruhigen Elemente, die sie in ihrem Adel
und in ihren Bürgern besaßen, Herr geblieben. Der Regierung
des kräftigen Friedrich von Wangen folgte jäher Verfall. Noch
einmal raffte die Reichsverwaltung die Kräfte zusammen. Mit
dem Sturze der staufischen Herrschaft war das Schicksal des
Bistums besiegelt. Nicht vennochte die wiederhergestellte
schwache geistliche Herrschaft ein kraftvolles Regiment zu ent-
wickeln. Es folgten die Konflikte mit den mächtig ausgreifen-
den Tiroler Landesherren, aus denen das Bistum verkleinert
und geschwächt hervorging, bis endlich auch der Rest durch
die Kompaktaten Rudolfs IV. in halbe Abhängigkeit von Tirol
geriet. Und schwach, ja vielfach auch schlecht^ blieb das Regi-
ment der Bischöfe, bis endlich die Säkularisation der unglück-
seligen Zwitterstellung des Hochstiftes ein Ende bereitete, an
deren üblen Folgen freilich noch die Enkel zu tragen haben.
Ob sich in Bayern die Grafschaften je mit den Gauen
deckten, wissen wir nicht.* Schon früh wird dies nicht mehr
der Fall gewesen sein. Denn bereits Paulus Diaconus be-
^ Den Beweis wird Verfasser in seiner Tiroler Geschichte und in einer
größeren Arbeit über die Tiroler Gerichtsverfassung seit 1780 liefern.
Schlecht war die Verwaltung namentlich seit dem 16. Jahrhundert. Gerade
die glänzenden Bischöfe Bernhard von Cles und die Madrutz haben das
Land in ungerechter Weise ausgebeutet und einem krassen Nepotismus
gehuldigt. In der Folge trat der Marasmus dieses Regiments je länger,
je mehr zutage.
^ Die Grafschaften dürften in Bayern doch nicht erst dem fränkischen
Einflüsse ihre Entstehung verdanken. Paulus Diaconus erwähnt bereits zu
Ausgang des T.Jahrhunderts einen coraes Baioariorum, quem illi gravionem
dicunt. (5, c. 36, MM. SS. Rer. Lang, et Italic. 156). Jedenfalls geht daraus
hervor, daß diese Benennung zu Ende des 8. Jahrhunderts in Bayern gang
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13
richtet von einem bayrischen Grafen, der Bozen verwaltete.
Wenn auch Bozen zum Gau Norital gerechnet wurde, ^ so ist
doch Bozen schwerlich je der Mittelpunkt dieses großen Gaues,
der das ganze Eisacktal umfaßte, gewesen. Jedenfalls sind die
Gaue, wie Richter nachgewiesen hat, seit der spätkarolingischen
Zeit zu geographischen Begriffen geworden, die sich nicht
mehr mit dem Umfang der Gerichtssprengel, der Grafschaften
deckten 5* schon im 10. Jahrhundert ist das Bestehen mehrerer
Grafschaften auf dem Boden eines Gaues in Bayern nachzu-
weisen.' Anders lagen die Dinge allerdings in den Marken;
sie bildeten ein einheitliches Verwaltungsgebiet, in dessen
gimzem Umfange die ordentliche Gerichtsgewalt dem Mark-
grafen zustand. In den Marken hat daher die Zersplitterung
der Gerichtsbezirke etwas später eingesetzt und nicht alle Fak-
toren, welche für das altbayrische Stammland in Betracht
kamen, waren hier in gleicher Weise wirksam.
Mehrere Motive haben auf die Zerstücklung der alten
Grafschaften, auf die Bildung der Landgerichte eingewirkt.
und gäbe war. Daß der Graf Vorsitzender des Gerichtes war and nicht
der index, geben anch diejenigen zu, die wie Opet, Geschichte der
Prozeßeinleitongsformen 67; E. Mayer in den Göttinger Gelehrten An-
zeigen 1891, 349 den iudex als urteilend auffassen. Indes dürfte die
Ansicht, die Beseler in der Zeitscbr. für Rechtsgesch. 9, 248 f. gegen
Merkel begründet hat, den Vorzug verdienen, wonach der iudex, deutsch
eosago, öasagari, 6teilo, urteilo gleichwie bei den Alemannen nur das
Urteil fand. Diese Ansicht ist jedenfalls die herrschende geworden, vgl.
Branner, Deutsche Rechtsgesch. 1, 150; Schröder, Rechtsgesch. \ 175;
Riezler, Geschichte Bayerns 1, 128. Daß die Bedeutung des Wortes
index in der lex, die ja vielfach den westgotischen Gesetzestext wieder-
holt, eine schwankende ist, iudex fQr Behörde überhaupt gebraucht wird
nnd daher den Ghrafen and Herzog mitumfaßt, ist schon mehrfach her-
vorgehoben worden, vgl. Waitz, Deutsche Yerfassungsgesch. 2, n, 155 f.
Der bayrische iudex wird zum Schöffen, vgl. Riezler, Forschungen zur
deutschen Geschichte 18, 526. Der im 12. Jahrhundert auftauchende
Landrichter (iudex) kann daher nicht an den alten iudex des bayri-
schen Yolksrechtes anknüpfen.
* Nach Hauthaler, Salzbarger Urkundenbach 1, Nr. 67 (923), wo Mölten
und Terlan als in comitatu Nurihtale befindlich bezeichnet werden, vgl.
Egger a. a. O. 416. Egger denkt an zeitweise Vereinigung der Graf-
schaften Bozen und Eisacktal.
' a. a. 0. 606. Er spricht sich überhaupt gegen Zusammenfallen von Gau
and Gra&chaft aus.
' Richter a. a. O. 606; Rosenthal, 50; Riezler, Gesch. Bayerns 1, 843.
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14
Zanächst die Znnahme der Besiedlang und Bevölke-
rung.^ Die österreichischen Länder sind ja zum guten Teile,
wie Niederösterreich, Steiermark, Kärnten, Kolonialländer im
wahren Sinne des Wortes gewesen. Hier ist die deutsche Be-
völkerung erst im wesentlichen seit der Karolingerzeit einge-
wandert und hat die älteren Besiedler wenigstens nördlich der
Drau verdrängt. Hier konnte nicht an ältere Einrichtungen
angeknüpft werden, hier galt es von allem Anfang an, flir die
Bedürfnisse der Siedler neue Ordnungen zu schaffen. Aber
auch auf altbayrischem Boden in der Ebene sowohl als in den
Bergen hat die innere Kolonisation großen Umfang und große
Bedeutung gehabt. Vom 10. bis ins 12. Jahrhundert lichteten
sich die Wälder, die einen bedeutenden Teil des Landes be-
deckten.^ Dasselbe war in Tirol der Fall. Die vielen deutschen
Dorf- und Hofnamen, die sich hier mitten unter älteren romani-
schen finden, deuten der Mehrzahl nach auf Besiedlung in
dieser Zeit.^ Damals sind die Nebentäler des Inntales, das
Sellrain, Otz- und Pitztal, das Achental, die Leutasch, ein
guter Teil des Pustertales, so manche Seitentäler des Eisack-
tales besiedelt worden.* Und nicht minder in Südtirol. War
schon hier im 9. Jahrhundert ein Teil des Adels bayrischen
Ursprungs und griff das große Kolonisationsgebiet, das sich
wohl schon seit dem 9. und 10. Jahrhundert am Südostabhang
der Alpen im Gebiete von Verona, Vicenza und Feltre ge-
bildet hatte, auch höchst wahrscheinlich in den Vabugan und
die Grafschaft Trient (Lusern, Lavarone) hinüber, so drangen
nun seit dem 11. und 12. Jahrhundert deutsche Kolonisten
rüstig auch im Etschtale vor. Zunächst wurden die Höhen,
welche das Etschtal an der linken Seite umflanken, von Bozen
bis fast zur heutigen Landesgrenze von der Hacke deutscher
^ Worauf bereits v. Below, Histor. Zeitschr. 69, 217; Egger a. a. O. 377
und andere hingewiesen haben; ygl. auch Keutgen, Untersuchungen über
den Ursprung der deutschen Stadtverfassung 15.
' Biezler, Geschichte Bayerns 1, 771; Inama-Stemegg, Deutsche Wirt-
schaftsgeschichte 2, 20 f.
^ Alter sind die Namen mit dem Suffix ing im Inntale, die wang-Namen
sowie die deutschen Namen bei Bruneck, vgl. Redlich, Zeitsch. des Deut-
schen und österreichischen Alpenvereins 1897, 80 f.
* Redlich, Ein alter Bischofissitz im Gebirge. Zeitschr. des Deutschen und
Österreichischen Alpenvereins 1890, 39 f., 44.
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15
Baaem der Knttor erobert Dm reihten sich aneinander Welsch-
and Deatachnofen, schon durdi ihre Namen als Kolonisten'
ddrfer gekennzeidmet, Aldein, Fleims,^ Pinä und südlich des
Dnrchbnidies der Fersina, angrenzend an jenes filtere Koloni-
aation^ebiet, Fdgmreit, Costa, Terragnol und Vallarsa. Und
such im Talboden selber wurde rtLstig gearbeitet Die Grtln-
dang des mit deutschen Chorherren besetzten Klosters St Michel
ao der Etsch, das Fennbei^ und seine Besitsongen in Giovo
und Umgebong durch deutsche Bauern bewirtschaftete, die
Anlage des bald deutsch gewordenen Neumarkt waren hier
die entscheidenden Tatsachen. Noch lange hat diese Koloni-
sation weiter gedauert Tramin, durch seinen vortrefflichen
Rotwein bekannt, ist als Weinort zu Beginn des 13. Jahrhun-
derts durch Bischof Friedrich von Wangen angelegt worden.*
Ja noch im 14. Jahrhundert haben an der heutigen Sprach-
grenze zwischen Deutschmetz und Margreid umfangreiche Ro-
dungen von Weinland stattgefunden.'
Bei dieser weitgehenden Zunahme der Bevölkerung und
der bewohnten Grundfläche konnte die alte Gerichtseinteilung
nicht mehr ausreichen. Denn diese Kolonien lagen teilweise
auf hohen Bergrtlcken, die vom Tale nur auf stundenlangen
Saumpfaden zugänglich waren. Da mußte es im Interesse der
Kolonisten zur Neuerrichtung von Gerichtssprengeln kommen.
' Die Herkanft der Fleimser ist nooh nicht aa%eklärt. Ihr Recht enthält
mehr deatsche Elemente als jedes andere in Südtirol. Doch waren sie
weder Langobarden, noch Baiuwaren. Man könnte am ehesten an eine
Kolonie aus dem romanischen Rheintale, dem Bündnerlande denken.
Tgl. Festgaben für Bfidinger 358, das ja stark unter fr&nkisoh-alemanni-
schem Einfloß stand.
' Noch lange lebt die Erinnerung daran fort in den Leiheurkunden der
Weinberge; das Leiherecht wird durchaus in diesen auf den genannten
Bischof zurückgeführt.
' Exkönig Heinrich verleiht seinen (unehelichen) Brüdern Heinrich Dom-
herrn von Brizen und Heinrich von Eschenloh 40 Joch unbebauten Lan-
des zu Aicholtz in pertinentiis Meczi zur Urbarmachung; St. Zenoberg,
1327 Kovember 29. Derselbe für Albert von Forst, Gotschalk, Richter
zu Enn und Heinrich von SchOnna, gibt ihnen Gewalt an seiner statt
daz Aicholz ze Mecz uns und unsem erben ze einem zins ze raeuten
und ze pauen; 1327 Dezember 3. Hdschr. 392 f. 1 und 1^ Nr. 2 und 4,
Wien St.-A. Hier werden wohl die berühmten Teroldego-Reben (Tiroler)
angepflanzt worden sein.
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16 ^
die gewiß vielfach mit der Anlage dieser Kolonien Hand in
Hand ging. Die Gemeinde Fleims bildet einen eigenen Gerichts-
bezirk schon zn An&ng des 12. Jahrhunderts.^ Darauf und
nicht; wie Egger annahm^ auf die GastaldienverfEussung gehen
jene kleineren Gerichte zurück^ die einzelne dieser Bergge-
meinden umfassen, wie Flaas* und Campidell, Mölten, Jene-
sien, Wangen, Deutschnofen, Steineck und Welschnofen bei
Bozen. Und südlich von Trient war dasselbe der Fall mit
Folgareit, das ebenfalls seit 1440 einen eigenen Gerichtssprengel
bildete/ mit Ledro usw.
Neben diesem wirtschaftlichen Motive wirkte dann ein
persönliches zur Auflösung der alten Grafschaften. Daß die
Grafschaften Lehen wurden, ist für die Gerichtsverfassung
von der größten Bedeutung geworden. Indem sie als Lehen
erblich wurden, mußte es zu Teilungen und andererseits
wieder zur Vereinigung weit verstreuter Gebiete kommen.
Noch lange behielt das Reich einen maßgebenden Einfluß auf
das Schicksal der Gerichtssprengel. Die Veränderung der Ge-
richtsverfassung, die Teilung der Grafschaften, die Veräußerung
der Grafengewalt waren an die Zustimmung des Königs ge-
bunden.* Zugleich war die Vereinigung mehrerer Grafschaften
in einer Hand verboten, jede Grafschaft mußte ihren Grafen
haben^^ Indes diese Sätze, die der Sachsenspiegel noch als
geltendes Recht verkündet, haben zu seiner Zeit im bayrisch-
österreichischen Rechtsgebiet ebenso wenig wie die königliche
Bannleihe, wenigstens auf dem herzoglichen und Markboden
Geltung gehabt. '^ Damit war hier dem Landesfürsten die Mög-
^ Anerkannt in den Privilegien des Bischofs Gebhard von 1111 oder 1112,
Schwind-Dopsch Nr. 3.
* Flaas und Dentschnofen scheinen erst nach 1237 und 1242 als Gerichte
entstanden zu sein, vgl. Acta Tirol. 2, Nr. 864 und Einl. 205.
* Bottea, Cronaca di Folgaria 24. Folgareit und Ledro waren allerdings
nur Niedergerichte. Ledro ist eigener Gerichtssprengel mindestens seit
1608.
* Schröder, Zeitschr. der Savignystiftung für Rechtsgesch., Germ. Abt. 5, 49;
Rechtsgesch. *, 657.
•* Schröder, Zeitschr. der Savignystiftung 5, 49.
* Schröder, Rechtsgesch. *, 572 n. 169. Vgl. über das Dingen bei mark-
gräflichen Hulden Kuhns, Geschichte der Gerichtsverfassung und des
Prozesses in der Mark Brandenburg 45 f.
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17
lichkeit zu tieferen Eingriffen in die Gerichtsverfassung, zu
einer den wachsenden Bedürfiiissen angepaßten Neuordnung
gegeben^ ebenso wie aus denselben Gründen diese süddeutschen
Gebiete rasch zu Territorien im staatsrechtlichen Sinne er-
wuchsen, indem die Territorialherren in Bayern, Salzburg und
Tirol seit dem 13. Jahrhundert die reichsunmittelbaren oder
auch von ihnen lehenbaren Grafschaften in großem Umfange
einzogen.*
In Älterer Zeit war es vor allem die Verleihung der
Immunität von Seite des Königs, durch welche der Verband
der Grafschaft durchbrochen werden konnte. Allerdings die
Immunität hat erst später diesen Inhalt erhalten^ und sie
mußte ihn auch dann keineswegs besitzen. Es hat Fälle genug
gegeben, in denen das immune Gebiet in einem gewissen Zu-
sammenhang mit der Grafschaft geblieben ist.^ DaftLr ist ge-
rade ein Fall aus Südtirol besonders lehrreich. Das Domkapitel
von Verona besaß in Judikarien drei Dörfer, die ihm schon
zu Beginn des 10. Jahrhunderts durch Schenkung zugekommen
waren. Mag auch die Urkunde Kaiser Berengars, welche die
Schenkung bestätigt und Immunität verleiht,^ kaum echt sein,
spätere Diplome haben die Immunität im weitesten Umfange
gewährt. Das Domkapitel hat denn auch dort Richter einge-
setzt, Steuern erhoben, Statuten verkündigt, welche die Be-
straftmg selbst der schwersten Verbrechen regelten. Und so
konnte es im 13. Jahrhundert die Behauptung wagen, daß die
Dörfer nicht zur Grafschaft Trient gehörten. Freilich nicht
ohne Widerspruch von Seite Trients. Die Gerichtsbarkeit des
Kapitels mußte Trient schließlich freilich anerkennen; doch ist
dieses Gericht wieder verschwunden, als das Domkapitel seinen
Besitz in Judikarien gegen Ausgang des 13. Jahrhunderts
verlor.^
^ Biezier, Gesch. Bayerns 2, 13 f.; Richter a. a. O. 618 f.
' Heosler, Der Ursprung der deutschen Stadtverfassung 84 f.
' Seeliger, Die souale und politische Bedeutung der Grundherrschaft;
Abhandl. der phil.-hist. Klasse der kOnigl. sächs. Gesellsch. der Wissen-
schaften 22, 99.
* Schiaparelli, I diplomi di Berengario I, Nr. 118.
' Für das N&here sei sowohl wegen dieser als der folgenden Ausführungen
auf eine Arbeit verwiesen, die Verf. über die Immunitäts- und leibherr-
liche Gerichtsbarkeit in Südtirol vorbereitet.
ArchiT. XCnr. Band. 2
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18
Immerhin konnte die Immonität zu dauernder Ausschei-
dung aus dem Grafschaftsverbande, zur Bildung eigener Ge-
richte führen. Das Bistum Chur behauptete die hohe Gerichts-
barkeit im Mtinstertale^ und lange Zeit auch über einen guten
Teil seiner Gotteshausleute. Auf altes Immunitätsgebiet dürften
wohl auch jene Gerichte zurückgehen, in denen das Hochstift
Brixen die Gerichtsbarkeit behauptete: Stadt- und Hofgericht
Brixen, Lüsen, Salem, Niedervintel, Anras, Tilliach, Thum
an der Gader, Buchenstein und Fassa,* das erweislich aus
einem Brixnerischen Meiergerichte hervorgegangen ist, indem
die Bischöfe, die vorher die Entscheidung der Malefiz- und
wichtigeren Zivilsachen ihrem eigenen oder dem Gerichte von
Kommissären vorbehalten hatten, seit dem 13. Jahrhundert einen
eigenen Richter im Tale setzten. Inwieweit Trienter Gerichte
aus Immunitäten hervorgegangen sind, läßt sich nicht mehr
entscheiden. Es dürfte nändich keinem Zweifel unterliegen, daß
auch Trient so gut wie andere Hochstifl^r seine Immunitäts-
privilegien erhalten hat, die freilich früh zugrunde gegangen
sein müssen. Möglich, daß die Verwendung der Gastalden f&r
Zwecke der Gerichtsverwaltung auf eine ältere Tätigkeit als
Immunitätsrichter zurückgeht. Eine Immunität ist vielleicht
Fleims gewesen, wo der Bischof in der Tat Grundherr war.^
Auch fiir das Salzburger Stiflsland nimmt Richter* die
Entstehung einiger Landgerichte aus altem Immunitätsboden
an, und sicher gilt dies von jenen Landgerichten, die auf den
großen Besitzungen der bayrischen Reichskirchen in Österreicl^
Steiermark, Kärnten und Krain erwachsen sind. Gleichwie
aber diese Kirchen die hohe Gerichtsbarkeit auf ihren Immu-
nitäten vielfach frühzeitig verloren,^ sich nur die niedere be-
wahrten, die hohe erst in der Folge unter Ausnützung gün-
stiger Gelegenheit teilweise zurückerwarben,* so konnte auch
* Egger a. a. O. 423; Weistümer 3, 337.
• Wenn nicht bei einigen dieser Gerichte spätere Exemtion sagansten
der mit diesen Gerichten belehnten Ministerialen für ihre Bargfrieden
Yoriiegt, das Gericht sich also hier anf Grand eines älteren Bargfriedens-
bezirkes entwickelte.
» Vgl. AcU Tirol. 2, EinL 96.
* a. a, O. 617. » Richter a. a. O.
• Wie Passaa 1277, vgl. Redlich, Rudolf von Habsbarg 344; Srbik, Die
Beziehungen von Staat und Kirche in Österreich in Dopsch, Forschun-
gen TOT inneren Geschichte Österreichs 1, 53.
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19
das Stift Innichen in Tirol trotz seiner weitgehenden Privi-
legien^ sich nur im Besitze der niederen Gerichtsbarkeit und
anch dieser nur in beschränktem Gebiete behaupten^ da die
Grafen von Görz als Vögte nicht nur die Hochgerichtsbarkeit
beanspruchten, sondern für einen guten Teil des Immunitäts-
gebietes auch die niedere an sich rissen.*
Gefährlicher noch war fUr den Zusammenhang der Graf-
schaften die Exemtion weltlicher Herren. Denn auf geist-
lichem Immunitätsboden behielt der Graf, wenn er zugleich
Vogt der Barche war, was vielfach zutraf, die Ausübung der
hohen Gerichtsbarkeit in seinen Händen, wenn auch das Immu-
nitätsland dann einen eigenen Gerichtssprengel bildete. Auf
dem Boden der Mark, wo die geistlichen Immunitäten nicht
bedeutend waren, finden wir eine Reihe von Familien im Be-
sitze exemter Gebiete, die Grafen von Peilstein, Hardeck' usw.,
seit Rudolf von Habsburg die hohenzollerischen Burggrafen von
Nürnberg mit ihrem Besitze Seefeld. Auch in Tirol gab es
reichsunmittelbare Gebiete. Die Grafschaft Ulten ging vom
Reich zu Lehen,* und auch die Grafen von Flavon behaup-
teten einen Zusammenhang mit dem Reiche.^ So lange Ver-
änderungen in der Gerichtsverfassung nur durch den deutschen
König geschehen konnten, solange die Blutbannleihe Sache des
deutschen Königs war, war eine Exemtion von der Graf-
schaft nur durch Eingreifen des Königs möglich. Be-
kanntlich hat Kaiser Friedrich I. nach der Deutung Brunners
im Privilegium minus auf die Erteilung von Exemtionen in
Österreich verzichtet. Das Reich hat denn auch hier abgesehen
von den Zeiten der Reichsverwaltung unter Kaiser Friedrich II.
und König Rudolf von Habsburg sich aller Eingriflfe enthalten.
Aber in den anderen Territorien war dies nicht der Fall. Kaiser
Karl rV. und Sigismund haben bekanntlich die Grafschaft
Cilli errichtet,* die wie ein Keil die innerösterreichischen Terri-
' Friedrich I. 1187 April 19, Stumpf 4477.
* Egger, Tirol. Weistümer 4, 660.
^ Lnschin, Gerichtswesen 104; Adler, Zar Rechtsgeschichte des adeligen
Onmdbesitzes in Österreich 161.
* Egger, Mitteil, des Inst, Ergänzangsbd. 4, 426.
» Urk. 1308 Wien St-A.
* Haber, österr. Geschichte 3, 48.
2*
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tonen der Habsburger zu zerspalten drohte. In Tirol danken
die Grafen von Arco^ und Lodron* Privilegien der Kaiser
Sigismund und Friedrich III. ihre Erhebung. Beiden Familien
wurden ihre Grafschaften als Reichslehen verliehen, und von
beiden ist dann in der Folge die Reichsunmittelbarkeit in An-
spruch genommen worden. Beide schieden damit aus der Graf-
schaft Trient aus; die Reichsunmittelbarkeit konnten sie frei-
lich nicht behaupten, indem sie unter tirolische Landeshoheit
gerieten. Auch die Bischöfe von Brixen danken die Erwerbung
des vollen Blutbannes in der Stadt Bruneck erst einem Privileg
Karls IV.»
Indes begannen die Landesfürsten selber Exem-
tionen zu erteilen und sie konnten dies umso eher, seitdem
die Verleihung des Blutbannes auf sie übergegangen war. Daß
die Babenberger seit 1156 eine beträchtliche Anzahl solcher
Freiungen verliehen haben, hat Brunner nachgewiesen.* Den
Gefreiten wurde teils die hohe, teils auch nur die niedere Ge-
richtsbarkeit innerhalb der Freiungen überlassen.
Zweifelhaft bleibt es, wie weit in unserem Rechtsgebiete
die Gerichtsbarkeit des Leib- und Gutsherrn über
seine unfreien Untertanen und über seinen Grund-
besitz im 12. und 13. Jahrhundert noch anerkannt war.^ In
der Mark Österreich ist dies sicher noch in weitem Maße der
Fall gewesen. Hier im Kolonialland war ja die Besiedelung im
wesentlichen auf geschlossenem Großgrundbesitz erfolgt. Da
mag sich die Hofverfassung mit ihrer hofrechtlichen Gerichts-
barkeit fester und lebendiger erhalten haben, als auf alt-
bayrischem Boden und namentlich in den Bergen mit ihrer
teilweise freien Bauembevölkerung und ihrem zersplitterten
^ Pranzelores, Tridentum 3, 401; Bidermann, Die Italiener im tirol. Pro-
vinzialverbande 99.
* Bidermann 115. Diplom von 1452 April 6, Reichsreg. K. Friedrichs III.
F., f. 40; Chmel, Regesten Friedrichs III., Nr. 2821.
' Sinnacher, Beiträge zur Geschichte der Kirche, Sähen and Brixen 5,
461; Huber, Regesten Karls IV., Nr. 4991.
* Sitznngsber. der Wiener Akad. 47, 345 f. Über landesfiirstliche Exem-
tionen in Steiermark Krones, Verfassung und Verwaltung der Mark und
des Herzogtums Steier 127 f.
^ Für die ältere Zeit vgl. Brunner, Rechtsgeschichte 2, 283; Schröder ^,
179, 605.
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21
Grundbesitz.* Im Herzogtum Bayern wird sie den Ständen
durch das bekannte Privileg des Herzogs Otto von 1311 ein-
geräumt. Doch bleibt es streitig, ob dieses Privileg den Grund-
herren neue Rechte zuerteilte, oder ob es nicht bloß längst
bestehendes anerkannte.* Gewöhnlich entscheidet man sich,
insofern die weltlichen Grundherren in Betracht kommen, für
das erste und erblickt in dem Privileg ein verhängnisvolles
Zugeständnis an die wachsende Macht der Stände. Auch für
Tirol ist die Frage nicht geklärt. Im allgemeinen haben hier
die Landgerichte neben der hohen auch die niedere Gerichts-
barkeit behauptet, ein Beweis dafür, daß nur ein Bruchteil der
Bevölkerung der grundherrlichen Gerichtsbarkeit unterstand.
Allgemein kam diese dem Adel hier keineswegs zu. Marga-
rete Maultasch fand es für nötig, einem ihrer Adeligen, dem
Hans von Starkenberg, durch besonderes Privileg die niedere
Gerichtsbarkeit über seine Eigenleute in den Gerichten Peters-
berg, Imst und Landeck einzuräumen.' Es wird wohl kein ein-
heitlicher Rechtszustand geherrscht haben, die alten Geschlechter
wie die Matscher haben diese Gerichtsbarkeit behauptet,* die jun-
gem, selber aus der Unfreiheit emporgestiegen, ihrer gedarbt. Für
Stidtirol liegen die Dinge klarer. Eine Reihe von Zeugnissen
läßt keinen Zweifel übrig, daß den Ritterlichen die Gerichts-
barkeit über ihre Eigenleute zustand.* Allerdings in der Regel
nur die niedere. So übten also einige Grund- und Leibherren
die Gerichtsbarkeit noch aus eigenem grund- und leibherrlichen
Rechte, andere aber infolge einer Vergünstigung des Königs
oder des Landesherm, infolge einer Exemtion. Für den Fort-
gang war dies gleichgiltig. Denn immerhin konnte auch die
grund- und leibherrliche Gerichtsbarkeit den Anknüpfungs-
* Vgl. Dopsch, Die landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oborösterreichs
132; Laschin, Gerichtswesen 105.
* Rosen thal 190; Wirschinger, Darstellung der Patrimonialgerichtsbarkeit
in Bayern 90 f.; vgl. auch Riezler, Gesch. Bayerns 2, 176 f.
* 1363 Jänner 19, Huber, Vereinigung Tirols mit Österreich 217, Nr. 278.
* Ladurner, Zeitschr. des Ferdinandeuras III, 17, 227.
^ Weistum der Herren des Lagertales auf Befragen Bzzelins da Romano,
1268 Wien St.-A.: quod comitatus et iurisdicio tota de valle Lagarina
est episcopatas Tridenti, set quantum est in iure civili, milites faciunt
rationem de maanata sua et de suis servis glebe. Näheres und weitere
Belege im angekündigten Aufsatze.
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22
paukt, die territomle Cnteriage bieten, in der die Landge-
riehtdbarkeit erworben wnrde.
Wo die Immunitäten, Exemtionen und Eigenguter des
Gnmdherm kompakte, zusammenhängende Massen bildeten,
da bestanden ohneweiters damit auch Bezirke, die entweder
Landgerichte schon darstellten, oder doch durch Erwerbung
der hohen Gerichtsbarkeit zu Landgerichten ausgestaltet wer-
den konnten. Anders wo, wie in Tirol, Streubesitz vorherrschte,
wo es schon sehr früh zu einer weitgehenden Zersplitterung
des Grundbesitzes gekommen war. Die grund- und leibherr-
liche Gerichtsbarkeit ergriff nämlich wie gesagt nicht nur die
Eigengüter, sondern auch die Eigenleute, mochten diese auch
auf fremden Gütern sitzen, sie bedeutete nicht nur eine reale,
sondern auch eine personale Exemtion aus der niederen Ge-
richtsbarkeit des Landgerichtes. Wo nun die Güter zerstreut
unter den Besitzungen anderer Herren lagen, wo die unfreien
im weiten Umkreise neben den Untertanen anderer Herren
saßen, mußte sich ein unerträgliches Durcheinander der Kom-
petenzen ergeben, das um so fühlbarer wurde, als die Bevöl-
kerung wuchs, damit sich enger berührte und durch die wach-
sende Kultur genähert wurde. Begreiflich daher, daß die In-
haber der öffentlichen Gerichtsbarkeit, die Landesherren vor
allem auf Beseitigung dieser Zersplitterung oder wenigstens
auf räumliche Abgrenzung der Kompetenzen drängten. Derselbe
Trieb, der zum Kampf der Territorialherren gegen die reichs-
unmittelbaren Exemtionen führte, ein Kampf, den in Oster-
reich bekanntlich Herzog Rudolf IV. eröffnete und zum Teile
wenigstens mit Glück durchgeführt hat, den die Habsburger
in der Folge auch gegen die Immunitäten der Reichskirchen
siegreich durchkämpften,^ kehrte sich auch innerhalb der Land-
gerichte, ja innerhalb der Niedergerichte, wo solche gesondert
bestanden, gegen die Exemtionen und gegen die grund- und
leibherrliche Gerichtsbarkeit. Frühzeitig schon wurde sie nur
innerhalb geschlossener Hofmarken anerkannt, nicht aber für
Besitzungen, die außerhalb dieses Umkreises lagen. Dem Klo-
ster Stams war die niedere Gerichtsbarkeit über alle Eigen-
leute und Güter von dem Stifter und seinen nächsten Nach-
folgern zuerkannt worden,' später sehen wir sie auf die Hof-
' Srbik 51 f. « Hormayr, Geschichte Tirols 1\ 486.
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23
mark beschränkt. Das Kloster St. Michel an der Etsch gewann
und behauptete die niedere Gerichtsbarkeit nicht auf seinen
zerstreuten Besitzungen^ sondern nur in dem einen größeren
znsammeuhängenden Bezirk bildenden Fennberg.* Das Dom-
kapitel von Trient erlangte vom kaiserlichen Podestk Sodegher
die Anerkennung seiner grundherrlichen Gerichtsbarkeit auf
allen Besitzungen außer in Judikarien.* Später ist die Gerichts-
barkeit des Kapitels auf Sover, Sevignano und Montagnaga be-
schränkt.
Den weltHchen Herren gegenüber hatte der Territorial-
oder Gerichtßberr freilich einen schwereren Stand. Das Privileg
Herzogs Otto hat die grundherrliche Gerichtsbarkeit auch nur
innerhalb geschlossener Hofmarken anerkannt. Erst viel später,
im 16. Jahrhundert haben die Stände die Ausdehnung ihrer
Gerichtsbarkeit über die Hofinarken hinaus erlangt.^ In Nieder-
österreich ist gewöhnlich in jedem Dorfe nur Ein Grundherr
in den Besitz der niederen Gerichtsbarkeit gekommen,* die
übrigen behaupteten sie nur innerhalb der Dachtraufe ihrer
Häuser, es ist also da ein Ausgleich unter den Grundherren
erfolgt. Jedoch nicht immer. Viel zäher als die niedere Ge-
richtsbarkeit wurde die hohe über zerstreute Untertanen und
Häuser behauptet. So gab es in Österreich exemte Eriminal-
gerichte mit einer Gerichtsbarkeit über die in verschiedenen
Landgerichten und Pfarren zerstreuten Häuser des Gerichts-
herm.* Ganz dasselbe finden wir auch in Südtirol. Der Landes-
herr von Tirol übte als Inhaber des kleinen Gerichtes Castello
die hohe Gerichtsbarkeit in einer beträchtlichen Zahl von
Häusern, die in den einzelnen Dörfern des bischöflichen Ge-
richtes Fleims zerstreut lagen und den Fleimsem als Asyl
dienten.® Die Herren von Spaur besassen als Herren des Ge-
^ Der darch Eigenleute des Klosters gerodet wurde. Fennberg erhielt das
Stift nicht von den Grafen von Eppan, wie Egger a. a. O. 420 meint,
sondern vom Bischof von Trient; Bonelli, Notizie intomo al beato Adel-
prete 2, 392.
* 1254 April 20, Innsbruck St.-A., Trient C. 69, Nr. 42.
' Rosentbal 189, 193.
* Lnschin, Gerichtswesen 159 f.
* a. a. O. 118.
* um 1536. Gutachten über einen Austausch von Castello gegen Truden.
Innsbruck St.-A., Trient C. 12, Nr. 80.
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24
richtes Altspaur die Gerichtsbarkeit über vier Hänser in dem
zur Prätnr Trient gehörigen Mezzolombardo. Diese Hänser
wnrden in charakteristischer Weise als die Grafschaft la contk
bezeichnet.^ Ahnliche Verhältnisse bestanden zwischen Flavon
und Castelfondo einer- und dem bischöflichen Nonsberg an-
dererseits, zwischen Nomi und Castelnuovo usw. Auf verschie-
dene Weise sind diese zerrissenen Gerichtsbarkeiten entstanden.
Durch Verleihung der hohen Gerichtsbarkeit an Grundherrn,
welche die niedere bereits besaßen, wie in Niederösterreich,
durch Usurpation, wie vielfach in Südtirol, durch Bildung zer-
splitterter Burgfrieden, wie jene Höfe in Mezzolombardo, die
einst mit dem Schlosse San Pietro einen eigenen Burgfrieden
und ein eigenes Hochgericht gebildet hatten,* endlich durch
Vertrag. So haben die Herren von Castelbarco, als sie ihre
Gerichte im Lagertale teilten, sich gegenseitig die Gerichts-
barkeit über einzelne Eigenleute und Häuser im Anteile der
andern vorbehalten.*
Solche Verhältnisse mußten den Keim fortdauernder
Streitigkeiten in sich bergen. Es ist daher an anderen Orten zu
einem Ausgleich, zu einer Konsolidation gekommen. Die Herren
von Arco besaßen eine große Zahl von Eigenleuten und Höfen,
die in ganz Judikarien zerstreut lagen. Über diese übten sie
die Gerichtsbarkeit, während sie trotz aller Usurpationen bis
ins 14. Jahrhundert in einem geschlossenen Bezirke eine solche
nicht erwarben. Noch im Jahre 1B15 ist dieser Zustand aner-
kannt.* Doch schon zwei Jahre später wurde diesem unleid-
lichen Verhältnisse ein Ende gemacht durch einen Vergleich, nach
welchem die Arco auf die Gerichtsbarkeit über ihre Eigen-
leute verzichteten, dafUr aber als bischöfliche Vikare die Zivil-
und Kriminalgerichtsbarkeit, anfangs noch mit gewissen Be-
schränkungen, in der Pfarre Arco eingeräumt erhielten.^ Was
hier nur für eine Anzahl von Jahren festgestellt wurde, ist
dann dauernd Rechtens geworden trotz aller Versuche der
Arco, den ftlr sie günstigem früheren Zustand wieder herzu-
stellen. So war hier an Stelle einer auf privatrechtlichem
* 1617 Mai 22 Zeugenaussagen, Innsbruck St.-A., Trient C. 86, Nr. 7.
* Reich, Archivio Trentino 12, 264; Ders., I castelli di Sporo e Beifort 38.
8 1868 Dezember 2, 1436 August 13. Innsbruck St.-A., C. 32, Nr. 41.
* 1316 April 16, Wien St-A.
5 1317 März 10; Postinger, Atti delP Accademia dei Lincei III, 7, 173 f.
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25
Titel berahenden Gerichtsbarkeit über zerstreute
Eigenleute und Gtlter der Erwerb der öffentlichen
Gerichtsbarkeit innerhalb eines geschlossenen Bezir-
kes getreten, es war ein neues Landgericht entstanden.
Ganz ähnlich war die Entwicklung bei den Herren von
Matech, denen eben&Us die niedere Gerichtsbarkeit über ihre
Eigenleute im Vintschgau zustand,* bis ihnen 1498 der Blut-
bann, aber nur im Matscher Tale selber und in ihren Gerichten,
Dörfern und Grebieten von König Maximilian I. verliehen wurde.*
Lamprecht hat ähnliche Fälle aus der Rheingegend angeführt,'
und so läßt sich vermuten, daß diese Vorgänge nicht verein-
zelt geblieben sind, daß häufiger, als die Quellen erkennen
lassen, Landgerichte entstanden sind, um eine zersplitterte Ge-
richtsbarkeit zu beseitigen.
Sowohl in diesem Falle, als in dem der Exemtionen ge-
langt die öffentliche Gerichtsbarkeit in private Hände, ent-
stehen patrimoniale Landgerichte, Patrimonialgerichte in dem
Sinne, in dem das Wort in der österreichischen Rechtssprache
gebraucht wurde.* Zur Ausbildung der Landgerichte in
den landesfürstlichen Grafschaften gab den wichtig-
sten Anstoß wohl die Burgenverfassung. Es ist schon
wiederholt auf die Bedeutung der Burgen für das politische
Leben nnd ihren Zusammenhang mit den Verwaltungssprengeln
und Landgerichten des spätem Mittelalters hingewiesen worden.^
Unzweifelhaft ist, als sich die Notwendigkeit ergab, für die
wachsende Bevölkerung die Zahl der Gerichte zu vermehren,
die allzngroßen Sprengel zu teilen, oft genug der Burgfrieden
znm Landgericht geworden.
' Ladamer, Zeitschr. des Ferdinandeums III, 17, 203.
* Ladurner, Zeitschr. des Ferdinandeums III, 18, 143. Archivberichte aus
Tirol 2, Nr. 940.
« Deutsches Wirtschaftsleben 1, II, 1201 f.
* Während man sonst unter Patrimonialgericht das grundherrliche Gericht
versteht, bedeutet es in Österreich jedes hohe oder niedere Gericht,
das sich zu dauerndem Rechte in den Händen eines Privaten befand.
Aber auch in der Mark Brandenburg sprach man von patrimonialen
Landgerichten, vgl. Kuhns, Geschichte der Gerichtsverfassung Branden-
burgs 2, 124 f. Vgl. übrigens auch Schröder, Bechtsgesch. ^ 604.
* Schröder, Bechtsgesch. *, 608; v. Below, GOttinger gelehrte Anzeigen
1890, 313 und anderwärts.
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26
Im bayrisch-österreichischen Rechtsgebiete dan-
ken, von einigen Burgen in Tirol, die auf römische Kastelle
zurückgehen, abgesehen, die Burgen geradeso wie in Sachsen
den Ungarneinfällen ihre Entstehung. Denn nach der
großen Schlacht in der Ostmark im Jahre 907 lag auch Bayern
schutzlos den magyarischen Plünderern oflfen.^ Schon acht
Jahre vorher, im Jahre 899, waren die Ungarn in Italien ein-
gebrochen, hatten dem König Berengar an der Brenta eine ver-
nichtende Niederlage beigebracht und das flache Land bis auf
die ummauerten Städte verwüstet.* Wie in Italien der Burgen-
bau, dem in den Küstenländern schon die SarazeneneinfUlle
einen kräftigen Anstoß gegeben hatten, in den folgenden Jahren
mit erneutem Eifer in Angriflf genommen wurde,' so entstanden
damals auch in Bayern die ersten Burgen. König Ludwig IV.
verlieh dem Kloster St. Florian 900 die Ennsburg, die nach
dem ersten Einbruch der Ungarn zum Schutze der Grenze
erbaut worden war, und gestattete nach der großen Ungam-
schlacht dem Bistum Eichstädt im Jahre 908, auf seinen Be-
sitzungen Burgen zum Schutze gegen die pagani anzulegen.*
Es wird nur dem zufälligen Mangel an Urkunden zuzuschrei-
ben sein, wenn nicht mehrere ähnliche Fälle bekannt sind.
Daß in den Marken nach ihrer Wiedergewinnung eine Reihe
von Burgen zu Zwecken der Grenzverteidigung entstand, be-
' Riezier, Geschichte Bayerns 1, 257; Dfimmler, Geschichte des ostfräuki-
sehen Reiches 3', 547 f., nachdem die Ungarn bereits 900 über die
Grenze gefallen und 906 in Sachsen eingedrungen waren, a. a. O. 515
und 546.
" DUmmler a. a. O. 507.
• Davidsohn, Geschichte von Florenz 1, 304. Das Recht, Burgen zubauen,
wird durch Berengar verliehen an Reggio, Schiaparelli Nr. 76 (911), 76
für Leo und Genossen (911), Padua 82 (912), Pavia 84 (912), in beiden
letzten Urkunden mit besonderer Bezugnahme auf die Ungarn usw.;
gebaute bestätigt für Modena Seh. 46 (904), usw.
* Böhmer-Mühlbacher Nr. 1942 und 1992. Daß unter den pagani die Un-
garn und nicht etwa Slawen zu verstehen seien, ergeben die ganz glei-
chen Wendungen der Urkunden Berengars und folget schon aus der
Sachlage, da Bayern damals nicht durch Slawen, sondern nur durch die
Magyaren verwüstet wurde. Über den Burgenbau in der Rheingegend,
dem in analoger Weise die NormanneneinfäUe neuen Anstoß gaben, vgl.
Lamprecht, Wirtschaftsleben 1, II, 1306 f. Im allgemeinen auch Hegel,
Die Entstehung des deutschen Städtewesens 27 f. ; Keutgen, Untersuchun-
gen über den Ursprung der deutschen Stadtverfassung 42 f.
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27
darf keines weiteren Wortes. Aber auch im altbayrischen Ge-
biete haben die zahlreichen Kriege and Fehden^ insbesonders
die stürmischen Zeiten des Investiturstreites zum Baue neuer
Bargen gefuhrt. Auf den Burgen und ummauerten Städten
beruhte ja zum größten Teile die Landesverteidigung, die mili-
tärische Stellung des Landes wie der einzelnen Dynasten. Der
Barghauptmann oder wer sonst mit dem Kommando in der
Burg betraut war, nahm daher eine wichtige militärische
Stellung ein.
Begreiflich, daß die Burgen wegen der Sicherheit, die sie
boten, bald auch zu Mittelpunkten der Verwaltung erkoren
wurden. Hier wußte man das Einkommen des Burgherrn, die
Abgaben und Steuern der zins- und steuerpflichtigen Unter-
tanen am ehesten in Sicherheit.
Die Burgen sind nun aber in unseren Gegenden^ in
engste Verbindung mit den Landgerichten getreten,
derart, daß das Landgericht in der Folge dann geradezu wie
ein Zubehör zur Burg erscheint. Der Burghauptmann, Burg-
graf oder wie der Kommandant der Burg sonst heißt, wird
häufig genug mit der Ausübung der hohen Gerichtsbarkeit in
dem zur Burg gehörigen Landgerichtssprengel betraut. Aller-
dings erscheint in vielen Gerichten Bayerns neben dem Pfleger,
der dann auf die Verwaltung beschränkt ist, ein eigener Land-
richter betraut mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit.* Doch
ißt dies sicher erst spätere Bildung. Auch darüber geben die
Südtiroler Verhältnisse Auskunft. Zuerst erscheint hier der
capitaneus der Burg oder, wie er bis in die erste Hälfte des
13. Jahrhunderts auch heißt, der Gastalde als Landrichter.
^ Aach sonst in Deutschland. An anderen Orten bildete die Burg den
Mittelpunkt des Amtes, das ist des Verwaltungsspreugels; das Amt um-
faßte aber häufig mehrere Gerichte, vgl. y. Below, Territorium und Stadt
285. In Österreich fallen die Officia mit den Gerichten nicht zusammen;
Dopsch, Urbare, Einl. 83. Dagegen wo Burgen bestanden, war vielfach
der Burgwart auch Richter, vgl. Dopsch a. a. O. 167.
' Bosenthal 54; Riezler, Geschichte Bayerns 1, 752, knüpft den iudex des
12. Jahrhunderts an den Schuldheißen ; 2, 528, den Pfleger an den Vogt.
Der brandenburg^sche Vogt, der seit dem 13. Jahrhundert in der Mark
Brandenburg Landrichter ist, vgl. Kuhns, Gerichtsverfassung der Mark
Brandenburg 134 f., ist wohl auch nichts anderes als markgräflicher
Barghauptmann gewesen, jedenfalls hat er milit&risohe Gewalt, und
häufig ist eine Burg oder Stadt Mittelpunkt des Vogteibezirkes.
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28
Später tritt an seine Seite ein Vikar, der vom Hauptmann
eingesetzt, in der Folge auch von der Gerichtsgemeinde gewählt
wird. Dem Hauptmann bleibt entweder die Kriminalgerichts-
barkeit, wie in Judikarien, oder er wird Richter in zweiter
Instanz, wie in Fleims oder Tenno, oder er verliert die Ge-
richtsbarkeit ganz und wird auf die Verwaltung beschränkt.
In Deutschtirol waren wenigstens noch im 13. und der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts in den meisten Gerichten Gerichts-
barkeit und Verwaltung in denselben Händen vereinigt. Und
ganz ähnlich ist sicher die Entwicklung in Bayern gewesen.
Der Landrichter fungiert wo er besteht, und er besteht nicht
in allen Gerichten, als Stellvertreter des Pflegers, wird in der
Regel vom Pfleger eingesetzt, dem die Kriminalgerichtsbarkeit
kaum jemals ganz entzogen ist. Denn nur so erklärt sich die
Opposition des bayrischen Adels gegen die Übernahme des
Pflegeramtes, weil ihm die Ausübung der Malefizgerichtsbar-
keit als etwas Entehrendes erscheint.^
An sich steht nun allerdings die Burg in keinem Zu-
sammenhang mit der Gerichtsbarkeit. Dingstätte ist die Burg
in älterer Zeit nicht gewesen. Vielmehr besitzen die Gerichte
ihre von alters hergebrachten Malstätten oder Schrannen, in
Bayern, wo die Landgerichte umfaugreich geblieben sind, in
der Regel ihrer mehrere, in Tirol und Osterreich meist wohl
nur eine. Die richterliche Tätigkeit des Burgvogtes konnte
auch kaum an seine Verwaltungstätigkeit anschließen, denn
als Verwaltungsbeamten unterstehen ihm nur die landesfürst-
lichen Eigenleute und Besitzungen. Über diese übte er wohl
die grundherrliche Gerichtsgewalt namens seines Herrn, keines-
falls aber über die Hörigen eines andern Grunherm oder gar
die freien Bauern. Deshalb sind dort, wo eigene Amtleute mit
der Verwaltung der landesfiirstlichen Domänen betraut waren,
wie in Österreich, auch nicht diese Amtsleute zu Landrichtern
und ihre Amtsbezirke (officia) zu Landgerichten geworden, es
sei denn, daß die landesfürstlichen Besitzungen den ganzen
Gerichtsbezirk einnahmen und daß alle Einwohner des Bezirkes
der Gerichtsgewalt des Amtmannes als Immunitäts- oder grund-
herrlichen Richters unterstanden. Die richterliche Tätigkeit des
* Rosenthal 66. Über den Pfleger von Werfen M. Majr, Veste Hohen-
werfen 42.
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29
Burgvogte« hat vielmehr an seine militärische Stellung ange-
knüpft. Schon die Barggrafen in den rheinischen Bischofstädten
vereinigten militärisches Kommando mit der richterlichen^ gräf-
lichen Tätigkeit. Weil die Stadt einen eigenen militärischen
Bezirk bildete^ nicht dem Konmiando des Gaugrafen unter-
stand, schied sie auch in gerichtlicher Beziehung aus der Graf-
schaft aus.^ Denn die Bürger sind in erster Linie zur Ver-
teidigung ihrer Stadt verpflichtet und jede Stadt ist eine Burg.^
Auch auf dem flachen Lande bilden sich um die Burg Be-
zirke, über die der Burggraf ein besonderes militärisches
Kommando^ den Burgbann, übt.
Die Bauern sind bekanntlich aus den mittelalterlichen
Ritterheeren verdrängt worden. Aber zur Landesverteidigung
blieben sie verpflichtet, mochten sie frei oder unfrei sein. Sie
blieben verpflichtet zur Leistung öffentlicher Fronden bei An-
lage von Befestigungen, zu Burgwerk.* Sie hatten das Bau-
material zu liefern, Hand- und Spanndienste zum Bau oder zur
Erhaltung von Festungen zu leisten, sie hatten wohl auch die
Besatzung zu beköstigen und mußten die nötigen Wachen auf
der Burg, die waitas und scarawaitas, wie unsere Urkunden
sich ausdrücken, leisten.* Wenn die Burgen in Kriegszeiten
dem Bauern und seiner Habe Zuflucht gewährten, so schien
es gerecht, daß die Bauern für ihre Anlage, Erhaltung und
Bewachung Sorge trugen. So manches stolze Schloß war ur-
sprünglich Eigenttun einer bäuerlichen Gemeinde, ist von der
Baaemgemeinde in eigenem Interesse erbaut worden, und nur
das Kommando in der Burg kam dann einem Ritterlichen zu.
Noch zu Ende des 12. Jahrhunderts gilt das Schloß zu Arco
^8 Eigentum der Gemeinde Arco. Den Herren von Arco kam
nur der Burgbann zu.^ Der Bau einer Burg wird unter an-
derem den Leuten von Riva,*^ von Tisens,^ von Tramin® ge-
^ Hensler, Ursprang der deutschen Stadtyerfassung 52 f., 60; Waitz,
Deatsche Verfaasuiigi^^eschichte 7, 41 f., 53 f.
' Keatgen, Untersachungen über den Ursprung der deutschen Stadtyer-
fassung 52 f. ; Sohm, Entstehung des deutschen Städtewesens 40.
' Schröder, Bechtsgeschichte ^ 197, 592.
* Kink, Fontes II, 5, Nr. 62, 67, 99 usw.
^ Kink, Fontes II, 5, Nr. 59.
* Bonelli 2, 382. Der Bischof behält sich dabei einen Pallas (domus) im
Schlosse und den honor (Burgbann) vor.
' Kink a. a. O. Nr. 56 (1194). « a. a. O. Nr. 126.
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30
stattet und die Gemeinde Povo wird mit dem gleichnamigen
Schlosse belehnt, das der Bischof eingezogen hatte.* Noch da-
mals wird den Bauern, wenn einem Herrn Erlaubnis erteilt
wird, ein Schloß zu bauen, die Möglichkeit gewahrt, im Um-
kreise der Burg auch Zufluchtsorte für sich anzulegen.* Frei-
lich kommen die Schlösser mehr und mehr als Lehen in die
Hände des Adels' und die Rechte der bäuerlichen Gremeinden
geraten in Vergessenheit. Aber ihre Pflichten bleiben. Häufig
wird nun einzelnen Herren, wenn ihnen Erlaubnis erteilt wird,
ein Schloß zu bauen — und der Bau der Schlösser ist seit dem
12. Jahrhundert* an die Zustimmung des Territorialherm ge-
knüpft — oder bei Verleihung der Burghut zugleich die Er-
mächtigung gegeben, die Bauern eines gewissen Bezirkes um
die Burg herum zur Leistung von waitas und scarawaitas in
der Burg zu nötigen. So wird bei Übertragung der Burghut
des Schlosses Belvedere angeordnet, daß die homines illius
terre debent facere custodiam et publicum castri* und ähnliches
wird in gleichem Falle häufig wiederholt.^ Manchmal wird
auch die Baupflicht erwähnt. So wird bestimmt, daß die Leute
des Lagertales, Freie und Knechte, als Entgeld für die Hütten,
die sie im Schlosse Pratalia besitzen, das Schloß bauen und
einen Maurer anstellen müssen.' Zu vielen Burgen gehören
ganz wie in Sachsen die Burgwardeien, so auch hier und
sicher auch in Österreich,® bestimmt abgegrenzte Be-
zirke, deren Bauern in bestimmten Verpflichtungen zur Burg
stehen. Diese Bezirke sind verschieden groß, umfassen bald
eine ganze Pfarre oder ein oder mehrere Dörfer oder auch
nur einige Höfe. Der Bezirk braucht nicht um die Burg herum
zu liegen, in Südtirol wenigstens ist ein Fall bekannt, daß die
» a. a. O. Nr. 83 (1210).
• a. a. O. Nr. 13 (1172).
' So das Schloß Brentonico. Zeugenaussage um 1218. Wien St.-A.
• Kink a. a. O. Nr. 21 (1185). Rechtsspruch, wonach es niemandem erlaubt
ist, in der Grafschaft, die der Bischof selber oder mit einem andern
gemeinsam besitzt, ohne dessen Zustimmung ein Schloß zu bauen.
» Kink a. a. O. Nr. 6 (1161).
• z. B. Kink a. a. O. Nr. 7 (1161) für Schloß Madruzz; Nr. 69 (1201) fttr
Enn; Nr. 83 für Povo.
' Kink a. a. O. Nr. 134.
® Adler, Zur Rechtsgeschichte des adeligen Grundbesitzes in Österreich
123 f.
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31
Pflichtigen Dörfer stundenweit von der berechtigten Burg ent-
fernt lagen.^ Diese Bezirke kann man wohl, ein später auf-
tauchendes Wort gebrauchend, als Burgwardeien oder Burg-
frieden benennen.
Der Burgvogt übt den Burgbann über die Be-
wohner des Burgfriedens, er kann sie zu Burgwerk und
Wachten bannen.* Unsere Urkunden sprechen von honor, hono-
rantia, iurisdictio und districtus des Burgherren oder seines
Vogtes.* Qetibt wird dieser Bann in den regulae de castris, in
den Versammlungen jener Leute, die zum Burgfrieden gehören.
Das Recht, in diesen regulae zu gebieten, gilt als bischöfliches
Lehen, denn es ist öffentlichen, nicht privatrechtlichen Ur-
sprungs.*
Nun deckt sich häufig genug der Burgfrieden mit
dem Landgericht; die Bewohner des ganzen Landgerichtes
sind dann zu Burgwerk und Wachdienst verpflichtet. Vielfach
haben sich solche Verhältnisse noch recht spät erhalten. Aus
Südtirol mögen beispielsweise Levico,^ Tenno,® die vier Vika-
^ Die Gemeinden des spSteren Gerichtes Beifort: Andalo und Mol veno
wiren der Barg Visione verpflichtet. Äusserer, Der Adel des Nonsbergs
150 f.; Reich, I castelli di Sporo e Beifort 105; ob freilich ursprünglich?
oder was wahrscheinlicher ist, durch spätere Verknüpfung, als der Haupt-
mann von Visione Gerichtsinhaber in Andalo war, a. a. O. 150.
* Schröder, Rechtsgeschichte *, 619. Rodenberg, Mitteil, des Inst. 17, 164 f.
Über die ähnlichen Einrichtungen in der Mark Brandenburg Kuhns 1,
93 f.; Keutgen a. a. O. 51 f. Vgl. Adler 125; Ernst Mayer, Deutsche
und französische Verfassungsgeschichte 1, 67 f.
» Kink, Fontes H, 5, Nr. 26 (1187), Nr. 69 (1203), Nr. 99 (1211), Nr. 110
(1212) usw., Nr. 7 (1161) für die Herren von Madrutz: ut ipsi per re-
gulam constringerent rusticos ad publicandum castrum illud et ad custo-
dias faciendas, id est illos rusticos, qui incastellabunt in illo Castro.
* Rechtsspruch der Trienter Lehenskurie 1222; Durig, Mitteil, des Inst,
f. 98terr. Geschichtaf., Ergänzungsbd. 4, 439.
' Um 1480, Beweisartikel des Johannes Pemauer, Hauptmanns von Selva
gegen die Leute von Levico, Innsbruck St.-A., C. 14, Nr. 49; 1495 Juni 2,
Vergleich zwiBchen Bischof Ulrich von Liechtenstein und Eonrad Kon-
zin, Hauptmann von Selva, mit der (Gemeinde Levico, a. a. O. C. 14,
Nr. 60 usw.
* 1405 März 26, Privileg des Bischofs Georg für Tenno, die Leute von
Tenno sind verpflichtet: facere solvere et subire ac contribuere ad
omnia honera . . . occasione et pretextn custodiarum reparacionis seu
constructionis murorum castrorum et fortiliciarum dicti comunis Tenni,
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32
riate/ Castelfondo,* Pergine,* aus Deutschtirol Karneid, Eren-
berg* angeführt werden, aus Salzburg Werfen.^ Neue Sied-
lungen werden bestehenden Burgfrieden zugewiesen, wie die
Leute, die in Eichholz angesiedelt werden, die in gleicher Weise
dem Schlosse Kronmetz dienen sollen, wie die Bauern von
Metz.® Und ganz das gleiche gilt fllr manche niederösterreichi-
sche öerichtsbezirke.'' Nach allem, was wir über die Entste-
hungszeit dieser Landgerichte wissen, ist die Burg älter als
das Gericht. Es kann daher in der Regel wenigstens
nicht ein Gericht zum Burgfrieden umgeschaffen, son-
dern es muß der Burgfriede zum Gericht geworden
sein. Man hat, als sich die Notwendigkeit ergab, die Zahl der
Landgerichte zu vermehren, auf die Bezirke gegriffen, welche
durch die Burgenverfassung entstanden waren, und hat dem
Burghauptmann die Ausübung der Gerichtsbarkeit innerhalb
des Burgfriedens übertragen. Und was lag näher als dies,
nachdem er ja schon mit dem Burgbann eine öffentlich recht-
liche Gewalt über die Inwohner des Bannbezirkes ausübte und
als Verwaltungsbeamter das landesfürstliche Gut, dessen Er-
trägnis seit dem 12. Jahrhundert zumeist in Güten bestand,
verwaltete. Da war es doch natürlich, ihm auch Gerichtsbar-
keit und Eintreibung der Steuern zu übertragen, die ja zu-
sammen mit den Gerichtsbußen einen sehr wesentlichen Teil
des landesfürstlichen Einkommens ausmachten.
a. a. O. C. 7, Nr. 43; 1507 Oktober 11, Bericht der Gemeinde über aus-
geführte Bauten am Schloß, a. a. O. C. 7, Nr. 55; 1537 März 7, Wels-
tum über diese Baupflicht, a. a. O. C. 7, Nr. 93.
* Bericht über die vier Vikariate und die Leistungen ihrer Einwohner,
von denen gesagt wird, daß sie: fanno gfuardie et factione al castello,
a. a. O. C. 33, Nr. 7; aus älterer Zeit um 1218 Zeugenaussage, Wien
St.-A.
* Inama, Archivio Trentino 15, 172.
' 1428 Jänner 2, Entscheidung des Gionne da Chinichspergo, Burggrafen
von Tirol und Hauptmanns von Pergine in dem Streite des borgo gia-
cente sotto il castello und den sieben castaldie de fuoravia um die
Dienste für das Schloß Pergine.
* Welstümer 4, 333; Ladurner, Zeitschr. des Ferdinandeums m, 15, 62,
(1416).
^ M. Mayr, Hohenwerfen 41.
^ 1327 November 29 und Dezember 3; vgl. oben.
' Dopsch, Urbare, Einl. 167; Adler 145 f.
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33
Als Landricliter erhielt der Burghauptmann Ge-
richtsbarkeit in gleichem Umfange^ wie ihm der Burg-
bann zustand. T^er Ritterdienst leistete, war von der Ver-
pflichtung zn Burgbau und Scharwerk befreit, die nur auf
den Bauern und Bürgern lasteten.^ Wer daher in den ritter-
Kchen Stand aufgenommen wurde, dem wurden diese Leistun-
gen erlassen.' Meistens war damit die Vergtinstigung verknüpft,
nur vor dem Bischof oder seinem Vizedom, nicht aber vor
dem Gastalden oder dem Meier zu Rechte stehen zu müssen.
Denn der Liandrichter hatte nur Gerichtsgewalt über die
Bauern, der Adel wahrte seinen Gerichtsstand im alten Grafen-
gerichte. In Niederösterreich, dessen Zustände fUrs 13. Jahr-
hundert durch die Aufzeichnungen des Landrechts am klarsten
vorliegen, ist bekanntlich das Landtaiding als Nachkomme der
alten Grafschaftsgerichte allein kompetent für den freien Adel
und die Ministerialen, die sich den Gerichtsstand der Freien
errungen hatten, ja auch schon in Fällen der hohen Gerichts-
bcu'keit ftlr einfache Ritter.* Die Bauern unterstehen dem so-
genannten niedem Landgericht, das zugleich Niedergericht für
die Ritter ist. Und nicht anders in Trient. Die Vasallenkurie
ist im 13. Jahrhundert Hochgericht für den Adel,* der Ga-
stalde oder Hauptmann richtet über die Bauern. Im Ehaft-
taiding zu Bozen läßt sich das Ausscheiden der Bürger und
Bauern, das sich im Laufe des 13. Jahrhunderts vollzog, noch
^ Daher in den Urkunden über Erhebung in den Adel regelmäßig die
Befreiung yon solchen Lasten, vgl. die folgende Anmerkung. Noch
im 16. Jahrhundert ist diese Befreiung yon Adeligen geltend gemacht
worden.
' Solche Erhebungen in den freien oder unfreien Ritterstand durch Be-
lehnung mit districtus, fodrum, colta, bannum, condictio, sehr h&nfig in
Südtirol; doch wurde die waita de castris auch vorbehalten 1229 Okt. 8;
Hormayr, Geschichte Tirols I, 2, 284.
' Luschin, GerichtsverC. 62 f.
* Archiv für Österreichische Geschichte 92, 165. 1220 Kink, Fontes II, 5,
Nr. 144, erklärt Richter Heinrich belehnt zu sein mit der Kriminal-
gerichtsbarkeit über jene, welche nicht ad laudum curie vassallorum ge-
hören. Die Vikare des Bischofs, also Beamte desselben beanspruchen
indes die Kriminalgerichtsbarkeit auch über Ritterliche; 1240 Okt. 19
erklärt Jakob von Lizzana die Gerichtsbarkeit des Bartolomeus von Alba,
Vikar des Podest^ Sodegher, nicht anzuerkennen in einer Lehenssache,
wohl aber, wenn er wegen maleficium erkennen wolle, Wien St.-A.
ArduT. ICIY. Band. 3
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34
verfolgen. Es ist am Ausgange dieses Jahrhunderts zum Adels-
gerichte der ehemaligen Grafschaft Bozen geworden/ die Bür-
ger und Bauern erhalten ihren ordentlichen Gerichtsstand in
allen Sachen vor dem Stadtgericht, das aus den Botdingen her-
vorgegangen ist, und vor den Landgerichten. Dies entsprach
nur der allgemeinen Entwicklung der Dinge.*
Die Bedeutung der Burgen für die Entwicklung der Ge-
richtsverfassung kündigt sich schon an, als man beginnt die
Grafschaften nach Schlössern, statt nach Gauen oder In-
habern zu benennen.* Denn nun wird das Gericht bald als
Zubehör der Burg betrachtet.* Die Exemtionen schließen
sich ebenfalls in unsern Gegenden an Burgbezirke an.
Die Grafschaft Ulten-Eppan war keine geschlossene Zentene,
wie Egger meint,^ die sich auf beiden Seiten der Etsch im
Bozner Unterlande bis zur Mündung des Noce und Avisio er-
streckt hätte. Sie umfaßte vielmehr das Ultental mit dem
Schlosse Ulten als reichsunmittelbares Lehen, dann wahr-
scheinlich die Pfarre Tisens,^ dann die Burg Hoheneppan mit
einem Gebiete, das die Pfarre Eppan etwa im Umfange der
* Acta Tirol. 2, Einl. 206.
' Schröder, Rechtsgeschichte \ 599 f.; Zeitschr. fär Bechtsgeschichte 18, 53;
V. Below, Territorium und Stadt 284 f.; Rosenthal 113 f., der freilich
den Ursprung des herzoglichen Hofgerichtes in den Landtagen sucht.
' In Bayern seit der Mitte des 11. Jahrhunderts. Riezler, Geschichte
Bayerns 1, 750.
^ Noch yiel früher war dies in romanischen Ländern der Fall gewesen,
vgl. die Schenkung von Bergell und Chiayenna an das Bistum Chur
DO. I, 209; DO. HI, 48, 175.
'^ a. a. O. 419. Über den bei Bonelli Notizie 2, 357 erwähnten comes Be-
giner läßt sich nichts Sicheres sagen, da die Überlieferung der betreffen-
den Aufzeichnung, die mit dem sogenannten Vigiliusbrief zusammen-
hängt, eine allzu trübe ist. Ganz unrichtig auch Kretschmer, Histor.
Geographie 312 der ,die Grafschaft Bozen mit Bozen und vielen anderen
Orten und einen Teil des oberen Inntales' zur Grafschaft Eppan rechnet.
Richtig ist soviel, daß die älteren Grafen von Bozen vielleicht mit den
Eppanem verwandt waren, vgl. Huber, Archiv für Osterreichische Ge-
schichte 61, 634 und daß die Eppaner Besitzungen im ötztale und Ober-
inntale hatten, teilweise auch dort Grafenrechte ausübten, wonach man
aber natürlich nicht sagen konnte, daß diese Gebiete zur Grafschaft
Eppan gehört hätten.
^ Wenigstens haben dort die Eppaner Besitzungen und Eigenleute. Kink,
Fontes II, 5, Nr. 56.
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35
späteren Gerichte Hoheneppan und Altenburg ^ in sich faßte.
Dafbr aber, daß auch EalterU; Tramin^ Eurtatsch; Deutschmetz
zur Grafschaft Cppan gezählt hätten, fehlen Beweise, ja wir
wissen sicher, daß Tramin nicht den Grafen, sondern dem Bi-
schof gehört hat, und daß Kronmetz 1181 von den Grafen an
den Bischof abgetreten wurde.* Auf der andern Seite der
ElBch, in Enn und Neumarkt übten der Bischof und die Herren
von Enn Hoheitsrechte und Gerichtsbarkeit. Dagegen besitzen
nun die Eppaner eine Reihe von Schlössern zerstreut in Süd-
tirol, sämtliche mit Bezirken, in denen sie die hohe Gerichts-
barkeit ausüben und die deshalb Grafschaften genannt werden,
Arz auf dem Nonsberge,' vielleicht auch Altspaur,* Preore
in Judicarien,^ zeitweise Tenno,® Königsberg mit der Pfarre
St Michel,^ endlich Schloß und Grafschaft Castello in Fleims.®
Grundherren waren die Eppaner in diesen Gebieten keines-
wegs ausschließlich. Mögen sie hier auch reiche Besitzungen
gehabt haben, die später auf die Tiroler Grafen übergingen,
Grund und Boden waren auch hier wie in Tirol überhaupt
sehr zerstückelt; in der Pfarre Eppan namentlich waren auch
andere Besitzer, insbesonders das Domkapitel von Trient reich
begütert.* Ganz dasselbe gilt von der Grafschaft Flavon, die
^ Die Urknnde yon 1228, BonelU 3, 187, in der das Gericht Altenburg
zaerst erwähnt wird, ist Fälschung.
' BonelU, Notizie 2, 468.
' Urk. 1185 Joli 28. Kink, Fontes II, 5, Nr. 23. Später gehörte es den
Herren Ton Flayon und worden von ihnen 1281 Okt. 4 an Grafen Mein-
hard II. verkauft; Ladurner, Regesten aus Tirol. Urkunden, Archiv fQr
Geschichte und Altertumskunde Tirols 1, Nr. 149.
* Reich, I castelli di Sporo e Beifort 28.
" Kink a. a. O. Nr. 83; Urk. 1234 Dezember 14, Hormayr, Geschichte
Tirols l^ 807.
* Kink a, a. O. Nr. 87, 98.
^ Nach der Ghrfindungsurkunde des Stiftes St. Michel, 1145 BonelU 2,
392, Urkunde 1243 März 5: Bischof Egno erklärt K. als sein und der
paeri von Eppan Leben vom Hochstift Trient, Wien Sl-A. Oembra aber
gehörte damals nicht zu Königsberg, sondern ist Lehen der Herren von
Salnm 1214 Dez. 9. Innsbruck St.-A., C. 61, Nr. 8.
* Wenigstens bOchst wahrscheinlich, 1231 Jänner 5, Graf Ulrich von Ulten
verkauft die clesnra donica (wohl den Herrenhof) in C. an die Kirche
von Trient.
' Vgl. das Urbar des Domkapitels herausgegeben von Chr. Schneller, Tri-
dentinische Urbare aus dem 13. Jahrhundert 79 f.
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36
ebenfalls kein geschlossenes Gebiet bildete^ sondern sich ans
einer Reihe von Burgfrieden, Flavon, später auch Arz, Alt-
spaur und wohl auch Molveno^ zusammensetzte. Diese
ganze Entwicklung so zerrissener Gerichte, die nicht auf
Grundherrschaft beruhten, läßt keine andere Deutung zu, als
in ihnen Burgfrieden zu erkennen, für welche durch Exemtion
die hohe Gerichtsbarkeit von den Burgherren erworben wor-
den war.*
Landesfürstliche und patrimoniale Gerichte konn-
ten aus Burgfrieden entstehen. Als nach Wegfall der
Bannleihe* die Territorialherren zur Ordnung der Gerichts-
barkeit in ihren Territorien freie Hand erhielten, als die Mög-
lichkeit gegeben war, mehrere Grafschaften in einer Hand zu
vereinigen und durch Beamte verwalten zu lassen, da war es
das nächstliegendste, die Burgvögte zu Richtern in ihren Burg-
frieden zu bestellen. In Bayern lassen sich Richter, die an
Stelle des Gerichtsherm mit der Übung der hohen Gerichts-
barkeit betraut sind, bereits im 12. Jahrhundert nachweisen.*
In Deutschtirol liegt der älteste nachweisbare Fall aus Bozen
vor. Seitdem eigene Grafen in Bozen verschwinden, die Graf-
schaft zum Teile an die Grafen von Tirol verliehen wird, zum
Teile in den Händen des Bischofs bleibt, wird das Hochgericht
von einem bischöflichen Beamten dem Gastalden von Firmian,
der zugleich Schuldheiß des Grafen sein soll, abgehalten.^
Noch viel früher war den Fleimsern die Abhaltung des Ge-
richtes innerhalb ihrer Talgemeinde unter Vorsitz eines bischöf-
lichen Gastalden zugesagt worden, Fleims also als eigenes
Landgericht konstituiert.® Im 13. Jahrhundert treflFen wir Gastal-
* Manfredin v. Cles verkauft dem Grafen Meinhard 11. Molveno cum co-
mitatu onore et districtu impicando et dispicando et de ipsis facere
rationem, 1284 Mai 29, Wien St.-A. Dieser Mann hatte aber als Unter-
händler zwischen Grafen Meinhard und den Grafen von Flavon gedient,
vgl. Äusserer, Der Adel des Nonsbergs 101.
* Über ähnliche Fälle in Österreich Adler 153 f.
' Schröder, Rechtsgeschichte *, 672.
* Riezler, Fojrschungen zur deutschen Geschichte 19, 628.
* Schwind-Dopsch, Nr. 22. Dieser Zustand hält sich indes nicht lange.
1237 schon sitzen ein bischöflicher Justiziar und ein tirolischer Schuld-
heiß oder rihtar nebeneinander vor. Die Blutsgerichtsbarkeit übt der
tirolische Beamte allein aus; vgl. Acta Tirol. 2, Einl. 205.
' Schwind-Dopsch, Nr. 3.
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37
den und Bnrghauptleute schon öfter mit der Ansübnng der
Gerichtsbarkeit betraut. Nicht nur die Bischöfe , auch die
Grafen von Tirol und Eppan^ ja schon einzelne Patrimonial-
herren lassen die Gerichtsbarkeit durch Beamte, meistens Burg-
Yögte ausüben.
Nunmehr hatten jedoch die LandesfUrsten die Möglich-
keit, ohne RtLcksicht auf das Reich einem Burgherrn die hohe
Gerichtsbarkeit in einem gewissen Sprengel, der häufig mit
dem Burgfrieden zusammenfiel, zu verleihen, patrimoniale Hoch-
gerichte zu schaffen. Lassen sich in der Mark Österreich lau-
desf&rstliche Exemtionen seit dem Privilegium minus, genauer
seit dem Ausgang des 12. Jahrhunderts nachweisen, so nicht
lange hernach auch in unseren Gegenden. Bischof Gerhard ver-
heb 1225 dem Herrn Jakob von Lizzana die hohe Gerichts-
barkeit, den comitatus in der Pfarre Lizzana.^ Von der Zu-
stimmung des Reiches ist dabei keine Rede mehr^ nur die des
Patriarchen von Aglei als Metropoliten wird erwähnt, da es
sich um Veräußerung von Kirchengut handelte. Auf ähnliche
Weise mögen wohl auch die Grafen von Eppan und andere
Dynasten in den Besitz der Grafschaftsrechte innerhalb ihrer
Burgfrieden gelangt sein. Denn auch die Herren von Enn und
Salum sehen wir um diese Zeit im Besitze von patrimonialen
Hochgerichten.' Die Auflösung der alten Grafschaft Trient in
eine Anzahl bischöflicher und patrimonialer Hochgerichte ist
im vollen Zuge. Nicht selten geht die Verleihung der patri-
monialen Gerichtsbarkeit Hand in Hand mit der Errichtung
des Burgfriedens. So wird dem Jakob von Lizzana bei der Be-
lehnung mit dem Komitat zugleich gestattet, in seinem Gerichte,
wo er wolle, Burgen zu bauen. So erhält Nikolaus von Brenta
von Bischof Egno 1259 Erlaubnis, in der Pfarre Tenna zwei
Schlösser zu bauen, und zugleich den Burgbann, bürgerliche
ond peinliche Gerichtsbarkeit, so daß ein neues Landgericht
entsteht, das allerdings bald darnach wieder verschwindet.
1 1225 Mftrz 3, Innsbraek St.-A. Trient C. 38, Nr. 27.
' Nikolaus von Enn hält Gericht za Enn in einem Grensstreit der Leute
Yon Fleims und Montan, Pinean, ^alditsch 1234 Juni 6, Innsbruck
St.-A. Den Herren yon Enn gehörte auch das Gericht Castelfondo,
Äusserer, Adel dee Nonsbergs 84. Bopret von Salum besitzt das Gericht
in Cembra 1214 Dez. 9, Innsbruck St.-A., C. 61, Nr. 8.
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38
Nicht überall vollzog sich die Patrimonialisierang der
Landgerichte in gleichem Maße. In Bayern, Salzburg und
Deutschtirol gelang es den Territorialgewalten, die sich hier
entwickelten, frühzeitig die Grafschaften und deren Trümmer
in ihrer Hand zu vereinigen. Anfangs wurden sie noch in die
Hände von Ministerialgrafen gelegt, später durch landesfürst-
liche Richter verwaltet. Den Schloßherm wurde selten im
Burgfrieden Gerichtsbarkeit und dann vorwiegend nur die nie-
dere eingeräumt. Erst die finanzielle Not der Landesfürsten
führte auch hier seit dem 14. Jahrhundert zu Verpfandung und
Belehnung an Patrimonialherren. Anders in den Marken, wo
schon im 13. Jahrhundert die meisten Landgerichte patrimo-
niale sind,^ während Südtirol einer mittleren Entwicklung folgt.
Nirgends freilich haben alle Schlösser Burgfrieden besessen^
namentlich nicht auf altbayrischem Boden; nur ausnahmsweise
sicherlich die jüngeren Schlösser und kaum je die Gesäße der
Ritter. Nicht selten wird, wenn die Erlaubnis zur Errichtung
eines solchen gegeben wird, hinzugefügt, daß der Bau sine
praeiudicio der Nachbarn erfolgen solle.* Und nicht aus allen
Burgfrieden sind Landgerichte geworden. Auch in Südtirol
sind alte berühmte Schlösser nie Mittelpunkte von Gerichten
gewesen, wie Cles, Campo, Madrutz, Toblino usw. Am meisten
jedenfalls ist dies in den Marken der Fall gewesen, wo ja die
Schloßverfassung erhöhte Bedeutung besaß, und gerade deshalb
mag die Patrimonialisierung hier so früh im großen Maßstabe
zum Durchbruche gelangt sein. Und hier schritt der Prozeß
unaufhaltsam weiter. Vergeblich hatte der Landfnede König
Ottokars U. den Bau der Schlösser einzudämmen gesucht.'
Rudolf von Habsburg mußte ihn wieder freigeben. Die Er-
richtung von Burgen und Gesäßen schritt weiter und mit ihr
die Errichtung von Burgfrieden.* Im Interesse des Schloßherm,
* Luschin, Gerichtsverf. 118 f.
' 1308 Juli 13, Herzog Otto von Kärnten verleiht H. von Tauer das
Recht, im Vintschgau bei Malsperch «in Schloß zu bauen. Handschr.
389, f. 31, Wien St.-A.; 1334 Juli 5, Exkönig Heinrich für Nikolaus
und Bernhard von Arz auf dem Berge Dossalt, Pfarre Arzo: sine pau-
perum hominum aggravacione, Handschr. 108, f. 14' — 15, Innsbruck St.-A.
' HasenOhrl, österr. Landrecht 44 f.; Dopsch, Archiv fttr Osterr. Geschichte
79, 48 f.; Adler 130.
^ Vgl. die Ausführungen Mells über den comitatus Liutpoldi in Mitteil, des
Inst. 21, 400 f.; Adler 167.
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39
der vielfach auch Grundherr war, lag es, auch die Gerichts-
barkeit, zunächst die niedere, aber wenn möglich auch die
hohe im Burgfrieden zu erwerben, und zuletzt zählte die Aus-
übung der Gerichtsbarkeit zu jenen Rechten, die eine adelige
FamiUe schon um als vollwertig zu gelten anstrebte. So kam es
in den Marken zu immer weiterer Zersplitterung, zu Zuständen,
die uns Kindern einer moderneren Zeit als völlig barocke er-
scheinen müssen.^ Auf altbayrischem Boden dagegen wahrten
die Gerichtsbezirke im wesentlichen den Umfang, den sie im
13. Jahrhundert erlangt hatten. Im Herzogtum Bayern mußten
sich die Stände im wesentlichen mit der Übung der niederen
Gerichtsbarkeit begnügen. Und selbst wo landesfürstliche Ge-
richte in der Folge patrimonial wurden, wie vielfach in Deutsch-
tirol, trat keine weitere Zersplitterung ein, da sich die Grenzen
der Bezirke schon festgestellt hatten.
So haben mannigfaltige Ursachen persönlicher und wirt-
schaftlicher Natur zur Aufteilung der alten Grafschaften ge-
führt. Die neuen Gebilde knüpften an Immunitäten und Exem-
tionen, vor allem aber an Burgfrieden an. Alle Landgerichts-
barkeit jedoch, mag sie auch auf grundherrlichem Boden oder
selbst auf älterer leibherrUcher Gerichtsbarkeit erwachsen sein,
ist öffentrechdichen Ursprungs, ist nur durch Übertragung oder
Usarpation der Grafschaftsgerichtsbarkeit erwachsen.
' Vgl Lnschin, Gerichtsverf. 115 f.
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Inhalt
Seite
Die Entstehung der Landgerichte ein noch nicht gelöstes Problem . . 3
Entstehung aus Hundertschaften 4
„ „ Immunitäten 7
Entwicklung im Bistum Trient 8
Landgerichte Stücke der alten Grafschaften 12
Ursachen der Zerstücklung. Fortschreitende Besiedlung 14
Teilungen der Grafschaften als Lohen 16
Immunitäten und Exemtionen 17
Leib- und gutsherrliche Gerichtsbarkeit 20
Burgenverfassung 26
Anlage der Burgen 26
Zusammenhang der Burgen mit der Gerichtsverfassung 27
Burgbann und Burgfrieden 29
Der Burghauptmann als Landrichter 31
Exemtionen und Burgfrieden 34
Landesfttrstliche und patrimoniale Landgerichte aus Burgfrieden ent-
standen 36
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II.
IMMUNITÄT, LANDESHOHEIT
UND
WALDSCHENKUNGEN.
VON
EDUARD RICHTER,
WEIL. WlRKLICHBll MITQUBDB DBB KAIS. AKADBMIB DBB WlSSBNSCUAmM.
ArchiT. XCIV. Band.
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Vor vielen Jahren machte der Verfasser bei Unter-
anchuDg des Besitzstandes der Salzburger Kirche im Mittel-
alter die Bemerkung, daß der Umfang des späteren salzburg-
8chen KirclienstaateB, wie er bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts
beatanden bat, aus den alten Landschenkungen und Immuni-
tatsprivilegien nicht erklärt werden könne.* Die in sehr alter
Zeit — dem 8. Jahrhundert — beginnenden Aufzeichnungen
Über die ersten Schenkungen an die Salzburger Elirche und
Über ihre späteren reichlichen Erwerbungen zeigen uns das
Erzbistum im Besitz einer großen Anzahl einzelner Güter von
sehr verschiedener Ausdehnung, die sich massenhaft im süd-
östlichen Bayern, etwas spärlicher in den Gebirgsgauen und in
Kärnten, vereinzelt bis weit nach Ungarn, Niederösterreich und
Steiermark zerstreut finden. Man kann sagen, die Mehrzahl
dieser Güter liegt außerhalb des späteren Territorialstaates.
Damit war eine rechtsgeschichtlich höchst merkwürdige
Frage gegeben. Das Erzbistum hatte schon von Karl dem
Großen Jmmunität' erhalten und diese Verleihung war von
zwei späteren karolingischen Regenten 816 und 837, dann von
Otto I. (DO. I. 68) im Jahre 945 erneuert worden. Die Karo-
lingische Formel enthält das Verbot des ,introitus' für den
index publicus und die Zuweisung der Strafgelder an die
Kirche; die ottonische fügt hinzu, niemand von den Kirchen-
leuten soll genötigt werden, zum ,placitum publicum' zu kom-
men, sondern diese mögen in der Gewalt des Erzbischofes
und seines Vogtes verbleiben. Damals, anfangs der Achtziger-
jahre war die Meinung allgemein verbreitet, in der Immunität
liege der Ursprung der geistlichen Territorien begründet. Da-
' UDtersacbaugen zar historischen Geographie des ehemaligen Hochstiftes
Salzboig. Mitteil, des Inst, für österr. Geschichtsf. I. Ergänzungsbd. S. 590
bis 73S,
4»
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44
durch, daß alle Reichsbistümer und die ältesten und größten
Klöster Befreiung vom Qrafenbann erhalten hatten, seien ihre
Besitzungen aus dem System der Grafschaften herausgenommen
und selbständig gestellt worden; das sei der Anfang der spä-
teren geistlichen Staaten.
Nun zeigten aber meine Untersuchungen, daß davon in
dem vorliegenden Einzelfalle gar keine Rede sein konnte. Der
Umfang des späteren salzburgischen Kirchenstaates hat — von
einer unten zu besprechenden Ausnalmie abgesehen — mit
dem alteo. Guterbestand schon aus dem Grunde nichts zu tun,
weil er ein geschlossenes, sogar sehr gut von natürlichen
Grenzen abgerundetes Gebiet umzieht, während der mit Immu-
nität begnadete Kirchenbesitz, über den wir durch alte Güter-
verzeichnisse und Vergabungsbücher sehr genau untemchtet
sind, ein Streubeaitz ist Über mindestens 20 — 30 bayrische
Grafschaften und sämtliche heutige österreichische Kronländer
rechts der Donau, Vorarlberg ausgenommen, ist er verteilt. In
den ,Untersuchuiigen' ist das alles genauer dargestellt worden.
Mit Recht, hat ein junger Forscher (E. Stengel, Grundherr-
schaft, und Immunität, Zeitschr. der Savignystiftung XXV,
S. 319) behauptet, der eigentliche Zweck der neuesten Unter-
suchungen (besonders Seeligers) sowie der meinigen vor
20 Jahren sei, den , Widerspruch zwischen den späteren Zustän-
den und den Urkunden des 10. Jahrhunderts zu versöhnen'.
So habq ich damals das Problem erkannt und gestellt und,
wie ich glaube, insofern auch für den salzburgschen Fall ge-
löst, als ich nachweisen konnte, daß dieser Kirchenstaat der
Hauptmasse nach eben nicht aus immunen Kirchengütem, son-
dern aus erworbenen Grafschaftsteilen, ,Landgerichten' zusam-
mengefügt worden ist. Ich habe damals allerdings zwei Seiten
der Saphe ungelöst lassen müssen: einmal die Frage, ob denn
die Immunität, ihr Wesen verändert, und ihre Bedeutung ver-
loren habe, da sie die ihr nach dem Wortlaut der Privilegien
zukommende Wirkung nicht erreichte, oder ob man am Ende
ihre Bedeutung mißverstanden, überschätzt habe? Die zweite
Frage ist. die nach jener oben erwähnten Ausnahme. In einem
Teile des späteren Stiftslandes wissen wir nichts von angekauf-
ten Grafschaftsrechten und gerade dieser Teil ist ein alter
Waldbesitz des Erzstiftes. Mit beiden Fragen soll sich die vor-
liegende Abhandlung beschäftigen.
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45
Stengel hat anch Recht; wenn er sagt; ich hätte den
Widerspruch zwischen dem großartigen Wortlaut der Immii-
nitätsurkunden und den späteren Zuständen durch ;Uber-
brückung' hinwegzudeuten versucht. Für die richtige Auf-
&ssang des Wesens der Immunität ist nämlich die negative
Seite der späteren Entwicklung besonders wichtig. Das Terri-
torium um&ßt Grafschaften, in denen zahlreiche Immunitäts-
guter lagen; schon deshalb, weil der Erzbischof vor allem
oich jenen ^Gerichten' trachtete, die seinem Sitze nahe waren
imd in denen er Gäter besaß. Durch die Erwerbung der Graf-
schaft, des Blut- oder Landgerichtes, waren alle etwaigen
,Eompetenzkonflikte' zwischen Graf und Immunitätsherren be-
seitigt, das war eine gründliche Lösung; allerdings erfahren
wir aus diesen Gebieten am wenigsten über die schließliche
Ausgestaltung der Immunität. Ganz anders dort, wo der Immu-
nitätsherr die Grafschaft nicht erwarb; hier können wir sehen,
wie sieh die Immunität vom 10. bis zum 13. Jahrhundert aus-
gestaltet hatte, oder wir sehen wenigstens das Endergebnis.
Im Isengau und Umgebung — in Oberbayem — besaß die
Salzhurger Kirche noch am Beginne des 16. Jahrhunderts über
1500 ,Iteine', d. h. Güter und Gülten. Im Vertrag von 1275
zwischen Bayern und Salzburg sagt der Herzog von Bayern:
in pago Ysehkeu et super Eslerwalde conservabimus eccle*
sie Salzbufgensi iura sua in iudicio et iudicabimus omnia
pespieientia. comiciam^ — ,8ecundum antiquam consuetudinem',
wie es in einem anderen Vertrage heißt.* Vorsichtig, wie ich
damals der herrschenden Meinung gegenüberstand, drückte ich
mich zurückhaltend aus: ,Man wird also annehmen müssen,
daß die ottonischen Privilegien vielleicht dem Ziele nach, kaum
aber deuL Erfolge nach den Grafschaftsschenkungen gleich-
zustellen sind^ Ich würde jetzt, angesichts der neueren
Untersuchungen, besonders SeeUgers, diesen Satz nicht mehr
niederschreiben. Niemals kann eine Immunität, die fUr zer-
streiten Grundbesitz gilt, einer Grafischaftserwerbung gleich zu
stellen sein, die sich auf ein geschlossenes Gebiet bezieht. Da-
mals schon schrieb ich: ,E8 scheint, als ob die räumliche Aus«
dehnung der Immunitätsgebiete nicht selten unrichtig beurteilt
wurde', eine ,Abrundung^ zu einem Lande von der Ausdehnung
' Untersachangeii, 8. 616.
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46
Salzburgs bloß durch Häufung von Besitzungen in Streulage
scheine ganz ausgeschlossen. Die Verhältnisse im 9. und
10. Jahrhundert lassen sich wie folgt kennzeichnen: Die Graf-
schaftsverfassung ist überall durchgeführt oder noch erhalten,
allenthalben treffen wir in den Traditionscodices die Grafen
nicht bloß als ZeugeU; sondern es wird in der Regel ange-
geben, in welcher Grafschaft das Kirchengut liegt, über welches
gehandelt wird; ebenso regelmäßig erscheint der erzbischöfliche
Vogt als Vertreter seines Herrn, der das Geschäft abschließt,
gewissermaßen als sein weltlicher Sachwalter. Halten wir uns
gegenwäii;ig, daß man gleichzeitig die Immunitätsprivilegien
sich bei Regierungswechsel erneuern läßt — in Salzburg zum
letzten Male 945 — so sehen wir einen Zustand vor uns, in
dem Gesetzgebung und Ausübung, Urkunden und Praxis sich
in voller Übereinstimmung befinden. Ohne Zweifel amtiert der
Vogt überall im Grafengericht als Vertreter der Kirchenleute
und er wird innerhalb gewisser Kompetenzen sein Vogtgericht
abhalten. Die Immunität ist der gesetzgeberische Akt, der den
besonderen Gerichtsstand der Kirchenleute schaffit und regelt;
die Vogtei und insbesondere das Vogtgericht ist die Institution,
die seine Ausfiihrung besorgt. Darüber gibt es wohl keine
Meinungsverschiedenheit, mögen auch die Quellen sich wider-
sprechen, wie die Zuständigkeiten des Vogtgerichtes und des
Grafengerichtes abgegrenzt sind. Die Ausführungen Seeligers
scheinen mir recht überzeugend und ich stimme ihnen gerne
zu, wenn er darauf hinarbeitet, in die Immunitätsformeln nicht
mehr hineinzulegen, als der Wortlaut unbedingt verlangt. Denn
je weniger die Immunität eigentlich bedeutete und je weniger
sie die öffientliche Gewalt zerstört, aufgesaugt oder sonst hin-
fällig gemacht hat, desto leichter verständlich ist die spätere
Entwicklung.
Ist also der Rechtszustand des 10. Jahrhunderts verständ-
lich und sichergestellt, so scheint für die weitere Entwicklung
folgendes besonders bezeichnend. Seit dem 11. Jahrhundert
werden die kaiserlichen Immunitätsprivilegien nicht mehr er^
neuert; diese Übung schläft ein.* Die Immunitätverleihung hat
offenbar ihre Bedeutung allmählich verloren, das, was sie an-
ordnet, ist kein Gegenstand eines Kampfes mehr. Die Ein-
* Was auch Seeliger hervorhebt.
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47
richtangen, zwischen denen sie eine Eompetenzentscheidnng
feststellte: Grafschaft nnd Vogtei, bestehen aber fort. Wir
wissen von Grafen nnd Vögten ans den Urkunden des II. nnd
12. Jahrhunderts noch mehr als von denen des 10. Wir erfahren
freilich anf diese Weise auch einmal, daß die Grafen nnd die
Vögte nach wie vor dieselben Personen sind, daß die Graf-
schaften nnd die Vogteien erblich werden nnd sich feudali-
sieren; endlich daß die Kirchen die Vogtei nicht mehr als ein
Privileginm, einen Vorzug, einen Schutz und eine Stütze be-
trachten, sondern als eine Last und eine Gefahr. Feierlich ver-
kündet Erzbischof Eberhard 11., daß in seinen Tagen die Salz-
burger Kirche aufgehört habe, einen Vogt zu besitzen,* xmd
die geistlichen Fürsten behaupten mit Genugtuung, daß sie
keinen Vogt mehr zu haben brauchen, so wie sie einstens die
merowingischen und karolingischen Könige angefleht hatten, sie
von der Grafengewalt zu befreien und ihnen zu gestatten, daß sie
und ihre Familie ruhig unter dem Schutze ihres Vogtes lebten.
Da nun die Vogtei nichts anderes als die ,Korrelation^ der
Immunität ist, die dem Immunitätsprivilegium entsprechende
Einrichtung, so teilt offenbar die Immunität das Schicksal der
Vogtei, sie verändert mit ihr ihr Wesen, verliert mit ihr ihre
Bedeutung. Darum versteht man schon im 12. und 13. Jahr-
hundert unter Immunität die Freiheit vom Vogt; ein Zeichen
daß der ursprüngliche Sinn der alten Privilegien damals bereits
ganz vergessen war.
Ans dieser keineswegs ganz neuen Erörterung ergibt
sich aber nun weiter: Die Abschließung der ,Territorien' er-
folgt erst im 13. Jahrhundert, also zu einer Zeit, als man von
den alten Immunitäten, ihrem Wesen und ihrer Bedeutung
nichts mehr wußte. Es ist also von vornherein vergeblich, einen
direkten Zusammenhang zwischen dem umfang der geistlichen
Territorien und dem der Immunitäten zu suchen oder voraus-
zusetzen. Im Gegenteile: die erblich gewordene, durch die alte
Immunität erzeugte Vogtei war eine Gefahr für den Besitz der
Kirchen nnd hat oft genug die Entstehung geistlicher Terri-
torien verhindert. Viele weltliche Territorien sind aus Vogteien
über geistliche Güter entstanden. Was wäre die ,geftirstete^
Grafschaft Tirol, später und jetzt noch ein so gut geschlossenes
« Meiller, Reg. Nr. 297 von 1226.
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^Territorium' ohne die Vogtei über die Reichsbisttimer Brixen
und Trient gewesen. Wo es aber den Kirchen gelang, beim
Aussterben der Grafengeschlechter oder sonstwie die Vogtei
aufzuheben und vogtlos weiter zu bestehen, da mußte man
das als eine Rettung des alten bedrohten Besitzes betrachten,
nicht als eine neue Erwerbung. Und die Grafschaft oder
das Blutgericht über alle Eingesessenen war damit noch nicht
erlangt, denn es hatten ja bis dahin auch Grafschaft und
Vogtei nebeneinander bestanden, wenn auch manchmal die
Träger eine Person gewesen sind. Übrigens ist das gewiß nicht
die Regel gewesen; die Vogtei war in einer Grafenfamilie
erblich, die Güter lagen aber in vielen Grafschaften zerstreut.
Jedenfalls war es immer ein zuftlUiges und vorübergehendes
Verhältnis, wenn es einmal bestanden hat.
Die Ausdehnung der Immunitätsgüter hat räumlich einen
Zusammenhang mit dem späteren Territorium vielleicht nur in
den bischöflichen Städten, wo schon in früher Zeit Burggrafen,
dann Stadtrichter an Stelle der Grafen traten, obwohl man ge-
rade hier vielleicht am ehesten auch daran denken könnte,
daß die Ausschließung der Grafengewalt auf grundherrlicher
Basis beruht. Die Stadt Salzburg z. B. stand auf dem Fundus
des Erzbistums; der Bischof war hier Grundherr. Aber außer-
halb der Städte, da mußte der Erzbischof die ,Cometia^, das
Landgericht erwerben, wenn er ein geschlossenes Territorium
haben und auch über die Hintersassen anderer Grundherren
richten und herrschen wollte. Das ist mir jetzt nach den For-
schungen der letzten zwei Dezennien und nach abermaliger
Durcharbeitung des salzburgschen Materiales noch viel sicherer
als zur Zeit, da ich es zum ersten Maie aussprach.
Die Bedeutung der alten Immunitätsprivilegien liegt also
gewiß nicht darin, daß sie den Umfang der kirchlichen Terri-
torien bestimmt haben; sie beruht vielmehr darauf, daß sie
dazu mitgeholfen hat den Spitzen der Hierarchie eine fürstliche
Stellung zu erringen. Dazu gehörte ja noch vieles andere, was
ich hier nicht aufzuzählen brauche: die Belehnung durch das
Reich, die verschiedenen Regalien usw. Wer alles das hatte,
in dessen Hand wurde ein Gericht, eine Cometie zum Reichs-
fürstentum, wer das nicht besaß, dem half der Besitz von ,Ge-
richten und Herrschaften' nichts. Wie z. B. den Bisthümem
von Gurk, Seckau, Lavant und Ohiemsee, die, im 11. und
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49
13. Jahrhundert von Salzburg gegründet, trotz reichen Besitzes
doch niemals Reichsfürstenrang errangen, während das kleine
Berchtesgaden^ obwohl nur Propstei, Anerkennung seiner Reichs-
umnittelbarkeit durchsetzte — auch ohne Immunität!
In diesem Zusammenhang muß ich mich auch aussprechen
über die Frage nach der Bedeutung xmd Entstehxmg der ersten
direkten Steuer, über welche L. Bittner jtlngst gehandelt hat.*
Im 14. Jahrhundert besteht in Salzburg eine Steuer, die überall
dort, wo der Erzbischof Landesherr geworden ist, von allen
bäuerlichen und bürgerlichen Bewohnern, auch den Hinter-
sassen anderer Grundherren eingehoben wurde, in den übrigen
Besitzungen aber, die in den bayrischen und österreichischen
Landen zerstreut lagen, nur von den erzbischöflichen Hinter-
sassen und den Städtern. Daraus scheint mit Sicherheit her-
vorgehoben, daß die Steuer ein Ausfluß der landesherrlichen
Stellung ist und auch erst seit deren Bestand entstanden sein
kann. Gerade der Umstand, daß man in den bayrischen und
österreichisch-steirischen Gütern sich auf die eigenen Unter-
tanen beschränken mußte, ist bezeichnend für die Stellung,
die der Erzbischof schon im 14., nicht erst im 15. Jahrhundert
in jenen Ländern einnahm. Er besaß eben hier keine Herr-
schaft über fremde Hintersassen. Die Steuer wurde überall
von den Urbarämtem eingehoben. Daraus möchte ich aber
keine besonderen Schlüsse auf ihre Entstehung usw. zu ziehen
wagen. Man bediente sich zur Durchführung einer fiskalischen
Haßregel eben der dazu geeigneten und bestinmiten Organe.
Sie durch die Gerichte einheben zu lassen, wäre im 14. Jahr-
hundert, da die Gerichtsbarkeit noch vielfach lehensweise in
den Ebüiden von ,Ministerialgrafen' war, etwas unsicher ge-
wesen.
Wie erwähnt, haben die Erzbischöfe algo den größten Teil
des späteren Staatsgebietes nachweislich dadurch erworben,
daß sie sich an die Stelle der Grafengeschlechter des 12. xmd
13. Jahrhunderts zu setzen wußten und deren Gerechtsame er-
warben. Daraus hat sich hier die Landeshoheit entwickelt.
* Sitznngsber. der Wiener Akad., 92 Bd. Der Aufsatz ist von H. B. Meyer
in der Histor. Yierteljahrschrift mit einer nicht gerechtfertigten Heftig-
keit angegriffen worden. Dagegen hat schon v. Below seine Verdienste
herrorgehoben (Mitteil, des Inst., 26 Bd.).
ircUr. XCIT. BMid. 6
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50
Aber dieser Nachweis läßt sich nur fUr einen Teil des Stifts-
landes erbringen. Es bleibt ein Rest, für den er nicht möglich
war; ans diesem Gebiet wissen wir weder von Grafengeschlech-
tem, noch daß deren Besitz aof irgend eine Weise an das Erz-
bistum tibergegangen wäre. Hingegen ist die höchst merkwür-
dige Tatsache festzustellen, daß gerade dieser letztbezeichnete
,grafenlose' Teil des Kirchenstaates in den kaiserlichen Bestä-
tigungsurkunden seit Otto II. ausdrücklich, und zwar in der
Form eines Waldbesitzes, erwähnt wird, während die übrigen
Besitzungen der Kirche nur insoweit namentlich angeflihrt
werden, als sie in den östlichen Grenzländem liegen. So bleiben
gerade die ältesten und wohl auch wichtigsten und ertragreich-
sten Klirchengüter auf altbayrischem Gebiet unerwähnt.
Der Verfasser hat diese Frage schon einmal in den mehr-
erwähnten ,Untersuchungen zur histor. Geographie des Erzstiftes
Salzburg' (Mitteil, des Inst, für österr. Geschichtsf., I. Ergän-
zungsbd.) behandelt; bei der Herstellung der Landgerichts-
karte für den Historischen Atlas mußte er aber wieder darauf
zurückkommen. Denn es galt einen Entschluß darüber zu
fassen, ob man diesen Teil des Stiftslandes als ein Gebiet be-
sonderer Erwerbsart bezeichnen solle. Es schien daher nötige
den Tatbestand nochmals ausführlich darzulegen. Dazu for-
derte auch die Herausgabe der ottonischen Diplome in den
Monumenten, dann die Neubearbeitung der Karolinger Regesten
durch Mühlbacher und das Erscheinen einer Spezialarbeit
(Erben, Die gefälschte Urkunde Arnolfs für Salzburg, Mitteil,
des Inst. X, 607, 1889) auf.
Schon der gelehrte Verfasser der ,Juvavia' hat die Ver-
mutung aufgestellt, der östliche Teil des salzburgschen Terri-
toriums, der die Gerichte Hüttenstein (St. Gilgen), Wartenfels
(Talgau), Abtenau und Radstadt umfaßt, sei durch die großen
Waldschenkungen der agilolfingischen Herzoge an das Erzstift
gekommen: d. h. aus dem Grundbesitz habe sich hier die Ge-
richtshoheit und die Landeshoheit entwickelt. Obwohl Thaddäus
von Kleimayrn sich einer unübertroffenen Kenntnis der salz-
burgschen Geschichte und ihrer Quellen erfreute und in seinen
Tagen noch die lebhaftesten Beziehungen zum Mittelalter be-
standen, die er vollkommen überblickte, so war doch gerade
jener Ansicht gegenüber Mißtrauen gerechtfertigt, da Kleimayrn
im allgemeinen der Meinung war, die Territorialhoheit seines
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Kirchenstaates beruhe direkt auf den kaiserlichen Immunitäts-
verleihungen. Er mußte also die Ausdehnung des späteren
Landesftirstentums über ein Gebiet, welches in den Kaiser-
Urkunden erwähnt war, von dem man keine Grafen kannte
und auch keine Erwerbung der Grafengewalt wußte, als den
eigentlichen normalen, rechtmäßigen Fall betrachten. Dem ge-
genüber war die Erwerbung eines Gebietes durch Beerbung
eines Grafengeschlechtes, durch Kauf oder gar durch ein ein-
Jaches Übereinkommen mit einem Nachbar seiner Ansicht nach
ein Ausnahmsfall. Denn was einmal der Kirche geschenkt war,
hatte an ihrer Immunität Anteil und sollte daher auch zu ihrem
Staate gehören. Den Umstand, daß das bei so vielen einst von
Königen und Kaisem geschenkten Gütern nicht stimmte, war
Kleimaym geneigt, durch die Raubsucht und gewissenlose Hab-
gier der Nachbarn zu erklären.
Aber damit kam man nicht durch. Im Gegenteil, es
schien als eine wertvolle Erkenntnis, daß der bloße Grund-
besitz allein nicht entscheidend war flir öffentlich-rechtliche
Verhältnisse, auch selbst wenn er einer mit Immunität ausge-
statteten Reichskirche gehörte, und nur ungern entschloß sich
der Verfasser, f&r die oben genannten Gerichte in den ,Unter-
snchungen' die Elleimaymsche Auffassung gelten zu lassen. Spä-
tere Autoren (Erben, 1. c.) haben das zwar entschuldbar gefon-
den, aber der Verfasser mochte sich nur ungern dabei beruhigen.
Gehen wir also nochmals in die Einzelheiten ein, so ist
vor allem festzustellen, daß wir nicht bloß von den Gerichten
Hüttenstein, Wartenfels, Abtenau und Radstadt, sondern
auch vom Pongau (mit Ausnahme von Gastein), von Großarl,
Wagrein und dem Lungau nicht wissen, wie sie unter den
Blutbann der Erzbischöfe gelangt sind.
Oder genauer ausgedrückt, wir haben von keinem dieser
Gerichte eine Nachricht überliefert, daß die Erzbischöfe durch
irgend einen Akt die Blutgerichtsbarkeit erworben hätten, wie
sie etwa 1297 das Gericht in Gastein von den Herzogen von
Bayern gekauft haben, oder 1228 mit den Grafschafken Ober-
nnd Unterpinzgau vom König belehnt worden sind usw. Hin-
gegen erscheint dieses Gebiet, wie erwähnt, in den Konfir-
mationsurkunden seit Otto n. als ein Waldbesitz der Kirche.
Die Geschichte seiner Erwerbung und Beurkundung ist also
die wichtigste Seite des vorliegenden Problems.
6»
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Den nächsüiegenden Gedanken, es sei die Überlieferung
mangelhaft;, wird man, ohne ihn ganz auszuschließen, doch nur
mit Vorsicht aufgreifen dürfen. Einmal ist die Überlieferung
des salzburgschen Urkundenschatzes im ganzen nicht schlecht.
Von Ludwig dem Frommen an ist eine stattliche Anzahl von
Kaiser- und Königsurkunden erhalten und von einigen ver-
lorenen bieten die Kammerbücher Abschriften; jene unschätz-
baren Kammerbücher, deren reicher Inhalt doch von der
Menge der erhaltenen Originalurkunden fast noch übertroffen
wird. Es ist ja nicht unmöglich, aber doch wenig wahrschein-
lich, daß politisch wichtige Stücke des 12. oder 13. Jahrhun-
derts spurlos verloren gegangen sind.
Es kommen zunächst in Betracht die Diplome: 1. Ottos II.
Mon. Genn., Dipl. O. 11. 165, Juvav. Dipl. Anhang Nr. 75
von 977. 2. Ottos IH. Dipl 0. IH. 1, Juvav. Nr. 76 von 984;
ersteres im Original, das zweite in der Abschrift der Kammer-
bticher erhalten. Die für uns wichtigen Stellen beider Urkunden
sind wörtlich gleichlautend. Ihr Text wurde die Grundlage
für eine Reihe kaiserlicher Konfirmationen, nämlich Heinrich IH.
1051, Juvav. Nr. 99, Heinrich IV. 1057, Juvav. Nr. 104, Fried-
richs I. von 1178, Meiller Reg. S. 131, Nr. 18 und Philipps von
1199, Meiller Reg. S. 168, Nr. 133. Da sich aus ihnen nichts
Neues ergibt, können sie unerörtert bleiben. Der maßgebende
Wortlaut ist der von 0. H. 165 aus 977; hier tritt der in vieler
Beziehung merkwürdige Text zum ersten Male in einem un-
zweifelhaft echten Stücke auf.
Er stellt sich dar als eine sehr umfangreiche Zusammen-
stellung der Besitzungen des Erzstiftes vorwiegend in den öst-
lichen Gegenden. Außer der hier genauer zu besprechenden
Waldkonfirmation betrifft der ganze Inhalt der Urkunde nur
Besitzungen in Ober- und Niederösterreich, Steiermark, Kärn-
ten und Ungarn. Für den größten Teil der Angaben lassen
sich die Quellen nachweisen, es sind die bekannten Güterver-
zeichnisse des Erzbischofs Arno: Indiculus (Notitia) Amonis
und Breves notitiae, dann Urkunden der späteren Karolinger,
besonders ein Diplom König Ludwigs des Deutschen von 860,
aber auch einige Akte des 10. Jahrhunderts.
Das Diplom Kaiser Ottos H. von 977 (DO. 11. 165), das
die Reihe dieser Konfirmationen eröffnet, hat aber, wie be-
kannt, gefälschte Vorgänger. Es liegt heute noch ein Diplom
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Kaiser Amolfa vom 20. November 890 vor (gedr. Juvav. Dipl.
Anh. Nr. 54, Mtthlbacher, Reg. 2. Anfl. Nr. 1801), welches als
eine Fälschung des 10. Jahrhmiderts erwiesen ist. Es bildet
offenbar die Grundlage flir DO. 11. 165, welches zwar die
Amolfsche Urkunde nicht transsumirt; ihr aber — mit sach-
gemäßen Änderungen und einer Kürzung, gleich ist. Die Fäl-
schung betrifft aber nicht bloß die heutige FonU; sondern auch
den Inhalt der Urkunde; es sind Erwerbungen darin aufge-
ftthrt, welche erst dem 10. Jahrhundert angehören. Wenn viel-
leicht doch ein echter Amolf vorhanden gewesen ist, so müßte
dieser das letzte Drittel der Urkunde von ,ad Pettoviam eccle-
siam', (Dipl. 11, S. 186, Z. 34) enthalten haben. Dieses ist näm-
Kch von Otto im Jahre 982 (DO. ü. 275) ausdrücklich, mit
Nennung der Amolfschen Vorurkunde konfirmiert worden; der
Kontext ruft den Eindruck hervor, als ob diese nicht mehr als
jene Stelle enthalten habe.
Endlich ist noch anzuführen, daß auch eine Konfirmation
Ottos m. von 984 vorliegt (DO. III. 1, Juvav. Nr. 76), welche
der Hauptsache nach 0. 11. 165 wiederholt, jedoch auch den
hier fehlenden Schluß des falschen Amolf enthält.
Gegen die Existenz eines echten Amolf spricht aber der
Umstand, daß der Verfertiger des falschen die Formalien der
Urkunde, Datierung und Subskription einer Urkunde Ludwigs
des Deutschen von 860 (Mühlbacher, Reg. 1444, Juvav. Nr. 38)
entnommen hat; aber, wie Mühlbacher bemerkt, nicht dem
Original, sondern einer Kopie des 10. Jahrhunderts.
Mit dem falschen Amolf steht endlich noch in Beziehung
eine weitere gefälschte Urkunde (Mühlbacher 2041) angeblich
von 906 Nov. 20 von Ludwig d. K. (Juvav. Nr. 42 zu 875),
die uns nur in der Abschrift der Kammerbücher erhalten ist.
Es gibt aber noch eine weitere Verwicklung, die in dieser
Fälschungsangelegenheit flir uns den interessantesten Punkt
enthält Der gefälschte Amolf zeigt Rasuren. Eine betrifft die
Datierung; es scheint zuerst die Datierung der Urkunde von
860 geschrieben worden zu sein, die man dann mit dem an-
geblichen Aussteller in Übereinstimmung zu bringen suchte;
die andere betrifft ein Stück der Disposition, und zwar gerade
jene Waldschenkung. Es ist eine Stelle von 91 Buchstaben
radiert — wir können sie aus dem Wortlaut der Ottonischen
Urkunde leicht ergänzen — und dafür ein Satz mit 133 Buch-
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Stäben eingesetzt^ welcher eine Grenzbestimmang des Pongans
nach Osten, gegen das Ennstal hin enthält; also eine Stelle
von großer sachlicher Wichtigkeit.
Diese Radierung wurde aber auf dem falschen Amolf
erst vorgenommen, nachdem sein Inhalt bereits in das Diplom
Ottos n. übergegangen war, denn wie erwähnt, diese Urkunde
und die folgenden enthält den auf der Rasur stehenden Satz
nicht, sondern einen kürzeren, dem auch der Raum der ur-
sprünglichen Worte entspricht.
Es war notwendig, diese Geschichte der Überlieferung
hier ausführlich mitzuteilen, doch kann man feststellen, daß
für unsere Frage eigentlich nur diese nachträgliche Änderung
am gefälschten Amolf wichtig ist. Maßgebend ist vielmehr fol-
gendes: Die erzbischöfliche Kanzlei legte im Jahre 977 der
kaiserlichen Kanzlei den Text einer Konfirmationsurkunde vor,
welche die Waldschenkung in der für uns entscheidenden
Form enthielt, und dieser wurde der kaiserlichen Genehmigung
teilhaftig. Ob der gefälschte Amolf damals mit vorgelegt wurde
und aus welchen Elementen er zusammengestellt war, ist dem
gegenüber eine Sache von untergeordneter Bedeutung.
Es soll also vorerst genau untersucht werden, aus welchen
Bestandteilen jener Wortlaut besteht. Im folgenden ist mit
größerer Schrift der Text von 0. 11. 165, soweit er hier in
Betracht kommt, wörtlich und ohne Auslassung abgedruckt;
nach jedem einzelnen Satz die Stellen aus älteren uns über-
lieferten Quellen, welche dem Verfasser des Diplomes als
Vorlage gedient haben können, oder welche doch unseres
Wissens die rechtliche Grundlage des Kirchenbesitzes bilden;
dazu die Erläuterungen:
Ideoque firmanus ad predictum monasterium Sancti Petri
sanctique Rodberti primitus
I. Castellum sanctae Erindrudis cum omnibus juste
ac legaliter ad idem castellum pertinentibus,
Notitia Arnonis I, 1. primum quidem tradidit Theodo
dnx predictum oppidum (Salzburg) simulque et castrum su-
periorem domno Hrodberto cum terminis denominatis et
confinibuB . . .
Breves Notit. II, 3. Theodo dux dedit domno S. Rud-
berto eundem locum ad episcopii sedem cum finalibus locis
ibidem adjacentibus, castrum superius cum montibus ex
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utraqiie parte flnmixiis iUins et nsque fagum stantem in medio
campo in australi parte ipsonun, quod Tulgo dicitur Hagen-
paba cum aqnis ibi circnmquaque correntibus.
Dies ist die Schenkung des erzbischöflichen Sitzes
mit seinem Hanptschloß. Siehe dazn
n. cum curtibus, venationibus, piscationibus, id est
ab aecclesia sancti Martini, que respiclt contra mon-
ticulum, qui vulgo Nochstein nuncupatur, sursum
ex utraque parte fluminis luaris nominati usque
in rivolum Quartinesbach
Not. Am. YII, 8 ... et venationem in silva, que ad-
jacet inter alpes a Gaizlobercb usque ad pontes, que nunc
▼ocantur Stega, et alpes in eodem pago IUI ita yocantur Cun-
dlcus et Cuculana, Alpicula et Lacuana monte, seu etiam ter-
dam partem de Abiiani lacu piscationem.
B. N. VII, 1, Z. 5. Item de isto flumine, quod vocatur
Salzaha, de illa petra que respicit contra ecclesiam sancti
fiiartini, que sita est in castro luuauensi, nulli liceret sine li-
cencia buius sedis episcopi piscacionem babere, vel castores
apprebendere sive ullam ezercere venacionem, nisi tan tum
uno piscatori dominico. Item de loco qui vocatur Scratinpacb
ex utraque parte supradicti fluminis in forste pleniter fieri
ad istam sanctam dei ecclesiam sursum, ubi Swarzaba exo-
ritur, et sie usque ad illum locum qui vocatur Purcb, et ita
fieri a potestativis viris ad istam sedem definitum est.
Dem Hanptschloß Hohensalzburg werden in der Ur-
kunde Höfe, Jagd- und Fischrechte zugeschrieben ,bi8
zum Quartinesbach', der allgemein als die B. N. 1 erwähnte
Schwarzaha (gleich dem Schwarzbach, der den Gollinger-
£EdI bildet) aufgefaßt wird. Man sieht aber aus derselben
Stelle der B. N., daß der Satz in der Urkunde aus zwei
getrennten Verleihungsakten zusammengezogen worden ist;
im ersten wird das Fischrecht in der Salzach von Schloß-
berg (der Martinskirche gegenüber dem Nockstein) fluß-
aufwärts geschenkt — bis wie weit aufwärts wird nicht
gesagt — im zweiten der Wald auf beiden Flußufem
vom Schranbach (bei Hallein) bis zum Schwarzbach. Das
Stück am rechten Ufer heißt heute noch der Abtswald
und war ununterbrochen im Besitz des Stiftes St. Peter.
Von dem Stücke am rechten Ufer wissen wir nichts Qe-
wisses. Am rechten Ufer liegen auch die vier Alpen, die
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in Not. Arn. VII, 8 erwähnt werden. (Deutung der Namen
im Salzburger Urkundenbuch.)
Die Frage, ob die hier erwähnten Gebiete etwas mit
dem ftliher besprochenen Landstrich ,ohne Grafen^ zu
tun haben, ist aber zu verneinen. Der Abtswald sowie
die vier Alpen liegen in der Grafschaft Küchel (Landge-
richt Golling, der Gaisberg im Landgericht Glaneck); diese
Grafschaft hatte aber Grafen (S. Untersuchungen S. 679.)
TTT. insuper etiam de ipso rivolo (Quartinespach) ve-
nationem piscationemque ex utraque parte pre-
notati fluminis ad sanctum MaximiKanum usque
dum Tuontina ex aquilonali parte fluit in praedic-
tum flxunen atque rivolus Gastuna ex australi parte
Not. Arn. VIII, 4. Theodo dux tradidit ipsum locum
[qui dicitur Pongauui] ad s. Petrum ad Salzpurch monaste-
rium et ex omni parti miliarios III.
B. N. III, 10. Tunc quoque dux Theodebertus dedit ibi-
dem de forste suo tria miliaria in omnem quacunque partem.
B. N. IX, 8. Dedit quoque idem dux Otilo ad ean-
dem cellam s. Maximilian! sursum et versum per Salzaba flu-
men ex utraque ripa ipsius fluminis saltum ad venacionem
atque ad pascua pecorum alpes et silvam a loco, qui dicitur
Strupe et ad Furch et illas alpes ubi Swarzaha oritur, et sie
in occidentem et aquilonem, ad orientem et austrum usque
Stegen.
B. N. IX, 2 (trad. Odilo) sancto Maximiliane ... ad
Pongo commanentes XXX cum silya et venatione et omni
appendicio suo.
Das Diplom umschreibt ganz deutlich die Grenzen
des Pongaus. Er beginnt am Schwarzenbach außerhalb
des Passes Lueg und reicht bis zu der später immer wieder
angeführten und bis zum heutigen Tage geltenden Grenze
zwischen Pongau und Pinzgau — Mündung der Gasteinerache
am rechten, des Dientenbaches am linken Ufer. Das sind
die Grenzen im Salzachtale; der Dientenbach bildete dann
noch auf eine große Strecke seines Laufes stromaufwärts
bis 1830 (Einführung der Steuergemeinden) die Grenze
zwischen den pongauischen und Pinzgauer Landgerichten
(s. Erläuterungen zum H. A. Landgericht Taxenbach).
Die Gasteinerache aber diente stets, soviel wir wissen,
nur eine ganz kurze Strecke aufwärts, bis zum sogenann-
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ten Stinkofen in der Elamni; als Grenze; diese sprang
von da über die ,Drei Waller' auf den Kamm^ der Ga-
steiner- nnd Kanrisertal scheidet
Es ist nicht zu zweifeln, daß auch die obige Stelle
der B, N. ,ad orientem et anstrum usque Stegen', nn-
ge&hr dasselbe meint. Für dieses ,Stegen' haben wir
Stegenwacht am Eingange in das Großarltal zur Ver-
fügung (so Salzb. Urkb.), ein guter Abschluß für den
Pongau nach Süden; aber auch bei Schwarzach findet
sich ein Steg. Freilich liegt dies im Südwesten; nicht im
Südosten. Doch kann über den südlichen Abschluß des
Pongaus überhaupt nicht viel Zweifel sein; dies unwirt-
Uche Stück des Salzachtales von Taxenbach bis gegen
Schwarzach, wo Gasteineraohe und Dientenbach münden,
gab einen fast ebenso natürlichen Abschluß als die Berg-
kämme, die sonst den Gau umgrenzen.
Die Nordgrenze wird im Diplom und in den B. N.
ebenfalls übereinstimmend angegeben, dort als Quartines-
pach, hier als Swarzaha. Strup (Strubberg an der Lammer),
Purch (bei Golling) deuten ebenso wie der Schwarzbach
an, daß Tennen- und Hagengebirg bis zum Göll zum Pon-
gau gerechnet wurden.
Die drei Meilen entsprechen nur sehr oberflächlich
den wirklichen Entfernungen. Von Stegenwacht bis zur
Lammer sind in der Luftlinie über 30 fem; von der Dien-
tenmünduDg noch um 12 mehr; das eigentliche Pongauer
Becken von Werfen bis Schwarzach ist 20 km lang. Noch
schlechter stimmt es mit der Breite.
Immerhin ist der Pongau sowohl im Diplom als in
den B. N. unzweideutig umschrieben.
An dieser Stelle ist nun die Rasur auf dem gefälsch-
ten Amolf zu besprechen. Hier ist die oben unter HI.
angeführte Stelle vom Beginne bis usque dum Tuontina . . .
wegradiert und auf der Rasur steht: et Retilinstein et
majorem Meddicham fluviumque Uuitozzam et usque ad
rupem Wizzinchogal; insuper tradimus atque firmamus
sancto Maximiliane ab luuare fluvio. Die erste Hälfte bis
, Wizzinchogal' ist Einschub, das übrige eine verkürzte
Form der wegradierten Phrase, um wieder den Anschluß
an den Text zu gewinnen. Dieser Einschub enthält nun
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die Grenze des Gerichtes Radstadt gegen die Grafschaft
Ennstal; das ist die noch heute geltende Landesgrenze
zwischen Salzburg und Steiermark yom Dachsteingebirge
bis auf den E^amm der Niederen Tauem. Darüber ist gar
kein Zweifel (Erben, Mitteil, des Inst. X, 609).
Daraus geht nun zunächst hervor, daß der Einschub
an einer falschen Stelle steht, denn es handelt sich hier
um eine Abgrenzung des Pongaues gegen Osten, nicht um
eine Abgrenzung der zum Erentrudskastell (Hohensalz-
bürg) gehörigen Fisch- und Jagdrechte, wie es im Text
des falschen Amolf den Anschein hat. Es schließt sich
nämlich hier der Text zu der Phrase zusammen ,Castel-
lum s. Erentrudis . . . cum pertinentibus, . . . id est . . .
piscationibus . . . usque in rivolum Quartinesbach et Reti-
linstein et Meddicham usw. Der Einschub gehört vielmehr
nach ,Gastuna in australi parte' und sollte hier etwa durch
ein ,in orientali parte autem usque ad' (Retilinstein usf.)
angeschlossen sein.
Nach dem paläographischen Befund stammt der Ein-
schub aus dem 11. Jahrhundert.
IV, Ad haec etiam firmamus ad prefatum monaste-
rium luuauense forestem a termino qui in Pison-
cia incipit hoc est de rivolo Erilipach usque ad
acutum montem, qui Diutisce vocatur Vuassin-
perch, prope Iscalam in illo loco, ubi terminus
forestis Ratpotoni comitis sc de isto disjungit,
Cod. trad. Friderici Nr. 7, ürkb. S. 173 (=Juvav. Anh.
S. 197, cap. 17): Tradidit . . . nobilis femina Rosmuot . . .
(archiep. Frid.) unamhobam adTassinpah cum tali nemore . . .
id est de Erilipah usque ad Tuontina et ex altera parte fluvii,
qui dicitur Salzaha, de Uusca usque ubi Gastuna intrat in
eundem fluvium, et cum piscatione ac omnibus adiacentibus,
que Bui iuris essent.
Mit dieser Urkunde (von 963 zirka) des cod. Frid.
ist die erste Hälfte der obigen Stelle des Diplomes bis
jErilipach' vollkommen erklärt. Im vorigen Absatz war
der Pongau durch Dientenbach und Gasteinerache nach
Westen abgegrenzt, jetzt folgt das anschließende Gebiet,
vom Erlbach, der in den Zellersee mündet ostwärts, wie-
der bis an die beiden Bäche.
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Das dadurch abgegrenzte Gebiet entspricht den Ge-
riditen Taxenbach und Ranris. Ebenso lange wie der
Dientenbach; nämlich bis 1830, war anch die Fnscherache
Gerichtsgrenze y und zwar zwischen Taxenbacher- und
Zellergericht. Dieser Umstand scheint dafbr zu sprechen,
daß der Wald, der zu der ,hoba' in Taxenbach gehörte,
die nördlichen und südlichen Seitentäler mitum£eJ}t habe;
trotzdem ist es unwahrscheinlich, daß ein so ausgedehntes
Gkbiet im 10. Jahrhundert noch als unbewohntes Wald-
revier ein ,appendicium' eines Hofes gewesen sei, selbst
wenn wir die Hoba, als Herrenhof oder ,Herrschaft^ statt-
lichster Art uns vorstellen wollen.
Wenn übrigens der Erzbischof Friedrich die Absicht
verfolgt haben sollte, durch Einbeziehung dieses im Tausch-
wege von einer Privatperson erworbenen Gebietes in die
Reihe der herzoglichen Waldschenkungen aus der Agilol-
fingerzeit auch hier die Grafengewalt auszuschließen, so
ist ihm dieser Vorsatz mißlungen, denn wir finden den-
selben Landstrich im Jahre 1228 als Teil der Grafschaft
im unteren Pinzgau. (Meiller, Reg. S. 242) ,inferiorem
(comitatum) autem a loco Walherainode per longxmi et
planum, sicut dicta aqua Salza decurrit, donec ipsi torrens,
qui dicitur Tuonta, influit iuxta Bongov'.
Hier greift also die Waldkonfirmation über das ,gra-
fenlose' Gebiet hinaus. Da nun dieser Taxenbacher Wald
erst 14 Jahre vor der Ausstellung des kaiserlichen Di-
plomes von 977 erworben worden ist, so mußte man in
der erzbischöflichen Eotnzlei noch wissen, welcher Art
dieser Besitz war. Es konnte im 10. Jahrhundert das
,Landgericht' nicht mitvertauscht worden sein wie im
14. oder 15. Jahrhundert; die Ausschließung der Grafen-
gewalt scheint damals nur denkbar in der öfter bezeich-
neten Weise, daß auf dem ganzen Gebiet nur Stiftsunter-
tanen sich befanden, die in bezug auf die niedere Ge-
richtsbarkeit dem Urbarrichter, auf den Blutbann dem
erzbischöflichen Vogt unterstanden.
Wenn wir voraussetzen, die Zusammenstellung der
Disposition in dem Diplom von 977 sei von rechtskun-
digen Leuten mit Überlegung und nach gewissen Absich-
ten m der erzbischöflichen Kanzlei gemacht worden, so
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werden wir annehmen müssen^ daß über die rechtliche
Natur dieses Taxenbacher Waldbesitzes verschiedene Auf-
fassungen möglich wareU; oder daß wir heute der damals
unternommenen Zusammenstellung eine übertriebene Be-
deutung beizulegen geneigt sind. Denn wozu sonst gerade
ihn in die Konfirmation einbeziehen^ wo doch hunderte
von anscheinend ebenso bedeutenden Erwerbungen in
den erzbischöflichen Traditionsbüchem verzeichnet waren,
die man hier nicht au&ahm?
Von den Grenzen des Taxenbacher Waldes am Zeller-
see springt nun die Grenzbeschreibung mit einer seltenen
Kühnheit eine Strecke von 70 km weit über Berg und
Tal bis in den nördlichen Teil des Salzkammergutes^ zum
,Wassinperch' nahe der Ischl. Diesen Wassinperch wird
man, seitdem A. Prinzinger am Fusse des ,Sparber^ am
Wolfgangsee ein Wassengut aufgefunden hat, als den
Sparber betrachten dürfen, da diese Annahme auch der
Gesamtlage der Nachrichten am besten entspricht. Aus
diesem letzteren Grunde kam der Verfasser (in den Un-
tersuchungen 714) dazu den Rettenkogel oder Rinnkogel
für den Wassinperch zu halten, die nur einige Elilometer
vom Sparber entfernt sind.
Vergegenwärtigen wir uns, welchen Umkreis die
,Montana omnia' (siehe unten) zwischen dem Pinzgauer
Zellersee und dem Abersee — denn so kann man jene
Angabe verständlicher fassen — eigentlich einnehmen, so
finden wir folgendes. Der Pongau ist ebenso wie der
Taxenbacherwald abermals seinem ganzen Umfange nach
mit einbegriffen, ja er ist der Hauptteil, der Kern des
ganzen; besonders wenn man beachtet, daß das Tennen-
und Hagengebirg samt dem GöU, also das ganze Grenz-
gebirg gegen Berchtesgaden ihm zugerechnet wurden.
Seine Grenzen gegen Süden bleiben unbestimmt. Reicht
er nur bis an den Fuß der Hohen Tauem (Stegenwacht)
oder bis an deren Hauptkamm? Gastein hat im 13. Jahr-
hundert ein eigenes Landgericht, wie Taxenbach und
Rauris, ebenso Kleinarl; die ,Fünf Stäbe in Pongau' um-
faßten später von den Tauerntälem nur Großarl (Taidinge
S. 181). Auch die Ortsgrenze bleibt unbestimmt und selbst
wenn man die Grenzen im Salzkammergut bis auf die
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Bei^ westlich vom Hallstädtersee sich vorgeschoben denkt^
die Qosan also einschließt^ wie es späteren Angaben ent-
spricht^ so bleibt das oberste Ennstal mit Badstadt and
dem Tauemtale noch immer außerhalb der Bestimmung
,die Berge zwischen Zeller und Abersee'. Kein Wunder,
wenn ein Späterer die Notwendigkeit flihlte hier die Mand-
linggrenze einzuschalten, wie es im feilschen Amolf ge-
schehen ist.
Mit der Nordgrenze beschäftigt sich der nächste
Absatz.
et in aquilonali parte de rivolo Tinnilinpach us-
que in summitatem montis Ciruencus nominati, et
de iam dicto monte Uuassinperch usque ad pre-
fatiun monticulum Nochstein, — illa montana
omnia, que in potestate antecessorum nostrorum
fuerant et nostra ad iam dictum monasterium fir-
Über dieses Stück wurde ausführlich gehandelt Un-
tersuchungen S. 710 bis 717, wo auch die betreffenden
Stellen aus den B. N. und Not. Am. abgedruckt sind,
so daß es wohl genügt, darauf zu verweisen. Der oben-
genannte Satz ist vornehmlich B. N. VlI, 1 entnommen;
der Anschluß an den Nockstein aber ist neu, wenn auch
vollkommen sachgemäß. Man erkennt aber aus dem Suchen
eines solchen Anschlusses das Streben des Verfassers, den
Bestand eines geschlossenen Gebietes zu erweisen.
Durch die Linie Wassenberg (Sparber), Dindlbach,
Zifanken, Nockstein ist die Nordgrenze der beiden Ge-
richte Hüttenstein und Wartenfels gegeben und damit
auch das zwischen ihnen und dem Pongau liegende Ge-
richt Abtenau unserem Bezirk zugeteilt.
Der Verfasser des ottonischen Diplomes hat also
mit seinem Texte die Gerichte Taxenbach und Rauris,
die fünf Stäbe des Pongaus, Abtenau, Hüttenstein und War-
tenfels umschrieben. Gastein ist zweifelhaft, Radstadt und
Kleinarl (Wagrein) bleiben außerhalb, ebenso der Lungau.
Grafenlos sind der Überlieferung nach aber nur:
Radstadt, Wagrein, Abtenau, Hüttenstein und Wartenfels;
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Pongau ist zweifelhaft, Taxenbach, Rauris und Gastein
hatten sicher Grafen, wahrscheinlich auch Lungau.
Daraus läßt sich vielleicht folgern: Auch im Jahre
977 hofiFte man in Salzburg durch Eonfirmierung eines
großen zusammenhängenden Landstriches, für den durch
die Immunität ein bevorzugter Rechtsstand gegeben war,
ein Gebiet unmittelbarer Beherrschung zu schaffen.
An eine vollkommene Ausschließung der Grafen-
gewalt dachte man aber im 10. Jahrhundert überhaupt
noch nicht, da die Grafen überall als stiftische Vögte ihr
Amt ausübten und die Vorstellung einer erzbischöflichen
Landeshoheit mit Ausschließung aller Grafen im 10. Jahr-
hundert noch gar nicht bestehen konnte. Sie fehlen auch
nur teilweise; wahrscheinlich nur in den menschenarmen
Waldgebieten der drei nördlichen Gerichte; von den übri-
gen wissen wir zu wenig; wenn wir sie später im Besitz
der Erzbischöfe finden, ohne daß wir von einem Erwerb
nach Abgang der Grafen wissen, so ist doch ein solcher
Vorgang für den Pongau z. B. sehr wahrscheinlich. Doch
ftlhlt man sich immer wieder angereizt, die eigentümliche
Arbeit des Verfassers von DO. 11. 165 zu prüfen und ihr
einen bestimmten Sinn und eine bestimmte Absicht zuzu-
schreiben. Und eine solche wird man unter allen Umstän-
den annehmen dürfen.
Immerhin kann also die alte Eleimaymsche Auffassung,
die spätere Landeshoheit beruhe auf den Gebieten geschlossenen
Grundbesitzes, auf der Immunität und nicht auf dem Erwerb
von Grafschaftsrechten, für den östlichen Teil des Salzburger
Stiftslandes so lange auft*echt bleiben, bis neue Untersuchungen
das Gegenteil bewiesen haben, wenn man sich auch wird hüten
müssen, die Bestrebungen des 13. Jahrhunderts schon in das
10. zu verlegen.^
* Meine schwere Erkrankung hindert mich leider diese interessante Frage
nach Wnnsch weiter aasznführen. 31. Jänner 1905. Richter.
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III.
GEMARKUNGEN
UND
STEUERGEMEINDEN
IM LANDE SALZBURG.
YON
EDUARD BICHTEB,
WEIL. WIKKUCHBM HITOUfDI DIR KAU. AKADEM» DIR WUSRNSCHATTIH.
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Ans mehr als einem Gnmde ist die Erforschung des Ur-
sprunges der Steuer- (oder Katastral-) Gemeinden in den öster-
reichischen Ländern fär die geschichtliche Geographie sehr
wichtig. Einmal sind die ^Eatastralmappen'^ d. h. die in dem
großen Maßstab 1:2880 (1 Zoll = 40 Klafter) * aufgenommenen
Karten der Feldfluren und Ortschaften die ältesten Bilder der
Landoherfläche in großem Maßstäbe^ welche überhaupt ge-
zeichnet wurden. Sie geben nicht bloß die Abgrenzungen der
einzelnen Grundstücke, sondern auch der damals begründeten
kleinsten Einbeiten der Verwaltung, eben der Steuergemeinden.
Die militärischen Aufnahmen in zehnmal kleinerem Maßstab
(l Zoll =400 Klafter oder 1:28800) sind in manchen österreichi-
Bchen Ländern älter als der Elataster, in anderen jünger. In
Salzburg stammen sie aus 1807 — 1808; der Kataster aus 1828
bis 1830; sie geben aber außer dem Landesumfang keine poli-
tischen Abgrenzungen.
Was sind nun diese Steuergemeinden? Wenn sie gleich-
bedeutend sind mit den alten Dorfgemarkungen, wenn sie einen
geschichtlichen Anhalt an früheren Verhältnissen haben, viel-
leicht nur die zeitgemäße Feststellung alt überlieferter Zu-
stände sind, dann werden wir sie als ein unschätzbares Denk-
mal filr die innere politische, und die Wirtschaftsgeschichte
betrachten müssen. Dann hat Professor v. Thudichum recht,
der auf die ,Gemarkungen^, wie sie jetzt durch die Steuer-
und Ortsgemarkungsgrenzen dargestellt werden, ein ganzes
System der geschichtlichen Geographie aufgebaut und eine leb-
hafte Bewegung hervorzurufen verstanden hat, überall auf dem
alten deutschen Reichsboden Karten mit diesen Grenzen her-
zustellen, die bekannten Grundkarten.
^ 1 Klafter alten Maßes hatte 6 Fuß, der Fuß 12 Zoll; eine Klafter also
72 Zoll; 72X40=2880 usf.
Aidäv. XCIY. Band. 6
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66
Es wird nicht schaden hier nochmals zu betonen: wenn
man wirklich der alten Dorfgemarkungen, wie sie noch im
18. Jahrhundert vielfach ungestört bestanden haben und viel-
leicht noch bestehen, habhaft werden könnte, so wäre das eine
recht wertvolle Sache. Aber die Annahme, die jetzt in den
Eatasteraufiiahmen der deutschen Staaten (im Sinne des alten
Reiches oder Bundes) uns vorliegenden Abgrenzungen der
Steuergemeinden oder Ortsgemeinden oder wie sie im ein-
zelnen heißen, seien uralt, diese Annahme war voreilig, wie
sich nun herausgestellt hat, und ich kann nur nochmals mein
Bedauern aussprechen, daß man so große Geldmittel an eine so
wenig ausgeprobte Sache verwendet hat, wo es doch so schwer
ist, für geschichtliche Studien nennenswerte Beträge aufzu-
bringen.
Die Einrichtung des Katasters, die Bildung von Steuer-
und Ortsgemeinden ist in jedem Staat anders erfolgt, und in den
größeren Staaten, wie Preußen und Osterreich auch noch nach
Provinzen verschieden, da ja die Rechtsverhältnisse, Einrich-
tungen und Überlieferungen, die man vorfand, sehr ungleich
waren. Auch konnten die Organisationen nicht von einem
Mittelpunkt allein aus ins Werk gesetzt werden, so sehr man
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch geneigt war zu
zentralisieren. Aber man kann es in den Akten verfolgen, wie
die gleichen allgemeinen Anordnungen in den Händen der
Landes- und Provinzialbehörden doch gewisse abweichende
Züge annahmen. Man muß also die Frage für die einzelnen
Gebiete, in Österreich nach den Ländern gesondert unter-
suchen.
Die vorliegenden Blätter sollen diese Untersuchung für
das Land Salzburg darbieten, das bis 1806 ein selbständiger
Staat mit eigener Entwicklung gewesen ist, von 1810 bis 1816
zu Bayern gehörte und erst in diesem Jahre dauernd Oster-
reich angegliedert wurde. Der Hauptteil der vorliegenden
Studie wird sich mit Entscheidungen beschäftigen die im Jahre
1828 getroffen wurden, als man daranging, in Salzburg die
sogenannte Franciscische Steuerreform durchzuftLhren. Schon
1817 hatte man sich entschlossen den ganzen Kaiserstaat län-
derweise in großem Maßstab aufnehmen zu lassen und die ein-
zelnen ,Parzellen' nach ihrem landwirtschaftlichen Erträgnis
einzuschätzen, um auf diese Weise eine gerechte und gleich-
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67
mäßige Verteilung der Grundsteuer vornehmen, und zugleich
anch das ganze Gelände ohne Ausnahme dazu heranziehen zu
können. Es schien hierbei unerläßlich das Land in kleine Be-
zirke, Katastral- oder Steuergemeinden genannt, einzuteilen;
man hat das überall so gehalten. Als richtiges Mittelmaß fiir
einen solchen Abschnitt setzte man 500 Joch an, das sind etwas
weniger als drei Quadratkilometer (2* 77 7 km^). Nun war in
den österreichischen Erblanden schon einmal ein ähnlicher
Versuch einer Qrundsteuerregulierung unternommen worden
unter Kaiser Josef 11. in den letzten Jahren seiner Regierung.
Der Hauptunterschied beider Unternehmungen, des ,Josephini-
sehen' und ,Franciscischen' Katasters liegt darin, daß man
sich bei dem ersteren mit einer sehr oberflächlichen Aufnahme
der einzelnen Parzellen durch die Gemeinden und Besitzer
begnügen wollte, ohne Anknüpfung an ein gemeinsames Dreieck-
netz oder auch nur an das Nachbargrundstück, während man
vierzig Jahre später eine große Triangulierung vornahm, wo-
durch das einzelne Grundstück erst wirklich seinen Platz auf
der Oberfläche des Erdballes zugewiesen erhielt; ein Unter-
schied, der wissenschaftlich allerdings noch bedeutender war
als praktisch. Denn an die Organisationen, die man das erste
Mal geschaffen hatte, konnte man sich auch später noch halten;
es läßt sich nachweisen, wie man in einzelnen Ländern sich
ganz ängstlich an die Josefinischen Steuergemeinden gehalten
hat, als man abermals daran ging solche zu schaffen.^ Der
Josefinischen Reform war nämlich keine lange Dauer beschie-
den gewesen; schon wenige Monate nach ihres Schöpfers Tod
wurde die ganze großartige Einrichtung wieder aufgehoben.
In Salzburg fehlte, wie sich versteht, diese Anlehnung,
denn in den Tagen Kaiser Josefs war es noch nicht österrei-
chisch.
Hier kann es sich also nur darum handeln, welche an-
dere verwandte Einrichtungen hier etwa bestanden haben. Der
nachfolgende Bericht über die Ereignisse von 1828, den ich
den Originalakten des Salzburger Airchives entnehme, wird
darüber Aufschluß geben. Es genüge hier festzustellen, daß
die Behauptungen des damaligen Salzburger Ereisamtes, es
* Siehe: Nene Erörterungen zum histor. Atlas. Mitteil, des Inst, flir österr.
Oeechichtaf. VI. ErgänBungsbd. S. 867.
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gäbe in Salzburg keine Gemeinden^ nicht bloß für die damalige
Zeit ganz richtig ist, sondern auch ftlr die letzten Jahrhun-
derte vorher gilt. In dem ganzen Zeitraum aus dem die Salz-
burger Taidinge stammen (also hauptsächlich im 16. und 17.
Jahrhundert) ist tatsächlich in den Rechtsdenkmälem nichts
von einer Gemeinde oder Gemeindeverwaltung, von einer Dorf-
obrigkeit u. dgl. zu entdecken. Es ist diese Frage keineswegs
noch genügend erschöpft. Dem Schreiber dieser Zeilen ist ja
im allgemeinen das Quellenmaterial der salzburgischen Rechts-
geschichte nicht unbekannt; er hat es aber niemals gerade auf
diese Frage hin untersucht. Im Salzburgischen gibt es Dörfer,
uralte Dörfer aus der Agilolfinger-, ja vielleicht aus der Römer-
zeit. Sie werden ihre gemeinsame Flur, ihre Gewannen und
ihre gemeine Weide gehabt haben, und nach Zillners Angabe
erkennt man noch jetzt die Spuren dieser Zustände in dem
Bilde der Flurverteilung (Mitteil. z. Salzb. Ldke., 32. Bd. S. 175).
Aber diese Dinge müßten erst einmal erschöpfend untersucht wer-
den; dann wird man vielleicht doch etwas von Dorfobrigkeiten
und deren Wirksamkeit erfahren. Noch dunkler liegt aber die
Sache im Gebiete der Einzelhöfe. Über ihre Zusammenordnung
zu gemeindeähnlichen Gruppen, über ihren gemeinsamen Wald
und ihre Weide wissen wir nichts. Man müßte einzelne Ge-
biete, von denen Urbare vorhanden sind, herausgreifen und
aus dem älteren Quellenmaterial in Verbindung mit den Bildern
der Flurverteilung in den Katastralmappen die Geschichte des
Besitzes und seiner Gruppierung verfolgen. Vielleicht kann
man auf diese Weise etwas erreichen. Das Thema mag dem
Nachwuchs empfohlen sein.
Hier folgt nun die Geschichte der Einführung der jetzt gel-
tenden und seither, wie die verschiedenen Auflagen der Über-
sichtskarte lehren, sehr wenig veränderten Steuergemeinden in
Salzburg. Es wird sich ergeben, daß diese ganz ausschließlich
ein Werk der Jahre 1828 und 1829 sind, das jeder Anknüp-
fung an alte Gemarkungen umsomehr entbehrt^ als es deren
damals überhaupt nicht mehr gegeben hat. Für Salzburg ist
abo die Thudichumsche Annahme vom Alter der Gemarkungen
durchaus unzulässig. Alt sind hier nur die Landgerichtsgrenzen,
wie wiederholt gezeigt worden ist. Daß die Grenzen der Steuer-
gemeinden zum Teile aber zur Festlegung jener benützt wer-
den konnten, verdanken wir einem Zufedle der Organisation
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D&mlich dem Umstand, daß die Landgerichte zugleich zu
Steuerbezirken gemacht wurden, woraus folgt, daß alle Land-
gerichtsgrenzen auf Katastralgemeindegrenzen laufen.
Die erste auffindbare Nachricht, daß sich die Behörden
mit der Frage der Bildung der Eatastralgemeinden im Lande
Salzburg beschäftigt haben, stammt aus dem Jahre 1827. Am
24. November berichtete das Kreisamt in Salzburg an die Lan-
desregierung in Linz, daß in Salzburg eine ganz neue Ge-
meinde-Arrondierung für den stabilen Kataster notwendig sei.
Darauf beauftragte die Regierung am 20. Februar 1828 das
Kreisamt, sich zu äußern, ob die Steuerdistrikte des Salzburger
Kreises nicht als solche Hauptgemeinden zu betrachten seien,
wie sie der § 154 der Vermessungsinstruktion bezeichnet.
Diese Steuerdistrikte stammten aus der bayrischen Zeit, sie
werden als ,bayrisches Steuerprovisorium' bezeichnet. Die Ver-
messungsinstruktion aber schreibt vor, daß in jenen Provinzen,
wo mehrere Gemeinden in eine Steuerhauptgemeinde vereinigt
sind, jede Untergemeinde als selbständige Gemeinde zu be-
handeln und aufzunehmen ist,^ ,weDn jede ftlr sich in einem
wirklichen Territorialzusammenhang stehe, einen eigenen Burg-
frieden und einen eigenen Gemeindevorstand habe^* ,Sollte da-
gegen in der bestehenden politischen Landeseinteilung der ftlr
die Blatastraloperationen unbedingt erforderliche Territorialzu-
sammenhang im allgemeinen nicht gefunden werden, so müßte
die Gemeinde-Grenzbeschreibung . . . zwar dem Grenzzuge der
Steuerdistrikte folgen', doch stünde es der Regierung zu, die-
jenigen Änderungen in dem bestehenden Umfange der Ge-
meinden oder Distrikte anzuordnen, die zum Behuf der wirk-
lichen Aufiaahme (die 1829 beginnen wird) unbedingt notwendig
erscheinen; damit die neuen Steuergemeinden die von der In-
struktion geforderten Eigenschaften an Größe und Gestalt
besitzen (nämlich zwischen 500 und 1500 Joch Flächeninhalt
und eine möglichst einfache, gut arrondierte Gestalt). Wenn
Bolche Änderungen nötig werden sollten, so wird der Geometer
in Verbindung mit einem pfleggerichtlichen Beamten einen
VoTscblsLg ausarbeiten. Aus der Art Bestellung solcher Beamter
^ Linden, Die Grundsteoerverfassang in den deutschen und italienischen
Provinzen der Osterreichischen Monarchie, Wien 1840, I, 284.
« 8o der oben zitierte Reg. Erl.
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als politischer Kommissäre geht hervor, daß das Geschäft der
Gemeindeeinteilung nach einzelnen Pfleggerichten vorgenommen
werden, daß also dabei die Grenzen der Pfleggerichte, wel-
che auch zugleich Steuerbezirke waren, eingehalten werden
sollten.
Darauf berichtet das Kreisamt am 25. März 1828, daß der
erste Fall — Vereinigung mehrerer Gemeinden zu einer Haupt-
gemeinde — im Lande nicht vorkomme, ,weil nach der königl.
bayerischen Instruktion zur Bildung der Steuerdistrikte auf die
Lage derselben und auf den Zusammenhang unter sich Rücksicht
getragen werden sollte, überhaupt keine großen Steuerdistrikte
gebildet wurden, da jede Quadratmeile wenigstens 4 Steuer-
distrikte haben mußte', wie z. B. das Pfleggericht Thalgau mit
4600 Einwohnern und 739 Häusern in 14 Steuerdistrikte zer-
teilt sei. Es wird daher derlei Steuerdistrikte zu verteilen und
mehrere Steuergemeinden hieraus zu formieren nirgends not-
wendig werden. Umgekehrt aber, wird sich wohl öfter der
Fall ergeben, daß die Steuerdistrikte unförmliche Körper bil-
den, und von zu geringem Umfang sind, daher es wohl am
zweckmäßigsten sein dürfte, daß die Gemeindegrenzbeschrei-
bung nach den dermalen bestehenden Steuerdistrikten vorge-
nommen' und darnach Arrondierungen in der obenerwähnten
Weise angeordnet werden; es scheine rätlich die in jedem
Steuerbezirk bestehenden und mit dessen Umfange genau be-
kannten ,Steuervorgeher' ebenfalls beizuziehen.
Darauf erfolgte eine ausführliche Verordnung der Linzer
Landesregierung vom 1. April 1828 (Z. 8731), wodurch das
Katastrierungsgeschäft in die Wege geleitet werden sollte. Es
wurde angeordnet, in der eben beginnenden Arbcitsperiode die
graphische Triangulierung und die Gemeindegrenzbeschreibung
im ganzen Lande mit Ausnahme der Bezirke Zell am See
und Mittersill durchzuführen ; es wurden die Arbeitskräfte und
deren Hauptquartiere bestimmt, die Pflichten der Gemein-
den und Pfleggerichte in Erinnerung gebracht usw. und end-
lich über die Bildung der Steuergemeinden folgendes vorge-
schrieben :
§ 8. Die Grenzbeschreibung zum Behufe des stabilen
Katasters wird nach Steuergemeinden vorgenommen.
§ 9. Als eine Steuergemeinde wird jener territoriale
Umfang anzunehmen sein, welcher gegenwärtig nach
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dem königl. bayerischen Stenerprovisorium einen
Steuerdistrikt bildet.
§ 10. In der Regd darf in dem bestehenden Umfange
dieser Steuerdistrikte, insofeme nämlich ihre Arrondierung
sich als zweckmäßig darstellt, keine Änderung vorgenommen
werden.
§ 11. Sollte jedoch ein solcher Steuerdistrikt, als selbst-
ständige Steuergemeinde fUr sich allein betrachtet, entweder
zu klein sein oder eine unförmliche Figur bilden, so wird
nach jenen Bestimmungen vorzugehen sein, welche die Ver-
messungsJnstruktion § 156 bis 166 vorzeichnet. Insbeson-
dere wird bei einer Arrondierung darauf zu sehen sein,
daß die Grenzen nicht über die einzelnen Grundbesitzun-
gen gezogen, und daß nicht Zusammenziehungen von Kör-
pern, die in verschiedene Pfleggerichtsbezirke fallen, bewirkt
werden.*
Weiters wurde der Leiter der Gemeindebegrenzung Ober-
leutnant Gampert beauftragt, wenn er irgendwo einen der
bayerischen Steuerdistrikte nicht geeignet ftlr Beibehaltung
als Steuergemeinde finde, sofort mit den Pfleggerich tsbeam-
ten eine ,Zusammentretung' abzuhalten und Bericht zu er-
statten.
Dieser Fall trat rasch ein. Gampert beging mit dem
Pfleger von Salzburg die drei Steuerdistrikte Elixhausen, Berg-
heim und Gnigl und man glaubte in Erfahrung zu bringen,
,daß hierlands wirklich eingefriedete Gemeinden und zwar in
geschlossenen Ortschaften vorhanden sind, die von altersher
schon politische Körper in jedem Sinn des Wortes gebildet
haben und daß die bayerischen Steuerdistrikte ganz willkürlich
ohne Zweck und Ursache diese in eigenem Verband stehenden
politischen Körper dergestalt trennen, daß die meisten Ort-
schaften durch Steuergrenzen geschnitten sind, und in ver-
schiedene Steuerdistrikte fallen. Es wurden dabei weder Ge-
richts- noch Besitzgrenze berücksichtigt, sondern sich lediglich
an natürliche Grenzen gehalten, und dort, wo deren keine vor-
handen waren, blieb es der Willkür der Pfleggerichte über-
lassen, nach eigenem Gutdünken zu verfahren.' Das Kreisamt
machte daher am 10. Mai 1828 folgende Vorschläge:
1. Nach dem Sinne der hohen Vermessungsinstruktion
§154 ist jede Untergemeinde als eine selbständige Gemeinde
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zu behandeln und aufzunehmen; und nach dem § 158 sind
solche Untergemeinden in eine Hauptgemeinde zwar so zu
arrondieren^ daß sie nicht aus dem dermaligen Bezirk gerissen
wird.
2. Wäre nach dem § 159 eine solche arrondierte Steuer-
gemeinde auf einer Mappe aufzunehmen^ jedoch jede ein-
zelne Untergemeinde als ein selbständiger Körper mit eigener
Grenzbeschreibung, Parzellierung und Protokollierung zu be-
handeln.
3. Da sich nun im Salzburger Kreis keine eigentlichen
Steuergemeinden befinden, in welchen so wie in den öster-
reichischen zum Teile schon vermessenen Provinzen dergleichen
kleine Ortschaften schon in der k. k. Josephinischen Steuer-
regulierung zusammengezogen und unter einem Ortsvorstand
zu Steuerhauptgemeinden gebildet wurden, so wäre es nötig
eine solche Konzentrierung der hierortigen kleinen Gemeinden,
welche hierländlich unter dem Provinzialausdruck Bieget be-
nennt werden, zu veranlassen, indem
4. nach dem § 159 eine Anzahl kleiner Gemeinden rtick-
sichtlich der Grenzbeschreibung, Parzellierung und Protokol-
lierung als selbständige Körper im Vorschein kämen, die,
obwohl sie teils in geschlossenen, teils in zerstreuten Häusern
bestehen, doch nicht einzeln mit einem Ortsvorstande vertreten
werden können, sondern auch gegenwärtig mehrere derselben
einem Richter oder Ausschuß zugewiesen sind, wie z. B. in
dem k. k. Pfleggerichte Salzburg 69 Untergemeinden, die aller-
dings ihre Grenzen nachweisen können, nur von 20 Ortsvor-
ständen übersehen werden.
5. Aus diesem Grunde wäre es rätlich, diese kleinen Ge-
meinden, ohne sie separat zu begrenzen, nach Lage und Größe
des Umfanges zusammenzuziehen und .unter einem Ortsvor-
stande eine Steuerhauptgemeinde zu bilden, diese Steuerhaupt-
gemeinde aber ordentlich zu begrenzen, fortlaufend jedoch ort-
schaftsweise zu parzellieren und zu protokollieren, femers den
Umfang einer solchen kleinen Gemeinde durch den Detailgeo-
meter mit Farbenstreifen sowohl in der Mappen als auch auf
dem Prulion ersichtlich zu machen, die Summe der enthalten-
den Parzellen einer jeden einzelnen Untergemeinde summarisch
in ihrem Flächeninhalt am Schlüsse des Indikationsprotokolles
nachzuweisen und auf diese Art die Hauptsumme aller Par-
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Zellen mit ihrem Flächeninhalt der ganzen Hauptgemeinde dar-
zustellen.
6. Dadnrch würde nun jede einzelne Untergemeinde eben-
so YoUständig sowohl der Anfnahme als auch der Schätzung
entsprechen nnd der Sinn des § 159 ganz rein erfüllt werden.
7. Um aber die beabsichtigte Arrondierung im Umfang
der Gemeinden nach den §§ 156 und 157 der hohen Ver-
messungsinstraktion zu bezwecken^ ist es in diesem Kreise
notwendige daß ein Vermessungsindividuum; welches mit dem
Sinn des Ganzen vertraut ist, noch vor dem Anfang der
Detailbegrenzung in jedem Pfleggericht mit Zuziehung des
Pflegers oder jener Beamten^ die die meiste Lokalkenntnis be-
sitzen, die einzelnen Gemeinden mit Beihilfe der General-
quartiermeisterstabskarte in ein Croquis entwerfe, die dies-
fiüligen Konzentrierungen in dem Umfang des ganzen Pfleg-
gerichtes ersichtlich mache und der hohen Regierung zur
weiteren Entscheidung vorlege. Der darauf folgende Detail-
grenzberichtiger beginnt nun nach diesem Hauptskelett mit
dem poUtischen Kommissär die Grenze ordentlich zu beschrei-
ben und das nunmehr durch graphische Punkte sichergestellte
Skelett dazuzugeben.
Es sollte also nach dem Antrage des Kreisamtes die An-
ordnung vom 1. April, wonach die neuen Steuergemeinden in
Salzburg gleich sein sollten den bayerischen Steuerdistrikten
aufgehoben werden, und anstatt dessen die Steuergemeinden
ans einem oder mehreren der alten Pfleggerichtsabteilungen,
Rotten, Rügete, Zechen, Kreuztrachten, Amter genannt, gebildet
werden. Aus der Handschrift der Konzepte sieht man, daß
die Anregung zu dieser Neuerung von Oberleutnant Gampert
ausging.
Die Oberbehörde in Linz ging überraschend schnell auf
diesen Vorschlag ein und erließ schon 7 Tage darauf eine An-
ordnung, welche wegen ihrer Wichtigkeit ihrem ganzen Umfange
nach mitgeteilt wird. Der Hauptpunkt ist der erste, wonach die
Steuergemeinden in Salzburg wirklich nicht nach den bayeri-
schen^ sondern der altgeschichtlichen Landeseinteilung gebildet
werden sollten. Der Erlaß, ausgestellt in Linz am 17. Mai 1828
Z. 13490 JÄUtet:
Über die untern 10. d. M. vorgelegten Beratungsresultate
wegen der Be«timmung der Steuergemeinden ftlr das stabile
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Kataster in dem untergeordneten Kreise findet die Regierung
mit Beziehung auf das Dekret vom 1. April 1. J., Z. 8731 an-
zuordnen:
1. Die Steuergemeinden für das stabile Kataster sind in
dem Umfange des Kreises Salzburg nach den faktisch beste-
henden politischen Ortschaften zu bilden.
2. Wenn eine solche politische Ortschaft fUr sich allein
genommen zu klein ist; so sind zwei oder mehrere nach dem
1. Absätze des § 157 der Vermessungsinstruktion zusammenzu-
ziehen; jene Ortschaften aber, welche für sich eine unförmliche
Figur bilden, dann einzelne von ihrer Gemeinde getrennt lie-
gende Grundstücke sind mit anderen Ortschaften, mit denen
sie sich nach ihrer topographischen Lage am besten airon-
dieren, nach dem 2. und 3. Absätze des § 157 der Vermessungs-
instruktion zu konzentrieren. Ebenso sind selbständige Be-
sitzungen und Waldungen, welche dem Territorio keiner Ge-
meinde angehören, nach den Bestimmungen der §§ 160 — 165
der Vermessungsinstruktion den angrenzenden Ortschaften zu-
zuweisen.
3. Bei diesen Zusammenziehungen sind die obwaltenden
politischen und örtlichen Verhältnisse soviel als möglich zu be-
rücksichtigen, vorzüglich aber darauf zu sehen, daß die Gestalt
der entstehenden Steuergemeinden nicht unförmlich werde, und
daß die zusammengezogenen Gemeindekörper nicht zu groß
werden.
4. Diese Konzentrierungen müssen immer innerhalb der
Grenzen der Pfleggerichtsbezirke in der Art vorgenommen
werden, daß bei jenen politischen Ortschaften, denen andere
aus den sub 2 angedeuteten Gründen zugewiesen sind, welche
jedoch für sich einen gut arrondierten, mehr als 500 Joch be-
tragenden Körper bilden, abgesonderte Grenzbeschreibungen,
Indikationsskizzen und Aufnahmsprotokolle verfaßt werden, bei
den übrigen aber wird der Geometer die Grenze in den Indi-
kationsskizzen deutlich ersichtlich machen und die Numerie-
rung der Bau- und Grundparzellen auf der Mappe und in den
Protokollen dergestalt bewirken, daß alle zu der nämlichen
politischen Ortschaft gehörigen Parzellen nacheinander in arith-
metischer Ordnung erscheinen. In Beziehung auf die weitere
Behandlung der einzelnen politischen Ortschaften in der Mappe
und in den AufiiahmsprotokoUen wird sich auf den § 159 der
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Vermessungsinstruktion mit dem Beisatze bezogen, daß die
Numerierung zwar in der oben bemerkten Art für jede Ort-
schaft fortlaufend und abgesondert zu bewirken sein wird,
ohne jedoch bei jeder Ortschaft mit l anzufangen, da dieses
Verfahren nur für die als Enklaven behandelten bereits selbst-
ständigen Steuergemeinden vorgeschrieben ist.
5. Um die Einteilung des Kreisgebietes nach diesen Be-
stimmungen zu sichern und die einzelnen Grenzbeschreibungs-
geometer in die Lage zu setzen, die Gemeindegrenzbeschrei-
bung ohne Aufenthalt bewirken zu können, wird gleichzeitig
die Einleitung getroffen, daß der provisorische Inspektor Herr
Oberleutnant Gampert die Einteilung der einzelnen Pflegge-
richtsbezirke nach Steuergemeinden vorläufig bewirke, darüber
ein Skelett, in dem einmal die Grenzen der projektierten
Steuergemeinden, dann die Grenzen der einzelnen poUtischen
Ortschaften ersichtlich zu machen sein werden, verfasse, das-
selbe gemeinschaftlich mit dem für den Pfleggerichtsbezirk
angestellten politischen Kommissär fertige und im Wege des
k. k. Kreisamtes, welches sein Gutachten beizuftlgen haben
wird, abgesondert zur Genehmigung hierher vorlege. In dem
von dem Herrn Oberleutnant Gampert gemeinschaftlich mit
dem politischen Kommissär zu fertigenden Berichte ist die pro-
ponierte Einteilung durch die obwaltenden Lokalverhältnisse
zu erläutern und zu rechtfertigen, der Grund jeder belassenen
Unförmlichkeit, insbesondere wenn schmale Streife (!) von
anderen Gemeindegebieten umschlossen sind, herauszuheben,
und im Falle, wo beide Berichterstatter nicht gleicher Meinung
sind, die differierenden Ansichten motiviert aufzuführen.
Es ist daftir zu sorgen, daß die Grenzen der künftigen
Steuergemeinden in der Art, wie sie proponiert worden sind,
sogleich bezeichnet werden, damit der Grenzbeschreibungs-
geometer die Detailgrenzbeschreibung sogleich darnach bewir-
ken kann. Dort, wo von der hohen Regierung Änderungen
werden angeordnet werden, wird der grenzbeschreibende Geo-
meter mit dem politischen Kommissär dieselben in Ausftihrung
zu bringen haben.
Nach diesen Bestimmungen, welche gleichzeitig im Wege
der Mappierungsdirektion dem provisorischen Inspektor Oberleut-
nant Gampert und den grenzbeschreibenden Geometern bekannt
gemacht werden, wird die Einteilung des Salzburger Kreis-
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76
gebietes in Steuergeraeinden für den stabilen Kataster^ sowie
die Detailvermessung zn bewirken sein, daher sie auch den
nachfolgenden Detailsgeometern von der Mappierungsdirektion zu
ihrem Benehmen werden vorgezeichnet werden. Insbesondere
wird sie das k. k. Kreisamt den Pfleggerichten und politischen
Kommissären, insoweit sie dieselben betreffen, zu eröffiien haben.
Im übrigen wird sich nach der untern 1. April 1. J.,
Z. 8731 erhaltenen Belehrung zu benehmen sein.
Die Sache sollte aber nicht so glatt verlaufen. Die Re-
gierung in Linz hatte die getroffene Abänderung des ursprüng-
lichen Programmes am 17. Mai nach Wien an die Hofkanzlei
gemeldet. Am 19. Juni genehmigte diese oberste Instanz das
Aufgeben der bayerischen Steuerdistrikte als Grundlage der
Steuergemeinden, schrieb aber vor, daß die politischen Ort-
schaften (Riegete, Gemeinden) jede fiir sich aufgenommen,
begrenzt und beschrieben werden sollte, später sollte dann über
die Zusammenlegung entschieden werden. Diese Anordnung
widersprach insofern den Anträgen des Kreisamtes, als dieses
vorgeschlagen hatte, man möge vor der eigentlichen Vermes-
sung schon feststellen, aus welchen Rotten und Riegeten eine
Steuergemeinde gebildet werden sollte. Das Kreisamt richtete
also eine sehr ausführliche Vorstellung an die Landesregierung,
der wir sehr wertvolle Nachrichten über das Wesen der alt-
salzburgischen Gemeindegliederung verdanken. Die wichtigen
Stellen jenes Kreisamtsberichtes vom 3. Juli 1828 lauten:
In Befolgung dieses hohen Auftrages hat man ehrer-
bietig zu bemerken, daß, wie man schon so oft in den dies-
ämtlichen Berichten angeführt hat, in dem Salzburger Kreise
nicht gleich wie in den anderen k. k. österreichischen Provin-
zen eine Josephinische Steuerregulierung vorausgegangen und
bleibende Gemeinden gebildet worden sind, sondern in Bezie-
hung auf Grund und Boden nur eine genaue Auszeigung oder
Vermerkung zwischen jenen kleinen Bezirken statt hätte,
welche lediglich behufs der politischen Verwaltung geschaffen
wurden und im Pfleggericht Neumarkt unter dem Namen Rü-
gate, in anderen Rotten, Obmannschaften, Viertel heissen und
deren jedem ein Mann als Vorstand vorgesetzt war. Diese
kleinen Bezirke haben, wie gesagt, nur der politischen Vei>
waltung wegen bestanden, sie haben von alten Zeiten her zur
Aufeicht und Geschäftsbesorgung ihre eigenen Riegmänner,
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77
Obmänner, Rottmänner, Viertelmänner oder Ortsvorstände, wie
sie yerschieden genannt wurden, gehabt, sind auch nach dem
Eonskriptionssysteme zusammen numeriert, ihre Grundfläche
aber, welche eigentlich das Katastralgeschäft in Anspruch nimmt,
ist gar nicht ansgezeigt oder vermerkt, sondern soweit die
Gründe der zu einem solchen Bezirk gehörigen Häuser gehen,
soweit gehet anch die Grenze des Bezirkes und insofern die
Gründe der benachbarten Bezirke dort herzureichen, fkngt
auch die Grenze derselben an. Auf diese Grenzen hat man
auch in dem diesämtlichen Berichte vom 10. Mai 1. J., Z. 8731
hingedeutet nnd gebeten, aus diesen Bezirken durch Eonzen-
trierung die Steuergemeinden zu bilden.
Zwischen diesen Bezirken liegen aber im ganzen Salz-
burgischen sogenannte selbständige Körper als k. k. ärarische
Waldxmgen, landesfllrstliche und herrschaftliche Schlösser und
Besitzungen, Alpen, Felsengebirg, Hutweiden etc. welche bis-
her nie, da auf Grenzen der Grundfläche keine Rücksicht ge-
nommen wurde, einem solchen Bezirk zugewiesen waren. Durch
die mit hohem Dekret vom 17. Mai 1. J., Z. 13490 genehmigte
Regulierung werden nun erst diese eingefriedeten Körper mit
den Grenzen ihrer Grundfläche aufgenommen, sogleich mit
sichtbaren Merkmalen bezeichnet und einer Steuergemeinde,
welche aus den konzentrierten Ortschaften gebildet werden,
zugeteilt.
Die §§ 153, 154, 155 der Vermessungsinstruktion können
ftir den Salzburger Kreis keine Anwendung finden, weil 1. im
Salzburger Kreise, wie schon vorne erwähnt, keine Josephini-
sche Steuerregulierung statt hatte und keine Steuergemeinden
mit einem bestimmten Umfange noch bestehen; 2. da also
keine Steuergemeinden noch bestehen, so kann auch von Un-
tergemeinden nnd Behandlung derselben als selbständige Ge-
meinde keine Rede sein; 3. die Gemeinden bestehen noch
nicht, haben daher noch keinen Umfang, folglich paßt die Vor-
schrift, daß an dem bestehenden Umfange einer Gemeinde
keine Änderung vorgenommen werden darf, ebenfalls nicht
hierher, weil das Objekt, welches in seinem Umfang so soll
au^enommen werden, wie es wirklich besteht, noch nicht vor-
ianden ißt, sondern erst geschaffen werden muß . . .
Durch die verschiedenen Regierungsveränderungen hat
sich auch die innere Einteilung, wie selbe in älteren Zeiten
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78
bestanden haben mag^ hierlands umgestaltet. Unter der königl.
bayerischen Regierungsperiode wurden die Steuerdistrikte kreiert,
die alle Verbindung der Pfarren und Ortschaften über den
Haufen warf, daher von den Landgerichten und nunmehrigen
Pfleggerichten zur politischen Verwaltung doch noch die alten
kleinen Bezirke sub nomine Rigaten, Rothen etc. beibehalten
wurden; allein selbst diese Rigaten, Rothen etc. wurden nach
den verschiedenen Ansichten der bestandenen Landrichter und
Pfleger nach Willkür abgeändert, vergrößert und verkleinert,
zur Erleichterung der Rigatmänner, Rothmänner längst einer
Straße oder Weges zugeteilt, damit er bequem zu den ihm
zugewiesenen Häusern gelangen könnte. Diese kleinen Bezirke
bestehen öfters aus zusammenhängenden Ortschaften, öfters
aus zerstreut zu einer Ortschaft gehörigen Häusern, bisweilen
nur aus 5, 6 Häusern, keine gemeinschaftlichen Besitzungen
und Rechte, wie z. B. Gemeindewaldungen, Weiden, Gemeinde-
kassen etc. haben sie nicht. Der ganze Pfleggerichtsbezirk
bildet überall eine Gerichtsgemeinde, welche eine Gemeinde-
kasse hat, woraus die Konkurrenzumlagen bestritten werden,
mit Ausnahme der landesfürstlichen Städte und Märkte, welche
ftir ihren Burgfrieden eine besondere Kommunkasse haben und
unter der Benennung ,städtische oder Marktgemeinde' zum
Unterschiede der Ruralgemeinde vorkommen.
Das Kreisamt hält es für seine Pflicht, wiederholt auf-
merksam zu machen, daß dasjenige, was eine hohe Stelle als
schon bestehend hierlands sucht und voraussetzet, nämlich
Steuergemeinden und Untergemeinden, nach der für die alt-
österreichischen Provinzen eingerichteten Vermessungsinstruk-
tion im Herzogtume Salzburg als einer neu erworbenen und
unter den verschiedenen Landeshoheiten nach ganz anderen
Gesetzen regierten Provinz noch gar nicht besteht, sondern
notwendig erst gebildet werden muß. Man kennt kein Hin-
dernis, warum nicht, wie es auf hohe Regierungsverordnung
vom 17. Mai 1. J., Z. 13490 bereits in mehreren Pfleggerichts-
bezirken geschehen ist, durch Zusammenziehung von einzelnen
solchen kleinen Bezirken die Einteilung von Steuergemeinden
in den einzelnen Pfleggerichtsbezirken bewirkt werden wolle,
wodurch ordentliche, der politischen Verwaltung angemessene
und dem Zusammenhange sich entsprechende Steuergemeinden
gebildet worden wären.
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Die Landesregierung in Linz war von dem abermaligen
Widerspruch des Kreisamtes nicht erbaut und sandte am
11. Juli 1828 eine ziemlich scharfe Note nach Salzburg, worin
das Kreisamt beschuldigt wurde durch unklare und wider-
sprechende Berichte und Anträge die nunmehr herrschende
Vcr¥mrrung hervorgerufen zu haben. Eine Stockung der Arbeit
war tatsächlich insofern eingetreten, als die Mappierungsdirek-
tion strenge nach dem Hofkanzleidekrete vorgehend die Ver-
messung der einzelnen 32 Rügate des Landgerichtes Neumarkt
Yomehmen lassen wollte, das Pfleggericht aber nur der 17
mit Oberleutnant Gampert vereinbarten neuen Katastralgemein-
den. Weiterhin untersagte das Kreisamt den Pfleggerichten die
Mitwirkung bei der Aufiiahme der Rügate tlberhaupt.
Li dieser Zeit erschien der Regierungspräsident Graf
Ugarte aus Linz persönlich in Salzburg und überzeugte sich
von der Richtigkeit der Ansichten des Kreisamtes. Auf seinen
Einfluß ist es wohl zurückzuführen, daß die Hofkanzlei dem
unangenehmen Zustande mit anerkennenswerter Raschheit ein
Ende machte, indem sie schon mit Dekret vom 26. Juli ihre
Anordnung vom 19. Juni, wonach jede Rotte u. dgl. eine Steuer-
gemeinde sein sollte, aufhob, und — im Sinne der Anträge
des Kreisamtes — befahl, ,daß im Salzburger Kreis erst eigene
Katastralgemeinden durch eine zweckmäßig arrondierte Zu-
sammenziehung ganzer politischer Ortschaften und Rügate ge-
bildet und dann erst diese eingebildeten Gemeinden nach der
Vorschrift der Vermessungsinstruktion in ihren Grenzen bestimmt
werden sollen'. Lispektor Oberleutnant Gampert wird mit der
Ausmittlung und Proponierung der neu zu bildenden Katastral-
gemeinden ftir den ganzen Salzburger Kreis beauftragt. Als
besondere Normen werden noch aufgestellt:
1. Jede politische Ortschaft ist für sich allein genommen,
wenn sie wenigstens 500 nieder-österreichische Joch Flächen-
maß hat, und für sich einen gut arrondierten Körper bildet,
auch selbständig zu behandeln, folglich als eine künftige selbst-
Btändige Steuergemeinde vorzuschlagen, dagegen sind
2. kleinere, unter 500 Joch enthaltende, oder für sich
allein genommen nicht zweckmäßig arrondierte Körper zu-
sammenzuziehen und ftlr solche konzentrierte Orte bei der
eigentlichen Grenzbeschreibung nur eine Grenzbeschreibung
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nnd bei der Detailanfnahme nur eine Indikationsskizze and ein
Aufnahmsprotokoll zu verfassen . . .
Bei den durch den Oberleutnant Gampert und den politi-
schen Kommissär vorzunehmenden Erhebungen zum Behufe
der Eonzentrierungen sind die bestehenden örtlichen und poli-
tischen Verhältnisse und insbesondere der Umstand zu berück-
sichtigeU; daß die Zusammenziehung immer nach ganzen poli-
tischen Ortschaften und Rügaten in ein und derselben Pfarre
geschehe, daß auf wohlarrondierte Körper hingewirkt und
daß dabei darauf gesehen werde, daß die künftigen Steuer-
gemeinden besonders in kultivierten Gegenden nicht zu groß
werden, und zwar niemals über 2500 niederösterreichische
Joche Flächeninhalt erhalten. Nur im Hochgebirge, wo öde
Strecken etc. den Gemeinden zugewiesen werden, darf die an-
gedeutete Größe überschritten werden.
3. Eine Ausnahme von den ad 1. und 2. angedeuteten
Grundsätzen hat bei Städten und Märkten einzutreten, da diese
bereits geschlossene Burgfrieden haben. Für diese Orte (Städte
und Märkte) sind einige Grenzbesohreibungen etc. zu verfassen
und in Fällen, wo ihr Inhalt unter 500 niederösterreichische
Joche steht, ist denselben eine anstoßende jedoch ebenfalls ab-
gesondert zu begrenzende Ortschaft zuzuweisen.
Von weiteren Bestimmungen ist hier nur noch hervorzu-
heben, daß weiterhin jede willkürliche Änderung der Rügaten,
Rotten, Viertel und Obmannschaften untersagt wurde, da diese
Änderung leicht auf den Bestand der einmal mit aller Vor-
sicht unter Beachtung der obwaltenden Verhältnisse gebildeten
Katastralgemeinden nachteilig einwirken könnte.
Nach diesen Anordnungen ist die Landesvermessung flir
den Kataster und die Bildung der Steuergemeinden in den
nächsten zwei Jahren 1829 und 1830 mit Aufwand eines großen
Personales (im Jahre 1829 waren gleichzeitig 64 ,Herren',
größtenteils Offiziere im Lande tätig) durchgeftihrt worden.
Schon 1830 müßen die lithographischen Kopien der Original-
Aufnahmsblätter wenigstens teilweise vollendet gewesen sein,
denn es erschien bereits am 2. Februar ein gedrucktes Zir-
kular über ihren Preis und die Art des Bezuges. 1832 begann
die Schätzung der Gründe auf der Basis der neuen Ver-
messung, aber erst 1835 wird das Erscheinen der ,Ubersicht8-
karte der Steuergemeinden und Bezirke^ (1:115200) angekündet.
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Dies ißt die Geschichte der Steuergemeinden im Lande
Salzburg. Man siebte daß eine ungemein wichtige Sache sehr
rasch, unter der Gefahr schwerer Mißgriffe doch schließlich
sinngemäß durchgeführt worden ist. Ein k. k. Oberleutnant,
ein junger Mann in wenig hervorragender Stellung hat das
Werk getan, das bis heute nicht bloß die territoriale Grund-
lage der Stenerverfassung sondern des ganzen Gemeindewesens
ist. Denn die politischen Gemeinden wurden bei ihrer Ein-
Mirung stets nach den damals gezogenen Grenzen umschrieben,
indem die politische Gemeinde stets gleich ist einer oder meh-
reren Steuergemeinden und niemals eine Steuergemeinde unter
zwei politische Gemeinden geteilt ist.
Für die Geschichte der Territorialeinteilung des Landes
Salzburg ergeben sich aber folgende Schlüsse.
1. Die Grenzen der einstigen Pfleggerichte fallen im all-
gemeinen stets mit Grenzen heutiger Steuergemeinden zusammen,
da man bei Errichtung der Steuergemeinden sich stets inner-
halb der Grenzen des betreffenden Pfleggerichtes gehalten hat.
2. Hie und da mögen allerdings erst durch die Grenz-
beschreibung des Katasters diese Grenzen vollkommen scharf
und genau festgestellt worden sein. Im allgemeinen aber be-
weisen die alten Gerichtsrügungen, daß man sich bei Gerichts-
grenzen nicht mit allgemeinen und ungenauen Bestimmungen
begnügt hat, wie das bei den Rotten nach Aussage des Salz-
burger Kreisamtes der Fall war. Die Gerichtsrügungen geben
auf den Meter genaue Grenzen, oft genug wird die rechte oder
linke Zauntorsäxde oder die Mitte des Bächleins mit aller Be-
stimmtheit angegeben. Der Grund dieser großen Genauigkeit
wird der Wunsch gewesen sein, Kompetenzstreitigkeiten zu ver-
meiden, da der Gerichtsstand von dem Orte des begangenen
Verbrechens und des Ergreifens des Verbrechers abhing.
3. Die Bestimmung der Grenzen der Pfleggerichte nach
den Grenzen der Steuergemeinden ist nur bei jenen altsalz-
buigischen Pfleggerichten nicht möglich, die in den Jahren
1828 — 1829 nicht mehr selbständig bestanden, das sind Neu-
haus, Glaneck, Oberplain und das Urbargericht an der Glan,
die mit Abtrennung Glaneckscher Gebiete an Hallein im Jahre
1811 zum Pfleggericht Salzburg vereinigt wurden; femer Straß-
walchen, das damals mit Neumarkt, und der Hofmark Koppel,
die mit Salzburg vereinigt war. Auch für die seit 1816 dauernd
ItcUt. ICIV. Bmnd. 7
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bayerisch gebliebenen altsalzburgischen Gebiete am linken Ufer
der Saale und Salzach gilt wie sich versteht die obige Erörte-
rong nicht.
4. Auch die alten Rotten, Rügete usw. wurden niemals durch
Landgerichtsgrenzen und in der Regel auch nicht durch Steuer-
gemeindegrenzen durchschnitten. Somit haben wir nicht nur die
Grenzen der alten Landgerichte, sondern auch die Lage der
Rotten etc., deren Namen wir aus der Juvavia genau kennen,
vollständig sicher und so genau abgegrenzt als sie es überhaupt
waren.
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IV.
DAS LAND
IM NORDEN DER DONAU.
MIT EINER HISTORISCHEN KARTE.
TON
JULIUS STRNADT.
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Yorw^ort.
Die Dorchforschimg der österreichischen und bayrischen
Arcliive für die Arbeiten zum historischen Atlas der öster-
rächlschen Alpenländer hat eine unerwartete Menge einschlä-
giger Urkunden und Akten zutage gebracht^ welche Staats-
rechtliche nnd andere Verhältnisse in ihrem wahren Wesen
erkennen ließen. So spärlich anfangs die Quellen flössen^ so
weit verstreut das Materiale und oft schwer auffindbar^ mit-
unter auch unzugänglich war, in vielen Fällen nur in einzelnen
Splittern zum Vorschein kam^ so fügte sich doch bei weiterem
Fortschreiten der Sammlungen Stein um Stein zu einem Auf-
bau zusammen; welcher^ wenn auch nicht in allen seinen Teilen
von gleicher Stärke, doch keine klaffenden Lücken aufweist;
denn jene^ welche Urkunden und Akten noch gelassen^ wurden
durch das günstige Ergebnis der Lustrierung der alten Grund-
bücher aus den Jahren 1793/94 ausgefüllt^ da dieselben häufig
eine wörtliche Übertragung aus den älteren herrschaftlichen
urbaren sind — soweit nicht die Gesetzgebung Kaiser Josefs 11.
Änderungen gebot — , die wirtschaftlichen Verhältnisse am
Ende des 18. Jahrhunderts darstellen und häufig die ältesten
topographischen Namensformen überliefern.
XJber die Quellen wurde in den Erläuterungen Rechen-
schaft abgelegt; es darf nicht übergangen werden; daß ohne
die ausgiebige Benützung der königL bayrischen Archive und
deren Bereitwilligkeit zur Akten Versendung — der 1902 ver-
storbene Direktor des allgemeinen Reichsarchives in München
Baron Dr. Eduard v. Oefele hat allein mehr als zwanzig Zu-
sendungen veranlaßt — * die Darstellung flir Oberösterreich eine
trümmerhafte geblieben wäre.
Die Erläuterungen zur Landgerichtskarte von Oberöster-
reich versuchen^ über den Werdegang des Gerichtswesens im
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Lande ob der Ena eine gedrängte Übersicht zu bieten; die
nähere Begründung der Angaben blieb den Abhandlungen zum
historischen Atlas vorbehalten. Grenzbeschreibungen, soweit
solche vorhMiden, wurden bequemerer Übersicht halber an den
entsprechenden Stellen anmerkungsweise eingeschaltet.
Die vorliegende Abhandlung über ,das Land im Norden
der Donau' hat die Aufgabe, auf Grund des seit dem Jahre
1900 beigeschaffiten archivalischen StoflFes nach Tunlichkeit fol-
gende Fragen zu beantworten:
1. Bestand und Umfang des sogenannten Schweinachgaues.
2. Westgrenze der karolingischen Ostmark am linken Donau-
ufer.
3. Art und Weise der Erschließung des Nordwaldes für die
Ktdtur und Wert der Schenkungsurkunde König Hein-
richs n. für Niedemburg zur Beantwortung dieser
Frage.
4. Aufklärung über das Auftreten der Witigonen auf ober-
österreichischem Boden und über ihre Abstammung.
5. Aufklärung über die Eigenschaft der Herrschaft Falken-
stein und ihr Verhältnis zu Passau und den Witigonen,
zumal zu Zawisch ^von Falkenstein^
6. Vormalige Grenzen zwischen Bayern und Osterreich einer-
seits und Böhmen andererseits; Zeitpunkt ihrer Sta-
bilisierung.
7. Zeitpunkt der Vereinigung Wachsenbergs und der Ried-
mark mit dem Lande ob der Ens.
8. Bloßlegung der Verhältnisse Passaus zu dem Mühelland
und Bestimmung des Zeitpunktes^ in welchem das-
selbe der österreichischen Landeshoheit unterworfen
wurde.
9. Klarlegung der Ausbreitung der österreichischen Territorial-
hoheit über Rannariedl in das Herz des Reichsfürsten-
tums Passau hinein.
Der Verfasser, kein Fachmann ex professo, aber auf dem
Gebiete der historischen Geographie seit einem halben Jahrhun-
derte tätig, darf versichern, daß er alle Zeit und Mühe auf-
gewendet hat, um die auf ihn gefallene Wahl eines Mitarbeiters
am historischen Atlas zu rechtfertigen. Was Neigung zum Ge-
genstande und Liebe zum engeren Vaterlande, was genaue
Kenntnis von Land und Leuten — zumal im Mühellande, in
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welchem er als Gerichtsadjunkt in Neufelden (1868—1870) und
als Bezirksrichter in Rohrbach (1877—1881) hierzu hinrei-
chende Gelegenheit hatte — , was umfangreiche Urkunden-
sammlungen, vor 55 Jahren begonnen und stets fortgesetzt,
zum Gelingen des Werkes beizutragen vermocht haben, dürfte
an der Arbeit zum sichtlichen Ausdrucke kommen. Von der
Ranna bis zur Isper, von der Moldau bis zur Donau hat er
das Land in allen Richtungen bereist und durchwandert; er
schreibt aus persönlicher Wahrnehmung.
Ein gütiges Geschick hat es ihm beschieden, nochmals
die Wege zu wandeln, die er — der 25 jährige Aktuar ohne
jegüche literarische Verbindung — im Jahre 1860 in seiner
Schrift über die passauische Herrschaft im Mühellande durch-
messen hat- Da dieselbe den Ausgangspunkt auch der folgen-
den Elrörterungen bildet und wegen der Zusammenstellung des
Urkundenmateriales auch in Zukunft nicht entbehrlich werden
dürfte, folgt im Anhange zur genauen Orientierung eine Be-
richtigung von topographischen Bestimmungen, die vor 45 Jahren
nur von der Landkarte aus gemacht wurden und deshalb teil-
weise niclit das Richtige trafen.
Der Neubau wurde mit reichem — wie manchem schei-
nen möchte, allzureichem — Materiale aufgefiihrt; bei einge-
hender Nachprüfung dürfte sich aber zeigen, daß eine Be-
schränkung nicht eintreten durfte, ohne die meist schwierige,
weil auf neuem Boden sich bewegende Beweisführung zum
Nachteile des Ganzen zu schwächen. Nebstbei mußten Ein-
bUcke in das Kriminalverfahren und in die zahlreichen Kon-
flikte gewährt werden, einerseits, weil hieraus besondere Fol-
gerungen abzuleiten waren, und andererseits, weil die Gelegen-
heit zu solchen Einblicken eine sehr seltene ist, da derlei
Akten meist schon zugrunde gegangen sind und auch gegen-
wärtig noch immer vernichtet oder veräußert werden.^
In OberOsterreich sind Prozesse wegen Zauberei und Hexerei fast nicht
auffindbar. Daß jedoch solche ebenso häufig wie anderwärts stattfanden,
dafür zeugt schon die Tatsache, daß im Jahre 1728 siebzehn Personen
beiderlei Geschlechtes aus den Pfarren Schwertberg, Tragein, Zell und
Grein eingefangen und von den betreffenden Landgerichten teils durch
Feuer teils durch Schwert hingerichtet wurden (Archiv für Kunde österr.
Gescbichtsqaellen XYII, 207). Hiervon finden sich noch vollständige
Akten gegen Magdalena Grillenberger 1729/30 im Greinburger Archive
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Die Kartenbeilage im Maßstabe 1:200.000 hat den Zweck,
die gewonnenen Ergebnisse der Untersuchung deutlich vor
Augen zu führen; sie wurde absichtlich nicht früher als nach
Vollendung des vierzehnten Abschnittes angefertigt, Flächen-
kolorit wurde vermieden, weil die Grenzlinien auch bei Fal-
kenstein nicht immer jedes einzelne Haus hätten einbeziehen
können.
Um die Abhandlung nicht noch mehr, als ohnehin nicht
vermieden werden konnte, mit Zitaten zu belasten, hat der
Verfasser es unterlassen, sich mit den verschiedenen entgegen-
gesetzten Meinungen zu befassen, und es dem Leser anheim-
gestellt, sich fiir oder gegen die vorgebrachten Beweise zu
entscheiden. Nur bezüglich der Äußerung Ottos von Freising
über die tres comitatus der Ostmark hat er eine Ausnahme
machen zu müssen geglaubt, weil in dem Exkurse Uhlirz in
den Jahrbüchern des Deutschen Reiches unter Otto II. und III.
eine neue Ansicht aufgetaucht ist, deren Anwendung auf das
Thema der Arbeit zu prüfen war.
Zum Schlüsse erlaubt sich der Verfasser allen Persönlich-
keiten, welche das Zustandekommen der vorliegenden Abhand-
lung ermöglicht haben, den gebührenden Dank abzustatten: Sr.
Durchlaucht Fürst Adolf Josef v. Schwarzenberg Herzog zu
Erummau, den hochgebomen Herren Graf Rudolf Kinsky,
Graf Konrad Ungnad v. Weißenwolff, Graf Ernst zu Sprinzen-
stein, Frau Baronin Schwiter zu Schwertberg für die gestattete
Benützung der Archive, den Herren Direktoren und Beamten
des k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchives, des k. u. k. gemein-
samen Finanzarchives und des niederösterreichischen Landes-
archives in Wien, des königl. bayrischen Reichsarchives und
des Kreisarchives, sowie der königl. Hof- und Staatsbibliothek
in München, des Ereisarchives in Landshut, den Herren fürstlich
Schwarzenbergschen Zentralarchivsdirektor Anton Mörath in
Erummau und Archivar Franz Mare§ in Wittingau, Herrn Regie-
Oerichtsakten Fasz. 74 wegen Hexerei, gegen Hans Grillenberger 1780/31
im Schwertberger Schloßarchive wegen Zauberei (von letzterem ein Aus-
zug in Nr. 49 der Unterhaltungsbeilage zur ,Linzer Tagespost* 1903),
Bruchstücke eines Hexenprozesses bei dem Landgericht Reichenstein
ex 1696 gegen Maria Eninkhl aus der Pfarre St. Leonhard und gegen
die Wetterhexe Maria Aistleitner im Schloßarchive f^eistadt, Fasz. 30,
Nr. 26 und 27.
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rnngsrat Universitätsprofessor Hans Lambel in Prag, Stiftskapi-
tular Dr. Adalbert Erichs in Göttweig, Herrn Viktor Baron Han-
dd-Mazzetti Archivar des Linzer Museums, k. u. k. Oberst, Herrn
Dt. Ferdinand Krackowizer oberösterreichischem Landesarchivar
i.R., Herrn Prälaten Eonrad Meindl zu Reichersberg, Herrn
SüftsbibUothekar Gottfried Vielhaber in Schlägl, Herrn Stifts-
kapitular Dr. Valentin Schmidt von Hohenfurt, Professor in
Budweis, der löblichen herzoglich Sachsen-Coburgschen Fidei-
kommißbehörde in Coburg und dem herzoglichen Rentmeister
Julius Kraemer in Greinburg für die in liberalster Weise ge-
währte Ausnutzung des Greinburger Archives, dem gräflich
Weißenwolffschen Sekretär Herrn Viktor PoUak, Herrn Ge-
meindesekretär Karl Haßleder in Neufelden, Herrn Verwalter
Fridwagner in Helfenberg. Herrn Sektionsrat Dr. Josef Kolo-
man Binder wird für die Eröffiiung des Archives des Justiz-
ministeriums, HeiTn Oberlandesgerichts- Vizepräsidenten Gustav
Ritter v. ScharflFen flir jene des Oberlandesgerichtsarchives,
Herrn Landesgerichtsrat Dr. Adolf Ritter v. Großer für die
gewährte Unterstützung, Herrn Professor Dr. Emil Werunsky
an der deutschen Universität in Prag, Herrn Stiftsbibliothekar
Professor Sebastian Mayr in Kremsmünster für die vielseitigen
Dienste der ergebenste Dank ausgesprochen.
Kremsmünster, 12. Mai 1905.
J. Stmadt.
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Erster Abschnitt.
Der große Nordwald. Das karolingische Rosdorf gleich-
bedeutend mit dem späteren Landshag. Die comitatus ex
antiquo ad marchiam pertinentes, quos tres dicunt des
Bischofs Otto von Freising; die neueste Deutung der-
selben nach ühlirz.
Der ganze Landstrich im Norden der Donau zwischen
der Hz im Westen und der Isper im Osten ist noch zur Zeit
des Einzuges der Bajuwaren in das ehemalige Norikum als
Waldgebiet aufzufassen; nur die Uferränder der Donau bis
hinab nach Sachsen waren in Kultur gezogen, hauptsächlich
von Wenden, welche sich bis Niederwaldkirchen hinauf und
über den Haselgraben festgesetzt hatten.^ Während jedoch der
Nordwald (unter der Benennung Passauerwald) noch im Be-
ginne des 10. Jahrhunderts an der Donau herab bis in die
Nähe von Landshag ^ reichte und im Gebiete des sogenannten
' A. Hackl, Die Besiedlungsverhältnisse des oberösterreichischen MCihl-
viertels, Stnttgai't 1902; Stmadt, Gebart des Landes ob der Ens,
S. 26 — 29. Vgl. hierzu ,Zur Kunde der österreichischen Ortsnamen', Mitteil,
des Inst, für Osterr. Geschichtsf. XIX, 620 — 534. Gelegentlich sei bemerkt,
daß der scheinbar deutsche Familienname Breslmaier, üblich im mitt-
leren Mühlkreise, entschieden slawischen Ursprungs ist und im 18. Jahr-
hunderte noch viel richtiger Preßlmaier geschrieben wurde, denn er
stammt von Bröselsdorf (recte Pfemysldorf, urkundlich Brumislaistorf,
1115, Oberösterreichisches Urkundenbuch 11, 151).
Zu dem Versuche der neueren Forschung, aus den Hausformen und
dem Dialekte eine Grundlage für die Vermutung fränkischer Mitbesiedlung
zu gewinnen, sei darauf hingewiesen, daß der Personenname Franco ein
einheimischer war, daher Frankenberg in der Riedmark mit Sicherheit
keineswegs auf fränkische Kolonisten zurückgeführt werden muß.
' Der aus der karolingischen Zollordnung 904 bekannte Handelsplatz
Rosdorf ist identisch mit dem heutigen Orte Landshag, wie nachstehende
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MtühSandes noch lange kein Name genannt wird, waren die
Anüedlnngen östlich Yon der Großen Mühel im Beginne des
13. Jahrhnnderts bereits an die Rauschemühel — so genannt
Yon dem tosenden Falle in ihrem steinigen Bette — vorgerückt
Belege aeigen: 853, 18. Jänner, KOnig Ludwig best&tigt die Schenkung
des Grafen Wilhelm, welcher allen seinen Besiti lu Bosdorf und über-
haupt auf dem linken Donauufer (,quicquid ad rosdorf habere uidebatur
omnia et ex omnibus rebus ex illa parte danubii, quicquid sibi perti-
nebant in mancipüs et aedificiis ac uineis cultis et incultis*) an das
Kloster St. Emmeram yergabt hatte (Mon. Boic. XXVIIIa, 46). In dem
durch die königlichen Sendboten (vgl. Krause in Mitteil, des Inst, für
Oeterr. Geschichtsf. XI, 193 ff.) 904 festgestellten Gewohnheitsrechte der
ZoUrätxe t&r die Ostmark (Mon. Germ. Leges III, 480) wird Rosdorf als
der erste Landungsplatz und als die erste Zollstfttte nach Passierung
des Passauerwaldes genannt (,postquam egresse sint siluam patayiam et
ad Bosdorf uel ubicunque sedere uoluerint et mercatum habere'). 1111,
23. August bestätigt Bischof Ulrich von Passau dem Kloster St. Florian
unter anderen Besitzungen ,Ad bercheim dimidius (mansus), ad rostorfh
dimidius' (OberOsterreichisches Urkundenbuch II, 140). Engelbert von
Blankenberg (an der Großen Mttbel) vergabt unter Bischof Chunrad von
Passau (1158—1164) an das Kloster St. Nikola bei Passau folgende
Güter: ,curia in Aigilsperge, curia in Windestige, curia ad Hirzman,
curia Chunradi ad portum contra Ahscha, curia In Berchaim, molendi-
num in riuo Rosbaoh*, wie eine Hand des 13. Jahrhunderts erster Hälfte
in den Traditionskodex eintrug (OberOsterreichisohes Urkundenbuch I,
593). 1258, 3. September erlaubt Bischof Otto dem Chunrad von Hart-
heim, die Besitzungen des Klosters Niedernburg in Lantzhabe und in
Awenden, welche Bischof Bertold (1250—1264) an Ulrich von Kapellen
verpfändet hatte, von diesem einzulösen (Mon. Boic. XXIX b, 122). Bosdorf
lag also gerade am Ausgang des Passauerwaldes an der Donau, in einer
Gegend mit Weingärten, in der Nähe von Bergheim; unter letzterem
kann nur die Ortschaft am Pesenbache in der Pfarre Feldkirchen ver-
standen werden, denn in dieser Pfarre befanden sich die durch alle
Jahrhunderte erwähnten vielen Weing^ärten, welche erst in den Jahren
1817, 1818 au%elas8en wurden, hier findet sich ein fast wasserloser Bach
des Namens Rosbach. Die Bachnamen wechsein übrigens häufig, ein Ros-
bach wird 1189 in der Pfarre Scbönhering erwähnt (Oberösterreichisches
Urkundenbuch II, 416), ein Rosgraben findet sich in der Pfarre Haibach
etwas weiter donauaufwärts. Der kleine Bach, welcher, wie aus der
Schützseben Karte zu sehen, noch vor 120 Jahren zwischen Ober- und
Unterlandshag in die Donau mündete, nun aber zuvor in den Wiesen
versickert, mag seinerzeit den Namen Rosbacb geführt haben, heute ist
er namenlos. In der Pfarre Feldkirchen waren die Wasserläufe nach-
weisbar vielfachen Veränderungen unterworfen.
Rosdorf wird seine Bezeichnung von dem altdeutschen Personen-
namen Hors oder Ros abzuleiten haben; der Ort behielt denselben bis in das
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92
und in rascher Folge bis an die Moldau vorgedrungen.^ Das
Babenbergische Urbar zeigt uns im 13. Jahrhunderte das
Waldland in das Quellengebiet der Aist zurückgedrängt,* wäh-
rend die Urbarmachung des Nordwaldes im mittleren Teile
noch im 11. Jahrhunderte große Fortschritte gemacht und über
das Lobenfeld (Hochebene von Leonfelden) zum Moldauufer
durchgebrochen war. Die noch im 12. Jahrhunderte vor-
handenen Slawenbestände sind im 13. verschwunden, die
Wenden zwischen der Großen Mühel und der Isper ent-
nationalisiert, im bayrischen Volke aufgegangen.^ über die
12. Jahrhundert, indessen zweiter Hälfte er schon als Landang^splatz
(portus) gegenüber von Aschach bezeichnet wird, und diese Bedeutung
hat auch der jetzige Ausdruck Landshag. Derselbe ist zusammengesetzt
aus Land = Landen, Landung, Lände und Hag = eingefriedeter Platz,
wozu Schmeller (Bayrisches Wörterbuch, 2. Aufl., I, 1067) bemerkt, daß
Gl. a. 369 hao sogar noch, dem englischen town entsprechend, fttr urbs,
ciyitas stehe. Laut Mitteilung der Direktion der kOnigl. Hof- und Staats-
bibliothek in München hat die zitierte Stelle in der Handschrift ,Glos-
saria vetera alphabetica* (Schmelleriaua), I. Bd., S. 369 folgenden Wort-
laut: c. S. urbs. civitas. oppidum
r. c. urbs hac.
r. c. ciuita burc.
r. c. bezeichnet den Beichenauer Kodex, c. S. den St. Galler Kodex 911,
auf des letzteren S. 287 muß die Stelle ursprünglich stehen.
Eosdorf hat demnach in der Mitte des 12. Jahrhunderts seinen
ursprünglichen Namen an die sachliche Bezeichnung Laudshag (Lände)
eingebüßt und ist diese letztere dem Orte fortan verblieben.
Wie das Kloster St. Emmeram seinen Besitz aus der Schenkung
Machelms in Eschenau (777 Ried cod. dipl. Ratisp. I, 3) schon 834 an
den Grafen Wilhelm vertauschte, so wird es mit dem Besitze Rosdorf
gegangen und selber an das Kloster Niedernburg hindangegebeu worden
sein; denn Landsbag, von welchem nur fünf Häuser zum ehemaligen
Passauischon Amte Geldwert gehörten, bildete bis zum Jahre 1803 ein
dem Kloster Niedernburg untertäniges Amt mit befreitem Burgfried. Die
Vogtei hierüber stand der iandesfärstlichen Herrschaft Wachsenberg zu,
bis 1510, 12. Mai, Kaiser Maximilian L dieselbe mit anderen Güten in
der Pfarre Feldkirchen an seinen Rat und Pfleger zu Wachsenberg Wolf-
gang JOrger zu Tollet verwechselte (Kopie im Fasz. 1, ToUeter Archiv
im Linzer Museum).
^ Siehe die Ausführung auf S. 113 ff.
' Dopscb, Die landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs im
13. und 14. Jahrhundert, 1904.
^ Vgl. M. Döberl, ,Kolonisierende und germanisierende Tätigkeit des bayri-
schen Stammes', in Beilagen Nr. 141, 142 zur ,Münchner Allg. Zeitung*
vom Jahre 1904.
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93
Große Mühel hinüber, wo noch ein Urwald das Land erfUllte,
sind die Wenden niemab gedrangen; dieser Fluß zeigt sich
ftr jeden, der ftlr solche Dinge ein offenes Auge hat, noch
heute scharf als vormalige Völkerscheide, worauf auch Körper-
gestalt und Charaktereigenschaften der Bewohner diesseits und
jenseits hinweisen.
An der Zugehörigkeit des linken Donauufers, soweit das-
ßelhe schon besiedelt war, zum Bajuwarenlande ist nicht zu
sweifeln; eine genaue Abgrenzung gegen die Awaren kann es
Bchon nach der Bodengestaltung nicht gegeben haben und nur
am andern Ufer galt, wie Einhards Annalen zum Jahre 791 ^
hervorheben, der Stromlauf der Enns als gewisse Grenze.
Keine urkundliche Nachricht sagt uns, zu welchem Gaue
der Kulturstreifen von Landshag abwärts gerechnet wurde,
wenngleich die Wahrscheinlichkeit daftlr spricht, daß seine
Anwohner die Malstätten des Traungaues suchten; sicher aber
ist, daß die von Karl dem Großen errichtete Grenzmark, der
limes Ayaricus, noch Landshag umfaßt und daher zweifellos
bis zur Großen Mühel gereicht hat. Die Ansicht, daß das Ge-
biet bis zur Einmündung der Rotel in die Donau bei Ottens-
heim zum Schweinachgau gehört habe, welche der Verfasser
als eine ziemlich sichere bezeichnet hatte,' kann nicht femer
aufirecht erhalten werden; denn in der Zollordnung von 904'
wird mit nicht mißzuverstehender Deutlichkeit der Passauer-
wald zwischen Passau und Rosdorf ab Grenze zwischen Bayern
(occidentales partes) und der Ostmark (orientales partes) her-
vorgehoben, Rosdorf ist, wie in Anm. 2 auf S. 90 dargetan,
das heutige Landshag und Puchenau zwischen Urfahr und
Ottensheim ist unbedingt innerhalb der Ostmark gelegen.^
Auch bei Wiedererrichtung der Ostmark nach der Schlacht
auf dem Lechfelde verblieb jener Bezirk, welcher zuerst im
^ certus daonim regnoram limes babebatur. Mon. Germ. Script. I, 177.
* In der »Gebort des Landes ob der uns', S. 29, 30.
* Leges III, 480. ,Naaes nero, qne ab occidentalibos partibns, postquam
egresse sint siluam pataviam et ad Rosdorf . . . sedere uoluerint . . .*
* Freisinger Urkunde 827, 21. Aogost im Kodex Kozroh Bl. 136 a, abge-
druckt im Archiy für Kunde Osterr. Geschichtsqaellen XXVII, 258; denn
der Graf der Ostmark Wilhelm bestimmt die Grenzen des Kircbengates
Yon Pachenaa (nicht, wie das Regest anrichtig sagt, die Greneen der
Pfarre; Puchenau war Filiale von Linz).
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94
Jahre 1115* unter der Bezeichnung Riedmark erscheint und
die Ortschaften stoigei (Steg)^ threbesse (Reut); brumizlaistorf
(Pröselsdorf, Pfemysldorf), willihartisdorf (Willersdorf), bege-
ringin (Bayring), threbinicha (Trefling) enthielt; bgi der Grenz-
mark^ jedoch nur innerhalb jener Grenzen, welche noch im Jahre
1498 das Landgericht Riedmark oder Freistadt gegen Westen
hatte; keinerlei Andeutung liegt vor, daß auch der^ Landstrich
zwischen dem Haselgraben und der Großen Mühel ein Bestand-
teil der Mark gewesen, im Gegenteile erscheint in dem Diplom
König Heinrichs V. 1 109, 4. November,* womit derselbe die
Schenkung Eppos am Windberg für das Kloster St. Florian
bestätigt, als Litervenient Herzog Weif von Bayern, während
unter den Grafen der damalige Markgraf Leopold HI. nicht
genannt ist, wie doch vorauszusetzen wäre, wenn der vergabte
Grund innerhalb seiner Grafschaft gelegen gewesen wäre.
Die Erörterung der Frage nach der tres comitatus Ottos
von Freising, die besonders in den letzten zwei Dezennien
nicht wenige gelehrte Federn in Bewegung gesetzt hat, kann
hier nicht übergangen werden, weil einerseits ein bedeutender
Teil des Landes nördlich von der Donau Markboden gewesen
ist, andererseits Uhlirz erst jüngst* ihr einen besonderen Ex-
kurs gewidmet hat und seine Polemik sich hauptsächlich gegen
die Auffassung des Verfassers in der ,Geburt des Landes ob
der Ens^ und in der Besprechung von Hasenöhrls ,Deutsch-
lands südöstliche Marken im 10., 11. und 12. Jahrhundert'^
richtet
Nach Erachten des Verfassers werden die Versuche zur
Lösung dieser Frage eine ganz veränderte Richtung einschlagen
und wird die Frage überhaupt ganz anders gestellt werden
müssen, wenn die Überzeugung, welche die gründlichen und
lichtvollen Erörterungen Lampeis ^ wenigstens dem Verfesser
dieser Abhandlung beigebracht haben, von den deutschen, zu-
^ Oberösterreichisches Urkundenbach ü, 149.
* Oberösterreichisches Urkundenbach ü, 127.
* Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Otto 11. und Otto m., 1902,
I. Bd., S. 232—286.
* Amtliche Linser Zeitung^ 1895, Nr. 278—284.
^ J. Lampel, ,Die babenbergische Ostmark und ihre tres comitatus' im
Jahrbuche des Vereines für Landeskunde yon NiederOsterreich 1902,
1903, 1904.
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95
mal den österreichischen Forschem aUgemein geteilt worden
Bön wird.
llach Liampels Darlegungen bleibt wohl kein Zweifel
ftbrig, daß die einfachste und auch natürliche Übersetzung des
Zwischensatzes ,quos tres dicunt^ bei Otto die einzig richtige
ist, nämlich ,von denen es heißt, daß sie drei sind^ oder ,deren
drei s^ sollend Es ist nicht anzunehmen, daß der haben-
bergische Fürstensohn zu Monmund völlig vergessen haben
sollte, welche Bestandteile sein eigenes Vaterland habe. Die
unsichere Fassimg seiner Äußerung hat das Bedenken, das ihr
vom An&nge an hätte entgegengebracht werden sollen, nur
deshalb nicht erregt, weil so lange die Eomitate außerhalb der
babenbergischen Ostmark gesucht worden sind. Heutzutage ist
aber so ziemlich allgemein anerkannt, daß eine territoriale Ver-
größerung des neuen Herzogtums Osterreich im Jahre 1156
ausgeschlossen ist, daher man sich endlich auch entschließen
muß, der Erzählung des Freisinger Bischofs die sachgemäße
Auslegung zu geben. Wenn derselbe sagt, der Kaiser habe die
Ostmark ,cum comitatibus ad eam ex antiquo pertinentibus'
an Heinrich Jasomirgott zurückgegeben, dann aus dieser Mark
,cum predictis comitatibus, quos tres dicunt^ ein Herzogtum
gemacht, so ist der Beisatz ,von altersher' nach allem nicht
von der Gegenwart, von dem Zeitalter Ottos zu verstehen,
sondern von der Vergangenheit; er schreibt nieder, was er ge-
hört oder gelesen hat, daß zur Ostmark von altersher drei
Grafschaften gehören, worunter der gelehrte Mann auf nichts
anders wird gedacht haben als auf jene drei Komitate,^ welche
bei Feststellung der Zollsätze 904 erwähnt werden. Daß er nicht
zwischen karolingischer und späterer Ostmark unterschied, lag
ganz im Geiste seiner Zeit, welche sich stets die Verhältnisse
der Vergangenheit gleich mit jenen der eigenen Zeit vorstellte.
Die so oft angezogene Stelle wird für die Frage, ob die Ost-
mark aus Grafschaften bestanden habe, und für die Frage nach
Entstehung der Landgerichte auf ostmärkischem Boden nicht
weiter beweiskräftig sein und die Schltlsse, welche Bnmner*
aus den Bestimmungen des- österreichischen Landrechtes auf
' in hÜB tribos comitatibtiB. Leges m, 480.
* ßa§ geriehiliehe Exemtionsrecht der Babenberger.' Sitzungsberichte der
Wiener Akademie XLYH, 356 ff.
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96
die Einteilnng der Mark in drei Gerichtssprengel gezogen hat,
werden solange nicht mehr als maßgebend angesehen werden
können, als nicht eine neuerliche Untersuchung über den Zeit-
punkt der Entstehung des österreichischen Landrechtes statt-
gefunden haben und die Ansicht M. Stiebers ^ bestätigt oder
widerlegt haben wird.
Die Ansicht Bachmanns, welcher in seiner Besprechung
der ,Geburt des Landes ob der Ens'* nicht nur an der terri-
torialen Vergrößerung des neuen Herzogtums festhielt, sondern
auch versuchte, die ,quosdam comitatus de Bavaria' Hermans
von Niederaltaich in dem Traungau, dem Schweinachgau und
der Riedmark nachzuweisen, ist von berufenen Kritikern zu-
rückgewiesen worden, daher sich der Verfasser begnügen kann^
auf seine kurze Entgegnung^ sich zu beziehen, zu welcher er
bloß nachzutragen hat, daß seine Behauptung, die Passauer
Urkunde 901, 19. Jänner sei eine Verunechtung, seither von
E. Mühlbacher (f 17. Juli 1903) in seiner letzten diplomatischen
Arbeit* gebilligt worden ist.
Aber auch der Erklärungsversuch Uhlirz', daß man ohne
Bedenken unter den im Privilegium minus erwähnten, von
Bayern rührenden Lehen des östlichen Markgrafen die Ried-
mark und das Machland begreifen dürfe, kann nicht als ein
zutreflFender angesehen werden und fordert zur Widerlegung
heraus, damit nicht die Forschung, im BegriflFe, von einem Irr-
wege sich zurückzufinden, einen neuen betrete.
Vor allem muß die unnatürliche, den Sprachregeln zu-
widerlaufende Übersetzung das Passus ,quo8 tres dicunt' bei
Otto von Freising als schlechthin ,die drei' entschieden abge-
lehnt werden. Unter diesem Ausdrucke will Uhlirz jenes von
der Ostmark verschiedene Gebiet verstanden wissen, welches
als Reichslehen, das durch den Verzicht des Bayemherzogs
^ Anhang: ,Wann ist die kürzere Fassung des österr. Landesrechtes ent-
standen?* zu ,K v^voji sprivy* in den Abhandl. der b($hm. Akad. der
Wissenschaften IX, Kl. I, 1901, S. 171—199. Besprochen in Mitteil, des
Inst, für Osterr. Geschichtsf. XXIV, 148 und Monatsblätter des Vereines
für Landeskunde von Nieder{$sterreich 11, 157.
« Zeitschr. für die österr. Gymnasien 1887, S. 661— ö61; 1888, S. 186.
» Das. 1888, S. 184—186.
* Zwei weitere Passauer Fähichungen Mitteil, des Inst, für Osterr. Geschichtsf.
XXIV, 424.
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97
firei geworden war, vom Elaiser an Heinrich Jasomirgott verliehen
wurde, f^ne solche Interpretation scheint nichts anderes als
eine Einzwängong von Ottos Bericht in seine neue Auffassung,
welche Methode doch Uhlirz selbst an Bachmann und Dopsch
getadelt hat.
Mit Recht geht dagegen Uhlirz auf die tres comitatus
der karolingischen Zollordnung zurück, verläßt jedoch sofort
den richtigen Pfad, weil er die Äußerung Ottos bezüglich der
Komitate auf das Jahr 1156 anstatt auf die graue Vergan-
genheit bezieht. Wenn er sagt: ,Der comitatus Arbonis ist
die Ostmark, ihr stehen hii tres comitatus zur Seite. Das De-
monstrativpronomen erklärt sich nur vom Standpunkt des Pro-
tokollführers, also vom Orte der Versammlung, Raffelstetten,
aus, das an der Donau nordwestlich von Asten, in dem von
Traun und Ens begrenzten Teile des Traungaues gelegen ist.
Diese Landschaft muß also mit zwei anderen die tres comitatus
gebildet haben^, so ist dieser Schluß kein stringenter. Nur des-
halb, weil Raffelstetten als Ort der Versammlung gewählt wurde,
muß noch keineswegs der Traungau, in welchem Raffelstetten
gelegen war, mit zwei anderen Landschaften die in der Zoll-
ordnung erwähnten drei Komitate gebildet haben; die Wahl
des Versammlungsortes erklärt sich ganz einfach dadurch, daß
in den damaligen Zeiten, wo täglich die Wiederholung der
Ein&lle der Ungarn zu besorgen war, die Versammlung schwer-
lich ruhig in der Ostmark hätte tagen können, und durch
die Lage des Ortes fast halbwegs in der Mitte der Zollinie
(Rosdorf— Eparesburg — Mautem), wo am bequemsten die Aus-
kundschafi;ung der üblichen Zollsätze erfolgen konnte. Die
Qrenzen der Ostmark selbst werden ganz deutlich durch die
Textstellen ,Naues uero . . . siluam pataviam et ad Rosdorf
sedere uoluerint^ und ,Carre autem Salinarie que per stratam
legitimam anesim fluuium transeunt' bezeichnet: der Passauer-
wald oberhalb Landshag am linken Donauufer im Westen, die
Donau im Süden, die Ens am rechten Donauufer im Westen.
Uhlirz bemerkt: ,Eine Stütze erhält diese Annahme (,die
drei^ mit den tres comitatus der Zollordnung in Zusammen-
hang zu bringen) durch die unzweifelhafte Tatsache, daß Mark-
graf Lintpold I- die Grafschaft im Traungau, in der die Ens-
burg lag, innehatte. Da nun die Amtswaltung der Babenberger
io Kiedmark nnd Machland außer Frage steht, so scheint es
ArcbiT. XCIV. Band. 8
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mir sicher, daß Markgraf Liutpold I. im Jahre 976 diese beiden
Landschaften mit dem Tranngau im engeren Sinne gleich seinen
Vorgängern zu seiner Mark erhielt/ Unzweifelhaft ist nur die
Tatsache, daß in der Königsurkunde Eirateshusa 977, 5. Okto-
ber,^ womit ,quoddam praedium Anesapurch nuncupatum in
pago trungouue' an die Kirche der Heiligen Stephan und Laurenz
zu Lorch mit weiteren 10 Königshuben vergabt wird, dieses als
,in comitatu Liutbaldi' gelegen bezeichnet ist. Aus dem einzigen
Umstände, daß einige Güter nahe dem Ensflusse, knapp an
der Grenze der Ostmark noch in der Grafengewalt des Baben-
bergers waren, auf die Innehabung des Traungaues (des größe-
ren Teiles des Traun- und des Hausruckviertels) zu schließen,
scheint völlig unzulässig und ist dabei übersehen, daß der
Traungau als Gau in der alten Bedeutung schon im ersten
Drittel des 10. Jahrhunderts zu bestehen aufgehört hatte und
nur mehr ein geographischer Begriff war, da schon 47 Jahre vor
Ausstellung der gedachten Königsurkunde (930, 29. März)* ein
Komitat Meginhards an der Fils bei Bachmanning im Haus-
ruckviertel nachweisbar ist und 29 Jahre nach dem Datum der
Urkunde Ottos II. (1006, 7. Dezember)^ Schlierbach im oberen
Kremstale zum Komitate des Grafen Rapoto gehörte. Der
Traungau war demnach zu jener Zeit schon in Grafschaften
aufgelöst und kann von einer Zugehörigkeit seines vormaligen
Gebietes weder in der Gänze noch dem überwiegenden Teile
nach zur babenbergischen Ostmark ernstlich nicht gesprochen
werden.
Ebensowenig ist die Folgerung richtig, daß es sicher
scheine, daß Markgraf Liutpold I. im Jahre 976 die Riedmark
und das Machland mit dem Traungau im engeren Sinne gleich
seinen Vorgängern zu seiner Mark erhielt. ,Dagegen — meint
Uhlirz — könnte sprechen, daß Riedmark und Machland als
integrierender Teil der Mark gelten sollen. Aber ein genügender
Beweis in dieser Richtung kann nicht erbracht werden. Aller-
dings ist das Verhältnis von Anfang an unklar, da Ein Fürst
über diese miteinander räumlich verbundenen Landschaften
' Mon. Germ. Dipl. II, 189. Sickel betrachtet dieselbe als gutgeheißenes
und von der Kanzlei durch Besieglung anerkanntes Diplom.
> Hauthaler, Salzb. Urkundenbuch I, 99 ex cod. Odalberti f. 25 ^ Vgl. Ge-
burt des Landes ob der Ens, S. 48.
* Mon. Germ. Dipl. IIT, 148. KOnigsnrkunde für Salzburg.
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gebot, nnd diese Unklarheit kommt auch in den Urkunden nm-
somehr zur Gkltnng, als die praktischen Bedürfnisse in ihnen
zum Ansdmck gelangen nnd diese sich nicht an Staatsrecht-
Üch-historisehe £rw&gnngen binden lassen. Trotzdem haben
Riedmark nnd Machland ihre selbständigen Bezeichnungen bei-
behalten und sich auch selbständig neben dem Lande unter
der Ens nnd Isper weiter entwickelt, noch Albrecht I. hat
das Machland als besondere Gra&chaft bezeichnet/ Uhlirz ver-
wediselt hier offenbar die Pflicht der Beweislast, er ignoriert
die Regel: ÜEictum aUeganti incumbit probatio. Wenn er zu-
geben muß, ' daß die Amtswaltung der Babenberger in Ried-
mark und Machland außer Frage steht, so tri£ft die Beweislast
denjenigen, welcher die Behauptung aufstellt, diese beiden Ge-
biete seien besondere, ein selbständiges Leben führende Graf-
schaften auCerhalb der Mark gewesen. Daß noch Herzog
Albrecht L das Machland eine Grafschaft nennt, wird keinem
Forscher Bedenken erregen; denn jede Herrschaft, in welcher
dem Inhaber die hohe Gerichtsbarkeit zustand, wurde damals
als Grafschaft angesehen und häufig auch so bezeichnet.
Die Zusammensetzung des Namens Riedmark mit der Be-
zeichnung Mark dtlrfte, wie auf Hasenöhrl,^ auch auf Uhlirz
irreführenden Eindruck ausgeübt haben.
Das Wort ,Mark' ist keineswegs stets als ein dem Grenz-
schutze gewidmetes Gebiet aufzufassen; es bedeutet nach dem
Sprachgebrauche des Mittelalters nur ein bestimmt abgegrenztes
Stüc k~!CancL Hierfür haben wir ein Analogon zu dem Aus-
drucke Riedmark genau aus demselben Zeitpunkte, in welchem
die Riedmark zuerst urkundlich genannt wird, und sogar aus
der anstoßenden Gegend. Um das Jahr 1130^ wird der ganze
Landstrich an der Rauschemühel, beginnend bei Engersdorf
(Pfarre St. Peter am Windberg), durch die Wälder hindurch
(per siluestria loca) bis an die böhmische Grenze reichend,
Waldmark genannt, welche Bezeichnung die an Ort und Stelle
übliche, also volkstümliche war (quod uulgo ibi nuncupatur
Waldmarch). Waldmarch war daher die gangbare Bezeichnung
fllr Waldland im Gegensatze zu Kulturland.
^ Dentscblands südOsUiche Marken im 10., 11. nnd 12. Jahrhundert. Ar-
chiv fOr 00terr. Oeschichte LXXXII, 419—662.
' SteiermArkisches Urkundenbuch I, 142, überliefert in dem ans dem An-
fange des 14. Jahrhunderts stammenden Kopialbuche des Stiftes Seckan.
8*
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In demselben Sinne: ein bestimmtes^ wenig oder gar nicht
kultiviertes Stück Land wird anch öfters das Wort ,Lnß* ge-
braucht. Die Riedmark wird in den beiden Urkunden vom
Jahre 1287, 25. November^ diesem Ausdrucke sogar gleich-
gesetzt (,in dem Luzz in der Riedmarch^, ,in eodem Luzze'),
woraus sich die Bedeutung des letzteren: Gegend, welche ur-
sprünglich Wald gewesen und es teilweise noch ist, deutlich
erkennen läßt. Endlich nennt König Chunrad III. in seinem
Gabbriefe für das Kloster Garsten 1142* die Riedmark aus-
drücklich Wald (in silua nostra, que uocatur Ritmarch). Auch
die Urkunden, welche auf Rodungen Bezug nehmen, weisen auf
diese Bedeutung des Ausdruckes Mark in Verbindung mit dem
Worte Ried hin; Riedmark ist nichts anderes als ein großer
Rodungsbezirk.
Bis auf die Zeit der letzten Babenberger begriflf die Ried-
mark auch das Machland in. sich, was schon StUlz erkannt
hat,^ worüber nunmehr die neue Ausgabe der ältesten landes-
fürstlichen Urbare des 13. Jahrhunderts (Handschriften 655 des
Wiener Staatsarchives und 543 der Wiener Hofbibliothek) von
A. Dopsch sichere Nachweise liefert. Richter im Machland
werden zum ersten Male in der Urkunde Herzog Friedrichs II.
1240, 31. Jänner* für das Kloster Waldhausen erwähnt und
trotzdem werden noch 37 Jahre später in einem staatsrecht-
lichen Diplome 1277, 12. Mai^ der Mai-kt ZeU bei Zellhof,
Güter um Henberg (Honichperch) bei Trageun und Aisthofen
bei Schwertberg zu Riedmarchia gerechnet, ein sichtlicher Fin-
gerzeig, daß der Landstrich, welchen das Landgericht Mach-
land einnahm, ursprünglich ein Bestandteil der Riedmark ge-
wesen ist, deren Name sich gewohnheitsmäßig noch einige Zeit
forterhielt, obwohl, wie gegen Schluß dieser Abhandlung ge-
zeigt werden wird, noch vor dem Jahre 1240 die alte Ried-
mark in die zwei Gerichte Freistadt und Machland mit der
nassen Zwischengrenze der Aist und Waldaist auseinanderge-
fallen war.
* Oberösterreichisches Urkundenbuch IV, 76, 77.
« a. a. O. II, 204.
* Anmerkung zu Stmadt, ,Ge8ch. von Windeck and Schwertberg* im Ar-
chiv für Kunde Osterr. Qesehichtsquellen XVII, 206.
* Oberösterreichisches Urkundenbuch III, 78.
* a. a. O. III, 470.
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Da die Riedmark nur Eine GerichtseiDheit darstellte und ?
auch diese nicht vor dem Jahre 1230* nachweisbar ist, so
kann von zwei Landgerichten oder, was gleichbedeutend ist,*
Grafschaften Riedmark und Machland in der Mitte des 12. Jahr-
hunderts oder gar schon früher füglich keine Rede sein. Uhlirz
ist demnach ftlr seine Behauptung den Beweis schuldig ge-
blieben.
Wenn er schließlich bemerkt, daß man unter den im
Privilegium minus erwähnten, von Bayern rührenden Lehen
kaum im Herzogtum Bayern selbst gelegene Güter verstehen
dürfe, so ist ihm die Eönigsurkunde ddo. Pavia, 13. Februar
1160* entgangen, womach Kaiser Friedrich I. einen Tausch
zwischen dom Kloster Windberg und Herzog Heinrich von
Österreich genehmhält. Friedrich erklärt: ,quaedam bona im-
perialia, quae Patruus noster Heinricus illustris dux Austrie
et ab ipso Vasalli ejus ^ in beneficio possidebant, consensu
eorum illi Ecclesiae conferentes eisque vicissim, prout ratio
poscebat, congruenter commutationis jure bona praefatae Eccle-
siae resütuentes ordine supemotato. Prsenominatus equidem
Patruus Tioster resignauit nobis curtem Frukesdorf (Fruhstorf,
Pfarre Ittling, Amtsgericht Straubing), quam Engelschalcus de
Berendorf habebat in feodo, et duos mansos cohaerentes monti
Windperg (Windberg Amtsgericht Bogen) ad plagam occiden-
talem, quos Theodoricus de Adelgeresbach ab ipso Duce,
secundario autem ejus nomine Adelbertus et Gozpoldus de
Hofedorf feudal iter tenuerunt, ipsis consentientibus et collau-
dantibus'. Hierfür ,recepimus Imperio per manum Friderici
Palatini comitis bona haec: Mansum unum Ascha (im Amts-
gericht Mitterfels) et unum Wincere (Winzer an der Donau im
Amtsgericht Hengersberg) et unum Mukental (in der Pfarre
Seebach Amtsgericht Deggendorf) pro curte Frukesdorf, pro
raansis autem duobus unum mansum Regenoltisdorf et unum
Rodebuhele (zwei nicht mehr zu identifizierende Höfe) . . . con-
^ österreichisches Urknndenbach II, 684.
* Vg^l. in der KOnigsnrkunde für Niederaltaich 1215, 22. Juli, Mod. Boic.
XI, 186 die Textstellen: ,ComeB aut alias Judex aliquis illius prouincie%
,comiti sine Jadici prouinciali'.
» Mon. Boic. XIV, 28; Pez, Thes. Anecd. VI, P. I, 417.
* Der Hochfreie Dietrich von Algerisbach (Ollersbach) und dessen After-
lehenslente Adalbert und Gozbold von Hofedorf.
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102
cessimus in beneficium Dncis, quae de bonis Ecclesiae
receperamus^
Hier sind ausdrücklich Reichslehen genannt, welche
der österreichische Herzog nach dem Jahre 1156 im Umfange
des Herzogtums Bayerns innehatte. Daß die Babenberger im
10. und 11. Jahrhundert Grafschaften in Bayern, und zwar im
Donaugau und im sogenannten Schweinachgau ^ verwalteten,
ist allbekannt; die bayrischen Grafschaften gingen aber mit
geringen Ausnahmen, welche Riezler einer eingehenden Unter-
suchung unterzogen hat,* vom bayrischen Herzoge zu
Lehen. Das sind demnach die gesuchten ,beneficia, que
quondam marchio Livpoldus habebat a ducatu Bavarie', von
denen das Privilegium minus spricht und welche kraft des-
selben seit 1166 zu Reichslehen geworden sind.
Das Komitat Adalberts im Donaugau wird in der Königs-
urkunde 1051, 16. August für Kloster Meten' zuletzt erwähnt,
aber babenbergischer Besitz erscheint noch viel später in dieser
Gegend, da 1181, 23. Oktober* Herzog Liutpold V. bezeugt,
daß Eckibert von Techindorf (Deggendorf) mit seiner Zustim-
mung dem Kloster Meten einen Wald samt dabei gelegenem
Weingarten ,in monte qui dicitur Mulbach' (im Mtthlbogen-
tale bei Deggendorf), welchen derselbe von ihm dem Herzoge
zu Lehen trug, um 34 Regensburger €1 oder Pfund Pfennige
verkauft habe.
Erst nach dieser Zeit ist babenbergischer Besitz in Bayern
nicht mehr beurkundet,^ obwohl von einer Veräußerung des-
^ Des Verfassers Erörterungen in der Zeitschr. für österr« Gymnasien 1888»
S. 184.
'^ Das Herzogtam Bayern zar Zeit Heinrichs des Löwen und Ottos I. von
Witteisbach, 8. 216.
* Mon. Boic. XI, 440, ,in viila Methemen in comitatu Adelperti comitis
(worunter der Markgraf verstanden ist, wie sich aus der Königsurkunde
für 8t. Emmeram 1021, S.Juli, Mon. Boic XXVIIIb, 471 ergibt) et in
Tuenechgovve*.
* Mon. Boic. XI, 464.
^ Zwar hat noch König Rudolf I. mittels Urkunde ddo. Wien, 18. Dezem-
ber 1276 (Orig. im königl. allgem. Reichsarchive in München) alle öster-
reichischen Lehen der Edlen Meinhard und Gebhard Grafen v. Roten-
eke und des Heinrich v. Horbach auf deren Bitten dem Edlen Albert
V. Hals Übertragen ; da eine nähere Bezeichnung dieser Lehen sich jedoch
in der Urkunde nicht findet, läßt sich nicht entscheiden, ob die Lehen
in Bayern oder in Österreich gelegen waren.
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103
selben jede Nachricht mangelt. Dagegen ist die Wahrnehmung
za machen^ daß der Hochfreie Eckbert von Pemeck, dessen
Vater Ulrich schon tun 1135 um Deggendorf begütert war und
von diesem (Lehen-) Besitze sich auch von Deggendorf zu
nennen anfing, gerade um das Jahr 1180 den Grafentitel an-
genommen hat. Dieser Titel haftete auf dem bayrischen Be-
sitztum, nur ganz vereinzelt wird der Enkel Ulrich im 13. Jahr-
hundert in einer Göttweiger undatierten Originalurkunde auch
comes de Perneke genannt Es darf deshalb der Vermutung
Raum gegeben werden, daß Herzog Liutpold V. den westlichen
Babenberger Besitz samt den daran hftngenden Grafenrechten
an Eckbert v. Pemeck hindangegeben habe. Diese Vermutung
erhfilt Unterstützung durch einen weiteren Umstand. Nach dem
Landbuche von Österreich und Steier* hinterließ Graf Ulrich
,des graven Ekprehts sun von Pemekke' einen Sohn, ,der was
ein narre unt ein tore^^ deshalb unterwand sich Herzog Liut-
pold VI. seiner Eigen und zog sie an das Land. Was mit dem
Besitz in Bayern geschah^ läßt sich erraten; denn Deggendorf
erscheint bald als bayrische Stadt, Herzog Ludwig wird als
Landesherr die Grafschaft eingezogen haben, unbekUmmeii um
die Rechte der Babenberger als Lehenherren. Der Anspruch
auf Deggendorf wird eine Mitursache der Fehden zwischen
Herzog Otto und Herzog Friedrich gewesen sein und wurde
jedenfalls ernstlich geltend gemacht, als Piremysl Otakar in
Österreich zur Macht kam; von 1267 bis 1273 zogen sich die
kriegerischen Unternehmungen Herzog Heinrichs XHL von Nie-
derbayem und König Otakars gegeneinander hin, bis in letz-
terem Jahre letzterer seine Ansprüche auf die Grafschaften
Bogen und Deggendorf endgültig aufgab.* Es kann daher nicht
gesagt werden, daß Otakar unbegründete Ansprüche erhoben
hätte, und ist unter Voraussetzung der Richtigkeit der vor-
stehenden Annahme ganz wohl erklärlich, gegen welche Ent-
schädigung der bayrische Herzog Schüttenhofen und Ried an
Otakar überlassen hat.
^ Hon. Genn. deatsche Chroniken III, 2, S. 718. Über die Perneck-Tecken-
dorf siehe die Begesten von Wendrinsky in den Blättern des Vereins
für Landeskunde von NiederOsterreich 1879, 8. 144—152.
' mealer, Geschichte Bayerns II, 116, 186; Palacky, Geschichte von Böhmen
n, 228.
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104
Auch die viel kommentierte Stelle ,marchiam Austrie
cum omni iure suo' in dem Minus^ dürfte nunmehr ganz ein-
fach als das genommen werden^ was sie wirklich ist: die Mark
Österreich mit allen ihr anklebenden Rechten, insbeson-
dere der speziell zum Ausdruck gebrachten ausschließlichen
Gerichtsbarkeit. Die Formel ,cum omni iure suo' ist keine
außergewöhnliche, sondern eine stehende, welche aber nur be-
deutet: mit allen zugehörigen Rechten, wie sich deutlich aus
dem Diplome Heinrich Jasomirgotts fiir das BLloster Meten*
ergibt, mittels welchem derselbe dem Kloster ,possessionem in
hochenrein (Pfarre Plattling, Amtsgericht Deggendorf) cum
omni nostri iuris plenitudine' zusichert.
Indem der Verfasser die durch langjährige Beschäftigung
mit dem Gegenstände gewonnene Erkenntnis, in welcher er
durch Lampeis Arbeiten noch mehr bestärkt wurde, unum-
wunden ausspricht, ohne in vorsichtiger Fassung hinter dem
Berge zu halten, glaubt er nicht besorgen zu müssen, daß
gegen ihn nochmals der Vorwurf erhoben werde, daß er sich
Letzte Textausgabe bei Wilhelm Erben, Das Privilegium Friedrichs I.
für das Herzogtum Österreich* 1902, S. 137—140. Der Verfasser hat ver-
sucht, in dem Diplome verschiedene Interpolationen nachzuweisen und
selbe auf den letzten Babenberger zurückzuführen. Allein er muß selbst
(S. 68) zugeben, daß seine Erörterungen über die objektive Stelle mit
einem non liquet schließen und gegen seine sachlichen Einwendungen
hat H. Simonsfeld in der Deutschen Literaturzeitung 1904, Nr. 16 vom
23. April, Sp. 990 — 996 schwerwiegende Bedenken erhoben, welche die
Einschränkung der Teilnahme der neuen Herzoge an den Hoftagen und
an den Reichsbeerfahrten umsomehr erklärlich machen, als Heinrich
Jasomirgott auf das ungeschmälerte Herzogtum Bayern Verzicht leistete,
ohne eine Gebietserweiterung zu erlangen, welcher Verzicht daher durch
weitgehende Vorrechte wettgemacht werden mußte. Das Schweigen Ottos
V. Freising über die seinem Bruder gewährten Befreiungen, das Erben
so bedenklich scheint, ist bedeutungslos, da er manches aus der Erin-
nerung (ut recolo) schrieb und, wie mit seiner Deutung von Favianis,
mit der Erinnerung an die drei Komitate in alter Zeit so große Ver-
wirrung angerichtet hat. Ablehnend verhalten sich Tangl (Zeitschr. der
Savignystiftung für Rechtsgesch., Germ. Abt. XXV, 268—286), Uhlirz
(Hist. Zeitschr. XCIV, 147—150), Brandi (Göttinger Gelehrte Anzeigen
1904, S. 991—999), Stengel (Histor. Vierteljahrsschrift, N. F. VHI, 83).
Hierzu noch Tangl im Neuen Archiv XXX, 477 — 484, sowie Simonsfeld,
,Aventin und das Privilegium minus* in Forschungen zur Geschichte
Bayerns, Band XIH, Heft 1 und 2.
Mon. Boic. XI, 468.
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105
leicht und rasch über Schwierigkeiten der Forschung hinweg-
setze, welche ftür den geschulten Historiker unübersteiglich
bleiben; er ist vielmehr zufrieden, wenn ,mit der neuartigen
Betrachtung des Gegenstandes dem Forschenden der eine oder
andere neue Weg gewiesen wird'. Deshalb hält er sich an den
tapfem Ausspruch des verdienten K. Q. v. Lang:' ,Die Dunkel-
heit der ganz alten Zeiten gebietet entweder eine gewisse
Kühnheit oder außerdem eine gänzliche Vernachlässigung/
Zweiter Abschnitt.
Der Schweinachgau; dessen reeller Inhalt.
Der Schweinachgau wurde von Bachmann' als die dritte
der Grafschaften, von welchen Otto v. Freising spricht, in An-
spruch genommen, dieser Vorschlag aber von Uhlirz aus dem
Grunde abgelehnt, weil es fUr eine Herrschaft des Markgrafen
Ädalbert über das Gebiet zwischen Uz und Rotel an einem
sicheren Belege fehle und Bachmann die Namen Adalbero und
Ädalbert, die verschieden seien, einander gleichgestellt habe,
ebenso nichts berechtige, den Schweinachgau bis zur Rotel aus-
zudehnen.'
Über diesen Gau sucht man vergebens nach einer neueren
Schrift; denn seit dem Erscheinen der fleißigen, aber kritik-
losen Arbeit des Pfarrers Josef Klämpfl* hat sich niemand
mehr eingehend mit diesem Gebiete beschäftigt, wie auch Riez-
ler* nur kurz bemerkt: ,Nördlich der Donau stoßt an der
Quinzinggau der Schweinachgau, der die Striche um den
oberen Regen und die Hz umschließt und nach einem Fltißchen
* Bajerns alte Grafschaften und Gebiete, S. V.
» a. a. O. 567.
' Daß ans der sogenannten Schenkungsurkunde fQr Niedernburg 1010 über-
haupt keine Folgerungen abgeleitet werden können, wird im vierzehnten
Abschnitte erOrtert werden. Die babenbergische Grafschaft im Donau- und
Schweinachgau scheint nach dem Tode Liutpolds I. dem jüngeren Sohne
Ädalbert überlassen worden su sein, der sie auf seine Nachfolger in der
Markgrafschaft vererbte.
* Der ehemalige Schweinach- und Quinzingau, 2. Aufl., Passau 1866.
' Geschichte Bayerns I, 847.
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106
Schweinach genannt ist' und in der Anmerkung beifügt: ,Die
Form Sweinahgowe im Jahre 905, Mon. Boic. XXVIIIa, 139,
läßt daran nicht zweifeln. Vgl. Sweinaha im Jahre 857, Mon.
Boic. XI, 118^
Die kartographischen Darstellungen im historischen Atlas
von Spruner (Blatt 3, Deutschland unter den sächsischen und
fränkischen Kaisem) und von Menke (Blatt 36, Deutschlands
Gaue VI: Bayern, Österreich und Kärnten) stutzen sich noch
ganz auf die älteren Arbeiten von K. H. Lang^ und G. Th,
Rudhart.* Beide ziehen zu diesem Gau den oberen Lauf des
Schwarzen Regenflusses und lassen die Westgrenze über den
Greisinger- und Haussteinerwald zur Donau bei Seebach ober-
halb Niederaltaich reichen, welch letzteren Ort sie dem Quin-
zinggau tiber der Donau zuweisen. Menke läßt jenseits der
Erla die Ostgrenze offen und die Zugehörigkeit des Striches
zwischen der Ranna und der großen Mühel ganz in Frage,
während Spruner den Gau Grunzwiti bereits an den Quellen-
bächen der Hz beginnen und bis an die östlichen Höhen des
Haselgrabens reichen läßt.^
Der Umfang des Schweinachgaues kann nur durch eine
eingehende Untersuchung ermittelt werden.
Lang* bemerkt, daß zwar zur Zeit keine Urkunde be-
kannt sei, welche ausdrücklich einen Pagus Ilzgau benennt,
aber wohl einen Comitatum an der Hz, welches gleichwohl
auch schon das Chronicon Gottwicense bewogen, solchen als
einen Gau anzunehmen, von der linken Seite der Dz, die sich
bei Passau in die Donau ergießt, bis zum Nordwald und Regen-
bruck am Regen. Nach seiner Theorie (S. 60), daß man sich
bei Errichtung der geistlichen Bistümer und Erzbistümer haupt-
sächlich nach den schon bestandenen Grenzen der weltlichen
Gebiete gerichtet habe, würde der Gau vollkommen dem In-
begriff der beiden passauischen Kapitel Schönberg und Wald-
kirchen gleichgestellt mit einziger Ausnahme der Pfarreien
Windorf, Otterkirchen und Tiefenbach. Hiemach würden die
* Bayerns Gauen. Nürnberg 1880.
* Älteste Geschichte Bayerns. Hamburg 1841.
* Über der Grunzwitigau siehe nunmehr Vanesa, ,Die älteste Erwfihnung
Melks und nochmals der Grunzwitigau* in den Blättern des Vereins für
Landeskunde von NiederOsterreich 1900, S. 624.
* a. a. O. 132.
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107
Grenzen sein: südlich die Donau unterhalb Obernzeil bis an
die Ilzstadt Passau, diese ausgeschlossen; westlich an der Hz
und Regen aufwärts bis Regen^ an Bodenmais und dem Hohen
Arber nOrdlich vorbei, östlich der Böhmerwald. ,Der Schweinach-
gau, eigentlich Schwanengau, von Schwanenkirchen bei Win-
dorf benannt, — fidirt er S. 134 fort — zwischen der Donau
and Hz schließt sich, wenn man ihm das Kapitel Aichen vorm
Wald zum Umfang gibt, fortlaufend am linken Donauufer, von
dem gegenüberliegenden Deggendorf bis zu dem auch gegen-
überUegenden Vilshofen, beide ausgeschlossen, dem Ilzgau an
imd begreift noch oberhalb Fambach, Bischofmais etc. Ausdrück-
lich im Schweinachgau belegen werden in den Urkunden be-
nannt Flinsbach, Hofkirchen, Winzer, Hengersberg. Bei der
Frage, ob das Kloster Niederaltaich zum Schweinachgau oder
zum Kinzinggau gehört, ist wohl zu unterscheiden die Zeit von
der großen Abgrabung der Donau; vor dieser lag das Kloster
am rechten Donauufer, ungetrennt bei Taindorf und gehörte
zum Kinz^nggau; das heutige Kloster Niederaltaich am linken
Ufer und Taindorf ist gegenüber, befindet sich nunmehr im
Umfang des alten Schweinachgau.^ Die Urkunde vom Jahre
1040 Mon. Boic. XI, 148 beweist ihm nicht, daß Stift Rinchnach
im Nordwald im Schweinachgau gelegen war, weil nur von
Gütern desselben in Suenikgowe die Rede sei, nicht zu ge-
denken, daß die Abschrift in den Monumenten von einem nach-
gemachten und verfälschten Original genommen sei.
Zum Kinzinggau zwischen Donau, Isar und Yils zitiert
er (S. 137): Fridericus Rex tradit ad altare St, Petri in Baben-
berg Abbatiam Altaha in pago Chunzengowe in Comitatu Eg-
geberti per manum Pertolfi Comitis de Andeches anno 1154,
Mon. Boic. XI, 169.
Rudhart* erklärt:
,Dem Nordgan (der agilolfingischen Periode) im Südosten
zur Seite und gänzlich noch auf dem linken Donauufer befind-
lich waren die beiden Gauen Schweinachgau und Grunzwiti.
,Der Schweinachgau, dessen Westgrenze schon bezeichnet
wurde (von der Quelle des Weißen Regen gegen Süden zur
Donau in der Nähe von Deggendorf), hat zur Südgrenze, die
Umgebung Niederaltaichs ausgenommen, den Lauf der Donau
» a. a. O. 616, 617.
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108
östlich von Deggendorf (im Donangau belegen) bis zar Hz-
mündung; die Nordgrenze ist der Nord- oder Böhmerwald von
der Quelle des Weißen Regen bis zur Ilzquelle, die Ostgrenze
der untere Lauf der Hz. — Erstes urkundliches Vorkommen
des Gaues 903, 8. September, der seinen Namen vom Flüßchen
Suueinaha (857) geschöpft haben mag und folgende Orte ent-
hielt: Lauffina (Lauffen ober Rinchnachgemund 1009, 7. Juni),
Rinichnaha (Rinchnach 1040, 17. Januar), Leibflius (Leipfliz an
der Rinchnach 1009, 7. Juni), Urpah und Swarzaha (Aurbach
und Schwarzach), letztere Villa schon vom Herzoge Otilo an
das Kloster Niederaltaich vergabt. Längs dem Nordufer der
Donau Wincer (Winzer), Hofakirichun (Hofkirchen 1005, 5. No-
vember), Winidorf (Windorf 1010, 19. April), Flinsbach (1005,
5. November) u. a. m. — Eine Urkunde König Philipps vom
2. November 1207 beschreibt den Umfang eines Komitates,
nämlich: „von der Regenbrugge bis zur Ldse und von der
Donau bis zur Grenze Böhmens", welcher so ziemlich den Gren-
zen des Schweinachgaues entsprechen würde. Etwas spätere
Diplome nennen obige Grafschaft den Comitatus Ilsgowe oder
die Comitia in Ylskeu, erstrecken aber die Grenzen derselben
weit über jene des vormaligen Schweinachgaues, nämlich: „von
der Ylsa bis zur untern (großen) Muhela" (Mühel), eine Aus-
dehnung, die dem westlichen Teile des Grunzwiti gleichkäme.
Übrigens ist zwischen der Donau, der Ds und der Utel (Utel-
pach) bis zur Mitte der Brücke der Villa Regen und bis zum
Böhmerwald nach einem Diplome des Grafen Albert von Bogen
vom 1. März 1228 die spätere Grafschaft Windberge (Comitia
in Windberge) zu suchen, die auf diese Weise über ansehn-
liche Teile der beiden Nachbargauen, des Schweinachgaues
und Grunzwiti sich ausgedehnt. — An den Schweinachgau
stößt östlich der Grunzwiti, vom untern Ilzlauf anhebend bis
der Ensmündung gegenüber und vom West- und Südhang des
Nordwaldes bis an das linke Donauufer hinab, welches des
Gaues Südgrenze bildet.'
Zur Beleuchtung dieser Ansichten seien hier die Ur-
kunden zusammengestellt, in welcher der Schweinachgau er-
wähnt wird:
I. 903, 8. September, Passau. Chorbischof Madalwin emp&ngt
im Tausche vom Bischof Burchard von Passau zu
eigen auf Lebenslang Güter ,in quinzingowe, in
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109
sntmabgonae^ in rotahgoune^ in tningowue et ultra
montem Comagennm ad nominichha et ad medi-
lichha'.»
II. 905, 14. Februar. König Ludwig stellt ,re8 de Monasterio
S. Mauritii quod dicitur Altaha in loco Bucinbura
in Suueinahgouue constituto . . . abstractas' zu-
rück.*
in. 1005, 5. November, Werla. König Heinrich II. restituiert
dem Kloster Niederaltaich ,Villam Flinspach die-
tarn in pago Sueinihgouui et in comitatu Tiemo-
nis comitis^ und gibt dahin ,quicquid inter vvin-
cira et Hofchirchen videtur iacere^*
IV. 1009, 7. Juni, Merseburg. König Heinrich II. schenkt der
von dem Eremiten Gnnther im Nordwald gegrün-
deten Kirche ein Gebiet im Nordwald. Fälschung
aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts, angefertigt
nach Nr. VI als Vorlage.*
V. 1010, 19. April, Regensburg. König Heinrich II. schenkt
dem Kloster Niedernburg in Passau und der Äb-
tissin Eilika ein ihm durch Richterspruch zuge-
fallenes Gut ,situm in villa Vvinidorf in comitatu
Adalberti comitis in pago vero Suueinigovve'.*
VI. 1040, 17. Jänner, Augsburg. König Heinrich HI. verleiht
die Kirche Rinchna dem E^oster Niederaltaich
,bona vero ista in Svveincowa sunt sita in comi-
tatibus Adalberti Marchionis et Dietmari presidis
inclusa terminationibus istis . . J^
Urkunden mit der Ortlichkeit Sweinaha:
I. 857, 17. August, Regensburg. König Ludwig bestätigt dem
Kloster Niederaltaich eine Schenkung. ,Sunt autem
ipse res in coniacentibus terminis prope mo-
nasterium Altaha in pago quinzingewe situm
^ Mon. Bote. XXVmb, 202 ans dem Lonsdorfer Kodex. Satinahgonne ver-
schrieben fär sueinahgonue.
* Mon. Boic XXVffia, 139.
* Mon. Germ. Dipl. III, 128.
* a. a. O. 663.
» a. a. O. 262.
* Mon. Boic. XXVUIa, 148.
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110
in territorio qnod est inter Suneinaha et Mona-
sterium Altaha contiguum/^
IL 883, 2. April, Regensburg. König Karl III. verspricht dem
Mönche Richo vom Kloster Niederaltaich und dem
Priester Richart auf Lebenszeit Güter ,in villa
Winchilinga et Tovmtdorf et in Ottlinga et in
Schvveinaha^*
Die beiden Stellen zeigen, daß unter Sweinaha nicht ein
Bach, sondern eine Ortschaft, und zwar das heutige Schwanen-
kirchen, verstanden ist. Jener in der bayrischen Spezialkarte
(Blatt Osterhofen) nicht genannte Bach, welcher etwas nördlich
von Schwanenkirchen vorbeifließt und sich unterhalb Ecker-
ding in die Ohe ergießt, mag ehemals den Namen Sweinaha
geführt und dem Dorfe denselben geliehen haben, ist aber viel
zu unbedeutend, als daß angenommen werden könnte, es habe
von ihm ein ganzer Gau geheißen. Toumdorf ist das gegen-
über dem Kloster gelegene Taindorf, Winkling und Otling
werden ebenfalls nicht weit von Niederaltaich zu suchen sein.
Das Kloster selbst wird zur Zeit des Bestandes der Gau-
verfassung* ausdrücklich als im Quinzinggau gelegen be-
zeichnet, während nachweisbar die nächsten Orte des linken
Donauufers: Winzer und Flinsbach im Osten im Schweinach-
gau, Deggendorf und Meten im Westen im Donaugau be-
urkundet sind.
Wenn nun auch die alten Gaue mehrfach auf beiden
Seiten der Donau sich ausgebreitet haben, so mußte doch auf-
fallen, daß am linken Stromufer einzig und allein das Kloster
Niederaltaich dem Quinzinggau zugeteilt war. Lang suchte
deshalb nach einer Erklärung dieses Umstandes und glaubte
sie darin zu finden, daß das Kloster vor der großen Abgra-
bung der Donau am rechten Ufer bei Taindorf, ungetrennt
von diesem, gelegen war und erst durch die Regulierung des
Strombettes auf das linke Ufer geraten sei. Eine solche Strom-
regulierung, von welcher keine zeitgemäße oder glaubwürdige
Nachricht vorliegt, meinte Lang augenscheinlich aus dem Grunde
annehmen zu müssen, weil der Ohebach bei Lichtenwörth nächst
* Mon. Boic. XXVIII a, 118.
» a. a. O. 125.
» 857, 17. August, Mon. Boic. XXVIIIa, 118.
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111
Niedenltaicli die Bezeichnnng ,alte Donau^ f&hrt und an diesem
Wasserlanfe das Dorf Altenafer oder Altennrfahr gelegen ist,
woraus er schließen mochte, dieses Rinnsal sei ein altes Fluß-
bett der Donau und hier vormals die Überfuhr an das rechte
Süt)mufer gewesen. Diese Annahme könnte jedoch nur dann
einige Wahrscheinlichkeit in Anspruch nehmen, wenn nicht
eine Strecke nördlich von Niederaltaich sich ein ,totes Wasser'
befinde, welches gleichfdls ,alte Donau' geheißen wird, und
wenn dieses mit der Ohe alten Donau korrespondieren würde.
Das ist aber nicht der Fall, da die Seebacher alte Donau, in
wdche noch heute der von Norden kommende Seebach ein-
mündet, in halbmondförmiger Richtung eine breite Verbindung
mit dem Strome besitzt, wogegen das nordwestliche Ende
nächst dem Einlaufe des Seebaches vom Strome in geringer
Entfernung durch eine vorgelagerte Bodenschichte getrennt ist.
Die nicht viel hinter der Strombreite zurückbleibende Breite
dieses nördlichen Altwassers spricht dafUr, daß es einmal das
eigentliche Flußbett gewesen, bevor man den geraden -Durch-
stich vollzogen hat Ein Blick auf die im Jahre 1888 revidierte
bayrische Spezialkarte wird die vorstehenden Ausführungen
bestätigen. Die Langsche Hypothese, daß Niederaltaich einmal
am rechten Donauufer stand, ist daher fUr den Geschichtsfor-
scher unbrauchbar; es läßt sich nicht leugnen, daß das Kloster
zu allen Zeiten das linke Donauufer eingenommen hat.
Wir wollen uns nun, weiterschreitend, vergegenwärtigen,
welches Gebiet dem Schweinachgau im Beginne des 10. Jahr-
hunderts zugeteilt sein konnte.
Noch in den ersten Jahren des 11. Jahrhunderts (1006)
war Ranzing am Südabhange des Seiboldsriederwaldes (Pfarre
Lalling, Amtsgericht Hengersberg) in der Luftlinie etwa fünf
Stunden von Niederaltaich entfernt, eine Einöde, in welche sich
anftnglich der Einsiedler Günther zurückzog;^ jenseits des
Bergzuges, welcher das linke Donauufer in geringer Entfer-
nung begleitet, war nichts als tiefe Waldwildnis, in welche
Günther erst im Jahre 1008 eindrang und zu roden begann,
wie denn die von ihm gegründete kirchliche Stätte zu Rinchnach
* ,RAneingam a praefato coenobio nna ferme rasta distantom/ Arnold us
de Santo Emmerammo, Mon. Germ. Script. IV, 671. Vgl. Hirsch, Jahrb.
des Deatschen Reiches unter Heinrich dem Heiligen U, 85, A. 1.
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112
erst im Jahre 1019 eingeweiht worden ist. Von diesem Zeit-
punkte an begann die Eultar im oberen Tale des Schwarzen
Regen Fortschritte zu machen.
Aus dieser Tatsache erheilt; daß die Bezeichnung Schwei-
nachgau erst mit der Zunahme der Rodungen im Walde sich
auf das Hinterland übeiixagen hat und demnach die echte
Urkunde vom Jahre 1040 (Nr. VI vorne) zu einem Rück-
schlüsse auf den urspr anglichen Umfang des ,Gaues' nicht
verwendbar ist.
Wirklich finden wir auch den Beisatz ,im Schweinachgau^
nur auf Orte angewendet, welche von Niederaltaich donauab wärts
am Ufer des Stromes oder in kurzer Entfernung von demsel-
ben liegen; nämlich: Winzer, Flinsbach, Hofkirchen, Windorf.
Ziehen wir femer in Betracht, daß noch im Anfange des
10. Jahrhunderts an der Ilz der Nordwald bis nahe an Passau
herangereicht haben muß, weil aus diesem Zeiträume am linken
Ufer Ansiedlungen nur sehr spärlich erwähnt werden und das
Kolonisationswerk — wie später erörtert — erst im 11. Jahr-
hundert energischer einsetzte, so bliebe für einen Schweinach-
gau nur eine 4 bis 5 Stunden breite, in den höheren Lagen
noch dazu schwach bevölkerte Uferstrecke übrig, so daß eigent-
lich nur die Uferränder einige Bedeutung haben könnten. Dieser
auffallend kleine Umfang steht aber in krassem Qegensatze zu
den großen Beständen der benachbarten, wohlbebauten bayri-
schen Gaue Donaugau, Quinzinggau, Isengau, Rotgau.
Erwägen wir endlich, daß Niederaltaich bestimmt als Zu-
gehör des Quinzinggaues erklärt wird, daß dagegen die Be-
zeichnung Schweinachgau sich auf die verhältnismäßig kurze
Strecke Winzer — Windorf beschränkt, von dem Orte Sweinaha
d. i. Schwanenkirchen den Namen bezogen und erst im 11. Jahr-
hundert sich über das obere Regental ausgedehnt hat, und zwar
letzteres zu einer Zeit, in welcher die Gauverfassung längst
zerfallen war: so wird man nach der Erfahrung, welche mit
verschiedenen sogenannten Untergauen gemacht wurde, nicht
leicht zweifeln können, daß der ursprünglich kleine Bestand
des Schweinachgaues niemals einen Gau im alten politischen
Sinne gebildet hat, sondern nichts anderes als eine lokale Be-
zeichnung für einen Teil des linken Donauufers, daher tatsäch-
lich gleich Niederaltaich ein Bestandteil des Quinzinggaues ge-
wesen ist.
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113
Ans Grenzbeschreibungen von Eomitaten des 13. Jahr-
\iTmdert8 irgendwelche Schlüsse zu ziehen, ist unzulässig, da
die (Grafschaften sich häufig nicht an die alten Qaugrenzen
banden. Deshalb sind die Königsurkunden 1207, 2. November
(Komitat zwischen Regenbruck und Uz) und 1217, 24. Jänner
(Ilzgau, Herzogsurkunde 1220, 5. September Komitat zwischen
Dz und Großer Mühel) ftlr die Lösung der Frage nach dem
Um&nge des Schweinachgaues ohne alle Bedeutung.^ Da je-
doch Windorf, das schon niederhalb der Yilsmündung liegt,
noch zum Schweinachgau gezählt wird, während doch am
rechten Donauufer schon der Rotgau sich ausdehnte, so darf
die Vermutung ausgesprochen werden, daß auch der Strich bis
zur Großen Mühel als Zugehör des Quinzinggaues betrachtet
wurde, wenn er auch nicht als solcher bezeichnet ist, weil in
dem Zeiträume, in welchem er aus der Waldesnacht hervor-
zutreten begann, es längst keine Gaue mehr gegeben hat.
An der Großen Mühel grenzte die karolingische Ostmark
an, nach deren Verluste an die Ungarn (907) der Bezirk bis
zum Haselgraben, welcher der wiedererstandenen neuen Mark
nicht mehr zugeteilt wurde, wohl bei Bayern verblieben ist,
ohne in einen Gau eingegliedert zu werden, da die Umwand-
lung der Grafenämter in Gerichtslehen schon in vollem Zuge
sich befunden hat.
Dritter Abschnitt.
Gang der Kolonisation im Nordwalde. Ehemalige Grenze
zwischen Bayern, Böhmen und Oberösterreich. Die ,alti-
tado silvae Boemiam et Bavariam dividens' im Hohen-
forter Stiftbriefe.
Der unermeßliche Nordwald, donauwärts als Passauer-
wald im Westen, als Böhmerwald im Osten bezeichnet,* war
in dichten Beständen zwischen Böhmen und Bayern gelagert;
^ Auch die Beseichnnng Ilsg^aa, welche erst tun 1190 (Oberösterreichiaches
Urkundenbuch I, 684) aafUucht, ist bloß geographischer Natur.
' Silva pataria, silTa Boemica in der Zollordnnng 904, deatsch wohl Pa-
zonahard wie der Nenburgerwald 887, Mon. Bote. XXVIIIb, 71.
ArdÜT. ICiy. Band. 9
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114
nur einzelne »Sanmsti^aßen; hier Über das Lobenfeld; dort über
die Gegend von Freiatadt, vermittelten den Verkehr zwischen
den beiden Ländern. An eine feste Landesgrenze war nicht zu
denken. Jedes Land betrachtete den Forst auf seiner Seite als
Zugehör ohne irgend eine Beschränkung; diesseits von den Ein-
mündungen der Bäche in die Donau bis hinauf zur Vereinigung
der Quellenbäche und von diesen ,Zwiseln^ bis in den Nord-
wald^ in diesem aber weiter ohne Abschluß einer Markung. Die
Eönigsurkunde 853^ 18. Jänner^ fUr St. Emmeram zeigt uns
mit aller wünschenswerten Genauigkeit, wie weit damals der
Nordwald in der Richtung gegen die Donau reichte: der Zu-
sammenfluß der Feidaist und der Waldaist erfolgt zwischen
den Ortschaften Untertal (Pfarre Ried) und Hohensteg (Pfarre
Trageun), jener der Großen und der Kleinen Nam bei der
Steinbruckmühle zwischen den Pfarren Zell bei Zellhof und
Pierbach. Das sind nach den Worten der Urkunde die ^loca,
ubi (agasta et nardina) de venis in amnes derivantur^, hier
beginnt der Nordwald (,et ita in Nortwalt'). Alles, was im
Osten der Feidaist lag; in einer geraden Linie von Hohensteg
über Trageun zum Buchberg (östlich von Zellhof) und von
hier in einem Bogen über St. Thomas und Kreuzen zur Donau
bei Grein war Forst; denn die Pfarren Kreuzen, Pabneukirchen,
Königswiesen, Dimbach, St. Georgen am Walde und Wald-
hausen sind nach dem Zeugnisse Bischofs Reginbert* erst von
den Voreltern Ottos von Machland und von diesem selbst, also
im 11. und 12. Jahrhundert, gegründet und wohl nicht lange
vorher dem Walde abgewonnen worden.
Andererseits ersehen wir aus dem Gabbriefe König Chun-
rads ni. für das Kloster Garsten vom Jahre 1142,' daß die
^ Ried cod. dipl. Ratisp. I, 44. Die ganze Stelle lautet:
Infra dno flnmina, id est inter Agastam et Nardinam a locis yide-
licet, ubi de venis in amnes derivantur, et ita usqne in Nortwalt in
hano partem silve sine termini conclusione.
Den Abschluß der Regensbnrger Rodungen im Nordwalde be-
zeichnet das Aurolzlehnergut zu Straß Pfarre SchOnau südwestlich Yon
Unterweißenbachy das bis 1803 bischoflich Regensborgisches Lehen ge>
blieben ist.
' Urkunde 1147, 16. Mai fClr Säbnich (Waldhausen) Oberösterreichisches
Urkundenbuch II, 227.
^ a. a. O. n, 204. ,silTa nostra, que vocatur Ritmarch yidelicet a fluvio
Jowerniz usque ad fluvium Agast et inde usque ad terminum sclavorum.'
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115
nächste Umgebung von Freistadt: der Landstrich zwischen
dem Jaunizbaclie und der Feidaist und von da bis an die
Grenze der Slawen noch Waldbestand war. Über Lasberg
hinaus, wo schon früher der Hochfreie Adalber von Griesbach
eine Kirclie erbaut hatte/ lag der Nordwald,* in dessen Nähe
noch im Jahre 1171 ein halber Mansus im Walde (,in silva^
erwähnt wird; an dem Handelswege nach Böhmen drang die
Knltnr weiter in den Nordwald ein und bewirkte die Germa-
nisienmg der ursprünglichen Wendensiedelung Windischmarkt
an der Stelle der heutigen Freistadt.'
Viel schneller als vom Innern Böhmens aus wurden die
Grenzwälder von den bayrischen Volksgenossen angebrochen.
Vom Windberg aus, welchen die Wenden schon Jahrhun-
derte früher in Besitz genommen und den Wald ausgestockt
^ Urkunde Bischof Reginberto fOr St. FlorUn 1126 OberOsterreichischea
Urkundenbach II, 164.
' &. a. O. ,ultra Lozperch in silva qne dicitnr Nortwalt.'
> a. a. O. II, 346. Die Gründe für die Entstehung^ von Freistadt aus einer
Wendenansiedlung an dem StraßeDzug^e nach Böhmen sind in des Ver-
fassers Aufsätze ,Der Ursprung der landesfttrstlichen Stadt Freistadt* in
den Mitteil, des Inst, für (5sterr. Geschichtsf. XXIY, 650 ff. entwickelt. Es
ist hier noch nachzutragen, daß die Ausfertigung der Bündnisurkunde
KOnig Otakars mit Kapitel, Ministerialen und Bürgern yon Passau gegen
die Herzoge von Bajem vom 6. November 1265 (Mon. Boic. XXIX b,
463) von Freistadt aus (aput Liberam Civitatem) datiert, daher die Er-
teilung des Stadtrechtes an den Ort noch vor diesem Jahre zu setzen
ist Der Ansicht von Dopsch (,Die landesfürstlichen Urbare Nieder- und
Oberüsterreichs aus dem 13. und 14. Jahrhundert' S. 91, Anm. 20), daß
Windischmarkt ein abgekommener Ort sei, vermag der Verfasser nicht
beizupflichten, da ihm wenigstens in Oberüsterreich nicht ein einziger
verschollener Ort untergekommen ist und scheinbar verschwundene Ort-
schaften entweder Teile größerer Ansiedlungen geworden sind und ihren
Namen nur offiziell, nicht aber im Volke eingebüßt haben, wie Engers-
dorf Ortschaft Kasten, oder ihren speziellen Namen an die sachliche
Bezeichnung abgegeben haben, wie Bosdorf, das heutige Landshag. Eine
so bedeutende Ortschaft wie Windischmarkt, in welcher 30 Hofistätten
dem Herzoge dienten, konnte auch nicht spurlos verschwinden. Aus den
Erwähnungen derselben im babenbergischen und otakarischen Urbar
geht nach dem Erachten des Verfassers noch nicht hervor, daß Windisch-
markt südlicher gelegen sein mußte als Freistadt, denn die geographische
Ordnung wurde, wie in den passauischen urbarialen Au^iobnungen,
ebenso wenig in den Osterreichischen strenge eingehalten, weshalb einer-
seits Sprünge, andererseits Abweichungen von der geraden Linie zu be-
obachten sind.
9*
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116
hatten^^ rückte die Kultur weiter nordwärts. Um das Jahr 1130
finden wir Engiipoldisdorf auf der Anhöhe über der Rausche-
mühel an der Hochstraße von St. Peter am Windberg nach
Haslach als eine dem Anscheine nach schon länger bestehende
Siedlung.* Ihr Bestand weist uns die Richtung, in welcher
die Urbarmachung dieser Gegend fortschritt. Noch war damals
der ganze obere Flußlauf der ^steinernen' Mühel im Waldes-
schatten begraben, während im Seitentale über Dobring hinauf
auf die Höhen von St. Stephan am Riedl schon früher der Wald
vor der Axt zurückweichen mußte, was der Bau einer Kirche
in St. Stephan ,ultra Viczissenmuhelen' beweist, welche am zwei-
ten Tage des Jahres 1147 eingeweiht wurde.' Von hier leitete
die Bodengestaltung selbst hinüber nach Multerberg und Reiter-
^ Für ihre Kulturarbeit sprechen die Ortsnamen Windorf, Windischberg-
bei St. Martin, Windsteigergnt , Windpassingerg^t, Windorfergut sa
Bogendorf. 827 sind zahlreiche Slawen als ansässig in Pnchenau be-
zeugt Auf deutsche Ansiedler weisen die patronjmischen Ortsbenennun-
gen Walding, Waldhofer, Waldkirchen (ron Walto).
* Die Lokalbezeichnung, die sich in dem Nachtrage vom Jahre 1439 zum
Schaunberger Urbar 1371 (Original im Stiftsarchive St Florian) noch
im Vollaute »Engelpoltsdorf erhalten, im Urbar der Herrschaft Neuhaua
an der Donau vom Jahre 1666 (Original im Schloßarchive Sprinzenstein)
auf Enngeldorff verkürzt hat und jetzt ,£ngersdorf' gesprochen wird, be-
greift, wie vom Verfasser durch pers($nlichen Augenschein festgestellt
wurde, die folgenden, bei Einführung der Numerierung im 18. Jahrhun-
dert dem Dorfe Kasten (Pfarre St. Peter am Windberg) zugezählten
Häuser: 18 Häusel beim Engel weg, 22 Stadlerhäusl, 23 Stadlergut,
26 Wumauerhäusl, 27 Wurnauergut, 28 Qrubergut zu Einzing, 29 Gruber-
häusl, 30 Mairgut zu Engersdorf, 31 Hintergütl in Engersdorf, 32 Kain-
zengut in Engersdorf, 33 Kainzenhäusl und 46 Abstrizhäusl in Engers-
dorf. Dieselben waren um 1130 von Rudolf und Richinza von Perge ihrer
Tochter Richinza und deren Gatten Adalram von Feistriz- Waldeck über-
geben (Steiermärkisches Urkundenbuch I, 142) und von letzterem seiner
Stiftung Seokau zugewendet worden, welcher sie auch nach dem Fürsten-
gerichte (a. a. O. I, 290, 376) verblieb. Das steirische Stift entledigte
sich dieses entfernten Besitzes im 14. und 15. Jahrhundert teils an die
Ludmanstorfer, welche die Objekte wieder 1439 an die Schaunberger
veräußerten, teils an das Kloster St. Florian, welchem das Stadlergut,
das Wurnauergut, das Grubergut und das Mairgut bis zum Jahre 1849
untertänig blieben. Doch blieb auf dem Staudachhofe Pfarre Nieder-
waldkirchen noch im Jahre 1439 ein Dienst von 60 Pfeningen ,gen
Sekkaw' haften als Rest der einstigen Grundherrlichkeit dieses Stiftes.
' Stülz, Geschichte des Stiftes St. Florian, S. 265 ans einem Kodex des
14. Jahrhunderts.
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117
schlag auf den Boden des (nachmals sogenannten) ^deutschen
Qeridites* Witigenhausen einerseits/ andererseits durch das
&ucYitbare Tal der Großen Mühel über Haslach durch die
heutige Pfarre St. Oswald in die einladende Ebene am Schlägt^
wohin von Süden her das weite Tal vom Ramlergute über
Mühlöd, Kazing (Kazling) und Natschlag das offene Einfalls-
tor bildete. Die Urbarmachung bis Aigen und noch darüber
hinaus hat nach allen Anzeichen noch im 12. Jahrhundert sich
vollzogen^ denn diese Bewegung wird uns durch die erhaltenen
Urkunden beglaubigt. Erwähnt werden um 1108 Elleinzell
(juxta Muhele);* Feuchtenbach Pfarre Altenfelden um 1140,'
Blankenberg gegenüber von Neufelden 1173/ Apfersbaoh,
Aichingerhof; Bairach, Weiglstorf, St. Ulrich; Erdmansdorf,
Fischbach (westlich von Rohrbach), Pümstein; Liebenstein um
1180.* Der Markt Rohrbach, der im Jahre 1256 nebst Hof-
kirchen, Puzleinsdorf, Lembach und Sarleinsbach als bedeu-
tenderer Ort angeführt wird^ und von frühesten Zeiten her mit
Marktrechten begnadet war, muß schon nach diesen Anhalts-
punkten als eine alte Siedlung angesehen werden.
Im Westen muß das Dorf Yatersreut an den Abhängen
des Ameisberges spätestens im Beginne des 12. Jahrhunderts
entstanden sein, da mit diesem Zeitpunkte der Personenname
Fato oder Fater außer Gebrauch tritt. Dieselbe Annahme gilt
for Fattendorf bei Kellberg. Natürlich sollten die Namen,
welche vom Volke mit hohem a gesprochen werden, richtiger
Fitersreut und Fätendorf geschrieben sein. Gegen die Dz zu
saßen schon im Beginne des 12. Jahrhunderts die Herren von
Griesbach nächst der Donau; daß sie es waren, welche die
Kultur tief in den Nordwald hinein bis gegen Wolfstein ge-
tragen haben, werden die Ausführungen des vierzehnten Ab-
schnittes zur Kartenbeilage ergeben. Aus diesen erhellt, daß
die Kolonisierung des Landstriches zwischen Hz und Großer
^ Der Name des Dorfes Dobring im Westen von BOhmisch-Kapellen sagt
ans, daß Ansiedler aas Dobring Pfarre St. Stephan hier im Walde die Axt
geschwnngen haben.
* OberOsterreichisches Urkandenbach II, 128, 203.
» a. a. O. I, 653.
* Urkandenbach von Kremsmünster 44.
' Oberdsterreichisches Urkandenbach I, 594, 570.
•Mon.Boic. XXrXb, 224.
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118
Mühel vorerst und znm größeren Teile von den freien Adels-
geschlechtern aus Niederbayern durchgeführt worden ist und
das Hochstift Passau erst später in die Reihe der kolonisieren-
den Großgrundbesitzer getreten ist; am richtigen Orte wird
auch die angebliche Schenkung König Heinrichs H. an das
Kloster Niedemburg ihre Würdigung finden, da sie für den
eben behandelten Zeitraum nicht als beweiskräftig gelten kann.
Die an die Kulturen der Pfarren St. Oswald, Haslach und
St. Stephan sich eng anschließenden Siedelungen der Pfarre
Deutsch-Reichenau (bei Witigenhausen) fallen dem Wanderer
als naturgemäße Fortsetzung der ersteren ins Auge; sie er-
reichen ihr Ende im Nordwesten erst mit dem waldigen Ab-
hänge des St. Thomasberges. Im Osten bildete noch im Jahre
1259 die Waldhöhe, auf welcher nachmals Dorf und Kirche
(Böhmisch-) Kapellen erbaut worden ist, die östliche Grenze
von Bayern gegen Böhmen, welchem Lande jedoch der ganze
Strich von der heutigen oberösterreichischen Grenze bis gegen
Zartlesdorf erst nach dem Aussterben der Babenberger zuge-
wachsen sein kann, da der vorletzte Fürst dieses Geschlechtes,
Herzog Liutpold VI. in der Exemtionsurkunde für das Kloster
St. Florian 1208, 15. Oktober^ die Grenzen seiner Gerichts-
^ Die Exemtionsurkunde (Oberösterreichisches Urkundenbuch IT, 611) ist
nicht im Original vorhanden, sondern nur aus der Einschaltung in der
Bestätigung König Otakars 1258, 1. Februar bekannt. Die im Oberöster-
reichischen Urkundenbuche II, 660, 564, 563 abgedruckten Exemtions-
Urkunden für St. Florian leiden an verschiedenen, besonders aber an
chronologischen Gebrechen, in welche voraussichtlich die kritische Aus-
gabe der Babenberger Diplome durch Baron Oskar Mitis die wünschens-
werte Klarheit bringen wird. Auffallend ist, daß auch die Befreiungs-
urkunde vom 16. Juni 1213 einen Akt ,in prato iuxta Naerdaen* zur
Grundlage haben soll wie die Exemtion für den Windberg, da nicht
glaublich ist, daß Herzog Liutpold VI. sich zweimal (1208 und 1213) auf
der Wiese bei Nam gelagert habe. Die Unregelmäßigkeiten bei der Aus-
stellung der Urkunden 1212/13 glaubt B. Mitis damit erklären zu können,
daß die Ausfertigung der Urkunden lange nach dem Akte erfolgte und
daher dem Schreiber die chronologischen Fehler unterliefen, wie denn
auch der verstorbene Graf Otto von Klamm statt seines Sohnes Ulrich
unter die Zeugen aufgenommen wurde. Diese Ansicht scheint dem Ver-
fasser annehmbar, da gegen den meritorischen Inhalt der Urkunden kein
Bedenken obwaltet; sie wird noch durch die Betrachtung gestützt, daß
Liutpold schon 1208 die Klosteruntertanen am Windberg eximierte, was
er als Markherzog, der bei eigenen Hulden dingte, ohne Einholung der
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119
barkeit auf dem Windberg vom Donauufer (a ripa Danubii in
dem Tal) bis aufwärts an den Moldaufluß (usque sursum ad
fluvium qui Wolta) bezeichnete, worunter, ganz abgesehen von
der Notwendigkeit des prÄzisen Ausdruckes in einer staats-
rechtlichen Verfttgung, nicht die Höhen an der heutigen ober-
Osterreichischen Grenze, die noch einige Stunden von der
Moldau entfernt sind, sondern die Ufer der letzteren selbst,
und zwar von den Waldhöhen von Kapellen und Kienberg an
bis gegen ZarÜesdorf, wo die weit nach Böhmen ausbiegende
gegenwärtige oberösterreichische Grenze herzustoßt, zu ver-
stehen sind.
Für die Tatsache, daß noch im Jahre 1269 die Grenze
zwischen Böhmen und Bayern, oder was man so nannte und
jedenfalls noch nicht zu Böhmen rechnete, über die höchste
Erhebung des Bergzuges, auf welcher nun das weithin über
die Donau sichtbare P&rrdorf Böhmisch-Kapellen steht, 3000 Fuß
oder 950 m hoch, gebildet hat, haben wir ein unwiderlegbares
Zeugnis in der wörtlich überlieferten Äußerung des Herrn
Wok von Rosenberg, welche zuerst vom Bischof Johann von
Prag in der Bestätigung der Schenkungen des Stifters am
1. Juni 1259 1 urkundlich festgelegt, vom Stifter 1259 und 1261
sowie von seinen Blutsverwandten Budiwoy und Witigo von
Krummau 1259 völlig gleichlautend wiederholt worden ist.*
Wok sprach seinen Entschluß aus, auf seinen Gütern oberhalb
Rosenberg vor dem Forste (ultra Rosmberc sub nemore) ein
Zisterzienserkloster, insgemein Hohenftirt* genannt, zu gründen,
und bezeichnete in Anwesenheit des Bischofs und zahlreichen
Adels die Grenzen des diesem Zwecke gewidmeten Besitzes
,voce propria in hunc modum: Nemus ex altera parte Wlytaue
fluminis versus occidentem attingens viam illam que ducit
Helfenberk, Hohenvurt cenobio quod de novo fundavi faciat
königlichen Genehmigung tun konnte, während zur Exemtion auf dem
Boden des Herzogtums Steyr, beziehungsweise Bayerns im Landgerichte
zwischen Ens und Traun die königliche Zustimmung hinzuzutreten hatte,
diese aber in der Z^i nach Ermordung König Philipps nicht so bald zu
erlangen sein mochte.
* Fontes rer. austr. Dipl. XXm, 3.
« a. a. O. 7, 10, 6, 6.
' Wohl so genannt von der Lage des Marktes, heute Stadt bergauf-
wärts von der Moldau.
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120
metam unam; et in parte orientali alia meta transit rivum
quendam qui vocatur Wlitauich et ambit pratum Zbyadel, nt
idem pratum cum aliis bonis conclnsnm ipso termino ad dictum
cenobium pertineat integraliter pleno iure. Item alia meta in
rivo Mokri nomine terminetur, qui terminus incipiens a flumine
Wlitaua dirigitur ascendendo usque ad hortum (ortum) rivuli
iam predicti, et inde per montem Hradisch in minorem Wli-
tauich revertitur ex directo, et ascendit in illo rivo usque ad
altitudinem silve Boemiam et Bavariam dividentem. Item et alia
et ultima meta ex ista parte Wlitaue incipiens ab ipsa Wlitaua
ascendit per decursum cuiusdam ripe, que Poyn vocatur, usque
ad montem quendam Strasedelnik nominatum et ab eo ascendit
directe preteriens metas et terminos villarum que faerant Sua-
tomiri, usque ad metas domini Witkonis de Crumlow/
Die Grenzbestimmung ,usque altitudinem silve Boemiam
et Bavariam dividentem^ wurde von Pangerl, dem Herausgeber
des Hohenfurter Urkundenbuches, gegen Süden an den Stem-
stein, die jetzige oberösterreichische Grenze, gezogen, welche
Ansicht bisher herrschend geblieben ist. Infolge dieser Aus-
legung wurden auch manche Rinnsale und Berge anders ge-
deutet, als die wirklichen Verhältnisse gebieten. Um hierüber
vollständig ins Klare zu kommen, begab sich der Verfasser
am 2. Juli 1904 über Zartlesdorf — um auch die Bodenge-
staltung zwischen diesem Orte und Hohenfurt kennen zu lernen
— nach Hohenfurt, woselbst Herr Stiftsoberförster Leopold
Enslen die Güte hatte, ihm in die älteren Forstwirtschafts-
karten im größten Maßstabe aus dem Jahre 1812 Einsicht zu
gestatten und mit großem Interesse für die Sache seine gedie-
genen Ortskenntnisse zu Gebote zu stellen. Nach eingehenden
Erörterungen und beständiger Vergleichung der Forstkarten
mit den modernen Karten (älterer und neuerer Spezialkarte)
konnte die Identifizierung aller in Frage kommenden Bezeich-
nungen mit Ortlichkeiten der Gegenwart als außer Zweifel ge-
setzt betrachtet werden.
Wenn nun der Leser gebeten wird, den nachstehenden
Kommentar zu jeder bezüglichen Stelle der Stiftungsurkunden
auf den Blättern Hohenfurt — Rohrbach und Kaplitz — Freistadt
und zugleich auf dem Blatte 8 der älteren Spezialkarte von
dem Erzherzogtum Österreich (Freistadt), welche die Boden-
erhebungen und die Verästelungen der Gewässer mit besonderer
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121
Scliärfe und Feinheit hervortreten läßt; aufmerksam zu ver-
folgen: so muß nur nochmals betont werden, daß die nachfol-
genden Ausdrucke von Wok von ßosenberg wörtlich in Prag
gebraucht und deshalb auch Wort fiir Wort in den Urkunden-
text aufgenommen worden sind, daß außerdem bezüglich der
Grenze gegen Bayern jeder Irrtum seinerseits völlig aus-
geschlossen ist, da er seit der Ermordung des Landschreibers
Witigo^ als Hauptmann über den neuen Distrikt ob der Ens
gesetzt war' und demnach als oberster Verwaltungsbeamter
des Landes dessen Grenzen genau wissen mußte. Er konnte
daher klärlich dasselbe nicht als Bavaria bezeichnen, umso
weniger, als Otakar schon im Jahre 1256 von demselben als
einem ,districtus' gesprochen hat,' Daß Oberösterreich noch
im ältesten Seitenstettner Urbar mit dem Namen Bavaria be-
^ 6. Febniar 1255 (siehe die Erläatenmgen lar Sektion OberOsterreich
des histor. Atlas der Österreichischen Alpenländer.)
Im Codex Garstensis (Hofbibliothek in Wien 340 bist. prof. 52,
4 Pergamentblätter, s. Wattenbach in Pertz, Archiv X, 461) waren die
sämtlichen Jahreszahlen Yorgeschrieben. Zum Jahre 1255 ist der ver-
ffigbare Raum bis auf zwei Zeilen ausgefüllt, hätte nur mehr einem
kurzen Eintrage Unterkunft geboten. Dagegen ist der Raum zum Jahre
1256 bis ganz knapp oberhalb der Jahreszahl 1257 durch die Stelle
Ortolfus bis confiscatis eingenommen. Das Gedränge der Zeilen (das
letzte Jahr 1258 blieb leer) zeigt, daß die Notiz nachgetragen wurde;
sie gehörte zum vorangehenden Jahre 1255, wo jedoch der erforderliche
Platz mangelte, daher sie der Schreiber zu dem Jahre 1256, wo noch
Raum vorhanden war, eintrug.
Daß diese Folgerung eine richtige ist, geht daraus hervor, daß
schon 1255, 23. März (Urkunde Otakars für Seitenstetten Fontes XXII,
57) Magister Heinricus scriba Anasi erscheint, weshalb der Tod Witigos
vor diesem Tage erfolgt sein muß, womit der Eintrag Vm. Idus Febr.
Witigo scriba im Florianer Nekrolog sec 13 (Notizenblatt 1852, S. 291)
stimmt; jene drei Urkunden des Jahres 1255, in welchen Witigo noch
auftritt, sind demnach in die ersten fünf Wochen 1255 zu setzen.
' Siehe ,Geburt des Landes ob der Ens% S. 111—112. Zu dem Gerichts-
briefe Woks für Kloster Zwetl (Fontes III, 297), welchen vor Jahren
der Stiftsarchivar Herr P. Benedikt Hammerl dem Verfasser mitzuteilen
die Gfite hatte, ist zu bemerken, daß das Original der Urkunde un-
datiert ist; die Jahreszahl 1256 findet sich mit anderer Tinte auf dem
ebenfalls vorhandenen unbesiegelten Konzept. An dem Briefe hängt das
allerälteste Stadtsiegel von Linz, dessen sehr flach gegrabener Stempel
verschieden ist von jenem vom Jahre 1275, Oberösterreichisohes Urkun-
denbuch III, 422.
* Geburt des Landes ob der Ens, S. 120.
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legt wird; kann nicht irre machen; denn es ist keine offizielle
Persönlichkeit, die diesen Ausdruck gebraucht, und derselbe
kann aus einer älteren Vorlage herübergenommen sein.
Wok bezeichnete nun die Grenzen des neuen klöster-
lichen Besitzes folgendennassen:
,Den Forst auf der anderen Seite der Moldau (von Prag
aus gesehen, daher am südlichen Ufer des Flusses), gegen
Westen anstoßend an jenen Weg, welcher nach Helfenberg
führt/
Diese Berührung des Forstes mit der Helfenberger Straße
fand noch vor einem Jahrhundert zwischen den Dörfern Do-
bring und Stift an der äußersten westlichen Grenze des Gra-
sauholzes statt, das seit alten Zeiten und noch heute dem Erlöster
Hohenfurt zugehört; im Süden reicht der Wald nur an die
nördlichen Dorfgründe von Dobring und überschreitet einzig
auf eine kurze Strecke vor dem Dorfe Stift die Helfenberger
Straße, um sich dann westlich gegen die Rosenauer Waldhäuser
zur Straße von Friedberg herwärts und von da in einem nord-
ostwärtsgerichteten Bogen zur Moldau gegen Vorderheuraffl zu
ziehen.
Bei dieser Gelegenheit mag aufmerksam gemacht werden,
daß die in der Spezialkarte eingetragenen Berg- und Wald-
namen, wie so häufig auch anderswo, in der Umgebung von
Hohenfurt nicht im Volke wui*zeln, sondern demselben oft ganz
fremd sind.^
,ünd auf der Ostseite — fährt Wok fort — überschreitet
die zweite Grenze einen Bach, genannt die Kleine Wlitauich,
und geht um die Wiese Zbyadel herum, so daß diese Wiese
mit anderen Gütern, in der Begrenzung eingeschlossen, voll-
ständig mit allem Rechte dem besagten Kloster gehören soll.
Die dritte Markung wird begrenzt vom Bache Mokri, welche
Grenze beginnt am Flusse Moldau und aufwärts steigt bis zum
^ Die heutige Landesgrenze jenseits des Schiudlauerberges ist bloße Jagd-
grenze zwischen Schlag! und dem fürstlich Schwarzenbergschen Besitz-
tum; wenn vormals eine genaue Qrenzlinie bestand, so lief sie wohl auf
dem Kamme der Berge, weshalb sie auch in dieser Richtung in die
Kartenbcilage eingetragen wurde. Die Bezeichnung der Niederung am
Iglbache als ^Bayrische Au' scheint noch ein Nachklang aus jener Zeit
zu sein, in welcher Bayern bis zur Moldau sich vorgestreckt hat.
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123
ürspning des gedachten Baches^ von diesem dann über den
Berg Hradisch geradeaus (schlechthin) in die Kleine Wlitauich
zurückgeht und an diesem letzteren Bache hinaufsteigt bis zur
Höhe des Waldes, welche Böhmen und Bayern von-
einander scheidet/
Der Bach Wlitavich der Urkunde ist der sogenannte
Hammerleitnerbachy welcher gerade unterhalb des Klosterge-
bändes in die Moldau einströmt; er führt diesen Namen erst
von dem Zusammenflusse des Dimauerbaches, welcher aus
dem südUch gelegenen Stemwalde (Qerichtsbezirk Leonfelden)
kommt, und des Münichschlagerbaches, welcher von den Quellen
unterhalb des Berges von Kapellen gespeist wird, demnach von
der Weihmühle an. Als Hauptbach betrachtet die Urkunde den
in gerader Richtung von Süden nach Norden fließenden Dir-
nauerbach, als Seitenbach den links einmündenden Münich-
schlagerbach. Letzteren nennt sie deshalb ,die kleine^ Wulta-
wich. Diese Auslegung ergibt sich aus der Natur selbst. Der
Mokribach (Mugerauerbach) heißt jetzt Ziehbach, derselbe,
welcher unterhalb des Bauhofhölzls östlich von Hohenfurt
in die Moldau fällt; er entspringt im Westen des Kreuz-
berges oberhalb der Ortschaft Hohenfurt. Der Kreuzberg ist
daher ungezweifelt der mons Hradisch, denn von ihm gerade-
aus gegen Westen, also zurück, gehend triffl; man auf den
Münichschlagerbach gerade vor seiner Vereinigung mit dem
Dimauerbache. Steigt man dem Münichschlagerbache entlang
im Forste aufwärts, so gelangt man auf die höchste Erhebung
des Forstes im Westen, auf jene von Kapellen. Diese ist also
die altitudo silvae, welche Bayern und Böhmen trennte; zur
Zeit der Ausstellung der Stiftungsurkunde war sie noch un-
bewohnt, die Ortschaft Kapellen ist erst im 14. Jahrhundert be-
urkundet.
Die Lage der Wiese Zbyadel zu erörtern, ist überflüssig;
sie hat auf die Grenzfrage keine Beziehung.
War, wie nach allen Umständen anzunehmen, der Berg-
gipfel von Kapellen ein Grenzpunkt, dann dürfte die Grenze
wohl auf der Wasserscheide über den Kienberg zur Moldau
sich fortgesetzt haben; sie schied im Jahre 1259 die Besitzun-
gen der Witigonen in böhmische im Osten dieser Linie und
in bayrische im Westen, zu letzteren zählten die heutigen
Pfarren HeurafB und Deutsch-Reichenau (mit der Burg Witi-
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124
genhausen). Allerdings kann nicht mehr davon gesprochen
werden^ daß die Amtsgewalt des bayrischen Herzogs sich bis
an die Moldau erstreckt hätte^ weil der Bischof von Passaa
bereits den Reichsfürstenstand erlangt hatte und selbst landes-
fürstliche Rechte ansprach; sicher aber reichte der geographi-
sche Begriff Bayerns noch bis zur Moldau und hatte wenigstens
bis dahin noch keine Angliederung an Böhmen stattgefunden,
da in diesem Falle der Marschall von Böhmen nicht von einer
Landesgrenze gesprochen haben würde.
Die bayrisch-böhmische Grenze des Jahres 1259 war in-
sofeme keine sehr alte^ als sie erst mit dem Vorrücken der
bayrisch-österreichischen Ansiedlungen durch den Grenzwald
entstehen konnte; nach allem zu schließen^ sind jedenfalls die
deutschen Pioniere vor den böhmischen an den Ufern der
Moldau angelangt. Bis an die Moldau reichte die Herzogs-
gewalt des vorletzten Babenbergers und es ist folgerichtig an-
zunehmeU; daß an diesem Flusse die Grenze eine Strecke lang
fortlief; sonst wäre sie der Erwähnung gar nicht wert gewesen.
Bei dem Versuche, dieselbe ausfindig zu machen, wird wohl
jedermann der bei Wullewitz — Zartlesdorf tief in das heutige
böhmische Gebiet einschneidende oberösterreichische Gebiets-
ausläufer in die Augen fallen, welcher die Frage herausfordert,
wie er entstehen konnte, wenn der Landstrich vom Eien-
berg bis Wullewitz, von demselben Volksstamme wie die an-
stoßenden oberösterreichischen Gebietsteile bewohnt und in
keiner Art von selbem verschieden, stets zu Böhmen gehört
haben sollte. Ziehen wir südlich vom Zartlesdorfer Teiche eine
Linie bis zum Moldauknie oberhalb Rosenberg, wobei Eodet-
schlag und Bamberg zur Rechten ausgeschlossen bleiben, da-
gegen der Mauthof als Zugehör des Seifkentales und die nörd-
lichen Anhöhen desselben als Abschluß erscheinen, so dürfte
sich diese gemutmaßte Grenzlinie kaum viel von der Wirklich-
keit in der Vergangenheit entfernt haben. Auch die Bezeichnung
Mauthof ist zu beachten, sie deutet auf den vormaligen Bestand
einer Maut, wie denn Häuser mit dem Namen Mautner nach-
weislich Mautstätten entsprungen sind, hier noch dazu an einer
Stelle, wo die Handelsstraße von Krummau über Rosenberg
und Oberhaid nach Freistadt vorbeifUhrte.
Daß der Gang der allmählichen Erschließung des viele
Tagreisen tiefen Grenzwaldes, durch welchen nur Saumstraßen
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125
fthrten,^ anf die vorgeschilderte Weise vor sich ging, daAir
spricht bei der Pfarre Deutsoh-Reichenau auch der Anblick
der Kulturen, -welche mit jenen des vormaligen Mühlkreises
in ununterbrochenem Zusammenhange stehen, was von dem
mitunter ziemlich steil abfallenden linken Moldauufer nicht be-
hauptet werden kann. Daß das ,Gericht Witigenhausen' im
Mittelalter erst spät zu Böhmen gerechnet und zur Zeit, als es
die österreichischen Herren von Wallsee innehatten, von hier
aus Haslach, Klaffer und Freundorf verwaltet wurde, wird im
elften Abschnitte erörtert werden; daher wird es kommen, daß
das Landrecht des Gerichtes noch spät in Geltung ist.'
Hohenfurt wird schon bei Stiftung des Klosters 1259' als
Markt mit einer Pfarre erwähnt, war demnach ein beträcht-
licher Ort, dessen Entstehung, weil er zu seinem Wachstum
doch geraume Zeit bedurft haben wird, mindestens um ein
Jahrhundert, wenn nicht weit mehr, zurückzuversetzen ist; der
Ort wird von oberösterreichischen Ansiedlern, die, dem Saum-
wege folgend, vom Lobenfelde aus, das in der Mitte des
12. Jahrhunderts als großer Walddurchbruch gedacht ist,^ an
die Moldau gelangten, gegründet worden sein; die Ansiedlun-
gen diesseits und jenseits des Waldes flössen zusammen, ver-
anlaßt durch die Wechselbeziehungen der Holden der Witi-
gonen, deren gemeinsame Besitzungen sich von der Donau zur
Moldau und von dieser bis gegen Freistadt hin ausdehnten,
wovon im siebenten Abschnitte die Sprache sein wird. In glei-
chem Maße tritt diese Wahrnehmung an dem Straßenzuge
> Zollordnung 904, Lehenbrief für Gundaker von Steyr 1198. Die Be-
Eeichnnng ,Saain8traße' ist bis anf den beutigen Tag an einer kleinen
Ortschaft vor Zwetl hängen geblieben. Vgl. ^Handelswege und Handels-
zentren in SüdbOhmen' im Programme der Badweiser deutschen Ober-
realschnle 1901 von dem gelehrten Hohenfurter Kapitular Professor Dr.
Valentin Schmidt, dessen großer Gefälligkeit der Verfasser vieles zu
danken hat.
' Vgl. die Ton A. MOrath in den Mitteil, des Vereines fUr Geschichte der
Deutschen in Böhmen, Jahrgang XLI, S. 128 abgedruckte Urkunde 1381,
8. Jänner auB dem Krummauer Archive, womach für die Mühle in
Deutsch-Beichenau Gewähr geleistet wird «also lanczrecht ist in dem laut
da dy mnl in leyt^
* Fontes XXm, 4.
* Stelle ,mediam partem campi, qui wlgo Lowenwelt nuncupatur', Wil-
heringer Urkiuide 1154, Obertfsterreichiscbes Urkundenbuch II, 273.
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126
Rosenberg — Oberhaid — Rainbach — Freistadt zutage. Auch Ober-
haid (Merica superior) wird schon 1278, 13. Juli^ als forum im
Gegensatze zur viila Gerbrechtschlag aufgeftlhrt; auch dieser
Ort muß im 12. Jahrhundert von Ansiedlem der Riedmark an-
gelegt worden sein.
Selbstverständlich läßt sich nicht erschließen, welche Stücke
des rechten Moldauufers zur Riedmark und welche zu Wachsen-
berg gezählt haben werden.
Wenn für die intensivere Kulturarbeit der deutschen An-
siedler der Vorrang vor den böhmischen in Anspruch ge-
nommen wird, so wird damit nicht gegen den Fortgang der
Kolonisation auf böhmischer Seite verstoßen, weil letztere
die Grenzwälder eben in langsamerem Tempo in Angriff ge-
nommen hat.
Denn im Beginne des 13. Jahrhunderts war der bei weitem
größere Teil des oberen Moldaulaufes noch immer wüstes Wald-
und Sumpfland, in welchem vielleicht nur das heutige Ober-
plan einen Lichtpunkt bildete.* Als König Wenzel I. (f 1253)
dem Burggrafen Hirzo von Klingenberg für seine Verdienste
den Distrikt von Mugerau' verlieh, war dieser Landstrich in
seiner ganzen Länge von Poletic bis zur bayrischen Grenze
und zum Rotbache wohl großenteils noch Waldregion, in wel-
cher erst Herr Hirzo den Ort Nahirzowe (nachmals Unter-
Wuldau genannt) gegründet hat; an den Grenzen des großen
Poleticer und des schmalen Mugerauer Distriktes stießen tsche-
chische und beginnende deutsche Kulturarbeit zusammen; die
Fortführung der ersteren blieb auf das linke Moldauufer ge-
wiesen, woselbst in der Mitte des 13. Jahrhunderts die Gegen-
den um Krummau, Poletic, Stein, Kalsching, Elhenic und Ne-
tolic bereits kultiviert waren.
Auch im Osten ging die Urbarmachung erst von dem Zeit-
punkte an intensiver südwärts, als Ceö von Budweis nicht lange
vor dem Jahre 1266 in dem ihm vom König Otakar im Tausch-
wege überlassenen Gebiete von Welleschin sich die genannte
Burg über dem Ufer der Maltsch erbaute.* Es war, nach den
» Fontes XXIH, 28, 81.
' M. Pangerl im Goldenkroner Urkundenbuche Fontes XXVII, S. IX, 16,
84, 114.
' Daselbst Karte des Goldenkroner Dotations^tes.
* Elimesch, ,Die Herren vom Michelsberg als Besitzer von Welleschin* in
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127
urkundlichen Spuren zu schließen^ wenigstens im südlichen
Teile großenteils mit Wald bedeckt, der südliche Teil selbst
sicherlich von der Riedmark her von deutschen Ansiedlem
kultiviert, was denn auch die Mundart der dortigen Deutschen
und die deutschen Ortsnamen dartun. Im Gedächtnis der Zeit-
genossen ist übrigens, daß erst vor kaum 120 Jahren der
innerste Teil des Nord- und Freiwaldes urbar gemacht und da-
selbst, nach den Herrschaftsbesitzem Buquoi genannt, die Ort-
schaft Buchers angelegt worden ist.
Die Westgrenze an der Moldau kommt übrigens auch in
anderen Urkunden vor.
Die Bestätigung der Besitzungen des Klosters St. Florian
durch Bischof Ulrich 1111, 23. August^ spricht davon, daß die
von Eppo von Windiberg gestifteten Güter sich bis an die
Moldau erstrecken (que protenduntur usque ad fluvium qui
Wultha vocatur), jene 1113, 26. Juni Passau ^ bezeichnet aus-
drücklich die Moldau als Grenzfluß gegen Böhmen (que usque
ad terminos boemie protenduntur ad fluvium qui Wultha vo-
catur) und die Bestätigung Reginmars (hier Reinmar genannt)
1122, 18. März^ wiederholt den Passus aus der ersten Ur-
kunde des Bischofs Ulrich. Auch das nur in einer Kopie er-
haltene Diplom Bischofs Eberhard von Bamberg für Wilhering
vom Jahre 1154* läßt den Böhmerwald (silva boemitica), wel-
cher in der Richtxmg von Wachsenberg und Wildberg gegen
das heutige Hohenfurt zu zwischen den Herrschaften Wach-
senberg und Wildberg geteilt war,^ vom Felsen Bernstein in
gerader Linie bis zum Moldauflusse reichen (et ab illo scopulo
den Mitteil, des Vereins fUr Geschichte der Deutschen in Böhmen,
Band XXII, 186 ff. Karte hierzu in Band XjXTTT.
OberOsterreichisches Urkundenbuch II, 144.
a, a. O. 147.
a. a. O. 154.
a. a. O. 278.
BeEÜglich Wildberg Urkunde 1198, 80. Juni mit dem korrekten Texte
ans dem Transsumpte 1246, 81. Oktober im Linser Museumsbericht 1899,
8. 47. Der Vergleich beider Grundherrinnen (Elisabeth von Wachsenberg
und Alhait von Haunsberg) f&llt in die Zeit zwischen 1198 und 1206,
nicht, wie 8tüls, Geschichte von Wilhering, S. 880 meinte, um 1220, da
der zu Stegen geschlossene erste Vergleich nachhin (postmodum) zu
Wachsenberg (Wesen soll heißen Wessenberch) im königlichen Auftrage,
vom Bischof Eckbert vom Bamberg in dem Streite zwischen Bischof
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128
recta linea limitati usque ad fluvium Wlta ibi finiuntur), es
weist unmittelbar auf die Moldaustrecke von Heuraffl bis
Hohenfurt.
Wenn nun auch die Ausfertigungen der Florianer Urkun-
den Uli, 23. August, 1113, 26, Juni und 1122, 18. März Passan
wegen der gegen ihre Echtheit obwaltenden Bedenken* nicht
als beweismachend für die Zeit ihrer angeblichen Ausstellung
ins Feld geführt werden dürfen, so repräsentieren sie doch mit
Rücksicht auf ungezweifelt echte Urkunden wenigstens für den
Zeitpunkt ihrer Anfertigung, d. i. nach Erachten des Verfassers
die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts, den damaligen Stand
der Grenzverhältnisse.
Zu berücksichtigen kommt noch die Beschreibung der
Markung von Wildberg. Das Diplom 1198, 30. Juni zieht die-
selbe das Rotelufer aufwärts zu einer Tanne, die selbstverständ-
lich nicht mehr auffindbar und längst vom Erdboden ver-
schwunden ist, wo die Besitzungen an der Böhmergrenze enden
(ubi ad partem septemtrionalem dicte possessiones Boemorum
confinio terminantur), und setzt bei, daß der Stemstein (Mens
Stella), wie sich aus seiner Lage innerhalb der besagten Gren-
zen zeige, noch zu Wildberg gehörte. Bischof Manegold schließt
1212, 27. Jänner* den Wald um Wildberg und Wachsenberg
mit der Wielantstanne ab. Eine Aufschreibung aus der Mitte
des 13. Jahrhunderts (1254 — 1256)^ sagt: Von der Wielants-
tanne ,protrahitur usque ad montem quondam continebat castrum*
dictum Stellam, de Stella usque ad terminos Boemicales protra-
hitur et ibi denique tunc finitur.^ Aufschreibungen im Codex
trad. pat. tertio^ fassen sich noch kürzer: ,ab eodem loco (Wie-
lantstanne) ad montem vocatum Stellam et a Stella usque ad
confinium Boemie'. Diese Angaben haben augenscheinlich die
heutige Grenze zwischen Böhmen und Oberösterreich im Auge;
dieselbe scheint auch tatsächlich in jenem Zeitpunkte zu Gunsten
Böhmens festgestellt worden zu sein.
Gebhard von Passau (seit 1221) und Herzoge Liutpold VI. (f 1230) be-
stätigt worden ist. Mon. Boic. XXYIIIb, 471 ex cod. trad. pat. tertio.
1 Archivalische Zeitschr., N. F. VIII, 90—96.
« Mon. Boic. XXTXb, 71.
» a. a. O. 228.
* Keine historische Burg.
» Mon. Boic. XXVIUb, 471, 472.
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129
Es ist noch zu imtersncheii; wie die über den Berggipfel
von Kapellen sich spannende Grenze zwischen Bayern und
Österreich auf dem Boden des vormaligen Mühlkreises verlief.
Die Ghroße Mühel bildete, wie aus der Verzichtsurkunde
Herzog Ludwigs 1220, 5. September^ bekannt ist, die östliche
Qrenze der an das Hochstift Passau gediehenen Grafschaft im
Ilzgau und damit auch jene Bayerns gegen das Markherzogtum
Österreich. Sie machte dieselbe jedoch nur bis zum Einflüsse
der Rauschemühel bei Haslach. Dies ergibt sich aus dem Texte
des Vertrages des Bischofs Gebhard mit dem edlen Mann
Witigo 1231, 17. Dezember,* in welchem es ausdrücklich heißt,
daß Witigo das Gericht zwischen Rauschemühel und Donau
vom Herzoge von Osterreich zu Lehen habe, einerseits und
aus der vielfältig beurkundeten Tatsache, daß das sogenannte
obere Gericht von der Rauschemühel aufwärts ft'eies Eigen der
Witigonen war, andererseits.
Für den weiteren Grenzzug mangeln solche Belege, doch
gibt der Kompromißvertrag 1357, 20. Juni^ Anlaß zu einem
begründeten Schlüsse. Hiemach unterwarfen sich Bischof Gott-
fried von Passau und die Gebrüder Peter, Jost, Ulrich und
Jans von Rosenberg in ihrem Streite um die ,Tannberger Sleg^
einem Schiedsgerichte, welches zu Ottensheim zusammentreten
sollte. Es handelte sich um das Dorf Dambergschlag in der
P£sirre St. Stephan am Riedl, anstoßend an das Herrschaftsgebiet
von Wachsenberg. Die Urkunde erörtert nicht den Gegenstand
des Streites und wir wissen auch nicht seinen Ausgang. Da-
g^en ist durch das große Urbar der Herrschaft Marsbach vom
Jahre 1667* und durch das im Jahre 1793 angelegte alte
Grundbuch dieser Herrschaft bezeugt, daß die Ortschaften
Dambergschlag (mit den GHitem und Häusern 2 — 8, 10 — 12,
16 — 18), Hinterschlag (mit den Häusern 1 — 12) und Unter-
gmain (mit den Häusern 1 — 4) von fremder Landgerichtsbar-
keit exemt waren nnd ihnen selbst die freie Pirsch (das Reis-
geiaidt) auf den Dorfgründen zustand; bis zum Jahre 1850
^ Hon. Boic. XXVmb, 297.
* a. a. O. 334. ■ a. a. O. XXXb, 230.
* Im Besitze des f Fräuleins Mathilde Sigmund auf Schloß Marsbach,
welche dasselbe dem Verfasser sur Benützung auf einige Wochen zu-
gesandt hat; der hohe Wert des Urbars wird im vierzehnten Abschnitte
gewürdigt.
IreU?. XCIY. Band. 10
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130
übte in diesem ^freien Winkel^ die Herrschaft Marsbach die
Kriminalgerichtsbarkeit ans. Berücksichtigen wir^ daß in der
ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts das Hochstift Passan einige
Zeit im Besitze des Marktes Haslach war und denselben an
Peter von Rosenberg nur unter der Beschränkung zurück-
verkaufte^ daß er ihn von Passau zu Lehen nehme^ die im
Markte erbaute Feste niederlege und die Gräben einziehe^ auch
^in den Gemerkehen di zu Haslach gehorent^ und die er selbst
nach seinem Eide ausgezeigt hatte, keine Feste mehr erheben
oder bauen wolle, daß diese Gemerke aber erst ,ob der Hayd'
begannen/ welches Dorf westlich von Dambergschlag gelegen
ist: so sehen wir, daß Peter von Rosenberg damals den Tann-
bergschlag, welcher erst später zugleich mit dem Schlosse Tann-
berg durch Vermächtnis Chunrats von Tannberg* an das Hoch-
stift gelangt ist (1354), nicht als zu seinem Landgerichtsbezirke
gehörig betrachtet hat. Dagegen hat Tannbergschlag zweifellos
auch niemals zum Landgerichte Wachsenberg gehört; denn die
Grenze dieses Bezirkes lief nach den Urbaren aus den Jahren
1614 und 1640^ vom Guglbach an der böhmischen Grenze zu
des Reischleins Au, von dannen auf den Saumsteig, folgends
zum Thoman in Aigen und hindurch im Innern- und Außem-
schlag (Hermschlag) hinauf bis an die Raidenbauem nächst
der Rauschemühel an den Rain, welcher Haslacher und Wach-
senberger Landgericht scheidet, umgingen also völlig die Dorf-
gründe von Dambergschlag, Untergmain und Lmemschlag. Bis
1614 war die Herrschaft Wachsenberg landesfiirstlich, keine
Nachricht meldet uns, daß jemals ein Anspruch auf Ausübung
des Blutbannes über den Tannbergschlag erhoben worden wäre;
es darf daher gefolgert werden, daß die Exemtion Tannberg-
schlag auch in früheren Zeiten nicht einen Bestandteil des
Landgerichtes Wachsenberg gebildet habe. Ist dem so, so kann
dieser kleine Bezirk nur dem sogenannten ,oberen^ Gerichte
der Witigonen zuständig gewesen sein und wird der Bischof
von Passau schon bei dem Rückverkaufe von Haslach sich die
^ ,Es sind auch daz die Qemerkch', in der Urkunde 1341, 11. September
Mon. Boic. XXXb, 170—171.
' Derselbe erscheint in einer Urkunde 1341, 12. März (Allgem. Beichs-
archiy München) als ,Pfleg'er daz Haslach*.
' Handel-Mazzetti, ,Das Gemärke von Wildberg im Jahre 1198' (Linzer
Museumsbericht 1899, S. 12, 13).
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131
Exemtion desselbes bedangen haben. Der Streit im Jahre 1357
dürfte demnach davon den Ausgang genommen haben, daß die
Herren von Rosenberg landgerichtliche Akte ausüben wollten,
endete aber sicherlich damit, daß ihnen das Recht hierzu ab-
gesprochen worden sein wird.
Hiemach ist der Schluß gestattet, daß die im Marsbacher
Urbar verzeichneten Grenzen der Exemtion Tannbergschlag die
vormaligen Markungen des Witigonengerichtes und' damit auch
jene zwischen Osterreich und Bayern gewesen seien. Dieselben
fingen an beim Erieggattem, gingen von dannen an des Grei-
sen^ger Gründe in Hermschlag, dann an die Gründe des
Zimerauergutes, an die Gründe des von St Florian (des Ghi^b-
mergutes) und des Pfarrers von St Oswald, von dannen an den
Pirchhof, an die Gründe des Haslingergutes xmd sodann an
die Grenzen des Landgerichtes Haslach bei der Ortschaft Haid.
Der Krieggattem befand sich am Schiedbach bei Multerberg;
von hier aus dürften die Markungen bis gegen Kapellen iden-
tisch mit der heutigen oberösterreichisch-böhmischen Ghrenze
gewesen sein.
Tief im Innenlande in der Pfarre Reichenau ist eine späte
Kodung zu verzeichnen, auf welcher Ulrich von Lobenstein
zwischen 1230 und 1240 die Dorfschaft Ottenschlag gegrün-
det hat.^
Augenscheinlich haben die Handelswege es bewirkt, daß
der Nordwald zuerst in der Mitte flir die Kultur gewonnen
imd dadurch in zwei Hälften gespalten wurde, von welchen
die westliche noch längere Zeit zu Bayern zählte, wogegen
in der östlichen sowohl in Ober- als in Niederösterreich
sich unfknglicher Waldbestand bis auf unsere Tage erhalten
hat* Die äußerste Stelle, an welcher von der Riedmark
^ ^ viridi nemore*. Enndschaftsbrief 1277, OberOsterreichiflches Urkunden-
bnch m, 477.
' Koch 1376, 20. Joli bestätigte Hersog Albrecht III. nach erfolgter
Weisung, daß ,der Wald gelegen von Weitraoh gegen der Freystatt,
and haisset der Freywald, daran Ulrich von Dachsperg gemeret
hat, daß der Wald je und je ein freyer Wald gewesen sei' nach
Rat der Landherren, Bitter und Knechte, daß ,unser Burger zu Wey-
tra und alle Lenth die gemeiniglich in unserer Grafschaft und dem
Landgericht daselbst sizent, fÜrbas ewiglich in dem Wald freylich ohn
allem Zinß and Hindemiß fahren und den nuzen sollen und mfig^n ohn
des Torgenanten von Tazperg und menigclich Widerrede und Irung
10*
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132
ans eine Landnahme erfolgte^ zeigt die nördliche Znnge des
Amtes Leopoldschlag der landesfürstlichen Herrschaft Freistadt
an, welche mit den Dorfgründen von Eisenhnt, Hültschen^
Lentmannsdorf, Wullewitz nnd Stigersdorf sich ziemlich tief in
das Böhmerland vorstreckt. Die Landesgrenze in ihrem Zage
von Wullewitz in Oberösterreich bis Bachers in Böhmen scheint
die letzten sechs Jahrhanderte hindarch keine Veränderang
erfahren zn haben. Zwar wird in dem Teilangsbriefe der
Brüder Reinprecht, Friedrich, Wolfgang and Heinrich von
Wallsee-Ens 1356, 29. Jani^ die Ortschaft Zetwing am rechten
Ufer der Maltsch als Bestandteil des Amtes and Gerichtes
Leopoldschlag aafgeftihrt, allein diese Einverleibnng in das
Herrschaftsgebiet von Freistadt war vorübergehender Natar,
früher and später finden wir Zetwing in der Linehabang der
Herren von Rosenberg. So versetzte 1325, 21. Dezember* Peter
von Rosenberg die zwei Dörfer ,datz Zetbünne vnd ze dem
Nicolts' (Zetwing and Böhmdorf) an den erbem nnd getreaen
Ritter Bohank von Harach, wogegen im Jahre 1379 die villa
Czetwin mit IP/j Lehen, 8 Hofstätten nnd 3 Mühlen wieder
im Registram bonornm Rosenbergicoram* erscheint.
UDgeyerlich'. (Begl. Kopie 1613, 22. Juni im Freistädter Sohloßarchive.)
Dennoch bemächtigten sich, wie das Verzeichnis der Hanpt-Priyilegia
im Freistädter Stadtarchive c. 1618 klagt, die benachbarten Qmndherr-
schaften dieses Waldes, indem sie nicht allein den Wildbann, sondern
aach das Grundeigentum ansprachen, über Vieheintrieb, HolzschlSge-
rung, Ausrodung, Erbauung neuer Häuser unbeschränkt verfügten. End-
lich verschrieb Kaiser Ferdinand U. 1627, 10. Juni den Freiwald pfand-
weise an Graf Leonhard Helfried v. Meggau zu der demselben schon
1622, 22. Juni für dargestreckte 165.670 fl. übergebenen Herrschaft Frei-
stadt auch noch den Freiwald (Fasz. 26 Nr. 44, Fasz. 29 Nr. 9 im Sohloß-
archive Freistadt).
^ OberOsterreichisches Urkundenbuch VU, 461.
Fontes rer. Austr. XXm, 71.
S. 6, herausgegeben von Josef Truhlai? 1880.
Im Nachfolgenden einige richtiggestellte Ortsbestimmungen hier-
zu: S. 24 Nr. 200 Villa Sub Monte (Unternberg) sind die zwei Höfe
unterhalb des geschlossenen Dorfes HOrleinsöd. S. 26 Nr. 205 curia pre-
conis circa Weiden ist die Schergenhub (Kleinzell) bei Velden. 8. 25
Nr. 220 sollte es statt Jawgenpergeri heißen Hugenpergeri. S. 26 Nr. 213
Villa Stroitslag ist der Strathof bei HademUl. S. 26 Nr. 216 in Gallo
unus mansus ist der Hanhof. S. 26 Nr. 216 Fuchslag ist das große Dorf
Linden, so genannt von dem einschichtigen Fuchshofe. 8. 28 Nr. 235
Stadiin und S. 29 Nr. 241 Starlin curia Stadl (Ort) Bauer in Itosenau.
9
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133
Es dürfte daher wohl nur der Pfandbesits von den Har-
nchem an die Herren von Wallsee weitergegeben und schließ-
lich die Rüeklösung dnreh die Rosenberger erfolgt sein. Von
einer Yerftnderten Landesgrenze; wie sie die Karte des Gutes
Welleschin von Klimesch^ darstellt^ kann daher nicht wohl die
Rede sein, wenn es auch wahrscheinlich ist, daß Zetwing von
Benesch dem Siteren von Michelsberg frühzeitig an die Rosen-
berger veräußert worden ist.*
Vierter Abschnitt.
Ober den Zeitpunkt der Änderung der vormaligen Gren-
zen zwischen Böhmen nnd Oberösterreich nnd der An-
gliedemng des Crebietes im Norden der Donau an das
Land ob der Ens.
Weder das k. n. k. Haus- Hof- und Staatsarchiv in Wien,
noch das Statthaltereiarchiv und das böhmische Landesarohiv
in Prag, die Alrstlich Schwarzenbergschen Archive in Krummau
und Wittingau oder das gräflich Buquoische Archiv in Gratzen
enthalten Urkunden oder Akten, welche über Änderungen der
Landesgrenzen zwischen Oberösterreich und Böhmen Auskunft
geben würden. Es wird daher aus den Zeitverhältnissen zu
erschließen sein, in welcher Periode die Änderung stattfinden
konnte.
Im Jahre 1208 reichte das Herzogtum Österreich bis an
das Moldauufer; kein Umstand macht es glaublich, daß eine
8. 28 Nr. 287 villa Temreuth ist Damreut. 8. 28 Nr. 238 vilU inferior
Umuch ist Unter-Ürasch. S. 28 Nr. 289 in Hoohhansen duo bona Banem-
^t in Hochhausen, Nr. 240 yilla Nuspanm Noßbanmergut in Hoch-
hausen, Nr. 240 Sarg villa Zarghof, molendinam Czwetla Zwetlmühle,
Nr. 241 sap. Urnsch Ober-Urasch. S. 29 Nr. 242 Czelle Kleinzell (Ponhalm
statt Ponhalin), Nr. 248 Staynach Steininger, Nr. 249 in Monte Berg-
hätiser, Nr. 260 Sweikerzreut Schwackerreut, Nr. 251 Saliern Satling
Pfarre Oswald, Nr. 261 Lejmpach Laimbaoh Pfarre Oswald, Nr. 246
Villa Zejf£ anf Pahel Ptthelbaner in Zeiß Pfarre Neumarkt bei Freistadtt
' Za 8. 106, Band XXni der Mitteil, des Vereines für Geschichte der
Deatschen in Böhmen.
' Zn dem Abschnitte zu vergleichen die gut orientierende neueste Schrift
Dr. Valentin Schmidts ,Die dentsche Besiedlung SttdbOhmens' in der
Monatsohrift deutsche Arbeit" (S:. Bellmann, Prag) IV, 571—574.
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134
Gebietsabtretong zur Zeit der Babenberger erfolgt wäre. Damit
wäre das Jahr 1246 als terminns a quo festgestellt.
Im Jahre 1259 gehörte Hohenfnrt und Umgebung bereits
zn Böhmen; denn der Berg von Kapellen war ein Grenzpunkt
gegen Bayern. Das Jahr 1259 ist also der terminos ad qnem.
Demnach wird innerhalb des Zeitraumes 1247 bis 1258
die Grenzverrückung stattgeftmden haben. Der eigentliche
Kampf um das Babenberger Erbe begann nach dem Tode des
Prätendenten Hermann von Baden (1250, 4. Oktober), in der
ersten Hälfte November 1251 rückte der böhmische Thronfolger
Pfemysl in Oberösterreich ein. Die folgenden Jahre brachten
die E^ämpfe um die Steiermark, die schließlich dem Könige
Bela von Ungarn überlassen werden mußte. Die Verwaltung
des Gebietes ob der Ens — zwischen Hausruck und Ens — ver-
blieb dem bisherigen Landsohreiber der Steiermark, nach dessen
baldigem Tode (9. Februar 1255) König Otakar Herrn Wok
von Rosenberg ab Hauptmann über den neuen Distrikt ob der
Ens bestellte, was schon dadurch außer Zweifel gestellt ist^
weil derselbe im Jahre 1256 dem Landtaidinge in Linz vor-
saß, vor welchem Abt Bohuslaus von Zwetl die Mautfreiheit
des Salzbedarfes seines Klosters erwies. Nach Beendigung des
Kampfes mit Ungarn begann die organisatorische Tätigkeit des
neuen Herrschers, er erläßt den neuen Landfrieden, setzt obere
Landrichter ein und ordnet die bisher von Witigo provisorisch
geführte Verwaltung des Distriktes ob der Ens durch Bestel-
lung Woks von Kosenberg als Hauptmann.^ Dieser Zeitpunkt
war der passende, den von der Steiermark verbliebenen Ge-
bietsrest zu einem lebensfähigen besonderen Verwaltungsbezirke
dadurch auszugestalten, daß die mit dem Markherzogtume
Österreich am linken Donauufer an Linz vorbei bis an die
Große und an die Rausche-Mühel reichenden westlichen Land-
striche (Machland, Biedmark, Wachsenberg), welche von dem
Hauptkörper des Herzogtums großenteils noch immer durch große
* Nicht früher, wie YAiicsa, Geschichte Nieder- and OberOsterreichs, 8. 506,
Anm. 2 za vermuten geneigt scheint. Denn Witigo füllte schon als Land-
schreiber von Steiermark die Stelle des Landrichters ans (siehe Gebart
des Landes ob der Ens, S. 118—119) und lag fUr KOnig Otakar kein
Anlaß vor, ihm dieselbe in dem übriggebliebenen Stücke des Steier-
landes in dem nur nenn Monate noch währenden Zeitraome bis zar
Ermordung Witigos zu entziehen..
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185
Waldungen geschieden waren nnd handgreiflich die Verwaltung
von (Nieder-) Osterreich ans erschwerten, von letzterem abgelöst
nnd mit dem Distrikte ob der Ehis zn einem homogenen Lande
verbünden wurden. Hierzu mag auch der Ratschlag Woks bei-
getragen haben, der diesseits und jenseits der Rausche-Mühel
begütert war xmd den wir 1258, 9. Februar^ in Schadlinz (der
heutigen Stadt ür£Ekhr gegentlber von Linz, damals zum Land-
gerichte Wachsenberg gehörig) antreffen. Das Jahr 1255 bot
auch den passendsten und sicherlich den einzigen Anlaß zur
Abtrennung dieser Landstriche und zur Abrundung des Di-
striktes ob der Ens ; denn als dem Herzoge Heinrich XTTT. von
Bayern vom Könige Rudolf das Land ob der Ens (,districtus
noster super Anasum' nennt es Heinrich in der Urkunde für
Kloster Meten 1277, 8. April)* verp&ndet wurde, muß es schon
das Gebiet im Norden der Donau in sich begriffen haben, weil
sonst doch nicht die Mitgift seiner Schwiegertochter, der
Schwester Herzog Albrechts, nachträglich (1283) neben Neu-
burg am In auf die Burgen Freistadt und Klingenberg und
auf Mauthausen angewiesen worden wäre.' In letzterem Orte
hat auch Herzog Heinrich noch zu Ostern 1280 dem Kloster
Baumgartenberg die Freiheiten bestätigt.^
Hand in Hand damit wird die Vonückung der böhmischen
Grenzen an die heutige Stelle gegangen sein; denn sicherlich
nicht ohne tiefgehenden Grund wurde dem Könige Otakar in
dem Friedensvertrage von Wien 1277, 6. Mai*^ auferlegt, die
' Urkunde Kopie im Allgem. Reichsarchive in München ex cod. tr^d. qnarto
pat. foL 22'; in Mon. Boic. XXIX b, 119 bloßes Regest. Wok sendet seine
Eigengüter in Ober- und Unter-Swant und in Yreudental (Riedmark)
per manom H. et W. junioris de Schovmbercb der Kircbe Passau auf.
Actnm in Schadlincz.
* Mon. Boie. XI, 446.
' Böhmer, Witteisbacher Regesten, S. 86. Kleine bayrische Annalen (Neues
Archiv XXIV, 689): Rudolfds rex fuit in discordia cum dnee Heinrioo
Bavarie, sed sunt concordati restitntis ipsi regi Lintza, Welsa, Styra et
aliis castris et filio suo duci Ottooi assignatis Castro Nuwenburg et
Frienstat et Riedmarche.
* Lebitsch, ,Thesaurns monasterii B. Y. M. de Monte Pomoerio*, p. 96 Hand-
schrift in der Studienbibliothek in Linz.
' Redlich, Regesta Imperii unter KOnig Rudolf, Nr. 762. Mon. Germ. Leges
n, 414 ,meti8 Bohemie, Morayie et Austrie in eo statu manentibus, quo
tempore clare memorie Leupoldi et Friderici ducum Austrie ab iisdem
dadbus poMesse'.
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136
Marken von Böhmen^ M&hren und Österreich wieder so her-
zustellen, wie sie zur Zeit der Herzoge Liutpold (VI.) und
Friedrich (IL) gewesen seien, mochte auch Otakar noch so eifrig
gegenteilige Versicherungen abgehen.^ Die bezüglichen An-
sprüche Herzogs Albrecht I., gestützt durch den Rechtspruch
der Reichs£Ürsten, Grafen, Freien und Dienstmannen 1288,
12. April,* werden nicht wenig dazu beigetragen haben, die
Zwietracht mit seinem Schwager König Wenzel U. zu nähren,
so daß König Rudolf noch vor seinem Tode (1291) zu inter-
venieren veranlaßt wurde. •
Unter dieser Voraussetzung erklärt sich denn auch, aus
welchem Grunde das österreichische Landbuch, dessen Hand-
schrift 2782 der Wiener Hofbibliothek aus diesem Zeiträume
(um 1290) stammt, in der Beschreibung der Grenzen Öster-
reichs bei dem Unctomberg plötzlich abbricht und, die ganze
Linie der oberösterreichisch- böhmischen Grenze übergehend,
erst wieder auf niederösterreichischem Boden einsetzt. Ist der
Unctomberg des Landbuches der sogenannte Güntherreuter
Berg an den vormaligen Gemerken der Landgerichte Schlägl
und Haslach,^ so war gerade diejenige Markung ausgelassen,
welche damals zwischen Böhmen und Osterreich strittig war.
Die bayrische Grenze scheint zu dieser Zeit schon von Ka-
pellen zurückgewichen, wenigstens von Albrecht nicht mehr
geachtet und der Anspruch der Landeshoheit auch über das
Obergericht der Witigonen ausgedehnt worden zu sein.
Die so lange schwebende Grenzfrage wird durch König
Rudolf bei der Zusammenkunft in Erfurt (April 1290) zugun-
sten Böhmens aus der Welt geschafft worden sein; denn da-
mals sandte Rudolf seinen Sohn Herzog Rudolf mit einem
Heere dem König Wenzel gegen die Witigonen zu Hilfe und
bestand noch nicht die hochgradige Erbitterung der Schwäger
gegeneinander. Wenzel war damals auch in der Lage, dem
österreichischen Herzog ein Äquivalent für den Verzicht auf
weitere Verfolgung der österreichischen Grenzansprüche anzu-
^ Redlich, Regesta Imperii nnter König Rudolf, Nr. 800.
» a. a. O. Nr. 2162. » a. a. O. Nr. 2416.
* Siehe den Aufsatz: I. der Unctomberg des Landbuches in Mitteil, des
Inst, für Osterr. Geschichtsf. XXIV, 647 ff. An den Berg swischen Rosenau
und Unter-Urasch ist nicht zu denken, derselbe liegt von der Großen
Mühel zurück und bat eine runde Kuppe.
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137
bieten; denn la verrnnten, daß Albreoht ohne entsprechende
Gegenleistung sich beruhigt hätte^ hieße das Wesen dessell^n
vollständig verkennen^ da er sich bei der Wiedererlangung
verloren gegangener Rechte oder Ansprüche keinerlei Rück-
sichten auferlegte, wie sein Vorgehen bei Elröfinung des Sala-
baues im Gosautale seigt (worüber die zweite Abhandlung be*
riditen wird), so daß er schon kurze Zeit nach Besteigung des
Fürstenstuhles von seinem Vat^r König Rudolf ernstlich er-
mahnt werden mußte, den Bischof Gottfried von Passau schon
um der Verdienste um seine Person selbst halber gebührlicher
zu behandeln.^
Dieses Äquivalent war die große Herrschaft Falkenstein
zwischen Ranna und Großer Mühel, gehörig dem Witigonen
Zawisch von Krummau, welche nun Herzog Albrecht gleichsam
als Achtvollstrecker des böhmischen Königs 1289 in seine Ge-
walt brachte und in derselben fortan behielt. Albrecht hätte
nicht der gewiegte Politiker sein dürfen, der er tatsächlich ge-
wesen ist, wenn er nicht sogleich erkannt hätte, daß dieser
Besitz ihm die Ausdehnung der Territorialhoheit bis an die
Ranna verbürge und das passauische Kirchengut unter seine
Herzogsgewalt beuge. Die rasche Entwicklung dieser Verhält-
nisse wird im zehnten Abschnitte auseinandergesetzt werden,
welcher überhaupt die quellenmäßige Ergänzung zu dem Ge-
sagten bildet.
Mit der Besitznahme von Falkenstein sind die Grenzen
des oberösterreichischen Territoriums gegen Westen endgültige
geworden; die Ausdehnung derselben hinein in das Herz des
Passauer geistlichen Fürstentums (von 1606 bis 1765) blieb
eine Episode.
Die Darstellung der Grenzfrage war eine äußerst schwie-
rige, da die Archive jede direkte Auskunft versagten. So sicher
es ist, daß die Grenzen zwischen Böhmen und Oberösterreich
andere als die heutigen waren, so gering waren die urkund-
lichen Spuren, aus welchen der frühere Grenzzug ermittelt
werden konnte. An Fleiß, solche ausfindig zu machen und aus
politischen Verhältnissen Rückschlüsse zu ziehen, hat es der
Ver&sser nicht fehlen lassen. Er glaubt daher, im vorstehen-
den keinen bloßen Hypothesenbau zu bieten, ist aber weit
* Redlich, Regesta Imperii unter K(}nig Rudolf, Nr. 1869.
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entfernt, den Anspruch zu erheben, mit seinen Aufstellongen
und Anregungen jedesmal das Richtige getroffen zu haben;
einem nachfolgenden Forscher mag es gelingen, sich reicheres
Material zu verschaffen, Verhältnisse, welche sich dem ersten
spähenden Blicke verborgen hielten, ganz klarzulegen und das,
was noch als Hypothese belassen werden mußte, zur histori-
schen Gewißheit zu erheben.
Fünfter Abschnitt.
Das 12. Jahrhundert Die großen freien Geschlechter
und der Eirchenbesitz.
Die neue Ostmark war bei ihrer Wiedererrichtung nach
der Schlacht am Lech auf die Einwanderung aus dem Stamm-
lande Bayern angewiesen, sowohl was Verteidigung, als auch
was die Kulturarbeit betraf. Den hochfreien Geschlechtem
überwies die Gunst der Könige umfangreiche Strecken herren-
losen oder verödeten Landes, zumal bedeutende Anteile des
Nordwaldes, der in dichten Beständen das linke Donauufer er-
füllte. Die alten Geschlechter sind längst dahingegangen, ihre
Güter an die Kirche vergabt oder vom Landesfürsten einge-
zogen, die Gabbriefe, soweit solche ausgefertigt wurden, bis
auf seltene Ausnahmen verloren. Ein solcher von König Otto DI.
zu Rom 998, 29. April * über das Gut Nöchling fllr seinen
NeflFen Herzog Heinrich von Bayern ausgestellt, ist erhalten
geblieben; er interessiert an dieser Stelle, weil er für die ur-
sprüngliche Zugehörigkeit der Riedmark zur neuen Ostmark
Zeugnis ablegt. Denn das predium Nochilinga wird bezeichnet
als gelegen in pago Osterriche vocitato ac comitatu heinrici
marchionis et inter fluvios Ispera et Sabinicha, also in der Ge-
gend westlich vom Isperbache, welcher in späterer Zeit wenig-
stens im Oberlaufe die Riedmark abschloß.
Von der Isper bis zur Hz hinauf finden wir im Beginne
des 12. Jahrhunderts sechs hochfreie Sippen angesessen: die
Herren von Machland und Perge, die Herren von Aist, die
Herren von Haunsperg, die Herren von Wilhering-Wachsen-
1 Mon. Germ. Dipl. n, 711.
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139
berg, die Herren von Schönhering-Blankenberg, die Herren von
Griesbach, dazwischen Besitz der Hochstifter Regensbnrg and
Passan.
Die Herren von Perge, welche sich erst um 1100 in die
beiden Zweige von Perge und von Machland teilten^ sind es
zweifellos gewesen, welche im 11. Jahrhundert dem rauhen
Forste große Stücke Kulturlandes abgerungen, im Flachlande
1141 des Zisterzienserkloster Baumgartenberg, am steilen Ufer-
rande 1147 das Chorherrenstift Sabnich (Waldhausen) gegrtLn-
det haben. Mit der Erbtochter Walchuns von Machland-Eüamm,
Adelheid, fiel der Besitz des Machländer Zweiges an die Grafen
von Velburg, von ihrem Enkel Graf Ulrich von Velburg-
Klamm 1218 vertragsmäßig an Herzog Liutpold VI., nachdem
das Eigen des Perger Zweiges, schon zu Lehen geworden, nach
dem Tode des letzten Namensträgers des Vogtes Friedrich be-
reits 1191 eingezogen worden war.
Der Besitz dieses großen Geschlechtes war weit und breit
zerstreut; auf oberösterreichischem Boden nördlich der Donau
reichte er vom Weidenbache bei Hirschenau herauf bis an die
Aist und Waldaist; aus den Urkunden, zumal jenen über die
Stiftung der Pfarre Pergkirchen, ist deutlich zu entnehmen,
daß die Güter der beiden Familienzweige durch den Falken-
auerbach (bei Dobra nächst Arbing) getrennt wurden, von wel-
chem die Scheidelinie über die Nam hinüber nach Ruprechts-
hofen zur Donau lief. Die Burg Perge, von welcher das öster-
reichische Landbuch spricht, dürfte kaum an der Stelle
gestanden sein, wohin sie die ältere Spezialkarte versetzt;
dieselbe hätte dem Augenscheine nach selbst ftir einen be-
scheidenen Burgstall nicht Raum geboten. Die Burg Machland
stand offenbar auf der Stätte des nachmaligen Klosters Baum-
gartenberg. ^
Zur Übersicht der Versippung dieses Geschlechtes mit
anderen Familien diene nachstehende Stammtafel nach Meiller,
Salzburger Regesten, S. 467, jedoch teilweise ergänzt und be-
richtigt:
^ Otto Yon Machland widmete »castrum Bunm' zu einem Kloster 1141,
OberOsterreichisches Urknndenbach II, 192. Die Urkunden von Baum-
gartenberg und Waldhansen bedärfeu einer eingehenden Untersuchung,
da sie manche Fälschungen enthalten.
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141
Über die Abstammung des Herrn Dietmar von Aist, der
in ansehnlicher Stellung auftritt^ sind wir durch eine Tradition
nach St. Peter ^ unterrichtet; als bereits verstorben wird er in
dem Diplome Herzog Heinrichs 1171* gemeldet.
Die Bnrg Aist erhob sich^ in kurzer Entfernung von
der Straße Mauthausen-Freistadt im Westen des Dorfes Alt-
aist auf einem kleinen Plateau der nordöstlichen Halde des
443 m hohen Altaistberges, Parzelle 320 des alten stabilen Ka-
tasters der Steuergemeinde Altaist, auf welcher wieder der
Hochwald aufgeschossen ist. Die Anlage weist auf eine früh-
mittelalterliche Entstehung hin. Die letzten Reste der Ruine
wurden 1778 zum Umbaue des Kneißlhofes in Altaist ver-
wendet.
Nach dem Tode Dietmars gedieh die Burg mit der Hand
seiner Schwester Sofie an Engelbert (H.) von Schönhering-
Blankenberg.^ Im 13. Jahrhundert finden wir die Ortschaft Alt-
aist mit der ganzen Umgebung^ die füglich als Herrschafts-
gebiet von Aist zu betrachten ist; im Urbar der Babenberger^
ohne daß im Landbuche eine Nachricht erhalten ist, auf welche
Weise sie an die Herzoge gelangt ist.
Lasberg und Umgebung*^ wurden nach dem Tode Hein-
richs von Griesbach vom LandesflLrsten eingezogen ^ jedoch
wieder zu Lehen ausgetan. Nirgends häufiger als in der P£uTe
Lasberg kommen noch in den letzten Jahrhunderten des Mittel-
alters landesftirstliche Lehen vor; die Feste Lasberg, welche
Hans der Lasperger als österreichisches Lehen besaß/ stand
nicht im Aigen Lasberg, sondern war gleichbedeutend mit der
Veste Domach, welche noch im Anfange des 15. Jahrhunderts
in der Lmehabung der Lasberger war.
^ Hattthaler, Salsb. Urknndenbach I, 376.
' OberOsterreichisches Urkandenbnch U, 846.
' KAch den technischen Erhebungen des Gntsverwalters a. D. Ludwig
Benesch in Lini, die er dem Verfasser vor Abdruck des Auftatses ,Ver*
•chwundene Burgen der Aistgegend' in der jLinser Tagespost' (Unter-
haltungsbeilage) mitauteilen die Güte hatte. Nun abgedruckt Nr. 84.
* Vgl. die Aldersbacher Au&ehreibung, Oberösterreichisohes Urkundenbnch
n, 843.
' Zirka 1160 vergabte Bichza Tidua domini Walchuni de Griespaoh ein
predium in Riedmark an Passau. Mon. Boic. XXEXb, 266.
^ Lehenbuch H. Albrecht VL 1896 im Wiener Haus-, Hof- und Staats-
aichiT, Sign. 39.
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142
Zwischen den Gebieten der Perge-Machland und jenen
der Aister and Griesbacher schob sich der Besitz der Kirche
Begensbnrg zwischen Aist und Waldaist einerseits and der
Nam andererseits ein; derselbe reichte von Aisthofen (südlich
Schwertberg) bis in die Pfarre Schönaa (stldwestlich ünter-
Weißenbach)^ wo er an die ehemals machländischen^ seit 1218
herzoglichen Eigen der Pflege Ratenstein stieß. Noch im Jahre
1793^ sind verschiedene Güter in den Pfarren Zell bei Zellhof
and Schönaa mit dem Lehenbande von Regensbarg behaftet,
obwohl der Markt Zell samt Gütern, Baaem and Holden and
den Beatellehen in den Pfarren Tragein, Zell, Schönaa, Schwert-
berg, Arbing, Pergkirchen and Wartberg vom Bistamsadmi-
nistrator von Regensbarg Johann bereits 1536, 1. Mai an Hille-
prand Jörger veräaßert* and 1605, 13. September • aach die
Feste and Herrschaft Windeck dem Herrn Georg Erasmas v.
Tschemembl freigemacht worden waren. Der Landstrich war
einer der drei Lasse des Bistams Regensbarg, von denen das
Landbach spricht. ,Der ein llz hevet sich an dem Peheimischen
gemerch zwischen der Narde ant der Agst den zwein wazzem
antz in die Tanowe.'* Nicht richtig ist aber die Behaaptang
des Landbaches, daß ,der herzöge von Österreich^ diesen Laß
von Regensbarg za Lehen hatte, erst König Otakar zog ihn
an sich and belehnte die Kaenringer von Steyregg mit der Feste
Windeck, welche wahrscheinlich bis 1235 ein Kirchenlehen der
Domvögte von Lengenbach war; König Radolf verfllgte 1277
die Rückstellang von Zell, Henberg and Aisthofen,^ Herzog
Albrecht 1287 die Wiederherstellang der Lehensherrlichkeit
des Hochstiftes über Windeck.^
^ Als Regensbnrger Lehen erscheinen im alten Gnmdbnche Zellhof: das
große Geroldslehnergut zn Zellhof, das Biglergnt zu Enollhof, das Banem-
und das Lngbichlergut zn Lanzendorf, das Wagenlehner-, das Kotriener-,
das Wilhelm- nnd das Fragnergnt zu Aich, das Rablgnt zn Hirtlhof, das
Fischl- nnd das Großschergengnt nnd das Kleinschergenhaas zn Wol&-
gmb, das Anrolzlehnergnt in Straß. Diese Lehen wurden 1803 landes-
fürstlich, waren mit dem Besitze der Herrschaft Zellhof verbunden. (Ver-
zeichnis vom Jahre 1818 im Archive Greinburg.)
' Kopie im Archive Greinburg (Abt. Prandegg).
• Registratur über die bei der Herrschaft Schwertbeig vorhandenen Brief-
schaften im Schloßarchive Schwertberg.
* Mon. Germ. Deutsche Chroniken ni/2, S. 714.
' Oberösterreichisches Urkundenbuch HI, 470. • a. a. O. IV, 76, 76.
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143
Was der codex, trad. pat. qnartu8 ans der Mitte des
13. Jahriiimderts von den Besitzungen zwischen Flemitz und
Feidaist, dann zwischen Waldaist und Feidaist behauptet,
welche der Domvogt von Regensburg von der EJrche Passau
za Lehen getragen haben soll/ findet keine urkundliche Be*
stfttigung. Dagegen war das Schloß Steyregg (Steyrheke
castnun), das vormals ^dominus de hagenowe^ innegehabt,
passauisches Lehen des Steiermärkers Liutold von Wildon ; die
Herrschaft dehnte sich schon um 1220 über die Donau um
Linz und den Kümberg herum bis in die Pfiirre Alkoven
ans, wo ein Holde in Raffelding bei Eferding erwähnt wird.'
Durch Liutolds Tochter Gertrud kam Steyregg 1241 an AI-
bero von Knenring,' 1280 an die Herren von Kapellen. Wenn
die Aufschreibung von 1254 — 1256 (nicht zirka 1150, wie die
Hon. Boic. und das oberösterreichische Urkundenbuch angeben)
behauptet, ,omnia ad castrum pertinentia^ seien hochstiftische
Lehen, so ist das nur von dem Besitzstande der gedachten
Zeit zu verstehen; denn die Hintersassen um Altaist (später
Amt Altenhaus mit eigenem Pantaiding^ wurden von denen
von Kapellen aus österreichischem Herzogsgute erworben.
Das Schloß Riedegg (castrum Riedekke), für welches
ein Besitztitel mangelt, dürfte das Hochstift von dem letzten
Haunsberger Gottschalk erworben haben; nach der Vermutung
Handel-Mazettis wird jener Gotschalcus de Riedekke, der in
zwei Urkunden des Jahres 1157 genannt wird,^ ein Hauns-
berger geweseji sein. Vom Bischof Rudiger vor 1250 an Ulrich
von Lobenstein verpfändet, jedoch 1256^ zurückgelöst, wurde
die Herrschaft mit dem Markte Gallneukirchen 1411 an die
Starhemberger veräußert.
Den Freien von Haunsperg,^ welche am linken Donau-
nfer gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts als Nachbarn von
Wilhering auftreten, gehörte der lange Landstrich, welcher
^ Mon. Boic. XXIXb, 216.
' OberOsteireichiBches Urkundenbuch n, 488.
» «. «. O. m, 97.
* Im SehloßarchiTe Steyregg. Vgl. das Lehenbach Jansen von Kapellen
im Elferdinger Archive, Abschrift im Linzer Mosenm.
» Mon. Boic. XXVHIb, 111, 237.
* OberOeterreichisches Urkundenbuch m, 230.
^ Stammtafel bei Handel-Mazzetti, ,Das Gemärke von Wildberg*, S. 51.
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östlich von der Saomstraße^ welche von Urfahr durch den
Haselgraben über Helmonsöd, Rudersbach, Sonnberg, Zwetl
und Leonfelden nach Böhmen f^rt und westlich von einer
Linie begrenzt wird, welche etwa über E^mmerschlag und
den Schefweg zur Rotel, dann jenseits derselben durch den
Brunnwald und Stemwald zu ziehen ist. Durch die domina
Adelheid von Haunsperg, wohl die Tochter des letzten Haun-
spergers, gelangte der ganze Komplex mit der Burg Wildberg,
dem Hochstifte zu Lehen aufgetragen, an den Dienstmann Gun-
dacker von Steyr, den Stammvater der Starhemberger (1198).
Wie aus den Grenzbeschreibungen hervorgeht,^ fielen die Herr-
schaftsgrenzen weder mit der alten Grenze der österreichischen
Mark und Bayerns (vor 1180), noch mit jenen der Gerichte
Freistadt und Wachsenberg zusammen.
Nach dem Gebiete der Haunsperger folgten im Westen
die Besitzungen der Herren von Wilhering, die nach der Klo-
stergründung sich von Wachsenberg nannten. Ihre Stamm-
sitze lagen in Niederbayem, doch wird das castellum Willehe-
ringen schon im Jahre 1122 genannt.* Ulrich der Altere und
seine Hausfrau Ottilia stifteten die Pfarre Grammastetten 1 110,'
der jüngere Ulrich, dessen Bruder Kolo und Schwester Eli-
sabeth wurden die Stifter des Klosters Wilhering. Mit Elisabeth^
ging Wachsenberg an die Herren von Griesbach über.
Auch letztere dürften ursprünglich am rechten Donauufer
ansässig gewesen sein, wenigstens hatten sie noch zirka 1165
Lehenbesitz zu Hellham in der Pfarre Aspach (Amtsgericht
Rottalmünster).^ Um Lasberg bei Freistadt gründeten sie die
Kirche aus grünem Walde. Zur Zeit, als sie in Urkunden auf-
treten, lag ihr Hauptbesitz am linken Donauufer zwischen Hz
und Ranna und tief landeinwärts in den Nordwald. Wir kennen
denselben ganz genau, weil eine urbariale Aufzeichnung davon
^ OberOsterreichisches Urkundenbach 11, 461; Mon. Boio. XXIX b, 471;
Hftndel-Mazzetti, a. a. O. S. 48.
» Mon. Boic. IV, 127.
' OberlJsterreichisches Urkundenbach H, 129.
* Da Elisabeth nach dem Jahre 1206 nicht weiter vorkommt und nicht,
wie Stilla irrig annahm, noch 1221 — 1280 lebte, besteht kein Hindernis,
die ,Stifterin* Elisabeth von Waohsenberg mit der Schwester der Stifter
zu identifizieren, um so weniger, als sie schon 1194 erwachsene SOhne
hatte.
» Mon. Boic. V, 20.
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146
aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhnnderts erhalten ist^
Dieselbe beginnt mit den Worten: ,Item iudiciom in onmibus
bonis Eberhard! de Wazeinsdorf ceperat yacare domino de
Wcsinberch*, zählt dann eine lange Reihe •von Gütern und Ort-
schaften auf, womach sie bemerkt: ,In hiis omnibas villis et
locis snpradiciis dominus H. de Waessenberch jurisdictionem
iadidi* habebat ad terminum vite sue^^ fkhrt dann fort: ,Pre-
terea in hiis vilUs', worauf eine weitere Besitzreihe folgt, und
schließt mit dem Absätze: ,Hec sunt ville in quibus Chunradus
de Valchinstein iudicium tenuit post obitum domini H. de
Waessenberch contra iusticiam. Nidemdorf iuxta Oriezpach.
Chranwit. Puchaehe. Grube. Wingozsdorf. Papensperge. Pfaffen-
riut Hezelsdorf. Gunthersperge. Schaibinge. Huntsrukke. Jaer-
dort Pouzinspei^e.*
Als freier Besitz werden folgende Ortlichkeiten benannt:
Schmiding Pfarre Tymau, Donauwezdorf und Kammer-
wezdorf (utrumque Wezeinsdorf) Pfarre Tymau, Kudolfing (zwi-
schen Griesbach und Eck), Gundachersperge, Wilhartsberg
Pfiure Straßkirchen, Jageröd (Jagemriute) Pf^r^e Straßkirchen,
Glozing (Glazinperge mit Ausnahme der Güter H. von Auf-
haus^i) Pfiurre Hauzenberg, Suenechinsdorf, Waming (utrum-
que Weminge) Pfarre Tymau, Katzendorf (utrumque Chazin-
zagil) Pfarre Huttum, Kamping Pfarre Straßkirchen, Schwieging
Pfarre Straßkirchen, Kriezing Pfarre Straßkirchen, StoUing
Pfarre Straßkirchen, Elranwitten Pfia.rre Straßkirchen, Grillinge,
Ghirtsowe, Wazinge, Hattingerhof Pfarre Hauzenberg, Germans-
berg Pfarre Huttum, Hertwigesprante, Krempelsberg Pfarre
Huttum, Gözendorf (Gezpach) Pfarre Straßkirchen, Heizing
Pfarre Tymau, Vocking (Wottinge) Pfarre Tymau, Bembach
Pfarre Huttum, Tragenreut Pfarre Huttum, Niederpretz (mit
Ausnahme der Güter der Söhne Heinrichs) Pfarre Kömbach,
Oberpretz Pfarre Huttum (mit Ausnahme von zwei Lehen, die
nach Pözerreut Pfarre Römbach gehörten), ganz Wilhelmsreut
^ Im Index reditnom ecclesiae pAtav. Mon. Boic. XXVUIb, 169 — 170,
464—465.
' Oleichbedeatend mit Judicium provinciale. Daß den Griesbachern Gra-
fenrechte snstanden, zei^ die Stelle ,cometie trans Danubium, quam
quidam Heinricoa nobilis de Waessenberch quandoque possedit* im Ver-
gleiche des Grafen Rapoto von Ortenberg mit Passau 1241, 19. Februar,
Mon. Boic. XXVIIIb, 841.
Arckiv. XCiy. B«id. 11
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146
Pfarre Rörnbach, Lueinsriute (Ulrichsreut?), Höberberg Pfarre
Römbach, Steinerlaimbach Pfarre Rörnbach, Mitter- und Ober-
laimbach Pfarre Waldkirchen (tria Leimbach), Gotschalchesrivte
(Goggereut), Ödhof und Landmansberg Pfarre Rörnbach, Praß-
reut Pfarre Rörnbach, Marchetsreut Pfarre Rörnbach, Emperts-
reut Pfarre Rörnbach, KoUberg Pfarre Rörnbach, Neureut
Pfarre Rörnbach, Reiteisberg (Reitleinsberg) Pfarre Rörnbach,
Mortperch (Marktberg), Nunnendobl (Munddobl) Pfarre Rörn-
bach, Cigilstadel, Falkenbach (Valchinberch) Pfarre Rörnbach,
Köppenreut Pfarre Rörnbach, Garham Pfarre Rörnbach, Eum-
reut (Chugenriute) Pfarre Rörnbach, Obemdorf nächst Rörn-
bach mit Ausnahme des Hofes Ludwigs, Rorenbach (Markt
Rörnbach), eine Mühle in Laimbach und eine in Kollberg,
Rumpelstadel Pfarre Rörnbach, Harsdorf (Haistolfsdorf) Pfarre
Rörnbach mit Ausnahme der Güter Imfrieds und H. von
Pocksruck, Rappmannsberg (Rachemannesperge) Pferre Rörn-
bach, Liebemannesriute (mit Ausnahme der Güter Raffolds)^
Grillenperge mit Ausnahme des Hofes Rafolds (Grillaberg Pfarre
Waldkirchen), 'Dwerhennowe mit Ausnahme des Hofes Rafolds^
Earlsbach Pfarre Waldkirchen, Wozmansreut Pfarre Wald-
kirchen, Raffelsberg Pfarre Waldkirchen, Höhenberg Pfarre
Waldkirchen, Libdorf, Rudolfinge, SoUing (Sellinge) Pfarre
Waldkirchen, ünholdenberg Pfarre Waldkirchen, Oberhöhen-
stetten (Oberhohenstegen) Pfarre Waldkirchen, Außerprünst
(Prunste) Pfarre Rörnbach, Deching Pfarre Rörnbach, Ernsting
Pfarre Rörnbach, Lenzingerberg Pfarre Huttum, Sldenrivte
(Saderreut Pfarre Huttum), Tungozinge, ein Hof in Pezenstadel
Pfarre Hauzenberg, der Hof Wingersdorf Pfarre Kellberg.
Außerdem in folgenden Orten (Preterea in hiis villis): in
Adelungaeriute, in Eberhartsriute,^ in Pühret (Pirchae) Pfarre
Rannariedl, in Grub (Grube) Pfarre Rannariedl, in Reinol-
desriute, in Eizendorf (Eizendorf) Pfarre Rannariedl, in Groß-
Mollesberg (in maiori Malensperge) Pfarre Rannariedl, in Kro-
tental Pfarre Gotsdorf, in Kinzesberg (Gunthersperge) Pfarre
Griesbach, Hastorf (Hezelsdorf) Pfarre Griesbach, Rackling
^ Diese beiden örtlichkeiten lassen sich nicht mit Bestimmtheit identifi-
zieren; sie dürften jedoch in der späteren Ortschaft Nenstift, welche im
Jahre 1509 bereits 32 Lehen zählte, enthalten sein; in Reinoldsrent,
welches im Dialekte Ranneried oder Rannaried lauten sollte, ist die
heutige Ortschaft Dorf Rannariedl zu vermuten.
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(Raekeleinsdorf) Pfarre Obemzell, in Houzinberge (Markt
Hauzenberg), in Grub bei Hanzenberg, in Od bei Jardorf,
in Schergendorf Pfarre Griesbach, in Mitterreut Pfarre Gries-
hach, in Hondsmek Pfarre Griesbach, in Ederlsdorf (Ederams-
dorf) Pfiure Obemzell, F^rsezing bei Hanzenberg, Garham bei
Hanzenberg, in Hnnaberg (Hnngerperge) Pfarre Hanzenberg
samt M&ble, in Fattendorf (Vatendorf ) samt Mühle, in Zwölfling
Pfarre Tyman, in Baßbach (Kispach) Pfarre Tyman, in Oberan
bis ünterau, in Pezenstadel Pfarre Hanzenberg, in Pfaffenrent
Pfarre Griesbach, in Widahe (Weidach oder Weiret), in Kndol-
fing zwischen Griesbach und Eck, in Leizesberg Pfarre Gries-
bach, in Banzing südwestlich Hanzenberg Gemeinde Wotzdorf,
in Chalptrage, in Eggersdorf bei Kellberg, in Kapfham bei
Kellberg, Leiten Pfarre Kellberg, Reut, Bnchsee Pfarre Kell-
berg, in Zwecking, in Sazbach Pfarre Tyman, in Pisling Pfarre
Kellberg, Eck, Anbach Pfarre Kellberg, Niederndorf Pfarre
Obemzell, Od (Ober- nnd unter-) Pfarre Griesbach, Kronawiten
Pfarre Obemzell, Widen, Tanbing (Donhinge) Pfarre Gries-
bach, Pabesperge, Unter-Ezdorf Pfarre Griesbach.
Von den Lehen Wemhers von Winsperch: 4^/, Güter in
Leizesberg, ein halbes Gnt zn Eck bei Griesbach, ein Hof in
Mazenberg, ein halbes Gnt in Wezendorf (ohne DiflFerenzie-
nmg), ein halbes Gnt in Erlazwisel, welche Bischof Otto nm
1255 dem Pilgrim von Tannberg verlieh,* dürfte wenigstens
ein Teil vormaliges Griesbachsches Eigen gewesen sein.
Was das Hochstift selbst nrsprünglich im Lande der Abtei
besaß, verzeichnet der Lonsdorfer Kodex nnter der Rubrik:
,Ista sunt nomina villamm et locornm in Abbatia, ad que per-
tingere debet Judicium et jurisdictio domini pataviensis epi-
scopi/* Sie werden zur Übersicht und zum Vergleiche gleich
hierher gesetzt:
,Termini qui vulgariter dicuntur Enzenwisen Ahan, atti-
nent episcopo', weiters die ürbaruntertanen der Kirche, gleich-
falls alle Güter, welche Pabo von Liebenstein besaß. Ferner
steht dem Bischof das Gericht zu auf allem Besitz der Edlen
von Hals in der Abtei, ebenso auf jenem Tiemos von Puchberg,
das ganze Gericht ,quod Pamse habuit', das Gericht Wemhers
* Mon. Boic. XXIX b, 232.
•a.a.O. XXVrab, 464.
11*
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148
von Altenhofen, dann auf den Obleigtttem der Nonnen (von
Niedemburg) und der Geistlichkeit in Passau^ die Güter Eberos
von Laimbach. ,Item bona cuiuscunque ftierint, que infira Walt-
kirchen et nemus Boemorum versantur. Item bona in ouchental
(Auggental bei Römbach, mit Ausnahme eines Hofes). Item
Sitesbach. Item Ortwinsperche. Item Cholberch. Item Hebelinge
(Ebersdorf am Osterbach) et Ochsenbach' (Exenbach Pferre
Waldkirchen).
Zwischen der Ranna und der Großen Mühel, dem Ge-
biete des nachmaligen Landgerichtes Velden finden wir in der
Innehabung der Herren von Griesbach ausdrücklich genannt
den Markt Velden,* als Lehenlaute (zugleich auch der Herren
von Blankenberg) in Feuchtenbach,* Haselbach, Liebenstein
(alle Pfarre Altenfelden), Winzberg (Pfarre Kirchberg), Fisch-
bach bei Rohrbach. Die aus urbarialen Aufzeichnungen abzu-
leitenden Markungen dieses Besitzes werden im vierzehnten
Abschnitte erörtert.
Alles war freies Eigen gewesen, erst der letzte Gries-
bacher Heinrich mußte sich, um nach dem Tode seines Bru-
ders das hochstiftische Lehen zu erlangen, welches sein Vater
(Wemher) genossen, verbindlich machen, das Schloß Griesbach,
den Markt Velden xmd anderes aufzusenden und als passaui-
sches Lehen zurückzuempfangen.* Zuletzt trug er auch die
Grafschaftsrechte (Judicium, comitia trans Danubium) nur mehr
vom Hochstifte zu Lehen;* nach seinem Tode sind sie erloschen.
Die Stammreihe der Herren von Griesbach ist folgende:^
* Mon. Boic. XXVIIIb, 295, 296. Die von den Herren yon Wachsenberg-
Griesbach 1208—1215 an Abt Eberhard von Wilhering vertauschten
Höfe in Herage und Stadeleri (OberOsterreichisches Urknndenbuch II,
480) sind nicht, wie der Verfasser im Nachtrag zu Penerbach (Linzer
Mnseumsbericht 1869, S. 15) meinte, Herhag und Stadling in der Pfarre
Altenfelden, sondern nach dem Wilheringer Urbar vom Jahre 1287
(Stülz, Geschichte von Wilhering 462, Linzer Museumsbericht 1896,
8. 134) das Herhagergut und das Stadlergut in Groß Amberg Pfarre
Gramastetten.
* Das Burgstall daselbst wurde erst 1291 von Eberhart von Feuchtenbach
an Chunrad von Kapellen verkauft. (Linzer Museumsbericht S. 112 aus
einer Steyregger Registratur.)
» Urkunde 1217, 2. Juli und 1220, 11. Febr. Mon. Boic. XXVHIb, 295, 296.
* Mon. Boic. XXVHIb, 170, 341.
* Nach Sttllz, Geschichte von VP^ilhering, S. 887, jedoch teilweise geändert.
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149
Adalbero 1100—1125.
Walchnn I. 1125—1148; ux. Riza, Witwe c. 1160.
Wember c 1160 — 1197; ux. Elisabeth Yon Wachsenberg, f nach 1206.
Walehnn II. Ton Qiies- Cholo von Griesbach- Heinrich von Griesbach-
bach-Wachsenberg Wachsenberg Wachsen berg f 1221 (nach
1191—1203. t 1216/17. 1220 11. Februar).
«
Hedwig von Wachsenberg f 1264, ux. Wemharts von
Schannberg, seit 1258^ im Besitze der Herrschaft Wachsenberg.
Nach dem Tode Heinrichs von Griesbach wurde Wach-
senberg w>in Herzog Liatpold VI. eingezogen; 1228, 22. Ok-
tober^ verlieh er dem dahin xmterttoigen Markte Ottensheim
gleiche Rechte mit den Bürgern von Ens und Linz in betreff
Maut and Zoll, zwischen 1230 und 1240 war am Windberg
ein herzoglicher Richter bestellt.'
Keiner der drei Brüder hatte Söhne hinterlassen; ob
Hedwig de Wesenberk* eine Tochter Cholos gewesen, wie
Stolz vermutete, steht dahin, sie kann jedem der Brüder an-
gehört haben. Sicher nicht im Erbgange ist Wachsenberg ftLr
einige Zeit an die Schaunberger gediehen, sondern höchst
wahrscheinlich nur durch Gunst König Otakars und Vermitt-
lung des damaligen Hauptmannes ob der Ens Wok von Rosen-
berg, dessen Hausfrau die Tochter Heinrichs von Schaunberg,
die Nichte Wemharts, geworden war. Eben deshalb konnte
sich der erste Habsburger Herzog Albrecht berechtigt fühlen,
die Verfügung Otakars als rechtsungültig anzusehen und die
,6ra&chaft' zum Herzogtume zurückzufordern.
Die Nachricht des Landbuches,^ Herzog Liutpold habe
von Otto von Sleunz Wachsenberg, Ottensheim, Gramastetten
um 600 £f gekauft, hat schon Stülz® als unglaubwürdig ver-
worfen und es ist seither kein Umstand zutage gefördert wor-
den, welche derselben eine Stütze verleihen würde. Die Stelle
ist ohne Zweifel verderbt überliefert.
* Stmadt, Nachtrag za Peuerbach. Linzer Moseumsbericht 1869, S. 10.
* OberOsterreichisches Urkandenbuch 11, 672.
' a. a. O. IV, 364 mit der unrichtigen Jahreszahl ISOO.
* a. a. O. in, 827.
■ Mon. Germ. Deutsche Chroniken iy/2, S. 721.
^ Geschichte von Wilhering, 8. 386.
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150
Sechster Abschnitt.
Eppo von Windberg und Bernhard an der Mühel. Die
Herren von Schönhering und Blankenberg. Übersicht ihres
Besitzes auf oberösterreichischem Boden. Ihr Aussterben.
Noch wurde des edlen Eppo nicht gedacht, welcher im
Beginne des 12. Jahrhunderts eine große Schenkung am Wind-
berg an das Kloster St. Florian gemacht hat. In den Königs-
urkunden 1109, 4. November und 1142^ sowie in den bischöf-
lichen Bestätigungen 1111, 23. August und 1113, 26. Juni* wird
er bloß der ,edle Eppo' genannt; das Prädikat von Wind-
berg gibt ihm außer dem Dokumente 1139 — 1141* erst der
um die Wende des 12. Jahrhunderts angelegte* Traditions-
kodex, von welchem sich die ersten zwei Blätter bis auf unsere
Zeiten erhalten haben.* Es ist daher nicht anzunehmen, daß
er diesen Geschlechtsnamen schon bei Lebzeiten geftihrt habe,
umso weniger als auf dem mons Windeberge auch die Herren
von Perge, zu welchen Eppo sicher nicht zugehörig war, zur
selben Zeit Besitztum von Ottensheim an bis zur böhmischen
Grenze hatten. Auch findet sich nicht die geringste urkund-
liche Spur, daß es in dieser Gegend jemals eine Burg Winde-
berge gegeben hätte; die seit 1187 auftretenden Dienstleute
von Winsperg gehören, wie Wirmsberger* richtig vermutet
hatte, schon aus sprachlichen Grttnden nach Winzberg Pfarre
Kirchberg a. D.
Das Diplom König Heinrichs V. 1109 bezeichnet das an
St. Florian vergabte Gebiet gelegen zwischen dem Pesenbach
und dem Ebresbach, und zwar vom Ursprung des letzteren
ununterbrochen bis zur böhmischen Grenze, jenes König Chun-
rads in. 1142 von der Quelle des Ebresbaches bis an die Gren-
zen BöhmenS; sowie vom Pesenbach bis an die Königsstraße
nächst der Kirche St. Nikola. Der Traditionskodex endlich
^ Oberösterreichisches Urkundenbuch II, 127, 202.
« a. a. O. 141, 147.
» a. a. O. 180.
* Gebort des Lande« ob der Ens, S. 35.
^ Abgedruckt bei StQlz, Qeschichte des Klosters St. Florian, S. 200 ff.
« Im Archiv für österr. Geschichte XXIV, S. 63, Anm. 1.
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161
nennt als Schenkungsobjekt Waldehofen und einen Forst in der
Länge und Breite von 70 Meßrnten von der Vereinigung des
Pesenbaches und des Tiefenbaches bis an die bayrische Grenze.
Eine Aufschreibung des 15. Jahrhunderts betreffend die
Vogtei des Hochstiftes Passau über die Gtlter des Klosters
St Florian am Windberg ^ zeigt, daß dieselben von der Az-
mühle an der Rauschemühel angefangen in dichter Reihe, aber
in einem nicht breiten Streifen zwischen der Königs- (Reichs-)
Straße und dem Pesenbache, südwärts bis St. Nikola und Wald-
hofen, östlich vom Pesenbach, westlich von der Ortschaft St. Ul-
rich begrenzt, gelegen waren und die Aigen St. Peter und
Niederwaldkirchen in sich begriffen.
Hieraus erhellt, daß die Objekte weder an Bayern (die
Große Mühel), noch auch an Böhmen anrainten, daher die ur-
kundUche Orenzbeschreibung nichts weniger als eine strenge,
vielmehr eine sehr allgemeine war, welche bloß die Richtungen
anzeigen wollte.
Als weiteres Schenkungsobjekt führen die beiden Königs.
Urkunden an ,predium quod dicitur cella ad movhile^, d. i.
Eleinzell zwischen Neuhaus und Neufelden, und fügt die spätere
bei: quod quidam nobiles viri Eppo et Bernhardus iuxta
Movhelle eidem tradiderunt ecclesie', woraus wir erfahren,
daß das Gut Celle in gemeinsamem Besitze Eppos und des
gedachten Bernhard gewesen und von ihnen gemeinsam an
St Florian vergabt worden ist.
Stülz^ hält diesen Bernhard für Bernhard von Aschach,
einen adeligen Vasallen Eberharts von Formbach, was nicht
stimmt; denn nach seiner Stellung in den Zeugenreihen der
Formbacher Traditionen* ist seine Heimat unbedingt nicht
Aschach an der Donau, woran SttÜz denkt, sondern eine Ort-
schaft in Bayern, wahrscheinlich Ascha nordwestlich von
Mitterfels.
Der Eigenname Eppo in dieser abgekürzten Form ist in
der Gegend nicht fremd; nicht bloß Epping bei Rohrbach
(heute Opping gesprochen und geschrieben), sondern auch zwei
große Dörfer in der Pfarre Peilstein und Kollerschlag, Vorder-
^ Notizenblatt 1863, 8. 200; Strnadt, »Landgericht Velden* im Linzer
Mnseamsbericht 1860, S. 116, Anm. 8.
' Geschichte des Klosters St. Florian, 8. 12, Anm. «).
* OberOsterreichischea Urknndenbach I, 627—630.
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152
und Hinter-Nebelberg haben von demselben die Benennung er-
halten. Sie hießen yormals nnd noch im 16. Jahrhunderte^ Vor-
dem- und Hintem-Eppenberg d. h. Heim des l^ppo^ die jetzige
verunstaltete Form Nebelberg hat sich erst seit dem 17. Jahr-
hundert durch Herüberziehen des n aus Vorder und Hinter zu
dem Ortschaftsnamen gebildet, so daß der Eppenberg nun ein
Nebelberg ist xmd auch bleiben wird.*
War aber Eleinzell gemeinsamer Besitz mit Bernhard bei
der MUhel; so muß notwendig Eppo mit diesem in sehr naher
Blutsfrexmdschaft gestanden sein und wohl auch dessen Ge-
schlechte angehört haben.
Wer ist nun dieser Bernhard an der Mühel gewesen?
Da in diesem Zeitalter die Taufhamen in einem und dem-
selben Geschlechte sich vererbten, wird es nicht zu schwer
fallen, seine Herkunft ausfindig zu machen, wenn es gelingt,
auch den Besitz festzustellen.
In dem Zeiträume von 1100 bis 1120 finden wir nun
einen Hochfireien Bernhard de Sconheringin, welcher Schen-
kungen an die Klöster Formbach und St. Nikola bei Passau
bezeugt: so noch vor 1100 die Übergabe aller Hörigen zwischen
In und Ens, welche der Gemahlin des Grafen Eckbert von
ihrem Oheim, dem Bischof Adalbero, erblich ange&llen waren,
an Formbach,' die durch Udalrichs von Windberg Witwe
Mathilde und ihren Sohn Chunrad um 1100 voUfUhrte Schen-
kung eines Teiles der Kirche St. Martin an Formbach,^ weiters
um 1120 die Übergabe des Anteiles Meginhards an der Kirche
zu Polheim an das Kloster St. Nikola.^ Aus der Urkunde König
Heinrichs V. fUr St. Nikola 1111, 25. Juli « er&hren wir, daß
ihm ein Teil der Schifimaut zu Passau gebührte, den er ad lu-
minaria gewidmet hatte. Anderweitiges Eigentum ist nicht be-
urkundet.
* Rannaridler urbar 1510, Falkensteiner Urbar 1670.
* Ein zweites Eppenberg ist gleichbedeutend mit dem Dorfe in der Pfarre
Grammastetten, welches heute Eidenberg heißt. Daselbst sowie in der
Ortschaft Grossamberg (ursprünglich Erbenperch, in Wilheringer Urbar
1287 Erinberge genannt) hatte das Kloster Seckau Besite (Steierm&rki-
sches Urkundenbuch I, 290, 292, 376); einen Hof in Eppenberge yer-
gabte auch Hartnid lY. von Ort (f c. 1228) an Wilhering (OberOster-
reichisches Urkundenbuch II, 479).
' OberOsterreichisches Urkundenbuch I, 627, 781.
* a. a. O. 628, 781. » a. a. O. I, Ö32. « a. a. O. n, 138.
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153
Um das Jahr 1130 tauscht E. sonhermgeiiBis yom Kloster
Nikola eine Au hei altheimen gegen einen halben Hof hei
mitichen ein.^
E. hedeutet EngilhertnS; es ist Engilbertns de Schönhe-
ringen, welcher znr selben Zeit unmittelbar nach dem Herzoge
Engelbert yon Kärnten (1124 — 1134) und dessen Sohn, dem
Markgrafen Engelbert, die Übergabe eines Hofes zu Grintdorf
bei Cham und von drei Haben in Hohenwart (Oberp&lz) durch
Liiukart, Gemahlin des Regensburger Domvogtes Grafen Fried-
rich (n., 1 1136), an St. Nikola bezeugt.* Die Altheimer Au ist
wohl an der Mündung des Alderbaches in die Vils oberhalb
SchönerdiDg an der Vils (Amtsgericht Vilshofen) zu suchen,
Mitich liegt am In.
Um 1140 gibt quedam matrona nomine Benedicta de Scon-
heringen mit Einwilligung ihres Sohnes Engelbert und ihrer
Tochter Chunigunde zum Seelenheile ihres Mannes Engelbert
nach St. Nikola zwei Hüben, die eine ad winchil, die andere
ad windiberge samt den Hintersassen. Zeugen waren Hecil de
fiuhtinpach, Egeno de posenpach, Heimo, Gerrich und dessen Sohn
Albrant, Ekkehart, Chunrad von Obemdorf, Helmwich, Ascwin.*
Der erwähnte Windberg kann schon wegen der Zeugen
Hezil von Feuchtenbach (Pfarre Altenfelden), Egeno von Posen-
bach (Pesenbäckgut Nr. 33 zu St. Johann am Windberg) und
Chunrad von Obemdorf (P&rre Feldkirchen) nichts anderes
sein als unser Windberg, wogegen Winkel eine der Ortschaften
dieses Namens in den PfEuren Harbach oder Reitern (Amts-
gericht Griesbach) betreffen dürfte.
Dieselbe nobiUs matrona nomine benedicta de Sconherin-
gen übergab weiters im eigenen Namen, daher wohl als elter-
Hches Erbgnt, ihr Eigen corinthi an der Kainach bei Lassels-
dorf (Pfarre St. Florian, Mittelsteiermark) nach St. Nikola. Den
Akt bezeugten Ekkehardus, Chunradus, Gebehardus hi tres
de sconheringen ministeriales eiusdem Benedicte.^
Die gedachten Dienstleute saßen um Schönerding an der
Vils (Pferre Aunkirchen Amtsgericht Vilshofen), nicht bei Schön-
hering im Donautale, woselbst der Besitz der Stifter von Wil-
hering vorherrschte.
* OberOsterreichisches Urknndenboch I, 545. ' a. a. O. I, 544.
* a. a. O. I, 533. * a. a. O. I, 565.
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154
Zwischen 1148 und 1164 übergab Engilbertus de Scone-
heringen auf erblosen Ablebensfall der Kirche Passan zu seinem
Seelenheiie vier Hörige samt Familie und Lehen zwischen
Donau und Rovdolfesbach gegen Verleihung des passauischen
Dienstmannenrechtes an dieselben.^
Engilbertus de Schouneheringen bezeugt 1159 den Ver-
gleich Cadoldö von Polheim mit dem Kloster St. Peter zu
Salzburg.*
Wie uns eine Notitia im codex traditionum des Klosters
Aldersbach (südwestlich von Schönerding) unterrichtet, hatte der
Edle Dietmar de Agist (f nach 1161) sein Gut Cirtenam (Zir-
king zwischen Ried und Schwertberg) dem Kloster Aldersbach
übergeben und seine Schwester Sophia sowie deren Sohn Adal-
bert allen Ansprüchen auf dasselbe entsagt. Engilbertus de
Sconheringin, welcher dieselbe Sophia späterhin als Hausfran
heimführte, setzte sein Gut zu Hertgeresdorf (Hörgersdorf
Pfarre Mauern nordwestlich von Mosburg) zu Händen Wernhers
von Griesbach ein, damit selber es den Klosterbrüdern be-
wahre, falls sein Sohn, den er bei genannter Sophia erzeugt
hatte, oder was immer für eines der Kinder, welche er etwa
noch mit ihr bekommen würde, das Kloster deshalb anfechten
sollte. Im Verlaufe der Zeit erhob ein gewisser Rehewin An-
spruch auf einen Teil des Gutes, wurde jedoch auf der Burg
Agist in Gegenwart Ottos von Rechberg (Lengenbach) zum
Verzichte bewogen. Als Zeugen sind angeführt Heinrich von
Schaunberg, Engilbertus de Blankinberg, Wemherus de Griz-
bach und viele andere. Sodann leisteten auch Rehewins Ehe-
gattin und Sohn zu Lasberg vor ihrem Herrn Wemher von
Griesbach Verzicht. Zeugen dieses zweiten Aktes waren Engil-
bertus de Sconheringin, Wemherus de Grizbach sowie Hin-
tersassen von und um Lasberg sowie in Harbach bei Alders-
bach. Schließlich wurden in einem dritten Akte vor Herzog
^ Oberösterreichisches Urkundenbach I, 517. Der Bach entzieht sich der
Bestimmung.
' a. a. O. II, 297. Endlich meldet noch eine Notitia in Diplomform, daß
Arnold von Meisching, qai fait de familia domini Adelberti de berge
yiri valde eminentis im Jahre 1161 dem Kloster Wilhering sein angeb-
lich freies Gnt per manus ... de Soohneringen libere oonditionis viri
übergeben habe, a. a. O. II, 315.
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155
Heiiirich von Osterreich und seinem Hofe noch zwei weitere
Ansprecher abgefunden.^
Die Yerzichtleistnng Rehewins vollzog sich sichtlich in
zwei getrennten, jedoch unmittelbar aufeinander folgenden
Akten: er selbst entsagte auf der Burg Aist, seine Gattin aber
in Lasberg, oflfenbar deshalb, weil sie nicht von dem zweiten
Kinde abkommen konnte, das noch in der Wiege lag (adhuc
in cunis positum). Die Zeugen Engelbert von Blankenberg auf
Aist und Engelbert von Schönhering in Lasberg sind augen-
fällig eine einzige Person.
Der Name Blankenberg taucht zuerst auf in der Ur-
kunde Bischofs Chunrad für das Kloster Osterhofen 1155,
24. November; unter den Zeugen ist Engelbertus de Plan-
chenburg.*
Unter demselben Bischof (also vor 1164) hatte Engel-
bertus vir nobiUs de Planchenberge zur Librücke zu Passau
einen Hof in Winnenberge (Wimberg Pfiarre Holzkirchen, Amts-
gericht Vilshofen) samt den darauf befindlichen Hörigen ge-
stiftet, welche Schenkung im Jahre 1173 Bischof Diepold unter
Mitzeugenschaft Engelberts verbriefte.'
Wie eine Aufschreibung des 13. Jahrhunderts im Tradi-
tionskodex von St. Nikola besagt, war dieser Engelbert von
Blankenberg, um die verlorne Gnade des Bischofs Chunrad
von Passau wieder zu gewinnen, genötigt, einen Teil seiner
fireieigenen Gikter dem Hochstifte aufzusenden und v^on dem-
selben als passauische Lehen zurückzunehmen.^
Ex nobiUbus Engelbertus de Blanchenberch, Albertus et
frater eins Alramus de Chamb bezeugen 1177, 26. Juni zu
Passau einen Tausch des Eüiosters Osterhofen mit dem Dom-
kapitel Passau,^ 1179 bezeugt Engelbertus de Blanchelberch die
Verleihung der Kirche St. Paul in Passau an das Domkapitel,^
1173, 26. August zu Passau die Einverleibung der Pfarre Kirch-
^ a. &. O. n, 343. Die Handlung fällt in die Zeit zwischen 1172 nnd 1177.
« Mon. Boic. XII, 337.
» Mon. Boic. XXVmb, 261.
* OberOsterreichisches Urkundenbach I, 693: ,cam per coUationem quo-
nindam prediomm Buonmi in proprietatem Patayiensis ecclesie sub certa
tarnen conditione rediret ad gratiam domni Chvnradi tnnc Pataviensis
episcopi, quem circa Ahscha graviter offenderat in conflictu/
» Mon. Boic XII, 360.
« a. a. O. XXVmb, 122.
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166
berg in die Abtei Kremsmünster,^ zwischen 1177 nnd 1182
neben Wemher von Griesbach Engelbertus de Blanchenberch
den Verzicht der Binder Heinrich und Gebhard von Schaun-
berg auf die Höfe am Leombach zugunsten des Klosters
Eremsmünster.^
Vor 1180 übergibt nobiiis vir Engilbertus de Planchen-
berch nach St. Nikola das von dem Konversen Marchward er-
kaufte Gut zu parschalchingin (Paschalling Pfarre Rainding,
Amtsgericht Vilshofen)* und den Verzicht Eckberts von Per-
neck-Deggendorf auf das Gut Pramerdorf zugunsten des Klo-
sters Reichersberg.*
Um 1180 bezeugen Engelbertus de Planchenberch, Wem-
her von Griesbach, Adalbert und dessen Bruder von Cham,
Rudiger von Holzhausen, Walchun von Schiedorf, Heinrich von
Spilberg, Siboto de Planchenberge (Burgsasse daselbst, Ahnherr
der SchaUenberger), Immo Bürger in Passau eine Schenkung der
Wiradis, Schwester des Pfarrers Albero von Wazenkirchen, nach
St. Nikola.«^
Um 1185 bezeugt Engelbertus de Planchenberg die Ver-
gabungen einer halben Hube in Domach (Amtsgericht Landau)
durch Bischof Diepold und des Gutes Englhalming (Engling)
durch den passauischen Ministerial Walther nach St. Nikola.^
Um dieselbe Zeit stiften nobiiis de Blanchenberg Engil-
bertus una cum uxore sua Chunigunda das Gut in Hörgers-
dorf (siehe S. 154) und eine Hube am Berge nach St. Nikola.'
Gleichfalls gibt domna Chunigunt de Planchenberge nach
St. Nikola das Gut in Agilsperge, auf welchem Herber und
Pemger sitzen. Zeugen: Vlricus de liubolvingen (Leiblfing
zwischen Straubing und Dingolfing), Otto de planchenberge
(Burghüter), Liutolt de berbingen (Perbing Pfarre Domach,
Amtsgericht Landau), Alram de birchenstaine (Pümstein an
der Großen Mühel), Pabo de libenstaine (Libenstein Pfarre
Altenfelden), Hildebrant, Albrant, Gerrich de planchberge (Burg-
mannen auf Blankenberg, der letzte vielleicht der Enkel des
um 1140 genannten Gerrich, Ministeriais der Frau Benedikta
von Schönhering), Chalhoch de walde (Wald Pfarre Oberberg-
* Urknndenbach yon KremsmünBter 44. * a. a. O. 47.
' OberOsterreichisches Urkandenbach I, 571.
* a. a. O. I, 378. » a. a. O. I, Ö78.
« a. a. O. I, 684, 690. ' a. a. O. I, 694.
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157
kirchen, Amtsgericht Vilshofen), Diether de sconering (Schön-
erding an der Yils).^ Das Gut kann fbglich kein anderes sein
als das Aigelsbergergnt zu Sicherstorf Pfarre St. Johann am
Windberg.
Um diese Zeit vergabt anch Engelbertus de Planchenberch
sem Gut gelegen in mattenheim (Mattenheim östlich von Schön-
erding an der Vils) znm Seelenheil seines Sohnes Dietmar nach
St Nikola. Zeugen: ^Ealhohns de Valchensteine^ MarqnardaS;
Udalricns filins ipsins Engelberti^ Siboto tobrizze (yielleicht
Dobrizhofen bei Sprinzenstein)^ dnrinch de schaltaren (Schal-
ding Pfarre Heining bei Passan^ Amtsgericht Passan)^ Herran-
dus, Walchunns civis, Einwicus de yischbach (Fischbach bei
Rohrbach), linthardus nrbanns, Pemhardus de iltesgaen, Wille-
halmns ab dem Steine, Fridericns, Udalricns de planchenberch,
Amoldns de eodem (beide Bnrgmannen auf der Blankenburg),
Gozoldus de Griezbach/*
Engilbertus de Planchenberc und Wemhart von Gries-
bach erscheinen als Zeugen des Vertrages auf dem Georgen-
berge bei Ens 1186, 17. August.'
Nicht lange darauf ist Engelbert bei St. Georgen in Oster-
reich aus dem Leben geschieden.^
Um 1186 bezeugt Vdalricus filius Engelberti de Planchen-
berc die Schenkung Udalschalks von Pazrichesdorf an St. Nikola.^
Um 1188 (jedenfalls vor dem Jahre 1189) erhält über
Intervention des Bischofs Diepold und des Herzogs Bertold
von Meran nobilis domna Chvnigunda uidua de Blanchin-
berc einige GHiter, welche domnus Engilbertus quondam ma-
ritus suus lange vor der Heirat mit ihr nach St. Nikola als
Seelgerät gestiftet hat, als Leibgeding gegen jährliche Rekogni-
tion von 30 Pfennigen vom Elosterkapitel zurück. '^
Schließlich erfahren wir aus der schon erwähnten Auf-
schreibxmg des 13. Jahrhunderts,*^ daß nobilis Über Engilbertus
de Blanchinberc für sein und seiner Eltern, seiner geliebten
Gemahlin Sophie und seines Sohnes Dietmar bei dem Leichen-
* OberMerreichisches Urkundenbuch I, 670.
• a. a. O. 684.
' SteiermfirkiBches Urknndenbach I, 663.
^ OberOsterreichisches Urkundenbuch I, 694.
» *. a. O. 686.
• «. a. O. 696. ' a. a. O. 694.
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158
Begängnisse der Frau Sophie, dann bei jenem Dietmars, end-
lich ,cum duceret quandam nobilem Chnnignndam in nxorem'
folgende Güter nach St. Nikola vergabt habe: curia in Aigils-
perge (siehe S. 157) und das ganze Gut, welches daselbst Siboto
der Blinde innehatte; curia in Windestige (Windsteigergut
Pfarre St. Martin), curia ad Hirzman (in derselben Gegend,
vielleicht Holzmanngut bei Hilkering), curia Chunradi ad por-
tum contra Ahscha (Landshag), curia in Bercheim (Bergheim
Pfarre Feldkirchen), molendinum in rivo Rosbach (in der Pfarre
Feldkirchen) et alia, welche er nicht an Passau zu Lehen auf-
gesandt hat. Zeugen der Schenkung waren: Udalricus et Engel-
bertus de Nordembach (oder Struben, d. h. Ober- und Unter-
Straubing Pfarre Steinkirchen bei Dorfen), Siboto de St. Ulrico
(St. Ulrich bei Neufelden), Wemhardus de awe (vielleicht Au
Pfarre Rainding, Amtsgericht Vilshofen) Rikerus de blanchin-
bach pater pillonis (Burgmann auf Blankenberg), Hiltprandus
et frater eins Albrandus (ebenso), Chunrat de apphilspach
(Apfersbach bei Kleinzell), Duringus de Aicha et frater eins
Iladmarus (Aicherhof), Marquardus gallus de Beura (Hanner
von Bairach östlich von Blankenberg), Amoldus der lader et
frater eins Timo et Albertus, Wemherus de Wiglinstorf (Weigl-
storf südlich Kleinzeil), Egeno de nuzpoume (Nußbaumergut
Pfarre St. Martin), Otto Ascholvinge, Eberwinus de Fiuhtinbach
et frater eins Robertus (Feuchtenbach Pfarre Altenfelden), Hezilo
de wensin, Hermfridus frater eins, Hainricus de St. Ulrico et
fratres eins Siboto et Ulricus (Söhne des älteren Siboto), Hein-
ricus de Winsperch (Winzberg Pfarre Kirchberg) et frater eins
Wernherus, Alber Germansperge (Pfarre Huttum), Einwicus de
Vischpach (westlich Rohrbach), Fridericus de Tahing (Taing
Pfarre Poigenberg, Amtsgericht Erding), Emfridus de Lintawe
(Pfarre Ruhstorf, Amtsgericht Griesbach), Siboto (de) Erman-
storf (Erdmannsdorfergut Nr. L zu Erdmannsdorf nächst Blan-
kenberg). Engelbert bestätigte die Schenkung testamentarisch,
als er bei St. Georgen auf dem Todbette lag, und wurde des-
halb auch in St. Nikola begraben.
Damit ist dargetan, daß Engelbert von Blankenberg zwei-
mal verehelicht war, daß seine erste Gattin Sophie hieß und
das Kind aus dieser Ehe, Namens Dietmar, frühzeitig mit Tod
abging. Da nach der Aldersbacher Beurkundung Engelbert von
Schönhering mit der Schwester Dietmars von Aist, namens
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159
Sophie, vermählt und dieser Ehe ein Sohn entsprossen war:
80 ist der letzte Zweifel daran, daß Engelbert von Blanken-
berg und Engelbert von Schönhering eine und dieselbe Per-
sönlichkeit war, beseitigt, der Sohn war nach dem mütterlichen
Oheim benannt.
Ein zweiter Sohn Udalrich erreichte mannbare Jahre, weil
er allen anderen Zeugen vorangesetzt ist. Derselbe dürfte, da
sein Vater nicht erwähnt wird, denselben überlebt und dann
noch in jugendlichem Alter unvermählt und kinderlos ge-
storben sein; vielleicht hat er sich dem dritten Kreuzzuge an-
geschlossen und ist auf demselben umgekommen. Seine Stief-
mutter Kunigunde erwähnt ihn nicht; es scheint daher, daß er
nicht anwesend war, als derselben von St. Nikola das Leib-
geding bewilligt wurde.
Überschauen wir die gewonnenen Resultate, so dürfte
folgendes feststehen:
1. Die]Schönhering-Blankenberger haben zu Ausgang des
11. Jahrhunderts noch ihren Stammsitz um Schönerding an der
Vils, nannten sich davon ausschließlich bis etwa 1145, dann
abwechselnd auch von Blankenberg bis zirka 1175, zuletzt aber
nur von Blankenberg.
2. Sie haben schon vor 1108 Besitz an der Großen Mühel,
da sie ihren Anteil an Kleinzell nach St. Florian vergabten. Die
Blankenburg wird zwar urkundlich erst 1155 genannt, wird
jedoch schon längere Zeit bestanden haben, da der erste
Schönheringer ausdrücklich Bemhardus iuxta Movhelle be-
zeichnet wird.
Die Burg erhob sich auf dem Blankenberge am linken
Ufer der Mühel gegenüber von Neufelden; die Hochwaldpar-
zelle 732 der Steuergemeinde Pümstein war Dominikalgrund
zur ehemaligen passauischen Herrschaft Pürnstein, welche im
Jahre 1865, 25. November von dem Geschäftsverbande Karl
Christian Müller und Franz Louis Oschotz aus Sachsen er-
worben wurde. Diese verkauften die Parzelle 732 ,Blanken-
berg^ im Flächenmaße von 5 Joch 750 Quadratklafter 1867,
9. Mai an den Bürger Anton Lindengrün am Hause Nr. 64 zu
Neufelden, wozu sie seither als Hausgrund gehört. Im Jahre
1887 wurde der südwestliche Teil des Schloßberges zur Ge-
winnung eines Raumes für die Station Neufelden der Mühl-
kreisbahn an der Großen Mühel abgegraben und gesprengt-
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160
Manertrümmer, die bei der Applaniemng des Grundes zum
Vorschein kamen, bewiesen die Bargstelle; die Bnrgstraße
zweigte von Bairach her ab.
3. Als Bnrgmannen von Blankenberg im 12. Jahrhunderte
kommen vor: Gerrich, Otto, Siboto (von St. Ulrich), Friedrich,
Udalrich, Arnold.
4. Lehen- und Dienstleute sassen diesseits der Mfihel in
Bocksruck-Igelbach,^ Pümstein, Bairach, Erdmannsdorf, St. Ul-
rich, Aicherhof, Apfelsbach, Weigelsdorf ; jenseits der Mühel in
Feuchtenbach, Haselbach, Liebenstein, Fischbach, Winzberg.
5. Unmittelbarer und mittelbarer Besitz ist nachgewiesen
von der Donau, beziehungsweise vom Dießenbache am linken
Mfihelufer aufwärts bis einschließlich Igelbach, anstoßend in
ziemlich gleich langem Streifen an die Güter Eppos; weiters
Streubesitz in den Pfarren St. Johann, Niederwaldkirchen,
St. Martin, Feldkirchen.
6. In der Mitte des 12. Jahrhunderts wurde ein Teil der
freieigenen Güter in passauische Lehen verwandelt.
7. Die Stammreihe ist folgende:
Bernhard von Schönhering 1096—1120, iden- Eppo (von Windberg),
tisch mit Bernhardus iuxta Moohele 1108. Bruder oder Vetter 1108.
Engelbert I. von Schönhering c. 1130; nx. Benedikta, Witwe c. 1145.
Engelbert II. von Schönhering 1145 — 1175, von Blankenberg Chunignnde
1155—1186, 1 1187; ux. 1. Sofie, Schwester Dietmars von Aist c. 1145.
c. 1172; 2. Chnnigonde nobilis mnlier c. 1185, Witwe 1188.
Dietmar f jung. Udalrich c. 1188, f 1190/1192?
Der Abgang der Blankenberger fUUt in eine Zeit, in
welcher sowohl Babenberger als Witteisbacher bereits erblose
Eigen an das Land zogen.
Wir hören jedoch nicht, daß auf dem Gebiete des nach-
mals sogenannten Untergerichtes Haslach, in welchem Blanken-
bergscher Besitz vorherrschend war, sich späterhin landesfürst-
licher Besitz befanden hätte. Es fragt sich demnach: Wer ist
den Blankenbergem in Eigen und in Lehen im Besitze nach-
gefolgt.
Mon. Boic. V, 336 Hermannas de Bocchesmkke im Verzichte Rehwins
auf Aist.
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161
Siebenter Abschnitt.
Auftreten der Witigonen am Ostnfer der Großen Müliel.
Nachweis ihrer Besitzungen auf heutigem oberösterrei-
chischen Boden. Die Siegellegende der Worliker Urkunde
vom Jahre 1220. Die Witigonen sind ein Seitenzweig der
Blankenberger.
Es vergehen etwa vierzig Jahre^ bis wir plötzlich hören,
daß das Hochstift Passau an der Ostseite der Großen Mühel
Lehen habe, welche sich von der Rauschemühel im Norden
bis zur Donan im Süden erstrecken. Mann der Passaner Kirche
war der Edle Witigo aus Böhmen (Witigo nobilis homo de
Boemia), der auf einem Tage zu Velden 1231, 17. Dezember^
sich verpflichtete, diese Lehen gegen Zahlung von 300 Mark
Silber dem Lehenherm Bischof Gebhard zurückzustellen; be-
merkt wird ausdrücklich, daß die Lehen in jenem Gerichte
liegen, das vom Herzoge von Osterreich zu Lehen rührt (in
iudicio illo, qnod in b(mis a nobis comparatis a duce austrie
habere dinoscitur).
Als solche werden in nicht lange nachher angelegten Ver-
zeichnissen^ folgende aufgezählt:
a) innerhalb des Gerichtes Witigos gelegen: 4 Lehen in
Hartmansdorf (Pfarre Haslach), 2 in Steinach, 1 in Chreppil
(Kreblbauer zu Lach), 2 in Chriuzam (Kreuzmair zu Lach),
ö im geschlossenen Dorfe Lohe (Lach), 1 super campum in
Lohe (Feldlbauer), 2 in Prantstetin (Brandstätter), 1 in Leim-
perge (Ober- und Unter-Lamberger), 3 in Owerperge (Auberg
Pfarre St. Peter), 1 Mühle in Prukke (Teufelsbruckmühle an
der Großen Mühel), 1 in Sasenhouen (Sachsenhofer bei Auberg),
1 in Ow (Auergut), 1 an der Leitten (Leitnergut), 5 in Hohen-
perge (Dorf Hohenberg), 4 in Marchbach (Dorf Marbach), 4 in
Sconenberg und 1 Mühle (die Schönbergmühle an der Mühel
und die anrainenden Güter, darunter das Schiezengut), 3 in
Rndolfspach (Rudersbäck und Lehnergut), 4 in Igilbach und
* Mon. Boic. XXVUIb, 834.
« a. a. O. XX Vm«, 465—467.
AidüT. ICIV. Bwd. 12
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162
1 Mühle (Iglmühle an der Mühel, Winkler, Weger, Reuter),
3 in Pokkesrukke und 1 Mühle (Bockmühle am Iglbach, Bocks-
rucker, Kriechbaumer), 1 apud heremitam (Harrafl), 3 in Hen-
gestslage (Pfarre Rohrbach?), 2 in Souslage (Sauschlag bei
Steinbruch), 2 in Pirchenstein (Pümstein) und 1 Mühle (Hof-
mtihle), 2 in Grube (Steingrub nächst Pümstein), 1 in Eicha
(Aichergut bei Erdmansdorf), 2 in Ehrtraannesdorf (Erdman-
storfergut bei Blankenberg), 2 in Paierache (Bayrach), 1 in
Liuzenchinde, 1 in Ezelsperge (Ezleinsberg), 2 Mühlen in
Planchenperge (Plankenmühle und Bruckmühle an der Mühel),
3 in Apphilspach (Apfersbach Pfarre Kleinzell), 1 in Rukers-
perge (Richetsbergergut auf der Mühelleiten), 2 in Puselinge
(Pislingergut), 2 an dem Wege (Wegerer), 1 in Seltelicheim
(Seltenhofer bei der Ruine Schallenberg), 1 in Chazzenwinchel,
1 in Wilchart, 1 an dem Houe (Bauer in Hof auf der Mühel-
leiten), 1 in Oede (Edergut), 4 in Weigelinsdorf ( Weigelsdorf ),
1 in cherspaum (Kerschbaumer am Diessenbach), 1 in Grube
(Grubergut), 1 in Westeloune, 1 in Muderinge (Midringer),
2 in Richmanesperge (Steinerberg Pfarre Kleinzell).
h) außerhalb Witigos Gericht gelegen: 3 Lehen und
1 Mühle in Eigelsperge (bei Steinbach Pfarre Niederwald-
kirchen), 1 apud Ekkhardum in Fossa, 1 in der Grube bei
Falkenbach Pfarre St. Martin, 2 in Winesteige (zwischen
Zeißendorf und Allerstorf), 1 in Perchheim (Bergheim Pfarre
Feldkirchen), 1 in Eiche, 1 in Steipphen, (Aichergut und
Stapfenedergut Pfarre St. Martin,) 2 und 1 Mühle in Prunst,
1 Lehen in Hezelinsperge.
Nach einer weiteren Aufschreibung* übergab Wok von
Rosenberg dem Hochstifte für 55 Mark Silber, welche er dem-
selben wegen des Gerichtes auf den Gütern ultra Mvhlam
schuldete, 2 Höfe in Percheim, 1 Meierhof in Lantshabe
(Landshag), 2 Höfe in Winsteige, 1 Lehen apud Wemhardum
an der Leiten, 4 behauste Lehen in hailmanstorph, 2 in wel-
ham, 1 in Grepelshove, 5 in loh, 1 Hof in der owe, 1 Mühle
in pruk, 1 behaustes Lehen ad Eberwinum in Campo, 1 in
prantsteten, 3 in awerperge, 1 ad Rudigerum an der leiten, 1 in
der Ovwe, 4 in hochenperge, 1 Hof in Schoenperge und
4 Lehen daselbst, 3 behauste Lehen in Marchpach.
Mon. Boic. XXIX b, 220.
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163
Wir finden demnach im Besitze Witigos fast durchge-
hends solche Ortlichkeiten^ welche die Blankenberger unmittel-
bar innegehabt oder weiter verliehen hatten. Es kann daher
als festgestellt erachtet werden:
1. daß die vorbezeichneten Güter ebendieselben sind, wel-
che — wohl noch mit anderen — Engelbert von Blankenberg
dem Bischof Chxinrad zu Lehen aufgetragen hat;
2. daß Witigos Vorfahren in diesen Lehen den Blanken-
bergem nachgefolgt sein müssen.
Mit der Abtretung der Lehen wich die Machtsphäre der
Witigonen nach Norden hinter die Rauschemühel zurück; von
dieser an bis zum Kloster Schlägl blieb alles freies Eigen der
Herren von Rosen berg, nur der Markt Haslach^ wurde mit
dem passauischen Lehenbande behaftet, als Herr Peter von
Rosenberg denselben 1341, 11. September* von Bischof Gott-
fried zurückkaufte. Das ,obere' Gericht war stets freies Eigen
der Rosenberger gewesen und blieb es auch fortan. In dem
Kaufverträge 1599, 29. November,* geschlossen zwischen Peter
Wok von Eosenberg und Erzherzog Leopold als Bischof von
Passau, wird als Vertragsobjekt bezeichnet ,Unser von höchst-
ermelter Seiner fürstlichen Durchlaucht Bistum und Hochstift
Passau belehnete Herrschaft und Markt Haslach sambt den
darzue gehörigen Unterthanen, Item daß darzue gehörige Land-
gericht, von den gemerkchen des Landgerichts Augen und
oben her von den Böheimbischen Gründtens anfohent und
neben der Grossen Mühel zwischen dem Wäxenbergerischen
Landgericht biß hinauß mitten in die Thonaw gehent, wie
' Peter hatte denselben früher (nach 1821) an Bischof Albrecht verkaaft,
als passauischer Pfleger erscheint 1341, 12. MÄns (Urkunde im allgem.
Reichsarchiye in München) Cbnnrat von Tannberch. Aus dem Reverse
des Rosenbergers geht mit aller Bestimmtheit hervor, daß die Lehen-
pflichten, die er übernahm, ganz neue waren; es sind deshalb die An-
gaben der passauischen Auskünften, daß Haslach schon 1257 passauisches
Lehen gewesen sei, einfach erfunden. Peter mußte sich verbindlich
machen, die Feste im Markte niederzulegen.
•Mon.Boic. XXX b, 170.
' Vidimus 1631, 24. Juli im fürstlich Schwarzenbergschen Zentralarchive
in Krummau II AI A», Nr. 3. Ältere Urbare von Haslach sind in Krumm-
an nicht vorhanden; im fürstlich Schwarzenbergschen Archive in Wit-
tingau (Akt Haslach H 92/a Fasz. U) nur zwei Anschläge, von welchen
der älteste c 1500.
12*
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164
dann daß Schloß Liechtenaw, Schloß Pürchenstain, Schloß Gneis-
senaw nnd Schloß Nenhanß in diesem Landgericht liegen/
Lehenbar von den Rosenbergem nnd ihren Rechtsnachfolgern
blieben bis auf die Neuzeit die Feste Liechtenau, der Burgstall
Haglau nächst dem Reisingergute in der Pfarre St. Stephan am
Riedl.*
Doch haben die Herren von Rosenberg auch im ,unteren'
Gerichte Eigengut bewahrt. Vier Hofstätten in der Cell (Klein-
zell) sind bezeugt 1370, 18. Juli und 1379, 17. August« als
Lehen der Rosenberger und sind solche geblieben bis zur
Durchführung der Lehenallodialisierung; im alten Grundbuche
Gneussenau (Abteilung Schwarzenbergsche Lehen) wurden im
Jahre 1794 als solche eingetragen: Nr. 3 das große Siegstein-
haus, Nr. 15 die Schmidhofstatt, Nr. 17 die Hafherhofstatt, über
welche vom Jahre 1527 fortlaufende Lehenbriefe im Krummauer
Archive aufbewahrt sind. Noch 1419, 24. April belehnte Ulrich
von Rosenberg seinen Burggrafen zu Witigenhausen Peter den
Harracher mit einem Gute in der Zell ,genant nydern Inn' in
der Pfarre Zell ,die da gehört gen Waldkyrchen' und 1527
belehnte Johann von Rosenberg seinen Untertan Siegmund mit
dem Gute zu ,Kerspaum in Zellerpfarr und unserm landgericht
Haslach gelegen^'
Nicht bloß Gneussenau, auch der Berg, auf welchem Neu-
haus ob der Donau aufgebaut ist, waren ursprünglich Blanken-
bergisches Eigen, daher nach ihrer Verwandlung in Passauische
Lehen beide Festen vom Hochstifte zu Lehen gingen.
Vor dem Weiterschreiten in der Untersuchung erscheint
es zur leichteren Nachprüfung geboten, jene vereinzelten und
weit von einander abstehenden
Markzeichen
sichtbar zu machen, welche für den Verfasser Leitpunkte ab-
* Laut Lehenreyerse der Elisabeth Anhangerin und ihres Sohnes Hans JOrger
1399, 7. Juli und des Hieronymus Schluchs 1578, 26. Februar im Zen-
tralarchiye Erummau.
' Oberösterreichisches ürkundenbuch VIII, 480, Velden 219. Die Hof-
stätten des Teurwangers in Kleinzeil, die Habe in Richetsberg, das Lehen
am Steinach werden, wie die spfiterhin zu Gneussenau gehörigen Häuser
in Kleinzell von St. Florian aus der Schenkung Eppos und Bernhards
erkauft worden sein.
' Harracher Urkunde in Wien; Lehenbrief Montag vor Elisabeth 1527 im
Krammauer Archive U A* Nr. 1 a, Lade 89.
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165
gaben, um bialier unbekannte Verhältnisse in ihrem Wesen zu
erkennen, die Zwischensteine aasfindig zn machen and za
Schlaßfolgemngen za gelangen, welche zwar überraschende,
hoflfentUch aber nicht anfolgerichtige genannt werden dürften.
Um 1130 empfangen Adalram v. Waldeck-Feistritz and
seine Gattin Richinza von Radolf and Richinza von Perge
Güter am Windberg.*
1140, 21. Oktober, za Wels zeagt in einer ürkande
Bischofs Reginbert ftlr das Kloster Kremsmünster in erster
Reihe der Hochfreien Adalram de Valchenstain.'
Um 1180 wird in zwei Traditionen des Klosters St. Nikola
ein Calhohas jadex, einmal mit dem Beisatze de valchenstein
aufgeführt.'
Um dieselbe Zeit erschemt einige Male ein Chalhoch von
Valchenstein in einer Reihang, welche anf dessen freien Stand
schließen läßt.
1171, 10. Febraar, nennt Papst Alexander IQ. anter den
Dotationsgütem des Klosters Seckan ,in Bawaria Waltenstein
com prediis et familia^^
1194, 27. Oktober, ist der edle Mann Witego de Boemia
in zahlreicher Adelsversammlang za Passaa anwesend.^
1209, 6. Jali, bezeagt za Gramastetten eine bischöflich-
passaaische Urkande Witigo de Planchinberc.^
1220. Witigo von Perchyc (Pfic) siegelt den Brief, mittels
dessen er das Dorf Cogetin (Kojetein) dem Kloster Mülhaasen
verkanft, mit einem Siegel, das die fünf blfttterige Rose and die
Umschrift Witko de Planchinperc aafweist.'
1231, 17. Dezember, za Velden veränßert der edle Herr
Witigo aas Böhmen an Bischof Gebhard seine passaoischen
Lehen zwischen Raaschemühel and der Donaa.^
^ SteiermXrkisches Urkandenbach I, 142.
' Urkandenbach Ton Kremsmfinster, S. 58.
' OberOsterreichiBcbes Urkandenbach IV, 581, 591.
* Steiermärkiflches Urkandenbach I, 502.
> Mon. Boic. XXVHIb, 261.
* Oberttoterreichisches Urkandenbach II, 524.
^ Abdrack bei Heinrich Sperl ,Die Grenzen zwischen Böhmen and dem
Mühllande und die Heimat der Witigonen' in Mitteil, des Vereines für
Geschichte der Deutschen in Böhmen, 1900 S. 894—404.
* Mon. Boic. XXVm b, 884.
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166
Der Bischof bemerkt in diesem Briefe, daß das Gericht
(die hohe Gerichtsbarkeit) über diese Güter, das dem Herrn
Witigo zustehe, von dem Herzoge von Osterreich lehenrührig sei.
1259 versucht Wok von Rosenberg das Schloß Haichen-
bach an der Donau an sich zu bringen.^
1264. Das Dorf Schindlau nordwestlich von Schlägl ist
Erbgut der Frau Berchta, Gemahlin Budiwoys von Erummau,
Mutter des Herrn Zawisch von Falkenstein. Bei der Schenkung
an Schlägl nehmen Budiwoy und Berchta von der Gerichtsbar-
keit die todeswürdigen Verbrecher aus.*
Erst vom Jahre 1268^ an ist der Turm Ranariegel in
Händen der passauischen Ministerialen von Falkenstein be-
zeugt; vor dem Jahre 1217 war der größere Teil der Pfarre
Rannarigel, sehr wahrscheinlich die ganze ^ freies Eigen der
Herren von Griesbach.*
Das Schloß Falkenstein wird niemals als passauisches
Lehen bezeichnet oder jemals als solches in Anspruch ge-
nommen.^
1272 ist Zawisch, Sohn des Budiwoy von Erummau, in
freiem Besitze der Feste Falkenstein.^
1274, 11. Dezember, ist in einer Urkunde König Otakars
als letzter Zeuge, welchem passauische Lehensleute vorangehen,
Zabissius Castellanus in valchenstain aufgeführt.''
1277. Die letztwillige Verfügung Witigos von Krummau
läßt auf den Bestand der Burg Witigenhausen, Pfarre Deutsch-
Reichenau, schließen.^
» Mon. Boic. XXIX b, 136.
* OberOsterreichisches Urknndenbach in, 828.
8 Mon. Boic. XXIX b, 482.
* Siehe das Besitzverzeichnis vorne S. 146—147.
6 Mon. Boic. XXIX b, 603.
a. a. O., 616.
' Der Verfasser der ,Enrzen Auskunft von dem Fürstentum Passau und
den darin entlegenen Herrschaften und Märkten' (1777 Cod. germ. 1744
der königl. Hof- und Staatsbibliothek in München) bemerkt auf Blatt 27':
,daß (im Gegensätze zu Rannariedl) von Falkenstein aber einiges vesti-
gium der Lehenschaft sich nicht findetS Buchinger, Fürstentum Passau 11,
39 hat zum Jahre 1346 Falkenstein ein lehenbares Schloß g^enannt, was
seinerseits ein Schreibversehen ist, da die Originalurkunde das Schloß
Rannarigel nennt. (Siehe S. 183.)
» Fontes rer. Austr. Dipl. XXIII, 29.
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167
1289 wird Falkenstein, das ^praedones^ innehatten^ vom
Herzog Albrecht von Österreich erobert.*
Wir beginnen die Untersuchung mit der Feststellung des
Besitzstandes der Witigonen auf dem Boden des vormaligen
Mühlkreises.
Bereits erwähnt wurde, daß Wok von Rosenberg im Jahre
1258 seinen freieigenen Besitz in Ober- und Unter-Schwandt
sowie in Freudental (jetzige Pfarre Waldburg) der Kirche
Passau zu Lehen auftrug, welcher Akt jedoch wieder rück-
gängig gemacht worden sein muß, da diese Güter in den näch-
sten Jahren wieder freieigen genannt werden.
In seinem Testamente, ddo. Graz 1262, 4. Juni,* be-
dachte Wok seine Gattin Hedwig für den Fall ihrer Wieder-
verehelichung unter anderem mit dem Hofe Ober-Swant. Dem
Albero von Rotenstein verlieh er zu Lehen ,dua8 maiores villas
supra Swant. Curiam autem et agros contra Sumerowe
(Sumerau bei Freistadt) et interiores agros contra Ybenstain
(Eibenstein, Pfarre Reichental) usque ad metas Boemie' (heutige
Grenzen Böhmens) vermachte er seiner Gattin. ,Item homini'
de Patavia pro viginti marcis argenti in Leimpach (Ober-
tmd Unter-Laimbach, Pfarre Leonfelden oder Laimbach, Pfarre
St Oswald) dentur due hübe, sed si gratiam mihi fecerit, tan-
tnm una.' Dem Schreiber Rudiger und dessen Erben gibt er
jKirspoum villam libere cum omni iure^* Den gelösten Satz in
Gunthersrevt (Güntherreut, Pfarre St Oswald) verleiht er
an Kaihoch ^ zu Lehen. Schinta (Schindlau oberhalb Aigen)
soll nach Schlägl zu seinem Seelgerät gegeben werden, wenn
' Mon. Germ. Script. IX, 716; Reimchronist Otakar a. a. O., Deutsche
Chron. V/I, 306—306.
» Fontes XXIH, 17, 18, 19.
' Pangerl a. a. O. emendiert domino.
* Sicherlich nicht das Dorf Kerschbaum in OberQsterreich, welches Lehen
von der Herrschaft Freistadt war, sondern Kerschbaum in der Pfarre
Bosental, wie denn auch das folgende Gutenbrunn jenes in der Pfarre
Strobniz ist.
^ Wahrscheinlich Kaihoch von Falkenstein, der Ende 1269 starb; denn in
Qünthersrent trug noch 1301 Otto v. Olafpach Zehente von Kaihoch Fried-
rich und Chuarad v. Falkenstein zu (After) Lehen. Pröll, Geschichte
des Klosters Schlägl, S. 37.
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168
er den Prozeß gegen seinen Vetter (patruus) Budiwoy gewinnt,
sonst läßt er das Dorf demselben auf sein Gewissen.^
Das Dorf Schindlau (Schintau), Erbgut der Bertha,
gaben diese und ihr Qemahl Budiwoy von Skalitz (Krummau)
im Jahre 1264 an das Kloster Schlägl. Die Dorfmarkungen
reichten bis an den Klafferbach (usque ad aquam, que dicitur
Chlaffiindez wazzer), jenseits welchem wahrscheinlich die Dörfer
Klaffer und Freindorf schon bestanden. Die Qeschenkgeber
reservierten, indem sie die niedere Gerichtsbarkeit dem Kloster
zugestanden, ausdrücklich die Auslieferung der todeswiirdigen
Verbrecher an den weltlichen Richter. Dieser Vorbehalt wäre
überflüssig gewesen, wenn die hohe Gerichtsbarkeit in anderen
Händen als in jenen der Witigonen gewesen wäre. Es darf daher
geschlossen werden, daß die Witigonenherrschafk, zu welcher da-
mals Schindlau gehört hat, im Besitze der Blutsgerichtsbarkeit war.
Im Jahre 1277 vermacht Witigo von Krummau auf dem
Sterbebette (positus in extremis) in Gegenwart der Pfarrer
Prebizlaus (Pfemysl) von Friedberg und Christan von St. Oswald
dem Kloster Hohenfurt drei Dörfer, darunter Xradowi (nunmehr
Witigenhof genannt).* Aus der Anwesenheit der Seelsorger der
beiden benachbarten Pfarren wurde mit Recht geschlossen, daß
die Urkunde auf der Burg Witigenhaus errichtet wurde. Dieselbe
wurde wohl nach der Zeit erbaut, als die exzentrische Lage der
Blankenburg, weitab von den Gütern an der Moldau, als lästig
empfunden und dieselbe samt den umliegenden passauischen Lehen
an das Hochstift hingegeben wurde, wahrscheinlich in dem-
selben Zeitpunkte, als Wok sich flir seinen Sonderbesitz an
der Moldau Rosenberg erkoren hat (zwischen 1241 und 1246).^
1315, 15. Mai, schenkte Peter von Rosenberg auf seinen
Todesfall dem Kloster Hohenfurt das Dorf Eybenstein mit den
nächsten drei Dörfern.*
1318, 26. September, schenkte Peter demselben Kloster
zum Seelenheile seiner Gemahlin Viola seine Dörfer Eyben-
^ Wohl aus dem Titel des gemeinsamen Besitzes wird Wok den Ansprach
erhoben haben.
« Fontes XXIH, 29.
* Palacky, Geschichte Ton Böhmen II, 101. Vgl. die Abhandlung ,Wit-
tingshausen' von Adolf Berger in den Mitteil, des Vereines fQr Ge>
schichte der Deutschen in Böhmen XIII, 105—126, XIV, 67—69.
* Pontes XXIII, 63.
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stein^ Styphtung^ Swarczenpach^ Freudental und die
Höfe ,qTie vnlgariter dacz den hoefen nuncupantnr* (Freudental
Pfarre Waldbnrg, Eibenstein, Stiftung, Schwarzenbach, Vierhof
in der Pfarre Reichental) ,excepto dumtaxat iure nostro feodali,
quo nobiles illius districti ab antiquo progenitoribus nostris et
nobis sunt astricti^^
Von dem Dorfe Wurmbrand in der Pfarre Aigen sagen
1356, 12. März, die Brüder Peter, Jodok, Ulrich und Johann
Yon Rosenberg, daß die Lehenabgaben ihnen und ihren Vor-
fahren bisher zugestanden sind. Sie freien diese ,yilla . . ab
. . onere pheodalibus, quibus per nos nostrosque praedecessores
hactenus possessa fuerunt^'
In Lyebintal (Liebental P£Eurre Reichental) befanden sich
drei Lehengiiter, welchen Peter von Rosenberg 1378, 11. April
die Lehenpflicht zugunsten des Klosters Hohenfurt erließ.'
1393, 9. März, verkaufen Ulrich Schneckenreuter und sein
Sohn Reindel drei von Heinrich von Rosenberg lehenbare Güter
zu Liebental in dem Dorfe Pfarre Reichental und das Holz
zunächst Liebental, 1395, 14. Februar, eben dieselben, Ulrichs
Hausfirau Elsbet und die Geschwister Hans und Katharina ihre
rittennäßigen Lehen von Heinrich von Rosenberg in der Herr-
schaft Freistadt zwei Güter zu Liebental und drei Güter in
der Stiftung Pfarre Rainbach, 1396, 29. Juni, eben dieselben
ein Gut im Dorfe zu Liebental Pfarre Reichental, Lehen
Heinrichs von Rosenberg, an Hansen den Zinespan. 1402,
4. Juli, eignen Heinrich von Rosenberg und dessen Sohn Peter
für geleistete Dienste dem Hans dem Zinespan zwei Güter zu
Liebental im Dorfe, zwei Güter in der Stiftung und ein
ödes Reut in der Pfarre Rainbach, eine Wiese zu Nieder-
Reichental bei der Swenczelmühle und zwei Hölzer, die an
des seligen Harracher Holz Stoffen.^
In der Großen Mühel stand das Fischereirecht, vom
Kloster Schlägl angefangen bis in die Gegend von Schwacker-
rent (Pfiwre St. Oswald) den Witigonen zu und wurde erst
^ Fontes XXm, 67. DieGüter kommen später alle Eor Herrschaft Waidenfels.
' OberOsterreichisohes Urknndenbach VII, 441. Auch Passau hatte dort
Lehenbesits (Pilgrim und Qundakker von Tannberg), a. a. O. 451,
472, 480.
» Fontes XXTH, 176.
* Archiv für (toterr. Qeschichte XXXI, 281, 282, 283, 289.
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170
im Juli 1389 von Johann von Rosenberg dem Kloster über-
lassen.^
Noch im Jahre 1410 waren Güter in Ober- und Nieder-
Schwant und in Reichental von Rosenberg lehenrührig, wie
aus der von Ulrich von Keuschach, Verweser des Landgerichts
Freistadt, 1410, 28. Oktober, erlassenen Ladung an Herrn Hein-
rich von Rosenberg vor das Landtaiding in Pregarten erhellt.*
1494, 7. April, fertigte Peter von Rosenberg einen Lehenbrief
aus auf Michl auf dem Püchl über dessen Lehen auf dem Püchl
zu Zeyß ,in Newnmarckhter pfarr vnd freinstetter Herrschaft
gelegen'; 1537, 19. März, belehnte damit Jobst von Rosenberg
den ,Edl und vesten Joachimb Marchschalch zu Reichenaw'.'
Ob die villa Winthersdorf, welche auf Veranlassung Woks
von Rosenberg von einem nicht genannten Stifter schon 1259*
nach Hohenfurt geschenkt worden ist, die Ortschaft Winters-
dorf in der Pfarre Reichenau ist, muß stark bezweifelt werden;
zum Besitzstande der Rosenberger gehörte sie jedenfalls nicht.
Übersehen wir nun den letzteren, so ergibt sich folgendes
Resultat:
1. Von der Einmündung des Dießenbaches in die Große
Mühel, eine kurze Strecke vor Neuhaus, angefangen bis zum
Einflüsse des KJafferbaches in die Mühel bei Salnau reichte
ununterbrochener Besitz der Witigonen, in der Breite, welche
das Landgericht Haslach einnahm.
2. In der Riedmark (Landgericht Freistadt) lagen un-
mittelbare Güter und Lehen in der Richtung von Freistadt
durch die Pfarren Waldburg und Reichental bis an die jetzige
oberösterreichisch-böhmische Grenze, ein Lehen selbst südlich
von Freistadt.
3. Unmittelbar an diese Güter schloß sich der kompakte
Besitz der Witigonen bis zur Moldau an, sowohl der gemein-
same als auch der Sonderbesitz der beiden Zweige Krummau
und Rosenberg.
Aus den Stiftungsurkunden von Hohenfurt (S. 119 f.) geht
hervor, daß das Gebiet südlich von der Moldau gemeinsames
^ PrOlI, Geschichte von Schlägl, S. 63, aus dem Original.
■ Harracher, Urkunde in Wien. Strnadt, Geschichte der Herrschaft Windeck
und Schwertberg im Archiv für österr. Geschichte XVII, 162.
' Fürstl. Schwarzenberg. Zentralarchiy Krummau II A* Nr. 1 a, Lade 89.
* Fontes XXIH, 4, 11.
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171
Eigentum der beiden Familienzweige von Krummaa und von
Rosenberg war; denn zur Schenkung des Klosterwaldes, ein-
schließlich der Anhöhe, auf welcher das Kloster erbaut wurde,
vom Ziehbache bis zum Waldgipfel von Kapellen mußte von
Wok die Zustimmung der beiden Agnaten Budiwoy und Witigo
von Emmmau eingeholt werden, welche ausdrücklich erklären,
daß ihr Vetter Woko das neue Kloster ,in communi nostra
possessione inchoavit, eam partem silve que nos iure here-
ditario contingebat . . in dedicatione eiusdem ecclesie de-
dimus'.*
Der ganze Landstrich war ako ungeteiltes Stammgut
und muß als solches schon bestanden haben, bevor die Familie
sich teilte, d. h. im Jahre 1194, also zu einer Zeit, in welcher
die Kulturen im Süden der Moldau noch geraume Zeit durch
dichte Wälder von den nördlicher gelegenen Gegenden Böhmens
geschieden wurden. Der Sonderbesitz der beiden Zweige be-
fand sich im Norden und im Osten der Moldau, dort wurde
Krammau, hier Rosenberg gegründet.
War, wie wohl anzunehmen ist, das große zusammen-
hängende Gebiet von der Moldau bis zur Großen Mühel und
bis zur Donaa Stammgut der Witigonen&milie im Jahre 1194,
so kann es füglich nicht erst in diesem Jahre erworben worden
sein, sondern muß es naturgemäß schon längere Zeit früher
dargestellt haben, da der Kolonisierungszug von Süden nach
Norden ging.
Wir gelangen daher zu dem Schlüsse, daß der erste
Witigo ein erbberechtigter Schwertmage der Blankenberger
gewesen ist, daß er dem Geschlechte Schönhering-Blankenberg
angehörte und nach Absterben des zuletzt auf der Blankenburg
seßhaften Astes um 1190/91 in die Besitzrechte desselben ein-
trat. Zum unabweisbaren Schlüsse aber führt folgende Be-
trachtung:
Bis vor einigen Jahren gähnte zwischen dem Absterben
der Blankenberger und der Rückgabe der Lehen Witigos an
der Mühel (1231) eine Lücke von vierzig Jahren, innerhalb
welcher es unmöglich schien, den Übergang der passauischen
Lehen von den Blankenbergem an die Witigonen, sonach die
Kontinuität dieses Lehenbesitzes nachzuweisen. Denn ohne
* Fontes XXHI, ö, 6.
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172
diesen Nachweis war die Möglichkeit, daß die Witigonen die
Lehen ans dritter Hand überkommen haben^ dorchans nicht
ausgeschlossen, sowie der Umstand, daß die Eigengüter der
Blankenberger nicht zum Lande heim&llig wnrden, schon des-
halb für sich allein nicht ausschlaggebend ist, weil das Land
im Norden der Ranschemühel, wo gerade kompaktes Herr-
schaftsgebiet der Blankenberger anzunehmen war, um 1190 und
lange darnach noch zu Bayern zählte und der Bischof von
Passau noch nicht Reichsflirstenrechte erlangt hatte.
Dem Rektor a. D. Heinrich Sperl in Amberg gebührt das
Verdienst, in seiner schon früher bezogenen Abhandlung Tsiehe
S. 165) die Siegellegende an der Worliker Urkunde vom Jahre
1220 richtig gelesen und in dem Witigo von Plankenberg der
Passauer Urkunde vom Jahre 1209 einen Witigonen erkannt
zu haben.
Daß der letztere bisher für einen Ministerialen angesehen
wurde, hat seinen Grund in der schlechten Überlieferung der
Urkunde, datiert Grimarstetin (Gramastetten) 1209, 6. Juli, wo-
mit Bischof Manigold von Passau einen Tausch zwischen dem
Kanoniker Tiemo und dem Ritter Ruedeger Biber bestätigt.'
Der sog. codex trad. pat. sextus aus dem 15. Jahrhunderte
schreibt nämlich die beiden ersten Zeugen Golo de Chuechen-
pach et frater eins heinricus anstatt, wie außer Zweifel steht,
Cholo de Waehssinperch et frater eins heinricus, auf welche
beide Witigo de planchiberc (so der Kodex), Albero gnesse
cum duobus filiis suis alberto et Albero (Gneuße, von welchem
der Sitz Gneußenau bei Kleinzeil benannt wurde), Amoldus de
Haselbach (Haselbach Pfarre Altenfelden), Heinricus de esil-
berch, Rudigerus pincerna, Otto de Munichen, Pabo Chehelrinc,
Engilgerus dispensator, wernherus de winisperch, Rubertus stal
(Ministerial der Schaunberger), Chunradus de hove, Chunradus
Marschalcus de Schoneberch, Heinricus de tobel et gener
eins Fridericus, Hehelo (Hecelo) de bochesrukke et filii sui
Hainricus et dyetmarus (Bocksrucker in Iglbach), Hainricus de
Rotenvelse cum filio suo leutoldo et dyetmarus (Rotenfelser bei
St. Veit), pillungus de planchenwerch (Burgmann auf Blan-
kenberg), Aurwicus (Ainwicus) de vischpach cum filio suo
chunrado (Fischbach bei Rohrbach), Hainricus de sancto udal-
1 Mon. Boic. XXIX b, 280.
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173
rico et frater eius Siboto (St. Ulrich bei Neufelden), Dyetricus
de sancto Johanne cum filio suo chanrado (Ludmanstorferhof
bei St. Johann) folgen. Der anmittelbare Anschluß bekannter
Dienstmannen hat auch den Verfasser im Jahre 1869 ^ bewogen,
in Witigo einen passanischen Lehenmann zn erblicken, während
infolge der richtigen Lesung der Worliker Siegellegende bei
dem Auftreten der bekannten Qriesbach - Blankenbergischen
Mannen kein Zweifel obwalten kann, daß Witigo von Planken-
berg gleich den Griesbachem, die sich gewöhnlich in Gesell-
schaft der Blankenberger befanden, als Hochfreier anzusehen ist.
Die Reproduktion des Siegels Witkos von Perchyc an der
Worliker Urkunde 1220 für Milewsk (Mühlhausen) in den ,Mit-
teilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen'
ist viel zu dunkel ausgefallen, als daß aus dieser alle Buch-
staben der Legende mit Sicherheit abgelesen werden könnten.
Der Verfasser hat durch die Güte des fftrstlich Schwarzen-
bergschen Zentralarchivs-Direktors A. Mörath in die ftlr das
Krummauer Archiv hergestellte Abbildung der Urkunde und
des Siegels, welche in lichtbraunem Tone gehalten ist, Einsicht
erlangt. Das Siegel ist mit Rücksicht auf sein hohes Alter
verhältnismäßig sehr gut erhalten. Mit aller wünschenswerten
Deutlichkeit sind folgende Buchstaben zu erkennen:
.-. WITKOS . DE . PL . N . . . N . . ERC.
Das S nach Witko ist schwächer, das D durchzieht ein
Riß des Siegelwachses, die Buchstaben E und PL sind ganz
deutlich, der Buchstabe an der Spitze des Siegels ist wegen
der am Fuße der Wappenfigur, welche im Schilde die fünf-
blätterige Rose zeigt, befindlichen Erhöhung undeutlich (^f) und
durch letztere nach rechts geschoben, kann aber ein A vor-
stellen. N ist vollständig sicher, darauf folgt ein für drei Buch-
staben ausreichender Raum bis zu dem zweiten, auch teilweise
abgewetzten N, hierauf ein Raum für zwei Buchstaben, von
denen der erste durch den gedachten Wachsriß ganz ver-
schwunden ist, dagegen der zweite, ein E, nur den obersten
Teil eingebtlßt hat, endlich ein R und C. Der Raum fiir drei
Buchstaben ist zu sehr verwischt, um auch nur einen mit
Sicherheit bestimmen zu können.
* Strntdt, Nachtrag zu Peaerbacb im Linzer Museamsbericbt 1869, S. t5,
Anm. 6..
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174
Daß die Umschrift ursprünglich lautete .X- Witkos . de .
Planchinperc kann keinem gegründeten Zweifel unterliegen.
Nun erst i^Ut das richtige Licht auf das erste Auftreten
eines Witigo in Passau. Am 27. Oktober 1194^ beurkundet
daselbst Bischof Wolfker, daß sein Blutsverwandter, der edle
Babo von Ellenbrechtskirchen, auf seinen Todesfall dem Hoch-
stifte alle seine Güter vermacht, er, der Bischof, dagegen ihm
die Burg Struben samt Zugehör, wie selbe Engelbert besessen,
und das Dorf Gergweis verliehen und zum Pfände das Dorf
Alnkoven und den Hof in Straß gesetzt habe. Nach den Sal-
männern Chunrad von Rota, Heinrich von Paumgarten und
Chrafto von Anzinsbach folgt als erster Zeuge Witego de
Boemia, hierauf Albert de Chambe, Wemher von Griesbach
und dessen Sohn Walchun, dann eine weitere Reihe von acht
freien Herren, endlich eine solche von 59 Ministerialen.
Man hat sich bisher vergeblich gefragt, was im Jahre
1194 der edle Witigo von Böhmen am bischöflichen Hofe zu
Passau zu tun gehabt habe. Nachdem seither zwei Blanken-
berger des Namens Witigo: 1209 in Gramastetten, 1220 ohne
Ortsbestimmung gesichert worden sind und wir, der Ver-
zweigung der Witigonen entsprechend, annehmen dürfen, daß
der Witigo de Boemia 1194 mit dem Witigo de planchinberc
1209 und mit dem Witko von Pfcic eine und dieselbe Person
ist, können wir die Frage direkt beantworten.
Sind die Witigonen, wie nun erwiesen, den Blankenbergem
im Genüsse der passauischen Lehen an der Ostseite der Großen
Mühel unmittelbar nachgefolgt und führen von den Eigen der
Blankenberger auch mitunter den Titel von Blankenberg, so
kann nichts anderes den Witigonen nach Passau geführt haben
als die Absicht, die Lehenerneuerung vom Hochstifte zu er-
langen.
Denn nach Lehenrecht wurde bei dem Aussterben des
einen Zweiges einer Familie das Lehen derselben sofort fiir
den ihm zunächststehenden Zweig ledig. Die Tatsache, daß
Witigonen in den Lehen der Blankenberger nachfolgten, zeigt
deutlich, daß sie Agnaten der letzteren waren; wäre dies nicht
der Fall gewesen, so entstünde die kaum zu beantwortende
Frage nach dem Grunde, aus welchem die Bischöfe von Passau
» Mon. Boic. XXVIII b, 261.
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175
Lehen, die sie so eifrig flir ihre Kirche erworben haben^ einem
mächtigen Baron aus einem fremden Lande neu verliehen
haben sollen. Ausnahmen sind streng zu beweisen; wer einen
solchen ungewöbnlichen Fall behauptet^ hat auch die Beweise
für die Ereignung desselben beizubringen.
Der edle Witigo kann demnach in Passau zu keinem
anderen Zwecke sich eingefanden haben als zur Erwirkung
der Lehenemeuerung für die Schwertmagen des alten Stammes.
Es war aber jedenfalls nicht der alte Witigo, weil der-
selbe nach der Marginalanmerkung des Zeitgenossen Gerlach,
Abt von Mtihlhausen,^ im selben Jahre, 1194, gestorben ist und,
wenn er noch über den 27. Oktober hinaus am Leben gewesen
sein sollte, gewiß nicht mehr wird haben daran denken können,
die Reise durch die Grenz wälder nach Passau zu unternehmen.
Der edle Mann Witigo von Böhmen ist demnach der
Sohn des Zupans (comes, castellanus) Witigo, der sich in der
Urkunde des Klosters Waldsassen, zirka 1182,* von Purschitz
nennt, also jener Witigo, Stammvater der nachmaligen Herren
von Rosenberg, welchen Pangerl den ,älteren' nennt.^
Darüber, daß der Name Witigo unbestreitbar ein deutscher
ist, der nur in Böhmen zu Witko verändert und zuletzt gar in
Witek tschechisiert worden ist, brauchen nicht viele Worte
verloren zu werden. Daß der Name Witigo gerade in Nieder-
bayem im 12. Jahrhunderte nicht selten war, dafür sei auf
folgende Belege verwiesen: zirka 1140 Witigo in der Schen-
kung Patos an Formbach, Witigo nobilis homo, der drei Joch in
Welingen nach St. Kikola vergabt, Witigo de Witerun (Wietraun
im Inviertel), c. 1150 Witego miles Richeri de Osternach (im
Inviertel), Witig de Furt (im Inviertel), c. 1170 Witigo de
Tobelheim im Rottale), Witigo de Griezpaeh (im ehemaligen
Fürstentum Passau).*
Von einem Witigo führen den Namen: das Wittichgut
(No. 10 neu, 14 alt) zu Steinbruch nächst Blankenberg und
' Mon. Germ. Script. XVII, 707.
' Erben, Reg. dipl. nee non epUtolaria Bohemiae et Moraviae, 167,
Nr. 374.
' ,Die Witigonen. Ihre Herkunft, ihre ersten Sitze und ihre älteste Genea-
logie.* Archiv fttr österr. Geschichte LI, 500 ff.
* Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 719, 568, 666, 307, 330, 741;
Mon. Boic. V, 120.
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176
das Wittichweberhaus daselbst, das Widersedergut (Wittichsöd)
in Winkel an der Großen Mtihel, das Wittichschlägergut zu
Saumstraß bei Zwetl, das Dorf Wittinghof an der Aist bei Pre-
garten, das Pfarrdorf Wittibreut Amtsgericht Pfarrkirchen, wie
auch schon um 1130 ein Ort im Rottale Witigowingin benannt
wurde.* Witigau heißt heute noch ein Dorf in der Pfarrei
Treubach im Inviertel. Träger des Familiennamens Witig-
schläger und Witibschläger leben heute noch in Leonfelden und
in Linz.
Es fragt sich noch, wie der Zupan Witigo, der sich von
Pfic nennt, nach Böhmen gekommen ist, wenn er aus Nieder-
bayem stammte.
Die Zeitverhältnisse erlauben diese Frage mit hoher Wahr-
scheinlichkeit zu beantworten.
Die böhmische Thronfolgeordnung hatte seit dem Tode
Königs Wratislaw (1092) zu wiederholtenmalen heftige Thron-
Streitigkeiten und das Einschreiten der deutschen Könige als
Lehenherren zur Folge gehabt. Wladislaw 11., der 1140 zum
Herzoge erhoben wurde, mußte sich gegen die Adelsaufstände
völlig auf die Gunst des deutschen Königs stützen, weshalb er
sich auch alsbald mit der Babenbergerin Gertrud, Schwester
Luitpolds des Herzogs von Bayern und Markgrafen von Öster-
reich, vermählte. Der deutsche König Chunrad HI. kam mit
einem Heere dem Halbschwager wider dessen Gegner zu Hilfe
und rückte am 7. Juni 1142 in der Hauptstadt Prag ein. Erst
1146 gelang es dem böhmischen Herrscher, seine Feinde ganz
zu Boden zu werfen, und nahm er nach seiner Erhebung zum
Könige (1156) in den Jahren 1157 und 1158 persönlich teil an
den italienischen Heerfahrten Kaiser Friedrichs.*
Li Böhmen fanden daher in jenen Zeiten mutige Ritter
willige Aufnahme und entsprechenden Lohn. Schon 1142 mag
König Chunrad HI. manche Ritter aus seinem Heere seinem
Schützlinge zurückgelassen haben, noch mehrere werden den
folgenden Thronkämpfen zugeströmt sein. In noch höherem
Maße bedurfte Wladislaw auswärtiger Krieger, als er sich be-
mühte, die Nachfolge seines Sohnes Friedrich durchzusetzen.
Gerade in diesem Zeitpunkte tritt in Böhmen ein Witko auf,
^ Oberösterreichisches Urkundenbach I, 547.
' Palacky, Geschichte von Böhmen I, 416 — 460; Alfons Huber, Geschichte
Österreichs I, 294—304.
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177
der in verschiedenen Stellungen erscheint: 1169 als Truchseß,
1177 Kastellan in Glatz, 1184 Kastellan in Prachin, wohl ein
and dieselbe Person^ schon durch ihren Namen kenntlich. Es
versteht sich von selbst, daß die böhmischen Herzoge ihre
Parteigänger für die geleisteten Dienste zunächst mit Besitz in
kultiviertem Lande bedachten, nicht mit dem Waldlande im
fernen Süden. So sehen wir denn auch Pfic (Bezirk Sedlec,
Kreis Beraun), Kojetein und Stankau bei Mtilhausen (Kreis
Tabor) in der Innehabung Witkos. Die großen Schenkungen
im südlichen herzoglichen Markwalde im Gaue der Doudleby
müssen in späteren Zeiten erfolgt sein, wofür auch der Um-
stand spricht, daß Krummau erst im zweiten Drittel des 13. Jahr-
hunderts auftaucht, zu einer Zeit, in welcher Städtegründungen
,aus grüner Wurzel' im Gange waren und die südliche Wald-
mark ausgenützt wurde, welche bis dahin Böhmen von den
österreichischen und bayrischen Kulturen getrennt hatte. Noch
in der Mitte des 13. Jahrhunderts äste an der Stelle von Unter-
Wuldau (Nahirzowe) das Hochwild. Die Herrschaft Krummau
hatte noch 1259 keinen bedeutenden Umfang, da im Südwesten
Schwarzbach, nach Mugerau gehörig, noch nicht lange dem
Walde entrissen, im Osten der Sonderbesitz des Rosenberger
Zweiges anstieß, der am nördlichen Moldauufer nur eine kurze
Strecke einnahm, welche in geringer Entfernung an den Küh-
berg und an die Dörfer Ober- und Unter-Schönhub, Sonder-
eigentum Witgos (Witigos) von Krummau, anrainte.^ Auch
dieser Umstand spricht ftlr die vormalige Moldaugrenze, wie
denn die deutschen Suffixe der Ortsnamen ,Schlag, Stift, Reut,
Hof, Berg, Dorf, Haid^ keinen Zweifel darüber aufkommen
lassen, daß der Wald am südlichen Moldauufer vom Boden des
oberösterreichischen Mühlkreises aus urbar gemacht und besiedelt
worden ist.*
Nach diesen allseitigen Darlegungen kann es nichts ver-
schlagen, wenn es nicht möglich ist, den edlen Witigo von
* PaDgerl, ,Zawi8ch von Falkenstein* in den Mitteil, des Vereine» für Ge-
schichte der Deutschen in Böhmen X, 160.
* VgL die Karte su Band I von Julias Lipperts ,Sozialgeschichte von
Böhmen bis zu den Hu8sitenkriegen\ Wenn er Witko für einen böhmi-
schen Großen erklärt (I, 258), so darf wohl nur bemerkt werden, daß
ihm kein Österreichisches Forschungsmaterial vorlag und die Frage von
Böhmen ana allein nicht au lOsen war.
IrehiT. XCl?. Band. 13
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178
Purschitz an bestimmter Stelle in den Stammbaum der Schön-
hering-Blankenberger einzufügen ; er mag ein Bruder oder Vetter
Engelberts I. gewesen sein und als jüngerer Sprößling sein
Glück in böhmischen Kriegsdiensten gesucht haben. Gerade
seine bayrische Abkunft wird den österreichischen Herzog
vermocht haben, auch ihm auf den Blankenberger Gütern
Grafenrechte zuzugestehen, was bei den oftmaligen Fehden
zwischen Böhmen und Osterreich einem böhmischen Baron
gegenüber ein grober politischer Fehler gewesen sein würde,
dessen ein Baben berger niemals fkhig gewesen wäre.
Achter Abschnitt.
Die Burg Falkenstein zu allen Zeiten im Besitze hoch-
freier Geschlechter. Adalram von Falkenstein 1140. Eal-
hoch von Falkenstein um 1180. Übergang an die Erumm-
auer Linie der Witigonen; Zawisch von Falkenstein. Die
ersten Stifter von Schlägl nicht Besitzer, sondern Burg-
mannen von Falkenstein. Stammtafel derselben; ihre
beurkundeten Besitzungen. Stiftung von Schlägl, Vogt-
recht der Herrschaft Falkenstein. Rannarigel auf ur-
sprünglich Griesbachschem Boden, Stammbesitz der
Ministerialen von Falkenstein.
Zur Lösung der Frage, wie Falkenstein in die Hände
des Witigonen Zawisch, des Gemahls der Witwe König Ota-
kars, gelangt ist, muß weit in die Vergangenheit, in den Be-
ginn des 12. Jahrhunderts zurückgegriffen werden. Die Ur-
kunden sprechen nicht über bekannte Verhältnisse, dieselben
müssen erst aus ihnen erschlossen werden.
PangerP hat die Vermutung geäußert, daß das Dorf
Schindlau, Erbstück der Berchta von Skalitz, aus dem Gute der
passauischen Ministerialen von Falkenstein herrühre, da selbe
in jenem Dorfe und überhaupt in jener Gegend begütert waren.
Er meint damit ,partem decimae in Schintelaw, quae me iure
hereditario respiciebat', welchen Kaihoch von Falkenstein 1269
als Schadenersatz nach Schlägl gab.^ Allein Zehentberech-
^ a. a. O., ZawiBch, S. 145—186.
' Oberösterreichisches Urkundenbach III, 861.
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179
tignngen standen dem hohen und dem niederen Adel aus ver-
schiedenen Titeln auch auf fremdem Herrschaftsgebiete zu, hier
ist gar nur von einem Teilzehent die Rede.^
Die Vermutung, daß Berchta aus dem Geschlechte der
Falkensteiner stamme, ist vorweg abzuweisen. Berchta kann
diesen Ministerialen nicht entsprossen sein: denn dann wäre
sie üntergenossin ihres Ehegatten gewesen, die Kinder aus
ihrer Ehe wären der ärgeren Hand gefolgt,* hätten also dem
Stande der Ministerialen angehören müssen. Nun war aber
dem nicht so, im Gegenteile zählten Zawisch und seine Brüder
zu dem böhmischen Hochadel, zu den Baronen.
Daß die Herrschaft Falkenstein niemals im Besitze der
passauischen Falkensteiner, Schindlau aber ursprünglicher Be-
standteil der Herrschaft Falkenstein war, wird im weiteren
Verlaufe dargetan werden.
Zawisch, der Sohn Budiwoys von Krummau und seiner
Hausfrau Berchta, war im Jahre 1272 im tatsächlichen Besitze
der Burg Falkenstein an der Ranna. Am 27. Juli desselben
Jahres ^ zu Velden unterwarf er sich bezüglich seiner Schaden-
ersatzansprüche an Bischof Peter von Passau einem Schieds-
gerichte, welches 14 Tage später im Markte Velden zusammen-
treten sollte; wären er oder der Bischof aus ehafter Not nicht im
Lande^ so soUte ein Ritter des verhinderten Streitteiles die Ab-
wesenheit seines Herrn mit einem Eide bekräftigen, der Ritter
Zawisch' vor dem Passauer Kapitel, der Ritter des Bischofs
aber in ,valchenstain^
Der Witigone nennt sich in der Urkunde Zawisius de
Valchenstain und behielt dieses Prädikat bis an sein Lebens-
ende (1290) bei; in dem Siegel, das noch an der Urkunde
hängt, führt er einen Falken, welchem in der rechten oberen
Ecke die Rose, der Stilisierung des Vogels entsprechend in
länglichte Blätter geteilt, beigefügt ist. Der Falke steht auf
dreispitzigem Hügel und hat, wie im Wappen der Grafen
von Falkenstein am In, geschlossenes Gefieder.*
^ Der Zehentbestand aus Erbrecht bestätigt die Annahme, daß Schindlau
schon lange Zeit vorher bestand.
* Sachsenspiegel I, 16, § 2.
* Mon. Boic. XXTX b, 503. Original im k. allgem. Reiohsarchiv in München.
* Abbildung in der Monographie Pangerls.
13*
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180
Jener Zabissins Castellanus de ValchenBtain, welcher als
letzter Zeuge in dem Reverse König Otakars 1274, 11. De-
zember/ dem Bischöfe Peter von Passau die für die Verleihung
der Kirchenlehen vereinbarten 1500 Mark Silber in bestimmten
Fristen zu berichtigen, auftritt, ist nichts anderes als der Burg-
graf des Witigonen, nicht der letztere selbst; denn die drei
diesem Zawisch vorangehenden Zeugen Pilgrim von Tannen-
berg, Siboto von Lonstorf und Chunrad von Hartheim sind
passauische Ministerialen, welchen der böhmische Baron, wäre
er unter dem castellanus verstanden, unbedingt vorangehen
müßte.«
Zu dem Wappentier zurückkehrend, mag bemerkt sein,
daß der Gemahl der Frau Berchta, Budiwoy, schon 1259, 1. Juni,
in den Ecken seines Siegels je einen Vogel aufgenommen hat,
von denen jener rechts oben noch die meiste Ähnlichkeit (ge-
bogenen Schnabel) mit dem Vogel Zawisch' hat, während die
beiden anderen Sumpfvögeln ähneln. Den Vogel unten sieht
Pangerl* für einen Schwan an. Möglicherweise sind die Miß-
gestalten der Vögel überhaupt nur dem Ungeschick des Siegel-
stechers zuzuschreiben. Der Umstand scheint aber gesichert
zu sein, daß die vormaligen Eigentümer von Falkenstein den
Falken mit geschlossenem Gefieder im Wappen geführt haben.
Die Ministerialen, welche sich von Falkenstein nannten,
führten dagegen einen Falken mit zum Fluge ausgebreiteten
Flügeln im Wappen; in dem ältesten Siegel an der Urkunde
1268, 3. Mai,* steht dieser Falke auf einem von runden
Steinen gebildeten Hügel, der sich dann nachmals in einen
dreispitzigen verwandelt hat. Diese unfreien Falkensteiner
werden im 12. Jahrhunderte von ihrem ersten Erscheinen im
Jahre 1163 an nur ganz allgemein als Ministerialen bezeichnet
und begegnen uns in Urkunden der verschiedensten Herren,
während die Tannberger, Wesner, Marsbacher, Haichenbacher
ständig in Passauer Urkunden auftreten. In der Abmachung
^ Mon. Boio. XXIX b, 516.
' Daß der Tanfname Zawisch auch jenseits der Donau gebräuchlich war,
zeigt die Benennung des Hofes Zawischeugut bei Pregarten.
' Im Urkundenbach von Hohenfurt, Fontes XXin6. Die Abbildung des
Siegels verdankt der Verfasser der Güte des Herrn Professors Dr. Valentin
Schmidt, der auch sonstige AufklKrangen gegeben hat.
* Im k. allgem. Reichsarchiv in München.
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181
Bischofs Wolfker mit Babo von Ellenbrechtskirchen vermissen
wir unter den 59 Ministerialen den Kaihoch von Falkenstein,
während seine Nachbarn Richker von Wesen, Friedrich von
Wesenberg, Heinrich von Marsbach in erster Reihe stehen.
Ausdrücklich als Ministerial der Kirche Passan bekennt sich
der Stifter von Schlägl erst im Jahre 1218, obwohl er und
vielleicht auch seine Vorfahren schon früher Lehen von Passan
innehatten, da seit der Mitte des 12. Jahrhunderts Ministerialen
nicht bloß Dienstlehen von ihren Herren, sondern auch rechte
Lehen von anderen Herren empfangen konnten. Das zweite
Mal wurde das KUoster Schlägl in kultivierter Gegend im Witi-
gonengebiete gegründet, welche Tatsache vermuten läßt, daß
schon damals die Witigonen beigetragen haben dürften, weil —
wie gezeigt * werden wird — die Mittel der Falkensteiner noch
sehr unzureichende waren.
Der umstand, daß des Stifters Sohn es unternehmen
konnte, gegen den Willen des Hochstiftes auf einigen Gütern
desselben^ die Gerichtsbarkeit auszuüben,* führt zu der wei-
teren Vermutung, daß Chunrad um das Jahr 1221 wahrschein-
lich noch Burgvogt auf Falkenstein gewesen sein wird. Erst
gegen 1240 dürfte er den Burgsitz auf Falkenstein verloren
haben und trat dann zu Weihnachten 1240 in ein bindendes
Verhältnis zu Passau. Er hatte damals noch keine Burg, weil
in dem Reverse 1240, 25. Dezember,* der vom Bischof Rudiger
zu seinen Räten erwählten Ministerialen Hadmar von Wesen,
Chunrad von Valchenstein, Ortolf von Waldeck und Pilgrim
von Tannberg ausdrücklich unterschieden wird zwischen denen,
die eigene Burgen haben, und denen ,qui non habent castra',
der erste und die zwei letzten zu Wesen, Einburg und Waldeck,
und zu Tannberg angesessen waren, demnach nur der Falken-
steiner als burgenlos gedeutet werden kann. Von dieser Zeit
' Darunter Hamet und Niederndorf, in welchen Orten noch im Jahre 1474
sich von Österreich, d. i. von der Herrschaft Falkenstein lehenbare Güter
befanden. Siehe Chmel, Mon. Habsburg HI, 702. Meister Siegmund
(1504 Pfarrer zu Altenfelden) und Qeorg Qebr. die Herleinsperger senden
dem Kaiser Friedrich lehenbare Güter zu Nydemdorf und Hämad, Pf.
Griesbach im Landgerichte St. Georgenberg ob Passau zugunsten ihres
Vetters Ulrich des Herleinsperger auf.
» Vgl. vorne S. 146.
' Mon. Boic. XXIX b, 865.
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182
an waren die Falkensteiner ausschließend hochstiftische Dienst-
lente, weshalb nunmehr auch an Chunrad ein Teil der Gries-
bachschen Güter zu Lehen verliehen und die Erlaubnis erteilt
worden sein wird, auf dem Plateau ober der Rannamündung
im Angesichte der Feste Falkenstein zum Schirme für den all-
seitig befehdeten Bischof Rudeger einen Wehrbau, den Turm
aufzurichten , welcher nach seiner Anlage auf dem Riedel
,RannarigeP genannt wurde. Am 8. November 1268^ versetzte
Chalhoh von Valchenstein als Unterpfand seiner Treue dem
Bischof Peter auf drei Jahre von kommenden Pfingsten (1269)
an gerechnet seinen Turm in Rannarigel (turrim meam in
Raennarigel), welchen der Bischof mit Wächtern aus seinen
Leuten (de familia ecclesie) besetzen kann, und verpflichtete
sich, dem Hochstifte oder den Nachbarn weder selbst, noch
durch seine Leute Schaden zuzufligen, jeden Schaden aber
binnen Monatsfrist gutzumachen. Der späte Anschluß an den hoch-
stiftischen Ministerialverband erklärt auch, weshalb die Falken-
steiner kein passauisches Hofamt bekleideten, während die von
Wesen das Schenken-, die von Haichenbach das Marschalken- und
die Tannberger das Truchsessenamt verwalteten. Erst nim treten
die Falkensteiner mehr in den Vordergrund, nachdem sie vorher
in den Zeugenreihen eine ziemlich bescheidene Stelle ein-
genommen hatten.
Im Jahre 1281 war der Turm Rannarigel zur stattlichen
Burg ausgebaut, um in dem Jahre 1357 von den uneinigen
Brüdern an das Hochstift veräußert zu werden.* Aus dem
Vergleiche der Brüder Ealhoch und Heinrich von Falkenstein
mit Ulrich von Hauzenberg 1258, 29. Jänner,* ist zu schließen,
daß Rannarigel schon vor diesem Jahre gestanden ist, weil die
Lehen in Razing (östlich von Waldkirchen in der Abtei) nach
den Verzeichnissen 1488 und dem Urbar 1510 zur Herrschaft
Rannarigel gehörten und eben diese den Falkensteinem, Reh-
berg (Rehweinsperg, nordwestlich von Fürholz), dem Hauzen-
berger zugefallen waren.
Zum Beweise, daß von Heinrich von Falkenstein nicht
Falkenstein, sondern Rannarigel bedingungsweise dem Hochstifte
^ a. a. O. 482 bloßes Regest, hier aus dem Originale im k. allgem. Reichs-
archiv in München.
* Stmadt, Velden im Linzer Mnsenmsberichte 1860, 8. 164, 206—208.
» Mon. Boic. XXIXb, 114.
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183
vermacht worden ist, folgt hier der Inhalt der im k. allgemei-
nen Reichsarchive zu München aufbewahrten Originalurkunde,
ddo. 3. August 1345 (,an sant Stephanstag als er fanden wart^:
Heinrich von Falkenstein bestimmt, daß nach seinem Tode
sich seiner ,Vest ze Rannarigel, die mein rechtes Lehen
ist von meinem genedigen hem Bischof Gotfrid zu pazzau
und von seinem gozhaus' der Bischof unterwinden und seinen
Töchtern Agnes und Dorothe jeder 400 Pfund Pfennige, sowie
seine Hausfrau ,vron Annen' 200 Pfand, wovon sie über 100
frei verfiigen kann, 100 aber nach ihrem Ableben seinen Brü-
dern Chalhoch, Ulrich und Hang zu hinterlassen hat, aus-
richten soll. Den Brüdern, die jajmer Insigel nicht enhaben',
steht die Wiederlösung der Feste um 1000 Pfand Pfennige offen.
Nachstehend die urkundlichen Angaben über den Besitz
der Falkensteiner im Mühellande.
I. 1236. Bischof Rudiger von Passau übergibt das Kloster
Slage dem 'Propst Orthold von Osterhofen und
bestätigt, daß Chunrad von Valchenstein die Stif-
tung seines Vaters Chalhoh erneuert, dem Vogt-
rechte entsagt und ,partem decimationis, quam in
illis locis habuit' fUr das Kloster übergeben habe.*
Wohl in Kazling. (Siehe S. 185.)
11. 1258, 29. Jänner. Lehen in Razing in der Abtei, siehe
vorstehend S. 182.
in. 1259, 23. Jänner. Bischof Otto verpfändet seinem Ge-
treuen Heinrich von Valchenstein für das Heirats-
gut seiner Nichte Adelheid von Radeck zwei Höfe,
zur Hofinark Ebelsberg gehörig.*
rV. 1268, 3. Mai. Chalhoch von Falkenstein verpftlndet seinen
Turm Rannarigel an Bischof Peter. Siehe vor-
stehend S. 182.
V. 1269, 13. Jänner. Chalhoch von Valchenstein übergibt als
Schadenersatz dem Kloster Schlägl ,omnia predia
mea in Strazze, que mihi iure hereditario con-
petebant'.' Straß Pfarre St. Peter am Windberg.
* Oberöeterreichisches Urkundenbach m, 44. Hier nach dem Vidimus
1306, 1. März im Hofkammerarchiv, Fasz. F 1.
' Mon. Boic. XXIX b, 180.
' OberOflterreichiBches Urkunden buch HI, 860.
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186
wieder an Herzog Albrecht verkaufte. Die Brüder Friedrich
UDd Chunrad hatten sich schon anfangs des 14. Jahrhunderts
in bayrische Dienste begeben, Friedrichs Enkel war Peter
Pfleger zu Schärding, der noch vor Heinrich dem Letzten des
Stammes mit Tod abging. Der Lehenbrief der Herzoge Otto
und Albrecht über das Gericht zu Falkenstein, welchen Wis-
grilP anführt, konnte weder im Hofkammer- noch im k. k.
Haus-, Hof- und Staatsarchiv, auch nicht unter den Regesten
Birks aufgefunden werden, es ist wohl ein unrichtiges Zitat;
auf die Falkensteiner kann er nicht lauten, weil die Herrschaft,
längst landesfürstliches Eigentum, im selben Jahre pfandweise
an Eberhard von Wallsee übergegangen ist.
Es ist somit wohl zur Gewißheit erhoben, daß die Familie
der Stifter von Schlägl niemals Falkeu stein besessen, vielmehr
Rannarigel ihren Stammsitz und auch einzigen Schloßbesitz
gebildet hat.
Die von dem Verfasser in den Linzer Museumsberichten *
gelieferte Stammreihe dieser Falkensteiner, seither ergänzt und
berichtigt, stellt sich wie auf S. 187 ersichtlich dar.
Das früheste Vorkommen der unfreien Falkensteiner fUUt
nicht vor das Jahr 1163;* der erste Vertreter, Kaihoch, kommt
weiter vor 1173, 1177, zirka 1180, zirka 1188.^ Um 1188
treffen wir einen Wernherus de valchensteine, dann wieder
1204, 29. Juli;^ wie sein Vorgänger wird auch er Burgsasse
auf dem Falkenstein gewesen sein und von diesem die Be-
zeichnung erhalten haben. Der Stifter von Kloster Schlägl,
wieder ein Kaihoch, kann nicht leicht mit dem ersten identifi-
ziert werden, wenn anders sein Grabstein, der erst aus dem
15. Jahrhunderte herrührt,^ die Wahrheit sagt, daß er im Jahre
1238 das Zeitliche verlassen hat; denn dann müßte er nahezu
hundert Jahre alt geworden sein. Ob der passauische Dom-
herr Chalhohus de Valchensteine in den Jahren 1198 — 1222^
' Schauplatz des niederOsterreichischen Adels III, 18.
« 1860 S. 112 und 1868 S. 360.
' Oberösterreicbisches Urkundenbuch II, 324.
* Mon. Boic. XII, 350; XXVIIIb, 98, 252; OberOsterreichisches Urkunden-
buch I, 509, 586; II, 413.
* Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 687; 11, 496.
« Pröll, Geschichte von Schlägl, S. 25, Anm. 3.
^ Linzer Museumsbericht 1899, S. 49; Mon. Boic. VI, 362; OberOsterrei-
chisches Urkundenbuch II, 496, 524, 592, 603, 611, 619, 635.
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188
mit den letzteren verwandt, allenfalls der Bruder des 1198,
30. Juni vorkommenden Chunrad von Valchenstein, dieser letz-
tere aber sein Vater gewesen, läßt sich nicht entscheiden; aller-
dings sind die Namen Kaihoch und Chunrad in der Familie
erblich und hieß auch der Sohn des Klosterstifters Chunrad.
Kaihoch von Falkenstein, den wir den zweiten nennen,
gründete nach dem zweiten Stiftbriefe ^ noch unter Bischof
Wolfker, daher längstens im Jahre 1204, an dem Orte, der
Slage genannt wurde, ein geringies Kloster (Coenobium exile),
das er den Zisterziensern zu Langheim Diözese Bamberg über-
gab. Nachdem sie innerhalb 7^/, Jahren einen Abt und einen
Mönch durch Hunger und Kälte eingebüßt hatten, verließen
sie die unwirtliche Einöde (locum solitarium) und waren nicht
mehr zur Rückkehr zu bewegen. Aus dieser Schilderung geht
zweifellos hervor, daß die erste Stiftung nicht, wie die soge-
nannte Tradition aus späterer Zeit haben will, an der Stelle
der Kirche Maria Anger in der schon längere Zeit kultivierten
Ebene an der Großen Mühel stattfand, sondern in einer abseits
gelegenen Neurodung im Walde. Erst die zweite Stiftung er-
folgte an dem wohnlicheren Orte, auf dem sich noch das Kloster
befindet; daß die eine oder die andere Stelle Kirchenlehen von
Passau gewesen sei, künden die Urkunden nicht. Die Neu-
gründung wurde dem Prämonstratenserstifte Milewsk, das die
Witigonen zu Nachbarn hatte, übergeben; auf dieses lautet
auch der Verzicht des Klosters Langheim.* Und das hat in
unserem Falle eine besondere Bedeutung. Das Kloster Schlägt
wurde, wie die weitere Folge lehren wird, im ursprünglichen
Umfange der Herrschaft Falkenstein an den Markungen der
Witigonen erbaut, und schon in der Widmung zeigt sich der
Einfluß der Herren von der roten Rose auf den Stifter. Erst
im Jahre 1236^ focht Bischof Rudiger diese Übergabe an und
überwies Schlägl dem Propste Orthold von Osterhofen (dilecto
> OberOsterreichisches Urkandenbach II, 597. Der erste findet sich nicht
anter den Urkunden des Klosters Langheim im k. allgem. Reichsarchiv
München und ebenso wenig unter jenen des Klosters Mühlhausen im
Stifte Strahow zu Prag.
* Oberösterreichisches Urkundenbuch II, 696. Die von Pröll, a. a. O. 28,
Anm. 1 hervorgehobene Rasur hat keine Bedeutung, da sie nicht das
verlorene Original oder das Kopialbuch betrifft.
' Der Druck im Oberösterreichischen Urkundenbuch III, 44 hat den
Namen Orthold nicht.
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189
in Christo fratii nostro Ortholdo Preposito in Osterhouen).
Wenn die ^Tradition' den ersten Propst von Schlägl Orthold
nennt, so steht sie im Widerspruche mit der Bulle des Papstes
Honorius HI. 1221, 2. April/ welche den Rektor des Klosters
der heiligen Maria in Slag mit dem Anfangsbuchstaben G. be-
zeichnet. Es zeigt sich hier wiederum, daß die Vorsteherlisten
in den späteren Zeiten ohne Gründlichkeit und häufig will-
kOrlich zusammengestellt wurden.* Osterhofen war auch schwer-
lich in der Lage, die Rolle eines Mutterklosters zu spielen,
denn das Kloster befand sich schon im Jahre 1240 keineswegs
in guter Verfassung, wie die vielfachen Resignationen und
Absetzungen der dortigen Pröpste im 13. Jahrhundert' mit
Orund schließen lassen.
Die im Schlägler Kopialbuche von 1593 enthaltene Nach-
richt, daß Herzog Friedrich 11. von Österreich im Jahre 1242
dem Erlöster erlaubt habe, ,ain ort des walds außreiten und
auf 21 lehen wait ein dorf anfangen zu lassen',* ist, wie der
Verfitöser bereits in den Mitteil, des Inst, für österr. Geschichtsf.
bemerkte,^ nichts anderes als eine Erfindung des Schlägler
Chronisten, welcher die ganz ähnliche Bewilligung Herzog Ottos
1325, 28. Februar® ins 13. Jahrhundert zurttcktibertrug; um
auch ffSiY die Entstehung von Aigen ein Datum zu haben, das
sich im Archive nicht vorfand. Die Nachricht, die genug Ver-
wirrung angerichtet hat, beweist die gänzliche Unkenntnis der
staatsrechtlichen Verhältnisse auf Seiten des Annalisten, da zur
gedachten Zeit die Gegend um Schlägl noch zu Bayern zählte
und erst seit 1290 die österreichischen Herzoge sich als Landes-
fllrsten und Vögte des Klosters zu benehmen anfingen. Außer-
dem hätte Schlägl noch gar nichts zu roden gehabt; denn bis
1264 gehörte die ganze Umgebung noch den Witigonen, welche
sich als die eigentlichen Stifter und Förderer des kümmerlich
dotierten Klösterchens bewiesen, indem dieselben vor 1258 die
P&rre Kirchschlag (Lichten werd) in Böhmen und 1264 die
große Dorfgemarkung Schindlau dem Erlöster überließen.
^ OberOfiterreichisches Urknndenbüch n, 629.
' Die Äbtereihe von Mondsee im früheren Mittelalter ist nach den Be-
weisen Konrad Meindls großenteils erfunden.
' Mon. Boic. XU, 826.
* Pröll, a. a. O. 26, Anm. 1. » a. a. O. XXIV, 648.
• OberOsterreichisches Urknndenbach V, 414.
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190
Schlägl würde daher mit größerem Rechte den Falken
mit geschlossenem Gefieder oder die fünfblätterige Rose im
Wappen führen; ganz nnhistorisch aber ist das moderne. Denn
der Falke der Rannarigler Falkensteiner steht in allen noch
vorhandenen Siegeln nicht auf drei Würfeln, sondern auf einem
Hügel; die drei fünfblätterigen Rosen sind unscheinbar und
gleichen Rosetten. Die beiden Holzschlägel endlich zeigen, daß
im 15. Jahrhundert, als die Stiftungssage aufkam, der Ausdruck
Slage oder Slaglein = Waldöffhung durch Rodung gar nicht
mehr verstanden wurde; sie gehen auf eine Reimerei statt auf
eine wirkliche Tatsache zurück. Das Mittelalter kennt dieses
Wappen nicht; in den Jahren 1343, 1466* zeigt das Kloster-
siegel Maria mit dem Jesukinde.
An die Schenkung von Schindlau knüpft sich fttr Schlägl
eine Verpflichtung, welche einen sicheren Rückschluß gestattet.
Bei der Bereitung der kaiserlichen Pfandherrschaften in
Oberösterreich im Jahre 1570 fand sich in einem älteren Ur-
bare von Falkenstein aus der Zeit zwischen 1520 und 1530 in
der Rubrik ,Geistliche Vogteien' folgender Eintrag:
,Da8 Gotßhaus zum Schlägl ist der Herrschaft Valgken-
stain mit der Vogt Obrigkait underworfen, wie dann gemelts
Gotshauß Jarlichen zu Vogtrecht 48 Mezen Habern, 2 Kelber
und 2 Kiz raicht^, was auch in das ,New Vrbar der Herr-
schafft Valckhenstein ob der Enns^ vom Jahre 1570* überging.
Die Verwalter des Gotteshauses Schlägl (nach Abgang
des Propstes Paul Marchesini) berichteten über Auftrag der
kaiserl. Kommissarien 1578, 13. Jänner,^ daß wenigstens seit
Menschengedenken die Entrichtung eines Possessionsgeldes nicht
üblich gewesen sei, und Propst Wenzeslaus Zypser stellte 1603,
10. Oktober* überhaupt in Abrede, daß der Herrschaft FaJken-
stein ein Vogteirecht zustehe, indem nur der allerhöchste Lan-
desflirst Vogt des Klosters sei, die 48 Metzen Vogthaber würden
durch des Gotteshauses Untertanen vom Dorfe Schindlau und
nicht vom Gotteshause gereicht. Die Kälber und Blitze erklärte
Wenzel als eine Leistung für einen — nicht genannten — ver-
wechselten Dienst, wie auch zur Herrschaft Rannarigel 2 Kälber
und 2 Kitze gereicht würden, so auch eine Königsteuer von
1 Fontes XXm, 87, 314.
* Kodex Nr. 4 der Urbare, Bl. 180 im Hofkammerarchiv.
8 Faszikel F 1 daselbst. * Ebenda.
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191
ScUägl aiis nach Pürnstein entrichtet werde, außerdem habe
ja laut Briefes des Bischofs Rudiger im Jahre 1236 Chunrad
von Falkenstein jeder Vogtei entsagt.
Propst Wenzel, der eifrige Verfechter der Rechte und
Ansprüche seines Hauses, hat hier Richtiges und Falsches,
Passendes und unpassendes durcheinander geworfen; zu letz-
terem gehört die Anftihrung der Königsteuer, die aus einem
ganz anderen Titel zu entrichten war (siehe Abschnitt XIV);
zu dem Unwahren sicherlich die Behauptung, daß die Kälber
und Kitze eine Leistung flir einen verwechselten Dienst waren.
Denn wir sehen aus dem Berichte des Propstes Matthias
Schueman 1578, 12. Juli^ und aus dem demselben beigelegten
Auszuge aus dem Urbar des Gotteshauses Schlägl vom Jahre
1482 ,das bey etlichen deß Gottshaus unterthanen der kiz
Phening geraicht und geben, wellicher sich auf 11 ß 23 ^S ver-
laufen thuet, von wellichen Dienst Phening oder gelt nit allain
zu der Herrschaft Rännariedl, sondern auch der Herrschaft
Valckenstain zway kelber vnd zway khiz vor Jam darumben
erkauft worden, und das die ybermaß dem Ambtman ver-
bUben'. Es war daher dieser Dienst eine Rekognition flir ur-
sprüngliches Vogtrecht, weil er als solches nicht bloß im Urbar
von Falkenstein, sondern auch in jenem von Rannarigel vom
Jahre 1581* eingetragen war. Was die 48 Hetzen Hafer an-
belangt, so hat das Kloster dieselben auf die Dorfgenossen in
Schindlau umgelegt; sie waren um so sicherer ein Vogtrecht
aus der Schenkung vom Jahre 1264, weil der Hafer bis zum
Jahre 1849 nach Altenhof, dem Sitze der Herrschaft Falken-
stein, geleistet wurde und das Kloster die Vogthaferlieferung
dahin bei Anlegung der alten Grundbücher 1793/94 zu seinen
Gunsten bei den Häusern der- Untertanen grundbücherlich
sicherstellte.*
Aus dieser Tatsache ergibt sich der unabweisliche Schluß,
daß zur Zeit der Vergabung von Schindlau an Schlägl (1264)
^ Faszikel R 2 im Hofkammerarchiv.
* Original im k. allgem. Reicbsarchiv München, vidim. Abschrift im Ober-
Österreichischen Landesarchive in Linz.
' So ist z. B. im alten Qmndbache Schlägl bei dem Hause Nr. 12 im
Markte Aigen bei der Rubrik: ,an Naturalrobot' einverleibt: ,die Vogt-
haferlieferang nach Altenhof ist mit den übrigen ganzen und halben
Burgrechtsgründenbesitzem jedes vierte Jahr zu leisten.*
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192
diese Dorfgemarkung ein Bestandteil der Herrschaft Falken-
stein und Berchta von Eromman-Skalitz Inhaberin derselben
gewesen ist; es erklärt sich nun auch der ausdrtlckliche Vor-
behalt der Blutsgerichtsbarkeit auf diesen Grundstücken von
Seite der Geschenkgeber.
Aus den aktenmäßigen Tatsachen erhellt weiters, daß der
Propst von Schlägl mit der Ablehnung der Vogteiherrlichkeit
von Falkenstein im Irrtum war. Wenn Chunrad der Falken-
steiner auch auf das Vogteirecht verzichtet hatte, so hatte dieser
Verzicht nur für ihn und seine Nachkommen, nicht aber ftlr die
Eigentümer von Falkenstein Geltung, da diese Herrschaft den
Stiftern von Schlägl niemals gehört hatte. Aber die Tatsache, daß
einmal die Witigonen, die so reichliche Zustiftungen gemacht
hatten und aus diesen Vogteirechte beanspruchen konnten, Fal-
kenstein besessen haben, war damals dem Gedächtnisse jenes
Zeitalters völlig entschwunden, da die Herrschaft seit mehr als
300 Jahren in den Händen der österreichischen Landesfürsten
war. Doch hatte Falkenstein noch im 15. Jahrhundert Rechte
einer Vogtherrschaft von Schlägl wirklich geübt, da die Kloster-
holden ihre Güter im Vogttaiding des Pflegers von Falkenstein
zu veräußern hatten.^
Wiederholt wurde erwähnt, daß die Falkensteiner, die
bisher nur als Ministerialen des Hochstiftes Passau bekannt
waren, sich ursprünglich im Dienste der freien Herrschaft Fal-
kenstein befunden haben. Diese Aufstellung wird nunmehr
unter Beweis gestellt.
Um das Jahr 1185 bezeugt die Übergabe einer Hörigen
durch Udalrich von Polheim an das Kloster St. Nikola ,Chadel-
hous judex de valchenstein^^ Daß derselbe nach Falkenstein
an der Ranna gehört, wird durch die Anwesenheit des nach-
folgenden Zeugen Albrant von Fischbach (bei Rohrbach) außer
Zweifel gesetzt. Er ist dann identisch mit jenem Chadelhous
iudex (ohne weiteren Beisatz), welcher in Gesellschaft von
Richer und Wemhard von Wesen, Udalrich von Nordembach
^ Kaufbrief am das halbe Lehen in Kandleinschlag 1471 unter dem Siegel
des Propstes und des Falkensteiner Pflegers Simon Oberhaimer und
unter der Zeugenschaft des Wolfgang Auckhentaller Diener des Vogtes
und Anwalt des Taiding. Pröll, a. a. O. 50, Anm. 4.
^ Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 581.
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193
(Strnben), Friedrich von Schönpichl und Heinrich Farrire* die
Tradition des Gutes Hartheim um 1188 bestätigt.*
Der bayrische judex des 12. Jahrhunderts ist der Richter
des Inhabers der Grafschaftsrechte. War Kaihoch Richter von
Falkenstein, so muß damals an der Burg Falkenstein Grafen-
gewalt gehaftet haben, deren Inhaber selbstverständlich eine
von Kaihoch verschiedene Persönlichkeit war. Wie es gekommen
ist, daß in jenem Zeiträume der Herr auf Falkenstein mit gräf-
licher Gerichtsbarkeit ausgestattet wurde, ob durch königliche
Verleihung, durch Teilung oder im Erbgange, ist uns ver-
borgen; aber die Tatsache ist dargetan und mit ihr muß bei
der weiteren Forschung gerechnet werden.
Daran, daß der Herzog von Bayern die Grafschaft inne-
gehabt und den besagten Richter bestellt hätte, ist wohl nicht
zu denken, da nach dem Wortlaute der Urkunden erst Herzog
Otto, der am 16. September 1180 mit Bayern belehnt wurde, die
Grafschaft im Rzgau vom Reiche erhielt, außerdem die Vereini-
gung mehrerer Grafschaften in einer Hand noch ausgeschlossen
war, daher er die Grafschaft doch wieder hätte in dritte Hand
leihen müssen. Erst nachdem Ludwig das Komitat im Ilzgau statt
vom Reiche von der Kirche Passau zu Lehen trug d. i. seit 1217,
mag er dieselbe an den Grafen Bemger von Leonberg weiter
geliehen haben, weshalb er wohl auch 1220 dem Hochstifte
gegen die Ansprüche Bemgers Gewähr zu leisten versprach.*
Es handelt sich demnach darum, ausfindig zu machen,
wer damals und späterhin Falkenstein besessen hat und Inhaber
der gräflichen Rechte gewesen ist; selbstverständlich können
die Besitzer nur hochfreien Geschlechtem angehört haben. Bei
der Suche müssen wir uns notgedrungen auf die Bahn der
Vermutungen begeben und diese selbst aus den bekannten Ver-
hältnissen ableiten, da die Urkunden bis in die zweite Hälfte
' Derselbe, dessen EigenrnftchÜgkeiten gegen das Kloster Formbach bei
der Maut in Aschach 1196 Wernhard von Schaunberg abstellte. Ober-
(Ssterreichisches Urkandenbach II, 466. Er war eine untergeordnete Per-
son, wahrscheinlich Mautner zu Aschach, Dienstmann von Julbach. StUlz
(Die Herren und Grafen von Schaunberg) hielt ihn unrichtigerweise
für Heinrich von Julbach-Schaunberg und schloß aus dem Namen auf
ein unstetes Leben des Schaunbergers.
* OberOeterreiehisches Urkundenbuch I, 591.
* Vgl. Strnadt, Velden, 8. 124, 167.
ArduT. XCIT. Band. 14
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194
des 13. Jahrhunderts über unser Falkenstein hartnäckiges Still-
schweigen beobachten.
Wir finden nun zuerst, daß 1140, 21. Oktober zu Wels*
bezeugen die Erhebung der Kirche Martinsberg zur Pfarrkirche
Otacher marchio de Styre, Dietrich comes de Vichtenstain,
Adalram de Valchenstain, Albwin de Stein, Cholo de Wil-
lehering, Dietrich de Halsen, alle Hochfreie.
Adalram gehört, wie man sich leicht aus den Urkunden-
sammlungen überzeugen kann, weder nach Falkenstein in
Niederösterreich,* noch nach Falkenstein am In in Ober-
bayem, da weder bei der einen noch bei der andern Burg
dieser Taufname vorkommt, noch nach Falkenstein im Nord-
gau, welche Feste dem Hochstifte Regensburg zustand und
gerade damals ein Kirchenlehen des Domvogtes Friedrich (von
Bogen) war.*
Einen recht deutlichen Fingerzeig gibt uns dagegen die
bereits (S. 99) erwähnte Seckauer notitia zirka 1130, wornach
der Edle Rudolf von Perge mit^seiner Gattin Richinza ,omnia
predia sua inWindiberge sita, culta et inculta et quod vulgo
ibi nuncupatnr Waldmarch, incipiens ab Engilpoltesdorf . . .
usque ad Pehaim geschait, duas eciam vineas Ascah et tres
Bosenpach cum suis attinenciis^ mit Zustimmung der Söhne
Albert und Adalram ihrer Tochter Richinza und deren Gemahl
Adalram von Waldekk übergeben. Letzterer war durch
diese Schenkung vom Donauufer bis nach Böhmen hin begütert
geworden, woraus allein sich schon schließen ließe, daß er der
Adalram von Falkenstein der Kremsmünsterer Urkunde ist.
Diese Deutung wird aber noch bekräftigt durch den
weiteren Umstand, daß einen Gütertausch zwischen den Brüdern
Adalram und Adalbert von Berge, also den Schwägern Adalrams
von Waldeck, und der Propstei Berchtesgaden innerhalb der
Jahre 1143 und 1146* ,dominus Adelramus de Waltenstein'
^ Urkandenbuch von Kremsmünster 38 aus dem Codex Frid., der einen
verläßlichen Text bietet.
' Vgl. M. A. Becker, Falkenstein und die Falkensteine in Niederösterreich,
1885.
» t 1148. Stammtafel in Fontes VIII, 287.
* Quellen Eur bayrischen und deutschen Geschichte I, 296, Nr. CI. Die
Tradition findet sich auf Blatt 26 des Berchtesgadner Traditionskodex
(Lit. 3 des Fürstl. Archives von Berchtesgaden), die Niederschrift darf den
ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts zugezählt werden.
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195
nach Otto und Walchun von Machland und vor Rapoto von
Falkenberg bezeugt Aus dem Berchtesgadner Kopialbuche ge-
winnen wir die Tatsache^ dkß die Verwechalung der Buchstaben
V und W, K und t wenigstens zur Zeit der Niederschrift keine
ungewöhnliche war, wie ja unser Falkenstein in einer zirka
1190 anzusetzenden Tradition auch Walchenstein geschrieben
wird.^ Irgend ein genügender Grund mangelt, der nötigen
würde, den vorstehenden Adelram nicht fiir den Schwager der
Brüder von Perge und das Prädikat nicht fUr ,Falkenstein' an-
zasehen.
Wir schreiten auf dem dunklen Pfade weiter, der uns
zur Stiftung des Chorherrenstiftes zu St. Marein in der Feistritz
(Seckau) geleitet (1140). Adalram von Feistritz Waldeck* hatte
seine Stiftung^ überaus freigebig ausgestattet, dabei jedoch auch
über das Heiratsgat seiner Gemahlin Richinza verftigt, welche
bei König Chunrad III., als derselbe auf der Rückkehr vom
Ereuzzuge die Stadt Friesach passierte, Klage darüber erhob,
daß ihr Mann durch gesetzwidrige Schenkungen sie des ganzen
Heiratsgutes beraubt habe. Da Adalram das Tatsächliche nicht
zu widersprechen vermochte, wurden durch Spruch der Fürsten
die in Beschwerde gezogenen Schenkungen für nichtig erklärt
und nur die mit Übereinstimmung beider Gattenteile erfolgten
ab rechtsgültig anerkannt.
Die Schenkangen sind aufgezählt in der angeblichen Aus-
fertigung der königlichen Entscheidung (vom Mai 1149) und
in jener Kaiser Friedrichs I. (vom 15. Jänner) 1158.* Darunter
kommen vor: ,castrum Waltenstein cum omnibus sibi atti-
nentibus, predia in monte Windiberge, tres vinee Ascaha, item
tres apud Besenbach, . . . curtis Otenshaim, curtis Lintheim
cum omnibus sibi consitis.' Während jedoch die erstere Ur-
* Mon. Boic. IV, 266.
* VgL die Stammtafel der Herren von Perge und jener von Freistritz-
Waldeck bei Meiller, Regesten der Salzburger ErzbiscbOfe, 8. 461, 467.
* Eine Übersicht gewSbrt der Aufsatz ,Die erste Gründung des ehemaligen
Chorherren- und jetzigen Benediktinerstiftes Seckau* in den »Studien und
Mitteilungen aus dem Benediktiner- und Zisterzienserorden* IX (1888),
8. 96 — 113 vom P. Ludger Leonard. Leider stützt derselbe seine Dar-
stellung auf den Chronisten Gauster im 17. Jahrhunderte und geht einer
UnteiBuchung über die Echtheit der bezüglichen Dokumente aus dem
Wege.
* Steiermarkisches Urkundenbuch I, 290, 376.
14»
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196
künde diese Güter als jene bezeichnet, welche dem Kloster
verblieben, sagt die zweite, daß die verzeichneten Güter teils
solche waren, die dem Kloster abei^annt wurden, teils solche,
welche ihm kraft einmütiger Schenkung verblieben.
Man wird nicht im Zweifel sein, dem Texte des letzteren
Dokumentes mehr Glauben zu schenken als jenem des ersteren,
da Kaiser Friedrich ausdrücklich betont, daß sein Vorfahr am
Reiche vom Tode überrascht worden sei, bevor er eine Bestäti-
gung des Fürstenspruches ausstellen konnte, wie denn auch
Stumpf* bemerkt hat, daß diese Ausfertigung in Form und
Besieglung höchst verdächtig sei, wenn ihr auch jedenfalls
echte Daten zugrunde gelegen sind. Zudem finden wir noch
1273* das Gut Purgwerd (Purwörth Pfarre Walding) nach
Seckau erbrechtpflichtig, wogegen von einem Besitze Falken-
steins an der Ranna oder Waltensteins in Steiermark nicht die
geringste Spur aufzufinden ist.
Das Schloß Wald stein im ehemaligen Grazerkreise zwi-
schen Übelbach und Deutsch- Feistritz, damals auf einem Berge
nordwestlich vom modernen Schlosse gelegen, war zur Zeit der
Stiftung von Seckau im Besitze Liutpolds I. von Dionysen-
Gutenberg,^ der sich 1145 von Waltstein nannte, und seines
Sohnes Liutold IL, der mit seiner Mutter Juta 1152 die Burgen
Weitz und Waldstein auf seinen erblosen Abgang dem Erzstifte
Salzburg zusicherte, jedoch, als er mit Herzog Liutpold V. ins
heilige Land zog, drei Töchter hinterließ, von welchen Ottilia
1188 Äbtissin in Goeß, Kunigunde und Gertrud aber (1188 —
1214) mit Graf Wilhelm von Heunburg und Herrand von Wil-
den vermählt waren. An Seckau ist Waldstein nie gefallen, es
kann daher unter dem Waltenstein der Seckauer Urkunden
nicht begriffen werden.
Es bliebe noch, da auch an Waltenstein (Gerichtsbezirk
Weitra) und Walkenstein (Gerichtsbezirk Eggenburg N.-Ö.)
nicht zu denken ist, nur noch Falkenstein bei Ober-Vellach
im MöUtale (Kärnten) übrig, das jedoch in jener Zeit den Grafen
von Görz gehörte und denselben auch bis zu ihrem Ausster-
ben (1500) verblieb.
* Reichskanzler, 8. 334, Nr. 3796.
" Oberösterreichisches Urkundenbnch IV, 402. Siehe auch S. 116, Anm. 2.
3 Vgl. den Stammbaum der Familie bei Meiller Salzburger Regesten, S. 466
und die bezilglichen Urkunden im Steiermärkischen Urkundenbuche.
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Was das Alter der Niederschrift der auf die Feistritz-
Seckaaer Gründangsgeschiclite bezüglichen Akte betriflft, so
hat über Anfrage die Direktion des k. u. k. Haus-, Hof- und
Staatsarchivs in Wien^ folgendes bemerkt:
Achtzehn aus den Jahren zirka 1075 bis zirka 1163
stammende Akte sind auf vier größere Pergamentstreifen ge-
schrieben, beziehungsweise abgeschrieben worden, und zwar
durchaus zweispaltig, aber nur auf einer Blattseite. Auf dem
ersten Bogen sind sechs, auf den drei anderen je vier Stücke
untergebracht. Sämtliche Niederschriften rühren von derselben
Hand her, sind also nicht vor zirka 1165 entstanden. Durch
zweifache Besiegelung meist im unteren Teile der Spalten —
in einem Falle sind die Siegel oben und unten in der ersten
Spalte angebracht — erhalten die Abschriften eine gewisse
Autorisation. Es sind nur zwei Siegelstempel verwendet, der
größere die Jungfrau mit dem Jesukinde, der kleinere mit der
Umschrift; Prepositus de domo sancte Marie Secowe ein männ-
liches Brustbild vorstellend ; die Siegel sind fast durchaus und
meist gut erhalten. Die einzelnen Stücke sind von einer etwas
späteren Hand durch Beisetzung der ZiflFem I bis XVIH be-
zeichnet. Auf der Rückseite tragen sämtliche vier Bogen, wie
es scheint von der Hand, welche den Stücken die Ziffern bei-
gesetzt hat, das Wort Secowe^ darunter von sehr später Hand
die arabischen Ziffern 1 bis 4. Abgesehen von den untrüglichen
Kennzeichen der Abschrift weisen diese zusammen eine Pan-
charte bildenden Abschriften so viele Initialen, Chrismen, Mono-
gramme u. dgl. mehr auf, daß man nur an unmittelbare Vor-
lage der betreffenden Originale denken kann.
Der Druck im Steiermärkischen Urkundenbuche I, 290,
Nr. 279 zeigt einige Abweichungen von der Vorlage: Zeile 15
voluntate, Vorlage voluntates; Zeile 11 von unten Hophingen,
Vorlage Hopphingen; Zeile 8 von unten Vorlage Ascha^a; Zeile
6 von xmten Otenshaim, Vorlage Oeteshaim (n über der Zeile).
Die unmittelbar folgende Einklammerung ist vielleicht über-
flüssig; cur steht in der Vorlage am Ende der Zeile. Zeile 4
von unten Hec, Vorlage H§c. Femer ist zu bemerken, daß das
m in comes (Druck S. 291 Z. 2) von dem Pergamentstreifen
verdeckt wird, der zur Befestigung des rückwärts eingehängten
' MitteiluDg 1903, 14. Dezember, Z. 746.
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198
Siegels dient, und endlich, daß im Druck das monogrammatisch
zusammengesetzte bene valete und das Königsmonogramm— Chun-
radus Romanorum rex in der Vorlage — unberücksichtigt ge-
blieben sind, die hier unmittelbar nacheinander auf ,plures'
folgen, mithin den eigentlichen Schluß der Urkunde bilden.
Obwohl die Seckauer Urkunden noch einer eindringlichen
Untersuchung bedürfen, genügt fiir die Zwecke der vorliegen-
den Abhandlung die Feststellung der Benennungen Waltenstein
und Valchenstein.
Ausschlaggebend für die Identität derselben scheint dem
Verfasser die Bulle ddo. Frascati (Tusculani) 1171, 10. Februar,^
mittels welcher Papst Alexander III. die Rechte und Freiheiten
des Klosters Seckau bestätigt. Die Urkunde, gegen deren Echt-
heit kein Bedenken obwaltet, nennt auch Waltenstein, be-
zeichnet es aber als gelegen in Bayern: ,in Bawaria Walten-
stein cum prediis et familia', der letztere Beisatz kenn-
zeichnet es als eine größere Grundherrschaft und sondert es
ausdrücklich von den Gütern am Windberg, welche darnach
einzeln angeführt sind.* Es darf nicht irremachen, daß der
Papst einen Besitz bestätigte, welchen das Kloster entweder
wieder abgeben mußte oder, falls Richinza wirklich dem ihr
^ Stei er märkisch es Urkundenbnch I, 502.
' Schon ans diesem Grande ginge es nicht an, die Barg Waltenstein in
die Pfarre Walding zu versetzen, nur weil Pillwein (Mühlkreis, S. 219)
schreibt: ,Im Dorfe Posting, eine starke halbe Stunde von Walding, war
das Waldsteinergut ein Schloß; man sieht noch Spuren davon. Auch in
der Schwarzgrub, eine Viertelstunde von Walding, stoßt man auf Schloß-
gräben/ Nach eingezogenen Erkundigungen liegt das Wallnsteinergut in
der Ebene; Spuren, welche auf das Bestehen eines Schlosses schließen
ließen, sind nicht sichtbar. Außerdem roilßte eine fachmännische Unter-
suchung erst klarlegen, ob solche Spuren aus prähistorischer oder histo-
rischer Zeit stammen. Freisitze, welche im Volksmunde ohne Unter-
scheidung als Schlosser galten, gab es im 15., 16. und 17. Jahrhunderte
in großer Anzahl, wie denn auch in Walding selbst die Taferne Haus
Nr. 8 im alten Grundbuche Ottensheim als ,Tafern und Edlmanssiz',
gpräflich Traunsches Lehen (von Eschlberg ans) vorgetragen ist.
Die Schreibweise Waltenstein kann nicht befremden, da wir den
Namen — mit Ausnahme der Bulle aus der päpstlichen Kanzlei — nur
durch Kopialbücher überliefert haben, derselbe aber auch bei Adalram
im Berchtesgadner Kopialbuche Waltenstein lautet, wogegen im Codex
Fridericianus in KremsmUnster (zirka 1300), welcher gute Texte enthält,
das Wort in einer im benachbarten Wels ausgestellten Urkunde Val-
chenstein geschrieben ist.
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199
EUgesprochenen Heiratsgate neuerdings entsagt haben sollte,
der weiten Entfernung halber vielleicht schon veräußert hatte;
weil immerhin in diesem Falle das Kloster^ wenn Richinza
nicht mehr am Leben gewesen sein sollte, ein Interesse daran
gehabt haben konnte, eine weitere Kräftigung des Besitztitels
für den Erwerber zur Abwehr fremder Ansprüche zu erlangen.
Denn nach urkundlichen Spuren müssen wir annehmen,
daß in den nächstfolgenden Jahren Falkenstein bereits in
Laien bänden gewesen ist.
Spätestens im Jahre 1180^ bezeugen nämlich die Ver-
zichdeistung Ekkeberts (von Teckendorf ) auf das Gut Pramer-
dorf im Inviertel in die Hände des Propstes von Reichersberg
Engelbertus de blanchenberg, Chadelhäh de valchenstein.
De ministerialibus ipsius (Eckberts) neun genannte de famila
eins in tekendorf quam in witenekke, hierauf sechs von den
Leuten des Klosters St. Nikola.*
Auf den ersten Anblick möchte man den Chadelhous von
Falkenstein mit dem vorhin erwähnten Chadelhous iudex für
eine und dieselbe Person halten; dieser Annahme steht jedoch
^ Der handelnde Propst Philipp von Beichersberg wurde 1175 erwählt,
resignierte 1181, 3. J&nner. Bertold von Andechs wird noch Markgraf
genannt
' Abgedruckt aus dem Beichersberger Traditionskodex Blatt 40 im Ober-
Österreichischen Urkundenbuche I, 378, im Kodex selbst stehen nach
Yersichening des hochw. Herrn Prälaten Konrad Meindl die Worte comes
(Zeile 2) über Ekkebertus, philippi über prepositi, sueuus (Zeile 7) über
Pertholdns zwar in kleinerer Schrift, aber von gleicher Hand und mit
gleicher Tinte. Die Ergänzung bei Eckbert erfolgte augenscheinlich zu
dem Zwecke, um ihn von anderen Eckberten zu unterscheiden, den
Grafentitel fing derselbe damals schon an zu führen. Nach gefälliger
Mitteilung Herrn Barons Oskar Mitis, der vor Jahren den Kodex zu
einer Arbeit in der Hand hatte, enthält derselbe die Traditionen in
jeweiliger Orig^naleintraguog, d. h. er stellt nicht wie so viele andere
ein redigiertes Kopialbuch von Einzelnnotizen dar. Es folgt (mit alleini-
ger Ausnahme der mehrmals ergänzten Tradition Nr. CXXIH, Ober-
Österreichisches Urkundenbuch I, 342 — 350) in streng chronologischer
Folge eine Originalnotiz der andern, wobei stets die Hände wechseln.
Eine Eigentümlichkeit der Traditionsnotizen ist, daß vielfach bei Per-
sonennamen die OrtszugehOrigkeit über der Zeile nachgetragen wurde;
es geschah dies entweder gleichzeitig oder auch später, fast ausschließ-
lich aber noch bei Lebzeiten der betreffenden Person, solange dieselbe
nämlich noch zur Zeugeuschaft herangezogen werden konnte. Es sind
daher sowohl die Originaleintragungen als auch die Zusätze gleichzeitig
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200
der Umstand entgegen, daß der letztere bestimmt dem Mini-
sterialengeschlochte angehört, während jener neben dem Hoch-
freien E. von Blankenberg gestellt und ausdrücklich von den
folgenden Dienstleuten geschieden wird.
Um dieselbe Zeit tritt nochmals ein Kaihoch von Falken-
stein auf, welchem wieder nach seiner Stellung unter den
Zeugen die Eigenschaft eines Freien zuzuerkennen sein dürfte.
Bischof Diepold von Passau (1172 — 1190) bekennt in einer
undatierten Urkunde,^ daß er auf Bitte des jüngeren Diepold
(von Vohburg) die Kirche in Ebenöde, die er den beiden Klö-
stern Reichenbach und Waldsassen übergab, eingeweiht habe.
Testes: Theodoricus comes de Viehtenstain. Kalhoh de Val-
kinstain. Ekkart de Kuntihof.
Da es sich um eine Kirche handelt, welche nördlich von
der Donau lag, möchte die Vermutung nahe liegen, dieser Kai-
hoch gehöre nach Falkenstein östlich von Regensburg. Diese
Feste befand sich damals in unmittelbarer Innehabung des
Bischofs, welcher darauf nur Burgmannen behaust hatte, die,
nach dem Beisatze ,de sobole et natione Valckensteinensium'
zu schließen, eine eigene Genossenschaft bildeten. Keiner der-
selben trug gerade in diesem Zeiträume den doch so ungemein
häufigen Taufhamen Kaihoch; erst 1240, 3. Februar* kommt
nach 22 Zeugen ein Kalhohus de Valkenstein vor einem Rech-
winus de Valkenstein vor. Bis Ende des 12. Jahrhunderts saßen
vielmehr auf dieser Burg folgende Burghüter: 1118 Ministe-
rialis Frideri Advocati Ratisp. (f 1136) Krof de Valkenstein,
zirka 1130 Waldo, Hertwicus de Valkinstein Ministeriales Fri-
derici Advocati, zirka 1140 Waldo et filius eins Waldo et Otto
de Valkinstein, 1162 Roudigerus de Valkinstein, zirka 1165 bis
1167 prefectus Mezil de Valchenstaine, zirka 1177 Waldo, Otto
de valkinstein, 1184, 2./4. Otto de Valchensteine, 1184—1194
Libhardus qui de sobole et natione Valchensteinensium, Domi-
nus Waltherus de Valchenstein und seine Brüder Otto et Walto
de Valchenstein, Nobilis et militaris Vir Waltherus nomine de
and sonach vollständig glaubwürdig. Der Abdruck in Mon. Boic. III,
493 ist mangelhaft.
* Mon. Boic. XXVII, 26—27, überliefert in einem Kopialbuche vom Jahre
1402. Kuntihof = Gunt oder Kindlhof A. G. Niltenau?
' Verhandlungen des historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg,
N. F. XV, 88.
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201
Valchenstein miiiisterialis ecclesie St. Petri Ratisponensis Epi-
scopatus^ Otto, Waldo, Waltherus de Valchenstain et eorum
miles Fridrich hecthvolk in dem Briefe Chnnos von Chezznach
,qai . . . se in Castro Valchenstain postmodum locavit', zirka
1190 Walther und Otto de Valchensteine, 1204 Waltherus de
Valchenstein.^
Nach Vorführung sämtlicher regensburgischer Dienst-
mannen auf Falkenstein und in Betracht der geringen Stellung
der Falkensteiner von Rannarigel zu dieser Zeit dürfte wohl
die Reihung der gedachten Ealhoche in die Klasse der freien
Herren gerechtfertigt erscheinen. Von den Grundherren, nicht
von den Ansiedlem dürften auch die beiden Ortschaften Koller-
schlag (Chalhohsslage) und Kollersberg (urkundlich 1258* Chal-
hohsperge) genannt worden sein, die erstere halbe Ortschaft
gehörte nach Falkenstein an der Ranna.
Der Umstand, daß Herr und Diener den gleichen Tauf-
namen Kaihoch tragen, ist nicht auffallend; denn im 12. Jahr-
hunderte und selbst noch im Beginne des 13. war kaum ein
anderer Name im bayrischen Lande gebräuchlicher als gerade
dieser, was keiner Beweisführung bedarf.
Die vorgeführten Verhältnisse und Tatsachen berech-
tigen zu der Annahme, daß die Grundherrschaft Falkenstein
an der Ranna, abgelöst von den Gütern am Windberg, in
den Siebzigerjahren des 12. Jahrhunderts vom Kloster Seckau
direkt oder durch die Witwe des Stifters an einen freien Herrn
des Namens Kaihoch übergegangen sei, der mitunter, wenn er
in dieser Gegend weilte, sich von der erworbenen Burg auch
genannt hat.
Falkenstein hatte ein Grafengericht; deshalb braucht je-
doch sein Eigentümer nicht den Grafentitel geführt zu haben,
da mit der Ausbildung der Erblichkeit der Lehen die Grafen-
gewalt mehr und mehr als Gegenstand privater Berechtigung
behandelt wurde, ^ sich an einzelne Burgen und Herrschaften
heftete, welche wiederum geteilt wurden und in diesen Teilen
* Mon. Boic. XIV, 408, 417, 420, 422; V, 166; XIV, 63, 24, 26; Ober-
Osterreichisches Urkundenbuch II, 388; Mon. Boic. XIV, 61, 57, 72;
XII, 57, 61 ; XIV, 46.
' Mon. Boic. XXVIII b, 234, 244.
* Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeachichto, 2. Aufl., S. 386.
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202
als Ausatattung selbst an Töchter kamen^ vorausgesetzt, daß
es gelang; den Zusammenhang mit dem Reiche zu erhalten.^
Es erhebt sich die Frage: Welchem Geschlechte hat dieser
Edle Kaihoch von Falkenstein angehört.
Bei der Nachforschung war im Auge zu behalten, daß
dieser Falkensteiner zur Zeit nicht den Grafen titel führt; das
Geschlecht, welchem er angehört, könnte daher denselben erst
späterhin erlangt haben.
Dieser Voraussetzung entspricht ein einziges gleichzeitiges
Geschlecht aus niederbayrischemStamme, jenes der Freien von
Kirchberg an der Kleinen Laber, dessen letzter Vertreter den
vom Reiche und vom Herzog anerkannten Grafentitel geführt hat.
Das Herkommen dieser Familie liegt im argen, seitdem
im 16. Jahrhundert die Excerpta Genealogiae Dominorum Comi-
tum de Kirch berg erfunden und selbst der codex traditionum
des Klosters Mallersdorf^ verunechtet worden ist, alles ad ma-
jorem gloriam der Stifter Heinrich und Emest, welche keine
Grafen von Kirchberg, sondern nach der Königsurkunde 1129,
1. Juni* Ministerialen des königlichen Klosters Niedermünster
in Regensburg gewesen sind.
In echten Urkunden treten auf:
zirka 1120—1130 Chadalhoch de chirchperch für St. Nikola,*
1171, 29. Jänner, Mosburg. Wernherus de Chirchperc für Ad-
mont,*
1186 Chalhohus de Kirchperch für Kloster Prüfling,«
zirka 1190 Chalochus de Chirchberch für Kloster Scheyem,''
1207 Dominus Kalhohus de Chyrperch für Kloster Niederaltaich,^
1209 Landshut. Chalhohus de Chirchperch für Kloster St. Florian,»
1213, 15. Februar, Comes Chalhohus de Chirchperc in dem
Schutzbriefe K. Friedrichs H. für Berchtesgaden,^®
^ Vgl. den Schloß des vierzehnten Abschnittes.
« Mon. Boic. IX, 427—430, 256 ff. Der Abschnitt ,Die Grafschaft Kirch-
berg-Mallersdorf in Schreiber, Otto der Erlauchte, S. 156 — 166 konnte
mangels von Quellenangaben nichts zur Aufhellung beitragen.
» Mon. Boic. IX, 263.
* a. a. O. IV, 219; Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 631.
» Pez, Thes. Anecd. UI p. UI, 781.
« Mon. Boic. XIII, 189, 122.
' a. a. O. X, 416. « a. a. O. XI, 178, 828.
* Obertfsterreichisches Urkundenbuch II, 626.
*® Meiller, Babenberger Regesten III, Nr. 106.
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203
Tor 1214 Dominus Kalhous comes de Kirchberg^,
1217 Calhoch de Chirchperch flir Kloster Waldsaßen,«
1219, 1. Juni, Nürnberg. Kalhous comes de Chirchperch ftlr
Kloster Obermünster,*
1209— 1220 Comes Chalous de Kirchberg in der Herzogs-
urkunde ftir Kloster Mallersdorf,*
1220, 5. September, Bozen. Chalhohus Comes de Chirichperch
flir Passau,^
1220 Kalhohus de Churchberg flir Kloster Prül,«
1223, 27. März, Straubing. Chalhohus comes de Chirichberg in
einem Gerichtsbriefe Herzogs Ludwig,^
1224, 6. März. Kalochus comes de Kirchberg in der Urkunde
Herzogs Ludwig flir Kloster Aldersbach,®
1225, 16. Juni, Straubing. Chalhoh comes de Kirchperch in dem
Briefe desselben Herzogs flir Spital am Pyhm.^
Im Jahre 1228 waren die Güter des Grafen schon an
das Land Bayern gefallen, wie aus der Urkunde^® hervorgeht,
mittels welcher Herzog Ludwig den Prämonstratensem zu
Neuzell bei Freising ,decimas de prediis Comitis Chalhohi de
Kireperc et decimas de prediis üolrici Cyphi de Burchrein ad
noB devolutis^ geschenkt hat. Kaihoch von Kirchberg ist dem-
nach als letzter Träger seines Namens in den Jahren 1226/27
gestorben, und zwar erblos, weil die Einziehung seiner Güter
erfolgte. Die Mallerstorfer Genealogie nennt einen Kaihoch von
Kirchberg zum Jahre 1165, einen andern zum Jahre 1195,
welche Angaben jedoch nicht kontrollierbar sind. Ein Siegel
bat sich nicht erhalten.
War Graf Kaihoch oder sein Vater identisch mit dem
edlen Kaihoch von Falkenstein, so muß der Übergang der Burg
• Mon. Boic XIV, 141.
• Lftnig, Corpus feud. 3, 613.
• Ried, Cod. dipl. Bat. I, 321.
• Mon. Boic. XV, 278.
» a.a.O. XXVnib, 297.
• a. a. O. XV, 166. ' a. a. O. XXVIII b, 380.
• Oefele, Script. II, 103 a.
• Obeiitoterreichisches Urkundenbuch II, 666.
'• Mon. Boic. IX, 677. Auch Abt Angelus Rumpier von Formbach erwähnt
Chalhohus comes de Kirichperg unter der Rubrik: Isti sunt, quorum
haereditates cum castris et praediis successu temporum ad duces Bava-
riae sunt devolutae; a. a. 0. XVI, 561.
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204
Falkenstein an der Ranna schon längere Zeit vor 1226 an ein
anderes Geschlecht sich vollzogen haben; denn sicherlich hätten
die Bischöfe von Passan, nachdem sie 1217 den ReichsfUrsten-
stand erlangt hatten, nicht gezögert, bei dem erblosen Abgange
Ealhochs die Hand auf Falkenstein zu legen. Keine Urkunde
und auch sonst nicht die geringste Spur ist auffindbar, daß
Passau die Herrschaft Falkenstein jemals innegehabt oder auch
nur angestrebt hätte.
Nachdem uns jetzt der letzte Schein entschwunden ist,
befinden wir uns in undurchdringlichem Dunkel und haben nur
noch Möglichkeiten zu erwägen- Hierzu regt besonders die
völlige UnWahrscheinlichkeit an, daß der Inhaber einer so be-
deutenden Grundherrschaft, wie Falkenstein war, in den nicht
gar wenigen Urkunden aus jener Gegend in den Jahren 1200
— 1220 und darüber hinaus gar keine Rolle gespielt hätte; trotz-
dem finden wir dort keine anderen freien Herren als jene von
Griesbach und die Witigonen.
Es müssen daher außergewöhnliche Verhältnisse obgewaltet
haben, welche erklärt werden könnten, wenn bei der Ver-
erbung von Falkenstein das sogenannte Fallrecht eingetreten
ist, wonach gemäß dem Grundsatze patema patemis, materna
maternis die Verwandten von väterlicher Seite das von der-
selben herrührende Vermögen, die Verwandten von mütter-
licher Seite das von dieser herrührende Vermögen erbten.
Schon ursprünglich wird Falkenstein gleich den Gütern am
Windberg das Heiratsgut der Richinza von Perge dargestellt
haben und ebenso ist es, wie wir aus dem Besitze von Schintau
schließen konnten, Erbgut und Heiratsgut der Frau Berchta
gewesen, sie wieder hat die Burg an ihren Sohn Zawisch über-
lassen, der von selber dauernd den Namen von Falkenstein an-
genommen hat. Man darf daher wohl in der Vermutung noch
weitergehen und annehmen, daß Falkenstein auch der Mutter
Berchtas mit in die Ehe gegeben worden ist. Dieselbe war
dann eine geborene Falkensteinerin und wäre als Schwester
Kaihochs von Kirchberg anzusehen, dem die bayrischen Güter
zufielen, wogegen er der Schwester die Feste an der Ranna
zu überlassen hatte.
Über den Vater der Frau Berchta könnte schon eine nicht
grundlose Vermutung geäußert werden. Ihrer Mutter blieb füglich
nur die Wahl eines Bräutigams aus den Freien von Hals oder aus
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205
jenen von Griesbach. Im ersteren Falle wäre jedoch zu erwarten
gewesen; daß unter den im Achtbriefe Königs Heinrich VII.,
1222, 13. März,^ unter den heimfällig erklärten Burgen neben
Hals, Viechtenatein, Marspach und Jochenstein auch Falkenstein
genannt wäre, während dem nicht so ist. Es bleibt daher nur
die Möglichkeit der Vermählung mit einem der beiden Brüder
Heinrichs von Griesbach- Wachsenberg, vielleicht mit Cholo, der
frühestens im Jahre 1216 gestorben ist. Da Berchta im Jahre
1264 in vorgerückten Jahren stand, wie daraus zu entnehmen
ist, daß ihr Sohn Zawisch zirka 1262, bestimmt 1269 selb-
ständig auftritt, so würde diese Verbindung den gewöhnlichen
Generationsvoraussetzungen nicht widersprechen ; freilich würde
dann eine lange Vormundschaft stattgefunden haben, welche
wieder erklären würde, weshalb so lange kein Besitzer von Falken-
stein in Urkunden und auch nach Eintritt der Großjährigkeit sicht-
bar wird. Führten die mit den Griesbachem befreundeten mäch-
tigen Witigonen die Obhut über die Erbin und ihre liegende
Habe, was möglich ist, da einer derselben (Budiwoj) wirklich
die Braut heimfUhrte, dann brauchten wir nicht länger nach
der Ursache zu fragen, aus welcher der Bischof von Passau
Falkenstein ganz aus dem Spiele gelassen hat; vielleicht war
als Gegenleistung auch die Rückauflassung der passauischen
Lehengüter jenseits der Großen Mühel bedungen.
Mögen die geäußerten Vermutungen gebilligt oder ab-
gelehnt werden, so steht mindestens sicher, daß um 1180 von
Falkenstein aus die hohe Gerichtsbarkeit geübt, die Burg und
Herrschaft 80 Jahre später den Witigonen zuständig und zumal
dem Herrn Zawisch von der Krummauer Linie als freie Herr-
schaft, unabhängig vom Hochstifte Passau, zugehörig gewesen ist.
Neunter Abschnitt.
Anwachsen des Besitzes des Hochstiftes Passau. Erwerb
der Grafschaftsrechte imilzgau. Passau Reichsfürstentum.
Mußten wir uns im Zentrum bei dem auffälligen Mangel
an Dokumenten in Vermutungen und Möglichkeiten ergehen,
* Mon. Boic. XXXI a, 610.
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206
so betreten wir auf dem Haaptschatiplatze in dem gleichen Zeit-
räume den festen Boden der Tatsachen^ treten aus dichtem
Nebelgewölk plötzlich in helles Sonnenlicht.
Der große Grundbesitz des Hochstiftes Passau wird ge-
meiniglich der frühzeitigen Einverleibung der königl. Frauen-
abtei Niedemburg zugeschrieben, welche wiederholt einzelnen
Bischöfen, zuerst durch E^iser Otto 11.,^ endgültig aber dem
Hochstifte selbst durch Kaiser Heinrich VI., 1193, 28. März,*
und zwar mit der noch von Kaiser Friedrich I.* vorbehaltenen
Vogtei und Königsteuer verliehen worden ist. Infolgedessen
hatten die Bischöfe den Besitz und den Genuß des Kloster-
gutes und konnten mit demselben frei schalten wie die Könige
mit dem Reichskirchengute,* dasselbe verpfänden oder sonst
zum Nutzen der Kirche Passau verwenden, sowie es wieder zu
Lehen austun. Was aus der angeblichen Schenkung Kaiser
Heinrichs H., deren Wesen im 14. Abschnitte klargelegt werden
wird, dem Kloster belassen oder später zurückerstattet wurde,
läßt sich nicht mehr unterscheiden.
Im Beginne des 13. Jahrhunderts war der Nordwald be-
reits meilenweit von der Donau zurückgedrängt, das Hochstift
an der Hz sowie längs den Ufern des Stromes zu ansehnlichem
Besitze gelangt, bezüglich dessen es jedoch dem Gerichtszwange
des Herzogs von Bayern unterworfen war; der erste Witteis-
bacher Otto (t 1183, 11. Juli) hatte ,comitatum prediorum ec-
clesie Pataviensis sitorum per loca Ylsgowe nuncupata' vom
Reiche inne und vererbte diese Rechte auf seinen Nachfolger.
Dieser, Herzog Ludwig, ließ dieses Fahnlehen im Jahre 1217
zugunsten der Kirche dem Könige auf, wonach Kaiser Fried-
rich n. am 21. Jänner 1217^ dasselbe dem Bischöfe Ulrich von
Passau verlieh, welcher es vorerst dem Herzoge als Kirchen-
lehen wiederverlieh. Drei Jahre später, 1220, 5. September,^
stellte Ludwig dieses Lehen, das er als die Comitia in ylskeu,
* Mon. Germ. Dipl. O. U, 163, Nr. 1367, 976, 22. Juli.
« Mon. Boic. XXIX a, 469.
» 1161, 29. Febr. und 3. Juni, a. a. O. XXIX a, 366.
* Vgl. Ficker, ,Über das Eigentum des Reiches am Reichskircheng^te*.
Sitzungsber. der phil.-hist. Klasse der Wiener Akademie LXXII, 65 — 381.
Die geistliche Herrschaft war fUr die unterworfenen Kirchen nicht minder
empfindlich als die weltliche. Beispiele a. a. O., 147.
** Mon. Boic. XXX a, 64.
* a. a. O. XXVmb, 297.
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207
cnins termini ab ylsa nsqne ad inferiorem Mahelam proten-
dontür^ bezeichnet; gegen Erlag von 500 Mark Silber dem
Bischof zurück.
Mit dem Jahre 1217 war demnach der Bischof von Passau
in den Reichsf^irstenstand eingerückt und hatte 1220 sein Für-
stentum in unmittelbare Verwaltung genommen. Die Unmittel-
hurkeit des über die Dz hinüber bis Windorf reichenden Ge-
bietsteiles wurde von Bayern erst nach langen Anfechtungen
anerkannt.
Oleich nach Erlangung des Fahnlehens begannen die Be-
strebungen der Bischöfe, im Bzgau ihr Territorium zu schließen.
Bischof Ulrich benutzte das gerade erfolgte Ableben Cholos
von Griesbach, um die Wiederverleihung der passauischen Lehen,
welche dessen Vater (Wemher) innehatte, von der Bedingung
abhängig zu machen, daß der hinterbliebene Bruder Heinrich
von seinem Eigengute 100 Hüben und 46 ritterbürtige Leute
sowie das Schloß Griesbach samt allen Zugehörungen bis 11. No-
vember 1217 der Kirche Passau aufsende, was er auch bezüg-
lich 6 Ritterbürtiger und der Herrschaft Griesbach alsbald voll-
zogen hat. Da er mit weiterer Lehenauftragung innehielt,
wurde ihm bei sonstigem Verluste von Griesbach und des
Marktes Velden 1220, 11. Febniar, ein letzter kurzer Termin
bis 8. März bestimmt,^ den Heinrich vielleicht gar nicht erlebte.
Da derselbe ohne Hinterlassung von Erben, wenigstens von
männlichen, mit Tod abging, wurden seine Lehen, d. i. der
ganze Griesbacher Besitz zwischen Hz und Großer Mühel ,ver-
mannt', dem Hochstifte ledig und nicht weiter verliehen, bis,
wie sich zeigen wird, Teile derselben wieder an Ministerialen
ausgegeben wurden.
Hiermit war ein bedeutender Schritt zur Konsolidirung
des Kirchenbesitzes in dem Territorium erfolgt, welches der
Bischof als sein weltliches Fürstentum zu betrachten befugt
war. Ulrichs Nachfolger ließen es an gleichem Eifer nicht
fehlen. Gebhard löste die Lehen der Witigonen an der Ost-
seite der Großen Mühel ein, welche anfänglich zu Velden ge-
zogen, im Laufe der Zeiten aber teils veräußert, teils der Herr-
schaft Pümstein (nach deren direkten Erwerbung durch Passau
1627) zugewiesen wurden; auf hochstiftischem Grunde erhoben
» Urkunden 1217, 2. Juli, 1220, 11. Febr. Mon. Boic. XXVm b, 296, 296.
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208
sich die Burg Schailenberg, der Sitz GneußenaU; das Schloß
Neuhaus ob der Donau, Pürnstein wurde den Kapellem verlehnt.^
Im Innern des Mühellandes wurde die Feste Sprinzen stein
erbaut, Siboto von Sprinzenstein (miles 1253, 1264) ist deut-
lich als passauischer Dienstmann zu erkennen.^
Der Versuch Woks von Rosenberg, des Hauptmannes ob
der Ens, im Mtihellande festen Fuß zu fassen, wurde von
Bischof Otto vereitelt. Wok hatte von dem passauischen
Ministerialen Rudiin von Haichenbach dessen Schloß erworben,
das, auf dem Berge über der großen Donaubeuge errichtet, den
ganzen Stromverkehr zu beherrschen geeignet war. Die Ver-
weigerung der Belehnung wird es vermocht haben, daß Wok
gegen Zahlung von 150 Pfund Pfennigen oder 20 Pfund Gülten
sich herbeiließ, an Rudiin die Burg zurückzustellen und zu
versprechen, in dem Gebiete (Comicia uel districtu) der Kirche
Passau nichts mehr zu erwerben.^
Dagegen gelang es dem Bischof Peter, von dem mit seinem
Sohne in Fehde liegenden Ortolf von Marspach dessen lehen-
bare Burg auf der Donauleiten samt Gülten im Betrage von
32 ^ 6 ß 22 ^ zu erkaufen.*
Bischof Otto übte bereits das Verbot des Burgenbaues ^
gegenüber Ulrich von Tannberg, welchem er den von Karl
von Kirchberg erworbenen Teil des castrum in chirchperch
samt Urbar zwischen den beiden Mühelflüssen nur gegen dem
zu Lehen verlieh, daß derselbe ohne bischöfliche Genehmigung
das castrum in Chirchperch niemals befestige.®
Von großem Interesse für die Erkenntnis der inneren Zu-
stände in der Abtei ist das Weistum, welches nach den eid-
' Chanrad von Kapellen, der 1291 Feuchtenbach kaufte (aiehe S. 148), war
Pfandinhaber von Velden (Mon. Boic. XXX b, 52); derselbe dürfte mit
den Trümmern des nahen Blankenberg den Sitz Pürnstein erst zur Burg
ausgebaut haben.
« Strnadt, Velden, 154, 165, 164.
8 Urkunde 1259, 16. April. Mon. Boic. XXIX b, 136.
* Urkunde 1269, 11. April, a. a. O., 492.
' Seit der confoederatio cum principibus ecciesiasticis, 1220 (Lcges II,
236) und dem statutum in favorem principum (Leges II, 282) durften
Befestigungen innerhalb der Territorien nur mit Bewilligung der Landcs-
fürsten errichtet werden.
* Orig. ddo. 1263, 4. September im allg. Reichsarchive München. In Mon.
Boic. XXIX b, 454 ungenügendes Regost.
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209
liehen Aussagen der Ministerialen auf dem Landtaiding (placito
generali) in der Ilzstadt über das von Alter (ex antiqno) im
Lande der Abtei geltende Recht 1256 verfaßt worden ist.^
Selbstverständlich darf der Aüsdmck ex antiqno nicht zu weit
züTückbezogen werden, es genügte zum Gebrauche desselben
schon ein Zeitraum von etlichen Dezennien, innerhalb welcher
eine Rechtsgewohnheit beobachtet wurde. Wie nun die Weis-
tümer (Pantaidinge, Ehafte) nur einseitige Aufschreibungen sind,
80 enthalten sie nicht selten auch nur die Ansprüche eines Teiles,
welche, wenn die Möglichkeit einer Kontrolle gegeben ist, oft-
mals von dem mitinteressierten Gegenteile bestritten werden. Sie
dürfen deshalb auch nur sehr vorsichtig zu Generalisierungen be-
nützt werden. So auch hier. Wenn es heißt: ,Item notandum,
quod dominus Episcopus personaliter habebit placita in hiislocis,
in Lengenpach, in hofkirchen, in puzlinstorf, in Serleinspach,
in Rorbach, in chapelle, sine dampno hominum' (der Hinter-
sassen),^ so entspricht diese Aufzeichnung nicht den Tatsachen.
^ Ori^al ddo. 1263, 4. September, im k. allgem. Beichsarchiye in Mfinchen.
In Mon. Boic. XXIX b, 464 nngenflgendes Regest.
' Überliefert im Codex pat. quart. (Mon. Boio. XXIX b, 224). In dem
Paasns Jn hijs vero judex domini episcopi et non in predictis in Alten-
walde, in Potenrevte, in rvonslage, in Haselpach' (alle in der Pfarre
Altenfelden) hat der Kopist den dritten Namen verschrieben, welcher
richtig yronslage heißen soll, denn in Fraonschlag wurde nach Buchinger
n, 158 (Anm.) im Jahre 1442 vom Landrichter zu Velden wirklich die
Landschranne gehegt. Dagegen scheint das Wort altenwalde richtig und der
ursprüngliche Name von Altenfelden zu sein ; denn links von der Straße,
die Ton Neufelden nach Altenfelden geht, unmittelbar vor der Ortschaft
Altenfelden bestand, wie der GemeindesekretKr Karl Haßleder von Neu-
felden den Verfasser aufmerksam machte, vormals das sogenannte Alten-
hols, die Flur heißt noch jetzt ,auf der Alten*, über welche der Fuß-
weg ,über die Alten' l&ufk. Die beiden Häusel Nr. 39 und 40 von
Altenfelden waren im alten Gruudbuche Pümstein, Amt Blumau unter
der Bezeichnung ,HSusel auf der Alten' eingetragen. Der letzte Rest
des Altenwaldes (Hochwaldparzelle 815 der Herrschaft Pümstein) wurde
ausgestockt, als die neuen Besitzer von Pümstein den Grand par-
zellierten und 1867^1869 zur Erbauung der neuen Häuser Nr. 45, 46,
47 von Altenfelden verkauften. Tatsächlich erscheint Altenfelden später
als Neufelden; es scheint, als ob Bischof Georg 1407 (Stmadt, Velden
242} absichtlich die Bezeichnung Obemfelden im Gegensatze zu Neu-
felden gebraucht habe. Es dürfte demnach der Name ,Altenfelden* nicht
im Sinne von ,alt' gedeutet werden und der Name ,Neu'felden erst
später aus Unverständnis sich eingebürgert haben.
AxtUT. XCnr. Band. 16
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210
Es ist nicht bekannt^ daß jemals der Biscliof selbst in den
genannten Orten zu Gericht gesessen wäre, was ihm in Hof-
kirchen und Rohrbach unbedingt, in Lembach und Putzleinsdorf,
wohl auch in Oberkapell, das zur Halbscheid nach Falkenstein
gehörte, nicht gestattet worden sein würde. Sicher aber wollte
durch diesen Passus die Gerichtshoheit gegenüber Falkenstein
festgestellt werden.
Daß eine solche papierene Schutzwehr dem Hochstifte
nicht den geringsten Nutzen gebracht hat, wird der nächste
Abschnitt lehren.
Zehnter Abschnitt.
übergreifen der Habsburger auf das passauische Terri-
torium. Begründung der österreichischen Landeshoheit
im Mühellande.
Der Reichskrieg des neuen deutschen Königs Rudolf gegen
König Otakar brachte in den Territorialverhältnissen des Mühel-
landes zunächst keine Veränderung hervor. Wenn wir lesen,*
daß nach dem Aufbruche Rudolfs von Ntii'nberg angesehene
steirische und kärtnerische Herren und Dienstmannen im Erlöster
Renn sich eidlich gelobten, als Vasallen des deutschen Reiches
dem erwählten Könige treuen Beistand zu leisten, so war
sicherlich der gleiche Standpunkt flir die Witigonen maßgebend,
als sie sich, mit Zawisch von Falkenstein an der Spitze, gegen
Otakar erhoben;* sie hatten die Lehentreue gegen den deut-
schen König, ihren obersten Lehenherm, umsomehr einzuhal-
ten, als die Linien von Krummau und Rosenberg im anderen
Falle den Verlust ihrer Güter auf deutschem Boden zu gewärti-
gen hatten. Es verstand sich deshalb von selbst, daß Rudolf im
Wiener Vertrage vom 6. Mai 1277 ^ alle seine Diener und Helfer
aus Böhmen und Mähren in den Friedensvertrag einschloß.
Als bekannt kommt nur kurz zu erwähnen, daß Zawisch,
nach seiner Vermählung mit der Königinwitwe Kunigunde tat-
* A. Huber, Geschichte Österreichs I, 601 nach Gerbert, Cod. epist. 199.
' Ann. Prägens, nnd Heinrich von Hainbnrg in Mon. Genn. Script. IX., 181,
XVn, 716. Die Abhandlung ,Zawisch von Falkenstein* in Öesky dasopis
histor. I, 246 war dem Verfasser nicht erreichbar.
' Redlich, Regesta Imperii unter Rudolf I., Nr. 753.
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211
s^hEcher Gebieter in Böhmen (1284), nach ihrem Tode auf
Befehl seines Stiefsohnes Königs Wenzel II. im Jahre 1288
ge&ngengesetzt und seiner Güter verlustig erklärt wurde. Die
königlichen Heere zogen vor seine Burgen, vor deren einer,
Frauenberg, er enthauptet wurde (1290, 24. August).^
Ein Jahr vorher (1289) war infolge Einwirkung König
Rudolfs die Zwietracht zwischen den Schwägern Wenzel und
Albrecht zu einem augenblicklichen Stillstande gekommen. Das
war der günstige Augenblick für Herzog Albrecht, sich zum
Achtvollstrecker gegen Zawisch auf deutschem Boden zu machen.
Denn daß Zawisch die Herrschaft Falkenstein, sein mütter-
liches Erbstück, nicht aus den Händen gelassen hatte, dafür
bürg^ schon der Umstand, daß er den Namen von derselben,
sogar ausschließlich, bis an den Tod fortgeführt hat.
Wir haben nun die bestimmte Nachricht, daß Albrecht im
Jahre 1289 die Burg [Falkenstein belagerte und durch Aus-
hungerung in seine Gewalt brachte. Die Continuatio Vindobo-
nensis, welche die Annalen der Jahre 1267 — 1302 von ver-
schiedenen gleichzeitigen Händen enthält,' hat folgende Nachricht:
,dux predictus (Albertus Austrie) missis exercitibus suis contra
quoddam castrum firmissimum et quasi inexpugnabile Falcstain
dictum in Bawaria situm, per quod a predonibus castri illius
homines sui et mercatores diversarum provinciarum tam in aquis
quam terris magnum patiebantur detrimentum per predas et
rapinas et hominum captivitates. Cum castrum diu faisset
obsessum, homines qui erant in eo fame et siti cruciati, cum
diucius durare non possent, castrum tradiderunt sicque abire
permissi, dux in eo posuit homines suos, et quod sui predecessores
nunquam expugnare potuerunt, hodie cum triumpho possidet'.^
Der Reimchronist Otakar meldet hierzu:* Der Herzog
sei persönlich zuerst vor die Burg Tannberg (Tanberc) an der
^ Palacky, Geschichte von Böhmen n, 349—362. Mit dem Erlöschen des
Kmmaner Astes (yor 1302) fiel dessen Besits an die Bosenberger Linie,
das Stammgnt, südlich yon der Moldau, bisher beiden Zweigen ungeteilt
zugehörig (8. 119, 171), ging in das Alleineigentum der letzteren über.
Vgl. Palacky II, 362; Pangerl in ,ZawischS S. 41, und im Archiy für
Osterr. Geschichte LI, 547, 662.
* Mon. Germ. Script. IX, 603. Uhlirz in Blätter des Vereines für Landes-
kunde Yon NiederOsterreich XXIX, 26, 53.
* a. a. O., 716.
* Vgl. 23130—23201 in Mon. Germ, deutsche Chroniken V/I, 306—306.
16^
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212
Kleinen Mühel gezogen and habe dieselbe mit Eriegsmascliinen
so geängstigt; daß die Besatzung sich ergab. Dann umlagerte
er Falkenstein (Valkensteine), vermochte jedoch die Feste nicht
einzunehmen, obwohl er ,an dem graben sie hiez verbuwen'
und Kriegsmaschinen gegen die Mauern trieb; denn — meint
der Chronist -- ,diu burc ist so guot, wand si ist der besten
ein, die man in den landen zwein nindert mohte vinden/ Er
mußte vielmehr ein Belagerungsheer unter Eberhart^ Heinrich
und Ulrich von Wallsee zurücklassen.
Kurz vor dieser Heerfahrt hatte König Rudolf die Burg
Marsbach wegen Landfriedenbruches als dem Reiche heimge-
fallen erklärt und, ungeachtet er sie fiiiher dem Bischof Wem-
hard zu Lehen gegeben, nunmehr seinem erstgebomen Sohne
Albrecht verliehen.^ Da jedoch die Ruhestörer Otto und Ortolf
von Marsbach, welche den Verkehr auf der Donau geschädigt
hatten, durch Schiedspruch Herzog Heinrichs XHI. von Bayern
mit Bischof Wemhard wieder ausgesöhnt wurden, infolgedessen
der letztere ,die Puorch zu Morspach' behielt,* hat Albrecht
angesichts eines winkenden höheren Gewinnes diese Ansprüche
nicht zur Geltung gebracht.
Die predones des Wiener Annalisten waren nichts an-
deres als die Besatzung, welche, außer aller Verbindung mit
ihrem Herrn, auf Fouragierung angewiesen war xmd alles, was
auf der Donau herabschwamm, auf die Burg' gebracht haben
^ Urkande 1288, 29. Oktober, OberfJsterreichlsches Urkondenbuch lY, 96.
* Mon. Boic. XXIX b, 564.
' Falkenstein ob der Ranna darf als eine der schönsten und interessante-
sten Ruinen im Bereiche der deutschen Zunge bezeichnet werden; nur
schade, daß so gar nichts mehr für notwendige Bedachung der Außen-
seite, in welcher noch vor ein paar Dezennien ein Jäg^r yon Altenhof
wohnte, vorgesorgt wird, so daß in kurser Zeit ein bloßer Trümmer-
haufen Yorhanden sein und der Berohfrit ins Rannatal hinabkollem
wird. Eingehende Beschreibung siehe in O. Piper, Österreichische Bur-
gen I, 86 — 97. Was den Wasserturm betrifft, so lautet die außen an-
gebrachte Jahreszahl 1488 und das Wappen der Oberhaimer begründet
die Vermutung, der ,Hungerturm' wie ihn das Landvolk nennt, sei von
dem Pfleger Hans Oberhaimer zum besseren Sohutse der Feste erbaut
worden, nachdem Herzog Georg von Bajem vom Hochstifte die g^egen-
über liegende Burg Rannariedl erworben hatte (1487). In der Bereitungs-
relation 1570, 28. Juni (Faszikel F 1 im Hofkammerarchiv) heißt es:
,So ist vor dem Schloß ungeuerlichen fünfzig Schritt weit von der
Schloß Pruggen hindan ain stargker runder gemaorter Thum, dreyer
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213
wird. Auch Tannberg dürfte von den Witigonen besetzt ge-
wesen sein.^
Tannbei^ wurde den Tannbergem wieder zurückgestellt,
doch mit der Verpflichtung, sie den herzoglichen Söldnern
jedesmal auf Verlangen zur Verfiigung zu stellen und nur nach
eingeholter herzoglicher Bewilligung zu veräußern oder zu
,andem'.* Herzog Rudolf m. nahm 1305* ohne weiters für die
Morgengabe der Gertrud von Tannberg ,daz haus ze Tann-
berch' an sich, Chunrad von Tannberg bekannte 1327 aus-
Gaden hoch und die Manr desselben Thuern drejer Clafter digk,
dar innen yier Qwelber and vier stainen Schnegkenstiegen, In dem-
selben entspringt der Pmnn so in Rorn in das Schloß rinndt, wel-
cher sa der WCr mit seinen Schieß vnd wnrflOchem zuegericht, aber
das Tachwerch daran Panfellig/ Die Schloßmauer war vom Grund
aus zwei Gaden hoch und auf halben Teil zwei Klafter dick, dann
immersu kleiner. Die Wehrgftnge und verschiedenen Lokal it&ten waren
▼on Hols, das äußere und das innere Schloß mit Ausnahme der Wohnung
des Pflegers — dessen enge und dunkle Stuben heute ein besser be-
zahlter Arbeiter nicht bewohnen mOchte — baufällig und die Dachung
reparaturbedfirftig, die Schloßbrücke in gutem Bau, jedoch das Schlagtor
in den Angeln alt und reparaturbedürftig. Der Schloßgraben vor dem
Tore war zweier Mannstief, der mehrer Teil trocken und allein daselbst
eine kleine Wassergrube, die von dem Schloßbrunnen gespeist wurde.
Das Schloß brannte am 12. April 1572 ab, wurde nach längeren Ver-
handlungen mit der Hofkammer wieder restauriert (Baukosten 1861 fl
1 ß 27 /^ rhein.). Im alten innern Schloß befand sich ,ain gefengknuß
so zwen gewelbt gemach aufeinander, yolgendt wider ein gefengknuß,
so ainer durch ain Loch hinabgelassen wirdet*.
Vom sogenannten ,yerlornen Reut* zwischen dem Meierhofe Falken-
stein und Altenhof, welches einen entzückenden Ausblick in das Wald-
tal der Ranna und durch dasselbe hindurch auf das hoch oben gelegene
Rannariedl und auf die freie Donau gewährt, erlangt man die Über-
zeugung, daß von den Türmen Falkensteins aus die Donau überwacht
werden konnte, an welcher beim Einfluß der Ranna das Dorf Nieder-
ranna, die Lastatt des Marktes Hofkirchen und die Donaumant für
Falkenstein, gelegen war. Das erklärt die Anlage der Hochburg abseits
vom Strome. Der Burgweg you Niederranna zur Ruine hinauf durch
den Wald heißt noch heute der Weinweg, weil auf diesem die auf der
Donau anlangenden Weinfösser durch die robotpflichtigen Bauern zur
Burg hinauf befördert werden mußten.
^ Ein Tannberger hielt noch 1277 Neuburg am In für Künig Otakar be-
setzt Redlich, Reg. Imp. Y, Nr. 781.
' Vgl. Rerers Chunrads von Tannenberch und Albers von Streitwisen
1327, 11. Juli, OberOsterreichisches Urkundenbuch Y, 484.
' Mon. Boic. XXX b, 25.
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214
drticklich, daß ihm die Herzoge von Österreich die Burg aus
Gnade wieder gelassen haben. Von der Eigenschaft des pas-
sauischen Lehens war gar keine Rede.
Falkenstein Burg und Herrschaft blieben unmittelbar im
Besitze des österreichischen Herzogs, welcher nun die Burghut
eigenen Burgmannen übergab. Solche waren Chunrad der
Magenhaus zu Falkenstein 1298 — 1307/ Otto von Krotendorf
1298—1316,« Purkel (Purchard) zu Falkenstein 1298-1316.»
Erst im Jahre 1331* wurden das Schloß Falkenstein mit
S2& ^ Gülten und das Schloß Ror (Unterror bei Kremsmünster)
mit 20 ^ ^ Gülten und jährlichen 200 ^ ^ an der Maut zu
Linz ftlr den Anteil der Linzer Linie an den schwäbischen
Stammgütem an Eberhard von Wallsee-Linz verpfändet, doch
schon im Jahre 1359^ von Herzog Rudolf IV. wieder einge-
löst. Wenn nicht Falkenstein nachmals an Eberhards Sohn,
Eberhard, jedenfalls auf kurze Zeit verpftlndet wurde, so ist
es irrig, wenn die Matseer Annalen im Jahre 1369^ Falken-
stein noch im Besitze Eberhards sein lassen, als der Rosen-
bergsche Lehenmann Ritter Leutwin Usel von Rownich die
Feste durch Überrumplung gewann.^ Erst 1384® wurde Fal-
kenstein mit Neuburg am In vom Herzog Albrecht III. wieder
an Reinprecht von Wallsee-Ens verpfändet.
Aus dem Spruche Herzogs Albrecht H. 1354, 26. Jänner®
ersehen wir, daß Eberhard von Wallsee als Pfandinhaber von
Falkenstein die Landgerichtsbarkeit in Anspruch nahm,
die ihm von Passau aus bestritten wurde. ,Dann — sagt
Albrecht — umb daz, daz man schedlich leut gen Valchen-
^ PröU, Geschichte von Schlägl 33, Anm. 2, OherOsterreichUches Urkun-
denbuch IV, 400, 407, 429, 431, 626.
■ a. a. O., dann Pröll 87, Anm. 5, Oberösterreichisches Urkundenbuch V, 165.
" a. a. O. Purgharts von Valchenstain Enkel, Christans Sohn: kommt vor
in einem Gerichtsbriefe der Tannberg. Lehenschranne 1349, 1. Jänner
(Passanisches Blechkastenarchiv Nr. 226, Fasz. 2).
* Chmel, Geschichtsforscher 11, 211 (Nr. 24).
* OberOsterreichisches Urkundenbnch VII, 681.
• Mon. Germ. Script. XI, 834. Strnadt, Velden 201.
' Über Usel vgl. Urkunde 1371 im Passauer Stadtarchiv und TruhlaP, Re-
gistrum bonorum Bosenberg., S. 28, Nr. 236. Rownich ist Buben oder
Rowny Pfarre Goyau bei Krummau.
• Urkunden 1384, 19. September und 1416, 12. April im Wiener k. u. k.
Haus-, Hof- und Staatsarchiv.
9 Mon. Boic. XXX b, 210.
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215
stain (vürt) und timb dief pezzert, sprechen wir, swez der von
Pazzow recht hat, da sol in Eberhart von Waise bei lazzen
beleiben, swes aber der von Waise gen Valchenstain recht hat,
da sol er oucb bei beleiben als es baidenthalben von alter ist
hercbonien/ Es behauptete also der Grundsatz beati possi-
dentes seine Geltung, weshalb auch zu allen Zeiten darauf
Gewicht gelegt wurde, sich im ,Posseß' zu erhalten.
In die Zeit Albrechts I. muß filr Kloster Schlägl die Er-
langung der Blutgerichtsbarkeit über das damalige Kloster-
gebiet am linken Ufer der Großen Mühel zwischen Klafferbach
und Wurmbrandbach zurückreichen, da Erzherzog Albrecht VI.
in seinem Privilegium für Schlägl ddo. Linz, 1459, Montag in
den Pfingstfeiertagen ^ erklärt: ,So hat auch weylent Herczog
Albrecht von Osterreich irem richter pan und echt verlihen
in irem gericht über das plut zu richten' und verleiht ,dem
selben gotzhaus den pan und echte in irem marckht am Aygen
in der masse als offi ain brobst zum Siegel ainen richter seczet
der sol dan denselben pan und echt von uns und unsem erben
oder wem wir das emphelhen der zu gebrauchen ordenlich
dieweil er dan da richter ist', wie auch Kaiser Friedrich HI.
in seiner Bestätigung 1493, 24. Juni bemerkt, ,daz Hertzog
Albrecht unser vorvoder von Osterreich irm richter pan
und echt in irem gericht über das plut zu richten verlihen'.
Zur Zeit Albrechts 11. war schon Streit zwischen Passau
und Schlägl entstanden ,umbe das gericht, daz der brobst zu
dem Siegel innhat*; der Herzog entschied (1354 wie oben),
daß der Streit vor ihm solle ausgetragen werden ,wan wir sein
(des Klosters) vogt sein'.
Albrechts I. Sohn, Herzog Otto, erklärt in dem Freibriefe
1325, 28. Februar,* daß er dem Gotteshause zu dem Siegel die
Gnad getan habe, ,daz si den walt, der zu dem chloster ge-
höret, reuten sullen und wer dar in chumt und da sizzen wil
und reuten, der sol von uns und unsern pruedern freyung
haben zwelf ganzzev Jar, wan es in unserm Land ist und
auch wir des Goczhauses Obrist vogt sein'.
Mit der Besitzergreifung von Falkenstein durch Albrecht I.
wurde das Schicksal der Territorialhoheit des Hochstiftes im
^ Begest Yielhabers aus dem Stiftsarchiv Schlägl.
' Oberösterreich iscb es Urku^denbuch V, 414.
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216
Mühellande mit einem Schlage entschieden^ die Osterreichische
Landeshoheit hat nicht erst nach und nach I^iß zu fassen ge-
sucht^ wie man bisher anzunehmen geneigt sein mußte. Albrecht
war eine zu machtvolle und wenig rücksichtsvolle Persönlich-
keit^ um bei halben Erfolgen stehen zu bleiben. Er benützte den
günstigen Augenblick, um von dem geistlichen Reichsflirstentum
die Oberhoheit in dem Landstriche zwischen Großer Mühel
einerseits^ Ranna, Osterwasser und Gegenbach andererseits
ohne den geringsten Widerstand des Bischofs selbst an sich
zu bringen. Auf dem bischöflichen Stuhle zu Passau saß da-
mals ein ihm ganz ergebener Mann, Bernhard von Prambach,^
vormals Pfarrer in der herzogUchen Residenz Wien und gewiß
nicht ohne Zutun Albrechts zum Bischof erwählt, der ihm ftlr
den Verzicht auf Marsbach verpflichtet und noch mehr seines
Schutzes wider die nach Selbständigkeit strebende Stadt Passan
bedürftig war. So lange Albrecht noch Herzog war, werden
sich dem Bischof die Folgen seiner Unterlassung nicht flihlbar
gemacht haben; anders wurde es unter den Söhnen Albrechts,
wie denn schon Herzog Rudolf ohne weiters der von Passan
lehenbaren Feste Tannberg sich unterwand. Nun war ein
Widerstand zu spät, denn gegen den römischen König aufzu-
treten war Bernhard viel zu schwach und abhängig.*
Otto und Albrecht H. schalten, wie oben erwähnt, als
Landesfürsten im Mühellande. Es ist daher nur eine Äußerung
fürstlichen Rechtes, wenn Albrecht HI. dem Andreas Gruber
den Bau der Feste Stein an der Kleinen Mühel erlaubt (1369)'
und dem Bischof Johann von Passau die vom Grafen Heinrich
von Schaunberg zurückgestellten hochstiftischen Festen Viechten-
stein. Ober- und Nieder-Wesen, Rannarigl, Haichenbach, Velden
und Riedeck nur mit der Beschränkung ausliefert, daß der
Bischof ihm mit selben gewärtig sei und sie nur an öster-
reichische Dienstleute vorsetze.* Ja, bezüglich Viechtenstein
und Rannarigl geschah damit ein weiterer Übergriff auf passaui-
sches unmittelbares Territorium.
^ Ihm teilte Albrecht sofort seinen Sieg über König Adolf mit 1298. Ober-
Csterreichisches Urkundenbuch FV, 285.
' Das Urteil Bnchingers I, 277 über Bernhard bedarf großer Korrektur.
» Hoheneck UI, 212.
* Urkunde 1393, 16. Oktober in Stmadt, Yelden 252.
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217
Für die Qebietseinbuße auf böhmischer Seite wurde von
Albrecht L 1289/90 Oberösterreich um das Mühelland ver-
größert
Elfter Abschnitt.
Das Landgericlit Velden, die Herrschaften Falkenstein
und RannarigeL
Erst nach dem ersten Viertel des 14. Jahrhunderts^ wurde,
viel zu spät, um die Landeshoheit des Hochstiftes wahren zu
können, ftLr das an Osterreich verlorne Gebiet das passauische
Landgericht zu Velden errichtet und der Wirkungskreis des
Landrichters der Abtei auf das westliche Land beschränkt.
Nach der Orenzbeschreibung vom Jahre 1593* reichte es im
1 In dem Verzeichnisse der Einkflnfte des Bischofr Ton Passan im ersten
Viertel des 14. Jahrhunderts ist die Stelle: ,Item ladicinm provinciale
(in Velden) circa 12 libras' ein späterer Zusats. Notisenblatt der Wiener
Akademie 1853, 8. 199.
' «Landes der Abbtej, Wie nit weniger der darin ligenter, und daran
stossenter herrsehaften und Landgerichte ordentliche Gränis- und Jaids>
beschreibnng, so durch die darsne verordnete fttrstl. Passan: Rät und
Commissaries Bemharten Treitwein der Rechten Doctom und Otto
Loschen an Stephans • Kürchen Jägermaister, auch iedes orts Pfleger
und Landrichter, nach vleißiger abgehung und genombeuen angen-
schein dieselben im iahr 1598 verrichtet und in diß Gränis Biechl zu
fürderlichen nachrichtung wie volgt gebracht worden.* Gleichzeitige
Slopie im kOnigl. bayrischen Reichsarchiv in Landshut (Trausnitz) Rl
Xm F 26 Nr. 4, S. 3, alte Signatur Nr. 57.
,Hebt sich an bey Neuhauß, mitten in der grossen Mühel, gränizt
also herauf gegen Partenstain, von dannen gen Velden, von Velden
gen Pfthmstain, mehr von dannen gen Haßlach mitten auf die Pru-
cken über die Mühel gehonte, von der Pruck auf mitten auf die Pru-
cken gen Schlegl, von derselben Prukchen bis an Finsterpach, von
dannen schaidt es der benant Finsterpach bis auf den Ursprung der
ciain Mühel, von dem Mühelhaubt gränizt das Landgericht an den
gmainen waldt Falckenstain und Rännaridl zuegehOrig, von dannen bis
an die Prucken genant am Haag (Hangern), von dannen bis an die
Wildränna, nachvolgent wehrt das Landgericht Velden nach der Wilden
Ränach hinab für Falckenstain bis in die Thonau, nach der Thonau
hinab bis widemmb in die grosse Mühel, hat also zum mehrem thail
sein lebendig marchwasser.*
Urkundlich vorkommende Landrichter zu Velden: 1387, 1344
Gundacher von Losenstein; 1356, 1358 Chadolt von Valchenstain; 1370
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218
Norden bis an die große Mühel, erst 1640 wich die Grenze
bis zum alten Schefweg zurück, bei welcher es bis zur Auf-
hebung der Patrimonialgerichtsbarkeit das Verbleiben hatte.
Anfangs des Jahres 1637 wendete sich nämlich Propst
Martin von Schlägl an Erzherzog Leopold Wilhelm als Bischof
von Passau mit der Bitte um Ausscheidung der 122 Kloster-
untertanen am rechten Mühelufer aus der Jurisdiktion des
Landgerichtes Velden und erbot sich dafür, die ^ruinierte heil.
Wolfgang Capellen zum Stain' (jetzt Wolfgangstein Pfarre
Aigen) zu restaurieren, über eingeholten Bericht des Pflegers
Johann Friedrich Moll zu Marsbach als Landgerichtsverwalters
erklärte sich der Erzherzog nicht abgeneigt, verlangte aber
eine Rekompens (1637, 23. März). Der Propst machte dawider
geltend, daß ihm eigentlich diese Obrigkeit über seine Unter-
tanen ohnehin zustünde; bei einer mündlichen Konferenz (1638,
24. November) bot er aber außer der Kapellenrestaurierung
als Rekompens vier Untertanen an: den Thoma Lang und den
Hans Schartner in Werbach (Pfarre Pfarrkirchen), die halbe
Fuchsmühle und den halben Haselhof (Pfarre Sarleinsbach).
Hiermit befriedigt, überließ der Erzherzog laut Vergleiches
1639, 12. Dezember (Ausfertigung Passau 1640, 10. Mai) an
Schlägl die völlige landgerichtliche Jurisdiktion über nach-
stehenden Bezirk:
,Nemblich vom Finsterbach, welcher auß des closters
forst in die grosse Mihel falt, auf den Schefweg ab und ab
biß auf der Khürchpacher hölzl, daß Bawer (Bauwerch) ge-
nant, von danen miten durch daß Bawer, auf den HöUpach,
von dem HöUpach der Zwerch nach so weit des Closters
grund und boden geraichet, biß auf den Schneidergraben:
von demselben auf daß Stöckelpächel, so auf der ober Neu-
dorfer Stock wisen entspringet und in Crünpachfeld; von und
am Crünpach (jetzt Krenbach genannt) abwerts biß wider an
den Finsterpach, in welchem gezierk obbesagte St. Wolfgangs
Capellen und andere 122 underthanen sambt acht darzue ge-
hörigen clainheußlein gelegen.' Ausgenommen wurden die
Ulrich der Pueger; 1388, 1391 Peter Scht^nauer; 1393 Andre Herleins-
berger; 1400, 1402, 1410, 1411, 1420 Eglof Neuenkircher; 1406 Wemhart
Scharf; 1425 Veit Liechtenecker; ca. 1430 Heinrich Kaplan ; 1436, 1439,
1440, 1441, 1444 Udung Liechtenecker; 1449, 1458 Andre Wiltperger;
1463 Niklafl Stettliuger; 1480, 1493, 1496 Paul HoUinger.
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219
8 Untertanen der passanischen Herrschaft Pümstem in Schwal-
ßödt, welche mit der landgerichtlichen Jurisdiktion unter Velden
blieben und sonach eine Enklave des letzteren Landgerichtes
in dem erweiterten Landgerichte Schlägl bildeten.^
Das Gericht des Propstes von Schlägl war schon ein
Jahrhundert früher bis an den böhmischen Gegenbach vor-
gerückt, als das Kloster 1522, 10. März* von dem Grafen Hans
von Hardeck den Klafferwald mit den Dörfern Klaffer und
Freindorf kaufte.'
^ Akt mit Karte im passanischen Blechkastenarchir Nr. 234 f. 157. MUn>
eben. Was Pröll, Schlägl, 8. 254 sagt, daß der UmsUnd, daß Passau über
8t. Wolfgang das Landgericht hatte, dem Neuban des verfallenen Kirch-
leins hinderlich war, ist unverständlich.
' fDen Clafferwald mit seinen wasserläofen und dem vischwasser . . .,
der sich anfängt bei dem Clafferpach und nach längs ab bis an die
Mflhel und von der Mühel auf bis zu dem Gegenpach und an dem Bach
auf bis an den Piekkenstein auf alle hOch, von dieser hOch geht die
march bis in das Puchat und den vorgenanten Clafferpach.' Femer ver-
kauft Graf Hans an Propst Siegmund die Dörfer Claffer und Freundorf,
die auf einer Seite des Waldes gelegen sind, mit aller ZugehOrung (20
und 1 1 Bauern). Das Recht, in der Großen Mtthel zu fischen, hatte halbs
(auf der linken Seite) der Graf und halbs (auf der rechten Seite) das
Kloster Schlägl bis an den Finsterpach, von diesem bis an den bayri-
schen Gegenbach auf derselben Seite hatten die von Wegscheid zu
fischen. ,Damach geet der (böhmische) gegenpach auf nach dem wald,
den haben wir (Graf Hans) halber zu vischen und den anderen halben
tail die herrschaft zum Rannarigel.' Auf der Hohe des Pleckensteins hatte
der Graf und halbs die Herrschaft zum Rannarigel zu fischen (Begesten
des verstorbenen Museumskustos G. Weishäupl und des Schlägler Stifts-
bibliothekars Vielhaber. Hierzu zu vergleichen PrOll, Geschichte von
Schlägl, S. 114-115).
' Aus Klaffer stammen nicht, wie in Velden S. 146 angegeben wurde, die
Klafpäcken, sondern hOchst wahrscheinlich vom Klaffenbäckgute bei
WitzenOd Pfarre St. Ägidi ab; der Zehent von zwei Häusern in Chlafel-
bach wird in der bischöflichen Urkunde über den Ausgleich zwischen
dem Pfarrer Albert Celler von Engelhartszell und den Brüdern Otto,
Heinrich, Ortolf und Meingot von Waldeck 1259, 29. April (Original im
allgem. Reichsarchiv München) erwähnt. Der Familienname Klaffenböck
ist noch heute in den Pfarren Ägidi, Neukirchen am Walde und Natern-
bach einheimisch.
Die Ortschaften Klaffer und Freindorf werden zuerst in einer
Eferdinger Urkunde 1896, 1. September (Strnadt, Velden 227) au%eführt;
da beide zehentpflichtig sind, während Neurisse durch eine Anzahl von
Jahren zehentfrei waren, so muß ihre Anlegung eine geraume Zeit,
vielleicht noch in das 13. Jahrhundert zurückreichen. Nicht deshalb.
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Dagegen gelang es den Herren von Sprinzenstein nicht^
weil der Zehent von Falkenstein lehenrührig war, sondern ans dem
Umstände, daß an einen zweiten Kaufbrief 1403, 17. Jali der Vertreter
der Grandherrschaft, Pfleger Hartlieb Herleinsperger zu Falkenstein, sein
Siegel anhängte, ist die Zugehörigkeit der DOrfer zu Falkenstein zu er-
schließen.
Es frSgt sich, auf welche Art die Grafen von Hardeck den Elaffer-
wald in ihre Gewalt brachten, wenn er zur landesfClrstlichen Herrschaft
Falkenstein gehOrt hat.
In dieser Richtung haben wir in die Vergangenheit zurückzu-
schreiten. Noch um das Jahr 1510 stand die Grundherrschaft flber Klaffer
und Freindorf den Herren von Rosenberg zu. Denn das älteste ,Urbar-
puech des Gsloß und Herrschaft Rännarigl* (vormals im landeshauptm.
Archiv, jetzt im OberOsterreichischen Landesarchiv), welches nach den
noch vorhandenen Stenerlisten des Jahres 1509 (,Vermerckht der Romi-
schen kayserlichen Mayesstat gsloß zum Rannarigl Steuer Anno etc. im
Neuntn Jar* im Hof kammerarchiv Fasz. R 2) in diese Zeit zu setzen
ist, sagt bei Aufzählung der Fischwässer in Wastleins Amt (später Amt
Heindlschlag genannt) : fier behemisch gegnpach . halber gein Rannarigl
und halber dem von Rosenberg . schaid die Wald vnd Wildpan . und ist
aitt Marich in die gproß Mühl'.
In der Tat bekennt auch zu Krummau ,am freitag sand Peters
stuelfeyr 1493* (Orig. Pap. im fttrstl. Schwarzenbergschen Zentralarchiv
Krummau c ad I 1 Aa Nr. 43) als Auskunftsperson, Thoman Wei(g)atz-
perger richter aufm Klaffer, ,das bey meiner gedachtnus so lang ich g^
denk das guet Klaffer mit seiner zugehorung hat alweg gehört gen
Wittinghausen und sind bey meiner gedachtnus zu Wittinghausen
pfleger gewesen der Gorig Grossauer (1456, 1457 Fontes XXIU, 285,
287), der alt Woitiech, der Knentz Grossauer und der Augustin Steger.
Dieselben pfleger haben daz guet Klaffer alweg zu dem Gealoß Witting-
hausen gebraucht, gesteurt und gewandelt, die Richter daselbs ab und
auf gesetzt und in allen nodtuefften gewejet und in undertenig und ge-
horsam gewesen.' Ein Anschlag der Herrschaft Haslach aus dem 16. Jahr-
hundert (im fttrstl. Schwarzenbergschen Archiv zu Wittingau Akt Has-
lach U 92/a f. H) führt unter der Anmerkung: ,Uemach beschriben und
verzeichnete Lehensteuer sein unrichtig und wierd demnach darubm
nichts geraicht* — an: ,Thoman wejgentsperger richter auf dem Klaffer
und Oßwald schuester zu Saldnau (Saulnau bei Klaffer) haben zu
lehen zweithail auf dem Klaffer.'*
Der Klafferwald gehörte demnach Ende des 15. und anfangs des
16. Jahrhunderts zur Rosenbergischen Herrschaft Witigenhausen, und
zwar schon im November 1488, wie sich aus der Nachricht Herm. Bi'e-
* Dieser Zehent, welchen noch 1425, Eritag nach St. Anton Reinprecht
von Walsee auf Bitte Ulrichs von Scharten dem örtlein Virneyser auf
18 Gütern zu Freindorf und auf dem Klaffer verlieh (PröU, a. a. O. 115
Anm. l)y wurde von dem Kloster Sohlägl an sich gebracht.
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221
ihren Wunsch auf Zngestehnng des Landgerichtes innerhalb
uns* ergibt, daß Herr Wok yon Roaenberg im November desselben
Jahres dem p&pstlichen Legaten bis aum Klafferwalde, also an der
Grense seines Gebietes, ein Geleite entgegengesandt hat. Diese Nach-
richt stimmt mit der Tatsache, daß Reinprecht von Walsee, welcher am
,montag nach sand urbanstag, 1464** seinem lieben Vetter dem edlen
Herrn Jan Yon Bosenberg (f 1472) Schloß und Herrschaft Witigen-
hansen nnd seinen Markt Haslach mit ZugehOr and Landgericht, wovon
,der markht allain von dem hochwirdigen Stift Passau sn lehen
rnref, aof seinen sOhnelosen Ablebensfall vermacht hatte, bereits am
26. April 1483 ans dem Leben geschieden war. Infolge des Verm&cht-
nisses fielen Haslach, welches mit Ausnahme des Obergerichtes Ulrich
von Bosenberg 1421, 27. April an den Hauptmann ob der Ens Bein-
precht von Walsee verkauft hatte, und die ,Vest zu Witigenhausen
und das obere Pehemisoh gerichf, welches mit aller ZngehOrung 1427,
9. August*** von Ulrich von Bosenberg an Beinprecht verkauft worden
war, ohne Wiederlosung an die Bosenberger iur11ck.t
Im Urbar von ,Wittinghausen' ddo. ,freitag nach dem heiling
pfingsttag Anno domini 1515' im Krummauer Zentralarchiv kommt das
Amt Kläffer nicht mehr vor. Es muß dasselbe demnach zwischen den
Jahren 1510 und 1615 an den Grafen Hans von Hardeck, welcher seinem
Yater Heinrich im Pfandbesitse von Falkenstein nachgefolgt war, durch
irgend eine Transaktion gelangt sein. Seine Mutter Elisabeth (geb. 1466,
gest. 1607) war eine Schwester jenes Peter von Bosenberg (f 1623), der
nachmals durch sein Testament su so großen Büßhelligkeiten Anlaß
gegeben hat. Während seiner Besitzperiode hat Graf Hans 1516,
20. Jinnerft der Witwe seines Bichters zu Klaffer des obgedachten
Thoman des Weigartsberger den halben Zehent zu Klaffer und Frein-
dorf überlassen. EIndlich entledigte sich der Graf im Jahre 1622 des
seit der Einlösung von Falkenstein in Isolirung geratenen Besitzes durch
Yer&ußemng desselben an SchlSgl; im Kaufbriefe bemerkt er ausdrück-
lich: ,Also das weder wir noch unser E^ben und nachkomen noch
jemandts andern von unseren unser Elrben und herrschaft wegen
weder von aigenschaft noch von lehenschaft weder landgericht
noch von kainerlay ander sach wegen darauf nichts mer gebieten.'
* Bosenberg. Chronik ed. Klimesch S. 163. ,Anno domini 1483 deß Monats
November ist auf Cromaw kommen der Joannes Cardinalis de Aragonia,
pabstlicher Legat, deme vorhero der Herr Wok bey 50 Pferdt endtgegen
abgefertigt biß zu dem Waldt, Klaffer genandt, gegen Passauer Strassen,
welche ihn dan biß auf Cromau beglaitet haben.'
** Fürstlich Schwarzenbergsches Zentralarcbiv in Krummau IIA« Nr. 43.
*** Daselbst I Aß Nr. 12. Notisenblatt 1862, S. 11.
t Schon 1465 hatte Beinprecht Witigenhausen und Haslach seinem Neffen
Jan von Bosenberg f&r ein Darlehen von 1000 Gulden eingesetzt Orig.
im Zentralarchiv Krummau b ad I Aee Nr. 48.
tt PröU, Ä. Ä. O. 116, Anm. 1.
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ihres Burgfriedens beim Bischof von Passau durchzusetzen
(1644).!
Die Pflege und das Landgericht Velden wurden 1393,
14. September,* die Feste Tannberg samt Urbar (worunter das
Gericht Peilstein) 1421, 13. August' an Andreas Herleinsberger
verpftlndet; erst im Jahre 1503 gelang dem Hochstifte die
Wiedereinlösung.* Die Pflege Tannberg wurde dem Achaz
Prembser^ anvertraut und ihm einige Jahre später auch Velden
dazu gegeben. Nach seinem Tode erhielt beide Pflegen samt
der Maut zu Peilstein Egidi^Tettenheimer 1516, der als Pfleger
im Dezember 1517 vorkommt, hierauf Wolf Elrechinger zu
Mamling 1520. Dem Nachfolger des letzteren, Hans Stadler
zu Emegk, wurde laut Reverses 1522, 6. Jänner, hierzu auch
noch das Schloß Marsbach in Bestand verlassen. 1525 (Montag
nach Erhardi) wurden dagegen an Hans Nusdorfer zu Tutling
nur mehr Tannberg und Velden tiberlassen, nachdem schon am
Freitag nach Pauli Bekehrung desselben Jahres die Pflege
Marsbach abgesondert dem Lamprecht Haunreiter verliehen
worden war. Auf den Nusdorfer, der zuletzt 1528, 11. Februar,
als Pfleger zu Tannberg erscheint,^ folgte in der Pflege Tannberg
noch Wolf Herleinsperger zu Altenhof (Urkunde 1529, 25. März,
bei Pröll a. a. 0., 117), wogegen Velden schon 1528 zur Pflege
Marsbach gezogen wurde ' und bei dieser fortan verblieb. End-
Daß unter ihm fQr das sogenannte Malefis in Elaffer ein eigenes
Halsgericht bestand, das wohl durch den Richter versehen wurde,
und daß selbes yom Propst Siegmund angelassen und nach Aigen ge-
zogen wurde, besagen die Beschwerden der Bürgerschaft zu Aigen aus
den Jahren 1585 uud 1592* Klaffer scheint bei der Einlösung der Pfand-
schaft Falkenstein (nach 1425) in den HJinden Reinprechts von Wallsee
zarückgeblieben zu sein, der es dann yon Witigenhaus aus verwalten ließ.
* Fasz. Sprinzenstein im Hofkammerarchiv.
• Mon. Boic. XXXb, 426.
a. a. O. XXXI b, 176.
Revers Wolfgang Herleinsbergers, 1609, 2. Februar, im allgem. Reichs-
archiv in München.
Als Pfleger zu Tannberg wird er im M%rz 1614 erwXhnt (Passauisohes
Blechkastenarchiv, Nr. 226 f, 8).
Archiv für österr. Geschichte XXIV, 184.
Reverse in Original und Kopie im k. allgem. Reichsarchiv in München.
Buchinger II, 289, Anm. ♦*.
8
• Pröll, a. a. O., 156, 166, 185.
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223
lieh wurde anch Tannberg, wohin 1503 der Sitz des Land-
gerichtes gewandert war, noch vor dem Jahre 1538 mit Mars-
bach vereinigt; denn in letzterem Jahre wird Christoph Lieben-
aner bereits Pfleger zu Marspacb, Tannberg und Velden ge-
nannt.^
Nun wurde Marsbach, das erst 1520 von dem Oberhaimer
zurückerobert worden war, der Sitz des Pflegers für die Herr-
schaften Marsbach, Tannberg, Velden und Partenstein; der je-
weilige Pfleger war zugleich Verwalter des Landgerichtes Velden,
das seinen alten Namen bis in das 18. Jahrhundert beibehielt.
Die Landgerichtsschrannen in Malefizsachen wurden auch fUr-
derhin im Gerichtshaus, dem vom Hoch stifte im Markte Neu-
felden erbauten Schlosse,* abgehalten, die Landgerichtsdiener
von Marsbach wohnten in Neufelden,' in dessen Schloßturm sich
die Gefängnisse befanden. Als Beisitzer der Schranne wurden
die Bürger von Neufelden und ,von Alters her' Untertanen des
Ho&mtes Tannberg und des Gerichtes Peilstein verwendet, das
Gerichtsschreiberamt versah schon 1493 der Bürger Jakob Bys-
mann zu Velden,* Vorsitzender war der jeweilige Marktrichter,
welcher deswegen den stolzen Titel ,Landrichter' führte; erst
der Marktrichter Abraham Oder (1586 — 1696), Sohn des vor-
maligen Markt- und »Land^richters Hans Oder (1525 — 1568),
ein Günstling der Pflegersgattin Tattenbäck zu Marsbach, der
Tau^tin seiner Kinder, entzog sich dieser Pflicht und besetzte
das Malefizrechten statt der ,kindi8chen' Bauern ausschließend
mit Bürgern des Marktes.* Diese Besetzung dauerte bis zu den
Reformen Kaiser Josefs H.;^ Richtstätte war der innere Galgen-
berg bei Neufelden ob der Großen Mühel, im 19. Jahrhunderte
der Kreuzweg auf der Donauleiten zwischen Hofkirchen und
Marsbach. Zur Unterhaltung des kaiserlichen Bannrichters in
Linz hatte das Landgericht Velden einen jährlichen Beitrag von
7 Gulden 40 Kj-euzem zu entrichten.^
1 Strnadt, Velden, 8. 210/282.
■ Der Familie Weillnböck gehörig.
* Erwihnt 1579 Georg Partner, 1602 Matheos Lang, 1638 Georg Pessl.
* PrölV a.a.O. 107.
' Die Yogtnntertanen von St. Florian wurden schon 1451 Yon der Schöffen-
pflieht entbanden. Strnadt, Velden, S. 254.
* PaMaaisches Blechkastenarchir, Nr. 280 f., 53, Nr. 231 f., 65, 66, 69,
74, 76, 97, Nr. 282 f., 124.
^ Quittung Tom Janner 1597 a. a. O., Nr. 231 f., 76.
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224
Die Herrschaft Falkenstein und deren O^eriehtsholielt.
Nach Ablauf der Pfandzeit, also 1435, war Falkenstein
— wohl mit Ausnahme des Amtes Klaffer — von Reinprecht
von Walsee zurtickgelöst worden. Als landesfürstliche Pfleger
treffen wir 1443^ und 1457* Cholman den Oberhaimer; 1470,
1471, 1478, 1479 3 Simon den Oberhaimer; 1483, 1485, 1488
Hans den Oberhaimer.*
Aber schon 1490, 3. Oktober, wurde Falkenstein mit der
Maut in (Nieder-) Ranna den Freiherren Siegmund und Hein-
rich Prtischenk verpfilndet und 1494 um 10.000 Gulden gegen
Wiederkauf verkauft.^ Des letzteren Sohn, Graf Hans von
Hardeck, hatte die Herrschaft bis 1515 inne; sein Pfleger war
Michael von Traun zu Eschlberg.^ Am 16. Oktober 1515 ver-
schrieb Eüiser Max I. Falkenstein seinem Rate und Schatz-
meister Jakob Villinger pfand- und pflegsweise, von welchem
sie mit Genehmigung Erzherzogs Ferdinand 1521, 21. Oktober,
Jobst von Oberweinmair (Oberweymar) übernahm. Nach dem
Tode des Letztgenannten verschrieb Kaiser Ferdinand die Herr-
schaft ,sambt dem Landgericht', wie das Diplom 1527,
21. Dezember ausdrücklich besagt, dem Herrn Jörg von Herber-
stein und dessen Erben.^
Die Gerichtshoheit über die eigenen Untertanen war
schon im 14. Jahrhunderte von Falkenstein festgehalten worden,
es blieb bei dem alten Herkommen; im 15. Jahrhunderte
scheinen jedoch die landesfürstlichen Pfleger sich damit be-
gnügt zu haben, daß sie keinen Eingriff des passauischen Land-
» Strnadt, Velden, S. 258.
' Urkunde Sonntag nach St. Andreastag 1457 im Fasz. F 1 im Hof kammer-
archiy.
» Hoheneck m, 285; PrOll 70; Chmel, Mon am. Habsborg. HI, 302, 699.
Passauisches Blechkastenarchiy, Nr. 226 f., 10.
^ 1483, 4. Dezember. Pflegrerers des Hans Oberhaimer überValchenstain,
wie es sein Vetter Simon innegehabt. Chmel, Begesten K. Friedrichs HI.,
, Nr. 7640; Strnadt, Velden, S. 269, 260.
" Streun man. gen., Band XH, im Stifte GOttweig; Wisgrill FV, 124;
Chmel, Regesten, Nr. 8594.
* Schreiben desselben, ddo. Valchenstain Phinztag nach dem Sonntag
Invocavit 1514 an. Bischof Wigileus. Passauisches Blechkastenarchiv»
Nr. 226 £; 8.
* Original und Kopien im Fass. F 1 im Hof kammerarchir.
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riohters von Velden anf herrschaftlichein Gnind nnd Boden
duldeten, die Malefizpersonen selbst in Falkenstein gefänglich
annahmen, im Schlosse yerwahrten, die Untersnchnng zu Ende
fährten xmd die Malefikanten erst dann, nachdem sie in der
Schranne im Markte Hofkirchen, woselbst der falkensteinische
Landgerichtadiener wohnte,^ überwiesen nnd des Todes schuldig
erkannt worden waren, zur Vollstreckung des Todesurteiles
tber den Bock- oder Wesenbach (gleich außerhalb des Marktes)
dem Landrichter von Velden überantworteten.
Dieses Bild zeigen wenigstens die ,Gerechtigkeit vnd alts
herkhomen des markts zu Hofkhirchen' aus dem Jahre 1485'
und das Ehaft der Bauern im Amte Eramel;' das Ehaft des
* PasMnisches Blechkastenarchiv, Nr. 231, f. 65.
* Lambelsche WeiBtümersammlang, Original in Hof kirchen.
Art 45. Jtem ist es anch von alter berkomen and der gebrauch, ob
ein schädliche person, es war fraa oder man in der berrschaft Yalcken-
stain mit malefizbandl befanden and betrOtten waerde, dieselben in fran-
fest gen Valckenstain gefiert and Überantwort, alda mit strenger frag
erkandet, darnach alhie im marggt Hof kirchen faer das recht gesteh and
wo sie beredt wirdet dem landgericht za Velden über den Mittempach
geantwortet werden, in ansem waltfeldt and derselben schotlichen person
güeter beleiben bei der berrschaft Valckenstain zwei theil, das drit theil
soll dem landrichter za theil werden, welcher sie daramben nach ge-
stalt der Sachen wie recht ist richten soll lassen,' Die alten Rechte von
Hofkirchen hatte Herzog Otto ddo. Stejr 1335, 26. März, bestätigt
(Preaenhaeber Ann. Styr. 50).
' Extrakt ,aaß der Paamen im Ambt Cräml Eehaft geschriben' som
Berichte des Pflegers Oswald Salbarger 1571, 7. März, im Hofkammer-
archive, Fasz. F. 1.
,0b angesessen leat kamen and Clag aafkamb, die nit mttssig wäre,
and kämb der Landrichter and wolt der betreden, and da solle sich
der Landrichter rerhüeten and sol das bringen an herm and an den
Haabtman, and sol den erfodem, den sol die Herrschaft and der Ambt-
man feßnen, in sein leib and gaet, and sollen fneren gen fronfest
gen Valckenstain, darnach vom fronfest zam Bechtn gen Hofkirchen,
zwej theill gaets behelt man bey der Herrschaft, den dritthail antwort
man mit im. Item ein diep kämb in das Ambt and in die Herrschaft
and er getrangen waert, and kämb anter die tachtropfen, so sol im der
Landrichter nichts than, noch nicht eingrif thaen, er sol ine erfordern.
Es sol aach ieder Man aaf sein and zaeg^eifen, die in der Herrschaft
sein, and sollen den za iren Händen nemen, damit man in bring in
fironfest gen Valckenstain. Und ob ainer anßkämb, dem Ambtman oder
der Herrschaft anß der Vänknnß, so sol man nachkomen naawerz an den
Haslpach and auf die Hz, and In an die walta, and anß an die
Ton an, wo man in begriff, den sol man an alleirrang herwider brin-
ArehiT. XCIY. BMid« 16
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226
Amtes Harnet; das nicht überliefert ist, dürfte gleichen Inhalts
gewesen sein. Der Markt Rohrbach, welcher nach Falkenstein
untertänig war, lieferte gefangengesetzte Malefizpersonen über
ein Bachl bei der Wasch am Ostende des Ortes dem Land-
gerichte ans.^ Im Markte Lembach, in welchem fidkensteinische
(28), pümsteinische (17) und passanische (32) Untertanen saßen,
wurde — wenigstens im 17. Jahrhunderte — die Vogteiobrig-
keit alternative ausgeübt; wenn die Reihe an der Herrschaft
Falkenstain war, sprach der Pfleger auch über die landgericht-
lichen Fälle die Gerichtsbarkeit an.*
Aber selbst diese Akte waren nur notdürftig zu beweisen,
als die kais. Pfandschaftenbereitungskommission am 5. Juni
1570 in Falkenstein eintraf und nach den landgerichtlichen
Rechten Nachfrage hielt. Der Vizedom Kosmas Gienger be-
richtete* an die niederösterreichische Kammer, daß vor guter
Zeit und vor 47 Jahren (1524, seither war kein Malefizfall vor-
gekommen) die Verbrecher, so auf der Herrschaft Falkenstein
Grund und Boden betreten xmd eingezogen worden, gefänglich
verwahrt, das Recht über dieselben durch den herrschaftlichen
Pfleger ergangen, hernach in das Landgericht Velden zu Voll-
ziehung der Exekution geantwortet worden; er wußte jedoch nur
vier Gedenkpersonen (Siegmund Moser, Salzbereiter im Mühl-
viertel, Wolf zu Kanzling, falkensteinischer Untertan, Katha-
rina Mayringer, Bürgerin zu Hofkirchen, Leopold Medtmüllner
am Höffl, rannarigelscher Untertan) aufzutreiben, weshalb er er-
achtete, daß es des Landgerichts halber, wie von Alter her-
kommen, verbleiben möge.
Indem jedoch der Pfleger Gottfried Salburger,* welcher
seinem anfangs 1572 an der im Schlosse Falkenstein ausge-
gen, und sol der dritthail gnets dort lassen und die zweithaill guets mit
ime bringen.'
^ Bericht des Marktrichters Sebastian Stadlpaur, t671, 12. Februar, Schreiben
des Herbersteiner Pflegers Bartlme Salbarger, 1561, 6. Juli, Fasz. F 1 im
Hofkammerarchiv.
' Extrakt aus dem Berichte über die Niedemkeßla. Passauisches Blech-
kammerarchiv, Nr. 101.
" 1671, 26. Mai. Fasz. F 1 im Hof kammerarchiv.
* Sohn' des Bartlme Salburger (f 1668), welcher 1632 zu Hofkirchen, wo
seine Familie noch 1570 ein Burgrecht innehatte, als ,ersamer Bürger*^
* Zu dieser Zeit war noch Ott der Oberheimer Pfleger zu Falkenstein
(1629 bei Prtfll, a. a. O. 117, Anm. 1).
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227
broohenen Infektion verstorbenen Bruder Oswald Salbnrger
in Pflege und Bestand der Herrschaft gefolgt war, sich bei
dem alten Herkommen zn erhalten snchte, kam es zn Zn-
sammenstößen mit dem passaoischen Pfleger Veit Tattenpeck
Yon Marsbach. Es wurden nun weitere acht Zeugen (Hans
Feyel, Mautner in der Wildenranna, E[ans Sprüzlmair, Hofwirt
zu Falkenstein, Leonhard Mikhtlsch im Eramel und fünf Bürger
zu Hofkirchen) daftlr aufgebracht, daß vor 43 Jahren (1528)
unter dem Pfleger Sebastian Inderseer einer aus dem Amte
Eramel in Falkenstein (gefänglich) einkommen und ebnermaßen
erst nach der Tortur und gehaltenen Kechten hinausgeantwortet
worden.^
Tatenpeck stellte sich auf den Standpunkt, daß die Amts-
liandlung gegen Übeltäter nach der Landgerichtsordnung allein
dem ordentlichen Landgerichte gebühre, weshalb er auch die
Yon Q-. Salburger (1575, 1. April) unter gleichzeitiger Protestation,
daß solches der Herrschaft Falkenstein künftig an ihren Recht-
und Gerechtigkeiten unvorgegriffen sein solle, angebotene Hin-
ausgabe des im Flecken Lembach aufgegriffenen Wolfgang von
Ruezersdorf vor dem Markt Hofkirchen und über den Mitter-
bach ablehnte. Er ließ vielmehr durch seinen Landgerichts-
diener vor offener Kirche in Altenfelden (1579, 19. Juli) allen
passauischen Untertanen verbieten, in den falkensteinischen
Märkten Kohrbach und Hofkirchen Oam einzukaufen, lehnte
die Einladung, nach Falkenstein zn einem gütigen Examen
daselbst rorkommt und in seiner Stellung als Salsbereiter eu Mitteln
kam, nahm etwa um 1540 die Herrschaft Falkenstein von den Pfand-
herren um eine jährliche Summe von 800 Qulden rechnnngsfrei in Be-
stand. Im Jahre 1542 war er jedenfalls schon Bestandinhaber, denn
damals ergriffen die Schiffleute in der Herrschaft Falkenstein die Be-
schwerde gegen ihn an die Landeshauptmannschaft, daß er sie wider
alt Herkommen mit An- und Abfahrt auch Freigeld belege, worauf er
sie ins Gefängnis legte; die Entscheidung ging jedoch laut Qerichts-
briefes des Landeshauptmanns Balthasar von PrOslng vom Jahre 1545
dahin, daß Pfleger sie nicht lu beschweren habe. Bartimes Voreltern
dflrften im Dorfe Salaberg Pfarre öpping gehaust haben, der ursprüng-
liche Name lautete Sallaberger oder Sallaburger, wie einmal (1574) Gott-
fried selbst sich fertigt, wie auch die Reformationskommission 1554 den
Bartlme einfach ,Salberger' nennt. — Zahlreiche Altenhofer Archiralien
hat das Linser Museum im Jahre 1905 vom Wiener Antiquar S. Kende
käuflich erworben.
Bericht 1571, 7. Mäns, Fast. F 1.
16^
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228
mit dem Totschläger Thoman von Mairing; einem passanischen
Untertan^ zu kommen^ ab, nnd machte endlich am ^Schall abent
vor dem heiligen Ostertag' 1580 mit 80 bewehrten Personen
einen Einfall in die falkensteinische Hofmark Niederranna^ wo-
selbst er eine kleine Hansmühle niederwerfen nnd verwüsten
ließ, bei welcher Gelegenheit der falkensteinische Untertan
Wolf Humbel durch Tattenpecks Landgerichtsdiener Wolfgang
Hienerpeck ^ erschossen wurde. Tattenpeck weigerte sich auch,
einen falkensteinischen Untertan Jakob Schneider, der über
Jahr und Tag gefangen gelegen und vom kaiserlichen Bann-
richter zum Tode durch das Schwert verurteilt worden, zur
Exekution zu übernehmen.
Heinrich Salburger dagegen veranstaltete 1582 von Land-
gerichts wegen eine Streifang, worauf Tattenpeck zwei Qewalts-
klagen bei dem landeshauptmannischen Gerichte einbringen
ließ. Nunmehr gebot Kaiser Rudolf 1582, 1. Juni, beiden Par-
teien Stillstand bis zur Entscheidung der Hauptsache.
Dennoch dauerten geringere Reibereien fort und selbst
nach dem 1605, 10. Dezember, erfolgten Verkaufe der Herr-
schaft Falkenstein an Heinrich Salburger' lesen wir noch von
einer Irrung zwischen Marsbach und Falkenstein wegen des
von Falkenstein aus nächst bei Winkel im Ranningerholze '
aufgerichteten Hochgerichtes.^ Später milderten sich die Gegen-
sätze, als die Landgerichtsherrschaften die Ausübung der Krimi-
nalgerichtsbarkeit als eine schwere Last anzusehen begannen, die
sie nach Tunlichkeit von sich auf andere abzuwälzen suchten.
Ein krasser Vorfall ist folgender: Im Jahre 1633 hatte sich
der taube Steffl, Knecht bei dem sprinzensteinischen Untertan
Adam Aigner zu Pfaflfenberg nächst Sarleinsbach, erhängt, wo-
von der sprinzensteinische Verwalter P. Diethmair von Morau
dem Pfleger Johann Friedrich Moll zu Marsbach Mitteilung
machte. Da der Selbstmörder vermögenslos war, sollte zur
Vermeidung der bedeutenden Vertilgungskosten der Feldmetzger
^ Er wurde lu Marsbach 1582, 24. Mars freigeeprochen. Altenhofer Kopie.
' Qegen Zahlung der Pfand-, Bau- und Darlehenssumme von 19281 fl.
6 ß 2 /^ an Qeorg Ruprecht von Herberstein und weiterer 18000 fl. an
die kaiserliche Kammer. (Altenhofer Kopie.)
' Gemeinwald von Niederranna, reichend bis zum Klingbach.
^ Extrakt aus dem Berichte über die Niederkeßla. Passauer Blechkasten-
archiv, Nr. 101.
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229
(Waseameister) den Leichnam wegbringen. Das erfahr der
kaiserliche Landrichter Johann Neurattinger in Linz^ trat für
seinen Freimann ein, welchem die Vertilgung gesetzlich zu-
stand, und erklärte, sich statt der ordentlichen Gebühr von
f&nf Gulden mit drei Talern zu begnügen. Als der Freimann
Stephan Hörmann hinaufreiste, konnte er weder von Mars-
bach noch von Sprinzenstein einen Auftrag erhalten, weU keine
der beiden Herrschaften die tarifmäßigen Kosten tragen wollte,
so daß die verwesende Leiche wochenlang am Baume hing und
die Umgebung verpestete. Erst über einen Gebotsbrief erhielt der
Freimann die Zahlung seiner Gebühren ; * Moll versuchte vergebens
den Ersatz von der Grundobrigkeit Sprinzenstein zu erlangen.
In das Marsbacher Urbarium vom Jahre 1667 wurde die
von Falkenstein angesprochene und festgehaltene Gepflogenheit
anstandslos eingetragen und nur bemerkt, daß sie eine öster-
reichische Eigentümlichkeit sei; noch später wurde Falkenstein
in der Ausübung der vollen Landgerichtsbarkeit auf eigenem
Grund und Boden überhaupt nicht mehr beanständet, * sie wurde
nicht nur über die herzuerworbenen Güter, als: Markt Puz-
leinsdorf, der vormals zum Kloster Niedemburg gehört hatte,'
die Sitze Altenhof und Hochhaus, welche die Herleinsberger
veräußerten,^ Tänleinsbach, das die Kaplan schon den Herren
von Herberstein hingegeben hatten,^ sondern auch über das
dem Kloster Niedemburg noch verbhebene Urbaramt Puzleins-
dorf ^ ausgeübt. Erst im 19. Jahrhunderte verlor das Land-
* Sie betrugen laut Quittung 1634, 31. März: für die Vertilgung 32 fl., für
die zweimalige Reise 4 fl. 4 kr., zwei Reisezehningen, einmal zu Velden
und einmal zu Wesenurfahr 8 fl. 48 kr. Passauisches Blechkasten-
arcbiv, Nr. 233, f. 149.
' Elriminalakten ,bey alhiesiger Landtgerichts-Herrschaft Falkenstain in
puncto homicidii et Spolii, dann in puncto furti* aus den Jahren 1733
und 1737 unter den Pflegern und Landgerichtsverwaltern Friedrich Simon
Doberschiz und Franz Michael Hauslab im Linzer Museum (Altenhofer
Akten).
» Schon 1232—1260. Stmadt, Velden, S. 133. 1670, 2. März, wurde der Markt
Ton der Äbtissin Kunigunde von Puchberg an Georg von Herberstein, 1699,
7. April, Yon Georg Ruprecht von Herberstein an Heinrich Salburger
Terkauft (Inventar nach Friedrich Siegmund von Salburg, 1653, 15. Juni).
* 16P6, 24. April. Wolf Emreich und Heinrich die Herleinsberger als Ver-
käufer (a- a. O.).
' Einlage im Falkensteiner Urbar, 1662 im Linzer Museum.
* Laut alter Grundbflcher 1793/94.
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230
gericht den alten Namen und ging unter dem neuen von
Altenhof.
Das Landgericht Rannarlgel.
Hatte die fürstliche Gewalt des Bischofs von Passan noch
vor Ausgang des 13. Jahrhunderts an die Ranna und das Oster-
wasser zurückweichen müssen^ so war doch der Kem^ des
KeichsfÜrstentums^ das Land der Abtei im engeren Sinne, im
Mittelalter unangetastet geblieben. Nun aber brachte die Riva-
lität des österreichischen und des bayrischen Einflusses bei
Besetzung des Bischofsstuhles den gänzlichen Verlust von
Rannarigel mit seinem damaligen Herrschaftsgebiete zuwege,
wodurch das Richteramt Wegscheid dauernd vom Hauptkörper
des Fürstentums abgeschnitten und zwischen fremdes Terri-
torium eingeklemmt wurde.
Mit Ausnützung der päpstlichen Kurie ^ hatte Kaiser Fried-
rich in. die Besetzung des Bischofsstuhles von Passau in seine
Gewalt gebracht, indem er von Papst Sixtus IV. 1479 die Er-
laubnis erwirkte, den Nachfolger ernennen zu dürfen.*
Nach dem Tode Bischofs Ulrich (1479, 1. September)
untersagte er dem Domkapitel die Wahl und ernannte den
Kardinalpriester Georg Hasler zum Bischof, wogegen das Dom-
kapitel den vom Herzog Georg von Bayern - Landshut emp-
fohlenen herzoglichen Kanzler Friedrich Mauerkircher erwählte.
Dem Kardinal gelang es zwar, unter Eskorte von 170 kaiser-
lichen Reitern in Passau einzuziehen, mußte jedoch die Stadt
wieder verlassen, als selbe unter bayrischer Unterstützung
von Oberhaus aus beschossen wurde. Auch der Schloßpfleger
von Rannarigel, Georg Nußdorfer ging zur Partei Mauerkirchers
über,' der nach dem Tode Haslers (1482, 21. September) auch
vom Papste bestätigt wurde, jedoch schon 1483, 22. November,
mit Tod abging. Nun wurde bereits nach zehn Tagen der vom
Herzog Georg empfohlene Laie Graf Friedrich von Ottingen
einhellig erwählt, der noch vor seinem Einzüge sich verpflich-
tete, dem Herzoge Georg die Stadt und die Schlösser Ober-
^ Srbik, Die Besiehungen Kwischen Staat and Kirche in Österreich während
des Mittelalters, S. 84, 202.
* a. a. O. S. 35, Buchinger II, 182.
' Buchinger II, 187.
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and Unterhaus sowie die hochstiftisohen Bnrgen überhaupt zu
Ofihen.^
Herzog Georg war damals höchst wahrscheinlich schon
im Besitze von Bnrg nnd Herrschaft Nenhans an der Donan^
welche dem Grafen Wolfgang von Schaunberg in der Teilung
mit seinen Brüdern zugefallen war; 1481, 31. Jänner,* war sie
noch des Grafen Eigen, 1484, 30. Juli, starb derselbe und 1495,
4. Mai,' erscheint Jörg Pembeck als des Herzogs Georg Pfleger
zu Neuhans. FüSor die Hingabe von Neuhaus hat vermutlich
der Herzog im Jahre 1483 dem Grafen eine jährliche Rente
Yon etwa 700 Gxdden und eine Pflege in seinem Lande ver-
sprochen.
Diese Position sollte nun verstärkt werden. Hierzu tat
Friedrich, ein verschwenderischer Fürst, der die geistlichen
Weihen nie empfing, in seiner völligen Abhängigkeit von Bayern
den verhängnisvollen Schritt.
Für eine Schuld des Hochstiftes an die Brüder Hans
Siegmund und Oswald Egker zu Oberpöring an Kapital und
Zinsen per 9486 Gulden rhein. und 70 Pfennigen, welche Herzog
Georg einlöste, verkaufte ihm der Erwählte mit Zustimmung
des Kapitels und später hinzutretender päpstlicher Bewilligung
jdas Sloß Rennarigel mit seiner zugehorung' — und, wie aus
der Urkunde 1490, 5. Jänner, erhellt, auch das Amt am Schar-
tenberg — gegen jährlichen Wiederkauf 1487, 15. November.*
Nach dem ,Be7gi8ter der lehenschaft auch vorstwald der ge-
reut der wisen, außerhalb der verlassung der wäld. Gelltingers-
beschreibung,* war der Bestand der Herrschaft in allen vier
Ämtern (ParÜens, Bastlens Amt Im Heindleinschlag, Kandlingers
Amt, Geiten Amt) derselbe, wie er in den Urbaren 1510 und
1581 ausgewiesen wird.
Vorläufig blieb Rannarigel nicht bei Bayern; Herzog Georg
verkaufte vielmehr schon nach zwei Jahren Rannarigel mit
Schartenberg an][Siegmund Prüschenk Freiherm zu Stettenberg.
Bischof Friedrich genehmigte diesen Verkauf, zu welchem der
» Buchinger 11, 193.
' Stfllx, ,Die Herren nnd Grafen von Schannberg* in den Denkschriften
der Wiener Akademie XII, 344. » Strnadt, Velden, S. 262.
* Reyers Herzogs Georg. Mon. Boic. XXXI b, 631. Der Kaufbrief ist nicht
abgedruckt.
^ Orig. Pap. in gelbem Perg. gebunden. Fasz. R 2 im Hofkammerarchiv.
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232
Herzog berechtigt war/ nnd bewilligte dem Käafer nnd dessen
Bruder Heinrich und allen ihren männlichen Erben des Namens
nnd Stammens Pmeschinkh, daß sie ^nnsers Stifts Schloß
Rannarigl mit allen Obrigkhaiten^ Herligkaiten^ gülten, dien-
sten, Nnznngen, Zinsen, vällen, Hochen nnd nidem ge-
richten' nnd gerechtigkaiten und allen andern Zuegehö-
rungen, auch mitsambt dem Ambt am Schärteuperg in Schär-
dinger Landgericht gelegen' innehaben, nuzen und gemessen;
erst nach Abgang des männlichen Stammes sollen die Erben
die Objekte um 8700 Gulden herauszugeben verpflichtet sein,
um welchen Betrag, doch nicht höher Schloß und Amt wieder
veräußert werden können.'
Nach sieben Jahren, am 23. Oktober 1497 verkaufte Hein-
rich Prüschenk ftir sich und seinen Bruder Siegmund Ranna-
rigel und die anderen Gülten um 24.000 Gulden an Kaiser
Maximilian I. und gab demselben ftir den Fall des Aussterbens
seines männlichen Stammes eine Verschreibung, womach die
gräflich Hardeckschen Erben verpflichtet wurden, ftlr den Ein-
lösungsfall von Seite des Hochstiftes um 8500 Gulden dem
Kaiser die übrigen 15.500 Gulden zu ersetzen. Am 13. De-
zember desselben Jahres verkaufte der Kaiser Rannarigel mit
Schartenberg um 32.000 Gulden an Herzog Georg von Bayern.*
Mit diesem Akte war Rannarigel an Bayern zurückge-
langt und würde bei diesem Lande wohl auch verblieben sein,
hätte nicht der Erbfolgekrieg nach Herzog Georgs Ableben
eine Veränderung zugunsten Österreichs herbeigeftlhrt. Für
seine Hilfe und als Kriegskostenentschädigung begehrte und
erhielt auch Kaiser Maximilian nebst anderen Schlössern und
Herrschaften auch Rannarigel, Neuburg am In und Neuhaus
an der Donau, welche am 15. Jänner 1506 von den bayrischen
Räten im Namen ihrer Herzoge in Linz an Osterreich über-
geben wurden.^
^ ,andeni yerkanfen, das wir zu thnn macht haben/ Revers H. Georgs.
• Rannarigel hatte nur einen befreiten Burgfried (»vreyung*). Vgl. Ur-
kunde 1357, 18. Oktober, Mon. Boic. XXX b, 233.
' BischCJfliche Urkunde 1490, 5. J&nner; Revers der PrUschenken 1490,
8. Jänner, Kopien im Fasz. R 2 im Hofkammerarchiv. EaiserUche Ge-
nehmigung 1490, 1. März Chmel, Regest Nr. 8534.
^ Fasz. R 2 im Hof kammerarchiv.
* Original im k. u. k. Hans-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. Vorher
mußte noch Graf Eitel von ZoUem, dem Herzog Albrecht das Schloß
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233
Schon Herzog Qeoi^ von Bayern (f 1503, 1. Dezember)
hatte sich nach Lant des Kaufbriefes, der sicher auch den
Beisatz: ,mit hohen nnd niederen Gerichten' enthalten hat, der
Blutgerichtsbarkeit bedient; denn in einer passanischen Regi-
stratur vom Jahre 1762^ heißt es: ,Bischof Ulrich (soll heißen
Wigileus) hat sich gegen Bayern als Inhabern des Rännarigls
in güetiger handlung beschwOrdt mit dem anhang, das Ränna-
rigl kein sonder Hochgericht hat, sondern gehör one alles
mitl in das Land der Äbtey/
Die passanischen Chronisten,* auch noch Buchinger^ haben
sich vergeblich abgemtLht zu erkennen, wie es denn zuge-
gangen, daß die ganze Herrschaft Rannarigel unter öster-
reichische Botmäßigkeit geraten sei. Wie sich zeigt, haben sie
die Urkunden nicht genau gelesen oder es waren selbe ihnen
unzugänglich. Die Überlassung der hohen Gerichtsbarkeit war
dem Herzog Georg Anlaß genug, die Territorialhoheit zu be-
anspruchen, und diesem Vorgange ist Kaiser Max gefolgt.
Passau machte einen Versuch, die Hoheitsrechte wieder-
zuerlangen, als der bayrische Herzogssohn Ernst Administrator
des Hochstiftes war. Die Landschaft der Abtei hatte ihm eine
Steuer auf alle Untertanen in der Abtei bewilligt, die land-
schaftlichen Steuerherren Georg Trauner zu Fürsteneck und
Erasm Walsinger zu Eberhartsreut begerten nun von dem
P&ndinhaber Rannarigels, Haimeran von Kain, die Einsendung
der Register nach Perleinsreut, um auf die Rannarigler Unter-
tanen und Hintersassen im Land der Abtei den Anschlag
machen zu können. Der Verwalter zu Rannarigel berichtete
Rannarigel übergeben hatte, mit seinen Ansprüchen vom Kaiser befrie-
digt werden. Rerers 1504, 9. August. Kopie im k. allgem. Reichsarchiv in
München.
^ Hocbstift Passau Rep. Nr. 1707, Abt. 4, Fol. 65 im k. allgem. Reichsarchiv
in München.
Des Herzogs Georg Pfleger zu Rannarigel waren Moriz von Tann-
berg der Jüngere zu Aurolzmünster, der sich in einer Urkunde 1498,
21. Dezember (Archiv für Osterreichische Geschichte XXIV, 166) Pfleger
zu Rainarügl nennt, und Ritter Kraft Thuemajr zu Mülheim, welcher
in einer Kundschaft der Holden von Vordem- und Hintem-Eppenberg,
HubmerOd, TnschezOd und Mistlberg betreffend das alte Herkommen in
bezug auf Brand, Maß und Wag 1501, 21. Jänner (Kopie im k. allgem.
Reichsarchiv in München) als Pfleger zu Rannarigel vorkommt.
* Bericht und Auskunft 1692 Bl. 1, Kurze Auskunft 1777 Bl. 2\ 3.
» n, 197.
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an den Verweser des Vizedomamtes ob der Ens Erasm Hackl-
berger nnd dieser an die niederösterreichische Kammer mit
dem Antrage, darauf nicht einzugehen, ;Weil der genedige
Herr von Passaw gegen den berürten underthanen ze Ein-
pringung der Steum mit Phandtung oder in ander weg was
ftimemen, und wo sein f. gn. das ain mal erlangt, das sein
f. g. damit ain gerechtigkeit und also ainen Eingang zu
anderer Handlung, dardurch Ku. Mt. Ir. Mt. landfürst-
liche Obrigkait und der Herrschaft Raunarigl ir gerech-
tigkait, die sj auf denselben underthanen hat, entzogen
wuerdt, machen möcht' (Linz 11. Mai 1533). König Ferdinand
erließ nun ddo. Wien, 2. Juni 1533 ein Schreiben an den Ad-
ministrator folgenden Inhaltes: Er sei über diesen Vorgang
befremdet ,d7weil nit allain unser haus Osterreich sambt des-
selben zuegewandten underthanen und leuttn ftir solh und der-
gleichen Eingriff und anmuetung Privilegirt und gefreyt,
sonder wir auch in keinem weg konden gesteen, daß unser
herrschaft Rainarigl mit derselben obrigkait und Zuegehorung
in des Stifts Passau Gebiet liege, sonder on mitl unserm
ftlrstentum Österreich ob der Ens eingeleibt und von Alter (I)
4n deiner lieb (Liebden) vorfordem Bischofen zu Bassaw und
bisher deiner lieb selbst Irrung Verhinderung und widerspre-
chen also berueblich gehalten und dergleichen neu unzimlich
Auflag nie fürgenomen worden', weshalb der König sofortige
Einstellung begehrt und sich ftirderhin eine derartige Anmu-
tung verbietet.^ Auf diese ernste Zurechtweisung hin wurde
von Passau kein weiterer Versuch der Besteuerung unter-
nommen, wenn schon in den Jahren 1541, 1543, 1544 der
Pfleger von Rannarigel Einladungen zu den passauischen Land-
tagen erhielt, welchen er indes nicht nachkam.'
Ebensowenig wurde die Ausübung des Blutbannes be-
stritten, wie denn der passauische Landrichter in der Abtei
Bernhard Stör zu Limperg und Großenwiesen 1575, 6. April
freundnachbarlich dem Pfleger Achaz von Odt zu Rannarigel
dessen Ersuchen betreffend den wegen Diebstahls in Glazing
gefttoglich eingezogenen Jörgen Taubenschuster entsprochen hat.'
^ Original and Kopien im Fasz. R 2 im Hofkammerarchiv.
• Buchinger II, 297.
' In dem gütigen Bekenntnisse des letzteren 1675, 31. März werden Gallns
Gatringer an der Preinmähle nnd Andre Augustin von der Neustift als
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Nur gegen weitere unstatthafte Übergriffe anf passanisches
Territorinm wurde protestiert, wie z. B. von Seite des Pflegers
zn Wegscheid Urban Adam Trüebenpacher, als am 25. März
1609 der Rannariedlsche Amtmann am WoUaberg eine im
Heindlschlag gefangene Malefizperson — welche hinterher dnrch
den kais. Bannrichter zum Tode verurteilt und durch dessen
Freimann am 10. April mit dem Schwerte hingerichtet wurde
— unter Schergenbegleitung während der Kirchenzeit heimlich
durch den Markt Wegscheid auf den Rannarigel geführt wor-
den war.^
Die Herrschaft ging übrigens pfandweise von einer Hand
m die andere über. Schon am 10. Oktober 1506* überließ Kaiser
Maximilian Schloß und Pflege Rainarigl an Herrn Siegmund
von Rorbach auf Raittung, Jtem daz Landgericht sol be-
melter von Rorbach innenhaben auf Raitung und die Fell
und ander nuzung desselben landgerichts sollen im an
den vierhundert guidein Reinisch Burckhuet abgeen^ Siegmund
von Rorbach starb vor dem Jahre 1512; in letzterem Jahre
wurden zxu* Untersuchung der von den Untertanen gegen die
Witwe wegen Neuerungen erhobenen Beschwerden kaiserliche
Kommissarien (Achaz Premser^ Andre Pruckner, Valentin Pan-
dorfer) abgeordnet, worüber am 22. Oktober Verordnung der
niederösterreichischen Kammer an Frau von Rorbach erging.^
Nicht lange darnach kam das Schloß gegen ein Darlehen von
2000 Gulden an Marx Öder (f 1516).* Von den Erben des
letzteren löste es der kaiserliche Rat Haimeran von Rain Frei-
herr zu Sumereck noch bei Lebzeiten Kaiser Max' I. ein^ der es
Rechtsitzer der LandtBchrannen Rainarigl genannt. Die peinliche
Frage wurde 4. Jnni im Beisein des Benefiziaten Wolfgang Greissen
von Hofkirchen, Hofamtmann Hans Falkner ron Rainarigl und Wolf-
g^ang Laeg^r ron Neustift vorgenommen. Bemerkenswert ist, daß der
Pfleger in jedem Stadium der Untersuchung den Beschluß und die Wei-
sung der niederösterreichischen Regierung und Kammer einholen mußte.
1575, 17. Jnni hewilligte die Regierung ein neues ,bestandhaftes* Hoch-
gericht mit zwei gemauerten Säulen, das nicht nilchtlicher Weile ver-
wüstet werden kOnne, aufrichten zu lassen. Fasz. R 2 im Hofkammer-
archiv.
^ Passanisches Blechkastenarchiv Nr. 214, Fasz. 27.
' Original im Fasz. R 2 im Hofkammerarchiv.
' Original samt Beschwerden daselbst.
* Aktenauszug daselbst. Nach Hoheneck H, 12 noch im Jahre 1512.
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ihm auf eine nnbenannte Anzahl von Jahren nnverrait ver-
schrieb; welche Verschreibung Kaiser KArl V. ddo. Worms,
1521, 10. Februar bestätigte.^ Nach Ableben Haimerans ge-
stattete K. Ferdinand 1543, 24. Mai* seinem Rat und Sekretär
Hans Weisperger zu Biberspach die Herrschaft um 2000 Gulden
rhein. abzulösen und sein Lebenlang unentsetzt innezuhaben.
Von den Erben löste sie Hans Hofinann Freiherr von Grün-
ptLhel ein, der 1647, 5. Juli einen Anwartschaftsbrief darauf
erhalten hatte; die Übernahme von der Witwe Weispergers
und den Erben erfolgte 1550, 12. Juli, worauf ihm die Herr-
schaft um 4541 fl. 33 kr. IV, ^ am 10. Oktober 1550 auf einen
ewigen Wiederkauf verschrieben wurde.' Am 31. Dezember
1569* verschrieb K. Maximilian H. dem Achaz von Odt, wel-
cher den Pfandschilling eingelöst und auf 10.000 Gulden er-
höht hatte, die Pflege gegen Verraitung von Neujahr 1570 auf
ein Jahr lang und femer auf Wohlgefallen. Als Achaz von
Ödt, welcher den Untertanen ein gerechter und billiger Herr
war, Ende 1578 starb, meldete sich Hans Khevenhiller zu
Aichlberg, dessen Oheim Bernhard (f 1548) vom K. Ferdinand
1546 einen Anwartschaftsbrief erhalten hatte, zur Übernahme
von Rannarigel.^ Graf Julius von Salm und Leonhart der Altere
von Harrach wünschten die Herrschaft zu kaufen; letzterer
machte nur ein Anbot von 30.000 Gulden, während der An-
schlag auf 45.232 Gulden gegangen war.^ Auch Bischof Urban
von Passau kam vor; er bat (1580, 25. August) den Kaiser mit
Rücksicht auf das Einlösungsrecht des Hochstiftes um Ein-
stellung jeder Veränderung.' Der Hof ging auf alle diese An-
träge nicht ein, die Herrschaft Rainarigl wurde am 1. Juni 1581
dem Freiherrn Hans Khevenhiller um 40.000 Gulden und
200 Gulden Leitkauf erblich verschrieben. Da Khevenhiller
selbst Schulden zu tilgen hatte, bot er im September 1582 dem
Kaiser die Herrschaft um 42.000 Gulden zum Wiederkaufe an.
Der Kaiser, gleichfalls an Geldmangel leidend, suchte die Stände
^ Kopie sec. 16 im Fasz. R 2.
' Ans dem Reverse Weispergers Konzept daselbst.
' Aktenauszug.
^ Original im Fasz. R 2.
' Aktenauszug.
^ Fasz. R 2.
^ Eigenh. Schreiben Fasz. R 2.
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ob der Ena zu bewegen^ die Herrschaft zn kaufen; was diese
ablehnten; hierauf wurde mit den Brüdern Isaak und Jakob
Aspan eine Kaufsabrede geschlossen^ wegen des Kegreßrechtes
des Hochstiftes kam jedoch der Kauf nicht zustande. Nun
meldete sich im Jahre 1585 der passauische Pfleger Veit Tätten-
peck aU; ^deme sie aber darum an sich zu kaufen nicht be-
williget worden, weil er Tättenpeck ein Bayrischer Unterthan,
ein Schwager des Bischofs von Passau wäre, und selbe nur
dem Bischöfe vielmehr kaufen würde, weil sie eine Gräniz
Herrschaft seye, und weil er Tättenpeck ein widerwärtiger und
unverträglicher Mann seye, der den Kaiserlichen Oeneralen,
Mandaten etc. zuwiderhandelt^* Am 7. Februar 1590 endlich er-
bot sich Heinrich Salburger, Pfleger auf Falkenstein, die ganze
Kau&umme vorzustrecken und um die Verzinsung das Gut
inzuhaben und zu nutzen.' Die niederösterreichische Kammer
ersuchte nun Herrn Khevenhiller, dieser Kaufhandlung gutwillig
stattzugeben. Es wurde sonach 1591, 18. August,' die Herr-
schaft Bannarigel an Heinrich Salburger dergestalt überlassen,
daß er dieselbe um 40000 fl. genießen, die 6 ^/^ von den
übrigen 2000 fl. aber von dem Aufschlage zu Engelhartszell
erhalten solle.
Noch einen Versuch machte Bischof Urban von Passau,
dem Salburger die Herrschaft abzugewinnen, indem er sich 1592,
4. Februar,* direkt an Erzherzog Ernst wandte und denselben
um seine Intervention bat, damit ihm vom Kaiser ein Kauf-
kontrakt bewilligt werde, indem er anftlhrte, ,daß gedachter
Salburger alberaith an jezo im anfang die herrschaft mit stai-
gerung der underthanen und Zehent nit allain dermassen er-
staigert, das konfidger Zeit bei weitem dieselb nit so hoch
wierdt hingebracht werden, sonder auch das Corpus derselben
augenscheinlich unwiderbringlich deterioriert, indem er albe-
rait in die zway hundert Kaumbrecht von der herrschaft wälden
kheuflich vererbt und außgeben', um die ausgelegte Summe
aus der Herrschaft zu pressen.^ Die Vorstellung hatte keinen
^ Aktenaosiiig.
' Original, Fass. B 2.
' Aktenanssiig.
* Kopie Fasi. B 2.
^ In der Tat liegen im Fasz. B 2 die Beschwerden der Untertanen im
Beiffen- oder Eppenberger Amt 1592. Den AuBgleieh mit den Unter-
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238
anderen Erfolg , als daß, wie es schein t, Eommissarien zur
Untersuchung der Beschwerden der Untertanen abgeordnet
wurden, wenigstens sind jene vom Amte Eppenberg (heute in
Nebelberg verunstaltet) am 12. August 1592 verhört worden.
Im Gegenteile ging am 1. August 1620* Rannarigel durch Kauf
in das freie Eigentum des Hofkammerrates Gottfried von Sal-
bürg über.
Auf die geschilderte Weise hatte sich die österreichische
Territorialhoheit im Rücken des passauischen Richteramtes Weg-
scheid bis in die Nähe von Hauzenberg und Waldkirchen und
bis zum Dreisesselberge ausgedehnt und das Land der Abtei,'
dessen Landrichter schon im 14. Jahrhunderte unabhängig von
der Pflege Oberhaus bestellt wurden, war von einem großen
österreichischen Landgericht durchsetzt. Die österreichische
Landeshoheit über diesen Landstrich wurde vom Hochstifte
ausdrücklich anerkannt, indem bei der im Beisein des Land-
richters der Abtei im Jahre 1593 gepflogenen Begehung und
Beschreibung der passauischen Landesgrenzen als solche die
Grenzen gegen Rannarigel bezeichnet wurden.
Die (jlrenzreguliernng zwischen Passau und österreicli.
Anlaß liierzn.
Nach so vielen vergeblichen Anstrengungen, die Herr-
schaft Rannarigel wieder einzulösen, schien das Aussterben
des Hauses Habsburg im Mannesstamme mit Kaiser Karl VI.
(1740, 20. Oktober) eine Gelegenheit zur Hereinbringung des
tanen nach dem Baaernau&tand 1598 hat Buchinger ü, 237—240 ab-
gedruckt, aber mit der falschen Jahressahl 1498 nnd dem irrigen Namen
Heinrich Salchinger versehen.
Fasz. R. 3 im Hofkammerarcbiy.
Vgl. den Abschnitt ,Das geistliche Fürstentum Passau* in den Erl&nte-
rungen zum historischen Atlas der österreichischen Alpenländer. Es kommt
nur noch beizufügen, daß Georg Traun er schon 1506 über Pflege und
Landgericht Fürsteneck rerersiert (Buchinger II, 224). Was die
Passauer Chronik vom Jahre 1694 (bei Buchinger 11, 328) von der Tei-
lung des Landgerichtes der Abtei behauptet, ist ein Mißverständnis; die
einzelnen Landgerichte sind in der Grenzbeschreibung 1593 an%ezählt,
nur eine Zuteilung von Untertanen von Leoprechting zur Pflege Ober-
haus ist in diesem Jahre erfolgt. (Verzeichnis im Kreisarchive Lands-
hut, Rep. CXm., Vz. B 2, Fasz. 102, Nr. 39.)
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Verlustes zn bieten. Das Hochstift forderte anf Qrand des be-
kanDten Lehenbekenntnisses des letzten Babenbergers (Mon.
Boic. XX VI II b, 154) beim Wiener Hofe, ,daß der nene öster-
reichische Stamm ans dem Hause Lothringen diese Lehen de
novo requirieren nnd wegen dieser nenerlichen Kollation dem
Hochstifte einige Erkenntlichkeit zufließen lassen möge. Das
Hochstift Passau (unter dem Bischöfe Josef Dominik Graf von
Lamberg, vordem Bischof von Seckau) ließ aber aus beson-
deren Ursachen nach beiderseits gewechselten Hauptschriften
bis auf bequemere Zeiten die ganze Handlung beruhen. Bischof
Leopold Ernst (Graf Firmian) erneuerte gleich bei seinem Re-
gierungsantritte (1762) diese Lehenangelegenheit. Nach vielen
Beisen, Verdrießlichkeiten siegten hochdieselben in ihren ge-
rechtesten Anforderungen; sofort wurde anno 1765 zwischen
dem durchlauchtigsten Hause Osterreich und dem Hochstifte
Passau der Vertrag in Substantialibus dahin geschlossen^ daß
die Lehenforderung von nun auf ewig aufgehoben, alle hoch-
stiftbche Dokumente dieser Lehen halber^ sowohl, als wegen
Einlösung der ehemaligen, territorialiter zum Hochstifte ge-
hörigen Herrschaft Rannariedl zurückgegeben und ein gewisser
Anteil der Niederköstla, Pfleggericht Viechtenstein mit darinnen
gelegenen und bei der Vermarchung Obemzell (sie) in Oster-
reich hinausgefallenen etlich und sechzig Untertanen (welcher
Anteil der Niederköstla ohnehin seit anderthalb hundert Jahren
von Osterreich als ein vermeint dahin gehöriges Stück Land
angesprochen worden ist,* an Österreich territorialiter abge-
treten, dagegen aber dem Hochstifte die ,beede weitfilngige
Gerichter (Amter) Jändelsbrunn und Wildenränna' samt den im
Fürstentume Passau zerstreut vorhandenen Untertanen (welche
beide Gerichte und zerstreute Untertanen dreihundert etlich
und neunzig behauste Untertanen und über 1000 ledige Grund-
stücke in sich fassen) mit aller landesherrlichen Botmäßigkeit
auf ewig überlassen und dem Hochstifte freigestellt sein solle,
die Herrschaft Rännäriedl mit ihren Zugehörungen nach ihrem
damals innerlichen Werte, jedoch solchergestalten an sich zu
kaufen, daß solche Herrschaft bis auf obbenannte an das Hoch-
^ Seitdem dürfte dch das Lehenbekenntnis im Hans-, Hof- nnd Staats-
archive Wien befinden.
' Yg\, die Erllatemngen, deren Begründung die n&chstfolgende Abhand-
lung bringen wird.
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240
Stift mit der Landesherrlichkeit abgetretene beide Gerichte und
im Hochstifte zerstreute Untertanen eine österreichische Herr-
schaft sein und bleiben soU^ Das Hochstift kaufte sofort von
dem Grafen Johann Gottiieb von Eüamm ^ das Gericht Jandels-
brunn und die im Hochstifte zerstreuten rannariedlschen Unter-
tanen und gewann infolge Geltendmachung des landesfdrstlichen
Einstandsrechtes auch das falkensteinische Amt Wildenranna
durch Erlegung des Eaufschillings, als Graf Johann Reichard
von Salburg dasselbe an das Kloster Engelszell verkaufte.^
Zur Grenzregulierung im Mtihlviertel wurden 14 bisher
zum Territorium des Hochstiftes (Pflege Obemzell) gehörige
Untertanen an Österreich abgetreten^ und zwar 2 Gknzlehner
in Ober-Aschenberg, 3 Ganzlehner in Unter- Aschenberg, 3 Ganz-
lehner und 1 Halblehner in Haizendorf, 3 Halblehner in Elein-
Mollesberg, 1 Halblehner in Leithenmühl, 1 Häusler in Mühl-
eck, alles in der Pfarre Gottsdorf,* womit die heutige trockene
Grenze hergestellt wurde. Der Staatsvertrag ddo. 1. Dezember
1765* samt Vermarkungsmappe, welche auch die Darstellung
des ganzen abgetretenen rannariedlschen Distriktes enthält, be-
findet sich im k. bayr. geh. Staatsarchiv zu Manchen; das zweite
Exemplar der Mappe wird in der k. k. Familienfideikommiß-
Bibliothek zu Wien (Eartennummer 129) aufbewahrt.
Mit den anderen östlich von der neuen Landesgrenze be-
findlichen Untertanen verblieb Kannariedl, wie Falkenstein-
Altenhof, bis 1850 ein exemtes Landgericht. Eine Grenz-
beschreibung hat es nie gegeben, die Markungen der alten
Herrschaft sind jedoch in allen Einzelheiten aus der passauischen
Grenzbegehung vom Jahre 1593 zu entnehmen.*
Durch diese Grenzregulierung erst wurde das Reichs-
fUrstentum Passau zu einem geschlossenen Territorium, das
aber schon nach vier Dezennien wieder von der Karte ver-
^ Sein Großvater Hans Leopold Freiherr Ferger zn Klamm hatte durch
Verehelichung mit M. Franziska, Tochter des Grafen Ferdinand von Sal-
barg (t 27. Dezember 1723) Rannarigel erworben.
' ^nrze Auskunft von dem Fürstentum Passau', Blatt 12. Cod. germ. 1744
in der k. Hof- und Staatsbibliothek München.
' Höchst. Passau, Rep. Nr. 641 im k. allgem. Reichsarchiv in München.
* In Abschrift enthalten in der oberösterreichischen Landtafel Instru-
mentenbuch VIU, 138 — 156, in den Hauptpunkten bei Buehinger II, 465
bis 458.
^ Siehe S. 217, Anm. 2.
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241
schwanden war^ denn nach dem Reichsdeputationsschlusse vom
25. November 1802 und der Konvention vom 26. Dezember
1802 wurde das Hochstift zerteilt, indem die Pflegen zwischen
der Hz und den österreichischen Grenzen dem neuen Eur-
fUrsten von Salzburg, der westliche Teil des Fürstentums mit
der Stadt Passau dem Kurfürsten von Bayern zugewiesen
wurden. Die hochstiftischen mittelbaren Herrschaften in Oster-
reich fielen an diesen Staat; sie wurden längere Zeit als so-
genannte Kameralherrschaften verwaltet, dann nacheinander
zugunsten des Staatsschatzes an Private veräußert: so Püm-
stein 21. Oktober 1826 um 101000 Gulden C. M. an Freiherm
Johann von Bartenstein, Rannariedl 26.-30. November 1823
um 40500 Gulden C. M. an Anna Maria Prunner von Prun-
berg, die dem aufgehobenen Kloster Niedemburg gehörige Hof-
mark Landshag mit den Urbarbauem um Puzleinsdorf schon
29. August 1808 an Kajetan Hintringer.
Die Herrschaft Marsbach wurde vorerst 1811 um das
Gericht Peilstein, welches als eigenes Dominium am 19. No-
vember 1812 an den Hausbesitzer Josef Sengl zu Steyr ver-
äußert wurde, verkleinert, sodann am 15. August 1824 um 27000
Gulden an Johann Baptist Kaufmann und Anton Franz Led-
winka verkauft; des letzteren Enkelin, Fräulein Mathilde Sig-
mund, besaß Marsbach seit 1869 (f 1905, 4. Mai),^ nun besitzt
es deren Erbin, Frau Anna von Krenn, geb. Körbler.
Zwölfter Abschnitt.
Das Landgericht Haslaoh.
Die Grenzen desselben werden bestimmt im Nordwesten
durch jene des Landgerichtes Schlägl (Aigen), d. i. den Wurm-
braud-, auch Landgerichtsbach genannt, im Westen durch den
Lauf der Großen Mühel, im Süden durch die Donau bei Neu-
haus und im Osten durch die Markungen des Landgerichtes
Wachsenberg. Letztere von dem Rain zu Eaiden, der Has-
linger und Wachsenberger Landgerichte voneinander schied, an
* Daten aas der alten oberOsterreich Ischen Landtafel beim Landesgerichte
Linz.
ArehiT. XCIY. Buid. 17
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die Zaglaumühle, bis aufwärts an die Odt, au den Kholpöken-
hof bis Neudorf, mitten durch das Dorf der Länge und Straße
nach, dann zu dem oberen und unteren Kagerer, letzterem
mitten durch das Haus, zu dem Hollerbergerhof, dem Wisner
an der Wies, durch den Gattern zu dem Schuster in Marbach^
zu dem Stöckl gegen Iglbach, zum Kreuz so bei Steinbruch
bei der Kirche steht, auf die Schörgenhub, zum Sunzenauer^
schwarzen Zauner, Tutenmüller am Diessenbach, Pirchmtiller,
in die Mühle auf Neuhaus an der Donau.^ Im Landgerichte
Haslach lagen noch das Dorf Raiden (zwei Bauern, zwei Häus-
ler), Zaglaumühle, Feldlergut, die westliche Hälfte von Neu-
dorf, Dorf Auberg, Höhenberg, Marbach, Mairhofergut, Lachner-
gut, Rudersbäckgut, Wagnergut, Stöcklgut in Iglbach, Poks-
ruckergut, Kriebaumergut, Steinbruch, Schergenhumergut, Gra-
sergut, Mörlhofergut, Berghäuser, Reintalergut, Bauer im Zaun,
Zaunergut, Kerschbaumergut, Piermühle, Dorf Plöcking, Bauer
zu Hart, Weinzierl, Untermühel und Schloß Neuhaus über der
Donau; zum Landgerichte Wachsenberg gehörten noch ein Teil
des Dorfes Oberriedl, das Dorf Waldhäuseln, das Kohlbecken-
gut, die Osthälfte von Neudorf, das Oberkagerergut, Wiesmair,
Hollerberger, Freygut, Mödlgut bei Iglbach, Wurzinger, Turner;
Reingruber, Mödl, Sunzenauer, Haider, Tümler, Stadler, Tütten-
mühle, Diessenbäck, Aichinger, Reiterhofstatt, Dorf Falkenberg
und ein paar östlichste Häuser von Untermühel.^
Die Grenzen zwischen Wachsenberg und Haslach schließen
genau die passauischen Lehen der Witigonen vor 1231 ein.
Die Bezeichnung von Haslach führte das Landgericht
nicht früher als im 14. Jahrhunderte, wohl seit dem Zeit-
punkte der Abtrennung des Gerichtes Witigenhausen um
1290. Ursprünglich wird das Landgericht vom Igelbache,
welcher durch die sogenannte Bayrische Au und durch die
Igelau am Nordwestabhange des St. Thomas- (Witigenhauser)
berges der Moldau zufließt, der Moldau entlang bis zum Kien-
berg an der Moldau, von hier über Böhmisch -Kapellen und
Tannbergschlag bis Unterriedl an die Steinerne Mühel gereicht
haben. Die Grafschaft der Blankenberger war, wie in Bayern
* Urbarien von Wachsenberg 1614 und 1640 (Handel-Mazzetti, ,Gemärke
von Wildberg*, S. 12—14).
* Nach den alten Grandbttchern 1793--1794.
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243
allgemein^ Lehen vom Herzogtum; seit der Angliederung des
Gebietes zwischen Haselgraben und Großer Mühel an das
Herzogtum Österreich (1180/81) wurde der untere Teil zwischen
Donau und Rauschemühel lehenrührig vom Markherzoge. Der
obere Teil nördlich von der Rauschemühel dagegen wurde frei-
eigen, da die Machtsphäre der Witteisbacher niemals über die
Große Mühel sich erstreckt hatte und seit 1220 auch von ihren
Ufern verschwand; deshalb wurde dieses obere Gericht von
niemand anderem als vom Reiche lehenbar anerkannt^ auch
von Passau. Wenn noch 1259 der Berggipfel von Kapellen die
Grenze zwischen Bayern, d. i. dem Deutschen Reiche und Böhmen
darstellte, wie schon der Gang der Kolonisation am rechten
Moldauufer den frühesten Anschluß des letzteren an Bayern
und Osterreich kaum zweifelhaft läßt, so mußte das (später so
genannte) Gericht Witinghausen mit dem Gerichte Haslach
anfänglich ein Ganzes gebildet haben, wofür auch die völlig
gleiche Mundart der Bewohner beider Gebietsteile Zeugnis ab-
legt. Als dann bei der Grenzberichtigung Witinghausen mit
Umgebung an Böhmen fiel, unterschied man das böhmische
und das deutsche Gericht, womit man Witinghausen und
Haslach meinte, während vom böhmischen Standpunkte aus^
Witinghausen wieder das ,deutsche' Gericht genannt wurde.
Es darf nicht unbemerkt bleiben, daß der Hof zu Stad-
ling in dem Lehenbriefe Peters von Rosenberg 1541, 10. Jänner
auf die Zechmeister des Gotteshauses St. Thoman bei dem
Schloß Witinghausen ,in sand Oswolds pfarr und Haslinger
landgericht* gelegen bezeichnet wird.* Diesen ,Stadlbäurischen
Hof zu Roßenau' hatte das Kirchlein St. Thomas 1510 von
Jakob Krenauer, Bürger zu Haslach, käuflich erworben, wie
derselbe auch bereits 1478 und 1497 als in der Pfarre Oswald
und im Landgericht Haslach gelegen aufgeführt wird.'^ Es ist
dieser Hof, der westlichste der langgestreckten Ortschaft Ro-
senau jetzt Pfarre Deutsch-Reichenau, jenes Starling (Staerling),
von dem es in dem Reverse Peters von Rosenberg 1341 heißt,
daß das Gemärke geht , zwischen der Rosenawe und Starling,
' Vgl. Norbert Hermanns Rosenbergische Chronik ed. Klimesch 1897, S. 66,
zam Testamente Johanns von Rosenberg (f 1. September 1389).
* ,Specification der Lehenschafften Haßlach 1528* im fUrstl. Schwarzenberg-
schen Zentralarchiv Krummau.
* Lehen- and Zinsbücher von St. Thomas 1763 daselbst.
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und daselb ob Rosenawe in der Perch' (d. h. über den Berg,
auf welchem der Ober-Urascher Wald steht). Es gehörte dem-
nach dieses Gut noch im 16. Jahrhundert zum Miihlviertel,
ohne daß nachweisbar wäre^ wann und anf welche Weise das-
selbe dem Lande Böhmen einverleibt worden ist
Nach Abtrennung des Gebietes von Witinghausen wuchsen
das obere und das untere Gericht wieder zu einem einzigen
zusammen; so daß sogar die Leheneigenschaft des letzteren sich
verlor; es wurde, weil in Einer Hand befindlich, im ganzen
als freieigen angesehen. Mittels Kauf 1599, 29. November ge-
langte es an das Hochstift Passau und wieder durch Kauf
1663, 20. Dezember^ an das Kloster Schlägl, welches dasselbe
mit seinem eigenen Landgerichte vereinigte, das nunmehr von
den Gegenbächen bis zur Donau reichte. Passau reservierte
sich nur die Jurisdiktion über die Untertanen der Herrschaft
Pümstein, so daß letztere nunmehr ein exemtes Landgericht
innehatte, da für die Untertanen im Landgericht Wachsenberg
die Jurisdiktion bereits im Jahre 1617 erkauft worden war;
die Schallenbergsche Landgerichtsbarkeit über die Ruine Schal-
lenberg samt Zugehör, 1660 erworben, blieb seit 1675 bei
der Herrschaft Piberstein-Helfenberg und endete erst mit dem
Jahre 1850.«
Der Ursprung des Marktes Haslach geht sicher in das
12. Jahrhundert zurück, die benachbarte Ortschaft Jaukenberg
wird 1231, St. Oswald 1277 genannt, ein Richter von Haslach
(Jakob) erscheint aber erst 1303, 13. Dezember.'
Wie erst sehr spät die Grafen von Schaunberg taten,
scheinen die Herren von Rosenberg ganz geringe Leute zu
Richtern bestellt zu haben. ,Der erber chnecht Johan aus der
öd die zeit Lantrichter in dem Lantgericht ze Hässleich' siegelt
mit Albrecht den Staineperger den Brief 1396, 29. Juni,* wo-
mit Andre der Stainaperger ,d. Z. purger (Burgmann) zu Tan-
berk' seine Hofstatt zu ,Appel8pach' samt Zehent in Hasslinger
Gericht und in (Klein-) Zeller Pfarr, freies rittermäßiges Eigen,
an Steffiein den Smyd verkauft. Später wurde die Stelle auch
* Pröll, a. a. O. 266.
* Siehe die Erläaterangen zum hist. Atlas.
» Pröll, a. a. O. 87.
* Orig. im k. allgem. Reichsarchiv in München.
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den Marktrichtern übertragen; 1476 war Siegmund Voraner
Land- und Marktrichter zu Haslach.^
über die EIxemtion Tannbergschlag siehe den dritten Ab-
schnitt S. 129.
Dreizehnter Abschnitt.
Landgerichte Wachsenberg und Oberwallsee.
Der ursprüngliche Umfang der großen Herrschaft Wach-
senberg; somit der ganze Besitz der Herren von Wilhering-
Wachsenberg auf dem linken Donauufer spiegelt sich deutlich
wieder in dem Teilungsbriefe der Brüder und Vettern von
Wallsee-£ns 1356; 4. Juli;' denn Schloß Ottensheim mit Zuge-
hörung wurde erst 1527 ' abgetrennt und ein eigenes Dominium.
Die Urbarien 1614 und 1640^ dann das alte Grundbuch Wach-
senberg, das jenen hauptsächlich entnommen ist, treten er-
gänzend ein und zeigen xms, daß die Herrschaft von der Donau
bis an die heutige böhmische Grenze, wo Witigonenbesitz an-
fing, von Eammerschlag über den Pesenbach hinüber bis an
die Markungen des Landgerichtes Haslach reichte, und zwar
noch am Ende des 18. Jahrhunderts, nachdem der Bestand
schon vielftltig durch Hintersassen anderer Herren durchsetzt
war. Die Herren von Griesbach übten wahrscheinlich Grafen-
rechte in Lehenrührigkeit vom österreichischen Marktherzoge;
sicher ist, daß zwischen 1230 und 1240, vielleicht noch vor 1230,
ein herzoglicher Richter am Windberg, Ruger der Piber, auf-
tritt und in der Florianer Urkunde 1221, 11. Mai* ein Waldbote
(Heinricus preco) erscheint; da letztere ante castrum Wessen-
berch datiert ist, erregt sie die Vermutung, es habe damals
» PröU, a. a. O. 87.
' OberOsterreichiBcbes Urkundenbach VH, 462.
' 1527, 10. November belehnte K. Ferdinand seinen Rat und Kanzler der
niederOsterreichisohen Lande mit dem Schlosse Ottensheim und freite ihm
dasselbe und den Harkt. Letsterer hatte, wie sich ans dem Befehl des
Landeshauptmannes an Michael von Trann, Pfleger za Wachsenberg,
ergibt, einen Bargfried ,80 sich von demselben Markt hinanß für den
Hochgattem zu dem Creoz erstrecken sollS Urkunde 1501, 21. April.
Fasz. O 1 (17540) 17 im Hofkammerarchiv.
^ OberOsterreiehisches Urkundenbuch II, 630.
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der Herzog von der durch den Tod Heinrichs von Griesbach heim-
fUUig gewordenen Herrschaft Wachsenberg Besitz ergriffen und
sei, um irgend einen Zweck zu erreichen, daselbst Propst Alt-
mann von St. Florian zum Empfange des Landesftlrsten er-
schienen.
Die Vermutung, noch Herzog Liutpold (f 1230, 28. Juli)
sei es gewesen, der für Wachsenberg einen ständigen Richter
bestellt, erhält eine Verstärkung durch die Wahrnehmung, daß
schon zu seinen Lebzeiten^ auch in der Riedmark ein Richter
(Ebirgerus iudex in Riedmarchya) vorhanden war. Es ist dem-
nach schon der vorletzte Babenberger, wahrscheinlich gleich-
zeitig mit dem Anfalle von Wachsenberg, mit der Errichtung
eines Landgerichtes in der Riedmark vorgegangen, welches
sein Nachfolger Friedrich II. (1230 — 1246) nachmals teilte,
nachdem er die Lehen des Domvogtes überkommen und wohl
auch einen Teil des Regensburger Kirchengutes zwischen Wald-
aist und Nam an sich gezogen hatte.*
Die Besitzperiode der Herren von Schaunberg (siehe S. 149)
bildete nur eine kurze Episode; mit dem Jahre 1291 schließen
ihre Besitzhandlungen ab, 1300, 2. März,^ schreibt sich Hein-
rich von Wallsee Landrichter zu Wachsenberg. Die Schaun-
berger haben längstens 1292 die HeiTschaft verloren,* Wachsen-
berg ist jedenfalls das castrum, um dessen Abtretung an Herzog
Albrecht es sich in dem Briefwechsel handelt, welcher in einem
Kodex des Klosters Oberaltaich auf unsere Tage gekommen
ist;^ denn im allgemeinen stimmen die Verhältnisse, wenn es
auch nicht ganz richtig ist, daß, wie die Schaunberger be-
haupteten, das Schloß aus mütterlicher Erbschaft herrühre und
schon 50 Jahre in ihrer Gewalt sei. Vergeblich versuchte der
Bischof von Passau (Wemhard) den Herzog zu bewegen, das
Schloß den Schaunbergem zu Lehen zu verleihen, wenn sie auf
die freie Eigenschaft desselben verzichten und es ihm aufgeben
würden; der Herzog blieb unbeugsam und bestand auf bedingungs-
^ Urkunde 1230, 28. Februar, OberOsterreichisches Urkundenbuch II, 684.
' Denn sowohl Zoll als Hehnberg und Aisthofen sind ins Babenbergische
Urbar aufgenommen. S. Dopsch, a. a. O.
' Obertfsterreichisches Urkundenbuch IV, 332.
* Vgl. Strnadt, Nachtrag zu Peuerbach. Linzer Museumsbericht 1869,
8. 9—16.
* Pez Bcruard., Thes. Anecd. VI, p. U, Col. 167—163.
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loser Abtretung. Möglich, daß die Schaunberger, mit den
Witigonen verschwägert, gerade zuvor zur Unterstützung der-
selben beigetragen hatten; unmittelbar nach der Eroberung von
Falkenstein kehrte auch Wachsenberg an das Land zurück.
Die Herrschaft wurde 1331 den Söhnen Heinrichs von
Walsee-Ens (f 1326): Heinrich, Reinprecht und Friedrich
für ihren Anteil von 291672 Mark an dem Kaufschilling für
die schwäbischen Güter versetzt, kam 1407 als Pfand an die
Brüder Reinprecht und Friedrich von Walsee, 1463 als Satz
f&r 7332 ungarische Qoldgulden an Heinrich von Liechtenstein zu
Steyregg, fiel 1492 an Kaiser Friedrich UL zurück; nochmals
weiter verpftndet an Wolf Jörger 1504, an den niederöster-
reichischen Regierungskanzler Nikolaus Rabenhaupt von Suche
1523, an die Brüder von Gera 1553, gelangte Wachsenberg
1614, 29, September, als freies Eigentum an die Erben des
Hans Christoph von Gera, endlich 1640 an das Haus Star-
hemberg.
Die alte Feste Wachsenberg, auf welcher die Herren von
Wilhering und von Griesbach gehaust haben, erhob sich süd-
lich vom Rotelbache auf der nunmehrigen Hochwald parzelle
2436 der Katastralgemeinde Stammering, im Volksmunde ,Hoch-
hausholz^ geheißen; der Grund ist längst rustikalisiert und ge-
hört zu dem Bischofgute Nr. 13/14 zu Stammering. Wann sie
verlassen und die neue Burg — auch längst Ruine — weiter
nördlich, nächst dem Dorfe Wachsenberg erbaut worden ist,
darüber mangelt jede Andeutung.
Die Beisitzer des Malefizrechten ,die vrein, die zu Waes-
senberg gehörnt^, werden, wie ,die Vrein so z^ der Vrein-
stat gehörent^, in dem Teilungsbriefe der Brüder und Vettern
um die Herrschaft Freistadt 1356, 29. Juni genannt.^
1415 erfolgte die Errichtung des Landgerichtes Ober-
wallsee auf Kosten jenes von Wachsenberg. Am 3. Mai 1415*
verlieh nämlich Herzog Albrecht V. dem Herrn Reinprecht
von Walsee zu seinem Schlosse Oberwallsee, das nach dem
Briefe Herzog Rudolfs IV. flir Eberhart von Walsee-Linz ddo.
30. Oktober 1364^ nur eine ,Freyung' genossen hatte, ,die ge.
rieht was den tod anrueret', womit der Bezirk innerhalb der
^ OberOsterreichisches Urkundenbach YII, 460.
' Eferdinger Urkunde. Notizenblatt 1852, S. 308.
* OberösterreichiBches Urkundenbach YIII, 194.
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nachbeschriebenen Grenzen aus dem Landgerichte Wachsen-
berg ausschied. ,Fangt an erstlichen von Wallsee bis gen Lands-
haag mitten in die Donau; doch in das Aigen^ so den Frauen
von Niedemburg gehörig, darf man nicht greifen, man antwort
einen Übelthäter heraus bis zum Grattem. Nach der Donau
hinauf bis an Falkenspach bis gen Neuhaus aufs Hör [eine
Peunt unmittelbar vor dem Schlosse Neuhaus] und von Neu-
haus her am Prembs bis im Trättenbach und währt hin bis
zu St. Hörten zu des Haslingers Tafem mitten im Hufschlag,
weiter an des Pehamb Tafem, wie der Markstein steht; wie-
derumb von St. Morton bis zum steinern Steg, vom steinern
Steg bis gen Hayding an den Wanck, von dannen bis gen
Wolfstain, von Wolfstain am Klainpach am Steg, vom Steg
gen Hilkering, von Hilkering gen Holzman auf die Eohlstatt,
vom Holzman bis zum Reichgrueber herab bis in die kleine
Rodl, darauf sein zwo Mühlen: die ober- und niedere Reich-
mühl, gehört die obere Reichemühl in Wachsenberger Land-
gericht. Von dannen an bis gen Rotteneck und gar an die
Obermühl gen Rotteneck, von Rotteneck nach der Großen Rodel
bis an die Donau gen Höflein, von dannen hin nach der Donau
wiederumb auf nach dem Trättenbach ober Landshag und gar
auf Neuhaus zu.'^
Nach den alten Grundbüchern 1793/94 gehörten jedoch
zum Landgerichte Haslach die Ortschaft üntermühel — mit
einziger Ausnahme des Wadsteinerhäusels Nr. 13 — , das Schloß
Neuhaus mit Hofgründen, dann von der Ortschaft Plöcking
die Piermühle, das Pühringergut, das Pührethäusel, das Wein-
zierlhaus, das Bachmannhäusel und das Kaltenbrunner Robot-
häusel; dagegen das Robothäusel im Hör Ortschaft Neuhaus
Nr. 4 und das Wadsteinerhäusel in üntermühel, sowie das
Knoglergut, das Stadlergut und das Traböckgut auf der Donau-
leiten zum Landgericht Wachsenberg, woraus erhellt, daß der
Dreißbach, der beim Dreißergut in die Donau rinnt, die Grenze
zwischen Wachsenberg und Oberwallsee bildete und die Hinauf-
schiebung der Grenze bis Neuhaus ein nichtiger Anspruch war,
' Abschrift im Liuzer Moseam nach dem Orig. vom Jahre 1584 im Elfer-
dinger Archiv. Eine zweite Beschreibung aus der Zeit der Pfandschaft
der Neuhauser im Sammelbande 101 des Linzer Museums besagt, daß die
Grenze durch die Backofen des Geierspergergutes sowie des Ortner in
Hilkering gehe.
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wie denn auch die Wachsenberger Grenzbeschreibnng von
1640 — jene von 1614 springt von der Schergenhub bei Klein-
zell gleich auf St. Martin ttber — ansdrücklich sagt: ^vom
PürchmüUner in die Müll auf Neuhanß; von dannen nach
der Thonau herab biß zum Treyssterpächl, von dannen
zum Oemdorfer auf St. Mörthin ins aigen zu dem Marchstain^
welcher Oberwallsee: und Waxenberger Landgericht schaidt^^
Die alte östliche Grenze des Landgerichtes Wachsenberg
ist die westliche der alten Riedmark; sie folgte der Saumstraße
durch den Haselgraben bis Zwetl^ eine kurze Strecke der Rotl
und dem Elmeckerbache, bis sie östlich von Weinzierl bei
Leonfelden die Landesgrenze erreichte. Sie wurde verwischt
durch die Errichtung eines neuen Landgerichtes Wildberg im
17. Jahrhundert^ worüber das Nötige in den Erläuterungen ge-
sagt wurde.*
Im Landgerichte Oberwallsee war ein einziger ausgemark-
ter Burgfirieden, jener von Mühldorf, welcher 1697 zugestanden
worden war. ,Der Anfang dieses Burgfriedens ergibt sich beim
Qattem nächst dem Steg über den Pesenbach, nach diesem bis
in die Donau, der sogenannten alten Naufahrt allda abwärts
bis zu dem Geiringerhäusl am Eggenschadt, von dannen nach
dem Khagstatt im Ottenaufeld [so genannt von dem im 15. Jahr-
hunderte in der Donau versunkenen Dorfe Ottenau] gegen
Mühldorf bis an ein Eck, allwo sich ein groß Wasser oder
Feldgruben zeiget, nachgehends gerad über das benannte Otten-
^ Handel-Mazzetti, Das Gemärke yon Wildberg, S. 13—14.
* Den Mangel einer Grenzbeschreibung des Landgerichtes Wildberg möge
folgendes Verzeichnis der GrenzOrtlichkeiten ersetzen: Dorf Ober-Qeng
jenseits des Ecksteinerbaches, der Lauf der Rotl vom Ecksteinerbach
bis zum Elmeckerbach, Dörfer Glashütten und Ober-Dreiegg, Rittsteiger,
Stummer, Dorf Ober-Aigen, Schnabl, Hans, Eder, Danglmair in Hai-
bach, von hier den Gnsenbach abwärts bis Veitsdorf, Dorf Unter-Wei-
trag, Starzer, Weitrager, Holzmair, Zeilinger, Auf berger, Grabmer, Dorf
Zingießing (Tungaßing), Krois, Mühlberger in Elmberg, Auhof, Dornach,
Steg, halb Heilham nach Urfahr, donauaufwftrts bis zur Einmündung
des Diessenbaches, an dessen linker Seite aufwärts, Mülberger, Stadler-
gut, Gknbmühle, Aichberger, Giltenberger, Lierzberger, Außerweger,
Wirflingerhof, Zaun er, Eimer, Grübler, Ober- und Unter-Hametner, Asber-
ger, Kogler, Baumgartner, Kronaweter, Eronawitet Dorf, Dorf Rohrach,
Wol&ecker zum Ecksteinerbach; das Ecksteinergut blieb im Landge-
richte Wachsen berg.
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auerfeld bis zu dem Gattern bei der Tanzstatt; von dannen
aufwärts nach der ordinari Wöhrerfartstraßen neben Mübldorf
übers Feld wiederum zu obgemeldetem Gattern beim Pesen-
bach nächst dem Steg/^
Der Burgfried des passauischen Amtes Goldwört, das
1731 zur Starhembergschen Herrschaft Oberwallsee erworben
wurde,* schon frühzeitig von Passau angesprochen/ hatte ^seine
lebendige March, auf der Seiten des Wörths beschlossen mit
dem Wasser der Gang genannt [jetzt trocken liegend], auf der
herendigen Seitten [am rechten Donauufer, Pfarre Alkoven],
aber, alß im Gstocket und Hagenau thuet daß 0£Fenwasser
den Burckfrid einfangen^* Die Malefikanten wurden bei einem
Steg über den Gang an das Landgericht Oberwallsee ausge-
liefert.
Der Niedemburgsche Burgfried Landshag reichte nur bis
an die Gattern; die Täter wurden bei der Wasserrunsen aus-
geliefert. Jene von Eschelberg wurden beim Gattern zwischen
dem Eschelmüller und dem Oberstraßer landgerichtlich über-
nommen. Es bestanden drei Schrannen zu Rotel, Feldkirchen
und Mühllacken.^
Im Landgerichte Wachsenberg hatte das Schloß Piberstein
einen großen Burgfrieden, gleich dem Schlosse österreichisches
Lehen. ,hebt sich an bey der Planckenauer Hamber Werck-
statt in der Mühel und gehet darnach biß an das in die [Rau-
sche] Mühel fließende Somerpächl, von dannen in den Somer-
pach aufwärts biß an die Somermühl, von derselben dem
Kirchperg nach auf Helfenberg an die Mühel und wider nach
der Mühel biß an die Khüzmühl und den Viechtpach, dem
Viechtpach nach biß an die Khroißmühl, von dannen in den
Oedtlpach, da hinauf unzt an die Wält, und den Waiden nach
biß zu dem NimervoU an den Marchweg Wald, und also dem
Marchweg nach biß auf die Khaindlin: und auf die Wagnerin,
ferners dem Waxembergerischenpach nach biß wider ob der
^ Obige Eferdinger Beschreibang.
* Schwerdling, Geschichte des Hauses Starhemberg, S. 297.
' Stmadt, Velden, S. 98/26.
* ,Goldtwörtherischer BarckhfridtS ,im Urbar der Passauer Herrschaft Ebels-
berg TOD 1668, Bl. 22, im Schlosse Ebelsberg. Panthäding 1687, 4. Okt.,
das. Bl. 23«.
^ Pass. Blechkastenarchiv f. 229 No. 42.
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Planckenau in die Mühel/ Die Täter wurden am Ödlpachl
dem Landgerichte hinaosgeantwortet^
Helfenberg hatte zu dem alten Burgstall etwas unterhalb
des 1607 erbauten neuen Schlosses einen Burgfried; der sich
auf die HofgrOnde und das Aigen Helfenberg beschränkte^ je-
doch nicht ausgemarcht war.^
Das Aigen St Peter am Windberg unter dem Kloster
St. Florian war schon 1208 mit einem Burgfneden begabt;
sicherlich reichte er nur bis an die Gattern.
flxemt waren im Landgerichte Wachsenberg seit 1573 die
Untertanen der Herren von Starhemberg, seit 1617 die 109
Hintersassen der Herrschaft PUrnstein^ seit 1585 auch die
Klosterholden von St. Florian.
Der Burgfried des Starhembergschen Marktes Zwetl ,faht
sich an am ersten auf der Wimb an der Rotl^ wärt bis an das
Ortbaw anf der Straß bis in den Schauerschlag gegen den
Gapf; von dem 6upf bis hinab gegen den Grueber bis an des
Ortner perg in der langen Zwetl, von dem Perg bis zum
Hammerschmitt in die Rätl, darnach wird gemelter burgkfrid
geschaiden durch die Rätl bis widerumb auf obangezeigte
Wibm^^
Ein exemtes Landgericht Lobenstein/ zu welchem als ein-
zige kompakte Masse der vorbezeichnete Burgfried gehörte,
kommt noch im alten Grundbuche vor, wurde jedoch vom
Pfleger und Landgerichtsverwalter von Wildberg versehen.
Die seit 1527 bestehende Freiung des Schlosses Ottens-
heim, welche den Markt Ottensheim, die Häuser Nr. 1, 4, 11,
15 — 19 und 22 von Niederottensheim^ die Häuser Nr. 1 und 4
in Weingarten, die Häuser Nr. 3, 4 und 5 von Dümberg und
die Häuser Nr. 7—10, 13, 16—23 von Höflein umfaßte, wurde
von K. Ferdinand H. zugunsten der Jesuiten zum Landgerichte
erhoben und erlosch als solches gleichfalls erst im Jahre 1850.
Schließlich sei noch Erwähnung getan, daß infolge käuf-
licher Erwerbung von Gütern, auf welchen die landgericht-
' Urbar yon Piberstein 1675 im Schlosse Helfenberg.
* Urbar von Helfenberg 1680 daselbst
' Handel-Mazetti, a. a. O. 51, aas dem Wildberger Urbar 1598.
* Die zugehörigen Güter befanden sich in den Dörfern Lobenstein, Schauer-
leiten, Straß, Innemschlag, Perndorf, Hofing^ Stfttten, Reindlsed, Königs-
dorf^ Langen Zwetl.
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252
liehen Rechte hafteten^ die Herrschaften Helfenberg über die
Ejzmühle Nr. 6 in Anhäuser und das Häusel bei der Helmans-
bruck Nr. 55 in Helfenberg, dann Berg ob Rohrbach über das
Bauerngut Nr. 22 zu Unterriedl, über die Häusel Nr. 1 und 4
zu Preßleiten bei Helfenberg, über die Hofstatt Nr. 2 und die
Fauxmühle Nr. 15 zu Uttendorf, Pfarre Helfenberg, die Land-
gerichtsbarkeit ausübten.^
Vierzehnter Abschnitt.
Kartographische Darstellung des Bestandes der Grnnd-
herrschaften im Ilzgau vor Erwerbung der Grafschafts-
rechte durch die Kirche Passau. Rückschluß auf die Art
der Kolonisation infolge königlicher Schenkung oder durch
Landnahme. Das Diplom K. Heinrichs U. für Niedemburg.
Der Nordwald trennte Bayern und Böhmen; es gab in
demselben keine bestimmte Grenzen, wie Urkunden ausdrück-
lich bezeugen. Als herrenloses, unkultiviertes Land galt er als
Königsforst, von welchem große Strecken an die Kirche und
an weltliche Große verliehen wurden, die durch Kolonisten dem
dichten Walde nutzbares Land abgewannen. Das rasche An-
wachsen der großen Grundherrschaften in jenen Zeiten ist
hauptsächlich auf die Waldkolonisationen zurückzuführen.* Ur-
kunden über solche Vergabungen sind nur spärlich vorhanden ;
für weltliche Grundherrschaften mangeln sie in unserer Gegend
vollständig. Dagegen ist eine Schenkung König Heinrichs 11.
überliefert, welche derselbe durch Zuweisung eines Teiles des
Nordwaldes von den Quellen der Dz und der Rotel angefangen
bis zum Donauufer im Jahre 1010 an das Kloster Niedemburg
in Passau gemacht haben soll. Hiemach würde der Löwenanteil
an der Kolonisierung des Ilzgaues der Kirche zufallen, in wel-
chem Lichte bisher auch die Sache betrachtet worden ist.'
^ Nach den alten Grundbüchern Ottensheim, Helfenberg and Berg.
* Inama-Stemegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte I, 216.
' Die Polemik des seither verstorbenen Wilhering^r Stiftsarchivars P. Otto
Grillnberger gegen Hackl sowie den Verfasser (Velden, S. 92) im Archiv
für die Geschichte der Diözese Linz I, 168—171, dürfte nach den Aus-
führungen dieses Abschnittes wohl als hinfällig bezeichnet werden.
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253
Es wird daher eingehend zu untersuchen sein, wie weit
sich der Inhalt des gedachten Dokumentes mit den Tatsachen
deckt, daher vorerst von einer Verwertung desselben Abstand
genommen werden muß.
Wir haben deshalb den ursprünglichen Bestand der
großen Grundherrschaften zwischen Hz und großer Mühel zu
erheben, welche frühzeitig an Passau und an Osterreich fielen.
Bei der Dürftigkeit urbarialer Nachrichten aus diesem Zeit-
räume ist auch diese Erhebung nur durch Anwendung der
Methode der Rekonstruktion ermöglicht.
Um ein gesichertes Ergebnis zu erzielen, ist vor allem
auf den ältesten Besitzstand der weit ausgedehnten Herrschaft
Falkenstein an der Ranna zurückzugehen; denn nur diese war
stets in den Händen hochfreier Geschlechter und ist bei diesen
anch bis zum Übergänge an den österreichischen Landesfürsten
verblieben, während es der Kirche Passau gelang, alle übrigen
Güter im Laufe des 12. und zumal des 13. Jahrhunderts in
Eirchenlehen zu verwandeln. Bezüglich jener Stücke, welche
von Falkenstein abgetrennt wurden (Schindlau 1264, Klaffer),
sind Archivalien vorhanden und es versteht sich, daß die Eigen-
schaft eines landesfürstlichen Kammergutes dem Besitzstande
der Herrschaft eine besondere Beständigkeit bewahrt hat.
Von Falkenstein ist ein vollständiges^ Urbar aus dem
Jahre 1570^ auf unsere Tage gekommen, welches, nach Spuren
zu schließen, auf ein älteres aus der Zeit 1520 bis 1530 zurück-
geht and sämtliche Bestandteile der Herrschaft, nicht bloß die
einzelnen Güter, sondern auch die Waldungen und Fischweiden
in großer Ausführlichkeit aufzählt; wir wissen außerdem, daß
TOT Zustandebringung des Urbars alle Untertanen abgehört und
nur das eingetragen worden, was die Erhebungen als un-
zweifelhaftes Recht festgestellt hatten.^
Wir finden darin auch ein langes Verzeichnis jener Hol-
den, welche zwar unter fremden Herren saßen, jedoch der
Herrschaft Falkenstein Königsteuer zu entrichten hatten.
Solche Listen enthalten auch die Urbare von Marsbach 1667,
1 Ein nnvolUtändiges Hausnrbar vom Jahre 1662 hat das Ldnzer Museum
aus dem Altenhofer Archiy angekauft.
' Auszaglich von Chmel im Notizenblatt 1863, S. 37 ff.^ veröffentlicht. Der
Verfasser benützte das im Hofkammerarchiy verwahrte Exemplar.
* Einlage im Fasz. F 1 im Hofkammerarchiv.
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254
von Sprinzenstein 1550, von Rannarigel c 1510 und 1581; auch
diese Herrschaften, teils unmittelbares Eigentum, teils Lehen
des Hochstiftes, bezogen die Eönigsteuer nicht bloß von eigenen,
sondern auch von fremden Untertanen.
Hier war der Hebel anzusetzen; es galt daher, das
Wesen der Königsteuer und den Rechtsgrund zur Zahlungs-
verpflichtung zu erkennen und so eine zuverlässige Basis ftir
weitgreifende Folgerungen zu schaffen.
Zur Beurteilung folgen die zustande gebrachten Belege:
Die früheste urkundliche Erwähnung dieser Steuer finden
wir erst in dem Diplome König Heinrichs VI. 1193, 28. März,*
womit derselbe auf Bitte seines Fürsten Bischof Wolfger von
Passau dieser Kirche die Abtei Niedemburg mit aller Zu-
gehörung ,videlicet cum advocacia et servicio regio . subsidio
sive Supplemente . seu steura . quod in vulgari Kunigesture
dicitur' verleiht.
Die nächste Anführung der Steuer ist in der Aufzeichnung
über das Landtaiding in der Abtei 1256* enthalten. ,Item no-
tandum, quod in jltsgeu de modio tritici dantur ante festum
purificationis domino Episcopo pro chuniksteura V denarios.
Item circa Muhelam de duobus volgultigen lehen pro
chuniksteura V denarios.' Berichtigt der Dienstpflichtige nicht
binnen dreimal 14 Tagen, so zahlt er 6 /? ^ dem Bischof zu
Wandel und außerdem die Steuer; ist er dann noch säumig,
so unterwindet sich der Bischof des Gutes oder nimmt ein
Pfand, wenn es vorhanden ist.
1269, 19. November» überläßt Bischof Peter die (After-)
Lehengüter, welche Chunrad von Hartheim vor sieben Jahren
von den Brüdern Albert und Richker von Pernstein (A. 6.
Grafenau) erworben hatte, der Witwe Gertrud auf Lebenszeit;
nach ihrem Tode sollen sie an das Kloster Niedemburg fallen
,excepta steura regali^
1410 entscheidet die Landschranne von Velden,* daß das
Gut, welches Heinrich der Chaplan von Herrn Gundacker von
Tannberg geeignet, von aller Königsteuer frei sei.
^ Mon. Boic. XXIX a, 469. Gegen die Echtheit liegen keinerlei Bedenken vor.
« a. a. O. XXIX b, 224.
' Original im k. allgem. Reichsarchiv zu München.
^ Hoheneck III, 282 leider nnr in diesem kurzen Auszüge des Gerichts-
briefes.
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255
1443, 27. April. ^ Die Brüder Kaspar und Hans die Chraft
von Marsbach teilen Vogthafer und ,Chunigstewr' als Zuge-
hör Ton Marsbach.
1456, 10. Jänner verleiht König Lasla dem Rüdiger am
Perg* zwei Güter zu Rainprechtzreut (Kampetsreut, Pfarre
Peilstein) und ein Gut zum Odlein (£dlbauer bei Rampetsreut)
^unserer lehenschaft unseres Fürstentumbs Osterreich und ist
Kunigstewr zu unserer Herschaft Valkenstain^ Der-
selbe verleiht 1457, 21. Juli dem Oswald Perger am Perg fol-
gende Güter, welche ,zu unsrer herschaft Valkenstain
im Mnhelland dienen Kunigstewr': zwei Güter zu Weigarts-
berg (Weiksberg bei Aigen) dienen 4 /Ä, am Gut zu Hauczen-
perg (Hauzenberg bei Rohrbach) dient 2^/^ ^ und eine Hofstatt
daselbst dient 1 .Ä, ein Gut ,zu dem Dorf' (Dorf, Pfarre Sar-
leinsbach) dient 4 ^\ eine Mühle genannt die Kramphmühle
(Kampmühle in derselben Pfarre) dient 1 /iS, alles in Veldner
Landgericht gelegen.^
1483, 6. März^ verkaufen die Brüder Niklas und Thomas
Venediger 21 Güter und 5 Zehenthäuser in den Pfarren Tyrnau,
Huttum, Römbach, Waldkirchen, Griesbach, Otterskirchen und
Kellbergy alle Lehen vom Stift Passau, an Christoph Wazmans-
torfer zu Leoprechting. Mit Ausnahme der Zehenthäuser und
des Gutes in der Pfsure Otterskirchen sind alle königssteuer-
pflichtig, und zwar das Gut zu Hungerperg (Hunaberg, Pfarre
Hauzenberg^) mit 3 ^, die ,gibt man gein dem Rannerigl^
c. 1488. Das älteste ,Reygister der Lehenschaft auch vorst-
wäld der gereut der wisen, ausserhalb der verlassung, der
wald'* verzeichnet in den vier Ämtern der Herrschaft Ranna-
rigel zahlreiche Lehen, welche ,am andern jar Lehen und jär-
lich kunigstewr geben'.
c. 1510. Das jVrbarpuech des Gsloß und HerschaflFt Ranna-
rigl'^ hat die Rubrik: ,Vermerkt die ierlich kunigstewr
> Mon. Boic. XXXI b, 354.
' Der Sitz Berg ob Robrbach rührte halb von Falkenstein, halb von
Paasaa zu Leben.
* Notizenblatt 1854, S. 213.
« Mon. Boic. XXXI b, 606.
» Siehe S. 147.
^ Fasz. R 2 im Hof kammerarchiv.
* Im oberOsterreichischen Landesarchiv Linz.
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256
80 man zu den Weinachten an Wiener phening zum Gsloß
Rannarigl dint', 223 Pflichtige (wovon 4 ,Hem wolfgangen
Herleinsperger Hindersassen') und am Schlüsse die Bemerkung:
,Dise Ktinigstewr sol in alter swartzer Wienner münß^ dhainern
andern gelt und zwischn Weinacht tags und der heilign
drey kunig tag bey scheynunder Sunne gedint werdend
1550, 8. September. ,Ordinari Vrbar der leuth zum
Öprintzenstain mit darzue gehörigen vnd darin begriflFenen Le-
hen Stiflft; Vogt vnd andern Vndterthonen/^ Nach diesem hatten
— mit Ausnahme des Marktes Sarleinsbach — fast alle Holden
dieser passauischen Lehenherrschaft die Königsteuer zu ent-
richten. Eine Rubrik lautet: ,Rittermäßiger lehen Künigsteur
gen Sprintznstain ausserhalb desselben urbars als davon
zu Lehen rilerndt järlich daselbs hie dienent'^ und schließt
folgendermaßen: ,Item welche die Künigsteur zwy sehen Wey-
nachten und der heyligen drey khunig tag nit raichen und
geben, denen zeucht man ire Heyser mit zuegehörigen gründen
ein mit Span und Phallen, sagt der Ambtman sey Landrecht
und gebrauch.'
Das auf gründlichen Erhebungen' beruhende jüngere
,Grundpuech über das Schloß und Herrschaft Rainarigl' vom
Jahre 1581* zählt unter der Rubrik: ,Künigsteur, so die her-
nach beschribnen underthonen iarlichen zu den Weichnachten
... in Wiener oder füm ieden Zwen Weiß Phening zu rai-
chen und zu dienen schuldig' 197 Königsteuerpflichtige auf,
wovon 56 unter fremden Herren.*
^ Original im Schloßarchiv Sprinzenstein, hier nach Abschrift des Herrn
Grafen Ernst zu Sprinzenstein.
' 2 Holden za Kicking, 1 zn Wakolbing, 1 zu Ruzersdorf, 1 zn Oberlem-
bach, 1 zu Pehersdorf, Maier zu Ganthersberg, 1 zu Franndorf^ Zackl auf
der Öd hinder dem Perg ob Rorbach, Wolkersberger, Lehner Pfarre
Rorbach, Humel, Kazprener, Pock in Leiten Pfarre Pfarrkirchen, 2 in
Eiden berg, Hans Falkner Pfarre Wegscheid; 2 Holden der Brüder Her-
leinsberger in Kumering und Ödt Pfarre Griesbach; 2 in N. Komering
und ödt Pfarre Kellberg.
' Siehe die Akten im Fasz. R 2 im Hof kammerarchiv.
^ Original im k. allgem. Reichsarchiv zu München, Repertorium Hoch-
stift Passau 442, 290 Bl.
^ Die Zahlendifferenz mit dem älteren Urbar rührt daher, daß mehrere
,Gemeiner* nur als Eine Person gezählt sind.
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267
1570, 28. Juni. ,Der Herrschafffc Valckhenstain ob der
Ennß New Vrbar'* schreibt auf Blatt 135: ,Kunig8teur, so
die hernachbeschribnen underthonen jarlich zu den Weihenach-
ten alsbald der heilig tag verscheint^ darzue aber Niemand
erfordert wirdet in wiener oder für yeden drey weiß phening
zu raichen schuldig^ und welcher dieselb zwischen ernennten
und der heiligen drey Kunigen tag bey scheinender Sonn
nit geraicht dessen Haus oder grund von wem dann solche
Kunigsteur zu raichen gebürt, ist diser Herrschaft Valcken-
stain dn Mitl verfallen^ und so gedachter Herrschaft also ain
Haus oder Grund verfeit so werden auf desselben Haus Tach
drey Schintl und auf ainem Grund drey Wasen zu ainem
Zaichen solcher verfellung umbgelegt^ des von Alter Herko-
men.'* Verzeichnet sind von Holden der Herleinsberger (zu
Altenhof und Hochhaus) 50, des Odters zu Gözendorf und
Liechtenau 64, des Starhembergers zu Pümstein 5, des Hans
von Redem amBerg 10 (11) (darunter das Gut zuHauzenberg da
Wölfl sizt, Michl zum Dorf Gut und Hofstatt, die Kampmüll,
Sebast. Pein zu Bampertsreut s. oben S. 255), des Herrn von
Polheim 1, des Herrn von Herberstein vom Sitze Tänleinsbach
17, des Georg Neuhauser zu Blumau 2, der Frühmeßstiftung
Neufelden 5, der Kirche Sarleinsbach 1, der Herrschaft Leo-
prechting [in der Abtei] 1, der Kirche Pfarrkirchen 1, der
Salburger 2, des Pfarrhofes Haslach 1, der Herrschaft Sprin-
zenstein 2, der Herren Kaplan 4, des Toblhamer in Linz 1,
der Herrschaft Falkenstein 6.^
^ Kodex 4 der Urbare im Hofkammerarchiv.
* Gleichlaatend im Rannangler Urbar.
' Sie folgen hier vollständig; die Kontrolle bildet das Lebenbach K. Laslas.
1. Unter den Herleinsbergern zu Altenhof: vom Hof bau
daselbst, vom Hof beim Hochhaus, zu Karlesbach 6, zu Wemastorf 1 , zu
UnholnOd 4, zu Pemerstorf 5, zu Höfl 1 , zu Wehrbach 7, zu Wurzwal(d) 2,
in Gredenbach S, der Greinhof, ödenreut 1, Polmansdorf 5, Affenöd 1,
Grub bei Rohrbach 1, Ratberg 1, Weisgraben Pfarre Sarleinsbach 1,
Kelzberg (GOzenberger bei Lembach) 1, Dorf Pfarre Sarleinsbach 1,
Reut 1, Absang 1, Aiglstorf 1, Krien Pfarre Rohrbach 1, Weiksberg 1,
HOrleinsberg 1, Rampertsreut Pfarre Peilstein 1.
2. Unter denen von ödt zu GOzendorf und Lichtenau: zu
Grub Pfarre Rohrbach 1, Albenedergut, zu Hundprening 2, zu Ober-
Merzing 2, zu Unter-Merzing 1, zu Leiten 1, zu Stocket 1, zu krien 1,
zu Mairhof 1, zu Lemerstorf Pfarre Sarleinsbach 2, zu Bogendorf 1,
Rümpflergut bei Rohrbach 1, Lanzerstorf 6, Peilstein 2, Obernort bei
▲rehi?. ICIV. Band. 18
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258
Die Bereitungskommission der oberösterreichischen kais.
Pfandherrschaften erhob wirklich/ daß ,von versessner Ktinig-
steur wegen, so ain verzigkter dienst, ainem underthon, so
Lembach 1, Volkenstorf 1, Rampertsreat Pfarre PeiUtein 1, Wernastorf
bei Altenhof 1, Pachhof, Haidenbof, Albernberg 2, Kanzing 2, Razes-
berg 2, Fürbichgut, Tannet 1, Wesenbach 2, Gerastorf 2, Hözendorf 4,
aufm Berg 1, Harnet 1, Hinterleiten 2, Lnghof, ödt 2, Lehnergüter 2,
Steinet 1, Schachenhof, Scharten 1, Wizerstorf Pfarre Niederkapell 1,
Krenan Pfarre öpping 4.
Die übrigen Untertanen der öder waren passaaische Lehen (so-
genanntes Erbstammenamt), genau dieselben, welche von den Haichen-
bachern 1303 yerlehnt waren.
3. Unter Pürnstein: 1 Gut in SchOnberg Pfarre Rohrbach;
Azesberg Pfarre Sarleinsbach, 1 Gut.
4. Unter den Redern am Berg: Weiksberg 1, Hanzenberg 1,
zu Dorf Pfarre Sarleinsbach 3 und die Kampmühl, zu Rampertsreut 1,
zu Gerastorf 2, zu Pach 1, 1 Peunt zu Praztrum.
5. Unter dem Polheimer: Orell 1 Gut.
6. Unter (Kirche) Peil stein: zu Lemerstorf 2.
7. Unter Dan telsbach (vormals der Kaplan): zu Dantelsbach 3,
zu Steineck Pfarre Rohrbach 4, Pfeffermtihl, Kolonöd 1, Reut 1, Wa-
kolbingergut, Schiferlgut, Dorf 1, Ruezlastorf 1, Khagergut, Aiglstorf 1,
SchOnberg 1.
8. Unter Blum au: ödt bei Niederkapell 1, 1 Gut zu Kaplan
Leiten bei Dantelsbach.
9. Unter Frtihmeßstiftung Velden: Peilstein 2 Häuser, dann
die Pfarrhofgründe, Exenschlag 3.
10. Unter der Kirche Sarleinsbach: 1 zu Ober-Krenau.
11. Unter Leoprechting: 1 zu Vordorf Pfarre Peilstein.
12. Unter der Kirche Pfarrkirchen: AlbernOdergut am Pfarrwald.
13. Unter den Salburgern: Pergern 2 Güter.
14. Unter dem Pfarrhofe Haslach: Pfefferhof Pfarre Rohrbach.
16. Unter Sprinzenstein: 1 zu Dorf, dann der Ruezhof.
16. Unter den Kaplan: 2 zu Finsing a. d. Rauna, 1 zu Krams-
rent bei Puzleinsdorf, 1 zu Hueb.
17. Unter dem Toplhamer in Linz: 1 Gut zu Schönberg.
18. Unter Pürnstein noch 1 Gut in Azesberg, 1 in Khamberg
(Kainberger, Pfarre Altenfelden), 1 in Diendorf, Pfarre Peilstein.
19. Unter Falkenstein selbst (wohl zurückgelangte Lehen):
1 Gut in Etzlastorf, 2 Güter in Peilstein, 2 Güter in TannerOd bei
Peilstein.
Im 17. Jahrhundert wurden zwei kOnigsteuerpflichtige Güter in
Sweikerstorf und Mittereck zur Herrschaft Wachsenberg gezogen, wie
aus einem Urbar dieser Herrschaft im Hofkammerarchiv zu ersehen ist.
^ Relation der Kommissarien ddo. Valgkhenstain 1570, 28. Juni, im Fasz. F 1
im Hofkammerarchiv.
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259
Herrn v. Traun zuegehörig gewest, noch vor vierzig Jam (1530)
der Valgkenstorflfer Hof zu diser Herrschaft eingezogen und
bißher zu dem Schloß gebraucht worden/ Es war dies das
Mairgut zu Volkenstorf bei Lembach, welches ,mit dienst dem
Herrn v. Traun gehen Eschlberg gehörig gewest und allain
blößlich die Ktinigsteur auf die Herrschaft Valkchenstain ge-
raicht und noch vor etlich vill Jarn des grossen und hohen
diensts^ wegen ödt gelegen und von wegen der Kilnig
Steur zu der Herrschaft Valckenstain einzogen worden^* Der
Irei ledig heimgefallene Hof (bisher ein ,freystift') wurde vom
Kaiser Max H. 1572, 31. Dezember, dem Untertan Michael
Schlachinweidt gegen jährlichen Dienst von 4 Motzen Korn,
8 Motzen Hafer in Feldner Maß, in Geld 2 ß y^, auch mit ge-
bührlicher Landsteuer und Robot vererbrechtet und aus der
Herrschaft ins Vizedomamt gezogen.^
Im Jahre 1573 sollte gegen drei passauische Hintersassen
(Wolfgang Wemhardt zu Haunerstorf, Pankraz Kramer zu
Hapfiastorf, Andre Rot zu PfaflFenreut in der Abtei), von denen
ersterer ftlr die Jahre 1571 und 1572, die beiden anderen flir
1572 die Königsteuer nach Rannarigel ausständig geblieben,
mit der Einziehung der Güter vorgegangen werden, doch wurde
über eingeholtes Rechtsgutachten von der niederösterreichischen
Kammer über Fürbitte ihrer Obrigkeit allen dreien die Fällig-
keit ihrer Güter für dieses Mal nachgesehen, bloß eine Geld-
strafe auferlegt, im Wiederholungsfalle jedoch die Einziehung
der Güter ohne fernere Gnade angedroht.*
Die Bauern unter Ulrich Herleinsberger zu Altenhof
ftlhrten im Jahre 1525 unter andern auch diese Beschwerde
,Zum elftn sein ettlich groß beschwert mit der kunigstewr
oder wiener phening, welliche wir nit leichtlich mügen zu
wegen pringen'.^
^ Laut Einlage an ,GeU 3 3/^, Schwein 1, Khäß 8, Hennen 8, Ayr
4 Jg, Weihnachtbrod 1, Baumöl 4 Uy Schott Haar 2, Korn 16 Mezen,
Hafer 32 Mezen'.
' Bericht des Yizedoms Ginger 1683, 26. März, Fasz. F 1.
' Konzept im Fasz. F 1. Der Hof kommt im Urbar des Vizedomamtes
c. 1710 vor, oberOsterreichisches Landesarchiv.
* Bericht des Pflegers Achaz von ödt 1673, 16. Mörz, Gutachten Abraham
Lansers 1673, 21. April, Original; Kammerbeschluß 1673, 13. Mai, Kon-
zept, Fasz. R 2 im Hof kammerarchiv.
' Stmadt, Bauemaufrubr im Mühlviertel, Linzer Mus.-Ber. 1868, S. 2.
18»
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260
Hierzu kommt noch die Beobachtung, daß die Recht-
lehn er der Herrschaft Falkenstein in den Ämtern Hamet und
Kramel nicht dienen, sondern bloß die Königsteuer reichen.
Aus vorstehenden Darlegungen ist folgendes zu erschließen:
1. Die Königsteuer ist eine Lehensteuer; so genannt
von dem obersten Lehenherm, dem deutschen König.
2. Sie war von den Inhabern von Lehen an die Grund-
herrschaften zwischen der Hz und der Großen Mühel zu
entrichten; auf dieses Gebiet ist die Bezeichnung König-
steuer beschränkt.^
3. Der Natur einer Lehensteuer entsprechend, war sie ein
verztigter Dienst, d. h. wurde die Lehenpflicht nicht rechtzeitig
erfüllt, wozu es keiner Ansage wie bei der Stift bedurfte, so
wurde das Lehen dem Lehenherm heimfällig, daher dasselbe
eingezogen.
4. Der Umstand, daß viele Güter unter ft'emden Grund-
herrschaften zur Herrschaft Falkenstein königsteuerpflichtig
waren, ist einzig aus der Tatsache zu erklären, daß sämtliche
landesftürstliche Lehen im Mühellande, d. i. zwischen Ranna und
Großer Mühel, von Falkenstein ausgingen, woraus sich wei-
ters ergibt, daß
5. diese fremden Güter ursprünglich Bestandteile der
Herrschaft Falkenstein waren und von dieser an dritte Herren,
geistliche und weltliche, veräußert oder verliehen wurden, mit
Vorbehalt der Leistung der Königsteuer als Anerkennung des
falkensteinischen Lehenbandes.^
Es unterliegt daher wohl keinem gegründeten Bedenken,
alle jene Objekte, welche zwar anderen Grundobrigkeiten unter-
worfen waren, aber nach Falkenstein die Königsteuer reichten,
in den ursprünglichen Bestand dieser freien Herrschaft einzu-
beziehen und auf diese Weise ein Bild der vormaligen Aus-
* Wenn Roger von Haichenbach 1302, 2. Februar (Strnadt, Velden 180),
dem Kaihoch von Falkenstein und dessen Sohn Heinrich fttr Übernahme
einer Vogtei 10 Passauer Pfennige jährlicher ,Chnonig8teuer' auf zwei
Gütern bestellt, so ist der Ausdruck für diese Vergütung nur abusive
gebraucht, gänslich verfehlt aber, wenn in dem Verzeichnisse der Ein-
künfte des Bischöfe von Passau im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts
der Schreiber bei einem Gute in der Pfarre Waldkirchen am Wesen zu
minuta servitia den erklärenden Satz ,qui vulgariter Chunigsteur nun-
cupatnr* (Notizenblatt 1853, S. 193) beisetzen zu müssen vermeinte.
^ Vgl. die Urkunde Bischofs Peter 1269, 19. November, S. 264.
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261
dehnimg derselben herzustellen. Die Identifizierung der ein-
zelnen Liegenschaften ist ermöglicht durch den Vergleich der
alten Urbare mit den alten Grundbüchern.
Die Markungen der Herrschaft Falkenstein heben sich
genau ab von dem hochstiftischen Besitze durch die Waldun-
gen und Fischwässer. Nach den Urbaren von Rannarigl 1510
und 1581 und von Falkenstein 1570 gehörten zu Falkenstein:
L Waldungen.^
a) Allein: Der Eriegwald zwischen Finsterbach und
Trübbachl, die Leiten unterhalb Altenhof, das Mühlholz bei
Wemastorf, das Schreiberholz zwischen dem Schreiberödergute
und dem Holz der Spilleitner anstoßend an den Wald des
Pfarrers von Pfiarrkirchen.
b) Gemeinschaftlich mit Rannarigel: Der sogenannte
Gemeinwald, welcher an den Kriegwald im Süden anstoßt, und
der Pfiarrkirchner Wald.
c) Gemeinschaftlich mit Rannarigel und Sprinzen-
stein: Die kleinen Waldungen Hochholz und Dietrichstuben
Dächst dem Ameisberg.
IL FischwSsser.
a) Allein: Ein Stück bei der Obermühl bis zur Mündung
des sogenannten Stierbachs ins Mitterwasser (Exklave Wilden-
^ Der Kriegwald existiert nar mehr als Ortschaft, welche gans auf Falken-
steinschem Boden angelegt worden ist. Von dem Gemeinwalde besteht
noch ein bedeutendes Stück, so von den Ortschaften Heinrichsberg, Vor-
derschiff nnd Unterleiten in der Richtung gegen das k. bayrische Zoll-
amt Kohlstatt hin, worin die benachbarten Baaem der Pfarren Peilstein,
Kollerschlag, Julbach ihre HOlzer haben. Der Wald führt im Volksmnnde
die Beseichnang ,in der Lacken', dem Verfasser wohl bekannt, weil er
im Gerichtsbesirke Rohrbach in den Katastralgemeinden öpping, Nebelberg
(Eppenberg), SchOlling, St. Leonhard die neuen Grundbücher anlegte.
Die beiden Ortschaften Stift am Grenzbach, Heinrichsberg sowie Unter-
leiten sind erst seit dem 16. Jahrhunderte auf dem Waldboden entstan-
den. Ebenso die Häuser in Heinrich- und Mitterschlag am Ameisberg.
Vgl. ,Der 72 Hejsler im Mittern- und Hainrichschlag wie auch Hein-
richsberg, Stü£ft und Kleinleithen, so baiden Herrschafften Rännaridl
und Falkenstain mitteinander gehörig sein, Ordinarj Einkomben' 1677
in den Altenhofer Archivalien im Linser Museum. Die Rechnungen
1681/82 und 1688/84 weisen Vererbrechtungen von Raumrechten ans.
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262
ranna), der Tädlaspach von den Gründen der Hohenschlager
und Weberschlager bis zur Wehr des Bi*uckmüllers^ das Mos-
bachl (Kranawitbachl), der Lembach von seinem Ursprünge im
Holze bis an den Grund des Höflers in Höfl, der Wemaspach
(jetzt Wilramsbach).
b) Gemeinschaftlich mit Rannarigel: Das Schlechreit-
bachl und das Hallabachl bei Wildenranna,^ das Mitter wasser
(die Ranna) bis zum Eizendorfer Steg, der Gredenbach, der
Haselbach, der Aubach, der Leitenbach bei Albenöd, der Pla-
henbach (entspringt in der Schröckleiten), der Letmanstauf
(jetzt Kollerschlagerbach, entspringt bei Enzesreut, ftült ins
Osterwasser), das Flenklbaclil zwischen Lengau und Schröck,
der Imbach bei Lengau, das Kirchbachl (entspringt bei Schop-
per, rinnt in den Letmanstauf), die Kleine Mühel vom Ursprung
bis zu dem Punkte, wo die Hausgründe von Kramel aufhören,
der Pfeilbach bei der Pfeilmühle, der Hangernbach bei Han-
ging, der Mistelbach.
c) Gemeinschaftlich mit Rannarigel (VJ imd Weg.
scheid (^g), daher zu ^4^ Das Osterwasser (der jetzige Grenz-
bach).
d) Gemeinschaftlich mit Wegscheid: Vom Mitter-
wasser ein Ort vom Schlechreutbach bis zur Ranna (Wildenranna).
e) Gemeinschaftlich mit Marsbach: Der Viechbach
(Ebrastorferbachl) bei der Schreiberöd bis zum Einfall in den
Tädlasbach, der Lembach längs den Gründen des Höfler, die
Kleine Mühel vom Ende der Kramlergründe bis zur Gumpen-
mühle (Pfarre Öpping), der Krenauerbach bis zum Furt der
Unterkrenauer.
Die Märkte Hofkirchen mit 39 Burgrechten* und Rohr-
bach mit 43 Burgrechten, vom Aigen Lembach 18 Hofstätten
und eine Solde waren Falkenstein unterworfen; dieser Herr-
schaft stand die Vogtei über Pfarrkirchen, dessen Pfarrer zur
Entrichtung des Posseßgeldes gehalten war und die Briefe in
* Laut Bl. 182 des Falkensteinschen Urbare hatte Bischof Urban von
Passau von Falkenstein zwei Drittel der Öden Schlechreutt zu
Lehen.
' 1333, 1. September verlieh Herzog Albrecht IL ,den beschaiden leut zu
Hofkirchen' einen Wochenmarkt an jedem Erchtag und bewilligte, daß
sie jährlich 6 Pfand Salz ,klainer kueflen* verkaufen mögen. Kopie im
Hof kammerarchiv Fasz. H 11 17440/1 9.
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263
Falkenstein fertigen lassen mußte, und über das Benefiziom
St. Ulrich in Hofkirchen zu.
Über das Aigen Putzleinsdorf, welches bis 1570, und über
das Urbaramt, das bis 1803 zum Kloster Kiedemburg in Passau
gehörte, übte Falkenstein nicht allein die Vogtei, sondern auch
die Halsgerichtsbarkeit aus; eine auffidlende Tatsache, daß das
Hochstift, das selbst die entfernten Untertanen des Klosters
St Florian am Windberg von Velden aus bevogtete und selben
die Verpflichtung, das Malefizrechten daselbst zu besitzen, auf-
erlegte, bezüglich der im passauischen Landgerichte Velden
seßhaften Holden des dem Hochstifte inkorporierten Frauen-
klosters gar nicht in Anspruch nahm. Nach Falkenstein waren
sie robotpflichtig, dort hatten sie die Fertigung zu nehmen,
wenn auch die Verhöre durch Richter und Geschwome in
Putzleinsdorf geschahen. Der Richter reichte nach Falkenstein
zu Michaeli 3 S> /iS, zu Ostern S U 4 jS ^% Grunddienst, die
Urbarbauem überantworteten gen Falkenstein um Michaeli
30 Schott überhechelten Haar, zu Weihnachten ö Mut 1 Metzen
Hafer, 70 Hennen und 70 Käse.*
Als Herrlichkeiten von Falkenstein sind noch hervorzu-
heben die drei Mauten: in der Lastatt Nieder-Ranna von dem
Schmalz, das aus Böhmen dahin gebracht und dann weiter
nach Passau, Bayern und Tirol verführt wurde, in der großen
Hoftnark Wildenranna von allen möglichen Ai*tikeln und vom
Viehtrieb, in Klaffer von den Ochsen, welche aus Ungarn
durch den Klafferwald getrieben wurden. Bei der Maut in
Wildenranna wurde 1512 von Kaiser Max ein Aufschlag auf
das ft'emde Salz eingeführt; um die Maut zu umgehen, schlu-
gen die Kaufleute den Weg von Hauzenberg über Nereut
durch den Gemeinwald nach Seidlschlag, Salnau, Pfaffetschlag
über den Sperbichl nach Oberplan ein. Nach der Grenzregu-
lierung von 1765 ging die Maut ein. Die Maut in Klaffer ver-
^ Güter und Häuser 3, 4, 6 in Konradsdoi-f (Kaindlstorf ) ; 1, 4, 5, 47 in
Mairhof bei Lembach; 1—6 in Giotzing; 1, 2, 3, 4, 6, 7, 9, 10, 11, 12
in Pemerstorf; 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8 (StOlzimOhle) in Egnastorf; NeumUhle
Nr. 46 von Putzleinsdorf; 1—6, 8, 9 in Mennersdorf; 1, 3, 6, 6 (Grund-
hof), 9 und 11 (erstes und zweites Gut zu Mos), 13 (Gut an der Wimm);
2, 3, 6, 6 (Gut am HOlzl), 7 (Gut am Riedleinsberg) und 9 zu Tagles-
bach.
* ,Des gerichts Putzistorf Ehehafft* in der Sammlung der oberOsterreichi-
scben Weistümer von Dr. Hans Lambel.
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264
blieb bei Falkenstein, nachdem der Herrschaft schon längst
das Amt Klaffer abhanden gekommen war.^
Der eingangs aufgestellte Satz, daß die königsteuer-
pflichtigen fremden Güter von Falkenstein zu Lehen
ausgetan worden waren, wird dadurch bewiesen, daß sich
bei Vergleichung der einzelnen Güter mit den vorhandenen
Lehenbriefen über dieselben, besonders mit dem Lehenbuche
König Laslas, die Tatsache herausstellt, daß sie sämtlich landes-
fürstliche Lehen sind, welche, wie bei einigen ausdrücklich er-
wähnt ist, von Falkenstein rühren. Einen ziendich vollständigen
Nachweis derselben enthält des Verfassers Abhandlung über
das Landgericht Velden.*
Eine zweite große, mit Grafenrechten ausgestattete Grund-
herrschaft war jene der Herren von Griesbach, welche durch
die Herrschaft Falkenstein in einen westlichen Teil in der Abtei
und in einen östlichen an der Großen Mühel gespalten wurde.
Den Umfang des ersteren kennen wir genau, weil die Bischöfe
von Passau es für zweckmäßig ansahen, denselben nicht lange
nach dem Heimfalle zu verzeichnen (s. S. 145 — 147 dieser Ab-
handlung).
Bei dieser Gelegenheit sei festgestellt, daß Jochenstein
mit seiner nächsten Umgebung nicht zum Herrschaftsgebiete
der Griesbacher gehört hat, wie aus folgender Betrachtung er-
hellt. Am 13. März 1222 » erklärte König Heinrich wegen Be-
fehdung des Hochstiftes Passau außer den Edlen Alram und
Albert von Hals und deren Dienstleuten noch verschiedene
andere ritterliche Leute, in welchen wir unzweifelhafte Vasallen
der Grafen von Viechtenstein erkennen, in die Reichsacht und
nennt unter den Burgen derselben neben Hals und Viechten-
stein auch Johenstain. In diesem Zeitpunkte waren die vor-
maligen Griesbacher Eigen allen Umständen nach schon vom
Hochstifte eingezogen; passauische Lehenleute von Jochenstein
tauchen erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auf,
können daher ftiglich nicht 1222 das Schloß innegehabt haben.
Der Umstand, daß unter den Burgen ausdrücklich Viechten-
^ Akten im Fasz. F 1 im Hofkammerarchiv. Im Jahre 1569 trag die Maut
in Wildenranna 61 fl. 3 ^ 2 /^, die Schmalzmant in Nieder-Ranna 40 fl.
2 / 20 4.
* Linzer Musenmsbericht 1860, S. 257—259/185—186.
» Mon. Boic. XXXIa, 510.
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stein genannt ist^ läßt keinen Zweifel übrige daß die Achterklä-
nmg in der Fehde des Grafen Chunrad von Viechtenstein mit
dem Bischof G^bhard von Passaa ausgesprochen wnrde;^ Jo-
chenstein muß demnach im Besitze des ersteren gewesen und
wohl auch bereits seinen Vor&hren zugestanden sein.
Aus der Tatsache, daß Groß-Mollesberg noch zum Herr-
schaftsgebiete von Griesbach gehörte (s. den fünften Abschnitt,
S. 146), Klein-MoUesberg aber zum Schlosse Jochenstein, wel-
ches nach der Wiedererwerbung von Eberwin dem Jochen-
steiner (1300) als Amt der Pflege Oberhaus, nachmals Obern-
zell einverleibt worden ist, zugeteilt war, läßt sich die Grenze
des Viechtensteiner Gebietes am linken Donauufer genau be-
stimmen. Nach dem Urbar des Landgerichtes der Abtei vom
Jahre 1545* begriff das ,Ambt Johenstain' die 6 Bauern am
Riedl bei Jochenstein, die Leitenmühle, die 2 halben Höfe, den
Fischer und die Seide zu Jochenstein, die Tafern, die 7 Lehen
und 2 Seiden zu Gotsdorf (Götzenstorff), den Geberzhof, die
Schlatlmühle, die 2 Gütlein zu Höhenberg, die 2 Lehen zu
Wesseslinden, den SchweinhöUerhof, die 2 Lehen zu Wüsten-
berg, 4 Lehen zu Linden, 1 Lehen zu Ramesberg, die 2 Lehen
zu Ober- Aschenberg, der Kranwithof, 2 Lehen zu Haizendorf
und die 3 Lehen zu Klein-MoUesberg.' Das Rannarigler Urbar
vom Jahre 1510 bestätigt, daß nach Jochenstein alle 4 Güter
in Linden, die 2 Güter in Vetzeslinden, die 2 Güter in Höhen-
berg und von den 4 Gütern in Ramesberg eines gehörten (die
übrigen 3 in letzterem Orte dienten den Nonnen in Niedem-
burg). Diese Zugehörigkeit nach Jochenstein muß eine ur-
sprüngliche sein, weil gerade die genannten örtlichkeiten im Ver-
zeichnisse des 13. Jahrhunderts (S. 146) fehlen. Groß-Mollesberg
wird noch als Griesbacher Eigen aufgeführt, dagegen Elein-
Hollesberg nicht mehr; hiemach muß das Schloßgebiet Jochen-
stein Heizendorf, Forstedt und Klein-MoUesberg noch einge-
^ Strnadt, Velden 128, Sonderabdrack 55.
* BUtt 186. Siehe darüber 8. 273.
* KOnigstener reichten nur der Holde von Ramesberg, der Kranwithof, die
2 Lehen sn üaisendorf nnd die 3 zu Klein -Mollesberg, dann folgende
Holden, die unter anderen Herren saßen : 3 in Nieder-Aschenberg, 2 in
Haizendorf, 2 in Eidenberg [Wegscheid], 1 in Loizesberg. Letztere sind
daher als orsprüngliche Eigenleute von Jochenstein, d. i. Viechtenstein
anzusehen.
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schlössen und die Markang zwischen Klein- und Groß-MoUes-
berg die Donauleiten — in der Nähe des sogenannten Frauen-
steiges — hinab den Strom gegenüber von Engelhartszell er-
reicht haben.
Über den Besitz der Griesbacher an der Großen Mtihel
mangeln eingehende Angaben; derselbe läßt sich jedoch nach
anderen Anhaltspunkten mit großer Wahrscheinlichkeit bestim-
men. Die Große Milhel bildete die Ostgrenze, jenseits dieses
Flusses lag Blankenbergergut (s. S. 151 — 160); wir wissen
dagegen, daß der Markt Velden* ihnen gehörte. Wir kennen
das Urbar von Marsbach aus dem Zeitpunkte, in welchem
dieses Schloß vom Hochstifte erworben wurde, es war, wie
aus der Anmerkung^ ersichtlich ist, ziemlich unbedeutend.
Noch weniger bedeutend war der Lehenbesitz der Haichen-
bacher in der unmittelbaren Umgebung der Burg Haichenbach:
2 Güter in Kaindlstorf, 2 in Wizerstorf, 3 Güter und 4 Hof-
stätten in Dorf bei Haichenbach, das Ramesedergut, 3 Puch-
brunnergüter, alles in der Pfarre Niederkapell, 2 Mühlen in
Taglesbach und der Wegerhof zu Wögerstorf Pfarre Putzleins-
dorf, 2 Güter und 4 Hofstätten zu Harau und 2 Güter zu
Obernberg Pfarre Pfarrkirchen.' Ob die unmittelbaren Lehen:
das Burgstall Haunstein und der Wald bis an den Finsterbach,
die 18 öden Hofstätten in Ödenkirchen, 11 in Mitterreut (Name
einiger Häuser zwischen Ödenkirchen und Breitenstein), 26 in
Oberneudorf, 3 Lehen in Perlesreut, 21 Hofstätten in Natschlag
samt Mühle, 4 öde Hofstätten und 7 Lehen in Geiselreut,
2 Lehen und 6 Hofstätten zu Öpping, Stadlingergut und Fleck,
* Oberösterreichisches Urkundenbuch II, 480.
* In Ezenberg vor dem Schlosse: 1 Hof, eine große Wiese in Wiesen,
2 Lehen und 1 Mtthle in HontsfÜlUng, 2 Lehen in Hag, 1 Lehen in
Stifting (Stüfirn), 2 Lehen in Mairing, 2 Lehen in Mairhof bei Sarleins-
bach, 8 Lehen und 1 Mühle (Schaflmahle) in Mtthel Pfarre Sarleius-
bach, 3 Lehen in Sechsling bei Rohrbach, 2 Lehen im Winkel Pfarre
Aigen, 1 Lehen in öd unter Peilstein, 1 Lehen und 1 Mühle in Ripa
bei Mairing, 4 Lehen in Schrateutobel, 2 in Reicholmsöd, 2 ad jocula-
tores, 1 Hof in Harnet bei Griesbach, 6 Lehen in Englmausdorf, 2 in
Obernberg (Ahomperg), 1 Lehen in den Rosen (Rosenauer), die Kling-
mühle. Einige andere Güter waren hierzu erworben worden, nicht ur-
sprüngliches Urbar. Verzeichnis Mon. Boic. XX VIII b, 466; vgl. Stmadt,
Velden 159—160.
' Kaufbrief vom Jahre 1337 im k. allgem. Reichsarchiv München; Buchinger
II, 20.
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2 öde Lehen in Ktimerding und die Mühle in Peherstorf, sowie
die verlehnten Güten in Schtirfenöd, Hangsberg, Fischbach^
Hehenberg, Obennairhof, Pütersberg, Scherergut in Salaberg,
Auerbach; Qötzendorf, Azesberg, Ober-Gahleiten, Arbesberg,
Kilmerding; Gollner, Marbach^ Krondorf, Tierberg, Erlet,
Grillperg, Kickingeröd, Steining, Herhag, Wald, Schwand,
Wolf, Kanden, Krenau, Ramlergut, WoUerstorf, Diepoltsberg,
Weger, Zaglau, wie selbe in dem Kaufbriefe 1303, 30. Juni^
aufgezählt werden, in ihrer Gesamtheit ursprünglich dem Hoch-
stifte zuständig waren, läßt sich nicht entscheiden. Auch die
Tannberger an der Kleinen Mühel wurden erst nach und nach
mit Lehen ausgestattet, die früher Griesbacher Eigen waren,
wie dies sicher der Fall ist bei den zwei Lehen ,ex opposito
fori in Chapell prope Raenna^, welche der ältere Walter von
Tannberg 1259 dem Bischof Otto für Heinrich von Hartheim auf-
sandte ;^ denn gegenüber von Oberkapell liegt Grubberg in der
jetzigen Pfarre Rannariedl, welche unter den Grafen von Viechten-
stein und den Herren von Griesbach geteilt war; erst im weiteren
Verlaufe des 14. Jahrhunderts vergrößerten die Tannberger
durch zahlreiche Ankäufe, über welche wir urkundliche Nach-
weise besitzen,* ihr Urbar, wie schon Ulrich von Tannberg von
Karl von Kirchberg dessen passauisches Lehen zwischen der
Großen und der Kleinen Mühel erworben und den Grund zu
dem Amte Kirchberg gelegt hat, das schließlich bei der Herr-
schaft Pümstein verblieb. Es ist daher aus der späteren Inne-
habung passauischer Lehen noch nicht der Rückschluß auf ur-
sprünglich unmittelbaren Besitz des Hochstiftes gestattet. Zu-
dem ist bekannt, daß der Markt Rohrbach, weit gegen Osten
und Norden gelegen, Falkenstein als Grundherrschaft aner-
kannte. Gerade dieser letztere Umstand verbietet, die Pfarre
Altenfelden als passauisches Kolonisationsgebiet aufzufassen;
denn da namhaftes Griesbachsches Eigen, wie der Markt Vel-
den es schon 1217 war, hier nachgewiesen ist, kann nicht an-
* Mon. Boic. XXX b, 207; vgl. Velden 173—176 und Anhang der vor-
liegenden Abhandlang.
» a. a. O. XXIX b, 246.
' F. Wirmsberger, ,Die Dynasten von Tannberg* im Archiv für ößterr.
Qeschichtsquellen, Bd. 24 ; Weiß-Starkenfels, »OberOsterreichischer AdeV
im neuen Siebmacher Art. Tannberg; endlich S. 271 der vorliegenden
Abhandlung.
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genommen werden, daß zwei weltliche Grundherrschaften und
eine geistliche, unter einander vermischt, die Kulturarbeit ver-
richtet hätten. Anders steht es mit der Annahme der Koloni-
sation durch Falkenstein und Griesbach, wohl auch durch die
ßlankenberger, die wir in allen Urkunden in engem Verkehr
mit den Herren von Griesbach treffen; deren Dienstleute sind
auch ihre Lehenleute.
Nördlich von Rohrbach wird daher auch die Grenze des
Besitzes und der Kulturtätigkeit von Griesbach und
Falkenstein gesucht werden müssen.
Bei der Auffindung derselben leitet uns die König-
steuerpflichtigkeit falkensteinischer Lehen, d. i. ur-
sprünglicher Bestandteile der Grundherrschaft Falkenstein. Als
solche unter fremden Herren sind im Urbar in dieser Gegend
folgende bezeichnet: in Hautzenberg, Hörleinsberg, Schönberg,
Steineck mit der Pfeffermtihle, Kolonöd, Weiksberg, Hund-
prening, Ober-Merzing, Unter-Merzing, Leiten, Stocket, Rümpf-
lergut, Lanzersdorf bei Rohrbach, Pfefferhof, Reut, Krien.
Hierzu tritt die Wahrnehmung, daß nach den Urbaren von
Falkenstein und von Marsbach Falkenstein den sogenannten
Krenauer- oder Krennbach von Oberkrenau angefangen bis zur
Neumühle hinab gemeinsam mit Marsbach (1570 und 1667
gleichbedeutend mit Passau) zu fischen hatte ;^ der Bach stellte
demnach eine vormalige Markung vor.
Für die Bestimmung der weiteren Grenze bietet das
große Marsbacher Urbar vom Jahre 1667 dienliche Anhalts-
punkte. Die Vorlagen derselben bildeten, wie verschiedene
Textstellen verraten, noch die Einzelnurbare der größeren und
kleineren Dominien, welche nach dem Jahre 1529 zur einzigen
Pflege Marsbach vereinigt worden sind, nämlich Velden, Par-
tenstein, Haichenbach, Tannberg mit dem Gerichte Peilstein,
Marsbach. Der Bestand eines jeden ist abgesondert vorgetragen;
voran Marsbach, zu dessen Urbar die wenigen Untertanen von
Haichenbach (8 in Dorf, der Mairhof zu Haichenbach, 1 in Puch-
^ Wortlaut des Falkensteiner Urbare s. S. 118; jener des Marsbacher Ur-
bars lautet: ,Mehr der Krenbach erhebt sich zu Krenau und wehrt an
Steg oberhalb der NeumQll*. Rubrik: Gemeinbftche von Tannberg und
Falkenstein im Gericht Peilstein. Auch die vereinzelnten passauischen
Lehen zu Wurmbrand unter Witigoneng^t (siehe S. 169, Anm. 2) sind
füglich als ursprünglich Griesbachscher Besitz zu deuten.
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bnmn, 2 in Au, 1 in Ort, 1 in Prodi, 2 in Kaindlstorf, 2 in
Witzerstorf, 6 in Haran, Rameseder, Weger, Puchbrunner, 2 in
Obemberg)^ einbezogen waren 5 hierauf folgt die Herrschaft
Tannberg mit dem Hofamt, dem Gericht Peilstein und dem
Amt Lembach, sowie dem Amt Tanbergschlag, dann die Herr-
schaft Velden, der Sitz Partenstein und die Herrschaft Wesen,
ganz zuletzt auf Bl. 848 ,die Ktinigsteur von anderer Herr-
schaften Underthonen^ nach Marsbach zu reichen und von
BL 921 an der Vogthafer, welchen 2 Untertanen von Sprinzen-
stein, 3 von Altenhof, 14 des Klosters Niedernburg (in den Ort-
schaften Mairhof, MennerstorfundAzgerstorf) abzuliefern hatten.
Die Herrschaft Velden xxmtsßte den Markt Velden (mit
48 Burgrechten), Untemberg (mit 4 Häuseln) und 1 Häusel in
Altenfelden, dann noch 17 Häusel. Als Untertanen ,der Pfleg
Velden' sind speziell aufgeführt Stephan Weeß zu Diendorf Pfarre
Peilstein, Matthias Wegerbauer zu Kanden, Thoman Ebner zu
Eckartsberg, Michael Leidner und Georg Glax zu Krenau,
Gregor Pfoser am Ramlerhof, Georg Heuraffel auf der Parschled,
Philipp Ott zu Haselbach, Marx Kleebauer zu Reut. ,Volgt die
Königsteuer — heißt es — , welche am tag Stephani in
heyl. Weinnacht bey dem Marcktgericht Neufelden ein-
genohmen und zur Herrschaft verraith würdt';* es sind 165
Untertanen von Ptlmstein, Lichtenau, Berg, Helfenberg, Götzen-
dorf, Sprinzenstein (1), Blumau, Partenstein, Tannberg, der
Gotteshäuser Pfarrkirchen und Haslach, des Pfarrhofes Rohr-
bach und des Hochstiftes Passau (1 zu Neundling bei Lem-
bach). Dieselben befanden sich zum allergrößten Teile in den
P&rren Rohrbach und Altenfelden, aber auch nicht wenige in
den Pfarren Peilstein, Sarleinsbach, Niederkapell, Lembach,
von denen, da sie teilweise sogar nach Marsbach näher als
nach Neufelden zu gehen hatten, zu vermuten ist, daß ein histo-
rischer Zusammenhang mit Velden bestanden habe, der auch
unter den nachfolgenden Herren wirksam blieb. In früheren
Zeiten war — - ganz im Gegensatze zu den schnell wechselnden
Einrichtungen der Neuzeit — das Beharren bei den alten Ge-
wohnheiten ein ungemein zähes, man hielt an dem fest, ,was
von Alter herkommend Velden war schon 1217, 1220 die be-
^ Gilt und Kleindienst betrag 1596 nur 6 fl. 2 ^ 2 ^. Passauer Blech-
kaatenarchiv Nr. 231, Fasz. 76.
' Urbar von Marsbach, Bl. 444.
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deutendste, wenigstens hervorragendste Ortschaft des Land-
striches an der Großen Mtihel, hier saßen seit dem 14. Jahr-
hunderte die Pfleger und Landrichter, hier blieb die Land-
gerichtsschranne, der Fronbote und die Richtstatt auch dann,
als der Pfleger und Landgerichtsverwalter nach Marsbach ge-
wandert war. Der Marktrichter führte in der Schranne den
Vorsitz, war mit den minderen landgerichtlichen Verrichtungen,
öfters auch mit der Verwaltung der Pflegen Velden und Parten -
stein betraut, ihm verblieb daher auch die Einhebung und Ver-
rechnung der nach Velden gehörigen Königsteuer. Es darf
deshalb aus denselben Gründen, die bei Falkenstein ausschlag-
gebend waren, der Schluß gezogen werden, daß die fremden
königsteuerpflichtigen Güter einst Lehen, von Velden ausgehend,
gewesen sind, entweder noch von den Herren von Griesbach
oder nachhin von Passau verliehen, wornach sie dem Bestände
der Herrschaft der Griesbacher zuzurechnen kommen.
Ziehen wir ferner in Betracht, daß die passauische Lehen-
herrschaft Sprinzenstein nach dem Urbar 1548/1550 kein ein-
ziges freies Eigen in sich begriff und alle Untertanen derselben
königsteuerpflichtig waren, so ist nicht zu zweifeln, daß ihre
Markungen auch ihren ältesten Bestand anzeigen. Hiemach er-
hielten wir für das Gebiet der weltlichen Grundherrschaften
Falkenstein und Velden (Griesbach) am rechten Ufer der Großen
Mühel gegen den hochstiftischen Besitz gegen Westen und
Norden folgende Abgrenzung:
Im großen und ganzen ab Obermtihel die Kleine Mühel
bis Hühnergeschrei, von hier durch Stierberg, Mairhof bei
Altenfelden, Rumersdorf, östlich vom Grübler, Unter-Fischbach,
Pitretsberg, Kümerding, Ober-Krenau, längs dem rechten Ufer
des Krennbaches bis zu dessen Einmündung in die Große Mühel
zwischen Weichsberg und Natschlag etwas unterhalb von
Schlägl.
Unter dieser Voraussetzung erklärt sich auch viel besser
die Durchsetzung der Pfarre Rohrbach mit Falkensteiner Besitz,
es blieb dann die Kolonisationsarbeit der Griesbacher nicht auf
ganz unerklärliche Weise schon eine Strecke vor Rohrbach
stehen, vielmehr drang sie vereint mit jener von Falkenstein
bis zur Großen Mühel gegenüber von Schlägl vor, auf welchen
Gang auch das Vorkommen der Griesbach-Blankenberger Va-
sallen auf dem rechten Mühelufer hinweist. Die Urbarmachung
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271
von Seite Passaus ging dann den geraden natürlichen Weg
vom Donaustrande aus durch die Pfarre Sarleinsbach hindurch
ebenfalls nach Norden an das rechte Ufer der Großen Mühel.
Die vorgetragene Anschauung wird durch die Wahrneh-
mung unterstützt, daß verschiedene Güter im späten Mittelalter
halb von Osterreich (als Innehabung von Falkenstein) und halb
vom Hochstifte Passau zu Lehen rührten: so 1380 und 1396
,das halbe gesezz auf dem Perg' ob Rohrbach (1542 bereits
allodialisiert; vgl. Stmadt, Velden 147/75), 1350 der halbe Hof
zu ,Herleinsperg' bei Rohrbach (,den leicht halben der von
pazzau^, 1396 der halbe Hof Gundackers von Tannberg zu
Ort (Obernort bei Lembach ,halbe von meinem hem zu lehn
und von dem von passau halbe') ;^ 1675 werden der halbe Hof,
dann die halbe Urbans- und die halbe Wölfl-Hofstatt zu Grub
als passauische Lehen bezeichnet,^ die zweiten Hälften gingen
nach den im Eingange dieses Abschnittes angeführten Urkunden
von Osterreich zu Lehen.
Die Urbare von Rannarigel dürfen zur Feststellung des
älteren Besitzstandes der Kirche Passau nur in beschränktem
Maße herangezogen werden; denn schon der bedeutende Um-
feng dieser Lehenherrschafk erregt die Vermutung, es seien im
Laufe der Zeiten an Rannarigel bedeutende Zuweisungen aus
unmittelbarem Kirchengut erfolgt, um dieses Schloß für die
Gläubiger des Hochstiftes zu einem annehmbaren Pfände und
Nutzgenusse auszugestalten. Daß der östliche Teil der heutigen
Pfarre Rannarigel, daher auch die Stelle, auf welcher der ,Turm'
Rannarigel erbaut worden ist, noch im Jahre 1220 Griesbach-
sches Gebiet war, was auch mit den Untertanen von Ranna-
rigel in den Pfarren Gotsdorf und Griesbach der Fall war, ist
aus dem Verzeichnisse S. 145 — 147 zu ersehen. Außer den Hol-
den im Osten, vermischt mit den falkensteinischen Untertanen,
wird vonseite Passaus zur ersten Verleihung an die ,Falken-
steiner' nur das große Waldgebiet des unteren und oberen
Forstwaldes von Tumreut (,Tuttenreut') Pfarre Wegscheid bis
zum Pleckenstein und Dreisesselberg im Norden und bis gegen
Fürholz im Westen verwendet worden sein.
^ Lehenbücher der Herzoge Albrecht III. und Albrecht IV. 1380 und 1396
im k. und k. HanB-, Hof- und 8taat8archiy in Wien, Handschr. 421, 39.
' Urbar Ton Piberstein im Archiv zu Helfenberg.
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272
Am Forstwald, als dessen Anfang noch im Jahre 1578^
die Umgebung von Turnreut angegeben wird, scheint die Ur-
barmachung lange Zeit Halt gemacht zu haben; die letzte Ko-
lonie, von Falkenstein aus vorgeschoben, blieb die große Dorf-
markung Wilden-Ranna an der Ranna mit ihrem Gemeinwald.
Über den Griesbachschen Besitz hinaus läßt sich in dem Ge-
biete nördlich von Röhmbach kein Kirchengut von Passau vor
dem Jahre 1220 nachweisen; viele Ortschaften verraten schon
durch ihre Namen, daß sie in der Neuzeit entstanden sind, wie
Annatal Pfarre Maut, Ludwigsreut Pfarre Grainet, Theresien-
reut Pfarre Grainet. Herzogreut dürfte in die Regierungszeit
des Administrators Herzog Ernst von Bayern (1517 — 1554) ge-
hören, während Bischofreut und Auerspergreut Pfarre Grainet
unter Bischof Josef Franz von Auersperg (1783 — 1803) ange-
legt wurden. Nachweislich entstanden Leopoldsreut Pfarre Grainet
unter Erzherzog Leopold (1598 — 1623), Philippsreut unter Bischof
Johann Philipp von Lamberg (1690 — 1712), Raimundsreut Pfarre
Hohenau unter Bischof Raimund Ferdinand Graf Rabatta (1713
bis 1722), Vorder-, Mitter- und Hinter-Firmianreut unter Bischof
Leopold Ernst Graf Firmian (1763—1783). Um das Jahr 1260
werden Hz (Ilzstadt), Huttum, Kellberg, Griesbach — das 1223
noch Filiale von Östemberg [Estemberg im Inviertel] war — ,
Hauzenberg, Wegscheid, Waldkirchen, Freyung, Perlesreut und
Röhrnbach als Pfarren aufgeführt.* Während den Bürgern von
Ober- und Nieder-Griesbach schon Bischof Otto (1254—1265)
ihre Rechte bestätigt hatte, wurden den Orten Hauzenberg und
Wegscheid erst 1359/1360 vom Bischof Gottfried Marktrechte
verliehen.* Das Aigen Röhmbach, welches ursprünglich den
Herren von Griesbach zuständig gewesen, nachmals an die
Puchberger zu Wildenstein gediehen war und bis 1592 den
Herren von Schwarzenberg gehörte, die es wieder mit der
^ Anschlag und Schätzung der Herrschaft Rannarigel 1578, 25. Juni,
Fasz. R 2 im Hofkammerarchiy. ,8ein guetter 2 meill wegs hinein und
von Tuttenreidt biß an den Plekkenstein, nach der leng, das ist Ton
mittag gegen mitternachtwerdts drej grosser Teutscher meill wegs lang
und die praitten bej Tuttenreidt ain viertl meill im mitl ain meill, und
vom Pleckenstain biß geen Fürholz zwo grosser meill wegs/
« Mon. Boic. XXVIH b, 488.
' Bischof Leonhards Kopialbuch Hochstift Passau 14 Cod. germ. 209 im
k. allgem. Reichsarchiv zu München.
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273
Erbtochter des letzten Puchbergers (Jakob) erheiratet hatten,
wurde gar erst 1624 zum Markte erhoben.*
Von Wegscheid bemerkt die ,kurze Auskunft' (BI. 11),
daß über die Entstehung dieser Ortschaft gar keine Nachricht
vorhanden sei, daß Wenzelreut erst unter Bischof Wenzel
(1664 — 1673) gegründet und die Pfarre Breitenberg sogar erst
unter Bischof Raimund Ferdinand (1713—1722) errichtet wor-
den sei. Der Ort, abseits vom Verkehre, wird in dem Ilzstädter
Weistum nicht erwähnt, er mag lange eine kleine Ansiedlung
im Forste geblieben sein; das von Lamprecht (in der topogr.
Matrikel) dem Cod. trad. von Suben (Oberösterreichisches Ur-
kundenbuch I, 427) entnommene Zitat c. 1130 bezieht sich auf
ein Wegscheid in der Richtung gegen die Vils, nicht auf den
heutigen Markt Wegscheid, der allem Anscheine nach kaum
vor dem Eintritte des 13. Jahrhunderts besiedelt worden ist;
bis dahin möchte dieser Teil des Forstwaldes noch unter die
Herren von Griesbach gehört haben. Erst nach dem Anfalle
ihres Gebietes an Passau dürfte die Urbarmachung von Osten
her über das Osterwasser herüber in Angriff genommen und
auch diese, selbst heute noch rauhe und wenig wirtliche Berg-
gegend fllr die Kultur gewonnen worden sein.
Auch in dieser Beziehung gestattet die Verpflichtung zur
Reichung der Königsteuer eine nicht unwichtige Fol-
gerung.
Nach dem ,Vrbar oder Stüfft Buch des Landgerichts der
Abtey' vom Jahre 1545* ist die weitaus größte Mehrzahl der
Güter dieser Steuer unterworfen. Ausgenommen waren nur
1 Lehen in Prasreut [Huttum], 3 Seiden in Rörnbach, 2 Lehen
in Grub [Griesbach], 3 Lehen in Haberstorf [Griesbach],
1 Lehen in Haunerstorf [Griesbach], 1 Lehen in Gotting [Gries-
bach], die Knittlmühle [Griesbach], 2 Lehen in Scherleinsöd
[Griesbach], 1 Lehen in Niederndorf [Obemzell], 7 Lehen in
Loifing [Hautzenberg], 3 Lehen in Donauwetzdorf (Tymau),
2 Lehen in Hamet [Obemzell], 2 Halblehen in Niederhofen
* Bericht und Ansk. von der Stadt und dem Hochstifl Passan, Bl. 185—
159, Cod. germ. 1742 in der k. Hof- and Staatsbibliothek in Mfinchen.
* Im k. allgem. Reichsarchiv in München Rep. Hochstift Passau 143.
Unter dem Landgericht der Abtei wurden damals die Ämter ROmbach,
Hautzenberg, Ffirsteneck, Hacklberg, Windberg mit Ratzmansdorf unter
Ausschluß des Pfleggerichtes Wolfttein verstanden.
Archiy. XCIV. Band. 19
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274
[Obernzell], 1 Lehen in Orzstadl, 2 Lehen in Nazberg,
1 Lehen in Hetzmansöd, die Kaindlmtihle [Kellberg], 1 Hof
und das Wirtshaus in Kellberg, 1 Hof in Kapfham [Kell-
berg], 1 Gut in Schergendorf [Kellberg], 1 Gut in Püechl,
3 Güter in Spechting [Griesbach], die Mühle in Stollberg
[Griesbach], 1 Lehen zu Eck, 1 Lehen zu Niedemdorf [Obern-
zell], 2 Lehen zu Loizeradorf [Tittling], die Wiesmühle [Per-
leinsreut], der Markt Perleinsreut [darunter 10 unbehauste
Lehen], 6 Güter am Riedl [Gottsdorf], 2 halbe Höfe und
2 Häuser in Jochenstein, die Leitenmühle bei Jochenstein,
10 Lehen und Häuser in Gottsdorf, der Schweinheldenhof,
2 Güter in Höhenberg, 2 Lehen in Wesseslinden, 2 Lehen in
Wüstenberg, 1 Lehen in Ober-Aschenberg [Rannariedl], der
Gebrechtshof [Griesbach], die Schlattmühle [bei Wilden-Ranna];
dann in den vier Ämtern des Klosters Niedemburg Straß-
kirchen, Waldkirchen, Huttum und Kellberg: die Tafeme in
Würmeck [Straßkirchen], 4 Lehen in Klein-Tungaßing, 2 Höfe
in Kräbling, 1 Hof und 2 Halbhöfe in Lenzersdorf [Huttum],
2 Höfe in Landim [Huttum], 4 Höfe in Lebersberg [Huttum],
10 Lehen in Auretstorf [Huttum], 13 Lehen in München [Huttum],
6 Lehen in Auberg [Huttum], 13 Lehen in Willasreut, 6 Höfe in
Ulrichsreut [Römbach], 10 Lehen in Ensmansreut [Waldkirchen],
15 Lehen in Schefweg [Innemzell], 2 Höfe in Wimperstadl [bei
Germansberg], 15 Lehen in Groß-Tungaßing, 10 Lehen in
Kringel [Huttum], 2 Höfe in Brennschinken [Huttum], 4 Höfe
und 4 Lehen in Huttum, 2 Höfe in Hetzendorf [Hutturn], die
Mühle in Satzbach [bei Hgstadt], 2 Lehen zu Gießhübl,
6 Lehen in Ruhmansreut, 2 Lehen in Hermanstorf [Hautzen-
berg], 3 Lehen in Penzenstadl [Hautzenberg], 1 Gut in Pfaffen-
reut [Griesbach], 1 Gut in Erlau [Obemzell], dann noch 1 Gut
in Katztobl.
Von diesen Gutem lagen die allermeisten in der Nähe des
Donaustromes oder der Hz, nur einzelne nord- und waldwärts.
Sie repräsentieren augenscheinlich die ältesten Siedelungen
im Gegensatze zu den jüngeren, welche den Boden erst dem
Walde abgewinnen mußten und für die Gestattung der Rodung
mit der Königsteuer belegt wurden.
Die Kirche Passau hatte in den früheren Jahrhunderten
hauptsächlich in den ebenen, fruchtbaren Gegenden Nieder-
bayems Besitz erworben ; die Bestrebungen der Bischöfe waren
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276
geraume Zeit darauf gerichtet, die Herrschaft über die Stadt
zu gewinnen,^ die Waidrodungen ließen sie lange außer
acht. Für letztere Angabe legt Zeugnis ab das sehr späte
Erscheinen passauischer Ministerialen auf dem linken
Donauufer, erst nach dem Jahre 1160 treten die Tann-
berger und die Marsbacher, die ursprünglich im nachmaligen
Inviertel ihre Stammsitze und dort auch bisher gehaust hatten,
und noch etwas später die Haichenbacher auf; erst von diesem
Zeitpunkte an werden sie im Mühellande seßhaft, ohne ihren
Besitz zwischen In und Donau völlig aufzugeben.*)
Aus allen diesen Darlegungen erhellt, daß die Kolonisation
des Landes der Abtei im weiteren Sinne, d. i. zwischen Ilz
und Großer Mühel in der Hauptsache von den großen freien
Geschlechtem ausgegangen ist und die Kirche Passau erst spät
und in verhältnismäßig geringem Maße an der Urbarmachung
des Nordwaldes teilgenommen hat; bloß die linken Uferränder
der Hz bleiben für die kulturelle Tätigkeit des Hochstiftes
übrig und selbst hier wäre erst noch das Wirken der Herren
von Hals besonders in Anschlag zu bringen^; denn über jene
Stellen, an welchen noch in den Tagen der Griesbacher das
Feld in den Wald vorgerückt war, ist auch das Hochstift
geraume Zeit nicht hinausgelangt.
^ Siehe hierüber: Strauß, Die Begründung der Stadtherrschaft der Bischöfe
von Passau und die Urkundenfälschung des 10. Jahrhunderts. Mitteil,
des Inst. f. Osterr. Geschichtsf. XXVI, 128—135, und Dopsch, a. a. O.
330—336.
■ Siehe die eingehenden Erörterungen in Velden, S. 106—109, 34—37,
und in Peuerbach, 8. 172, 360, woselbst auch die Stammtafeln zu
finden sind.
' Oennansdorf Pfarre Hauzenberg, eignete 1258 den Herren von Hals,
von welchen die 14 Lehen daselbst die Brüder Albero und Ricbker von
Pemstein zu Lehen trugen (Mon. Boic. XXIX b, 234). Außerhalb der
Kultursphäre der Halser gelegen, scheint Germanstorph ebenso wie die
9 Güter in Buhmanstorf (Rudmarstorph), 8 in Kollersberg (Chalhoh-
perge), 4 in der öd bei Penzenstadel, 2 in Kinatöd (Ghinitege), der öd-
hof und die Kropfinühle, 3 in Pfaffenreut, 4 in Sachsing, 3 in Backling,
der Kühbachhof ursprünglich den Herren von Griesbach zuständig und
erst 1220 aus griesbachischen zu passauischen Lehen geworden zu sein.
Unter dieser Voraussetzung dürfte Griesbacher Besitz noch östlicher bis
an den KtUiberg, den Renftingberg, den Ruhmansberg, den Frauenwald
und den Sausberg gereicht haben. Mit Ausnahme von 2 Lehen gehörte
ganz Germanstorf nachmals unter Rannarigel.
19*
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276
Nach den in diesem Abschnitte entwickelten Grundsätzen
und Gesichtspunkten wurde die Kartenbeilage* entworfen, welche
einerseits den Gang der Kolonisation in dem gedachten ehe-
maligen Waldgebiete, andererseits den ursprünglichen Besitz-
stand der weltlichen Grundherrschaften sowohl als auch der
Kirche Passau zur Anschauung bringen soll; sichere Ergeb-
nisse wurden mit Flächenkolorit, wahrscheinliche oder bloß
mutmaßliche mit Randkolorit ausgezeigt, das Gebiet der Kirche
Passau, um dasselbe gegen die fremden Grundherrschaften
besser sich abheben zu lassen, gar nicht mit Farbe versehen.
Ebenso wurde das Amt Jochenstein nicht koloriert. Der Streu-
besitz von Falkenstein im Westen reichte mit Wingersdorf bis
über die Erlau, wenn die Ortschaften in Betracht gezogen
werden, in welchen Chunrad von Falkenstein das Gericht
hegte (S. 145); er durchsetzte die Stammgüter der Herren von
Griesbach in gleicher Weise wie im Osten. Da jedoch die vor-
malige Zugehörigkeit zu Falkenstein zwar wahrscheinlich, jedoch
nicht völlig gesichert erscheint, wurde ihre farbige Auszeigung
in der Kartenbeilage unterlassen. Das Kartenbild bringt eine
große Überraschung, weil es im Widerspruch steht mit der
Anschauung, welche bisher über die zivilisatorische Tätigkeit
der Kirche Passau im sogenannten Ilzgau die heiTschende war
und sich auf die vielgenannte Schenkung Kaiser Heinrichs II.
an das Kloster Niedemburg stützte.
Diese Urkunde ist nunmehr textkritisch veröffentlicht in
den Kaiserurkunden der Monuments Germaniae*. Diese, datiert
Regensburg, April 1010, ist nach dem paläographischen Befunde
die Nachzeichnung eines Originaldiploms aus dem Ende des 11.
oder Anfang des 12. Jahrhunderts. Das Diktat entspricht
dem Schreiber der Schenkung an Bamberg 1007, 1. November
(Dipl. III, 198). Ein dux Hezelinus (Heinrich von Bayern)
kann so kurze Zeit nach seinem Sturze nicht Intervenient sein,
aber Passau mochte ein Interesse daran haben, die Verleihung
unter Zustimmung des Herzogs erfolgt darzustellen. ,Daß der
verbriefte Besitz in diesen Grenzen auf eine Schenkung Hein-
richs zurückgehe, ist daher nicht sicher. An der Urkunde
^ Für die große Sorgfalt "bei Herstellung derselben sei hier Herrn Re-
giemngsrat Karl HOdlmoser schuldiger Dank gesagt.
^ Dipl. O. ni, 253. Diplom im k. allgera. Reichsarchiy in München.
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277
sind kleine Bruchstücke des Siegels übrig, dessen Echtheit
sich nicht bestimmen läßt/
So die Herausgeber der Diplomata. Es kommen noch
andere gewichtige Verdachtsgründe hinzu.
In dem Landstriche zwischen Rotel und Großer Mühel
hatte Passau vor Ende des Jahres 1231 überhaupt nicht den
geringsten Besitz; die Niedemburgische Hofinark Landshag war
ursprünglich dem Kloster St. Emmeram zu eigen und von diesem
geistlichen Hause zweifellos an die Frauenabtei gediehen. Auch
im Mühellande ist noch im 12. Jahrhunderte das Kirchengut
nicht bedeutend, im Zentrum erstreckt sich die freie Herrschaft
Falkenstein, rechts und links von derselben der gleichfalls freie,
allem Anscheine nach ziemlich geschlossene Griesbacher Besitz,
beide mehr oder weniger tief in den Nordwald eindringend. Die
Eigenleute von Niedemburg befiEtnden sich — mit Ausnahme
von 15 in der Pfarre Waldkirchen, 4 in der Pfarre Perlesreut
und 2 in der Pfarre Wegscheid — in den ebeneren Gegenden
donauwärts, in den Pfarren Ilzstadt, Tymau, Straßkirchen,
Tittling, Tiefenbach, Hauzenberg, Huttum, Kellberg ;^ eingeteilt
in sieben Amter in der Abtei und eines in Oberösterreich.
Daß die Abtei von den Bischöfen des großen Besitzes beraubt
worden sei, widerspricht der Wahrnehmung, daß dieselben sich
häufig freigebig gegen das Kloster bewiesen haben ;^ richtig
ist nur, daß das Kloster zur Herstellung der verfallenen Zucht
dem Hochstifte inkorporiert worden ist.
Ganz unbeantwortbar bleibt die Frage: Wo wäre denn
die portio silvae ausfindig zu machen, welche von den Quellen
der Hz und der Rotel bis an die Donau reichte? Denn
in den angegebenen Grenzen schalteten und walteten die freien
Herren von Wilhering -Wachsenberg, von Schönhering-Blanken-
berg und Eppo, von Griesbach und von Falkenstein. Es ist
daher entweder überhaupt keine Waldschenkung an Niedem-
burg erfolgt oder dieselbe hat sich — wie nach den Dar-
^ Nach dem ,TabelUri8chen Konspekt aller Ortschaften, worin das ehem.
Hochstift nnd Domkapitel Passan and das Kloster Niedembargf Gerichts-
oder Qmnd-Unterthanen hatten.' 1815 von Joh. Nep. Buchinger im k.
allgem. RelchsarchiT in Mfinchen. Hochstift Passau Rep. 118.
* Vgl. Mon. Boic. XXIX b, 188, 284/244, 288/286; Buchinger I, 242, 253,
269, 270, n. 27, 28, 41, 67, 68, 108, betreffend die Erwerbungen Ober-
haupt und solche von Seiten der Bischöfe.
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278
legangen in diesem Abschnitte zn erachten — höchstens auf
den schmalen Waldstrich am linken Ilzofer beschränkt^ anf
welchem allein eine passanische Rodungstätigkeit wahrnehmbar
ist^ und etwa noch auf einen Teil der Donaxdeiten. Es müßte
auch wirklich wundernehmen, wenn das Hochstift eine Land-
nahme durch die freien Geschlechter gedxddet hätte, falls es
auf das Gebiet durch königliche Schenkung einen Anspruch
besessen hätte, während doch erst nach der Mitte des 12. Jahr-
hunderts die Donauleiten von passauischen Vasallen besetzt
wurde. Die passauischen Prätensionen waren jedoch zurzeit
der Anfertigung der Fälschung — denn eine solche ist sie
nach den erhobenen Umständen außer allem Zweifel — ins
Ungemessene gewachsen, so daß es vielleicht zweckdienlich
schien, das Objekt der Schenkung möglichst weit auszudehnen.
Die Fälschung erfolgte im bequemen Anschlüsse an die beiden
echten Schenkungen Heinrichs H. an Niedemburg 1010,
19. April (Dipl. IH. 251, 252), besonders an letztere, wodurch
der König dem Ehester ein ihm durch Richterspruch zuge-
fallenes Gut ;Situm in villa Winidorf in comitatu Adalberti co-
mitis in pago vero Sweinigowe' vergabte. Der Graf Adalbert
und sein Komitat zwischen Hz und Rotel ^ werden in Zukunft
bei Forschungen keine Rolle mehr spielen ; an Stelle der doku-
mentierten ,Gewißheit' wird bloß die Vermutung zu treten
haben, daß des Babenbergers Adalbert Komitat sich, wenigstens
nominell, bis zur Großen Mühel erstreckte.
Das Originaldiplom oder vielmehr die Ausfertigung der
erweiterten oder ganz edundenen Schenkung fällt in die
Regierungsperiode Bischofs Ulrich (1092—1121),* aus welcher
^ Als Hypothese angesetzt in den Erlftuternngen S. 8 (Stammtafel), S. 12
(Fürstentum Passau).
' Ulrich war im Investiturstreite der eiMge, zugleich einzige Anh&nger
seines Metropoliten, des Erzbischofs Chunrad yon Salzburg, welcher
am heftigsten dem Abkommen von Sutri (9. Februar 1111) zwischen
K. Heinrich V. und Papst Paschalis II. widerstrebt hat. Es ist daher
nicht obneweiters die Vermutung abzuweisen, daß gerade Ulrich es
gewesen ist, welcher zurzeit der Romfahrt des KOnigs die Ausfertigung
des Falsifikates veraulaßte, um für alle Fälle dem Besitze seiner
Kirche jenseits der Donau eine breite Unterlage bu verleihen; hierzu
stimmt, daß als Intervenient Herzog Hezilo genannt ist, was erforder-
lich schien, da der damalige Herzog Weif (der Dicke) auf Seite des
Königs stand.
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279
ein anderer bedenklicher Qabbrief fiir Niedemburg^ vorhanden
ist Die Kirche Passan suchte wohl, als die Exdtorarbeit schon
große Dimensionen angenommen hatte^ durch Fingierung einer
ausgedehnten Waldschenkung sich einen älteren Rechtstitel zu
verschaffen, um gegebenenfalls auf den ganzen Landstrich die
Hand legen zu können.
Mit der Bezeichnung ^Abbatia' oder ^Land der Abtei^
wurde das hochstiftische Gebiet zwischen Qz und Großer Mühel
offiziell zum ersten Male in der Aufschreibung über das Hz-
stätter Weistum 1256,* also fast dritthalbhundert Jahre nach
der angeblichen Schenkung K. Heinrichs des Heiligen, zu-
sammengefaßt, obwohl auch damals die ältere Benennung
^iltsgeu' fiir den größeren westlichen Teil noch Geltung behielt.
Für die Gegend an der Mühel (circa Muhelam) hatte man
keinen eigenen Ausdruck.
Die rekonstruierte Herrschaft Falkenstein zeigt eine weitere
Auffälligkeit: nur das ziemlich spät der Kultur eröfinete Wald-
gebiet zwischen dem böhmischen Gegenbach und dem Wurm-
brandbach hat eine kompakte Geschlossenheit, wogegen der
übrige Körper von der Donau an nach Norden immer schmäler
wird und zahlreiche größere imd kleinere Stücke über den
ganzen Landstrich bis zur Großen Mühel im Norden und Osten
und bis zur Donau im Süden verstreut sind. Außerdem sind
im Westen viele Ortschaften ziemlich gleich zwischen Passau
und Falkenstein geteilt.'
* Bachinger 1, 139.
» Mon. Boic. XXIX b, 224. Vgl. Urkunde 1269 a. a. O. 492.
' Nach den Urbarien von Rannarigel 1510 and von Falkenstein 1662/1670
gehorten in
Grafenau
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Niederkapell
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Rannarigel
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280
Eine ähnliche Teilung, wenn auch in geringerem Maße,
ist auch im Osten zu beobachten, wo der ganze Markt Rohr-
bach und 19 Häuser des Fleckens Lembach der Herrschaft
Falkenstein unterworfen waren. Daß noch gegen Ausgang des
Mittelalters falkensteinische Lehen auf vormals Griesbachschem
Boden (zu Harnet und Niedemdorf Pfarre Obemzell) nachweis-
bar sind, wurde auf S. 181 Anm. 1 gezeigt.
Diese Feststellung, zumal die Tatsache, daß so viele
falkensteinische Exklaven von ehemaligem Griesbachschem Ge-
biete umschlossen waren, führt zu dem Schlüsse, daß diese
beiden weltlichen Grundherrschaften in enger Verbindung und
ohne bestimmte Abgrenzung das große Kolonisationswerk im
Nordwalde gemeinsam in Angriff genommen und zu einem be-
deutenden Teile auch vollbracht haben, daß daher die Aus-
einandersetzung des bisher gemeinsamen und die Entstehung
des falkensteinischen Brockenbesitzes erst nach dem Jahre 1 220
erfolgt ist.
Die erhobenen Verhältnisse erlauben in den Folgerungen
noch weiter zu gehen. Auf S. 263 wurde als auffallende Tat-
sache hervorgehoben, daß Falkenstein über die Güter des
Klosters in und um Puzleinsdorf völlig unangefochten vom Hoch-
stifte, welchem doch die Abtei inkorporiert war, Vogteirechte
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Die 72 Häuser in Mitterschlag, Heinricbschlag, Heinrichsberg, Stift und
Unterleiten je zur HHlfte.
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Vordernebel berg „ Peilstein 6
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Hinterschiffl
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Ensmansreut
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Sagberg
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281
und selbst den Blutbann ausübte. Eine Dingvogtei ist aus dem
Grande nicht anzunehmen^ weil die Herren auf Falkenstein
dieses Amt niemals aus den Händen des Bischofs empfingen^
sondern ihr Recht im eigenen Namen übten. Stand aber die
Wahl des Vogtes weder dem König noch dem Kloster oder
dem Bischof zu, so erübrigt nur, den Ursprung dieser Vogtei
in dem Rechte der Stifter, sich die Erbvogtei vorzubehalten,
zu suchen, demnach zu folgern, daß das an das Herrschafts-
gebiet anstoßende EUostergut aus einer Schenkung der Herren
auf Falken stein herrühre und ursprünglich einen Bestandteil
ihres freien Dominiums gebildet habe. In der Tat mangelt im
passauischen Archive — mit Ausnahme der Schenkung einer
Güte von V2ß ^ von burgrechtpflichtigen Häusern in Putz-
leinsdorf durch Bischof Rudeger — jede Nachricht über den
Erwerb Niedemburgs.
Nach den vorausgegangenen Erörterungen ist es wohl nicht
mehr gewagt, eine Vermutung darüber auszusprechen, auf
welche Weise die Grafengewalt sich an die Burgen
Griesbach und Falkenstein heften konnte. Daß das
Grafengericht durch Teilung einer Grafschaft oder durch Kauf
von Stücken einer solchen erworben worden wäre, muß schon
deshalb ausgeschlossen werden, weil der ganze Landstrich, noch
im 10. Jahrhunderte vom Walde erfüllt, nichts anderes als ein
ungeheurer Forst gewesen ist; erst vom folgenden Jahrhunderte
ab wurde derselbe von den Hörigen und Vogtleuten der großen
Grundherrschaften (von Gemeinfreien findet sich keine Spur)
gelichtet Als herrenloses Land gehörte der forst ausschließlich
dem Könige; für die Riedmark spricht das K. Chunrad HI.
ausdrücklich aus (siehe S. 100). Erst durch die Rodungsbe-
willigung ging Grund und Boden in Privateigentum über.
Was ist natürlicher als die Verleihung des Grafenamtes
durch den König an die Grundherrschaften zugleich
mit der Bewilligung der Urbarmachung des Königs-
forstes? Die freien Herren hatten dann den Blutbann vom
König einzuholen imd diese unmittelbare Bannleihe an dieselben
vom Reichsoberhaupte selbst wird um so leichter fortgedauert
haben, als Bischof Ulrich von Passau 1217, 24. Jänner^ von
K. Friedrich H. nur über die hochstiftischen Güter im Ilzgau
Mon. Boic. XXX a, 56.
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282
die Grafenrechte (Comitatum prediorum ecclesie Pataviensis
sitorum per loca Ylsgowe) erhielt und auch diese wieder dem
Herzoge Ludwig von Bayern zu Afterlehen weiterlieh. Das
Bedenken wegen Eintretens der Irregularität infolge Übertragung
des Blutbannes scheint jedoch bei Bischof Ulrich nicht lange
angehalten zu habeU; weil er schon nach drei Jahren (1220^
5. September)^ den Herzog bewog, ihm die Grafschaft wieder
aufzulassen. Von diesem Zeitpunkte an machte aber Ulrich
alle ihm als Reichsftlrsten (infolge Verleihung des Fahnlehens
1217^ 21. Jänner)^ zustehenden Rechte geltend. Die gräflichen
Rechte des letzten Herrn von Griesbach, Heinrich, wurden
Afterlehen vom Hochstifte. Von den Herren auf Falkenstein
dagegen vermochten die Bischöfe eine solche Unterordnung
nicht zu erlangen, wahrscheinlich deshalb, weil die Herrschaft
in die Innehabung der mächtigen Witigonen übergegangen war,
in welcher sie blieb, bis der erste Habsburger darnach gegriffen
und den Ftirstenrechten von Passau zwischen Ranna und Dz
ein geräuschloses, aber dauerndes Ende bereitet hat. Die Witi-
gonen mögen anfangs noch den Bann vom Reiche empfangen
haben, zurzeit der Eroberung Falkensteins durch Herzog
Albrecht I. (1289) verliehen schon lange die Laienftlrsten selbst
ihren Richtern die Gerichtsgewalt.*
Fünfzehnter Abschnitt.
Die Riedmark. I. Das alte Landgericht Freistadt
und seine Zweige.
Der Nordwald war im Laufe des 13. Jahrhunderts bis in
den nordöstlichen Winkel zurückgewichen, der noch heute den
Namen ,im Freiwald' fiihrt; die Rodungen gingen von dem
Regensburger Lehen Prandegg, in besonders intensiver Weise
aber von der landesfUrstlichen Lehenherrschaft Reichenstein
aus, zu welchem lange die sogenannten Waldämter an den
* Mon. Boic. XXVUIb, 297.
• a. a. O. XXX a, 54.
' Für die vielfache Uuterstatzung der Arbeit erstattet der Verfasser an
dieser Stelle Herrn Hofrat Dr. Qustay Winter und Herrn Sektionsrat
Franz Kreyczi in Wien den gebührenden Dank.
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283
Quellenbächen der Aist hoch oben um Weidersfelden gehörten.
Zwischen den Jahren 1235 und 1240 muß; wie Dopsch^ fest-
zustellen in der Lage war^ eine Revision der landesftLrstlichen
Urbare stattgefunden haben^ um den geänderten Besitzverhält-
nissen Rechnung zu tragen; gerade im äußersten Westen hatte
der herzogliche Besitz außerordentlichen Zuwachs erhalten:
1191 die in Lehen verwandelten Eigen des Vogtes Friedrich
von Perge, 1217/18 die Eigengüter des Grafen Ulrich von
Klamm,« 1220/21 die große Herrschaft Wachsenberg, 1235 die
passauischen Lehen des Regensburger Domvogtes Otto von
Lengenbach zwischen Flanitz, Feld- und Waldaist.
Diese Revision wird den näheren Anlaß zur Abtrennung
der östlichen Hälfte der Riedmark unter der Bezeichnung eines
Landgerichtes Machland gegeben haben; denn die allererste
Kunde von dem Bestehen eines eigenen Distriktes Machland
erhalten wir nicht früher als durch die Verftlgung Herzogs
Friedrich V. 1240, 31. Jänner,' wodurch er die Klostergüter
von Waldhausen von der Gerichtsbarkeit und den Vogtrechten
des Richters im Machland befreit. Die Bezeichnung Machland
haftete ursprünglich nur an den Donauniederungen und wurde
erst nach der Abteilung auch auf die Berggegenden übei*tragen.^
^ Die öeterr. landesfürstl. Urbare im 13. und 14. Jahrhunderte. Einleitung
8. XLVU.
* Die Burgen Klamm, Klingenberg und Blasenstein. Rntenstein, zuerst
1265 erw&bnt (OberOsterreichisches Urkundenbnch III, 343), kennt der
1254 — 1256 geschriebene Eintrag im Cod. trad. pat. quart. (Mon. Boic.
XXIX b, 214) noch nicht; es dürfte wohl erst nachmals erbaut worden
sein, obwohl die Ansledlungen längst über Unter- Weißenbach hinaus-
reichten. Klamm kommt im Babenberger Urbar nicht vor, weil es schon
an die Holzer und Hauser weiter geliehen war (Oberüsterreichisches
Urkundenbnch III, 28, 170). Der Machländer Besitz hat überhaupt nur
eine sehr summarische Verzeichnung erfahren : das Officium Grein bildete
die landesfürstliche Herrschaft Werfenstein, wozu nebst dem Markte Qrein
Hintersassen in den Pfarren Grein und S. Nikola, dann die Ortschaften
Struden diesseits und Heßgang jenseits der Donau gehörten, sie ging
1498 in der Herrschaft Greinburg auf. Das Boinstein in der Schenkung
Engildeos an Passau 1037 (Zibermair in den Mitteil, des Inst. f. österr.
Geschichtsf. XXYI, 889, 412) ist wohl die Burg Pahin (S. Nikola in
Struden) an der Stelle des später genannten mptum castrum domine Helchin.
' OberOsterreichisches Urkundenbnch IH, 78.
^ Die Tradition eines Gutes ,quod situm est machlant' an Garsten (Ober-
Osterreichisches Urkundenbnch I, 164) trug eine Hand des 13. Jahr-
hunderts auf Blatt 34 des Garstner Kodex ein.
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284
Das Landgericht Kiedmark^ wie es noch bis in die Mitte
des 14. Jahrhunderts genannt worden ist, wurde von dem Mach-
lande nunmehr durch die Aist geschieden, und zwar von deren
Einmündung in die Donau bei Obersebing durch die vereinigte
Aist, von Hohensteg an durch die Waldaist oder sogenannte
Schwarze Aist bis zur Hammermühle unterhalb Weidersfelden,
von hier ab durch die Weiße Aist bis Monegg, von da durch
den Mückenbach über den Bauemberg hinüber zur Schwarzen
Aist, welche daselbst die Grenze gegen Niederösterreich macht. ^
Die erste Verkleinerung des Landgerichtes Freistadt fand
durch Ausscheidung der Umgebung von Mauthausen als
besonderes Landgericht und durch Bewilligung eines Hals-
gerichtes an den Markt selbst noch in der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts statt (siehe Erläuterungen). Das älteste Urbar
,Mäthausn' ddo. 1489, 31. Jänner* und jenes 1558, 15. Mai'
verzeichnen die Grenzen wie folgt: ,Das Landgericht hebt
sich an in der Thonau zu Sebam bey der Prugken, gehet nach
der Aist biß an die Zwißlmühle, von dannen gen Obenberg
der Landtstraß nach an den Lindenstamm zu der Aichen, von
demselben zwischen dem Schloß und Mayrhof zu Obenberg in
Marchbach, volgendts gestracks wider in die Thonau wie von
alter herkomen. Markts-Burgkfrid reicht vom undem Ort bis
zu der Capellen, von derselben gegen dem Mauthaußperg zu
der Pfarrkirchen, von dannen an das ober Ort deß Markts
biß zu der stainen Stigl mitten an die Stainwand.' Späterhin
wenigstens machte der Marbach nicht mehr durchwegs die
Grenze. Die 13 (ursprünglich 12) Freieigner, welche das Male-
fizrecht zu besitzen und die ,laitter zum [hoch] gericht^ zu
liefern hatten, hausten um Zirking, Loizenberg, Furt, Hinter-
holz, Haid. Malefizsachen, Rumor und andere strafinäßige
Handlungen gehörten nicht in das Markt-, sondern in das Land-
gericht und waren die Strafen, Wandel und Bußen dem Landes-
fUrsten zu verrechnen; die von Mauthausen hatten sich außer
ihres Burgfriedens keines Gerichtszwanges zu unterstehen. Das
* Vgl. die Orenzbeschreibungen in den Erlftateningen. Für die Aistgrenze
siehe noch den Lehenbrief K. Laslas 1465, 25. April (Notisenbl. 1854«
S. 832): Hof nnd Hofetatt za Weinzierl (zwischen Schwertberg und Perg)
in der Pfarre Nam und im Landgericht Machland gelegen.
' Orig. im Hofkammerarchiy.
' Vide Abschrift im Schloßarchiv Schwertberg.
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286
Schloß Pragstein, welches K. Friedrich III. 1491, 6. Dezember^
dem Ritter Lasla Prager zu erbauen gestattet hatte, löste
K. Max I. 1501, 6. März* wieder ein. Infolge Teillibells der
gräflich Meggauschen Erben 1644, 23. Oktober* wurde das
ohnehin kleine Landgericht dadurch eingeschränkt, daß der
Herrschaft Schwertberg die landgerichtliche Jurisdiktion auf
ihrem eigenen Boden und auf jenem ihrer Untertanen einge-
räumt wurde. Das Schloß Pragstein, 1644 den Cavriani zuge-
teilt, wurde vom Grafen Guido Max Cavriani 1770, 15. September
an Graf Gundacker Josef von Ttirheim auf Weinberg und Schwert-
berg, von Graf Andreas von Ttirheim 1894, 29. November an
die Ehegatten Leopold und Eugenie Heindl veräußert, welche es
1 901, 25. November dem Markte Mauthausen zu Gemeindezwecken
käuflich überließen. Bis 1850 gehörten zum Landgericht Pragstein
nur mehr die in der Anmerkung* aufgeführten Häuser. Der Markt
bildete das von ihm selbst verwaltete Landgericht Mauthausen.
Die Erteilung der Blutgerichtsbarkeit über die eigenen
Untertanen an Georg von Liechtenstein zu Steyregg 1517,
an Veit von Zelking zu Weinberg 1545 und an Heinrich
von Starhemberij zu Wildberg, Riedeck und Lobenstein sowie
auf den drei Ämtern hinter der Freistadt (Lichtenau, Grün-
bach, Windhag) '^ durchbrachen das feste Gefüge des Land-
^ Lichnowsky, a. a. O. Reg. 1662.
' Original von Windhag im Linzer Maseum.
* Urbar yon Schwertberg 1680, 29. Jänner, im Schloßarchiy Schwertberg.
* Vom Markte die HInser 107 Eräußlh&asl im Berg, 108 Schasterhänsl
im VogelhäuBl, 109 Seppenhänsl in der Schwalbengstetten ; vom Ver-
markte 6 Bergerhäns], 7 Franzlhäusl im Riendlgraben, 8 Schusterhäusl
im Riendlgraben, 9 Hansjörglhaas im Holz; yon der Ortschaft Brann-
graben 1 Seppenh&nsl (früher Nr. 143 Maathansen), 2 Aamttllerhflasl,
3 Seppenhäosel, 7 Hieselhänsel, 12 Hofstatt beim Freiholz; yon der Ort-
schaft Urfahr 7 Marbachmühle, 8 Blessergütl, 18 Kraftenhäasel ; yon der
Ortschaft Reisendorf 1 Warschnegergütl, 2 Häusel, 4 Spitallehengütl,
5 Simandl Erb.
^ RaahenOd gehörte schon 1286 (OberOsterreichisches Urknndenbach IV,
40) den Brüdern Sighard, Otaker, Albert and Peter von Lobenstein,
wohl ebenso wie der Besitz der Reichensteiner am Weidersfelden aas
herzoglicher Verleihang. Laat Lehenbaches Herzogs Albrecht IH. 1380
(im k. a. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien) hatte Rager yon Star-
hemberg ,aa leben die yest Lobenstain and den Markcht ze Zwetling . .
das Dorf Ottenslag, item 'alles . . in Grunpekcher pharre, in Würnthager
pharre . . und alle die recht an dem walde (Freiwald) daselb enhalb der
fireynstat gelegen als ez ze Lobenstain gehöret*. Das Landgericht und
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286
gerichtes Freistadt, wozn noch kam, daß Hans Haim Freiherr
zu Reichenstein^ 1583 ebenfalls die Ausübung der hohen Ge-
richtsbarkeitüberseine Untertanen zur gerichtlichen Anerkennung
brachte.
Das schon arg geschwächte Landgericht Freistadt wurde
im Jahre 1644 unter den Erben des Grafen Leonhard Helfried
von Meggau geteilt und in die zwei Landgerichte Schloß Frei-
stadt und Schloß Haus* geteilt 5 das erstere um das 1665 er-
den Blutbann über diese landesfttntlichen Lehen verkaufte Reichard Ton
Starhemberg 1569, 1. Jänner, an Joachim Stangl zu Reichenau (Reper-
toriam des Riedegger Archivs, Urkunde Nr. 1705); von Reichenau hießen
nunmehr diese drei Ämter ,Landgericht Reichenau' und wurden von
dort aus verwaltet.
^ Bis dahin war nur die Freiung unbestritten gewesen.
,Item von erst die freyung zu Reichenstain hebt sich an beim Hogerdl
[Högerl] gattem, Pennschickhen, vom Schicken ab geen Pachzelten, vom
Pachzelten geen gemainern in dem gatern, von dem gatem zu dem
Pfarrhof, und wer darein komb umb erbar sach, der hat rechte gefÜrste
freyung iar und tag. Derselben freyung soll er besteen von ainem
pfleger oder vor das hauß und geschloß zu Reichenstain gwaltsam ist,
mit zwayen pfeningen, und so ainer gejagt wierd, dem notturft geschech,
so soll er nuer ain messer in die freyung werfen, so hat ers schon
erlangt. Item so steedt die päd stuben zu Pregarten in derselben
freyung, und ob ainem derselben freyung not geschäch, der stedt in
allermassen und artickhlen als der freyung zu Reichenstain recht ist,
und ob ainer darein khum, der hat freyung uncz am dritten tag in der
zeit, so soll er ain podtschafft geen Reichenstain thuen, das man in
behuet. und die freyung recht beiengen mug, von ainem pfleger oder von
ainem anwaldt daselbst. Ob aber des nicht geschech, so mag er drey
dritt heraus tretten, und dritt er drey dritt wider hinein, so hat er aber
drey tag fridt und freidt, und mag das thuen als o£Ft und vill ine des
not und durfft beschiecht, unzt das man in behueten mag von Vrid-
stain. Item es solle auch kain freyinger kain waffen, noch werr mer
tragen, dann ain messer^ das ain pann auf der klingen hat.' (,Hierinnen
vermerckht der Herrschaft Reichenstain Rechten und Pannthftding ge-
schriben 1662', 11 Seiten, Fasz. 33 Nr. 30 im gräfl. Kinskyschen Archive
zu Freistadt.)
' ,Nachweiß des Kais. Urbarii de a6 1690 fol. 1 erhebet sich dieses Land-
gericht in dem sogenannten Aigen Obenberg an einem breiten Stein
der Lindenstein benamset, woran einerseits das Mauthauserische Land-
gericht stosset, von da aus lauft das Mark oder Gränze zwischen dem
Schloß und Mayrhof zu Obenberg und dem Marbach, an diesem in die
Donau, an selber aber gegenwärts bis zu dem unter die Herrschaft
Steyregg gehörigen Willingerhof, von solchem auf den Haasenberg,
Grüblbauern, Pannagl [in Hof], Stadler [Nr. 12 zu Götzelsdorf] und dem
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287
richtete Partikularlandgericht Waldenfels/ 1770 durch die Er-
Teßler, von dannen rechter Hand dnrch den Wald auf den Reichenbach
nnd an diesem anf die Mühle za Reichenbach, weiters von da aus nach
dem Rinnsal des Bachs bis zum Doppler, von dortaus rechter Hand auf
den äussern Fehlner, Moser und von diesem durch das Holz auf die
Salzstrassen gegenüber des Pflrchstumer, femers an besagter Salzstrassen
[Freistädter Poststraße] rückwärts gegen Linz bis zum Esserbach], am
Esserbachl bis in die Donau, auf dieser mehrmalen gegen wärts bis zur
Linzer Brükke, aldort am Fahrtweg zwischen dem Kapuziner Kloster
und Färber Haus in Urfahr Linz (vorhin das Postgaßl genannt) wiederum
zurück an das Dorf Steeg, wo die Landstrasse einfallet, an der Land-
strasse sodann bis Domach, und von dort aus am Poststeig nächst dem Hab-
lauer bis Gallneukirchen zum Baader am Steeg, alsdann zum sogenannten
Fletscher (alwo der Herrschaft Riedegg'sche Burgfried und zugleich das
Landgericht anstosset), von da aus an den Fidlbach nach denen Markt
Gallneukirchner Gründen bis zum Schweinbach Steeg, von diesem zum
Simlinger Gattern, vom Sirolinger Gattern bis zum Tnmbacher Gattern
und von diesem aufwärts zur Herrschaft Hauser: Wahlmühle, von selber
an der Gusen abermal aufwärts bis zu dem unter die Herrschaft
Reichenau gehörigen Walchschmid, alwo ein kleines Bachl herunter
rinnet, von dannen bis zum sogenannten Sohnabi hinaus und für dessen
Gründe hinunter, von die Reicbenauerische Hofhalt bis in den Pram-
berg, woselbst ein grosser mit dem gräflich Starhemberg : und Marschalk:
Wappen (als welche Herren Marschalken die Herrschaft Reichenau am
lezten besessen haben) gezeichneter Markstein stehet. Von gedachtem
Pramberg gehet der Herrschaft Reich enanische Wildbahn und mit selber
die diesseitige Landgerichtsscheidung denen Richtsteigerischen Gründen
nach bis in den Herrschaft Wildbergischen Dreyeck Wald, allwo gleich-
falls zwein solche Marksteine wie jener am Pramberg befindlich sind,
alsdann gehet diese Scheidung in den Rodlfluß, woselbst das Landgericht
Waxenberg anrainet, an der Rodel fort, bis der Händlbach einfallet, und
am Händlbach bis zu Anfang der Schenkenfeldner Pfarr, welche im
Herrschaft Reichenauerischen Landgericht liegt, ferners an den Grenzen
dieser Pfarre fort bis zum Hansstainhäusl, woselbst die Pfarre Hirsch-
bach und das Landgericht Waldenfels anstoßet, von dem Hansstainhäusl
nach denen Gründen der DOrfer Hofreith, Gassenreith, Vorwald, Ober-
hirschgraben, Tischberg, Dümberg; Häuser auf der Leithen. Raidhof,
Hanruck und Kirchberg, daselbst die Pfarr Neumarkt anfängt, außer
selber aber das Herrschaft freistädtische Landgericht herzu gränzet. Von
^ Grenzörtlichkeiten des geschlossenen Landgerichtes Waidenfels waren
zuletzt Stiftung mit Krawiz und NiBlmühle, Eibenstein, NierhOf, Freuden-
tal, Oberschwand^ Unterschwand, der Jaunizbach, Bodenmühle, Wald-
burg, Pirchetgut, Groißenbauer, Harruck (Anteil), Gutenbrunn, Puchinger-
gut, Tierberg, Kamplmühle, Hinter Königschlag, Miesenbach. Die Holz-
mühle und Süßmühle gehörten zum Landgericht Freistadt; ebendahir
die Brandlmühle bis zum Gebietsaustausch mit Reichenau.
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288
hebung der Herrschaft Harrachstal und Freiwald ^ zu einem
Kirchberg weiters an den Kroissenhof, Pirkelhof bis an den Jaucbuitz-
bach, auf selbem in die Feidaist bis sum steinernen Brück], zunächst
dessen ehemals das Stadt freystädtische Hochgericht stunde, und vom
steinernen BrUckl bis in Kefermarkt, von welchem das sogenannte Wies-
häusl in das diesseitige Landgericht gehöret. Femers von Kefermarkt
bis zur Leedermühle, alda wendet sich die Scheidung von dem Aistfluß
gegen der Neustadt, und von selber auf den Gusenbauern, hernach über
die Gutauer Straße in das Pasteinerbachl in die schwarze Aist, auf
letzterer bis zum hochen Steeg, von dort aus am Bachl über den Arn-
berg auf den Käßl, Holzgassen und endlich wieder zum Lindenstain in
Obenberg.
Femers hat die Herrschaft Haus und respective Freistadt einen
besonderen Landgerichtsdistrikt in der ganzen Pfarr S. Leonhard, von
welchem sich die Gränz bey der Ledermühl am StampflQuß hebet, als-
dann am besagten Fluß bis zum Steghammer und weiters in die schwarze
Aist lauft. Am Aistfluß hernach über die Haßlmühl, Pfartlmühl bis zur
Groißbrucken [oberhalb der Pfartlmühle und unterhalb der Neomühle
und Haidmühle], dann weiters über Land nächst Oberaschlag, Ensöd an
denen Gränzen der Leonhardter Pfarr bis wieder zur Ledermühl.*
Konzept des Landgerichtes Haus vom 9. April 1804 im Sohloß-
archiv Steyregg.
Zur Orientierung über die Zugehörigkeit der einzelnen Häuser
auf der Strecke über den Linzer Berg zwischen Gallneuklrchen
und Urfahr mögen folgende Angaben aus den Grundbüchern 1794
dienen :
Zum Landgericht Haus gehörten von Innertreffling 1 Steininger-
gut, 5 Tmttenbergerhof; von AußertreflFling 4 Mülleitnergut, 9 Walkets-
edergpit, 6 Asangergut; von Mittertreffling 12 Lacknergut, 22 Haidergut,
27 Puohnergnt; von Kazbach 1 Hofistatt auf dem Anger, 4 Zweokl-
lehnergut, 13 Stöttnerhof, 15 Häusl am Steg, 19 Kleissenhänsl, 21 Binder-
hofistatt, 22 Starzergpit; von Dornach 7 Wirtshaus; von Heilham
1 Fischer- oder Zawischhäusl, 4 Gusnerhofstatt, 5 Gleisenhofstatt,
^ Die Grenzörtlichkeiten des Landgerichts Harrachstal waren gegen das Land-
gericht Reichenau: Unterwald (Schmid, Jungbaur), Plochwald (Pils, Reuter,
Jagl), Hacklbrunn (Reithaus, Bergmaurer), Hnndsberg (Lucken, GM^ttner,
Lehner), Eben (Nastand, Wieshaus), Viehberg (Reiterhäusl, Gütl am
Viehberg, Steinriedl, Holzer, Kronawiter, Hollerstauder, Geigerringl,
Hainzl), Weinviertl (Straßenhans), gegen das Landgericht Weinberg
Weinviertl (Inleuthaus), Pürstling (Meiselbauer, Kollreit, Steinbichl),
Steinwald (Anger), Neuhof (Fruhwirt), Schwingenden Brack, Strobsack,
Haidhäusl, Amesreut, der Stampfbach; gegen das Landgericht Haus:
Schraflfenberg, Markt St. Leonhard, Promenöd, Kitzleder, Hohen reut; gegen
das Landgericht Rutenstein die Schwarze und die Weiße Aist, der
Mückenbach und der Baueraberg.
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289
eigenen Landgerichte nochmals verkleinert, wie auch schon
1702 der Stadt Freistadt das Halsgericht für ihren Burgfrieden
verkauft worden war.^
7 SiöttnerhofsUtt, 10 Mühle, 12 Klänerhäasl; von Furt gememsam mit
Wildberg die Häuser 1 Artnerhofstatt, 2 Rottenbichlerhofstatt, 4 Maurer-
hoüstatt, ö Mairho&tatt, 6 Bäckerhofstatt, 7 Schützenbergerhofstatt,
8 Reschenhofetatt.
Zum Landgericht Wildberg gehtJrten außerdem die Häuser 15,
16, 17 Wolfenhäusl, Häusl am Gries, Fischerauerhäusl zu Furt; von
Außertreff Ung 10 Schützenbergerhub, 15 Pirchstnmergut, 16 Straßergut;
die Ortschaften Pflaster, Steg und Grindberg ganz; von Domach 1 Lehner-
hofstatt, 2 Obermair, 4 Häusl, 5 Niedermair; von Kazbach 15 Ortner-
häusl, dann das Grabmergut 4 zu Windpassing, das Zebnthofergut bei
der Linzerstraße, 5 zu Zingißing.
Zum Landgericht Steyr egg gehörten von Furt die zwei Häusel
15 und 16 halb, von Linzerberg 3 Häusl in Rotenbichl.
Zum Landgericht Ried egg von Linzerberg 1 Aichingerhof^
2 Schneiderhäusl in Rotenbichl, 4 Fidelsbäckgut, 7 Flatschergnt, 9 Häusl,
10 Hobelauergut.
^ Im Stadtarchive Freistadt: ,Mappa specialissima. Durch selbe allein
vorstellend die landsfirstliche Stadt Freistadt, dessen zugehörigen Burg-
friedt und Landgerichts Graniz Mit Allen So Wohl frembt als auch
aigentlichen vmbligenten Vnterthanen, Haußgärtten, Feldter, Acker,
Wisen, Vüechwaydten, Mihlbach, Teucht, Holzgründt, Weeg und landt-
straß, Alles accurat Geometrice abgemessen und vorfaßet durch Joseph
Antoni Pemlahner Ing. Anno 1743.*
,Der Stadt Freistadt Burgfridt vud Laudtgerichts
Gezüerk. Burgfrid und Landgricht fangt sich an, all wo die Jauniz
in die Feldtaist rindt deutet Num. 31. Von danuen aufwerts dem
Jaunizbach nach zu der stainern Brücken an die Linzer Straß zaiget
Num. 32, Weiter disem Bach nach bis zu dem obern Schernpaum
Steeg an den sogenandten Schenchenfelder weeg Num. 33, Volgendt
rechter Handt diesem Weg nach durch des Brandtlpaurn Holzgründ
bis zum Krempel Hof in der Jauniz genant Num. 34. Von dort auf
den Weg nach zu den Stainkellerpaurn linker Hand stehet zaigot
Num. 35. Dan dem Farthweg nach auf St. Petter linker band durch das
Dorf bis zum Wimbpaurn weiset Num. 36. allda lincker Hand nach
den Wimbhof vorbey über dasigen Perg hinunter bis zu der Greiz
Saullen Num. 37. Von alldortten lincker Hand durch den ausgemarchten
Holzgrund in der Pockau genandt, weiters nach den 30.«'" (Dreißgener)
Holz bis an die Vierzech ner Grund deitet Num. 38. Von danen nach
dem staintischen Holz in Graben hinunter bis an das Pockaubächl
Nom. 39. weiters nach dasigem bachel und statt Holzgrund zu der
Dreissiger Wisen all wo zwey kleine Bach zusamen rinnen Num. 40.
Sodann nach dem Viertzehner Brunbächl nauf wort über die Dreisiger
▲rchir. XCIY. Band. 20
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290
Das Landgericht Haus wurde nicht lange^ nachdem es
ins Leben getreten, schon wieder verkleinert durch Abgabe
von Distrikten in die ursprünglich exemten Landgerichte
Wildberg und Riedegg ^ sowie durch die Ausgestaltung des
Wisen bis an die LandstraB allda stehendten Greiz Saallen Num. 41.
Von diser SauUen nach dem Holzweg durch die Hammerleüthen und
abwerte derselben bis zu dem Feidaistbach ober der Schifferischen Dradt-
ziech das die selbe mit aller Jurisdiction unter die Stadt Freystatt
gehörig deittet Num. 42. Dan nach demselben Aistbach und Schlager-
leiten zu dem einen großen Marchstain, welcher negst dem Bach stehet
und mit 3 f gemorgt worden, alwo 3 Landtgrichter zu samen
gränzen nemblich die Herrschaft Windhag, Schloß Freystatt und Statt
Freystadt bey Num. 43. Weiters nach dasigem Feidaistbach bis an die
Aichelstain Mihi zu dasiger Brück Num. 44. Von diser Brücken nach
dem Bach zu der unteren Schifferischen Drahtziech und Nigerinischen
bis zu der Wüsmihl Num. 46. Von der Wismihl zu dem [Stattfeldt auf
dasige Leuthen und nach dieser Leiten bis an des Mansenreidter Feldt
Num. 46. Von danen nach dasigem Feld bis negst der Mansenreidter
Greiz saullen Num. 47. Von diser Saullen nach dem Gangsteig auf
den Berg herunter zu den Kudtlerfleischhackerheisel an den Feldtaistbach
zeiget Num. 48. Weiters nach dem emandteu Bach bis hinter die Scharr-
mihi bey dem Gapuciner Garten Num. 49. Von danen nach dem Bach
der Altbach genandt bis zu der Kellerpaurn Brücken Num. 50. Von
diser Brücken nach dem Feidaistbach und Spittal Gründen bis zu der
Knebrischen Wisen Num. 61. Weiters nach dem Bach bis auf die große
Reichenauerwisen zaiget Num. 62. Leztlich nach abermaligem Bach zu
der untern Gästringer Leuten alwo der Feidaistbach in den Jaunizbach
rindt alda zusamenfließen und so weiters die Feidaist genenet wird
Num. 63. Alda ist der Anfang und Endte des freystädtischen Burgfrid
und Landgerichts Gräniz. Der umb Greiß dasigen Landgricht beträgt
über die 21000 Schrieth, welche 4 Meil weegs ausmachen. Die Lenge
diser Herrschaft Freystatt 6600 Schriet, nach der Praüdte 7600 Schrieth.*
Das alte Schloß wurde 1702, 1. Jänner, vom Grafen Bonaventura
von Harrach, das neue Schloß (vormaliges Kapuzinerkloster) 1896,
1./4. Dezember vom Grafen Rudolf Kinsky an die Stadt verkauft (Ur-
kunden in der Stadtkanzlei Freistadt).
^ Eine Grenzbeschreibung ist nicht vorhanden; nach den alten Grund-
büchern gehörten zum Landgericht Riedegg der Markt Gallneukircheu
und die Dörfer Almesberg, Spatendorf, Veitsdorf, Garlesberg, Linzer-
berg, Inuertreffling, Gries, Simling, Holzwiesen, Schweinbach, Enger-
wizdorf, Halmansdorf, Punzenberg, Dumbach und Oberndorf ganz oder
teilweise und übte auch exemte Gerichtsbarkeit über zerstreute Unter-
tanen aus. Grenzhäuser waren Leimetshofer und Zwicklbauer in Inner-
treffling, Sailler in Garlesberg.
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291
exemten Landgerichtes Steyregg zn einem geschlossenen/ dann
* Grenzhfiufier des Landgerichtes Steyregg waren der Willingerhof, im
Hof, Pannagl, Stadler, Deselgut, Kramesberger, Ratsclienberger, Enzeu-
pühringer, Reisinger, Gaßner, Reichenbachmühle, Laschen, Dor&traße
von Algen, Faist, Dopler, Neideg^er, Pfeningb erger. (Siehe auch Anm.
auf S. 288, 289.)
Zu dem Landgerichte Steyregg gehörten einst die Burgfrieden
von Luftenberg und Au, welche jedoch später von den Landgerichten
Haus und Greinburg an sich geiogen wurden, was auch mit dem Burg-
frieden Langenstein geschah, der vormab einen Teil des Schlosses
Spielberg [worüber im Traunkreise gesprochen werden wird] gebildet
hatte. Nach dem Paanthädting der Herrschaft Luftenberg (See. XVH
im Schloßarchive Steyregg) nahm der Burgfiried den Anfang ,am
Reichenbach nächst dem Kloster Bnlgam an der LandstraB und gehet
neben und an dem Kloster hinauf der Straß nach zu dem Dämsprun,
von danen widerumen solcher Straß nach an den Hochgattem und
gerad nach dem Zaun an das Dorf Stäzing, sodan durch die Gassen
oder Straß bemeltes Dorf hindurch nächst an die Haßlach häuser, so
beede im Burgfrid ligen, von dannen auß nach oftgemelter Straß hinum
zum Reschen am Feld, vor dessen ThUr der Burgfrid gehet, von
welchem dem Gangsteig nach über die Felder hinab an das Süetbrückhl
und nach derer Abwündter Gründt, sodan durch gedachter Abwünder
und Staininger Gründt hindurch dem Zaun nach bis an die Donau,
und gerad hinüber durch die Auen in die unterhändl gassen bis an die
Danzstatt nacber Räffelstetten, von dar aus der Altau nach an die
Gledtfischeran bis an die Angerwüß, und denselben Zaun hinauf bis
an die Angerwüß Palchen, von selben durch die Auen hinüber schär-
werts hinauf biß mitten in die Nanfart, von mitten derselben widerumen
schärwerts herdan an den Noiwißzaun und nach selben hinum an
des Nöfischers Grund und Zaun, demselben Zaun nach ober der Teufl-
auwüs herum an den Reichenbach gen Bulgarn an die Landstraß, als
des Burgfirids Anfang.*
Hier wird berichtigt, daß das Lehenbuch Jansens von Chapell
nicht, wie S. 143, Anm. 4 bemerkt, sich in Eferding, sondern im k. und
k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien (Handschr. 37) befindet.
Im ,Vrbary der Herrschafft, Schloß und Vesten Spilberg, von
Osterreich zu Lehen rührend* ddo. 1. Oktober 1610 (vid. Abschrift 1754,
3. Juli im Schloßarchiv Steyregg) und in dem Berichte des Landgerichtes
Steyregg 1804, 26. April (daselbst) sind die Burgfrieden von Langeu-
stein Pfarre S. Georgen a. d. Gusen, und von Au Pfarre Narn be-
schrieben.
,Der Herrschaft landgerichtliche Burgfrid um das Dorf Langen-
stein hebt sich an bey dem Kößelbach [bei Gusen], stost bis an den
Marbach [jetzt Riederbach] und von dannen an den Planzenbach/ *
* Die iltMte BMo1ir«ibiuig ist im Paateidiof nnd Urbftrbftcbl Ton Spilberg (vor 1475, im
Linser Mnseiim) enthalten nnd Untet : Jtem Ton Erst die frejumb sn der Herrscbafft hebt
sieh M bey dem kesselbsch Tnd stdst Tntz an den morbach Tod von der Tonaw bis an den
zweinsenbaeh.'
20*
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292
durch die Verleihung des Halsgerichtes an die Jesuiten zu
Pulgarn. ^
Im Umfange des Landgerichtes lagen noch die Burg-
frieden von Reichenau^ und Neumarkt.*
Die Grenzen des Burgfriedens des Marktes Au sind folgende:
yVon der steinernen Stiegel am Kramer — der sogenannte Arm der
Donan — nach des Haindlbauern, Weinbergischen Untertans, Grund
aufwärts bis zu dessen Gatterl, von diesem nach dessen Gründen auf-
wärts bis zum Schinder oder Bäckergattem. Von da auf der alten Geer-
straße immer aufwärts nach den Obersebingergründen bis zu dem Punkt,
wo ehemals das Anerkreuz gestanden ist. Von da nach dem Ober-
sebingeranger an den Ausfluß der Aist in die Donau. Von da nach
den Gründen der Auer, so weit sie Tor der Weg^chwemmung gereicht
haben, in der Donau abwärts bis zum Kramer und über denselben hin-
über und abwärts nach des Bauern und Gusenbauem in der Au Herr-
schaft Erlaischen Gründen bis auf die Untersebinger Wiesen und nach
derselben landeinwärts und sodann aufwärts nach des Derntl zu Nam
Gründen, sodann nach dem Nameranger auf des Bäckers im Teucht
Karlingerhofs Gründen, wieder nach denselben aufwärts bis auf den
Wieselbauernhaufen [Au], welcher im Kramer liegt Durch diesen
Haufen gehet die Grenze bis an die eingangs erwähnte steinerne
Stiegel/
^ Außer dem Kloster nur die Häuser 2 Mühle, 3 Fleischhacker, 4 Schuster-
häusl, 6 Binderhaus, 14 Sebaldhofistatt; die übrigen Häuser unterstanden
dem Landgericht Stejregg.
' Urbarbuch der ,yesten Reichenaw, so man zalt 1379 am tag nach gots-
leichnambstag*, erneuert 1495 von Eberhart Marschalh zw Reichenaw
,al8 der elter meiner gepruder Georgen und Ruedorfen^ im Linzer
Museum. ,Da8 frey aigen zw Reich ennau' gewährt fürstliche Freiung
* Tättingburch von Neumarkt See. XVH im Schloßarcliiv Freistadt
Fasz. 29, Nr. 20. »Erstlich hebt sich der purkfrid an der Strapimühl in
den Wührgraben und geth auf in den Seusenbach auf bis zu dem
steincreuz bey des Pürchinger wißen unt nach des Pürchinger wißen
dem khag nach auf gen Pürach zu dem gattern bei des Bürchinger
stadl unt von dem gattern in des Pürchinger schluechten auf unt her
über das velt bei Hanges leben zu dem Prandtstattholz auf die wög-
schait unt get in dem Prandstattholz ab in den Süenpach unt get in
den Siehepach nach auf unt herüber die Siehewiß zu dem Süencreuz,
von dem Süehencreuz mitten durch den Mayrweg berg hinüber in des
Hagers schluechten unt get in des Hagers schluechten ab durch des
Hagers wißen in die Greullackhen unt get von der Greullackhen ab
in den Greulgraben unt get vom Greulgraben in die Greulwiß unt get
in der Greulwiß in den obem Khaag nach unt widerumb in die Strapi-
mühl in den Wührgraben, da sich der Burgfrid erstlich enthabt hat.*
Schädliche Leute wurden dem Landrichter auf das Frangärtl gestellt.
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293
Sechzehnter Abschnitt.
n. Das Landgericht Machland und die Abteilungen
desselben.
Das Landgericht war seit 1281^ an die Herren von Ka-
pellen und nach deren Aussterben (1407) an die Herren von
Liechtenstein verpfändet Jans von Kapellen wird im 14. Jahr-
hundert obrister Landrichter im Machland genannt^ ^ woraus
hervorzugehen scheint^ daß den Pfandherren der alten Ried-
mark (auch Heinrich von Walsee nennt sich obr. Landrichter
in der Riedmark) die Stellung oberer Landrichter im Sinne
des österreichischen Landesrechtes eingeräumt worden ist.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts war Christoph von Zel-
king auf Weinberg Pfandinhaber des Landgerichtes^ welcher es
durch seinen Pfleger zu Mitterberg Christoph Gruber verwalten
ließ. Aus dem Schiedspruche Gottharts von Starhemberg 1486,
biB an den dritten Tag; Verbrecher werden überantwortet in dem obern
Fort im Grasbach. Auch die Tafern in Traberg genoß Freiung, Aus-
lieferung bei der Mtthle in dem Furt.
Nach dem Instanzkalender pro 1846 übte die Herrschaft Reichenau
die Landgerichtsbarkeit aus über die Pfarre Schenkenfelden mit Aus-
nahme des Dorfes Königschlag, nach jenem pro 1824 über die ganzen
Pfarren Reichenau und Schenkenfelden, im Jahre 1808 gehörte erstere
noch zum Landgericht Haus, letztere aber schon zu Reichenau. Der
Auswechsel der Landgerichtsbarkeit mit dem Landgericht Schloß Frei-
stadt muß demnach zwischen 1794 (Abschluß der alten Grundbücher)
und 1808 (Grenzbeschreibung des Landgerichtes Haus) erfolgt sein.
Die Grenzörtlichkeiten des vormaligen Landgerichtes Reichenau hinter
der Freistadt waren im Jahre 1794 folgende: Steinhüblberg, Ober und
Unter Paßberg, die Feidaist (mit Ausschluß des weinbergischen Burg-
friedens Hilbetschlag mit Dorn- und Neumühle), Graben bei Freistadt,
Sinbauer, Schlag, Schwaighofer, Ober Rauhenöd, S. Michael, Mitterbach,
Spörbichl, Pölzgut, Oberschlag, Kühau, Aufreiter, Seiberl, Predertschlag,
Mairspind, Freienschlaghammer und Rößlhammer gegenüber von Zetwing
an der Maltsch.
Oberösterreichisches Urkundenbuch Hl, 529.
a. a. O. V, 134, 136, 146, 209, 280. Urkunden 1314, 1316, 1318, 1321.
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294
14. Oktober^ erfahren wir, daß die landesfürstliche Herrschaft
Werfenstein eine Exemtion vorstellte.*
Als das Landgericht Machland endgültig an Heinrich
Prüschenk überging (1495, 31. Jänner), hatte es nicht
mehr den alten Umfang. Nicht nur daß der Kaiser für seine
Herrschaft Rutenstein ein eigenes Landgericht errichtete (siehe
Erläuterungen)/ hatte er schon 1491 dem Lasla Prager für
* Kopie im Stadtarcliiv Grein.
' ,nach altem herkomen^ wurde bei der Herrschaft Werfenstein die Uater-
suchung gegen Verbrecher geführt und nur da« ,Recht über das pluet'
war mit dem Landrichter und den ,freien^ aus dem Machland zu be-
setzen, welche sodann samt dem Waltpoten vom Landgerichte zu er-
fordern waren. Es bestand somit das Verbot des introitus und nur die
Vollstreckung des TodesurteUes, aber auch diese auf dem Boden der
Exemtion (das Hochgericht befand sich links der Haudererstraße vor der
Mündung des Dießenbaches in die Donau) stand dem Landgerichte zu.
Deshalb hieß auch das Aigen Struden, welches mit der Ortschaft Hößgang
jenseits der Donau von Einem Marktrichter verwaltet wurde,* das ,Freige-
richt* Struden. Mit Hößgang reichte das Landgericht Machland nach Nieder-
österreich hinüber, woselbst die 26 Häuser von Hößgang (incl. Unter-
und Ober-Neustift), die Häuser 7 und 11 (Schweighof und Hochwand-
statt) Vorderleiten, 2 bis 6 (Ober-, 2 und 3 Hofstatt und Mittergut) in
Wiesen zu dieser Exklave gehörten, die schon im 16. Jahrhundert doku-
mentiert ist, da ,das Urtl und Erkhandtnus* der Landgerichtsschranne
Greinburg ddo. 20. Dezember 1581 (begl. Kopie im Fasz. Fl im Hof-
kammerarchiv) auf Verweisung der Gebrüder Sännglmülner aus dem
Lande ob der Ens auch auf Ausweisung lautete, soweit sich ,die Herr-
schafft und Landgericht Greinburg in Osterreich under der Ennß er-
streckt'. Die Exemtion verschwand, als K. Friedrich IH. 1489,
7. Jänner (Chmel Reg. K. F. 8364) den Markt Grein und 1493 auch
Werfenstein, Mitterberg und Struden mit dem Landgerichte im Mach-
land veräußerte (Wisgrill IV, 122). Nur das Schloß Werfenstein ,im
Gemäuer* und die neue Maut verblieben dem Kaiser, die Wassermaut
in Struden dauerte bis 1. Juli 1852, von welchem Zeitpunkte an die-
selbe in Gemäßheit des Schiffahrtsvertrages mit Bayern aufgelassen
wurde. Das Mauthaus wurde 1857 zur Unterbringung der Bauleitung
der Korrektionsarbeiten im Struden und Wirbel bestimmt, zuletzt an
einen Privaten verkauft (Nr. 34 in Struden).
' Nach dem Urbar der kais. Herrschaft Rutenstein ddo. 28. Mai 1571 (im
Archive zu Greinburg) ,wehrt (das Landgericht) als weit der Wildtpahn
und Gejaider sambt den Gründen und Mannschaften, so gen Königs-
wisen, Weissenbach und derselben zugehörungen gehört, in das bemelt
Landgericht bis auf die Land strass so auf Pierbach undt Münichdorf
* Urbar des Aygens Im Struden and Ilöflgang See. XTI und Richter Raittung pro 1667 im
Ortsarchire Stmden; dann im Oreinbarger Urbar 1658.
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295
dessen Herrschaft ein ziemlich weites Landgericht verliehen^
g^het, bis auf den Burckfried des Markts Königswiesen and
neben dem Burckfiried hin wieder auf der Strassen, bis mitten an den
Königswiser wald zu einem steinern Greuz* (Bl. 5). Der Wüdbann der
Herrschaft ,hebt sich an bei dem Prucklpach und get heraus zu Höfing
durch das Dorf auf die Straß und abdann gen Schenau, auf derselben
Straß nach gen Mauretperg, auf den Creuzperg, von dannen auf gen
Haymau, und verrer auf der Straß hin gen Tanndorf, derselben Straß
nach gen Kopenhof, und hin unzt auf den Elhenperg, durch denselben
Perg hindurch auf Pichler Khag bis auf dio Straß da man gen Zell
get, von derselben Straß hin unzt an den fürt under dem Fragner auf
der Straß, und von demselben fürt bis an den Rottengraben, von dannen
hin unzt an die Stain Pruckmttll und dannen von beeden Nären bis
an den Rinsal, von dem Rinsal hin gestraks an den Khragen, von dannen
bis an den Pämer, und verrer an den Stainrickhl, volgundt hin an den
Fuchsen, alßdann bis an den Fürholz, und bis auf die Au, von dannen
unzt in den Arsch, auch verrer auf die Straß, in der Langgrueb, bis
zu dem Schäzler und auf die Fürstenedt, alsdann hindurch das Leüten-
holz zu der Khalten Rinlen, von diesem ort verrer auf die Uaubtmansödt,
derselben straß nach ab in Luechpach, demselben Pach nach under die
AchleÜten, von dannen unzt gen hernschlechen, daselbst gestracks über
bis zu dem Pämerswaldt zu dem Khalten Rindl, darnach ab in den
Pechpach, und weiter ab unzt in die Groß Näm, in der Näm auf unzt
gen CapellmtUl, under den zeug. Yolgundts unzt ins Teufels Au, auch
bis an den Khogl, von dannen gen Pronpem, alsdann zwischen baiden
Näm als weit die vischwaid wern' (Bl. 10).
Nach dem Urbar des kais. ,Marckht Weissenpach* ddo. 14. Juli
1571 (im Greinburger Archiv) ,hebt sich (des Markhts Weissenpach
Landgerichts gezürk) erstlichen an der Lehelmiil bey des Fruewierdts
Wuer in Arbaspacher Pfarr an, geet dem Khaag nach, so der Khom-
maur ist, über das Khlain Kämpl, dem Kämpl nach auf bis auf den
grossen Dräperg, darnach über auf das Khriegort, durch den Waldt
in den Rainpach, in die Neu Näm, der Närn nach ab für die Dieslmül
bis in den Schneckenpach, von dannen auf zum Pämer, von dem Pämer
ab in den Idndenpach, dem Lindenpach nach ab in die Ciain Närnn,
der Glain Nären nach ab in den Prugglpach, dem Prugglpach nach
auf die Straß die von dem Weissenpach auf Schenau geet, und der
Straß nach auf Höfling und Schenau durch baide Dörfer, und von
Schenau geen Mauerberg, von dannen auf den Greuzperg, von dannen
in die Lacken, die auf der Straß ist, von derselben Lacken dem Steig
nach bis zum Guggenperg, von dannen auf die Straß, die durch die
Viech tau geet, an die Aschmül, von dannen ab bis in die Viech tau, von
der Viechtau ab an die Aschmül in den Gölsenpach, von dem Gölsen-
pach über an den KufQperg, und von dem Kufflperg ab in den Hinder-
pach auf bis an der Ebenorter Gründt an die Landstrassen, der Land-
strassen nach an die Pelzmül in den Schilt, dem Schilt nach in die
Weißaist, volgundt auch für den Ruebmair über auf den Pauraperg,
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296
in welchem der bisherige Burgfrieden aufging.^
von dem Paurnperg über in den Rottenpach, von demselben Rotten-
pach über in die Praitenhaid, von der Praitenhaid ab an den Totten-
raan, von dem Tottenman ab da der Kamp entspringt, bis wider an die
Lehelmül an des Fraewirdts wuer, da sich dann das Landgericht an-
gefangen. Von dannen geet das Landgericht verrer so weit sich die
Pfarre Weissenpach erstreckt und wert. Was aber in yetzgemelten
Landgerichtsgeztirck für Malefizische Personen einkomen, sein die von
Weissenpach der Herrschaft Ruttenstain zw anntwurten schuldig.*
Für den Burg Med Königs wiesen ist keine eigene Beschreibung
vorhanden, die Westgrenze lief vom Lindenbach zur Großen Narn,
Mötlas und Mötlasberg lagen im Burgfried; die zu demselben gehörigen
229 Häuser sind alle in dem Anschlage von Rutenstein vom Jahre 1581
(Original im Linzer Museum) bei der Rubrik Landgericht Königswiesen
namentlich aufgezählt, was auch für das Landgericht Weißenbach der
Fall ist: das Amt und Gericht Pierbach bildete den Körper des Land-
gerichtes Rutenstein im engeren Sinne.
Grenzhäuser gegen das Landgericht Prandegg waren im Jahre 1794:
die Neumühle an der Schwarzen Aist, Kreuzeder, Narhamer, Stummer,
Berger, Scherzer, Strobl, Mörwald, Gr. Hainmann, Fischl, Marwald, die
Dörfer Kaining und Wolfegrub, Ellerberg, Kopier, Köpperl, hierauf die
Große Narn bis gegenüber der Rabmühle.
^ Nach dem ,Täding Buech der Herrschafft Windthag im Erzh. ö. o. d. E.
Machlandt Viertls* ddo. 16. Jänner 1653 (im Linzer Museum) hob sich
der alte Burgfried und Wildbann des Schlosses Windhag ,an an der
äussern mühl und gehet dem weg nach und zwischen dem Oassten und
Schreinsperg durchs öedtholz nach dem wasser pächlein und der Tabra
nach gen Altenburg, dem kirchsteig nach gen Paumgarten und über
den Schnappenberger Grund, über die Stainbruck gen Hochthor, beym
mühlweg nach zu dem Gänglein in der Närn, und wider nach der Närn
auf die Aschermühl, Alß endet sich der Wildtpann und alt Purckhfridt,
so von alter gen Windthag gehört hat.*
Aus der Urkunde 1491, 19. Dezember ,Volgt hernach das Land-
gericht und Wildpan von Kayser Friderich Gegeben. Nemblich von
demselben gscliloß Windthag unzt an die Tobatschmtil, von derselben
Mühl an den Güssibl, von demselben Güssübl an das Orth, von dem-
selben Orth unzt an den Schaursperg, von demselben Schaursberg unzt
an den Spaten, von demselben Spatten an den weg, von demselben
Weg an Paumgarten, vom Paumgartten unzt an die Widen, von der-
selben Widen unzt in die winckl, von derselben winckl unzt an das
Puochelstainach, auß dem selben Puechel Steinach auf den hof ob
Rechberg und dem weg nach ab zu dem Ebenbrechten, von dem
Planckenberg bis auf die weg schaidt, da das Creuz stehet, bey dem
Vorsehen, von dem Vorsehen zu dem Meißl, von demselben Meißl unzt
an den Keller, von dem selben Keller bis an den Gattern, von dem-
selben Gattern bis an den Prunn, von demselben Prunn unzt an den
Wäntschen, von demselben Wäntschen bis in die Eben unzt zu dem
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297
Das Landgericht Machland blieb jedoch nicht lange in
den Händen der neuen Grafen von Hardeck; als einen Ersatz
fär Rannarigel kaufte das Hochstift Passau dem Qrafen Julius
von Hardeck Herrschaft und Landgericht ab, doch hob Kaiser
Ferdinand diesen ihm nicht gelegenen Kauf 1533, 11. November,
ausdrücklich auf, genehmigte dagegen den nachderhand mit
Hans Leble geschlossenen Kauf und begabte das 1489/90 er-
baute Schloß Heinrichsburg mit dem Namen Greinburg. ^
Mit dieser Verfügung erlosch für das Landgericht die alte
Bezeichnung von Machland, es hieß fortan das Landgericht
Greinburg.
Die weitere Zerstücklung desselben durch die Löbl, wie
die Leble ihren schwäbischen Namen umformten, ist in den
Erläuterungen dargelegt. Vom Landgericht Greinburg ist nur
eine Grenzbeschreibung aus dem Zeitpunkte vorhanden, in
welchem die Abtrennungen längst vollzogen waren.*
Cuerzen, aUes in Rechberger pfarr: von demselben Cuerzen an die
Prandtstatt, von derselben Prandtstatt bis in die Kemathen, von der-
selben Kemathen bis aaf den Ebenhof, von demselben Ebenhof in
Altenborger Pfarr in den Wasenberg^, von demselben Wasenberg bis gen
Walckenstorf, von demselben Walckenstorf unzt gen Fuerrichten, von
demselben Fuerrichten in die Widen auf die Cappelstatt, von derselben
Capelstat fOr das Tannach, von demselben Tannach gen Molnegg, von
demselben Molnegg zu dem Gressing, von demselben Gressing bis zu
dem Nening in Münzbecker Pfarr, von demselben Nening bis an die
Kropfinühl unzt an den Preschnizhoff, von demselben Preschnizhoff gen
Pergkirchen bis hinaus auf die land straß, so gen Perg gehet, von
dannen der land straß nach hinaus in das außer Krottenthal bis zu
dem Stefan gen Oedt, von demselben Oedt dem weg nach an die
Kuchelmühl, von derselben mUhl hinauswerts gegen dem wasser bis an
die drey mühl, von derselben drey mühlen bis an die Überwax [Felsen
im Flußbette der Nam], von derselben Überwax unzt an die Ascher-
mahl in Altenbnrger Pfarr, von derselben mühl bis an die Tobatsch-
mtthl, alles dishalb der Nftrn gelegen.*
Die Ortlichkeiten finden sich alle auf der Souvent- und Schütz-
schen Karte, sie lagen noch im Landgericht. Tobatschmühle ist die
Toitschmühle an der Narn.
* Registratur vom Jahre 1689 im Schloßarchiv zu Greinburg.
' Im Herrschaftsurbarium vom 81. Dezember 1658 (im Schloßarchiv Grein-
burg Bl. 52 — 57) lautet die Grenzbeschreibung folgendermaßen: ,Er8t-
lichen fangt sich ermelter Herrschaft Greinburg Landgericht an zu Grein
mitten auf der Tonau und gehet derselben nach hinauf bis auf Ober
Seebem, wo die Aysst in die Tonau rint, Aisdan mitten der Ayssi
nach auf die Furthmühl, welche an der Gränniz: aber noch im Land-
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298
Das Bild, mit welchem die Darstellung schließt, ist ein
unerfreuliches, mag es mit den Augen des Historikers oder
gericht ligund, von daauen der StrasB hinaus nach ins Feld zum stainen
Creuz, von selbigem Creuz alBdann mitten dem weg nach auf Perg zu
dem Stain ausBer deß Spittals, wo der Perger Burgfiid angehet Item
mitten auf der stainnen Prucken zu Perg, so über die Näm gepauet,
fangt sich das Greinburgersche Landgericht wider an und gehet mitten
der Näm nach bis an die Straß underhalb der Kuchlmühl, derselben
8traß nach hinaus und neben des Edthofer Gründen an der LandstraB,
derselben StraB nach in das AusBer Krothenthal unczt auf Lebprun in
Pergkircher Pfarr, von dannen auf den Preschnizhoff, durch die stuben
übern Tisch hinauß in den Garten auf einen Stain, welcher ein March
sein soll, von dannen hinab an die Kropfmühl auf den Nening, zue
Nening übern Tisch, hernach auf den Grösßing bis zum obem Mollen-
eckh, von dar auf die Kopistatt ausserhalb Münßpach freystetterischen
Unterthan, hinaus zum Gattern auf die Straß, alwo die Überantwortung
der Maleiiz Personen von der Herrschaft Windhag aus beschieht, von
demselben Gattern hinab auf die Wibm flußhartischen Underthan durch
den Pachofen, von dannen zum Fierrichten bey der Wagenhitten, Über
den halben hof, durch ein fenster in die stuben und über das Tischeck
im Winkl wider zu einem Fenster hinaus, über das feld zum Gattern,
an die straß, derselben Straß nach gen Walckstorf auf den Waißenperg
auf den Ebmer, auf Prandtstatt zum Kurzen heißer, an die Ebm, der
StraB nach zum Wäntschen, bis an Prunn, zum Khellner, zum Fasschen
auf die Weegschaid, wo das Stainene Creuz stehet, hernach dem steig
nach, über den Plenckenperg zu der Linden, alwo drey Straßen zu-
samben gehen, so dann zum Eprechten, auf den Kienzlhof ob Bech-
berg, in das Khnebl Stainach, von dar zue dem Spätten, unzt auf die
Teutsch Mühl, vor dißem Tobatschmühl genant, von dannen mitten der
Näm nach an die Raabmühl, alwo das Ruttenstainische Landgericht
herzue raint, alsdann nach dem Rinsal neben des Puechperg Walt
gestracks hinauf zum Kragen Windhaagerischen Underthan, hernach
zum Pämber, dem steig nach zum Stainrucker bis mitten auf den Tisch,
von dannen zue dem Fuxen oder Fuchslueg, alsdann zu dem Fierholzer,
neben dem fenster fier, der straß nach zue des Fierholzersteg in den
Aupach, dem Pächel nach zue des Ärschers Gattern, von dannen bis in
die Langgrueb der Straß nach zum Schäzler, von dannen auf die
Fierstened, hemach auf die Haubtmans Edt in des Leitner Holz, zu
dem Kalten Printl, von dannen demselben Rinsal nach ab, hin bis in
Luegpach, demselben Pach hinauf under die Achleithen, ins Achleithner
Fürth, von denselben Fuerth hinauf in die Riglwis und in derselben
Waaßerspil hinauf bis in des Geringer Puechwis, zwischen dem Eyßner-
hof und Geringer Guet auf die Kalt gwandten, von dannen auf die
Straß so von [Pab] Neukirchen auf Minichdorf zuegehet, zue dem Gmain
Gattern hinauf, neben dem Koglperg fier, über die Eyßneredt in den
Haydgraben, hinab in Pechpach, demselben Pach nach in die groß
Näm, der großen Närn nach hinauf au die Kapplmühl bis mitten auf
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299
des Juristen betrachtet werden. Es waren tiberlebte Verhält-
nisse^ deren rechtzeitige Beseitigung Kaiser Josef 11. mit dem
die Pruckn, von dannen neben der Ehöni^wiser Pfarr hin auf den
Kaltenperg, auf Ebened, ins Creuzreith, in das Hirschenreith, von
dannen in das Ecklreith, bis in Nußpach, demselben Fach nach an
das Salspächl, demselben Pächel nach bis auf den Zägerl, auf den
Wezlsperg, von dannen auf Rempistorf, von daraus über den Nußpach,
an die Permühl, bis an Pernedt, zum Weixlpämber, von dannen alles
neben der Khönigwiser Pfarr auf Helmanschlag, volgents in die Grien
Näm, von der Grin Näm in Schwarzenpach an die under österr.
Gränizen, denselben Gränizen nach ab und ab bis an die Schanz bey
der Geigen, volgents der Gräniz nach ab neben des Geiger holz und
überlend in die Waßerspill unzt in den Sarmingbach an die Endles-
mühl, dem Pach nach an die Angermühl, bis an den Schmidt bei dem
Mihlperg, von dannen auf den Edthof, sodann über den Dipl hin in
den KOnigspach, demselben Pach nach an die Schreinmühl, unzt hin
in den Diesßenpach nach ab bis in die Tonau, mitten der Tonau
nach hinauf bis wider auf Grein.*
Das Landgericht Prandegg (nachmals Zellhof genannt, als Prand-
egg nach dem oberdsterreichischen Bauernkriege verlassen wurde) hat
keine eigene Grenzbeschreibung. Die Grenzörtlichkeiten waren: gegen
die Landgerichte Haus und Freistadt die Waldaist, gegen die Land-
gerichte Reichenstein und Schwertberg- Windeck Feibimühle, Stecken-
bacher, Vor und Hinter Dorfer, Holzer, Vorder und Hinter Binder, Hinter
Eder, Vorder Ebner, Steininger, Ober Danner, Leupoldslehner, Scherer,
Nußbaumer, Salomon, Schlappermilhle, Daxebner, Bart, Wachenbauer,
Puchner, Erler, Fischeder; gegen die Landgerichte Greinburg und
Rutenstein die Nam, Narnleitner, Roteneder, Gleichetseder, Fichner,
Hengstberger, Frag^er, Gruber, Ober und Unter Panbalm, Dandorfer,
Wol&ecker, Ober und Unter Dorminger, Galleder, Lackner, Enixlehner,
Lindeneder, Dorf Kolned, Unter Kolneder, Buchinger.
Ebensowenig ist eine Grenzbeschreibung von dem geschlossenen
Landgerichtsbezirk erhalten, welchen in der Pfarre Tragein Reichen-
stein aus dem Landgericht Greinburg erkauft hatte. Nach den alten
Grundbüchern waren in demselben Grenzpunkte gegen das Land-
gericht Windeck, Schwab, Ober und Unter Halmer, Narhamer,
Nußbaumer, Hochöllinger, Eder, Moser, Hinterberger, Gatterbauer;
Lehner, Knechtleitner, Dorf Erdleiten [fast ganz] gehörten nach
Windeck.
Das Landgericht Windeck begriff den Landstrich zwischen der
Aist — Waldaist und der Narn, von der Haudererstraße bei der Furt-
mühle an einschließlich der linken Seite des Dorfes Zeiling und des
Burgfriedens des nach Freistadt untertänigen Marktes Perg bis hinauf
nach Feiblmühl — mit Ausnahme des an Reichenstein gelangten Di-
striktes; gegen letzteren waren nach den alten Grundbüchern Grenz-
örtlichkeiten: Riegler, Grabner, Stadibauer, Ober und Unter Schmierreut,
Feistlinger, Danner, Lehner, Erdleiten, Knechtleitner. Im Jahre 1644
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300
Patente vom 20. August 1787 angestrebt hat. Nach der ktinftigen
Verwaltung der Kriminalgerichtsbarkeit sollten die vielen Land-
wurde kraft der Meggaoschen Erben Teillibell der Herrschaft Schwert-
berg das völlige Landgericht auf ihrem eigenen und ihrer Untertanen
Boden im Landgericht MauthauBen eingeräumt und vom Landgericht
Windeck der südliche Teil dazngeschlagen. Nach dem Schwertberger Urbar
vom Jahre 1680 (im Schloßarchiv Schwertberg) ,thuet selbes landgericht
oberhalb der Hamerschmiden und Mühl in der Clauß bey dem Windter
Wiß Gattern sich anfangen und von dorten rechte hand dem fahrtweg
nach hinauf zum Edtpauem gehen, von dorten aber der landtstraß
nach hinumb und der ordinaij Straß nach durch das Dorf zu Winden,
von dorten besagter ordinaij Straß hinab zum Pfleger Pächel, von
dorten hinauf zum Eissapaurn, von dannen hinauf zum Gattern, von
dorten hinumb zum Lettner, von dannen hinab zur Söllinger Straß bis
an die Weegschaidt, von dannen rechte Hand hinumb zum Hans
Grueber in die Au, von dorten zum Weber an der leuthen, von dannen
zum Mittermillner an der Näm und sodann nach der Närn abwerts bis
an den Markt Perg (massen denn solcher Marckt Perg sambt seinem
ganzen burgfirid zue solchem landgericht gehörig ist) und vonn dem
Markt Perg der landstraß nach herauf bis zu dem Stegmühluer an die
Aist, sodann der Aist nach aufwerts bis wider zum Winder wißgattem,
alwo dieser District sich angefangen*.
Beide Landgerichte wurden vom Pfleger zu Schwertberg verwaltet,
sie gingen schließlich unter der Bezeichnung Landgericht Schwertberg.
Die kleine enge Feste Windeck ist schon im 18. Jahrhundert zur Ruine
geworden, die an alte Tage gemahnend über die Berge hereinblickt;
auch von ihr werden bald die letzten Trümmer verschwunden sein.
Die Grenzen des Landgerichtes Waldhausen sind gegeben
durch die niederösterreichische Landesgrenze und die Markungen des
Landgerichtes Greinburg.
Das Landgericht Baumgartenberg war nur in der nächsten
Umgebung des Klosters geschlossen, reichte aber mit seiner Exemtion
tief in das Landgericht Rutenstein hinein, wo die ganzen Dörfer Mönich-
dorf und Mönichwald ihm untertänig und daher sicherlich auf Dotations-
boden gegründet waren.
Das Landgericht Arbing übte nur über das geschlossene Dorf
Arbing (1 — 56), in welchem das alte Schulhaus Nr. 22 erst durch
Vergleich 1821, 29. Dezember unter seine Jurisdiktion kam, dann über
das Wirtshaus 10 in Puchberg, die Häuser 12, 16, 17 in Obergaisberg,
20 in Gaisberg, 21 in Molleneck, 5 in Humelberg, 4 in Priehetsberg und
1 (Urtlmühle) in Eroising die hohe Gerichtsbarkeit aus. Das alte
Schloß, vormals Lehen der Herren von Kapellen und von Liechten-
stein, wurde 1905 vom Grafen Heinrich von Klamm-Martinitz an den
Wirt Joh. Schwaiger in Arbing veräußert.
Auch das Landgericht Kreuzen entbehrte einer Grenzbeschrei-
bung; nach dem Urbar über die ,Graffschafft Creuzen* ddo. 31. De-
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gerichte aufgehoben und flir jeden Kreis ein eigenes Kriminal-
gericht bestellt, mit dem Tage, an welchem die neuen Gerichts-
zember 1681 (im Schloßarchiv Greinburg) hat 1641, 21. Juni Graf Leon-
hard HelMd von Meggau für seine Grafschaft Creusen, welche in das
Landgericht Greinbarg gehörte, ein eigenes Landgericht bestimmt, ,docli
allein sovill und soweit als deroselben Burgfrid, Item dero zugehörigen
Grund-, Vogt- und Lehensunderthanen zu Hauß, Holtz, Feld und
Wasser berührt*; die Schranne wurde aus den Märkten Kreuzen und
Pabneukirchen besetzt. Das geschlossene Gebiet wurde nach Ausweis
des alten Grundbuches dargestellt, darüber hinaus nur exemte Kriminal-
gerichtsbarkeit ausgeübt
An Burgfrieden bestanden:
a) jener des Marktes Perg, welcher aber die heutige Katastral-
gemeinde Perg nicht ausfüllte. Im ältesten Marktbuche (See. XV im
schön geordneten Marktarchiv) findet sich über selben nur folgender
Vermerk: ,So melden wir auch unser purckfrid das höbt sich au an dem
strich vor dem Aichach an dem selbigen Rain und get auf unczt an
den Haidgraben an den selbigen rain und hebt sich an der schern an
den rain, und get heraus an Machlanter Wiß.* Mit Hilfe des Bürgers
U. Michael Frieß ließen sich jedoch die Markuugen in der Natur be-
stimmen.
b) Jener des Schlosses Kliugeuberg (nun Ruine).
Nach dem Urbar über die Herrschaft Klingenberg 1627, 24. De-
zember (im Linzer Museum): ,Nun ist zumerken der zierkl und umb-
schwaif so unser gerechtigkait und freyhayt antzaigt und hebt sich von
ersten an in dem Holler Pach und geet im pach hinauf untz an die Riglmul,
vonderRiglmul im pach hinauf bis in dieSachssn, von der Sachssn der straß
nach hinauf bis geen Masldorf, von demselben Masldorf der straß nach
hinauf untz auf die Haubtmans Odt, von der Haubtmans Ot der straß
nach bis in die Langgrueb, von der Langgrueb untz an das Waldkhag,
dem khag nach so der waldt umbfangen ist, untz an die Holler weydt,
von der Holler weydt widerumb untz in den Hollerpach so es sich an-
gefangen hat da endet es sich widerumb.*
e) Jener des Marktes Au (im fünfzehnten Abschnitte).
dj Jener des Marktes Hütting, gehörig zur Herrschaft Nieder-
wallsee, im Pantäding des Richters Friedrich Scheffman vom Jahre 1613
erwähnt, aber nicht beschrieben (Original im Linzer Museum). Der
kleine Markt hatte noch im Zeitalter des ersten Habsburgers eine
größere Bedeutung, denn im Habsburger Urbar (Dopsch, a. a. O. 235,
Nr. 26) wird das Marktgericht (Judicium in Hitting) neben dem Land-
gericht im Machland verzeichnet. Bürger (eiusdem loci concives) der
villa que vocatur Hitingen werden in einer Wilheriuger Urkunde vom
Jahre 1155 (Oberösterreichisches Urkundenbuch II, 276) genannt. Das
Strombett der Donau war einst ein ganz anderes als heute, nur durch
genaue technische Erhebungen könnte festgestellt werden, wo früher
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302
höfe ihre Tätigkeit beginnen, alle in dem betreffenden Kreise
bestehenden Landgerichtsherrlichkeiten erlöschen. Für das
Mühl- und Machlandviertel war der Magistrat zu Freistadt, für
die Landeshauptstadt und für die Staatsverbrechen der Magistrat
zu Linz als Kriminalgericht in Aussicht genommen.^
Bekanntlich scheiterte die ganze Reform; im Jahre 1788
sah sich der Kaiser veranlaßt, zu verfügen, daß mit der wirk-
lichen Errichtung der Kreiskriminalgerichte bis zur hergestellten
Ruhe zuzuwarten sei,* und nach seinem Hinscheiden (1790,
20. Februar) erging das Hofdekret 1790, 30. Juli, womach es
von der Bestellung von Kreiskriminalgerichten abzukommen
und es bei der alten Gerichtsverfassung das Verbleiben hatte.*
Die Landgerichte lebten wieder auf, doch ohne die Burg-
frieden, der kaiserliche Bannrichter zu Linz setzte seine Tätig-
keit fort.*
Allein die alten Gerichte setzten das Scheinleben nur zur
eigenen Qual fort, unwillig und in zunehmendem Maße von
der Regierung beaufsichtigt. Im März 1818 baten achtzehn
Landgerichte ob der Ens um Erleichterung ihrer so ungleich
verteilten Last der beträchtlichen Kosten; sie führten an, daß
ihre früheren Einkünfte aus Geldstrafen, Zwangsarbeit, erb-
losen Verlassenschaften durch die neuen Gesetze entfallen seien,
wogegen der Beitrag zum Provinzialstrafhause per Haus von
7 und 15 Kreuzern schon auf 45 Kreuzer gestiegen sei und
die Naufahrt gewesen, an welcher Hütting lag, bevor seine Häuser in
den Fluten der Donau verschwanden, soweit sie nicht zurückgesetzt
wurden. Es ist nicht zu kühn zu vermuten, daß Hütting in karolin-
gischer Zeit ein besuchter Landungsplatz war.
Der Ort gehörte unter die Herrschaft Freistadt, bis Herzog Al-
brecht 1396, 14. November (Ödtsches Handbuch, S. 33) dem Heinrich von
Walsee erlaubte, die Güter zu Hütting, die zur landesfürstlichen Herr-
schaft der Freistadt gehörten, zu seinem neuerbauten Schlosse Nieder-
w^allsoe an sich zu lösen.
* Fasz. 1 Nr. 90 ex 1786 im Archiv des Justizministeriums.
' Note der vereinigten Hof kanzlei 1788, 26. Febmar, Fasz. 17 Kriminal-
gerichte 1788 daselbst.
' Fasz. 1790, Nr. 1 im obergerichtlichen Archiv in Wien.
* Interessante Instruktion 1782, 7. November für den letzten kaiserlichen
Bannrichter, den Advokaten Dr. Josef Pflügl in Linz, im Fasz. 1, Nr. 26
ex 1782 daselbst.
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303
sie außerdem die Kosten für den Strafvollzug unter einem Jahre
Kerker oder einem halben Jahre schweren Kerker selbst zu
tragen hätten. Die oberösterreichischen Stände, hierüber ein-
vernommen, sprachen sich für eine möglichst gleichmäßige Ver-
teilung der Strafhausbeiträge und uneinbringlichen Unter-
suchungskosten unter alle Untertanen und Obrigkeiten aus.
Mit Allerhöchster Entschließung 1819, 3. März wurden nun die
Kosten der Erhaltung des Provinzialstrafhauses auf das Kon-
kretum der ganzen Provinz und die Kosten für jene Verbrecher,
welche an einem anderen Orte ihre Strafe zu verbüßen hätten,
wegen Raummangels an bestimmten Orten aber im Linzer
Strafhause vorderhand verbleiben müßten, auf das Arar über-
nommen. ^
Über die Exemtionen berichtete Appellationsrat Enderle
nach der im Jahre 1818 gepflogenen Untersuchung der Land-
gerichte im Mühl- und im Traunviertel und in dem unter
österreichischer Landeshoheit gebliebenen Teile des Hausruck-
viertels. Er bemerkte, daß durch dieselben eine Verwirrung
in den Grenzen der Kriminaljurisdiktion entstehe, deren nach-
teiligen Folgen durch die Distriktskommissariate nur teilweise
abgeholfen werden könne. Die ordentlichen Kriminalgerichte
würden die Jurisdiktion über die exemten Untertanen nicht
übernehmen wollen, weil die Beiträge zur Erhaltung des Straf-
hauses in Linz nach der Anzahl der jedem Kriminalgerichte
zugewiesenen Häuser verteilt werden, mithin die ordentlichen
Landgerichte mit der Kriminalgerichtsbarkeit über die Exi-
mierten auch einen größeren Kostenbeitrag übernehmen müßten.
Er beantragte gleichmäßige Verteilung auf alle Obrigkeiten des
Landes, wodurch die große Schwierigkeit in der Aufhebung
der Exemtionen gehoben werden möge.* Daß letztere nicht
durchging, wurde in den Erläuterungen gesagt.
Endlich brachte die Organisation des Jahres 1849 die
Aufhebung der altersschwachen Patrimonialgerichtsbarkeit, die
Bestellung landesftirstlicher Organe und die Trennung der
* Jostizministerialarchiv I, Fasz. Kriminalgerichte ob und unter der
Eng 30, Nr. 8, Jahrgang 1818.
' A. a. O. Als Kuriosum mag angeführt sein, daß die letzte Justifi-
kation (Henken einer Mörderin) im Jahre 1848 auf der Donanteiten
durch das Landgericht Marsbach vollzogen wurde.
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304
Verwaltung von der Rechtspflege zuwege, zu welcher auch
nach dem Rückschritte des Jahres 1854 der Staat im Jahre 1868
zurückgekehrt ist.
Die nachstehende kurze Übersicht verbindet die Vergan-
genheit mit der Gegenwart.
Die mit Ministerialverordnung vom 9. August 1849 (kais.
Entschließung vom 26. Juni 1849) verfügte Organisierung der
landesfürstlichen Behörden hob die 1749 — 1753 eingeführten
Kreisämter auf; das sogenannte Mühlkreisamt, 1779 fUr die ver-
einigten Viertel im Norden der Donau zuerst in Freistadt, dann
in Urfahr, sonach in Linz amtierend, schloß seine Tätigkeit mit
Ausgang des Jahres 1849. Die Verwaltungsgeschäfte wurden
den neu errichteten Bezirkshauptmannschaften Rohrbach (ftir die
Bezirksgerichte Rohrbach, Aigen, Lembach, Haslach und Neu-
felden), Freistadt (für die Bezirksgerichte Freistadt, Leon-
felden, Unter- Weißenbach) und Grein (für die Bezirksgerichte
Grein, Perg, Pregarten und Mauthausen) zugewiesen und die
Sprengel der Bezirksgerichte Urfahr und Ottensheim der Be-
zirkshauptmannschaft [Umgebung] Linz zugeteilt.
Die neuen staatlichen Gerichte nahmen ihre Tätigkeit mit
Ende Mai 1850 auf, mit welchem Zeitpunkte die Patrimonial-
gerichtsbarkeit eingestellt wurde. Für geringere Verbrechen
und Vergehen funktionierten die Bezirksgerichte Rohrbach und
Freistadt für die betreffenden politischen Bezirke als Spruch-
strafgerichte (Kollegialbezirksgerichte).
Die mit Ministerialverordnung vom 19. Jänner 1853 (kais.
Entschließung vom 14. September 1852) beschlossene Rück-
bildung der Behördenorganisation führte mit Ende September
1854 sogenannte gemischte Bezirksämter, welche zugleich Ver-
waltung und Rechtspflege besorgten und teilweise (Rohrbach,
Aigen, Leonfelden, Freistadt, Grein) Kriminaluntersuchungs-
gerichte waren, sowie als Aufsichtsbehörde und Zwischeninstanz
wieder Kreisbehörden ein. Letztere (in Linz) wurde gleich
jenen in Steyr, Wels, Ried infolge Ministerialverordnung vom
19. Dezember 1859 mit 30. April 1860 wieder aufgelassen.
Territoriale Grenzänderungen waren nur bei den Gerichten
Rohrbach und Neufelden eingetreten; ersteres hatte die Katastral-
gemeinde Oberkapell an Lembach, letzteres die Katastral-
gemeinde Stamering an Ottensheim abzugeben.
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305
Gemäß dem Gesetze vom 19. Mai 1868 verschwanden mit
Ende August 1868 wieder die gemischten Behörden und traten
die Bezirkshauptmannschaften und die Bezirksgerichte^ nicht
mehr aber die Bezirkskollegialgerichte wieder ins Leben; der
Sitz der Bezirkshauptmannschaft Grein wurde nach Perg ver-
legt. Im Jahre 1904 endlich wurde aus den Gerichtsbezirken
Lfeonfelden, Ottensheim und Urfahr die neue Bezirkshaupt-
mannschaft Urfahr gebildet. Der Gerichtsbezirk Pregarten
wurde nunmehr dem Verwaltungsbezirke Freistadt zugeteilt.
Nachträge.
Zu S. 263 des vierzehnten Abschnittes.
Die Verpflichtung der Florianer Holden von S. Peter, bei
der Landschranne zu Velden ,als Sybmer auf dem Pänkl zu
sizen', welche erst im Jahre 1461 erlassen wurde (Velden
254/182), bedarf der Aufklärung, da dieselben außerhalb der
,Graf8chaft^ saßen, das Gericht aber aus den Dingpflichtigen
zu besetzen war. Diese besondere Last kann nur aus dem
Vogtrechte abgeleitet werden, welches das Hochstift Passau
über das Kloster Amt am Windberg ausübte (Urbar von Mars-
bach 1667, Bl. 534) und schon Herzog Albrecht H. in dem
Streite der Brüder Reinprecht und Friedrich von Walsee-Ens
als Pfandherren von Wachsenberg 1346, 20. August anerkannte
(Oberösterreichisches ürkundenbuch VI, 559). Aus letzterer Tat-
sache ist zu folgern^ daß das in der Regel dem Landgerichts-
herm zukommende Vogteirecht auf die Zeit vor dem Jahre 1 220
zurückgeht, von Heinrich von Griesbach -Wachsenberg dem
Hochstifte ebenfalls als Lehen aufgetragen und mit seinem Tode
heimf&llig wurde. Die Übung, die Florianer Holden als Schöffen
(Beisitzer des Rechten) in der Dingstätte zu Velden zu ge-
brauchen, dürfte aus dem Zeitpunkte stammen, in welchem die
Herren von Griesbach den Besitz östlich und westlich von der
Großen Mühel, jeden mit Grafenrechten ausgestattet, vereinigten;
in dieser Periode mag Velden die gemeinsame Malstätte gebildet
haben, welches Verhältnis mit dem Übergänge von Wachsen-
berg an die Babenberger aufhörte, wogegen die Schöffenpflicht
verblieb.
▲rchiT. XCIY. Bud. 21
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306
Zu S. 288 des fünfzehnten Äbsohnittes.
Das Franenkloster Nonnberg in Salzbarg genoß fdr seine
Eigenlente in Steg und Grindberg bei Urfahr-Linz keine
Exemtion. Über ihre Erwerbung ist keine Urkunde erhalten
gebheben; sie werden als Amt zu Linz ,enhalb der Donau'
schon im Urbar vom Jahre 1312 verzeichnet und in jenem
von 1405 (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landes-
kunde XXIII, 72) und im alten Grundbuche Nonnberg (Bezirks-
gericht Urfahr) spezifiziert. Nach der Lage der Güter auf
altem Wildberger Boden und der vom Schlosse in Linz (vgl.
Geburt des Landes ob der Ens S. 99) ausgeübten (Erb-) Vogtei
ist kaum zu zweifeln, daß sie eine Schenkung der Freien von
Haunsperg aus dem 12. Jahrhundert sind.
Berichtigungen.
Die auf S. 101 Anmerkung 2 angeführte Urkunde K. Friedrichs II.
fällt in das Jahr 1218, nicht 1215.
Zu Seite 203. Vorausgesetzt, daß die Zahl der Indiktion in einer
Urkunde des Klosters Obermünster (Reg. Boic, II. 168) richtig ist, tritt
Kalhohus comes de Kirchperc noch im Jahre 1227 als Zeuge auf und wäre
er dann in diesem Jahre oder anfangs des nächsten aus dem Leben ge-
schieden.
Zu Seite 209. So eingewurzelt die Schreibweise II zst ad t seit Jahr-
hunderten ist, so wenig ist sie richtig. Sie bedeutet weder eine Stätte
noch eine Stadt an der Uz, sondern das Gestade der Ilz bei deren Mün-
dung. So sprach und schrieb man noch im Beginne des 15. Jahrhundertes
„am Dzstad« (Lang, Regesta Boic, VL 108, XIL 197).
Zu Seite 258» Anmerkung Punkt 18 hinzuzufügen: sowie der Höfer-
hof zwischen Neufelden und Altenfelden.
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ANHANG.
Berichtigang von Ortsbestimmungen in der Abhandlung:
^Versuch einer Geschichte der passauischen Herrschaft
im oberen Mühlviertel, namentlich des Landgerichtes
Velden bis zum Ausgang des Büttelalters' 1860.
S. 134 Enczenmannesrawte nicht: Ensmansreut Pfarre Peilstein,
sondern: Ensmansreut Pfarre Waldkirchen in der
Abtei.
„135 Chranabiten nicht: bei Pntzleinsdorf, sondern: Krana-
witen Pfarre Griesbach.
„ 138 Chwzam (Chriuzam) = Kreuzmair.
„ 144 alten walde, potenrevte, Wuslage, Haselpach nicht: in
der Abtei, sondern: Pfarre Altenfelden.
„ 146 Chlafpach nicht: Klaffer, sondern: Klaffenbäckgut Pfarre
St. Ägidi.
„ 170 mayrhoph nicht: Pfarre Rohrbach, sondern: Pfarre Lem-
bach.
„ 174 Neundorf nicht: Unter-Neudorf Pfarre Aigen, sondern:
Ober-Neudorf Pfarre Opping.
„174 vischbach nicht: Ober-Fischbach, sondern: Unter-Fisch-
bach.
„174 mairhof nicht: Mairhof, sondern: Ober-Mairhof.
„ 174 Schererseodel: Scherer in Stubbach zu Salaberg.
„ 174 Aczelsperger nicht: Atzleinsberg Pfarre Neufelden,
sondern: Azesberg Pfarre Sarleinsbach.
„ 154 wantschaben nicht: Wandschamel Pfarre Rohrbach,
sondern: Wandschamel Pfarre Lembach.
„154 Horowe nicht: Harau Pfarre Rohrbach, sondern: Harau
Pfarre Lembach.
„182 Stirberch nicht: Stierberg Pfarre Altenfelden oder
Opping, sondern: Pfarre Peilstein.
2l»
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308
S. 182 chirslach nicht: in Böhmen, sondern: Kirchbach Pfarre
Peilstein.
„ 182 Marchslag nicht: in Böhmen, sondern: Markschlag bei
Kirchbach.
„ 182 niundorf nicht: Unter-Neudorf Pfarre Aigen, sondern:
Ober-Neudorf, Pfarre Opping.
„183 Newndorf nicht: Unter-Neudorf Pfarre Aigen, sondern:
Ober-Neudorf Pfarre Opping.
„189 Hof von Veucht nicht: Pfarre Lembach, sondern:
Feuchtner in Bayrach bei Neufelden.
„189 Rudmansdorf soll heißen: Erdmansdorf Pfarre St. Peter.
„ 198 Lädnicz nicht: Mülbach, sondern: Lanizbach.
„ 202 Aerlaspach nicht: in der Abtei, sondern Saerlaspach =
Sarleinspach.
„ 332 Engelmanstorf nicht: Erdmanstorf, sondern: Emerstorf
Pfarre Pfarrkirchen.
„ 109 ist bei Hodansreut die Erklärung: ,(Ozerreut an der
südlichen Grenze der P&rre Rohrbach)' zu streichen.
Diese Auslegung hatte zuerst Pillwein (Mtihlkreis 11,
201) und nach ihm der Verfasser und schließlich PröU
(Schlägl S. 35, Anm. 3) gegeben; allein der Haibach
und der Zagelbach, zwischen welchen zwei Bächen
Hodansreut gelegen war, befinden sich nicht bei Ozer-
reut. Ersterer entspringt vielmehr unterhalb Breiten-
stein, fließt östlich am Brandl- und am Haiberger-
gute vorbei und fällt gegenüber der Bemdlmühle in
die Große Mühel; letzterer hat seine Quelle am Hoch-
buchet, rinnt in nordöstlich gerichtetem Laufe in der
Tiefe unter dem Dorfe Zaglau vorbei und mündet
bei der Brücke, welche der Verbindungsweg von der
Straße Schindlau-Rudolfing nach Zaglau überschreitet,
gleichfalls in die Große Mühel. Zwischen diesen
beiden Bächen erhebt sich das Dorf Kerschbaum, in
welchem Hodansreut zu erblicken ist; mit dieser An-
nahme stimmt auch die Tatsache, daß noch bis zum
Jahre 1303 der ganze Längenstrich vom £[rennbach
bis an den Finsterbach in der Innehabung der
Haichenbacher gewesen ist.
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Inhaltsverzeichnis.
Vorwort 86
Erster Abschnitt 90
Der große Nordwald. Das karoling^he Rosdorf gleich-
bedeutend mit dem späteren Landshag. Die comitatus ex antiqao
ad marchiam pertinentes, quo« tres dicunt, des Bischofs Otto von
Freising; die neueste Deutung derselben nach Uhlins.
Zweiter Abschnitt 106
Der Schweinachgau; dessen reeller Inhalt
Dritter Abschnitt 113
Gang der Kolonisation im Nordwalde. Ehemalige Grense
zwischen Bayern, Böhmen und OberOsterreich. Die ,altitudo
silvae Boemiam et Bavariam dividens* im Hohenfurter Stiftbriefe.
Vierter Abschnitt 133
Über den Zeitpunkt der Änderung der vormaligen Grenzen
zwischen Böhmen und Oberösterreich und der Angliederung des
Gebietes im Norden der Donau an das Land ob der Ens.
Fünfter Abschnitt 188
Das 12. Jahrhundert. Die großen freien Geschlechter und
der Kirchenbesitz.
Sechster Abschnitt 150
Eppo von Windberg und Bernhard an der Mühel. Die Herren
von Schönhering und Blankenberg. Übersicht ihres Besitzes auf
oberösterreichischem Boden. Ihr Aussterben.
Siebenter Abschnitt 161
Auftreten der Witigonen am Ostufer der Großen Mtthel.
Nachweis ihrer Besitzungen auf heutigem oberösterreichischen
Boden. Die Siegellegende der Worliker Urkunde vom Jahre 1220.
Die Witigonen sind ein Seitenzweig der Blankenberger.
Achter Abschnitt 178
Die Burg Falkenstein zu allen Zeiten im Besitze hochfreier
Geschlechter. Adalram von Falkenstein 1140. Kaihoch von
Falkenstein um 1180. Übergang an die Krummauer Linie der
Witigonen; Zawisch von Falkenstein. Die ersten Stifter von
Schllgl nicht Besitzer, sondern Burgmannen von Falkenstein.
Stammtafel derselben; ihre beurkundeten Besitzungen. Stiftung
von Schlftgl, Vogtrecht der Herrschaft Falkenstein. Rannarigel
auf ursprünglich Griesbachschem Boden Stammbesitz der Mi-
nisterialen von Falkenstein.
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310
Seite
Neunter Abschnitt 206
Anwachsen des Besitzes des Hochstiftes Passan. Erwerb der
Grafischaftsrechte im Uzgau. Passan Beichsfürstentnm.
Zehnter Abschnitt 210
Übergreifen der Habsburger auf das passauische Territorium.
Begründung der österreichischen Landeshoheit im Mühellande.
Elfter Abschnitt 217
Das Landgericht Velden, die Herrschaften Falkenstein und
Bannarigel.
Zwölfter Abschnitt 241
Das Landgericht Haslach.
Dreizehnter Abschnitt 245
Landgerichte Wachsenberg und Oberwallsee.
Vierzehnter Abschnitt 252
Kartographische Darstellung des Bestandes der Grundherr-
schaften im Ilzgau vor Erwerbung der Grafschaftsrechte durch
die Kirche Passau. Bückschluß auf die Art der Kolonisation in-
folge königlicher Schenkung oder durch Landnahme. Das Diplom
K. Heinrichs H. für Niedemburg.
Fünfzehnter Abschnitt 282
Die Riedmark. L Das alte Landgericht Freistadt und seine
Zweige.
Sechzehnter Abschnitt ^ 293
n. Das Landgericht Machland und die Abteilungen desselben.
Nachträge 305
Anhang 307
Topographische Berichtigungen zur Abhandlung vom Jahre 1860.
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für
österreichische Geschichte.
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Herausgegeben
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Historisclien Kommission
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kaiserlichen Akademie der Wissenflchaften.
ViemiidueaiiKigiiler Kautl.
Zweite HiAlfte.
Mit 1 Kartö und 1 KarteUÄki'ÄKe im Ttaxtö,
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Wien, 1907.
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für
österreichische Qeschichte.
Herausgegeben
TOD der
Historischen Kommission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Vierundneunzigster Band.
Zweite Hälfte,
liit 1 Karte und 1 Kartenskizze im Texte.
Wien, 1907.
In Kommission bei Alfred Holder
k. n. k. Hof- und UniTersitftts-Bncbh&ndler
Bnebh&ndler der kaiMrlichen Akademie der Wissensehftften
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V.
IMMUNITÄT,
GRUND- UND LEIBHERRLICHE
GERICHTSBARKEIT
IlSJ StTDTIROL.
TON
D" HANS VON VOLTELINI.
ArdiW. 94. Baii4, II. Hillt«. 22
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Immunität und grundherrliche Gkrichtsgewalt stehen ge-
genwärtig wieder im Mittelpunkte lebhafter Erörterung. Noch
immer sind die Meinungen über die Bedeutung der Immunität
und Grundherrschaft für das Verfassungs-, Wirtschafts- und
Kulturleben der deutschen Nation geteilt. War es das Ver-
dienst Th. y. Sickels^ den Inhalt der karolingischen Immunität
klargelegt zu haben^ so hat Brunner den Ursprung der Immuni-
tät und grundherrlichen Gerichtsgewalt aufgedeckt. Manche
Forscher, wie G. L. Maurer, Nitzsch, in neuerer Zeit Th. v.
Inama-Stemegg und namentlich Lamprecht haben die Bedeu-
tung der Grundherrschaft sehr hoch angeschlagen, aus Immuni-
tät und Grundherrschaft geradezu den deutschen Territorial-
staat hervorgehen lassen. Dem ist längst widersprochen worden,
es sei nur an Waitz, Heusler und v. Below erinnert. Das
große Verdienst Richters war es, an einem bestimmten Bei-
spiele nachgewiesen zu haben, daß nicht einmal fUr die geist-
lichen Fürstentümer die Immunität, sondern daß die Erwerbung
der Grafengewalt zur Bildung des Territoriums geführt hat
In neuester Zeit hat Seeliger den Inhalt der Immunität, ihr
Verhältnis zur Grafengewalt wieder in Diskussion gestellt, die
noch nicht abgeschlossen ist. Seine Ansichten haben in der
Mehrzahl geteilte Aufnahme gefunden. Man hat sie nicht für
so neu angesehen als sie der Verfasser selber hielt, und man
hat sie nicht durchweg gebilligt. Aber man ist fern davon,
in jene Überschätzung zurückzufallen, die der Grundherrschaft
früher vielfach zuteil geworden ist. Auch hier muß die Detail-
forschung einsetzen. Ek wird sich namentlich verlohnen, nach-
zuforschen, was im einzelnen Falle aus Immunitäten und Grund-
herrschaften geworden ist. Aus den Ergebnissen wird sich
mancher Rückschluß auf die früheren Zeiten ziehen lassen und
22*
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314
die Bedeutung der Immunität für die Weiterentwicklung von
selber ergeben. Es dürfte sich zeigen^ daß die Immunität in
einzelnen beschränkten Fällen allerdings die Grundlage fiir die
Ausbildung der Landeshoheit geboten hat, wie dies Eduard
Richter in seinem Aufsatze: Immunität, Landeshoheit und Wald-
schenkungen, der leider der letzte des hochbedeutenden Ge-
lehrten bleiben sollte, ausgeführt hat, daß in anderen Fällen
hohe und niedere Gerichte aus ihr erwachsen sind, daß endlich
manchmal eine hochentwickelte Immunität spurlos verschwun-
den ist.
Wenn der Verfasser dieses Aufsatzes nun daran geht,
sein im ersten Beitrage dieses Archivbandes • gegebenes Ver-
sprechen einzulösen und die Resultate seiner Forschung über
Immunität, leib- und grundherrliche Gerichtsbarkeit vorzulegen,
so geschieht dies doch nicht in dem Umfange, wie er früher
beabsichtigt hatte. Damals dachte er daran, diese Verhältnisse
auch für Deutschtirol zu verfolgen. Nach dem Tode Josef
Eggers konnte Deutschtirol für den historischen Atlas ab ver-
waist gelten. Seitdem ist jedoch für diesen Teil ein neuer Mit-
arbeiter gewonnen worden, dem mit Fug und Recht diese Arbeit
überlassen werden konnte. Beschränkt sich somit der Verfasser
auf das Bistum Trient, so hat damit seine Arbeit freilich sehr
an Wert eingebüßt. Denn keineswegs spielt die Immunität in
Südtirol die gleiche Rolle wie im Bistum Brixen und im churi-
schen Teile des Landes. Für Trient liegt nicht wie für Brixen,
zum Teile auch für Chur eine fast ununterbrochene Reihe von
Immunitätsverleihungen und Bestätigungen vor, vielmehr fehlen
solche gänzlich. Auch die Weiterentwicklung der Immunität
wird sich in Deutschtirol als viel interessanter und wichtiger
darstellen, aber auch schwieriger zu verfolgen sein. In diesem
Zusammenhange wird sich wohl auch die Frage lösen lassen,
wie jenes bescheidene Gebiet entstanden ist, in dem der Bischof
von Brixen eine landesfürstliche Gewalt behauptet hat, es wer-
den die eigentümlichen Verhältnisse des Vintschgaus, die sich
vielfach kreuzenden Rechte und Ansprüche der Bischöfe von
Chur und der Grafen von Tirol zu verfolgen sein, es wird die
Ausbildung der landsässigen Exemtionen um so zu sagen fest-
zustellen sein, die für Sonnenburg und Wilten angeblich noch
in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts, also weiter als die
landesfürstlichen Exemtionen in Niederösterreich zurückreichen,
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315
eine Frage, die indes erst nach kritischer Untersuchung der
Verleihungsnrkunden, die höchstwahrscheinlich Fälschungen sind,
gelöst werden kann.
Was somit fbr diese Arbeit übrig bleibt, ist dürftig genug.
Das Hochstift Trient hat, wie gesagt, fast alle seine älteren
Kaiserurkunden, insbesonders alle seine Immunitätsprivilegien,
wenn es solche besaß, verloren. Dagegen haben wir sehr ein-
gehende Kunde über die Zustände einer Immunität in Südtirol,
die sich im Besitze des Domkapitels von Verona befand. Frei-
lich kann diese Grundherrschaft mit der des Klosters Monte-
cassino an Bedeutung keinen Vergleich aushalten,^ doch walten
zwischen der Entwicklung Nord- und Süditaliens derartige Unter-
schiede, daß Verona immerhin als Typus einer norditalienischen'
Immunität sein Interesse zu behaupten vermag. Aber auch fbr
Trient werden sich in diesem Zusammenhange Fragen aufdrän-
gen, die ihre volle Beantwortung noch nicht gefunden haben,
über die Gastaldenverfassung und vor allem über die Bedeutung
der Vogtei, Fragen, deren Lösung nicht nur für die Geschichte
der Gerichtsverfassung von großer Bedeutung ist. Dann wer-
den die vorhandenen gerichtlichen Exemtionen f\ir andere geist-
liche Stiftungen zu betrachten sein. Wichtiger wird es dann sein,
die Zeugnisse über die grund- und leibherrliche Gerichtsbarkeit,
die dem Adel zukam, zu verfolgen. Sind wir für Deutschtirol
in diesem Punkte nur auf dürftige Angaben beschränkt, wissen
wir, daß im allgemeinen diese Gerichtsbarkeit nur geringe Be-
deutung hatte, die öffentlichen Landgerichte sich vielmehr auch
die niedere Gerichtsbarkeit über alle Insassen bewahrten, so
hat im Gegenteile diese Gerichtsbarkeit in Südtirol allgemein
bestanden und sich in eigentümlicher Weise fortgebildet und
auf die spätere Gestaltung Einfluß geübt, bis sie in den letzten
Jahrhunderten des Mittelalters mehr und mehr an Bedeutung
verlor. Was der Verfasser in seiner früheren Arbeit: ,Über
die Entstehung der Landgerichte im bayrisch-österreichischen
Rechtsgebiete' nur knapp andeuten konnte, das weiter auszu-
^ Deren eingehende Schilderang bei Salvioli, Atti e memorie della Depnt.
di Storia patria delle provincie Modenese e Parmese, Ser. HI, Bd. 6,
1061
' Im rechtshistoriflcheu Sinne, wenn auch nicht der politischen Zugehörig-
keit nach.
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316
führen fühlt er sich umsomehr verpflichtet, als er glaubt, daß
dieser Gegenstand doch ein mehr als lokales Interesse besitze,
daß sich aus seinen Quellen wichtige Auskünfte von allgemeiner
Bedeutung ergeben. Und so möge diese Arbeit als beschei-
dener Baustein zur Geschichte der deutschen Gerichtsverfassung
freundlich aufgenommen werden.
L Die Tnunnnität des Domkapitels von Verona
in Südtirol.^
Ein glücklicher Zufall gestattet uns einen Einblick in die
Verwaltung eines Immunitätsgebietes in Südtirol zu Ende des
12. und Beginn des 13. Jahrhunderts, wie uns ein solcher nicht
oft ermöglicht sein wird. Wir sind ja für die Frage nach
Umfang und Inhalt der Immunität in der Regel auf die Immuni-
tätsverleihungen angewiesen, die, selber formelhaft und häufig
Vorurkunden nachgebildet, der Erklärung bedürfen und der
subjektiven Aufi^assung mehr oder weniger freien Spielraum
lassen. Hier liegt uns eine beträchtliche Anzahl von Urkun-
den vor, die über die Verwaltung und Rechtsverhältnisse der
Immunität, über die Rechte und Gerichtsbarkeit des Grund-
herrn, über die Beziehungen der Grundholden zueinander, die
Art, wie hier Gericht gehalten wird, aber auch über die An-
feindungen, welche die Immunität von seite des Inhabers der
Grafengewalt und benachbarter Großer findet, ein ziemlich
deutliches Bild geben. Der Vergleich mit einer zweiten Im-
munität in Südtirol, von der wir nähere Kunde haben, wird
uns das Stehende in diesen Verhältnissen umsomehr erkennen
lassen. Schon Julius v. Ficker hat auf diese interessanten Ver-
^ Es erübrigt dem Verfasser die angenehme Pflicht, bei diesem Anlasse
dem hochwürdigen Herrn Bibliothekar des Domkapitels yon Verona,
Don Antonio Spagnolo, der ihm bei seinen Stadien im Archive des Dom-
kapitels Herbst 1901 die mühevollste und weitgehendste Förderung «u-
teil werden Heß, den ergebensten und wärmsten Dank auszudrücken.
Möge das Domkapitel sich entschließen, den Schatz seiner Urkunden,
der bei der großen Etschüberschwemmung des Jahres 1882 in eiliger
Flacht gerettet werden mußte und seitdem in Unordnung geraten ist,
wieder zu ordnen, und möge der Herr Bibliothekar, seinen Vorsatz aus-
führend, zur Veröffentlichung eines Veroneser Urkundenbuches schreiten,
beziehungsweise in die Lage versetzt werden, ein so kostspieliges Unter-
nehmen in Angriff nehmen zu können.
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317
hältnisse hingewiesen' nnd eine Anzahl von Urkunden^ die
sich auf die Immunität beziehen, im vierten Bande seiner iFor-
schnngen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens zum Ab-
drucke gebracht.
Die Besitzungen des Domkapitels von Verona umfaßten
im Gebiete der Grafschaft Trient die vier Dörfer in Judikarien
BondOy Bolvene^ Zuclo und Breguzzo, sämtliche in der Bezirks-
faauptmannschaft und im Bezirksgerichte Tione gelegen, in
einem Halbkreise südlich bis östUch an die Gemeinde Tione gren-
zend^ dann den Hof Badabiones, von dem die Quellen melden,
daß er sich im Lagertale befand, ohne daß sich seine Lage
näher bestimmen ließe.*
Der Besitz der drei Dörfer in Judikarien wird in einem
Diplom Kaiser Berengars I. von angeblich 916' auf eine
Schenkung des Bischofs Notker an das Domkapitel zurückge-
führt. Wäre diese Urkunde echt, dann würde bereits auf ihr
die Immunität des Domkapitels beruhen. Denn Berengar ord-
net nicht nur an^ daß das Fodrum in Berguzzo, Bolbeno und
Bondo nicht mehr an den Fiskus, sondern ans Kapitel gezahlt
werden solle, er überträgt auch die placita und districtus, Ge-
richte und Banne dem Domkapitel. Indes die Echtheit der
Urkunde ist bezweifelt; schon der erste Herausgeber De Dio-
nisiis* hat sie bestritten. Doch manches der formalen Gebrechen,
die er rügt, wie die Nennung der Kaiserin Bertiila, die zur
Zeit der angeblichen Ausstellung des Diploms bereits tot war,
als Intervenientin ließe sich zur Not erklären, wie denn auch
CipoUa in den Mitteilungen des Instituts, Bd. 2, 95 n. 1 in der
Tat nach Beseitigung dieser und ähnlicher Schwierigkeiten eine
Rettung der Urkunde versucht hat.
^ Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens 3, 406, Nach-
trag zu § 126.
• Bonelli, Notizie intorno al heato Adelprete 2, 45 f., identifiziert ihn mit
V6 hei Avio; Tartarotti, Memorie antiche di Rovereto 22, suchte ihn in
Yadaione in Rendena; doch sagt das Testament des Bischofis Notker von
927, Not. 16, De Dionysiis, De duohus episcopis Aldone et Notingo 103:
Curte mea .... in Lagarense, ubi dicitur Badabiones; vgl. Christian
Schneller, Tirolische Namensforschung 6 f. Durig vermutet (Bemerkung
zur Kopie der Urkunde) Patone, Bezirk Nogaredo, und dürfte damit
wohl das Richtige getroffen haben.
• Schiaparelli, Fonti di storia dltalia, Diplomi di Berengario I, Nr. 113•
* a. a. O. 30 f.
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318
Bedenklicher ist es, daß Notker, den das Diplom als
Scheoker bezeichnet, wenige Jahre hernach neuerdings als
Eigentümer der drei Dörfer erscheint und über sie nunmehr
in anderem Sinne verfügt, indem er sie als Ausstattung einem
Siechenhause (xenodochium) zuweist.^
Freilich ist hier von decaniae die Rede, dort von villae.
Beide Ausdrücke sind jedoch zweifelsohne hier als gleichwertig
anzusehen und bezeichnen denselben räumlichen Bezirk.' Doch
auch diese Schwierigkeit ließe sich lösen, wie dies Don Antonio
Spagnolo in der Tat mit Glück versucht hat;' denn der Bischof
konnte irgendwie neuerdings in den Besitz der Dörfer durch
Tausch oder Kauf vom Domkapitel gelangt sein. Dann hat
Notker seine Stiftung der Aufsicht des Domkapitels unterstellt,
so daß ihr Vermögen sehr wohl im weiteren Sinne zum Besitze
des Domkapitels gezählt werden konnte. Die Wiedererwerbung
kann aber umsoweniger auffallen, als auch der Hof Badabiones
den Notker ebenfalls seinem Xenodochium zugewendet hatte,
bereits im Jahre 983 wieder im Besitze des Kapitels sich befand.^
Schon Otto I. hat im Jahre 951 dem Domkapitel den Besitz
zweier Xenodochien bestätigt, von denen eines durch Notker
im Jahre 921 gestiftet worden war,* freilich sich nicht mit dem
927 bedachten deckte. Trotz dieser Rettungsversuche hat Schia-
parelli in der Anmerkung zur Ausgabe des Diploms die Echt-
heit^ die er früher anzunehmen geneigt war, bezweifelt und die
Urkunde für eine Fälschung nach dem Diplome Heinrichs UI.
(Stumpf 2338) erklärt. Schon früher hatte Breslau ebenfalls
Fälschung angenommen, die er nach 1027 setzte.^ Darüber
nun, daß eine Fälschung vorliegt, lassen die Formeln keinen
Zweifel und auch der Zweck der Fälschung wird sich ohne
Schwierigkeit feststellen lassen.
Die Diplome, mit welchen das Domkapitel von Verona
von den deutschen Königen und Kaisem bedacht wurde, lie-
gen in ziemlich vollständiger Reihenfolge seit 951 vor
* 927, November 16, De Dionysiia 108, Ughelli, Italia Sacra 6, 788.
' Über decania vgl. im folgenden § 2.
^^ Un diploma di Berengario I., Separatabdruck auB Atti della R. Accade-
mia delle scienze di Torino, Bd. 37, 13 f.
* Diplom Ottos U. MM DO. II. 806.
> DO. I. 137. Die Gründungsarkunde bei Ugbelli, Italia Sacra 6, 727.
* Bemerkung zu MM DH. U. 310.
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319
nnd lassen uns das Anwachsen der Besitzungen und
Rechte des Kapitels deutlich verfolgen. . Noch sehr be-
scheiden ist das erste Diplom von 951^ nachgebildet offenbar
einem älteren verschollenen karolingischen^ dessen Formeln hier
wiederkehren.^ Kaiser Otto I. nimmt das Kapitel unter seine
Mund mit all dessen Besitzungen und Eigenleuten, bestätigt
zwei Xenodochien und verleiht Immunität, indem den öffent-
lichen Beamten die Vornahme von Rechtsakten in den Dörfern
und Schlössern und über die Hintersassen (libellarii) des Ka-
pitels untersagt wird.^ Hier fehlt jede Berührung mit dem
Diplome Berengars, weder durch ausdrückliche Erwähnung,
noch durch Benützung, noch durch Gemeinsamkeit, weder der
Formeln, noch auch des Besitzstandes.
Ganz anderen Wortlautes und Inhaltes ist das nächste
Diplom ftir das Kapitel Ottos IL von 983.' Es bestätigt eine
Reihe von Höfen, darunter Badabiones, das Bischof Notker ge-
Bchenkt habe, mit einer Eigenkapelle und anderen Besitzungen.
Daran knüpft sich der Verzicht auf das Fodrum der Einwohner
von acht genannten Castra und die Gewährung der Zollfreiheit
in Verona. Zu den Castra gehören die drei aufgezählten Höfe
Dicht. Auffallend bleibt die Konstruktion der Urkunde, das
Nebeneinander der beiden Besitzgruppen, der Höfe einerseits,
bei denen sorgsam der Besitztitel vermerkt ist, und der Castra,
von denen das Fodrum erlassen wird, immerhin. Auch die
Castra sind Eigentum des Domkapitels, sie werden im Diplom
als Castra ipsorum canonicorum bezeichnet; das Eigentum des
Domkapitels ergibt sich für spätere Zeiten aus den Pachturkun-
den und anderen Aufzeichnungen des Kapitelarchivs. Wollte
man das Fodrum nur von den Castra erlassen, so konnte dies
in anderer Weise korrekter und deutlicher gesagt werden. Die
Konstruktion der Urkunde läßt sich nur erklären, wenn eine
Vomrkunde mit neuen Verfügungen in ungeschickter Weise
verknüpft wurde. Man hatte wohl ein älteres Diplom, in wel-
chem das Fodrum in den Castra und die Zollfreiheit verliehen
wurde, man wünschte aber eine Bestätigung auch der neu-
^ über die Mundialformeln in italienischen Diplomen Salyioli, Atti III,
Bd. 5, 102; vgl. im allgemeinen Sickel, Sitzongsber. der Wiener Akad.
der Wissensch., phil.-hist Klasse 47, 259 f., 263.
» DO. L 137. » DO. n. 305.
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320
erworbenen Besitzungen, deren Besitztitel noch bekannt war.
Die Kanzlei kam dem Wunsche nach^ indem sie die Bestätigung
der Höfe voranstellte, den Inhalt der älteren Urkunde daran-
fügte. So hat es nach dem Wortlaut den Anschein, als ob
der Besitz lediglich der Höfe^ nicht aber der Castra, das Fodrum
nur von den Castra, nicht von den Höfen überlassen würde.
Die Urkunde schließt mit einem Verbote flir alle öffentlichen
Beamten und sonst jedermann, Klagen gegen das Kapitel wegen
seiner Besitzungen und Hintersassen anderswo als vor dem Ka-
pitel zu erheben, mit anderen Worten, es wird eine grundherr-
liche Gerichtsbarkeit des Kapitels über seine Besitzungen und
Hintersassen anerkannt.
Mehr schon enthält das Privileg Heinrichs H. von 1014
Mai 21.^ Nun werden zum ersten Male auch die drei Villen
in Judikarien Breguzzo, Bolbeno und Bondo bestätigt nebst
anderen Besitzungen, die neu an das Kapitel gekommen waren.
Dabei scheint es nun allerdings, daß auch die drei Villen als
von Bischof Notker geschenkt bezeichnet werden. Die Bestim-
mung von DO. n. 305 über den Erlaß des Fodrums in den
acht Castra, zu denen einige neu hinzugekommen sind, wird
wiederholt, nunmehr aber das Fodrum mit klaren Worten dem
Kapitel zugesprochen. Ebenso wird die Immunitätsverleihung
klarer gefaßt. Placita und districtus werden nicht nur in den
Castra, sondern in allen genannten Villae und Curtes dem Dom-
kapitel zugesprochen. Es wird zuletzt verboten, die Domherren
im Besitze ihrer bestätigten Güter und ihrer Hintersassen zu
stören ohne richterliches Urteil. Das war ein bedeutender
Fortschritt. War bisher nur die Amtshandlung der öffentlichen
Beamten auf den Gütern des Kapitels untersagt, so wird nun-
mehr Gerichts- und Banngewalt nebst allen Einkünften dem
Kapitel übertragen. Wesentlich in demselben Rahmen hält sich
das Privileg Konrads H. von 1027 Mai 25.*
Eine Erweiterung der Besitzungen und Rechte des Ka-
pitels bedeutet wieder das Diplom Heinrichs HI. von 1047
Mai 8,^ das allerdings zunächst auf Stumpf 1949 beruht. Nicht
nur ist die Zahl der Höfe gewachsen, nunmehr wird das Fo-
drum nicht mehr von den Castra, sondern, wie in einem ein-
geschobenen Satze gesagt wird, in allen Castra und Villen und
» DH. n. 310. « Stumpf 1949. » Stumpf 2338.
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321
allen Orten, die dem Kapitel irgendwie gehören^ geschenkt.
In demselben Umfange werden auch Gericht and Bann und
alle öffentlichen E^inkilnfle saerkannt. Noch ein Satz fiült als
nen anf: dem Erzpriester und Erzdiakon wird, allerdings mit
Zostimmung der Domherren freies Verfiigungsrecht über die
Besitznngen des Kapitels eingeräumt. Offenbar richtet sich
diese Bestimmung gegen den Bischof, dessen Eünfloß anf die
Verwaltung des Vermögens abgeschnitten werden soll. Hein-
rich III. von 1047 ist Grundlage geblieben für die folgenden
Bestätigungen Heinrichs IV. von 1084 Juni 18,^ Lothar II.
1136 September 25,« Konrad III. 1147 Februar 8—10« und
Friedrich I. 1154 Oktober 26.* Nur die Besitzungen wachsen,
der Umkreis der verliehenen Rechte bleibt im wesentlichen
derselbe.
Kehren wir nun zu Berengar I. 113 zurück. Bei einer
Vergleichung der Urkunde mit den aufgezählten Diplomen er-
gibt sich, daß der angebliche Berengar sich am nächsten mit
DH. II. 310, Stumpf 1949 (Konrad II.) und Heinrich IIL Stumpf
2339 berührt. Auf DO. IL 305 gehen nur wenige Sätze zu-
rück, die ersichtlich nicht direkt aus dieser Urkunde, sondern
durch Vermittlung von DH. II, 310 oder Stumpf 1949 übernommen
sind, da alle Zusätze wiederkehren, die sich in diesen späteren
Diplomen finden. Berengar I. 113 enthält jedoch noch ein
Mehr. In der Bestätigungsformel der genannten Diplome wird
die Bestätigung noch nicht auf alles, was die Domherren er-
worben haben oder erwerben werden, ausgedehnt, es fehlt na-
mentlich der Hinweis auf die Xenodochien und Zehnten.^ Es
fehlen weiters jene Worte, die Nachlaß des Fodrums in den
ViUen in Judikarien veriUgen, es fehlt der kleine Nachsatz,
welcher das Fodrum und alle anderen öffentlichen Leistungen
dem Kapitel überläßt.^ £s fehlt dann weiter der Satz, der die
Verftigungsfreiheit des EJrzpriesters und Erzdiakons über das
» Stumpf 2861. • stumpf 8331.
' Stumpf 8533; Druck Stumpf, Acta imperii Nr. 383, nicht, wie Stumpf
meint, interpoliert, sondern Nachbildung yon Stumpf 3831 . und stellen-
weise verderbt.
^ Stumpf 8694.
' sive omnia que aliquo adquisitionis munimine — eiusdem civitatis. Schia-
parelli a, a. O. 298, Z. 10—12.
• Schiaparelli 293, Z. 22—24: set omnia — habeant.
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322
Kapitelgut festsetzt.^ Das Fehlende findet sich nun wörtlich
in dem Diplom Heinrichs III. St. 2338, wie schon Schiaparelli
bemerkt, der Berengar I. 113 nach dieser Urkunde entstanden
sein läßt. Indes wird man dieser Behauptung nicht beistimmen
können. Denn unter solcher Voraussetzung sind die Motive der
Fälschung nicht einzusehen, man würde denn mit Schiaparelli
annehmen wollen, das Kapitel habe lediglich die Schenkung
der Höfe durch Bischof Notker, die ohnehin schon aus Stumpf
1949 und 2338 ersichtlich war, um ein paar Jahre zurück-
schrauben wollen hinter das sogenannte Testament des Bischofs.
Niemand wird dies glaublich finden. Eitelkeit spielt bei den
Fälschern des Mittelalters die geringste Rolle; materielle Inter-
essen waren es, die da bestimmend wirkten. Kehren wir das
Verhältnis um, so sehen wir sehr bald, welche diese Interessen
waren. Vor allem das Fodrum, das man nicht nur von den
bisher in den Diplomen namentlich aufgezählten Kastellen, son-
dern von allen Besitzungen und insbesondere von den drei Dör-
fern in Judikarien beziehen wollte, die Bestätigung einiger Spi-
täler und Zehnten und die volle vermögensrechtliche Unabhän-
gigkeit vom Bischöfe. Dieselbe Beschränkung bischöflicher
Eingriffe,^ zugleich die Bindung des Erzpriesters und Erzdiakons
bei ihrer Verwaltung an die Zustimmung der Domherren treffen
wir fast gleichzeitig in der Bulle Leos IX. für das Kapitel,
Jaff6 — Löwenfeld 4166. Das waren Ziele, die zur Fälschung
greifen ließen. Man entnahm einer echten Urkunde Berengars
Titel und Rekognoszierungszeile, vielleicht auch das uns nicht
mehr überlieferte Datum, einer anderen die Interventin Bertiila,
die zur Zeit der Kaiserkrönung Berengars schon tot war,' er-
fand eine Promulgatio* und entnahm den Großteil den vor-
^ Ita tarnen — predictorum fratrum, Schiaparelli, S. 293, Z. 29 — S. 294,
Z. 1.
• Diese Bestrebungen richteten sich wohl gegen Versuche, die Verfassung
des Kapitels im Sinne der Reform umzugestalten, wie eine solche unter
anderen auch in Mailand versucht wurde; Tgl. Hinschius, System des
Kirchenrechtes 2, 57 f.
' Möglich, daß man selber im Besitze einer solchen Urkunde war, die
als Vorlage zu DO. IL 305 diente, wie Breslau in seinen Bemerkungen
zu DH. II, 310 annimmt.
* Quibus der heutigen Lesung — die Urkunde ist nur in Kopien, deren
älteste aus dem 13. Jahrhunderte stammt, erhalten — ist wohl verlesen
für Omnibus.
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323
handenen Diplomen Heinrichs II. und Eonrads 11.^ die man an
den entscheidenden Stellen umänderte und ergänzte. Die Ver-
stösse der Fassung: antecessoribus atque precessoribus, bis ter-
ritoriis — seu Bundo können durch ungeschickte Benützung
von Stumpf 2338 nicht erklärt werden. Sie sind hier gerade
so sinnstörend wie bei Berengar I. 113. Viel eher können
sie dem Fälscher in die Schuhe geschoben werden^ der seinen
Zweck durch möglichst unauffällige Veränderungen seiner Vor-
lage zu erreichen suchte und dabei in Härten der Konstruktion
verfiel, die der Verfasser von Stumpf 2338, der freie Hand
hatte, vermeiden konnte. Wohl möglich, daß ein Versuch der
Bischöfe von Trient als Herren der Grafschaft Trient die Qra-
fenrechte in den drei Dörfern Judikariens in vollem Umfange
in Anspruch zu nehmen, die Veranlassung bot. Das Ziel er-
reichte man völlig. Heinrich III. hat alles Gewünschte gewährt
und seinem Diplome einverleibt.
Für die Schenkung der drei Dörfer durch Bischof Notker
kann nach dem Gesagten nicht mehr Berengar I. 113, sondern
nur mehr DH. II. 310 ak älteste Quelle angeführt werden, eine
Quelle, die freilich um 100 Jahre jünger ist als das behauptete
Ereignis.
Fassen wir nun die Entwicklung der Immunität ins
Auge. Schon das sogenannte Testament des Bischofs Notker
lehrt uns die Lage kennen, in der sich die Hintersassen be-
fanden, die er zur Ausstattung seines Xenodochiums verwandte,
und die in der Folge ans Domkapitel gekommen sind.^ Er
schenkt dem Bischof Bernhard von Trient einige Unfreie, ver-
fügt^ daß sie nach dessen Tode frei sein sollen (fulfreales et
amunt). Es ist also die volle Freiheit, die er ihnen schenkte.*
Sie sollen niemandem Dienste leisten außer Gott, dem Herrscher
über alle, sie sollen frei von aller Knechtschaft sein, fulfreales
et amxmt. So wiederholt der Bischof, als ob er sich in der
Zusage der vollen Freiheit nicht genug tun könnte. Er schenkt
ihnen die Grundstücke zu Sacco, die sie bisher bebaut haben,
zu eigen, er schenkt ihnen ihre Fahrhabe (scarpola vel privi-
^ De Dionysiifl 104.
• Über fiilfreal Branner, Deutsche Eechtsgeschichte', 1, 144 n. 50; Schrö-
der, Rechtflge8chichto^ 61 n.29, 223; über amunt Branner* 1, 144 n. 51;
Schröder*, 225.
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324
tarium). Sie dürfen diese Grundstücke wohl untereinander^
nicht aber an Fremde veräußern. Sie sind nur zu Fronden
für die bischöflichen Weinberge in Badabiones verpflichtet. Be-
trachten wir diese Bestimmungen, so finden wir gewisse Qegen-
sätze: Vollfreiheit, Eigentum, aber gebunden in der VerfUgangs-
freiheit, Verpflichtung zu Fronden. Erinnern wir uns, daß im
10. Jahrhunderte Volifreiheit vereint mit einer gewissen Ge-
bundenheit in der bäuerlichen Klasse schon etwas sehr 0^-
wohnliches geworden ist, daß weite Klassen der freien bäuer-
lichen Bevölkerung, Freigelassene und Freie als Hintersassen
und Mundmannen in ein Abhängigkeitsverhältnis zu Großen
getreten sind.^ Dem entsprechen nun auch die Bestimmungen^
welche über den Gerichtsstand dieser Leute getroffen werden.
Wenn sie in Streit mit einem Dritten geraten, dürfen sie im
öffentlichen Gerichte, in placito publice, nicht klagen oder ge-
klagt werden, ohne Beistand des Vogtes: set semper sub iudi-
ciaria de predicto xenodochio legaliter (sint) sicut liberi homi-
nes. Sie stehen also unter der Gerichtsbarkeit der
geistlichen Stiftung; wenn auch persönlich frei, werden sie
behandelt wie Grundholden der Stiftung. Nachdem sie des
Veräußerungsrechtes außerhalb ihres Kreises darben, unter-
stehen Streitigkeiten über ihre Grundstücke dem Gerichte des
Grundherrn. Sein Vogt wird alle Händel unter ihnen ge-
schlichtet haben, wenn sie nicht an das Blut gingen; werden
sie von dritten geklagt oder treten sie als Kläger auf, so wer-
den sie vor dem öffentlichen Gerichte von dem Vogte vertreten.*
Wenn sie auch in der Urkunde als fulfreal und amunt erklärt
werden, sind sie nicht amunt im vollen Sinne, sie verbleiben
unter der Mund ihres ehemaligen Herrn, wenn auch die Mund
nunmehr in ihren Wirkungen abgeschwächt erscheint im Ver-
gleiche zu jenen, die sie bei Freilassungen zu minderem Rechte
nach den Volksrechten nach sich zog. Die Fronden, die diese
Leute leisteten, waren doch noch ein Entgelt der Mund. Durch
* Waitz, Yerfassungsgeschichte*, 2, 232 und 4, 334 f.; Branner, Rechts-
geschichte* 1, 254; Pertüe, Storia del diritto Italiano*, 3, 117 f.
' Branner, Rechtsgeschichte' 1, 351. Waitz, Yerfassangsgeschichte*, 4,
459 ; Seeliger, Die soziale and politische Bedeutung der Grundherrschaft,
Abhandlungen der phil.-hist. Klasse der k. sächs. Gesellschaft der Wissen-
schaften 22, Nr. 1, 64 f.
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325
die Beschränkmig der VeräußeruDgsbefagnis waren aach die
Grundstücke noch immer an den Grundherrn geknüpft.
Das war noch, bevor diese Leute und ihre Besitzungen
Teile einer kirchlichen Immunität geworden waren. Die Im-
munitfttsprivilegien ordnen, wie bereits erwähnt, zunächst den
Gerichtsstand der Hbellarii und coloni, der Hintersassen des
Kapitels in Klagen Auswärtiger vor dem Kapitel an.^ Dann
werden die placita und die districtus den Domherren zugespro-
chen,' und zwar seit Heinrich IH. auf allen Besitzungen des
Kapitels.' Eine gewisse Erweiterung erfährt die Immunität
erst im Privileg Friedrichs I. von 1154.* Nicht nur die libel-
larii und Colonen, sondern alle: ad eorundem canonicorum
redditum residentes, oder wie es später heißt: . . . residentes
ad eosdem canonicos redditum prestantes, also nicht
nur diejenigen, die in einem Leiheverhältnisse zum Kapitel stehen,
sondern auch solche^ die nur auf den Besitzungen des Dom-
kapitels wohnen, und alle, die, auf eigenem Gute sitzend, dem
Kapitel Leistungen schulden; sind der Gerichtsbarkeit des Ka-
pitels untergeben. Wir werden später den Sinn und die Be-
deutung der Klausel versteh en lernen.
Auch die jüngeren Diplome knüpfen an die ältere
Reihe an, auch sie bieten im wesentlichen den alten Kern nebst
den zugewachsenen Erweiterungen. Ein neues Moment ist
es, das nunmehr die Immunität bedroht und zu Erweiterung
der Privilegien führt. Es ist der Geist der Autonomie, der seit
100 Jahren in den Gemeinden Italiens keimt und wächst, der
den Immunitätsherrn zugunsten der Kommune seiner Hoheits-
rechte zu entkleiden sucht, eines nach dem anderen abbröckeln
läßt. Auch auf den Besitzungen des Domkapitels war dieser
Geist eingezogen; die Gemeinde Porcile suchte sich geradezu
der Gerichtsbarkeit des Kapitels zu entziehen;* auch in den
Dörfern Judikariens machte sich nur zu oft der Geist der
Widersetzlichkeit geltend und ähnliches wird sich in den ande-
^ DO. n. 305: nifli ante illorum presentiam, in den späteren Bestätigun-
gen: sine leg^ iudicio.
* Zuerst Stumpf 1625.
* Wiederholt Stumpf 2861, 3331, 3533 und 3694.
* Stumpf 3694.
* Ficker, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens 4, Nr. 187;
ein ähnlicher Fall auch a. a. O. Nr. 257.
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326
ren Besitzungen des Kapitels ereignet haben. Solchen Bestre-
bungen gegenüber suchten die Privilegien jede Entwick-
lung der Gemeindeautonomie zu unterbinden oder in
Schranken zu halten. Mag der Anstoß dazu auch vom
Kapitel ausgegangen sein, zweifelsohne sind die Kaiser aus dem
Hause der Hohenstaufen in ihrer den Städten feindlichen Poli-
tik allen Wünschen des Kapitels bereitwillig entgegengekommen,
indem sie seit Stumpf 4337 von 1182 den Bewohnern der dem
Kapitel gehörigen Ortschaften die Wahl von Konsuln und Po-
testaten zur Besorgung der Gerichtsbarkeit, femer das Anlegen
von Befestigungen und die Verfügung über die Gemeindegüter
ohne Zustimmung des Kapitels verbieten; die Gerichtsbarkeit
wird vielmehr ausdrücklich dem Kapitel zuerkannt.^ Diesem
Zugeständnisse an das Kapitel tritt freilich der Vorbehalt der
kaiserlichen Rechte in jenem Teile der Disposition, welcher die
öffentlichen Einkünfte dem Kapitel überläßt, entgegen.^ Mit
diesen Zusätzen werden die Bestimmungen der älteren Privi-
legien von Heinrich VI.' und Otto IV.* wiederholt, zugleich nur
die Fassung des Teiles der Disposition, in der placita und di-
strictus überlassen werden, genauer auf placita generaUa et spe-
cialia und districtus generalia et specialia bestimmt. Damit
hat die Reihe der Immunitätsdiplome des Kapitels ihr Ende
erreicht. Denn Friedrich II. nimmt nur mehr in allgemeinen
Ausdrücken das Kapitel und seine Besitzungen in seinen Schutz.^
Eine neue Zeit mit neuen Ideen und Formeln bricht mit der
Tradition. Der Untergang der Staufer, der Umschwung der
politischen Verhältnisse in Italien läßt mit dieser Urkunde die
Reihe der Kaiserdiplome für das Veroneser Domkapitel schließen.
Den Bestimmungen, welche in den Diplomen das Über-
greifen der Gemeinden in die Gerichtsbarkeit des Ka-
pitels verhindern sollten, entsprach es, wenn nun Otto IV.
dem Kapitel das Recht verbrieft, in seinen Dörfern und
Burgflecken Konsuln und Vizegrafen einzusetzen und
^ Noch insbesondere bestätigt durch Friedrich I. Stampf 4401.
* Über die Klausel: salva imperiali iusticia MtLhlbacher, Mitteil, des Inst.,
Erg.-Bd. 4, 611. Sie stammt, wie die verwandte Klausel : non obstante,
wenn auch durch Vermittlung der Papsturkunde, aus dem römischen
Rechte.
* Stumpf 4337. « Böhmer-Ficker 294. ^ B(5hmer-Ficker 2442.
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327
durch seine Mitglieder oder andere die Gerichtsbarkeit auszu-
üben,^ ein Becht, das vom Domkapitel bereits früher in An-
spruch genommen worden war.
Dem Oebrauche der Zeit gemäß hatte man sich auch
an den Papst gewendet und von Alexander III. eine Bestäti-
gung des Besitzstandes erlangt.'
Wenden wir uns nun dem Immun itätsgebiete des Kapitels
in Südtirol zu, so werden uns nur die Dörfer in Judikarien,
nicht aber der Hof Badabiones zu beschäftigen haben; denn,
so wie man nicht mit Sicherheit seine Lage bestimmen kann,
so wissen wir nichts außer den wenigen Angaben der Kaiser-
urkunden und der Papstbulle über seine Schicksale. Die Bulle
Alexanders III. von 1177 nennt ihn noch, das Privileg Fried-
richs I. von 1182,* welches den Besitzstand der bestätigten
Hofe allef'dings in einer sehr verkürzten Beihe bietet, nicht
mehr und gleicherweise fehlt er in den folgenden Urkunden.
Der Schluß dürfte nicht zu gewagt sein, daß er zwischen 1177
und 1182 dem Kapitel verloren ging.
Der Immunitätsbezirk des Kapitels umfaßte in Judi-
karien die drei Dörfer Breguzzo, Bondo und Bolbeno,
die im Testamente Notkers, in den Kaiser- und dem Papstprivileg
genannt sind, und das Dorf Zuclo, das sich im Laufe der Zeit
wohl von Bolbeno abgesondert haben und eine eigene Gemeinde
geworden sein wird.* Wir erfahren aus einem Weistum von
1238^ genau die Grenzen des Immunitätsgebietes: a rivulo
Riuerio usque in summa acie montis in montibus et planitiis et
inde usque ad aquam rio Closam et inde usque ad Closam laci
Ronconi et inde in summo Copedelli, d. i. vom Bache Ridever,
der sich östlich von Zuclo in die Sarca stürzt, in die Höhe bis
zur Schneide der Gebirge, welche das Arnotal vom Val Mazza,
Gemeinde Bleggio, dann weiter vom Val dei Concei, Gemeinde
Lenzumo im Val di Ledro scheiden, dann hinab bis zum nörd-
lichsten Nebenflüßchen des Chiese (rio Closam) und zum Bäch-
lein, das aus dem See von Roncone fließt (Closa laci Ronconi),
endlich das Tal von Breguzzo umfassend bis zu den Bergen,
welche dieses Tal von dem des Chiese scheiden, bis zum summo
' Böhmer-Ficker 425. • Jaff^-Löwenfeld 2823. « Stumpf 4837.
* Zucio genannt Beilage 8, 11 usw. * Beilage 11.
ArehiT. M. Band, II. Hftifte. 23
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Copedelli; d. i. der cima Cop di Bregnzzo. So bleibt nur die
Grenze gegen Tione anbestimmt.
Dieses Gebiet nun galt nach aaßen hin als Eigentum des
Domkapitels von Verona. Im Jahre 1193 erklären Leute aus
den Gemeinden, daß das ganze Gebiet der Dörfer mit Weide,
Wald und Wasser in Berg und Tal dem Domkapitel gehöre.^
Bischof Konrad von Trient erkennt, als er gebeten wurde,
gegen die Herren von Campo einzuschreiten, dieses fligentum
des Kapitels an,^ sowie ja auch die Diplome die Dörfer als
Besitz des Domkapitels bestätigt hatten. Anders gestalteten
sich die Verhältnisse innerhalb der Immunität. Das Weistum
von 1238 gibt auch hier genügenden Bescheid. Die Bewohner
der Immunität sind freie Leute. Die Grundstücke innerhalb
dieses Gebietes können frei veräußert werden, ohne daß von
einer Zustimmung des Kapitels die Rede wäre. Damit ist
nicht gesagt, ob die Veräußerungsfreiheit auch nach außen gilt
oder auf die Genossen der Herrschaft beschränkt ist. Sicher ist,
daß die Grundstücke im Eigen der Immunitätsleute, nicht aber
in einem Leihverhältnisse stehen. Nie ist von einem solchen
die Rede; unter all den Urkunden des Domkapitelarchivs zu
Verona, die sich in der Anzahl von etwa 60 mit den Dörfern
beschäftigen, befindet sich auch nicht eine Leihurkunde. Den
Leuten steht selbst das Recht zu, letztwillig über ihre Güter
zu verfügen. Sterben sie ohne Erben, so erhält das Domkapitel
20 Schilling aus der Erbschaft, doch auch diese sind zum Besten
der Gemeinde zu verwenden.^ Freilich scheint diese Geldgabe
an Stelle eines älteren Besthauptes getreten zu sein; denn einer
der vernommenen Männer hat von seinen Vorfahren gehört,
' totam territorium et paacaa et silya et aquas in montibas et planiciü
pertinentes Burgusio, Bundo et Bolbeno et iarisdictionem (hominum)
flupraacriptorum locorum canonicis Yeronensibas in omnibos et per omnia
pertinere 1193 Dezember 14, Verona Kapiteiarchiv BG. 89 m. 5, Nr. 1.
* episcopufl dixit et confessos fuit, quod bene sciebat proprietatem iUarum
terrarum esse canonice Veronensis, Ficker, Forschungen zur Reichs- und
Rechtsgeschichte 4, Nr. 183, angefahrt von Salvioli, Atti Serie III, 6,
27 n. 8 irrig, als ob es sich um einen Streit zwischen dem Bischof und
seinem Domkapitel von Trient handeln würde.
' So schon in dem n. 1 angeführten Weistum von 1193 Dezember 14: et
si aliquis obierit non relicto berede, vilicus suprascripte ecclesie debet
habere XX solides et ipse vilicus debet dare illos XX solidos ad utili-
tatem nniversitatis predictorum hominum.
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329
daß die Domherren vom erblosen Gute eine Kuh nahmen. So
sehen wir nach außen Gebundenheit, Freiheit nach innen, Ver-
hältnisse, die uns in anderem Zusammenhange in den Immuni-
täten des Domkapitels von Trient, besonders im Weistum von
Sover wieder begegnen werden.
Das ganze Gebiet und alle Leute, die darauf sitzen, unter-
stehen der Gerichtsbarkeit des Domkapitels. AileEinwohner
der drei Dörfer unterliegen der vollen Gerichtsgewalt,
dem Banne und Twing des Domkapitels, sagt das Weis-
tum von 1193 Dezember 14,^ und dieser Rechtssatz kehrt
im Weistum von 1238* und öfter wieder. Die Immunität des
Domkapitels war somit eine territoriale, keineswegs auf seine
Hörigen beschränkt. Das Domkapitel war nicht allein Besitzer
in diesen Orten. Gewisse Rechte und Güter standen in Bre-
guzzo und Bondo den Grafen von Eppan zu, welche sie im
Jahre 1185 an das Bistum Trient verkauften.' Vielleicht gaben
sie den Anlaß zu den Reibungen, die zwischen dem Domkapitel
von Verona, den Bischöfen von Trient und den Herren von
Campo als Lehensträgern Trients ausbrachen. Worin diese
Rechte und Besitzungen bestanden, ob die in der Urkunde von
1185 genannten Silbergruben und Eigenleute in unseren Dör-
fern lagen oder außerhalb derselben, läßt sich nach der Fassung
der Urkunde nicht sagen. Die Weistümer und Urkunden des
Domkapitelarchivs sprechen durchwegs den Domherren den
Alleinbesitz der Dörfer zu. Vielleicht, daß diese Rechte be-
stritten und vom Domkapitel nicht anerkannt waren.
Die Immunitätsleute waren dem Kapitel zu bestimmten
Leistungen verhalten, Leistungen, die sich fast in all diesen
kirchlichen Immunitäten wiederholen. Wohl von der Kommen-
dation,^ durch welche vielfach die Abhängigkeit bäuerlicher
^ Fährt fort an der S. 329 n. 1 angefahrten SteUe: et quod snprascripta
canonica habet plenam inrisdictionem suorum locorum et quod omnes
homines habitantes in Ulis locis debent sese distringere pro canonica
Yeronensi et rationem facere et wadia banni dare archipresbytero et
canoniciB ecclesie Yeronensis et sao nuntio bannum Y solidorum et non
debent seae distringere pro .... (Lücke) nee racionem dare nee wadia
banni dare nisi pro canonica Yeronensi.
• Beilage 11. » Kink, Fontes rer. Austr., ü. Serie, Bd. 6, Nr. 24.
* Beispiel einer solchen Ficker, Forschangen 4, Nr. 100: Ein Arimanne
investiert den Erzpriester mit seinem AHod, verspricht, den Domherren
Fodrum zu zahlen und nur zu verftußern dem Kapitel und seineu Ari-
28*
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330
Hintersassen begründet worden war und, wie wir in der Folge
sehen werden, noch im 13. Jahrhundert begründet wurde, waren
die Immunitätsleute und Hintersassen, ob freien oder unfreien
Standes, an vielen Orten verpflichtet, ihrem Herrn einen Treu-
eid zu leisten.^ Wir werden diesem Eide auf den Besitzungen
des Domkapitels von Trient nochmals begegnen. Auch auf den
Besitzungen des Domkapitels von Verona wurde er geleistet.'
Einmal wird der Eid als fidelitas terreria bezeichnet und genau
von einem Lehenseide geschieden.' Der Eid ging dahin, den
Domherren gegen jedermann, außer dem Kaiser, treu zu sein,
ihnen beizustehen, um ihre Besitzungen zu erhalten, und wenn
sie verloren gegangen wären, sie auf Kosten der Domherren
wieder zu erwerben.* Wie oft der Eid abgenommen wurde,
läßt sich nicht bestimmen. Zur Vereidigung wurden Boten des
Kapitels, aber auch der Beamte des Kapitels in den Dörfern
bevollmächtigt. Leute, die den Eid verweigern, werden am
kaiserlichen Hofe verklagt, über kaiserlichen Auftrag von einem
kaiserlichen Delegaten vorgeladen, der diejenigen aus ihnen,
welche der Ladung ungehorsam nicht erschienen waren, ab>
mannen. VgL Waitz, Verfassungsgesch.', 4, 247, der freilich den Eid nur
auf die vasalitische Kommendation einschränken möchte; Ehrenberg, Kom-
mendation und Huldigung 127 und 132; Roth, Geschichte des Benefizial-
wesens 380. Das Kapitulare von Diedenhofen, BOf. Gap. 1, Nr. 44, c 9,
welches den Eidschwur zugunsten des Seniors gestattet, dürfte nicht auf
Vasallen allein einzuschränken sein.
* Pertile*, 1, 326, schränkt irrig diesen Treueid auf die Bistümer ein;
vgl. Salvioli, Atti m, 6, 119.
' Urkunde von 1193 Dezember 14, Verona K.-A. BC. 39 m. 6, Nr. 1 ;
1203 Oktober 16, Aussage: quod omnes homines suprascriptarum terrarum
debent facere fidelitatem canonice Veronensis ecclesie et capitulo, eben-
dort AC. 10 m. 2, Nr. 13; 1210 Mai 29, ebendortAC. 13 m. 10, Nr. 3 usw.
» Urkunde von 1218 Juni 28, ebendort BC. 32 m. 6, Nr. 6: Der Erzpriester
belehnt einen Ribald mit seinem Lehen. Ribald iuravit fidelitatem
canonice ... et capitulo . . . contra omnes homines excepto contra im-
peratorem tamquam vasallus domino. Et insuper iuravit fidelitatem
terreriam in omnibus et per omnia, ut in predicto sacramento fidelitatis
continetur. Ebenso 1218 März 26, ebendort AG. 10 m. 4, Nr. 2.
* Urkunde von 1239 Jänner 21: Qui Venceiolus et Ottolinus .... iura-
verunt .... fidelitatem d^ Stephano archipresbiterio absenti et supra-
scriptis canonicis .... contra omnes personas anteposito imperatore et
suis anterioribus dominis si quos habent, et quod adiuvabunt archi-
presbyterum canonicos et capitulum roanutenere predictas terras, et si
eas amitterent, quod eos adiuvabunt eas recuperare non tameu proprüs
expensis. Ebenso 1239 Februar 17 ebendort.
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331
wesend verurteilt und das Domkapitel in den Besitz ihrer Güter
einweist.^ Der Podestä von Trient wird angewiesen, das Urteil
auszuführen.' Nun bequemen sich die Verklagten zum Gehor-
sam. Sie wählen einen Vertreter, um ihre mit Beschlag be-
legten Güter zu lösen,* erkennen die Gerichtsbarkeit des Ka-
pitels an und leisten den gewünschten £id.^ Freilich schon
wenige Jahre hernach erhebt einer von ihnen Einsprache gegen
die dem Kapitel geschuldete Steuer in heftigster Weise.*
Außer dem Treueid haben die Immunitätsleute Abgaben
zu leisten. Welcher Natur diese Leistungen waren, ist schwer
zu sagen. In den Urkunden werden sie als fictus oder census
bezeichnet.^ Aber als einfachen Grundzins werden wir sie
nicht zu fassen haben. Vielmehr erscheinen sie in den Urkun-
den als Ausfluß der Herrschaft und der Gerichtsbarkeit, sie
werden pro iurisdictione, pro dominio et segnoratico^ geleistet.
So werden wir sie als Steuer zu betrachten haben, die ja
auch mit der hohen Gerichtsbarkeit zusammenhängt. Wie die
Steuer werden diese Leistungen nicht von den einzelnen Höfen
entrichtet, sondern von den Gemeinden. Die Gemeinden sind
dem Kapitel gegenüber die Steuersubjekte, die Aufteilung der
Steuer ist innere Angelegenheit der Gemeinden. Die Steuer
beträgt jährlich 18 Schilling für Bondo und Breguzzo, 6 für
Bolbeno und Zuclo und muß in Verona geleistet werden.^ Da-
* Ucker, Forschangen 4, Nr. 362, 368. * a. a. O. Nr. 364.
» Urkunde von 1288 Desember 81, Verona K.-A. BC. 24 m. 6. Nr. 14 und
Ficker, a. a. O. Nr. 866.
^ Urkunde von 1239 Jftnner 21 und Februar 17: vgl. S. 330 n. 4
* Urkunde von 1248 April 19, Verona K.-A. Aldriginus, Vizecomes ver-
langt in comuni vicinitate Bondi et Bregu^ii fictum d*»"*™ canonicorum
von 18 Schilling. Darauf antwortete Venceiolus, Sohn des ser Wamard
von Breguzzo, sua auctoritate et non pro consilio diote comunitatis, daß
den Domherren kein Recht auf den Zins zukomme: nee dimissit re-
spondere dictam comunitatem peticioni dicti Aldrigini vicecomitis pro
(sie!) multa mala verba, que ibi dixit et habuit pro dicta peticione et
pro iurisdictione predicte ecdesie contra dictum Aldriginum et contra
eum qui dicebat predicta pro dicto Aldrigino.
« Urkunde von 1214 Oktober 26, Verona K.-A. A 13 m. 10, Nr. 14; 1220
Februar 26, ebendort AG. 9 m, Nr. 12.
' Urkunde von 1207 April 21, ebendort BG. 14 m. p. Nr. 15; 1239 Jänner
19 pro racione und in Signum iurisdictionis, ebendort BG. 28 ra 5, Nr. 18.
^ Beilage 11. Quittungen über die Zahlung der Steuer 1207 April
21, Verona K.-A. BG. 14m. p. Nr. 15; 1217 Mai 13 ist allerdings von
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332
mit verband sich nicht selten eine freiwillige Leistung an den
Erzpriester.^ Allerdings findet auch diese Forderung des Ka-
pitels schon Widerstand in den Gemeinden. Die Entstehung
der Steuer wird sich nicht unschwer erklären lassen. Wir
hörten schon, wie das Fodrum dem Domkapitel überlassen
wurde. Außer dem Fodrum mögen noch andere Abgaben
öflFentlicher und privatrechtlicher Natur bestanden haben, die
mit Ausnahme der Gastungspflicht im 13. Jahrhundert nicht
mehr genannt werden. Es mag da zuletzt eine gewisse Ver-
einfachung der Abgaben stattgefunden haben, wie dies aus dem
Bistum Trient in mehreren Fällen bezeugt ist. So vor allem
in Fleims, wo an Stelle aller der bunten Abgaben und Leistun-
gen (colta, dacium, scufium, forza, d. i. die an manchen Orten
erwähnte malatotta und Mautzahlung) 24 Arimannien treten.'
Ahnlich werden auch die placita in Ledro und Rendena' in
fixe Abgaben verwandelt.
Ferner waren die Immunitätsleute dem Erzpriester und
den Domherren, wenn sie in die Dörfer kamen, zur G astung
verpflichtet.* Wer sich weigert, kann unter Bannstrafe dazu
verhalten werden. Besonders ist diese Pflicht zugunsten jener
Mitglieder des Kapitels begründet, welche erscheinen, um das
Placitum generale abzuhalten. Nach dem Weistum von 1238*
sind die einzelnen Häuser verpflichtet, einen gewissen Beitrag
zu leisten; außerdem müssen Heu und Lebensmittel geleistet
12 Pfand die Rede, deren Zahlung anter Bannboße Yon 100 Pfund
anbefohlen wird. Vielleicht war wegen Bteuerversäumnis schon eine
Erhöhung der Summe eingetreten, Quittung über 18 Schilling 1220
Februar 26, a. a. O. AC. 9*m. Nr. 12; 1239 Jänner 19, a. a. O. BC. 28m.
ö, Nr. 13. 6 Pfand, 6 Schilling werden 1263 Jänner 18 verlangt, eben-
dort AC. 63 m. 3, Nr. 3.
» 1214 Oktober 26, ebendort AC.lSm. 10, Nr. 14.
• Schwind und Dopsch, Ausgewählte Urkunden »ur Verfassungsgeschichte
der deutsch-Osterr. Erblande Nr. 3. Beide Urkunden, deren Datum teil-
weiBe verderbt ist und sich nicht mehr mit Sicherheit verbessern läßt,
sind gleichseitig, die zweite angeblich von 1112 ist Voraussetzung der
ersten von 1111; vgl. auch Sartori, Zeitschr. des Ferd., HI. Serie, 36, 3.
» Kink, Fontes H, ö, Nr. 6 und 111.
* Beilage 11. 1214 Mai 13, der Erzpriester befiehlt den Leuten von Bol-
beno und Zuclo, ihn aufzunehmen: quia ipse ibi venerat pro iurisdic-
tione et honore .... exercendo et pro placito generali et pro fidelita-
tibus ab eorumdem locorum hominibus recipiendis. Beilage 12.
^ Beilage 11.
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333
werden, sowie die Kosten des Aufenthaltes ersetzt werden. Daß
diese nicht gering waren, ersehen wir aus der Forderung, die
in derselben Urkunde enthalten ist. Denn fUr einen Tag wer-
den 6 Pfund und 7 ^j Schilling, also im ganzen 127 */, Schilling^
verlangt, unverhältnismäßig viel gegenüber der Steuer, die nur
24 Schilling beträgt. Auch da treffen wir Widerspruch. Die
Ungehorsamen werden nach Beilage 12 mit dreimal sich stei-
gernder Banndrohung zur Leistung angehalten und, als sie un-
gehorsam bleiben, in die Bannbuße verurteilt.'
Diese Leistungen unterwerfen die Immunitäts-
leute der Gerichtsbarkeit des Kapitels, sie gehören zu
jenen Inwohnern, welche nach den Diplomen Friedrichs I. und
seiner Nachfolger zu den ad canonicos redditum prestantibus,^
zu den dem Kapitel steuernden Leuten gerechnet werden. Wel-
chen Inhalt nun die Gerichtsbarkeit hatte, ob die placita nur
die zivile oder die niedere, oder auch die kriminale und die
hohe umfassen sollten, das ist den Diplomen des Domkapitels
nicht zu entnehmen, wenn auch die Art, wie ohne Einschrän-
kung von der Gerichtsbarkeit und dem Ausschluß der öffent-
lichen Beamten gesprochen wird, für die volle Gerichtsgewalt
des Kapitels spricht. Zunächst kann über die Banngewalt
des Kapitels keine Frage sein. In der Öffnung von 1238
Februar 17^ wird anerkannt, daß die Immunitätsleute alle Be-
fehle des Kapitels unter Strafe von 100 Pfund zu vollziehen
haben. Und wir sahen bereits, wie die Leistung des Treueides
und der Gastung bei sich steigernder Bannbuße befohlen wird.^
Dem Bannrecht entspringt ein Verordnungsrecht in Strafsachen.
Das Kapitel kann die Bannbußen »feststellen, mit denen die
Verbrechen gesühnt werden sollen.^ Es ist ein sehr einfaches
Recht, das uns hier entgegentritt. Alle Verbrechen werden mit
Geld gesühnt, Leib- und Lebensstrafen scheinen zu fehlen, wie
so vielfach in ähnlichen Satzungen gerade aus geistliclien Im-
* Die Höhe der Kosten war vielfach durch die sahireiche Begleitung der
zur Abhaltung des placitum generale erscheinenden Richter verursacht;
vgl. den Streit des Kapitels mit Porcile, Ficker, Forschungen 4, Nr. 199.
Auch in Rendena wurde die Zahl der Richter beschränkt, Kink, Fontes
n, 5, Nr. 111.
* Über daB weitere Verfahren vgl. S. 331.
» Vgl. oben S. 326. * Orig. Verona K.-A. AC. 12 m. 6, Nr. 15.
> Beilage 12. * Beilage 8.
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334
manitäten Italiens.^ Gewohnheitsrecht, Erinnerungen an das
Edictam Langobardorum haben mehr oder weniger durch die
Reichsfriedensgesetze, namentlich den Frieden von Roncalia
Friedrichs I. beeinflußt, den Grundstock dieser Bannsätze ab-
gegeben. Unsere Aufzeichnung erinnert in ihrer Einfachheit an
ähnliche Erzeugnisse Südtirols, Strafsätze, wie sie die bekann-
ten Fleimser Privilegien des Bischofs Gebhard* oder das Pri-
vileg des Bischofs Altmann für Riva von 1124' enthalten. Be-
rücksichtigt waren hier nur Mord, Verwundung, Lähmung,
Brandlegung, Diebstahl, schwere Sachbeschädigung, namentlich
Beschädigung von Fruchtbäumen. An Ausführlichkeit wird
unsere Aufzeichnung weit übertroffen von einer etwas jüngeren,
die aus Poliano stammt, das ebenfalls zum Immunitätsgebiete
des Kapitels gehörte,^ und ein sehr ins einzelne gehendes ka-
suistisches Strafgesetz darstellt.
Schon diese Strafsatzung läßt erkennen, daß die Gerichts-
barkeit des Domkapitels die Verbrechen, und zwar
auch die schwersten umfaßte. Die bereits erwähnten
Offnungen von 1238 Februar 17 nennen die Gerichtsbarkeit
des Kapitels eine plena iurisdictio.^ Dem italienischen Rechte
ist infolge der Gerichtsreform Karls des Großen der Unter-
schied der hohen und niederen Gerichtsbarkeit bekannt gewor-
den.^ Die Quellen sprechen von einer iurisdictioj alta und
bassa,' wollen sie beide zusammenfassen von einer iurisdictio
plena,® oder in späterer Zeit, wo mit der häufigeren Verwendung
der Leibes- und Lebensstrafen die Blutsgerichtsbarkeit an Be-
deutung gewinnt, von merum et mixtum Imperium.* Somit hat dem
» SalvioU, Atti IH, 6, 162 f., 177 f.
• Schwind-Dopsch, Urkunden zur Verfagsungsgesch., Nr. 3.
' Bonelli, Notizie intorno al beato Adelprete 2, 8b2.
• Urkunde von 1246 Ficker, Forschungen 4, Nr. 401. Eine ähnliche Bann-
satzung ebendort Nr. 193; vgl. SalvioU HI, 6, 177 f.
'^ item quod suprascripta canonica habet plenam iurisdictionem suorum
locorum, und: quod plena iurisdictio Bondi et Bergu^i pertinet et spectat
canonice et capitulo ecclesie Yeronensis.
• Pertile« 1, 266. » Pertüe* 1, 266 n. 6.
• Ficker, Forschungen 1, 247.
• Ficker, a. a. O. 247; Pertile, a. a. O. 267 und n. 9. Über merum Im-
perium Zallinger, Mitteil, des Inst, fttr österr. Gesch. 10, 238 n. 2. Der
Ausdruck stammt aus 1. 3 Dig. De iurisdictione 2, 1 ; ebendorther mix-
tum imperium. Dazu die Glosse mixtum est, die unter merum imperium
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335
Domkapitel die gesamte Zivil- und Eriminalgerichtsbarkeit zu-
gestanden. Daher wird von dem Erzpriester oder Vertretern
des Kapitels das placitam generale, das echte Ding abgehalten,
das einige Male in unseren Urkunden erwähnt wird.^ Wir wer-
den im echten Dinge auch hier jene Gerichtsversammlung zu
sehen haben, welche an Stelle des Grafengerichtes getreten ist.
Die Kompetenz des echten Dings ist nicht im ganzen Umfange
aufrecht geblieben. Hier in publica vicinia werden nach dem
Ausweise der Urkunden Prozesse um Liegenschaften entschie-
den, werden die Rechte des Domkapitels geöffnet, werden Bann-
sätze vom Stellvertreter des Kapitels verkündet und Treueide
entgegengenommen; wird die Gastung verlangt, die für den
Vorsitzenden im echten Dinge geschuldet wird.' Daß Straf-
sachen hier zur Entscheidung gelangten, ist nicht überliefert,
ebensowenig läßt sich die Kompetenz des placitum generale
gegenüber der Gerichtsbarkeit, welche der Erzpriester des Ka-
pitels in Verona und die Beamten des Kapitels in den Dörfern
ausüben, scheiden. Denn schon ist das echte Ding im Ab-
sterben begriffen, verdrängt vom Gerichte des Einzelnrichters
des römischen Rechtes. Gerade aus den Besitzungen des Ka-
pitels liegt ein frühes Beispiel vor, wie das echte Ding abge-
schafft und an Stelle der Gaben, die dem Richter bei seiner
Haltung dargebracht werden, eine Abgabe, das placitum tritt.
Bei der Ausübung der Gerichtsbarkeit spielt nun ein Be-
amter keine Rolle, der sonst in Deutschland wenigstens als
der eigentliche Richter auf Immunitätsboden insbesonders in den
die Gerichtsbarkeit über Leben, Freiheit and Staatsbürgerschaft nach
den drei capita des römischen Rechtes, anter mixtum imperiam alle
übrige streitige Gerichtsbarkeit versteht und von iurisdictio, der frei-
willigen Gerichtsbarkeit, and coercitio, Polizeigerichtsbarkeit unter-
scheidet.
» Urkunde von 1214 Mai 13, Verona K.-A. BC. 38 m. 8, Nr. 15, erklärt
der Erzpriester, er sei gekommen: pro iurisdictione et honore . . . exer-
cendo et pro placito generali et pro fidelitatibus ab eorundem locorum
hominibus exercendis; 1238 Februar 17, a. a. O. AG. 12 m. 6, Nr. 15)
werden Vertreter des Kapitels erwähnt: constituti ad tenendum placi-
tum generale in suprascriptis terris, ebenso 1239 Jänner 21 und Februar
17, a. a. O.
* Besonders deutlich tritt diese Beziehung hervor Ficker, Forschungen 4,
Nr. 199; Klage der Gemeinde Porcile gegen die Domherren: qui occa»
sione receptionis placiti generalis dictum commune Forcilis honorant et
agravant.
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336
Fällen der Blutsgerichtsbarkeit erscheint, der Vogt. Wir werden
im nächsten Kapitel mit der Stellung und Aufgabe des Vogts
in den italienischen Immunitäten uns etwas näher zu beschäfti-
gen haben. Auch das Domkapitel von Verona hat einen Vogt
gehabt, der in den Urkunden des 11. und der ersten Hälfte
des 12. Jahrhunderts erscheint,^ seitdem aber verschwindet.
Wenn seiner Erwähnung geschieht, ist es als Beistand und Ver-
treter des Kapitels vor Gericht, nicht aber als Immunitätsrichter.
Begreiflich. Wo die Strafgerichtsbarkeit eine unblutige war, wie
in dieser geistlichen Immunität, fehlte das Bedürfnis, den Vogt
als Blutrichter zu bestellen. In der Tat liegt noch eine Urkunde,
zwar nicht aus Judikarien, wohl aber aus Verona vor, in der
der Erzpriester wegen schwerer Verwundung als Richter tätig
ist.* Der Fall des Zweikampfes freilich bleibt dunkel, doch
deutet nichts darauf hin, daß dem Kapitel die besondere Ge-
walt zu seiner Abhaltung zugestanden hätte.
So ist es vor allem der Erzpriester oder ein Stellver-
treter desselben, der in erster Linie mit der Ausübung der Ge-
richtsbarkeit betraut ist. Er hält das placitum generale ab,
wenn er nicht dazu bevollmächtigte Boten sendet. Er ent-
scheidet aber auch in Verona Rechtsstreitigkeiten aus den Im-
munitäten, die vor ihn gebracht werden.' Ein Verfahren, das
* Adelardus 1066 Mai 6, Hübner, Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit
II, Nr. 1379; Johannes iudex 1078 Mai 4, Hübner 1471; Amizo 1120
Jänner 28, Hübner 1578; ders. 1139 Jänner 11, Ficker, Forschungen
4, Nr. 110.
* Ficker, Forschungen 4, Nr. 185.
* 1193 Februar 16, Breguzzo, Urteil des Erzpriesters Adrian in einein
Rechtsstreit um liegendes Gut (hereditas) zwischen Leuten von Bondo,
Verona K.-A. AC. 12 m. 6, Nr. 16, zweifelhaft, ob im echten Dinge ent-
schieden. 1193 Dezember 14, Breguzzo Yor Erzpriester Adrian, Ofibung
der Rechte des Domkapitels, BC. 39 m. 5, Nr. 1; 1213 Juli 27 bis Ok-
tober 14, wird ein Prozeß zwischen den Gemeinden Bondo und Bre-
guzzo und genannten Leuten um ein Grundstück vor dem Erzpriester
in Verona durchgeführt, a. a. O. AC. 12 m. 2, Nr. 5 und AC. 18 m. 3,
Nr. 12; dazu Zeugenverhöre AC. 18 m. 8, Nr. 10 und AC. 24 m. 3, Nr. 1
ebendort, Positionen AC. 14 m. 4, Nr. 9; 1214 Mai 11, Breguzzo vor
dem Erzpriester Albert : exercendo iurisdictionem Rechtsstreit um einen
Weg, ein zweiter um Grundstücke usw., AC. 16 m. 10, Nr. 4; wohl im
echten Dinge 1214 Mai 13, Öffnung über die Rechte des Kapitels in
Bondo und Breguzzo vor demselben, BC. 33 m. 3, Nr. 16; 1214 Mai 26,
Erzpriester Albert fällt in Verona: pro iurisdictione honore et districtu ad
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vor ihm in Bregozzo eingeleitet ist, wird in Verona zn Ende
gebracht. In der Ansübung der Gerichtsbarkeit wird er von
seinem Assessor unterstützt. Aach Akte der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit nimmt der Erzpriester vor. So bestellt er einmal
eine Matter zar tatrix ihres Sohnes.^
In älterer Zeit mag der Erzpriester, indem er die placita
generalia besachte, dort Unvollendetes oder was anter der Zeit
an Rechtshändeln entstand, in Verona entschied, den richter-
lichen Geschäften genügt haben. Aach Verpachtang der Ge-
richtsbarkeit ist schon früh vorgekommen. So war Schloß and
Hof Cereda mit Gericht and Bann aaf 29 Jahre verpachtet
worden. Aber das konnte za Verlusten führen, wie sich gerade
in diesem Falle zeigte. Der Pächter hatte Gericht and Schloß
dem Markgrafen Bonifaz von Tascien weiter verpachtet, von
ihm fielen beide im Erbgange an seine Tochter, die Großgräfin
Mathilde. Diese hatte beides za Lehen aasgetan, allerdings anter
der Bedingung, daß das Lehen nach dem Tode des Lehens-
trägers an das Kapitel heimfalle. Nun nahmen Abkömmlinge
eines Vetters des Lehensträgers Schloß und Gericht in An-
spruch.* Wenn diese, vom Kapitel verklagt, auch im Gerichte
unterlagen, so mochte das doch nur einer günstigen Fügung
zuzuschreiben sein. Das Streben, das sich in einzelnen Orten
des Immanitätsgebietes kundgab, Konsuln selber zu setzen,
die die Gerichtsbarkeit verwalten sollten, wie wir dies in Por-
cile fanden, mag als tauglichstes Gegenmittel, die Einsetzung
ständiger Beamter zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in den
canonicam pertinente, du Endarteü in einem Rechtsstreit zwischen der
Gemeinde Bondo und Bregozzo mit genannten Leuten um ein Grund-
stück; Breg^zo, 12. Mai desselhen Jahres entscheidet vor dem Erz-
priester dessen Assessor einen Rechtsstreit iim ein Grundstück, a. a. O.
AG. 17m. 2, Nr. 15 usw.; 1238 Juli 10, Erzpriester und Kapitel bestellen
zwei Domherren zu nuncios et procuratores vicarios sindicos et actores
ad ezercendum inrisdictionem illam, quam canonica Yeronensis habet in
Bergucio et Bundo, Bolbeno et Desuculo de comitatu Tridenti et ad
omnia ea ezercenda et facienda et inquirenda in dictis terris et locis
et supra homines habitantes in ipsis terris, que archipresbiter et capi-
tulum facere possunt, Verona K.-A. AC. 10 m. 4, Nr. 6. Vor diesen Ver-
tretern wird das Weistum, Beilage 11, erteilt; vor ihnen wird ein Rechts-
streit zwischen einem Johannes regularius von Bolbeno und Leuten
von Zuclo wegen Besitzstörung durchgeführt, 1238 Juli 19 ebendort
^ 1214 Mai 11, ebendort AG. 16m. 10, Nr. 21.
' Ficker, Forschungen 4, 116,
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einzelnen Immunitäten empfohlen haben. So ganz Neues schuf
Otto IV., indem er diesem Wunsche des Kapitels nachkam,
ohnehin nicht. Denn schon vorher war von Nuntien, Stellver-
tretern des Kapitels, zu ähnlichen Zwecken die Rede.^
Sehr bald haben die Domherren von der durch Otto IV.
erteilten Bewilligung, ständige Beamte, Konsuln, Podestaten
oder Vizecomites als Richter einzusetzen, Gebrauch gemacht.
Schon aus dem Jahre 1213 liegt die Ernennung eines Vize-
comes für die Dörfer in Judikarien vor.* Schon hier zeigt sich,
daß dieses Amt mit einem anderen, dem des Oastalden
vereinigt wurde. Von den beiden Amtern dürfte das zweite
zweifelsohne das ältere sein.* Im nächsten Abschnitte werden
wir die Bedeutung des Gastalden zu erkunden haben. Er ist
in erster Linie und in älterer Zeit Wirtschaftsbeamter. Seine
Aufgabe war es, die wirtschaftlichen Rechte des Grundherrn
zu wahren, die Bewirtschaftung des Gutes zu leiten, die Zinse
und Giebigkeiten einzuheben und dem Herrn abzuftihren.
Häufig ist ihm zugleich das Amt des Vizecomes tibertragen wor-
den,* wie ja auch in den deutschen Landgerichten das Amt
des Pflegers richterliche und wirtschaftliche Befugnisse vereinen
kann. Der richterliche ünterbeamte war auf den geistlichen
Immunitäten Italiens in der Regel der Vizecomes.^ Dieses Amt
war dem Domkapitel von Verona durch das Privileg Ottos IV.
(Böhmer-Ficker V, 1, 425) nahegelegt, das neben dem Vize-
comes allerdings auch von Konsuln und . Potestaten sprach.^
* Urkunde von 1193 Dezember 14, Verona K.-A. BC. 39 m. 5, Nr. 1.
" Urkunde von 1218 Juni 28, Verona K.-A. BC. 32 m. 6, Nr. 6. Erzpriester
Albert ernennt den Petrus, Sohn des Ribald von Bondo, zum Gastalden
von Bondo, Breguzzo, Bolbeno und Zuclo und zum Vizecomes. Der Eid
entspricht Ficker, Forschungen 4, Nr. 264. Wenn gleichzeitig der
Bruder des Peter Ribald mit dem bannum questionis belehnt wird, so
werden wir die Bedeutung einer solchen Belehnung später kennen ler-
nen. Hier genügt zu bemerken, daß es sich dabei um kein Amt han-
delte.
• Ein Gastalde wird schon 1210 Juni 13, Verona K.-A. AC. 12 m. 9, Nr. 14
erwähnt; ein Villicus, der nach späteren Zeugnissen mit dem Gastalden
identisch ist, 1193 Dezember 14. Er empfängt die geschuldete Leistung
von der Erbschaft der ohne Erben Verstorbenen.
* Ficker, Forschungen 2, 36. * Ficker, a. a. O. 35 f.
• Auch zu Poliano hatte das Kapitel einen Vizecomes, Ficker, Forschun-
gen 4, Nr. 401.
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339
Die Ernennung zum Vizecomes erfolgte auf beliebigen
Widerruf.* Zunächst allerdings wird 1213 der Sohn des ersten
uns bekannten Vizecomes Petrus, Boninsigna, mit beiden Am-
tern belehnt' Neben ihm erscheint sein Vater noch als 6a-
stalde,' dessen Bruder Ribald fUr sich und seine Brüder mit
der Gastaldie belehnt worden war.^ Vielleicht hat man damals
an eine Trennung beider Amter gedacht und die Gastaldie als
Lehen vergeben. Doch schon 1217 wird ein neuer Gastalde
und Vizecomes ernannt,* wieder auf beliebige Frist. Mög-
lich, daß Boninsigna Ansprüche auf das Amt erhob und eine
dauernde, feste Investitur behauptete. Wenige Monate nachher
legte er dem Kapitel eine Urkunde vor, die der Erzpriester als
verdächtig erklärte. Wir erfahren nur, daß es sich dabei um
eine Belehnung gehandelt hat.^ Indes bleibt der 1217 ernannte
Aldrighet Vizecomes und nimmt 1221 und 1222 Amtshandlun-
gen vor,' das erste Mal als villicus et vicecomes bezeichnet, denn
der Villicus war, wie wir im nächsten Abschnitte sehen wer-
den, mit dem Gastalden identisch. Später, 1242, wird ein Sohn
des Aldrighet, Aldrigin, zum Gastalden und Vizecomes oder
Rektor ebenfalls auf beliebigen Widerruf ernannt.^ Es scheint
also bis dahin eine gewisse tatsächliche Erblichkeit bestanden
zu haben. Doch schon 1249 wird einem Fremden, Antonius
^ 1213 Juni 28, allerdings nur für die Investitur mit der Gastaldie. Daß
das Gleiche auch für den Vizecomitat galt, ergibt der häufige Wechsel
der Beamten.
» 1213 November 16, Verona K.-A. AC. 10 m. 4, Nr. 2.
" 1216 Juni 25, ebendort AC. 12 m. 6, Nr. 10.
♦ Urkunde 1213 Juni 28, Verona K.-A. AC. 9 m. 9, Nr. 3: Ribaldus frater
Petri de Bunde per se et per suos fratres pedit d° magistro Alberto
.... archipresbitero investituram de suo recto feudo quod habet in Bundo,
quod feudum dixit esse castaldiam dicte curie dicte canonice Veronen-
sis de Bundo et de Bergucio et bannum questionis, si reclamacio vide-
licet de eis in suprascripto loco in curia canonicorum facta fuerit.
' Aldrighet, Sohn des Atto de Vencello von Breguzzo, Ficker, Forschun-
gen 4, Nr. 264.
• 1218 März 26, Verona K.-A. AC. 10 m. 4, Nr. 2. Ein Zeuge, der Bruder
des B. wird gefragt: si tunc quando fuit investitus de suo recto feudo
ut dielt et quando iuravit fidelitatem ut vassallus, si ibi ea vice iuravit
fidelitatem terreriam.
* 1221 März 22, ebendort AC. 12 m. 7, Nr. 2. 1222 Mai 15, ebendort AC.
13 m. ö, Nr. 2.
■^Ficker, Forschungen 4, Nr. 378.
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340
von Zuclo, das gleiche Amt auf ein Jahr verlängert.* Noch
später müssen die Inhaber des Amtes rasch gewechselt haben.
Im Jahre 1263 wird Armanin, Sohn des Friedrich von Campo,
vom Kapitel zum nuncius und procurator fUr die Dörfer er-
nannt; der in einer etwas älteren Urkunde als gastaldio et
vicecomes bezeichnet wird.* Im Jahre 1271 wurde Berthola-
meus von Breguzzo zum Vizecomes, Vikar, Rektor und Nun-
tius bestellt, der im nächsten Jahre noch im Amte steht,' aber
schon 1275 von einem ser Nicolaus vicarius, villicus et gastal-
dius abgelöst erscheint.^ Mit ihm schließt die Reihe der be-
kannten Vizecomites und Gastalden der vier Dörfer.
Daß dem Vizecomes die Ausübung der Gerichtsbarkeit
zukommt, sagt schon sein Name und die Analogie seiner Stel-
lung mit Beamten gleichen Titels auf anderen geistlichen Im-
munitäten; die Ausübung der Gerichtsbarkeit wird auch im
Privileg Ottos IV. und in den Amtseiden und Ernennungsde-
kreten als seine Hauptaufgabe bezeichnet. Es liegen denn auch
Fälle genug vor, die von seiner richterlichen Tätigkeit Zeugnis
geben. Ob aber diese Gerichtsgewalt eine unbeschränkte oder
eine beschränkte war, und wie sie sich insbesondere zum Ge-
richte des Erzpriesters verhielt, darüber geben die Quellen
keine Auskunft. Doch ist kein Zweifel, daß der Elrzpriester
eine übergeordnete Stellung einnahm, daß der Erzpriester den
Vizecomes als sein Organ bei Ausübung der Gerichtsbarkeit
ansieht und ihn mit der Vornahme einzelner prozessualer Akte
beauftragt.^ Daneben findet auch der Vizecomes rechtskräftige
Urteile, von welchen Berufung an den Erzpriester eingelegt
werden kann. So hatte der Vizecomes eine Klage entschieden
gegen einen, der die Haustüre eines anderen durch einen vor-
gewälzten Stein verrammelt hatte, und bei einer Bannbuße von
" a. a. O. Nr. 413.
" 1263 Oktober 18 und Jänner 18, Verona K.-A. AC. 63 m. 3, Nr. 3.
» 1271 Dezember 14 und 1272 Februar 6, a. a. O.
* 1275 Jänner 13, quittiert den geschuldeten Zins, a. a. O.
* Urkunde 1216 Juni 25, Verona K.-A. AC. 12m. 6, Nr. 10. Der Erz-
priester beauftragt den Vizecomes, die Miola im Besitze eines Hauses
und Grundstückes in Bondo bei einer Bannbuße von 60 Schilling fUr
jeden, der den Besitz stört, zu schützen und in der Eigentumsklage,
die gegen sie Bobulcus erhebt, Zeugen zu vernehmen: et mittendnm
clausos et sigilatos dictos testes domino archipresbitero.
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341
10 Schilling die Entfernung des Steines anbefohlen.^ Es muß
dagegen Berufung stattgefunden haben, denn einen Monat später
wird das Urteil vom Erzpriester bestätigt, unter erheblicher Er-
höhung der Bannbuße von 10 auf 60 Schilling.*
Noch ist das Verhältnis der Immunität zur Graf-
schaft zu besprechen. Vieles bleibt hier dunkel; wir sehen
Ansprüche erhoben, die vom Kapitel abgewehrt werden, An-
sprüche, deren Begründung nicht klar ist. Vor allem wissen
wir nicht, wem auf den Immunitäten des Domkapitels das Recht
zustand, jene Handlungen vorzunehmen, die vom Anfange an
oder im Laufe der Zeit zur besonderen Befugnis der königlichen
Missi gehörten;^ vor allem, ob das Domkapitel befugt war, den
Zweikampf abzuhalten, der als Beweismittel bis zum Durch-
dringen des römischen Rechtes in Italien die größte Bedeutung
genoß. Da die Privilegien darüber schweigen, werden wir eher
das Gegenteil anzunehmen haben. Mußte nun der Zweikampf
vor das Grafengericht, in unserem Falle vor das Gericht des
Bischofs von Trient gebracht werden, dem solche missatische
Gewalt unzweifelhaft zustand? Immer werden in den Kaiser-
privilegien und anderen Urkunden unsere Orte als in der Graf-
schaft Trient gelegen genannt. War dies nur eine geographi-
sche Bezeichnung oder lag darin auch ein rechtlicher Sinn?*
Die öffentlichen Einkünfte freilich waren schon durch die Pri-
vilegien dem Domkapitel zugesprochen worden, und in einem
anderen Falle waren dem Grafen Albert Ansprüche auf fodrum,
albergaria, porcum et multonem, placitum et districtum et col-
tum, also Abgaben aus dem Titel der Militär-, Steuer- und Ge-
richtshoheit abgesprochen worden.^ Aber an Versuchen, solche
Ansprüche durchzusetzen, hat es auch in Südtirol nicht gefehlt.
Schon die Bezeichnung der Ortschaften in comitatu Tridentino
maßte die Handhabe dazu bieten.
» Urkunde 1221 M8rz 22, Verona K.-A. AC. 12 m. 7, Nr. 2. Das Vergehen
muß häufiger vorgekommen sein, da es auch in den Bannsätzen für
Poliano, Ficker, Forschungen 4, Nr. 401 mit Buße bedroht wird.
* Beilage 9. " Ficker, Forschungen z. R. R. 2, 62 f.
* Wie Seeliger, Grundherrschaft 99 f. den fortdauernden Zusammenhang
wenigstens vieler Immunitäten mit der Grafschaft betont hat Dagegen
Stengel in Zeitschr. der Savigny- Stiftung für Rechtsgesch. Germ. A. 26,
S13 f.
» Picker, a. a. O. 4, Nr. 97.
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342
Dazu kam noch ein zweites. Es ist bereits oben erwähnt
worden/ daß auch die Grafen von Eppan nnd nach ihnen das
Bistum Trient Vasallen und Besitzungen in Breguzzo hatten.
Wenn nun die Privilegien, die Weistümer und Oflfhungen der
Immunitätsleute alle Bewohner des genau umgrenzten Immuni-
tätsbezirkes ohne Einschränkung der Gerichts- und Steuerhoheit
des Kapitels zusprachen, so konnte es nicht fehlen, daß von
Seite des Bistums Trient und seiner Lehensträger die Aus-
dehnung der Gerichtshoheit über die eigenen 'Vasallen und zu-
letzt die Gerichtsbarkeit des Kapitels überhaupt bestritten
wurde.* Als Lehensträger des Bistums erscheinen die Herren
Yon Campo in Judikarien, und sie sind es in erster Linie, die
mit dem Domkapitel den Strauß beginnen. Schwer genug mag
ihre Hand auf den Immunitätsleuten gelastet haben, denn wieder-
holt versprechen diese dem Erzpriester namhafte Summen, wenn
er sie von den Herren von Campo, und ihren Ansprüchen be-
freie.* Auch die Bischöfe von Trient nahmen sich ihrer Va-
sallen, der Herren von Campo an und suchten die Immunitäts-
rechte des Kapitels zu beseitigen. Folgten sie doch darin nur
dem Beispiele so vieler anderer Fürsten, welche die Immuni-
täten ihrer Landeshoheit zu unterwerfen suchten.
» Vgl, S. 329.
' Unklar bleibt der Streit des Domkapitels mit Zenellus und Luscos um
die Qerichtsbarkeit in Bogosio (Ficker, Forschungen 4, Nr. 180),
zweifelhaft vor allem, ob unter Bogosio Breguzzo zu verstehen ist. Was
in dieser Urkunde über die Rechtsverhältnisse in Bog^sio verlautet,
stimmt nicht mit Breguzzo; auch wäre die Verhandlung vor einem Kon-
sul in Verona gegen Leute von Breguzzo kaum denkbar.
» Urkunde 1210 Juni 13, Verona K.-A. AC. 12 m. 9, Nr. 14. Vertreter der
Leute von Breguzzo und Bondo : per stipulationem promiserunt magistro
Alberto archipresbytero maioris ecclesie Veronensis vice canonice dare et
solvere ei domino archipresbitero et canonicis centum libras den. Ver. de
hinc ad festum sancti Michaelis, si canonici deliberarent eos ab Ulis de
Campo a domino Riprando et ab eins fratribus; 1223 Juni 24, ebendort
AC. 10 m. p., Nr. 10. Leute von Bondo bestellen einen Stellvertreter: in
eundo coram presentia domini magistri Alberti . . . archipresbyteri et ha-
bere consilium hab eo domino, qualiter suprascripti homines et infra-
scripti possent exire de sub dominacione dominorum de Campo, und um
ihm Sicherheit für alle dabei verwendeten Kosten zu gewähren. Die
Campo müssen indes auch Anhänger gezählt haben, denn Bischof Hein-
rich von Mantua ermahnt 1210 die Leute von Bolbeno, sich der Herr-
schaft des Domkapitels nicht zu entziehen.
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343
Der erste Streit, von dem uns Kunde erhalten ist, ftlllt
ins letzte Dezenium des 12. Jahrhunderts. Die Domherren
klagten vor dem Bischöfe von Trient gegen die Herren von
Campo wegen Besitzstörung.^ Der Bischof nahm die Klage
nicht an; er anerkannte wohl das Eigentum des Kapitels, aber
er erklärte, daß ihm selber Gericht und Bann als Grafen der
Grafschaft Trient zustehe, nachdem die Orte zur Grafschaft
gehörten. Er deckte die Herren von Campo als ihr Gewährs-
mann. Nun wandten sich die Domherren an den Papst. Co-
lestin UI. beauftragte den Bischof Johann von Brescia, die
Campo unter Androhung der Exkommunikation von der Besitz-
störung abzuhalten.^ Die Zensur wurde verhängt, da die Campo
auf die Vorladung nicht erschienen.* Damit war der Streit
noch nicht zu Ende. Das Vorgehen des Bischofs Johann scheint
fruchtlos geblieben zu sein. Wieder wandten sich die Dom-
herren an den Papst. Innozenz Hl. erneuerte das Mandat Cö-
lestins HI. an den gleichnamigen Nachfolger des inzwischen
verstorbenen Bischofs Johann,^ er erteilte indes noch ein zwei-
tes, das sich gegen den Bischof von Trient wandte und den
Bischof von Brescia ermächtigte, über die Rechtsansprüche, die
dieser gegen das Kapitel erheben würde, zu entscheiden.^ Die
Campo wurden infolgedessen neuerdings mit der Exkommuni-
kation belegt, und der Bischof von Trient wurde aufgefordert,
die E^xkommanikation zu verkündigen, selber aber von aller Be-
sitzstörung abzustehen und in petitorio seine Rechtsansprüche
darzulegen. Bischof Kourad wich zunächst diesem Verlangen
aus, indem er die Vollmacht seines Kollegen von Brescia be-
zweifelte.^ Später änderte er seine Haltung; er ließ sich her-
bei, Stellvertreter zu ernennen, die seine Sache vor dem Bischof
von Brescia führen sollten.'' Diese ei^annten im Namen des
Bischofs neuerdings das Eigentum des Kapitels an, über die
Grafschaftsrechte aber hüllten sie sich in ein dunkles Schwei-
gen.® Praktisch wichtiger war es für das Domkapitel, daß sich
Bischof Konrad von Trient jetzt herbeiließ, gegen die Campo
die Exkommunikation zu verkündigen.^ Doch schon nach
^ Ficker, Forachongen 4, Nr. 183. * BeUage 1.
* Beilage 2. * BeUage 4. ^ Beilage 3. * Beilage 5.
' Trient, 1199 Dezember 16. Die Domherren von Brescia Wigelm und
Manfred von Sale; Verona K.-A.
' BeUage 6. * Beilage 7.
ArchiT. 9i. Band, II. U&lfto. 24
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344
wenigen Jahren ftlUte Konrad wohl in derselben Sache ein dem
Kapitel ungünstiges Urteil, von dem der Vertreter des Kapitels
an den Papst appellierte.^ Wir wissen nicht; ob über die be-
strittene Gerichtsbarkeit weiter zwischen Bischof Konrad und
dem Kapitel verhandelt worden ist. Der Streit mit den Campo
währte fort und wurde in der Folge vor das kaiserliche Hof-
gericht gebracht. Im Jahre 1210 sprachen vier Hofrichter dem
Domkapitel den Besitz der streitigen Orte und Gerichtsbarkeiten
zu, nachdem die Campo den Vorladungen des kaiserlichen Hof-
vikars, Bischofs Heinrich von Mantua, nicht gefolgt waren.*
Damit war indes wenig geholfen. Zehn Jahre hernach noch fand
Friedrich II. es für notwendig, für dieses Urteil einen Exekutor
zu bestellen.* Später wurde neuerdings Klage vor dem päpst-
lichen Stuhle erhoben, und Papst Gregor IX. beauftragte den
Prior von Allerheiligen in Verona mit der endgültigen Ent-
scheidung.^ Damit scheint dieser Streit endlich sein unbe-
kanntes Ende erreicht zu haben.
Nochmals kam das Bistum Trient in die Lage, sich mit
der Immunität des Kapitels von Verona zu befassen, als dem
Podestk Sodegher, der es damals im Namen des Reiches ver-
waltete, der Auftrag zuteil wurde, ein Urteil des Reichshofge-
richtes gegen widerspenstige Untertanen des Kapitels zu voll-
strecken und das Kapitel in den Besitz der Güter der Verur-
teilten zu setzen.^ Damit aus dieser Amtshandlung kein Nachteil
für das Kapitel erwachse, fand es dieses für gut, den Podestk
auf seine Rechte aufmerksam zu machen und auf alle Fälle an
den Kaiser zu appellieren.^ Als das Domkapitel im Jahre
* 1204 August 4, Trient; Verona K.-A. Musetus, Notar, Vertreter des Ka-
pitels von Verona, überreicht dem Bischof Konrad eine Appellation fol-
genden Inhalts: Domine Conrade dei gratia Tridentine ecclesie epis-
cope. Ego Musetus notarius procurator domin i Guidonis Veronensis eccle-
sie archipresbyteri et capituli, si tos dedistis sententiam contra ipsum
vel contra canonicam Veronensem, ex quo a Yobis appellavi et vos tan-
quam .... (Lücke) recusavi .... (Lücke), salva prima et secunda ap-
pellatione a vobis ad dominum papam in scriptis appello, vel si eum
excommunicastis, et apostolos instanter peto.
' Ficker, Forschungen 4, Nr. 238. Die Vorladung ebendort Nr. 281.
» Ficker, a. a. O. Nr. 274.
* Beilage 10.
'^ 1238 Dezember 7, Ficker, Forschungen 4, Nr. 364.
* 1238 Dezember 9, Ficker, a. a. O. Nr. 365.
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345
hernach einen Schutzbrief von Kaiser Friedrich II. erlangte,^
yerschaffte es sich gleichzeitig noch ein besonderes kaiserliches
Mandat an den Podestä Sodegher, in dem ihm der bestimmteste
Auftrag gegeben war, die in seinem Amtssprengel gelegenen
Besitzungen des Kapitels zu schlitzen.^ Mag Sodegher aus
diesem Mandate, nach dessen Wortlaut die vier Dörfer als in
seiner Jurisdiktion gelegen gedeutet werden konnten, dem Ka-
pitel unangenehme Folgerungen gezogen oder sonst Ansprüche
erhoben haben, in seinem Auftrage sicherlich war es geschehen,
daß der Vizecomes des Kapitels wegen der Ausübung der Ge-
richtsbarkeit vom Hauptmanne von Stenico gefangen gesetzt
worden war. Nun beeilte sich das Kapitel allerdings, dem Po-
destk seine Privilegien und Rechtstitel auf die vier Dörfer und
die Gerichtsbarkeit, welche es dort in Anspruch nahm, vorzu-
legen. Und jetzt erkannte der Podestk in der Tat die Gerichts-
hoheit des Kapitels an und beauftragte den Hauptmann von
Stenico, sie nicht weiter zu irren.'
Wie lange die Herrschaft des Kapitels in den vier
Dörfern bestanden hat, läßt sich nicht sagen. Mit 1284
liegt das letzte Zeugnis für sie vor.* Wie und wann sie ge-
endet hat, ist unbekannt; das Kapitelarchiv von Verona gibt
darüber keine Auskunft. 64 Jahre später ist das Schloß Bre-
guzzo im Besitze des Hochstiftes Trient.^ Doch werden wir
den Verlust fUr das Kapitel wegen des Versiegens der urkund-
lichen Nachrichten im Domkapitelarchiv erheblich früher, wahr-
scheinlich bald nach 1284 setzen müssen. Die vier Dör-
fer und ihr Gerichtssprengel sind in das Gericht Judikarien
und die Hauptmannschaft Stenico aufgegangen, ohne Spuren
ihrer früheren Sonderstellung zu bewahren.
1 Böhmer-Ficker, Nr. 2442. * Beilage 18.
• Ficker, Forschungen 4, Nr. 383.
* 12S4 Juli 21, Verona K.-A. AG. 13 m. 5, Nr. 8: die Gemeinden Bre-
gozzo und Bondo bestellen einen Vertreter, um dem Domkapitel die
geschuldete Steuer zu zahlen.
^ 1349 Jfinner 9. Dionjsius de Gardellis, Hauptmann des Kapitels von
Trient, sede vacante, gibt die rocca de Bragutio dem Generalvikar des
Bischofs Johann heraus, Innsbruck, Ferdinandeum, Handschr. Dipaul.
822, S. 51—53. 1385 Mai 13, Innsbruck, Ferdinandeum, Handschr. Di-
paul. 614 (Primisser), f. 153 : Bischof Albrecht von Trient verleiht die
Hut des Schlosses dem Friedrich Gesiecht, nachdem der bisherige Haupt
mann Georg Gesiecht wegen Krankheit dienstunfähig geworden ist.
24*
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346
So sehen wir hier eine Immunität aus einer Grundherr-
schaft erwachsen, in welcher der Immunitätsherr volle Gerichts-
barkeit, Steuer- und Bannrechte ausübt, und in mannigfaltigen
Beziehungen zu der Grafschaft treten, die am Ende den Im-
munitätsherm verdrängt und das Immunitätsgebiet ihrer Ge-
richtsverfassung einverleibt.
n. Das Hochstift Trient.
Fast möchte es unangebracht scheinen, über die Immuni-
tät des Bistums Trient zu handeln. Sind uns doch keine Im-
munitätsverleihungen erhalten, und haben die Bischöfe seit der
Erwerbung der Grafschaftsrechte die öffentliche Gewalt und
insbesondere die hohe Gerichtsbarkeit als Grafen, Markgrafen
und Herzoge ihres Gebietes ausgeübt. Kaum noch dürfte die An-
sicht Jägers auf Beifall rechnen können,^ der aus der Immunität
den Erwerb der Grafschaftsrechte durch das Bistum, insbesondere
in Bozen ableiten zu können glaubte.' Indes dürfte es trotz-
dem nicht überflüssig sein, gewissen Instituten näherzutreten,
die an einstige Immunität anknüpfen, vor allem der Gastalden-
verfassung und der Vogtei, von denen die erste bei der Ent-
wicklung der Landgerichte eine gewisse, vielfach überschätzte
Rolle gespielt, die zweite wie kein anderes Institut für die Bil-
dung des heutigen Landes Tirol Bedeutung gehabt hat, ihrem
Rechtsinhalte nach jedoch bisher keineswegs richtig erkannt ist.
Beim Mangel fast aller urkundlichen Nachrichten ftir die
Geschichte des Hochstiftes Trient vor dem 12. Jahrhundert läßt
sich das Anwachsen und die Bedeutung der Immunität nur aus
späteren Zuständen mutmaßen, ganz anders als in den benach-
barten Bistümern Sähen -Brixen und Chur mit ihren seit dem
9. Jahrhunderte fast ununterbrochenen Reihen von Königsur-
kunden. Die Urkunde Konrads H. von 1027, in welcher die
Grafschaft Trient geschenkt wird,' ist das einzige, wie durch ein
^ Geschichte der landstäud. Verf. Tirols 1, 243.
' Vgl. Durig, Die staatsrechtlichen Beziehungen des italienischen Landes-
teiles von Tirol zu Deutschland und Tirol, Jahresber. der Oberrealschule
Innsbruck 1864, 8; ders., Beiträge zur Geschichte Tirols, Zeitschr. des
Ferd., III., Bd. 9, lö; Jäger, Geschichte der landständ. Verf. Tirols 1,
223 f.; Egger, Gesch. Tirols 1, 181 usw.
» Stumpf 1954.
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347
Wander erhaltene Original^ das aus dem 11. Jahrhunderte yor-
liegt. Älteres ist überhaupt nicht yorhanden. Schon die yiel-
bezweifelte Schenkung der Grafschaften Bozen und Vintschgau *
liegt nur in einem späteren Transumte yor^ wenn dayon ein
Original oder angebliches Original überhaupt je yorhanden war.
Erst von Kaiser Friedrich I. besitzen wir wieder ein Ori-
ginaldiplom vom Jahre 1161.' Doch auch die^e Urkunde ent-
hält keine Immunitätsformel, sondern eine Bestätigung der Schen-
kung der Grafschaft Trient durch einen König Heinrich.* Und
ebensowenig die folgenden Kaiserdiplome: Stumpf 4082, (Ver-
leihung der Grafschaft Garda), Stumpf 4335, 4512 und 4669,
die besondere Verfügungen treffen. Aus dem 13. Jahrhundert
liegen überhaupt keine allgemeinen Bestätigungen der Rechte
des Bistums bis auf Adolf yon Nassau^ vor. Doch aus dieser
Urkunde läßt sich so wenig wie aus dem jüngeren, umfang-
reicheren Priyileg Karls IV.* etwas für unsere Frage gewinnen,
da dem Gebrauche dieser späteren Zeit gemäß Immunitäts-
formeln aus älteren Diplomen nicht mehr wiederholt werden.
Doch dürfte die Vermutung nicht abzuweisen sein, daß
auch für Trient wie für alle anderen Hochstifte Immunitäts-
priyilegien erteilt worden sind. Eine Trienter Grundherr-
schaft wenigstens gab es, außerhalb der Grenzen der
Grafschaften Trient, Bozen und Vintschgau, auf der
dem Bischof unzweifelhaft die hohe Gerichtsbarkeit zustand,
Castellaro, neuestens auf Grund einer sehr fragwürdigen Ety-
mologie als Castel d'Ario umgetauft, nordöstlich yon Mantua
am Kanäle Molinella, an der Grenze der alten Territorien von
' Stumpf 1966. • stumpf 3919.
• Welcher Heinrich damit gemeint ist, ist schwer zu sagen ; am nächsten
würde es liegen, an Heinrich y. zu denken, dem Bischof Gehhard, der,
vom König 1106 eingesetzt, hei der Stadt Trient und einem Teile des
Adels heftigen Widerstand fand, hesonders nahe stand. Egger, Gesch.
Tirols 1, 191. Freilich könnte dann nicht eigentlich von einer Schen-
kung, sondern nur von der Bestätigung der Schenkung Konrads II. die
Rede sein ; oder an Heinrich H., wofQr sprechen würde, daß Konrad U.
in Stumpf 1964 die Grafschaft eigentlich bestätigt: damus, tradimus atque
conlirmamus. yielleicht bringt eine diplomatische Untersuchung, die
von Breßlau zu erhoffen ist, Licht in die Sache.
* Frankfurt, 1296 November 13, Böhmer, Regesta imperii ab anno 1246
usque ad 1813, Nr. 382.
» Huber, Regesta Imperii VHI, Nr. 328.
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348
Mantua und Verona gelegen. Kaiser Heinrich IV. hat im Jahre
1082 den Bischof Heinrich von Trient mit der curtis Castellaro
investiert,^ ob aus Anlaß eines Rechtsstreites oder weil sich der
Bischof im Besitze derselben durch den Königsbann sichern
wollte, muß dahingestellt bleiben.' Jedenfalls war das Bistum
schon vorher im Besitze des Hofes, dessen Erwerbung nicht
bekannt ist. Wir wissen zunächst wenig über die Schicksale
der Besitzung.' Es ist aber Willkür, wenn Ambrosi aus dem
Mangel an Nachrichten ohneweiters schließen will, daß das Bis-
tum nicht in den Besitz der Herrschaft gekommen sei, die von
den Mantuanern vorenthalten worden wäre. Kaum würde das
Bistum in solchem Falle die Klage beim kaiserlichen Hofe
unterlassen haben. Wenn Ezelin von Bomano im Jahre 1238
im Besitze von Castellaro erscheint,* so ftlllt dies in die Zeit,
in der das Bistum von Trient durch das Reich verwaltet und
in engere Abhängigkeit von der Mark Treviso gebracht wurde.^
Kein Wunder auch, wenn in der Folgezeit die Herrschaft dem
Bistume entfremdet wurde. Doch ließ sich 1276 der neue Herr
von Mantua Pinamonte Bonaccolsi von Bischof Heinrich II. mit
Castellaro belehnen/ und seitdem wurde die Investitur zugun-
sten der Herren von Mantua regelmäßig erneuert; es wurde
namentlich nach dem Sturze der Bonaccolsi Ludovico Gonzaga
belehnt und seitdem die Herren und Herzoge von Mantua aus
diesem Geschlechte bis zu seinem Aussterben 1708.^ Damals
wurde es als heimgefallenes Lehen unter die unmittelbare Ver-
waltung des Bistums Trient genommen und verblieb darin bis
zur Vereinigung mit der Zisalpinischen Republik von Napoleons
Gnaden.
Nach den späteren Investituren umfaßte die Herrschaft
das Schloß Castellaro, die Dörfer Susano, Cavalieri, Grossa und
> Kink, Fontes U, 6, Nr. 2.
• Vgl Ficker, Forschungen 1, 48 n. 2.
• Einige Notizen sind zusammengestellt von Ambrosi in Archivio per
Trieste, Istria ed il Trentino 1, 375 f. Was Ambrosi von der Veran-
lassung der Reinvestitur zu berichten weiß, beruht auf Phantasie, da
es sich ja nicht um eine Neuverleihung gehandelt hat
• Ambrosi, a. a. O. 376.
• Ficker, Forschungen 2, 608.
• Ambrosi, Commentari della Storia Trentina 2, 226.
' Ambrosi, Arch. per Trieste usw. 1, 378.
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349
Pampurio.* Sie werden vergeben cum iurisdictionibas et hono-
riis nniversis et mero et mixto imperio^ also mit der hohen Qe-
richtsbarkeit, die dem Bischof hier kraft der Immunität des
Hochstiftes zugestanden haben muß; wenn sie ihm nicht viel-
leicht besonders verliehen worden ist.
Aus grundherrlichen Wurzeln ist auch die Ga-
staldie erwachsen^ die unstreitig eine bedeutende Rolle in
der Geschichte der Verwaltung und Gerichtsverfassung Süd-
tirols bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts spielt. Wer sind
die Gastalden und was war ihre Aufgabe und Bedeutung?
Elgger sieht in den Gastalden ohneweiters richterliche Beamte, in
den Gastaldien die Vorläufer der späteren Landgerichte;' Sar-
tori und Pertile nehmen an, daß das Bistum in Gastaldien zer-
fallen sei, die Pertile wieder aus Dekanien zusammengesetzt
sein läßt. Aufgabe der Gastalden sei es gewesen, in den De-
kanien Recht zu sprechen.' Diese Anschauung entspricht nicht
ganz den Tatsachen. Weder gab es eine Einteilung in Gastal-
dien und Dekanien^ die das ganze Bistum umfaßte, noch kamen
den Gastalden durchwegs oder auch nur von altersher richter-
liche Funktionen zu. Werfen wir vorerst einen Blick auf
dieses Amt und die Beamtungen des Bistums überhaupt in
der älteren Zeit.
Der bischöfliche Gastalde stammt von dem langobardischen
Beamten dieses Namens, der als Verwalter der königlichen Do-
mänen bekanntlich bereits in den langobardischen Edikten ge-
nannt wird.* Als Gutsverwalter, Wirtschaftsbeamte finden wir
Gastalden auch bei den Alamannen und Bayern.^ Nicht anders
war die Stellung der langobardischen Gastalden, wenn sie auch
mit den Herzogen zu den iudices gezählt wurden. Sie teilen
dieses Schicksal mit den fränkischen Domanialbeamten, den
actores. Beiden standen in der Tat richterliche Funktionen zu.
^ So nach den Inrestituren von 1398 März 2, Innsbruck St.-A. Lehenbuch
Bischof Georg», Capsa 22, Nr. 3, f. 91—91'; 1467 April 26, a. a. O. Le-
henbuch Bischof Georgs IL, Capsa 22, Nr. 6, f. 196-198.
« Gesch. TiroU 1, 263; Zeitschr. des Ferd. HI, 41, 243.
' Sartori, Zeitschr. des Ferd. lU, 36, 7 f.; Pertile", 1, 336; ebenso Sal-
violi, Atti m, 6, 100 f.
^ Brunner, Bechtsgesch. 2, 124; Schupfer, Delle Istituzioni politiche Lan-
gobardiche 311 f.; Pertile*, 1, 108; Schröder, Bechtsgesch.*, 129.
* Brunner, Bechtsgesch. 2, 124; Grimm, Deutsche Bechtsaltertümer*, 2,
364.
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350
doch nar auf den königlichen Domänen, die der Verwaltung
der Grafen und Herzoge entzogen waren. Im übrigen über-
wachten sie die Verwaltung und Bewirtschaftung der Fisci; sie
waren Wirtschaftsbeamte, die auf den exemten Domänen zu-
gleich die Ausübung der Gerichtsbarkeit besorgten. In der
Folge treflfen wir Gastalden als herrschaftliche Verwalter. Ob
dies bei den Langobarden schon vom Anfange an der Fall war,
wie bei den Bayern und Alamannen^ muß dahingestellt bleiben^
dürfte jedoch in Anbetracht der späteren Verbreitung des Amtes
nicht so unwahrscheinlich sein, denn schon seit dem 10. Jahr-
hunderte finden sich Gastalden, besonders in den geistlichen
Herrschaften Oberitaliens in großer ZahP und sehr verschie-
dener Stellung; immer aber tritt die wirtschaftliche und ver-
waltende Tätigkeit besonders hervor. Noch heute hat der italieni-
sche Dialekt im Veronesischen, auch in Welschtirol das Wort
im Sinne von Schaffner oder Oberknecht bewahrt.
Auch im Bistume Trient war es nicht anders. Der Ga-
stalde war ein Wirtschaftsbeamter, von Haus aus nur
betraut mit der hof- und leibherrlichen Gerichtsbarkeit über die
Hörigen, die zum Hofe gehören. Übt er die öffentliche Ge-
richtsbarkeit, so ist es nur, weil ihm diese insbesondere noch
übertragen ist zu den Befugnissen seines Amtes, weil eine der
im Mittelalter so beliebten Amterkumulationen vorliegt, welche
der modernen Forschung vielfach so verwickelte Rätsel auf-
geben und nur zu leicht zu irrigen Ansichten verlocken.*
Gastalden gibt es in Südtirol genug. Vor allem als bi-
schöfliche Beamte; den Beamten entsprechen Amtssprengel, die
sich allerdings über den größten Teil des Bistums ausdehnen.
Die folgende Aufzählung soll nicht den Anspruch auf Vollstän-
digkeit beanspruchen, sie soll nur ein Bild von der Verbreitung
der Institution gewähren. Gastalden finden wir vor allem in
Trient selber. Hier wird namentlich ein Gastalde Ambrosius
in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts erwähnt,^ eine
> Vgl. Pertile« 1, 335; Salvioli, Atti III, 6, 98 f.
• Es ist das Verdienst Siegfried Rietschels, in seinem Buche über das
Burggrafenamt auf diese Ämterkumulationen mit Energie hingewiesen
und für sein Thema die reinliche Scheidung der verschiedenen Amts-
befugnisse durchgeführt zu haben.
" Kink, Fontes H, 5, Nr. 73, 237; Hormayr, Gesch. Tirols 1, H, Nr. 120
(1226); Urkunde 1234 August 17, Wien St.-A. Liber iurium vallis La-
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Gastaldie wird anter Bischof Friedrich yon Wangen genannt.
Zar Gastaldie Trient gehörten anzweifelhaft aach Povo and
Sopramonte, das allerdings einen eigenen Gerichtsbezirk bildete,
aber keinen eigenen Gastalden besaß.^ Gastalden standen dann
dem Silberbergwerke am Calisberge nordöstlich von Trient vor,
deren Sprengel zeitweise wenigstens aach Civezzano amfaßte.'
Die Gastaldie Trient verschwindet in der Folge; an Stelle der
Gastalden treten Massare and Caniparii.^ Wenden wir ans
nach Süden in den Umkreis der alten Jndiciaria summa lacaen-
sis/ so treffen wir eine Reihe von Gastaldien, die mit den ein-
zelnen Pfarren zasammenfallen, keineswegs aber stets anter
einem eigenen Gastalden stehen, sondern in banter Weise grup-
piert erscheinen. So sind die Gastaldien Arco, Ledro, Tignale,
Lomaso and Bleggio 1272 and 1279 im Besitze der Herren
von Arco,^ so werden Bono, Ledro and Tignale als eine Ga-
staldie bezeichnet,^ so stehen 1262 Lomaso and Bleggio anter
einem Gastalden,^ so werden 1272 die Gastaldien in den Pfar-
ren Banale, Preore, Tione and Uendena einem einzigen Richter
gari f. S*; in Acta Tirol. 2 b&nfig als bereits verstorben erwähnt, Nr. 10,
357, 383 usw.
^ In einem Urbar des 13. Jahrhunderts ist die Rede von Ausgaben des
Dekans von Oveno: quando ipse gastaldius venit ad racionem facere in
predicta villa Oveni, Chr. Schneller, Tridentinische Urbare 199; vgl.
Reich in Zeitschr. Tridentum 6, 152. In einer anderen Au&eichnung
vom Beginne des 13. Jahrhunderts Kink, Fontes II, 6, Nr. 284 werden
die Gastaldien Povo und Sopramonte erwähnt.
* Kink, Fontes II, 6, Nr. 236 (1186), 237, 239, 241 ; 1214 Jänner 7, Bi-
schof Friedrich verpfändet die Gastaldie an Albert von Seiano, Ripran-
din Ottonis Richi und Odolricus Rambaldi, Wien St.-A. (Dominez, Re-
gesto Cronologico 15&); 1272 Juni 16, Bischof "Egno verleiht die gastal-
dia montis argentarie et Ciuezani an Ropret von Cognola und Peter,
Bonelli, Memorie intomo al beato Adelprete 2, 600.
" Der caniparius ist älter, Kink, Fontes H, 6, Nr. 28 (1188), 119, 273 usw.
Der Massarius wird erwähnt zuerst 1256 Dezember 9 (Dominez 397)
als oberster Finanzbeamter des Bischofs. Später steht ihm und dem
Massariatsamte die politische und wirtschaftliche Verwaltung der so-
genannten äußeren Prätur Trient zu.
* Vgl. S. 10 dieses Bandes.
» Urkunde 1272 März 7, Wien St.-A. (Dominez 488); 1279 November 20,
Bonelli 2, 610.
* Urkunde 1226 April 18 (Dominez 260) und Kink, Fontes II, 6, Nr. 284.
* 1262 April 3, Wien St.-A. (Dominez 425).
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352
verliehen.* Wir sehen daraus^ daß hier weder der Bezirk der
Gastaldie feststeht, noch daß jeder Qastaldie ein Qastalde vor-
steht, mit anderen Worten, daß der Umfang der Qastaldie ein
schwankender und fließender ist. Außer diesen Gastaldien
werden hier noch erwähnt: Stenico,* Riva,* Tenno.* Im Lager-
tale treffen wir Gastalden nnd Qastaldien za Beseno,^ Lizzana,^
Prataglia,^ Ala.® In der Nähe von Trient werden genannt Ga-
stalden und Gastaldien von Calaveno,® Civezzano,*^ später ver-
einigt mit der Gastaldie des Silberbergwerkes, Fornace,** das
wohl auch zu Civezzano gehörte, Vigolo Vattaro,** Pergine,"
Levico, das ursprünglich zu Pergine gerechnet wird und eine
Unterabteilung dieser Gastaldie bildet,** Tenna.*^ Nördlich von
Trient im Etschtale aufwärts finden sich Gastaldien in Königsberg,**
1 1272 März 28, Imbreviatur des Notar Zacheus f. 18, Wien St.-A.
« Ein Gasteide Bokognolus 1223, Wien St.-A.
« Urkunde 1218 Juni 17, Wien St.-A. (Dominez 196); 1220 Juli 6 (Samm-
lung Durig) usw.
* Kink, Fontes II, 6, Nr. 100; Urkunde 1216 September 26, Innsbruck
St.-A. Parteibriefe: Albertus gastaudio.
* Kink, Fontes II, B, Nr. 132; 1216 April 6, Hormayr, Gesch. Tirols 1,
II, Nr. 94.
« Urkunde 1270 April 4, Innsbruck St.-A., Trient Capsa 33, Nr. 36.
' Kink, Fontes II, 6, Nr. 166; Urkunde 1202 April 80, Wien St-A. (Do-
minez 66).
■ Urkunde 1171 Dezember 7, Wien St.-A. (Dominez 11).
* Urkunde 1260 Juli 28, Wien St.-A. (Dominez 421).
" Urkunde 1242 Juni 13, Wien St.-A. (Dominez 832 mit unrichtiger In-
haltsangabe, vgl. Zeitschr. des Ferd. III, 33, 42).
" Urkunde 1196 Jänner 16, Wien St.- A. (Dominez 49, unrichtiges Regest).
" Kink, Fontes U, 6, Nr. 120.
1' Urkunden 1213 August 18, Innsbruck St.-A. Parteibriefe; 1290 Mai 22,
Wien St.-A.; 1308 Dezember 5, Hormayr, Sämtliche Werke 2, Nr. 63,
wo auch der Umfang der Gastaldie angegeben ist.
^* Urkunde 1213 August 18, Innsbruck St.-A. Parteibriefe, richtet ein Con-
tolinus gastaldio als Vertreter des Gastalden von Pergine ; Bischof Egno
Mandat an capitaneo, gastaldio vel subgastaldioni .... Levigi, Hor-
mayr, Sämtliche Werke 2, Nr. 34 (1268).
*^ Hormayr, a. a. O. Nr. 36.
^" 1260, Wien St.-A. Bischof Egno verleiht dem Liabard von ^ovo castrum
custodiam gastaldiam von Königsberg.
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Cembra,^ Salnrn,* Enn,' Margreid,* Tramin,^ Bozen/ Ritten ^ und
endlich Firmian, dessen Gastalde zeitweise richterliche Befugnisse
in Bozen und Fleims ausübt/ die beide als eigene Gastaldien
bezeichnet werden. Zuletzt finden sich Qastaldien auch im
Nons- und Sulzberg/ zu Cles und Romeno/*^ zu Ossana^ Livo
und Mal^^^ und endlich Metz^ das ebenfalls verwaltungsreoht-
lieh bis ins 13. Jahrhundert zum Nonsberg gerechnet wurde.
Nicht nur der Bischof, auch andere Qrundherren haben
ihre Gastalden, so der Bischof von Feltre/* Ezelin von Enn,"
' Tirolisohe Raitbflcher, München R.-A. Nr. 9, f. 28: Arnold de Uedan,
Arnold und Petrus, Gastalden von Gembra, 1299 Februar 18; ebendort
Nr. 10, f. 96 Julian, Notar, gastaldio, 1802 Juni 27; ebendortH.de
Faedo legi Rechnung de fictis culta officio gastaldie in Zimbria.
' 1293 März 14, Wien St.-A. : Concilin, Sohn des c. d. Egeno de Salumo,
gastaldio.
» Kink, Fontes II, 6, Nr. 86, 149; Urkunde 1242 Juni 13, Wien StA.
(Dominez 332); Ladurner, Zeitschr. des Ferd. III., Bd. 13, 162: Tri-
dentinus de Aura gastaldio (1291) usw. noch im 14. Jahrhundert.
^ Urkunde 1289 Juni 24 : Otto de Ungna capitaneus castri de Linteclaro
et gastaldio Margredi, Wien St.-A.
^ Kink, Fontes II, 5, Nr. 126; Urkunde 1213 September 8, Innsbruck
St.-A. Trient Capsa 61, Nr. 5; 1224 Juni 29 ebendort Gapsa 61, Nr. 17.
* Kink, Fontes U, 6, Nr. 53 ; Montebello, Notizie storiche della Valsugana
Nr. 8 (1216 Aprü 2); Hormayr, Gesch. Tirols 1, U, 831 (1238 August 3)
usw.
' Hormayr, a. a. O. 333 (1238 August 9).
* Kink, Fontes II, 6, Nr. 7, 72 usw. Über Fleims Schwind-Dopsch, Urk.
z. Verf. Nr. 8; Gastaldie heißt Fleims 1242 Juni 13, Wien St.-A. (Do-
minez 332); Chmel, Fontes II, 1, Nr. 74 (1266) usw.; vereinigt mit Fi r-
mian erscheint Fleims Kink, Fontes 11, 5, Nr. 284; dasselbe läßt wohl
auch Kink, a. a. O. Nr. 28 schließen.
* Über diese vgl. Yig^lio Inama, Archiyio Trentino 10, 76 f. ; Reich, eben-
dort 17, 86; Inama, Storia delle Yalli di Non e dl Sole 96 f.
" Der Umfang der Gastaldie Romeno ergibt sich aus Urkunde 1263 Juli
3, Wien St.-A. (Dominez 485), vgl. Reich, Una congiura a Caldaro.
Progamm des Staatsgymnasiums Trient 1901, 8.
" Reich leugnet den Bestand einer Gastaldie Mal^, doch wird eine solche
bei Kink, Fontes n, 5, Nr. 286 und Urkunde 1217 Juli 4, Wien St.-A.
(Dominez 189), hier ausdrücklich von Livo geschieden, erwähnt. Reichs
Annahme würde dann richtig sein, wenn die Gastaldien für immer fest-
stehende Bezirke gewesen wären, von denen jeder einen Gastalden an
der Spitze hatte.
" Urkunde 1196 Jänner 16, Wien St-A. (Dominez 49).
^ Urkunde 1280 Juni 16, Innsbruck St-A. Parteibriefe.
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354
die Herren von Castelbarco.^ Schon heißen die Vorsteher der
Schiflferzunft Gastaldionen.*
So ist Gastalde also ein vieldeutiger Titel, der an sich
über seinen Begriff and Rechtsinhalt keine Anskanft gibt. Be-
schränken wir uns im folgenden auf die bischöflichen Gastalden.
Seit Einks AnsfUhrangen ist man gewohnt, in diesen Gastalden
Beamte der wirtschaftlichen Verwaltung zu sehen, und mit
vollem Rechte. Den Mittelpunkt der Gastaldie bildet ein bi-
schöflicher Hof oder ein Schloß, durchaus aber ein bedeuten-
deres Besitztum. Dort, wo die Gastaldie sich am meisten in
ihrer Reinheit, in ihrem ursprünglichen Charakter erhalten hat,
wie namentlich im Nonsberg, hat der Gastalde seinen
Sitz an einer bischöflichen Kurie. Sehr häufig werden
gerade in diesem Gebiete die bischöflichen Kurien oder Her-
renhöfe erwähnt. Es gab dergleichen in Ossana, Livo, des,
Malh, Romeno.' An sie gliedert sich das zur Leihe gegebene
Land an, an sie sind Fronden, Leistungen und Zinse zu er-
bringen. Sie wieder tibernehmen es, den bischöflichen Haus-
halt während des Jahres der Reihe nach zu bestreiten. Ossana
leistet drei Wochen, anderthalb im Sommer und ebensoviel im
Winter. Wie viel Getreide und Tiere von jedem Hofe geleistet
werden sollen, ist genau bestimmt. Die Höfe von Cles und
Romeno leisten je eine Woche im Sommer und im Winter und
mUssen zusammen mit Ossana und anderen Höfen für die Fest-
tage des heil. Vigil aufkommen. Auch andere Orte, wo Ga-
stalden bischöfliche Herrschaften beaufsichtigen, Bozen, Trient,
Ala, Arco, Ledro, Magnano (santa Massenza), wo ebenfalls ein
großer Herrenhof stand,* haben gleichfalls ihre bestimmten Wo-
chen, in denen sie den bischöflichen Hof ernähren sollen. Jeder
Gastalde hat dann eine bestimmte Quantität Leinentuch und
für den Römerzug ein ausgestattetes Saumroß und anderes zu
liefern.* Den Höfen stehen die Gastalden vor, sie sind
für die richtige Lieferung haftbar. Sie stehen an der Spitze
der bischöflichen Ministerialen, die auf diesen Höfen waltend
* Cipolla, Archivio per Trieste, Istria ed il Trentino 4, 81.
« Archiv für österr. Gesch. 92, 139.
» Kink, Fontes U, 6, Nr. 245, 247, 268, 259, 262, 264, 279, 286. Bonelli
2, 94, Yg\. Inama, Valli di Non e di Sole 101 n. 4.
* Kink, Fontes U, 6, Nr. 94, 186.
* Kink, a. a. O. Nr. 286.
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355
erwähnt werden. Sie sammeln die Leistungen, Zinse and
Steuern^ die von den untertänigen Bauern geschuldet werden. Als
Bischof Friedrich von Wangen dem Kloster San Tomaso bei
Romeno einen Eigenmann (homo) schenkt, wird verfügt, daß
kein bischöflicher Ministeriale oder Qastalde von diesem Eigen-
manne Steuer, Bann und Malatolta einnehmen dürfe, sondern
daß diese Leistungen dem Ehester bleiben sollen.^ Ihnen unter-
stehen die Eigenieute der Höfe,^ an sie sind die Leistungen
zu richten.' Häufig weisen sie die Rechte des Bistums, ihrem
Spruche bleibt wohl auch die Bestimmung der Höhe des Zin-
ses der Leihegüter vorbehalten,^ denn sie sitzen dem grund-
herrlichen Gerichte vor. Wie sie in den eben erwähnten Fällen
über die Höhe des Zinses erkennen, also in Leihesachen ent-
scheiden, so unterstehen die Eigenleute des Bistums überhaupt
ihrem Gerichte. Wir werden wiederholt darauf zurückkommen.
Hier möge genügen, auf die eben erwähnte Schenkung von
1214 zu verweisen. Der Bischof ordnet an, daß der Geschenkte
von nun an nicht mehr: de aliquo subiacere nee se distringere
debeat .... gastaldioni neque alicui ministeriali seu alicui alie
persone, nisi tantum monacho und er solle fortan vor dem Bi-
schof und seinem Vizedom Recht geben. Alles Funktionen, wie
sie einem Wirtschaftsbeamten, einem Actor, Propste oder Meier
zukommen. Auch der Titel Gastalde wechselt mit Benennun-
gen, die Wirtschaftsbeamte tragen. In einer älteren Urkunde
wird der Gastalde von Prataglia als villicus bezeichnet.^ Haben
wir doch auf den Dörfern des Domkapitels von Verona die
gleiche Erscheinung wahrgenommen.^ Wir werden sehen, wie
auch dort, wo dem Gastalden weitergehende richterliche Funk-
tionen zustehen, die Titel schwanken. In den deutschen Teilen
^ Bonelli 4, 47: ut de cetero colectam datiam bannom aliquod seu all-
quod maltoletum ei vel eioB heredibns non aufferatur per aliquem mini-
sterialem vel gastaldum domini episcopi, sed tantum ipse Dominicus
PerrelloB .... ad seryicium monachi permaueat.
' Eänk, Fontes 11, Ö, Nr. 274, zwei Eigenieute gehören zur curia von Os-
sana und: episcopo eiusque gastaldioni de Vulsana debent subiecti esse.
* Kink, Fontes H, 6, Nr. 244, 246, 246, 247, 250 usw.
* Kink, Fontes 11, 6, Nr. 270, 273 usw.
* Hormayr, Gesch. Tirols 1, II, Nr. 41 (1188), als Zolleinnehmer genannt,
w&hrend nach späteren Urkunden der Gastalde mit derselben Funktion
betraut ist.
« Vgl. oben S. 889.
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356
des Bistums wird der Gastaldentitel durch den des Propstes
verdrängt, der für Bozen schon 1237 in der Imbreviatur des
Notars Jakob der gewöhnliche ist^ und bleibt. Auch in Tra-
min wird die Gastaldie von der Propstei abgelöst.*
Nun ist es allerdings richtig und schon wiederholt bemerkt
worden, daß die Gastalden vielfach noch andere Geschäfte be-
sorgen, daß sie militärische und richterliche Befugnisse
hatten. Stellen wir auch hier die Angaben der Quellen zu-
sammen. Im Jahre 1234' wird ein Gastalde fUr Beseno er-
nannt. Er erhält den Auftrag, Recht zu sprechen inter homines
episcopi, jedoch nur in bürgerlichen Sachen; die Eriminalge-
richtsbarkeit behält sich der Bischof vor. Zugleich werden ihm
militärische Befugnisse eingeräumt, indem ihm die Wacht (warda)
des Schlosses Beseno tibertragen wird. Er war also zugleich
Hauptmann der Burg Beseno. Die richterlichen Befugnisse
dieses Gastalden sind freilich unklar. Wenn in dieser Bestal-
lungsurkunde die homines episcopi im technischen Sinne zu
nehmen sind, wie es von vornherein naheliegt, so könnten dar-
unter nur die Gotteshausleute von Trient verstanden sein und
die Gerichtsbarkeit des Gastalden wäre lediglich eine hofrecht-
liche gewesen, hätte sich in keiner Weise über die den Gastal-
den von Haus aus zukommende erhoben. Eine zweite Bestal-
lung vom folgenden Jahre macht die Sache nicht klarer, da
sie nur auf die Stellung anderer Gastalden hinweist.* Andere
Fälle aber lassen keinen Zweifel, daß Gastalden vielfach tat-
sächlich eine weitergehende Gerichtsbarkeit ausgeübt haben.
Der Gastalde von Neumarkt ist geradezu als der Richter in
der neuen Marktansiedlang gedacht; er hat nicht nur über
Marktsachen, sondern auch über Verbrechen, ja sogar Tot-
schläge zu entscheiden.^ Ebenso sind die Gastalden, welche
in Fleims und Rendena Gericht zu halten haben, Eriminal-
richter ohne Unterschied über Freie und Gotteshausleute.* Die
Gastaldie Königsberg wird 1260 vergeben mit der Wacht des
A Acta Tirol. 2, Nr. 672, 686, 712 usw.
^ Ladurner, Zeitschr. des Ferd. III, 13, 163 (1344) und sonst häufig.
» Kink, Fontes U, 5, Nr. 169. Ebenso 1236 a. a. O. Nr. 171.
* Prout alii gastaldiones facere consueverunt, Kink, a. a. O. Nr. 171.
« Kink, a. a. O. Nr. 36, 122.
« Schwind-Dopsch, Urk. z. Verf. Nr. :i; Kink, a. a. O. Nr. 111.
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367
Schlosses und der inrisdictio.^ Ahnlich wird es sich mit Levico
verhalten, wo ebenfalls 1258^ von der iorisdictio gastaidie
die Rede ist, übrigens eine Urkunde von 1213' erhalten ist,
die den Subgastalden in richterlicher Tätigkeit zeigt. Aach
hier war wenigstens später der Vikar zugleich Hauptmann des
Schlosses Selva. Die Qastalden des Silberbergwerkes haben
Gerichtsbarkeit in Bergwerksachen und über alle die zum Berg-
werke in Beziehung stehen,* später auch über die Leute von
Civezzano. Ein Gastalde, den der Bischof 1234 für Prataglia
ernennt, hat Gerichtsbarkeit in bürgerlichen und Kriminal-
sachen über alle Leute, die in der Gastaidie wohnen.^ Auch
hier war das Kommando über die Burg mit der Gastaidie ver-
bunden. Der Gastalde von Riva ist als Vorläufer der späteren
Podestaten schon 1218 mit der Vornahme eines gerichtlichen
Aktes betraut.^ Auch bei Riva befand sich eine Hauptburg
des Bistums, deren Bewachung später dem Podestä obliegt.
Im nahen Tenno, wo sich 1211 die Bevölkerung eidlich zur
Treue gegen die vom Bistume damals neuerworbene Burg und
zur Haltung des Wachdienstes auf der Burg verpflichtet, kommt
dem Gastalden, den der Bischof auf die Burg entsenden will,
die Übung des Burgbannes zu.'' Später wenigstens ist Tenno
ein eigener Qerichtsbezirk geworden, der von dem Hauptmanne
des Schlosses verwaltet wird. Im weitesten Umfange überträgt
Bischof Egno 1272 die Gastaldien Banale, Preore, Tione und
Rendena mit aller Gerichtsbarkeit, die dem Bischof selber zu-
kommt.^ Dagegen bleibt die Gerichtsbarkeit des Gastalden
von Metz zweifelhaft, die sich nach einer Urkunde von 1264
nur über quosdam et super quosdam homines von Vervö^ Pri6,
Meano in Spormaggiore, Toß, Deutsch- und Welschmetz er-
* an liiabard de f^vo, Orig. Wien St-A.
« Urkunde 1268 Mai 12 (Konzept), Wien St.-A. Biachof Egno verpfändet
alle Einkünfte und iurisdictiones gastaidie dem Wilhelm und seinen
Brüdern von Levico.
* Urkunde 1213 August 18, Innsbruck St.-A. Parteibriefe.
* Kink, Fontes H, 5, Nr. 286, 287, 241 ; Bonelli 2, Nr. 96.
* Urkunde 1234 Juli 14, Wien St.-A. Liber iurium in valle Lagari, f. 3;
Bischof Aldrich verleiht die Gkistaldie dem Olderious de Rambaldo mit
der Gerichtsbarkeit personarum existencium et pertinentium et habitan-
üum in ipsa gastaldia.
* Urkunde 1218 Juni 17, Wien St.-A. (Dominez 196).
' Kink, a. a. O. Nr. 100. « Oben S. 362 n. 1.
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358
streckt.* Da dürften wohl eher nur die Gotteshansleute dem
Gerichte des Gastalden nnterstanden, sein Gericht ein hofrecht-
liches gewesen sein. Die Gastalden endlich von Margreid,
Cembra, in späterer Zeit die von Enn, die tirolischen von
Gries,* von Castello,® Salurn, die zum Teile erst gegen Aus-
gang des 13. oder zu Beginn des 14. Jahrhunderts erwähnt
werden, sind nichts anderes als Landrichter, wie sie denn häufig
gleichzeitig den Titel eines iusticiarius oder iudex führen. In
diesen deutschen Teilen des Etschtales, die sämtliche tirolisch
geworden waren^ ist der Gastaldentitel einfach auf den Land-
richter übertragen worden und hat sich in dieser Bedeutung
sogar länger als an den meisten Orten Welschtirols erhalten.
Somit ergibt sich, daß die Kompetenz der Gastalden
eine verschiedene war, der eine öffentliche Gerichts-
barkeit verwaltete, der andere nicht; der eine ist nur
für bürgerliche Sachen zuständig, die meisten auch für Krimi-
nalfäUe. Noch ein zweites läßt sich bemerken. Jene Gastal-
den, die richterliche Tätigkeit üben, sind zugleich fast aus-
nahmslos Burghauptleute, mit der Bewachung einer Burg be-
traut. Es hat auch hier eine Vereinigung mehrerer Kompetenzen,
mehrerer Amter in einer Hand stattgefunden.
Doch nicht überall ist es zur Vereinigung gekommen,
nicht alle Gastalden sind Burghauptleute und Richter
geworden. Besonders lehrreich sind die Verhältnisse in
Bozen und im Nonstale. Die Grafschaft Bozen war nach
dem Aussterben der Grafen von Morit-Greifenstein um 1170
an das Bistum heimgefallen ^ und nur zu einem Teile den Grafen
von Tirol verliehen worden. Den anderen, wahrscheinlich ein
Drittel, hatten sich die Bischöfe vorbehalten. Dieser bischöf-
liche Anteil fand darin seinen Ausdruck, daß ein bischöflicher
Beamter zugleich mit einem tirolischen dem echten Dinge, dem
Ealichtaidung oder ,Landgerichte' vorsaß und einen Teil der
Bannbußen für den Bischof erhob.^ Im übrigen scheint eine
^ Urkunde 1264 Jänner 9, Wien St.-A. (Dominez 438).
* 1288 November 24, Geroldus gaataldius, Wien St.-A.; Dezember 4, Ge-
roldus iudex a. a. O.; 1293 Dezember 1, Geroldus gastaldio usw.
' 1325 Juli 12, Gotschalcus de Bozano gastaldio piebis Enne et comitatus
Castelli et Cavriane.
* Huber, Gesch. Österreichs 1, 50ö.
* Schwind-Dopsch, Urk. z. Verf. Nr. 22.
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räamliche Teilang stattgefanden zu haben; dem Grafen von
Tirol stand das Gericht Gries, dem Bischof das Stadtgericht in
Bozen zu. Mit der Wahrung der bischöflichen Gerichtsbarkeit
war 1208 der Gastalde von Firmian betraut^ der zugleich Schuld-
heiß des Grafen von Tirol sein sollte. Firmian, bekanntlich das
heutige Sigmundskron bei Bozen^ war eine Hauptburg des Bis-
tumS; zugleich der Mittelpunkt der bischöflichen Verwaltung
für die umliegenden Gebiete. Vor allem erscheint der Gastalde
in gewissen Beziehungen zu Fleims,^ scheint dort auch zeitweise
Gericht gehalten zu haben. Begreiflich; als man den Fleimsern
einen eigenen Gerichtsbezirk zugestand, das Versprechen gab,
jährlich zweimal einen Gastalden ins Tal zu senden, der das
Gericht abhalten sollte, wie dies Uli oder 1112 geschah,* wies
man dazu den nächsten an, der zur Verfügung stand, und das
war damals wohl der von Firmian, denn Neumarkt ist erst viel
später, Tramin als Weinort gar erst um Beginn des 13. Jahr-
hunderts angelegt worden. Kein Wunder, wenn derselbe Be-
amte nun auch mit der bischöflichen Gerichtsbarkeit in Bozen
betraut wurde. Auf einen verfassungsmäßigen Zusammenhang
namentlich des Fleimsertales mit der Gastaldie Firmian, wie
£^ger denkt,' kann daraus kaum geschlossen werden. Mit Bo-
zen bestand ein solcher gewiß nicht. Wir wissen wenigstens,
daß Bozen seit der bayrischen Einwanderung zum Herzogtum
Bayern und damit im 10. Jahrhundert zum ostfränkischen König-
reiche gehörte, Firmian jedoch die erste italienische Burg war,
welche König Berengar H., von Schwaben aus über den Vintsch-
gau nach Italien ziehend, durch die Leute des Erzbischofs Ma-
nasse von Ärles, der die Mark Trient nebst Verona und Mantua
kraft einer Schenkung König Hugos innehatte, besetzt fand.^
Es muß also, worauf schon Huber hingewiesen hat, Firmian
zur Grafschaft Trient gehört haben ^ und erst später zum Ge-
richte Bozen geschlagen worden sein. Übrigens hat sich die
Verbindung Firmians mit Fleims nicht auf die Dauer erhalten.
1 Kink, Fontes II, 6, Nr. 28.
• Schwind-Dopsch, a. a. O. Nr. 8.
* Mitteil, des Inst. Ergb. 4, 413.
^ Liadprand, Antapodosis lib. V, c. 26, SS. RR. Germ, in usum scolarum
113.
^ Mitteil, des Instit 2, 871.
ArchiT. 94. Band, U. H&lfto. 25
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360
Auch nicht die mit Bozen. Schon 1211 und 1212* werden ein
Adelpret und Konrad als Justiziare erwähnt. Ein genaues Bild
der Gerichtsverfassung von Bozen gewähren die Imbreviaturen
des Notars Jakob von 1237 und 1242. Darnach sitzen dem
echten Ding in Bozen als Justiziare vor der Landrichter von
Gries namens des Grafen von Tirol und ein oder auch mehrere
bischöfliche Justiziare, die bischöflichen Ministerialengeschlech-
tern aus der Umgebung von Bozen entnommen sind. Das Stadtge-
richt liegt in den Händen des bischöflichen Justiziars, der es durch
einen von ihm gesetzten Assessor verwalten läßt. Das echte Ding
ist indes auf Bußfälle, Eigen- und Schuldsachen beschränkt, die
Blutsgerichtsbarkeit liegt in den Händen des Grafen von Tirol und
seines Schuldheißen.* Neben diesen richtenden Gastalden und Ju-
stiziaren erscheint schon früh, zuerst 1192, ein anderer Gastalde,
der ebenfalls bischöflicher Beamter ist.' Beide Amter werden
auf das schärfste geschieden. In der Bestallungsurkunde zweier
Justiziare vom Jahre 1238 werden die beiden zwar investiert
de iusticia Bozani oder, wie es im weiteren Wortlaute der Ur-
kunde heißt, mit der: gastaldia sive iusticiaria, jedoch: salvo
iure gastaldie Ernesti. Dieser Ernst wird in den Imbreviaturen
von 1237 und 1242 und anderen Urkunden oft genannt,* zu-
meist als Propst. Er hat die Verwaltung der umfassenden bi-
schöflichen Güter zu führen und darüber Rechnung zu legen.*
Seine Aufgabe ist es, die Zinse und Giebigkeiten, die dem
» Kink, a. a, O. Nr. 94, Urkunde 1212 Jänner 30, Innsbruck St.-A., Trient
C. 2, Nr. 11.
« Acta Tirol. 2, Einl. 204 f.
* Kink, a. a. O. Nr. 63; Federicus de Vgna, Montebello, Notizie storiche
della Valsugana Nr. 8 (1216).
* Z. B. Acta Tirol. 1, Nr. 663.
* Acta Tirol. 2, Nr. 686: der Podesta von Trient beauftragt ihn, ihm allein
zu gehorchen: et racionem sibi faciat de suo officio, quam habet et tenet
a d? episcopo et computet cum eo de bonis episcopatus et ei rationem
faciet in omnibus et per omnia, Urkunde 1237 Dezember 4, Wien St.-A.
(Dominez Nr. 315 unvollständig): Der Bischof erklärt sich befriedigt de
omnibus redditibus sue gastaldie et de omni eo, quod episcopus ei Er-
nesto umquam ad obsorvandum dederat et insuper de toto eo, quod Er-
nestus de bonis episcopatus usque in illum diem quoquo modo habuerat;
et facta ratione erklärt der Bischof ihm noch 120 Pfund zu schulden,
von denen sich Ernst ex frugibus gastaldie venturi anni bezalilt machen
soll.
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361
Gotteshaose zukommen; einzusammeln.^ Er nimmt namens des
Bischofs Pachtungen vor;^ er vertritt die Interessen des Gottes-
hauses vor Gericht,* gibt seine Zustimmung bei Verfügungen
über Grund und Boden, der dem Gotteshause zinst/ er inter-
veniert bei Austausch oder Teilung Unfreier;^ er ist endlich
Richter über die Gotteshausleute® und hält das bischöfliche
Lehensgericht in Bozen. Hier ist also ein Gastalde, der
nicht öffentlicher Richter ist; er ist wohl älter als der
richtende Gastalde, höchstwahrscheinlich geht er vor 1170 zu-
rück und mag neben dem Grafen von alters her als Verwalter
der bischöflichen Güter und Rechte bestanden haben. Schon
in der Beurkundung der Fleimser Privilegien von 1111 wird
zu Bozen ein prepositus unter den boni homines genannt.*^ Es
dürfte nicht zu kühn sein, schon in diesem Manne den bischöf-
hchen Gastalden und Propst zu sehen. Warum nicht diesem
Gastalden von Bozen, sondern dem von Firmian nach 1170 die
Besorgung der neuerworbenen Gerichtsbarkeit überlassen wurde,
darauf freilich geben die Quellen keine Antwort und es wäre
mttßig, sich in Vermutungen zu ergehen.
Das zweite ^Gebiet, in dem die Gastalden keine
öffentliche Gerichtsbarkeit ausüben, ist der Nonsberg.
Frühzeitig, wohl schon von alters her, bildet das Tal des Noce
einen eigenen Gerichtsbezirk. Doch nicht die Gastalden sind
es, die hier Gericht halten, sondern ein eigener bischöflicher
Beamter, der Vizedom, den wir in Quellen aus der zweiten
Hälfte des 12. und der ersten des 13. Jahrhunderts treffen.
Doch ist das Amt gewiß auch hier uralt.^ Die Quellen lassen
zweierlei Vizedome unterscheiden. Die vicedomini curie oder
Tridentini episcopatus^ sind hohe Geistliche, meist Mitglieder
des Domkapitels, vielfach gerade diejenigen, welche nach dem
Tode des Bischofs auf den bischöflichen Stuhl erhoben worden
sind, die ersten Beamten des Bischofs, seine Stellvertreter in der
» Acta Tirol. 2, Nr. 712. « a. a. O. Nr. 740.
» a. a. O. Nr. 798, 853. * a. a. O. Nr. 847, 848.
» Acta Tirol. 1, Nr. 563; 2, Nr. 866.
• Acta Tirol. 2, Einl. 207. ' Schwind-Dopsch Nr. 3.
• Vgl. Waitz, Deutsche Verfeflsungsgesch.' 2, II, 19; Salvioli m, 6, 96;
Pertile' 1, 326; Brunner, Bechtsgesch. 2, 307 f.
» Dieser Titel findet sich z. B. Urkunde 1217 April 16, Wien St.-A. (Do-
minez 188) und Aprü 26, ebendort, usw.
26*
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362
geistlichen und weitlichen Verwaltung, namentlich bei Abwesen-
heit oder Verhinderung ihres Auftraggebers.*
Neben ihnen erscheinen mit weit beschränkterer Befugnis
und in tieferer sozialer Stellung andere Vizedome. Eine Urkunde
von 1159* weist die Beurteilung schwerer Verbrechen, Mord,
Ehebruch, Incest, dem Vizedom und Archidiakon zu. Werden
diesem die beiden letztgenannten Fälle vorbehalten sein, so
würde dem Vizedom der erste zugestanden haben. Näheres
wissen wir über den Vizedom im Nonsberg.* Zu dieser Art
von Beamten zählen wohl schon die Vizedome Bertold, Warim-
bert von Cagnö und sicherer Bertold von Cles,* der gleichzeitig
mit Konrad von Beseno, Domdekan und vicedominus Triden-
tinus, genannt wird, also nicht Vizedom des ganzen Bistums
gewesen sein kann. Mehr wissen wir von Peter von Malosco,
der als Vizedominus Ananie im zweiten Dezennium des 13. Jahr-
hunderts ungemein häufig in den Urkunden erscheint.^ Er ist
Laie^ entstammt einem kleinen Ministerialengeschlechte des
Nonsbergs. Er wird als iurisperitus bezeichnet, ist also unzwei-
felhaft ein Rechtskundiger gewesen und gehört dem EoUeg der
ludices an, deren Aufgabe es war, als Sachwalter den Par-
teien beizustehen, vor allem aber die Rechtsgutachten zu er-
teilen, welche die Parteien im Prozesse von ihnen forderten,^
und die vielfach auch als Assessoren und sonst als Richter ver-
wendet wurden. Auch Peter ist als vicegerens des Grafen Al-
brecht von Tirol während seiner Podestarie in Trient nachweis-
bar.'' Scharf scheidet sich seine Tätigkeit von der des gleich-
zeitigen Vizedoms Bertold von Neiflfen, des späteren Bischofs
von Brixen. Auch Peter befaßt sich mit der wirtschaftlichen
Verwaltung des bischöflichen Gutes. Er nimmt dabei eine den
Gastalden übergeordnete Stellung ein. Von seiner richterlichen
Tätigkeit sind freilich nur geringe Spuren vorhanden, vorwie-
gend Inquisitionen über die bischöflichen Besitzungen und Ge-
1 Vgl. Zeitschr. des Ferd. m, 38, 128.
« Kink, Fontes H, 6, Nr. 6.
* Über diesen Inama, Archivio Trentino 14, 181 f. und Storia delle VaUi
di Non e Sole 104 f.; Beich, I luogotenenti, assessori e massari 8 f.
* Kink, a. a. O. Nr. 21, 29, 47, 60 usw.
» Seit 1208 Kink, a. a. O. Nr. 244.
* Ficker, Forschungen 8, 17 f.
» Urkunde 1206 Mai 27, Wien St.-A.
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363
rechtsame.^ Er erläßt Befehle unter einem Banne von 60 Schil-
ling. Häufig aber wird der Gerichtsbarkeit des Vizedome Erwäh-
nung getan in Urkunden, in denen Hörigen die Freiheit gewährt
oder bäuerliche Leute in den Adelsstand erhoben werden. Hier
wird das Gericht des Vizedoms dem bischöflichen gleichgestellt,
vom Gerichte des Gastalden, Kellners oder Scarius auf das be-
stimmteste geschieden.' Das kann nur soviel bedeuten, daß
das Gericht des Vizedoms im Gegensatze zu dem des Gastal-
den ab ein öffentliches, dem bischöflichen gleichgeordnetes gilt.
Im Nonsberge sind die Gastalden nie öffentliche Richter ge-
worden; sie sind stets Wirtschaftsbeamte geblieben. Die öffent-
liche Gerichtsbarkeit aber ist seit dem Verschwinden der Vize-
dome an die Hauptleute oder Vikare gekommen, deren anfangs
je einer ftlr den Nons- und Sulzberg, später ein einziger ftlr
das ganze Tal ernannt worden ist.^
Wo aber die ursprüngliche Bedeutung der Gastaldie zu
suchen ist, das dürfte nicht zweifelhaft sein. Eher in Bozen
und im Nonsberge, wo das Amt beim Vorhandensein eines
öffentlichen Richters auf seine wirtschaftlichen Befugnisse be-
schränkt bleibt^ als dort, wo es eine bunte Menge anderer mili-
tärischer und richterlicher Befugnisse aufweist. Im übrigen
kein Wunder, wenn der Wirtschaftsbeamte mit ausgedehnterem
Wirkungskreise betraut wird. Sehen wir das gleiche doch auch
anderwärts. Auch auf den Dörfern des Domkapitels von Ve-
» Kink, a.a.O. Nr. 272 (1218); Urkunde 1217 JuH 4, Wien St-A. (Do-
mines 189).
* Kink, a. a. O. Nr. 277.
* Kink, Fontes n, 6, Nr. 251, ein Mann, der mit Bann und Abgaben be-
lehnt wird : noUis miniBterialibas subiaceat, tantum pro episcopo et vice-
domino racionem faciat; Urkunde 1208 April 80, Wien St-A.: neque
facere racionem non debent sab gastaldis suis, nisi coram episcopo vel
snom vicedominum (handelt sich um Nonsberger, Eigenleute des Fede-
ricus von Gagn6); Kink, a. a. O. Nr. 96 (1211); Urkunde 1216 Juli 12,
Wien St-A. (Dominez 181): et non teneantur facere racionem pro ali-
quo gastaldione nee canlpario seu scarione nee pro aliquo alio, nisi
tantum pro episcopo et eins vicedomino usw.; vgl. unten Abschnitt 4.
* Vgl. Inama, Archivio Trentino 14, 188. Älteste Nachrichten von 1271,
Hormajr, Geschichte Tirols 1, II, 441, Otto capit Annanie und 1272
Juni 25, wo ein Hauptmann mit richterlichen Befugnissen für den Sulz-
berg ernannt wird, Imbreviaturbuch des Zacheus 144, Wien St-A.; seit
1280 vereinigt, so wenigstens gefordert von Bischof Heinrich, Dominez,
Begesto cronologico 161.
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rona trafen wir einen Gastalden, der später das Amt eines
Vizecomes und damit gerichtliche Befugnisse öffentlich recht-
licher Natur erwirbt. Und Jakob von Lizzana bestellt einen
villicus^ also ebenfalls einen Wirtschafbsbeamten in einer viel
berufenen Urkunde, um den Leuten der Pfarre Lizzana^ in der
ihm Grafschaftsgewalt übertragen ist^ am Berg und im Tal,
Deutschen und Welschen Recht zu sprechen.^ Erklärlich^ daß
diese Gutsbeamten mit der Bewachung der in ihrem Amtsbe-
zirk gelegenen Burgen und in der Folge, als sich die Notwen-
digkeit ergab, die Gerichtsbezirke zu vermehren, vielfach mit
der Gerichtsbarkeit betraut wurden, daß sie beauftragt wurden,
in jenen Tälern die Gerichtstage abzuhalten, welchen das Recht
besonderer Gerichtsbarkeit zugestanden wurde wie Fleims und
Rendena, ohne daß ein eigener Gastalde in ihrem Tale ständig
seinen Wohnsitz aufschlagen durfte.
Diese weitgehende Verwendung wirtschaftlicher Beamter
zu öffentlich rechtlichen Funktionen setzt voraus, daß vor Er-
werb der Grafschaftsrechte durch das Bistum bereits eine wohl-
organisierte Grundherrschaft bestanden hat. Und daran dürfte
nicht zu zweifeln sein. Gewiß nicht aller Grundbesitz, der
später bischöflich war, ist es vor Erwerb der Grafenrechte ge-
wesen. Vieles wird Grafschaftsgut gewesen sein, das erst mit
der Grafschaft an das Bistum überging, die Schlösser vor allem.
Denn sicher war schon das langobardische Herzogtum, das eine
bedeutende Rolle spielt — man denke nur an die Stellung des
Herzogs Euin, der mit einer bayrischen Herzogstochter ver-
mählt war,^ oder an den Aufstand des Herzogs Alahis — reich
mit Grundbesitz ausgestattet.' Immerhin muß die /^tliederung
des bischöflichen Grundbesitzes in Gastaldien, die Verwendung
von Gastalden als Wirtschaftsbeamte, auch wohl als Immunitäts-
richter schon vor Erwerb der Grafschaftsrechte vorhanden ge-
wesen sein, da man gerade an sie anknüpfte, als neue Bedürf-
nisse die Ausgestaltung eines Beamtenorganismus in dem neuen
Territorium notwendig machte. Denn so sehr die Versorgung
des bischöflichen Hofes auf Naturalwirtschaft und damit auf
dem Feudalwesen aufgebaut war, so sind doch im Bistum Trient
gewisse militärische Hoheitsrechte, namentlich die Wacht der
1 Zotti, Storia della Valle Lagarina 1, 467 (1226).
■ Paulus Diac., Hiat Langob. Hb. 3 c. 10. MM. SS. Rerum Langobard. 97.
» a. a. O. 5, c. 36 f.; a. a. O. 166.
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bischöflichen Bargen and der Bargbann nur zam Teile^ das
Gerichtswesen sogar nar zum kleineren Teile feadalisiert wor-
den, sind diese Hoheitsrechte in der Mehrzahl von bischöflichen
Beamten verwaltet worden, die man eben den Reihen der alten
Wirtschaftsbeamten entnahm.
Als die Immnnitätsbeamten auch Grafschaftsbe-
amte geworden waren, war die Scheidung zwischen Immuni-
täts- und Grafschaftsgebiet bedeutungslos geworden, da wur-
den die Immunitätsleute den öffentlichen Gerichten
unterstellt. Nur dort, wo die Immunitätsbeamten und Graf-
schaftsbeamten nicht zusammenfielen, ist die Scheidung aufrecht
erhalten worden wie in Bozen und im Nonsberge, wo übrigens
auch nur die unfreien Gotteshausleute unter der gutsherrlicheu
Gerichtsbarkeit der Gastalden verbleiben, die freien dem öffent-
lichen Gerichte untergeordnet werden, das in der Folge das
Gastaldengericht ganz verdrängt hat.
Dieses Amt der Gastalden verschwindet um die Mitte des
13. Jahrhunderts. Im deutschen Etschland tritt der Landrichter,
der freilich noch länger ab und zu als Gastalde bezeichnet wird,
im italienischen Teile des Bistums der Hauptmann an seine
Stelle. Jedoch nicht völlig. Dem Hauptmann kommt lediglich
das Kommando in der Burg, die den Mittelpunkt seines Ver-
waltungsbezirkes bildet, der Burgbann und der Gerichtsbann
zu; die wirtschaftlichen Seiten des Gastaldenamtes übernehmen
Massare, Kellner usw. Was den Anlaß zu dieser Änderung
gegeben hat, ist nicht ganz klar. Sie setzt mit der Reichsver-
waltung des Bistums ein und ist in den ersten Dezennien der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, den Zeiten des Bischofs
Egno und Grafen Meinhards II. durchgeführt.^ Vermutlich steht
sie im Zusammenhange mit der verstärkten Aufmerksamkeit,
die von nun der Instandhaltung der Burgen zugewendet wird.
Die Kämpfe Friedrichs H. gegen die benachbarten guelfischen
Städte Oberitaliens, dann der Bestrebungen Ezelins von Ro-
mano^ sich die Kräfte des Bistums nutzbar zu erhalten, andrer-
seits das Bemühen des Bischofs Egno, Ezelin zu verdrängen
und das Bistum im vollen Umfange zu behaupten, in der Folge
die Wirren zwischen den Grafen von Tirol und den Bischöfen
hatten die militärische Bedeutung des Bistums und seiner festen
Hauptmann in Stenico, Fickeri Forschungen Nr. 383 (1242).
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Plätze erhöht. Kleine Besatzungen werden in die wichtigeren
Bargen gelegt.^ Damit tritt die militärische Seite des Amtes
mehr hervor nnd von ihr erhält es nan den Namen. Auch
der Beamte ist ein anderer geworden, militärische Tüchtigkeit
entscheidet nunmehr; er wird den ritterlichen Klassen entnom-
men. Später hat dann Meinhard II. während seiner Okkupa-
tion des Bistums diese Amter meistens an seine deutschtiroli-
schen Ministerialen verliehen. Als Bischof Egno im Jahre 1259*
allen Gastalden und Hauptleuten die Gerichtsbarkeit entzog^
konnte er zwar nicht damit durchdringen, wie ja auch sein Ge-
setz jene Gerichtsbarkeiten beließ, die von alters her gekommen
waren; aber dennoch dürfte es auf diese Bestimmung zurück-
gehen, wenn so manche Gastaldien, die selbständige Gerichts-
bezirke geworden waren, wie Sopramonte, Rendena später nicht
mehr als solche erscheinen.
Fragen wir nun nach dem Umfange und der Gliederung
der Gastaldien. Der Umfang der Gastaldien, das ist jenes Ter-
ritorium, das der Amtsgewalt des Gastalden unterstand, bt ein
sehr verschiedener. Es umfaßt bald nur eine Pfarre, bald
mehrere; eine Pfarre vielfach dort, wo die Gastalden Richter
sind. Dann unterliegen in der Regel die Pfarrleute gleichzeitig
dem Burgbanne des Gastalden.' Denselben Umfang weisen
Gastaldien auf wie Fleims, Sopramonte, die vermutlich aus
Kolonistensiedlungen erwachsen sind. Dagegen sind die Gastal-
dien im Nons- und Sulzberg viel größer, umfassen mehrere Pfar-
ren. Nicht jede Gastaldie hat ihren Gastalden. In Judikarien,
in Fleims, in Sopramonte wird die Gastaldie von einem Ga-
stalden versehen, der zugleich noch anderen Gastaldien vor-
steht.* Das Wort Gastaldie wird dann für einen besonderen
Gerichts- und Verwaltungssprengel gebraucht, der auch von
einem auswärtigen Beamten versorgt werden kann. Auf die
territoriale Ausbildung der späteren Gerichtssprengel sind die
Gastaldien in der Regel nur dort von Bedeutung geworden, wo
die Burg den Mittelpunkt der Gastaldie bildet, der Gastalde
Burgbann übt, nicht aber, wo er Wirtschaftsbeamter geblieben
ist wie im Nonsberg.
* Vgl. den Brief Ezelins an Sodegher de Tito von 1240 Febrnar 16, Wien
St-A. (Dominez 323).
« 1269 November 11. Imbreviatur des Notars Zacheos f.2^ Wien Si-A.
' Vgl. S. 31 dieses Bandes. « Vgl. oben S. 350 f.
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Als Unterabteilang der Gastaldien treffen wir De-
kanien^ aber nicht so durchgängig als man wohl gemeint hat.^
Schon Egger hat die Dekanien zusammengestellt^ die er in
Südtirol fand.' Es sind die drei jadikarischen Dörfer Bregazzo^
Bolbeno und Bondo^ femer werden genannt Dekanien in Ren-
dena, Banale, Storo, Cimego, Primione, Comano in Judikarien,
wozu noch Bleggio zu zählen ist;' im Nons- and Salzberg Os-
sana, Vermiglio, Monclassico, daza noch Romeno;^ in der Um-
gebung von Trient Vigolo Vattaro, Fomace, Pergine, Pini, Le-
vicoy dazu noch Oveno in Sopramonte,^ Viarago;^ nördlich von
Trient Sover and Lisignago, Cembra, dazu noch Metz^ und
Fleims;^ seltener im Lagertale, wo nur in Folgareit Dekane nach-
gewiesen sind. So finden sich Dekane und Dekanien aller-
dings im größten Teile des Bistums, abgesehen vom Lagertale.
Dabei bleibt es zweifelhaft, ob jedem Dekane eine Dekanie
entsprach, ob also die Dekanie^ durchaus lokale Bedeutung ge-
wonnen hat. Sicher ist dies in Judikarien und in der Umge-
bung von Pergine der Fall gewesen. Die drei Dörfer des Dom-
kapitels von Verona in Judikarien werden als Dekanie bezeich-
net,^ Rendena zerfällt in Dekanien.^^ Zur Dekanie Fomace
gehören Albiano, Vigo, Miola, Tressilla, Mazzanigo, San Mauro,
also eine Reihe von Ortschaften. Soviel sich erkennen läßt,
sind die Dekane herrschaftliche Beamte gewesen;^^ öffent-
liche Beamte wie die altlangobardischen Dekane^' sind sie nicht,
Qerichtsbarkeit kommt ihnen nicht zu. Die Aufgabe des De-
kans ist es, die bischöflichen Einkünfte zu sammeln. So ist
> z. B. Pertile* 1, 336; Salvioli, Atti IH, 6, 100 f.
* Zeitschr. des Ferd. m, 41, 240.
* 1234 AuguBt 14, Innsbrnck St-A. G. 62, Nr. 12: Pelegrinos decanuB de
Bleggio.
^ Warimbeiias de Sio deganus de snprascripta gaataldia de Bomeno, Ur-
kunde 1263 Jali 3, Wien St-A. (Dominez,435).
B Reich, Tridentom 6, 152.
* Gerola, Tridentom 5, 393.
^ Urkunde 1264 Jänner 9, Wien St-A. (Dominez 438), der Dekan hat
eine Rimannia zn Lehen.
' Um 1242 Delaydos decanuB, Wien St-A.; auch der Vorsteher von Ga-
stello hieß im Yolksmund Dekan, Egger, Zeitschr. des Ferd. III, 41, 241.
* Vgl. oben S. 818. " Kink, a. a. O. Nr. 111.
" Vgl. Waitz, Verfassungsgesch.» 1, 486; 2, n, 18.
^ Vgl. PertUe» 1, 107.
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der Dekan von Fornace beauftragt, die Abgaben der Äriman-
nen in Empfang zn nehmen und bei Handänderung eines mit
der Rimania belasteten Hofes zu intervenieren.^ Der Dekan
ist dem Gastalden untergeordnet und sein Hilfsorgan, wo eine
Gastaldie besteht. Warimbert von Sio wird 1263 geradezu als
Dekan der Gastaldie Romeno bezeichnet. Die Dekanien haben
keinen Einfluß auf die Entwicklung der Landgerichte genom-
men, sie sind nie Gerichtssprengel gewesen. Orts Vorsteher ist
der Dekan nie gewesen. Manches legt die Vermutung nahe,
daß die Pfarren, die häufig die territoriale Grundlage fi^r die
Landgerichte und Burgwardeien bildeten, in älterer Zeit auch
als wirtschaftliche Einheiten, als Markgenossenschaften galten.
Aus den Pfarren heraus lösen sich als selbständige wirtschaft-
liche Genossenschaften, die auch gewisse militärische und poli-
tische Befugnisse Üben, die einzelnen Gemeinden, Villa, Kom-
munen, die ab und zu noch eine gemeinsame wirtschaftliche
Organisation als Columnelli, Viertel, Gastaldien* der Pfarre be-
wahrten. Aus ihnen setzen sich die Gerichte zusammen. An
ihrer Spitze stehen Syndiker und Geschworne oder Konsuln,
wie sie in einigen Gegenden hießen.
Schon Egger ist die Verbindung aufgefallen, in der die
Dekanie in den Urkunden häufig mit der Scaria erscheint,
derart, daß beide geradezu als gleichwertig genommen werden.*
Scaria und dazugehörige Scarii oder Scariones werden in den
Urkunden ungemein häufig genannt. Nicht nur bischöfliche
Scaria, auch die anderer Grundherren werden namhaft gemacht;
so besitzt der Abt von San Lorenzo eine Scaria,* die Grafen
von Eppan,* das Domkapitel,^ die Herren von Enn,' einzelne
" Urkunde 1195 Jänner 16, Wien St.-A. (Dominez 49). Ein Dekan Ri<fo
von Fornace sagt aus, daB ein Arimanne seine Steuer episcopo et mihi
qui eram decanus zahlte. Dieser kaufte einen Hof per meum consilium.
An die Dekanie von Monklassico wird ein Käsezins gezahlt, Urkunde
1216 August 3 (Dominez 186).
' So in Pergine; Egger, a. a. O. 243.
* Egger, a. a. O. 242.
* Acta Tirol. 2, Nr. 71, 86 usw.
* Kink, Fontes H, 5, Nr. 66.
^ Kink, a. a. O. Nr. 126 zu Brentonico, 1242 Juni 13, Wien St.-A. zu Povo,
im Nonsberg; zu Eppan, Civezzano, Zivignago, Croviana, Telve usw.
nach dem Urbar von 1220, vgl. Schneller, Tridentinische Urbare 156 f.
' Urkunde 1282 Mai 11, Wien St.-A. (Dominez 584).
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Borger von Trient.* Egger faßt die scaria als örtlichen Be-
zirk. Das Wort hängt anzweifelhaft mit althochdeutsch skara
= Schar zusammen, das in den langobardischen Rechts-
quellen zumeist im Sinne einer bewaffneten Schar genommen
wird.* Der Scario wird nach einer Glosse des 7. Jahrhunderts
dem centurius gleichgestellt;' er ist nach Kluge der Hauptmann^
der Scharmeister. In seinen Zusammensetzungen wird dann
das Wort vielfach von Unfreien gebracht. Scaram facere ist
die Fronde, welche die scharweise aufgebotenen Unfreien zu
erbringen haben.^ Die Scaria erscheint in Südtirol als ein Ver-
mögensobjekt; sie wird verpfändet,* verpachtet,^ als Lehen ge-
geben.' Öfter wird ein Hof, mansus oder curia scarie genannt.^
Zur scaria de Domo (bei Neuhaus) gehört ein Wald,* zu einer
anderen gehören Eigenleute;^^ in sie fließen Zinse und Abga-
ben.^^ Nach all dem wird es nicht schwer sein, die Stellung
des scario zu bestimmen, er ist ein Meier, die scaria das Meier-
amt mit dem dazugehörigen Hofe. In Bozen und auch sonst
treffen wir villi ci in ähnlicher Stellung,^^ der mansus scarie
aput fossatum, der 1226 vergeben wird, ist offenbar derselbe,
der 1233 und öfter als mansus villicarie domini episcopi de
' 1267 September 11, Verzeichnis bischöflicher Einkünfte, darunter Ge-
treidegilten: de scaria Concii Sonci^, ebenso de scaria üliorum condam
Mademi, Wien St-A.
* Radelgisi et Siginnlfi divisio c 3 M. M. LI. 4, 221; vgl. auch Kluge, Ety-
mologisches Wörterbuch unter Schar und Scherge.
■ Branner, Rechtsgesch. 2, 181 n. 16.
^ Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer^, 1, 439; 2, 255.
* Kink, Fontes II, 5, Nr. 7.
« Urkunde 1226 Oktober 26, Wien St.-A. (Dominez 262) : Bischof Gerhard
gibt in Erbpacht: suam scariam et mansum illius scarie in Bozen.
' Urkunde 1276 April 20, Wien St.-A.: Die Söhne des Sicher von Metz
haben die scaria von Romeno inne, welche Bischof Egno demselben zu
Lehen gegeben hatte.
• Vgl. n. 6; Egger, a. a. O. 242.
• Kink, a. a. O. Nr. 98. »<> a. a. O. Nr. 111.
** a. a. O. Nr. 243, die scaria von Romeno ist nach der in n. 7 erwähnten
Urkunde verlehnt cum fictis et reditibus.
»» Ledro, Kink, a. a. O. Nr. 5; Ala Urkunde 1180 August 7, Wien St.-A.
(Dominea 19); Eppan, 1196 Juli 1, a. a. O. (Dominez 55); Bozen, Kink,
a. a. O. Nr. 80 usw. häufig in Acta Tirol. 2, Nr. 593, 596a, 603—605 usw.;
es gab deren mehrere. Auch andere Grundherren, wie das Domstift
Augsburg, hatten solche.
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370
Anteporta genannt wird;^ an diesen Hof sind Zinse^ Zehnten
und andere Abgaben abztdiefern.' Auch die deutsche Bezeich-
nung mayer findet sich.* Der Scario steht unter dem Gastal-
den,* der villicus in Bozen wird vom Gastalden (Propste) zur
Vornahme gewisser Funktionen befohlen.^ Wenn 1282 die De-
kanie und scaria gleichgesetzt werden, so ergibt sich umsomehr
die wirtschaftliche Bedeutung der beiden Amter, als sie wieder
in einem Atem mit gafarum (Scheune, Keller) genannt werden.^
Darnach ist der Scario nicht, wie Eink gemeint hat, ein Ge-
meindevorsteher gewesen^ und die scaria nicht eigentlich ein
ländlicher Bezirk. Der Scario ist vielmehr der bischöfliche
Meier gewesen, der mit der Bewirtschaftung seines Meierhofes
und der Einhebung jener Leistungen betraut ist, die an den
Meierhof gewiesen sind. Als bischöflicher Meier, Villicus,
hat er auch Gerichtsbarkeit über die Gotteshausleute, die in
einem Atem mit der des Gastalden dann genannt wird, wenn
Freigelassene oder in den Adelstand Erhobene von dieser Ge-
richtsbarkeit gelöst werden.
Und nun wird das ganze System der Gastaldien, De-
kanien, Skarien klar. Es ist ein durchaus wirtschaftliches
und entspricht dem, was die Wirtschaftsgeschichte als Villen-
verfassung bezeichnet. Der ganze bischöfliche Besitz ist in
Gastaldien gegliedert, deren Mittelpunkt die Herrenhöfe (curiae)
bilden; unter den Gastalden stehen die Dekane und Scarionen,
welche die Herrenhöfe selber oder die einzelnen Meierhöfe be-
bauen, dort die Abgaben und Zinse von den zu Leihe gege-
benen Höfen, später auch wohl die Zehnten und Steuern der
» Urkunde 1238 September 8, Wien St.-A. (Dominez 290); 1246 Oktober
29, a. a. O. (Dominez 338).
» Urkunde 1233 September 8.
» Kink, a. a. O. Nr. 80.
* Kink, a. a. O. Nr. 72, Urkunden 1217 Jänner 4, 1281 Jänner 21, Wien
St-A. (Dominez 279): wenn die Leute in Brentonico regula (Märker-
ding) halten wollen, müssen sie es anzeigen dem scarius des Bischo£s,
dieser dem Gastalden, der den Vorsitz zu führen hat
» Acta Tirol. 2, Nr. 866.
* Urkunde 1282 Mai 11, Wien St.-A. (Dominez 684): scaria degania seu
gafarum de Bomeno.
^ a. a. O. Einl. 13; dagegen schon Sartori, Zeitschr. des Ferd. m, 36, 118,
der bereits den wirtschaftlichen Charakter des Amtes richtig erkannt
hat.
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371
freien Beyölkerang einsammeln und an den Gastalden abführen.
Lokale Bedeutung kommt diesen Amtern nur so weit zu^ als
die unfreien und freien Hintersassen mit ihren Leistungen und
Fronden^ wohl auch die Freien mit ihren Steuern an einen be-
stimmten Herren- oder Meierhof gewiesen sind. Später als der
Bischof Immunität, dann die Grafschaftsrechte erlangt, als zum
Teile wenigstens, wie dies für die Gastalden ausgeführt wurde,
diese Beamten öffentlich rechtlichen Charakter erlangen, auch
auf dem neuerworbenen Grafschaftslande nachahmend eingeführt
nun zum Teile richterliche Befugnisse gewinnen, wird auch der
Scario, allerdings nur in gewissen Bezirken, richterliches Hilfs-
organ, wie in Bozen, wo er im Auftrage des Gastalden und
der Jnstiziare Bannbußen eintreibt,^ Ladungen und andere ge-
richtliche Akte ausführt,* und in Fleims, wo er im Laufe der
Zeit an die Spitze der Talgemeinde tritt.' Die Villenverfassung
treffen wir bereits im 13. Jahrhundert in voller Auflösung; die
freie Erbpacht, die immer mehr und mehr an Verbreitung ge-
winnt, löst den Hofverband auf, vor allem auch dadurch, daß
Fronden seltener werden, das Einsammeln der Zinse nicht mehr
den bischöflichen Meiern überlassen wird und das öffentliche
Gericht die Beurteilung der Erbpachtverhältnisse und der sich
daraus ergebenden Streithändel übernimmt. Dadurch sinkt die
Bedeutung dieser Wirtschaftsämter; mit dem Gastalden ver-
schwindet auch der Scario und Dekan, oder sie verlieren ihre
alte Bedeutung. Noch ziemlich spät wird in .Deutschmetz die
scaria zu Erbpacht verliehen,* sie ist ein einfacher Hof gewor-
den, freilich wohl von größerem Umfange als die benachbarten
und hat noch Ansprüche auf gewisse Leistungen, die von den
umliegenden Höfen erbracht werden müssen.
Wenden wir uns nun der zweiten Frage zu, die mit der
Immunität in Zusammenhang steht, der um die Stellung des
Vogtes. Mit Recht wird gerade in Tirol der Vogtei für die
Bildung der Landeseinheit entscheidende Bedeutung zugeschrie-
ben. Für Deutschtirol vielleicht nicht ganz mit Recht, insofern,
als hier doch der Erwerb der Grafschaftsrechte durch die Grafen
» Schwind-DopBch Nr. 22.
» Acta Tirol. 2, Nr. 762, 840, 841, 961.
' Sartori, Zeitschr. des Ferd. DI, 86, 118 f., 143 f.
^ An Friedrich von Greifenstein 1885 April 27, Innsbruck St.-A. Lehen-
buch des Bischofs Albrecht C. 22, Nr. 2 f., 29—31.
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372
von Tirol als das ausschlaggebende Moment betrachtet werden
muß; wenn auch die Vogtei half; die aus der Grafschaft aus-
geschiedenen Immunitätsbezirke wieder mit dem Grafschafts-
lande zu vereinigen. Unstreitig aber beruhte die Machtstellung
der Tiroler Grafen im Bistum Trient und damit die allmähliche
Angliederung dieses Gebietes zum größten Teile auf ihrer Stel-
lung als Vögte des Gotteshauses Trient. Und doch ist die Ent-
wicklung der Vogtei noch nicht näher untersucht^ ist die Quelle
dieser bedeutenden Machtentfaltung des Landesherrn als Vogt
noch nicht aufgedeckt worden, und wenn gelegentlich Ver-
mutungen geäußert worden sind, können sie nicht als befriedi-
gend, ja kaum als richtig bezeichnet werden.
Nur wenig ist über die Vogtei des Bistums Trient und
ihre Träger aus älterer Zeit bekannt. Die Urkunden versagen
fast gänzlich; aber das wenige, was sie melden^ genügt doch;
um das Wesen der Vogtei zu erkennen. Ehevor wir darauf
eingehen, müssen wir uns der rechtlichen Stellung der Vogtei
in Italien zuwenden. So viel über die Vogtei in Deutschland
gehandelt worden ist, so wenig eingehend ist sie und ihre Ent-
wicklung in Italien für die einzelnen Landschaften und geist-
lichen Institute untersucht worden. Waitz und ihm sich an-
schließend Pertile, Salvioli^ und andere fassen die Stellung
des Vogtes in Italien nicht anders als in Deutschland, sie sehen
in ihm vorwiegend den Richter in der Immunität, und zwar
den Blutrichter. Dagegen hat Ficker darauf aufmerksam ge-
macht;* daß dies nur für einzelne Gebiete der Mark Verona
und insbesonders das Patriarchat Aquileia geltO; daß im übri-
gen der Vogt nicht berufen ist; Gericht zu halten; sondern die
geistliche Anstalt und die Vogteileute vor Gericht zu vertreten
und bei Rechtshandlungen des Kirchenvorstehers die Interessen
der Anstalt zu wahren. Daher ist er in der Regel ein Rechts-
kundiger; kein großer Vasall. Die Ansicht Fickers hat ihre
Berechtigung, wenn auch sicherlich nicht in dem territorialen
UmfangC; wie er sie gemeint hat. Wir finden auch außerhalb
der Mark Verona und des Patriarchats VögtC; die richten, zu
Modena, Bergamo, Reggio, Novarra usw. Aber zweifelsohne
» Waitz, Deutsche Verfassungsgescli.« 4, 465; PertUe* 1, 327 f.; Salvioli,
Atti m, 6, 86 f.
* Ficker, Forschungen 2, 20 f.; 3, Nachträge 420.
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373
war die Sache nicht in allen italienischen Stiften gleich geordnet
und gab es Vögte von sehr verschiedener sozialer Stellung.
Erinnern wir uns an das, was im vorigen Abschnitte über die
Entwicklung des italienischen Strafrechtes gesagt worden ist.^
Wo das Strafrecht ein unblutiges war, wie vielfach hier, da
fehlte das Bedürfnis nach einem besonderen Blutrichter. Nur
der Zweikampf wurde vielfach nicht vor dem geistlichen In-
haber der Grafschaftsrechte, sondern vor dem Vogte abgehalten.
Wenn Ficker Trient als eines der Hochstifte be-
zeichnet, in dem die Stellung der Vögte nach deutschem
Maßstabe zu messen sei,' so ist dies ganz richtig für die
Zeit, in der die Tiroler Grafen die Vogtei erlangt hat-
ten, nicht aber für die frühere. Der erste Vogt, der für
Trient urkundlich erwähnt wird, ist ein Jakob; über ihn ist
uns weiter nichts bekannt. Er trat namens seines Bischofs als
Kläger gegen das Hochstift Freising um Weinberge bei Bozen
auf, ein Streit, der vor König Ludwig dem Deutschen 855 zu
Aibling entschieden wurde.* Bei der Gründung des Klosters
Sonnenburg, die in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts er-
folgte, also erst nach fast 200 Jahren erfahren wir wieder den
Namen eines Trienter Vogtes, Ronzo.* Wenn auch diese Grün-
dungsgeschichte noch einer gründlichen kritischen Untersuchung
bedarf, so wird sie doch dort, wo urkundliche Vorlagen erkennt-
lich sind, Glauben beanspruchen können. Spätere Nachrichten
lassen über die engen Beziehungen Sonnenburgs zu Trient
keinen Zweifel;^ und so liegt kein Grund vor, die Mitwirkung
Bischof Ulrichs (I. oder II.) von Trient an der Gründung sowie
eine Schenkung, die der Bischof dem Nonnenstifte ausstellte,
zu bestreiten. Gerade die Schenkung aber wird cum manu ad-
vocati sui Ronzonis vollzogen. Den nächsten Vogt treffen wir
1082 vor Kaiser Heinrich IV.^ wo er mit dem Bischof Heinrich
die Investitur mit der Herrschaft Castellaro empfingt,^ die der
Kaiser durch den Bann sichert, welchen er über Bischof und
Vogt legt. Hier ist also der Vogt als Rechtsbeistand des Bi-
> Vgl. oben S. 334. « Ficker, Forschungen 2, 20.
* Hübner, Qerichtsurkunden der fränkischen Zeit, Nr. 347.
* Hormayr, Beiträge zur Gesch. Tirols I, 2, Nr. 13 und Sinnacher, Bei-
träge zu der bischöfl. Kirche Sähen und Brixen 2, 239 f.
* Vgl. Jäger, Landständische Verfassung 1, 354.
* Kink, Fontes H, 5, Nr. 2.
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374
schofs tätig. Der Bann, den der Vogt mit dem Bischof zugleich
empfingt, ist nicht etwa der Blut- oder der Gerichtsbann, er
soll vielmehr nur ein Schutzmittel sein gegen alle, welche die
Rechte des Bistums an diesem Hofe verletzen. Die Persön-
lichkeit des Vogtes läßt zugleich seine Stellung erkennen; er
ist ein iudex Gotefredus, also ein Rechtskundiger.
In ganz anderer gesellschaftlicher Stellung befindet sich
der nächste Vogt, der uns begegnet, der 1111 oder 1112 er-
wähnte Graf Adelpret,^ mit dessen Zustimmung der Bischof die
Abgaben und Rechtsstellung der Fleimser ordnet. Er ist
wohl derselbe, der 1124 im Verein mit einem Grafen Arpo als
Vogt sich an einer Vergünstigung beteiligt, welche Bischof Alt-
mann der Stadt Riva zuteil werden läßt, indem er den Bür-
gern gestattet, ein Schloß zu bauen.' Man hat in diesen Vög-
ten die Stammväter der Grafen von Tirol sehen wollen.' La-
durner, dem die meisten späteren gefolgt sind, hält sie für
Grafen von Flavon.^ Sehr wahrscheinlich, daß der Vogt Adal-
pert mit jenem Grafen gleichen Namens sich deckt, der nach
der Erzählung Ekkehards 1106 die Gesandten Heinrichs V.
an Papst Paschal U. gefangen nahm.^ Jedenfalls zeigt sich
eine Neuerung darin, daß die Vogtei nicht mehr in der Hand
von iudices liegt, sondern in der hochgestellter Vasallen.
^ Schwind-Dopsch, Urkunden z. Verfassangsgesch. Nr. 3.
* BoneUi 2, 382.
* So Hormayr, Sämtliche Werke 1, 345.
* Archiv fär Geschichte nnd Altertamskunde von Tirol 5, 143 f.; Jäger,
Landfltändische Verfassung 1, 116; Egger, Archiv ffir Osterr. Gesch. 83,
466 und 467; ebenso, wenn auch mit Zweifel, M. Mayr, Zeitschr. des
Ferd. HI, 43, 233. Das gewichtigste Argument fOr die Zuzählung der
Grafen zur Familie der Flavoner bildet das Vorkommen des Vornamens
Arpo im Flavonschen Geschlechte, ein Name, der bei den Tiroler und
Eppaner Grafen fehlt
^ Chronicon universale MM. SS. 6, 234. Ladurner spricht sich a. a. O. da-
gegen aus, weil man nicht wisse, daB dieser Adalpert VaaaU des Bi-
schöfe von Bamberg gewesen sei, wie das Chronic, univ. meldet In-
des ist diese Möglichkeit gewiß nicht ausgeschlossen, besonders bei der
Knappheit unserer Quellen. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kai-
serzeit 3, 761 läßt die Persönlichkeit des Grafen unbestimmt Meyer
von Knonau, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich IV. und
V., 6, 294 n. 24 nähert sich der Ansicht Sinnachers und Burgklehners,
er sei aus der Familie der Tiroler Grafen gewesen.
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375
Die nächste Urkunde, in welcher der Vogt auftritt; der
mit Domkapitel, Klerus, dem Adel und Volk seine Zustimmung
zur Reform des Klosters San Lorenzo erteilt, nennt den Namen
des Vogtes nieht.^ Bald nachher aber, während der Regierung
des Bischofs Eberhard, die von 1154 bis 1156 währte, erscheint
der Graf Berthold von Tirol als Vogt des Bistums. Wir kennen
diese Tatsache aus zwei Urkunden von 1177, auf die bereits
Bonelli hingewiesen hat, einer Bulle Alexanders III.' und einem
Diplome Friedrichs I.,* beide ftlr das Kloster Biburg. In bei-
den wird eine Zollfreiheit erwähnt, welche das Kloster zu Trient
und Riva genießen solle, die dem Kloster durch Bischof Eber-
hard per manus Berchtoldi advocati, wie der Papst sagt, oder
wie sich der Kaiser ausdrückt: tradita est a venerabili Triden-
tine ecclesie episcopo Eberharde et ab eiusdem loci advocato
comite Qertoldo de Tirol. In einer Tradition für Scheftlarn
wird derselbe Graf Berthold von Tirol als comes et advocatus
angeführt* Obwohl hier nicht gesagt wird, von welchem Stifte
der Vogteititel genommen ist, werden wir auch hier auf Trient
schließen dürfen. Nach einer Eintragung im Calendarium Udal*
ricianam wissen wir weiter, daß in der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts ein Graf Heinrich Vogt von Trient war;^ ihn
dttrfen wir zweifelsohne mit dem gleichnamigen Grafen von
Tirol identifizieren, umsomehr, als wir diesen in der Tat in
einer Urkunde Friedrichs I. von 1182^ als Vogt von Trient
treffen. Erst Graf Albrecht III., der letzte Tiroler, föhrt den
Vogttitel häufiger. Die Vogt ei ist seitBerthold dauernd an
das Hans der Grafen von Tirol gebunden. Sie ist wohl
schon damals Lehen, wie sicher im 13. Jahrhundert;^ schon
Graf Albrecht III. hatte sie als Lehen inne und wurde, nach-
dem er sie dem Bischof aufgelassen hatte, damit erblich auch
in der weiblichen Nachkommenschaft belehnt.^ Später hat man
diese Vogtei und ebenso die über die Stifte Brixen und Aqui-
* Predelli, Archivio per Trieste, Istria ed il Trentino 8, 48.
• Jaff^-Löwenfeld 12816. • Stumpf 4196.
* MM. boica 8, 418. » Bonelli 2, 217. « Stumpf 4336.
' Belehnung Meinhard« I. von Görz -Tirol, 1266 Mai 2, Wien St.-A. (Do-
minez 890); Meinhards II. 1269 Februar 19, Schwind-Dopsch, Urkunde
zur Verfassungsgesch. Nr. 44.
• Ergibt sich auB dem Protest des Domkapitels von 1256 Mai 2, Hormayr»
a. a. O. 1, n, Nr. 166.
ArebiT. 94. BsDd« II. Hilft«. 26
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376
leia als Reichslehen betrachtet, als die Grafschaft Tirol reichs-
lehnbar geworden war.^ Zur Vogtei gehörten reiche Lehen^
deren Umfang sich freilich nicht mehr feststellen läßt. Wenn
Graf Albrecht III. von Tirol behauptet hat, daß ihm jeder dritte
Hof im Hochstifte Trient gehöre, eine Angabe, die allerdings
sich nicht überprüfen läßt, so mögen diese Besitzungen im we-
sentlichen Vogteigut gewesen sein.
Aus den urkundlichen Nachrichten läßt sich, so dürftig
sie immerhin sind, der Wirkungskreis der gräflichen
Vögte wenigstens annähernd erkennen. Der Vogt gibt seine
Zustimmung zur Reformation des Klosters San Lorenzo, zum
Vertrage des Bischofs Gebhard mit den Fleimsern, zu einer
Zollbefreiung, endlich nach dem Diplome Friedrichs I. (Stumpf
4335) zur Errichtung von Türmen und Burgen in Trient durch
einen Unfreien oder nicht Ministerialen. Daraus wird man
wohl auf das Recht des Vogtes schließen dürfen, zu allen weiter-
gehenden Veräußerungen von Kirchengut oder Maßregeln, die
wie der Turm- und Burgenbau die Rechte des Bischofs ver-
kürzen konnten, seine Zustimmung zu geben. In der Folge
wird aber dieses Recht mehr und mehr in den Hintergrund
gedrängt. Die Bischöfe haben zwar kein absolutes Regiment
geführt. Wie andere ihrer geistlichen Genossen pflegen sie
bei wichtigeren Regierungshandlungen den Rat verschiedener
Bevölkerungsklassen heranzuziehen. Zunächst den ihrer Bürger
bei Verfügungen, welche die Stadt Trient treffen. So erläßt
Bischof Friedrich Anordnungen über die Gewerken und ihre
Rechte 1208:* habito consilio wercorum et aliorum sapientum
et bonorum hominum civitatis Tridenti; im Jahre 1224 wird
vom Bischof Gerhard eine Fleischbank vergeben in pleno con-
silio;' das Kloster San Lorenzo wird 1235 in conscilio Triden-
tino more solito congregato den Dominikanern überwiesen, in-
dem der Bischof den Rat um seine Meinung angeht und die
Versammelten durch Zuruf: Sia, Sia ihre Zustimmung aus-
drücken.* In diesen und anderen späteren Fällen tritt die Voll-
versammlung oder auch ein Ausschuß von Bürgern beratend
> Haber, Regesten Karls IV. 1228.
• Kink, Fontes II, 6, Nr. 287—289.
■ Urkunde 1224 November 25 bis Dezember 7, Wien St.-A. (Dominez
247).
* Bonelli 2, 674.
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dem Bischof an die Seite, es liegen die Keime vor^ aas denen
sich der städtische Rat entwickelte. Andere Kreise sind es^ die
den Bischof in anßerstädtischen Angelegenheiten beraten, vor
allem das Domkapitel, dem schon nach kirchlichem Rechte eine
gewisse Mitwirkung bei der Verwaltung der Diözese zukam,
zunächst in geistlichen Angelegenheiten, dann aber bei Ver-
äußerung und Belastung von Kirchengut; und nachdem zum
Kirchengut auch die Temporalien gerechnet werden, zum guten
Teile auch in weltlichen Angelegenheiten.^ Dem Domkapitel
treten die Stiftsvasallen und Ministerialen, endlich ein Aus-
schuß der Bürgerschaft Trients an die Seite. Kapitel, Vasal-
len und Bürger finden wir bereits 1205 vereinigt bei der Aktion
gegen Bischof Konrad, als er seinen Rücktritt widerrufen hatte
und neuerdings das Bistum zu erlangen suchte.' Friedrich von
Wangen löst 1210 die aufständischen Trienter vom Banne: ha-
bito et deliberato consilio dominorum canonicorum, comitum, ca-
pitaneorum, macinate sancti Vigilii et aUorum militum ... et
civium Tridenti,' Bischof Aldrighet belehnt in pleno conscilio
einen Hegeno von Bozen mit Twing und Bann.^ In solchem
Rate wird 1240 ein Brief Ezelins von Romano über die Be-
wachung von Burgen im Lagertale verlesen.* Im Jahre 1258
wird eine Verpfandung vorgenommen mit Rat des Erzdiakons
und anderer Domherren: et etiam de consciho bonorum homi-
num de conscilio Tridenti ad hoc specialiter convocatorum et
etiam de conscilio capitanei et sindicorum comunis Tridenti. Wie
sich dieser Rat zusammensetzte, ergeben am besten die Um-
stände, unter denen sich die Belehnung Meinhards I. abspielte.
Als die Belehnung angesucht worden war, erklärt der Bischof
noch den Rat und Willen des Kapitels, der Edlen, Bürger, Mi-
nisterialen und Vasallen einholen zu wollen.^ Um den Rat zu
erteilen, wählen die Domherren vier aus ihrer Mitte, die Bür-
ger und die extrinseci diöcesis, der nicht in der Stadt woh-
nende Adel je sechs Ratmannen, die nach gepflogener Beratung
* Zeitflchr. des Ferd. III, 83, 59 f.
» Vigilio Zanolini, La rinonBia di Corrado di Beseno, Gymnasialprogramm
des Ginn, yescovile von Trient 1902, 38 f.
» Kink, Fontes ü, 5, Nr. 86.
* BoneUi 2, Nr. 79.
» 1240 Februar 16, Wien St-A. (Dominez 321—323).
* Hormayr, Geschichte Tirols 1, II, 359.
26»
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378
ihr Gutachten abgeben. Dabei tritt nun der Vogt nirgends
hervor. Ist er von dem Rate, wie im Falle der Belehnung Mein-
hards L; wo es sich um seinen eigenen Vorteil handelt, nicht
schon von vornherein ausdrücklich ausgeschlossen, so nimmt er,
den Fall von 1205, auf den wir noch zurückkommen werden,
ausgenommen, höchstens wie andere Stiftsvasallen teil. Dagegen
liegen nun eine Menge von Verfügungen in den Acta Tirol. II
und im Kodex Wangianus vor, in denen der Bischof ohne je-
den Beirat als höchstens den des Kapitels tätig erscheint.
Wenn also gegen die ältere Zeit die Bedeutung des Vogtes
als Beirat des Bischofs zurücktritt, so dürfte der Grund
gerade der sein, daß die Vogtei in die Hände eines Adelsge-
schlechtes gekommen war, das fern von der bischöflichen Re-
sidenz wohnte, den Rechtsgeschäften der Bischöfe nicht mehr
regelmäßig zugezogen werden konnte. So mögen die Vögte
mehr und mehr an Einfluß auf die laufende Verwaltung ver-
loren haben, umsomehr, als sie keine Untervögte hielten, wel-
che ihre Stelle am bischöflichen Hofe vertreten hätten. Auch
in der Folge ist es ganz vereinzelt, wenn Exkönig Heinrich
1328 als Vogt seine Zustimmung zu einem Burgenbau, den Bi-
schof Heinrich gewährt hat, erteilt.*
Aus Stumpf 4335 könnte man auf militärische Befug-
nisse des Vogtes schließen, könnte annehmen, daß der Vogt
etwa die Stellung eines Burggrafen von Trient besessen habe,
zu dessen Befugnissen in deutschen Bischofstädten vielfach das
Recht gehörte, gegen Überbauten in den Straßen einzuschreiten.*
Doch auch dies ist nicht der Fall, für die ältere Zeit, als noch
iudices Vögte waren, von vornherein ausgeschlossen. Auch ftkr
später geben die Urkunden keinen weiteren Halt zu solcher
Annahme. Militärischer Kommandant in Trient ist viel-
mehr der Hauptmann, der erst sehr viel später infolge der
Kompaktaten des Bistums mit Tirol in Abhängigkeit vom Vogte
geraten ist. Das Amt des Hauptmanns ist alt und wird schon
im 12. Jahrhunderte erwähnt.* Weil es damals ein Domherr
bekleidete, dürfte seine militärische Bedeutung kaum eine weit-
» Urkunde 1328 Juli, Wien St.-A., Handachr. 392, f. 18, Nr. 66.
• Rietflchel, Das Burggrafenamt 24.
• 1166 August 30, Bonelli 2, 438: der Hauptmann Odelricus ist stugleich
Domherr; derselbe 1182 Juni 6. Orig., Innsbruck St.-A. und 1168 Juli
16, Orig., Innsbruck Ferdinandeura.
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gehende gewesen sein. Erst mit der Mitte des 13. Jahrhun-
derts wird dies anders. Sicher hängt dies mit der Geschichte
der Befestigung der Stadt zusammen. Die alte Burg von Trient,
die Veruca, das heutige Doß Trento^ auf dem rechten Etsch-
ufer, die einst der Ostgotenkönig Theoderich hatte wieder in-
stand setzen lassen und deren Paulus Diaconus Erwähnung
tut, war im 12. und 13. Jahrhundert zerfallen oder spielte we-
nigstens keine Rolle mehr. Die bischöfliche Residenz befand
sich in der Stadt neben der Kathedrale und dem Stadtturme.
Wohl wird das Schloß Trient in den Urkunden noch erwähnt,
doch zumeist nur als Dossum^ als BurghUgel.^ Wenn unter
dem castrum Trentum, das die Veroneser 1279 besetzt hielten,
wirklich, wie es in der Tat wahrscheinlich ist, das Doß Trento
gemeint ist,* so braucht nicht auf den Fortbestand wirklicher
Festangswerke geschlossen zu werden, denn die Veroneser
können sich ja auch einfach hier verschanzt haben. Die Stadt
selber war mit Mauern umgeben, ist eine civitas im technischen
Sinne des Wortes schon im 9. Jahrhundert,^ und Stadtmauern
werden auch im 13. Jahrhundert erwähnt.^ Doch wissen wir
nicht, wem in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts das Kom-
mando in der Stadt zustand. Als der Podestk Sodegher 1252
auf dem Dossum Malconsil ein neues Schloß, das spätere Buon-
consil, erbaute, erhielt Trient erhöhte militärische Bedeutung.*
Der Podestk ließ sich damit von der Stadt belehnen, auf deren
Grund es stand.® Allerdings mußte Bischof Egno im Friedens-
schlüsse das Schloß dem Podestk zu Lehen geben ;^ aus der
Verlassenschaft Sodeghers ging es an Meinhard II. von Tirol
über® und bildete nun eines der Streitobjekte zwischen Mein-
hard und den Bischöfen von Trient, in deren Hand es endlich
» Acta Tirol. 2, Nr. 10, 89, 125 usw.
* So Ceaarini-Sforza, Archivio Trent. 13, 101.
' 8o im placitam yon 845, Hübner Nr. 740, im Gegensatze zur „urbs*'
Freising.
* Acta Tirol. 2, Nr. 474; Hormayr, Geschichte Tirols 1, II, Nr. 161 : dossum
positom iuzta mumm civitatis (1254).
* Urkunde 1262 Februar 18, Wien 8t.-A. (Dominez 372): in domo novo
di Sodegherii; vgl. Cesarini-Sforza, Archivio Trent. 18, 20 f.
« Hormayr, Geschichte Tirols 1, H, Nr. 161.
' Verci, Marca Trevigiana 2, Nr. 91.
■ Urkunde 1267 April 7, Wien St.-A. und Hormayr, Geschichte Tirols 1,
U, 389 (mit falschem Datum 1264).
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verblieb. Die Angriffe, denen sich Egno von Seite Ezelins von
Romano ausgesetzt sah, veranlaßten die Anlage neuer Festungs-
werke. E^ wird ein castrum des Bischofs f^o erwähnt/ von
der Anlage von Befestigungen gesprochen.* Seitdem erscheint
in Trient wieder ein Hauptmann; zuerst 1258* genannt, bleibt
er nun eine ständige Einrichtung.
So bekannt die von nun an ununterbrochen fortlaufende
Reihe der Hauptleute ist^ so wenig wissen wir Genaueres über
ihre Amtsbefugnisse, denn sie erscheinen in den Urkunden fast
nur als Zeugen. JedenfaUs nimmt der Hauptmann unter den
bischöflichen Beamten den ersten Rang ein. Sicher ist er Be-
fehlshaber des Schlosses Buonconsil gewesen, ob auch der Stadt
oder gar aller bischöflichen Kriegsmacht, wie dies später wohl
der Fall war, muß dahingestellt bleiben. Noch im Jahre 1339
ist es nicht der Hauptmann, sondern der Vikar, der im Rate
von Trient Maßregeln tlber die Rüstung von Pferden zu Kriegs-
zwecken durch die Bürger von Trient veranlaßt.* Während
der tirolischen Okkupation erlangt der Hauptmann weiterge-
hende Bedeutung. Als Stellvertreter der Grafen von Tirol tritt
er an die Spitze der gesamten Verwaltung der Stadt, zum Teile
des ganzen Bistums. Dasselbe ist der Fall, wenn der Bischof
abwesend ist.^ Aber auch wenn der Bischof regiert, tritt der
Hauptmann an die Spitze des bischöflichen Rates und gewinnt
damit eine gewisse richterliche ^ und verwaltende Tätigkeit. Mit
den Kompaktaten gerät er dann in Abhängigkeit vom Landes-
fürsten von Tirol, kraft deren er eine eigentümliche Zwitter-
stellung einnimmt, die ihn wie einen vom Bischöfe besoldeten
1 Urkunde 1255 Dezember 14, Innsbruck St.-A. G. 62, Nr. 27.
• Hormayr, SämtL Werke 2, Nr. 86.
• BoneUi 2, 147.
• Urkunde 1339 Jänner 3, Innsbruck St.-A. C. 4, Nr. 218.
'^ Urkunde 1348 Jänner 4, Wien St-A. (Dominez 883): Nikolaus Alraim
von Brunn wird Hauptmann von Trient und aller Schlösser, Dörfer
und Länder des Bischofs mit Gewalt, alle Gerichtsbarkeit auszuüben,
Hauptleute und Beamte zu setzen, Steuern und andere Umlagen ein-
zunehmen, äaa Au^ebot zu erlassen und in den Krieg zu fuhren.
^ Vgl. Durig, Ober die staatsrechtlichen Beziehungen des italienischen
Landesteiles von Tirol zu Deutschland und Tirol, Separatabdruck aus
dem Jahresberichte der Oberrealschule Innsbruck 1864, 24 f. und die
Kompaktaten von 1368 bei Sohwind-Dopsch, Urkunden zur Yerfassungs-
gesch. Nr. 112.
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Wächter der tirolischen Interessen gegenüber dem Bischöfe er-
scheinen läßt.^ Für den Vogt sind militärische Befugnisse aus
älterer Zeit nicht überliefert^ neben dem Hauptmanne findet er
keinen Platz. Die Militärhoheit, die der Landesftlrst in der
Folge im Bistume ausübt^ hat er erst durch die Eompaktaten
erworben.
Kommen dem Vogte richterliche Befugnisse zu?
Manche nehmen^ indem sie an die Stellung der Vögte in ande-
ren deutschen Hochstiften denken^ dies unbedenklich an.* Doch
gilt dies nur sehr mit Einschränkung, und muß die Grafschaft
Bozen von der Grafschaft Trient unterschieden werden. In
BozeU; das im gemeinsamen Besitze der Bischöfe und der Gra-
fen von Tirol steht, kommt dem Grafen allein die Ge-
richtsbarkeit über die Räuber (latrones) zu.^ Das echte
Ding, in dem ein bischöflicher und tirolischer Amtmann zugleich
den Vorsitz führen, ist nach den Imbreviaturen von 1237 und
1242 f)lr Kriminakachen nicht mehr zuständig. Kein einziger
Fall ist hier gebucht, obwohl der Landfriede gewiß nicht so
gefestigt war, daß keine Räubereien sich hätten ereignen sollen.
Vielmehr müssen wir annehmen, daß die Blutgerichtsbarkeit in
einem anderen Gerichte, eben dem der tirolischen Landrichter
von Gries, ausgeübt wurde. Da liegt es nun nahe, diese Ge-
richtsbarkeit der Tiroler Grafen mit der Vogteigewalt in Zu-
sammenhang zu bringen, obwohl sie ebenso der Grafengewalt
des Tiroler Grafen in Bozen entsprang. Wenigstens derselbe
Gedanke, der den Vogt zum Blutrichter in den deutschen Im-
munitäten machte, kam zur Geltung, wenn dem Tiroler Grafen
bei der Teilung der Grafschaftsrechte in Bozen die Blutgerichts-
barkeit vorbehalten wurde, der bekannte Gedanke nämlich, daß
der Geistliche nicht Blutrichter sein dürfe, weil sich dies mit
dem Charakter seines Amtes nicht vertrage, weil die Blutge-
richtsbarkeit für ihn den defectus perpetuae lenitatis zur Folge
habe, die ihn zur Ausübung seines Amtes ujitauglich machte.
DaB dem deutschen Burggprafeu richterliche Befugnisse nicht zustanden,
wenn er nicht zugleich Vogt war, hat Siegfried Rietschel in seinem
Buche üher das Burggrafenamt gezeigt. Darnach ist S. 29 des ersten
Aufsatzes dieses Heftes zu berichtigen.
So M. Mayr, Die politischen Beziehungen Deutschtirols zum italieni-
schen Landesteile 16.
Schwind-Dopsch, Urkunden zur Verfassungsgesch. Nr. 22.
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382
Anders aber war es in der Grafschaft Trient. Hier finden
wir im 12. und 13. Jahrhundert, außer im Falle besonderen Auf-
trages und der gewaltsamen Besetzung sede plena den Tiro-
ler Grafen nie als Richter; vor allem nicht als Kriminal-
richter. Die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen
übt der Bischof selber oder durch Delegaten und Assessoren
aus. Die Imbreviatur von 1236 zeigt ihn und seinen Podestk,
in der Folge die kaiserlichen Podestaten, als Richter zweiter
Instanz, außerdem sind ihm gewisse Fälle der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit, dann der Akt der Immobiliarexekution vorbehal-
ten, durch welchen das Eigentum des gefrondeten Gutes über-
wiesen wird, die Kriminalgerichtsbarkeit aber ist an
eine Familie von ludices zu Lehen gegeben. Wir er-
fahren davon aus zwei Urkunden des 13. Jahrhunderts. Im
Jahre 1200^ klagt vor dem bischöflichen Lehenshofe Adamin
de la Bella um die Hälfte des Lehens, mit dem sein Vater und
Großvater belehnt waren und das nun sein Bruder Gerard
verwalte. Gerard antwortet der Klage, indem er seinem Bru-
der die Fähigkeit zu diesem Lehen abstreitet^ weil dieses Lehen
nur: ad iudicem pertineret et non ad laicum, das heißt den
Nichtjuristen, was Adamin offenbar war, und heimfalle, wenn
kein Iudex in der Familie vorhanden sei. Was für ein Lehen
aber gemeint war, erfahren wir aus dem Lehensbekenntnis des
Heinrich, eines Sohnes des Gerard,* das Lehen bestehe: ad co-
gnoscendum tantum de causis criminalibus, videlicet que ad
puniendum personas hominum spectant et pertinent, scilicet de
illis que ad laudamentum vassallorum non pertinent; sonst stehe
ihm nur Gerichtsbarkeit zu, wenn ihm der Bischof solche de-
legiere. In der Tat finden wir die della Bella schon im 12. Jahr-
hundert in richterlicher Tätigkeit. Zuerst 1163' einen Henri-
cus, seit 1183* und später wiederholt einen Gerard, zuletzt
dann den Henricus, der im Jahre 1225 das letzte Mal genannt
wird.^ Mit ihm muß die Familie ausgestorben sein. E^ war
somit die Kriminalgerichtsbarkeit an eine Familie als Lehen
vergeben, deren Mitglieder sie verwalteten, wenn sie ludices
waren. Damit war derselbe Zweck erreicht, dem anderswo
* Kink, Fontes U, 6, Nr. 66. » Kink, a. a. O. Nr. 144.
» Kink, a. a. O. Nr. 10. * Ebendort Nr. 16.
* Urkunde 1226 November 19, Kopie Innsbruck, Ferdinandeum, Dipaul.
1306 f. 30.
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383
die Belehnung des Vogtes mit dem Blutbanne diente, der Bi-
schof kam nicht in die Lage, als Eriminalrichter tätig zu sein.
Daß vom Anfange an ähnliches bestand^ ist nicht anzunehmen.
Eher wird auch die Kriminalgerichtsbarkeit wie in den deut-
schen Hochstiftern und in den benachbarten Bistümern der
Mark Verona den Vögten zugestanden sein. Freilich dürften
auch in Trient erst im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts die
Leib- und Lebensstrafen an Bedeutung gewonnen haben. Hat
aber einmal den Vögten die Blatgerichtsbarkeit zugestanden,
so muß sie in der Folge von dem Amte des Vogtes abgezweigt
worden sein, als sie als Lehen an die della Bella verliehen
wurde. Wann dies geschehen ist, ist uns nicht bekannt; denk-
bar allerdings wäre es, daß eine Beschränkung des Amtes ein-
trat, als die Vogtei an den Grafen Adalpert, oder später, als sie
an die Tiroler kam. Kehren wir zur Angabe des Gerard von
1200 zurück, wonach sein Großvater und Vater mit der Kri-
minalgerichtsbarkeit belehnt waren, so führt uns das, nachdem
Gerards Vater, Heinrich, bereits um 1163 nachweisbar ist, auf
die Zeit vor 1150, also jene Zeit, in der die Tiroler Grafen in
den Besitz der Vogtei gelangt sind.
Mag dem sein, wie ihm wolle, in der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts und in den ersten Dezennien des 13. Jahr-
hunderts sind nicht die Vögte, sondern die della Bella im Be-
sitze der Kriminalgerichtsbarkeit in Trient. Nach deren Aus-
sterben üben diese Gerichtsbarkeit die bischöflichen Beamten,
Assessoren, später seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
der Vikar, der im Namen des Bischofs die gesamte Gerichts-
barkeit versieht.^ Auf dem Lande üben die Kriminaljustiz ein-
zelne Gastalden und Hauptleute als Beamte des Bischofs in
ihren Sprengein. An anderen Orten lag die hohe Gerichtsbar-
keit, der comitatus, in den Händen einzelner Grafengeschlechter,
vor allem der Eppaner und Flavon und einzelner Dinasten^
die seit dem 13. Jahrhundert zahlreicher als Patrimonialgerichts-
herren auftreten.* Der Adel aber war von dieser Gerichts-
barkeit befreit und unterstand direkt dem Bischöfe. Wir
werden später noch auf die sehr interessanten Privilegien zu-
rückkommen, mit welchen diejenigen bedacht wurden, die in den
* Archiv für österr. Geschichte 92, 169.
* Vgl. den ersten Aufsatz dieses Bandes & 34.
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384
Adelsstand erhoben wurden. Darunter kehrt die Verleihung
des Gerichtsstandes vor dem Bischöfe oder seinem Vizedom
regelmäßig wieder.^ Wir haben schon im vorangehenden da-
von gesprochen. Wird der neugeadelte Unfreie damit dem Hof-
gerichte des Gastalden entzogen^ so wird besonders seit dem
Verschwinden des Vizedoms auch die Gerichtsbarkeit vor dem
Landrichter ausgeschaltet und der Gerichtsstand vor dem Bischof
betont. Der Bischof ist nunmehr allein der ordentliche Richter für
alle Adeligen.' Als 1260 ein Mann den Beweis erbringen soll,
daß er ein edler Vasall sei, erhärtet er durch Urkunden: se . . . .
non facere racionem nee stare ad racionem sub aliquo gastaldione
ipsius domini episcopi, nisi tantum modo sub ipso domino episcopo
et eins iudicibus in curia Tridentina, und der Bischof verbietet
den Gastalden von Calaveno, ihn femer vor ihr Gericht zu ziehen.'
Auch andere Personen, namentlich Geistlichen, wird dieser Ge-
richtsstand gewährt. Kaiser Friedrich I. ordnet an, daß der Propst
von Au wegen der Besitzungen seines Klosters nur vor dem
Bischöfe zu Rechte zu stehen hat.^ Bischof Konrad erteilt
dieses Recht dem deutschen Orden in Bozen,* Bischof Friedrich
dem Kloster San Tomaso.^
Diese bischöfliche Gerichtsbarkeit wird nun zum
Teile in der Lehenskurie geübt, jener Versammlung der
Vasallen, die als Lehenshof in Lehenssachen entscheidet. Das
Lehensrecht freilich kennt als Folge der Infidelität nur die eine
Strafe, den Verlust des Lehens. Es müssen jedoch vor diesem
Gerichtshofe noch andere als reine Lehenssachen zur Entschei-
dung gekommen sein. Wir hören, daß in diesem Gerichte der
Bann, die Friedloslegung, verhängt und von dem Banne wieder
gelöst wird; so werden im Jahre 1210 Odorich von Beseno^
" Kink, Fontes H, 6, Nr. 96, 251; Urkunde 1217 April 26, Wien St.-A.
usw. ; vgl. oben S. 363.
• Urkunde 1269 Juni 26, Wien St.-A. Bischof Egno und der Hauptmann
des Grafen Meinhard» Nikolaus, befehlen dem Ricard, Qrafen von Fla-
von, den Qrafen Friedrich im Besitze gewisser Güter nicht zu stören,
sondern, wenn sie klagen wollen, coram episcopo et Nicoiao zu klagen.
Ebenso Bonelli, 2, Nr. 46; Kink, Fontes 11, 5, Nr. 55 usw.
» Urkunde 1260 Juli 28, Wien St.-A. (Dominez 421).
♦ Stumpf 4520.
* Urkunde 1202 April 9, Innsbruck, Ferd. Dipaul. Handschr. 918.
• Bonelli 4, 47.
» Kink, Fontes II, ö, Nr. 84.
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385
und ebenso mehrere Ministerialen und Bürger von Trient, die
früher: per yasallos et pares eurie ihrer Lehen und Allode ver-
Instig erklärt und mit dem Banne belegt worden waren,^ wie-
der vom Banne gelöst. Im Jahre 1221 werden durch Urteil
der Lehenskurie die Strafen für diejenigen festgestellt, welche
in ihren Schlössern gebannte Übeltäter und Straßenräuber auf-
nehmen;* es wird festgestellt, daß solche Schlösser verbrannt
und zerstört werden sollten.' Auch Heinrich della Bella hatte
in seinem Lehensbekenntnisse von Fällen der Kriminaljustiz
gesprochen, die durch Spruch der Vasallenkurie beurteilt wer-
den sollten. Es werden vermutlich jene gewesen sein, die mit
der Treupflicht zusammenhingen, Infidelitätsakte betrafen. An-
dere entscheidet der Bischof allein. Als 1240 Jakob von Liz-
zana vor dem Richter des Podestk Sodegher von den Leuten
von Rovereto verklagt wird, weigert er sich. Recht zu geben:
quia dicit, quod debet ire illam causam^ per lodum curie, quia
est feodum, nee aliquam causam cum eis vult contestare; set
si ille iudex vult cognoscere de aliquo maleficio facto inter eos,
cognoscat et sibi placet, und als der Richter erklärt, daß er
nnr de maleficio et de iniuria facta illis de Rouereto erkennen
wolle, da läßt sich Jakob auf den Rechtsstreit ein.^ Schon Kö-
nig Otto IV. spricht von der Verhängung des Bannes durch
den Bischof, * und in der Tat wird 1234 Friedrich von Castel-
nuovo vom Bischöfe ohne Zuziehung der Lehenskurie wegen
Raub, Todschlag, Verbrennung und Beraubung von Kirchen
mit dem Banne belegt, die Wüstung seiner Güter verfügt.'
Auch das Bannbuch des Notars Obert enthält Beispiele, wo-
nach der bischöfliche und der kaiserliche Podestk und ihre Be-
amten ohneweiters auch den Bann über Adelige verhängen,^
und zwar als Strafe prozessualen Ungehorsams. Sie haben also
auch in KrimiBalfUIen gegen Adelige vorgehen können.
• Kink, a. a. O. Nr. 86.
» Durig, Mitteil, des Inst., Ergb. 4, 438, Nr. 12.
• a. a. O., in der letzten Zeile von Nr. 12 auf S. 439 ist statt aber© abo-
lire zu emendieren (im Transumt aboire).
< sie!
^ Urkunde 1240 Oktober 19, Wien 8t.-A. (Dominez 327 unvollständig).
« Böhmer-Ficker, Reg. Imp, VI, 1, 264.
' Kink, Fontes U, 6, Nr. 168.
• Acte Tirol 2, Nr. 1, 6, 7, 12 usw.
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386
Fassen wir die AasiUhmngen über die Gerichtsverfassung
des Bistums zusammen^ so bleibt kein Platz für die Ge-
richtsbarkeit des Vogtes und keine Urkunde gedenkt ihrer.
Selbst der Zweikampf, ursprünglich dem Pfalzgrafen und den kö-
niglichen Missi vorbehalten/ dann vielfach nach Erwerbung der
missatischen Rechte durch die Kirchenvorsteher Sache des bischöf-
lichen Vogtes, weil ein blutiges Geschäft* wird in Trient über
Urteil des Iudex Endricus, der wohl mit dem Kriminalrichter
Henricus della Bella identisch ist, vor dem Bischöfe abgehalten.^
Ein anderes Recht des Vogtes war es, an das die Weiter-
entwicklung anknüpfte, das dem Vogte die MögUchkeit gewährte,
die Rechte zu erwerben, welche ihn zuletzt als den Herrn des
Bistums erscheinen ließen, ein Recht, das den deutschen Vög-
ten gefehlt zu haben scheint, in italienischen und französischen
Landen indes nicht unbekannt war.
Ficker hat darauf hingewiesen, daß schon im Franken-
reiche der König die Nutzung der erledigten Reichs-
kirchen in Anspruch nahm> In der Folge galt diese Nutzung
als feststehendes Recht des deutschen Königs, der sie bis ins
13. Jahrhundert behauptete.^ Andere Herrscher, die Könige
von Frankreich, der König von Ungarn, haben das Regalien-
recht noch viel länger, bis zur französischen Revolution, ja bis
zur Jetztzeit behauptet. Stutz hat das Regalienrecht aus der
Idee der Eigenkirche erklärt, welche die hohen Reichsstifter er-
griff und wie Eigenkirchen des Herrschers erscheinen ließ.^ Wer
im Namen des deutschen Königs die Verwaltung des vakanten
Hochstiftes führte, ist für die Zeit des früheren und hohen Mittel-
alters nicht bekannt, insbesonders nicht die Stellung des Vogtes
in der vakanten Kirche. War er Rechtsbeistand des regieren-
den Kirchenvorstehers, so war er gewiß vor allen anderen zum
* Sohm, Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung 503; Ficker, For-
schungen 2, 16, 63 f.; 3, 424; Salvioli, Atti m, 6, 66.
' z. B. in Aquileia, wo sich die Parteien zwar vor dem Patriarchen durch
wadia zum Zweikampfe verpflichten, der Kampf aber vor dem Vogte
oder seinem Stellvertreter stattfindet; vgl. Rubeis, Monumenta ecclesiae
Aquileiensis 647 f.
' Paolo Orsi, Archivio per Trieste, Istria ed il Trentino 3, 89.
* Über das Eigentum des Reiches am Reichskirchengut, Sitzungsber. der
Wiener Akad. der Wissensch., phil.-hist. Kl. 72, 382 f.
* Scheffer-Boichorst, Kaiser Friedrich L letzter Streit mit der Kurie, 189 f.
" Stutz, Die Eigenkirche 26.
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387
Schutze des Eirchengntes während der Sedisvakanz, wo es des
Schatzes doppelt bedurfte, berufen. Ebenso wie das Mundium
des Königs, seine oberste Schutzgewalt Über alle Kirchen zur
Ausbildung des Regalienrechtes beigetragen hat,^ so mochte
auch die Schutzgewalt dem Vogte ein Regalienrecht schaffen.
En Obereigentum über das Kirchengut haben die Vögte frei-
lich nie in Anspruch genommen, aber sie haben sich in vielen
Gegenden als domini, als Herren der Kirchenoberen, die ihrer
Vogtei unterworfen waren, betrachtet. In Frankreich haben
neben dem Könige auch einzelne Vögte das Regalienrecht von
Bistümern in der Tat in Anspruch genommen.* Auch in Ita-
lien stehen den Vögten in einer Anzahl von Hochstiftem be-
sondere Wirksamkeit und mit ihr besondere Rechte im Falle
der Sedisvakanz zu.' In Padua hat der Vogt nach einem Weis-
tum von 1283 bei Erledigung des Bistums den bischöflichen
Palast zu hüten, die Kirchengüter zu verzeichnen und zu ver-
wahren, den neuen Bischof in den Besitz der Kirche einzu-
führen und ihm die Kirchengüter zu übergeben. Ahnliche
Rechte übten zu Belluno die Herren von Collalto, desgleichen
die Porcia zu Ceneda. Sie übten die Jurisdiktionsrechte wäh-
rend der Sedisvakanz, ja sie zogen sogar den Nachlaß des ver-
storbenen Kirchenfürsten ein, machten ein Spolienrecht geltend.^
Die Grafen von Savoyen übten das Regalien- und Spolienrecht
in einer Reihe burgundischer Bistümer, in Tarentaise, Belley,
Aosta^ Sitten und Maurienne.^ Freilich galten diese Bistümer
nicht mehr als Reichsstifter, sondern standen unter der Ober-
hoheit von Savoyen, von dem sie die Investitur empfingen.^ Die
Kirche widerstrebte zwar der Nutzung der Regalien durch die
Vögte, durch Laien überhaupt.' Doch nur dem deutschen Könige
gegenüber blieb sie siegreich. Sie mußte sich im übrigen schließ-
* Ficker, a. a. O. 101, Stutz, a. a. O. 36, Heusler, Institutionen de» deut-
schen PrivatrechtB 1, 322, Schröder*, Rechtsgesch. 418 f. Verfehlt ist
die Ansicht von Georg Phillips, Das Regalienrecht in Frankreich 28 f.,
der dieses Recht aus dem Lehensrechte ableitet, wenn auch das Leheus-
angefälle auf demselben Rechtsgrundsatze beruht.
» Georg Phillips, a. a. O. 34 f., 44 f.
» SalvioU, Atti IH, 6, 90; Pertile» 1, 330.
* Verd, Marca Trevigiana 2, 96 und Nr. 307.
* Hellmanu, Die Grafen von Savoyen und das Reich 7 ; Manteyer, Les origi-
ues de la maison de Savoie, Melanges d^Archeologie et d*Histoire 19, 4Ut2 f.
« Ficker, ReichsfOrstenstaud 295. ^ Phillips 41.
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388
lieh bequemen, das Regalienrecht anzuerkennen, wo es ein alt-
hergebrachtes war. Nur Übergriffe wurden verboten. Das
zweite Lyoner Konzil bedrohte jene mit dem Banne, die unter
dem Verwände der Vogtei die Güter der Kirchen und Klöster
während der Sedisvakanz in Besitz nahmen, aber es begnügte
sich, jene, welche das Regalienrecht seit der Gründung des
Kirchenamtes oder kraft alter Gewohnheit in Anspruch nehmen,
zu ermahnen, ihr Recht nicht zu mißbrauchen, sich mit den
Früchten zu begnügen, das Vermögen der Kirche jedoch nicht
zu verschleudern.^ Damit hatte das Regalienrecht kirchliche
Anerkennung gefunden.
Ein solches Recht muß auch den Vögten von Trient
zugestanden haben. Meinhard IL hat es auf das bestimm-
teste in Anspruch genommen. Im Jahre 1290 überreichte ein
Vertreter des Herzogs in dessen Streit mit dem neuen Bischof
von Trient, Philipp Buonacolsi, dem Bischof von Padua als päpst-
lichen Delegaten eine Appellation, in der ausgeführt war, daß
dem Grafen von Tirol als Vogt das Recht zustehe, die Welt-
lichkeiten der Kirche von Trient zu verwalten und zu ver-
wahren, bis der kanonisch gewählte Bischof um ihre Heraus-
gabe ansuche. Dieses Recht wird als ein althergebrachtes be-
zeichnet.^ Läßt sich nun diese Behauptung bei den dürftigen
Angaben unserer Quellen nicht auf ihre Wahrheit überprüfen,
soviel ergibt sich immerhin, daß die Vögte während der Se-
disvakanz wiederholt eine hervorragende Rolle gespielt haben.
Schon das Auftreten des Grafen Adalpert gegen die Gesandten
Heinrichs V. im Jahre 1106' wird darauf hindeuten. Nach
dem Tode Bischof Adalperos hatte Heinrich V. das Bistum
Trient seinem Kaplan Gebhard verliehen. Die Bürger von
Trient und wohl auch die Vasallen des Bistums hielten dem
alten Kaiser die Treue und wollten den Günstling des aufrüh-
rerischen Sohnes nicht in ihre Mauern aufnehmen.* Sicherlich
hing auch die Gefangennahme der Gesandten, die Ekkehard in
einem Atem erzählt, mit dieser Haltung der Bürger zusammen
und wird der Graf Adalpert die Seele der ganzen Bewegung
> c. 13 in YLo 1, 6. « Beilage 17. ' Vgl oben S. 374.
* Ekkehard, Chonic. anivers. MM. SS. 6, 284; Egger, Geschichte Tirols 1,
191 ; Meyer y. Knonau, Jahrbücher des Deutschen Reichs anter Hein-
rich IV. und Heinrich V. 6, 294.
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\
389
gewesen sein. Nur als Vogt kann ihm diese überragende Stel-
lung zugekommen sein.
Die dürftigen Nachrichten, die ans dem 12. Jahrhundert
über Sedisvakanzen vorliegen, gestatten keinen weiteren Auf-
schluß. Erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts sind wir besser
unterrichtet. Als Bischof Konrad 1205 seine Abdankung wider-
rief und mit Hilfe des Staufers Philipp von Schwaben, der ihn
mit den Weltlichkeiten investierte, die Verwaltung des Bistums
neuerdings zu erlangen suchte, da trat der Graf von Tirol, der
vielleicht ein unmittelbares Interesse daran hatte, daß sich die
staufische Macht in Südtirol nicht weiter ausdehne,^ als Vogt
in ganz besonderer Weise hervor. Domherren, Adel und Bür-
gerschaft schwören, keinen Frieden mit dem Bischof zu machen
ohne Wissen des Grafen, wie auch der Graf ohne Wissen der
anderen Verschworenen.* Bei den Beratungen, ob Konrad zum
Bistnme wieder zuzulassen sei, kommt dem Grafen eine ge-
wichtige Stimme zu. War dieses Gewicht schon durch die Macht
des Grafen gegeben, so wird doch immer seine Stellung als
Vogt betont. Im folgenden Jahre 1206 erscheint der Graf von
Tirol geradezu als Podestä von Trient, ist also mit der Ver-
waltung des Bistums betraut.' In der Folge bekleidet Graf
Albrecht das gleiche Amt wiederholt unter den Nachfolgern Bi-
schof Friedrichs von Wangen 1222,* 1223«^ und 1235« und
1236^ allerdings zunächst sede plena und als Beamter des Bi-
schofs, 1223 freilich bei Abwesenheit des Bischofs, der den
Kaiser Friedrich IL nach Italien begleitete. Ob er es auch sede
vacante verwaltete, dafür fehlen freilich die Nachrichten, aber
es liegt auch nichts vor, um das Gegenteil zu behaupten. Daß
der Vogt beim Tode des Bischofs Aldrich nicht hervortritt, be-
greift sich, da ja die Verwaltung des Bistums vorläufig von
dem kaiserlichen Statthalter geführt wurde.^ Bei Egnos Tode
1 Vgl. Zeitschr. des Ferd. m, 48, 354.
* YigUio Slanoliui, Programm des Qinnasio vescovile von Trient 1902,
88 f.
> Urkonde 1206 Mai 27, Wien St-A.
« Bonelli 2, 488.
* Durig, Mitteil, des Inst, Ergb. 4, 441.
* Acta Tirol. 2, Nr. 1, 3, 6, 6—9 usw.
^ Dafi der Kaiser die Vogteirechte bei Einsetzung des Statthalters auf-
gehoben habe, wie M. Mayr, Die politischen Beziehungen Deutschtirols
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390
befand sich das Bistum ohnehin schon vertragsmäßig in den
Händen Meinhards. Der Zusammenstoß des Vogtes mit dem
neuen Bischöfe Heinrich H. dürfte sich unter diesem Gesichts-
punkte auch nicht als reiner Gewaltakt darstellen, sondern in
der Weigerung Heinrichs^ die Herausgabe der Temporalien vom
Vogte zu verlangen, seinen Grund gehabt haben.'
Auch die Nachfolger Meinhards U. haben an die-
sem Rechte festgehalten. Sie haben die Verwaltung des
Bistums nach dem Tode des Bischofs Bartolomeo Querini über-
nommen.* Ebenso führte Herzog Johann von Kärnten und in
seinem Namen, da er noch unmündig war^ Markgraf Karl von
Mähren, der spätere Kaiser Karl IV., nach dem Tode des Bi-
schofs Heinrich HL die Verwaltung: auctoritate nobis pro dicto
fratre nostro concessa per capitulum Tridentinum sede vacante
ecclesie Tridentine;' nach der Wahl des neuen Bischofs Niko-
laus wurde vom Domkapitel diese Verwaltung bis zur Bestäti-
gung des Erwählten verlängert.* Was das Kapitel hier gut-
20 meint, ist gänzlich aus der Luft gegriffen; sie ruhten nur natur-
gemäß während der Reichsverwaltung.
^ Kaum wird man diesen Grund im Schlosse Buonconsil sehen können,
wie Wilhelm, Mitteil, des Inst. 23, 436; das Schloß war keineswegs ein
altes Streitobjekt zwischen Bischof und Grafen, der Bischof hatte auch
kaum gegründete Ansprüche darauf, da es durch Sodegher auf Gemeinde-
grund gebaut worden und aus dessen Nachlaß auf den Grafen von Tirol
gekommen war.
* 1308 April 1, Herzog Otto verleiht Pfand leihanstalt im Nonsberg, Wien
St.-A., Handschr. 384 f. 6 ; 1309 Juni 30 Hauptleute des Herzogs Otto
in Trient und Judikarien: Heinrich von Rottenburg und Odorich von
Ragonia und Odorich von Corredo, Innsbruck St.-A. C. 40, Nr. 22; 1309
März 1 verleiht Herzog Otto dem Sieghard und H. von Trazberg die
Podestarie Riva und das Schloß Tignale, Wien St.-A., Handschr. 383,
f. 42; März 17 derselbe verleiht Pfandleihanstalt in Trient, ebendort;
1310 Jänner 15 Herzog Otto verleiht den Fleimsem die Freiheit, daß
nie ein Schloß in ihrem Tale gebaut werden dürfe, Wien St-A., Hand-
schr. 389, f. 62, und beauftragt den Hauptmann, das bestehende Schloß
zu brechen. Später verspricht Exkönig Heinrich dem Aldrighet von Ca-
stelbarco die Hauptmannschaft im Lagertale im Falle einer Sedisvakanz :
advocacie, que ad . . d™ regem et suos heredes racione episcopatus et
ecclesie Tridentine de iure spectat seu spectabit, .... donec alius epi-
scopus ibidem fuerit confirmatus für die Zeit seines Lebens; 1320 Jänner
26, Wien St.-A. (Dominez 762).
» 1336 Oktober 14, Wien St.-A. (Dominez 822, Huber-Böhmer, Reg. Imp.
VIII, 34).
* Huber-Böhmer, a. a. O. 36 a.
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391
willig gewährte, ist vonseite des Herzogs gewiß als volles Recht
beanspnicht worden; daraufweist schon die Klansei am Schlnsse
der ürknnde, die beiden Teilen ihr Recht vorbehält. Die volle
Verwaltung und Gerichtsbarkeit wird hier dem Vogte zuge-
sprochen. Fast ein Jahr lang hat diese Verwaltung bestanden.^
Nikolaus ist dann bekanntlich wegen seiner Parteinahme fUr
die Luxemburger vom Markgrafen Ludwig von Brandenburg
verjagt worden, und seine Nachfolger konnten nur sehr vor-
übergehend und teilweise in den Besitz des Bistums gelangen,
dessen Verwaltung vielmehr Ludwig an sich nahm. In diesen
Jahren des Widerstreites zwischen dem exkommunizierten Lau*
desftlrsten, dem E^pitel und den Bischöfen ist das Regalien-
recht des Vogtes nicht mehr anerkannt. Jetzt erscheinen aller-
dings Beamte des Kapitels sede vacante.^ Indes verschwinden
sie nach dem Siege des Markgrafen wieder und Ludwig setzt
1354 den Pfarrer Heinrich von Tirol zum Verweser des Bis-
tums, vicarius und protector generalis oder vicegerens ein,^ der
nun eine Reihe von Jahren verwaltet.
Stand aber dem Vogte ein Regalienrecht zu, was war
natürlicher, als daß er die Herausgabe der Temporalien
an Bedingungen knüpfte, die ihn davor sichern sollten,
daß der Bischof seine Macht feindlich gegen den Lan-
desherrn wende. Daher konnte bereits Bischof Philipp, als
über eine Aussöhnung mit ihm verhandelt wurde, die Heraus-
gabe der Regalien nur unter besonderen Bedingungen erlangen,
die der Bischof nachher ablehnte. Bartholomäus Querini wurde
vor Herausgabe der Temporalien verpflichtet, die Absolution
der Herzoge vom päpstlichen Stuhle zu verlangen.* Bischof
Heinrich HL wurde 1314 zu einem engen Bündnisse mit Ex-
könig Heinrich verhalten gegen jedermann.^ Weiter schon
» Urkunde 13S7 September, Wien St.-A.
* Ein Belens&nis als Hauptmann von Tenno, Innsbruck St.-A., Reperto-
rium des Domkapitelarchivs G. 60, Nr. 111; 1849 Jänner 2: Dyonisius
von Gardellis, Hauptmann des Schlosses Buonconsil fOrs Kapitel, gibt
das Schloß dem Erzdiakon und Generalvikar des Bischofs Johann her-
aus ; ebenso Schloß Stenico und die rocca de Breguzzo mit dem Yikariat
Judikarien, Innsbruck, Ferd. Dipaul. Handschr. 822, S. 51—63.
* 1364 April 19, Huber, Geschichte der Vereinigung Tirols mit Österreich,
Regest 161.
* Urkunde 1306 Juli 22, Wien St.-A. (Domiuez 686).
* Urkunde 1314 Juni 8, Wien 8t.-A. (Dominez 728).
Arehir. 94. Band, U. HUfke. 27
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392
ging Markgraf Ludwig, als er den Pfarrer von Tirol zum
Pfleger des Bistums setzte. Es wurde nämlich gleichzeitig
der Fall ins Auge gefaßt, daß sich der Pfarrer beim Papste
um das Bistum bewerben werde. Für diesen Fall mußte der
Pfarrer dem Markgrafen geloben, ihm und seinen Erben mit
dem Bistume zu warten und zu helfen, wie es ein Bischof sei-
nem Herrn und Vogte schuldig sei.^ Das klang kaum anders,
als das Versprechen, das Albrecht von Ortenburg dem Herzog
Albrecht von Österreich für den gleichen Fall gegeben hat*
Man sieht, die vielberufenen Kompaktaten Rudolfs IV. mit
dem Bischof Albrecht von Ortenburg sind ebensowenig
etwas ganz neues gewesen, als sie vereinzelt dastehen.^
Freilich ging Rudolf IV. weiter als Markgraf Ludwig gegangen
war.* Der Markgraf begnügte sich, den Bischof allein sich zu
verpflichten, er ließ ihm freie Hand bei der Einsetzung seiner
Beamten, namentlich der Hauptleute. Rudolf verlangte nicht
nur das Gelöbnis des Bischofs, sondern auch das des Kapitels
und der bischöflichen Hauptleute und Vikare, die nur mit
Wissen und Willen des Herzogs von Osterreich eingesetzt wer-
den sollen; ja der oberste Hauptmann sollte geradezu Untertan
des Landesfürsten sein. Auch das Regalienrecht wird neuer-
* Urkunde 1S54 April 19, Wien St.-A. (Dominez 901).
* Huber, Vereinigung Tirols, Reg. Nr. 200.
' Die Forschungen Sfbiks, Die Beziehungen von Staat und Kirche in
Österreich während des Mittelalters, haben dargetan, daß ähnliche Ver-
träge von einer Reihe von Kirchenftirsten mit den Habsburgern einge-
gangen worden sind .36 f. Aber auch die habsburgische Politik ist nur
ein Glied in dem Streben der weltlichen Landesherren, ihrer Macht die
geistlichen Territorien dienstbar zu machen. Ganz ähnliche Zusagen
hatte auch Bischof Matthäus von Brixen 1S48 März 17, Wien St.-A.,
Ludwig dem Brandenburger machen müssen. Hier findet sich schon
die Zusage der Hilfe gegen jedermann und der Entfernung von Haupt-
leuten, die dem Landesherm nicht genehm sind. Auch haben die Burg-
mannen, Dienstleute, Bürger und die „gemainhait" zu schwören, wenn
der Bischof feindlich gegen den Landesherrn vorgeht, diesem und nicht
dem Bischof zu folgen. Dieser Vertrag mit Brixen dürfte geradezu für
die Trienter Kompaktaten vorbildlich gewesen sein.
* Vgl. die Kompaktaten von 1363 bei Schwind-Dopsch, Urk. z. Verfassungs-
gesch. Nr. 1 12 ; dazu Huber, Vereinigung Tirols mit Osterreich 96 f. und
Rudolf IV., 98; Durig, Die Staatsrecht!. Beziehungen 20 f. ; Bidermann,
Die Italiäner im tirolischen Pro vinzial -Verbände 119 f.; Hirn, Archiv
für österr. Gesch. 63, 357 f.
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393
dings festgestellt. Die bischöflichen Hauptleute und Beamten
dürfen im Falle der Sedisvakanz dem Nachfolger oder dem
Kapitel nicht gehorchen^ noch auch die Einkünfte abliefern oder
in ihrem Kamen Akte der Jurisdiktion ausüben ohne Erlaubnis
des Herzogs, oder wie es in den folgenden Kompaktaten hieß,
sie sollten die Schlösser und Städte für den Herzog von Oster-
reich inne haben, bis der neue Bischof die Kompaktaten be-
schworen hat.
So führte das Regalienrecht des Vogtes zur ewigen
Eidgenossenschaft, die durch die Kompaktaten zwischen
dem Hochstifte Trient und der Grafschaft Tirol ge-
gründet worden ist, aus ihm sind die Rechte erwachsen, welche
dem Landesftirsten in der Folge im Bistum zustanden. Damit
war der Inhalt und Sinn der Vogtei allerdings sehr. geändert.
Nicht mehr der Schutz, den die Kirche empfingt, ist das we-
sentliche; die Vogtei ist Herrschaft, der Vogt Herr des Bischofs
und des Bistums geworden. Nicht nur ist der Bischof zu ewi-
ger Hilfeleistung mit allen Kräften des Bistums verpflichtet, es
ist auch dafür gesorgt, daß er dieser Verpflichtung nicht untreu
werden kann. Denn wenn er feindlich gegen den Landes-
ftlrsten auftritt, sind seine Untertanen verpflichtet, ihn zu ver-
lassen und dem Landesfürsten gegen ihren Bischof Hilfe zu
bringen. Ja die Pflicht des Bischofs besteht unabhängig da-
von, ob der Landesfürst seine Schutzpflicht erfüllt oder nicht.*
Damit kommt dem Landesherrn schon durchaus eine herr-
schende Stellung gegenüber dem Bischöfe zu, die Kompaktaten
bedeuten, wie Alfons Huber mit Recht gesagt hat, eine halbe
Säkularisation des Bistums, sie stellen seine militärischen und
Steuerkräfte dem Landesherrn zur Verfügung.* Die reichs-
unmittelbare Stellung des Bischofs ist freilich durch die Kom-
paktaten, so wenig wie durch das Regalienrecht berührt wor-
den; noch immer wird der Bischof durch den Kaiser mit den
Regalien investiert, aber die Investitur vermag ihm den Besitz
der Weltlichkeiten nicht zu verschaffen, er muß in diesen Besitz
vom Vogte und Landesherm eingeführt werden, und die Ein-
führung erfolgte erst, wenn die Bischöfe in den für manchen
^ So nach den Kompaktaten von 1365 Februar 5, BrandU, Tirol unter
Friedrich von Osterreich 217.
• Huber, Vereinigung Tirols 96.
27*
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394
von ihnen gewiß saueren Apfel gebissen nnd die Kompaktaten
beschworen hatten. Begreiflich^ wenn die Landesfiirsten die
fter sie günstige Gelegenheit ausbeuteten, um die Abhängigkeit
zu verschärfen. Freilich war diese ewige Eidgenossenschaft
schließlich auch die geeignetste Form, in der die Schutz-
vogtei in den späten Jahrhunderten des Mittelalters
und in der Neuzeit geltend gemacht werden konnte. Ohne
die Kompaktaten und die Mithilfe Tirols wäre das Hochstift
nicht erst im Jahre 1803 säkularisiert worden, sondern schon
im 15. Jahrhundert dem siegreichen Banner des heil. Markus
erlegen, und wer weiß, ob die Republik der Dogenstadt an den
Grenzen des Bistums halt gemacht, ob sie sich nicht der Brenner-
straße, die für ihren Handel nach Süddeutschland von so großer
Bedeutung war, bemächtigt hätte, und so ein Keil welschen Lan-
des weit nach Süddeutschland hineingetrieben worden wäre. So
ist es richtig, daß die Vogtei des Grafen von Tirol von der größten
Bedeutung für die Ausbildung des Landes geworden ist, ja erhöhte
Bedeutung darüber hinaus gewonnen hat, wenn auch der Aus-
gangspunkt der Macht des Vogtes nicht die Gerichtsbarkeit gewe-
sen ist. Auch Gerichtsbarkeit hat der Vogt in der Folge gewonnen
über den alten Adel des Bistums, zeitweise durch seinen Haupt-
mann über die Deutschen in Trient, endlich als Schiedsrichter
zwischen dem Bischof und seinen Untertanen. Es ist hier nicht
der Ort, darauf und auf die weitere Entwicklung näher einzu-
gehen, da diese Gerichtsbarkeit mit der Vogtei des früheren
Mittelalters nicht direkt zusammenhängt.
m Andere geistliche Immunitäten.
Von den geistlichen Stiften der Diözese Trient hat
so viel wir wissen, nur das Chorherrenstift Au bei Bozen
durch königliche Verleihung Immunitätsgerichtsbarkeit erlangt.
Die anderen Exemtionen sind nur landesherrliche gewesen,
durch den Bischof erteilt worden.
Mehrfach haben die Bischöfe geistlichen Anstalten die
Steuern und andere Abgaben erlassen, zumeist in Verbindung
mit der Verleihung des Gerichtsstandes vor dem Bischöfe.*
' Für das Spital zu Lengmoos, Kink, Fontes 11, 6, Nr. 122 und 124; Sau
Tomaso bei Romeno, Zeitschr. des Ferd. III, 33, 87 usw.
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395
Hier sollen nur die gerichtlichen Exemtionen betrachtet werden,
die eine mehr oder weniger weitgehende Ausschaltung des
Klostergutes aus dem Landgerichte bedeuten. Außer dem Chor-
herrenstifte Au kommen nur noch das Chorherrenstift St. Michel
an der Etsch und das Domkapitel von Trient in Betracht.
Das Chorherrenstift Au, gegründet durch den Grafen Ar-
nold von Greifenstein und Morit und seine Gemahlin Mathilde,
hat vom Anfange an keine Immunität besessen; das Diplom
Kaiser Friedrichs I. von 1166^ begnügt sich damit, die Stiftung
und die Anordnung der Stifter in betreff der Vogtei zu bestäti-
gen. Immunität aber erwähnt der Patriarch Uodalrich von
Aquileia im Privileg, das er bei der Weihe der Stiftskirche
ausgestellt hat.^ Da dem Patriarchen keine Exemtionsgewalt
in fremdem Sprengel zustand, wird, wenn überhaupt die Formel
einen Rechtsinhalt hatte und nicht das Schwergewicht auf dem
indebite lag, eine bischöfliche Exemtion vorangegangen sein.
Bestimmter spricht ürban III. von Immunität.* Hier wird nach
Art ähnlicher päpstlicher Privilegien ein immuner Klosterbezirk
anerkannt, innerhalb dessen kein weltliches Gericht gehalten
werden soll. Kaiser Friedrich I. hat dann in einem zweiten
Diplome von 1189^ verftigt, daß die Kolonnen, das sind die
Hintersassen des Stiftes, nur vor dem Propste zu Rechte zu
stehen haben, außer in Kriminalsachen: que viris ecclesiasticis
prohibentur. Ob in Kriminalsachen der Vogt oder der Land-
richter Richter sein sollte, ist nicht gesagt. Seitdem die Grafen
von Tirol die Vogtei erlangt hatten, fielen ohnehin die Vögte
und Inhaber der Grafengewalt zusammen. Dadurch wohl wurde
die dauernde Ausscheidung eines Immunitätsgebietes verhindert,
und da die Besitzungen des Klosters nirgends einen großen
zusammenhängenden Bezirk bildeten, hat sich auch für die
niedere Gerichtsbarkeit kein exemter Sprengel gebildet. Wir
wissen über das Schicksal dieser Immunität nichts anderes, als
daß Kaiser Friedrich II. sie bestätigte.^
Hat es das Stift Au somit nicht zur Ausbildung eines
geschlossenen Gerichtsbezirkes gebracht, so war das Kloster
» Stampf 4078.
* 1179 November 21, Bonelli 8 a, 173: NuUi preterea faa sit familiam pre-
fate ecclesie per synodxim vel per placita indebite fatigare.
» Jaff6-Löwenfeld 15682. * Stumpf 4620.
* Böhmer-Ficker 2260.
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396
St. Michel an der Etsch glücklicher. Dieses Stift hatte
wenigstens ein, wenn auch an Umfang nicht großes, zusammen-
hängendes Gebiet zur Ausstattung erhalten, Ünter-Fennberg.
In der Stiftungsurkunde von 1145 September 29^ heißt es:
traditus est mons Faone a principatu Tridentinensi prefato loco.
Die Nachricht ist kurz, doch dürfte in dem a principatu die
Exemtion enthalten sein.* Papst Alexander III. bestätigte in
seiner Bulle von 1177 den Bestand eines Immunitätsgebietes
durch das Verbot, weltliches Gericht innerhalb des geschlosse-
nen Gebietes der Kirche abzuhalten.^ Der Fennberg stand
freilich nicht ganz im Eigentume des Stiftes. Auch die Grafen
von Eppan machten Rechte auf Höfe in Fennberg geltend.* So
ist es auch nur ein Teil des Fennberg, Unter-Fennberg, ge-
wesen, in dem das Stift Gerichtsherr wurde. Das ganze Gebiet
war zweifelsohne Rodung des Stiftes; die Höfe waren zu freien
Zinsleihen ausgegeben ad usum domorum mercatus Tridenti
et capelle Tremeni et bone memorie condam d* Federici epi-
scopi Tridentini .... ad rectum cislehan, quod vulgariter teo-
tonice dicitur.^ Die Bewohner waren Deutsche. Das Stift übte
die Gerichtsbarkeit durch einen Vikar oder Richter aus; aus
dem 14. Jahrhundert sind einige Ernennungen solcher Richter
bekannt.® Nach einer Zeugenaussage von 1322^ sollten dem
Richter alle Banne unter 5 Schilling bleiben, von den höheren
aber nur ein Drittel; zwei Drittel waren an das Stift abzufah-
ren. Die Gerichtsbarkeit des Stiftes umfaßte nach dieser Aus-
sage und einer anderen von 1316^ nur die bürgerlichen Sachen.
In der Folge soll allerdings auch die hohe Gerichtsbarkeit ge-
übt worden sein, bis das Gericht mit dem Landgerichte Salurn
vereinigt wurde.* Geschieden davon übte das Stift eine gewisse
Urbarialgerichtsbarkeit, konnte insbesondere gegen säumige Bau-
^ Bonelli 2, 392.
' 8o auch Jäger, Geschichte der landständ. Verfassung ] , 404.
' Jaffe-Löwenfeld 12914. Vgl. über ähnliche Exemtionen Rietschel, Mit-
teU. des Inst. 27, 415.
* Hormayr, Geschichte Tirols 1, II, Nr. 120 (1226).
^ Urkunde 1326 Februar 10 und März 1 und viele ähnliche, Innsbruck
St.-A.
• Zeitschr. des Ferd. HI, 33, 76 n. 6.
* Urkunde 1322 März 7, Wien St.-A.
• Urkunde 1316 August 1, Innsbruck St.-A.
' Egger, Mitteil, des Inst., Ergb. 4, 420.
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397
leute ohne Dazwischentreten des Landrichters mit Exekution
vorgehen. Dieses Recht wurde dem Stifte vom Exkönig Hein-
rich von Böhmen 1326 verliehen/ es ist zum letzten Male von
Kaiser Franz IL 1795 bestätigt worden.*
Bedeutender als diese Exemtion war die des Dom-
kapitels von Trient. Wir sehen hier ab von der Exemtion
gewisser Geistlicher, welche der Gerichtsbarkeit des De-
kans und Kapitels unterstanden. Diese Gerichtsbarkeit umfaßte
die hohe und niedere; ihr unterstanden die Mitglieder des Ka-
pitels, die Domgeistlichkeit und die Kapläne, die auf den Pfar-
ren des Kapitels die Seelsorge versahen.' Außer dieser dem
klerikalen Privilegium Fori entsprungenen Gerichtsgewalt, ge-
wann es aber auch Gerichtsbarkeit auf einigen Besitzungen.
Freilich nicht auf allen.
Die Güter des Domkapitels lagen weit zerstreut in der gan-
zen Diözese. Sie waren durchwegs zu Zins ausgegeben in sehr
verschiedener rechtlicher und wirtschaftlicher Lage.* Sie befan-
den sich fast durchwegs in der Streulage, bildeten keine zusam-
menhängenden Gebiete. Solche fanden sich nur auf den Bergen
zwischen Avisio und Fersina und in Valsugana, meist Ortschaften,
die wahrscheinlich erst vom Kapitel angelegt und besiedelt wor-
den waren. In dreien dieser Ortschaften, die wieder unterein-
ander nicht zusammenhingen, hat das Kapitel die Gerichts-
barkeit, und zwar die hohe wie die niedere bis zur Säku-
larisation behauptet, in Sover, Sevignano und Montagna.
* Zeitschr. des Ferd. III, 33, 76.
' Urkunde 1795 Mai 15, Innsbruck St.-A.: das recht eines probsteilichen
urbarsaktuars zur betreibung der zinsschulden und errichtung der ur-
barialkontrakte. Abschriften dieser Kontrakte mußten an die Gerichts-
kanzlei abgeliefert werden.
* Ausführung des Kapitels von 1524, Innsbruck St.-A. C. 44, Nr. 130;
Zeugnis des Bischofs Dominicus Anton von Thun von 1760 März 21,
Innsbruck, Ferd. Dipaul. 819, S. 59. Das Kapitel besitzt: plenariam
iurisdictionem exercendi in capellanos beneficiatos ecclesiarum tarn in
civilibus quam in criminalibus independenter ab ordinaria iurisdictione ;
imo etiam in ipsos canonicos in civilibus et quibuscunque ecclesiasticis
causis, in criminalibus enim tempore nostro nullus evenit casus. An-
ders in früherer Zeit, wo dem Bischöfe diese Gerichtsbarkeit zugespro-
chen wird; Urkunde um 1220, Innsbruck St.-A. Notariatsurkundeu.
* Vgl. das von Ch. Schneller in den tridentinischen Urbaren veröffent-
lichte Urbar von 1 220 und die Aufzeichnung über die Teilung des Ka-
pitelvermögens nach Columnelli von 1242 Juni 13, Wien St.-A.
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398
Am besten sind wir über die Verhältnisse in Sover unter-
richtet, über die uns ein Weistum von 1243 Auskunft gibt.*
Darnach reichte das Gebiet von Sover vom Avisio bis zum
rivus longuS; den wir im Bache von Brusago wieder zu erkennen
haben, von dort zum rivus montis Pelosi, das ist Monpeloso bei
Brusago, dann wohl durch das vall Mattio der Generalstabs-
karte bis zum Berge Fregasoga, von dort zur Pale de le Buse
und senkte sich von hier zum Bache von val Floriana und hinab
zum Avisio, der gegen Cembra die Grenze bildet. Alles, was
innerhalb dieser Grenzen liegt, gehört dem Domkapitel^ Wiesen,
Berge und Ackerland. Später haben sich die Grenzen ver-
engt. Schon 1336 wurde ein Streit mit den Leuten von Albiano
und Vallfloriana um einen angrenzenden Berg zugunsten des
Domkapitels entschieden.* Doch in der Folge entstanden neue
Grenzirrungen. Die Leute von Vallfloriana nahmen den Berg in
Pacht vom Domkapitel. Mit der Zeit entstanden Zweifel über
die Zugehörigkeit dieses Gebietes. Es wurde 1522 neuerdings
dem Domkapitel zugesprochen, freilich auch dem Gerichte Ca-
stello, das mit Enn vereinigt war, seine Rechte vorbehalten.'
Die heutigen Gemeindegrenzen deuten darauf hin, daß wenig-
stens ein Teil des Gebietes dem Kapitel verloren gegangen sein
muß. Nach dem Weistum von 1243 haben die Leute von Sover
das ganze Gebiet in Leihe vom Domkapitel gegen gewisse Ab-
gaben inne. Der Zins besteht in Getreide, Tieren, Schultern
und Schinken (scamaridae). Ganz wie dem Domkapitel von
Verona steht auch dem von Trient das Recht zu, seine Unter-
tanen von Sover zu besteuern: es wird hier zwischen einer
ordentlichen und einer außerordentlichen Steuer unterschieden.
Jene wird regelmäßig geschuldet, ausgenommen nur, wenn die
außerordentliche gefordert wird. Ebenso wie die Untertanen
des Kapitels in Verona sind auch die von Sover verpflichtet,
die Domherren und ihre Beamten zu gasten. Daß sie freie
Leute sind, ergibt ein Verbot^ das an demselben Tage vom
Domdekan erlassen wird, wonach sie Sover nicht, bevor die
^ Beilage 14.
« Urkunde 1886, Innsbruck, Ferd. Dipaul. Handuchr. 824, S. 216—217. Der
Berg Lauina rubea, angrenzend der Ayisio et de supra sumitates mon-
tium et ab alia parte homines et universitas ville Soueri, umfoßt doch
wohl die linke Berglehne von Vallfloriana.
* August 13, Innflbruck, Ferd. Dipaul. Handschr. 823, S. 218—220.
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399
geschuldeten Leistungen an die Domherren erbracht sind, ver-
lassen, noch auch sich einem fremden Herrn kommandieren
dürfen. Ebenso ist ihnen, damit sie nicht in fremde Abhängig-
keit geraten^ die Ehe mit der Hörigen eines anderen Herr-
schaftsbezirkes verboten. Das alles erinnert anfs lebhafteste
an die Lage der Leute auf der Immunität des Domkapitels von
Verona. Ebenso wie diese sind auch die von Sover, wie alle
anderen freien und unfreien Untertanen des Kapitels, dem Ka-
pitel eidlich verpflichtet.^
Auch in den übrigen Gemeinden, in denen das Kapitel
die hohe Gerichtsbarkeit übte, war es Grundherr. Die Hinter-
sassen waren jedoch hier vielfach unfrei, so die von Villa Mon-
tagna, die nach einem Urteile von 1238 nicht frei sind, wie sie
selber behaupteten, sondern unfrei,* und bei einer neuen Ver-
eidigung im Jahre 1264 wieder als homines de familia schwö-
ren,' ebenso wie die Leute von Gabiolo und Graffiano 1233.*
Auch der mons Florucii, über den das Kapitel gleichfalls Ge-
richtsbarkeit beansprucht, ist Eigentum des Kapitels und von
diesem der Gemeinde Povo und anderen verpachtet.^
Beilage 15. Eine spätere Ofihung über die Rechte des Kapitels in So-
ver von 1317 ist dem Verfasser nur aus einem knnen Regest im Re-
pertorinm des Eapitelarchivs Gapsa 49, Nr. 6 bekannt.
1288 Februar 5. Urteil des Albertus Mozardus de Pontremulo, Vikar
des kaiserlichen Statthalters Lazarus von Lucca; sie hatten behauptet,
daß das Domkapitel sie genötigt habe, Treue zu schwören pro suis fa-
mnlis, jedoch seien sie frei. Das Kapitel behauptete, daß sie: ut famuli
serviverunt et serviUa ministeria prestiterunt. Es wird entschieden,
daß sie nicht im Besitze der Freiheit seien; Innsbruck, Ferd. Dipaul.
Handschr. 824, S. 27—28.
1264 Jänner 21, a. a. O. 178.
1233 Juni 11, a. a. O. 217. Sie schwören pro homines de familia "et
quod de cetero iura dictae ecdesiae manutenebunt et honorem capituli
et iura ecclesiae manifestabunt. Auch anderwärts schwören die Eigen-
leute des Kapitels nach Urkunde 1241 Jänner 16, Innsbruck St-A.,
Notariatsurkunden: zu Portolo, Zivignago, darunter einer salvojeo quod
si posset ostendere se liberum, quod non tenetur de hao fidelitate, Eichleit
(Roured), Ganale, Eppan, darunter einige: tamquam vasalus etliberhomo.
Pachtverträge von 1270 Jänner 15, 1286 Februar 11, 1300, 1868 März
20 im Repertorium des Domkapitelarchivs, Innsbruck St-A. Capsa 32,
Nr. 8— 18. Calapin von Flaveo, Vikar des Herzogs Meinhard, urteilt
in einer Klage des Domkapitels gegen die Leute von (bereut wegen Be-
sitzstörung, 1298 Oktober 26, a. a. O. Capsa 25, Nr. 6; ähnliches Urteil
1318 a. a. O. Gapsa 23, Nr. 32.
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400
In diesen Gebieten hat das Kapitel nicht nur die niedere,
sondern auch die hohe Gerichtsbarkeit in Ansprach genommen.
Von Sover ist dies im Weistum von 1243 gesagt, indem die
Gerichtsbarkeit ohne Beschränkung dem Kapitel zuerkannt
wird, von Villa Montagna und Sevignano wissen wir dies aus
der Folgezeit, für Gabiolo und Graffiano scheinen noch im
16. Jahrhundert Ansprüche erhoben oder Beweise gesammelt
worden zu sein.^ Aus einer Aufzeichnung, die unge&hr um
1360 entstanden ist,' ergibt sich, daß dem Domkapitel einst auch
auf dem Berge von Floruz die iurisdictio meri et mixti imperii
zustand, die es jedoch an Rampert von Schönna verliehen hatte;
von ihm kam sie an Konrad Wramberger, der sie nicht mehr
im Namen des Kapitels, sondern des Landesfürsten ausübte.
Jener Reimprecht von Schönna war Hauptmann des Schlosses
Persen gewesen, als die Feste 1347 von Jakob von Carrara
erobert wurde.' Wir sehen also, daß hier dem Kapitel die
Gerichtsbarkeit verloren ging, indem sie an den Hauptmann
des landesfürstlichen Gerichtes kam, der sie mit seinem Spren-
gel verband. Im Jahre 1375 ist die hohe Gerichtsbarkeit des
Kapitels schon auf die drei Orte Sover, Sevignano und Villa
Montagna beschränkt, als das Kapitel mit dem Bischof Albrecht
einen Vertrag schloß, wonach Übeltäter, darunter auch Mörder,
gegenseitig ausgeliefert werden sollten.* In diesem Vertrage
wurde die volle Gerichtsbarkeit des Kapitels ausdrücklich an-
erkannt. In Sover hielt das Kapitel später einen Vikar, dem
jedoch nur eine sehr beschränkte Gerichtsbarkeit in Bagatell-
sachen, die bis zum Werte von zehn, seit 1583 fünfzehn Me-
raner Pfund gingen, zustand.^ Im übrigen wurden die Urteile
in Trient gesprochen und vollzogen, wobei indes das Kapitel
dem Bischöfe in jedem Falle einen Revers auszustellen hatte,
in welchem es die Zulassung der Jurisdiktionsakte in Trient
* Kurze Notiz über ein Verzeichnis verschiedener Beweisurkunden für
diese Gerichtsbarkeit, Repertorium des Domkapitelarchivs, Innsbruck
St.-A. C. 39, Nr. 94.
* Innsbruck, Ferd. Handschr. 263, f. 24.
* Urkunde 1347 Dezember 7, Markgraf Ludwig begnadigt R. von Seh.,
München, Reichsarchiv, Fürstenselekt Fase. 239.
* Innsbruck, Ferd. Dipaul. Handschr. 820, S. 151.
* Innsbruck, Ferd. Dipaul. Handschr. 823, S. 221—223.
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401
als freies Zugeständnis des Bischofs anerkannte.* Seit 1737
waren im Domkapitelarchiv Gerichtsbticher vorhanden.
Nach allem^ was uns sonst über die grandherrliche Ge-
richtsbarkeit bekannt ist^ ist es nicht denkbar, daß dieses
Gericht des Domkapitels der grandherrlichen Gewalt
allein entsprangen sei, umsomehr, als neben dieser hohen
Gerichtsbarkeit auch eine grand- und leibherrliche vom
Kapitel geübt wurde. Im Jahre 1254 erkannte der Podesta
Sodegher die Gerichtsbarkeit der Domherren an über ihre ho-
mines de omnibus causis preter quam in criminalibus, und zwar
in Pergine und im Distrikte des Herrn Morandin, nicht aber in
Judikarien.^ Der Distrikt des Morandin umfaßte nach einer
Urkunde von 1253 die Dekanien Pergine, Pinfe und Fomace.*
Diese Gerichtsbarkeit erscheint auch bei der Aufteilung des
Kapitelvermögens in die Columnelli als Zubehör der Grund-
herrschaft.* Das Kapitel hat sie auch in der Folge im gewissen
Umfange behauptet. Noch im Jahre 1689 fand man es für
nötig, Beweismaterial zu sammeln,^ daß das Kapitel im Besitze
der Gerichtsbarkeit über die Leihen sich befinde, welche zu
seiner Mensa, ebenso wie den Präbenden der Domherren, den
Jahrtagstiftungen, Benefizien und der Kirchenfabrik der Kathe-
drale gehörten. Die dort aufgeführten Fälle reichen bis 1589
zurück und umfassen zumeist Exekutionen wegen versäumten
Zinses. Solche Fälle wurden vor dem offitium sindicale des
Kapitels entschieden. Von ihm konnte an das Kapitel appelliert
werden, das die Entscheidung dem Dekan oder einem Dom-
herrn überließ. Diese Gerichtsbarkeit war von den bischöf-
lichen Behörden angefochten worden, wurde jedoch auf Grund
der vorgelegten Fälle vom Bischöfe anerkannt.
Um so schärfer hebt sich die hohe Gerichtsbarkeit
des Domkapitels in den drei Dörfern ab. Ihr Ursprung ist
* Revers 1693 März 10, Verurteilung zur Galeere, Innsbruck St.-A. C. 44,
Nr. 43; 1709 Juni 18, Verkündigung und Ausführung eines Todesurteils
a. a. O. C. 44, Nr. 87. " BeUage 16.
* Urkunde 1268 Mai 26, Innsbruck St.-A., Parteibriefe: Contolin und Bar-
tolomeus de sancto Petro verkaufen ihre Rechte an den genannten
Dekanien dem Morand de Fossalto.
* Urkunde 1242 Juni 13: fictibus hominibus et hominum iurisdictionibus
omnibus servitutibus condicionibus districtibus fructibus proventibus usw.
Vgl. Zeitschrift des Ferd. Ol, 38, 62.
» Innsbruck St.-A. 1689 Jänner 7. C. 44, Nr. 110.
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402
unbekannt. Eaiserprivilegien für das Domkapitel sind nicht
erhalten. Während die Urkunden des Kapitels^ darunter Papst-
bullen, nach dem Repertorium des Kapitelarchivs zur Zeit der
Säkularisation bis ins 12. Jahrhundert zurückgingen,^ wies es
keine ältere Eaiserurkunde auf, als die Salvaguardia, welche
Karl V. 1521 verliehen hat.* In dieser Urkunde werden nur
im allgemeinen alle Rechte bestätigt, welche die Kaiser Fried-
rieh II., Karl IV. und Sigismund dem deutschen Klerus ver-
liehen hatten, ein deutlicher Beweis, daß schon damals ältere
Kaiserurkunden für das Kapitel nicht vorhanden waren. Das
schUeßt natürlich nicht aus, daß nicht doch Immunitätsprivi-
legien verloren gegangen sind, legt aber andererseits die Ver-
mutung nahe, daß die Gerichtsbarkeit des Kapitels auf eine
bischöfliche Exemtion zurückgeht. Immerhin hat sie nur
dort sich voll entwickeln und erhalten können, wo das Kapitel
geschlossenen Grundbesitz, wenn auch nur im Ausmaße
des Umfanges von einzelnen Dorfmarken besessen hat. So
zeigt sich auch hier das Durchdringen des Territorialprinzips,
auf das Seeliger aufmerksam gemacht hat.'
IV. Die grund- und leibherrliche Gerichtsbarkeit.
Schon haben wir die grundherrliche Gerichtsbarkeit
berührt. Wir verstehen darunter jene, die demGrund-und
Leibherrn vermöge seiner grund- und leibherrlichen
Rechte zukommt, ohne daß es einer besonderen Verlei-
hung der Gerichtsgewalt bedurfte. Damit betreten wir ein
schwieriges und bestrittenes Gebiet. Für Südtirol hegen indes
die Dinge so klar, daß an dem Bestände einer solchen Gerichts-
gewalt, seitdem uns urkundUche Nachrichten vorliegen, kein
Zweifel sein kann ; ja wir sind über den Umfang und den In-
halt dieser Gerichtsbarkeit besser unterrichtet als in den mei-
sten deutschen Territorien, Deutschtirol inbegriffen, für die
gleiche Zeit.
^ Das Archiv des Domkapitels ist zerrissen, ein Teil liegt im Statthalterei-
archiv in Innsbruck, anderes befindet sich noch im Besitse des Kapitels,
manches wird verloren sein.
* 1521 Februar 21, Kopie Innsbruck St.-A. C. 44, Nr. 86.
' Abhandlungen der königl. sächs. Gesellschaft 22, 168 f.
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403
Als Ausgangspunkt der Untersuchung wird ein Weistum
dienen können, das Ezelin von Romano im Jahre 1258 über
die Rechte des Bistums im Lagertale von den Edlen des Lager-
tales schöpfen ließ, als er dieses Gebiet nach dem Übergange
der Stadt Trient an den guelfisch gewordenen Bischof Egno
in Besitz nahm. Die Edlen erklärten, daß die Grafschaftsge-
walt und Gerichtsbarkeit im ganzen Lagertale dem Bistum zu-
stehe, nur gebühre es den Ritterlichen, über ihre Masnada und
die grundhörigen Knechte in bürgerlichen Sachen Recht zu
sprechen.* Binnen 30 Tagen muß der Herr in der Klage gegen
seine lEigenleute Recht gewähren, sonst kann der Rechtsstreit
vor den Bischof oder seine Beamten gebracht werden.
Was in diesem Weistum in aller nur wünschenswerter
Deutlichkeit geöffnet wird, wird durch andere Zeugnisse be-
stätigt. Schon das, was am Schlüsse des vorigen Abschnittes
von der Gerichtsbarkeit des Domkapitels über seine homines
gesagt worden ist, gehört hierher. Der Podestk Sodegher hat
sie anerkannt, aber nur als Gerichtsbarkeit in Zivilsachen. Der
Ausdruck homo ist der gewöhnliche, der in diesem Zusammen-
hange gebraucht wird. Um 1232 heißt es, daß Bertold von
Caldonazzo Gerichtsbarkeit in Caldonazzo in Zivilsachen über
seine homines et liberi et macinate besitze,' doch nicht wegen
Übeltaten. Als 1210 Odolrich von Arco sich dem Bischof
Friedrich unterwirft und auf angemaßte Hoheitsrechte, vor
allem die hohe Gerichtsbarkeit verzichtet, die Galgen, die er
zum Zeichen dieser Gerichtsbarkeit errichtet hat, niederzureißen
verspricht und zugesteht, daß er de maleficiis seu contractibus
in der Pfarre Arco keine Gerichtsbarkeit habe, behält er sich
vor: racionem facere de suis hominibus, sicut alii milites Tri-
dentini.' Als Henrighet von Bosco mit dem Baugrunde eines
Schlosses belehnt wird,* gelobt er, daß jeder, der im Schlosse
wohne: sive fuerit de macinata sive Über de maleficiis et offen-
* Wien St-A. (Dominez 411): comittatos et iurisdictio tota de valle La-
garina est episcopatus Tridenti, set quantum est in iure civili milites
faciont rationem de masnata sua et de suis serris glebe et istud faciunt
hoc modo, scilicet qnod si quis posuerit qaerimoniam coram ipsis mili-
tibns de masnata ipsornm militum vel de suis serTis glebe, ipsi milites
debent ihc&re rationem postulanti ac eam complere hinc ad XXX dies,
sin antem questio revertitur sab episcopo Tridentino yel gastaldione suo.
* Innsbruck 8t-A. C. 86, Nr. 3. » Kink, Fontes U, 6, Nr. 88.
* Urkunde 1200 Februar 28, Innsbruck St-A. C. 69, Nr. 7.
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404
sionibus vor dem Bischöfe oder seinen Beamten Recht geben
soll, ein Versprechen, das bei einer späteren Belehnung erneuert
wird.^ Und doch wird im Jahre 1238 und in allen folgenden
Lehensurkunden von einer Jurisdiktion als Zubehör des Schlosses
gesprochen.* Es kann nur die niedere über die zum Schlosse
gehörigen Leute gewesen sein. Als Bischof Heinrich 1277 den
Herren von Pergine das Schloß Persen übergibt,' behält er
ausdrücklich die Gerichtsbarkeit des Bistums vor über die
freien Leute, dann die über die homines der Domherren und
der übrigen Edlen; nur über ihre propra homines dürfen die
Herren von Pergine Recht sprechen: secundum quod alii nobi-
les viri episcopatus facere rationabiliter consuescunt; Streitig-
keiten über die Zubehör zu ihrer Gerichtsbarkeit werden vor
dem Gerichte des Bischofs entschieden. Interessant ist der
Inhalt eines Zeugenverhörs von 1195* über die Zuständigkeit
eines gewissen Jobannes Piolus von Fornace unter die bischöf-
liche Gerichtsbarkeit. Ein Zeuge weiß, daß dieser Mann ein
riraannus des Herrn Roland von Povo gewesen war: cum pla-
cito et banno et districto et rimania, das ist, unter demTwing
und Banne des Roland stand. Nach dem Tode dieses Roland
war er nebst den übrigen Lehen an den Bischof heimgefallen
und unterstand von nun an dem Twing und Banne des Bi-
schofs. Später kaufte er eine rimania, die dem Herrn Ezelin
von Enn gehörte und wurde damit diesem zinspflichtig. Des-
wegen erhob Ezelin Ansprüche und forderte ihn unter seinen
Twing und Bann. Wir werden auf diese hochinteressante Ur-
kunde noch später zurückkommen müssen. Die Herren von
Gardumo bekennen 1314 als Lehen vom Bistum inne zu haben
eine Zahl von Eigenleuten mit iurisdictio rerum et personarum
und einzelne Höfe: cum iurisdictione dicto manso pertinenti.^
Aus all diesen Urkunden geht hervor, daß den Ritter-
lichen Gerichtsbarkeit, und zwar in der Regel die nie-
dere, welche man in deutschen Quellen als Twing und Bann
bezeichnet, über ihre Leute und Höfe zustand. Der Aus-
^ Des Rodulf von Se^onzano, 1216 Februar 18, Kink, Fontes II, 5, Nr. 131.
* Urkunde 1238 April 9, Innsbruck St.-A. Parteibriefe! cum iurisdictioni-
bus personarum et districtu.
» Kink, Fontes II, 6, Nr. 206.
* Urkunde 1195 Jänner 16, Wien St.-A. (Dominez 49).
» Urkunde 1314 September 30, Wien St.-A. (Dominez 732).
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405
druck Twing und Bann kehrt in diesem Zusammenhange regel-
mäßig wieder, iurisdictio und districtus personarum werden ge-
wöhnlich in einem Atem genannt. Weil Twing und Bann jedem
Grundherrn zustanden, werden sie bei Veräußerungen herr-
schaftlicher Güter als Zubehör angeführt. Einige Beispiele
mögen genügen. Im Jahre 1257 läßt Beral von Wanga dem
Bischof Egno zwei Höfe in Tramin ^ auf mit Weide, Jagd, Fi-
scherei: cum omni honore iurisdictione et districtu personarum
et rerum, cum coltis biscoltis daciis bannis serviciis schufis
albergariis amiseris fictis et drictis. Als Ezelin von Romano
1253 den Podestk Sodegher mit der Hälfte des Schlosses Arco
belehnt, erscheinen als Zubehör des Schlosses Jagd, Wasser-
rechte und Leitungen, Fischfang, Weide, Wald- und Wies-
nutzuug, honores et iurisdictiones.^ Und Nikolaus von Brenta
erhält vom Bischof Egno das Schloß Brenta, das Anhängern
Ezelins von Romano abgesprochen worden war, mit Weide,
Jagd, Fischerei, esaticum hostaticum consorciis (Geleitrecht) et
iurisdictione et districtu personarum in den Dörfern Levico und
Brenta und in der ganzen Pfarre Caldonazzo; zugleich werden
ihm alle Einkünfte und Güter, ,rimanni et famuli^ in Vigolo-
Vattaro, Mugazone und Bosentino ebenfalls: cum omni honore
et iurisdictione et deganie et districtu personarum verpfUndet.*
Ebenso wie die Edlen, übt der Bischof eine hofrechtliche
Gerichtsbarkeit über seine Leute, die nicht immer von den-
selben Beamten geübt wird, wie die öffentliche. Wir haben
oben ausgeführt, wie es die Gastalden gewesen sind, die mit
der Ausübung dieser Gerichtsbarkeit betraut waren, und daß
dort, wo die Gastalden Wirtschaftsbeamte geblieben sind und
die öffentliche Gerichtsbarkeit in anderen Händen lag, die Ge-
richtsbarkeiten streng geschieden blieben. Das war, wie wir
gesehen haben,^ vor allem im Nonsberg und in Bozen der Fall.
Wenn Leute, die mit dem Banne und den Leistungen der
bäuerlichen Klassen belehnt und damit in den ritterlichen Stand
erhoben oder gar freigelassen werden, von der Gerichtsbarkeit
der Gastalden und Ministerialen (Wirtschaftsbeamten) des Bi-
schofs befreit und dem Gerichte des Bischofs und seines Vize-
' Urkunde 1267 Juni 2, Innsbruck St.-A. C. 61, Nr. 20.
' Urkunde 1253 Mai 16, Innsbruck St.-A. Parteibriefe.
» Hormayr, Sämtliche Werke 2, Nr. 34.
* Vgl. oben 8. 368.
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406
dorne nnterstellt werden, so kann dies nur dann einen Sinn
haben, wenn die Gastalden und ihre Untergebenen über die
Hörigen des Bistums gerichtet haben. Aus Bozen sind uns
Fälle genug überliefert, in denen wir den Propst Gericht über
die Gotteshausleute halten sehen.^
Somit kann über das Bestehen einer grund- und leibherr-
lichen Gerichtsbarkeit kein Zweifel sein. Fragen wir, welche
Leute dieser Gerichtsbarkeit unterstanden, so nennen uns die
Quellen: homines de macinata, seryi,8eryi glebe, homines, homines
liberi et macinate, rimanni. Um klarer zu sehen, müssen wir
einen Blick auf die soziale Gliederung der Bevölkerung
Südtirols werfen, eine Frage, die wohl gestreift, zur Befrie-
digung jedoch noch nicht gelöst ist. Auch hier soll nur soviel
erörtert werden, als für das Verständnis des uns zunächst be-
schäftigenden Gegenstandes nötig ist.
Wie überall in deutschen und welschen Landen bieten
auch hier die ständischen Verhältnisse im hohen Mittelalter ein
sehr buntes Bild. Der Stand der Freien ist in voller Zersetzung
begriffen, ihm steht eine beträchtliche Zahl von Unfreien ent-
gegen, die sich in der verschiedensten sozialen Lage befinden.
Uns interessieren zunächst die bäuerlichen Verhältnisse.
Da unterscheiden die Urkunden liberi und servi* oder in voll-
ständiger Aufzählung Leute de macinata, famuli, rimanni, servi,
ancillae* oder servi franki et de macinata.* Wir sehen daraus,
daß ein Teil dieser Bauern als freien Standes (liberi, franki)
den unfreien gegenübergestellt wird. Zu den Freien gehören
die rimanni oder arimanni. Schon das Wort weist auf die
Gemeinireien der langobardischen Zeit zurück,^ die den exer-
citales der langobardischen und anderer Rechtsquellen entspre-
chen. Und Freie sind auch die Rimannen des 13. Jahrhunderts
gewesen, aber ihre Freiheit ist vielfach eine sehr geminderte,
die ihre Lage von der unfreier Bauern nicht sehr verschieden
» Acta Tirol. 2, Einl. 207.
« Hormayr, Gesch. Tirols 1, 11, Nr. 71; Kink, Fontes II, 6, Nr. 131.
» Hormayr, Gesch. Tirols 1, II, Nr. 169.
* Urkunde 1214 Oktober 29 und November 16, Innsbruck St.-A. Partei-
briefe.
* Vgl. Pertile* 3, 112; Waitz, Verfassungsgesch.» 2, I, 274 n. 6; Hegel,
Geschichte der Städte Verfassung von Italien 1, 429; Schröder, Rechts-
gesch.^ 16 n. 2; Savigny, Gesch. des rOmischen Rechtes 1, 161; S, 97.
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407
erscheinen läßt. Vor allem sind sie zu gewissen Leistungen
yerpflichtet; die wie eine Steuer auf ihnen ruhen und als ari-
mannia zusammengefaßt werden. Kaiser Friedrich II. fand im
Jahre 1236 Anlaß, die Lage der Leute von Sopramonte bei
Trient zu regeln, die vom Bischof und seinen Gastalden gegen
das Recht; das ihnen zur Zeit ihrer Ansiedlung (tempore dele-
gationis sue)^ verliehen worden ist, mit Steuern und Abgaben
belastet werden. Der Kaiser verfügt, daß sie nur eine feste
Abgabe zu leisten haben, die rimannia heißt.^ Auch aus dem
Privileg des Bischofs Qebhard, in welchem den Fleimsern die
Zahlung aller ihrer verschiedenen Abgaben umgewandelt wird
in die Leistung von 24 Arimannien cum suis fodris et placitis,
ergibt sich, daß die Leistung der rimannia ein bestimmtes Maß
betrug. Andererseits ist arimannia der Hof, auf dem die Lei-
stung ruht.* Welcher rechtlichen Art die Leistung war und
wie sie erwuchs, ist nicht aufgeklärt. Wohl wird man sie mit
der alten Heersteuer, dem Orafenschatz, in Zusammenhang
bringen dürfen; darauf weist schon der Name und deshalb galt
sie als Regal, als welches sie Friedrich I. in der Constitutio de
regalibus in Anspruch nahm.^ Daß die arimannia dann auf
dem Grundstücke haftete, ergibt das Schicksal des oben bereits
erwähnten Johannes Piolus. Er wohnt auf einer arimannia des
Bischofs und zahlt ihm rimannia; er kauft in der Folge eine
halbe arimannia des Herrn von Enn und leistet auch diesem.
Sind die Arimannen Freie, so die servi, famuli, ancil-
lae Unfreie. Auch das liegt schon im Wort. Seltsamer ist
der Ausdruck homo de macinata oder in jüngerer Form
masnada, der sich gerade in Südtirol, aber auch in ganz Ober-
italien ungemein häufig findet.^ Wohl möglich, daß das Wort
^ So übersetzt mit YoUem Beeilte Chr. Schneller, Tridentiiiische Urbare
192; er verweist auf eine terra Ar^uge, deren Namen er von herizogo,
lang. *harizugo ableitet. Auch Roncodonego, eine andere Ortlichkeit
dortselbsty ist roncum dominicum, der auf Gra&chafts- oder Herzogsgrund
angelegte Neubruch. Daraus wird man jedenfalls auf eine noch in her-
zoglicher Zeit angelegte Neusiedlung schlieBen dürfen, umsomehr, als
ja auch die deutsche Bevölkerung im Yeronesischen und Vicentinischen,
wohl auch in Lavarone und Yalsugana in diese frühe Zeit zurUckreicht.
* Böhmer-Ficker 2160.
» Muratori, Antiquitates 1, 741 f.; Pertile», 1, 363, 369.
* MM. LL. Sect. IV. 1, 244.
* Vgl. Pertile» 8, 105 f.
ArehiT. 94. Band, IL Eftlft«. 28
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408
von mansus abzuleiten ist,^ als bomines de macinata die zum
Hofe gehörigen Leute bezeichnet werden, ähnlich wie als cu-
riales die Leute der curia. Darüber, daß die homines de ma-
cinata Unireie sind, besteht nicht der geringste Zweifel. Sehr
häufig werden sie in Beziehung zu einem Herrn gebracht. So
hat die Casadei, das Qotteshaus Trient, seine macinata, so an-
dere Herren.* Den Freien werden die homines de macinata
auf das bestimmteste gegenübergestellt. So heißt es in den
Fleimser Privilegien, daß die Arimannen geleistet werden sollen
von Klerikern und Laien, liberi et famuli et de macinata.* In Ur-
kunden von 1194 und 1197 wird unterschieden zwischen Leuten
de masnata und Uberi, oder, wie es in der zweiten Urkunde
heißt: servi, liberi et de macinata.* Beim Treuschwur des
Odorich von Arco wird bemerkt, es sei dabei nichts entschie-
den worden de libertate desselben oder: utrum esset de maci-
nata casedei sancti Vigilii.^
Der homo de macinata und der servus werden gleich-
gestellt. Wilhelm von Velthums belehnt 1191 zwei Männer
von Trient mit einem Hofe auf dem Ritten und einer Frau
Genana und ihren Kindern,^ die den Hof bebauen: quos et
quas dicebat esse suos de masnata. Daher findet sich die
Wendung servus de macinata,^ daher wird eine femina de ma-
cinata als Bestand einer Mitgift übertragen, und der Ehefrau
das Recht eingeräumt, beliebig über sie zu verfügen: vellud
sua femina macinate.® Daher auch werden 1259 homo de ma-
cinata und servus gleichgestellt.' Das Recht des Herrn an der
Masnata wird in einer Deutschtiroler Urkunde geradezu als
^ Perüle, a. a. O. denkt au mansio = domuB, doch ist mansio für Haus
im Mittellatein zu selten, um an solche Ableitung zu denken.
• Kink, Fontes II, 6, Nr. 16, Maria von Prataglia; Nr. 29, Arpo von Cles;
Nr. 34, die Leute von Storo; Nr. 36, die Herren von Enn; Nr. 66, die
Grafen von Eppan usw.
' Schwind-Dopsch, Urk. zur Verfassungsgesch. Nr. 3.
• Urkunde 1194 Mai 10, Wien St-A. (Dominez 46) und Hormayr, Gesch.
Tirols 1, n, Nr. 71 (1197 Mai 1).
^ Urkunde 1198 November 2, Wien St.-A. (Dominez 60).
• 1191 Juni 6, Wien St.-A. (Dominez 38).
' Acta Tirol. 2, Nr. 466.
• Urkunde 1261 Oktober 10—16, Wien St.-A. (Dominez 371 unvollständig).
» Hormayr, Sämtl. Werke 2, Nr. 37.
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409
Eigen tum bezeichnet.^ In einzelnen Urkunden werden Leute
de masnata gleichgestellt den deutschen Ministerialen^ so na-
mentlich in Tauschverträgen mit Brixen.^ Die Leute de maci-
nata werden veräußert, verkauft, verschenkt, verpfändet,' ge-
teilt.* Mit ihnen geht ihr Vermögen über, das bezeichnender-
weise peculium genannt wird.^ Sie werden freigelassen zu cives
Romani.® Noch häufiger ist die Freilassung von einer privaten
Macinata zur bischöflichen. "^
Fassen wir das alles zusammen, so ergibt sich, daß die
Leut^ de macinata unfrei und gleichgestellt waren der familia,
unter der ebenfalls die Unfreien eines Herrn zusammen-
gefaßt werden. Denn dieser in Deutschland und in Italien
verbreitete Sammelname für die Unfreien findet sich auch in
Südtirol.® Darüber ist die Literatur im ganzen einig,® nachdem
schon Muratori das Richtige gefunden hat.^^ Nur im einzelnen
^ Urkunde 1320 April 20: Exkönig Heinrich schenkt dem Ritter Jakob
von St. Michelsberg eine Frau mit ihren Kindern: cum omni iure pro-
prietatis seu masnate; München Reichsarchiv, Abteil. Brixen, Fasz. 6.
* BonelU 2, 483 (1185).
* Kink, Fontes n, 6, Nr. 16, 29, 84; Acta Tirol. 2, Nr. 198, 466.
* BonelU 8, 342.
* a. a. O., Kink, Fontes II, 6, Nr. 110; Hormayr, Beitr. 2, Nr. 163.
* Urkunde 1261 Dezember 12, Innsbruck St.-A. C. 29, Nr. 9; Hormayr,
Gesch. Tirols 1, H, 610, Testament des Wilhelm von Caldonazzo läßt
14 genannte de masnata .... seu de quacumque alia servili condicione
zu cives Romani frei von allem Band der Knechtschaft; ihre Peculien
soUen sie behalten.
' Urkunde 1*208 November 9, Wien St.-A. (Dominez 83 ungenau): Odol-
ricus c. Rambaldi läßt den Warimbert de Porta frei : ita quod exinde
sit de macinata casedei sancti Vigilii; Urkunde 1214 März 31 bei Rapp,
Beiträge zur Geschichte, Statistik usw. von Tirol 3, 99: Enzeler von
Livo läßt einen homo de macinata Wilhelm, einen famulus Romedius
und einen servus Wilhelm dem Bistum auf, den letzten zum Rechte der
Leute de gentili macinata sancti Yigilii usw.
» Hormayr, Gesch. Tirols 1, II, Nr. 24 (1180): familia sancti Vigilii; 1264
Jänner 25 schwört ein Mann aus Villa Montagna dem Domkapitel:
tamquam homo famillie sancti Vigilii prestare servicia famulatus capi-
tullo, Innsbruck St.-A. Notariatsurkunden. Doch ist hier der Ausdruck
bei weitem nicht so häufig wie im benachbarten Brixen; vgl. Acta
Tirol. 1, Register unter familia.
* Kink, Fontes H, 6, 125 n. 3 faßt macinata allerdings als Gefolge, vgl.
Jäger, Landständische Verfassungsgesch. 1, 450 f.; Suster, Tridentum 3,
63 f.
»<» Anüquitates 1, 756 f.
28*
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410
herrscht Unklarheit. Man hat sich gescheut, die vollen Kon-
sequenzen zu ziehen und den Begriff der Unfreiheit auch den
höher stehenden Schichten der macinata gegenüber festzuhalten.
Unter den Leuten der macinata treten besonders hervor
die homines de nobili oder gentili macinata^ die Edlen.
Obwohl schon Jäger auch diese Leute als unfreien Ursprungs
gefaßt^ und Egger stets an derselben Ansicht festgehalten
hat,* werden doch noch immer Stimmen laut, welche die ho-
mines de nobili macinata nur als Vasallen ansehen.' Indes wie
anderwärts die edlen freien Geschlechter im Laufe der. Zeit
zusammengeschmolzen sind, und der spätere Adel überwiegend
aus unfreien Familien hervorgegangen ist, so war es auch im
Hochstifte Trient. Durch Zallingers Forschungen namentlich
haben wir die Stellung würdigen gelernt, welche die Ministe-
rialen in Österreich und Steiermark, ja in ganz Deutschland im
13. Jahrhundert gewonnen haben, einen Glanz und eine Bedeu-
tung, welche die der edlen Freien überstrahlt, und die Freien
vermocht hat, scharenweise in den Stand der Ministerialen über-
zutreten. Wir haben gelernt, daß die Unfreiheit der Mini-
sterialen schon im 13. Jahrhundert eine sehr lose war, daß die
Ministerialen des Eigentums, des Lehenrechts und der öffent-
lichen Gerichtsbarkeit teilhaftig geworden sind.
Die Quellen lassen in der Regel zwei Klassen des Adels
in Südtirol unterscheiden, die capitanei und die homines de
nobili macinata. Eine Urkunde von 1210 teilt den Adel in
Grafen, capitanei, macinate sancti Vigilii et alii milites;^ früher
im Jahre 1205 werden capitanei^ macinata episcopatus, vavas-
sores et comunitas Tridenti^ als politisch tätig nebeneinander
aufgezählt. Das ist die Anordnung des Adels, welche italieni-
sche Quellen, vor allem die Quellen des langobardischen Lehen-
rechts kennen.^ Die capitanei sind die freien Adeligen, die
sonst als vassalli oder liberi nobiles et gentiles bezeichnet wer-
den. Am schärfsten werden die freien Adeligen den unfreien
^ Landständ. Yerfusangsgesch. 1, 460 f.
» Gesch. Tirols 1, 266; Die Tiroler und Vorarlberger 96.
' Äusserer, Der Adel des Nonsberges 22 und zuletzt Zeitschr. des Ferd.
in, 49, 475.
* Kink, Fontes H, 6, Nr. 86.
* Vig. Zanolini, Programm des bischöfl. Gymnasiums Trient 1902, 39.
« Savigny, Gesch. des röm. Rechtes 8, 92; Schröder, Rechtsgesch.* 400.
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411
gegenübergestellt in der Urkunde von 1231, in welcher Graf
Ulrich von Ulten dem Bistum Trient alle seine Besitzungen
und Rechte im Bistum verkauft.^ Wir müssen bei dieser öfter
verwerteten Urkunde etwas verweilen. Hier werden drei Klas-
sen von Leuten unterschieden, an denen dem Qrafen Rechte
zustanden: die nobiles de nobili macinata, die homines alterius
condicionis macinate, quam ministerarii und endlich die vassalli
de allodio. Fassen wir die letzten zuerst ins Auge, so finden
wir unter ihnen die Suppane, die Taranten, die Maiser, die
Lana, Firmian, Weineck, Valwenstein, Giovo, Castelbarco,
Leute teils freien^ teils unfreien Standes. Zu den edlen Freien
zählen unstreitig die Castelbarker, andere wie die Suppane,
Taranten, Maiser usw. sind Ministerialen der Grafen von Tirol,
die Firmian, Weinecker des Bistums von Trient. Dem Grafen
von Ulten gegenüber stehen alle im Verhältnisse der Vasallität,
sie sind seine Vasallen, teils edle Freie, teils Ministerialen an-
derer Herren. Die erstgenannten nobiles de nobili macinata
oder ministerarii sind die Ministerialen des Grafen. Schon der
erste unter ihnen ist ein Seneschalk, also einem Hausamte zu-
geteilt. Und wenn in der Folge öfter erwähnt vrird, daß Söhne
von einzelnen zur Hälfte oder zu einem anderen Bruchteile
anderen Herren gehören, so folgt daraus, daß der Rest dem
Grafen von Ulten zusteht. Die alterius condicionis macinate
sind nicht adelige Unfreie, wie man wohl gemeint hat, sondern
unfreie Bauern. Schon der erste unter ihnen ist ein massarius,
ein Schaffer oder Meier; unfreie Bauern sind also auch Vbertin
und Ottonellus und die übrigen hier aufgezählten von Thun.
Sie haben mit der adeligen Familie Thun, soviel wir wissen,
nichts zu schaffen.
Freilich werden wir deswegen den Thun noch keineswegs
ireien Ursprung zuschreiben dürfen. Denn die Zahl der
freien edlen Familien ist im 12. und 13. Jahrhundert eine
geringe. Die Wangen, die Enn, die Herren von Salurn,
Brenta, die Castelbarker zählen zu diesen edlen Familien. Aber
selbst Geschlechter, die schon im 13. Jahrhundert eine so maß-
gebende Rolle spielten und solche Bedeutung gewannen wie die
Arco, sind unfreien Ursprungs, bischöfliche Ministerialen ge-
wesen, oder wenigstens durch die Unfreiheit durchgeschritten.
* Hormayr, Beitr. 2, 168 (allerdings ungenügend).
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412
trotz aller Ansprüche auf eine freie Stellung^ die sie früh
schon erhoben. Eine Urkunde von 1186 zwar berichtet, daß
Friedrich und Odalrich von Arco dem Bischof Albert Hulde
leisteten nobiliter et libere.^ In der Folge aber, im Jahre 1198,
ist die Freiheit der Arco bestritten gewesen, der Verfasser der
Urkunde über die Belehnung von 1198 bemerkt ausdrücklich,
daß dabei die Standesfrage nicht erwähnt worden sei.* In der
Folge müssen die Arco alle instrumenta libertatis herausgeben,
die null und nichtig sein sollen,' und Adalpert von Arco schwört
1216 dem Bischof Friedrich den Treueid als homo de nobili
macinata.^ Daß die Leute de nobili macinata unfrei sind,
ergeben die Urkunden zur Genüge. Graf Ulrich von
Eppan schenkt 1224 eine Sophie, Tochter des Swicker von
Eppan, dem Hochstift Trient, damit sie den Friedrich von Fir-
mian gentilis macinate sancti Vigilii heiraten kann. Die Kin-
der der Ehe sollen gemeinsam sein oder, wenn der Bischof
will, geteilt werden.^ Später, im Jahre 1234, wird unterschie-
den zwischen Leuten, die pro gentili macinata und anderen,
die pro libero belehnt sind.^ Ein andermal wird 1214 ein Un-
freier de macinata freigelassen zu einem Manne de gentili ma-
cinata.'^ Er sollte ad manus et servitium des Bistums bleiben:
per macinatam. Natürlich ist die Unfreiheit dieser Leute keine
drückende, besonders, wenn ihnen das häufig erteilte Privileg
verliehen wird, nie vom Bistum veräußert zu werden. Dann
mochten sie bereits im Laufe des 13. Jahrhunderts eine Stel-
lung erreicht haben, die jener der freien Untertanen und Va-
sallen des Bistums in nichts nachstand. Andere sind ireilich
noch in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts veräußert
worden.® Die ritterlichen Unfreien standen überwiegend im
Eigentum des Gotteshauses, waren Ministerialen der Kirche.
Doch auch Grafen und edle Freie, ja auch Ministerialen be-
sitzen Unfreie ritterlichen Standes. Die ritterlichen Unfreien
» Auszug Bonelli 2, 89. " Vgl. oben S. 408 n. 5.
■ Kink, Fontes n, 5, Nr. 88.
* a. a. O. Nr. 117; ebenso die Herren Friedrieb und Riprand von Arco
1233 als bomines casedei und de nobili macinata, a. a. O. Nr. 162.
» Bonelli 3, 342.
• "Wien St-A. Liber inrium vallis Lagari f. 2\
^ Rapp, Beitrüge usw. 3, 99.
« 1265 Dezember 1, Wien St.-A. (Dominez 461).
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413
des Grafen Ulrich von Ulten nennt die angeführte Urkunde
von 1231. Zahlreich sind die Ministerialen der Grafen von
Tirol gewesen; Eppaner Ministerialen werden öfter genannt;^
die Herren von Castelbarco, von Enn besitzen solche Leute,*
aber auch die Herren von Arco, die selber unfreien Stan-
des sind.'
Fragen wir nun, welche von diesen Klassen der Gerichts-
barkeit des Grund- und Leibherrn unterstanden, so müssen wir
die bänerlichen und die ritterlichen unterscheiden. Darüber,
daß die unfreien Bauern der Gerichtsbarkeit ihrer Leib-
herren unterstanden, lassen die schon oben angeführten Aussagen
der Quellen* keinen Zweifel. Es fragt sich nur, ob sie allein
unter den homines zu verstehen sind, von welchen die Quellen
reden, ob also das leibherrliche Verhältnis allein die Gerichts-
barkeit begründet oder, ob auch andere Entstehungsgründe für
diese Gerichtsbarkeit vorhanden sind. Schon nach den oben
mitgeteilten Stellen — es sei nur verwiesen auf die Aussagen
über den Gerichtsstand des Johannes Piolus — kann kein Zwei-
fel bestehen, daß auch freie Rimannen in einem Verhält-
nisse zu ritterlichen Freien und Unfreien oder zu einem
Gotteshause stehen können, welches sie der Gerichtsbar-
keit ihrer Herren unterordnet. Die Verzeichnisse von
homines des Bistums, des Kapitels, einzelner Großer wie der
Herren von Arco zählen neben den servi oder famuli auch Ari-
mannen auf. Es ist die arimannia, die Freisteuer, welche diese
Einreihung veranlaßt hat. Schon in der fränkischen Zeit haben
die Könige einzelne Untertanen mit ihren öffentlich rechtlichen
Leistungen an Private gewiesen.^ Wie schon damals diese Zu-
weisung ein Abhängigkeitsverhältnis begründete, so auch in der
Folge. Denn die Veräußerungen schritten fort. Vergeblich
suchte das Reich dagegen Stellung zu nehmen, wenn z. B.
1 E. B. BonelU 3, 342 (1224).
' Urkunde 1190 April 19, Gonradin von Auer de masnada fiUorum Enrici
de Engna läßt dem Bischof Konrad ein Lehen auf, Kink, Fontes II,
5, 38.
^ Urkunde 1253 März 11, Innsbruck, Parteibriefe. Unter den Eigenleuten
des Riprand Ton Arco, an denen Ezelin von Romano Besitz eingewiesen
wird, auch d. Bertoldus de Terlago.
* Vgl. oben S. 402 f.
* Waitz, Deutsche Verfassungsgesch. 2, I, 250.
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414
König Koorad IV. verbot, im Bistum Feltre Rimannenland zu
kaufen oder mit Gewalt wegzunehmen, damit der Bischof die
Arimannia nicht verliere,^ oder Friedrich I. die Arimannia als
Regal erklärt. Auch in Trient sind Veräußerungen von Ari-
mannien vorgekommen; so wird 1182 eine solche verpfÄndet;*
häufig erscheinen sie als Lehensobjekte.' Ja noch 1307 wird
eine Belehnung mit einer Arimannia, die Ulrich von Matsch
als Hauptmann der Herzoge von Kärnten vorgenommen hat,
ebenso wie der Verkauf einer Arimannia bestätigt.* Oder sie
werden einem Beamten zugewiesen, der sich aus ihren Leistun-
gen für die Mühen des Amtes bezahlt machen soll.^ Auch
hier blieb die Abhängigkeit nicht aus. Sie war eine solche,
daß die Lage dieser Leute den Unfreien ziemlich nahestand.
Daher werden die Arimannen, die von Haus aus Freie waren,
freigelassen.^ Freilich waren nicht alle, die Arimannia zahlten,
freien Ursprungs. Man denke an die Fleimser Privilegien, in
denen alle Abgaben für Geistliche und Weltliche, Freie und
Unfreie auf Arimannien reduziert wurden. Aber das war Aus-
nahme, eine Menge Freier ist sicher durch Zuweisung ihrer
Arimannia an einen Großen in eine Art von Abhängigkeit ge-
raten. Der Herr des Arimannen gewinnt dann, als die Ari-
mannien auf Grund und Boden gelegt werden, eine Gewere am
Grundstück, erscheint als sein ObereigenttLmer und erwirbt
Gerichtsbarkeit über den Arimannen, der wie ein Zensuale oder
vogtbarer Mann betrachtet wird. Es sei nur nochmals ver-
wiesen auf die interessanten Aussagen über den Gerichtsstand
des Johannes Piolus. Er war Rimanne des Roland von Povo:
cum placito, banno et districtu, steht unter dessen Twing und
Bann. Mit den anderen Lehen fällt auch er nach dem Tode
^ Stumpf 8436.
* Bonelli 2, 84, Urkunde, Innsbruck St-A. C. 2, Nr. 10.
^ Urkunde 1216 August 1, Innsbruck St.-A. G. 63, Nr. 12; Montebello,
Notizie 21 (1242); Urkunde 1264 Oktober 3, Wien St-A. (Dominez
444) usw.
* Innsbruck St-A. C. 22, Nr. 4 f. 27 und 29.
» Kink, Fontes II, 6, Nr. 28 (1188).
* Bischof Bartholomäus bestätigt 1307 März 27 die manumissio eines Ari-
mannen cum tota possessione proprietate ficto et redditu, welche 1290
erfolgt war, ebenso am 16. März die Freilassung eines Arimannen von
1266 August 30 usw., Innsbruck St-A. 0. 22, Nr. 4, f. 22, f. 88; andere
ähnliche ebendort f. 24 und f. 27.
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415
des Roland dem Bistum heim. Als er aber die halbe Rimannia
kauft, die dem Ezelin von Enn gehört^ beanspracht dieser Twing
and Bann über ihn. Diese Gerichtsbarkeit ist anzweifelhaft auf
das Grondstück gegründet. Wer es erwirbt, unterliegt dem
Gerichte des Grundherrn. Interessante Aufschlüsse über die
Rimannen gewährt ein Zeugenverhör von 1313* über die Ge-
richtsbarkeit, welche die Herren von Enn als Vorgänger der
Tiroler Grafen in Fleims übten. Das Gericht Fleims war aller-
dings zeitweise im 13. Jahrhundert an die Herren von Enn
verpftndet,^ wurde indes bald zurückgelöst und kam mit dem
übrigen Bistum in tirolische Verwaltung. In unserem Verhöre
wird genau geschieden die Zeit^ in der der Gastalde des Herrn
Ezelin von Egna in Cavalese Gericht hielte von jener, in der
das Gericht Fleims unter tirolischer Verwaltung stand, und der
tirolische Hauptmann von Castello die placita christianitatis, die
echten Dinge^ in Fleims abhielt. Aber auch in dieser Zeit
übten die Herren von Enn Gerichtsbarkeit, und zwar nicht
nur die zivile, auch die kriminale, über ihre ,vasalli, rimani et
fictalini^, wie die Urkunde sagt, in Moena, Forno, Predazzo,
Tesero und Cavalese, und wo sie immer saßen. Erst nach Ab-
gang des Ezelin fiel diese Gerichtsbarkeit an die Grafen von
Tirol, die sie nebst allen anderen Besitzungen der Enn von
seinen Erben kauften.' Wir werden auf die späteren Schick-
sale dieser Gerichtsbarkeit noch zurückkommen. Wenn dar-
nach den Herren von Enn das merum et mixtum imperium
über ihre Rimannen zustand, so werden wir darin wohl eine
Ausnahme sehen müssen. Es mag hier eine Exemtion zugun-
sten dieser Familie vorliegen, die besonders verliehen war; denn
im übrigen ist im 13. Jahrhundert nur von der bürgerlichen
Gerichtsbarkeit der Leib- und Grundherren die Rede.
Um unfreie Hintersassen mag es sich handeln, wenn 1225
Bischof Gerard den Adalbert von Wangen mit einem Hofe zu
Tramin, den Nikolaus bebaut, und mit diesem Nikolaus selber
belehnt.^ Kaum dasselbe ist anzunehmen, wenn Bischof Egno
1266 dem Heinrich von Greifenstein ein Haus in Bozen ver-
' Raitbuch, München St-A. 1, f. 31.
* 1266 Chmel, Fontes U, 1, Nr. 74, zurückgelöst 1269, Hormayr, Gesch.
Tirols 1, n, Nr. 199.
■ Ladurner, Zeitschr. des Perd. HI, Bd. 13, 113 und 114.
^ Urkunde 1225 November 23, Wien St-A. (Dominez 264 unToUständig).
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416
leiht and ihn mit dem bannam civile habitatoris dicte domus
belehnt.^ Hier bedurfte es freilich einer besonderen Verleihung,
denn ein freies Leiheverhältnis^ und das lag bei einer städti-
schen Leihe vor, ließ die Freiheit und den Qerichtsstand des
Beliehenen ungekrftnkt.
Aber auch unfreie Leihen sind vorgekommen, Leihen,
die den Beliehenen dem Twing und Banne des Grundherrn
unterstellten.^ Es ist bezeichnend, daß solche Leihen gerade
aus jenen Teilen des Bistums vorliegen, wo die Hofverfassung
sich am zähesten erhalten hat, aus dem Nons- und Sulzberg.
So verleiht Bischof Adalpert (1184 — 1188) in einer undatierten
Urkunde zweien Brüdern Grundstücke in Bozzana, so daß sie
und ihre Erben: semper subditi sint curie Vulsane, gegen einen
jährlichen Zins pro famulatu.' Indem der Bischof verzichtet,
sie zu veräußern und anderen zu verleihen, sind sie immer an
den Hof von Ossana gebunden.* Wir hören freilich nicht mehr
viel von solchen unfreien Leihen, denn die freie Erbleihe ist
in raschem und siegreichem Vordringen begriJOTen.
Auch freie Leute unterstellen sich der Gerichts-
barkeit eines Herrn, zu dem sie in ein Mundverhältnis
treten, ohne daß von einer Leihe die Rede wäre. Die Urkun-
den bezeichnen dieses Verhältnis mit commendatio oder com-
mendaria.^ So wurde es den Untertanen des Trienter Dom-
kapitels in Sover verboten, sich einem Ritter oder Herrn zu
kommendieren.® Was darunter zu verstehen sei, lernen wir
aus einer Urkunde von 1249 kennen, wo ein Mann sich und
seine Güter dem Nikolaus von Brenta aufläßt und verspricht:
facere coram eo rationem et petere rationem tamquam homo
liber dicti domini.'' So hat also die alte Kommendation noch
^ Urkunde 1266 Dezember 7, Wien St.-A. (Dominez 396).
• Vgl. Wopfner, Freie und unfreie Leihen im späteren Mittelalter, 8e-
paratabdr. aus Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgescb. 3, 5 f.
gegen Seeliger, der die Scheidung von freien und unfreien Leihen ver-
wirft. Vgl. auch Rietschel, Mitteil. d. Inst. 27, 391 f.
3 Kink, Fontes H, 6, Nr. 247.
* Ähnlicher Fall wohl auch a. a. O. Nr. 95. Die Leute, die frtther frei-
lich in ähnlichem Verhältnisse zum Hofe von Livo standen, werden in
Nr. 247 an den von Ossana geknüpft.
» Kink, Fontes O, ö, Nr. 96, 246, 247.
« Beilage 14.
' Urkunde 1249 April 23, Innsbruck St.-A., Farteibriefe.
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417
fortbestanden, es haben sich Freie einem Herrn ergeben, sich
seiner Gerichtsbarkeit unterstellt, ohne ihren freien Stand im
übrigen aufzugeben. In unserem Falle tritt nun freilich zur
Eommendation sofort ein Lehensverhältnis, so daß nicht ersicht-
lich ist, ob die Kommendation als solche mit Eid und Hulde
verbunden war. Wenn wir aber hören, daß die Leute des
Domkapitels von Verona in Judikarien, die doch ausdrücklich
als Freie bezeichnet werden, daß die Leute des Kapitels von
Trient in Sover, die sich der Freizügigkeit erfreuen, daß um
1250 in Pergine und Eppan einige Leute als liberi vassalli den
Eid leisten, so hat man wohl das zweite anzunehmen. Auch
der Bischof besitzt solche Vasallen, die den homines de familia
gleich zu einem Hofe gehören, nicht veräußert werden sollen
und versprechen, sich nicht aus dem Bistum wegzubegeben,
nicht wegzuheiraten.^ Leute in dieser Rechtslage haben wir
wohl unter den Vogtleuten, homines advocatales zu verstehen,
welche eine Urkunde von 1313 neben Freien und Unfreien als
Hintersassen der Herren von Schönna im Bistum Trient nennt.*
Fassen wir das Gesagte zusammen, so sehen wir, wie sich
die homines bäuerlichen Standes, die der Gerichtsbar-
keit ihres Leib- und Grundherrn unterstehen, aus ver-
schiedenen Klassen zusammensetzen. Wir trafen zunächst
die Eigenleute, dann Freie, die durch Eingehung einer un-
freien Leihe unter das Hofrecht kommen und unfrei werden;
Freie, die sich unter die Mund eines Ritterlichen be-
geben, sich seiner Gerichtsbarkeit unterwerfen, aber ihre Frei-
heit bewahren, endlich Arimannen, die mit ihren Leistun-
gen einem Herrn zugewiesen sind und damit mit ihrer
Person, aber auch mit ihrem Gute unter die Gerichtsbarkeit
ihres Herrn geraten oder auf einer Arimannia sitzen, ja selbst
einzelne, die in freier Erbleihe angesiedelt sind. Es sind, wenn
wir von den weniger beachteten Arimannen absehen, jene
1 z. B. Handschr. Innsbruck St.-A. G. 9, Nr. 131 von 1281 Mai 29: Qua-
temus fictorum et redditxim et possessioniim et hominnm de familia
et vasalomm episcopatus Tridenti im Nons- und Sulzberg werden über-
all hominea de casadei und vasalli unterschieden, die zu einem Hofe
gehören; z. B. homines de familia et vasalli de Me^na, qui pertinent
casedei; Kink, Fontes TL, 6, Nr. 133.
' Urkunde 1313 November 6: omnes homines .... sive liberi sive pro-
prii sive advocatales residentes in bonis ipsorum. Wien St.-A.
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418
Klassen, die nach der bestehenden herrsehenden Ansicht unter
das Hofrecht fallen. Persönliche Abhängigkeit sowohl als ding-
liche kann Twing und Bann des Feudalherrn begründen.
Wenden wir uns nun den adeligen Kreisen und ihrer
Stellung zum Hofrechte zu; gerade aus ihrer Rechtslage
werden wir auch das Wesen des Hofrechtes näher erkennen.
Die Lage der adeligen Unfreien ist nicht für alle die gleiche.
Wir werden zwischen den Qotteshausleuten und den un-
freien Rittern, die im Besitze eines anderen Adeligen
stehen, scheiden müssen. Die Gotteshausleute haben gleich
den freien Edlen ihren Gerichtsstand vor dem Bischöfe oder
seinem Vizedom, Assessor oder Vikar, nicht aber wie die bäuer-
liche Bevölkerung vor dem Gastalden oder Hauptmann. Die
Zeugnisse dafür sind ungemein häufig, besonders in den Ur-
kunden, welche die Erhebung eines bäuerlichen Mannes in den
Adelsstand bezeugen, Erhebungen, die recht häufig vorgekom-
men sind. Es ist schon oben wiederholt darauf hingewiesen
worden. Immer wird verfügt, daß solche Leute von nun an:
non debent facere racionem sub aliquo gastaldioni, nisi coram
episcopo;^ neben dem Gastalden werden auch die anderen Mi-
nisterialen und namentlich der caniparius und scarius ausge-
schlossen.^ Nicht selten wird der Bischof als der ordentliche
Richter für den Adel dtirch den Zusatz bezeichnet: sicut alii
gentiles vasalli faciunt.^ Ja dieser Gerichtsstand gilt geradezu
als Kennzeichen für den Ritterlichen^ wie bereits oben dargetan
wurde.*
Nicht so die unfreien Ritter anderer Herren. Sie ver-
mochten nicht wie die österreichischen Milites auch nur teil-
weise den Gerichtsstand vor dem Bischöfe zu erlangen. Die
Herren von Castelbarco erhoben ebenfalls 1246 Bauern, und
zwar Rimannen, also Freie in den Ritterstand; aber diese: sem-
1 Urkunde 1206 Mära 6, Wien St.-A. (Dominez 68 ungenau); Kink, Fon-
tes U, 6, Nr. 95.
• Kink, a. a. O. Nr. 95; Urkunde 1216 Juli 12, Wien St-A. (Domines 179).
» Urkunde 1217 April 26, Wien St.-A.; ähnlich Urkunde 1208 April 80,
Innsbruck St.-A. C. 60, Nr. 2; Bonelli 2, Nr. 79 (1283) usw. Neben dem
Bischöfe wird häufig der Vizedom genannt, namentlich im Nons- und
Sulzberg, vgl. oben S. 868 ; in späteren Urkunden der Assessor, z. B.
1263 Mai 4, Bonelli 2, 152.
* Vgl. oben S. 383 f.
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419
per facere dobeant racionem libere coram dictis dominis.^ Blie-
ben diese freien Vasallen der Gerichtsbarkeit ihres Herrn unter-
worfen, nmsomehr gewiß die unfreien. Auch Graf Ulrich von
Eppan behält sich die Gerichtsbarkeit über Eigenleute vor, die
er zu Vasallen erhoben, also in den ritterlichen Stand aufge-
nommen hat.* Sollen sie unter die Gerichtsbarkeit des Bistums
gelangen, so müssen solche Leute noch besonders dem Bischöfe
aufgelassen werden. So überläßt Nikolaus von Beseno dem
Podestk Sodegher das vasalaticum (Lebensverhältnis) einer
Anzahl genannter Vasallen : cum omni districtu et iurisdiccione
personamm und alles Recht an Twing und Bann, das ihm zu-
stand, derart, daß sie damit belehnt sein sollen und Recht
geben: sub rectore Tridenti et non sub aliis personis, dem sie
als Freie (libere persone) unveräußerlich untergeben sind.' Wohl
werden auch solche Ritterliche dem Gerichte ihres Herrn und
nicht dem eines Gastalden oder Meiers, wenn der Herr einen
solchen hatte, unterstellt gewesen sein.^
Sicher ergibt sich somit das eine: der Bauer, gleichviel
ob frei (Rimanne) oder unfrei, der in den ritterlichen Stand
eintritt, tauscht seinen Gerichtsstand, gibt sein Hof-
gericht auf, um das Gericht seines Herrn zu gewinnen. Suchen
wir eine Erklärung dieser Erscheinung, so ist früher auf den
Burgbann hingewiesen worden, dem der Adelige nicht, wohl aber
der Bauer unterstand.^ Jedoch nicht nur diese Leistung, eine
Anzahl verwandter werden dem Ritterlichen erlassen, die auf
dem Bauern ruhen und den Bauern mit dem Gastalden in enge
Beziehung bringen. Es sind zum großen Teile Leistungen
öffentlich rechtlichen Ursprungs; sie werden bei Erhebung in
den ritterlichen Stand alle samt und sonders nachgelassen. Die
Erhebung erfolgt nämlich in der Weise, daß dem bisherigen
Urkunde 1246 Jänner 29, Wien St.-A. (Dominez 339 unrichtig).
Urkunde 1220 August 29, Innsbruck St.-A.
Urkunde 1262 Februar 18, Wien St.-A. (Dominez 872 mit unrichtigem
Datum).
So war es auch im Pustertale. Als im Jahre 1306 März 2, Orig. Wien
St-A., Ulrich von Taufers mit seinem Ohm Hugo teilt, wird bestimmt,
dafi ietweder richten und richter haben (solle) über sein guet und leute,
und swaz gegen edelen leuten und umb pluet ze richten waere, daz
schol der eltiste richten.
' Vgl. die erste Arbeit dieses Bandes, 33.
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420
Bauern diese Leistungen zu Lehen gegeben und damit nachge-
sehen werden. Für dieses Lehen wird der neue Adelige Va-
sall seines Herrn und leistet ihm den Treueid, untersteht damit
dem Dienst- und Lehensgericht des Herrn. Die nachgelassenen
Leistungen werden mehr oder minder voUzählig in den Ur-
kunden angegeben. Immer erscheint das bannum persone und
districtus, Twing und Bann. Zu ihnen treten dann colta, pla-
citum, fodrum seu daderia, arimannia, albergaria usw. Die
zweite Gruppe können wir als Steuern und andere ihnen ver-
wandte öffentliche Leistungen bezeichnen. Wenn Bittner für
das Erzstifb Salzburg aus späterer Zeit nachgewiesen hat,^ daß
die Steuer in die Hände der Grundherren gekommen ist, so ist
ähnliches schon sehr früh, offenbar durch Überweisung der
Steuer in Südtirol der Fall gewesen. Wir haben bereits die
Steuern kennen gelernt, welche die Domkapitel von Verona
und Trient aus ihren Grundherrschaften bezogen.* Uns inter-
essieren hier diese Steuern nicht näher, wir wenden uns dem
bannum persone und districtus, Twing und Bann zu, die mit
der Gerichtsbarkeit im Zusammenhange stehen. Vielleicht ver-
mögen gerade unsere Nachrichten die Bedeutung von Twing
und Bann und ihren Ursprung in etwas aufzuklären.
Die Urkunden ergeben, daß dieser Bann mit dem Pro-
zesse im Zusammenhange steht. Schon die älteste noch
dem 12. Jahrhundert angehörige Aufzeichnung über eine solche
Belehnung läßt daran keinen Zweifel. Hier wird bestimmt: si
de banno cadiderint, cum una manu debent dare wadiam et
cum alia sua manu habere finem excepto de incendio et homi-
cidio et tradimento.' Spätere Nachrichten bieten Erklärung
und Ergänzung. So werden 1209 ein Mann und seine Erben
mit ihrer Dienstpflicht, die in der Herrichtung des Daches der
Domkirche besteht: et de banno suarum personarum exceptis
* Archiv für östenr. Gesch. 92, 636 f.
• Aber auch hier ist die ordentliche Steuer öffentlich rechtlichen Ursprungs
und hing mit der Gerichtshoheit zusammen. Die außerordentliche Steuer
bezieht der Bischof nicht nur von seinen Leuten, sondern auch den
Eigenleuten der Edlen; Bischof Bartholomäus schreibt eine generalis col-
lecta von 40 Schilling für den Feuerherd aus: tarn a subditis suis, quam
hominibus nobilium episcopatus, 1307 März 81, Innsbruck St.-A. C. 22,
Nr. 4, f. 36^
■ Bonelli 2, 394.
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421
bannis de maleficiis belehnt.^ Eine spätere Urkunde von 1229
fägt zum Vorbehalte des bannnm maleficii noch hinzu: quod
nulli indulgetur.* Aus diesen Angaben, die oft wiederholt wer-
den^ ergibt sich; daß der Bann, von dem die Urkunden spre-
eben, ein Bann ist, der im Prozesse verhängt und gezahlt wird^
und zwar nicht im Kriminalverfahren , sondern in Rechtsstrei-
ten um bürgerliche Sachen, wohl auch um Frevel. Auf diesen
prozessualen Charakter weist die Angabe in einer Belehnungs-
Urkunde von 1213, in der ein Vasall des Domkapitels von Ve-
rona als sein Lehen angibt: bannum questionis, si reclamacio
videlicet in curia canonicorum de eo facta fuerit.^ Aus dem
Weistum von 1238* erfahren wir, daß dieser Bann für die Im-
munitätsleute von Verona 5 Schilling beträgt. Der gleiche Be-
trag wird von den Leuten von Sover geschuldet,^ und die 5 Schil-
ling werden auch sonst im Bistum Trient erwähnt, indem sie
als Höchstgrenze des erlassenen Bannes angegeben werden.
So wird 1217 erlassen der Bann: usque in V solides et de V so-
lidis infra et preter de maleficiis.^ Aus de