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Full text of "Archiv für österreichische geschichte"

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l^atöarU  College  libtavs. 

FROM  THS   BKqyKST  OF 

JOHN    AMORY    LOWELL, 

(OlAM  Ot  ^01S). 

This  fund  is  $90,000,  and  of  its  inoome  three  quarters 

shall  be  spent  for  books  and  one  quarter 

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Archiv 


für 

österreichisohe  Oesohiohte. 


Herausgegeben 

▼on  der 

Historisellen  Kommission 

der 

kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Vierundneunzigster  Band. 

Mit  2  Karten  und  1  Kartenskizze  im  Texte. 


Wien,  1907. 

In    Kommission    bei    Alfred    HSlder 


k.  n.  k.  Hof-  und  ünirersitftts-Bvehh&Ddler 
Boehhindltr  der  kmiterlieben  Akademie  der  WiteeBMkftflen. 


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Aü-  C?6.90 


]>niok  Yoa  Adolf  HolshAOMB, 
k.  vad  k.  Hof-  oad  UDiT«nittta*Baehdni^*r  ia  W ito. 


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Abhandlungen 

Bum 

'Historischen  Atlae 

der 

österreicMsclieii  Alpenländer. 


I.    Die    Entstehung    der    Landgerichte    im    haTrisch-Österreicbia« 
Rechtsgebiete.    Von  Hans  ▼.  Yoltelini.  S.  1- 

II.    Immunitftt,    Landeshoheit   und   Waldschenkangen.     Von    Edi 
Richter.  S.  41- 

III.    Gremarknngen    und   Stenergemeinden   im    Lande   Salzburg. 

Eduard  Richter.  S.  63- 

IF.    Das   Liand  im  Norden  der  Donau.    Mit  einer  historischen  K 
Von   Julias  Strnadt.  S.  83— : 

Y.    Jmmnniti^t,    Grund-   and   leibherrliche  Qerichtsbarkeit  in  Südl 
Von    r>r.  Hans  von  Voltelini.  S.  311 — 

YI.     ly&B      Grebiet     zwischen    der    Traun  und    der    Ens,     Von    Ji 
Strnadt.     Mit  1  Karte  und  1  Kartenskizze  im  Texte. 

S.  466- 


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österreichische  Geschichte,   i 

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Heraasgegeben 


fon  der 


Historischen  Kommission 


.ier 


"kainerlicheti  Akademie   der  Wissengchaften. 


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YieruiiiiiieiitirJKiiter  Bitnil. 

Er^tt?  Hälftu. 
Mit    einer    KArtc* 


Wien,  1906. 

In     K  ft  IQ  m  i  s  ^  i  o  n    bei    Alfred    H  ti  l  d  e  i 

k  u,  k^  Hof-  iilifl  Ctiiversit&t^-UiiebtijItidlBr 


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Archiv 


ftr 

österreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 

Ton  der 

Historisclien  Kommission 

d«r 

kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Vierundneunzigster  Band. 

Ente  Hälfte. 
Mit    einer    Karte. 


Wien,  1906. 

In    Kommission   bei    Alfred   Holder 

k.  Q.  k.  Hof-  «od  UmiTernt&tB-Bnobhindler 
BaeUiiiidltr  d«r  kftiMrUch«ii  Akftdemi«  d«r  WitseiiMluiAeB. 


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Drnok  Ton  Adolf  HolshaoMD, 
k.  «.  k.  Hof«  and  Uiüv«nittto*BoehdnMkcr  in  Wi«a. 


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Abhandlungen 

zum 

Historischen    Atlas 

der 

österreichischen  Alpenlander. 


I.  Die    Entstehong    der   Landgerichte     im    baTrisch- österreichischen 
Rechtsgebiete.    Von  Hans  v.  Yoltelini.  S.  1—40. 

n.  Inunanitfity     Landeshoheit    und   Waldschenkungen.     Von    Eduard 
Richter.  S.  41—62. 

in.  Genaarkangen    and   Steuergemeinden    im    Lande    Salzburg.     Von 
Eduard   Richter.  S.  68—82. 

lY.  Das   Land    im  Norden   der  Donau.     Mit  einer  historischen  Karte. 
Von   Julius  Strnadt.  S.  88-810. 


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Vorwort. 


Im  Laufe    der  fortschreitenden  Arbeiten  für  den  ^Histori- 
scben  Atlas    der    österreichischen  Alpenländer'  ergab   es  sich, 
daß    die    den   Karten   beizugebenden   ^Erläuterungen'   bei   der 
notwendigen  ELnappheit  ihrer  Fassung  nicht  immer  ausreichen 
Tmd  mcbt  der  Ort  sein  können,  um  ausführlichere  Nachweise  oder 
^ISTtemngen   anfzunehmen,  die,  zwar  durch   die  Forschungen 
^T  den  Atlas  veranlaßt,  doch  auch  über  die  nächsten  Fragen 
Unausreicliende  Probleme  behandeln.    So   regte   der  Schöpfer 
des  yHistorischen   Atlas^,    unser    allzufrüh  verewigter  Eduard 
Richter,  den  Gedanken  an,  derartige  Arbeiten  in  einer  eigenen 
Serie  von  ,Abhandlungen  zum  Historischen  Atlas'  zu  vereinigen, 
und  auf  Antrag  Richters  beschloß    die   akademische  ,Eom- 
mission  für  Herausgabe  eines  historischen  Atlas  der  österreichi- 
schen  Alpenländer'   im   Einvernehmen    mit    der  ,Historischen 
Kommission',   diese   Abhandlungen    im   Rahmen    des  ,Archivs 
für  österreichische  Geschichte'  zu  veröffentlichen,  so  daß  ihnen 
je  nach  Bedarf  einzelne  Bände  des  Archivs  ausschließlich  ein- 
geräumt werden  sollen. 

Hiermit  veröffentlichen  denn  die  beiden  genannten  aka- 
demischen Kommissionen  eine  erste  Reihe  der  Abhandlungen, 
welche  der  ersten  Lieferung  des  ,Atla8'  zur  Seite  geht.    Zwei 


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VI 

der  Aufsätze  stammen  von  Richter  selbst  -  er  hat  sie  noch 
im  Dezember  1904  und  Jänner  1905  druckfertig  gemacht  und 
wenige  Tage  vor  seinem  Tode,  am  31.  Jänner  1905,  die  Schluß- 
bemerkung zur  ersten  Abhandlung  hinzugefugt  —  ein  erheben- 
des Zeugnis  der  Geistesstärke,  mit  welcher  der  todkranke  Mann, 
der  das  Ende  mit  klarem  Bewußtsein  nahe  wußte,  bis  zum 
letzten  Augenblicke  für  sein  großes  Werk  sorgte. 

Wien,  im  Januar  1906. 


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I. 


DIE  ENTSTEHUNG 

DER 

LAN  DGERICHTE 

IM 

BAYRISCH-ÖSTERREICHISCHEN 
RECHTSGEBIETE. 


TOH 


D"  HANS  VON  VOLTELINI. 


▲lehiT.  XCIV.  B»nd. 


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LiM  den  Problemen  der  dentschen  Verfassungsgeschichte, 
die  noch  iminer  eine  befriedigende  Lösung  nicht  gefunden 
haben,  zählt  unter  anderem  auch  die  Entstehung  der  Landge- 
richte.^ Und  doch  handelt  es  sich  dabei  um  Gebilde,  welche 
durch  Jahrliunderte  die  örtliche  Grundlage  fiir  die  Verwaltung 
der  deutschen  Territorien  darstellten,  auf  denen  insbesonders 
auch  im  bayrisch-österreichischen  Rechtsgebiete  bis  ins  18.,  ja 
teilweise  bis  ins  19.  Jahrhundert  die  politische  und  gericht- 
liche Verwaltung  beruhten,  an  die  sich  vielfach  auch  noch  die 
heutigen  Verwaltnngssprengel  anschließen.  Als  etwas  Fertiges 
treten  uns  die  Liandgerichte  im  13.  Jahrhundert  entgegen.  Für 
Bayern  liegt  bereits  in  dem  ältesten  wittelsbachischen  Saal- 
buche, das  zwischen  1221  und  1228  entstanden  ist,*  eine  Auf- 
Zählung  der  Amter  oder  Landgerichte  vor,  und  die  österrei- 
chischen Quellen  derselben  Zeit  lassen  ebenfalls  den  Bestand 
von  Landgerichten  erkennen.* 

Daß  diese  Gebilde  an  die  Stelle  der  älteren  Grafschaften 
getreten  sind,  daß  sie  Trümmer  von  Grafschaften  vorstellen, 
darüber  kann  kein  Zweifel  bestehen.    Werden  sie  doch  selber 


^  Ka^h    einem   Vortrag,   gehalten    auf   der  Versammlung    der    dentschen 

Historiker  in  Salzburg  1904. 
*  Monumenta  boica  31,  1, 1  f.;  Riezler,  Geschichte  Bayerns  1,  178;  Bösen- 
thal,   Geschichte   des  Gerichtswesens   und   der  Verwaltungsorganisation 
Bayerns  52  f. 
^  Über  die  Osterr.  Landgerichte  vgl.  Laschin,  Geschichte  des  älteren  Ge- 
richtswesens in  Österreich  ob  und  anter  der  Enns  103  f.;  Ders.,  österr. 
Beichsgeschichte    193;    Huber-Dopsch ,    österr.  Reichsgeschichte    64  f.; 
Wernnsky,  österr.  Reichs-  und  Rechtsgeschichte    56,    245;     Bachmann, 
Reichsgeschichte  *,    119;    HasenOhrl,  Österr.  Landrecht  166  und   173  f.; 
Richter,   Zar  historischen  Geographie   des  Hochstifts  Salzburg,    Mitteil, 
des  Inst.,  Ergänzungsbd.  1,  590  f.;    Egger,  Die  Entstehung  der  Gerichts- 
bezirke Deutschtirols,  ebendort  4,  373;    Krones,    Verfassung  und  Ver- 
waltung  des  Herzogtums  Steiermark   126,   391  f.;    Meli,   Der  comitatus 
Liutpoldi,   Mitteil,  des  Inst.  21,  385 f.;    Die  Anmerkungen  in  der  Weis- 
tOmer-Ausgabe  der  Akademie  der  Wissenschaften. 

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nicht  selten  als  Grafschaften  bezeichnet.^  Aber  die  Ursachen, 
welche  zu  dieser  Zersplitterung  führten,  die  Momente,  welche 
auf  die  Bildung  und  räumliche  Abgrenzung  der  Landgerichte 
gewirkt  haben,  liegen  nicht  so  klar  zutage.  Denn  die  Ent- 
wicklung ßlllt  in  eine  Zeit,  in  der  urkundliche  Quellen  in 
unseren  Gegenden  nur  spärlich  fließen.  Die  Namen  einzelner 
Grafen  und  Grafschaften,  einzelner  Gerichtsmalstätten  und  zu- 
letzt die  Namen  der  Landgerichte  sind  fast  alles,  was  wir  vom 
10.  bis  12.  Jahrhundert  über  die  räumliche  Ausgestaltung  der 
Gerichtsbezirke  in  unseren  Gegenden  wissen. 

Verschiedene  Erklärungen  sind  für  die  Entstehung  der 
Landgerichte  aufgestellt  worden.  Die  meisten  Schriftsteller,  die 
sich  mit  dieser  Frage  beschäftigten,  haben  sie  mit  älteren 
Hundertschaften  in  Zusammenhang  gebracht,  so  vor  allem 
Riezler*  und  ihm  folgend  die  Mehrzahl  der  österreichischen 
Gelehrten.'  Ja  Egger*  versuchte  sogar  aus  den  Grenzztigen 
der  späteren  Tiroler  Landgerichte  die  Zenten,  die  einmal  in 
Tirol  bestanden  haben  sollen,  wieder  herzustellen.  Man  war 
eben  geneigt,  den  Ergebnissen,  die  Sohm  in  seinem  berühmten 
Buche  über  die  fränkische  Gerichtsverfassung  gewonnen  hatte, 
ohneweiters  auch  für  Bayern  Geltung  zuzuschreiben,  obwohl 
Sohm  selber  auf  die  Besonderheiten  der  bayrischen  Gerichts- 
verfassung hingewiesen  hat.^  Indes  ist  es  wohl  zweifellos,  daß 
die  Bayern  Hundertschaften  als  lokale  Unterabteilungen  der 
Grafschaften  nicht  gekannt  haben.  ^  Nicht  daß  die,  wie  es 
scheint,  gemeingermanische  Einteilung  in  Hundertschaften  von 
Haus  aus  gefehlt  haben  wird,  aber  in  ihren  neuen  Sitzen  haben 
sie  sich  nicht  nach  Hundertschaften  gegliedert  niedergelassen. 


^  HasenOhrl  173;  österr.  Landrecht,  erweiterte  Fassang,  Art.  4  nennt 
die  Landgerichte:  grafscheften.  Schwind-Dopsch,  Urkunden  zur  Yer- 
fassungsgeschichte  57,  n.  1;  Bosenthal  60. 

*  Geschichte  Bayerns  1,  125  f.,  761  f. 

*  Wie  Richter  a.  a.  O.  699;  Werunsky  55;  Egger  a.  a.  O.  382. 

*  a.  a.  O.  Auch  Rosenthal  scheint  S.  93  dieselbe  Ansicht  zu  teilen,  wenn 
er  sich  auch  nicht  klar  ausgesprochen  hat,  indem  er  wenigstens  die  Ge- 
richtsschrannen  mit  den  alten  Malstätten  der  Hundertschaften  in  Be- 
ziehung bringt. 

^  Die  fränkische  Reichs-  und  Gerichtsverfassung  159  f. 

^  Merkel  in  der  Ausgabe  der  lex  Baiwar.,  MM.  LI.  3,  283,  n.  4;  Felix 
Dahn,  Urgeschichte  der  Germanen  4,  152;  Brunner,  Deutsche  Rechts- 
geschichte 1,  117;  Waitz,  Deutsche  Verfassungsgeschichte  1*,  217. 


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Keine  bayrische  QaeUe  kennt  Handertschaften  ^  und  eine 
Glosse  zu  Hermann  von  Altaich  bezeugt  es  ausdrücklich^  daß 
die  Bezeichnung  Zent  bei  den  Bayern  nicht  gebräuchlich  war.* 
Zwar  kennt  die  lex  Baiwariorum  Zenturionen,  jedoch  nur  als 
militärische  Unterbefehlshaber  unter  dem  Kommando  des  6ra- 
fen.*  Dem  Grafen  steht  in  Bayern  allerdings  ein  Exekutiv- 
organ zur  Seite,  der  Vikar  oder  Schultheiß,  wie  er  auch  ge- 
nannt wird,  der  frühzeitig  mit  dem  Hunnen,  dem  Zenturio 
identifiziert  wird,  wie  dies  auch  sonst  der  Fall  war.*  Und 
solche  Zenturionen  werden  nicht  selten  in  den  Urkunden  er- 
wähnt;^ nichts  aber  weist  darauf  hin,  daß  sie  etwas  anderes 
als  Hilfsorgane  der  Grafen  waren,  daß  sie  etwa  Gerichtsbarkeit 
in  Unterabteilungen  der  Grafschaft  gleich  den  fränkischen  Zen- 
tenaren  geübt  hätten.  Ebensowenig  kann  die  Erwähnung  von 
Dekanen  ftir  das  Vorkommen  von  Hundertschaften  sprechen. 
Denn  die  Dekane,   die  in  Tirol  nicht  selten  sind,®    sind  Vor- 


*  Vgl.  Waitz,  Denteche  Verfassungsgeschichte  2,  II',  404;  Dahn,  Deutsche 
Geschichte  1,  II,  431  und  Urgeschichte  der  Germanen  4,  152. 

*  MM.  88.  17,  357,  n.  e.:  In  quibusdam  provinciis  iudices  provinciales 
appellantuT  centenarii,  quia  locus  indicialis,  qni  apud  nos  vocatur 
dinchstat,  apud  eos  dicitur  ceud.  Es  ergibt  sich  somit,  daß  der  Urheber 
der  Glosse  nicht  einmal   über  die  Bedeutung  von  Zent  im  Reinen  war. 

»  l,  c.  5,  283;  vgl.  Waitz  2,  II  »,  15,  212;  Brunner,  Rechtsgeschichte  2, 
174,  n.  2. 

*  Wilhelm  Sickel,  Mitteil,  des  Inst.  f.  »sterr.  Geschichtsf.  4,  628.  In  Bayern 
nennen  bereits  die  Statuten  der  Synode  von  Aschheim:  presides  seu  iu- 
dices, centuriones  atque  vicarios,  MM.  LI.  3,  458.  Entscheidend  die  de- 
creta  sjnodorum  Bavaricarum  aus  dem  10.  Jahrh.  c.  3,  MM.  LI.  3,  487 ; 
wenn  der  vom  Priester  Gebannte  nicht  Buße  tut:  exactor  publicus  id 
est  centurio  aut  suus  vicarius  cum  sacerdote  pergat  ad  domum  huius- 
modi  presumptoris.  Der  centurio  ist  also  das  Organ,  das  eine  Pfändung 
vornimmt.  Vgl.  Beseler  Zeitschr.  ftir  Rechtsgesch.  9,  250. 

*  Zosammengestellt  von  Merkel  MM.  LI.  3,  283,  u.  4.;  Riezler,  Geschichte 
Bayerns  1,  127  und  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte  18,  528; 
Egger  a.  a.  O.  382.  Die  Erwähnung  des  Zenturio  in  D.  O.  II.  178  für 
Brixen  ist  vielleicht  aus  einer  Formel  eingedrungen,  vgl.  D.  O.  11.  78, 
kannte  im  übrigen  nach  dem  Gesagten  nicht  auffallen.  Damach  auch  in 
späteren  Kaiserurkunden  für  Brixen  wie  1155  Friedrich  I.  Stumpf  3726. 

•  Unterforcher,  Zeitschr.  des  Ferdinandeums  III,  41,  211  f.;  Egger,  eben- 
dort240f.,  251  f.  Dekane  und  Dekanien  finden  sich  vorwiegend  im  einst 
langobardischen  Südtirol  und  in  den  Teilen  des  Landes,  die  länger  mit 
Kurrätien  in  Verbindung  standen,  im  Yintschgau  und  Oberinntale  von 
Zams  aufwärts. 


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6 

Steher  von  Gemeindevierteln  und  haben  mit  der  Gerichtsbar- 
keit nichts  zu  tun,  finden  sich  übrigens  nicht  in  den  ursprüng- 
lich von  Baiuwaren  besetzten  Gebieten  des  Liandes.  Egger 
glaubte  vor  allem  jene  Gerichte  als  Reste  alter  Hundert- 
schaften in  Anspruch  nehmen  zu  können,  die  in  der  Folge 
insbesonders  als  Landgerichte,  iudicia  provincialia  den  ein- 
fachen Gerichten  entgegengestellt  werden.  In  der  Tat  wird 
diese  Unterscheidung  in  den  Quellen  gemacht.  Indes  scheint 
sie  sich  auf  Tirol  zu  beschränken,  anderen  Teilen  des  bayrisch- 
österreichischen Rechtsgebietes  fremd  zu  sein;  und  sehr  wohl 
kann  die  Bezeichnung  Landgericht,  iudicium  provinciale  an 
der  Schranne  gehaftet  und  von  ihr  auf  jene  Gerichte  überge- 
gangen sein,  die  sich  als  Gerichtsstätte  eine  alte  Schranne  be- 
wahrt hatten.^  Wie  die  Unterabteilungen  der  Grafschaften  in 
Bayern  hießen  und  welchen  Umfang  sie  hatten,  ist  dunkel.* 
Für  die  Gerichtsverfassung  waren  sie  ohne  Bedeutung;  das 
Gericht  war  in  Bayern  Grafschaftsgericht  und  wurde 
an  den  einzelnen  Malstätten,  deren  jede  Grafschaft  mehrere 
besaß,  abwechselnd  gehalten.^    Wir  müssen  daher  von  den 


^  Die  Verle^ng  der  Schrannen  bedurfte  noch  im  14.  Jahrhundert  landes- 
fürstlicher Ermächtigung:  Markgraf  Ludwig  gestattet  dem  Perchtold  von 
Gufidaun,  seinem  Richter  zu  Gufidaun,  und  allen  den  Richtern,  die 
nach  ihm  gesetzt  werden,  daß  sie:  ,umb  alle  maleficzi  mit  vollem  ge- 
walt  siezen  und  gerichten  sullent  an  der  schranne  auf  Camp  ...  in 
eleichstaiding  an  dem  lantgericht  mit  vollem  gewalt  und  an  allen  dem 
rechten',  wie  man  früher  auf  dem  dinsacker  gerichtet  hat.  Wasserburg 
1858  Juni  24.  Handschr.  59,  f.  74  Nr.  227,  Innsbruck  8t.-A. 

'  Vermutungen  bei  Dahn,  Urgeschichte  der  Germanen  4,  152. 

•  Entscheidend  lex  Baiuwar.  2,  c.  14,  MM.  LI.  8,  287;  vgl.  Brunner, 
Deutsche  Rechtsgeschichte  2,  220;  Schröder,  Lehrbuch  der  deutschen 
Rechtsgeschichte  \  175.  Der  Einwand,  den  unter  andern  Richter  a.  a.  O. 
599  erhebt,  daß  die  bayrischen  Gaue  zu  groß  gewesen  seien,  als  daß 
monatlich  eine  Vollversammlung  der  Freien  hätte  stattfinden  kOnnen, 
erledigt  sich  durch  die  Ausführungen  von  E.  Mayer  in  den  GUJttinger 
Gelehrten  Anzeigen  1891,  349.  Die  Freien  hatten  nur  zu  erscheinen 
,wann  und  wo  der  Richter  es  befahl*  (Brunner  a.  a.  O.),  ,ubi  iudex  ordi- 
naverit*.  Übrigens  darf  auch  nicht  übersehen  werden,  daß  wir  über  die 
Größe  der  Grafschaften,  die  im  8.  Jahrundert  kaum  mehr  mit  den  Gauen 
zusammenfielen,  vgl.  unten,  nicht  unterrichtet  sind,  daß  im  8.  und  9.  Jahr- 
hundert weite  Strecken  noch  unkultiviert  und  unbesiedelt  waren  und 
daß  die  Zahl  der  Freien  vielleicht  doch  nicht  so  groß  war,  als  allgemein 
angenommen  wird.  Wenn  Dahn,  Deutsche  Geschichte  a.  a.  O.  und 
V.  Below,  Göttinger  Gelehrte  Anzeigen  1890,  310  n.  3  doch  Unterbezirke 


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Hundertacliafteii  absehen,  wenn  wir  die  Bildung  der  Land- 
gerichtssprengel  erklären  wollen;  wir  dürfen  in  Bayern  nicht; 
wie  dies  v.  Below  mit  vollem  Rechte  flir  fränkisches  Rechts- 
gebiet ausftilirt,^  von  einer  Isolierung  der  Handertschaften 
sprechen. 

Mit  mehr  Recht  fiihrt  Luschin*  die  Entstehung  der  Land- 
gerichte auf  die  Zersetzung  der  Grafschaften  durch  Immuni- 
täten und  auf  das  Erstarken  und  die  Fortbildung  grund- 
herrlicher Gerichtsbarkeit  zurück.  Doch  werden  wir 
diese  Entstehungsgründe  kaum  als  ausreichend  bezeichnen 
dürfen.  Denn  Landgerichte  treten  auch  dort  auf,  wo  keine 
Immunitäten  vorhanden  waren,  sie  durchsetzen  ja  auch  die  in 
unmittelbarer  Verwaltung  des  Landesherm  verbliebenen  Terri- 
torien in  Bayern,  Tirol,  Osterreich,  Steiermark,  und  wenn  auch 
manche  Patrimonialgerichte  an  vorhergegangene  grundherrliche 
Gerichtsbarkeit  anknüpfen,  so  doch  durchaus  nicht  alle. 

Es  wird  überhaupt  nicht  gelingen,  die  Bildung  der  Land- 
gerichte mit  einer  einfachen  Formel  zu  erklären.  Auch  diese 
Frage  kann  nur  durch  Detailforschung  gelöst  werden.  Die 
Arbeiten  an  historischen  Atlanten,  die  gegenwärtig  in  einigen 
Teilen  Deutschlands  im  Zuge  sind,  werden  sicher  unsere  Kennt- 
nisse über  die  Entstehung  der  Landgerichte  und  ihre  Entwick- 
lung in  wünschenswerter  Weise  klären  und  vertiefen.  Für  die 
bayrisch-österreichische  Gerichtsverfassung  dürfen  wir  uns  Ahn- 
liches von  dem  großen  Unternehmen  des  historischen  Atlasses 
der  deutsch-österreichischen  Alpenländer  versprechen. 

Möge  es  gestattet  sein,  einige  Beobachtungen,  die  sich 
dem  Verfasser  bei  der  Mitarbeit  an  diesem  Werke  aufgedrängt 
haben,  hier  anzuführen. 

Allerdings  gehört  das  italienische  Südtirol,  das  ihm  zur 
Bearbeitung   zugewiesen   wurde,    nicht  mehr    dem   bayrischen 

der  Grafschaften  annehmen,  die  freilich  nicht  Hundertschaften  hießen 
und  Y.  Below  aas  ihnen  die  Landgerichte  hervorgehen  läßt,  mnß  doch 
eben  bemerkt  werden,  daß  wir  Yon  dem  Bestände  solcher  Gebiete  nichts 
wissen,  daß  wir  sie  sar  Erklärung  der  Landgerichte  auch  nicht  brauchen, 
und  daß  das  Landgericht  hier  überall  an  die  Grafschaft  und  das  echte 
Ding  und  nicht  an  das  Botding  anknüpft. 

'  Historische  Zeitschr.  59,  222.  Daher  finden  auch  die  Ausführungen  Thu- 
dichums,  Gau-  und  Markverfassung  86  auf  das  bayrisch-österreichische 
Rechtsgebiet  keine  Anwendung. 

'  Geschichte  des  Gerichtswesens  105. 


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8 

Rechtskreise  an;  es  folgt  vielmehr  der  langobardisch-italieni- 
sehen  Rechtsentwicklung.  Doch  nicht  ohneweiters.  Im  Privat- 
recht  und  Zivilprozeß  zeigt  Südtirol  allerdings  große  Annähe- 
rung an  die  benachbarten  italienischen  Gebiete.  Nicht  so  ganz 
in  den  übrigen  Gebieten  des  öffentlichen  Rechtes.  Die  Graf- 
schaft Trient^  stand  seit  der  zweiten  Hälfte  des  10.  Jahr- 
hunderts in  Verbindung  mit  Kärnten  und  Bayern,  sie  wurde 
auch,  nachdem  diese  Verbindung  infolge  der  Verleihung  der 
Grafschaft  an  die  Bischöfe  von  Trient  1027  gelöst  worden  war, 
fort  und  fort  politisch  zum  deutschen  Königreiche  gerechnet.* 
Die  deutschen  Reichsgesetze  hatten  daher  auch  in  Trient  Gel- 
tung und  haben  die  Rechtsentwicklung  mannigfaltig  beeinflußt. 
So  fand  beispielsweise  die  Constitutio  criminalis  Carolina  bis  zur 
Säkularisation  subsidiär  in  Trient  Anwendung.  Dazu  kam,  daß 
schon  früh,  ja  vom  14.  bis  ins  16.  Jahrhundert  fest  ausnahms- 


Bekanntlich  ssählten  vom  houtigen  italienischen  Südtirol  oder  besser 
gesagt  —  denn  es  finden  sich  auch  deutsche  Enklaven  in  diesem  Ge- 
biete —  von  den  heutigen  Sprengein  der  Landesgerichte  Trient  und 
Rovereto  die  Landgerichte  Primör,  Ivano,  Telvana  und  San  Pietro- 
Castelalto  wenigstens  seit  1027  nicht  zur  Grafschaft  Trient,  sondern  zu 
Feltre  und  sind  erst  seit  dem  14.  Jahrhundert  mit  Tirol  verbunden 
worden.  Fassa  gehörte  zum  Bistum  Brixen  und  ist  erst  1816  zum  Kreise 
Trient  geschlagen  worden.  Seit  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts 
ist  durch  fortdauernde  Zerbröckeln  ng  eine  Anzahl  von  Gerichten  der 
ehemaligen  Grafschaft  Trient,  die  fast  ein  Drittel  ihres  Gebietes  aus- 
machten, in  direkte  Verbindung  mit  Tirol  getreten,  vgl.  Bidermann,  Die 
Italiener  im  Tirolischen  Provinzialverbande  61  f. 

Ficker,  Reichsfürstenstand  218;  Stumpf  in  Forschungen  zur  deutschen 
Geschichte  15,  160;  Durig,  Jahresbericht  der  Oberrealschule  in  Innsbruck 
1857 — 1858,  9  f.  Verfasser  dieses  Aufsatzes  hat  bereits  Zeitschr!  des  Ferdi- 
nandeums  lU,  33,  23  nachgewiesen,  daß  Trient  bezüglich  des  Wormser  Kon- 
kordates als  deutsches  Bistum  behandelt  wurde,  also  die  Investitur  vor  der 
Weihe  empfing.  Trotzdem  fehlt  Trient  in  Kretschmers  Historischer 
Geographie  von  Mitteleuropa  unter  den  deutschen  Territorien,  ebenso 
unter  den  deutschen  Bistümern,  obwohl  es  sich  nicht  nur  wie  auch  sein 
Metropolitan,  der  Patriarch  von  Aglei,  über  bedeutende  rein  deutsche 
Gebiete  erstreckte,  sondern,  wenn  auch  bis  zur  Aufhebung  des  Patriar- 
chats 1751  zu  einer  vorwiegend  italienischen  Metropolie  geh(5rend,  doch 
in  Staats -kirchenrechtlicher  Beziehung  zu  Deutschland  zählte,  indem 
die  Konkordate  der  deutschen  Nation  wie  die  anderen  Reichsgesetze  hier 
Geltung  hatten  und  das  ganze  Gebiet  in  der  Folge  bis  auf  die  unbe- 
deutenden im  Venezianischen  liegenden  Pfarren  Tignale  und  Bagolino 
zum  Amtssprengel  des  Wiener  Nuntius  gehörte. 


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los  Deutsche  auf  dem  Bischofsstahle  von  Trient  saßen,  die  ihre 
Landslente  vielfach  als  Beamte  verwendeten  und  ihre  heimi- 
schen Einrichtangen  hierher  verpflanzten.  Auch  die  enge  poli- 
tische Verbindung,  in  welche  das  Bistum  Trient  zur  Grafschaft 
Tirol  trat,  mag  da  eingewirkt  haben.  So  zeigt  sich  denn  ge- 
rade auf  dem  Gebiete  der  Gerichtsverfassung  ein  enger  An- 
schluß an  die  benachbarten  deutschen  Länder^  an  Deutschtirol 
und  den  bayrisch-österreichischen  Rechtskreis. 

Egger  allerdings  hat  geglaubt,  von  einer  besonderen  Ga- 
staldienverfassnng  sprechen  zu  sollen,  die  auf  die  Entwicklung 
der  Gerichtsverfassung   hier   von   Einfluß   gewesen   sein  soU.^ 
Doch  dem  entsprechen  die  Tatsachen  nicht.   Die  Gastalden,  be- 
kanntlich bei  den  Langobarden  Verwalter  des  Krongutes,  führen 
hier  die  Verwaltung   des  bischöflichen  Besitzes.    Es   kommen 
ihnen  keine  anderen  Funktionen  zu  als  den  deutschen  Pröpsten, 
Meiern,  Pflegern   oder  Amleuten  oder   wie   diese  Wirtschafts- 
beamten heißen  mochten.    Mit  der  Ausübung  der  öffentlichen 
Gerichtsbarkeit  hatten  sie  prinzipiell  nichts  zu  tun.   Wenn  sie, 
wie  dies    allerdings   vorkam,    damit   wirklich    betraut  waren,* 
entsprach  ihre  Stellung  vollends  der  deutscher  Burggrafen  und 
bayrischer  Pfleger.     Dann  ist  ihnen    die  Hut  einer  Burg   und 
die  Ausübung  der  Gerichtsbarkeit  in  dem  zur  Burg  gehörigen 
Bezirke  tibertragen.     Nur   der  Name    des  Amtes   lautet   hier 
anders,  das  Amt  ist  dasselbe.   Und  seit  der  Mitte  des  13.  Jahr- 
hunderts verschwindet  auch   der  Titel   in  dieser  Verwendung. 
Nun  wird  nach  den  Funktionen  genauer  geschieden.  Der  Wirt- 
schaftsbeamte wird   als    caniparius   oder  massarius,    der  Burg- 
vogt als  capitaneus  bezeichnet. 

Allerdings  ist  der  Ausgangspunkt  der  Entwicklung  hier 
ein  etwas  anderer  als  im  bayrischen  Rechtsgebiete.  Zwar 
wissen    wir    über    die   Unterabteilungen    der    langobardischen 


*  a.a.O.  418. 

*  1234  August  29.  Kink,  Fontes  rer.  Anstr.  II,  5,  Nr.  169:  Bischof  Aldrich 
verleiht  dem  Bonifacin  die  Qastaldie  in  Beseno  und  in  der  gleich- 
namigen Pfarre:  committendo  ei  faciendi  racionem  inter  homines  do- 
mini  episcopi  gastaldie  predicte  et  sentenciandi  inter  eos  secandum 
iuris  ordinem,  nnd  die  warda  des  Schlosses.  Ähnlich  die  Stellang  der  Ga- 
stalden KU  Pratalia  1234  Juli  14,  Wien  St.-A.  Liber  iorium  in  valle 
Lagari  f.  3.  Wenn  sonst  eine  Gerichtsbarkeit  der  Gastalden  besonders 
in  Urkunden  über  Freilassungen  und  Adelserhebungen  erwähnt  wird, 
handelt  es  sich  um  gutsherrliche  Gerichtsbarkeit. 


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10 

Herzogtümer  nicht  viel  mehr  als  über  die  Teile  der  bayrischen 
Gane.  Es  werden  indes  bei  den  Langobarden  iudiciariae  ge- 
nannt, die  teils  mit  den  Herzogtümern  zusammen£allen,  teils 
kleinere  Gebiete  umfassen/  dann  wohl  mit  den  sculdasiae,  den 
Amtsbezirken  der  Schuldheißen  zusammenfielen.  Und  eine 
solche  iudiciaria  ist  in  Südtirol  urkundlich  belegt,*  die  iudi- 
ciaria  summa  lacuensis,  die  in  etwas  beschränkterem  Umfange 
noch  im  heutigen  Talnamen  Judikarien  weiterlebt.  Und  eine 
solche  iudiciaria  dürfte  wohl  auch  im  Nons-  und  Sulzberg  be- 
standen haben,  der,  soviel  uns  bekannt,  seit  jeher,  im  12.  Jahr- 
hundert unter  bischöflichen  Vizedomen,  dann  unter  Hauptleuten 
einen  eigenen  Gerichtssprengel  bildete.*  Hier  also  finden  wir 
wirklich  Unterabteilungen  der  Grafschaft,*  an  welche  die 
Weiterentwicklung  der  Gerichtsverfassung  anknüpfen  konnte. 

Der  Gang  der  Entwicklung  ist  nun  in  Südtirol  besonders 
lehrreich.  Hier,  auf  dem  Gebiete  der  Notariatsurkunde  liegt 
seit  der  zweiten  Hälftie  des  12.  Jahrhunderts  ein  überaus  reiches 
urkundliches  Material  vor,  das  den  Gang  der  Dinge  näher 
beobachten  läßt  als  anderswo  und  Aufschlüsse  gewährt,  die 
auch  auf  die  Entstehung  der  Landgerichte  im  bayrisch-öster- 
reichischen Rechtsgebiete  ein  überraschendes  Licht  werfen. 
Nicht  ganz  ist  die  Auflösung  der  alten  Gerichtsbezirke  hier 
erfolgt.  Ein  Blick  auf  die  Anichsche  Karte  von  Tirol  zeigt, 
daß  die  Landgerichtsbezirke  in  Südtirol  von  sehr  verschiedener 
Größe  waren.  Die  alte  Judiciaria  summa  lacuensis,  Judikarien, 


^  Amira,  Grundriß  des  germanischen  Rechts  73. 

2  Schuldheißen  erwähnt  im  Placitum  von  845  Febr.  26,  Hühner,  Gerichts- 
urkunden Nr.  740.  Auf  bayrischem  Rechtsboden  wird  in  Tirol  Schuld- 
heiß, Justiziar  oder  Landrichter  gebraucht  bei  Schwind-Dopsch,  Urkunden 
zur  (österr.)  Verfassungsgeschichte  Nr.  22.  Die  iudiciaria  summa  lage- 
nensis  erwähnt  im  Testament  des  Bischofs  Notker  von  Verona  von  927 
Nov.  17,  De  Dionysiis,  De  duobus  episcopis  Aldone  et  Notingo  103,  in 
derselben  liegen  Breguzzo,  Bondo  und  Bolveno  bei  Tione. 

^  Reich,  ArcUivio  Trentino  17,  86.  Dagegen  bildete  das  Lagertal  keinen 
gesonderten  Verwaltungssprengel;  irrig  dafür  Suster,  Archivio  Trentino 
16,  13  f.  Der  comes  Ragilo  (Paulus  Diaconus  Histor.  Langobard.  3,  c.  9. 
MM.  SS  rer.  Lang  et  Italic.  97)  ist  kein  Graf  im  fränkischen  Sinne  des 
Wortes,  vgl.  Schupfer,  Istituzioni  politiche  Langobardiche  318.  Er  dürfte 
wohl  eine  militärische  Würde  bekleidet  haben. 

*  Das  langobardische  Herzogtum  Trient  wird  in  der  Karolingerzeit  zur 
Grafschaft. 


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11 

heute   das   Grebiet    einer   Bezirkshaaptmannschaft   (Tione)   und 
dreier  Bezirksgerichte  (Condino,  Stenico  und  Tione),  bildete  bis 
zu  den   modernen    Umwälzungen    der    Gerichtsverfassung    im 
19.  Jahrhundert  ein  einziges  Eriminalgericht,  das  allerdings  f&r 
die  bürgerliche    Gerichtsbarkeit    in   mehrere   Sprengel    zerfiel. 
Daneben  lagern   sich   die  kleinen  Gerichtssprengel  von   Riva- 
Ledro,  Arco-Penede,   Tenno   und  am  Idrosee   die  kleine  Graf- 
schaft Lodron  als  Splitter  der  alten  ludiciaria.  Und  nicht  anders 
im  Nonsberg.  Der  Nons-  und  Sulzberg,  heute  das  Gebiet  einer 
Bezirkshauptmannschaft  (Cles)  und  dreier  Bezirksgerichte  (Cles, 
Fondo,    Malö)    umfassend,    bildete   ebenfalls    der   Hauptmasse 
nach  einen  Gerichtssprengel.  Enklavenartig  aber  sind  eine  An- 
zahl kleiner   Gerichte   eingesprengt:    Castelfondo-Arzo,    selber 
wieder    aus    zwei    unzusammenhängenden    Hälften    bestehend, 
Rabbi,  Flavon,  Spaur  und  Beifort,   dies  letzte  ursprünglich  zu 
Judikarien  gehörend,    in  der  Folge  in  Verbindung  mit  Nons- 
bei^er  Schlössern.     Hier  besonders  wird  es  deutlich,    daß   der 
Prozeß  der  Auflösung  der  alten  Gerichtssprengel  nicht  überall 
in  Südtirol    zum   Abschluß  kam,    in   seinem  Laufe    gehemmt 
wurde.    Dies  hängt  wohl   mit  der  schwankenden  Haltung  zu- 
sammen^   welche    die   Bischöfe    als  Territorialherren    zur  Auf- 
lösung der  Gerichtssprengel  einnahmen.  Noch  in  der  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts   ist   der  Versuch  gemacht  worden,    den  Lauf 
der  Dinge  rückgängig   zu  machen,    die  ganze  Gerichtsbarkeit 
in  Trient  zu  konzentrieren.^ 

Ebenso  wie  in  Bayern  zeigt  es  sich  dann,  daß  die  Ge- 
richtssprengel keineswegs  von  altersher  sich  gleichbleiben. 
Viel  stabiler  ist  vielmehr  die  Pfarre,  die  sich  in  der  älteren 
Zeit  sichtlich  auch  mit  der  Markgemeinde  deckt.  Die  Ge- 
richtssprengel schwanken  vielfach,  entstehen  und  vergehen  und 


^  1259  November  25.  Bischof  Egno  verordnet:  qaod  omnes  cause  et  qne- 
stiones  tarn  civiles,  maleficiorum,  iniariarum  quam  aliarum  omniura 
racionam  Ananie  et  Volsane,  ludicarie  et  aliorura  locorum  episcopatus 
et  districtns  Tridenti  debeant  venire  ventilari  et  cognosci  et  tenninari 
locoram  predictoram  in  civitate  et  curia  Tridenti  per  d™  episcopum 
Tridentinam  vel  eins  assessorem  vel  indicem,  und  verbietet  allen  capi- 
tanei  und  gastaldiones  eine  Klage  entgegenzunehmen,  nisi  ut  antiquitus 
aadire  et  eog^oscere  consueverunt,  ausgenommen  nur  die  gastaldiones 
von  Bozen  und  Riva,  also  die  Stadtrichter.  Liber  Zachei  f.  2^  Nr.  3, 
Wien  St-A. 


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12 

sind  erst  im  Beginne  der  Nenzeit  einigermaßen  feststehend 
geworden,  insofern  als  damals  die  Entstehung  neuer  Sprengel 
im  großen  und  ganzen  abgeschlossen  ist. 

Neben  diesem  vielfach  engen  Anschluß  an  das  deutsche 
Nachbargebiet  darf  freilich  nicht  übersehen  werden,  daß  die 
landesfiirstliche  Gewalt,  die  sich  hier  bildete,  in  ihrer  Macht- 
fülle den  benachbarten  deutschen  Fürsten  kaum  vergleichbar 
war.  Das  1 3.  Jahrhundert,  das  in  Bayern,  in  Osterreich,  in 
Tirol,  selbst  im  Salzburger  Stiftslande  ein  mächtiges  Landes- 
flirstentum  emporblühen  sah,  war  für  Trient  ein  Zeitalter  der 
Schwäche  und  Auflösung.  Schon  früher  waren  die  Bischöfe 
nur  mit  Mühe  der  unruhigen  Elemente,  die  sie  in  ihrem  Adel 
und  in  ihren  Bürgern  besaßen,  Herr  geblieben.  Der  Regierung 
des  kräftigen  Friedrich  von  Wangen  folgte  jäher  Verfall.  Noch 
einmal  raffte  die  Reichsverwaltung  die  Kräfte  zusammen.  Mit 
dem  Sturze  der  staufischen  Herrschaft  war  das  Schicksal  des 
Bistums  besiegelt.  Nicht  vennochte  die  wiederhergestellte 
schwache  geistliche  Herrschaft  ein  kraftvolles  Regiment  zu  ent- 
wickeln. Es  folgten  die  Konflikte  mit  den  mächtig  ausgreifen- 
den Tiroler  Landesherren,  aus  denen  das  Bistum  verkleinert 
und  geschwächt  hervorging,  bis  endlich  auch  der  Rest  durch 
die  Kompaktaten  Rudolfs  IV.  in  halbe  Abhängigkeit  von  Tirol 
geriet.  Und  schwach,  ja  vielfach  auch  schlecht^  blieb  das  Regi- 
ment der  Bischöfe,  bis  endlich  die  Säkularisation  der  unglück- 
seligen Zwitterstellung  des  Hochstiftes  ein  Ende  bereitete,  an 
deren  üblen  Folgen  freilich  noch  die  Enkel   zu  tragen  haben. 

Ob  sich  in  Bayern  die  Grafschaften  je  mit  den  Gauen 
deckten,  wissen  wir  nicht.*  Schon  früh  wird  dies  nicht  mehr 
der   Fall    gewesen    sein.    Denn    bereits    Paulus    Diaconus    be- 


^  Den  Beweis  wird  Verfasser  in  seiner  Tiroler  Geschichte  und  in  einer 
größeren  Arbeit  über  die  Tiroler  Gerichtsverfassung  seit  1780  liefern. 
Schlecht  war  die  Verwaltung  namentlich  seit  dem  16.  Jahrhundert.  Gerade 
die  glänzenden  Bischöfe  Bernhard  von  Cles  und  die  Madrutz  haben  das 
Land  in  ungerechter  Weise  ausgebeutet  und  einem  krassen  Nepotismus 
gehuldigt.  In  der  Folge  trat  der  Marasmus  dieses  Regiments  je  länger, 
je  mehr  zutage. 

^  Die  Grafschaften  dürften  in  Bayern  doch  nicht  erst  dem  fränkischen 
Einflüsse  ihre  Entstehung  verdanken.  Paulus  Diaconus  erwähnt  bereits  zu 
Ausgang  des  T.Jahrhunderts  einen  coraes  Baioariorum,  quem  illi  gravionem 
dicunt.  (5,  c.  36,  MM.  SS.  Rer.  Lang,  et  Italic.  156).  Jedenfalls  geht  daraus 
hervor,  daß  diese  Benennung  zu  Ende  des  8.  Jahrhunderts  in  Bayern  gang 


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13 

richtet  von  einem  bayrischen  Grafen,  der  Bozen  verwaltete. 
Wenn  auch  Bozen  zum  Gau  Norital  gerechnet  wurde,  ^  so  ist 
doch  Bozen  schwerlich  je  der  Mittelpunkt  dieses  großen  Gaues, 
der  das  ganze  Eisacktal  umfaßte,  gewesen.  Jedenfalls  sind  die 
Gaue,  wie  Richter  nachgewiesen  hat,  seit  der  spätkarolingischen 
Zeit  zu  geographischen  Begriffen  geworden,  die  sich  nicht 
mehr  mit  dem  Umfang  der  Gerichtssprengel,  der  Grafschaften 
deckten  5*  schon  im  10.  Jahrhundert  ist  das  Bestehen  mehrerer 
Grafschaften  auf  dem  Boden  eines  Gaues  in  Bayern  nachzu- 
weisen.' Anders  lagen  die  Dinge  allerdings  in  den  Marken; 
sie  bildeten  ein  einheitliches  Verwaltungsgebiet,  in  dessen 
gimzem  Umfange  die  ordentliche  Gerichtsgewalt  dem  Mark- 
grafen zustand.  In  den  Marken  hat  daher  die  Zersplitterung 
der  Gerichtsbezirke  etwas  später  eingesetzt  und  nicht  alle  Fak- 
toren, welche  für  das  altbayrische  Stammland  in  Betracht 
kamen,  waren  hier  in  gleicher  Weise  wirksam. 

Mehrere  Motive  haben  auf  die   Zerstücklung  der  alten 
Grafschaften,    auf   die   Bildung  der  Landgerichte   eingewirkt. 


und  gäbe  war.  Daß  der  Graf  Vorsitzender  des  Gerichtes  war  and  nicht 
der  index,  geben  anch  diejenigen  zu,  die  wie  Opet,  Geschichte  der 
Prozeßeinleitongsformen  67;  E.  Mayer  in  den  Göttinger  Gelehrten  An- 
zeigen 1891,  349  den  iudex  als  urteilend  auffassen.  Indes  dürfte  die 
Ansicht,  die  Beseler  in  der  Zeitscbr.  für  Rechtsgesch.  9,  248  f.  gegen 
Merkel  begründet  hat,  den  Vorzug  verdienen,  wonach  der  iudex,  deutsch 
eosago,  öasagari,  6teilo,  urteilo  gleichwie  bei  den  Alemannen  nur  das 
Urteil  fand.  Diese  Ansicht  ist  jedenfalls  die  herrschende  geworden,  vgl. 
Branner,  Deutsche  Rechtsgesch.  1,  150;  Schröder,  Rechtsgesch.  \  175; 
Riezler,  Geschichte  Bayerns  1,  128.  Daß  die  Bedeutung  des  Wortes 
index  in  der  lex,  die  ja  vielfach  den  westgotischen  Gesetzestext  wieder- 
holt, eine  schwankende  ist,  iudex  fQr  Behörde  überhaupt  gebraucht  wird 
nnd  daher  den  Ghrafen  and  Herzog  mitumfaßt,  ist  schon  mehrfach  her- 
vorgehoben worden,  vgl.  Waitz,  Deutsche  Yerfassungsgesch.  2,  n,  155  f. 
Der  bayrische  iudex  wird  zum  Schöffen,  vgl.  Riezler,  Forschungen  zur 
deutschen  Geschichte  18,  526.  Der  im  12.  Jahrhundert  auftauchende 
Landrichter  (iudex)  kann  daher  nicht  an  den  alten  iudex  des  bayri- 
schen Yolksrechtes  anknüpfen. 

*  Nach  Hauthaler,  Salzbarger  Urkundenbach  1,  Nr.  67  (923),  wo  Mölten 
und  Terlan  als  in  comitatu  Nurihtale  befindlich  bezeichnet  werden,  vgl. 
Egger  a.  a.  O.  416.  Egger  denkt  an  zeitweise  Vereinigung  der  Graf- 
schaften Bozen  und  Eisacktal. 

'  a.  a.  0.  606.  Er  spricht  sich  überhaupt  gegen  Zusammenfallen  von  Gau 
and  Gra&chaft  aus. 

'  Richter  a.  a.  O.  606;  Rosenthal,  50;  Riezler,  Gesch.  Bayerns  1,  843. 


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14 

Zanächst  die  Znnahme  der  Besiedlang  und  Bevölke- 
rung.^ Die  österreichischen  Länder  sind  ja  zum  guten  Teile, 
wie  Niederösterreich,  Steiermark,  Kärnten,  Kolonialländer  im 
wahren  Sinne  des  Wortes  gewesen.  Hier  ist  die  deutsche  Be- 
völkerung erst  im  wesentlichen  seit  der  Karolingerzeit  einge- 
wandert und  hat  die  älteren  Besiedler  wenigstens  nördlich  der 
Drau  verdrängt.  Hier  konnte  nicht  an  ältere  Einrichtungen 
angeknüpft  werden,  hier  galt  es  von  allem  Anfang  an,  flir  die 
Bedürfnisse  der  Siedler  neue  Ordnungen  zu  schaffen.  Aber 
auch  auf  altbayrischem  Boden  in  der  Ebene  sowohl  als  in  den 
Bergen  hat  die  innere  Kolonisation  großen  Umfang  und  große 
Bedeutung  gehabt.  Vom  10.  bis  ins  12.  Jahrhundert  lichteten 
sich  die  Wälder,  die  einen  bedeutenden  Teil  des  Landes  be- 
deckten.^ Dasselbe  war  in  Tirol  der  Fall.  Die  vielen  deutschen 
Dorf-  und  Hofnamen,  die  sich  hier  mitten  unter  älteren  romani- 
schen finden,  deuten  der  Mehrzahl  nach  auf  Besiedlung  in 
dieser  Zeit.^  Damals  sind  die  Nebentäler  des  Inntales,  das 
Sellrain,  Otz-  und  Pitztal,  das  Achental,  die  Leutasch,  ein 
guter  Teil  des  Pustertales,  so  manche  Seitentäler  des  Eisack- 
tales  besiedelt  worden.*  Und  nicht  minder  in  Südtirol.  War 
schon  hier  im  9.  Jahrhundert  ein  Teil  des  Adels  bayrischen 
Ursprungs  und  griff  das  große  Kolonisationsgebiet,  das  sich 
wohl  schon  seit  dem  9.  und  10.  Jahrhundert  am  Südostabhang 
der  Alpen  im  Gebiete  von  Verona,  Vicenza  und  Feltre  ge- 
bildet hatte,  auch  höchst  wahrscheinlich  in  den  Vabugan  und 
die  Grafschaft  Trient  (Lusern,  Lavarone)  hinüber,  so  drangen 
nun  seit  dem  11.  und  12.  Jahrhundert  deutsche  Kolonisten 
rüstig  auch  im  Etschtale  vor.  Zunächst  wurden  die  Höhen, 
welche  das  Etschtal  an  der  linken  Seite  umflanken,  von  Bozen 
bis  fast  zur  heutigen  Landesgrenze  von   der  Hacke  deutscher 


^  Worauf  bereits  v.  Below,  Histor.  Zeitschr.  69,  217;  Egger  a.  a.  O.  377 
und  andere  hingewiesen  haben;  ygl.  auch  Keutgen,  Untersuchungen  über 
den  Ursprung  der  deutschen  Stadtverfassung  15. 

'  Biezler,  Geschichte  Bayerns  1,  771;  Inama-Stemegg,  Deutsche  Wirt- 
schaftsgeschichte 2,  20  f. 

^  Alter  sind  die  Namen  mit  dem  Suffix  ing  im  Inntale,  die  wang-Namen 
sowie  die  deutschen  Namen  bei  Bruneck,  vgl.  Redlich,  Zeitsch.  des  Deut- 
schen und  österreichischen  Alpenvereins  1897,  80  f. 

*  Redlich,  Ein  alter  Bischofissitz  im  Gebirge.  Zeitschr.  des  Deutschen  und 
Österreichischen  Alpenvereins  1890,  39  f.,  44. 


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15 

Baaem  der  Knttor  erobert  Dm  reihten  sich  aneinander  Welsch- 
and  Deatachnofen,  schon  durdi  ihre  Namen  als  Kolonisten' 
ddrfer  gekennzeidmet,  Aldein,  Fleims,^  Pinä  und  südlich  des 
Dnrchbnidies  der  Fersina,  angrenzend  an  jenes  filtere  Koloni- 
aation^ebiet,  Fdgmreit,  Costa,  Terragnol  und  Vallarsa.  Und 
such  im  Talboden  selber  wurde  rtLstig  gearbeitet  Die  Grtln- 
dang  des  mit  deutschen  Chorherren  besetzten  Klosters  St  Michel 
ao  der  Etsch,  das  Fennbei^  und  seine  Besitsongen  in  Giovo 
und  Umgebong  durch  deutsche  Bauern  bewirtschaftete,  die 
Anlage  des  bald  deutsch  gewordenen  Neumarkt  waren  hier 
die  entscheidenden  Tatsachen.  Noch  lange  hat  diese  Koloni- 
sation weiter  gedauert  Tramin,  durch  seinen  vortrefflichen 
Rotwein  bekannt,  ist  als  Weinort  zu  Beginn  des  13.  Jahrhun- 
derts durch  Bischof  Friedrich  von  Wangen  angelegt  worden.* 
Ja  noch  im  14.  Jahrhundert  haben  an  der  heutigen  Sprach- 
grenze zwischen  Deutschmetz  und  Margreid  umfangreiche  Ro- 
dungen von  Weinland  stattgefunden.' 

Bei  dieser  weitgehenden  Zunahme  der  Bevölkerung  und 
der  bewohnten  Grundfläche  konnte  die  alte  Gerichtseinteilung 
nicht  mehr  ausreichen.  Denn  diese  Kolonien  lagen  teilweise 
auf  hohen  Bergrtlcken,  die  vom  Tale  nur  auf  stundenlangen 
Saumpfaden  zugänglich  waren.  Da  mußte  es  im  Interesse  der 
Kolonisten  zur  Neuerrichtung  von  Gerichtssprengeln  kommen. 


'  Die  Herkanft  der  Fleimser  ist  nooh  nicht  aa%eklärt.  Ihr  Recht  enthält 
mehr  deatsche  Elemente  als  jedes  andere  in  Südtirol.  Doch  waren  sie 
weder  Langobarden,  noch  Baiuwaren.  Man  könnte  am  ehesten  an  eine 
Kolonie  aus  dem  romanischen  Rheintale,  dem  Bündnerlande  denken. 
Tgl.  Festgaben  für  Bfidinger  358,  das  ja  stark  unter  fr&nkisoh-alemanni- 
schem  Einfloß  stand. 

'  Noch  lange  lebt  die  Erinnerung  daran  fort  in  den  Leiheurkunden  der 
Weinberge;  das  Leiherecht  wird  durchaus  in  diesen  auf  den  genannten 
Bischof  zurückgeführt. 

'  Exkönig  Heinrich  verleiht  seinen  (unehelichen)  Brüdern  Heinrich  Dom- 
herrn von  Brizen  und  Heinrich  von  Eschenloh  40  Joch  unbebauten  Lan- 
des zu  Aicholtz  in  pertinentiis  Meczi  zur  Urbarmachung;  St.  Zenoberg, 
1327  Kovember  29.  Derselbe  für  Albert  von  Forst,  Gotschalk,  Richter 
zu  Enn  und  Heinrich  von  SchOnna,  gibt  ihnen  Gewalt  an  seiner  statt 
daz  Aicholz  ze  Mecz  uns  und  unsem  erben  ze  einem  zins  ze  raeuten 
und  ze  pauen;  1327  Dezember  3.  Hdschr.  392  f.  1  und  1^  Nr.  2  und  4, 
Wien  St.-A.  Hier  werden  wohl  die  berühmten  Teroldego-Reben  (Tiroler) 
angepflanzt  worden  sein. 


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16  ^ 

die  gewiß  vielfach  mit  der  Anlage  dieser  Kolonien  Hand  in 
Hand  ging.  Die  Gemeinde  Fleims  bildet  einen  eigenen  Gerichts- 
bezirk schon  zn  An&ng  des  12.  Jahrhunderts.^  Darauf  und 
nicht;  wie  Egger  annahm^  auf  die  GastaldienverfEussung  gehen 
jene  kleineren  Gerichte  zurück^  die  einzelne  dieser  Bergge- 
meinden umfassen,  wie  Flaas*  und  Campidell,  Mölten,  Jene- 
sien,  Wangen,  Deutschnofen,  Steineck  und  Welschnofen  bei 
Bozen.  Und  südlich  von  Trient  war  dasselbe  der  Fall  mit 
Folgareit,  das  ebenfalls  seit  1440  einen  eigenen  Gerichtssprengel 
bildete/  mit  Ledro  usw. 

Neben  diesem  wirtschaftlichen  Motive  wirkte  dann  ein 
persönliches  zur  Auflösung  der  alten  Grafschaften.  Daß  die 
Grafschaften  Lehen  wurden,  ist  für  die  Gerichtsverfassung 
von  der  größten  Bedeutung  geworden.  Indem  sie  als  Lehen 
erblich  wurden,  mußte  es  zu  Teilungen  und  andererseits 
wieder  zur  Vereinigung  weit  verstreuter  Gebiete  kommen. 
Noch  lange  behielt  das  Reich  einen  maßgebenden  Einfluß  auf 
das  Schicksal  der  Gerichtssprengel.  Die  Veränderung  der  Ge- 
richtsverfassung, die  Teilung  der  Grafschaften,  die  Veräußerung 
der  Grafengewalt  waren  an  die  Zustimmung  des  Königs  ge- 
bunden.* Zugleich  war  die  Vereinigung  mehrerer  Grafschaften 
in  einer  Hand  verboten,  jede  Grafschaft  mußte  ihren  Grafen 
haben^^  Indes  diese  Sätze,  die  der  Sachsenspiegel  noch  als 
geltendes  Recht  verkündet,  haben  zu  seiner  Zeit  im  bayrisch- 
österreichischen  Rechtsgebiet  ebenso  wenig  wie  die  königliche 
Bannleihe,  wenigstens  auf  dem  herzoglichen  und  Markboden 
Geltung  gehabt. '^  Damit  war  hier  dem  Landesfürsten  die  Mög- 


^  Anerkannt  in  den  Privilegien  des  Bischofs  Gebhard  von  1111  oder  1112, 
Schwind-Dopsch  Nr.  3. 

*  Flaas  und  Dentschnofen  scheinen  erst  nach  1237  und  1242  als  Gerichte 
entstanden  zu  sein,  vgl.  Acta  Tirol.  2,  Nr.  864  und  Einl.  205. 

*  Bottea,  Cronaca  di  Folgaria  24.  Folgareit  und  Ledro  waren  allerdings 
nur  Niedergerichte.  Ledro  ist  eigener  Gerichtssprengel  mindestens  seit 
1608. 

*  Schröder,  Zeitschr.  der  Savignystiftung  für  Rechtsgesch.,  Germ.  Abt.  5,  49; 
Rechtsgesch.  *,  657. 

•*  Schröder,  Zeitschr.  der  Savignystiftung  5,  49. 

*  Schröder,  Rechtsgesch.  *,  572  n.  169.  Vgl.  über  das  Dingen  bei  mark- 
gräflichen Hulden  Kuhns,  Geschichte  der  Gerichtsverfassung  und  des 
Prozesses  in  der  Mark  Brandenburg  45  f. 


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17 

lichkeit  zu  tieferen  Eingriffen  in  die  Gerichtsverfassung,  zu 
einer  den  wachsenden  Bedürfiiissen  angepaßten  Neuordnung 
gegeben^  ebenso  wie  aus  denselben  Gründen  diese  süddeutschen 
Gebiete  rasch  zu  Territorien  im  staatsrechtlichen  Sinne  er- 
wuchsen, indem  die  Territorialherren  in  Bayern,  Salzburg  und 
Tirol  seit  dem  13.  Jahrhundert  die  reichsunmittelbaren  oder 
auch  von  ihnen  lehenbaren  Grafschaften  in  großem  Umfange 
einzogen.* 

In  Älterer  Zeit  war  es  vor  allem  die  Verleihung  der 
Immunität  von  Seite  des  Königs,  durch  welche  der  Verband 
der  Grafschaft  durchbrochen  werden  konnte.  Allerdings  die 
Immunität  hat  erst  später  diesen  Inhalt  erhalten^  und  sie 
mußte  ihn  auch  dann  keineswegs  besitzen.  Es  hat  Fälle  genug 
gegeben,  in  denen  das  immune  Gebiet  in  einem  gewissen  Zu- 
sammenhang mit  der  Grafschaft  geblieben  ist.^  DaftLr  ist  ge- 
rade ein  Fall  aus  Südtirol  besonders  lehrreich.  Das  Domkapitel 
von  Verona  besaß  in  Judikarien  drei  Dörfer,  die  ihm  schon 
zu  Beginn  des  10.  Jahrhunderts  durch  Schenkung  zugekommen 
waren.  Mag  auch  die  Urkunde  Kaiser  Berengars,  welche  die 
Schenkung  bestätigt  und  Immunität  verleiht,^  kaum  echt  sein, 
spätere  Diplome  haben  die  Immunität  im  weitesten  Umfange 
gewährt.  Das  Domkapitel  hat  denn  auch  dort  Richter  einge- 
setzt, Steuern  erhoben,  Statuten  verkündigt,  welche  die  Be- 
straftmg  selbst  der  schwersten  Verbrechen  regelten.  Und  so 
konnte  es  im  13.  Jahrhundert  die  Behauptung  wagen,  daß  die 
Dörfer  nicht  zur  Grafschaft  Trient  gehörten.  Freilich  nicht 
ohne  Widerspruch  von  Seite  Trients.  Die  Gerichtsbarkeit  des 
Kapitels  mußte  Trient  schließlich  freilich  anerkennen;  doch  ist 
dieses  Gericht  wieder  verschwunden,  als  das  Domkapitel  seinen 
Besitz  in  Judikarien  gegen  Ausgang  des  13.  Jahrhunderts 
verlor.^ 


^  Biezier,  Gesch.  Bayerns  2,  13  f.;  Richter  a.  a.  O.  618  f. 

'  Heosler,  Der  Ursprung  der  deutschen  Stadtverfassung  84  f. 

'  Seeliger,  Die  souale  und  politische  Bedeutung  der  Grundherrschaft; 
Abhandl.  der  phil.-hist.  Klasse  der  kOnigl.  sächs.  Gesellsch.  der  Wissen- 
schaften 22,  99. 

*  Schiaparelli,  I  diplomi  di  Berengario  I,  Nr.  118. 

'  Für  das  N&here  sei  sowohl  wegen  dieser  als  der  folgenden  Ausführungen 
auf  eine  Arbeit  verwiesen,  die  Verf.  über  die  Immunitäts-  und  leibherr- 
liche Gerichtsbarkeit  in  Südtirol  vorbereitet. 

ArchiT.  XCnr.  Band.  2 


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18 

Immerhin  konnte  die  Immonität  zu  dauernder  Ausschei- 
dung aus  dem  Grafschaftsverbande,  zur  Bildung  eigener  Ge- 
richte führen.  Das  Bistum  Chur  behauptete  die  hohe  Gerichts- 
barkeit im  Mtinstertale^  und  lange  Zeit  auch  über  einen  guten 
Teil  seiner  Gotteshausleute.  Auf  altes  Immunitätsgebiet  dürften 
wohl  auch  jene  Gerichte  zurückgehen,  in  denen  das  Hochstift 
Brixen  die  Gerichtsbarkeit  behauptete:  Stadt-  und  Hofgericht 
Brixen,  Lüsen,  Salem,  Niedervintel,  Anras,  Tilliach,  Thum 
an  der  Gader,  Buchenstein  und  Fassa,*  das  erweislich  aus 
einem  Brixnerischen  Meiergerichte  hervorgegangen  ist,  indem 
die  Bischöfe,  die  vorher  die  Entscheidung  der  Malefiz-  und 
wichtigeren  Zivilsachen  ihrem  eigenen  oder  dem  Gerichte  von 
Kommissären  vorbehalten  hatten,  seit  dem  13.  Jahrhundert  einen 
eigenen  Richter  im  Tale  setzten.  Inwieweit  Trienter  Gerichte 
aus  Immunitäten  hervorgegangen  sind,  läßt  sich  nicht  mehr 
entscheiden.  Es  dürfte  nändich  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß 
auch  Trient  so  gut  wie  andere  Hochstifl^r  seine  Immunitäts- 
privilegien erhalten  hat,  die  freilich  früh  zugrunde  gegangen 
sein  müssen.  Möglich,  daß  die  Verwendung  der  Gastalden  f&r 
Zwecke  der  Gerichtsverwaltung  auf  eine  ältere  Tätigkeit  als 
Immunitätsrichter  zurückgeht.  Eine  Immunität  ist  vielleicht 
Fleims  gewesen,    wo  der  Bischof  in  der  Tat  Grundherr  war.^ 

Auch  fiir  das  Salzburger  Stiflsland  nimmt  Richter*  die 
Entstehung  einiger  Landgerichte  aus  altem  Immunitätsboden 
an,  und  sicher  gilt  dies  von  jenen  Landgerichten,  die  auf  den 
großen  Besitzungen  der  bayrischen  Reichskirchen  in  Österreicl^ 
Steiermark,  Kärnten  und  Krain  erwachsen  sind.  Gleichwie 
aber  diese  Kirchen  die  hohe  Gerichtsbarkeit  auf  ihren  Immu- 
nitäten vielfach  frühzeitig  verloren,^  sich  nur  die  niedere  be- 
wahrten, die  hohe  erst  in  der  Folge  unter  Ausnützung  gün- 
stiger Gelegenheit   teilweise  zurückerwarben,*   so  konnte  auch 


*  Egger  a.  a.  O.  423;  Weistümer  3,  337. 

•  Wenn  nicht  bei  einigen  dieser  Gerichte  spätere  Exemtion  sagansten 
der  mit  diesen  Gerichten  belehnten  Ministerialen  für  ihre  Bargfrieden 
Yoriiegt,  das  Gericht  sich  also  hier  anf  Grand  eines  älteren  Bargfriedens- 
bezirkes  entwickelte. 

»  Vgl.  AcU  Tirol.  2,  EinL  96. 

*  a.  a,  O.  617.  »  Richter  a.  a.  O. 

•  Wie  Passaa  1277,  vgl.  Redlich,  Rudolf  von  Habsbarg  344;  Srbik,  Die 
Beziehungen  von  Staat  und  Kirche  in  Österreich  in  Dopsch,  Forschun- 
gen TOT  inneren  Geschichte  Österreichs  1,  53. 


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19 

das  Stift  Innichen  in  Tirol  trotz  seiner  weitgehenden  Privi- 
legien^ sich  nur  im  Besitze  der  niederen  Gerichtsbarkeit  und 
anch  dieser  nur  in  beschränktem  Gebiete  behaupten^  da  die 
Grafen  von  Görz  als  Vögte  nicht  nur  die  Hochgerichtsbarkeit 
beanspruchten,  sondern  für  einen  guten  Teil  des  Immunitäts- 
gebietes auch  die  niedere  an  sich  rissen.* 

Gefährlicher  noch  war  fUr  den  Zusammenhang  der  Graf- 
schaften die  Exemtion  weltlicher  Herren.  Denn  auf  geist- 
lichem Immunitätsboden  behielt  der  Graf,  wenn  er  zugleich 
Vogt  der  Barche  war,  was  vielfach  zutraf,  die  Ausübung  der 
hohen  Gerichtsbarkeit  in  seinen  Händen,  wenn  auch  das  Immu- 
nitätsland dann  einen  eigenen  Gerichtssprengel  bildete.  Auf 
dem  Boden  der  Mark,  wo  die  geistlichen  Immunitäten  nicht 
bedeutend  waren,  finden  wir  eine  Reihe  von  Familien  im  Be- 
sitze exemter  Gebiete,  die  Grafen  von  Peilstein,  Hardeck'  usw., 
seit  Rudolf  von  Habsburg  die  hohenzollerischen  Burggrafen  von 
Nürnberg  mit  ihrem  Besitze  Seefeld.  Auch  in  Tirol  gab  es 
reichsunmittelbare  Gebiete.  Die  Grafschaft  Ulten  ging  vom 
Reich  zu  Lehen,*  und  auch  die  Grafen  von  Flavon  behaup- 
teten einen  Zusammenhang  mit  dem  Reiche.^  So  lange  Ver- 
änderungen in  der  Gerichtsverfassung  nur  durch  den  deutschen 
König  geschehen  konnten,  solange  die  Blutbannleihe  Sache  des 
deutschen  Königs  war,  war  eine  Exemtion  von  der  Graf- 
schaft nur  durch  Eingreifen  des  Königs  möglich.  Be- 
kanntlich hat  Kaiser  Friedrich  I.  nach  der  Deutung  Brunners 
im  Privilegium  minus  auf  die  Erteilung  von  Exemtionen  in 
Österreich  verzichtet.  Das  Reich  hat  denn  auch  hier  abgesehen 
von  den  Zeiten  der  Reichsverwaltung  unter  Kaiser  Friedrich  II. 
und  König  Rudolf  von  Habsburg  sich  aller  Eingriflfe  enthalten. 
Aber  in  den  anderen  Territorien  war  dies  nicht  der  Fall.  Kaiser 
Karl  rV.  und  Sigismund  haben  bekanntlich  die  Grafschaft 
Cilli  errichtet,*  die  wie  ein  Keil  die  innerösterreichischen  Terri- 


'  Friedrich  I.  1187  April  19,  Stumpf  4477. 

*  Egger,  Tirol.  Weistümer  4,  660. 

^  Lnschin,   Gerichtswesen  104;    Adler,  Zar  Rechtsgeschichte   des  adeligen 
Onmdbesitzes  in  Österreich  161. 

*  Egger,  Mitteil,  des  Inst,  Ergänzangsbd.  4,  426. 
»  Urk.  1308  Wien  St-A. 

*  Haber,  österr.  Geschichte  3,  48. 


2* 


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20 

tonen  der  Habsburger  zu  zerspalten  drohte.  In  Tirol  danken 
die  Grafen  von  Arco^  und  Lodron*  Privilegien  der  Kaiser 
Sigismund  und  Friedrich  III.  ihre  Erhebung.  Beiden  Familien 
wurden  ihre  Grafschaften  als  Reichslehen  verliehen,  und  von 
beiden  ist  dann  in  der  Folge  die  Reichsunmittelbarkeit  in  An- 
spruch genommen  worden.  Beide  schieden  damit  aus  der  Graf- 
schaft Trient  aus;  die  Reichsunmittelbarkeit  konnten  sie  frei- 
lich nicht  behaupten,  indem  sie  unter  tirolische  Landeshoheit 
gerieten.  Auch  die  Bischöfe  von  Brixen  danken  die  Erwerbung 
des  vollen  Blutbannes  in  der  Stadt  Bruneck  erst  einem  Privileg 
Karls  IV.» 

Indes  begannen  die  Landesfürsten  selber  Exem- 
tionen zu  erteilen  und  sie  konnten  dies  umso  eher,  seitdem 
die  Verleihung  des  Blutbannes  auf  sie  übergegangen  war.  Daß 
die  Babenberger  seit  1156  eine  beträchtliche  Anzahl  solcher 
Freiungen  verliehen  haben,  hat  Brunner  nachgewiesen.*  Den 
Gefreiten  wurde  teils  die  hohe,  teils  auch  nur  die  niedere  Ge- 
richtsbarkeit innerhalb  der  Freiungen  überlassen. 

Zweifelhaft  bleibt  es,  wie  weit  in  unserem  Rechtsgebiete 
die  Gerichtsbarkeit  des  Leib-  und  Gutsherrn  über 
seine  unfreien  Untertanen  und  über  seinen  Grund- 
besitz im  12.  und  13.  Jahrhundert  noch  anerkannt  war.^  In 
der  Mark  Österreich  ist  dies  sicher  noch  in  weitem  Maße  der 
Fall  gewesen.  Hier  im  Kolonialland  war  ja  die  Besiedelung  im 
wesentlichen  auf  geschlossenem  Großgrundbesitz  erfolgt.  Da 
mag  sich  die  Hofverfassung  mit  ihrer  hofrechtlichen  Gerichts- 
barkeit fester  und  lebendiger  erhalten  haben,  als  auf  alt- 
bayrischem Boden  und  namentlich  in  den  Bergen  mit  ihrer 
teilweise   freien   Bauembevölkerung    und    ihrem    zersplitterten 


^  Pranzelores,  Tridentum  3,  401;  Bidermann,  Die  Italiener  im  tirol.  Pro- 
vinzialverbande  99. 

*  Bidermann  115.  Diplom  von  1452  April  6,  Reichsreg.  K.  Friedrichs  III. 
F.,  f.  40;  Chmel,  Regesten  Friedrichs  III.,  Nr.  2821. 

'  Sinnacher,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Kirche,  Sähen  and  Brixen  5, 
461;  Huber,  Regesten  Karls  IV.,  Nr.  4991. 

*  Sitznngsber.  der  Wiener  Akad.  47,  345  f.  Über  landesfiirstliche  Exem- 
tionen in  Steiermark  Krones,  Verfassung  und  Verwaltung  der  Mark  und 
des  Herzogtums  Steier  127  f. 

^  Für  die  ältere  Zeit  vgl.  Brunner,  Rechtsgeschichte  2,  283;  Schröder  ^, 
179,  605. 


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21 

Grundbesitz.*  Im  Herzogtum  Bayern  wird  sie  den  Ständen 
durch  das  bekannte  Privileg  des  Herzogs  Otto  von  1311  ein- 
geräumt. Doch  bleibt  es  streitig,  ob  dieses  Privileg  den  Grund- 
herren neue  Rechte  zuerteilte,  oder  ob  es  nicht  bloß  längst 
bestehendes  anerkannte.*  Gewöhnlich  entscheidet  man  sich, 
insofern  die  weltlichen  Grundherren  in  Betracht  kommen,  für 
das  erste  und  erblickt  in  dem  Privileg  ein  verhängnisvolles 
Zugeständnis  an  die  wachsende  Macht  der  Stände.  Auch  für 
Tirol  ist  die  Frage  nicht  geklärt.  Im  allgemeinen  haben  hier 
die  Landgerichte  neben  der  hohen  auch  die  niedere  Gerichts- 
barkeit behauptet,  ein  Beweis  dafür,  daß  nur  ein  Bruchteil  der 
Bevölkerung  der  grundherrlichen  Gerichtsbarkeit  unterstand. 
Allgemein  kam  diese  dem  Adel  hier  keineswegs  zu.  Marga- 
rete Maultasch  fand  es  für  nötig,  einem  ihrer  Adeligen,  dem 
Hans  von  Starkenberg,  durch  besonderes  Privileg  die  niedere 
Gerichtsbarkeit  über  seine  Eigenleute  in  den  Gerichten  Peters- 
berg, Imst  und  Landeck  einzuräumen.'  Es  wird  wohl  kein  ein- 
heitlicher Rechtszustand  geherrscht  haben,  die  alten  Geschlechter 
wie  die  Matscher  haben  diese  Gerichtsbarkeit  behauptet,*  die  jun- 
gem, selber  aus  der  Unfreiheit  emporgestiegen,  ihrer  gedarbt.  Für 
Stidtirol  liegen  die  Dinge  klarer.  Eine  Reihe  von  Zeugnissen 
läßt  keinen  Zweifel  übrig,  daß  den  Ritterlichen  die  Gerichts- 
barkeit über  ihre  Eigenleute  zustand.*  Allerdings  in  der  Regel 
nur  die  niedere.  So  übten  also  einige  Grund-  und  Leibherren 
die  Gerichtsbarkeit  noch  aus  eigenem  grund-  und  leibherrlichen 
Rechte,  andere  aber  infolge  einer  Vergünstigung  des  Königs 
oder  des  Landesherm,  infolge  einer  Exemtion.  Für  den  Fort- 
gang war  dies  gleichgiltig.  Denn  immerhin  konnte  auch  die 
grund-    und    leibherrliche    Gerichtsbarkeit    den    Anknüpfungs- 


*  Vgl.  Dopsch,  Die  landesfürstlichen  Urbare  Nieder-  und  Oborösterreichs 
132;  Laschin,  Gerichtswesen  105. 

*  Rosen thal  190;  Wirschinger,  Darstellung  der  Patrimonialgerichtsbarkeit 
in  Bayern  90  f.;  vgl.  auch  Riezler,  Gesch.  Bayerns  2,  176  f. 

*  1363  Jänner  19,  Huber,  Vereinigung  Tirols  mit  Österreich  217,  Nr.  278. 

*  Ladurner,  Zeitschr.  des  Ferdinandeuras  III,  17,  227. 

^  Weistum  der  Herren  des  Lagertales  auf  Befragen  Bzzelins  da  Romano, 
1268  Wien  St.-A.:  quod  comitatus  et  iurisdicio  tota  de  valle  Lagarina 
est  episcopatas  Tridenti,  set  quantum  est  in  iure  civili,  milites  faciunt 
rationem  de  maanata  sua  et  de  suis  servis  glebe.  Näheres  und  weitere 
Belege  im  angekündigten  Aufsatze. 


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22 

paukt,    die   territomle  Cnteriage   bieten,    in    der   die  Landge- 
riehtdbarkeit  erworben  wnrde. 

Wo  die  Immunitäten,  Exemtionen  und  Eigenguter  des 
Gnmdherm  kompakte,  zusammenhängende  Massen  bildeten, 
da  bestanden  ohneweiters  damit  auch  Bezirke,  die  entweder 
Landgerichte  schon  darstellten,  oder  doch  durch  Erwerbung 
der  hohen  Gerichtsbarkeit  zu  Landgerichten  ausgestaltet  wer- 
den konnten.  Anders  wo,  wie  in  Tirol,  Streubesitz  vorherrschte, 
wo  es  schon  sehr  früh  zu  einer  weitgehenden  Zersplitterung 
des  Grundbesitzes  gekommen  war.  Die  grund-  und  leibherr- 
liche Gerichtsbarkeit  ergriff  nämlich  wie  gesagt  nicht  nur  die 
Eigengüter,  sondern  auch  die  Eigenleute,  mochten  diese  auch 
auf  fremden  Gütern  sitzen,  sie  bedeutete  nicht  nur  eine  reale, 
sondern  auch  eine  personale  Exemtion  aus  der  niederen  Ge- 
richtsbarkeit des  Landgerichtes.  Wo  nun  die  Güter  zerstreut 
unter  den  Besitzungen  anderer  Herren  lagen,  wo  die  unfreien 
im  weiten  Umkreise  neben  den  Untertanen  anderer  Herren 
saßen,  mußte  sich  ein  unerträgliches  Durcheinander  der  Kom- 
petenzen ergeben,  das  um  so  fühlbarer  wurde,  als  die  Bevöl- 
kerung wuchs,  damit  sich  enger  berührte  und  durch  die  wach- 
sende Kultur  genähert  wurde.  Begreiflich  daher,  daß  die  In- 
haber der  öffentlichen  Gerichtsbarkeit,  die  Landesherren  vor 
allem  auf  Beseitigung  dieser  Zersplitterung  oder  wenigstens 
auf  räumliche  Abgrenzung  der  Kompetenzen  drängten.  Derselbe 
Trieb,  der  zum  Kampf  der  Territorialherren  gegen  die  reichs- 
unmittelbaren Exemtionen  führte,  ein  Kampf,  den  in  Oster- 
reich bekanntlich  Herzog  Rudolf  IV.  eröffnete  und  zum  Teile 
wenigstens  mit  Glück  durchgeführt  hat,  den  die  Habsburger 
in  der  Folge  auch  gegen  die  Immunitäten  der  Reichskirchen 
siegreich  durchkämpften,^  kehrte  sich  auch  innerhalb  der  Land- 
gerichte, ja  innerhalb  der  Niedergerichte,  wo  solche  gesondert 
bestanden,  gegen  die  Exemtionen  und  gegen  die  grund-  und 
leibherrliche  Gerichtsbarkeit.  Frühzeitig  schon  wurde  sie  nur 
innerhalb  geschlossener  Hofmarken  anerkannt,  nicht  aber  für 
Besitzungen,  die  außerhalb  dieses  Umkreises  lagen.  Dem  Klo- 
ster Stams  war  die  niedere  Gerichtsbarkeit  über  alle  Eigen- 
leute und  Güter  von  dem  Stifter  und  seinen  nächsten  Nach- 
folgern  zuerkannt  worden,'    später  sehen  wir  sie  auf  die  Hof- 


'  Srbik  51  f.  «  Hormayr,  Geschichte  Tirols  1\  486. 


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23 

mark  beschränkt.  Das  Kloster  St.  Michel  an  der  Etsch  gewann 
und  behauptete  die  niedere  Gerichtsbarkeit  nicht  auf  seinen 
zerstreuten  Besitzungen^  sondern  nur  in  dem  einen  größeren 
znsammeuhängenden  Bezirk  bildenden  Fennberg.*  Das  Dom- 
kapitel von  Trient  erlangte  vom  kaiserlichen  Podestk  Sodegher 
die  Anerkennung  seiner  grundherrlichen  Gerichtsbarkeit  auf 
allen  Besitzungen  außer  in  Judikarien.*  Später  ist  die  Gerichts- 
barkeit des  Kapitels  auf  Sover,  Sevignano  und  Montagnaga  be- 
schränkt. 

Den  weltHchen  Herren  gegenüber  hatte  der  Territorial- 
oder Gerichtßberr  freilich  einen  schwereren  Stand.  Das  Privileg 
Herzogs  Otto  hat  die  grundherrliche  Gerichtsbarkeit  auch  nur 
innerhalb  geschlossener  Hofmarken  anerkannt.  Erst  viel  später, 
im  16.  Jahrhundert  haben  die  Stände  die  Ausdehnung  ihrer 
Gerichtsbarkeit  über  die  Hofinarken  hinaus  erlangt.^  In  Nieder- 
österreich ist  gewöhnlich  in  jedem  Dorfe  nur  Ein  Grundherr 
in  den  Besitz  der  niederen  Gerichtsbarkeit  gekommen,*  die 
übrigen  behaupteten  sie  nur  innerhalb  der  Dachtraufe  ihrer 
Häuser,  es  ist  also  da  ein  Ausgleich  unter  den  Grundherren 
erfolgt.  Jedoch  nicht  immer.  Viel  zäher  als  die  niedere  Ge- 
richtsbarkeit wurde  die  hohe  über  zerstreute  Untertanen  und 
Häuser  behauptet.  So  gab  es  in  Österreich  exemte  Eriminal- 
gerichte  mit  einer  Gerichtsbarkeit  über  die  in  verschiedenen 
Landgerichten  und  Pfarren  zerstreuten  Häuser  des  Gerichts- 
herm.*  Ganz  dasselbe  finden  wir  auch  in  Südtirol.  Der  Landes- 
herr von  Tirol  übte  als  Inhaber  des  kleinen  Gerichtes  Castello 
die  hohe  Gerichtsbarkeit  in  einer  beträchtlichen  Zahl  von 
Häusern,  die  in  den  einzelnen  Dörfern  des  bischöflichen  Ge- 
richtes Fleims  zerstreut  lagen  und  den  Fleimsem  als  Asyl 
dienten.®    Die  Herren  von  Spaur  besassen  als  Herren  des  Ge- 


^  Der  darch  Eigenleute  des  Klosters  gerodet  wurde.  Fennberg  erhielt  das 
Stift  nicht  von  den  Grafen  von  Eppan,  wie  Egger  a.  a.  O.  420  meint, 
sondern  vom  Bischof  von  Trient;  Bonelli,  Notizie  intomo  al  beato  Adel- 
prete  2,  392. 

*  1254  April  20,  Innsbruck  St.-A.,  Trient  C.  69,  Nr.  42. 
'  Rosentbal  189,  193. 

*  Lnschin,  Gerichtswesen  159  f. 

*  a.  a.  O.  118. 

*  um  1536.   Gutachten  über  einen  Austausch  von  Castello  gegen  Truden. 
Innsbruck  St.-A.,  Trient  C.  12,  Nr.  80. 


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24 

richtes  Altspaur  die  Gerichtsbarkeit  über  vier  Hänser  in  dem 
zur  Prätnr  Trient  gehörigen  Mezzolombardo.  Diese  Hänser 
wnrden  in  charakteristischer  Weise  als  die  Grafschaft  la  contk 
bezeichnet.^  Ahnliche  Verhältnisse  bestanden  zwischen  Flavon 
und  Castelfondo  einer-  und  dem  bischöflichen  Nonsberg  an- 
dererseits, zwischen  Nomi  und  Castelnuovo  usw.  Auf  verschie- 
dene Weise  sind  diese  zerrissenen  Gerichtsbarkeiten  entstanden. 
Durch  Verleihung  der  hohen  Gerichtsbarkeit  an  Grundherrn, 
welche  die  niedere  bereits  besaßen,  wie  in  Niederösterreich, 
durch  Usurpation,  wie  vielfach  in  Südtirol,  durch  Bildung  zer- 
splitterter Burgfrieden,  wie  jene  Höfe  in  Mezzolombardo,  die 
einst  mit  dem  Schlosse  San  Pietro  einen  eigenen  Burgfrieden 
und  ein  eigenes  Hochgericht  gebildet  hatten,*  endlich  durch 
Vertrag.  So  haben  die  Herren  von  Castelbarco,  als  sie  ihre 
Gerichte  im  Lagertale  teilten,  sich  gegenseitig  die  Gerichts- 
barkeit über  einzelne  Eigenleute  und  Häuser  im  Anteile  der 
andern  vorbehalten.* 

Solche  Verhältnisse  mußten  den  Keim  fortdauernder 
Streitigkeiten  in  sich  bergen.  Es  ist  daher  an  anderen  Orten  zu 
einem  Ausgleich,  zu  einer  Konsolidation  gekommen.  Die  Herren 
von  Arco  besaßen  eine  große  Zahl  von  Eigenleuten  und  Höfen, 
die  in  ganz  Judikarien  zerstreut  lagen.  Über  diese  übten  sie 
die  Gerichtsbarkeit,  während  sie  trotz  aller  Usurpationen  bis 
ins  14.  Jahrhundert  in  einem  geschlossenen  Bezirke  eine  solche 
nicht  erwarben.  Noch  im  Jahre  1B15  ist  dieser  Zustand  aner- 
kannt.* Doch  schon  zwei  Jahre  später  wurde  diesem  unleid- 
lichen Verhältnisse  ein  Ende  gemacht  durch  einen  Vergleich,  nach 
welchem  die  Arco  auf  die  Gerichtsbarkeit  über  ihre  Eigen- 
leute verzichteten,  dafUr  aber  als  bischöfliche  Vikare  die  Zivil- 
und  Kriminalgerichtsbarkeit,  anfangs  noch  mit  gewissen  Be- 
schränkungen, in  der  Pfarre  Arco  eingeräumt  erhielten.^  Was 
hier  nur  für  eine  Anzahl  von  Jahren  festgestellt  wurde,  ist 
dann  dauernd  Rechtens  geworden  trotz  aller  Versuche  der 
Arco,  den  ftlr  sie  günstigem  früheren  Zustand  wieder  herzu- 
stellen. So  war  hier  an  Stelle  einer  auf  privatrechtlichem 


*  1617  Mai  22  Zeugenaussagen,  Innsbruck  St.-A.,  Trient  C.  86,  Nr.  7. 

*  Reich,  Archivio  Trentino  12,  264;  Ders.,  I  castelli  di  Sporo  e  Beifort  38. 
8  1868  Dezember  2,  1436  August  13.  Innsbruck  St.-A.,  C.  32,  Nr.  41. 

*  1316  April  16,  Wien  St-A. 

5  1317  März  10;  Postinger,  Atti  delP  Accademia  dei  Lincei  III,   7,  173  f. 


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25 

Titel  berahenden  Gerichtsbarkeit  über  zerstreute 
Eigenleute  und  Gtlter  der  Erwerb  der  öffentlichen 
Gerichtsbarkeit  innerhalb  eines  geschlossenen  Bezir- 
kes getreten,  es  war  ein  neues  Landgericht  entstanden. 

Ganz  ähnlich  war  die  Entwicklung  bei  den  Herren  von 
Matech,  denen  eben&Us  die  niedere  Gerichtsbarkeit  über  ihre 
Eigenleute  im  Vintschgau  zustand,*  bis  ihnen  1498  der  Blut- 
bann, aber  nur  im  Matscher  Tale  selber  und  in  ihren  Gerichten, 
Dörfern  und  Grebieten  von  König  Maximilian  I.  verliehen  wurde.* 
Lamprecht  hat  ähnliche  Fälle  aus  der  Rheingegend  angeführt,' 
und  so  läßt  sich  vermuten,  daß  diese  Vorgänge  nicht  verein- 
zelt geblieben  sind,  daß  häufiger,  als  die  Quellen  erkennen 
lassen,  Landgerichte  entstanden  sind,  um  eine  zersplitterte  Ge- 
richtsbarkeit zu  beseitigen. 

Sowohl  in  diesem  Falle,  als  in  dem  der  Exemtionen  ge- 
langt die  öffentliche  Gerichtsbarkeit  in  private  Hände,  ent- 
stehen patrimoniale  Landgerichte,  Patrimonialgerichte  in  dem 
Sinne,  in  dem  das  Wort  in  der  österreichischen  Rechtssprache 
gebraucht  wurde.*  Zur  Ausbildung  der  Landgerichte  in 
den  landesfürstlichen  Grafschaften  gab  den  wichtig- 
sten Anstoß  wohl  die  Burgenverfassung.  Es  ist  schon 
wiederholt  auf  die  Bedeutung  der  Burgen  für  das  politische 
Leben  nnd  ihren  Zusammenhang  mit  den  Verwaltungssprengeln 
und  Landgerichten  des  spätem  Mittelalters  hingewiesen  worden.^ 
Unzweifelhaft  ist,  als  sich  die  Notwendigkeit  ergab,  für  die 
wachsende  Bevölkerung  die  Zahl  der  Gerichte  zu  vermehren, 
die  allzngroßen  Sprengel  zu  teilen,  oft  genug  der  Burgfrieden 
znm  Landgericht  geworden. 


'  Ladamer,  Zeitschr.  des  Ferdinandeums  III,  17,  203. 

*  Ladurner,  Zeitschr.  des  Ferdinandeums  III,  18,  143.  Archivberichte  aus 
Tirol  2,  Nr.  940. 

«  Deutsches  Wirtschaftsleben  1,  II,  1201  f. 

*  Während  man  sonst  unter  Patrimonialgericht  das  grundherrliche  Gericht 
versteht,  bedeutet  es  in  Österreich  jedes  hohe  oder  niedere  Gericht, 
das  sich  zu  dauerndem  Rechte  in  den  Händen  eines  Privaten  befand. 
Aber  auch  in  der  Mark  Brandenburg  sprach  man  von  patrimonialen 
Landgerichten,  vgl.  Kuhns,  Geschichte  der  Gerichtsverfassung  Branden- 
burgs 2,  124  f.  Vgl.  übrigens  auch  Schröder,  Bechtsgesch.  ^  604. 

*  Schröder,  Bechtsgesch.  *,  608;  v.  Below,  GOttinger  gelehrte  Anzeigen 
1890,  313  und  anderwärts. 


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26 

Im  bayrisch-österreichischen  Rechtsgebiete  dan- 
ken, von  einigen  Burgen  in  Tirol,  die  auf  römische  Kastelle 
zurückgehen,  abgesehen,  die  Burgen  geradeso  wie  in  Sachsen 
den  Ungarneinfällen  ihre  Entstehung.  Denn  nach  der 
großen  Schlacht  in  der  Ostmark  im  Jahre  907  lag  auch  Bayern 
schutzlos  den  magyarischen  Plünderern  oflfen.^  Schon  acht 
Jahre  vorher,  im  Jahre  899,  waren  die  Ungarn  in  Italien  ein- 
gebrochen, hatten  dem  König  Berengar  an  der  Brenta  eine  ver- 
nichtende Niederlage  beigebracht  und  das  flache  Land  bis  auf 
die  ummauerten  Städte  verwüstet.*  Wie  in  Italien  der  Burgen- 
bau, dem  in  den  Küstenländern  schon  die  SarazeneneinfUlle 
einen  kräftigen  Anstoß  gegeben  hatten,  in  den  folgenden  Jahren 
mit  erneutem  Eifer  in  Angriflf  genommen  wurde,'  so  entstanden 
damals  auch  in  Bayern  die  ersten  Burgen.  König  Ludwig  IV. 
verlieh  dem  Kloster  St.  Florian  900  die  Ennsburg,  die  nach 
dem  ersten  Einbruch  der  Ungarn  zum  Schutze  der  Grenze 
erbaut  worden  war,  und  gestattete  nach  der  großen  Ungam- 
schlacht  dem  Bistum  Eichstädt  im  Jahre  908,  auf  seinen  Be- 
sitzungen Burgen  zum  Schutze  gegen  die  pagani  anzulegen.* 
Es  wird  nur  dem  zufälligen  Mangel  an  Urkunden  zuzuschrei- 
ben sein,  wenn  nicht  mehrere  ähnliche  Fälle  bekannt  sind. 
Daß  in  den  Marken  nach  ihrer  Wiedergewinnung  eine  Reihe 
von  Burgen  zu  Zwecken   der  Grenzverteidigung  entstand,   be- 


'  Riezier,  Geschichte  Bayerns  1,  257;  Dfimmler,  Geschichte  des  ostfräuki- 
sehen  Reiches  3',  547  f.,  nachdem  die  Ungarn  bereits  900  über  die 
Grenze  gefallen  und  906  in  Sachsen  eingedrungen  waren,  a.  a.  O.  515 
und  546. 

"  DUmmler  a.  a.  O.  507. 

•  Davidsohn,  Geschichte  von  Florenz  1,  304.  Das  Recht,  Burgen  zubauen, 
wird  durch  Berengar  verliehen  an  Reggio,  Schiaparelli  Nr.  76  (911),  76 
für  Leo  und  Genossen  (911),  Padua  82  (912),  Pavia  84  (912),  in  beiden 
letzten  Urkunden  mit  besonderer  Bezugnahme  auf  die  Ungarn  usw.; 
gebaute  bestätigt  für  Modena  Seh.  46  (904),  usw. 

*  Böhmer-Mühlbacher  Nr.  1942  und  1992.  Daß  unter  den  pagani  die  Un- 
garn und  nicht  etwa  Slawen  zu  verstehen  seien,  ergeben  die  ganz  glei- 
chen Wendungen  der  Urkunden  Berengars  und  folget  schon  aus  der 
Sachlage,  da  Bayern  damals  nicht  durch  Slawen,  sondern  nur  durch  die 
Magyaren  verwüstet  wurde.  Über  den  Burgenbau  in  der  Rheingegend, 
dem  in  analoger  Weise  die  NormanneneinfäUe  neuen  Anstoß  gaben,  vgl. 
Lamprecht,  Wirtschaftsleben  1,  II,  1306  f.  Im  allgemeinen  auch  Hegel, 
Die  Entstehung  des  deutschen  Städtewesens  27  f. ;  Keutgen,  Untersuchun- 
gen über  den  Ursprung  der  deutschen  Stadtverfassung  42  f. 


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27 

darf  keines  weiteren  Wortes.  Aber  auch  im  altbayrischen  Ge- 
biete haben  die  zahlreichen  Kriege  and  Fehden^  insbesonders 
die  stürmischen  Zeiten  des  Investiturstreites  zum  Baue  neuer 
Bargen  gefuhrt.  Auf  den  Burgen  und  ummauerten  Städten 
beruhte  ja  zum  größten  Teile  die  Landesverteidigung,  die  mili- 
tärische Stellung  des  Landes  wie  der  einzelnen  Dynasten.  Der 
Barghauptmann  oder  wer  sonst  mit  dem  Kommando  in  der 
Burg  betraut  war,  nahm  daher  eine  wichtige  militärische 
Stellung  ein. 

Begreiflich,  daß  die  Burgen  wegen  der  Sicherheit,  die  sie 
boten,  bald  auch  zu  Mittelpunkten  der  Verwaltung  erkoren 
wurden.  Hier  wußte  man  das  Einkommen  des  Burgherrn,  die 
Abgaben  und  Steuern  der  zins-  und  steuerpflichtigen  Unter- 
tanen am  ehesten  in  Sicherheit. 

Die  Burgen  sind  nun  aber  in  unseren  Gegenden^  in 
engste  Verbindung  mit  den  Landgerichten  getreten, 
derart,  daß  das  Landgericht  in  der  Folge  dann  geradezu  wie 
ein  Zubehör  zur  Burg  erscheint.  Der  Burghauptmann,  Burg- 
graf oder  wie  der  Kommandant  der  Burg  sonst  heißt,  wird 
häufig  genug  mit  der  Ausübung  der  hohen  Gerichtsbarkeit  in 
dem  zur  Burg  gehörigen  Landgerichtssprengel  betraut.  Aller- 
dings erscheint  in  vielen  Gerichten  Bayerns  neben  dem  Pfleger, 
der  dann  auf  die  Verwaltung  beschränkt  ist,  ein  eigener  Land- 
richter betraut  mit  der  Ausübung  der  Gerichtsbarkeit.*  Doch 
ißt  dies  sicher  erst  spätere  Bildung.  Auch  darüber  geben  die 
Südtiroler  Verhältnisse  Auskunft.  Zuerst  erscheint  hier  der 
capitaneus  der  Burg  oder,  wie  er  bis  in  die  erste  Hälfte  des 
13.  Jahrhunderts   auch    heißt,    der    Gastalde   als    Landrichter. 


^  Aach  sonst  in  Deutschland.  An  anderen  Orten  bildete  die  Burg  den 
Mittelpunkt  des  Amtes,  das  ist  des  Verwaltungsspreugels;  das  Amt  um- 
faßte aber  häufig  mehrere  Gerichte,  vgl.  y.  Below,  Territorium  und  Stadt 
285.  In  Österreich  fallen  die  Officia  mit  den  Gerichten  nicht  zusammen; 
Dopsch,  Urbare,  Einl.  83.  Dagegen  wo  Burgen  bestanden,  war  vielfach 
der  Burgwart  auch  Richter,  vgl.  Dopsch  a.  a.  O.  167. 

'  Bosenthal  54;  Riezler,  Geschichte  Bayerns  1,  752,  knüpft  den  iudex  des 
12.  Jahrhunderts  an  den  Schuldheißen ;  2,  528,  den  Pfleger  an  den  Vogt. 
Der  brandenburg^sche  Vogt,  der  seit  dem  13.  Jahrhundert  in  der  Mark 
Brandenburg  Landrichter  ist,  vgl.  Kuhns,  Gerichtsverfassung  der  Mark 
Brandenburg  134 f.,  ist  wohl  auch  nichts  anderes  als  markgräflicher 
Barghauptmann  gewesen,  jedenfalls  hat  er  milit&risohe  Gewalt,  und 
häufig  ist  eine  Burg  oder  Stadt  Mittelpunkt  des  Vogteibezirkes. 


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28 

Später  tritt  an  seine  Seite  ein  Vikar,  der  vom  Hauptmann 
eingesetzt,  in  der  Folge  auch  von  der  Gerichtsgemeinde  gewählt 
wird.  Dem  Hauptmann  bleibt  entweder  die  Kriminalgerichts- 
barkeit, wie  in  Judikarien,  oder  er  wird  Richter  in  zweiter 
Instanz,  wie  in  Fleims  oder  Tenno,  oder  er  verliert  die  Ge- 
richtsbarkeit ganz  und  wird  auf  die  Verwaltung  beschränkt. 
In  Deutschtirol  waren  wenigstens  noch  im  13.  und  der  ersten 
Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  in  den  meisten  Gerichten  Gerichts- 
barkeit und  Verwaltung  in  denselben  Händen  vereinigt.  Und 
ganz  ähnlich  ist  sicher  die  Entwicklung  in  Bayern  gewesen. 
Der  Landrichter  fungiert  wo  er  besteht,  und  er  besteht  nicht 
in  allen  Gerichten,  als  Stellvertreter  des  Pflegers,  wird  in  der 
Regel  vom  Pfleger  eingesetzt,  dem  die  Kriminalgerichtsbarkeit 
kaum  jemals  ganz  entzogen  ist.  Denn  nur  so  erklärt  sich  die 
Opposition  des  bayrischen  Adels  gegen  die  Übernahme  des 
Pflegeramtes,  weil  ihm  die  Ausübung  der  Malefizgerichtsbar- 
keit  als  etwas  Entehrendes  erscheint.^ 

An  sich  steht  nun  allerdings  die  Burg  in  keinem  Zu- 
sammenhang mit  der  Gerichtsbarkeit.  Dingstätte  ist  die  Burg 
in  älterer  Zeit  nicht  gewesen.  Vielmehr  besitzen  die  Gerichte 
ihre  von  alters  hergebrachten  Malstätten  oder  Schrannen,  in 
Bayern,  wo  die  Landgerichte  umfaugreich  geblieben  sind,  in 
der  Regel  ihrer  mehrere,  in  Tirol  und  Osterreich  meist  wohl 
nur  eine.  Die  richterliche  Tätigkeit  des  Burgvogtes  konnte 
auch  kaum  an  seine  Verwaltungstätigkeit  anschließen,  denn 
als  Verwaltungsbeamten  unterstehen  ihm  nur  die  landesfürst- 
lichen Eigenleute  und  Besitzungen.  Über  diese  übte  er  wohl 
die  grundherrliche  Gerichtsgewalt  namens  seines  Herrn,  keines- 
falls aber  über  die  Hörigen  eines  andern  Grunherm  oder  gar 
die  freien  Bauern.  Deshalb  sind  dort,  wo  eigene  Amtleute  mit 
der  Verwaltung  der  landesfiirstlichen  Domänen  betraut  waren, 
wie  in  Österreich,  auch  nicht  diese  Amtsleute  zu  Landrichtern 
und  ihre  Amtsbezirke  (officia)  zu  Landgerichten  geworden,  es 
sei  denn,  daß  die  landesfürstlichen  Besitzungen  den  ganzen 
Gerichtsbezirk  einnahmen  und  daß  alle  Einwohner  des  Bezirkes 
der  Gerichtsgewalt  des  Amtmannes  als  Immunitäts-  oder  grund- 
herrlichen Richters  unterstanden.  Die  richterliche  Tätigkeit  des 


*  Rosenthal  66.    Über  den  Pfleger  von  Werfen    M.  Majr,    Veste    Hohen- 
werfen  42. 


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29 

Burgvogte«  hat  vielmehr  an  seine  militärische  Stellung  ange- 
knüpft. Schon  die  Barggrafen  in  den  rheinischen  Bischofstädten 
vereinigten  militärisches  Kommando  mit  der  richterlichen^  gräf- 
lichen Tätigkeit.  Weil  die  Stadt  einen  eigenen  militärischen 
Bezirk  bildete^  nicht  dem  Konmiando  des  Gaugrafen  unter- 
stand, schied  sie  auch  in  gerichtlicher  Beziehung  aus  der  Graf- 
schaft aus.^  Denn  die  Bürger  sind  in  erster  Linie  zur  Ver- 
teidigung ihrer  Stadt  verpflichtet  und  jede  Stadt  ist  eine  Burg.^ 
Auch  auf  dem  flachen  Lande  bilden  sich  um  die  Burg  Be- 
zirke, über  die  der  Burggraf  ein  besonderes  militärisches 
Kommando^  den  Burgbann,  übt. 

Die  Bauern  sind  bekanntlich  aus  den  mittelalterlichen 
Ritterheeren  verdrängt  worden.  Aber  zur  Landesverteidigung 
blieben  sie  verpflichtet,  mochten  sie  frei  oder  unfrei  sein.  Sie 
blieben  verpflichtet  zur  Leistung  öffentlicher  Fronden  bei  An- 
lage von  Befestigungen,  zu  Burgwerk.*  Sie  hatten  das  Bau- 
material zu  liefern,  Hand-  und  Spanndienste  zum  Bau  oder  zur 
Erhaltung  von  Festungen  zu  leisten,  sie  hatten  wohl  auch  die 
Besatzung  zu  beköstigen  und  mußten  die  nötigen  Wachen  auf 
der  Burg,  die  waitas  und  scarawaitas,  wie  unsere  Urkunden 
sich  ausdrücken,  leisten.*  Wenn  die  Burgen  in  Kriegszeiten 
dem  Bauern  und  seiner  Habe  Zuflucht  gewährten,  so  schien 
es  gerecht,  daß  die  Bauern  für  ihre  Anlage,  Erhaltung  und 
Bewachung  Sorge  trugen.  So  manches  stolze  Schloß  war  ur- 
sprünglich Eigenttun  einer  bäuerlichen  Gemeinde,  ist  von  der 
Baaemgemeinde  in  eigenem  Interesse  erbaut  worden,  und  nur 
das  Kommando  in  der  Burg  kam  dann  einem  Ritterlichen  zu. 
Noch  zu  Ende  des  12.  Jahrhunderts  gilt  das  Schloß  zu  Arco 
^8  Eigentum  der  Gemeinde  Arco.  Den  Herren  von  Arco  kam 
nur  der  Burgbann  zu.^  Der  Bau  einer  Burg  wird  unter  an- 
derem den  Leuten  von  Riva,*^  von  Tisens,^  von  Tramin®  ge- 

^  Hensler,  Ursprang  der  deutschen  Stadtyerfassung  52  f.,  60;  Waitz, 
Deatsche  Verfaasuiigi^^eschichte  7,  41  f.,  53  f. 

'  Keatgen,  Untersachungen  über  den  Ursprung  der  deutschen  Stadtyer- 
fassung 52  f. ;  Sohm,  Entstehung  des  deutschen  Städtewesens  40. 

'  Schröder,  Bechtsgeschichte  ^  197,  592. 

*  Kink,  Fontes  II,  5,  Nr.  62,  67,  99  usw. 
^  Kink,  Fontes  II,  5,  Nr.  59. 

*  Bonelli  2,  382.  Der  Bischof  behält  sich  dabei  einen  Pallas  (domus)  im 
Schlosse  und  den  honor  (Burgbann)  vor. 

'  Kink  a.  a.  O.  Nr.  56  (1194).  «  a.  a.  O.  Nr.  126. 


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30 

stattet  und  die  Gemeinde  Povo  wird  mit  dem  gleichnamigen 
Schlosse  belehnt,  das  der  Bischof  eingezogen  hatte.*  Noch  da- 
mals wird  den  Bauern,  wenn  einem  Herrn  Erlaubnis  erteilt 
wird,  ein  Schloß  zu  bauen,  die  Möglichkeit  gewahrt,  im  Um- 
kreise der  Burg  auch  Zufluchtsorte  für  sich  anzulegen.*  Frei- 
lich kommen  die  Schlösser  mehr  und  mehr  als  Lehen  in  die 
Hände  des  Adels'  und  die  Rechte  der  bäuerlichen  Gremeinden 
geraten  in  Vergessenheit.  Aber  ihre  Pflichten  bleiben.  Häufig 
wird  nun  einzelnen  Herren,  wenn  ihnen  Erlaubnis  erteilt  wird, 
ein  Schloß  zu  bauen  —  und  der  Bau  der  Schlösser  ist  seit  dem 
12.  Jahrhundert*  an  die  Zustimmung  des  Territorialherm  ge- 
knüpft —  oder  bei  Verleihung  der  Burghut  zugleich  die  Er- 
mächtigung gegeben,  die  Bauern  eines  gewissen  Bezirkes  um 
die  Burg  herum  zur  Leistung  von  waitas  und  scarawaitas  in 
der  Burg  zu  nötigen.  So  wird  bei  Übertragung  der  Burghut 
des  Schlosses  Belvedere  angeordnet,  daß  die  homines  illius 
terre  debent  facere  custodiam  et  publicum  castri*  und  ähnliches 
wird  in  gleichem  Falle  häufig  wiederholt.^  Manchmal  wird 
auch  die  Baupflicht  erwähnt.  So  wird  bestimmt,  daß  die  Leute 
des  Lagertales,  Freie  und  Knechte,  als  Entgeld  für  die  Hütten, 
die  sie  im  Schlosse  Pratalia  besitzen,  das  Schloß  bauen  und 
einen  Maurer  anstellen  müssen.'  Zu  vielen  Burgen  gehören 
ganz  wie  in  Sachsen  die  Burgwardeien,  so  auch  hier  und 
sicher  auch  in  Österreich,®  bestimmt  abgegrenzte  Be- 
zirke, deren  Bauern  in  bestimmten  Verpflichtungen  zur  Burg 
stehen.  Diese  Bezirke  sind  verschieden  groß,  umfassen  bald 
eine  ganze  Pfarre  oder  ein  oder  mehrere  Dörfer  oder  auch 
nur  einige  Höfe.  Der  Bezirk  braucht  nicht  um  die  Burg  herum 
zu  liegen,  in  Südtirol  wenigstens  ist  ein  Fall  bekannt,  daß  die 

»  a.  a.  O.  Nr.  83  (1210). 

•  a.  a.  O.  Nr.  13  (1172). 

'  So  das  Schloß  Brentonico.  Zeugenaussage  um  1218.  Wien  St.-A. 

•  Kink  a.  a.  O.  Nr.  21  (1185).  Rechtsspruch,  wonach  es  niemandem  erlaubt 
ist,  in  der  Grafschaft,  die  der  Bischof  selber  oder  mit  einem  andern 
gemeinsam  besitzt,  ohne  dessen  Zustimmung  ein  Schloß  zu  bauen. 

»  Kink  a.  a.  O.  Nr.  6  (1161). 

•  z.  B.  Kink  a.  a.  O.  Nr.  7  (1161)  für  Schloß  Madruzz;  Nr.  69  (1201)  fttr 
Enn;    Nr.  83  für  Povo. 

'  Kink  a.  a.  O.  Nr.  134. 

®  Adler,  Zur  Rechtsgeschichte  des  adeligen  Grundbesitzes  in  Österreich 
123  f. 


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31 

Pflichtigen  Dörfer  stundenweit  von  der  berechtigten  Burg  ent- 
fernt lagen.^  Diese  Bezirke  kann  man  wohl,  ein  später  auf- 
tauchendes Wort  gebrauchend,  als  Burgwardeien  oder  Burg- 
frieden benennen. 

Der  Burgvogt  übt  den  Burgbann  über  die  Be- 
wohner des  Burgfriedens,  er  kann  sie  zu  Burgwerk  und 
Wachten  bannen.*  Unsere  Urkunden  sprechen  von  honor,  hono- 
rantia,  iurisdictio  und  districtus  des  Burgherren  oder  seines 
Vogtes.*  Qetibt  wird  dieser  Bann  in  den  regulae  de  castris,  in 
den  Versammlungen  jener  Leute,  die  zum  Burgfrieden  gehören. 
Das  Recht,  in  diesen  regulae  zu  gebieten,  gilt  als  bischöfliches 
Lehen,  denn  es  ist  öffentlichen,  nicht  privatrechtlichen  Ur- 
sprungs.* 

Nun  deckt  sich  häufig  genug  der  Burgfrieden  mit 
dem  Landgericht;  die  Bewohner  des  ganzen  Landgerichtes 
sind  dann  zu  Burgwerk  und  Wachdienst  verpflichtet.  Vielfach 
haben  sich  solche  Verhältnisse  noch  recht  spät  erhalten.  Aus 
Südtirol  mögen  beispielsweise  Levico,^   Tenno,®   die  vier  Vika- 


^  Die  Gemeinden  des  spSteren  Gerichtes  Beifort:  Andalo  und  Mol  veno 
wiren  der  Barg  Visione  verpflichtet.  Äusserer,  Der  Adel  des  Nonsbergs 
150  f.;  Reich,  I  castelli  di  Sporo  e  Beifort  105;  ob  freilich  ursprünglich? 
oder  was  wahrscheinlicher  ist,  durch  spätere  Verknüpfung,  als  der  Haupt- 
mann von  Visione  Gerichtsinhaber  in  Andalo  war,  a.  a.  O.  150. 

*  Schröder,  Rechtsgeschichte  *,  619.  Rodenberg,  Mitteil,  des  Inst.  17,  164  f. 
Über  die  ähnlichen  Einrichtungen  in  der  Mark  Brandenburg  Kuhns  1, 
93  f.;  Keutgen  a.  a.  O.  51  f.  Vgl.  Adler  125;  Ernst  Mayer,  Deutsche 
und  französische  Verfassungsgeschichte  1,  67  f. 

»  Kink,  Fontes  H,  5,  Nr.  26  (1187),  Nr.  69  (1203),  Nr.  99  (1211),  Nr.  110 
(1212)  usw.,  Nr.  7  (1161)  für  die  Herren  von  Madrutz:  ut  ipsi  per  re- 
gulam  constringerent  rusticos  ad  publicandum  castrum  illud  et  ad  custo- 
dias  faciendas,  id  est  illos  rusticos,  qui  incastellabunt  in  illo  Castro. 

*  Rechtsspruch  der  Trienter  Lehenskurie  1222;  Durig,  Mitteil,  des  Inst, 
f.  98terr.  Geschichtaf.,  Ergänzungsbd.  4,  439. 

'  Um  1480,  Beweisartikel  des  Johannes  Pemauer,  Hauptmanns  von  Selva 
gegen  die  Leute  von  Levico,  Innsbruck  St.-A.,  C.  14,  Nr.  49;  1495  Juni  2, 
Vergleich  zwiBchen  Bischof  Ulrich  von  Liechtenstein  und  Eonrad  Kon- 
zin,  Hauptmann  von  Selva,  mit  der  (Gemeinde  Levico,  a.  a.  O.  C.  14, 
Nr.  60  usw. 

*  1405  März  26,  Privileg  des  Bischofs  Georg  für  Tenno,  die  Leute  von 
Tenno  sind  verpflichtet:  facere  solvere  et  subire  ac  contribuere  ad 
omnia  honera  .  .  .  occasione  et  pretextn  custodiarum  reparacionis  seu 
constructionis  murorum  castrorum  et  fortiliciarum  dicti  comunis  Tenni, 


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riate/  Castelfondo,*  Pergine,*  aus  Deutschtirol  Karneid,  Eren- 
berg*  angeführt  werden,  aus  Salzburg  Werfen.^  Neue  Sied- 
lungen werden  bestehenden  Burgfrieden  zugewiesen,  wie  die 
Leute,  die  in  Eichholz  angesiedelt  werden,  die  in  gleicher  Weise 
dem  Schlosse  Kronmetz  dienen  sollen,  wie  die  Bauern  von 
Metz.®  Und  ganz  das  gleiche  gilt  fllr  manche  niederösterreichi- 
sche öerichtsbezirke.''  Nach  allem,  was  wir  über  die  Entste- 
hungszeit dieser  Landgerichte  wissen,  ist  die  Burg  älter  als 
das  Gericht.  Es  kann  daher  in  der  Regel  wenigstens 
nicht  ein  Gericht  zum  Burgfrieden  umgeschaffen,  son- 
dern es  muß  der  Burgfriede  zum  Gericht  geworden 
sein.  Man  hat,  als  sich  die  Notwendigkeit  ergab,  die  Zahl  der 
Landgerichte  zu  vermehren,  auf  die  Bezirke  gegriffen,  welche 
durch  die  Burgenverfassung  entstanden  waren,  und  hat  dem 
Burghauptmann  die  Ausübung  der  Gerichtsbarkeit  innerhalb 
des  Burgfriedens  übertragen.  Und  was  lag  näher  als  dies, 
nachdem  er  ja  schon  mit  dem  Burgbann  eine  öffentlich  recht- 
liche Gewalt  über  die  Inwohner  des  Bannbezirkes  ausübte  und 
als  Verwaltungsbeamter  das  landesfürstliche  Gut,  dessen  Er- 
trägnis seit  dem  12.  Jahrhundert  zumeist  in  Güten  bestand, 
verwaltete.  Da  war  es  doch  natürlich,  ihm  auch  Gerichtsbar- 
keit und  Eintreibung  der  Steuern  zu  übertragen,  die  ja  zu- 
sammen mit  den  Gerichtsbußen  einen  sehr  wesentlichen  Teil 
des  landesfürstlichen  Einkommens  ausmachten. 


a.  a.  O.  C.  7,  Nr.  43;  1507  Oktober  11,  Bericht  der  Gemeinde  über  aus- 
geführte Bauten  am  Schloß,  a.  a.  O.  C.  7,  Nr.  55;  1537  März  7,  Wels- 
tum  über  diese  Baupflicht,  a.  a.  O.  C.  7,  Nr.  93. 

*  Bericht  über  die  vier  Vikariate  und  die  Leistungen  ihrer  Einwohner, 
von  denen  gesagt  wird,  daß  sie:  fanno  gfuardie  et  factione  al  castello, 
a.  a.  O.  C.  33,  Nr.  7;  aus  älterer  Zeit  um  1218  Zeugenaussage,  Wien 
St.-A. 

*  Inama,  Archivio  Trentino  15,  172. 

'  1428  Jänner  2,  Entscheidung  des  Gionne  da  Chinichspergo,  Burggrafen 
von  Tirol  und  Hauptmanns  von  Pergine  in  dem  Streite  des  borgo  gia- 
cente  sotto  il  castello  und  den  sieben  castaldie  de  fuoravia  um  die 
Dienste  für  das  Schloß  Pergine. 

*  Welstümer  4,  333;  Ladurner,  Zeitschr.  des  Ferdinandeums  m,  15,  62, 
(1416). 

^  M.  Mayr,  Hohenwerfen  41. 

^  1327  November  29  und  Dezember  3;  vgl.  oben. 

'  Dopsch,  Urbare,  Einl.  167;  Adler  145  f. 


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33 

Als  Landricliter  erhielt   der  Burghauptmann   Ge- 
richtsbarkeit in   gleichem  Umfange^  wie  ihm  der  Burg- 
bann  zustand.     T^er  Ritterdienst  leistete,   war   von   der  Ver- 
pflichtung zn    Burgbau  und    Scharwerk    befreit,    die  nur  auf 
den  Bauern  und   Bürgern  lasteten.^     Wer  daher  in  den  ritter- 
Kchen  Stand  aufgenommen  wurde,  dem  wurden  diese  Leistun- 
gen erlassen.'   Meistens  war  damit  die  Vergtinstigung  verknüpft, 
nur  vor   dem    Bischof  oder  seinem  Vizedom,    nicht  aber  vor 
dem  Gastalden    oder   dem  Meier  zu  Rechte  stehen  zu  müssen. 
Denn    der    Liandrichter    hatte    nur    Gerichtsgewalt    über    die 
Bauern,  der  Adel  wahrte  seinen  Gerichtsstand  im  alten  Grafen- 
gerichte.   In  Niederösterreich,    dessen  Zustände   fUrs  13.  Jahr- 
hundert durch  die  Aufzeichnungen  des  Landrechts  am  klarsten 
vorliegen,  ist  bekanntlich  das  Landtaiding  als  Nachkomme  der 
alten  Grafschaftsgerichte  allein  kompetent  für  den  freien  Adel 
und  die  Ministerialen,   die  sich  den  Gerichtsstand   der  Freien 
errungen  hatten,   ja  auch  schon  in  Fällen  der  hohen  Gerichts- 
bcu'keit  ftlr  einfache  Ritter.*     Die  Bauern  unterstehen  dem  so- 
genannten niedem  Landgericht,  das  zugleich  Niedergericht  für 
die  Ritter  ist.   Und  nicht  anders  in  Trient.    Die  Vasallenkurie 
ist  im   13.  Jahrhundert  Hochgericht   für   den   Adel,*    der  Ga- 
stalde   oder  Hauptmann   richtet  über   die   Bauern.    Im   Ehaft- 
taiding  zu  Bozen   läßt  sich   das  Ausscheiden   der  Bürger  und 
Bauern,  das  sich  im  Laufe  des  13.  Jahrhunderts  vollzog,  noch 


^  Daher  in  den  Urkunden  über  Erhebung  in  den  Adel  regelmäßig  die 
Befreiung  yon  solchen  Lasten,  vgl.  die  folgende  Anmerkung.  Noch 
im  16.  Jahrhundert  ist  diese  Befreiung  yon  Adeligen  geltend  gemacht 
worden. 

'  Solche  Erhebungen  in  den  freien  oder  unfreien  Ritterstand  durch  Be- 
lehnung mit  districtus,  fodrum,  colta,  bannum,  condictio,  sehr  h&nfig  in 
Südtirol;  doch  wurde  die  waita  de  castris  auch  vorbehalten  1229  Okt.  8; 
Hormayr,  Geschichte  Tirols  I,  2,  284. 

'  Luschin,  GerichtsverC.  62  f. 

*  Archiv  für  Österreichische  Geschichte  92,  165.  1220  Kink,  Fontes  II,  5, 
Nr.  144,  erklärt  Richter  Heinrich  belehnt  zu  sein  mit  der  Kriminal- 
gerichtsbarkeit  über  jene,  welche  nicht  ad  laudum  curie  vassallorum  ge- 
hören. Die  Vikare  des  Bischofs,  also  Beamte  desselben  beanspruchen 
indes  die  Kriminalgerichtsbarkeit  auch  über  Ritterliche;  1240  Okt.  19 
erklärt  Jakob  von  Lizzana  die  Gerichtsbarkeit  des  Bartolomeus  von  Alba, 
Vikar  des  Podest^  Sodegher,  nicht  anzuerkennen  in  einer  Lehenssache, 

wohl  aber,  wenn  er  wegen  maleficium  erkennen  wolle,  Wien  St.-A. 

ArduT.  ICIY.  Band.  3 


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34 

verfolgen.  Es  ist  am  Ausgange  dieses  Jahrhunderts  zum  Adels- 
gerichte  der  ehemaligen  Grafschaft  Bozen  geworden/  die  Bür- 
ger und  Bauern  erhalten  ihren  ordentlichen  Gerichtsstand  in 
allen  Sachen  vor  dem  Stadtgericht,  das  aus  den  Botdingen  her- 
vorgegangen ist,  und  vor  den  Landgerichten.  Dies  entsprach 
nur  der  allgemeinen  Entwicklung  der  Dinge.* 

Die  Bedeutung  der  Burgen  für  die  Entwicklung  der  Ge- 
richtsverfassung kündigt  sich  schon  an,  als  man  beginnt  die 
Grafschaften  nach  Schlössern,  statt  nach  Gauen  oder  In- 
habern zu  benennen.*  Denn  nun  wird  das  Gericht  bald  als 
Zubehör  der  Burg  betrachtet.*  Die  Exemtionen  schließen 
sich  ebenfalls  in  unsern  Gegenden  an  Burgbezirke  an. 
Die  Grafschaft  Ulten-Eppan  war  keine  geschlossene  Zentene, 
wie  Egger  meint,^  die  sich  auf  beiden  Seiten  der  Etsch  im 
Bozner  Unterlande  bis  zur  Mündung  des  Noce  und  Avisio  er- 
streckt hätte.  Sie  umfaßte  vielmehr  das  Ultental  mit  dem 
Schlosse  Ulten  als  reichsunmittelbares  Lehen,  dann  wahr- 
scheinlich die  Pfarre  Tisens,^  dann  die  Burg  Hoheneppan  mit 
einem  Gebiete,    das  die  Pfarre  Eppan   etwa  im  Umfange  der 


*  Acta  Tirol.  2,  Einl.  206. 

'  Schröder,  Rechtsgeschichte  \  599  f.;  Zeitschr.  fär  Bechtsgeschichte  18,  53; 
V.  Below,  Territorium  und  Stadt  284  f.;  Rosenthal  113  f.,  der  freilich 
den  Ursprung  des  herzoglichen  Hofgerichtes  in  den  Landtagen  sucht. 

'  In  Bayern  seit  der  Mitte  des  11.  Jahrhunderts.  Riezler,  Geschichte 
Bayerns  1,  750. 

^  Noch  yiel  früher  war  dies  in  romanischen  Ländern  der  Fall  gewesen, 
vgl.  die  Schenkung  von  Bergell  und  Chiayenna  an  das  Bistum  Chur 
DO.  I,  209;  DO.  HI,  48,  175. 

'^  a.  a.  O.  419.  Über  den  bei  Bonelli  Notizie  2,  357  erwähnten  comes  Be- 
giner  läßt  sich  nichts  Sicheres  sagen,  da  die  Überlieferung  der  betreffen- 
den Aufzeichnung,  die  mit  dem  sogenannten  Vigiliusbrief  zusammen- 
hängt, eine  allzu  trübe  ist.  Ganz  unrichtig  auch  Kretschmer,  Histor. 
Geographie  312  der  ,die  Grafschaft  Bozen  mit  Bozen  und  vielen  anderen 
Orten  und  einen  Teil  des  oberen  Inntales'  zur  Grafschaft  Eppan  rechnet. 
Richtig  ist  soviel,  daß  die  älteren  Grafen  von  Bozen  vielleicht  mit  den 
Eppanem  verwandt  waren,  vgl.  Huber,  Archiv  für  Osterreichische  Ge- 
schichte 61,  634  und  daß  die  Eppaner  Besitzungen  im  ötztale  und  Ober- 
inntale hatten,  teilweise  auch  dort  Grafenrechte  ausübten,  wonach  man 
aber  natürlich  nicht  sagen  konnte,  daß  diese  Gebiete  zur  Grafschaft 
Eppan  gehört  hätten. 

^  Wenigstens  haben  dort  die  Eppaner  Besitzungen  und  Eigenleute.  Kink, 
Fontes  II,  5,  Nr.  56. 


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35 

späteren  Gerichte  Hoheneppan  und  Altenburg  ^  in  sich  faßte. 
Dafbr  aber,  daß  auch  EalterU;  Tramin^  Eurtatsch;  Deutschmetz 
zur  Grafschaft  Cppan  gezählt  hätten,  fehlen  Beweise,  ja  wir 
wissen  sicher,  daß  Tramin  nicht  den  Grafen,  sondern  dem  Bi- 
schof gehört  hat,  und  daß  Kronmetz  1181  von  den  Grafen  an 
den  Bischof  abgetreten  wurde.*  Auf  der  andern  Seite  der 
ElBch,  in  Enn  und  Neumarkt  übten  der  Bischof  und  die  Herren 
von  Enn  Hoheitsrechte  und  Gerichtsbarkeit.  Dagegen  besitzen 
nun  die  Eppaner  eine  Reihe  von  Schlössern  zerstreut  in  Süd- 
tirol, sämtliche  mit  Bezirken,  in  denen  sie  die  hohe  Gerichts- 
barkeit ausüben  und  die  deshalb  Grafschaften  genannt  werden, 
Arz  auf  dem  Nonsberge,'  vielleicht  auch  Altspaur,*  Preore 
in  Judicarien,^  zeitweise  Tenno,®  Königsberg  mit  der  Pfarre 
St  Michel,^  endlich  Schloß  und  Grafschaft  Castello  in  Fleims.® 
Grundherren  waren  die  Eppaner  in  diesen  Gebieten  keines- 
wegs ausschließlich.  Mögen  sie  hier  auch  reiche  Besitzungen 
gehabt  haben,  die  später  auf  die  Tiroler  Grafen  übergingen, 
Grund  und  Boden  waren  auch  hier  wie  in  Tirol  überhaupt 
sehr  zerstückelt;  in  der  Pfarre  Eppan  namentlich  waren  auch 
andere  Besitzer,  insbesonders  das  Domkapitel  von  Trient  reich 
begütert.*    Ganz  dasselbe  gilt  von  der  Grafschaft  Flavon,   die 


^  Die  Urknnde  yon  1228,   BonelU  3,    187,   in  der  das  Gericht  Altenburg 

zaerst  erwähnt  wird,  ist  Fälschung. 
'  BonelU,  Notizie  2,  468. 
'  Urk.  1185  Joli  28.  Kink,  Fontes  II,  5,   Nr.  23.    Später   gehörte  es   den 

Herren  Ton  Flayon  und  worden  von  ihnen  1281  Okt.  4  an  Grafen  Mein- 

hard  II.  verkauft;    Ladurner,   Regesten  aus  Tirol.  Urkunden,  Archiv  fQr 

Geschichte  und  Altertumskunde  Tirols  1,  Nr.  149. 

*  Reich,  I  castelli  di  Sporo  e  Beifort  28. 

"  Kink  a.  a.  O.  Nr.  83;  Urk.  1234  Dezember  14,  Hormayr,  Geschichte 
Tirols  l^  807. 

*  Kink  a,  a.  O.  Nr.  87,  98. 

^  Nach  der  Ghrfindungsurkunde  des  Stiftes  St.  Michel,  1145  BonelU  2, 
392,  Urkunde  1243  März  5:  Bischof  Egno  erklärt  K.  als  sein  und  der 
paeri  von  Eppan  Leben  vom  Hochstift  Trient,  Wien  Sl-A.  Oembra  aber 
gehörte  damals  nicht  zu  Königsberg,  sondern  ist  Lehen  der  Herren  von 
Salnm  1214  Dez.  9.  Innsbruck  St.-A.,  C.  61,  Nr.  8. 

*  Wenigstens  bOchst  wahrscheinlich,  1231  Jänner  5,  Graf  Ulrich  von  Ulten 
verkauft  die  clesnra  donica  (wohl  den  Herrenhof)  in  C.  an  die  Kirche 
von  Trient. 

'  Vgl.  das  Urbar  des  Domkapitels  herausgegeben  von  Chr.  Schneller,  Tri- 
dentinische  Urbare  aus  dem  13.  Jahrhundert  79  f. 

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36 

ebenfalls  kein  geschlossenes  Gebiet  bildete^  sondern  sich  ans 
einer  Reihe  von  Burgfrieden,  Flavon,  später  auch  Arz,  Alt- 
spaur  und  wohl  auch  Molveno^  zusammensetzte.  Diese 
ganze  Entwicklung  so  zerrissener  Gerichte,  die  nicht  auf 
Grundherrschaft  beruhten,  läßt  keine  andere  Deutung  zu,  als 
in  ihnen  Burgfrieden  zu  erkennen,  für  welche  durch  Exemtion 
die  hohe  Gerichtsbarkeit  von  den  Burgherren  erworben  wor- 
den war.* 

Landesfürstliche  und  patrimoniale  Gerichte  konn- 
ten aus  Burgfrieden  entstehen.  Als  nach  Wegfall  der 
Bannleihe*  die  Territorialherren  zur  Ordnung  der  Gerichts- 
barkeit in  ihren  Territorien  freie  Hand  erhielten,  als  die  Mög- 
lichkeit gegeben  war,  mehrere  Grafschaften  in  einer  Hand  zu 
vereinigen  und  durch  Beamte  verwalten  zu  lassen,  da  war  es 
das  nächstliegendste,  die  Burgvögte  zu  Richtern  in  ihren  Burg- 
frieden zu  bestellen.  In  Bayern  lassen  sich  Richter,  die  an 
Stelle  des  Gerichtsherm  mit  der  Übung  der  hohen  Gerichts- 
barkeit betraut  sind,  bereits  im  12.  Jahrhundert  nachweisen.* 
In  Deutschtirol  liegt  der  älteste  nachweisbare  Fall  aus  Bozen 
vor.  Seitdem  eigene  Grafen  in  Bozen  verschwinden,  die  Graf- 
schaft zum  Teile  an  die  Grafen  von  Tirol  verliehen  wird,  zum 
Teile  in  den  Händen  des  Bischofs  bleibt,  wird  das  Hochgericht 
von  einem  bischöflichen  Beamten  dem  Gastalden  von  Firmian, 
der  zugleich  Schuldheiß  des  Grafen  sein  soll,  abgehalten.^ 
Noch  viel  früher  war  den  Fleimsern  die  Abhaltung  des  Ge- 
richtes innerhalb  ihrer  Talgemeinde  unter  Vorsitz  eines  bischöf- 
lichen Gastalden  zugesagt  worden,  Fleims  also  als  eigenes 
Landgericht  konstituiert.®  Im  13.  Jahrhundert  treflFen  wir  Gastal- 


*  Manfredin  v.  Cles  verkauft  dem  Grafen  Meinhard  11.  Molveno  cum  co- 
mitatu  onore  et  districtu  impicando  et  dispicando  et  de  ipsis  facere 
rationem,  1284  Mai  29,  Wien  St.-A.  Dieser  Mann  hatte  aber  als  Unter- 
händler zwischen  Grafen  Meinhard  und  den  Grafen  von  Flavon  gedient, 
vgl.  Äusserer,  Der  Adel  des  Nonsbergs  101. 

*  Über  ähnliche  Fälle  in  Österreich  Adler  153  f. 
'  Schröder,  Rechtsgeschichte  *,  672. 

*  Riezler,  Fojrschungen  zur  deutschen  Geschichte  19,  628. 

*  Schwind-Dopsch,  Nr.  22.  Dieser  Zustand  hält  sich  indes  nicht  lange. 
1237  schon  sitzen  ein  bischöflicher  Justiziar  und  ein  tirolischer  Schuld- 
heiß oder  rihtar  nebeneinander  vor.  Die  Blutsgerichtsbarkeit  übt  der 
tirolische  Beamte  allein  aus;  vgl.  Acta  Tirol.  2,  Einl.  205. 

'  Schwind-Dopsch,  Nr.  3. 


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37 

den  und  Bnrghauptleute  schon  öfter  mit  der  Ansübnng  der 
Gerichtsbarkeit  betraut.  Nicht  nur  die  Bischöfe ,  auch  die 
Grafen  von  Tirol  und  Eppan^  ja  schon  einzelne  Patrimonial- 
herren  lassen  die  Gerichtsbarkeit  durch  Beamte,  meistens  Burg- 
Yögte  ausüben. 

Nunmehr  hatten  jedoch  die  LandesfUrsten  die  Möglich- 
keit, ohne  RtLcksicht  auf  das  Reich  einem  Burgherrn  die  hohe 
Gerichtsbarkeit  in  einem  gewissen  Sprengel,  der  häufig  mit 
dem  Burgfrieden  zusammenfiel,  zu  verleihen,  patrimoniale  Hoch- 
gerichte zu  schaffen.  Lassen  sich  in  der  Mark  Österreich  lau- 
desf&rstliche  Exemtionen  seit  dem  Privilegium  minus,  genauer 
seit  dem  Ausgang  des  12.  Jahrhunderts  nachweisen,  so  nicht 
lange  hernach  auch  in  unseren  Gegenden.  Bischof  Gerhard  ver- 
heb 1225  dem  Herrn  Jakob  von  Lizzana  die  hohe  Gerichts- 
barkeit, den  comitatus  in  der  Pfarre  Lizzana.^  Von  der  Zu- 
stimmung des  Reiches  ist  dabei  keine  Rede  mehr^  nur  die  des 
Patriarchen  von  Aglei  als  Metropoliten  wird  erwähnt,  da  es 
sich  um  Veräußerung  von  Kirchengut  handelte.  Auf  ähnliche 
Weise  mögen  wohl  auch  die  Grafen  von  Eppan  und  andere 
Dynasten  in  den  Besitz  der  Grafschaftsrechte  innerhalb  ihrer 
Burgfrieden  gelangt  sein.  Denn  auch  die  Herren  von  Enn  und 
Salum  sehen  wir  um  diese  Zeit  im  Besitze  von  patrimonialen 
Hochgerichten.'  Die  Auflösung  der  alten  Grafschaft  Trient  in 
eine  Anzahl  bischöflicher  und  patrimonialer  Hochgerichte  ist 
im  vollen  Zuge.  Nicht  selten  geht  die  Verleihung  der  patri- 
monialen Gerichtsbarkeit  Hand  in  Hand  mit  der  Errichtung 
des  Burgfriedens.  So  wird  dem  Jakob  von  Lizzana  bei  der  Be- 
lehnung mit  dem  Komitat  zugleich  gestattet,  in  seinem  Gerichte, 
wo  er  wolle,  Burgen  zu  bauen.  So  erhält  Nikolaus  von  Brenta 
von  Bischof  Egno  1259  Erlaubnis,  in  der  Pfarre  Tenna  zwei 
Schlösser  zu  bauen,  und  zugleich  den  Burgbann,  bürgerliche 
ond  peinliche  Gerichtsbarkeit,  so  daß  ein  neues  Landgericht 
entsteht,  das  allerdings  bald  darnach  wieder  verschwindet. 


1  1225  Mftrz  3,  Innsbraek  St.-A.  Trient  C.  38,  Nr.  27. 

'  Nikolaus  von  Enn  hält  Gericht  za  Enn  in  einem  Grensstreit  der  Leute 
Yon  Fleims  und  Montan,  Pinean,  ^alditsch  1234  Juni  6,  Innsbruck 
St.-A.  Den  Herren  yon  Enn  gehörte  auch  das  Gericht  Castelfondo, 
Äusserer,  Adel  dee  Nonsbergs  84.  Bopret  von  Salum  besitzt  das  Gericht 
in  Cembra   1214  Dez.  9,  Innsbruck  St.-A.,  C.  61,  Nr.  8. 


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38 

Nicht  überall  vollzog  sich  die  Patrimonialisierang  der 
Landgerichte  in  gleichem  Maße.  In  Bayern,  Salzburg  und 
Deutschtirol  gelang  es  den  Territorialgewalten,  die  sich  hier 
entwickelten,  frühzeitig  die  Grafschaften  und  deren  Trümmer 
in  ihrer  Hand  zu  vereinigen.  Anfangs  wurden  sie  noch  in  die 
Hände  von  Ministerialgrafen  gelegt,  später  durch  landesfürst- 
liche Richter  verwaltet.  Den  Schloßherm  wurde  selten  im 
Burgfrieden  Gerichtsbarkeit  und  dann  vorwiegend  nur  die  nie- 
dere eingeräumt.  Erst  die  finanzielle  Not  der  Landesfürsten 
führte  auch  hier  seit  dem  14.  Jahrhundert  zu  Verpfandung  und 
Belehnung  an  Patrimonialherren.  Anders  in  den  Marken,  wo 
schon  im  13.  Jahrhundert  die  meisten  Landgerichte  patrimo- 
niale  sind,^  während  Südtirol  einer  mittleren  Entwicklung  folgt. 
Nirgends  freilich  haben  alle  Schlösser  Burgfrieden  besessen^ 
namentlich  nicht  auf  altbayrischem  Boden;  nur  ausnahmsweise 
sicherlich  die  jüngeren  Schlösser  und  kaum  je  die  Gesäße  der 
Ritter.  Nicht  selten  wird,  wenn  die  Erlaubnis  zur  Errichtung 
eines  solchen  gegeben  wird,  hinzugefügt,  daß  der  Bau  sine 
praeiudicio  der  Nachbarn  erfolgen  solle.*  Und  nicht  aus  allen 
Burgfrieden  sind  Landgerichte  geworden.  Auch  in  Südtirol 
sind  alte  berühmte  Schlösser  nie  Mittelpunkte  von  Gerichten 
gewesen,  wie  Cles,  Campo,  Madrutz,  Toblino  usw.  Am  meisten 
jedenfalls  ist  dies  in  den  Marken  der  Fall  gewesen,  wo  ja  die 
Schloßverfassung  erhöhte  Bedeutung  besaß,  und  gerade  deshalb 
mag  die  Patrimonialisierung  hier  so  früh  im  großen  Maßstabe 
zum  Durchbruche  gelangt  sein.  Und  hier  schritt  der  Prozeß 
unaufhaltsam  weiter.  Vergeblich  hatte  der  Landfnede  König 
Ottokars  U.  den  Bau  der  Schlösser  einzudämmen  gesucht.' 
Rudolf  von  Habsburg  mußte  ihn  wieder  freigeben.  Die  Er- 
richtung von  Burgen  und  Gesäßen  schritt  weiter  und  mit  ihr 
die  Errichtung  von  Burgfrieden.*  Im  Interesse  des  Schloßherm, 


*  Luschin,  Gerichtsverf.  118  f. 

'  1308  Juli  13,  Herzog  Otto  von  Kärnten  verleiht  H.  von  Tauer  das 
Recht,  im  Vintschgau  bei  Malsperch  «in  Schloß  zu  bauen.  Handschr. 
389,  f.  31,  Wien  St.-A.;  1334  Juli  5,  Exkönig  Heinrich  für  Nikolaus 
und  Bernhard  von  Arz  auf  dem  Berge  Dossalt,  Pfarre  Arzo:  sine  pau- 
perum  hominum  aggravacione,  Handschr.  108,  f.  14' — 15,  Innsbruck  St.-A. 

'  HasenOhrl,  österr.  Landrecht  44  f.;  Dopsch,  Archiv  fttr  Osterr.  Geschichte 
79,  48  f.;  Adler  130. 

^  Vgl.  die  Ausführungen  Mells  über  den  comitatus  Liutpoldi  in  Mitteil,  des 
Inst.  21,  400 f.;  Adler  167. 


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39 

der  vielfach  auch  Grundherr  war,  lag  es,  auch  die  Gerichts- 
barkeit, zunächst  die  niedere,  aber  wenn  möglich  auch  die 
hohe  im  Burgfrieden  zu  erwerben,  und  zuletzt  zählte  die  Aus- 
übung der  Gerichtsbarkeit  zu  jenen  Rechten,  die  eine  adelige 
FamiUe  schon  um  als  vollwertig  zu  gelten  anstrebte.  So  kam  es 
in  den  Marken  zu  immer  weiterer  Zersplitterung,  zu  Zuständen, 
die  uns  Kindern  einer  moderneren  Zeit  als  völlig  barocke  er- 
scheinen müssen.^  Auf  altbayrischem  Boden  dagegen  wahrten 
die  Gerichtsbezirke  im  wesentlichen  den  Umfang,  den  sie  im 
13.  Jahrhundert  erlangt  hatten.  Im  Herzogtum  Bayern  mußten 
sich  die  Stände  im  wesentlichen  mit  der  Übung  der  niederen 
Gerichtsbarkeit  begnügen.  Und  selbst  wo  landesfürstliche  Ge- 
richte in  der  Folge  patrimonial  wurden,  wie  vielfach  in  Deutsch- 
tirol, trat  keine  weitere  Zersplitterung  ein,  da  sich  die  Grenzen 
der  Bezirke  schon  festgestellt  hatten. 

So  haben  mannigfaltige  Ursachen  persönlicher  und  wirt- 
schaftlicher  Natur   zur  Aufteilung   der  alten  Grafschaften   ge- 
führt. Die  neuen  Gebilde  knüpften  an  Immunitäten  und  Exem- 
tionen, vor  allem  aber  an  Burgfrieden  an.     Alle  Landgerichts- 
barkeit  jedoch,  mag  sie  auch  auf  grundherrlichem  Boden  oder 
selbst  auf  älterer  leibherrUcher  Gerichtsbarkeit  erwachsen  sein, 
ist  öffentrechdichen  Ursprungs,  ist  nur  durch  Übertragung  oder 
Usarpation  der  Grafschaftsgerichtsbarkeit  erwachsen. 


'  Vgl  Lnschin,  Gerichtsverf.  115  f. 


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Inhalt 


Seite 

Die  Entstehung  der  Landgerichte  ein  noch  nicht  gelöstes  Problem     .     .  3 

Entstehung  aus  Hundertschaften 4 

„            „     Immunitäten       7 

Entwicklung  im  Bistum  Trient 8 

Landgerichte  Stücke  der  alten  Grafschaften 12 

Ursachen  der  Zerstücklung.  Fortschreitende  Besiedlung 14 

Teilungen  der  Grafschaften  als  Lohen 16 

Immunitäten  und  Exemtionen 17 

Leib-  und  gutsherrliche  Gerichtsbarkeit 20 

Burgenverfassung 26 

Anlage  der  Burgen 26 

Zusammenhang  der  Burgen  mit  der  Gerichtsverfassung 27 

Burgbann  und  Burgfrieden 29 

Der  Burghauptmann  als  Landrichter 31 

Exemtionen  und  Burgfrieden 34 

Landesfttrstliche  und  patrimoniale  Landgerichte  aus  Burgfrieden  ent- 
standen      36 


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II. 

IMMUNITÄT,  LANDESHOHEIT 

UND 

WALDSCHENKUNGEN. 


VON 


EDUARD  RICHTER, 

WEIL.    WlRKLICHBll   MITQUBDB   DBB  KAIS.  AKADBMIB    DBB    WlSSBNSCUAmM. 


ArchiT.  XCIV.  Band. 


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Vor    vielen    Jahren    machte    der   Verfasser    bei   Unter- 
anchuDg    des    Besitzstandes   der  Salzburger  Kirche   im   Mittel- 
alter die  Bemerkung,    daß  der  Umfang  des  späteren   salzburg- 
8chen  KirclienstaateB,  wie  er  bis  zu  Anfang  des  19.  Jahrhunderts 
beatanden  bat,    aus   den  alten  Landschenkungen  und  Immuni- 
tatsprivilegien  nicht  erklärt  werden  könne.*     Die  in  sehr  alter 
Zeit  —   dem   8.  Jahrhundert  —  beginnenden  Aufzeichnungen 
Über   die   ersten  Schenkungen  an   die  Salzburger  Elirche   und 
Über  ihre    späteren   reichlichen  Erwerbungen    zeigen   uns    das 
Erzbistum  im  Besitz   einer  großen  Anzahl  einzelner  Güter  von 
sehr  verschiedener  Ausdehnung,   die  sich   massenhaft   im   süd- 
östlichen Bayern,  etwas  spärlicher  in  den  Gebirgsgauen  und  in 
Kärnten,  vereinzelt  bis  weit  nach  Ungarn,  Niederösterreich  und 
Steiermark   zerstreut  finden.     Man  kann  sagen,    die  Mehrzahl 
dieser  Güter  liegt  außerhalb  des  späteren  Territorialstaates. 

Damit  war  eine  rechtsgeschichtlich  höchst  merkwürdige 
Frage  gegeben.  Das  Erzbistum  hatte  schon  von  Karl  dem 
Großen  Jmmunität'  erhalten  und  diese  Verleihung  war  von 
zwei  späteren  karolingischen  Regenten  816  und  837,  dann  von 
Otto  I.  (DO.  I.  68)  im  Jahre  945  erneuert  worden.  Die  Karo- 
lingische  Formel  enthält  das  Verbot  des  ,introitus'  für  den 
index  publicus  und  die  Zuweisung  der  Strafgelder  an  die 
Kirche;  die  ottonische  fügt  hinzu,  niemand  von  den  Kirchen- 
leuten soll  genötigt  werden,  zum  ,placitum  publicum'  zu  kom- 
men, sondern  diese  mögen  in  der  Gewalt  des  Erzbischofes 
und  seines  Vogtes  verbleiben.  Damals,  anfangs  der  Achtziger- 
jahre war  die  Meinung  allgemein  verbreitet,  in  der  Immunität 
liege  der  Ursprung  der  geistlichen  Territorien  begründet.   Da- 


'  UDtersacbaugen  zar  historischen  Geographie  des  ehemaligen  Hochstiftes 
Salzboig.  Mitteil,  des  Inst,  für  österr.  Geschichtsf.  I.  Ergänzungsbd.  S.  590 
bis  73S, 

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44 

durch,  daß  alle  Reichsbistümer  und  die  ältesten  und  größten 
Klöster  Befreiung  vom  Qrafenbann  erhalten  hatten,  seien  ihre 
Besitzungen  aus  dem  System  der  Grafschaften  herausgenommen 
und  selbständig  gestellt  worden;  das  sei  der  Anfang  der  spä- 
teren geistlichen  Staaten. 

Nun  zeigten  aber  meine  Untersuchungen,  daß  davon  in 
dem  vorliegenden  Einzelfalle  gar  keine  Rede  sein  konnte.  Der 
Umfang  des  späteren  salzburgischen  Kirchenstaates  hat  —  von 
einer  unten  zu  besprechenden  Ausnalmie  abgesehen  —  mit 
dem  alteo.  Guterbestand  schon  aus  dem  Grunde  nichts  zu  tun, 
weil  er  ein  geschlossenes,  sogar  sehr  gut  von  natürlichen 
Grenzen  abgerundetes  Gebiet  umzieht,  während  der  mit  Immu- 
nität begnadete  Kirchenbesitz,  über  den  wir  durch  alte  Güter- 
verzeichnisse und  Vergabungsbücher  sehr  genau  untemchtet 
sind,  ein  Streubeaitz  ist  Über  mindestens  20 — 30  bayrische 
Grafschaften  und  sämtliche  heutige  österreichische  Kronländer 
rechts  der  Donau,  Vorarlberg  ausgenommen,  ist  er  verteilt.  In 
den  ,Untersuchuiigen'  ist  das  alles  genauer  dargestellt  worden. 
Mit  Recht,  hat  ein  junger  Forscher  (E.  Stengel,  Grundherr- 
schaft, und  Immunität,  Zeitschr.  der  Savignystiftung  XXV, 
S.  319)  behauptet,  der  eigentliche  Zweck  der  neuesten  Unter- 
suchungen (besonders  Seeligers)  sowie  der  meinigen  vor 
20  Jahren  sei,  den  , Widerspruch  zwischen  den  späteren  Zustän- 
den und  den  Urkunden  des  10.  Jahrhunderts  zu  versöhnen'. 
So  habq  ich  damals  das  Problem  erkannt  und  gestellt  und, 
wie  ich  glaube,  insofern  auch  für  den  salzburgschen  Fall  ge- 
löst, als  ich  nachweisen  konnte,  daß  dieser  Kirchenstaat  der 
Hauptmasse  nach  eben  nicht  aus  immunen  Kirchengütem,  son- 
dern aus  erworbenen  Grafschaftsteilen,  ,Landgerichten'  zusam- 
mengefügt worden  ist.  Ich  habe  damals  allerdings  zwei  Seiten 
der  Saphe  ungelöst  lassen  müssen:  einmal  die  Frage,  ob  denn 
die  Immunität,  ihr  Wesen  verändert,  und  ihre  Bedeutung  ver- 
loren habe,  da  sie  die  ihr  nach  dem  Wortlaut  der  Privilegien 
zukommende  Wirkung  nicht  erreichte,  oder  ob  man  am  Ende 
ihre  Bedeutung  mißverstanden,  überschätzt  habe?  Die  zweite 
Frage  ist.  die  nach  jener  oben  erwähnten  Ausnahme.  In  einem 
Teile  des  späteren  Stiftslandes  wissen  wir  nichts  von  angekauf- 
ten Grafschaftsrechten  und  gerade  dieser  Teil  ist  ein  alter 
Waldbesitz  des  Erzstiftes.  Mit  beiden  Fragen  soll  sich  die  vor- 
liegende Abhandlung  beschäftigen. 


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45 

Stengel  hat  anch  Recht;  wenn  er  sagt;  ich  hätte  den 
Widerspruch  zwischen  dem  großartigen  Wortlaut  der  Immii- 
nitätsurkunden  und  den  späteren  Zuständen  durch  ;Uber- 
brückung'  hinwegzudeuten  versucht.  Für  die  richtige  Auf- 
&ssang  des  Wesens  der  Immunität  ist  nämlich  die  negative 
Seite  der  späteren  Entwicklung  besonders  wichtig.  Das  Terri- 
torium um&ßt  Grafschaften,  in  denen  zahlreiche  Immunitäts- 
guter  lagen;  schon  deshalb,  weil  der  Erzbischof  vor  allem 
oich  jenen  ^Gerichten'  trachtete,  die  seinem  Sitze  nahe  waren 
imd  in  denen  er  Gäter  besaß.  Durch  die  Erwerbung  der  Graf- 
schaft, des  Blut-  oder  Landgerichtes,  waren  alle  etwaigen 
,Eompetenzkonflikte'  zwischen  Graf  und  Immunitätsherren  be- 
seitigt, das  war  eine  gründliche  Lösung;  allerdings  erfahren 
wir  aus  diesen  Gebieten  am  wenigsten  über  die  schließliche 
Ausgestaltung  der  Immunität.  Ganz  anders  dort,  wo  der  Immu- 
nitätsherr die  Grafschaft  nicht  erwarb;  hier  können  wir  sehen, 
wie  sieh  die  Immunität  vom  10.  bis  zum  13.  Jahrhundert  aus- 
gestaltet hatte,  oder  wir  sehen  wenigstens  das  Endergebnis. 
Im  Isengau  und  Umgebung  —  in  Oberbayem  —  besaß  die 
Salzhurger  Kirche  noch  am  Beginne  des  16.  Jahrhunderts  über 
1500  ,Iteine',  d.  h.  Güter  und  Gülten.  Im  Vertrag  von  1275 
zwischen  Bayern  und  Salzburg  sagt  der  Herzog  von  Bayern: 
in  pago  Ysehkeu  et  super  Eslerwalde  conservabimus  eccle* 
sie  Salzbufgensi  iura  sua  in  iudicio  et  iudicabimus  omnia 
pespieientia.  comiciam^  —  ,8ecundum  antiquam  consuetudinem', 
wie  es  in  einem  anderen  Vertrage  heißt.*  Vorsichtig,  wie  ich 
damals  der  herrschenden  Meinung  gegenüberstand,  drückte  ich 
mich  zurückhaltend  aus:  ,Man  wird  also  annehmen  müssen, 
daß  die  ottonischen  Privilegien  vielleicht  dem  Ziele  nach,  kaum 
aber  deuL  Erfolge  nach  den  Grafschaftsschenkungen  gleich- 
zustellen sind^  Ich  würde  jetzt,  angesichts  der  neueren 
Untersuchungen,  besonders  SeeUgers,  diesen  Satz  nicht  mehr 
niederschreiben.  Niemals  kann  eine  Immunität,  die  fUr  zer- 
streiten Grundbesitz  gilt,  einer  Grafischaftserwerbung  gleich  zu 
stellen  sein,  die  sich  auf  ein  geschlossenes  Gebiet  bezieht.  Da- 
mals schon  schrieb  ich:  ,E8  scheint,  als  ob  die  räumliche  Aus« 
dehnung  der  Immunitätsgebiete  nicht  selten  unrichtig  beurteilt 
wurde',  eine  ,Abrundung^  zu  einem  Lande  von  der  Ausdehnung 


'  Untersachangeii,  8.  616. 


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46 

Salzburgs  bloß  durch  Häufung  von  Besitzungen  in  Streulage 
scheine  ganz  ausgeschlossen.  Die  Verhältnisse  im  9.  und 
10.  Jahrhundert  lassen  sich  wie  folgt  kennzeichnen:  Die  Graf- 
schaftsverfassung ist  überall  durchgeführt  oder  noch  erhalten, 
allenthalben  treffen  wir  in  den  Traditionscodices  die  Grafen 
nicht  bloß  als  ZeugeU;  sondern  es  wird  in  der  Regel  ange- 
geben, in  welcher  Grafschaft  das  Kirchengut  liegt,  über  welches 
gehandelt  wird;  ebenso  regelmäßig  erscheint  der  erzbischöfliche 
Vogt  als  Vertreter  seines  Herrn,  der  das  Geschäft  abschließt, 
gewissermaßen  als  sein  weltlicher  Sachwalter.  Halten  wir  uns 
gegenwäii;ig,  daß  man  gleichzeitig  die  Immunitätsprivilegien 
sich  bei  Regierungswechsel  erneuern  läßt  —  in  Salzburg  zum 
letzten  Male  945  —  so  sehen  wir  einen  Zustand  vor  uns,  in 
dem  Gesetzgebung  und  Ausübung,  Urkunden  und  Praxis  sich 
in  voller  Übereinstimmung  befinden.  Ohne  Zweifel  amtiert  der 
Vogt  überall  im  Grafengericht  als  Vertreter  der  Kirchenleute 
und  er  wird  innerhalb  gewisser  Kompetenzen  sein  Vogtgericht 
abhalten.  Die  Immunität  ist  der  gesetzgeberische  Akt,  der  den 
besonderen  Gerichtsstand  der  Kirchenleute  schaffit  und  regelt; 
die  Vogtei  und  insbesondere  das  Vogtgericht  ist  die  Institution, 
die  seine  Ausfiihrung  besorgt.  Darüber  gibt  es  wohl  keine 
Meinungsverschiedenheit,  mögen  auch  die  Quellen  sich  wider- 
sprechen, wie  die  Zuständigkeiten  des  Vogtgerichtes  und  des 
Grafengerichtes  abgegrenzt  sind.  Die  Ausführungen  Seeligers 
scheinen  mir  recht  überzeugend  und  ich  stimme  ihnen  gerne 
zu,  wenn  er  darauf  hinarbeitet,  in  die  Immunitätsformeln  nicht 
mehr  hineinzulegen,  als  der  Wortlaut  unbedingt  verlangt.  Denn 
je  weniger  die  Immunität  eigentlich  bedeutete  und  je  weniger 
sie  die  öffientliche  Gewalt  zerstört,  aufgesaugt  oder  sonst  hin- 
fällig gemacht  hat,  desto  leichter  verständlich  ist  die  spätere 
Entwicklung. 

Ist  also  der  Rechtszustand  des  10.  Jahrhunderts  verständ- 
lich und  sichergestellt,  so  scheint  für  die  weitere  Entwicklung 
folgendes  besonders  bezeichnend.  Seit  dem  11.  Jahrhundert 
werden  die  kaiserlichen  Immunitätsprivilegien  nicht  mehr  er^ 
neuert;  diese  Übung  schläft  ein.*  Die  Immunitätverleihung  hat 
offenbar  ihre  Bedeutung  allmählich  verloren,  das,  was  sie  an- 
ordnet,  ist  kein  Gegenstand   eines  Kampfes  mehr.     Die  Ein- 


*  Was  auch  Seeliger  hervorhebt. 


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47 

richtangen,  zwischen  denen  sie  eine  Eompetenzentscheidnng 
feststellte:  Grafschaft  nnd  Vogtei,  bestehen  aber  fort.  Wir 
wissen  von  Grafen  nnd  Vögten  ans  den  Urkunden  des  II.  nnd 
12.  Jahrhunderts  noch  mehr  als  von  denen  des  10.  Wir  erfahren 
freilich  anf  diese  Weise  auch  einmal,  daß  die  Grafen  nnd  die 
Vögte  nach  wie  vor  dieselben  Personen  sind,  daß  die  Graf- 
schaften nnd  die  Vogteien  erblich  werden  nnd  sich  feudali- 
sieren;  endlich  daß  die  Kirchen  die  Vogtei  nicht  mehr  als  ein 
Privileginm,  einen  Vorzug,  einen  Schutz  und  eine  Stütze  be- 
trachten, sondern  als  eine  Last  und  eine  Gefahr.  Feierlich  ver- 
kündet Erzbischof  Eberhard  11.,  daß  in  seinen  Tagen  die  Salz- 
burger Kirche  aufgehört  habe,  einen  Vogt  zu  besitzen,*  xmd 
die  geistlichen  Fürsten  behaupten  mit  Genugtuung,  daß  sie 
keinen  Vogt  mehr  zu  haben  brauchen,  so  wie  sie  einstens  die 
merowingischen  und  karolingischen  Könige  angefleht  hatten,  sie 
von  der  Grafengewalt  zu  befreien  und  ihnen  zu  gestatten,  daß  sie 
und  ihre  Familie  ruhig  unter  dem  Schutze  ihres  Vogtes  lebten. 

Da  nun  die  Vogtei  nichts  anderes  als  die  ,Korrelation^  der 
Immunität  ist,  die  dem  Immunitätsprivilegium  entsprechende 
Einrichtung,  so  teilt  offenbar  die  Immunität  das  Schicksal  der 
Vogtei,  sie  verändert  mit  ihr  ihr  Wesen,  verliert  mit  ihr  ihre 
Bedeutung.  Darum  versteht  man  schon  im  12.  und  13.  Jahr- 
hundert unter  Immunität  die  Freiheit  vom  Vogt;  ein  Zeichen 
daß  der  ursprüngliche  Sinn  der  alten  Privilegien  damals  bereits 
ganz  vergessen  war. 

Ans  dieser  keineswegs  ganz  neuen  Erörterung  ergibt 
sich  aber  nun  weiter:  Die  Abschließung  der  ,Territorien'  er- 
folgt erst  im  13.  Jahrhundert,  also  zu  einer  Zeit,  als  man  von 
den  alten  Immunitäten,  ihrem  Wesen  und  ihrer  Bedeutung 
nichts  mehr  wußte.  Es  ist  also  von  vornherein  vergeblich,  einen 
direkten  Zusammenhang  zwischen  dem  umfang  der  geistlichen 
Territorien  und  dem  der  Immunitäten  zu  suchen  oder  voraus- 
zusetzen. Im  Gegenteile:  die  erblich  gewordene,  durch  die  alte 
Immunität  erzeugte  Vogtei  war  eine  Gefahr  für  den  Besitz  der 
Kirchen  nnd  hat  oft  genug  die  Entstehung  geistlicher  Terri- 
torien verhindert.  Viele  weltliche  Territorien  sind  aus  Vogteien 
über  geistliche  Güter  entstanden.  Was  wäre  die  ,geftirstete^ 
Grafschaft  Tirol,  später  und  jetzt  noch  ein  so  gut  geschlossenes 


«  Meiller,  Reg.  Nr.  297  von  1226. 


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48 

^Territorium'  ohne  die  Vogtei  über  die  Reichsbisttimer  Brixen 
und  Trient  gewesen.  Wo  es  aber  den  Kirchen  gelang,  beim 
Aussterben  der  Grafengeschlechter  oder  sonstwie  die  Vogtei 
aufzuheben  und  vogtlos  weiter  zu  bestehen,  da  mußte  man 
das  als  eine  Rettung  des  alten  bedrohten  Besitzes  betrachten, 
nicht  als  eine  neue  Erwerbung.  Und  die  Grafschaft  oder 
das  Blutgericht  über  alle  Eingesessenen  war  damit  noch  nicht 
erlangt,  denn  es  hatten  ja  bis  dahin  auch  Grafschaft  und 
Vogtei  nebeneinander  bestanden,  wenn  auch  manchmal  die 
Träger  eine  Person  gewesen  sind.  Übrigens  ist  das  gewiß  nicht 
die  Regel  gewesen;  die  Vogtei  war  in  einer  Grafenfamilie 
erblich,  die  Güter  lagen  aber  in  vielen  Grafschaften  zerstreut. 
Jedenfalls  war  es  immer  ein  zuftlUiges  und  vorübergehendes 
Verhältnis,  wenn  es  einmal  bestanden  hat. 

Die  Ausdehnung  der  Immunitätsgüter  hat  räumlich  einen 
Zusammenhang  mit  dem  späteren  Territorium  vielleicht  nur  in 
den  bischöflichen  Städten,  wo  schon  in  früher  Zeit  Burggrafen, 
dann  Stadtrichter  an  Stelle  der  Grafen  traten,  obwohl  man  ge- 
rade hier  vielleicht  am  ehesten  auch  daran  denken  könnte, 
daß  die  Ausschließung  der  Grafengewalt  auf  grundherrlicher 
Basis  beruht.  Die  Stadt  Salzburg  z.  B.  stand  auf  dem  Fundus 
des  Erzbistums;  der  Bischof  war  hier  Grundherr.  Aber  außer- 
halb der  Städte,  da  mußte  der  Erzbischof  die  ,Cometia^,  das 
Landgericht  erwerben,  wenn  er  ein  geschlossenes  Territorium 
haben  und  auch  über  die  Hintersassen  anderer  Grundherren 
richten  und  herrschen  wollte.  Das  ist  mir  jetzt  nach  den  For- 
schungen der  letzten  zwei  Dezennien  und  nach  abermaliger 
Durcharbeitung  des  salzburgschen  Materiales  noch  viel  sicherer 
als  zur  Zeit,  da  ich  es  zum  ersten  Maie  aussprach. 

Die  Bedeutung  der  alten  Immunitätsprivilegien  liegt  also 
gewiß  nicht  darin,  daß  sie  den  Umfang  der  kirchlichen  Terri- 
torien bestimmt  haben;  sie  beruht  vielmehr  darauf,  daß  sie 
dazu  mitgeholfen  hat  den  Spitzen  der  Hierarchie  eine  fürstliche 
Stellung  zu  erringen.  Dazu  gehörte  ja  noch  vieles  andere,  was 
ich  hier  nicht  aufzuzählen  brauche:  die  Belehnung  durch  das 
Reich,  die  verschiedenen  Regalien  usw.  Wer  alles  das  hatte, 
in  dessen  Hand  wurde  ein  Gericht,  eine  Cometie  zum  Reichs- 
fürstentum, wer  das  nicht  besaß,  dem  half  der  Besitz  von  ,Ge- 
richten  und  Herrschaften'  nichts.  Wie  z.  B.  den  Bisthümem 
von   Gurk,    Seckau,   Lavant   und  Ohiemsee,    die,  im   11.  und 


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49 

13.  Jahrhundert  von  Salzburg  gegründet,  trotz  reichen  Besitzes 
doch  niemals  Reichsfürstenrang  errangen,  während  das  kleine 
Berchtesgaden^  obwohl  nur  Propstei,  Anerkennung  seiner  Reichs- 
umnittelbarkeit  durchsetzte  —  auch  ohne  Immunität! 

In  diesem  Zusammenhang  muß  ich  mich  auch  aussprechen 
über  die  Frage  nach  der  Bedeutung  xmd  Entstehxmg  der  ersten 
direkten  Steuer,  über  welche  L.  Bittner  jtlngst  gehandelt  hat.* 
Im  14.  Jahrhundert  besteht  in  Salzburg  eine  Steuer,  die  überall 
dort,  wo  der  Erzbischof  Landesherr  geworden  ist,  von  allen 
bäuerlichen  und  bürgerlichen  Bewohnern,  auch  den  Hinter- 
sassen anderer  Grundherren  eingehoben  wurde,  in  den  übrigen 
Besitzungen  aber,  die  in  den  bayrischen  und  österreichischen 
Landen  zerstreut  lagen,  nur  von  den  erzbischöflichen  Hinter- 
sassen und  den  Städtern.  Daraus  scheint  mit  Sicherheit  her- 
vorgehoben, daß  die  Steuer  ein  Ausfluß  der  landesherrlichen 
Stellung  ist  und  auch  erst  seit  deren  Bestand  entstanden  sein 
kann.  Gerade  der  Umstand,  daß  man  in  den  bayrischen  und 
österreichisch-steirischen  Gütern  sich  auf  die  eigenen  Unter- 
tanen beschränken  mußte,  ist  bezeichnend  für  die  Stellung, 
die  der  Erzbischof  schon  im  14.,  nicht  erst  im  15.  Jahrhundert 
in  jenen  Ländern  einnahm.  Er  besaß  eben  hier  keine  Herr- 
schaft über  fremde  Hintersassen.  Die  Steuer  wurde  überall 
von  den  Urbarämtem  eingehoben.  Daraus  möchte  ich  aber 
keine  besonderen  Schlüsse  auf  ihre  Entstehung  usw.  zu  ziehen 
wagen.  Man  bediente  sich  zur  Durchführung  einer  fiskalischen 
Haßregel  eben  der  dazu  geeigneten  und  bestinmiten  Organe. 
Sie  durch  die  Gerichte  einheben  zu  lassen,  wäre  im  14.  Jahr- 
hundert, da  die  Gerichtsbarkeit  noch  vielfach  lehensweise  in 
den  Ebüiden  von  ,Ministerialgrafen'  war,  etwas  unsicher  ge- 
wesen. 

Wie  erwähnt,  haben  die  Erzbischöfe  algo  den  größten  Teil 
des  späteren  Staatsgebietes  nachweislich  dadurch  erworben, 
daß  sie  sich  an  die  Stelle  der  Grafengeschlechter  des  12.  xmd 
13.  Jahrhunderts  zu  setzen  wußten  und  deren  Gerechtsame  er- 
warben.   Daraus   hat  sich    hier  die  Landeshoheit   entwickelt. 


*  Sitznngsber.  der  Wiener  Akad.,  92  Bd.  Der  Aufsatz  ist  von  H.  B.  Meyer 
in  der  Histor.  Yierteljahrschrift  mit  einer  nicht  gerechtfertigten  Heftig- 
keit angegriffen  worden.  Dagegen  hat  schon  v.  Below  seine  Verdienste 
herrorgehoben  (Mitteil,  des  Inst.,  26  Bd.). 

ircUr.  XCIT.  BMid.  6 


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50 

Aber  dieser  Nachweis  läßt  sich  nur  fUr  einen  Teil  des  Stifts- 
landes erbringen.  Es  bleibt  ein  Rest,  für  den  er  nicht  möglich 
war;  ans  diesem  Gebiet  wissen  wir  weder  von  Grafengeschlech- 
tem,  noch  daß  deren  Besitz  aof  irgend  eine  Weise  an  das  Erz- 
bistum tibergegangen  wäre.  Hingegen  ist  die  höchst  merkwür- 
dige Tatsache  festzustellen,  daß  gerade  dieser  letztbezeichnete 
,grafenlose'  Teil  des  Kirchenstaates  in  den  kaiserlichen  Bestä- 
tigungsurkunden seit  Otto  II.  ausdrücklich,  und  zwar  in  der 
Form  eines  Waldbesitzes,  erwähnt  wird,  während  die  übrigen 
Besitzungen  der  Kirche  nur  insoweit  namentlich  angeflihrt 
werden,  als  sie  in  den  östlichen  Grenzländem  liegen.  So  bleiben 
gerade  die  ältesten  und  wohl  auch  wichtigsten  und  ertragreich- 
sten Klirchengüter  auf  altbayrischem  Gebiet  unerwähnt. 

Der  Verfasser  hat  diese  Frage  schon  einmal  in  den  mehr- 
erwähnten ,Untersuchungen  zur  histor.  Geographie  des  Erzstiftes 
Salzburg'  (Mitteil,  des  Inst,  für  österr.  Geschichtsf.,  I.  Ergän- 
zungsbd.)  behandelt;  bei  der  Herstellung  der  Landgerichts- 
karte für  den  Historischen  Atlas  mußte  er  aber  wieder  darauf 
zurückkommen.  Denn  es  galt  einen  Entschluß  darüber  zu 
fassen,  ob  man  diesen  Teil  des  Stiftslandes  als  ein  Gebiet  be- 
sonderer Erwerbsart  bezeichnen  solle.  Es  schien  daher  nötige 
den  Tatbestand  nochmals  ausführlich  darzulegen.  Dazu  for- 
derte auch  die  Herausgabe  der  ottonischen  Diplome  in  den 
Monumenten,  dann  die  Neubearbeitung  der  Karolinger  Regesten 
durch  Mühlbacher  und  das  Erscheinen  einer  Spezialarbeit 
(Erben,  Die  gefälschte  Urkunde  Arnolfs  für  Salzburg,  Mitteil, 
des  Inst.  X,  607,  1889)  auf. 

Schon  der  gelehrte  Verfasser  der  ,Juvavia'  hat  die  Ver- 
mutung aufgestellt,  der  östliche  Teil  des  salzburgschen  Terri- 
toriums, der  die  Gerichte  Hüttenstein  (St.  Gilgen),  Wartenfels 
(Talgau),  Abtenau  und  Radstadt  umfaßt,  sei  durch  die  großen 
Waldschenkungen  der  agilolfingischen  Herzoge  an  das  Erzstift 
gekommen:  d.  h.  aus  dem  Grundbesitz  habe  sich  hier  die  Ge- 
richtshoheit und  die  Landeshoheit  entwickelt.  Obwohl  Thaddäus 
von  Kleimayrn  sich  einer  unübertroffenen  Kenntnis  der  salz- 
burgschen Geschichte  und  ihrer  Quellen  erfreute  und  in  seinen 
Tagen  noch  die  lebhaftesten  Beziehungen  zum  Mittelalter  be- 
standen, die  er  vollkommen  überblickte,  so  war  doch  gerade 
jener  Ansicht  gegenüber  Mißtrauen  gerechtfertigt,  da  Kleimayrn 
im  allgemeinen  der  Meinung  war,    die  Territorialhoheit  seines 


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Kirchenstaates  beruhe  direkt  auf  den  kaiserlichen  Immunitäts- 
verleihungen.  Er  mußte  also  die  Ausdehnung  des  späteren 
Landesftirstentums  über  ein  Gebiet,  welches  in  den  Kaiser- 
Urkunden  erwähnt  war,  von  dem  man  keine  Grafen  kannte 
und  auch  keine  Erwerbung  der  Grafengewalt  wußte,  als  den 
eigentlichen  normalen,  rechtmäßigen  Fall  betrachten.  Dem  ge- 
genüber war  die  Erwerbung  eines  Gebietes  durch  Beerbung 
eines  Grafengeschlechtes,  durch  Kauf  oder  gar  durch  ein  ein- 
Jaches  Übereinkommen  mit  einem  Nachbar  seiner  Ansicht  nach 
ein  Ausnahmsfall.  Denn  was  einmal  der  Kirche  geschenkt  war, 
hatte  an  ihrer  Immunität  Anteil  und  sollte  daher  auch  zu  ihrem 
Staate  gehören.  Den  Umstand,  daß  das  bei  so  vielen  einst  von 
Königen  und  Kaisem  geschenkten  Gütern  nicht  stimmte,  war 
Kleimaym  geneigt,  durch  die  Raubsucht  und  gewissenlose  Hab- 
gier der  Nachbarn  zu  erklären. 

Aber  damit  kam  man  nicht  durch.  Im  Gegenteil,  es 
schien  als  eine  wertvolle  Erkenntnis,  daß  der  bloße  Grund- 
besitz allein  nicht  entscheidend  war  flir  öffentlich-rechtliche 
Verhältnisse,  auch  selbst  wenn  er  einer  mit  Immunität  ausge- 
statteten Reichskirche  gehörte,  und  nur  ungern  entschloß  sich 
der  Verfasser,  f&r  die  oben  genannten  Gerichte  in  den  ,Unter- 
snchungen'  die  Elleimaymsche  Auffassung  gelten  zu  lassen.  Spä- 
tere Autoren  (Erben,  1.  c.)  haben  das  zwar  entschuldbar  gefon- 
den,  aber  der  Verfasser  mochte  sich  nur  ungern  dabei  beruhigen. 

Gehen  wir  also  nochmals  in  die  Einzelheiten  ein,  so  ist 
vor  allem  festzustellen,  daß  wir  nicht  bloß  von  den  Gerichten 
Hüttenstein,  Wartenfels,  Abtenau  und  Radstadt,  sondern 
auch  vom  Pongau  (mit  Ausnahme  von  Gastein),  von  Großarl, 
Wagrein  und  dem  Lungau  nicht  wissen,  wie  sie  unter  den 
Blutbann  der  Erzbischöfe  gelangt  sind. 

Oder  genauer  ausgedrückt,  wir  haben  von  keinem  dieser 
Gerichte  eine  Nachricht  überliefert,  daß  die  Erzbischöfe  durch 
irgend  einen  Akt  die  Blutgerichtsbarkeit  erworben  hätten,  wie 
sie  etwa  1297  das  Gericht  in  Gastein  von  den  Herzogen  von 
Bayern  gekauft  haben,  oder  1228  mit  den  Grafschafken  Ober- 
nnd  Unterpinzgau  vom  König  belehnt  worden  sind  usw.  Hin- 
gegen erscheint  dieses  Gebiet,  wie  erwähnt,  in  den  Konfir- 
mationsurkunden seit  Otto  n.  als  ein  Waldbesitz  der  Kirche. 
Die  Geschichte  seiner  Erwerbung  und  Beurkundung  ist  also 
die  wichtigste  Seite  des  vorliegenden  Problems. 

6» 


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Den  nächsüiegenden  Gedanken,  es  sei  die  Überlieferung 
mangelhaft;,  wird  man,  ohne  ihn  ganz  auszuschließen,  doch  nur 
mit  Vorsicht  aufgreifen  dürfen.  Einmal  ist  die  Überlieferung 
des  salzburgschen  Urkundenschatzes  im  ganzen  nicht  schlecht. 
Von  Ludwig  dem  Frommen  an  ist  eine  stattliche  Anzahl  von 
Kaiser-  und  Königsurkunden  erhalten  und  von  einigen  ver- 
lorenen bieten  die  Kammerbücher  Abschriften;  jene  unschätz- 
baren Kammerbücher,  deren  reicher  Inhalt  doch  von  der 
Menge  der  erhaltenen  Originalurkunden  fast  noch  übertroffen 
wird.  Es  ist  ja  nicht  unmöglich,  aber  doch  wenig  wahrschein- 
lich, daß  politisch  wichtige  Stücke  des  12.  oder  13.  Jahrhun- 
derts spurlos  verloren  gegangen  sind. 

Es  kommen  zunächst  in  Betracht  die  Diplome:  1.  Ottos  II. 
Mon.  Genn.,  Dipl.  O.  11.  165,  Juvav.  Dipl.  Anhang  Nr.  75 
von  977.  2.  Ottos  IH.  Dipl  0.  IH.  1,  Juvav.  Nr.  76  von  984; 
ersteres  im  Original,  das  zweite  in  der  Abschrift  der  Kammer- 
bticher  erhalten.  Die  für  uns  wichtigen  Stellen  beider  Urkunden 
sind  wörtlich  gleichlautend.  Ihr  Text  wurde  die  Grundlage 
für  eine  Reihe  kaiserlicher  Konfirmationen,  nämlich  Heinrich  IH. 
1051,  Juvav.  Nr.  99,  Heinrich  IV.  1057,  Juvav.  Nr.  104,  Fried- 
richs I.  von  1178,  Meiller  Reg.  S.  131,  Nr.  18  und  Philipps  von 
1199,  Meiller  Reg.  S.  168,  Nr.  133.  Da  sich  aus  ihnen  nichts 
Neues  ergibt,  können  sie  unerörtert  bleiben.  Der  maßgebende 
Wortlaut  ist  der  von  0.  H.  165  aus  977;  hier  tritt  der  in  vieler 
Beziehung  merkwürdige  Text  zum  ersten  Male  in  einem  un- 
zweifelhaft echten  Stücke  auf. 

Er  stellt  sich  dar  als  eine  sehr  umfangreiche  Zusammen- 
stellung der  Besitzungen  des  Erzstiftes  vorwiegend  in  den  öst- 
lichen Gegenden.  Außer  der  hier  genauer  zu  besprechenden 
Waldkonfirmation  betrifft  der  ganze  Inhalt  der  Urkunde  nur 
Besitzungen  in  Ober-  und  Niederösterreich,  Steiermark,  Kärn- 
ten und  Ungarn.  Für  den  größten  Teil  der  Angaben  lassen 
sich  die  Quellen  nachweisen,  es  sind  die  bekannten  Güterver- 
zeichnisse des  Erzbischofs  Arno:  Indiculus  (Notitia)  Amonis 
und  Breves  notitiae,  dann  Urkunden  der  späteren  Karolinger, 
besonders  ein  Diplom  König  Ludwigs  des  Deutschen  von  860, 
aber  auch  einige  Akte  des  10.  Jahrhunderts. 

Das  Diplom  Kaiser  Ottos  H.  von  977  (DO.  11.  165),  das 
die  Reihe  dieser  Konfirmationen  eröffnet,  hat  aber,  wie  be- 
kannt, gefälschte  Vorgänger.     Es  liegt  heute  noch  ein  Diplom 


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53 

Kaiser  Amolfa  vom  20.  November  890  vor  (gedr.  Juvav.  Dipl. 
Anh.  Nr.  54,  Mtthlbacher,  Reg.  2.  Anfl.  Nr.  1801),  welches  als 
eine  Fälschung  des  10.  Jahrhmiderts  erwiesen  ist.  Es  bildet 
offenbar  die  Grundlage  flir  DO.  11.  165,  welches  zwar  die 
Amolfsche  Urkunde  nicht  transsumirt;  ihr  aber  —  mit  sach- 
gemäßen Änderungen  und  einer  Kürzung,  gleich  ist.  Die  Fäl- 
schung betrifft  aber  nicht  bloß  die  heutige  FonU;  sondern  auch 
den  Inhalt  der  Urkunde;  es  sind  Erwerbungen  darin  aufge- 
ftthrt,  welche  erst  dem  10.  Jahrhundert  angehören.  Wenn  viel- 
leicht doch  ein  echter  Amolf  vorhanden  gewesen  ist,  so  müßte 
dieser  das  letzte  Drittel  der  Urkunde  von  ,ad  Pettoviam  eccle- 
siam',  (Dipl.  11,  S.  186,  Z.  34)  enthalten  haben.  Dieses  ist  näm- 
Kch  von  Otto  im  Jahre  982  (DO.  ü.  275)  ausdrücklich,  mit 
Nennung  der  Amolfschen  Vorurkunde  konfirmiert  worden;  der 
Kontext  ruft  den  Eindruck  hervor,  als  ob  diese  nicht  mehr  als 
jene  Stelle  enthalten  habe. 

Endlich  ist  noch  anzuführen,  daß  auch  eine  Konfirmation 
Ottos  m.  von  984  vorliegt  (DO.  III.  1,  Juvav.  Nr.  76),  welche 
der  Hauptsache  nach  0. 11.  165  wiederholt,  jedoch  auch  den 
hier  fehlenden  Schluß  des  falschen  Amolf  enthält. 

Gegen  die  Existenz  eines  echten  Amolf  spricht  aber  der 
Umstand,  daß  der  Verfertiger  des  falschen  die  Formalien  der 
Urkunde,  Datierung  und  Subskription  einer  Urkunde  Ludwigs 
des  Deutschen  von  860  (Mühlbacher,  Reg.  1444,  Juvav.  Nr.  38) 
entnommen  hat;  aber,  wie  Mühlbacher  bemerkt,  nicht  dem 
Original,  sondern  einer  Kopie  des  10.  Jahrhunderts. 

Mit  dem  falschen  Amolf  steht  endlich  noch  in  Beziehung 
eine  weitere  gefälschte  Urkunde  (Mühlbacher  2041)  angeblich 
von  906   Nov.  20  von  Ludwig  d.  K.    (Juvav.  Nr.  42  zu  875), 
die  uns  nur  in  der  Abschrift  der  Kammerbücher  erhalten  ist. 
Es  gibt  aber  noch  eine  weitere  Verwicklung,  die  in  dieser 
Fälschungsangelegenheit    flir   uns    den    interessantesten    Punkt 
enthält  Der  gefälschte  Amolf  zeigt  Rasuren.    Eine  betrifft  die 
Datierung;   es  scheint  zuerst  die  Datierung   der  Urkunde  von 
860  geschrieben  worden  zu  sein,    die  man  dann   mit   dem  an- 
geblichen  Aussteller  in  Übereinstimmung   zu  bringen    suchte; 
die  andere  betrifft  ein  Stück  der  Disposition,  und  zwar  gerade 
jene  Waldschenkung.    Es   ist  eine   Stelle  von   91  Buchstaben 
radiert    — wir  können  sie   aus  dem  Wortlaut   der  Ottonischen 
Urkunde  leicht  ergänzen  —  und  dafür  ein  Satz  mit  133  Buch- 


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54 

Stäben  eingesetzt^  welcher  eine  Grenzbestimmang  des  Pongans 
nach  Osten,  gegen  das  Ennstal  hin  enthält;  also  eine  Stelle 
von  großer  sachlicher  Wichtigkeit. 

Diese  Radierung  wurde  aber  auf  dem  falschen  Amolf 
erst  vorgenommen,  nachdem  sein  Inhalt  bereits  in  das  Diplom 
Ottos  n.  übergegangen  war,  denn  wie  erwähnt,  diese  Urkunde 
und  die  folgenden  enthält  den  auf  der  Rasur  stehenden  Satz 
nicht,  sondern  einen  kürzeren,  dem  auch  der  Raum  der  ur- 
sprünglichen Worte  entspricht. 

Es  war  notwendig,  diese  Geschichte  der  Überlieferung 
hier  ausführlich  mitzuteilen,  doch  kann  man  feststellen,  daß 
für  unsere  Frage  eigentlich  nur  diese  nachträgliche  Änderung 
am  gefälschten  Amolf  wichtig  ist.  Maßgebend  ist  vielmehr  fol- 
gendes: Die  erzbischöfliche  Kanzlei  legte  im  Jahre  977  der 
kaiserlichen  Kanzlei  den  Text  einer  Konfirmationsurkunde  vor, 
welche  die  Waldschenkung  in  der  für  uns  entscheidenden 
Form  enthielt,  und  dieser  wurde  der  kaiserlichen  Genehmigung 
teilhaftig.  Ob  der  gefälschte  Amolf  damals  mit  vorgelegt  wurde 
und  aus  welchen  Elementen  er  zusammengestellt  war,  ist  dem 
gegenüber  eine  Sache  von  untergeordneter  Bedeutung. 

Es  soll  also  vorerst  genau  untersucht  werden,  aus  welchen 
Bestandteilen  jener  Wortlaut  besteht.  Im  folgenden  ist  mit 
größerer  Schrift  der  Text  von  0. 11.  165,  soweit  er  hier  in 
Betracht  kommt,  wörtlich  und  ohne  Auslassung  abgedruckt; 
nach  jedem  einzelnen  Satz  die  Stellen  aus  älteren  uns  über- 
lieferten Quellen,  welche  dem  Verfasser  des  Diplomes  als 
Vorlage  gedient  haben  können,  oder  welche  doch  unseres 
Wissens  die  rechtliche  Grundlage  des  Kirchenbesitzes  bilden; 
dazu  die  Erläuterungen: 

Ideoque  firmanus  ad  predictum  monasterium  Sancti  Petri 
sanctique  Rodberti  primitus 

I.  Castellum  sanctae  Erindrudis  cum  omnibus  juste 
ac  legaliter  ad  idem  castellum  pertinentibus, 

Notitia  Arnonis  I,  1.  primum  quidem  tradidit  Theodo 
dnx  predictum  oppidum  (Salzburg)  simulque  et  castrum  su- 
periorem  domno  Hrodberto  cum  terminis  denominatis  et 
confinibuB  .  .  . 

Breves  Notit.  II,  3.  Theodo  dux  dedit  domno  S.  Rud- 
berto  eundem  locum  ad  episcopii  sedem  cum  finalibus  locis 
ibidem  adjacentibus,  castrum  superius  cum  montibus  ex 


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utraqiie  parte  flnmixiis  iUins  et  nsque  fagum  stantem  in  medio 
campo  in  australi  parte  ipsonun,  quod  Tulgo  dicitur  Hagen- 
paba  cum  aqnis  ibi  circnmquaque  correntibus. 

Dies   ist   die  Schenkung   des  erzbischöflichen  Sitzes 
mit  seinem  Hanptschloß.    Siehe  dazn 

n.  cum  curtibus,  venationibus,  piscationibus,  id  est 
ab  aecclesia  sancti  Martini,  que  respiclt  contra  mon- 
ticulum,  qui  vulgo  Nochstein  nuncupatur,  sursum 
ex  utraque  parte  fluminis  luaris  nominati  usque 
in  rivolum  Quartinesbach 

Not.  Am.  YII,  8  ...  et  venationem  in  silva,  que  ad- 
jacet  inter  alpes  a  Gaizlobercb  usque  ad  pontes,  que  nunc 
▼ocantur  Stega,  et  alpes  in  eodem  pago  IUI  ita  yocantur  Cun- 
dlcus  et  Cuculana,  Alpicula  et  Lacuana  monte,  seu  etiam  ter- 
dam  partem  de  Abiiani  lacu  piscationem. 

B.  N.  VII,  1,  Z.  5.  Item  de  isto  flumine,  quod  vocatur 
Salzaha,  de  illa  petra  que  respicit  contra  ecclesiam  sancti 
fiiartini,  que  sita  est  in  castro  luuauensi,  nulli  liceret  sine  li- 
cencia  buius  sedis  episcopi  piscacionem  babere,  vel  castores 
apprebendere  sive  ullam  ezercere  venacionem,  nisi  tan  tum 
uno  piscatori  dominico.  Item  de  loco  qui  vocatur  Scratinpacb 
ex  utraque  parte  supradicti  fluminis  in  forste  pleniter  fieri 
ad  istam  sanctam  dei  ecclesiam  sursum,  ubi  Swarzaba  exo- 
ritur,  et  sie  usque  ad  illum  locum  qui  vocatur  Purcb,  et  ita 
fieri  a  potestativis  viris  ad  istam  sedem  definitum  est. 

Dem  Hanptschloß  Hohensalzburg  werden  in  der  Ur- 
kunde Höfe,  Jagd-  und  Fischrechte  zugeschrieben  ,bi8 
zum  Quartinesbach',  der  allgemein  als  die  B.  N.  1  erwähnte 
Schwarzaha  (gleich  dem  Schwarzbach,  der  den  Gollinger- 
£EdI  bildet)  aufgefaßt  wird.  Man  sieht  aber  aus  derselben 
Stelle  der  B.  N.,  daß  der  Satz  in  der  Urkunde  aus  zwei 
getrennten  Verleihungsakten  zusammengezogen  worden  ist; 
im  ersten  wird  das  Fischrecht  in  der  Salzach  von  Schloß- 
berg (der  Martinskirche  gegenüber  dem  Nockstein)  fluß- 
aufwärts geschenkt  —  bis  wie  weit  aufwärts  wird  nicht 
gesagt  —  im  zweiten  der  Wald  auf  beiden  Flußufem 
vom  Schranbach  (bei  Hallein)  bis  zum  Schwarzbach.  Das 
Stück  am  rechten  Ufer  heißt  heute  noch  der  Abtswald 
und  war  ununterbrochen  im  Besitz  des  Stiftes  St.  Peter. 
Von  dem  Stücke  am  rechten  Ufer  wissen  wir  nichts  Qe- 
wisses.    Am  rechten  Ufer  liegen  auch  die  vier  Alpen,  die 


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in  Not.  Arn.  VII,  8  erwähnt  werden.  (Deutung  der  Namen 
im  Salzburger  Urkundenbuch.) 

Die  Frage,  ob  die  hier  erwähnten  Gebiete  etwas  mit 
dem  ftliher  besprochenen  Landstrich  ,ohne  Grafen^  zu 
tun  haben,  ist  aber  zu  verneinen.  Der  Abtswald  sowie 
die  vier  Alpen  liegen  in  der  Grafschaft  Küchel  (Landge- 
richt Golling,  der  Gaisberg  im  Landgericht  Glaneck);  diese 
Grafschaft  hatte  aber  Grafen  (S.  Untersuchungen  S.  679.) 

TTT.  insuper  etiam  de  ipso  rivolo  (Quartinespach)  ve- 
nationem  piscationemque  ex  utraque  parte  pre- 
notati  fluminis  ad  sanctum  MaximiKanum  usque 
dum  Tuontina  ex  aquilonali  parte  fluit  in  praedic- 
tum  flxunen  atque  rivolus  Gastuna  ex  australi  parte 

Not.  Arn.  VIII,  4.  Theodo  dux  tradidit  ipsum  locum 
[qui  dicitur  Pongauui]  ad  s.  Petrum  ad  Salzpurch  monaste- 
rium  et  ex  omni  parti  miliarios  III. 

B.  N.  III,  10.  Tunc  quoque  dux  Theodebertus  dedit  ibi- 
dem de  forste  suo  tria  miliaria  in  omnem  quacunque  partem. 

B.  N.  IX,  8.  Dedit  quoque  idem  dux  Otilo  ad  ean- 
dem  cellam  s.  Maximilian!  sursum  et  versum  per  Salzaba  flu- 
men  ex  utraque  ripa  ipsius  fluminis  saltum  ad  venacionem 
atque  ad  pascua  pecorum  alpes  et  silvam  a  loco,  qui  dicitur 
Strupe  et  ad  Furch  et  illas  alpes  ubi  Swarzaha  oritur,  et  sie 
in  occidentem  et  aquilonem,  ad  orientem  et  austrum  usque 
Stegen. 

B.  N.  IX,  2  (trad.  Odilo)  sancto  Maximiliane  ...  ad 
Pongo  commanentes  XXX  cum  silya  et  venatione  et  omni 
appendicio  suo. 

Das  Diplom  umschreibt  ganz  deutlich  die  Grenzen 
des  Pongaus.  Er  beginnt  am  Schwarzenbach  außerhalb 
des  Passes  Lueg  und  reicht  bis  zu  der  später  immer  wieder 
angeführten  und  bis  zum  heutigen  Tage  geltenden  Grenze 
zwischen  Pongau  und  Pinzgau  —  Mündung  der  Gasteinerache 
am  rechten,  des  Dientenbaches  am  linken  Ufer.  Das  sind 
die  Grenzen  im  Salzachtale;  der  Dientenbach  bildete  dann 
noch  auf  eine  große  Strecke  seines  Laufes  stromaufwärts 
bis  1830  (Einführung  der  Steuergemeinden)  die  Grenze 
zwischen  den  pongauischen  und  Pinzgauer  Landgerichten 
(s.  Erläuterungen  zum  H.  A.  Landgericht  Taxenbach). 
Die  Gasteinerache  aber  diente  stets,  soviel  wir  wissen, 
nur  eine  ganz  kurze  Strecke  aufwärts,  bis  zum  sogenann- 


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ten  Stinkofen  in  der  Elamni;  als  Grenze;  diese  sprang 
von  da  über  die  ,Drei  Waller'  auf  den  Kamm^  der  Ga- 
steiner- nnd  Kanrisertal  scheidet 

Es  ist  nicht  zu  zweifeln,  daß  auch  die  obige  Stelle 
der  B,  N.  ,ad  orientem  et  anstrum  usque  Stegen',  nn- 
ge&hr  dasselbe  meint.  Für  dieses  ,Stegen'  haben  wir 
Stegenwacht  am  Eingange  in  das  Großarltal  zur  Ver- 
fügung (so  Salzb.  Urkb.),  ein  guter  Abschluß  für  den 
Pongau  nach  Süden;  aber  auch  bei  Schwarzach  findet 
sich  ein  Steg.  Freilich  liegt  dies  im  Südwesten;  nicht  im 
Südosten.  Doch  kann  über  den  südlichen  Abschluß  des 
Pongaus  überhaupt  nicht  viel  Zweifel  sein;  dies  unwirt- 
Uche  Stück  des  Salzachtales  von  Taxenbach  bis  gegen 
Schwarzach,  wo  Gasteineraohe  und  Dientenbach  münden, 
gab  einen  fast  ebenso  natürlichen  Abschluß  als  die  Berg- 
kämme, die  sonst  den  Gau  umgrenzen. 

Die  Nordgrenze  wird  im  Diplom  und  in  den  B.  N. 
ebenfalls  übereinstimmend  angegeben,  dort  als  Quartines- 
pach,  hier  als  Swarzaha.  Strup  (Strubberg  an  der  Lammer), 
Purch  (bei  Golling)  deuten  ebenso  wie  der  Schwarzbach 
an,  daß  Tennen-  und  Hagengebirg  bis  zum  Göll  zum  Pon- 
gau gerechnet  wurden. 

Die  drei  Meilen  entsprechen  nur  sehr  oberflächlich 
den  wirklichen  Entfernungen.  Von  Stegenwacht  bis  zur 
Lammer  sind  in  der  Luftlinie  über  30  fem;  von  der  Dien- 
tenmünduDg  noch  um  12  mehr;  das  eigentliche  Pongauer 
Becken  von  Werfen  bis  Schwarzach  ist  20  km  lang.  Noch 
schlechter  stimmt  es  mit  der  Breite. 

Immerhin  ist  der  Pongau  sowohl  im  Diplom  als  in 
den  B.  N.  unzweideutig  umschrieben. 

An  dieser  Stelle  ist  nun  die  Rasur  auf  dem  gefälsch- 
ten Amolf  zu  besprechen.  Hier  ist  die  oben  unter  HI. 
angeführte  Stelle  vom  Beginne  bis  usque  dum  Tuontina  .  . . 
wegradiert  und  auf  der  Rasur  steht:  et  Retilinstein  et 
majorem  Meddicham  fluviumque  Uuitozzam  et  usque  ad 
rupem  Wizzinchogal;  insuper  tradimus  atque  firmamus 
sancto  Maximiliane  ab  luuare  fluvio.  Die  erste  Hälfte  bis 
, Wizzinchogal'  ist  Einschub,  das  übrige  eine  verkürzte 
Form  der  wegradierten  Phrase,  um  wieder  den  Anschluß 
an  den  Text  zu  gewinnen.    Dieser  Einschub  enthält  nun 


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die  Grenze  des  Gerichtes  Radstadt  gegen  die  Grafschaft 
Ennstal;  das  ist  die  noch  heute  geltende  Landesgrenze 
zwischen  Salzburg  und  Steiermark  yom  Dachsteingebirge 
bis  auf  den  E^amm  der  Niederen  Tauem.  Darüber  ist  gar 
kein  Zweifel  (Erben,  Mitteil,  des  Inst.  X,  609). 

Daraus  geht  nun  zunächst  hervor,  daß  der  Einschub 
an  einer  falschen  Stelle  steht,  denn  es  handelt  sich  hier 
um  eine  Abgrenzung  des  Pongaues  gegen  Osten,  nicht  um 
eine  Abgrenzung  der  zum  Erentrudskastell  (Hohensalz- 
bürg)  gehörigen  Fisch-  und  Jagdrechte,  wie  es  im  Text 
des  falschen  Amolf  den  Anschein  hat.  Es  schließt  sich 
nämlich  hier  der  Text  zu  der  Phrase  zusammen  ,Castel- 
lum  s.  Erentrudis  .  .  .  cum  pertinentibus,  .  .  .  id  est  .  .  . 
piscationibus  .  .  .  usque  in  rivolum  Quartinesbach  et  Reti- 
linstein  et  Meddicham  usw.  Der  Einschub  gehört  vielmehr 
nach  ,Gastuna  in  australi  parte'  und  sollte  hier  etwa  durch 
ein  ,in  orientali  parte  autem  usque  ad'  (Retilinstein  usf.) 
angeschlossen  sein. 

Nach  dem  paläographischen  Befund  stammt  der  Ein- 
schub aus  dem  11.  Jahrhundert. 
IV,  Ad  haec  etiam  firmamus  ad  prefatum  monaste- 
rium  luuauense  forestem  a  termino  qui  in  Pison- 
cia  incipit  hoc  est  de  rivolo  Erilipach  usque  ad 
acutum  montem,  qui  Diutisce  vocatur  Vuassin- 
perch,  prope  Iscalam  in  illo  loco,  ubi  terminus 
forestis  Ratpotoni  comitis  sc  de  isto  disjungit, 

Cod.  trad.  Friderici  Nr.  7,  ürkb.  S.  173  (=Juvav.  Anh. 
S.  197,  cap.  17):  Tradidit  .  .  .  nobilis  femina  Rosmuot  .  .  . 
(archiep.  Frid.)  unamhobam  adTassinpah  cum  tali  nemore  .  .  . 
id  est  de  Erilipah  usque  ad  Tuontina  et  ex  altera  parte  fluvii, 
qui  dicitur  Salzaha,  de  Uusca  usque  ubi  Gastuna  intrat  in 
eundem  fluvium,  et  cum  piscatione  ac  omnibus  adiacentibus, 
que  Bui  iuris  essent. 

Mit  dieser  Urkunde  (von  963  zirka)  des  cod.  Frid. 
ist  die  erste  Hälfte  der  obigen  Stelle  des  Diplomes  bis 
jErilipach'  vollkommen  erklärt.  Im  vorigen  Absatz  war 
der  Pongau  durch  Dientenbach  und  Gasteinerache  nach 
Westen  abgegrenzt,  jetzt  folgt  das  anschließende  Gebiet, 
vom  Erlbach,  der  in  den  Zellersee  mündet  ostwärts,  wie- 
der bis  an  die  beiden  Bäche. 


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Das  dadurch  abgegrenzte  Gebiet  entspricht  den  Ge- 
riditen  Taxenbach  und  Ranris.  Ebenso  lange  wie  der 
Dientenbach;  nämlich  bis  1830,  war  anch  die  Fnscherache 
Gerichtsgrenze  y  und  zwar  zwischen  Taxenbacher-  und 
Zellergericht.  Dieser  Umstand  scheint  dafbr  zu  sprechen, 
daß  der  Wald,  der  zu  der  ,hoba'  in  Taxenbach  gehörte, 
die  nördlichen  und  südlichen  Seitentäler  mitum£eJ}t  habe; 
trotzdem  ist  es  unwahrscheinlich,  daß  ein  so  ausgedehntes 
Gkbiet  im  10.  Jahrhundert  noch  als  unbewohntes  Wald- 
revier ein  ,appendicium'  eines  Hofes  gewesen  sei,  selbst 
wenn  wir  die  Hoba,  als  Herrenhof  oder  ,Herrschaft^  statt- 
lichster Art  uns  vorstellen  wollen. 

Wenn  übrigens  der  Erzbischof  Friedrich  die  Absicht 
verfolgt  haben  sollte,  durch  Einbeziehung  dieses  im  Tausch- 
wege von  einer  Privatperson  erworbenen  Gebietes  in  die 
Reihe  der  herzoglichen  Waldschenkungen  aus  der  Agilol- 
fingerzeit  auch  hier  die  Grafengewalt  auszuschließen,  so 
ist  ihm  dieser  Vorsatz  mißlungen,  denn  wir  finden  den- 
selben Landstrich  im  Jahre  1228  als  Teil  der  Grafschaft 
im  unteren  Pinzgau.  (Meiller,  Reg.  S.  242)  ,inferiorem 
(comitatum)  autem  a  loco  Walherainode  per  longxmi  et 
planum,  sicut  dicta  aqua  Salza  decurrit,  donec  ipsi  torrens, 
qui  dicitur  Tuonta,  influit  iuxta  Bongov'. 

Hier  greift  also  die  Waldkonfirmation  über  das  ,gra- 
fenlose'  Gebiet  hinaus.  Da  nun  dieser  Taxenbacher  Wald 
erst  14  Jahre  vor  der  Ausstellung  des  kaiserlichen  Di- 
plomes von  977  erworben  worden  ist,  so  mußte  man  in 
der  erzbischöflichen  Eotnzlei  noch  wissen,  welcher  Art 
dieser  Besitz  war.  Es  konnte  im  10.  Jahrhundert  das 
,Landgericht'  nicht  mitvertauscht  worden  sein  wie  im 
14.  oder  15.  Jahrhundert;  die  Ausschließung  der  Grafen- 
gewalt scheint  damals  nur  denkbar  in  der  öfter  bezeich- 
neten Weise,  daß  auf  dem  ganzen  Gebiet  nur  Stiftsunter- 
tanen sich  befanden,  die  in  bezug  auf  die  niedere  Ge- 
richtsbarkeit dem  Urbarrichter,  auf  den  Blutbann  dem 
erzbischöflichen  Vogt  unterstanden. 

Wenn  wir  voraussetzen,  die  Zusammenstellung  der 
Disposition  in  dem  Diplom  von  977  sei  von  rechtskun- 
digen Leuten  mit  Überlegung  und  nach  gewissen  Absich- 
ten m  der  erzbischöflichen  Kanzlei  gemacht  worden,   so 


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werden  wir  annehmen  müssen^  daß  über  die  rechtliche 
Natur  dieses  Taxenbacher  Waldbesitzes  verschiedene  Auf- 
fassungen möglich  wareU;  oder  daß  wir  heute  der  damals 
unternommenen  Zusammenstellung  eine  übertriebene  Be- 
deutung beizulegen  geneigt  sind.  Denn  wozu  sonst  gerade 
ihn  in  die  Konfirmation  einbeziehen^  wo  doch  hunderte 
von  anscheinend  ebenso  bedeutenden  Erwerbungen  in 
den  erzbischöflichen  Traditionsbüchem  verzeichnet  waren, 
die  man  hier  nicht  au&ahm? 

Von  den  Grenzen  des  Taxenbacher  Waldes  am  Zeller- 
see  springt  nun  die  Grenzbeschreibung  mit  einer  seltenen 
Kühnheit  eine  Strecke  von  70  km  weit  über  Berg  und 
Tal  bis  in  den  nördlichen  Teil  des  Salzkammergutes^  zum 
,Wassinperch'  nahe  der  Ischl.  Diesen  Wassinperch  wird 
man,  seitdem  A.  Prinzinger  am  Fusse  des  ,Sparber^  am 
Wolfgangsee  ein  Wassengut  aufgefunden  hat,  als  den 
Sparber  betrachten  dürfen,  da  diese  Annahme  auch  der 
Gesamtlage  der  Nachrichten  am  besten  entspricht.  Aus 
diesem  letzteren  Grunde  kam  der  Verfasser  (in  den  Un- 
tersuchungen 714)  dazu  den  Rettenkogel  oder  Rinnkogel 
für  den  Wassinperch  zu  halten,  die  nur  einige  Elilometer 
vom  Sparber  entfernt  sind. 

Vergegenwärtigen  wir  uns,  welchen  Umkreis  die 
,Montana  omnia'  (siehe  unten)  zwischen  dem  Pinzgauer 
Zellersee  und  dem  Abersee  —  denn  so  kann  man  jene 
Angabe  verständlicher  fassen  —  eigentlich  einnehmen,  so 
finden  wir  folgendes.  Der  Pongau  ist  ebenso  wie  der 
Taxenbacherwald  abermals  seinem  ganzen  Umfange  nach 
mit  einbegriffen,  ja  er  ist  der  Hauptteil,  der  Kern  des 
ganzen;  besonders  wenn  man  beachtet,  daß  das  Tennen- 
und  Hagengebirg  samt  dem  GöU,  also  das  ganze  Grenz- 
gebirg  gegen  Berchtesgaden  ihm  zugerechnet  wurden. 
Seine  Grenzen  gegen  Süden  bleiben  unbestimmt.  Reicht 
er  nur  bis  an  den  Fuß  der  Hohen  Tauem  (Stegenwacht) 
oder  bis  an  deren  Hauptkamm?  Gastein  hat  im  13.  Jahr- 
hundert ein  eigenes  Landgericht,  wie  Taxenbach  und 
Rauris,  ebenso  Kleinarl;  die  ,Fünf  Stäbe  in  Pongau'  um- 
faßten später  von  den  Tauerntälem  nur  Großarl  (Taidinge 
S.  181).  Auch  die  Ortsgrenze  bleibt  unbestimmt  und  selbst 
wenn  man  die  Grenzen  im  Salzkammergut  bis  auf  die 


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Bei^  westlich  vom  Hallstädtersee  sich  vorgeschoben  denkt^ 
die  Qosan  also  einschließt^  wie  es  späteren  Angaben  ent- 
spricht^  so  bleibt  das  oberste  Ennstal  mit  Badstadt  and 
dem  Tauemtale  noch  immer  außerhalb  der  Bestimmung 
,die  Berge  zwischen  Zeller  und  Abersee'.  Kein  Wunder, 
wenn  ein  Späterer  die  Notwendigkeit  flihlte  hier  die  Mand- 
linggrenze  einzuschalten,  wie  es  im  feilschen  Amolf  ge- 
schehen ist. 

Mit   der   Nordgrenze   beschäftigt    sich    der   nächste 
Absatz. 

et  in  aquilonali  parte  de  rivolo  Tinnilinpach  us- 
que  in  summitatem  montis  Ciruencus  nominati,  et 
de  iam  dicto  monte  Uuassinperch  usque  ad  pre- 
fatiun  monticulum  Nochstein,  —  illa  montana 
omnia,  que  in  potestate  antecessorum  nostrorum 
fuerant  et  nostra  ad  iam  dictum  monasterium  fir- 


Über  dieses  Stück  wurde  ausführlich  gehandelt  Un- 
tersuchungen S.  710  bis  717,  wo  auch  die  betreffenden 
Stellen  aus  den  B.  N.  und  Not.  Am.  abgedruckt  sind, 
so  daß  es  wohl  genügt,  darauf  zu  verweisen.  Der  oben- 
genannte Satz  ist  vornehmlich  B.  N.  VlI,  1  entnommen; 
der  Anschluß  an  den  Nockstein  aber  ist  neu,  wenn  auch 
vollkommen  sachgemäß.  Man  erkennt  aber  aus  dem  Suchen 
eines  solchen  Anschlusses  das  Streben  des  Verfassers,  den 
Bestand  eines  geschlossenen  Gebietes  zu  erweisen. 

Durch  die  Linie  Wassenberg  (Sparber),  Dindlbach, 
Zifanken,  Nockstein  ist  die  Nordgrenze  der  beiden  Ge- 
richte Hüttenstein  und  Wartenfels  gegeben  und  damit 
auch  das  zwischen  ihnen  und  dem  Pongau  liegende  Ge- 
richt Abtenau  unserem  Bezirk  zugeteilt. 

Der  Verfasser  des  ottonischen  Diplomes  hat  also 
mit  seinem  Texte  die  Gerichte  Taxenbach  und  Rauris, 
die  fünf  Stäbe  des  Pongaus,  Abtenau,  Hüttenstein  und  War- 
tenfels umschrieben.  Gastein  ist  zweifelhaft,  Radstadt  und 
Kleinarl  (Wagrein)  bleiben  außerhalb,  ebenso  der  Lungau. 

Grafenlos  sind  der  Überlieferung  nach  aber  nur: 
Radstadt,  Wagrein,  Abtenau,  Hüttenstein  und  Wartenfels; 


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Pongau  ist  zweifelhaft,  Taxenbach,  Rauris  und  Gastein 
hatten  sicher  Grafen,  wahrscheinlich  auch  Lungau. 

Daraus  läßt  sich  vielleicht  folgern:  Auch  im  Jahre 
977  hofiFte  man  in  Salzburg  durch  Eonfirmierung  eines 
großen  zusammenhängenden  Landstriches,  für  den  durch 
die  Immunität  ein  bevorzugter  Rechtsstand  gegeben  war, 
ein  Gebiet  unmittelbarer  Beherrschung  zu  schaffen. 

An  eine  vollkommene  Ausschließung  der  Grafen- 
gewalt dachte  man  aber  im  10.  Jahrhundert  überhaupt 
noch  nicht,  da  die  Grafen  überall  als  stiftische  Vögte  ihr 
Amt  ausübten  und  die  Vorstellung  einer  erzbischöflichen 
Landeshoheit  mit  Ausschließung  aller  Grafen  im  10.  Jahr- 
hundert noch  gar  nicht  bestehen  konnte.  Sie  fehlen  auch 
nur  teilweise;  wahrscheinlich  nur  in  den  menschenarmen 
Waldgebieten  der  drei  nördlichen  Gerichte;  von  den  übri- 
gen wissen  wir  zu  wenig;  wenn  wir  sie  später  im  Besitz 
der  Erzbischöfe  finden,  ohne  daß  wir  von  einem  Erwerb 
nach  Abgang  der  Grafen  wissen,  so  ist  doch  ein  solcher 
Vorgang  für  den  Pongau  z.  B.  sehr  wahrscheinlich.  Doch 
ftlhlt  man  sich  immer  wieder  angereizt,  die  eigentümliche 
Arbeit  des  Verfassers  von  DO.  11.  165  zu  prüfen  und  ihr 
einen  bestimmten  Sinn  und  eine  bestimmte  Absicht  zuzu- 
schreiben. Und  eine  solche  wird  man  unter  allen  Umstän- 
den annehmen  dürfen. 

Immerhin  kann  also  die  alte  Eleimaymsche  Auffassung, 
die  spätere  Landeshoheit  beruhe  auf  den  Gebieten  geschlossenen 
Grundbesitzes,  auf  der  Immunität  und  nicht  auf  dem  Erwerb 
von  Grafschaftsrechten,  für  den  östlichen  Teil  des  Salzburger 
Stiftslandes  so  lange  auft*echt  bleiben,  bis  neue  Untersuchungen 
das  Gegenteil  bewiesen  haben,  wenn  man  sich  auch  wird  hüten 
müssen,  die  Bestrebungen  des  13.  Jahrhunderts  schon  in  das 
10.  zu  verlegen.^ 


*  Meine  schwere  Erkrankung  hindert  mich  leider  diese  interessante  Frage 
nach  Wnnsch  weiter  aasznführen.    31.  Jänner  1905.    Richter. 


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III. 
GEMARKUNGEN 

UND 

STEUERGEMEINDEN 
IM  LANDE  SALZBURG. 

YON 

EDUARD  BICHTEB, 

WEIL.  WIKKUCHBM   HITOUfDI  DIR  KAU.  AKADEM»  DIR  WUSRNSCHATTIH. 


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Ans  mehr  als  einem  Gnmde  ist  die  Erforschung  des  Ur- 
sprunges der  Steuer-  (oder  Katastral-)  Gemeinden  in  den  öster- 
reichischen Ländern  fär  die  geschichtliche  Geographie  sehr 
wichtig.  Einmal  sind  die  ^Eatastralmappen'^  d.  h.  die  in  dem 
großen  Maßstab  1:2880  (1  Zoll  =  40  Klafter)  *  aufgenommenen 
Karten  der  Feldfluren  und  Ortschaften  die  ältesten  Bilder  der 
Landoherfläche  in  großem  Maßstäbe^  welche  überhaupt  ge- 
zeichnet wurden.  Sie  geben  nicht  bloß  die  Abgrenzungen  der 
einzelnen  Grundstücke,  sondern  auch  der  damals  begründeten 
kleinsten  Einbeiten  der  Verwaltung,  eben  der  Steuergemeinden. 
Die  militärischen  Aufnahmen  in  zehnmal  kleinerem  Maßstab 
(l  Zoll =400  Klafter  oder  1:28800)  sind  in  manchen  österreichi- 
Bchen  Ländern  älter  als  der  Elataster,  in  anderen  jünger.  In 
Salzburg  stammen  sie  aus  1807 — 1808;  der  Kataster  aus  1828 
bis  1830;  sie  geben  aber  außer  dem  Landesumfang  keine  poli- 
tischen Abgrenzungen. 

Was  sind  nun  diese  Steuergemeinden?  Wenn  sie  gleich- 
bedeutend sind  mit  den  alten  Dorfgemarkungen,  wenn  sie  einen 
geschichtlichen  Anhalt  an  früheren  Verhältnissen  haben,  viel- 
leicht nur  die  zeitgemäße  Feststellung  alt  überlieferter  Zu- 
stände sind,  dann  werden  wir  sie  als  ein  unschätzbares  Denk- 
mal filr  die  innere  politische,  und  die  Wirtschaftsgeschichte 
betrachten  müssen.  Dann  hat  Professor  v.  Thudichum  recht, 
der  auf  die  ,Gemarkungen^,  wie  sie  jetzt  durch  die  Steuer- 
und  Ortsgemarkungsgrenzen  dargestellt  werden,  ein  ganzes 
System  der  geschichtlichen  Geographie  aufgebaut  und  eine  leb- 
hafte Bewegung  hervorzurufen  verstanden  hat,  überall  auf  dem 
alten  deutschen  Reichsboden  Karten  mit  diesen  Grenzen  her- 
zustellen, die  bekannten  Grundkarten. 


^  1  Klafter  alten  Maßes  hatte  6  Fuß,  der  Fuß  12  Zoll;  eine  Klafter  also 

72  Zoll;  72X40=2880  usf. 
Aidäv.  XCIY.  Band.  6 


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66 

Es  wird  nicht  schaden  hier  nochmals  zu  betonen:  wenn 
man  wirklich  der  alten  Dorfgemarkungen,  wie  sie  noch  im 
18.  Jahrhundert  vielfach  ungestört  bestanden  haben  und  viel- 
leicht noch  bestehen,  habhaft  werden  könnte,  so  wäre  das  eine 
recht  wertvolle  Sache.  Aber  die  Annahme,  die  jetzt  in  den 
Eatasteraufiiahmen  der  deutschen  Staaten  (im  Sinne  des  alten 
Reiches  oder  Bundes)  uns  vorliegenden  Abgrenzungen  der 
Steuergemeinden  oder  Ortsgemeinden  oder  wie  sie  im  ein- 
zelnen heißen,  seien  uralt,  diese  Annahme  war  voreilig,  wie 
sich  nun  herausgestellt  hat,  und  ich  kann  nur  nochmals  mein 
Bedauern  aussprechen,  daß  man  so  große  Geldmittel  an  eine  so 
wenig  ausgeprobte  Sache  verwendet  hat,  wo  es  doch  so  schwer 
ist,  für  geschichtliche  Studien  nennenswerte  Beträge  aufzu- 
bringen. 

Die  Einrichtung  des  Katasters,  die  Bildung  von  Steuer- 
und  Ortsgemeinden  ist  in  jedem  Staat  anders  erfolgt,  und  in  den 
größeren  Staaten,  wie  Preußen  und  Osterreich  auch  noch  nach 
Provinzen  verschieden,  da  ja  die  Rechtsverhältnisse,  Einrich- 
tungen und  Überlieferungen,  die  man  vorfand,  sehr  ungleich 
waren.  Auch  konnten  die  Organisationen  nicht  von  einem 
Mittelpunkt  allein  aus  ins  Werk  gesetzt  werden,  so  sehr  man 
in  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  auch  geneigt  war  zu 
zentralisieren.  Aber  man  kann  es  in  den  Akten  verfolgen,  wie 
die  gleichen  allgemeinen  Anordnungen  in  den  Händen  der 
Landes-  und  Provinzialbehörden  doch  gewisse  abweichende 
Züge  annahmen.  Man  muß  also  die  Frage  für  die  einzelnen 
Gebiete,  in  Österreich  nach  den  Ländern  gesondert  unter- 
suchen. 

Die  vorliegenden  Blätter  sollen  diese  Untersuchung  für 
das  Land  Salzburg  darbieten,  das  bis  1806  ein  selbständiger 
Staat  mit  eigener  Entwicklung  gewesen  ist,  von  1810  bis  1816 
zu  Bayern  gehörte  und  erst  in  diesem  Jahre  dauernd  Oster- 
reich angegliedert  wurde.  Der  Hauptteil  der  vorliegenden 
Studie  wird  sich  mit  Entscheidungen  beschäftigen  die  im  Jahre 
1828  getroffen  wurden,  als  man  daranging,  in  Salzburg  die 
sogenannte  Franciscische  Steuerreform  durchzuftLhren.  Schon 
1817  hatte  man  sich  entschlossen  den  ganzen  Kaiserstaat  län- 
derweise in  großem  Maßstab  aufnehmen  zu  lassen  und  die  ein- 
zelnen ,Parzellen'  nach  ihrem  landwirtschaftlichen  Erträgnis 
einzuschätzen,   um  auf  diese  Weise  eine  gerechte   und  gleich- 


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67 

mäßige  Verteilung    der  Grundsteuer   vornehmen,   und   zugleich 
anch  das  ganze   Gelände  ohne  Ausnahme  dazu  heranziehen  zu 
können.   Es  schien  hierbei  unerläßlich  das  Land  in  kleine  Be- 
zirke,  Katastral-    oder   Steuergemeinden  genannt,    einzuteilen; 
man  hat  das    überall   so  gehalten.    Als  richtiges  Mittelmaß   fiir 
einen  solchen  Abschnitt  setzte  man  500  Joch  an,  das  sind  etwas 
weniger   als    drei    Quadratkilometer  (2* 77 7  km^).     Nun   war  in 
den    österreichischen    Erblanden    schon    einmal    ein    ähnlicher 
Versuch    einer    Qrundsteuerregulierung    unternommen    worden 
unter  Kaiser  Josef  11.  in  den  letzten  Jahren  seiner  Regierung. 
Der  Hauptunterschied  beider  Unternehmungen,  des  ,Josephini- 
sehen'  und   ,Franciscischen'  Katasters    liegt   darin,    daß    man 
sich  bei  dem  ersteren  mit  einer  sehr  oberflächlichen  Aufnahme 
der  einzelnen    Parzellen    durch    die   Gemeinden    und   Besitzer 
begnügen  wollte,  ohne  Anknüpfung  an  ein  gemeinsames  Dreieck- 
netz oder  auch  nur  an  das  Nachbargrundstück,    während  man 
vierzig  Jahre  später   eine  große  Triangulierung  vornahm,   wo- 
durch das  einzelne  Grundstück   erst  wirklich    seinen  Platz  auf 
der  Oberfläche    des   Erdballes   zugewiesen   erhielt;    ein    Unter- 
schied,   der  wissenschaftlich   allerdings   noch  bedeutender  war 
als  praktisch.    Denn  an  die  Organisationen,   die  man  das  erste 
Mal  geschaffen  hatte,  konnte  man  sich  auch  später  noch  halten; 
es  läßt  sich   nachweisen,   wie  man  in  einzelnen  Ländern   sich 
ganz  ängstlich   an  die  Josefinischen  Steuergemeinden   gehalten 
hat,   als   man   abermals   daran   ging    solche   zu  schaffen.^    Der 
Josefinischen  Reform  war  nämlich   keine  lange  Dauer  beschie- 
den gewesen;   schon  wenige  Monate  nach  ihres  Schöpfers  Tod 
wurde  die  ganze  großartige  Einrichtung  wieder  aufgehoben. 

In  Salzburg  fehlte,  wie  sich  versteht,  diese  Anlehnung, 
denn  in  den  Tagen  Kaiser  Josefs  war  es  noch  nicht  österrei- 
chisch. 

Hier  kann  es  sich  also  nur  darum  handeln,  welche  an- 
dere verwandte  Einrichtungen  hier  etwa  bestanden  haben.  Der 
nachfolgende  Bericht  über  die  Ereignisse  von  1828,  den  ich 
den  Originalakten  des  Salzburger  Airchives  entnehme,  wird 
darüber  Aufschluß  geben.  Es  genüge  hier  festzustellen,  daß 
die  Behauptungen    des   damaligen    Salzburger  Ereisamtes,    es 


*  Siehe:  Nene  Erörterungen  zum  histor.  Atlas.  Mitteil,  des  Inst,  flir  österr. 
Oeechichtaf.  VI.  ErgänBungsbd.  S.  867. 

6» 


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68 

gäbe  in  Salzburg  keine  Gemeinden^  nicht  bloß  für  die  damalige 
Zeit  ganz  richtig  ist,  sondern  auch  ftlr  die  letzten  Jahrhun- 
derte vorher  gilt.  In  dem  ganzen  Zeitraum  aus  dem  die  Salz- 
burger Taidinge  stammen  (also  hauptsächlich  im  16.  und  17. 
Jahrhundert)  ist  tatsächlich  in  den  Rechtsdenkmälem  nichts 
von  einer  Gemeinde  oder  Gemeindeverwaltung,  von  einer  Dorf- 
obrigkeit u.  dgl.  zu  entdecken.  Es  ist  diese  Frage  keineswegs 
noch  genügend  erschöpft.  Dem  Schreiber  dieser  Zeilen  ist  ja 
im  allgemeinen  das  Quellenmaterial  der  salzburgischen  Rechts- 
geschichte nicht  unbekannt;  er  hat  es  aber  niemals  gerade  auf 
diese  Frage  hin  untersucht.  Im  Salzburgischen  gibt  es  Dörfer, 
uralte  Dörfer  aus  der  Agilolfinger-,  ja  vielleicht  aus  der  Römer- 
zeit. Sie  werden  ihre  gemeinsame  Flur,  ihre  Gewannen  und 
ihre  gemeine  Weide  gehabt  haben,  und  nach  Zillners  Angabe 
erkennt  man  noch  jetzt  die  Spuren  dieser  Zustände  in  dem 
Bilde  der  Flurverteilung  (Mitteil.  z.  Salzb.  Ldke.,  32.  Bd.  S.  175). 
Aber  diese  Dinge  müßten  erst  einmal  erschöpfend  untersucht  wer- 
den; dann  wird  man  vielleicht  doch  etwas  von  Dorfobrigkeiten 
und  deren  Wirksamkeit  erfahren.  Noch  dunkler  liegt  aber  die 
Sache  im  Gebiete  der  Einzelhöfe.  Über  ihre  Zusammenordnung 
zu  gemeindeähnlichen  Gruppen,  über  ihren  gemeinsamen  Wald 
und  ihre  Weide  wissen  wir  nichts.  Man  müßte  einzelne  Ge- 
biete, von  denen  Urbare  vorhanden  sind,  herausgreifen  und 
aus  dem  älteren  Quellenmaterial  in  Verbindung  mit  den  Bildern 
der  Flurverteilung  in  den  Katastralmappen  die  Geschichte  des 
Besitzes  und  seiner  Gruppierung  verfolgen.  Vielleicht  kann 
man  auf  diese  Weise  etwas  erreichen.  Das  Thema  mag  dem 
Nachwuchs  empfohlen  sein. 

Hier  folgt  nun  die  Geschichte  der  Einführung  der  jetzt  gel- 
tenden und  seither,  wie  die  verschiedenen  Auflagen  der  Über- 
sichtskarte lehren,  sehr  wenig  veränderten  Steuergemeinden  in 
Salzburg.  Es  wird  sich  ergeben,  daß  diese  ganz  ausschließlich 
ein  Werk  der  Jahre  1828  und  1829  sind,  das  jeder  Anknüp- 
fung an  alte  Gemarkungen  umsomehr  entbehrt^  als  es  deren 
damals  überhaupt  nicht  mehr  gegeben  hat.  Für  Salzburg  ist 
abo  die  Thudichumsche  Annahme  vom  Alter  der  Gemarkungen 
durchaus  unzulässig.  Alt  sind  hier  nur  die  Landgerichtsgrenzen, 
wie  wiederholt  gezeigt  worden  ist.  Daß  die  Grenzen  der  Steuer- 
gemeinden zum  Teile  aber  zur  Festlegung  jener  benützt  wer- 
den  konnten,    verdanken  wir  einem  Zufedle   der  Organisation 


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69 

D&mlich  dem  Umstand,  daß  die  Landgerichte  zugleich  zu 
Steuerbezirken  gemacht  wurden,  woraus  folgt,  daß  alle  Land- 
gerichtsgrenzen  auf  Katastralgemeindegrenzen  laufen. 

Die  erste  auffindbare  Nachricht,  daß  sich  die  Behörden 
mit  der  Frage  der  Bildung  der  Eatastralgemeinden  im  Lande 
Salzburg  beschäftigt  haben,  stammt  aus  dem  Jahre  1827.  Am 
24.  November  berichtete  das  Kreisamt  in  Salzburg  an  die  Lan- 
desregierung in  Linz,  daß  in  Salzburg  eine  ganz  neue  Ge- 
meinde-Arrondierung für  den  stabilen  Kataster  notwendig  sei. 
Darauf  beauftragte  die  Regierung  am  20.  Februar  1828  das 
Kreisamt,  sich  zu  äußern,  ob  die  Steuerdistrikte  des  Salzburger 
Kreises  nicht  als  solche  Hauptgemeinden  zu  betrachten  seien, 
wie  sie  der  §  154  der  Vermessungsinstruktion  bezeichnet. 
Diese  Steuerdistrikte  stammten  aus  der  bayrischen  Zeit,  sie 
werden  als  ,bayrisches  Steuerprovisorium'  bezeichnet.  Die  Ver- 
messungsinstruktion aber  schreibt  vor,  daß  in  jenen  Provinzen, 
wo  mehrere  Gemeinden  in  eine  Steuerhauptgemeinde  vereinigt 
sind,  jede  Untergemeinde  als  selbständige  Gemeinde  zu  be- 
handeln und  aufzunehmen  ist,^  ,weDn  jede  ftlr  sich  in  einem 
wirklichen  Territorialzusammenhang  stehe,  einen  eigenen  Burg- 
frieden und  einen  eigenen  Gemeindevorstand  habe^*  ,Sollte  da- 
gegen in  der  bestehenden  politischen  Landeseinteilung  der  ftlr 
die  Blatastraloperationen  unbedingt  erforderliche  Territorialzu- 
sammenhang im  allgemeinen  nicht  gefunden  werden,  so  müßte 
die  Gemeinde-Grenzbeschreibung  .  .  .  zwar  dem  Grenzzuge  der 
Steuerdistrikte  folgen',  doch  stünde  es  der  Regierung  zu,  die- 
jenigen Änderungen  in  dem  bestehenden  Umfange  der  Ge- 
meinden oder  Distrikte  anzuordnen,  die  zum  Behuf  der  wirk- 
lichen Aufiaahme  (die  1829  beginnen  wird)  unbedingt  notwendig 
erscheinen;  damit  die  neuen  Steuergemeinden  die  von  der  In- 
struktion geforderten  Eigenschaften  an  Größe  und  Gestalt 
besitzen  (nämlich  zwischen  500  und  1500  Joch  Flächeninhalt 
und  eine  möglichst  einfache,  gut  arrondierte  Gestalt).  Wenn 
Bolche  Änderungen  nötig  werden  sollten,  so  wird  der  Geometer 
in  Verbindung  mit  einem  pfleggerichtlichen  Beamten  einen 
VoTscblsLg  ausarbeiten.  Aus  der  Art  Bestellung  solcher  Beamter 


^  Linden,  Die  Grundsteoerverfassang  in  den  deutschen  und  italienischen 

Provinzen  der  Osterreichischen  Monarchie,  Wien  1840,  I,  284. 
«  8o  der  oben  zitierte  Reg.  Erl. 


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70 

als  politischer  Kommissäre  geht  hervor,  daß  das  Geschäft  der 
Gemeindeeinteilung  nach  einzelnen  Pfleggerichten  vorgenommen 
werden,  daß  also  dabei  die  Grenzen  der  Pfleggerichte,  wel- 
che auch  zugleich  Steuerbezirke  waren,  eingehalten  werden 
sollten. 

Darauf  berichtet  das  Kreisamt  am  25.  März  1828,  daß  der 
erste  Fall  —  Vereinigung  mehrerer  Gemeinden  zu  einer  Haupt- 
gemeinde —  im  Lande  nicht  vorkomme,  ,weil  nach  der  königl. 
bayerischen  Instruktion  zur  Bildung  der  Steuerdistrikte  auf  die 
Lage  derselben  und  auf  den  Zusammenhang  unter  sich  Rücksicht 
getragen  werden  sollte,  überhaupt  keine  großen  Steuerdistrikte 
gebildet  wurden,  da  jede  Quadratmeile  wenigstens  4  Steuer- 
distrikte haben  mußte',  wie  z.  B.  das  Pfleggericht  Thalgau  mit 
4600  Einwohnern  und  739  Häusern  in  14  Steuerdistrikte  zer- 
teilt sei.  Es  wird  daher  derlei  Steuerdistrikte  zu  verteilen  und 
mehrere  Steuergemeinden  hieraus  zu  formieren  nirgends  not- 
wendig werden.  Umgekehrt  aber,  wird  sich  wohl  öfter  der 
Fall  ergeben,  daß  die  Steuerdistrikte  unförmliche  Körper  bil- 
den, und  von  zu  geringem  Umfang  sind,  daher  es  wohl  am 
zweckmäßigsten  sein  dürfte,  daß  die  Gemeindegrenzbeschrei- 
bung nach  den  dermalen  bestehenden  Steuerdistrikten  vorge- 
nommen' und  darnach  Arrondierungen  in  der  obenerwähnten 
Weise  angeordnet  werden;  es  scheine  rätlich  die  in  jedem 
Steuerbezirk  bestehenden  und  mit  dessen  Umfange  genau  be- 
kannten ,Steuervorgeher'  ebenfalls  beizuziehen. 

Darauf  erfolgte  eine  ausführliche  Verordnung  der  Linzer 
Landesregierung  vom  1.  April  1828  (Z.  8731),  wodurch  das 
Katastrierungsgeschäft  in  die  Wege  geleitet  werden  sollte.  Es 
wurde  angeordnet,  in  der  eben  beginnenden  Arbcitsperiode  die 
graphische  Triangulierung  und  die  Gemeindegrenzbeschreibung 
im  ganzen  Lande  mit  Ausnahme  der  Bezirke  Zell  am  See 
und  Mittersill  durchzuführen ;  es  wurden  die  Arbeitskräfte  und 
deren  Hauptquartiere  bestimmt,  die  Pflichten  der  Gemein- 
den und  Pfleggerichte  in  Erinnerung  gebracht  usw.  und  end- 
lich über  die  Bildung  der  Steuergemeinden  folgendes  vorge- 
schrieben : 

§  8.  Die  Grenzbeschreibung  zum    Behufe   des   stabilen 
Katasters  wird  nach  Steuergemeinden  vorgenommen. 

§  9.  Als  eine  Steuergemeinde  wird  jener  territoriale 
Umfang  anzunehmen  sein,  welcher  gegenwärtig  nach 


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dem   königl.    bayerischen    Stenerprovisorium    einen 
Steuerdistrikt  bildet. 

§  10.  In  der  Regd  darf  in  dem  bestehenden  Umfange 
dieser  Steuerdistrikte,  insofeme  nämlich  ihre  Arrondierung 
sich  als  zweckmäßig  darstellt,  keine  Änderung  vorgenommen 
werden. 

§  11.  Sollte  jedoch  ein  solcher  Steuerdistrikt,  als  selbst- 
ständige Steuergemeinde  fUr  sich  allein  betrachtet,  entweder 
zu  klein  sein  oder  eine  unförmliche  Figur  bilden,  so  wird 
nach  jenen  Bestimmungen  vorzugehen  sein,  welche  die  Ver- 
messungsJnstruktion  §  156  bis  166  vorzeichnet.  Insbeson- 
dere wird  bei  einer  Arrondierung  darauf  zu  sehen  sein, 
daß  die  Grenzen  nicht  über  die  einzelnen  Grundbesitzun- 
gen gezogen,  und  daß  nicht  Zusammenziehungen  von  Kör- 
pern, die  in  verschiedene  Pfleggerichtsbezirke  fallen,  bewirkt 
werden.* 

Weiters  wurde  der  Leiter  der  Gemeindebegrenzung  Ober- 
leutnant Gampert  beauftragt,  wenn  er  irgendwo  einen  der 
bayerischen  Steuerdistrikte  nicht  geeignet  ftlr  Beibehaltung 
als  Steuergemeinde  finde,  sofort  mit  den  Pfleggerich tsbeam- 
ten  eine  ,Zusammentretung'  abzuhalten  und  Bericht  zu  er- 
statten. 

Dieser  Fall  trat  rasch  ein.  Gampert  beging  mit  dem 
Pfleger  von  Salzburg  die  drei  Steuerdistrikte  Elixhausen,  Berg- 
heim und  Gnigl  und  man  glaubte  in  Erfahrung  zu  bringen, 
,daß  hierlands  wirklich  eingefriedete  Gemeinden  und  zwar  in 
geschlossenen  Ortschaften  vorhanden  sind,  die  von  altersher 
schon  politische  Körper  in  jedem  Sinn  des  Wortes  gebildet 
haben  und  daß  die  bayerischen  Steuerdistrikte  ganz  willkürlich 
ohne  Zweck  und  Ursache  diese  in  eigenem  Verband  stehenden 
politischen  Körper  dergestalt  trennen,  daß  die  meisten  Ort- 
schaften durch  Steuergrenzen  geschnitten  sind,  und  in  ver- 
schiedene Steuerdistrikte  fallen.  Es  wurden  dabei  weder  Ge- 
richts- noch  Besitzgrenze  berücksichtigt,  sondern  sich  lediglich 
an  natürliche  Grenzen  gehalten,  und  dort,  wo  deren  keine  vor- 
handen waren,  blieb  es  der  Willkür  der  Pfleggerichte  über- 
lassen, nach  eigenem  Gutdünken  zu  verfahren.'  Das  Kreisamt 
machte  daher  am  10.  Mai  1828  folgende  Vorschläge: 

1.  Nach    dem    Sinne    der  hohen    Vermessungsinstruktion 
§154  ist  jede  Untergemeinde  als  eine  selbständige  Gemeinde 


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zu  behandeln  und  aufzunehmen;  und  nach  dem  §  158  sind 
solche  Untergemeinden  in  eine  Hauptgemeinde  zwar  so  zu 
arrondieren^  daß  sie  nicht  aus  dem  dermaligen  Bezirk  gerissen 
wird. 

2.  Wäre  nach  dem  §  159  eine  solche  arrondierte  Steuer- 
gemeinde auf  einer  Mappe  aufzunehmen^  jedoch  jede  ein- 
zelne Untergemeinde  als  ein  selbständiger  Körper  mit  eigener 
Grenzbeschreibung,  Parzellierung  und  Protokollierung  zu  be- 
handeln. 

3.  Da  sich  nun  im  Salzburger  Kreis  keine  eigentlichen 
Steuergemeinden  befinden,  in  welchen  so  wie  in  den  öster- 
reichischen zum  Teile  schon  vermessenen  Provinzen  dergleichen 
kleine  Ortschaften  schon  in  der  k.  k.  Josephinischen  Steuer- 
regulierung zusammengezogen  und  unter  einem  Ortsvorstand 
zu  Steuerhauptgemeinden  gebildet  wurden,  so  wäre  es  nötig 
eine  solche  Konzentrierung  der  hierortigen  kleinen  Gemeinden, 
welche  hierländlich  unter  dem  Provinzialausdruck  Bieget  be- 
nennt werden,  zu  veranlassen,  indem 

4.  nach  dem  §  159  eine  Anzahl  kleiner  Gemeinden  rtick- 
sichtlich  der  Grenzbeschreibung,  Parzellierung  und  Protokol- 
lierung als  selbständige  Körper  im  Vorschein  kämen,  die, 
obwohl  sie  teils  in  geschlossenen,  teils  in  zerstreuten  Häusern 
bestehen,  doch  nicht  einzeln  mit  einem  Ortsvorstande  vertreten 
werden  können,  sondern  auch  gegenwärtig  mehrere  derselben 
einem  Richter  oder  Ausschuß  zugewiesen  sind,  wie  z.  B.  in 
dem  k.  k.  Pfleggerichte  Salzburg  69  Untergemeinden,  die  aller- 
dings ihre  Grenzen  nachweisen  können,  nur  von  20  Ortsvor- 
ständen übersehen  werden. 

5.  Aus  diesem  Grunde  wäre  es  rätlich,  diese  kleinen  Ge- 
meinden, ohne  sie  separat  zu  begrenzen,  nach  Lage  und  Größe 
des  Umfanges  zusammenzuziehen  und  .unter  einem  Ortsvor- 
stande eine  Steuerhauptgemeinde  zu  bilden,  diese  Steuerhaupt- 
gemeinde aber  ordentlich  zu  begrenzen,  fortlaufend  jedoch  ort- 
schaftsweise zu  parzellieren  und  zu  protokollieren,  femers  den 
Umfang  einer  solchen  kleinen  Gemeinde  durch  den  Detailgeo- 
meter  mit  Farbenstreifen  sowohl  in  der  Mappen  als  auch  auf 
dem  Prulion  ersichtlich  zu  machen,  die  Summe  der  enthalten- 
den Parzellen  einer  jeden  einzelnen  Untergemeinde  summarisch 
in  ihrem  Flächeninhalt  am  Schlüsse  des  Indikationsprotokolles 
nachzuweisen  und   auf  diese  Art   die  Hauptsumme  aller  Par- 


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Zellen  mit  ihrem  Flächeninhalt  der  ganzen  Hauptgemeinde  dar- 
zustellen. 

6.  Dadnrch  würde  nun  jede  einzelne  Untergemeinde  eben- 
so YoUständig  sowohl  der  Anfnahme  als  auch  der  Schätzung 
entsprechen  nnd  der  Sinn  des  §  159  ganz  rein  erfüllt  werden. 

7.  Um  aber  die  beabsichtigte  Arrondierung  im  Umfang 
der  Gemeinden  nach  den  §§  156  und  157  der  hohen  Ver- 
messungsinstraktion  zu  bezwecken^  ist  es  in  diesem  Kreise 
notwendige  daß  ein  Vermessungsindividuum;  welches  mit  dem 
Sinn  des  Ganzen  vertraut  ist,  noch  vor  dem  Anfang  der 
Detailbegrenzung  in  jedem  Pfleggericht  mit  Zuziehung  des 
Pflegers  oder  jener  Beamten^  die  die  meiste  Lokalkenntnis  be- 
sitzen, die  einzelnen  Gemeinden  mit  Beihilfe  der  General- 
quartiermeisterstabskarte  in  ein  Croquis  entwerfe,  die  dies- 
fiüligen  Konzentrierungen  in  dem  Umfang  des  ganzen  Pfleg- 
gerichtes ersichtlich  mache  und  der  hohen  Regierung  zur 
weiteren  Entscheidung  vorlege.  Der  darauf  folgende  Detail- 
grenzberichtiger  beginnt  nun  nach  diesem  Hauptskelett  mit 
dem  poUtischen  Kommissär  die  Grenze  ordentlich  zu  beschrei- 
ben und  das  nunmehr  durch  graphische  Punkte  sichergestellte 
Skelett  dazuzugeben. 

Es  sollte  also  nach  dem  Antrage  des  Kreisamtes  die  An- 
ordnung vom  1.  April,  wonach  die  neuen  Steuergemeinden  in 
Salzburg  gleich  sein  sollten  den  bayerischen  Steuerdistrikten 
aufgehoben  werden,  und  anstatt  dessen  die  Steuergemeinden 
ans  einem  oder  mehreren  der  alten  Pfleggerichtsabteilungen, 
Rotten,  Rügete,  Zechen,  Kreuztrachten,  Amter  genannt,  gebildet 
werden.  Aus  der  Handschrift  der  Konzepte  sieht  man,  daß 
die  Anregung  zu  dieser  Neuerung  von  Oberleutnant  Gampert 
ausging. 

Die  Oberbehörde  in  Linz  ging  überraschend  schnell  auf 
diesen  Vorschlag  ein  und  erließ  schon  7  Tage  darauf  eine  An- 
ordnung, welche  wegen  ihrer  Wichtigkeit  ihrem  ganzen  Umfange 
nach  mitgeteilt  wird.  Der  Hauptpunkt  ist  der  erste,  wonach  die 
Steuergemeinden  in  Salzburg  wirklich  nicht  nach  den  bayeri- 
schen^ sondern  der  altgeschichtlichen  Landeseinteilung  gebildet 
werden  sollten.  Der  Erlaß,  ausgestellt  in  Linz  am  17.  Mai  1828 

Z.  13490  JÄUtet: 

Über  die   untern  10.  d.  M.  vorgelegten  Beratungsresultate 

wegen    der  Be«timmung  der  Steuergemeinden  ftlr  das  stabile 


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74 

Kataster  in  dem  untergeordneten  Kreise  findet  die  Regierung 
mit  Beziehung  auf  das  Dekret  vom  1.  April  1.  J.,  Z.  8731  an- 
zuordnen: 

1.  Die  Steuergemeinden  für  das  stabile  Kataster  sind  in 
dem  Umfange  des  Kreises  Salzburg  nach  den  faktisch  beste- 
henden politischen  Ortschaften  zu  bilden. 

2.  Wenn  eine  solche  politische  Ortschaft  fUr  sich  allein 
genommen  zu  klein  ist;  so  sind  zwei  oder  mehrere  nach  dem 
1.  Absätze  des  §  157  der  Vermessungsinstruktion  zusammenzu- 
ziehen; jene  Ortschaften  aber,  welche  für  sich  eine  unförmliche 
Figur  bilden,  dann  einzelne  von  ihrer  Gemeinde  getrennt  lie- 
gende Grundstücke  sind  mit  anderen  Ortschaften,  mit  denen 
sie  sich  nach  ihrer  topographischen  Lage  am  besten  airon- 
dieren,  nach  dem  2.  und  3.  Absätze  des  §  157  der  Vermessungs- 
instruktion zu  konzentrieren.  Ebenso  sind  selbständige  Be- 
sitzungen und  Waldungen,  welche  dem  Territorio  keiner  Ge- 
meinde angehören,  nach  den  Bestimmungen  der  §§  160 — 165 
der  Vermessungsinstruktion  den  angrenzenden  Ortschaften  zu- 
zuweisen. 

3.  Bei  diesen  Zusammenziehungen  sind  die  obwaltenden 
politischen  und  örtlichen  Verhältnisse  soviel  als  möglich  zu  be- 
rücksichtigen, vorzüglich  aber  darauf  zu  sehen,  daß  die  Gestalt 
der  entstehenden  Steuergemeinden  nicht  unförmlich  werde,  und 
daß  die  zusammengezogenen  Gemeindekörper  nicht  zu  groß 
werden. 

4.  Diese  Konzentrierungen  müssen  immer  innerhalb  der 
Grenzen  der  Pfleggerichtsbezirke  in  der  Art  vorgenommen 
werden,  daß  bei  jenen  politischen  Ortschaften,  denen  andere 
aus  den  sub  2  angedeuteten  Gründen  zugewiesen  sind,  welche 
jedoch  für  sich  einen  gut  arrondierten,  mehr  als  500  Joch  be- 
tragenden Körper  bilden,  abgesonderte  Grenzbeschreibungen, 
Indikationsskizzen  und  Aufnahmsprotokolle  verfaßt  werden,  bei 
den  übrigen  aber  wird  der  Geometer  die  Grenze  in  den  Indi- 
kationsskizzen deutlich  ersichtlich  machen  und  die  Numerie- 
rung der  Bau-  und  Grundparzellen  auf  der  Mappe  und  in  den 
Protokollen  dergestalt  bewirken,  daß  alle  zu  der  nämlichen 
politischen  Ortschaft  gehörigen  Parzellen  nacheinander  in  arith- 
metischer Ordnung  erscheinen.  In  Beziehung  auf  die  weitere 
Behandlung  der  einzelnen  politischen  Ortschaften  in  der  Mappe 
und  in  den  AufiiahmsprotokoUen  wird  sich  auf  den  §  159  der 


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Vermessungsinstruktion  mit  dem  Beisatze  bezogen,  daß  die 
Numerierung  zwar  in  der  oben  bemerkten  Art  für  jede  Ort- 
schaft fortlaufend  und  abgesondert  zu  bewirken  sein  wird, 
ohne  jedoch  bei  jeder  Ortschaft  mit  l  anzufangen,  da  dieses 
Verfahren  nur  für  die  als  Enklaven  behandelten  bereits  selbst- 
ständigen Steuergemeinden  vorgeschrieben  ist. 

5.  Um  die  Einteilung  des  Kreisgebietes  nach  diesen  Be- 
stimmungen zu  sichern  und  die  einzelnen  Grenzbeschreibungs- 
geometer  in  die  Lage  zu  setzen,  die  Gemeindegrenzbeschrei- 
bung ohne  Aufenthalt  bewirken  zu  können,  wird  gleichzeitig 
die  Einleitung  getroffen,  daß  der  provisorische  Inspektor  Herr 
Oberleutnant  Gampert  die  Einteilung  der  einzelnen  Pflegge- 
richtsbezirke  nach  Steuergemeinden  vorläufig  bewirke,  darüber 
ein  Skelett,  in  dem  einmal  die  Grenzen  der  projektierten 
Steuergemeinden,  dann  die  Grenzen  der  einzelnen  poUtischen 
Ortschaften  ersichtlich  zu  machen  sein  werden,  verfasse,  das- 
selbe gemeinschaftlich  mit  dem  für  den  Pfleggerichtsbezirk 
angestellten  politischen  Kommissär  fertige  und  im  Wege  des 
k.  k.  Kreisamtes,  welches  sein  Gutachten  beizuftlgen  haben 
wird,  abgesondert  zur  Genehmigung  hierher  vorlege.  In  dem 
von  dem  Herrn  Oberleutnant  Gampert  gemeinschaftlich  mit 
dem  politischen  Kommissär  zu  fertigenden  Berichte  ist  die  pro- 
ponierte  Einteilung  durch  die  obwaltenden  Lokalverhältnisse 
zu  erläutern  und  zu  rechtfertigen,  der  Grund  jeder  belassenen 
Unförmlichkeit,  insbesondere  wenn  schmale  Streife  (!)  von 
anderen  Gemeindegebieten  umschlossen  sind,  herauszuheben, 
und  im  Falle,  wo  beide  Berichterstatter  nicht  gleicher  Meinung 
sind,  die  differierenden  Ansichten  motiviert  aufzuführen. 

Es  ist  daftir  zu  sorgen,  daß  die  Grenzen  der  künftigen 
Steuergemeinden  in  der  Art,  wie  sie  proponiert  worden  sind, 
sogleich  bezeichnet  werden,  damit  der  Grenzbeschreibungs- 
geometer  die  Detailgrenzbeschreibung  sogleich  darnach  bewir- 
ken kann.  Dort,  wo  von  der  hohen  Regierung  Änderungen 
werden  angeordnet  werden,  wird  der  grenzbeschreibende  Geo- 
meter mit  dem  politischen  Kommissär  dieselben  in  Ausftihrung 
zu  bringen  haben. 

Nach  diesen  Bestimmungen,  welche  gleichzeitig  im  Wege 
der  Mappierungsdirektion  dem  provisorischen  Inspektor  Oberleut- 
nant Gampert  und  den  grenzbeschreibenden  Geometern  bekannt 
gemacht  werden,    wird   die  Einteilung   des   Salzburger  Kreis- 


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gebietes  in  Steuergeraeinden  für  den  stabilen  Kataster^  sowie 
die  Detailvermessung  zn  bewirken  sein,  daher  sie  auch  den 
nachfolgenden  Detailsgeometern  von  der  Mappierungsdirektion  zu 
ihrem  Benehmen  werden  vorgezeichnet  werden.  Insbesondere 
wird  sie  das  k.  k.  Kreisamt  den  Pfleggerichten  und  politischen 
Kommissären,  insoweit  sie  dieselben  betreffen,  zu  eröffiien  haben. 

Im  übrigen  wird  sich  nach  der  untern  1.  April  1.  J., 
Z.  8731  erhaltenen  Belehrung  zu  benehmen  sein. 

Die  Sache  sollte  aber  nicht  so  glatt  verlaufen.  Die  Re- 
gierung in  Linz  hatte  die  getroffene  Abänderung  des  ursprüng- 
lichen Programmes  am  17.  Mai  nach  Wien  an  die  Hofkanzlei 
gemeldet.  Am  19.  Juni  genehmigte  diese  oberste  Instanz  das 
Aufgeben  der  bayerischen  Steuerdistrikte  als  Grundlage  der 
Steuergemeinden,  schrieb  aber  vor,  daß  die  politischen  Ort- 
schaften (Riegete,  Gemeinden)  jede  fiir  sich  aufgenommen, 
begrenzt  und  beschrieben  werden  sollte,  später  sollte  dann  über 
die  Zusammenlegung  entschieden  werden.  Diese  Anordnung 
widersprach  insofern  den  Anträgen  des  Kreisamtes,  als  dieses 
vorgeschlagen  hatte,  man  möge  vor  der  eigentlichen  Vermes- 
sung schon  feststellen,  aus  welchen  Rotten  und  Riegeten  eine 
Steuergemeinde  gebildet  werden  sollte.  Das  Kreisamt  richtete 
also  eine  sehr  ausführliche  Vorstellung  an  die  Landesregierung, 
der  wir  sehr  wertvolle  Nachrichten  über  das  Wesen  der  alt- 
salzburgischen  Gemeindegliederung  verdanken.  Die  wichtigen 
Stellen  jenes  Kreisamtsberichtes  vom  3.  Juli  1828  lauten: 

In  Befolgung  dieses  hohen  Auftrages  hat  man  ehrer- 
bietig zu  bemerken,  daß,  wie  man  schon  so  oft  in  den  dies- 
ämtlichen  Berichten  angeführt  hat,  in  dem  Salzburger  Kreise 
nicht  gleich  wie  in  den  anderen  k.  k.  österreichischen  Provin- 
zen eine  Josephinische  Steuerregulierung  vorausgegangen  und 
bleibende  Gemeinden  gebildet  worden  sind,  sondern  in  Bezie- 
hung auf  Grund  und  Boden  nur  eine  genaue  Auszeigung  oder 
Vermerkung  zwischen  jenen  kleinen  Bezirken  statt  hätte, 
welche  lediglich  behufs  der  politischen  Verwaltung  geschaffen 
wurden  und  im  Pfleggericht  Neumarkt  unter  dem  Namen  Rü- 
gate,  in  anderen  Rotten,  Obmannschaften,  Viertel  heissen  und 
deren  jedem  ein  Mann  als  Vorstand  vorgesetzt  war.  Diese 
kleinen  Bezirke  haben,  wie  gesagt,  nur  der  politischen  Vei> 
waltung  wegen  bestanden,  sie  haben  von  alten  Zeiten  her  zur 
Aufeicht   und    Geschäftsbesorgung    ihre    eigenen   Riegmänner, 


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Obmänner,  Rottmänner,  Viertelmänner  oder  Ortsvorstände,  wie 
sie  yerschieden  genannt  wurden,   gehabt,   sind  auch  nach  dem 
Eonskriptionssysteme    zusammen    numeriert,    ihre  Grundfläche 
aber,  welche  eigentlich  das  Katastralgeschäft  in  Anspruch  nimmt, 
ist  gar  nicht    ansgezeigt   oder  vermerkt,    sondern   soweit  die 
Gründe  der  zu  einem  solchen  Bezirk  gehörigen  Häuser  gehen, 
soweit  gehet    anch   die  Grenze  des  Bezirkes  und  insofern  die 
Gründe    der    benachbarten   Bezirke   dort   herzureichen,    fkngt 
auch  die  Grenze   derselben  an.     Auf  diese  Grenzen  hat  man 
auch  in  dem  diesämtlichen  Berichte  vom  10.  Mai  1.  J.,  Z.  8731 
hingedeutet  nnd  gebeten,   aus  diesen  Bezirken   durch  Eonzen- 
trierung die  Steuergemeinden  zu  bilden. 

Zwischen  diesen  Bezirken  liegen  aber  im  ganzen  Salz- 
burgischen sogenannte  selbständige  Körper  als  k.  k.  ärarische 
Waldxmgen,  landesfllrstliche  und  herrschaftliche  Schlösser  und 
Besitzungen,  Alpen,  Felsengebirg,  Hutweiden  etc.  welche  bis- 
her nie,  da  auf  Grenzen  der  Grundfläche  keine  Rücksicht  ge- 
nommen wurde,  einem  solchen  Bezirk  zugewiesen  waren.  Durch 
die  mit  hohem  Dekret  vom  17.  Mai  1.  J.,  Z.  13490  genehmigte 
Regulierung  werden  nun  erst  diese  eingefriedeten  Körper  mit 
den  Grenzen  ihrer  Grundfläche  aufgenommen,  sogleich  mit 
sichtbaren  Merkmalen  bezeichnet  und  einer  Steuergemeinde, 
welche  aus  den  konzentrierten  Ortschaften  gebildet  werden, 
zugeteilt. 

Die  §§  153,  154,  155  der  Vermessungsinstruktion  können 
ftir  den  Salzburger  Kreis  keine  Anwendung  finden,  weil  1.  im 
Salzburger  Kreise,  wie  schon  vorne  erwähnt,  keine  Josephini- 
sche  Steuerregulierung  statt  hatte  und  keine  Steuergemeinden 
mit  einem  bestimmten  Umfange  noch  bestehen;  2.  da  also 
keine  Steuergemeinden  noch  bestehen,  so  kann  auch  von  Un- 
tergemeinden nnd  Behandlung  derselben  als  selbständige  Ge- 
meinde keine  Rede  sein;  3.  die  Gemeinden  bestehen  noch 
nicht,  haben  daher  noch  keinen  Umfang,  folglich  paßt  die  Vor- 
schrift, daß  an  dem  bestehenden  Umfange  einer  Gemeinde 
keine  Änderung  vorgenommen  werden  darf,  ebenfalls  nicht 
hierher,  weil  das  Objekt,  welches  in  seinem  Umfang  so  soll 
au^enommen  werden,  wie  es  wirklich  besteht,  noch  nicht  vor- 
ianden  ißt,  sondern  erst  geschaffen  werden  muß  .  .  . 

Durch    die    verschiedenen   Regierungsveränderungen   hat 
sich   auch    die   innere  Einteilung,    wie   selbe  in  älteren  Zeiten 


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bestanden  haben  mag^  hierlands  umgestaltet.  Unter  der  königl. 
bayerischen  Regierungsperiode  wurden  die  Steuerdistrikte  kreiert, 
die  alle  Verbindung  der  Pfarren  und  Ortschaften  über  den 
Haufen  warf,  daher  von  den  Landgerichten  und  nunmehrigen 
Pfleggerichten  zur  politischen  Verwaltung  doch  noch  die  alten 
kleinen  Bezirke  sub  nomine  Rigaten,  Rothen  etc.  beibehalten 
wurden;  allein  selbst  diese  Rigaten,  Rothen  etc.  wurden  nach 
den  verschiedenen  Ansichten  der  bestandenen  Landrichter  und 
Pfleger  nach  Willkür  abgeändert,  vergrößert  und  verkleinert, 
zur  Erleichterung  der  Rigatmänner,  Rothmänner  längst  einer 
Straße  oder  Weges  zugeteilt,  damit  er  bequem  zu  den  ihm 
zugewiesenen  Häusern  gelangen  könnte.  Diese  kleinen  Bezirke 
bestehen  öfters  aus  zusammenhängenden  Ortschaften,  öfters 
aus  zerstreut  zu  einer  Ortschaft  gehörigen  Häusern,  bisweilen 
nur  aus  5,  6  Häusern,  keine  gemeinschaftlichen  Besitzungen 
und  Rechte,  wie  z.  B.  Gemeindewaldungen,  Weiden,  Gemeinde- 
kassen etc.  haben  sie  nicht.  Der  ganze  Pfleggerichtsbezirk 
bildet  überall  eine  Gerichtsgemeinde,  welche  eine  Gemeinde- 
kasse hat,  woraus  die  Konkurrenzumlagen  bestritten  werden, 
mit  Ausnahme  der  landesfürstlichen  Städte  und  Märkte,  welche 
ftir  ihren  Burgfrieden  eine  besondere  Kommunkasse  haben  und 
unter  der  Benennung  ,städtische  oder  Marktgemeinde'  zum 
Unterschiede  der  Ruralgemeinde  vorkommen. 

Das  Kreisamt  hält  es  für  seine  Pflicht,  wiederholt  auf- 
merksam zu  machen,  daß  dasjenige,  was  eine  hohe  Stelle  als 
schon  bestehend  hierlands  sucht  und  voraussetzet,  nämlich 
Steuergemeinden  und  Untergemeinden,  nach  der  für  die  alt- 
österreichischen Provinzen  eingerichteten  Vermessungsinstruk- 
tion im  Herzogtume  Salzburg  als  einer  neu  erworbenen  und 
unter  den  verschiedenen  Landeshoheiten  nach  ganz  anderen 
Gesetzen  regierten  Provinz  noch  gar  nicht  besteht,  sondern 
notwendig  erst  gebildet  werden  muß.  Man  kennt  kein  Hin- 
dernis, warum  nicht,  wie  es  auf  hohe  Regierungsverordnung 
vom  17.  Mai  1.  J.,  Z.  13490  bereits  in  mehreren  Pfleggerichts- 
bezirken  geschehen  ist,  durch  Zusammenziehung  von  einzelnen 
solchen  kleinen  Bezirken  die  Einteilung  von  Steuergemeinden 
in  den  einzelnen  Pfleggerichtsbezirken  bewirkt  werden  wolle, 
wodurch  ordentliche,  der  politischen  Verwaltung  angemessene 
und  dem  Zusammenhange  sich  entsprechende  Steuergemeinden 
gebildet  worden  wären. 


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Die  Landesregierung  in  Linz   war  von  dem  abermaligen 
Widerspruch     des    Kreisamtes    nicht    erbaut    und    sandte    am 
11.  Juli   1828  eine  ziemlich  scharfe  Note  nach  Salzburg,  worin 
das  Kreisamt    beschuldigt  wurde    durch    unklare    und  wider- 
sprechende  Berichte    und   Anträge    die  nunmehr    herrschende 
Vcr¥mrrung  hervorgerufen  zu  haben.  Eine  Stockung  der  Arbeit 
war  tatsächlich  insofern  eingetreten,  als  die  Mappierungsdirek- 
tion  strenge   nach   dem  Hofkanzleidekrete  vorgehend  die  Ver- 
messung der  einzelnen  32  Rügate  des  Landgerichtes  Neumarkt 
Yomehmen    lassen   wollte,    das   Pfleggericht  aber  nur  der    17 
mit  Oberleutnant  Gampert  vereinbarten  neuen  Katastralgemein- 
den.  Weiterhin  untersagte  das  Kreisamt  den  Pfleggerichten  die 
Mitwirkung  bei  der  Aufiiahme  der  Rügate  tlberhaupt. 

Li  dieser  Zeit  erschien  der  Regierungspräsident  Graf 
Ugarte  aus  Linz  persönlich  in  Salzburg  und  überzeugte  sich 
von  der  Richtigkeit  der  Ansichten  des  Kreisamtes.  Auf  seinen 
Einfluß  ist  es  wohl  zurückzuführen,  daß  die  Hofkanzlei  dem 
unangenehmen  Zustande  mit  anerkennenswerter  Raschheit  ein 
Ende  machte,  indem  sie  schon  mit  Dekret  vom  26.  Juli  ihre 
Anordnung  vom  19.  Juni,  wonach  jede  Rotte  u.  dgl.  eine  Steuer- 
gemeinde sein  sollte,  aufhob,  und  —  im  Sinne  der  Anträge 
des  Kreisamtes  —  befahl,  ,daß  im  Salzburger  Kreis  erst  eigene 
Katastralgemeinden  durch  eine  zweckmäßig  arrondierte  Zu- 
sammenziehung ganzer  politischer  Ortschaften  und  Rügate  ge- 
bildet und  dann  erst  diese  eingebildeten  Gemeinden  nach  der 
Vorschrift  der  Vermessungsinstruktion  in  ihren  Grenzen  bestimmt 
werden  sollen'.  Lispektor  Oberleutnant  Gampert  wird  mit  der 
Ausmittlung  und  Proponierung  der  neu  zu  bildenden  Katastral- 
gemeinden ftir  den  ganzen  Salzburger  Kreis  beauftragt.  Als 
besondere  Normen  werden  noch  aufgestellt: 

1.  Jede  politische  Ortschaft  ist  für  sich  allein  genommen, 
wenn  sie  wenigstens  500  nieder-österreichische  Joch  Flächen- 
maß hat,  und  für  sich  einen  gut  arrondierten  Körper  bildet, 
auch  selbständig  zu  behandeln,  folglich  als  eine  künftige  selbst- 
Btändige  Steuergemeinde  vorzuschlagen,  dagegen  sind 

2.  kleinere,  unter  500  Joch  enthaltende,  oder  für  sich 
allein  genommen  nicht  zweckmäßig  arrondierte  Körper  zu- 
sammenzuziehen und  ftlr  solche  konzentrierte  Orte  bei  der 
eigentlichen    Grenzbeschreibung    nur    eine   Grenzbeschreibung 


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nnd  bei  der  Detailanfnahme  nur  eine  Indikationsskizze  and  ein 
Aufnahmsprotokoll  zu  verfassen  .  .  . 

Bei  den  durch  den  Oberleutnant  Gampert  und  den  politi- 
schen Kommissär  vorzunehmenden  Erhebungen  zum  Behufe 
der  Eonzentrierungen  sind  die  bestehenden  örtlichen  und  poli- 
tischen Verhältnisse  und  insbesondere  der  Umstand  zu  berück- 
sichtigeU;  daß  die  Zusammenziehung  immer  nach  ganzen  poli- 
tischen Ortschaften  und  Rügaten  in  ein  und  derselben  Pfarre 
geschehe,  daß  auf  wohlarrondierte  Körper  hingewirkt  und 
daß  dabei  darauf  gesehen  werde,  daß  die  künftigen  Steuer- 
gemeinden besonders  in  kultivierten  Gegenden  nicht  zu  groß 
werden,  und  zwar  niemals  über  2500  niederösterreichische 
Joche  Flächeninhalt  erhalten.  Nur  im  Hochgebirge,  wo  öde 
Strecken  etc.  den  Gemeinden  zugewiesen  werden,  darf  die  an- 
gedeutete Größe  überschritten  werden. 

3.  Eine  Ausnahme  von  den  ad  1.  und  2.  angedeuteten 
Grundsätzen  hat  bei  Städten  und  Märkten  einzutreten,  da  diese 
bereits  geschlossene  Burgfrieden  haben.  Für  diese  Orte  (Städte 
und  Märkte)  sind  einige  Grenzbesohreibungen  etc.  zu  verfassen 
und  in  Fällen,  wo  ihr  Inhalt  unter  500  niederösterreichische 
Joche  steht,  ist  denselben  eine  anstoßende  jedoch  ebenfalls  ab- 
gesondert zu  begrenzende  Ortschaft  zuzuweisen. 

Von  weiteren  Bestimmungen  ist  hier  nur  noch  hervorzu- 
heben, daß  weiterhin  jede  willkürliche  Änderung  der  Rügaten, 
Rotten,  Viertel  und  Obmannschaften  untersagt  wurde,  da  diese 
Änderung  leicht  auf  den  Bestand  der  einmal  mit  aller  Vor- 
sicht unter  Beachtung  der  obwaltenden  Verhältnisse  gebildeten 
Katastralgemeinden  nachteilig  einwirken  könnte. 

Nach  diesen  Anordnungen  ist  die  Landesvermessung  flir 
den  Kataster  und  die  Bildung  der  Steuergemeinden  in  den 
nächsten  zwei  Jahren  1829  und  1830  mit  Aufwand  eines  großen 
Personales  (im  Jahre  1829  waren  gleichzeitig  64  ,Herren', 
größtenteils  Offiziere  im  Lande  tätig)  durchgeftihrt  worden. 
Schon  1830  müßen  die  lithographischen  Kopien  der  Original- 
Aufnahmsblätter  wenigstens  teilweise  vollendet  gewesen  sein, 
denn  es  erschien  bereits  am  2.  Februar  ein  gedrucktes  Zir- 
kular über  ihren  Preis  und  die  Art  des  Bezuges.  1832  begann 
die  Schätzung  der  Gründe  auf  der  Basis  der  neuen  Ver- 
messung, aber  erst  1835  wird  das  Erscheinen  der  ,Ubersicht8- 
karte  der  Steuergemeinden  und  Bezirke^  (1:115200)  angekündet. 


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Dies    ißt    die  Geschichte  der  Steuergemeinden  im  Lande 
Salzburg.    Man  siebte    daß  eine  ungemein  wichtige  Sache  sehr 
rasch,    unter    der  Gefahr  schwerer  Mißgriffe    doch    schließlich 
sinngemäß    durchgeführt  worden  ist.     Ein  k.  k.  Oberleutnant, 
ein  junger  Mann   in   wenig  hervorragender  Stellung   hat   das 
Werk  getan,    das  bis  heute  nicht  bloß  die  territoriale  Grund- 
lage der  Stenerverfassung  sondern  des  ganzen  Gemeindewesens 
ist.    Denn   die   politischen   Gemeinden  wurden  bei  ihrer  Ein- 
Mirung  stets  nach  den  damals  gezogenen  Grenzen  umschrieben, 
indem  die  politische  Gemeinde  stets  gleich  ist  einer  oder  meh- 
reren Steuergemeinden  und  niemals  eine  Steuergemeinde  unter 
zwei  politische  Gemeinden  geteilt  ist. 

Für  die  Geschichte  der  Territorialeinteilung  des  Landes 
Salzburg  ergeben  sich  aber  folgende  Schlüsse. 

1.  Die  Grenzen  der  einstigen  Pfleggerichte  fallen  im  all- 
gemeinen stets  mit  Grenzen  heutiger  Steuergemeinden  zusammen, 
da  man  bei  Errichtung  der  Steuergemeinden  sich  stets  inner- 
halb der  Grenzen  des  betreffenden  Pfleggerichtes  gehalten  hat. 

2.  Hie  und  da  mögen  allerdings  erst  durch  die  Grenz- 
beschreibung des  Katasters  diese  Grenzen  vollkommen  scharf 
und  genau  festgestellt  worden  sein.  Im  allgemeinen  aber  be- 
weisen die  alten  Gerichtsrügungen,  daß  man  sich  bei  Gerichts- 
grenzen nicht  mit  allgemeinen  und  ungenauen  Bestimmungen 
begnügt  hat,  wie  das  bei  den  Rotten  nach  Aussage  des  Salz- 
burger Kreisamtes  der  Fall  war.  Die  Gerichtsrügungen  geben 
auf  den  Meter  genaue  Grenzen,  oft  genug  wird  die  rechte  oder 
linke  Zauntorsäxde  oder  die  Mitte  des  Bächleins  mit  aller  Be- 
stimmtheit angegeben.  Der  Grund  dieser  großen  Genauigkeit 
wird  der  Wunsch  gewesen  sein,  Kompetenzstreitigkeiten  zu  ver- 
meiden, da  der  Gerichtsstand  von  dem  Orte  des  begangenen 
Verbrechens  und  des  Ergreifens  des  Verbrechers  abhing. 

3.  Die  Bestimmung  der  Grenzen  der  Pfleggerichte  nach 
den  Grenzen  der  Steuergemeinden  ist  nur  bei  jenen  altsalz- 
buigischen  Pfleggerichten  nicht  möglich,  die  in  den  Jahren 
1828 — 1829  nicht  mehr  selbständig  bestanden,  das  sind  Neu- 
haus, Glaneck,  Oberplain  und  das  Urbargericht  an  der  Glan, 
die  mit  Abtrennung  Glaneckscher  Gebiete  an  Hallein  im  Jahre 
1811  zum  Pfleggericht  Salzburg  vereinigt  wurden;  femer  Straß- 
walchen,  das  damals  mit  Neumarkt,  und  der  Hofmark  Koppel, 
die  mit  Salzburg  vereinigt  war.  Auch  für  die  seit  1816  dauernd 

ItcUt.  ICIV.  Bmnd.  7 


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bayerisch  gebliebenen  altsalzburgischen  Gebiete  am  linken  Ufer 
der  Saale  und  Salzach  gilt  wie  sich  versteht  die  obige  Erörte- 
rong  nicht. 

4.  Auch  die  alten  Rotten,  Rügete  usw.  wurden  niemals  durch 
Landgerichtsgrenzen  und  in  der  Regel  auch  nicht  durch  Steuer- 
gemeindegrenzen durchschnitten.  Somit  haben  wir  nicht  nur  die 
Grenzen  der  alten  Landgerichte,  sondern  auch  die  Lage  der 
Rotten  etc.,  deren  Namen  wir  aus  der  Juvavia  genau  kennen, 
vollständig  sicher  und  so  genau  abgegrenzt  als  sie  es  überhaupt 
waren. 


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IV. 

DAS  LAND 

IM   NORDEN  DER  DONAU. 

MIT   EINER  HISTORISCHEN  KARTE. 

TON 

JULIUS  STRNADT. 


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Yorw^ort. 


Die  Dorchforschimg  der  österreichischen  und  bayrischen 
Arcliive    für    die   Arbeiten   zum   historischen   Atlas    der   öster- 
rächlschen  Alpenländer  hat  eine  unerwartete  Menge  einschlä- 
giger Urkunden   und   Akten  zutage  gebracht^    welche   Staats- 
rechtliche   nnd    andere   Verhältnisse   in   ihrem   wahren   Wesen 
erkennen  ließen.    So  spärlich   anfangs   die  Quellen  flössen^    so 
weit  verstreut   das  Materiale    und  oft  schwer  auffindbar^    mit- 
unter auch  unzugänglich  war,  in  vielen  Fällen  nur  in  einzelnen 
Splittern  zum  Vorschein  kam^  so  fügte  sich  doch  bei  weiterem 
Fortschreiten   der  Sammlungen  Stein  um  Stein  zu  einem  Auf- 
bau zusammen;  welcher^  wenn  auch  nicht  in  allen  seinen  Teilen 
von  gleicher  Stärke,   doch  keine  klaffenden  Lücken  aufweist; 
denn  jene^  welche  Urkunden  und  Akten  noch  gelassen^  wurden 
durch  das  günstige  Ergebnis  der  Lustrierung  der  alten  Grund- 
bücher aus  den  Jahren  1793/94  ausgefüllt^  da  dieselben  häufig 
eine   wörtliche   Übertragung   aus   den   älteren  herrschaftlichen 
urbaren  sind  —  soweit  nicht  die  Gesetzgebung  Kaiser  Josefs  11. 
Änderungen    gebot  — ,    die    wirtschaftlichen    Verhältnisse    am 
Ende   des  18.  Jahrhunderts  darstellen  und  häufig   die  ältesten 
topographischen  Namensformen  überliefern. 

XJber  die  Quellen  wurde  in  den  Erläuterungen  Rechen- 
schaft abgelegt;  es  darf  nicht  übergangen  werden;  daß  ohne 
die  ausgiebige  Benützung  der  königL  bayrischen  Archive  und 
deren  Bereitwilligkeit  zur  Akten  Versendung  —  der  1902  ver- 
storbene Direktor  des  allgemeinen  Reichsarchives  in  München 
Baron  Dr.  Eduard  v.  Oefele  hat  allein  mehr  als  zwanzig  Zu- 
sendungen veranlaßt  — *  die  Darstellung  flir  Oberösterreich  eine 
trümmerhafte  geblieben  wäre. 

Die  Erläuterungen  zur  Landgerichtskarte  von  Oberöster- 
reich versuchen^    über  den  Werdegang  des  Gerichtswesens  im 


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86 

Lande  ob  der  Ena  eine  gedrängte  Übersicht  zu  bieten;  die 
nähere  Begründung  der  Angaben  blieb  den  Abhandlungen  zum 
historischen  Atlas  vorbehalten.  Grenzbeschreibungen,  soweit 
solche  vorhMiden,  wurden  bequemerer  Übersicht  halber  an  den 
entsprechenden  Stellen  anmerkungsweise  eingeschaltet. 

Die  vorliegende  Abhandlung  über  ,das  Land  im  Norden 
der  Donau'  hat  die  Aufgabe,  auf  Grund  des  seit  dem  Jahre 
1900  beigeschaffiten  archivalischen  StoflFes  nach  Tunlichkeit  fol- 
gende Fragen  zu  beantworten: 

1.  Bestand  und  Umfang  des  sogenannten  Schweinachgaues. 

2.  Westgrenze  der  karolingischen  Ostmark  am  linken  Donau- 

ufer. 

3.  Art  und  Weise  der  Erschließung  des  Nordwaldes  für  die 

Ktdtur  und  Wert  der  Schenkungsurkunde  König  Hein- 
richs n.  für  Niedemburg  zur  Beantwortung  dieser 
Frage. 

4.  Aufklärung    über   das  Auftreten    der  Witigonen   auf  ober- 

österreichischem  Boden  und  über  ihre  Abstammung. 

5.  Aufklärung  über   die  Eigenschaft   der  Herrschaft  Falken- 

stein und  ihr  Verhältnis  zu  Passau  und  den  Witigonen, 
zumal  zu  Zawisch  ^von  Falkenstein^ 

6.  Vormalige  Grenzen   zwischen  Bayern   und  Osterreich  einer- 

seits und  Böhmen  andererseits;  Zeitpunkt  ihrer  Sta- 
bilisierung. 

7.  Zeitpunkt    der  Vereinigung  Wachsenbergs   und   der  Ried- 

mark mit  dem  Lande  ob  der  Ens. 

8.  Bloßlegung    der  Verhältnisse    Passaus    zu   dem    Mühelland 

und  Bestimmung  des  Zeitpunktes^  in  welchem  das- 
selbe der  österreichischen  Landeshoheit  unterworfen 
wurde. 

9.  Klarlegung  der  Ausbreitung  der  österreichischen  Territorial- 

hoheit über  Rannariedl  in  das  Herz  des  Reichsfürsten- 
tums Passau  hinein. 
Der  Verfasser,  kein  Fachmann  ex  professo,  aber  auf  dem 
Gebiete  der  historischen  Geographie  seit  einem  halben  Jahrhun- 
derte tätig,  darf  versichern,  daß  er  alle  Zeit  und  Mühe  auf- 
gewendet hat,  um  die  auf  ihn  gefallene  Wahl  eines  Mitarbeiters 
am  historischen  Atlas  zu  rechtfertigen.  Was  Neigung  zum  Ge- 
genstande und  Liebe  zum  engeren  Vaterlande,  was  genaue 
Kenntnis  von  Land  und  Leuten  —  zumal  im  Mühellande,   in 


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87 

welchem  er  als  Gerichtsadjunkt  in  Neufelden  (1868—1870)  und 
als  Bezirksrichter  in  Rohrbach  (1877—1881)  hierzu  hinrei- 
chende Gelegenheit  hatte  — ,  was  umfangreiche  Urkunden- 
sammlungen, vor  55  Jahren  begonnen  und  stets  fortgesetzt, 
zum  Gelingen  des  Werkes  beizutragen  vermocht  haben,  dürfte 
an  der  Arbeit  zum  sichtlichen  Ausdrucke  kommen.  Von  der 
Ranna  bis  zur  Isper,  von  der  Moldau  bis  zur  Donau  hat  er 
das  Land  in  allen  Richtungen  bereist  und  durchwandert;  er 
schreibt  aus  persönlicher  Wahrnehmung. 

Ein  gütiges  Geschick  hat  es  ihm  beschieden,  nochmals 
die  Wege  zu  wandeln,  die  er  —  der  25  jährige  Aktuar  ohne 
jegüche  literarische  Verbindung  —  im  Jahre  1860  in  seiner 
Schrift  über  die  passauische  Herrschaft  im  Mühellande  durch- 
messen hat-  Da  dieselbe  den  Ausgangspunkt  auch  der  folgen- 
den Elrörterungen  bildet  und  wegen  der  Zusammenstellung  des 
Urkundenmateriales  auch  in  Zukunft  nicht  entbehrlich  werden 
dürfte,  folgt  im  Anhange  zur  genauen  Orientierung  eine  Be- 
richtigung von  topographischen  Bestimmungen,  die  vor  45  Jahren 
nur  von  der  Landkarte  aus  gemacht  wurden  und  deshalb  teil- 
weise niclit  das  Richtige  trafen. 

Der  Neubau  wurde  mit  reichem  —  wie  manchem  schei- 
nen möchte,  allzureichem  —  Materiale  aufgefiihrt;  bei  einge- 
hender Nachprüfung  dürfte  sich  aber  zeigen,  daß  eine  Be- 
schränkung nicht  eintreten  durfte,  ohne  die  meist  schwierige, 
weil  auf  neuem  Boden  sich  bewegende  Beweisführung  zum 
Nachteile  des  Ganzen  zu  schwächen.  Nebstbei  mußten  Ein- 
bUcke  in  das  Kriminalverfahren  und  in  die  zahlreichen  Kon- 
flikte gewährt  werden,  einerseits,  weil  hieraus  besondere  Fol- 
gerungen abzuleiten  waren,  und  andererseits,  weil  die  Gelegen- 
heit zu  solchen  Einblicken  eine  sehr  seltene  ist,  da  derlei 
Akten  meist  schon  zugrunde  gegangen  sind  und  auch  gegen- 
wärtig noch  immer  vernichtet  oder  veräußert  werden.^ 


In  OberOsterreich  sind  Prozesse  wegen  Zauberei  und  Hexerei  fast  nicht 
auffindbar.  Daß  jedoch  solche  ebenso  häufig  wie  anderwärts  stattfanden, 
dafür  zeugt  schon  die  Tatsache,  daß  im  Jahre  1728  siebzehn  Personen 
beiderlei  Geschlechtes  aus  den  Pfarren  Schwertberg,  Tragein,  Zell  und 
Grein  eingefangen  und  von  den  betreffenden  Landgerichten  teils  durch 
Feuer  teils  durch  Schwert  hingerichtet  wurden  (Archiv  für  Kunde  österr. 
Gescbichtsqaellen  XYII,  207).  Hiervon  finden  sich  noch  vollständige 
Akten  gegen  Magdalena  Grillenberger  1729/30  im  Greinburger  Archive 


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88 

Die  Kartenbeilage  im  Maßstabe  1:200.000  hat  den  Zweck, 
die  gewonnenen  Ergebnisse  der  Untersuchung  deutlich  vor 
Augen  zu  führen;  sie  wurde  absichtlich  nicht  früher  als  nach 
Vollendung  des  vierzehnten  Abschnittes  angefertigt,  Flächen- 
kolorit wurde  vermieden,  weil  die  Grenzlinien  auch  bei  Fal- 
kenstein nicht  immer  jedes  einzelne  Haus  hätten  einbeziehen 
können. 

Um  die  Abhandlung  nicht  noch  mehr,  als  ohnehin  nicht 
vermieden  werden  konnte,  mit  Zitaten  zu  belasten,  hat  der 
Verfasser  es  unterlassen,  sich  mit  den  verschiedenen  entgegen- 
gesetzten Meinungen  zu  befassen,  und  es  dem  Leser  anheim- 
gestellt, sich  fiir  oder  gegen  die  vorgebrachten  Beweise  zu 
entscheiden.  Nur  bezüglich  der  Äußerung  Ottos  von  Freising 
über  die  tres  comitatus  der  Ostmark  hat  er  eine  Ausnahme 
machen  zu  müssen  geglaubt,  weil  in  dem  Exkurse  Uhlirz  in 
den  Jahrbüchern  des  Deutschen  Reiches  unter  Otto  II.  und  III. 
eine  neue  Ansicht  aufgetaucht  ist,  deren  Anwendung  auf  das 
Thema  der  Arbeit  zu  prüfen  war. 

Zum  Schlüsse  erlaubt  sich  der  Verfasser  allen  Persönlich- 
keiten, welche  das  Zustandekommen  der  vorliegenden  Abhand- 
lung ermöglicht  haben,  den  gebührenden  Dank  abzustatten:  Sr. 
Durchlaucht  Fürst  Adolf  Josef  v.  Schwarzenberg  Herzog  zu 
Erummau,  den  hochgebomen  Herren  Graf  Rudolf  Kinsky, 
Graf  Konrad  Ungnad  v.  Weißenwolff,  Graf  Ernst  zu  Sprinzen- 
stein,  Frau  Baronin  Schwiter  zu  Schwertberg  für  die  gestattete 
Benützung  der  Archive,  den  Herren  Direktoren  und  Beamten 
des  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchives,  des  k.  u.  k.  gemein- 
samen Finanzarchives  und  des  niederösterreichischen  Landes- 
archives  in  Wien,  des  königl.  bayrischen  Reichsarchives  und 
des  Kreisarchives,  sowie  der  königl.  Hof-  und  Staatsbibliothek 
in  München,  des  Ereisarchives  in  Landshut,  den  Herren  fürstlich 
Schwarzenbergschen  Zentralarchivsdirektor  Anton  Mörath  in 
Erummau  und  Archivar  Franz  Mare§  in  Wittingau,  Herrn  Regie- 


Oerichtsakten  Fasz.  74  wegen  Hexerei,  gegen  Hans  Grillenberger  1780/31 
im  Schwertberger  Schloßarchive  wegen  Zauberei  (von  letzterem  ein  Aus- 
zug in  Nr.  49  der  Unterhaltungsbeilage  zur  ,Linzer  Tagespost*  1903), 
Bruchstücke  eines  Hexenprozesses  bei  dem  Landgericht  Reichenstein 
ex  1696  gegen  Maria  Eninkhl  aus  der  Pfarre  St.  Leonhard  und  gegen 
die  Wetterhexe  Maria  Aistleitner  im  Schloßarchive  f^eistadt,  Fasz.  30, 
Nr.  26  und  27. 


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89 

rnngsrat  Universitätsprofessor  Hans  Lambel  in  Prag,  Stiftskapi- 
tular  Dr.  Adalbert  Erichs  in  Göttweig,  Herrn  Viktor  Baron  Han- 
dd-Mazzetti  Archivar  des  Linzer  Museums,  k.  u.  k.  Oberst,  Herrn 
Dt.  Ferdinand  Krackowizer  oberösterreichischem  Landesarchivar 
i.R.,  Herrn  Prälaten   Eonrad  Meindl   zu  Reichersberg,   Herrn 
SüftsbibUothekar  Gottfried  Vielhaber  in  Schlägl,   Herrn  Stifts- 
kapitular   Dr.  Valentin   Schmidt  von  Hohenfurt,   Professor  in 
Budweis,  der  löblichen  herzoglich  Sachsen-Coburgschen  Fidei- 
kommißbehörde  in  Coburg  und  dem  herzoglichen  Rentmeister 
Julius  Kraemer  in  Greinburg   für   die  in  liberalster  Weise  ge- 
währte  Ausnutzung   des   Greinburger  Archives,    dem   gräflich 
Weißenwolffschen   Sekretär  Herrn   Viktor   PoUak,    Herrn  Ge- 
meindesekretär Karl  Haßleder  in  Neufelden,    Herrn  Verwalter 
Fridwagner  in  Helfenberg.    Herrn  Sektionsrat  Dr.  Josef  Kolo- 
man Binder  wird   für  die  Eröffiiung  des  Archives  des  Justiz- 
ministeriums, HeiTn  Oberlandesgerichts- Vizepräsidenten  Gustav 
Ritter  v.   ScharflFen    flir    jene    des   Oberlandesgerichtsarchives, 
Herrn   Landesgerichtsrat   Dr.  Adolf  Ritter  v.  Großer   für   die 
gewährte  Unterstützung,    Herrn  Professor  Dr.  Emil  Werunsky 
an  der  deutschen  Universität  in  Prag,  Herrn  Stiftsbibliothekar 
Professor  Sebastian  Mayr  in  Kremsmünster  für  die  vielseitigen 
Dienste  der  ergebenste  Dank  ausgesprochen. 

Kremsmünster,  12.  Mai  1905. 

J.  Stmadt. 


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Erster  Abschnitt. 

Der  große  Nordwald.  Das  karolingische  Rosdorf  gleich- 
bedeutend mit  dem  späteren  Landshag.  Die  comitatus  ex 
antiquo  ad  marchiam  pertinentes,  quos  tres  dicunt  des 
Bischofs  Otto  von  Freising;  die  neueste  Deutung  der- 
selben nach  ühlirz. 


Der  ganze  Landstrich  im  Norden  der  Donau  zwischen 
der  Hz  im  Westen  und  der  Isper  im  Osten  ist  noch  zur  Zeit 
des  Einzuges  der  Bajuwaren  in  das  ehemalige  Norikum  als 
Waldgebiet  aufzufassen;  nur  die  Uferränder  der  Donau  bis 
hinab  nach  Sachsen  waren  in  Kultur  gezogen,  hauptsächlich 
von  Wenden,  welche  sich  bis  Niederwaldkirchen  hinauf  und 
über  den  Haselgraben  festgesetzt  hatten.^  Während  jedoch  der 
Nordwald  (unter  der  Benennung  Passauerwald)  noch  im  Be- 
ginne des  10.  Jahrhunderts  an  der  Donau  herab  bis  in  die 
Nähe  von  Landshag  ^  reichte  und  im  Gebiete  des  sogenannten 


'  A.  Hackl,  Die  Besiedlungsverhältnisse  des  oberösterreichischen  MCihl- 
viertels,  Stnttgai't  1902;  Stmadt,  Gebart  des  Landes  ob  der  Ens, 
S.  26 — 29.  Vgl.  hierzu  ,Zur  Kunde  der  österreichischen  Ortsnamen',  Mitteil, 
des  Inst,  für  Osterr.  Geschichtsf.  XIX,  620 — 534.  Gelegentlich  sei  bemerkt, 
daß  der  scheinbar  deutsche  Familienname  Breslmaier,  üblich  im  mitt- 
leren Mühlkreise,  entschieden  slawischen  Ursprungs  ist  und  im  18.  Jahr- 
hunderte noch  viel  richtiger  Preßlmaier  geschrieben  wurde,  denn  er 
stammt  von  Bröselsdorf  (recte  Pfemysldorf,  urkundlich  Brumislaistorf, 
1115,  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  11,  151). 

Zu  dem  Versuche  der  neueren  Forschung,  aus  den  Hausformen  und 
dem  Dialekte  eine  Grundlage  für  die  Vermutung  fränkischer  Mitbesiedlung 
zu  gewinnen,  sei  darauf  hingewiesen,  daß  der  Personenname  Franco  ein 
einheimischer  war,  daher  Frankenberg  in  der  Riedmark  mit  Sicherheit 
keineswegs  auf  fränkische  Kolonisten  zurückgeführt  werden  muß. 

'  Der  aus  der  karolingischen  Zollordnung  904  bekannte  Handelsplatz 
Rosdorf  ist  identisch  mit  dem  heutigen  Orte  Landshag,  wie  nachstehende 


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91 

MtühSandes  noch  lange  kein  Name  genannt  wird,  waren  die 
Anüedlnngen  östlich  Yon  der  Großen  Mühel  im  Beginne  des 
13.  Jahrhnnderts  bereits  an  die  Rauschemühel  —  so  genannt 
Yon  dem  tosenden  Falle  in  ihrem  steinigen  Bette  —  vorgerückt 


Belege  aeigen:  853,  18.  Jänner,  KOnig  Ludwig  best&tigt  die  Schenkung 
des  Grafen  Wilhelm,  welcher  allen  seinen  Besiti  lu  Bosdorf  und  über- 
haupt auf  dem  linken  Donauufer  (,quicquid  ad  rosdorf  habere  uidebatur 
omnia  et  ex  omnibus  rebus  ex  illa  parte  danubii,  quicquid  sibi  perti- 
nebant  in  mancipüs  et  aedificiis  ac  uineis  cultis  et  incultis*)  an  das 
Kloster  St.  Emmeram  yergabt  hatte  (Mon.  Boic.  XXVIIIa,  46).  In  dem 
durch  die  königlichen  Sendboten  (vgl.  Krause  in  Mitteil,  des  Inst,  für 
Oeterr.  Geschichtsf.  XI,  193  ff.)  904  festgestellten  Gewohnheitsrechte  der 
ZoUrätxe  t&r  die  Ostmark  (Mon.  Germ.  Leges  III,  480)  wird  Rosdorf  als 
der  erste  Landungsplatz  und  als  die  erste  Zollstfttte  nach  Passierung 
des  Passauerwaldes  genannt  (,postquam  egresse  sint  siluam  patayiam  et 
ad  Bosdorf  uel  ubicunque  sedere  uoluerint  et  mercatum  habere').  1111, 
23.  August  bestätigt  Bischof  Ulrich  von  Passau  dem  Kloster  St.  Florian 
unter  anderen  Besitzungen  ,Ad  bercheim  dimidius  (mansus),  ad  rostorfh 
dimidius'  (OberOsterreichisches  Urkundenbuch  II,  140).  Engelbert  von 
Blankenberg  (an  der  Großen  Mttbel)  vergabt  unter  Bischof  Chunrad  von 
Passau  (1158—1164)  an  das  Kloster  St.  Nikola  bei  Passau  folgende 
Güter:  ,curia  in  Aigilsperge,  curia  in  Windestige,  curia  ad  Hirzman, 
curia  Chunradi  ad  portum  contra  Ahscha,  curia  In  Berchaim,  molendi- 
num  in  riuo  Rosbaoh*,  wie  eine  Hand  des  13.  Jahrhunderts  erster  Hälfte 
in  den  Traditionskodex  eintrug  (OberOsterreichisohes  Urkundenbuch  I, 
593).  1258,  3.  September  erlaubt  Bischof  Otto  dem  Chunrad  von  Hart- 
heim, die  Besitzungen  des  Klosters  Niedernburg  in  Lantzhabe  und  in 
Awenden,  welche  Bischof  Bertold  (1250—1264)  an  Ulrich  von  Kapellen 
verpfändet  hatte,  von  diesem  einzulösen  (Mon.  Boic.  XXIX  b,  122).  Bosdorf 
lag  also  gerade  am  Ausgang  des  Passauerwaldes  an  der  Donau,  in  einer 
Gegend  mit  Weingärten,  in  der  Nähe  von  Bergheim;  unter  letzterem 
kann  nur  die  Ortschaft  am  Pesenbache  in  der  Pfarre  Feldkirchen  ver- 
standen werden,  denn  in  dieser  Pfarre  befanden  sich  die  durch  alle 
Jahrhunderte  erwähnten  vielen  Weing^ärten,  welche  erst  in  den  Jahren 
1817,  1818  au%elas8en  wurden,  hier  findet  sich  ein  fast  wasserloser  Bach 
des  Namens  Rosbach.  Die  Bachnamen  wechsein  übrigens  häufig,  ein  Ros- 
bach wird  1189  in  der  Pfarre  Scbönhering  erwähnt  (Oberösterreichisches 
Urkundenbuch  II,  416),  ein  Rosgraben  findet  sich  in  der  Pfarre  Haibach 
etwas  weiter  donauaufwärts.  Der  kleine  Bach,  welcher,  wie  aus  der 
Schützseben  Karte  zu  sehen,  noch  vor  120  Jahren  zwischen  Ober-  und 
Unterlandshag  in  die  Donau  mündete,  nun  aber  zuvor  in  den  Wiesen 
versickert,  mag  seinerzeit  den  Namen  Rosbacb  geführt  haben,  heute  ist 
er  namenlos.  In  der  Pfarre  Feldkirchen  waren  die  Wasserläufe  nach- 
weisbar vielfachen  Veränderungen  unterworfen. 

Rosdorf  wird  seine  Bezeichnung  von  dem  altdeutschen  Personen- 
namen Hors  oder  Ros  abzuleiten  haben;  der  Ort  behielt  denselben  bis  in  das 


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92 

und  in  rascher  Folge  bis  an  die  Moldau  vorgedrungen.^  Das 
Babenbergische  Urbar  zeigt  uns  im  13.  Jahrhunderte  das 
Waldland  in  das  Quellengebiet  der  Aist  zurückgedrängt,*  wäh- 
rend die  Urbarmachung  des  Nordwaldes  im  mittleren  Teile 
noch  im  11.  Jahrhunderte  große  Fortschritte  gemacht  und  über 
das  Lobenfeld  (Hochebene  von  Leonfelden)  zum  Moldauufer 
durchgebrochen  war.  Die  noch  im  12.  Jahrhunderte  vor- 
handenen Slawenbestände  sind  im  13.  verschwunden,  die 
Wenden  zwischen  der  Großen  Mühel  und  der  Isper  ent- 
nationalisiert,   im    bayrischen  Volke  aufgegangen.^     über  die 


12.  Jahrhundert,  indessen  zweiter  Hälfte  er  schon  als  Landang^splatz 
(portus)  gegenüber  von  Aschach  bezeichnet  wird,  und  diese  Bedeutung 
hat  auch  der  jetzige  Ausdruck  Landshag.  Derselbe  ist  zusammengesetzt 
aus  Land  =  Landen,  Landung,  Lände  und  Hag  =  eingefriedeter  Platz, 
wozu  Schmeller  (Bayrisches  Wörterbuch,  2.  Aufl.,  I,  1067)  bemerkt,  daß 
Gl.  a.  369  hao  sogar  noch,  dem  englischen  town  entsprechend,  fttr  urbs, 
ciyitas  stehe.  Laut  Mitteilung  der  Direktion  der  kOnigl.  Hof-  und  Staats- 
bibliothek in  München  hat  die  zitierte  Stelle  in  der  Handschrift  ,Glos- 
saria  vetera  alphabetica*  (Schmelleriaua),  I.  Bd.,  S.  369  folgenden  Wort- 
laut: c.  S.  urbs.  civitas.  oppidum 

r.  c.  urbs  hac. 
r.  c.  ciuita  burc. 
r.  c.  bezeichnet  den  Beichenauer  Kodex,  c.  S.  den  St.  Galler  Kodex  911, 
auf  des  letzteren  S.  287  muß  die  Stelle  ursprünglich  stehen. 

Eosdorf  hat  demnach  in  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  seinen 
ursprünglichen  Namen  an  die  sachliche  Bezeichnung  Laudshag  (Lände) 
eingebüßt  und  ist  diese  letztere  dem  Orte  fortan  verblieben. 

Wie  das  Kloster  St.  Emmeram  seinen  Besitz  aus  der  Schenkung 
Machelms  in  Eschenau  (777  Ried  cod.  dipl.  Ratisp.  I,  3)  schon  834  an 
den  Grafen  Wilhelm  vertauschte,  so  wird  es  mit  dem  Besitze  Rosdorf 
gegangen  und  selber  an  das  Kloster  Niedernburg  hindangegebeu  worden 
sein;  denn  Landsbag,  von  welchem  nur  fünf  Häuser  zum  ehemaligen 
Passauischon  Amte  Geldwert  gehörten,  bildete  bis  zum  Jahre  1803  ein 
dem  Kloster  Niedernburg  untertäniges  Amt  mit  befreitem  Burgfried.  Die 
Vogtei  hierüber  stand  der  iandesfärstlichen  Herrschaft  Wachsenberg  zu, 
bis  1510,  12.  Mai,  Kaiser  Maximilian  L  dieselbe  mit  anderen  Güten  in 
der  Pfarre  Feldkirchen  an  seinen  Rat  und  Pfleger  zu  Wachsenberg  Wolf- 
gang JOrger  zu  Tollet  verwechselte  (Kopie  im  Fasz.  1,  ToUeter  Archiv 
im  Linzer  Museum). 

^  Siehe  die  Ausführung  auf  S.  113  ff. 

'  Dopscb,    Die  landesfürstlichen  Urbare    Nieder-   und  Oberösterreichs    im 

13.  und  14.  Jahrhundert,  1904. 

^  Vgl.  M.  Döberl,  ,Kolonisierende  und  germanisierende  Tätigkeit  des  bayri- 
schen Stammes',  in  Beilagen  Nr.  141,  142  zur  ,Münchner  Allg.  Zeitung* 
vom  Jahre  1904. 


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93 

Große  Mühel  hinüber,  wo  noch  ein  Urwald  das  Land  erfUllte, 
sind  die  Wenden  niemab  gedrangen;  dieser  Fluß  zeigt  sich 
ftr  jeden,  der  ftlr  solche  Dinge  ein  offenes  Auge  hat,  noch 
heute  scharf  als  vormalige  Völkerscheide,  worauf  auch  Körper- 
gestalt und  Charaktereigenschaften  der  Bewohner  diesseits  und 
jenseits  hinweisen. 

An  der  Zugehörigkeit  des  linken  Donauufers,  soweit  das- 
ßelhe  schon  besiedelt  war,  zum  Bajuwarenlande  ist  nicht  zu 
sweifeln;  eine  genaue  Abgrenzung  gegen  die  Awaren  kann  es 
Bchon  nach  der  Bodengestaltung  nicht  gegeben  haben  und  nur 
am  andern  Ufer  galt,  wie  Einhards  Annalen  zum  Jahre  791  ^ 
hervorheben,  der  Stromlauf  der  Enns  als  gewisse  Grenze. 

Keine  urkundliche  Nachricht  sagt  uns,  zu  welchem  Gaue 
der  Kulturstreifen  von  Landshag  abwärts  gerechnet  wurde, 
wenngleich  die  Wahrscheinlichkeit  daftlr  spricht,  daß  seine 
Anwohner  die  Malstätten  des  Traungaues  suchten;  sicher  aber 
ist,  daß  die  von  Karl  dem  Großen  errichtete  Grenzmark,  der 
limes  Ayaricus,  noch  Landshag  umfaßt  und  daher  zweifellos 
bis  zur  Großen  Mühel  gereicht  hat.  Die  Ansicht,  daß  das  Ge- 
biet bis  zur  Einmündung  der  Rotel  in  die  Donau  bei  Ottens- 
heim  zum  Schweinachgau  gehört  habe,  welche  der  Verfasser 
als  eine  ziemlich  sichere  bezeichnet  hatte,'  kann  nicht  femer 
aufirecht  erhalten  werden;  denn  in  der  Zollordnung  von  904' 
wird  mit  nicht  mißzuverstehender  Deutlichkeit  der  Passauer- 
wald zwischen  Passau  und  Rosdorf  ab  Grenze  zwischen  Bayern 
(occidentales  partes)  und  der  Ostmark  (orientales  partes)  her- 
vorgehoben, Rosdorf  ist,  wie  in  Anm.  2  auf  S.  90  dargetan, 
das  heutige  Landshag  und  Puchenau  zwischen  Urfahr  und 
Ottensheim  ist  unbedingt  innerhalb  der  Ostmark  gelegen.^ 

Auch  bei  Wiedererrichtung  der  Ostmark  nach  der  Schlacht 
auf  dem  Lechfelde  verblieb  jener  Bezirk,  welcher  zuerst  im 


^  certus  daonim  regnoram  limes  babebatur.  Mon.  Germ.  Script.  I,  177. 

*  In  der  »Gebort  des  Landes  ob  der  uns',  S.  29,  30. 

*  Leges  III,  480.  ,Naaes  nero,  qne  ab  occidentalibos  partibns,  postquam 
egresse  sint  siluam  pataviam  et  ad  Rosdorf .  . .  sedere  uoluerint .  .  .* 

*  Freisinger  Urkunde  827,  21.  Aogost  im  Kodex  Kozroh  Bl.  136  a,  abge- 
druckt im  Archiy  für  Kunde  Osterr.  Geschichtsqaellen  XXVII,  258;  denn 
der  Graf  der  Ostmark  Wilhelm  bestimmt  die  Grenzen  des  Kircbengates 
Yon  Pachenaa  (nicht,  wie  das  Regest  anrichtig  sagt,  die  Greneen  der 
Pfarre;  Puchenau  war  Filiale  von  Linz). 


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94 

Jahre  1115*  unter  der  Bezeichnung  Riedmark  erscheint  und 
die  Ortschaften  stoigei  (Steg)^  threbesse  (Reut);  brumizlaistorf 
(Pröselsdorf,  Pfemysldorf),  willihartisdorf  (Willersdorf),  bege- 
ringin  (Bayring),  threbinicha  (Trefling)  enthielt;  bgi  der  Grenz- 
mark^  jedoch  nur  innerhalb  jener  Grenzen,  welche  noch  im  Jahre 
1498  das  Landgericht  Riedmark  oder  Freistadt  gegen  Westen 
hatte;  keinerlei  Andeutung  liegt  vor,  daß  auch  der^  Landstrich 
zwischen  dem  Haselgraben  und  der  Großen  Mühel  ein  Bestand- 
teil  der  Mark  gewesen,  im  Gegenteile  erscheint  in  dem  Diplom 
König  Heinrichs  V.  1 109,  4.  November,*  womit  derselbe  die 
Schenkung  Eppos  am  Windberg  für  das  Kloster  St.  Florian 
bestätigt,  als  Litervenient  Herzog  Weif  von  Bayern,  während 
unter  den  Grafen  der  damalige  Markgraf  Leopold  HI.  nicht 
genannt  ist,  wie  doch  vorauszusetzen  wäre,  wenn  der  vergabte 
Grund  innerhalb  seiner  Grafschaft  gelegen  gewesen  wäre. 

Die  Erörterung  der  Frage  nach  der  tres  comitatus  Ottos 
von  Freising,  die  besonders  in  den  letzten  zwei  Dezennien 
nicht  wenige  gelehrte  Federn  in  Bewegung  gesetzt  hat,  kann 
hier  nicht  übergangen  werden,  weil  einerseits  ein  bedeutender 
Teil  des  Landes  nördlich  von  der  Donau  Markboden  gewesen 
ist,  andererseits  Uhlirz  erst  jüngst*  ihr  einen  besonderen  Ex- 
kurs gewidmet  hat  und  seine  Polemik  sich  hauptsächlich  gegen 
die  Auffassung  des  Verfassers  in  der  ,Geburt  des  Landes  ob 
der  Ens^  und  in  der  Besprechung  von  Hasenöhrls  ,Deutsch- 
lands  südöstliche  Marken  im  10.,  11.  und  12.  Jahrhundert'^ 
richtet 

Nach  Erachten  des  Verfassers  werden  die  Versuche  zur 
Lösung  dieser  Frage  eine  ganz  veränderte  Richtung  einschlagen 
und  wird  die  Frage  überhaupt  ganz  anders  gestellt  werden 
müssen,  wenn  die  Überzeugung,  welche  die  gründlichen  und 
lichtvollen  Erörterungen  Lampeis  ^  wenigstens  dem  Verfesser 
dieser  Abhandlung  beigebracht  haben,  von  den  deutschen,  zu- 


^  Oberösterreichisches  Urkundenbach  ü,  149. 

*  Oberösterreichisches  Urkundenbach  ü,  127. 

*  Jahrbücher  des  Deutschen  Reiches  unter  Otto  11.  und  Otto  m.,  1902, 
I.  Bd.,  S.  232—286. 

*  Amtliche  Linser  Zeitung^  1895,  Nr.  278—284. 

^  J.  Lampel,  ,Die  babenbergische  Ostmark  und  ihre  tres  comitatus'  im 
Jahrbuche  des  Vereines  für  Landeskunde  yon  NiederOsterreich  1902, 
1903,  1904. 


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95 

mal  den   österreichischen  Forschem  aUgemein  geteilt  worden 
Bön  wird. 

llach  Liampels  Darlegungen  bleibt  wohl  kein  Zweifel 
ftbrig,  daß  die  einfachste  und  auch  natürliche  Übersetzung  des 
Zwischensatzes  ,quos  tres  dicunt^  bei  Otto  die  einzig  richtige 
ist,  nämlich  ,von  denen  es  heißt,  daß  sie  drei  sind^  oder  ,deren 
drei  s^  sollend  Es  ist  nicht  anzunehmen,  daß  der  haben- 
bergische  Fürstensohn  zu  Monmund  völlig  vergessen  haben 
sollte,  welche  Bestandteile  sein  eigenes  Vaterland  habe.  Die 
unsichere  Fassimg  seiner  Äußerung  hat  das  Bedenken,  das  ihr 
vom  An&nge  an  hätte  entgegengebracht  werden  sollen,  nur 
deshalb  nicht  erregt,  weil  so  lange  die  Eomitate  außerhalb  der 
babenbergischen  Ostmark  gesucht  worden  sind.  Heutzutage  ist 
aber  so  ziemlich  allgemein  anerkannt,  daß  eine  territoriale  Ver- 
größerung des  neuen  Herzogtums  Osterreich  im  Jahre  1156 
ausgeschlossen  ist,  daher  man  sich  endlich  auch  entschließen 
muß,  der  Erzählung  des  Freisinger  Bischofs  die  sachgemäße 
Auslegung  zu  geben.  Wenn  derselbe  sagt,  der  Kaiser  habe  die 
Ostmark  ,cum  comitatibus  ad  eam  ex  antiquo  pertinentibus' 
an  Heinrich  Jasomirgott  zurückgegeben,  dann  aus  dieser  Mark 
,cum  predictis  comitatibus,  quos  tres  dicunt^  ein  Herzogtum 
gemacht,  so  ist  der  Beisatz  ,von  altersher'  nach  allem  nicht 
von  der  Gegenwart,  von  dem  Zeitalter  Ottos  zu  verstehen, 
sondern  von  der  Vergangenheit;  er  schreibt  nieder,  was  er  ge- 
hört oder  gelesen  hat,  daß  zur  Ostmark  von  altersher  drei 
Grafschaften  gehören,  worunter  der  gelehrte  Mann  auf  nichts 
anders  wird  gedacht  haben  als  auf  jene  drei  Komitate,^  welche 
bei  Feststellung  der  Zollsätze  904  erwähnt  werden.  Daß  er  nicht 
zwischen  karolingischer  und  späterer  Ostmark  unterschied,  lag 
ganz  im  Geiste  seiner  Zeit,  welche  sich  stets  die  Verhältnisse 
der  Vergangenheit  gleich  mit  jenen  der  eigenen  Zeit  vorstellte. 
Die  so  oft  angezogene  Stelle  wird  für  die  Frage,  ob  die  Ost- 
mark aus  Grafschaften  bestanden  habe,  und  für  die  Frage  nach 
Entstehung  der  Landgerichte  auf  ostmärkischem  Boden  nicht 
weiter  beweiskräftig  sein  und  die  Schltlsse,  welche  Bnmner* 
aus  den  Bestimmungen  des-  österreichischen  Landrechtes  auf 


'  in  hÜB  tribos  comitatibtiB.  Leges  m,  480. 

*  ßa§  geriehiliehe  Exemtionsrecht  der  Babenberger.'  Sitzungsberichte  der 
Wiener  Akademie  XLYH,  356  ff. 


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96 

die  Einteilnng  der  Mark  in  drei  Gerichtssprengel  gezogen  hat, 
werden  solange  nicht  mehr  als  maßgebend  angesehen  werden 
können,  als  nicht  eine  neuerliche  Untersuchung  über  den  Zeit- 
punkt der  Entstehung  des  österreichischen  Landrechtes  statt- 
gefunden haben  und  die  Ansicht  M.  Stiebers  ^  bestätigt  oder 
widerlegt  haben  wird. 

Die  Ansicht  Bachmanns,  welcher  in  seiner  Besprechung 
der  ,Geburt  des  Landes  ob  der  Ens'*  nicht  nur  an  der  terri- 
torialen Vergrößerung  des  neuen  Herzogtums  festhielt,  sondern 
auch  versuchte,  die  ,quosdam  comitatus  de  Bavaria'  Hermans 
von  Niederaltaich  in  dem  Traungau,  dem  Schweinachgau  und 
der  Riedmark  nachzuweisen,  ist  von  berufenen  Kritikern  zu- 
rückgewiesen worden,  daher  sich  der  Verfasser  begnügen  kann^ 
auf  seine  kurze  Entgegnung^  sich  zu  beziehen,  zu  welcher  er 
bloß  nachzutragen  hat,  daß  seine  Behauptung,  die  Passauer 
Urkunde  901,  19.  Jänner  sei  eine  Verunechtung,  seither  von 
E.  Mühlbacher  (f  17.  Juli  1903)  in  seiner  letzten  diplomatischen 
Arbeit*   gebilligt  worden  ist. 

Aber  auch  der  Erklärungsversuch  Uhlirz',  daß  man  ohne 
Bedenken  unter  den  im  Privilegium  minus  erwähnten,  von 
Bayern  rührenden  Lehen  des  östlichen  Markgrafen  die  Ried- 
mark und  das  Machland  begreifen  dürfe,  kann  nicht  als  ein 
zutreflFender  angesehen  werden  und  fordert  zur  Widerlegung 
heraus,  damit  nicht  die  Forschung,  im  BegriflFe,  von  einem  Irr- 
wege sich  zurückzufinden,  einen  neuen  betrete. 

Vor  allem  muß  die  unnatürliche,  den  Sprachregeln  zu- 
widerlaufende Übersetzung  das  Passus  ,quo8  tres  dicunt'  bei 
Otto  von  Freising  als  schlechthin  ,die  drei'  entschieden  abge- 
lehnt werden.  Unter  diesem  Ausdrucke  will  Uhlirz  jenes  von 
der  Ostmark  verschiedene  Gebiet  verstanden  wissen,  welches 
als  Reichslehen,    das  durch    den  Verzicht   des  Bayemherzogs 


^  Anhang:  ,Wann  ist  die  kürzere  Fassung  des  österr.  Landesrechtes  ent- 
standen?* zu  ,K  v^voji  sprivy*  in  den  Abhandl.  der  b($hm.  Akad.  der 
Wissenschaften  IX,  Kl.  I,  1901,  S.  171—199.  Besprochen  in  Mitteil,  des 
Inst,  für  Osterr.  Geschichtsf.  XXIV,  148  und  Monatsblätter  des  Vereines 
für  Landeskunde  von  Nieder{$sterreich  11,  157. 

«  Zeitschr.  für  die  österr.  Gymnasien  1887,  S.  661— ö61;  1888,  S.  186. 

»  Das.  1888,  S.  184—186. 

*  Zwei  weitere  Passauer  Fähichungen  Mitteil,  des  Inst,  für  Osterr.  Geschichtsf. 
XXIV,  424. 


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97 

firei  geworden  war,  vom  Elaiser  an  Heinrich  Jasomirgott  verliehen 

wurde,    f^ne   solche  Interpretation   scheint  nichts  anderes  als 

eine  Einzwängong  von  Ottos  Bericht  in  seine  neue  Auffassung, 

welche  Methode  doch  Uhlirz  selbst  an  Bachmann  und  Dopsch 

getadelt  hat. 

Mit  Recht  geht  dagegen  Uhlirz  auf  die  tres  comitatus 
der  karolingischen  Zollordnung  zurück,  verläßt  jedoch  sofort 
den  richtigen  Pfad,  weil  er  die  Äußerung  Ottos  bezüglich  der 
Komitate  auf  das  Jahr  1156  anstatt  auf  die  graue  Vergan- 
genheit bezieht.  Wenn  er  sagt:  ,Der  comitatus  Arbonis  ist 
die  Ostmark,  ihr  stehen  hii  tres  comitatus  zur  Seite.  Das  De- 
monstrativpronomen erklärt  sich  nur  vom  Standpunkt  des  Pro- 
tokollführers, also  vom  Orte  der  Versammlung,  Raffelstetten, 
aus,  das  an  der  Donau  nordwestlich  von  Asten,  in  dem  von 
Traun  und  Ens  begrenzten  Teile  des  Traungaues  gelegen  ist. 
Diese  Landschaft  muß  also  mit  zwei  anderen  die  tres  comitatus 
gebildet  haben^,  so  ist  dieser  Schluß  kein  stringenter.  Nur  des- 
halb, weil  Raffelstetten  als  Ort  der  Versammlung  gewählt  wurde, 
muß  noch  keineswegs  der  Traungau,  in  welchem  Raffelstetten 
gelegen  war,  mit  zwei  anderen  Landschaften  die  in  der  Zoll- 
ordnung erwähnten  drei  Komitate  gebildet  haben;  die  Wahl 
des  Versammlungsortes  erklärt  sich  ganz  einfach  dadurch,  daß 
in  den  damaligen  Zeiten,  wo  täglich  die  Wiederholung  der 
Ein&lle  der  Ungarn  zu  besorgen  war,  die  Versammlung  schwer- 
lich ruhig  in  der  Ostmark  hätte  tagen  können,  und  durch 
die  Lage  des  Ortes  fast  halbwegs  in  der  Mitte  der  Zollinie 
(Rosdorf— Eparesburg — Mautem),  wo  am  bequemsten  die  Aus- 
kundschafi;ung  der  üblichen  Zollsätze  erfolgen  konnte.  Die 
Qrenzen  der  Ostmark  selbst  werden  ganz  deutlich  durch  die 
Textstellen  ,Naues  uero  .  .  .  siluam  pataviam  et  ad  Rosdorf 
sedere  uoluerint^  und  ,Carre  autem  Salinarie  que  per  stratam 
legitimam  anesim  fluuium  transeunt'  bezeichnet:  der  Passauer- 
wald oberhalb  Landshag  am  linken  Donauufer  im  Westen,  die 
Donau  im  Süden,   die  Ens  am  rechten  Donauufer  im  Westen. 

Uhlirz  bemerkt:  ,Eine  Stütze  erhält  diese  Annahme  (,die 
drei^  mit  den  tres  comitatus  der  Zollordnung  in  Zusammen- 
hang zu  bringen)  durch  die  unzweifelhafte  Tatsache,  daß  Mark- 
graf Lintpold  I-  die  Grafschaft  im  Traungau,  in  der  die  Ens- 
burg  lag,  innehatte.  Da  nun  die  Amtswaltung  der  Babenberger 
io  Kiedmark   nnd  Machland   außer  Frage  steht,    so  scheint  es 

ArcbiT.  XCIV.  Band.  8 


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98 

mir  sicher,  daß  Markgraf  Liutpold  I.  im  Jahre  976  diese  beiden 
Landschaften  mit  dem  Tranngau  im  engeren  Sinne  gleich  seinen 
Vorgängern  zu  seiner  Mark  erhielt/  Unzweifelhaft  ist  nur  die 
Tatsache,  daß  in  der  Königsurkunde  Eirateshusa  977,  5.  Okto- 
ber,^ womit  ,quoddam  praedium  Anesapurch  nuncupatum  in 
pago  trungouue'  an  die  Kirche  der  Heiligen  Stephan  und  Laurenz 
zu  Lorch  mit  weiteren  10  Königshuben  vergabt  wird,  dieses  als 
,in  comitatu  Liutbaldi'  gelegen  bezeichnet  ist.  Aus  dem  einzigen 
Umstände,  daß  einige  Güter  nahe  dem  Ensflusse,  knapp  an 
der  Grenze  der  Ostmark  noch  in  der  Grafengewalt  des  Baben- 
bergers  waren,  auf  die  Innehabung  des  Traungaues  (des  größe- 
ren Teiles  des  Traun-  und  des  Hausruckviertels)  zu  schließen, 
scheint  völlig  unzulässig  und  ist  dabei  übersehen,  daß  der 
Traungau  als  Gau  in  der  alten  Bedeutung  schon  im  ersten 
Drittel  des  10.  Jahrhunderts  zu  bestehen  aufgehört  hatte  und 
nur  mehr  ein  geographischer  Begriff  war,  da  schon  47  Jahre  vor 
Ausstellung  der  gedachten  Königsurkunde  (930,  29.  März)*  ein 
Komitat  Meginhards  an  der  Fils  bei  Bachmanning  im  Haus- 
ruckviertel nachweisbar  ist  und  29  Jahre  nach  dem  Datum  der 
Urkunde  Ottos  II.  (1006,  7.  Dezember)^  Schlierbach  im  oberen 
Kremstale  zum  Komitate  des  Grafen  Rapoto  gehörte.  Der 
Traungau  war  demnach  zu  jener  Zeit  schon  in  Grafschaften 
aufgelöst  und  kann  von  einer  Zugehörigkeit  seines  vormaligen 
Gebietes  weder  in  der  Gänze  noch  dem  überwiegenden  Teile 
nach  zur  babenbergischen  Ostmark  ernstlich  nicht  gesprochen 
werden. 

Ebensowenig  ist  die  Folgerung  richtig,  daß  es  sicher 
scheine,  daß  Markgraf  Liutpold  I.  im  Jahre  976  die  Riedmark 
und  das  Machland  mit  dem  Traungau  im  engeren  Sinne  gleich 
seinen  Vorgängern  zu  seiner  Mark  erhielt.  ,Dagegen  —  meint 
Uhlirz  —  könnte  sprechen,  daß  Riedmark  und  Machland  als 
integrierender  Teil  der  Mark  gelten  sollen.  Aber  ein  genügender 
Beweis  in  dieser  Richtung  kann  nicht  erbracht  werden.  Aller- 
dings ist  das  Verhältnis  von  Anfang  an  unklar,  da  Ein  Fürst 
über   diese   miteinander    räumlich   verbundenen   Landschaften 


'  Mon.  Germ.  Dipl.  II,  189.  Sickel  betrachtet  dieselbe  als  gutgeheißenes 
und  von  der  Kanzlei  durch  Besieglung  anerkanntes  Diplom. 

>  Hauthaler,  Salzb.  Urkundenbuch  I,  99  ex  cod.  Odalberti  f.  25  ^  Vgl.  Ge- 
burt des  Landes  ob  der  Ens,  S.  48. 

*  Mon.  Germ.  Dipl.  IIT,  148.  KOnigsnrkunde  für  Salzburg. 


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99 

gebot,  nnd  diese  Unklarheit  kommt  auch  in  den  Urkunden  nm- 
somehr  zur  Gkltnng,  als  die  praktischen  Bedürfnisse  in  ihnen 
zum  Ansdmck  gelangen  nnd  diese  sich  nicht  an  Staatsrecht- 
Üch-historisehe  £rw&gnngen  binden  lassen.  Trotzdem  haben 
Riedmark  nnd  Machland  ihre  selbständigen  Bezeichnungen  bei- 
behalten und  sich  auch  selbständig  neben  dem  Lande  unter 
der  Ens  nnd  Isper  weiter  entwickelt,  noch  Albrecht  I.  hat 
das  Machland  als  besondere  Gra&chaft  bezeichnet/  Uhlirz  ver- 
wediselt  hier  offenbar  die  Pflicht  der  Beweislast,  er  ignoriert 
die  Regel:  ÜEictum  aUeganti  incumbit  probatio.  Wenn  er  zu- 
geben muß, '  daß  die  Amtswaltung  der  Babenberger  in  Ried- 
mark und  Machland  außer  Frage  steht,  so  tri£ft  die  Beweislast 
denjenigen,  welcher  die  Behauptung  aufstellt,  diese  beiden  Ge- 
biete seien  besondere,  ein  selbständiges  Leben  führende  Graf- 
schaften auCerhalb  der  Mark  gewesen.  Daß  noch  Herzog 
Albrecht  L  das  Machland  eine  Grafschaft  nennt,  wird  keinem 
Forscher  Bedenken  erregen;  denn  jede  Herrschaft,  in  welcher 
dem  Inhaber  die  hohe  Gerichtsbarkeit  zustand,  wurde  damals 
als  Grafschaft  angesehen  und  häufig  auch  so  bezeichnet. 

Die  Zusammensetzung  des  Namens  Riedmark  mit  der  Be- 
zeichnung Mark  dtlrfte,  wie  auf  Hasenöhrl,^  auch  auf  Uhlirz 
irreführenden  Eindruck  ausgeübt  haben. 

Das  Wort  ,Mark'  ist  keineswegs  stets  als  ein  dem  Grenz- 
schutze  gewidmetes  Gebiet  aufzufassen;  es  bedeutet  nach  dem 
Sprachgebrauche  des  Mittelalters  nur  ein  bestimmt  abgegrenztes 
Stück~!CancL  Hierfür  haben  wir  ein  Analogon  zu  dem  Aus- 
drucke Riedmark  genau  aus  demselben  Zeitpunkte,  in  welchem 
die  Riedmark  zuerst  urkundlich  genannt  wird,  und  sogar  aus 
der  anstoßenden  Gegend.  Um  das  Jahr  1130^  wird  der  ganze 
Landstrich  an  der  Rauschemühel,  beginnend  bei  Engersdorf 
(Pfarre  St.  Peter  am  Windberg),  durch  die  Wälder  hindurch 
(per  siluestria  loca)  bis  an  die  böhmische  Grenze  reichend, 
Waldmark  genannt,  welche  Bezeichnung  die  an  Ort  und  Stelle 
übliche,  also  volkstümliche  war  (quod  uulgo  ibi  nuncupatur 
Waldmarch).  Waldmarch  war  daher  die  gangbare  Bezeichnung 
fllr  Waldland  im  Gegensatze  zu  Kulturland. 

^  Dentscblands  südOsUiche  Marken  im  10.,  11.  nnd  12.  Jahrhundert.  Ar- 
chiv fOr  00terr.  Oeschichte  LXXXII,  419—662. 

'  SteiermArkisches  Urkundenbuch  I,  142,  überliefert  in  dem  ans  dem  An- 
fange des  14.  Jahrhunderts  stammenden  Kopialbuche  des  Stiftes  Seckan. 

8* 


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100 

In  demselben  Sinne:  ein  bestimmtes^  wenig  oder  gar  nicht 
kultiviertes  Stück  Land  wird  anch  öfters  das  Wort  ,Lnß*  ge- 
braucht. Die  Riedmark  wird  in  den  beiden  Urkunden  vom 
Jahre  1287,  25.  November^  diesem  Ausdrucke  sogar  gleich- 
gesetzt (,in  dem  Luzz  in  der  Riedmarch^,  ,in  eodem  Luzze'), 
woraus  sich  die  Bedeutung  des  letzteren:  Gegend,  welche  ur- 
sprünglich Wald  gewesen  und  es  teilweise  noch  ist,  deutlich 
erkennen  läßt.  Endlich  nennt  König  Chunrad  III.  in  seinem 
Gabbriefe  für  das  Kloster  Garsten  1142*  die  Riedmark  aus- 
drücklich Wald  (in  silua  nostra,  que  uocatur  Ritmarch).  Auch 
die  Urkunden,  welche  auf  Rodungen  Bezug  nehmen,  weisen  auf 
diese  Bedeutung  des  Ausdruckes  Mark  in  Verbindung  mit  dem 
Worte  Ried  hin;  Riedmark  ist  nichts  anderes  als  ein  großer 
Rodungsbezirk. 

Bis  auf  die  Zeit  der  letzten  Babenberger  begriflf  die  Ried- 
mark auch  das  Machland  in.  sich,  was  schon  StUlz  erkannt 
hat,^  worüber  nunmehr  die  neue  Ausgabe  der  ältesten  landes- 
fürstlichen Urbare  des  13.  Jahrhunderts  (Handschriften  655  des 
Wiener  Staatsarchives  und  543  der  Wiener  Hofbibliothek)  von 
A.  Dopsch  sichere  Nachweise  liefert.  Richter  im  Machland 
werden  zum  ersten  Male  in  der  Urkunde  Herzog  Friedrichs  II. 
1240,  31.  Jänner*  für  das  Kloster  Waldhausen  erwähnt  und 
trotzdem  werden  noch  37  Jahre  später  in  einem  staatsrecht- 
lichen Diplome  1277,  12.  Mai^  der  Mai-kt  ZeU  bei  Zellhof, 
Güter  um  Henberg  (Honichperch)  bei  Trageun  und  Aisthofen 
bei  Schwertberg  zu  Riedmarchia  gerechnet,  ein  sichtlicher  Fin- 
gerzeig, daß  der  Landstrich,  welchen  das  Landgericht  Mach- 
land einnahm,  ursprünglich  ein  Bestandteil  der  Riedmark  ge- 
wesen ist,  deren  Name  sich  gewohnheitsmäßig  noch  einige  Zeit 
forterhielt,  obwohl,  wie  gegen  Schluß  dieser  Abhandlung  ge- 
zeigt werden  wird,  noch  vor  dem  Jahre  1240  die  alte  Ried- 
mark in  die  zwei  Gerichte  Freistadt  und  Machland  mit  der 
nassen  Zwischengrenze  der  Aist  und  Waldaist  auseinanderge- 
fallen war. 

*  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  IV,  76,  77. 
«  a.  a.  O.  II,  204. 

*  Anmerkung  zu  Stmadt,  ,Ge8ch.  von  Windeck  and  Schwertberg*  im  Ar- 
chiv für  Kunde  Osterr.  Qesehichtsquellen  XVII,  206. 

*  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  III,  78. 

*  a.  a.  O.  III,  470. 


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101 

Da  die  Riedmark  nur  Eine  GerichtseiDheit  darstellte  und  ? 
auch  diese  nicht  vor  dem  Jahre  1230*  nachweisbar  ist,  so 
kann  von  zwei  Landgerichten  oder,  was  gleichbedeutend  ist,* 
Grafschaften  Riedmark  und  Machland  in  der  Mitte  des  12.  Jahr- 
hunderts oder  gar  schon  früher  füglich  keine  Rede  sein.  Uhlirz 
ist  demnach  ftlr  seine  Behauptung  den  Beweis  schuldig  ge- 
blieben. 

Wenn  er  schließlich  bemerkt,  daß  man  unter  den  im 
Privilegium  minus  erwähnten,  von  Bayern  rührenden  Lehen 
kaum  im  Herzogtum  Bayern  selbst  gelegene  Güter  verstehen 
dürfe,  so  ist  ihm  die  Eönigsurkunde  ddo.  Pavia,  13.  Februar 
1160*  entgangen,  womach  Kaiser  Friedrich  I.  einen  Tausch 
zwischen  dom  Kloster  Windberg  und  Herzog  Heinrich  von 
Österreich  genehmhält.  Friedrich  erklärt:  ,quaedam  bona  im- 
perialia,  quae  Patruus  noster  Heinricus  illustris  dux  Austrie 
et  ab  ipso  Vasalli  ejus ^  in  beneficio  possidebant,  consensu 
eorum  illi  Ecclesiae  conferentes  eisque  vicissim,  prout  ratio 
poscebat,  congruenter  commutationis  jure  bona  praefatae  Eccle- 
siae resütuentes  ordine  supemotato.  Prsenominatus  equidem 
Patruus  Tioster  resignauit  nobis  curtem  Frukesdorf  (Fruhstorf, 
Pfarre  Ittling,  Amtsgericht  Straubing),  quam  Engelschalcus  de 
Berendorf  habebat  in  feodo,  et  duos  mansos  cohaerentes  monti 
Windperg  (Windberg  Amtsgericht  Bogen)  ad  plagam  occiden- 
talem,  quos  Theodoricus  de  Adelgeresbach  ab  ipso  Duce, 
secundario  autem  ejus  nomine  Adelbertus  et  Gozpoldus  de 
Hofedorf  feudal iter  tenuerunt,  ipsis  consentientibus  et  collau- 
dantibus'.  Hierfür  ,recepimus  Imperio  per  manum  Friderici 
Palatini  comitis  bona  haec:  Mansum  unum  Ascha  (im  Amts- 
gericht Mitterfels)  et  unum  Wincere  (Winzer  an  der  Donau  im 
Amtsgericht  Hengersberg)  et  unum  Mukental  (in  der  Pfarre 
Seebach  Amtsgericht  Deggendorf)  pro  curte  Frukesdorf,  pro 
raansis  autem  duobus  unum  mansum  Regenoltisdorf  et  unum 
Rodebuhele  (zwei  nicht  mehr  zu  identifizierende  Höfe)  .  .  .  con- 


^  österreichisches  Urknndenbach  II,  684. 

*  Vg^l.  in  der  KOnigsnrkunde  für  Niederaltaich  1215,  22.  Juli,  Mod.  Boic. 
XI,  186  die  Textstellen:  ,ComeB  aut  alias  Judex  aliquis  illius  prouincie% 
,comiti  sine  Jadici  prouinciali'. 

»  Mon.  Boic.  XIV,  28;  Pez,  Thes.  Anecd.  VI,  P.  I,  417. 

*  Der  Hochfreie  Dietrich  von  Algerisbach  (Ollersbach)  und  dessen  After- 
lehenslente  Adalbert  und  Gozbold  von  Hofedorf. 


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102 

cessimus  in  beneficium  Dncis,  quae  de  bonis  Ecclesiae 
receperamus^ 

Hier  sind  ausdrücklich  Reichslehen  genannt,  welche 
der  österreichische  Herzog  nach  dem  Jahre  1156  im  Umfange 
des  Herzogtums  Bayerns  innehatte.  Daß  die  Babenberger  im 
10.  und  11.  Jahrhundert  Grafschaften  in  Bayern,  und  zwar  im 
Donaugau  und  im  sogenannten  Schweinachgau  ^  verwalteten, 
ist  allbekannt;  die  bayrischen  Grafschaften  gingen  aber  mit 
geringen  Ausnahmen,  welche  Riezler  einer  eingehenden  Unter- 
suchung unterzogen  hat,*  vom  bayrischen  Herzoge  zu 
Lehen.  Das  sind  demnach  die  gesuchten  ,beneficia,  que 
quondam  marchio  Livpoldus  habebat  a  ducatu  Bavarie',  von 
denen  das  Privilegium  minus  spricht  und  welche  kraft  des- 
selben seit  1166  zu  Reichslehen  geworden  sind. 

Das  Komitat  Adalberts  im  Donaugau  wird  in  der  Königs- 
urkunde 1051,  16.  August  für  Kloster  Meten'  zuletzt  erwähnt, 
aber  babenbergischer  Besitz  erscheint  noch  viel  später  in  dieser 
Gegend,  da  1181,  23.  Oktober*  Herzog  Liutpold  V.  bezeugt, 
daß  Eckibert  von  Techindorf  (Deggendorf)  mit  seiner  Zustim- 
mung dem  Kloster  Meten  einen  Wald  samt  dabei  gelegenem 
Weingarten  ,in  monte  qui  dicitur  Mulbach'  (im  Mtthlbogen- 
tale  bei  Deggendorf),  welchen  derselbe  von  ihm  dem  Herzoge 
zu  Lehen  trug,  um  34  Regensburger  €1  oder  Pfund  Pfennige 
verkauft  habe. 

Erst  nach  dieser  Zeit  ist  babenbergischer  Besitz  in  Bayern 
nicht  mehr  beurkundet,^    obwohl  von  einer  Veräußerung  des- 


^  Des  Verfassers  Erörterungen  in  der  Zeitschr.  für  österr«  Gymnasien  1888» 

S.  184. 
'^  Das  Herzogtam  Bayern  zar  Zeit  Heinrichs  des  Löwen  und  Ottos  I.  von 

Witteisbach,  8.  216. 

*  Mon.  Boic.  XI,  440,  ,in  viila  Methemen  in  comitatu  Adelperti  comitis 
(worunter  der  Markgraf  verstanden  ist,  wie  sich  aus  der  Königsurkunde 
für  8t.  Emmeram  1021,  S.Juli,  Mon.  Boic  XXVIIIb,  471  ergibt)  et  in 
Tuenechgovve*. 

*  Mon.  Boic.  XI,  464. 

^  Zwar  hat  noch  König  Rudolf  I.  mittels  Urkunde  ddo.  Wien,  18.  Dezem- 
ber 1276  (Orig.  im  königl.  allgem.  Reichsarchive  in  München)  alle  öster- 
reichischen Lehen  der  Edlen  Meinhard  und  Gebhard  Grafen  v.  Roten- 
eke  und  des  Heinrich  v.  Horbach  auf  deren  Bitten  dem  Edlen  Albert 
V.  Hals  Übertragen ;  da  eine  nähere  Bezeichnung  dieser  Lehen  sich  jedoch 
in  der  Urkunde  nicht  findet,  läßt  sich  nicht  entscheiden,  ob  die  Lehen 
in  Bayern  oder  in  Österreich  gelegen  waren. 


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103 

selben  jede  Nachricht  mangelt.  Dagegen  ist  die  Wahrnehmung 
za  machen^  daß  der  Hochfreie  Eckbert  von  Pemeck,  dessen 
Vater  Ulrich  schon  tun  1135  um  Deggendorf  begütert  war  und 
von  diesem  (Lehen-)  Besitze  sich  auch  von  Deggendorf  zu 
nennen  anfing,  gerade  um  das  Jahr  1180  den  Grafentitel  an- 
genommen hat.  Dieser  Titel  haftete  auf  dem  bayrischen  Be- 
sitztum, nur  ganz  vereinzelt  wird  der  Enkel  Ulrich  im  13.  Jahr- 
hundert in  einer  Göttweiger  undatierten  Originalurkunde  auch 
comes  de  Perneke  genannt  Es  darf  deshalb  der  Vermutung 
Raum  gegeben  werden,  daß  Herzog  Liutpold  V.  den  westlichen 
Babenberger  Besitz  samt  den  daran  hftngenden  Grafenrechten 
an  Eckbert  v.  Pemeck  hindangegeben  habe.  Diese  Vermutung 
erhfilt  Unterstützung  durch  einen  weiteren  Umstand.  Nach  dem 
Landbuche  von  Österreich  und  Steier*  hinterließ  Graf  Ulrich 
,des  graven  Ekprehts  sun  von  Pemekke'  einen  Sohn,  ,der  was 
ein  narre  unt  ein  tore^^  deshalb  unterwand  sich  Herzog  Liut- 
pold VI.  seiner  Eigen  und  zog  sie  an  das  Land.  Was  mit  dem 
Besitz  in  Bayern  geschah^  läßt  sich  erraten;  denn  Deggendorf 
erscheint  bald  als  bayrische  Stadt,  Herzog  Ludwig  wird  als 
Landesherr  die  Grafschaft  eingezogen  haben,  unbekUmmeii  um 
die  Rechte  der  Babenberger  als  Lehenherren.  Der  Anspruch 
auf  Deggendorf  wird  eine  Mitursache  der  Fehden  zwischen 
Herzog  Otto  und  Herzog  Friedrich  gewesen  sein  und  wurde 
jedenfalls  ernstlich  geltend  gemacht,  als  Piremysl  Otakar  in 
Österreich  zur  Macht  kam;  von  1267  bis  1273  zogen  sich  die 
kriegerischen  Unternehmungen  Herzog  Heinrichs  XHL  von  Nie- 
derbayem  und  König  Otakars  gegeneinander  hin,  bis  in  letz- 
terem Jahre  letzterer  seine  Ansprüche  auf  die  Grafschaften 
Bogen  und  Deggendorf  endgültig  aufgab.*  Es  kann  daher  nicht 
gesagt  werden,  daß  Otakar  unbegründete  Ansprüche  erhoben 
hätte,  und  ist  unter  Voraussetzung  der  Richtigkeit  der  vor- 
stehenden Annahme  ganz  wohl  erklärlich,  gegen  welche  Ent- 
schädigung der  bayrische  Herzog  Schüttenhofen  und  Ried  an 
Otakar  überlassen  hat. 


^  Hon.  Genn.  deatsche  Chroniken  III,  2,  S.  718.  Über  die  Perneck-Tecken- 
dorf  siehe  die  Begesten  von  Wendrinsky  in  den  Blättern  des  Vereins 
für  Landeskunde  von  NiederOsterreich  1879,  8.  144—152. 

'  mealer,  Geschichte  Bayerns  II,  116,  186;  Palacky,  Geschichte  von  Böhmen 
n,  228. 


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104 

Auch  die  viel  kommentierte  Stelle  ,marchiam  Austrie 
cum  omni  iure  suo'  in  dem  Minus^  dürfte  nunmehr  ganz  ein- 
fach als  das  genommen  werden^  was  sie  wirklich  ist:  die  Mark 
Österreich  mit  allen  ihr  anklebenden  Rechten,  insbeson- 
dere der  speziell  zum  Ausdruck  gebrachten  ausschließlichen 
Gerichtsbarkeit.  Die  Formel  ,cum  omni  iure  suo'  ist  keine 
außergewöhnliche,  sondern  eine  stehende,  welche  aber  nur  be- 
deutet: mit  allen  zugehörigen  Rechten,  wie  sich  deutlich  aus 
dem  Diplome  Heinrich  Jasomirgotts  fiir  das  BLloster  Meten* 
ergibt,  mittels  welchem  derselbe  dem  Kloster  ,possessionem  in 
hochenrein  (Pfarre  Plattling,  Amtsgericht  Deggendorf)  cum 
omni  nostri  iuris  plenitudine'  zusichert. 

Indem  der  Verfasser  die  durch  langjährige  Beschäftigung 
mit  dem  Gegenstände  gewonnene  Erkenntnis,  in  welcher  er 
durch  Lampeis  Arbeiten  noch  mehr  bestärkt  wurde,  unum- 
wunden ausspricht,  ohne  in  vorsichtiger  Fassung  hinter  dem 
Berge  zu  halten,  glaubt  er  nicht  besorgen  zu  müssen,  daß 
gegen  ihn  nochmals   der  Vorwurf  erhoben  werde,   daß  er  sich 


Letzte  Textausgabe  bei  Wilhelm  Erben,  Das  Privilegium  Friedrichs  I. 
für  das  Herzogtum  Österreich*  1902,  S.  137—140.  Der  Verfasser  hat  ver- 
sucht, in  dem  Diplome  verschiedene  Interpolationen  nachzuweisen  und 
selbe  auf  den  letzten  Babenberger  zurückzuführen.  Allein  er  muß  selbst 
(S.  68)  zugeben,  daß  seine  Erörterungen  über  die  objektive  Stelle  mit 
einem  non  liquet  schließen  und  gegen  seine  sachlichen  Einwendungen 
hat  H.  Simonsfeld  in  der  Deutschen  Literaturzeitung  1904,  Nr.  16  vom 
23.  April,  Sp.  990 — 996  schwerwiegende  Bedenken  erhoben,  welche  die 
Einschränkung  der  Teilnahme  der  neuen  Herzoge  an  den  Hoftagen  und 
an  den  Reichsbeerfahrten  umsomehr  erklärlich  machen,  als  Heinrich 
Jasomirgott  auf  das  ungeschmälerte  Herzogtum  Bayern  Verzicht  leistete, 
ohne  eine  Gebietserweiterung  zu  erlangen,  welcher  Verzicht  daher  durch 
weitgehende  Vorrechte  wettgemacht  werden  mußte.  Das  Schweigen  Ottos 
V.  Freising  über  die  seinem  Bruder  gewährten  Befreiungen,  das  Erben 
so  bedenklich  scheint,  ist  bedeutungslos,  da  er  manches  aus  der  Erin- 
nerung (ut  recolo)  schrieb  und,  wie  mit  seiner  Deutung  von  Favianis, 
mit  der  Erinnerung  an  die  drei  Komitate  in  alter  Zeit  so  große  Ver- 
wirrung angerichtet  hat.  Ablehnend  verhalten  sich  Tangl  (Zeitschr.  der 
Savignystiftung  für  Rechtsgesch.,  Germ.  Abt.  XXV,  268—286),  Uhlirz 
(Hist.  Zeitschr.  XCIV,  147—150),  Brandi  (Göttinger  Gelehrte  Anzeigen 
1904,  S.  991—999),  Stengel  (Histor.  Vierteljahrsschrift,  N.  F.  VHI,  83). 
Hierzu  noch  Tangl  im  Neuen  Archiv  XXX,  477 — 484,  sowie  Simonsfeld, 
,Aventin  und  das  Privilegium  minus*  in  Forschungen  zur  Geschichte 
Bayerns,  Band  XIH,  Heft  1  und  2. 
Mon.  Boic.  XI,  468. 


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105 

leicht  und  rasch  über  Schwierigkeiten  der  Forschung  hinweg- 
setze, welche  ftür  den  geschulten  Historiker  unübersteiglich 
bleiben;  er  ist  vielmehr  zufrieden,  wenn  ,mit  der  neuartigen 
Betrachtung  des  Gegenstandes  dem  Forschenden  der  eine  oder 
andere  neue  Weg  gewiesen  wird'.  Deshalb  hält  er  sich  an  den 
tapfem  Ausspruch  des  verdienten  K.  Q.  v.  Lang:'  ,Die  Dunkel- 
heit der  ganz  alten  Zeiten  gebietet  entweder  eine  gewisse 
Kühnheit  oder  außerdem  eine  gänzliche  Vernachlässigung/ 


Zweiter  Abschnitt. 
Der  Schweinachgau;  dessen  reeller  Inhalt. 

Der  Schweinachgau  wurde  von  Bachmann'  als  die  dritte 
der  Grafschaften,  von  welchen  Otto  v.  Freising  spricht,  in  An- 
spruch genommen,  dieser  Vorschlag  aber  von  Uhlirz  aus  dem 
Grunde  abgelehnt,  weil  es  fUr  eine  Herrschaft  des  Markgrafen 
Ädalbert  über  das  Gebiet  zwischen  Uz  und  Rotel  an  einem 
sicheren  Belege  fehle  und  Bachmann  die  Namen  Adalbero  und 
Ädalbert,  die  verschieden  seien,  einander  gleichgestellt  habe, 
ebenso  nichts  berechtige,  den  Schweinachgau  bis  zur  Rotel  aus- 
zudehnen.' 

Über  diesen  Gau  sucht  man  vergebens  nach  einer  neueren 
Schrift;  denn  seit  dem  Erscheinen  der  fleißigen,  aber  kritik- 
losen Arbeit  des  Pfarrers  Josef  Klämpfl*  hat  sich  niemand 
mehr  eingehend  mit  diesem  Gebiete  beschäftigt,  wie  auch  Riez- 
ler*  nur  kurz  bemerkt:  ,Nördlich  der  Donau  stoßt  an  der 
Quinzinggau  der  Schweinachgau,  der  die  Striche  um  den 
oberen  Regen  und  die  Hz  umschließt  und  nach  einem  Fltißchen 

*  Bajerns  alte  Grafschaften  und  Gebiete,  S.  V. 
»  a.  a.  O.  567. 

'  Daß  ans  der  sogenannten  Schenkungsurkunde  fQr  Niedernburg  1010  über- 
haupt keine  Folgerungen  abgeleitet  werden  können,  wird  im  vierzehnten 
Abschnitte  erOrtert  werden.  Die  babenbergische  Grafschaft  im  Donau-  und 
Schweinachgau  scheint  nach  dem  Tode  Liutpolds  I.  dem  jüngeren  Sohne 
Ädalbert  überlassen  worden  su  sein,  der  sie  auf  seine  Nachfolger  in  der 
Markgrafschaft  vererbte. 

*  Der  ehemalige  Schweinach-  und  Quinzingau,  2.  Aufl.,  Passau  1866. 
'  Geschichte  Bayerns  I,  847. 


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106 

Schweinach  genannt  ist'  und  in  der  Anmerkung  beifügt:  ,Die 
Form  Sweinahgowe  im  Jahre  905,  Mon.  Boic.  XXVIIIa,  139, 
läßt  daran  nicht  zweifeln.  Vgl.  Sweinaha  im  Jahre  857,  Mon. 
Boic.  XI,  118^ 

Die  kartographischen  Darstellungen  im  historischen  Atlas 
von  Spruner  (Blatt  3,  Deutschland  unter  den  sächsischen  und 
fränkischen  Kaisem)  und  von  Menke  (Blatt  36,  Deutschlands 
Gaue  VI:  Bayern,  Österreich  und  Kärnten)  stutzen  sich  noch 
ganz  auf  die  älteren  Arbeiten  von  K.  H.  Lang^  und  G.  Th, 
Rudhart.*  Beide  ziehen  zu  diesem  Gau  den  oberen  Lauf  des 
Schwarzen  Regenflusses  und  lassen  die  Westgrenze  über  den 
Greisinger-  und  Haussteinerwald  zur  Donau  bei  Seebach  ober- 
halb Niederaltaich  reichen,  welch  letzteren  Ort  sie  dem  Quin- 
zinggau  tiber  der  Donau  zuweisen.  Menke  läßt  jenseits  der 
Erla  die  Ostgrenze  offen  und  die  Zugehörigkeit  des  Striches 
zwischen  der  Ranna  und  der  großen  Mühel  ganz  in  Frage, 
während  Spruner  den  Gau  Grunzwiti  bereits  an  den  Quellen- 
bächen der  Hz  beginnen  und  bis  an  die  östlichen  Höhen  des 
Haselgrabens  reichen  läßt.^ 

Der  Umfang  des  Schweinachgaues  kann  nur  durch  eine 
eingehende  Untersuchung  ermittelt  werden. 

Lang*  bemerkt,  daß  zwar  zur  Zeit  keine  Urkunde  be- 
kannt sei,  welche  ausdrücklich  einen  Pagus  Ilzgau  benennt, 
aber  wohl  einen  Comitatum  an  der  Hz,  welches  gleichwohl 
auch  schon  das  Chronicon  Gottwicense  bewogen,  solchen  als 
einen  Gau  anzunehmen,  von  der  linken  Seite  der  Dz,  die  sich 
bei  Passau  in  die  Donau  ergießt,  bis  zum  Nordwald  und  Regen- 
bruck am  Regen.  Nach  seiner  Theorie  (S.  60),  daß  man  sich 
bei  Errichtung  der  geistlichen  Bistümer  und  Erzbistümer  haupt- 
sächlich nach  den  schon  bestandenen  Grenzen  der  weltlichen 
Gebiete  gerichtet  habe,  würde  der  Gau  vollkommen  dem  In- 
begriff der  beiden  passauischen  Kapitel  Schönberg  und  Wald- 
kirchen gleichgestellt  mit  einziger  Ausnahme  der  Pfarreien 
Windorf,  Otterkirchen  und  Tiefenbach.     Hiemach  würden  die 


*  Bayerns  Gauen.  Nürnberg  1880. 

*  Älteste  Geschichte  Bayerns.  Hamburg  1841. 

*  Über  der  Grunzwitigau  siehe  nunmehr  Vanesa,  ,Die  älteste  Erwfihnung 
Melks  und  nochmals  der  Grunzwitigau*  in  den  Blättern  des  Vereins  für 
Landeskunde  von  NiederOsterreich  1900,  S.  624. 

*  a.  a.  O.  132. 


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107 

Grenzen  sein:  südlich  die  Donau  unterhalb  Obernzeil  bis  an 
die  Ilzstadt  Passau,  diese  ausgeschlossen;  westlich  an  der  Hz 
und  Regen  aufwärts  bis  Regen^  an  Bodenmais  und  dem  Hohen 
Arber  nOrdlich  vorbei,  östlich  der  Böhmerwald.  ,Der  Schweinach- 
gau, eigentlich  Schwanengau,  von  Schwanenkirchen  bei  Win- 
dorf benannt,  —  fidirt  er  S.  134  fort  —  zwischen  der  Donau 
and  Hz  schließt  sich,  wenn  man  ihm  das  Kapitel  Aichen  vorm 
Wald  zum  Umfang  gibt,  fortlaufend  am  linken  Donauufer,  von 
dem  gegenüberliegenden  Deggendorf  bis  zu  dem  auch  gegen- 
überUegenden  Vilshofen,  beide  ausgeschlossen,  dem  Ilzgau  an 
imd  begreift  noch  oberhalb  Fambach,  Bischofmais  etc.  Ausdrück- 
lich im  Schweinachgau  belegen  werden  in  den  Urkunden  be- 
nannt Flinsbach,  Hofkirchen,  Winzer,  Hengersberg.  Bei  der 
Frage,  ob  das  Kloster  Niederaltaich  zum  Schweinachgau  oder 
zum  Kinzinggau  gehört,  ist  wohl  zu  unterscheiden  die  Zeit  von 
der  großen  Abgrabung  der  Donau;  vor  dieser  lag  das  Kloster 
am  rechten  Donauufer,  ungetrennt  bei  Taindorf  und  gehörte 
zum  Kinz^nggau;  das  heutige  Kloster  Niederaltaich  am  linken 
Ufer  und  Taindorf  ist  gegenüber,  befindet  sich  nunmehr  im 
Umfang  des  alten  Schweinachgau.^  Die  Urkunde  vom  Jahre 
1040  Mon.  Boic.  XI,  148  beweist  ihm  nicht,  daß  Stift  Rinchnach 
im  Nordwald  im  Schweinachgau  gelegen  war,  weil  nur  von 
Gütern  desselben  in  Suenikgowe  die  Rede  sei,  nicht  zu  ge- 
denken, daß  die  Abschrift  in  den  Monumenten  von  einem  nach- 
gemachten und  verfälschten  Original  genommen  sei. 

Zum  Kinzinggau  zwischen  Donau,  Isar  und  Yils  zitiert 
er  (S.  137):  Fridericus  Rex  tradit  ad  altare  St,  Petri  in  Baben- 
berg  Abbatiam  Altaha  in  pago  Chunzengowe  in  Comitatu  Eg- 
geberti per  manum  Pertolfi  Comitis  de  Andeches  anno  1154, 
Mon.  Boic.  XI,  169. 

Rudhart*  erklärt: 

,Dem  Nordgan  (der  agilolfingischen  Periode)  im  Südosten 
zur  Seite  und  gänzlich  noch  auf  dem  linken  Donauufer  befind- 
lich waren   die  beiden   Gauen   Schweinachgau  und  Grunzwiti. 

,Der  Schweinachgau,  dessen  Westgrenze  schon  bezeichnet 
wurde  (von  der  Quelle  des  Weißen  Regen  gegen  Süden  zur 
Donau  in  der  Nähe  von  Deggendorf),  hat  zur  Südgrenze,  die 
Umgebung  Niederaltaichs  ausgenommen,   den  Lauf  der  Donau 


»  a.  a.  O.  616,  617. 


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108 

östlich  von  Deggendorf  (im  Donangau  belegen)  bis  zar  Hz- 
mündung;  die  Nordgrenze  ist  der  Nord-  oder  Böhmerwald  von 
der  Quelle  des  Weißen  Regen  bis  zur  Ilzquelle,  die  Ostgrenze 
der  untere  Lauf  der  Hz.  —  Erstes  urkundliches  Vorkommen 
des  Gaues  903,  8.  September,  der  seinen  Namen  vom  Flüßchen 
Suueinaha  (857)  geschöpft  haben  mag  und  folgende  Orte  ent- 
hielt: Lauffina  (Lauffen  ober  Rinchnachgemund  1009,  7.  Juni), 
Rinichnaha  (Rinchnach  1040,  17.  Januar),  Leibflius  (Leipfliz  an 
der  Rinchnach  1009,  7.  Juni),  Urpah  und  Swarzaha  (Aurbach 
und  Schwarzach),  letztere  Villa  schon  vom  Herzoge  Otilo  an 
das  Kloster  Niederaltaich  vergabt.  Längs  dem  Nordufer  der 
Donau  Wincer  (Winzer),  Hofakirichun  (Hofkirchen  1005,  5.  No- 
vember), Winidorf  (Windorf  1010,  19.  April),  Flinsbach  (1005, 
5.  November)  u.  a.  m.  —  Eine  Urkunde  König  Philipps  vom 
2.  November  1207  beschreibt  den  Umfang  eines  Komitates, 
nämlich:  „von  der  Regenbrugge  bis  zur  Ldse  und  von  der 
Donau  bis  zur  Grenze  Böhmens",  welcher  so  ziemlich  den  Gren- 
zen des  Schweinachgaues  entsprechen  würde.  Etwas  spätere 
Diplome  nennen  obige  Grafschaft  den  Comitatus  Ilsgowe  oder 
die  Comitia  in  Ylskeu,  erstrecken  aber  die  Grenzen  derselben 
weit  über  jene  des  vormaligen  Schweinachgaues,  nämlich:  „von 
der  Ylsa  bis  zur  untern  (großen)  Muhela"  (Mühel),  eine  Aus- 
dehnung, die  dem  westlichen  Teile  des  Grunzwiti  gleichkäme. 
Übrigens  ist  zwischen  der  Donau,  der  Ds  und  der  Utel  (Utel- 
pach)  bis  zur  Mitte  der  Brücke  der  Villa  Regen  und  bis  zum 
Böhmerwald  nach  einem  Diplome  des  Grafen  Albert  von  Bogen 
vom  1.  März  1228  die  spätere  Grafschaft  Windberge  (Comitia 
in  Windberge)  zu  suchen,  die  auf  diese  Weise  über  ansehn- 
liche Teile  der  beiden  Nachbargauen,  des  Schweinachgaues 
und  Grunzwiti  sich  ausgedehnt.  —  An  den  Schweinachgau 
stößt  östlich  der  Grunzwiti,  vom  untern  Ilzlauf  anhebend  bis 
der  Ensmündung  gegenüber  und  vom  West-  und  Südhang  des 
Nordwaldes  bis  an  das  linke  Donauufer  hinab,  welches  des 
Gaues  Südgrenze  bildet.' 

Zur  Beleuchtung  dieser  Ansichten  seien  hier  die  Ur- 
kunden zusammengestellt,  in  welcher  der  Schweinachgau  er- 
wähnt wird: 

I.  903,  8.  September,  Passau.  Chorbischof  Madalwin  emp&ngt 
im  Tausche  vom  Bischof  Burchard  von  Passau  zu 
eigen   auf  Lebenslang  Güter  ,in  quinzingowe,   in 


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109 

sntmabgonae^  in  rotahgoune^  in  tningowue  et  ultra 
montem  Comagennm  ad  nominichha  et  ad  medi- 
lichha'.» 
II.  905,  14.  Februar.    König  Ludwig  stellt  ,re8  de  Monasterio 
S.  Mauritii  quod  dicitur  Altaha  in  loco  Bucinbura 
in   Suueinahgouue  constituto  .  .  .   abstractas'   zu- 
rück.* 
in.  1005,  5.  November,   Werla.    König  Heinrich  II.  restituiert 
dem  Kloster  Niederaltaich  ,Villam  Flinspach  die- 
tarn   in  pago  Sueinihgouui  et  in  comitatu  Tiemo- 
nis  comitis^  und  gibt  dahin   ,quicquid  inter  vvin- 
cira  et  Hofchirchen  videtur  iacere^* 

IV.  1009,  7.  Juni,  Merseburg.   König  Heinrich  II.  schenkt  der 

von  dem  Eremiten  Gnnther  im  Nordwald  gegrün- 
deten Kirche  ein  Gebiet  im  Nordwald.  Fälschung 
aus  dem  Anfang  des  12.  Jahrhunderts,  angefertigt 
nach  Nr.  VI  als  Vorlage.* 

V.  1010,    19.  April,  Regensburg.    König   Heinrich  II.   schenkt 

dem  Kloster  Niedernburg  in  Passau  und  der  Äb- 
tissin Eilika  ein  ihm  durch  Richterspruch  zuge- 
fallenes Gut  ,situm  in  villa  Vvinidorf  in  comitatu 
Adalberti  comitis  in  pago  vero  Suueinigovve'.* 

VI.  1040,  17.  Jänner,  Augsburg.    König  Heinrich  HI.   verleiht 

die  Kirche  Rinchna  dem  E^oster  Niederaltaich 
,bona  vero  ista  in  Svveincowa  sunt  sita  in  comi- 
tatibus  Adalberti  Marchionis  et  Dietmari  presidis 
inclusa  terminationibus  istis  .  .  J^ 
Urkunden  mit  der  Ortlichkeit  Sweinaha: 
I.  857,  17.  August,  Regensburg.  König  Ludwig  bestätigt  dem 
Kloster  Niederaltaich  eine  Schenkung.  ,Sunt  autem 
ipse  res  in  coniacentibus  terminis  prope  mo- 
nasterium  Altaha  in  pago   quinzingewe   situm 


^  Mon.  Bote.  XXVmb,  202  ans  dem  Lonsdorfer  Kodex.  Satinahgonne  ver- 
schrieben fär  sueinahgonue. 

*  Mon.  Boic  XXVffia,  139. 

*  Mon.  Germ.  Dipl.  III,  128. 

*  a.  a.  O.  663. 
»  a.  a.  O.  262. 

*  Mon.  Boic.  XXVUIa,  148. 


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110 

in  territorio  qnod  est  inter  Suneinaha  et  Mona- 
sterium  Altaha  contiguum/^ 
IL  883,  2.  April,  Regensburg.  König  Karl  III.  verspricht  dem 
Mönche  Richo  vom  Kloster  Niederaltaich  und  dem 
Priester  Richart    auf  Lebenszeit  Güter   ,in   villa 
Winchilinga    et  Tovmtdorf  et  in   Ottlinga  et   in 
Schvveinaha^* 
Die  beiden  Stellen  zeigen,  daß  unter  Sweinaha  nicht  ein 
Bach,  sondern  eine  Ortschaft,  und  zwar  das  heutige  Schwanen- 
kirchen,  verstanden  ist.    Jener   in  der  bayrischen  Spezialkarte 
(Blatt  Osterhofen)  nicht  genannte  Bach,  welcher  etwas  nördlich 
von  Schwanenkirchen  vorbeifließt  und  sich   unterhalb   Ecker- 
ding  in  die  Ohe  ergießt,    mag  ehemals  den  Namen  Sweinaha 
geführt  und  dem  Dorfe  denselben  geliehen  haben,  ist  aber  viel 
zu  unbedeutend,  als  daß  angenommen  werden  könnte,  es  habe 
von  ihm   ein  ganzer  Gau  geheißen.    Toumdorf  ist  das  gegen- 
über   dem   Kloster   gelegene   Taindorf,    Winkling  und   Otling 
werden  ebenfalls  nicht  weit  von  Niederaltaich   zu  suchen  sein. 
Das  Kloster  selbst  wird  zur  Zeit  des  Bestandes  der  Gau- 
verfassung*   ausdrücklich    als    im    Quinzinggau    gelegen    be- 
zeichnet,  während   nachweisbar   die  nächsten  Orte   des  linken 
Donauufers:   Winzer  und  Flinsbach   im  Osten  im  Schweinach- 
gau,   Deggendorf  und    Meten    im    Westen    im   Donaugau  be- 
urkundet sind. 

Wenn  nun  auch  die  alten  Gaue  mehrfach  auf  beiden 
Seiten  der  Donau  sich  ausgebreitet  haben,  so  mußte  doch  auf- 
fallen, daß  am  linken  Stromufer  einzig  und  allein  das  Kloster 
Niederaltaich  dem  Quinzinggau  zugeteilt  war.  Lang  suchte 
deshalb  nach  einer  Erklärung  dieses  Umstandes  und  glaubte 
sie  darin  zu  finden,  daß  das  Kloster  vor  der  großen  Abgra- 
bung  der  Donau  am  rechten  Ufer  bei  Taindorf,  ungetrennt 
von  diesem,  gelegen  war  und  erst  durch  die  Regulierung  des 
Strombettes  auf  das  linke  Ufer  geraten  sei.  Eine  solche  Strom- 
regulierung, von  welcher  keine  zeitgemäße  oder  glaubwürdige 
Nachricht  vorliegt,  meinte  Lang  augenscheinlich  aus  dem  Grunde 
annehmen  zu  müssen,  weil  der  Ohebach  bei  Lichtenwörth  nächst 


*  Mon.  Boic.  XXVIII  a,  118. 

»  a.  a.  O.   125. 

»  857,  17.  August,  Mon.  Boic.  XXVIIIa,  118. 


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111 

Niedenltaicli  die  Bezeichnnng  ,alte  Donau^  f&hrt  und  an  diesem 
Wasserlanfe  das  Dorf  Altenafer  oder  Altennrfahr  gelegen  ist, 
woraus  er  schließen  mochte,  dieses  Rinnsal  sei  ein  altes  Fluß- 
bett der  Donau  und  hier  vormals  die  Überfuhr  an  das  rechte 
Süt)mufer  gewesen.  Diese  Annahme  könnte  jedoch  nur  dann 
einige  Wahrscheinlichkeit  in  Anspruch  nehmen,  wenn  nicht 
eine  Strecke  nördlich  von  Niederaltaich  sich  ein  ,totes  Wasser' 
befinde,  welches  gleichfdls  ,alte  Donau'  geheißen  wird,  und 
wenn  dieses  mit  der  Ohe  alten  Donau  korrespondieren  würde. 
Das  ist  aber  nicht  der  Fall,  da  die  Seebacher  alte  Donau,  in 
wdche  noch  heute  der  von  Norden  kommende  Seebach  ein- 
mündet, in  halbmondförmiger  Richtung  eine  breite  Verbindung 
mit  dem  Strome  besitzt,  wogegen  das  nordwestliche  Ende 
nächst  dem  Einlaufe  des  Seebaches  vom  Strome  in  geringer 
Entfernung  durch  eine  vorgelagerte  Bodenschichte  getrennt  ist. 
Die  nicht  viel  hinter  der  Strombreite  zurückbleibende  Breite 
dieses  nördlichen  Altwassers  spricht  dafUr,  daß  es  einmal  das 
eigentliche  Flußbett  gewesen,  bevor  man  den  geraden  -Durch- 
stich vollzogen  hat  Ein  Blick  auf  die  im  Jahre  1888  revidierte 
bayrische  Spezialkarte  wird  die  vorstehenden  Ausführungen 
bestätigen.  Die  Langsche  Hypothese,  daß  Niederaltaich  einmal 
am  rechten  Donauufer  stand,  ist  daher  fUr  den  Geschichtsfor- 
scher unbrauchbar;  es  läßt  sich  nicht  leugnen,  daß  das  Kloster 
zu  allen  Zeiten  das  linke  Donauufer  eingenommen  hat. 

Wir  wollen  uns  nun,  weiterschreitend,  vergegenwärtigen, 
welches  Gebiet  dem  Schweinachgau  im  Beginne  des  10.  Jahr- 
hunderts zugeteilt  sein  konnte. 

Noch  in  den  ersten  Jahren  des  11.  Jahrhunderts  (1006) 
war  Ranzing  am  Südabhange  des  Seiboldsriederwaldes  (Pfarre 
Lalling,  Amtsgericht  Hengersberg)  in  der  Luftlinie  etwa  fünf 
Stunden  von  Niederaltaich  entfernt,  eine  Einöde,  in  welche  sich 
anftnglich  der  Einsiedler  Günther  zurückzog;^  jenseits  des 
Bergzuges,  welcher  das  linke  Donauufer  in  geringer  Entfer- 
nung begleitet,  war  nichts  als  tiefe  Waldwildnis,  in  welche 
Günther  erst  im  Jahre  1008  eindrang  und  zu  roden  begann, 
wie  denn  die  von  ihm  gegründete  kirchliche  Stätte  zu  Rinchnach 


*  ,RAneingam  a  praefato  coenobio  nna  ferme  rasta  distantom/  Arnold  us 
de  Santo  Emmerammo,  Mon.  Germ.  Script.  IV,  671.  Vgl.  Hirsch,  Jahrb. 
des  Deatschen  Reiches  unter  Heinrich  dem  Heiligen  U,  85,  A.  1. 


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112 

erst  im  Jahre  1019  eingeweiht  worden  ist.  Von  diesem  Zeit- 
punkte an  begann  die  Eultar  im  oberen  Tale  des  Schwarzen 
Regen  Fortschritte  zu  machen. 

Aus  dieser  Tatsache  erheilt;  daß  die  Bezeichnung  Schwei- 
nachgau erst  mit  der  Zunahme  der  Rodungen  im  Walde  sich 
auf  das  Hinterland  übeiixagen  hat  und  demnach  die  echte 
Urkunde  vom  Jahre  1040  (Nr.  VI  vorne)  zu  einem  Rück- 
schlüsse auf  den  urspr anglichen  Umfang  des  ,Gaues'  nicht 
verwendbar  ist. 

Wirklich  finden  wir  auch  den  Beisatz  ,im  Schweinachgau^ 
nur  auf  Orte  angewendet,  welche  von  Niederaltaich  donauab  wärts 
am  Ufer  des  Stromes  oder  in  kurzer  Entfernung  von  demsel- 
ben liegen;  nämlich:  Winzer,  Flinsbach,  Hofkirchen,  Windorf. 

Ziehen  wir  femer  in  Betracht,  daß  noch  im  Anfange  des 
10.  Jahrhunderts  an  der  Ilz  der  Nordwald  bis  nahe  an  Passau 
herangereicht  haben  muß,  weil  aus  diesem  Zeiträume  am  linken 
Ufer  Ansiedlungen  nur  sehr  spärlich  erwähnt  werden  und  das 
Kolonisationswerk  —  wie  später  erörtert  —  erst  im  11.  Jahr- 
hundert energischer  einsetzte,  so  bliebe  für  einen  Schweinach- 
gau nur  eine  4  bis  5  Stunden  breite,  in  den  höheren  Lagen 
noch  dazu  schwach  bevölkerte  Uferstrecke  übrig,  so  daß  eigent- 
lich nur  die  Uferränder  einige  Bedeutung  haben  könnten.  Dieser 
auffallend  kleine  Umfang  steht  aber  in  krassem  Qegensatze  zu 
den  großen  Beständen  der  benachbarten,  wohlbebauten  bayri- 
schen Gaue  Donaugau,  Quinzinggau,  Isengau,  Rotgau. 

Erwägen  wir  endlich,  daß  Niederaltaich  bestimmt  als  Zu- 
gehör  des  Quinzinggaues  erklärt  wird,  daß  dagegen  die  Be- 
zeichnung Schweinachgau  sich  auf  die  verhältnismäßig  kurze 
Strecke  Winzer — Windorf  beschränkt,  von  dem  Orte  Sweinaha 
d.  i.  Schwanenkirchen  den  Namen  bezogen  und  erst  im  11.  Jahr- 
hundert sich  über  das  obere  Regental  ausgedehnt  hat,  und  zwar 
letzteres  zu  einer  Zeit,  in  welcher  die  Gauverfassung  längst 
zerfallen  war:  so  wird  man  nach  der  Erfahrung,  welche  mit 
verschiedenen  sogenannten  Untergauen  gemacht  wurde,  nicht 
leicht  zweifeln  können,  daß  der  ursprünglich  kleine  Bestand 
des  Schweinachgaues  niemals  einen  Gau  im  alten  politischen 
Sinne  gebildet  hat,  sondern  nichts  anderes  als  eine  lokale  Be- 
zeichnung für  einen  Teil  des  linken  Donauufers,  daher  tatsäch- 
lich gleich  Niederaltaich  ein  Bestandteil  des  Quinzinggaues  ge- 
wesen ist. 


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113 

Ans  Grenzbeschreibungen  von  Eomitaten  des  13.  Jahr- 
\iTmdert8  irgendwelche  Schlüsse  zu  ziehen,  ist  unzulässig,  da 
die  (Grafschaften  sich  häufig  nicht  an  die  alten  Qaugrenzen 
banden.  Deshalb  sind  die  Königsurkunden  1207,  2.  November 
(Komitat  zwischen  Regenbruck  und  Uz)  und  1217,  24.  Jänner 
(Ilzgau,  Herzogsurkunde  1220,  5.  September  Komitat  zwischen 
Dz  und  Großer  Mühel)  ftlr  die  Lösung  der  Frage  nach  dem 
Um&nge  des  Schweinachgaues  ohne  alle  Bedeutung.^  Da  je- 
doch Windorf,  das  schon  niederhalb  der  Yilsmündung  liegt, 
noch  zum  Schweinachgau  gezählt  wird,  während  doch  am 
rechten  Donauufer  schon  der  Rotgau  sich  ausdehnte,  so  darf 
die  Vermutung  ausgesprochen  werden,  daß  auch  der  Strich  bis 
zur  Großen  Mühel  als  Zugehör  des  Quinzinggaues  betrachtet 
wurde,  wenn  er  auch  nicht  als  solcher  bezeichnet  ist,  weil  in 
dem  Zeiträume,  in  welchem  er  aus  der  Waldesnacht  hervor- 
zutreten begann,  es  längst  keine  Gaue  mehr  gegeben  hat. 

An  der  Großen  Mühel  grenzte  die  karolingische  Ostmark 
an,  nach  deren  Verluste  an  die  Ungarn  (907)  der  Bezirk  bis 
zum  Haselgraben,  welcher  der  wiedererstandenen  neuen  Mark 
nicht  mehr  zugeteilt  wurde,  wohl  bei  Bayern  verblieben  ist, 
ohne  in  einen  Gau  eingegliedert  zu  werden,  da  die  Umwand- 
lung der  Grafenämter  in  Gerichtslehen  schon  in  vollem  Zuge 
sich  befunden  hat. 


Dritter  Abschnitt. 

Gang  der  Kolonisation  im  Nordwalde.  Ehemalige  Grenze 

zwischen  Bayern,  Böhmen  und  Oberösterreich.  Die  ,alti- 

tado  silvae  Boemiam  et  Bavariam  dividens'  im  Hohen- 

forter  Stiftbriefe. 


Der  unermeßliche  Nordwald,  donauwärts  als  Passauer- 
wald im  Westen,  als  Böhmerwald  im  Osten  bezeichnet,*  war 
in  dichten  Beständen  zwischen  Böhmen  und  Bayern  gelagert; 

^  Auch  die  Beseichnnng  Ilsg^aa,  welche  erst  tun  1190  (Oberösterreichiaches 
Urkundenbuch  I,  684)  aafUucht,  ist  bloß  geographischer  Natur. 

'  Silva  pataria,  silTa  Boemica  in  der  Zollordnnng  904,  deatsch  wohl  Pa- 
zonahard  wie  der  Nenburgerwald  887,  Mon.  Bote.  XXVIIIb,  71. 

ArdÜT.  ICiy.  Band.  9 


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114 

nur  einzelne  »Sanmsti^aßen;  hier  Über  das  Lobenfeld;  dort  über 
die  Gegend  von  Freiatadt,  vermittelten  den  Verkehr  zwischen 
den  beiden  Ländern.  An  eine  feste  Landesgrenze  war  nicht  zu 
denken.  Jedes  Land  betrachtete  den  Forst  auf  seiner  Seite  als 
Zugehör  ohne  irgend  eine  Beschränkung;  diesseits  von  den  Ein- 
mündungen der  Bäche  in  die  Donau  bis  hinauf  zur  Vereinigung 
der  Quellenbäche  und  von  diesen  ,Zwiseln^  bis  in  den  Nord- 
wald^  in  diesem  aber  weiter  ohne  Abschluß  einer  Markung.  Die 
Eönigsurkunde  853^  18.  Jänner^  fUr  St.  Emmeram  zeigt  uns 
mit  aller  wünschenswerten  Genauigkeit,  wie  weit  damals  der 
Nordwald  in  der  Richtung  gegen  die  Donau  reichte:  der  Zu- 
sammenfluß der  Feidaist  und  der  Waldaist  erfolgt  zwischen 
den  Ortschaften  Untertal  (Pfarre  Ried)  und  Hohensteg  (Pfarre 
Trageun),  jener  der  Großen  und  der  Kleinen  Nam  bei  der 
Steinbruckmühle  zwischen  den  Pfarren  Zell  bei  Zellhof  und 
Pierbach.  Das  sind  nach  den  Worten  der  Urkunde  die  ^loca, 
ubi  (agasta  et  nardina)  de  venis  in  amnes  derivantur^,  hier 
beginnt  der  Nordwald  (,et  ita  in  Nortwalt').  Alles,  was  im 
Osten  der  Feidaist  lag;  in  einer  geraden  Linie  von  Hohensteg 
über  Trageun  zum  Buchberg  (östlich  von  Zellhof)  und  von 
hier  in  einem  Bogen  über  St.  Thomas  und  Kreuzen  zur  Donau 
bei  Grein  war  Forst;  denn  die  Pfarren  Kreuzen,  Pabneukirchen, 
Königswiesen,  Dimbach,  St.  Georgen  am  Walde  und  Wald- 
hausen sind  nach  dem  Zeugnisse  Bischofs  Reginbert*  erst  von 
den  Voreltern  Ottos  von  Machland  und  von  diesem  selbst,  also 
im  11.  und  12.  Jahrhundert,  gegründet  und  wohl  nicht  lange 
vorher  dem  Walde  abgewonnen  worden. 

Andererseits  ersehen  wir  aus  dem  Gabbriefe  König  Chun- 
rads  ni.   für   das  Kloster  Garsten  vom  Jahre  1142,'    daß  die 


^  Ried  cod.  dipl.  Ratisp.  I,  44.  Die  ganze  Stelle  lautet: 

Infra  dno  flnmina,  id  est  inter  Agastam  et  Nardinam  a  locis  yide- 
licet,  ubi  de  venis  in  amnes  derivantur,  et  ita  usqne  in  Nortwalt  in 
hano  partem  silve  sine  termini  conclusione. 

Den  Abschluß  der  Regensbnrger  Rodungen  im  Nordwalde  be- 
zeichnet das  Aurolzlehnergut  zu  Straß  Pfarre  SchOnau  südwestlich  Yon 
Unterweißenbachy  das  bis  1803  bischoflich  Regensborgisches  Lehen  ge> 
blieben  ist. 

'  Urkunde  1147,   16.  Mai  fClr  Säbnich  (Waldhausen)  Oberösterreichisches 
Urkundenbuch  II,  227. 

^  a.  a.  O.  n,  204.   ,silTa  nostra,   que  vocatur  Ritmarch  yidelicet  a  fluvio 
Jowerniz  usque  ad  fluvium  Agast  et  inde  usque  ad  terminum  sclavorum.' 


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115 

nächste   Umgebung    von   Freistadt:    der   Landstrich    zwischen 

dem  Jaunizbaclie    und   der    Feidaist   und   von   da  bis  an   die 

Grenze    der    Slawen    noch  Waldbestand   war.     Über   Lasberg 

hinaus,  wo  schon  früher  der  Hochfreie  Adalber  von  Griesbach 

eine  Kirclie  erbaut  hatte/  lag  der  Nordwald,*  in  dessen  Nähe 

noch  im  Jahre  1171   ein  halber  Mansus  im  Walde  (,in  silva^ 

erwähnt  wird;    an  dem  Handelswege  nach  Böhmen   drang  die 

Knltnr  weiter  in  den  Nordwald  ein  und  bewirkte  die  Germa- 

nisienmg  der  ursprünglichen  Wendensiedelung  Windischmarkt 

an  der  Stelle  der  heutigen  Freistadt.' 

Viel  schneller  als  vom  Innern  Böhmens  aus  wurden  die 
Grenzwälder  von  den  bayrischen  Volksgenossen  angebrochen. 
Vom  Windberg  aus,  welchen  die  Wenden  schon  Jahrhun- 
derte früher  in  Besitz  genommen   und   den  Wald  ausgestockt 


^  Urkunde  Bischof  Reginberto  fOr   St.  FlorUn  1126    OberOsterreichischea 

Urkundenbach  II,  164. 
'  &.  a.  O.  ,ultra  Lozperch  in  silva  qne  dicitnr  Nortwalt.' 
>  a.  a.  O.  II,  346.  Die  Gründe  für  die  Entstehung^  von  Freistadt  aus  einer 
Wendenansiedlung  an  dem  StraßeDzug^e  nach  Böhmen  sind  in  des  Ver- 
fassers Aufsätze  ,Der  Ursprung  der  landesfttrstlichen  Stadt  Freistadt*  in 
den  Mitteil,  des  Inst,  für  (5sterr.  Geschichtsf.  XXIY,  650  ff.  entwickelt.  Es 
ist  hier  noch  nachzutragen,  daß  die  Ausfertigung  der  Bündnisurkunde 
KOnig  Otakars  mit  Kapitel,  Ministerialen  und  Bürgern  yon  Passau  gegen 
die  Herzoge  von  Bajem  vom  6.  November  1265  (Mon.  Boic.  XXIX  b, 
463)  von  Freistadt  aus  (aput  Liberam  Civitatem)  datiert,  daher  die  Er- 
teilung des  Stadtrechtes  an  den  Ort  noch  vor  diesem  Jahre  zu  setzen 
ist  Der  Ansicht  von  Dopsch  (,Die  landesfürstlichen  Urbare  Nieder-  und 
Oberüsterreichs  aus  dem  13.  und  14.  Jahrhundert'  S.  91,  Anm.  20),  daß 
Windischmarkt  ein  abgekommener  Ort  sei,  vermag  der  Verfasser  nicht 
beizupflichten,  da  ihm  wenigstens  in  Oberüsterreich  nicht  ein  einziger 
verschollener  Ort  untergekommen  ist  und  scheinbar  verschwundene  Ort- 
schaften entweder  Teile  größerer  Ansiedlungen  geworden  sind  und  ihren 
Namen  nur  offiziell,  nicht  aber  im  Volke  eingebüßt  haben,  wie  Engers- 
dorf  Ortschaft  Kasten,  oder  ihren  speziellen  Namen  an  die  sachliche 
Bezeichnung  abgegeben  haben,  wie  Bosdorf,  das  heutige  Landshag.  Eine 
so  bedeutende  Ortschaft  wie  Windischmarkt,  in  welcher  30  Hofistätten 
dem  Herzoge  dienten,  konnte  auch  nicht  spurlos  verschwinden.  Aus  den 
Erwähnungen  derselben  im  babenbergischen  und  otakarischen  Urbar 
geht  nach  dem  Erachten  des  Verfassers  noch  nicht  hervor,  daß  Windisch- 
markt südlicher  gelegen  sein  mußte  als  Freistadt,  denn  die  geographische 
Ordnung  wurde,  wie  in  den  passauischen  urbarialen  Au^iobnungen, 
ebenso  wenig  in  den  Osterreichischen  strenge  eingehalten,  weshalb  einer- 
seits Sprünge,  andererseits  Abweichungen  von  der  geraden  Linie  zu  be- 
obachten sind. 

9* 


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116 

hatten^^  rückte  die  Kultur  weiter  nordwärts.  Um  das  Jahr  1130 
finden  wir  Engiipoldisdorf  auf  der  Anhöhe  über  der  Rausche- 
mühel  an  der  Hochstraße  von  St.  Peter  am  Windberg  nach 
Haslach  als  eine  dem  Anscheine  nach  schon  länger  bestehende 
Siedlung.*  Ihr  Bestand  weist  uns  die  Richtung,  in  welcher 
die  Urbarmachung  dieser  Gegend  fortschritt.  Noch  war  damals 
der  ganze  obere  Flußlauf  der  ^steinernen'  Mühel  im  Waldes- 
schatten begraben,  während  im  Seitentale  über  Dobring  hinauf 
auf  die  Höhen  von  St.  Stephan  am  Riedl  schon  früher  der  Wald 
vor  der  Axt  zurückweichen  mußte,  was  der  Bau  einer  Kirche 
in  St.  Stephan  ,ultra  Viczissenmuhelen'  beweist,  welche  am  zwei- 
ten Tage  des  Jahres  1147  eingeweiht  wurde.'  Von  hier  leitete 
die  Bodengestaltung  selbst  hinüber  nach  Multerberg  und  Reiter- 


^  Für  ihre  Kulturarbeit  sprechen  die  Ortsnamen  Windorf,  Windischberg- 
bei  St.  Martin,  Windsteigergnt ,  Windpassingerg^t,  Windorfergut  sa 
Bogendorf.  827  sind  zahlreiche  Slawen  als  ansässig  in  Pnchenau  be- 
zeugt Auf  deutsche  Ansiedler  weisen  die  patronjmischen  Ortsbenennun- 
gen  Walding,  Waldhofer,  Waldkirchen  (ron  Walto). 

*  Die  Lokalbezeichnung,  die  sich  in  dem  Nachtrage  vom  Jahre  1439  zum 
Schaunberger  Urbar  1371  (Original  im  Stiftsarchive  St  Florian)  noch 
im  Vollaute  »Engelpoltsdorf  erhalten,  im  Urbar  der  Herrschaft  Neuhaua 
an  der  Donau  vom  Jahre  1666  (Original  im  Schloßarchive  Sprinzenstein) 
auf  Enngeldorff  verkürzt  hat  und  jetzt  ,£ngersdorf'  gesprochen  wird,  be- 
greift, wie  vom  Verfasser  durch  pers($nlichen  Augenschein  festgestellt 
wurde,  die  folgenden,  bei  Einführung  der  Numerierung  im  18.  Jahrhun- 
dert dem  Dorfe  Kasten  (Pfarre  St.  Peter  am  Windberg)  zugezählten 
Häuser:  18  Häusel  beim  Engel  weg,  22  Stadlerhäusl,  23  Stadlergut, 
26  Wumauerhäusl,  27  Wurnauergut,  28  Qrubergut  zu  Einzing,  29  Gruber- 
häusl,  30  Mairgut  zu  Engersdorf,  31  Hintergütl  in  Engersdorf,  32  Kain- 
zengut  in  Engersdorf,  33  Kainzenhäusl  und  46  Abstrizhäusl  in  Engers- 
dorf. Dieselben  waren  um  1130  von  Rudolf  und  Richinza  von  Perge  ihrer 
Tochter  Richinza  und  deren  Gatten  Adalram  von  Feistriz- Waldeck  über- 
geben (Steiermärkisches  Urkundenbuch  I,  142)  und  von  letzterem  seiner 
Stiftung  Seokau  zugewendet  worden,  welcher  sie  auch  nach  dem  Fürsten- 
gerichte (a.  a.  O.  I,  290,  376)  verblieb.  Das  steirische  Stift  entledigte 
sich  dieses  entfernten  Besitzes  im  14.  und  15.  Jahrhundert  teils  an  die 
Ludmanstorfer,  welche  die  Objekte  wieder  1439  an  die  Schaunberger 
veräußerten,  teils  an  das  Kloster  St.  Florian,  welchem  das  Stadlergut, 
das  Wurnauergut,  das  Grubergut  und  das  Mairgut  bis  zum  Jahre  1849 
untertänig  blieben.  Doch  blieb  auf  dem  Staudachhofe  Pfarre  Nieder- 
waldkirchen noch  im  Jahre  1439  ein  Dienst  von  60  Pfeningen  ,gen 
Sekkaw'  haften  als  Rest  der  einstigen  Grundherrlichkeit  dieses  Stiftes. 

'  Stülz,  Geschichte  des  Stiftes  St.  Florian,  S.  265  ans  einem  Kodex  des 
14.  Jahrhunderts. 


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117 

schlag  auf  den  Boden  des  (nachmals  sogenannten)  ^deutschen 
Qeridites*  Witigenhausen  einerseits/  andererseits  durch  das 
&ucYitbare  Tal  der  Großen  Mühel  über  Haslach  durch  die 
heutige  Pfarre  St.  Oswald  in  die  einladende  Ebene  am  Schlägt^ 
wohin  von  Süden  her  das  weite  Tal  vom  Ramlergute  über 
Mühlöd,  Kazing  (Kazling)  und  Natschlag  das  offene  Einfalls- 
tor bildete.  Die  Urbarmachung  bis  Aigen  und  noch  darüber 
hinaus  hat  nach  allen  Anzeichen  noch  im  12.  Jahrhundert  sich 
vollzogen^  denn  diese  Bewegung  wird  uns  durch  die  erhaltenen 
Urkunden  beglaubigt.  Erwähnt  werden  um  1108  Elleinzell 
(juxta  Muhele);*  Feuchtenbach  Pfarre  Altenfelden  um  1140,' 
Blankenberg  gegenüber  von  Neufelden  1173/  Apfersbaoh, 
Aichingerhof;  Bairach,  Weiglstorf,  St.  Ulrich;  Erdmansdorf, 
Fischbach  (westlich  von  Rohrbach),  Pümstein;  Liebenstein  um 
1180.*  Der  Markt  Rohrbach,  der  im  Jahre  1256  nebst  Hof- 
kirchen, Puzleinsdorf,  Lembach  und  Sarleinsbach  als  bedeu- 
tenderer Ort  angeführt  wird^  und  von  frühesten  Zeiten  her  mit 
Marktrechten  begnadet  war,  muß  schon  nach  diesen  Anhalts- 
punkten als  eine  alte  Siedlung  angesehen  werden. 

Im  Westen  muß  das  Dorf  Yatersreut  an  den  Abhängen 
des  Ameisberges  spätestens  im  Beginne  des  12.  Jahrhunderts 
entstanden  sein,  da  mit  diesem  Zeitpunkte  der  Personenname 
Fato  oder  Fater  außer  Gebrauch  tritt.  Dieselbe  Annahme  gilt 
for  Fattendorf  bei  Kellberg.  Natürlich  sollten  die  Namen, 
welche  vom  Volke  mit  hohem  a  gesprochen  werden,  richtiger 
Fitersreut  und  Fätendorf  geschrieben  sein.  Gegen  die  Dz  zu 
saßen  schon  im  Beginne  des  12.  Jahrhunderts  die  Herren  von 
Griesbach  nächst  der  Donau;  daß  sie  es  waren,  welche  die 
Kultur  tief  in  den  Nordwald  hinein  bis  gegen  Wolfstein  ge- 
tragen haben,  werden  die  Ausführungen  des  vierzehnten  Ab- 
schnittes zur  Kartenbeilage  ergeben.  Aus  diesen  erhellt,  daß 
die  Kolonisierung  des  Landstriches   zwischen  Hz  und  Großer 


^  Der  Name  des  Dorfes  Dobring  im  Westen  von  BOhmisch-Kapellen  sagt 
ans,  daß  Ansiedler  aas  Dobring  Pfarre  St.  Stephan  hier  im  Walde  die  Axt 
geschwnngen  haben. 

*  OberOsterreichisches  Urkandenbach  II,  128,  203. 
»  a.  a.  O.  I,  653. 

*  Urkandenbach  von  Kremsmünster  44. 

'  Oberdsterreichisches  Urkandenbach  I,  594,  570. 
•Mon.Boic.  XXrXb,  224. 


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118 

Mühel  vorerst  und  znm  größeren  Teile  von  den  freien  Adels- 
geschlechtern aus  Niederbayern  durchgeführt  worden  ist  und 
das  Hochstift  Passau  erst  später  in  die  Reihe  der  kolonisieren- 
den Großgrundbesitzer  getreten  ist;  am  richtigen  Orte  wird 
auch  die  angebliche  Schenkung  König  Heinrichs  H.  an  das 
Kloster  Niedemburg  ihre  Würdigung  finden,  da  sie  für  den 
eben  behandelten  Zeitraum  nicht  als  beweiskräftig  gelten  kann. 
Die  an  die  Kulturen  der  Pfarren  St.  Oswald,  Haslach  und 
St.  Stephan  sich  eng  anschließenden  Siedelungen  der  Pfarre 
Deutsch-Reichenau  (bei  Witigenhausen)  fallen  dem  Wanderer 
als  naturgemäße  Fortsetzung  der  ersteren  ins  Auge;  sie  er- 
reichen ihr  Ende  im  Nordwesten  erst  mit  dem  waldigen  Ab- 
hänge des  St.  Thomasberges.  Im  Osten  bildete  noch  im  Jahre 
1259  die  Waldhöhe,  auf  welcher  nachmals  Dorf  und  Kirche 
(Böhmisch-)  Kapellen  erbaut  worden  ist,  die  östliche  Grenze 
von  Bayern  gegen  Böhmen,  welchem  Lande  jedoch  der  ganze 
Strich  von  der  heutigen  oberösterreichischen  Grenze  bis  gegen 
Zartlesdorf  erst  nach  dem  Aussterben  der  Babenberger  zuge- 
wachsen sein  kann,  da  der  vorletzte  Fürst  dieses  Geschlechtes, 
Herzog  Liutpold  VI.  in  der  Exemtionsurkunde  für  das  Kloster 
St.  Florian  1208,   15.  Oktober^    die   Grenzen   seiner  Gerichts- 


^  Die  Exemtionsurkunde  (Oberösterreichisches  Urkundenbuch  IT,  611)  ist 
nicht  im  Original  vorhanden,  sondern  nur  aus  der  Einschaltung  in  der 
Bestätigung  König  Otakars  1258,  1.  Februar  bekannt.  Die  im  Oberöster- 
reichischen Urkundenbuche  II,  660,  564,  563  abgedruckten  Exemtions- 
Urkunden  für  St.  Florian  leiden  an  verschiedenen,  besonders  aber  an 
chronologischen  Gebrechen,  in  welche  voraussichtlich  die  kritische  Aus- 
gabe der  Babenberger  Diplome  durch  Baron  Oskar  Mitis  die  wünschens- 
werte Klarheit  bringen  wird.  Auffallend  ist,  daß  auch  die  Befreiungs- 
urkunde vom  16.  Juni  1213  einen  Akt  ,in  prato  iuxta  Naerdaen*  zur 
Grundlage  haben  soll  wie  die  Exemtion  für  den  Windberg,  da  nicht 
glaublich  ist,  daß  Herzog  Liutpold  VI.  sich  zweimal  (1208  und  1213)  auf 
der  Wiese  bei  Nam  gelagert  habe.  Die  Unregelmäßigkeiten  bei  der  Aus- 
stellung der  Urkunden  1212/13  glaubt  B.  Mitis  damit  erklären  zu  können, 
daß  die  Ausfertigung  der  Urkunden  lange  nach  dem  Akte  erfolgte  und 
daher  dem  Schreiber  die  chronologischen  Fehler  unterliefen,  wie  denn 
auch  der  verstorbene  Graf  Otto  von  Klamm  statt  seines  Sohnes  Ulrich 
unter  die  Zeugen  aufgenommen  wurde.  Diese  Ansicht  scheint  dem  Ver- 
fasser annehmbar,  da  gegen  den  meritorischen  Inhalt  der  Urkunden  kein 
Bedenken  obwaltet;  sie  wird  noch  durch  die  Betrachtung  gestützt,  daß 
Liutpold  schon  1208  die  Klosteruntertanen  am  Windberg  eximierte,  was 
er  als  Markherzog,  der  bei  eigenen  Hulden  dingte,  ohne  Einholung  der 


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barkeit  auf  dem  Windberg  vom  Donauufer  (a  ripa  Danubii  in 
dem  Tal)  bis  aufwärts  an  den  Moldaufluß  (usque  sursum  ad 
fluvium  qui  Wolta)  bezeichnete,  worunter,  ganz  abgesehen  von 
der  Notwendigkeit  des  prÄzisen  Ausdruckes  in  einer  staats- 
rechtlichen Verfttgung,  nicht  die  Höhen  an  der  heutigen  ober- 
Osterreichischen  Grenze,  die  noch  einige  Stunden  von  der 
Moldau  entfernt  sind,  sondern  die  Ufer  der  letzteren  selbst, 
und  zwar  von  den  Waldhöhen  von  Kapellen  und  Kienberg  an 
bis  gegen  ZarÜesdorf,  wo  die  weit  nach  Böhmen  ausbiegende 
gegenwärtige  oberösterreichische  Grenze  herzustoßt,  zu  ver- 
stehen sind. 

Für  die  Tatsache,  daß  noch  im  Jahre  1269  die  Grenze 
zwischen  Böhmen  und  Bayern,  oder  was  man  so  nannte  und 
jedenfalls  noch  nicht  zu  Böhmen  rechnete,  über  die  höchste 
Erhebung  des  Bergzuges,  auf  welcher  nun  das  weithin  über 
die  Donau  sichtbare  P&rrdorf  Böhmisch-Kapellen  steht,  3000  Fuß 
oder  950  m  hoch,  gebildet  hat,  haben  wir  ein  unwiderlegbares 
Zeugnis  in  der  wörtlich  überlieferten  Äußerung  des  Herrn 
Wok  von  Rosenberg,  welche  zuerst  vom  Bischof  Johann  von 
Prag  in  der  Bestätigung  der  Schenkungen  des  Stifters  am 
1.  Juni  1259 1  urkundlich  festgelegt,  vom  Stifter  1259  und  1261 
sowie  von  seinen  Blutsverwandten  Budiwoy  und  Witigo  von 
Krummau  1259  völlig  gleichlautend  wiederholt  worden  ist.* 
Wok  sprach  seinen  Entschluß  aus,  auf  seinen  Gütern  oberhalb 
Rosenberg  vor  dem  Forste  (ultra  Rosmberc  sub  nemore)  ein 
Zisterzienserkloster,  insgemein  Hohenftirt*  genannt,  zu  gründen, 
und  bezeichnete  in  Anwesenheit  des  Bischofs  und  zahlreichen 
Adels  die  Grenzen  des  diesem  Zwecke  gewidmeten  Besitzes 
,voce  propria  in  hunc  modum:  Nemus  ex  altera  parte  Wlytaue 
fluminis  versus  occidentem  attingens  viam  illam  que  ducit 
Helfenberk,    Hohenvurt   cenobio  quod  de  novo   fundavi  faciat 


königlichen  Genehmigung  tun  konnte,  während  zur  Exemtion  auf  dem 
Boden  des  Herzogtums  Steyr,  beziehungsweise  Bayerns  im  Landgerichte 
zwischen  Ens  und  Traun  die  königliche  Zustimmung  hinzuzutreten  hatte, 
diese  aber  in  der  Z^i  nach  Ermordung  König  Philipps  nicht  so  bald  zu 
erlangen  sein  mochte. 

*  Fontes  rer.  austr.  Dipl.  XXm,  3. 

«  a.  a.  O.  7,  10,  6,  6. 

'  Wohl  so  genannt  von  der  Lage  des  Marktes,  heute  Stadt  bergauf- 
wärts von  der  Moldau. 


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metam  unam;  et  in  parte  orientali  alia  meta  transit  rivum 
quendam  qui  vocatur  Wlitauich  et  ambit  pratum  Zbyadel,  nt 
idem  pratum  cum  aliis  bonis  conclnsnm  ipso  termino  ad  dictum 
cenobium  pertineat  integraliter  pleno  iure.  Item  alia  meta  in 
rivo  Mokri  nomine  terminetur,  qui  terminus  incipiens  a  flumine 
Wlitaua  dirigitur  ascendendo  usque  ad  hortum  (ortum)  rivuli 
iam  predicti,  et  inde  per  montem  Hradisch  in  minorem  Wli- 
tauich revertitur  ex  directo,  et  ascendit  in  illo  rivo  usque  ad 
altitudinem  silve  Boemiam  et  Bavariam  dividentem.  Item  et  alia 
et  ultima  meta  ex  ista  parte  Wlitaue  incipiens  ab  ipsa  Wlitaua 
ascendit  per  decursum  cuiusdam  ripe,  que  Poyn  vocatur,  usque 
ad  montem  quendam  Strasedelnik  nominatum  et  ab  eo  ascendit 
directe  preteriens  metas  et  terminos  villarum  que  faerant  Sua- 
tomiri,  usque  ad  metas  domini  Witkonis  de  Crumlow/ 

Die  Grenzbestimmung  ,usque  altitudinem  silve  Boemiam 
et  Bavariam  dividentem^  wurde  von  Pangerl,  dem  Herausgeber 
des  Hohenfurter  Urkundenbuches,  gegen  Süden  an  den  Stem- 
stein,  die  jetzige  oberösterreichische  Grenze,  gezogen,  welche 
Ansicht  bisher  herrschend  geblieben  ist.  Infolge  dieser  Aus- 
legung wurden  auch  manche  Rinnsale  und  Berge  anders  ge- 
deutet, als  die  wirklichen  Verhältnisse  gebieten.  Um  hierüber 
vollständig  ins  Klare  zu  kommen,  begab  sich  der  Verfasser 
am  2.  Juli  1904  über  Zartlesdorf  —  um  auch  die  Bodenge- 
staltung zwischen  diesem  Orte  und  Hohenfurt  kennen  zu  lernen 
—  nach  Hohenfurt,  woselbst  Herr  Stiftsoberförster  Leopold 
Enslen  die  Güte  hatte,  ihm  in  die  älteren  Forstwirtschafts- 
karten im  größten  Maßstabe  aus  dem  Jahre  1812  Einsicht  zu 
gestatten  und  mit  großem  Interesse  für  die  Sache  seine  gedie- 
genen Ortskenntnisse  zu  Gebote  zu  stellen.  Nach  eingehenden 
Erörterungen  und  beständiger  Vergleichung  der  Forstkarten 
mit  den  modernen  Karten  (älterer  und  neuerer  Spezialkarte) 
konnte  die  Identifizierung  aller  in  Frage  kommenden  Bezeich- 
nungen mit  Ortlichkeiten  der  Gegenwart  als  außer  Zweifel  ge- 
setzt betrachtet  werden. 

Wenn  nun  der  Leser  gebeten  wird,  den  nachstehenden 
Kommentar  zu  jeder  bezüglichen  Stelle  der  Stiftungsurkunden 
auf  den  Blättern  Hohenfurt — Rohrbach  und  Kaplitz — Freistadt 
und  zugleich  auf  dem  Blatte  8  der  älteren  Spezialkarte  von 
dem  Erzherzogtum  Österreich  (Freistadt),  welche  die  Boden- 
erhebungen und  die  Verästelungen  der  Gewässer  mit  besonderer 


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Scliärfe  und  Feinheit  hervortreten  läßt;  aufmerksam  zu  ver- 
folgen: so  muß  nur  nochmals  betont  werden,  daß  die  nachfol- 
genden Ausdrucke  von  Wok  von  ßosenberg  wörtlich  in  Prag 
gebraucht  und  deshalb  auch  Wort  fiir  Wort  in  den  Urkunden- 
text aufgenommen  worden  sind,  daß  außerdem  bezüglich  der 
Grenze  gegen  Bayern  jeder  Irrtum  seinerseits  völlig  aus- 
geschlossen ist,  da  er  seit  der  Ermordung  des  Landschreibers 
Witigo^  als  Hauptmann  über  den  neuen  Distrikt  ob  der  Ens 
gesetzt  war'  und  demnach  als  oberster  Verwaltungsbeamter 
des  Landes  dessen  Grenzen  genau  wissen  mußte.  Er  konnte 
daher  klärlich  dasselbe  nicht  als  Bavaria  bezeichnen,  umso 
weniger,  als  Otakar  schon  im  Jahre  1256  von  demselben  als 
einem  ,districtus'  gesprochen  hat,'  Daß  Oberösterreich  noch 
im  ältesten  Seitenstettner  Urbar  mit   dem  Namen  Bavaria  be- 


^  6.  Febniar  1255    (siehe  die  Erläatenmgen   lar   Sektion    OberOsterreich 
des  histor.  Atlas  der  Österreichischen  Alpenländer.) 

Im  Codex  Garstensis  (Hofbibliothek  in  Wien  340  bist.  prof.  52, 
4  Pergamentblätter,  s.  Wattenbach  in  Pertz,  Archiv  X,  461)  waren  die 
sämtlichen  Jahreszahlen  Yorgeschrieben.  Zum  Jahre  1255  ist  der  ver- 
ffigbare  Raum  bis  auf  zwei  Zeilen  ausgefüllt,  hätte  nur  mehr  einem 
kurzen  Eintrage  Unterkunft  geboten.  Dagegen  ist  der  Raum  zum  Jahre 
1256  bis  ganz  knapp  oberhalb  der  Jahreszahl  1257  durch  die  Stelle 
Ortolfus  bis  confiscatis  eingenommen.  Das  Gedränge  der  Zeilen  (das 
letzte  Jahr  1258  blieb  leer)  zeigt,  daß  die  Notiz  nachgetragen  wurde; 
sie  gehörte  zum  vorangehenden  Jahre  1255,  wo  jedoch  der  erforderliche 
Platz  mangelte,  daher  sie  der  Schreiber  zu  dem  Jahre  1256,  wo  noch 
Raum  vorhanden  war,  eintrug. 

Daß  diese  Folgerung  eine  richtige  ist,  geht  daraus  hervor,  daß 
schon  1255,  23.  März  (Urkunde  Otakars  für  Seitenstetten  Fontes  XXII, 
57)  Magister  Heinricus  scriba  Anasi  erscheint,  weshalb  der  Tod  Witigos 
vor  diesem  Tage  erfolgt  sein  muß,  womit  der  Eintrag  Vm.  Idus  Febr. 
Witigo  scriba  im  Florianer  Nekrolog  sec  13  (Notizenblatt  1852,  S.  291) 
stimmt;  jene  drei  Urkunden  des  Jahres  1255,  in  welchen  Witigo  noch 
auftritt,  sind  demnach  in  die  ersten  fünf  Wochen  1255  zu  setzen. 
'  Siehe  ,Geburt  des  Landes  ob  der  Ens%  S.  111—112.  Zu  dem  Gerichts- 
briefe Woks  für  Kloster  Zwetl  (Fontes  III,  297),  welchen  vor  Jahren 
der  Stiftsarchivar  Herr  P.  Benedikt  Hammerl  dem  Verfasser  mitzuteilen 
die  Gfite  hatte,  ist  zu  bemerken,  daß  das  Original  der  Urkunde  un- 
datiert ist;  die  Jahreszahl  1256  findet  sich  mit  anderer  Tinte  auf  dem 
ebenfalls  vorhandenen  unbesiegelten  Konzept.  An  dem  Briefe  hängt  das 
allerälteste  Stadtsiegel  von  Linz,  dessen  sehr  flach  gegrabener  Stempel 
verschieden  ist  von  jenem  vom  Jahre  1275,  Oberösterreichisohes  Urkun- 
denbuch  III,  422. 
*  Geburt  des  Landes  ob  der  Ens,  S.  120. 


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legt  wird;  kann  nicht  irre  machen;  denn  es  ist  keine  offizielle 
Persönlichkeit,  die  diesen  Ausdruck  gebraucht,  und  derselbe 
kann  aus  einer  älteren  Vorlage  herübergenommen  sein. 

Wok  bezeichnete  nun  die  Grenzen  des  neuen  klöster- 
lichen Besitzes  folgendennassen: 

,Den  Forst  auf  der  anderen  Seite  der  Moldau  (von  Prag 
aus  gesehen,  daher  am  südlichen  Ufer  des  Flusses),  gegen 
Westen  anstoßend  an  jenen  Weg,  welcher  nach  Helfenberg 
führt/ 

Diese  Berührung  des  Forstes  mit  der  Helfenberger  Straße 
fand  noch  vor  einem  Jahrhundert  zwischen  den  Dörfern  Do- 
bring  und  Stift  an  der  äußersten  westlichen  Grenze  des  Gra- 
sauholzes  statt,  das  seit  alten  Zeiten  und  noch  heute  dem  Erlöster 
Hohenfurt  zugehört;  im  Süden  reicht  der  Wald  nur  an  die 
nördlichen  Dorfgründe  von  Dobring  und  überschreitet  einzig 
auf  eine  kurze  Strecke  vor  dem  Dorfe  Stift  die  Helfenberger 
Straße,  um  sich  dann  westlich  gegen  die  Rosenauer  Waldhäuser 
zur  Straße  von  Friedberg  herwärts  und  von  da  in  einem  nord- 
ostwärtsgerichteten  Bogen  zur  Moldau  gegen  Vorderheuraffl  zu 
ziehen. 

Bei  dieser  Gelegenheit  mag  aufmerksam  gemacht  werden, 
daß  die  in  der  Spezialkarte  eingetragenen  Berg-  und  Wald- 
namen, wie  so  häufig  auch  anderswo,  in  der  Umgebung  von 
Hohenfurt  nicht  im  Volke  wui*zeln,  sondern  demselben  oft  ganz 
fremd  sind.^ 

,ünd  auf  der  Ostseite  —  fährt  Wok  fort  —  überschreitet 
die  zweite  Grenze  einen  Bach,  genannt  die  Kleine  Wlitauich, 
und  geht  um  die  Wiese  Zbyadel  herum,  so  daß  diese  Wiese 
mit  anderen  Gütern,  in  der  Begrenzung  eingeschlossen,  voll- 
ständig mit  allem  Rechte  dem  besagten  Kloster  gehören  soll. 
Die  dritte  Markung  wird  begrenzt  vom  Bache  Mokri,  welche 
Grenze  beginnt  am  Flusse  Moldau  und  aufwärts  steigt  bis  zum 


^  Die  heutige  Landesgrenze  jenseits  des  Schiudlauerberges  ist  bloße  Jagd- 
grenze zwischen  Schlag!  und  dem  fürstlich  Schwarzenbergschen  Besitz- 
tum; wenn  vormals  eine  genaue  Qrenzlinie  bestand,  so  lief  sie  wohl  auf 
dem  Kamme  der  Berge,  weshalb  sie  auch  in  dieser  Richtung  in  die 
Kartenbcilage  eingetragen  wurde.  Die  Bezeichnung  der  Niederung  am 
Iglbache  als  ^Bayrische  Au'  scheint  noch  ein  Nachklang  aus  jener  Zeit 
zu  sein,  in  welcher  Bayern  bis  zur  Moldau  sich  vorgestreckt  hat. 


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123 

ürspning  des  gedachten  Baches^  von  diesem  dann  über  den 
Berg  Hradisch  geradeaus  (schlechthin)  in  die  Kleine  Wlitauich 
zurückgeht  und  an  diesem  letzteren  Bache  hinaufsteigt  bis  zur 
Höhe  des  Waldes,  welche  Böhmen  und  Bayern  von- 
einander scheidet/ 

Der  Bach  Wlitavich  der  Urkunde  ist  der  sogenannte 
Hammerleitnerbachy  welcher  gerade  unterhalb  des  Klosterge- 
bändes  in  die  Moldau  einströmt;  er  führt  diesen  Namen  erst 
von  dem  Zusammenflusse  des  Dimauerbaches,  welcher  aus 
dem  südUch  gelegenen  Stemwalde  (Qerichtsbezirk  Leonfelden) 
kommt,  und  des  Münichschlagerbaches,  welcher  von  den  Quellen 
unterhalb  des  Berges  von  Kapellen  gespeist  wird,  demnach  von 
der  Weihmühle  an.  Als  Hauptbach  betrachtet  die  Urkunde  den 
in  gerader  Richtung  von  Süden  nach  Norden  fließenden  Dir- 
nauerbach,  als  Seitenbach  den  links  einmündenden  Münich- 
schlagerbach.  Letzteren  nennt  sie  deshalb  ,die  kleine^  Wulta- 
wich.  Diese  Auslegung  ergibt  sich  aus  der  Natur  selbst.  Der 
Mokribach  (Mugerauerbach)  heißt  jetzt  Ziehbach,  derselbe, 
welcher  unterhalb  des  Bauhofhölzls  östlich  von  Hohenfurt 
in  die  Moldau  fällt;  er  entspringt  im  Westen  des  Kreuz- 
berges oberhalb  der  Ortschaft  Hohenfurt.  Der  Kreuzberg  ist 
daher  ungezweifelt  der  mons  Hradisch,  denn  von  ihm  gerade- 
aus gegen  Westen,  also  zurück,  gehend  triffl;  man  auf  den 
Münichschlagerbach  gerade  vor  seiner  Vereinigung  mit  dem 
Dimauerbache.  Steigt  man  dem  Münichschlagerbache  entlang 
im  Forste  aufwärts,  so  gelangt  man  auf  die  höchste  Erhebung 
des  Forstes  im  Westen,  auf  jene  von  Kapellen.  Diese  ist  also 
die  altitudo  silvae,  welche  Bayern  und  Böhmen  trennte;  zur 
Zeit  der  Ausstellung  der  Stiftungsurkunde  war  sie  noch  un- 
bewohnt, die  Ortschaft  Kapellen  ist  erst  im  14.  Jahrhundert  be- 
urkundet. 

Die  Lage  der  Wiese  Zbyadel  zu  erörtern,  ist  überflüssig; 
sie  hat  auf  die  Grenzfrage  keine  Beziehung. 

War,  wie  nach  allen  Umständen  anzunehmen,  der  Berg- 
gipfel von  Kapellen  ein  Grenzpunkt,  dann  dürfte  die  Grenze 
wohl  auf  der  Wasserscheide  über  den  Kienberg  zur  Moldau 
sich  fortgesetzt  haben;  sie  schied  im  Jahre  1259  die  Besitzun- 
gen der  Witigonen  in  böhmische  im  Osten  dieser  Linie  und 
in  bayrische  im  Westen,  zu  letzteren  zählten  die  heutigen 
Pfarren  HeurafB  und  Deutsch-Reichenau   (mit   der  Burg  Witi- 


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124 

genhausen).  Allerdings  kann  nicht  mehr  davon  gesprochen 
werden^  daß  die  Amtsgewalt  des  bayrischen  Herzogs  sich  bis 
an  die  Moldau  erstreckt  hätte^  weil  der  Bischof  von  Passaa 
bereits  den  Reichsfürstenstand  erlangt  hatte  und  selbst  landes- 
fürstliche  Rechte  ansprach;  sicher  aber  reichte  der  geographi- 
sche Begriff  Bayerns  noch  bis  zur  Moldau  und  hatte  wenigstens 
bis  dahin  noch  keine  Angliederung  an  Böhmen  stattgefunden, 
da  in  diesem  Falle  der  Marschall  von  Böhmen  nicht  von  einer 
Landesgrenze  gesprochen  haben  würde. 

Die  bayrisch-böhmische  Grenze  des  Jahres  1259  war  in- 
sofeme  keine  sehr  alte^  als  sie  erst  mit  dem  Vorrücken  der 
bayrisch-österreichischen  Ansiedlungen  durch  den  Grenzwald 
entstehen  konnte;  nach  allem  zu  schließen^  sind  jedenfalls  die 
deutschen  Pioniere  vor  den  böhmischen  an  den  Ufern  der 
Moldau  angelangt.  Bis  an  die  Moldau  reichte  die  Herzogs- 
gewalt des  vorletzten  Babenbergers  und  es  ist  folgerichtig  an- 
zunehmeU;  daß  an  diesem  Flusse  die  Grenze  eine  Strecke  lang 
fortlief;  sonst  wäre  sie  der  Erwähnung  gar  nicht  wert  gewesen. 
Bei  dem  Versuche,  dieselbe  ausfindig  zu  machen,  wird  wohl 
jedermann  der  bei  Wullewitz — Zartlesdorf  tief  in  das  heutige 
böhmische  Gebiet  einschneidende  oberösterreichische  Gebiets- 
ausläufer in  die  Augen  fallen,  welcher  die  Frage  herausfordert, 
wie  er  entstehen  konnte,  wenn  der  Landstrich  vom  Eien- 
berg  bis  Wullewitz,  von  demselben  Volksstamme  wie  die  an- 
stoßenden oberösterreichischen  Gebietsteile  bewohnt  und  in 
keiner  Art  von  selbem  verschieden,  stets  zu  Böhmen  gehört 
haben  sollte.  Ziehen  wir  südlich  vom  Zartlesdorfer  Teiche  eine 
Linie  bis  zum  Moldauknie  oberhalb  Rosenberg,  wobei  Eodet- 
schlag  und  Bamberg  zur  Rechten  ausgeschlossen  bleiben,  da- 
gegen der  Mauthof  als  Zugehör  des  Seifkentales  und  die  nörd- 
lichen Anhöhen  desselben  als  Abschluß  erscheinen,  so  dürfte 
sich  diese  gemutmaßte  Grenzlinie  kaum  viel  von  der  Wirklich- 
keit in  der  Vergangenheit  entfernt  haben.  Auch  die  Bezeichnung 
Mauthof  ist  zu  beachten,  sie  deutet  auf  den  vormaligen  Bestand 
einer  Maut,  wie  denn  Häuser  mit  dem  Namen  Mautner  nach- 
weislich Mautstätten  entsprungen  sind,  hier  noch  dazu  an  einer 
Stelle,  wo  die  Handelsstraße  von  Krummau  über  Rosenberg 
und  Oberhaid  nach  Freistadt  vorbeifUhrte. 

Daß  der  Gang  der  allmählichen  Erschließung  des  viele 
Tagreisen  tiefen  Grenzwaldes,  durch  welchen  nur  Saumstraßen 


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125 

fthrten,^  anf  die  vorgeschilderte  Weise  vor  sich  ging,  daAir 
spricht  bei  der  Pfarre  Deutsoh-Reichenau  auch  der  Anblick 
der  Kulturen,  -welche  mit  jenen  des  vormaligen  Mühlkreises 
in  ununterbrochenem  Zusammenhange  stehen,  was  von  dem 
mitunter  ziemlich  steil  abfallenden  linken  Moldauufer  nicht  be- 
hauptet werden  kann.  Daß  das  ,Gericht  Witigenhausen'  im 
Mittelalter  erst  spät  zu  Böhmen  gerechnet  und  zur  Zeit,  als  es 
die  österreichischen  Herren  von  Wallsee  innehatten,  von  hier 
aus  Haslach,  Klaffer  und  Freundorf  verwaltet  wurde,  wird  im 
elften  Abschnitte  erörtert  werden;  daher  wird  es  kommen,  daß 
das  Landrecht  des  Gerichtes  noch  spät  in  Geltung  ist.' 

Hohenfurt  wird  schon  bei  Stiftung  des  Klosters  1259'  als 
Markt  mit  einer  Pfarre  erwähnt,  war  demnach  ein  beträcht- 
licher Ort,  dessen  Entstehung,  weil  er  zu  seinem  Wachstum 
doch  geraume  Zeit  bedurft  haben  wird,  mindestens  um  ein 
Jahrhundert,  wenn  nicht  weit  mehr,  zurückzuversetzen  ist;  der 
Ort  wird  von  oberösterreichischen  Ansiedlern,  die,  dem  Saum- 
wege folgend,  vom  Lobenfelde  aus,  das  in  der  Mitte  des 
12.  Jahrhunderts  als  großer  Walddurchbruch  gedacht  ist,^  an 
die  Moldau  gelangten,  gegründet  worden  sein;  die  Ansiedlun- 
gen  diesseits  und  jenseits  des  Waldes  flössen  zusammen,  ver- 
anlaßt durch  die  Wechselbeziehungen  der  Holden  der  Witi- 
gonen,  deren  gemeinsame  Besitzungen  sich  von  der  Donau  zur 
Moldau  und  von  dieser  bis  gegen  Freistadt  hin  ausdehnten, 
wovon  im  siebenten  Abschnitte  die  Sprache  sein  wird.  In  glei- 
chem  Maße   tritt   diese   Wahrnehmung   an   dem    Straßenzuge 


>  Zollordnung  904,  Lehenbrief  für  Gundaker  von  Steyr  1198.  Die  Be- 
Eeichnnng  ,Saain8traße'  ist  bis  anf  den  beutigen  Tag  an  einer  kleinen 
Ortschaft  vor  Zwetl  hängen  geblieben.  Vgl.  ^Handelswege  und  Handels- 
zentren in  SüdbOhmen'  im  Programme  der  Badweiser  deutschen  Ober- 
realschnle  1901  von  dem  gelehrten  Hohenfurter  Kapitular  Professor  Dr. 
Valentin  Schmidt,  dessen  großer  Gefälligkeit  der  Verfasser  vieles  zu 
danken  hat. 

'  Vgl.  die  Ton  A.  MOrath  in  den  Mitteil,  des  Vereines  fUr  Geschichte  der 
Deutschen  in  Böhmen,  Jahrgang  XLI,  S.  128  abgedruckte  Urkunde  1381, 
8.  Jänner  auB  dem  Krummauer  Archive,  womach  für  die  Mühle  in 
Deutsch-Beichenau  Gewähr  geleistet  wird  «also  lanczrecht  ist  in  dem  laut 
da  dy  mnl  in  leyt^ 

*  Fontes  XXm,  4. 

*  Stelle  ,mediam  partem  campi,  qui  wlgo  Lowenwelt  nuncupatur',  Wil- 
heringer  Urkiuide  1154,  Obertfsterreichiscbes  Urkundenbuch  II,  273. 


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126 

Rosenberg — Oberhaid — Rainbach — Freistadt  zutage.  Auch  Ober- 
haid  (Merica  superior)  wird  schon  1278,  13.  Juli^  als  forum  im 
Gegensatze  zur  viila  Gerbrechtschlag  aufgeftlhrt;  auch  dieser 
Ort  muß  im  12.  Jahrhundert  von  Ansiedlem  der  Riedmark  an- 
gelegt worden  sein. 

Selbstverständlich  läßt  sich  nicht  erschließen,  welche  Stücke 
des  rechten  Moldauufers  zur  Riedmark  und  welche  zu  Wachsen- 
berg gezählt  haben  werden. 

Wenn  für  die  intensivere  Kulturarbeit  der  deutschen  An- 
siedler der  Vorrang  vor  den  böhmischen  in  Anspruch  ge- 
nommen wird,  so  wird  damit  nicht  gegen  den  Fortgang  der 
Kolonisation  auf  böhmischer  Seite  verstoßen,  weil  letztere 
die  Grenzwälder  eben  in  langsamerem  Tempo  in  Angriff  ge- 
nommen hat. 

Denn  im  Beginne  des  13.  Jahrhunderts  war  der  bei  weitem 
größere  Teil  des  oberen  Moldaulaufes  noch  immer  wüstes  Wald- 
und  Sumpfland,  in  welchem  vielleicht  nur  das  heutige  Ober- 
plan einen  Lichtpunkt  bildete.*  Als  König  Wenzel  I.  (f  1253) 
dem  Burggrafen  Hirzo  von  Klingenberg  für  seine  Verdienste 
den  Distrikt  von  Mugerau'  verlieh,  war  dieser  Landstrich  in 
seiner  ganzen  Länge  von  Poletic  bis  zur  bayrischen  Grenze 
und  zum  Rotbache  wohl  großenteils  noch  Waldregion,  in  wel- 
cher erst  Herr  Hirzo  den  Ort  Nahirzowe  (nachmals  Unter- 
Wuldau  genannt)  gegründet  hat;  an  den  Grenzen  des  großen 
Poleticer  und  des  schmalen  Mugerauer  Distriktes  stießen  tsche- 
chische und  beginnende  deutsche  Kulturarbeit  zusammen;  die 
Fortführung  der  ersteren  blieb  auf  das  linke  Moldauufer  ge- 
wiesen, woselbst  in  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  die  Gegen- 
den um  Krummau,  Poletic,  Stein,  Kalsching,  Elhenic  und  Ne- 
tolic  bereits  kultiviert  waren. 

Auch  im  Osten  ging  die  Urbarmachung  erst  von  dem  Zeit- 
punkte an  intensiver  südwärts,  als  Ceö  von  Budweis  nicht  lange 
vor  dem  Jahre  1266  in  dem  ihm  vom  König  Otakar  im  Tausch- 
wege überlassenen  Gebiete  von  Welleschin  sich  die  genannte 
Burg  über  dem  Ufer  der  Maltsch  erbaute.*  Es  war,  nach  den 


»  Fontes  XXIH,  28,  81. 

'  M.  Pangerl  im  Goldenkroner  Urkundenbuche  Fontes  XXVII,  S.  IX,  16, 

84,  114. 
'  Daselbst  Karte  des  Goldenkroner  Dotations^tes. 
*  Elimesch,  ,Die  Herren  vom  Michelsberg  als  Besitzer  von  Welleschin*  in 


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127 

urkundlichen  Spuren  zu  schließen^  wenigstens  im  südlichen 
Teile  großenteils  mit  Wald  bedeckt,  der  südliche  Teil  selbst 
sicherlich  von  der  Riedmark  her  von  deutschen  Ansiedlem 
kultiviert,  was  denn  auch  die  Mundart  der  dortigen  Deutschen 
und  die  deutschen  Ortsnamen  dartun.  Im  Gedächtnis  der  Zeit- 
genossen ist  übrigens,  daß  erst  vor  kaum  120  Jahren  der 
innerste  Teil  des  Nord-  und  Freiwaldes  urbar  gemacht  und  da- 
selbst, nach  den  Herrschaftsbesitzem  Buquoi  genannt,  die  Ort- 
schaft Buchers  angelegt  worden  ist. 

Die  Westgrenze  an  der  Moldau  kommt  übrigens  auch  in 
anderen  Urkunden  vor. 

Die  Bestätigung  der  Besitzungen  des  Klosters  St.  Florian 
durch  Bischof  Ulrich  1111,  23.  August^  spricht  davon,  daß  die 
von  Eppo  von  Windiberg  gestifteten  Güter  sich  bis  an  die 
Moldau  erstrecken  (que  protenduntur  usque  ad  fluvium  qui 
Wultha  vocatur),  jene  1113,  26.  Juni  Passau  ^  bezeichnet  aus- 
drücklich die  Moldau  als  Grenzfluß  gegen  Böhmen  (que  usque 
ad  terminos  boemie  protenduntur  ad  fluvium  qui  Wultha  vo- 
catur) und  die  Bestätigung  Reginmars  (hier  Reinmar  genannt) 
1122,  18.  März^  wiederholt  den  Passus  aus  der  ersten  Ur- 
kunde des  Bischofs  Ulrich.  Auch  das  nur  in  einer  Kopie  er- 
haltene Diplom  Bischofs  Eberhard  von  Bamberg  für  Wilhering 
vom  Jahre  1154*  läßt  den  Böhmerwald  (silva  boemitica),  wel- 
cher in  der  Richtxmg  von  Wachsenberg  und  Wildberg  gegen 
das  heutige  Hohenfurt  zu  zwischen  den  Herrschaften  Wach- 
senberg und  Wildberg  geteilt  war,^  vom  Felsen  Bernstein  in 
gerader  Linie  bis  zum  Moldauflusse  reichen  (et  ab  illo  scopulo 


den    Mitteil,  des   Vereins    fUr    Geschichte    der   Deutschen    in  Böhmen, 
Band  XXII,  186  ff.  Karte  hierzu  in  Band  XjXTTT. 
OberOsterreichisches  Urkundenbuch  II,  144. 
a,  a.  O.  147. 
a.  a.  O.  154. 
a.  a.  O.  278. 

BeEÜglich  Wildberg  Urkunde  1198,  80.  Juni  mit  dem  korrekten  Texte 
ans  dem  Transsumpte  1246,  81.  Oktober  im  Linser  Museumsbericht  1899, 
8.  47.  Der  Vergleich  beider  Grundherrinnen  (Elisabeth  von  Wachsenberg 
und  Alhait  von  Haunsberg)  f&llt  in  die  Zeit  zwischen  1198  und  1206, 
nicht,  wie  8tüls,  Geschichte  von  Wilhering,  S.  880  meinte,  um  1220,  da 
der  zu  Stegen  geschlossene  erste  Vergleich  nachhin  (postmodum)  zu 
Wachsenberg  (Wesen  soll  heißen  Wessenberch)  im  königlichen  Auftrage, 
vom  Bischof  Eckbert  vom  Bamberg   in  dem  Streite   zwischen  Bischof 


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128 

recta  linea  limitati  usque  ad  fluvium  Wlta  ibi  finiuntur),  es 
weist  unmittelbar  auf  die  Moldaustrecke  von  Heuraffl  bis 
Hohenfurt. 

Wenn  nun  auch  die  Ausfertigungen  der  Florianer  Urkun- 
den Uli,  23.  August,  1113,  26,  Juni  und  1122,  18.  März  Passan 
wegen  der  gegen  ihre  Echtheit  obwaltenden  Bedenken*  nicht 
als  beweismachend  für  die  Zeit  ihrer  angeblichen  Ausstellung 
ins  Feld  geführt  werden  dürfen,  so  repräsentieren  sie  doch  mit 
Rücksicht  auf  ungezweifelt  echte  Urkunden  wenigstens  für  den 
Zeitpunkt  ihrer  Anfertigung,  d.  i.  nach  Erachten  des  Verfassers 
die  zweite  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts,  den  damaligen  Stand 
der  Grenzverhältnisse. 

Zu  berücksichtigen  kommt  noch  die  Beschreibung  der 
Markung  von  Wildberg.  Das  Diplom  1198,  30.  Juni  zieht  die- 
selbe das  Rotelufer  aufwärts  zu  einer  Tanne,  die  selbstverständ- 
lich nicht  mehr  auffindbar  und  längst  vom  Erdboden  ver- 
schwunden ist,  wo  die  Besitzungen  an  der  Böhmergrenze  enden 
(ubi  ad  partem  septemtrionalem  dicte  possessiones  Boemorum 
confinio  terminantur),  und  setzt  bei,  daß  der  Stemstein  (Mens 
Stella),  wie  sich  aus  seiner  Lage  innerhalb  der  besagten  Gren- 
zen zeige,  noch  zu  Wildberg  gehörte.  Bischof  Manegold  schließt 
1212,  27.  Jänner*  den  Wald  um  Wildberg  und  Wachsenberg 
mit  der  Wielantstanne  ab.  Eine  Aufschreibung  aus  der  Mitte 
des  13.  Jahrhunderts  (1254 — 1256)^  sagt:  Von  der  Wielants- 
tanne ,protrahitur  usque  ad  montem  quondam  continebat  castrum* 
dictum  Stellam,  de  Stella  usque  ad  terminos  Boemicales  protra- 
hitur  et  ibi  denique  tunc  finitur.^  Aufschreibungen  im  Codex 
trad.  pat.  tertio^  fassen  sich  noch  kürzer:  ,ab  eodem  loco  (Wie- 
lantstanne) ad  montem  vocatum  Stellam  et  a  Stella  usque  ad 
confinium  Boemie'.  Diese  Angaben  haben  augenscheinlich  die 
heutige  Grenze  zwischen  Böhmen  und  Oberösterreich  im  Auge; 
dieselbe  scheint  auch  tatsächlich  in  jenem  Zeitpunkte  zu  Gunsten 
Böhmens   festgestellt  worden   zu  sein. 


Gebhard  von  Passau  (seit  1221)  und  Herzoge  Liutpold  VI.  (f  1230)  be- 
stätigt worden  ist.  Mon.  Boic.  XXYIIIb,  471  ex  cod.  trad.  pat.  tertio. 

1  Archivalische  Zeitschr.,  N.  F.  VIII,  90—96. 

«  Mon.  Boic.  XXTXb,  71. 

»  a.  a.  O.  228. 

*  Keine  historische  Burg. 

»  Mon.  Boic.  XXVIUb,  471,  472. 


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129 

Es  ist  noch  zu  imtersncheii;  wie  die  über  den  Berggipfel 
von  Kapellen  sich  spannende  Grenze  zwischen  Bayern  und 
Österreich  auf  dem  Boden  des  vormaligen  Mühlkreises  verlief. 

Die  Ghroße  Mühel  bildete,  wie  aus  der  Verzichtsurkunde 
Herzog  Ludwigs  1220,  5.  September^  bekannt  ist,  die  östliche 
Qrenze  der  an  das  Hochstift  Passau  gediehenen  Grafschaft  im 
Ilzgau  und  damit  auch  jene  Bayerns  gegen  das  Markherzogtum 
Österreich.  Sie  machte  dieselbe  jedoch  nur  bis  zum  Einflüsse 
der  Rauschemühel  bei  Haslach.  Dies  ergibt  sich  aus  dem  Texte 
des  Vertrages  des  Bischofs  Gebhard  mit  dem  edlen  Mann 
Witigo  1231,  17.  Dezember,*  in  welchem  es  ausdrücklich  heißt, 
daß  Witigo  das  Gericht  zwischen  Rauschemühel  und  Donau 
vom  Herzoge  von  Osterreich  zu  Lehen  habe,  einerseits  und 
aus  der  vielfältig  beurkundeten  Tatsache,  daß  das  sogenannte 
obere  Gericht  von  der  Rauschemühel  aufwärts  ft'eies  Eigen  der 
Witigonen  war,  andererseits. 

Für  den  weiteren  Grenzzug  mangeln  solche  Belege,  doch 
gibt  der  Kompromißvertrag  1357,  20.  Juni^  Anlaß  zu  einem 
begründeten  Schlüsse.  Hiemach  unterwarfen  sich  Bischof  Gott- 
fried von  Passau  und  die  Gebrüder  Peter,  Jost,  Ulrich  und 
Jans  von  Rosenberg  in  ihrem  Streite  um  die  ,Tannberger  Sleg^ 
einem  Schiedsgerichte,  welches  zu  Ottensheim  zusammentreten 
sollte.  Es  handelte  sich  um  das  Dorf  Dambergschlag  in  der 
P£sirre  St.  Stephan  am  Riedl,  anstoßend  an  das  Herrschaftsgebiet 
von  Wachsenberg.  Die  Urkunde  erörtert  nicht  den  Gegenstand 
des  Streites  und  wir  wissen  auch  nicht  seinen  Ausgang.  Da- 
g^en  ist  durch  das  große  Urbar  der  Herrschaft  Marsbach  vom 
Jahre  1667*  und  durch  das  im  Jahre  1793  angelegte  alte 
Grundbuch  dieser  Herrschaft  bezeugt,  daß  die  Ortschaften 
Dambergschlag  (mit  den  GHitem  und  Häusern  2 — 8,  10 — 12, 
16 — 18),  Hinterschlag  (mit  den  Häusern  1 — 12)  und  Unter- 
gmain  (mit  den  Häusern  1 — 4)  von  fremder  Landgerichtsbar- 
keit exemt  waren  nnd  ihnen  selbst  die  freie  Pirsch  (das  Reis- 
geiaidt)  auf  den  Dorfgründen  zustand;    bis  zum  Jahre  1850 


^  Hon.  Boic.  XXVmb,  297. 

*  a.  a.  O.  334.  ■  a.  a.  O.  XXXb,  230. 

*  Im  Besitze  des  f  Fräuleins  Mathilde  Sigmund  auf  Schloß  Marsbach, 
welche  dasselbe  dem  Verfasser  sur  Benützung  auf  einige  Wochen  zu- 
gesandt hat;  der  hohe  Wert  des  Urbars  wird  im  vierzehnten  Abschnitte 
gewürdigt. 

IreU?.  XCIY.  Band.  10 


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130 

übte  in  diesem  ^freien  Winkel^  die  Herrschaft  Marsbach  die 
Kriminalgerichtsbarkeit  ans.  Berücksichtigen  wir^  daß  in  der 
ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  das  Hochstift  Passan  einige 
Zeit  im  Besitze  des  Marktes  Haslach  war  und  denselben  an 
Peter  von  Rosenberg  nur  unter  der  Beschränkung  zurück- 
verkaufte^  daß  er  ihn  von  Passau  zu  Lehen  nehme^  die  im 
Markte  erbaute  Feste  niederlege  und  die  Gräben  einziehe^  auch 
^in  den  Gemerkehen  di  zu  Haslach  gehorent^  und  die  er  selbst 
nach  seinem  Eide  ausgezeigt  hatte,  keine  Feste  mehr  erheben 
oder  bauen  wolle,  daß  diese  Gemerke  aber  erst  ,ob  der  Hayd' 
begannen/  welches  Dorf  westlich  von  Dambergschlag  gelegen 
ist:  so  sehen  wir,  daß  Peter  von  Rosenberg  damals  den  Tann- 
bergschlag, welcher  erst  später  zugleich  mit  dem  Schlosse  Tann- 
berg durch  Vermächtnis  Chunrats  von  Tannberg*  an  das  Hoch- 
stift gelangt  ist  (1354),  nicht  als  zu  seinem  Landgerichtsbezirke 
gehörig  betrachtet  hat.  Dagegen  hat  Tannbergschlag  zweifellos 
auch  niemals  zum  Landgerichte  Wachsenberg  gehört;  denn  die 
Grenze  dieses  Bezirkes  lief  nach  den  Urbaren  aus  den  Jahren 
1614  und  1640^  vom  Guglbach  an  der  böhmischen  Grenze  zu 
des  Reischleins  Au,  von  dannen  auf  den  Saumsteig,  folgends 
zum  Thoman  in  Aigen  und  hindurch  im  Innern-  und  Außem- 
schlag  (Hermschlag)  hinauf  bis  an  die  Raidenbauem  nächst 
der  Rauschemühel  an  den  Rain,  welcher  Haslacher  und  Wach- 
senberger  Landgericht  scheidet,  umgingen  also  völlig  die  Dorf- 
gründe von  Dambergschlag,  Untergmain  und  Lmemschlag.  Bis 
1614  war  die  Herrschaft  Wachsenberg  landesfiirstlich,  keine 
Nachricht  meldet  uns,  daß  jemals  ein  Anspruch  auf  Ausübung 
des  Blutbannes  über  den  Tannbergschlag  erhoben  worden  wäre; 
es  darf  daher  gefolgert  werden,  daß  die  Exemtion  Tannberg- 
schlag auch  in  früheren  Zeiten  nicht  einen  Bestandteil  des 
Landgerichtes  Wachsenberg  gebildet  habe.  Ist  dem  so,  so  kann 
dieser  kleine  Bezirk  nur  dem  sogenannten  ,oberen^  Gerichte 
der  Witigonen  zuständig  gewesen  sein  und  wird  der  Bischof 
von  Passau  schon  bei  dem  Rückverkaufe  von  Haslach  sich  die 


^  ,Es  sind  auch  daz  die  Qemerkch',  in  der  Urkunde  1341,  11.  September 

Mon.  Boic.  XXXb,  170—171. 
'  Derselbe   erscheint   in   einer  Urkunde   1341,   12.  März  (Allgem.  Beichs- 

archiy  München)  als  ,Pfleg'er  daz  Haslach*. 
'  Handel-Mazzetti,   ,Das  Gemärke  von  Wildberg  im  Jahre  1198'   (Linzer 

Museumsbericht  1899,  S.  12,  13). 


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131 

Exemtion  desselbes  bedangen  haben.  Der  Streit  im  Jahre  1357 
dürfte  demnach  davon  den  Ausgang  genommen  haben,  daß  die 
Herren  von  Rosenberg  landgerichtliche  Akte  ausüben  wollten, 
endete  aber  sicherlich  damit,  daß  ihnen  das  Recht  hierzu  ab- 
gesprochen worden  sein  wird. 

Hiemach  ist  der  Schluß  gestattet,  daß  die  im  Marsbacher 
Urbar  verzeichneten  Grenzen  der  Exemtion  Tannbergschlag  die 
vormaligen  Markungen  des  Witigonengerichtes  und'  damit  auch 
jene  zwischen  Osterreich  und  Bayern  gewesen  seien.  Dieselben 
fingen  an  beim  Erieggattem,  gingen  von  dannen  an  des  Grei- 
sen^ger  Gründe  in  Hermschlag,  dann  an  die  Gründe  des 
Zimerauergutes,  an  die  Gründe  des  von  St  Florian  (des  Ghi^b- 
mergutes)  und  des  Pfarrers  von  St  Oswald,  von  dannen  an  den 
Pirchhof,  an  die  Gründe  des  Haslingergutes  xmd  sodann  an 
die  Grenzen  des  Landgerichtes  Haslach  bei  der  Ortschaft  Haid. 
Der  Krieggattem  befand  sich  am  Schiedbach  bei  Multerberg; 
von  hier  aus  dürften  die  Markungen  bis  gegen  Kapellen  iden- 
tisch mit  der  heutigen  oberösterreichisch-böhmischen  Ghrenze 
gewesen  sein. 

Tief  im  Innenlande  in  der  Pfarre  Reichenau  ist  eine  späte 
Kodung  zu  verzeichnen,  auf  welcher  Ulrich  von  Lobenstein 
zwischen  1230  und  1240  die  Dorfschaft  Ottenschlag  gegrün- 
det hat.^ 

Augenscheinlich  haben  die  Handelswege  es  bewirkt,  daß 
der  Nordwald  zuerst  in  der  Mitte  flir  die  Kultur  gewonnen 
imd  dadurch  in  zwei  Hälften  gespalten  wurde,  von  welchen 
die  westliche  noch  längere  Zeit  zu  Bayern  zählte,  wogegen 
in  der  östlichen  sowohl  in  Ober-  als  in  Niederösterreich 
sich  unfknglicher  Waldbestand  bis  auf  unsere  Tage  erhalten 
hat*    Die   äußerste    Stelle,   an   welcher    von    der    Riedmark 


^  ^  viridi  nemore*.  Enndschaftsbrief  1277,  OberOsterreichiflches  Urkunden- 
bnch  m,  477. 

'  Koch  1376,  20.  Joli  bestätigte  Hersog  Albrecht  III.  nach  erfolgter 
Weisung,  daß  ,der  Wald  gelegen  von  Weitraoh  gegen  der  Freystatt, 
and  haisset  der  Freywald,  daran  Ulrich  von  Dachsperg  gemeret 
hat,  daß  der  Wald  je  und  je  ein  freyer  Wald  gewesen  sei'  nach 
Rat  der  Landherren,  Bitter  und  Knechte,  daß  ,unser  Burger  zu  Wey- 
tra  und  alle  Lenth  die  gemeiniglich  in  unserer  Grafschaft  und  dem 
Landgericht  daselbst  sizent,  fÜrbas  ewiglich  in  dem  Wald  freylich  ohn 
allem  Zinß  and  Hindemiß  fahren  und  den  nuzen  sollen  und  mfig^n  ohn 
des  Torgenanten    von   Tazperg   und    menigclich    Widerrede    und    Irung 

10* 


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132 

ans  eine  Landnahme  erfolgte^  zeigt  die  nördliche  Znnge  des 
Amtes  Leopoldschlag  der  landesfürstlichen  Herrschaft  Freistadt 
an,  welche  mit  den  Dorfgründen  von  Eisenhnt,  Hültschen^ 
Lentmannsdorf,  Wullewitz  nnd  Stigersdorf  sich  ziemlich  tief  in 
das  Böhmerland  vorstreckt.  Die  Landesgrenze  in  ihrem  Zage 
von  Wullewitz  in  Oberösterreich  bis  Bachers  in  Böhmen  scheint 
die  letzten  sechs  Jahrhanderte  hindarch  keine  Veränderang 
erfahren  zn  haben.  Zwar  wird  in  dem  Teilangsbriefe  der 
Brüder  Reinprecht,  Friedrich,  Wolfgang  and  Heinrich  von 
Wallsee-Ens  1356,  29.  Jani^  die  Ortschaft  Zetwing  am  rechten 
Ufer  der  Maltsch  als  Bestandteil  des  Amtes  and  Gerichtes 
Leopoldschlag  aafgeftihrt,  allein  diese  Einverleibnng  in  das 
Herrschaftsgebiet  von  Freistadt  war  vorübergehender  Natar, 
früher  and  später  finden  wir  Zetwing  in  der  Linehabang  der 
Herren  von  Rosenberg.  So  versetzte  1325,  21.  Dezember*  Peter 
von  Rosenberg  die  zwei  Dörfer  ,datz  Zetbünne  vnd  ze  dem 
Nicolts'  (Zetwing  and  Böhmdorf)  an  den  erbem  nnd  getreaen 
Ritter  Bohank  von  Harach,  wogegen  im  Jahre  1379  die  villa 
Czetwin  mit  IP/j  Lehen,  8  Hofstätten  nnd  3  Mühlen  wieder 
im  Registram  bonornm  Rosenbergicoram*  erscheint. 


UDgeyerlich'.  (Begl.  Kopie  1613,  22.  Juni  im  Freistädter  Sohloßarchive.) 
Dennoch  bemächtigten  sich,    wie  das  Verzeichnis  der  Hanpt-Priyilegia 
im  Freistädter  Stadtarchive  c.  1618  klagt,    die  benachbarten  Qmndherr- 
schaften  dieses  Waldes,    indem  sie  nicht  allein  den  Wildbann,    sondern 
aach    das  Grundeigentum  ansprachen,   über  Vieheintrieb,    HolzschlSge- 
rung,  Ausrodung,  Erbauung  neuer  Häuser  unbeschränkt  verfügten.  End- 
lich verschrieb  Kaiser  Ferdinand  U.  1627,  10.  Juni  den  Freiwald  pfand- 
weise an  Graf  Leonhard  Helfried  v.  Meggau   zu   der  demselben  schon 
1622,  22.  Juni  für  dargestreckte  165.670  fl.  übergebenen  Herrschaft  Frei- 
stadt auch  noch  den  Freiwald  (Fasz.  26  Nr.  44,  Fasz.  29  Nr.  9  im  Sohloß- 
archive Freistadt). 
^  OberOsterreichisches  Urkundenbuch  VU,  461. 
Fontes  rer.  Austr.  XXm,  71. 
S.  6,  herausgegeben  von  Josef  Truhlai?  1880. 

Im  Nachfolgenden  einige  richtiggestellte  Ortsbestimmungen  hier- 
zu: S.  24  Nr.  200  Villa  Sub  Monte  (Unternberg)  sind  die  zwei  Höfe 
unterhalb  des  geschlossenen  Dorfes  HOrleinsöd.  S.  26  Nr.  205  curia  pre- 
conis  circa  Weiden  ist  die  Schergenhub  (Kleinzell)  bei  Velden.  8.  25 
Nr.  220  sollte  es  statt  Jawgenpergeri  heißen  Hugenpergeri.  S.  26  Nr.  213 
Villa  Stroitslag  ist  der  Strathof  bei  HademUl.  S.  26  Nr.  216  in  Gallo 
unus  mansus  ist  der  Hanhof.  S.  26  Nr.  216  Fuchslag  ist  das  große  Dorf 
Linden,  so  genannt  von  dem  einschichtigen  Fuchshofe.  8.  28  Nr.  235 
Stadiin  und  S.  29  Nr.  241  Starlin  curia  Stadl  (Ort)  Bauer  in  Itosenau. 


9 


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133 

Es  dürfte  daher  wohl  nur  der  Pfandbesits  von  den  Har- 
nchem  an  die  Herren  von  Wallsee  weitergegeben  und  schließ- 
lich die  Rüeklösung  dnreh  die  Rosenberger  erfolgt  sein.  Von 
einer  Yerftnderten  Landesgrenze;  wie  sie  die  Karte  des  Gutes 
Welleschin  von  Klimesch^  darstellt^  kann  daher  nicht  wohl  die 
Rede  sein,  wenn  es  auch  wahrscheinlich  ist,  daß  Zetwing  von 
Benesch  dem  Siteren  von  Michelsberg  frühzeitig  an  die  Rosen- 
berger veräußert  worden  ist.* 

Vierter  Abschnitt. 

Ober  den  Zeitpunkt  der  Änderung  der  vormaligen  Gren- 
zen zwischen  Böhmen  nnd  Oberösterreich  nnd  der  An- 
gliedemng   des  Crebietes  im  Norden  der  Donau  an  das 
Land  ob  der  Ens. 

Weder  das  k.  n.  k.  Haus-  Hof-  und  Staatsarchiv  in  Wien, 
noch  das  Statthaltereiarchiv  und  das  böhmische  Landesarohiv 
in  Prag,  die  Alrstlich  Schwarzenbergschen  Archive  in  Krummau 
und  Wittingau  oder  das  gräflich  Buquoische  Archiv  in  Gratzen 
enthalten  Urkunden  oder  Akten,  welche  über  Änderungen  der 
Landesgrenzen  zwischen  Oberösterreich  und  Böhmen  Auskunft 
geben  würden.  Es  wird  daher  aus  den  Zeitverhältnissen  zu 
erschließen  sein,  in  welcher  Periode  die  Änderung  stattfinden 
konnte. 

Im  Jahre  1208  reichte  das  Herzogtum  Österreich  bis  an 
das  Moldauufer;    kein  Umstand   macht  es  glaublich,    daß  eine 


8.  28  Nr.  287  villa  Temreuth  ist  Damreut.  8.  28  Nr.  238  vilU  inferior 
Umuch  ist  Unter-Ürasch.  S.  28  Nr.  289  in  Hoohhansen  duo  bona  Banem- 
^t  in  Hochhausen,  Nr.  240  yilla  Nuspanm  Noßbanmergut  in  Hoch- 
hausen,  Nr.  240  Sarg  villa  Zarghof,  molendinam  Czwetla  Zwetlmühle, 
Nr.  241  sap.  Urnsch  Ober-Urasch.  S.  29  Nr.  242  Czelle  Kleinzell  (Ponhalm 
statt  Ponhalin),  Nr.  248  Staynach  Steininger,  Nr.  249  in  Monte  Berg- 
hätiser,  Nr.  260  Sweikerzreut  Schwackerreut,  Nr.  251  Saliern  Satling 
Pfarre  Oswald,  Nr.  261  Lejmpach  Laimbaoh  Pfarre  Oswald,  Nr.  246 
Villa  Zejf£  anf  Pahel  Ptthelbaner  in  Zeiß  Pfarre  Neumarkt  bei  Freistadtt 

'  Za  8. 106,  Band  XXni  der  Mitteil,  des  Vereines  für  Geschichte  der 
Deatschen  in  Böhmen. 

'  Zn  dem  Abschnitte  zu  vergleichen  die  gut  orientierende  neueste  Schrift 
Dr.  Valentin  Schmidts  ,Die  dentsche  Besiedlung  SttdbOhmens'  in  der 
Monatsohrift  deutsche  Arbeit"  (S:.  Bellmann,  Prag)  IV,  571—574. 


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134 

Gebietsabtretong  zur  Zeit  der  Babenberger  erfolgt  wäre.  Damit 
wäre  das  Jahr  1246  als  terminns  a  quo  festgestellt. 

Im  Jahre  1259  gehörte  Hohenfnrt  und  Umgebung  bereits 
zn  Böhmen;  denn  der  Berg  von  Kapellen  war  ein  Grenzpunkt 
gegen  Bayern.  Das  Jahr  1259  ist  also  der  terminos  ad  qnem. 

Demnach  wird  innerhalb  des  Zeitraumes  1247  bis  1258 
die  Grenzverrückung  stattgeftmden  haben.  Der  eigentliche 
Kampf  um  das  Babenberger  Erbe  begann  nach  dem  Tode  des 
Prätendenten  Hermann  von  Baden  (1250,  4.  Oktober),  in  der 
ersten  Hälfte  November  1251  rückte  der  böhmische  Thronfolger 
Pfemysl  in  Oberösterreich  ein.  Die  folgenden  Jahre  brachten 
die  E^ämpfe  um  die  Steiermark,  die  schließlich  dem  Könige 
Bela  von  Ungarn  überlassen  werden  mußte.  Die  Verwaltung 
des  Gebietes  ob  der  Ens  —  zwischen  Hausruck  und  Ens  —  ver- 
blieb dem  bisherigen  Landsohreiber  der  Steiermark,  nach  dessen 
baldigem  Tode  (9.  Februar  1255)  König  Otakar  Herrn  Wok 
von  Rosenberg  ab  Hauptmann  über  den  neuen  Distrikt  ob  der 
Ens  bestellte,  was  schon  dadurch  außer  Zweifel  gestellt  ist^ 
weil  derselbe  im  Jahre  1256  dem  Landtaidinge  in  Linz  vor- 
saß, vor  welchem  Abt  Bohuslaus  von  Zwetl  die  Mautfreiheit 
des  Salzbedarfes  seines  Klosters  erwies.  Nach  Beendigung  des 
Kampfes  mit  Ungarn  begann  die  organisatorische  Tätigkeit  des 
neuen  Herrschers,  er  erläßt  den  neuen  Landfrieden,  setzt  obere 
Landrichter  ein  und  ordnet  die  bisher  von  Witigo  provisorisch 
geführte  Verwaltung  des  Distriktes  ob  der  Ens  durch  Bestel- 
lung Woks  von  Kosenberg  als  Hauptmann.^  Dieser  Zeitpunkt 
war  der  passende,  den  von  der  Steiermark  verbliebenen  Ge- 
bietsrest zu  einem  lebensfähigen  besonderen  Verwaltungsbezirke 
dadurch  auszugestalten,  daß  die  mit  dem  Markherzogtume 
Österreich  am  linken  Donauufer  an  Linz  vorbei  bis  an  die 
Große  und  an  die  Rausche-Mühel  reichenden  westlichen  Land- 
striche (Machland,  Biedmark,  Wachsenberg),  welche  von  dem 
Hauptkörper  des  Herzogtums  großenteils  noch  immer  durch  große 


*  Nicht  früher,  wie  YAiicsa,  Geschichte  Nieder-  and  OberOsterreichs,  8.  506, 
Anm.  2  za  vermuten  geneigt  scheint.  Denn  Witigo  füllte  schon  als  Land- 
schreiber von  Steiermark  die  Stelle  des  Landrichters  ans  (siehe  Gebart 
des  Landes  ob  der  Ens,  S.  118—119)  und  lag  fUr  KOnig  Otakar  kein 
Anlaß  vor,  ihm  dieselbe  in  dem  übriggebliebenen  Stücke  des  Steier- 
landes  in  dem  nur  nenn  Monate  noch  währenden  Zeitraome  bis  zar 
Ermordung  Witigos  zu  entziehen.. 


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185 

Waldungen  geschieden  waren  nnd  handgreiflich  die  Verwaltung 
von  (Nieder-)  Osterreich  ans  erschwerten,  von  letzterem  abgelöst 
nnd  mit  dem  Distrikte  ob  der  Ehis  zn  einem  homogenen  Lande 
verbünden  wurden.  Hierzu  mag  auch  der  Ratschlag  Woks  bei- 
getragen haben,  der  diesseits  und  jenseits  der  Rausche-Mühel 
begütert  war  xmd  den  wir  1258,  9.  Februar^  in  Schadlinz  (der 
heutigen  Stadt  ür£Ekhr  gegentlber  von  Linz,  damals  zum  Land- 
gerichte Wachsenberg  gehörig)  antreffen.  Das  Jahr  1255  bot 
auch  den  passendsten  und  sicherlich  den  einzigen  Anlaß  zur 
Abtrennung  dieser  Landstriche  und  zur  Abrundung  des  Di- 
striktes ob  der  Ens ;  denn  als  dem  Herzoge  Heinrich  XTTT.  von 
Bayern  vom  Könige  Rudolf  das  Land  ob  der  Ens  (,districtus 
noster  super  Anasum'  nennt  es  Heinrich  in  der  Urkunde  für 
Kloster  Meten  1277,  8.  April)*  verp&ndet  wurde,  muß  es  schon 
das  Gebiet  im  Norden  der  Donau  in  sich  begriffen  haben,  weil 
sonst  doch  nicht  die  Mitgift  seiner  Schwiegertochter,  der 
Schwester  Herzog  Albrechts,  nachträglich  (1283)  neben  Neu- 
burg am  In  auf  die  Burgen  Freistadt  und  Klingenberg  und 
auf  Mauthausen  angewiesen  worden  wäre.'  In  letzterem  Orte 
hat  auch  Herzog  Heinrich  noch  zu  Ostern  1280  dem  Kloster 
Baumgartenberg  die  Freiheiten  bestätigt.^ 

Hand  in  Hand  damit  wird  die  Vonückung  der  böhmischen 
Grenzen  an  die  heutige  Stelle  gegangen  sein;  denn  sicherlich 
nicht  ohne  tiefgehenden  Grund  wurde  dem  Könige  Otakar  in 
dem  Friedensvertrage  von  Wien  1277,  6.  Mai*^  auferlegt,   die 


'  Urkunde  Kopie  im  Allgem.  Reichsarchive  in  München  ex  cod.  tr^d.  qnarto 
pat.  foL  22';  in  Mon.  Boic.  XXIX  b,  119  bloßes  Regest.  Wok  sendet  seine 
Eigengüter  in  Ober-  und  Unter-Swant  und  in  Yreudental  (Riedmark) 
per  manom  H.  et  W.  junioris  de  Schovmbercb  der  Kircbe  Passau  auf. 
Actnm  in  Schadlincz. 

*  Mon.  Boie.  XI,  446. 

'  Böhmer,  Witteisbacher  Regesten,  S.  86.  Kleine  bayrische  Annalen  (Neues 
Archiv  XXIV,  689):  Rudolfds  rex  fuit  in  discordia  cum  dnee  Heinrioo 
Bavarie,  sed  sunt  concordati  restitntis  ipsi  regi  Lintza,  Welsa,  Styra  et 
aliis  castris  et  filio  suo  duci  Ottooi  assignatis  Castro  Nuwenburg  et 
Frienstat  et  Riedmarche. 

*  Lebitsch,  ,Thesaurns  monasterii  B.  Y.  M.  de  Monte  Pomoerio*,  p.  96  Hand- 
schrift in  der  Studienbibliothek  in  Linz. 

'  Redlich,  Regesta  Imperii  unter  KOnig  Rudolf,  Nr.  762.  Mon.  Germ.  Leges 
n,  414  ,meti8  Bohemie,  Morayie  et  Austrie  in  eo  statu  manentibus,  quo 
tempore  clare  memorie  Leupoldi  et  Friderici  ducum  Austrie  ab  iisdem 
dadbus  poMesse'. 


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136 

Marken  von  Böhmen^  M&hren  und  Österreich  wieder  so  her- 
zustellen, wie  sie  zur  Zeit  der  Herzoge  Liutpold  (VI.)  und 
Friedrich  (IL)  gewesen  seien,  mochte  auch  Otakar  noch  so  eifrig 
gegenteilige  Versicherungen  abgehen.^  Die  bezüglichen  An- 
sprüche Herzogs  Albrecht  I.,  gestützt  durch  den  Rechtspruch 
der  Reichs£Ürsten,  Grafen,  Freien  und  Dienstmannen  1288, 
12.  April,*  werden  nicht  wenig  dazu  beigetragen  haben,  die 
Zwietracht  mit  seinem  Schwager  König  Wenzel  U.  zu  nähren, 
so  daß  König  Rudolf  noch  vor  seinem  Tode  (1291)  zu  inter- 
venieren veranlaßt  wurde.  • 

Unter  dieser  Voraussetzung  erklärt  sich  denn  auch,  aus 
welchem  Grunde  das  österreichische  Landbuch,  dessen  Hand- 
schrift 2782  der  Wiener  Hofbibliothek  aus  diesem  Zeiträume 
(um  1290)  stammt,  in  der  Beschreibung  der  Grenzen  Öster- 
reichs bei  dem  Unctomberg  plötzlich  abbricht  und,  die  ganze 
Linie  der  oberösterreichisch- böhmischen  Grenze  übergehend, 
erst  wieder  auf  niederösterreichischem  Boden  einsetzt.  Ist  der 
Unctomberg  des  Landbuches  der  sogenannte  Güntherreuter 
Berg  an  den  vormaligen  Gemerken  der  Landgerichte  Schlägl 
und  Haslach,^  so  war  gerade  diejenige  Markung  ausgelassen, 
welche  damals  zwischen  Böhmen  und  Osterreich  strittig  war. 
Die  bayrische  Grenze  scheint  zu  dieser  Zeit  schon  von  Ka- 
pellen zurückgewichen,  wenigstens  von  Albrecht  nicht  mehr 
geachtet  und  der  Anspruch  der  Landeshoheit  auch  über  das 
Obergericht  der  Witigonen  ausgedehnt  worden  zu  sein. 

Die  so  lange  schwebende  Grenzfrage  wird  durch  König 
Rudolf  bei  der  Zusammenkunft  in  Erfurt  (April  1290)  zugun- 
sten Böhmens  aus  der  Welt  geschafft  worden  sein;  denn  da- 
mals sandte  Rudolf  seinen  Sohn  Herzog  Rudolf  mit  einem 
Heere  dem  König  Wenzel  gegen  die  Witigonen  zu  Hilfe  und 
bestand  noch  nicht  die  hochgradige  Erbitterung  der  Schwäger 
gegeneinander.  Wenzel  war  damals  auch  in  der  Lage,  dem 
österreichischen  Herzog  ein  Äquivalent  für  den  Verzicht  auf 
weitere  Verfolgung   der  österreichischen  Grenzansprüche  anzu- 


^  Redlich,  Regesta  Imperii  nnter  König  Rudolf,  Nr.  800. 

»  a.  a.  O.  Nr.  2162.  »  a.  a.  O.  Nr.  2416. 

*  Siehe  den  Aufsatz:  I.  der  Unctomberg  des  Landbuches  in  Mitteil,  des 
Inst,  für  Osterr.  Geschichtsf.  XXIV,  647  ff.  An  den  Berg  swischen  Rosenau 
und  Unter-Urasch  ist  nicht  zu  denken,  derselbe  liegt  von  der  Großen 
Mühel  zurück  und  bat  eine  runde  Kuppe. 


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bieten;  denn  la  verrnnten,  daß  Albreoht  ohne  entsprechende 
Gegenleistung  sich  beruhigt  hätte^  hieße  das  Wesen  dessell^n 
vollständig  verkennen^  da  er  sich  bei  der  Wiedererlangung 
verloren  gegangener  Rechte  oder  Ansprüche  keinerlei  Rück- 
sichten auferlegte,  wie  sein  Vorgehen  bei  Elröfinung  des  Sala- 
baues  im  Gosautale  seigt  (worüber  die  zweite  Abhandlung  be* 
riditen  wird),  so  daß  er  schon  kurze  Zeit  nach  Besteigung  des 
Fürstenstuhles  von  seinem  Vat^r  König  Rudolf  ernstlich  er- 
mahnt werden  mußte,  den  Bischof  Gottfried  von  Passau  schon 
um  der  Verdienste  um  seine  Person  selbst  halber  gebührlicher 
zu  behandeln.^ 

Dieses  Äquivalent  war  die  große  Herrschaft  Falkenstein 
zwischen  Ranna  und  Großer  Mühel,  gehörig  dem  Witigonen 
Zawisch  von  Krummau,  welche  nun  Herzog  Albrecht  gleichsam 
als  Achtvollstrecker  des  böhmischen  Königs  1289  in  seine  Ge- 
walt brachte  und  in  derselben  fortan  behielt.  Albrecht  hätte 
nicht  der  gewiegte  Politiker  sein  dürfen,  der  er  tatsächlich  ge- 
wesen ist,  wenn  er  nicht  sogleich  erkannt  hätte,  daß  dieser 
Besitz  ihm  die  Ausdehnung  der  Territorialhoheit  bis  an  die 
Ranna  verbürge  und  das  passauische  Kirchengut  unter  seine 
Herzogsgewalt  beuge.  Die  rasche  Entwicklung  dieser  Verhält- 
nisse wird  im  zehnten  Abschnitte  auseinandergesetzt  werden, 
welcher  überhaupt  die  quellenmäßige  Ergänzung  zu  dem  Ge- 
sagten bildet. 

Mit  der  Besitznahme  von  Falkenstein  sind  die  Grenzen 
des  oberösterreichischen  Territoriums  gegen  Westen  endgültige 
geworden;  die  Ausdehnung  derselben  hinein  in  das  Herz  des 
Passauer  geistlichen  Fürstentums  (von  1606  bis  1765)  blieb 
eine  Episode. 

Die  Darstellung  der  Grenzfrage  war  eine  äußerst  schwie- 
rige, da  die  Archive  jede  direkte  Auskunft  versagten.  So  sicher 
es  ist,  daß  die  Grenzen  zwischen  Böhmen  und  Oberösterreich 
andere  als  die  heutigen  waren,  so  gering  waren  die  urkund- 
lichen Spuren,  aus  welchen  der  frühere  Grenzzug  ermittelt 
werden  konnte.  An  Fleiß,  solche  ausfindig  zu  machen  und  aus 
politischen  Verhältnissen  Rückschlüsse  zu  ziehen,  hat  es  der 
Ver&sser  nicht  fehlen  lassen.  Er  glaubt  daher,  im  vorstehen- 
den keinen   bloßen   Hypothesenbau   zu  bieten,    ist  aber  weit 


*  Redlich,  Regesta  Imperii  unter  K(}nig  Rudolf,  Nr.  1869. 

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138 

entfernt,  den  Anspruch  zu  erheben,  mit  seinen  Aufstellongen 
und  Anregungen  jedesmal  das  Richtige  getroffen  zu  haben; 
einem  nachfolgenden  Forscher  mag  es  gelingen,  sich  reicheres 
Material  zu  verschaffen,  Verhältnisse,  welche  sich  dem  ersten 
spähenden  Blicke  verborgen  hielten,  ganz  klarzulegen  und  das, 
was  noch  als  Hypothese  belassen  werden  mußte,  zur  histori- 
schen Gewißheit  zu  erheben. 


Fünfter  Abschnitt. 

Das  12.  Jahrhundert  Die  großen  freien  Geschlechter 
und  der  Eirchenbesitz. 

Die  neue  Ostmark  war  bei  ihrer  Wiedererrichtung  nach 
der  Schlacht  am  Lech  auf  die  Einwanderung  aus  dem  Stamm- 
lande Bayern  angewiesen,  sowohl  was  Verteidigung,  als  auch 
was  die  Kulturarbeit  betraf.  Den  hochfreien  Geschlechtem 
überwies  die  Gunst  der  Könige  umfangreiche  Strecken  herren- 
losen oder  verödeten  Landes,  zumal  bedeutende  Anteile  des 
Nordwaldes,  der  in  dichten  Beständen  das  linke  Donauufer  er- 
füllte. Die  alten  Geschlechter  sind  längst  dahingegangen,  ihre 
Güter  an  die  Kirche  vergabt  oder  vom  Landesfürsten  einge- 
zogen, die  Gabbriefe,  soweit  solche  ausgefertigt  wurden,  bis 
auf  seltene  Ausnahmen  verloren.  Ein  solcher  von  König  Otto  DI. 
zu  Rom  998,  29.  April  *  über  das  Gut  Nöchling  fllr  seinen 
NeflFen  Herzog  Heinrich  von  Bayern  ausgestellt,  ist  erhalten 
geblieben;  er  interessiert  an  dieser  Stelle,  weil  er  für  die  ur- 
sprüngliche Zugehörigkeit  der  Riedmark  zur  neuen  Ostmark 
Zeugnis  ablegt.  Denn  das  predium  Nochilinga  wird  bezeichnet 
als  gelegen  in  pago  Osterriche  vocitato  ac  comitatu  heinrici 
marchionis  et  inter  fluvios  Ispera  et  Sabinicha,  also  in  der  Ge- 
gend westlich  vom  Isperbache,  welcher  in  späterer  Zeit  wenig- 
stens im  Oberlaufe  die  Riedmark  abschloß. 

Von  der  Isper  bis  zur  Hz  hinauf  finden  wir  im  Beginne 
des  12.  Jahrhunderts  sechs  hochfreie  Sippen  angesessen:  die 
Herren  von  Machland  und  Perge,  die  Herren  von  Aist,  die 
Herren  von  Haunsperg,    die  Herren  von  Wilhering-Wachsen- 


1  Mon.  Germ.  Dipl.  n,  711. 


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139 

berg,  die  Herren  von  Schönhering-Blankenberg,  die  Herren  von 
Griesbach,  dazwischen  Besitz  der  Hochstifter  Regensbnrg  and 
Passan. 

Die  Herren  von  Perge,  welche  sich  erst  um  1100  in  die 
beiden  Zweige  von  Perge  und  von  Machland  teilten^  sind  es 
zweifellos  gewesen,  welche  im  11.  Jahrhundert  dem  rauhen 
Forste  große  Stücke  Kulturlandes  abgerungen,  im  Flachlande 
1141  des  Zisterzienserkloster  Baumgartenberg,  am  steilen  Ufer- 
rande 1147  das  Chorherrenstift  Sabnich  (Waldhausen)  gegrtLn- 
det  haben.  Mit  der  Erbtochter  Walchuns  von  Machland-Eüamm, 
Adelheid,  fiel  der  Besitz  des  Machländer  Zweiges  an  die  Grafen 
von  Velburg,  von  ihrem  Enkel  Graf  Ulrich  von  Velburg- 
Klamm  1218  vertragsmäßig  an  Herzog  Liutpold  VI.,  nachdem 
das  Eigen  des  Perger  Zweiges,  schon  zu  Lehen  geworden,  nach 
dem  Tode  des  letzten  Namensträgers  des  Vogtes  Friedrich  be- 
reits 1191  eingezogen  worden  war. 

Der  Besitz  dieses  großen  Geschlechtes  war  weit  und  breit 
zerstreut;  auf  oberösterreichischem  Boden  nördlich  der  Donau 
reichte  er  vom  Weidenbache  bei  Hirschenau  herauf  bis  an  die 
Aist  und  Waldaist;  aus  den  Urkunden,  zumal  jenen  über  die 
Stiftung  der  Pfarre  Pergkirchen,  ist  deutlich  zu  entnehmen, 
daß  die  Güter  der  beiden  Familienzweige  durch  den  Falken- 
auerbach  (bei  Dobra  nächst  Arbing)  getrennt  wurden,  von  wel- 
chem die  Scheidelinie  über  die  Nam  hinüber  nach  Ruprechts- 
hofen  zur  Donau  lief.  Die  Burg  Perge,  von  welcher  das  öster- 
reichische Landbuch  spricht,  dürfte  kaum  an  der  Stelle 
gestanden  sein,  wohin  sie  die  ältere  Spezialkarte  versetzt; 
dieselbe  hätte  dem  Augenscheine  nach  selbst  ftir  einen  be- 
scheidenen Burgstall  nicht  Raum  geboten.  Die  Burg  Machland 
stand  offenbar  auf  der  Stätte  des  nachmaligen  Klosters  Baum- 
gartenberg. ^ 

Zur  Übersicht  der  Versippung  dieses  Geschlechtes  mit 
anderen  Familien  diene  nachstehende  Stammtafel  nach  Meiller, 
Salzburger  Regesten,  S.  467,  jedoch  teilweise  ergänzt  und  be- 
richtigt: 


^  Otto  Yon  Machland  widmete  »castrum  Bunm'  zu  einem  Kloster  1141, 
OberOsterreichisches  Urknndenbach  II,  192.  Die  Urkunden  von  Baum- 
gartenberg  und  Waldhansen  bedärfeu  einer  eingehenden  Untersuchung, 
da  sie  manche  Fälschungen  enthalten. 


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141 

Über  die  Abstammung  des  Herrn  Dietmar  von  Aist,  der 
in  ansehnlicher  Stellung  auftritt^  sind  wir  durch  eine  Tradition 
nach  St.  Peter ^  unterrichtet;  als  bereits  verstorben  wird  er  in 
dem  Diplome  Herzog  Heinrichs  1171*  gemeldet. 

Die  Bnrg  Aist  erhob  sich^  in  kurzer  Entfernung  von 
der  Straße  Mauthausen-Freistadt  im  Westen  des  Dorfes  Alt- 
aist  auf  einem  kleinen  Plateau  der  nordöstlichen  Halde  des 
443  m  hohen  Altaistberges,  Parzelle  320  des  alten  stabilen  Ka- 
tasters der  Steuergemeinde  Altaist,  auf  welcher  wieder  der 
Hochwald  aufgeschossen  ist.  Die  Anlage  weist  auf  eine  früh- 
mittelalterliche Entstehung  hin.  Die  letzten  Reste  der  Ruine 
wurden  1778  zum  Umbaue  des  Kneißlhofes  in  Altaist  ver- 
wendet. 

Nach  dem  Tode  Dietmars  gedieh  die  Burg  mit  der  Hand 
seiner  Schwester  Sofie  an  Engelbert  (H.)  von  Schönhering- 
Blankenberg.^  Im  13.  Jahrhundert  finden  wir  die  Ortschaft  Alt- 
aist mit  der  ganzen  Umgebung^  die  füglich  als  Herrschafts- 
gebiet von  Aist  zu  betrachten  ist;  im  Urbar  der  Babenberger^ 
ohne  daß  im  Landbuche  eine  Nachricht  erhalten  ist,  auf  welche 
Weise  sie  an  die  Herzoge  gelangt  ist. 

Lasberg  und  Umgebung*^  wurden  nach  dem  Tode  Hein- 
richs von  Griesbach  vom  LandesflLrsten  eingezogen  ^  jedoch 
wieder  zu  Lehen  ausgetan.  Nirgends  häufiger  als  in  der  P£uTe 
Lasberg  kommen  noch  in  den  letzten  Jahrhunderten  des  Mittel- 
alters landesftirstliche  Lehen  vor;  die  Feste  Lasberg,  welche 
Hans  der  Lasperger  als  österreichisches  Lehen  besaß/  stand 
nicht  im  Aigen  Lasberg,  sondern  war  gleichbedeutend  mit  der 
Veste  Domach,  welche  noch  im  Anfange  des  15.  Jahrhunderts 
in  der  Lmehabung  der  Lasberger  war. 


^  Hattthaler,  Salsb.  Urknndenbach  I,  376. 

'  OberOsterreichisches  Urkandenbnch  U,  846. 

'  KAch  den  technischen  Erhebungen  des  Gntsverwalters  a.  D.  Ludwig 
Benesch  in  Lini,  die  er  dem  Verfasser  vor  Abdruck  des  Auftatses  ,Ver* 
•chwundene  Burgen  der  Aistgegend'  in  der  jLinser  Tagespost'  (Unter- 
haltungsbeilage) mitauteilen  die  Güte  hatte.  Nun  abgedruckt  Nr.  84. 

*  Vgl.  die  Aldersbacher  Au&ehreibung,  Oberösterreichisohes  Urkundenbnch 
n,  843. 

'  Zirka  1160  vergabte  Bichza  Tidua  domini  Walchuni  de  Griespaoh  ein 
predium  in  Riedmark  an  Passau.  Mon.  Boic.  XXEXb,  266. 

^  Lehenbuch  H.  Albrecht  VL  1896  im  Wiener  Haus-,  Hof-  und  Staats- 
aichiT,  Sign.  39. 


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142 

Zwischen  den  Gebieten  der  Perge-Machland  und  jenen 
der  Aister  and  Griesbacher  schob  sich  der  Besitz  der  Kirche 
Begensbnrg  zwischen  Aist  und  Waldaist  einerseits  and  der 
Nam  andererseits  ein;  derselbe  reichte  von  Aisthofen  (südlich 
Schwertberg)  bis  in  die  Pfarre  Schönaa  (stldwestlich  ünter- 
Weißenbach)^  wo  er  an  die  ehemals  machländischen^  seit  1218 
herzoglichen  Eigen  der  Pflege  Ratenstein  stieß.  Noch  im  Jahre 
1793^  sind  verschiedene  Güter  in  den  Pfarren  Zell  bei  Zellhof 
and  Schönaa  mit  dem  Lehenbande  von  Regensbarg  behaftet, 
obwohl  der  Markt  Zell  samt  Gütern,  Baaem  and  Holden  and 
den  Beatellehen  in  den  Pfarren  Tragein,  Zell,  Schönaa,  Schwert- 
berg, Arbing,  Pergkirchen  and  Wartberg  vom  Bistamsadmi- 
nistrator  von  Regensbarg  Johann  bereits  1536,  1.  Mai  an  Hille- 
prand  Jörger  veräaßert*  and  1605,  13.  September  •  aach  die 
Feste  and  Herrschaft  Windeck  dem  Herrn  Georg  Erasmas  v. 
Tschemembl  freigemacht  worden  waren.  Der  Landstrich  war 
einer  der  drei  Lasse  des  Bistams  Regensbarg,  von  denen  das 
Landbach  spricht.  ,Der  ein  llz  hevet  sich  an  dem  Peheimischen 
gemerch  zwischen  der  Narde  ant  der  Agst  den  zwein  wazzem 
antz  in  die  Tanowe.'*  Nicht  richtig  ist  aber  die  Behaaptang 
des  Landbaches,  daß  ,der  herzöge  von  Österreich^  diesen  Laß 
von  Regensbarg  za  Lehen  hatte,  erst  König  Otakar  zog  ihn 
an  sich  and  belehnte  die  Kaenringer  von  Steyregg  mit  der  Feste 
Windeck,  welche  wahrscheinlich  bis  1235  ein  Kirchenlehen  der 
Domvögte  von  Lengenbach  war;  König  Radolf  verfllgte  1277 
die  Rückstellang  von  Zell,  Henberg  and  Aisthofen,^  Herzog 
Albrecht  1287  die  Wiederherstellang  der  Lehensherrlichkeit 
des  Hochstiftes  über  Windeck.^ 


^  Als  Regensbnrger  Lehen  erscheinen  im  alten  Gnmdbnche  Zellhof:  das 
große  Geroldslehnergut  zn  Zellhof,  das  Biglergnt  zu  Enollhof,  das  Banem- 
und  das  Lngbichlergut  zn  Lanzendorf,  das  Wagenlehner-,  das  Kotriener-, 
das  Wilhelm-  nnd  das  Fragnergnt  zu  Aich,  das  Rablgnt  zn  Hirtlhof,  das 
Fischl-  nnd  das  Großschergengnt  nnd  das  Kleinschergenhaas  zn  Wol&- 
gmb,  das  Anrolzlehnergnt  in  Straß.  Diese  Lehen  wurden  1803  landes- 
fürstlich, waren  mit  dem  Besitze  der  Herrschaft  Zellhof  verbunden.  (Ver- 
zeichnis vom  Jahre  1818  im  Archive  Greinburg.) 

'  Kopie  im  Archive  Greinburg  (Abt.  Prandegg). 

•  Registratur  über  die  bei  der  Herrschaft  Schwertbeig  vorhandenen  Brief- 
schaften im  Schloßarchive  Schwertberg. 

*  Mon.  Germ.  Deutsche  Chroniken  ni/2,  S.  714. 

'  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  HI,  470.  •  a.  a.  O.  IV,  76,  76. 


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143 

Was  der  codex,  trad.  pat.  qnartu8  ans  der  Mitte  des 
13.  Jahriiimderts  von  den  Besitzungen  zwischen  Flemitz  und 
Feidaist,  dann  zwischen  Waldaist  und  Feidaist  behauptet, 
welche  der  Domvogt  von  Regensburg  von  der  EJrche  Passau 
za  Lehen  getragen  haben  soll/  findet  keine  urkundliche  Be* 
stfttigung.  Dagegen  war  das  Schloß  Steyregg  (Steyrheke 
castnun),  das  vormals  ^dominus  de  hagenowe^  innegehabt, 
passauisches  Lehen  des  Steiermärkers  Liutold  von  Wildon ;  die 
Herrschaft  dehnte  sich  schon  um  1220  über  die  Donau  um 
Linz  und  den  Kümberg  herum  bis  in  die  Pfiirre  Alkoven 
ans,  wo  ein  Holde  in  Raffelding  bei  Eferding  erwähnt  wird.' 
Durch  Liutolds  Tochter  Gertrud  kam  Steyregg  1241  an  AI- 
bero  von  Knenring,'  1280  an  die  Herren  von  Kapellen.  Wenn 
die  Aufschreibung  von  1254 — 1256  (nicht  zirka  1150,  wie  die 
Hon.  Boic.  und  das  oberösterreichische  Urkundenbuch  angeben) 
behauptet,  ,omnia  ad  castrum  pertinentia^  seien  hochstiftische 
Lehen,  so  ist  das  nur  von  dem  Besitzstande  der  gedachten 
Zeit  zu  verstehen;  denn  die  Hintersassen  um  Altaist  (später 
Amt  Altenhaus  mit  eigenem  Pantaiding^  wurden  von  denen 
von  Kapellen  aus  österreichischem  Herzogsgute  erworben. 

Das  Schloß  Riedegg  (castrum  Riedekke),  für  welches 
ein  Besitztitel  mangelt,  dürfte  das  Hochstift  von  dem  letzten 
Haunsberger  Gottschalk  erworben  haben;  nach  der  Vermutung 
Handel-Mazettis  wird  jener  Gotschalcus  de  Riedekke,  der  in 
zwei  Urkunden  des  Jahres  1157  genannt  wird,^  ein  Hauns- 
berger geweseji  sein.  Vom  Bischof  Rudiger  vor  1250  an  Ulrich 
von  Lobenstein  verpfändet,  jedoch  1256^  zurückgelöst,  wurde 
die  Herrschaft  mit  dem  Markte  Gallneukirchen  1411  an  die 
Starhemberger  veräußert. 

Den  Freien  von  Haunsperg,^  welche  am  linken  Donau- 
nfer  gegen  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  als  Nachbarn  von 
Wilhering  auftreten,    gehörte  der  lange  Landstrich,   welcher 


^  Mon.  Boic.  XXIXb,  216. 

'  OberOsteireichiBches  Urkundenbuch  n,  488. 

»  «.  «.  O.  m,  97. 

*  Im  SehloßarchiTe  Steyregg.   Vgl.  das  Lehenbach  Jansen  von    Kapellen 
im  Elferdinger  Archive,  Abschrift  im  Linzer  Mosenm. 

»  Mon.  Boic.  XXVHIb,  111,  237. 

*  OberOeterreichisches  Urkundenbuch  m,  230. 

^  Stammtafel  bei  Handel-Mazzetti,  ,Das  Gemärke  von  Wildberg*,  S.  51. 


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144 

östlich  von  der  Saomstraße^  welche  von  Urfahr  durch  den 
Haselgraben  über  Helmonsöd,  Rudersbach,  Sonnberg,  Zwetl 
und  Leonfelden  nach  Böhmen  f^rt  und  westlich  von  einer 
Linie  begrenzt  wird,  welche  etwa  über  E^mmerschlag  und 
den  Schefweg  zur  Rotel,  dann  jenseits  derselben  durch  den 
Brunnwald  und  Stemwald  zu  ziehen  ist.  Durch  die  domina 
Adelheid  von  Haunsperg,  wohl  die  Tochter  des  letzten  Haun- 
spergers,  gelangte  der  ganze  Komplex  mit  der  Burg  Wildberg, 
dem  Hochstifte  zu  Lehen  aufgetragen,  an  den  Dienstmann  Gun- 
dacker  von  Steyr,  den  Stammvater  der  Starhemberger  (1198). 
Wie  aus  den  Grenzbeschreibungen  hervorgeht,^  fielen  die  Herr- 
schaftsgrenzen weder  mit  der  alten  Grenze  der  österreichischen 
Mark  und  Bayerns  (vor  1180),  noch  mit  jenen  der  Gerichte 
Freistadt  und  Wachsenberg  zusammen. 

Nach  dem  Gebiete  der  Haunsperger  folgten  im  Westen 
die  Besitzungen  der  Herren  von  Wilhering,  die  nach  der  Klo- 
stergründung sich  von  Wachsenberg  nannten.  Ihre  Stamm- 
sitze lagen  in  Niederbayem,  doch  wird  das  castellum  Willehe- 
ringen schon  im  Jahre  1122  genannt.*  Ulrich  der  Altere  und 
seine  Hausfrau  Ottilia  stifteten  die  Pfarre  Grammastetten  1 110,' 
der  jüngere  Ulrich,  dessen  Bruder  Kolo  und  Schwester  Eli- 
sabeth wurden  die  Stifter  des  Klosters  Wilhering.  Mit  Elisabeth^ 
ging  Wachsenberg  an  die  Herren  von  Griesbach  über. 

Auch  letztere  dürften  ursprünglich  am  rechten  Donauufer 
ansässig  gewesen  sein,  wenigstens  hatten  sie  noch  zirka  1165 
Lehenbesitz  zu  Hellham  in  der  Pfarre  Aspach  (Amtsgericht 
Rottalmünster).^  Um  Lasberg  bei  Freistadt  gründeten  sie  die 
Kirche  aus  grünem  Walde.  Zur  Zeit,  als  sie  in  Urkunden  auf- 
treten, lag  ihr  Hauptbesitz  am  linken  Donauufer  zwischen  Hz 
und  Ranna  und  tief  landeinwärts  in  den  Nordwald.  Wir  kennen 
denselben  ganz  genau,  weil  eine  urbariale  Aufzeichnung  davon 

^  OberOsterreichisches  Urkundenbach  11,  461;  Mon.  Boio.  XXIX  b,  471; 
Hftndel-Mazzetti,  a.  a.  O.  S.  48. 

»  Mon.  Boic.  IV,  127. 

'  OberlJsterreichisches  Urkundenbach  H,  129. 

*  Da  Elisabeth  nach  dem  Jahre  1206  nicht  weiter  vorkommt  und  nicht, 
wie  Stilla  irrig  annahm,  noch  1221 — 1280  lebte,  besteht  kein  Hindernis, 
die  ,Stifterin*  Elisabeth  von  Waohsenberg  mit  der  Schwester  der  Stifter 
zu  identifizieren,  um  so  weniger,  als  sie  schon  1194  erwachsene  SOhne 
hatte. 

»  Mon.  Boic.  V,  20. 


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146 

aus  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhnnderts  erhalten  ist^ 
Dieselbe  beginnt  mit  den  Worten:  ,Item  iudiciom  in  onmibus 
bonis  Eberhard!  de  Wazeinsdorf  ceperat  yacare  domino  de 
Wcsinberch*,  zählt  dann  eine  lange  Reihe  •von  Gütern  und  Ort- 
schaften auf,  womach  sie  bemerkt:  ,In  hiis  omnibas  villis  et 
locis  snpradiciis  dominus  H.  de  Waessenberch  jurisdictionem 
iadidi*  habebat  ad  terminum  vite  sue^^  fkhrt  dann  fort:  ,Pre- 
terea  in  hiis  vilUs',  worauf  eine  weitere  Besitzreihe  folgt,  und 
schließt  mit  dem  Absätze:  ,Hec  sunt  ville  in  quibus  Chunradus 
de  Valchinstein  iudicium  tenuit  post  obitum  domini  H.  de 
Waessenberch  contra  iusticiam.  Nidemdorf  iuxta  Oriezpach. 
Chranwit.  Puchaehe.  Grube.  Wingozsdorf.  Papensperge.  Pfaffen- 
riut  Hezelsdorf.  Gunthersperge.  Schaibinge.  Huntsrukke.  Jaer- 
dort  Pouzinspei^e.* 

Als  freier  Besitz  werden  folgende  Ortlichkeiten  benannt: 
Schmiding  Pfarre  Tymau,  Donauwezdorf  und  Kammer- 
wezdorf (utrumque  Wezeinsdorf)  Pfarre  Tymau,  Kudolfing  (zwi- 
schen Griesbach  und  Eck),  Gundachersperge,  Wilhartsberg 
Pfiure  Straßkirchen,  Jageröd  (Jagemriute)  Pf^r^e  Straßkirchen, 
Glozing  (Glazinperge  mit  Ausnahme  der  Güter  H.  von  Auf- 
haus^i)  Pfiurre  Hauzenberg,  Suenechinsdorf,  Waming  (utrum- 
que Weminge)  Pfarre  Tymau,  Katzendorf  (utrumque  Chazin- 
zagil)  Pfarre  Huttum,  Kamping  Pfarre  Straßkirchen,  Schwieging 
Pfarre  Straßkirchen,  Kriezing  Pfarre  Straßkirchen,  StoUing 
Pfarre  Straßkirchen,  Elranwitten  Pfia.rre  Straßkirchen,  Grillinge, 
Ghirtsowe,  Wazinge,  Hattingerhof  Pfarre  Hauzenberg,  Germans- 
berg Pfarre  Huttum,  Hertwigesprante,  Krempelsberg  Pfarre 
Huttum,  Gözendorf  (Gezpach)  Pfarre  Straßkirchen,  Heizing 
Pfarre  Tymau,  Vocking  (Wottinge)  Pfarre  Tymau,  Bembach 
Pfarre  Huttum,  Tragenreut  Pfarre  Huttum,  Niederpretz  (mit 
Ausnahme  der  Güter  der  Söhne  Heinrichs)  Pfarre  Kömbach, 
Oberpretz  Pfarre  Huttum  (mit  Ausnahme  von  zwei  Lehen,  die 
nach  Pözerreut  Pfarre  Römbach  gehörten),  ganz  Wilhelmsreut 


^  Im   Index   reditnom    ecclesiae    pAtav.    Mon.  Boic.  XXVUIb,   169 — 170, 
464—465. 

'  Oleichbedeatend  mit  Judicium  provinciale.  Daß  den  Griesbachern  Gra- 
fenrechte snstanden,  zei^  die  Stelle  ,cometie  trans  Danubium,  quam 
quidam  Heinricoa  nobilis  de  Waessenberch  quandoque  possedit*  im  Ver- 
gleiche des  Grafen  Rapoto  von  Ortenberg  mit  Passau  1241,  19.  Februar, 
Mon.  Boic.  XXVIIIb,  841. 
Arckiv.  XCiy.  B«id.  11 


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146 

Pfarre  Rörnbach,  Lueinsriute  (Ulrichsreut?),  Höberberg  Pfarre 
Römbach,  Steinerlaimbach  Pfarre  Rörnbach,  Mitter-  und  Ober- 
laimbach  Pfarre  Waldkirchen  (tria  Leimbach),  Gotschalchesrivte 
(Goggereut),  Ödhof  und  Landmansberg  Pfarre  Rörnbach,  Praß- 
reut Pfarre  Rörnbach,  Marchetsreut  Pfarre  Rörnbach,  Emperts- 
reut  Pfarre  Rörnbach,  KoUberg  Pfarre  Rörnbach,  Neureut 
Pfarre  Rörnbach,  Reiteisberg  (Reitleinsberg)  Pfarre  Rörnbach, 
Mortperch  (Marktberg),  Nunnendobl  (Munddobl)  Pfarre  Rörn- 
bach, Cigilstadel,  Falkenbach  (Valchinberch)  Pfarre  Rörnbach, 
Köppenreut  Pfarre  Rörnbach,  Garham  Pfarre  Rörnbach,  Eum- 
reut  (Chugenriute)  Pfarre  Rörnbach,  Obemdorf  nächst  Rörn- 
bach mit  Ausnahme  des  Hofes  Ludwigs,  Rorenbach  (Markt 
Rörnbach),  eine  Mühle  in  Laimbach  und  eine  in  Kollberg, 
Rumpelstadel  Pfarre  Rörnbach,  Harsdorf  (Haistolfsdorf)  Pfarre 
Rörnbach  mit  Ausnahme  der  Güter  Imfrieds  und  H.  von 
Pocksruck,  Rappmannsberg  (Rachemannesperge)  Pferre  Rörn- 
bach, Liebemannesriute  (mit  Ausnahme  der  Güter  Raffolds)^ 
Grillenperge  mit  Ausnahme  des  Hofes  Rafolds  (Grillaberg  Pfarre 
Waldkirchen),  'Dwerhennowe  mit  Ausnahme  des  Hofes  Rafolds^ 
Earlsbach  Pfarre  Waldkirchen,  Wozmansreut  Pfarre  Wald- 
kirchen, Raffelsberg  Pfarre  Waldkirchen,  Höhenberg  Pfarre 
Waldkirchen,  Libdorf,  Rudolfinge,  SoUing  (Sellinge)  Pfarre 
Waldkirchen,  ünholdenberg  Pfarre  Waldkirchen,  Oberhöhen- 
stetten  (Oberhohenstegen)  Pfarre  Waldkirchen,  Außerprünst 
(Prunste)  Pfarre  Rörnbach,  Deching  Pfarre  Rörnbach,  Ernsting 
Pfarre  Rörnbach,  Lenzingerberg  Pfarre  Huttum,  Sldenrivte 
(Saderreut  Pfarre  Huttum),  Tungozinge,  ein  Hof  in  Pezenstadel 
Pfarre  Hauzenberg,  der  Hof  Wingersdorf  Pfarre  Kellberg. 

Außerdem  in  folgenden  Orten  (Preterea  in  hiis  villis):  in 
Adelungaeriute,  in  Eberhartsriute,^  in  Pühret  (Pirchae)  Pfarre 
Rannariedl,  in  Grub  (Grube)  Pfarre  Rannariedl,  in  Reinol- 
desriute,  in  Eizendorf  (Eizendorf)  Pfarre  Rannariedl,  in  Groß- 
Mollesberg  (in  maiori  Malensperge)  Pfarre  Rannariedl,  in  Kro- 
tental  Pfarre  Gotsdorf,  in  Kinzesberg  (Gunthersperge)  Pfarre 
Griesbach,    Hastorf  (Hezelsdorf)    Pfarre    Griesbach,    Rackling 


^  Diese  beiden  örtlichkeiten  lassen  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  identifi- 
zieren; sie  dürften  jedoch  in  der  späteren  Ortschaft  Nenstift,  welche  im 
Jahre  1509  bereits  32  Lehen  zählte,  enthalten  sein;  in  Reinoldsrent, 
welches  im  Dialekte  Ranneried  oder  Rannaried  lauten  sollte,  ist  die 
heutige  Ortschaft  Dorf  Rannariedl  zu  vermuten. 


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147 

(Raekeleinsdorf)  Pfarre  Obemzell,  in  Houzinberge  (Markt 
Hauzenberg),  in  Grub  bei  Hanzenberg,  in  Od  bei  Jardorf, 
in  Schergendorf  Pfarre  Griesbach,  in  Mitterreut  Pfarre  Gries- 
hach,  in  Hondsmek  Pfarre  Griesbach,  in  Ederlsdorf  (Ederams- 
dorf)  Pfiure  Obemzell,  F^rsezing  bei  Hanzenberg,  Garham  bei 
Hanzenberg,  in  Hnnaberg  (Hnngerperge)  Pfarre  Hanzenberg 
samt  M&ble,  in  Fattendorf  (Vatendorf )  samt  Mühle,  in  Zwölfling 
Pfarre  Tyman,  in  Baßbach  (Kispach)  Pfarre  Tyman,  in  Oberan 
bis  ünterau,  in  Pezenstadel  Pfarre  Hanzenberg,  in  Pfaffenrent 
Pfarre  Griesbach,  in  Widahe  (Weidach  oder  Weiret),  in  Kndol- 
fing  zwischen  Griesbach  und  Eck,  in  Leizesberg  Pfarre  Gries- 
bach, in  Banzing  südwestlich  Hanzenberg  Gemeinde  Wotzdorf, 
in  Chalptrage,  in  Eggersdorf  bei  Kellberg,  in  Kapfham  bei 
Kellberg,  Leiten  Pfarre  Kellberg,  Reut,  Bnchsee  Pfarre  Kell- 
berg, in  Zwecking,  in  Sazbach  Pfarre  Tyman,  in  Pisling  Pfarre 
Kellberg,  Eck,  Anbach  Pfarre  Kellberg,  Niederndorf  Pfarre 
Obemzell,  Od  (Ober-  nnd  unter-)  Pfarre  Griesbach,  Kronawiten 
Pfarre  Obemzell,  Widen,  Tanbing  (Donhinge)  Pfarre  Gries- 
bach, Pabesperge,  Unter-Ezdorf  Pfarre  Griesbach. 

Von  den  Lehen  Wemhers  von  Winsperch:  4^/,  Güter  in 
Leizesberg,  ein  halbes  Gnt  zn  Eck  bei  Griesbach,  ein  Hof  in 
Mazenberg,  ein  halbes  Gnt  in  Wezendorf  (ohne  DiflFerenzie- 
nmg),  ein  halbes  Gnt  in  Erlazwisel,  welche  Bischof  Otto  nm 
1255  dem  Pilgrim  von  Tannberg  verlieh,*  dürfte  wenigstens 
ein  Teil  vormaliges  Griesbachsches  Eigen  gewesen  sein. 

Was  das  Hochstift  selbst  nrsprünglich  im  Lande  der  Abtei 
besaß,  verzeichnet  der  Lonsdorfer  Kodex  nnter  der  Rubrik: 
,Ista  sunt  nomina  villamm  et  locornm  in  Abbatia,  ad  que  per- 
tingere  debet  Judicium  et  jurisdictio  domini  pataviensis  epi- 
scopi/*  Sie  werden  zur  Übersicht  und  zum  Vergleiche  gleich 
hierher  gesetzt: 

,Termini  qui  vulgariter  dicuntur  Enzenwisen  Ahan,  atti- 
nent  episcopo',  weiters  die  ürbaruntertanen  der  Kirche,  gleich- 
falls alle  Güter,  welche  Pabo  von  Liebenstein  besaß.  Ferner 
steht  dem  Bischof  das  Gericht  zu  auf  allem  Besitz  der  Edlen 
von  Hals  in  der  Abtei,  ebenso  auf  jenem  Tiemos  von  Puchberg, 
das  ganze  Gericht  ,quod  Pamse  habuit',  das  Gericht  Wemhers 


*  Mon.  Boic.  XXIX  b,  232. 
•a.a.O.  XXVrab,  464. 

11* 


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148 

von  Altenhofen,  dann  auf  den  Obleigtttem  der  Nonnen  (von 
Niedemburg)  und  der  Geistlichkeit  in  Passau^  die  Güter  Eberos 
von  Laimbach.  ,Item  bona  cuiuscunque  ftierint,  que  infira  Walt- 
kirchen et  nemus  Boemorum  versantur.  Item  bona  in  ouchental 
(Auggental  bei  Römbach,  mit  Ausnahme  eines  Hofes).  Item 
Sitesbach.  Item  Ortwinsperche.  Item  Cholberch.  Item  Hebelinge 
(Ebersdorf  am  Osterbach)  et  Ochsenbach'  (Exenbach  Pferre 
Waldkirchen). 

Zwischen  der  Ranna  und  der  Großen  Mühel,  dem  Ge- 
biete des  nachmaligen  Landgerichtes  Velden  finden  wir  in  der 
Innehabung  der  Herren  von  Griesbach  ausdrücklich  genannt 
den  Markt  Velden,*  als  Lehenlaute  (zugleich  auch  der  Herren 
von  Blankenberg)  in  Feuchtenbach,*  Haselbach,  Liebenstein 
(alle  Pfarre  Altenfelden),  Winzberg  (Pfarre  Kirchberg),  Fisch- 
bach bei  Rohrbach.  Die  aus  urbarialen  Aufzeichnungen  abzu- 
leitenden Markungen  dieses  Besitzes  werden  im  vierzehnten 
Abschnitte  erörtert. 

Alles  war  freies  Eigen  gewesen,  erst  der  letzte  Gries- 
bacher  Heinrich  mußte  sich,  um  nach  dem  Tode  seines  Bru- 
ders das  hochstiftische  Lehen  zu  erlangen,  welches  sein  Vater 
(Wemher)  genossen,  verbindlich  machen,  das  Schloß  Griesbach, 
den  Markt  Velden  xmd  anderes  aufzusenden  und  als  passaui- 
sches  Lehen  zurückzuempfangen.*  Zuletzt  trug  er  auch  die 
Grafschaftsrechte  (Judicium,  comitia  trans  Danubium)  nur  mehr 
vom  Hochstifte  zu  Lehen;*  nach  seinem  Tode  sind  sie  erloschen. 

Die  Stammreihe  der  Herren  von  Griesbach  ist  folgende:^ 


*  Mon.  Boic.  XXVIIIb,  295,  296.  Die  von  den  Herren  yon  Wachsenberg- 
Griesbach  1208—1215  an  Abt  Eberhard  von  Wilhering  vertauschten 
Höfe  in  Herage  und  Stadeleri  (OberOsterreichisches  Urknndenbuch  II, 
480)  sind  nicht,  wie  der  Verfasser  im  Nachtrag  zu  Penerbach  (Linzer 
Mnseumsbericht  1869,  S.  15)  meinte,  Herhag  und  Stadling  in  der  Pfarre 
Altenfelden,  sondern  nach  dem  Wilheringer  Urbar  vom  Jahre  1287 
(Stülz,  Geschichte  von  Wilhering  462,  Linzer  Museumsbericht  1896, 
8.  134)  das  Herhagergut  und  das  Stadlergut  in  Groß  Amberg  Pfarre 
Gramastetten. 

*  Das  Burgstall  daselbst  wurde  erst  1291  von  Eberhart  von  Feuchtenbach 
an  Chunrad  von  Kapellen  verkauft.  (Linzer  Museumsbericht  S.  112  aus 
einer  Steyregger  Registratur.) 

»  Urkunde  1217,  2.  Juli  und  1220,  11.  Febr.  Mon.  Boic.  XXVHIb,  295,  296. 

*  Mon.  Boic.  XXVHIb,  170,  341. 

*  Nach  Sttllz,  Geschichte  von  VP^ilhering,  S.  887,  jedoch  teilweise  geändert. 


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149 

Adalbero  1100—1125. 


Walchnn  I.  1125—1148;  ux.  Riza,  Witwe  c.  1160. 

Wember  c  1160 — 1197;  ux.  Elisabeth  Yon  Wachsenberg,  f  nach  1206. 

Walehnn  II.  Ton  Qiies-      Cholo  von  Griesbach-       Heinrich  von  Griesbach- 

bach-Wachsenberg  Wachsenberg  Wachsen  berg  f  1221  (nach 

1191—1203.  t  1216/17.  1220  11.  Februar). 

« 

Hedwig  von  Wachsenberg  f  1264,  ux.  Wemharts  von 
Schannberg,  seit  1258^  im  Besitze  der  Herrschaft  Wachsenberg. 
Nach  dem  Tode  Heinrichs  von  Griesbach  wurde  Wach- 
senberg w>in  Herzog  Liatpold  VI.  eingezogen;  1228,  22.  Ok- 
tober^ verlieh  er  dem  dahin  xmterttoigen  Markte  Ottensheim 
gleiche  Rechte  mit  den  Bürgern  von  Ens  und  Linz  in  betreff 
Maut  and  Zoll,  zwischen  1230  und  1240  war  am  Windberg 
ein  herzoglicher  Richter  bestellt.' 

Keiner  der  drei  Brüder  hatte  Söhne  hinterlassen;  ob 
Hedwig  de  Wesenberk*  eine  Tochter  Cholos  gewesen,  wie 
Stolz  vermutete,  steht  dahin,  sie  kann  jedem  der  Brüder  an- 
gehört haben.  Sicher  nicht  im  Erbgange  ist  Wachsenberg  ftLr 
einige  Zeit  an  die  Schaunberger  gediehen,  sondern  höchst 
wahrscheinlich  nur  durch  Gunst  König  Otakars  und  Vermitt- 
lung des  damaligen  Hauptmannes  ob  der  Ens  Wok  von  Rosen- 
berg, dessen  Hausfrau  die  Tochter  Heinrichs  von  Schaunberg, 
die  Nichte  Wemharts,  geworden  war.  Eben  deshalb  konnte 
sich  der  erste  Habsburger  Herzog  Albrecht  berechtigt  fühlen, 
die  Verfügung  Otakars  als  rechtsungültig  anzusehen  und  die 
,6ra&chaft'  zum  Herzogtume  zurückzufordern. 

Die  Nachricht  des  Landbuches,^  Herzog  Liutpold  habe 
von  Otto  von  Sleunz  Wachsenberg,  Ottensheim,  Gramastetten 
um  600  £f  gekauft,  hat  schon  Stülz®  als  unglaubwürdig  ver- 
worfen und  es  ist  seither  kein  Umstand  zutage  gefördert  wor- 
den, welche  derselben  eine  Stütze  verleihen  würde.  Die  Stelle 
ist  ohne  Zweifel  verderbt  überliefert. 


*  Stmadt,  Nachtrag  za  Peuerbach.  Linzer  Moseumsbericht  1869,  S.  10. 

*  OberOsterreichisches  Urkandenbuch  11,  672. 

'  a.  a.  O.  IV,  364  mit  der  unrichtigen  Jahreszahl  ISOO. 

*  a.  a.  O.  in,  827. 

■  Mon.  Germ.  Deutsche  Chroniken  iy/2,  S.  721. 
^  Geschichte  von  Wilhering,  8.  386. 


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150 


Sechster  Abschnitt. 

Eppo  von  Windberg  und  Bernhard  an  der  Mühel.  Die 
Herren  von  Schönhering  und  Blankenberg.  Übersicht  ihres 
Besitzes  auf  oberösterreichischem  Boden.  Ihr  Aussterben. 

Noch  wurde  des  edlen  Eppo  nicht  gedacht,  welcher  im 
Beginne  des  12.  Jahrhunderts  eine  große  Schenkung  am  Wind- 
berg an  das  Kloster  St.  Florian  gemacht  hat.  In  den  Königs- 
urkunden 1109,  4.  November  und  1142^  sowie  in  den  bischöf- 
lichen Bestätigungen  1111,  23.  August  und  1113,  26.  Juni*  wird 
er  bloß  der  ,edle  Eppo'  genannt;  das  Prädikat  von  Wind- 
berg gibt  ihm  außer  dem  Dokumente  1139 — 1141*  erst  der 
um  die  Wende  des  12.  Jahrhunderts  angelegte*  Traditions- 
kodex, von  welchem  sich  die  ersten  zwei  Blätter  bis  auf  unsere 
Zeiten  erhalten  haben.*  Es  ist  daher  nicht  anzunehmen,  daß 
er  diesen  Geschlechtsnamen  schon  bei  Lebzeiten  geftihrt  habe, 
umso  weniger  als  auf  dem  mons  Windeberge  auch  die  Herren 
von  Perge,  zu  welchen  Eppo  sicher  nicht  zugehörig  war,  zur 
selben  Zeit  Besitztum  von  Ottensheim  an  bis  zur  böhmischen 
Grenze  hatten.  Auch  findet  sich  nicht  die  geringste  urkund- 
liche Spur,  daß  es  in  dieser  Gegend  jemals  eine  Burg  Winde- 
berge gegeben  hätte;  die  seit  1187  auftretenden  Dienstleute 
von  Winsperg  gehören,  wie  Wirmsberger*  richtig  vermutet 
hatte,  schon  aus  sprachlichen  Grttnden  nach  Winzberg  Pfarre 
Kirchberg  a.  D. 

Das  Diplom  König  Heinrichs  V.  1109  bezeichnet  das  an 
St.  Florian  vergabte  Gebiet  gelegen  zwischen  dem  Pesenbach 
und  dem  Ebresbach,  und  zwar  vom  Ursprung  des  letzteren 
ununterbrochen  bis  zur  böhmischen  Grenze,  jenes  König  Chun- 
rads  in.  1142  von  der  Quelle  des  Ebresbaches  bis  an  die  Gren- 
zen BöhmenS;  sowie  vom  Pesenbach  bis  an  die  Königsstraße 
nächst   der  Kirche  St.  Nikola.    Der  Traditionskodex   endlich 


^  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  II,  127,  202. 

«  a.  a.  O.  141,  147. 

»  a.  a.  O.  180. 

*  Gebort  des  Lande«  ob  der  Ens,  S.  35. 

^  Abgedruckt  bei  StQlz,  Qeschichte  des  Klosters  St.  Florian,  S.  200  ff. 

«  Im  Archiv  für  österr.  Geschichte  XXIV,  S.  63,  Anm.  1. 


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161 

nennt  als  Schenkungsobjekt  Waldehofen  und  einen  Forst  in  der 
Länge  und  Breite  von  70  Meßrnten  von  der  Vereinigung  des 
Pesenbaches  und  des  Tiefenbaches  bis  an  die  bayrische  Grenze. 

Eine  Aufschreibung  des  15.  Jahrhunderts  betreffend  die 
Vogtei  des  Hochstiftes  Passau  über  die  Gtlter  des  Klosters 
St  Florian  am  Windberg  ^  zeigt,  daß  dieselben  von  der  Az- 
mühle  an  der  Rauschemühel  angefangen  in  dichter  Reihe,  aber 
in  einem  nicht  breiten  Streifen  zwischen  der  Königs-  (Reichs-) 
Straße  und  dem  Pesenbache,  südwärts  bis  St.  Nikola  und  Wald- 
hofen,  östlich  vom  Pesenbach,  westlich  von  der  Ortschaft  St.  Ul- 
rich begrenzt,  gelegen  waren  und  die  Aigen  St.  Peter  und 
Niederwaldkirchen  in  sich  begriffen. 

Hieraus  erhellt,  daß  die  Objekte  weder  an  Bayern  (die 
Große  Mühel),  noch  auch  an  Böhmen  anrainten,  daher  die  ur- 
kundUche  Orenzbeschreibung  nichts  weniger  als  eine  strenge, 
vielmehr  eine  sehr  allgemeine  war,  welche  bloß  die  Richtungen 
anzeigen  wollte. 

Als  weiteres  Schenkungsobjekt  führen  die  beiden  Königs. 
Urkunden  an  ,predium  quod  dicitur  cella  ad  movhile^,  d.  i. 
Eleinzell  zwischen  Neuhaus  und  Neufelden,  und  fügt  die  spätere 
bei:  quod  quidam  nobiles  viri  Eppo  et  Bernhardus  iuxta 
Movhelle  eidem  tradiderunt  ecclesie',  woraus  wir  erfahren, 
daß  das  Gut  Celle  in  gemeinsamem  Besitze  Eppos  und  des 
gedachten  Bernhard  gewesen  und  von  ihnen  gemeinsam  an 
St  Florian  vergabt  worden  ist. 

Stülz^  hält  diesen  Bernhard  für  Bernhard  von  Aschach, 
einen  adeligen  Vasallen  Eberharts  von  Formbach,  was  nicht 
stimmt;  denn  nach  seiner  Stellung  in  den  Zeugenreihen  der 
Formbacher  Traditionen*  ist  seine  Heimat  unbedingt  nicht 
Aschach  an  der  Donau,  woran  SttÜz  denkt,  sondern  eine  Ort- 
schaft in  Bayern,  wahrscheinlich  Ascha  nordwestlich  von 
Mitterfels. 

Der  Eigenname  Eppo  in  dieser  abgekürzten  Form  ist  in 
der  Gegend  nicht  fremd;  nicht  bloß  Epping  bei  Rohrbach 
(heute  Opping  gesprochen  und  geschrieben),  sondern  auch  zwei 
große  Dörfer  in  der  Pfarre  Peilstein  und  Kollerschlag,  Vorder- 

^  Notizenblatt    1863,    8.  200;    Strnadt,    »Landgericht  Velden*    im    Linzer 

Mnseamsbericht  1860,  S.  116,  Anm.  8. 
'  Geschichte  des  Klosters  St.  Florian,  8.  12,  Anm.  «). 
*  OberOsterreichischea  Urknndenbach  I,  627—630. 


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152 

und  Hinter-Nebelberg  haben  von  demselben  die  Benennung  er- 
halten. Sie  hießen  yormals  nnd  noch  im  16.  Jahrhunderte^  Vor- 
dem- und  Hintem-Eppenberg  d.  h.  Heim  des  l^ppo^  die  jetzige 
verunstaltete  Form  Nebelberg  hat  sich  erst  seit  dem  17.  Jahr- 
hundert durch  Herüberziehen  des  n  aus  Vorder  und  Hinter  zu 
dem  Ortschaftsnamen  gebildet,  so  daß  der  Eppenberg  nun  ein 
Nebelberg  ist  xmd  auch  bleiben  wird.* 

War  aber  Eleinzell  gemeinsamer  Besitz  mit  Bernhard  bei 
der  MUhel;  so  muß  notwendig  Eppo  mit  diesem  in  sehr  naher 
Blutsfrexmdschaft  gestanden  sein  und  wohl  auch  dessen  Ge- 
schlechte angehört  haben. 

Wer  ist  nun  dieser  Bernhard  an  der  Mühel  gewesen? 

Da  in  diesem  Zeitalter  die  Taufhamen  in  einem  und  dem- 
selben Geschlechte  sich  vererbten,  wird  es  nicht  zu  schwer 
fallen,  seine  Herkunft  ausfindig  zu  machen,  wenn  es  gelingt, 
auch  den  Besitz  festzustellen. 

In  dem  Zeiträume  von  1100  bis  1120  finden  wir  nun 
einen  Hochfireien  Bernhard  de  Sconheringin,  welcher  Schen- 
kungen an  die  Klöster  Formbach  und  St.  Nikola  bei  Passau 
bezeugt:  so  noch  vor  1100  die  Übergabe  aller  Hörigen  zwischen 
In  und  Ens,  welche  der  Gemahlin  des  Grafen  Eckbert  von 
ihrem  Oheim,  dem  Bischof  Adalbero,  erblich  ange&llen  waren, 
an  Formbach,'  die  durch  Udalrichs  von  Windberg  Witwe 
Mathilde  und  ihren  Sohn  Chunrad  um  1100  voUfUhrte  Schen- 
kung eines  Teiles  der  Kirche  St.  Martin  an  Formbach,^  weiters 
um  1120  die  Übergabe  des  Anteiles  Meginhards  an  der  Kirche 
zu  Polheim  an  das  Kloster  St.  Nikola.^  Aus  der  Urkunde  König 
Heinrichs  V.  fUr  St.  Nikola  1111,  25.  Juli «  er&hren  wir,  daß 
ihm  ein  Teil  der  Schifimaut  zu  Passau  gebührte,  den  er  ad  lu- 
minaria  gewidmet  hatte.  Anderweitiges  Eigentum  ist  nicht  be- 
urkundet. 


*  Rannaridler  urbar  1510,  Falkensteiner  Urbar  1670. 

*  Ein  zweites  Eppenberg  ist  gleichbedeutend  mit  dem  Dorfe  in  der  Pfarre 
Grammastetten,  welches  heute  Eidenberg  heißt.  Daselbst  sowie  in  der 
Ortschaft  Grossamberg  (ursprünglich  Erbenperch,  in  Wilheringer  Urbar 
1287  Erinberge  genannt)  hatte  das  Kloster  Seckau  Besite  (Steierm&rki- 
sches  Urkundenbuch  I,  290,  292,  376);  einen  Hof  in  Eppenberge  yer- 
gabte  auch  Hartnid  lY.  von  Ort  (f  c.  1228)  an  Wilhering  (OberOster- 
reichisches  Urkundenbuch  II,  479). 

'  OberOsterreichisches  Urkundenbuch  I,  627,  781. 

*  a.  a.  O.  628,  781.  »  a.  a.  O.  I,  Ö32.  «  a.  a.  O.  n,  138. 


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153 

Um  das  Jahr  1130  tauscht  E.  sonhermgeiiBis  yom  Kloster 
Nikola  eine  Au  hei  altheimen  gegen  einen  halben  Hof  hei 
mitichen  ein.^ 

E.  hedeutet  EngilhertnS;  es  ist  Engilbertns  de  Schönhe- 
ringen, welcher  znr  selben  Zeit  unmittelbar  nach  dem  Herzoge 
Engelbert  yon  Kärnten  (1124 — 1134)  und  dessen  Sohn,  dem 
Markgrafen  Engelbert,  die  Übergabe  eines  Hofes  zu  Grintdorf 
bei  Cham  und  von  drei  Haben  in  Hohenwart  (Oberp&lz)  durch 
Liiukart,  Gemahlin  des  Regensburger  Domvogtes  Grafen  Fried- 
rich (n.,  1 1136),  an  St.  Nikola  bezeugt.*  Die  Altheimer  Au  ist 
wohl  an  der  Mündung  des  Alderbaches  in  die  Vils  oberhalb 
SchönerdiDg  an  der  Vils  (Amtsgericht  Vilshofen)  zu  suchen, 
Mitich  liegt  am  In. 

Um  1140  gibt  quedam  matrona  nomine  Benedicta  de  Scon- 
heringen  mit  Einwilligung  ihres  Sohnes  Engelbert  und  ihrer 
Tochter  Chunigunde  zum  Seelenheile  ihres  Mannes  Engelbert 
nach  St.  Nikola  zwei  Hüben,  die  eine  ad  winchil,  die  andere 
ad  windiberge  samt  den  Hintersassen.  Zeugen  waren  Hecil  de 
fiuhtinpach,  Egeno  de  posenpach,  Heimo,  Gerrich  und  dessen  Sohn 
Albrant,  Ekkehart,  Chunrad  von  Obemdorf,  Helmwich,  Ascwin.* 

Der  erwähnte  Windberg  kann  schon  wegen  der  Zeugen 
Hezil  von  Feuchtenbach  (Pfarre  Altenfelden),  Egeno  von  Posen- 
bach (Pesenbäckgut  Nr.  33  zu  St.  Johann  am  Windberg)  und 
Chunrad  von  Obemdorf  (P&rre  Feldkirchen)  nichts  anderes 
sein  als  unser  Windberg,  wogegen  Winkel  eine  der  Ortschaften 
dieses  Namens  in  den  PfEuren  Harbach  oder  Reitern  (Amts- 
gericht Griesbach)  betreffen  dürfte. 

Dieselbe  nobiUs  matrona  nomine  benedicta  de  Sconherin- 
gen  übergab  weiters  im  eigenen  Namen,  daher  wohl  als  elter- 
Hches  Erbgnt,  ihr  Eigen  corinthi  an  der  Kainach  bei  Lassels- 
dorf  (Pfarre  St.  Florian,  Mittelsteiermark)  nach  St.  Nikola.  Den 
Akt  bezeugten  Ekkehardus,  Chunradus,  Gebehardus  hi  tres 
de  sconheringen  ministeriales  eiusdem  Benedicte.^ 

Die  gedachten  Dienstleute  saßen  um  Schönerding  an  der 
Vils  (Pferre  Aunkirchen  Amtsgericht  Vilshofen),  nicht  bei  Schön- 
hering im  Donautale,  woselbst  der  Besitz  der  Stifter  von  Wil- 
hering  vorherrschte. 


*  OberOsterreichisches  Urknndenboch  I,  545.  '  a.  a.  O.  I,  544. 

*  a.  a.  O.  I,  533.  *  a.  a.  O.  I,  565. 


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154 

Zwischen  1148  und  1164  übergab  Engilbertus  de  Scone- 
heringen  auf  erblosen  Ablebensfall  der  Kirche  Passan  zu  seinem 
Seelenheiie  vier  Hörige  samt  Familie  und  Lehen  zwischen 
Donau  und  Rovdolfesbach  gegen  Verleihung  des  passauischen 
Dienstmannenrechtes  an  dieselben.^ 

Engilbertus  de  Schouneheringen  bezeugt  1159  den  Ver- 
gleich Cadoldö  von  Polheim  mit  dem  Kloster  St.  Peter  zu 
Salzburg.* 

Wie  uns  eine  Notitia  im  codex  traditionum  des  Klosters 
Aldersbach  (südwestlich  von  Schönerding)  unterrichtet,  hatte  der 
Edle  Dietmar  de  Agist  (f  nach  1161)  sein  Gut  Cirtenam  (Zir- 
king  zwischen  Ried  und  Schwertberg)  dem  Kloster  Aldersbach 
übergeben  und  seine  Schwester  Sophia  sowie  deren  Sohn  Adal- 
bert  allen  Ansprüchen  auf  dasselbe  entsagt.  Engilbertus  de 
Sconheringin,  welcher  dieselbe  Sophia  späterhin  als  Hausfran 
heimführte,  setzte  sein  Gut  zu  Hertgeresdorf  (Hörgersdorf 
Pfarre  Mauern  nordwestlich  von  Mosburg)  zu  Händen  Wernhers 
von  Griesbach  ein,  damit  selber  es  den  Klosterbrüdern  be- 
wahre, falls  sein  Sohn,  den  er  bei  genannter  Sophia  erzeugt 
hatte,  oder  was  immer  für  eines  der  Kinder,  welche  er  etwa 
noch  mit  ihr  bekommen  würde,  das  Kloster  deshalb  anfechten 
sollte.  Im  Verlaufe  der  Zeit  erhob  ein  gewisser  Rehewin  An- 
spruch auf  einen  Teil  des  Gutes,  wurde  jedoch  auf  der  Burg 
Agist  in  Gegenwart  Ottos  von  Rechberg  (Lengenbach)  zum 
Verzichte  bewogen.  Als  Zeugen  sind  angeführt  Heinrich  von 
Schaunberg,  Engilbertus  de  Blankinberg,  Wemherus  de  Griz- 
bach  und  viele  andere.  Sodann  leisteten  auch  Rehewins  Ehe- 
gattin und  Sohn  zu  Lasberg  vor  ihrem  Herrn  Wemher  von 
Griesbach  Verzicht.  Zeugen  dieses  zweiten  Aktes  waren  Engil- 
bertus de  Sconheringin,  Wemherus  de  Grizbach  sowie  Hin- 
tersassen von  und  um  Lasberg  sowie  in  Harbach  bei  Alders- 
bach.   Schließlich  wurden   in  einem  dritten  Akte  vor  Herzog 


^  Oberösterreichisches  Urkundenbach  I,  517.  Der  Bach  entzieht  sich  der 
Bestimmung. 

'  a.  a.  O.  II,  297.  Endlich  meldet  noch  eine  Notitia  in  Diplomform,  daß 
Arnold  von  Meisching,  qai  fait  de  familia  domini  Adelberti  de  berge 
yiri  valde  eminentis  im  Jahre  1161  dem  Kloster  Wilhering  sein  angeb- 
lich freies  Gnt  per  manus  ...  de  Soohneringen  libere  oonditionis  viri 
übergeben  habe,  a.  a.  O.  II,  315. 


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155 

Heiiirich  von  Osterreich  und  seinem  Hofe  noch  zwei  weitere 
Ansprecher  abgefunden.^ 

Die  Yerzichtleistnng  Rehewins  vollzog  sich  sichtlich  in 
zwei  getrennten,  jedoch  unmittelbar  aufeinander  folgenden 
Akten:  er  selbst  entsagte  auf  der  Burg  Aist,  seine  Gattin  aber 
in  Lasberg,  oflfenbar  deshalb,  weil  sie  nicht  von  dem  zweiten 
Kinde  abkommen  konnte,  das  noch  in  der  Wiege  lag  (adhuc 
in  cunis  positum).  Die  Zeugen  Engelbert  von  Blankenberg  auf 
Aist  und  Engelbert  von  Schönhering  in  Lasberg  sind  augen- 
fällig eine  einzige  Person. 

Der  Name  Blankenberg  taucht  zuerst  auf  in  der  Ur- 
kunde Bischofs  Chunrad  für  das  Kloster  Osterhofen  1155, 
24.  November;  unter  den  Zeugen  ist  Engelbertus  de  Plan- 
chenburg.* 

Unter  demselben  Bischof  (also  vor  1164)  hatte  Engel- 
bertus vir  nobiUs  de  Planchenberge  zur  Librücke  zu  Passau 
einen  Hof  in  Winnenberge  (Wimberg  Pfiarre  Holzkirchen,  Amts- 
gericht Vilshofen)  samt  den  darauf  befindlichen  Hörigen  ge- 
stiftet, welche  Schenkung  im  Jahre  1173  Bischof  Diepold  unter 
Mitzeugenschaft  Engelberts  verbriefte.' 

Wie  eine  Aufschreibung  des  13.  Jahrhunderts  im  Tradi- 
tionskodex von  St.  Nikola  besagt,  war  dieser  Engelbert  von 
Blankenberg,  um  die  verlorne  Gnade  des  Bischofs  Chunrad 
von  Passau  wieder  zu  gewinnen,  genötigt,  einen  Teil  seiner 
fireieigenen  Gikter  dem  Hochstifte  aufzusenden  und  v^on  dem- 
selben als  passauische  Lehen  zurückzunehmen.^ 

Ex  nobiUbus  Engelbertus  de  Blanchenberch,  Albertus  et 
frater  eins  Alramus  de  Chamb  bezeugen  1177,  26.  Juni  zu 
Passau  einen  Tausch  des  Eüiosters  Osterhofen  mit  dem  Dom- 
kapitel Passau,^  1179  bezeugt  Engelbertus  de  Blanchelberch  die 
Verleihung  der  Kirche  St.  Paul  in  Passau  an  das  Domkapitel,^ 
1173,  26.  August  zu  Passau  die  Einverleibung  der  Pfarre  Kirch- 

^  a.  &.  O.  n,  343.  Die  Handlung  fällt  in  die  Zeit  zwischen  1172  nnd  1177. 
«  Mon.  Boic.  XII,  337. 
»  Mon.  Boic.  XXVmb,  261. 

*  OberOsterreichisches  Urkundenbach  I,  693:    ,cam  per  coUationem  quo- 
nindam  prediomm  Buonmi  in  proprietatem  Patayiensis  ecclesie  sub  certa 
tarnen  conditione  rediret  ad  gratiam  domni  Chvnradi  tnnc  Pataviensis 
episcopi,  quem  circa  Ahscha  graviter  offenderat  in  conflictu/ 
»  Mon.  Boic  XII,  360. 
«  a.  a.  O.  XXVmb,  122. 


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166 

berg  in  die  Abtei  Kremsmünster,^  zwischen  1177  nnd  1182 
neben  Wemher  von  Griesbach  Engelbertus  de  Blanchenberch 
den  Verzicht  der  Binder  Heinrich  und  Gebhard  von  Schaun- 
berg  auf  die  Höfe  am  Leombach  zugunsten  des  Klosters 
Eremsmünster.^ 

Vor  1180  übergibt  nobiiis  vir  Engilbertus  de  Planchen- 
berch  nach  St.  Nikola  das  von  dem  Konversen  Marchward  er- 
kaufte Gut  zu  parschalchingin  (Paschalling  Pfarre  Rainding, 
Amtsgericht  Vilshofen)*  und  den  Verzicht  Eckberts  von  Per- 
neck-Deggendorf  auf  das  Gut  Pramerdorf  zugunsten  des  Klo- 
sters Reichersberg.* 

Um  1180  bezeugen  Engelbertus  de  Planchenberch,  Wem- 
her von  Griesbach,  Adalbert  und  dessen  Bruder  von  Cham, 
Rudiger  von  Holzhausen,  Walchun  von  Schiedorf,  Heinrich  von 
Spilberg,  Siboto  de  Planchenberge  (Burgsasse  daselbst,  Ahnherr 
der  SchaUenberger),  Immo  Bürger  in  Passau  eine  Schenkung  der 
Wiradis,  Schwester  des  Pfarrers  Albero  von  Wazenkirchen,  nach 
St.  Nikola.«^ 

Um  1185  bezeugt  Engelbertus  de  Planchenberg  die  Ver- 
gabungen einer  halben  Hube  in  Domach  (Amtsgericht  Landau) 
durch  Bischof  Diepold  und  des  Gutes  Englhalming  (Engling) 
durch   den  passauischen  Ministerial  Walther  nach  St.  Nikola.^ 

Um  dieselbe  Zeit  stiften  nobiiis  de  Blanchenberg  Engil- 
bertus una  cum  uxore  sua  Chunigunda  das  Gut  in  Hörgers- 
dorf  (siehe  S.  154)  und  eine  Hube  am  Berge  nach  St.  Nikola.' 

Gleichfalls  gibt  domna  Chunigunt  de  Planchenberge  nach 
St.  Nikola  das  Gut  in  Agilsperge,  auf  welchem  Herber  und 
Pemger  sitzen.  Zeugen:  Vlricus  de  liubolvingen  (Leiblfing 
zwischen  Straubing  und  Dingolfing),  Otto  de  planchenberge 
(Burghüter),  Liutolt  de  berbingen  (Perbing  Pfarre  Domach, 
Amtsgericht  Landau),  Alram  de  birchenstaine  (Pümstein  an 
der  Großen  Mühel),  Pabo  de  libenstaine  (Libenstein  Pfarre 
Altenfelden),  Hildebrant,  Albrant,  Gerrich  de  planchberge  (Burg- 
mannen auf  Blankenberg,  der  letzte  vielleicht  der  Enkel  des 
um  1140  genannten  Gerrich,  Ministeriais  der  Frau  Benedikta 
von  Schönhering),  Chalhoch  de  walde  (Wald  Pfarre  Oberberg- 

*  Urknndenbach  yon  KremsmünBter  44.  *  a.  a.  O.  47. 
'  OberOsterreichisches  Urkandenbach  I,  571. 

*  a.  a.  O.  I,  378.  »  a.  a.  O.  I,  Ö78. 
«  a.  a.  O.  I,  684,  690.  '  a.  a.  O.  I,  694. 


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157 

kirchen,  Amtsgericht  Vilshofen),  Diether  de  sconering  (Schön- 
erding an  der  Yils).^  Das  Gut  kann  fbglich  kein  anderes  sein 
als  das  Aigelsbergergnt  zu  Sicherstorf  Pfarre  St.  Johann  am 
Windberg. 

Um  diese  Zeit  vergabt  anch  Engelbertus  de  Planchenberch 
sem  Gut  gelegen  in  mattenheim  (Mattenheim  östlich  von  Schön- 
erding an  der  Vils)  znm  Seelenheil  seines  Sohnes  Dietmar  nach 
St  Nikola.  Zeugen:  ^Ealhohns  de  Valchensteine^  MarqnardaS; 
Udalricns  filins  ipsins  Engelberti^  Siboto  tobrizze  (yielleicht 
Dobrizhofen  bei  Sprinzenstein)^  dnrinch  de  schaltaren  (Schal- 
ding Pfarre  Heining  bei  Passan^  Amtsgericht  Passan)^  Herran- 
dus,  Walchunns  civis,  Einwicus  de  yischbach  (Fischbach  bei 
Rohrbach),  linthardus  nrbanns,  Pemhardus  de  iltesgaen,  Wille- 
halmns  ab  dem  Steine,  Fridericns,  Udalricns  de  planchenberch, 
Amoldns  de  eodem  (beide  Bnrgmannen  auf  der  Blankenburg), 
Gozoldus  de  Griezbach/* 

Engilbertus  de  Planchenberc  und  Wemhart  von  Gries- 
bach  erscheinen  als  Zeugen  des  Vertrages  auf  dem  Georgen- 
berge bei  Ens  1186,  17.  August.' 

Nicht  lange  darauf  ist  Engelbert  bei  St.  Georgen  in  Oster- 
reich aus  dem  Leben  geschieden.^ 

Um  1186  bezeugt  Vdalricus  filius  Engelberti  de  Planchen- 
berc die  Schenkung  Udalschalks  von  Pazrichesdorf  an  St.  Nikola.^ 

Um  1188  (jedenfalls  vor  dem  Jahre  1189)  erhält  über 
Intervention  des  Bischofs  Diepold  und  des  Herzogs  Bertold 
von  Meran  nobilis  domna  Chvnigunda  uidua  de  Blanchin- 
berc  einige  GHiter,  welche  domnus  Engilbertus  quondam  ma- 
ritus  suus  lange  vor  der  Heirat  mit  ihr  nach  St.  Nikola  als 
Seelgerät  gestiftet  hat,  als  Leibgeding  gegen  jährliche  Rekogni- 
tion  von  30  Pfennigen  vom  Elosterkapitel  zurück. '^ 

Schließlich  erfahren  wir  aus  der  schon  erwähnten  Auf- 
schreibxmg  des  13.  Jahrhunderts,*^  daß  nobilis  Über  Engilbertus 
de  Blanchinberc  für  sein  und  seiner  Eltern,  seiner  geliebten 
Gemahlin  Sophie  und  seines  Sohnes  Dietmar  bei  dem  Leichen- 


*  OberMerreichisches  Urkundenbuch  I,  670. 

•  a.  a.  O.  684. 

'  SteiermfirkiBches  Urknndenbach  I,  663. 
^  OberOsterreichisches  Urkundenbuch  I,  694. 
»  *.  a.  O.  686. 
•  «.  a.  O.  696.  '  a.  a.  O.  694. 


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158 

Begängnisse  der  Frau  Sophie,  dann  bei  jenem  Dietmars,  end- 
lich ,cum  duceret  quandam  nobilem  Chnnignndam  in  nxorem' 
folgende  Güter  nach  St.  Nikola  vergabt  habe:  curia  in  Aigils- 
perge  (siehe  S.  157)  und  das  ganze  Gut,  welches  daselbst  Siboto 
der  Blinde  innehatte;  curia  in  Windestige  (Windsteigergut 
Pfarre  St.  Martin),  curia  ad  Hirzman  (in  derselben  Gegend, 
vielleicht  Holzmanngut  bei  Hilkering),  curia  Chunradi  ad  por- 
tum  contra  Ahscha  (Landshag),  curia  in  Bercheim  (Bergheim 
Pfarre  Feldkirchen),  molendinum  in  rivo  Rosbach  (in  der  Pfarre 
Feldkirchen)  et  alia,  welche  er  nicht  an  Passau  zu  Lehen  auf- 
gesandt hat.  Zeugen  der  Schenkung  waren:  Udalricus  et  Engel- 
bertus  de  Nordembach  (oder  Struben,  d.  h.  Ober-  und  Unter- 
Straubing Pfarre  Steinkirchen  bei  Dorfen),  Siboto  de  St.  Ulrico 
(St.  Ulrich  bei  Neufelden),  Wemhardus  de  awe  (vielleicht  Au 
Pfarre  Rainding,  Amtsgericht  Vilshofen)  Rikerus  de  blanchin- 
bach  pater  pillonis  (Burgmann  auf  Blankenberg),  Hiltprandus 
et  frater  eins  Albrandus  (ebenso),  Chunrat  de  apphilspach 
(Apfersbach  bei  Kleinzell),  Duringus  de  Aicha  et  frater  eins 
Iladmarus  (Aicherhof),  Marquardus  gallus  de  Beura  (Hanner 
von  Bairach  östlich  von  Blankenberg),  Amoldus  der  lader  et 
frater  eins  Timo  et  Albertus,  Wemherus  de  Wiglinstorf  (Weigl- 
storf  südlich  Kleinzeil),  Egeno  de  nuzpoume  (Nußbaumergut 
Pfarre  St.  Martin),  Otto  Ascholvinge,  Eberwinus  de  Fiuhtinbach 
et  frater  eins  Robertus  (Feuchtenbach  Pfarre  Altenfelden),  Hezilo 
de  wensin,  Hermfridus  frater  eins,  Hainricus  de  St.  Ulrico  et 
fratres  eins  Siboto  et  Ulricus  (Söhne  des  älteren  Siboto),  Hein- 
ricus  de  Winsperch  (Winzberg  Pfarre  Kirchberg)  et  frater  eins 
Wernherus,  Alber  Germansperge  (Pfarre  Huttum),  Einwicus  de 
Vischpach  (westlich  Rohrbach),  Fridericus  de  Tahing  (Taing 
Pfarre  Poigenberg,  Amtsgericht  Erding),  Emfridus  de  Lintawe 
(Pfarre  Ruhstorf,  Amtsgericht  Griesbach),  Siboto  (de)  Erman- 
storf  (Erdmannsdorfergut  Nr.  L  zu  Erdmannsdorf  nächst  Blan- 
kenberg). Engelbert  bestätigte  die  Schenkung  testamentarisch, 
als  er  bei  St.  Georgen  auf  dem  Todbette  lag,  und  wurde  des- 
halb auch  in  St.  Nikola  begraben. 

Damit  ist  dargetan,  daß  Engelbert  von  Blankenberg  zwei- 
mal verehelicht  war,  daß  seine  erste  Gattin  Sophie  hieß  und 
das  Kind  aus  dieser  Ehe,  Namens  Dietmar,  frühzeitig  mit  Tod 
abging.  Da  nach  der  Aldersbacher  Beurkundung  Engelbert  von 
Schönhering    mit   der   Schwester   Dietmars   von   Aist,   namens 


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159 

Sophie,  vermählt  und  dieser  Ehe  ein  Sohn  entsprossen  war: 
80  ist  der  letzte  Zweifel  daran,  daß  Engelbert  von  Blanken- 
berg  und  Engelbert  von  Schönhering  eine  und  dieselbe  Per- 
sönlichkeit war,  beseitigt,  der  Sohn  war  nach  dem  mütterlichen 
Oheim  benannt. 

Ein  zweiter  Sohn  Udalrich  erreichte  mannbare  Jahre,  weil 
er  allen  anderen  Zeugen  vorangesetzt  ist.  Derselbe  dürfte,  da 
sein  Vater  nicht  erwähnt  wird,  denselben  überlebt  und  dann 
noch  in  jugendlichem  Alter  unvermählt  und  kinderlos  ge- 
storben sein;  vielleicht  hat  er  sich  dem  dritten  Kreuzzuge  an- 
geschlossen und  ist  auf  demselben  umgekommen.  Seine  Stief- 
mutter Kunigunde  erwähnt  ihn  nicht;  es  scheint  daher,  daß  er 
nicht  anwesend  war,  als  derselben  von  St.  Nikola  das  Leib- 
geding  bewilligt  wurde. 

Überschauen  wir  die  gewonnenen  Resultate,  so  dürfte 
folgendes  feststehen: 

1.  Die]Schönhering-Blankenberger  haben  zu  Ausgang  des 
11.  Jahrhunderts  noch  ihren  Stammsitz  um  Schönerding  an  der 
Vils,  nannten  sich  davon  ausschließlich  bis  etwa  1145,  dann 
abwechselnd  auch  von  Blankenberg  bis  zirka  1175,  zuletzt  aber 
nur  von  Blankenberg. 

2.  Sie  haben  schon  vor  1108  Besitz  an  der  Großen  Mühel, 
da  sie  ihren  Anteil  an  Kleinzell  nach  St.  Florian  vergabten.  Die 
Blankenburg  wird  zwar  urkundlich  erst  1155  genannt,  wird 
jedoch  schon  längere  Zeit  bestanden  haben,  da  der  erste 
Schönheringer  ausdrücklich  Bemhardus  iuxta  Movhelle  be- 
zeichnet wird. 

Die  Burg  erhob  sich  auf  dem  Blankenberge  am  linken 
Ufer  der  Mühel  gegenüber  von  Neufelden;  die  Hochwaldpar- 
zelle  732  der  Steuergemeinde  Pümstein  war  Dominikalgrund 
zur  ehemaligen  passauischen  Herrschaft  Pürnstein,  welche  im 
Jahre  1865,  25.  November  von  dem  Geschäftsverbande  Karl 
Christian  Müller  und  Franz  Louis  Oschotz  aus  Sachsen  er- 
worben wurde.  Diese  verkauften  die  Parzelle  732  ,Blanken- 
berg^  im  Flächenmaße  von  5  Joch  750  Quadratklafter  1867, 
9.  Mai  an  den  Bürger  Anton  Lindengrün  am  Hause  Nr.  64  zu 
Neufelden,  wozu  sie  seither  als  Hausgrund  gehört.  Im  Jahre 
1887  wurde  der  südwestliche  Teil  des  Schloßberges  zur  Ge- 
winnung eines  Raumes  für  die  Station  Neufelden  der  Mühl- 
kreisbahn  an    der   Großen  Mühel  abgegraben    und   gesprengt- 


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160 

Manertrümmer,  die  bei  der  Applaniemng  des  Grundes  zum 
Vorschein  kamen,  bewiesen  die  Bargstelle;  die  Bnrgstraße 
zweigte  von  Bairach  her  ab. 

3.  Als  Bnrgmannen  von  Blankenberg  im  12.  Jahrhunderte 
kommen  vor:  Gerrich,  Otto,  Siboto  (von  St.  Ulrich),  Friedrich, 
Udalrich,  Arnold. 

4.  Lehen-  und  Dienstleute  sassen  diesseits  der  Mfihel  in 
Bocksruck-Igelbach,^  Pümstein,  Bairach,  Erdmannsdorf,  St.  Ul- 
rich, Aicherhof,  Apfelsbach,  Weigelsdorf ;  jenseits  der  Mühel  in 
Feuchtenbach,   Haselbach,  Liebenstein,   Fischbach,   Winzberg. 

5.  Unmittelbarer  und  mittelbarer  Besitz  ist  nachgewiesen 
von  der  Donau,  beziehungsweise  vom  Dießenbache  am  linken 
Mfihelufer  aufwärts  bis  einschließlich  Igelbach,  anstoßend  in 
ziemlich  gleich  langem  Streifen  an  die  Güter  Eppos;  weiters 
Streubesitz  in  den  Pfarren  St.  Johann,  Niederwaldkirchen, 
St.  Martin,  Feldkirchen. 

6.  In  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  wurde  ein  Teil  der 
freieigenen  Güter  in  passauische  Lehen  verwandelt. 

7.  Die  Stammreihe  ist  folgende: 

Bernhard  von  Schönhering  1096—1120,  iden-        Eppo  (von  Windberg), 
tisch  mit  Bernhardus  iuxta  Moohele  1108.         Bruder  oder  Vetter  1108. 

Engelbert  I.  von  Schönhering  c.  1130;  nx.  Benedikta,  Witwe  c.  1145. 

Engelbert  II.  von  Schönhering  1145 — 1175,  von  Blankenberg        Chunignnde 
1155—1186, 1 1187;  ux.  1.  Sofie,  Schwester  Dietmars  von  Aist  c.  1145. 

c.  1172;  2.  Chnnigonde  nobilis  mnlier  c.  1185,  Witwe  1188. 

Dietmar  f  jung.  Udalrich  c.  1188,  f  1190/1192? 

Der  Abgang  der  Blankenberger  fUUt  in  eine  Zeit,  in 
welcher  sowohl  Babenberger  als  Witteisbacher  bereits  erblose 
Eigen  an  das  Land  zogen. 

Wir  hören  jedoch  nicht,  daß  auf  dem  Gebiete  des  nach- 
mals sogenannten  Untergerichtes  Haslach,  in  welchem  Blanken- 
bergscher  Besitz  vorherrschend  war,  sich  späterhin  landesfürst- 
licher Besitz  befanden  hätte.  Es  fragt  sich  demnach:  Wer  ist 
den  Blankenbergem  in  Eigen  und  in  Lehen  im  Besitze  nach- 
gefolgt. 


Mon.  Boic.  V,  336  Hermannas  de  Bocchesmkke    im  Verzichte  Rehwins 
auf  Aist. 


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161 


Siebenter  Abschnitt. 

Auftreten  der  Witigonen  am  Ostnfer  der  Großen  Müliel. 
Nachweis  ihrer  Besitzungen  auf  heutigem  oberösterrei- 
chischen Boden.  Die  Siegellegende  der  Worliker  Urkunde 
vom  Jahre  1220.  Die  Witigonen  sind  ein  Seitenzweig  der 
Blankenberger. 

Es  vergehen  etwa  vierzig  Jahre^  bis  wir  plötzlich  hören, 
daß  das  Hochstift  Passau  an  der  Ostseite  der  Großen  Mühel 
Lehen  habe,  welche  sich  von  der  Rauschemühel  im  Norden 
bis  zur  Donan  im  Süden  erstrecken.  Mann  der  Passaner  Kirche 
war  der  Edle  Witigo  aus  Böhmen  (Witigo  nobilis  homo  de 
Boemia),  der  auf  einem  Tage  zu  Velden  1231,  17.  Dezember^ 
sich  verpflichtete,  diese  Lehen  gegen  Zahlung  von  300  Mark 
Silber  dem  Lehenherm  Bischof  Gebhard  zurückzustellen;  be- 
merkt wird  ausdrücklich,  daß  die  Lehen  in  jenem  Gerichte 
liegen,  das  vom  Herzoge  von  Osterreich  zu  Lehen  rührt  (in 
iudicio  illo,  qnod  in  b(mis  a  nobis  comparatis  a  duce  austrie 
habere  dinoscitur). 

Als  solche  werden  in  nicht  lange  nachher  angelegten  Ver- 
zeichnissen^ folgende  aufgezählt: 

a)  innerhalb  des  Gerichtes  Witigos  gelegen:  4  Lehen  in 
Hartmansdorf  (Pfarre  Haslach),  2  in  Steinach,  1  in  Chreppil 
(Kreblbauer  zu  Lach),  2  in  Chriuzam  (Kreuzmair  zu  Lach), 
ö  im  geschlossenen  Dorfe  Lohe  (Lach),  1  super  campum  in 
Lohe  (Feldlbauer),  2  in  Prantstetin  (Brandstätter),  1  in  Leim- 
perge  (Ober-  und  Unter-Lamberger),  3  in  Owerperge  (Auberg 
Pfarre  St.  Peter),  1  Mühle  in  Prukke  (Teufelsbruckmühle  an 
der  Großen  Mühel),  1  in  Sasenhouen  (Sachsenhofer  bei  Auberg), 
1  in  Ow  (Auergut),  1  an  der  Leitten  (Leitnergut),  5  in  Hohen- 
perge  (Dorf  Hohenberg),  4  in  Marchbach  (Dorf  Marbach),  4  in 
Sconenberg  und  1  Mühle  (die  Schönbergmühle  an  der  Mühel 
und  die  anrainenden  Güter,  darunter  das  Schiezengut),  3  in 
Rndolfspach   (Rudersbäck  und  Lehnergut),   4  in  Igilbach  und 


*  Mon.  Boic.  XXVUIb,  834. 
«  a.  a.  O.  XX Vm«,  465—467. 
AidüT.  ICIV.  Bwd.  12 


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162 

1  Mühle  (Iglmühle  an  der  Mühel,  Winkler,  Weger,  Reuter), 
3  in  Pokkesrukke  und  1  Mühle  (Bockmühle  am  Iglbach,  Bocks- 
rucker,  Kriechbaumer),  1  apud  heremitam  (Harrafl),  3  in  Hen- 
gestslage  (Pfarre  Rohrbach?),  2  in  Souslage  (Sauschlag  bei 
Steinbruch),  2  in  Pirchenstein  (Pümstein)  und  1  Mühle  (Hof- 
mtihle),  2  in  Grube  (Steingrub  nächst  Pümstein),  1  in  Eicha 
(Aichergut  bei  Erdmansdorf),  2  in  Ehrtraannesdorf  (Erdman- 
storfergut  bei  Blankenberg),  2  in  Paierache  (Bayrach),  1  in 
Liuzenchinde,  1  in  Ezelsperge  (Ezleinsberg),  2  Mühlen  in 
Planchenperge  (Plankenmühle  und  Bruckmühle  an  der  Mühel), 

3  in  Apphilspach  (Apfersbach  Pfarre  Kleinzell),  1  in  Rukers- 
perge  (Richetsbergergut  auf  der  Mühelleiten),  2  in  Puselinge 
(Pislingergut),  2  an  dem  Wege  (Wegerer),  1  in  Seltelicheim 
(Seltenhofer  bei  der  Ruine  Schallenberg),  1  in  Chazzenwinchel, 
1  in  Wilchart,  1  an  dem  Houe  (Bauer  in  Hof  auf  der  Mühel- 
leiten), 1  in  Oede  (Edergut),  4  in  Weigelinsdorf  ( Weigelsdorf ), 

1  in  cherspaum  (Kerschbaumer  am  Diessenbach),  1  in  Grube 
(Grubergut),   1   in   Westeloune,   1    in  Muderinge   (Midringer), 

2  in  Richmanesperge  (Steinerberg  Pfarre  Kleinzell). 

h)  außerhalb  Witigos  Gericht  gelegen:  3  Lehen  und 
1  Mühle  in  Eigelsperge  (bei  Steinbach  Pfarre  Niederwald- 
kirchen), 1  apud  Ekkhardum  in  Fossa,  1  in  der  Grube  bei 
Falkenbach  Pfarre  St.  Martin,  2  in  Winesteige  (zwischen 
Zeißendorf  und  Allerstorf),  1  in  Perchheim  (Bergheim  Pfarre 
Feldkirchen),  1  in  Eiche,  1  in  Steipphen,  (Aichergut  und 
Stapfenedergut  Pfarre  St.  Martin,)  2  und  1  Mühle  in  Prunst, 
1  Lehen  in  Hezelinsperge. 

Nach  einer  weiteren  Aufschreibung*  übergab  Wok  von 
Rosenberg  dem  Hochstifte  für  55  Mark  Silber,  welche  er  dem- 
selben wegen  des  Gerichtes  auf  den  Gütern  ultra  Mvhlam 
schuldete,  2  Höfe  in  Percheim,  1  Meierhof  in  Lantshabe 
(Landshag),  2  Höfe  in  Winsteige,  1  Lehen  apud  Wemhardum 
an  der  Leiten,  4  behauste  Lehen  in  hailmanstorph,  2  in  wel- 
ham,  1  in  Grepelshove,  5  in  loh,  1  Hof  in  der  owe,  1  Mühle 
in  pruk,  1  behaustes  Lehen  ad  Eberwinum  in  Campo,  1  in 
prantsteten,  3  in  awerperge,  1  ad  Rudigerum  an  der  leiten,  1  in 
der    Ovwe,    4   in   hochenperge,    1   Hof   in    Schoenperge    und 

4  Lehen  daselbst,  3  behauste  Lehen  in  Marchpach. 


Mon.  Boic.  XXIX  b,  220. 


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163 

Wir  finden  demnach  im  Besitze  Witigos  fast  durchge- 
hends  solche  Ortlichkeiten^  welche  die  Blankenberger  unmittel- 
bar innegehabt  oder  weiter  verliehen  hatten.  Es  kann  daher 
als  festgestellt  erachtet  werden: 

1.  daß  die  vorbezeichneten  Güter  ebendieselben  sind,  wel- 
che —  wohl  noch  mit  anderen  —  Engelbert  von  Blankenberg 
dem  Bischof  Chxinrad  zu  Lehen  aufgetragen  hat; 

2.  daß  Witigos  Vorfahren  in  diesen  Lehen  den  Blanken- 
bergem  nachgefolgt  sein  müssen. 

Mit  der  Abtretung  der  Lehen  wich  die  Machtsphäre  der 
Witigonen  nach  Norden  hinter  die  Rauschemühel  zurück;  von 
dieser  an  bis  zum  Kloster  Schlägl  blieb  alles  freies  Eigen  der 
Herren  von  Rosen berg,  nur  der  Markt  Haslach^  wurde  mit 
dem  passauischen  Lehenbande  behaftet,  als  Herr  Peter  von 
Rosenberg  denselben  1341,  11.  September*  von  Bischof  Gott- 
fried zurückkaufte.  Das  ,obere'  Gericht  war  stets  freies  Eigen 
der  Rosenberger  gewesen  und  blieb  es  auch  fortan.  In  dem 
Kaufverträge  1599,  29.  November,*  geschlossen  zwischen  Peter 
Wok  von  Eosenberg  und  Erzherzog  Leopold  als  Bischof  von 
Passau,  wird  als  Vertragsobjekt  bezeichnet  ,Unser  von  höchst- 
ermelter  Seiner  fürstlichen  Durchlaucht  Bistum  und  Hochstift 
Passau  belehnete  Herrschaft  und  Markt  Haslach  sambt  den 
darzue  gehörigen  Unterthanen,  Item  daß  darzue  gehörige  Land- 
gericht, von  den  gemerkchen  des  Landgerichts  Augen  und 
oben  her  von  den  Böheimbischen  Gründtens  anfohent  und 
neben  der  Grossen  Mühel  zwischen  dem  Wäxenbergerischen 
Landgericht   biß    hinauß   mitten  in   die  Thonaw   gehent,    wie 


'  Peter  hatte  denselben  früher  (nach  1821)  an  Bischof  Albrecht  verkaaft, 
als  passauischer  Pfleger  erscheint  1341,  12.  MÄns  (Urkunde  im  allgem. 
Reichsarchiye  in  München)  Cbnnrat  von  Tannberch.  Aus  dem  Reverse 
des  Rosenbergers  geht  mit  aller  Bestimmtheit  hervor,  daß  die  Lehen- 
pflichten, die  er  übernahm,  ganz  neue  waren;  es  sind  deshalb  die  An- 
gaben der  passauischen  Auskünften,  daß  Haslach  schon  1257  passauisches 
Lehen  gewesen  sei,  einfach  erfunden.  Peter  mußte  sich  verbindlich 
machen,  die  Feste  im  Markte  niederzulegen. 

•Mon.Boic.  XXX  b,  170. 

'  Vidimus  1631,  24.  Juli  im  fürstlich  Schwarzenbergschen  Zentralarchive 
in  Krummau  II  AI  A»,  Nr.  3.  Ältere  Urbare  von  Haslach  sind  in  Krumm- 
an  nicht  vorhanden;  im  fürstlich  Schwarzenbergschen  Archive  in  Wit- 
tingau  (Akt  Haslach  H  92/a  Fasz.  U)  nur  zwei  Anschläge,  von  welchen 
der  älteste  c  1500. 

12* 


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164 

dann  daß  Schloß  Liechtenaw,  Schloß  Pürchenstain,  Schloß  Gneis- 
senaw  nnd  Schloß  Nenhanß  in  diesem  Landgericht  liegen/ 
Lehenbar  von  den  Rosenbergem  nnd  ihren  Rechtsnachfolgern 
blieben  bis  auf  die  Neuzeit  die  Feste  Liechtenau,  der  Burgstall 
Haglau  nächst  dem  Reisingergute  in  der  Pfarre  St.  Stephan  am 
Riedl.* 

Doch  haben  die  Herren  von  Rosenberg  auch  im  ,unteren' 
Gerichte  Eigengut  bewahrt.  Vier  Hofstätten  in  der  Cell  (Klein- 
zell)  sind  bezeugt  1370,  18.  Juli  und  1379,  17.  August«  als 
Lehen  der  Rosenberger  und  sind  solche  geblieben  bis  zur 
Durchführung  der  Lehenallodialisierung;  im  alten  Grundbuche 
Gneussenau  (Abteilung  Schwarzenbergsche  Lehen)  wurden  im 
Jahre  1794  als  solche  eingetragen:  Nr.  3  das  große  Siegstein- 
haus, Nr.  15  die  Schmidhofstatt,  Nr.  17  die  Hafherhofstatt,  über 
welche  vom  Jahre  1527  fortlaufende  Lehenbriefe  im  Krummauer 
Archive  aufbewahrt  sind.  Noch  1419,  24.  April  belehnte  Ulrich 
von  Rosenberg  seinen  Burggrafen  zu  Witigenhausen  Peter  den 
Harracher  mit  einem  Gute  in  der  Zell  ,genant  nydern  Inn'  in 
der  Pfarre  Zell  ,die  da  gehört  gen  Waldkyrchen'  und  1527 
belehnte  Johann  von  Rosenberg  seinen  Untertan  Siegmund  mit 
dem  Gute  zu  ,Kerspaum  in  Zellerpfarr  und  unserm  landgericht 
Haslach  gelegen^' 

Nicht  bloß  Gneussenau,  auch  der  Berg,  auf  welchem  Neu- 
haus ob  der  Donau  aufgebaut  ist,  waren  ursprünglich  Blanken- 
bergisches  Eigen,  daher  nach  ihrer  Verwandlung  in  Passauische 
Lehen  beide  Festen  vom  Hochstifte  zu  Lehen  gingen. 

Vor  dem  Weiterschreiten  in  der  Untersuchung  erscheint 
es  zur  leichteren  Nachprüfung  geboten,  jene  vereinzelten  und 
weit  von  einander  abstehenden 

Markzeichen 
sichtbar  zu  machen,    welche  für  den  Verfasser  Leitpunkte  ab- 

*  Laut  Lehenreyerse  der  Elisabeth  Anhangerin  und  ihres  Sohnes  Hans  JOrger 
1399,  7.  Juli  und  des  Hieronymus  Schluchs  1578,  26.  Februar  im  Zen- 
tralarchiye  Erummau. 

'  Oberösterreichisches  ürkundenbuch  VIII,  480,  Velden  219.  Die  Hof- 
stätten des  Teurwangers  in  Kleinzeil,  die  Habe  in  Richetsberg,  das  Lehen 
am  Steinach  werden,  wie  die  spfiterhin  zu  Gneussenau  gehörigen  Häuser 
in  Kleinzell  von  St.  Florian  aus  der  Schenkung  Eppos  und  Bernhards 
erkauft  worden  sein. 

'  Harracher  Urkunde  in  Wien;  Lehenbrief  Montag  vor  Elisabeth  1527  im 
Krammauer  Archive  U  A*  Nr.  1  a,  Lade  89. 


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165 

gaben,  um  bialier  unbekannte  Verhältnisse  in  ihrem  Wesen  zu 
erkennen,  die  Zwischensteine  aasfindig  zn  machen  and  za 
Schlaßfolgemngen  za  gelangen,  welche  zwar  überraschende, 
hoflfentUch  aber  nicht  anfolgerichtige  genannt  werden  dürften. 
Um  1130  empfangen  Adalram  v.  Waldeck-Feistritz  and 
seine  Gattin  Richinza  von  Radolf  and  Richinza  von  Perge 
Güter  am  Windberg.* 

1140,  21.  Oktober,  za  Wels  zeagt  in  einer  ürkande 
Bischofs  Reginbert  ftlr  das  Kloster  Kremsmünster  in  erster 
Reihe  der  Hochfreien  Adalram  de  Valchenstain.' 

Um  1180  wird  in  zwei  Traditionen  des  Klosters  St.  Nikola 
ein  Calhohas  jadex,  einmal  mit  dem  Beisatze  de  valchenstein 
aufgeführt.' 

Um  dieselbe  Zeit  erschemt  einige  Male  ein  Chalhoch  von 
Valchenstein  in  einer  Reihang,  welche  anf  dessen  freien  Stand 
schließen  läßt. 

1171,  10.  Febraar,  nennt  Papst  Alexander  IQ.  anter  den 
Dotationsgütem  des  Klosters  Seckan  ,in  Bawaria  Waltenstein 
com  prediis  et  familia^^ 

1194,  27.  Oktober,  ist  der  edle  Mann  Witego  de  Boemia 
in  zahlreicher  Adelsversammlang  za  Passaa  anwesend.^ 

1209,  6.  Jali,  bezeagt  za  Gramastetten  eine  bischöflich- 
passaaische  Urkande  Witigo  de  Planchinberc.^ 

1220.  Witigo  von  Perchyc  (Pfic)  siegelt  den  Brief,  mittels 
dessen  er  das  Dorf  Cogetin  (Kojetein)  dem  Kloster  Mülhaasen 
verkanft,  mit  einem  Siegel,  das  die  fünf blfttterige  Rose  and  die 
Umschrift  Witko  de  Planchinperc  aafweist.' 

1231,  17.  Dezember,  za  Velden  veränßert  der  edle  Herr 
Witigo  aas  Böhmen  an  Bischof  Gebhard  seine  passaoischen 
Lehen  zwischen  Raaschemühel  and  der  Donaa.^ 


^  SteiermXrkisches  Urkandenbach  I,  142. 

'  Urkandenbach  Ton  Kremsmfinster,  S.  58. 

'  OberOsterreichiBcbes  Urkandenbach  IV,  581,  591. 

*  Steiermärkiflches  Urkandenbach  I,  502. 
>  Mon.  Boic.  XXVHIb,  261. 

*  Oberttoterreichisches  Urkandenbach  II,  524. 

^  Abdrack  bei  Heinrich  Sperl  ,Die  Grenzen  zwischen  Böhmen  and  dem 
Mühllande  und  die  Heimat  der  Witigonen'  in  Mitteil,  des  Vereines  für 
Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen,  1900  S.  894—404. 

*  Mon.  Boic.  XXVm  b,  884. 


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166 

Der  Bischof  bemerkt  in  diesem  Briefe,  daß  das  Gericht 
(die  hohe  Gerichtsbarkeit)  über  diese  Güter,  das  dem  Herrn 
Witigo  zustehe,  von  dem  Herzoge  von  Osterreich  lehenrührig  sei. 

1259  versucht  Wok  von  Rosenberg  das  Schloß  Haichen- 
bach an  der  Donau  an  sich  zu  bringen.^ 

1264.  Das  Dorf  Schindlau  nordwestlich  von  Schlägl  ist 
Erbgut  der  Frau  Berchta,  Gemahlin  Budiwoys  von  Erummau, 
Mutter  des  Herrn  Zawisch  von  Falkenstein.  Bei  der  Schenkung 
an  Schlägl  nehmen  Budiwoy  und  Berchta  von  der  Gerichtsbar- 
keit die  todeswürdigen  Verbrecher  aus.* 

Erst  vom  Jahre  1268^  an  ist  der  Turm  Ranariegel  in 
Händen  der  passauischen  Ministerialen  von  Falkenstein  be- 
zeugt; vor  dem  Jahre  1217  war  der  größere  Teil  der  Pfarre 
Rannarigel,  sehr  wahrscheinlich  die  ganze  ^  freies  Eigen  der 
Herren  von  Griesbach.* 

Das  Schloß  Falkenstein  wird  niemals  als  passauisches 
Lehen  bezeichnet  oder  jemals  als  solches  in  Anspruch  ge- 
nommen.^ 

1272  ist  Zawisch,  Sohn  des  Budiwoy  von  Erummau,  in 
freiem  Besitze  der  Feste  Falkenstein.^ 

1274,  11.  Dezember,  ist  in  einer  Urkunde  König  Otakars 
als  letzter  Zeuge,  welchem  passauische  Lehensleute  vorangehen, 
Zabissius  Castellanus  in  valchenstain  aufgeführt.'' 

1277.  Die  letztwillige  Verfügung  Witigos  von  Krummau 
läßt  auf  den  Bestand  der  Burg  Witigenhausen,  Pfarre  Deutsch- 
Reichenau,  schließen.^ 


»  Mon.  Boic.  XXIX  b,  136. 

*  OberOsterreichisches  Urknndenbach  in,  828. 
8  Mon.  Boic.  XXIX  b,  482. 

*  Siehe  das  Besitzverzeichnis  vorne  S.  146—147. 
6  Mon.  Boic.  XXIX  b,  603. 

0  a.  a.  O.,  616. 

'  Der  Verfasser  der  ,Enrzen  Auskunft  von  dem  Fürstentum  Passau  und 
den  darin  entlegenen  Herrschaften  und  Märkten'  (1777  Cod.  germ.  1744 
der  königl.  Hof-  und  Staatsbibliothek  in  München)  bemerkt  auf  Blatt  27': 
,daß  (im  Gegensätze  zu  Rannariedl)  von  Falkenstein  aber  einiges  vesti- 
gium  der  Lehenschaft  sich  nicht  findetS  Buchinger,  Fürstentum  Passau  11, 
39  hat  zum  Jahre  1346  Falkenstein  ein  lehenbares  Schloß  g^enannt,  was 
seinerseits  ein  Schreibversehen  ist,  da  die  Originalurkunde  das  Schloß 
Rannarigel  nennt.     (Siehe  S.  183.) 

»  Fontes  rer.  Austr.  Dipl.  XXIII,  29. 


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167 

1289  wird  Falkenstein,  das  ^praedones^  innehatten^  vom 
Herzog  Albrecht  von  Österreich  erobert.* 

Wir  beginnen  die  Untersuchung  mit  der  Feststellung  des 
Besitzstandes  der  Witigonen  auf  dem  Boden  des  vormaligen 
Mühlkreises. 

Bereits  erwähnt  wurde,  daß  Wok  von  Rosenberg  im  Jahre 
1258  seinen  freieigenen  Besitz  in  Ober-  und  Unter-Schwandt 
sowie  in  Freudental  (jetzige  Pfarre  Waldburg)  der  Kirche 
Passau  zu  Lehen  auftrug,  welcher  Akt  jedoch  wieder  rück- 
gängig gemacht  worden  sein  muß,  da  diese  Güter  in  den  näch- 
sten Jahren  wieder  freieigen  genannt  werden. 

In  seinem  Testamente,  ddo.  Graz  1262,  4.  Juni,*  be- 
dachte Wok  seine  Gattin  Hedwig  für  den  Fall  ihrer  Wieder- 
verehelichung  unter  anderem  mit  dem  Hofe  Ober-Swant.  Dem 
Albero  von  Rotenstein  verlieh  er  zu  Lehen  ,dua8  maiores  villas 
supra  Swant.  Curiam  autem  et  agros  contra  Sumerowe 
(Sumerau  bei  Freistadt)  et  interiores  agros  contra  Ybenstain 
(Eibenstein,  Pfarre  Reichental)  usque  ad  metas  Boemie'  (heutige 
Grenzen  Böhmens)  vermachte  er  seiner  Gattin.  ,Item  homini' 
de  Patavia  pro  viginti  marcis  argenti  in  Leimpach  (Ober- 
tmd  Unter-Laimbach,  Pfarre  Leonfelden  oder  Laimbach,  Pfarre 
St  Oswald)  dentur  due  hübe,  sed  si  gratiam  mihi  fecerit,  tan- 
tnm  una.'  Dem  Schreiber  Rudiger  und  dessen  Erben  gibt  er 
jKirspoum  villam  libere  cum  omni  iure^*  Den  gelösten  Satz  in 
Gunthersrevt  (Güntherreut,  Pfarre  St  Oswald)  verleiht  er 
an  Kaihoch  ^  zu  Lehen.  Schinta  (Schindlau  oberhalb  Aigen) 
soll  nach  Schlägl  zu  seinem  Seelgerät  gegeben  werden,  wenn 


'  Mon.  Germ.  Script.  IX,  716;  Reimchronist  Otakar  a.  a.  O.,  Deutsche 
Chron.  V/I,  306—306. 

»  Fontes  XXIH,  17,  18,  19. 

'  Pangerl  a.  a.  O.  emendiert  domino. 

*  Sicherlich  nicht  das  Dorf  Kerschbaum  in  OberQsterreich,  welches  Lehen 
von  der  Herrschaft  Freistadt  war,  sondern  Kerschbaum  in  der  Pfarre 
Bosental,  wie  denn  auch  das  folgende  Gutenbrunn  jenes  in  der  Pfarre 
Strobniz  ist. 

^  Wahrscheinlich  Kaihoch  von  Falkenstein,  der  Ende  1269  starb;  denn  in 
Qünthersrent  trug  noch  1301  Otto  v.  Olafpach  Zehente  von  Kaihoch  Fried- 
rich und  Chuarad  v.  Falkenstein  zu  (After)  Lehen.  Pröll,  Geschichte 
des  Klosters  Schlägl,  S.  37. 


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168 

er  den  Prozeß  gegen  seinen  Vetter  (patruus)  Budiwoy  gewinnt, 
sonst  läßt  er  das  Dorf  demselben  auf  sein  Gewissen.^ 

Das  Dorf  Schindlau  (Schintau),  Erbgut  der  Bertha, 
gaben  diese  und  ihr  Qemahl  Budiwoy  von  Skalitz  (Krummau) 
im  Jahre  1264  an  das  Kloster  Schlägl.  Die  Dorfmarkungen 
reichten  bis  an  den  Klafferbach  (usque  ad  aquam,  que  dicitur 
Chlaffiindez  wazzer),  jenseits  welchem  wahrscheinlich  die  Dörfer 
Klaffer  und  Freindorf  schon  bestanden.  Die  Qeschenkgeber 
reservierten,  indem  sie  die  niedere  Gerichtsbarkeit  dem  Kloster 
zugestanden,  ausdrücklich  die  Auslieferung  der  todeswiirdigen 
Verbrecher  an  den  weltlichen  Richter.  Dieser  Vorbehalt  wäre 
überflüssig  gewesen,  wenn  die  hohe  Gerichtsbarkeit  in  anderen 
Händen  als  in  jenen  der  Witigonen  gewesen  wäre.  Es  darf  daher 
geschlossen  werden,  daß  die  Witigonenherrschafk,  zu  welcher  da- 
mals Schindlau  gehört  hat,  im  Besitze  der  Blutsgerichtsbarkeit  war. 

Im  Jahre  1277  vermacht  Witigo  von  Krummau  auf  dem 
Sterbebette  (positus  in  extremis)  in  Gegenwart  der  Pfarrer 
Prebizlaus  (Pfemysl)  von  Friedberg  und  Christan  von  St.  Oswald 
dem  Kloster  Hohenfurt  drei  Dörfer,  darunter  Xradowi  (nunmehr 
Witigenhof  genannt).*  Aus  der  Anwesenheit  der  Seelsorger  der 
beiden  benachbarten  Pfarren  wurde  mit  Recht  geschlossen,  daß 
die  Urkunde  auf  der  Burg  Witigenhaus  errichtet  wurde.  Dieselbe 
wurde  wohl  nach  der  Zeit  erbaut,  als  die  exzentrische  Lage  der 
Blankenburg,  weitab  von  den  Gütern  an  der  Moldau,  als  lästig 
empfunden  und  dieselbe  samt  den  umliegenden  passauischen  Lehen 
an  das  Hochstift  hingegeben  wurde,  wahrscheinlich  in  dem- 
selben Zeitpunkte,  als  Wok  sich  flir  seinen  Sonderbesitz  an 
der  Moldau  Rosenberg  erkoren  hat  (zwischen  1241  und  1246).^ 

1315,  15.  Mai,  schenkte  Peter  von  Rosenberg  auf  seinen 
Todesfall  dem  Kloster  Hohenfurt  das  Dorf  Eybenstein  mit  den 
nächsten  drei  Dörfern.* 

1318,  26.  September,  schenkte  Peter  demselben  Kloster 
zum   Seelenheile   seiner   Gemahlin  Viola  seine  Dörfer  Eyben- 


^  Wohl  aus  dem  Titel  des  gemeinsamen  Besitzes  wird  Wok  den  Ansprach 

erhoben  haben. 
«  Fontes  XXIH,  29. 

*  Palacky,  Geschichte  Ton  Böhmen  II,  101.  Vgl.  die  Abhandlung  ,Wit- 
tingshausen'  von  Adolf  Berger  in  den  Mitteil,  des  Vereines  fQr  Ge> 
schichte  der  Deutschen  in  Böhmen  XIII,  105—126,  XIV,  67—69. 

*  Pontes  XXIII,  63. 


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169 

stein^  Styphtung^  Swarczenpach^  Freudental  und  die 
Höfe  ,qTie  vnlgariter  dacz  den  hoefen  nuncupantnr*  (Freudental 
Pfarre  Waldbnrg,  Eibenstein,  Stiftung,  Schwarzenbach,  Vierhof 
in  der  Pfarre  Reichental)  ,excepto  dumtaxat  iure  nostro  feodali, 
quo  nobiles  illius  districti  ab  antiquo  progenitoribus  nostris  et 
nobis  sunt  astricti^^ 

Von  dem  Dorfe  Wurmbrand  in  der  Pfarre  Aigen  sagen 
1356,  12.  März,  die  Brüder  Peter,  Jodok,  Ulrich  und  Johann 
Yon  Rosenberg,  daß  die  Lehenabgaben  ihnen  und  ihren  Vor- 
fahren bisher  zugestanden  sind.  Sie  freien  diese  ,yilla  .  .  ab 
. .  onere  pheodalibus,  quibus  per  nos  nostrosque  praedecessores 
hactenus  possessa  fuerunt^' 

In  Lyebintal  (Liebental  P£Eurre  Reichental)  befanden  sich 
drei  Lehengiiter,  welchen  Peter  von  Rosenberg  1378,  11.  April 
die  Lehenpflicht  zugunsten  des  Klosters  Hohenfurt  erließ.' 

1393,  9.  März,  verkaufen  Ulrich  Schneckenreuter  und  sein 
Sohn  Reindel  drei  von  Heinrich  von  Rosenberg  lehenbare  Güter 
zu  Liebental  in  dem  Dorfe  Pfarre  Reichental  und  das  Holz 
zunächst  Liebental,  1395,  14.  Februar,  eben  dieselben,  Ulrichs 
Hausfirau  Elsbet  und  die  Geschwister  Hans  und  Katharina  ihre 
rittennäßigen  Lehen  von  Heinrich  von  Rosenberg  in  der  Herr- 
schaft Freistadt  zwei  Güter  zu  Liebental  und  drei  Güter  in 
der  Stiftung  Pfarre  Rainbach,  1396,  29.  Juni,  eben  dieselben 
ein  Gut  im  Dorfe  zu  Liebental  Pfarre  Reichental,  Lehen 
Heinrichs  von  Rosenberg,  an  Hansen  den  Zinespan.  1402, 
4.  Juli,  eignen  Heinrich  von  Rosenberg  und  dessen  Sohn  Peter 
für  geleistete  Dienste  dem  Hans  dem  Zinespan  zwei  Güter  zu 
Liebental  im  Dorfe,  zwei  Güter  in  der  Stiftung  und  ein 
ödes  Reut  in  der  Pfarre  Rainbach,  eine  Wiese  zu  Nieder- 
Reichental  bei  der  Swenczelmühle  und  zwei  Hölzer,  die  an 
des  seligen  Harracher  Holz  Stoffen.^ 

In  der  Großen  Mühel  stand  das  Fischereirecht,  vom 
Kloster  Schlägl  angefangen  bis  in  die  Gegend  von  Schwacker- 
rent  (Pfiwre  St.  Oswald)  den  Witigonen  zu  und  wurde  erst 


^  Fontes  XXm,  67.  DieGüter  kommen  später  alle  Eor  Herrschaft  Waidenfels. 
'  OberOsterreichisohes  Urknndenbach  VII,  441.    Auch  Passau  hatte  dort 

Lehenbesits    (Pilgrim    und    Qundakker   von    Tannberg),     a.  a.  O.  451, 

472,  480. 
»  Fontes  XXTH,  176. 
*  Archiv  für  (toterr.  Qeschichte  XXXI,  281,  282,  283,  289. 


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170 

im  Juli  1389  von  Johann  von  Rosenberg  dem  Kloster  über- 
lassen.^ 

Noch  im  Jahre  1410  waren  Güter  in  Ober-  und  Nieder- 
Schwant  und  in  Reichental  von  Rosenberg  lehenrührig,  wie 
aus  der  von  Ulrich  von  Keuschach,  Verweser  des  Landgerichts 
Freistadt,  1410,  28.  Oktober,  erlassenen  Ladung  an  Herrn  Hein- 
rich von  Rosenberg  vor  das  Landtaiding  in  Pregarten  erhellt.* 

1494,  7.  April,  fertigte  Peter  von  Rosenberg  einen  Lehenbrief 
aus  auf  Michl  auf  dem  Püchl  über  dessen  Lehen  auf  dem  Püchl 
zu  Zeyß  ,in  Newnmarckhter  pfarr  vnd  freinstetter  Herrschaft 
gelegen';  1537,  19.  März,  belehnte  damit  Jobst  von  Rosenberg 
den  ,Edl  und   vesten  Joachimb  Marchschalch   zu  Reichenaw'.' 

Ob  die  villa  Winthersdorf,  welche  auf  Veranlassung  Woks 
von  Rosenberg  von  einem  nicht  genannten  Stifter  schon  1259* 
nach  Hohenfurt  geschenkt  worden  ist,  die  Ortschaft  Winters- 
dorf in  der  Pfarre  Reichenau  ist,  muß  stark  bezweifelt  werden; 
zum  Besitzstande  der  Rosenberger  gehörte  sie  jedenfalls  nicht. 

Übersehen  wir  nun  den  letzteren,  so  ergibt  sich  folgendes 
Resultat: 

1.  Von  der  Einmündung  des  Dießenbaches  in  die  Große 
Mühel,  eine  kurze  Strecke  vor  Neuhaus,  angefangen  bis  zum 
Einflüsse  des  KJafferbaches  in  die  Mühel  bei  Salnau  reichte 
ununterbrochener  Besitz  der  Witigonen,  in  der  Breite,  welche 
das  Landgericht  Haslach  einnahm. 

2.  In  der  Riedmark  (Landgericht  Freistadt)  lagen  un- 
mittelbare Güter  und  Lehen  in  der  Richtung  von  Freistadt 
durch  die  Pfarren  Waldburg  und  Reichental  bis  an  die  jetzige 
oberösterreichisch-böhmische  Grenze,  ein  Lehen  selbst  südlich 
von  Freistadt. 

3.  Unmittelbar  an  diese  Güter  schloß  sich  der  kompakte 
Besitz  der  Witigonen  bis  zur  Moldau  an,  sowohl  der  gemein- 
same als  auch  der  Sonderbesitz  der  beiden  Zweige  Krummau 
und  Rosenberg. 

Aus  den  Stiftungsurkunden  von  Hohenfurt  (S.  119  f.)  geht 
hervor,  daß  das  Gebiet  südlich  von  der  Moldau  gemeinsames 


^  PrOlI,  Geschichte  von  Schlägl,  S.  63,  aus  dem  Original. 

■  Harracher,  Urkunde  in  Wien.  Strnadt,  Geschichte  der  Herrschaft  Windeck 

und  Schwertberg  im  Archiv  für  österr.  Geschichte  XVII,  162. 
'  Fürstl.  Schwarzenberg.  Zentralarchiy  Krummau  II A*  Nr.  1  a,  Lade  89. 
*  Fontes  XXIH,  4,  11. 


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171 

Eigentum  der  beiden  Familienzweige  von  Krummaa  und  von 
Rosenberg  war;  denn  zur  Schenkung  des  Klosterwaldes,  ein- 
schließlich der  Anhöhe,  auf  welcher  das  Kloster  erbaut  wurde, 
vom  Ziehbache  bis  zum  Waldgipfel  von  Kapellen  mußte  von 
Wok  die  Zustimmung  der  beiden  Agnaten  Budiwoy  und  Witigo 
von  Emmmau  eingeholt  werden,  welche  ausdrücklich  erklären, 
daß  ihr  Vetter  Woko  das  neue  Kloster  ,in  communi  nostra 
possessione  inchoavit,  eam  partem  silve  que  nos  iure  here- 
ditario  contingebat  .  .  in  dedicatione  eiusdem  ecclesie  de- 
dimus'.* 

Der  ganze  Landstrich  war  ako  ungeteiltes  Stammgut 
und  muß  als  solches  schon  bestanden  haben,  bevor  die  Familie 
sich  teilte,  d.  h.  im  Jahre  1194,  also  zu  einer  Zeit,  in  welcher 
die  Kulturen  im  Süden  der  Moldau  noch  geraume  Zeit  durch 
dichte  Wälder  von  den  nördlicher  gelegenen  Gegenden  Böhmens 
geschieden  wurden.  Der  Sonderbesitz  der  beiden  Zweige  be- 
fand sich  im  Norden  und  im  Osten  der  Moldau,  dort  wurde 
Krammau,  hier  Rosenberg  gegründet. 

War,  wie  wohl  anzunehmen  ist,  das  große  zusammen- 
hängende Gebiet  von  der  Moldau  bis  zur  Großen  Mühel  und 
bis  zur  Donaa  Stammgut  der  Witigonen&milie  im  Jahre  1194, 
so  kann  es  füglich  nicht  erst  in  diesem  Jahre  erworben  worden 
sein,  sondern  muß  es  naturgemäß  schon  längere  Zeit  früher 
dargestellt  haben,  da  der  Kolonisierungszug  von  Süden  nach 
Norden  ging. 

Wir  gelangen  daher  zu  dem  Schlüsse,  daß  der  erste 
Witigo  ein  erbberechtigter  Schwertmage  der  Blankenberger 
gewesen  ist,  daß  er  dem  Geschlechte  Schönhering-Blankenberg 
angehörte  und  nach  Absterben  des  zuletzt  auf  der  Blankenburg 
seßhaften  Astes  um  1190/91  in  die  Besitzrechte  desselben  ein- 
trat. Zum  unabweisbaren  Schlüsse  aber  führt  folgende  Be- 
trachtung: 

Bis  vor  einigen  Jahren  gähnte  zwischen  dem  Absterben 
der  Blankenberger  und  der  Rückgabe  der  Lehen  Witigos  an 
der  Mühel  (1231)  eine  Lücke  von  vierzig  Jahren,  innerhalb 
welcher  es  unmöglich  schien,  den  Übergang  der  passauischen 
Lehen  von  den  Blankenbergem  an  die  Witigonen,  sonach  die 
Kontinuität    dieses    Lehenbesitzes    nachzuweisen.     Denn    ohne 


*  Fontes  XXHI,  ö,  6. 


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172 

diesen  Nachweis  war  die  Möglichkeit,  daß  die  Witigonen  die 
Lehen  ans  dritter  Hand  überkommen  haben^  dorchans  nicht 
ausgeschlossen,  sowie  der  Umstand,  daß  die  Eigengüter  der 
Blankenberger  nicht  zum  Lande  heim&llig  wnrden,  schon  des- 
halb für  sich  allein  nicht  ausschlaggebend  ist,  weil  das  Land 
im  Norden  der  Ranschemühel,  wo  gerade  kompaktes  Herr- 
schaftsgebiet der  Blankenberger  anzunehmen  war,  um  1190  und 
lange  darnach  noch  zu  Bayern  zählte  und  der  Bischof  von 
Passau  noch  nicht  Reichsflirstenrechte  erlangt  hatte. 

Dem  Rektor  a.  D.  Heinrich  Sperl  in  Amberg  gebührt  das 
Verdienst,  in  seiner  schon  früher  bezogenen  Abhandlung  Tsiehe 
S.  165)  die  Siegellegende  an  der  Worliker  Urkunde  vom  Jahre 
1220  richtig  gelesen  und  in  dem  Witigo  von  Plankenberg  der 
Passauer  Urkunde  vom  Jahre  1209  einen  Witigonen  erkannt 
zu  haben. 

Daß  der  letztere  bisher  für  einen  Ministerialen  angesehen 
wurde,  hat  seinen  Grund  in  der  schlechten  Überlieferung  der 
Urkunde,  datiert  Grimarstetin  (Gramastetten)  1209,  6.  Juli,  wo- 
mit Bischof  Manigold  von  Passau  einen  Tausch  zwischen  dem 
Kanoniker  Tiemo  und  dem  Ritter  Ruedeger  Biber  bestätigt.' 
Der  sog.  codex  trad.  pat.  sextus  aus  dem  15.  Jahrhunderte 
schreibt  nämlich  die  beiden  ersten  Zeugen  Golo  de  Chuechen- 
pach  et  frater  eins  heinricus  anstatt,  wie  außer  Zweifel  steht, 
Cholo  de  Waehssinperch  et  frater  eins  heinricus,  auf  welche 
beide  Witigo  de  planchiberc  (so  der  Kodex),  Albero  gnesse 
cum  duobus  filiis  suis  alberto  et  Albero  (Gneuße,  von  welchem 
der  Sitz  Gneußenau  bei  Kleinzeil  benannt  wurde),  Amoldus  de 
Haselbach  (Haselbach  Pfarre  Altenfelden),  Heinricus  de  esil- 
berch,  Rudigerus  pincerna,  Otto  de  Munichen,  Pabo  Chehelrinc, 
Engilgerus  dispensator,  wernherus  de  winisperch,  Rubertus  stal 
(Ministerial  der  Schaunberger),  Chunradus  de  hove,  Chunradus 
Marschalcus  de  Schoneberch,  Heinricus  de  tobel  et  gener 
eins  Fridericus,  Hehelo  (Hecelo)  de  bochesrukke  et  filii  sui 
Hainricus  et  dyetmarus  (Bocksrucker  in  Iglbach),  Hainricus  de 
Rotenvelse  cum  filio  suo  leutoldo  et  dyetmarus  (Rotenfelser  bei 
St.  Veit),  pillungus  de  planchenwerch  (Burgmann  auf  Blan- 
kenberg),  Aurwicus  (Ainwicus)  de  vischpach  cum  filio  suo 
chunrado  (Fischbach  bei  Rohrbach),  Hainricus  de  sancto  udal- 


1  Mon.  Boic.  XXIX  b,  280. 


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173 

rico  et  frater  eius  Siboto  (St.  Ulrich  bei  Neufelden),  Dyetricus 
de  sancto  Johanne  cum  filio  suo  chanrado  (Ludmanstorferhof 
bei  St.  Johann)  folgen.  Der  anmittelbare  Anschluß  bekannter 
Dienstmannen  hat  auch  den  Verfasser  im  Jahre  1869  ^  bewogen, 
in  Witigo  einen  passanischen  Lehenmann  zn  erblicken,  während 
infolge  der  richtigen  Lesung  der  Worliker  Siegellegende  bei 
dem  Auftreten  der  bekannten  Qriesbach  -  Blankenbergischen 
Mannen  kein  Zweifel  obwalten  kann,  daß  Witigo  von  Planken- 
berg gleich  den  Griesbachem,  die  sich  gewöhnlich  in  Gesell- 
schaft der  Blankenberger  befanden,  als  Hochfreier  anzusehen  ist. 

Die  Reproduktion  des  Siegels  Witkos  von  Perchyc  an  der 
Worliker  Urkunde  1220  für  Milewsk  (Mühlhausen)  in  den  ,Mit- 
teilungen  des  Vereines  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen' 
ist  viel  zu  dunkel  ausgefallen,  als  daß  aus  dieser  alle  Buch- 
staben der  Legende  mit  Sicherheit  abgelesen  werden  könnten. 
Der  Verfasser  hat  durch  die  Güte  des  fftrstlich  Schwarzen- 
bergschen  Zentralarchivs-Direktors  A.  Mörath  in  die  ftlr  das 
Krummauer  Archiv  hergestellte  Abbildung  der  Urkunde  und 
des  Siegels,  welche  in  lichtbraunem  Tone  gehalten  ist,  Einsicht 
erlangt.  Das  Siegel  ist  mit  Rücksicht  auf  sein  hohes  Alter 
verhältnismäßig  sehr  gut  erhalten.  Mit  aller  wünschenswerten 
Deutlichkeit  sind  folgende  Buchstaben  zu  erkennen: 
.-.  WITKOS  .  DE  .  PL  .  N  .  .  .  N . .  ERC. 

Das  S  nach  Witko  ist  schwächer,  das  D  durchzieht  ein 
Riß  des  Siegelwachses,  die  Buchstaben  E  und  PL  sind  ganz 
deutlich,  der  Buchstabe  an  der  Spitze  des  Siegels  ist  wegen 
der  am  Fuße  der  Wappenfigur,  welche  im  Schilde  die  fünf- 
blätterige Rose  zeigt,  befindlichen  Erhöhung  undeutlich  (^f)  und 
durch  letztere  nach  rechts  geschoben,  kann  aber  ein  A  vor- 
stellen. N  ist  vollständig  sicher,  darauf  folgt  ein  für  drei  Buch- 
staben ausreichender  Raum  bis  zu  dem  zweiten,  auch  teilweise 
abgewetzten  N,  hierauf  ein  Raum  für  zwei  Buchstaben,  von 
denen  der  erste  durch  den  gedachten  Wachsriß  ganz  ver- 
schwunden ist,  dagegen  der  zweite,  ein  E,  nur  den  obersten 
Teil  eingebtlßt  hat,  endlich  ein  R  und  C.  Der  Raum  fiir  drei 
Buchstaben  ist  zu  sehr  verwischt,  um  auch  nur  einen  mit 
Sicherheit  bestimmen  zu  können. 


*  Strntdt,  Nachtrag  zu  Peaerbacb  im  Linzer  Museamsbericbt  1869,  S.  t5, 
Anm.  6.. 


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174 

Daß  die  Umschrift  ursprünglich  lautete  .X-  Witkos  .  de  . 
Planchinperc  kann  keinem  gegründeten  Zweifel  unterliegen. 

Nun  erst  i^Ut  das  richtige  Licht  auf  das  erste  Auftreten 
eines  Witigo  in  Passau.  Am  27.  Oktober  1194^  beurkundet 
daselbst  Bischof  Wolfker,  daß  sein  Blutsverwandter,  der  edle 
Babo  von  Ellenbrechtskirchen,  auf  seinen  Todesfall  dem  Hoch- 
stifte alle  seine  Güter  vermacht,  er,  der  Bischof,  dagegen  ihm 
die  Burg  Struben  samt  Zugehör,  wie  selbe  Engelbert  besessen, 
und  das  Dorf  Gergweis  verliehen  und  zum  Pfände  das  Dorf 
Alnkoven  und  den  Hof  in  Straß  gesetzt  habe.  Nach  den  Sal- 
männern  Chunrad  von  Rota,  Heinrich  von  Paumgarten  und 
Chrafto  von  Anzinsbach  folgt  als  erster  Zeuge  Witego  de 
Boemia,  hierauf  Albert  de  Chambe,  Wemher  von  Griesbach 
und  dessen  Sohn  Walchun,  dann  eine  weitere  Reihe  von  acht 
freien  Herren,  endlich  eine  solche  von  59  Ministerialen. 

Man  hat  sich  bisher  vergeblich  gefragt,  was  im  Jahre 
1194  der  edle  Witigo  von  Böhmen  am  bischöflichen  Hofe  zu 
Passau  zu  tun  gehabt  habe.  Nachdem  seither  zwei  Blanken- 
berger  des  Namens  Witigo:  1209  in  Gramastetten,  1220  ohne 
Ortsbestimmung  gesichert  worden  sind  und  wir,  der  Ver- 
zweigung der  Witigonen  entsprechend,  annehmen  dürfen,  daß 
der  Witigo  de  Boemia  1194  mit  dem  Witigo  de  planchinberc 
1209  und  mit  dem  Witko  von  Pfcic  eine  und  dieselbe  Person 
ist,   können   wir  die  Frage  direkt  beantworten. 

Sind  die  Witigonen,  wie  nun  erwiesen,  den  Blankenbergem 
im  Genüsse  der  passauischen  Lehen  an  der  Ostseite  der  Großen 
Mühel  unmittelbar  nachgefolgt  und  führen  von  den  Eigen  der 
Blankenberger  auch  mitunter  den  Titel  von  Blankenberg,  so 
kann  nichts  anderes  den  Witigonen  nach  Passau  geführt  haben 
als  die  Absicht,  die  Lehenerneuerung  vom  Hochstifte  zu  er- 
langen. 

Denn  nach  Lehenrecht  wurde  bei  dem  Aussterben  des 
einen  Zweiges  einer  Familie  das  Lehen  derselben  sofort  fiir 
den  ihm  zunächststehenden  Zweig  ledig.  Die  Tatsache,  daß 
Witigonen  in  den  Lehen  der  Blankenberger  nachfolgten,  zeigt 
deutlich,  daß  sie  Agnaten  der  letzteren  waren;  wäre  dies  nicht 
der  Fall  gewesen,  so  entstünde  die  kaum  zu  beantwortende 
Frage  nach  dem  Grunde,  aus  welchem  die  Bischöfe  von  Passau 


»  Mon.  Boic.  XXVIII  b,  261. 


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175 

Lehen,  die  sie  so  eifrig  flir  ihre  Kirche  erworben  haben^  einem 
mächtigen  Baron  aus  einem  fremden  Lande  neu  verliehen 
haben  sollen.  Ausnahmen  sind  streng  zu  beweisen;  wer  einen 
solchen  ungewöbnlichen  Fall  behauptet^  hat  auch  die  Beweise 
für  die  Ereignung  desselben  beizubringen. 

Der  edle  Witigo  kann  demnach  in  Passau  zu  keinem 
anderen  Zwecke  sich  eingefanden  haben  als  zur  Erwirkung 
der  Lehenemeuerung  für  die  Schwertmagen  des  alten  Stammes. 

Es  war  aber  jedenfalls  nicht  der  alte  Witigo,  weil  der- 
selbe nach  der  Marginalanmerkung  des  Zeitgenossen  Gerlach, 
Abt  von  Mtihlhausen,^  im  selben  Jahre,  1194,  gestorben  ist  und, 
wenn  er  noch  über  den  27.  Oktober  hinaus  am  Leben  gewesen 
sein  sollte,  gewiß  nicht  mehr  wird  haben  daran  denken  können, 
die  Reise  durch  die  Grenz wälder  nach  Passau  zu  unternehmen. 

Der  edle  Mann  Witigo  von  Böhmen  ist  demnach  der 
Sohn  des  Zupans  (comes,  castellanus)  Witigo,  der  sich  in  der 
Urkunde  des  Klosters  Waldsassen,  zirka  1182,*  von  Purschitz 
nennt,  also  jener  Witigo,  Stammvater  der  nachmaligen  Herren 
von  Rosenberg,  welchen  Pangerl  den  ,älteren'  nennt.^ 

Darüber,  daß  der  Name  Witigo  unbestreitbar  ein  deutscher 
ist,  der  nur  in  Böhmen  zu  Witko  verändert  und  zuletzt  gar  in 
Witek  tschechisiert  worden  ist,  brauchen  nicht  viele  Worte 
verloren  zu  werden.  Daß  der  Name  Witigo  gerade  in  Nieder- 
bayem  im  12.  Jahrhunderte  nicht  selten  war,  dafür  sei  auf 
folgende  Belege  verwiesen:  zirka  1140  Witigo  in  der  Schen- 
kung Patos  an  Formbach,  Witigo  nobilis  homo,  der  drei  Joch  in 
Welingen  nach  St.  Kikola  vergabt,  Witigo  de  Witerun  (Wietraun 
im  Inviertel),  c.  1150  Witego  miles  Richeri  de  Osternach  (im 
Inviertel),  Witig  de  Furt  (im  Inviertel),  c.  1170  Witigo  de 
Tobelheim  im  Rottale),  Witigo  de  Griezpaeh  (im  ehemaligen 
Fürstentum  Passau).* 

Von  einem  Witigo  führen  den  Namen:  das  Wittichgut 
(No.  10   neu,    14  alt)   zu  Steinbruch   nächst  Blankenberg  und 


'  Mon.  Germ.  Script.  XVII,  707. 

'  Erben,  Reg.  dipl.  nee  non  epUtolaria  Bohemiae  et  Moraviae,  167, 
Nr.  374. 

'  ,Die  Witigonen.  Ihre  Herkunft,  ihre  ersten  Sitze  und  ihre  älteste  Genea- 
logie.*    Archiv  fttr  österr.  Geschichte  LI,  500  ff. 

*  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  719,  568,  666,  307,  330,  741; 
Mon.  Boic.  V,  120. 


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176 

das  Wittichweberhaus  daselbst,  das  Widersedergut  (Wittichsöd) 
in  Winkel  an  der  Großen  Mtihel,  das  Wittichschlägergut  zu 
Saumstraß  bei  Zwetl,  das  Dorf  Wittinghof  an  der  Aist  bei  Pre- 
garten,  das  Pfarrdorf  Wittibreut  Amtsgericht  Pfarrkirchen,  wie 
auch  schon  um  1130  ein  Ort  im  Rottale  Witigowingin  benannt 
wurde.*  Witigau  heißt  heute  noch  ein  Dorf  in  der  Pfarrei 
Treubach  im  Inviertel.  Träger  des  Familiennamens  Witig- 
schläger  und  Witibschläger  leben  heute  noch  in  Leonfelden  und 
in  Linz. 

Es  fragt  sich  noch,  wie  der  Zupan  Witigo,  der  sich  von 
Pfic  nennt,  nach  Böhmen  gekommen  ist,  wenn  er  aus  Nieder- 
bayem  stammte. 

Die  Zeitverhältnisse  erlauben  diese  Frage  mit  hoher  Wahr- 
scheinlichkeit zu  beantworten. 

Die  böhmische  Thronfolgeordnung  hatte  seit  dem  Tode 
Königs  Wratislaw  (1092)  zu  wiederholtenmalen  heftige  Thron- 
Streitigkeiten  und  das  Einschreiten  der  deutschen  Könige  als 
Lehenherren  zur  Folge  gehabt.  Wladislaw  11.,  der  1140  zum 
Herzoge  erhoben  wurde,  mußte  sich  gegen  die  Adelsaufstände 
völlig  auf  die  Gunst  des  deutschen  Königs  stützen,  weshalb  er 
sich  auch  alsbald  mit  der  Babenbergerin  Gertrud,  Schwester 
Luitpolds  des  Herzogs  von  Bayern  und  Markgrafen  von  Öster- 
reich, vermählte.  Der  deutsche  König  Chunrad  HI.  kam  mit 
einem  Heere  dem  Halbschwager  wider  dessen  Gegner  zu  Hilfe 
und  rückte  am  7.  Juni  1142  in  der  Hauptstadt  Prag  ein.  Erst 
1146  gelang  es  dem  böhmischen  Herrscher,  seine  Feinde  ganz 
zu  Boden  zu  werfen,  und  nahm  er  nach  seiner  Erhebung  zum 
Könige  (1156)  in  den  Jahren  1157  und  1158  persönlich  teil  an 
den  italienischen  Heerfahrten  Kaiser  Friedrichs.* 

Li  Böhmen  fanden  daher  in  jenen  Zeiten  mutige  Ritter 
willige  Aufnahme  und  entsprechenden  Lohn.  Schon  1142  mag 
König  Chunrad  HI.  manche  Ritter  aus  seinem  Heere  seinem 
Schützlinge  zurückgelassen  haben,  noch  mehrere  werden  den 
folgenden  Thronkämpfen  zugeströmt  sein.  In  noch  höherem 
Maße  bedurfte  Wladislaw  auswärtiger  Krieger,  als  er  sich  be- 
mühte, die  Nachfolge  seines  Sohnes  Friedrich  durchzusetzen. 
Gerade  in   diesem  Zeitpunkte  tritt  in  Böhmen  ein  Witko  auf, 

^  Oberösterreichisches  Urkundenbach  I,  547. 

'  Palacky,  Geschichte  von  Böhmen  I,  416 — 460;  Alfons  Huber,  Geschichte 
Österreichs  I,  294—304. 


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der  in  verschiedenen  Stellungen  erscheint:  1169  als  Truchseß, 
1177  Kastellan  in  Glatz,  1184  Kastellan  in  Prachin,  wohl  ein 
and  dieselbe  Person^  schon  durch  ihren  Namen  kenntlich.  Es 
versteht  sich  von  selbst,  daß  die  böhmischen  Herzoge  ihre 
Parteigänger  für  die  geleisteten  Dienste  zunächst  mit  Besitz  in 
kultiviertem  Lande  bedachten,  nicht  mit  dem  Waldlande  im 
fernen  Süden.  So  sehen  wir  denn  auch  Pfic  (Bezirk  Sedlec, 
Kreis  Beraun),  Kojetein  und  Stankau  bei  Mtilhausen  (Kreis 
Tabor)  in  der  Innehabung  Witkos.  Die  großen  Schenkungen 
im  südlichen  herzoglichen  Markwalde  im  Gaue  der  Doudleby 
müssen  in  späteren  Zeiten  erfolgt  sein,  wofür  auch  der  Um- 
stand spricht,  daß  Krummau  erst  im  zweiten  Drittel  des  13.  Jahr- 
hunderts auftaucht,  zu  einer  Zeit,  in  welcher  Städtegründungen 
,aus  grüner  Wurzel'  im  Gange  waren  und  die  südliche  Wald- 
mark ausgenützt  wurde,  welche  bis  dahin  Böhmen  von  den 
österreichischen  und  bayrischen  Kulturen  getrennt  hatte.  Noch 
in  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  äste  an  der  Stelle  von  Unter- 
Wuldau  (Nahirzowe)  das  Hochwild.  Die  Herrschaft  Krummau 
hatte  noch  1259  keinen  bedeutenden  Umfang,  da  im  Südwesten 
Schwarzbach,  nach  Mugerau  gehörig,  noch  nicht  lange  dem 
Walde  entrissen,  im  Osten  der  Sonderbesitz  des  Rosenberger 
Zweiges  anstieß,  der  am  nördlichen  Moldauufer  nur  eine  kurze 
Strecke  einnahm,  welche  in  geringer  Entfernung  an  den  Küh- 
berg und  an  die  Dörfer  Ober-  und  Unter-Schönhub,  Sonder- 
eigentum Witgos  (Witigos)  von  Krummau,  anrainte.^  Auch 
dieser  Umstand  spricht  ftlr  die  vormalige  Moldaugrenze,  wie 
denn  die  deutschen  Suffixe  der  Ortsnamen  ,Schlag,  Stift,  Reut, 
Hof,  Berg,  Dorf,  Haid^  keinen  Zweifel  darüber  aufkommen 
lassen,  daß  der  Wald  am  südlichen  Moldauufer  vom  Boden  des 
oberösterreichischen  Mühlkreises  aus  urbar  gemacht  und  besiedelt 
worden  ist.* 

Nach   diesen   allseitigen  Darlegungen  kann  es  nichts  ver- 
schlagen,  wenn   es   nicht    möglich   ist,   den   edlen  Witigo   von 


*  PaDgerl,  ,Zawi8ch  von  Falkenstein*  in  den  Mitteil,  des  Vereine»  für  Ge- 
schichte der  Deutschen  in  Böhmen  X,  160. 

*  VgL  die  Karte  su  Band  I  von  Julias  Lipperts  ,Sozialgeschichte  von 
Böhmen  bis  zu  den  Hu8sitenkriegen\  Wenn  er  Witko  für  einen  böhmi- 
schen Großen  erklärt  (I,  258),  so  darf  wohl  nur  bemerkt  werden,  daß 
ihm  kein  Österreichisches  Forschungsmaterial  vorlag  und  die  Frage  von 
Böhmen  ana  allein  nicht  au  lOsen  war. 

IrehiT.  XCl?.  Band.  13 


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178 

Purschitz  an  bestimmter  Stelle  in  den  Stammbaum  der  Schön- 
hering-Blankenberger  einzufügen ;  er  mag  ein  Bruder  oder  Vetter 
Engelberts  I.  gewesen  sein  und  als  jüngerer  Sprößling  sein 
Glück  in  böhmischen  Kriegsdiensten  gesucht  haben.  Gerade 
seine  bayrische  Abkunft  wird  den  österreichischen  Herzog 
vermocht  haben,  auch  ihm  auf  den  Blankenberger  Gütern 
Grafenrechte  zuzugestehen,  was  bei  den  oftmaligen  Fehden 
zwischen  Böhmen  und  Osterreich  einem  böhmischen  Baron 
gegenüber  ein  grober  politischer  Fehler  gewesen  sein  würde, 
dessen  ein  Baben  berger  niemals  fkhig  gewesen  wäre. 


Achter  Abschnitt. 

Die  Burg  Falkenstein  zu  allen  Zeiten  im  Besitze  hoch- 
freier Geschlechter.  Adalram  von  Falkenstein  1140.  Eal- 
hoch  von  Falkenstein  um  1180.  Übergang  an  die  Erumm- 
auer  Linie  der  Witigonen;  Zawisch  von  Falkenstein.  Die 
ersten  Stifter  von  Schlägl  nicht  Besitzer,  sondern  Burg- 
mannen von  Falkenstein.  Stammtafel  derselben;  ihre 
beurkundeten  Besitzungen.  Stiftung  von  Schlägl,  Vogt- 
recht der  Herrschaft  Falkenstein.  Rannarigel  auf  ur- 
sprünglich Griesbachschem  Boden,  Stammbesitz  der 
Ministerialen  von  Falkenstein. 

Zur  Lösung  der  Frage,  wie  Falkenstein  in  die  Hände 
des  Witigonen  Zawisch,  des  Gemahls  der  Witwe  König  Ota- 
kars,  gelangt  ist,  muß  weit  in  die  Vergangenheit,  in  den  Be- 
ginn des  12.  Jahrhunderts  zurückgegriffen  werden.  Die  Ur- 
kunden sprechen  nicht  über  bekannte  Verhältnisse,  dieselben 
müssen  erst  aus  ihnen  erschlossen  werden. 

PangerP  hat  die  Vermutung  geäußert,  daß  das  Dorf 
Schindlau,  Erbstück  der  Berchta  von  Skalitz,  aus  dem  Gute  der 
passauischen  Ministerialen  von  Falkenstein  herrühre,  da  selbe 
in  jenem  Dorfe  und  überhaupt  in  jener  Gegend  begütert  waren. 
Er  meint  damit  ,partem  decimae  in  Schintelaw,  quae  me  iure 
hereditario  respiciebat',  welchen  Kaihoch  von  Falkenstein  1269 
als    Schadenersatz    nach    Schlägl    gab.^     Allein    Zehentberech- 

^  a.  a.  O.,  ZawiBch,  S.  145—186. 

'  Oberösterreichisches  Urkundenbach  III,  861. 


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179 

tignngen  standen  dem  hohen  und  dem  niederen  Adel  aus  ver- 
schiedenen Titeln  auch  auf  fremdem  Herrschaftsgebiete  zu,  hier 
ist  gar  nur  von  einem  Teilzehent  die  Rede.^ 

Die  Vermutung,  daß  Berchta  aus  dem  Geschlechte  der 
Falkensteiner  stamme,  ist  vorweg  abzuweisen.  Berchta  kann 
diesen  Ministerialen  nicht  entsprossen  sein:  denn  dann  wäre 
sie  üntergenossin  ihres  Ehegatten  gewesen,  die  Kinder  aus 
ihrer  Ehe  wären  der  ärgeren  Hand  gefolgt,*  hätten  also  dem 
Stande  der  Ministerialen  angehören  müssen.  Nun  war  aber 
dem  nicht  so,  im  Gegenteile  zählten  Zawisch  und  seine  Brüder 
zu  dem  böhmischen  Hochadel,  zu  den  Baronen. 

Daß  die  Herrschaft  Falkenstein  niemals  im  Besitze  der 
passauischen  Falkensteiner,  Schindlau  aber  ursprünglicher  Be- 
standteil der  Herrschaft  Falkenstein  war,  wird  im  weiteren 
Verlaufe  dargetan  werden. 

Zawisch,  der  Sohn  Budiwoys  von  Krummau  und  seiner 
Hausfrau  Berchta,  war  im  Jahre  1272  im  tatsächlichen  Besitze 
der  Burg  Falkenstein  an  der  Ranna.  Am  27.  Juli  desselben 
Jahres  ^  zu  Velden  unterwarf  er  sich  bezüglich  seiner  Schaden- 
ersatzansprüche an  Bischof  Peter  von  Passau  einem  Schieds- 
gerichte, welches  14  Tage  später  im  Markte  Velden  zusammen- 
treten sollte;  wären  er  oder  der  Bischof  aus  ehafter  Not  nicht  im 
Lande^  so  soUte  ein  Ritter  des  verhinderten  Streitteiles  die  Ab- 
wesenheit seines  Herrn  mit  einem  Eide  bekräftigen,  der  Ritter 
Zawisch'  vor  dem  Passauer  Kapitel,  der  Ritter  des  Bischofs 
aber  in  ,valchenstain^ 

Der  Witigone  nennt  sich  in  der  Urkunde  Zawisius  de 
Valchenstain  und  behielt  dieses  Prädikat  bis  an  sein  Lebens- 
ende (1290)  bei;  in  dem  Siegel,  das  noch  an  der  Urkunde 
hängt,  führt  er  einen  Falken,  welchem  in  der  rechten  oberen 
Ecke  die  Rose,  der  Stilisierung  des  Vogels  entsprechend  in 
länglichte  Blätter  geteilt,  beigefügt  ist.  Der  Falke  steht  auf 
dreispitzigem  Hügel  und  hat,  wie  im  Wappen  der  Grafen 
von  Falkenstein  am  In,  geschlossenes  Gefieder.* 


^  Der  Zehentbestand  aus  Erbrecht  bestätigt  die  Annahme,  daß  Schindlau 
schon  lange  Zeit  vorher  bestand. 

*  Sachsenspiegel  I,  16,  §  2. 

*  Mon.  Boic.  XXTX  b,  503.  Original  im  k.  allgem.  Reiohsarchiv  in  München. 

*  Abbildung  in  der  Monographie  Pangerls. 

13* 


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180 

Jener  Zabissins  Castellanus  de  ValchenBtain,  welcher  als 
letzter  Zeuge  in  dem  Reverse  König  Otakars  1274,  11.  De- 
zember/ dem  Bischöfe  Peter  von  Passau  die  für  die  Verleihung 
der  Kirchenlehen  vereinbarten  1500  Mark  Silber  in  bestimmten 
Fristen  zu  berichtigen,  auftritt,  ist  nichts  anderes  als  der  Burg- 
graf des  Witigonen,  nicht  der  letztere  selbst;  denn  die  drei 
diesem  Zawisch  vorangehenden  Zeugen  Pilgrim  von  Tannen- 
berg, Siboto  von  Lonstorf  und  Chunrad  von  Hartheim  sind 
passauische  Ministerialen,  welchen  der  böhmische  Baron,  wäre 
er  unter  dem  castellanus  verstanden,  unbedingt  vorangehen 
müßte.« 

Zu  dem  Wappentier  zurückkehrend,  mag  bemerkt  sein, 
daß  der  Gemahl  der  Frau  Berchta,  Budiwoy,  schon  1259,  1.  Juni, 
in  den  Ecken  seines  Siegels  je  einen  Vogel  aufgenommen  hat, 
von  denen  jener  rechts  oben  noch  die  meiste  Ähnlichkeit  (ge- 
bogenen Schnabel)  mit  dem  Vogel  Zawisch'  hat,  während  die 
beiden  anderen  Sumpfvögeln  ähneln.  Den  Vogel  unten  sieht 
Pangerl*  für  einen  Schwan  an.  Möglicherweise  sind  die  Miß- 
gestalten der  Vögel  überhaupt  nur  dem  Ungeschick  des  Siegel- 
stechers zuzuschreiben.  Der  Umstand  scheint  aber  gesichert 
zu  sein,  daß  die  vormaligen  Eigentümer  von  Falkenstein  den 
Falken  mit  geschlossenem  Gefieder  im  Wappen  geführt  haben. 

Die  Ministerialen,  welche  sich  von  Falkenstein  nannten, 
führten  dagegen  einen  Falken  mit  zum  Fluge  ausgebreiteten 
Flügeln  im  Wappen;  in  dem  ältesten  Siegel  an  der  Urkunde 
1268,  3.  Mai,*  steht  dieser  Falke  auf  einem  von  runden 
Steinen  gebildeten  Hügel,  der  sich  dann  nachmals  in  einen 
dreispitzigen  verwandelt  hat.  Diese  unfreien  Falkensteiner 
werden  im  12.  Jahrhunderte  von  ihrem  ersten  Erscheinen  im 
Jahre  1163  an  nur  ganz  allgemein  als  Ministerialen  bezeichnet 
und  begegnen  uns  in  Urkunden  der  verschiedensten  Herren, 
während  die  Tannberger,  Wesner,  Marsbacher,  Haichenbacher 
ständig  in  Passauer  Urkunden  auftreten.    In   der  Abmachung 


^  Mon.  Boio.  XXIX  b,  516. 

'  Daß  der  Tanfname  Zawisch  auch  jenseits  der  Donau  gebräuchlich  war, 
zeigt  die  Benennung  des  Hofes  Zawischeugut  bei  Pregarten. 

'  Im  Urkundenbach  von  Hohenfurt,  Fontes  XXin6.  Die  Abbildung  des 
Siegels  verdankt  der  Verfasser  der  Güte  des  Herrn  Professors  Dr.  Valentin 
Schmidt,  der  auch  sonstige  AufklKrangen  gegeben  hat. 

*  Im  k.  allgem.  Reichsarchiv  in  München. 


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181 

Bischofs  Wolfker  mit  Babo  von  Ellenbrechtskirchen  vermissen 
wir  unter  den  59  Ministerialen  den  Kaihoch  von  Falkenstein, 
während  seine  Nachbarn  Richker  von  Wesen,  Friedrich  von 
Wesenberg,  Heinrich  von  Marsbach  in  erster  Reihe  stehen. 
Ausdrücklich  als  Ministerial  der  Kirche  Passan  bekennt  sich 
der  Stifter  von  Schlägl  erst  im  Jahre  1218,  obwohl  er  und 
vielleicht  auch  seine  Vorfahren  schon  früher  Lehen  von  Passan 
innehatten,  da  seit  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  Ministerialen 
nicht  bloß  Dienstlehen  von  ihren  Herren,  sondern  auch  rechte 
Lehen  von  anderen  Herren  empfangen  konnten.  Das  zweite 
Mal  wurde  das  KUoster  Schlägl  in  kultivierter  Gegend  im  Witi- 
gonengebiete  gegründet,  welche  Tatsache  vermuten  läßt,  daß 
schon  damals  die  Witigonen  beigetragen  haben  dürften,  weil  — 
wie  gezeigt  *  werden  wird  —  die  Mittel  der  Falkensteiner  noch 
sehr  unzureichende  waren. 

Der  umstand,  daß  des  Stifters  Sohn  es  unternehmen 
konnte,  gegen  den  Willen  des  Hochstiftes  auf  einigen  Gütern 
desselben^  die  Gerichtsbarkeit  auszuüben,*  führt  zu  der  wei- 
teren Vermutung,  daß  Chunrad  um  das  Jahr  1221  wahrschein- 
lich noch  Burgvogt  auf  Falkenstein  gewesen  sein  wird.  Erst 
gegen  1240  dürfte  er  den  Burgsitz  auf  Falkenstein  verloren 
haben  und  trat  dann  zu  Weihnachten  1240  in  ein  bindendes 
Verhältnis  zu  Passau.  Er  hatte  damals  noch  keine  Burg,  weil 
in  dem  Reverse  1240,  25.  Dezember,*  der  vom  Bischof  Rudiger 
zu  seinen  Räten  erwählten  Ministerialen  Hadmar  von  Wesen, 
Chunrad  von  Valchenstein,  Ortolf  von  Waldeck  und  Pilgrim 
von  Tannberg  ausdrücklich  unterschieden  wird  zwischen  denen, 
die  eigene  Burgen  haben,  und  denen  ,qui  non  habent  castra', 
der  erste  und  die  zwei  letzten  zu  Wesen,  Einburg  und  Waldeck, 
und  zu  Tannberg  angesessen  waren,  demnach  nur  der  Falken- 
steiner als  burgenlos  gedeutet  werden  kann.    Von  dieser  Zeit 


'  Darunter  Hamet  und  Niederndorf,  in  welchen  Orten  noch  im  Jahre  1474 
sich  von  Österreich,  d.  i.  von  der  Herrschaft  Falkenstein  lehenbare  Güter 
befanden.  Siehe  Chmel,  Mon.  Habsburg  HI,  702.  Meister  Siegmund 
(1504  Pfarrer  zu  Altenfelden)  und  Qeorg  Qebr.  die  Herleinsperger  senden 
dem  Kaiser  Friedrich  lehenbare  Güter  zu  Nydemdorf  und  Hämad,  Pf. 
Griesbach  im  Landgerichte  St.  Georgenberg  ob  Passau  zugunsten  ihres 
Vetters  Ulrich  des  Herleinsperger  auf. 

»  Vgl.  vorne  S.  146. 

'  Mon.  Boic.  XXIX  b,  865. 


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182 

an  waren  die  Falkensteiner  ausschließend  hochstiftische  Dienst- 
lente,  weshalb  nunmehr  auch  an  Chunrad  ein  Teil  der  Gries- 
bachschen  Güter  zu  Lehen  verliehen  und  die  Erlaubnis  erteilt 
worden  sein  wird,  auf  dem  Plateau  ober  der  Rannamündung 
im  Angesichte  der  Feste  Falkenstein  zum  Schirme  für  den  all- 
seitig befehdeten  Bischof  Rudeger  einen  Wehrbau,  den  Turm 
aufzurichten ,  welcher  nach  seiner  Anlage  auf  dem  Riedel 
,RannarigeP  genannt  wurde.  Am  8.  November  1268^  versetzte 
Chalhoh  von  Valchenstein  als  Unterpfand  seiner  Treue  dem 
Bischof  Peter  auf  drei  Jahre  von  kommenden  Pfingsten  (1269) 
an  gerechnet  seinen  Turm  in  Rannarigel  (turrim  meam  in 
Raennarigel),  welchen  der  Bischof  mit  Wächtern  aus  seinen 
Leuten  (de  familia  ecclesie)  besetzen  kann,  und  verpflichtete 
sich,  dem  Hochstifte  oder  den  Nachbarn  weder  selbst,  noch 
durch  seine  Leute  Schaden  zuzufligen,  jeden  Schaden  aber 
binnen  Monatsfrist  gutzumachen.  Der  späte  Anschluß  an  den  hoch- 
stiftischen  Ministerialverband  erklärt  auch,  weshalb  die  Falken- 
steiner kein  passauisches  Hofamt  bekleideten,  während  die  von 
Wesen  das  Schenken-,  die  von  Haichenbach  das  Marschalken-  und 
die  Tannberger  das  Truchsessenamt  verwalteten.  Erst  nim  treten 
die  Falkensteiner  mehr  in  den  Vordergrund,  nachdem  sie  vorher 
in  den  Zeugenreihen  eine  ziemlich  bescheidene  Stelle  ein- 
genommen hatten. 

Im  Jahre  1281  war  der  Turm  Rannarigel  zur  stattlichen 
Burg  ausgebaut,  um  in  dem  Jahre  1357  von  den  uneinigen 
Brüdern  an  das  Hochstift  veräußert  zu  werden.*  Aus  dem 
Vergleiche  der  Brüder  Ealhoch  und  Heinrich  von  Falkenstein 
mit  Ulrich  von  Hauzenberg  1258,  29.  Jänner,*  ist  zu  schließen, 
daß  Rannarigel  schon  vor  diesem  Jahre  gestanden  ist,  weil  die 
Lehen  in  Razing  (östlich  von  Waldkirchen  in  der  Abtei)  nach 
den  Verzeichnissen  1488  und  dem  Urbar  1510  zur  Herrschaft 
Rannarigel  gehörten  und  eben  diese  den  Falkensteinem,  Reh- 
berg (Rehweinsperg,  nordwestlich  von  Fürholz),  dem  Hauzen- 
berger  zugefallen  waren. 

Zum  Beweise,  daß  von  Heinrich  von  Falkenstein  nicht 
Falkenstein,  sondern  Rannarigel  bedingungsweise  dem  Hochstifte 


^  a.  a.  O.  482  bloßes  Regest,  hier  aus  dem  Originale  im  k.  allgem.  Reichs- 
archiv in  München. 
*  Stmadt,  Velden  im  Linzer  Mnsenmsberichte  1860,  8.  164,  206—208. 
»  Mon.  Boic.  XXIXb,  114. 


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183 

vermacht  worden  ist,  folgt  hier  der  Inhalt  der  im  k.  allgemei- 
nen Reichsarchive   zu  München  aufbewahrten  Originalurkunde, 
ddo.  3.  August  1345  (,an  sant  Stephanstag  als  er  fanden  wart^: 
Heinrich  von  Falkenstein  bestimmt,  daß  nach  seinem  Tode 
sich  seiner  ,Vest  ze  Rannarigel,  die  mein   rechtes  Lehen 
ist    von   meinem    genedigen  hem  Bischof  Gotfrid   zu   pazzau 
und  von  seinem  gozhaus'  der  Bischof  unterwinden  und  seinen 
Töchtern  Agnes  und  Dorothe  jeder  400  Pfund  Pfennige,  sowie 
seine  Hausfrau   ,vron  Annen'  200  Pfand,   wovon   sie  über  100 
frei  verfiigen  kann,  100  aber  nach  ihrem  Ableben  seinen  Brü- 
dern   Chalhoch,    Ulrich    und   Hang    zu   hinterlassen    hat,    aus- 
richten  soll.     Den  Brüdern,   die  jajmer  Insigel  nicht  enhaben', 
steht  die  Wiederlösung  der  Feste  um  1000  Pfand  Pfennige  offen. 
Nachstehend    die  urkundlichen  Angaben  über  den  Besitz 
der  Falkensteiner  im  Mühellande. 
I.  1236.    Bischof  Rudiger   von   Passau   übergibt  das  Kloster 
Slage    dem  'Propst  Orthold  von   Osterhofen   und 
bestätigt,  daß  Chunrad  von  Valchenstein  die  Stif- 
tung seines  Vaters  Chalhoh   erneuert,   dem  Vogt- 
rechte  entsagt  und  ,partem  decimationis,  quam  in 
illis  locis  habuit'  fUr  das  Kloster  übergeben  habe.* 
Wohl  in  Kazling.    (Siehe  S.  185.) 
11.  1258,  29.  Jänner.     Lehen   in  Razing  in   der  Abtei,  siehe 

vorstehend  S.  182. 
in.  1259,    23.  Jänner.     Bischof  Otto    verpfändet   seinem  Ge- 
treuen Heinrich  von  Valchenstein  für  das  Heirats- 
gut seiner  Nichte  Adelheid  von  Radeck  zwei  Höfe, 
zur  Hofinark  Ebelsberg  gehörig.* 
rV.  1268,  3.  Mai.   Chalhoch  von  Falkenstein  verpftlndet  seinen 
Turm   Rannarigel  an   Bischof  Peter.    Siehe    vor- 
stehend S.  182. 
V.  1269,  13.  Jänner.    Chalhoch  von  Valchenstein  übergibt  als 
Schadenersatz  dem  Kloster  Schlägl  ,omnia  predia 
mea  in   Strazze,   que   mihi   iure  hereditario   con- 
petebant'.'    Straß  Pfarre  St.  Peter  am  Windberg. 


*  Oberöeterreichisches   Urkundenbach  m,  44.     Hier   nach    dem   Vidimus 

1306,  1.  März  im  Hofkammerarchiv,  Fasz.  F  1. 
'  Mon.  Boic.  XXIX  b,  180. 
'  OberOflterreichiBches  Urkunden  buch  HI,  860. 


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186 

wieder  an  Herzog  Albrecht  verkaufte.  Die  Brüder  Friedrich 
UDd  Chunrad  hatten  sich  schon  anfangs  des  14.  Jahrhunderts 
in  bayrische  Dienste  begeben,  Friedrichs  Enkel  war  Peter 
Pfleger  zu  Schärding,  der  noch  vor  Heinrich  dem  Letzten  des 
Stammes  mit  Tod  abging.  Der  Lehenbrief  der  Herzoge  Otto 
und  Albrecht  über  das  Gericht  zu  Falkenstein,  welchen  Wis- 
grilP  anführt,  konnte  weder  im  Hofkammer-  noch  im  k.  k. 
Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv,  auch  nicht  unter  den  Regesten 
Birks  aufgefunden  werden,  es  ist  wohl  ein  unrichtiges  Zitat; 
auf  die  Falkensteiner  kann  er  nicht  lauten,  weil  die  Herrschaft, 
längst  landesfürstliches  Eigentum,  im  selben  Jahre  pfandweise 
an  Eberhard  von  Wallsee  übergegangen  ist. 

Es  ist  somit  wohl  zur  Gewißheit  erhoben,  daß  die  Familie 
der  Stifter  von  Schlägl  niemals  Falkeu stein  besessen,  vielmehr 
Rannarigel  ihren  Stammsitz  und  auch  einzigen  Schloßbesitz 
gebildet  hat. 

Die  von  dem  Verfasser  in  den  Linzer  Museumsberichten  * 
gelieferte  Stammreihe  dieser  Falkensteiner,  seither  ergänzt  und 
berichtigt,  stellt  sich  wie  auf  S.  187  ersichtlich  dar. 

Das  früheste  Vorkommen  der  unfreien  Falkensteiner  fUUt 
nicht  vor  das  Jahr  1163;*  der  erste  Vertreter,  Kaihoch,  kommt 
weiter  vor  1173,  1177,  zirka  1180,  zirka  1188.^  Um  1188 
treffen  wir  einen  Wernherus  de  valchensteine,  dann  wieder 
1204,  29.  Juli;^  wie  sein  Vorgänger  wird  auch  er  Burgsasse 
auf  dem  Falkenstein  gewesen  sein  und  von  diesem  die  Be- 
zeichnung erhalten  haben.  Der  Stifter  von  Kloster  Schlägl, 
wieder  ein  Kaihoch,  kann  nicht  leicht  mit  dem  ersten  identifi- 
ziert werden,  wenn  anders  sein  Grabstein,  der  erst  aus  dem 
15.  Jahrhunderte  herrührt,^  die  Wahrheit  sagt,  daß  er  im  Jahre 
1238  das  Zeitliche  verlassen  hat;  denn  dann  müßte  er  nahezu 
hundert  Jahre  alt  geworden  sein.  Ob  der  passauische  Dom- 
herr Chalhohus   de  Valchensteine   in   den  Jahren  1198 — 1222^ 


'  Schauplatz  des  niederOsterreichischen  Adels  III,  18. 

«  1860  S.  112  und  1868  S.  360. 

'  Oberösterreicbisches  Urkundenbuch  II,  324. 

*  Mon.  Boic.  XII,  350;  XXVIIIb,  98,  252;  OberOsterreichisches  Urkunden- 
buch I,  509,  586;  II,  413. 

*  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  687;  11,  496. 
«  Pröll,  Geschichte  von  Schlägl,  S.  25,  Anm.  3. 

^  Linzer  Museumsbericht  1899,  S.  49;    Mon.  Boic.  VI,  362;    OberOsterrei- 
chisches  Urkundenbuch  II,   496,  524,  592,  603,  611,  619,  635. 


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187 


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188 

mit  den  letzteren  verwandt,  allenfalls  der  Bruder  des  1198, 
30.  Juni  vorkommenden  Chunrad  von  Valchenstein,  dieser  letz- 
tere aber  sein  Vater  gewesen,  läßt  sich  nicht  entscheiden;  aller- 
dings sind  die  Namen  Kaihoch  und  Chunrad  in  der  Familie 
erblich  und  hieß  auch  der  Sohn  des  Klosterstifters  Chunrad. 
Kaihoch  von  Falkenstein,  den  wir  den  zweiten  nennen, 
gründete  nach  dem  zweiten  Stiftbriefe  ^  noch  unter  Bischof 
Wolfker,  daher  längstens  im  Jahre  1204,  an  dem  Orte,  der 
Slage  genannt  wurde,  ein  geringies  Kloster  (Coenobium  exile), 
das  er  den  Zisterziensern  zu  Langheim  Diözese  Bamberg  über- 
gab. Nachdem  sie  innerhalb  7^/,  Jahren  einen  Abt  und  einen 
Mönch  durch  Hunger  und  Kälte  eingebüßt  hatten,  verließen 
sie  die  unwirtliche  Einöde  (locum  solitarium)  und  waren  nicht 
mehr  zur  Rückkehr  zu  bewegen.  Aus  dieser  Schilderung  geht 
zweifellos  hervor,  daß  die  erste  Stiftung  nicht,  wie  die  soge- 
nannte Tradition  aus  späterer  Zeit  haben  will,  an  der  Stelle 
der  Kirche  Maria  Anger  in  der  schon  längere  Zeit  kultivierten 
Ebene  an  der  Großen  Mühel  stattfand,  sondern  in  einer  abseits 
gelegenen  Neurodung  im  Walde.  Erst  die  zweite  Stiftung  er- 
folgte an  dem  wohnlicheren  Orte,  auf  dem  sich  noch  das  Kloster 
befindet;  daß  die  eine  oder  die  andere  Stelle  Kirchenlehen  von 
Passau  gewesen  sei,  künden  die  Urkunden  nicht.  Die  Neu- 
gründung wurde  dem  Prämonstratenserstifte  Milewsk,  das  die 
Witigonen  zu  Nachbarn  hatte,  übergeben;  auf  dieses  lautet 
auch  der  Verzicht  des  Klosters  Langheim.*  Und  das  hat  in 
unserem  Falle  eine  besondere  Bedeutung.  Das  Kloster  Schlägt 
wurde,  wie  die  weitere  Folge  lehren  wird,  im  ursprünglichen 
Umfange  der  Herrschaft  Falkenstein  an  den  Markungen  der 
Witigonen  erbaut,  und  schon  in  der  Widmung  zeigt  sich  der 
Einfluß  der  Herren  von  der  roten  Rose  auf  den  Stifter.  Erst 
im  Jahre  1236^  focht  Bischof  Rudiger  diese  Übergabe  an  und 
überwies  Schlägl  dem  Propste  Orthold  von  Osterhofen  (dilecto 

>  OberOsterreichisches  Urkandenbach  II,  597.  Der  erste  findet  sich  nicht 
anter  den  Urkunden  des  Klosters  Langheim  im  k.  allgem.  Reichsarchiv 
München  und  ebenso  wenig  unter  jenen  des  Klosters  Mühlhausen  im 
Stifte  Strahow  zu  Prag. 

*  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  II,  696.  Die  von  Pröll,  a.  a.  O.  28, 
Anm.  1  hervorgehobene  Rasur  hat  keine  Bedeutung,  da  sie  nicht  das 
verlorene  Original  oder  das  Kopialbuch  betrifft. 

'  Der  Druck  im  Oberösterreichischen  Urkundenbuch  III,  44  hat  den 
Namen  Orthold  nicht. 


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189 

in  Christo  fratii  nostro  Ortholdo  Preposito  in  Osterhouen). 
Wenn  die  ^Tradition'  den  ersten  Propst  von  Schlägl  Orthold 
nennt,  so  steht  sie  im  Widerspruche  mit  der  Bulle  des  Papstes 
Honorius  HI.  1221,  2.  April/  welche  den  Rektor  des  Klosters 
der  heiligen  Maria  in  Slag  mit  dem  Anfangsbuchstaben  G.  be- 
zeichnet. Es  zeigt  sich  hier  wiederum,  daß  die  Vorsteherlisten 
in  den  späteren  Zeiten  ohne  Gründlichkeit  und  häufig  will- 
kOrlich  zusammengestellt  wurden.*  Osterhofen  war  auch  schwer- 
lich in  der  Lage,  die  Rolle  eines  Mutterklosters  zu  spielen, 
denn  das  Kloster  befand  sich  schon  im  Jahre  1240  keineswegs 
in  guter  Verfassung,  wie  die  vielfachen  Resignationen  und 
Absetzungen  der  dortigen  Pröpste  im  13.  Jahrhundert'  mit 
Orund  schließen  lassen. 

Die  im  Schlägler  Kopialbuche  von  1593  enthaltene  Nach- 
richt, daß  Herzog  Friedrich  11.  von  Österreich  im  Jahre  1242 
dem  Erlöster  erlaubt  habe,  ,ain  ort  des  walds  außreiten  und 
auf  21  lehen  wait  ein  dorf  anfangen  zu  lassen',*  ist,  wie  der 
Verfitöser  bereits  in  den  Mitteil,  des  Inst,  für  österr.  Geschichtsf. 
bemerkte,^  nichts  anderes  als  eine  Erfindung  des  Schlägler 
Chronisten,  welcher  die  ganz  ähnliche  Bewilligung  Herzog  Ottos 
1325,  28.  Februar®  ins  13.  Jahrhundert  zurttcktibertrug;  um 
auch  ffSiY  die  Entstehung  von  Aigen  ein  Datum  zu  haben,  das 
sich  im  Archive  nicht  vorfand.  Die  Nachricht,  die  genug  Ver- 
wirrung angerichtet  hat,  beweist  die  gänzliche  Unkenntnis  der 
staatsrechtlichen  Verhältnisse  auf  Seiten  des  Annalisten,  da  zur 
gedachten  Zeit  die  Gegend  um  Schlägl  noch  zu  Bayern  zählte 
und  erst  seit  1290  die  österreichischen  Herzoge  sich  als  Landes- 
fllrsten  und  Vögte  des  Klosters  zu  benehmen  anfingen.  Außer- 
dem hätte  Schlägl  noch  gar  nichts  zu  roden  gehabt;  denn  bis 
1264  gehörte  die  ganze  Umgebung  noch  den  Witigonen,  welche 
sich  als  die  eigentlichen  Stifter  und  Förderer  des  kümmerlich 
dotierten  Klösterchens  bewiesen,  indem  dieselben  vor  1258  die 
P&rre  Kirchschlag  (Lichten werd)  in  Böhmen  und  1264  die 
große  Dorfgemarkung  Schindlau  dem  Erlöster  überließen. 


^  OberOfiterreichisches  Urknndenbüch  n,  629. 

'  Die  Äbtereihe  von  Mondsee   im  früheren   Mittelalter  ist  nach  den  Be- 
weisen Konrad  Meindls  großenteils  erfunden. 
'  Mon.  Boic.  XU,  826. 

*  Pröll,  a.  a.  O.  26,  Anm.  1.  »  a.  a.  O.  XXIV,  648. 

•  OberOsterreichisches  Urknndenbach  V,  414. 


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190 

Schlägl  würde  daher  mit  größerem  Rechte  den  Falken 
mit  geschlossenem  Gefieder  oder  die  fünfblätterige  Rose  im 
Wappen  führen;  ganz  nnhistorisch  aber  ist  das  moderne.  Denn 
der  Falke  der  Rannarigler  Falkensteiner  steht  in  allen  noch 
vorhandenen  Siegeln  nicht  auf  drei  Würfeln,  sondern  auf  einem 
Hügel;  die  drei  fünfblätterigen  Rosen  sind  unscheinbar  und 
gleichen  Rosetten.  Die  beiden  Holzschlägel  endlich  zeigen,  daß 
im  15.  Jahrhundert,  als  die  Stiftungssage  aufkam,  der  Ausdruck 
Slage  oder  Slaglein  =  Waldöffhung  durch  Rodung  gar  nicht 
mehr  verstanden  wurde;  sie  gehen  auf  eine  Reimerei  statt  auf 
eine  wirkliche  Tatsache  zurück.  Das  Mittelalter  kennt  dieses 
Wappen  nicht;  in  den  Jahren  1343,  1466*  zeigt  das  Kloster- 
siegel Maria  mit  dem  Jesukinde. 

An  die  Schenkung  von  Schindlau  knüpft  sich  fttr  Schlägl 
eine  Verpflichtung,  welche  einen  sicheren  Rückschluß  gestattet. 

Bei  der  Bereitung  der  kaiserlichen  Pfandherrschaften  in 
Oberösterreich  im  Jahre  1570  fand  sich  in  einem  älteren  Ur- 
bare von  Falkenstein  aus  der  Zeit  zwischen  1520  und  1530  in 
der  Rubrik  ,Geistliche  Vogteien'  folgender  Eintrag: 

,Da8  Gotßhaus  zum  Schlägl  ist  der  Herrschaft  Valgken- 
stain  mit  der  Vogt  Obrigkait  underworfen,  wie  dann  gemelts 
Gotshauß  Jarlichen  zu  Vogtrecht  48  Mezen  Habern,  2  Kelber 
und  2  Kiz  raicht^,  was  auch  in  das  ,New  Vrbar  der  Herr- 
schafft Valckhenstein  ob  der  Enns^  vom  Jahre  1570*  überging. 

Die  Verwalter  des  Gotteshauses  Schlägl  (nach  Abgang 
des  Propstes  Paul  Marchesini)  berichteten  über  Auftrag  der 
kaiserl.  Kommissarien  1578,  13.  Jänner,^  daß  wenigstens  seit 
Menschengedenken  die  Entrichtung  eines  Possessionsgeldes  nicht 
üblich  gewesen  sei,  und  Propst  Wenzeslaus  Zypser  stellte  1603, 
10.  Oktober*  überhaupt  in  Abrede,  daß  der  Herrschaft  FaJken- 
stein  ein  Vogteirecht  zustehe,  indem  nur  der  allerhöchste  Lan- 
desflirst  Vogt  des  Klosters  sei,  die  48  Metzen  Vogthaber  würden 
durch  des  Gotteshauses  Untertanen  vom  Dorfe  Schindlau  und 
nicht  vom  Gotteshause  gereicht.  Die  Kälber  und  Blitze  erklärte 
Wenzel  als  eine  Leistung  für  einen  —  nicht  genannten  —  ver- 
wechselten Dienst,  wie  auch  zur  Herrschaft  Rannarigel  2  Kälber 
und  2  Kitze  gereicht  würden,   so  auch   eine   Königsteuer  von 

1  Fontes  XXm,  87,  314. 

*  Kodex  Nr.  4  der  Urbare,  Bl.  180  im  Hofkammerarchiv. 

8  Faszikel  F  1  daselbst.  *  Ebenda. 


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191 

ScUägl  aiis  nach  Pürnstein  entrichtet  werde,  außerdem  habe 
ja  laut  Briefes  des  Bischofs  Rudiger  im  Jahre  1236  Chunrad 
von  Falkenstein  jeder  Vogtei  entsagt. 

Propst  Wenzel,  der  eifrige  Verfechter  der  Rechte  und 
Ansprüche  seines  Hauses,  hat  hier  Richtiges  und  Falsches, 
Passendes  und  unpassendes  durcheinander  geworfen;  zu  letz- 
terem gehört  die  Anftihrung  der  Königsteuer,  die  aus  einem 
ganz  anderen  Titel  zu  entrichten  war  (siehe  Abschnitt  XIV); 
zu  dem  Unwahren  sicherlich  die  Behauptung,  daß  die  Kälber 
und  Kitze  eine  Leistung  flir  einen  verwechselten  Dienst  waren. 
Denn  wir  sehen  aus  dem  Berichte  des  Propstes  Matthias 
Schueman  1578,  12.  Juli^  und  aus  dem  demselben  beigelegten 
Auszuge  aus  dem  Urbar  des  Gotteshauses  Schlägl  vom  Jahre 
1482  ,das  bey  etlichen  deß  Gottshaus  unterthanen  der  kiz 
Phening  geraicht  und  geben,  wellicher  sich  auf  11  ß  23  ^S  ver- 
laufen thuet,  von  wellichen  Dienst  Phening  oder  gelt  nit  allain 
zu  der  Herrschaft  Rännariedl,  sondern  auch  der  Herrschaft 
Valckenstain  zway  kelber  vnd  zway  khiz  vor  Jam  darumben 
erkauft  worden,  und  das  die  ybermaß  dem  Ambtman  ver- 
bUben'.  Es  war  daher  dieser  Dienst  eine  Rekognition  flir  ur- 
sprüngliches Vogtrecht,  weil  er  als  solches  nicht  bloß  im  Urbar 
von  Falkenstein,  sondern  auch  in  jenem  von  Rannarigel  vom 
Jahre  1581*  eingetragen  war.  Was  die  48  Hetzen  Hafer  an- 
belangt, so  hat  das  Kloster  dieselben  auf  die  Dorfgenossen  in 
Schindlau  umgelegt;  sie  waren  um  so  sicherer  ein  Vogtrecht 
aus  der  Schenkung  vom  Jahre  1264,  weil  der  Hafer  bis  zum 
Jahre  1849  nach  Altenhof,  dem  Sitze  der  Herrschaft  Falken- 
stein, geleistet  wurde  und  das  Kloster  die  Vogthaferlieferung 
dahin  bei  Anlegung  der  alten  Grundbücher  1793/94  zu  seinen 
Gunsten  bei  den  Häusern  der-  Untertanen  grundbücherlich 
sicherstellte.* 

Aus  dieser  Tatsache  ergibt  sich  der  unabweisliche  Schluß, 
daß  zur  Zeit  der  Vergabung  von  Schindlau  an  Schlägl  (1264) 


^  Faszikel  R  2  im  Hofkammerarchiv. 

*  Original  im  k.  allgem.  Reicbsarchiv  München,  vidim.  Abschrift  im  Ober- 
Österreichischen  Landesarchive  in  Linz. 

'  So  ist  z.  B.  im  alten  Qmndbache  Schlägl  bei  dem  Hause  Nr.  12  im 
Markte  Aigen  bei  der  Rubrik:  ,an  Naturalrobot'  einverleibt:  ,die  Vogt- 
haferlieferang  nach  Altenhof  ist  mit  den  übrigen  ganzen  und  halben 
Burgrechtsgründenbesitzem  jedes  vierte  Jahr  zu  leisten.* 


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192 

diese  Dorfgemarkung  ein  Bestandteil  der  Herrschaft  Falken- 
stein und  Berchta  von  Eromman-Skalitz  Inhaberin  derselben 
gewesen  ist;  es  erklärt  sich  nun  auch  der  ausdrtlckliche  Vor- 
behalt der  Blutsgerichtsbarkeit  auf  diesen  Grundstücken  von 
Seite  der  Geschenkgeber. 

Aus  den  aktenmäßigen  Tatsachen  erhellt  weiters,  daß  der 
Propst  von  Schlägl  mit  der  Ablehnung  der  Vogteiherrlichkeit 
von  Falkenstein  im  Irrtum  war.  Wenn  Chunrad  der  Falken- 
steiner auch  auf  das  Vogteirecht  verzichtet  hatte,  so  hatte  dieser 
Verzicht  nur  für  ihn  und  seine  Nachkommen,  nicht  aber  ftlr  die 
Eigentümer  von  Falkenstein  Geltung,  da  diese  Herrschaft  den 
Stiftern  von  Schlägl  niemals  gehört  hatte.  Aber  die  Tatsache,  daß 
einmal  die  Witigonen,  die  so  reichliche  Zustiftungen  gemacht 
hatten  und  aus  diesen  Vogteirechte  beanspruchen  konnten,  Fal- 
kenstein besessen  haben,  war  damals  dem  Gedächtnisse  jenes 
Zeitalters  völlig  entschwunden,  da  die  Herrschaft  seit  mehr  als 
300  Jahren  in  den  Händen  der  österreichischen  Landesfürsten 
war.  Doch  hatte  Falkenstein  noch  im  15.  Jahrhundert  Rechte 
einer  Vogtherrschaft  von  Schlägl  wirklich  geübt,  da  die  Kloster- 
holden ihre  Güter  im  Vogttaiding  des  Pflegers  von  Falkenstein 
zu  veräußern  hatten.^ 

Wiederholt  wurde  erwähnt,  daß  die  Falkensteiner,  die 
bisher  nur  als  Ministerialen  des  Hochstiftes  Passau  bekannt 
waren,  sich  ursprünglich  im  Dienste  der  freien  Herrschaft  Fal- 
kenstein befunden  haben.  Diese  Aufstellung  wird  nunmehr 
unter  Beweis  gestellt. 

Um  das  Jahr  1185  bezeugt  die  Übergabe  einer  Hörigen 
durch  Udalrich  von  Polheim  an  das  Kloster  St.  Nikola  ,Chadel- 
hous  judex  de  valchenstein^^  Daß  derselbe  nach  Falkenstein 
an  der  Ranna  gehört,  wird  durch  die  Anwesenheit  des  nach- 
folgenden Zeugen  Albrant  von  Fischbach  (bei  Rohrbach)  außer 
Zweifel  gesetzt.  Er  ist  dann  identisch  mit  jenem  Chadelhous 
iudex  (ohne  weiteren  Beisatz),  welcher  in  Gesellschaft  von 
Richer  und  Wemhard  von  Wesen,  Udalrich  von  Nordembach 


^  Kaufbrief  am  das  halbe  Lehen  in  Kandleinschlag  1471  unter  dem  Siegel 
des  Propstes  und  des  Falkensteiner  Pflegers  Simon  Oberhaimer  und 
unter  der  Zeugenschaft  des  Wolfgang  Auckhentaller  Diener  des  Vogtes 
und  Anwalt  des  Taiding.  Pröll,  a.  a.  O.  50,  Anm.  4. 

^  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  581. 


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193 

(Strnben),  Friedrich  von  Schönpichl  und  Heinrich  Farrire*  die 
Tradition  des  Gutes  Hartheim  um  1188  bestätigt.* 

Der  bayrische  judex  des  12.  Jahrhunderts  ist  der  Richter 
des  Inhabers  der  Grafschaftsrechte.  War  Kaihoch  Richter  von 
Falkenstein,  so  muß  damals  an  der  Burg  Falkenstein  Grafen- 
gewalt gehaftet  haben,  deren  Inhaber  selbstverständlich  eine 
von  Kaihoch  verschiedene  Persönlichkeit  war.  Wie  es  gekommen 
ist,  daß  in  jenem  Zeiträume  der  Herr  auf  Falkenstein  mit  gräf- 
licher Gerichtsbarkeit  ausgestattet  wurde,  ob  durch  königliche 
Verleihung,  durch  Teilung  oder  im  Erbgange,  ist  uns  ver- 
borgen; aber  die  Tatsache  ist  dargetan  und  mit  ihr  muß  bei 
der  weiteren  Forschung  gerechnet  werden. 

Daran,  daß  der  Herzog  von  Bayern  die  Grafschaft  inne- 
gehabt und  den  besagten  Richter  bestellt  hätte,  ist  wohl  nicht 
zu  denken,  da  nach  dem  Wortlaute  der  Urkunden  erst  Herzog 
Otto,  der  am  16.  September  1180  mit  Bayern  belehnt  wurde,  die 
Grafschaft  im  Rzgau  vom  Reiche  erhielt,  außerdem  die  Vereini- 
gung mehrerer  Grafschaften  in  einer  Hand  noch  ausgeschlossen 
war,  daher  er  die  Grafschaft  doch  wieder  hätte  in  dritte  Hand 
leihen  müssen.  Erst  nachdem  Ludwig  das  Komitat  im  Ilzgau  statt 
vom  Reiche  von  der  Kirche  Passau  zu  Lehen  trug  d.  i.  seit  1217, 
mag  er  dieselbe  an  den  Grafen  Bemger  von  Leonberg  weiter 
geliehen  haben,  weshalb  er  wohl  auch  1220  dem  Hochstifte 
gegen  die  Ansprüche  Bemgers  Gewähr   zu  leisten   versprach.* 

Es  handelt  sich  demnach  darum,  ausfindig  zu  machen, 
wer  damals  und  späterhin  Falkenstein  besessen  hat  und  Inhaber 
der  gräflichen  Rechte  gewesen  ist;  selbstverständlich  können 
die  Besitzer  nur  hochfreien  Geschlechtem  angehört  haben.  Bei 
der  Suche  müssen  wir  uns  notgedrungen  auf  die  Bahn  der 
Vermutungen  begeben  und  diese  selbst  aus  den  bekannten  Ver- 
hältnissen ableiten,   da  die  Urkunden  bis  in  die  zweite  Hälfte 


'  Derselbe,  dessen  EigenrnftchÜgkeiten  gegen  das  Kloster  Formbach  bei 
der  Maut  in  Aschach  1196  Wernhard  von  Schaunberg  abstellte.  Ober- 
(Ssterreichisches  Urkandenbach  II,  466.  Er  war  eine  untergeordnete  Per- 
son, wahrscheinlich  Mautner  zu  Aschach,  Dienstmann  von  Julbach.  StUlz 
(Die  Herren  und  Grafen  von  Schaunberg)  hielt  ihn  unrichtigerweise 
für  Heinrich  von  Julbach-Schaunberg  und  schloß  aus  dem  Namen  auf 
ein  unstetes  Leben  des  Schaunbergers. 

*  OberOeterreiehisches  Urkundenbuch  I,  591. 

*  Vgl.  Strnadt,  Velden,  8.  124,  167. 

ArduT.  XCIT.  Band.  14 


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194 

des  13.  Jahrhunderts  über  unser  Falkenstein  hartnäckiges  Still- 
schweigen beobachten. 

Wir  finden  nun  zuerst,  daß  1140,  21.  Oktober  zu  Wels* 
bezeugen  die  Erhebung  der  Kirche  Martinsberg  zur  Pfarrkirche 
Otacher  marchio  de  Styre,  Dietrich  comes  de  Vichtenstain, 
Adalram  de  Valchenstain,  Albwin  de  Stein,  Cholo  de  Wil- 
lehering, Dietrich  de  Halsen,  alle  Hochfreie. 

Adalram  gehört,  wie  man  sich  leicht  aus  den  Urkunden- 
sammlungen überzeugen  kann,  weder  nach  Falkenstein  in 
Niederösterreich,*  noch  nach  Falkenstein  am  In  in  Ober- 
bayem,  da  weder  bei  der  einen  noch  bei  der  andern  Burg 
dieser  Taufname  vorkommt,  noch  nach  Falkenstein  im  Nord- 
gau, welche  Feste  dem  Hochstifte  Regensburg  zustand  und 
gerade  damals  ein  Kirchenlehen  des  Domvogtes  Friedrich  (von 
Bogen)  war.* 

Einen  recht  deutlichen  Fingerzeig  gibt  uns  dagegen  die 
bereits  (S.  99)  erwähnte  Seckauer  notitia  zirka  1130,  wornach 
der  Edle  Rudolf  von  Perge  mit^seiner  Gattin  Richinza  ,omnia 
predia  sua  inWindiberge  sita,  culta  et  inculta  et  quod  vulgo 
ibi  nuncupatnr  Waldmarch,  incipiens  ab  Engilpoltesdorf  .  .  . 
usque  ad  Pehaim  geschait,  duas  eciam  vineas  Ascah  et  tres 
Bosenpach  cum  suis  attinenciis^  mit  Zustimmung  der  Söhne 
Albert  und  Adalram  ihrer  Tochter  Richinza  und  deren  Gemahl 
Adalram  von  Waldekk  übergeben.  Letzterer  war  durch 
diese  Schenkung  vom  Donauufer  bis  nach  Böhmen  hin  begütert 
geworden,  woraus  allein  sich  schon  schließen  ließe,  daß  er  der 
Adalram  von  Falkenstein  der  Kremsmünsterer  Urkunde  ist. 

Diese  Deutung  wird  aber  noch  bekräftigt  durch  den 
weiteren  Umstand,  daß  einen  Gütertausch  zwischen  den  Brüdern 
Adalram  und  Adalbert  von  Berge,  also  den  Schwägern  Adalrams 
von  Waldeck,  und  der  Propstei  Berchtesgaden  innerhalb  der 
Jahre    1143  und    1146*    ,dominus   Adelramus  de   Waltenstein' 

^  Urkandenbuch  von  Kremsmünster  38  aus  dem  Codex  Frid.,  der  einen 
verläßlichen  Text  bietet. 

'  Vgl.  M.  A.  Becker,  Falkenstein  und  die  Falkensteine  in  Niederösterreich, 
1885. 

»  t  1148.  Stammtafel  in  Fontes  VIII,  287. 

*  Quellen  Eur  bayrischen  und  deutschen  Geschichte  I,  296,  Nr.  CI.  Die 
Tradition  findet  sich  auf  Blatt  26  des  Berchtesgadner  Traditionskodex 
(Lit.  3  des  Fürstl.  Archives  von  Berchtesgaden),  die  Niederschrift  darf  den 
ersten  Jahrzehnten  des  18.  Jahrhunderts  zugezählt  werden. 


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195 

nach  Otto  und  Walchun  von  Machland  und  vor  Rapoto  von 
Falkenberg  bezeugt  Aus  dem  Berchtesgadner  Kopialbuche  ge- 
winnen wir  die  Tatsache^  dkß  die  Verwechalung  der  Buchstaben 
V  und  W,  K  und  t  wenigstens  zur  Zeit  der  Niederschrift  keine 
ungewöhnliche  war,  wie  ja  unser  Falkenstein  in  einer  zirka 
1190  anzusetzenden  Tradition  auch  Walchenstein  geschrieben 
wird.^  Irgend  ein  genügender  Grund  mangelt,  der  nötigen 
würde,  den  vorstehenden  Adelram  nicht  fiir  den  Schwager  der 
Brüder  von  Perge  und  das  Prädikat  nicht  fUr  ,Falkenstein'  an- 
zasehen. 

Wir  schreiten  auf  dem  dunklen  Pfade  weiter,  der  uns 
zur  Stiftung  des  Chorherrenstiftes  zu  St.  Marein  in  der  Feistritz 
(Seckau)  geleitet  (1140).  Adalram  von  Feistritz  Waldeck*  hatte 
seine  Stiftung^  überaus  freigebig  ausgestattet,  dabei  jedoch  auch 
über  das  Heiratsgat  seiner  Gemahlin  Richinza  verftigt,  welche 
bei  König  Chunrad  III.,  als  derselbe  auf  der  Rückkehr  vom 
Ereuzzuge  die  Stadt  Friesach  passierte,  Klage  darüber  erhob, 
daß  ihr  Mann  durch  gesetzwidrige  Schenkungen  sie  des  ganzen 
Heiratsgutes  beraubt  habe.  Da  Adalram  das  Tatsächliche  nicht 
zu  widersprechen  vermochte,  wurden  durch  Spruch  der  Fürsten 
die  in  Beschwerde  gezogenen  Schenkungen  für  nichtig  erklärt 
und  nur  die  mit  Übereinstimmung  beider  Gattenteile  erfolgten 
ab  rechtsgültig  anerkannt. 

Die  Schenkangen  sind  aufgezählt  in  der  angeblichen  Aus- 
fertigung der  königlichen  Entscheidung  (vom  Mai  1149)  und 
in  jener  Kaiser  Friedrichs  I.  (vom  15.  Jänner)  1158.*  Darunter 
kommen  vor:  ,castrum  Waltenstein  cum  omnibus  sibi  atti- 
nentibus,  predia  in  monte  Windiberge,  tres  vinee  Ascaha,  item 
tres  apud  Besenbach,  .  .  .  curtis  Otenshaim,  curtis  Lintheim 
cum  omnibus   sibi  consitis.'    Während  jedoch   die  erstere  Ur- 


*  Mon.  Boic.  IV,  266. 

*  VgL  die  Stammtafel  der  Herren  von  Perge  und  jener  von  Freistritz- 
Waldeck  bei  Meiller,  Regesten  der  Salzburger  ErzbiscbOfe,   8.  461,  467. 

*  Eine  Übersicht  gewSbrt  der  Aufsatz  ,Die  erste  Gründung  des  ehemaligen 
Chorherren-  und  jetzigen  Benediktinerstiftes  Seckau*  in  den  »Studien  und 
Mitteilungen  aus  dem  Benediktiner-  und  Zisterzienserorden*  IX  (1888), 
8.  96 — 113  vom  P.  Ludger  Leonard.  Leider  stützt  derselbe  seine  Dar- 
stellung auf  den  Chronisten  Gauster  im  17.  Jahrhunderte  und  geht  einer 
UnteiBuchung  über  die  Echtheit  der  bezüglichen  Dokumente  aus  dem 
Wege. 

*  Steiermarkisches  Urkundenbuch  I,  290,  376. 

14» 


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196 

künde  diese  Güter  als  jene  bezeichnet,  welche  dem  Kloster 
verblieben,  sagt  die  zweite,  daß  die  verzeichneten  Güter  teils 
solche  waren,  die  dem  Kloster  abei^annt  wurden,  teils  solche, 
welche  ihm  kraft  einmütiger  Schenkung  verblieben. 

Man  wird  nicht  im  Zweifel  sein,  dem  Texte  des  letzteren 
Dokumentes  mehr  Glauben  zu  schenken  als  jenem  des  ersteren, 
da  Kaiser  Friedrich  ausdrücklich  betont,  daß  sein  Vorfahr  am 
Reiche  vom  Tode  überrascht  worden  sei,  bevor  er  eine  Bestäti- 
gung des  Fürstenspruches  ausstellen  konnte,  wie  denn  auch 
Stumpf*  bemerkt  hat,  daß  diese  Ausfertigung  in  Form  und 
Besieglung  höchst  verdächtig  sei,  wenn  ihr  auch  jedenfalls 
echte  Daten  zugrunde  gelegen  sind.  Zudem  finden  wir  noch 
1273*  das  Gut  Purgwerd  (Purwörth  Pfarre  Walding)  nach 
Seckau  erbrechtpflichtig,  wogegen  von  einem  Besitze  Falken- 
steins an  der  Ranna  oder  Waltensteins  in  Steiermark  nicht  die 
geringste  Spur  aufzufinden  ist. 

Das  Schloß  Wald  stein  im  ehemaligen  Grazerkreise  zwi- 
schen Übelbach  und  Deutsch- Feistritz,  damals  auf  einem  Berge 
nordwestlich  vom  modernen  Schlosse  gelegen,  war  zur  Zeit  der 
Stiftung  von  Seckau  im  Besitze  Liutpolds  I.  von  Dionysen- 
Gutenberg,^  der  sich  1145  von  Waltstein  nannte,  und  seines 
Sohnes  Liutold  IL,  der  mit  seiner  Mutter  Juta  1152  die  Burgen 
Weitz  und  Waldstein  auf  seinen  erblosen  Abgang  dem  Erzstifte 
Salzburg  zusicherte,  jedoch,  als  er  mit  Herzog  Liutpold  V.  ins 
heilige  Land  zog,  drei  Töchter  hinterließ,  von  welchen  Ottilia 
1188  Äbtissin  in  Goeß,  Kunigunde  und  Gertrud  aber  (1188 — 
1214)  mit  Graf  Wilhelm  von  Heunburg  und  Herrand  von  Wil- 
den vermählt  waren.  An  Seckau  ist  Waldstein  nie  gefallen,  es 
kann  daher  unter  dem  Waltenstein  der  Seckauer  Urkunden 
nicht  begriffen  werden. 

Es  bliebe  noch,  da  auch  an  Waltenstein  (Gerichtsbezirk 
Weitra)  und  Walkenstein  (Gerichtsbezirk  Eggenburg  N.-Ö.) 
nicht  zu  denken  ist,  nur  noch  Falkenstein  bei  Ober-Vellach 
im  MöUtale  (Kärnten)  übrig,  das  jedoch  in  jener  Zeit  den  Grafen 
von  Görz  gehörte  und  denselben  auch  bis  zu  ihrem  Ausster- 
ben (1500)  verblieb. 


*  Reichskanzler,  8.  334,  Nr.  3796. 

"  Oberösterreichisches  Urkundenbnch  IV,  402.  Siehe  auch  S.  116,  Anm.  2. 

3  Vgl.  den  Stammbaum  der  Familie  bei  Meiller  Salzburger  Regesten,  S.  466 

und  die  bezilglichen  Urkunden  im  Steiermärkischen  Urkundenbuche. 


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197 

Was  das  Alter  der  Niederschrift  der  auf  die  Feistritz- 
Seckaaer  Gründangsgeschiclite  bezüglichen  Akte  betriflft,  so 
hat  über  Anfrage  die  Direktion  des  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und 
Staatsarchivs  in  Wien^  folgendes  bemerkt: 

Achtzehn  aus  den  Jahren  zirka  1075  bis  zirka  1163 
stammende  Akte  sind  auf  vier  größere  Pergamentstreifen  ge- 
schrieben, beziehungsweise  abgeschrieben  worden,  und  zwar 
durchaus  zweispaltig,  aber  nur  auf  einer  Blattseite.  Auf  dem 
ersten  Bogen  sind  sechs,  auf  den  drei  anderen  je  vier  Stücke 
untergebracht.  Sämtliche  Niederschriften  rühren  von  derselben 
Hand  her,  sind  also  nicht  vor  zirka  1165  entstanden.  Durch 
zweifache  Besiegelung  meist  im  unteren  Teile  der  Spalten  — 
in  einem  Falle  sind  die  Siegel  oben  und  unten  in  der  ersten 
Spalte  angebracht  —  erhalten  die  Abschriften  eine  gewisse 
Autorisation.  Es  sind  nur  zwei  Siegelstempel  verwendet,  der 
größere  die  Jungfrau  mit  dem  Jesukinde,  der  kleinere  mit  der 
Umschrift;  Prepositus  de  domo  sancte  Marie  Secowe  ein  männ- 
liches Brustbild  vorstellend ;  die  Siegel  sind  fast  durchaus  und 
meist  gut  erhalten.  Die  einzelnen  Stücke  sind  von  einer  etwas 
späteren  Hand  durch  Beisetzung  der  ZiflFem  I  bis  XVIH  be- 
zeichnet. Auf  der  Rückseite  tragen  sämtliche  vier  Bogen,  wie 
es  scheint  von  der  Hand,  welche  den  Stücken  die  Ziffern  bei- 
gesetzt hat,  das  Wort  Secowe^  darunter  von  sehr  später  Hand 
die  arabischen  Ziffern  1  bis  4.  Abgesehen  von  den  untrüglichen 
Kennzeichen  der  Abschrift  weisen  diese  zusammen  eine  Pan- 
charte  bildenden  Abschriften  so  viele  Initialen,  Chrismen,  Mono- 
gramme u.  dgl.  mehr  auf,  daß  man  nur  an  unmittelbare  Vor- 
lage der  betreffenden  Originale  denken  kann. 

Der  Druck  im  Steiermärkischen  Urkundenbuche  I,  290, 
Nr.  279  zeigt  einige  Abweichungen  von  der  Vorlage:  Zeile  15 
voluntate,  Vorlage  voluntates;  Zeile  11  von  unten  Hophingen, 
Vorlage  Hopphingen;  Zeile  8  von  unten  Vorlage  Ascha^a;  Zeile 
6  von  xmten  Otenshaim,  Vorlage  Oeteshaim  (n  über  der  Zeile). 
Die  unmittelbar  folgende  Einklammerung  ist  vielleicht  über- 
flüssig; cur  steht  in  der  Vorlage  am  Ende  der  Zeile.  Zeile  4 
von  unten  Hec,  Vorlage  H§c.  Femer  ist  zu  bemerken,  daß  das 
m  in  comes  (Druck  S.  291  Z.  2)  von  dem  Pergamentstreifen 
verdeckt  wird,  der  zur  Befestigung  des  rückwärts  eingehängten 


'  MitteiluDg  1903,  14.  Dezember,  Z.  746. 


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198 

Siegels  dient,  und  endlich,  daß  im  Druck  das  monogrammatisch 
zusammengesetzte  bene  valete  und  das  Königsmonogramm— Chun- 
radus  Romanorum  rex  in  der  Vorlage  —  unberücksichtigt  ge- 
blieben sind,  die  hier  unmittelbar  nacheinander  auf  ,plures' 
folgen,  mithin  den  eigentlichen  Schluß  der  Urkunde  bilden. 

Obwohl  die  Seckauer  Urkunden  noch  einer  eindringlichen 
Untersuchung  bedürfen,  genügt  fiir  die  Zwecke  der  vorliegen- 
den Abhandlung  die  Feststellung  der  Benennungen  Waltenstein 
und  Valchenstein. 

Ausschlaggebend  für  die  Identität  derselben  scheint  dem 
Verfasser  die  Bulle  ddo.  Frascati  (Tusculani)  1171,  10.  Februar,^ 
mittels  welcher  Papst  Alexander  III.  die  Rechte  und  Freiheiten 
des  Klosters  Seckau  bestätigt.  Die  Urkunde,  gegen  deren  Echt- 
heit kein  Bedenken  obwaltet,  nennt  auch  Waltenstein,  be- 
zeichnet es  aber  als  gelegen  in  Bayern:  ,in  Bawaria  Walten- 
stein cum  prediis  et  familia',  der  letztere  Beisatz  kenn- 
zeichnet es  als  eine  größere  Grundherrschaft  und  sondert  es 
ausdrücklich  von  den  Gütern  am  Windberg,  welche  darnach 
einzeln  angeführt  sind.*  Es  darf  nicht  irremachen,  daß  der 
Papst  einen  Besitz  bestätigte,  welchen  das  Kloster  entweder 
wieder   abgeben  mußte  oder,   falls  Richinza  wirklich   dem  ihr 

^  Stei  er  märkisch  es  Urkundenbnch  I,  502. 

'  Schon  ans  diesem  Grande  ginge  es  nicht  an,  die  Barg  Waltenstein  in 
die  Pfarre  Walding  zu  versetzen,  nur  weil  Pillwein  (Mühlkreis,  S.  219) 
schreibt:  ,Im  Dorfe  Posting,  eine  starke  halbe  Stunde  von  Walding,  war 
das  Waldsteinergut  ein  Schloß;  man  sieht  noch  Spuren  davon.  Auch  in 
der  Schwarzgrub,  eine  Viertelstunde  von  Walding,  stoßt  man  auf  Schloß- 
gräben/ Nach  eingezogenen  Erkundigungen  liegt  das  Wallnsteinergut  in 
der  Ebene;  Spuren,  welche  auf  das  Bestehen  eines  Schlosses  schließen 
ließen,  sind  nicht  sichtbar.  Außerdem  roilßte  eine  fachmännische  Unter- 
suchung erst  klarlegen,  ob  solche  Spuren  aus  prähistorischer  oder  histo- 
rischer Zeit  stammen.  Freisitze,  welche  im  Volksmunde  ohne  Unter- 
scheidung als  Schlosser  galten,  gab  es  im  15.,  16.  und  17.  Jahrhunderte 
in  großer  Anzahl,  wie  denn  auch  in  Walding  selbst  die  Taferne  Haus 
Nr.  8  im  alten  Grundbuche  Ottensheim  als  ,Tafern  und  Edlmanssiz', 
gpräflich  Traunsches  Lehen  (von  Eschlberg  ans)  vorgetragen  ist. 

Die  Schreibweise  Waltenstein  kann  nicht  befremden,  da  wir  den 
Namen  —  mit  Ausnahme  der  Bulle  aus  der  päpstlichen  Kanzlei  —  nur 
durch  Kopialbücher  überliefert  haben,  derselbe  aber  auch  bei  Adalram 
im  Berchtesgadner  Kopialbuche  Waltenstein  lautet,  wogegen  im  Codex 
Fridericianus  in  KremsmUnster  (zirka  1300),  welcher  gute  Texte  enthält, 
das  Wort  in  einer  im  benachbarten  Wels  ausgestellten  Urkunde  Val- 
chenstein geschrieben  ist. 


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199 

EUgesprochenen  Heiratsgate  neuerdings  entsagt  haben  sollte, 
der  weiten  Entfernung  halber  vielleicht  schon  veräußert  hatte; 
weil  immerhin  in  diesem  Falle  das  Kloster^  wenn  Richinza 
nicht  mehr  am  Leben  gewesen  sein  sollte,  ein  Interesse  daran 
gehabt  haben  konnte,  eine  weitere  Kräftigung  des  Besitztitels 
für  den  Erwerber  zur  Abwehr  fremder  Ansprüche  zu  erlangen. 

Denn  nach  urkundlichen  Spuren  müssen  wir  annehmen, 
daß  in  den  nächstfolgenden  Jahren  Falkenstein  bereits  in 
Laien  bänden  gewesen  ist. 

Spätestens  im  Jahre  1180^  bezeugen  nämlich  die  Ver- 
zichdeistung  Ekkeberts  (von  Teckendorf )  auf  das  Gut  Pramer- 
dorf  im  Inviertel  in  die  Hände  des  Propstes  von  Reichersberg 
Engelbertus  de  blanchenberg,  Chadelhäh  de  valchenstein. 
De  ministerialibus  ipsius  (Eckberts)  neun  genannte  de  famila 
eins  in  tekendorf  quam  in  witenekke,  hierauf  sechs  von  den 
Leuten  des  Klosters  St.  Nikola.* 

Auf  den  ersten  Anblick  möchte  man  den  Chadelhous  von 
Falkenstein  mit  dem  vorhin  erwähnten  Chadelhous  iudex  für 
eine  und  dieselbe  Person  halten;  dieser  Annahme  steht  jedoch 


^  Der  handelnde  Propst  Philipp  von  Beichersberg  wurde  1175  erwählt, 
resignierte  1181,  3.  J&nner.  Bertold  von  Andechs  wird  noch  Markgraf 
genannt 

'  Abgedruckt  aus  dem  Beichersberger  Traditionskodex  Blatt  40  im  Ober- 
Österreichischen  Urkundenbuche  I,  378,  im  Kodex  selbst  stehen  nach 
Yersichening  des  hochw.  Herrn  Prälaten  Konrad  Meindl  die  Worte  comes 
(Zeile  2)  über  Ekkebertus,  philippi  über  prepositi,  sueuus  (Zeile  7)  über 
Pertholdns  zwar  in  kleinerer  Schrift,  aber  von  gleicher  Hand  und  mit 
gleicher  Tinte.  Die  Ergänzung  bei  Eckbert  erfolgte  augenscheinlich  zu 
dem  Zwecke,  um  ihn  von  anderen  Eckberten  zu  unterscheiden,  den 
Grafentitel  fing  derselbe  damals  schon  an  zu  führen.  Nach  gefälliger 
Mitteilung  Herrn  Barons  Oskar  Mitis,  der  vor  Jahren  den  Kodex  zu 
einer  Arbeit  in  der  Hand  hatte,  enthält  derselbe  die  Traditionen  in 
jeweiliger  Orig^naleintraguog,  d.  h.  er  stellt  nicht  wie  so  viele  andere 
ein  redigiertes  Kopialbuch  von  Einzelnnotizen  dar.  Es  folgt  (mit  alleini- 
ger Ausnahme  der  mehrmals  ergänzten  Tradition  Nr.  CXXIH,  Ober- 
Österreichisches  Urkundenbuch  I,  342 — 350)  in  streng  chronologischer 
Folge  eine  Originalnotiz  der  andern,  wobei  stets  die  Hände  wechseln. 
Eine  Eigentümlichkeit  der  Traditionsnotizen  ist,  daß  vielfach  bei  Per- 
sonennamen die  OrtszugehOrigkeit  über  der  Zeile  nachgetragen  wurde; 
es  geschah  dies  entweder  gleichzeitig  oder  auch  später,  fast  ausschließ- 
lich aber  noch  bei  Lebzeiten  der  betreffenden  Person,  solange  dieselbe 
nämlich  noch  zur  Zeugeuschaft  herangezogen  werden  konnte.  Es  sind 
daher  sowohl  die  Originaleintragungen  als  auch  die  Zusätze  gleichzeitig 


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200 

der  Umstand  entgegen,  daß  der  letztere  bestimmt  dem  Mini- 
sterialengeschlochte  angehört,  während  jener  neben  dem  Hoch- 
freien E.  von  Blankenberg  gestellt  und  ausdrücklich  von  den 
folgenden  Dienstleuten  geschieden  wird. 

Um  dieselbe  Zeit  tritt  nochmals  ein  Kaihoch  von  Falken- 
stein auf,  welchem  wieder  nach  seiner  Stellung  unter  den 
Zeugen  die  Eigenschaft  eines  Freien  zuzuerkennen  sein  dürfte. 
Bischof  Diepold  von  Passau  (1172 — 1190)  bekennt  in  einer 
undatierten  Urkunde,^  daß  er  auf  Bitte  des  jüngeren  Diepold 
(von  Vohburg)  die  Kirche  in  Ebenöde,  die  er  den  beiden  Klö- 
stern Reichenbach  und  Waldsassen  übergab,  eingeweiht  habe. 
Testes:  Theodoricus  comes  de  Viehtenstain.  Kalhoh  de  Val- 
kinstain.  Ekkart  de  Kuntihof. 

Da  es  sich  um  eine  Kirche  handelt,  welche  nördlich  von 
der  Donau  lag,  möchte  die  Vermutung  nahe  liegen,  dieser  Kai- 
hoch gehöre  nach  Falkenstein  östlich  von  Regensburg.  Diese 
Feste  befand  sich  damals  in  unmittelbarer  Innehabung  des 
Bischofs,  welcher  darauf  nur  Burgmannen  behaust  hatte,  die, 
nach  dem  Beisatze  ,de  sobole  et  natione  Valckensteinensium' 
zu  schließen,  eine  eigene  Genossenschaft  bildeten.  Keiner  der- 
selben trug  gerade  in  diesem  Zeiträume  den  doch  so  ungemein 
häufigen  Taufhamen  Kaihoch;  erst  1240,  3.  Februar*  kommt 
nach  22  Zeugen  ein  Kalhohus  de  Valkenstein  vor  einem  Rech- 
winus  de  Valkenstein  vor.  Bis  Ende  des  12.  Jahrhunderts  saßen 
vielmehr  auf  dieser  Burg  folgende  Burghüter:  1118  Ministe- 
rialis Frideri  Advocati  Ratisp.  (f  1136)  Krof  de  Valkenstein, 
zirka  1130  Waldo,  Hertwicus  de  Valkinstein  Ministeriales  Fri- 
derici  Advocati,  zirka  1140  Waldo  et  filius  eins  Waldo  et  Otto 
de  Valkinstein,  1162  Roudigerus  de  Valkinstein,  zirka  1165  bis 
1167  prefectus  Mezil  de  Valchenstaine,  zirka  1177  Waldo,  Otto 
de  valkinstein,  1184,  2./4.  Otto  de  Valchensteine,  1184—1194 
Libhardus  qui  de  sobole  et  natione  Valchensteinensium,  Domi- 
nus Waltherus  de  Valchenstein  und  seine  Brüder  Otto  et  Walto 
de  Valchenstein,  Nobilis  et  militaris  Vir  Waltherus  nomine  de 


and  sonach  vollständig  glaubwürdig.     Der  Abdruck   in  Mon.  Boic.  III, 

493  ist  mangelhaft. 
*  Mon.  Boic.  XXVII,  26—27,  überliefert  in  einem  Kopialbuche  vom  Jahre 

1402.    Kuntihof  =  Gunt  oder  Kindlhof  A.  G.  Niltenau? 
'  Verhandlungen  des  historischen  Vereins  von  Oberpfalz  und  Regensburg, 

N.  F.  XV,  88. 


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201 

Valchenstein  miiiisterialis  ecclesie  St.  Petri  Ratisponensis  Epi- 
scopatus^  Otto,  Waldo,  Waltherus  de  Valchenstain  et  eorum 
miles  Fridrich  hecthvolk  in  dem  Briefe  Chnnos  von  Chezznach 
,qai .  .  .  se  in  Castro  Valchenstain  postmodum  locavit',  zirka 
1190  Walther  und  Otto  de  Valchensteine,  1204  Waltherus  de 
Valchenstein.^ 

Nach  Vorführung  sämtlicher  regensburgischer  Dienst- 
mannen auf  Falkenstein  und  in  Betracht  der  geringen  Stellung 
der  Falkensteiner  von  Rannarigel  zu  dieser  Zeit  dürfte  wohl 
die  Reihung  der  gedachten  Ealhoche  in  die  Klasse  der  freien 
Herren  gerechtfertigt  erscheinen.  Von  den  Grundherren,  nicht 
von  den  Ansiedlem  dürften  auch  die  beiden  Ortschaften  Koller- 
schlag (Chalhohsslage)  und  Kollersberg  (urkundlich  1258*  Chal- 
hohsperge)  genannt  worden  sein,  die  erstere  halbe  Ortschaft 
gehörte  nach  Falkenstein  an  der  Ranna. 

Der  Umstand,  daß  Herr  und  Diener  den  gleichen  Tauf- 
namen Kaihoch  tragen,  ist  nicht  auffallend;  denn  im  12.  Jahr- 
hunderte und  selbst  noch  im  Beginne  des  13.  war  kaum  ein 
anderer  Name  im  bayrischen  Lande  gebräuchlicher  als  gerade 
dieser,  was  keiner  Beweisführung  bedarf. 

Die  vorgeführten  Verhältnisse  und  Tatsachen  berech- 
tigen zu  der  Annahme,  daß  die  Grundherrschaft  Falkenstein 
an  der  Ranna,  abgelöst  von  den  Gütern  am  Windberg,  in 
den  Siebzigerjahren  des  12.  Jahrhunderts  vom  Kloster  Seckau 
direkt  oder  durch  die  Witwe  des  Stifters  an  einen  freien  Herrn 
des  Namens  Kaihoch  übergegangen  sei,  der  mitunter,  wenn  er 
in  dieser  Gegend  weilte,  sich  von  der  erworbenen  Burg  auch 
genannt  hat. 

Falkenstein  hatte  ein  Grafengericht;  deshalb  braucht  je- 
doch sein  Eigentümer  nicht  den  Grafentitel  geführt  zu  haben, 
da  mit  der  Ausbildung  der  Erblichkeit  der  Lehen  die  Grafen- 
gewalt mehr  und  mehr  als  Gegenstand  privater  Berechtigung 
behandelt  wurde, ^  sich  an  einzelne  Burgen  und  Herrschaften 
heftete,  welche  wiederum  geteilt  wurden  und  in  diesen  Teilen 


*  Mon.  Boic.  XIV,  408,  417,  420,  422;  V,  166;  XIV,  63,  24,  26;  Ober- 
Osterreichisches  Urkundenbuch  II,  388;  Mon.  Boic.  XIV,  61,  57,  72; 
XII,  57,  61 ;  XIV,  46. 

'  Mon.  Boic.  XXVIII  b,  234,  244. 

*  Schröder,  Lehrbuch  der  deutschen  Rechtsgeachichto,  2.  Aufl.,  S.  386. 


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202 

als  Ausatattung   selbst  an  Töchter  kamen^   vorausgesetzt,   daß 
es  gelang;  den  Zusammenhang  mit  dem  Reiche  zu  erhalten.^ 

Es  erhebt  sich  die  Frage:  Welchem  Geschlechte  hat  dieser 
Edle  Kaihoch  von  Falkenstein  angehört. 

Bei  der  Nachforschung  war  im  Auge  zu  behalten,  daß 
dieser  Falkensteiner  zur  Zeit  nicht  den  Grafen titel  führt;  das 
Geschlecht,  welchem  er  angehört,  könnte  daher  denselben  erst 
späterhin  erlangt  haben. 

Dieser  Voraussetzung  entspricht  ein  einziges  gleichzeitiges 
Geschlecht  aus  niederbayrischemStamme,  jenes  der  Freien  von 
Kirchberg  an  der  Kleinen  Laber,  dessen  letzter  Vertreter  den 
vom  Reiche  und  vom  Herzog  anerkannten  Grafentitel  geführt  hat. 

Das  Herkommen  dieser  Familie  liegt  im  argen,  seitdem 
im  16.  Jahrhundert  die  Excerpta  Genealogiae  Dominorum  Comi- 
tum  de  Kirch berg  erfunden  und  selbst  der  codex  traditionum 
des  Klosters  Mallersdorf^  verunechtet  worden  ist,  alles  ad  ma- 
jorem gloriam  der  Stifter  Heinrich  und  Emest,  welche  keine 
Grafen  von  Kirchberg,  sondern  nach  der  Königsurkunde  1129, 
1.  Juni*  Ministerialen  des  königlichen  Klosters  Niedermünster 
in  Regensburg  gewesen  sind. 

In  echten  Urkunden  treten  auf: 
zirka  1120—1130  Chadalhoch  de  chirchperch  für  St.  Nikola,* 
1171,  29.  Jänner,  Mosburg.   Wernherus  de  Chirchperc  für  Ad- 

mont,* 
1186  Chalhohus  de  Kirchperch  für  Kloster  Prüfling,« 
zirka  1190  Chalochus  de  Chirchberch  für  Kloster  Scheyem,'' 
1207  Dominus  Kalhohus  de  Chyrperch  für  Kloster  Niederaltaich,^ 
1209  Landshut.  Chalhohus  de  Chirchperch  für  Kloster  St.  Florian,» 
1213,   15.  Februar,   Comes   Chalhohus   de   Chirchperc    in    dem 
Schutzbriefe  K.  Friedrichs  H.  für  Berchtesgaden,^® 

^  Vgl.  den  Schloß  des  vierzehnten  Abschnittes. 

«  Mon.  Boic.  IX,  427—430,  256  ff.  Der  Abschnitt  ,Die  Grafschaft  Kirch- 
berg-Mallersdorf  in  Schreiber,  Otto  der  Erlauchte,  S.  156 — 166  konnte 
mangels  von  Quellenangaben  nichts  zur  Aufhellung  beitragen. 

»  Mon.  Boic.  IX,  263. 

*  a.  a.  O.  IV,  219;  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  631. 
»  Pez,  Thes.  Anecd.  UI  p.  UI,  781. 

«  Mon.  Boic.  XIII,  189,  122. 

'  a.  a.  O.  X,  416.  «  a.  a.  O.  XI,  178,  828. 

*  Obertfsterreichisches  Urkundenbuch  II,  626. 
*®  Meiller,  Babenberger  Regesten  III,  Nr.  106. 


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203 

Tor  1214  Dominus  Kalhous  comes  de  Kirchberg^, 
1217  Calhoch  de  Chirchperch  flir  Kloster  Waldsaßen,« 

1219,  1.  Juni,   Nürnberg.    Kalhous   comes  de  Chirchperch   ftlr 

Kloster  Obermünster,* 
1209—  1220    Comes    Chalous    de    Kirchberg    in    der    Herzogs- 
urkunde ftir  Kloster  Mallersdorf,* 

1220,  5.  September,  Bozen.    Chalhohus  Comes  de  Chirichperch 

flir  Passau,^ 
1220  Kalhohus  de  Churchberg  flir  Kloster  Prül,« 

1223,  27.  März,  Straubing.  Chalhohus  comes  de  Chirichberg  in 

einem  Gerichtsbriefe  Herzogs  Ludwig,^ 

1224,  6.  März.  Kalochus  comes  de  Kirchberg  in  der  Urkunde 

Herzogs  Ludwig  flir  Kloster  Aldersbach,® 

1225,  16.  Juni,  Straubing.  Chalhoh  comes  de  Kirchperch  in  dem 

Briefe  desselben  Herzogs  flir  Spital  am  Pyhm.^ 
Im  Jahre  1228  waren  die  Güter  des  Grafen  schon  an 
das  Land  Bayern  gefallen,  wie  aus  der  Urkunde^®  hervorgeht, 
mittels  welcher  Herzog  Ludwig  den  Prämonstratensem  zu 
Neuzell  bei  Freising  ,decimas  de  prediis  Comitis  Chalhohi  de 
Kireperc  et  decimas  de  prediis  üolrici  Cyphi  de  Burchrein  ad 
noB  devolutis^  geschenkt  hat.  Kaihoch  von  Kirchberg  ist  dem- 
nach als  letzter  Träger  seines  Namens  in  den  Jahren  1226/27 
gestorben,  und  zwar  erblos,  weil  die  Einziehung  seiner  Güter 
erfolgte.  Die  Mallerstorfer  Genealogie  nennt  einen  Kaihoch  von 
Kirchberg  zum  Jahre  1165,  einen  andern  zum  Jahre  1195, 
welche  Angaben  jedoch  nicht  kontrollierbar  sind.  Ein  Siegel 
bat  sich  nicht  erhalten. 

War   Graf  Kaihoch   oder   sein  Vater  identisch   mit   dem 
edlen  Kaihoch  von  Falkenstein,  so  muß  der  Übergang  der  Burg 


•  Mon.  Boic  XIV,  141. 

•  Lftnig,  Corpus  feud.  3,  613. 

•  Ried,  Cod.  dipl.  Bat.  I,  321. 

•  Mon.  Boic.  XV,  278. 

»  a.a.O.  XXVnib,  297. 

•  a.  a.  O.  XV,  166.  '  a.  a.  O.  XXVIII  b,  380. 

•  Oefele,  Script.  II,  103  a. 

•  Obeiitoterreichisches  Urkundenbuch  II,  666. 

'•  Mon.  Boic.  IX,  677.  Auch  Abt  Angelus  Rumpier  von  Formbach  erwähnt 
Chalhohus  comes  de  Kirichperg  unter  der  Rubrik:  Isti  sunt,  quorum 
haereditates  cum  castris  et  praediis  successu  temporum  ad  duces  Bava- 
riae  sunt  devolutae;  a.  a.  0.  XVI,  561. 


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204 

Falkenstein  an  der  Ranna  schon  längere  Zeit  vor  1226  an  ein 
anderes  Geschlecht  sich  vollzogen  haben;  denn  sicherlich  hätten 
die  Bischöfe  von  Passan,  nachdem  sie  1217  den  ReichsfUrsten- 
stand  erlangt  hatten,  nicht  gezögert,  bei  dem  erblosen  Abgange 
Ealhochs  die  Hand  auf  Falkenstein  zu  legen.  Keine  Urkunde 
und  auch  sonst  nicht  die  geringste  Spur  ist  auffindbar,  daß 
Passau  die  Herrschaft  Falkenstein  jemals  innegehabt  oder  auch 
nur  angestrebt  hätte. 

Nachdem  uns  jetzt  der  letzte  Schein  entschwunden  ist, 
befinden  wir  uns  in  undurchdringlichem  Dunkel  und  haben  nur 
noch  Möglichkeiten  zu  erwägen-  Hierzu  regt  besonders  die 
völlige  UnWahrscheinlichkeit  an,  daß  der  Inhaber  einer  so  be- 
deutenden Grundherrschaft,  wie  Falkenstein  war,  in  den  nicht 
gar  wenigen  Urkunden  aus  jener  Gegend  in  den  Jahren  1200 
— 1220  und  darüber  hinaus  gar  keine  Rolle  gespielt  hätte;  trotz- 
dem finden  wir  dort  keine  anderen  freien  Herren  als  jene  von 
Griesbach  und  die  Witigonen. 

Es  müssen  daher  außergewöhnliche  Verhältnisse  obgewaltet 
haben,  welche  erklärt  werden  könnten,  wenn  bei  der  Ver- 
erbung von  Falkenstein  das  sogenannte  Fallrecht  eingetreten 
ist,  wonach  gemäß  dem  Grundsatze  patema  patemis,  materna 
maternis  die  Verwandten  von  väterlicher  Seite  das  von  der- 
selben herrührende  Vermögen,  die  Verwandten  von  mütter- 
licher Seite  das  von  dieser  herrührende  Vermögen  erbten. 
Schon  ursprünglich  wird  Falkenstein  gleich  den  Gütern  am 
Windberg  das  Heiratsgut  der  Richinza  von  Perge  dargestellt 
haben  und  ebenso  ist  es,  wie  wir  aus  dem  Besitze  von  Schintau 
schließen  konnten,  Erbgut  und  Heiratsgut  der  Frau  Berchta 
gewesen,  sie  wieder  hat  die  Burg  an  ihren  Sohn  Zawisch  über- 
lassen, der  von  selber  dauernd  den  Namen  von  Falkenstein  an- 
genommen hat.  Man  darf  daher  wohl  in  der  Vermutung  noch 
weitergehen  und  annehmen,  daß  Falkenstein  auch  der  Mutter 
Berchtas  mit  in  die  Ehe  gegeben  worden  ist.  Dieselbe  war 
dann  eine  geborene  Falkensteinerin  und  wäre  als  Schwester 
Kaihochs  von  Kirchberg  anzusehen,  dem  die  bayrischen  Güter 
zufielen,  wogegen  er  der  Schwester  die  Feste  an  der  Ranna 
zu  überlassen  hatte. 

Über  den  Vater  der  Frau  Berchta  könnte  schon  eine  nicht 
grundlose  Vermutung  geäußert  werden.  Ihrer  Mutter  blieb  füglich 
nur  die  Wahl  eines  Bräutigams  aus  den  Freien  von  Hals  oder  aus 


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205 

jenen  von  Griesbach.  Im  ersteren  Falle  wäre  jedoch  zu  erwarten 
gewesen;  daß  unter  den  im  Achtbriefe  Königs  Heinrich  VII., 
1222,  13.  März,^  unter  den  heimfällig  erklärten  Burgen  neben 
Hals,  Viechtenatein,  Marspach  und  Jochenstein  auch  Falkenstein 
genannt  wäre,  während  dem  nicht  so  ist.  Es  bleibt  daher  nur 
die  Möglichkeit  der  Vermählung  mit  einem  der  beiden  Brüder 
Heinrichs  von  Griesbach- Wachsenberg,  vielleicht  mit  Cholo,  der 
frühestens  im  Jahre  1216  gestorben  ist.  Da  Berchta  im  Jahre 
1264  in  vorgerückten  Jahren  stand,  wie  daraus  zu  entnehmen 
ist,  daß  ihr  Sohn  Zawisch  zirka  1262,  bestimmt  1269  selb- 
ständig auftritt,  so  würde  diese  Verbindung  den  gewöhnlichen 
Generationsvoraussetzungen  nicht  widersprechen ;  freilich  würde 
dann  eine  lange  Vormundschaft  stattgefunden  haben,  welche 
wieder  erklären  würde,  weshalb  so  lange  kein  Besitzer  von  Falken- 
stein in  Urkunden  und  auch  nach  Eintritt  der  Großjährigkeit  sicht- 
bar wird.  Führten  die  mit  den  Griesbachem  befreundeten  mäch- 
tigen Witigonen  die  Obhut  über  die  Erbin  und  ihre  liegende 
Habe,  was  möglich  ist,  da  einer  derselben  (Budiwoj)  wirklich 
die  Braut  heimfUhrte,  dann  brauchten  wir  nicht  länger  nach 
der  Ursache  zu  fragen,  aus  welcher  der  Bischof  von  Passau 
Falkenstein  ganz  aus  dem  Spiele  gelassen  hat;  vielleicht  war 
als  Gegenleistung  auch  die  Rückauflassung  der  passauischen 
Lehengüter  jenseits  der  Großen  Mühel  bedungen. 

Mögen  die  geäußerten  Vermutungen  gebilligt  oder  ab- 
gelehnt werden,  so  steht  mindestens  sicher,  daß  um  1180  von 
Falkenstein  aus  die  hohe  Gerichtsbarkeit  geübt,  die  Burg  und 
Herrschaft  80  Jahre  später  den  Witigonen  zuständig  und  zumal 
dem  Herrn  Zawisch  von  der  Krummauer  Linie  als  freie  Herr- 
schaft, unabhängig  vom  Hochstifte  Passau,  zugehörig  gewesen  ist. 


Neunter  Abschnitt. 

Anwachsen  des  Besitzes  des  Hochstiftes  Passau.  Erwerb 
der  Grafschaftsrechte  imilzgau.  Passau  Reichsfürstentum. 

Mußten  wir  uns  im  Zentrum  bei  dem  auffälligen  Mangel 
an  Dokumenten   in  Vermutungen   und  Möglichkeiten    ergehen, 

*  Mon.  Boic.  XXXI  a,  610. 


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206 

so  betreten  wir  auf  dem  Haaptschatiplatze  in  dem  gleichen  Zeit- 
räume den  festen  Boden  der  Tatsachen^  treten  aus  dichtem 
Nebelgewölk  plötzlich  in  helles  Sonnenlicht. 

Der  große  Grundbesitz  des  Hochstiftes  Passau  wird  ge- 
meiniglich der  frühzeitigen  Einverleibung  der  königl.  Frauen- 
abtei Niedemburg  zugeschrieben,  welche  wiederholt  einzelnen 
Bischöfen,  zuerst  durch  E^iser  Otto  11.,^  endgültig  aber  dem 
Hochstifte  selbst  durch  Kaiser  Heinrich  VI.,  1193,  28.  März,* 
und  zwar  mit  der  noch  von  Kaiser  Friedrich  I.*  vorbehaltenen 
Vogtei  und  Königsteuer  verliehen  worden  ist.  Infolgedessen 
hatten  die  Bischöfe  den  Besitz  und  den  Genuß  des  Kloster- 
gutes und  konnten  mit  demselben  frei  schalten  wie  die  Könige 
mit  dem  Reichskirchengute,*  dasselbe  verpfänden  oder  sonst 
zum  Nutzen  der  Kirche  Passau  verwenden,  sowie  es  wieder  zu 
Lehen  austun.  Was  aus  der  angeblichen  Schenkung  Kaiser 
Heinrichs  H.,  deren  Wesen  im  14.  Abschnitte  klargelegt  werden 
wird,  dem  Kloster  belassen  oder  später  zurückerstattet  wurde, 
läßt  sich  nicht  mehr  unterscheiden. 

Im  Beginne  des  13.  Jahrhunderts  war  der  Nordwald  be- 
reits meilenweit  von  der  Donau  zurückgedrängt,  das  Hochstift 
an  der  Hz  sowie  längs  den  Ufern  des  Stromes  zu  ansehnlichem 
Besitze  gelangt,  bezüglich  dessen  es  jedoch  dem  Gerichtszwange 
des  Herzogs  von  Bayern  unterworfen  war;  der  erste  Witteis- 
bacher Otto  (t  1183,  11.  Juli)  hatte  ,comitatum  prediorum  ec- 
clesie  Pataviensis  sitorum  per  loca  Ylsgowe  nuncupata'  vom 
Reiche  inne  und  vererbte  diese  Rechte  auf  seinen  Nachfolger. 
Dieser,  Herzog  Ludwig,  ließ  dieses  Fahnlehen  im  Jahre  1217 
zugunsten  der  Kirche  dem  Könige  auf,  wonach  Kaiser  Fried- 
rich n.  am  21.  Jänner  1217^  dasselbe  dem  Bischöfe  Ulrich  von 
Passau  verlieh,  welcher  es  vorerst  dem  Herzoge  als  Kirchen- 
lehen wiederverlieh.  Drei  Jahre  später,  1220,  5.  September,^ 
stellte  Ludwig  dieses  Lehen,  das  er  als  die  Comitia  in  ylskeu, 

*  Mon.  Germ.  Dipl.  O.  U,  163,  Nr.  1367,  976,  22.  Juli. 
«  Mon.  Boic.  XXIX  a,  469. 

»  1161,  29.  Febr.  und  3.  Juni,  a.  a.  O.  XXIX  a,  366. 

*  Vgl.  Ficker,  ,Über  das  Eigentum  des  Reiches  am  Reichskircheng^te*. 
Sitzungsber.  der  phil.-hist.  Klasse  der  Wiener  Akademie  LXXII,  65 — 381. 
Die  geistliche  Herrschaft  war  fUr  die  unterworfenen  Kirchen  nicht  minder 
empfindlich  als  die  weltliche.     Beispiele  a.  a.  O.,  147. 

**  Mon.  Boic.  XXX  a,  64. 

*  a.  a.  O.  XXVmb,  297. 


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207 

cnins  termini  ab  ylsa  nsqne  ad  inferiorem  Mahelam  proten- 
dontür^  bezeichnet;  gegen  Erlag  von  500  Mark  Silber  dem 
Bischof  zurück. 

Mit  dem  Jahre  1217  war  demnach  der  Bischof  von  Passau 
in  den  Reichsf^irstenstand  eingerückt  und  hatte  1220  sein  Für- 
stentum in  unmittelbare  Verwaltung  genommen.  Die  Unmittel- 
hurkeit  des  über  die  Dz  hinüber  bis  Windorf  reichenden  Ge- 
bietsteiles wurde  von  Bayern  erst  nach  langen  Anfechtungen 
anerkannt. 

Oleich  nach  Erlangung  des  Fahnlehens  begannen  die  Be- 
strebungen der  Bischöfe,  im  Bzgau  ihr  Territorium  zu  schließen. 
Bischof  Ulrich  benutzte  das  gerade  erfolgte  Ableben  Cholos 
von  Griesbach,  um  die  Wiederverleihung  der  passauischen  Lehen, 
welche  dessen  Vater  (Wemher)  innehatte,  von  der  Bedingung 
abhängig  zu  machen,  daß  der  hinterbliebene  Bruder  Heinrich 
von  seinem  Eigengute  100  Hüben  und  46  ritterbürtige  Leute 
sowie  das  Schloß  Griesbach  samt  allen  Zugehörungen  bis  11.  No- 
vember 1217  der  Kirche  Passau  aufsende,  was  er  auch  bezüg- 
lich 6  Ritterbürtiger  und  der  Herrschaft  Griesbach  alsbald  voll- 
zogen hat.  Da  er  mit  weiterer  Lehenauftragung  innehielt, 
wurde  ihm  bei  sonstigem  Verluste  von  Griesbach  und  des 
Marktes  Velden  1220,  11.  Febniar,  ein  letzter  kurzer  Termin 
bis  8.  März  bestimmt,^  den  Heinrich  vielleicht  gar  nicht  erlebte. 
Da  derselbe  ohne  Hinterlassung  von  Erben,  wenigstens  von 
männlichen,  mit  Tod  abging,  wurden  seine  Lehen,  d.  i.  der 
ganze  Griesbacher  Besitz  zwischen  Hz  und  Großer  Mühel  ,ver- 
mannt',  dem  Hochstifte  ledig  und  nicht  weiter  verliehen,  bis, 
wie  sich  zeigen  wird,  Teile  derselben  wieder  an  Ministerialen 
ausgegeben  wurden. 

Hiermit  war  ein  bedeutender  Schritt  zur  Konsolidirung 
des  Kirchenbesitzes  in  dem  Territorium  erfolgt,  welches  der 
Bischof  als  sein  weltliches  Fürstentum  zu  betrachten  befugt 
war.  Ulrichs  Nachfolger  ließen  es  an  gleichem  Eifer  nicht 
fehlen.  Gebhard  löste  die  Lehen  der  Witigonen  an  der  Ost- 
seite der  Großen  Mühel  ein,  welche  anfänglich  zu  Velden  ge- 
zogen, im  Laufe  der  Zeiten  aber  teils  veräußert,  teils  der  Herr- 
schaft Pümstein  (nach  deren  direkten  Erwerbung  durch  Passau 
1627)  zugewiesen  wurden;  auf  hochstiftischem  Grunde  erhoben 


»  Urkunden   1217,  2.  Juli,  1220,  11.  Febr.    Mon.  Boic.  XXVm  b,  296,  296. 


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208 

sich  die  Burg  Schailenberg,  der  Sitz  GneußenaU;  das  Schloß 
Neuhaus  ob  der  Donau,  Pürnstein  wurde  den  Kapellem  verlehnt.^ 

Im  Innern  des  Mühellandes  wurde  die  Feste  Sprinzen stein 
erbaut,  Siboto  von  Sprinzenstein  (miles  1253,  1264)  ist  deut- 
lich als  passauischer  Dienstmann  zu  erkennen.^ 

Der  Versuch  Woks  von  Rosenberg,  des  Hauptmannes  ob 
der  Ens,  im  Mtihellande  festen  Fuß  zu  fassen,  wurde  von 
Bischof  Otto  vereitelt.  Wok  hatte  von  dem  passauischen 
Ministerialen  Rudiin  von  Haichenbach  dessen  Schloß  erworben, 
das,  auf  dem  Berge  über  der  großen  Donaubeuge  errichtet,  den 
ganzen  Stromverkehr  zu  beherrschen  geeignet  war.  Die  Ver- 
weigerung der  Belehnung  wird  es  vermocht  haben,  daß  Wok 
gegen  Zahlung  von  150  Pfund  Pfennigen  oder  20  Pfund  Gülten 
sich  herbeiließ,  an  Rudiin  die  Burg  zurückzustellen  und  zu 
versprechen,  in  dem  Gebiete  (Comicia  uel  districtu)  der  Kirche 
Passau  nichts  mehr  zu  erwerben.^ 

Dagegen  gelang  es  dem  Bischof  Peter,  von  dem  mit  seinem 
Sohne  in  Fehde  liegenden  Ortolf  von  Marspach  dessen  lehen- 
bare Burg  auf  der  Donauleiten  samt  Gülten  im  Betrage  von 
32  ^  6  ß  22  ^  zu  erkaufen.* 

Bischof  Otto  übte  bereits  das  Verbot  des  Burgenbaues  ^ 
gegenüber  Ulrich  von  Tannberg,  welchem  er  den  von  Karl 
von  Kirchberg  erworbenen  Teil  des  castrum  in  chirchperch 
samt  Urbar  zwischen  den  beiden  Mühelflüssen  nur  gegen  dem 
zu  Lehen  verlieh,  daß  derselbe  ohne  bischöfliche  Genehmigung 
das  castrum  in  Chirchperch  niemals  befestige.® 

Von  großem  Interesse  für  die  Erkenntnis  der  inneren  Zu- 
stände  in   der  Abtei   ist   das  Weistum,   welches   nach  den  eid- 


'  Chanrad  von  Kapellen,  der  1291  Feuchtenbach  kaufte  (aiehe  S.  148),  war 
Pfandinhaber  von  Velden  (Mon.  Boic.  XXX  b,  52);  derselbe  dürfte  mit 
den  Trümmern  des  nahen  Blankenberg  den  Sitz  Pürnstein  erst  zur  Burg 
ausgebaut  haben. 

«  Strnadt,  Velden,  154,  165,  164. 

8  Urkunde  1259,  16.  April.    Mon.  Boic.  XXIX  b,  136. 

*  Urkunde  1269,  11.  April,    a.  a.  O.,  492. 

'  Seit  der  confoederatio  cum  principibus  ecciesiasticis,  1220  (Lcges  II, 
236)  und  dem  statutum  in  favorem  principum  (Leges  II,  282)  durften 
Befestigungen  innerhalb  der  Territorien  nur  mit  Bewilligung  der  Landcs- 
fürsten  errichtet  werden. 

*  Orig.  ddo.  1263,  4.  September  im  allg.  Reichsarchive  München.  In  Mon. 
Boic.  XXIX  b,  454  ungenügendes  Regost. 


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209 

liehen  Aussagen  der  Ministerialen  auf  dem  Landtaiding  (placito 
generali)  in  der  Ilzstadt  über  das  von  Alter  (ex  antiqno)  im 
Lande  der  Abtei  geltende  Recht  1256  verfaßt  worden  ist.^ 
Selbstverständlich  darf  der  Aüsdmck  ex  antiqno  nicht  zu  weit 
züTückbezogen  werden,  es  genügte  zum  Gebrauche  desselben 
schon  ein  Zeitraum  von  etlichen  Dezennien,  innerhalb  welcher 
eine  Rechtsgewohnheit  beobachtet  wurde.  Wie  nun  die  Weis- 
tümer  (Pantaidinge,  Ehafte)  nur  einseitige  Aufschreibungen  sind, 
80  enthalten  sie  nicht  selten  auch  nur  die  Ansprüche  eines  Teiles, 
welche,  wenn  die  Möglichkeit  einer  Kontrolle  gegeben  ist,  oft- 
mals von  dem  mitinteressierten  Gegenteile  bestritten  werden.  Sie 
dürfen  deshalb  auch  nur  sehr  vorsichtig  zu  Generalisierungen  be- 
nützt werden.  So  auch  hier.  Wenn  es  heißt:  ,Item  notandum, 
quod  dominus Episcopus personaliter  habebit  placita  in  hiislocis, 
in  Lengenpach,  in  hofkirchen,  in  puzlinstorf,  in  Serleinspach, 
in  Rorbach,  in  chapelle,  sine  dampno  hominum'  (der  Hinter- 
sassen),^ so  entspricht  diese  Aufzeichnung  nicht  den  Tatsachen. 


^  Ori^al  ddo.  1263, 4.  September,  im  k.  allgem.  Beichsarchiye  in  Mfinchen. 
In  Mon.  Boic.  XXIX  b,  464  nngenflgendes  Regest. 

'  Überliefert   im    Codex   pat.  quart.  (Mon.  Boio.  XXIX  b,  224).     In  dem 
Paasns  Jn  hijs  vero  judex  domini  episcopi  et  non  in  predictis  in  Alten- 
walde, in  Potenrevte,  in  rvonslage,  in  Haselpach'  (alle  in  der  Pfarre 
Altenfelden)   hat    der  Kopist  den  dritten  Namen  verschrieben,  welcher 
richtig  yronslage  heißen  soll,  denn  in  Fraonschlag  wurde  nach  Buchinger 
n,  158  (Anm.)  im  Jahre  1442  vom  Landrichter  zu  Velden  wirklich  die 
Landschranne  gehegt.  Dagegen  scheint  das  Wort  altenwalde  richtig  und  der 
ursprüngliche  Name  von  Altenfelden  zu  sein ;  denn  links  von  der  Straße, 
die  Ton  Neufelden  nach  Altenfelden  geht,  unmittelbar  vor  der  Ortschaft 
Altenfelden  bestand,  wie  der  GemeindesekretKr  Karl  Haßleder  von  Neu- 
felden den  Verfasser  aufmerksam  machte,  vormals  das  sogenannte  Alten- 
hols,  die  Flur  heißt  noch  jetzt  ,auf  der  Alten*,  über  welche  der  Fuß- 
weg  ,über   die  Alten'   l&ufk.     Die   beiden  Häusel  Nr.  39   und  40    von 
Altenfelden  waren  im  alten  Gruudbuche  Pümstein,  Amt  Blumau  unter 
der  Bezeichnung  ,HSusel  auf  der  Alten'  eingetragen.     Der  letzte  Rest 
des  Altenwaldes  (Hochwaldparzelle  815  der  Herrschaft  Pümstein)  wurde 
ausgestockt,    als    die   neuen   Besitzer   von   Pümstein    den    Grand   par- 
zellierten und  1867^1869  zur  Erbauung  der  neuen  Häuser  Nr.  45,  46, 
47  von  Altenfelden  verkauften.    Tatsächlich  erscheint  Altenfelden  später 
als  Neufelden;  es  scheint,  als  ob  Bischof  Georg   1407  (Stmadt,  Velden 
242}  absichtlich  die  Bezeichnung  Obemfelden  im  Gegensatze  zu  Neu- 
felden gebraucht  habe.    Es  dürfte  demnach  der  Name  ,Altenfelden*  nicht 
im  Sinne   von    ,alt'    gedeutet   werden   und   der  Name  ,Neu'felden   erst 
später  aus  Unverständnis  sich  eingebürgert  haben. 
AxtUT.  XCnr.  Band.  16 


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210 

Es  ist  nicht  bekannt^  daß  jemals  der  Biscliof  selbst  in  den 
genannten  Orten  zu  Gericht  gesessen  wäre,  was  ihm  in  Hof- 
kirchen und  Rohrbach  unbedingt,  in  Lembach  und  Putzleinsdorf, 
wohl  auch  in  Oberkapell,  das  zur  Halbscheid  nach  Falkenstein 
gehörte,  nicht  gestattet  worden  sein  würde.  Sicher  aber  wollte 
durch  diesen  Passus  die  Gerichtshoheit  gegenüber  Falkenstein 
festgestellt  werden. 

Daß  eine  solche  papierene  Schutzwehr  dem  Hochstifte 
nicht  den  geringsten  Nutzen  gebracht  hat,  wird  der  nächste 
Abschnitt  lehren. 

Zehnter  Abschnitt. 

übergreifen  der  Habsburger  auf  das  passauische  Terri- 
torium.   Begründung  der  österreichischen  Landeshoheit 
im  Mühellande. 

Der  Reichskrieg  des  neuen  deutschen  Königs  Rudolf  gegen 
König  Otakar  brachte  in  den  Territorialverhältnissen  des  Mühel- 
landes zunächst  keine  Veränderung  hervor.  Wenn  wir  lesen,* 
daß  nach  dem  Aufbruche  Rudolfs  von  Ntii'nberg  angesehene 
steirische  und  kärtnerische  Herren  und  Dienstmannen  im  Erlöster 
Renn  sich  eidlich  gelobten,  als  Vasallen  des  deutschen  Reiches 
dem  erwählten  Könige  treuen  Beistand  zu  leisten,  so  war 
sicherlich  der  gleiche  Standpunkt  flir  die  Witigonen  maßgebend, 
als  sie  sich,  mit  Zawisch  von  Falkenstein  an  der  Spitze,  gegen 
Otakar  erhoben;*  sie  hatten  die  Lehentreue  gegen  den  deut- 
schen König,  ihren  obersten  Lehenherm,  umsomehr  einzuhal- 
ten, als  die  Linien  von  Krummau  und  Rosenberg  im  anderen 
Falle  den  Verlust  ihrer  Güter  auf  deutschem  Boden  zu  gewärti- 
gen hatten.  Es  verstand  sich  deshalb  von  selbst,  daß  Rudolf  im 
Wiener  Vertrage  vom  6.  Mai  1277  ^  alle  seine  Diener  und  Helfer 
aus  Böhmen  und  Mähren  in  den  Friedensvertrag  einschloß. 

Als  bekannt  kommt  nur  kurz  zu  erwähnen,  daß  Zawisch, 
nach  seiner  Vermählung  mit  der  Königinwitwe  Kunigunde  tat- 


*  A.  Huber,  Geschichte  Österreichs  I,  601  nach  Gerbert,  Cod.  epist.  199. 
'  Ann.  Prägens,  nnd  Heinrich  von  Hainbnrg  in  Mon.  Genn.  Script.  IX.,  181, 

XVn,  716.    Die  Abhandlung  ,Zawisch  von  Falkenstein*  in  Öesky  dasopis 

histor.  I,  246  war  dem  Verfasser  nicht  erreichbar. 
'  Redlich,  Regesta  Imperii  unter  Rudolf  I.,  Nr.  753. 


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211 

s^hEcher  Gebieter  in  Böhmen  (1284),  nach  ihrem  Tode  auf 
Befehl  seines  Stiefsohnes  Königs  Wenzel  II.  im  Jahre  1288 
ge&ngengesetzt  und  seiner  Güter  verlustig  erklärt  wurde.  Die 
königlichen  Heere  zogen  vor  seine  Burgen,  vor  deren  einer, 
Frauenberg,  er  enthauptet  wurde  (1290,  24.  August).^ 

Ein  Jahr  vorher  (1289)  war  infolge  Einwirkung  König 
Rudolfs  die  Zwietracht  zwischen  den  Schwägern  Wenzel  und 
Albrecht  zu  einem  augenblicklichen  Stillstande  gekommen.  Das 
war  der  günstige  Augenblick  für  Herzog  Albrecht,  sich  zum 
Achtvollstrecker  gegen  Zawisch  auf  deutschem  Boden  zu  machen. 

Denn  daß  Zawisch  die  Herrschaft  Falkenstein,  sein  mütter- 
liches Erbstück,  nicht  aus  den  Händen  gelassen  hatte,  dafür 
bürg^  schon  der  Umstand,  daß  er  den  Namen  von  derselben, 
sogar  ausschließlich,  bis  an  den  Tod  fortgeführt  hat. 

Wir  haben  nun  die  bestimmte  Nachricht,  daß  Albrecht  im 
Jahre  1289  die  Burg  [Falkenstein  belagerte  und  durch  Aus- 
hungerung in  seine  Gewalt  brachte.  Die  Continuatio  Vindobo- 
nensis,  welche  die  Annalen  der  Jahre  1267 — 1302  von  ver- 
schiedenen gleichzeitigen  Händen  enthält,'  hat  folgende  Nachricht: 
,dux  predictus  (Albertus  Austrie)  missis  exercitibus  suis  contra 
quoddam  castrum  firmissimum  et  quasi  inexpugnabile  Falcstain 
dictum  in  Bawaria  situm,  per  quod  a  predonibus  castri  illius 
homines  sui  et  mercatores  diversarum  provinciarum  tam  in  aquis 
quam  terris  magnum  patiebantur  detrimentum  per  predas  et 
rapinas  et  hominum  captivitates.  Cum  castrum  diu  faisset 
obsessum,  homines  qui  erant  in  eo  fame  et  siti  cruciati,  cum 
diucius  durare  non  possent,  castrum  tradiderunt  sicque  abire 
permissi,  dux  in  eo  posuit  homines  suos,  et  quod  sui  predecessores 
nunquam  expugnare  potuerunt,  hodie  cum  triumpho  possidet'.^ 

Der  Reimchronist  Otakar  meldet  hierzu:*  Der  Herzog 
sei  persönlich  zuerst  vor  die  Burg  Tannberg  (Tanberc)  an  der 

^  Palacky,  Geschichte  von  Böhmen  n,  349—362.  Mit  dem  Erlöschen  des 
Kmmaner  Astes  (yor  1302)  fiel  dessen  Besits  an  die  Bosenberger  Linie, 
das  Stammgnt,  südlich  yon  der  Moldau,  bisher  beiden  Zweigen  ungeteilt 
zugehörig  (8.  119,  171),  ging  in  das  Alleineigentum  der  letzteren  über. 
Vgl.  Palacky  II,  362;  Pangerl  in  ,ZawischS  S.  41,  und  im  Archiy  für 
Osterr.  Geschichte  LI,  547,  662. 

*  Mon.  Germ.  Script.  IX,  603.  Uhlirz  in  Blätter  des  Vereines  für  Landes- 
kunde Yon  NiederOsterreich  XXIX,  26,  53. 

*  a.  a.  O.,  716. 

*  Vgl.  23130—23201  in  Mon.  Germ,  deutsche  Chroniken  V/I,  306—306. 

16^ 


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212 

Kleinen  Mühel  gezogen  and  habe  dieselbe  mit  Eriegsmascliinen 
so  geängstigt;  daß  die  Besatzung  sich  ergab.  Dann  umlagerte 
er  Falkenstein  (Valkensteine),  vermochte  jedoch  die  Feste  nicht 
einzunehmen,  obwohl  er  ,an  dem  graben  sie  hiez  verbuwen' 
und  Kriegsmaschinen  gegen  die  Mauern  trieb;  denn  —  meint 
der  Chronist  --  ,diu  burc  ist  so  guot,  wand  si  ist  der  besten 
ein,  die  man  in  den  landen  zwein  nindert  mohte  vinden/  Er 
mußte  vielmehr  ein  Belagerungsheer  unter  Eberhart^  Heinrich 
und  Ulrich  von  Wallsee  zurücklassen. 

Kurz  vor  dieser  Heerfahrt  hatte  König  Rudolf  die  Burg 
Marsbach  wegen  Landfriedenbruches  als  dem  Reiche  heimge- 
fallen erklärt  und,  ungeachtet  er  sie  fiiiher  dem  Bischof  Wem- 
hard  zu  Lehen  gegeben,  nunmehr  seinem  erstgebomen  Sohne 
Albrecht  verliehen.^  Da  jedoch  die  Ruhestörer  Otto  und  Ortolf 
von  Marsbach,  welche  den  Verkehr  auf  der  Donau  geschädigt 
hatten,  durch  Schiedspruch  Herzog  Heinrichs  XHI.  von  Bayern 
mit  Bischof  Wemhard  wieder  ausgesöhnt  wurden,  infolgedessen 
der  letztere  ,die  Puorch  zu  Morspach'  behielt,*  hat  Albrecht 
angesichts  eines  winkenden  höheren  Gewinnes  diese  Ansprüche 
nicht  zur  Geltung  gebracht. 

Die  predones  des  Wiener  Annalisten  waren  nichts  an- 
deres als  die  Besatzung,  welche,  außer  aller  Verbindung  mit 
ihrem  Herrn,  auf  Fouragierung  angewiesen  war  xmd  alles,  was 
auf  der  Donau  herabschwamm,  auf  die  Burg'  gebracht  haben 


^  Urkande  1288,  29.  Oktober,  OberfJsterreichlsches  Urkondenbuch  lY,  96. 

*  Mon.  Boic.  XXIX  b,  564. 

'  Falkenstein  ob  der  Ranna  darf  als  eine  der  schönsten  und  interessante- 
sten Ruinen  im  Bereiche  der  deutschen  Zunge  bezeichnet  werden;  nur 
schade,  daß  so  gar  nichts  mehr  für  notwendige  Bedachung  der  Außen- 
seite, in  welcher  noch  vor  ein  paar  Dezennien  ein  Jäg^r  yon  Altenhof 
wohnte,  vorgesorgt  wird,  so  daß  in  kurser  Zeit  ein  bloßer  Trümmer- 
haufen Yorhanden  sein  und  der  Berohfrit  ins  Rannatal  hinabkollem 
wird.  Eingehende  Beschreibung  siehe  in  O.  Piper,  Österreichische  Bur- 
gen I,  86 — 97.  Was  den  Wasserturm  betrifft,  so  lautet  die  außen  an- 
gebrachte Jahreszahl  1488  und  das  Wappen  der  Oberhaimer  begründet 
die  Vermutung,  der  ,Hungerturm'  wie  ihn  das  Landvolk  nennt,  sei  von 
dem  Pfleger  Hans  Oberhaimer  zum  besseren  Sohutse  der  Feste  erbaut 
worden,  nachdem  Herzog  Georg  von  Bajem  vom  Hochstifte  die  g^egen- 
über  liegende  Burg  Rannariedl  erworben  hatte  (1487).  In  der  Bereitungs- 
relation  1570,  28.  Juni  (Faszikel  F  1  im  Hofkammerarchiv)  heißt  es: 
,So  ist  vor  dem  Schloß  ungeuerlichen  fünfzig  Schritt  weit  von  der 
Schloß   Pruggen  hindan  ain  stargker  runder  gemaorter  Thum,  dreyer 


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213 

wird.    Auch  Tannberg   dürfte  von   den  Witigonen  besetzt  ge- 
wesen sein.^ 

Tannbei^  wurde  den  Tannbergem  wieder  zurückgestellt, 
doch  mit  der  Verpflichtung,  sie  den  herzoglichen  Söldnern 
jedesmal  auf  Verlangen  zur  Verfiigung  zu  stellen  und  nur  nach 
eingeholter  herzoglicher  Bewilligung  zu  veräußern  oder  zu 
,andem'.*  Herzog  Rudolf  m.  nahm  1305*  ohne  weiters  für  die 
Morgengabe  der  Gertrud  von  Tannberg  ,daz  haus  ze  Tann- 
berch'  an   sich,   Chunrad  von  Tannberg    bekannte   1327   aus- 


Gaden  hoch  und  die  Manr  desselben  Thuern  drejer  Clafter  digk, 
dar  innen  yier  Qwelber  and  vier  stainen  Schnegkenstiegen,  In  dem- 
selben entspringt  der  Pmnn  so  in  Rorn  in  das  Schloß  rinndt,  wel- 
cher sa  der  WCr  mit  seinen  Schieß  vnd  wnrflOchem  zuegericht,  aber 
das  Tachwerch  daran  Panfellig/  Die  Schloßmauer  war  vom  Grund 
aus  zwei  Gaden  hoch  und  auf  halben  Teil  zwei  Klafter  dick,  dann 
immersu  kleiner.  Die  Wehrgftnge  und  verschiedenen  Lokal it&ten  waren 
▼on  Hols,  das  äußere  und  das  innere  Schloß  mit  Ausnahme  der  Wohnung 
des  Pflegers  —  dessen  enge  und  dunkle  Stuben  heute  ein  besser  be- 
zahlter Arbeiter  nicht  bewohnen  mOchte  —  baufällig  und  die  Dachung 
reparaturbedfirftig,  die  Schloßbrücke  in  gutem  Bau,  jedoch  das  Schlagtor 
in  den  Angeln  alt  und  reparaturbedürftig.  Der  Schloßgraben  vor  dem 
Tore  war  zweier  Mannstief,  der  mehrer  Teil  trocken  und  allein  daselbst 
eine  kleine  Wassergrube,  die  von  dem  Schloßbrunnen  gespeist  wurde. 
Das  Schloß  brannte  am  12.  April  1572  ab,  wurde  nach  längeren  Ver- 
handlungen mit  der  Hofkammer  wieder  restauriert  (Baukosten  1861  fl 
1  ß  27  /^  rhein.).  Im  alten  innern  Schloß  befand  sich  ,ain  gefengknuß 
so  zwen  gewelbt  gemach  aufeinander,  yolgendt  wider  ein  gefengknuß, 
so  ainer  durch  ain  Loch  hinabgelassen  wirdet*. 

Vom  sogenannten  ,yerlornen  Reut*  zwischen  dem  Meierhofe  Falken- 
stein  und  Altenhof,  welches  einen  entzückenden  Ausblick  in  das  Wald- 
tal der  Ranna  und  durch  dasselbe  hindurch  auf  das  hoch  oben  gelegene 
Rannariedl  und  auf  die  freie  Donau  gewährt,  erlangt  man  die  Über- 
zeugung, daß  von  den  Türmen  Falkensteins  aus  die  Donau  überwacht 
werden  konnte,  an  welcher  beim  Einfluß  der  Ranna  das  Dorf  Nieder- 
ranna,  die  Lastatt  des  Marktes  Hofkirchen  und  die  Donaumant  für 
Falkenstein,  gelegen  war.  Das  erklärt  die  Anlage  der  Hochburg  abseits 
vom  Strome.  Der  Burgweg  you  Niederranna  zur  Ruine  hinauf  durch 
den  Wald  heißt  noch  heute  der  Weinweg,  weil  auf  diesem  die  auf  der 
Donau  anlangenden  Weinfösser  durch  die  robotpflichtigen  Bauern  zur 
Burg  hinauf  befördert  werden  mußten. 

^  Ein  Tannberger  hielt  noch  1277  Neuburg  am  In  für  Künig  Otakar  be- 
setzt Redlich,  Reg.  Imp.  Y,  Nr.  781. 

'  Vgl.  Rerers  Chunrads   von   Tannenberch   und   Albers    von    Streitwisen 
1327,  11.  Juli,  OberOsterreichisches  Urkundenbuch  Y,  484. 

'  Mon.  Boic.  XXX  b,  25. 


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214 

drticklich,  daß  ihm  die  Herzoge  von  Österreich  die  Burg  aus 
Gnade  wieder  gelassen  haben.  Von  der  Eigenschaft  des  pas- 
sauischen  Lehens  war  gar  keine  Rede. 

Falkenstein  Burg  und  Herrschaft  blieben  unmittelbar  im 
Besitze  des  österreichischen  Herzogs,  welcher  nun  die  Burghut 
eigenen  Burgmannen  übergab.  Solche  waren  Chunrad  der 
Magenhaus  zu  Falkenstein  1298 — 1307/  Otto  von  Krotendorf 
1298—1316,«  Purkel   (Purchard)   zu  Falkenstein  1298-1316.» 

Erst  im  Jahre  1331*  wurden  das  Schloß  Falkenstein  mit 
S2&  ^  Gülten  und  das  Schloß  Ror  (Unterror  bei  Kremsmünster) 
mit  20  ^  ^  Gülten  und  jährlichen  200  ^  ^  an  der  Maut  zu 
Linz  ftlr  den  Anteil  der  Linzer  Linie  an  den  schwäbischen 
Stammgütem  an  Eberhard  von  Wallsee-Linz  verpfändet,  doch 
schon  im  Jahre  1359^  von  Herzog  Rudolf  IV.  wieder  einge- 
löst. Wenn  nicht  Falkenstein  nachmals  an  Eberhards  Sohn, 
Eberhard,  jedenfalls  auf  kurze  Zeit  verpftlndet  wurde,  so  ist 
es  irrig,  wenn  die  Matseer  Annalen  im  Jahre  1369^  Falken- 
stein noch  im  Besitze  Eberhards  sein  lassen,  als  der  Rosen- 
bergsche  Lehenmann  Ritter  Leutwin  Usel  von  Rownich  die 
Feste  durch  Überrumplung  gewann.^  Erst  1384®  wurde  Fal- 
kenstein mit  Neuburg  am  In  vom  Herzog  Albrecht  III.  wieder 
an  Reinprecht  von  Wallsee-Ens  verpfändet. 

Aus  dem  Spruche  Herzogs  Albrecht  H.  1354,  26.  Jänner® 
ersehen  wir,  daß  Eberhard  von  Wallsee  als  Pfandinhaber  von 
Falkenstein  die  Landgerichtsbarkeit  in  Anspruch  nahm, 
die  ihm  von  Passau  aus  bestritten  wurde.  ,Dann  —  sagt 
Albrecht  —  umb   daz,   daz   man   schedlich  leut  gen  Valchen- 

^  PröU,  Geschichte  von  Schlägl  33,  Anm.  2,  OherOsterreichUches  Urkun- 

denbuch  IV,  400,  407,  429,  431,  626. 
■  a.  a.  O.,  dann  Pröll  87,  Anm.  5,  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  V,  165. 
"  a.  a.  O.  Purgharts  von  Valchenstain  Enkel,  Christans  Sohn:   kommt  vor 

in   einem  Gerichtsbriefe    der  Tannberg.  Lehenschranne   1349,  1.  Jänner 

(Passanisches  Blechkastenarchiv  Nr.  226,  Fasz.  2). 

*  Chmel,  Geschichtsforscher  11,  211  (Nr.  24). 

*  OberOsterreichisches  Urkundenbnch  VII,  681. 

•  Mon.  Germ.  Script.  XI,  834.  Strnadt,  Velden  201. 

'  Über  Usel  vgl.  Urkunde  1371  im  Passauer  Stadtarchiv  und  TruhlaP,  Re- 
gistrum bonorum  Bosenberg.,  S.  28,  Nr.  236.  Rownich  ist  Buben  oder 
Rowny  Pfarre  Goyau  bei  Krummau. 

•  Urkunden  1384,  19.  September  und  1416,  12.  April  im  Wiener  k.  u.  k. 
Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv. 

9  Mon.  Boic.  XXX  b,  210. 


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215 

stain  (vürt)  und  timb  dief  pezzert,  sprechen  wir,  swez  der  von 
Pazzow  recht  hat,  da  sol  in  Eberhart  von  Waise  bei  lazzen 
beleiben,  swes  aber  der  von  Waise  gen  Valchenstain  recht  hat, 
da  sol  er  oucb  bei  beleiben  als  es  baidenthalben  von  alter  ist 
hercbonien/  Es  behauptete  also  der  Grundsatz  beati  possi- 
dentes  seine  Geltung,  weshalb  auch  zu  allen  Zeiten  darauf 
Gewicht  gelegt  wurde,  sich  im  ,Posseß'  zu  erhalten. 

In  die  Zeit  Albrechts  I.  muß  filr  Kloster  Schlägl  die  Er- 
langung der  Blutgerichtsbarkeit  über  das  damalige  Kloster- 
gebiet am  linken  Ufer  der  Großen  Mühel  zwischen  Klafferbach 
und  Wurmbrandbach  zurückreichen,  da  Erzherzog  Albrecht  VI. 
in  seinem  Privilegium  für  Schlägl  ddo.  Linz,  1459,  Montag  in 
den  Pfingstfeiertagen  ^  erklärt:  ,So  hat  auch  weylent  Herczog 
Albrecht  von  Osterreich  irem  richter  pan  und  echt  verlihen 
in  irem  gericht  über  das  plut  zu  richten'  und  verleiht  ,dem 
selben  gotzhaus  den  pan  und  echte  in  irem  marckht  am  Aygen 
in  der  masse  als  offi  ain  brobst  zum  Siegel  ainen  richter  seczet 
der  sol  dan  denselben  pan  und  echt  von  uns  und  unsem  erben 
oder  wem  wir  das  emphelhen  der  zu  gebrauchen  ordenlich 
dieweil  er  dan  da  richter  ist',  wie  auch  Kaiser  Friedrich  HI. 
in  seiner  Bestätigung  1493,  24.  Juni  bemerkt,  ,daz  Hertzog 
Albrecht  unser  vorvoder  von  Osterreich  irm  richter  pan 
und  echt  in   irem  gericht  über   das  plut   zu  richten  verlihen'. 

Zur  Zeit  Albrechts  11.  war  schon  Streit  zwischen  Passau 
und  Schlägl  entstanden  ,umbe  das  gericht,  daz  der  brobst  zu 
dem  Siegel  innhat*;  der  Herzog  entschied  (1354  wie  oben), 
daß  der  Streit  vor  ihm  solle  ausgetragen  werden  ,wan  wir  sein 
(des  Klosters)  vogt  sein'. 

Albrechts  I.  Sohn,  Herzog  Otto,  erklärt  in  dem  Freibriefe 
1325,  28.  Februar,*  daß  er  dem  Gotteshause  zu  dem  Siegel  die 
Gnad  getan  habe,  ,daz  si  den  walt,  der  zu  dem  chloster  ge- 
höret, reuten  sullen  und  wer  dar  in  chumt  und  da  sizzen  wil 
und  reuten,  der  sol  von  uns  und  unsern  pruedern  freyung 
haben  zwelf  ganzzev  Jar,  wan  es  in  unserm  Land  ist  und 
auch  wir  des  Goczhauses  Obrist  vogt  sein'. 

Mit  der  Besitzergreifung  von  Falkenstein  durch  Albrecht  I. 
wurde   das  Schicksal   der  Territorialhoheit   des  Hochstiftes   im 


^  Begest  Yielhabers  aus  dem  Stiftsarchiv  Schlägl. 
'  Oberösterreich iscb es  Urku^denbuch  V,  414. 


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216 

Mühellande  mit  einem  Schlage  entschieden^  die  Osterreichische 
Landeshoheit  hat  nicht  erst  nach  und  nach  I^iß  zu  fassen  ge- 
sucht^ wie  man  bisher  anzunehmen  geneigt  sein  mußte.  Albrecht 
war  eine  zu  machtvolle  und  wenig  rücksichtsvolle  Persönlich- 
keit^ um  bei  halben  Erfolgen  stehen  zu  bleiben.  Er  benützte  den 
günstigen  Augenblick,  um  von  dem  geistlichen  Reichsflirstentum 
die  Oberhoheit  in  dem  Landstriche  zwischen  Großer  Mühel 
einerseits^  Ranna,  Osterwasser  und  Gegenbach  andererseits 
ohne  den  geringsten  Widerstand  des  Bischofs  selbst  an  sich 
zu  bringen.  Auf  dem  bischöflichen  Stuhle  zu  Passau  saß  da- 
mals ein  ihm  ganz  ergebener  Mann,  Bernhard  von  Prambach,^ 
vormals  Pfarrer  in  der  herzogUchen  Residenz  Wien  und  gewiß 
nicht  ohne  Zutun  Albrechts  zum  Bischof  erwählt,  der  ihm  ftlr 
den  Verzicht  auf  Marsbach  verpflichtet  und  noch  mehr  seines 
Schutzes  wider  die  nach  Selbständigkeit  strebende  Stadt  Passan 
bedürftig  war.  So  lange  Albrecht  noch  Herzog  war,  werden 
sich  dem  Bischof  die  Folgen  seiner  Unterlassung  nicht  flihlbar 
gemacht  haben;  anders  wurde  es  unter  den  Söhnen  Albrechts, 
wie  denn  schon  Herzog  Rudolf  ohne  weiters  der  von  Passan 
lehenbaren  Feste  Tannberg  sich  unterwand.  Nun  war  ein 
Widerstand  zu  spät,  denn  gegen  den  römischen  König  aufzu- 
treten war  Bernhard  viel  zu  schwach  und  abhängig.* 

Otto  und  Albrecht  H.  schalten,  wie  oben  erwähnt,  als 
Landesfürsten  im  Mühellande.  Es  ist  daher  nur  eine  Äußerung 
fürstlichen  Rechtes,  wenn  Albrecht  HI.  dem  Andreas  Gruber 
den  Bau  der  Feste  Stein  an  der  Kleinen  Mühel  erlaubt  (1369)' 
und  dem  Bischof  Johann  von  Passau  die  vom  Grafen  Heinrich 
von  Schaunberg  zurückgestellten  hochstiftischen  Festen  Viechten- 
stein.  Ober-  und  Nieder-Wesen,  Rannarigl,  Haichenbach,  Velden 
und  Riedeck  nur  mit  der  Beschränkung  ausliefert,  daß  der 
Bischof  ihm  mit  selben  gewärtig  sei  und  sie  nur  an  öster- 
reichische Dienstleute  vorsetze.*  Ja,  bezüglich  Viechtenstein 
und  Rannarigl  geschah  damit  ein  weiterer  Übergriff  auf  passaui- 
sches  unmittelbares  Territorium. 


^  Ihm  teilte  Albrecht  sofort  seinen  Sieg  über  König  Adolf  mit  1298.  Ober- 

Csterreichisches  Urkundenbuch  FV,  285. 
'  Das  Urteil  Bnchingers  I,  277  über  Bernhard  bedarf  großer  Korrektur. 
»  Hoheneck  UI,  212. 
*  Urkunde  1393,  16.  Oktober  in  Stmadt,  Yelden  252. 


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217 

Für  die  Qebietseinbuße  auf  böhmischer  Seite  wurde  von 
Albrecht  L  1289/90  Oberösterreich  um  das  Mühelland  ver- 
größert 

Elfter  Abschnitt. 

Das  Landgericlit  Velden,  die  Herrschaften  Falkenstein 
und  RannarigeL 

Erst  nach  dem  ersten  Viertel  des  14.  Jahrhunderts^  wurde, 
viel  zu  spät,  um  die  Landeshoheit  des  Hochstiftes  wahren  zu 
können,  ftLr  das  an  Osterreich  verlorne  Gebiet  das  passauische 
Landgericht  zu  Velden  errichtet  und  der  Wirkungskreis  des 
Landrichters  der  Abtei  auf  das  westliche  Land  beschränkt. 
Nach   der  Orenzbeschreibung  vom  Jahre  1593*  reichte  es  im 


1  In  dem  Verzeichnisse  der  Einkflnfte  des  Bischofr  Ton  Passan  im  ersten 
Viertel  des  14.  Jahrhunderts  ist  die  Stelle:  ,Item  ladicinm  provinciale 
(in  Velden)  circa  12  libras'  ein  späterer  Zusats.  Notisenblatt  der  Wiener 
Akademie  1853,  8.  199. 

'  «Landes  der  Abbtej,  Wie  nit  weniger  der  darin  ligenter,  und  daran 
stossenter  herrsehaften  und  Landgerichte  ordentliche  Gränis-  und  Jaids> 
beschreibnng,  so  durch  die  darsne  verordnete  fttrstl.  Passan:  Rät  und 
Commissaries  Bemharten  Treitwein  der  Rechten  Doctom  und  Otto 
Loschen  an  Stephans  •  Kürchen  Jägermaister,  auch  iedes  orts  Pfleger 
und  Landrichter,  nach  vleißiger  abgehung  und  genombeuen  angen- 
schein  dieselben  im  iahr  1598  verrichtet  und  in  diß  Gränis  Biechl  zu 
fürderlichen  nachrichtung  wie  volgt  gebracht  worden.*  Gleichzeitige 
Slopie  im  kOnigl.  bayrischen  Reichsarchiv  in  Landshut  (Trausnitz)  Rl 
Xm  F  26  Nr.  4,  S.  3,  alte  Signatur  Nr.  57. 

,Hebt  sich  an  bey  Neuhauß,  mitten  in  der  grossen  Mühel,  gränizt 
also  herauf  gegen  Partenstain,  von  dannen  gen  Velden,  von  Velden 
gen  Pfthmstain,  mehr  von  dannen  gen  Haßlach  mitten  auf  die  Pru- 
cken  über  die  Mühel  gehonte,  von  der  Pruck  auf  mitten  auf  die  Pru- 
cken  gen  Schlegl,  von  derselben  Prukchen  bis  an  Finsterpach,  von 
dannen  schaidt  es  der  benant  Finsterpach  bis  auf  den  Ursprung  der 
ciain  Mühel,  von  dem  Mühelhaubt  gränizt  das  Landgericht  an  den 
gmainen  waldt  Falckenstain  und  Rännaridl  zuegehOrig,  von  dannen  bis 
an  die  Prucken  genant  am  Haag  (Hangern),  von  dannen  bis  an  die 
Wildränna,  nachvolgent  wehrt  das  Landgericht  Velden  nach  der  Wilden 
Ränach  hinab  für  Falckenstain  bis  in  die  Thonau,  nach  der  Thonau 
hinab  bis  widemmb  in  die  grosse  Mühel,  hat  also  zum  mehrem  thail 
sein  lebendig  marchwasser.* 

Urkundlich  vorkommende  Landrichter  zu  Velden:  1387,  1344 
Gundacher  von  Losenstein;  1356,  1358  Chadolt  von  Valchenstain;  1370 


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218 

Norden  bis  an  die  große  Mühel,  erst  1640  wich  die  Grenze 
bis  zum  alten  Schefweg  zurück,  bei  welcher  es  bis  zur  Auf- 
hebung der  Patrimonialgerichtsbarkeit  das  Verbleiben  hatte. 

Anfangs  des  Jahres  1637  wendete  sich  nämlich  Propst 
Martin  von  Schlägl  an  Erzherzog  Leopold  Wilhelm  als  Bischof 
von  Passau  mit  der  Bitte  um  Ausscheidung  der  122  Kloster- 
untertanen am  rechten  Mühelufer  aus  der  Jurisdiktion  des 
Landgerichtes  Velden  und  erbot  sich  dafür,  die  ^ruinierte  heil. 
Wolfgang  Capellen  zum  Stain'  (jetzt  Wolfgangstein  Pfarre 
Aigen)  zu  restaurieren,  über  eingeholten  Bericht  des  Pflegers 
Johann  Friedrich  Moll  zu  Marsbach  als  Landgerichtsverwalters 
erklärte  sich  der  Erzherzog  nicht  abgeneigt,  verlangte  aber 
eine  Rekompens  (1637,  23.  März).  Der  Propst  machte  dawider 
geltend,  daß  ihm  eigentlich  diese  Obrigkeit  über  seine  Unter- 
tanen ohnehin  zustünde;  bei  einer  mündlichen  Konferenz  (1638, 
24.  November)  bot  er  aber  außer  der  Kapellenrestaurierung 
als  Rekompens  vier  Untertanen  an:  den  Thoma  Lang  und  den 
Hans  Schartner  in  Werbach  (Pfarre  Pfarrkirchen),  die  halbe 
Fuchsmühle  und  den  halben  Haselhof  (Pfarre  Sarleinsbach). 
Hiermit  befriedigt,  überließ  der  Erzherzog  laut  Vergleiches 
1639,  12.  Dezember  (Ausfertigung  Passau  1640,  10.  Mai)  an 
Schlägl  die  völlige  landgerichtliche  Jurisdiktion  über  nach- 
stehenden Bezirk: 

,Nemblich  vom  Finsterbach,  welcher  auß  des  closters 
forst  in  die  grosse  Mihel  falt,  auf  den  Schefweg  ab  und  ab 
biß  auf  der  Khürchpacher  hölzl,  daß  Bawer  (Bauwerch)  ge- 
nant, von  danen  miten  durch  daß  Bawer,  auf  den  HöUpach, 
von  dem  HöUpach  der  Zwerch  nach  so  weit  des  Closters 
grund  und  boden  geraichet,  biß  auf  den  Schneidergraben: 
von  demselben  auf  daß  Stöckelpächel,  so  auf  der  ober  Neu- 
dorfer  Stock wisen  entspringet  und  in  Crünpachfeld;  von  und 
am  Crünpach  (jetzt  Krenbach  genannt)  abwerts  biß  wider  an 
den  Finsterpach,  in  welchem  gezierk  obbesagte  St.  Wolfgangs 
Capellen  und  andere  122  underthanen  sambt  acht  darzue  ge- 
hörigen   clainheußlein    gelegen.'     Ausgenommen    wurden    die 


Ulrich  der  Pueger;  1388,  1391  Peter  Scht^nauer;  1393  Andre  Herleins- 
berger;  1400,  1402,  1410,  1411,  1420  Eglof  Neuenkircher;  1406  Wemhart 
Scharf;  1425  Veit  Liechtenecker;  ca.  1430  Heinrich  Kaplan ;  1436,  1439, 
1440,  1441,  1444  Udung  Liechtenecker;  1449,  1458  Andre  Wiltperger; 
1463  Niklafl  Stettliuger;  1480,  1493,  1496  Paul  HoUinger. 


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219 

8  Untertanen  der  passanischen  Herrschaft  Pümstem  in  Schwal- 
ßödt,  welche  mit  der  landgerichtlichen  Jurisdiktion  unter  Velden 
blieben  und  sonach  eine  Enklave  des  letzteren  Landgerichtes 
in  dem  erweiterten  Landgerichte  Schlägl  bildeten.^ 

Das  Gericht  des  Propstes  von  Schlägl  war  schon  ein 
Jahrhundert  früher  bis  an  den  böhmischen  Gegenbach  vor- 
gerückt, als  das  Kloster  1522,  10.  März*  von  dem  Grafen  Hans 
von  Hardeck  den  Klafferwald  mit  den  Dörfern  Klaffer  und 
Freindorf  kaufte.' 


^  Akt  mit  Karte  im  passanischen  Blechkastenarchir  Nr.  234  f.  157.  MUn> 
eben.  Was  Pröll,  Schlägl,  8.  254  sagt,  daß  der  UmsUnd,  daß  Passau  über 
8t.  Wolfgang  das  Landgericht  hatte,  dem  Neuban  des  verfallenen  Kirch- 
leins hinderlich  war,  ist  unverständlich. 

'  fDen  Clafferwald  mit  seinen  wasserläofen  und  dem  vischwasser  . .  ., 
der  sich  anfängt  bei  dem  Clafferpach  und  nach  längs  ab  bis  an  die 
Mflhel  und  von  der  Mühel  auf  bis  zu  dem  Gegenpach  und  an  dem  Bach 
auf  bis  an  den  Piekkenstein  auf  alle  hOch,  von  dieser  hOch  geht  die 
march  bis  in  das  Puchat  und  den  vorgenanten  Clafferpach.'  Femer  ver- 
kauft Graf  Hans  an  Propst  Siegmund  die  Dörfer  Claffer  und  Freundorf, 
die  auf  einer  Seite  des  Waldes  gelegen  sind,  mit  aller  ZugehOrung  (20 
und  1 1  Bauern).  Das  Recht,  in  der  Großen  Mtthel  zu  fischen,  hatte  halbs 
(auf  der  linken  Seite)  der  Graf  und  halbs  (auf  der  rechten  Seite)  das 
Kloster  Schlägl  bis  an  den  Finsterpach,  von  diesem  bis  an  den  bayri- 
schen Gegenbach  auf  derselben  Seite  hatten  die  von  Wegscheid  zu 
fischen.  ,Damach  geet  der  (böhmische)  gegenpach  auf  nach  dem  wald, 
den  haben  wir  (Graf  Hans)  halber  zu  vischen  und  den  anderen  halben 
tail  die  herrschaft  zum  Rannarigel.'  Auf  der  Hohe  des  Pleckensteins  hatte 
der  Graf  und  halbs  die  Herrschaft  zum  Rannarigel  zu  fischen  (Begesten 
des  verstorbenen  Museumskustos  G.  Weishäupl  und  des  Schlägler  Stifts- 
bibliothekars Vielhaber.  Hierzu  zu  vergleichen  PrOll,  Geschichte  von 
Schlägl,  S.  114-115). 

'  Aus  Klaffer  stammen  nicht,  wie  in  Velden  S.  146  angegeben  wurde,  die 
Klafpäcken,  sondern  hOchst  wahrscheinlich  vom  Klaffenbäckgute  bei 
WitzenOd  Pfarre  St.  Ägidi  ab;  der  Zehent  von  zwei  Häusern  in  Chlafel- 
bach  wird  in  der  bischöflichen  Urkunde  über  den  Ausgleich  zwischen 
dem  Pfarrer  Albert  Celler  von  Engelhartszell  und  den  Brüdern  Otto, 
Heinrich,  Ortolf  und  Meingot  von  Waldeck  1259,  29.  April  (Original  im 
allgem.  Reichsarchiv  München)  erwähnt.  Der  Familienname  Klaffenböck 
ist  noch  heute  in  den  Pfarren  Ägidi,  Neukirchen  am  Walde  und  Natern- 
bach  einheimisch. 

Die  Ortschaften  Klaffer  und  Freindorf  werden  zuerst  in  einer 
Eferdinger  Urkunde  1896,  1.  September  (Strnadt,  Velden  227)  au%eführt; 
da  beide  zehentpflichtig  sind,  während  Neurisse  durch  eine  Anzahl  von 
Jahren  zehentfrei  waren,  so  muß  ihre  Anlegung  eine  geraume  Zeit, 
vielleicht  noch  in  das  13.  Jahrhundert    zurückreichen.    Nicht  deshalb. 


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220 

Dagegen  gelang  es  den  Herren  von  Sprinzenstein  nicht^ 


weil  der  Zehent  von  Falkenstein  lehenrührig  war,  sondern  ans  dem 
Umstände,  daß  an  einen  zweiten  Kaufbrief  1403,  17.  Jali  der  Vertreter 
der  Grandherrschaft,  Pfleger  Hartlieb  Herleinsperger  zu  Falkenstein,  sein 
Siegel  anhängte,  ist  die  Zugehörigkeit  der  DOrfer  zu  Falkenstein  zu  er- 
schließen. 

Es  frSgt  sich,  auf  welche  Art  die  Grafen  von  Hardeck  den  Elaffer- 
wald  in  ihre  Gewalt  brachten,  wenn  er  zur  landesfClrstlichen  Herrschaft 
Falkenstein  gehOrt  hat. 

In  dieser  Richtung  haben  wir  in  die  Vergangenheit  zurückzu- 
schreiten.  Noch  um  das  Jahr  1510  stand  die  Grundherrschaft  flber  Klaffer 
und  Freindorf  den  Herren  von  Rosenberg  zu.  Denn  das  älteste  ,Urbar- 
puech  des  Gsloß  und  Herrschaft  Rännarigl*  (vormals  im  landeshauptm. 
Archiv,  jetzt  im  OberOsterreichischen  Landesarchiv),  welches  nach  den 
noch  vorhandenen  Stenerlisten  des  Jahres  1509  (,Vermerckht  der  Romi- 
schen kayserlichen  Mayesstat  gsloß  zum  Rannarigl  Steuer  Anno  etc.  im 
Neuntn  Jar*  im  Hof  kammerarchiv  Fasz.  R  2)  in  diese  Zeit  zu  setzen 
ist,  sagt  bei  Aufzählung  der  Fischwässer  in  Wastleins  Amt  (später  Amt 
Heindlschlag  genannt) :  fier  behemisch  gegnpach  .  halber  gein  Rannarigl 
und  halber  dem  von  Rosenberg  .  schaid  die  Wald  vnd  Wildpan  .  und  ist 
aitt  Marich  in  die  gproß  Mühl'. 

In  der  Tat  bekennt  auch  zu  Krummau  ,am  freitag  sand  Peters 
stuelfeyr  1493*  (Orig.  Pap.  im  fttrstl.  Schwarzenbergschen  Zentralarchiv 
Krummau  c  ad  I  1  Aa  Nr.  43)  als  Auskunftsperson,  Thoman  Wei(g)atz- 
perger  richter  aufm  Klaffer,  ,das  bey  meiner  gedachtnus  so  lang  ich  g^ 
denk  das  guet  Klaffer  mit  seiner  zugehorung  hat  alweg  gehört  gen 
Wittinghausen  und  sind  bey  meiner  gedachtnus  zu  Wittinghausen 
pfleger  gewesen  der  Gorig  Grossauer  (1456,  1457  Fontes  XXIU,  285, 
287),  der  alt  Woitiech,  der  Knentz  Grossauer  und  der  Augustin  Steger. 
Dieselben  pfleger  haben  daz  guet  Klaffer  alweg  zu  dem  Gealoß  Witting- 
hausen gebraucht,  gesteurt  und  gewandelt,  die  Richter  daselbs  ab  und 
auf  gesetzt  und  in  allen  nodtuefften  gewejet  und  in  undertenig  und  ge- 
horsam gewesen.'  Ein  Anschlag  der  Herrschaft  Haslach  aus  dem  16.  Jahr- 
hundert (im  fttrstl.  Schwarzenbergschen  Archiv  zu  Wittingau  Akt  Has- 
lach U  92/a  f.  H)  führt  unter  der  Anmerkung:  ,Uemach  beschriben  und 
verzeichnete  Lehensteuer  sein  unrichtig  und  wierd  demnach  darubm 
nichts  geraicht*  —  an:  ,Thoman  wejgentsperger  richter  auf  dem  Klaffer 
und  Oßwald  schuester  zu  Saldnau  (Saulnau  bei  Klaffer)  haben  zu 
lehen  zweithail  auf  dem  Klaffer.'* 

Der  Klafferwald  gehörte  demnach  Ende  des  15.  und  anfangs  des 
16.  Jahrhunderts  zur  Rosenbergischen  Herrschaft  Witigenhausen,  und 
zwar  schon  im  November  1488,  wie  sich  aus  der  Nachricht  Herm.  Bi'e- 

*  Dieser  Zehent,  welchen  noch  1425,  Eritag  nach  St.  Anton  Reinprecht 
von  Walsee  auf  Bitte  Ulrichs  von  Scharten  dem  örtlein  Virneyser  auf 
18  Gütern  zu  Freindorf  und  auf  dem  Klaffer  verlieh  (PröU,  a.  a.  O.  115 
Anm.  l)y  wurde  von  dem  Kloster  Sohlägl  an  sich  gebracht. 


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221 
ihren  Wunsch  auf  Zngestehnng  des  Landgerichtes  innerhalb 


uns*  ergibt,  daß  Herr  Wok  yon  Roaenberg  im  November  desselben 
Jahres  dem  p&pstlichen  Legaten  bis  aum  Klafferwalde,  also  an  der 
Grense  seines  Gebietes,  ein  Geleite  entgegengesandt  hat.  Diese  Nach- 
richt stimmt  mit  der  Tatsache,  daß  Reinprecht  von  Walsee,  welcher  am 
,montag  nach  sand  urbanstag,  1464**  seinem  lieben  Vetter  dem  edlen 
Herrn  Jan  Yon  Bosenberg  (f  1472)  Schloß  und  Herrschaft  Witigen- 
hansen  nnd  seinen  Markt  Haslach  mit  ZugehOr  and  Landgericht,  wovon 
,der  markht  allain  von  dem  hochwirdigen  Stift  Passau  sn  lehen 
rnref,  aof  seinen  sOhnelosen  Ablebensfall  vermacht  hatte,  bereits  am 
26.  April  1483  ans  dem  Leben  geschieden  war.  Infolge  des  Verm&cht- 
nisses  fielen  Haslach,  welches  mit  Ausnahme  des  Obergerichtes  Ulrich 
von  Bosenberg  1421,  27.  April  an  den  Hauptmann  ob  der  Ens  Bein- 
precht  von  Walsee  verkauft  hatte,  und  die  ,Vest  zu  Witigenhausen 
und  das  obere  Pehemisoh  gerichf,  welches  mit  aller  ZngehOrung  1427, 
9.  August***  von  Ulrich  von  Bosenberg  an  Beinprecht  verkauft  worden 
war,  ohne  Wiederlosung  an  die  Bosenberger  iur11ck.t 

Im  Urbar  von  ,Wittinghausen'  ddo.  ,freitag  nach  dem  heiling 
pfingsttag  Anno  domini  1515'  im  Krummauer  Zentralarchiv  kommt  das 
Amt  Kläffer  nicht  mehr  vor.  Es  muß  dasselbe  demnach  zwischen  den 
Jahren  1510  und  1615  an  den  Grafen  Hans  von  Hardeck,  welcher  seinem 
Yater  Heinrich  im  Pfandbesitse  von  Falkenstein  nachgefolgt  war,  durch 
irgend  eine  Transaktion  gelangt  sein.  Seine  Mutter  Elisabeth  (geb.  1466, 
gest.  1607)  war  eine  Schwester  jenes  Peter  von  Bosenberg  (f  1623),  der 
nachmals  durch  sein  Testament  su  so  großen  Büßhelligkeiten  Anlaß 
gegeben  hat.  Während  seiner  Besitzperiode  hat  Graf  Hans  1516, 
20.  Jinnerft  der  Witwe  seines  Bichters  zu  Klaffer  des  obgedachten 
Thoman  des  Weigartsberger  den  halben  Zehent  zu  Klaffer  und  Frein- 
dorf  überlassen.  EIndlich  entledigte  sich  der  Graf  im  Jahre  1622  des 
seit  der  Einlösung  von  Falkenstein  in  Isolirung  geratenen  Besitzes  durch 
Yer&ußemng  desselben  an  SchlSgl;  im  Kaufbriefe  bemerkt  er  ausdrück- 
lich: ,Also  das  weder  wir  noch  unser  E^ben  und  nachkomen  noch 
jemandts  andern  von  unseren  unser  Elrben  und  herrschaft  wegen 
weder  von  aigenschaft  noch  von  lehenschaft  weder  landgericht 
noch  von    kainerlay   ander  sach   wegen   darauf  nichts   mer  gebieten.' 

*  Bosenberg.  Chronik  ed.  Klimesch  S.  163.  ,Anno  domini  1483  deß  Monats 
November  ist  auf  Cromaw  kommen  der  Joannes  Cardinalis  de  Aragonia, 
pabstlicher  Legat,  deme  vorhero  der  Herr  Wok  bey  50  Pferdt  endtgegen 
abgefertigt  biß  zu  dem  Waldt,  Klaffer  genandt,  gegen  Passauer  Strassen, 
welche  ihn  dan  biß  auf  Cromau  beglaitet  haben.' 

**  Fürstlich  Schwarzenbergsches  Zentralarcbiv  in  Krummau  IIA«  Nr.  43. 
***  Daselbst  I  Aß  Nr.  12.  Notisenblatt  1862,  S.  11. 
t  Schon  1465  hatte  Beinprecht  Witigenhausen  und  Haslach  seinem  Neffen 
Jan  von  Bosenberg  f&r  ein  Darlehen  von  1000  Gulden  eingesetzt  Orig. 
im  Zentralarchiv  Krummau  b  ad  I  Aee  Nr.  48. 

tt  PröU,  Ä.  Ä.  O.  116,  Anm.  1. 


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222 

ihres   Burgfriedens    beim    Bischof  von    Passau    durchzusetzen 
(1644).! 

Die  Pflege  und  das  Landgericht  Velden  wurden  1393, 
14.  September,*  die  Feste  Tannberg  samt  Urbar  (worunter  das 
Gericht  Peilstein)  1421,  13.  August'  an  Andreas  Herleinsberger 
verpftlndet;  erst  im  Jahre  1503  gelang  dem  Hochstifte  die 
Wiedereinlösung.*  Die  Pflege  Tannberg  wurde  dem  Achaz 
Prembser^  anvertraut  und  ihm  einige  Jahre  später  auch  Velden 
dazu  gegeben.  Nach  seinem  Tode  erhielt  beide  Pflegen  samt 
der  Maut  zu  Peilstein  Egidi^Tettenheimer  1516,  der  als  Pfleger 
im  Dezember  1517  vorkommt,  hierauf  Wolf  Elrechinger  zu 
Mamling  1520.  Dem  Nachfolger  des  letzteren,  Hans  Stadler 
zu  Emegk,  wurde  laut  Reverses  1522,  6.  Jänner,  hierzu  auch 
noch  das  Schloß  Marsbach  in  Bestand  verlassen.  1525  (Montag 
nach  Erhardi)  wurden  dagegen  an  Hans  Nusdorfer  zu  Tutling 
nur  mehr  Tannberg  und  Velden  tiberlassen,  nachdem  schon  am 
Freitag  nach  Pauli  Bekehrung  desselben  Jahres  die  Pflege 
Marsbach  abgesondert  dem  Lamprecht  Haunreiter  verliehen 
worden  war.  Auf  den  Nusdorfer,  der  zuletzt  1528,  11.  Februar, 
als  Pfleger  zu  Tannberg  erscheint,^  folgte  in  der  Pflege  Tannberg 
noch  Wolf  Herleinsperger  zu  Altenhof  (Urkunde  1529,  25.  März, 
bei  Pröll  a.  a.  0.,  117),  wogegen  Velden  schon  1528  zur  Pflege 
Marsbach  gezogen  wurde '  und  bei  dieser  fortan  verblieb.   End- 


Daß  unter  ihm  fQr  das  sogenannte  Malefis  in  Elaffer  ein  eigenes 
Halsgericht  bestand,  das  wohl  durch  den  Richter  versehen  wurde, 
und  daß  selbes  yom  Propst  Siegmund  angelassen  und  nach  Aigen  ge- 
zogen wurde,  besagen  die  Beschwerden  der  Bürgerschaft  zu  Aigen  aus 
den  Jahren  1585  uud  1592*  Klaffer  scheint  bei  der  Einlösung  der  Pfand- 
schaft Falkenstein  (nach  1425)  in  den  HJinden  Reinprechts  von  Wallsee 
zarückgeblieben  zu  sein,  der  es  dann  yon  Witigenhaus  aus  verwalten  ließ. 

*  Fasz.  Sprinzenstein  im  Hofkammerarchiv. 

•  Mon.  Boic.  XXXb,  426. 
a.  a.  O.  XXXI  b,  176. 

Revers  Wolfgang  Herleinsbergers,  1609,  2.  Februar,  im  allgem.  Reichs- 
archiv in  München. 

Als  Pfleger  zu  Tannberg  wird  er  im  M%rz  1614  erwXhnt  (Passauisohes 
Blechkastenarchiv,  Nr.  226  f,  8). 
Archiv  für  österr.  Geschichte  XXIV,  184. 

Reverse  in  Original  und  Kopie  im  k.  allgem.  Reichsarchiv  in  München. 
Buchinger  II,  289,  Anm.  ♦*. 


8 


•  Pröll,  a.  a.  O.,  156,  166,  185. 


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223 

lieh  wurde  anch  Tannberg,  wohin  1503  der  Sitz  des  Land- 
gerichtes gewandert  war,  noch  vor  dem  Jahre  1538  mit  Mars- 
bach vereinigt;  denn  in  letzterem  Jahre  wird  Christoph  Lieben- 
aner  bereits  Pfleger  zu  Marspacb,  Tannberg  und  Velden  ge- 
nannt.^ 

Nun  wurde  Marsbach,  das  erst  1520  von  dem  Oberhaimer 
zurückerobert  worden  war,  der  Sitz  des  Pflegers  für  die  Herr- 
schaften Marsbach,  Tannberg,  Velden  und  Partenstein;  der  je- 
weilige Pfleger  war  zugleich  Verwalter  des  Landgerichtes  Velden, 
das  seinen  alten  Namen  bis  in  das  18.  Jahrhundert  beibehielt. 
Die  Landgerichtsschrannen  in  Malefizsachen  wurden  auch  fUr- 
derhin  im  Gerichtshaus,  dem  vom  Hoch  stifte  im  Markte  Neu- 
felden  erbauten  Schlosse,*  abgehalten,  die  Landgerichtsdiener 
von  Marsbach  wohnten  in  Neufelden,'  in  dessen  Schloßturm  sich 
die  Gefängnisse  befanden.  Als  Beisitzer  der  Schranne  wurden 
die  Bürger  von  Neufelden  und  ,von  Alters  her'  Untertanen  des 
Ho&mtes  Tannberg  und  des  Gerichtes  Peilstein  verwendet,  das 
Gerichtsschreiberamt  versah  schon  1493  der  Bürger  Jakob  Bys- 
mann  zu  Velden,*  Vorsitzender  war  der  jeweilige  Marktrichter, 
welcher  deswegen  den  stolzen  Titel  ,Landrichter'  führte;  erst 
der  Marktrichter  Abraham  Oder  (1586 — 1696),  Sohn  des  vor- 
maligen Markt-  und  »Land^richters  Hans  Oder  (1525 — 1568), 
ein  Günstling  der  Pflegersgattin  Tattenbäck  zu  Marsbach,  der 
Tau^tin  seiner  Kinder,  entzog  sich  dieser  Pflicht  und  besetzte 
das  Malefizrechten  statt  der  ,kindi8chen'  Bauern  ausschließend 
mit  Bürgern  des  Marktes.*  Diese  Besetzung  dauerte  bis  zu  den 
Reformen  Kaiser  Josefs  H.;^  Richtstätte  war  der  innere  Galgen- 
berg bei  Neufelden  ob  der  Großen  Mühel,  im  19.  Jahrhunderte 
der  Kreuzweg  auf  der  Donauleiten  zwischen  Hofkirchen  und 
Marsbach.  Zur  Unterhaltung  des  kaiserlichen  Bannrichters  in 
Linz  hatte  das  Landgericht  Velden  einen  jährlichen  Beitrag  von 
7  Gulden  40  Kj-euzem  zu  entrichten.^ 


1  Strnadt,  Velden,  8.  210/282. 

■  Der  Familie  Weillnböck  gehörig. 

*  Erwihnt  1579  Georg  Partner,  1602  Matheos  Lang,  1638  Georg  Pessl. 

*  PrölV a.a.O.  107. 

'  Die  Yogtnntertanen  von  St.  Florian  wurden  schon  1451  Yon  der  Schöffen- 
pflieht  entbanden.    Strnadt,  Velden,  S.  254. 

*  PaMaaisches    Blechkastenarchir,   Nr.  280  f.,    53,   Nr.  231  f.,    65,  66,   69, 
74,  76,  97,  Nr.  282  f.,  124. 

^  Quittung  Tom  Janner  1597  a.  a.  O.,  Nr.  231  f.,  76. 


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224 


Die  Herrschaft  Falkenstein  und  deren  O^eriehtsholielt. 

Nach  Ablauf  der  Pfandzeit,  also  1435,  war  Falkenstein 
—  wohl  mit  Ausnahme  des  Amtes  Klaffer  —  von  Reinprecht 
von  Walsee  zurtickgelöst  worden.  Als  landesfürstliche  Pfleger 
treffen  wir  1443^  und  1457*  Cholman  den  Oberhaimer;  1470, 
1471,  1478,  1479  3  Simon  den  Oberhaimer;  1483,  1485,  1488 
Hans  den  Oberhaimer.* 

Aber  schon  1490,  3.  Oktober,  wurde  Falkenstein  mit  der 
Maut  in  (Nieder-)  Ranna  den  Freiherren  Siegmund  und  Hein- 
rich Prtischenk  verpfilndet  und  1494  um  10.000  Gulden  gegen 
Wiederkauf  verkauft.^  Des  letzteren  Sohn,  Graf  Hans  von 
Hardeck,  hatte  die  Herrschaft  bis  1515  inne;  sein  Pfleger  war 
Michael  von  Traun  zu  Eschlberg.^  Am  16.  Oktober  1515  ver- 
schrieb Eüiser  Max  I.  Falkenstein  seinem  Rate  und  Schatz- 
meister Jakob  Villinger  pfand-  und  pflegsweise,  von  welchem 
sie  mit  Genehmigung  Erzherzogs  Ferdinand  1521,  21.  Oktober, 
Jobst  von  Oberweinmair  (Oberweymar)  übernahm.  Nach  dem 
Tode  des  Letztgenannten  verschrieb  Kaiser  Ferdinand  die  Herr- 
schaft ,sambt  dem  Landgericht',  wie  das  Diplom  1527, 
21.  Dezember  ausdrücklich  besagt,  dem  Herrn  Jörg  von  Herber- 
stein und  dessen  Erben.^ 

Die  Gerichtshoheit  über  die  eigenen  Untertanen  war 
schon  im  14.  Jahrhunderte  von  Falkenstein  festgehalten  worden, 
es  blieb  bei  dem  alten  Herkommen;  im  15.  Jahrhunderte 
scheinen  jedoch  die  landesfürstlichen  Pfleger  sich  damit  be- 
gnügt zu  haben,  daß  sie  keinen  Eingriff  des  passauischen  Land- 


»  Strnadt,  Velden,  S.  258. 

'  Urkunde  Sonntag  nach  St.  Andreastag  1457  im  Fasz.  F  1  im  Hof  kammer- 

archiy. 
»  Hoheneck  m,   285;    PrOll  70;    Chmel,  Mon am.  Habsborg.  HI,  302,  699. 

Passauisches  Blechkastenarchiy,  Nr.  226  f.,  10. 
^  1483,  4.  Dezember.    Pflegrerers  des  Hans  Oberhaimer  überValchenstain, 

wie  es  sein  Vetter  Simon  innegehabt.  Chmel,  Begesten  K.  Friedrichs  HI., 
,  Nr.  7640;  Strnadt,  Velden,  S.  269,  260. 
"  Streun    man.  gen.,    Band   XH,    im    Stifte    GOttweig;    Wisgrill  FV,  124; 

Chmel,  Regesten,  Nr.  8594. 

*  Schreiben  desselben,  ddo.  Valchenstain  Phinztag  nach  dem  Sonntag 
Invocavit  1514  an.  Bischof  Wigileus.  Passauisches  Blechkastenarchiv» 
Nr.  226  £;  8. 

*  Original  und  Kopien  im  Fass.  F  1  im  Hof  kammerarchir. 


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226 

riohters  von  Velden  anf  herrschaftlichein  Gnind  nnd  Boden 
duldeten,  die  Malefizpersonen  selbst  in  Falkenstein  gefänglich 
annahmen,  im  Schlosse  yerwahrten,  die  Untersnchnng  zu  Ende 
fährten  xmd  die  Malefikanten  erst  dann,  nachdem  sie  in  der 
Schranne  im  Markte  Hofkirchen,  woselbst  der  falkensteinische 
Landgerichtadiener  wohnte,^  überwiesen  nnd  des  Todes  schuldig 
erkannt  worden  waren,  zur  Vollstreckung  des  Todesurteiles 
tber  den  Bock-  oder  Wesenbach  (gleich  außerhalb  des  Marktes) 
dem  Landrichter  von  Velden  überantworteten. 

Dieses  Bild  zeigen  wenigstens  die  ,Gerechtigkeit  vnd  alts 
herkhomen  des  markts  zu  Hofkhirchen'  aus  dem  Jahre  1485' 
und  das  Ehaft  der  Bauern  im  Amte  Eramel;'  das  Ehaft  des 

*  PasMnisches  Blechkastenarchiv,  Nr.  231,  f.  65. 

*  Lambelsche  WeiBtümersammlang,  Original  in  Hof  kirchen. 

Art  45.  Jtem  ist  es  anch  von  alter  berkomen  and  der  gebrauch,  ob 
ein  schädliche  person,  es  war  fraa  oder  man  in  der  berrschaft  Yalcken- 
stain  mit  malefizbandl  befanden  and  betrOtten  waerde,  dieselben  in  fran- 
fest  gen  Valckenstain  gefiert  and  Überantwort,  alda  mit  strenger  frag 
erkandet,  darnach  alhie  im  marggt  Hof  kirchen  faer  das  recht  gesteh  and 
wo  sie  beredt  wirdet  dem  landgericht  za  Velden  über  den  Mittempach 
geantwortet  werden,  in  ansem  waltfeldt  and  derselben  schotlichen  person 
güeter  beleiben  bei  der  berrschaft  Valckenstain  zwei  theil,  das  drit  theil 
soll  dem  landrichter  za  theil  werden,  welcher  sie  daramben  nach  ge- 
stalt  der  Sachen  wie  recht  ist  richten  soll  lassen,'  Die  alten  Rechte  von 
Hofkirchen  hatte  Herzog  Otto  ddo.  Stejr  1335,  26.  März,  bestätigt 
(Preaenhaeber  Ann.  Styr.  50). 
'  Extrakt  ,aaß  der  Paamen  im  Ambt  Cräml  Eehaft  geschriben'  som 
Berichte  des  Pflegers  Oswald  Salbarger  1571,  7.  März,  im  Hofkammer- 
archive,  Fasz.  F.  1. 

,0b  angesessen  leat  kamen  and  Clag  aafkamb,  die  nit  mttssig  wäre, 
and  kämb  der  Landrichter  and  wolt  der  betreden,  and  da  solle  sich 
der  Landrichter  rerhüeten  and  sol  das  bringen  an  herm  and  an  den 
Haabtman,  and  sol  den  erfodem,  den  sol  die  Herrschaft  and  der  Ambt- 
man  feßnen,  in  sein  leib  and  gaet,  and  sollen  fneren  gen  fronfest 
gen  Valckenstain,  darnach  vom  fronfest  zam  Bechtn  gen  Hofkirchen, 
zwej  theill  gaets  behelt  man  bey  der  Herrschaft,  den  dritthail  antwort 
man  mit  im.  Item  ein  diep  kämb  in  das  Ambt  and  in  die  Herrschaft 
and  er  getrangen  waert,  and  kämb  anter  die  tachtropfen,  so  sol  im  der 
Landrichter  nichts  than,  noch  nicht  eingrif  thaen,  er  sol  ine  erfordern. 
Es  sol  aach  ieder  Man  aaf  sein  and  zaeg^eifen,  die  in  der  Herrschaft 
sein,  and  sollen  den  za  iren  Händen  nemen,  damit  man  in  bring  in 
fironfest  gen  Valckenstain.  Und  ob  ainer  anßkämb,  dem  Ambtman  oder 
der  Herrschaft  anß  der  Vänknnß,  so  sol  man  nachkomen  naawerz  an  den 
Haslpach  and  auf  die  Hz,  and  In  an  die  walta,  and  anß  an  die 
Ton  an,  wo  man  in  begriff,  den  sol  man  an  alleirrang  herwider  brin- 
ArehiT.  XCIY.  BMid«  16 


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226 

Amtes  Harnet;  das  nicht  überliefert  ist,  dürfte  gleichen  Inhalts 
gewesen  sein.  Der  Markt  Rohrbach,  welcher  nach  Falkenstein 
untertänig  war,  lieferte  gefangengesetzte  Malefizpersonen  über 
ein  Bachl  bei  der  Wasch  am  Ostende  des  Ortes  dem  Land- 
gerichte ans.^  Im  Markte  Lembach,  in  welchem  fidkensteinische 
(28),  pümsteinische  (17)  und  passanische  (32)  Untertanen  saßen, 
wurde  —  wenigstens  im  17.  Jahrhunderte  —  die  Vogteiobrig- 
keit  alternative  ausgeübt;  wenn  die  Reihe  an  der  Herrschaft 
Falkenstain  war,  sprach  der  Pfleger  auch  über  die  landgericht- 
lichen Fälle  die  Gerichtsbarkeit  an.* 

Aber  selbst  diese  Akte  waren  nur  notdürftig  zu  beweisen, 
als  die  kais.  Pfandschaftenbereitungskommission  am  5.  Juni 
1570  in  Falkenstein  eintraf  und  nach  den  landgerichtlichen 
Rechten  Nachfrage  hielt.  Der  Vizedom  Kosmas  Gienger  be- 
richtete* an  die  niederösterreichische  Kammer,  daß  vor  guter 
Zeit  und  vor  47  Jahren  (1524,  seither  war  kein  Malefizfall  vor- 
gekommen) die  Verbrecher,  so  auf  der  Herrschaft  Falkenstein 
Grund  und  Boden  betreten  xmd  eingezogen  worden,  gefänglich 
verwahrt,  das  Recht  über  dieselben  durch  den  herrschaftlichen 
Pfleger  ergangen,  hernach  in  das  Landgericht  Velden  zu  Voll- 
ziehung der  Exekution  geantwortet  worden;  er  wußte  jedoch  nur 
vier  Gedenkpersonen  (Siegmund  Moser,  Salzbereiter  im  Mühl- 
viertel, Wolf  zu  Kanzling,  falkensteinischer  Untertan,  Katha- 
rina Mayringer,  Bürgerin  zu  Hofkirchen,  Leopold  Medtmüllner 
am  Höffl,  rannarigelscher  Untertan)  aufzutreiben,  weshalb  er  er- 
achtete, daß  es  des  Landgerichts  halber,  wie  von  Alter  her- 
kommen, verbleiben  möge. 

Indem  jedoch  der  Pfleger  Gottfried  Salburger,*  welcher 
seinem  anfangs  1572   an   der  im  Schlosse  Falkenstein  ausge- 

gen,  und  sol  der  dritthail  gnets  dort  lassen  und  die  zweithaill  guets  mit 

ime  bringen.' 
^  Bericht  des  Marktrichters  Sebastian  Stadlpaur,  t671, 12.  Februar,  Schreiben 

des  Herbersteiner  Pflegers  Bartlme  Salbarger,  1561,  6.  Juli,  Fasz.  F  1  im 

Hofkammerarchiv. 
'  Extrakt  aus  dem  Berichte  über  die  Niedemkeßla.    Passauisches  Blech- 

kammerarchiv,  Nr.  101. 
"  1671,  26.  Mai.    Fasz.  F  1  im  Hof  kammerarchiv. 

*  Sohn'  des  Bartlme  Salburger  (f  1668),  welcher  1632  zu  Hofkirchen,  wo 
seine  Familie  noch  1570  ein  Burgrecht  innehatte,  als  ,ersamer  Bürger*^ 

*  Zu  dieser  Zeit  war   noch  Ott  der  Oberheimer  Pfleger  zu  Falkenstein 
(1629  bei  Prtfll,  a.  a.  O.  117,  Anm.  1). 


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227 

broohenen  Infektion  verstorbenen  Bruder  Oswald  Salbnrger 
in  Pflege  und  Bestand  der  Herrschaft  gefolgt  war,  sich  bei 
dem  alten  Herkommen  zn  erhalten  snchte,  kam  es  zn  Zn- 
sammenstößen mit  dem  passaoischen  Pfleger  Veit  Tattenpeck 
Yon  Marsbach.  Es  wurden  nun  weitere  acht  Zeugen  (Hans 
Feyel,  Mautner  in  der  Wildenranna,  E[ans  Sprüzlmair,  Hofwirt 
zu  Falkenstein,  Leonhard  Mikhtlsch  im  Eramel  und  fünf  Bürger 
zu  Hofkirchen)  daftlr  aufgebracht,  daß  vor  43  Jahren  (1528) 
unter  dem  Pfleger  Sebastian  Inderseer  einer  aus  dem  Amte 
Eramel  in  Falkenstein  (gefänglich)  einkommen  und  ebnermaßen 
erst  nach  der  Tortur  und  gehaltenen  Kechten  hinausgeantwortet 
worden.^ 

Tatenpeck  stellte  sich  auf  den  Standpunkt,  daß  die  Amts- 
liandlung  gegen  Übeltäter  nach  der  Landgerichtsordnung  allein 
dem  ordentlichen  Landgerichte  gebühre,  weshalb  er  auch  die 
Yon  Q-.  Salburger  (1575, 1.  April)  unter  gleichzeitiger  Protestation, 
daß  solches  der  Herrschaft  Falkenstein  künftig  an  ihren  Recht- 
und  Gerechtigkeiten  unvorgegriffen  sein  solle,  angebotene  Hin- 
ausgabe des  im  Flecken  Lembach  aufgegriffenen  Wolfgang  von 
Ruezersdorf  vor  dem  Markt  Hofkirchen  und  über  den  Mitter- 
bach ablehnte.  Er  ließ  vielmehr  durch  seinen  Landgerichts- 
diener vor  offener  Kirche  in  Altenfelden  (1579,  19.  Juli)  allen 
passauischen  Untertanen  verbieten,  in  den  falkensteinischen 
Märkten  Kohrbach  und  Hofkirchen  Oam  einzukaufen,  lehnte 
die  Einladung,  nach  Falkenstein   zn   einem   gütigen   Examen 

daselbst  rorkommt  und  in  seiner  Stellung  als  Salsbereiter  eu  Mitteln 
kam,  nahm  etwa  um  1540  die  Herrschaft  Falkenstein  von  den  Pfand- 
herren um  eine  jährliche  Summe  von  800  Qulden  rechnnngsfrei  in  Be- 
stand. Im  Jahre  1542  war  er  jedenfalls  schon  Bestandinhaber,  denn 
damals  ergriffen  die  Schiffleute  in  der  Herrschaft  Falkenstein  die  Be- 
schwerde gegen  ihn  an  die  Landeshauptmannschaft,  daß  er  sie  wider 
alt  Herkommen  mit  An-  und  Abfahrt  auch  Freigeld  belege,  worauf  er 
sie  ins  Gefängnis  legte;  die  Entscheidung  ging  jedoch  laut  Qerichts- 
briefes  des  Landeshauptmanns  Balthasar  von  PrOslng  vom  Jahre  1545 
dahin,  daß  Pfleger  sie  nicht  lu  beschweren  habe.  Bartimes  Voreltern 
dflrften  im  Dorfe  Salaberg  Pfarre  öpping  gehaust  haben,  der  ursprüng- 
liche Name  lautete  Sallaberger  oder  Sallaburger,  wie  einmal  (1574)  Gott- 
fried selbst  sich  fertigt,  wie  auch  die  Reformationskommission  1554  den 
Bartlme  einfach  ,Salberger'  nennt.  —  Zahlreiche  Altenhofer  Archiralien 
hat  das  Linser  Museum  im  Jahre  1905  vom  Wiener  Antiquar  S.  Kende 
käuflich  erworben. 
Bericht  1571,  7.  Mäns,  Fast.  F  1. 

16^ 


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228 

mit  dem  Totschläger  Thoman  von  Mairing;  einem  passanischen 
Untertan^  zu  kommen^  ab,  nnd  machte  endlich  am  ^Schall  abent 
vor  dem  heiligen  Ostertag'  1580  mit  80  bewehrten  Personen 
einen  Einfall  in  die  falkensteinische  Hofmark  Niederranna^  wo- 
selbst er  eine  kleine  Hansmühle  niederwerfen  nnd  verwüsten 
ließ,  bei  welcher  Gelegenheit  der  falkensteinische  Untertan 
Wolf  Humbel  durch  Tattenpecks  Landgerichtsdiener  Wolfgang 
Hienerpeck  ^  erschossen  wurde.  Tattenpeck  weigerte  sich  auch, 
einen  falkensteinischen  Untertan  Jakob  Schneider,  der  über 
Jahr  und  Tag  gefangen  gelegen  und  vom  kaiserlichen  Bann- 
richter zum  Tode  durch  das  Schwert  verurteilt  worden,  zur 
Exekution  zu  übernehmen. 

Heinrich  Salburger  dagegen  veranstaltete  1582  von  Land- 
gerichts wegen  eine  Streifang,  worauf  Tattenpeck  zwei  Qewalts- 
klagen  bei  dem  landeshauptmannischen  Gerichte  einbringen 
ließ.  Nunmehr  gebot  Kaiser  Rudolf  1582,  1.  Juni,  beiden  Par- 
teien Stillstand  bis  zur  Entscheidung  der  Hauptsache. 

Dennoch  dauerten  geringere  Reibereien  fort  und  selbst 
nach  dem  1605,  10.  Dezember,  erfolgten  Verkaufe  der  Herr- 
schaft Falkenstein  an  Heinrich  Salburger'  lesen  wir  noch  von 
einer  Irrung  zwischen  Marsbach  und  Falkenstein  wegen  des 
von  Falkenstein  aus  nächst  bei  Winkel  im  Ranningerholze ' 
aufgerichteten  Hochgerichtes.^  Später  milderten  sich  die  Gegen- 
sätze, als  die  Landgerichtsherrschaften  die  Ausübung  der  Krimi- 
nalgerichtsbarkeit als  eine  schwere  Last  anzusehen  begannen,  die 
sie   nach  Tunlichkeit  von  sich  auf  andere  abzuwälzen  suchten. 

Ein  krasser  Vorfall  ist  folgender:  Im  Jahre  1633  hatte  sich 
der  taube  Steffl,  Knecht  bei  dem  sprinzensteinischen  Untertan 
Adam  Aigner  zu  Pfaflfenberg  nächst  Sarleinsbach,  erhängt,  wo- 
von der  sprinzensteinische  Verwalter  P.  Diethmair  von  Morau 
dem  Pfleger  Johann  Friedrich  Moll  zu  Marsbach  Mitteilung 
machte.  Da  der  Selbstmörder  vermögenslos  war,  sollte  zur 
Vermeidung  der  bedeutenden  Vertilgungskosten  der  Feldmetzger 


^  Er  wurde  lu  Marsbach  1582,  24.  Mars  freigeeprochen.   Altenhofer  Kopie. 

'  Qegen  Zahlung  der  Pfand-,  Bau-  und  Darlehenssumme  von  19281  fl. 
6  ß  2  /^  an  Qeorg  Ruprecht  von  Herberstein  und  weiterer  18000  fl.  an 
die  kaiserliche  Kammer.    (Altenhofer  Kopie.) 

'  Gemeinwald  von  Niederranna,  reichend  bis  zum  Klingbach. 

^  Extrakt  aus  dem  Berichte  über  die  Niederkeßla.  Passauer  Blechkasten- 
archiv, Nr.  101. 


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229 

(Waseameister)  den  Leichnam  wegbringen.  Das  erfahr  der 
kaiserliche  Landrichter  Johann  Neurattinger  in  Linz^  trat  für 
seinen  Freimann  ein,  welchem  die  Vertilgung  gesetzlich  zu- 
stand, und  erklärte,  sich  statt  der  ordentlichen  Gebühr  von 
f&nf  Gulden  mit  drei  Talern  zu  begnügen.  Als  der  Freimann 
Stephan  Hörmann  hinaufreiste,  konnte  er  weder  von  Mars- 
bach noch  von  Sprinzenstein  einen  Auftrag  erhalten,  weU  keine 
der  beiden  Herrschaften  die  tarifmäßigen  Kosten  tragen  wollte, 
so  daß  die  verwesende  Leiche  wochenlang  am  Baume  hing  und 
die  Umgebung  verpestete.  Erst  über  einen  Gebotsbrief  erhielt  der 
Freimann  die  Zahlung  seiner  Gebühren ;  *  Moll  versuchte  vergebens 
den  Ersatz  von  der  Grundobrigkeit  Sprinzenstein  zu  erlangen. 
In  das  Marsbacher  Urbarium  vom  Jahre  1667  wurde  die 
von  Falkenstein  angesprochene  und  festgehaltene  Gepflogenheit 
anstandslos  eingetragen  und  nur  bemerkt,  daß  sie  eine  öster- 
reichische Eigentümlichkeit  sei;  noch  später  wurde  Falkenstein 
in  der  Ausübung  der  vollen  Landgerichtsbarkeit  auf  eigenem 
Grund  und  Boden  überhaupt  nicht  mehr  beanständet,  *  sie  wurde 
nicht  nur  über  die  herzuerworbenen  Güter,  als:  Markt  Puz- 
leinsdorf,  der  vormals  zum  Kloster  Niedemburg  gehört  hatte,' 
die  Sitze  Altenhof  und  Hochhaus,  welche  die  Herleinsberger 
veräußerten,^  Tänleinsbach,  das  die  Kaplan  schon  den  Herren 
von  Herberstein  hingegeben  hatten,^  sondern  auch  über  das 
dem  Kloster  Niedemburg  noch  verbhebene  Urbaramt  Puzleins- 
dorf  ^  ausgeübt.     Erst  im   19.  Jahrhunderte  verlor  das  Land- 

*  Sie  betrugen  laut  Quittung  1634,  31.  März:  für  die  Vertilgung  32  fl.,  für 
die  zweimalige  Reise  4  fl.  4  kr.,  zwei  Reisezehningen,  einmal  zu  Velden 
und  einmal  zu  Wesenurfahr  8  fl.  48  kr.  Passauisches  Blechkasten- 
arcbiv,  Nr.  233,  f.  149. 

'  Elriminalakten  ,bey  alhiesiger  Landtgerichts-Herrschaft  Falkenstain  in 
puncto  homicidii  et  Spolii,  dann  in  puncto  furti*  aus  den  Jahren  1733 
und  1737  unter  den  Pflegern  und  Landgerichtsverwaltern  Friedrich  Simon 
Doberschiz  und  Franz  Michael  Hauslab  im  Linzer  Museum  (Altenhofer 
Akten). 

»  Schon  1232—1260.  Stmadt,  Velden,  S.  133.  1670,  2.  März,  wurde  der  Markt 
Ton  der  Äbtissin  Kunigunde  von  Puchberg  an  Georg  von  Herberstein,  1699, 
7.  April,  Yon  Georg  Ruprecht  von  Herberstein  an  Heinrich  Salburger 
Terkauft  (Inventar  nach  Friedrich  Siegmund  von  Salburg,  1653,  15.  Juni). 

*  16P6,  24.  April.  Wolf  Emreich  und  Heinrich  die  Herleinsberger  als  Ver- 
käufer (a-  a.  O.). 

'  Einlage  im  Falkensteiner  Urbar,  1662  im  Linzer  Museum. 

*  Laut  alter  Grundbflcher  1793/94. 


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230 

gericht   den   alten    Namen   und   ging   unter   dem   neuen    von 
Altenhof. 

Das  Landgericht  Rannarlgel. 

Hatte  die  fürstliche  Gewalt  des  Bischofs  von  Passan  noch 
vor  Ausgang  des  13.  Jahrhunderts  an  die  Ranna  und  das  Oster- 
wasser  zurückweichen  müssen^  so  war  doch  der  Kem^  des 
KeichsfÜrstentums^  das  Land  der  Abtei  im  engeren  Sinne,  im 
Mittelalter  unangetastet  geblieben.  Nun  aber  brachte  die  Riva- 
lität des  österreichischen  und  des  bayrischen  Einflusses  bei 
Besetzung  des  Bischofsstuhles  den  gänzlichen  Verlust  von 
Rannarigel  mit  seinem  damaligen  Herrschaftsgebiete  zuwege, 
wodurch  das  Richteramt  Wegscheid  dauernd  vom  Hauptkörper 
des  Fürstentums  abgeschnitten  und  zwischen  fremdes  Terri- 
torium eingeklemmt  wurde. 

Mit  Ausnützung  der  päpstlichen  Kurie  ^  hatte  Kaiser  Fried- 
rich in.  die  Besetzung  des  Bischofsstuhles  von  Passau  in  seine 
Gewalt  gebracht,  indem  er  von  Papst  Sixtus  IV.  1479  die  Er- 
laubnis erwirkte,  den  Nachfolger  ernennen  zu  dürfen.* 

Nach  dem  Tode  Bischofs  Ulrich  (1479,  1.  September) 
untersagte  er  dem  Domkapitel  die  Wahl  und  ernannte  den 
Kardinalpriester  Georg  Hasler  zum  Bischof,  wogegen  das  Dom- 
kapitel den  vom  Herzog  Georg  von  Bayern  -  Landshut  emp- 
fohlenen herzoglichen  Kanzler  Friedrich  Mauerkircher  erwählte. 
Dem  Kardinal  gelang  es  zwar,  unter  Eskorte  von  170  kaiser- 
lichen Reitern  in  Passau  einzuziehen,  mußte  jedoch  die  Stadt 
wieder  verlassen,  als  selbe  unter  bayrischer  Unterstützung 
von  Oberhaus  aus  beschossen  wurde.  Auch  der  Schloßpfleger 
von  Rannarigel,  Georg  Nußdorfer  ging  zur  Partei  Mauerkirchers 
über,'  der  nach  dem  Tode  Haslers  (1482,  21.  September)  auch 
vom  Papste  bestätigt  wurde,  jedoch  schon  1483,  22.  November, 
mit  Tod  abging.  Nun  wurde  bereits  nach  zehn  Tagen  der  vom 
Herzog  Georg  empfohlene  Laie  Graf  Friedrich  von  Ottingen 
einhellig  erwählt,  der  noch  vor  seinem  Einzüge  sich  verpflich- 
tete, dem  Herzoge  Georg  die  Stadt  und  die  Schlösser  Ober- 


^  Srbik,  Die  Besiehungen  Kwischen  Staat  and  Kirche  in  Österreich  während 

des  Mittelalters,  S.  84,  202. 
*  a.  a.  O.  S.  35,  Buchinger  II,  182. 
'  Buchinger  II,  187. 


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and  Unterhaus  sowie  die  hochstiftisohen  Bnrgen  überhaupt  zu 
Ofihen.^ 

Herzog  Georg  war  damals  höchst  wahrscheinlich  schon 
im  Besitze  von  Bnrg  nnd  Herrschaft  Nenhans  an  der  Donan^ 
welche  dem  Grafen  Wolfgang  von  Schaunberg  in  der  Teilung 
mit  seinen  Brüdern  zugefallen  war;  1481,  31.  Jänner,*  war  sie 
noch  des  Grafen  Eigen,  1484,  30.  Juli,  starb  derselbe  und  1495, 
4.  Mai,'  erscheint  Jörg  Pembeck  als  des  Herzogs  Georg  Pfleger 
zu  Neuhans.  FüSor  die  Hingabe  von  Neuhaus  hat  vermutlich 
der  Herzog  im  Jahre  1483  dem  Grafen  eine  jährliche  Rente 
Yon  etwa  700  Gxdden  und  eine  Pflege  in  seinem  Lande  ver- 
sprochen. 

Diese  Position  sollte  nun  verstärkt  werden.  Hierzu  tat 
Friedrich,  ein  verschwenderischer  Fürst,  der  die  geistlichen 
Weihen  nie  empfing,  in  seiner  völligen  Abhängigkeit  von  Bayern 
den  verhängnisvollen  Schritt. 

Für  eine  Schuld  des  Hochstiftes  an  die  Brüder  Hans 
Siegmund  und  Oswald  Egker  zu  Oberpöring  an  Kapital  und 
Zinsen  per  9486  Gulden  rhein.  und  70  Pfennigen,  welche  Herzog 
Georg  einlöste,  verkaufte  ihm  der  Erwählte  mit  Zustimmung 
des  Kapitels  und  später  hinzutretender  päpstlicher  Bewilligung 
jdas  Sloß  Rennarigel  mit  seiner  zugehorung'  —  und,  wie  aus 
der  Urkunde  1490,  5.  Jänner,  erhellt,  auch  das  Amt  am  Schar- 
tenberg —  gegen  jährlichen  Wiederkauf  1487,  15.  November.* 
Nach  dem  ,Be7gi8ter  der  lehenschaft  auch  vorstwald  der  ge- 
reut der  wisen,  außerhalb  der  verlassung  der  wäld.  Gelltingers- 
beschreibung,*  war  der  Bestand  der  Herrschaft  in  allen  vier 
Ämtern  (ParÜens,  Bastlens  Amt  Im  Heindleinschlag,  Kandlingers 
Amt,  Geiten  Amt)  derselbe,  wie  er  in  den  Urbaren  1510  und 
1581  ausgewiesen  wird. 

Vorläufig  blieb  Rannarigel  nicht  bei  Bayern;  Herzog  Georg 
verkaufte  vielmehr  schon  nach  zwei  Jahren  Rannarigel  mit 
Schartenberg  an][Siegmund  Prüschenk  Freiherm  zu  Stettenberg. 
Bischof  Friedrich  genehmigte  diesen  Verkauf,  zu  welchem  der 


»  Buchinger  11,  193. 

'  Stfllx,  ,Die  Herren  nnd  Grafen  von  Schannberg*  in  den  Denkschriften 

der  Wiener  Akademie  XII,  344.  »  Strnadt,  Velden,  S.  262. 

*  Reyers  Herzogs  Georg.    Mon.  Boic.  XXXI  b,  631.   Der  Kaufbrief  ist  nicht 

abgedruckt. 
^  Orig.  Pap.  in  gelbem  Perg.  gebunden.     Fasz.  R  2  im  Hofkammerarchiv. 


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232 

Herzog  berechtigt  war/  nnd  bewilligte  dem  Käafer  nnd  dessen 
Bruder  Heinrich  und  allen  ihren  männlichen  Erben  des  Namens 
nnd  Stammens  Pmeschinkh,  daß  sie  ^nnsers  Stifts  Schloß 
Rannarigl  mit  allen  Obrigkhaiten^  Herligkaiten^  gülten,  dien- 
sten,  Nnznngen,  Zinsen,  vällen,  Hochen  nnd  nidem  ge- 
richten'  nnd  gerechtigkaiten  und  allen  andern  Zuegehö- 
rungen,  auch  mitsambt  dem  Ambt  am  Schärteuperg  in  Schär- 
dinger Landgericht  gelegen'  innehaben,  nuzen  und  gemessen; 
erst  nach  Abgang  des  männlichen  Stammes  sollen  die  Erben 
die  Objekte  um  8700  Gulden  herauszugeben  verpflichtet  sein, 
um  welchen  Betrag,  doch  nicht  höher  Schloß  und  Amt  wieder 
veräußert  werden  können.' 

Nach  sieben  Jahren,  am  23.  Oktober  1497  verkaufte  Hein- 
rich Prüschenk  ftir  sich  und  seinen  Bruder  Siegmund  Ranna- 
rigel  und  die  anderen  Gülten  um  24.000  Gulden  an  Kaiser 
Maximilian  I.  und  gab  demselben  ftir  den  Fall  des  Aussterbens 
seines  männlichen  Stammes  eine  Verschreibung,  womach  die 
gräflich  Hardeckschen  Erben  verpflichtet  wurden,  ftlr  den  Ein- 
lösungsfall von  Seite  des  Hochstiftes  um  8500  Gulden  dem 
Kaiser  die  übrigen  15.500  Gulden  zu  ersetzen.  Am  13.  De- 
zember desselben  Jahres  verkaufte  der  Kaiser  Rannarigel  mit 
Schartenberg  um  32.000  Gulden  an  Herzog  Georg  von  Bayern.* 

Mit  diesem  Akte  war  Rannarigel  an  Bayern  zurückge- 
langt und  würde  bei  diesem  Lande  wohl  auch  verblieben  sein, 
hätte  nicht  der  Erbfolgekrieg  nach  Herzog  Georgs  Ableben 
eine  Veränderung  zugunsten  Österreichs  herbeigeftlhrt.  Für 
seine  Hilfe  und  als  Kriegskostenentschädigung  begehrte  und 
erhielt  auch  Kaiser  Maximilian  nebst  anderen  Schlössern  und 
Herrschaften  auch  Rannarigel,  Neuburg  am  In  und  Neuhaus 
an  der  Donau,  welche  am  15.  Jänner  1506  von  den  bayrischen 
Räten  im  Namen  ihrer  Herzoge  in  Linz  an  Osterreich  über- 
geben wurden.^ 

^  ,andeni  yerkanfen,  das  wir  zu  thnn  macht  haben/  Revers  H.  Georgs. 

•  Rannarigel  hatte  nur  einen  befreiten  Burgfried  (»vreyung*).  Vgl.  Ur- 
kunde 1357,  18.  Oktober,  Mon.  Boic.  XXX  b,  233. 

'  BischCJfliche  Urkunde  1490,  5.  J&nner;  Revers  der  PrUschenken  1490, 
8.  Jänner,  Kopien  im  Fasz.  R  2  im  Hofkammerarchiv.  EaiserUche  Ge- 
nehmigung 1490,  1.  März  Chmel,  Regest  Nr.  8534. 

^  Fasz.  R  2  im  Hof  kammerarchiv. 

*  Original  im  k.  u.  k.  Hans-,  Hof-  und  Staatsarchiv  in  Wien.  Vorher 
mußte  noch  Graf  Eitel  von  ZoUem,   dem  Herzog  Albrecht  das  Schloß 


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233 

Schon  Herzog  Qeoi^  von  Bayern  (f  1503,  1.  Dezember) 
hatte  sich  nach  Lant  des  Kaufbriefes,  der  sicher  auch  den 
Beisatz:  ,mit  hohen  nnd  niederen  Gerichten'  enthalten  hat,  der 
Blutgerichtsbarkeit  bedient;  denn  in  einer  passanischen  Regi- 
stratur vom  Jahre  1762^  heißt  es:  ,Bischof  Ulrich  (soll  heißen 
Wigileus)  hat  sich  gegen  Bayern  als  Inhabern  des  Rännarigls 
in  güetiger  handlung  beschwOrdt  mit  dem  anhang,  das  Ränna- 
rigl  kein  sonder  Hochgericht  hat,  sondern  gehör  one  alles 
mitl  in  das  Land  der  Äbtey/ 

Die  passanischen  Chronisten,*  auch  noch  Buchinger^  haben 
sich  vergeblich  abgemtLht  zu  erkennen,  wie  es  denn  zuge- 
gangen, daß  die  ganze  Herrschaft  Rannarigel  unter  öster- 
reichische Botmäßigkeit  geraten  sei.  Wie  sich  zeigt,  haben  sie 
die  Urkunden  nicht  genau  gelesen  oder  es  waren  selbe  ihnen 
unzugänglich.  Die  Überlassung  der  hohen  Gerichtsbarkeit  war 
dem  Herzog  Georg  Anlaß  genug,  die  Territorialhoheit  zu  be- 
anspruchen, und  diesem  Vorgange  ist  Kaiser  Max  gefolgt. 

Passau  machte  einen  Versuch,  die  Hoheitsrechte  wieder- 
zuerlangen, als  der  bayrische  Herzogssohn  Ernst  Administrator 
des  Hochstiftes  war.  Die  Landschaft  der  Abtei  hatte  ihm  eine 
Steuer  auf  alle  Untertanen  in  der  Abtei  bewilligt,  die  land- 
schaftlichen Steuerherren  Georg  Trauner  zu  Fürsteneck  und 
Erasm  Walsinger  zu  Eberhartsreut  begerten  nun  von  dem 
P&ndinhaber  Rannarigels,  Haimeran  von  Kain,  die  Einsendung 
der  Register  nach  Perleinsreut,  um  auf  die  Rannarigler  Unter- 
tanen und  Hintersassen  im  Land  der  Abtei  den  Anschlag 
machen  zu  können.    Der  Verwalter   zu  Rannarigel  berichtete 

Rannarigel  übergeben  hatte,  mit  seinen  Ansprüchen  vom  Kaiser  befrie- 
digt werden.  Rerers  1504,  9.  August.  Kopie  im  k.  allgem.  Reichsarchiv  in 
München. 

^  Hocbstift  Passau  Rep.  Nr.  1707,  Abt.  4,  Fol.  65  im  k.  allgem.  Reichsarchiv 
in  München. 

Des  Herzogs  Georg  Pfleger  zu  Rannarigel  waren  Moriz  von  Tann- 
berg der  Jüngere  zu  Aurolzmünster,  der  sich  in  einer  Urkunde  1498, 
21.  Dezember  (Archiv  für  Osterreichische  Geschichte  XXIV,  166)  Pfleger 
zu  Rainarügl  nennt,  und  Ritter  Kraft  Thuemajr  zu  Mülheim,  welcher 
in  einer  Kundschaft  der  Holden  von  Vordem-  und  Hintem-Eppenberg, 
HubmerOd,  TnschezOd  und  Mistlberg  betreffend  das  alte  Herkommen  in 
bezug  auf  Brand,  Maß  und  Wag  1501,  21.  Jänner  (Kopie  im  k.  allgem. 
Reichsarchiv  in  München)  als  Pfleger  zu  Rannarigel  vorkommt. 

*  Bericht  und  Auskunft  1692  Bl.  1,  Kurze  Auskunft  1777  Bl.  2\  3. 

»  n,  197. 


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234 

an  den  Verweser  des  Vizedomamtes  ob  der  Ens  Erasm  Hackl- 
berger  nnd  dieser  an  die  niederösterreichische  Kammer  mit 
dem  Antrage,  darauf  nicht  einzugehen,  ;Weil  der  genedige 
Herr  von  Passaw  gegen  den  berürten  underthanen  ze  Ein- 
pringung  der  Steum  mit  Phandtung  oder  in  ander  weg  was 
ftimemen,  und  wo  sein  f.  gn.  das  ain  mal  erlangt,  das  sein 
f.  g.  damit  ain  gerechtigkeit  und  also  ainen  Eingang  zu 
anderer  Handlung,  dardurch  Ku.  Mt.  Ir.  Mt.  landfürst- 
liche Obrigkait  und  der  Herrschaft  Raunarigl  ir  gerech- 
tigkait,  die  sj  auf  denselben  underthanen  hat,  entzogen 
wuerdt,  machen  möcht'  (Linz  11.  Mai  1533).  König  Ferdinand 
erließ  nun  ddo.  Wien,  2.  Juni  1533  ein  Schreiben  an  den  Ad- 
ministrator folgenden  Inhaltes:  Er  sei  über  diesen  Vorgang 
befremdet  ,d7weil  nit  allain  unser  haus  Osterreich  sambt  des- 
selben zuegewandten  underthanen  und  leuttn  ftir  solh  und  der- 
gleichen Eingriff  und  anmuetung  Privilegirt  und  gefreyt, 
sonder  wir  auch  in  keinem  weg  konden  gesteen,  daß  unser 
herrschaft  Rainarigl  mit  derselben  obrigkait  und  Zuegehorung 
in  des  Stifts  Passau  Gebiet  liege,  sonder  on  mitl  unserm 
ftlrstentum  Österreich  ob  der  Ens  eingeleibt  und  von  Alter  (I) 
4n  deiner  lieb  (Liebden)  vorfordem  Bischofen  zu  Bassaw  und 
bisher  deiner  lieb  selbst  Irrung  Verhinderung  und  widerspre- 
chen also  berueblich  gehalten  und  dergleichen  neu  unzimlich 
Auflag  nie  fürgenomen  worden',  weshalb  der  König  sofortige 
Einstellung  begehrt  und  sich  ftirderhin  eine  derartige  Anmu- 
tung verbietet.^  Auf  diese  ernste  Zurechtweisung  hin  wurde 
von  Passau  kein  weiterer  Versuch  der  Besteuerung  unter- 
nommen, wenn  schon  in  den  Jahren  1541,  1543,  1544  der 
Pfleger  von  Rannarigel  Einladungen  zu  den  passauischen  Land- 
tagen erhielt,  welchen  er  indes  nicht  nachkam.' 

Ebensowenig  wurde  die  Ausübung  des  Blutbannes  be- 
stritten, wie  denn  der  passauische  Landrichter  in  der  Abtei 
Bernhard  Stör  zu  Limperg  und  Großenwiesen  1575,  6.  April 
freundnachbarlich  dem  Pfleger  Achaz  von  Odt  zu  Rannarigel 
dessen  Ersuchen  betreffend  den  wegen  Diebstahls  in  Glazing 
gefttoglich  eingezogenen  Jörgen  Taubenschuster  entsprochen  hat.' 

^  Original  and  Kopien  im  Fasz.  R  2  im  Hofkammerarchiv. 
•  Buchinger  II,  297. 

'  In  dem  gütigen  Bekenntnisse  des  letzteren  1675,  31.  März  werden  Gallns 
Gatringer  an  der  Preinmähle  nnd  Andre  Augustin  von  der  Neustift  als 


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235 

Nur  gegen  weitere  unstatthafte  Übergriffe  anf  passanisches 
Territorinm  wurde  protestiert,  wie  z.  B.  von  Seite  des  Pflegers 
zn  Wegscheid  Urban  Adam  Trüebenpacher,  als  am  25.  März 
1609  der  Rannariedlsche  Amtmann  am  WoUaberg  eine  im 
Heindlschlag  gefangene  Malefizperson  —  welche  hinterher  dnrch 
den  kais.  Bannrichter  zum  Tode  verurteilt  und  durch  dessen 
Freimann  am  10.  April  mit  dem  Schwerte  hingerichtet  wurde 
—  unter  Schergenbegleitung  während  der  Kirchenzeit  heimlich 
durch  den  Markt  Wegscheid  auf  den  Rannarigel  geführt  wor- 
den war.^ 

Die  Herrschaft  ging  übrigens  pfandweise  von  einer  Hand 
m  die  andere  über.  Schon  am  10.  Oktober  1506*  überließ  Kaiser 
Maximilian  Schloß  und  Pflege  Rainarigl  an  Herrn  Siegmund 
von  Rorbach  auf  Raittung,  Jtem  daz  Landgericht  sol  be- 
melter  von  Rorbach  innenhaben  auf  Raitung  und  die  Fell 
und  ander  nuzung  desselben  landgerichts  sollen  im  an 
den  vierhundert  guidein  Reinisch  Burckhuet  abgeen^  Siegmund 
von  Rorbach  starb  vor  dem  Jahre  1512;  in  letzterem  Jahre 
wurden  zxu*  Untersuchung  der  von  den  Untertanen  gegen  die 
Witwe  wegen  Neuerungen  erhobenen  Beschwerden  kaiserliche 
Kommissarien  (Achaz  Premser^  Andre  Pruckner,  Valentin  Pan- 
dorfer)  abgeordnet,  worüber  am  22.  Oktober  Verordnung  der 
niederösterreichischen  Kammer  an  Frau  von  Rorbach  erging.^ 
Nicht  lange  darnach  kam  das  Schloß  gegen  ein  Darlehen  von 
2000  Gulden  an  Marx  Öder  (f  1516).*  Von  den  Erben  des 
letzteren  löste  es  der  kaiserliche  Rat  Haimeran  von  Rain  Frei- 
herr zu  Sumereck  noch  bei  Lebzeiten  Kaiser  Max'  I.  ein^  der  es 


Rechtsitzer  der  LandtBchrannen  Rainarigl  genannt.  Die  peinliche 
Frage  wurde  4.  Jnni  im  Beisein  des  Benefiziaten  Wolfgang  Greissen 
von  Hofkirchen,  Hofamtmann  Hans  Falkner  ron  Rainarigl  und  Wolf- 
g^ang  Laeg^r  ron  Neustift  vorgenommen.  Bemerkenswert  ist,  daß  der 
Pfleger  in  jedem  Stadium  der  Untersuchung  den  Beschluß  und  die  Wei- 
sung der  niederösterreichischen  Regierung  und  Kammer  einholen  mußte. 
1575,  17.  Jnni  hewilligte  die  Regierung  ein  neues  ,bestandhaftes*  Hoch- 
gericht mit  zwei  gemauerten  Säulen,  das  nicht  nilchtlicher  Weile  ver- 
wüstet werden  kOnne,  aufrichten  zu  lassen.  Fasz.  R  2  im  Hofkammer- 
archiv. 

^  Passanisches  Blechkastenarchiv  Nr.  214,  Fasz.  27. 

'  Original  im  Fasz.  R  2  im  Hofkammerarchiv. 

'  Original  samt  Beschwerden  daselbst. 

*  Aktenauszug  daselbst.  Nach  Hoheneck  H,  12  noch  im  Jahre  1512. 


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236 

ihm  auf  eine  nnbenannte  Anzahl  von  Jahren  nnverrait  ver- 
schrieb;  welche  Verschreibung  Kaiser  KArl  V.  ddo.  Worms, 
1521,  10.  Februar  bestätigte.^  Nach  Ableben  Haimerans  ge- 
stattete K.  Ferdinand  1543,  24.  Mai*  seinem  Rat  und  Sekretär 
Hans  Weisperger  zu  Biberspach  die  Herrschaft  um  2000  Gulden 
rhein.  abzulösen  und  sein  Lebenlang  unentsetzt  innezuhaben. 
Von  den  Erben  löste  sie  Hans  Hofinann  Freiherr  von  Grün- 
ptLhel  ein,  der  1647,  5.  Juli  einen  Anwartschaftsbrief  darauf 
erhalten  hatte;  die  Übernahme  von  der  Witwe  Weispergers 
und  den  Erben  erfolgte  1550,  12.  Juli,  worauf  ihm  die  Herr- 
schaft um  4541  fl.  33  kr.  IV,  ^  am  10.  Oktober  1550  auf  einen 
ewigen  Wiederkauf  verschrieben  wurde.'  Am  31.  Dezember 
1569*  verschrieb  K.  Maximilian  H.  dem  Achaz  von  Odt,  wel- 
cher den  Pfandschilling  eingelöst  und  auf  10.000  Gulden  er- 
höht hatte,  die  Pflege  gegen  Verraitung  von  Neujahr  1570  auf 
ein  Jahr  lang  und  femer  auf  Wohlgefallen.  Als  Achaz  von 
Ödt,  welcher  den  Untertanen  ein  gerechter  und  billiger  Herr 
war,  Ende  1578  starb,  meldete  sich  Hans  Khevenhiller  zu 
Aichlberg,  dessen  Oheim  Bernhard  (f  1548)  vom  K.  Ferdinand 
1546  einen  Anwartschaftsbrief  erhalten  hatte,  zur  Übernahme 
von  Rannarigel.^  Graf  Julius  von  Salm  und  Leonhart  der  Altere 
von  Harrach  wünschten  die  Herrschaft  zu  kaufen;  letzterer 
machte  nur  ein  Anbot  von  30.000  Gulden,  während  der  An- 
schlag auf  45.232  Gulden  gegangen  war.^  Auch  Bischof  Urban 
von  Passau  kam  vor;  er  bat  (1580,  25.  August)  den  Kaiser  mit 
Rücksicht  auf  das  Einlösungsrecht  des  Hochstiftes  um  Ein- 
stellung jeder  Veränderung.'  Der  Hof  ging  auf  alle  diese  An- 
träge nicht  ein,  die  Herrschaft  Rainarigl  wurde  am  1.  Juni  1581 
dem  Freiherrn  Hans  Khevenhiller  um  40.000  Gulden  und 
200  Gulden  Leitkauf  erblich  verschrieben.  Da  Khevenhiller 
selbst  Schulden  zu  tilgen  hatte,  bot  er  im  September  1582  dem 
Kaiser  die  Herrschaft  um  42.000  Gulden  zum  Wiederkaufe  an. 
Der  Kaiser,  gleichfalls  an  Geldmangel  leidend,  suchte  die  Stände 


^  Kopie  sec.  16  im  Fasz.  R  2. 

'  Ans  dem  Reverse  Weispergers  Konzept  daselbst. 

'  Aktenauszug. 

^  Original  im  Fasz.  R  2. 

'  Aktenauszug. 

^  Fasz.  R  2. 

^  Eigenh.  Schreiben  Fasz.  R  2. 


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237 

ob  der  Ena  zu  bewegen^  die  Herrschaft  zn  kaufen;  was  diese 
ablehnten;  hierauf  wurde  mit  den  Brüdern  Isaak  und  Jakob 
Aspan  eine  Kaufsabrede  geschlossen^  wegen  des  Kegreßrechtes 
des  Hochstiftes  kam  jedoch  der  Kauf  nicht  zustande.  Nun 
meldete  sich  im  Jahre  1585  der  passauische  Pfleger  Veit  Tätten- 
peck  aU;  ^deme  sie  aber  darum  an  sich  zu  kaufen  nicht  be- 
williget worden,  weil  er  Tättenpeck  ein  Bayrischer  Unterthan, 
ein  Schwager  des  Bischofs  von  Passau  wäre,  und  selbe  nur 
dem  Bischöfe  vielmehr  kaufen  würde,  weil  sie  eine  Gräniz 
Herrschaft  seye,  und  weil  er  Tättenpeck  ein  widerwärtiger  und 
unverträglicher  Mann  seye,  der  den  Kaiserlichen  Oeneralen, 
Mandaten  etc.  zuwiderhandelt^*  Am  7.  Februar  1590  endlich  er- 
bot sich  Heinrich  Salburger,  Pfleger  auf  Falkenstein,  die  ganze 
Kau&umme  vorzustrecken  und  um  die  Verzinsung  das  Gut 
inzuhaben  und  zu  nutzen.'  Die  niederösterreichische  Kammer 
ersuchte  nun  Herrn  Khevenhiller,  dieser  Kaufhandlung  gutwillig 
stattzugeben.  Es  wurde  sonach  1591,  18.  August,'  die  Herr- 
schaft Bannarigel  an  Heinrich  Salburger  dergestalt  überlassen, 
daß  er  dieselbe  um  40000  fl.  genießen,  die  6  ^/^  von  den 
übrigen  2000  fl.  aber  von  dem  Aufschlage  zu  Engelhartszell 
erhalten  solle. 

Noch  einen  Versuch  machte  Bischof  Urban  von  Passau, 
dem  Salburger  die  Herrschaft  abzugewinnen,  indem  er  sich  1592, 
4.  Februar,*  direkt  an  Erzherzog  Ernst  wandte  und  denselben 
um  seine  Intervention  bat,  damit  ihm  vom  Kaiser  ein  Kauf- 
kontrakt  bewilligt  werde,  indem  er  anftlhrte,  ,daß  gedachter 
Salburger  alberaith  an  jezo  im  anfang  die  herrschaft  mit  stai- 
gerung  der  underthanen  und  Zehent  nit  allain  dermassen  er- 
staigert,  das  konfidger  Zeit  bei  weitem  dieselb  nit  so  hoch 
wierdt  hingebracht  werden,  sonder  auch  das  Corpus  derselben 
augenscheinlich  unwiderbringlich  deterioriert,  indem  er  albe- 
rait  in  die  zway  hundert  Kaumbrecht  von  der  herrschaft  wälden 
kheuflich  vererbt  und  außgeben',  um  die  ausgelegte  Summe 
aus  der  Herrschaft  zu  pressen.^    Die  Vorstellung  hatte  keinen 

^  Aktenaosiiig. 
'  Original,  Fass.  B  2. 
'  Aktenanssiig. 
*  Kopie  Fasi.  B  2. 

^  In  der  Tat  liegen  im  Fasz.  B  2  die  Beschwerden  der  Untertanen  im 
Beiffen-  oder  Eppenberger  Amt  1592.    Den  AuBgleieh  mit  den  Unter- 


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anderen  Erfolg ,  als  daß,  wie  es  schein t,  Eommissarien  zur 
Untersuchung  der  Beschwerden  der  Untertanen  abgeordnet 
wurden,  wenigstens  sind  jene  vom  Amte  Eppenberg  (heute  in 
Nebelberg  verunstaltet)  am  12.  August  1592  verhört  worden. 
Im  Gegenteile  ging  am  1.  August  1620*  Rannarigel  durch  Kauf 
in  das  freie  Eigentum  des  Hofkammerrates  Gottfried  von  Sal- 
bürg  über. 

Auf  die  geschilderte  Weise  hatte  sich  die  österreichische 
Territorialhoheit  im  Rücken  des  passauischen  Richteramtes  Weg- 
scheid bis  in  die  Nähe  von  Hauzenberg  und  Waldkirchen  und 
bis  zum  Dreisesselberge  ausgedehnt  und  das  Land  der  Abtei,' 
dessen  Landrichter  schon  im  14.  Jahrhunderte  unabhängig  von 
der  Pflege  Oberhaus  bestellt  wurden,  war  von  einem  großen 
österreichischen  Landgericht  durchsetzt.  Die  österreichische 
Landeshoheit  über  diesen  Landstrich  wurde  vom  Hochstifte 
ausdrücklich  anerkannt,  indem  bei  der  im  Beisein  des  Land- 
richters der  Abtei  im  Jahre  1593  gepflogenen  Begehung  und 
Beschreibung  der  passauischen  Landesgrenzen  als  solche  die 
Grenzen  gegen  Rannarigel  bezeichnet  wurden. 

Die  (jlrenzreguliernng  zwischen  Passau  und  österreicli. 

Anlaß  liierzn. 

Nach  so  vielen  vergeblichen  Anstrengungen,  die  Herr- 
schaft Rannarigel  wieder  einzulösen,  schien  das  Aussterben 
des  Hauses  Habsburg  im  Mannesstamme  mit  Kaiser  Karl  VI. 
(1740,  20.  Oktober)   eine  Gelegenheit  zur  Hereinbringung   des 


tanen  nach  dem  Baaernau&tand   1598  hat  Buchinger  ü,  237—240  ab- 
gedruckt, aber  mit  der  falschen  Jahressahl  1498  nnd  dem  irrigen  Namen 
Heinrich  Salchinger  versehen. 
Fasz.  R.  3  im  Hofkammerarcbiy. 

Vgl.  den  Abschnitt  ,Das  geistliche  Fürstentum  Passau*  in  den  Erl&nte- 
rungen  zum  historischen  Atlas  der  österreichischen  Alpenländer.  Es  kommt 
nur  noch  beizufügen,  daß  Georg  Traun  er  schon  1506  über  Pflege  und 
Landgericht  Fürsteneck  rerersiert  (Buchinger  II,  224).  Was  die 
Passauer  Chronik  vom  Jahre  1694  (bei  Buchinger  11,  328)  von  der  Tei- 
lung des  Landgerichtes  der  Abtei  behauptet,  ist  ein  Mißverständnis;  die 
einzelnen  Landgerichte  sind  in  der  Grenzbeschreibung  1593  an%ezählt, 
nur  eine  Zuteilung  von  Untertanen  von  Leoprechting  zur  Pflege  Ober- 
haus ist  in  diesem  Jahre  erfolgt.  (Verzeichnis  im  Kreisarchive  Lands- 
hut,  Rep.  CXm.,  Vz.  B  2,  Fasz.  102,  Nr.  39.) 


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239 

Verlustes  zn  bieten.  Das  Hochstift  forderte  anf  Qrand  des  be- 
kanDten  Lehenbekenntnisses  des  letzten  Babenbergers  (Mon. 
Boic.  XX VI II  b,  154)  beim  Wiener  Hofe,  ,daß  der  nene  öster- 
reichische Stamm  ans  dem  Hause  Lothringen  diese  Lehen  de 
novo  requirieren  nnd  wegen  dieser  nenerlichen  Kollation  dem 
Hochstifte  einige  Erkenntlichkeit  zufließen  lassen  möge.  Das 
Hochstift  Passau  (unter  dem  Bischöfe  Josef  Dominik  Graf  von 
Lamberg,  vordem  Bischof  von  Seckau)  ließ  aber  aus  beson- 
deren Ursachen  nach  beiderseits  gewechselten  Hauptschriften 
bis  auf  bequemere  Zeiten  die  ganze  Handlung  beruhen.  Bischof 
Leopold  Ernst  (Graf  Firmian)  erneuerte  gleich  bei  seinem  Re- 
gierungsantritte (1762)  diese  Lehenangelegenheit.  Nach  vielen 
Beisen,  Verdrießlichkeiten  siegten  hochdieselben  in  ihren  ge- 
rechtesten Anforderungen;  sofort  wurde  anno  1765  zwischen 
dem  durchlauchtigsten  Hause  Osterreich  und  dem  Hochstifte 
Passau  der  Vertrag  in  Substantialibus  dahin  geschlossen^  daß 
die  Lehenforderung  von  nun  auf  ewig  aufgehoben,  alle  hoch- 
stiftbche  Dokumente  dieser  Lehen  halber^  sowohl,  als  wegen 
Einlösung  der  ehemaligen,  territorialiter  zum  Hochstifte  ge- 
hörigen Herrschaft  Rannariedl  zurückgegeben  und  ein  gewisser 
Anteil  der  Niederköstla,  Pfleggericht  Viechtenstein  mit  darinnen 
gelegenen  und  bei  der  Vermarchung  Obemzell  (sie)  in  Oster- 
reich hinausgefallenen  etlich  und  sechzig  Untertanen  (welcher 
Anteil  der  Niederköstla  ohnehin  seit  anderthalb  hundert  Jahren 
von  Osterreich  als  ein  vermeint  dahin  gehöriges  Stück  Land 
angesprochen  worden  ist,*  an  Österreich  territorialiter  abge- 
treten, dagegen  aber  dem  Hochstifte  die  ,beede  weitfilngige 
Gerichter  (Amter)  Jändelsbrunn  und  Wildenränna'  samt  den  im 
Fürstentume  Passau  zerstreut  vorhandenen  Untertanen  (welche 
beide  Gerichte  und  zerstreute  Untertanen  dreihundert  etlich 
und  neunzig  behauste  Untertanen  und  über  1000  ledige  Grund- 
stücke in  sich  fassen)  mit  aller  landesherrlichen  Botmäßigkeit 
auf  ewig  überlassen  und  dem  Hochstifte  freigestellt  sein  solle, 
die  Herrschaft  Rännäriedl  mit  ihren  Zugehörungen  nach  ihrem 
damals  innerlichen  Werte,  jedoch  solchergestalten  an  sich  zu 
kaufen,  daß  solche  Herrschaft  bis  auf  obbenannte  an  das  Hoch- 

^  Seitdem  dürfte  dch  das  Lehenbekenntnis  im  Hans-,  Hof-  nnd  Staats- 
archive Wien  befinden. 

'  Yg\,  die  Erllatemngen,  deren  Begründung  die  n&chstfolgende  Abhand- 
lung bringen  wird. 


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240 

Stift  mit  der  Landesherrlichkeit  abgetretene  beide  Gerichte  und 
im  Hochstifte  zerstreute  Untertanen  eine  österreichische  Herr- 
schaft sein  und  bleiben  soU^  Das  Hochstift  kaufte  sofort  von 
dem  Grafen  Johann  Gottiieb  von  Eüamm  ^  das  Gericht  Jandels- 
brunn  und  die  im  Hochstifte  zerstreuten  rannariedlschen  Unter- 
tanen und  gewann  infolge  Geltendmachung  des  landesfdrstlichen 
Einstandsrechtes  auch  das  falkensteinische  Amt  Wildenranna 
durch  Erlegung  des  Eaufschillings,  als  Graf  Johann  Reichard 
von  Salburg  dasselbe  an  das  Kloster  Engelszell  verkaufte.^ 

Zur  Grenzregulierung  im  Mtihlviertel  wurden  14  bisher 
zum  Territorium  des  Hochstiftes  (Pflege  Obemzell)  gehörige 
Untertanen  an  Österreich  abgetreten^  und  zwar  2  Gknzlehner 
in  Ober-Aschenberg,  3  Ganzlehner  in  Unter- Aschenberg,  3  Ganz- 
lehner  und  1  Halblehner  in  Haizendorf,  3  Halblehner  in  Elein- 
Mollesberg,  1  Halblehner  in  Leithenmühl,  1  Häusler  in  Mühl- 
eck, alles  in  der  Pfarre  Gottsdorf,*  womit  die  heutige  trockene 
Grenze  hergestellt  wurde.  Der  Staatsvertrag  ddo.  1.  Dezember 
1765*  samt  Vermarkungsmappe,  welche  auch  die  Darstellung 
des  ganzen  abgetretenen  rannariedlschen  Distriktes  enthält,  be- 
findet sich  im  k.  bayr.  geh.  Staatsarchiv  zu  Manchen;  das  zweite 
Exemplar  der  Mappe  wird  in  der  k.  k.  Familienfideikommiß- 
Bibliothek  zu  Wien  (Eartennummer  129)  aufbewahrt. 

Mit  den  anderen  östlich  von  der  neuen  Landesgrenze  be- 
findlichen Untertanen  verblieb  Kannariedl,  wie  Falkenstein- 
Altenhof,  bis  1850  ein  exemtes  Landgericht.  Eine  Grenz- 
beschreibung hat  es  nie  gegeben,  die  Markungen  der  alten 
Herrschaft  sind  jedoch  in  allen  Einzelheiten  aus  der  passauischen 
Grenzbegehung  vom  Jahre  1593  zu  entnehmen.* 

Durch  diese  Grenzregulierung  erst  wurde  das  Reichs- 
fUrstentum  Passau  zu  einem  geschlossenen  Territorium,  das 
aber  schon  nach  vier   Dezennien   wieder   von  der  Karte  ver- 


^  Sein  Großvater  Hans  Leopold  Freiherr  Ferger  zn  Klamm  hatte  durch 
Verehelichung  mit  M.  Franziska,  Tochter  des  Grafen  Ferdinand  von  Sal- 
barg (t  27.  Dezember  1723)  Rannarigel  erworben. 

'  ^nrze  Auskunft  von  dem  Fürstentum  Passau',  Blatt  12.  Cod.  germ.  1744 
in  der  k.  Hof-  und  Staatsbibliothek  München. 

'  Höchst.  Passau,   Rep.  Nr.  641    im  k.  allgem.  Reichsarchiv  in  München. 

*  In  Abschrift  enthalten  in  der  oberösterreichischen  Landtafel  Instru- 
mentenbuch  VIU,  138 — 156,  in  den  Hauptpunkten  bei  Buehinger  II,  465 
bis  458. 

^  Siehe  S.  217,  Anm.  2. 


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241 

schwanden  war^  denn  nach  dem  Reichsdeputationsschlusse  vom 
25.  November  1802  und  der  Konvention  vom  26.  Dezember 
1802  wurde  das  Hochstift  zerteilt,  indem  die  Pflegen  zwischen 
der  Hz  und  den  österreichischen  Grenzen  dem  neuen  Eur- 
fUrsten  von  Salzburg,  der  westliche  Teil  des  Fürstentums  mit 
der  Stadt  Passau  dem  Kurfürsten  von  Bayern  zugewiesen 
wurden.  Die  hochstiftischen  mittelbaren  Herrschaften  in  Oster- 
reich fielen  an  diesen  Staat;  sie  wurden  längere  Zeit  als  so- 
genannte Kameralherrschaften  verwaltet,  dann  nacheinander 
zugunsten  des  Staatsschatzes  an  Private  veräußert:  so  Püm- 
stein  21.  Oktober  1826  um  101000  Gulden  C.  M.  an  Freiherm 
Johann  von  Bartenstein,  Rannariedl  26.-30.  November  1823 
um  40500  Gulden  C.  M.  an  Anna  Maria  Prunner  von  Prun- 
berg,  die  dem  aufgehobenen  Kloster  Niedemburg  gehörige  Hof- 
mark Landshag  mit  den  Urbarbauem  um  Puzleinsdorf  schon 
29.  August  1808  an  Kajetan  Hintringer. 

Die  Herrschaft  Marsbach  wurde  vorerst  1811  um  das 
Gericht  Peilstein,  welches  als  eigenes  Dominium  am  19.  No- 
vember 1812  an  den  Hausbesitzer  Josef  Sengl  zu  Steyr  ver- 
äußert wurde,  verkleinert,  sodann  am  15.  August  1824  um  27000 
Gulden  an  Johann  Baptist  Kaufmann  und  Anton  Franz  Led- 
winka  verkauft;  des  letzteren  Enkelin,  Fräulein  Mathilde  Sig- 
mund, besaß  Marsbach  seit  1869  (f  1905,  4.  Mai),^  nun  besitzt 
es  deren  Erbin,  Frau  Anna  von  Krenn,  geb.  Körbler. 


Zwölfter  Abschnitt. 
Das  Landgericht  Haslaoh. 

Die  Grenzen  desselben  werden  bestimmt  im  Nordwesten 
durch  jene  des  Landgerichtes  Schlägl  (Aigen),  d.  i.  den  Wurm- 
braud-,  auch  Landgerichtsbach  genannt,  im  Westen  durch  den 
Lauf  der  Großen  Mühel,  im  Süden  durch  die  Donau  bei  Neu- 
haus und  im  Osten  durch  die  Markungen  des  Landgerichtes 
Wachsenberg.  Letztere  von  dem  Rain  zu  Eaiden,  der  Has- 
linger  und  Wachsenberger  Landgerichte  voneinander  schied,  an 


*  Daten  aas  der  alten  oberOsterreich Ischen  Landtafel  beim  Landesgerichte 
Linz. 
ArehiT.  XCIY.  Buid.  17 


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242 

die  Zaglaumühle,  bis  aufwärts  an  die  Odt,  au  den  Kholpöken- 
hof  bis  Neudorf,  mitten  durch  das  Dorf  der  Länge  und  Straße 
nach,  dann  zu  dem  oberen  und  unteren  Kagerer,  letzterem 
mitten  durch  das  Haus,  zu  dem  Hollerbergerhof,  dem  Wisner 
an  der  Wies,  durch  den  Gattern  zu  dem  Schuster  in  Marbach^ 
zu  dem  Stöckl  gegen  Iglbach,  zum  Kreuz  so  bei  Steinbruch 
bei  der  Kirche  steht,  auf  die  Schörgenhub,  zum  Sunzenauer^ 
schwarzen  Zauner,  Tutenmüller  am  Diessenbach,  Pirchmtiller, 
in  die  Mühle  auf  Neuhaus  an  der  Donau.^  Im  Landgerichte 
Haslach  lagen  noch  das  Dorf  Raiden  (zwei  Bauern,  zwei  Häus- 
ler), Zaglaumühle,  Feldlergut,  die  westliche  Hälfte  von  Neu- 
dorf, Dorf  Auberg,  Höhenberg,  Marbach,  Mairhofergut,  Lachner- 
gut, Rudersbäckgut,  Wagnergut,  Stöcklgut  in  Iglbach,  Poks- 
ruckergut,  Kriebaumergut,  Steinbruch,  Schergenhumergut,  Gra- 
sergut, Mörlhofergut,  Berghäuser,  Reintalergut,  Bauer  im  Zaun, 
Zaunergut,  Kerschbaumergut,  Piermühle,  Dorf  Plöcking,  Bauer 
zu  Hart,  Weinzierl,  Untermühel  und  Schloß  Neuhaus  über  der 
Donau;  zum  Landgerichte  Wachsenberg  gehörten  noch  ein  Teil 
des  Dorfes  Oberriedl,  das  Dorf  Waldhäuseln,  das  Kohlbecken- 
gut, die  Osthälfte  von  Neudorf,  das  Oberkagerergut,  Wiesmair, 
Hollerberger,  Freygut,  Mödlgut  bei  Iglbach,  Wurzinger,  Turner; 
Reingruber,  Mödl,  Sunzenauer,  Haider,  Tümler,  Stadler,  Tütten- 
mühle,  Diessenbäck,  Aichinger,  Reiterhofstatt,  Dorf  Falkenberg 
und  ein  paar  östlichste  Häuser  von  Untermühel.^ 

Die  Grenzen  zwischen  Wachsenberg  und  Haslach  schließen 
genau  die  passauischen  Lehen  der  Witigonen  vor  1231  ein. 

Die  Bezeichnung  von  Haslach  führte  das  Landgericht 
nicht  früher  als  im  14.  Jahrhunderte,  wohl  seit  dem  Zeit- 
punkte der  Abtrennung  des  Gerichtes  Witigenhausen  um 
1290.  Ursprünglich  wird  das  Landgericht  vom  Igelbache, 
welcher  durch  die  sogenannte  Bayrische  Au  und  durch  die 
Igelau  am  Nordwestabhange  des  St.  Thomas-  (Witigenhauser) 
berges  der  Moldau  zufließt,  der  Moldau  entlang  bis  zum  Kien- 
berg an  der  Moldau,  von  hier  über  Böhmisch -Kapellen  und 
Tannbergschlag  bis  Unterriedl  an  die  Steinerne  Mühel  gereicht 
haben.     Die  Grafschaft  der  Blankenberger  war,  wie  in  Bayern 


*  Urbarien  von  Wachsenberg  1614  und  1640  (Handel-Mazzetti,  ,Gemärke 
von  Wildberg*,  S.  12—14). 

*  Nach  den  alten  Grandbttchern  1793--1794. 


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243 

allgemein^  Lehen   vom  Herzogtum;    seit  der  Angliederung  des 
Gebietes    zwischen    Haselgraben    und    Großer   Mühel    an    das 
Herzogtum  Österreich  (1180/81)  wurde  der  untere  Teil  zwischen 
Donau  und  Rauschemühel  lehenrührig  vom  Markherzoge.   Der 
obere  Teil  nördlich  von  der  Rauschemühel  dagegen  wurde  frei- 
eigen, da  die  Machtsphäre  der  Witteisbacher  niemals  über  die 
Große  Mühel  sich  erstreckt  hatte  und  seit  1220  auch  von  ihren 
Ufern   verschwand;    deshalb  wurde  dieses  obere  Gericht  von 
niemand  anderem  als   vom   Reiche   lehenbar  anerkannt^    auch 
von  Passau.  Wenn  noch  1259  der  Berggipfel  von  Kapellen  die 
Grenze  zwischen  Bayern,  d.  i.  dem  Deutschen  Reiche  und  Böhmen 
darstellte,   wie  schon   der  Gang   der  Kolonisation  am  rechten 
Moldauufer  den   frühesten   Anschluß  des  letzteren  an  Bayern 
und  Osterreich  kaum  zweifelhaft  läßt,  so  mußte  das  (später  so 
genannte)    Gericht  Witinghausen    mit   dem  Gerichte   Haslach 
anfänglich   ein  Ganzes   gebildet  haben,   wofür   auch   die  völlig 
gleiche  Mundart  der  Bewohner  beider  Gebietsteile  Zeugnis  ab- 
legt.   Als   dann   bei   der  Grenzberichtigung  Witinghausen   mit 
Umgebung  an   Böhmen   fiel,   unterschied   man   das   böhmische 
und    das    deutsche    Gericht,    womit    man    Witinghausen    und 
Haslach  meinte,    während  vom  böhmischen  Standpunkte  aus^ 
Witinghausen   wieder   das   ,deutsche'  Gericht  genannt  wurde. 
Es  darf  nicht  unbemerkt  bleiben,   daß  der  Hof  zu  Stad- 
ling  in  dem  Lehenbriefe  Peters  von  Rosenberg  1541,  10.  Jänner 
auf   die   Zechmeister    des   Gotteshauses    St.  Thoman   bei    dem 
Schloß    Witinghausen    ,in    sand   Oswolds   pfarr  und  Haslinger 
landgericht*  gelegen  bezeichnet  wird.*  Diesen  ,Stadlbäurischen 
Hof  zu  Roßenau'   hatte   das   Kirchlein   St.  Thomas   1510   von 
Jakob  Krenauer,    Bürger  zu  Haslach,   käuflich  erworben,   wie 
derselbe  auch  bereits  1478  und  1497  als  in  der  Pfarre  Oswald 
und  im  Landgericht  Haslach  gelegen  aufgeführt  wird.'^   Es  ist 
dieser  Hof,    der  westlichste   der  langgestreckten  Ortschaft  Ro- 
senau  jetzt  Pfarre  Deutsch-Reichenau,  jenes  Starling  (Staerling), 
von  dem  es  in  dem  Reverse  Peters  von  Rosenberg  1341  heißt, 
daß  das  Gemärke  geht  , zwischen  der  Rosenawe  und  Starling, 


'  Vgl.  Norbert  Hermanns  Rosenbergische  Chronik  ed.  Klimesch  1897,  S.  66, 
zam  Testamente  Johanns  von  Rosenberg  (f  1.  September  1389). 

*  ,Specification  der  Lehenschafften  Haßlach  1528*  im  fUrstl.  Schwarzenberg- 
schen  Zentralarchiv  Krummau. 

*  Lehen-  and  Zinsbücher  von  St.  Thomas  1763  daselbst. 

17» 


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244 

und  daselb  ob  Rosenawe  in  der  Perch'  (d.  h.  über  den  Berg, 
auf  welchem  der  Ober-Urascher  Wald  steht).  Es  gehörte  dem- 
nach dieses  Gut  noch  im  16.  Jahrhundert  zum  Miihlviertel, 
ohne  daß  nachweisbar  wäre^  wann  und  anf  welche  Weise  das- 
selbe dem  Lande  Böhmen  einverleibt  worden  ist 

Nach  Abtrennung  des  Gebietes  von  Witinghausen  wuchsen 
das  obere  und  das  untere  Gericht  wieder  zu  einem  einzigen 
zusammen;  so  daß  sogar  die  Leheneigenschaft  des  letzteren  sich 
verlor;  es  wurde,  weil  in  Einer  Hand  befindlich,  im  ganzen 
als  freieigen  angesehen.  Mittels  Kauf  1599,  29.  November  ge- 
langte es  an  das  Hochstift  Passau  und  wieder  durch  Kauf 
1663,  20.  Dezember^  an  das  Kloster  Schlägl,  welches  dasselbe 
mit  seinem  eigenen  Landgerichte  vereinigte,  das  nunmehr  von 
den  Gegenbächen  bis  zur  Donau  reichte.  Passau  reservierte 
sich  nur  die  Jurisdiktion  über  die  Untertanen  der  Herrschaft 
Pümstein,  so  daß  letztere  nunmehr  ein  exemtes  Landgericht 
innehatte,  da  für  die  Untertanen  im  Landgericht  Wachsenberg 
die  Jurisdiktion  bereits  im  Jahre  1617  erkauft  worden  war; 
die  Schallenbergsche  Landgerichtsbarkeit  über  die  Ruine  Schal- 
lenberg samt  Zugehör,  1660  erworben,  blieb  seit  1675  bei 
der  Herrschaft  Piberstein-Helfenberg  und  endete  erst  mit  dem 
Jahre  1850.« 

Der  Ursprung  des  Marktes  Haslach  geht  sicher  in  das 
12.  Jahrhundert  zurück,  die  benachbarte  Ortschaft  Jaukenberg 
wird  1231,  St.  Oswald  1277  genannt,  ein  Richter  von  Haslach 
(Jakob)  erscheint  aber  erst  1303,  13.  Dezember.' 

Wie  erst  sehr  spät  die  Grafen  von  Schaunberg  taten, 
scheinen  die  Herren  von  Rosenberg  ganz  geringe  Leute  zu 
Richtern  bestellt  zu  haben.  ,Der  erber  chnecht  Johan  aus  der 
öd  die  zeit  Lantrichter  in  dem  Lantgericht  ze  Hässleich'  siegelt 
mit  Albrecht  den  Staineperger  den  Brief  1396,  29.  Juni,*  wo- 
mit Andre  der  Stainaperger  ,d.  Z.  purger  (Burgmann)  zu  Tan- 
berk'  seine  Hofstatt  zu  ,Appel8pach'  samt  Zehent  in  Hasslinger 
Gericht  und  in  (Klein-)  Zeller  Pfarr,  freies  rittermäßiges  Eigen, 
an  Steffiein  den  Smyd  verkauft.  Später  wurde  die  Stelle  auch 


*  Pröll,  a.  a.  O.  266. 

*  Siehe  die  Erläaterangen  zum  hist.  Atlas. 
»  Pröll,  a.  a.  O.  87. 

*  Orig.  im  k.  allgem.  Reichsarchiv  in  München. 


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345 

den  Marktrichtern   übertragen;   1476   war  Siegmund   Voraner 
Land-  und  Marktrichter  zu  Haslach.^ 

über  die  EIxemtion  Tannbergschlag  siehe  den  dritten  Ab- 
schnitt S.  129. 


Dreizehnter  Abschnitt. 
Landgerichte  Wachsenberg  und  Oberwallsee. 

Der  ursprüngliche  Umfang  der  großen  Herrschaft  Wach- 
senberg; somit  der  ganze  Besitz  der  Herren  von  Wilhering- 
Wachsenberg  auf  dem  linken  Donauufer  spiegelt  sich  deutlich 
wieder  in  dem  Teilungsbriefe  der  Brüder  und  Vettern  von 
Wallsee-£ns  1356;  4.  Juli;'  denn  Schloß  Ottensheim  mit  Zuge- 
hörung wurde  erst  1527  '  abgetrennt  und  ein  eigenes  Dominium. 
Die  Urbarien  1614  und  1640^  dann  das  alte  Grundbuch  Wach- 
senberg, das  jenen  hauptsächlich  entnommen  ist,  treten  er- 
gänzend ein  und  zeigen  xms,  daß  die  Herrschaft  von  der  Donau 
bis  an  die  heutige  böhmische  Grenze,  wo  Witigonenbesitz  an- 
fing, von  Eammerschlag  über  den  Pesenbach  hinüber  bis  an 
die  Markungen  des  Landgerichtes  Haslach  reichte,  und  zwar 
noch  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts,  nachdem  der  Bestand 
schon  vielftltig  durch  Hintersassen  anderer  Herren  durchsetzt 
war.  Die  Herren  von  Griesbach  übten  wahrscheinlich  Grafen- 
rechte in  Lehenrührigkeit  vom  österreichischen  Marktherzoge; 
sicher  ist,  daß  zwischen  1230  und  1240,  vielleicht  noch  vor  1230, 
ein  herzoglicher  Richter  am  Windberg,  Ruger  der  Piber,  auf- 
tritt und  in  der  Florianer  Urkunde  1221,  11.  Mai*  ein  Waldbote 
(Heinricus  preco)  erscheint;  da  letztere  ante  castrum  Wessen- 
berch   datiert  ist,   erregt  sie   die  Vermutung,   es  habe   damals 

»  PröU,  a.  a.  O.  87. 

'  OberOsterreichiBcbes   Urkundenbach  VH,  462. 

'  1527,  10.  November  belehnte  K.  Ferdinand  seinen  Rat  und  Kanzler  der 
niederOsterreichisohen  Lande  mit  dem  Schlosse  Ottensheim  und  freite  ihm 
dasselbe  und  den  Harkt.  Letsterer  hatte,  wie  sich  ans  dem  Befehl  des 
Landeshauptmannes  an  Michael  von  Trann,  Pfleger  za  Wachsenberg, 
ergibt,  einen  Bargfried  ,80  sich  von  demselben  Markt  hinanß  für  den 
Hochgattem  zu  dem  Creoz  erstrecken  sollS  Urkunde  1501,  21.  April. 
Fasz.  O  1  (17540)  17  im  Hofkammerarchiv. 

^  OberOsterreiehisches  Urkundenbuch  II,  630. 


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246 

der  Herzog  von  der  durch  den  Tod  Heinrichs  von  Griesbach  heim- 
fUUig  gewordenen  Herrschaft  Wachsenberg  Besitz  ergriffen  und 
sei,  um  irgend  einen  Zweck  zu  erreichen,  daselbst  Propst  Alt- 
mann von  St.  Florian  zum  Empfange  des  Landesftlrsten  er- 
schienen. 

Die  Vermutung,  noch  Herzog  Liutpold  (f  1230,  28.  Juli) 
sei  es  gewesen,  der  für  Wachsenberg  einen  ständigen  Richter 
bestellt,  erhält  eine  Verstärkung  durch  die  Wahrnehmung,  daß 
schon  zu  seinen  Lebzeiten^  auch  in  der  Riedmark  ein  Richter 
(Ebirgerus  iudex  in  Riedmarchya)  vorhanden  war.  Es  ist  dem- 
nach schon  der  vorletzte  Babenberger,  wahrscheinlich  gleich- 
zeitig mit  dem  Anfalle  von  Wachsenberg,  mit  der  Errichtung 
eines  Landgerichtes  in  der  Riedmark  vorgegangen,  welches 
sein  Nachfolger  Friedrich  II.  (1230 — 1246)  nachmals  teilte, 
nachdem  er  die  Lehen  des  Domvogtes  überkommen  und  wohl 
auch  einen  Teil  des  Regensburger  Kirchengutes  zwischen  Wald- 
aist und  Nam  an  sich  gezogen  hatte.* 

Die  Besitzperiode  der  Herren  von  Schaunberg  (siehe  S.  149) 
bildete  nur  eine  kurze  Episode;  mit  dem  Jahre  1291  schließen 
ihre  Besitzhandlungen  ab,  1300,  2.  März,^  schreibt  sich  Hein- 
rich von  Wallsee  Landrichter  zu  Wachsenberg.  Die  Schaun- 
berger  haben  längstens  1292  die  HeiTschaft  verloren,*  Wachsen- 
berg  ist  jedenfalls  das  castrum,  um  dessen  Abtretung  an  Herzog 
Albrecht  es  sich  in  dem  Briefwechsel  handelt,  welcher  in  einem 
Kodex  des  Klosters  Oberaltaich  auf  unsere  Tage  gekommen 
ist;^  denn  im  allgemeinen  stimmen  die  Verhältnisse,  wenn  es 
auch  nicht  ganz  richtig  ist,  daß,  wie  die  Schaunberger  be- 
haupteten, das  Schloß  aus  mütterlicher  Erbschaft  herrühre  und 
schon  50  Jahre  in  ihrer  Gewalt  sei.  Vergeblich  versuchte  der 
Bischof  von  Passau  (Wemhard)  den  Herzog  zu  bewegen,  das 
Schloß  den  Schaunbergem  zu  Lehen  zu  verleihen,  wenn  sie  auf 
die  freie  Eigenschaft  desselben  verzichten  und  es  ihm  aufgeben 
würden;  der  Herzog  blieb  unbeugsam  und  bestand  auf  bedingungs- 


^  Urkunde  1230,  28.  Februar,  OberOsterreichisches  Urkundenbuch  II,  684. 
'  Denn  sowohl  Zoll  als  Hehnberg  und  Aisthofen  sind  ins  Babenbergische 

Urbar  aufgenommen.  S.  Dopsch,  a.  a.  O. 
'  Obertfsterreichisches  Urkundenbuch  IV,  332. 

*  Vgl.  Strnadt,   Nachtrag   zu    Peuerbach.    Linzer   Museumsbericht    1869, 
8.  9—16. 

*  Pez  Bcruard.,  Thes.  Anecd.  VI,  p.  U,  Col.  167—163. 


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loser  Abtretung.  Möglich,  daß  die  Schaunberger,  mit  den 
Witigonen  verschwägert,  gerade  zuvor  zur  Unterstützung  der- 
selben beigetragen  hatten;  unmittelbar  nach  der  Eroberung  von 
Falkenstein  kehrte  auch  Wachsenberg  an  das  Land  zurück. 

Die  Herrschaft  wurde  1331  den  Söhnen  Heinrichs  von 
Walsee-Ens  (f  1326):  Heinrich,  Reinprecht  und  Friedrich 
für  ihren  Anteil  von  291672  Mark  an  dem  Kaufschilling  für 
die  schwäbischen  Güter  versetzt,  kam  1407  als  Pfand  an  die 
Brüder  Reinprecht  und  Friedrich  von  Walsee,  1463  als  Satz 
f&r  7332  ungarische  Qoldgulden  an  Heinrich  von  Liechtenstein  zu 
Steyregg,  fiel  1492  an  Kaiser  Friedrich  UL  zurück;  nochmals 
weiter  verpftndet  an  Wolf  Jörger  1504,  an  den  niederöster- 
reichischen Regierungskanzler  Nikolaus  Rabenhaupt  von  Suche 
1523,  an  die  Brüder  von  Gera  1553,  gelangte  Wachsenberg 
1614,  29,  September,  als  freies  Eigentum  an  die  Erben  des 
Hans  Christoph  von  Gera,  endlich  1640  an  das  Haus  Star- 
hemberg. 

Die  alte  Feste  Wachsenberg,  auf  welcher  die  Herren  von 
Wilhering  und  von  Griesbach  gehaust  haben,  erhob  sich  süd- 
lich vom  Rotelbache  auf  der  nunmehrigen  Hochwald parzelle 
2436  der  Katastralgemeinde  Stammering,  im  Volksmunde  ,Hoch- 
hausholz^  geheißen;  der  Grund  ist  längst  rustikalisiert  und  ge- 
hört zu  dem  Bischofgute  Nr.  13/14  zu  Stammering.  Wann  sie 
verlassen  und  die  neue  Burg  —  auch  längst  Ruine  —  weiter 
nördlich,  nächst  dem  Dorfe  Wachsenberg  erbaut  worden  ist, 
darüber  mangelt  jede  Andeutung. 

Die  Beisitzer  des  Malefizrechten  ,die  vrein,  die  zu  Waes- 
senberg  gehörnt^,  werden,  wie  ,die  Vrein  so  z^  der  Vrein- 
stat  gehörent^,  in  dem  Teilungsbriefe  der  Brüder  und  Vettern 
um  die  Herrschaft  Freistadt  1356,  29.  Juni  genannt.^ 

1415  erfolgte  die  Errichtung  des  Landgerichtes  Ober- 
wallsee auf  Kosten  jenes  von  Wachsenberg.  Am  3.  Mai  1415* 
verlieh  nämlich  Herzog  Albrecht  V.  dem  Herrn  Reinprecht 
von  Walsee  zu  seinem  Schlosse  Oberwallsee,  das  nach  dem 
Briefe  Herzog  Rudolfs  IV.  flir  Eberhart  von  Walsee-Linz  ddo. 
30.  Oktober  1364^  nur  eine  ,Freyung'  genossen  hatte,  ,die  ge. 
rieht  was  den  tod  anrueret',   womit  der  Bezirk   innerhalb   der 

^  OberOsterreichisches  Urkundenbach  YII,  460. 
'  Eferdinger  Urkunde.  Notizenblatt  1852,  S.  308. 
*  OberösterreichiBches  Urkundenbach  YIII,  194. 


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nachbeschriebenen  Grenzen  aus  dem  Landgerichte  Wachsen- 
berg ausschied.  ,Fangt  an  erstlichen  von  Wallsee  bis  gen  Lands- 
haag mitten  in  die  Donau;  doch  in  das  Aigen^  so  den  Frauen 
von  Niedemburg  gehörig,  darf  man  nicht  greifen,  man  antwort 
einen  Übelthäter  heraus  bis  zum  Grattem.  Nach  der  Donau 
hinauf  bis  an  Falkenspach  bis  gen  Neuhaus  aufs  Hör  [eine 
Peunt  unmittelbar  vor  dem  Schlosse  Neuhaus]  und  von  Neu- 
haus her  am  Prembs  bis  im  Trättenbach  und  währt  hin  bis 
zu  St.  Hörten  zu  des  Haslingers  Tafem  mitten  im  Hufschlag, 
weiter  an  des  Pehamb  Tafem,  wie  der  Markstein  steht;  wie- 
derumb  von  St.  Morton  bis  zum  steinern  Steg,  vom  steinern 
Steg  bis  gen  Hayding  an  den  Wanck,  von  dannen  bis  gen 
Wolfstain,  von  Wolfstain  am  Klainpach  am  Steg,  vom  Steg 
gen  Hilkering,  von  Hilkering  gen  Holzman  auf  die  Eohlstatt, 
vom  Holzman  bis  zum  Reichgrueber  herab  bis  in  die  kleine 
Rodl,  darauf  sein  zwo  Mühlen:  die  ober-  und  niedere  Reich- 
mühl,  gehört  die  obere  Reichemühl  in  Wachsenberger  Land- 
gericht. Von  dannen  an  bis  gen  Rotteneck  und  gar  an  die 
Obermühl  gen  Rotteneck,  von  Rotteneck  nach  der  Großen  Rodel 
bis  an  die  Donau  gen  Höflein,  von  dannen  hin  nach  der  Donau 
wiederumb  auf  nach  dem  Trättenbach  ober  Landshag  und  gar 
auf  Neuhaus  zu.'^ 

Nach  den  alten  Grundbüchern  1793/94  gehörten  jedoch 
zum  Landgerichte  Haslach  die  Ortschaft  üntermühel  —  mit 
einziger  Ausnahme  des  Wadsteinerhäusels  Nr.  13  — ,  das  Schloß 
Neuhaus  mit  Hofgründen,  dann  von  der  Ortschaft  Plöcking 
die  Piermühle,  das  Pühringergut,  das  Pührethäusel,  das  Wein- 
zierlhaus,  das  Bachmannhäusel  und  das  Kaltenbrunner  Robot- 
häusel; dagegen  das  Robothäusel  im  Hör  Ortschaft  Neuhaus 
Nr.  4  und  das  Wadsteinerhäusel  in  üntermühel,  sowie  das 
Knoglergut,  das  Stadlergut  und  das  Traböckgut  auf  der  Donau- 
leiten zum  Landgericht  Wachsenberg,  woraus  erhellt,  daß  der 
Dreißbach,  der  beim  Dreißergut  in  die  Donau  rinnt,  die  Grenze 
zwischen  Wachsenberg  und  Oberwallsee  bildete  und  die  Hinauf- 
schiebung der  Grenze  bis  Neuhaus  ein  nichtiger  Anspruch  war, 

'  Abschrift  im  Liuzer  Moseam  nach  dem  Orig.  vom  Jahre  1584  im  Elfer- 
dinger  Archiv.  Eine  zweite  Beschreibung  aus  der  Zeit  der  Pfandschaft 
der  Neuhauser  im  Sammelbande  101  des  Linzer  Museums  besagt,  daß  die 
Grenze  durch  die  Backofen  des  Geierspergergutes  sowie  des  Ortner  in 
Hilkering  gehe. 


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249 

wie  denn  auch  die  Wachsenberger  Grenzbeschreibnng  von 
1640  —  jene  von  1614  springt  von  der  Schergenhub  bei  Klein- 
zell  gleich  auf  St.  Martin  ttber  —  ansdrücklich  sagt:  ^vom 
PürchmüUner  in  die  Müll  auf  Neuhanß;  von  dannen  nach 
der  Thonau  herab  biß  zum  Treyssterpächl,  von  dannen 
zum  Oemdorfer  auf  St.  Mörthin  ins  aigen  zu  dem  Marchstain^ 
welcher  Oberwallsee:  und  Waxenberger  Landgericht  schaidt^^ 

Die  alte  östliche  Grenze  des  Landgerichtes  Wachsenberg 
ist  die  westliche  der  alten  Riedmark;  sie  folgte  der  Saumstraße 
durch  den  Haselgraben  bis  Zwetl^  eine  kurze  Strecke  der  Rotl 
und  dem  Elmeckerbache,  bis  sie  östlich  von  Weinzierl  bei 
Leonfelden  die  Landesgrenze  erreichte.  Sie  wurde  verwischt 
durch  die  Errichtung  eines  neuen  Landgerichtes  Wildberg  im 
17.  Jahrhundert^  worüber  das  Nötige  in  den  Erläuterungen  ge- 
sagt wurde.* 

Im  Landgerichte  Oberwallsee  war  ein  einziger  ausgemark- 
ter Burgfirieden,  jener  von  Mühldorf,  welcher  1697  zugestanden 
worden  war.  ,Der  Anfang  dieses  Burgfriedens  ergibt  sich  beim 
Qattem  nächst  dem  Steg  über  den  Pesenbach,  nach  diesem  bis 
in  die  Donau,  der  sogenannten  alten  Naufahrt  allda  abwärts 
bis  zu  dem  Geiringerhäusl  am  Eggenschadt,  von  dannen  nach 
dem  Khagstatt  im  Ottenaufeld  [so  genannt  von  dem  im  15.  Jahr- 
hunderte in  der  Donau  versunkenen  Dorfe  Ottenau]  gegen 
Mühldorf  bis  an  ein  Eck,  allwo  sich  ein  groß  Wasser  oder 
Feldgruben  zeiget,  nachgehends  gerad  über  das  benannte  Otten- 


^  Handel-Mazzetti,  Das  Gemärke  yon  Wildberg,  S.  13—14. 

*  Den  Mangel  einer  Grenzbeschreibung  des  Landgerichtes  Wildberg  möge 
folgendes  Verzeichnis  der  GrenzOrtlichkeiten  ersetzen:  Dorf  Ober-Qeng 
jenseits  des  Ecksteinerbaches,  der  Lauf  der  Rotl  vom  Ecksteinerbach 
bis  zum  Elmeckerbach,  Dörfer  Glashütten  und  Ober-Dreiegg,  Rittsteiger, 
Stummer,  Dorf  Ober-Aigen,  Schnabl,  Hans,  Eder,  Danglmair  in  Hai- 
bach, von  hier  den  Gnsenbach  abwärts  bis  Veitsdorf,  Dorf  Unter-Wei- 
trag,  Starzer,  Weitrager,  Holzmair,  Zeilinger,  Auf  berger,  Grabmer,  Dorf 
Zingießing  (Tungaßing),  Krois,  Mühlberger  in  Elmberg,  Auhof,  Dornach, 
Steg,  halb  Heilham  nach  Urfahr,  donauaufwftrts  bis  zur  Einmündung 
des  Diessenbaches,  an  dessen  linker  Seite  aufwärts,  Mülberger,  Stadler- 
gut, Gknbmühle,  Aichberger,  Giltenberger,  Lierzberger,  Außerweger, 
Wirflingerhof,  Zaun  er,  Eimer,  Grübler,  Ober-  und  Unter-Hametner,  Asber- 
ger,  Kogler,  Baumgartner,  Kronaweter,  Eronawitet  Dorf,  Dorf  Rohrach, 
Wol&ecker  zum  Ecksteinerbach;  das  Ecksteinergut  blieb  im  Landge- 
richte Wachsen  berg. 


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250 

auerfeld  bis  zu  dem  Gattern  bei  der  Tanzstatt;  von  dannen 
aufwärts  nach  der  ordinari  Wöhrerfartstraßen  neben  Mübldorf 
übers  Feld  wiederum  zu  obgemeldetem  Gattern  beim  Pesen- 
bach  nächst  dem  Steg/^ 

Der  Burgfried  des  passauischen  Amtes  Goldwört,  das 
1731  zur  Starhembergschen  Herrschaft  Oberwallsee  erworben 
wurde,*  schon  frühzeitig  von  Passau  angesprochen/  hatte  ^seine 
lebendige  March,  auf  der  Seiten  des  Wörths  beschlossen  mit 
dem  Wasser  der  Gang  genannt  [jetzt  trocken  liegend],  auf  der 
herendigen  Seitten  [am  rechten  Donauufer,  Pfarre  Alkoven], 
aber,  alß  im  Gstocket  und  Hagenau  thuet  daß  0£Fenwasser 
den  Burckfrid  einfangen^*  Die  Malefikanten  wurden  bei  einem 
Steg  über  den  Gang  an  das  Landgericht  Oberwallsee  ausge- 
liefert. 

Der  Niedemburgsche  Burgfried  Landshag  reichte  nur  bis 
an  die  Gattern;  die  Täter  wurden  bei  der  Wasserrunsen  aus- 
geliefert. Jene  von  Eschelberg  wurden  beim  Gattern  zwischen 
dem  Eschelmüller  und  dem  Oberstraßer  landgerichtlich  über- 
nommen. Es  bestanden  drei  Schrannen  zu  Rotel,  Feldkirchen 
und  Mühllacken.^ 

Im  Landgerichte  Wachsenberg  hatte  das  Schloß  Piberstein 
einen  großen  Burgfrieden,  gleich  dem  Schlosse  österreichisches 
Lehen.  ,hebt  sich  an  bey  der  Planckenauer  Hamber  Werck- 
statt  in  der  Mühel  und  gehet  darnach  biß  an  das  in  die  [Rau- 
sche] Mühel  fließende  Somerpächl,  von  dannen  in  den  Somer- 
pach  aufwärts  biß  an  die  Somermühl,  von  derselben  dem 
Kirchperg  nach  auf  Helfenberg  an  die  Mühel  und  wider  nach 
der  Mühel  biß  an  die  Khüzmühl  und  den  Viechtpach,  dem 
Viechtpach  nach  biß  an  die  Khroißmühl,  von  dannen  in  den 
Oedtlpach,  da  hinauf  unzt  an  die  Wält,  und  den  Waiden  nach 
biß  zu  dem  NimervoU  an  den  Marchweg  Wald,  und  also  dem 
Marchweg  nach  biß  auf  die  Khaindlin:  und  auf  die  Wagnerin, 
ferners   dem  Waxembergerischenpach  nach   biß  wider  ob  der 


^  Obige  Eferdinger  Beschreibang. 

*  Schwerdling,  Geschichte  des  Hauses  Starhemberg,  S.  297. 
'  Stmadt,  Velden,  S.  98/26. 

*  ,Goldtwörtherischer  BarckhfridtS  ,im  Urbar  der  Passauer  Herrschaft  Ebels- 
berg  TOD  1668,  Bl.  22,  im  Schlosse  Ebelsberg.  Panthäding  1687,  4.  Okt., 
das.  Bl.  23«. 

^  Pass.  Blechkastenarchiv  f.  229  No.  42. 


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251 

Planckenau  in  die  Mühel/  Die  Täter  wurden  am  Ödlpachl 
dem  Landgerichte  hinaosgeantwortet^ 

Helfenberg  hatte  zu  dem  alten  Burgstall  etwas  unterhalb 
des  1607  erbauten  neuen  Schlosses  einen  Burgfried;  der  sich 
auf  die  HofgrOnde  und  das  Aigen  Helfenberg  beschränkte^  je- 
doch nicht  ausgemarcht  war.^ 

Das  Aigen  St  Peter  am  Windberg  unter  dem  Kloster 
St.  Florian  war  schon  1208  mit  einem  Burgfneden  begabt; 
sicherlich  reichte  er  nur  bis  an  die  Gattern. 

flxemt  waren  im  Landgerichte  Wachsenberg  seit  1573  die 
Untertanen  der  Herren  von  Starhemberg,  seit  1617  die  109 
Hintersassen  der  Herrschaft  PUrnstein^  seit  1585  auch  die 
Klosterholden  von  St.  Florian. 

Der  Burgfried  des  Starhembergschen  Marktes  Zwetl  ,faht 
sich  an  am  ersten  auf  der  Wimb  an  der  Rotl^  wärt  bis  an  das 
Ortbaw  anf  der  Straß  bis  in  den  Schauerschlag  gegen  den 
Gapf;  von  dem  6upf  bis  hinab  gegen  den  Grueber  bis  an  des 
Ortner  perg  in  der  langen  Zwetl,  von  dem  Perg  bis  zum 
Hammerschmitt  in  die  Rätl,  darnach  wird  gemelter  burgkfrid 
geschaiden  durch  die  Rätl  bis  widerumb  auf  obangezeigte 
Wibm^^ 

Ein  exemtes  Landgericht  Lobenstein/  zu  welchem  als  ein- 
zige kompakte  Masse  der  vorbezeichnete  Burgfried  gehörte, 
kommt  noch  im  alten  Grundbuche  vor,  wurde  jedoch  vom 
Pfleger  und  Landgerichtsverwalter  von  Wildberg  versehen. 

Die  seit  1527  bestehende  Freiung  des  Schlosses  Ottens- 
heim,  welche  den  Markt  Ottensheim,  die  Häuser  Nr.  1,  4,  11, 
15 — 19  und  22  von  Niederottensheim^  die  Häuser  Nr.  1  und  4 
in  Weingarten,  die  Häuser  Nr.  3,  4  und  5  von  Dümberg  und 
die  Häuser  Nr.  7—10,  13,  16—23  von  Höflein  umfaßte,  wurde 
von  K.  Ferdinand  H.  zugunsten  der  Jesuiten  zum  Landgerichte 
erhoben  und  erlosch  als  solches  gleichfalls  erst  im  Jahre  1850. 

Schließlich  sei  noch  Erwähnung  getan,  daß  infolge  käuf- 
licher Erwerbung  von   Gütern,  auf  welchen   die   landgericht- 


'  Urbar  yon  Piberstein  1675  im  Schlosse  Helfenberg. 

*  Urbar  von  Helfenberg  1680  daselbst 

'  Handel-Mazetti,  a.  a.  O.  51,  aas  dem  Wildberger  Urbar  1598. 

*  Die  zugehörigen  Güter  befanden  sich  in  den  Dörfern  Lobenstein,  Schauer- 
leiten, Straß,  Innemschlag,  Perndorf,  Hofing^  Stfttten,  Reindlsed,  Königs- 
dorf^  Langen  Zwetl. 


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252 

liehen  Rechte  hafteten^  die  Herrschaften  Helfenberg  über  die 
Ejzmühle  Nr.  6  in  Anhäuser  und  das  Häusel  bei  der  Helmans- 
bruck  Nr.  55  in  Helfenberg,  dann  Berg  ob  Rohrbach  über  das 
Bauerngut  Nr.  22  zu  Unterriedl,  über  die  Häusel  Nr.  1  und  4 
zu  Preßleiten  bei  Helfenberg,  über  die  Hofstatt  Nr.  2  und  die 
Fauxmühle  Nr.  15  zu  Uttendorf,  Pfarre  Helfenberg,  die  Land- 
gerichtsbarkeit ausübten.^ 


Vierzehnter  Abschnitt. 

Kartographische  Darstellung  des  Bestandes  der  Grnnd- 
herrschaften  im  Ilzgau  vor  Erwerbung  der  Grafschafts- 
rechte durch  die  Kirche  Passau.  Rückschluß  auf  die  Art 
der  Kolonisation  infolge  königlicher  Schenkung  oder  durch 
Landnahme.  Das  Diplom  K.  Heinrichs  U.  für  Niedemburg. 

Der  Nordwald  trennte  Bayern  und  Böhmen;  es  gab  in 
demselben  keine  bestimmte  Grenzen,  wie  Urkunden  ausdrück- 
lich bezeugen.  Als  herrenloses,  unkultiviertes  Land  galt  er  als 
Königsforst,  von  welchem  große  Strecken  an  die  Kirche  und 
an  weltliche  Große  verliehen  wurden,  die  durch  Kolonisten  dem 
dichten  Walde  nutzbares  Land  abgewannen.  Das  rasche  An- 
wachsen der  großen  Grundherrschaften  in  jenen  Zeiten  ist 
hauptsächlich  auf  die  Waldkolonisationen  zurückzuführen.*  Ur- 
kunden über  solche  Vergabungen  sind  nur  spärlich  vorhanden ; 
für  weltliche  Grundherrschaften  mangeln  sie  in  unserer  Gegend 
vollständig.  Dagegen  ist  eine  Schenkung  König  Heinrichs  11. 
überliefert,  welche  derselbe  durch  Zuweisung  eines  Teiles  des 
Nordwaldes  von  den  Quellen  der  Dz  und  der  Rotel  angefangen 
bis  zum  Donauufer  im  Jahre  1010  an  das  Kloster  Niedemburg 
in  Passau  gemacht  haben  soll.  Hiemach  würde  der  Löwenanteil 
an  der  Kolonisierung  des  Ilzgaues  der  Kirche  zufallen,  in  wel- 
chem Lichte  bisher  auch  die  Sache  betrachtet  worden  ist.' 


^  Nach  den  alten  Grundbüchern  Ottensheim,  Helfenberg  and  Berg. 

*  Inama-Stemegg,  Deutsche  Wirtschaftsgeschichte  I,  216. 

'  Die  Polemik  des  seither  verstorbenen  Wilhering^r  Stiftsarchivars  P.  Otto 
Grillnberger  gegen  Hackl  sowie  den  Verfasser  (Velden,  S.  92)  im  Archiv 
für  die  Geschichte  der  Diözese  Linz  I,  168—171,  dürfte  nach  den  Aus- 
führungen dieses  Abschnittes  wohl  als  hinfällig  bezeichnet  werden. 


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253 

Es  wird  daher  eingehend  zu  untersuchen  sein,  wie  weit 
sich  der  Inhalt  des  gedachten  Dokumentes  mit  den  Tatsachen 
deckt,  daher  vorerst  von  einer  Verwertung  desselben  Abstand 
genommen  werden  muß. 

Wir  haben  deshalb  den  ursprünglichen  Bestand  der 
großen  Grundherrschaften  zwischen  Hz  und  großer  Mühel  zu 
erheben,  welche  frühzeitig  an  Passau  und  an  Osterreich  fielen. 
Bei  der  Dürftigkeit  urbarialer  Nachrichten  aus  diesem  Zeit- 
räume ist  auch  diese  Erhebung  nur  durch  Anwendung  der 
Methode  der  Rekonstruktion  ermöglicht. 

Um  ein  gesichertes  Ergebnis  zu  erzielen,  ist  vor  allem 
auf  den  ältesten  Besitzstand  der  weit  ausgedehnten  Herrschaft 
Falkenstein  an  der  Ranna  zurückzugehen;  denn  nur  diese  war 
stets  in  den  Händen  hochfreier  Geschlechter  und  ist  bei  diesen 
anch  bis  zum  Übergänge  an  den  österreichischen  Landesfürsten 
verblieben,  während  es  der  Kirche  Passau  gelang,  alle  übrigen 
Güter  im  Laufe  des  12.  und  zumal  des  13.  Jahrhunderts  in 
Eirchenlehen  zu  verwandeln.  Bezüglich  jener  Stücke,  welche 
von  Falkenstein  abgetrennt  wurden  (Schindlau  1264,  Klaffer), 
sind  Archivalien  vorhanden  und  es  versteht  sich,  daß  die  Eigen- 
schaft eines  landesfürstlichen  Kammergutes  dem  Besitzstande 
der  Herrschaft  eine  besondere  Beständigkeit  bewahrt  hat. 

Von  Falkenstein  ist  ein  vollständiges^  Urbar  aus  dem 
Jahre  1570^  auf  unsere  Tage  gekommen,  welches,  nach  Spuren 
zu  schließen,  auf  ein  älteres  aus  der  Zeit  1520  bis  1530  zurück- 
geht and  sämtliche  Bestandteile  der  Herrschaft,  nicht  bloß  die 
einzelnen  Güter,  sondern  auch  die  Waldungen  und  Fischweiden 
in  großer  Ausführlichkeit  aufzählt;  wir  wissen  außerdem,  daß 
TOT  Zustandebringung  des  Urbars  alle  Untertanen  abgehört  und 
nur  das  eingetragen  worden,  was  die  Erhebungen  als  un- 
zweifelhaftes Recht  festgestellt  hatten.^ 

Wir  finden  darin  auch  ein  langes  Verzeichnis  jener  Hol- 
den, welche  zwar  unter  fremden  Herren  saßen,  jedoch  der 
Herrschaft  Falkenstein  Königsteuer  zu  entrichten  hatten. 
Solche  Listen  enthalten  auch  die  Urbare  von  Marsbach  1667, 

1  Ein  nnvolUtändiges  Hausnrbar  vom  Jahre  1662  hat  das  Ldnzer  Museum 

aus  dem  Altenhofer  Archiy  angekauft. 
'  Auszaglich  von  Chmel  im  Notizenblatt  1863,  S.  37  ff.^  veröffentlicht.  Der 

Verfasser  benützte  das  im  Hofkammerarchiy  verwahrte  Exemplar. 
*  Einlage  im  Fasz.  F  1  im  Hofkammerarchiv. 


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254 

von  Sprinzenstein  1550,  von  Rannarigel  c  1510  und  1581;  auch 
diese  Herrschaften,  teils  unmittelbares  Eigentum,  teils  Lehen 
des  Hochstiftes,  bezogen  die  Eönigsteuer  nicht  bloß  von  eigenen, 
sondern  auch  von  fremden  Untertanen. 

Hier  war  der  Hebel  anzusetzen;  es  galt  daher,  das 
Wesen  der  Königsteuer  und  den  Rechtsgrund  zur  Zahlungs- 
verpflichtung zu  erkennen  und  so  eine  zuverlässige  Basis  ftir 
weitgreifende  Folgerungen  zu  schaffen. 

Zur  Beurteilung  folgen   die  zustande   gebrachten  Belege: 

Die  früheste  urkundliche  Erwähnung  dieser  Steuer  finden 
wir  erst  in  dem  Diplome  König  Heinrichs  VI.  1193,  28.  März,* 
womit  derselbe  auf  Bitte  seines  Fürsten  Bischof  Wolfger  von 
Passau  dieser  Kirche  die  Abtei  Niedemburg  mit  aller  Zu- 
gehörung ,videlicet  cum  advocacia  et  servicio  regio  .  subsidio 
sive  Supplemente  .  seu  steura  .  quod  in  vulgari  Kunigesture 
dicitur'  verleiht. 

Die  nächste  Anführung  der  Steuer  ist  in  der  Aufzeichnung 
über  das  Landtaiding  in  der  Abtei  1256*  enthalten.  ,Item  no- 
tandum,  quod  in  jltsgeu  de  modio  tritici  dantur  ante  festum 
purificationis  domino  Episcopo  pro  chuniksteura  V  denarios. 
Item  circa  Muhelam  de  duobus  volgultigen  lehen  pro 
chuniksteura  V  denarios.'  Berichtigt  der  Dienstpflichtige  nicht 
binnen  dreimal  14  Tagen,  so  zahlt  er  6  /?  ^  dem  Bischof  zu 
Wandel  und  außerdem  die  Steuer;  ist  er  dann  noch  säumig, 
so  unterwindet  sich  der  Bischof  des  Gutes  oder  nimmt  ein 
Pfand,  wenn  es  vorhanden  ist. 

1269,  19.  November»  überläßt  Bischof  Peter  die  (After-) 
Lehengüter,  welche  Chunrad  von  Hartheim  vor  sieben  Jahren 
von  den  Brüdern  Albert  und  Richker  von  Pernstein  (A.  6. 
Grafenau)  erworben  hatte,  der  Witwe  Gertrud  auf  Lebenszeit; 
nach  ihrem  Tode  sollen  sie  an  das  Kloster  Niedemburg  fallen 
,excepta  steura  regali^ 

1410  entscheidet  die  Landschranne  von  Velden,*  daß  das 
Gut,  welches  Heinrich  der  Chaplan  von  Herrn  Gundacker  von 
Tannberg  geeignet,  von  aller  Königsteuer  frei  sei. 

^  Mon.  Boic.  XXIX  a,  469.  Gegen  die  Echtheit  liegen  keinerlei  Bedenken  vor. 
«  a.  a.  O.  XXIX  b,  224. 

'  Original  im  k.  allgem.  Reichsarchiv  zu  München. 

^  Hoheneck  III,  282   leider  nnr  in  diesem  kurzen  Auszüge  des  Gerichts- 
briefes. 


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255 

1443,  27.  April. ^  Die  Brüder  Kaspar  und  Hans  die  Chraft 
von  Marsbach  teilen  Vogthafer  und  ,Chunigstewr'  als  Zuge- 
hör  Ton  Marsbach. 

1456,  10.  Jänner  verleiht  König  Lasla  dem  Rüdiger  am 
Perg*  zwei  Güter  zu  Rainprechtzreut  (Kampetsreut,  Pfarre 
Peilstein)  und  ein  Gut  zum  Odlein  (£dlbauer  bei  Rampetsreut) 
^unserer  lehenschaft  unseres  Fürstentumbs  Osterreich  und  ist 
Kunigstewr  zu  unserer  Herschaft  Valkenstain^  Der- 
selbe verleiht  1457,  21.  Juli  dem  Oswald  Perger  am  Perg  fol- 
gende Güter,  welche  ,zu  unsrer  herschaft  Valkenstain 
im  Mnhelland  dienen  Kunigstewr':  zwei  Güter  zu  Weigarts- 
berg  (Weiksberg  bei  Aigen)  dienen  4  /Ä,  am  Gut  zu  Hauczen- 
perg  (Hauzenberg  bei  Rohrbach)  dient  2^/^  ^  und  eine  Hofstatt 
daselbst  dient  1  .Ä,  ein  Gut  ,zu  dem  Dorf'  (Dorf,  Pfarre  Sar- 
leinsbach) dient  4  ^\  eine  Mühle  genannt  die  Kramphmühle 
(Kampmühle  in  derselben  Pfarre)  dient  1  /iS,  alles  in  Veldner 
Landgericht  gelegen.^ 

1483,  6.  März^  verkaufen  die  Brüder  Niklas  und  Thomas 
Venediger  21  Güter  und  5  Zehenthäuser  in  den  Pfarren  Tyrnau, 
Huttum,  Römbach,  Waldkirchen,  Griesbach,  Otterskirchen  und 
Kellbergy  alle  Lehen  vom  Stift  Passau,  an  Christoph  Wazmans- 
torfer  zu  Leoprechting.  Mit  Ausnahme  der  Zehenthäuser  und 
des  Gutes  in  der  Pfsure  Otterskirchen  sind  alle  königssteuer- 
pflichtig, und  zwar  das  Gut  zu  Hungerperg  (Hunaberg,  Pfarre 
Hauzenberg^)  mit  3  ^,  die  ,gibt  man  gein  dem  Rannerigl^ 

c.  1488.  Das  älteste  ,Reygister  der  Lehenschaft  auch  vorst- 
wäld  der  gereut  der  wisen,  ausserhalb  der  verlassung,  der 
wald'*  verzeichnet  in  den  vier  Ämtern  der  Herrschaft  Ranna- 
rigel  zahlreiche  Lehen,  welche  ,am  andern  jar  Lehen  und  jär- 
lich  kunigstewr  geben'. 

c.  1510.  Das  jVrbarpuech  des  Gsloß  und  HerschaflFt  Ranna- 
rigl'^  hat   die   Rubrik:    ,Vermerkt   die    ierlich   kunigstewr 


>  Mon.  Boic.  XXXI  b,  354. 

'  Der   Sitz    Berg    ob    Robrbach    rührte    halb  von  Falkenstein,  halb  von 
Paasaa  zu  Leben. 

*  Notizenblatt  1854,  S.  213. 
«  Mon.  Boic.  XXXI  b,  606. 

»  Siehe  S.  147. 

^  Fasz.  R  2  im  Hof kammerarchiv. 

*  Im  oberOsterreichischen  Landesarchiv  Linz. 


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256 

80  man  zu  den  Weinachten  an  Wiener  phening  zum  Gsloß 
Rannarigl  dint',  223  Pflichtige  (wovon  4  ,Hem  wolfgangen 
Herleinsperger  Hindersassen')  und  am  Schlüsse  die  Bemerkung: 
,Dise  Ktinigstewr  sol  in  alter  swartzer  Wienner  münß^  dhainern 
andern  gelt  und  zwischn  Weinacht  tags  und  der  heilign 
drey  kunig  tag  bey  scheynunder  Sunne  gedint  werdend 

1550,  8.  September.  ,Ordinari  Vrbar  der  leuth  zum 
Öprintzenstain  mit  darzue  gehörigen  vnd  darin  begriflFenen  Le- 
hen Stiflft;  Vogt  vnd  andern  Vndterthonen/^  Nach  diesem  hatten 
—  mit  Ausnahme  des  Marktes  Sarleinsbach  —  fast  alle  Holden 
dieser  passauischen  Lehenherrschaft  die  Königsteuer  zu  ent- 
richten. Eine  Rubrik  lautet:  ,Rittermäßiger  lehen  Künigsteur 
gen  Sprintznstain  ausserhalb  desselben  urbars  als  davon 
zu  Lehen  rilerndt  järlich  daselbs  hie  dienent'^  und  schließt 
folgendermaßen:  ,Item  welche  die  Künigsteur  zwy sehen  Wey- 
nachten  und  der  heyligen  drey  khunig  tag  nit  raichen  und 
geben,  denen  zeucht  man  ire  Heyser  mit  zuegehörigen  gründen 
ein  mit  Span  und  Phallen,  sagt  der  Ambtman  sey  Landrecht 
und  gebrauch.' 

Das  auf  gründlichen  Erhebungen'  beruhende  jüngere 
,Grundpuech  über  das  Schloß  und  Herrschaft  Rainarigl'  vom 
Jahre  1581*  zählt  unter  der  Rubrik:  ,Künigsteur,  so  die  her- 
nach beschribnen  underthonen  iarlichen  zu  den  Weichnachten 
...  in  Wiener  oder  füm  ieden  Zwen  Weiß  Phening  zu  rai- 
chen und  zu  dienen  schuldig'  197  Königsteuerpflichtige  auf, 
wovon  56  unter  fremden  Herren.* 


^  Original  im  Schloßarchiv  Sprinzenstein,  hier  nach  Abschrift  des  Herrn 
Grafen  Ernst  zu  Sprinzenstein. 

'  2  Holden  za  Kicking,  1  zn  Wakolbing,  1  zu  Ruzersdorf,  1  zn  Oberlem- 
bach,  1  zu  Pehersdorf,  Maier  zu  Ganthersberg,  1  zu  Franndorf^  Zackl  auf 
der  Öd  hinder  dem  Perg  ob  Rorbach,  Wolkersberger,  Lehner  Pfarre 
Rorbach,  Humel,  Kazprener,  Pock  in  Leiten  Pfarre  Pfarrkirchen,  2  in 
Eiden berg,  Hans  Falkner  Pfarre  Wegscheid;  2  Holden  der  Brüder  Her- 
leinsberger  in  Kumering  und  Ödt  Pfarre  Griesbach;  2  in  N.  Komering 
und  ödt  Pfarre  Kellberg. 

'  Siehe  die  Akten  im  Fasz.  R  2  im  Hof  kammerarchiv. 

^  Original  im  k.  allgem.  Reichsarchiv  zu  München,  Repertorium  Hoch- 
stift Passau  442,  290  Bl. 

^  Die  Zahlendifferenz  mit  dem  älteren  Urbar  rührt  daher,  daß  mehrere 
,Gemeiner*  nur  als  Eine  Person  gezählt  sind. 


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267 

1570,  28.  Juni.  ,Der  Herrschafffc  Valckhenstain  ob  der 
Ennß  New  Vrbar'*  schreibt  auf  Blatt  135:  ,Kunig8teur,  so 
die  hernachbeschribnen  underthonen  jarlich  zu  den  Weihenach- 
ten alsbald  der  heilig  tag  verscheint^  darzue  aber  Niemand 
erfordert  wirdet  in  wiener  oder  für  yeden  drey  weiß  phening 
zu  raichen  schuldig^  und  welcher  dieselb  zwischen  ernennten 
und  der  heiligen  drey  Kunigen  tag  bey  scheinender  Sonn 
nit  geraicht  dessen  Haus  oder  grund  von  wem  dann  solche 
Kunigsteur  zu  raichen  gebürt,  ist  diser  Herrschaft  Valcken- 
stain  dn  Mitl  verfallen^  und  so  gedachter  Herrschaft  also  ain 
Haus  oder  Grund  verfeit  so  werden  auf  desselben  Haus  Tach 
drey  Schintl  und  auf  ainem  Grund  drey  Wasen  zu  ainem 
Zaichen  solcher  verfellung  umbgelegt^  des  von  Alter  Herko- 
men.'*  Verzeichnet  sind  von  Holden  der  Herleinsberger  (zu 
Altenhof  und  Hochhaus)  50,  des  Odters  zu  Gözendorf  und 
Liechtenau  64,  des  Starhembergers  zu  Pümstein  5,  des  Hans 
von  Redem  amBerg  10  (11)  (darunter  das  Gut  zuHauzenberg  da 
Wölfl  sizt,  Michl  zum  Dorf  Gut  und  Hofstatt,  die  Kampmüll, 
Sebast.  Pein  zu  Bampertsreut  s.  oben  S.  255),  des  Herrn  von 
Polheim  1,  des  Herrn  von  Herberstein  vom  Sitze  Tänleinsbach 
17,  des  Georg  Neuhauser  zu  Blumau  2,  der  Frühmeßstiftung 
Neufelden  5,  der  Kirche  Sarleinsbach  1,  der  Herrschaft  Leo- 
prechting  [in  der  Abtei]  1,  der  Kirche  Pfarrkirchen  1,  der 
Salburger  2,  des  Pfarrhofes  Haslach  1,  der  Herrschaft  Sprin- 
zenstein  2,  der  Herren  Kaplan  4,  des  Toblhamer  in  Linz  1, 
der  Herrschaft  Falkenstein  6.^ 


^  Kodex  4  der  Urbare  im  Hofkammerarchiv. 

*  Gleichlaatend  im  Rannangler  Urbar. 

'  Sie  folgen  hier  vollständig;  die  Kontrolle  bildet  das  Lebenbach  K.  Laslas. 

1.  Unter  den  Herleinsbergern  zu  Altenhof:  vom  Hof  bau 
daselbst,  vom  Hof  beim  Hochhaus,  zu  Karlesbach  6,  zu  Wemastorf  1 ,  zu 
UnholnOd  4,  zu  Pemerstorf  5,  zu  Höfl  1 ,  zu  Wehrbach  7,  zu  Wurzwal(d)  2, 
in  Gredenbach  S,  der  Greinhof,  ödenreut  1,  Polmansdorf  5,  Affenöd  1, 
Grub  bei  Rohrbach  1,  Ratberg  1,  Weisgraben  Pfarre  Sarleinsbach  1, 
Kelzberg  (GOzenberger  bei  Lembach)  1,  Dorf  Pfarre  Sarleinsbach  1, 
Reut  1,  Absang  1,  Aiglstorf  1,  Krien  Pfarre  Rohrbach  1,  Weiksberg  1, 
HOrleinsberg  1,  Rampertsreut  Pfarre  Peilstein  1. 

2.  Unter  denen  von  ödt  zu  GOzendorf  und  Lichtenau:  zu 
Grub  Pfarre  Rohrbach  1,  Albenedergut,  zu  Hundprening  2,  zu  Ober- 
Merzing  2,  zu  Unter-Merzing  1,  zu  Leiten  1,  zu  Stocket  1,  zu  krien  1, 
zu  Mairhof  1,  zu  Lemerstorf  Pfarre  Sarleinsbach  2,  zu  Bogendorf  1, 
Rümpflergut  bei  Rohrbach   1,  Lanzerstorf  6,  Peilstein  2,  Obernort  bei 

▲rehi?.  ICIV.  Band.  18 


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258 

Die  Bereitungskommission  der  oberösterreichischen  kais. 
Pfandherrschaften  erhob  wirklich/  daß  ,von  versessner  Ktinig- 
steur   wegen,    so   ain   verzigkter   dienst,    ainem   underthon,    so 


Lembach  1,  Volkenstorf  1,  Rampertsreat  Pfarre  PeiUtein  1,  Wernastorf 
bei  Altenhof  1,  Pachhof,  Haidenbof,  Albernberg  2,  Kanzing  2,  Razes- 
berg  2,  Fürbichgut,  Tannet  1,  Wesenbach  2,  Gerastorf  2,  Hözendorf  4, 
aufm  Berg  1,  Harnet  1,  Hinterleiten  2,  Lnghof,  ödt  2,  Lehnergüter  2, 
Steinet  1,  Schachenhof,  Scharten  1,  Wizerstorf  Pfarre  Niederkapell  1, 
Krenan  Pfarre  öpping  4. 

Die  übrigen  Untertanen  der  öder  waren  passaaische  Lehen  (so- 
genanntes Erbstammenamt),  genau  dieselben,  welche  von  den  Haichen- 
bachern 1303  yerlehnt  waren. 

3.  Unter  Pürnstein:  1  Gut  in  SchOnberg  Pfarre  Rohrbach; 
Azesberg  Pfarre  Sarleinsbach,  1  Gut. 

4.  Unter  den  Redern  am  Berg:  Weiksberg  1,  Hanzenberg  1, 
zu  Dorf  Pfarre  Sarleinsbach  3  und  die  Kampmühl,  zu  Rampertsreut  1, 
zu  Gerastorf  2,  zu  Pach  1,  1  Peunt  zu  Praztrum. 

5.  Unter  dem  Polheimer:  Orell  1  Gut. 

6.  Unter  (Kirche)  Peil  stein:  zu  Lemerstorf  2. 

7.  Unter  Dan telsbach  (vormals  der  Kaplan):  zu  Dantelsbach  3, 
zu  Steineck  Pfarre  Rohrbach  4,  Pfeffermtihl,  Kolonöd  1,  Reut  1,  Wa- 
kolbingergut,  Schiferlgut,  Dorf  1,  Ruezlastorf  1,  Khagergut,  Aiglstorf  1, 
SchOnberg  1. 

8.  Unter  Blum  au:  ödt  bei  Niederkapell  1,  1  Gut  zu  Kaplan 
Leiten  bei  Dantelsbach. 

9.  Unter  Frtihmeßstiftung  Velden:  Peilstein  2  Häuser,  dann 
die  Pfarrhofgründe,  Exenschlag  3. 

10.  Unter  der  Kirche  Sarleinsbach:  1  zu  Ober-Krenau. 

11.  Unter  Leoprechting:  1  zu  Vordorf  Pfarre  Peilstein. 

12.  Unter  der  Kirche  Pfarrkirchen:  AlbernOdergut  am  Pfarrwald. 

13.  Unter  den  Salburgern:  Pergern  2  Güter. 

14.  Unter  dem  Pfarrhofe  Haslach:  Pfefferhof  Pfarre  Rohrbach. 
16.  Unter  Sprinzenstein:  1  zu  Dorf,  dann  der  Ruezhof. 

16.  Unter  den  Kaplan:  2  zu  Finsing  a.  d.  Rauna,  1  zu  Krams- 
rent  bei  Puzleinsdorf,  1  zu  Hueb. 

17.  Unter  dem  Toplhamer  in  Linz:  1  Gut  zu  Schönberg. 

18.  Unter  Pürnstein  noch  1  Gut  in  Azesberg,  1  in  Khamberg 
(Kainberger,  Pfarre  Altenfelden),  1  in  Diendorf,  Pfarre  Peilstein. 

19.  Unter  Falkenstein  selbst  (wohl  zurückgelangte  Lehen): 
1  Gut  in  Etzlastorf,  2  Güter  in  Peilstein,  2  Güter  in  TannerOd  bei 
Peilstein. 

Im   17.  Jahrhundert   wurden  zwei  kOnigsteuerpflichtige  Güter  in 

Sweikerstorf  und  Mittereck  zur  Herrschaft  Wachsenberg  gezogen,  wie 

aus  einem  Urbar  dieser  Herrschaft  im  Hofkammerarchiv  zu  ersehen  ist. 

^  Relation  der  Kommissarien  ddo.  Valgkhenstain  1570,  28.  Juni,  im  Fasz.  F  1 

im  Hofkammerarchiv. 


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259 

Herrn  v.  Traun  zuegehörig  gewest,  noch  vor  vierzig  Jam  (1530) 
der  Valgkenstorflfer  Hof  zu  diser  Herrschaft  eingezogen  und 
bißher  zu  dem  Schloß  gebraucht  worden/  Es  war  dies  das 
Mairgut  zu  Volkenstorf  bei  Lembach,  welches  ,mit  dienst  dem 
Herrn  v.  Traun  gehen  Eschlberg  gehörig  gewest  und  allain 
blößlich  die  Ktinigsteur  auf  die  Herrschaft  Valkchenstain  ge- 
raicht  und  noch  vor  etlich  vill  Jarn  des  grossen  und  hohen 
diensts^  wegen  ödt  gelegen  und  von  wegen  der  Kilnig 
Steur  zu  der  Herrschaft  Valckenstain  einzogen  worden^*  Der 
Irei  ledig  heimgefallene  Hof  (bisher  ein  ,freystift')  wurde  vom 
Kaiser  Max  H.  1572,  31.  Dezember,  dem  Untertan  Michael 
Schlachinweidt  gegen  jährlichen  Dienst  von  4  Motzen  Korn, 
8  Motzen  Hafer  in  Feldner  Maß,  in  Geld  2  ß  y^,  auch  mit  ge- 
bührlicher Landsteuer  und  Robot  vererbrechtet  und  aus  der 
Herrschaft  ins  Vizedomamt  gezogen.^ 

Im  Jahre  1573  sollte  gegen  drei  passauische  Hintersassen 
(Wolfgang  Wemhardt  zu  Haunerstorf,  Pankraz  Kramer  zu 
Hapfiastorf,  Andre  Rot  zu  PfaflFenreut  in  der  Abtei),  von  denen 
ersterer  ftlr  die  Jahre  1571  und  1572,  die  beiden  anderen  flir 
1572  die  Königsteuer  nach  Rannarigel  ausständig  geblieben, 
mit  der  Einziehung  der  Güter  vorgegangen  werden,  doch  wurde 
über  eingeholtes  Rechtsgutachten  von  der  niederösterreichischen 
Kammer  über  Fürbitte  ihrer  Obrigkeit  allen  dreien  die  Fällig- 
keit ihrer  Güter  für  dieses  Mal  nachgesehen,  bloß  eine  Geld- 
strafe auferlegt,  im  Wiederholungsfalle  jedoch  die  Einziehung 
der  Güter  ohne  fernere  Gnade  angedroht.* 

Die  Bauern  unter  Ulrich  Herleinsberger  zu  Altenhof 
ftlhrten  im  Jahre  1525  unter  andern  auch  diese  Beschwerde 
,Zum  elftn  sein  ettlich  groß  beschwert  mit  der  kunigstewr 
oder  wiener  phening,  welliche  wir  nit  leichtlich  mügen  zu 
wegen  pringen'.^ 


^  Laut  Einlage  an  ,GeU  3  0  3/^,  Schwein  1,  Khäß  8,  Hennen  8,  Ayr 
4  Jg,  Weihnachtbrod  1,  Baumöl  4  Uy  Schott  Haar  2,  Korn  16  Mezen, 
Hafer  32  Mezen'. 

'  Bericht  des  Yizedoms  Ginger  1683,  26.  März,  Fasz.  F  1. 

'  Konzept  im  Fasz.  F  1.  Der  Hof  kommt  im  Urbar  des  Vizedomamtes 
c.  1710  vor,  oberOsterreichisches  Landesarchiv. 

*  Bericht  des  Pflegers  Achaz  von  ödt  1673,  16.  Mörz,  Gutachten  Abraham 
Lansers  1673,  21.  April,  Original;  Kammerbeschluß  1673,  13.  Mai,  Kon- 
zept, Fasz.  R  2  im  Hof  kammerarchiv. 

'  Stmadt,  Bauemaufrubr  im  Mühlviertel,  Linzer  Mus.-Ber.  1868,  S.  2. 

18» 


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260 

Hierzu  kommt  noch  die  Beobachtung,  daß  die  Recht- 
lehn er  der  Herrschaft  Falkenstein  in  den  Ämtern  Hamet  und 
Kramel  nicht  dienen,   sondern   bloß   die  Königsteuer  reichen. 

Aus  vorstehenden  Darlegungen  ist  folgendes  zu  erschließen: 

1.  Die  Königsteuer  ist  eine  Lehensteuer;  so  genannt 
von  dem  obersten  Lehenherm,  dem  deutschen  König. 

2.  Sie  war  von  den  Inhabern  von  Lehen  an  die  Grund- 
herrschaften zwischen  der  Hz  und  der  Großen  Mühel  zu 
entrichten;  auf  dieses  Gebiet  ist  die  Bezeichnung  König- 
steuer beschränkt.^ 

3.  Der  Natur  einer  Lehensteuer  entsprechend,  war  sie  ein 
verztigter  Dienst,  d.  h.  wurde  die  Lehenpflicht  nicht  rechtzeitig 
erfüllt,  wozu  es  keiner  Ansage  wie  bei  der  Stift  bedurfte,  so 
wurde  das  Lehen  dem  Lehenherm  heimfällig,  daher  dasselbe 
eingezogen. 

4.  Der  Umstand,  daß  viele  Güter  unter  ft'emden  Grund- 
herrschaften zur  Herrschaft  Falkenstein  königsteuerpflichtig 
waren,  ist  einzig  aus  der  Tatsache  zu  erklären,  daß  sämtliche 
landesftürstliche  Lehen  im  Mühellande,  d.  i.  zwischen  Ranna  und 
Großer  Mühel,  von  Falkenstein  ausgingen,  woraus  sich  wei- 
ters ergibt,  daß 

5.  diese  fremden  Güter  ursprünglich  Bestandteile  der 
Herrschaft  Falkenstein  waren  und  von  dieser  an  dritte  Herren, 
geistliche  und  weltliche,  veräußert  oder  verliehen  wurden,  mit 
Vorbehalt  der  Leistung  der  Königsteuer  als  Anerkennung  des 
falkensteinischen  Lehenbandes.^ 

Es  unterliegt  daher  wohl  keinem  gegründeten  Bedenken, 
alle  jene  Objekte,  welche  zwar  anderen  Grundobrigkeiten  unter- 
worfen waren,  aber  nach  Falkenstein  die  Königsteuer  reichten, 
in  den  ursprünglichen  Bestand  dieser  freien  Herrschaft  einzu- 
beziehen  und  auf  diese  Weise   ein  Bild  der  vormaligen  Aus- 

*  Wenn  Roger  von  Haichenbach  1302,  2.  Februar  (Strnadt,  Velden  180), 
dem  Kaihoch  von  Falkenstein  und  dessen  Sohn  Heinrich  fttr  Übernahme 
einer  Vogtei  10  Passauer  Pfennige  jährlicher  ,Chnonig8teuer'  auf  zwei 
Gütern  bestellt,  so  ist  der  Ausdruck  für  diese  Vergütung  nur  abusive 
gebraucht,  gänslich  verfehlt  aber,  wenn  in  dem  Verzeichnisse  der  Ein- 
künfte des  Bischöfe  von  Passau  im  ersten  Viertel  des  14.  Jahrhunderts 
der  Schreiber  bei  einem  Gute  in  der  Pfarre  Waldkirchen  am  Wesen  zu 
minuta  servitia  den  erklärenden  Satz  ,qui  vulgariter  Chunigsteur  nun- 
cupatnr*  (Notizenblatt  1853,  S.  193)  beisetzen  zu  müssen  vermeinte. 

^  Vgl.  die  Urkunde  Bischofs  Peter  1269,  19.  November,  S.  264. 


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261 

dehnimg  derselben  herzustellen.  Die  Identifizierung  der  ein- 
zelnen Liegenschaften  ist  ermöglicht  durch  den  Vergleich  der 
alten  Urbare  mit  den  alten  Grundbüchern. 

Die  Markungen  der  Herrschaft  Falkenstein  heben  sich 
genau  ab  von  dem  hochstiftischen  Besitze  durch  die  Waldun- 
gen und  Fischwässer.  Nach  den  Urbaren  von  Rannarigl  1510 
und  1581  und  von  Falkenstein  1570  gehörten  zu  Falkenstein: 

L  Waldungen.^ 

a)  Allein:  Der  Eriegwald  zwischen  Finsterbach  und 
Trübbachl,  die  Leiten  unterhalb  Altenhof,  das  Mühlholz  bei 
Wemastorf,  das  Schreiberholz  zwischen  dem  Schreiberödergute 
und  dem  Holz  der  Spilleitner  anstoßend  an  den  Wald  des 
Pfarrers  von  Pfiarrkirchen. 

b)  Gemeinschaftlich  mit  Rannarigel:  Der  sogenannte 
Gemeinwald,  welcher  an  den  Kriegwald  im  Süden  anstoßt,  und 
der  Pfiarrkirchner  Wald. 

c)  Gemeinschaftlich  mit  Rannarigel  und  Sprinzen- 
stein:  Die  kleinen  Waldungen  Hochholz  und  Dietrichstuben 
Dächst  dem  Ameisberg. 

IL  FischwSsser. 

a)  Allein:  Ein  Stück  bei  der  Obermühl  bis  zur  Mündung 
des  sogenannten  Stierbachs  ins  Mitterwasser  (Exklave  Wilden- 

^  Der  Kriegwald  existiert  nar  mehr  als  Ortschaft,  welche  gans  auf  Falken- 
steinschem  Boden  angelegt  worden  ist.  Von  dem  Gemeinwalde  besteht 
noch  ein  bedeutendes  Stück,  so  von  den  Ortschaften  Heinrichsberg,  Vor- 
derschiff nnd  Unterleiten  in  der  Richtung  gegen  das  k.  bayrische  Zoll- 
amt Kohlstatt  hin,  worin  die  benachbarten  Baaem  der  Pfarren  Peilstein, 
Kollerschlag,  Julbach  ihre  HOlzer  haben.  Der  Wald  führt  im  Volksmnnde 
die  Beseichnang  ,in  der  Lacken',  dem  Verfasser  wohl  bekannt,  weil  er 
im  Gerichtsbesirke  Rohrbach  in  den  Katastralgemeinden  öpping,  Nebelberg 
(Eppenberg),  SchOlling,  St.  Leonhard  die  neuen  Grundbücher  anlegte. 
Die  beiden  Ortschaften  Stift  am  Grenzbach,  Heinrichsberg  sowie  Unter- 
leiten sind  erst  seit  dem  16.  Jahrhunderte  auf  dem  Waldboden  entstan- 
den. Ebenso  die  Häuser  in  Heinrich-  und  Mitterschlag  am  Ameisberg. 
Vgl.  ,Der  72  Hejsler  im  Mittern-  und  Hainrichschlag  wie  auch  Hein- 
richsberg, Stü£ft  und  Kleinleithen,  so  baiden  Herrschafften  Rännaridl 
und  Falkenstain  mitteinander  gehörig  sein,  Ordinarj  Einkomben'  1677 
in  den  Altenhofer  Archivalien  im  Linser  Museum.  Die  Rechnungen 
1681/82  und  1688/84  weisen  Vererbrechtungen  von  Raumrechten  ans. 


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262 

ranna),  der  Tädlaspach  von  den  Gründen  der  Hohenschlager 
und  Weberschlager  bis  zur  Wehr  des  Bi*uckmüllers^  das  Mos- 
bachl  (Kranawitbachl),  der  Lembach  von  seinem  Ursprünge  im 
Holze  bis  an  den  Grund  des  Höflers  in  Höfl,  der  Wemaspach 
(jetzt  Wilramsbach). 

b)  Gemeinschaftlich  mit  Rannarigel:  Das  Schlechreit- 
bachl  und  das  Hallabachl  bei  Wildenranna,^  das  Mitter wasser 
(die  Ranna)  bis  zum  Eizendorfer  Steg,  der  Gredenbach,  der 
Haselbach,  der  Aubach,  der  Leitenbach  bei  Albenöd,  der  Pla- 
henbach  (entspringt  in  der  Schröckleiten),  der  Letmanstauf 
(jetzt  Kollerschlagerbach,  entspringt  bei  Enzesreut,  ftült  ins 
Osterwasser),  das  Flenklbaclil  zwischen  Lengau  und  Schröck, 
der  Imbach  bei  Lengau,  das  Kirchbachl  (entspringt  bei  Schop- 
per,  rinnt  in  den  Letmanstauf),  die  Kleine  Mühel  vom  Ursprung 
bis  zu  dem  Punkte,  wo  die  Hausgründe  von  Kramel  aufhören, 
der  Pfeilbach  bei  der  Pfeilmühle,  der  Hangernbach  bei  Han- 
ging, der  Mistelbach. 

c)  Gemeinschaftlich  mit  Rannarigel  (VJ  imd  Weg. 
scheid  (^g),  daher  zu  ^4^  Das  Osterwasser  (der  jetzige  Grenz- 
bach). 

d)  Gemeinschaftlich  mit  Wegscheid:  Vom  Mitter- 
wasser ein  Ort  vom  Schlechreutbach  bis  zur  Ranna  (Wildenranna). 

e)  Gemeinschaftlich  mit  Marsbach:  Der  Viechbach 
(Ebrastorferbachl)  bei  der  Schreiberöd  bis  zum  Einfall  in  den 
Tädlasbach,  der  Lembach  längs  den  Gründen  des  Höfler,  die 
Kleine  Mühel  vom  Ende  der  Kramlergründe  bis  zur  Gumpen- 
mühle  (Pfarre  Öpping),  der  Krenauerbach  bis  zum  Furt  der 
Unterkrenauer. 

Die  Märkte  Hofkirchen  mit  39  Burgrechten*  und  Rohr- 
bach mit  43  Burgrechten,  vom  Aigen  Lembach  18  Hofstätten 
und  eine  Solde  waren  Falkenstein  unterworfen;  dieser  Herr- 
schaft stand  die  Vogtei  über  Pfarrkirchen,  dessen  Pfarrer  zur 
Entrichtung  des  Posseßgeldes   gehalten  war  und   die  Briefe  in 


*  Laut  Bl.  182  des  Falkensteinschen  Urbare  hatte  Bischof  Urban  von 
Passau  von  Falkenstein  zwei  Drittel  der  Öden  Schlechreutt  zu 
Lehen. 

'  1333,  1.  September  verlieh  Herzog  Albrecht  IL  ,den  beschaiden  leut  zu 
Hofkirchen'  einen  Wochenmarkt  an  jedem  Erchtag  und  bewilligte,  daß 
sie  jährlich  6  Pfand  Salz  ,klainer  kueflen*  verkaufen  mögen.  Kopie  im 
Hof  kammerarchiv  Fasz.  H  11   17440/1  9. 


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263 

Falkenstein  fertigen  lassen  mußte,  und  über  das  Benefiziom 
St.  Ulrich  in  Hofkirchen  zu. 

Über  das  Aigen  Putzleinsdorf,  welches  bis  1570,  und  über 
das  Urbaramt,  das  bis  1803  zum  Kloster  Kiedemburg  in  Passau 
gehörte,  übte  Falkenstein  nicht  allein  die  Vogtei,  sondern  auch 
die  Halsgerichtsbarkeit  aus;  eine  auffidlende  Tatsache,  daß  das 
Hochstift,  das  selbst  die  entfernten  Untertanen  des  Klosters 
St  Florian  am  Windberg  von  Velden  aus  bevogtete  und  selben 
die  Verpflichtung,  das  Malefizrechten  daselbst  zu  besitzen,  auf- 
erlegte, bezüglich  der  im  passauischen  Landgerichte  Velden 
seßhaften  Holden  des  dem  Hochstifte  inkorporierten  Frauen- 
klosters gar  nicht  in  Anspruch  nahm.  Nach  Falkenstein  waren 
sie  robotpflichtig,  dort  hatten  sie  die  Fertigung  zu  nehmen, 
wenn  auch  die  Verhöre  durch  Richter  und  Geschwome  in 
Putzleinsdorf  geschahen.  Der  Richter  reichte  nach  Falkenstein 
zu  Michaeli  3  S>  /iS,  zu  Ostern  S  U  4  jS  ^%  Grunddienst,  die 
Urbarbauem  überantworteten  gen  Falkenstein  um  Michaeli 
30  Schott  überhechelten  Haar,  zu  Weihnachten  ö  Mut  1  Metzen 
Hafer,  70  Hennen  und  70  Käse.* 

Als  Herrlichkeiten  von  Falkenstein  sind  noch  hervorzu- 
heben die  drei  Mauten:  in  der  Lastatt  Nieder-Ranna  von  dem 
Schmalz,  das  aus  Böhmen  dahin  gebracht  und  dann  weiter 
nach  Passau,  Bayern  und  Tirol  verführt  wurde,  in  der  großen 
Hoftnark  Wildenranna  von  allen  möglichen  Ai*tikeln  und  vom 
Viehtrieb,  in  Klaffer  von  den  Ochsen,  welche  aus  Ungarn 
durch  den  Klafferwald  getrieben  wurden.  Bei  der  Maut  in 
Wildenranna  wurde  1512  von  Kaiser  Max  ein  Aufschlag  auf 
das  ft'emde  Salz  eingeführt;  um  die  Maut  zu  umgehen,  schlu- 
gen die  Kaufleute  den  Weg  von  Hauzenberg  über  Nereut 
durch  den  Gemeinwald  nach  Seidlschlag,  Salnau,  Pfaffetschlag 
über  den  Sperbichl  nach  Oberplan  ein.  Nach  der  Grenzregu- 
lierung von  1765  ging  die  Maut  ein.    Die  Maut  in  Klaffer  ver- 

^  Güter  und  Häuser  3,  4,  6  in  Konradsdoi-f  (Kaindlstorf ) ;  1,  4,  5,  47  in 
Mairhof  bei  Lembach;  1—6  in  Giotzing;  1,  2,  3,  4,  6,  7,  9,  10,  11,  12 
in  Pemerstorf;  1,  2,  4,  5,  6,  7,  8  (StOlzimOhle)  in  Egnastorf;  NeumUhle 
Nr.  46  von  Putzleinsdorf;  1—6,  8,  9  in  Mennersdorf;  1,  3,  6,  6  (Grund- 
hof), 9  und  11  (erstes  und  zweites  Gut  zu  Mos),  13  (Gut  an  der  Wimm); 
2,  3,  6,  6  (Gut  am  HOlzl),  7  (Gut  am  Riedleinsberg)  und  9  zu  Tagles- 
bach. 

*  ,Des  gerichts  Putzistorf  Ehehafft*  in  der  Sammlung  der  oberOsterreichi- 
scben  Weistümer  von  Dr.  Hans  Lambel. 


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blieb  bei  Falkenstein,  nachdem  der  Herrschaft  schon  längst 
das  Amt  Klaffer  abhanden  gekommen  war.^ 

Der  eingangs  aufgestellte  Satz,  daß  die  königsteuer- 
pflichtigen fremden  Güter  von  Falkenstein  zu  Lehen 
ausgetan  worden  waren,  wird  dadurch  bewiesen,  daß  sich 
bei  Vergleichung  der  einzelnen  Güter  mit  den  vorhandenen 
Lehenbriefen  über  dieselben,  besonders  mit  dem  Lehenbuche 
König  Laslas,  die  Tatsache  herausstellt,  daß  sie  sämtlich  landes- 
fürstliche Lehen  sind,  welche,  wie  bei  einigen  ausdrücklich  er- 
wähnt ist,  von  Falkenstein  rühren.  Einen  ziendich  vollständigen 
Nachweis  derselben  enthält  des  Verfassers  Abhandlung  über 
das  Landgericht  Velden.* 

Eine  zweite  große,  mit  Grafenrechten  ausgestattete  Grund- 
herrschaft war  jene  der  Herren  von  Griesbach,  welche  durch 
die  Herrschaft  Falkenstein  in  einen  westlichen  Teil  in  der  Abtei 
und  in  einen  östlichen  an  der  Großen  Mühel  gespalten  wurde. 
Den  Umfang  des  ersteren  kennen  wir  genau,  weil  die  Bischöfe 
von  Passau  es  für  zweckmäßig  ansahen,  denselben  nicht  lange 
nach  dem  Heimfalle  zu  verzeichnen  (s.  S.  145 — 147  dieser  Ab- 
handlung). 

Bei  dieser  Gelegenheit  sei  festgestellt,  daß  Jochenstein 
mit  seiner  nächsten  Umgebung  nicht  zum  Herrschaftsgebiete 
der  Griesbacher  gehört  hat,  wie  aus  folgender  Betrachtung  er- 
hellt. Am  13.  März  1222 »  erklärte  König  Heinrich  wegen  Be- 
fehdung des  Hochstiftes  Passau  außer  den  Edlen  Alram  und 
Albert  von  Hals  und  deren  Dienstleuten  noch  verschiedene 
andere  ritterliche  Leute,  in  welchen  wir  unzweifelhafte  Vasallen 
der  Grafen  von  Viechtenstein  erkennen,  in  die  Reichsacht  und 
nennt  unter  den  Burgen  derselben  neben  Hals  und  Viechten- 
stein auch  Johenstain.  In  diesem  Zeitpunkte  waren  die  vor- 
maligen Griesbacher  Eigen  allen  Umständen  nach  schon  vom 
Hochstifte  eingezogen;  passauische  Lehenleute  von  Jochenstein 
tauchen  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  auf, 
können  daher  ftiglich  nicht  1222  das  Schloß  innegehabt  haben. 
Der  Umstand,   daß   unter  den  Burgen  ausdrücklich  Viechten- 

^  Akten  im  Fasz.  F  1  im  Hofkammerarchiv.  Im  Jahre  1569  trag  die  Maut 
in  Wildenranna  61  fl.  3  ^  2  /^,  die  Schmalzmant  in  Nieder-Ranna  40  fl. 
2  /  20  4. 

*  Linzer  Musenmsbericht  1860,  S.  257—259/185—186. 

»  Mon.  Boic.  XXXIa,  510. 


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stein  genannt  ist^  läßt  keinen  Zweifel  übrige  daß  die  Achterklä- 
nmg  in  der  Fehde  des  Grafen  Chunrad  von  Viechtenstein  mit 
dem  Bischof  G^bhard  von  Passaa  ausgesprochen  wnrde;^  Jo- 
chenstein muß  demnach  im  Besitze  des  ersteren  gewesen  und 
wohl  auch  bereits  seinen  Vor&hren  zugestanden  sein. 

Aus  der  Tatsache,  daß  Groß-Mollesberg  noch  zum  Herr- 
schaftsgebiete von  Griesbach  gehörte  (s.  den  fünften  Abschnitt, 
S.  146),  Klein-MoUesberg  aber  zum  Schlosse  Jochenstein,  wel- 
ches nach  der  Wiedererwerbung  von  Eberwin  dem  Jochen- 
steiner (1300)  als  Amt  der  Pflege  Oberhaus,  nachmals  Obern- 
zell  einverleibt  worden  ist,  zugeteilt  war,  läßt  sich  die  Grenze 
des  Viechtensteiner  Gebietes  am  linken  Donauufer  genau  be- 
stimmen. Nach  dem  Urbar  des  Landgerichtes  der  Abtei  vom 
Jahre  1545*  begriff  das  ,Ambt  Johenstain'  die  6  Bauern  am 
Riedl  bei  Jochenstein,  die  Leitenmühle,  die  2  halben  Höfe,  den 
Fischer  und  die  Seide  zu  Jochenstein,  die  Tafern,  die  7  Lehen 
und  2  Seiden  zu  Gotsdorf  (Götzenstorff),  den  Geberzhof,  die 
Schlatlmühle,  die  2  Gütlein  zu  Höhenberg,  die  2  Lehen  zu 
Wesseslinden,  den  SchweinhöUerhof,  die  2  Lehen  zu  Wüsten- 
berg, 4  Lehen  zu  Linden,  1  Lehen  zu  Ramesberg,  die  2  Lehen 
zu  Ober- Aschenberg,  der  Kranwithof,  2  Lehen  zu  Haizendorf 
und  die  3  Lehen  zu  Klein-MoUesberg.'  Das  Rannarigler  Urbar 
vom  Jahre  1510  bestätigt,  daß  nach  Jochenstein  alle  4  Güter 
in  Linden,  die  2  Güter  in  Vetzeslinden,  die  2  Güter  in  Höhen- 
berg und  von  den  4  Gütern  in  Ramesberg  eines  gehörten  (die 
übrigen  3  in  letzterem  Orte  dienten  den  Nonnen  in  Niedem- 
burg).  Diese  Zugehörigkeit  nach  Jochenstein  muß  eine  ur- 
sprüngliche sein,  weil  gerade  die  genannten  örtlichkeiten  im  Ver- 
zeichnisse des  13.  Jahrhunderts  (S.  146)  fehlen.  Groß-Mollesberg 
wird  noch  als  Griesbacher  Eigen  aufgeführt,  dagegen  Elein- 
Hollesberg  nicht  mehr;  hiemach  muß  das  Schloßgebiet  Jochen- 
stein Heizendorf,   Forstedt  und  Klein-MoUesberg  noch   einge- 


^  Strnadt,  Velden  128,  Sonderabdrack  55. 

*  BUtt  186.  Siehe  darüber  8.  273. 

*  KOnigstener  reichten  nur  der  Holde  von  Ramesberg,  der  Kranwithof,  die 
2  Lehen  sn  üaisendorf  nnd  die  3  zu  Klein -Mollesberg,  dann  folgende 
Holden,  die  unter  anderen  Herren  saßen :  3  in  Nieder-Aschenberg,  2  in 
Haizendorf,  2  in  Eidenberg  [Wegscheid],  1  in  Loizesberg.  Letztere  sind 
daher  als  orsprüngliche  Eigenleute  von  Jochenstein,  d.  i.  Viechtenstein 
anzusehen. 


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schlössen  und  die  Markang  zwischen  Klein-  und  Groß-MoUes- 
berg  die  Donauleiten  —  in  der  Nähe  des  sogenannten  Frauen- 
steiges —  hinab  den  Strom  gegenüber  von  Engelhartszell  er- 
reicht haben. 

Über  den  Besitz  der  Griesbacher  an  der  Großen  Mtihel 
mangeln  eingehende  Angaben;  derselbe  läßt  sich  jedoch  nach 
anderen  Anhaltspunkten  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  bestim- 
men. Die  Große  Milhel  bildete  die  Ostgrenze,  jenseits  dieses 
Flusses  lag  Blankenbergergut  (s.  S.  151 — 160);  wir  wissen 
dagegen,  daß  der  Markt  Velden*  ihnen  gehörte.  Wir  kennen 
das  Urbar  von  Marsbach  aus  dem  Zeitpunkte,  in  welchem 
dieses  Schloß  vom  Hochstifte  erworben  wurde,  es  war,  wie 
aus  der  Anmerkung^  ersichtlich  ist,  ziemlich  unbedeutend. 
Noch  weniger  bedeutend  war  der  Lehenbesitz  der  Haichen- 
bacher in  der  unmittelbaren  Umgebung  der  Burg  Haichenbach: 
2  Güter  in  Kaindlstorf,  2  in  Wizerstorf,  3  Güter  und  4  Hof- 
stätten in  Dorf  bei  Haichenbach,  das  Ramesedergut,  3  Puch- 
brunnergüter,  alles  in  der  Pfarre  Niederkapell,  2  Mühlen  in 
Taglesbach  und  der  Wegerhof  zu  Wögerstorf  Pfarre  Putzleins- 
dorf, 2  Güter  und  4  Hofstätten  zu  Harau  und  2  Güter  zu 
Obernberg  Pfarre  Pfarrkirchen.'  Ob  die  unmittelbaren  Lehen: 
das  Burgstall  Haunstein  und  der  Wald  bis  an  den  Finsterbach, 
die  18  öden  Hofstätten  in  Ödenkirchen,  11  in  Mitterreut  (Name 
einiger  Häuser  zwischen  Ödenkirchen  und  Breitenstein),  26  in 
Oberneudorf,  3  Lehen  in  Perlesreut,  21  Hofstätten  in  Natschlag 
samt  Mühle,  4  öde  Hofstätten  und  7  Lehen  in  Geiselreut, 
2  Lehen  und  6  Hofstätten  zu  Öpping,  Stadlingergut  und  Fleck, 

*  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  II,  480. 

*  In  Ezenberg  vor  dem  Schlosse:  1  Hof,  eine  große  Wiese  in  Wiesen, 
2  Lehen  und  1  Mtthle  in  HontsfÜlUng,  2  Lehen  in  Hag,  1  Lehen  in 
Stifting  (Stüfirn),  2  Lehen  in  Mairing,  2  Lehen  in  Mairhof  bei  Sarleins- 
bach, 8  Lehen  und  1  Mühle  (Schaflmahle)  in  Mtthel  Pfarre  Sarleius- 
bach,  3  Lehen  in  Sechsling  bei  Rohrbach,  2  Lehen  im  Winkel  Pfarre 
Aigen,  1  Lehen  in  öd  unter  Peilstein,  1  Lehen  und  1  Mühle  in  Ripa 
bei  Mairing,  4  Lehen  in  Schrateutobel,  2  in  Reicholmsöd,  2  ad  jocula- 
tores,  1  Hof  in  Harnet  bei  Griesbach,  6  Lehen  in  Englmausdorf,  2  in 
Obernberg  (Ahomperg),  1  Lehen  in  den  Rosen  (Rosenauer),  die  Kling- 
mühle. Einige  andere  Güter  waren  hierzu  erworben  worden,  nicht  ur- 
sprüngliches Urbar.  Verzeichnis  Mon.  Boic.  XX VIII  b,  466;  vgl.  Stmadt, 
Velden  159—160. 

'  Kaufbrief  vom  Jahre  1337  im  k.  allgem.  Reichsarchiv  München;  Buchinger 
II,  20. 


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2  öde  Lehen  in  Ktimerding  und  die  Mühle  in  Peherstorf,  sowie 
die  verlehnten  Güten  in  Schtirfenöd,  Hangsberg,  Fischbach^ 
Hehenberg,  Obennairhof,  Pütersberg,  Scherergut  in  Salaberg, 
Auerbach;  Qötzendorf,  Azesberg,  Ober-Gahleiten,  Arbesberg, 
Kilmerding;  Gollner,  Marbach^  Krondorf,  Tierberg,  Erlet, 
Grillperg,  Kickingeröd,  Steining,  Herhag,  Wald,  Schwand, 
Wolf,  Kanden,  Krenau,  Ramlergut,  WoUerstorf,  Diepoltsberg, 
Weger,  Zaglau,  wie  selbe  in  dem  Kaufbriefe  1303,  30.  Juni^ 
aufgezählt  werden,  in  ihrer  Gesamtheit  ursprünglich  dem  Hoch- 
stifte zuständig  waren,  läßt  sich  nicht  entscheiden.  Auch  die 
Tannberger  an  der  Kleinen  Mühel  wurden  erst  nach  und  nach 
mit  Lehen  ausgestattet,  die  früher  Griesbacher  Eigen  waren, 
wie  dies  sicher  der  Fall  ist  bei  den  zwei  Lehen  ,ex  opposito 
fori  in  Chapell  prope  Raenna^,  welche  der  ältere  Walter  von 
Tannberg  1259  dem  Bischof  Otto  für  Heinrich  von  Hartheim  auf- 
sandte ;^  denn  gegenüber  von  Oberkapell  liegt  Grubberg  in  der 
jetzigen  Pfarre  Rannariedl,  welche  unter  den  Grafen  von  Viechten- 
stein  und  den  Herren  von  Griesbach  geteilt  war;  erst  im  weiteren 
Verlaufe  des  14.  Jahrhunderts  vergrößerten  die  Tannberger 
durch  zahlreiche  Ankäufe,  über  welche  wir  urkundliche  Nach- 
weise besitzen,*  ihr  Urbar,  wie  schon  Ulrich  von  Tannberg  von 
Karl  von  Kirchberg  dessen  passauisches  Lehen  zwischen  der 
Großen  und  der  Kleinen  Mühel  erworben  und  den  Grund  zu 
dem  Amte  Kirchberg  gelegt  hat,  das  schließlich  bei  der  Herr- 
schaft Pümstein  verblieb.  Es  ist  daher  aus  der  späteren  Inne- 
habung  passauischer  Lehen  noch  nicht  der  Rückschluß  auf  ur- 
sprünglich unmittelbaren  Besitz  des  Hochstiftes  gestattet.  Zu- 
dem ist  bekannt,  daß  der  Markt  Rohrbach,  weit  gegen  Osten 
und  Norden  gelegen,  Falkenstein  als  Grundherrschaft  aner- 
kannte. Gerade  dieser  letztere  Umstand  verbietet,  die  Pfarre 
Altenfelden  als  passauisches  Kolonisationsgebiet  aufzufassen; 
denn  da  namhaftes  Griesbachsches  Eigen,  wie  der  Markt  Vel- 
den  es  schon  1217  war,  hier  nachgewiesen  ist,   kann  nicht  an- 

*  Mon.  Boic.  XXX  b,  207;  vgl.  Velden  173—176  und  Anhang  der  vor- 
liegenden Abhandlang. 

»  a.  a.  O.  XXIX  b,  246. 

'  F.  Wirmsberger,  ,Die  Dynasten  von  Tannberg*  im  Archiv  für  ößterr. 
Qeschichtsquellen,  Bd.  24 ;  Weiß-Starkenfels,  »OberOsterreichischer  AdeV 
im  neuen  Siebmacher  Art.  Tannberg;  endlich  S.  271  der  vorliegenden 
Abhandlung. 


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genommen  werden,  daß  zwei  weltliche  Grundherrschaften  und 
eine  geistliche,  unter  einander  vermischt,  die  Kulturarbeit  ver- 
richtet hätten.  Anders  steht  es  mit  der  Annahme  der  Koloni- 
sation durch  Falkenstein  und  Griesbach,  wohl  auch  durch  die 
ßlankenberger,  die  wir  in  allen  Urkunden  in  engem  Verkehr 
mit  den  Herren  von  Griesbach  treffen;  deren  Dienstleute  sind 
auch  ihre  Lehenleute. 

Nördlich  von  Rohrbach  wird  daher  auch  die  Grenze  des 
Besitzes  und  der  Kulturtätigkeit  von  Griesbach  und 
Falkenstein  gesucht  werden  müssen. 

Bei  der  Auffindung  derselben  leitet  uns  die  König- 
steuerpflichtigkeit  falkensteinischer  Lehen,  d.  i.  ur- 
sprünglicher Bestandteile  der  Grundherrschaft  Falkenstein.  Als 
solche  unter  fremden  Herren  sind  im  Urbar  in  dieser  Gegend 
folgende  bezeichnet:  in  Hautzenberg,  Hörleinsberg,  Schönberg, 
Steineck  mit  der  Pfeffermtihle,  Kolonöd,  Weiksberg,  Hund- 
prening,  Ober-Merzing,  Unter-Merzing,  Leiten,  Stocket,  Rümpf- 
lergut, Lanzersdorf  bei  Rohrbach,  Pfefferhof,  Reut,  Krien. 
Hierzu  tritt  die  Wahrnehmung,  daß  nach  den  Urbaren  von 
Falkenstein  und  von  Marsbach  Falkenstein  den  sogenannten 
Krenauer-  oder  Krennbach  von  Oberkrenau  angefangen  bis  zur 
Neumühle  hinab  gemeinsam  mit  Marsbach  (1570  und  1667 
gleichbedeutend  mit  Passau)  zu  fischen  hatte  ;^  der  Bach  stellte 
demnach  eine  vormalige  Markung  vor. 

Für  die  Bestimmung  der  weiteren  Grenze  bietet  das 
große  Marsbacher  Urbar  vom  Jahre  1667  dienliche  Anhalts- 
punkte. Die  Vorlagen  derselben  bildeten,  wie  verschiedene 
Textstellen  verraten,  noch  die  Einzelnurbare  der  größeren  und 
kleineren  Dominien,  welche  nach  dem  Jahre  1529  zur  einzigen 
Pflege  Marsbach  vereinigt  worden  sind,  nämlich  Velden,  Par- 
tenstein, Haichenbach,  Tannberg  mit  dem  Gerichte  Peilstein, 
Marsbach.  Der  Bestand  eines  jeden  ist  abgesondert  vorgetragen; 
voran  Marsbach,  zu  dessen  Urbar  die  wenigen  Untertanen  von 
Haichenbach  (8  in  Dorf,  der  Mairhof  zu  Haichenbach,  1  in  Puch- 


^  Wortlaut  des  Falkensteiner  Urbare  s.  S.  118;  jener  des  Marsbacher  Ur- 
bars  lautet:  ,Mehr  der  Krenbach  erhebt  sich  zu  Krenau  und  wehrt  an 
Steg  oberhalb  der  NeumQll*.  Rubrik:  Gemeinbftche  von  Tannberg  und 
Falkenstein  im  Gericht  Peilstein.  Auch  die  vereinzelnten  passauischen 
Lehen  zu  Wurmbrand  unter  Witigoneng^t  (siehe  S.  169,  Anm.  2)  sind 
füglich  als  ursprünglich  Griesbachscher  Besitz  zu  deuten. 


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bnmn,  2  in  Au,  1  in  Ort,  1  in  Prodi,  2  in  Kaindlstorf,  2  in 
Witzerstorf,  6  in  Haran,  Rameseder,  Weger,  Puchbrunner,  2  in 
Obemberg)^  einbezogen  waren  5  hierauf  folgt  die  Herrschaft 
Tannberg  mit  dem  Hofamt,  dem  Gericht  Peilstein  und  dem 
Amt  Lembach,  sowie  dem  Amt  Tanbergschlag,  dann  die  Herr- 
schaft Velden,  der  Sitz  Partenstein  und  die  Herrschaft  Wesen, 
ganz  zuletzt  auf  Bl.  848  ,die  Ktinigsteur  von  anderer  Herr- 
schaften Underthonen^  nach  Marsbach  zu  reichen  und  von 
BL  921  an  der  Vogthafer,  welchen  2  Untertanen  von  Sprinzen- 
stein,  3  von  Altenhof,  14  des  Klosters  Niedernburg  (in  den  Ort- 
schaften Mairhof,  MennerstorfundAzgerstorf)  abzuliefern  hatten. 
Die  Herrschaft  Velden  xxmtsßte  den  Markt  Velden  (mit 
48  Burgrechten),  Untemberg  (mit  4  Häuseln)  und  1  Häusel  in 
Altenfelden,  dann  noch  17  Häusel.  Als  Untertanen  ,der  Pfleg 
Velden'  sind  speziell  aufgeführt  Stephan  Weeß  zu  Diendorf  Pfarre 
Peilstein,  Matthias  Wegerbauer  zu  Kanden,  Thoman  Ebner  zu 
Eckartsberg,  Michael  Leidner  und  Georg  Glax  zu  Krenau, 
Gregor  Pfoser  am  Ramlerhof,  Georg  Heuraffel  auf  der  Parschled, 
Philipp  Ott  zu  Haselbach,  Marx  Kleebauer  zu  Reut.  ,Volgt  die 
Königsteuer  —  heißt  es  — ,  welche  am  tag  Stephani  in 
heyl.  Weinnacht  bey  dem  Marcktgericht  Neufelden  ein- 
genohmen  und  zur  Herrschaft  verraith  würdt';*  es  sind  165 
Untertanen  von  Ptlmstein,  Lichtenau,  Berg,  Helfenberg,  Götzen- 
dorf, Sprinzenstein  (1),  Blumau,  Partenstein,  Tannberg,  der 
Gotteshäuser  Pfarrkirchen  und  Haslach,  des  Pfarrhofes  Rohr- 
bach und  des  Hochstiftes  Passau  (1  zu  Neundling  bei  Lem- 
bach). Dieselben  befanden  sich  zum  allergrößten  Teile  in  den 
P&rren  Rohrbach  und  Altenfelden,  aber  auch  nicht  wenige  in 
den  Pfarren  Peilstein,  Sarleinsbach,  Niederkapell,  Lembach, 
von  denen,  da  sie  teilweise  sogar  nach  Marsbach  näher  als 
nach  Neufelden  zu  gehen  hatten,  zu  vermuten  ist,  daß  ein  histo- 
rischer Zusammenhang  mit  Velden  bestanden  habe,  der  auch 
unter  den  nachfolgenden  Herren  wirksam  blieb.  In  früheren 
Zeiten  war  — -  ganz  im  Gegensatze  zu  den  schnell  wechselnden 
Einrichtungen  der  Neuzeit  —  das  Beharren  bei  den  alten  Ge- 
wohnheiten ein  ungemein  zähes,  man  hielt  an  dem  fest,  ,was 
von  Alter  herkommend    Velden  war  schon  1217,  1220  die  be- 

^  Gilt  und  Kleindienst  betrag  1596  nur  6  fl.  2  ^  2  ^.    Passauer  Blech- 

kaatenarchiv  Nr.  231,  Fasz.  76. 
'  Urbar  von  Marsbach,  Bl.  444. 


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deutendste,  wenigstens  hervorragendste  Ortschaft  des  Land- 
striches an  der  Großen  Mtihel,  hier  saßen  seit  dem  14.  Jahr- 
hunderte die  Pfleger  und  Landrichter,  hier  blieb  die  Land- 
gerichtsschranne,  der  Fronbote  und  die  Richtstatt  auch  dann, 
als  der  Pfleger  und  Landgerichtsverwalter  nach  Marsbach  ge- 
wandert war.  Der  Marktrichter  führte  in  der  Schranne  den 
Vorsitz,  war  mit  den  minderen  landgerichtlichen  Verrichtungen, 
öfters  auch  mit  der  Verwaltung  der  Pflegen  Velden  und  Parten - 
stein  betraut,  ihm  verblieb  daher  auch  die  Einhebung  und  Ver- 
rechnung der  nach  Velden  gehörigen  Königsteuer.  Es  darf 
deshalb  aus  denselben  Gründen,  die  bei  Falkenstein  ausschlag- 
gebend waren,  der  Schluß  gezogen  werden,  daß  die  fremden 
königsteuerpflichtigen  Güter  einst  Lehen,  von  Velden  ausgehend, 
gewesen  sind,  entweder  noch  von  den  Herren  von  Griesbach 
oder  nachhin  von  Passau  verliehen,  wornach  sie  dem  Bestände 
der  Herrschaft  der  Griesbacher  zuzurechnen  kommen. 

Ziehen  wir  ferner  in  Betracht,  daß  die  passauische  Lehen- 
herrschaft Sprinzenstein  nach  dem  Urbar  1548/1550  kein  ein- 
ziges freies  Eigen  in  sich  begriff  und  alle  Untertanen  derselben 
königsteuerpflichtig  waren,  so  ist  nicht  zu  zweifeln,  daß  ihre 
Markungen  auch  ihren  ältesten  Bestand  anzeigen.  Hiemach  er- 
hielten wir  für  das  Gebiet  der  weltlichen  Grundherrschaften 
Falkenstein  und  Velden  (Griesbach)  am  rechten  Ufer  der  Großen 
Mühel  gegen  den  hochstiftischen  Besitz  gegen  Westen  und 
Norden  folgende  Abgrenzung: 

Im  großen  und  ganzen  ab  Obermtihel  die  Kleine  Mühel 
bis  Hühnergeschrei,  von  hier  durch  Stierberg,  Mairhof  bei 
Altenfelden,  Rumersdorf,  östlich  vom  Grübler,  Unter-Fischbach, 
Pitretsberg,  Kümerding,  Ober-Krenau,  längs  dem  rechten  Ufer 
des  Krennbaches  bis  zu  dessen  Einmündung  in  die  Große  Mühel 
zwischen  Weichsberg  und  Natschlag  etwas  unterhalb  von 
Schlägl. 

Unter  dieser  Voraussetzung  erklärt  sich  auch  viel  besser 
die  Durchsetzung  der  Pfarre  Rohrbach  mit  Falkensteiner  Besitz, 
es  blieb  dann  die  Kolonisationsarbeit  der  Griesbacher  nicht  auf 
ganz  unerklärliche  Weise  schon  eine  Strecke  vor  Rohrbach 
stehen,  vielmehr  drang  sie  vereint  mit  jener  von  Falkenstein 
bis  zur  Großen  Mühel  gegenüber  von  Schlägl  vor,  auf  welchen 
Gang  auch  das  Vorkommen  der  Griesbach-Blankenberger  Va- 
sallen auf  dem  rechten  Mühelufer  hinweist.  Die  Urbarmachung 


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von  Seite  Passaus  ging  dann  den  geraden  natürlichen  Weg 
vom  Donaustrande  aus  durch  die  Pfarre  Sarleinsbach  hindurch 
ebenfalls  nach  Norden   an  das  rechte  Ufer  der  Großen  Mühel. 

Die  vorgetragene  Anschauung  wird  durch  die  Wahrneh- 
mung unterstützt,  daß  verschiedene  Güter  im  späten  Mittelalter 
halb  von  Osterreich  (als  Innehabung  von  Falkenstein)  und  halb 
vom  Hochstifte  Passau  zu  Lehen  rührten:  so  1380  und  1396 
,das  halbe  gesezz  auf  dem  Perg'  ob  Rohrbach  (1542  bereits 
allodialisiert;  vgl.  Stmadt,  Velden  147/75),  1350  der  halbe  Hof 
zu  ,Herleinsperg'  bei  Rohrbach  (,den  leicht  halben  der  von 
pazzau^,  1396  der  halbe  Hof  Gundackers  von  Tannberg  zu 
Ort  (Obernort  bei  Lembach  ,halbe  von  meinem  hem  zu  lehn 
und  von  dem  von  passau  halbe')  ;^  1675  werden  der  halbe  Hof, 
dann  die  halbe  Urbans-  und  die  halbe  Wölfl-Hofstatt  zu  Grub 
als  passauische  Lehen  bezeichnet,^  die  zweiten  Hälften  gingen 
nach  den  im  Eingange  dieses  Abschnittes  angeführten  Urkunden 
von  Osterreich  zu  Lehen. 

Die  Urbare  von  Rannarigel  dürfen  zur  Feststellung  des 
älteren  Besitzstandes  der  Kirche  Passau  nur  in  beschränktem 
Maße  herangezogen  werden;  denn  schon  der  bedeutende  Um- 
feng  dieser  Lehenherrschafk  erregt  die  Vermutung,  es  seien  im 
Laufe  der  Zeiten  an  Rannarigel  bedeutende  Zuweisungen  aus 
unmittelbarem  Kirchengut  erfolgt,  um  dieses  Schloß  für  die 
Gläubiger  des  Hochstiftes  zu  einem  annehmbaren  Pfände  und 
Nutzgenusse  auszugestalten.  Daß  der  östliche  Teil  der  heutigen 
Pfarre  Rannarigel,  daher  auch  die  Stelle,  auf  welcher  der  ,Turm' 
Rannarigel  erbaut  worden  ist,  noch  im  Jahre  1220  Griesbach- 
sches  Gebiet  war,  was  auch  mit  den  Untertanen  von  Ranna- 
rigel in  den  Pfarren  Gotsdorf  und  Griesbach  der  Fall  war,  ist 
aus  dem  Verzeichnisse  S.  145 — 147  zu  ersehen.  Außer  den  Hol- 
den im  Osten,  vermischt  mit  den  falkensteinischen  Untertanen, 
wird  vonseite  Passaus  zur  ersten  Verleihung  an  die  ,Falken- 
steiner'  nur  das  große  Waldgebiet  des  unteren  und  oberen 
Forstwaldes  von  Tumreut  (,Tuttenreut')  Pfarre  Wegscheid  bis 
zum  Pleckenstein  und  Dreisesselberg  im  Norden  und  bis  gegen 
Fürholz  im  Westen  verwendet  worden  sein. 


^  Lehenbücher  der  Herzoge  Albrecht  III.  und  Albrecht  IV.  1380  und  1396 
im  k.  und  k.  HanB-,  Hof-  und  8taat8archiy  in  Wien,  Handschr.  421,  39. 
'  Urbar  Ton  Piberstein  im  Archiv  zu  Helfenberg. 


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272 

Am  Forstwald,  als  dessen  Anfang  noch  im  Jahre  1578^ 
die  Umgebung  von  Turnreut  angegeben  wird,  scheint  die  Ur- 
barmachung lange  Zeit  Halt  gemacht  zu  haben;  die  letzte  Ko- 
lonie, von  Falkenstein  aus  vorgeschoben,  blieb  die  große  Dorf- 
markung  Wilden-Ranna  an  der  Ranna  mit  ihrem  Gemeinwald. 
Über  den  Griesbachschen  Besitz  hinaus  läßt  sich  in  dem  Ge- 
biete nördlich  von  Röhmbach  kein  Kirchengut  von  Passau  vor 
dem  Jahre  1220  nachweisen;  viele  Ortschaften  verraten  schon 
durch  ihre  Namen,  daß  sie  in  der  Neuzeit  entstanden  sind,  wie 
Annatal  Pfarre  Maut,  Ludwigsreut  Pfarre  Grainet,  Theresien- 
reut  Pfarre  Grainet.  Herzogreut  dürfte  in  die  Regierungszeit 
des  Administrators  Herzog  Ernst  von  Bayern  (1517 — 1554)  ge- 
hören, während  Bischofreut  und  Auerspergreut  Pfarre  Grainet 
unter  Bischof  Josef  Franz  von  Auersperg  (1783 — 1803)  ange- 
legt wurden.  Nachweislich  entstanden  Leopoldsreut  Pfarre  Grainet 
unter  Erzherzog  Leopold  (1598 — 1623),  Philippsreut  unter  Bischof 
Johann  Philipp  von  Lamberg  (1690 — 1712),  Raimundsreut  Pfarre 
Hohenau  unter  Bischof  Raimund  Ferdinand  Graf  Rabatta  (1713 
bis  1722),  Vorder-,  Mitter-  und  Hinter-Firmianreut  unter  Bischof 
Leopold  Ernst  Graf  Firmian  (1763—1783).  Um  das  Jahr  1260 
werden  Hz  (Ilzstadt),  Huttum,  Kellberg,  Griesbach  —  das  1223 
noch  Filiale  von  Östemberg  [Estemberg  im  Inviertel]  war  — , 
Hauzenberg,  Wegscheid,  Waldkirchen,  Freyung,  Perlesreut  und 
Röhrnbach  als  Pfarren  aufgeführt.*  Während  den  Bürgern  von 
Ober-  und  Nieder-Griesbach  schon  Bischof  Otto  (1254—1265) 
ihre  Rechte  bestätigt  hatte,  wurden  den  Orten  Hauzenberg  und 
Wegscheid  erst  1359/1360  vom  Bischof  Gottfried  Marktrechte 
verliehen.*  Das  Aigen  Röhmbach,  welches  ursprünglich  den 
Herren  von  Griesbach  zuständig  gewesen,  nachmals  an  die 
Puchberger  zu  Wildenstein  gediehen  war  und  bis  1592  den 
Herren  von  Schwarzenberg  gehörte,    die  es   wieder   mit    der 

^  Anschlag  und  Schätzung  der  Herrschaft  Rannarigel  1578,  25.  Juni, 
Fasz.  R  2  im  Hofkammerarchiy.  ,8ein  guetter  2  meill  wegs  hinein  und 
von  Tuttenreidt  biß  an  den  Plekkenstein,  nach  der  leng,  das  ist  Ton 
mittag  gegen  mitternachtwerdts  drej  grosser  Teutscher  meill  wegs  lang 
und  die  praitten  bej  Tuttenreidt  ain  viertl  meill  im  mitl  ain  meill,  und 
vom  Pleckenstain  biß  geen  Fürholz  zwo  grosser  meill  wegs/ 

«  Mon.  Boic.  XXVIH  b,  488. 

'  Bischof  Leonhards  Kopialbuch  Hochstift  Passau  14  Cod.  germ.  209  im 
k.  allgem.  Reichsarchiv  zu  München. 


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273 

Erbtochter  des  letzten  Puchbergers  (Jakob)  erheiratet  hatten, 
wurde  gar  erst  1624  zum  Markte  erhoben.* 

Von  Wegscheid  bemerkt  die  ,kurze  Auskunft'  (BI.  11), 
daß  über  die  Entstehung  dieser  Ortschaft  gar  keine  Nachricht 
vorhanden  sei,  daß  Wenzelreut  erst  unter  Bischof  Wenzel 
(1664 — 1673)  gegründet  und  die  Pfarre  Breitenberg  sogar  erst 
unter  Bischof  Raimund  Ferdinand  (1713—1722)  errichtet  wor- 
den sei.  Der  Ort,  abseits  vom  Verkehre,  wird  in  dem  Ilzstädter 
Weistum  nicht  erwähnt,  er  mag  lange  eine  kleine  Ansiedlung 
im  Forste  geblieben  sein;  das  von  Lamprecht  (in  der  topogr. 
Matrikel)  dem  Cod.  trad.  von  Suben  (Oberösterreichisches  Ur- 
kundenbuch  I,  427)  entnommene  Zitat  c.  1130  bezieht  sich  auf 
ein  Wegscheid  in  der  Richtung  gegen  die  Vils,  nicht  auf  den 
heutigen  Markt  Wegscheid,  der  allem  Anscheine  nach  kaum 
vor  dem  Eintritte  des  13.  Jahrhunderts  besiedelt  worden  ist; 
bis  dahin  möchte  dieser  Teil  des  Forstwaldes  noch  unter  die 
Herren  von  Griesbach  gehört  haben.  Erst  nach  dem  Anfalle 
ihres  Gebietes  an  Passau  dürfte  die  Urbarmachung  von  Osten 
her  über  das  Osterwasser  herüber  in  Angriff  genommen  und 
auch  diese,  selbst  heute  noch  rauhe  und  wenig  wirtliche  Berg- 
gegend fllr  die  Kultur  gewonnen  worden  sein. 

Auch  in  dieser  Beziehung  gestattet  die  Verpflichtung  zur 
Reichung  der  Königsteuer  eine  nicht  unwichtige  Fol- 
gerung. 

Nach  dem  ,Vrbar  oder  Stüfft  Buch  des  Landgerichts  der 
Abtey'  vom  Jahre  1545*  ist  die  weitaus  größte  Mehrzahl  der 
Güter  dieser  Steuer  unterworfen.  Ausgenommen  waren  nur 
1  Lehen  in  Prasreut  [Huttum],  3  Seiden  in  Rörnbach,  2  Lehen 
in    Grub    [Griesbach],     3    Lehen    in    Haberstorf  [Griesbach], 

1  Lehen  in  Haunerstorf  [Griesbach],  1  Lehen  in  Gotting  [Gries- 
bach], die  Knittlmühle  [Griesbach],  2  Lehen  in  Scherleinsöd 
[Griesbach],  1  Lehen  in  Niederndorf  [Obemzell],  7  Lehen  in 
Loifing  [Hautzenberg],   3  Lehen   in  Donauwetzdorf  (Tymau), 

2  Lehen   in  Hamet  [Obemzell],    2  Halblehen    in   Niederhofen 


*  Bericht  und  Ansk.  von  der  Stadt  und  dem  Hochstifl  Passan,  Bl.  185— 
159,  Cod.  germ.  1742  in  der  k.  Hof-  and  Staatsbibliothek  in  Mfinchen. 

*  Im  k.  allgem.  Reichsarchiv  in  München  Rep.  Hochstift  Passau  143. 
Unter  dem  Landgericht  der  Abtei  wurden  damals  die  Ämter  ROmbach, 
Hautzenberg,  Ffirsteneck,  Hacklberg,  Windberg  mit  Ratzmansdorf  unter 
Ausschluß  des  Pfleggerichtes  Wolfttein  verstanden. 

Archiy.  XCIV.  Band.  19 


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274 

[Obernzell],     1    Lehen    in    Orzstadl,     2   Lehen    in    Nazberg, 

1  Lehen  in  Hetzmansöd,  die  Kaindlmtihle  [Kellberg],  1  Hof 
und  das  Wirtshaus  in  Kellberg,  1  Hof  in  Kapfham  [Kell- 
berg], 1  Gut  in  Schergendorf  [Kellberg],  1  Gut  in  Püechl, 
3  Güter  in  Spechting  [Griesbach],  die  Mühle  in  Stollberg 
[Griesbach],  1  Lehen  zu  Eck,  1  Lehen  zu  Niedemdorf  [Obern- 
zell], 2  Lehen  zu  Loizeradorf  [Tittling],  die  Wiesmühle  [Per- 
leinsreut],  der  Markt  Perleinsreut  [darunter  10  unbehauste 
Lehen],    6    Güter    am   Riedl   [Gottsdorf],    2  halbe  Höfe    und 

2  Häuser  in  Jochenstein,  die  Leitenmühle  bei  Jochenstein, 
10  Lehen  und  Häuser  in  Gottsdorf,  der  Schweinheldenhof, 
2  Güter  in  Höhenberg,  2  Lehen  in  Wesseslinden,  2  Lehen  in 
Wüstenberg,  1  Lehen  in  Ober-Aschenberg  [Rannariedl],  der 
Gebrechtshof  [Griesbach],  die  Schlattmühle  [bei  Wilden-Ranna]; 
dann  in  den  vier  Ämtern  des  Klosters  Niedemburg  Straß- 
kirchen, Waldkirchen,  Huttum  und  Kellberg:  die  Tafeme  in 
Würmeck  [Straßkirchen],  4  Lehen  in  Klein-Tungaßing,  2  Höfe 
in  Kräbling,  1  Hof  und  2  Halbhöfe  in  Lenzersdorf  [Huttum], 
2  Höfe  in  Landim  [Huttum],  4  Höfe  in  Lebersberg  [Huttum], 
10  Lehen  in  Auretstorf  [Huttum],  13  Lehen  in  München  [Huttum], 
6  Lehen  in  Auberg  [Huttum],  13  Lehen  in  Willasreut,  6  Höfe  in 
Ulrichsreut  [Römbach],  10  Lehen  in  Ensmansreut  [Waldkirchen], 
15  Lehen  in  Schefweg  [Innemzell],  2  Höfe  in  Wimperstadl  [bei 
Germansberg],  15  Lehen  in  Groß-Tungaßing,  10  Lehen  in 
Kringel  [Huttum],  2  Höfe  in  Brennschinken  [Huttum],  4  Höfe 
und  4  Lehen  in  Huttum,  2  Höfe  in  Hetzendorf  [Hutturn],  die 
Mühle  in  Satzbach  [bei  Hgstadt],  2  Lehen  zu  Gießhübl, 
6  Lehen  in  Ruhmansreut,  2  Lehen  in  Hermanstorf  [Hautzen- 
berg],  3  Lehen  in  Penzenstadl  [Hautzenberg],  1  Gut  in  Pfaffen- 
reut  [Griesbach],  1  Gut  in  Erlau  [Obemzell],  dann  noch  1  Gut 
in  Katztobl. 

Von  diesen  Gutem  lagen  die  allermeisten  in  der  Nähe  des 
Donaustromes  oder  der  Hz,  nur  einzelne  nord-  und  waldwärts. 
Sie  repräsentieren  augenscheinlich  die  ältesten  Siedelungen 
im  Gegensatze  zu  den  jüngeren,  welche  den  Boden  erst  dem 
Walde  abgewinnen  mußten  und  für  die  Gestattung  der  Rodung 
mit  der  Königsteuer  belegt  wurden. 

Die  Kirche  Passau  hatte  in  den  früheren  Jahrhunderten 
hauptsächlich  in  den  ebenen,  fruchtbaren  Gegenden  Nieder- 
bayems  Besitz  erworben ;  die  Bestrebungen  der  Bischöfe  waren 


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276 

geraume  Zeit  darauf  gerichtet,  die  Herrschaft  über  die  Stadt 
zu  gewinnen,^  die  Waidrodungen  ließen  sie  lange  außer 
acht.  Für  letztere  Angabe  legt  Zeugnis  ab  das  sehr  späte 
Erscheinen  passauischer  Ministerialen  auf  dem  linken 
Donauufer,  erst  nach  dem  Jahre  1160  treten  die  Tann- 
berger  und  die  Marsbacher,  die  ursprünglich  im  nachmaligen 
Inviertel  ihre  Stammsitze  und  dort  auch  bisher  gehaust  hatten, 
und  noch  etwas  später  die  Haichenbacher  auf;  erst  von  diesem 
Zeitpunkte  an  werden  sie  im  Mühellande  seßhaft,  ohne  ihren 
Besitz  zwischen  In  und  Donau  völlig  aufzugeben.*) 

Aus  allen  diesen  Darlegungen  erhellt,  daß  die  Kolonisation 
des  Landes  der  Abtei  im  weiteren  Sinne,  d.  i.  zwischen  Ilz 
und  Großer  Mühel  in  der  Hauptsache  von  den  großen  freien 
Geschlechtem  ausgegangen  ist  und  die  Kirche  Passau  erst  spät 
und  in  verhältnismäßig  geringem  Maße  an  der  Urbarmachung 
des  Nordwaldes  teilgenommen  hat;  bloß  die  linken  Uferränder 
der  Hz  bleiben  für  die  kulturelle  Tätigkeit  des  Hochstiftes 
übrig  und  selbst  hier  wäre  erst  noch  das  Wirken  der  Herren 
von  Hals  besonders  in  Anschlag  zu  bringen^;  denn  über  jene 
Stellen,  an  welchen  noch  in  den  Tagen  der  Griesbacher  das 
Feld  in  den  Wald  vorgerückt  war,  ist  auch  das  Hochstift 
geraume  Zeit  nicht  hinausgelangt. 


^  Siehe  hierüber:  Strauß,  Die  Begründung  der  Stadtherrschaft  der  Bischöfe 
von  Passau  und  die  Urkundenfälschung  des  10.  Jahrhunderts.  Mitteil, 
des  Inst.  f.  Osterr.  Geschichtsf.  XXVI,  128—135,  und  Dopsch,  a.  a.  O. 
330—336. 

■  Siehe  die  eingehenden  Erörterungen  in  Velden,  S.  106—109,  34—37, 
und  in  Peuerbach,  8.  172,  360,  woselbst  auch  die  Stammtafeln  zu 
finden  sind. 

'  Oennansdorf  Pfarre  Hauzenberg,  eignete  1258  den  Herren  von  Hals, 
von  welchen  die  14  Lehen  daselbst  die  Brüder  Albero  und  Ricbker  von 
Pemstein  zu  Lehen  trugen  (Mon.  Boic.  XXIX  b,  234).  Außerhalb  der 
Kultursphäre  der  Halser  gelegen,  scheint  Germanstorph  ebenso  wie  die 
9  Güter  in  Buhmanstorf  (Rudmarstorph),  8  in  Kollersberg  (Chalhoh- 
perge),  4  in  der  öd  bei  Penzenstadel,  2  in  Kinatöd  (Ghinitege),  der  öd- 
hof  und  die  Kropfinühle,  3  in  Pfaffenreut,  4  in  Sachsing,  3  in  Backling, 
der  Kühbachhof  ursprünglich  den  Herren  von  Griesbach  zuständig  und 
erst  1220  aus  griesbachischen  zu  passauischen  Lehen  geworden  zu  sein. 
Unter  dieser  Voraussetzung  dürfte  Griesbacher  Besitz  noch  östlicher  bis 
an  den  KtUiberg,  den  Renftingberg,  den  Ruhmansberg,  den  Frauenwald 
und  den  Sausberg  gereicht  haben.  Mit  Ausnahme  von  2  Lehen  gehörte 
ganz  Germanstorf  nachmals  unter  Rannarigel. 

19* 


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276 

Nach  den  in  diesem  Abschnitte  entwickelten  Grundsätzen 
und  Gesichtspunkten  wurde  die  Kartenbeilage*  entworfen,  welche 
einerseits  den  Gang  der  Kolonisation  in  dem  gedachten  ehe- 
maligen Waldgebiete,  andererseits  den  ursprünglichen  Besitz- 
stand der  weltlichen  Grundherrschaften  sowohl  als  auch  der 
Kirche  Passau  zur  Anschauung  bringen  soll;  sichere  Ergeb- 
nisse wurden  mit  Flächenkolorit,  wahrscheinliche  oder  bloß 
mutmaßliche  mit  Randkolorit  ausgezeigt,  das  Gebiet  der  Kirche 
Passau,  um  dasselbe  gegen  die  fremden  Grundherrschaften 
besser  sich  abheben  zu  lassen,  gar  nicht  mit  Farbe  versehen. 
Ebenso  wurde  das  Amt  Jochenstein  nicht  koloriert.  Der  Streu- 
besitz von  Falkenstein  im  Westen  reichte  mit  Wingersdorf  bis 
über  die  Erlau,  wenn  die  Ortschaften  in  Betracht  gezogen 
werden,  in  welchen  Chunrad  von  Falkenstein  das  Gericht 
hegte  (S.  145);  er  durchsetzte  die  Stammgüter  der  Herren  von 
Griesbach  in  gleicher  Weise  wie  im  Osten.  Da  jedoch  die  vor- 
malige Zugehörigkeit  zu  Falkenstein  zwar  wahrscheinlich,  jedoch 
nicht  völlig  gesichert  erscheint,  wurde  ihre  farbige  Auszeigung 
in  der  Kartenbeilage  unterlassen.  Das  Kartenbild  bringt  eine 
große  Überraschung,  weil  es  im  Widerspruch  steht  mit  der 
Anschauung,  welche  bisher  über  die  zivilisatorische  Tätigkeit 
der  Kirche  Passau  im  sogenannten  Ilzgau  die  heiTschende  war 
und  sich  auf  die  vielgenannte  Schenkung  Kaiser  Heinrichs  II. 
an  das  Kloster  Niedemburg  stützte. 

Diese  Urkunde  ist  nunmehr  textkritisch  veröffentlicht  in 
den  Kaiserurkunden  der  Monuments  Germaniae*.  Diese,  datiert 
Regensburg,  April  1010,  ist  nach  dem  paläographischen  Befunde 
die  Nachzeichnung  eines  Originaldiploms  aus  dem  Ende  des  11. 
oder  Anfang  des  12.  Jahrhunderts.  Das  Diktat  entspricht 
dem  Schreiber  der  Schenkung  an  Bamberg  1007,  1.  November 
(Dipl.  III,  198).  Ein  dux  Hezelinus  (Heinrich  von  Bayern) 
kann  so  kurze  Zeit  nach  seinem  Sturze  nicht  Intervenient  sein, 
aber  Passau  mochte  ein  Interesse  daran  haben,  die  Verleihung 
unter  Zustimmung  des  Herzogs  erfolgt  darzustellen.  ,Daß  der 
verbriefte  Besitz  in  diesen  Grenzen  auf  eine  Schenkung  Hein- 
richs   zurückgehe,    ist   daher   nicht   sicher.     An    der   Urkunde 


^  Für  die  große  Sorgfalt  "bei  Herstellung   derselben  sei   hier  Herrn  Re- 

giemngsrat  Karl  HOdlmoser  schuldiger  Dank  gesagt. 
^  Dipl.  O.  ni,  253.    Diplom  im  k.  allgera.  Reichsarchiy  in  München. 


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277 

sind  kleine  Bruchstücke  des  Siegels  übrig,  dessen  Echtheit 
sich  nicht  bestimmen  läßt/ 

So  die  Herausgeber  der  Diplomata.  Es  kommen  noch 
andere  gewichtige  Verdachtsgründe  hinzu. 

In  dem  Landstriche  zwischen  Rotel  und  Großer  Mühel 
hatte  Passau  vor  Ende  des  Jahres  1231  überhaupt  nicht  den 
geringsten  Besitz;  die  Niedemburgische  Hofinark  Landshag  war 
ursprünglich  dem  Kloster  St.  Emmeram  zu  eigen  und  von  diesem 
geistlichen  Hause  zweifellos  an  die  Frauenabtei  gediehen.  Auch 
im  Mühellande  ist  noch  im  12.  Jahrhunderte  das  Kirchengut 
nicht  bedeutend,  im  Zentrum  erstreckt  sich  die  freie  Herrschaft 
Falkenstein,  rechts  und  links  von  derselben  der  gleichfalls  freie, 
allem  Anscheine  nach  ziemlich  geschlossene  Griesbacher  Besitz, 
beide  mehr  oder  weniger  tief  in  den  Nordwald  eindringend.  Die 
Eigenleute  von  Niedemburg  befiEtnden  sich  —  mit  Ausnahme 
von  15  in  der  Pfarre  Waldkirchen,  4  in  der  Pfarre  Perlesreut 
und  2  in  der  Pfarre  Wegscheid  —  in  den  ebeneren  Gegenden 
donauwärts,  in  den  Pfarren  Ilzstadt,  Tymau,  Straßkirchen, 
Tittling,  Tiefenbach,  Hauzenberg,  Huttum,  Kellberg  ;^  eingeteilt 
in  sieben  Amter  in  der  Abtei  und  eines  in  Oberösterreich. 
Daß  die  Abtei  von  den  Bischöfen  des  großen  Besitzes  beraubt 
worden  sei,  widerspricht  der  Wahrnehmung,  daß  dieselben  sich 
häufig  freigebig  gegen  das  Kloster  bewiesen  haben  ;^  richtig 
ist  nur,  daß  das  Kloster  zur  Herstellung  der  verfallenen  Zucht 
dem  Hochstifte  inkorporiert  worden  ist. 

Ganz  unbeantwortbar  bleibt  die  Frage:  Wo  wäre  denn 
die  portio  silvae  ausfindig  zu  machen,  welche  von  den  Quellen 
der  Hz  und  der  Rotel  bis  an  die  Donau  reichte?  Denn 
in  den  angegebenen  Grenzen  schalteten  und  walteten  die  freien 
Herren  von  Wilhering -Wachsenberg,  von  Schönhering-Blanken- 
berg  und  Eppo,  von  Griesbach  und  von  Falkenstein.  Es  ist 
daher  entweder  überhaupt  keine  Waldschenkung  an  Niedem- 
burg   erfolgt   oder    dieselbe    hat    sich   —   wie   nach   den  Dar- 


^  Nach  dem  ,TabelUri8chen  Konspekt  aller  Ortschaften,  worin  das  ehem. 
Hochstift  nnd  Domkapitel  Passan  and  das  Kloster  Niedembargf  Gerichts- 
oder Qmnd-Unterthanen  hatten.'  1815  von  Joh.  Nep.  Buchinger  im  k. 
allgem.  RelchsarchiT  in  Mfinchen.    Hochstift  Passau  Rep.  118. 

*  Vgl.  Mon.  Boic.  XXIX  b,  188,  284/244,  288/286;  Buchinger  I,  242,  253, 
269,  270,  n.  27,  28,  41,  67,  68,  108,  betreffend  die  Erwerbungen  Ober- 
haupt und  solche  von  Seiten  der  Bischöfe. 


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278 

legangen  in  diesem  Abschnitte  zn  erachten  —  höchstens  auf 
den  schmalen  Waldstrich  am  linken  Ilzofer  beschränkt^  anf 
welchem  allein  eine  passanische  Rodungstätigkeit  wahrnehmbar 
ist^  und  etwa  noch  auf  einen  Teil  der  Donaxdeiten.  Es  müßte 
auch  wirklich  wundernehmen,  wenn  das  Hochstift  eine  Land- 
nahme durch  die  freien  Geschlechter  gedxddet  hätte,  falls  es 
auf  das  Gebiet  durch  königliche  Schenkung  einen  Anspruch 
besessen  hätte,  während  doch  erst  nach  der  Mitte  des  12.  Jahr- 
hunderts die  Donauleiten  von  passauischen  Vasallen  besetzt 
wurde.  Die  passauischen  Prätensionen  waren  jedoch  zurzeit 
der  Anfertigung  der  Fälschung  —  denn  eine  solche  ist  sie 
nach  den  erhobenen  Umständen  außer  allem  Zweifel  —  ins 
Ungemessene  gewachsen,  so  daß  es  vielleicht  zweckdienlich 
schien,  das  Objekt  der  Schenkung  möglichst  weit  auszudehnen. 
Die  Fälschung  erfolgte  im  bequemen  Anschlüsse  an  die  beiden 
echten  Schenkungen  Heinrichs  H.  an  Niedemburg  1010, 
19.  April  (Dipl.  IH.  251,  252),  besonders  an  letztere,  wodurch 
der  König  dem  Ehester  ein  ihm  durch  Richterspruch  zuge- 
fallenes Gut  ;Situm  in  villa  Winidorf  in  comitatu  Adalberti  co- 
mitis  in  pago  vero  Sweinigowe'  vergabte.  Der  Graf  Adalbert 
und  sein  Komitat  zwischen  Hz  und  Rotel  ^  werden  in  Zukunft 
bei  Forschungen  keine  Rolle  mehr  spielen ;  an  Stelle  der  doku- 
mentierten ,Gewißheit'  wird  bloß  die  Vermutung  zu  treten 
haben,  daß  des  Babenbergers  Adalbert  Komitat  sich,  wenigstens 
nominell,  bis  zur  Großen  Mühel  erstreckte. 

Das  Originaldiplom  oder  vielmehr  die  Ausfertigung  der 
erweiterten  oder  ganz  edundenen  Schenkung  fällt  in  die 
Regierungsperiode  Bischofs  Ulrich  (1092—1121),*  aus  welcher 


^  Als  Hypothese  angesetzt  in  den  Erlftuternngen  S.  8  (Stammtafel),  S.  12 
(Fürstentum  Passau). 

'  Ulrich  war  im  Investiturstreite  der  eiMge,  zugleich  einzige  Anh&nger 
seines  Metropoliten,  des  Erzbischofs  Chunrad  yon  Salzburg,  welcher 
am  heftigsten  dem  Abkommen  von  Sutri  (9.  Februar  1111)  zwischen 
K.  Heinrich  V.  und  Papst  Paschalis  II.  widerstrebt  hat.  Es  ist  daher 
nicht  obneweiters  die  Vermutung  abzuweisen,  daß  gerade  Ulrich  es 
gewesen  ist,  welcher  zurzeit  der  Romfahrt  des  KOnigs  die  Ausfertigung 
des  Falsifikates  veraulaßte,  um  für  alle  Fälle  dem  Besitze  seiner 
Kirche  jenseits  der  Donau  eine  breite  Unterlage  bu  verleihen;  hierzu 
stimmt,  daß  als  Intervenient  Herzog  Hezilo  genannt  ist,  was  erforder- 
lich schien,  da  der  damalige  Herzog  Weif  (der  Dicke)  auf  Seite  des 
Königs   stand. 


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279 


ein  anderer  bedenklicher  Qabbrief  fiir  Niedemburg^  vorhanden 
ist  Die  Kirche  Passan  suchte  wohl,  als  die  Exdtorarbeit  schon 
große  Dimensionen  angenommen  hatte^  durch  Fingierung  einer 
ausgedehnten  Waldschenkung  sich  einen  älteren  Rechtstitel  zu 
verschaffen,  um  gegebenenfalls  auf  den  ganzen  Landstrich  die 
Hand  legen  zu  können. 

Mit  der  Bezeichnung  ^Abbatia'  oder  ^Land  der  Abtei^ 
wurde  das  hochstiftische  Gebiet  zwischen  Qz  und  Großer  Mühel 
offiziell  zum  ersten  Male  in  der  Aufschreibung  über  das  Hz- 
stätter  Weistum  1256,*  also  fast  dritthalbhundert  Jahre  nach 
der  angeblichen  Schenkung  K.  Heinrichs  des  Heiligen,  zu- 
sammengefaßt, obwohl  auch  damals  die  ältere  Benennung 
^iltsgeu'  fiir  den  größeren  westlichen  Teil  noch  Geltung  behielt. 
Für  die  Gegend  an  der  Mühel  (circa  Muhelam)  hatte  man 
keinen  eigenen  Ausdruck. 

Die  rekonstruierte  Herrschaft  Falkenstein  zeigt  eine  weitere 
Auffälligkeit:  nur  das  ziemlich  spät  der  Kultur  eröfinete  Wald- 
gebiet zwischen  dem  böhmischen  Gegenbach  und  dem  Wurm- 
brandbach hat  eine  kompakte  Geschlossenheit,  wogegen  der 
übrige  Körper  von  der  Donau  an  nach  Norden  immer  schmäler 
wird  und  zahlreiche  größere  imd  kleinere  Stücke  über  den 
ganzen  Landstrich  bis  zur  Großen  Mühel  im  Norden  und  Osten 
und  bis  zur  Donau  im  Süden  verstreut  sind.  Außerdem  sind 
im  Westen  viele  Ortschaften  ziemlich  gleich  zwischen  Passau 
und  Falkenstein  geteilt.' 


*  Bachinger  1, 139. 

»  Mon.  Boic.  XXIX  b,  224.   Vgl.  Urkunde  1269  a.  a.  O.  492. 
'  Nach  den  Urbarien  von  Rannarigel  1510  and  von  Falkenstein  1662/1670 
gehorten  in 


Grafenau 

Pf 

Niederkapell 

3  Holden 

EUl 

Rannarigel 

,lza] 

ß'alkenstein; 

Oberranna 

n 

Engelhartszell 

3 

n 

ff 

ff 

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ff 

Kranschlag 

n 

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1 

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ff 

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1     V 

ff 

Krien 

« 

Puzleinsdorf 

1 

ff 

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ff 

2   „ 

ff 

Oberkapell 

ff 

Oberkapell 

9 

ff 

ff 

ff 

9   , 

ff 

sowieje  2  halbe  Mühlen; 

Vatersreat 

11 

ff 

2 

ff 

„  Rannarigel 

,  äcuFalkenstein; 

Ameaed 

ff 

ff 

2 

ff 

ff 

ff 

2   , 

ff 

Hutstein 

ff 

ff 

1 

ff 

ff 

ff 

*      ff 

ff 

Hohenschlag 

ff 

Sarleinsbach 

6 

ff 

ff 

ff 

"      ff 

ff 

Schlag 

ff 

Pfarrkirchen 

3 

ff 

ff 

ff 

*      ff 

ff 

Molmansreut 

ff 

Kollerschlag 

16 

ff 

ff 

ff 

*      ff 

ff 

Mistelberg 

ff 

ff 

7 

ff 

ff 

ff 

*       ff 

ff 

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280 

Eine  ähnliche  Teilung,  wenn  auch  in  geringerem  Maße, 
ist  auch  im  Osten  zu  beobachten,  wo  der  ganze  Markt  Rohr- 
bach und  19  Häuser  des  Fleckens  Lembach  der  Herrschaft 
Falkenstein  unterworfen  waren.  Daß  noch  gegen  Ausgang  des 
Mittelalters  falkensteinische  Lehen  auf  vormals  Griesbachschem 
Boden  (zu  Harnet  und  Niedemdorf  Pfarre  Obemzell)  nachweis- 
bar sind,  wurde  auf  S.  181  Anm.  1  gezeigt. 

Diese  Feststellung,  zumal  die  Tatsache,  daß  so  viele 
falkensteinische  Exklaven  von  ehemaligem  Griesbachschem  Ge- 
biete umschlossen  waren,  führt  zu  dem  Schlüsse,  daß  diese 
beiden  weltlichen  Grundherrschaften  in  enger  Verbindung  und 
ohne  bestimmte  Abgrenzung  das  große  Kolonisationswerk  im 
Nordwalde  gemeinsam  in  Angriff  genommen  und  zu  einem  be- 
deutenden Teile  auch  vollbracht  haben,  daß  daher  die  Aus- 
einandersetzung des  bisher  gemeinsamen  und  die  Entstehung 
des  falkensteinischen  Brockenbesitzes  erst  nach  dem  Jahre  1 220 
erfolgt  ist. 

Die  erhobenen  Verhältnisse  erlauben  in  den  Folgerungen 
noch  weiter  zu  gehen.  Auf  S.  263  wurde  als  auffallende  Tat- 
sache hervorgehoben,  daß  Falkenstein  über  die  Güter  des 
Klosters  in  und  um  Puzleinsdorf  völlig  unangefochten  vom  Hoch- 
stifte, welchem  doch  die  Abtei  inkorporiert  war,   Vogteirechte 


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Die  72  Häuser  in  Mitterschlag,  Heinricbschlag,  Heinrichsberg,  Stift  und 
Unterleiten  je  zur  HHlfte. 


Lengan 
Rasebau 

Pf.  Kollerschlag  2 

1 

Tuscbetsöd 

1 

Scbröck 

1 

Kollerschlag 
SauOd 

n             14 

3 

Hanging 
Lemanslelten 

2 
2 

Hinternebelberg  „             n           6 
Vordernebel berg  „  Peilstein        6 
Schopper             n          ^^               1 
Vorderscbiffl        „          „              8 

Hinterschiffl 

„  Julbach          6 

Hinterkraml 

.             n                       6 

ScbOnberg 
Eschernhof 

„  Peilstein         1 

.             n                      3 

Ensmansreut 

n            r,                 ■    2 

Sagberg 

„  Julbach         2 

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281 

und  selbst  den  Blutbann  ausübte.  Eine  Dingvogtei  ist  aus  dem 
Grande  nicht  anzunehmen^  weil  die  Herren  auf  Falkenstein 
dieses  Amt  niemals  aus  den  Händen  des  Bischofs  empfingen^ 
sondern  ihr  Recht  im  eigenen  Namen  übten.  Stand  aber  die 
Wahl  des  Vogtes  weder  dem  König  noch  dem  Kloster  oder 
dem  Bischof  zu,  so  erübrigt  nur,  den  Ursprung  dieser  Vogtei 
in  dem  Rechte  der  Stifter,  sich  die  Erbvogtei  vorzubehalten, 
zu  suchen,  demnach  zu  folgern,  daß  das  an  das  Herrschafts- 
gebiet anstoßende  EUostergut  aus  einer  Schenkung  der  Herren 
auf  Falken  stein  herrühre  und  ursprünglich  einen  Bestandteil 
ihres  freien  Dominiums  gebildet  habe.  In  der  Tat  mangelt  im 
passauischen  Archive  —  mit  Ausnahme  der  Schenkung  einer 
Güte  von  V2ß  ^  von  burgrechtpflichtigen  Häusern  in  Putz- 
leinsdorf durch  Bischof  Rudeger  —  jede  Nachricht  über  den 
Erwerb  Niedemburgs. 

Nach  den  vorausgegangenen  Erörterungen  ist  es  wohl  nicht 
mehr  gewagt,  eine  Vermutung  darüber  auszusprechen,  auf 
welche  Weise  die  Grafengewalt  sich  an  die  Burgen 
Griesbach  und  Falkenstein  heften  konnte.  Daß  das 
Grafengericht  durch  Teilung  einer  Grafschaft  oder  durch  Kauf 
von  Stücken  einer  solchen  erworben  worden  wäre,  muß  schon 
deshalb  ausgeschlossen  werden,  weil  der  ganze  Landstrich,  noch 
im  10.  Jahrhunderte  vom  Walde  erfüllt,  nichts  anderes  als  ein 
ungeheurer  Forst  gewesen  ist;  erst  vom  folgenden  Jahrhunderte 
ab  wurde  derselbe  von  den  Hörigen  und  Vogtleuten  der  großen 
Grundherrschaften  (von  Gemeinfreien  findet  sich  keine  Spur) 
gelichtet  Als  herrenloses  Land  gehörte  der  forst  ausschließlich 
dem  Könige;  für  die  Riedmark  spricht  das  K.  Chunrad  HI. 
ausdrücklich  aus  (siehe  S.  100).  Erst  durch  die  Rodungsbe- 
willigung ging  Grund  und  Boden  in  Privateigentum  über. 
Was  ist  natürlicher  als  die  Verleihung  des  Grafenamtes 
durch  den  König  an  die  Grundherrschaften  zugleich 
mit  der  Bewilligung  der  Urbarmachung  des  Königs- 
forstes? Die  freien  Herren  hatten  dann  den  Blutbann  vom 
König  einzuholen  imd  diese  unmittelbare  Bannleihe  an  dieselben 
vom  Reichsoberhaupte  selbst  wird  um  so  leichter  fortgedauert 
haben,  als  Bischof  Ulrich  von  Passau  1217,  24.  Jänner^  von 
K.  Friedrich  H.  nur  über  die  hochstiftischen  Güter   im  Ilzgau 


Mon.  Boic.  XXX  a,  56. 


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282 

die  Grafenrechte  (Comitatum  prediorum  ecclesie  Pataviensis 
sitorum  per  loca  Ylsgowe)  erhielt  und  auch  diese  wieder  dem 
Herzoge  Ludwig  von  Bayern  zu  Afterlehen  weiterlieh.  Das 
Bedenken  wegen  Eintretens  der  Irregularität  infolge  Übertragung 
des  Blutbannes  scheint  jedoch  bei  Bischof  Ulrich  nicht  lange 
angehalten  zu  habeU;  weil  er  schon  nach  drei  Jahren  (1220^ 
5.  September)^  den  Herzog  bewog,  ihm  die  Grafschaft  wieder 
aufzulassen.  Von  diesem  Zeitpunkte  an  machte  aber  Ulrich 
alle  ihm  als  Reichsftlrsten  (infolge  Verleihung  des  Fahnlehens 
1217^  21.  Jänner)^  zustehenden  Rechte  geltend.  Die  gräflichen 
Rechte  des  letzten  Herrn  von  Griesbach,  Heinrich,  wurden 
Afterlehen  vom  Hochstifte.  Von  den  Herren  auf  Falkenstein 
dagegen  vermochten  die  Bischöfe  eine  solche  Unterordnung 
nicht  zu  erlangen,  wahrscheinlich  deshalb,  weil  die  Herrschaft 
in  die  Innehabung  der  mächtigen  Witigonen  übergegangen  war, 
in  welcher  sie  blieb,  bis  der  erste  Habsburger  darnach  gegriffen 
und  den  Ftirstenrechten  von  Passau  zwischen  Ranna  und  Dz 
ein  geräuschloses,  aber  dauerndes  Ende  bereitet  hat.  Die  Witi- 
gonen mögen  anfangs  noch  den  Bann  vom  Reiche  empfangen 
haben,  zurzeit  der  Eroberung  Falkensteins  durch  Herzog 
Albrecht  I.  (1289)  verliehen  schon  lange  die  Laienftlrsten  selbst 
ihren  Richtern  die  Gerichtsgewalt.* 


Fünfzehnter  Abschnitt. 

Die  Riedmark.    I.  Das   alte  Landgericht  Freistadt 
und  seine  Zweige. 

Der  Nordwald  war  im  Laufe  des  13.  Jahrhunderts  bis  in 
den  nordöstlichen  Winkel  zurückgewichen,  der  noch  heute  den 
Namen  ,im  Freiwald'  fiihrt;  die  Rodungen  gingen  von  dem 
Regensburger  Lehen  Prandegg,  in  besonders  intensiver  Weise 
aber  von  der  landesfUrstlichen  Lehenherrschaft  Reichenstein 
aus,  zu   welchem  lange   die    sogenannten  Waldämter   an   den 

*  Mon.  Boic.  XXVUIb,  297. 

•  a.  a.  O.  XXX  a,  54. 

'  Für  die  vielfache  Uuterstatzung  der  Arbeit  erstattet  der  Verfasser  an 
dieser  Stelle  Herrn  Hofrat  Dr.  Qustay  Winter  und  Herrn  Sektionsrat 
Franz  Kreyczi  in  Wien  den  gebührenden  Dank. 


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283 

Quellenbächen  der  Aist  hoch  oben  um  Weidersfelden  gehörten. 
Zwischen  den  Jahren  1235  und  1240  muß;  wie  Dopsch^  fest- 
zustellen in  der  Lage  war^  eine  Revision  der  landesftLrstlichen 
Urbare  stattgefunden  haben^  um  den  geänderten  Besitzverhält- 
nissen Rechnung  zu  tragen;  gerade  im  äußersten  Westen  hatte 
der  herzogliche  Besitz  außerordentlichen  Zuwachs  erhalten: 
1191  die  in  Lehen  verwandelten  Eigen  des  Vogtes  Friedrich 
von  Perge,  1217/18  die  Eigengüter  des  Grafen  Ulrich  von 
Klamm,«  1220/21  die  große  Herrschaft  Wachsenberg,  1235  die 
passauischen  Lehen  des  Regensburger  Domvogtes  Otto  von 
Lengenbach  zwischen  Flanitz,  Feld-  und  Waldaist. 

Diese  Revision  wird  den  näheren  Anlaß  zur  Abtrennung 
der  östlichen  Hälfte  der  Riedmark  unter  der  Bezeichnung  eines 
Landgerichtes  Machland  gegeben  haben;  denn  die  allererste 
Kunde  von  dem  Bestehen  eines  eigenen  Distriktes  Machland 
erhalten  wir  nicht  früher  als  durch  die  Verftlgung  Herzogs 
Friedrich  V.  1240,  31.  Jänner,'  wodurch  er  die  Klostergüter 
von  Waldhausen  von  der  Gerichtsbarkeit  und  den  Vogtrechten 
des  Richters  im  Machland  befreit.  Die  Bezeichnung  Machland 
haftete  ursprünglich  nur  an  den  Donauniederungen  und  wurde 
erst  nach  der  Abteilung  auch  auf  die  Berggegenden  übei*tragen.^ 

^  Die  öeterr.  landesfürstl.  Urbare  im  13.  und  14.  Jahrhunderte.  Einleitung 
8.  XLVU. 

*  Die  Burgen  Klamm,  Klingenberg  und  Blasenstein.  Rntenstein,  zuerst 
1265  erw&bnt  (OberOsterreichisches  Urkundenbnch  III,  343),  kennt  der 
1254 — 1256  geschriebene  Eintrag  im  Cod.  trad.  pat.  quart.  (Mon.  Boic. 
XXIX  b,  214)  noch  nicht;  es  dürfte  wohl  erst  nachmals  erbaut  worden 
sein,  obwohl  die  Ansledlungen  längst  über  Unter- Weißenbach  hinaus- 
reichten. Klamm  kommt  im  Babenberger  Urbar  nicht  vor,  weil  es  schon 
an  die  Holzer  und  Hauser  weiter  geliehen  war  (Oberüsterreichisches 
Urkundenbnch  III,  28,  170).  Der  Machländer  Besitz  hat  überhaupt  nur 
eine  sehr  summarische  Verzeichnung  erfahren :  das  Officium  Grein  bildete 
die  landesfürstliche  Herrschaft  Werfenstein,  wozu  nebst  dem  Markte  Qrein 
Hintersassen  in  den  Pfarren  Grein  und  S.  Nikola,  dann  die  Ortschaften 
Struden  diesseits  und  Heßgang  jenseits  der  Donau  gehörten,  sie  ging 
1498  in  der  Herrschaft  Greinburg  auf.  Das  Boinstein  in  der  Schenkung 
Engildeos  an  Passau  1037  (Zibermair  in  den  Mitteil,  des  Inst.  f.  österr. 
Geschichtsf.  XXYI,  889,  412)  ist  wohl  die  Burg  Pahin  (S.  Nikola  in 
Struden)  an  der  Stelle  des  später  genannten  mptum  castrum  domine  Helchin. 

'  OberOsterreichisches  Urkundenbnch  IH,  78. 

^  Die  Tradition  eines  Gutes  ,quod  situm  est  machlant'  an  Garsten  (Ober- 
Osterreichisches Urkundenbnch  I,  164)  trug  eine  Hand  des  13.  Jahr- 
hunderts auf  Blatt  34  des  Garstner  Kodex  ein. 


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284 

Das  Landgericht  Kiedmark^  wie  es  noch  bis  in  die  Mitte 
des  14.  Jahrhunderts  genannt  worden  ist,  wurde  von  dem  Mach- 
lande nunmehr  durch  die  Aist  geschieden,  und  zwar  von  deren 
Einmündung  in  die  Donau  bei  Obersebing  durch  die  vereinigte 
Aist,  von  Hohensteg  an  durch  die  Waldaist  oder  sogenannte 
Schwarze  Aist  bis  zur  Hammermühle  unterhalb  Weidersfelden, 
von  hier  ab  durch  die  Weiße  Aist  bis  Monegg,  von  da  durch 
den  Mückenbach  über  den  Bauemberg  hinüber  zur  Schwarzen 
Aist,  welche  daselbst  die  Grenze  gegen  Niederösterreich  macht.  ^ 

Die  erste  Verkleinerung  des  Landgerichtes  Freistadt  fand 
durch  Ausscheidung  der  Umgebung  von  Mauthausen  als 
besonderes  Landgericht  und  durch  Bewilligung  eines  Hals- 
gerichtes an  den  Markt  selbst  noch  in  der  ersten  Hälfte  des 
15.  Jahrhunderts  statt  (siehe  Erläuterungen).  Das  älteste  Urbar 
,Mäthausn'  ddo.  1489,  31.  Jänner*  und  jenes  1558,  15.  Mai' 
verzeichnen  die  Grenzen  wie  folgt:  ,Das  Landgericht  hebt 
sich  an  in  der  Thonau  zu  Sebam  bey  der  Prugken,  gehet  nach 
der  Aist  biß  an  die  Zwißlmühle,  von  dannen  gen  Obenberg 
der  Landtstraß  nach  an  den  Lindenstamm  zu  der  Aichen,  von 
demselben  zwischen  dem  Schloß  und  Mayrhof  zu  Obenberg  in 
Marchbach,  volgendts  gestracks  wider  in  die  Thonau  wie  von 
alter  herkomen.  Markts-Burgkfrid  reicht  vom  undem  Ort  bis 
zu  der  Capellen,  von  derselben  gegen  dem  Mauthaußperg  zu 
der  Pfarrkirchen,  von  dannen  an  das  ober  Ort  deß  Markts 
biß  zu  der  stainen  Stigl  mitten  an  die  Stainwand.'  Späterhin 
wenigstens  machte  der  Marbach  nicht  mehr  durchwegs  die 
Grenze.  Die  13  (ursprünglich  12)  Freieigner,  welche  das  Male- 
fizrecht  zu  besitzen  und  die  ,laitter  zum  [hoch]  gericht^  zu 
liefern  hatten,  hausten  um  Zirking,  Loizenberg,  Furt,  Hinter- 
holz, Haid.  Malefizsachen,  Rumor  und  andere  strafinäßige 
Handlungen  gehörten  nicht  in  das  Markt-,  sondern  in  das  Land- 
gericht und  waren  die  Strafen,  Wandel  und  Bußen  dem  Landes- 
fUrsten  zu  verrechnen;  die  von  Mauthausen  hatten  sich  außer 
ihres  Burgfriedens  keines  Gerichtszwanges  zu  unterstehen.    Das 


*  Vgl.  die  Orenzbeschreibungen  in  den  Erlftateningen.  Für  die  Aistgrenze 
siehe  noch  den  Lehenbrief  K.  Laslas  1465,  25.  April  (Notisenbl.  1854« 
S.  832):  Hof  nnd  Hofetatt  za  Weinzierl  (zwischen  Schwertberg  und  Perg) 
in  der  Pfarre  Nam  und  im  Landgericht  Machland  gelegen. 

'  Orig.  im  Hofkammerarchiy. 

'  Vide  Abschrift  im  Schloßarchiv  Schwertberg. 


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286 

Schloß  Pragstein,  welches  K.  Friedrich  III.  1491,  6.  Dezember^ 
dem  Ritter  Lasla  Prager  zu  erbauen  gestattet  hatte,  löste 
K.  Max  I.  1501,  6.  März*  wieder  ein.  Infolge  Teillibells  der 
gräflich  Meggauschen  Erben  1644,  23.  Oktober*  wurde  das 
ohnehin  kleine  Landgericht  dadurch  eingeschränkt,  daß  der 
Herrschaft  Schwertberg  die  landgerichtliche  Jurisdiktion  auf 
ihrem  eigenen  Boden  und  auf  jenem  ihrer  Untertanen  einge- 
räumt wurde.  Das  Schloß  Pragstein,  1644  den  Cavriani  zuge- 
teilt, wurde  vom  Grafen  Guido  Max  Cavriani  1770,  15.  September 
an  Graf  Gundacker  Josef  von  Ttirheim  auf  Weinberg  und  Schwert- 
berg, von  Graf  Andreas  von  Ttirheim  1894,  29.  November  an 
die  Ehegatten  Leopold  und  Eugenie  Heindl  veräußert,  welche  es 
1 901, 25.  November  dem  Markte  Mauthausen  zu  Gemeindezwecken 
käuflich  überließen.  Bis  1850  gehörten  zum  Landgericht  Pragstein 
nur  mehr  die  in  der  Anmerkung*  aufgeführten  Häuser.  Der  Markt 
bildete  das  von  ihm  selbst  verwaltete  Landgericht  Mauthausen. 
Die  Erteilung  der  Blutgerichtsbarkeit  über  die  eigenen 
Untertanen  an  Georg  von  Liechtenstein  zu  Steyregg  1517, 
an  Veit  von  Zelking  zu  Weinberg  1545  und  an  Heinrich 
von  Starhemberij  zu  Wildberg,  Riedeck  und  Lobenstein  sowie 
auf  den  drei  Ämtern  hinter  der  Freistadt  (Lichtenau,  Grün- 
bach,   Windhag) '^    durchbrachen   das   feste  Gefüge   des  Land- 

^  Lichnowsky,  a.  a.  O.  Reg.  1662. 

'  Original  von  Windhag  im  Linzer  Maseum. 

*  Urbar  yon  Schwertberg  1680,  29.  Jänner,  im  Schloßarchiy  Schwertberg. 

*  Vom  Markte  die  HInser  107  Eräußlh&asl  im  Berg,  108  Schasterhänsl 
im  VogelhäuBl,  109  Seppenhänsl  in  der  Schwalbengstetten ;  vom  Ver- 
markte 6  Bergerhäns],  7  Franzlhäusl  im  Riendlgraben,  8  Schusterhäusl 
im  Riendlgraben,  9  Hansjörglhaas  im  Holz;  yon  der  Ortschaft  Brann- 
graben 1  Seppenh&nsl  (früher  Nr.  143  Maathansen),  2  Aamttllerhflasl, 
3  Seppenhäosel,  7  Hieselhänsel,  12  Hofstatt  beim  Freiholz;  yon  der  Ort- 
schaft Urfahr  7  Marbachmühle,  8  Blessergütl,  18  Kraftenhäasel ;  yon  der 
Ortschaft  Reisendorf  1  Warschnegergütl,  2  Häusel,  4  Spitallehengütl, 
5  Simandl  Erb. 

^  RaahenOd  gehörte  schon  1286  (OberOsterreichisches  Urknndenbach  IV, 
40)  den  Brüdern  Sighard,  Otaker,  Albert  and  Peter  von  Lobenstein, 
wohl  ebenso  wie  der  Besitz  der  Reichensteiner  am  Weidersfelden  aas 
herzoglicher  Verleihang.  Laat  Lehenbaches  Herzogs  Albrecht  IH.  1380 
(im  k.  a.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  in  Wien)  hatte  Rager  yon  Star- 
hemberg  ,aa  leben  die  yest  Lobenstain  and  den  Markcht  ze  Zwetling .  . 
das  Dorf  Ottenslag,  item  'alles  .  .  in  Grunpekcher  pharre,  in  Würnthager 
pharre  .  .  und  alle  die  recht  an  dem  walde  (Freiwald)  daselb  enhalb  der 
fireynstat   gelegen  als  ez  ze  Lobenstain  gehöret*.    Das  Landgericht  und 


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286 

gerichtes  Freistadt,  wozn  noch  kam,  daß  Hans  Haim  Freiherr 
zu  Reichenstein^  1583  ebenfalls  die  Ausübung  der  hohen  Ge- 
richtsbarkeitüberseine Untertanen  zur  gerichtlichen  Anerkennung 
brachte. 

Das  schon  arg  geschwächte  Landgericht  Freistadt  wurde 
im  Jahre  1644  unter  den  Erben  des  Grafen  Leonhard  Helfried 
von  Meggau  geteilt  und  in  die  zwei  Landgerichte  Schloß  Frei- 
stadt und  Schloß  Haus*  geteilt 5   das  erstere  um  das  1665  er- 


den Blutbann  über  diese  landesfttntlichen  Lehen  verkaufte  Reichard  Ton 
Starhemberg  1569,  1.  Jänner,  an  Joachim  Stangl  zu  Reichenau  (Reper- 
toriam  des  Riedegger  Archivs,  Urkunde  Nr.  1705);  von  Reichenau  hießen 
nunmehr  diese  drei  Ämter  ,Landgericht  Reichenau'  und  wurden  von 
dort  aus  verwaltet. 

^  Bis  dahin  war  nur  die  Freiung  unbestritten  gewesen. 

,Item  von  erst  die  freyung  zu  Reichenstain  hebt  sich  an  beim  Hogerdl 
[Högerl]  gattem,  Pennschickhen,  vom  Schicken  ab  geen  Pachzelten,  vom 
Pachzelten  geen  gemainern  in  dem  gatern,  von  dem  gatem  zu  dem 
Pfarrhof,  und  wer  darein  komb  umb  erbar  sach,  der  hat  rechte  gefÜrste 
freyung  iar  und  tag.  Derselben  freyung  soll  er  besteen  von  ainem 
pfleger  oder  vor  das  hauß  und  geschloß  zu  Reichenstain  gwaltsam  ist, 
mit  zwayen  pfeningen,  und  so  ainer  gejagt  wierd,  dem  notturft  geschech, 
so  soll  er  nuer  ain  messer  in  die  freyung  werfen,  so  hat  ers  schon 
erlangt.  Item  so  steedt  die  päd  stuben  zu  Pregarten  in  derselben 
freyung,  und  ob  ainem  derselben  freyung  not  geschäch,  der  stedt  in 
allermassen  und  artickhlen  als  der  freyung  zu  Reichenstain  recht  ist, 
und  ob  ainer  darein  khum,  der  hat  freyung  uncz  am  dritten  tag  in  der 
zeit,  so  soll  er  ain  podtschafft  geen  Reichenstain  thuen,  das  man  in 
behuet.  und  die  freyung  recht  beiengen  mug,  von  ainem  pfleger  oder  von 
ainem  anwaldt  daselbst.  Ob  aber  des  nicht  geschech,  so  mag  er  drey 
dritt  heraus  tretten,  und  dritt  er  drey  dritt  wider  hinein,  so  hat  er  aber 
drey  tag  fridt  und  freidt,  und  mag  das  thuen  als  o£Ft  und  vill  ine  des 
not  und  durfft  beschiecht,  unzt  das  man  in  behueten  mag  von  Vrid- 
stain.  Item  es  solle  auch  kain  freyinger  kain  waffen,  noch  werr  mer 
tragen,  dann  ain  messer^  das  ain  pann  auf  der  klingen  hat.'  (,Hierinnen 
vermerckht  der  Herrschaft  Reichenstain  Rechten  und  Pannthftding  ge- 
schriben  1662',  11  Seiten,  Fasz.  33  Nr.  30  im  gräfl.  Kinskyschen  Archive 
zu  Freistadt.) 

'  ,Nachweiß  des  Kais.  Urbarii  de  a6  1690  fol.  1  erhebet  sich  dieses  Land- 
gericht in  dem  sogenannten  Aigen  Obenberg  an  einem  breiten  Stein 
der  Lindenstein  benamset,  woran  einerseits  das  Mauthauserische  Land- 
gericht stosset,  von  da  aus  lauft  das  Mark  oder  Gränze  zwischen  dem 
Schloß  und  Mayrhof  zu  Obenberg  und  dem  Marbach,  an  diesem  in  die 
Donau,  an  selber  aber  gegenwärts  bis  zu  dem  unter  die  Herrschaft 
Steyregg  gehörigen  Willingerhof,  von  solchem  auf  den  Haasenberg, 
Grüblbauern,  Pannagl  [in  Hof],  Stadler  [Nr.  12  zu  Götzelsdorf]  und  dem 


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287 

richtete  Partikularlandgericht  Waldenfels/  1770  durch  die  Er- 

Teßler,  von  dannen  rechter  Hand  dnrch  den  Wald  auf  den  Reichenbach 
nnd  an  diesem  anf  die  Mühle  za  Reichenbach,  weiters  von  da  aus  nach 
dem  Rinnsal  des  Bachs  bis  zum  Doppler,  von  dortaus  rechter  Hand  auf 
den  äussern  Fehlner,  Moser  und  von  diesem  durch  das  Holz  auf  die 
Salzstrassen  gegenüber  des  Pflrchstumer,  femers  an  besagter  Salzstrassen 
[Freistädter  Poststraße]  rückwärts  gegen  Linz  bis  zum  Esserbach],  am 
Esserbachl  bis  in  die  Donau,  auf  dieser  mehrmalen  gegen wärts  bis  zur 
Linzer  Brükke,  aldort  am  Fahrtweg  zwischen  dem  Kapuziner  Kloster 
und  Färber  Haus  in  Urfahr  Linz  (vorhin  das  Postgaßl  genannt)  wiederum 
zurück  an  das  Dorf  Steeg,  wo  die  Landstrasse  einfallet,  an  der  Land- 
strasse sodann  bis  Domach,  und  von  dort  aus  am  Poststeig  nächst  dem  Hab- 
lauer bis  Gallneukirchen  zum  Baader  am  Steeg,  alsdann  zum  sogenannten 
Fletscher  (alwo  der  Herrschaft  Riedegg'sche  Burgfried  und  zugleich  das 
Landgericht  anstosset),  von  da  aus  an  den  Fidlbach  nach  denen  Markt 
Gallneukirchner  Gründen  bis  zum  Schweinbach  Steeg,  von  diesem  zum 
Simlinger  Gattern,  vom  Sirolinger  Gattern  bis  zum  Tnmbacher  Gattern 
und  von  diesem  aufwärts  zur  Herrschaft  Hauser:  Wahlmühle,  von  selber 
an  der  Gusen  abermal  aufwärts  bis  zu  dem  unter  die  Herrschaft 
Reichenau  gehörigen  Walchschmid,  alwo  ein  kleines  Bachl  herunter 
rinnet,  von  dannen  bis  zum  sogenannten  Sohnabi  hinaus  und  für  dessen 
Gründe  hinunter,  von  die  Reicbenauerische  Hofhalt  bis  in  den  Pram- 
berg,  woselbst  ein  grosser  mit  dem  gräflich  Starhemberg :  und  Marschalk: 
Wappen  (als  welche  Herren  Marschalken  die  Herrschaft  Reichenau  am 
lezten  besessen  haben)  gezeichneter  Markstein  stehet.  Von  gedachtem 
Pramberg  gehet  der  Herrschaft  Reich enanische  Wildbahn  und  mit  selber 
die  diesseitige  Landgerichtsscheidung  denen  Richtsteigerischen  Gründen 
nach  bis  in  den  Herrschaft  Wildbergischen  Dreyeck  Wald,  allwo  gleich- 
falls zwein  solche  Marksteine  wie  jener  am  Pramberg  befindlich  sind, 
alsdann  gehet  diese  Scheidung  in  den  Rodlfluß,  woselbst  das  Landgericht 
Waxenberg  anrainet,  an  der  Rodel  fort,  bis  der  Händlbach  einfallet,  und 
am  Händlbach  bis  zu  Anfang  der  Schenkenfeldner  Pfarr,  welche  im 
Herrschaft  Reichenauerischen  Landgericht  liegt,  ferners  an  den  Grenzen 
dieser  Pfarre  fort  bis  zum  Hansstainhäusl,  woselbst  die  Pfarre  Hirsch- 
bach und  das  Landgericht  Waldenfels  anstoßet,  von  dem  Hansstainhäusl 
nach  denen  Gründen  der  DOrfer  Hofreith,  Gassenreith,  Vorwald,  Ober- 
hirschgraben, Tischberg,  Dümberg;  Häuser  auf  der  Leithen.  Raidhof, 
Hanruck  und  Kirchberg,  daselbst  die  Pfarr  Neumarkt  anfängt,  außer 
selber  aber  das  Herrschaft  freistädtische  Landgericht  herzu  gränzet.  Von 

^  Grenzörtlichkeiten  des  geschlossenen  Landgerichtes  Waidenfels  waren 
zuletzt  Stiftung  mit  Krawiz  und  NiBlmühle,  Eibenstein,  NierhOf,  Freuden- 
tal, Oberschwand^  Unterschwand,  der  Jaunizbach,  Bodenmühle,  Wald- 
burg, Pirchetgut,  Groißenbauer,  Harruck  (Anteil),  Gutenbrunn,  Puchinger- 
gut,  Tierberg,  Kamplmühle,  Hinter  Königschlag,  Miesenbach.  Die  Holz- 
mühle und  Süßmühle  gehörten  zum  Landgericht  Freistadt;  ebendahir 
die  Brandlmühle  bis  zum  Gebietsaustausch  mit  Reichenau. 


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288 

hebung   der   Herrschaft  Harrachstal   und  Freiwald  ^    zu    einem 


Kirchberg  weiters  an  den  Kroissenhof,  Pirkelhof  bis  an  den  Jaucbuitz- 
bach,  auf  selbem  in  die  Feidaist  bis  sum  steinernen  Brück],  zunächst 
dessen  ehemals  das  Stadt  freystädtische  Hochgericht  stunde,  und  vom 
steinernen  BrUckl  bis  in  Kefermarkt,  von  welchem  das  sogenannte  Wies- 
häusl  in  das  diesseitige  Landgericht  gehöret.  Femers  von  Kefermarkt 
bis  zur  Leedermühle,  alda  wendet  sich  die  Scheidung  von  dem  Aistfluß 
gegen  der  Neustadt,  und  von  selber  auf  den  Gusenbauern,  hernach  über 
die  Gutauer  Straße  in  das  Pasteinerbachl  in  die  schwarze  Aist,  auf 
letzterer  bis  zum  hochen  Steeg,  von  dort  aus  am  Bachl  über  den  Arn- 
berg  auf  den  Käßl,  Holzgassen  und  endlich  wieder  zum  Lindenstain  in 
Obenberg. 

Femers  hat  die  Herrschaft  Haus  und  respective  Freistadt  einen 
besonderen  Landgerichtsdistrikt  in  der  ganzen  Pfarr  S.  Leonhard,  von 
welchem  sich  die  Gränz  bey  der  Ledermühl  am  StampflQuß  hebet,  als- 
dann am  besagten  Fluß  bis  zum  Steghammer  und  weiters  in  die  schwarze 
Aist  lauft.  Am  Aistfluß  hernach  über  die  Haßlmühl,  Pfartlmühl  bis  zur 
Groißbrucken  [oberhalb  der  Pfartlmühle  und  unterhalb  der  Neomühle 
und  Haidmühle],  dann  weiters  über  Land  nächst  Oberaschlag,  Ensöd  an 
denen  Gränzen  der  Leonhardter  Pfarr  bis  wieder  zur  Ledermühl.* 

Konzept  des  Landgerichtes  Haus  vom  9.  April  1804  im  Sohloß- 
archiv  Steyregg. 

Zur  Orientierung  über  die  Zugehörigkeit  der  einzelnen  Häuser 
auf  der  Strecke  über  den  Linzer  Berg  zwischen  Gallneuklrchen 
und  Urfahr  mögen  folgende  Angaben  aus  den  Grundbüchern  1794 
dienen : 

Zum  Landgericht  Haus  gehörten  von  Innertreffling  1  Steininger- 
gut,  5  Tmttenbergerhof;  von  AußertreflFling  4  Mülleitnergut,  9  Walkets- 
edergpit,  6  Asangergut;  von  Mittertreffling  12  Lacknergut,  22  Haidergut, 
27  Puohnergnt;  von  Kazbach  1  Hofistatt  auf  dem  Anger,  4  Zweokl- 
lehnergut,  13  Stöttnerhof,  15  Häusl  am  Steg,  19  Kleissenhänsl,  21  Binder- 
hofistatt,  22  Starzergpit;  von  Dornach  7  Wirtshaus;  von  Heilham 
1    Fischer-    oder    Zawischhäusl,    4     Gusnerhofstatt,    5    Gleisenhofstatt, 

^  Die  Grenzörtlichkeiten  des  Landgerichts  Harrachstal  waren  gegen  das  Land- 
gericht Reichenau:  Unterwald  (Schmid,  Jungbaur),  Plochwald  (Pils,  Reuter, 
Jagl),  Hacklbrunn  (Reithaus,  Bergmaurer),  Hnndsberg  (Lucken,  GM^ttner, 
Lehner),  Eben  (Nastand,  Wieshaus),  Viehberg  (Reiterhäusl,  Gütl  am 
Viehberg,  Steinriedl,  Holzer,  Kronawiter,  Hollerstauder,  Geigerringl, 
Hainzl),  Weinviertl  (Straßenhans),  gegen  das  Landgericht  Weinberg 
Weinviertl  (Inleuthaus),  Pürstling  (Meiselbauer,  Kollreit,  Steinbichl), 
Steinwald  (Anger),  Neuhof  (Fruhwirt),  Schwingenden  Brack,  Strobsack, 
Haidhäusl,  Amesreut,  der  Stampfbach;  gegen  das  Landgericht  Haus: 
Schraflfenberg,  Markt  St.  Leonhard,  Promenöd,  Kitzleder,  Hohen  reut;  gegen 
das  Landgericht  Rutenstein  die  Schwarze  und  die  Weiße  Aist,  der 
Mückenbach  und  der  Baueraberg. 


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289 

eigenen  Landgerichte  nochmals  verkleinert,  wie  auch  schon 
1702  der  Stadt  Freistadt  das  Halsgericht  für  ihren  Burgfrieden 
verkauft  worden  war.^ 


7  SiöttnerhofsUtt,  10  Mühle,  12  Klänerhäasl;  von  Furt  gememsam  mit 
Wildberg  die  Häuser  1  Artnerhofstatt,  2  Rottenbichlerhofstatt,  4  Maurer- 
hoüstatt,     ö    Mairho&tatt,    6    Bäckerhofstatt,    7    Schützenbergerhofstatt, 

8  Reschenhofetatt. 

Zum  Landgericht  Wildberg  gehtJrten  außerdem  die  Häuser  15, 
16,  17  Wolfenhäusl,  Häusl  am  Gries,  Fischerauerhäusl  zu  Furt;  von 
Außertreff Ung  10  Schützenbergerhub,  15  Pirchstnmergut,  16  Straßergut; 
die  Ortschaften  Pflaster,  Steg  und  Grindberg  ganz;  von  Domach  1  Lehner- 
hofstatt, 2  Obermair,  4  Häusl,  5  Niedermair;  von  Kazbach  15  Ortner- 
häusl,  dann  das  Grabmergut  4  zu  Windpassing,  das  Zebnthofergut  bei 
der  Linzerstraße,  5  zu  Zingißing. 

Zum  Landgericht  Steyr egg  gehörten  von  Furt  die  zwei  Häusel 
15  und  16  halb,  von  Linzerberg  3  Häusl  in  Rotenbichl. 

Zum  Landgericht  Ried  egg  von  Linzerberg  1  Aichingerhof^ 
2  Schneiderhäusl  in  Rotenbichl,  4  Fidelsbäckgut,  7  Flatschergnt,  9  Häusl, 
10  Hobelauergut. 

^  Im  Stadtarchive  Freistadt:  ,Mappa  specialissima.  Durch  selbe  allein 
vorstellend  die  landsfirstliche  Stadt  Freistadt,  dessen  zugehörigen  Burg- 
friedt  und  Landgerichts  Graniz  Mit  Allen  So  Wohl  frembt  als  auch 
aigentlichen  vmbligenten  Vnterthanen,  Haußgärtten,  Feldter,  Acker, 
Wisen,  Vüechwaydten,  Mihlbach,  Teucht,  Holzgründt,  Weeg  und  landt- 
straß,  Alles  accurat  Geometrice  abgemessen  und  vorfaßet  durch  Joseph 
Antoni  Pemlahner  Ing.  Anno  1743.* 

,Der  Stadt  Freistadt  Burgfridt  vud  Laudtgerichts 
Gezüerk.  Burgfrid  und  Landgricht  fangt  sich  an,  all  wo  die  Jauniz 
in  die  Feldtaist  rindt  deutet  Num.  31.  Von  danuen  aufwerts  dem 
Jaunizbach  nach  zu  der  stainern  Brücken  an  die  Linzer  Straß  zaiget 
Num.  32,  Weiter  disem  Bach  nach  bis  zu  dem  obern  Schernpaum 
Steeg  an  den  sogenandten  Schenchenfelder  weeg  Num.  33,  Volgendt 
rechter  Handt  diesem  Weg  nach  durch  des  Brandtlpaurn  Holzgründ 
bis  zum  Krempel  Hof  in  der  Jauniz  genant  Num.  34.  Von  dort  auf 
den  Weg  nach  zu  den  Stainkellerpaurn  linker  Hand  stehet  zaigot 
Num.  35.  Dan  dem  Farthweg  nach  auf  St.  Petter  linker  band  durch  das 
Dorf  bis  zum  Wimbpaurn  weiset  Num.  36.  allda  lincker  Hand  nach 
den  Wimbhof  vorbey  über  dasigen  Perg  hinunter  bis  zu  der  Greiz 
Saullen  Num.  37.  Von  alldortten  lincker  Hand  durch  den  ausgemarchten 
Holzgrund  in  der  Pockau  genandt,  weiters  nach  den  30.«'"  (Dreißgener) 
Holz  bis  an  die  Vierzech ner  Grund  deitet  Num.  38.  Von  danen  nach 
dem  staintischen  Holz  in  Graben  hinunter  bis  an  das  Pockaubächl 
Nom.  39.  weiters  nach  dasigem  bachel  und  statt  Holzgrund  zu  der 
Dreissiger  Wisen  all  wo  zwey  kleine  Bach  zusamen  rinnen  Num.  40. 
Sodann  nach  dem  Viertzehner  Brunbächl  nauf  wort  über  die  Dreisiger 
▲rchir.  XCIY.  Band.  20 


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290 

Das  Landgericht  Haus  wurde  nicht  lange^  nachdem  es 
ins  Leben  getreten,  schon  wieder  verkleinert  durch  Abgabe 
von  Distrikten  in  die  ursprünglich  exemten  Landgerichte 
Wildberg  und  Riedegg  ^   sowie    durch   die  Ausgestaltung   des 


Wisen  bis  an  die  LandstraB  allda  stehendten  Greiz  Saallen  Num.  41. 
Von  diser  SauUen  nach  dem  Holzweg  durch  die  Hammerleüthen  und 
abwerte  derselben  bis  zu  dem  Feidaistbach  ober  der  Schifferischen  Dradt- 
ziech  das  die  selbe  mit  aller  Jurisdiction  unter  die  Stadt  Freystatt 
gehörig  deittet  Num.  42.  Dan  nach  demselben  Aistbach  und  Schlager- 
leiten zu  dem  einen  großen  Marchstain,  welcher  negst  dem  Bach  stehet 
und  mit  3  f  gemorgt  worden,  alwo  3  Landtgrichter  zu  samen 
gränzen  nemblich  die  Herrschaft  Windhag,  Schloß  Freystatt  und  Statt 
Freystadt  bey  Num.  43.  Weiters  nach  dasigem  Feidaistbach  bis  an  die 
Aichelstain  Mihi  zu  dasiger  Brück  Num.  44.  Von  diser  Brücken  nach 
dem  Bach  zu  der  unteren  Schifferischen  Drahtziech  und  Nigerinischen 
bis  zu  der  Wüsmihl  Num.  46.  Von  der  Wismihl  zu  dem  [Stattfeldt  auf 
dasige  Leuthen  und  nach  dieser  Leiten  bis  an  des  Mansenreidter  Feldt 
Num.  46.  Von  danen  nach  dasigem  Feld  bis  negst  der  Mansenreidter 
Greiz  saullen  Num.  47.  Von  diser  Saullen  nach  dem  Gangsteig  auf 
den  Berg  herunter  zu  den  Kudtlerfleischhackerheisel  an  den  Feldtaistbach 
zeiget  Num.  48.  Weiters  nach  dem  emandteu  Bach  bis  hinter  die  Scharr- 
mihi  bey  dem  Gapuciner  Garten  Num.  49.  Von  danen  nach  dem  Bach 
der  Altbach  genandt  bis  zu  der  Kellerpaurn  Brücken  Num.  50.  Von 
diser  Brücken  nach  dem  Feidaistbach  und  Spittal  Gründen  bis  zu  der 
Knebrischen  Wisen  Num.  61.  Weiters  nach  dem  Bach  bis  auf  die  große 
Reichenauerwisen  zaiget  Num.  62.  Leztlich  nach  abermaligem  Bach  zu 
der  untern  Gästringer  Leuten  alwo  der  Feidaistbach  in  den  Jaunizbach 
rindt  alda  zusamenfließen  und  so  weiters  die  Feidaist  genenet  wird 
Num.  63.  Alda  ist  der  Anfang  und  Endte  des  freystädtischen  Burgfrid 
und  Landgerichts  Gräniz.  Der  umb  Greiß  dasigen  Landgricht  beträgt 
über  die  21000  Schrieth,  welche  4  Meil  weegs  ausmachen.  Die  Lenge 
diser  Herrschaft  Freystatt  6600  Schriet,  nach  der  Praüdte  7600  Schrieth.* 
Das  alte  Schloß  wurde  1702,  1.  Jänner,  vom  Grafen  Bonaventura 
von  Harrach,  das  neue  Schloß  (vormaliges  Kapuzinerkloster)  1896, 
1./4.  Dezember  vom  Grafen  Rudolf  Kinsky  an  die  Stadt  verkauft  (Ur- 
kunden in  der  Stadtkanzlei  Freistadt). 

^  Eine  Grenzbeschreibung  ist  nicht  vorhanden;  nach  den  alten  Grund- 
büchern gehörten  zum  Landgericht  Riedegg  der  Markt  Gallneukircheu 
und  die  Dörfer  Almesberg,  Spatendorf,  Veitsdorf,  Garlesberg,  Linzer- 
berg, Inuertreffling,  Gries,  Simling,  Holzwiesen,  Schweinbach,  Enger- 
wizdorf,  Halmansdorf,  Punzenberg,  Dumbach  und  Oberndorf  ganz  oder 
teilweise  und  übte  auch  exemte  Gerichtsbarkeit  über  zerstreute  Unter- 
tanen aus.  Grenzhäuser  waren  Leimetshofer  und  Zwicklbauer  in  Inner- 
treffling,  Sailler  in  Garlesberg. 


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291 

exemten  Landgerichtes  Steyregg  zn  einem  geschlossenen/  dann 

*  Grenzhfiufier  des  Landgerichtes  Steyregg  waren  der  Willingerhof,  im 
Hof,  Pannagl,  Stadler,  Deselgut,  Kramesberger,  Ratsclienberger,  Enzeu- 
pühringer,  Reisinger,  Gaßner,  Reichenbachmühle,  Laschen,  Dor&traße 
von  Algen,  Faist,  Dopler,  Neideg^er,  Pfeningb erger.  (Siehe  auch  Anm. 
auf  S.  288,  289.) 

Zu  dem  Landgerichte  Steyregg  gehörten  einst  die  Burgfrieden 
von  Luftenberg  und  Au,  welche  jedoch  später  von  den  Landgerichten 
Haus  und  Greinburg  an  sich  geiogen  wurden,  was  auch  mit  dem  Burg- 
frieden Langenstein  geschah,  der  vormab  einen  Teil  des  Schlosses 
Spielberg  [worüber  im  Traunkreise  gesprochen  werden  wird]  gebildet 
hatte.  Nach  dem  Paanthädting  der  Herrschaft  Luftenberg  (See.  XVH 
im  Schloßarchive  Steyregg)  nahm  der  Burgfiried  den  Anfang  ,am 
Reichenbach  nächst  dem  Kloster  Bnlgam  an  der  LandstraB  und  gehet 
neben  und  an  dem  Kloster  hinauf  der  Straß  nach  zu  dem  Dämsprun, 
von  danen  widerumen  solcher  Straß  nach  an  den  Hochgattem  und 
gerad  nach  dem  Zaun  an  das  Dorf  Stäzing,  sodan  durch  die  Gassen 
oder  Straß  bemeltes  Dorf  hindurch  nächst  an  die  Haßlach  häuser,  so 
beede  im  Burgfrid  ligen,  von  dannen  auß  nach  oftgemelter  Straß  hinum 
zum  Reschen  am  Feld,  vor  dessen  ThUr  der  Burgfrid  gehet,  von 
welchem  dem  Gangsteig  nach  über  die  Felder  hinab  an  das  Süetbrückhl 
und  nach  derer  Abwündter  Gründt,  sodan  durch  gedachter  Abwünder 
und  Staininger  Gründt  hindurch  dem  Zaun  nach  bis  an  die  Donau, 
und  gerad  hinüber  durch  die  Auen  in  die  unterhändl  gassen  bis  an  die 
Danzstatt  nacber  Räffelstetten,  von  dar  aus  der  Altau  nach  an  die 
Gledtfischeran  bis  an  die  Angerwüß,  und  denselben  Zaun  hinauf  bis 
an  die  Angerwüß  Palchen,  von  selben  durch  die  Auen  hinüber  schär- 
werts  hinauf  biß  mitten  in  die  Nanfart,  von  mitten  derselben  widerumen 
schärwerts  herdan  an  den  Noiwißzaun  und  nach  selben  hinum  an 
des  Nöfischers  Grund  und  Zaun,  demselben  Zaun  nach  ober  der  Teufl- 
auwüs  herum  an  den  Reichenbach  gen  Bulgarn  an  die  Landstraß,  als 
des  Burgfirids  Anfang.* 

Hier  wird  berichtigt,  daß  das  Lehenbuch  Jansens  von  Chapell 
nicht,  wie  S.  143,  Anm.  4  bemerkt,  sich  in  Eferding,  sondern  im  k.  und 
k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  in  Wien  (Handschr.  37)  befindet. 

Im  ,Vrbary  der  Herrschafft,  Schloß  und  Vesten  Spilberg,  von 
Osterreich  zu  Lehen  rührend*  ddo.  1.  Oktober  1610  (vid.  Abschrift  1754, 
3.  Juli  im  Schloßarchiv  Steyregg)  und  in  dem  Berichte  des  Landgerichtes 
Steyregg  1804,  26.  April  (daselbst)  sind  die  Burgfrieden  von  Langeu- 
stein  Pfarre  S.  Georgen  a.  d.  Gusen,  und  von  Au  Pfarre  Narn  be- 
schrieben. 

,Der  Herrschaft  landgerichtliche  Burgfrid  um  das  Dorf  Langen- 
stein hebt  sich  an  bey  dem  Kößelbach  [bei  Gusen],  stost  bis  an  den 
Marbach  [jetzt  Riederbach]  und  von  dannen  an  den  Planzenbach/ * 

*  Die  iltMte  BMo1ir«ibiuig  ist  im  Paateidiof  nnd  Urbftrbftcbl  Ton  Spilberg  (vor  1475,  im 
Linser  Mnseiim)  enthalten  nnd  Untet :  Jtem  Ton  Erst  die  frejumb  sn  der  Herrscbafft  hebt 
sieh  M  bey  dem  kesselbsch  Tnd  stdst  Tntz  an  den  morbach  Tod  von  der  Tonaw  bis  an  den 
zweinsenbaeh.' 

20* 


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292 

durch    die  Verleihung    des  Halsgerichtes  an  die  Jesuiten    zu 
Pulgarn.  ^ 

Im  Umfange   des  Landgerichtes   lagen   noch    die    Burg- 
frieden von  Reichenau^  und  Neumarkt.* 


Die  Grenzen  des  Burgfriedens  des  Marktes  Au  sind  folgende: 
yVon  der  steinernen  Stiegel  am  Kramer  —  der  sogenannte  Arm  der 
Donan  —  nach  des  Haindlbauern,  Weinbergischen  Untertans,  Grund 
aufwärts  bis  zu  dessen  Gatterl,  von  diesem  nach  dessen  Gründen  auf- 
wärts bis  zum  Schinder  oder  Bäckergattem.  Von  da  auf  der  alten  Geer- 
straße  immer  aufwärts  nach  den  Obersebingergründen  bis  zu  dem  Punkt, 
wo  ehemals  das  Anerkreuz  gestanden  ist.  Von  da  nach  dem  Ober- 
sebingeranger  an  den  Ausfluß  der  Aist  in  die  Donau.  Von  da  nach 
den  Gründen  der  Auer,  so  weit  sie  Tor  der  Weg^chwemmung  gereicht 
haben,  in  der  Donau  abwärts  bis  zum  Kramer  und  über  denselben  hin- 
über und  abwärts  nach  des  Bauern  und  Gusenbauem  in  der  Au  Herr- 
schaft Erlaischen  Gründen  bis  auf  die  Untersebinger  Wiesen  und  nach 
derselben  landeinwärts  und  sodann  aufwärts  nach  des  Derntl  zu  Nam 
Gründen,  sodann  nach  dem  Nameranger  auf  des  Bäckers  im  Teucht 
Karlingerhofs  Gründen,  wieder  nach  denselben  aufwärts  bis  auf  den 
Wieselbauernhaufen  [Au],  welcher  im  Kramer  liegt  Durch  diesen 
Haufen  gehet  die  Grenze  bis  an  die  eingangs  erwähnte  steinerne 
Stiegel/ 

^  Außer  dem  Kloster  nur  die  Häuser  2  Mühle,  3  Fleischhacker,  4  Schuster- 
häusl,  6  Binderhaus,  14  Sebaldhofistatt;  die  übrigen  Häuser  unterstanden 
dem  Landgericht  Stejregg. 

'  Urbarbuch  der  ,yesten  Reichenaw,  so  man  zalt  1379  am  tag  nach  gots- 
leichnambstag*,  erneuert  1495  von  Eberhart  Marschalh  zw  Reichenaw 
,al8  der  elter  meiner  gepruder  Georgen  und  Ruedorfen^  im  Linzer 
Museum.    ,Da8  frey  aigen  zw   Reich ennau'  gewährt  fürstliche  Freiung 

*  Tättingburch  von  Neumarkt  See.  XVH  im  Schloßarcliiv  Freistadt 
Fasz.  29,  Nr.  20.  »Erstlich  hebt  sich  der  purkfrid  an  der  Strapimühl  in 
den  Wührgraben  und  geth  auf  in  den  Seusenbach  auf  bis  zu  dem 
steincreuz  bey  des  Pürchinger  wißen  unt  nach  des  Pürchinger  wißen 
dem  khag  nach  auf  gen  Pürach  zu  dem  gattern  bei  des  Bürchinger 
stadl  unt  von  dem  gattern  in  des  Pürchinger  schluechten  auf  unt  her 
über  das  velt  bei  Hanges  leben  zu  dem  Prandtstattholz  auf  die  wög- 
schait  unt  get  in  dem  Prandstattholz  ab  in  den  Süenpach  unt  get  in 
den  Siehepach  nach  auf  unt  herüber  die  Siehewiß  zu  dem  Süencreuz, 
von  dem  Süehencreuz  mitten  durch  den  Mayrweg  berg  hinüber  in  des 
Hagers  schluechten  unt  get  in  des  Hagers  schluechten  ab  durch  des 
Hagers  wißen  in  die  Greullackhen  unt  get  von  der  Greullackhen  ab 
in  den  Greulgraben  unt  get  vom  Greulgraben  in  die  Greulwiß  unt  get 
in  der  Greulwiß  in  den  obem  Khaag  nach  unt  widerumb  in  die  Strapi- 
mühl in  den  Wührgraben,  da  sich  der  Burgfrid  erstlich  enthabt  hat.* 
Schädliche  Leute  wurden  dem  Landrichter  auf  das  Frangärtl  gestellt. 


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293 


Sechzehnter  Abschnitt. 

n.  Das  Landgericht  Machland  und  die  Abteilungen 
desselben. 

Das  Landgericht  war  seit  1281^  an  die  Herren  von  Ka- 
pellen und  nach  deren  Aussterben  (1407)  an  die  Herren  von 
Liechtenstein  verpfändet  Jans  von  Kapellen  wird  im  14.  Jahr- 
hundert obrister  Landrichter  im  Machland  genannt^  ^  woraus 
hervorzugehen  scheint^  daß  den  Pfandherren  der  alten  Ried- 
mark (auch  Heinrich  von  Walsee  nennt  sich  obr.  Landrichter 
in  der  Riedmark)  die  Stellung  oberer  Landrichter  im  Sinne 
des  österreichischen  Landesrechtes  eingeräumt  worden  ist. 

Gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts  war  Christoph  von  Zel- 
king  auf  Weinberg  Pfandinhaber  des  Landgerichtes^  welcher  es 
durch  seinen  Pfleger  zu  Mitterberg  Christoph  Gruber  verwalten 
ließ.   Aus  dem  Schiedspruche  Gottharts  von  Starhemberg  1486, 


biB  an  den  dritten  Tag;  Verbrecher  werden  überantwortet  in  dem  obern 
Fort  im  Grasbach.  Auch  die  Tafern  in  Traberg  genoß  Freiung,  Aus- 
lieferung bei  der  Mtthle  in  dem  Furt. 

Nach  dem  Instanzkalender  pro  1846  übte  die  Herrschaft  Reichenau 
die  Landgerichtsbarkeit  aus  über  die  Pfarre  Schenkenfelden  mit  Aus- 
nahme des  Dorfes  Königschlag,  nach  jenem  pro  1824  über  die  ganzen 
Pfarren  Reichenau  und  Schenkenfelden,  im  Jahre  1808  gehörte  erstere 
noch  zum  Landgericht  Haus,  letztere  aber  schon  zu  Reichenau.  Der 
Auswechsel  der  Landgerichtsbarkeit  mit  dem  Landgericht  Schloß  Frei- 
stadt muß  demnach  zwischen  1794  (Abschluß  der  alten  Grundbücher) 
und  1808  (Grenzbeschreibung  des  Landgerichtes  Haus)  erfolgt  sein. 
Die  Grenzörtlichkeiten  des  vormaligen  Landgerichtes  Reichenau  hinter 
der  Freistadt  waren  im  Jahre  1794  folgende:  Steinhüblberg,  Ober  und 
Unter  Paßberg,  die  Feidaist  (mit  Ausschluß  des  weinbergischen  Burg- 
friedens Hilbetschlag  mit  Dorn-  und  Neumühle),  Graben  bei  Freistadt, 
Sinbauer,  Schlag,  Schwaighofer,  Ober  Rauhenöd,  S.  Michael,  Mitterbach, 
Spörbichl,  Pölzgut,  Oberschlag,  Kühau,  Aufreiter,  Seiberl,  Predertschlag, 
Mairspind,  Freienschlaghammer  und  Rößlhammer  gegenüber  von  Zetwing 
an  der  Maltsch. 

Oberösterreichisches  Urkundenbuch  Hl,  529. 
a.  a.  O.  V,  134,  136,    146,   209,   280.    Urkunden  1314,  1316,  1318,  1321. 


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294 

14.  Oktober^  erfahren  wir,   daß  die  landesfürstliche  Herrschaft 
Werfenstein  eine  Exemtion  vorstellte.* 

Als  das  Landgericht  Machland  endgültig  an  Heinrich 
Prüschenk  überging  (1495,  31.  Jänner),  hatte  es  nicht 
mehr  den  alten  Umfang.  Nicht  nur  daß  der  Kaiser  für  seine 
Herrschaft  Rutenstein  ein  eigenes  Landgericht  errichtete  (siehe 
Erläuterungen)/    hatte   er   schon   1491    dem  Lasla  Prager   für 


*  Kopie  im  Stadtarcliiv  Grein. 

'  ,nach  altem  herkomen^  wurde  bei  der  Herrschaft  Werfenstein  die  Uater- 
suchung  gegen  Verbrecher  geführt  und  nur  da«  ,Recht  über  das  pluet' 
war  mit  dem  Landrichter  und  den  ,freien^  aus  dem  Machland  zu  be- 
setzen, welche  sodann  samt  dem  Waltpoten  vom  Landgerichte  zu  er- 
fordern waren.  Es  bestand  somit  das  Verbot  des  introitus  und  nur  die 
Vollstreckung  des  TodesurteUes,  aber  auch  diese  auf  dem  Boden  der 
Exemtion  (das  Hochgericht  befand  sich  links  der  Haudererstraße  vor  der 
Mündung  des  Dießenbaches  in  die  Donau)  stand  dem  Landgerichte  zu. 
Deshalb  hieß  auch  das  Aigen  Struden,  welches  mit  der  Ortschaft  Hößgang 
jenseits  der  Donau  von  Einem  Marktrichter  verwaltet  wurde,*  das  ,Freige- 
richt*  Struden.  Mit  Hößgang  reichte  das  Landgericht  Machland  nach  Nieder- 
österreich hinüber,  woselbst  die  26  Häuser  von  Hößgang  (incl.  Unter- 
und  Ober-Neustift),  die  Häuser  7  und  11  (Schweighof  und  Hochwand- 
statt)  Vorderleiten,  2  bis  6  (Ober-,  2  und  3  Hofstatt  und  Mittergut)  in 
Wiesen  zu  dieser  Exklave  gehörten,  die  schon  im  16.  Jahrhundert  doku- 
mentiert ist,  da  ,das  Urtl  und  Erkhandtnus*  der  Landgerichtsschranne 
Greinburg  ddo.  20.  Dezember  1581  (begl.  Kopie  im  Fasz.  Fl  im  Hof- 
kammerarchiv) auf  Verweisung  der  Gebrüder  Sännglmülner  aus  dem 
Lande  ob  der  Ens  auch  auf  Ausweisung  lautete,  soweit  sich  ,die  Herr- 
schafft und  Landgericht  Greinburg  in  Osterreich  under  der  Ennß  er- 
streckt'. Die  Exemtion  verschwand,  als  K.  Friedrich  IH.  1489, 
7.  Jänner  (Chmel  Reg.  K.  F.  8364)  den  Markt  Grein  und  1493  auch 
Werfenstein,  Mitterberg  und  Struden  mit  dem  Landgerichte  im  Mach- 
land veräußerte  (Wisgrill  IV,  122).  Nur  das  Schloß  Werfenstein  ,im 
Gemäuer*  und  die  neue  Maut  verblieben  dem  Kaiser,  die  Wassermaut 
in  Struden  dauerte  bis  1.  Juli  1852,  von  welchem  Zeitpunkte  an  die- 
selbe in  Gemäßheit  des  Schiffahrtsvertrages  mit  Bayern  aufgelassen 
wurde.  Das  Mauthaus  wurde  1857  zur  Unterbringung  der  Bauleitung 
der  Korrektionsarbeiten  im  Struden  und  Wirbel  bestimmt,  zuletzt  an 
einen  Privaten  verkauft  (Nr.  34  in  Struden). 

'  Nach  dem  Urbar  der  kais.  Herrschaft  Rutenstein  ddo.  28.  Mai  1571  (im 
Archive  zu  Greinburg)  ,wehrt  (das  Landgericht)  als  weit  der  Wildtpahn 
und  Gejaider  sambt  den  Gründen  und  Mannschaften,  so  gen  Königs- 
wisen,  Weissenbach  und  derselben  zugehörungen  gehört,  in  das  bemelt 
Landgericht  bis  auf  die  Land  strass  so  auf  Pierbach  undt  Münichdorf 

*  Urbar  des  Aygens  Im  Struden  and  Ilöflgang  See.  XTI  und  Richter  Raittung  pro  1667  im 
Ortsarchire  Stmden;  dann  im  Oreinbarger  Urbar  1658. 


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295 

dessen  Herrschaft   ein   ziemlich    weites  Landgericht   verliehen^ 

g^het,  bis  auf  den  Burckfried  des  Markts  Königswiesen  and 
neben  dem  Burckfiried  hin  wieder  auf  der  Strassen,  bis  mitten  an  den 
Königswiser  wald  zu  einem  steinern  Greuz*  (Bl.  5).  Der  Wüdbann  der 
Herrschaft  ,hebt  sich  an  bei  dem  Prucklpach  und  get  heraus  zu  Höfing 
durch  das  Dorf  auf  die  Straß  und  abdann  gen  Schenau,  auf  derselben 
Straß  nach  gen  Mauretperg,  auf  den  Creuzperg,  von  dannen  auf  gen 
Haymau,  und  verrer  auf  der  Straß  hin  gen  Tanndorf,  derselben  Straß 
nach  gen  Kopenhof,  und  hin  unzt  auf  den  Elhenperg,  durch  denselben 
Perg  hindurch  auf  Pichler  Khag  bis  auf  dio  Straß  da  man  gen  Zell 
get,  von  derselben  Straß  hin  unzt  an  den  fürt  under  dem  Fragner  auf 
der  Straß,  und  von  demselben  fürt  bis  an  den  Rottengraben,  von  dannen 
hin  unzt  an  die  Stain  Pruckmttll  und  dannen  von  beeden  Nären  bis 
an  den  Rinsal,  von  dem  Rinsal  hin  gestraks  an  den  Khragen,  von  dannen 
bis  an  den  Pämer,  und  verrer  an  den  Stainrickhl,  volgundt  hin  an  den 
Fuchsen,  alßdann  bis  an  den  Fürholz,  und  bis  auf  die  Au,  von  dannen 
unzt  in  den  Arsch,  auch  verrer  auf  die  Straß,  in  der  Langgrueb,  bis 
zu  dem  Schäzler  und  auf  die  Fürstenedt,  alsdann  hindurch  das  Leüten- 
holz  zu  der  Khalten  Rinlen,  von  diesem  ort  verrer  auf  die  Uaubtmansödt, 
derselben  straß  nach  ab  in  Luechpach,  demselben  Pach  nach  under  die 
AchleÜten,  von  dannen  unzt  gen  hernschlechen,  daselbst  gestracks  über 
bis  zu  dem  Pämerswaldt  zu  dem  Khalten  Rindl,  darnach  ab  in  den 
Pechpach,  und  weiter  ab  unzt  in  die  Groß  Näm,  in  der  Näm  auf  unzt 
gen  CapellmtUl,  under  den  zeug.  Yolgundts  unzt  ins  Teufels  Au,  auch 
bis  an  den  Khogl,  von  dannen  gen  Pronpem,  alsdann  zwischen  baiden 
Näm  als  weit  die  vischwaid  wern'  (Bl.  10). 

Nach  dem  Urbar  des  kais.  ,Marckht  Weissenpach*  ddo.  14.  Juli 
1571  (im  Greinburger  Archiv)  ,hebt  sich  (des  Markhts  Weissenpach 
Landgerichts  gezürk)  erstlichen  an  der  Lehelmiil  bey  des  Fruewierdts 
Wuer  in  Arbaspacher  Pfarr  an,  geet  dem  Khaag  nach,  so  der  Khom- 
maur  ist,  über  das  Khlain  Kämpl,  dem  Kämpl  nach  auf  bis  auf  den 
grossen  Dräperg,  darnach  über  auf  das  Khriegort,  durch  den  Waldt 
in  den  Rainpach,  in  die  Neu  Näm,  der  Närn  nach  ab  für  die  Dieslmül 
bis  in  den  Schneckenpach,  von  dannen  auf  zum  Pämer,  von  dem  Pämer 
ab  in  den  Idndenpach,  dem  Lindenpach  nach  ab  in  die  Ciain  Närnn, 
der  Glain  Nären  nach  ab  in  den  Prugglpach,  dem  Prugglpach  nach 
auf  die  Straß  die  von  dem  Weissenpach  auf  Schenau  geet,  und  der 
Straß  nach  auf  Höfling  und  Schenau  durch  baide  Dörfer,  und  von 
Schenau  geen  Mauerberg,  von  dannen  auf  den  Greuzperg,  von  dannen 
in  die  Lacken,  die  auf  der  Straß  ist,  von  derselben  Lacken  dem  Steig 
nach  bis  zum  Guggenperg,  von  dannen  auf  die  Straß,  die  durch  die 
Viech  tau  geet,  an  die  Aschmül,  von  dannen  ab  bis  in  die  Viech  tau,  von 
der  Viechtau  ab  an  die  Aschmül  in  den  Gölsenpach,  von  dem  Gölsen- 
pach  über  an  den  KufQperg,  und  von  dem  Kufflperg  ab  in  den  Hinder- 
pach  auf  bis  an  der  Ebenorter  Gründt  an  die  Landstrassen,  der  Land- 
strassen nach  an  die  Pelzmül  in  den  Schilt,  dem  Schilt  nach  in  die 
Weißaist,    volgundt    auch  für  den  Ruebmair  über  auf  den  Pauraperg, 


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296 

in  welchem  der  bisherige  Burgfrieden  aufging.^ 

von  dem  Paurnperg  über  in  den  Rottenpach,  von  demselben  Rotten- 
pach  über  in  die  Praitenhaid,  von  der  Praitenhaid  ab  an  den  Totten- 
raan,  von  dem  Tottenman  ab  da  der  Kamp  entspringt,  bis  wider  an  die 
Lehelmül  an  des  Fraewirdts  wuer,  da  sich  dann  das  Landgericht  an- 
gefangen. Von  dannen  geet  das  Landgericht  verrer  so  weit  sich  die 
Pfarre  Weissenpach  erstreckt  und  wert.  Was  aber  in  yetzgemelten 
Landgerichtsgeztirck  für  Malefizische  Personen  einkomen,  sein  die  von 
Weissenpach  der  Herrschaft  Ruttenstain  zw  anntwurten  schuldig.* 

Für  den  Burg  Med  Königs  wiesen  ist  keine  eigene  Beschreibung 
vorhanden,  die  Westgrenze  lief  vom  Lindenbach  zur  Großen  Narn, 
Mötlas  und  Mötlasberg  lagen  im  Burgfried;  die  zu  demselben  gehörigen 
229  Häuser  sind  alle  in  dem  Anschlage  von  Rutenstein  vom  Jahre  1581 
(Original  im  Linzer  Museum)  bei  der  Rubrik  Landgericht  Königswiesen 
namentlich  aufgezählt,  was  auch  für  das  Landgericht  Weißenbach  der 
Fall  ist:  das  Amt  und  Gericht  Pierbach  bildete  den  Körper  des  Land- 
gerichtes Rutenstein  im  engeren  Sinne. 

Grenzhäuser  gegen  das  Landgericht  Prandegg  waren  im  Jahre  1794: 
die  Neumühle  an  der  Schwarzen  Aist,  Kreuzeder,  Narhamer,  Stummer, 
Berger,  Scherzer,  Strobl,  Mörwald,  Gr.  Hainmann,  Fischl,  Marwald,  die 
Dörfer  Kaining  und  Wolfegrub,  Ellerberg,  Kopier,  Köpperl,  hierauf  die 
Große  Narn  bis  gegenüber  der  Rabmühle. 
^  Nach  dem  ,Täding  Buech  der  Herrschafft  Windthag  im  Erzh.  ö.  o.  d.  E. 
Machlandt  Viertls*  ddo.  16.  Jänner  1653  (im  Linzer  Museum)  hob  sich 
der  alte  Burgfried  und  Wildbann  des  Schlosses  Windhag  ,an  an  der 
äussern  mühl  und  gehet  dem  weg  nach  und  zwischen  dem  Oassten  und 
Schreinsperg  durchs  öedtholz  nach  dem  wasser  pächlein  und  der  Tabra 
nach  gen  Altenburg,  dem  kirchsteig  nach  gen  Paumgarten  und  über 
den  Schnappenberger  Grund,  über  die  Stainbruck  gen  Hochthor,  beym 
mühlweg  nach  zu  dem  Gänglein  in  der  Närn,  und  wider  nach  der  Närn 
auf  die  Aschermühl,  Alß  endet  sich  der  Wildtpann  und  alt  Purckhfridt, 
so  von  alter  gen  Windthag  gehört  hat.* 

Aus  der  Urkunde  1491,  19.  Dezember  ,Volgt  hernach  das  Land- 
gericht und  Wildpan  von  Kayser  Friderich  Gegeben.  Nemblich  von 
demselben  gscliloß  Windthag  unzt  an  die  Tobatschmtil,  von  derselben 
Mühl  an  den  Güssibl,  von  demselben  Güssübl  an  das  Orth,  von  dem- 
selben Orth  unzt  an  den  Schaursperg,  von  demselben  Schaursberg  unzt 
an  den  Spaten,  von  demselben  Spatten  an  den  weg,  von  demselben 
Weg  an  Paumgarten,  vom  Paumgartten  unzt  an  die  Widen,  von  der- 
selben Widen  unzt  in  die  winckl,  von  derselben  winckl  unzt  an  das 
Puochelstainach,  auß  dem  selben  Puechel  Steinach  auf  den  hof  ob 
Rechberg  und  dem  weg  nach  ab  zu  dem  Ebenbrechten,  von  dem 
Planckenberg  bis  auf  die  weg  schaidt,  da  das  Creuz  stehet,  bey  dem 
Vorsehen,  von  dem  Vorsehen  zu  dem  Meißl,  von  demselben  Meißl  unzt 
an  den  Keller,  von  dem  selben  Keller  bis  an  den  Gattern,  von  dem- 
selben Gattern  bis  an  den  Prunn,  von  demselben  Prunn  unzt  an  den 
Wäntschen,    von    demselben  Wäntschen   bis   in   die  Eben  unzt  zu  dem 


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297 

Das  Landgericht  Machland  blieb  jedoch  nicht  lange  in 
den  Händen  der  neuen  Grafen  von  Hardeck;  als  einen  Ersatz 
fär  Rannarigel  kaufte  das  Hochstift  Passau  dem  Qrafen  Julius 
von  Hardeck  Herrschaft  und  Landgericht  ab,  doch  hob  Kaiser 
Ferdinand  diesen  ihm  nicht  gelegenen  Kauf  1533,  11.  November, 
ausdrücklich  auf,  genehmigte  dagegen  den  nachderhand  mit 
Hans  Leble  geschlossenen  Kauf  und  begabte  das  1489/90  er- 
baute Schloß  Heinrichsburg  mit  dem  Namen  Greinburg.  ^ 

Mit  dieser  Verfügung  erlosch  für  das  Landgericht  die  alte 
Bezeichnung  von  Machland,  es  hieß  fortan  das  Landgericht 
Greinburg. 

Die  weitere  Zerstücklung  desselben  durch  die  Löbl,  wie 
die  Leble  ihren  schwäbischen  Namen  umformten,  ist  in  den 
Erläuterungen  dargelegt.  Vom  Landgericht  Greinburg  ist  nur 
eine  Grenzbeschreibung  aus  dem  Zeitpunkte  vorhanden,  in 
welchem  die  Abtrennungen  längst  vollzogen  waren.* 

Cuerzen,  aUes  in  Rechberger  pfarr:  von  demselben  Cuerzen  an  die 
Prandtstatt,  von  derselben  Prandtstatt  bis  in  die  Kemathen,  von  der- 
selben Kemathen  bis  aaf  den  Ebenhof,  von  demselben  Ebenhof  in 
Altenborger  Pfarr  in  den  Wasenberg^,  von  demselben  Wasenberg  bis  gen 
Walckenstorf,  von  demselben  Walckenstorf  unzt  gen  Fuerrichten,  von 
demselben  Fuerrichten  in  die  Widen  auf  die  Cappelstatt,  von  derselben 
Capelstat  fOr  das  Tannach,  von  demselben  Tannach  gen  Molnegg,  von 
demselben  Molnegg  zu  dem  Gressing,  von  demselben  Gressing  bis  zu 
dem  Nening  in  Münzbecker  Pfarr,  von  demselben  Nening  bis  an  die 
Kropfinühl  unzt  an  den  Preschnizhoff,  von  demselben  Preschnizhoff  gen 
Pergkirchen  bis  hinaus  auf  die  land  straß,  so  gen  Perg  gehet,  von 
dannen  der  land  straß  nach  hinaus  in  das  außer  Krottenthal  bis  zu 
dem  Stefan  gen  Oedt,  von  demselben  Oedt  dem  weg  nach  an  die 
Kuchelmühl,  von  derselben  mUhl  hinauswerts  gegen  dem  wasser  bis  an 
die  drey  mühl,  von  derselben  drey  mühlen  bis  an  die  Überwax  [Felsen 
im  Flußbette  der  Nam],  von  derselben  Überwax  unzt  an  die  Ascher- 
mahl in  Altenbnrger  Pfarr,  von  derselben  mühl  bis  an  die  Tobatsch- 
mtthl,  alles  dishalb  der  Nftrn  gelegen.* 

Die  Ortlichkeiten  finden  sich  alle  auf  der  Souvent-  und  Schütz- 
schen  Karte,  sie  lagen  noch  im  Landgericht.  Tobatschmühle  ist  die 
Toitschmühle  an  der  Narn. 

*  Registratur  vom  Jahre  1689  im  Schloßarchiv  zu  Greinburg. 

'  Im  Herrschaftsurbarium  vom  81.  Dezember  1658  (im  Schloßarchiv  Grein- 
burg Bl.  52  —  57)  lautet  die  Grenzbeschreibung  folgendermaßen:  ,Er8t- 
lichen  fangt  sich  ermelter  Herrschaft  Greinburg  Landgericht  an  zu  Grein 
mitten  auf  der  Tonau  und  gehet  derselben  nach  hinauf  bis  auf  Ober 
Seebem,  wo  die  Aysst  in  die  Tonau  rint,  Aisdan  mitten  der  Ayssi 
nach  auf  die  Furthmühl,    welche  an  der  Gränniz:  aber  noch  im  Land- 


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298 

Das  Bild,   mit  welchem  die  Darstellung  schließt,    ist   ein 
unerfreuliches,   mag   es  mit   den  Augen   des  Historikers   oder 

gericht  ligund,  von  daauen  der  StrasB  hinaus  nach  ins  Feld  zum  stainen 
Creuz,  von  selbigem  Creuz  alBdann  mitten  dem  weg  nach  auf  Perg  zu 
dem  Stain  ausBer  deß  Spittals,  wo  der  Perger  Burgfiid  angehet  Item 
mitten  auf  der  stainnen  Prucken  zu  Perg,  so  über  die  Näm  gepauet, 
fangt  sich  das  Greinburgersche  Landgericht  wider  an  und  gehet  mitten 
der  Näm  nach  bis  an  die  Straß  underhalb  der  Kuchlmühl,  derselben 
8traß  nach  hinaus  und  neben  des  Edthofer  Gründen  an  der  LandstraB, 
derselben  StraB  nach  in  das  AusBer  Krothenthal  unczt  auf  Lebprun  in 
Pergkircher  Pfarr,  von  dannen  auf  den  Preschnizhoff,  durch  die  stuben 
übern  Tisch  hinauß  in  den  Garten  auf  einen  Stain,  welcher  ein  March 
sein  soll,  von  dannen  hinab  an  die  Kropfmühl  auf  den  Nening,  zue 
Nening  übern  Tisch,  hernach  auf  den  Grösßing  bis  zum  obem  Mollen- 
eckh,  von  dar  auf  die  Kopistatt  ausserhalb  Münßpach  freystetterischen 
Unterthan,  hinaus  zum  Gattern  auf  die  Straß,  alwo  die  Überantwortung 
der  Maleiiz  Personen  von  der  Herrschaft  Windhag  aus  beschieht,  von 
demselben  Gattern  hinab  auf  die  Wibm  flußhartischen  Underthan  durch 
den  Pachofen,  von  dannen  zum  Fierrichten  bey  der  Wagenhitten,  Über 
den  halben  hof,  durch  ein  fenster  in  die  stuben  und  über  das  Tischeck 
im  Winkl  wider  zu  einem  Fenster  hinaus,  über  das  feld  zum  Gattern, 
an  die  straß,  derselben  Straß  nach  gen  Walckstorf  auf  den  Waißenperg 
auf  den  Ebmer,  auf  Prandtstatt  zum  Kurzen  heißer,  an  die  Ebm,  der 
StraB  nach  zum  Wäntschen,  bis  an  Prunn,  zum  Khellner,  zum  Fasschen 
auf  die  Weegschaid,  wo  das  Stainene  Creuz  stehet,  hernach  dem  steig 
nach,  über  den  Plenckenperg  zu  der  Linden,  alwo  drey  Straßen  zu- 
samben  gehen,  so  dann  zum  Eprechten,  auf  den  Kienzlhof  ob  Bech- 
berg,  in  das  Khnebl  Stainach,  von  dar  zue  dem  Spätten,  unzt  auf  die 
Teutsch  Mühl,  vor  dißem  Tobatschmühl  genant,  von  dannen  mitten  der 
Näm  nach  an  die  Raabmühl,  alwo  das  Ruttenstainische  Landgericht 
herzue  raint,  alsdann  nach  dem  Rinsal  neben  des  Puechperg  Walt 
gestracks  hinauf  zum  Kragen  Windhaagerischen  Underthan,  hernach 
zum  Pämber,  dem  steig  nach  zum  Stainrucker  bis  mitten  auf  den  Tisch, 
von  dannen  zue  dem  Fuxen  oder  Fuchslueg,  alsdann  zu  dem  Fierholzer, 
neben  dem  fenster  fier,  der  straß  nach  zue  des  Fierholzersteg  in  den 
Aupach,  dem  Pächel  nach  zue  des  Ärschers  Gattern,  von  dannen  bis  in 
die  Langgrueb  der  Straß  nach  zum  Schäzler,  von  dannen  auf  die 
Fierstened,  hemach  auf  die  Haubtmans  Edt  in  des  Leitner  Holz,  zu 
dem  Kalten  Printl,  von  dannen  demselben  Rinsal  nach  ab,  hin  bis  in 
Luegpach,  demselben  Pach  hinauf  under  die  Achleithen,  ins  Achleithner 
Fürth,  von  denselben  Fuerth  hinauf  in  die  Riglwis  und  in  derselben 
Waaßerspil  hinauf  bis  in  des  Geringer  Puechwis,  zwischen  dem  Eyßner- 
hof  und  Geringer  Guet  auf  die  Kalt  gwandten,  von  dannen  auf  die 
Straß  so  von  [Pab]  Neukirchen  auf  Minichdorf  zuegehet,  zue  dem  Gmain 
Gattern  hinauf,  neben  dem  Koglperg  fier,  über  die  Eyßneredt  in  den 
Haydgraben,  hinab  in  Pechpach,  demselben  Pach  nach  in  die  groß 
Näm,  der  großen  Närn   nach   hinauf  au   die  Kapplmühl  bis  mitten  auf 


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299 

des  Juristen   betrachtet   werden.    Es  waren  tiberlebte  Verhält- 
nisse^ deren  rechtzeitige  Beseitigung  Kaiser  Josef  11.  mit  dem 

die  Pruckn,  von  dannen  neben  der  Ehöni^wiser  Pfarr  hin  auf  den 
Kaltenperg,  auf  Ebened,  ins  Creuzreith,  in  das  Hirschenreith,  von 
dannen  in  das  Ecklreith,  bis  in  Nußpach,  demselben  Fach  nach  an 
das  Salspächl,  demselben  Pächel  nach  bis  auf  den  Zägerl,  auf  den 
Wezlsperg,  von  dannen  auf  Rempistorf,  von  daraus  über  den  Nußpach, 
an  die  Permühl,  bis  an  Pernedt,  zum  Weixlpämber,  von  dannen  alles 
neben  der  Khönigwiser  Pfarr  auf  Helmanschlag,  volgents  in  die  Grien 
Näm,  von  der  Grin  Näm  in  Schwarzenpach  an  die  under  österr. 
Gränizen,  denselben  Gränizen  nach  ab  und  ab  bis  an  die  Schanz  bey 
der  Geigen,  volgents  der  Gräniz  nach  ab  neben  des  Geiger  holz  und 
überlend  in  die  Waßerspill  unzt  in  den  Sarmingbach  an  die  Endles- 
mühl,  dem  Pach  nach  an  die  Angermühl,  bis  an  den  Schmidt  bei  dem 
Mihlperg,  von  dannen  auf  den  Edthof,  sodann  über  den  Dipl  hin  in 
den  KOnigspach,  demselben  Pach  nach  an  die  Schreinmühl,  unzt  hin 
in  den  Diesßenpach  nach  ab  bis  in  die  Tonau,  mitten  der  Tonau 
nach  hinauf  bis  wider  auf  Grein.* 

Das  Landgericht  Prandegg  (nachmals  Zellhof  genannt,  als  Prand- 
egg  nach  dem  oberdsterreichischen  Bauernkriege  verlassen  wurde)  hat 
keine  eigene  Grenzbeschreibung.  Die  Grenzörtlichkeiten  waren:  gegen 
die  Landgerichte  Haus  und  Freistadt  die  Waldaist,  gegen  die  Land- 
gerichte Reichenstein  und  Schwertberg- Windeck  Feibimühle,  Stecken- 
bacher, Vor  und  Hinter  Dorfer,  Holzer,  Vorder  und  Hinter  Binder,  Hinter 
Eder,  Vorder  Ebner,  Steininger,  Ober  Danner,  Leupoldslehner,  Scherer, 
Nußbaumer,  Salomon,  Schlappermilhle,  Daxebner,  Bart,  Wachenbauer, 
Puchner,  Erler,  Fischeder;  gegen  die  Landgerichte  Greinburg  und 
Rutenstein  die  Nam,  Narnleitner,  Roteneder,  Gleichetseder,  Fichner, 
Hengstberger,  Frag^er,  Gruber,  Ober  und  Unter  Panbalm,  Dandorfer, 
Wol&ecker,  Ober  und  Unter  Dorminger,  Galleder,  Lackner,  Enixlehner, 
Lindeneder,  Dorf  Kolned,  Unter  Kolneder,  Buchinger. 

Ebensowenig  ist  eine  Grenzbeschreibung  von  dem  geschlossenen 
Landgerichtsbezirk  erhalten,  welchen  in  der  Pfarre  Tragein  Reichen- 
stein aus  dem  Landgericht  Greinburg  erkauft  hatte.  Nach  den  alten 
Grundbüchern  waren  in  demselben  Grenzpunkte  gegen  das  Land- 
gericht Windeck,  Schwab,  Ober  und  Unter  Halmer,  Narhamer, 
Nußbaumer,  Hochöllinger,  Eder,  Moser,  Hinterberger,  Gatterbauer; 
Lehner,  Knechtleitner,  Dorf  Erdleiten  [fast  ganz]  gehörten  nach 
Windeck. 

Das  Landgericht  Windeck  begriff  den  Landstrich  zwischen  der 
Aist — Waldaist  und  der  Narn,  von  der  Haudererstraße  bei  der  Furt- 
mühle an  einschließlich  der  linken  Seite  des  Dorfes  Zeiling  und  des 
Burgfriedens  des  nach  Freistadt  untertänigen  Marktes  Perg  bis  hinauf 
nach  Feiblmühl  —  mit  Ausnahme  des  an  Reichenstein  gelangten  Di- 
striktes; gegen  letzteren  waren  nach  den  alten  Grundbüchern  Grenz- 
örtlichkeiten: Riegler,  Grabner,  Stadibauer,  Ober  und  Unter  Schmierreut, 
Feistlinger,  Danner,   Lehner,    Erdleiten,   Knechtleitner.    Im  Jahre  1644 


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300 

Patente  vom  20.  August  1787  angestrebt  hat.  Nach  der  ktinftigen 
Verwaltung  der  Kriminalgerichtsbarkeit  sollten  die  vielen  Land- 
wurde kraft  der  Meggaoschen  Erben  Teillibell  der  Herrschaft  Schwert- 
berg das  völlige  Landgericht  auf  ihrem  eigenen  und  ihrer  Untertanen 
Boden  im  Landgericht  MauthauBen  eingeräumt  und  vom  Landgericht 
Windeck  der  südliche  Teil  dazngeschlagen.  Nach  dem  Schwertberger  Urbar 
vom  Jahre  1680  (im  Schloßarchiv  Schwertberg)  ,thuet  selbes  landgericht 
oberhalb  der  Hamerschmiden  und  Mühl  in  der  Clauß  bey  dem  Windter 
Wiß  Gattern  sich  anfangen  und  von  dorten  rechte  hand  dem  fahrtweg 
nach  hinauf  zum  Edtpauem  gehen,  von  dorten  aber  der  landtstraß 
nach  hinumb  und  der  ordinaij  Straß  nach  durch  das  Dorf  zu  Winden, 
von  dorten  besagter  ordinaij  Straß  hinab  zum  Pfleger  Pächel,  von 
dorten  hinauf  zum  Eissapaurn,  von  dannen  hinauf  zum  Gattern,  von 
dorten  hinumb  zum  Lettner,  von  dannen  hinab  zur  Söllinger  Straß  bis 
an  die  Weegschaidt,  von  dannen  rechte  Hand  hinumb  zum  Hans 
Grueber  in  die  Au,  von  dorten  zum  Weber  an  der  leuthen,  von  dannen 
zum  Mittermillner  an  der  Näm  und  sodann  nach  der  Närn  abwerts  bis 
an  den  Markt  Perg  (massen  denn  solcher  Marckt  Perg  sambt  seinem 
ganzen  burgfirid  zue  solchem  landgericht  gehörig  ist)  und  vonn  dem 
Markt  Perg  der  landstraß  nach  herauf  bis  zu  dem  Stegmühluer  an  die 
Aist,  sodann  der  Aist  nach  aufwerts  bis  wider  zum  Winder  wißgattem, 
alwo  dieser  District  sich  angefangen*. 

Beide  Landgerichte  wurden  vom  Pfleger  zu  Schwertberg  verwaltet, 
sie  gingen  schließlich  unter  der  Bezeichnung  Landgericht  Schwertberg. 
Die  kleine  enge  Feste  Windeck  ist  schon  im  18.  Jahrhundert  zur  Ruine 
geworden,  die  an  alte  Tage  gemahnend  über  die  Berge  hereinblickt; 
auch  von  ihr  werden  bald  die  letzten  Trümmer  verschwunden  sein. 

Die  Grenzen  des  Landgerichtes  Waldhausen  sind  gegeben 
durch  die  niederösterreichische  Landesgrenze  und  die  Markungen  des 
Landgerichtes  Greinburg. 

Das  Landgericht  Baumgartenberg  war  nur  in  der  nächsten 
Umgebung  des  Klosters  geschlossen,  reichte  aber  mit  seiner  Exemtion 
tief  in  das  Landgericht  Rutenstein  hinein,  wo  die  ganzen  Dörfer  Mönich- 
dorf  und  Mönichwald  ihm  untertänig  und  daher  sicherlich  auf  Dotations- 
boden gegründet  waren. 

Das  Landgericht  Arbing  übte  nur  über  das  geschlossene  Dorf 
Arbing  (1 — 56),  in  welchem  das  alte  Schulhaus  Nr.  22  erst  durch 
Vergleich  1821,  29.  Dezember  unter  seine  Jurisdiktion  kam,  dann  über 
das  Wirtshaus  10  in  Puchberg,  die  Häuser  12,  16,  17  in  Obergaisberg, 
20  in  Gaisberg,  21  in  Molleneck,  5  in  Humelberg,  4  in  Priehetsberg  und 
1  (Urtlmühle)  in  Eroising  die  hohe  Gerichtsbarkeit  aus.  Das  alte 
Schloß,  vormals  Lehen  der  Herren  von  Kapellen  und  von  Liechten- 
stein, wurde  1905  vom  Grafen  Heinrich  von  Klamm-Martinitz  an  den 
Wirt  Joh.  Schwaiger  in  Arbing  veräußert. 

Auch  das  Landgericht  Kreuzen  entbehrte  einer  Grenzbeschrei- 
bung;   nach    dem    Urbar    über    die    ,Graffschafft  Creuzen*   ddo.  31.  De- 


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801 

gerichte  aufgehoben  und  flir  jeden  Kreis  ein  eigenes  Kriminal- 
gericht bestellt,  mit  dem  Tage,  an  welchem  die  neuen  Gerichts- 


zember  1681  (im  Schloßarchiv  Greinburg)  hat  1641,  21.  Juni  Graf  Leon- 
hard  HelMd  von  Meggau  für  seine  Grafschaft  Creusen,  welche  in  das 
Landgericht  Greinbarg  gehörte,  ein  eigenes  Landgericht  bestimmt,  ,docli 
allein  sovill  und  soweit  als  deroselben  Burgfrid,  Item  dero  zugehörigen 
Grund-,  Vogt-  und  Lehensunderthanen  zu  Hauß,  Holtz,  Feld  und 
Wasser  berührt*;  die  Schranne  wurde  aus  den  Märkten  Kreuzen  und 
Pabneukirchen  besetzt.  Das  geschlossene  Gebiet  wurde  nach  Ausweis 
des  alten  Grundbuches  dargestellt,  darüber  hinaus  nur  exemte  Kriminal- 
gerichtsbarkeit  ausgeübt 

An  Burgfrieden  bestanden: 

a)  jener  des  Marktes  Perg,  welcher  aber  die  heutige  Katastral- 
gemeinde  Perg  nicht  ausfüllte.  Im  ältesten  Marktbuche  (See.  XV  im 
schön  geordneten  Marktarchiv)  findet  sich  über  selben  nur  folgender 
Vermerk:  ,So  melden  wir  auch  unser  purckfrid  das  höbt  sich  au  an  dem 
strich  vor  dem  Aichach  an  dem  selbigen  Rain  und  get  auf  unczt  an 
den  Haidgraben  an  den  selbigen  rain  und  hebt  sich  an  der  schern  an 
den  rain,  und  get  heraus  an  Machlanter  Wiß.*  Mit  Hilfe  des  Bürgers 
U.  Michael  Frieß  ließen  sich  jedoch  die  Markuugen  in  der  Natur  be- 
stimmen. 

b)  Jener  des  Schlosses  Kliugeuberg  (nun  Ruine). 

Nach  dem  Urbar  über  die  Herrschaft  Klingenberg  1627,  24.  De- 
zember (im  Linzer  Museum):  ,Nun  ist  zumerken  der  zierkl  und  umb- 
schwaif  so  unser  gerechtigkait  und  freyhayt  antzaigt  und  hebt  sich  von 
ersten  an  in  dem  Holler  Pach  und  geet  im  pach  hinauf  untz  an  die  Riglmul, 
vonderRiglmul  im  pach  hinauf  bis  in  dieSachssn,  von  der  Sachssn  der  straß 
nach  hinauf  bis  geen  Masldorf,  von  demselben  Masldorf  der  straß  nach 
hinauf  untz  auf  die  Haubtmans  Odt,  von  der  Haubtmans  Ot  der  straß 
nach  bis  in  die  Langgrueb,  von  der  Langgrueb  untz  an  das  Waldkhag, 
dem  khag  nach  so  der  waldt  umbfangen  ist,  untz  an  die  Holler  weydt, 
von  der  Holler  weydt  widerumb  untz  in  den  Hollerpach  so  es  sich  an- 
gefangen hat  da  endet  es  sich  widerumb.* 

e)  Jener  des  Marktes  Au  (im  fünfzehnten  Abschnitte). 

dj  Jener  des  Marktes  Hütting,  gehörig  zur  Herrschaft  Nieder- 
wallsee, im  Pantäding  des  Richters  Friedrich  Scheffman  vom  Jahre  1613 
erwähnt,  aber  nicht  beschrieben  (Original  im  Linzer  Museum).  Der 
kleine  Markt  hatte  noch  im  Zeitalter  des  ersten  Habsburgers  eine 
größere  Bedeutung,  denn  im  Habsburger  Urbar  (Dopsch,  a.  a.  O.  235, 
Nr.  26)  wird  das  Marktgericht  (Judicium  in  Hitting)  neben  dem  Land- 
gericht im  Machland  verzeichnet.  Bürger  (eiusdem  loci  concives)  der 
villa  que  vocatur  Hitingen  werden  in  einer  Wilheriuger  Urkunde  vom 
Jahre  1155  (Oberösterreichisches  Urkundenbuch  II,  276)  genannt.  Das 
Strombett  der  Donau  war  einst  ein  ganz  anderes  als  heute,  nur  durch 
genaue    technische  Erhebungen    könnte   festgestellt  werden,    wo  früher 


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302 

höfe  ihre  Tätigkeit  beginnen,  alle  in  dem  betreffenden  Kreise 
bestehenden  Landgerichtsherrlichkeiten  erlöschen.  Für  das 
Mühl-  und  Machlandviertel  war  der  Magistrat  zu  Freistadt,  für 
die  Landeshauptstadt  und  für  die  Staatsverbrechen  der  Magistrat 
zu  Linz  als  Kriminalgericht  in  Aussicht  genommen.^ 

Bekanntlich  scheiterte  die  ganze  Reform;  im  Jahre  1788 
sah  sich  der  Kaiser  veranlaßt,  zu  verfügen,  daß  mit  der  wirk- 
lichen Errichtung  der  Kreiskriminalgerichte  bis  zur  hergestellten 
Ruhe  zuzuwarten  sei,*  und  nach  seinem  Hinscheiden  (1790, 
20.  Februar)  erging  das  Hofdekret  1790,  30.  Juli,  womach  es 
von  der  Bestellung  von  Kreiskriminalgerichten  abzukommen 
und  es  bei  der  alten  Gerichtsverfassung  das  Verbleiben  hatte.* 
Die  Landgerichte  lebten  wieder  auf,  doch  ohne  die  Burg- 
frieden, der  kaiserliche  Bannrichter  zu  Linz  setzte  seine  Tätig- 
keit fort.* 

Allein  die  alten  Gerichte  setzten  das  Scheinleben  nur  zur 
eigenen  Qual  fort,  unwillig  und  in  zunehmendem  Maße  von 
der  Regierung  beaufsichtigt.  Im  März  1818  baten  achtzehn 
Landgerichte  ob  der  Ens  um  Erleichterung  ihrer  so  ungleich 
verteilten  Last  der  beträchtlichen  Kosten;  sie  führten  an,  daß 
ihre  früheren  Einkünfte  aus  Geldstrafen,  Zwangsarbeit,  erb- 
losen Verlassenschaften  durch  die  neuen  Gesetze  entfallen  seien, 
wogegen  der  Beitrag  zum  Provinzialstrafhause  per  Haus  von 
7  und  15  Kreuzern   schon   auf  45  Kreuzer   gestiegen   sei  und 


die  Naufahrt  gewesen,  an  welcher  Hütting  lag,  bevor  seine  Häuser  in 
den  Fluten  der  Donau  verschwanden,  soweit  sie  nicht  zurückgesetzt 
wurden.  Es  ist  nicht  zu  kühn  zu  vermuten,  daß  Hütting  in  karolin- 
gischer  Zeit  ein  besuchter  Landungsplatz  war. 

Der  Ort  gehörte  unter  die  Herrschaft  Freistadt,  bis  Herzog  Al- 
brecht 1396,  14.  November  (Ödtsches  Handbuch,  S.  33)  dem  Heinrich  von 
Walsee  erlaubte,  die  Güter  zu  Hütting,  die  zur  landesfürstlichen  Herr- 
schaft der  Freistadt  gehörten,  zu  seinem  neuerbauten  Schlosse  Nieder- 
w^allsoe  an  sich  zu  lösen. 

*  Fasz.  1  Nr.  90  ex  1786  im  Archiv  des  Justizministeriums. 

'  Note  der  vereinigten  Hof  kanzlei  1788,  26.  Febmar,  Fasz.  17  Kriminal- 
gerichte 1788  daselbst. 
'  Fasz.  1790,  Nr.  1  im  obergerichtlichen  Archiv  in  Wien. 

*  Interessante  Instruktion  1782,  7.  November  für  den  letzten  kaiserlichen 
Bannrichter,  den  Advokaten  Dr.  Josef  Pflügl  in  Linz,  im  Fasz.  1,  Nr.  26 
ex  1782  daselbst. 


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303 

sie  außerdem  die  Kosten  für  den  Strafvollzug  unter  einem  Jahre 
Kerker  oder  einem  halben  Jahre  schweren  Kerker  selbst  zu 
tragen  hätten.  Die  oberösterreichischen  Stände,  hierüber  ein- 
vernommen, sprachen  sich  für  eine  möglichst  gleichmäßige  Ver- 
teilung der  Strafhausbeiträge  und  uneinbringlichen  Unter- 
suchungskosten unter  alle  Untertanen  und  Obrigkeiten  aus. 
Mit  Allerhöchster  Entschließung  1819,  3.  März  wurden  nun  die 
Kosten  der  Erhaltung  des  Provinzialstrafhauses  auf  das  Kon- 
kretum  der  ganzen  Provinz  und  die  Kosten  für  jene  Verbrecher, 
welche  an  einem  anderen  Orte  ihre  Strafe  zu  verbüßen  hätten, 
wegen  Raummangels  an  bestimmten  Orten  aber  im  Linzer 
Strafhause  vorderhand  verbleiben  müßten,  auf  das  Arar  über- 
nommen. ^ 

Über  die  Exemtionen  berichtete  Appellationsrat  Enderle 
nach  der  im  Jahre  1818  gepflogenen  Untersuchung  der  Land- 
gerichte im  Mühl-  und  im  Traunviertel  und  in  dem  unter 
österreichischer  Landeshoheit  gebliebenen  Teile  des  Hausruck- 
viertels. Er  bemerkte,  daß  durch  dieselben  eine  Verwirrung 
in  den  Grenzen  der  Kriminaljurisdiktion  entstehe,  deren  nach- 
teiligen Folgen  durch  die  Distriktskommissariate  nur  teilweise 
abgeholfen  werden  könne.  Die  ordentlichen  Kriminalgerichte 
würden  die  Jurisdiktion  über  die  exemten  Untertanen  nicht 
übernehmen  wollen,  weil  die  Beiträge  zur  Erhaltung  des  Straf- 
hauses in  Linz  nach  der  Anzahl  der  jedem  Kriminalgerichte 
zugewiesenen  Häuser  verteilt  werden,  mithin  die  ordentlichen 
Landgerichte  mit  der  Kriminalgerichtsbarkeit  über  die  Exi- 
mierten  auch  einen  größeren  Kostenbeitrag  übernehmen  müßten. 
Er  beantragte  gleichmäßige  Verteilung  auf  alle  Obrigkeiten  des 
Landes,  wodurch  die  große  Schwierigkeit  in  der  Aufhebung 
der  Exemtionen  gehoben  werden  möge.*  Daß  letztere  nicht 
durchging,  wurde  in  den  Erläuterungen  gesagt. 

Endlich  brachte  die  Organisation  des  Jahres  1849  die 
Aufhebung  der  altersschwachen  Patrimonialgerichtsbarkeit,  die 
Bestellung   landesftirstlicher    Organe    und    die   Trennung    der 


*  Jostizministerialarchiv    I,    Fasz.   Kriminalgerichte    ob    und    unter    der 

Eng  30,  Nr.  8,  Jahrgang  1818. 
'  A.  a.  O.     Als    Kuriosum    mag    angeführt  sein,   daß   die   letzte  Justifi- 

kation   (Henken    einer  Mörderin)    im  Jahre  1848  auf  der  Donanteiten 

durch  das  Landgericht  Marsbach  vollzogen  wurde. 


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304 

Verwaltung  von  der  Rechtspflege  zuwege,  zu  welcher  auch 
nach  dem  Rückschritte  des  Jahres  1854  der  Staat  im  Jahre  1868 
zurückgekehrt  ist. 

Die  nachstehende  kurze  Übersicht  verbindet  die  Vergan- 
genheit mit  der  Gegenwart. 

Die  mit  Ministerialverordnung  vom  9.  August  1849  (kais. 
Entschließung  vom  26.  Juni  1849)  verfügte  Organisierung  der 
landesfürstlichen  Behörden  hob  die  1749 — 1753  eingeführten 
Kreisämter  auf;  das  sogenannte  Mühlkreisamt,  1779  fUr  die  ver- 
einigten Viertel  im  Norden  der  Donau  zuerst  in  Freistadt,  dann 
in  Urfahr,  sonach  in  Linz  amtierend,  schloß  seine  Tätigkeit  mit 
Ausgang  des  Jahres  1849.  Die  Verwaltungsgeschäfte  wurden 
den  neu  errichteten  Bezirkshauptmannschaften  Rohrbach  (ftir  die 
Bezirksgerichte  Rohrbach,  Aigen,  Lembach,  Haslach  und  Neu- 
felden),  Freistadt  (für  die  Bezirksgerichte  Freistadt,  Leon- 
felden,  Unter- Weißenbach)  und  Grein  (für  die  Bezirksgerichte 
Grein,  Perg,  Pregarten  und  Mauthausen)  zugewiesen  und  die 
Sprengel  der  Bezirksgerichte  Urfahr  und  Ottensheim  der  Be- 
zirkshauptmannschaft [Umgebung]  Linz  zugeteilt. 

Die  neuen  staatlichen  Gerichte  nahmen  ihre  Tätigkeit  mit 
Ende  Mai  1850  auf,  mit  welchem  Zeitpunkte  die  Patrimonial- 
gerichtsbarkeit eingestellt  wurde.  Für  geringere  Verbrechen 
und  Vergehen  funktionierten  die  Bezirksgerichte  Rohrbach  und 
Freistadt  für  die  betreffenden  politischen  Bezirke  als  Spruch- 
strafgerichte (Kollegialbezirksgerichte). 

Die  mit  Ministerialverordnung  vom  19.  Jänner  1853  (kais. 
Entschließung  vom  14.  September  1852)  beschlossene  Rück- 
bildung der  Behördenorganisation  führte  mit  Ende  September 
1854  sogenannte  gemischte  Bezirksämter,  welche  zugleich  Ver- 
waltung und  Rechtspflege  besorgten  und  teilweise  (Rohrbach, 
Aigen,  Leonfelden,  Freistadt,  Grein)  Kriminaluntersuchungs- 
gerichte waren,  sowie  als  Aufsichtsbehörde  und  Zwischeninstanz 
wieder  Kreisbehörden  ein.  Letztere  (in  Linz)  wurde  gleich 
jenen  in  Steyr,  Wels,  Ried  infolge  Ministerialverordnung  vom 
19.  Dezember  1859  mit  30.  April  1860  wieder  aufgelassen. 
Territoriale  Grenzänderungen  waren  nur  bei  den  Gerichten 
Rohrbach  und  Neufelden  eingetreten;  ersteres  hatte  die  Katastral- 
gemeinde  Oberkapell  an  Lembach,  letzteres  die  Katastral- 
gemeinde  Stamering  an  Ottensheim  abzugeben. 


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305 

Gemäß  dem  Gesetze  vom  19.  Mai  1868  verschwanden  mit 
Ende  August  1868  wieder  die  gemischten  Behörden  und  traten 
die  Bezirkshauptmannschaften  und  die  Bezirksgerichte^  nicht 
mehr  aber  die  Bezirkskollegialgerichte  wieder  ins  Leben;  der 
Sitz  der  Bezirkshauptmannschaft  Grein  wurde  nach  Perg  ver- 
legt. Im  Jahre  1904  endlich  wurde  aus  den  Gerichtsbezirken 
Lfeonfelden,  Ottensheim  und  Urfahr  die  neue  Bezirkshaupt- 
mannschaft Urfahr  gebildet.  Der  Gerichtsbezirk  Pregarten 
wurde  nunmehr  dem  Verwaltungsbezirke  Freistadt  zugeteilt. 


Nachträge. 

Zu  S.  263  des  vierzehnten  Abschnittes. 

Die  Verpflichtung  der  Florianer  Holden  von  S.  Peter,  bei 
der  Landschranne  zu  Velden  ,als  Sybmer  auf  dem  Pänkl  zu 
sizen',  welche  erst  im  Jahre  1461  erlassen  wurde  (Velden 
254/182),  bedarf  der  Aufklärung,  da  dieselben  außerhalb  der 
,Graf8chaft^  saßen,  das  Gericht  aber  aus  den  Dingpflichtigen 
zu  besetzen  war.  Diese  besondere  Last  kann  nur  aus  dem 
Vogtrechte  abgeleitet  werden,  welches  das  Hochstift  Passau 
über  das  Kloster  Amt  am  Windberg  ausübte  (Urbar  von  Mars- 
bach 1667,  Bl.  534)  und  schon  Herzog  Albrecht  H.  in  dem 
Streite  der  Brüder  Reinprecht  und  Friedrich  von  Walsee-Ens 
als  Pfandherren  von  Wachsenberg  1346,  20.  August  anerkannte 
(Oberösterreichisches  ürkundenbuch  VI,  559).  Aus  letzterer  Tat- 
sache ist  zu  folgern^  daß  das  in  der  Regel  dem  Landgerichts- 
herm  zukommende  Vogteirecht  auf  die  Zeit  vor  dem  Jahre  1 220 
zurückgeht,  von  Heinrich  von  Griesbach -Wachsenberg  dem 
Hochstifte  ebenfalls  als  Lehen  aufgetragen  und  mit  seinem  Tode 
heimf&llig  wurde.  Die  Übung,  die  Florianer  Holden  als  Schöffen 
(Beisitzer  des  Rechten)  in  der  Dingstätte  zu  Velden  zu  ge- 
brauchen, dürfte  aus  dem  Zeitpunkte  stammen,  in  welchem  die 
Herren  von  Griesbach  den  Besitz  östlich  und  westlich  von  der 
Großen  Mühel,  jeden  mit  Grafenrechten  ausgestattet,  vereinigten; 
in  dieser  Periode  mag  Velden  die  gemeinsame  Malstätte  gebildet 
haben,  welches  Verhältnis  mit  dem  Übergänge  von  Wachsen- 
berg an  die  Babenberger  aufhörte,  wogegen  die  Schöffenpflicht 
verblieb. 

▲rchiT.  XCIY.  Bud.  21 


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306 

Zu  S.  288  des  fünfzehnten  Äbsohnittes. 

Das  Franenkloster  Nonnberg  in  Salzbarg  genoß  fdr  seine 
Eigenlente  in  Steg  und  Grindberg  bei  Urfahr-Linz  keine 
Exemtion.  Über  ihre  Erwerbung  ist  keine  Urkunde  erhalten 
gebheben;  sie  werden  als  Amt  zu  Linz  ,enhalb  der  Donau' 
schon  im  Urbar  vom  Jahre  1312  verzeichnet  und  in  jenem 
von  1405  (Mitteilungen  der  Gesellschaft  für  Salzburger  Landes- 
kunde XXIII,  72)  und  im  alten  Grundbuche  Nonnberg  (Bezirks- 
gericht Urfahr)  spezifiziert.  Nach  der  Lage  der  Güter  auf 
altem  Wildberger  Boden  und  der  vom  Schlosse  in  Linz  (vgl. 
Geburt  des  Landes  ob  der  Ens  S.  99)  ausgeübten  (Erb-)  Vogtei 
ist  kaum  zu  zweifeln,  daß  sie  eine  Schenkung  der  Freien  von 
Haunsperg  aus  dem  12.  Jahrhundert  sind. 


Berichtigungen. 

Die  auf  S.  101  Anmerkung  2  angeführte  Urkunde  K.  Friedrichs  II. 
fällt  in  das  Jahr  1218,  nicht  1215. 

Zu  Seite  203.  Vorausgesetzt,  daß  die  Zahl  der  Indiktion  in  einer 
Urkunde  des  Klosters  Obermünster  (Reg.  Boic,  II.  168)  richtig  ist,  tritt 
Kalhohus  comes  de  Kirchperc  noch  im  Jahre  1227  als  Zeuge  auf  und  wäre 
er  dann  in  diesem  Jahre  oder  anfangs  des  nächsten  aus  dem  Leben  ge- 
schieden. 

Zu  Seite  209.  So  eingewurzelt  die  Schreibweise  II zst ad t  seit  Jahr- 
hunderten ist,  so  wenig  ist  sie  richtig.  Sie  bedeutet  weder  eine  Stätte 
noch  eine  Stadt  an  der  Uz,  sondern  das  Gestade  der  Ilz  bei  deren  Mün- 
dung. So  sprach  und  schrieb  man  noch  im  Beginne  des  15.  Jahrhundertes 
„am  Dzstad«  (Lang,  Regesta  Boic,  VL  108,  XIL  197). 

Zu  Seite  258»  Anmerkung  Punkt  18  hinzuzufügen:  sowie  der  Höfer- 
hof  zwischen  Neufelden  und  Altenfelden. 


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ANHANG. 

Berichtigang  von  Ortsbestimmungen  in  der  Abhandlung: 

^Versuch  einer  Geschichte  der  passauischen  Herrschaft 

im   oberen  Mühlviertel,   namentlich   des  Landgerichtes 

Velden  bis  zum  Ausgang  des  Büttelalters'  1860. 

S.  134  Enczenmannesrawte  nicht:  Ensmansreut  Pfarre  Peilstein, 

sondern:    Ensmansreut   Pfarre  Waldkirchen   in    der 

Abtei. 
„135  Chranabiten  nicht:  bei  Pntzleinsdorf,   sondern:   Krana- 

witen  Pfarre  Griesbach. 
„  138  Chwzam  (Chriuzam)  =  Kreuzmair. 
„   144  alten walde,   potenrevte,   Wuslage,   Haselpach   nicht:    in 

der  Abtei,  sondern:  Pfarre  Altenfelden. 
„   146  Chlafpach  nicht:  Klaffer,  sondern:  Klaffenbäckgut  Pfarre 

St.  Ägidi. 
„  170  mayrhoph  nicht:  Pfarre  Rohrbach,  sondern:  Pfarre  Lem- 

bach. 
„   174  Neundorf  nicht:  Unter-Neudorf  Pfarre  Aigen,   sondern: 

Ober-Neudorf  Pfarre  Opping. 
„174  vischbach  nicht:  Ober-Fischbach,  sondern:  Unter-Fisch- 
bach. 
„174  mairhof  nicht:  Mairhof,  sondern:  Ober-Mairhof. 
„  174  Schererseodel:  Scherer  in  Stubbach  zu  Salaberg. 
„   174  Aczelsperger    nicht:     Atzleinsberg    Pfarre    Neufelden, 

sondern:  Azesberg  Pfarre  Sarleinsbach. 
„   154  wantschaben    nicht:    Wandschamel    Pfarre    Rohrbach, 

sondern:  Wandschamel  Pfarre  Lembach. 
„154  Horowe  nicht:  Harau  Pfarre  Rohrbach,  sondern:  Harau 

Pfarre  Lembach. 
„182  Stirberch    nicht:     Stierberg    Pfarre    Altenfelden    oder 

Opping,  sondern:  Pfarre  Peilstein. 

2l» 


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308 

S.  182  chirslach  nicht:  in  Böhmen,  sondern:  Kirchbach  Pfarre 
Peilstein. 

„  182  Marchslag  nicht:  in  Böhmen,  sondern:  Markschlag  bei 
Kirchbach. 

„  182  niundorf  nicht:  Unter-Neudorf  Pfarre  Aigen,  sondern: 
Ober-Neudorf,  Pfarre  Opping. 

„183  Newndorf  nicht:  Unter-Neudorf  Pfarre  Aigen,  sondern: 
Ober-Neudorf  Pfarre  Opping. 

„189  Hof  von  Veucht  nicht:  Pfarre  Lembach,  sondern: 
Feuchtner  in  Bayrach  bei  Neufelden. 

„189  Rudmansdorf  soll  heißen:  Erdmansdorf  Pfarre  St.  Peter. 

„  198  Lädnicz  nicht:  Mülbach,  sondern:  Lanizbach. 

„  202  Aerlaspach  nicht:  in  der  Abtei,  sondern  Saerlaspach  = 
Sarleinspach. 

„  332  Engelmanstorf  nicht:  Erdmanstorf,  sondern:  Emerstorf 
Pfarre  Pfarrkirchen. 

„  109  ist  bei  Hodansreut  die  Erklärung:  ,(Ozerreut  an  der 
südlichen  Grenze  der  P&rre  Rohrbach)'  zu  streichen. 
Diese  Auslegung  hatte  zuerst  Pillwein  (Mtihlkreis  11, 
201)  und  nach  ihm  der  Verfasser  und  schließlich  PröU 
(Schlägl  S.  35,  Anm.  3)  gegeben;  allein  der  Haibach 
und  der  Zagelbach,  zwischen  welchen  zwei  Bächen 
Hodansreut  gelegen  war,  befinden  sich  nicht  bei  Ozer- 
reut.  Ersterer  entspringt  vielmehr  unterhalb  Breiten- 
stein, fließt  östlich  am  Brandl-  und  am  Haiberger- 
gute vorbei  und  fällt  gegenüber  der  Bemdlmühle  in 
die  Große  Mühel;  letzterer  hat  seine  Quelle  am  Hoch- 
buchet, rinnt  in  nordöstlich  gerichtetem  Laufe  in  der 
Tiefe  unter  dem  Dorfe  Zaglau  vorbei  und  mündet 
bei  der  Brücke,  welche  der  Verbindungsweg  von  der 
Straße  Schindlau-Rudolfing  nach  Zaglau  überschreitet, 
gleichfalls  in  die  Große  Mühel.  Zwischen  diesen 
beiden  Bächen  erhebt  sich  das  Dorf  Kerschbaum,  in 
welchem  Hodansreut  zu  erblicken  ist;  mit  dieser  An- 
nahme stimmt  auch  die  Tatsache,  daß  noch  bis  zum 
Jahre  1303  der  ganze  Längenstrich  vom  £[rennbach 
bis  an  den  Finsterbach  in  der  Innehabung  der 
Haichenbacher  gewesen  ist. 


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Inhaltsverzeichnis. 


Vorwort       86 

Erster  Abschnitt 90 

Der  große  Nordwald.  Das  karoling^he  Rosdorf  gleich- 
bedeutend mit  dem  späteren  Landshag.  Die  comitatus  ex  antiqao 
ad  marchiam  pertinentes,  quo«  tres  dicunt,  des  Bischofs  Otto  von 
Freising;  die  neueste  Deutung  derselben  nach  Uhlins. 

Zweiter  Abschnitt 106 

Der  Schweinachgau;  dessen  reeller  Inhalt 

Dritter  Abschnitt 113 

Gang  der  Kolonisation  im  Nordwalde.  Ehemalige  Grense 
zwischen  Bayern,  Böhmen  und  OberOsterreich.  Die  ,altitudo 
silvae  Boemiam  et  Bavariam  dividens*  im  Hohenfurter  Stiftbriefe. 

Vierter  Abschnitt 133 

Über  den  Zeitpunkt  der  Änderung  der  vormaligen  Grenzen 
zwischen  Böhmen  und  Oberösterreich  und  der  Angliederung  des 
Gebietes  im  Norden  der  Donau  an  das  Land  ob  der  Ens. 

Fünfter  Abschnitt 188 

Das  12.  Jahrhundert.  Die  großen  freien  Geschlechter  und 
der  Kirchenbesitz. 

Sechster  Abschnitt 150 

Eppo  von  Windberg  und  Bernhard  an  der  Mühel.  Die  Herren 
von  Schönhering  und  Blankenberg.  Übersicht  ihres  Besitzes  auf 
oberösterreichischem  Boden.    Ihr  Aussterben. 

Siebenter  Abschnitt 161 

Auftreten  der  Witigonen  am  Ostufer  der  Großen  Mtthel. 
Nachweis  ihrer  Besitzungen  auf  heutigem  oberösterreichischen 
Boden.  Die  Siegellegende  der  Worliker  Urkunde  vom  Jahre  1220. 
Die  Witigonen  sind  ein  Seitenzweig  der  Blankenberger. 

Achter  Abschnitt      178 

Die  Burg  Falkenstein  zu  allen  Zeiten  im  Besitze  hochfreier 
Geschlechter.  Adalram  von  Falkenstein  1140.  Kaihoch  von 
Falkenstein  um  1180.  Übergang  an  die  Krummauer  Linie  der 
Witigonen;  Zawisch  von  Falkenstein.  Die  ersten  Stifter  von 
Schllgl  nicht  Besitzer,  sondern  Burgmannen  von  Falkenstein. 
Stammtafel  derselben;  ihre  beurkundeten  Besitzungen.  Stiftung 
von  Schlftgl,  Vogtrecht  der  Herrschaft  Falkenstein.  Rannarigel 
auf  ursprünglich  Griesbachschem  Boden  Stammbesitz  der  Mi- 
nisterialen von  Falkenstein. 


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310 

Seite 

Neunter  Abschnitt 206 

Anwachsen  des  Besitzes  des  Hochstiftes  Passan.  Erwerb  der 
Grafischaftsrechte  im  Uzgau.    Passan  Beichsfürstentnm. 

Zehnter  Abschnitt 210 

Übergreifen  der  Habsburger  auf  das  passauische  Territorium. 
Begründung  der  österreichischen  Landeshoheit  im  Mühellande. 

Elfter  Abschnitt 217 

Das  Landgericht  Velden,  die  Herrschaften  Falkenstein  und 
Bannarigel. 

Zwölfter  Abschnitt 241 

Das  Landgericht  Haslach. 

Dreizehnter  Abschnitt 245 

Landgerichte  Wachsenberg  und  Oberwallsee. 

Vierzehnter  Abschnitt 252 

Kartographische  Darstellung  des  Bestandes  der  Grundherr- 
schaften im  Ilzgau  vor  Erwerbung  der  Grafschaftsrechte  durch 
die  Kirche  Passau.  Bückschluß  auf  die  Art  der  Kolonisation  in- 
folge königlicher  Schenkung  oder  durch  Landnahme.  Das  Diplom 
K.  Heinrichs  H.  für  Niedemburg. 

Fünfzehnter  Abschnitt 282 

Die  Riedmark.  L  Das  alte  Landgericht  Freistadt  und  seine 
Zweige. 

Sechzehnter  Abschnitt ^ 293 

n.  Das  Landgericht  Machland  und  die  Abteilungen  desselben. 

Nachträge 305 

Anhang 307 

Topographische  Berichtigungen  zur  Abhandlung  vom  Jahre  1860. 


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für 


österreichische  Geschichte. 


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Herausgegeben 


ron  d«r 


Historisclien  Kommission 

dar 

kaiserlichen   Akademie   der  Wissenflchaften. 


ViemiidueaiiKigiiler  Kautl. 

Zweite  HiAlfte. 
Mit  1  Kartö  und  1  KarteUÄki'ÄKe  im  Ttaxtö, 


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Wien,  1907. 

In    K  0  in  m  i  8  8  i  o  D    bei    Alfred    H  ü  1  d  e  r 

k.  u.  1e.  flof'  und  Uiil^erMtäis-JtticihbliLtidLfir 
BiicbbilTidlfiir  der  k&iterlichen  Akad&miä  üer  Wi<>5Ca5cb:äft«D.. 


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IV 

für 

österreichische  Qeschichte. 


Herausgegeben 

TOD  der 

Historischen  Kommission 

der 

kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Vierundneunzigster  Band. 

Zweite  Hälfte, 
liit  1  Karte  und  1  Kartenskizze  im  Texte. 


Wien,  1907. 

In   Kommission    bei    Alfred    Holder 

k.  n.  k.  Hof-  und  UniTersitftts-Bncbh&ndler 
Bnebh&ndler  der  kaiMrlichen  Akademie  der  Wissensehftften 


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V. 

IMMUNITÄT, 

GRUND-  UND  LEIBHERRLICHE 
GERICHTSBARKEIT 

IlSJ     StTDTIROL. 

TON 

D"  HANS  VON  VOLTELINI. 


ArdiW.  94.  Baii4,  II.  Hillt«.  22 


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Immunität  und  grundherrliche  Gkrichtsgewalt  stehen  ge- 
genwärtig wieder  im  Mittelpunkte  lebhafter  Erörterung.  Noch 
immer  sind  die  Meinungen  über  die  Bedeutung  der  Immunität 
und  Grundherrschaft  für  das  Verfassungs-,  Wirtschafts-  und 
Kulturleben  der  deutschen  Nation  geteilt.  War  es  das  Ver- 
dienst Th.  y.  Sickels^  den  Inhalt  der  karolingischen  Immunität 
klargelegt  zu  haben^  so  hat  Brunner  den  Ursprung  der  Immuni- 
tät und  grundherrlichen  Gerichtsgewalt  aufgedeckt.  Manche 
Forscher,  wie  G.  L.  Maurer,  Nitzsch,  in  neuerer  Zeit  Th.  v. 
Inama-Stemegg  und  namentlich  Lamprecht  haben  die  Bedeu- 
tung der  Grundherrschaft  sehr  hoch  angeschlagen,  aus  Immuni- 
tät und  Grundherrschaft  geradezu  den  deutschen  Territorial- 
staat hervorgehen  lassen.  Dem  ist  längst  widersprochen  worden, 
es  sei  nur  an  Waitz,  Heusler  und  v.  Below  erinnert.  Das 
große  Verdienst  Richters  war  es,  an  einem  bestimmten  Bei- 
spiele nachgewiesen  zu  haben,  daß  nicht  einmal  fUr  die  geist- 
lichen Fürstentümer  die  Immunität,  sondern  daß  die  Erwerbung 
der  Grafengewalt  zur  Bildung  des  Territoriums  geführt  hat 
In  neuester  Zeit  hat  Seeliger  den  Inhalt  der  Immunität,  ihr 
Verhältnis  zur  Grafengewalt  wieder  in  Diskussion  gestellt,  die 
noch  nicht  abgeschlossen  ist.  Seine  Ansichten  haben  in  der 
Mehrzahl  geteilte  Aufnahme  gefunden.  Man  hat  sie  nicht  für 
so  neu  angesehen  als  sie  der  Verfasser  selber  hielt,  und  man 
hat  sie  nicht  durchweg  gebilligt.  Aber  man  ist  fern  davon, 
in  jene  Überschätzung  zurückzufallen,  die  der  Grundherrschaft 
früher  vielfach  zuteil  geworden  ist.  Auch  hier  muß  die  Detail- 
forschung einsetzen.  Ek  wird  sich  namentlich  verlohnen,  nach- 
zuforschen, was  im  einzelnen  Falle  aus  Immunitäten  und  Grund- 
herrschaften geworden  ist.  Aus  den  Ergebnissen  wird  sich 
mancher  Rückschluß  auf  die  früheren  Zeiten  ziehen  lassen  und 

22* 


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314 

die  Bedeutung  der  Immunität  für  die  Weiterentwicklung  von 
selber  ergeben.  Es  dürfte  sich  zeigen^  daß  die  Immunität  in 
einzelnen  beschränkten  Fällen  allerdings  die  Grundlage  fiir  die 
Ausbildung  der  Landeshoheit  geboten  hat,  wie  dies  Eduard 
Richter  in  seinem  Aufsatze:  Immunität,  Landeshoheit  und  Wald- 
schenkungen, der  leider  der  letzte  des  hochbedeutenden  Ge- 
lehrten bleiben  sollte,  ausgeführt  hat,  daß  in  anderen  Fällen 
hohe  und  niedere  Gerichte  aus  ihr  erwachsen  sind,  daß  endlich 
manchmal  eine  hochentwickelte  Immunität  spurlos  verschwun- 
den ist. 

Wenn  der  Verfasser  dieses  Aufsatzes  nun  daran  geht, 
sein  im  ersten  Beitrage  dieses  Archivbandes  •  gegebenes  Ver- 
sprechen einzulösen  und  die  Resultate  seiner  Forschung  über 
Immunität,  leib-  und  grundherrliche  Gerichtsbarkeit  vorzulegen, 
so  geschieht  dies  doch  nicht  in  dem  Umfange,  wie  er  früher 
beabsichtigt  hatte.  Damals  dachte  er  daran,  diese  Verhältnisse 
auch  für  Deutschtirol  zu  verfolgen.  Nach  dem  Tode  Josef 
Eggers  konnte  Deutschtirol  für  den  historischen  Atlas  ab  ver- 
waist gelten.  Seitdem  ist  jedoch  für  diesen  Teil  ein  neuer  Mit- 
arbeiter gewonnen  worden,  dem  mit  Fug  und  Recht  diese  Arbeit 
überlassen  werden  konnte.  Beschränkt  sich  somit  der  Verfasser 
auf  das  Bistum  Trient,  so  hat  damit  seine  Arbeit  freilich  sehr 
an  Wert  eingebüßt.  Denn  keineswegs  spielt  die  Immunität  in 
Südtirol  die  gleiche  Rolle  wie  im  Bistum  Brixen  und  im  churi- 
schen  Teile  des  Landes.  Für  Trient  liegt  nicht  wie  für  Brixen, 
zum  Teile  auch  für  Chur  eine  fast  ununterbrochene  Reihe  von 
Immunitätsverleihungen  und  Bestätigungen  vor,  vielmehr  fehlen 
solche  gänzlich.  Auch  die  Weiterentwicklung  der  Immunität 
wird  sich  in  Deutschtirol  als  viel  interessanter  und  wichtiger 
darstellen,  aber  auch  schwieriger  zu  verfolgen  sein.  In  diesem 
Zusammenhange  wird  sich  wohl  auch  die  Frage  lösen  lassen, 
wie  jenes  bescheidene  Gebiet  entstanden  ist,  in  dem  der  Bischof 
von  Brixen  eine  landesfürstliche  Gewalt  behauptet  hat,  es  wer- 
den die  eigentümlichen  Verhältnisse  des  Vintschgaus,  die  sich 
vielfach  kreuzenden  Rechte  und  Ansprüche  der  Bischöfe  von 
Chur  und  der  Grafen  von  Tirol  zu  verfolgen  sein,  es  wird  die 
Ausbildung  der  landsässigen  Exemtionen  um  so  zu  sagen  fest- 
zustellen sein,  die  für  Sonnenburg  und  Wilten  angeblich  noch 
in  die  erste  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts,  also  weiter  als  die 
landesfürstlichen  Exemtionen  in  Niederösterreich  zurückreichen, 


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315 

eine  Frage,  die  indes  erst  nach  kritischer  Untersuchung  der 
Verleihungsnrkunden,  die  höchstwahrscheinlich  Fälschungen  sind, 
gelöst  werden  kann. 

Was  somit  fbr  diese  Arbeit  übrig  bleibt,  ist  dürftig  genug. 
Das  Hochstift  Trient  hat,  wie  gesagt,  fast  alle  seine  älteren 
Kaiserurkunden,  insbesonders  alle  seine  Immunitätsprivilegien, 
wenn  es  solche  besaß,  verloren.  Dagegen  haben  wir  sehr  ein- 
gehende Kunde  über  die  Zustände  einer  Immunität  in  Südtirol, 
die  sich  im  Besitze  des  Domkapitels  von  Verona  befand.  Frei- 
lich kann  diese  Grundherrschaft  mit  der  des  Klosters  Monte- 
cassino  an  Bedeutung  keinen  Vergleich  aushalten,^  doch  walten 
zwischen  der  Entwicklung  Nord-  und  Süditaliens  derartige  Unter- 
schiede, daß  Verona  immerhin  als  Typus  einer  norditalienischen' 
Immunität  sein  Interesse  zu  behaupten  vermag.  Aber  auch  fbr 
Trient  werden  sich  in  diesem  Zusammenhange  Fragen  aufdrän- 
gen, die  ihre  volle  Beantwortung  noch  nicht  gefunden  haben, 
über  die  Gastaldenverfassung  und  vor  allem  über  die  Bedeutung 
der  Vogtei,  Fragen,  deren  Lösung  nicht  nur  für  die  Geschichte 
der  Gerichtsverfassung  von  großer  Bedeutung  ist.  Dann  wer- 
den die  vorhandenen  gerichtlichen  Exemtionen  f\ir  andere  geist- 
liche Stiftungen  zu  betrachten  sein.  Wichtiger  wird  es  dann  sein, 
die  Zeugnisse  über  die  grund-  und  leibherrliche  Gerichtsbarkeit, 
die  dem  Adel  zukam,  zu  verfolgen.  Sind  wir  für  Deutschtirol 
in  diesem  Punkte  nur  auf  dürftige  Angaben  beschränkt,  wissen 
wir,  daß  im  allgemeinen  diese  Gerichtsbarkeit  nur  geringe  Be- 
deutung hatte,  die  öffentlichen  Landgerichte  sich  vielmehr  auch 
die  niedere  Gerichtsbarkeit  über  alle  Insassen  bewahrten,  so 
hat  im  Gegenteile  diese  Gerichtsbarkeit  in  Südtirol  allgemein 
bestanden  und  sich  in  eigentümlicher  Weise  fortgebildet  und 
auf  die  spätere  Gestaltung  Einfluß  geübt,  bis  sie  in  den  letzten 
Jahrhunderten  des  Mittelalters  mehr  und  mehr  an  Bedeutung 
verlor.  Was  der  Verfasser  in  seiner  früheren  Arbeit:  ,Über 
die  Entstehung  der  Landgerichte  im  bayrisch-österreichischen 
Rechtsgebiete'   nur  knapp  andeuten  konnte,    das  weiter  auszu- 


^  Deren  eingehende  Schilderang  bei  Salvioli,  Atti  e  memorie  della  Depnt. 
di  Storia  patria  delle  provincie  Modenese  e  Parmese,  Ser.  HI,  Bd.  6, 
1061 

'  Im  rechtshistoriflcheu  Sinne,  wenn  auch  nicht  der  politischen  Zugehörig- 
keit nach. 


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316 

führen  fühlt  er  sich  umsomehr  verpflichtet,  als  er  glaubt,  daß 
dieser  Gegenstand  doch  ein  mehr  als  lokales  Interesse  besitze, 
daß  sich  aus  seinen  Quellen  wichtige  Auskünfte  von  allgemeiner 
Bedeutung  ergeben.  Und  so  möge  diese  Arbeit  als  beschei- 
dener Baustein  zur  Geschichte  der  deutschen  Gerichtsverfassung 
freundlich  aufgenommen  werden. 

L  Die  Tnunnnität  des  Domkapitels  von  Verona 
in  Südtirol.^ 

Ein  glücklicher  Zufall  gestattet  uns  einen  Einblick  in  die 
Verwaltung  eines  Immunitätsgebietes  in  Südtirol  zu  Ende  des 
12.  und  Beginn  des  13.  Jahrhunderts,  wie  uns  ein  solcher  nicht 
oft  ermöglicht  sein  wird.  Wir  sind  ja  für  die  Frage  nach 
Umfang  und  Inhalt  der  Immunität  in  der  Regel  auf  die  Immuni- 
tätsverleihungen angewiesen,  die,  selber  formelhaft  und  häufig 
Vorurkunden  nachgebildet,  der  Erklärung  bedürfen  und  der 
subjektiven  Aufi^assung  mehr  oder  weniger  freien  Spielraum 
lassen.  Hier  liegt  uns  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Urkun- 
den vor,  die  über  die  Verwaltung  und  Rechtsverhältnisse  der 
Immunität,  über  die  Rechte  und  Gerichtsbarkeit  des  Grund- 
herrn, über  die  Beziehungen  der  Grundholden  zueinander,  die 
Art,  wie  hier  Gericht  gehalten  wird,  aber  auch  über  die  An- 
feindungen, welche  die  Immunität  von  seite  des  Inhabers  der 
Grafengewalt  und  benachbarter  Großer  findet,  ein  ziemlich 
deutliches  Bild  geben.  Der  Vergleich  mit  einer  zweiten  Im- 
munität in  Südtirol,  von  der  wir  nähere  Kunde  haben,  wird 
uns  das  Stehende  in  diesen  Verhältnissen  umsomehr  erkennen 
lassen.    Schon  Julius  v.  Ficker  hat  auf  diese  interessanten  Ver- 


^  Es  erübrigt  dem  Verfasser  die  angenehme  Pflicht,  bei  diesem  Anlasse 
dem  hochwürdigen  Herrn  Bibliothekar  des  Domkapitels  yon  Verona, 
Don  Antonio  Spagnolo,  der  ihm  bei  seinen  Stadien  im  Archive  des  Dom- 
kapitels Herbst  1901  die  mühevollste  und  weitgehendste  Förderung  «u- 
teil  werden  Heß,  den  ergebensten  und  wärmsten  Dank  auszudrücken. 
Möge  das  Domkapitel  sich  entschließen,  den  Schatz  seiner  Urkunden, 
der  bei  der  großen  Etschüberschwemmung  des  Jahres  1882  in  eiliger 
Flacht  gerettet  werden  mußte  und  seitdem  in  Unordnung  geraten  ist, 
wieder  zu  ordnen,  und  möge  der  Herr  Bibliothekar,  seinen  Vorsatz  aus- 
führend, zur  Veröffentlichung  eines  Veroneser  Urkundenbuches  schreiten, 
beziehungsweise  in  die  Lage  versetzt  werden,  ein  so  kostspieliges  Unter- 
nehmen in  Angriff  nehmen  zu  können. 


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317 

hältnisse  hingewiesen'  nnd  eine  Anzahl  von  Urkunden^  die 
sich  auf  die  Immunität  beziehen,  im  vierten  Bande  seiner iFor- 
schnngen  zur  Reichs-  und  Rechtsgeschichte  Italiens  zum  Ab- 
drucke gebracht. 

Die  Besitzungen  des  Domkapitels  von  Verona  umfaßten 
im  Gebiete  der  Grafschaft  Trient  die  vier  Dörfer  in  Judikarien 
BondOy  Bolvene^  Zuclo  und  Breguzzo,  sämtliche  in  der  Bezirks- 
faauptmannschaft  und  im  Bezirksgerichte  Tione  gelegen,  in 
einem  Halbkreise  südlich  bis  östUch  an  die  Gemeinde  Tione  gren- 
zend^ dann  den  Hof  Badabiones,  von  dem  die  Quellen  melden, 
daß  er  sich  im  Lagertale  befand,  ohne  daß  sich  seine  Lage 
näher  bestimmen  ließe.* 

Der  Besitz  der  drei  Dörfer  in  Judikarien  wird  in  einem 
Diplom  Kaiser  Berengars  I.  von  angeblich  916'  auf  eine 
Schenkung  des  Bischofs  Notker  an  das  Domkapitel  zurückge- 
führt. Wäre  diese  Urkunde  echt,  dann  würde  bereits  auf  ihr 
die  Immunität  des  Domkapitels  beruhen.  Denn  Berengar  ord- 
net nicht  nur  an^  daß  das  Fodrum  in  Berguzzo,  Bolbeno  und 
Bondo  nicht  mehr  an  den  Fiskus,  sondern  ans  Kapitel  gezahlt 
werden  solle,  er  überträgt  auch  die  placita  und  districtus,  Ge- 
richte und  Banne  dem  Domkapitel.  Indes  die  Echtheit  der 
Urkunde  ist  bezweifelt;  schon  der  erste  Herausgeber  De  Dio- 
nisiis*  hat  sie  bestritten.  Doch  manches  der  formalen  Gebrechen, 
die  er  rügt,  wie  die  Nennung  der  Kaiserin  Bertiila,  die  zur 
Zeit  der  angeblichen  Ausstellung  des  Diploms  bereits  tot  war, 
als  Intervenientin  ließe  sich  zur  Not  erklären,  wie  denn  auch 
CipoUa  in  den  Mitteilungen  des  Instituts,  Bd.  2,  95  n.  1  in  der 
Tat  nach  Beseitigung  dieser  und  ähnlicher  Schwierigkeiten  eine 
Rettung  der  Urkunde  versucht  hat. 


^  Forschungen  zur  Reichs-  und  Rechtsgeschichte  Italiens  3,  406,  Nach- 
trag zu  §  126. 

•  Bonelli,  Notizie  intorno  al  heato  Adelprete  2,  45  f.,  identifiziert  ihn  mit 
V6  hei  Avio;  Tartarotti,  Memorie  antiche  di  Rovereto  22,  suchte  ihn  in 
Yadaione  in  Rendena;  doch  sagt  das  Testament  des  Bischofis  Notker  von 
927,  Not.  16,  De  Dionysiis,  De  duohus  episcopis  Aldone  et  Notingo  103: 
Curte  mea  ....  in  Lagarense,  ubi  dicitur  Badabiones;  vgl.  Christian 
Schneller,  Tirolische  Namensforschung  6  f.  Durig  vermutet  (Bemerkung 
zur  Kopie  der  Urkunde)  Patone,  Bezirk  Nogaredo,  und  dürfte  damit 
wohl  das  Richtige  getroffen  haben. 

•  Schiaparelli,  Fonti  di  storia  dltalia,  Diplomi  di  Berengario  I,  Nr.  113• 
*  a.  a.  O.  30  f. 


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Bedenklicher  ist  es,  daß  Notker,  den  das  Diplom  als 
Scheoker  bezeichnet,  wenige  Jahre  hernach  neuerdings  als 
Eigentümer  der  drei  Dörfer  erscheint  und  über  sie  nunmehr 
in  anderem  Sinne  verfügt,  indem  er  sie  als  Ausstattung  einem 
Siechenhause  (xenodochium)  zuweist.^ 

Freilich  ist  hier  von  decaniae  die  Rede,  dort  von  villae. 
Beide  Ausdrücke  sind  jedoch  zweifelsohne  hier  als  gleichwertig 
anzusehen  und  bezeichnen  denselben  räumlichen  Bezirk.'  Doch 
auch  diese  Schwierigkeit  ließe  sich  lösen,  wie  dies  Don  Antonio 
Spagnolo  in  der  Tat  mit  Glück  versucht  hat;'  denn  der  Bischof 
konnte  irgendwie  neuerdings  in  den  Besitz  der  Dörfer  durch 
Tausch  oder  Kauf  vom  Domkapitel  gelangt  sein.  Dann  hat 
Notker  seine  Stiftung  der  Aufsicht  des  Domkapitels  unterstellt, 
so  daß  ihr  Vermögen  sehr  wohl  im  weiteren  Sinne  zum  Besitze 
des  Domkapitels  gezählt  werden  konnte.  Die  Wiedererwerbung 
kann  aber  umsoweniger  auffallen,  als  auch  der  Hof  Badabiones 
den  Notker  ebenfalls  seinem  Xenodochium  zugewendet  hatte, 
bereits  im  Jahre  983  wieder  im  Besitze  des  Kapitels  sich  befand.^ 
Schon  Otto  I.  hat  im  Jahre  951  dem  Domkapitel  den  Besitz 
zweier  Xenodochien  bestätigt,  von  denen  eines  durch  Notker 
im  Jahre  921  gestiftet  worden  war,*  freilich  sich  nicht  mit  dem 
927  bedachten  deckte.  Trotz  dieser  Rettungsversuche  hat  Schia- 
parelli  in  der  Anmerkung  zur  Ausgabe  des  Diploms  die  Echt- 
heit^ die  er  früher  anzunehmen  geneigt  war,  bezweifelt  und  die 
Urkunde  für  eine  Fälschung  nach  dem  Diplome  Heinrichs  UI. 
(Stumpf  2338)  erklärt.  Schon  früher  hatte  Breslau  ebenfalls 
Fälschung  angenommen,  die  er  nach  1027  setzte.^  Darüber 
nun,  daß  eine  Fälschung  vorliegt,  lassen  die  Formeln  keinen 
Zweifel  und  auch  der  Zweck  der  Fälschung  wird  sich  ohne 
Schwierigkeit  feststellen  lassen. 

Die  Diplome,  mit  welchen  das  Domkapitel  von  Verona 
von  den  deutschen  Königen  und  Kaisem  bedacht  wurde,  lie- 
gen in  ziemlich  vollständiger  Reihenfolge  seit  951  vor 

*  927,  November  16,  De  Dionysiia  108,  Ughelli,  Italia  Sacra  6,  788. 
'  Über  decania  vgl.  im  folgenden  §  2. 

^^  Un  diploma  di  Berengario  I.,  Separatabdruck  auB  Atti  della  R.  Accade- 
mia  delle  scienze  di  Torino,  Bd.  37,  13  f. 

*  Diplom  Ottos  U.  MM  DO.  II.  806. 

>  DO.  I.   137.    Die  Gründungsarkunde  bei  Ugbelli,   Italia  Sacra   6,  727. 

*  Bemerkung  zu  MM  DH.  U.  310. 


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nnd  lassen  uns  das  Anwachsen  der  Besitzungen  und 
Rechte  des  Kapitels  deutlich  verfolgen.  .  Noch  sehr  be- 
scheiden ist  das  erste  Diplom  von  951^  nachgebildet  offenbar 
einem  älteren  verschollenen  karolingischen^  dessen  Formeln  hier 
wiederkehren.^  Kaiser  Otto  I.  nimmt  das  Kapitel  unter  seine 
Mund  mit  all  dessen  Besitzungen  und  Eigenleuten,  bestätigt 
zwei  Xenodochien  und  verleiht  Immunität,  indem  den  öffent- 
lichen Beamten  die  Vornahme  von  Rechtsakten  in  den  Dörfern 
und  Schlössern  und  über  die  Hintersassen  (libellarii)  des  Ka- 
pitels untersagt  wird.^  Hier  fehlt  jede  Berührung  mit  dem 
Diplome  Berengars,  weder  durch  ausdrückliche  Erwähnung, 
noch  durch  Benützung,  noch  durch  Gemeinsamkeit,  weder  der 
Formeln,  noch  auch  des  Besitzstandes. 

Ganz  anderen  Wortlautes  und  Inhaltes  ist  das  nächste 
Diplom  ftir  das  Kapitel  Ottos  IL  von  983.'  Es  bestätigt  eine 
Reihe  von  Höfen,  darunter  Badabiones,  das  Bischof  Notker  ge- 
Bchenkt  habe,  mit  einer  Eigenkapelle  und  anderen  Besitzungen. 
Daran  knüpft  sich  der  Verzicht  auf  das  Fodrum  der  Einwohner 
von  acht  genannten  Castra  und  die  Gewährung  der  Zollfreiheit 
in  Verona.  Zu  den  Castra  gehören  die  drei  aufgezählten  Höfe 
Dicht.  Auffallend  bleibt  die  Konstruktion  der  Urkunde,  das 
Nebeneinander  der  beiden  Besitzgruppen,  der  Höfe  einerseits, 
bei  denen  sorgsam  der  Besitztitel  vermerkt  ist,  und  der  Castra, 
von  denen  das  Fodrum  erlassen  wird,  immerhin.  Auch  die 
Castra  sind  Eigentum  des  Domkapitels,  sie  werden  im  Diplom 
als  Castra  ipsorum  canonicorum  bezeichnet;  das  Eigentum  des 
Domkapitels  ergibt  sich  für  spätere  Zeiten  aus  den  Pachturkun- 
den und  anderen  Aufzeichnungen  des  Kapitelarchivs.  Wollte 
man  das  Fodrum  nur  von  den  Castra  erlassen,  so  konnte  dies 
in  anderer  Weise  korrekter  und  deutlicher  gesagt  werden.  Die 
Konstruktion  der  Urkunde  läßt  sich  nur  erklären,  wenn  eine 
Vomrkunde  mit  neuen  Verfügungen  in  ungeschickter  Weise 
verknüpft  wurde.  Man  hatte  wohl  ein  älteres  Diplom,  in  wel- 
chem das  Fodrum  in  den  Castra  und  die  Zollfreiheit  verliehen 
wurde,  man   wünschte  aber    eine  Bestätigung  auch   der  neu- 


^  über  die  Mundialformeln  in  italienischen  Diplomen  Salyioli,  Atti  III, 
Bd.  5,  102;  vgl.  im  allgemeinen  Sickel,  Sitzongsber.  der  Wiener  Akad. 
der  Wissensch.,  phil.-hist  Klasse  47,  259  f.,  263. 

»  DO.  L  137.  »  DO.  n.  305. 


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erworbenen  Besitzungen,  deren  Besitztitel  noch  bekannt  war. 
Die  Kanzlei  kam  dem  Wunsche  nach^  indem  sie  die  Bestätigung 
der  Höfe  voranstellte,  den  Inhalt  der  älteren  Urkunde  daran- 
fügte.  So  hat  es  nach  dem  Wortlaut  den  Anschein,  als  ob 
der  Besitz  lediglich  der  Höfe^  nicht  aber  der  Castra,  das  Fodrum 
nur  von  den  Castra,  nicht  von  den  Höfen  überlassen  würde. 
Die  Urkunde  schließt  mit  einem  Verbote  flir  alle  öffentlichen 
Beamten  und  sonst  jedermann,  Klagen  gegen  das  Kapitel  wegen 
seiner  Besitzungen  und  Hintersassen  anderswo  als  vor  dem  Ka- 
pitel zu  erheben,  mit  anderen  Worten,  es  wird  eine  grundherr- 
liche Gerichtsbarkeit  des  Kapitels  über  seine  Besitzungen  und 
Hintersassen  anerkannt. 

Mehr  schon  enthält  das  Privileg  Heinrichs  H.  von  1014 
Mai  21.^  Nun  werden  zum  ersten  Male  auch  die  drei  Villen 
in  Judikarien  Breguzzo,  Bolbeno  und  Bondo  bestätigt  nebst 
anderen  Besitzungen,  die  neu  an  das  Kapitel  gekommen  waren. 
Dabei  scheint  es  nun  allerdings,  daß  auch  die  drei  Villen  als 
von  Bischof  Notker  geschenkt  bezeichnet  werden.  Die  Bestim- 
mung von  DO.  n.  305  über  den  Erlaß  des  Fodrums  in  den 
acht  Castra,  zu  denen  einige  neu  hinzugekommen  sind,  wird 
wiederholt,  nunmehr  aber  das  Fodrum  mit  klaren  Worten  dem 
Kapitel  zugesprochen.  Ebenso  wird  die  Immunitätsverleihung 
klarer  gefaßt.  Placita  und  districtus  werden  nicht  nur  in  den 
Castra,  sondern  in  allen  genannten  Villae  und  Curtes  dem  Dom- 
kapitel zugesprochen.  Es  wird  zuletzt  verboten,  die  Domherren 
im  Besitze  ihrer  bestätigten  Güter  und  ihrer  Hintersassen  zu 
stören  ohne  richterliches  Urteil.  Das  war  ein  bedeutender 
Fortschritt.  War  bisher  nur  die  Amtshandlung  der  öffentlichen 
Beamten  auf  den  Gütern  des  Kapitels  untersagt,  so  wird  nun- 
mehr Gerichts-  und  Banngewalt  nebst  allen  Einkünften  dem 
Kapitel  übertragen.  Wesentlich  in  demselben  Rahmen  hält  sich 
das  Privileg  Konrads  H.  von  1027  Mai  25.* 

Eine  Erweiterung  der  Besitzungen  und  Rechte  des  Ka- 
pitels bedeutet  wieder  das  Diplom  Heinrichs  HI.  von  1047 
Mai  8,^  das  allerdings  zunächst  auf  Stumpf  1949  beruht.  Nicht 
nur  ist  die  Zahl  der  Höfe  gewachsen,  nunmehr  wird  das  Fo- 
drum nicht  mehr  von  den  Castra,  sondern,  wie  in  einem  ein- 
geschobenen Satze  gesagt  wird,  in  allen  Castra  und  Villen  und 


»  DH.  n.  310.  «  Stumpf  1949.  »  Stumpf  2338. 


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allen  Orten,  die  dem  Kapitel  irgendwie  gehören^  geschenkt. 
In  demselben  Umfange  werden  auch  Gericht  and  Bann  und 
alle  öffentlichen  E^inkilnfle  saerkannt.  Noch  ein  Satz  fiült  als 
nen  anf:  dem  Erzpriester  und  Erzdiakon  wird,  allerdings  mit 
Zostimmung  der  Domherren  freies  Verfiigungsrecht  über  die 
Besitznngen  des  Kapitels  eingeräumt.  Offenbar  richtet  sich 
diese  Bestimmung  gegen  den  Bischof,  dessen  Eünfloß  anf  die 
Verwaltung  des  Vermögens  abgeschnitten  werden  soll.  Hein- 
rich III.  von  1047  ist  Grundlage  geblieben  für  die  folgenden 
Bestätigungen  Heinrichs  IV.  von  1084  Juni  18,^  Lothar  II. 
1136  September  25,«  Konrad  III.  1147  Februar  8—10«  und 
Friedrich  I.  1154  Oktober  26.*  Nur  die  Besitzungen  wachsen, 
der  Umkreis  der  verliehenen  Rechte  bleibt  im  wesentlichen 
derselbe. 

Kehren  wir  nun  zu  Berengar  I.  113  zurück.  Bei  einer 
Vergleichung  der  Urkunde  mit  den  aufgezählten  Diplomen  er- 
gibt sich,  daß  der  angebliche  Berengar  sich  am  nächsten  mit 
DH.  II.  310,  Stumpf  1949  (Konrad  II.)  und  Heinrich  IIL  Stumpf 
2339  berührt.  Auf  DO.  IL  305  gehen  nur  wenige  Sätze  zu- 
rück, die  ersichtlich  nicht  direkt  aus  dieser  Urkunde,  sondern 
durch  Vermittlung  von  DH.  II,  310  oder  Stumpf  1949  übernommen 
sind,  da  alle  Zusätze  wiederkehren,  die  sich  in  diesen  späteren 
Diplomen  finden.  Berengar  I.  113  enthält  jedoch  noch  ein 
Mehr.  In  der  Bestätigungsformel  der  genannten  Diplome  wird 
die  Bestätigung  noch  nicht  auf  alles,  was  die  Domherren  er- 
worben haben  oder  erwerben  werden,  ausgedehnt,  es  fehlt  na- 
mentlich der  Hinweis  auf  die  Xenodochien  und  Zehnten.^  Es 
fehlen  weiters  jene  Worte,  die  Nachlaß  des  Fodrums  in  den 
ViUen  in  Judikarien  veriUgen,  es  fehlt  der  kleine  Nachsatz, 
welcher  das  Fodrum  und  alle  anderen  öffentlichen  Leistungen 
dem  Kapitel  überläßt.^  £s  fehlt  dann  weiter  der  Satz,  der  die 
Verftigungsfreiheit  des  EJrzpriesters   und  Erzdiakons  über  das 


»  Stumpf  2861.  •  stumpf  8331. 

'  Stumpf  8533;  Druck  Stumpf,  Acta  imperii  Nr.  383,  nicht,  wie  Stumpf 
meint,  interpoliert,  sondern  Nachbildung  yon  Stumpf  3831 .  und  stellen- 
weise verderbt. 

^  Stumpf  8694. 

'  sive  omnia  que  aliquo  adquisitionis  munimine  —  eiusdem  civitatis.  Schia- 
parelli  a,  a.  O.  298,  Z.  10—12. 

•  Schiaparelli  293,  Z.  22—24:  set  omnia  —  habeant. 


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322 

Kapitelgut  festsetzt.^  Das  Fehlende  findet  sich  nun  wörtlich 
in  dem  Diplom  Heinrichs  III.  St.  2338,  wie  schon  Schiaparelli 
bemerkt,  der  Berengar  I.  113  nach  dieser  Urkunde  entstanden 
sein  läßt.  Indes  wird  man  dieser  Behauptung  nicht  beistimmen 
können.  Denn  unter  solcher  Voraussetzung  sind  die  Motive  der 
Fälschung  nicht  einzusehen,  man  würde  denn  mit  Schiaparelli 
annehmen  wollen,  das  Kapitel  habe  lediglich  die  Schenkung 
der  Höfe  durch  Bischof  Notker,  die  ohnehin  schon  aus  Stumpf 
1949  und  2338  ersichtlich  war,  um  ein  paar  Jahre  zurück- 
schrauben wollen  hinter  das  sogenannte  Testament  des  Bischofs. 
Niemand  wird  dies  glaublich  finden.  Eitelkeit  spielt  bei  den 
Fälschern  des  Mittelalters  die  geringste  Rolle;  materielle  Inter- 
essen waren  es,  die  da  bestimmend  wirkten.  Kehren  wir  das 
Verhältnis  um,  so  sehen  wir  sehr  bald,  welche  diese  Interessen 
waren.  Vor  allem  das  Fodrum,  das  man  nicht  nur  von  den 
bisher  in  den  Diplomen  namentlich  aufgezählten  Kastellen,  son- 
dern von  allen  Besitzungen  und  insbesondere  von  den  drei  Dör- 
fern in  Judikarien  beziehen  wollte,  die  Bestätigung  einiger  Spi- 
täler und  Zehnten  und  die  volle  vermögensrechtliche  Unabhän- 
gigkeit vom  Bischöfe.  Dieselbe  Beschränkung  bischöflicher 
Eingriffe,^  zugleich  die  Bindung  des  Erzpriesters  und  Erzdiakons 
bei  ihrer  Verwaltung  an  die  Zustimmung  der  Domherren  treffen 
wir  fast  gleichzeitig  in  der  Bulle  Leos  IX.  für  das  Kapitel, 
Jaff6 — Löwenfeld  4166.  Das  waren  Ziele,  die  zur  Fälschung 
greifen  ließen.  Man  entnahm  einer  echten  Urkunde  Berengars 
Titel  und  Rekognoszierungszeile,  vielleicht  auch  das  uns  nicht 
mehr  überlieferte  Datum,  einer  anderen  die  Interventin  Bertiila, 
die  zur  Zeit  der  Kaiserkrönung  Berengars  schon  tot  war,'  er- 
fand  eine   Promulgatio*  und  entnahm   den  Großteil   den   vor- 


^  Ita  tarnen  —  predictorum  fratrum,  Schiaparelli,  S.  293,  Z.  29  —  S.  294, 
Z.  1. 

•  Diese  Bestrebungen  richteten  sich  wohl  gegen  Versuche,  die  Verfassung 
des  Kapitels  im  Sinne  der  Reform  umzugestalten,  wie  eine  solche  unter 
anderen  auch  in  Mailand  versucht  wurde;  Tgl.  Hinschius,  System  des 
Kirchenrechtes  2,  57  f. 

'  Möglich,  daß  man  selber  im  Besitze  einer  solchen  Urkunde  war,  die 
als  Vorlage  zu  DO.  IL  305  diente,  wie  Breslau  in  seinen  Bemerkungen 
zu  DH.  II,  310  annimmt. 

*  Quibus  der  heutigen  Lesung  —  die  Urkunde  ist  nur  in  Kopien,  deren 
älteste  aus  dem  13.  Jahrhunderte  stammt,  erhalten  —  ist  wohl  verlesen 
für  Omnibus. 


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323 

handenen  Diplomen  Heinrichs  II.  und  Eonrads  11.^  die  man  an 
den  entscheidenden  Stellen  umänderte  und  ergänzte.  Die  Ver- 
stösse der  Fassung:  antecessoribus  atque  precessoribus,  bis  ter- 
ritoriis  —  seu  Bundo  können  durch  ungeschickte  Benützung 
von  Stumpf  2338  nicht  erklärt  werden.  Sie  sind  hier  gerade 
so  sinnstörend  wie  bei  Berengar  I.  113.  Viel  eher  können 
sie  dem  Fälscher  in  die  Schuhe  geschoben  werden^  der  seinen 
Zweck  durch  möglichst  unauffällige  Veränderungen  seiner  Vor- 
lage zu  erreichen  suchte  und  dabei  in  Härten  der  Konstruktion 
verfiel,  die  der  Verfasser  von  Stumpf  2338,  der  freie  Hand 
hatte,  vermeiden  konnte.  Wohl  möglich,  daß  ein  Versuch  der 
Bischöfe  von  Trient  als  Herren  der  Grafschaft  Trient  die  Qra- 
fenrechte  in  den  drei  Dörfern  Judikariens  in  vollem  Umfange 
in  Anspruch  zu  nehmen,  die  Veranlassung  bot.  Das  Ziel  er- 
reichte man  völlig.  Heinrich  III.  hat  alles  Gewünschte  gewährt 
und  seinem  Diplome  einverleibt. 

Für  die  Schenkung  der  drei  Dörfer  durch  Bischof  Notker 
kann  nach  dem  Gesagten  nicht  mehr  Berengar  I.  113,  sondern 
nur  mehr  DH.  II.  310  ak  älteste  Quelle  angeführt  werden,  eine 
Quelle,  die  freilich  um  100  Jahre  jünger  ist  als  das  behauptete 
Ereignis. 

Fassen  wir  nun  die  Entwicklung  der  Immunität  ins 
Auge.  Schon  das  sogenannte  Testament  des  Bischofs  Notker 
lehrt  uns  die  Lage  kennen,  in  der  sich  die  Hintersassen  be- 
fanden, die  er  zur  Ausstattung  seines  Xenodochiums  verwandte, 
und  die  in  der  Folge  ans  Domkapitel  gekommen  sind.^  Er 
schenkt  dem  Bischof  Bernhard  von  Trient  einige  Unfreie,  ver- 
fügt^ daß  sie  nach  dessen  Tode  frei  sein  sollen  (fulfreales  et 
amunt).  Es  ist  also  die  volle  Freiheit,  die  er  ihnen  schenkte.* 
Sie  sollen  niemandem  Dienste  leisten  außer  Gott,  dem  Herrscher 
über  alle,  sie  sollen  frei  von  aller  Knechtschaft  sein,  fulfreales 
et  amxmt.  So  wiederholt  der  Bischof,  als  ob  er  sich  in  der 
Zusage  der  vollen  Freiheit  nicht  genug  tun  könnte.  Er  schenkt 
ihnen  die  Grundstücke  zu  Sacco,  die  sie  bisher  bebaut  haben, 
zu  eigen,   er  schenkt  ihnen  ihre  Fahrhabe  (scarpola  vel  privi- 


^  De  Dionysiifl  104. 

•  Über  fiilfreal  Branner,  Deutsche  Eechtsgeschichte',  1,  144  n.  50;  Schrö- 
der, Rechtflge8chichto^  61  n.29,  223;  über  amunt  Branner*  1,  144  n.  51; 
Schröder*,  225. 


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324 

tarium).     Sie    dürfen    diese   Grundstücke    wohl  untereinander^ 
nicht  aber  an  Fremde   veräußern.     Sie  sind  nur  zu  Fronden 
für  die  bischöflichen  Weinberge  in  Badabiones  verpflichtet.    Be- 
trachten wir  diese  Bestimmungen,  so  finden  wir  gewisse  Qegen- 
sätze:  Vollfreiheit,  Eigentum,  aber  gebunden  in  der  VerfUgangs- 
freiheit,  Verpflichtung  zu  Fronden.    Erinnern  wir  uns,  daß  im 
10.  Jahrhunderte  Volifreiheit   vereint   mit   einer  gewissen  Ge- 
bundenheit in  der  bäuerlichen  Klasse  schon  etwas    sehr   0^- 
wohnliches  geworden  ist,   daß  weite  Klassen  der  freien  bäuer- 
lichen Bevölkerung,  Freigelassene  und  Freie  als  Hintersassen 
und   Mundmannen   in   ein   Abhängigkeitsverhältnis   zu    Großen 
getreten  sind.^    Dem  entsprechen  nun  auch  die  Bestimmungen^ 
welche  über  den  Gerichtsstand  dieser  Leute  getroffen  werden. 
Wenn   sie  in  Streit  mit  einem  Dritten  geraten,   dürfen  sie  im 
öffentlichen  Gerichte,  in  placito  publice,   nicht  klagen  oder  ge- 
klagt werden,  ohne  Beistand  des  Vogtes:  set  semper  sub  iudi- 
ciaria  de  predicto  xenodochio  legaliter  (sint)  sicut  liberi  homi- 
nes.     Sie   stehen    also   unter    der  Gerichtsbarkeit    der 
geistlichen  Stiftung;  wenn  auch  persönlich  frei,  werden  sie 
behandelt    wie  Grundholden   der  Stiftung.      Nachdem    sie   des 
Veräußerungsrechtes   außerhalb   ihres   Kreises    darben,    unter- 
stehen Streitigkeiten  über  ihre  Grundstücke  dem  Gerichte  des 
Grundherrn.     Sein   Vogt   wird   alle   Händel   unter    ihnen    ge- 
schlichtet haben,  wenn  sie  nicht  an  das  Blut  gingen;    werden 
sie  von  dritten  geklagt  oder  treten  sie  als  Kläger  auf,  so  wer- 
den sie  vor  dem  öffentlichen  Gerichte  von  dem  Vogte  vertreten.* 
Wenn  sie  auch  in  der  Urkunde  als  fulfreal  und  amunt  erklärt 
werden,   sind  sie  nicht  amunt  im  vollen  Sinne,   sie  verbleiben 
unter  der  Mund  ihres  ehemaligen  Herrn,  wenn  auch  die  Mund 
nunmehr  in  ihren  Wirkungen  abgeschwächt  erscheint  im  Ver- 
gleiche zu  jenen,  die  sie  bei  Freilassungen  zu  minderem  Rechte 
nach  den  Volksrechten  nach  sich  zog.    Die  Fronden,  die  diese 
Leute  leisteten,  waren  doch  noch  ein  Entgelt  der  Mund.    Durch 


*  Waitz,  Yerfassungsgeschichte*,  2,  232  und  4,  334  f.;  Branner,  Rechts- 
geschichte*  1,  254;  Pertüe,  Storia  del  diritto  Italiano*,  3,  117  f. 

'  Branner,  Rechtsgeschichte'  1,  351.  Waitz,  Yerfassangsgeschichte*,  4, 
459 ;  Seeliger,  Die  soziale  and  politische  Bedeutung  der  Grundherrschaft, 
Abhandlungen  der  phil.-hist.  Klasse  der  k.  sächs.  Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften 22,  Nr.  1,  64  f. 


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325 

die  Beschränkmig  der  VeräußeruDgsbefagnis  waren  aach  die 
Grundstücke  noch  immer  an  den  Grundherrn  geknüpft. 

Das  war  noch,  bevor  diese  Leute  und  ihre  Besitzungen 
Teile  einer  kirchlichen  Immunität  geworden  waren.  Die  Im- 
munitfttsprivilegien  ordnen,  wie  bereits  erwähnt,  zunächst  den 
Gerichtsstand  der  Hbellarii  und  coloni,  der  Hintersassen  des 
Kapitels  in  Klagen  Auswärtiger  vor  dem  Kapitel  an.^  Dann 
werden  die  placita  und  die  districtus  den  Domherren  zugespro- 
chen,' und  zwar  seit  Heinrich  IH.  auf  allen  Besitzungen  des 
Kapitels.'  Eine  gewisse  Erweiterung  erfährt  die  Immunität 
erst  im  Privileg  Friedrichs  I.  von  1154.*  Nicht  nur  die  libel- 
larii  und  Colonen,  sondern  alle:  ad  eorundem  canonicorum 
redditum  residentes,  oder  wie  es  später  heißt:  . . .  residentes 
ad  eosdem  canonicos  redditum  prestantes,  also  nicht 
nur  diejenigen,  die  in  einem  Leiheverhältnisse  zum  Kapitel  stehen, 
sondern  auch  solche^  die  nur  auf  den  Besitzungen  des  Dom- 
kapitels wohnen,  und  alle,  die,  auf  eigenem  Gute  sitzend,  dem 
Kapitel  Leistungen  schulden;  sind  der  Gerichtsbarkeit  des  Ka- 
pitels untergeben.  Wir  werden  später  den  Sinn  und  die  Be- 
deutung der  Klausel  versteh  en  lernen. 

Auch  die  jüngeren  Diplome  knüpfen  an  die  ältere 
Reihe  an,  auch  sie  bieten  im  wesentlichen  den  alten  Kern  nebst 
den  zugewachsenen  Erweiterungen.  Ein  neues  Moment  ist 
es,  das  nunmehr  die  Immunität  bedroht  und  zu  Erweiterung 
der  Privilegien  führt.  Es  ist  der  Geist  der  Autonomie,  der  seit 
100  Jahren  in  den  Gemeinden  Italiens  keimt  und  wächst,  der 
den  Immunitätsherrn  zugunsten  der  Kommune  seiner  Hoheits- 
rechte zu  entkleiden  sucht,  eines  nach  dem  anderen  abbröckeln 
läßt.  Auch  auf  den  Besitzungen  des  Domkapitels  war  dieser 
Geist  eingezogen;  die  Gemeinde  Porcile  suchte  sich  geradezu 
der  Gerichtsbarkeit  des  Kapitels  zu  entziehen;*  auch  in  den 
Dörfern  Judikariens  machte  sich  nur  zu  oft  der  Geist  der 
Widersetzlichkeit  geltend  und  ähnliches  wird  sich  in  den  ande- 

^  DO.  n.  305:  nifli  ante  illorum  presentiam,  in  den  späteren  Bestätigun- 
gen: sine  leg^  iudicio. 

*  Zuerst  Stumpf  1625. 

*  Wiederholt  Stumpf  2861,  3331,  3533  und  3694. 

*  Stumpf  3694. 

*  Ficker,  Forschungen  zur  Reichs-  und  Rechtsgeschichte  Italiens  4,  Nr.  187; 
ein  ähnlicher  Fall  auch  a.  a.  O.  Nr.  257. 


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326 

ren  Besitzungen  des  Kapitels  ereignet  haben.  Solchen  Bestre- 
bungen gegenüber  suchten  die  Privilegien  jede  Entwick- 
lung der  Gemeindeautonomie  zu  unterbinden  oder  in 
Schranken  zu  halten.  Mag  der  Anstoß  dazu  auch  vom 
Kapitel  ausgegangen  sein,  zweifelsohne  sind  die  Kaiser  aus  dem 
Hause  der  Hohenstaufen  in  ihrer  den  Städten  feindlichen  Poli- 
tik allen  Wünschen  des  Kapitels  bereitwillig  entgegengekommen, 
indem  sie  seit  Stumpf  4337  von  1182  den  Bewohnern  der  dem 
Kapitel  gehörigen  Ortschaften  die  Wahl  von  Konsuln  und  Po- 
testaten  zur  Besorgung  der  Gerichtsbarkeit,  femer  das  Anlegen 
von  Befestigungen  und  die  Verfügung  über  die  Gemeindegüter 
ohne  Zustimmung  des  Kapitels  verbieten;  die  Gerichtsbarkeit 
wird  vielmehr  ausdrücklich  dem  Kapitel  zuerkannt.^  Diesem 
Zugeständnisse  an  das  Kapitel  tritt  freilich  der  Vorbehalt  der 
kaiserlichen  Rechte  in  jenem  Teile  der  Disposition,  welcher  die 
öffentlichen  Einkünfte  dem  Kapitel  überläßt,  entgegen.^  Mit 
diesen  Zusätzen  werden  die  Bestimmungen  der  älteren  Privi- 
legien von  Heinrich  VI.'  und  Otto  IV.*  wiederholt,  zugleich  nur 
die  Fassung  des  Teiles  der  Disposition,  in  der  placita  und  di- 
strictus  überlassen  werden,  genauer  auf  placita  generaUa  et  spe- 
cialia  und  districtus  generalia  et  specialia  bestimmt.  Damit 
hat  die  Reihe  der  Immunitätsdiplome  des  Kapitels  ihr  Ende 
erreicht.  Denn  Friedrich  II.  nimmt  nur  mehr  in  allgemeinen 
Ausdrücken  das  Kapitel  und  seine  Besitzungen  in  seinen  Schutz.^ 
Eine  neue  Zeit  mit  neuen  Ideen  und  Formeln  bricht  mit  der 
Tradition.  Der  Untergang  der  Staufer,  der  Umschwung  der 
politischen  Verhältnisse  in  Italien  läßt  mit  dieser  Urkunde  die 
Reihe  der  Kaiserdiplome  für  das  Veroneser  Domkapitel  schließen. 
Den  Bestimmungen,  welche  in  den  Diplomen  das  Über- 
greifen der  Gemeinden  in  die  Gerichtsbarkeit  des  Ka- 
pitels verhindern  sollten,  entsprach  es,  wenn  nun  Otto  IV. 
dem  Kapitel  das  Recht  verbrieft,  in  seinen  Dörfern  und 
Burgflecken    Konsuln    und   Vizegrafen    einzusetzen    und 


^  Noch  insbesondere  bestätigt  durch  Friedrich  I.  Stampf  4401. 

*  Über  die  Klausel:  salva  imperiali  iusticia  MtLhlbacher,  Mitteil,  des  Inst., 
Erg.-Bd.  4,  611.  Sie  stammt,  wie  die  verwandte  Klausel :  non  obstante, 
wenn  auch  durch  Vermittlung  der  Papsturkunde,  aus  dem  römischen 
Rechte. 

*  Stumpf  4337.  «  Böhmer-Ficker  294.  ^  B(5hmer-Ficker  2442. 


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327 

durch  seine  Mitglieder  oder  andere  die  Gerichtsbarkeit  auszu- 
üben,^ ein  Becht,  das  vom  Domkapitel  bereits  früher  in  An- 
spruch genommen  worden  war. 

Dem  Oebrauche  der  Zeit  gemäß  hatte  man  sich  auch 
an  den  Papst  gewendet  und  von  Alexander  III.  eine  Bestäti- 
gung des  Besitzstandes  erlangt.' 

Wenden  wir  uns  nun  dem  Immun itätsgebiete  des  Kapitels 
in  Südtirol  zu,  so  werden  uns  nur  die  Dörfer  in  Judikarien, 
nicht  aber  der  Hof  Badabiones  zu  beschäftigen  haben;  denn, 
so  wie  man  nicht  mit  Sicherheit  seine  Lage  bestimmen  kann, 
so  wissen  wir  nichts  außer  den  wenigen  Angaben  der  Kaiser- 
urkunden und  der  Papstbulle  über  seine  Schicksale.  Die  Bulle 
Alexanders  III.  von  1177  nennt  ihn  noch,  das  Privileg  Fried- 
richs I.  von  1182,*  welches  den  Besitzstand  der  bestätigten 
Hofe  allef'dings  in  einer  sehr  verkürzten  Beihe  bietet,  nicht 
mehr  und  gleicherweise  fehlt  er  in  den  folgenden  Urkunden. 
Der  Schluß  dürfte  nicht  zu  gewagt  sein,  daß  er  zwischen  1177 
und  1182  dem  Kapitel  verloren  ging. 

Der  Immunitätsbezirk  des  Kapitels  umfaßte  in  Judi- 
karien  die  drei  Dörfer  Breguzzo,  Bondo  und  Bolbeno, 
die  im  Testamente  Notkers,  in  den  Kaiser-  und  dem  Papstprivileg 
genannt  sind,  und  das  Dorf  Zuclo,  das  sich  im  Laufe  der  Zeit 
wohl  von  Bolbeno  abgesondert  haben  und  eine  eigene  Gemeinde 
geworden  sein  wird.*  Wir  erfahren  aus  einem  Weistum  von 
1238^  genau  die  Grenzen  des  Immunitätsgebietes:  a  rivulo 
Riuerio  usque  in  summa  acie  montis  in  montibus  et  planitiis  et 
inde  usque  ad  aquam  rio  Closam  et  inde  usque  ad  Closam  laci 
Ronconi  et  inde  in  summo  Copedelli,  d.  i.  vom  Bache  Ridever, 
der  sich  östlich  von  Zuclo  in  die  Sarca  stürzt,  in  die  Höhe  bis 
zur  Schneide  der  Gebirge,  welche  das  Arnotal  vom  Val  Mazza, 
Gemeinde  Bleggio,  dann  weiter  vom  Val  dei  Concei,  Gemeinde 
Lenzumo  im  Val  di  Ledro  scheiden,  dann  hinab  bis  zum  nörd- 
lichsten Nebenflüßchen  des  Chiese  (rio  Closam)  und  zum  Bäch- 
lein, das  aus  dem  See  von  Roncone  fließt  (Closa  laci  Ronconi), 
endlich  das  Tal  von  Breguzzo  umfassend  bis  zu  den  Bergen, 
welche  dieses  Tal  von  dem  des  Chiese  scheiden,  bis  zum  summo 


'  Böhmer-Ficker  425.  •  Jaff^-Löwenfeld  2823.  «  Stumpf  4837. 

*  Zucio  genannt  Beilage  8,  11  usw.  *  Beilage  11. 

ArehiT.  M.  Band,  II.  Hftifte.  23 


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328 

Copedelli;   d.  i.  der  cima  Cop  di  Bregnzzo.     So  bleibt  nur  die 
Grenze  gegen  Tione  anbestimmt. 

Dieses  Gebiet  nun  galt  nach  aaßen  hin  als  Eigentum  des 
Domkapitels  von  Verona.  Im  Jahre  1193  erklären  Leute  aus 
den  Gemeinden,  daß  das  ganze  Gebiet  der  Dörfer  mit  Weide, 
Wald  und  Wasser  in  Berg  und  Tal  dem  Domkapitel  gehöre.^ 
Bischof  Konrad  von  Trient  erkennt,  als  er  gebeten  wurde, 
gegen  die  Herren  von  Campo  einzuschreiten,  dieses  fligentum 
des  Kapitels  an,^  sowie  ja  auch  die  Diplome  die  Dörfer  als 
Besitz  des  Domkapitels  bestätigt  hatten.  Anders  gestalteten 
sich  die  Verhältnisse  innerhalb  der  Immunität.  Das  Weistum 
von  1238  gibt  auch  hier  genügenden  Bescheid.  Die  Bewohner 
der  Immunität  sind  freie  Leute.  Die  Grundstücke  innerhalb 
dieses  Gebietes  können  frei  veräußert  werden,  ohne  daß  von 
einer  Zustimmung  des  Kapitels  die  Rede  wäre.  Damit  ist 
nicht  gesagt,  ob  die  Veräußerungsfreiheit  auch  nach  außen  gilt 
oder  auf  die  Genossen  der  Herrschaft  beschränkt  ist.  Sicher  ist, 
daß  die  Grundstücke  im  Eigen  der  Immunitätsleute,  nicht  aber 
in  einem  Leihverhältnisse  stehen.  Nie  ist  von  einem  solchen 
die  Rede;  unter  all  den  Urkunden  des  Domkapitelarchivs  zu 
Verona,  die  sich  in  der  Anzahl  von  etwa  60  mit  den  Dörfern 
beschäftigen,  befindet  sich  auch  nicht  eine  Leihurkunde.  Den 
Leuten  steht  selbst  das  Recht  zu,  letztwillig  über  ihre  Güter 
zu  verfügen.  Sterben  sie  ohne  Erben,  so  erhält  das  Domkapitel 
20  Schilling  aus  der  Erbschaft,  doch  auch  diese  sind  zum  Besten 
der  Gemeinde  zu  verwenden.^  Freilich  scheint  diese  Geldgabe 
an  Stelle  eines  älteren  Besthauptes  getreten  zu  sein;  denn  einer 
der  vernommenen   Männer  hat  von   seinen  Vorfahren   gehört, 


'  totam  territorium  et  paacaa  et  silya  et  aquas  in  montibas  et  planiciü 
pertinentes  Burgusio,  Bundo  et  Bolbeno  et  iarisdictionem  (hominum) 
flupraacriptorum  locorum  canonicis  Yeronensibas  in  omnibos  et  per  omnia 
pertinere  1193  Dezember  14,   Verona  Kapiteiarchiv  BG.  89  m.  5,   Nr.  1. 

*  episcopufl  dixit  et  confessos  fuit,  quod  bene  sciebat  proprietatem  iUarum 
terrarum  esse  canonice  Veronensis,  Ficker,  Forschungen  zur  Reichs-  und 
Rechtsgeschichte  4,  Nr.  183,  angefahrt  von  Salvioli,  Atti  Serie  III,  6, 
27  n.  8  irrig,  als  ob  es  sich  um  einen  Streit  zwischen  dem  Bischof  und 
seinem  Domkapitel  von  Trient  handeln  würde. 

'  So  schon  in  dem  n.  1  angeführten  Weistum  von  1193  Dezember  14:  et 
si  aliquis  obierit  non  relicto  berede,  vilicus  suprascripte  ecclesie  debet 
habere  XX  solides  et  ipse  vilicus  debet  dare  illos  XX  solidos  ad  utili- 
tatem  nniversitatis  predictorum  hominum. 


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329 

daß  die  Domherren  vom  erblosen  Gute  eine  Kuh  nahmen.  So 
sehen  wir  nach  außen  Gebundenheit,  Freiheit  nach  innen,  Ver- 
hältnisse, die  uns  in  anderem  Zusammenhange  in  den  Immuni- 
täten des  Domkapitels  von  Trient,  besonders  im  Weistum  von 
Sover  wieder  begegnen  werden. 

Das  ganze  Gebiet  und  alle  Leute,  die  darauf  sitzen,  unter- 
stehen der  Gerichtsbarkeit  des  Domkapitels.  AileEinwohner 
der  drei  Dörfer  unterliegen  der  vollen  Gerichtsgewalt, 
dem  Banne  und  Twing  des  Domkapitels,  sagt  das  Weis- 
tum von  1193  Dezember  14,^  und  dieser  Rechtssatz  kehrt 
im  Weistum  von  1238*  und  öfter  wieder.  Die  Immunität  des 
Domkapitels  war  somit  eine  territoriale,  keineswegs  auf  seine 
Hörigen  beschränkt.  Das  Domkapitel  war  nicht  allein  Besitzer 
in  diesen  Orten.  Gewisse  Rechte  und  Güter  standen  in  Bre- 
guzzo  und  Bondo  den  Grafen  von  Eppan  zu,  welche  sie  im 
Jahre  1185  an  das  Bistum  Trient  verkauften.'  Vielleicht  gaben 
sie  den  Anlaß  zu  den  Reibungen,  die  zwischen  dem  Domkapitel 
von  Verona,  den  Bischöfen  von  Trient  und  den  Herren  von 
Campo  als  Lehensträgern  Trients  ausbrachen.  Worin  diese 
Rechte  und  Besitzungen  bestanden,  ob  die  in  der  Urkunde  von 
1185  genannten  Silbergruben  und  Eigenleute  in  unseren  Dör- 
fern lagen  oder  außerhalb  derselben,  läßt  sich  nach  der  Fassung 
der  Urkunde  nicht  sagen.  Die  Weistümer  und  Urkunden  des 
Domkapitelarchivs  sprechen  durchwegs  den  Domherren  den 
Alleinbesitz  der  Dörfer  zu.  Vielleicht,  daß  diese  Rechte  be- 
stritten und  vom  Domkapitel  nicht  anerkannt  waren. 

Die  Immunitätsleute  waren  dem  Kapitel  zu  bestimmten 
Leistungen  verhalten,  Leistungen,  die  sich  fast  in  all  diesen 
kirchlichen  Immunitäten  wiederholen.  Wohl  von  der  Kommen- 
dation,^    durch   welche   vielfach    die   Abhängigkeit   bäuerlicher 


^  Fährt  fort  an  der  S.  329  n.  1  angefahrten  SteUe:  et  quod  snprascripta 
canonica  habet  plenam  inrisdictionem  suorum  locorum  et  quod  omnes 
homines  habitantes  in  Ulis  locis  debent  sese  distringere  pro  canonica 
Yeronensi  et  rationem  facere  et  wadia  banni  dare  archipresbytero  et 
canoniciB  ecclesie  Yeronensis  et  sao  nuntio  bannum  Y  solidorum  et  non 
debent  seae  distringere  pro  ....  (Lücke)  nee  racionem  dare  nee  wadia 
banni  dare  nisi  pro  canonica  Yeronensi. 

•  Beilage  11.  »  Kink,  Fontes  rer.  Austr.,  ü.  Serie,  Bd.  6,  Nr.  24. 

*  Beispiel  einer  solchen  Ficker,  Forschangen  4,  Nr.  100:  Ein  Arimanne 
investiert  den  Erzpriester  mit  seinem  AHod,  verspricht,  den  Domherren 
Fodrum  zu  zahlen  und  nur  zu  verftußern  dem  Kapitel  und  seineu  Ari- 

28* 


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330 

Hintersassen  begründet  worden  war  und,  wie  wir  in  der  Folge 
sehen  werden,  noch  im  13.  Jahrhundert  begründet  wurde,  waren 
die  Immunitätsleute  und  Hintersassen,  ob  freien  oder  unfreien 
Standes,  an  vielen  Orten  verpflichtet,  ihrem  Herrn  einen  Treu- 
eid zu  leisten.^  Wir  werden  diesem  Eide  auf  den  Besitzungen 
des  Domkapitels  von  Trient  nochmals  begegnen.  Auch  auf  den 
Besitzungen  des  Domkapitels  von  Verona  wurde  er  geleistet.' 
Einmal  wird  der  Eid  als  fidelitas  terreria  bezeichnet  und  genau 
von  einem  Lehenseide  geschieden.'  Der  Eid  ging  dahin,  den 
Domherren  gegen  jedermann,  außer  dem  Kaiser,  treu  zu  sein, 
ihnen  beizustehen,  um  ihre  Besitzungen  zu  erhalten,  und  wenn 
sie  verloren  gegangen  wären,  sie  auf  Kosten  der  Domherren 
wieder  zu  erwerben.*  Wie  oft  der  Eid  abgenommen  wurde, 
läßt  sich  nicht  bestimmen.  Zur  Vereidigung  wurden  Boten  des 
Kapitels,  aber  auch  der  Beamte  des  Kapitels  in  den  Dörfern 
bevollmächtigt.  Leute,  die  den  Eid  verweigern,  werden  am 
kaiserlichen  Hofe  verklagt,  über  kaiserlichen  Auftrag  von  einem 
kaiserlichen  Delegaten  vorgeladen,  der  diejenigen  aus  ihnen, 
welche   der   Ladung  ungehorsam   nicht  erschienen  waren,    ab> 

mannen.  VgL  Waitz,  Verfassungsgesch.',  4,  247,  der  freilich  den  Eid  nur 
auf  die  vasalitische  Kommendation  einschränken  möchte;  Ehrenberg,  Kom- 
mendation und  Huldigung  127  und  132;  Roth,  Geschichte  des  Benefizial- 
wesens  380.  Das  Kapitulare  von  Diedenhofen,  BOf.  Gap.  1,  Nr.  44,  c  9, 
welches  den  Eidschwur  zugunsten  des  Seniors  gestattet,  dürfte  nicht  auf 
Vasallen  allein  einzuschränken  sein. 

*  Pertile*,  1,  326,  schränkt  irrig  diesen  Treueid  auf  die  Bistümer  ein; 
vgl.  Salvioli,  Atti  m,  6,  119. 

'  Urkunde  von  1193  Dezember  14,  Verona  K.-A.  BC.  39  m.  6,  Nr.  1 ; 
1203  Oktober  16,  Aussage:  quod  omnes  homines  suprascriptarum  terrarum 
debent  facere  fidelitatem  canonice  Veronensis  ecclesie  et  capitulo,  eben- 
dort  AC.  10  m.  2,  Nr.  13;  1210  Mai  29,  ebendortAC.  13  m.  10,  Nr.  3  usw. 

»  Urkunde  von  1218  Juni  28,  ebendort  BC.  32  m.  6,  Nr.  6:  Der  Erzpriester 
belehnt  einen  Ribald  mit  seinem  Lehen.  Ribald  iuravit  fidelitatem 
canonice  ...  et  capitulo  .  . .  contra  omnes  homines  excepto  contra  im- 
peratorem  tamquam  vasallus  domino.  Et  insuper  iuravit  fidelitatem 
terreriam  in  omnibus  et  per  omnia,  ut  in  predicto  sacramento  fidelitatis 
continetur.     Ebenso  1218  März  26,  ebendort  AG.  10  m.  4,  Nr.  2. 

*  Urkunde  von  1239  Jänner  21:  Qui  Venceiolus  et  Ottolinus  ....  iura- 
verunt  ....  fidelitatem  d^  Stephano  archipresbiterio  absenti  et  supra- 
scriptis  canonicis  ....  contra  omnes  personas  anteposito  imperatore  et 
suis  anterioribus  dominis  si  quos  habent,  et  quod  adiuvabunt  archi- 
presbyterum  canonicos  et  capitulum  roanutenere  predictas  terras,  et  si 
eas  amitterent,  quod  eos  adiuvabunt  eas  recuperare  non  tameu  proprüs 
expensis.     Ebenso  1239  Februar  17  ebendort. 


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331 

wesend  verurteilt  und  das  Domkapitel  in  den  Besitz  ihrer  Güter 
einweist.^  Der  Podestä  von  Trient  wird  angewiesen,  das  Urteil 
auszuführen.'  Nun  bequemen  sich  die  Verklagten  zum  Gehor- 
sam. Sie  wählen  einen  Vertreter,  um  ihre  mit  Beschlag  be- 
legten Güter  zu  lösen,*  erkennen  die  Gerichtsbarkeit  des  Ka- 
pitels an  und  leisten  den  gewünschten  £id.^  Freilich  schon 
wenige  Jahre  hernach  erhebt  einer  von  ihnen  Einsprache  gegen 
die  dem  Kapitel  geschuldete  Steuer  in  heftigster  Weise.* 

Außer  dem  Treueid  haben  die  Immunitätsleute  Abgaben 
zu  leisten.  Welcher  Natur  diese  Leistungen  waren,  ist  schwer 
zu  sagen.  In  den  Urkunden  werden  sie  als  fictus  oder  census 
bezeichnet.^  Aber  als  einfachen  Grundzins  werden  wir  sie 
nicht  zu  fassen  haben.  Vielmehr  erscheinen  sie  in  den  Urkun- 
den als  Ausfluß  der  Herrschaft  und  der  Gerichtsbarkeit,  sie 
werden  pro  iurisdictione,  pro  dominio  et  segnoratico^  geleistet. 
So  werden  wir  sie  als  Steuer  zu  betrachten  haben,  die  ja 
auch  mit  der  hohen  Gerichtsbarkeit  zusammenhängt.  Wie  die 
Steuer  werden  diese  Leistungen  nicht  von  den  einzelnen  Höfen 
entrichtet,  sondern  von  den  Gemeinden.  Die  Gemeinden  sind 
dem  Kapitel  gegenüber  die  Steuersubjekte,  die  Aufteilung  der 
Steuer  ist  innere  Angelegenheit  der  Gemeinden.  Die  Steuer 
beträgt  jährlich  18  Schilling  für  Bondo  und  Breguzzo,  6  für 
Bolbeno  und  Zuclo  und  muß  in  Verona  geleistet  werden.^    Da- 


*  Ucker,  Forschangen  4,  Nr.  362,  368.  *  a.  a.  O.  Nr.  364. 

»  Urkunde  von  1288  Desember  81,  Verona  K.-A.  BC.  24  m.  6.  Nr.  14  und 

Ficker,  a.  a.  O.  Nr.  866. 
^  Urkunde  von  1239  Jftnner  21  und  Februar  17:  vgl.  S.  330  n.  4 

*  Urkunde  von  1248  April  19,  Verona  K.-A.  Aldriginus,  Vizecomes  ver- 
langt in  comuni  vicinitate  Bondi  et  Bregu^ii  fictum  d*»"*™  canonicorum 
von  18  Schilling.  Darauf  antwortete  Venceiolus,  Sohn  des  ser  Wamard 
von  Breguzzo,  sua  auctoritate  et  non  pro  consilio  diote  comunitatis,  daß 
den  Domherren  kein  Recht  auf  den  Zins  zukomme:  nee  dimissit  re- 
spondere  dictam  comunitatem  peticioni  dicti  Aldrigini  vicecomitis  pro 
(sie!)  multa  mala  verba,  que  ibi  dixit  et  habuit  pro  dicta  peticione  et 
pro  iurisdictione  predicte  ecdesie  contra  dictum  Aldriginum  et  contra 
eum  qui  dicebat  predicta  pro  dicto  Aldrigino. 

«  Urkunde  von  1214  Oktober  26,  Verona  K.-A.  A  13  m.  10,  Nr.  14;  1220 

Februar  26,  ebendort  AG.  9  m,  Nr.  12. 
'  Urkunde  von  1207  April  21,  ebendort  BG.  14  m.  p.  Nr.  15;  1239  Jänner 

19  pro  racione  und  in  Signum  iurisdictionis,  ebendort  BG.  28  ra  5,  Nr.  18. 
^  Beilage    11.     Quittungen    über    die    Zahlung    der  Steuer    1207  April 

21,   Verona  K.-A.  BG.  14m.  p.  Nr.  15;    1217  Mai  13  ist  allerdings  von 


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332 

mit  verband  sich  nicht  selten  eine  freiwillige  Leistung  an  den 
Erzpriester.^  Allerdings  findet  auch  diese  Forderung  des  Ka- 
pitels schon  Widerstand  in  den  Gemeinden.  Die  Entstehung 
der  Steuer  wird  sich  nicht  unschwer  erklären  lassen.  Wir 
hörten  schon,  wie  das  Fodrum  dem  Domkapitel  überlassen 
wurde.  Außer  dem  Fodrum  mögen  noch  andere  Abgaben 
öflFentlicher  und  privatrechtlicher  Natur  bestanden  haben,  die 
mit  Ausnahme  der  Gastungspflicht  im  13.  Jahrhundert  nicht 
mehr  genannt  werden.  Es  mag  da  zuletzt  eine  gewisse  Ver- 
einfachung der  Abgaben  stattgefunden  haben,  wie  dies  aus  dem 
Bistum  Trient  in  mehreren  Fällen  bezeugt  ist.  So  vor  allem 
in  Fleims,  wo  an  Stelle  aller  der  bunten  Abgaben  und  Leistun- 
gen (colta,  dacium,  scufium,  forza,  d.  i.  die  an  manchen  Orten 
erwähnte  malatotta  und  Mautzahlung)  24  Arimannien  treten.' 
Ahnlich  werden  auch  die  placita  in  Ledro  und  Rendena'  in 
fixe  Abgaben  verwandelt. 

Ferner  waren  die  Immunitätsleute  dem  Erzpriester  und 
den  Domherren,  wenn  sie  in  die  Dörfer  kamen,  zur  G astung 
verpflichtet.*  Wer  sich  weigert,  kann  unter  Bannstrafe  dazu 
verhalten  werden.  Besonders  ist  diese  Pflicht  zugunsten  jener 
Mitglieder  des  Kapitels  begründet,  welche  erscheinen,  um  das 
Placitum  generale  abzuhalten.  Nach  dem  Weistum  von  1238* 
sind  die  einzelnen  Häuser  verpflichtet,  einen  gewissen  Beitrag 
zu  leisten;    außerdem  müssen  Heu  und  Lebensmittel  geleistet 


12  Pfand  die  Rede,  deren  Zahlung  anter  Bannboße  Yon  100  Pfund 
anbefohlen  wird.  Vielleicht  war  wegen  Bteuerversäumnis  schon  eine 
Erhöhung  der  Summe  eingetreten,  Quittung  über  18  Schilling  1220 
Februar  26,  a.  a.  O.  AC.  9*m.  Nr.  12;  1239  Jänner  19,  a.  a.  O.  BC.  28m. 
ö,  Nr.  13.  6  Pfand,  6  Schilling  werden  1263  Jänner  18  verlangt,  eben- 
dort  AC.  63  m.  3,  Nr.  3. 
»  1214  Oktober  26,  ebendort  AC.lSm.  10,  Nr.  14. 

•  Schwind  und  Dopsch,  Ausgewählte  Urkunden  »ur  Verfassungsgeschichte 
der  deutsch-Osterr.  Erblande  Nr.  3.  Beide  Urkunden,  deren  Datum  teil- 
weiBe  verderbt  ist  und  sich  nicht  mehr  mit  Sicherheit  verbessern  läßt, 
sind  gleichseitig,  die  zweite  angeblich  von  1112  ist  Voraussetzung  der 
ersten  von  1111;  vgl.  auch  Sartori,  Zeitschr.  des  Ferd.,  HI.  Serie,  36,  3. 

»  Kink,  Fontes  H,  ö,  Nr.  6  und  111. 

*  Beilage  11.  1214  Mai  13,  der  Erzpriester  befiehlt  den  Leuten  von  Bol- 
beno  und  Zuclo,  ihn  aufzunehmen:  quia  ipse  ibi  venerat  pro  iurisdic- 
tione  et  honore  ....  exercendo  et  pro  placito  generali  et  pro  fidelita- 
tibus  ab  eorumdem  locorum  hominibus  recipiendis.  Beilage  12. 

^  Beilage  11. 


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333 

werden,  sowie  die  Kosten  des  Aufenthaltes  ersetzt  werden.  Daß 
diese  nicht  gering  waren,  ersehen  wir  aus  der  Forderung,  die 
in  derselben  Urkunde  enthalten  ist.  Denn  fUr  einen  Tag  wer- 
den 6  Pfund  und  7  ^j  Schilling,  also  im  ganzen  127  */,  Schilling^ 
verlangt,  unverhältnismäßig  viel  gegenüber  der  Steuer,  die  nur 
24  Schilling  beträgt.  Auch  da  treffen  wir  Widerspruch.  Die 
Ungehorsamen  werden  nach  Beilage  12  mit  dreimal  sich  stei- 
gernder Banndrohung  zur  Leistung  angehalten  und,  als  sie  un- 
gehorsam bleiben,  in  die  Bannbuße  verurteilt.' 

Diese  Leistungen  unterwerfen  die  Immunitäts- 
leute der  Gerichtsbarkeit  des  Kapitels,  sie  gehören  zu 
jenen  Inwohnern,  welche  nach  den  Diplomen  Friedrichs  I.  und 
seiner  Nachfolger  zu  den  ad  canonicos  redditum  prestantibus,^ 
zu  den  dem  Kapitel  steuernden  Leuten  gerechnet  werden.  Wel- 
chen Inhalt  nun  die  Gerichtsbarkeit  hatte,  ob  die  placita  nur 
die  zivile  oder  die  niedere,  oder  auch  die  kriminale  und  die 
hohe  umfassen  sollten,  das  ist  den  Diplomen  des  Domkapitels 
nicht  zu  entnehmen,  wenn  auch  die  Art,  wie  ohne  Einschrän- 
kung von  der  Gerichtsbarkeit  und  dem  Ausschluß  der  öffent- 
lichen Beamten  gesprochen  wird,  für  die  volle  Gerichtsgewalt 
des  Kapitels  spricht.  Zunächst  kann  über  die  Banngewalt 
des  Kapitels  keine  Frage  sein.  In  der  Öffnung  von  1238 
Februar  17^  wird  anerkannt,  daß  die  Immunitätsleute  alle  Be- 
fehle des  Kapitels  unter  Strafe  von  100  Pfund  zu  vollziehen 
haben.  Und  wir  sahen  bereits,  wie  die  Leistung  des  Treueides 
und  der  Gastung  bei  sich  steigernder  Bannbuße  befohlen  wird.^ 
Dem  Bannrecht  entspringt  ein  Verordnungsrecht  in  Strafsachen. 
Das  Kapitel  kann  die  Bannbußen  »feststellen,  mit  denen  die 
Verbrechen  gesühnt  werden  sollen.^  Es  ist  ein  sehr  einfaches 
Recht,  das  uns  hier  entgegentritt.  Alle  Verbrechen  werden  mit 
Geld  gesühnt,  Leib-  und  Lebensstrafen  scheinen  zu  fehlen,  wie 
so  vielfach  in  ähnlichen  Satzungen  gerade  aus  geistliclien  Im- 

*  Die  Höhe  der  Kosten  war  vielfach  durch  die  sahireiche  Begleitung  der 
zur  Abhaltung  des  placitum  generale  erscheinenden  Richter  verursacht; 
vgl.  den  Streit  des  Kapitels  mit  Porcile,  Ficker,  Forschungen  4,  Nr.  199. 
Auch  in  Rendena  wurde  die  Zahl  der  Richter  beschränkt,  Kink,  Fontes 
n,  5,  Nr.  111. 

*  Über  daB  weitere  Verfahren  vgl.  S.  331. 

»  Vgl.  oben  S.  326.  *  Orig.  Verona  K.-A.  AC.  12  m.  6,  Nr.  15. 

>  Beilage  12.  *  Beilage  8. 


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334 

manitäten  Italiens.^  Gewohnheitsrecht,  Erinnerungen  an  das 
Edictam  Langobardorum  haben  mehr  oder  weniger  durch  die 
Reichsfriedensgesetze,  namentlich  den  Frieden  von  Roncalia 
Friedrichs  I.  beeinflußt,  den  Grundstock  dieser  Bannsätze  ab- 
gegeben. Unsere  Aufzeichnung  erinnert  in  ihrer  Einfachheit  an 
ähnliche  Erzeugnisse  Südtirols,  Strafsätze,  wie  sie  die  bekann- 
ten Fleimser  Privilegien  des  Bischofs  Gebhard*  oder  das  Pri- 
vileg des  Bischofs  Altmann  für  Riva  von  1124'  enthalten.  Be- 
rücksichtigt waren  hier  nur  Mord,  Verwundung,  Lähmung, 
Brandlegung,  Diebstahl,  schwere  Sachbeschädigung,  namentlich 
Beschädigung  von  Fruchtbäumen.  An  Ausführlichkeit  wird 
unsere  Aufzeichnung  weit  übertroffen  von  einer  etwas  jüngeren, 
die  aus  Poliano  stammt,  das  ebenfalls  zum  Immunitätsgebiete 
des  Kapitels  gehörte,^  und  ein  sehr  ins  einzelne  gehendes  ka- 
suistisches Strafgesetz  darstellt. 

Schon  diese  Strafsatzung  läßt  erkennen,  daß  die  Gerichts- 
barkeit  des  Domkapitels  die  Verbrechen,  und  zwar 
auch  die  schwersten  umfaßte.  Die  bereits  erwähnten 
Offnungen  von  1238  Februar  17  nennen  die  Gerichtsbarkeit 
des  Kapitels  eine  plena  iurisdictio.^  Dem  italienischen  Rechte 
ist  infolge  der  Gerichtsreform  Karls  des  Großen  der  Unter- 
schied der  hohen  und  niederen  Gerichtsbarkeit  bekannt  gewor- 
den.^ Die  Quellen  sprechen  von  einer  iurisdictioj  alta  und 
bassa,'  wollen  sie  beide  zusammenfassen  von  einer  iurisdictio 
plena,®  oder  in  späterer  Zeit,  wo  mit  der  häufigeren  Verwendung 
der  Leibes-  und  Lebensstrafen  die  Blutsgerichtsbarkeit  an  Be- 
deutung gewinnt,  von  merum  et  mixtum  Imperium.*  Somit  hat  dem 


»  SalvioU,  Atti  IH,  6,  162  f.,  177  f. 

•  Schwind-Dopsch,  Urkunden  zur  Verfagsungsgesch.,  Nr.  3. 
'  Bonelli,  Notizie  intorno  al  beato  Adelprete  2,  8b2. 

•  Urkunde  von  1246  Ficker,  Forschungen  4,  Nr.  401.  Eine  ähnliche  Bann- 
satzung ebendort  Nr.  193;  vgl.  SalvioU  HI,  6,  177  f. 

'^  item  quod  suprascripta  canonica  habet  plenam  iurisdictionem  suorum 
locorum,  und:  quod  plena  iurisdictio  Bondi  et  Bergu^i  pertinet  et  spectat 
canonice  et  capitulo  ecclesie  Yeronensis. 

•  Pertile«  1,  266.  »  Pertüe*  1,  266  n.  6. 

•  Ficker,  Forschungen  1,  247. 

•  Ficker,  a.  a.  O.  247;  Pertile,  a.  a.  O.  267  und  n.  9.  Über  merum  Im- 
perium Zallinger,  Mitteil,  des  Inst,  fttr  österr.  Gesch.  10,  238  n.  2.  Der 
Ausdruck  stammt  aus  1.  3  Dig.  De  iurisdictione  2,  1 ;  ebendorther  mix- 
tum imperium.  Dazu  die  Glosse  mixtum  est,  die  unter  merum  imperium 


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335 

Domkapitel  die  gesamte  Zivil- und  Eriminalgerichtsbarkeit  zu- 
gestanden. Daher  wird  von  dem  Erzpriester  oder  Vertretern 
des  Kapitels  das  placitam  generale,  das  echte  Ding  abgehalten, 
das  einige  Male  in  unseren  Urkunden  erwähnt  wird.^  Wir  wer- 
den im  echten  Dinge  auch  hier  jene  Gerichtsversammlung  zu 
sehen  haben,  welche  an  Stelle  des  Grafengerichtes  getreten  ist. 
Die  Kompetenz  des  echten  Dings  ist  nicht  im  ganzen  Umfange 
aufrecht  geblieben.  Hier  in  publica  vicinia  werden  nach  dem 
Ausweise  der  Urkunden  Prozesse  um  Liegenschaften  entschie- 
den, werden  die  Rechte  des  Domkapitels  geöffnet,  werden  Bann- 
sätze vom  Stellvertreter  des  Kapitels  verkündet  und  Treueide 
entgegengenommen;  wird  die  Gastung  verlangt,  die  für  den 
Vorsitzenden  im  echten  Dinge  geschuldet  wird.'  Daß  Straf- 
sachen hier  zur  Entscheidung  gelangten,  ist  nicht  überliefert, 
ebensowenig  läßt  sich  die  Kompetenz  des  placitum  generale 
gegenüber  der  Gerichtsbarkeit,  welche  der  Erzpriester  des  Ka- 
pitels in  Verona  und  die  Beamten  des  Kapitels  in  den  Dörfern 
ausüben,  scheiden.  Denn  schon  ist  das  echte  Ding  im  Ab- 
sterben begriffen,  verdrängt  vom  Gerichte  des  Einzelnrichters 
des  römischen  Rechtes.  Gerade  aus  den  Besitzungen  des  Ka- 
pitels liegt  ein  frühes  Beispiel  vor,  wie  das  echte  Ding  abge- 
schafft und  an  Stelle  der  Gaben,  die  dem  Richter  bei  seiner 
Haltung  dargebracht  werden,  eine  Abgabe,  das  placitum  tritt. 
Bei  der  Ausübung  der  Gerichtsbarkeit  spielt  nun  ein  Be- 
amter keine  Rolle,  der  sonst  in  Deutschland  wenigstens  als 
der  eigentliche  Richter  auf  Immunitätsboden  insbesonders  in  den 

die  Gerichtsbarkeit  über  Leben,  Freiheit  and  Staatsbürgerschaft  nach 
den  drei  capita  des  römischen  Rechtes,  anter  mixtum  imperiam  alle 
übrige  streitige  Gerichtsbarkeit  versteht  und  von  iurisdictio,  der  frei- 
willigen Gerichtsbarkeit,  and  coercitio,  Polizeigerichtsbarkeit  unter- 
scheidet. 

»  Urkunde  von  1214  Mai  13,  Verona  K.-A.  BC.  38  m.  8,  Nr.  15,  erklärt 
der  Erzpriester,  er  sei  gekommen:  pro  iurisdictione  et  honore  .  .  .  exer- 
cendo  et  pro  placito  generali  et  pro  fidelitatibus  ab  eorundem  locorum 
hominibus  exercendis;  1238  Februar  17,  a.  a.  O.  AG.  12  m.  6,  Nr.  15) 
werden  Vertreter  des  Kapitels  erwähnt:  constituti  ad  tenendum  placi- 
tum generale  in  suprascriptis  terris,  ebenso  1239  Jänner  21  und  Februar 
17,  a.  a.  O. 

*  Besonders  deutlich  tritt  diese  Beziehung  hervor  Ficker,  Forschungen  4, 
Nr.  199;  Klage  der  Gemeinde  Porcile  gegen  die  Domherren:  qui  occa» 
sione  receptionis  placiti  generalis  dictum  commune  Forcilis  honorant  et 
agravant. 


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336 

Fällen  der  Blutsgerichtsbarkeit  erscheint,  der  Vogt.  Wir  werden 
im  nächsten  Kapitel  mit  der  Stellung  und  Aufgabe  des  Vogts 
in  den  italienischen  Immunitäten  uns  etwas  näher  zu  beschäfti- 
gen haben.  Auch  das  Domkapitel  von  Verona  hat  einen  Vogt 
gehabt,  der  in  den  Urkunden  des  11.  und  der  ersten  Hälfte 
des  12.  Jahrhunderts  erscheint,^  seitdem  aber  verschwindet. 
Wenn  seiner  Erwähnung  geschieht,  ist  es  als  Beistand  und  Ver- 
treter des  Kapitels  vor  Gericht,  nicht  aber  als  Immunitätsrichter. 
Begreiflich.  Wo  die  Strafgerichtsbarkeit  eine  unblutige  war,  wie 
in  dieser  geistlichen  Immunität,  fehlte  das  Bedürfnis,  den  Vogt 
als  Blutrichter  zu  bestellen.  In  der  Tat  liegt  noch  eine  Urkunde, 
zwar  nicht  aus  Judikarien,  wohl  aber  aus  Verona  vor,  in  der 
der  Erzpriester  wegen  schwerer  Verwundung  als  Richter  tätig 
ist.*  Der  Fall  des  Zweikampfes  freilich  bleibt  dunkel,  doch 
deutet  nichts  darauf  hin,  daß  dem  Kapitel  die  besondere  Ge- 
walt zu  seiner  Abhaltung  zugestanden  hätte. 

So  ist  es  vor  allem  der  Erzpriester  oder  ein  Stellver- 
treter desselben,  der  in  erster  Linie  mit  der  Ausübung  der  Ge- 
richtsbarkeit betraut  ist.  Er  hält  das  placitum  generale  ab, 
wenn  er  nicht  dazu  bevollmächtigte  Boten  sendet.  Er  ent- 
scheidet aber  auch  in  Verona  Rechtsstreitigkeiten  aus  den  Im- 
munitäten, die  vor  ihn  gebracht  werden.'     Ein  Verfahren,  das 


*  Adelardus  1066  Mai  6,  Hübner,  Gerichtsurkunden  der  fränkischen  Zeit 
II,  Nr.  1379;  Johannes  iudex  1078  Mai  4,  Hübner  1471;  Amizo  1120 
Jänner  28,  Hübner  1578;  ders.  1139  Jänner  11,  Ficker,  Forschungen 
4,  Nr.  110. 

*  Ficker,  Forschungen  4,  Nr.  185. 

*  1193  Februar  16,  Breguzzo,  Urteil  des  Erzpriesters  Adrian  in  einein 
Rechtsstreit  um  liegendes  Gut  (hereditas)  zwischen  Leuten  von  Bondo, 
Verona  K.-A.  AC.  12  m.  6,  Nr.  16,  zweifelhaft,  ob  im  echten  Dinge  ent- 
schieden. 1193  Dezember  14,  Breguzzo  Yor  Erzpriester  Adrian,  Ofibung 
der  Rechte  des  Domkapitels,  BC.  39  m.  5,  Nr.  1;  1213  Juli  27  bis  Ok- 
tober 14,  wird  ein  Prozeß  zwischen  den  Gemeinden  Bondo  und  Bre- 
guzzo und  genannten  Leuten  um  ein  Grundstück  vor  dem  Erzpriester 
in  Verona  durchgeführt,  a.  a.  O.  AC.  12  m.  2,  Nr.  5  und  AC.  18  m.  3, 
Nr.  12;  dazu  Zeugenverhöre  AC.  18  m.  8,  Nr.  10  und  AC.  24  m.  3,  Nr.  1 
ebendort,  Positionen  AC.  14  m.  4,  Nr.  9;  1214  Mai  11,  Breguzzo  vor 
dem  Erzpriester  Albert :  exercendo  iurisdictionem  Rechtsstreit  um  einen 
Weg,  ein  zweiter  um  Grundstücke  usw.,  AC.  16  m.  10,  Nr.  4;  wohl  im 
echten  Dinge  1214  Mai  13,  Öffnung  über  die  Rechte  des  Kapitels  in 
Bondo  und  Breguzzo  vor  demselben,  BC.  33  m.  3,  Nr.  16;  1214  Mai  26, 
Erzpriester  Albert  fällt  in  Verona:  pro  iurisdictione  honore  et  districtu  ad 


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337 

vor  ihm  in  Bregozzo  eingeleitet  ist,  wird  in  Verona  zn  Ende 
gebracht.  In  der  Ansübung  der  Gerichtsbarkeit  wird  er  von 
seinem  Assessor  unterstützt.  Aach  Akte  der  freiwilligen  Ge- 
richtsbarkeit nimmt  der  Erzpriester  vor.  So  bestellt  er  einmal 
eine  Matter  zar  tatrix  ihres  Sohnes.^ 

In  älterer  Zeit  mag  der  Erzpriester,  indem  er  die  placita 
generalia  besachte,  dort  Unvollendetes  oder  was  anter  der  Zeit 
an  Rechtshändeln  entstand,  in  Verona  entschied,  den  richter- 
lichen Geschäften  genügt  haben.  Aach  Verpachtang  der  Ge- 
richtsbarkeit ist  schon  früh  vorgekommen.  So  war  Schloß  and 
Hof  Cereda  mit  Gericht  and  Bann  aaf  29  Jahre  verpachtet 
worden.  Aber  das  konnte  za  Verlusten  führen,  wie  sich  gerade 
in  diesem  Falle  zeigte.  Der  Pächter  hatte  Gericht  and  Schloß 
dem  Markgrafen  Bonifaz  von  Tascien  weiter  verpachtet,  von 
ihm  fielen  beide  im  Erbgange  an  seine  Tochter,  die  Großgräfin 
Mathilde.  Diese  hatte  beides  za  Lehen  aasgetan,  allerdings  anter 
der  Bedingung,  daß  das  Lehen  nach  dem  Tode  des  Lehens- 
trägers an  das  Kapitel  heimfalle.  Nun  nahmen  Abkömmlinge 
eines  Vetters  des  Lehensträgers  Schloß  und  Gericht  in  An- 
spruch.* Wenn  diese,  vom  Kapitel  verklagt,  auch  im  Gerichte 
unterlagen,  so  mochte  das  doch  nur  einer  günstigen  Fügung 
zuzuschreiben  sein.  Das  Streben,  das  sich  in  einzelnen  Orten 
des  Immanitätsgebietes  kundgab,  Konsuln  selber  zu  setzen, 
die  die  Gerichtsbarkeit  verwalten  sollten,  wie  wir  dies  in  Por- 
cile  fanden,  mag  als  tauglichstes  Gegenmittel,  die  Einsetzung 
ständiger  Beamter  zur  Ausübung  der  Gerichtsbarkeit  in   den 

canonicam  pertinente,  du  Endarteü  in  einem  Rechtsstreit  zwischen  der 
Gemeinde  Bondo  und  Bregozzo  mit  genannten  Leuten  um  ein  Grund- 
stück; Breg^zo,  12.  Mai  desselhen  Jahres  entscheidet  vor  dem  Erz- 
priester dessen  Assessor  einen  Rechtsstreit  iim  ein  Grundstück,  a.  a.  O. 
AG.  17m.  2,  Nr.  15  usw.;  1238  Juli  10,  Erzpriester  und  Kapitel  bestellen 
zwei  Domherren  zu  nuncios  et  procuratores  vicarios  sindicos  et  actores 
ad  ezercendum  inrisdictionem  illam,  quam  canonica  Yeronensis  habet  in 
Bergucio  et  Bundo,  Bolbeno  et  Desuculo  de  comitatu  Tridenti  et  ad 
omnia  ea  ezercenda  et  facienda  et  inquirenda  in  dictis  terris  et  locis 
et  supra  homines  habitantes  in  ipsis  terris,  que  archipresbiter  et  capi- 
tulum  facere  possunt,  Verona  K.-A.  AC.  10  m.  4,  Nr.  6.  Vor  diesen  Ver- 
tretern wird  das  Weistum,  Beilage  11,  erteilt;  vor  ihnen  wird  ein  Rechts- 
streit zwischen  einem  Johannes  regularius  von  Bolbeno  und  Leuten 
von  Zuclo  wegen  Besitzstörung  durchgeführt,  1238  Juli  19  ebendort 

^  1214  Mai  11,  ebendort  AG.  16m.  10,  Nr.  21. 

'  Ficker,  Forschungen  4,  116, 


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338 

einzelnen  Immunitäten  empfohlen  haben.  So  ganz  Neues  schuf 
Otto  IV.,  indem  er  diesem  Wunsche  des  Kapitels  nachkam, 
ohnehin  nicht.  Denn  schon  vorher  war  von  Nuntien,  Stellver- 
tretern des  Kapitels,  zu  ähnlichen  Zwecken  die  Rede.^ 

Sehr  bald  haben  die  Domherren  von  der  durch  Otto  IV. 
erteilten  Bewilligung,  ständige  Beamte,  Konsuln,  Podestaten 
oder  Vizecomites  als  Richter  einzusetzen,  Gebrauch  gemacht. 
Schon  aus  dem  Jahre  1213  liegt  die  Ernennung  eines  Vize- 
comes  für  die  Dörfer  in  Judikarien  vor.*  Schon  hier  zeigt  sich, 
daß  dieses  Amt  mit  einem  anderen,  dem  des  Oastalden 
vereinigt  wurde.  Von  den  beiden  Amtern  dürfte  das  zweite 
zweifelsohne  das  ältere  sein.*  Im  nächsten  Abschnitte  werden 
wir  die  Bedeutung  des  Gastalden  zu  erkunden  haben.  Er  ist 
in  erster  Linie  und  in  älterer  Zeit  Wirtschaftsbeamter.  Seine 
Aufgabe  war  es,  die  wirtschaftlichen  Rechte  des  Grundherrn 
zu  wahren,  die  Bewirtschaftung  des  Gutes  zu  leiten,  die  Zinse 
und  Giebigkeiten  einzuheben  und  dem  Herrn  abzuftihren. 
Häufig  ist  ihm  zugleich  das  Amt  des  Vizecomes  tibertragen  wor- 
den,* wie  ja  auch  in  den  deutschen  Landgerichten  das  Amt 
des  Pflegers  richterliche  und  wirtschaftliche  Befugnisse  vereinen 
kann.  Der  richterliche  ünterbeamte  war  auf  den  geistlichen 
Immunitäten  Italiens  in  der  Regel  der  Vizecomes.^  Dieses  Amt 
war  dem  Domkapitel  von  Verona  durch  das  Privileg  Ottos  IV. 
(Böhmer-Ficker  V,  1,  425)  nahegelegt,  das  neben  dem  Vize- 
comes allerdings  auch  von  Konsuln  und .  Potestaten  sprach.^ 


*  Urkunde  von  1193  Dezember  14,  Verona  K.-A.  BC.  39  m.  5,  Nr.  1. 

"  Urkunde  von  1218  Juni  28,  Verona  K.-A.  BC.  32  m.  6,  Nr.  6.  Erzpriester 
Albert  ernennt  den  Petrus,  Sohn  des  Ribald  von  Bondo,  zum  Gastalden 
von  Bondo,  Breguzzo,  Bolbeno  und  Zuclo  und  zum  Vizecomes.  Der  Eid 
entspricht  Ficker,  Forschungen  4,  Nr.  264.  Wenn  gleichzeitig  der 
Bruder  des  Peter  Ribald  mit  dem  bannum  questionis  belehnt  wird,  so 
werden  wir  die  Bedeutung  einer  solchen  Belehnung  später  kennen  ler- 
nen. Hier  genügt  zu  bemerken,  daß  es  sich  dabei  um  kein  Amt  han- 
delte. 

•  Ein  Gastalde  wird  schon  1210  Juni  13,  Verona  K.-A.  AC.  12  m.  9,  Nr.  14 
erwähnt;  ein  Villicus,  der  nach  späteren  Zeugnissen  mit  dem  Gastalden 
identisch  ist,  1193  Dezember  14.  Er  empfängt  die  geschuldete  Leistung 
von  der  Erbschaft  der  ohne  Erben  Verstorbenen. 

*  Ficker,  Forschungen  2,  36.  *  Ficker,  a.  a.  O.  35  f. 

•  Auch  zu  Poliano  hatte  das  Kapitel  einen  Vizecomes,  Ficker,  Forschun- 
gen 4,  Nr.  401. 


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339 

Die  Ernennung  zum  Vizecomes  erfolgte  auf  beliebigen 
Widerruf.*  Zunächst  allerdings  wird  1213  der  Sohn  des  ersten 
uns  bekannten  Vizecomes  Petrus,  Boninsigna,  mit  beiden  Am- 
tern belehnt'  Neben  ihm  erscheint  sein  Vater  noch  als  6a- 
stalde,'  dessen  Bruder  Ribald  fUr  sich  und  seine  Brüder  mit 
der  Gastaldie  belehnt  worden  war.^  Vielleicht  hat  man  damals 
an  eine  Trennung  beider  Amter  gedacht  und  die  Gastaldie  als 
Lehen  vergeben.  Doch  schon  1217  wird  ein  neuer  Gastalde 
und  Vizecomes  ernannt,*  wieder  auf  beliebige  Frist.  Mög- 
lich, daß  Boninsigna  Ansprüche  auf  das  Amt  erhob  und  eine 
dauernde,  feste  Investitur  behauptete.  Wenige  Monate  nachher 
legte  er  dem  Kapitel  eine  Urkunde  vor,  die  der  Erzpriester  als 
verdächtig  erklärte.  Wir  erfahren  nur,  daß  es  sich  dabei  um 
eine  Belehnung  gehandelt  hat.^  Indes  bleibt  der  1217  ernannte 
Aldrighet  Vizecomes  und  nimmt  1221  und  1222  Amtshandlun- 
gen vor,'  das  erste  Mal  als  villicus  et  vicecomes  bezeichnet,  denn 
der  Villicus  war,  wie  wir  im  nächsten  Abschnitte  sehen  wer- 
den, mit  dem  Gastalden  identisch.  Später,  1242,  wird  ein  Sohn 
des  Aldrighet,  Aldrigin,  zum  Gastalden  und  Vizecomes  oder 
Rektor  ebenfalls  auf  beliebigen  Widerruf  ernannt.^  Es  scheint 
also  bis  dahin  eine  gewisse  tatsächliche  Erblichkeit  bestanden 
zu  haben.     Doch   schon   1249  wird  einem  Fremden,   Antonius 


^  1213  Juni  28,  allerdings  nur  für  die  Investitur  mit  der  Gastaldie.  Daß 
das  Gleiche  auch  für  den  Vizecomitat  galt,  ergibt  der  häufige  Wechsel 
der  Beamten. 

»  1213  November  16,  Verona  K.-A.  AC.  10  m.  4,  Nr.  2. 

"  1216  Juni  25,  ebendort  AC.  12  m.  6,  Nr.  10. 

♦  Urkunde  1213  Juni  28,  Verona  K.-A.  AC.  9  m.  9,  Nr.  3:  Ribaldus  frater 
Petri  de  Bunde  per  se  et  per  suos  fratres  pedit  d°  magistro  Alberto 
....  archipresbitero  investituram  de  suo  recto  feudo  quod  habet  in  Bundo, 
quod  feudum  dixit  esse  castaldiam  dicte  curie  dicte  canonice  Veronen- 
sis  de  Bundo  et  de  Bergucio  et  bannum  questionis,  si  reclamacio  vide- 
licet  de  eis  in  suprascripto  loco  in  curia  canonicorum  facta  fuerit. 

'  Aldrighet,  Sohn  des  Atto  de  Vencello  von  Breguzzo,  Ficker,  Forschun- 
gen 4,  Nr.  264. 

•  1218  März  26,  Verona  K.-A.  AC.  10  m.  4,  Nr.  2.  Ein  Zeuge,  der  Bruder 
des  B.  wird  gefragt:  si  tunc  quando  fuit  investitus  de  suo  recto  feudo 
ut  dielt  et  quando  iuravit  fidelitatem  ut  vassallus,  si  ibi  ea  vice  iuravit 
fidelitatem  terreriam. 

*  1221  März  22,  ebendort  AC.  12  m.  7,  Nr.  2.  1222  Mai  15,  ebendort  AC. 
13  m.  ö,  Nr.  2. 

■^Ficker,  Forschungen  4,  Nr.  378. 


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340 

von  Zuclo,  das  gleiche  Amt  auf  ein  Jahr  verlängert.*  Noch 
später  müssen  die  Inhaber  des  Amtes  rasch  gewechselt  haben. 
Im  Jahre  1263  wird  Armanin,  Sohn  des  Friedrich  von  Campo, 
vom  Kapitel  zum  nuncius  und  procurator  fUr  die  Dörfer  er- 
nannt;  der  in  einer  etwas  älteren  Urkunde  als  gastaldio  et 
vicecomes  bezeichnet  wird.*  Im  Jahre  1271  wurde  Berthola- 
meus  von  Breguzzo  zum  Vizecomes,  Vikar,  Rektor  und  Nun- 
tius bestellt,  der  im  nächsten  Jahre  noch  im  Amte  steht,'  aber 
schon  1275  von  einem  ser  Nicolaus  vicarius,  villicus  et  gastal- 
dius  abgelöst  erscheint.^  Mit  ihm  schließt  die  Reihe  der  be- 
kannten Vizecomites  und  Gastalden  der  vier  Dörfer. 

Daß  dem  Vizecomes  die  Ausübung  der  Gerichtsbarkeit 
zukommt,  sagt  schon  sein  Name  und  die  Analogie  seiner  Stel- 
lung mit  Beamten  gleichen  Titels  auf  anderen  geistlichen  Im- 
munitäten; die  Ausübung  der  Gerichtsbarkeit  wird  auch  im 
Privileg  Ottos  IV.  und  in  den  Amtseiden  und  Ernennungsde- 
kreten als  seine  Hauptaufgabe  bezeichnet.  Es  liegen  denn  auch 
Fälle  genug  vor,  die  von  seiner  richterlichen  Tätigkeit  Zeugnis 
geben.  Ob  aber  diese  Gerichtsgewalt  eine  unbeschränkte  oder 
eine  beschränkte  war,  und  wie  sie  sich  insbesondere  zum  Ge- 
richte des  Erzpriesters  verhielt,  darüber  geben  die  Quellen 
keine  Auskunft.  Doch  ist  kein  Zweifel,  daß  der  Elrzpriester 
eine  übergeordnete  Stellung  einnahm,  daß  der  Erzpriester  den 
Vizecomes  als  sein  Organ  bei  Ausübung  der  Gerichtsbarkeit 
ansieht  und  ihn  mit  der  Vornahme  einzelner  prozessualer  Akte 
beauftragt.^  Daneben  findet  auch  der  Vizecomes  rechtskräftige 
Urteile,  von  welchen  Berufung  an  den  Erzpriester  eingelegt 
werden  kann.  So  hatte  der  Vizecomes  eine  Klage  entschieden 
gegen  einen,  der  die  Haustüre  eines  anderen  durch  einen  vor- 
gewälzten  Stein  verrammelt  hatte,  und  bei  einer  Bannbuße  von 


"  a.  a.  O.  Nr.  413. 

"  1263  Oktober  18  und  Jänner  18,  Verona  K.-A.  AC.  63  m.  3,  Nr.  3. 

»  1271  Dezember  14  und  1272  Februar  6,  a.  a.  O. 

*  1275  Jänner  13,  quittiert  den  geschuldeten  Zins,  a.  a.  O. 

*  Urkunde  1216  Juni  25,  Verona  K.-A.  AC.  12m.  6,  Nr.  10.  Der  Erz- 
priester beauftragt  den  Vizecomes,  die  Miola  im  Besitze  eines  Hauses 
und  Grundstückes  in  Bondo  bei  einer  Bannbuße  von  60  Schilling  fUr 
jeden,  der  den  Besitz  stört,  zu  schützen  und  in  der  Eigentumsklage, 
die  gegen  sie  Bobulcus  erhebt,  Zeugen  zu  vernehmen:  et  mittendnm 
clausos  et  sigilatos  dictos  testes  domino  archipresbitero. 


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341 

10  Schilling  die  Entfernung  des  Steines  anbefohlen.^  Es  muß 
dagegen  Berufung  stattgefunden  haben,  denn  einen  Monat  später 
wird  das  Urteil  vom  Erzpriester  bestätigt,  unter  erheblicher  Er- 
höhung der  Bannbuße  von  10  auf  60  Schilling.* 

Noch  ist  das  Verhältnis  der  Immunität  zur  Graf- 
schaft zu  besprechen.  Vieles  bleibt  hier  dunkel;  wir  sehen 
Ansprüche  erhoben,  die  vom  Kapitel  abgewehrt  werden,  An- 
sprüche, deren  Begründung  nicht  klar  ist.  Vor  allem  wissen 
wir  nicht,  wem  auf  den  Immunitäten  des  Domkapitels  das  Recht 
zustand,  jene  Handlungen  vorzunehmen,  die  vom  Anfange  an 
oder  im  Laufe  der  Zeit  zur  besonderen  Befugnis  der  königlichen 
Missi  gehörten;^  vor  allem,  ob  das  Domkapitel  befugt  war,  den 
Zweikampf  abzuhalten,  der  als  Beweismittel  bis  zum  Durch- 
dringen des  römischen  Rechtes  in  Italien  die  größte  Bedeutung 
genoß.  Da  die  Privilegien  darüber  schweigen,  werden  wir  eher 
das  Gegenteil  anzunehmen  haben.  Mußte  nun  der  Zweikampf 
vor  das  Grafengericht,  in  unserem  Falle  vor  das  Gericht  des 
Bischofs  von  Trient  gebracht  werden,  dem  solche  missatische 
Gewalt  unzweifelhaft  zustand?  Immer  werden  in  den  Kaiser- 
privilegien und  anderen  Urkunden  unsere  Orte  als  in  der  Graf- 
schaft Trient  gelegen  genannt.  War  dies  nur  eine  geographi- 
sche Bezeichnung  oder  lag  darin  auch  ein  rechtlicher  Sinn?* 
Die  öffentlichen  Einkünfte  freilich  waren  schon  durch  die  Pri- 
vilegien dem  Domkapitel  zugesprochen  worden,  und  in  einem 
anderen  Falle  waren  dem  Grafen  Albert  Ansprüche  auf  fodrum, 
albergaria,  porcum  et  multonem,  placitum  et  districtum  et  col- 
tum,  also  Abgaben  aus  dem  Titel  der  Militär-,  Steuer-  und  Ge- 
richtshoheit abgesprochen  worden.^  Aber  an  Versuchen,  solche 
Ansprüche  durchzusetzen,  hat  es  auch  in  Südtirol  nicht  gefehlt. 
Schon  die  Bezeichnung  der  Ortschaften  in  comitatu  Tridentino 
maßte  die  Handhabe  dazu  bieten. 


»  Urkunde  1221  M8rz  22,  Verona  K.-A.  AC.  12  m.  7,  Nr.  2.  Das  Vergehen 
muß  häufiger  vorgekommen  sein,  da  es  auch  in  den  Bannsätzen  für 
Poliano,  Ficker,  Forschungen  4,  Nr.  401  mit  Buße  bedroht  wird. 

*  Beilage  9.  "  Ficker,  Forschungen  z.  R.  R.  2,  62  f. 

*  Wie  Seeliger,  Grundherrschaft  99  f.  den  fortdauernden  Zusammenhang 
wenigstens  vieler  Immunitäten  mit  der  Grafschaft  betont  hat  Dagegen 
Stengel  in  Zeitschr.  der  Savigny- Stiftung  für  Rechtsgesch.  Germ.  A.  26, 
S13  f. 

»  Picker,  a.  a.  O.  4,  Nr.  97. 


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342 

Dazu  kam  noch  ein  zweites.  Es  ist  bereits  oben  erwähnt 
worden/  daß  auch  die  Grafen  von  Eppan  nnd  nach  ihnen  das 
Bistum  Trient  Vasallen  und  Besitzungen  in  Breguzzo  hatten. 
Wenn  nun  die  Privilegien,  die  Weistümer  und  Oflfhungen  der 
Immunitätsleute  alle  Bewohner  des  genau  umgrenzten  Immuni- 
tätsbezirkes ohne  Einschränkung  der  Gerichts-  und  Steuerhoheit 
des  Kapitels  zusprachen,  so  konnte  es  nicht  fehlen,  daß  von 
Seite  des  Bistums  Trient  und  seiner  Lehensträger  die  Aus- 
dehnung der  Gerichtshoheit  über  die  eigenen 'Vasallen  und  zu- 
letzt die  Gerichtsbarkeit  des  Kapitels  überhaupt  bestritten 
wurde.*  Als  Lehensträger  des  Bistums  erscheinen  die  Herren 
Yon  Campo  in  Judikarien,  und  sie  sind  es  in  erster  Linie,  die 
mit  dem  Domkapitel  den  Strauß  beginnen.  Schwer  genug  mag 
ihre  Hand  auf  den  Immunitätsleuten  gelastet  haben,  denn  wieder- 
holt versprechen  diese  dem  Erzpriester  namhafte  Summen,  wenn 
er  sie  von  den  Herren  von  Campo,  und  ihren  Ansprüchen  be- 
freie.* Auch  die  Bischöfe  von  Trient  nahmen  sich  ihrer  Va- 
sallen, der  Herren  von  Campo  an  und  suchten  die  Immunitäts- 
rechte des  Kapitels  zu  beseitigen.  Folgten  sie  doch  darin  nur 
dem  Beispiele  so  vieler  anderer  Fürsten,  welche  die  Immuni- 
täten ihrer  Landeshoheit  zu  unterwerfen  suchten. 


»  Vgl,  S.  329. 

'  Unklar  bleibt  der  Streit  des  Domkapitels  mit  Zenellus  und  Luscos  um 
die  Qerichtsbarkeit  in  Bogosio  (Ficker,  Forschungen  4,  Nr.  180), 
zweifelhaft  vor  allem,  ob  unter  Bogosio  Breguzzo  zu  verstehen  ist.  Was 
in  dieser  Urkunde  über  die  Rechtsverhältnisse  in  Bog^sio  verlautet, 
stimmt  nicht  mit  Breguzzo;  auch  wäre  die  Verhandlung  vor  einem  Kon- 
sul in  Verona  gegen  Leute  von  Breguzzo  kaum  denkbar. 

»  Urkunde  1210  Juni  13,  Verona  K.-A.  AC.  12  m.  9,  Nr.  14.  Vertreter  der 
Leute  von  Breguzzo  und  Bondo :  per  stipulationem  promiserunt  magistro 
Alberto  archipresbytero  maioris  ecclesie  Veronensis  vice  canonice  dare  et 
solvere  ei  domino  archipresbitero  et  canonicis  centum  libras  den.  Ver.  de 
hinc  ad  festum  sancti  Michaelis,  si  canonici  deliberarent  eos  ab  Ulis  de 
Campo  a  domino  Riprando  et  ab  eins  fratribus;  1223  Juni  24,  ebendort 
AC.  10  m.  p.,  Nr.  10.  Leute  von  Bondo  bestellen  einen  Stellvertreter:  in 
eundo  coram  presentia  domini  magistri  Alberti .  .  .  archipresbyteri  et  ha- 
bere consilium  hab  eo  domino,  qualiter  suprascripti  homines  et  infra- 
scripti  possent  exire  de  sub  dominacione  dominorum  de  Campo,  und  um 
ihm  Sicherheit  für  alle  dabei  verwendeten  Kosten  zu  gewähren.  Die 
Campo  müssen  indes  auch  Anhänger  gezählt  haben,  denn  Bischof  Hein- 
rich von  Mantua  ermahnt  1210  die  Leute  von  Bolbeno,  sich  der  Herr- 
schaft des  Domkapitels  nicht  zu  entziehen. 


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343 

Der  erste  Streit,  von  dem  uns  Kunde  erhalten  ist,  ftlllt 
ins  letzte  Dezenium  des  12.  Jahrhunderts.  Die  Domherren 
klagten  vor  dem  Bischöfe  von  Trient  gegen  die  Herren  von 
Campo  wegen  Besitzstörung.^  Der  Bischof  nahm  die  Klage 
nicht  an;  er  anerkannte  wohl  das  Eigentum  des  Kapitels,  aber 
er  erklärte,  daß  ihm  selber  Gericht  und  Bann  als  Grafen  der 
Grafschaft  Trient  zustehe,  nachdem  die  Orte  zur  Grafschaft 
gehörten.  Er  deckte  die  Herren  von  Campo  als  ihr  Gewährs- 
mann. Nun  wandten  sich  die  Domherren  an  den  Papst.  Co- 
lestin  UI.  beauftragte  den  Bischof  Johann  von  Brescia,  die 
Campo  unter  Androhung  der  Exkommunikation  von  der  Besitz- 
störung abzuhalten.^  Die  Zensur  wurde  verhängt,  da  die  Campo 
auf  die  Vorladung  nicht  erschienen.*  Damit  war  der  Streit 
noch  nicht  zu  Ende.  Das  Vorgehen  des  Bischofs  Johann  scheint 
fruchtlos  geblieben  zu  sein.  Wieder  wandten  sich  die  Dom- 
herren an  den  Papst.  Innozenz  Hl.  erneuerte  das  Mandat  Cö- 
lestins  HI.  an  den  gleichnamigen  Nachfolger  des  inzwischen 
verstorbenen  Bischofs  Johann,^  er  erteilte  indes  noch  ein  zwei- 
tes, das  sich  gegen  den  Bischof  von  Trient  wandte  und  den 
Bischof  von  Brescia  ermächtigte,  über  die  Rechtsansprüche,  die 
dieser  gegen  das  Kapitel  erheben  würde,  zu  entscheiden.^  Die 
Campo  wurden  infolgedessen  neuerdings  mit  der  Exkommuni- 
kation belegt,  und  der  Bischof  von  Trient  wurde  aufgefordert, 
die  E^xkommanikation  zu  verkündigen,  selber  aber  von  aller  Be- 
sitzstörung abzustehen  und  in  petitorio  seine  Rechtsansprüche 
darzulegen.  Bischof  Kourad  wich  zunächst  diesem  Verlangen 
aus,  indem  er  die  Vollmacht  seines  Kollegen  von  Brescia  be- 
zweifelte.^ Später  änderte  er  seine  Haltung;  er  ließ  sich  her- 
bei, Stellvertreter  zu  ernennen,  die  seine  Sache  vor  dem  Bischof 
von  Brescia  führen  sollten.''  Diese  ei^annten  im  Namen  des 
Bischofs  neuerdings  das  Eigentum  des  Kapitels  an,  über  die 
Grafschaftsrechte  aber  hüllten  sie  sich  in  ein  dunkles  Schwei- 
gen.® Praktisch  wichtiger  war  es  für  das  Domkapitel,  daß  sich 
Bischof  Konrad  von  Trient  jetzt  herbeiließ,  gegen  die  Campo 
die    Exkommunikation    zu    verkündigen.^     Doch    schon   nach 


^  Ficker,  Forachongen  4,  Nr.  183.  *  BeUage  1. 

*  Beilage  2.  *  BeUage  4.  ^  Beilage  3.  *  Beilage  5. 

'  Trient,   1199  Dezember  16.     Die  Domherren   von   Brescia  Wigelm  und 

Manfred  von  Sale;  Verona  K.-A. 
'  BeUage  6.  *  Beilage  7. 

ArchiT.  9i.  Band,  II.  U&lfto.  24 


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344 

wenigen  Jahren  ftlUte  Konrad  wohl  in  derselben  Sache  ein  dem 
Kapitel  ungünstiges  Urteil,  von  dem  der  Vertreter  des  Kapitels 
an  den  Papst  appellierte.^  Wir  wissen  nicht;  ob  über  die  be- 
strittene Gerichtsbarkeit  weiter  zwischen  Bischof  Konrad  und 
dem  Kapitel  verhandelt  worden  ist.  Der  Streit  mit  den  Campo 
währte  fort  und  wurde  in  der  Folge  vor  das  kaiserliche  Hof- 
gericht gebracht.  Im  Jahre  1210  sprachen  vier  Hofrichter  dem 
Domkapitel  den  Besitz  der  streitigen  Orte  und  Gerichtsbarkeiten 
zu,  nachdem  die  Campo  den  Vorladungen  des  kaiserlichen  Hof- 
vikars, Bischofs  Heinrich  von  Mantua,  nicht  gefolgt  waren.* 
Damit  war  indes  wenig  geholfen.  Zehn  Jahre  hernach  noch  fand 
Friedrich  II.  es  für  notwendig,  für  dieses  Urteil  einen  Exekutor 
zu  bestellen.*  Später  wurde  neuerdings  Klage  vor  dem  päpst- 
lichen Stuhle  erhoben,  und  Papst  Gregor  IX.  beauftragte  den 
Prior  von  Allerheiligen  in  Verona  mit  der  endgültigen  Ent- 
scheidung.^ Damit  scheint  dieser  Streit  endlich  sein  unbe- 
kanntes Ende  erreicht  zu  haben. 

Nochmals  kam  das  Bistum  Trient  in  die  Lage,  sich  mit 
der  Immunität  des  Kapitels  von  Verona  zu  befassen,  als  dem 
Podestk  Sodegher,  der  es  damals  im  Namen  des  Reiches  ver- 
waltete, der  Auftrag  zuteil  wurde,  ein  Urteil  des  Reichshofge- 
richtes gegen  widerspenstige  Untertanen  des  Kapitels  zu  voll- 
strecken und  das  Kapitel  in  den  Besitz  der  Güter  der  Verur- 
teilten zu  setzen.^  Damit  aus  dieser  Amtshandlung  kein  Nachteil 
für  das  Kapitel  erwachse,  fand  es  dieses  für  gut,  den  Podestk 
auf  seine  Rechte  aufmerksam  zu  machen  und  auf  alle  Fälle  an 
den   Kaiser    zu    appellieren.^     Als    das   Domkapitel    im   Jahre 


*  1204  August  4,  Trient;  Verona  K.-A.  Musetus,  Notar,  Vertreter  des  Ka- 
pitels von  Verona,  überreicht  dem  Bischof  Konrad  eine  Appellation  fol- 
genden Inhalts:  Domine  Conrade  dei  gratia  Tridentine  ecclesie  epis- 
cope.  Ego  Musetus  notarius  procurator  domin i  Guidonis  Veronensis  eccle- 
sie archipresbyteri  et  capituli,  si  tos  dedistis  sententiam  contra  ipsum 
vel  contra  canonicam  Veronensem,  ex  quo  a  Yobis  appellavi  et  vos  tan- 
quam  ....  (Lücke)  recusavi  ....  (Lücke),  salva  prima  et  secunda  ap- 
pellatione  a  vobis  ad  dominum  papam  in  scriptis  appello,  vel  si  eum 
excommunicastis,  et  apostolos  instanter  peto. 

'  Ficker,  Forschungen  4,  Nr.  238.     Die  Vorladung  ebendort  Nr.  281. 
»  Ficker,  a.  a.  O.  Nr.  274. 

*  Beilage  10. 

'^  1238  Dezember  7,  Ficker,  Forschungen  4,  Nr.  364. 

*  1238  Dezember  9,  Ficker,  a.  a.  O.  Nr.  365. 


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345 

hernach  einen  Schutzbrief  von  Kaiser  Friedrich  II.  erlangte,^ 
yerschaffte  es  sich  gleichzeitig  noch  ein  besonderes  kaiserliches 
Mandat  an  den  Podestä  Sodegher,  in  dem  ihm  der  bestimmteste 
Auftrag  gegeben  war,  die  in  seinem  Amtssprengel  gelegenen 
Besitzungen  des  Kapitels  zu  schlitzen.^  Mag  Sodegher  aus 
diesem  Mandate,  nach  dessen  Wortlaut  die  vier  Dörfer  als  in 
seiner  Jurisdiktion  gelegen  gedeutet  werden  konnten,  dem  Ka- 
pitel unangenehme  Folgerungen  gezogen  oder  sonst  Ansprüche 
erhoben  haben,  in  seinem  Auftrage  sicherlich  war  es  geschehen, 
daß  der  Vizecomes  des  Kapitels  wegen  der  Ausübung  der  Ge- 
richtsbarkeit vom  Hauptmanne  von  Stenico  gefangen  gesetzt 
worden  war.  Nun  beeilte  sich  das  Kapitel  allerdings,  dem  Po- 
destk  seine  Privilegien  und  Rechtstitel  auf  die  vier  Dörfer  und 
die  Gerichtsbarkeit,  welche  es  dort  in  Anspruch  nahm,  vorzu- 
legen. Und  jetzt  erkannte  der  Podestk  in  der  Tat  die  Gerichts- 
hoheit des  Kapitels  an  und  beauftragte  den  Hauptmann  von 
Stenico,  sie  nicht  weiter  zu  irren.' 

Wie  lange  die  Herrschaft  des  Kapitels  in  den  vier 
Dörfern  bestanden  hat,  läßt  sich  nicht  sagen.  Mit  1284 
liegt  das  letzte  Zeugnis  für  sie  vor.*  Wie  und  wann  sie  ge- 
endet hat,  ist  unbekannt;  das  Kapitelarchiv  von  Verona  gibt 
darüber  keine  Auskunft.  64  Jahre  später  ist  das  Schloß  Bre- 
guzzo  im  Besitze  des  Hochstiftes  Trient.^  Doch  werden  wir 
den  Verlust  fUr  das  Kapitel  wegen  des  Versiegens  der  urkund- 
lichen Nachrichten  im  Domkapitelarchiv  erheblich  früher,  wahr- 
scheinlich bald  nach  1284  setzen  müssen.  Die  vier  Dör- 
fer und  ihr  Gerichtssprengel  sind  in  das  Gericht  Judikarien 
und  die  Hauptmannschaft  Stenico  aufgegangen,  ohne  Spuren 
ihrer  früheren  Sonderstellung  zu  bewahren. 


1  Böhmer-Ficker,  Nr.  2442.  *  Beilage  18. 

•  Ficker,  Forschungen  4,  Nr.  383. 

*  12S4  Juli  21,  Verona  K.-A.  AG.  13  m.  5,  Nr.  8:  die  Gemeinden  Bre- 
gozzo  und  Bondo  bestellen  einen  Vertreter,  um  dem  Domkapitel  die 
geschuldete  Steuer  zu  zahlen. 

^  1349  Jfinner  9.  Dionjsius  de  Gardellis,  Hauptmann  des  Kapitels  von 
Trient,  sede  vacante,  gibt  die  rocca  de  Bragutio  dem  Generalvikar  des 
Bischofs  Johann  heraus,  Innsbruck,  Ferdinandeum,  Handschr.  Dipaul. 
822,  S.  51—53.  1385  Mai  13,  Innsbruck,  Ferdinandeum,  Handschr.  Di- 
paul. 614  (Primisser),  f.  153 :  Bischof  Albrecht  von  Trient  verleiht  die 
Hut  des  Schlosses  dem  Friedrich  Gesiecht,  nachdem  der  bisherige  Haupt 
mann  Georg  Gesiecht  wegen  Krankheit  dienstunfähig  geworden  ist. 

24* 


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346 

So  sehen  wir  hier  eine  Immunität  aus  einer  Grundherr- 
schaft erwachsen,  in  welcher  der  Immunitätsherr  volle  Gerichts- 
barkeit, Steuer-  und  Bannrechte  ausübt,  und  in  mannigfaltigen 
Beziehungen  zu  der  Grafschaft  treten,  die  am  Ende  den  Im- 
munitätsherm  verdrängt  und  das  Immunitätsgebiet  ihrer  Ge- 
richtsverfassung einverleibt. 

n.  Das  Hochstift  Trient. 

Fast  möchte  es  unangebracht  scheinen,  über  die  Immuni- 
tät des  Bistums  Trient  zu  handeln.  Sind  uns  doch  keine  Im- 
munitätsverleihungen erhalten,  und  haben  die  Bischöfe  seit  der 
Erwerbung  der  Grafschaftsrechte  die  öffentliche  Gewalt  und 
insbesondere  die  hohe  Gerichtsbarkeit  als  Grafen,  Markgrafen 
und  Herzoge  ihres  Gebietes  ausgeübt.  Kaum  noch  dürfte  die  An- 
sicht Jägers  auf  Beifall  rechnen  können,^  der  aus  der  Immunität 
den  Erwerb  der  Grafschaftsrechte  durch  das  Bistum,  insbesondere 
in  Bozen  ableiten  zu  können  glaubte.'  Indes  dürfte  es  trotz- 
dem nicht  überflüssig  sein,  gewissen  Instituten  näherzutreten, 
die  an  einstige  Immunität  anknüpfen,  vor  allem  der  Gastalden- 
verfassung und  der  Vogtei,  von  denen  die  erste  bei  der  Ent- 
wicklung der  Landgerichte  eine  gewisse,  vielfach  überschätzte 
Rolle  gespielt,  die  zweite  wie  kein  anderes  Institut  für  die  Bil- 
dung des  heutigen  Landes  Tirol  Bedeutung  gehabt  hat,  ihrem 
Rechtsinhalte  nach  jedoch  bisher  keineswegs  richtig  erkannt  ist. 

Beim  Mangel  fast  aller  urkundlichen  Nachrichten  ftir  die 
Geschichte  des  Hochstiftes  Trient  vor  dem  12.  Jahrhundert  läßt 
sich  das  Anwachsen  und  die  Bedeutung  der  Immunität  nur  aus 
späteren  Zuständen  mutmaßen,  ganz  anders  als  in  den  benach- 
barten Bistümern  Sähen -Brixen  und  Chur  mit  ihren  seit  dem 
9.  Jahrhunderte  fast  ununterbrochenen  Reihen  von  Königsur- 
kunden. Die  Urkunde  Konrads  H.  von  1027,  in  welcher  die 
Grafschaft  Trient  geschenkt  wird,'  ist  das  einzige,  wie  durch  ein 


^  Geschichte  der  landstäud.  Verf.  Tirols  1,  243. 

'  Vgl.  Durig,  Die  staatsrechtlichen  Beziehungen  des  italienischen  Landes- 
teiles von  Tirol  zu  Deutschland  und  Tirol,  Jahresber.  der  Oberrealschule 
Innsbruck  1864,  8;  ders.,  Beiträge  zur  Geschichte  Tirols,  Zeitschr.  des 
Ferd.,  III.,  Bd.  9,  lö;  Jäger,  Geschichte  der  landständ.  Verf.  Tirols  1, 
223  f.;  Egger,  Gesch.  Tirols  1,  181  usw. 

»  Stumpf  1954. 


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347 

Wander  erhaltene  Original^  das  aus  dem  11.  Jahrhunderte  yor- 
liegt.  Älteres  ist  überhaupt  nicht  yorhanden.  Schon  die  yiel- 
bezweifelte  Schenkung  der  Grafschaften  Bozen  und  Vintschgau  * 
liegt  nur  in  einem  späteren  Transumte  yor^  wenn  dayon  ein 
Original  oder  angebliches  Original  überhaupt  je  yorhanden  war. 

Erst  von  Kaiser  Friedrich  I.  besitzen  wir  wieder  ein  Ori- 
ginaldiplom vom  Jahre  1161.'  Doch  auch  die^e  Urkunde  ent- 
hält keine  Immunitätsformel,  sondern  eine  Bestätigung  der  Schen- 
kung der  Grafschaft  Trient  durch  einen  König  Heinrich.*  Und 
ebensowenig  die  folgenden  Kaiserdiplome:  Stumpf  4082,  (Ver- 
leihung der  Grafschaft  Garda),  Stumpf  4335,  4512  und  4669, 
die  besondere  Verfügungen  treffen.  Aus  dem  13.  Jahrhundert 
liegen  überhaupt  keine  allgemeinen  Bestätigungen  der  Rechte 
des  Bistums  bis  auf  Adolf  yon  Nassau^  vor.  Doch  aus  dieser 
Urkunde  läßt  sich  so  wenig  wie  aus  dem  jüngeren,  umfang- 
reicheren Priyileg  Karls  IV.*  etwas  für  unsere  Frage  gewinnen, 
da  dem  Gebrauche  dieser  späteren  Zeit  gemäß  Immunitäts- 
formeln  aus   älteren  Diplomen   nicht   mehr  wiederholt  werden. 

Doch  dürfte  die  Vermutung  nicht  abzuweisen  sein,  daß 
auch  für  Trient  wie  für  alle  anderen  Hochstifte  Immunitäts- 
priyilegien  erteilt  worden  sind.  Eine  Trienter  Grundherr- 
schaft wenigstens  gab  es,  außerhalb  der  Grenzen  der 
Grafschaften  Trient,  Bozen  und  Vintschgau,  auf  der 
dem  Bischof  unzweifelhaft  die  hohe  Gerichtsbarkeit  zustand, 
Castellaro,  neuestens  auf  Grund  einer  sehr  fragwürdigen  Ety- 
mologie als  Castel  d'Ario  umgetauft,  nordöstlich  yon  Mantua 
am  Kanäle  Molinella,  an  der  Grenze  der  alten  Territorien  von 


'  Stumpf  1966.  •  stumpf  3919. 

•  Welcher  Heinrich  damit  gemeint  ist,  ist  schwer  zu  sagen ;  am  nächsten 
würde  es  liegen,  an  Heinrich  y.  zu  denken,  dem  Bischof  Gehhard,  der, 
vom  König  1106  eingesetzt,  hei  der  Stadt  Trient  und  einem  Teile  des 
Adels  heftigen  Widerstand  fand,  hesonders  nahe  stand.  Egger,  Gesch. 
Tirols  1,  191.  Freilich  könnte  dann  nicht  eigentlich  von  einer  Schen- 
kung, sondern  nur  von  der  Bestätigung  der  Schenkung  Konrads  II.  die 
Rede  sein ;  oder  an  Heinrich  H.,  wofQr  sprechen  würde,  daß  Konrad  U. 
in  Stumpf  1964  die  Grafschaft  eigentlich  bestätigt:  damus,  tradimus  atque 
conlirmamus.  yielleicht  bringt  eine  diplomatische  Untersuchung,  die 
von  Breßlau  zu  erhoffen  ist,  Licht  in  die  Sache. 

*  Frankfurt,  1296  November  13,  Böhmer,  Regesta  imperii  ab  anno  1246 
usque  ad  1813,  Nr.  382. 

»  Huber,  Regesta  Imperii  VHI,  Nr.  328. 


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348 

Mantua  und  Verona  gelegen.  Kaiser  Heinrich  IV.  hat  im  Jahre 
1082  den  Bischof  Heinrich  von  Trient  mit  der  curtis  Castellaro 
investiert,^  ob  aus  Anlaß  eines  Rechtsstreites  oder  weil  sich  der 
Bischof  im  Besitze  derselben  durch  den  Königsbann  sichern 
wollte,  muß  dahingestellt  bleiben.'  Jedenfalls  war  das  Bistum 
schon  vorher  im  Besitze  des  Hofes,  dessen  Erwerbung  nicht 
bekannt  ist.  Wir  wissen  zunächst  wenig  über  die  Schicksale 
der  Besitzung.'  Es  ist  aber  Willkür,  wenn  Ambrosi  aus  dem 
Mangel  an  Nachrichten  ohneweiters  schließen  will,  daß  das  Bis- 
tum nicht  in  den  Besitz  der  Herrschaft  gekommen  sei,  die  von 
den  Mantuanern  vorenthalten  worden  wäre.  Kaum  würde  das 
Bistum  in  solchem  Falle  die  Klage  beim  kaiserlichen  Hofe 
unterlassen  haben.  Wenn  Ezelin  von  Bomano  im  Jahre  1238 
im  Besitze  von  Castellaro  erscheint,*  so  ftlllt  dies  in  die  Zeit, 
in  der  das  Bistum  von  Trient  durch  das  Reich  verwaltet  und 
in  engere  Abhängigkeit  von  der  Mark  Treviso  gebracht  wurde.^ 
Kein  Wunder  auch,  wenn  in  der  Folgezeit  die  Herrschaft  dem 
Bistume  entfremdet  wurde.  Doch  ließ  sich  1276  der  neue  Herr 
von  Mantua  Pinamonte  Bonaccolsi  von  Bischof  Heinrich  II.  mit 
Castellaro  belehnen/  und  seitdem  wurde  die  Investitur  zugun- 
sten der  Herren  von  Mantua  regelmäßig  erneuert;  es  wurde 
namentlich  nach  dem  Sturze  der  Bonaccolsi  Ludovico  Gonzaga 
belehnt  und  seitdem  die  Herren  und  Herzoge  von  Mantua  aus 
diesem  Geschlechte  bis  zu  seinem  Aussterben  1708.^  Damals 
wurde  es  als  heimgefallenes  Lehen  unter  die  unmittelbare  Ver- 
waltung des  Bistums  Trient  genommen  und  verblieb  darin  bis 
zur  Vereinigung  mit  der  Zisalpinischen  Republik  von  Napoleons 
Gnaden. 

Nach   den  späteren   Investituren   umfaßte  die  Herrschaft 
das  Schloß  Castellaro,  die  Dörfer  Susano,  Cavalieri,  Grossa  und 


>  Kink,  Fontes  U,  6,  Nr.  2. 

•  Vgl  Ficker,  Forschungen  1,  48  n.  2. 

•  Einige  Notizen  sind  zusammengestellt  von  Ambrosi  in  Archivio  per 
Trieste,  Istria  ed  il  Trentino  1,  375  f.  Was  Ambrosi  von  der  Veran- 
lassung der  Reinvestitur  zu  berichten  weiß,  beruht  auf  Phantasie,  da 
es  sich  ja  nicht  um  eine  Neuverleihung  gehandelt  hat 

•  Ambrosi,  a.  a.  O.  376. 

•  Ficker,  Forschungen  2,  608. 

•  Ambrosi,  Commentari  della  Storia  Trentina  2,  226. 
'  Ambrosi,  Arch.  per  Trieste  usw.  1,  378. 


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349 

Pampurio.*  Sie  werden  vergeben  cum  iurisdictionibas  et  hono- 
riis  nniversis  et  mero  et  mixto  imperio^  also  mit  der  hohen  Qe- 
richtsbarkeit,  die  dem  Bischof  hier  kraft  der  Immunität  des 
Hochstiftes  zugestanden  haben  muß;  wenn  sie  ihm  nicht  viel- 
leicht besonders  verliehen  worden  ist. 

Aus  grundherrlichen  Wurzeln  ist  auch  die  Ga- 
staldie  erwachsen^  die  unstreitig  eine  bedeutende  Rolle  in 
der  Geschichte  der  Verwaltung  und  Gerichtsverfassung  Süd- 
tirols bis  in  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  spielt.  Wer  sind 
die  Gastalden  und  was  war  ihre  Aufgabe  und  Bedeutung? 
Elgger  sieht  in  den  Gastalden  ohneweiters  richterliche  Beamte,  in 
den  Gastaldien  die  Vorläufer  der  späteren  Landgerichte;'  Sar- 
tori und  Pertile  nehmen  an,  daß  das  Bistum  in  Gastaldien  zer- 
fallen sei,  die  Pertile  wieder  aus  Dekanien  zusammengesetzt 
sein  läßt.  Aufgabe  der  Gastalden  sei  es  gewesen,  in  den  De- 
kanien Recht  zu  sprechen.'  Diese  Anschauung  entspricht  nicht 
ganz  den  Tatsachen.  Weder  gab  es  eine  Einteilung  in  Gastal- 
dien und  Dekanien^  die  das  ganze  Bistum  umfaßte,  noch  kamen 
den  Gastalden  durchwegs  oder  auch  nur  von  altersher  richter- 
liche Funktionen  zu.  Werfen  wir  vorerst  einen  Blick  auf 
dieses  Amt  und  die  Beamtungen  des  Bistums  überhaupt  in 
der  älteren  Zeit. 

Der  bischöfliche  Gastalde  stammt  von  dem  langobardischen 
Beamten  dieses  Namens,  der  als  Verwalter  der  königlichen  Do- 
mänen bekanntlich  bereits  in  den  langobardischen  Edikten  ge- 
nannt wird.*  Als  Gutsverwalter,  Wirtschaftsbeamte  finden  wir 
Gastalden  auch  bei  den  Alamannen  und  Bayern.^  Nicht  anders 
war  die  Stellung  der  langobardischen  Gastalden,  wenn  sie  auch 
mit  den  Herzogen  zu  den  iudices  gezählt  wurden.  Sie  teilen 
dieses  Schicksal  mit  den  fränkischen  Domanialbeamten,  den 
actores.    Beiden  standen  in  der  Tat  richterliche  Funktionen  zu. 


^  So  nach  den  Inrestituren  von  1398  März  2,  Innsbruck  St.-A.  Lehenbuch 
Bischof  Georg»,  Capsa  22,  Nr.  3,  f.  91—91';  1467  April  26,  a.  a.  O.  Le- 
henbuch Bischof  Georgs  IL,  Capsa  22,  Nr.  6,  f.  196-198. 

«  Gesch.  TiroU  1,  263;  Zeitschr.  des  Ferd.  HI,  41,  243. 

'  Sartori,  Zeitschr.  des  Ferd.  lU,  36,  7  f.;  Pertile",  1,  336;  ebenso  Sal- 
violi,  Atti  m,  6,  100  f. 

^  Brunner,  Bechtsgesch.  2,  124;  Schupfer,  Delle  Istituzioni  politiche  Lan- 
gobardiche  311  f.;  Pertile*,  1,  108;  Schröder,  Bechtsgesch.*,  129. 

*  Brunner,  Bechtsgesch.  2,  124;  Grimm,  Deutsche  Bechtsaltertümer*,  2, 
364. 


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350 

doch  nar  auf  den  königlichen  Domänen,  die  der  Verwaltung 
der  Grafen  und  Herzoge  entzogen  waren.  Im  übrigen  über- 
wachten sie  die  Verwaltung  und  Bewirtschaftung  der  Fisci;  sie 
waren  Wirtschaftsbeamte,  die  auf  den  exemten  Domänen  zu- 
gleich die  Ausübung  der  Gerichtsbarkeit  besorgten.  In  der 
Folge  treflfen  wir  Gastalden  als  herrschaftliche  Verwalter.  Ob 
dies  bei  den  Langobarden  schon  vom  Anfange  an  der  Fall  war, 
wie  bei  den  Bayern  und  Alamannen^  muß  dahingestellt  bleiben^ 
dürfte  jedoch  in  Anbetracht  der  späteren  Verbreitung  des  Amtes 
nicht  so  unwahrscheinlich  sein,  denn  schon  seit  dem  10.  Jahr- 
hunderte finden  sich  Gastalden,  besonders  in  den  geistlichen 
Herrschaften  Oberitaliens  in  großer  ZahP  und  sehr  verschie- 
dener Stellung;  immer  aber  tritt  die  wirtschaftliche  und  ver- 
waltende Tätigkeit  besonders  hervor.  Noch  heute  hat  der  italieni- 
sche Dialekt  im  Veronesischen,  auch  in  Welschtirol  das  Wort 
im  Sinne  von  Schaffner  oder  Oberknecht  bewahrt. 

Auch  im  Bistume  Trient  war  es  nicht  anders.  Der  Ga- 
stalde  war  ein  Wirtschaftsbeamter,  von  Haus  aus  nur 
betraut  mit  der  hof-  und  leibherrlichen  Gerichtsbarkeit  über  die 
Hörigen,  die  zum  Hofe  gehören.  Übt  er  die  öffentliche  Ge- 
richtsbarkeit, so  ist  es  nur,  weil  ihm  diese  insbesondere  noch 
übertragen  ist  zu  den  Befugnissen  seines  Amtes,  weil  eine  der 
im  Mittelalter  so  beliebten  Amterkumulationen  vorliegt,  welche 
der  modernen  Forschung  vielfach  so  verwickelte  Rätsel  auf- 
geben und  nur  zu  leicht  zu  irrigen  Ansichten  verlocken.* 

Gastalden  gibt  es  in  Südtirol  genug.  Vor  allem  als  bi- 
schöfliche Beamte;  den  Beamten  entsprechen  Amtssprengel,  die 
sich  allerdings  über  den  größten  Teil  des  Bistums  ausdehnen. 
Die  folgende  Aufzählung  soll  nicht  den  Anspruch  auf  Vollstän- 
digkeit beanspruchen,  sie  soll  nur  ein  Bild  von  der  Verbreitung 
der  Institution  gewähren.  Gastalden  finden  wir  vor  allem  in 
Trient  selber.  Hier  wird  namentlich  ein  Gastalde  Ambrosius 
in  den  ersten  Jahrzehnten  des  13.  Jahrhunderts  erwähnt,^  eine 


>  Vgl.  Pertile«  1,  335;  Salvioli,  Atti  III,  6,  98  f. 

•  Es  ist  das  Verdienst  Siegfried  Rietschels,  in  seinem  Buche  über  das 
Burggrafenamt  auf  diese  Ämterkumulationen  mit  Energie  hingewiesen 
und  für  sein  Thema  die  reinliche  Scheidung  der  verschiedenen  Amts- 
befugnisse durchgeführt  zu  haben. 

"  Kink,  Fontes  H,  5,  Nr.  73,  237;  Hormayr,  Gesch.  Tirols  1,  H,  Nr.  120 
(1226);    Urkunde  1234  August  17,  Wien  St.-A.  Liber  iurium  vallis  La- 


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351 

Gastaldie  wird  anter  Bischof  Friedrich  yon  Wangen  genannt. 
Zar  Gastaldie  Trient  gehörten  anzweifelhaft  aach  Povo  and 
Sopramonte,  das  allerdings  einen  eigenen  Gerichtsbezirk  bildete, 
aber  keinen  eigenen  Gastalden  besaß.^  Gastalden  standen  dann 
dem  Silberbergwerke  am  Calisberge  nordöstlich  von  Trient  vor, 
deren  Sprengel  zeitweise  wenigstens  aach  Civezzano  amfaßte.' 
Die  Gastaldie  Trient  verschwindet  in  der  Folge;  an  Stelle  der 
Gastalden  treten  Massare  and  Caniparii.^  Wenden  wir  ans 
nach  Süden  in  den  Umkreis  der  alten  Jndiciaria  summa  lacaen- 
sis/  so  treffen  wir  eine  Reihe  von  Gastaldien,  die  mit  den  ein- 
zelnen Pfarren  zasammenfallen,  keineswegs  aber  stets  anter 
einem  eigenen  Gastalden  stehen,  sondern  in  banter  Weise  grup- 
piert erscheinen.  So  sind  die  Gastaldien  Arco,  Ledro,  Tignale, 
Lomaso  and  Bleggio  1272  and  1279  im  Besitze  der  Herren 
von  Arco,^  so  werden  Bono,  Ledro  and  Tignale  als  eine  Ga- 
staldie bezeichnet,^  so  stehen  1262  Lomaso  and  Bleggio  anter 
einem  Gastalden,^  so  werden  1272  die  Gastaldien  in  den  Pfar- 
ren Banale,  Preore,  Tione  and  Uendena  einem  einzigen  Richter 


gari  f.  S*;  in  Acta  Tirol.  2  b&nfig  als  bereits  verstorben  erwähnt,  Nr.  10, 
357,  383  usw. 
^  In  einem  Urbar  des  13.  Jahrhunderts  ist  die  Rede  von  Ausgaben  des 
Dekans  von  Oveno:  quando  ipse  gastaldius  venit  ad  racionem  facere  in 
predicta  villa  Oveni,  Chr.  Schneller,  Tridentinische  Urbare  199;  vgl. 
Reich  in  Zeitschr.  Tridentum  6,  152.  In  einer  anderen  Au&eichnung 
vom  Beginne  des  13.  Jahrhunderts  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  284  werden 
die  Gastaldien  Povo  und  Sopramonte  erwähnt. 

*  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  236  (1186),  237,  239,  241 ;  1214  Jänner  7,  Bi- 
schof Friedrich  verpfändet  die  Gastaldie  an  Albert  von  Seiano,  Ripran- 
din  Ottonis  Richi  und  Odolricus  Rambaldi,  Wien  St.-A.  (Dominez,  Re- 
gesto  Cronologico  15&);  1272  Juni  16,  Bischof  "Egno  verleiht  die  gastal- 
dia  montis  argentarie  et  Ciuezani  an  Ropret  von  Cognola  und  Peter, 
Bonelli,  Memorie  intomo  al  beato  Adelprete  2,  600. 

"  Der  caniparius  ist  älter,  Kink,  Fontes  H,  6,  Nr.  28  (1188),  119,  273  usw. 
Der  Massarius  wird  erwähnt  zuerst  1256  Dezember  9  (Dominez  397) 
als  oberster  Finanzbeamter  des  Bischofs.  Später  steht  ihm  und  dem 
Massariatsamte  die  politische  und  wirtschaftliche  Verwaltung  der  so- 
genannten äußeren  Prätur  Trient  zu. 

*  Vgl.  S.  10  dieses  Bandes. 

»  Urkunde  1272  März  7,  Wien  St.-A.  (Dominez  488);  1279  November  20, 
Bonelli  2,  610. 

*  Urkunde  1226  April  18  (Dominez  260)  und  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  284. 

*  1262  April  3,  Wien  St.-A.  (Dominez  425). 


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352 

verliehen.*  Wir  sehen  daraus^  daß  hier  weder  der  Bezirk  der 
Gastaldie  feststeht,  noch  daß  jeder  Qastaldie  ein  Qastalde  vor- 
steht, mit  anderen  Worten,  daß  der  Umfang  der  Qastaldie  ein 
schwankender  und  fließender  ist.  Außer  diesen  Gastaldien 
werden  hier  noch  erwähnt:  Stenico,*  Riva,*  Tenno.*  Im  Lager- 
tale treffen  wir  Gastalden  nnd  Qastaldien  za  Beseno,^  Lizzana,^ 
Prataglia,^  Ala.®  In  der  Nähe  von  Trient  werden  genannt  Ga- 
stalden und  Gastaldien  von  Calaveno,®  Civezzano,*^  später  ver- 
einigt mit  der  Gastaldie  des  Silberbergwerkes,  Fornace,**  das 
wohl  auch  zu  Civezzano  gehörte,  Vigolo  Vattaro,**  Pergine," 
Levico,  das  ursprünglich  zu  Pergine  gerechnet  wird  und  eine 
Unterabteilung  dieser  Gastaldie  bildet,**  Tenna.*^  Nördlich  von 
Trient  im  Etschtale  aufwärts  finden  sich  Gastaldien  in  Königsberg,** 


1  1272  März  28,  Imbreviatur  des  Notar  Zacheus  f.  18,  Wien  St.-A. 

«  Ein  Gasteide  Bokognolus  1223,  Wien  St.-A. 

«  Urkunde  1218  Juni  17,  Wien  St.-A.  (Dominez  196);  1220  Juli  6  (Samm- 
lung Durig)  usw. 

*  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  100;  Urkunde  1216  September  26,  Innsbruck 
St.-A.  Parteibriefe:  Albertus  gastaudio. 

*  Kink,  Fontes  II,  B,  Nr.  132;  1216  April  6,  Hormayr,  Gesch.  Tirols  1, 
II,  Nr.  94. 

«  Urkunde  1270  April  4,  Innsbruck  St.-A.,  Trient  Capsa  33,  Nr.  36. 

'  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  166;   Urkunde  1202  April  80,  Wien  St-A.  (Do- 

minez  66). 
■  Urkunde  1171  Dezember  7,  Wien  St.-A.  (Dominez  11). 

*  Urkunde  1260  Juli  28,  Wien  St.-A.  (Dominez  421). 

"  Urkunde  1242  Juni  13,  Wien  St.-A.  (Dominez  832  mit  unrichtiger  In- 
haltsangabe, vgl.  Zeitschr.  des  Ferd.  III,  33,  42). 

"  Urkunde  1196  Jänner  16,  Wien  St.- A.  (Dominez  49,  unrichtiges  Regest). 

"  Kink,  Fontes  U,  6,  Nr.  120. 

1'  Urkunden  1213  August  18,  Innsbruck  St.-A.  Parteibriefe;  1290  Mai  22, 
Wien  St.-A.;  1308  Dezember  5,  Hormayr,  Sämtliche  Werke  2,  Nr.  63, 
wo  auch  der  Umfang  der  Gastaldie  angegeben  ist. 

^*  Urkunde  1213  August  18,  Innsbruck  St.-A.  Parteibriefe,  richtet  ein  Con- 
tolinus gastaldio  als  Vertreter  des  Gastalden  von  Pergine ;  Bischof  Egno 
Mandat  an  capitaneo,  gastaldio  vel  subgastaldioni  ....  Levigi,  Hor- 
mayr, Sämtliche  Werke  2,  Nr.  34  (1268). 

*^  Hormayr,  a.  a.  O.  Nr.  36. 

^"  1260,  Wien  St.-A.  Bischof  Egno  verleiht  dem  Liabard  von  ^ovo  castrum 
custodiam  gastaldiam  von  Königsberg. 


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363 

Cembra,^  Salnrn,*  Enn,'  Margreid,*  Tramin,^  Bozen/ Ritten  ^  und 
endlich  Firmian,  dessen  Gastalde  zeitweise  richterliche  Befugnisse 
in  Bozen  und  Fleims  ausübt/  die  beide  als  eigene  Gastaldien 
bezeichnet  werden.  Zuletzt  finden  sich  Qastaldien  auch  im 
Nons-  und  Sulzberg/  zu  Cles  und  Romeno/*^  zu  Ossana^  Livo 
und  Mal^^^  und  endlich  Metz^  das  ebenfalls  verwaltungsreoht- 
lieh  bis  ins  13.  Jahrhundert  zum  Nonsberg  gerechnet  wurde. 
Nicht  nur  der  Bischof,  auch  andere  Qrundherren  haben 
ihre  Gastalden,  so  der  Bischof  von  Feltre/*  Ezelin  von  Enn," 


'  Tirolisohe  Raitbflcher,  München  R.-A.  Nr.  9,  f.  28:  Arnold  de  Uedan, 
Arnold  und  Petrus,  Gastalden  von  Gembra,  1299  Februar  18;  ebendort 
Nr.  10,  f.  96  Julian,  Notar,  gastaldio,  1802  Juni  27;  ebendortH.de 
Faedo  legi  Rechnung  de  fictis  culta  officio  gastaldie  in  Zimbria. 

'  1293  März  14,  Wien  St.-A. :  Concilin,  Sohn  des  c.  d.  Egeno  de  Salumo, 
gastaldio. 

»  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  86,  149;  Urkunde  1242  Juni  13,  Wien  StA. 
(Dominez  332);  Ladurner,  Zeitschr.  des  Ferd.  III.,  Bd.  13,  162:  Tri- 
dentinus  de  Aura  gastaldio  (1291)  usw.  noch  im  14.  Jahrhundert. 

^  Urkunde  1289  Juni  24 :  Otto  de  Ungna  capitaneus  castri  de  Linteclaro 
et  gastaldio  Margredi,  Wien  St.-A. 

^  Kink,  Fontes  II,  5,  Nr.  126;  Urkunde  1213  September  8,  Innsbruck 
St.-A.  Trient  Capsa  61,  Nr.  5;  1224  Juni  29  ebendort  Gapsa  61,  Nr.  17. 

*  Kink,  Fontes  U,  6,  Nr.  53 ;  Montebello,  Notizie  storiche  della  Valsugana 
Nr.  8  (1216  Aprü  2);  Hormayr,  Gesch.  Tirols  1,  U,  831  (1238  August  3) 
usw. 

'  Hormayr,  a.  a.  O.  333  (1238  August  9). 

*  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  7,  72  usw.  Über  Fleims  Schwind-Dopsch,  Urk. 
z.  Verf.  Nr.  8;  Gastaldie  heißt  Fleims  1242  Juni  13,  Wien  St.-A.  (Do- 
minez 332);  Chmel,  Fontes  II,  1,  Nr.  74  (1266)  usw.;  vereinigt  mit  Fi r- 
mian  erscheint  Fleims  Kink,  Fontes  11,  5,  Nr.  284;  dasselbe  läßt  wohl 
auch  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  28  schließen. 

*  Über  diese  vgl.  Yig^lio  Inama,  Archiyio  Trentino  10,  76  f. ;  Reich,  eben- 
dort 17,  86;  Inama,  Storia  delle  Yalli  di  Non  e  dl  Sole  96  f. 

"  Der  Umfang  der  Gastaldie  Romeno  ergibt  sich  aus  Urkunde  1263  Juli 
3,  Wien  St.-A.  (Dominez  485),  vgl.  Reich,  Una  congiura  a  Caldaro. 
Progamm  des  Staatsgymnasiums  Trient  1901,  8. 

"  Reich  leugnet  den  Bestand  einer  Gastaldie  Mal^,  doch  wird  eine  solche 
bei  Kink,  Fontes  n,  5,  Nr.  286  und  Urkunde  1217  Juli  4,  Wien  St.-A. 
(Dominez  189),  hier  ausdrücklich  von  Livo  geschieden,  erwähnt.  Reichs 
Annahme  würde  dann  richtig  sein,  wenn  die  Gastaldien  für  immer  fest- 
stehende Bezirke  gewesen  wären,  von  denen  jeder  einen  Gastalden  an 
der  Spitze  hatte. 

"  Urkunde  1196  Jänner  16,  Wien  St-A.  (Dominez  49). 

^  Urkunde  1280  Juni  16,  Innsbruck  St-A.  Parteibriefe. 


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354 

die  Herren  von  Castelbarco.^     Schon  heißen  die  Vorsteher  der 
Schiflferzunft  Gastaldionen.* 

So  ist  Gastalde  also  ein  vieldeutiger  Titel,  der  an  sich 
über  seinen  Begriff  and  Rechtsinhalt  keine  Anskanft  gibt.  Be- 
schränken wir  uns  im  folgenden  auf  die  bischöflichen  Gastalden. 
Seit  Einks  AnsfUhrangen  ist  man  gewohnt,  in  diesen  Gastalden 
Beamte  der  wirtschaftlichen  Verwaltung  zu  sehen,  und  mit 
vollem  Rechte.  Den  Mittelpunkt  der  Gastaldie  bildet  ein  bi- 
schöflicher Hof  oder  ein  Schloß,  durchaus  aber  ein  bedeuten- 
deres Besitztum.  Dort,  wo  die  Gastaldie  sich  am  meisten  in 
ihrer  Reinheit,  in  ihrem  ursprünglichen  Charakter  erhalten  hat, 
wie  namentlich  im  Nonsberg,  hat  der  Gastalde  seinen 
Sitz  an  einer  bischöflichen  Kurie.  Sehr  häufig  werden 
gerade  in  diesem  Gebiete  die  bischöflichen  Kurien  oder  Her- 
renhöfe  erwähnt.  Es  gab  dergleichen  in  Ossana,  Livo,  des, 
Malh,  Romeno.'  An  sie  gliedert  sich  das  zur  Leihe  gegebene 
Land  an,  an  sie  sind  Fronden,  Leistungen  und  Zinse  zu  er- 
bringen. Sie  wieder  tibernehmen  es,  den  bischöflichen  Haus- 
halt während  des  Jahres  der  Reihe  nach  zu  bestreiten.  Ossana 
leistet  drei  Wochen,  anderthalb  im  Sommer  und  ebensoviel  im 
Winter.  Wie  viel  Getreide  und  Tiere  von  jedem  Hofe  geleistet 
werden  sollen,  ist  genau  bestimmt.  Die  Höfe  von  Cles  und 
Romeno  leisten  je  eine  Woche  im  Sommer  und  im  Winter  und 
mUssen  zusammen  mit  Ossana  und  anderen  Höfen  für  die  Fest- 
tage des  heil.  Vigil  aufkommen.  Auch  andere  Orte,  wo  Ga- 
stalden bischöfliche  Herrschaften  beaufsichtigen,  Bozen,  Trient, 
Ala,  Arco,  Ledro,  Magnano  (santa  Massenza),  wo  ebenfalls  ein 
großer  Herrenhof  stand,*  haben  gleichfalls  ihre  bestimmten  Wo- 
chen, in  denen  sie  den  bischöflichen  Hof  ernähren  sollen.  Jeder 
Gastalde  hat  dann  eine  bestimmte  Quantität  Leinentuch  und 
für  den  Römerzug  ein  ausgestattetes  Saumroß  und  anderes  zu 
liefern.*  Den  Höfen  stehen  die  Gastalden  vor,  sie  sind 
für  die  richtige  Lieferung  haftbar.  Sie  stehen  an  der  Spitze 
der  bischöflichen  Ministerialen,   die   auf  diesen  Höfen  waltend 


*  Cipolla,  Archivio  per  Trieste,  Istria  ed  il  Trentino  4,  81. 
«  Archiv  für  österr.  Gesch.  92,  139. 

»  Kink,  Fontes  U,  6,  Nr.  245,  247,  268,   259,  262,  264,  279,  286.  Bonelli 
2,  94,  Yg\.  Inama,  Valli  di  Non  e  di  Sole  101  n.  4. 

*  Kink,  Fontes  U,  6,  Nr.  94,  186. 

*  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  286. 


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355 

erwähnt  werden.  Sie  sammeln  die  Leistungen,  Zinse  and 
Steuern^  die  von  den  untertänigen  Bauern  geschuldet  werden.  Als 
Bischof  Friedrich  von  Wangen  dem  Kloster  San  Tomaso  bei 
Romeno  einen  Eigenmann  (homo)  schenkt,  wird  verfügt,  daß 
kein  bischöflicher  Ministeriale  oder  Qastalde  von  diesem  Eigen- 
manne Steuer,  Bann  und  Malatolta  einnehmen  dürfe,  sondern 
daß  diese  Leistungen  dem  Ehester  bleiben  sollen.^  Ihnen  unter- 
stehen die  Eigenieute  der  Höfe,^  an  sie  sind  die  Leistungen 
zu  richten.'  Häufig  weisen  sie  die  Rechte  des  Bistums,  ihrem 
Spruche  bleibt  wohl  auch  die  Bestimmung  der  Höhe  des  Zin- 
ses der  Leihegüter  vorbehalten,^  denn  sie  sitzen  dem  grund- 
herrlichen Gerichte  vor.  Wie  sie  in  den  eben  erwähnten  Fällen 
über  die  Höhe  des  Zinses  erkennen,  also  in  Leihesachen  ent- 
scheiden, so  unterstehen  die  Eigenleute  des  Bistums  überhaupt 
ihrem  Gerichte.  Wir  werden  wiederholt  darauf  zurückkommen. 
Hier  möge  genügen,  auf  die  eben  erwähnte  Schenkung  von 
1214  zu  verweisen.  Der  Bischof  ordnet  an,  daß  der  Geschenkte 
von  nun  an  nicht  mehr:  de  aliquo  subiacere  nee  se  distringere 
debeat  ....  gastaldioni  neque  alicui  ministeriali  seu  alicui  alie 
persone,  nisi  tantum  monacho  und  er  solle  fortan  vor  dem  Bi- 
schof und  seinem  Vizedom  Recht  geben.  Alles  Funktionen,  wie 
sie  einem  Wirtschaftsbeamten,  einem  Actor,  Propste  oder  Meier 
zukommen.  Auch  der  Titel  Gastalde  wechselt  mit  Benennun- 
gen, die  Wirtschaftsbeamte  tragen.  In  einer  älteren  Urkunde 
wird  der  Gastalde  von  Prataglia  als  villicus  bezeichnet.^  Haben 
wir  doch  auf  den  Dörfern  des  Domkapitels  von  Verona  die 
gleiche  Erscheinung  wahrgenommen.^  Wir  werden  sehen,  wie 
auch  dort,  wo  dem  Gastalden  weitergehende  richterliche  Funk- 
tionen zustehen,  die  Titel  schwanken.    In  den  deutschen  Teilen 


^  Bonelli  4,  47:  ut  de  cetero  colectam  datiam  bannom  aliquod  seu  all- 
quod  maltoletum  ei  vel  eioB  heredibns  non  aufferatur  per  aliquem  mini- 
sterialem  vel  gastaldum  domini  episcopi,  sed  tantum  ipse  Dominicus 
PerrelloB  ....  ad  seryicium  monachi  permaueat. 

'  Eänk,  Fontes  11,  Ö,  Nr.  274,  zwei  Eigenieute  gehören  zur  curia  von  Os- 
sana  und:  episcopo  eiusque  gastaldioni  de  Vulsana  debent  subiecti  esse. 

*  Kink,  Fontes  H,  6,  Nr.  244,  246,  246,  247,  250  usw. 

*  Kink,  Fontes  11,  6,  Nr.  270,  273  usw. 

*  Hormayr,  Gesch.  Tirols  1,  II,  Nr.  41  (1188),  als  Zolleinnehmer  genannt, 
w&hrend  nach  späteren  Urkunden  der  Gastalde  mit  derselben  Funktion 
betraut  ist. 

«  Vgl.  oben  S.  889. 


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356 

des  Bistums  wird  der  Gastaldentitel  durch  den  des  Propstes 
verdrängt,  der  für  Bozen  schon  1237  in  der  Imbreviatur  des 
Notars  Jakob  der  gewöhnliche  ist^  und  bleibt.  Auch  in  Tra- 
min wird  die  Gastaldie  von  der  Propstei  abgelöst.* 

Nun  ist  es  allerdings  richtig  und  schon  wiederholt  bemerkt 
worden,  daß  die  Gastalden  vielfach  noch  andere  Geschäfte  be- 
sorgen, daß  sie  militärische  und  richterliche  Befugnisse 
hatten.  Stellen  wir  auch  hier  die  Angaben  der  Quellen  zu- 
sammen. Im  Jahre  1234'  wird  ein  Gastalde  fUr  Beseno  er- 
nannt. Er  erhält  den  Auftrag,  Recht  zu  sprechen  inter  homines 
episcopi,  jedoch  nur  in  bürgerlichen  Sachen;  die  Eriminalge- 
richtsbarkeit  behält  sich  der  Bischof  vor.  Zugleich  werden  ihm 
militärische  Befugnisse  eingeräumt,  indem  ihm  die  Wacht  (warda) 
des  Schlosses  Beseno  tibertragen  wird.  Er  war  also  zugleich 
Hauptmann  der  Burg  Beseno.  Die  richterlichen  Befugnisse 
dieses  Gastalden  sind  freilich  unklar.  Wenn  in  dieser  Bestal- 
lungsurkunde die  homines  episcopi  im  technischen  Sinne  zu 
nehmen  sind,  wie  es  von  vornherein  naheliegt,  so  könnten  dar- 
unter nur  die  Gotteshausleute  von  Trient  verstanden  sein  und 
die  Gerichtsbarkeit  des  Gastalden  wäre  lediglich  eine  hofrecht- 
liche gewesen,  hätte  sich  in  keiner  Weise  über  die  den  Gastal- 
den von  Haus  aus  zukommende  erhoben.  Eine  zweite  Bestal- 
lung vom  folgenden  Jahre  macht  die  Sache  nicht  klarer,  da 
sie  nur  auf  die  Stellung  anderer  Gastalden  hinweist.*  Andere 
Fälle  aber  lassen  keinen  Zweifel,  daß  Gastalden  vielfach  tat- 
sächlich eine  weitergehende  Gerichtsbarkeit  ausgeübt  haben. 
Der  Gastalde  von  Neumarkt  ist  geradezu  als  der  Richter  in 
der  neuen  Marktansiedlang  gedacht;  er  hat  nicht  nur  über 
Marktsachen,  sondern  auch  über  Verbrechen,  ja  sogar  Tot- 
schläge zu  entscheiden.^  Ebenso  sind  die  Gastalden,  welche 
in  Fleims  und  Rendena  Gericht  zu  halten  haben,  Eriminal- 
richter  ohne  Unterschied  über  Freie  und  Gotteshausleute.*  Die 
Gastaldie  Königsberg  wird  1260  vergeben  mit  der  Wacht  des 


A  Acta  Tirol.  2,  Nr.  672,  686,  712  usw. 

^  Ladurner,  Zeitschr.  des  Ferd.  III,  13,  163  (1344)  und  sonst  häufig. 

»  Kink,  Fontes  U,  5,  Nr.  169.    Ebenso  1236  a.  a.  O.  Nr.  171. 

*  Prout  alii  gastaldiones  facere  consueverunt,  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  171. 

«  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  36,  122. 

«  Schwind-Dopsch,  Urk.  z.  Verf.  Nr.  :i;  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  111. 


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367 

Schlosses  und  der  inrisdictio.^  Ahnlich  wird  es  sich  mit  Levico 
verhalten,  wo  ebenfalls  1258^  von  der  iorisdictio  gastaidie 
die  Rede  ist,  übrigens  eine  Urkunde  von  1213'  erhalten  ist, 
die  den  Subgastalden  in  richterlicher  Tätigkeit  zeigt.  Aach 
hier  war  wenigstens  später  der  Vikar  zugleich  Hauptmann  des 
Schlosses  Selva.  Die  Qastalden  des  Silberbergwerkes  haben 
Gerichtsbarkeit  in  Bergwerksachen  und  über  alle  die  zum  Berg- 
werke in  Beziehung  stehen,*  später  auch  über  die  Leute  von 
Civezzano.  Ein  Gastalde,  den  der  Bischof  1234  für  Prataglia 
ernennt,  hat  Gerichtsbarkeit  in  bürgerlichen  und  Kriminal- 
sachen über  alle  Leute,  die  in  der  Gastaidie  wohnen.^  Auch 
hier  war  das  Kommando  über  die  Burg  mit  der  Gastaidie  ver- 
bunden. Der  Gastalde  von  Riva  ist  als  Vorläufer  der  späteren 
Podestaten  schon  1218  mit  der  Vornahme  eines  gerichtlichen 
Aktes  betraut.^  Auch  bei  Riva  befand  sich  eine  Hauptburg 
des  Bistums,  deren  Bewachung  später  dem  Podestä  obliegt. 
Im  nahen  Tenno,  wo  sich  1211  die  Bevölkerung  eidlich  zur 
Treue  gegen  die  vom  Bistume  damals  neuerworbene  Burg  und 
zur  Haltung  des  Wachdienstes  auf  der  Burg  verpflichtet,  kommt 
dem  Gastalden,  den  der  Bischof  auf  die  Burg  entsenden  will, 
die  Übung  des  Burgbannes  zu.''  Später  wenigstens  ist  Tenno 
ein  eigener  Qerichtsbezirk  geworden,  der  von  dem  Hauptmanne 
des  Schlosses  verwaltet  wird.  Im  weitesten  Umfange  überträgt 
Bischof  Egno  1272  die  Gastaldien  Banale,  Preore,  Tione  und 
Rendena  mit  aller  Gerichtsbarkeit,  die  dem  Bischof  selber  zu- 
kommt.^ Dagegen  bleibt  die  Gerichtsbarkeit  des  Gastalden 
von  Metz  zweifelhaft,  die  sich  nach  einer  Urkunde  von  1264 
nur  über  quosdam  et  super  quosdam  homines  von  Vervö^  Pri6, 
Meano  in   Spormaggiore,   Toß,   Deutsch-  und  Welschmetz   er- 


*  an  liiabard  de  f^vo,  Orig.  Wien  St-A. 

«  Urkunde  1268  Mai  12  (Konzept),  Wien  St.-A.  Biachof  Egno  verpfändet 
alle  Einkünfte  und  iurisdictiones  gastaidie  dem  Wilhelm  und  seinen 
Brüdern  von  Levico. 

*  Urkunde  1213  August  18,  Innsbruck  St.-A.  Parteibriefe. 

*  Kink,  Fontes  H,  5,  Nr.  286,  287,  241 ;  Bonelli  2,  Nr.  96. 

*  Urkunde  1234  Juli  14,  Wien  St.-A.  Liber  iurium  in  valle  Lagari,  f.  3; 
Bischof  Aldrich  verleiht  die  Gkistaldie  dem  Olderious  de  Rambaldo  mit 
der  Gerichtsbarkeit  personarum  existencium  et  pertinentium  et  habitan- 
üum  in  ipsa  gastaldia. 

*  Urkunde  1218  Juni  17,  Wien  St.-A.  (Dominez  196). 
'  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  100.  «  Oben  S.  362  n.  1. 


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358 

streckt.*  Da  dürften  wohl  eher  nur  die  Gotteshansleute  dem 
Gerichte  des  Gastalden  nnterstanden,  sein  Gericht  ein  hofrecht- 
liches gewesen  sein.  Die  Gastalden  endlich  von  Margreid, 
Cembra,  in  späterer  Zeit  die  von  Enn,  die  tirolischen  von 
Gries,*  von  Castello,®  Salurn,  die  zum  Teile  erst  gegen  Aus- 
gang des  13.  oder  zu  Beginn  des  14.  Jahrhunderts  erwähnt 
werden,  sind  nichts  anderes  als  Landrichter,  wie  sie  denn  häufig 
gleichzeitig  den  Titel  eines  iusticiarius  oder  iudex  führen.  In 
diesen  deutschen  Teilen  des  Etschtales,  die  sämtliche  tirolisch 
geworden  waren^  ist  der  Gastaldentitel  einfach  auf  den  Land- 
richter übertragen  worden  und  hat  sich  in  dieser  Bedeutung 
sogar  länger  als   an  den  meisten  Orten  Welschtirols  erhalten. 

Somit  ergibt  sich,  daß  die  Kompetenz  der  Gastalden 
eine  verschiedene  war,  der  eine  öffentliche  Gerichts- 
barkeit verwaltete,  der  andere  nicht;  der  eine  ist  nur 
für  bürgerliche  Sachen  zuständig,  die  meisten  auch  für  Krimi- 
nalfäUe.  Noch  ein  zweites  läßt  sich  bemerken.  Jene  Gastal- 
den, die  richterliche  Tätigkeit  üben,  sind  zugleich  fast  aus- 
nahmslos Burghauptleute,  mit  der  Bewachung  einer  Burg  be- 
traut. Es  hat  auch  hier  eine  Vereinigung  mehrerer  Kompetenzen, 
mehrerer  Amter  in  einer  Hand  stattgefunden. 

Doch  nicht  überall  ist  es  zur  Vereinigung  gekommen, 
nicht  alle  Gastalden  sind  Burghauptleute  und  Richter 
geworden.  Besonders  lehrreich  sind  die  Verhältnisse  in 
Bozen  und  im  Nonstale.  Die  Grafschaft  Bozen  war  nach 
dem  Aussterben  der  Grafen  von  Morit-Greifenstein  um  1170 
an  das  Bistum  heimgefallen ^  und  nur  zu  einem  Teile  den  Grafen 
von  Tirol  verliehen  worden.  Den  anderen,  wahrscheinlich  ein 
Drittel,  hatten  sich  die  Bischöfe  vorbehalten.  Dieser  bischöf- 
liche Anteil  fand  darin  seinen  Ausdruck,  daß  ein  bischöflicher 
Beamter  zugleich  mit  einem  tirolischen  dem  echten  Dinge,  dem 
Ealichtaidung  oder  ,Landgerichte'  vorsaß  und  einen  Teil  der 
Bannbußen   für   den  Bischof  erhob.^    Im   übrigen  scheint  eine 


^  Urkunde  1264  Jänner  9,  Wien  St.-A.  (Dominez  438). 

*  1288  November  24,  Geroldus  gaataldius,  Wien  St.-A.;   Dezember  4,  Ge- 
roldus  iudex  a.  a.  O.;  1293  Dezember  1,  Geroldus  gastaldio  usw. 

'  1325  Juli  12,  Gotschalcus  de  Bozano  gastaldio  piebis  Enne  et  comitatus 
Castelli  et  Cavriane. 

*  Huber,  Gesch.  Österreichs  1,  50ö. 

*  Schwind-Dopsch,  Urk.  z.  Verf.  Nr.  22. 


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359 

räamliche  Teilang  stattgefanden  zu  haben;  dem  Grafen  von 
Tirol  stand  das  Gericht  Gries,  dem  Bischof  das  Stadtgericht  in 
Bozen  zu.  Mit  der  Wahrung  der  bischöflichen  Gerichtsbarkeit 
war  1208  der  Gastalde  von  Firmian  betraut^  der  zugleich  Schuld- 
heiß des  Grafen  von  Tirol  sein  sollte.  Firmian,  bekanntlich  das 
heutige  Sigmundskron  bei  Bozen^  war  eine  Hauptburg  des  Bis- 
tumS;  zugleich  der  Mittelpunkt  der  bischöflichen  Verwaltung 
für  die  umliegenden  Gebiete.  Vor  allem  erscheint  der  Gastalde 
in  gewissen  Beziehungen  zu  Fleims,^  scheint  dort  auch  zeitweise 
Gericht  gehalten  zu  haben.  Begreiflich;  als  man  den  Fleimsern 
einen  eigenen  Gerichtsbezirk  zugestand,  das  Versprechen  gab, 
jährlich  zweimal  einen  Gastalden  ins  Tal  zu  senden,  der  das 
Gericht  abhalten  sollte,  wie  dies  Uli  oder  1112  geschah,*  wies 
man  dazu  den  nächsten  an,  der  zur  Verfügung  stand,  und  das 
war  damals  wohl  der  von  Firmian,  denn  Neumarkt  ist  erst  viel 
später,  Tramin  als  Weinort  gar  erst  um  Beginn  des  13.  Jahr- 
hunderts angelegt  worden.  Kein  Wunder,  wenn  derselbe  Be- 
amte nun  auch  mit  der  bischöflichen  Gerichtsbarkeit  in  Bozen 
betraut  wurde.  Auf  einen  verfassungsmäßigen  Zusammenhang 
namentlich  des  Fleimsertales  mit  der  Gastaldie  Firmian,  wie 
£^ger  denkt,'  kann  daraus  kaum  geschlossen  werden.  Mit  Bo- 
zen bestand  ein  solcher  gewiß  nicht.  Wir  wissen  wenigstens, 
daß  Bozen  seit  der  bayrischen  Einwanderung  zum  Herzogtum 
Bayern  und  damit  im  10.  Jahrhundert  zum  ostfränkischen  König- 
reiche gehörte,  Firmian  jedoch  die  erste  italienische  Burg  war, 
welche  König  Berengar  H.,  von  Schwaben  aus  über  den  Vintsch- 
gau  nach  Italien  ziehend,  durch  die  Leute  des  Erzbischofs  Ma- 
nasse  von  Ärles,  der  die  Mark  Trient  nebst  Verona  und  Mantua 
kraft  einer  Schenkung  König  Hugos  innehatte,  besetzt  fand.^ 
Es  muß  also,  worauf  schon  Huber  hingewiesen  hat,  Firmian 
zur  Grafschaft  Trient  gehört  haben  ^  und  erst  später  zum  Ge- 
richte Bozen  geschlagen  worden  sein.  Übrigens  hat  sich  die 
Verbindung  Firmians  mit  Fleims  nicht  auf  die  Dauer  erhalten. 


1  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  28. 

•  Schwind-Dopsch,  a.  a.  O.  Nr.  8. 

*  Mitteil,  des  Inst.  Ergb.  4,  413. 

^  Liadprand,  Antapodosis  lib.  V,  c.  26,  SS.  RR.  Germ,  in  usum  scolarum 

113. 
^  Mitteil,  des  Instit  2,  871. 
ArchiT.  94.  Band,  U.  H&lfto.  25 


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360 

Auch  nicht  die  mit  Bozen.  Schon  1211  und  1212*  werden  ein 
Adelpret  und  Konrad  als  Justiziare  erwähnt.  Ein  genaues  Bild 
der  Gerichtsverfassung  von  Bozen  gewähren  die  Imbreviaturen 
des  Notars  Jakob  von  1237  und  1242.  Darnach  sitzen  dem 
echten  Ding  in  Bozen  als  Justiziare  vor  der  Landrichter  von 
Gries  namens  des  Grafen  von  Tirol  und  ein  oder  auch  mehrere 
bischöfliche  Justiziare,  die  bischöflichen  Ministerialengeschlech- 
tern aus  der  Umgebung  von  Bozen  entnommen  sind.  Das  Stadtge- 
richt liegt  in  den  Händen  des  bischöflichen  Justiziars,  der  es  durch 
einen  von  ihm  gesetzten  Assessor  verwalten  läßt.  Das  echte  Ding 
ist  indes  auf  Bußfälle,  Eigen-  und  Schuldsachen  beschränkt,  die 
Blutsgerichtsbarkeit  liegt  in  den  Händen  des  Grafen  von  Tirol  und 
seines  Schuldheißen.*  Neben  diesen  richtenden  Gastalden  und  Ju- 
stiziaren  erscheint  schon  früh,  zuerst  1192,  ein  anderer  Gastalde, 
der  ebenfalls  bischöflicher  Beamter  ist.'  Beide  Amter  werden 
auf  das  schärfste  geschieden.  In  der  Bestallungsurkunde  zweier 
Justiziare  vom  Jahre  1238  werden  die  beiden  zwar  investiert 
de  iusticia  Bozani  oder,  wie  es  im  weiteren  Wortlaute  der  Ur- 
kunde heißt,  mit  der:  gastaldia  sive  iusticiaria,  jedoch:  salvo 
iure  gastaldie  Ernesti.  Dieser  Ernst  wird  in  den  Imbreviaturen 
von  1237  und  1242  und  anderen  Urkunden  oft  genannt,*  zu- 
meist als  Propst.  Er  hat  die  Verwaltung  der  umfassenden  bi- 
schöflichen Güter  zu  führen  und  darüber  Rechnung  zu  legen.* 
Seine  Aufgabe   ist  es,    die   Zinse   und   Giebigkeiten,    die   dem 


»  Kink,  a.  a,  O.  Nr.  94,  Urkunde  1212  Jänner  30,  Innsbruck  St.-A.,  Trient 

C.  2,  Nr.  11. 
«  Acta  Tirol.  2,  Einl.  204  f. 

*  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  63;  Federicus  de  Vgna,  Montebello,  Notizie  storiche 
della  Valsugana  Nr.  8  (1216). 

*  Z.  B.  Acta  Tirol.  1,  Nr.  663. 

*  Acta  Tirol.  2,  Nr.  686:  der  Podesta  von  Trient  beauftragt  ihn,  ihm  allein 
zu  gehorchen:  et  racionem  sibi  faciat  de  suo  officio,  quam  habet  et  tenet 
a  d?  episcopo  et  computet  cum  eo  de  bonis  episcopatus  et  ei  rationem 
faciet  in  omnibus  et  per  omnia,  Urkunde  1237  Dezember  4,  Wien  St.-A. 
(Dominez  Nr.  315  unvollständig):  Der  Bischof  erklärt  sich  befriedigt  de 
omnibus  redditibus  sue  gastaldie  et  de  omni  eo,  quod  episcopus  ei  Er- 
nesto  umquam  ad  obsorvandum  dederat  et  insuper  de  toto  eo,  quod  Er- 
nestus  de  bonis  episcopatus  usque  in  illum  diem  quoquo  modo  habuerat; 
et  facta  ratione  erklärt  der  Bischof  ihm  noch  120  Pfund  zu  schulden, 
von  denen  sich  Ernst  ex  frugibus  gastaldie  venturi  anni  bezalilt  machen 
soll. 


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361 

Gotteshaose  zukommen;  einzusammeln.^  Er  nimmt  namens  des 
Bischofs  Pachtungen  vor;^  er  vertritt  die  Interessen  des  Gottes- 
hauses vor  Gericht,*  gibt  seine  Zustimmung  bei  Verfügungen 
über  Grund  und  Boden,  der  dem  Gotteshause  zinst/  er  inter- 
veniert bei  Austausch  oder  Teilung  Unfreier;^  er  ist  endlich 
Richter  über  die  Gotteshausleute®  und  hält  das  bischöfliche 
Lehensgericht  in  Bozen.  Hier  ist  also  ein  Gastalde,  der 
nicht  öffentlicher  Richter  ist;  er  ist  wohl  älter  als  der 
richtende  Gastalde,  höchstwahrscheinlich  geht  er  vor  1170  zu- 
rück und  mag  neben  dem  Grafen  von  alters  her  als  Verwalter 
der  bischöflichen  Güter  und  Rechte  bestanden  haben.  Schon 
in  der  Beurkundung  der  Fleimser  Privilegien  von  1111  wird 
zu  Bozen  ein  prepositus  unter  den  boni  homines  genannt.*^  Es 
dürfte  nicht  zu  kühn  sein,  schon  in  diesem  Manne  den  bischöf- 
hchen  Gastalden  und  Propst  zu  sehen.  Warum  nicht  diesem 
Gastalden  von  Bozen,  sondern  dem  von  Firmian  nach  1170  die 
Besorgung  der  neuerworbenen  Gerichtsbarkeit  überlassen  wurde, 
darauf  freilich  geben  die  Quellen  keine  Antwort  und  es  wäre 
mttßig,  sich  in  Vermutungen  zu  ergehen. 

Das  zweite  ^Gebiet,  in  dem  die  Gastalden  keine 
öffentliche  Gerichtsbarkeit  ausüben,  ist  der  Nonsberg. 
Frühzeitig,  wohl  schon  von  alters  her,  bildet  das  Tal  des  Noce 
einen  eigenen  Gerichtsbezirk.  Doch  nicht  die  Gastalden  sind 
es,  die  hier  Gericht  halten,  sondern  ein  eigener  bischöflicher 
Beamter,  der  Vizedom,  den  wir  in  Quellen  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  12.  und  der  ersten  des  13.  Jahrhunderts  treffen. 
Doch  ist  das  Amt  gewiß  auch  hier  uralt.^  Die  Quellen  lassen 
zweierlei  Vizedome  unterscheiden.  Die  vicedomini  curie  oder 
Tridentini  episcopatus^  sind  hohe  Geistliche,  meist  Mitglieder 
des  Domkapitels,  vielfach  gerade  diejenigen,  welche  nach  dem 
Tode  des  Bischofs  auf  den  bischöflichen  Stuhl  erhoben  worden 
sind,  die  ersten  Beamten  des  Bischofs,  seine  Stellvertreter  in  der 


»  Acta  Tirol.  2,  Nr.  712.  «  a.  a.  O.  Nr.  740. 

»  a.  a.  O.  Nr.  798,  853.  *  a.  a.  O.  Nr.  847,  848. 

»  Acta  Tirol.  1,  Nr.  563;  2,  Nr.  866. 

•  Acta  Tirol.  2,  Einl.  207.  '  Schwind-Dopsch  Nr.  3. 

•  Vgl.  Waitz,  Deutsche  Verfeflsungsgesch.'  2,  II,  19;    Salvioli  m,  6,  96; 
Pertile'  1,  326;  Brunner,  Bechtsgesch.  2,  307  f. 

»  Dieser  Titel  findet  sich  z.  B.  Urkunde  1217  April  16,  Wien  St.-A.  (Do- 
minez  188)  und  Aprü  26,  ebendort,  usw. 

26* 


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362 

geistlichen  und  weitlichen  Verwaltung,  namentlich  bei  Abwesen- 
heit oder  Verhinderung  ihres  Auftraggebers.* 

Neben  ihnen  erscheinen  mit  weit  beschränkterer  Befugnis 
und  in  tieferer  sozialer  Stellung  andere  Vizedome.  Eine  Urkunde 
von  1159*  weist  die  Beurteilung  schwerer  Verbrechen,  Mord, 
Ehebruch,  Incest,  dem  Vizedom  und  Archidiakon  zu.  Werden 
diesem  die  beiden  letztgenannten  Fälle  vorbehalten  sein,  so 
würde  dem  Vizedom  der  erste  zugestanden  haben.  Näheres 
wissen  wir  über  den  Vizedom  im  Nonsberg.*  Zu  dieser  Art 
von  Beamten  zählen  wohl  schon  die  Vizedome  Bertold,  Warim- 
bert  von  Cagnö  und  sicherer  Bertold  von  Cles,*  der  gleichzeitig 
mit  Konrad  von  Beseno,  Domdekan  und  vicedominus  Triden- 
tinus,  genannt  wird,  also  nicht  Vizedom  des  ganzen  Bistums 
gewesen  sein  kann.  Mehr  wissen  wir  von  Peter  von  Malosco, 
der  als  Vizedominus  Ananie  im  zweiten  Dezennium  des  13.  Jahr- 
hunderts ungemein  häufig  in  den  Urkunden  erscheint.^  Er  ist 
Laie^  entstammt  einem  kleinen  Ministerialengeschlechte  des 
Nonsbergs.  Er  wird  als  iurisperitus  bezeichnet,  ist  also  unzwei- 
felhaft ein  Rechtskundiger  gewesen  und  gehört  dem  EoUeg  der 
ludices  an,  deren  Aufgabe  es  war,  als  Sachwalter  den  Par- 
teien beizustehen,  vor  allem  aber  die  Rechtsgutachten  zu  er- 
teilen, welche  die  Parteien  im  Prozesse  von  ihnen  forderten,^ 
und  die  vielfach  auch  als  Assessoren  und  sonst  als  Richter  ver- 
wendet wurden.  Auch  Peter  ist  als  vicegerens  des  Grafen  Al- 
brecht von  Tirol  während  seiner  Podestarie  in  Trient  nachweis- 
bar.'' Scharf  scheidet  sich  seine  Tätigkeit  von  der  des  gleich- 
zeitigen Vizedoms  Bertold  von  Neiflfen,  des  späteren  Bischofs 
von  Brixen.  Auch  Peter  befaßt  sich  mit  der  wirtschaftlichen 
Verwaltung  des  bischöflichen  Gutes.  Er  nimmt  dabei  eine  den 
Gastalden  übergeordnete  Stellung  ein.  Von  seiner  richterlichen 
Tätigkeit  sind  freilich  nur  geringe  Spuren  vorhanden,  vorwie- 
gend Inquisitionen  über  die  bischöflichen  Besitzungen  und  Ge- 


1  Vgl.  Zeitschr.  des  Ferd.  m,  38,  128. 
«  Kink,  Fontes  H,  6,  Nr.  6. 

*  Über  diesen  Inama,  Archivio  Trentino  14,  181  f.  und  Storia  delle  VaUi 
di  Non  e  Sole  104  f.;  Beich,  I  luogotenenti,  assessori  e  massari  8  f. 

*  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  21,  29,  47,  60  usw. 
»  Seit  1208  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  244. 

*  Ficker,  Forschungen  8,  17  f. 

»  Urkunde  1206  Mai  27,  Wien  St.-A. 


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363 

rechtsame.^  Er  erläßt  Befehle  unter  einem  Banne  von  60  Schil- 
ling. Häufig  aber  wird  der  Gerichtsbarkeit  des  Vizedome  Erwäh- 
nung getan  in  Urkunden,  in  denen  Hörigen  die  Freiheit  gewährt 
oder  bäuerliche  Leute  in  den  Adelsstand  erhoben  werden.  Hier 
wird  das  Gericht  des  Vizedoms  dem  bischöflichen  gleichgestellt, 
vom  Gerichte  des  Gastalden,  Kellners  oder  Scarius  auf  das  be- 
stimmteste geschieden.'  Das  kann  nur  soviel  bedeuten,  daß 
das  Gericht  des  Vizedoms  im  Gegensatze  zu  dem  des  Gastal- 
den  ab  ein  öffentliches,  dem  bischöflichen  gleichgeordnetes  gilt. 
Im  Nonsberge  sind  die  Gastalden  nie  öffentliche  Richter  ge- 
worden; sie  sind  stets  Wirtschaftsbeamte  geblieben.  Die  öffent- 
liche Gerichtsbarkeit  aber  ist  seit  dem  Verschwinden  der  Vize- 
dome an  die  Hauptleute  oder  Vikare  gekommen,  deren  anfangs 
je  einer  ftlr  den  Nons-  und  Sulzberg,  später  ein  einziger  ftlr 
das  ganze  Tal  ernannt  worden  ist.^ 

Wo  aber  die  ursprüngliche  Bedeutung  der  Gastaldie  zu 
suchen  ist,  das  dürfte  nicht  zweifelhaft  sein.  Eher  in  Bozen 
und  im  Nonsberge,  wo  das  Amt  beim  Vorhandensein  eines 
öffentlichen  Richters  auf  seine  wirtschaftlichen  Befugnisse  be- 
schränkt bleibt^  als  dort,  wo  es  eine  bunte  Menge  anderer  mili- 
tärischer und  richterlicher  Befugnisse  aufweist.  Im  übrigen 
kein  Wunder,  wenn  der  Wirtschaftsbeamte  mit  ausgedehnterem 
Wirkungskreise  betraut  wird.  Sehen  wir  das  gleiche  doch  auch 
anderwärts.     Auch  auf  den  Dörfern  des  Domkapitels  von  Ve- 


»  Kink,  a.a.O.  Nr.  272  (1218);  Urkunde  1217  JuH  4,  Wien  St-A.  (Do- 
mines 189). 

*  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  277. 

*  Kink,  Fontes  n,  6,  Nr.  251,  ein  Mann,  der  mit  Bann  und  Abgaben  be- 
lehnt  wird :  noUis  miniBterialibas  subiaceat,  tantum  pro  episcopo  et  vice- 
domino  racionem  faciat;  Urkunde  1208  April  80,  Wien  St-A.:  neque 
facere  racionem  non  debent  sab  gastaldis  suis,  nisi  coram  episcopo  vel 
snom  vicedominum  (handelt  sich  um  Nonsberger,  Eigenleute  des  Fede- 
ricus  von  Gagn6);  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  96  (1211);  Urkunde  1216  Juli  12, 
Wien  St-A.  (Dominez  181):  et  non  teneantur  facere  racionem  pro  ali- 
quo  gastaldione  nee  canlpario  seu  scarione  nee  pro  aliquo  alio,  nisi 
tantum  pro   episcopo  et  eins  vicedomino  usw.;  vgl.  unten  Abschnitt  4. 

*  Vgl.  Inama,  Archivio  Trentino  14,  188.  Älteste  Nachrichten  von  1271, 
Hormajr,  Geschichte  Tirols  1,  II,  441,  Otto  capit  Annanie  und  1272 
Juni  25,  wo  ein  Hauptmann  mit  richterlichen  Befugnissen  für  den  Sulz- 
berg ernannt  wird,  Imbreviaturbuch  des  Zacheus  144,  Wien  St-A.;  seit 
1280  vereinigt,  so  wenigstens  gefordert  von  Bischof  Heinrich,  Dominez, 
Begesto  cronologico  161. 


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364 

rona  trafen  wir  einen  Gastalden,  der  später  das  Amt  eines 
Vizecomes  und  damit  gerichtliche  Befugnisse  öffentlich  recht- 
licher Natur  erwirbt.  Und  Jakob  von  Lizzana  bestellt  einen 
villicus^  also  ebenfalls  einen  Wirtschafbsbeamten  in  einer  viel 
berufenen  Urkunde,  um  den  Leuten  der  Pfarre  Lizzana^  in  der 
ihm  Grafschaftsgewalt  übertragen  ist^  am  Berg  und  im  Tal, 
Deutschen  und  Welschen  Recht  zu  sprechen.^  Erklärlich^  daß 
diese  Gutsbeamten  mit  der  Bewachung  der  in  ihrem  Amtsbe- 
zirk gelegenen  Burgen  und  in  der  Folge,  als  sich  die  Notwen- 
digkeit ergab,  die  Gerichtsbezirke  zu  vermehren,  vielfach  mit 
der  Gerichtsbarkeit  betraut  wurden,  daß  sie  beauftragt  wurden, 
in  jenen  Tälern  die  Gerichtstage  abzuhalten,  welchen  das  Recht 
besonderer  Gerichtsbarkeit  zugestanden  wurde  wie  Fleims  und 
Rendena,  ohne  daß  ein  eigener  Gastalde  in  ihrem  Tale  ständig 
seinen  Wohnsitz  aufschlagen  durfte. 

Diese  weitgehende  Verwendung  wirtschaftlicher  Beamter 
zu  öffentlich  rechtlichen  Funktionen  setzt  voraus,  daß  vor  Er- 
werb der  Grafschaftsrechte  durch  das  Bistum  bereits  eine  wohl- 
organisierte Grundherrschaft  bestanden  hat.  Und  daran  dürfte 
nicht  zu  zweifeln  sein.  Gewiß  nicht  aller  Grundbesitz,  der 
später  bischöflich  war,  ist  es  vor  Erwerb  der  Grafenrechte  ge- 
wesen. Vieles  wird  Grafschaftsgut  gewesen  sein,  das  erst  mit 
der  Grafschaft  an  das  Bistum  überging,  die  Schlösser  vor  allem. 
Denn  sicher  war  schon  das  langobardische  Herzogtum,  das  eine 
bedeutende  Rolle  spielt  —  man  denke  nur  an  die  Stellung  des 
Herzogs  Euin,  der  mit  einer  bayrischen  Herzogstochter  ver- 
mählt war,^  oder  an  den  Aufstand  des  Herzogs  Alahis  —  reich 
mit  Grundbesitz  ausgestattet.'  Immerhin  muß  die /^tliederung 
des  bischöflichen  Grundbesitzes  in  Gastaldien,  die  Verwendung 
von  Gastalden  als  Wirtschaftsbeamte,  auch  wohl  als  Immunitäts- 
richter schon  vor  Erwerb  der  Grafschaftsrechte  vorhanden  ge- 
wesen sein,  da  man  gerade  an  sie  anknüpfte,  als  neue  Bedürf- 
nisse die  Ausgestaltung  eines  Beamtenorganismus  in  dem  neuen 
Territorium  notwendig  machte.  Denn  so  sehr  die  Versorgung 
des  bischöflichen  Hofes  auf  Naturalwirtschaft  und  damit  auf 
dem  Feudalwesen  aufgebaut  war,  so  sind  doch  im  Bistum  Trient 
gewisse  militärische  Hoheitsrechte,   namentlich  die  Wacht  der 

1  Zotti,  Storia  della  Valle  Lagarina  1,  467  (1226). 

■  Paulus  Diac.,  Hiat  Langob.  Hb.  3  c.  10.  MM.  SS.  Rerum  Langobard.  97. 

»  a.  a.  O.  5,  c.  36  f.;  a.  a.  O.  166. 


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365 

bischöflichen  Bargen  and  der  Bargbann  nur  zam  Teile^  das 
Gerichtswesen  sogar  nar  zum  kleineren  Teile  feadalisiert  wor- 
den, sind  diese  Hoheitsrechte  in  der  Mehrzahl  von  bischöflichen 
Beamten  verwaltet  worden,  die  man  eben  den  Reihen  der  alten 
Wirtschaftsbeamten  entnahm. 

Als  die  Immnnitätsbeamten  auch  Grafschaftsbe- 
amte geworden  waren,  war  die  Scheidung  zwischen  Immuni- 
täts-  und  Grafschaftsgebiet  bedeutungslos  geworden,  da  wur- 
den die  Immunitätsleute  den  öffentlichen  Gerichten 
unterstellt.  Nur  dort,  wo  die  Immunitätsbeamten  und  Graf- 
schaftsbeamten nicht  zusammenfielen,  ist  die  Scheidung  aufrecht 
erhalten  worden  wie  in  Bozen  und  im  Nonsberge,  wo  übrigens 
auch  nur  die  unfreien  Gotteshausleute  unter  der  gutsherrlicheu 
Gerichtsbarkeit  der  Gastalden  verbleiben,  die  freien  dem  öffent- 
lichen Gerichte  untergeordnet  werden,  das  in  der  Folge  das 
Gastaldengericht  ganz  verdrängt  hat. 

Dieses  Amt  der  Gastalden  verschwindet  um  die  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts.  Im  deutschen  Etschland  tritt  der  Landrichter, 
der  freilich  noch  länger  ab  und  zu  als  Gastalde  bezeichnet  wird, 
im  italienischen  Teile  des  Bistums  der  Hauptmann  an  seine 
Stelle.  Jedoch  nicht  völlig.  Dem  Hauptmann  kommt  lediglich 
das  Kommando  in  der  Burg,  die  den  Mittelpunkt  seines  Ver- 
waltungsbezirkes bildet,  der  Burgbann  und  der  Gerichtsbann 
zu;  die  wirtschaftlichen  Seiten  des  Gastaldenamtes  übernehmen 
Massare,  Kellner  usw.  Was  den  Anlaß  zu  dieser  Änderung 
gegeben  hat,  ist  nicht  ganz  klar.  Sie  setzt  mit  der  Reichsver- 
waltung des  Bistums  ein  und  ist  in  den  ersten  Dezennien  der 
zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts,  den  Zeiten  des  Bischofs 
Egno  und  Grafen  Meinhards  II.  durchgeführt.^  Vermutlich  steht 
sie  im  Zusammenhange  mit  der  verstärkten  Aufmerksamkeit, 
die  von  nun  der  Instandhaltung  der  Burgen  zugewendet  wird. 
Die  Kämpfe  Friedrichs  H.  gegen  die  benachbarten  guelfischen 
Städte  Oberitaliens,  dann  der  Bestrebungen  Ezelins  von  Ro- 
mano^ sich  die  Kräfte  des  Bistums  nutzbar  zu  erhalten,  andrer- 
seits das  Bemühen  des  Bischofs  Egno,  Ezelin  zu  verdrängen 
und  das  Bistum  im  vollen  Umfange  zu  behaupten,  in  der  Folge 
die  Wirren  zwischen  den  Grafen  von  Tirol  und  den  Bischöfen 
hatten  die  militärische  Bedeutung  des  Bistums  und  seiner  festen 


Hauptmann  in  Stenico,  Fickeri  Forschungen  Nr.  383  (1242). 


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366 

Plätze  erhöht.  Kleine  Besatzungen  werden  in  die  wichtigeren 
Bargen  gelegt.^  Damit  tritt  die  militärische  Seite  des  Amtes 
mehr  hervor  nnd  von  ihr  erhält  es  nan  den  Namen.  Auch 
der  Beamte  ist  ein  anderer  geworden,  militärische  Tüchtigkeit 
entscheidet  nunmehr;  er  wird  den  ritterlichen  Klassen  entnom- 
men. Später  hat  dann  Meinhard  II.  während  seiner  Okkupa- 
tion des  Bistums  diese  Amter  meistens  an  seine  deutschtiroli- 
schen  Ministerialen  verliehen.  Als  Bischof  Egno  im  Jahre  1259* 
allen  Gastalden  und  Hauptleuten  die  Gerichtsbarkeit  entzog^ 
konnte  er  zwar  nicht  damit  durchdringen,  wie  ja  auch  sein  Ge- 
setz jene  Gerichtsbarkeiten  beließ,  die  von  alters  her  gekommen 
waren;  aber  dennoch  dürfte  es  auf  diese  Bestimmung  zurück- 
gehen, wenn  so  manche  Gastaldien,  die  selbständige  Gerichts- 
bezirke geworden  waren,  wie  Sopramonte,  Rendena  später  nicht 
mehr  als  solche  erscheinen. 

Fragen  wir  nun  nach  dem  Umfange  und  der  Gliederung 
der  Gastaldien.  Der  Umfang  der  Gastaldien,  das  ist  jenes  Ter- 
ritorium, das  der  Amtsgewalt  des  Gastalden  unterstand,  bt  ein 
sehr  verschiedener.  Es  umfaßt  bald  nur  eine  Pfarre,  bald 
mehrere;  eine  Pfarre  vielfach  dort,  wo  die  Gastalden  Richter 
sind.  Dann  unterliegen  in  der  Regel  die  Pfarrleute  gleichzeitig 
dem  Burgbanne  des  Gastalden.'  Denselben  Umfang  weisen 
Gastaldien  auf  wie  Fleims,  Sopramonte,  die  vermutlich  aus 
Kolonistensiedlungen  erwachsen  sind.  Dagegen  sind  die  Gastal- 
dien im  Nons-  und  Sulzberg  viel  größer,  umfassen  mehrere  Pfar- 
ren. Nicht  jede  Gastaldie  hat  ihren  Gastalden.  In  Judikarien, 
in  Fleims,  in  Sopramonte  wird  die  Gastaldie  von  einem  Ga- 
stalden versehen,  der  zugleich  noch  anderen  Gastaldien  vor- 
steht.* Das  Wort  Gastaldie  wird  dann  für  einen  besonderen 
Gerichts-  und  Verwaltungssprengel  gebraucht,  der  auch  von 
einem  auswärtigen  Beamten  versorgt  werden  kann.  Auf  die 
territoriale  Ausbildung  der  späteren  Gerichtssprengel  sind  die 
Gastaldien  in  der  Regel  nur  dort  von  Bedeutung  geworden,  wo 
die  Burg  den  Mittelpunkt  der  Gastaldie  bildet,  der  Gastalde 
Burgbann  übt,  nicht  aber,  wo  er  Wirtschaftsbeamter  geblieben 
ist  wie  im  Nonsberg. 


*  Vgl.  den  Brief  Ezelins  an  Sodegher  de  Tito  von  1240  Febrnar  16,  Wien 

St-A.  (Dominez  323). 
«  1269  November  11.    Imbreviatur  des  Notars  Zacheos  f.2^  Wien  Si-A. 
'  Vgl.  S.  31  dieses  Bandes.  «  Vgl.  oben  S.  350  f. 


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367 

Als  Unterabteilang  der  Gastaldien  treffen  wir  De- 
kanien^  aber  nicht  so  durchgängig  als  man  wohl  gemeint  hat.^ 
Schon  Egger  hat  die  Dekanien  zusammengestellt^  die  er  in 
Südtirol  fand.'  Es  sind  die  drei  jadikarischen  Dörfer  Bregazzo^ 
Bolbeno  und  Bondo^  femer  werden  genannt  Dekanien  in  Ren- 
dena,  Banale,  Storo,  Cimego,  Primione,  Comano  in  Judikarien, 
wozu  noch  Bleggio  zu  zählen  ist;'  im  Nons-  and  Salzberg  Os- 
sana,  Vermiglio,  Monclassico,  daza  noch  Romeno;^  in  der  Um- 
gebung von  Trient  Vigolo  Vattaro,  Fomace,  Pergine,  Pini,  Le- 
vicoy  dazu  noch  Oveno  in  Sopramonte,^  Viarago;^  nördlich  von 
Trient  Sover  and  Lisignago,  Cembra,  dazu  noch  Metz^  und 
Fleims;^  seltener  im  Lagertale,  wo  nur  in  Folgareit  Dekane  nach- 
gewiesen sind.  So  finden  sich  Dekane  und  Dekanien  aller- 
dings im  größten  Teile  des  Bistums,  abgesehen  vom  Lagertale. 
Dabei  bleibt  es  zweifelhaft,  ob  jedem  Dekane  eine  Dekanie 
entsprach,  ob  also  die  Dekanie^  durchaus  lokale  Bedeutung  ge- 
wonnen hat.  Sicher  ist  dies  in  Judikarien  und  in  der  Umge- 
bung von  Pergine  der  Fall  gewesen.  Die  drei  Dörfer  des  Dom- 
kapitels von  Verona  in  Judikarien  werden  als  Dekanie  bezeich- 
net,^ Rendena  zerfällt  in  Dekanien.^^  Zur  Dekanie  Fomace 
gehören  Albiano,  Vigo,  Miola,  Tressilla,  Mazzanigo,  San  Mauro, 
also  eine  Reihe  von  Ortschaften.  Soviel  sich  erkennen  läßt, 
sind  die  Dekane  herrschaftliche  Beamte  gewesen;^^  öffent- 
liche Beamte  wie  die  altlangobardischen  Dekane^'  sind  sie  nicht, 
Qerichtsbarkeit  kommt  ihnen  nicht  zu.  Die  Aufgabe  des  De- 
kans ist  es,   die  bischöflichen  Einkünfte   zu  sammeln.     So  ist 


>  z.  B.  Pertile*  1,  336;  Salvioli,  Atti  IH,  6,  100  f. 

*  Zeitschr.  des  Ferd.  m,  41,  240. 

*  1234  AuguBt  14,  Innsbrnck  St-A.  G.  62,  Nr.  12:  Pelegrinos  decanuB  de 
Bleggio. 

^  Warimbeiias  de  Sio  deganus  de  snprascripta  gaataldia  de  Bomeno,  Ur- 
kunde 1263  Jali  3,  Wien  St-A.  (Dominez,435). 
B  Reich,  Tridentom  6,  152. 

*  Gerola,  Tridentom  5,  393. 

^  Urkunde  1264  Jänner  9,   Wien  St-A.  (Dominez  438),   der  Dekan  hat 

eine  Rimannia  zn  Lehen. 
'  Um  1242  Delaydos  decanuB,  Wien  St-A.;   auch  der  Vorsteher  von  Ga- 

stello  hieß  im  Yolksmund  Dekan,  Egger,  Zeitschr.  des  Ferd.  III,  41,  241. 

*  Vgl.  oben  S.  818.  "  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  111. 
"  Vgl.  Waitz,  Verfassungsgesch.»  1,  486;  2,  n,  18. 
^  Vgl.  PertUe»  1,  107. 


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368 

der  Dekan  von  Fornace  beauftragt,  die  Abgaben  der  Äriman- 
nen  in  Empfang  zn  nehmen  und  bei  Handänderung  eines  mit 
der  Rimania  belasteten  Hofes  zu  intervenieren.^  Der  Dekan 
ist  dem  Gastalden  untergeordnet  und  sein  Hilfsorgan,  wo  eine 
Gastaldie  besteht.  Warimbert  von  Sio  wird  1263  geradezu  als 
Dekan  der  Gastaldie  Romeno  bezeichnet.  Die  Dekanien  haben 
keinen  Einfluß  auf  die  Entwicklung  der  Landgerichte  genom- 
men, sie  sind  nie  Gerichtssprengel  gewesen.  Orts  Vorsteher  ist 
der  Dekan  nie  gewesen.  Manches  legt  die  Vermutung  nahe, 
daß  die  Pfarren,  die  häufig  die  territoriale  Grundlage  fi^r  die 
Landgerichte  und  Burgwardeien  bildeten,  in  älterer  Zeit  auch 
als  wirtschaftliche  Einheiten,  als  Markgenossenschaften  galten. 
Aus  den  Pfarren  heraus  lösen  sich  als  selbständige  wirtschaft- 
liche Genossenschaften,  die  auch  gewisse  militärische  und  poli- 
tische Befugnisse  Üben,  die  einzelnen  Gemeinden,  Villa,  Kom- 
munen, die  ab  und  zu  noch  eine  gemeinsame  wirtschaftliche 
Organisation  als  Columnelli,  Viertel,  Gastaldien*  der  Pfarre  be- 
wahrten. Aus  ihnen  setzen  sich  die  Gerichte  zusammen.  An 
ihrer  Spitze  stehen  Syndiker  und  Geschworne  oder  Konsuln, 
wie  sie  in  einigen  Gegenden  hießen. 

Schon  Egger  ist  die  Verbindung  aufgefallen,  in  der  die 
Dekanie  in  den  Urkunden  häufig  mit  der  Scaria  erscheint, 
derart,  daß  beide  geradezu  als  gleichwertig  genommen  werden.* 
Scaria  und  dazugehörige  Scarii  oder  Scariones  werden  in  den 
Urkunden  ungemein  häufig  genannt.  Nicht  nur  bischöfliche 
Scaria,  auch  die  anderer  Grundherren  werden  namhaft  gemacht; 
so  besitzt  der  Abt  von  San  Lorenzo  eine  Scaria,*  die  Grafen 
von  Eppan,*  das  Domkapitel,^   die  Herren  von  Enn,'   einzelne 


"  Urkunde  1195  Jänner  16,  Wien  St.-A.  (Dominez  49).  Ein  Dekan  Ri<fo 
von  Fornace  sagt  aus,  daB  ein  Arimanne  seine  Steuer  episcopo  et  mihi 
qui  eram  decanus  zahlte.  Dieser  kaufte  einen  Hof  per  meum  consilium. 
An  die  Dekanie  von  Monklassico  wird  ein  Käsezins  gezahlt,  Urkunde 
1216  August  3  (Dominez  186). 

'  So  in  Pergine;  Egger,  a.  a.  O.  243. 

*  Egger,  a.  a.  O.  242. 

*  Acta  Tirol.  2,  Nr.  71,  86  usw. 

*  Kink,  Fontes  H,  5,  Nr.  66. 

^  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  126  zu  Brentonico,  1242  Juni  13,  Wien  St.-A.  zu  Povo, 
im  Nonsberg;  zu  Eppan,  Civezzano,  Zivignago,  Croviana,  Telve  usw. 
nach  dem  Urbar  von  1220,  vgl.  Schneller,  Tridentinische  Urbare  156  f. 

'  Urkunde  1282  Mai  11,  Wien  St.-A.  (Dominez  584). 


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369 

Borger  von  Trient.*  Egger  faßt  die  scaria  als  örtlichen  Be- 
zirk. Das  Wort  hängt  anzweifelhaft  mit  althochdeutsch  skara 
=  Schar  zusammen,  das  in  den  langobardischen  Rechts- 
quellen zumeist  im  Sinne  einer  bewaffneten  Schar  genommen 
wird.*  Der  Scario  wird  nach  einer  Glosse  des  7.  Jahrhunderts 
dem  centurius  gleichgestellt;'  er  ist  nach  Kluge  der  Hauptmann^ 
der  Scharmeister.  In  seinen  Zusammensetzungen  wird  dann 
das  Wort  vielfach  von  Unfreien  gebracht.  Scaram  facere  ist 
die  Fronde,  welche  die  scharweise  aufgebotenen  Unfreien  zu 
erbringen  haben.^  Die  Scaria  erscheint  in  Südtirol  als  ein  Ver- 
mögensobjekt;  sie  wird  verpfändet,*  verpachtet,^  als  Lehen  ge- 
geben.' Öfter  wird  ein  Hof,  mansus  oder  curia  scarie  genannt.^ 
Zur  scaria  de  Domo  (bei  Neuhaus)  gehört  ein  Wald,*  zu  einer 
anderen  gehören  Eigenleute;^^  in  sie  fließen  Zinse  und  Abga- 
ben.^^  Nach  all  dem  wird  es  nicht  schwer  sein,  die  Stellung 
des  scario  zu  bestimmen,  er  ist  ein  Meier,  die  scaria  das  Meier- 
amt mit  dem  dazugehörigen  Hofe.  In  Bozen  und  auch  sonst 
treffen  wir  villi ci  in  ähnlicher  Stellung,^^  der  mansus  scarie 
aput  fossatum,  der  1226  vergeben  wird,  ist  offenbar  derselbe, 
der   1233  und  öfter  als   mansus  villicarie   domini  episcopi  de 


'  1267  September  11,  Verzeichnis  bischöflicher  Einkünfte,  darunter  Ge- 
treidegilten:  de  scaria  Concii  Sonci^,  ebenso  de  scaria  üliorum  condam 
Mademi,  Wien  St-A. 

*  Radelgisi  et  Siginnlfi  divisio  c  3  M.  M.  LI.  4,  221;  vgl.  auch  Kluge,  Ety- 
mologisches Wörterbuch  unter  Schar  und  Scherge. 

■  Branner,  Rechtsgesch.  2,  181  n.  16. 

^  Grimm,  Deutsche  Rechtsaltertümer^,  1,  439;  2,  255. 

*  Kink,  Fontes  II,  5,  Nr.  7. 

«  Urkunde  1226  Oktober  26,  Wien  St.-A.  (Dominez  262) :  Bischof  Gerhard 
gibt  in  Erbpacht:  suam  scariam  et  mansum  illius  scarie  in  Bozen. 

'  Urkunde  1276  April  20,  Wien  St.-A.:  Die  Söhne  des  Sicher  von  Metz 
haben  die  scaria  von  Romeno  inne,  welche  Bischof  Egno  demselben  zu 
Lehen  gegeben  hatte. 

•  Vgl.  n.  6;  Egger,  a.  a.  O.  242. 

•  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  98.  »<>  a.  a.  O.  Nr.  111. 

**  a.  a.  O.  Nr.  243,  die  scaria  von  Romeno  ist  nach  der  in  n.  7  erwähnten 

Urkunde  verlehnt  cum  fictis  et  reditibus. 
»»  Ledro,  Kink,   a.  a.  O.  Nr.  5;    Ala  Urkunde  1180  August  7,  Wien  St.-A. 

(Dominea  19);  Eppan,  1196  Juli  1,  a.  a.  O.  (Dominez  55);  Bozen,  Kink, 

a.  a.  O.  Nr.  80  usw.  häufig  in  Acta  Tirol.  2,  Nr.  593,  596a,  603—605  usw.; 

es  gab   deren  mehrere.     Auch  andere  Grundherren,    wie  das  Domstift 

Augsburg,  hatten  solche. 


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370 

Anteporta  genannt  wird;^  an  diesen  Hof  sind  Zinse^  Zehnten 
und  andere  Abgaben  abztdiefern.'  Auch  die  deutsche  Bezeich- 
nung mayer  findet  sich.*  Der  Scario  steht  unter  dem  Gastal- 
den,*  der  villicus  in  Bozen  wird  vom  Gastalden  (Propste)  zur 
Vornahme  gewisser  Funktionen  befohlen.^  Wenn  1282  die  De- 
kanie  und  scaria  gleichgesetzt  werden,  so  ergibt  sich  umsomehr 
die  wirtschaftliche  Bedeutung  der  beiden  Amter,  als  sie  wieder 
in  einem  Atem  mit  gafarum  (Scheune,  Keller)  genannt  werden.^ 
Darnach  ist  der  Scario  nicht,  wie  Eink  gemeint  hat,  ein  Ge- 
meindevorsteher gewesen^  und  die  scaria  nicht  eigentlich  ein 
ländlicher  Bezirk.  Der  Scario  ist  vielmehr  der  bischöfliche 
Meier  gewesen,  der  mit  der  Bewirtschaftung  seines  Meierhofes 
und  der  Einhebung  jener  Leistungen  betraut  ist,  die  an  den 
Meierhof  gewiesen  sind.  Als  bischöflicher  Meier,  Villicus, 
hat  er  auch  Gerichtsbarkeit  über  die  Gotteshausleute,  die  in 
einem  Atem  mit  der  des  Gastalden  dann  genannt  wird,  wenn 
Freigelassene  oder  in  den  Adelstand  Erhobene  von  dieser  Ge- 
richtsbarkeit gelöst  werden. 

Und  nun  wird  das  ganze  System  der  Gastaldien,  De- 
kanien,  Skarien  klar.  Es  ist  ein  durchaus  wirtschaftliches 
und  entspricht  dem,  was  die  Wirtschaftsgeschichte  als  Villen- 
verfassung bezeichnet.  Der  ganze  bischöfliche  Besitz  ist  in 
Gastaldien  gegliedert,  deren  Mittelpunkt  die  Herrenhöfe  (curiae) 
bilden;  unter  den  Gastalden  stehen  die  Dekane  und  Scarionen, 
welche  die  Herrenhöfe  selber  oder  die  einzelnen  Meierhöfe  be- 
bauen,  dort  die  Abgaben  und  Zinse  von  den  zu  Leihe  gege- 
benen Höfen,    später  auch  wohl  die  Zehnten  und  Steuern  der 


»  Urkunde  1238  September  8,  Wien  St.-A.  (Dominez  290);   1246  Oktober 

29,  a.  a.  O.  (Dominez  338). 
»  Urkunde  1233  September  8. 
»  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  80. 

*  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  72,  Urkunden  1217  Jänner  4,  1281  Jänner  21,  Wien 
St-A.  (Dominez  279):  wenn  die  Leute  in  Brentonico  regula  (Märker- 
ding)  halten  wollen,  müssen  sie  es  anzeigen  dem  scarius  des  Bischo£s, 
dieser  dem  Gastalden,  der  den  Vorsitz  zu  führen  hat 

»  Acta  Tirol.  2,  Nr.  866. 

*  Urkunde  1282  Mai  11,  Wien  St.-A.  (Dominez  684):  scaria  degania  seu 
gafarum  de  Bomeno. 

^  a.  a.  O.  Einl.  13;  dagegen  schon  Sartori,  Zeitschr.  des  Ferd.  m,  36,  118, 
der  bereits  den  wirtschaftlichen  Charakter  des  Amtes  richtig  erkannt 
hat. 


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371 

freien  Beyölkerang  einsammeln  und  an  den  Gastalden  abführen. 
Lokale  Bedeutung  kommt  diesen  Amtern  nur  so  weit  zu^  als 
die  unfreien  und  freien  Hintersassen  mit  ihren  Leistungen  und 
Fronden^  wohl  auch  die  Freien  mit  ihren  Steuern  an  einen  be- 
stimmten Herren-  oder  Meierhof  gewiesen  sind.  Später  als  der 
Bischof  Immunität,  dann  die  Grafschaftsrechte  erlangt,  als  zum 
Teile  wenigstens,  wie  dies  für  die  Gastalden  ausgeführt  wurde, 
diese  Beamten  öffentlich  rechtlichen  Charakter  erlangen,  auch 
auf  dem  neuerworbenen  Grafschaftslande  nachahmend  eingeführt 
nun  zum  Teile  richterliche  Befugnisse  gewinnen,  wird  auch  der 
Scario,  allerdings  nur  in  gewissen  Bezirken,  richterliches  Hilfs- 
organ, wie  in  Bozen,  wo  er  im  Auftrage  des  Gastalden  und 
der  Jnstiziare  Bannbußen  eintreibt,^  Ladungen  und  andere  ge- 
richtliche Akte  ausführt,*  und  in  Fleims,  wo  er  im  Laufe  der 
Zeit  an  die  Spitze  der  Talgemeinde  tritt.'  Die  Villenverfassung 
treffen  wir  bereits  im  13.  Jahrhundert  in  voller  Auflösung;  die 
freie  Erbpacht,  die  immer  mehr  und  mehr  an  Verbreitung  ge- 
winnt, löst  den  Hofverband  auf,  vor  allem  auch  dadurch,  daß 
Fronden  seltener  werden,  das  Einsammeln  der  Zinse  nicht  mehr 
den  bischöflichen  Meiern  überlassen  wird  und  das  öffentliche 
Gericht  die  Beurteilung  der  Erbpachtverhältnisse  und  der  sich 
daraus  ergebenden  Streithändel  übernimmt.  Dadurch  sinkt  die 
Bedeutung  dieser  Wirtschaftsämter;  mit  dem  Gastalden  ver- 
schwindet auch  der  Scario  und  Dekan,  oder  sie  verlieren  ihre 
alte  Bedeutung.  Noch  ziemlich  spät  wird  in  .Deutschmetz  die 
scaria  zu  Erbpacht  verliehen,*  sie  ist  ein  einfacher  Hof  gewor- 
den, freilich  wohl  von  größerem  Umfange  als  die  benachbarten 
und  hat  noch  Ansprüche  auf  gewisse  Leistungen,  die  von  den 
umliegenden  Höfen  erbracht  werden  müssen. 

Wenden  wir  uns  nun  der  zweiten  Frage  zu,  die  mit  der 
Immunität  in  Zusammenhang  steht,  der  um  die  Stellung  des 
Vogtes.  Mit  Recht  wird  gerade  in  Tirol  der  Vogtei  für  die 
Bildung  der  Landeseinheit  entscheidende  Bedeutung  zugeschrie- 
ben. Für  Deutschtirol  vielleicht  nicht  ganz  mit  Recht,  insofern, 
als  hier  doch  der  Erwerb  der  Grafschaftsrechte  durch  die  Grafen 


»  Schwind-DopBch  Nr.  22. 
»  Acta  Tirol.  2,  Nr.  762,  840,  841,  961. 
'  Sartori,  Zeitschr.  des  Ferd.  DI,  86,  118  f.,  143  f. 

^  An  Friedrich  von  Greifenstein  1885  April  27,  Innsbruck  St.-A.    Lehen- 
buch des  Bischofs  Albrecht  C.  22,  Nr.  2  f.,  29—31. 


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372 

von  Tirol  als  das  ausschlaggebende  Moment  betrachtet  werden 
muß;  wenn  auch  die  Vogtei  half;  die  aus  der  Grafschaft  aus- 
geschiedenen Immunitätsbezirke  wieder  mit  dem  Grafschafts- 
lande zu  vereinigen.  Unstreitig  aber  beruhte  die  Machtstellung 
der  Tiroler  Grafen  im  Bistum  Trient  und  damit  die  allmähliche 
Angliederung  dieses  Gebietes  zum  größten  Teile  auf  ihrer  Stel- 
lung als  Vögte  des  Gotteshauses  Trient.  Und  doch  ist  die  Ent- 
wicklung der  Vogtei  noch  nicht  näher  untersucht^  ist  die  Quelle 
dieser  bedeutenden  Machtentfaltung  des  Landesherrn  als  Vogt 
noch  nicht  aufgedeckt  worden,  und  wenn  gelegentlich  Ver- 
mutungen geäußert  worden  sind,  können  sie  nicht  als  befriedi- 
gend, ja  kaum  als  richtig  bezeichnet  werden. 

Nur  wenig  ist  über  die  Vogtei  des  Bistums  Trient  und 
ihre  Träger  aus  älterer  Zeit  bekannt.  Die  Urkunden  versagen 
fast  gänzlich;  aber  das  wenige,  was  sie  melden^  genügt  doch; 
um  das  Wesen  der  Vogtei  zu  erkennen.  Ehevor  wir  darauf 
eingehen,  müssen  wir  uns  der  rechtlichen  Stellung  der  Vogtei 
in  Italien  zuwenden.  So  viel  über  die  Vogtei  in  Deutschland 
gehandelt  worden  ist,  so  wenig  eingehend  ist  sie  und  ihre  Ent- 
wicklung in  Italien  für  die  einzelnen  Landschaften  und  geist- 
lichen Institute  untersucht  worden.  Waitz  und  ihm  sich  an- 
schließend Pertile,  Salvioli^  und  andere  fassen  die  Stellung 
des  Vogtes  in  Italien  nicht  anders  als  in  Deutschland,  sie  sehen 
in  ihm  vorwiegend  den  Richter  in  der  Immunität,  und  zwar 
den  Blutrichter.  Dagegen  hat  Ficker  darauf  aufmerksam  ge- 
macht;* daß  dies  nur  für  einzelne  Gebiete  der  Mark  Verona 
und  insbesonders  das  Patriarchat  Aquileia  geltO;  daß  im  übri- 
gen der  Vogt  nicht  berufen  ist;  Gericht  zu  halten;  sondern  die 
geistliche  Anstalt  und  die  Vogteileute  vor  Gericht  zu  vertreten 
und  bei  Rechtshandlungen  des  Kirchenvorstehers  die  Interessen 
der  Anstalt  zu  wahren.  Daher  ist  er  in  der  Regel  ein  Rechts- 
kundiger; kein  großer  Vasall.  Die  Ansicht  Fickers  hat  ihre 
Berechtigung,  wenn  auch  sicherlich  nicht  in  dem  territorialen 
UmfangC;  wie  er  sie  gemeint  hat.  Wir  finden  auch  außerhalb 
der  Mark  Verona  und  des  Patriarchats  VögtC;  die  richten,  zu 
Modena,   Bergamo,   Reggio,   Novarra  usw.     Aber  zweifelsohne 


»  Waitz,  Deutsche  Verfassungsgescli.«  4,  465;    PertUe*  1,  327  f.;    Salvioli, 

Atti  m,  6,  86  f. 
*  Ficker,  Forschungen  2,  20 f.;  3,  Nachträge  420. 


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373 

war  die  Sache  nicht  in  allen  italienischen  Stiften  gleich  geordnet 
und  gab  es  Vögte  von  sehr  verschiedener  sozialer  Stellung. 
Erinnern  wir  uns  an  das,  was  im  vorigen  Abschnitte  über  die 
Entwicklung  des  italienischen  Strafrechtes  gesagt  worden  ist.^ 
Wo  das  Strafrecht  ein  unblutiges  war,  wie  vielfach  hier,  da 
fehlte  das  Bedürfnis  nach  einem  besonderen  Blutrichter.  Nur 
der  Zweikampf  wurde  vielfach  nicht  vor  dem  geistlichen  In- 
haber der  Grafschaftsrechte,  sondern  vor  dem  Vogte  abgehalten. 
Wenn  Ficker  Trient  als  eines  der  Hochstifte  be- 
zeichnet, in  dem  die  Stellung  der  Vögte  nach  deutschem 
Maßstabe  zu  messen  sei,'  so  ist  dies  ganz  richtig  für  die 
Zeit,  in  der  die  Tiroler  Grafen  die  Vogtei  erlangt  hat- 
ten, nicht  aber  für  die  frühere.  Der  erste  Vogt,  der  für 
Trient  urkundlich  erwähnt  wird,  ist  ein  Jakob;  über  ihn  ist 
uns  weiter  nichts  bekannt.  Er  trat  namens  seines  Bischofs  als 
Kläger  gegen  das  Hochstift  Freising  um  Weinberge  bei  Bozen 
auf,  ein  Streit,  der  vor  König  Ludwig  dem  Deutschen  855  zu 
Aibling  entschieden  wurde.*  Bei  der  Gründung  des  Klosters 
Sonnenburg,  die  in  der  ersten  Hälfte  des  11.  Jahrhunderts  er- 
folgte, also  erst  nach  fast  200  Jahren  erfahren  wir  wieder  den 
Namen  eines  Trienter  Vogtes,  Ronzo.*  Wenn  auch  diese  Grün- 
dungsgeschichte noch  einer  gründlichen  kritischen  Untersuchung 
bedarf,  so  wird  sie  doch  dort,  wo  urkundliche  Vorlagen  erkennt- 
lich sind,  Glauben  beanspruchen  können.  Spätere  Nachrichten 
lassen  über  die  engen  Beziehungen  Sonnenburgs  zu  Trient 
keinen  Zweifel;^  und  so  liegt  kein  Grund  vor,  die  Mitwirkung 
Bischof  Ulrichs  (I.  oder  II.)  von  Trient  an  der  Gründung  sowie 
eine  Schenkung,  die  der  Bischof  dem  Nonnenstifte  ausstellte, 
zu  bestreiten.  Gerade  die  Schenkung  aber  wird  cum  manu  ad- 
vocati  sui  Ronzonis  vollzogen.  Den  nächsten  Vogt  treffen  wir 
1082  vor  Kaiser  Heinrich  IV.^  wo  er  mit  dem  Bischof  Heinrich 
die  Investitur  mit  der  Herrschaft  Castellaro  empfingt,^  die  der 
Kaiser  durch  den  Bann  sichert,  welchen  er  über  Bischof  und 
Vogt  legt.     Hier  ist  also  der  Vogt  als  Rechtsbeistand  des  Bi- 


>  Vgl.  oben  S.  334.  «  Ficker,  Forschungen  2,  20. 

*  Hübner,  Qerichtsurkunden  der  fränkischen  Zeit,  Nr.  347. 

*  Hormayr,  Beiträge  zur  Gesch.  Tirols  I,  2,   Nr.  13   und  Sinnacher,  Bei- 
träge zu  der  bischöfl.  Kirche  Sähen  und  Brixen  2,  239  f. 

*  Vgl.  Jäger,  Landständische  Verfassung  1,  354. 

*  Kink,  Fontes  H,  5,  Nr.  2. 


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374 

schofs  tätig.  Der  Bann,  den  der  Vogt  mit  dem  Bischof  zugleich 
empfingt,  ist  nicht  etwa  der  Blut-  oder  der  Gerichtsbann,  er 
soll  vielmehr  nur  ein  Schutzmittel  sein  gegen  alle,  welche  die 
Rechte  des  Bistums  an  diesem  Hofe  verletzen.  Die  Persön- 
lichkeit des  Vogtes  läßt  zugleich  seine  Stellung  erkennen;  er 
ist  ein  iudex  Gotefredus,  also  ein  Rechtskundiger. 

In  ganz  anderer  gesellschaftlicher  Stellung  befindet  sich 
der  nächste  Vogt,  der  uns  begegnet,  der  1111  oder  1112  er- 
wähnte Graf  Adelpret,^  mit  dessen  Zustimmung  der  Bischof  die 
Abgaben  und  Rechtsstellung  der  Fleimser  ordnet.  Er  ist 
wohl  derselbe,  der  1124  im  Verein  mit  einem  Grafen  Arpo  als 
Vogt  sich  an  einer  Vergünstigung  beteiligt,  welche  Bischof  Alt- 
mann der  Stadt  Riva  zuteil  werden  läßt,  indem  er  den  Bür- 
gern gestattet,  ein  Schloß  zu  bauen.'  Man  hat  in  diesen  Vög- 
ten die  Stammväter  der  Grafen  von  Tirol  sehen  wollen.'  La- 
durner, dem  die  meisten  späteren  gefolgt  sind,  hält  sie  für 
Grafen  von  Flavon.^  Sehr  wahrscheinlich,  daß  der  Vogt  Adal- 
pert  mit  jenem  Grafen  gleichen  Namens  sich  deckt,  der  nach 
der  Erzählung  Ekkehards  1106  die  Gesandten  Heinrichs  V. 
an  Papst  Paschal  U.  gefangen  nahm.^  Jedenfalls  zeigt  sich 
eine  Neuerung  darin,  daß  die  Vogtei  nicht  mehr  in  der  Hand 
von  iudices  liegt,  sondern  in  der  hochgestellter  Vasallen. 


^  Schwind-Dopsch,  Urkunden  z.  Verfassangsgesch.  Nr.  3. 

*  BoneUi  2,  382. 

*  So  Hormayr,  Sämtliche  Werke  1,  345. 

*  Archiv  fär  Geschichte  nnd  Altertamskunde  von  Tirol  5,  143 f.;  Jäger, 
Landfltändische  Verfassung  1,  116;  Egger,  Archiv  ffir  Osterr.  Gesch.  83, 
466  und  467;  ebenso,  wenn  auch  mit  Zweifel,  M.  Mayr,  Zeitschr.  des 
Ferd.  HI,  43,  233.  Das  gewichtigste  Argument  fOr  die  Zuzählung  der 
Grafen  zur  Familie  der  Flavoner  bildet  das  Vorkommen  des  Vornamens 
Arpo  im  Flavonschen  Geschlechte,  ein  Name,  der  bei  den  Tiroler  und 
Eppaner  Grafen  fehlt 

^  Chronicon  universale  MM.  SS.  6,  234.  Ladurner  spricht  sich  a.  a.  O.  da- 
gegen aus,  weil  man  nicht  wisse,  daB  dieser  Adalpert  VaaaU  des  Bi- 
schöfe von  Bamberg  gewesen  sei,  wie  das  Chronic,  univ.  meldet  In- 
des ist  diese  Möglichkeit  gewiß  nicht  ausgeschlossen,  besonders  bei  der 
Knappheit  unserer  Quellen.  Giesebrecht,  Geschichte  der  deutschen  Kai- 
serzeit 3,  761  läßt  die  Persönlichkeit  des  Grafen  unbestimmt  Meyer 
von  Knonau,  Jahrbücher  des  deutschen  Reiches  unter  Heinrich  IV.  und 
V.,  6,  294  n.  24  nähert  sich  der  Ansicht  Sinnachers  und  Burgklehners, 
er  sei  aus  der  Familie  der  Tiroler  Grafen  gewesen. 


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375 

Die  nächste  Urkunde,  in  welcher  der  Vogt  auftritt;  der 
mit  Domkapitel,  Klerus,  dem  Adel  und  Volk  seine  Zustimmung 
zur  Reform  des  Klosters  San  Lorenzo  erteilt,  nennt  den  Namen 
des  Vogtes  nieht.^  Bald  nachher  aber,  während  der  Regierung 
des  Bischofs  Eberhard,  die  von  1154  bis  1156  währte,  erscheint 
der  Graf  Berthold  von  Tirol  als  Vogt  des  Bistums.  Wir  kennen 
diese  Tatsache  aus  zwei  Urkunden  von  1177,  auf  die  bereits 
Bonelli  hingewiesen  hat,  einer  Bulle  Alexanders  III.'  und  einem 
Diplome  Friedrichs  I.,*  beide  ftlr  das  Kloster  Biburg.  In  bei- 
den wird  eine  Zollfreiheit  erwähnt,  welche  das  Kloster  zu  Trient 
und  Riva  genießen  solle,  die  dem  Kloster  durch  Bischof  Eber- 
hard per  manus  Berchtoldi  advocati,  wie  der  Papst  sagt,  oder 
wie  sich  der  Kaiser  ausdrückt:  tradita  est  a  venerabili  Triden- 
tine  ecclesie  episcopo  Eberharde  et  ab  eiusdem  loci  advocato 
comite  Qertoldo  de  Tirol.  In  einer  Tradition  für  Scheftlarn 
wird  derselbe  Graf  Berthold  von  Tirol  als  comes  et  advocatus 
angeführt*  Obwohl  hier  nicht  gesagt  wird,  von  welchem  Stifte 
der  Vogteititel  genommen  ist,  werden  wir  auch  hier  auf  Trient 
schließen  dürfen.  Nach  einer  Eintragung  im  Calendarium  Udal* 
ricianam  wissen  wir  weiter,  daß  in  der  zweiten  Hälfte  des 
12.  Jahrhunderts  ein  Graf  Heinrich  Vogt  von  Trient  war;^  ihn 
dttrfen  wir  zweifelsohne  mit  dem  gleichnamigen  Grafen  von 
Tirol  identifizieren,  umsomehr,  als  wir  diesen  in  der  Tat  in 
einer  Urkunde  Friedrichs  I.  von  1182^  als  Vogt  von  Trient 
treffen.  Erst  Graf  Albrecht  III.,  der  letzte  Tiroler,  föhrt  den 
Vogttitel  häufiger.  Die  Vogt  ei  ist  seitBerthold  dauernd  an 
das  Hans  der  Grafen  von  Tirol  gebunden.  Sie  ist  wohl 
schon  damals  Lehen,  wie  sicher  im  13.  Jahrhundert;^  schon 
Graf  Albrecht  III.  hatte  sie  als  Lehen  inne  und  wurde,  nach- 
dem er  sie  dem  Bischof  aufgelassen  hatte,  damit  erblich  auch 
in  der  weiblichen  Nachkommenschaft  belehnt.^  Später  hat  man 
diese  Vogtei  und  ebenso  die  über  die  Stifte  Brixen  und  Aqui- 


*  Predelli,  Archivio  per  Trieste,  Istria  ed  il  Trentino  8,  48. 

•  Jaff^-Löwenfeld  12816.  •  Stumpf  4196. 

*  MM.  boica  8,  418.  »  Bonelli  2,  217.  «  Stumpf  4336. 

'  Belehnung  Meinhard«  I.  von  Görz -Tirol,  1266  Mai  2,  Wien  St.-A.  (Do- 
minez  890);  Meinhards  II.  1269  Februar  19,  Schwind-Dopsch,  Urkunde 
zur  Verfassungsgesch.  Nr.  44. 

•  Ergibt  sich  auB  dem  Protest  des  Domkapitels  von  1256  Mai  2,  Hormayr» 
a.  a.  O.  1,  n,  Nr.  166. 

ArebiT.  94.  BsDd«  II.  Hilft«.  26 


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376 

leia  als  Reichslehen  betrachtet,  als  die  Grafschaft  Tirol  reichs- 
lehnbar  geworden  war.^  Zur  Vogtei  gehörten  reiche  Lehen^ 
deren  Umfang  sich  freilich  nicht  mehr  feststellen  läßt.  Wenn 
Graf  Albrecht  III.  von  Tirol  behauptet  hat,  daß  ihm  jeder  dritte 
Hof  im  Hochstifte  Trient  gehöre,  eine  Angabe,  die  allerdings 
sich  nicht  überprüfen  läßt,  so  mögen  diese  Besitzungen  im  we- 
sentlichen Vogteigut  gewesen  sein. 

Aus  den  urkundlichen  Nachrichten  läßt  sich,  so  dürftig 
sie  immerhin  sind,  der  Wirkungskreis  der  gräflichen 
Vögte  wenigstens  annähernd  erkennen.  Der  Vogt  gibt  seine 
Zustimmung  zur  Reformation  des  Klosters  San  Lorenzo,  zum 
Vertrage  des  Bischofs  Gebhard  mit  den  Fleimsern,  zu  einer 
Zollbefreiung,  endlich  nach  dem  Diplome  Friedrichs  I.  (Stumpf 
4335)  zur  Errichtung  von  Türmen  und  Burgen  in  Trient  durch 
einen  Unfreien  oder  nicht  Ministerialen.  Daraus  wird  man 
wohl  auf  das  Recht  des  Vogtes  schließen  dürfen,  zu  allen  weiter- 
gehenden Veräußerungen  von  Kirchengut  oder  Maßregeln,  die 
wie  der  Turm-  und  Burgenbau  die  Rechte  des  Bischofs  ver- 
kürzen konnten,  seine  Zustimmung  zu  geben.  In  der  Folge 
wird  aber  dieses  Recht  mehr  und  mehr  in  den  Hintergrund 
gedrängt.  Die  Bischöfe  haben  zwar  kein  absolutes  Regiment 
geführt.  Wie  andere  ihrer  geistlichen  Genossen  pflegen  sie 
bei  wichtigeren  Regierungshandlungen  den  Rat  verschiedener 
Bevölkerungsklassen  heranzuziehen.  Zunächst  den  ihrer  Bürger 
bei  Verfügungen,  welche  die  Stadt  Trient  treffen.  So  erläßt 
Bischof  Friedrich  Anordnungen  über  die  Gewerken  und  ihre 
Rechte  1208:*  habito  consilio  wercorum  et  aliorum  sapientum 
et  bonorum  hominum  civitatis  Tridenti;  im  Jahre  1224  wird 
vom  Bischof  Gerhard  eine  Fleischbank  vergeben  in  pleno  con- 
silio;' das  Kloster  San  Lorenzo  wird  1235  in  conscilio  Triden- 
tino  more  solito  congregato  den  Dominikanern  überwiesen,  in- 
dem der  Bischof  den  Rat  um  seine  Meinung  angeht  und  die 
Versammelten  durch  Zuruf:  Sia,  Sia  ihre  Zustimmung  aus- 
drücken.* In  diesen  und  anderen  späteren  Fällen  tritt  die  Voll- 
versammlung oder  auch   ein  Ausschuß  von  Bürgern  beratend 


>  Haber,  Regesten  Karls  IV.  1228. 

•  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  287—289. 

■  Urkunde   1224   November  25    bis  Dezember  7,    Wien  St.-A.   (Dominez 
247). 

*  Bonelli  2,  674. 


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377 

dem  Bischof  an  die  Seite,  es  liegen  die  Keime  vor^  aas  denen 
sich  der  städtische  Rat  entwickelte.  Andere  Kreise  sind  es^  die 
den  Bischof  in  anßerstädtischen  Angelegenheiten  beraten,  vor 
allem  das  Domkapitel,  dem  schon  nach  kirchlichem  Rechte  eine 
gewisse  Mitwirkung  bei  der  Verwaltung  der  Diözese  zukam, 
zunächst  in  geistlichen  Angelegenheiten,  dann  aber  bei  Ver- 
äußerung und  Belastung  von  Kirchengut;  und  nachdem  zum 
Kirchengut  auch  die  Temporalien  gerechnet  werden,  zum  guten 
Teile  auch  in  weltlichen  Angelegenheiten.^  Dem  Domkapitel 
treten  die  Stiftsvasallen  und  Ministerialen,  endlich  ein  Aus- 
schuß der  Bürgerschaft  Trients  an  die  Seite.  Kapitel,  Vasal- 
len und  Bürger  finden  wir  bereits  1205  vereinigt  bei  der  Aktion 
gegen  Bischof  Konrad,  als  er  seinen  Rücktritt  widerrufen  hatte 
und  neuerdings  das  Bistum  zu  erlangen  suchte.'  Friedrich  von 
Wangen  löst  1210  die  aufständischen  Trienter  vom  Banne:  ha- 
bito  et  deliberato  consilio  dominorum  canonicorum,  comitum,  ca- 
pitaneorum,  macinate  sancti  Vigilii  et  aUorum  militum  ...  et 
civium  Tridenti,'  Bischof  Aldrighet  belehnt  in  pleno  conscilio 
einen  Hegeno  von  Bozen  mit  Twing  und  Bann.^  In  solchem 
Rate  wird  1240  ein  Brief  Ezelins  von  Romano  über  die  Be- 
wachung von  Burgen  im  Lagertale  verlesen.*  Im  Jahre  1258 
wird  eine  Verpfandung  vorgenommen  mit  Rat  des  Erzdiakons 
und  anderer  Domherren:  et  etiam  de  consciho  bonorum  homi- 
num  de  conscilio  Tridenti  ad  hoc  specialiter  convocatorum  et 
etiam  de  conscilio  capitanei  et  sindicorum  comunis  Tridenti.  Wie 
sich  dieser  Rat  zusammensetzte,  ergeben  am  besten  die  Um- 
stände, unter  denen  sich  die  Belehnung  Meinhards  I.  abspielte. 
Als  die  Belehnung  angesucht  worden  war,  erklärt  der  Bischof 
noch  den  Rat  und  Willen  des  Kapitels,  der  Edlen,  Bürger,  Mi- 
nisterialen und  Vasallen  einholen  zu  wollen.^  Um  den  Rat  zu 
erteilen,  wählen  die  Domherren  vier  aus  ihrer  Mitte,  die  Bür- 
ger und  die  extrinseci  diöcesis,  der  nicht  in  der  Stadt  woh- 
nende Adel  je  sechs  Ratmannen,  die  nach  gepflogener  Beratung 


*  Zeitflchr.  des  Ferd.  III,  83,  59  f. 

»  Vigilio  Zanolini,  La  rinonBia  di  Corrado  di  Beseno,  Gymnasialprogramm 

des  Ginn,  yescovile  von  Trient  1902,  38  f. 
»  Kink,  Fontes  ü,  5,  Nr.  86. 

*  BoneUi  2,  Nr.  79. 

»  1240  Februar  16,  Wien  St-A.  (Dominez  321—323). 

*  Hormayr,  Geschichte  Tirols  1,  II,  359. 

26» 


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378 

ihr  Gutachten  abgeben.  Dabei  tritt  nun  der  Vogt  nirgends 
hervor.  Ist  er  von  dem  Rate,  wie  im  Falle  der  Belehnung  Mein- 
hards  L;  wo  es  sich  um  seinen  eigenen  Vorteil  handelt,  nicht 
schon  von  vornherein  ausdrücklich  ausgeschlossen,  so  nimmt  er, 
den  Fall  von  1205,  auf  den  wir  noch  zurückkommen  werden, 
ausgenommen,  höchstens  wie  andere  Stiftsvasallen  teil.  Dagegen 
liegen  nun  eine  Menge  von  Verfügungen  in  den  Acta  Tirol.  II 
und  im  Kodex  Wangianus  vor,  in  denen  der  Bischof  ohne  je- 
den Beirat  als  höchstens  den  des  Kapitels  tätig  erscheint. 
Wenn  also  gegen  die  ältere  Zeit  die  Bedeutung  des  Vogtes 
als  Beirat  des  Bischofs  zurücktritt,  so  dürfte  der  Grund 
gerade  der  sein,  daß  die  Vogtei  in  die  Hände  eines  Adelsge- 
schlechtes  gekommen  war,  das  fern  von  der  bischöflichen  Re- 
sidenz wohnte,  den  Rechtsgeschäften  der  Bischöfe  nicht  mehr 
regelmäßig  zugezogen  werden  konnte.  So  mögen  die  Vögte 
mehr  und  mehr  an  Einfluß  auf  die  laufende  Verwaltung  ver- 
loren haben,  umsomehr,  als  sie  keine  Untervögte  hielten,  wel- 
che ihre  Stelle  am  bischöflichen  Hofe  vertreten  hätten.  Auch 
in  der  Folge  ist  es  ganz  vereinzelt,  wenn  Exkönig  Heinrich 
1328  als  Vogt  seine  Zustimmung  zu  einem  Burgenbau,  den  Bi- 
schof Heinrich  gewährt  hat,  erteilt.* 

Aus  Stumpf  4335  könnte  man  auf  militärische  Befug- 
nisse des  Vogtes  schließen,  könnte  annehmen,  daß  der  Vogt 
etwa  die  Stellung  eines  Burggrafen  von  Trient  besessen  habe, 
zu  dessen  Befugnissen  in  deutschen  Bischofstädten  vielfach  das 
Recht  gehörte,  gegen  Überbauten  in  den  Straßen  einzuschreiten.* 
Doch  auch  dies  ist  nicht  der  Fall,  für  die  ältere  Zeit,  als  noch 
iudices  Vögte  waren,  von  vornherein  ausgeschlossen.  Auch  ftkr 
später  geben  die  Urkunden  keinen  weiteren  Halt  zu  solcher 
Annahme.  Militärischer  Kommandant  in  Trient  ist  viel- 
mehr der  Hauptmann,  der  erst  sehr  viel  später  infolge  der 
Kompaktaten  des  Bistums  mit  Tirol  in  Abhängigkeit  vom  Vogte 
geraten  ist.  Das  Amt  des  Hauptmanns  ist  alt  und  wird  schon 
im  12.  Jahrhunderte  erwähnt.*  Weil  es  damals  ein  Domherr 
bekleidete,  dürfte  seine  militärische  Bedeutung  kaum  eine  weit- 

»  Urkunde  1328  Juli,  Wien  St.-A.,  Handachr.  392,  f.  18,  Nr.  66. 

•  Rietflchel,  Das  Burggrafenamt  24. 

•  1166  August  30,  Bonelli  2,  438:  der  Hauptmann  Odelricus  ist  stugleich 
Domherr;  derselbe  1182  Juni  6.  Orig.,  Innsbruck  St.-A.  und  1168  Juli 
16,  Orig.,  Innsbruck  Ferdinandeura. 


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379 

gehende  gewesen  sein.  Erst  mit  der  Mitte  des  13.  Jahrhun- 
derts wird  dies  anders.  Sicher  hängt  dies  mit  der  Geschichte 
der  Befestigung  der  Stadt  zusammen.  Die  alte  Burg  von  Trient, 
die  Veruca,  das  heutige  Doß  Trento^  auf  dem  rechten  Etsch- 
ufer,  die  einst  der  Ostgotenkönig  Theoderich  hatte  wieder  in- 
stand setzen  lassen  und  deren  Paulus  Diaconus  Erwähnung 
tut,  war  im  12.  und  13.  Jahrhundert  zerfallen  oder  spielte  we- 
nigstens keine  Rolle  mehr.  Die  bischöfliche  Residenz  befand 
sich  in  der  Stadt  neben  der  Kathedrale  und  dem  Stadtturme. 
Wohl  wird  das  Schloß  Trient  in  den  Urkunden  noch  erwähnt, 
doch  zumeist  nur  als  Dossum^  als  BurghUgel.^  Wenn  unter 
dem  castrum  Trentum,  das  die  Veroneser  1279  besetzt  hielten, 
wirklich,  wie  es  in  der  Tat  wahrscheinlich  ist,  das  Doß  Trento 
gemeint  ist,*  so  braucht  nicht  auf  den  Fortbestand  wirklicher 
Festangswerke  geschlossen  zu  werden,  denn  die  Veroneser 
können  sich  ja  auch  einfach  hier  verschanzt  haben.  Die  Stadt 
selber  war  mit  Mauern  umgeben,  ist  eine  civitas  im  technischen 
Sinne  des  Wortes  schon  im  9.  Jahrhundert,^  und  Stadtmauern 
werden  auch  im  13.  Jahrhundert  erwähnt.^  Doch  wissen  wir 
nicht,  wem  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  das  Kom- 
mando in  der  Stadt  zustand.  Als  der  Podestk  Sodegher  1252 
auf  dem  Dossum  Malconsil  ein  neues  Schloß,  das  spätere  Buon- 
consil,  erbaute,  erhielt  Trient  erhöhte  militärische  Bedeutung.* 
Der  Podestk  ließ  sich  damit  von  der  Stadt  belehnen,  auf  deren 
Grund  es  stand.®  Allerdings  mußte  Bischof  Egno  im  Friedens- 
schlüsse das  Schloß  dem  Podestk  zu  Lehen  geben  ;^  aus  der 
Verlassenschaft  Sodeghers  ging  es  an  Meinhard  II.  von  Tirol 
über®  und  bildete  nun  eines  der  Streitobjekte  zwischen  Mein- 
hard und  den  Bischöfen  von  Trient,  in  deren  Hand  es  endlich 

»  Acta  Tirol.  2,  Nr.  10,  89,  125  usw. 

*  So  Ceaarini-Sforza,  Archivio  Trent.  13,  101. 

'  8o  im  placitam  yon  845,    Hübner  Nr.  740,    im  Gegensatze  zur  „urbs*' 
Freising. 

*  Acta  Tirol.  2,  Nr.  474;  Hormayr,  Geschichte  Tirols  1,  II,  Nr.  161 :  dossum 
positom  iuzta  mumm  civitatis  (1254). 

*  Urkunde  1262  Februar  18,  Wien  8t.-A.  (Dominez  372):  in  domo  novo 
di  Sodegherii;  vgl.  Cesarini-Sforza,  Archivio  Trent.  18,  20  f. 

«  Hormayr,  Geschichte  Tirols  1,  H,  Nr.  161. 
'  Verci,  Marca  Trevigiana  2,  Nr.  91. 

■  Urkunde  1267  April  7,  Wien  St.-A.  und  Hormayr,  Geschichte  Tirols  1, 
U,  389  (mit  falschem  Datum  1264). 


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380 

verblieb.  Die  Angriffe,  denen  sich  Egno  von  Seite  Ezelins  von 
Romano  ausgesetzt  sah,  veranlaßten  die  Anlage  neuer  Festungs- 
werke. E^  wird  ein  castrum  des  Bischofs  f^o  erwähnt/  von 
der  Anlage  von  Befestigungen  gesprochen.*  Seitdem  erscheint 
in  Trient  wieder  ein  Hauptmann;  zuerst  1258*  genannt,  bleibt 
er  nun  eine  ständige  Einrichtung. 

So  bekannt  die  von  nun  an  ununterbrochen  fortlaufende 
Reihe  der  Hauptleute  ist^  so  wenig  wissen  wir  Genaueres  über 
ihre  Amtsbefugnisse,  denn  sie  erscheinen  in  den  Urkunden  fast 
nur  als  Zeugen.  JedenfaUs  nimmt  der  Hauptmann  unter  den 
bischöflichen  Beamten  den  ersten  Rang  ein.  Sicher  ist  er  Be- 
fehlshaber des  Schlosses  Buonconsil  gewesen,  ob  auch  der  Stadt 
oder  gar  aller  bischöflichen  Kriegsmacht,  wie  dies  später  wohl 
der  Fall  war,  muß  dahingestellt  bleiben.  Noch  im  Jahre  1339 
ist  es  nicht  der  Hauptmann,  sondern  der  Vikar,  der  im  Rate 
von  Trient  Maßregeln  tlber  die  Rüstung  von  Pferden  zu  Kriegs- 
zwecken durch  die  Bürger  von  Trient  veranlaßt.*  Während 
der  tirolischen  Okkupation  erlangt  der  Hauptmann  weiterge- 
hende Bedeutung.  Als  Stellvertreter  der  Grafen  von  Tirol  tritt 
er  an  die  Spitze  der  gesamten  Verwaltung  der  Stadt,  zum  Teile 
des  ganzen  Bistums.  Dasselbe  ist  der  Fall,  wenn  der  Bischof 
abwesend  ist.^  Aber  auch  wenn  der  Bischof  regiert,  tritt  der 
Hauptmann  an  die  Spitze  des  bischöflichen  Rates  und  gewinnt 
damit  eine  gewisse  richterliche  ^  und  verwaltende  Tätigkeit.  Mit 
den  Kompaktaten  gerät  er  dann  in  Abhängigkeit  vom  Landes- 
fürsten von  Tirol,  kraft  deren  er  eine  eigentümliche  Zwitter- 
stellung einnimmt,  die  ihn  wie  einen  vom  Bischöfe  besoldeten 


1  Urkunde  1255  Dezember  14,  Innsbruck  St.-A.  G.  62,  Nr.  27. 

•  Hormayr,  SämtL  Werke  2,  Nr.  86. 

•  BoneUi  2,  147. 

•  Urkunde  1339  Jänner  3,  Innsbruck  St.-A.  C.  4,  Nr.  218. 

'^  Urkunde  1348  Jänner  4,  Wien  St-A.  (Dominez  883):  Nikolaus  Alraim 
von  Brunn  wird  Hauptmann  von  Trient  und  aller  Schlösser,  Dörfer 
und  Länder  des  Bischofs  mit  Gewalt,  alle  Gerichtsbarkeit  auszuüben, 
Hauptleute  und  Beamte  zu  setzen,  Steuern  und  andere  Umlagen  ein- 
zunehmen, äaa  Au^ebot  zu  erlassen  und  in  den  Krieg  zu  fuhren. 

^  Vgl.  Durig,  Ober  die  staatsrechtlichen  Beziehungen  des  italienischen 
Landesteiles  von  Tirol  zu  Deutschland  und  Tirol,  Separatabdruck  aus 
dem  Jahresberichte  der  Oberrealschule  Innsbruck  1864,  24  f.  und  die 
Kompaktaten  von  1368  bei  Sohwind-Dopsch,  Urkunden  zur  Yerfassungs- 
gesch.  Nr.  112. 


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381 

Wächter  der  tirolischen  Interessen  gegenüber  dem  Bischöfe  er- 
scheinen läßt.^  Für  den  Vogt  sind  militärische  Befugnisse  aus 
älterer  Zeit  nicht  überliefert^  neben  dem  Hauptmanne  findet  er 
keinen  Platz.  Die  Militärhoheit,  die  der  Landesftlrst  in  der 
Folge  im  Bistume  ausübt^  hat  er  erst  durch  die  Eompaktaten 
erworben. 

Kommen  dem  Vogte  richterliche  Befugnisse  zu? 
Manche  nehmen^  indem  sie  an  die  Stellung  der  Vögte  in  ande- 
ren deutschen  Hochstiften  denken^  dies  unbedenklich  an.*  Doch 
gilt  dies  nur  sehr  mit  Einschränkung,  und  muß  die  Grafschaft 
Bozen  von  der  Grafschaft  Trient  unterschieden  werden.  In 
BozeU;  das  im  gemeinsamen  Besitze  der  Bischöfe  und  der  Gra- 
fen von  Tirol  steht,  kommt  dem  Grafen  allein  die  Ge- 
richtsbarkeit über  die  Räuber  (latrones)  zu.^  Das  echte 
Ding,  in  dem  ein  bischöflicher  und  tirolischer  Amtmann  zugleich 
den  Vorsitz  führen,  ist  nach  den  Imbreviaturen  von  1237  und 
1242  f)lr  Kriminakachen  nicht  mehr  zuständig.  Kein  einziger 
Fall  ist  hier  gebucht,  obwohl  der  Landfriede  gewiß  nicht  so 
gefestigt  war,  daß  keine  Räubereien  sich  hätten  ereignen  sollen. 
Vielmehr  müssen  wir  annehmen,  daß  die  Blutgerichtsbarkeit  in 
einem  anderen  Gerichte,  eben  dem  der  tirolischen  Landrichter 
von  Gries,  ausgeübt  wurde.  Da  liegt  es  nun  nahe,  diese  Ge- 
richtsbarkeit der  Tiroler  Grafen  mit  der  Vogteigewalt  in  Zu- 
sammenhang zu  bringen,  obwohl  sie  ebenso  der  Grafengewalt 
des  Tiroler  Grafen  in  Bozen  entsprang.  Wenigstens  derselbe 
Gedanke,  der  den  Vogt  zum  Blutrichter  in  den  deutschen  Im- 
munitäten machte,  kam  zur  Geltung,  wenn  dem  Tiroler  Grafen 
bei  der  Teilung  der  Grafschaftsrechte  in  Bozen  die  Blutgerichts- 
barkeit vorbehalten  wurde,  der  bekannte  Gedanke  nämlich,  daß 
der  Geistliche  nicht  Blutrichter  sein  dürfe,  weil  sich  dies  mit 
dem  Charakter  seines  Amtes  nicht  vertrage,  weil  die  Blutge- 
richtsbarkeit für  ihn  den  defectus  perpetuae  lenitatis  zur  Folge 
habe,   die  ihn  zur  Ausübung  seines  Amtes  ujitauglich  machte. 


DaB  dem  deutschen  Burggprafeu  richterliche  Befugnisse  nicht  zustanden, 
wenn  er  nicht  zugleich  Vogt  war,  hat  Siegfried  Rietschel  in  seinem 
Buche  üher  das  Burggrafenamt  gezeigt.  Darnach  ist  S.  29  des  ersten 
Aufsatzes  dieses  Heftes  zu  berichtigen. 

So  M.  Mayr,  Die  politischen  Beziehungen  Deutschtirols  zum  italieni- 
schen Landesteile  16. 
Schwind-Dopsch,  Urkunden  zur  Verfassungsgesch.  Nr.  22. 


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382 

Anders  aber  war  es  in  der  Grafschaft  Trient.  Hier  finden 
wir  im  12.  und  13.  Jahrhundert,  außer  im  Falle  besonderen  Auf- 
trages und  der  gewaltsamen  Besetzung  sede  plena  den  Tiro- 
ler Grafen  nie  als  Richter;  vor  allem  nicht  als  Kriminal- 
richter. Die  Gerichtsbarkeit  in  bürgerlichen  Rechtssachen 
übt  der  Bischof  selber  oder  durch  Delegaten  und  Assessoren 
aus.  Die  Imbreviatur  von  1236  zeigt  ihn  und  seinen  Podestk, 
in  der  Folge  die  kaiserlichen  Podestaten,  als  Richter  zweiter 
Instanz,  außerdem  sind  ihm  gewisse  Fälle  der  freiwilligen  Ge- 
richtsbarkeit, dann  der  Akt  der  Immobiliarexekution  vorbehal- 
ten, durch  welchen  das  Eigentum  des  gefrondeten  Gutes  über- 
wiesen wird,  die  Kriminalgerichtsbarkeit  aber  ist  an 
eine  Familie  von  ludices  zu  Lehen  gegeben.  Wir  er- 
fahren davon  aus  zwei  Urkunden  des  13.  Jahrhunderts.  Im 
Jahre  1200^  klagt  vor  dem  bischöflichen  Lehenshofe  Adamin 
de  la  Bella  um  die  Hälfte  des  Lehens,  mit  dem  sein  Vater  und 
Großvater  belehnt  waren  und  das  nun  sein  Bruder  Gerard 
verwalte.  Gerard  antwortet  der  Klage,  indem  er  seinem  Bru- 
der die  Fähigkeit  zu  diesem  Lehen  abstreitet^  weil  dieses  Lehen 
nur:  ad  iudicem  pertineret  et  non  ad  laicum,  das  heißt  den 
Nichtjuristen,  was  Adamin  offenbar  war,  und  heimfalle,  wenn 
kein  Iudex  in  der  Familie  vorhanden  sei.  Was  für  ein  Lehen 
aber  gemeint  war,  erfahren  wir  aus  dem  Lehensbekenntnis  des 
Heinrich,  eines  Sohnes  des  Gerard,*  das  Lehen  bestehe:  ad  co- 
gnoscendum  tantum  de  causis  criminalibus,  videlicet  que  ad 
puniendum  personas  hominum  spectant  et  pertinent,  scilicet  de 
illis  que  ad  laudamentum  vassallorum  non  pertinent;  sonst  stehe 
ihm  nur  Gerichtsbarkeit  zu,  wenn  ihm  der  Bischof  solche  de- 
legiere. In  der  Tat  finden  wir  die  della  Bella  schon  im  12.  Jahr- 
hundert in  richterlicher  Tätigkeit.  Zuerst  1163'  einen  Henri- 
cus,  seit  1183*  und  später  wiederholt  einen  Gerard,  zuletzt 
dann  den  Henricus,  der  im  Jahre  1225  das  letzte  Mal  genannt 
wird.^  Mit  ihm  muß  die  Familie  ausgestorben  sein.  E^  war 
somit  die  Kriminalgerichtsbarkeit  an  eine  Familie  als  Lehen 
vergeben,  deren  Mitglieder  sie  verwalteten,  wenn  sie  ludices 
waren.     Damit   war   derselbe   Zweck   erreicht,    dem  anderswo 

*  Kink,  Fontes  U,  6,  Nr.  66.  »  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  144. 
»  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  10.            *  Ebendort  Nr.  16. 

*  Urkunde  1226  November  19,  Kopie  Innsbruck,  Ferdinandeum,  Dipaul. 
1306  f.  30. 


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383 

die  Belehnung  des  Vogtes  mit  dem  Blutbanne  diente,  der  Bi- 
schof kam  nicht  in  die  Lage,  als  Eriminalrichter  tätig  zu  sein. 
Daß  vom  Anfange  an  ähnliches  bestand^  ist  nicht  anzunehmen. 
Eher  wird  auch  die  Kriminalgerichtsbarkeit  wie  in  den  deut- 
schen Hochstiftern  und  in  den  benachbarten  Bistümern  der 
Mark  Verona  den  Vögten  zugestanden  sein.  Freilich  dürften 
auch  in  Trient  erst  im  Laufe  des  12.  und  13.  Jahrhunderts  die 
Leib-  und  Lebensstrafen  an  Bedeutung  gewonnen  haben.  Hat 
aber  einmal  den  Vögten  die  Blatgerichtsbarkeit  zugestanden, 
so  muß  sie  in  der  Folge  von  dem  Amte  des  Vogtes  abgezweigt 
worden  sein,  als  sie  als  Lehen  an  die  della  Bella  verliehen 
wurde.  Wann  dies  geschehen  ist,  ist  uns  nicht  bekannt;  denk- 
bar allerdings  wäre  es,  daß  eine  Beschränkung  des  Amtes  ein- 
trat, als  die  Vogtei  an  den  Grafen  Adalpert,  oder  später,  als  sie 
an  die  Tiroler  kam.  Kehren  wir  zur  Angabe  des  Gerard  von 
1200  zurück,  wonach  sein  Großvater  und  Vater  mit  der  Kri- 
minalgerichtsbarkeit belehnt  waren,  so  führt  uns  das,  nachdem 
Gerards  Vater,  Heinrich,  bereits  um  1163  nachweisbar  ist,  auf 
die  Zeit  vor  1150,  also  jene  Zeit,  in  der  die  Tiroler  Grafen  in 
den  Besitz  der  Vogtei  gelangt  sind. 

Mag  dem  sein,  wie  ihm  wolle,  in  der  zweiten  Hälfte  des 
12.  Jahrhunderts  und  in  den  ersten  Dezennien  des  13.  Jahr- 
hunderts sind  nicht  die  Vögte,  sondern  die  della  Bella  im  Be- 
sitze der  Kriminalgerichtsbarkeit  in  Trient.  Nach  deren  Aus- 
sterben üben  diese  Gerichtsbarkeit  die  bischöflichen  Beamten, 
Assessoren,  später  seit  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts 
der  Vikar,  der  im  Namen  des  Bischofs  die  gesamte  Gerichts- 
barkeit versieht.^  Auf  dem  Lande  üben  die  Kriminaljustiz  ein- 
zelne Gastalden  und  Hauptleute  als  Beamte  des  Bischofs  in 
ihren  Sprengein.  An  anderen  Orten  lag  die  hohe  Gerichtsbar- 
keit, der  comitatus,  in  den  Händen  einzelner  Grafengeschlechter, 
vor  allem  der  Eppaner  und  Flavon  und  einzelner  Dinasten^ 
die  seit  dem  13.  Jahrhundert  zahlreicher  als  Patrimonialgerichts- 
herren  auftreten.*  Der  Adel  aber  war  von  dieser  Gerichts- 
barkeit befreit  und  unterstand  direkt  dem  Bischöfe.  Wir 
werden  später  noch  auf  die  sehr  interessanten  Privilegien  zu- 
rückkommen, mit  welchen  diejenigen  bedacht  wurden,  die  in  den 


*  Archiv  für  österr.  Geschichte  92,  169. 

*  Vgl.  den  ersten  Aufsatz  dieses  Bandes  &  34. 


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384 

Adelsstand  erhoben  wurden.  Darunter  kehrt  die  Verleihung 
des  Gerichtsstandes  vor  dem  Bischöfe  oder  seinem  Vizedom 
regelmäßig  wieder.^  Wir  haben  schon  im  vorangehenden  da- 
von gesprochen.  Wird  der  neugeadelte  Unfreie  damit  dem  Hof- 
gerichte des  Gastalden  entzogen^  so  wird  besonders  seit  dem 
Verschwinden  des  Vizedoms  auch  die  Gerichtsbarkeit  vor  dem 
Landrichter  ausgeschaltet  und  der  Gerichtsstand  vor  dem  Bischof 
betont.  Der  Bischof  ist  nunmehr  allein  der  ordentliche  Richter  für 
alle  Adeligen.'  Als  1260  ein  Mann  den  Beweis  erbringen  soll, 
daß  er  ein  edler  Vasall  sei,  erhärtet  er  durch  Urkunden:  se  .  .  .  . 
non  facere  racionem  nee  stare  ad  racionem  sub  aliquo  gastaldione 
ipsius  domini  episcopi,  nisi  tantum  modo  sub  ipso  domino  episcopo 
et  eins  iudicibus  in  curia  Tridentina,  und  der  Bischof  verbietet 
den  Gastalden  von  Calaveno,  ihn  femer  vor  ihr  Gericht  zu  ziehen.' 
Auch  andere  Personen,  namentlich  Geistlichen,  wird  dieser  Ge- 
richtsstand gewährt.  Kaiser  Friedrich  I.  ordnet  an,  daß  der  Propst 
von  Au  wegen  der  Besitzungen  seines  Klosters  nur  vor  dem 
Bischöfe  zu  Rechte  zu  stehen  hat.^  Bischof  Konrad  erteilt 
dieses  Recht  dem  deutschen  Orden  in  Bozen,*  Bischof  Friedrich 
dem  Kloster  San  Tomaso.^ 

Diese  bischöfliche  Gerichtsbarkeit  wird  nun  zum 
Teile  in  der  Lehenskurie  geübt,  jener  Versammlung  der 
Vasallen,  die  als  Lehenshof  in  Lehenssachen  entscheidet.  Das 
Lehensrecht  freilich  kennt  als  Folge  der  Infidelität  nur  die  eine 
Strafe,  den  Verlust  des  Lehens.  Es  müssen  jedoch  vor  diesem 
Gerichtshofe  noch  andere  als  reine  Lehenssachen  zur  Entschei- 
dung gekommen  sein.  Wir  hören,  daß  in  diesem  Gerichte  der 
Bann,  die  Friedloslegung,  verhängt  und  von  dem  Banne  wieder 
gelöst  wird;   so  werden  im  Jahre  1210  Odorich  von  Beseno^ 


"  Kink,  Fontes  H,  6,  Nr.  96,  251;  Urkunde  1217  April  26,  Wien  St.-A. 
usw. ;  vgl.  oben  S.  363. 

•  Urkunde  1269  Juni  26,  Wien  St.-A.  Bischof  Egno  und  der  Hauptmann 
des  Grafen  Meinhard»  Nikolaus,  befehlen  dem  Ricard,  Qrafen  von  Fla- 
von,  den  Qrafen  Friedrich  im  Besitze  gewisser  Güter  nicht  zu  stören, 
sondern,  wenn  sie  klagen  wollen,  coram  episcopo  et  Nicoiao  zu  klagen. 
Ebenso  Bonelli,  2,  Nr.  46;  Kink,  Fontes  11,  5,  Nr.  55  usw. 

»  Urkunde  1260  Juli  28,  Wien  St.-A.  (Dominez  421). 

♦  Stumpf  4520. 

*  Urkunde  1202  April  9,  Innsbruck,  Ferd.  Dipaul.  Handschr.  918. 

•  Bonelli  4,  47. 

»  Kink,  Fontes  II,  ö,  Nr.  84. 


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385 

und  ebenso  mehrere  Ministerialen  und  Bürger  von  Trient,  die 
früher:  per  yasallos  et  pares  eurie  ihrer  Lehen  und  Allode  ver- 
Instig  erklärt  und  mit  dem  Banne  belegt  worden  waren,^  wie- 
der vom  Banne  gelöst.  Im  Jahre  1221  werden  durch  Urteil 
der  Lehenskurie  die  Strafen  für  diejenigen  festgestellt,  welche 
in  ihren  Schlössern  gebannte  Übeltäter  und  Straßenräuber  auf- 
nehmen;* es  wird  festgestellt,  daß  solche  Schlösser  verbrannt 
und  zerstört  werden  sollten.'  Auch  Heinrich  della  Bella  hatte 
in  seinem  Lehensbekenntnisse  von  Fällen  der  Kriminaljustiz 
gesprochen,  die  durch  Spruch  der  Vasallenkurie  beurteilt  wer- 
den sollten.  Es  werden  vermutlich  jene  gewesen  sein,  die  mit 
der  Treupflicht  zusammenhingen,  Infidelitätsakte  betrafen.  An- 
dere entscheidet  der  Bischof  allein.  Als  1240  Jakob  von  Liz- 
zana  vor  dem  Richter  des  Podestk  Sodegher  von  den  Leuten 
von  Rovereto  verklagt  wird,  weigert  er  sich.  Recht  zu  geben: 
quia  dicit,  quod  debet  ire  illam  causam^  per  lodum  curie,  quia 
est  feodum,  nee  aliquam  causam  cum  eis  vult  contestare;  set 
si  ille  iudex  vult  cognoscere  de  aliquo  maleficio  facto  inter  eos, 
cognoscat  et  sibi  placet,  und  als  der  Richter  erklärt,  daß  er 
nnr  de  maleficio  et  de  iniuria  facta  illis  de  Rouereto  erkennen 
wolle,  da  läßt  sich  Jakob  auf  den  Rechtsstreit  ein.^  Schon  Kö- 
nig Otto  IV.  spricht  von  der  Verhängung  des  Bannes  durch 
den  Bischof, *  und  in  der  Tat  wird  1234  Friedrich  von  Castel- 
nuovo  vom  Bischöfe  ohne  Zuziehung  der  Lehenskurie  wegen 
Raub,  Todschlag,  Verbrennung  und  Beraubung  von  Kirchen 
mit  dem  Banne  belegt,  die  Wüstung  seiner  Güter  verfügt.' 
Auch  das  Bannbuch  des  Notars  Obert  enthält  Beispiele,  wo- 
nach der  bischöfliche  und  der  kaiserliche  Podestk  und  ihre  Be- 
amten ohneweiters  auch  den  Bann  über  Adelige  verhängen,^ 
und  zwar  als  Strafe  prozessualen  Ungehorsams.  Sie  haben  also 
auch  in  KrimiBalfUIen  gegen  Adelige  vorgehen  können. 


•  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  86. 

»  Durig,  Mitteil,  des  Inst.,  Ergb.  4,  438,  Nr.  12. 

•  a.  a.  O.,  in  der  letzten  Zeile  von  Nr.  12  auf  S.  439  ist  statt  aber©  abo- 
lire  zu  emendieren  (im  Transumt  aboire). 

<  sie! 

^  Urkunde  1240  Oktober  19,    Wien  8t.-A.   (Dominez  327  unvollständig). 

«  Böhmer-Ficker,  Reg.  Imp,  VI,  1,  264. 

'  Kink,  Fontes  U,  6,  Nr.  168. 

•  Acte  Tirol  2,  Nr.  1,  6,  7,  12  usw. 


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386 

Fassen  wir  die  AasiUhmngen  über  die  Gerichtsverfassung 
des  Bistums  zusammen^  so  bleibt  kein  Platz  für  die  Ge- 
richtsbarkeit des  Vogtes  und  keine  Urkunde  gedenkt  ihrer. 
Selbst  der  Zweikampf,  ursprünglich  dem  Pfalzgrafen  und  den  kö- 
niglichen Missi  vorbehalten/  dann  vielfach  nach  Erwerbung  der 
missatischen  Rechte  durch  die  Kirchenvorsteher  Sache  des  bischöf- 
lichen Vogtes,  weil  ein  blutiges  Geschäft*  wird  in  Trient  über 
Urteil  des  Iudex  Endricus,  der  wohl  mit  dem  Kriminalrichter 
Henricus  della  Bella  identisch  ist,  vor  dem  Bischöfe  abgehalten.^ 

Ein  anderes  Recht  des  Vogtes  war  es,  an  das  die  Weiter- 
entwicklung anknüpfte,  das  dem  Vogte  die  MögUchkeit  gewährte, 
die  Rechte  zu  erwerben,  welche  ihn  zuletzt  als  den  Herrn  des 
Bistums  erscheinen  ließen,  ein  Recht,  das  den  deutschen  Vög- 
ten gefehlt  zu  haben  scheint,  in  italienischen  und  französischen 
Landen  indes  nicht  unbekannt  war. 

Ficker  hat  darauf  hingewiesen,  daß  schon  im  Franken- 
reiche der  König  die  Nutzung  der  erledigten  Reichs- 
kirchen in  Anspruch  nahm>  In  der  Folge  galt  diese  Nutzung 
als  feststehendes  Recht  des  deutschen  Königs,  der  sie  bis  ins 
13.  Jahrhundert  behauptete.^  Andere  Herrscher,  die  Könige 
von  Frankreich,  der  König  von  Ungarn,  haben  das  Regalien- 
recht noch  viel  länger,  bis  zur  französischen  Revolution,  ja  bis 
zur  Jetztzeit  behauptet.  Stutz  hat  das  Regalienrecht  aus  der 
Idee  der  Eigenkirche  erklärt,  welche  die  hohen  Reichsstifter  er- 
griff und  wie  Eigenkirchen  des  Herrschers  erscheinen  ließ.^  Wer 
im  Namen  des  deutschen  Königs  die  Verwaltung  des  vakanten 
Hochstiftes  führte,  ist  für  die  Zeit  des  früheren  und  hohen  Mittel- 
alters nicht  bekannt,  insbesonders  nicht  die  Stellung  des  Vogtes 
in  der  vakanten  Kirche.  War  er  Rechtsbeistand  des  regieren- 
den Kirchenvorstehers,  so  war  er  gewiß  vor  allen  anderen  zum 


*  Sohm,  Die  fränkische  Reichs-  und  Gerichtsverfassung  503;  Ficker,  For- 
schungen 2,  16,  63  f.;  3,  424;  Salvioli,  Atti  m,  6,  66. 

'  z.  B.  in  Aquileia,  wo  sich  die  Parteien  zwar  vor  dem  Patriarchen  durch 
wadia  zum  Zweikampfe  verpflichten,  der  Kampf  aber  vor  dem  Vogte 
oder  seinem  Stellvertreter  stattfindet;  vgl.  Rubeis,  Monumenta  ecclesiae 
Aquileiensis  647  f. 

'  Paolo  Orsi,  Archivio  per  Trieste,  Istria  ed  il  Trentino  3,  89. 

*  Über  das  Eigentum  des  Reiches  am  Reichskirchengut,  Sitzungsber.  der 
Wiener  Akad.  der  Wissensch.,  phil.-hist.  Kl.  72,  382  f. 

*  Scheffer-Boichorst,  Kaiser  Friedrich  L  letzter  Streit  mit  der  Kurie,  189  f. 
"  Stutz,  Die  Eigenkirche  26. 


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Schutze  des  Eirchengntes  während  der  Sedisvakanz,  wo  es  des 
Schatzes  doppelt  bedurfte,  berufen.  Ebenso  wie  das  Mundium 
des  Königs,  seine  oberste  Schutzgewalt  Über  alle  Kirchen  zur 
Ausbildung  des  Regalienrechtes  beigetragen  hat,^  so  mochte 
auch  die  Schutzgewalt  dem  Vogte  ein  Regalienrecht  schaffen. 
En  Obereigentum  über  das  Kirchengut  haben  die  Vögte  frei- 
lich nie  in  Anspruch  genommen,  aber  sie  haben  sich  in  vielen 
Gegenden  als  domini,  als  Herren  der  Kirchenoberen,  die  ihrer 
Vogtei  unterworfen  waren,  betrachtet.  In  Frankreich  haben 
neben  dem  Könige  auch  einzelne  Vögte  das  Regalienrecht  von 
Bistümern  in  der  Tat  in  Anspruch  genommen.*  Auch  in  Ita- 
lien stehen  den  Vögten  in  einer  Anzahl  von  Hochstiftem  be- 
sondere Wirksamkeit  und  mit  ihr  besondere  Rechte  im  Falle 
der  Sedisvakanz  zu.'  In  Padua  hat  der  Vogt  nach  einem  Weis- 
tum  von  1283  bei  Erledigung  des  Bistums  den  bischöflichen 
Palast  zu  hüten,  die  Kirchengüter  zu  verzeichnen  und  zu  ver- 
wahren, den  neuen  Bischof  in  den  Besitz  der  Kirche  einzu- 
führen und  ihm  die  Kirchengüter  zu  übergeben.  Ahnliche 
Rechte  übten  zu  Belluno  die  Herren  von  Collalto,  desgleichen 
die  Porcia  zu  Ceneda.  Sie  übten  die  Jurisdiktionsrechte  wäh- 
rend der  Sedisvakanz,  ja  sie  zogen  sogar  den  Nachlaß  des  ver- 
storbenen Kirchenfürsten  ein,  machten  ein  Spolienrecht  geltend.^ 
Die  Grafen  von  Savoyen  übten  das  Regalien-  und  Spolienrecht 
in  einer  Reihe  burgundischer  Bistümer,  in  Tarentaise,  Belley, 
Aosta^  Sitten  und  Maurienne.^  Freilich  galten  diese  Bistümer 
nicht  mehr  als  Reichsstifter,  sondern  standen  unter  der  Ober- 
hoheit von  Savoyen,  von  dem  sie  die  Investitur  empfingen.^  Die 
Kirche  widerstrebte  zwar  der  Nutzung  der  Regalien  durch  die 
Vögte,  durch  Laien  überhaupt.'  Doch  nur  dem  deutschen  Könige 
gegenüber  blieb  sie  siegreich.  Sie  mußte  sich  im  übrigen  schließ- 


*  Ficker,  a.  a.  O.  101,  Stutz,  a.  a.  O.  36,  Heusler,  Institutionen  de»  deut- 
schen PrivatrechtB  1,  322,  Schröder*,  Rechtsgesch.  418  f.  Verfehlt  ist 
die  Ansicht  von  Georg  Phillips,  Das  Regalienrecht  in  Frankreich  28  f., 
der  dieses  Recht  aus  dem  Lehensrechte  ableitet,  wenn  auch  das  Leheus- 
angefälle  auf  demselben  Rechtsgrundsatze  beruht. 

»  Georg  Phillips,  a.  a.  O.  34  f.,  44  f. 

»  SalvioU,  Atti  IH,  6,  90;  Pertile»  1,  330. 

*  Verd,  Marca  Trevigiana  2,  96  und  Nr.  307. 

*  Hellmanu,  Die  Grafen  von  Savoyen  und  das  Reich  7 ;  Manteyer,  Les  origi- 
ues  de  la  maison  de  Savoie,  Melanges  d^Archeologie  et  d*Histoire  19,  4Ut2  f. 

«  Ficker,  ReichsfOrstenstaud  295.  ^  Phillips  41. 


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388 

lieh  bequemen,  das  Regalienrecht  anzuerkennen,  wo  es  ein  alt- 
hergebrachtes war.  Nur  Übergriffe  wurden  verboten.  Das 
zweite  Lyoner  Konzil  bedrohte  jene  mit  dem  Banne,  die  unter 
dem  Verwände  der  Vogtei  die  Güter  der  Kirchen  und  Klöster 
während  der  Sedisvakanz  in  Besitz  nahmen,  aber  es  begnügte 
sich,  jene,  welche  das  Regalienrecht  seit  der  Gründung  des 
Kirchenamtes  oder  kraft  alter  Gewohnheit  in  Anspruch  nehmen, 
zu  ermahnen,  ihr  Recht  nicht  zu  mißbrauchen,  sich  mit  den 
Früchten  zu  begnügen,  das  Vermögen  der  Kirche  jedoch  nicht 
zu  verschleudern.^  Damit  hatte  das  Regalienrecht  kirchliche 
Anerkennung  gefunden. 

Ein  solches  Recht  muß  auch  den  Vögten  von  Trient 
zugestanden  haben.  Meinhard  IL  hat  es  auf  das  bestimm- 
teste in  Anspruch  genommen.  Im  Jahre  1290  überreichte  ein 
Vertreter  des  Herzogs  in  dessen  Streit  mit  dem  neuen  Bischof 
von  Trient,  Philipp  Buonacolsi,  dem  Bischof  von  Padua  als  päpst- 
lichen Delegaten  eine  Appellation,  in  der  ausgeführt  war,  daß 
dem  Grafen  von  Tirol  als  Vogt  das  Recht  zustehe,  die  Welt- 
lichkeiten der  Kirche  von  Trient  zu  verwalten  und  zu  ver- 
wahren, bis  der  kanonisch  gewählte  Bischof  um  ihre  Heraus- 
gabe ansuche.  Dieses  Recht  wird  als  ein  althergebrachtes  be- 
zeichnet.^ Läßt  sich  nun  diese  Behauptung  bei  den  dürftigen 
Angaben  unserer  Quellen  nicht  auf  ihre  Wahrheit  überprüfen, 
soviel  ergibt  sich  immerhin,  daß  die  Vögte  während  der  Se- 
disvakanz wiederholt  eine  hervorragende  Rolle  gespielt  haben. 
Schon  das  Auftreten  des  Grafen  Adalpert  gegen  die  Gesandten 
Heinrichs  V.  im  Jahre  1106'  wird  darauf  hindeuten.  Nach 
dem  Tode  Bischof  Adalperos  hatte  Heinrich  V.  das  Bistum 
Trient  seinem  Kaplan  Gebhard  verliehen.  Die  Bürger  von 
Trient  und  wohl  auch  die  Vasallen  des  Bistums  hielten  dem 
alten  Kaiser  die  Treue  und  wollten  den  Günstling  des  aufrüh- 
rerischen Sohnes  nicht  in  ihre  Mauern  aufnehmen.*  Sicherlich 
hing  auch  die  Gefangennahme  der  Gesandten,  die  Ekkehard  in 
einem  Atem  erzählt,  mit  dieser  Haltung  der  Bürger  zusammen 
und   wird   der  Graf  Adalpert  die  Seele  der  ganzen  Bewegung 


>  c.  13  in  YLo  1,  6.  «  Beilage  17.  '  Vgl  oben  S.  374. 

*  Ekkehard,  Chonic.  anivers.  MM.  SS.  6,  284;  Egger,  Geschichte  Tirols  1, 
191 ;  Meyer  y.  Knonau,  Jahrbücher  des  Deutschen  Reichs  anter  Hein- 
rich IV.  und  Heinrich  V.  6,  294. 


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389 

gewesen  sein.     Nur  als  Vogt  kann  ihm  diese  überragende  Stel- 
lung zugekommen  sein. 

Die  dürftigen  Nachrichten,  die  ans  dem  12.  Jahrhundert 
über  Sedisvakanzen  vorliegen,  gestatten  keinen  weiteren  Auf- 
schluß. Erst  zu  Beginn  des  13.  Jahrhunderts  sind  wir  besser 
unterrichtet.  Als  Bischof  Konrad  1205  seine  Abdankung  wider- 
rief und  mit  Hilfe  des  Staufers  Philipp  von  Schwaben,  der  ihn 
mit  den  Weltlichkeiten  investierte,  die  Verwaltung  des  Bistums 
neuerdings  zu  erlangen  suchte,  da  trat  der  Graf  von  Tirol,  der 
vielleicht  ein  unmittelbares  Interesse  daran  hatte,  daß  sich  die 
staufische  Macht  in  Südtirol  nicht  weiter  ausdehne,^  als  Vogt 
in  ganz  besonderer  Weise  hervor.  Domherren,  Adel  und  Bür- 
gerschaft schwören,  keinen  Frieden  mit  dem  Bischof  zu  machen 
ohne  Wissen  des  Grafen,  wie  auch  der  Graf  ohne  Wissen  der 
anderen  Verschworenen.*  Bei  den  Beratungen,  ob  Konrad  zum 
Bistnme  wieder  zuzulassen  sei,  kommt  dem  Grafen  eine  ge- 
wichtige Stimme  zu.  War  dieses  Gewicht  schon  durch  die  Macht 
des  Grafen  gegeben,  so  wird  doch  immer  seine  Stellung  als 
Vogt  betont.  Im  folgenden  Jahre  1206  erscheint  der  Graf  von 
Tirol  geradezu  als  Podestä  von  Trient,  ist  also  mit  der  Ver- 
waltung des  Bistums  betraut.'  In  der  Folge  bekleidet  Graf 
Albrecht  das  gleiche  Amt  wiederholt  unter  den  Nachfolgern  Bi- 
schof Friedrichs  von  Wangen  1222,*  1223«^  und  1235«  und 
1236^  allerdings  zunächst  sede  plena  und  als  Beamter  des  Bi- 
schofs, 1223  freilich  bei  Abwesenheit  des  Bischofs,  der  den 
Kaiser  Friedrich  IL  nach  Italien  begleitete.  Ob  er  es  auch  sede 
vacante  verwaltete,  dafür  fehlen  freilich  die  Nachrichten,  aber 
es  liegt  auch  nichts  vor,  um  das  Gegenteil  zu  behaupten.  Daß 
der  Vogt  beim  Tode  des  Bischofs  Aldrich  nicht  hervortritt,  be- 
greift sich,  da  ja  die  Verwaltung  des  Bistums  vorläufig  von 
dem  kaiserlichen  Statthalter  geführt  wurde.^    Bei  Egnos  Tode 


1  Vgl.  Zeitschr.  des  Ferd.  m,  48,  354. 

*  YigUio  Slanoliui,   Programm  des  Qinnasio  vescovile  von  Trient  1902, 
88  f. 

>  Urkonde  1206  Mai  27,  Wien  St-A. 
«  Bonelli  2,  488. 

*  Durig,  Mitteil,  des  Inst,  Ergb.  4,  441. 

*  Acta  Tirol.  2,  Nr.  1,  3,  6,  6—9  usw. 

^  Dafi  der  Kaiser  die  Vogteirechte  bei  Einsetzung  des  Statthalters  auf- 
gehoben habe,  wie  M.  Mayr,  Die  politischen  Beziehungen  Deutschtirols 


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390 

befand  sich  das  Bistum  ohnehin  schon  vertragsmäßig  in  den 
Händen  Meinhards.  Der  Zusammenstoß  des  Vogtes  mit  dem 
neuen  Bischöfe  Heinrich  H.  dürfte  sich  unter  diesem  Gesichts- 
punkte auch  nicht  als  reiner  Gewaltakt  darstellen,  sondern  in 
der  Weigerung  Heinrichs^  die  Herausgabe  der  Temporalien  vom 
Vogte  zu  verlangen,  seinen  Grund  gehabt  haben.' 

Auch  die  Nachfolger  Meinhards  U.  haben  an  die- 
sem Rechte  festgehalten.  Sie  haben  die  Verwaltung  des 
Bistums  nach  dem  Tode  des  Bischofs  Bartolomeo  Querini  über- 
nommen.* Ebenso  führte  Herzog  Johann  von  Kärnten  und  in 
seinem  Namen,  da  er  noch  unmündig  war^  Markgraf  Karl  von 
Mähren,  der  spätere  Kaiser  Karl  IV.,  nach  dem  Tode  des  Bi- 
schofs Heinrich  HL  die  Verwaltung:  auctoritate  nobis  pro  dicto 
fratre  nostro  concessa  per  capitulum  Tridentinum  sede  vacante 
ecclesie  Tridentine;'  nach  der  Wahl  des  neuen  Bischofs  Niko- 
laus wurde  vom  Domkapitel  diese  Verwaltung  bis  zur  Bestäti- 
gung  des  Erwählten   verlängert.*     Was   das  Kapitel   hier  gut- 

20  meint,  ist  gänzlich  aus  der  Luft  gegriffen;  sie  ruhten  nur  natur- 
gemäß während  der  Reichsverwaltung. 
^  Kaum  wird  man  diesen  Grund  im  Schlosse  Buonconsil  sehen  können, 
wie  Wilhelm,  Mitteil,  des  Inst.  23,  436;  das  Schloß  war  keineswegs  ein 
altes  Streitobjekt  zwischen  Bischof  und  Grafen,  der  Bischof  hatte  auch 
kaum  gegründete  Ansprüche  darauf,  da  es  durch  Sodegher  auf  Gemeinde- 
grund gebaut  worden  und  aus  dessen  Nachlaß  auf  den  Grafen  von  Tirol 
gekommen  war. 

*  1308  April  1,  Herzog  Otto  verleiht  Pfand leihanstalt  im  Nonsberg,  Wien 
St.-A.,  Handschr.  384  f.  6 ;  1309  Juni  30  Hauptleute  des  Herzogs  Otto 
in  Trient  und  Judikarien:  Heinrich  von  Rottenburg  und  Odorich  von 
Ragonia  und  Odorich  von  Corredo,  Innsbruck  St.-A.  C.  40,  Nr.  22;  1309 
März  1  verleiht  Herzog  Otto  dem  Sieghard  und  H.  von  Trazberg  die 
Podestarie  Riva  und  das  Schloß  Tignale,  Wien  St.-A.,  Handschr.  383, 
f.  42;  März  17  derselbe  verleiht  Pfandleihanstalt  in  Trient,  ebendort; 
1310  Jänner  15  Herzog  Otto  verleiht  den  Fleimsem  die  Freiheit,  daß 
nie  ein  Schloß  in  ihrem  Tale  gebaut  werden  dürfe,  Wien  St-A.,  Hand- 
schr. 389,  f.  62,  und  beauftragt  den  Hauptmann,  das  bestehende  Schloß 
zu  brechen.  Später  verspricht  Exkönig  Heinrich  dem  Aldrighet  von  Ca- 
stelbarco  die  Hauptmannschaft  im  Lagertale  im  Falle  einer  Sedisvakanz : 
advocacie,  que  ad  .  .  d™  regem  et  suos  heredes  racione  episcopatus  et 
ecclesie  Tridentine  de  iure  spectat  seu  spectabit,  ....  donec  alius  epi- 
scopus  ibidem  fuerit  confirmatus  für  die  Zeit  seines  Lebens;  1320  Jänner 
26,  Wien  St.-A.  (Dominez  762). 

»  1336  Oktober  14,  Wien  St.-A.  (Dominez  822,  Huber-Böhmer,  Reg.  Imp. 
VIII,  34). 

*  Huber-Böhmer,  a.  a.  O.  36  a. 


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391 

willig  gewährte,  ist  vonseite  des  Herzogs  gewiß  als  volles  Recht 
beanspnicht  worden;  daraufweist  schon  die  Klansei  am  Schlnsse 
der  ürknnde,  die  beiden  Teilen  ihr  Recht  vorbehält.  Die  volle 
Verwaltung  und  Gerichtsbarkeit  wird  hier  dem  Vogte  zuge- 
sprochen. Fast  ein  Jahr  lang  hat  diese  Verwaltung  bestanden.^ 
Nikolaus  ist  dann  bekanntlich  wegen  seiner  Parteinahme  fUr 
die  Luxemburger  vom  Markgrafen  Ludwig  von  Brandenburg 
verjagt  worden,  und  seine  Nachfolger  konnten  nur  sehr  vor- 
übergehend und  teilweise  in  den  Besitz  des  Bistums  gelangen, 
dessen  Verwaltung  vielmehr  Ludwig  an  sich  nahm.  In  diesen 
Jahren  des  Widerstreites  zwischen  dem  exkommunizierten  Lau* 
desftlrsten,  dem  E^pitel  und  den  Bischöfen  ist  das  Regalien- 
recht des  Vogtes  nicht  mehr  anerkannt.  Jetzt  erscheinen  aller- 
dings Beamte  des  Kapitels  sede  vacante.^  Indes  verschwinden 
sie  nach  dem  Siege  des  Markgrafen  wieder  und  Ludwig  setzt 
1354  den  Pfarrer  Heinrich  von  Tirol  zum  Verweser  des  Bis- 
tums, vicarius  und  protector  generalis  oder  vicegerens  ein,^  der 
nun  eine  Reihe  von  Jahren  verwaltet. 

Stand  aber  dem  Vogte  ein  Regalienrecht  zu,  was  war 
natürlicher,  als  daß  er  die  Herausgabe  der  Temporalien 
an  Bedingungen  knüpfte,  die  ihn  davor  sichern  sollten, 
daß  der  Bischof  seine  Macht  feindlich  gegen  den  Lan- 
desherrn wende.  Daher  konnte  bereits  Bischof  Philipp,  als 
über  eine  Aussöhnung  mit  ihm  verhandelt  wurde,  die  Heraus- 
gabe der  Regalien  nur  unter  besonderen  Bedingungen  erlangen, 
die  der  Bischof  nachher  ablehnte.  Bartholomäus  Querini  wurde 
vor  Herausgabe  der  Temporalien  verpflichtet,  die  Absolution 
der  Herzoge  vom  päpstlichen  Stuhle  zu  verlangen.*  Bischof 
Heinrich  HL  wurde  1314  zu  einem  engen  Bündnisse  mit  Ex- 
könig Heinrich   verhalten   gegen    jedermann.^     Weiter   schon 


»  Urkunde  13S7  September,  Wien  St.-A. 

*  Ein  Belens&nis  als  Hauptmann  von  Tenno,  Innsbruck  St.-A.,  Reperto- 
rium  des  Domkapitelarchivs  G.  60,  Nr.  111;  1849  Jänner  2:  Dyonisius 
von  Gardellis,  Hauptmann  des  Schlosses  Buonconsil  fOrs  Kapitel,  gibt 
das  Schloß  dem  Erzdiakon  und  Generalvikar  des  Bischofs  Johann  her- 
aus ;  ebenso  Schloß  Stenico  und  die  rocca  de  Breguzzo  mit  dem  Yikariat 
Judikarien,  Innsbruck,  Ferd.  Dipaul.  Handschr.  822,  S.  51—63. 

*  1364  April  19,  Huber,  Geschichte  der  Vereinigung  Tirols  mit  Österreich, 
Regest  161. 

*  Urkunde  1306  Juli  22,  Wien  St.-A.  (Domiuez  686). 

*  Urkunde  1314  Juni  8,  Wien  8t.-A.  (Dominez  728). 

Arehir.   94.  Band,  U.  HUfke.  27 


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392 

ging  Markgraf  Ludwig,  als  er  den  Pfarrer  von  Tirol  zum 
Pfleger  des  Bistums  setzte.  Es  wurde  nämlich  gleichzeitig 
der  Fall  ins  Auge  gefaßt,  daß  sich  der  Pfarrer  beim  Papste 
um  das  Bistum  bewerben  werde.  Für  diesen  Fall  mußte  der 
Pfarrer  dem  Markgrafen  geloben,  ihm  und  seinen  Erben  mit 
dem  Bistume  zu  warten  und  zu  helfen,  wie  es  ein  Bischof  sei- 
nem Herrn  und  Vogte  schuldig  sei.^  Das  klang  kaum  anders, 
als  das  Versprechen,  das  Albrecht  von  Ortenburg  dem  Herzog 
Albrecht  von  Österreich  für  den  gleichen  Fall  gegeben  hat* 
Man  sieht,  die  vielberufenen  Kompaktaten  Rudolfs  IV.  mit 
dem  Bischof  Albrecht  von  Ortenburg  sind  ebensowenig 
etwas  ganz  neues  gewesen,  als  sie  vereinzelt  dastehen.^ 
Freilich  ging  Rudolf  IV.  weiter  als  Markgraf  Ludwig  gegangen 
war.*  Der  Markgraf  begnügte  sich,  den  Bischof  allein  sich  zu 
verpflichten,  er  ließ  ihm  freie  Hand  bei  der  Einsetzung  seiner 
Beamten,  namentlich  der  Hauptleute.  Rudolf  verlangte  nicht 
nur  das  Gelöbnis  des  Bischofs,  sondern  auch  das  des  Kapitels 
und  der  bischöflichen  Hauptleute  und  Vikare,  die  nur  mit 
Wissen  und  Willen  des  Herzogs  von  Osterreich  eingesetzt  wer- 
den sollen;  ja  der  oberste  Hauptmann  sollte  geradezu  Untertan 
des  Landesfürsten   sein.     Auch   das  Regalienrecht  wird  neuer- 


*  Urkunde  1S54  April  19,  Wien  St.-A.  (Dominez  901). 

*  Huber,  Vereinigung  Tirols,  Reg.  Nr.  200. 

'  Die  Forschungen  Sfbiks,  Die  Beziehungen  von  Staat  und  Kirche  in 
Österreich  während  des  Mittelalters,  haben  dargetan,  daß  ähnliche  Ver- 
träge von  einer  Reihe  von  Kirchenftirsten  mit  den  Habsburgern  einge- 
gangen worden  sind  .36  f.  Aber  auch  die  habsburgische  Politik  ist  nur 
ein  Glied  in  dem  Streben  der  weltlichen  Landesherren,  ihrer  Macht  die 
geistlichen  Territorien  dienstbar  zu  machen.  Ganz  ähnliche  Zusagen 
hatte  auch  Bischof  Matthäus  von  Brixen  1S48  März  17,  Wien  St.-A., 
Ludwig  dem  Brandenburger  machen  müssen.  Hier  findet  sich  schon 
die  Zusage  der  Hilfe  gegen  jedermann  und  der  Entfernung  von  Haupt- 
leuten, die  dem  Landesherm  nicht  genehm  sind.  Auch  haben  die  Burg- 
mannen, Dienstleute,  Bürger  und  die  „gemainhait"  zu  schwören,  wenn 
der  Bischof  feindlich  gegen  den  Landesherrn  vorgeht,  diesem  und  nicht 
dem  Bischof  zu  folgen.  Dieser  Vertrag  mit  Brixen  dürfte  geradezu  für 
die  Trienter  Kompaktaten  vorbildlich  gewesen  sein. 

*  Vgl.  die  Kompaktaten  von  1363  bei  Schwind-Dopsch,  Urk.  z.  Verfassungs- 
gesch.  Nr.  1 12 ;  dazu  Huber,  Vereinigung  Tirols  mit  Osterreich  96  f.  und 
Rudolf  IV.,  98;  Durig,  Die  Staatsrecht!.  Beziehungen  20  f. ;  Bidermann, 
Die  Italiäner  im  tirolischen  Pro vinzial -Verbände  119  f.;  Hirn,  Archiv 
für  österr.  Gesch.  63,  357  f. 


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dings  festgestellt.  Die  bischöflichen  Hauptleute  und  Beamten 
dürfen  im  Falle  der  Sedisvakanz  dem  Nachfolger  oder  dem 
Kapitel  nicht  gehorchen^  noch  auch  die  Einkünfte  abliefern  oder 
in  ihrem  Kamen  Akte  der  Jurisdiktion  ausüben  ohne  Erlaubnis 
des  Herzogs,  oder  wie  es  in  den  folgenden  Kompaktaten  hieß, 
sie  sollten  die  Schlösser  und  Städte  für  den  Herzog  von  Oster- 
reich inne  haben,  bis  der  neue  Bischof  die  Kompaktaten  be- 
schworen hat. 

So  führte  das  Regalienrecht  des  Vogtes  zur  ewigen 
Eidgenossenschaft,  die  durch  die  Kompaktaten  zwischen 
dem  Hochstifte  Trient  und  der  Grafschaft  Tirol  ge- 
gründet worden  ist,  aus  ihm  sind  die  Rechte  erwachsen,  welche 
dem  Landesftirsten  in  der  Folge  im  Bistum  zustanden.  Damit 
war  der  Inhalt  und  Sinn  der  Vogtei  allerdings  sehr. geändert. 
Nicht  mehr  der  Schutz,  den  die  Kirche  empfingt,  ist  das  we- 
sentliche; die  Vogtei  ist  Herrschaft,  der  Vogt  Herr  des  Bischofs 
und  des  Bistums  geworden.  Nicht  nur  ist  der  Bischof  zu  ewi- 
ger Hilfeleistung  mit  allen  Kräften  des  Bistums  verpflichtet,  es 
ist  auch  dafür  gesorgt,  daß  er  dieser  Verpflichtung  nicht  untreu 
werden  kann.  Denn  wenn  er  feindlich  gegen  den  Landes- 
ftlrsten  auftritt,  sind  seine  Untertanen  verpflichtet,  ihn  zu  ver- 
lassen und  dem  Landesfürsten  gegen  ihren  Bischof  Hilfe  zu 
bringen.  Ja  die  Pflicht  des  Bischofs  besteht  unabhängig  da- 
von, ob  der  Landesfürst  seine  Schutzpflicht  erfüllt  oder  nicht.* 
Damit  kommt  dem  Landesherrn  schon  durchaus  eine  herr- 
schende Stellung  gegenüber  dem  Bischöfe  zu,  die  Kompaktaten 
bedeuten,  wie  Alfons  Huber  mit  Recht  gesagt  hat,  eine  halbe 
Säkularisation  des  Bistums,  sie  stellen  seine  militärischen  und 
Steuerkräfte  dem  Landesherrn  zur  Verfügung.*  Die  reichs- 
unmittelbare Stellung  des  Bischofs  ist  freilich  durch  die  Kom- 
paktaten, so  wenig  wie  durch  das  Regalienrecht  berührt  wor- 
den; noch  immer  wird  der  Bischof  durch  den  Kaiser  mit  den 
Regalien  investiert,  aber  die  Investitur  vermag  ihm  den  Besitz 
der  Weltlichkeiten  nicht  zu  verschaffen,  er  muß  in  diesen  Besitz 
vom  Vogte  und  Landesherm  eingeführt  werden,  und  die  Ein- 
führung  erfolgte   erst,   wenn  die  Bischöfe  in  den  für  manchen 


^  So  nach  den  Kompaktaten   von  1365  Februar  5,   BrandU,   Tirol  unter 

Friedrich  von  Osterreich  217. 
•  Huber,  Vereinigung  Tirols  96. 

27* 


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von  ihnen  gewiß  saueren  Apfel  gebissen  nnd  die  Kompaktaten 
beschworen  hatten.  Begreiflich^  wenn  die  Landesfiirsten  die 
fter  sie  günstige  Gelegenheit  ausbeuteten,  um  die  Abhängigkeit 
zu  verschärfen.  Freilich  war  diese  ewige  Eidgenossenschaft 
schließlich  auch  die  geeignetste  Form,  in  der  die  Schutz- 
vogtei  in  den  späten  Jahrhunderten  des  Mittelalters 
und  in  der  Neuzeit  geltend  gemacht  werden  konnte.  Ohne 
die  Kompaktaten  und  die  Mithilfe  Tirols  wäre  das  Hochstift 
nicht  erst  im  Jahre  1803  säkularisiert  worden,  sondern  schon 
im  15.  Jahrhundert  dem  siegreichen  Banner  des  heil.  Markus 
erlegen,  und  wer  weiß,  ob  die  Republik  der  Dogenstadt  an  den 
Grenzen  des  Bistums  halt  gemacht,  ob  sie  sich  nicht  der  Brenner- 
straße, die  für  ihren  Handel  nach  Süddeutschland  von  so  großer 
Bedeutung  war,  bemächtigt  hätte,  und  so  ein  Keil  welschen  Lan- 
des weit  nach  Süddeutschland  hineingetrieben  worden  wäre.  So 
ist  es  richtig,  daß  die  Vogtei  des  Grafen  von  Tirol  von  der  größten 
Bedeutung  für  die  Ausbildung  des  Landes  geworden  ist,  ja  erhöhte 
Bedeutung  darüber  hinaus  gewonnen  hat,  wenn  auch  der  Aus- 
gangspunkt der  Macht  des  Vogtes  nicht  die  Gerichtsbarkeit  gewe- 
sen ist.  Auch  Gerichtsbarkeit  hat  der  Vogt  in  der  Folge  gewonnen 
über  den  alten  Adel  des  Bistums,  zeitweise  durch  seinen  Haupt- 
mann über  die  Deutschen  in  Trient,  endlich  als  Schiedsrichter 
zwischen  dem  Bischof  und  seinen  Untertanen.  Es  ist  hier  nicht 
der  Ort,  darauf  und  auf  die  weitere  Entwicklung  näher  einzu- 
gehen, da  diese  Gerichtsbarkeit  mit  der  Vogtei  des  früheren 
Mittelalters  nicht  direkt  zusammenhängt. 

m  Andere  geistliche  Immunitäten. 

Von  den  geistlichen  Stiften  der  Diözese  Trient  hat 
so  viel  wir  wissen,  nur  das  Chorherrenstift  Au  bei  Bozen 
durch  königliche  Verleihung  Immunitätsgerichtsbarkeit  erlangt. 
Die  anderen  Exemtionen  sind  nur  landesherrliche  gewesen, 
durch  den  Bischof  erteilt  worden. 

Mehrfach  haben  die  Bischöfe  geistlichen  Anstalten  die 
Steuern  und  andere  Abgaben  erlassen,  zumeist  in  Verbindung 
mit    der  Verleihung    des   Gerichtsstandes  vor  dem   Bischöfe.* 


'  Für  das  Spital  zu  Lengmoos,  Kink,  Fontes  11,  6,  Nr.  122  und  124;  Sau 
Tomaso  bei  Romeno,  Zeitschr.  des  Ferd.  III,  33,  87  usw. 


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Hier  sollen  nur  die  gerichtlichen  Exemtionen  betrachtet  werden, 
die  eine  mehr  oder  weniger  weitgehende  Ausschaltung  des 
Klostergutes  aus  dem  Landgerichte  bedeuten.  Außer  dem  Chor- 
herrenstifte Au  kommen  nur  noch  das  Chorherrenstift  St.  Michel 
an  der  Etsch  und  das  Domkapitel  von  Trient  in  Betracht. 

Das  Chorherrenstift  Au,  gegründet  durch  den  Grafen  Ar- 
nold von  Greifenstein  und  Morit  und  seine  Gemahlin  Mathilde, 
hat  vom  Anfange  an  keine  Immunität  besessen;  das  Diplom 
Kaiser  Friedrichs  I.  von  1166^  begnügt  sich  damit,  die  Stiftung 
und  die  Anordnung  der  Stifter  in  betreff  der  Vogtei  zu  bestäti- 
gen. Immunität  aber  erwähnt  der  Patriarch  Uodalrich  von 
Aquileia  im  Privileg,  das  er  bei  der  Weihe  der  Stiftskirche 
ausgestellt  hat.^  Da  dem  Patriarchen  keine  Exemtionsgewalt 
in  fremdem  Sprengel  zustand,  wird,  wenn  überhaupt  die  Formel 
einen  Rechtsinhalt  hatte  und  nicht  das  Schwergewicht  auf  dem 
indebite  lag,  eine  bischöfliche  Exemtion  vorangegangen  sein. 
Bestimmter  spricht  ürban  III.  von  Immunität.*  Hier  wird  nach 
Art  ähnlicher  päpstlicher  Privilegien  ein  immuner  Klosterbezirk 
anerkannt,  innerhalb  dessen  kein  weltliches  Gericht  gehalten 
werden  soll.  Kaiser  Friedrich  I.  hat  dann  in  einem  zweiten 
Diplome  von  1189^  verftigt,  daß  die  Kolonnen,  das  sind  die 
Hintersassen  des  Stiftes,  nur  vor  dem  Propste  zu  Rechte  zu 
stehen  haben,  außer  in  Kriminalsachen:  que  viris  ecclesiasticis 
prohibentur.  Ob  in  Kriminalsachen  der  Vogt  oder  der  Land- 
richter Richter  sein  sollte,  ist  nicht  gesagt.  Seitdem  die  Grafen 
von  Tirol  die  Vogtei  erlangt  hatten,  fielen  ohnehin  die  Vögte 
und  Inhaber  der  Grafengewalt  zusammen.  Dadurch  wohl  wurde 
die  dauernde  Ausscheidung  eines  Immunitätsgebietes  verhindert, 
und  da  die  Besitzungen  des  Klosters  nirgends  einen  großen 
zusammenhängenden  Bezirk  bildeten,  hat  sich  auch  für  die 
niedere  Gerichtsbarkeit  kein  exemter  Sprengel  gebildet.  Wir 
wissen  über  das  Schicksal  dieser  Immunität  nichts  anderes,  als 
daß  Kaiser  Friedrich  II.  sie  bestätigte.^ 

Hat  es  das  Stift  Au  somit  nicht  zur  Ausbildung  eines 
geschlossenen   Gerichtsbezirkes  gebracht,   so   war  das  Kloster 

»  Stampf  4078. 

*  1179  November  21,  Bonelli  8  a,  173:  NuUi  preterea  faa  sit  familiam  pre- 
fate  ecclesie  per  synodxim  vel  per  placita  indebite  fatigare. 

»  Jaff6-Löwenfeld  15682.  *  Stumpf  4620. 

*  Böhmer-Ficker  2260. 


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396 

St.  Michel  an  der  Etsch  glücklicher.  Dieses  Stift  hatte 
wenigstens  ein,  wenn  auch  an  Umfang  nicht  großes,  zusammen- 
hängendes Gebiet  zur  Ausstattung  erhalten,  Ünter-Fennberg. 
In  der  Stiftungsurkunde  von  1145  September  29^  heißt  es: 
traditus  est  mons  Faone  a  principatu  Tridentinensi  prefato  loco. 
Die  Nachricht  ist  kurz,  doch  dürfte  in  dem  a  principatu  die 
Exemtion  enthalten  sein.*  Papst  Alexander  III.  bestätigte  in 
seiner  Bulle  von  1177  den  Bestand  eines  Immunitätsgebietes 
durch  das  Verbot,  weltliches  Gericht  innerhalb  des  geschlosse- 
nen Gebietes  der  Kirche  abzuhalten.^  Der  Fennberg  stand 
freilich  nicht  ganz  im  Eigentume  des  Stiftes.  Auch  die  Grafen 
von  Eppan  machten  Rechte  auf  Höfe  in  Fennberg  geltend.*  So 
ist  es  auch  nur  ein  Teil  des  Fennberg,  Unter-Fennberg,  ge- 
wesen, in  dem  das  Stift  Gerichtsherr  wurde.  Das  ganze  Gebiet 
war  zweifelsohne  Rodung  des  Stiftes;  die  Höfe  waren  zu  freien 
Zinsleihen  ausgegeben  ad  usum  domorum  mercatus  Tridenti 
et  capelle  Tremeni  et  bone  memorie  condam  d*  Federici  epi- 
scopi  Tridentini  ....  ad  rectum  cislehan,  quod  vulgariter  teo- 
tonice  dicitur.^  Die  Bewohner  waren  Deutsche.  Das  Stift  übte 
die  Gerichtsbarkeit  durch  einen  Vikar  oder  Richter  aus;  aus 
dem  14.  Jahrhundert  sind  einige  Ernennungen  solcher  Richter 
bekannt.®  Nach  einer  Zeugenaussage  von  1322^  sollten  dem 
Richter  alle  Banne  unter  5  Schilling  bleiben,  von  den  höheren 
aber  nur  ein  Drittel;  zwei  Drittel  waren  an  das  Stift  abzufah- 
ren. Die  Gerichtsbarkeit  des  Stiftes  umfaßte  nach  dieser  Aus- 
sage und  einer  anderen  von  1316^  nur  die  bürgerlichen  Sachen. 
In  der  Folge  soll  allerdings  auch  die  hohe  Gerichtsbarkeit  ge- 
übt worden  sein,  bis  das  Gericht  mit  dem  Landgerichte  Salurn 
vereinigt  wurde.*  Geschieden  davon  übte  das  Stift  eine  gewisse 
Urbarialgerichtsbarkeit,  konnte  insbesondere  gegen  säumige  Bau- 

^  Bonelli  2,  392. 

'  8o  auch  Jäger,  Geschichte  der  landständ.  Verfassung  ] ,  404. 
'  Jaffe-Löwenfeld  12914.     Vgl.  über  ähnliche  Exemtionen  Rietschel,  Mit- 
teU.  des  Inst.  27,  415. 

*  Hormayr,  Geschichte  Tirols  1,  II,  Nr.  120  (1226). 

^  Urkunde   1326  Februar  10  und  März  1   und  viele  ähnliche,    Innsbruck 
St.-A. 

•  Zeitschr.  des  Ferd.  HI,  33,  76  n.  6. 

*  Urkunde  1322  März  7,  Wien  St.-A. 

•  Urkunde  1316  August  1,  Innsbruck  St.-A. 
'  Egger,  Mitteil,  des  Inst.,  Ergb.  4,  420. 


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397 

leute  ohne  Dazwischentreten  des  Landrichters  mit  Exekution 
vorgehen.  Dieses  Recht  wurde  dem  Stifte  vom  Exkönig  Hein- 
rich von  Böhmen  1326  verliehen/  es  ist  zum  letzten  Male  von 
Kaiser  Franz  IL  1795  bestätigt  worden.* 

Bedeutender  als  diese  Exemtion  war  die  des  Dom- 
kapitels von  Trient.  Wir  sehen  hier  ab  von  der  Exemtion 
gewisser  Geistlicher,  welche  der  Gerichtsbarkeit  des  De- 
kans und  Kapitels  unterstanden.  Diese  Gerichtsbarkeit  umfaßte 
die  hohe  und  niedere;  ihr  unterstanden  die  Mitglieder  des  Ka- 
pitels, die  Domgeistlichkeit  und  die  Kapläne,  die  auf  den  Pfar- 
ren des  Kapitels  die  Seelsorge  versahen.'  Außer  dieser  dem 
klerikalen  Privilegium  Fori  entsprungenen  Gerichtsgewalt,  ge- 
wann es  aber  auch  Gerichtsbarkeit  auf  einigen  Besitzungen. 
Freilich  nicht  auf  allen. 

Die  Güter  des  Domkapitels  lagen  weit  zerstreut  in  der  gan- 
zen Diözese.  Sie  waren  durchwegs  zu  Zins  ausgegeben  in  sehr 
verschiedener  rechtlicher  und  wirtschaftlicher  Lage.*  Sie  befan- 
den sich  fast  durchwegs  in  der  Streulage,  bildeten  keine  zusam- 
menhängenden Gebiete.  Solche  fanden  sich  nur  auf  den  Bergen 
zwischen  Avisio  und  Fersina  und  in  Valsugana,  meist  Ortschaften, 
die  wahrscheinlich  erst  vom  Kapitel  angelegt  und  besiedelt  wor- 
den waren.  In  dreien  dieser  Ortschaften,  die  wieder  unterein- 
ander nicht  zusammenhingen,  hat  das  Kapitel  die  Gerichts- 
barkeit, und  zwar  die  hohe  wie  die  niedere  bis  zur  Säku- 
larisation  behauptet,   in  Sover,   Sevignano  und  Montagna. 


*  Zeitschr.  des  Ferd.  III,  33,  76. 

'  Urkunde  1795  Mai  15,  Innsbruck  St.-A.:  das  recht  eines  probsteilichen 
urbarsaktuars  zur  betreibung  der  zinsschulden  und  errichtung  der  ur- 
barialkontrakte.  Abschriften  dieser  Kontrakte  mußten  an  die  Gerichts- 
kanzlei abgeliefert  werden. 

*  Ausführung  des  Kapitels  von  1524,  Innsbruck  St.-A.  C.  44,  Nr.  130; 
Zeugnis  des  Bischofs  Dominicus  Anton  von  Thun  von  1760  März  21, 
Innsbruck,  Ferd.  Dipaul.  819,  S.  59.  Das  Kapitel  besitzt:  plenariam 
iurisdictionem  exercendi  in  capellanos  beneficiatos  ecclesiarum  tarn  in 
civilibus  quam  in  criminalibus  independenter  ab  ordinaria  iurisdictione ; 
imo  etiam  in  ipsos  canonicos  in  civilibus  et  quibuscunque  ecclesiasticis 
causis,  in  criminalibus  enim  tempore  nostro  nullus  evenit  casus.  An- 
ders in  früherer  Zeit,  wo  dem  Bischöfe  diese  Gerichtsbarkeit  zugespro- 
chen wird;  Urkunde  um  1220,  Innsbruck  St.-A.  Notariatsurkundeu. 

*  Vgl.  das  von  Ch.  Schneller  in  den  tridentinischen  Urbaren  veröffent- 
lichte Urbar  von  1 220  und  die  Aufzeichnung  über  die  Teilung  des  Ka- 
pitelvermögens nach  Columnelli  von  1242  Juni  13,  Wien  St.-A. 


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398 

Am  besten  sind  wir  über  die  Verhältnisse  in  Sover  unter- 
richtet, über  die  uns  ein  Weistum  von  1243  Auskunft  gibt.* 
Darnach  reichte  das  Gebiet  von  Sover  vom  Avisio  bis  zum 
rivus  longuS;  den  wir  im  Bache  von  Brusago  wieder  zu  erkennen 
haben,  von  dort  zum  rivus  montis  Pelosi,  das  ist  Monpeloso  bei 
Brusago,  dann  wohl  durch  das  vall  Mattio  der  Generalstabs- 
karte bis  zum  Berge  Fregasoga,  von  dort  zur  Pale  de  le  Buse 
und  senkte  sich  von  hier  zum  Bache  von  val  Floriana  und  hinab 
zum  Avisio,  der  gegen  Cembra  die  Grenze  bildet.  Alles,  was 
innerhalb  dieser  Grenzen  liegt,  gehört  dem  Domkapitel^  Wiesen, 
Berge  und  Ackerland.  Später  haben  sich  die  Grenzen  ver- 
engt. Schon  1336  wurde  ein  Streit  mit  den  Leuten  von  Albiano 
und  Vallfloriana  um  einen  angrenzenden  Berg  zugunsten  des 
Domkapitels  entschieden.*  Doch  in  der  Folge  entstanden  neue 
Grenzirrungen.  Die  Leute  von  Vallfloriana  nahmen  den  Berg  in 
Pacht  vom  Domkapitel.  Mit  der  Zeit  entstanden  Zweifel  über 
die  Zugehörigkeit  dieses  Gebietes.  Es  wurde  1522  neuerdings 
dem  Domkapitel  zugesprochen,  freilich  auch  dem  Gerichte  Ca- 
stello,  das  mit  Enn  vereinigt  war,  seine  Rechte  vorbehalten.' 
Die  heutigen  Gemeindegrenzen  deuten  darauf  hin,  daß  wenig- 
stens ein  Teil  des  Gebietes  dem  Kapitel  verloren  gegangen  sein 
muß.  Nach  dem  Weistum  von  1243  haben  die  Leute  von  Sover 
das  ganze  Gebiet  in  Leihe  vom  Domkapitel  gegen  gewisse  Ab- 
gaben inne.  Der  Zins  besteht  in  Getreide,  Tieren,  Schultern 
und  Schinken  (scamaridae).  Ganz  wie  dem  Domkapitel  von 
Verona  steht  auch  dem  von  Trient  das  Recht  zu,  seine  Unter- 
tanen von  Sover  zu  besteuern:  es  wird  hier  zwischen  einer 
ordentlichen  und  einer  außerordentlichen  Steuer  unterschieden. 
Jene  wird  regelmäßig  geschuldet,  ausgenommen  nur,  wenn  die 
außerordentliche  gefordert  wird.  Ebenso  wie  die  Untertanen 
des  Kapitels  in  Verona  sind  auch  die  von  Sover  verpflichtet, 
die  Domherren  und  ihre  Beamten  zu  gasten.  Daß  sie  freie 
Leute  sind,  ergibt  ein  Verbot^  das  an  demselben  Tage  vom 
Domdekan  erlassen   wird,   wonach  sie  Sover  nicht,   bevor  die 


^  Beilage  14. 

«  Urkunde  1886,  Innsbruck,  Ferd.  Dipaul.  Handuchr.  824,  S.  216—217.  Der 
Berg  Lauina  rubea,  angrenzend  der  Ayisio  et  de  supra  sumitates  mon- 
tium  et  ab  alia  parte  homines  et  universitas  ville  Soueri,  umfoßt  doch 
wohl  die  linke  Berglehne  von  Vallfloriana. 

*  August  13,  Innflbruck,  Ferd.  Dipaul.  Handschr.  823,  S.  218—220. 


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399 

geschuldeten  Leistungen  an  die  Domherren  erbracht  sind,  ver- 
lassen,  noch  auch  sich  einem  fremden  Herrn  kommandieren 
dürfen.  Ebenso  ist  ihnen,  damit  sie  nicht  in  fremde  Abhängig- 
keit geraten^  die  Ehe  mit  der  Hörigen  eines  anderen  Herr- 
schaftsbezirkes verboten.  Das  alles  erinnert  anfs  lebhafteste 
an  die  Lage  der  Leute  auf  der  Immunität  des  Domkapitels  von 
Verona.  Ebenso  wie  diese  sind  auch  die  von  Sover,  wie  alle 
anderen  freien  und  unfreien  Untertanen  des  Kapitels,  dem  Ka- 
pitel eidlich  verpflichtet.^ 

Auch  in  den  übrigen  Gemeinden,  in  denen  das  Kapitel 
die  hohe  Gerichtsbarkeit  übte,  war  es  Grundherr.  Die  Hinter- 
sassen waren  jedoch  hier  vielfach  unfrei,  so  die  von  Villa  Mon- 
tagna,  die  nach  einem  Urteile  von  1238  nicht  frei  sind,  wie  sie 
selber  behaupteten,  sondern  unfrei,*  und  bei  einer  neuen  Ver- 
eidigung im  Jahre  1264  wieder  als  homines  de  familia  schwö- 
ren,' ebenso  wie  die  Leute  von  Gabiolo  und  Graffiano  1233.* 
Auch  der  mons  Florucii,  über  den  das  Kapitel  gleichfalls  Ge- 
richtsbarkeit beansprucht,  ist  Eigentum  des  Kapitels  und  von 
diesem  der  Gemeinde  Povo  und  anderen  verpachtet.^ 


Beilage  15.  Eine  spätere  Ofihung  über  die  Rechte  des  Kapitels  in  So- 
ver von  1317  ist  dem  Verfasser  nur  aus  einem  knnen  Regest  im  Re- 
pertorinm  des  Eapitelarchivs  Gapsa  49,  Nr.  6  bekannt. 
1288  Februar  5.  Urteil  des  Albertus  Mozardus  de  Pontremulo,  Vikar 
des  kaiserlichen  Statthalters  Lazarus  von  Lucca;  sie  hatten  behauptet, 
daß  das  Domkapitel  sie  genötigt  habe,  Treue  zu  schwören  pro  suis  fa- 
mnlis,  jedoch  seien  sie  frei.  Das  Kapitel  behauptete,  daß  sie:  ut  famuli 
serviverunt  et  serviUa  ministeria  prestiterunt.  Es  wird  entschieden, 
daß  sie  nicht  im  Besitze  der  Freiheit  seien;  Innsbruck,  Ferd.  Dipaul. 
Handschr.  824,  S.  27—28. 
1264  Jänner  21,  a.  a.  O.  178. 

1233  Juni  11,  a.  a.  O.  217.  Sie  schwören  pro  homines  de  familia  "et 
quod  de  cetero  iura  dictae  ecdesiae  manutenebunt  et  honorem  capituli 
et  iura  ecclesiae  manifestabunt.  Auch  anderwärts  schwören  die  Eigen- 
leute des  Kapitels  nach  Urkunde  1241  Jänner  16,  Innsbruck  St-A., 
Notariatsurkunden:  zu  Portolo,  Zivignago,  darunter  einer  salvojeo  quod 
si  posset  ostendere  se  liberum,  quod  non  tenetur  de  hao  fidelitate,  Eichleit 
(Roured),  Ganale,  Eppan,  darunter  einige:  tamquam  vasalus  etliberhomo. 
Pachtverträge  von  1270  Jänner  15,  1286  Februar  11,  1300,  1868  März 
20  im  Repertorium  des  Domkapitelarchivs,  Innsbruck  St-A.  Capsa  32, 
Nr.  8— 18.  Calapin  von  Flaveo,  Vikar  des  Herzogs  Meinhard,  urteilt 
in  einer  Klage  des  Domkapitels  gegen  die  Leute  von  (bereut  wegen  Be- 
sitzstörung, 1298  Oktober  26,  a.  a.  O.  Capsa  25,  Nr.  6;  ähnliches  Urteil 
1318  a.  a.  O.  Gapsa  23,  Nr.  32. 


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400 

In  diesen  Gebieten  hat  das  Kapitel  nicht  nur  die  niedere, 
sondern  auch  die  hohe  Gerichtsbarkeit  in  Ansprach  genommen. 
Von  Sover  ist  dies  im  Weistum  von  1243  gesagt,  indem  die 
Gerichtsbarkeit  ohne  Beschränkung  dem  Kapitel  zuerkannt 
wird,  von  Villa  Montagna  und  Sevignano  wissen  wir  dies  aus 
der  Folgezeit,  für  Gabiolo  und  Graffiano  scheinen  noch  im 
16.  Jahrhundert  Ansprüche  erhoben  oder  Beweise  gesammelt 
worden  zu  sein.^  Aus  einer  Aufzeichnung,  die  unge&hr  um 
1360  entstanden  ist,'  ergibt  sich,  daß  dem  Domkapitel  einst  auch 
auf  dem  Berge  von  Floruz  die  iurisdictio  meri  et  mixti  imperii 
zustand,  die  es  jedoch  an  Rampert  von  Schönna  verliehen  hatte; 
von  ihm  kam  sie  an  Konrad  Wramberger,  der  sie  nicht  mehr 
im  Namen  des  Kapitels,  sondern  des  Landesfürsten  ausübte. 
Jener  Reimprecht  von  Schönna  war  Hauptmann  des  Schlosses 
Persen  gewesen,  als  die  Feste  1347  von  Jakob  von  Carrara 
erobert  wurde.'  Wir  sehen  also,  daß  hier  dem  Kapitel  die 
Gerichtsbarkeit  verloren  ging,  indem  sie  an  den  Hauptmann 
des  landesfürstlichen  Gerichtes  kam,  der  sie  mit  seinem  Spren- 
gel verband.  Im  Jahre  1375  ist  die  hohe  Gerichtsbarkeit  des 
Kapitels  schon  auf  die  drei  Orte  Sover,  Sevignano  und  Villa 
Montagna  beschränkt,  als  das  Kapitel  mit  dem  Bischof  Albrecht 
einen  Vertrag  schloß,  wonach  Übeltäter,  darunter  auch  Mörder, 
gegenseitig  ausgeliefert  werden  sollten.*  In  diesem  Vertrage 
wurde  die  volle  Gerichtsbarkeit  des  Kapitels  ausdrücklich  an- 
erkannt. In  Sover  hielt  das  Kapitel  später  einen  Vikar,  dem 
jedoch  nur  eine  sehr  beschränkte  Gerichtsbarkeit  in  Bagatell- 
sachen, die  bis  zum  Werte  von  zehn,  seit  1583  fünfzehn  Me- 
raner  Pfund  gingen,  zustand.^  Im  übrigen  wurden  die  Urteile 
in  Trient  gesprochen  und  vollzogen,  wobei  indes  das  Kapitel 
dem  Bischöfe  in  jedem  Falle  einen  Revers  auszustellen  hatte, 
in   welchem   es   die  Zulassung  der  Jurisdiktionsakte  in  Trient 


*  Kurze  Notiz  über  ein  Verzeichnis  verschiedener  Beweisurkunden  für 
diese  Gerichtsbarkeit,  Repertorium  des  Domkapitelarchivs,  Innsbruck 
St.-A.  C.  39,  Nr.  94. 

*  Innsbruck,  Ferd.  Handschr.  263,  f.  24. 

*  Urkunde  1347  Dezember  7,  Markgraf  Ludwig  begnadigt  R.  von  Seh., 
München,  Reichsarchiv,  Fürstenselekt  Fase.  239. 

*  Innsbruck,  Ferd.  Dipaul.  Handschr.  820,  S.  151. 

*  Innsbruck,  Ferd.  Dipaul.  Handschr.  823,  S.  221—223. 


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401 

als  freies  Zugeständnis  des  Bischofs  anerkannte.*  Seit  1737 
waren  im  Domkapitelarchiv  Gerichtsbticher  vorhanden. 

Nach  allem^  was  uns  sonst  über  die  grandherrliche  Ge- 
richtsbarkeit bekannt  ist^  ist  es  nicht  denkbar,  daß  dieses 
Gericht  des  Domkapitels  der  grandherrlichen  Gewalt 
allein  entsprangen  sei,  umsomehr,  als  neben  dieser  hohen 
Gerichtsbarkeit  auch  eine  grand-  und  leibherrliche  vom 
Kapitel  geübt  wurde.  Im  Jahre  1254  erkannte  der  Podesta 
Sodegher  die  Gerichtsbarkeit  der  Domherren  an  über  ihre  ho- 
mines  de  omnibus  causis  preter  quam  in  criminalibus,  und  zwar 
in  Pergine  und  im  Distrikte  des  Herrn  Morandin,  nicht  aber  in 
Judikarien.^  Der  Distrikt  des  Morandin  umfaßte  nach  einer 
Urkunde  von  1253  die  Dekanien  Pergine,  Pinfe  und  Fomace.* 
Diese  Gerichtsbarkeit  erscheint  auch  bei  der  Aufteilung  des 
Kapitelvermögens  in  die  Columnelli  als  Zubehör  der  Grund- 
herrschaft.*  Das  Kapitel  hat  sie  auch  in  der  Folge  im  gewissen 
Umfange  behauptet.  Noch  im  Jahre  1689  fand  man  es  für 
nötig,  Beweismaterial  zu  sammeln,^  daß  das  Kapitel  im  Besitze 
der  Gerichtsbarkeit  über  die  Leihen  sich  befinde,  welche  zu 
seiner  Mensa,  ebenso  wie  den  Präbenden  der  Domherren,  den 
Jahrtagstiftungen,  Benefizien  und  der  Kirchenfabrik  der  Kathe- 
drale gehörten.  Die  dort  aufgeführten  Fälle  reichen  bis  1589 
zurück  und  umfassen  zumeist  Exekutionen  wegen  versäumten 
Zinses.  Solche  Fälle  wurden  vor  dem  offitium  sindicale  des 
Kapitels  entschieden.  Von  ihm  konnte  an  das  Kapitel  appelliert 
werden,  das  die  Entscheidung  dem  Dekan  oder  einem  Dom- 
herrn überließ.  Diese  Gerichtsbarkeit  war  von  den  bischöf- 
lichen Behörden  angefochten  worden,  wurde  jedoch  auf  Grund 
der  vorgelegten  Fälle  vom  Bischöfe  anerkannt. 

Um  so  schärfer  hebt  sich  die  hohe  Gerichtsbarkeit 
des  Domkapitels  in  den  drei  Dörfern  ab.     Ihr  Ursprung  ist 

*  Revers  1693  März  10,  Verurteilung  zur  Galeere,  Innsbruck  St.-A.  C.  44, 
Nr.  43;  1709  Juni  18,  Verkündigung  und  Ausführung  eines  Todesurteils 
a.  a.  O.  C.  44,  Nr.  87.  "  BeUage  16. 

*  Urkunde  1268  Mai  26,  Innsbruck  St.-A.,  Parteibriefe:  Contolin  und  Bar- 
tolomeus  de  sancto  Petro  verkaufen  ihre  Rechte  an  den  genannten 
Dekanien  dem  Morand  de  Fossalto. 

*  Urkunde  1242  Juni  13:  fictibus  hominibus  et  hominum  iurisdictionibus 
omnibus  servitutibus  condicionibus  districtibus  fructibus  proventibus  usw. 
Vgl.  Zeitschrift  des  Ferd.  Ol,  38,  62. 

»  Innsbruck  St.-A.  1689  Jänner  7.     C.  44,  Nr.  110. 


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402 

unbekannt.  Eaiserprivilegien  für  das  Domkapitel  sind  nicht 
erhalten.  Während  die  Urkunden  des  Kapitels^  darunter  Papst- 
bullen,  nach  dem  Repertorium  des  Kapitelarchivs  zur  Zeit  der 
Säkularisation  bis  ins  12.  Jahrhundert  zurückgingen,^  wies  es 
keine  ältere  Eaiserurkunde  auf,  als  die  Salvaguardia,  welche 
Karl  V.  1521  verliehen  hat.*  In  dieser  Urkunde  werden  nur 
im  allgemeinen  alle  Rechte  bestätigt,  welche  die  Kaiser  Fried- 
rieh  II.,  Karl  IV.  und  Sigismund  dem  deutschen  Klerus  ver- 
liehen hatten,  ein  deutlicher  Beweis,  daß  schon  damals  ältere 
Kaiserurkunden  für  das  Kapitel  nicht  vorhanden  waren.  Das 
schUeßt  natürlich  nicht  aus,  daß  nicht  doch  Immunitätsprivi- 
legien verloren  gegangen  sind,  legt  aber  andererseits  die  Ver- 
mutung nahe,  daß  die  Gerichtsbarkeit  des  Kapitels  auf  eine 
bischöfliche  Exemtion  zurückgeht.  Immerhin  hat  sie  nur 
dort  sich  voll  entwickeln  und  erhalten  können,  wo  das  Kapitel 
geschlossenen  Grundbesitz,  wenn  auch  nur  im  Ausmaße 
des  Umfanges  von  einzelnen  Dorfmarken  besessen  hat.  So 
zeigt  sich  auch  hier  das  Durchdringen  des  Territorialprinzips, 
auf  das  Seeliger  aufmerksam  gemacht  hat.' 


IV.  Die  grund-  und  leibherrliche  Gerichtsbarkeit. 

Schon  haben  wir  die  grundherrliche  Gerichtsbarkeit 
berührt.  Wir  verstehen  darunter  jene,  die  demGrund-und 
Leibherrn  vermöge  seiner  grund-  und  leibherrlichen 
Rechte  zukommt,  ohne  daß  es  einer  besonderen  Verlei- 
hung der  Gerichtsgewalt  bedurfte.  Damit  betreten  wir  ein 
schwieriges  und  bestrittenes  Gebiet.  Für  Südtirol  hegen  indes 
die  Dinge  so  klar,  daß  an  dem  Bestände  einer  solchen  Gerichts- 
gewalt, seitdem  uns  urkundUche  Nachrichten  vorliegen,  kein 
Zweifel  sein  kann ;  ja  wir  sind  über  den  Umfang  und  den  In- 
halt dieser  Gerichtsbarkeit  besser  unterrichtet  als  in  den  mei- 
sten deutschen  Territorien,  Deutschtirol  inbegriffen,  für  die 
gleiche  Zeit. 


^  Das  Archiv  des  Domkapitels  ist  zerrissen,  ein  Teil  liegt  im  Statthalterei- 
archiv  in  Innsbruck,  anderes  befindet  sich  noch  im  Besitse  des  Kapitels, 
manches  wird  verloren  sein. 

*  1521  Februar  21,  Kopie  Innsbruck  St.-A.  C.  44,  Nr.  86. 

'  Abhandlungen  der  königl.  sächs.  Gesellschaft  22,  168  f. 


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403 

Als  Ausgangspunkt  der  Untersuchung  wird  ein  Weistum 
dienen  können,  das  Ezelin  von  Romano  im  Jahre  1258  über 
die  Rechte  des  Bistums  im  Lagertale  von  den  Edlen  des  Lager- 
tales schöpfen  ließ,  als  er  dieses  Gebiet  nach  dem  Übergange 
der  Stadt  Trient  an  den  guelfisch  gewordenen  Bischof  Egno 
in  Besitz  nahm.  Die  Edlen  erklärten,  daß  die  Grafschaftsge- 
walt und  Gerichtsbarkeit  im  ganzen  Lagertale  dem  Bistum  zu- 
stehe, nur  gebühre  es  den  Ritterlichen,  über  ihre  Masnada  und 
die  grundhörigen  Knechte  in  bürgerlichen  Sachen  Recht  zu 
sprechen.*  Binnen  30  Tagen  muß  der  Herr  in  der  Klage  gegen 
seine  lEigenleute  Recht  gewähren,  sonst  kann  der  Rechtsstreit 
vor  den  Bischof  oder  seine  Beamten  gebracht  werden. 

Was  in  diesem  Weistum  in  aller  nur  wünschenswerter 
Deutlichkeit  geöffnet  wird,  wird  durch  andere  Zeugnisse  be- 
stätigt. Schon  das,  was  am  Schlüsse  des  vorigen  Abschnittes 
von  der  Gerichtsbarkeit  des  Domkapitels  über  seine  homines 
gesagt  worden  ist,  gehört  hierher.  Der  Podestk  Sodegher  hat 
sie  anerkannt,  aber  nur  als  Gerichtsbarkeit  in  Zivilsachen.  Der 
Ausdruck  homo  ist  der  gewöhnliche,  der  in  diesem  Zusammen- 
hange gebraucht  wird.  Um  1232  heißt  es,  daß  Bertold  von 
Caldonazzo  Gerichtsbarkeit  in  Caldonazzo  in  Zivilsachen  über 
seine  homines  et  liberi  et  macinate  besitze,'  doch  nicht  wegen 
Übeltaten.  Als  1210  Odolrich  von  Arco  sich  dem  Bischof 
Friedrich  unterwirft  und  auf  angemaßte  Hoheitsrechte,  vor 
allem  die  hohe  Gerichtsbarkeit  verzichtet,  die  Galgen,  die  er 
zum  Zeichen  dieser  Gerichtsbarkeit  errichtet  hat,  niederzureißen 
verspricht  und  zugesteht,  daß  er  de  maleficiis  seu  contractibus 
in  der  Pfarre  Arco  keine  Gerichtsbarkeit  habe,  behält  er  sich 
vor:  racionem  facere  de  suis  hominibus,  sicut  alii  milites  Tri- 
dentini.'  Als  Henrighet  von  Bosco  mit  dem  Baugrunde  eines 
Schlosses  belehnt  wird,*  gelobt  er,  daß  jeder,  der  im  Schlosse 
wohne:  sive  fuerit  de  macinata  sive  Über  de  maleficiis  et  offen- 


*  Wien  St-A.  (Dominez  411):  comittatos  et  iurisdictio  tota  de  valle  La- 
garina  est  episcopatus  Tridenti,  set  quantum  est  in  iure  civili  milites 
faciont  rationem  de  masnata  sua  et  de  suis  serris  glebe  et  istud  faciunt 
hoc  modo,  scilicet  qnod  si  quis  posuerit  qaerimoniam  coram  ipsis  mili- 
tibns  de  masnata  ipsornm  militum  vel  de  suis  serTis  glebe,  ipsi  milites 
debent  ihc&re  rationem  postulanti  ac  eam  complere  hinc  ad  XXX  dies, 
sin  antem  questio  revertitur  sab  episcopo  Tridentino  yel  gastaldione  suo. 

*  Innsbruck  8t-A.  C.  86,  Nr.  3.  »  Kink,  Fontes  U,  6,  Nr.  88. 

*  Urkunde  1200  Februar  28,  Innsbruck  St-A.  C.  69,  Nr.  7. 


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404 

sionibus  vor  dem  Bischöfe  oder  seinen  Beamten  Recht  geben 
soll,  ein  Versprechen,  das  bei  einer  späteren  Belehnung  erneuert 
wird.^  Und  doch  wird  im  Jahre  1238  und  in  allen  folgenden 
Lehensurkunden  von  einer  Jurisdiktion  als  Zubehör  des  Schlosses 
gesprochen.*  Es  kann  nur  die  niedere  über  die  zum  Schlosse 
gehörigen  Leute  gewesen  sein.  Als  Bischof  Heinrich  1277  den 
Herren  von  Pergine  das  Schloß  Persen  übergibt,'  behält  er 
ausdrücklich  die  Gerichtsbarkeit  des  Bistums  vor  über  die 
freien  Leute,  dann  die  über  die  homines  der  Domherren  und 
der  übrigen  Edlen;  nur  über  ihre  propra  homines  dürfen  die 
Herren  von  Pergine  Recht  sprechen:  secundum  quod  alii  nobi- 
les  viri  episcopatus  facere  rationabiliter  consuescunt;  Streitig- 
keiten über  die  Zubehör  zu  ihrer  Gerichtsbarkeit  werden  vor 
dem  Gerichte  des  Bischofs  entschieden.  Interessant  ist  der 
Inhalt  eines  Zeugenverhörs  von  1195*  über  die  Zuständigkeit 
eines  gewissen  Jobannes  Piolus  von  Fornace  unter  die  bischöf- 
liche Gerichtsbarkeit.  Ein  Zeuge  weiß,  daß  dieser  Mann  ein 
riraannus  des  Herrn  Roland  von  Povo  gewesen  war:  cum  pla- 
cito  et  banno  et  districto  et  rimania,  das  ist,  unter  demTwing 
und  Banne  des  Roland  stand.  Nach  dem  Tode  dieses  Roland 
war  er  nebst  den  übrigen  Lehen  an  den  Bischof  heimgefallen 
und  unterstand  von  nun  an  dem  Twing  und  Banne  des  Bi- 
schofs. Später  kaufte  er  eine  rimania,  die  dem  Herrn  Ezelin 
von  Enn  gehörte  und  wurde  damit  diesem  zinspflichtig.  Des- 
wegen erhob  Ezelin  Ansprüche  und  forderte  ihn  unter  seinen 
Twing  und  Bann.  Wir  werden  auf  diese  hochinteressante  Ur- 
kunde noch  später  zurückkommen  müssen.  Die  Herren  von 
Gardumo  bekennen  1314  als  Lehen  vom  Bistum  inne  zu  haben 
eine  Zahl  von  Eigenleuten  mit  iurisdictio  rerum  et  personarum 
und  einzelne  Höfe:  cum  iurisdictione  dicto  manso  pertinenti.^ 
Aus  all  diesen  Urkunden  geht  hervor,  daß  den  Ritter- 
lichen Gerichtsbarkeit,  und  zwar  in  der  Regel  die  nie- 
dere, welche  man  in  deutschen  Quellen  als  Twing  und  Bann 
bezeichnet,   über   ihre  Leute  und  Höfe  zustand.     Der  Aus- 


^  Des  Rodulf  von  Se^onzano,  1216  Februar  18,  Kink,  Fontes  II,  5,  Nr.  131. 

*  Urkunde  1238  April  9,  Innsbruck  St.-A.  Parteibriefe!  cum  iurisdictioni- 
bus  personarum  et  districtu. 

»  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  206. 

*  Urkunde  1195  Jänner  16,  Wien  St.-A.  (Dominez  49). 

»  Urkunde  1314  September  30,  Wien  St.-A.  (Dominez  732). 


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405 

druck  Twing  und  Bann  kehrt  in  diesem  Zusammenhange  regel- 
mäßig wieder,  iurisdictio  und  districtus  personarum  werden  ge- 
wöhnlich in  einem  Atem  genannt.  Weil  Twing  und  Bann  jedem 
Grundherrn  zustanden,  werden  sie  bei  Veräußerungen  herr- 
schaftlicher Güter  als  Zubehör  angeführt.  Einige  Beispiele 
mögen  genügen.  Im  Jahre  1257  läßt  Beral  von  Wanga  dem 
Bischof  Egno  zwei  Höfe  in  Tramin  ^  auf  mit  Weide,  Jagd,  Fi- 
scherei: cum  omni  honore  iurisdictione  et  districtu  personarum 
et  rerum,  cum  coltis  biscoltis  daciis  bannis  serviciis  schufis 
albergariis  amiseris  fictis  et  drictis.  Als  Ezelin  von  Romano 
1253  den  Podestk  Sodegher  mit  der  Hälfte  des  Schlosses  Arco 
belehnt,  erscheinen  als  Zubehör  des  Schlosses  Jagd,  Wasser- 
rechte und  Leitungen,  Fischfang,  Weide,  Wald-  und  Wies- 
nutzuug,  honores  et  iurisdictiones.^  Und  Nikolaus  von  Brenta 
erhält  vom  Bischof  Egno  das  Schloß  Brenta,  das  Anhängern 
Ezelins  von  Romano  abgesprochen  worden  war,  mit  Weide, 
Jagd,  Fischerei,  esaticum  hostaticum  consorciis  (Geleitrecht)  et 
iurisdictione  et  districtu  personarum  in  den  Dörfern  Levico  und 
Brenta  und  in  der  ganzen  Pfarre  Caldonazzo;  zugleich  werden 
ihm  alle  Einkünfte  und  Güter,  ,rimanni  et  famuli^  in  Vigolo- 
Vattaro,  Mugazone  und  Bosentino  ebenfalls:  cum  omni  honore 
et  iurisdictione  et  deganie  et  districtu  personarum  verpfUndet.* 
Ebenso  wie  die  Edlen,  übt  der  Bischof  eine  hofrechtliche 
Gerichtsbarkeit  über  seine  Leute,  die  nicht  immer  von  den- 
selben Beamten  geübt  wird,  wie  die  öffentliche.  Wir  haben 
oben  ausgeführt,  wie  es  die  Gastalden  gewesen  sind,  die  mit 
der  Ausübung  dieser  Gerichtsbarkeit  betraut  waren,  und  daß 
dort,  wo  die  Gastalden  Wirtschaftsbeamte  geblieben  sind  und 
die  öffentliche  Gerichtsbarkeit  in  anderen  Händen  lag,  die  Ge- 
richtsbarkeiten streng  geschieden  blieben.  Das  war,  wie  wir 
gesehen  haben,^  vor  allem  im  Nonsberg  und  in  Bozen  der  Fall. 
Wenn  Leute,  die  mit  dem  Banne  und  den  Leistungen  der 
bäuerlichen  Klassen  belehnt  und  damit  in  den  ritterlichen  Stand 
erhoben  oder  gar  freigelassen  werden,  von  der  Gerichtsbarkeit 
der  Gastalden  und  Ministerialen  (Wirtschaftsbeamten)  des  Bi- 
schofs befreit  und  dem  Gerichte  des  Bischofs  und  seines  Vize- 


'  Urkunde  1267  Juni  2,  Innsbruck  St.-A.  C.  61,  Nr.  20. 

'  Urkunde  1253  Mai  16,  Innsbruck  St.-A.  Parteibriefe. 

»  Hormayr,  Sämtliche  Werke  2,  Nr.  34. 

*  Vgl.  oben  8.  368. 


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406 

dorne  nnterstellt  werden,  so  kann  dies  nur  dann  einen  Sinn 
haben,  wenn  die  Gastalden  und  ihre  Untergebenen  über  die 
Hörigen  des  Bistums  gerichtet  haben.  Aus  Bozen  sind  uns 
Fälle  genug  überliefert,  in  denen  wir  den  Propst  Gericht  über 
die  Gotteshausleute  halten  sehen.^ 

Somit  kann  über  das  Bestehen  einer  grund-  und  leibherr- 
lichen Gerichtsbarkeit  kein  Zweifel  sein.  Fragen  wir,  welche 
Leute  dieser  Gerichtsbarkeit  unterstanden,  so  nennen  uns  die 
Quellen:  homines  de  macinata,  seryi,8eryi  glebe,  homines,  homines 
liberi  et  macinate,  rimanni.  Um  klarer  zu  sehen,  müssen  wir 
einen  Blick  auf  die  soziale  Gliederung  der  Bevölkerung 
Südtirols  werfen,  eine  Frage,  die  wohl  gestreift,  zur  Befrie- 
digung jedoch  noch  nicht  gelöst  ist.  Auch  hier  soll  nur  soviel 
erörtert  werden,  als  für  das  Verständnis  des  uns  zunächst  be- 
schäftigenden Gegenstandes  nötig  ist. 

Wie  überall  in  deutschen  und  welschen  Landen  bieten 
auch  hier  die  ständischen  Verhältnisse  im  hohen  Mittelalter  ein 
sehr  buntes  Bild.  Der  Stand  der  Freien  ist  in  voller  Zersetzung 
begriffen,  ihm  steht  eine  beträchtliche  Zahl  von  Unfreien  ent- 
gegen, die  sich  in  der  verschiedensten  sozialen  Lage  befinden. 
Uns  interessieren  zunächst  die  bäuerlichen  Verhältnisse. 
Da  unterscheiden  die  Urkunden  liberi  und  servi*  oder  in  voll- 
ständiger Aufzählung  Leute  de  macinata,  famuli,  rimanni,  servi, 
ancillae*  oder  servi  franki  et  de  macinata.*  Wir  sehen  daraus, 
daß  ein  Teil  dieser  Bauern  als  freien  Standes  (liberi,  franki) 
den  unfreien  gegenübergestellt  wird.  Zu  den  Freien  gehören 
die  rimanni  oder  arimanni.  Schon  das  Wort  weist  auf  die 
Gemeinireien  der  langobardischen  Zeit  zurück,^  die  den  exer- 
citales  der  langobardischen  und  anderer  Rechtsquellen  entspre- 
chen. Und  Freie  sind  auch  die  Rimannen  des  13.  Jahrhunderts 
gewesen,  aber  ihre  Freiheit  ist  vielfach  eine  sehr  geminderte, 
die  ihre  Lage  von  der  unfreier  Bauern  nicht  sehr  verschieden 


»  Acta  Tirol.  2,  Einl.  207. 

«  Hormayr,  Gesch.  Tirols  1,  11,  Nr.  71;  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  131. 

»  Hormayr,  Gesch.  Tirols  1,  II,  Nr.  169. 

*  Urkunde  1214  Oktober  29  und  November  16,  Innsbruck  St.-A.  Partei- 
briefe. 

*  Vgl.  Pertile*  3,  112;  Waitz,  Verfassungsgesch.»  2,  I,  274  n.  6;  Hegel, 
Geschichte  der  Städte  Verfassung  von  Italien  1,  429;  Schröder,  Rechts- 
gesch.^  16  n.  2;    Savigny,  Gesch.  des  rOmischen  Rechtes  1,  161;  S,  97. 


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407 

erscheinen  läßt.  Vor  allem  sind  sie  zu  gewissen  Leistungen 
yerpflichtet;  die  wie  eine  Steuer  auf  ihnen  ruhen  und  als  ari- 
mannia  zusammengefaßt  werden.  Kaiser  Friedrich  II.  fand  im 
Jahre  1236  Anlaß,  die  Lage  der  Leute  von  Sopramonte  bei 
Trient  zu  regeln,  die  vom  Bischof  und  seinen  Gastalden  gegen 
das  Recht;  das  ihnen  zur  Zeit  ihrer  Ansiedlung  (tempore  dele- 
gationis  sue)^  verliehen  worden  ist,  mit  Steuern  und  Abgaben 
belastet  werden.  Der  Kaiser  verfügt,  daß  sie  nur  eine  feste 
Abgabe  zu  leisten  haben,  die  rimannia  heißt.^  Auch  aus  dem 
Privileg  des  Bischofs  Qebhard,  in  welchem  den  Fleimsern  die 
Zahlung  aller  ihrer  verschiedenen  Abgaben  umgewandelt  wird 
in  die  Leistung  von  24  Arimannien  cum  suis  fodris  et  placitis, 
ergibt  sich,  daß  die  Leistung  der  rimannia  ein  bestimmtes  Maß 
betrug.  Andererseits  ist  arimannia  der  Hof,  auf  dem  die  Lei- 
stung ruht.*  Welcher  rechtlichen  Art  die  Leistung  war  und 
wie  sie  erwuchs,  ist  nicht  aufgeklärt.  Wohl  wird  man  sie  mit 
der  alten  Heersteuer,  dem  Orafenschatz,  in  Zusammenhang 
bringen  dürfen;  darauf  weist  schon  der  Name  und  deshalb  galt 
sie  als  Regal,  als  welches  sie  Friedrich  I.  in  der  Constitutio  de 
regalibus  in  Anspruch  nahm.^  Daß  die  arimannia  dann  auf 
dem  Grundstücke  haftete,  ergibt  das  Schicksal  des  oben  bereits 
erwähnten  Johannes  Piolus.  Er  wohnt  auf  einer  arimannia  des 
Bischofs  und  zahlt  ihm  rimannia;  er  kauft  in  der  Folge  eine 
halbe  arimannia  des  Herrn  von  Enn  und  leistet  auch  diesem. 
Sind  die  Arimannen  Freie,  so  die  servi,  famuli,  ancil- 
lae  Unfreie.  Auch  das  liegt  schon  im  Wort.  Seltsamer  ist 
der  Ausdruck  homo  de  macinata  oder  in  jüngerer  Form 
masnada,  der  sich  gerade  in  Südtirol,  aber  auch  in  ganz  Ober- 
italien ungemein  häufig  findet.^    Wohl  möglich,  daß  das  Wort 


^  So  übersetzt  mit  YoUem  Beeilte  Chr.  Schneller,  Tridentiiiische  Urbare 
192;  er  verweist  auf  eine  terra  Ar^uge,  deren  Namen  er  von  herizogo, 
lang.  *harizugo  ableitet.  Auch  Roncodonego,  eine  andere  Ortlichkeit 
dortselbsty  ist  roncum  dominicum,  der  auf  Gra&chafts-  oder  Herzogsgrund 
angelegte  Neubruch.  Daraus  wird  man  jedenfalls  auf  eine  noch  in  her- 
zoglicher Zeit  angelegte  Neusiedlung  schlieBen  dürfen,  umsomehr,  als 
ja  auch  die  deutsche  Bevölkerung  im  Yeronesischen  und  Vicentinischen, 
wohl  auch  in  Lavarone  und  Yalsugana  in  diese  frühe  Zeit  zurUckreicht. 

*  Böhmer-Ficker  2160. 

»  Muratori,  Antiquitates  1,  741  f.;  Pertile»,  1,  363,  369. 

*  MM.  LL.  Sect.  IV.  1,  244. 

*  Vgl.  Pertile»  8,  105  f. 

ArehiT.  94.  Band,  IL  Eftlft«.  28 


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408 

von  mansus  abzuleiten  ist,^  als  bomines  de  macinata  die  zum 
Hofe  gehörigen  Leute  bezeichnet  werden,  ähnlich  wie  als  cu- 
riales  die  Leute  der  curia.  Darüber,  daß  die  homines  de  ma- 
cinata Unireie  sind,  besteht  nicht  der  geringste  Zweifel.  Sehr 
häufig  werden  sie  in  Beziehung  zu  einem  Herrn  gebracht.  So 
hat  die  Casadei,  das  Qotteshaus  Trient,  seine  macinata,  so  an- 
dere Herren.*  Den  Freien  werden  die  homines  de  macinata 
auf  das  bestimmteste  gegenübergestellt.  So  heißt  es  in  den 
Fleimser  Privilegien,  daß  die  Arimannen  geleistet  werden  sollen 
von  Klerikern  und  Laien,  liberi  et  famuli  et  de  macinata.*  In  Ur- 
kunden von  1194  und  1197  wird  unterschieden  zwischen  Leuten 
de  masnata  und  Uberi,  oder,  wie  es  in  der  zweiten  Urkunde 
heißt:  servi,  liberi  et  de  macinata.*  Beim  Treuschwur  des 
Odorich  von  Arco  wird  bemerkt,  es  sei  dabei  nichts  entschie- 
den worden  de  libertate  desselben  oder:  utrum  esset  de  maci- 
nata casedei  sancti  Vigilii.^ 

Der  homo  de  macinata  und  der  servus  werden  gleich- 
gestellt. Wilhelm  von  Velthums  belehnt  1191  zwei  Männer 
von  Trient  mit  einem  Hofe  auf  dem  Ritten  und  einer  Frau 
Genana  und  ihren  Kindern,^  die  den  Hof  bebauen:  quos  et 
quas  dicebat  esse  suos  de  masnata.  Daher  findet  sich  die 
Wendung  servus  de  macinata,^  daher  wird  eine  femina  de  ma- 
cinata als  Bestand  einer  Mitgift  übertragen,  und  der  Ehefrau 
das  Recht  eingeräumt,  beliebig  über  sie  zu  verfügen:  vellud 
sua  femina  macinate.®  Daher  auch  werden  1259  homo  de  ma- 
cinata und  servus  gleichgestellt.'  Das  Recht  des  Herrn  an  der 
Masnata  wird   in   einer   Deutschtiroler  Urkunde  geradezu   als 


^  Perüle,  a.  a.  O.  denkt  au  mansio  =  domuB,  doch  ist  mansio  für  Haus 
im  Mittellatein  zu  selten,  um  an  solche  Ableitung  zu  denken. 

•  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  16,  Maria  von  Prataglia;  Nr.  29,  Arpo  von  Cles; 
Nr.  34,  die  Leute  von  Storo;  Nr.  36,  die  Herren  von  Enn;  Nr.  66,  die 
Grafen  von  Eppan  usw. 

'  Schwind-Dopsch,  Urk.  zur  Verfassungsgesch.  Nr.  3. 

•  Urkunde  1194  Mai  10,  Wien  St-A.  (Dominez  46)  und  Hormayr,  Gesch. 
Tirols  1,  n,  Nr.  71  (1197  Mai  1). 

^  Urkunde  1198  November  2,  Wien  St.-A.  (Dominez  60). 

•  1191  Juni  6,  Wien  St.-A.  (Dominez  38). 
'  Acta  Tirol.  2,  Nr.  466. 

•  Urkunde  1261  Oktober  10—16,  Wien  St.-A.  (Dominez  371  unvollständig). 
»  Hormayr,  Sämtl.  Werke  2,  Nr.  37. 


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409 

Eigen  tum  bezeichnet.^  In  einzelnen  Urkunden  werden  Leute 
de  masnata  gleichgestellt  den  deutschen  Ministerialen^  so  na- 
mentlich in  Tauschverträgen  mit  Brixen.^  Die  Leute  de  maci- 
nata  werden  veräußert,  verkauft,  verschenkt,  verpfändet,'  ge- 
teilt.* Mit  ihnen  geht  ihr  Vermögen  über,  das  bezeichnender- 
weise peculium  genannt  wird.^  Sie  werden  freigelassen  zu  cives 
Romani.®  Noch  häufiger  ist  die  Freilassung  von  einer  privaten 
Macinata  zur  bischöflichen.  "^ 

Fassen  wir  das  alles  zusammen,  so  ergibt  sich,  daß  die 
Leut^  de  macinata  unfrei  und  gleichgestellt  waren  der  familia, 
unter  der  ebenfalls  die  Unfreien  eines  Herrn  zusammen- 
gefaßt werden.  Denn  dieser  in  Deutschland  und  in  Italien 
verbreitete  Sammelname  für  die  Unfreien  findet  sich  auch  in 
Südtirol.®  Darüber  ist  die  Literatur  im  ganzen  einig,®  nachdem 
schon  Muratori  das  Richtige  gefunden  hat.^^   Nur  im  einzelnen 


^  Urkunde  1320  April  20:  Exkönig  Heinrich  schenkt  dem  Ritter  Jakob 
von  St.  Michelsberg  eine  Frau  mit  ihren  Kindern:  cum  omni  iure  pro- 
prietatis  seu  masnate;   München  Reichsarchiv,    Abteil.  Brixen,    Fasz.  6. 

*  BonelU  2,  483  (1185). 

*  Kink,  Fontes  n,  6,  Nr.  16,  29,  84;  Acta  Tirol.  2,  Nr.  198,  466. 

*  BonelU  8,  342. 

*  a.  a.  O.,  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  110;  Hormayr,  Beitr.  2,  Nr.  163. 

*  Urkunde  1261  Dezember  12,  Innsbruck  St.-A.  C.  29,  Nr.  9;  Hormayr, 
Gesch.  Tirols  1,  H,  610,  Testament  des  Wilhelm  von  Caldonazzo  läßt 
14  genannte  de  masnata  ....  seu  de  quacumque  alia  servili  condicione 
zu  cives  Romani  frei  von  allem  Band  der  Knechtschaft;  ihre  Peculien 
soUen  sie  behalten. 

'  Urkunde  1*208  November  9,  Wien  St.-A.  (Dominez  83  ungenau):  Odol- 
ricus  c.  Rambaldi  läßt  den  Warimbert  de  Porta  frei :  ita  quod  exinde 
sit  de  macinata  casedei  sancti  Vigilii;  Urkunde  1214  März  31  bei  Rapp, 
Beiträge  zur  Geschichte,  Statistik  usw.  von  Tirol  3,  99:  Enzeler  von 
Livo  läßt  einen  homo  de  macinata  Wilhelm,  einen  famulus  Romedius 
und  einen  servus  Wilhelm  dem  Bistum  auf,  den  letzten  zum  Rechte  der 
Leute  de  gentili  macinata  sancti  Yigilii  usw. 

»  Hormayr,  Gesch.  Tirols  1,  II,  Nr.  24  (1180):  familia  sancti  Vigilii;  1264 
Jänner  25  schwört  ein  Mann  aus  Villa  Montagna  dem  Domkapitel: 
tamquam  homo  famillie  sancti  Vigilii  prestare  servicia  famulatus  capi- 
tullo,  Innsbruck  St.-A.  Notariatsurkunden.  Doch  ist  hier  der  Ausdruck 
bei  weitem  nicht  so  häufig  wie  im  benachbarten  Brixen;  vgl.  Acta 
Tirol.  1,  Register  unter  familia. 

*  Kink,  Fontes  H,  6,  125  n.  3  faßt  macinata  allerdings  als  Gefolge,  vgl. 
Jäger,  Landständische  Verfassungsgesch.  1,  450  f.;  Suster,  Tridentum  3, 
63  f. 

»<»  Anüquitates  1,  756  f. 

28* 


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410 

herrscht  Unklarheit.  Man  hat  sich  gescheut,  die  vollen  Kon- 
sequenzen zu  ziehen  und  den  Begriff  der  Unfreiheit  auch  den 
höher  stehenden  Schichten  der  macinata  gegenüber  festzuhalten. 

Unter  den  Leuten  der  macinata  treten  besonders  hervor 
die  homines  de  nobili  oder  gentili  macinata^  die  Edlen. 
Obwohl  schon  Jäger  auch  diese  Leute  als  unfreien  Ursprungs 
gefaßt^  und  Egger  stets  an  derselben  Ansicht  festgehalten 
hat,*  werden  doch  noch  immer  Stimmen  laut,  welche  die  ho- 
mines de  nobili  macinata  nur  als  Vasallen  ansehen.'  Indes  wie 
anderwärts  die  edlen  freien  Geschlechter  im  Laufe  der.  Zeit 
zusammengeschmolzen  sind,  und  der  spätere  Adel  überwiegend 
aus  unfreien  Familien  hervorgegangen  ist,  so  war  es  auch  im 
Hochstifte  Trient.  Durch  Zallingers  Forschungen  namentlich 
haben  wir  die  Stellung  würdigen  gelernt,  welche  die  Ministe- 
rialen in  Österreich  und  Steiermark,  ja  in  ganz  Deutschland  im 
13.  Jahrhundert  gewonnen  haben,  einen  Glanz  und  eine  Bedeu- 
tung, welche  die  der  edlen  Freien  überstrahlt,  und  die  Freien 
vermocht  hat,  scharenweise  in  den  Stand  der  Ministerialen  über- 
zutreten. Wir  haben  gelernt,  daß  die  Unfreiheit  der  Mini- 
sterialen schon  im  13.  Jahrhundert  eine  sehr  lose  war,  daß  die 
Ministerialen  des  Eigentums,  des  Lehenrechts  und  der  öffent- 
lichen Gerichtsbarkeit  teilhaftig  geworden  sind. 

Die  Quellen  lassen  in  der  Regel  zwei  Klassen  des  Adels 
in  Südtirol  unterscheiden,  die  capitanei  und  die  homines  de 
nobili  macinata.  Eine  Urkunde  von  1210  teilt  den  Adel  in 
Grafen,  capitanei,  macinate  sancti  Vigilii  et  alii  milites;^  früher 
im  Jahre  1205  werden  capitanei^  macinata  episcopatus,  vavas- 
sores  et  comunitas  Tridenti^  als  politisch  tätig  nebeneinander 
aufgezählt.  Das  ist  die  Anordnung  des  Adels,  welche  italieni- 
sche Quellen,  vor  allem  die  Quellen  des  langobardischen  Lehen- 
rechts kennen.^  Die  capitanei  sind  die  freien  Adeligen,  die 
sonst  als  vassalli  oder  liberi  nobiles  et  gentiles  bezeichnet  wer- 
den.    Am  schärfsten  werden  die  freien  Adeligen  den  unfreien 


^  Landständ.  Yerfusangsgesch.  1,  460  f. 
»  Gesch.  Tirols  1,  266;  Die  Tiroler  und  Vorarlberger  96. 
'  Äusserer,  Der  Adel  des  Nonsberges  22  und  zuletzt  Zeitschr.  des  Ferd. 
in,  49,  475. 

*  Kink,  Fontes  H,  6,  Nr.  86. 

*  Vig.  Zanolini,  Programm  des  bischöfl.  Gymnasiums  Trient  1902,  39. 

«  Savigny,  Gesch.  des  röm.  Rechtes  8,  92;  Schröder,  Rechtsgesch.*  400. 


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411 

gegenübergestellt  in  der  Urkunde  von  1231,  in  welcher  Graf 
Ulrich  von  Ulten  dem  Bistum  Trient  alle  seine  Besitzungen 
und  Rechte  im  Bistum  verkauft.^  Wir  müssen  bei  dieser  öfter 
verwerteten  Urkunde  etwas  verweilen.  Hier  werden  drei  Klas- 
sen von  Leuten  unterschieden,  an  denen  dem  Qrafen  Rechte 
zustanden:  die  nobiles  de  nobili  macinata,  die  homines  alterius 
condicionis  macinate,  quam  ministerarii  und  endlich  die  vassalli 
de  allodio.  Fassen  wir  die  letzten  zuerst  ins  Auge,  so  finden 
wir  unter  ihnen  die  Suppane,  die  Taranten,  die  Maiser,  die 
Lana,  Firmian,  Weineck,  Valwenstein,  Giovo,  Castelbarco, 
Leute  teils  freien^  teils  unfreien  Standes.  Zu  den  edlen  Freien 
zählen  unstreitig  die  Castelbarker,  andere  wie  die  Suppane, 
Taranten,  Maiser  usw.  sind  Ministerialen  der  Grafen  von  Tirol, 
die  Firmian,  Weinecker  des  Bistums  von  Trient.  Dem  Grafen 
von  Ulten  gegenüber  stehen  alle  im  Verhältnisse  der  Vasallität, 
sie  sind  seine  Vasallen,  teils  edle  Freie,  teils  Ministerialen  an- 
derer Herren.  Die  erstgenannten  nobiles  de  nobili  macinata 
oder  ministerarii  sind  die  Ministerialen  des  Grafen.  Schon  der 
erste  unter  ihnen  ist  ein  Seneschalk,  also  einem  Hausamte  zu- 
geteilt. Und  wenn  in  der  Folge  öfter  erwähnt  vrird,  daß  Söhne 
von  einzelnen  zur  Hälfte  oder  zu  einem  anderen  Bruchteile 
anderen  Herren  gehören,  so  folgt  daraus,  daß  der  Rest  dem 
Grafen  von  Ulten  zusteht.  Die  alterius  condicionis  macinate 
sind  nicht  adelige  Unfreie,  wie  man  wohl  gemeint  hat,  sondern 
unfreie  Bauern.  Schon  der  erste  unter  ihnen  ist  ein  massarius, 
ein  Schaffer  oder  Meier;  unfreie  Bauern  sind  also  auch  Vbertin 
und  Ottonellus  und  die  übrigen  hier  aufgezählten  von  Thun. 
Sie  haben  mit  der  adeligen  Familie  Thun,  soviel  wir  wissen, 
nichts  zu  schaffen. 

Freilich  werden  wir  deswegen  den  Thun  noch  keineswegs 
ireien  Ursprung  zuschreiben  dürfen.  Denn  die  Zahl  der 
freien  edlen  Familien  ist  im  12.  und  13.  Jahrhundert  eine 
geringe.  Die  Wangen,  die  Enn,  die  Herren  von  Salurn, 
Brenta,  die  Castelbarker  zählen  zu  diesen  edlen  Familien.  Aber 
selbst  Geschlechter,  die  schon  im  13.  Jahrhundert  eine  so  maß- 
gebende Rolle  spielten  und  solche  Bedeutung  gewannen  wie  die 
Arco,  sind  unfreien  Ursprungs,  bischöfliche  Ministerialen  ge- 
wesen,  oder  wenigstens  durch  die  Unfreiheit  durchgeschritten. 


*  Hormayr,  Beitr.  2,  168  (allerdings  ungenügend). 

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412 

trotz  aller  Ansprüche  auf  eine  freie  Stellung^  die  sie  früh 
schon  erhoben.  Eine  Urkunde  von  1186  zwar  berichtet,  daß 
Friedrich  und  Odalrich  von  Arco  dem  Bischof  Albert  Hulde 
leisteten  nobiliter  et  libere.^  In  der  Folge  aber,  im  Jahre  1198, 
ist  die  Freiheit  der  Arco  bestritten  gewesen,  der  Verfasser  der 
Urkunde  über  die  Belehnung  von  1198  bemerkt  ausdrücklich, 
daß  dabei  die  Standesfrage  nicht  erwähnt  worden  sei.*  In  der 
Folge  müssen  die  Arco  alle  instrumenta  libertatis  herausgeben, 
die  null  und  nichtig  sein  sollen,'  und  Adalpert  von  Arco  schwört 
1216  dem  Bischof  Friedrich  den  Treueid  als  homo  de  nobili 
macinata.^  Daß  die  Leute  de  nobili  macinata  unfrei  sind, 
ergeben  die  Urkunden  zur  Genüge.  Graf  Ulrich  von 
Eppan  schenkt  1224  eine  Sophie,  Tochter  des  Swicker  von 
Eppan,  dem  Hochstift  Trient,  damit  sie  den  Friedrich  von  Fir- 
mian  gentilis  macinate  sancti  Vigilii  heiraten  kann.  Die  Kin- 
der der  Ehe  sollen  gemeinsam  sein  oder,  wenn  der  Bischof 
will,  geteilt  werden.^  Später,  im  Jahre  1234,  wird  unterschie- 
den zwischen  Leuten,  die  pro  gentili  macinata  und  anderen, 
die  pro  libero  belehnt  sind.^  Ein  andermal  wird  1214  ein  Un- 
freier de  macinata  freigelassen  zu  einem  Manne  de  gentili  ma- 
cinata.'^  Er  sollte  ad  manus  et  servitium  des  Bistums  bleiben: 
per  macinatam.  Natürlich  ist  die  Unfreiheit  dieser  Leute  keine 
drückende,  besonders,  wenn  ihnen  das  häufig  erteilte  Privileg 
verliehen  wird,  nie  vom  Bistum  veräußert  zu  werden.  Dann 
mochten  sie  bereits  im  Laufe  des  13.  Jahrhunderts  eine  Stel- 
lung erreicht  haben,  die  jener  der  freien  Untertanen  und  Va- 
sallen des  Bistums  in  nichts  nachstand.  Andere  sind  ireilich 
noch  in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  veräußert 
worden.®  Die  ritterlichen  Unfreien  standen  überwiegend  im 
Eigentum  des  Gotteshauses,  waren  Ministerialen  der  Kirche. 
Doch  auch  Grafen  und  edle  Freie,  ja  auch  Ministerialen  be- 
sitzen Unfreie   ritterlichen   Standes.     Die  ritterlichen  Unfreien 


»  Auszug  Bonelli  2,  89.  "  Vgl.  oben  S.  408  n.  5. 

■  Kink,  Fontes  n,  5,  Nr.  88. 

*  a.  a.  O.  Nr.  117;    ebenso  die  Herren  Friedrieb  und  Riprand  von  Arco 
1233  als  bomines  casedei  und  de  nobili  macinata,  a.  a.  O.  Nr.  162. 

»  Bonelli  3,  342. 

•  "Wien  St-A.  Liber  inrium  vallis  Lagari  f.  2\ 
^  Rapp,  Beitrüge  usw.  3,  99. 

«  1265  Dezember  1,  Wien  St.-A.  (Dominez  461). 


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413 

des  Grafen  Ulrich  von  Ulten  nennt  die  angeführte  Urkunde 
von  1231.  Zahlreich  sind  die  Ministerialen  der  Grafen  von 
Tirol  gewesen;  Eppaner  Ministerialen  werden  öfter  genannt;^ 
die  Herren  von  Castelbarco,  von  Enn  besitzen  solche  Leute,* 
aber  auch  die  Herren  von  Arco,  die  selber  unfreien  Stan- 
des sind.' 

Fragen  wir  nun,  welche  von  diesen  Klassen  der  Gerichts- 
barkeit des  Grund-  und  Leibherrn  unterstanden,  so  müssen  wir 
die  bänerlichen  und  die  ritterlichen  unterscheiden.  Darüber, 
daß  die  unfreien  Bauern  der  Gerichtsbarkeit  ihrer  Leib- 
herren unterstanden,  lassen  die  schon  oben  angeführten  Aussagen 
der  Quellen*  keinen  Zweifel.  Es  fragt  sich  nur,  ob  sie  allein 
unter  den  homines  zu  verstehen  sind,  von  welchen  die  Quellen 
reden,  ob  also  das  leibherrliche  Verhältnis  allein  die  Gerichts- 
barkeit begründet  oder,  ob  auch  andere  Entstehungsgründe  für 
diese  Gerichtsbarkeit  vorhanden  sind.  Schon  nach  den  oben 
mitgeteilten  Stellen  —  es  sei  nur  verwiesen  auf  die  Aussagen 
über  den  Gerichtsstand  des  Johannes  Piolus  —  kann  kein  Zwei- 
fel bestehen,  daß  auch  freie  Rimannen  in  einem  Verhält- 
nisse zu  ritterlichen  Freien  und  Unfreien  oder  zu  einem 
Gotteshause  stehen  können,  welches  sie  der  Gerichtsbar- 
keit ihrer  Herren  unterordnet.  Die  Verzeichnisse  von 
homines  des  Bistums,  des  Kapitels,  einzelner  Großer  wie  der 
Herren  von  Arco  zählen  neben  den  servi  oder  famuli  auch  Ari- 
mannen  auf.  Es  ist  die  arimannia,  die  Freisteuer,  welche  diese 
Einreihung  veranlaßt  hat.  Schon  in  der  fränkischen  Zeit  haben 
die  Könige  einzelne  Untertanen  mit  ihren  öffentlich  rechtlichen 
Leistungen  an  Private  gewiesen.^  Wie  schon  damals  diese  Zu- 
weisung ein  Abhängigkeitsverhältnis  begründete,  so  auch  in  der 
Folge.  Denn  die  Veräußerungen  schritten  fort.  Vergeblich 
suchte    das  Reich    dagegen  Stellung  zu  nehmen,    wenn   z.  B. 


1  E.  B.  BonelU  3,  342  (1224). 

'  Urkunde  1190  April  19,  Gonradin  von  Auer  de  masnada  fiUorum  Enrici 

de  Engna  läßt  dem  Bischof  Konrad  ein  Lehen  auf,   Kink,  Fontes  II, 

5,  38. 
^  Urkunde  1253  März  11,  Innsbruck,  Parteibriefe.    Unter  den  Eigenleuten 

des  Riprand  Ton  Arco,  an  denen  Ezelin  von  Romano  Besitz  eingewiesen 

wird,  auch  d.  Bertoldus  de  Terlago. 

*  Vgl.  oben  S.  402  f. 

*  Waitz,  Deutsche  Verfassungsgesch.  2,  I,  250. 


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414 

König  Koorad  IV.  verbot,  im  Bistum  Feltre  Rimannenland  zu 
kaufen  oder  mit  Gewalt  wegzunehmen,  damit  der  Bischof  die 
Arimannia  nicht  verliere,^  oder  Friedrich  I.  die  Arimannia  als 
Regal  erklärt.  Auch  in  Trient  sind  Veräußerungen  von  Ari- 
mannien  vorgekommen;  so  wird  1182  eine  solche  verpfÄndet;* 
häufig  erscheinen  sie  als  Lehensobjekte.'  Ja  noch  1307  wird 
eine  Belehnung  mit  einer  Arimannia,  die  Ulrich  von  Matsch 
als  Hauptmann  der  Herzoge  von  Kärnten  vorgenommen  hat, 
ebenso  wie  der  Verkauf  einer  Arimannia  bestätigt.*  Oder  sie 
werden  einem  Beamten  zugewiesen,  der  sich  aus  ihren  Leistun- 
gen für  die  Mühen  des  Amtes  bezahlt  machen  soll.^  Auch 
hier  blieb  die  Abhängigkeit  nicht  aus.  Sie  war  eine  solche, 
daß  die  Lage  dieser  Leute  den  Unfreien  ziemlich  nahestand. 
Daher  werden  die  Arimannen,  die  von  Haus  aus  Freie  waren, 
freigelassen.^  Freilich  waren  nicht  alle,  die  Arimannia  zahlten, 
freien  Ursprungs.  Man  denke  an  die  Fleimser  Privilegien,  in 
denen  alle  Abgaben  für  Geistliche  und  Weltliche,  Freie  und 
Unfreie  auf  Arimannien  reduziert  wurden.  Aber  das  war  Aus- 
nahme, eine  Menge  Freier  ist  sicher  durch  Zuweisung  ihrer 
Arimannia  an  einen  Großen  in  eine  Art  von  Abhängigkeit  ge- 
raten. Der  Herr  des  Arimannen  gewinnt  dann,  als  die  Ari- 
mannien auf  Grund  und  Boden  gelegt  werden,  eine  Gewere  am 
Grundstück,  erscheint  als  sein  ObereigenttLmer  und  erwirbt 
Gerichtsbarkeit  über  den  Arimannen,  der  wie  ein  Zensuale  oder 
vogtbarer  Mann  betrachtet  wird.  Es  sei  nur  nochmals  ver- 
wiesen auf  die  interessanten  Aussagen  über  den  Gerichtsstand 
des  Johannes  Piolus.  Er  war  Rimanne  des  Roland  von  Povo: 
cum  placito,  banno  et  districtu,  steht  unter  dessen  Twing  und 
Bann.     Mit  den   anderen  Lehen  fällt  auch  er  nach  dem  Tode 


^  Stumpf  8436. 

*  Bonelli  2,  84,  Urkunde,  Innsbruck  St-A.  C.  2,  Nr.  10. 

^  Urkunde  1216  August  1,  Innsbruck  St.-A.  G.  63,  Nr.  12;  Montebello, 
Notizie  21  (1242);  Urkunde  1264  Oktober  3,  Wien  St-A.  (Dominez 
444)  usw. 

*  Innsbruck  St-A.  C.  22,  Nr.  4  f.  27  und  29. 
»  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  28  (1188). 

*  Bischof  Bartholomäus  bestätigt  1307  März  27  die  manumissio  eines  Ari- 
mannen cum  tota  possessione  proprietate  ficto  et  redditu,  welche  1290 
erfolgt  war,  ebenso  am  16.  März  die  Freilassung  eines  Arimannen  von 
1266  August  30  usw.,  Innsbruck  St-A.  0.  22,  Nr.  4,  f.  22,  f.  88;  andere 
ähnliche  ebendort  f.  24  und  f.  27. 


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415 

des  Roland  dem  Bistum  heim.  Als  er  aber  die  halbe  Rimannia 
kauft,  die  dem  Ezelin  von  Enn  gehört^  beanspracht  dieser  Twing 
and  Bann  über  ihn.  Diese  Gerichtsbarkeit  ist  anzweifelhaft  auf 
das  Grondstück  gegründet.  Wer  es  erwirbt,  unterliegt  dem 
Gerichte  des  Grundherrn.  Interessante  Aufschlüsse  über  die 
Rimannen  gewährt  ein  Zeugenverhör  von  1313*  über  die  Ge- 
richtsbarkeit, welche  die  Herren  von  Enn  als  Vorgänger  der 
Tiroler  Grafen  in  Fleims  übten.  Das  Gericht  Fleims  war  aller- 
dings zeitweise  im  13.  Jahrhundert  an  die  Herren  von  Enn 
verpftndet,^  wurde  indes  bald  zurückgelöst  und  kam  mit  dem 
übrigen  Bistum  in  tirolische  Verwaltung.  In  unserem  Verhöre 
wird  genau  geschieden  die  Zeit^  in  der  der  Gastalde  des  Herrn 
Ezelin  von  Egna  in  Cavalese  Gericht  hielte  von  jener,  in  der 
das  Gericht  Fleims  unter  tirolischer  Verwaltung  stand,  und  der 
tirolische  Hauptmann  von  Castello  die  placita  christianitatis,  die 
echten  Dinge^  in  Fleims  abhielt.  Aber  auch  in  dieser  Zeit 
übten  die  Herren  von  Enn  Gerichtsbarkeit,  und  zwar  nicht 
nur  die  zivile,  auch  die  kriminale,  über  ihre  ,vasalli,  rimani  et 
fictalini^,  wie  die  Urkunde  sagt,  in  Moena,  Forno,  Predazzo, 
Tesero  und  Cavalese,  und  wo  sie  immer  saßen.  Erst  nach  Ab- 
gang des  Ezelin  fiel  diese  Gerichtsbarkeit  an  die  Grafen  von 
Tirol,  die  sie  nebst  allen  anderen  Besitzungen  der  Enn  von 
seinen  Erben  kauften.'  Wir  werden  auf  die  späteren  Schick- 
sale dieser  Gerichtsbarkeit  noch  zurückkommen.  Wenn  dar- 
nach den  Herren  von  Enn  das  merum  et  mixtum  imperium 
über  ihre  Rimannen  zustand,  so  werden  wir  darin  wohl  eine 
Ausnahme  sehen  müssen.  Es  mag  hier  eine  Exemtion  zugun- 
sten dieser  Familie  vorliegen,  die  besonders  verliehen  war;  denn 
im  übrigen  ist  im  13.  Jahrhundert  nur  von  der  bürgerlichen 
Gerichtsbarkeit  der  Leib-  und  Grundherren  die  Rede. 

Um  unfreie  Hintersassen  mag  es  sich  handeln,  wenn  1225 
Bischof  Gerard  den  Adalbert  von  Wangen  mit  einem  Hofe  zu 
Tramin,  den  Nikolaus  bebaut,  und  mit  diesem  Nikolaus  selber 
belehnt.^  Kaum  dasselbe  ist  anzunehmen,  wenn  Bischof  Egno 
1266   dem  Heinrich  von  Greifenstein  ein  Haus  in  Bozen  ver- 


'  Raitbuch,  München  St-A.  1,  f.  31. 

*  1266  Chmel,  Fontes  U,  1,  Nr.  74,  zurückgelöst  1269,   Hormayr,  Gesch. 

Tirols  1,  n,  Nr.  199. 
■  Ladurner,  Zeitschr.  des  Perd.  HI,  Bd.  13,  113  und  114. 
^  Urkunde  1225  November  23,  Wien  St-A.  (Dominez  264  unToUständig). 


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416 

leiht  and  ihn  mit  dem  bannam  civile  habitatoris  dicte  domus 
belehnt.^  Hier  bedurfte  es  freilich  einer  besonderen  Verleihung, 
denn  ein  freies  Leiheverhältnis^  und  das  lag  bei  einer  städti- 
schen Leihe  vor,  ließ  die  Freiheit  und  den  Qerichtsstand  des 
Beliehenen  ungekrftnkt. 

Aber  auch  unfreie  Leihen  sind  vorgekommen,  Leihen, 
die  den  Beliehenen  dem  Twing  und  Banne  des  Grundherrn 
unterstellten.^  Es  ist  bezeichnend,  daß  solche  Leihen  gerade 
aus  jenen  Teilen  des  Bistums  vorliegen,  wo  die  Hofverfassung 
sich  am  zähesten  erhalten  hat,  aus  dem  Nons-  und  Sulzberg. 
So  verleiht  Bischof  Adalpert  (1184 — 1188)  in  einer  undatierten 
Urkunde  zweien  Brüdern  Grundstücke  in  Bozzana,  so  daß  sie 
und  ihre  Erben:  semper  subditi  sint  curie  Vulsane,  gegen  einen 
jährlichen  Zins  pro  famulatu.'  Indem  der  Bischof  verzichtet, 
sie  zu  veräußern  und  anderen  zu  verleihen,  sind  sie  immer  an 
den  Hof  von  Ossana  gebunden.*  Wir  hören  freilich  nicht  mehr 
viel  von  solchen  unfreien  Leihen,  denn  die  freie  Erbleihe  ist 
in  raschem  und  siegreichem  Vordringen  begriJOTen. 

Auch  freie  Leute  unterstellen  sich  der  Gerichts- 
barkeit eines  Herrn,  zu  dem  sie  in  ein  Mundverhältnis 
treten,  ohne  daß  von  einer  Leihe  die  Rede  wäre.  Die  Urkun- 
den bezeichnen  dieses  Verhältnis  mit  commendatio  oder  com- 
mendaria.^  So  wurde  es  den  Untertanen  des  Trienter  Dom- 
kapitels in  Sover  verboten,  sich  einem  Ritter  oder  Herrn  zu 
kommendieren.®  Was  darunter  zu  verstehen  sei,  lernen  wir 
aus  einer  Urkunde  von  1249  kennen,  wo  ein  Mann  sich  und 
seine  Güter  dem  Nikolaus  von  Brenta  aufläßt  und  verspricht: 
facere  coram  eo  rationem  et  petere  rationem  tamquam  homo 
liber  dicti  domini.''     So  hat  also  die  alte  Kommendation  noch 


^  Urkunde  1266  Dezember  7,  Wien  St.-A.  (Dominez  396). 

•  Vgl.  Wopfner,  Freie  und  unfreie  Leihen  im  späteren  Mittelalter,  8e- 
paratabdr.  aus  Vierteljahrsschrift  für  Sozial-  und  Wirtschaftsgescb.  3,  5  f. 
gegen  Seeliger,  der  die  Scheidung  von  freien  und  unfreien  Leihen  ver- 
wirft.   Vgl.  auch  Rietschel,  Mitteil.  d.  Inst.  27,  391  f. 

3  Kink,  Fontes  H,  6,  Nr.  247. 

*  Ähnlicher  Fall  wohl  auch  a.  a.  O.  Nr.  95.  Die  Leute,  die  frtther  frei- 
lich in  ähnlichem  Verhältnisse  zum  Hofe  von  Livo  standen,  werden  in 
Nr.  247  an  den  von  Ossana  geknüpft. 

»  Kink,  Fontes  O,  ö,  Nr.  96,  246,  247. 

«  Beilage  14. 

'  Urkunde  1249  April  23,  Innsbruck  St.-A.,  Farteibriefe. 


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417 

fortbestanden,  es  haben  sich  Freie  einem  Herrn  ergeben,  sich 
seiner  Gerichtsbarkeit  unterstellt,  ohne  ihren  freien  Stand  im 
übrigen  aufzugeben.  In  unserem  Falle  tritt  nun  freilich  zur 
Eommendation  sofort  ein  Lehensverhältnis,  so  daß  nicht  ersicht- 
lich ist,  ob  die  Kommendation  als  solche  mit  Eid  und  Hulde 
verbunden  war.  Wenn  wir  aber  hören,  daß  die  Leute  des 
Domkapitels  von  Verona  in  Judikarien,  die  doch  ausdrücklich 
als  Freie  bezeichnet  werden,  daß  die  Leute  des  Kapitels  von 
Trient  in  Sover,  die  sich  der  Freizügigkeit  erfreuen,  daß  um 
1250  in  Pergine  und  Eppan  einige  Leute  als  liberi  vassalli  den 
Eid  leisten,  so  hat  man  wohl  das  zweite  anzunehmen.  Auch 
der  Bischof  besitzt  solche  Vasallen,  die  den  homines  de  familia 
gleich  zu  einem  Hofe  gehören,  nicht  veräußert  werden  sollen 
und  versprechen,  sich  nicht  aus  dem  Bistum  wegzubegeben, 
nicht  wegzuheiraten.^  Leute  in  dieser  Rechtslage  haben  wir 
wohl  unter  den  Vogtleuten,  homines  advocatales  zu  verstehen, 
welche  eine  Urkunde  von  1313  neben  Freien  und  Unfreien  als 
Hintersassen  der  Herren  von  Schönna  im  Bistum  Trient  nennt.* 
Fassen  wir  das  Gesagte  zusammen,  so  sehen  wir,  wie  sich 
die  homines  bäuerlichen  Standes,  die  der  Gerichtsbar- 
keit ihres  Leib-  und  Grundherrn  unterstehen,  aus  ver- 
schiedenen Klassen  zusammensetzen.  Wir  trafen  zunächst 
die  Eigenleute,  dann  Freie,  die  durch  Eingehung  einer  un- 
freien Leihe  unter  das  Hofrecht  kommen  und  unfrei  werden; 
Freie,  die  sich  unter  die  Mund  eines  Ritterlichen  be- 
geben, sich  seiner  Gerichtsbarkeit  unterwerfen,  aber  ihre  Frei- 
heit bewahren,  endlich  Arimannen,  die  mit  ihren  Leistun- 
gen einem  Herrn  zugewiesen  sind  und  damit  mit  ihrer 
Person,  aber  auch  mit  ihrem  Gute  unter  die  Gerichtsbarkeit 
ihres  Herrn  geraten  oder  auf  einer  Arimannia  sitzen,  ja  selbst 
einzelne,  die  in  freier  Erbleihe  angesiedelt  sind.  Es  sind,  wenn 
wir   von    den    weniger   beachteten    Arimannen    absehen,   jene 


1  z.  B.  Handschr.  Innsbruck  St.-A.  G.  9,  Nr.  131  von  1281  Mai  29:  Qua- 
temus  fictorum  et  redditxim  et  possessioniim  et  hominnm  de  familia 
et  vasalomm  episcopatus  Tridenti  im  Nons-  und  Sulzberg  werden  über- 
all hominea  de  casadei  und  vasalli  unterschieden,  die  zu  einem  Hofe 
gehören;  z.  B.  homines  de  familia  et  vasalli  de  Me^na,  qui  pertinent 
casedei;  Kink,  Fontes  TL,  6,  Nr.  133. 

'  Urkunde  1313  November  6:  omnes  homines  ....  sive  liberi  sive  pro- 
prii  sive  advocatales  residentes  in  bonis  ipsorum.   Wien  St.-A. 


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418 

Klassen,  die  nach  der  bestehenden  herrsehenden  Ansicht  unter 
das  Hofrecht  fallen.  Persönliche  Abhängigkeit  sowohl  als  ding- 
liche kann  Twing  und  Bann  des  Feudalherrn  begründen. 

Wenden  wir  uns  nun  den  adeligen  Kreisen  und  ihrer 
Stellung  zum  Hofrechte  zu;  gerade  aus  ihrer  Rechtslage 
werden  wir  auch  das  Wesen  des  Hofrechtes  näher  erkennen. 
Die  Lage  der  adeligen  Unfreien  ist  nicht  für  alle  die  gleiche. 
Wir  werden  zwischen  den  Qotteshausleuten  und  den  un- 
freien Rittern,  die  im  Besitze  eines  anderen  Adeligen 
stehen,  scheiden  müssen.  Die  Gotteshausleute  haben  gleich 
den  freien  Edlen  ihren  Gerichtsstand  vor  dem  Bischöfe  oder 
seinem  Vizedom,  Assessor  oder  Vikar,  nicht  aber  wie  die  bäuer- 
liche Bevölkerung  vor  dem  Gastalden  oder  Hauptmann.  Die 
Zeugnisse  dafür  sind  ungemein  häufig,  besonders  in  den  Ur- 
kunden, welche  die  Erhebung  eines  bäuerlichen  Mannes  in  den 
Adelsstand  bezeugen,  Erhebungen,  die  recht  häufig  vorgekom- 
men  sind.  Es  ist  schon  oben  wiederholt  darauf  hingewiesen 
worden.  Immer  wird  verfügt,  daß  solche  Leute  von  nun  an: 
non  debent  facere  racionem  sub  aliquo  gastaldioni,  nisi  coram 
episcopo;^  neben  dem  Gastalden  werden  auch  die  anderen  Mi- 
nisterialen und  namentlich  der  caniparius  und  scarius  ausge- 
schlossen.^ Nicht  selten  wird  der  Bischof  als  der  ordentliche 
Richter  für  den  Adel  dtirch  den  Zusatz  bezeichnet:  sicut  alii 
gentiles  vasalli  faciunt.^  Ja  dieser  Gerichtsstand  gilt  geradezu 
als  Kennzeichen  für  den  Ritterlichen^  wie  bereits  oben  dargetan 
wurde.* 

Nicht  so  die  unfreien  Ritter  anderer  Herren.  Sie  ver- 
mochten nicht  wie  die  österreichischen  Milites  auch  nur  teil- 
weise den  Gerichtsstand  vor  dem  Bischöfe  zu  erlangen.  Die 
Herren  von  Castelbarco  erhoben  ebenfalls  1246  Bauern,  und 
zwar  Rimannen,  also  Freie  in  den  Ritterstand;  aber  diese:  sem- 


1  Urkunde  1206  Mära  6,  Wien  St.-A.  (Dominez  68  ungenau);  Kink,  Fon- 
tes U,  6,  Nr.  95. 

•  Kink,  a.  a.  O.  Nr.  95;  Urkunde  1216  Juli  12,  Wien  St-A.  (Domines  179). 
»  Urkunde  1217  April  26,  Wien  St.-A.;    ähnlich  Urkunde  1208  April  80, 

Innsbruck  St.-A.  C.  60,  Nr.  2;  Bonelli  2,  Nr.  79  (1283)  usw.  Neben  dem 
Bischöfe  wird  häufig  der  Vizedom  genannt,  namentlich  im  Nons-  und 
Sulzberg,  vgl.  oben  S.  868 ;  in  späteren  Urkunden  der  Assessor,  z.  B. 
1263  Mai  4,  Bonelli  2,  152. 

*  Vgl.  oben  S.  383  f. 


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419 

per  facere  dobeant  racionem  libere  coram  dictis  dominis.^  Blie- 
ben diese  freien  Vasallen  der  Gerichtsbarkeit  ihres  Herrn  unter- 
worfen, nmsomehr  gewiß  die  unfreien.  Auch  Graf  Ulrich  von 
Eppan  behält  sich  die  Gerichtsbarkeit  über  Eigenleute  vor,  die 
er  zu  Vasallen  erhoben,  also  in  den  ritterlichen  Stand  aufge- 
nommen hat.*  Sollen  sie  unter  die  Gerichtsbarkeit  des  Bistums 
gelangen,  so  müssen  solche  Leute  noch  besonders  dem  Bischöfe 
aufgelassen  werden.  So  überläßt  Nikolaus  von  Beseno  dem 
Podestk  Sodegher  das  vasalaticum  (Lebensverhältnis)  einer 
Anzahl  genannter  Vasallen :  cum  omni  districtu  et  iurisdiccione 
personamm  und  alles  Recht  an  Twing  und  Bann,  das  ihm  zu- 
stand, derart,  daß  sie  damit  belehnt  sein  sollen  und  Recht 
geben:  sub  rectore  Tridenti  et  non  sub  aliis  personis,  dem  sie 
als  Freie  (libere  persone)  unveräußerlich  untergeben  sind.'  Wohl 
werden  auch  solche  Ritterliche  dem  Gerichte  ihres  Herrn  und 
nicht  dem  eines  Gastalden  oder  Meiers,  wenn  der  Herr  einen 
solchen  hatte,  unterstellt  gewesen  sein.^ 

Sicher  ergibt  sich  somit  das  eine:  der  Bauer,  gleichviel 
ob  frei  (Rimanne)  oder  unfrei,  der  in  den  ritterlichen  Stand 
eintritt,  tauscht  seinen  Gerichtsstand,  gibt  sein  Hof- 
gericht auf,  um  das  Gericht  seines  Herrn  zu  gewinnen.  Suchen 
wir  eine  Erklärung  dieser  Erscheinung,  so  ist  früher  auf  den 
Burgbann  hingewiesen  worden,  dem  der  Adelige  nicht,  wohl  aber 
der  Bauer  unterstand.^  Jedoch  nicht  nur  diese  Leistung,  eine 
Anzahl  verwandter  werden  dem  Ritterlichen  erlassen,  die  auf 
dem  Bauern  ruhen  und  den  Bauern  mit  dem  Gastalden  in  enge 
Beziehung  bringen.  Es  sind  zum  großen  Teile  Leistungen 
öffentlich  rechtlichen  Ursprungs;  sie  werden  bei  Erhebung  in 
den  ritterlichen  Stand  alle  samt  und  sonders  nachgelassen.  Die 
Erhebung  erfolgt  nämlich   in   der  Weise,   daß  dem  bisherigen 


Urkunde  1246  Jänner  29,  Wien  St.-A.  (Dominez  339  unrichtig). 
Urkunde  1220  August  29,  Innsbruck  St.-A. 

Urkunde  1262  Februar  18,  Wien  St.-A.  (Dominez  872  mit  unrichtigem 
Datum). 

So  war  es  auch  im  Pustertale.  Als  im  Jahre  1306  März  2,  Orig.  Wien 
St-A.,  Ulrich  von  Taufers  mit  seinem  Ohm  Hugo  teilt,  wird  bestimmt, 
dafi  ietweder  richten  und  richter  haben  (solle)  über  sein  guet  und  leute, 
und  swaz  gegen  edelen  leuten  und  umb  pluet  ze  richten  waere,  daz 
schol  der  eltiste  richten. 
'  Vgl.  die  erste  Arbeit  dieses  Bandes,  33. 


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420 

Bauern  diese  Leistungen  zu  Lehen  gegeben  und  damit  nachge- 
sehen werden.  Für  dieses  Lehen  wird  der  neue  Adelige  Va- 
sall seines  Herrn  und  leistet  ihm  den  Treueid,  untersteht  damit 
dem  Dienst-  und  Lehensgericht  des  Herrn.  Die  nachgelassenen 
Leistungen  werden  mehr  oder  minder  voUzählig  in  den  Ur- 
kunden angegeben.  Immer  erscheint  das  bannum  persone  und 
districtus,  Twing  und  Bann.  Zu  ihnen  treten  dann  colta,  pla- 
citum,  fodrum  seu  daderia,  arimannia,  albergaria  usw.  Die 
zweite  Gruppe  können  wir  als  Steuern  und  andere  ihnen  ver- 
wandte öffentliche  Leistungen  bezeichnen.  Wenn  Bittner  für 
das  Erzstifb  Salzburg  aus  späterer  Zeit  nachgewiesen  hat,^  daß 
die  Steuer  in  die  Hände  der  Grundherren  gekommen  ist,  so  ist 
ähnliches  schon  sehr  früh,  offenbar  durch  Überweisung  der 
Steuer  in  Südtirol  der  Fall  gewesen.  Wir  haben  bereits  die 
Steuern  kennen  gelernt,  welche  die  Domkapitel  von  Verona 
und  Trient  aus  ihren  Grundherrschaften  bezogen.*  Uns  inter- 
essieren hier  diese  Steuern  nicht  näher,  wir  wenden  uns  dem 
bannum  persone  und  districtus,  Twing  und  Bann  zu,  die  mit 
der  Gerichtsbarkeit  im  Zusammenhange  stehen.  Vielleicht  ver- 
mögen gerade  unsere  Nachrichten  die  Bedeutung  von  Twing 
und  Bann  und  ihren  Ursprung  in  etwas  aufzuklären. 

Die  Urkunden  ergeben,  daß  dieser  Bann  mit  dem  Pro- 
zesse im  Zusammenhange  steht.  Schon  die  älteste  noch 
dem  12.  Jahrhundert  angehörige  Aufzeichnung  über  eine  solche 
Belehnung  läßt  daran  keinen  Zweifel.  Hier  wird  bestimmt:  si 
de  banno  cadiderint,  cum  una  manu  debent  dare  wadiam  et 
cum  alia  sua  manu  habere  finem  excepto  de  incendio  et  homi- 
cidio  et  tradimento.'  Spätere  Nachrichten  bieten  Erklärung 
und  Ergänzung.  So  werden  1209  ein  Mann  und  seine  Erben 
mit  ihrer  Dienstpflicht,  die  in  der  Herrichtung  des  Daches  der 
Domkirche  besteht:   et  de  banno  suarum  personarum  exceptis 


*  Archiv  für  östenr.  Gesch.  92,  636  f. 

•  Aber  auch  hier  ist  die  ordentliche  Steuer  öffentlich  rechtlichen  Ursprungs 
und  hing  mit  der  Gerichtshoheit  zusammen.  Die  außerordentliche  Steuer 
bezieht  der  Bischof  nicht  nur  von  seinen  Leuten,  sondern  auch  den 
Eigenleuten  der  Edlen;  Bischof  Bartholomäus  schreibt  eine  generalis  col- 
lecta  von  40  Schilling  für  den  Feuerherd  aus:  tarn  a  subditis  suis,  quam 
hominibus  nobilium  episcopatus,  1307  März  81,  Innsbruck  St.-A.  C.  22, 
Nr.  4,  f.  36^ 

■  Bonelli  2,  394. 


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421 

bannis  de  maleficiis  belehnt.^  Eine  spätere  Urkunde  von  1229 
fägt  zum  Vorbehalte  des  bannnm  maleficii  noch  hinzu:  quod 
nulli  indulgetur.*  Aus  diesen  Angaben,  die  oft  wiederholt  wer- 
den^  ergibt  sich;  daß  der  Bann,  von  dem  die  Urkunden  spre- 
eben,  ein  Bann  ist,  der  im  Prozesse  verhängt  und  gezahlt  wird^ 
und  zwar  nicht  im  Kriminalverfahren ,  sondern  in  Rechtsstrei- 
ten um  bürgerliche  Sachen,  wohl  auch  um  Frevel.  Auf  diesen 
prozessualen  Charakter  weist  die  Angabe  in  einer  Belehnungs- 
Urkunde  von  1213,  in  der  ein  Vasall  des  Domkapitels  von  Ve- 
rona als  sein  Lehen  angibt:  bannum  questionis,  si  reclamacio 
videlicet  in  curia  canonicorum  de  eo  facta  fuerit.^  Aus  dem 
Weistum  von  1238*  erfahren  wir,  daß  dieser  Bann  für  die  Im- 
munitätsleute von  Verona  5  Schilling  beträgt.  Der  gleiche  Be- 
trag wird  von  den  Leuten  von  Sover  geschuldet,^  und  die  5  Schil- 
ling werden  auch  sonst  im  Bistum  Trient  erwähnt,  indem  sie 
als  Höchstgrenze  des  erlassenen  Bannes  angegeben  werden. 
So  wird  1217  erlassen  der  Bann:  usque  in  V  solides  et  de  V  so- 
lidis  infra  et  preter  de  maleficiis.^  Aus  dem  Weistum  von 
Sover  ergibt  sich  klar  die  Natur  des  Bannes:  cum  lis  fuerit  con- 
testata,  müssen  die  5  Schilling  gezahlt  werden  durch  den:  qui 
fuerit  reus;  bei  Klagen  um  iniuria  aber  wird  die  Höhe  des 
Bannes  in  das  Belieben  des  Kapitels  gestellt.  Der  Bann  ist 
also  jene  Abgabe,  die  an  den  Richter  durch  die  unterlie- 
gende Partei  gezahlt  werden  muß,  nicht  eine  Bannbuße  im 
technischen  Sinne  des  Wortes,  nicht  die  Buße,  die  auf  Ver- 
letzung eines  richterlichen  Gebotes  gesetzt  wird,  sondern  das 
alte  Fred  US,  das  Gewette,  das  in  Kriminalsachen  mit  dem 
alten  Bußensystem  zu  den  Bannbußen  verwachsen  war,  im 
Verfahren  um  Schuld  und  Frevel  sich  hier  im  Land-  und 
Hofgerichte  gehalten  hat,  im  bischöflichen  verschwunden  war. 
Wohl  möglich,  daß  auch  die  Bannbußen,  die  gegen  den  im  Pro- 
zesse ungehorsamen  Teil  verhängt  wurden,  damit  verschmolzen 
sind.'     Ob  diese  Bedeutung  von  Bann  nur  eine  singulare  war, 

*  Urkunde   1209  August  12,  Wien  St.-A.  pominezSS);  ähnlich  1216  Juli 
12,  ebendort  (Dominez  181);  1217  April  26,  ebendort  u«w. 

"  Urkunde  1229  Oktober  8,  Wien  St.-A.  (Dominez  270). 
»  Urkunde  1213  Juni  3,  Verona  K.-A.  BC.  82  m.  6,  n«  6. 

*  Beilage  11.  «  Beilage  14. 

*  Urkunde  1217  September  14,  Innsbruck  St.-A.,  Pestarchiv;  ähnlich  1230 
November  2,  Innsbruck  St.-A.  C.  62,  Nr.  11. 

'  Vgl.  Pertile*,  6,  II,  47;  Ficker,  Forschungen  3,  383. 


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422 

oder^  ob  es  allgemein  so  zu  verstehen  ist,  wenn  der  Herrschaft 
Twing  und  Bann  zugeschrieben  werden,  bedürfte  freilich  noch 
der  Untersuchung;  doch  ist  die  Sache  nicht  unwahrscheinlich, 
denn  sehr  lebhaft  erinnern  die  Dinge  in  Südtirol  an  die  Ver- 
hältnisse, wie  sie  uns  in  den  habsburgischen  Urbaren  der  Schweiz 
entgegentreten,  Verhältnisse,  die  schon  Wyß  vor  50  Jahren  be- 
sprochen und  auf  die  Stutz  neuerdings  wieder  hingewiesen  hat; 
hier  wie  dort  die  Gerichtsbarkeit  über  unfreie  und  freie  Leute, 
ursprünglich  auf  dem  Grund-  und  sagen  wir  auch  Leibeigentum 
ruhend,  später  auch  über  Freie  und  Hörige  anderer  Herren  in 
vielfach  geschlossenen  Distrikten  ausgedehnt.  Dem  deutschen 
Twing  entspricht  das  lateinische  Discrictus  unserer  Urkun- 
den. Schon  im  Worte  liegt  das  Zwingende,  das  Recht,  Gebote 
und  Verbote  zu  erlassen  und  unter  eine  Bannbuße  zu  stellen.^ 
Wie  das  gemeint  ist,  ergeben  ebenfalls  unsere  Urkunden.  Ea 
sei  nur  erinnert,  wie  der  Erzpriester  von  Verona  Bannsätze 
feststellt,  der  Domdekan  von  Trient  den  Leuten  von  Sover  ver- 
bietet, fremde  Frauen  zur  Ehe  zu  nehmen  und  sich  einem 
Ritter  zu  kommandieren.^  Wirtschaftlichen  Ursprungs  sind  diese 
Banngewalten  kaum  gewesen,  wie  Wyß  und  Stutz  meinen,'  mit 
der  Flurgerichtsbarkeit  und  dem  Flurzwang  haben  sie  wenigstens 
in  Südtirol  nichts  zu  tun,^  sie  gehören  dem  Gebiete  der  niede- 
ren Gerichtsbarkeit  an,  haben  sich  in  den  Hofgerichten  in  Nach- 
ahmung der  öffentlichen  Gerichtsverfassung  ausgebildet,  sind 
auch  wohl  den  Grundbesitzern  ausdrücklich  verliehen  worden. 
Twing  und  Bann  sind  jedenfalls  öffentlich  rechtlichen 
Ursprungs,  haben  sich  im  Landgerichte  gehalten,  und  im 
Hofgerichte  in  Analogie  zur  öffentlichen  Bann-  und  Ge- 
richtsgewalt ausgebildet.  Sie  sind  also  nicht  eigentlich 
Recht  des  grund-  und  leibherrlichen  Richters  allein,  sie  stehen 
auch  dem  öffentlichen  Landrichter  zu,  sofern  er  die  niedere 
Gerichtsbarkeit  nicht  verloren  hat. 


^  Vgl.  auch  Ulrich  Stutz,  Zeitschr.  d.  Sav.-Stiftung  für  Rechtsgesch.  Germ. 
Abt.  25, 207 f.;  Habsburg.  Urbar  (Quellen  zur  Schweizer  Gesch.  15,  II),  547 f. 

*  Beilage  8  und  14. 

*  Wyß,  in  Abhandlungen  zur  Gesch.  des  schweizerischen  öffentl.  Rechtes 
53  und  812  und  Stutz,  Zeitschr.  der  Sav.-Ges.  fUr  Rechtsgesch.  25, 
Germ.  Abt.  208. 

*  Die  Flurgerichtsbarkeit,  die  in  den  Regula  ausgeübt  wird,  ist  aUerdings 
auch  vielfach  feudalisiert  worden,  fäUt  aber  nur  ausnahmsweise  und 
dann  zufällig  mit  Twing  und  Bann  zusammen. 


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423 

Kein  Zweifel,  daß  die  Belehnung  der  Eigenlente  mit 
Twing  und  Bann,  also  der  Erlaß  dieser  Rechte  in  den  rit- 
terlichen Stand  erhebt.  Die  also  Bevorzugten  sind,  wie  die 
Urkunden  sagen^  nunmehr  liberi  et  gentiles  yassalli,  freie  Edle 
geworden,  und  das  besonders,  wenn  Rimannen  mit  Twing  und 
Bann  belehnt  werden,  oder  sie  treten  in  die  gentiles  macinata 
ein.  Diese  so  häufigen  Erhebungen  bezwecken,  den  kriegeri- 
schen Adel  zu  vermehren  und  zugleich  sich  Geld  zu  verschaffen; 
denn  der  Erlaß  von  Twing  und  Bann  mußte  abgekauft  werden. 
So  wird  einmal  bestimmt,  daß  der  neue  Vasall  aufgerufen:  cum 
equo  cum  domino  episcopo  equitare  debet,  ein  andermal^  daß 
er  einen  Beitrag  zum  Römerzug  zu  leisten  hat.^  Häufig  wird 
die  Ablösungssumme  genannt,'  oder  es  wird  auch  statt  der 
nachgelassenen  Giebigkeiten  und  Leistungen  eine  ewige  Rente 
bestellt.'  Die  starke  Beteiligung  der  Bischöfe  an  der  Reichs- 
politik von  der  Mitte  des  12.  bis  in  die  Mitte  des  13.  Jahrhun- 
derts mochte  es  erwünscht  erscheinen  lassen,  das  kriegerische 
Gefolge  des  Bischofs,  aber  auch  zugleich  die  finanziellen  Hilfs- 
kräfte zu  vermehren.  Solche  Erhebungen  sind  nicht  auf  Süd- 
tirol  beschränkt  geblieben,  mögen  sie  auch  anderwärts  nicht 
immer  beurkundet  worden  sein.  Das  starke  Anwachsen  be- 
sonders des  niedersten  ritterlichen  Adels,  der  milites,  macht 
das  ohnehin  schon  zweifellos.  Indes  sind  uns  ähnliche  Fälle 
doch  auch  anderwärts  überliefert,  wie  in  Brixen  und  Chur;  es 
sei  hier  nur  hingewiesen  auf  einen  solchen  in  Qurk,  der  in 
ähnlicher  Weise  durch  Belehnung  mit  den  Diensten  erfolgt.* 
Sie  sind  in  Trient  auch  noch  später  vorgekommen,  jetzt  in  Ver- 
bindung mit  einer  Wappenverleihung,  und  gehen  somit  in  regel- 
rechte  Adelsbriefe   über.^    Aus   diesen   kleinen  Adeligen,    die 


1  z.  B.  Kink,  Fontes  II,  6,  Nr.  92  oder  1246  Jäuuer  29,  Wien  St.-A.  Die 
Herren  von  Gastelbarco  erlassen  Bimannen  fictum,  bannum,  coltam,  ser- 
▼icia,  die  sie  von  einer  arimannia  zu  leisten  hatten,  und  belehnen  sie 
damit  als  freie  Vasallen  (gentiliter) ;  sie  sollen  Recht  geben  vor  den 
Gastelbarco:  libere  ....  sine  omni  banno,  und:  si  contigerit,  qnod  rex 
iret  ad  coronam  recipiendam  et  dicti  domini  cum  rege  irent,  quod  ra> 
cione  ostatici  nee  occasione  dicti  itineris  ad  (sie!)  dictis  firatribus  .... 
ultra  quinque  solides  ....  petere  [non]  posint. 

'  So  schon  Bonelli  2,  894.  »  Hormayr,  Gesch.;  Tirols  1,  II,  Nr.  40. 

^  Jacksch,  Monumenta  ducatus  Carinthiae  2,  Nr.  554. 

*  Die  ältesten  Adelsbriefe  aus  Südtirol  stammen  von  Bischof  Georg  II., 
Hack  1447  Oktober  20,  Innsbruck  St.-A.  C.  22,  Nr.  6,  f.  128— 129:  in 
▲rehir.  94.  Band,  U.  Hilfte.  29 


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424 

Freiheit  von  Steuer  und  Wachtdienst  beanspruchen,  im  übri- 
gen aber  ihrem  bäuerlichen  Berufe  nachgehen,  sich  im  Nons- 
berg  und  in  Judikarien  zu  Korporationen  zusammenschließen  und 
Bestätigungen  ihrer  Freiheiten  erhalten,  erwuchs  in  der  Folge 
der  Bauernadel,  die  nobili  rurali,  auf  deren  Verhältnisse  zuletzt 
Äusserer  aufmerksam  gemacht  hat.^ 

Noch  gilt  es,  die  weiteren  Schicksale  der  grund-  und  leib- 
herrlichen Gerichtsbarkeit  zu  verfolgen,  soweit  diese  sich  auf 
Grund  des  nui'  zum  Teile  durchforschten  Materials  zeichnen 
lassen.  Soviel  ist  erkenntlich^  daß  mit  dem  13.  Jahrhunderte 
ein  Wendepunkt  eintritt.  Vielleicht  war  die  Wendung  schon 
früher  angebahnt,  wenigstens  im  bischöflichen  Gebiete.  Dort, 
wo  die  Gastalden  die  öffentliche  Gerichtsbarkeit  erlangten,  ver- 
schwand eine  gesonderte  Gerichtsbarkeit  für  die  Gotteshaus- 
leute. Der  Sieg  der  freien  Leihe  bedeutete  auch  hier  wie  in 
Deutsch tirol*  ein  Zurückdrängen  des  Hofrechtes. 

Über  bischöflichen  Boden  und  über  bischöfliche 
Eigenleute  läßt  sich  seit  dem  14.  Jahrhundert  keine  be- 
sondere grund-  oder  leibherrliche  bischöfliche  Gerichts- 
barkeit feststellen.  Aber  die  anderen  Grundherren  ha- 
ben solche  Rechte  allerdings  behauptet.  Wo  die  Grund- 
herren auch  Gerichtsherren  geworden  sind,  wie  z.  B.  die  Castel- 
barco,  ist,  soviel  wir  wissen,  allerdings  auch  bei  ihnen  von  einer 
besonderen  grund-  und  leibherrlichen  Gerichtsbarkeit  neben  der 
öffentlichen  keine  Rede  mehr.  Manchmal  ist  es  zu  Ausgleichungen 
gekommen.  Es  ist  schon  in  der  ersten  Abhandlung  dieses  Bandes 
darauf  hingewiesen  worden,^  wie  die  Herren  von  Arco,  welche 

dieser  späten  Zeit  werden  erlassen  collectae,  angariae,  salaria;  vom 
Banne  ist  keine  Rede  mehr.  An  Stelle  der  erlassenen  Steuern  wird 
regelmäßig  eine  ewige  Rente  bestellt.  Ähnlich  1451  Juli  13,  a.  a.  O. 
f.  286—287';  1460  a.  a.  O.  f.  337'— 348  usw.  Solche  Freiungen  waren 
auch  lokal:  1457  August  11  verleiht  Bischof  C^rg  dem  Gothard  Cam- 
punner,  Pfleger  zu  Gastelman,  einen  Turm  zu  Altmetz:  ,gen  der  Vis 
über  gelegen*,  der  dem  Bistum  besondere  Hofdienste  leistet,  indem  der 
Inhaber:  wan  wir  oder  unser  nachkomen  sy  zu  uns  oder  in  unsem 
diensten  erfordern,  uns  mit  zwai  pferden  ze  dyenen,  als  ander  edlleut 
unsers  bistums,  doch  an  sold.  Dafür  ist  der  Inhaber  von:  ,steuern,  col- 
lecten  oder  robaten*  befreit,  außer  einer  Fronde  zum  Archenbau  am 
Noce;  Innsbruck  St.-A.  C.  26,  Nr.  6,  f.  339'— 340. 

^  Der  Adel  des  Nonsberges  202  f. 

*  Wopfher,  Beiträge  zur  Geschichte  der  freien  bäuerlichen  Erbleihe  81  f. 

'  S.  24  dieses  Bandes. 


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425 

die  Gerichtsbarkeit  über  ihre  sehr  zahlreichen  Eigenleute  in 
ganz  Jadikarien  ausübten;  gezwungen  wurden^  sich  zunächst 
mit  der  niederen  Gerichtsbarkeit;  dem  Twing  und  Banne  in 
der  Pfarre  Arco  zu  begnügen,  die  Gerichtsbarkeit  über  ihre 
anderwärts  angesiedelten  Leute  und  gelegenen  Höfe  aufzugeben. 
In  Arco  haben  sie  im  Laufe  der  Zeit  die  volle  Landgerichts- 
barkeit erworben.  Anderswo  ist  es  freilich  bei  einer  räumlich 
zersplitterten  Gerichtsbarkeit  verblieben.  Selbst  dort  findet  sich 
ähnliches,  wo  die  Herrschaft  die  Landgerichtsbarkeit  erwarb 
und  im  großen  und  ganzen  ein  Zusammenfallen  beider  Gerichts- 
barkeiten erfolgte.  Bei  Teilungen,  wie  sie  vorzukommen  pfleg- 
ten, konnte  sich  auch  da  ein  Zweig  der  Familie  die  Ge- 
richtsbarkeit über  Höfe  und  Leute  im  Anteile  der  anderen 
vorbehalten.  So  die  Castelbarker.  Bei  einer  Teilung  zwischen 
Marcabrun  und  Wilhelm^  und  seinen  Brüdern  behielt  Marca- 
brun  die  Gerichtsbarkeit  über  zwei  Unfreie  aus  dem  Sprengel 
des  Wilhelm,*  und  ebenso  stand  dem  Zweige  der  Castelbarker 
von  Lizzana  die  hohe  Gerichtsbarkeit  zu  über  einen  Hof  in 
Folas  im  Anteile  der  Castelbarker  von  Castelnuovo.' 

Wenn  nun  solche  Höfe  und  Eigenleute  einem  be- 
nachbarten Gerichtsherrn  gehörten,  ergab  sich  der  Fall, 
daß  diese  zerstreuten  Höfe  und  Leute  wie  ein  Anhängsel 
zu  seinem  Gerichte  im  Boden  anderer  Gerichte  erschie- 
nen, wie  exemte  Enklaven  aus  diesen  Gerichten.  Es  war  schon 
die  Rede  von  der  Gerichtsbarkeit  der  Herren  von  Enn  über 
ihre  Rimannen  in  Fleims.  Durch  Kauf  ging  sie  auf  den  Grafen 
von  Tirol  über.  Als  Exkönig  Heinrich  das  Tal  Fleims  dem 
Bischof  Heinrich  von  Trient  zurückgab,*  behielt  er  sich  die 
Gerichtsbarkeit  in  der  Grafschaft  Castello  und  über  die  homi- 
nes  residentes  in  aliis  villis  spectantes  ad  ipsum  comitatum . . ., 
über  die  homines  quondam  d^""*  E^elini  et  Nicolai  de  Enna 
und  die  homines  der  Herren  von  Denno  vor,  das  sind  die  Leute, 
welche  einst  den  Grafen  von  Eppan  gehörten  und  mit  der  Graf- 
schaft Castello  an  Tirol  gekommen  waren,   und  die  Leute,  die 


»  Urkunde  1368  Dezember  2,  Innsbruck  St.-A.  C.  35>,  Nr.  41. 

'  Die  Gerichtsbarkeit  über  deren  Häuser  aber  stand  dem  Wilhelm  zu. 

»  Urkunde  1436  August  13,  Innsbruck  8t.-A.  C.  33,  Nr.  7.  Eigenleute  der 
Castelbarker  erwähnt  in  der  Belehnung  des  Azzo  Franziskus  mit  dem 
Schlosse  Avio,  1391  April  9,  Innsbruck  St.-A.  C.  33,  Nr.  7. 

*  BonelU  2,  647,  Nr.  114. 

29* 


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426 

von  den  Herren  von  Enn  und  Denno  erworben  worden  waren. 
Alle  diese  Leute  galten  in  der  Folge  als  Leute  des  Gerichts 
Castello,  zu  dem  außerhalb  seines  eigentlichen,  die  Ortschaften 
Castello,  Stramentizzo  und  Capriana  umfassenden  Bezirkes  eine 
Reihe  von  Höfen  in  ganz  Fleims  gehörten,  die  den  Fleimsern 
drei  Tage  lang  als  Asyl  offen  standen.  Als  Bischof  Bernhard 
von  Cles  im  Jahre  1536  das  Gericht  Castello  gegen  Truden 
eintauschen  wollte,  sprachen  sich  die  Fleimser  gegen  den  Tausch 
aus,  unter  anderen  Gründen  besonders,  weil  dann  dieses  Asyl- 
recht verloren  ginge.^ 

Ähnliche  Verhältnisse  bestanden  auch  im  Nonsberg  zu- 
nächst zwischen  der  Grafschaft  Flavon  und  dem  angrenzenden 
bischöflichen  Gebiete.  Die  Gerichtsherrschaft  im  tirolischen 
Flavon  beanspruchte  die  Gerichtsbarkeit  über  eine  Reihe  von 
Häusern  in  Caldes,  Campo,  Samoclevo,  Cavizzana  und  Rabbi, 
aber  auch  in  Segonzano  und  Sover.*  Ein  Teil  davon  mag  schon 
aus  dem  Besitze  der  Grafen  von  Flavon  an  die  Tiroler  über- 
gegangen sein,  anderes  mögen  die  Herren  von  Spaur  als  Ge- 
richtsinhaber, wie  wenigstens  die  Leute  vom  Nonsberg  in  einer 
Eingabe  von  1505  behaupteten,  usurpiert  haben.  Die  Spauer 
beanspruchten  die  hohe  Gerichtsbarkeit.  Es  mögen  hier  wohl 
einst  verwandte  Verhältnisse  geherrscht  haben,  wie  wir  sie  in 
Fleims  getroffen  haben;  es  mag  sich  um  Arimannen  gehandelt 
haben,  die  den  Grafen  von  Flavon  zugewiesen  worden  waren. 
Denn  wie  in  Fleims  ist  die  Exemtion  eine  lokale.  Der  Um- 
fang der  flavonschen  Gerichtsbarkeit  war  freilich  streitig.  Die 
Spauer  beanspruchten  die  Gerichtsbarkeit  über  alle  Besitzungen, 
die  zu  diesen  Häusern  gehörten,  die  Nonsberger  wollten  diese 
Gerichtsbarkeit  auf  die  Häuser  selber  beschränken.'  Noch 
später  1527  erhob  sich  ein  Streit,  ob  die  zu  Flavon  gehörigen 
Leute  von  Caldes,  die  sich  am  Bauernaufstände  beteiligt  hatten, 
von  dem  flavonischen  Gerichte  oder  vom  bischöflichen  bestraft 
werden  sollten.*    Wie  Flavon   beanspruchte  auch  das  Gericht 


1  Innsbruck  St.-A.  C.  12,  Nr.  80. 

»  a.  a.  O.  C.  9,  Nr.  65  (1505);  C.  9,  Nr.  9  um  1520  ebendort. 

•  a,  a.  O.  predicti  d'  comitatus  Flauon  extra  muros  sive  mura  (sie!)  ipsa- 
rum  domorum  nullam  habuerunt  nee  habent  iurisdictionem  et  solum  et 
dumtaxat  intra  mura  domorum  ipsarum  habent  comittere  et  mandare 
habitantibus  in  tempore,  quo  in  eis  stant  et  habitent  et  non  ultra. 

*  Innsbruck  St-A.  C.  9,  Nr.  98. 


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421 

Castelfondo  Gerichtsbarkeit  im  bischöflichen  Gebiete  in  einzel- 
nen Häusern  in  Romeno^  CIoz,  Fmz^  doch  auch  hier  nur  in 
den  Häusern;  so  daß;  wenn  ein  Neubau  dem  Hause  angefügt 
wurdc;  dieser  Bau  dem  bischöflichen  Gerichte  unterstand.^  Ganz 
ähnliche  Verhältnisse  schwebten  zwischen  Nomi  und  Castel- 
nuovo.  Die  Herren  von  Lodron  als  Gerichtsherren  von  Castel- 
nuovo  beanspruchten  die  Gerichtsbarkeit  über  Leute  in  Nomi, 
Aldeno  und  Pomarolo,  die  von  den  Inhabern  des  Gerichtes 
Nomi  bestritten  wurde.  Aus  einem  Zeugenverhöre  von  1512* 
geht  hervor,  daß  auch  diese  Gerichtsbarkeit  die  hohe  war; 
doch  war  sie  auch  hier,  wie  es  scheint,  auf  die  Häuser  be- 
schränkt In  allen  diesen  Fällen  werden  wir  auf  Arimannien 
schließen  dürfen,  die  der  Gerichtsherrschaft  oder  dem  Schlosse, 
um  das  sich  das  Gericht  bildet,  zugewiesen  wurden.  Das  glei- 
che wird  man  auch  von  den  Höfen  annehmen  dürfen,  die  zum 
Schlosse  St.  Peter  in  Welschmetz  gehörten  und  einen  kleinen 
Gerichtsbezirk  bildeten,  der  im  14.  Jahrhundert  an  die  Herren 
von  Spaur  gekommen  ist.  Der  Schloßherr  besaß  auch  in  die- 
sem Falle  die  hohe  Gerichtsbarkeit.'  In  allen  diesen  Fällen 
haben  die  Rimannen  oder  die  hörigen  Bauern  den  Ge- 
richtsstand vor  dem  öffentlichen  Richter  ihrer  Ge- 
richtsherrschaft erlangt. 

Daneben  retten  sich  aber  auch  noch  in  spätere  Zeit  Trüm- 
mer der  grund- und  leibherrlichen  Gerichtsbarkeit,  frei- 
lich nur  Trümmer.  Die  grundherrliche  Gerichtsbarkeit  in  An- 
gelegenheit von  freien  Leihen  haben  nur  mehr  wenige  Grund- 
herren zu  behaupten  vermocht  wie  das  Domkapitel  von  Trient.* 
Die  leibherrliche  hat  schon  deswegen  an  Bedeutung  verloren, 
weil  die  Zahl  der  £igenleute  sehr  zusammengeschmol- 
zen ist.  Werden  noch  im  13.  Jahrhundert  Scharen  von  Un- 
freien genannt,  so  ist  dies  in  der  Folge  nicht  mehr  der  Fall. 
Die  bedeutendsten  Familien  aus  dem  Feudaladel,  die  Arco  und 
Castelbarco,  haben  Landgerichtsbarkeit  erlangt,  die  Arco  die 
Gerichtsbarkeit  über  alle  außerhalb  der  Pfarre  Arco  sitzenden 
Eigenleute  verloren,    andere  Familien  sind  ausgestorben  oder 


*  a.  a.  O.  C.  9,  Nr.  79. 

»  a,  a.  O.  C.  31,  Nr.  81. 

'  Vgl.  die  erste  Arbeit  dieses  Bandes  S.  24. 

*  Vgl.  oben  S.  401. 


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428 

weggewandert;  neue  Leute  sind  emporgekommen^  die  anfangs 
in  bescheidenen  Verhältnissen  stehend^  erst  allmählich  ihr  Ver- 
mögen vermehren.  Diese  neuen  Familien  waren  nicht  mehr 
in  der  günstigen  Lage^  abhängige  Rimannen  und  Eigenleute 
zu  erwerben  wie  die  älteren  Geschlechter;  denn  Zuweisungen 
von  solchen  Leuten  durch  die  Staatsgewalt  sind  nicht  mehr 
vorgekommen.  Die  Freilassungen  oder  Auflassungen  Höriger 
an  den  Bischof^  ebenso  die  Erhebungen  in  den  Ritterstand 
kamen  auch  in  der  Folge,  im  14.  Jahrhundert  noch  ziemlich 
häufig,  dann  allerdings  seltener  vor  und  haben  die  Zahl  der 
hörigen  Bauern  noch  mehr  gelichtet.^  Werden  diese  Leute 
vor  dem  Bischöfe  aufgelassen,  so  verspricht  er  jedesmal,  sie 
nicht  mehr  zu  veräußern.  Der  Verzicht  auf  die  Leistungen 
und  die  Auflassung  an  den  Bischof  werden  geradezu  als  manu- 
missio  oder  libertatis  datio  bezeichnet,  bedeuten  also  Freilassung, 
auch  wenn  die  älteren  Formen  der  Freilassung  jetzt  in  der 
Regel  nicht  mehr  wiederholt  werden,  weil  die  Gotteshausleute 
alle  nunmehr  als  Freie  gelten.  Noch  im  15.  Jahrhundert  lassen 
die  Herren  von  Thun  vier  Leute:  de  servili  condicione  homines 
vulgariter  de  macinata  nuncupati  frei,  und  der  Bischof  Alexan- 
der erläßt  ihnen  Steuern  und  öffentliche  Leistungen,  wogegen 
sie  zu  Kriegsdienst  verpflichtet  werden.* 


^  Urkunde  1307  März  8,  Iniuibrack  St.-A.  G.  22,  Nr.  4,  f.  25:  Rampret 
von  Cagno  läßt  dem  Bischof  einen  Eigenmann  auf;  Xonus  von  Runo 
fUnf  Kinder  eines  Eigenmannes,  ebendort  1306  November  27  beide: 
cum  iurisdictione  reali  et  personali ;  1307  März  8,  a.  a.  O.  f.  25 :  Bertold 
von  Segonzano  verzichtet  zu  Gunsten  eines  Mannes  und  seiner  Brttder:  de 
omni  iure  et  actione  reali  personali  corporali  incorporali  utili  et  directo 
an  sie:  tamquam  homines  et  personae  de  familia.  Der  Bischof  nimmt 
sie  unter  seinen  Schutz  und  verspricht,  sie  nie  zu  veräuBem.  Die  Be- 
lehnung mit  den  Leistungen  findet  hier  und  in  ähnlichen  Fällen  nicht 
mehr  statt.  Ähnliche  Verzichte  sind  in  dem  sehr  bruchstücksweise  über- 
lieferten Lehenbuche  des  Bischofs  Bartholomäus  sehr  häufig.  Ebenso 
werden  ältere  bestätigt,  denn,  da  diese  Eigenleute  von  ihren  Herren 
als  Lehen  vom  Gotteshause  innegehalten  werden,  bedarf  der  Verzicht 
als  eine  Minderung  des  Lehens  der  Bestätigung  des  Lehensherm,  z.  B. 
1307  März  27,  a.  a.  O.  f.  27,  Bestätigung  eines  Verzichtes  von  1284; 
Verzicht  auf  zehn  Eigenleute  1307  März  27,  a.  a,  O.  f.  27—27'.  Verzicht 
(manumisit)  eines  Arimannen  von  1290,  bestätigt  an  demselben  Tage, 
a.  a.  O.  f.  27  usw. 

•  1432  September  10,  Innsbruck  St.-A.  C.  22,  Nr.  5. 


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429 

Abhängige  Arimannen  und  Eigenlente  können  allerdings 
nach  wie  vor  veräußert  werden.^  Und  die  edlen  Familien  su- 
chen gegen  Ende  des  Mittelalters  die  Zahl  der  Hörigen  zu  be- 
wahren, ja  mit  Recht,  öfter  allerdings  mit  List  und  Gewalt  zu 
vermehren.  Die  Belehnungsurkunden  pflegen  vielfach  die  ein- 
zelnen Leibeigenen,  die  mit  den  übrigen  Lehen  bestätigt  wer- 
den, aufzuzählen  und  ermöglichen  dadurch  eine  statistisch  ge- 
naue Feststellung  der  Zahl  der  Eigenleute.  Mit  Vasallen  wer- 
den die  Lodron  belehnt.'  Die  Herren  von  Campo  besitzen 
Vasallen,  macinatae,  rimanii.^ 

Vor  allem  war  es  der  Nonsberg,  in  dem  neue  Familien 
emporgekommen  sind,  die  Spaur,  die  Cles,  die  Thun,  die  Ma- 
druzzo,  die  ja  auch  nonsbergischen  Ursprungs  waren,  und  an- 
dere. Auch  sie  besitzen  Eigenleute,  aber  nur  in  beschränkter 
Zahl.^    E^ne,  höchstens  zwei  hörige  Personen  mit  ihren  Familien 


'  Bischof  B&rtholomäuB  bestätigt  den  Verkauf  eines  Eigenmannes  von 
1296,  1307  März  28,  Innsbruck  St.-A.  C.  22,  Nr.  4,  f.  29,  und  einer  ari- 
mannia,  1307  März  29,  a.  a.  O. 

'  Die  in  Storo,  Lodron,  Bondone  und  im  übrigen  Judikarien  saBen,  z.  B. 
1386  November  7,  Innsbruck  St.-A.  C.  22,  Nr.  1,  f.  96^;  1391  Aprü  11, 
a.a.O.  C.  22,  Nr.  3,  f.  66;  1399  November  24,  Wien  St-A.  (Dominez 
946)  usw. 

*  1336  Dezember  30,  Bekenntnis  der  bomines,  über  welche  die  Campo 
consueti  erant ....  rationem  facere  in  castro  Gampi,  Wien  St.-A.  (Do- 
minez 824);  1389  November  11,  Belehnung  mit  vassaliciis  masinatis  ri- 
maniis,  Innsbruck  St.-A.  C.  22,  Nr.  1,  f.  110— 110*;  1391  Juni  8  mit 
homines  et  vassalli  in  Breguzzo,  Bondo,  in  consilio  Merlini,  in  Bono, 
Tione,  Saone,  Bleggio,  Favrio,  Cure,  Gavajone,  Lomaso,  Dolaso,  a.  a.  O. 
C.  22,  Nr.  3,  f.  76^—77;  1392  Dezember  5  werden  die  Töchter  des  Ezelin 
von  Campo  belehnt  mit  zwölf  Vasallen  in  Tione  und  Breguzzo  und  je  vier 
in  Bono  und  Banale,  a.  a.  O.  f.  57;  1400  Jänner  18  die  Erben  derselben 
mit  19  Vasallen,  a.  a.  O.  f.  36—36*  usw.;  1454  März  10  Galassus,  Sohn  des 
Franziskus  de  Campo,  belehnt  mit  der  castellancia  Merlini  und  hohen 
Gerichtsbarkeit  und  vassaliciis,  masinatis,  rimanis,  a.  a.  O.  C.  22,  Nr.  6, 
f.  83' —84;  1460  Hartmann  Hack  nach  dem  Tode  des  Graciadeus  de 
Campo  mit  dessen  Lehen,    darunter:  lehensleuten,  a.  a.  O.  f.  239—240. 

*  1391  August  26,  a.  a.  O.  C.  22,  Nr.  3,  f.  21.  Bischof  Georg  H.  belehnt 
Pretl  von  Caldes  mit  einer  Familie  von  Eigenleuten,  o.  Datum.  Inns- 
bruck St.-A.  C.  22,  Nr.  6,  f.  42— 44;  Belehnung  des  Jakob  Poltner  (de 
HippolytiB)  mit  einem  Teile  von  Cles  und  zwei  homines  et  servi  de 
macinata  und  ihren  Familien  um  1424,  a.  a.  O.  C.  22,  Nr.  5,  f.  34»— 36. 
Die  Finnian  sind  mit  zwei  Familien  von  Eigenleuten  belehnt,  1470 
April  26,  a,  a,  O.  C.  22,  Nr.  7,  f.  62—63'.  Die  Madruzzo  mit  Vasallen 
belehnt,  1468  Juli  30,  a.  a.  O.  C.  22,  Nr.  7,  f.  30—31. 


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430 

werden  da  aufgezählt.  Nur  die  Thun,  die  an  Reichtum  und 
Macht  alle  Nonsberger  Familien  bald  überstrahlen,  machen  eine 
Ausnahme.     Aber  auch   ihr  Lehenbesitz   umfaßt  zu  Ende  des 

14.  Jahrhunderts   nicht  mehr   als  zwölf  Familien/   die  sich  im 

15.  Jahrhundert  etwas  vermehren.^  Wie  nun  in  der  zweiten 
Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  die  Thun  in  den  Pfandbesitz  des 
Gerichtes  Castelfondo  kamen,  erlangten  ihre  Bestrebungen, 
Macht  und  Besitz  auszudehnen,  einen  festen  Stützpunkt^  umso- 
mehr,  als  sie  gleichzeitig  auch  das  Schloß  Samoclevo  mit  dem 
Gerichte  Rabbi  erwarben.  Schon  beanspruchten  die  Thun  die 
Gerichtsbarkeit  in  Häusern,  die  sie  in  Croviana  und  Samoclevo 
gekauft,^  in  San  Zeuo  neu  gebaut,  in  Denno,  Bresimo,  Baselga 
erworben  hatten,  und  anderen  Orte».  Schon  forderten  sie  jetzt 
die  hohe  Gerichtsbarkeit  über  ihre  Eigenleute  (servi).*  Ihrem 
Beispiele  folgten  andere  Edle;  sie  begannen  sich  ebenfalls  die 
Gerichtsbarkeit  in  neu  gekauften  oder  gebauten  Häusern  an- 
zueignen.^ Ein  weiterer  Streitgegenstand  war  ferner  die  Be- 
wachung der  Kirch  weihen  und  Jahrmärkte;  auch  diese,  die 
zum  Teile  an  einzelne  Große  verliehen  war  und  wegen  der 
Gerichtsbarkeit  über  Frevel  und  Marktgeschäfte,  die  den  be- 
wachenden Herren  zustand,  Erkleckliches  eintrug,  suchten  die 
Edlen  an  sich  zu  reißen.  So  beanspruchten  die  Thun  die  Be- 
wachung der  Kirch  weihen  in  Preghena,  Baselga  (Bresimo)  und 
Solasna  für  das  Schloß  Altaguarda,  in  Caldes  für  das  Schloß 
Samoclevo,  in  Sarnonico  für  Castelfondo,  in  Castelletto.^  Ahn- 
liche Rechte  behaupteten  auch  die  Cles  und  die  Lodron  bei 
Kirchweihfesten  im  Nonsberg  und  in  Judikarien. 


»  1391  Mai  4,  Innsbruck  St.-A.  C.  22,  Nr.  3,  f.  69—60. 
»  Dreizehn,  1424  Oktober  16,  ebendort  0.  22,  Nr.  6,  f.  129— 130\ 
'  Auficeichnung  Nota  ex  parte  vallis  Rabi,  1491  März  28,  Innsbruck  St.-A. 
C.  9,  Nr.  61 ;  Beschwerden  der  Nonsberger  C.  9,  Nr.  9. 

*  Innsbruck  St-A.  C.  9,  Nr.  80,  Zusatz  zu  den  Beschwerden  der  Nons- 
berger. 

*  Innsbruck  St.-A.  C,  9,  Nr.  84,  Beschwerden  der  Nonsberger  um  1680 ; 
ältere  Beschwerden  um  1606,  a.  a.  O.  G.  9,  Nr.  60. 

*  Um  1530,  Innsbruck  St-A.  C.  9,  Nr.  94;  C.  9,  Nr.  81,  Balthasar  von  Cles 
an  Bischof  Bernhard  übersendet  Gutachten  über  die  Frage,  ob  ein  bei 
einer  Eirchweihe  in  Gastelleto  Yorg^fallener  Mord  unter  die  Gerichts- 
barkeit der  das  Fest  bewachenden  Herren  von  Thun  gehOre.  Das  von 
den  sechs  ältesten  Notaren  erteilte  Gutachten  spricht  sich  dagegen 
aus. 


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431 

Gegen  diese  Ausdehnang  der  Gerichtsbarkeit  machten  die 
Bischöfe  vor  allem  den  Grundsatz  geltend,  daß  jede  Exemtion 
vom  Landgerichte;  die  behauptet  wurde,  bewiesen  werden 
müsse.  ^  Auch  wollte  man  nur  die  zivile  Gerichtsbarkeit  über 
die  Eigenleute,  nicht  aber  die  kriminale  anerkennen.'  Aber 
die  Thun  suchten  die  Zahl  der  Eigenleute  zu  vermehren.  Eine 
bischöfliche  Visitationskommission  stellte  fest,  daß  sie  die  Päch- 
ter ihrer  Häuser  und  Güter  alle  samt  und  sonders  als  Servi 
beanspruchten,  ja  auch  diese  Leute  dazu  brachten,  sich  als 
solche  zu  bezeichnen,  was  sie  dann,  auf  die  Bedeutung  des 
Wortes  aufmerksam  gemacht,  allerdings  widerriefen.  Beson- 
ders soll  Bernardin  von  Thun  eine  Erneuerung  der  Investituren 
im  Jahre  1524  benützt  haben,  um  seine  Pächter  zu  bewegen, 
sich  als  seine  servi  zu  bekennen  und  ihm  einen  Eid:  de  fide- 
litate  et  Servitute  servanda  zu  leisten,  obwohl  sie  Pächter  freier 
Leihen  waren  und  ihre  Eltern  wie  Freie  lebten,  Testamente 
errichteten  und  sich  frei  verheirateten.'  Das  waren  Tendenzen, 
wie  sie  in  dieser  Zeit  in  Ost-  und  Norddeutschland,  in  Öster- 
reich, Böhmen  und  Ungarn  zur  Wiedererrichtung  der  Guts- 
herrschaft, zur  Herabdrückung  der  Bauerschaft  in  die  Leib- 
eigenschaft geführt  hatten.  Da  sich  diese  Tendenzen  zugleich 
gegen  die  Gewalt  des  Bischofs  richteten,  eine  Verminderung 
seiner  Einkünfte  und  Rechte  bedeuteten,  trat  er  ihnen  entgegen. 
Nach  längeren  Verhandlungen  kam  es  zu  einem  Vergleiche, 
der  die  Jurisdiktionsrechte  der  Herren  von  Thun  genau  regelte,* 
diese  auf  die  Häuser  jener  servi,  die  in  den  Lehensbriefen  auf- 
gezählt waren,  sowie  einen  Meierhof  bei  Caldes  beschränkte. 
Untertanen  des  Bistums,  die  in  diesen  Häusern  wohnten,  soll- 
ten nur  für  die  Zeit  ihres  Wohnsitzes  unter  die  Gerichtsbar- 
keit   der    Thun    gelangen,    dem  Bistum    aber    nicht   verloren 

^  Innsbruck  G.  9,  Nr.  116,  Replik  des  Bischöfe  auf  die  Beschwerden  der 
Thun. 

'  Der  bbchOfliche  Hauptmann  im  Nonsberg  meint  in  einem  Gutachten, 
aber  die  bürgerliche  Gerichtsbarkeit  brauche  man  nicht  zu  verhandeln: 
perch^  ogni  modo  de  reson  non  ö  dubio,  che  intra  li  snbditi  suoi  esso 
(Bernardin  Ton  Thun)  ha  iurisditione  tra  li  subditi  suoi  tarn  in  reali- 
bus  quam  in  personalibus  respectu  subiectionis  personarum;  Innsbruck 
St-A.  C.  9,  Nr.  87  um  1630. 

'  Summarium  visitationis  vallium  Ananie  et  Solls,  Innsbruck  St.-A.  G.  9, 
Nr.  190. 

♦  Beilage  l8. 


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432 

gehen,  sie  sollten  nicht  zu  Eigenlenten,  sondern  nur  zu  Unter- 
tanen der  Thun  werden.  Ebenso  sollten  Eigenleute  der  Thun, 
die  sich  im  bischöflichen  Gebiete  niederlassen,  Untertanen  des 
Bistums  werden.  Als  Eigenleute  sollten  nur  gelten  diejenigen, 
welche  in  den  Lehenbriefen  namentlich  genannt  waren  und  bei 
Abschluß  dieses  Vertrages  nochmals  aufgezeichnet  wurden. 
Über  sie  steht  den  Thun  volle  Gerichtsbarkeit  zu,  nur  daß  die 
bischöflichen  Beamten  gegen  sie  einschreiten  können,  wenn  sie 
todeswürdige  Verbrechen  im  bischöflichen  Gebiete  begehen; 
doch  steht  es  den  Thun  frei,  ihre  Herausgabe  zu  verlangen. 
Die  Vollziehung  der  Strafe  wird  in  diesem  Falle  zugesagt.  Wei- 
tere Bestimmungen  des  Vertrages  sichern  die  Entfremdung  von 
Grund  und  Boden,  der  dem  Bischof  steuerpflichtig  ist.  Die 
Steuerpflicht  bleibt  bestehen,  auch  wenn  der  Grund  an  Thun- 
sche  Leute  übergeht  und  umgekehrt.  Die  Gerichtsbarkeit  auf 
den  Eirchweihen  soll  bischöfliches  Lehen  sein  und  sich  nicht 
über  Todschlag  erstrecken. 

Wenn  dieser  Vertrag  die  Verknechtung  freier  Leute 
ausschloß,  so  erkannte  er  doch  eine  doppelte  Exemtion, 
eine  lokale  der  Thunschen  Häuser  und  eine  personale  der 
Thunschen  Eigenleute  an  und  deutet  damit  auf  die  doppelte 
Wurzel  dieser  Gerichtsbarkeit,  die  grund-  und  leibherrliche  Ge* 
walt  hin. 

Trotz  dieser  Bestimmungen  fehlte  es  auch  in  der  Folge 
nicht  an  Reibungen;  zu  nahe  lag  es,  daß  der  Grund-  und  Leib- 
herr die  Grenzen,  die  der  Vertrag  seiner  Gerichtsbarkeit  steckte, 
zu  überschreiten  suchte,  daß  namentlich  die  Gerichtsbarkeit  über 
die  Eigenleute  auf  alle  Bewohner  der  Häuser,  die  im  Eigentume 
des  Feudalherrn  standen,  ausgedehnt  wurde,  auf  der  anderen 
Seite  sicher  auch  die  ausgedehntere  Gerichtsbarkeit  bezweifelt 
wurde.* 

So  hat  sich  in  Süd-  geradeso  wie  in  Nordtirol  diese  private 
Gerichtsbarkeit  nur  in  kümmerlichen  Resten  bis  zu  den  großen 


^  Bericht  des  Gioyanni  Battista  Alberti-Sardagna,  Assessor,  wegen  eines 
Diebstahls,  den  ein  Mann  aus  den  zwölf  Häusern  in  Vigo,  welche  den 
Thun:  senza  per6  palmo  di  terreno  giuridicionale  gehören,  außerhalb 
des  Hauses  begangen  hat  Der  Mann  wurde  yom  Grafen  Franz  Augu- 
stin inquiriert  und  vom  bischöflichen  Territorium,  wo  er  Zuflucht  ge- 
sucht hatte,  hinweg  ins  Gefängnis  geschleppt,  1648  November  28,  Inns- 
bruck St.-A.  C.  9,  Nr.  92. 


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433 

Umgestaltungen  der  Gerichtsverfassung  im  19.  Jahrhundert  fort- 
gefristet, während  sie  dort,  wo  sich  geschlossene  Grundherr- 
schaften ausgebildet  haben  wie  im  Erzherzogtume  Österreich, 
sich  in  voller  Bedeutung  erhalten  hat.  Reicher  an  wissenschaft- 
lichem Interesse  ist  die  Entwicklung  in  Sudtirol,  praktisch  ver- 
läuft sie  zuletzt  im  Sande.  Teilt  der  Bauer  in  Sudtirol  heute 
zum  Teile  wenigstens  wirtschaftlich  die  Lage  seines  Berufsge- 
nossen in  Italien,  ist  er  der  Helote  des  Geldgebers  und  Grund- 
eigentümers geworden,  dessen  Feld  er  mit  kaigem  Ertrage  be- 
baut, die  Hofverfassung  des  Mittelalters,  die  grund-  und  leibheiT- 
liche  Gewalt  haben  daran  keine  Schuld.  Aus  der  freien  Leihe, 
aus  dem  Rentenkauf,  der  weitgehenden  GrundzerstUckelung 
sind  jene  drückenden  Verhältnisse  hervorgegangen,  die  den 
Bauer  zum  Opfer  der  Pellagra  werden  ließen,  zu  jener  morali- 
schen und  physischen  Degeneration  führten^  die  wenigstens  an 
einzelnen  Orten,  in  einzelnen  besonders  unglücklichen  Tälern 
Südtirols  nur  zu  sehr  zutage  tritt. 


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BEILAGEN. 


1. 

Fapst  Cölestin  IlL  beauftragt  den  Bischof  Johann  von  Brescia, 
den  Bijprand  und  seine  Brüder  von  Campo  aufzufordern,  von 
der  Störung  der  Bechte  des  DomJcapitels  von  Verona  in  Bondo, 
Breguzeo  und  Bolbeno  abzustehen  oder  ihre  Bechte  darzulegen. 
Born,  1193  Mai  1. 

Gleichzeitiges  Transumt,    Perg.   Schrift  teilweise  zerstört,    Rand  oben  und 

unten  eingerissen.    Verona  K.-A,   AC.  1,  2  m.  9,    Nr.  lÖ.     Fehlt  bei  Jaffe- 

Löwenfeld,  Regesta  Pontiiicum. 

Colestinus  episcopns  servus  servorum  doi  yenerabili  fratri. .  Brixi- 
ensi  episcopo  salatom  et  apostolicam  benedictionem.  Ex  parte  dilectoram 
filiorum  canonicorum  YeronenBis  ecclesie^  [falt  nostris]  auribus  indica- 
tum,  quod  cum  Bundam  et  Bergusinm  et  Belbenum  yillas  in  Tridentina 
parochia  ex  imperatornm  et  regum  liberalitate  debeant  possidere,  Eipran- 
dns  miles  de  Camnobono  parochie  Tridentinensis  cum  suis  fratribus  et 
qoldam  alii  eiusdem  parochie,  qui  tibi  nominabnntur  expresse,  sine  Yolon- 
tate  Tridentini  episcopi  homines  predictarum  yillarum  ininste  afiigere  et 
eorum  bona  ipsis  violenter  auferre  presumunt.  Unde  fraternitati  tue*  per 
apostolica  scripta  precipiendo  mandamus,  qnatinns  predictos  yiros,  at  ab 
hominum  predictarum  yillarum  molestatione  omnino  desistant  yel  super 
hÜB^  ....  cognoBcendis^  coram  te  iustitie  non  differant  plenitudinem 
exhibere,  studiose  admoneas  et  appellacione  remota  ecclesiastica  seyeri- 
tate  compellas^  Datum  Laterani,  kalendis  madii;  pontificatus  nostri 
anno  tercio. 

^  Schrift  abgehrocken  in  Länge  von  1  cm,  '  fraternitati  tue  Über 

der  Zeile   nachgetragen.  *  Schrift   abgebrocJien   in   Länge  von  1  cm,    der 

erste  Buchstabe  des  folgenden  unleserlichen   Wortes  scheint  m.  *  Lesung 

zweifelhafl,  fast  sicher  ndis. 


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435 

2. 

Bischof  Johann  von  Brescia  belegt  Biprand  und  seine  Brüder 
von  Campo  mit  der  Exkommunikation  für  den  Fall,  als  sie  sich 
eu  bestimmtem  Termine  nicht  zur  Verantwortung  stellen  gegen 
eine  Klage  des  Domkapitels  von  Verona,  Brescia,  1193  Ok- 
tober 15. 

Orig.  Pergf.    Verona  K.-A.  AC.  12  m.  5,  Nr.  7,  gedruckt  Simeoni,  Tridentum 

9,  340  n.  3. 

S.  In  Christi  nomine.  Die  veneria  XY.  intrante  mensis  octubris,  in 
ecclesia  sancte Marie  de  dorn  civitatis  Brixie,  presentia  d^  Pedaceti  etTeutaldi 
archipresbiteri  et  d^  Premartini  capellani  d^  episcopi  et  alioram  plarinm. 
D.  Johannes  dei  gracia  Briziensis  episcopns  anctoritate  d^  Celestini  pape 
et  de  mandato  eins  ezcomanicavit  Ariprandinam  de  Calmaldono  et  omnos 
snos  fratres  cum  candelis  accensis  preter  clerico,  si  non  venerint  in  festi- 
vitate  omniom  sanctomm  per  totam  diem  pro  querimonia  quam  canonici 
Yeronenses  faciant  de  predictis  per  d°*  Aldi'icnm^  confratrem  snam  in  hac 
parte  procuratorem,  tali  modo  si  predicti  silicet'  Ariprandinus  et  fratres 
et*  non  venerint  ad  predictum  diem  ante  presentia  suprascripti  d*  epi- 
scopi per  pignas  vel  per  sacramentum  stare  mandato  prefati  d^  episcopi 
de  iustitia  facienda  suprascriptis  canonicis  Veronensibas.  Et  hec  ezco- 
mnnicatio  facta  fait  solempniter  in  pulpito  saprascripte  ecclesie. 

Actnm  est  hoc  anno  domini  MCLXXXXm,  indictione  XI,  inter- 
fuere  d.  Johannes  archidiaconus  et  d.  Pelegrinus  de  Ello  canonicus  Bri- 
xiensiSy  d.  Albertus  de  Palatio  et  d.  Girardus  Scocatus  et  d.  Obizo  deVgo- 
nibns  et  d.  Albertus  de  Conceso  et  alii  plnres. 

Ego  Bertrammus  Tassus  notarius  sacri  pallatii  interfui  et  scripsi. 

^  Sicher  Ali  und  um.  *  A. 


Papst  Innozenz  HL  beauftragt  den  Bischof  Johann  von  Brescia, 
den  Bischof  Konrad  von  Trient  von  der  Störung  des  Domkapitels 
von  Verona  im  Besitze  der  Dörfer  Bondo,  Breguzzo  und  Bolbeno 
abzuhalten  oder  zur  Verteidigung  seiner  Ansprüche  vorzuladen. 
Rom,  1198  Mai  27. 

Inseriert  im  Originalinstrument  über  die  Überreichung  der  Bulle  von  1199 
Oktober  26.    Verona  K.-A.  AC.  13  m.  po,  Nr.  3. 

Innocentius  episcopus  servus  servorum  dei  venerabili  fratri . .  Bri- 
xiensi  episcopo  salutem  et  apostolicam  benedictionem.    Significarunt  no- 


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436 

bis  dilecti  filii  .  .  archipresbiter  et  canonici  Yeronenses,  quod  yenerabilis 
frater  noster  .  .  Tridentinns  episcopus  eos  super  villis  de  Bundo,  Bra- 
guncio  et  Belbano  multipliciter  inquietat,  licet  easdem  villas  ad  ipsos 
non  Sit  dabium  pertinere.  Ideoque  fraternitati  tue  per  apostolica  scripta 
mandamuSy  quatenus  dictum  episcopum  moneas  diligencius  et  inducas,  ut 
ab  indebiter  eorundem  archipresbiteri  et  canonicorum  molestacione  desi- 
stat.  Si  quid  vero  fuerit  questionis,  partibus  convocatis  audias,  que  fnerint 
hinc  inde  ^  proposita  et  quod  iustum  fuerit  statuas  et  facias  inviolabiliter 
observari.  Datum  Bomae^  apud  sanctum  Petrum  VI.  kalendas  iunii, 
pontificatuB  nostri  anno  primo. 

1  C.  Roman.  "  Cin 

4. 

Papst  Innozenz  IIL  beauftragt  den  Bischof  Johann  von  Brescia, 
ein  von  seinem  Vorgänger  Bischof  Johann  gefälltes  Urteil  im 
Streite  Zivilehen  dem  DomJcapitel  von  Verona  und  dem  Biprand 
und  seinen  Brüdern  von  Campo  um  die  Dörfer  Bondo,  Breguzzo 
und  Bolbeno  zur  Au^fülirung  zu  bringen,.    Rom,  1198  Juni  4. 

Inseriert  im  Originalinstrument  über  die  Überreichung  der  Bulle  an  Bischof 

Johann,    1199  Oktober  26.     Verona  K.-A.  AC.  13  m.  p«,  Nr.  3.    Fehlt  bei 

Potthast,  Regesta  pontificam. 

Innocentius  episcopus  servus  servorum  dei  yenerabili  fratri .  .  Bri- 
ziensi  episcopo  salutem  et  apostolicam  benedictionem.  Cum  felicis  recor- 
dationis  C(elestinus)  papa  predecessor  noster  bone  memorie  Jo(hanni) 
predecessori  tuo  dederit  firmiter  in  mandatis,  ut  sentenciam  ezcomunica- 
tionis,  quam  ipse  auctoritate  apostolica  in  nobiles  viros  Riprandum  de 
Cammandono  et  fratres  eins  Tridentine  diocesis  pro  causa  que  vertebatur 
inter  ipsos  ex  una  parte  et  A.  quondam  archipresbiterum  et  capitulum 
maioris  ecclesie  Yeronensis  super  ^  quibusdam  villis  Bundo  videlicet,  Bra- 
guncio  et  Belbeno  ex  altera  rationabiliter  tulerat,  faceret  infrefragabiliter' 
observari,  ipse  quia  interim  sublatus  est  de  medio,  apostolicum  non  po- 
tuit  adimplere  mandatum.  Ideoque  fraternitati  tue  per  apostolica  scripta 
mandamus,  quatinus  eandem  sentenciam,  sicut  rationabiliter  lata  est, 
facias  auctoritate  nostra  non  obstante  contradictione  vel  appellacione  cu- 
iuslibet  usque  ad  congruam  satisfactionem  inviolabiliter  observari.  Datum 
Rome  apud  sanctum  Petrum,  II.  nonas  iunii,  pontificatus  nostri  anno  primo. 

*  korr,  auB  sab.  '  C. 


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437 


5. 


Ein  genannter  Bote  des  Bischofs  Johann  von  Brescia  überreicht 
dem  Bischof  Konrad  von  Trient  ein  Mandat  des  Bischofs  Johann, 
über  den  Biprand  von  Campo  und  seine  Brüder  die  Exkommuni- 
kation zu  verhängen  und  das  Domkapitel  im  Besitze  seiner  Dör- 
fer nicht  zu  stören  oder  seine  Eechte  daran  nachzuweisen.  Bi- 
schof Konrad  bezweifelt  die  Echtheit  des  Mandats  und  des  ihm 
zugrunde  liegenden  päpstlicJten  Auftrages.  Trient,  1199  Novem- 
ber 10. 

Orig.  Perg.  Verona  K.-A.  AC.  13  m.  10,  Nr.  2. 

S.  Die  yeneris  X.  intrante  novembre,  in  camera  d*  episcopi  Triden- 
tini,  in  presentia  d'  Adelpreti  filii  d*  Arnaldi  de  Me90,  d*  Ceti  militis  d^ 
episcopi,  d*  Hengelpreti  filii  fratris  iam  dicti  episcopi,  Bertramini  notarii, 
Albergeti  de  Porta  Oriola.  Ibiqae  Tebaldinus  filius  condam  Proti  ex 
parte  d*  episcopi  Brixiensis  presentavit  et  dedit  litteras  d°  Co(nrado)  Tri- 
dentino  episcopo  suo  sigillo  clausas,  in  quibus  continebatur  idem,  quod 
in  quodam  libello  aperto  continebatnr  a  magistro  B.  eiusdem  d*  episcopi 
capellano  scripto  ut  dicebatnr,  cuius  tenore^  talis  est,  ut  inferins  legitar: 
Yenerabili  in  Christo  patri  C(onrado)  dei  gratia  Tridentine  ecclesie  epi- 
scopo Jo(hannes)  Brixiensis  ecclesie  episcopus  licet  indignus  salutem  et 
universos  ad  vota  successus.  Litteras  ex  parte  d^  pape  nudins  tercias 
yideor  recepisse»  in  qnibas  continetnr,  ut  nobilem  yirum  Biprandam  Tri- 
dentinnm  militem  cum  fratribus  suis  yinculo  excommunicationis  inno- 
datos  esse  denunciem,  eo  quod  per  bone  memorie  predecesssorem  meum 
J(ohannem)  Brixiensem  episcopnm  felicis  recordacionis  in  quadam  causa 
que  inter  canonicos  Ueronensis  matricis  ecclesie  ex  una  parte  et  prefatos 
milites  ex  altera  sub  occasione  quarundam  yillarum  yertebatur  legitime 
fuerint  citati  et  quia  se  contumaciter  absentAyerint,  a  prefacto  ^  episcopo 
yinculo  fuerint  excommunicacionis  astricti.  Ea  propter  caritati  yestre 
auctoritato  qua  fungimur  licet  inyiti  districte  precipiendo  mandamus,  qua- 
tenus  eosdem  milites  excommunicacioni  subiectos  denuncietis  et  usque 
ad  dignam  de  tanto  contentu  ^  satisfacionem  sicut  excomunicatos  ab  Om- 
nibus caucius  eyitari  faciatis.  Cetenim  quia  in  manibus  apostolicis  iura 
Tridentine  ecclesie  nulatenus^  deperire  debent,  cum  constet  dignitatem 
yestram  asserere  prefactas  yillas  nescio  quo  iure  ad  yos  pertinere  et  ego 
illud  in  mandatis  yideor  recepisse,  caritatem  yestram  diligenter  admonere 
curayi,  quatinus  aut  ab  infestacione  dictorum  canonicorum  super  predictis 
yilüs  penitus  cessetis,  aut  tercia  die  post  octayam  sancti  Martini  per  yos 


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438 

aut  per  certam  responsalem  pro  eadem  causa  meo  vos  conspectui  presen- 
tetis.  Cui  predictas  C(onradn8)  episcopns:  Non  credo  istam  literam^  bo- 
nam  et  yeracem,  nee  credo  causam  comissam  per  d^  papam  predicto  epi- 
scopo,  qoia  non  video  sigillnm  apostolici  scilicetbuUam.  ündenullaracione 
yeniam  ad  terminnm.  Anno  domini  millesimo  C  nonagesimo  nono,  indic- 
tione  secanda. 

S.  Ego  Jacobinus  sacri  palacii  notarios  rogatns  interfui  et  scripsi. 

>  A. 


Genannte  Verketer  des  Bischofs  Konrad  von  Trient  erkennen 
vor  Bischof  Johann  von  Brescia  das  Eigentum  des  Domkapitels 
von  Verona  an  Bondo  und  Breguzzo  an.   Brescia,  1200  Jänner  14. 

Orig.  Perg.  auf  einem  Stücke  geschrieben  mit  der  folgenden  Urkunde  und 

Transumt   der   Urkunde    von    1199  Dezember  15.    In   dorso  von  Hand  des 

13.  Jahrhunderts:  Exemplentur  per  ser  Uliuerium  pro  capitulo.   Verona  K.>A. 

AC.  13  m.  4,  Nr.  14. 

S.  In  Christi  nomine.  Die  yeneris  XIUI.  intrante  ienoario,^  in  pal- 
latio  sancti  Martini  episcopatns  Brizie,  presentia  testium  subscriptorum. 
D.  Manfredns  de  Salis  canonicas  Briziensis  et  d.  Wigelmus  de  Salis  frater 
eins  constituti  procnratores  a  d®  Conrado  Tridentino  episcopo  super  causa 
quam  habet  cum  canonicis  de  dorn  Uer(on8ibus)  coram  d®  Jobanne  Brizi- 
ensi  episcopo  presente  d®  Uiuiano  canonico  et  procuratore  matricis  eccle- 
sie  Yeronensis  yice  et  nomine  suprascripti  d^  episcopi  Tridentini  confessi 
sunt  protestati  ac  manifesti  proprietatem  teiTarum  istorum  duorum  loco- 
rum  silicet  Bundi  et  Bergusii  esse  canonice  yer(on6nsis)  et  bene  crede- 
bant  et  quod  suprascriptus  d.  episcopns  Tridentinus  nolebat  impedire 
prefatam  canonicam  Veronensem  de  suis  racionibus,  quas  habet  in  pre- 
fatis  locis  predicta  ecclesia  Ueronensis. 

Actum  est  hoc  coram  d°  Johanne  yenerabili  Briziensi  episcopo  de- 
legato  super  predicta  causa  a  d^  Innocentio  papa  tercio,  ut  d.  episcopus 
confessus  est,  anno  domini  MCC,  indictione  tercia.  Interfuerunt  d.  Al- 
bertus canonicus  Briziensis  et  archipresbiter  de  PonteuicO;  d.  Oddo  de 
Capriolo  et  d.  Girardus  ügonum  et  magister  Pedafetus  canonici  Brizien- 
ses  et  d.  Lafrancus  Testa  de  Portecalo  testes  rogati. 

Ego  de  Flumicello  Paz  auctoritate  F(ederici)  imperatoris  notarius 
interfui  et  rogatus  scripsi. 

»  A. 


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439 


7. 


Bischof  Johann  von  Brescia  läßt  einen  Brief  transumieren,  in 
dem  er  dem  Erzimester  und  dem  Bomhapiiel  von  Verona  mit- 
teilt, daß  Bischof  Konrad  von  Trient  den  Riprand  und  seine 
Brüder  von  Campo  exkommuniziert  habe  und  den  Besitz  des 
Dmnhapitels  nicht  stören  wolle.  Er  erstreckt  zugleich  die  Vor- 
ladung.   Brescia,  1200  Jänner  14. 

Orig.  Perg.  Zusammengeschrieben  mit  der  Urkunde  von  1200  Jftnner  14  und 
Transnmt  der  Urkunde  von  1199  Dezember  15.    Verona  K.-A.  AC.  13  m.  4, 

Nr.  14. 

S.  In  Christi  nomine.  Die  veneris  XIIII.  intrante  ienuario/  in  pal- 
latio  sancti  Martini  episcopatns  Brixie,  presentia  magistri  Girardi  de  Pon- 
tecarlo  et  d^  Alberti  de  Flumicello  et  d^  archipresbiterl  de  Ponteaico  et 
d*  Girardi  Ugonam  et  aliorum  plurinm  testium  rogatorum.  D.  Johannes 
di?ina  dignatione  BrizieDsis  episcopus  delegatns  ut  confessns  est  a  d^ 
Innocentio  papa  tercio  super  causa,  que  vertitur  inter  d"  Conradum  Tri- 
dentinum  episcopum  ex  una  parte  et  canonicos  matricis  Yeronensis  eccle- 
sie  ex  altera,  dedit  mihi  Paci  notario  autenticum  harum  litterarnm  suo  si- 
gillo  signatnm  ad  exeplandum^  et  perpetuandum  et  confessus  est  se  eas 
misisse.^  Earum  tenor  talis  est:  Jo(hannes)  dei  gracia  Brixiensis  episco- 
pus karissimis^  amicis  et  fratribus  d°  Gui(lielmo)  archipresbitero  matricis 
Yeronensis  ecclesie  ac  ceteris  fratribus  eius  salutem  et  omne  bonum.  Ex 
parte  d^  C(onradi)  episcopi  Tridentini  proxima  die  lune  litteras  accepi,  ex 
quarum  tenore  percepi,  quod  ad  mandatum  nostrum  milites  illos  Triden- 
tinos  Biprandum  et  fratres  eius  denuntiayit  excommunicatos  et  si  opor- 
tuerit,  iterum  denuntiabit.  Molestiam  quoque  nullam  Yobis  aut  colonis 
yestris  per  se  vel  per  alium  super  eisdem  yillis  nunquam  intulit.  Quia 
yero  nee  per  se  nee  per  idoneum  responsalem  citra  festum  natlyitatis  co- 
mode  poterit  negotio  intercsse,  quod  ei  mandayimus,  yobis  quoque  duxi- 
mus  insinuandum,  ut  silicet^  in  octaya  epiphanie  pro  eodem  negotio  nostro 
yos  conspectui  presentetis. 

Actum  est  hoc  anno  domini  MCC,  indictione  tercia. 

Ego  de  Flumicello  Pax  auctoritate  P(ederici)  imperatoris  notarius 
interfui  exeplayi  et  perpetuayi  et  me  subscrlpsi. 

»  A. 

8. 

Erzpriester  Albert  vom  Domkapitel  von  Verona  erläßt  Bannsätze 

für   die   Bewohner  von  Bondo,   Breguzzo,  Bolbeno  und  Zuclo. 

Bondo,  1214  Mai  12. 

ArebiT.  M.  Band,  11.  U&lft«.  30 


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440 

Aus   einem  Notariatsinstrumente  von   1214   Mai   10 — 13  über  verschiedene 
Rechtshandlungen  des  Erzpriesters  Albert.     Orig.  Perg.,  teilweise  sehr  zer- 
stört.    Verona  K.-A.  BC.  33  n.  3,  Nr.  15. 

Die  XII.  iütrante  madio,  sab  porticu  domns  Gotefredi  de  Bundo, 
[in]^  presentia  d^  Bartholomei  de  Broilo  cansidici,  Delaidii  notarii,  d^ 
Petri  de  Gaueale,  Steüanini  de  Bundo  et  aliorum  pluriom. 

Ibiqae  nominatus  d.  archipresbiter'  in  plubica'  vicinia  Bundi  et 
Bergücii  aactoritate  canonice  et  saa  talia  banna  et  statuta  in  predictis 
locis  fecit  atqae  ordinavit,  nt  hie  inferius  legitnr:  Nos  magister  Albertus 
maioris  Veronensis  ecclesie  archipresbiter  pro  ipsa  ecclesia  auctoritate 
iurisdicionis  qua  fungimur  in  Bundo  et  Bergucio  et  in  Bolbeno  et  Desu- 
culo  talia  statuta  et  banna  facimus  et  statuimus  atque  ordinamus:  Si  quis 
de  predictis  locis  aliquem  premedietate^  interfecerit,  ponimus  bannum 
XXV  librarum.  Item  si  quis  aliquem  Yulneraverit,  ponimus  X  libramm. 
Item  si  quis  aliquem  in  dictis  curtibus  et  pertinenciis  percusserit  vel 
culpa  yencum  fecerit,  ponimus  bannum  X  solidorum.  Item  si  quis^  [ig- 
nem]  posuerit  in  dictis  villis  vel  domum  combusserit,  ponimus  bannum 
X  librarum.  Item  si  quis  furtum  in  dictis  villis  fecerit,  ponimus  C  soli- 
des. Item  si  quis  arborem  diyellerit  vel  inciderit  vel  scor9averit,  ponimus 
bannum  LX  solidorum  Veronensium.  Et  hec  banna  ponimus  yel  plus  yel 
minus  ad  nostram  voluntatem. 

*  Schrift  zerstört  in  Länge  von  0-5  cm.  *  Albert.  *  A.  *  Schrift 
abgebrochen  in  Länge  von  1  cm,  et  scheinen  vier  bis  ftknf  Buchetaben  zu  fehlen. 


9. 

Magister  Albert,  Erzpriester  des  DomJcapitels  von  Verona,  bestä- 
tigt ein   Urteil  des  Villicm  des  Kapitels  in  Breguzzo  in  einem 
Rechtsstreite  zwischen  zwei  Oetiannten  von  Breguzzo  wegen  Ver- 
rammelung  der  Haustür.     Verona,  1221  April  21. 

Orig.  Perg.     Verona  K.-A.  AC.  13  m.  5,  Nr.  6. 

S.  Die  X.  exeunte  aprili,  in  Ver(ona)  sub  porticalia  sancti  Georgii 
de  domo,  in  presentia  d^  Viuiani  canonici,  Bonawise  notarii,  Bonomi  gal- 
ten de  Bondo  ad  hoc  testibus  et  aliis.  Ibique  coram  d°  magistro  Albeiix) 
maioris  Veronensis  ecclesie  archipresbitero^  de  Ute  unius  lapidis,  que  yer- 
tebatur  inter  Conradum  de  Brugu90  ex'  una  pai*te  et  Bonomum  de  Bo- 
uolca  de  Brugu90  et  Bibaldum  eins  procuratorem  ex  alia,  dictus  d.  archi- 
presbiter talem  sentenciam  dedit  sie  dicens:  De  illa  questione  que  fuit 


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441 

coram'  Aldrigeto  de  Bregu^o  vilico  canonice  Yeronensis  inter^  dictum 
Gonradum  ex  nna  parte  et  Bonomum  de  Bonolca  ex  alia  de  facto  nnins 
lapidis,  quem  dictus  Bonomus  ficavit  ante  ianuam  dicti  Conradi,  vice  ac 
nomine  canonice  Yeronensis  et  mea  confirmo  totnm  illnd,  quod  precepit 
dictus  Aldrigetus  yilicus  canonice  dicto  Bonomo  de  facto  lapidis,  quod  pre- 
ceperat  dicto  Bonomo  ut  deberet  aufferre  eam  petram  de  ante  ianuam  dicti 
Conradi.  Et  precepit  dictus  d.  archipresbiter  dicto  Bibaldo  procuratori  dicti 
Bonomi  sub  pena  LX  solidorum  yer(onen8ium)  yice  ac  nomine  dicti  Bo- 
nomi,  ut  debeat  auffere  eam  petram  de  ante  ianuam  dicti  Conradi  et  pre- 
cepit dictus  d.  archipresbiter  dicto  Bibaldo  procuratori  dicti  Bonomi  sub 
pena  LX  solidorum  Yeronensium  yice  ac  nomine  dicti  Bonomi,  ut  debeat 
aufferre  illum  de  ante  ianuam  dicti  Conradi  salyis  omnibus  racionibus 
dicti  Bonomi. 

MUlesimo  CCXXI,  indictione  YIIU. 

Ego  Relcins  Federici  regis  notarius  interfui  rogatus  scripsi. 

*  Über  der  ZeUe  nachgetrageru  •  ex  ~  parte  über  der  Zeile  nach- 

getragen. '    Folgt  getUgt  vilico  canonice  Yer.  *  inter  dictum  wie- 

derhoU. 

10. 

Tapst  Gregor  IX.  trägt  dem  Bonafides,  Prior  von  Allerheiligen 

in  Verona,  auf,  einen  Streit  zwischen  Ärmann  von  Campo  und 

dem  Domkapitel  von  Verona  um  die  GerichtsbarTceit  in  Breguzzo 

zu  entscheiden.    Anagni,  1227  August  26. 

Inseriert  in  einer  ZuBchrift  des  Priors  an  Armann  von  Campo,  in  der  er  auf 
den  zehnten  Tag  nach  geschehener  Vorladung  vorgeladen  wird,  transumiert 
im  Notariatsinstrumente  über  die  Überreichung  dieser  Vorladung  von  1228 
März  30.  Verona  K.-A.  BC.  40  m.  6,  Nr.  12.  Fehlt  bei  Potthast,  Regesta 
ponüficnm  und  Auvray,  Les  registres  de  Gr^goire  IX.  Druck:  Simeoni  Tri- 
dentum  9,  356.  Der  Name  des  Priors  ergibt  sich  aus  Ughelli,  Italia  sacra 
5,  836,  Urkunde  1224  September  21. 

Gregorius  episcopns  servus  servorum  dei  dilecto  filio  .  .  priori  om- 
nium  sanctorum  Yerone  salutem  et  apostolicam  benedictionem.  Dilecti 
filii  archipresbiter  et  capitulum  Yeronense  suam  ad  nos  querimoniam 
destinarunt,  quod  Ar(mannus)  de  Campo  et  quidem  alii  clerici  et  laici  ci- 
vitatis et  diocesis  Tridenti  super  iurisdictioni  temporali,  quam  habent  in 
Bregucio  et  quibusdam  aliis  villis  in  Tridentina  diocesi  constitutis,  red- 
ditibns  et  rebus  aliis  iniuriuntur  eisdem.  Ideoque  discretioni  tue  per 
apostolica  scripta  mandamus,  quatinus  partibus  convocatis  andias  causam 
et  apellacione^  remota  debito  fine  decidas,  faciens  quod  decreveris  per 

30* 


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442 

censuram  ecclesiasticam  firmiter  observari.  Testes  autem  qni  faerint  no- 
minati,  si  se  gratia  odio  yel  timore  snbtrazerint,  censnra  simili  apelia- 
cione  cessante  compellas  ?ei*itati  testimonium  perhibere.  Datum  Anagnie, 
YII.  kalendas  septembris,  pontificatus  nostri  anno  primo. 

1  C. 

11. 

Auf  Befehl  der  Domherren  Isnard  und  Johannes  von  Verona 
fallen  genannte  Leute  von  Zuclo  und  Bolheno  ein  Weistum  über 
die  Gerechtsame  des  Domkapitels  in  Bolheno  und  Zuclo.    Zuclo^ 

1238  Juli  18. 

Orig.  Perg.  in  Verona  K.-A.  AC.  71  m.  8,  Nr.  14.  Druck:  Simeoni,  Tridentum 

9,  357. 

Die  Inne  terciodecimo  exennte  inlio,  in  villa  Desncnli  Tridentine 
diocesis,  snb  porticalia  ecclesie  sancti  Martini,  presentibns  d*"  Bonaven- 
tura de  Broilo  indice,  presbitero  Omnebono  plebis  de  Teiono  atqneTren- 
tino  clerico  ipsias  plebis  et  aliis.  Ibiqne  cum  d^  Isnardns  et  Johannes 
canonici  Yeronenses  essent  ibidem  pro  canonica  et  capitnlo  Veronensi 
pro  exercenda  iurisdictione  Desuculi  et  Bolbeni  de  volnntate  et  mandato 
archipresbiteri  et  capitnli  Yeronensis  et  vicinia  illarum  terraimm  Desn- 
cnli et  Bolbeni  esset  ex  precepto  ipsornm  d^"""  ibidem  congregata  coram 
eis  more  solito,  Lafrancns  Baraterius,  Aimericus  Sina  et  Magnus  filius 
quondam  Rainerii  de  Bolbeno  et  Octo  Asinellus  de  Desuculo  de  mandato 
suprascriptorum  d^'**"^  Isnardi  et  Johannis  canonicoiiim  iuraverunt  ad 
sancta  dei  evangelia  fidelitatem  suprascripto  d^  Stephane  predicte  maioris 
Yeronensis  ecclesie  archipresbitero  absenti  et  predictis  d'"  Isnardo  et 
Johanni  recipientibus  pro  canonica  et  capitulo  contra  omnes  personas 
anteposito  imperatore  et  suis  anterioribus  dominis,  si  quos  haberent,  et 
quod  adiuvabunt  archipresbiterum  et  capitulum  Yeronensem  manutenere 
eas  terras,  et  si  eas  admitterent,^  qaod  eos  adiuvabunt  eas  recuperare,  ta- 
men  non  expensis  ipsoram  hominum,  et  insuper  dicere  et  manifestare 
veritatem  de  tota  illa  ratione,  quam  canonicam^  et  capitulum  habet  et 
debet  habere  in  ipsis  terris  Bolbeni  et  Desuculi^  et  ea  omnia,  que  cano- 
nicis  et  capitulo  licita  et  inlicita  sunt  facere  in  eius  terris,  et  dicere  veri- 
tatem ex  parte  canonicorum  et  capituli,  quam  communium  et  singulario- 
rum  hominum  illaram  terrarum.  Qui  vero  Lafrancns  Baraterius,  Aime- 
ricus Sina  et  Magnus  filias  quondam  Rainerii  de  Bolbeno  et  Oto  Asinellus 
de  Desuculo  interogati  a  me  Enrigacio  notario  dixerunt:  Nos  dicimus  per 
nostra  sacramenta,  quod  sicut  trahit  a  rivulo  Riverio  usque  in  summo 
acie  montis  in  montibus  et  planitiis  et  deinde  usque  ad  aquam  rio  Clo- 


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443 

sam  et  inde  usqne  ad  Closam  lad  Bonconi  et  inde  usque  in  summo  Gopedelli, 
sicnti  possident  illi  de  Bondo  et  de  Bergucio  et  illi  de  Bolbeno  et  de  De- 
suculo  et  omnes,  qni  habitant  in  istis  confinibns,  debent  se  distringere  va- 
diam  et  rationem  facere  pro  canonica  maioris  ecciesie  YeroDensis  et  dare 
bannum  et  wadiam  quinqne  soldorum  predictis  canonicis  Yeronensibus 
Tel  eorum  vilico.  Item  dixerant,  quod  ipsi  intellexerunt  per  eorum  maio- 
res  et  antecessores,  qnod  illi  de  Bundo  et  de  Bergncio  debent  annnatim 
solvero  suprascripte  canonice  decem  et  octo  soldos  denariornm  Yeronen- 
siam,  et  illi  de  Bolbeno  et  de  Desuclo  similiter  debent  solvere  snprascripte 
canonice  annnatim  sex  soldos,  qnos  sex  soldos  illi  de  Bolbeno  et  de  De- 
SQcnlo  debent  dare  illis  de  Bergacio,  et  illi  de  Bergacio  debent  eos  dena- 
rios  simal  cam  suis  denariis  defferre  ad  canonicam  Yeronensem.  Set  di- 
xerant, quod  omnes  terre,  que  sunt  infra  predictos  confines,  possnnt 
vendi,  donari,  pro  anima  iadicari  per  illos  homines,  quorum  sunt  ipse 
terre,  et  quod  homines,  qui  habitant  in  illis  terris,  sunt  liberi  homines. 
Et  etiam  dixemnt,  qnod  canonici  debebant  hospitari  et  recipi  per  homines 
illamm  terrarnm,  sicut  continebator  in  quodam  instrumento  confecto  per 
quondam  Marcium  Hostiarinm  notarinm  ibidem  perlecto,  in  quo  contine- 
bator, quod  debent  hospitare  canonicos  et  dare  f^num  et  anonam  pro  ca- 
samento  antiquo  et  novello:  Bonumtempns  debet  dare  duos  denarios, 
übertus  cum  Johanne  et  Lafranchino  et  Arcatore  et  übertino  filioJohan- 
nis  firatris  Uberti  suprascripti  et  cum  Lencio  et  cum  Scudacolo  filio  Enge- 
cete  debent  dare  quinque  denarios  de  ficto.  Ubertinus  et  Johannes  Bur- 
donus  filii  quondam  Martini  Beside  cum  Bocasavia  solvunt  octo  denarios, 
Widrisius  et  Barucius  solvunt  in  uno  anno  sex  denarios  et  in  alio  Septem, 
Ferrus  Stephanum  unum  denarium,  Franconus  unum  denarium,  Andreas 
nnum  denarium,  Amicinus  quinque  denarios,  Ubertinus  et  ^uaninus  6t 
Beniaminus  dant  duos  denarios,  Becla  et  d.  Johannes  fratres  unum  de- 
narium, Girlancius  cum  Lafranchino  Pancaldo  et  cum  Literio  et  Yergeclo 
et  Magno  et  Wigelmo  tres  denarios,  Albericus  Berletus  unum  denarium, 
filius  presbiteri  Johannis  cum  suis  sociis  qnatuor  denarios.  Isti  sunt  de 
Bolbeno.  Et  ita  solvunt  de  ficto  Malanox  et  ^Qfado  filius  Balduini  et  ^ua- 
nellns  et  Brilotus  fratres  tres  denarios,  Johannes  de  Fano  nepos  Bai- 
mundi  cum  suis  sociis  unum  denarium,  filii  Molini  quinque  denarios,  do- 
mus  Bainerii  et  eins  fratris  Martini  quinque  denarios,  domus  Domi- 
nici  quinque  denarios,  Adam  de  Supravia  cum  omnibus  suis  sociis 
quinque  denarios,  Bonumtempns  cum  uno  suo  nepote  Johanne  tres 
denarios,  Martinus  et  Horabona  fratres  tres  denarios,  Lafrancus  nnum 
denarium,  Axerbns  cum  duobus  fratribus  unum  denarium,  Maurinus  cum 
una  sua  nepote  unum  denarium,  Maii;inus  cum  nepotibus  et  cosinis^  suis 


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444 

medium  denarinm,  übertinus  de  Gomadino  et  Malaopera  ei  Madins  unam 
denariam,  Tardianus  et  Walpertus  et  Johannes  de  Nogarole  com  suis  so- 
ciis  unam  denarinm.  Et  dixerunt  etiam,  quod  si  aliqms  illaram  terrarum 
decederet  sine  berede,  quod  canonici  Tel  eorum  gastaldio  debet  habere 
viginti  soldos  Yeronensium,  qui  denarii  debent  poni  in  ntilitatem  illarum 
comunium.  Et  suprascriptus  Otto  Asinellus  tantum  addidit  dicens,  quod 
a  suis  maioribus  intellezit,  quod  canonici  debebant  habere  de  bonis  illius, 
qui  decederet  sine  berede,  unam  vacham.  Quibus  peractis  in  predicta  vi- 
cinia  omnes  isti  inferius  scripti  de  Desuculo  et  Bolbeno  iuraverunt  fide- 
litatem  suprascripto  d®  Stephano  Yeronensi  arcbipresbitero  absentis^  et 
prenominatis  d^'  Isnardo  et  Jobanni  canonicis  recipientibus  vice  et  no- 
mine canonice  et  capituli  in  omnibus  et  per  omnia,  prout  suprascripti  La- 
francus  Baraterius,  Aimericus  Sina  et  Magnus  filius  quondam  Sainerii  de 
Bolbeno  et  Otto  Asinellus  de  Desuculo  fecerant.  Quorum  nomina  ista 
sunt:  9&mbonus  de  Petro  .  .  .  .^ 

Item  predicto  die,  in  platbea  Desuculi,  presentibus  suprascriptis 
d*'  Bonaventura  de  Broilo  iudice,  presbitero  Omnebono  plebis  Tejoni 
atque  Trentino  clerico  ipsius  plebis  et  aliis.  Ibique  cum  vicinia  illius 
terre  Desuculi  et  eciam  Bolbeni  esset  ibidem  coram  predictis  d*'  Isnardo 
et  Jobanne  more  solito  coadunata,  et  ipsi  d*  vellent  se  de  ipsa  terra  se- 
parare,  preceperunt  ipsi  vicinie  et  bominibus  illarum  terraimm,  ut  debe- 
rent  solvere  expensas,  quas  ipsi  ibidem  fecerant  ipsa  die.  Que  expense 
capiebant  in  summa  sex  libras  et  Septem  soldos  et  dimidium ;  qui  vero 
denarii  debebant  Pasqualo  de  Desuculo,  qui  eas  expensas  fecerat.  Ad  que 
Aimerius  Sina  respondit  dicens:  D*  itote  in  nomine  domini,  quiaego  bene 
solvam  illas  expensas.  Et  ipsi  d*  dixerunt:  Nos  nolumus,  ut  solvas  de  tuo 
proprio  imo  tantum  de  comunibus  Bolbeni  et  Desuculi,  sicut  fieri  debet. 
Et  sie  ipse  Aimericus  Sina  existens  in  yicinia  illarum  terrarum  fecit  su- 
prascriptum  Pascalem  esse  contentum  et  clamare  se  solutum  de  expensis 
predictis.   Millesimo  ducentesimo  trigesimo  octavo,  indictione  undecima. 

Ego  Enrigacius  quondam  Bonzenelli  de  Osbeco  d^  Frederici  regis 
notarius  interfui  rogatus  et  scripsi. 

*  A.  '  Im  Originale  folgen  noch  55  Namen. 

12. 

Veri/reter  des  Erzpriesters  und  Domkapitels  von  Verona  verur- 
teilen Genannte  von  Bolbeno  zu  einer  Geldstrafe,  nachdem  diese 
sich  geweigert  hatten,  den  Treueid  zu  schwören  und  den  Vertre- 
tern des  Domkapitels  Gastung  zu  gewähren,    Zuclo,  1238  Juli  19. 


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445 

Orig.  Perg.     Verona  K.-A.  AC.  10  m.  p,  Nr.  16. 

S.  Die  lune  terciodecimo  eieunte  inlio,  in  comitatu  Tridenti,  in 
villa  DesQCuli  snb  porticalia  ecclesie  sancti  Martini,  presentibus  d*' 
Bonaoentora  de  Broilo  iadice,  presbitero  Omnebono  plebano  Teioni  atque 
Trentino  clerico  ipsias  plebis.  Ibiqne  cum  mnlti  ex  convicinis  Bolbeni 
et  Desucnli  iarayissent  fidelitatem  d^'  Isnardo  et  Jobanni  canonicis  Vero- 
nensibus  yice  archipresbiteri  et  capitali  ecclesie  Yeronensis  in  Ticinia 
illarum  terrarnm  ad  sonrnn  campane  more  solito  congregata,  ipsi  d^  Is- 
nardns  et  Yinianus  precepernnt  Pelegrino  Oestario  et  Delanancio  eins 
filio  de  Bolbeno  in  banno  sexaginta  solidorum  Yeronensiom,  ut  inrarent 
eis  vice  arcbipresbiteri  et  capitali  maioris  ecclesie  Yeronensis  fidelitatem 
et  fiacerent  eis  receptum,  providendo  eis  in  expensis  secnndnm  quod  alii 
eorum  convicini  fecerant  et  ut  debebant.  Qui  Pelegrinus  et  Delauancius 
respondenint:  Nos  nolumus  boc  facero  nee  debemus.  Item  precepernnt 
eis  in  banno  decem  librarum,  nt  iurarent  et  facerent  eis  receptum  ut  su- 
pra  dictum  est.  Qui  responderunt  dicentes:  Nos  nolumus  hoc  facere,  quia 
non  debemus.  Item  precepernnt  eis  in  banno  viginti  quinque  librarum, 
ut  iurarent  et  facerent  receptum  ut  supra  dictum  est.  Qui  responderunt 
dicentes:  Nos  nolumus  illud  facere  nee  debemus.  Quibus  peractis  supra- 
scripti  d^  Isnardus  et  Johannes  canonici  Yeronenses  in  vicinia  illarum 
terrarnm  existentes  more  solito  ad  sonum  campane  congregata  talem  sen- 
tenciam  tulerunt  sie  dicentes:  Nos  Isnftrdus  et  Johannes  canonici  Yero- 
nenses auctoritate  archipresbiteri  et  capituli  Yeronensis  maioris  ecclesie 
nobis  concessa  sive  data  Pelegrinum  Cestarium  de  Bolbeno  et  eins  filium 
Delanancium  pro  eo,  quod  recusaverunt  atendere  precepta  nostra  vice 
archipresbiteri  et  capituli  Yeronensis  nolentes  nobis  iurare  fideli- 
tatem nee  nobis  providere  in  expensis  simul  cum  aliis  eorum  convicinis 
et  secundum  quod  eorum  convicini  fecerant  et  prout  tenentur,  in  vi- 
ginti quinque  libras  den.  Yer.  pro  uno  quoque  dandis  et  solvendis  archi- 
presbitero  et  capitulo  maioris  ecclesie  Yeronensis  hine  ad  oeto  dies  con- 
dempnamus. 

Millesimo  ducentesimo  trigesimo  oetavo,  indictione  undeeima. 

Ego  Enrigacius  eondam  Bon9enelli  de  Osbeco  d'  Pederici  regis  no- 
tarius  interfui  rogatus  et  seripsi. 

13. 

Kaiser  Friedrich  IL  beauftragt  den  Sodegher  de  Tyto,  Podestä 
von  Trient,  das  Domkapitel  von  Verona  in  seinen  Rechten  und  Be- 
sitzungen im  Tridentinischen  zu  schützen.    Verona,  1239  Juni  13. 


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446 

Inseriert  im  Instrumente  über  die  Überreichung^  dieses  Mandates  an  den 
Podesti  Sodegher  von  1239  Dezember  21,  Orig.  Perg.,  Verona  K.-A.  BC.  33 
m.  5,  Nr.  3.  Fehlt  bei  Böhmer-Ficker,  Regesta  imperii  V,  1.  Die  Anwesen- 
heit des  Kaisers  in  Verona  ist  bezeug^  durch  Böhmer-Ficker  2444.  Mit  Tor- 
liegpendem  Mandate  häng^  eng  zusammen  Böhmer-Ficker  2442,  das  die  Vor- 
aussetzung des  Mandates  bildet 

Fr(idericu8)  dei  gratia  Romanorum  Imperator  semper  aagnstus  Je- 
rusalem et  Sicilie  rex  Sedeg(erio)  de  Tyto  capitaneo  Tridenti  fideli  8uo 
gratiam  suam  et  bonam  volnntatem.  Cum  S(tephanum)  venerabilem  ar- 
chipresbiterum  canonicos  et  capitulum  maioris  ecclesie  Veronensis  fideles 
nostros  nee  non  ecclesiam  ipsam  cum  omnibus  bonis  suis  sub  nostra  et 
imperii  proteccione  et  defensione  recepimus  speciali,  fidelitati  tue  preci- 
piendo  mandamus,  quatenus  dictos  archipresbiterum  capitulum  et  cano- 
nicos aut  ecclesiam  ipsam  in  hominibus  familiis  eorum  possessionibus  et 
aliis  bonis  suis  que  in  iurisdictione  tua  iuste  tenent  et  possident  contra 
patentis  scripti  protectionis  nostre  tenorem  molestari  ab  aliquibus  inde- 
bite  non  permittas,  nisi  nobis  inventi  fuerint  verbo  et  opere  adversati. 
Datum  Verone,  XIIP  iunii,  XII.  indictione. 


14. 

Genannte  Leute  von  Sover  erteilen  auf  Befragen  des  Domdekans 
Friedrich  von  Trient  ein  Weistum  über  die  Hechte  und  Gerichts- 
harJceit  des  Trietiter  Domkapitels  in  Sover  (1).  Der  Domdekan 
verbietet  den  Leuten  eine  fremde  Leibeigene  eu  lievraten  oder  sich 
einem  Herrn  zu  kommendieren  (2).    Sover,  1243  Juni  18. 

Orig.  Perg.,  Innsbruck  St.-A.,  Trient  Notariatsurkunden,  vielfach  beschädigt. 

1.  [In]^  nomine  Christi.  Die  iovis  terciodecimo  exeunte  iunio, 
in  Sovero  in  Pedra^olo  supra  domum  Pasqualis  filii  condam  Waldemani, 
in  presentia  domini  Bodegerii  [presbiteri  de  Flemo,  Benvenuti]^  Scolaris 
de  Tridento,  Otobeli  de  Oivefano,  Bonaventure  notarii  et  Avancli  de 
Barbaniga  et  aliorum  testium  rogatorum.  Ibique  cum  d.  Federicus  de- 
canus  ecclesie  et  capituli  Tridentine  se[dis  pro  se  et]  ^  d°  Tridentino  et 
d®  Aycardo  et  d*  Petro  canonicis  Tridentinis  presentibus  et  aliis  cano- 
nicis  de  suo  columpnelo  Perceni  absentibus  convocatis  et  coadunatis 
cunctis^  .  .  .  videlicet  Cncarelo,  Donato  de  Raynero,  ^^nino  de  Cucarelo, 
Donato  de  Canipa,  Dodo  de  Grilo,  Donato  de  Toscana,  Johanne  de  ^ano, 
Blanco,  Donato  de  Dodo,  Ordano*  ....  de  Plorenfo,  Martine  de  Vilana, 
Donato  de  Lavales,  Martino  de  Paganelo,  Adelpreto  de  Maso,  Johanne 


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447 

eias  generOy  Martino  de  Bianco,  Mauro  de  Blanco,  Laurencio  eins  fratre, 
Enrico  de  Paganelo,  Sabadino  de  Feie,  Fei,  Martino  de  Feie,  Johanne  de 
^aspo,  Persona  filio  Avisii,  Martino  de  Waldo,  Blanco  fabro,  Pasqnale 
eins  fratre,  Pasqnalino  filio  Waldemani,  Martino  eins  fratre,  Waldo  de 
[Dodo],^  Enrico  de  Wera,  Pugneto  de  Maso,  Weio  genere  Adelpreti,  Jo- 
hanne suo  fratre,  Pasqnalino  filio  (}2Lm  inter  suprascriptos  homines  So- 
veri  proponeret  dicere,  qaod  pro  ntilitate  dicte  ecclesie^ ....  ntilltate 
etiam  soprascriptorum  hominnm  scire  volebat  et  cognoscere  redditus, 
ficta,  rationes,  inrisdictiones,  teretorinm  et  confines  teretorii  et  montium 
et  omnia  inra  ecclesie  et  capituli  Tridentini,  [qne]^  dicta  ecciesia  et  ca- 
pitulnm  habent  et  habere  debent  in  dicta  tera  Soveri  et  hominibns  supra- 
dictis,  et  quicqnid  ipsi  homines  dare  et  facere  tenentur  tarn  in  rebus 
quam  in  personis,  ita  quod  nnla^  posit^  esse  deceptio  et  defraudatio  [ver* 
sns]®  homines  supradictos  ^el  hominnm  snpradictomm  versns  dictam  ec- 
clesiam  et  capitulnm  Tridenti,  qui  homines  omnes  supradicti  de  Sovero 
universaliter  et  generaliter  et  quilibet  singniariter  comuniter  et  concor- 
diter  respondemnt,  quod  bene  volebant  et  illud  sibi  placebat.  ünde  om- 
nes snprascripti  homines  comuniter  et  concorditer  et  cum  voluntate  pre- 
dicti  domini  decani  eligemnt  Pasqualnm  filium  condam  Waldemani  et  Do- 
natum  de  Palota,  Pasqualum  de  Fabro  et  Donatum  de  Dodo  et  Adel- 
pretum  filium  condam  Masi  et  Weium  de  Floren^o,  qui  iurare  debe- 
rent  manifestare  et  dicere  redditus  et  ficta  rationes  inrisdictiones 
teretorium^  et  confines  teretorii  et  moncium  et  omnia  iura,  que  yel 
quas  dicta  ecciesia  et  capitulum  habent  et  canonici  habere  debent  tam 
in  personis  predictorum  hominum  quam  in  rebus  et  teretorium  et  confines 
teretorii  et  moncium  canonicorum  capituli  Tridenti  in  Sovero  et  in  illis 
pertinentiis.  Qui  predicti  Pasqualus  Waldemani,  Donatus  de  Palota,  Pas- 
qualis  de  Fabro,  Donatus  de  Dodo,  Adelpretus  filius  condam  Masi  et  Weius 
de  Florenfo  omnes  ad  sancta  dei  ewangelia  iuraverunt  sie  manifestare  et 
dicere  per  omnia,  ut  superius  dictum  est,  et  predicto  modo.  Qui  iurati 
per  sacramentum  manifestaverunt  et  dixerunt  omnes  concorditer  presen- 
tibuB  Omnibus  suprascriptis  hominibns  Soveri  et  ipsis  consentientibus  et 
de  ipsorum  voluntate,  quod  hü  sunt  redditus  ficta  rationes  inrisdictiones 
iura  teratorium  et  confines  teretorii  et  moncium  ecclesie  et  capituli  Tri- 
denti videlicet,  ^®  [quod  hoc  est]  teretorium  ecclesie  beati  Vigilii  et  capi- 
tuli Tridenti,  quod  snprascripti  homines  et  omnes  homines  de  Sovero  te- 
nent  ad  fictum  a  predicta  ecciesia  etcapituloTridentino:  ab  ^^  Aviso  citra 
sicut  .  .  .  .^^  aqua  rii  Longi  usque  ad  rium  montis  Pelosi  usque  in  Fre- 
gasogam,  secundum  quod  terminatum  est,  et  vadit  a  monte  de  Fregasoga 
per  valem  de  la  fine  usque  ad  rium  de  val  Fliana^  et  a  rio  de  val  Fliana 


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448 

citra  ?er8us  So?erum  asqae  in  Avisium.  Hec  omnia,  qne  sunt  inter  dictos 
confines,  videlicet  prata,  montes  et  alias  teras^tenentdictihominesdeSo- 
vero  ad  fictum  a  dicta  ecclesia  et  capitulo  Tridenti  et  canonicis  pro  viginti 
modus  siliginis  de  canipa  et  eam  conducere  Tridentam  ad  domam  cane- 
parii  canonicoram  capituli  Tridenti  ad  sacram  sanctiVigilii  sicam  etbene 
vasam  et  mnndam  et  peco[ra]s . .  .^'  tres  in  mense  madii  et  duas  pecoras 
in  sancto  Laurentio  et  quatuor  modia  boni  casei  de  canipa  ad  staderam  ca- 
noniconim  omni  anno,  et  quilibet  focus  siye  masarius  Soveri  debet  omni 
anno  dare  et  solvere  unam  spalam^  de  porco  et  unam  scamaridam  et  debent 
portare  dictas  spalas  et  scamaridas  ad  domam  gastaldionis  canonicoram, 
et  illi  qai  portat  spalas  ad  gastaldionem,  debet  habere  tres  de  predictis 
spalis  et  in  se  debet  suam  tenere  spalam  ultra  illas  tres.  Item  debent 
predicti  homines  de  Sovero  solvere  dnodecim  libras  Yeronensinm  paryu- 
lomm  in  feste  sancti  Micaelis  yel  ad  octayam  omni  anno  predicte  ecclesie 
et  capitnlo  Tridenti  et  canonicis  Tridenti,  qaas  solvunt  nominatim  pro 
colta,  qnam  caneparins  canonicorum  et  capitnli  Tridenti  solitus  erat  po- 
nere  in  Sovero,  eo  salvo  qaod  si  dictum  capitulum  et  canonici  Tridenti 
ponerent  comnnem  coltam  snpra  alios  suos  homines,  quod  ipsi  debent  et 
posunt^  ibi  in  Sovero  ponere  coltam  et  eam  Inere  et  recipere  ad  snam  vo- 
Inntatem,  secundum  qnod  ipsi  ponerent  et  facerent  poni  aliis  snis  homi- 
nibns,  ita  quod  tunc  predicte  dnodecim  librae  Yeronensium  moriuntnr  et 
dicti  homines  Soveri  illo  anno  illas  dnodecim  libras  Yeronensium  solvere 
non  tenentur  nee  debent.  Item  quod  de  omni  questione  Hte  causa  et  con- 
troversia  et  accusatione,  que  fuerit  inter  predictos  homines  Soveri  vel 
inter  ipsos  et  alias  homines,  cum  lis  faerit  contestata,  debet  solvere  quin- 
que  solides  pro  banno  ille  homo  Soveri,  qni  fuerit  reus,  nisi  fuerit  de  in- 
iuria,  quia  tunc,  si  fuerit  de  iniuria,  debet  solvere  bannum  ad  voluntatem 
capituli  et  d®""  canonicorum  Tridenti.  Item  quod  homines  de  Sovero 
sunt  omnes  de  iurisdictione  et  districtu  ecclesie  et  capituli  canonicorum 
Tridenti  et  sub  eis  tenentur  et  debent  facere  rationem  sicut  liberi  homines 
tam  in  civilibus  quam  in  criminalibus  et  non  per^  aliqnam  aliam  personam. 
Et  propter  iurisdictionem  tere,^  quam  habent  ecclesia  et  capitulum  et  ca- 
nonici Tridenti  pro  dicta  ecclesia  et  capitulo  in  Sovero,  homines  de  Sovero 
tenentur  et  debent  ipsos  canonicos  et  caneparium  et  gastaldionem  et  allios^ 
nuntios  canonicorum  cum  illis,  qui  fuerint  secum,  honorifice  recipere 
cum  potu  et  cibo  et  alliis  necesariis  rebus  tam  personis  quam  equis  eorum. 
ünde  predictus  d.  Federicus  decanus  Tridentinus  pro  dicta  ecclesia  et  ca- 
pitulo et  canonicis  omnes  homines  suprascriptos  universaliter  et  singula- 
riter  quemlibet  verbotenus,  si  ita  erat  rei  veritas,  ut  predicti  iuratores 
ellecti  per  ipsos  homines  dixerunt  et  manifestaverunt  in  omnibus  et  per 


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449 

omnia  et  itasiabant  content!  confesi^  et  manifest!  esse  [interrogav!t].^^  Qu! 
omnes  homines  uniyersaliter  et  qnilibet  singnlariter  interogatas^  omnes  et 
qnilibet  singnlariter  dixernnt  et  responderont,  qnod  bene  erat  ita  rei  re- 
ritas  in  omnibns  et  per  omnia,  ut  snprascripti  iuratores  ellecti  dizerant 
et  manifestaverant  ut  superius  dictum  est,  et  sie  in  omnibus  et  per  om- 
nia  stabant  contenti  confesi  et  manifest!,  et  qnod  ita  facere  debebant  et 
tenebantor  et  perpetuo  atendere^  et  observare  volebant  et  promiserunt  et 
Yolont.  Landaverunt  insnper  et  dixernnt  d.  Federicus  decanus  Triden- 
tinns  prefatns  et  omnes  homines  snprascripti  concorditer  et  nnanimiter 
nniyersaliter  et  singnlariter  et  me  rogaTemnt,  ut  de  omnibus  supradictis 
inde  in  uno  tenore  duo  conscriberem  instrumenta.  £t  insuper  omnes 
suprascripti  homines  de  Sorero  generaliter  et  singnlariter  ad  cautelam 
stipulatione  promiserunt  per  se  suosque  heredes  prefato  d®  decano  pre- 
senti  et  stipulanti  ac  recipienti  pro  se  et  capitulo  Tridentino  et  specialiter 
pro  colompnelo  Percen!  sie  perpetuo  atendere  et  observare  sub  obligatione 
suorum  bonorum.  Actum  est  hoc  anno  domin!  millesimo  ducentesimo  qua- 
dragesimotercio,  indictione  prima. 

Ego  Delayantius  sacri  pallacii  notarius  interfu!  rogatus  et  scripsi. 

2.  In  nomine  Christi.  Die  jovis  terciodecimo  exeunte  iunio,  in  So- 
vero,  inPedre9olo  supra  domum  Pasqualis  filii  condam  Waldemani,  in  pre- 
sentia  d*  Bodegerii  presbiteri  de  Flemo,  Benvenuti  Scolaris  de  Tridento, 
Otebeli,  Bonarenture  notari!  de  ^i^e^ano,  Ayancii  de  Barbaniga  et  alio- 
rum  testium  rogatorum.  Ibiqae  d.  Federicus  decanus  Tridentinus  pro  se 
et  d^  Tridentino  et  d®  Aycardo  et  d®  Petro  canonicis  Tridentinis  presen- 
tibus  et  pro  omnibus  aliis  de  columpnelo  et  capitulo  Percen!  absentibus 
et  pro  ipso  columpnelo  Trident!  cum  omnibus  infrascriptis  hominibns 
Soveri  et  de  eorum  Toluntate  et  ad  eorum  postulationem  TidelicetCucareio, 
Donato  de  Baynero,  ^anino  de  Gucarelo,  Donato  de  Ganipa,  Dodo  de  Grilo, 
Donato  de  Toscana,  Johanne  de  ^^^o,  Pasqualino  filio  ^^ni»  Blanco,  Do- 
nato de  Dodo,  Ordano,  Donato  de  Subvia,  Martino  Coia,  Weio  de  Floren90, 
Martine  de  Yilana,  Donato,  Martino  de  Paganelo,  Adelpreto  de  Maso,  Jo- 
hanne eins  genero,  Martino  de  Blanco,  Mauro  de  Blanco,  Laurencio  eius 
fratre,  Enrico  de  Paganelo,  Sabadino  de  Feie,  Fei,  Martino  de  Feie,  Jo- 
hanne de  ^ftspo,  Persona  filio  Auisii,  Martino  de  Waldo,  Blanco  fabro, 
Pasqualo  eius  fratre,  Pasqualino  filio  condam  Waldemani,  Martino  eius 
fratre,  Waldo  de  Dodo,  Enrico  de  Wera,  Pngneto  de  Maso,  Weio  genero 
Adelpreti,  Johanne  suo  fratre  tale  fecit  statutum  et  ordinamentum,  quod 
aliquis  homo  de  Sorero  non  debeat  accipere  feminam  de  macinata  nee  de 
familia  alicuias  militis  nee  alicuius  domini,  et  si  quis  predictorum  homi- 
nnm  yel  suorum  heredum  acciperet  feminam  de  macinata  yel  de  familia, 


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450 

quod  ipse  vel  ipsi  amitant  totnm  snum  podere,  quod  habent  in  Soaero,  et 
per?6nire  debeat  dictum  podere  in  dictos  d"*"  canonicos  et  capitnlnm  Tri- 
denti  de  columpnelo  Percini,  et  canonici  debent  dare  illnd  podere  ricinis 
et  hominibne  Soreri  ad  tale  fictum,  nt  solitnm  est^^  solvere  dictum  podere. 
Item  qaod  si  aliqnis  homo  exiret  de  tera  Soreri  et  non  solveret  ficta  et 
rationes  canonicomm  et  servicia  et  honores  eomm,  quod  ipse  amitat  si- 
militer  et  eodem  modo  dictum  podere  suum.  Item  quod  aliquis  homo  de 
Sovero  non  debeat  esse  comandus  nee  se  commandare  nee  aliquo  modo  se 
subponere  alicui  militi  nee  alicui  domino  sub  pena  XXY  librarum  Yero- 
nensium  pro  quolibet,  pena  soluta  et  postea  atendere  promiserunt  omnes 
8npi*ascripti  homines  predicto  d®  decano  suisque  confratribus  de  colum- 
pnelo Per9eni  et  per  omnia  ut  supra  legitur,  attendere  omnes  supradicti 
homines  universaliter  et  singulariter  et  quilibet  per  se  omnia  sua  bona 
presentia  et  que  aqnistayerit  dicto  d®  decano  Tridentino  recipienti  pro  se 
et  capitulo  Tridentino  pignori  obligavit^^  et  obligaverunt  et  pro  eo  et 
dicto  capitulo  manifestavit  et  manifestaverunt  possidere.  Actum  est  hoc 
anno  domini  millesimo  ducentesimo  quadragesimo  tercio,  indictione  prima. 
Ego  Delauantius  sacri  pallacii  notarius  interfni  rogatus  et  scripsi. 

*  Perff,  weggelesen  in  Länge  von  2  cm.  *  Ebenso,  ergänzt  nach  dem 

Folgenden.  •  Pcrg,,  auf  beiden  Bändern  weggerissen  in  Länge  von  3  und 

2  cm;  ergänzt  wie  oben*  *  Schrift  zerstört  in  Länge  von  4  cm;  am  Anfange 

der  Zeile  ebenso  2  cm,  ^  Schrift  zerstört  in  Länge  von  1  cm;   tu  Beginn 

der  Zeile  ebenso  von  3 cm,  ^  Scfirift  zerstört  in  Länge  von  1  cm-,  ergänzt 

wie  oben.  ^  Schrift  zu  Ende  und  Anfang  der  Zeile  zerstört  in  Länge  von 

je  1  cm.  •  Loch  im  Perg.  oon  1  cm  Länge.  •  A.  *®  Schrift  am  Ende  der 
Zeile  und  zu  Beginn  der  nächsten  zerstört  in  Länge  von  0'6  cm.  *'  von  ab 

bis  confines  videlicet  mit  derselben  Tinte  unterstrichen.  *•  Schrift  zu  Be- 

ginn der  Zeile  zerstört  in  Länge  von  1  cm,  ^*  Ebenso  in  Länge  von  0*6  cm. 

**  Fehlt  A.  **  A  ut.'  *•  obligayit  et  obligaverunt  unter  dem  Kon- 

texte nachgetragen, 

15. 

Genannte  Leute  von  Sover  fällen,  befragt  vom  Domdekan  Fried- 
richy  ein  Weistum,  daß  eine  verheiratete  Frau  keinen  Anspruch 
auf  das  Erbe  ihrer  Brüder  und  Neffen  habe,   Sover,  l^M  Mai  18. 

Orig.  Perg.  Schrift  teilweise  ahgebrochen;  Innsbruck  St.-A.,  Trient  Notariats- 
urkunden. 

S.  [Anno  domini]^  millesimo  CGXLIIII,  indictione  secunda,  die  Xmi. 
exeunte  madio,  in  Tilla  Soueri  ante^ ....  Laurentii  in  presentia  Bertaldi 
de  Salurno,  Paxeti  viatoris,  Walengi  de  Pinedo  et  aliorum  testium.   Ibi- 


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461 

qae  Donadellns  Pascalis  atque  Weius  degani  et  iurati  d®"°'  canonicoram 
Tridenti  in  Souero  de  mandato  d'  Federici  decani  et  totins  capituli  et  ex 
ipsorum  comissione,  ut  dixenmt,  preceperunt  omnibns  infrascriptis  per- 
Bonis,  silicet  Donato  de  Canipa  et  Martino  de  Uillana  et  ^oanino  filio  Do- 
nati et  Donato  genero  Blanche  et  Blanco  S. .  .^  dino  et  Johann!  Gacarello 
et  Persona  et  Blanco  de  Grillo  et  Dominico  filio  Donati  et  Mauro  et  Mar- 
tino de  Waldo,  et  Pascali  de  Waldemano  et  (^vkno  de  Grillo  et  Dodo  et 
Ordano  et  Martinacio  et  Weio  et  Martino  filio  Waldemani  et  Donato 
Strambo  et  Henrico  de  Wera  et  Henrico  de  Paganella  et  Waldo  et  Donato 
fratri  9&ni  et  Weio  et  Adelpreto  de  Plafa  et  Johanni  et  Martino  de  Pa- 
ganella et  Pngneto  et  Donato  de  Yale  et  Fello  et  Johanni  de  9^po  et 
Pascali  de  Swario  et  Sabadino  et  Martino  de  Blanco  et  ^oanacio  et  Jo- 
hanni, qui  dicitnr  Andreas,  et  Johanni  filio  9&ni  sacramento  fidelitatis, 
quo  d*'  canonicis  tenentnr  et  capitnlo  Tridentino,  qaod  debeant  facere 
rectum  laudamentnm,  si  aliqna  mnlier  nnpta  est  extra  domum  patris  vel 
fratmm,  si  ipsa  mnlier  postea  potest  petere  fratribns  7el  nepotibus  here- 
ditatem  vel  partem  hereditatis  fratribus  vel  nepotibns.  Qui  omnes  sapra- 
scripti  concorditer  dixemnt:  Non,  dicendo,  qnod  talis  consnetndo  obtenta 
est  m  yilla  Soneri  per  XL  per  LX  annos  et  plus  et  per  tantnm  tempus, 
coius  non  est  ad  memoriam. 

Ego  Stephanns,  qui  dicor  Auinantus,  notarius  domini  Henrici  regis 
interfui  et  rogatns  scripsi. 

^  Schrift  ahgehrochen  in  Länge  von  2  cm.  *  Loch  im  Pergamente 

von  derselben  Länge,  •  Schrift  ahgehrochen  in  Länge  von  0'6  cm. 


16. 

Sodegher^  Podestä  von  IVient,  erkennt  die  Gerichtsbarkeit  des  Dom- 
kapitels von  Trient  in  Zivilsachen  über  die  Eigenleute  des  Ka- 
pitels außer  in  Judikarien  an.     Trient,  1264  Juli  8. 

Orig.  Perg.     In  dorso  von  Hand  des  13.  Jahrhunderts:  Carta  qua  spectat  ad 

homines  de  familia;  von  Hand  des  16.  Jahrhunderts:  continet,  quod  homines 

Pergini  debent  iudicari  a  iudice  capituli  in  civilibus  sed  non  in  criminalibus. 

Innsbruck  St.-A.,  Trient  Notariatsurkunden. 

S.  Anno  domini  millesimo  CCL  quarto,  indictione  XII,  die  mercurii 
YIII.  intrante  iulio,  Tndenti  in  ponte  castri  d^  Sedegerii  de  Tjto  pote- 
statis  Tridenti,  presentibus  d'^Vlrico  dei  gratiaXridentine  ecclesie  electo, 
d^  Odolrico  archidiacono  Tridenti,  magistro  Odolrico  scolastico,  magistro 


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452 

Bonomo,  d*'*  Petro,  Henrico  et  Omnebono  canonicis  Tridentinis,  d*  Jo- 
hanne iadice,  d^  Calapino  indice,  d®  Pandnlfo,  d®  Sjmone  capitaneo  de 
Valsana,  d®  Odolrico  Ma^orento  et  aliis.  Ibique  cum  ex  parte  d^'°"  ca- 
nonicorum  Tridenti  coram  d*  Sedegerio  de  Tyto  potestate  Tridenti  pro- 
positum  et  petitnm  fuisset,  quod  idem  d.  potestas  ordinäre  deberet,  quod 
homines  ipsomm  in  Per^ino  et  districtn  d^  Morandi  commorantes  eisdem 
serrire  et  snbiacere  et  pro  eis  rationem  facere  deberent,  prent  actenus 
facere  consneverant,  pronominatus  d.  potestas  dixit,  qnod  bene  sibi  placet 
et  Tult,  qnod  homines  d^'**"*  canonicomm  in  Perfino  et  illis  pertinentiis 
et  alibi  in  districtn  d^  Morandi  commorantes  et  alibi  preter  quam  in  Jn- 
dicaria  illis  servire  et  snbiacere  et  pro  eisdem  d^'  canonicis  racionem 
facere  debeant  de  omnibns  cansis  preter  qnam  in  criminalibns,  secundnm 
qnod  actenns  facere  consneverant,  et  quod  non  Tult  qnod  aliquis  officialis 
seu  capitaneus  suus  ipsos  d®"  canonicos  yel  eomm  nuncios  super  hiis 
debeat  inpedire.'  Et  dedit  eisdem  capitaneis  et  officialibus  in  mandatis, 
quod  ipsos  d*"  canonicos  de  cetero  non  inpediant^  in  predictis. 

Ego  Otto  sacri  palacii  notarius  interfui  et  iussn  predicti  d^  po- 
testatis  hec  scripsi. 

*  Korr,  aus  domino.  *  A. 

17. 

Vor  Bischof  Bernhard  von  Padua,  als  vom  Papste  delegierten 
Richter  im  Streite  zwischen  Bischof  Philipp  von  Trient  und  Her- 
zog Meinhard  von  Kärnten,  appelliert  ein  genannter  Vertreter  des 
Herzogs  an  den  Papst,  wobei  das  Recht  des  Vogtes  von  Trient, 
nach  dem  Tode  des  Bischofs  die  Regalien  zu  verwalten,  angeführt 
tvvrd,    St.  Lucia  hei  Verona,  1290  März  1. 

Orig.,  Wien  St.-A.,  Rep.  7.    Auszug  bei  Bonelli,  Memorie  2,  666  n.  d. 

S.  In  Christi  nomine.  Anno  nativitatis  eiusdem  millesimo  ducente- 
simo  nonagesimo,  indictione  tercia,  dieprimo  marcii,  incampaneaVerone 
iuzta  locum  sancte  Lucio,  presentibus  presbitero  Gerardo  sancti  Andree 
de  Padua,  magistro  Petro  Andree  et  Bernardo  Michaelis  clericis  et  capel- 
lanis,  Jacobe  Baynardi  et  Bernardo  Sauignani  domicellis  infrascripti  d' 
episcopi  Paduani  et  Antonio  Yeronensi  canonico  Mantuano  et  aliis. 
Cum  Tuanus  de  Verona  asserens  se  procuratorem  substitutum  a  magistro 
Conrado  de  Schrouenstain  procuratore  magnifici  viri  d*  Maynardi  ducis 
Carintbie  et  comitis  Tyrolensis  nomine  procuratorio  pro  eodem  d°  duce 


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453 

coram  venerabili  patre  d**  Bemardo  dei  gi*atia  episcopo  Paduano  consti- 
tntns  appellationem  quandam  cains  tenor  infra  de  verbo  ad  verbam  po- 
nitur  interposuisset  et  eidem  d"*  episcopo  in  quadam  cedula  porrexisset, 
idem  d.  episcopus  cednla^  appellacionis  coram  ipso  perlecta  Yuano  pre- 
dicto  qui  cedulam  Ipsam  porrexerat  respondens  dixit,  quod  super  propo- 
sitis  coram  eo  et  appellatione  interiecta  deliberare  volebat,  ntram  vide- 
licet  esset  appellationi  huiusmodi  deferendam  necne,  et  ei  super  hoc  de- 
liberacione  habita  respondere,  petens  et  reqnirens  ab  ipso  Yuano,  ut  faciat 
sibi  fidem  de  procuratione  predicti  Gonradi,  a  quo  se  asserit  substitutum, 
et  de  substitutione  sua  et  ad  faciendum  ipsi  d^  episcopo  fidem  de  dictis  pro- 
curationibus  et  comparendum  coram  eo  in  civitate  Brixiensi  ad  audiendnm 
responssionem'  suam  super  appellatione  premissa  idem  d.  episcopus  supra- 
dicto  Yuano  ad  diem  sabbati  proximum  venturnm  terminum  peremptorium 
assignavit.  Tenor  autem  cedule  appellationis  per  prefatumYuahum  inter- 
posite  de  qua  premittitur  talis  est:  Coram  vobis  venerabili  d^  Bemardo 
episcopo  Paduano  delegato  sedis  apostolice  prout  asseritis  in  causa  que 
vertitur  seu  verti  speratur  inter  magnificum  principem  et  illustrem  d"" 
Maynardum   ducem  Earinthie   comitem  Tyrolis  adrocatum  ecclesiarum 
AquilegensisTridentine  et  Biixinensis  ex  parte  una  et  d'^fratrem  Phjlip- 
pum  de  Mantua  ordinis  fratrum  minorum  qui  se  gerit  pro  episcopo  Tri- 
dentino  ex  parte  altera  Yuanus  de  Verona  substitutus  per  Chunradum  de 
Schrouenstain  procuratorem  predicti  ducis  procuratorio  nomine  pro  eodem 
duce  et  pro  omnibus  sibi  adherentibus  et  adherere  volentibus  excipiendo 
proponit  et  dicit,  quod  quia  tos  familiaris  estis  predicto  fratri  Phjlippo, 
item  quia  cum  adiutorio  predicti  fratris  Phylippi  promotus  estis  ad  epi- 
scopatum  Paduanum,  item  quia  vos  fuistis  et  estis  procurator  et  negocio- 
rum  gestor  eiusdem  fratris  Phylippi  contra  dictum  d*"  ducem,  item  quia 
estis  Latinus  sicut  et  ipse  frater  Phy(lippu8),  propter  hec  nimis  favetis 
eidem,  item  quia  Paduani  sunt  adversarii  et  inimici  predicti  ducis  Earin- 
thie, utpote  qui  homines  memorati  d*  ducis  capiunt  incarcerant  et  spo- 
liant  eos  pecunia  sua,  et  tos  sicut  episcopus  Paduanus  sitis  tamquam 
unum  corpus  cum  eisdem  et  snb  districtu  ipsoimm  Paduanorum  existitis, 
ex  promissis  causis  ac  etiam  aliis  predictus  d.  dux  et  predictus  eins  pro- 
curator procuratorio  nomine  pro  ipso  duce  et  pro  omnibus  sibi  adheren- 
tibus et  adherere  volentibus  recusat  vos  ut  suspectum  et  protestatur,  quod 
non  obligat  se  ad  probandum  singula  supradicta,  set  solum  ad  ea  que 
sufficiunt  ad  probandum  suam  intentionem,  petens  ne  aliquid  attentetis 
in  preiudicium  ipsius  ducis,  donec  predicta  suspitionis  causa  fuerit  termi- 
nata,  et  predictus  procurator  procuratorio  nomine  pro  ipso  duce  et  pro 
omnibus  sibi  adherentibus  et  adherere  volentibus  paratus  est  compromittere 


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454 

in  arbitroB  et  ex  parte  sua  elegit  abbaten)  de  Stams  ordinis  Gisterciensis 
diocesis  Brizinensis.  Item  coram  yobis  d®  Bernardo  venerabili  episcopo 
Padoano  predictns  procnrator  procaratorio  nomine  pro  predicto  dace  et 
pro  omnibns  sibi  adherentibns  et  adherere  Tolentibns  protestatnr,  qaod  per 
omnia  et  singnla  qae  infra  ponet  et  dicet  non  intendit  in  yos  consentire 
tamquam  in  säum  indicem,  set  ex  premissis  cansis  vos  expresse  recusat 
et  excipiendo  proponit  et  dicit,  quod  etiam  cessantibns  premissis  causis 
snspitionnm  vos  in  predicto  negocio  procedere  non  debeatis  iuxta  formam 
in  litteris  sedis  apostolice  expressam,  cum  predicte  littere  tacita  veritate 
et  snggesta  falsitate  sint  inpetrate.^  Est  enim  expressa  falsitas  in  ipsis 
litteris  nbi  dicitur,  qnod  predictas  dux  Earinthie  comes  Tirolis  ac  ofßcia- 
les  sai  civitatem  Tndenti  et  nonnulla  castra  villas  loca  valles  burgos 
possessiones  redditas  iura  iurisdictiones  bonores  et  alia  bona  quam  plu- 
rima  ad  eandem  ecclesiam  Tridentinam  et  ipsum  episcopum  spectancia 
contra  iusticiam  occuparunt  et  ea  detinent  per  yiolenciam  occupata,  cum 
predictns  dominus  dux  posito  sine  preiudicio,  quod  predictam  civitatem 
Tridentinam  et  alia  que  narrata  sunt  teneat,  quod  non  credit,  non 
tamen  ea  tenet  per  Tiolentam  occupationem  aut  contra  institiam,  set 
iusto  titulo  utpote  advocatus  defenssor^  ac  conser?ator  bonorum  rerum 
seu  possessionum  ecclesie  Tridentine.  Sane  impetrator  tacuit  veritatem 
in  predictis  litteris  impetrandis,  quia  tacuit  quod  predictns  comes  Tyrolis 
et  progenitores  sui  de  antiqua  et  approbata  consuetndine  consuererunt 
tamquam  advocati  et  defenssores  bonorum  rerum  possessionum  civitatum 
castrorum  villarum  locorum  vallium  burgorum  iurisdictionum  et  aliorum 
temporalium  ad  predictam  ecclesiam  Tridentinam  spectancium  conservare 
et  manutenere  post  mortem  episcoporum,  ne  ab  extraneis  aut  inimicis 
predicta  civitas  castra  et  alia  bona  ad  predictam  ecclesiam  pertinencia 
raperentur,  donee  canonice  episcopus  crearetur  in  ecclesia  Tridentina,  et 
tunc  ad  presenciam  et  requisitionem  predicti  episcopi  et  ecclesie  Triden- 
tine predicti  advocati  consueverunt  assignare  et  dimittere  civitatem  castra 
et  alia  supradicta  pertinencia  ad  predictam  ecclesiam  Tridentinam  epi- 
scopo et  ecclesie  Tridentine.  Cum  igitur  requisitio  predictarum  rerum 
facta  Sit  per  predictum  fratrem  Phylippum  aut  eins  procuratorem  nee  ipse 
frater  Pbylippus  personaliter  se  presentaverit  et  ita  impetrator  premissa 
tacuerit,  predicte  littere  tacita  veritate  sunt  penitus  impetrate.  Propter 
dictus  procurator  procuratorio  nomine  pro  ipso  duce  et  pro  omnibus  sibi 
adberentibus  et  adberere  volentibus  proponit  et  dicit,  quod  non  procedatur 
per  vos  in  memorato  negocio  iuxta  formam  in  litteris  ipsis  expressam. 
Item  dictus  procurator  procuratorio  nomine  pro  ipso  duce  et  pro  omnibus 
sibi  adberentibus  et  adherere  volentibus  offert  se  a^  probandum  supradicta. 


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455 

protestando  qnod  non  offert  se  ad  probandum  omnia  et  singula  predicta, 
sei  tantammodo  ad  ea  quo  probata  debebant  legittima  reputari  ad  snam 
et  ipsins  d^  dncis  intentionem  fandandam.  Item  si  dicatar  ex  adverso, 
qnod  ante  mortem  venerabilis  in  Christo  patris  d*  Henrici  bone 
memorie  episcopi  Tridentini  dictus  dux  tenuerit  per  Tiolenciam  ciyitatem 
caetra  et  alia  bona  temporalia  ad  predictam  ecclesiam  Tridentinam  perti- 
nencia,  ad  hoc  iamdictns  procnrator  respondit  et  proposuit  et  dizit,  qnod 
viyente  predicto  d°  H(enrico)  episcopo  Tridentino  dictus  d.  daz  tenuit  de 
bona  volantate  et  consenssu^  predicti  d^  H(enrici)  episcopi  et  ecclesie  Tri- 
dentine  titulo  locationis  seu  condnctionis  civitatem  castra  et  ad  alia  pre- 
dicta  pertinencia  ad  ipsam  ecclesiam  Tridentinam,  sicut  in  instrumentis 
saper  hoc  confectis  plenius  continetnr,  et  propter  hoc  expresse  negat  se 
predicta  tenere  ant  tennisse  per  violenciam  occnpata  offerens  se  probatu- 
rnm  tantummodo  ea  qne  ad  snam  intentionem  fandandam  sufficere  yide- 
antar.  Item  predictos  procurator  procuratorio  nomine  pro  ipso  dace  et 
pro  omnibas  sibi  adherentibas  et  adherere  volentibas  cam  predicta  prote- 
stacione  excipiendo  proponit  et  dicit  predictas  litteras  non  yalere,  ex  eo 
qaod  in  ipsis  litteris  non  fit  mentio  de  qaadam  appellacione  per  ipsam 
ducem  seu  eins  procaratores  interposita  contra  dictum  d^  H(enncum)  epi- 
scopnm  Tridentinam  sicut  hoc  probare  poterit  evidenter  per  instrumenta 
confecta  super  appellatione  memorata,  et  licet  littere  super  predicta  appel- 
lacione prosequenda  fuissent  a  sede  apostolica  impetrate,  tarnen  quia  cum 
propter  mortem  predicti  H(enrici)  episcopi  Tridentini,  tum  quia  per  vene- 
rabilem  in  Christo  patrem  d"^  P(etrum)  de  Meodiolano^  tituli  sancti  Marci 
presbiterum  cardinalem  predictas  litteras  occupantem  stabat,  quominus  in 
prosecutione  dicte  cause  appellationis  sit  processum,  qui  cardinalis  licet 
sepias  requisitus  predictas  litteras  appellationuai  reddere  recnsavit,  sicut 
in  instrumentis  protestationum  super  hec  confectis  lucidius  est  expressum, 
propter  hoc  non  obstante  lapsu  temporis  de  predicta  appellacione  in  lit- 
teris iam  premissis  maxime,  cum  in  eodem  negocio  appellatum  extiterit, 
mentio  fieri  debuisset,  quod  cum  non  sit  factum,  dicit  predictas  litteras 
non  valere  et  vos  non  debere  procedere  per  litteras  memoratas,  set  revo- 
care  quod  factum  est  per  easdem.  Item  dictus  procurator  procuratorio 
nomine  pro  ipso  duce  et  pro  omnibus  sibi  adherentibus  et  adherere  volen- 
tibus  cum  premissa  protestatione  excipiendo  proponit  et  dicit  admonitio- 
nem  primam  per  tos  factam  d°  duci  predicto  esse  nullam,  cum  vos  solum 
non  potuistis  ammonitionem  facere  supradictam,  quia  causa  tribus  iudi- 
cibus  est  commissa  sicut  apparet  evidenter  in  litteris  impetratis,  propter 
hoc  dicit  ammonitionem  revocari  debere  de  facto  quatenus  de  facto  pro- 
cesit,'  protestando  quod  per  omnia  et  singula  supradicta  ac  etiam  per  ea 

ArohiT.  94.  Band,  II.  HUfte.  31 


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456 

qne  infra  dictnrns  est  non  intendit  in  tos  st  in  alios  coniudices  yestros 
tamqnam  in  snos  indices  consentire,  sei  expresse  vos  recusat  nt  saspec- 
tnm  et  suspectos  ex  cansis  prins  memoratis  ac  etiam  adhnc  proponendis. 
Ex  premissis  igitur  omnibns  et  singnlis  predictns  procurator  procnratorio 
nomine  pro  ipso  duce  et  pro  omnibns  sibi  adherentibus  et  adherere  Tolen- 
tibns  salva  protestatione  sepins  premissa  proponit  petit  et  dicit,  qnod 
principaliter  cognoscatnr  per  arbitros  de  cansis  snspitionnm  premissis. 
Item  dictns  procurator  procnratorio  nomine  pro  ipso  dnce  et  pro  omnibns 
sibi  adherentibus  et  adherere  volentibns  salvis  semper  protestationibns 
premissis  dicit,  qnod  non  procedere  debeatis  in  presenti  negocio  secnn- 
dnm  formam  in  ipsis  litteris  papalibns  expressam  ex  causis  prins  memo- 
ratis. Item  dicit  ex  premissis  causis,  quod  vos  admonitionem  primam  fac- 
tam  per  tos  revocare  debeatis,  et  quia  predicta  admonicio  facta  est  in  grave 
preiudicium  et  gravamen  predicti  domini  ducis  et  sibi  adherencinm  et  ad- 
herere Yolencium  ex  cansis  memoratis,  ex  hoc  et  aliis  gravaminibns  et 
causis  premissis  sentieus  dictus  procurator  procnratoiio  nomine  pro  ipso 
duce  et  omnibns  sibi  adherentibus  et  adherere  Yolentibus  se  g^mvatum  ac 
etiam,  ne  ulterins  auctoritate  predictarum  litterarum  procedatis  in  prefato 
negocio»  ex  causis  omnibns  et  singulis  supradictis  sedem  apostolicam  ap- 
pellat  in  hiis  scriptis  et  apostolos  cum  instancia  petit,  supponens  dictum 
ducem  et  sibi  adherentes  et  adherere  yolentes  sub  protectione  sedis  apo- 
stolice  speciali. 

Ego  Bartholomeus  filius  d^  Federici  a  Lectis  d^  Roffini  comitis  de 
Lomello  auctoritate  notarius  et  supradicti  d^  episcopi  Padnani  officialis 
et  scriba  predictis  interfui  et  de  mandato  ipsius  d^  episcopi  hec  scripsi. 

*  cedala  zweimal  ge«chrieben.  *  A.  •  A;  Pelrtu  Peregrottn», 

Kardinal  V(m  San  Marco. 

18. 

Kardinal  Bernhard  von  dies  und  Bemhardin  und  Siegmund  von 
Thun  schließen  ein  Abkommen  über  die  Ausübung  der  Gerichts- 
barkeit durch  die  Herren  von  Thun.     Trient,  1531  November  6. 

Orig.  Perg.  Sekretsiegel  des  Bischöfe  Bernhard  an  roter  Seidenschnor;  swei 
andere  Siegel,  die  an  noch  vorhandenen  Pergamentstreifen  hingen,  fehlen. 
In  dorso:  C.  9,  Nr.  47,  Innsbruck  St.-A.  Ebendort  eine  zweite,  nicht  ausge- 
fertigte Reinschrift,  der  das  Datum  fehlt. 

Nos  Bernardus  miseratione  divina  tituli  sancti  Stephani  in  Coelio 
monte  S.  B.  E.  presbiter  cardinalis  et  episcopus  Tridentinus,  ac  sacrae 


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Bomanomm  regiae  maiestatis  coDsilii  seereti  pr^idens  et  cancellarins  sn- 
premns  etc.  et  Bernardinus  de  Thono  faciens  pro  me  nee  non  ego  Sigis- 
mandns  de  Thono  faciens  pro  me  et  reliqnorom  fratmm  meorum  ac  ne- 
potnm  meomm  ex  qnondam  d°  Qaspare  fratre  meo  nominibns,  pro 
qnibus  de  rato  et  ratihabitione  promitto  omninm  et  singalomm  infrascrip- 
tomm  in  Yalida,  ampla  et  consneta  forma,  notum  facimns  tenore  presen- 
tinm  qnibas  expedit  nniversis  presentes  nostras  lectnris  vel  andituris, 
qnod  iamdin  et  antiquissimis  temporibns  fnemnt  mnlt§  et  vari^  differen- 
tiae  et  contentiones  inter  nos  Bernardnm  cardinalem  et  episcopnm  Tri- 
dentinnm  ac  predecessores  nostros  ex  una,  et  nos  Bemardinnm  ac  Sigis- 
mundom  de  Thono  ac  fratres  et  maiores  nostros  ex  altera  maxime  occa- 
sione  et  cansa  remm  infrascriptamm: 

Pnmo  qnoniam  nos  cardinalis  antedictus  pretendebamus  ipsos  no- 
biles  de  Thono  sibi  vendicare  inrisdictionem  Tillarum  Breseni  et  Baselgae 
pro  iaribns  castri  Alteguarde,  quum  tarnen  antiqnitus  homines  in  illis 
habitantes  fecerint  obedientiam  episcopis  Tridentinis  et  eorum  officialibns. 
Secundo  pretendebamus  prefatos  nobiles  contendere  a  iurisdictione  nostra 
et  ecclesiae  nostrae  eximere  quandam  domnm  sitam  in  valle  nostra  Solis 
in  Croniana  et  aliam  domum  sitam  in  villa  Caldesii  dictae  nostrae  vallis  Solis 
nolentes  pati,  qnod  in  eis  aliqua  execntio  fieri  debeat  per  yiatores  offitii 
nostri  in  yalle  Annani^,  et  idem  pretendebamus  fieri  per  ipsos  de  Thono 
de  alia  domo  in  villa  Samocleni  et  de  qaodam  molendino  in  pertinentiis 
YÜlae  Caldesii  et  alibi  in  plerisque  villis  ubi  domos  habent,  yolentes  iidem 
nobiles  de  Thono,  qnod  inhabitatores  earum  sibi  sabsint  et  non  offitialibus 
nostris,  ut  sunt,  qaas  habent  in  villa  Thay  in  domo  dicta  Dymarochi  et 
in  villa  Portuli,  quas  et  inhabitatores  earum  etiam  in  iurisdictione  nostra 
delinquentes  defendere  nitebantur  tanquam  servos  suos,  quominus  a  ius 
dicentibus  nostris  in  dicta  valle  puniri  possent.  Pr^terea  quod  prefati 
nobiles  pretendebant  custodire  festa  infrascripta,  videlicet  festum  sanctae 
Margarethae  prope  Castelletum,  sancti  Bartholomei  de  Caldesio^  sancti 
Jacobi  de  Solasina,  sancti  Anthonii  de  Pragena,  sanctae  Mariae  de  Basi- 
lica  et  habere  ius  puniendi,  si  que  delicta  in  illis  fiunt  et  perpetrantur, 
cum  tarnen  nos  cardinalis  antedictus  pretenderemus  pr^dicta  illis  non  li- 
cere  nee  fieri  per  ipsos  posse  nee  debere  in  preiuditium  iurisdictionis  no- 
strae non  ostenso  titulo  et  iure,  quod  id  facere  possint.  Ad  que  omnia 
nos  prefati  de  Thono  respondebamus  in  primis  quantum  ad  villas  Preseni 
et  BaselgQ,  quod  nos  in  illarum  iurisdictione  non  impedivimus  nee  impe- 
dimus.  Quantum  ad  domum  in  Croniana  dicebamus  illam  fuisse  quondam 
d'  Symeonis  de  Thono,  ex  post  cessam  capitaneo  castri  Bragerii  et 
nescire,  quod  respectu  illius  domus  fieret  aliqua  novitas  contra  prefatum 

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458 

j.mam  ^m  cardiiialem  et  in  preiuditium  sn^  dominationis.  Similiter  de  ce- 
teris  domibus,  quas  habemns  in  Oaldesio,  Samocleuio  et  alibi  nnllam  nos 
pretendere  exemptionem,  preterquam  in  illis  domibus  in  nostris  investi- 
tnris  expressis,  quas  ab  ecclesiaTridentina  habemns,  habitatis  perserros 
nostros,  de  qnibus  in  eisdem  investitnris  continetur,  in  quibus  domibus 
et  personis  servorum  semper  obseryatnm  fuit  et  observatur  tarn  bic  qnam 
alibi,  quod  nemo  iurisdictionem  habeat  contra  servos,  nisi  ipsi  qni  domini 
sunt  eorundem  et  peculii  sni,  et  similiter  preterqaam  in  domo  in  Caldesio 
valgariter  dicta  el  mas  del  Stabel  alias  Majrhof,  que  tanqnam  membram 
et  pars  castri  Caldesii  debet  eandem  inmunitatem  habere,  qnam  habet  ip- 
snm  castram  per  nos  habitatum.  De  festis  Yero  predictis  nos  de  Thono 
dicebamus  fuisse  consuetos  antiquis  temporibus  illa  custodire  et  ea  fuisse 
a  nobis  et  nostris  predecessoribus  esse  castodita  cum  emolumentis  et  one- 
ribus  suis.  Propterea  putabamus  nos  in  iis  omnibus  minime  impediri  de- 
bere,  quum  ea  faciamus,  que  per  elapsum  fecimus.  Super  quibus  omnibus 
et  singulis,  cum  diu  fuisset  contentio  et  controversia  hinc  inde  inter  nos 
partes  suprascriptas,  Yisum  fuit  utrisque  pro  bono  pacis  et  concordiae 
super  bis  grayaminibus  et  quesiionibus  tam  nobis  cardinali  pr^fato  quam 
etiam  nobis  Bernardino  et  Sigismundo  pro  nobis  et  reliquis  nostris  de 
Thono  absentibus  facientibus  facere  et  inire  compositionem,  concordiam 
et  transactionem  huiusmodi,  ad  quam  nos  prefati  animo  deliberato  et  ex 
certa  nostra  scientia  concorditer  devenimus:  Primo  transegimus  et  con- 
venimus,  quod  nos  de  Thono  nullam  in  futurum  exerceamus  iurisdictionem, 
prout  nee  oxercuisse  dicimus  per  elapsum  in  villis  Breseni  et  Baselg^  nee 
in  aliqua  domo  nostra  ipsarum  villarum  aut  aliarum  villarum  vallis  An- 
nanie  et  Solis,  quas  iam  habemus  aut  in  futurum  habebimus,  nisi  in  do- 
mibus servorum  nostrorum.  Et  idera  sit  in  predicta  domo  in  Crouiana  et 
alibi  in  aliis  domibus  nostrum  de  Thono,  si  fieret  aliqua  novitas  vel  ali- 
quid aliud  in  preiuditium  iurisdictionis  et  superioritatis  episcopatus,  quod 
illud  amoTeatur  et  tollatur,  exceptis  domibus  servorum  nostrorum,  de  qui- 
bus in  investitnris  nostris  continetur  et  quas  inhabitant  servi  nostri  in 
villis  vallis  Annani^  vel  Solis,  illis  scilicet  que  sunt  expresse  in  eisdem 
investitnris,  quas  habemus  ab  ipsa  ecclesia  Tridentina,  et  idem  esse  de- 
beat,  si  eedem  domus  in  nostris  investituris  expresse  non  a  servis  nostris 
habitarentur,  sed  eas  contingeret  habitari  ab  hominibus  episcopatus  solis 
vel  simul  cum  servis  nostris,  quod  tunc  tales  homines  episcopatus  easdem 
domos  habitantes  esse  debeant  subditi  nostrum  de  Thono  non  tarnen  servi, 
et  hoc  quam  diu  easdem  domos  habitaverint;  et  econtra  similiter  idem 
servetur  in  nostris  servis  vel  alias  subditis  nostris  et  descendentibus  ex 
eis,  ut  efficiantur  subditi  episcopatus,  si  relictis  domibus  de  quibus  in 


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nostris  investitaris  contnlerint  so  habitatum  in  domibus  episcopalibns,  et 
excepta  illa  domo  de  Caldesio  dicta  Mayrhof  sive  del  Stabel,  que  debeat 
esse  exempta  hoc  modo,  qnod  intra  eam  sive  in  ea  per  viatores  offitii  epi- 
scopatus  nnlla  execntio  fieri  possit  in  negotiis  tantum  civilibns;  in  crimi- 
nalibns  vero  in  qnibus  poena  sangainis  imponenda  Yenit  nnlla  exemptione 
gandeat  nee  frnatnr.  Et  hec  exemptio  in  ciyilibns  procedat,  qnamdin 
dicta  domns  a  inribns  castri  Galdesii  non  faerit  separata.  Quantnm  yero 
est  de  ipsis  servis  in  inYestitnris  expressis  sive  de  familiis  in  eisdem  con- 
tentis  tam  presentibns  quam  bis,  qni  in  futurum  ex  eisdem  perpetuo  de- 
scendenty  in  hunc  modum  convenimus  et  transegimus,  quod  si  in  territorio 
episcopatus  nostri  deliquerint,  quod  esse  inielllgatur  ubicumque  locorum 
delinqnerint  extra  domos  per  ipsos  serros  habitatas,  et  tale  delictum  per- 
petrantes  propter  quod  privari  vita  mereantur,  tunc  capi  possint  sie  delin- 
quentes  ab  officialibus  episcopatus  nostri  et  puniri  ab  eisdem  ofBtialibus 
secundum  qualitatem  demeritorum  capitaliter,  nisi  per  nos  de  Thono  po- 
stulentur,  quo  casu  si  capti  fuerint  postulati  per  nos  infra  decem  dies  a 
captura  numerandas,  quod  nobis  tradi  debeant  pnniendi,  solutis  tarnen 
Omnibus  expensis  occasione  ipsius  captur§  secntis,  quod  si  eos  servos  pro 
demeritis  ipsorum  secundum  iura  et  statuta  Tridentina  non  puniverimus^ 
quod  eodem  casu  in  p^nam  negligentia  nostrae  iidem  seryi  possint  ab  ofQ- 
tialibus  episcopatus  puniri.  In  cseteris  autem  omnibus  casibus  criminali- 
bus,  pecuniariis  vel  corporalibus,  quod  nos  de  Thono  habeamns  in  dictos 
serros  et  peculia  ipsomm  potestatem  et  omnimodam  iurisdictionem,  cum 
hoc  tamen,  quod  si  nos  reqnisiti  neglexerimus  in  eisdem  casibus  iusticiam 
admin istrare,  quod  castigatio  contra tales  servos  de  delicto  convictosdumtaxat 
ad  offitiales  episcopatus  transferatnr  et  condemnationes  contra  eosdem 
servos  ferenda  sive  per  nos  de  Thono  sive  per  offitiales  episcopatus  in 
casu  negligentia  nostr^  executioni  mandari  possint  super  fructibus  peculii 
et  bonorum,  que  tunc  possidebunt  servi. 

Hoc  etiam  ultra  predicta  addito,  quod  in  futurum  subditi  episco- 
patus non  possint  alienare  vel  alio  quocnmque  titulo  oneroso  vel  lucrativo 
aliquid  stabile  in  ipsos  servos  et  descendentes  ex  eis  transferre  vel  con- 
ferre,  nisi  prefati  servi,  in  quos  bona  erunt  ab  hominibus  episcopatus  ali- 
quo  titnlo  universali  vel  particnlari  conferenda,  voluerint  eadem  acceptare 
cum  onere  solvendi  collectas  ordinarias  et  extraordinarias  cum  hominibus 
episcopatus  et  eadem  effectualiter  solvant  et  nos  cardinalis  antedictus 
et  snccessores  nostri,  qui  pro  tempore  erunt,  in  hninsmodi  alienationes 
supradictas  specialiter  consenserimus;  et  alioquin  si  contrafiat,  quod 
talia  bona  ipsis  servis  anfferantur  et  chamer§  episcopali  applicentur, 
quod  tamen  onus  solvendi  collectas  ut  supra  prefati  servi  non  possint 


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460 

velle  acceptard  nee  acceptent,  nisi  de  liceniia  et  consensu  nostrnm  de 
Thono;  sed  respectn  temporis  pr^teriti  et  pro  bonis  per  serros  acquisitis, 
si  pro  Ulis  bonis  contribuernnt  cam  hominibas  episcopatas,  qnod  etiam 
in  fatnmm  cum  iisdem  contribuant  sine  nlla  contradictione  nostrom  de 
Thono  et  snceessomm  nostronim.  De  qnibns  vero  non  contribuernnt,  nee 
in  fatnmm  ad  eadem  constringi  possint;  et  qnod  de  serris  pnniendis  dic- 
tum est,  etiam  cautum  intelligatur  de  hominibus  episcopatus  nostri, 
quando  delinquerent  in  domibus  serrorum  predictorum,  quod  tunc  tantum 
pnniantur  ab  ofQtialibus  episcopatus  nostri.  Domns  autem  servorum  et 
confinia  earum  ac  nomina  servorum  sint  et  esse  tantum  intelligantur,  si- 
cut  in  fine  presentis  instrumenti  subscribentur  facta  iustificatione  eomn- 
dem,  ad  quam  legitime  faciendam  nos  de  Tbono  terminum  habeamns  duo- 
rum  mensium,  et  simiiiter  confinia  Mayrhof  de  quo  supra  illa  sint  et  esse 
intelligantur,  que  in  dicto  termino  legitime  iustificaverimus  et  subscri- 
benda  nt  supra  presentayerimus.  Circa  vero  custodiam  festorum  predic- 
torum  quinque  couTenimus  et  transegimus  in  hunc  modum,  quod  nos  de 
Thono  eadem  per  in?estituram  recognoscamus  in  titulum  ab  ecclesia  Tri- 
dentina  instar  aliorum  que  iure  feudi  ab  eadem  recognoYimus,  et  pro  illo 
die,  quo  celebrabitur  festum,  in  loco  festi  ins  puniendi  et  delinquentes 
castigandi  in  festo  spectet  ad  nos  de  Thono,  ita  tamen  ut  in  exigendis 
poenis  statuta  civitatis  Tridentine  minime  excedamus,  ne  subditi  episco- 
patus graventur,  exceptis  semper  homicidiis,  quorum  punitio  sive  erit 
corporalis  sive  pecuniaria  spectet  pleno  iure  ad  offitiales  episcopatus  tarn 
in  futurum  quam  in  preteritum,  quin  etiam  proclamata  fienda  quanti- 
tates  poenarum,  de  quibus  in  ipsis  statutis,  non  excedant,  sed  ad  eadem 
redigantur.  Locus  autem  festi,  in  quo  iurisdictio  predicta  nobis  de  Thono 
competere  debet,  et  extra  quem  in  poenis  infligendis  iurisdictio  nosti'a 
episcopi  et  offitialium  nostrorum  est  et  esse  debet,  sit  et  esse  intelligatur, 
sicut  ex  fine  presentis  instrumenti  constabit  vel  in  ipsis  investituris  et 
recognitione  festorum  dedarabitur.  De  vulneribus  vero  inferendis  eo  casu, 
quo  Yulnera  sint  dubia  et  certitudo  non  habeatur,  quod  exinde  vel  mors 
timenda  vel  liberatio  et  evasio  sit  speranda,  quod  tunc  occasione  talium 
Yulnerum  processus  differatur  usque  ad  dies  quadraginta,  quibus  elapsis, 
si  mors  erit  secuta,  procedatur  secundum  presentis  transactionis  teuerem 
ab  offitialibus  episcopatus,  si  yero  vulneratus  evaserit  Tel  sit  spes  certa 
evasionis,  tunc  procedatur  per  nos  de  Thono.  Et  casu  quo  reliqua  festa 
in  yallibus  Annani^  et  Solls  in  futurum  generaliter  removeantur,  quod 
simiiiter  prefata  festa  nostrum  de  Thono  remota  penitus  esse  intelligan- 
tur.  Et  predicta  omnia  et  singula  nos  Bernardus  cardinalis  antedictus 
pro  nobis  et  successoribus  nostris  et  simiiiter  nos  prefati  de  Thono  pro 


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461 

nobis  et  reliqnis  absentibus  et  pro  successoribus  et  beredibas  nostris  pro- 
mittimas  tenore  presentium  habere  et  tenere  firma  grata  et  rata  et  aliqno  tem- 
pore contra  predicta  vel  aliqaodpredictorum  non  contrafacere  Tel  venire,  sed 
fideliter  obseryare  et  adimplere,  dolo  et  fraude  remotis.  In  quorom  omninm 
et  singolonun  confirmationem  et  approbationem,  nos  partes  snpranominatae 
aigilla  nostra  presentibns  litteris  appendi  fecimns.  Datum  Tridenti,  die 
sexta  mensis  noyembris,  anno  domini  millesimo  quingentesimo  trigesimo 
primo. 


Nachtrag. 

Die  ersten  drei  Bogen  dieses  Aufsatzes  waren  schon  ge- 
druckt, als  in  der  Zeitschrift  ,Tridentum',  Bd.  9^  eine  Arbeit  von 
Luigi  Simeoni:  I  comuni  di  Bondo,  Breguzzo  e  Bolbeno  nei  secoli 
XII  e  XIII  erschien^  die  ebenfalls  das  urkundliche  Material  des 
Domkapitelarchivs  in  Verona  benützt  hat.  Indes  hoffit  der  Ver- 
fasser,  daß  seine  Ausführungen  schon  wegen  der  Verschieden- 
heit des  Gesichtspunktes  auch  neben  der  fleißigen  Arbeit  von 
Simeoni  nicht  ohne  Wert  bleiben  werden.  Die  von  Simeoni 
auf  S.  338  n.  4  gedruckte  Urkunde  aus  der  Mitte  des  12.  Jahr- 
hunderts ist  dem  Verfasser  unbekannt  geblieben;  aus  ihr  erhellt 
in  Bestätigung  der  vom  Verfasser  S.  338  geäußerten  Vermutung^ 
daß  das  Amt  des  viilicus  (Gastalden)  älter  war  als  das  des 
Vizecomes.  Richterliche  Befugnisse  werden  ihm  damals  nicht 
zugestanden  haben,  wenigstens  ist  in  der  Urkunde  davon  keine 
Rede.  Neben  dem  viilicus  von  Breguzzo  und  Bondo  wird  dort 
ein  Dekan  ftlr  Zuclo  und  Bolbeno  erwähnt. 


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Inhalt 


Seite 
EinleituDg.     Immunität  und  Grundherrschaft  313.  —  Ziel  der  Arbeit    315 

I.  Die  Immunität  des  Domkapitels  von  Verona  in  Südtirol  316 
Besitzungen  des  Domkapitels  in  Südtirol  317.  —  Diplom  Be- 
rengars  I.,  Nr.  113,  317.  —  DO.  U,  Nr.  305,  319.  —  Folgende  Privi- 
legien 320.  —  Diplom  Berengars  Fälschung  und  Zweck  der  Fäl- 
schung 321.  —  Entwicklung  der  Immunität  323.  —  Gerichtsstand 
der  Immunitätsleute  324.  —  Bestimmungen  gegen  die  autonomen 
Bestrebungen  der  Gemeinden  325.  —  Immunitätsbezirk  in  Judi- 
karien  327.  —  Besitzverhältnisse  in  der  Immunität  328.  —  Lei- 
stung des  Treueides  durch  die  Immunitätsleute  330.  —  Steuerpflicht 
331.  —  Gastungspflicht  332.  —  Banngewalt  des  Kapitels  333.  — 
Umfang  der  Gerichtsbarkeit  des  Kapitels  334.  —  Fehlen  der  Yogtei 
335.  —  Gerichtsbarkeit  des  Erzpriesters  336.  —  Yizecomes,  Ga- 
stalde  338.  —  Verhältnis  zur  Grafiichaft,  Streit  mit  den  Bisclft$fen 
von  Trient  und  den  Herren  von  Gampo  341.  —  Ende  dieser  Im- 
munität 345. 

II.  Das  Hochstift  Trient 346 

Fehlen  von  Immunitätsurkunden  346.  —  Herrschaft  Gastel- 
laro 347.  —  Gastalden  und  Gastaldien  349.  —  Der  Gastalde  Wirt- 
schaftsbeamter 350.  —  Militärische  und  richterliche  Befugnisse  der 
Gastalden  3ö6.  —  Gastalden  in  Bozen  358.  —  Nonsberg  861.  — 
Verwendung  der  Wirtschaftsbeamten  als  Burghauptleute  und  Rich- 
ter 363.  —  Verschwinden  der  Gastalden  366.  —  Umfang  der  Ga- 
staldien 366.  —  Dekanien  und  Dekane  367.  —  Scaria  368.  — 
Villenverfassung  370.  —  Bedeutung  der  Vogtei  371.  —  Vogtei  in 
Italien  372.  —  Die  älteren  Vögte  von  Trient  373.  —  Die  Grafen 
von  Tirol  als  Vögte  375.  —  Befugnisse  der  Vögte,  Zustimmungs- 
recht 376.  —  Keine  militärischen  Befugnisse  des  Vogtes  878.  — 
Richterliche  Befugnisse   des  Vogtes  in  der  Grafschaft  Bozen  381. 

—  Gerichtsordnung  in  Trient  382.  —  Gerichtsstand  des  Adels  383. 

—  Lehenskurie  384.  —  Regalienrecht  386.  —  Regalienrecht  der 
Grafen  von  Tirol  im  Hochstifte  Trient  388.  —  Das  Regalienrecht 
und  die  Kompaktaten  391. 

ni.  Andere  geistliche  Immunitäten 894 

Au  394.  —  St.  Michel  an  der  Etsch  396.  —  Domkapitel  von 
Trient,  Gerichtsbarkeit  über  Geistliche  397.    —    Exemte  Gebiete 


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463 

S«ite 
397.  —  Sover  398.  —  Hohe  Gerichtsbarkeit  des  Kapitels  in  Sover, 
Sevignano  und  Montagna  399.  —  Grandherrliche  Gerichtsbarkeit, 
Ursprung  dieser  hohen  Gerichtsbarkeit  401. 

lY.  Die  grund- und  leibherrliche  Gerichtsbarkeit  ....  402 
Grund-  und  leibherrliche  Gerichtsbarkeit  402.  —  Nachweise 
dieser  Gerichtsbarkeit  403.  —  Ständeverhältnisse,  Bauern,  Rimanni 
406.  —  Unfreie,  macinata  407.  —  Ritterliche  Unfreie  (nobilis  ma- 
cinata)  410.  —  Umfang  der  leib-  und  grundherrlichen  Gerichts- 
barkeit 413.  —  Arimannen  in  Abh&ngigkeit  von  Feudalherren  414. 
—  Grundherrliche  Gerichtsbarkeit  über  zu  Leihe  ausgegebenen 
Grund  416.  —  Unfreie  Leihen;  Kommendation  Freier  416.  —-  Ge- 
richtsstand der  adeligen  Unfreien  419.  —  Leistungen  der  Bauern, 
Twing  und  Bann  420.  —  Spätere  Schicksale  der  grund-  und  leib- 
herrlichen Gerichtsbarkeit  Ihr  Verschwinden  in  den  bischöflichen 
Gerichten  424.  —  Zerstreute  Exemtionen  425.  —  Trümmer  der 
grund-  und  leibherrlichen  Gewalt  in  späterer  Zeit,  Verminderung 
der  Zahl  der  eigenen  Leute  427.  —  Bestreben,  die  Zahl  der  Höri- 
gen zu  yermehren  429.  —  Vertrag  mit  den  Thun  über  die  leib- 
und  g^ndherrliche  Gerichtsbarkeit  431.  —  Ausgang  432. 

Beilagen 434 


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VI. 

DAS  aEBIET 

ZWISCHEN  DER  TRAUN 
UND  DER  ENS. 

Von 

JULIUS  STRNADT. 

MIT  1  TAFEL  UND  1  KARTENSKIZZE  Di  TEXTE. 


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Vorwort. 


JDie  zweite  Abhandlung  zur  Sektion  Oberösterreich  des 
historischen  Atlas  der  österreichischen  Alpenländer  behandelt 
das  Qebiet  zwischen  der  Trann  and  der  Ens,  den  Tormaligen 
Trannkreis. 

Bei  den  engen  Beziehangen  dieses  Landstriches  zur  heu- 
tigen Steiermark  mußte  der  Versuch  unternommen  werden,  die 
längst  brennend  gewordene  Frage  nach  der  ursprünglichen 
Heimat  der  Otakare  und  nach  der  Kontinuität  ihrer  Verwaltung 
der  Kärntnermark  der  Lösung  zuzuführen.  Der  Verfasser  glaubt, 
nach  langem  Zuwarten  mit  dem  genügenden  Rüstzeuge  an  die 
schwierige  Untersuchung  herangetreten  zu  sein.  Dieselbe  nimmt 
den  breitesten  Raum  in  der  Abhandlung  ein;  diesesmal  war 
umständlichere  Polemik  nicht  zu  vermeiden,  sowohl  gegen  die 
vor  neun  Jahren  erschienene  Schrift  von  Krones  als  auch  gegen 
die  jüngste  Hypothese  Lampeis  über  die  Vergrößerung  der  Ost- 
mark im  Jahre  1156. 

Die  Ergebnisse  der  Untersuchung  ermöglichen  auch,  die 
Grafschaften  in  dem  behandelten  Gebiete  zu  bestimmen,  die 
Entstehung  der  Frenz-  und  Laussagrenze  und  die  Umwandlung 
der  Benennung  der  Kärntnermark  in  hoffentlich  befriedigender 
Weise  zu  erklären. 

Zur  Geschichte  der  späteren  Landgerichte  war  verhältnis- 
mäßig Weniges  nachzutragen,  dagegen  für  Unterbringung  der 
Grenzbeschreibungen  zu  sorgen,  wenn  nicht  die  Forschung  ge- 
nötigt sein  sollte,  immer  wieder  mit  Zeit-  und  Kostenaufwand 
an  die  Türen  der  Archive  zu  klopfen,  ohne  versichert  zu  sein, 
daß  selbe  sich  öffnen. 

Der  letzte  Abschnitt  über  die  Exemtionen  zeigt  das  bunt- 
scheckige Bild  der  £j*iminaljurisdiktion  in  einem  Landgerichts- 
bezirke im  letzten  Stadium  der  Patrimonialgerichtsbarkeit. 

Auch  die  vorliegende  Arbeit  hat  viele  verständnisvolle 
Förderung  genossen. 


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468 

Für  Gestattung  der  Archivbenützung  oder  Mitteilung  von 
Archivalien  gebührt  außer  den  im  Voijahre  genannten  Persön- 
lichkeiten, Behörden  und  Anstalten  besonderer  Dank  Sr.  Durch- 
laucht Johann  IL,  regierenden  Fürsten  von  Liechtenstein,  Her- 
zog zu  Jägerndorf,  Sr.  Exzellenz  Herrn  Michael  Freiherrn  von 
Käst  zu  Ebelsberg,  Minister  a.  D.,  Herrn  Ferdinand  &bgrafen 
von  Trautmansdorff,  Herrn  Ludwig  Grafen  von  Thürheim  zu 
Weinberg,  den  h.  Herren  Prälaten  Willibald  Hauthaler  von 
St.  Peter  zu  Salzburg,  Leander  Czemy  von  Kremsmünster 
und  Gerhard  Hasiroither  von  Schlierbach,  den  Direktionen 
des  Regierungsarchivs  zu  Salzburg  und  des  großherzoglich 
Badischen  Gesamtarchivs  zu  Karlsruhe,  den  landgräflich  Für- 
stenbergschen  und  gräflich  Lambergschen  Güterdirektionen  zn 
Weitra  und  Steyr,  der  Forst-  und  Domänendirektion  zu  Gmun- 
den,  den  Forst-  und  Domänenverwaltungen  zu  Ebensee,  Offen- 
see, Goisem,  Gosau  und  Spital  am  Pyhrn,  den  Salinen  Verwal- 
tungen zu  Ischl  und  Hallstatt,  den  Gemeindevorstehungen  von 
Steyr,  Ens  und  Bad  Hall,  dem  fürstlich  Auerspergschen  Guts- 
verwalter Herrn  Heinrich  Raab  zu  Losensteinleiten. 

Für  sachliche  Auskünfte  und  anderweitige  Unterstützung 
fühlt  sich  der  Verfasser  persönlich  zu  großem  Danke  verpflich- 
tet den  Herren  Universitätsprofessoren  Dr.  Harry  Breßlau  zu 
Straßburg,  Dr.  Hermann  Bloch  zu  Rostock,  Hofrat  Dr.  Anton 
Schönbach  zu  Graz  und  Dr.  Anton  Meli,  Landesarchivsdirektor 
zu  Graz,  Herrn  Landesarchivar  Dr.  August  Ritter  v.  Jaksch  zu 
Klagenfurt,  den  h.  Herren  Sebastian  Mayer,  Gymnasialdirektor 
zu  Kremsmünster,  J.  Friedrich  Koch  und  Gustav  Friedrich  No- 
v4k^  evang.  Pfarrern  zu  Gmunden  und  Gosau,  Herrn  Oberberg- 
verwalter Karl  Blaschke  zu  Hallstatt,  den  Herren  Dr.  Heinrich 
Stuchlik,  königl.  bayr.  Salinendirektor  zu  Traunstein,  Med.  Dr. 
Ferdinand  Krackowizer  in  Gmunden,  Professor  Dr.  Hans  Wid- 
mann in  Salzburg,  Landesgerichtsrat  E.  Schmiedel  in  Steyr, 
Dr.  Max  Vaacsa,  Kustos  am  n.-ö.  Landesarchiv,  Freiherrn  Oskar 
Mitis  am  Staatsarchive,  Dr.  Hans  Hirsch  in  Wien  und  seinem 
lieben  Landsmann  Dr.  Max  Doblinger,  Landesarchivsadjunkten 
zu  Graz. 


Graz,  am  31.  Oktober  1906. 


Julius  Stmadt. 

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L)er  Traungau  ist  jener  Landstrich,  ans  welchem  im  Laufe 
der  Zeiten  das  Land  ob  der  Ens  erwuchs,  er  war  der  ursprüng- 
liche Kern  desselben.  Wie  aus  den  zahlreichen  Landschen- 
kungen, welche  uns  durch  die  Archivalien  der  Hochstifter  Salz- 
burg, Passau  und  Freising  sowie  der  Klöster  St.  Emmeram 
und  Mondsee  überliefert  sind,  hervorgeht,  war  der  Gau  schon 
im  8.  Jahrhunderte  zum  größten  Teile  besiedeltes  Kulturland. 
Nur  von  Passau  herab  bis  an  die  Höhen  oberhalb  Aschach  be- 
gleitete noch  dichter  Forst  (der  eigentliche  Passauer  ,Hart*)  den 
Nordwald  jenseits  der  Donau;  der  Name  des  Pfarrdorfes  Hart- 
kirchen nächst  Aschach  ^  bezeichnet  die  vor  dem  ,Hart^  erbaute 
Kirche.  Noch  im  Jahre  776/777  war  ein  Höriger  mit  seiner 
Familie  der  einzige  Bewohner  des  unteren  Waldteiles,  in  wel- 
chem jedoch  schon  nach  einem  halben  Jahrhunderte  verschie- 
dene Kulturoasen  eingestreut  lagen.'  Derselbe  erlauchte  (illu- 
stris)  Machelm,  welcher  Eschenau  (Askituna)  der  Kirche  des 
heil.  Emmeram  übergab,  wird  es  gewesen  sein,  der  —  vielleicht 
gleichzeitig  mit  der  Schenkung  seines  Gutes  in  Poiasing  776' 
—  dem  Bistum  Freising  jenes  Stück  des  Keßlawaldes  zuwandte, 
auf  dessen  Boden  nachmals  die  Ortschaften  Geibing,  Gigering, 
Prag,  Ried,  Razing,  Altendorf,  Jetzingerdorf,  Wimetsdorf,  Lehen, 
Raizelsdorf,  Ranzensteinach,  Gschwendt,  Leiten,  Raffelsdorf, 
Kopfing,   Gözendorf,    Starzengrub,   Wolmansdorf,    Neukirchen, 


^  Nicht  idenÜBch  mit  jenem  Hartkirchen,   in  welchem  K.  Arnulf  c.  898 

dem  Kleriker  Kithard  NutzgenuB  verleiht  Mon.  Boic  XXXI  a,  154. 
'  Stmadt,  ,PeaerbachS  8.  88—89.    Als  solche  Orte  werden  im  Jahre  834 

genannt  Eschenau  und  Wesen  (Waldkirchen  am  Wesen).    B.  Pei  anec- 

dot.  thes.  noY.  I/m,  G.  244. 
*  Meichelbeck,  Hist  Frising.  1/2,  57,  Nr.  51 ;  Archiv  fUr  österr.  Geschichte 

XXXI,  Nr.  4. 


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470 

Praztrum,  Paulsdorf,  Feicht,  Kalberg,  Hantolföd,  Lenzenberg, 
Mitteröd,  Schneeberg  und  Freindorf  in  den  heutigen  Pfarren 
Münzkirchen,  St.  Roman  und  Kopfing  sich  erhoben  haben.  ^ 


^  Nach  dem  Notizbuche  Bischofs  Konrad  III.  von  Freising  (Fontes  rer. 
Austr.  II,  XXXYI,  66—67)  waren  diese  ,bona  sita  auf  dem  Ghezs- 
laerwalde*  an  den  Ritter  Pilgrim  von  Puchheim  verlehnt,  der  sie  im 
Jahre  1331  von  dem  gedachten  Bischof  in  Passau  zu  Lehen  empfing. 
Es  waren  folgende:  4  Lehen  in  Geibing  (Geubli),  1  in  Kigering  (Qug- 
ring),  2  in  Prag  (Praech),  3  in  Ried  (Ryed),  3  in  Ratzing  (Retzing), 
2  in  Altendorf  nächst  St  Roman,  4  in  Jetzingerdorf  (Vczingerdorf),  1  in 
Ranzenberg  (Raenczenperg),  2  in  Wienetsdorf  (Winhartstorf ),  2  in  Le- 
hen (Lochen),  1  in  Raitzelstorf  (Rayczeinsdorf ),  2  in  Brackenberg  (Pre- 
chenperg),  2  in  Stein  (Ranczenstainech),  1  in  Gschwendt  (Swent),  3  in 
Leiten,  2  in  Raffelsdorf  (Raffoltstorf),  3  in  Kopfing  (Ghophing),  2  in 
Götzendorf  (Gezendorf),  2  in  Starzengrub  (Sterzengrub),  1  in  Wolman- 
storf  (Wolmfttstorf ),  7  in  Neukirchendorf  (Nevnkirchen),  1  in  Pratztrum 
(Pratesdrum),  1  in  Paulsdorf  (Paeulstorf),  1  in  Feicht  (Vaeuht)  bei 
Hackendorf,  2  in  Kallberg  (Ghalperg),  2  in  Hantolföd,  2  an  dem  Leu- 
czenperg,  2  in  Mittered  (Mitteroed),  2  in  Schneberg,  1  in  Freundorf. 
Sie  kamen  mit  der  Herrschaft  Puchheim,  als  Herzog  Albrecht  U.  selbe 
1348,  15.  Oktober  (O.-ö.  U.-B.  VH,  74)  gegen  die  Festen  Litschau  und 
Heidenreichstein  von  Albrecht  von  Puchheim  eintauschte,  an  die  öster- 
reichischen Landesfttrsten  und  von  diesen  1462  (am  Erchtag  U.  L.  f. 
Schiedung)  mit  der  Herrschaft  Puchheim  durch  Kauf  an  den  Ritter  Ul- 
rich Röhlinger.  Nach  einer  in  einem  Yidimus  erhaltenen  Urkunde  vom 
28.  Juli  1477  (im  Archive  zu  St.  Martin  a.  d.  Antiesen)  verkaufte  letz- 
terer dieselben  (den  Amthof  und  die  Amtmannswiese  zu  Präckenperg, 
2  Güter  in  Raytzeinstorff,  eine  Wiese  in  der  Zwischlau,  2  Güter  zu 
Schwendt,  4  Zum  Rantzen,  1  zu  Freyndorf,  1  zu  Gugring,  4  zu  Rftt- 
zing,  5  zu  Grossenpeyperg,  3  zu  Kallperg,  2  zu  Veicht,  die  Wiese  zu 
Teuflau,  2  Güter  zu  Protstrum,  1  zu  Wolmanstorf,  7  zu  Neunkirchen, 
2  zu  Getzendorf,  4  zu  Kopfingerdorf,  3  zu  Leyten,  2  zu  Raflasdorf,  1  zu 
Grub,  2  Vogtgüter  zu  Gugring  [Gigering  s.  von  Kopfing]  und  Land- 
hartzperg  [Landertsberg,  Pf.  Enzenkirchen],  den  Amansperg,  den  Wald 
genannt  die  Gemain,  alles  freies  Eigen  und  gelegen  in  den  Pfarren 
Münzkirchen  [St.  Roman],  Kopfing  und  Enzenkirchen  in  der  Herrschaft 
Schärding,  so  wie  er  es  [um  14753  ungar.  Goldgulden]  vom  Hause  Oster- 
reich erkauft  hat)  seinem  lieben  Freunde  dem  Ritter  Hansen  Pirchin- 
ger  zu  Sigharting.  Das  Dominium  Sigharting  bildete  hieraus  sein  Wald- 
amt, welches  bis  1850  bestand;  einzelne  Stücke  dürften  auch  zum 
Schlosse  Viechtenstein  und  dem  Kloster  Formbach  hindangegeben  wor- 
den sein.  Wie  später  bei  den  Bambergischen  Lehen  zu  beobachten 
sein  wird,  ist  die  Freisingsche  Leheneigenschaft  dieses  Besitzes 
während  der  Inhabung  durch  die  österreichischen  Herzog^  verloren 
gegangen,  welche  die  Güter  als  Bestandteil  von  Puchheim  fttr  freies 
Eigen  veräußerten. 


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471 

Die  Waldtäler  im  Südosten  waren  nur  spärlich  von  Sla- 
wen bevölkert  *  und  bajuwarische  Ansiedler  drangen  erst  rascher 
vor,  als  Herzog  Tassilo  hauptsächlich  zum  Zwecke  der  Christia- 
nisierung   und    Germanisierung    der   Wenden*  im  Jahre  777 


^  Strnadt,  Geburt  des  Landes  ob  der  Ena,  S.  16—20. 

'  Diese  von  mir  im  sogenannten  Kronprinzenwerke  (^Österreich  in  Wort 
und  Bild*,  Sektion  Oberösterreich  ,Zur  Geschichte  Oberösterreichs*)  be- 
tonte Auffassung  teilt  auch  M.  Fastlinger  in  seiner  Schrift  über  die  wirt- 
schaftliche Bedeutung  der  bayrischen  Klöster  in  der  Zeit  der  Agilul- 
finger  (in  ,Studien  und  Darstellungen  aus  dem  Gebiete  der  Geschichte*, 
im  Auftrage  der  Görres-Gesellschaft  herausgegeben  von  H.  Grauert, 
Bd.  II,  S.  128).  Doch  sind  in  dem  Abschnitte  ,Kremsmttnster  ein  Grenz- 
kloster g^gen  die  Ensslawen*  verschiedene  Irrungen  richtigzustellen.  Für 
die  größere  Saline  ,Hallstatt*  konnte  Tassilo  nicht  einen  besonderen 
Pfanneuknecht  hinzufügen,  weil  der  Salzberg  von  Hallstatt  erst  unter 
Albrocht  I.  eröffnet  wurde  (s.  S.  478).  Die  Rotel  bei  Ottensheim  heißt 
nicht  Rötel.  Der  Satz  (S.  129):  ,Dort  (am  Sipbach)  verkündet  die  für 
die  Mark  eines  alten  Klosters  so  charakteristische  Ortschaft  Heiligen- 
kreuz noch  heute  den  Platz,  wo  Abt  Fater,  das  erste  Klosterkreuz  auf- 
richtend, von  Mark  und  Münster  an  der  Krems  Besitz  ergriff,*  ist  eine 
phantasievolle,  aber  mit  den  Tatsachen  nicht  im  Einklang  stehende 
Phrase;  denn  die  Ortschaft  Heiligenkreuz  ist  keineswegs  alten  Ursprungs, 
da  die  Kirche  erst  1687  erbaut  wurde  (Rolleder,  Heimatkunde  von  Steyr, 
S.  237),  womach  erst  die  nächstgelegenen  Einschichten  der  Ortschaften 
Imdorf  und  Mairdorf  unter  dem  Begriffe  Heiligenkreuz  zusammengefaßt 
wurden.  Fastlinger  wandelt  überhaupt,  wenn  auch  mit  Geschick  und 
wissenschaftlicher  Schulung,  in  den  Geleisen  Alois  Hubers  (,Einf(ihrung 
des  Christentums  im  südöstlichen  Deutschland*),  dessen  künstliches  (ein 
namhafter  Historiker  sagte:  verrücktes),  aber  der  Nachprüfung  nicht 
standhaltendes  System  der  Zellen  und  Missionsbezirke  er  erneuert  hat 
und  in  sicherem  Ausdruck  und  in  gehobener  Sprache,  die  ihre  Wirkung 
auf  Uneingeweihte  oder  der  Sache  Femerstehende  nicht  verfehlt,  aus 
schwanken  oder  gar  nicht  ftindierten  Voraussetzungen  die  gewagtesten 
Schlüsse  zieht.  Es  genügt,  einiges  herauszugreifen.  Daß  ihm  Gunskir- 
chen  Günzkirchen,  Schwans  Schwansee  ist,  mag  seine  Unbekanntheit 
mit  der  oberösterreichischen  Topographie  entschuldigen.  Der  Ausdruck 
4m  Hademmarkt*  bei  Kloster  Raitenhaslach  (S.  89)  zeigt,  daß  ihm  die 
Bedeutung  dieses  Wortes  (Haderichesmark)  verborgen  blieb.  Die  un- 
echte Urkunde  betreffend  Rab  und  Zell  (Oberösterreichisches  Urkun- 
denbuch  II,  60)  verwendet  er  unbedenklich  für  sein  System.  Daß  In- 
Eell  oberhalb  Aschach  eine  Zelle  des  Klosters  St.  Emmeram  war,  steht 
ftir  ihn  trotz  dem  Mangel  aller  älteren  Nachrichten  fest.  Nach  dem 
Vorgange  von  Huber -Vogl  weiß  Fastlinger  von  der  Abtei  Traunsee,  die 
durch  eine  einzige  Urkunde  von  909  bezeugt  ist,  S.  184  eine  große 
Kolonisationstätigkeit  zu  berichten  und  behauptet  schlankweg,  daß  der 
von    ihm  konstruierte  Frauenkonvent  den  Männerkonvent  Überdauert 

ArchiT.  9i.  Band,  II.  H&lfte.  32 


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472 

das  Benediktinerkloster  Kremsmünster  in  geringer  Entfernung 
von  den  Orenzen  Karantaniens  gegründet  hatte. 

Vor  dem  allzu  frühen  Zerfalle,  wie  sich  derselbe  in  den 
westlichen  Gauen  kundgibt,  wurde  der  Traungau  dadurch  be- 
wahrt, daß  seine  Verwaltung  den  östlichen  Markgrafen  über- 
tragen war.  Von  976  an  *  hatte  ihn  der  letzte  derselben,  Aribo, 
inne;  noch  903,  26.  September*  bezeichnet  K.  Ludwig  das  Tal 


und  in  beschränktem  Umfange  die  Aufgabe  des  Vollklosters  fortgesetzt 
habe;  von  der  verdienstlichen  Monographie  Frieß*  scheint  er  keine 
Kenntnis  zu  haben,  wenigstens  zitiert  er  sie  nicht.  Aus  der  Nennung 
eines  Bischöfe  Audachar  in  einer  Urkunde  von  831  zugunsten  des  Frei- 
singer Bischofklosters  weiß  er  sofort,  daß  derselbe  dem  Adelsgeschlechte 
der  Fagana  angehörte;  indem  er  ihn  mit  dem  Chorbischof  Otkar  iden- 
tifiziert, kann  er  ihm  Passau  als  Bischo&itz  anweisen.  Die  so  lange 
strittige  Frage,  welchem  Wirkungskreise  die  episcopi  vocati  Erchanfrid 
und  Otkar  angehörten,  löst  er  mit  wunderbarer  Leichtigkeit  von  dem 
Standpunkte  aus,  daß  sie  nicht  etwa  für  die  Lorcher  Kirche,  sondern 
fUr  das  Bischofkloster  St.  Stephan  in  Passau  Schenkungen  entgegenneh- 
men (S.  127);  daß  schon  vorher  in  der  Archival.  Zeitschrift  und  im 
Neuen  Archiv  dieser  Gegenstand  absolviert  wurde,  übergeht  er  mit  Still- 
schweigen. Die  Behauptung  B.  Sepps,  das  Kloster  St.  Florian  müsse  aus 
dem  Grunde,  weil  Karl  der  Große  sich  in  Bayern  mit  Klosterstiftungen 
nicht  abgab  (S.  125),  eine  agilulfing^sche  Stiftung  sein,  nimmt  er  bereit- 
willig an;  selbstverständlich  ist  ihm  die  kürzere  Fassung  der  angeb- 
lichen Urkunde  Ludwigs  des  Frommen  vom  Jahre  823  auf  Grundlage 
der  zitierten  Schrift  Sepps  ,Über  das  Alter  des  Florianskultus*  vollstän- 
dig beweiskräftig.  Die  späte  Entstehung  der  passio  s.  Floriani  gibt  er 
zu,  sucht  sie  jedoch  ohne  irgendwelche  Belege  anf  eine  Translation 
der  Reliquien  zurückzuführen.  Den  Sagen  räumt  er  breitesten  Spiel- 
raum ein.  Auf  diese  Weise  gelangt  er  dann  allerdings  zu  dem  ge- 
wünschten Schlüsse:  ,Ja,  man  kann  mit  Recht  sagen:  der  Geist  der 
Benediktusregel  hatte  das  Angesicht  der  bajuwarischen  Erde  erneuert!* 
Das  Buch  enthält  manche  gute,  aber  einseitig  benützte  Anregung;  eine 
wirklich  historische  Arbeit  ist  es  aber  nicht.  Deshalb  darf  es  der  un- 
voreingenommene Forscher  in  einzelnen  Fällen  nur  mit  großer  Vorsicht 
zu  Rate  ziehen. 

*  Mon.  Boic.  XXVnia,  61. 

'  Jaksch,  Monum.  bist.  duc.  Garinthie  I,  49,  Nr.  6.  Von  den  genannten 
drei  Ortlichkeiten  Starcholvesdorf,  Adalpoldesdorf  und  Wichartesdorf 
kann  nur  die  letztere  (Ober-  und  Unter -Weigerstorfergut  bei  Schlier- 
bach) bestimmt  werden.  Die  Ortlichkeiten  kommen  noch  vor  in  der 
Bestätigung  des  Gesamtbesitzes  der  Kirche  Gurk  durch  K.  Lothar  IISO, 
18.  Oktober  (a.  a.  O.  94),  aber  nicht  mehr  in  jener  durch  K.  Ohnnrad 
1140,  1.  Mai  (a.  a.  O.  128).     Sie   wurden  jedenfalls  in  der  Zwischenzeit 


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473 

Ouliupespurch  (um  Kirchdorf)  als  einen  Bestandteil  seines  Ko- 
initates;  909,  19.  Februar  wird  ihm  (comiti  Arbo,  die  Ostmark 
war  nach  der  Niederlage  von  907  verloren  gegangen)  und  dem 
Erzbischof  Pilgrim  von  Salzburg  auf  Lebenszeit  die  königliche 
Abtei  Traunsee  als  Präbende  verliehen. 

Nach  dem  Tode  AriboS;  dessen  Zeitpunkt  nicht  bekannt 
ist,  muß  sich  die  Auflösung  der  Gauverfassung  auch  in  unse- 
rem Gau  vollzogen  haben;  denn  aus  einer  complacitatio  im 
salzburgischen  Kodex  Odalberti  vom  Jahre  930^  ersehen  wir, 
daß  die  Gelände  des  Filsbaches  unweit  Breitenau  ,in  comitatu 
Meginhardi'  lagen.  Es  läßt  sich  darüber  streiten,  ob  sich  seine 
Amtswirksamkeit  noch  über  den  ganzen  Gau  erstreckte  oder 
bereits  die  eine  Komitatsbildung  im  Traungau  anzunehmen  ist. 
Nach  den  Vorgängen  in  den  anstoßenden  bayrischen  Gauen  aber 
ist  der  erstere  Fall  kaum  zu  begründen. 

Die  Grenzen  des  alten  Traungaus  sind  zuerst  in  ,Peuer' 
bach',  S.  51 — 58  festgestellt,  in  der  ,Geburt  des  Landes  ob  der 
Ens',  S.  42  ff.  durch  Zuweisung  des  unteren  Ens-  sowie  des 
Molnertales  an  den  Enstalgau  berichtigt  und  in  den  ,Erläute- 
rungen'  zur  Sektion  Oberösterreich  des  historischen  Atlas  der 
österreichischen  Alpenländer  hinsichtlich  der  Markungen  gegen 
den  Atergau  vervollständigt  worden,  daher  zur  Vermeidung 
von  Wiederholungen   auf  diese   Erörterungen   verwiesen  wird. 

Auch  für  das  sogenannte  Salzkammergut,  das  noch  in 
,Geburt  des  Landes  ob  der  Ens^  herrenlos  gelassen  werden 
mußte,  ist  nunmehr  der  Herr  gefunden  worden,  nämlich  jener 
Graf  Rapoto,  auf  welchen  die  von  König  Otto  II.  im  Jahre 
977*  dem  Erzbischof  Friedrich  erteilte  Bestätigung  des  Salz- 
burgischen Besitzes  Bezug  nimmt:  ,de  rivolo  Erilipach  usque 
ad  acutum  montem,  qui  Diutisce  vocatur  Wassinperch  prope 
Iscalam  in  illo  loco,  ubi  terminus  foresti  Rapotonis  comitis  se 
de  isto  disjungit.' 

Dieser  Wassenberg  ist  als  der  vorspringendste  Berg  in 
dem  schroffen  großen  Sparber  südlich  von  Strobl  am  Abersee 
umsomehr  zu  erkennen,    als   A.  Prinzinger  (senior)  am  Fuße 


an  Bamberg  abgegeben,    da  Weigersdorf  im  Jahre  1315  als  bambergi- 
sches Baaemlehen  bezeichnet  ist;  s.  S.  495,  Anm.  3. 

^  Salsborgisches  Urkundenbuch  I,  99. 

>  Mon.  Germ.  Dipl.  0. 11»  165.  Richter,  »Immunität,  Landeshoheit  und  Wald- 
schenkungen* im  Archiv  für  österr.  Gesch.  XC£V,  41. 

32* 


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474 

desselben  ein  Wassengut  ^  aufgefunden  hat  und  auch  der  Wei- 
ßenbach an  der  Ostseite  des  Berges  zweifellos  ursprünglich  den 
Namen  Wassenbach  geführt  haben  wird.*  Allerdings  wird  hier 
nur  von  dem  anstoßenden  Forste  des  Grafen  Rapoto  gesprochen, 
aber  es  ist  doch  an  die  Komitatsgrenze  zu  denken,  da  ja  der 
Privatbesitz  der  Grafen  im  eigenen  Eomitate  gewöhnlich  der 
überwiegende  war  und  zur  Übertragung  des  Grafenamtes  oder 
Gerichtslehens  geführt  hat,  in  diesem  Falle  aber  für  diese  An- 
nahme noch  zwei  andere,  meines  Erachtens  entscheidende  Um- 
stände eintreten:  der  eine,  daß  wir  in  der  Eönigsurkunde  von 
1006,  T.Dezember,'  vermöge  welcher  König  Heinrich  V.der  Kir- 
che Salzburg  das  predium  Slierbach  in  pago  Ovliupestale  verlieh, 
einen  Grafen  Rapoto  finden,  in  welchem  wir  bei  dem  geringen 
zeitlichen  Abstände  den  Rapoto  von  979  erblicken  dürfen,  und 
der  andere,  daß  —  wie  im  weiteren  Verlaufe  der  Abhandlung 
nachgewiesen  werden  wird  —  das  noch  ungeteilte  große  Land- 
gericht der  Herren  von  Ort  noch  in  der  ersten  Hälfte  des 
13.  Jahrhunderts  das  Tal  von  Kirchdorf  umfaßte  und  demnach 
die  alten  Landgerichte  Schlierbach  und  Ort  ausfüllte. 

Es  dürfte  daher  wohl  kaum  zweifelhaft  sein,  daß  im  ehe- 
maligen  Traungau  in  der  zweiten  Hälfte  des  10.  Jahrhunderts 
zwei  räumlich  ausgedehnte  Grafschaften  vorhanden 
waren. 

Die  eine  ist  jene  der  Arnolde,  welche  ihren  Sitz  auf  der 
Burg  zu  Lambach  über  der  Traun  aufgeschlagen  hatten.  Nach 
unbedenklichen  Urkunden*  und  dem  Verzeichnisse  der  an  die 


*  ,Gut  am  Holz  oder  Hinterholz,  auch  Waasengut*  im  alten  Grundbache 
St.  Peter,  f.  30,  als  Nummer  78  zur  Ortschaft  Strobl  gehörig. 

'  Erfahrungsgemäß  wandelte  sich  in  Ortsnamen  das  a  in  ei  oder  ai.  YgL 
die  Orte  Wasgram  =  Weißg^äben  und  Wasegriming  =  Waizgreiming. 

'  Mon.  Qetm.  Dipl.  O.  IH,  148.  Zu  dem  praedium  gehörte  als  Hofmark 
der  heutige  Markt  Kirchdorf. 

*  1103,  23.  April  und  1160  (Oberösterreichisches  Urkundenbuch  II,  124, 
306),  1207  (a.  a.  O.  609),  dann  notitia  (im  Urkundenbuch  von  Krems- 
mtinster  27,  Nr.  18)  zwischen  991  und  1012  Imming  und  Stroheim, 
Schwaig,  Bergheim,  Dorf,  Schergendorf,  Schüzing,  Harrem,  Glazing  in 
der  Richtung  Schwanenstadt,  Tann,  Warnung,  Rehberg  am  Aiterbach, 
in  der  Grünau  der  Wald  gegen  die  Steyrling,  der  Almsee,  der  Kasberg, 
Sizenheim,  Egenstein,  Pf.  Petenbach,  Teurwang  bei  Vorchdorf^  die  Wäl- 
der an  der  Quelle  des  Sipbaches  und  zwischen  Leombach  und  Sipbach- 
Zell,   dann  Pichl.     Die  Au&chreibung  im  Cod.  Frideric.  f.  77*  ist  jeden- 


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475 

Kirche  Wirzburg  gediehenen  Güter  im  Otakarischen  Urbare* 
lag  ihr  Gut  im  Hausmckviertel  um  Lambach  hinauf  gegen 
Schwanenstadt  nnd  Azbach,  gegen  Grieskirchen  nnd  Pichl,  im 
Traanviertel  bis  an  das  Ufer  der  Krems  und  darüber  hinaus 
in  das  Steyrtal  (Kniewas  und  Gschwendt  in  der  Pfarre  Pan- 
kraz)  und  in  der  Ramsau  (Pfarre  Moln)  am  östlichen  Ufer  der 
Steyr;  die  letztgenannten  erscheinen  bereits  im  Beginne  des 
14.  Jahrhunderts  der  Herrschaft  Steyr  zugewiesen,*  bezüglich 
ihrer  sowie  der  Umgebung  von  Kerbach  ist  die  detaillierte  Auf- 
zählung unterlassen.  Die  ehemals  Wirzburgschen  Güter  wur- 
den schon  von  Pfemysl  Otakar'  in  dem  Komplex  der  sogenann- 
ten Burg  vogtei  Wels  [bis  1652  ein  beliebtes  landesfürstliches 
Pfandobjekt]  zusammengefaßt/ 

Man  sieht,  daß  der  Anteil  des  Bischofs  Adalbero  an  dem 
Stammgute  des  Hauses  ziemlich  das  Zentrum  desselben  ein- 
nahm, ohne  jedoch  einen  geschlossenen  Bezirk  zu  bilden;  auch 
der  Flecken  Wels  gehörte  dazu. 

Die  zweite  Grafschaft  war  jene  Rapotos,  von  welcher 
der  heutige  Gerichtsbezirk  Ischl  mit  Ausschluß  von  St.  Wolf- 
gang —  das  zum  Mondseelande  gehörte  —  und  des 

C^osantales 


falls  die  ursprüngliche,  nach  welcher  das  Diplom  (Oberösterreichisches 
Urknndenbach  U,  69) 'mit  eingeschalteten  genaaen  Grenzbeschreibungen, 
wie  es  auf  der  Königsnrkunde  für  Lambach  1061,  18.  Februar  kopiert 
ist,  angefertigt  wurde. 

*  Dopsch,  Die  1.  f.  Urbare  Nieder-  und  Oberösterreichs  aus  dem  18.  und 
U.Jahrhunderte  S.  211—223. 

»  Dopsch,  a.  a.  O.  305—310. 

*  Hermann  Vogt  von  Wels  erscheint  schon  1260/1261.  8.  die  Urkunde 
wegen  des  Gosachwaldes  S.  474,  A.  3. 

*  Die  BurgYOgtei  Wels  war  nach  den  Urbaren  im  Hofkammerarchive 
W  17,  18,  19  —  das  Originalurbar  ddo.  28.  Mai  1614  im  fürstlich  Auers- 
pergschen  Archive  zu  Losensteinleiten  war  nicht  erreichbar  —  in  sechs 
Ämter  geteilt,  von  welchen  vier  (Straß,  Eberstalzell,  Harmanstorf  und 
Jägeramt)  östUch,  zwei  (Kerbach  und  Piesing)  westlich  der  Traun  ge- 
legen waren.  Zum  Amte  Kerbach  gehörten  die  Holden  und  sogenann- 
ten ,Herzogische  Aigne  Güter*  [diese  dienten  nicht,  reichten  nur  Steuer, 
Anlait  und  Ablait  und  roboteten]  in  den  Pfarren  Kalham,  Pöting,  Tauf- 
kirchen, Grieskirchen,  Michelnbach,  St.  Marienkirchen,  Krenglbach,  Pichl, 
Weibern,  Aichkirchen,  Niedertalheim,  Gaspoldshofen,  Hag,  Pram  und 
Wendung;  zum  Amte  Piesing  jene  in  den  Pfarren  Schwans,  Azbach, 
Regau,  Olstorf  und  Altmünster. 


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476 

ein  Bestandteil  war.  Über  die  Zugehörigkeit  des  letzteren  zum 
Erzstifte  Salzburg  während  des  ganzen  Mittelalters  wurden 
die  urkundlichen  Nachweise  schon  in  den  Erläuterungen  bei- 
gebracht; dieselben  können  nach  einer  neu  hervorgekommenen 
Urkunde  noch  vervollständigt  werden. 

In  dem  Gabbriefe  vom  5.  April  1231*  beschreibt  Erz- 
bischof Eberhard  II.  die  Markungen  des  Waldes  im  folgenden: 
^Termini  silvae  sunt  in  longum  a  Gosaerse  usque  ad  locum  qui 
dicitur  hirzuurt  in  utroque  latere  fluminis  gosah.  Termini  in 
latum  a  cacumine  montis  heidekke  usque  ad  limites  ducis  Sti- 
riae  et  usque  ad  montem  ubi  oritur  torrens  riezze  et  decurrit 
in  gurgites  fluvii  gosah  qui  gurges  dicitur  hirzuurt/'  Die  Schen- 
kung wurde  auch  vollzogen,  das  Kloster  St.  Peter  gelangte  in 
den  wirklichen  Besitz  des  großen  Forstes  Zeuge  einer  nicht 
datierten  Urkunde  Königs  Premysl  Otakar  ,herrn  des  kunig- 
reiches  ze  Behaim,  herczog  ze  Osterreich  und  ze  Steyr,  marg- 
graf  ze  Merchen',  mittels  welcher  er  dem  Hermann  Vogt  von 
Wels  und  Heinrich  dem  Salzamtmann  [zu  Gmunden]  verkün- 
det, daß  er  dem  Kloster  ,zu  sand  Peter  ze  Salczburg  an  vogtey 
stat  vor  sein*  wolle,  und  ihnen  befiehlt,  daß  sie  sich  als  ,ver- 
hoerer  und  beschirmer  an  dem  wald  genant  Gosa*  erzeigen 
und  nicht  anders  tun  sollen  als  ,nach  dem  als  die  hantvest  des 
abptes  zu  sand  Peter  gezeugent  und  aufweisent'.* 

Hiernach  hat  König  Otakar  auf  Anrufen  des  Klosters  die 
Vogtei  über  dasselbe  übernommen.  Es  fragt  sich,  zu  welcher 
Zeit?  Hierüber  läßt  sich  aus  der  Titulatur  des  Königs  und 
den  Zeitverhältnissen  genügende  Auskunft  erholen. 

^  Zwei  Ausfertigungen,  wovon  eine  erweiterte  zugunsten  der  Mutterkirche 
Abtenau  mit  dem  Beisatze:  ,Nobilis  autem  quidam  Karolus  nomine 
(wohl  Yon  Gutrat)  donationem  nostram  impedire  cupiens,  dicebat,  se 
eandem  silvam  a  nobis  in  feudum,  reconpensationem  ei  faceremus.  Post- 
modum  in  usus  saniori  consilio  pure  sine  omni  condicione  nobis  libere 
resignavit*,  sowie  im  Chartular  Bl.  29,  Nr.  49,  dann  8.  30,  Nr.  60  und 
S.  37,  Nr.  66  im  Stiftsarchive  St  Peter  in  Salzburg. 

'  Die  klare  Bestimmung  der  Weltgegenden  (in  longum  südwärts,  in  la- 
tum von  Westen  nach  Osten)  wurde  der  alten  Anschauung  zuliebe 
ebenso  angefochten  wie  die  westliche  Lage  der  Karintscheide. 

'  Die  Urkunde  ist  nur  in  einer  ungefügen  Übersetzung  des  15.  Jahrhun- 
derts —  der  Ausdruck  ,Salzamtmann*  ist  in  ,Salzmarer*  verändert  — 
in  den  Salzburger  Kammerbüchern  III,  Nr.  213  überliefert.  Abdruck  in 
den  Mitteilungen  der  Gesellschaft  für  Landeskunde  in  Salzburg  1906, 
S.  432—433. 


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477 

Otakar  nannte-  sich  seit  dem  Tode  seines  Vaters  König 
Wenzel  (22.  September  1253)  bis  zu  seiner  Krönung  am  25.  De- 
zember 1261  ^dominus  regni  Bohemiae^*  dux  Stiriae  zuletzt  am 
1.  Mai  1254  (Steiermärkisches  Urkundenbnch  III,  211),  dann 
erst  wieder  am  24.  Mai  1260  (a.  a.  O.  384).  Die  Urkunde  kann 
daher  nur  in  einen  der  beiden  Zeiträume  vom  23.  September 
1253  bis  Mai  1254  und  vom  Mai  1260  bis  25.  Dezember  1261 
fallen. 

In  der  ersteren  Periode  war  für  den  Abt  von  St.  Peter, 
der  zu  den  beharrlichsten  Anhängern  des  Erwählten  von  Salz- 
burg gehörte,^  kein  Anlaß  gegeben,  sich  an  einen  auswärtigen 
Fürsten  um  Hilfe  zu  wenden:  anders  lagen  die  Verhältnisse 
im  zweiten  Zeiträume,  in  welchem  der  Kirchenstreit  zwischen 
Philipp  und  Ulrich  wütete  und  letzterer  für  kurze  Zeit  die 
Oberhand  erhielt.  Da  mochte  der  Abt,  gegen  den  Kirchen- 
zensuren angedroht  waren,  für  den  Besitz  seines  Klosters  be- 
sorgt werden. 

Beiläufig  läßt  sich  auch  vermuten,  wann  St.  Peter  diesen 
Besitz  zugunsten  des  Erzstiftes  wieder  aufgegeben  hat.  Der 
Wald  kommt  selbstverständlich  nicht  in  dem  ältesten  Urbar 
des  Klosters  vor,  weil  dasselbe  schon  zwischen  den  Jahren 
1215  und  1234  angelegt  worden  war,  aber  auch  in  dem  Zweit- 
ältesten ,Custodia^  von  1374  erscheint  im  officium  Aptenaw 
keinerlei  Beziehung  auf  Forst  oder  Tal  von  Gosau.*  Qosau  fiel 
daher  schon  früher  an  das  Erzstift  zurück,  welches  das  Tal  nach 
den  Erfahrungen,  die  es  in  der  Fehde  mit  Herzog  Albrecht  I. 
gemacht  hatte,  gerne  in  eigener  Hand  behalten  haben  wird. 

Der  Zeitpunkt,  in  welchem  Gosau  endlich  an  Osterreich 
gelangte  und  mit  dem  Ischllande  vereinigt  wurde,  ftlUt  ziemlich 
zweifellos  in  die  Regierungsperiode  des  Erzbischofs  Friedrich  V. 
(20.  Dezember  1489  bis  4.  Oktober  1494).  Dieser,  aus  dem 
Hause  der  Grafen  von  Schaunberg,  ein  ungelehrter,  nur  sinn- 
lichen Vergnügungen  ergebener  Herr,'  konnte  von  Kaiser  Fried- 
rich III.  die  Belehnung  nicht  erhalten,  weil  von  Friedrich  der 


•  Lorenz,  ,Ottokar  II.  von  Böhmen  und  das  Erzbistum  Salzburg  1246— 
1260*  im  Archiv  für  österr.  Gesch.  XXXIII,  607. 

•  Die  beiden  Urbare  im  Stiftsarchive  St.  Peter  tragen  die  Signaturen  ad 
Gistam  Q  Lib.  2  Urb.  alt,  11  Sa  neu,  dann  ad  Cistam  G  VU  alt,  II 
3  f  neu. 

•  Zauner,  Geschichte  der  Erzbischöfe  von  Salzburg  IV,  216—229. 


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478 

erzbischöfliche  Stuhl  bereits  dem  Bischof  Siegmund  von  Fünf- 
kirchen verheißen  war,  wenn  durch  dessen  Bemühung  die  Wahl 
König  Maximilians  zum  König  von  Ungarn  zustande  käme. 
Dieser  Oewinn  schien  natürlich  dem  Kaiser  ein  höherer  als  der- 
jenige, welchen  ihm  Friedrich  (V.)  und  dessen  Bruder  Graf 
Georg  von  Schaunberg  schon  vier  Tage  vor  dem  Ableben  des 
Erzbischofs  Johann  III.  (Beckenslaher)  in  Aussicht  gestellt  hat- 
ten. Mit  Revers  vom  11.  Dezember  1489^  hatten  sie  sich  näm- 
lich für  den  Fall,  als  Friedrich  durch  die  ihm  zugesagte  kaiser- 
liche Unterstützung  auf  den  erzbischöflichen  Stuhl  erhoben  wer- 
den würde,  verpflichtet,  jene  Städte  und  Schlösser,  welche 
Erzbischof  Johann  vom  Kaiser  pfandweise  innehabe,  demselben 
ohne  Berichtigung  der  Pfandsumme  zurückzustellen  und  auf 
Rückzahlung  aller  anderweitigen  Darlehen  zu  verzichten;  sie 
versprachen  weiters  dem  Kaiser  26.000  ungarische  Goldgulden 
in  vier  Jahresraten  zu  entrichten  oder  auf  Wunsch  die  um 
diesen  Betrag  dem  Grafen  Georg  verpfändeten  Herrschaften 
Frankenburg  und  Kogl  wieder  zu  überlassen,  außerdem  wegen 
der  Vogtei  dem  Kaiser  die  gleiche  Verschreibung,  wie  dieser 
sie  vom  Erzbischof  Johann  in  Händen  habe,  auszustellen.  Ver- 
geblich hielt  sich  Friedrich  im  Jahre  1492  einen  ganzen  Mo- 
nat in  Linz  am  Hofe  des  Kaisers  auf,  der  seine  Unwissenheit 
verspottete,  dennoch  aber  die  ihm  —  wie  es  nach  allem  scheint 
—  angebotene  Abtretung  der  Gosach  annahm,  die  ihm  wegen 
der  Forste  für  die  Hallstätter  Saline  wertvoll  sein  mußte;  denn 
bereits  am  22.  Oktober  1492*  bewilUgte  der  Kaiser  seinen  Leu- 
ten und  Holden  in  der  Gosa  gesessen,  so  zu  dem  Schlosse  Wil- 
denstein gehören,  um  ihrer  Arbeit  willen,  die  sie  mit  Holz  zum 
Hall  in  der  Hallstatt  tun,  die  Befreiung  von  Steuern  und  Ab- 
gaben. Nach  dem  Tode  des  Kaisers  erlangte  der  Erzbischof 
auch  wirklich  von  Kaiser  Maximilian  gegen  Erlag  von  18.600  Gul- 
den und  Verzicht  auf  Gmünd,  Pettau  und  Rain  die  Belehnung. 
Auf  diesen  Zeitpunkt  als  Übergang  der  Gosach  an  Öster- 
reich weist  auch  die  Fürsorge,  welche  König  Max  für  das 
Seelenheil  der  neuen  Untertanen  entwickelte,  in  seinem  Befehle 

^  Original  im  städÜBohen  Museum  Carolino-Augusteum  zu  Salzburg,  wel- 
ches Professor  Leopold  Becker  im  Jahre  1903  auffand.  An  der  Urkunde 
hängen  noch  die  Siegel  der  Mitsiegler  Siegmund  Prueschink  Freih.  v. 
Stettenberg  und  Ulrich  Reschauer. 

'  S.  Erläuterungen. 


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479 

ddo.  Straßburg  1507,  20.  März  an  Sebastian  Hofer,  Pfleger 
zu  Wildenstein  und  Salzamtmann  zu  Gmanden,  Sebastian  Öder 
and  Jörg  Pasch,  die  Verlassenschaft  des  ohne  Leibeserben  ver- 
storbenen Siegmund  Walfing,  Bargmanns  za  Hallstatt  gesessen, 
einzuziehen  and  zu  veräußern  und  die  ewige  Messe,  so  der- 
selbe an  seinem  letzten  Ende  in  U.  L.  f.  Kirchen  zu  St.  Seba- 
stian in  der  Gosa  (,so  wir  zu  pauen  angefangen  haben',  setzt  der 
König  hinzu)  gestiftet,  von  demselben  nachgelassenen  Gut  zu 
stiften  und  auszurichten.  Es  verzog  sich  aber  die  Sache.  Erst 
über  neuerliche  Bitte  der  armen  Holzmeister  und  Holzknechte 
in  der  Gosa,  die  Messe  durch  einen  Priester  von  Hallstatt  lesen 
zu  lassen  und  ihnen  einen  Friedhof  zum  Begräbnisse  ihrer 
Toten  zu  gewähren  (15.  Jänner  1540),  wurde  die  Stiftung  aus- 
gerichtet (1543),  nachdem  die  an  den  Pfarrer  zu  Hallstatt  zu 
entrichtenden  Reichnisse  bestimmt  worden  waren.^  Inzwischen 
hatte  die  neue  Lehre  bereits  Anhänger  im  Älpentale  gefunden. 

Das  (in  den  Erläuterungen  erwähnte)  Vorhandensein  öster- 
reichischer Lehen  im  Gosachtale'  lange  vor  dessen  Angliede- 
rung  berührt  selbstverständlich  nicht  die  Zagehörigkeit  des 
Tales  zu  dem  Erzstifte  Salzburg;  denn  auch  im  salzburgischen 
Gerichte  Liechtentann  bei  Neamarkt  gab  es  in  dem  gleichen 
Zeiträume  österreichische  Lehen,'  obwohl  das  genannte  Gericht 
ein   unbestrittenes  Gebiet   der  Salzburger  Kirche   gewesen   ist. 

Eine  Vermarkung  des  Gosautales  gegen  das  Pfleggericht 
Abtenau  fand  erst  im  Jahre  1535  statt.^ 


1  Hofkammerarchiv,  Faszikel  G  8  (17417),  13. 

'  Dieee  Lehen  waren  so  ziemlich  die  obersten  Häuser  des  Tales:  Nr.  6 
Qütl  am  mittem  Kirchschlag,  Nr.  6  Gütl  am  kleinen  Kirchschlag,  Nr.  7 
KoUmanngtttl,  Nr.  8  Rieplgütl  nnd  Nr.  9  Gütl  am  großen  Kirchschlag. 
Sie  wurden  durch  den  Salzamtroann  Hans  Wucherer  mit  seinem  Sitze 
Mülgrub  verbunden  (Mitte  des  16.  Jahrhunderts)  und  kamen  von  seinen 
Nachkommen  allodialisiert  mit  Mühlgrub  an  das  Kloster  Schlierbach. 

•  1458,  8.  November,  Linz  verleiht  Erzherzog  Albrecht  VI.  dem  Thomas 
Alt  den  Meierhof  im  Liechtentanner  Gerichte,  das  dabei  gelegene  Gut 
Witweng  [von  dem  im  17.  Jahrhunderte  die  Geislitzer  den  Adelstitel 
erhielten]  und  den  Zehent  zu  Weng  in  Kessendorfer  Pfarre  (Lichnowskj- 
Birk  Vn,  Reg.  126). 

^  Vgl.  den  Rezeß  vom  25.  Oktober  1535  bei  Zauner,  Sammlung  der  wich- 
tigsten die  Staatsverfassung  des  Erzstiftes  Salzburg  betreffenden  Urkun- 
den, S.  64 — 80,  dann  im  Landesregierungsarchive  Salzburg,  geh.  Archiv, 
Rubrik  IH,  Nr.  4.  Verträge  das  Pfleggericht  Hüttenstein  und  Abtenau 
betreffend  ans  den  Jahren  1564  und  1565. 


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480 

Es  erübrigt  noch,  sich  auf  Grund  des  geschilderten  Tat- 
bestandes über  die  Rechtmäßigkeit  des  Salzsiedens  in 
der  Gosach  vonseiten  Herzogs  Albrecht  I.  von  Osterreich 
klar  zu  werden;  bisher  hat  die  Annalistik  den  Erzbischof  Chun- 
rad  von  Salzburg  als  Friedensstörer  hingestellt.  Nach  Erfor- 
schung der  vormaligen  Salzburg-österreichischen  Grenzen  in  der 
Gosach  schien  es  möglich,  die  Stelle  ausfindig  zu  machen.  Da 
das  Hallstätter  Salzlager,  wie  aus  Schuhes'  Reisen  hervorging, 
sich  in  der  Richtung  von  Osten  nach  Westen  zieht,  so  schien 
in  dem  Falle,  als  der  Salzstock  auf  österreichischem  Gebiete 
angefahren  wurde,  nur  möglich,  daß  dies  von  der  Gosachschlucht 
aus  erfolgt  sei,  wogegen  der  Mangel  an  Platz  und  die  nicht 
unbedeutende  Entfernung  des  Hallstätter  Salzberges  vom  An- 
griffspunkte sprachen.  Um  sich  hierüber  zu  unterrichten  und 
ein  sachliches  Gutachten  zu  erlangen,  begab  sich  der  Verfasser 
am  25.  August  1902  zu  dem  Herrn  k.  k.  Oberbergverwalter 
Karl  Blaschke  auf  den  Rudolfsturra  bei  Hallstatt,  woselbst  eine 
eingehende  Besprechung  und  Durchsicht  der  Bergwirtschafts- 
karten das  Ergebnis  lieferte,  daß  ein  Anfahren  von  der  Go- 
sachschlucht aus  untunlich  und  in  Anbetracht  der  geringen 
Technik  des  Zeitalters  kaum  möglich  sei,  daß  jedoch  nach  den 
Aussagen  von  Bergleuten  am  Sulzkogel  rückwärts  des  großen 
Plassen  saure  Wässer  aufgehen  und  die  Möglichkeit  vorhanden 
sei,  daß  sich  der  Salzstock  unter  dem  Plassen  durch  in  die 
Gosach  erstrecke.  Herr  Oberbergverwalter  Blaschke  hat  seiner 
Zusage  gemäß  im  Oktober  die  Angelegenheit  an  Ort  und  Stelle 
studiert  und  folgende,  dem  Verfasser  amtlich  zugestellte^  fach- 
männische Äußerung  ddo.  5.  November  1902  erstattet: 

Die  Frage,  an  welchem  Punkte  der  Salzbergbau  in  der  Gosau  am 
Ende  des  13.  Jahrhunderts  vom  Herzoge  Albrecht  von  Österreich  be- 
trieben worden  sei,  läßt  sich  mit  Bezug  auf  die  hierüber  vorhandenen  ge- 
schichtlichen Daten  vom  geologischen  und  bergmännischen  Standpunkte 
mit  annähernder  Gewißheit  beantworten. 

Die  geologische  Karte  des  Plassengebietes  zeigt  außer  dem  Hall- 
stätter Salzlager  ein  solches  am  Lauterbach  südlich  des  Plassen,  das  ver- 
mutlich mit  dem  Hallstätter  Salzstock  zusammenhängt  und  daher  nur 
einen  Teil  desselben  bildet,  ein  zweites  oberhalb  der  Boßalpe  östlich  von 


Schreiben  der  k.  k.  Salinenverwaltung  Hallstatt  vom  8.  November  1902, 
G.-Z.  2616. 


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481 

dieser,  ein  drittes  unterhalb  der  Boßalpe  westlich  vom  Sulzkogel  und  ein 
Tiertes  in  der  Nähe  der  Sattelalpe  nordöstlich  Yom  Plassen. 

Daß  der  Gosauer  Bergbau  nur  an  einem  dieser  genannten  Punkte 
fiberhaupt  betrieben  worden  sein  kann,  ist  klar  und  kommen  fflr  die  wei- 
tere Beantwortung  der  in  Diskussion  stehenden  Frage  die  SalzTorkommen 
in  Hallstatt  und  am  Lauterbach  vorweg  nicht  in  Betracht,  weil  diese  auf 
der  Hallstätter  Seite  des  Plassen  liegen  und  unter  diesen  somit  unmöglich 
der  Gosauer  Bergbau  gemeint  sein  kann,  abgesehen  von  der  geschichtlich 
unzweifelhaft  festgestellten  Tatsache,  daß  der  Hallstätter  Salzberg  erst 
nach  Auflassung  des  Gosauer  Salzbergbaues  eröffnet  nnd  betrieben  wurde. 

Bezäglich  des  Salzvorkommens  bei  der  Sattelalpe  ist  zu  erwähnen, 
daß  der  Zugang  zu  demselben  vom  Gosaubache  aus,  von  wo  aus  derselbe 
wohl  nur  hätte  betrieben  werden  können,  sehr  steil  und  beschwerlich  ist; 
zugleich  ist  dieser  Punkt  von  der  damaligen  Landesgrenze  zwischen  Öster- 
reich und  Salzburg,  wenn  sie  nach  der  Linie  Brielgraben—Modereck-Kalte 
Mandling  verlief,  ziemlich  weit  entfernt  und  stünde  somit  diese  Tatsache 
im  Widerspruche  mit  der  historischen  Angabe,  wonach  sich  der  fiagliche 
Bergbau  in  nächster  Nähe  der  Salzburger  Grenze  befand.  Ferner  sind 
die  Terrain-  und  Raumverhältnisse  im  Gosaubachgraben  an  der  Ausmün- 
dung des  von  der  Sattelalpe  herabführenden  Grabens  für  die  Anlage  der 
Sudpfannen,  welche  behufs  Yersiedung  der  im  Bergbau  gewonnenen  Sole 
hätten  hier  placiert  werden  müssen,  sehr  ungünstig,  und  daß  man  die 
Soole  bis  nach  Gosaumühle  herausgeleitet  hätte,  wo  genügend  Baum  für 
die  Sudanlage  gewesen  wäre,  ist  ganz  und  gar  unwahrscheinlich. 

Alle  diese  Tatsachen  sprechen  dafür,  daß  nicht  das  Salzvorkommen 
bei  der  Sattelalpe,  sondern  einer  der  in  der  Nähe  der  Boßalpe  gelegenen 
Salzstöcke  bergmännisch  abgebaut  und  ausgebeutet  wurde ;  ob  es  das  ober- 
oder  jenes  unterhalb  der  Boßalpe  gelegene  Salzlager  war,  läßt  sich  heute 
mit  annähernder  Gewißheit  wohl  nicht  mehr  angeben. 

Allem  Anscheine  nach  —  und  hiefür  sprechen  insbesondere  die 
verhältnismäßig  günstigen  Terrainverhältnisse  —  dürfte  es  das  unter  der 
Boßalpe,  westlich  des  Sulzkogols  gelegene  Salzvorkommen  sein,  das  vom 
Herzog  Albrecht  von  Österreich  abgebaut  wurde. 

Dasselbe  liegt  beim  sogenannten  Saueren  Wasserl,  einer  das  ganze 
Jahr  fließenden  Quelle,  welche  an  der  in  der  Karte  mit  einem  Stollen 
(mit  roter  Tinte)  bezeichneten  Stelle  haii;  am  Boßalpengrabenbach,  west- 
lich des  Sulzkogels,  an  dem  gegen  Yorder-Gosau  abfallenden  Gehänge 
zutage  tritt  und  reines  Trinkwasser  führt,  an  dem  man  mit  dem  Gaumen 
etwas  Salziges  nicht  zu  erkennen  vermag. 


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482 

Daß  aber  ein  Salzlager  hier  wirklich  existiert  und  der  Name  Saueres 
Wasserl,  der  gewiß  schon  uralt  ist,  eine  Berechtigung  hat,  zeigen  die 
knapp  rechts  und  links  neben  dieser  Quelle  anstehenden  Gesteinsarten, 
als  Zlambachmergel,  Ton,  Gips  und  Anhydrit.  Hier  sammelt  sich  auch 
massenhaft  das  Wild,  wie  man  an  den  Spuren  deutlich  erkennen  kann, 
um  an  dem  saueren  Ton  zu  lecken.  Die  Örtlichkeit  liegt  etwa  200  m 
über  dem  vorderen  Gosaut>ale,  zirka  1  Stunde  von  Yorder-Gosau  (Ressen- 
bacher)  und  eine  gute  Viertelstunde  vom  Brielgraben  entfernt,  ist  auf 
einem  bequemen  Wege,  der  am  rechten  Ufer  des  Brielbaches  in  einiger 
Entfernung  von  demselben  führt  und  zum  größten  Teile  fahrbar  ist,  zu 
erreichen;  Holz  und  Wasser  sind  in  genügender  Menge  vorbanden  und 
somit  waren  alle  Bedingungen  für  einen  Bergbau,  welcher  entsprechend 
den  geschichtlichen  Angaben  in  nächster  Nähe  der  Salzburger  Grenze 
gelegen  war,  gegeben. 

Zehn  Minuten  oberhalb  der  Boßalpe,  östlich  von  dieser  befindet  sich 
am  westlichen  Abhänge  des  Plassen  das  bereits  vorhin  erwähnte  zweite 
für  den  fraglichen  Bergbau  in  Betracht  kommende  Salzlager,  welches  von 
dem  beim  Saueren  Wasserl  etwa  eine  ^/j  Stunde  entfernt  und  auf  den 
ersten  Bück  als  solches  erkennbar  ist.  Dasselbe  wird  von  einem  kleinen 
Wasserrinnsal  durchschnitten,  welches  eine  tiefe  Furche  in  den  Salzstock 
gegraben  hat,  an  deren  Bändern  das  entblößte,  den  Einwirkungen  der 
Atmosphäre  ausgesetzte  Haselgebirge  beständig  hereinbricht  und  durch 
die  Niederschlagswässer  ausgelaugt  wird;  nach  Entführung  des  Salzes 
bleibt  dann  der  unserem  Werkslaist  täuschend  ähnlich  sehende  taube 
Letten,  in  welchem  sich  Gips  (Fraueneis)  und  Anhydrit  in  mitunter  gro- 
ßen Blöcken  vorfindet,  zurück.  Auch  hier  sammelt  sich  das  Wild,  durch 
die  in  dem  Letten  noch  enthaltene  Säure  angelockt,  um  an  demselben  zu 
lecken.  Ein  in  dieses  Salzlager  eingetriebener  Stollen  würde  aller  Vor- 
aussicht nach  in  höchstens  30 — 40  m  das  Vorhandensein  von  Salz  kon- 
statieren. 

Auch  hier  liegen  für  einen  Bergbau  die  Verhältnisse  recht  günstig, 
das  Tagterrain  ist  nicht  zu  stark  abfallend,  Holz  und  Wasser  sind  ge- 
nügend vorhanden,  weshalb  es  durchaus  nicht  ausgeschlossen  erscheint, 
daß  der  vom  Herzog  Albrecht  von  Österreich  betriebene  Salzberg  in  der 
Gosau  auf  dieser  Lagerstätte  umging. 

Ein  Umstand  jedoch,  weicher  bei  Begehung  dieses  Terrains  sofort 
in  die  Erscheinung  tritt,  ist  es,  welcher  diese  Annahme  unwahrschein- 
licher macht  und  das  ist  der,  daß  der  Zugang  zu  diesem  oberen  Salzlager 
durch  den  Boßalpengi*aben  ziemlich  steil  und  beschwerlich  ist  und  nach- 
dem dieser  Weg  unmittelbar  beim  Saueren  Wasserl,  also  bei  der  tiefer 


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483 

und  bequemer  gelegenen  unteren  Lagerstätte  YorbeifQhrt,  ist  wohl  anzu- 
nehmen, daß  unsere  Yorfahi'en  diese  und  nicht  die  ungünstiger  situiei-te 
Lagerstätte  oberhalb  der  Boßalpe,  deren  Abbau  mit  mehr  Beschwerlich- 
keiten und  Kosten  verbunden  gewesen  wäre,  ausgebeutet  haben. 

Ob  es  nun  das  oberhalb  oder  jenes  unterhalb  der  Boßalpe  gelegene 
Salzlager  war,  welches  unsere  Vorfahren  bergmännisch  abgebaut  haben, 
läßt  sich  heute  mit  yoller  Gewißheit  nicht  mehr  angeben,  daß  es  aber 
eines  dieser  beiden  Salzvorkommen  war,  welches  vordem  ausgebeutet 
wurde,  steht  nach  den  geologischen  Verhältnissen  wohl  außer  allem  Zwei- 
fel. Halden,  Pingen,  Stollenmundlöcher  oder  sonstige  selbst  geringfügige 
Anzeichen  und  Überbleibsel  eines  einstigen  Bergbaues  konnten  bei  der 
Begehung  und  Untersuchung  dieses  Terrains  nirgends  entdeckt  werden 
und  es  muß  sich  somit  die  Ermittelung  jenes  Punktes,  an  welchem  der 
in  Bede  stehende  Salzbergbau  in  der  Gosau  seinerzeit  betrieben  wurde, 
auf  die  vorstehenden  Erwägungen  und  Tatsachen  stützen,  aus  denen  mit 
ziemlicher  Sicherheit  hervorgeht,  daß  dieser  Bergbau  an  der  Stelle,  wo 
sich  heute  das  sogenannte  Sauere  Wasserl  befindet,  gelegen  war.  Von 
hier  aus  wurde  die  im  Berge  gewonnene  Sole  oder  Sulzen,  höchstwahr- 
scheinlich in  hölzernen  Bohren,  möglicherweise  auch  in  Holzrinnen  nach 
dem  zirka  1  Stunde  entfernten  Vorder-Gosautale  geleitet,  was  absolut  keine 
Schwierigkeiten  geboten  haben  kann,  und  in  den  hier  befindlichen  Sud- 
häusern versotten.  Der  Aufschluß  des  Salzlagers  erfolgte  unzweifelhaft 
mittels  eines  Stollens,  von  welchem  dann  im  Salzstocke  selbst  wieder 
Strecken,  vermutlich  unter  einem  spitzen  Winkel,  abzweigten.  Längs 
des  Hauptstollens,  soweit  er  sich  im  Salzlager  befand  und  längs  der  Aus- 
richtungsstrecken waren  vermutlich  sogenannte  Schöpfgebäude  angelegt, 
d.  s.  unter  der  Streckensohle  befindliche  Hohlräume  von  größerer  oder 
geringerer  Ausdehnung  und  verhältnismäßig  geringer  Höhe,  in  welchen 
sich  das  in  Holzröhren  eingelassene  Wasser  vollständig  mit  Salz  sättigte. 
Die  80  erzeugte  Sulzen  warde  dann  in  vertikalen  Schächten,  sogenannten 
Putten,  mittels  am  oberen  Teile  derselben  aufgestellten  Haspeln  in  Holz- 
kübeln oder  Eimern  aus  dem  etwa  8  bis  10  m  tief  gelegenen  Schöpf  bau 
aufgehaspelt,  in  die  unmittelbar  neben  dem  Haspel  liegenden  Holzröhren, 
welche  die  Sole  in  die  am  Tage  befindlichen  Beservoire  aus  gezimmer- 
tem Holze,  sogenannte  Sulzenstuben  leiteten,  entleert.  Von  diesen  Sul- 
zenstnben,  in  denen  die  Sole  auf  ihren  Kubikinhalt  gemessen  wurde, 
floß  dieselbe  in  hölzernen  Böhrenleitungen  zur  Sudanlage  und  wurde  da- 
selbst auf  Salz  versotten. 

Hat  nun   hiernach  Albrecht  I.  am   Sulzkogel  nächst  der 
Roßalpe   den  Bergbau   eröffnet,   so  virar  er,   vorausgesetzt,   daß 


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die  im  historischen  Atlas  verzeichnete  Landesgrenze  schon  be- 
stand und  nicht  erst  im  Friedensschiasse  1297  festgesetzt  warde^ 
unbedingt  genötigt,  sowohl  für  das  Salzsieden,  als  auch  für  die 
von  ihm  gegründete  Niederlassung/  die  nicht  stundenweit,  etwa 
bei  Steg  am  Ausflusse  der  Traun  aus  dem  See  angelegt  sein 
konnte,  salzburgischen  Grund  und  Boden  in  Anspruch  zu  neh- 
men. Es  begreift  sich  daher,  daß  der  Erzbischof  nicht  zum 
Nachteile  des  Halleiner  Salzes  auf  eigenem  Qebiete  einen  frem- 
den Salzbau  dulden  wollte  und,  da  der  Nachbar  übermächtig 
war,  den  Augenblick,  in  welchem  derselbe  krank  damiederlag, 
benützte,  um  die  zwei  Salzpfannen  und  die  neue  Ansiedlung 
zu  zerstören. 

Hätte  sein  Beginnen  zu  Recht  bestanden,  so  würde  Al- 
brecht den  Salzbau,  an  welchem  ihm  gelegen  war,  sicherlich 
nicht  im  Friedensschlüsse'  aufgegeben  haben,  denn  die  Ent- 
schädigungssumme, die  er  erhielt,  stand  in  keinem  Vergleiche 
zu  dem  Verzicht.* 

Die  Frage  nach  der  Zugehörigkeit 

des  Gebietes  von  Aassee 

wurde  oftmals  behandelt,  bisher  jedoch  stets  zugunsten  des 
Traungaus  beantwortet,  hauptsächlich  aus  dem  Grunde,  weil 
Aussee  ursprünglich  zu  der  Pfarre  Traunkirchen  gehört  habe. 
Die  Theorie  Längs  von  der  Koinzidenz  kirchlicher  und  poli- 
tischer Grenzen  hat  aber  längst  Fiasko  gemacht.  In  der  ^Ge- 
burt des  Landes  ob  der  Ens*  (S.  14)  habe  ich  mich  auch  gegen 
diese  Ansicht  ausgesprochen  und  glaube,  an  diesem  Wider- 
spruche auch  fernerhin  festhalten  zu  müssen,  weil  das  Aussee- 
land ein  geographisch  vom  Traungau  vollständig  abgeschlossenes 


'  Die  Oontinuatio  Vindobonensis  nennt  sie,  wahrscheinlich  verunstaltet, 
Trohneawe.  Mon.  Germ.  Script.  IX,  G98— 699. 

•  Albrecht  stand  ab  ,von  dem  Sieden  des  prunne  in  der  Qoza  für  uns 
und  fUr  unsere  Erben  und  für  unser  Nachkommen  also,  daz  von  unsem 
wegen  auf  demselben  Prunne  fürbaz  iht  gesotten  werd.  Und  darum 
geit  uns  unser  Herre  von  Salzburch  3000  March  Silber  Wiener  Ge- 
wichts^  Juvavia,  S.  388,  A.  g.  Jm  Oberösterreichischen  Urkundenbuch 
steht  die  Urkunde  nicht. 

•  Zur  Orientierung  werden  empfohlen  Frey  tags  Touristen -Wanderkarten 
VIII  und  IX,  die  Reliefkarte  des  Salzkammergutes  von  Pelikan,  süd- 
liche Hälfte  und  Pelikans  Dachsteinreliefkarte,  welche  die  Bodenge- 
staltung am  Sulzkogel  besonders  plastisch  darstellt 


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Gebiet  ist^  welches^  da  die  Eoppenschlacht;  darcli  die  sich 
unter  mannigfachen  Störungen  die  Eisenbahn  bohrt,  zur  An- 
lage eines  Verkehrsweges  angeeignet  war,  die  Verbindung  nach 
Westen  über  den  Pötschenberg  suchen  mußte,  während  das- 
selbe nach  Osten  über  Mitterndorf  seinen  natürlichen  Anschluß 
an  das  Enstal  findet,  mit  welchem  es,  soweit  Urkunden  zurück- 
reichen, verbunden  war,  wie  denn  der  Bezirk  Pflindsberg  erst 
im  15.  Jahrhunderte  von  dem  Landgerichte  Enstal  (Wolken- 
stein) ausgeschieden  worden  ist.  Gegen  die  Vermutung,  daß 
Philipp,  der  Erwählte  von  Salzburg,  es  gewesen  sei,  welcher 
bei  der  Besetzung  des  Enstales  1249  Aussee  vom  ehemaligen 
Traungau  losgerissen  habe,  streitet  die  viel  wahrscheinlichere 
Vermutung,  daß  Pfemysl  Otakar  den  Bau  der  Burg  Pflinds- 
berg in  keinem  Falle  geduldet  hätte,  wäre  nicht  im  Aussee- 
lande der  Erzbischof  Lehensherr  gewesen. 
Hier  ist  wohl  auch  der  Ort,  mich  über 

die  Auslegung  des  Friedensvertrages  von  1254 

zwischen  König  Bela  von  Ungarn  und  König  Pfemysl  Otakar 
zu  äußern,  da  sich  bisher  keine  passende  Gelegenheit  gefunden 
hat,  auf  Lampeis  Ausführungen  in  seiner  Gegenschrift  ,Die 
Landesgrenze  von  1254  und  das  steirische  Enstal^  zu  erwidern.^ 

Daß  das  castrum  Suarchumpah  in  dem  Berichte  der  un- 
garischen Friedensunterhändler  nicht  die  offene  Ortschaft  Seh  war- 
zenbach  im  Paltentale,  sondern  die  in  der  Pütner  ,Mark^  ge- 
legene Feste  Schwarzenbach,  die  nochmals  1362  Gegenstand 
eines  Übereinkommens  zwischen  Herzog  Rudolf  IV.  und  König 
Ludwig  von  Ungarn  gewesen  ist,  bedeutet  hat,  ist  von  Lampel 
aus  den  Urkunden  des  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchivs 
vollständig  erwiesen  und  damit  eine  bedeutende  Schwierigkeit 
der  Auslegung  beseitigt  worden,  die  vorhanden  war,  so  lange 
die  Örtlichkeit  im  Paltentale  gesucht  wurde. 

Schwarzenbach  ist  endgültig  ausgeschaltet,  damit  jedoch 
die  Hauptfrage  bezüglich  der  damals  vereinbarten  Grenzlinie 
keineswegs  gelöst. 

Es  ist  keine  ,sklavische  Anhänglichkeit  an  die  schwer- 
fälligsten Ausdrücke,  die  man  denken  kann,  sich  fWr  die  Tauern- 
kette  zu  entscheiden',  wie  Lampel  (S.  299,  Vorwort)  sich  aus- 

1  Archiv  für  ÖBterr.  Gesch.  LXXI,  299—462. 


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486 

drückt;  und  ganz  unberechtigt  ist  der  Schlußsatz: 
daraus  eine  ganze  Reihe  von  Schlüssen  zu  ziehen^  die  gewissen 
anderen  Zwecken  dienen  sollen*.  Mir  ist  die  historische  Wahr- 
heit stets  Selbstzweck  gewesen  und  bei  dem  Streben,  sie  auf- 
zufinden,  habe  ich  weder  Empfindlichkeiten  noch  offene  An- 
feindungen gescheut. 

Das  Karintgescheid. 

Bevor  ich  jedoch  auf  die  Ausführungen  Lampeis  näher 
eingehe,  bin  ich  genötigt,  der  Beweisführung,  welche  erst  in 
dem  Abschnitte  ,Die  Otakare  in  der  Kärntnermark'  zum  Ab- 
schlüsse kommen  kann,  vorzugreifen  und  zu  bemerken,  daß 
Lampel  und  jene,  die  sich  seiner  Anschauung  anschlössen, 
trotz  der  auffälligen  Lücke  im  Landbuche  über  die  Grenze 
zwischen  St.  Gallen  und  der  großen  Sallet  sich  von  der  Vor- 
stellung, die  Frenz-  und  Laussagrenze  müsse  von  allem  Anbe- 
ginne die  Grenze  zwischen  Enstal  und  Tranngau  gebildet  haben, 
nicht  zu  befreien  vermocht  haben. 

Daß  dem  nicht  so  war,  habe  ich  in  ,Gebnrt  des  Landes  ob 
der  Ens*  (S.  17)  hervorgehoben  und  zum  Belege  eine  meines  Er- 
achtens  entscheidende  Stelle  aus  der  Stiftungsurkunde  vom  Jahre 
111&*  für  Seitenstetten  beigebracht.  Die  Benediktiner  erhalten 
vom  Bischof  Ulrich  ,decimationes  etiam  novalium,  que  vel  in 
presenti  vel  deinceps  exculta  fuerint  ex  utraque  parte  flnminis 
ybese,  et  ad  occidentem  usque  Earintscheide',  also  sämt- 
liche Neureute  auf  beiden  Seiten  der  Ibs,  und  zwar  gegen 
Westen  bestimmt  bis  an  das  Karintscheide. 

Über  das  Wort  Karintscheide  waltet  kein  Zweifel  ob:  das 
Götweiger  Salbuch  hat  den  Ausdruck  ,versus  Carinthiam^  ohne 
Beisetzung  der  Weltgegend,*  das  Wort  sceit  gebraucht  es  im 
Jahre  1083  für  die  Grenze  der  Pfarre  Kilb.'  Karintscheide 
ist  demnach  gleichzusetzen  der  Grenze  von  Kärnten,  in  diesem 
Falle,  da  die  Ibs,  von  Osten  herkommend,  bei  Groß -Hollen- 
stein umbiegt  und  ihren  Lauf  gegen  Norden  und  Nordwesten 
nimmt,  der  Bergreihe  vom  Wasserkopf  (nördlich  vom  Frenz- 
berg) bis  zum  Redtenberg  (nördlich  von  Gaflenz),  welche  auch 


*  Fontes  rer.  Auatr.  H,  Bd.  XXHI,  3,  17. 

«  Fontes  VUI,  251,  265,  266.  •  a.  a.  O.  250. 


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487 


heute  noch  eine  Grenzseheide^  nunmehr  zwischen  Ober-  und 
Niederösterreich,  bildet,  sie  ist  die  Wasserscheide  zwischen 
Ibs  und  Ens;  vom  Sattel  bei  Oberland  rinnt  zur  Ibs  der  Waid- 
hofnerbach, zur  Ens  der  Gaflenzbach,  und  ebenso  der  Sattel 
am  Gmerkl,  Umstände^  welche  bisher  in  ihrer  geographischen 
Bedeutung  noch  gar  nicht  gewürdigt  worden  sind.  Nach- 
stehende Skizze  veranschaulicht  den  Flußlauf  der  Ibs: 


* 
% 

Der  Bergzug  ist  eine  natürliche  Landmarke/  deshalb 
blieb  auch  der  Name  an  der  Bergkette  hangen. 

Wenn  daher  Lampel*  sagt:  ,0b  aber  jene  Ausdrücke  auf 
eine  Landesgrenze  zu  deuten  sind,  will  mir  ebensowenig  sicher 
erscheinen,  als  die  Benennung  der  Himmelsgegenden  im  Mittel- 


*  B.  Sieger,  ,Die  Grenzen  Niederößterreichs*,  Separatabdruck  8.  86,  aus 
dem  Jahrbuch  des  Vereines  für  Landeskunde  yon  Niederösterreich. 

'  G^märke  des  Landbuches,  S.  238.  Ihm  schließt  sich  Hasenöhrl,  ,Deut8ch- 
lands  südöstliche  Marken'  (Archiv  für  österr.  Gesch.  LXXXII,  481)  an,  der 
meinen  Schluß  deshalb  für  unzulässig  hält,  weil  in  früherer  Zeit  und 
auch  noch  im  12.  Jahrhunderte  die  Grenze  Bayerns  und  der  Ostmark 
einerseits  und  Kärntens  andererseits  hier  mit  der  Diözesangrenze  zu- 
ArebiT.  M.  Band,  II.  H&lfto.  33 


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488 

alter  eine  sehr  gewissenhafte  genannt  werden  kann',  so  verstoßt 
er  mit  Hasenöhrl  (Die  südöstlichen  Marken  des  deutschen  Rei- 
ches im  10.  und  1 1 .  Jahrhunderte)  gegen  den  klaren  Wortlaut 
der  Beurkundung,  den  er  sich,  weil  von  der  Vorstellung  der 
modernen  Grenze  befangen,  nicht  erklären  kann  und  deshalb 
die  Richtigkeit  desselben  anzweifelt.  Allerdings  sind  Ver- 
wechslungen der  Weltgegenden  vorgekommen,  wie  z.  B.  im 
hohen  Norden,  in  Grönland,  die  Eystribigd  unrichtig  bezeichnet 
wurde,  die  nicht  im  Osten,  sondern  im  Süden  gelegen  war; 
aber  daß  man  in  Seitenstetten,  auf  dessen  Wunsch  doch  das 
Diplom  ausgefertigt  wurde,  auf  eine  so  kurze  Entfernung  sich 
in  der  Orientierung  geirrt  haben  sollte,  ist  einfach  undenkbar, 
umsomehr,  als  dem  Kloster  daran  gelegen  sein  mußte,  gerade 
in  dieser  Richtung  ganz  genau  zu  wissen,  wie  weit  seine  Zehent- 
berechtigung gehe.  Übrigens  ist  der  Hof  Gmerkl  am  Sattel 
auf  der  Straße  von  Weyer  nach  Hollenstein  ein  lebendiger 
Zeuge  für  das  Alter  und  die  Stabilität  der  Wasserscheiden- 
grenze; ,daz  aigen,  daz  da  haizzet  auf  dem  Gemerche'  wird 
schon  vor  600  Jahren  (1331)^  als  Grenzort  genannt,  was  Lam- 
pel  und  Hasenöhrl  im  Eifer  der  Polemik  ganz  außer  acht  ge- 
lassen haben.  Auch  hier  hätten  sie  sich  vor  Augen  halten 
sollen,  daß  eine  Behauptung  nicht  ihren  Charakter  verliert, 
wenn  sie  auch  in  die  Form  eines  Widerspruches  gekleidet  wird, 
und  daher  eines  Gegenbeweises  nicht  bedarf,  solange  nicht  ihre 
Richtigkeit  selbst  dargetan  ist.  In  welchem  Zeitpunkte  aber 
die  Täler  und  Bäche  der  Frenz  und  der  oberen  Laussa  zur 
Grenze  geworden  sind,  wird  die  Erörterung  des  Bruderkampfes 
im  Hause  der  Chiemgauer  zeigen.* 

,Der  Vorsprung  der  Eärntnermark  in  bayrisches  Gebiet^ 
war  in  der  Natur  keineswegs  ein  so  auflEklliger,  weil  er  nicht 
nur  die  Gräben  des  linken  Ensufers,  sondern  auch  die  weite 
Pfarre  Mölln  in  sich  begriff  und  das  Hochsengsengebirge  mit 
seinen  Schroffen  im  Südwesten  die  Landmarke  gegen  das  Bayer- 
land gebildet  hat.  Denn  das  ganze  Gebiet  herwärts  von  der 
niederösterreichischen  Grenze  wurde  vollständig  von  der  Herr- 
schaft Steyr  und  deren  Amtern:   Hof-  oder  Kastenamt,   Jager- 

sammengefallen    sei,    letztere    aber    zweifebohne    am   Frensbache   su 
suchen  sei. 
^  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  VI,  10.  *  V^l.  den  Abschnitt: 

Der  Qegenmarkgraf  Otakar  in  den  bayrischen  OrafSschaften. 


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489 

berg,  Mülbach,  Steinbach,  Raming,  Eberseck,  Neustift,  Ober- 
Laussa,  Mitter nberg  (Trattenbach),  Ternberg,  Molin,  Ramsau, 
Arzberg  und  vor  der  Vergabung  der  provincia  Avelenze  an 
das  Kloster  Garsten*  auch  dem  sogenannten  Urbaramte  Weyer 
ausgefällt.  Jene  Holden,  welche  im  Garstentale  und  um  Knie- 
was zerstreut  saßen,'  kommen  nicht  in  Betracht,  da  sie  aus 
den  Wirzburgischen  Gütern  oflFenbar  erst  nachderhand  der  Herr- 
schaft Steyr  zugewiesen  worden  sind. 

Der  Steyrfluß  schloß  gegen  Westen  und  Norden  Kärnten 
(Karintrichi)  von  Bayern  ab;  die  Tatsache,  daß  nach  dem  Stift- 
briefe von  Kremsmünster  (777)  Slawen  nordwärts  der  Steyr 
zwischen  Dietach  und  Sierning*  siedelten,  weist  allein  schon 
darauf  hin,  daß  die  Grenze  Karantaniens  nicht  ferne  sein  konnte. 
Es  ist  anzunehmen,  daß  der  schmale  Landstrich  am  linken  Ufer 
der  Steyr  von  der  Einmündung  des  Steyrleitnerbaches  bis  hin- 
auf zum  tiefen  Graben  —  nachmals  das  Dominium  und  Land- 
gericht Leonstein  —  herübergehörte,  weil  Leonstein  noch  im 
15.  Jahrhunderte  auslieferungspflichtig  nach  Steyr  gewesen  und 
nur  durch  unredliche  Ausübung  der  Halsgerichtsbarkeit  selb- 
ständig geworden  ist.^ 


Nach  diesen  Erörterungen  kehren  wir  zum  Präliminar- 
frieden von  Ofen  zurück. 

Vor  allem  ist  hervorzuheben,  daß  in  jenen  Zeitläufen  das 
Enstal  von  salzburgischen  Söldnern  besetzt  war,  daß  demnach 
König  Otakar  über  dasselbe  nicht  verfügen  konnte,  selbst  wenn 
er  den  Willen  dazu  gehabt  hätte,  was  bei  seinem  freundschaft- 
lichen Verhältnisse   zu   dem  Erwählten  Philipp   entschieden  zu 


*  Codex  trad.  Garst,  f.  7';  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  125. 

»  Dopsch,  Die  1.  f.  Urbare  im  13.  und  14.  Jahrhunderte  210,  222,  255;  Ur- 
bar der  Herrschaft  Stejr  von  1632  (nicht  1424)  im  Herrschaftsarchive 
Steyr. 

'  Grienberger  glaubt  den  Ortsnamen  Sierning  aus  der  deutschen  Sprache 
herleiten  zu  können;  allein  seine  Erklärung  ,hinsiechend,  absterbend, 
steht  im  Widerspruche  mit  den  örtlichen  Verhältnissen  und  ist  wohl 
auch  zu  kunstvoll,  als  daß  er  aus  dem  Volksmunde  hervorgegangen  sein 
sollte;  im  Gegenteile  ist  das  Sierningbächlein  ein  in  der  Ebene  ruhig 
dahinfließender  ,Weidenbach*,  wofür  ihn  Kämmel  nach  Miklosich  erklärt 
hat.  Aus  diesem  rein  sachlichen  Grunde  ist  die  Ableitung  aus  dem 
Slawischen  vorzuziehen. 

•*  S.  Erläuterungen. 

33» 


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490 

bezweifeln  ist.  Schon  hieraus  ließe  sich  vermuten,  daß  eine 
Grenzlinie  zu  finden  war,  welche  nicht  in  Freundesbesitz  eingriff. 

Die  Urkunde  vom  24.  Mai  1257,*  welcher  Lampel  großes 
Gewicht  beilegt,  beweist  nach  meinem  Erachten  nichts  weiter, 
als  daß  das  Spital  am  Pim  in  diesen  Kriegswirren  sich  beeilte, 
sich  den  Schutz  des  neuen  Machthabers  jenseits  der  Berge, 
des  Herzogs  Stephan  von  Slawonien,  zu  sichern  und  daß  letz- 
terer die  ihm  angebotene  Vogtei  über  das  Kirchengut  innerhalb 
des  Machtbereiches  König  Belas  übernahm.  Zu  dieser  Eile  hatte 
das  Hospital  auch  allen  Anlaß,  da  gerade  in  diesem  Zeitpunkte 
das  Salzburger  Kapitel  sich  zu  einem  entscheidenden  Schritte 
gegen  Philipp  entschlossen,  den  Bischof  Ulrich  von  Sekkau 
zum  Erzbischof  postuliert  und  denselben  zur  Betreibung  der 
Sache  nach  Rom  gesandt  hatte,  während  der  ungarische  König, 
auf  dessen  Beistand  Ulrich  rechnete  und  sich  mit  ihm  1258 
offen  verband,  den  Kirchenstreit  ausnützte,  um  seine  Macht  auf 
Kosten  des  Erzstiftes  auszubreiten.' 

Was  die  andere  Urkunde  vom  21.  Juni  1257  betrifft,  so 
kann  aus  derselben  auch  nach  den  von  Wichner  erteilten  Aus- 
künften nur  die  Folgerung  gezogen  werden,  daß  sich  zur  Zeit 
der  Ausstellung  der  Urkunde  das  Paltental  und  wahrscheinlich 
auch  Admont  in  der  Gewalt  der  Ungarn  befunden  habe,  was 
bei  den  Zuständen,  welche  infolge  des  Zwistes  zwischen  dem 
Erwählten  und  seinem  Kapitel  herrschten,  nicht  zu  verwundern 
ist;  eine  dauernde  Besitznahme  des  Enstales,  zumal  des  lang- 
gedehnten oberen,  durch  die  Ungarn  ist  weder  wahrscheinlich 
noch  beglaubigt,  im  Gegenteile  entbehren  die  Vermutungen 
Lampeis  urkundlicher  und  annalistischer  Bekräftigung. 

Wenn  Lampel  (Die  Landesgrenze,  S.  306)  meint,  das  Pitt- 
ner Ländchen  sei  eigentlich  der  Hauptgegenstand  der  Friedens- 
unterhandlungen gewesen,  so  hat  er  nicht  den  Wortlaut  der- 
selben für  sich,  der  vielmehr  zeigt,  daß  die  Verteilung  des 
Herzogtums  Steyr  unter  die  kriegführenden  Mächte  die  Haupt- 
sache und  die  Abmachung  wegen  des  Schlosses  Schwarzenbaoh 
nur  ein  Nebenpunkt  (hoc  adjecto)  gewesen  sei.  Die  in  Frage 
stehenden  Stellen  lauten: 


*  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  III,  242. 

*  Vgl.  O.  Lorenz,  ,Ottokar  yon  Böhmen  und  das  Erzstift  Salzburg  in  den 
Jahren  1246 — 1260*  in  den  Sitzungsber.  der  hist.-phil.  Kl.  der  Akademie 
XXXIII,  472  ff. 


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491 

,dominu8  noster  rex  Hungarie  et  sni  heredes  ducatum  Sti- 
rie  .  .  possidebunt  et  tenebnnt  usqne  ad  termiDos  infra  scrip- 
tos^  scilicet  a  Bommitate  mootis,  qai  dicitar  Semernyk,  secun- 
dum  quod  eadem  montana  pro  diversitate  locoram  adiacentiam 
diversis  nominibus  nuncupata  ab  Hungaria  in  Bawariam 
protenduntur  et  in  Bawaria  terminantur^  cursu  aquarum 
rersüsHaraiii  ab  eadem  snmmitate  moncinm  decnrrenciam 
terminos  distinguente  .  .  / 
und  nachfolgend: 

^ab  eadem  autem  summitate  moncinm  secundumcursum 
aquarum  rersus  Danabiam  fluencium  illam  porcionem 
Stirie  cum  toto  Ducatu  Austrie  predictus  P.  dominus  .  .  .  pos- 
sidebit  eciam  et  tenebit  .  .  / 

Lampel  (S.  304  f.)  hat  sich  dafUr  entschieden,  daß  die 
nach  Bayern  streichenden  und  dort  endenden  Gebirge  der 
heutigen  oberösterreichisch-steiermärkischen  Landesgrenze  ent- 
lang verliefen.  Denn  —  bemerkt  er  —  daß  man  damals  das 
Enstal  zu  Bayern  gerechnet,  von  Steiermark  losgetrennt  habe, 
sei  eben  erst  zu  beweisen,  vorläufig  müsse  unter  Bavaria  das 
Hauptland  Bayern  verstanden  bleiben,  wenn  nicht  überhaupt 
damit  nur  ^Westen^  sowie  unter  Hungaria  ganz  einfach  ,Osten' 
gemeint  sein  solle. 

Obwohl  diese  Ansicht,  daß  ganz  Steiermark  mit  Ausnahme 
des  Pittnerlandes  an  Ungarn  gefallen  sei,  wirklich  allgemein 
angenommen  wurde,  so  glaube  ich  doch,  daß  die  von  mir  in 
,Geburt  des  Landes  ob  der  Ens',  S.  109  vorgetragene  Auf- 
fassung dem  Wortlaute  sowohl  als  der  Sachlage  vollkommen 
entspreche. 

Unrichtig  ist  jedenfalls,  daß  unter  Bawaria  nur  das  Haupt- 
land Bayern  zu  verstehen  sei,  denn  die  Territorien  der  Bis- 
tümer Passau  und  Salzburg  werden  in  verschiedenen  Urkunden 
des  13.  Jahrhunderts  als  in  Bawaria  gelegen  bezeichnet.  Die 
Haupttauernkette  endet  nach  dieser  Sprachweise  in  der  Tat  ,in 
Bawaria^ 

Entscheidend  in  der  Sache  scheint  mir  aber  der  Wort- 
laut des  Berichtes.  Derselbe  ist  keineswegs  ,schwerftlllig',  er 
bestimmt  klipp  und  klar,  daß  die  Wasserscheide  zwischen 
Mur  und  Donau  fürderhin  die  Grenzscheide  des  beiderseitigen 
Besitzes  sein  soll.  Wo  die  Gewässer  abwärts  der  Donau  zu- 
eilen, dieses  Gebiet  verbleibt  dem  König  Otakar,  jenes,  in  wel- 


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492 

chem  die  Wässer  in  die  Mur  rinnen,  wird  König  Bela  beherr- 
schen. Durch  diese  klare  Bestimmung  wird  das  Enstal  dem 
ungarischen  Könige  entzogen,  denn  alle  seine  Bäche  rinnen  in 
die  Ens  und  diese  ergießt  sich  in  die  Donau.  Die  moderne 
oberösterreichisch-steiermärkische  Grenze  hat  auch  keine  ge- 
schlossene Bergkette,  sie  wird  bei  Altenmarkt  durch  die  Ens 
gespalten,  und  das  Tal  der  oberen  Laussa,  nicht  die  nördlichen 
oder  südlichen  Berge  desselben  war,  so  weit  Nachrichten  zu- 
rückreichen, die  Qrenzmarkung  der  Grafschaft  Steyr.  Die 
Tauernkette  dagegen  ist  ein  geschlossener  Gebirgszug,  der 
nur  bei  dem  Schoberpasse  im  Paltentale  einen  Sattel  zeigt,  jen- 
seits dessen,  bei  Wald,  der  in  den  Liesingbach  rinnende  Sulz- 
bach, alle  beide  zum  Flußgebiete  der  Mur  gehörig,  entspringt, 
während  nordwärts  in  geringer  Entfernung  sich  die  Quelle  des 
Paltenbaches  befindet,  welcher  nordwärts  der  Ens  und  mit  ihr 
vereinigt  der  Donau  zueilt.  Ein  ganz  deutliches  Bild  dieser 
oro-  und  hydrographischen  Verhältnisse  gewähren  die  Blätter 
II,  IV,  VI  der  Touristen  -Wanderkarten  von  G.  Freytag.  Es 
spricht  zu  deutlich,  als  daß  über  den  richtigen  Sinn  des  Ofner 
Abkommens  ein  weiterer  Zweifel  zurückbleiben  könnte. 

Daß  König  Otakar  die  zeitweilige  Besetzung  des  Palten- 
tales  durch  die  Ungarn  nicht  hinderte,  ist  erklärlich;  einerseits 
war  das  Gebiet  von  dem  Erwählten  von  Salzburg  beansprucht, 
andererseits  noch  nicht  der  Zeitpunkt  gekommen,  mit  den  Un- 
garn anzubinden  und  Steiermark  zurückzugewinnen. 

In  betreflF  der  zeitweisen  Zugehörigkeit  der  Ensburg  zur 
Ostmark  habe  ich  keinen  Anlaßt  von  dem  abzugehen,  was  ich 
in  der  ,Geburt  des  Landes  ob  der  Ens^  S.  35  f.  vorgebracht 
habe,  und  bemerke  nur  für  die  Anhänger  der  Ansicht,  daß  das 
Kloster  St.  Florian  vor  seiner  Besetzung  mit  Augustiner -Chor- 
herren wirtschaftlich  selbständig  gewesen  sei,  daß  hierzu 
nicht  stimme,  wie  dann  Bischof  Adalbert  von  Passau  das  pre- 
dium  Anesapurch  an  Herzog  Heinrich  I.  von  Bayern  zu  ver- 
tauschen in  der  Lage  gewesen  sein  soll. 

Entwicklung  der  Graischaiten  zu  Landgerichten. 

Im  Wege  der  vorsichtigen  Rekonstruktion  läßt  sich  der 
Umfang  der  beiden  Grafschaften  der  Arnolde  von  Lambach 
und  des  Rapoto  mit  ziemHcher  Sicherheit  feststellen. 


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493 


a)  Die  Orafsehaft  im  Oebirge. 

Das  Landgericht  Hartnids  von  Ort;  Marschalls  in  Steyr, 
umfaßte  noch  im  Jahre  1217  das  Tal  von  Kirchdorf:  ,in  illo 
iudicio;  qnod  a  me  semper  in  illis  partibus  habere  noscebatur^, 
sagt  er  in  seinem  Gunstbriefe  für  Kloster  Garsten,^  in  welchem 
er  auch  seinen  Richter  Hiltepold  nennt.  Es  stand  ihm  also 
ebenda,  wo  im  Jahre  1006  noch  Graf  Rapoto  waltete,  die  Ge- 
richtsbarkeit zu,  denn  Schlierbach  ist  nur  eine  Stunde  von 
Kirchdorf  entlegen;  Zeugen  der  Urkunde  sind  Udelschalk  von 
Klans  an  der  oberen  Steyr,  Otacher  von  Schlierbach,  Rudolf 
von  Lauterbach  nächst  Kirchdorf. 

Hartnids  gleichnamiger  Sohn  verzichtete  1241,  18.  Fe- 
bruar unter  Hinzutritt  der  herzoglichen  Genehmigung*  auf  Ge- 
richtsbarkeit und  Sportein  gegenüber  den  Hintersassen  des 
Klosters  Kremsmünster,  nur  die  todeswürdigen  Verbrecher  sind 
ihm  oder  seinem  Richter  (mihi  vel  per  me  iudici  instituto)  aus- 
zuliefern. Die  Eigenleute  von  Kremsmünster  waren  in  den 
(späteren)  Landgerichten  Ort  und  Schlierbach  bis  gegen  den 
Pirn  zerstreut. 

E^  bestand  daher  das  Landgericht  der  Herren  von  Ort 
oder  die  vormalige  Grafschaft  im  Gebirge  aus  dem  alten  Ouliu- 
pestal  bis  zum  Pirn,  dem  Salzkammergut  und  dem  dazwischen 
liegenden  Tale  von  Viechtwang  und  Grünau.  Die  alten  Gren- 
zen sind  im  Westen  die  Markungen  der  nachmaligen  Land- 
gerichte Ort  und  Wildenstein,  im  Osten  jene  der  späteren  Land- 
gerichte Pemstein  und  Spital,  im  Süden  im  großen  und  ganzen 
die  heutige  Landesgrenze.  Gegen  die  Grafschaft  Steyr  wird 
ursprünglich  das  Hochsengsengebirge  die  natürliche  Scheide- 
wand gewesen,  die  Vorrückung  der  Grenze  der  Steyrer  Herr- 
schaft an  den  inneren  Rettenbach  wohl  erst  im  15.  Jahrhunderte 
erfolgt  sein.  Die  nördliche  Abgrenzung  gegen  die  Grafschaft 
zwischen  Traun  und  Ens  wird  bei  dieser  besprochen. 


^  Oberösterreichiflohes  Urkundenbuch  II,  594.  Von  den  elf  Eigenleuten 
Garstens  im  Tale  von  Kirchdorf  wird  1305  (OberösterreichischeB  Urkun- 
denbuch rV,  481)  das  Qut  Rudieins  und  seiner  Söhne  zu  Otstorf  (OsEin- 
dorf  c  1125  im  Garstner  Traditionsbuche  a.  a.  O.  I,  150,  154)  genannt 

*  Urkundenbuch  von  Kremsmünster  Nr.  70,  71. 


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494 

Das  Landgericht  war  koin  freies,  sondern  ein  herzogliches 
Lehen,  wie  sich  von  selbst  versteht  und  durch  die  zweite  Ur- 
kunde von  1241  dokumentiert  ist.  Wie  es  kam,  daß  die  Ge- 
richtsgewalt von  den  steyrischen  Markgrafen  aus  der  Hand  ge- 
geben wurde,  wird  in  dem  Abschnitte  über  die  Otakare  gezeigt 
werden. 

Die  Herren  von  Ort,  Dienstleute  der  Otakare,  welche  mit 
der  Burg  Wachseneck  auch  das  Landgericht  an  der  Rab  in 
ihre  Hand  bekamen,^  führten  diesen  Namen  wohl  erst  seit  Er- 
bauung des  Seeschlosses  auf  einer  künstlichen  Insel  des  Traun- 
sees.  Besitz  ist  nachzuweisen  zu  Berndorf  bei  Rottenmann,  zu 
Lainbach  bei  Wolkenstein  im  Enstale,  im  Mürztale,  an  der 
Rab.*  Der  Letzte  des  Geschlechtes,  Hartnid,  verlor  sein  Lehen 
Wachseneck  wegen  Gewalttaten  gegen  die  bischöfliche  Kirche 
Sekkau  und  endete  1244  in  der  Haft  Herzogs  Friedrich  H.* 
Seiner  Leiche  wurde  die  kirchliche  Beerdigung  versagt,  bis 
seine  Schwester  und  Erbin  Gisela  1270,  25.  Oktober*  dem 
Bistum  Sekkau  zur  Gutmachung  des  Schadens  5  ritterbürtige 
Unfreie  samt  allen  ihren  Söhnen  und  Töchtern  sowie  10  Mark 
übergab.  Die  Herrschaft  Ort,  wahrscheinlich  Freieigen,  fiel 
an  Gisela,  welche  mit  Albero  von  Feldsberg  (f  vor  dem  5.  Juli 
1270)  vermählt  war,  das  Gerichtslehen  aber  wurde  dem  Herzog 
ledig.  Bevor  dieser  es  weiterlieh,  bemächtigten  sich  wohl  in 
den  Wirren  des  Zwischenreiches  die  Herren  von  Truchsen  aus 
Kärnten,*  an  welche  nach  dem  Tode  Heinrichs  von  Grafenstein* 


^  Rationariura  Stiriae  bei  Rauch,  Script.  II,  115:  ,Item  iudicium  iuxta  Ra- 

bam,  quod  vacare  cepit  ab  iUo  de  Orte.* 
»  Steiennärkiflches  Urkundenbuch  I,  317,  641,  610. 

*  Mon.  Germ.  Script  (Continuatio  Garst)  XI,  697. 

*  Urkunde  bei  Aquilinus  Julius  Caesar,  Annales  Duc.  Styriae  II,  546, 
Nr.  156. 

^  Die  Truchsner  besaßen  Pernstein  schon  1255  (Urkunde  Ulrichs  von 
Truchsen  für  Garsten.  Actum  in  Pernstein.  Oberösterreichisches  Urkun- 
denbuch III,  223)  und  veräußerten  es  1337,  23.  Februar  (a.  a.  O.  VI, 
227)  an  den  Hauptmann  ob  der  Ens  Eberhart  von  Walsee. 

*  Der  Kärntner  Heinrich  von  Grafenstein,  welcher  1240,  24.  Jänner  (Ur- 
kundenbuch von  Kremsmünster  Nr.  68,  Aufschrift  der  Urkunde  aus  der 
Zeit  nach  1300:  Privilegium  de  redempcione  aduocacie  quam  Perstaei- 
narius  sibi  usurpaverat)  allen  Yogtansprüchen  zugunsten  des  Klosters 
Kremsmünster  entsagte,  erscheint  in  den  Jahren  1222,  1224,  1229,  1281, 
1240.  Aquilinus  U,  728  hält  ihn  für  einen  Stiefbruder  der  Geschwister 
Ulrich,  Cholo  und  Gottfried  von  Truchsen.     Er  hatte  Pernstein  wohl 


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495 

die  Feste  Pernstein^  die  im  14.  Jahrhunderte  ansdrilcklich  als 
rechtes  Eigen  beurkundet  ist,^  gefallen  war,  des  Landgerichtes 
und  nahmen  als  Inhaber  desselben  die  Vogtei  über  die  Pfarren 
Kremsmünster,  Herzogenhall  (Pfarrkirchen),  Ried,  Wartberg, 
Kirchdorf,  Petenbach,  Vorchdorf,  Steinerkirchen,  Wimsbach,  La- 
kirchen,  Olstorf,  Viechtwang  und  Windischgarsten  in  Anspruch.* 
In  den  Erläuterungen  wurde  bereits  erwähnt,  daß  wahr- 
scheinlich König  Rudolf  als  Gegenleistung  fUr  die  seinen  Söh- 
nen verliehenen  Kirchenlehen  den  Bischöfen  von  Bamberg  als 
den  bedeutendsten  Grundherren  dieser  Gegend  um  1279  die 
Örafenrechte  eingeräumt  haben  wird.  Dieser  östliche  Teil  des 
alten  Landgerichts  Ort  wurde  nunmehr  das  Landgericht  Schlier- 
bach genannt  von  dem  Schlosse,  welches  zuerst  Wernher  von 
Schlierbach,  der  für  einen  .  Zelkinger  angesehen  wird,  nach 
seinem  Tode  aber  sein  Neffe  Liebaun  von  Truchsen  von  Bam- 
berg zu  Lehen  trug.' 


nach  dem  Abgange  Pillungs  von  Pernstein  (1179,  1189,  1206,  Ober- 
österreichisches  U/kundenbuch  II,  S67,  414,  502)  erworben. 

^  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  in,  514. 

'  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  VI,  227,  228. 

'  Kopialbuch  Nr.  4  im  königl.  bayr.  Ereisarchiy  zu  Bamberg.  ,An  dem 
Sun  tag  als  man  zehen  tage  gevastet  hat*  1315  zu  Atersee  (f.  36^)  stellte 
Liebaun  von  Truchsen  dem  Bischof  Wulfing  über  die  ihm  verliehene 
,halbe  purg  Slierbach*  samt  Urbar  und  yerlehenten  Gütern  den  Lehen- 
revers  aus.  Die  yerlehenten  Qüter  waren:  ,Das  ist  zu  Dorf  ain  gut 
da  des  Haydens  kind  aufsizen,  ein  gut  daselbs,  da  Hadmar  auf- 
sitzet, ain  gut  zu  Haslach  vnd  ain  gut  zu  Prenöd,  ain  gut  zu  Alprantöd 
ynd  ain  gut  zu  Grillenporiz  die  Gotschalk  ynn  hat,  ain  hüben  zu  De- 
lenspach  [Ellesbach]  die  Tmel  von  Thanschach  hat,  in  demselben  dorf 
ain  hofetat  die  des  forster  kind  haben,  ze  Thauwenstorf  [Dauersdorf] 
aine  hub  die  Gundacher  hat,  ze  awe  ain  gut  das  Alber  vnd  sein  prüder 
haben,  auf  dem  Ghögelein  ain  gut,  das  Ulreich  von  Od  hat,  zu  Entzingen 
ain  gut  daz  Hans  von  Od  hat,  auf  dem  weinperg  ain  gut  das  der  Eren- 
thaler  hat  und  ain  gut  daselbs  daz  Amolt  der  Perz  hat,  ain  wyse  auf 
der  awe  die  der  Aicher  pecke  hat  und  ain  wyse  auf  der  awe  dye  Ott 
von  Yoytstorf  hat'  Zum  Urbar  gehörten  der  halbe  Hof  bei  der  Burg, 
4  Wiesen  auf  der  (Wartberger)  Au,  1  Hube  zu  Dorf,  1  Hube  zu  De- 
lenspach,  3  Hüben  zu  Wyntperg,  zu  Oberndorf  1  Hube,  zu  Prelitz 
1  Hube,  zu  Chogel  1  Hube,  zu  dem  Zehenthof  1  Hube,  an  dem  purg- 
stal  da  Gerunch  aufgesessen  was  1  Gut,  ze  dem  Zwiselperge  2  Güter, 
vnder  der  lejten  1  Gut,  ze  Wejgelstorf  1  Gut,  ze  dem  Thuczler  in 
der  Awe  1  Gut,  auf  dem  Durrenpod  1  Gut,  der  halbe  forst  in  der  Awe, 
der  halbe  forst  in  dem  Elmecke  ,mit  dem  vor  und  dem  panschach 
halbes*. 


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496 

Die  Reihenfolge  der  Orter,  die  unter  diesem  Namen  in 
einer  Reichersberger  Urkunde  vom  Jahre  1141^  zuerst  auftreten, 
ist  folgende: 

Hartnid  I.,  bereits  als  verstorben  bezeichnet  1147,  22.  August 


Hartnid  IL  1147,  Ortolf  1147—1159  Tochter  ux.  N. 

S.Juni  bis  c.  1160.  ♦  ''~^ 

.  ,^  Otto 

TT    .   .,  ZZ  Albero 

Hartnid  III. 

ux.  Gertnid  v.  Trübenbach  1188. 

Hartnid  IV.  1201—1227,  17.  Februar,  f  vor  17.  Sep- 
tember 1229,  ux.  Gisela  von  Eranichberg. 

Hartnid  V.  1229,  f  8.  Dezember  1244;  Gisela 

ux.  Tochter  des  Budger  von  Anschau.  ux.  Alberos  von  Feldsberg. 

Hoffentlich   findet   die   Geschichte   dieses  gewaltigen  Oe- 
schlechtes  bald  einen  Bearbeiter. 


h)  Die  Grafschaft  zwischen  der  Traun  und  der  Ens. 

Die  Bezeichnung  ,Iudicium  provinciale  infra  flumen  Tru- 
nam  et  flumen  Anasum*  taucht  zwar  erst  im  Jahre  1262*  auf, 
um  von  da  an  in  den  Lehenbriefen  für  die  Volkenstorfer  und 
Losensteiner  nicht  mehr  zu  verschwinden,  ist  jedoch  wahr- 
scheinlich eine  alte. 

Dieses  Gebiet  wurde  von  den  Anhängern  der  sogenannten 
Tradition  für  die  Otakare  mit  um  so  größerer  Hartnäckigkeit 
in  Anspruch  genommen,  je  weniger  sich  hieftir  urkundliche 
Belege  aufbringen  lassen  wollten;  dagegen  machten  sie  nicht 
einmal   einen   Versuch,    für   die   älteste  Zeit  die  Grundherren 


Des  Haiden  Kinder  waren  Buger,  der  aU  letzter  Zeuge  der 
Qarstner  Urkunde  1327,  30.  November  (OberösterreicliiBcheB  Urkunden- 
buch  y,  497)  vorkommt,  und  Niklas,  welchen  beiden  Herzog  Albrecht 
1336,  10.  August  (a.a.O.  VI,  212)  den  Hof  zu  Moln  leiht,  ein  inter- 
essantes Beispiel  des  Aufsteigens  aus  dem  Bauernstande  in  den 
landsässigen  Adel.    Betreffend  Weigerstorf  s.  S.  472,  A.  2. 

*  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  U,  194. 

'  Freibrief  König  Kemysl  Otakars  für  Erlakloster.  Oberösterreiohisches 
Urkundenbuch  lU,  262. 


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497 

dieser  Gegend  zneammenzustellen.  Dieses  Versänmnis  wollen 
wir  jetzt  gutmachen. 

Daß  die  bedeutendsten  Qrundherren  die  Grafen  von  Lam- 
bach  waren;  ist  schon  aas  dem  großen  Stücke  Eigengutes  zu 
schließen,  welches  Bischof  Adalbero  bei  der  Erbteilung  sich 
gerade  ans  dem  Zentrum  herausschneiden  ließ.  Daß  die  Al- 
lode im  Westen  der  Traun  an  Graf  Eckbert  I.  von  Formbach 
fielen,  wird  auf  den  nächsten  Seiten  glaubwürdig  dargetan 
werden ;  über  den  Besitz  ostwärts  vom  Schleißheimerbache  und 
von    der  Krems  mangeln   urkundliche  Nachrichten  überhaupt. 

Überblicken  wir  die  spärlichen  Urkunden,  so  finden  wir 
an  Kirchengut  jenes  des  Klosters  Kremsmünster  in  Keuhofen 
a.  d.  Krems,^  Nesselbach,  Oberndorf  bei  St.  Marien  und  die 
Güter  zwischen  dem  Samareiner-  und  dem  Ipfbache,  jenes  des 
Klosters  Mondsee  zu  Rorbach  und  Niederfraunleiten  in  der 
heutigen  Pfarre  St.  Florian,  endlich  des  Bistums  Passau,  wel- 
chem Zelle  und  Kloster  St.  Florian  mit  geringem  Besitze  in 
nächster  Umgebung  einverleibt  war.'  Südwärts  muß  das  prae- 
dium  Slierbach  mit  seinem  ganzen  bis  auf  den  Pirn  reichenden 
Zugehör*  noch  vor  dem  Tode  König  Heinrichs  (1025)  an  das 
Hochstift  Bamberg  gelangt  sein,  da  dasselbe  diesen  Besitz  durch 
das  Gut  der  Kirche  Gurk  im  oberen  Kremstale  zwischen  den 
Jahren  1130  und  1140*  arrondiert  hat;  die  Urkunde  des  Kai- 
sers über  die  Verleihung  kennen  wir  allerdings  nicht,  sie  ist, 
wie  so  manches  andere  Zeugnis  über  die  ältesten  Besitztitel 
seiner  Stiftung,  verloren  gegangen.^ 

Übrigens  sind  die  Kulturen  jenseits  der  Steyr  und  auf- 
wärts der  Ens  noch  gegen  Ende  des  10.  Jahrhunderts  auf  die 


^  Die  weitere  Fassung^  der  Schenkungsarkunde  E.  Arnulfs  888,  3.  Jänner 
(Urkundenbach  von  Eremsmünster  Nr.  16),  welche  mit  dem  Einschub 
,nt  nullus  judex  publicus*  für  Neuhofen  Immunität  schaffen  wollte,  ist 
eine  Fälschung,  s.  Mühlbacher,  Reg.  der  Earolinger,  Nr.  1723. 

«  Archival.  Zeitschrift,  N.  F.  VUI,  69,  62;  Mitteilungen  I.  ö.  G.-F.  XXIV, 
424. 

'  Die  Ausdrücke:  praedium,  res  waren  stehende  Formeln  für  ganze  Güter- 
komplexe. 

*  8.  8.  472,  A.  2. 

^  Alfred  Altmann,  ,Der  Staat  der  Bischöfe  von  Bamberg*  im  Eorrespon- 
denzblatt  des  Gesamtrereines  der  deutschen  Geschichts-  und  Altertums- 
yereine  1906.  Sonderabdruck  S.  4. 

Vgl.  auch  das  auf  S.  474  Gesagte. 


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498 

allernächste  Umgebung  der  Stirabnrg:  Saming,  Qarsten,  Rent- 
nergüter bei  Christkindl,  Ttinsting,  Schwaming,  Wolfschwenger- 
gut  beschränkt;  Moln  und  seine  Seitentäler  nur  schwach^  das 
Hinterland  um  Gaflenz  wahrscheinlich  noch  gar  nicht  besiedelt, 
daher  auch  dieser  Landstrich  hier  gar  nicht  in  Beti-acht  kom- 
men kann. 

Auf  einen  Umstand,  welcher  bisher  weniger  beachtet  wor- 
den ist^  glaube  ich  aber  aufmerksam  machen  zu  sollen.  Oraf 
Arnold  I.  verfügte  über  den  Kasberg;*  derselbe  gehörte  zu 
seinem  Machtbereich.  Nachweislich  war  der  Kasberg  später  ein 
Bestandteil  der  Herrschaft  Klaus^  welche,  soweit  wir  zurück- 
sehen und  zurückschließen  können,  stets  den  Landesfbrsten  zu- 
ständig war  und  daher  sicherlich  durch  die  Babenberger  bereits 
von  den  Otakaren  übernommen  worden  ist.  Da  die  Otakare 
erst  in  der  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  aus  dem  Chiemgau  her- 
überkamen, so  ist  wohl  zu  vermuten,  daß  vor  ihnen  die  Lam- 
bacher  Klaus,  dessen  Urbar  in  der  Steyr  hinauf  sich  bis  in 
das  Stodertal  erstreckte,*  innegehabt  haben  werden.  Erwägen 
wir  weiters,  daß  kein  anderer  weltlicher  Grundherr  in  dem 
fraglichen  Gebiete  ausfindig  zu  machen  ist,  das  Kirchengut 
aber  genau  bestimmt  werden  konnte,  so  ist  die  Folgerung  nahe- 
liegend, dasselbe  sei  in  der  Gewalt  der  Lambacher  gewesen, 
welche  damals  die  anstoßende  Kärntnermark  verwalteten  und 
von  derselben  füglich  nicht  durch  eine  dazwischenliegende 
fremde  Herrschaft  werden  getrennt  gewesen  sein. 

Wenn  Krones  in  seinem  Versuche,  das  Vorauer  Fragment 
wieder  zu  Ehren  zu  bringen,  seine  Ausführungen  über  die  von 
ihm  behauptete  Bodenständigkeit  der  Otakare  im  Traungau 
mit  den  Worten  schließt:  ,So  deckt  sich  somit  eine  alte,  wohl- 
berechtigte Überlieferung,  die  schon  dem  Großvater  OczisOta- 
kars  das  Prädikat  von  Steier  beilegt,  mit  dem  Ergebnisse  einer 
unbefangenen  Forschung  und  läßt  schon  für  die  Schlußhälfte 
des  10.  Jahrhunderts  die  Otakare  als  Burgherren  von  Steier 
annehmen^  so  ist  er  für  diese  auf  späte  Skribenten  und  das 
Vorauer  Fragment  aufgebaute  Behauptung  jeglichen  urkund- 
lichen Nachweis   schuldig  geblieben.     Mag  auch  die  Erbauung 

^  Urkundenbuch  von  Eremsmünster,  S.  27,  Nr.  18. 
•  Urbar  von  Klaus  1498  im  Archive  zu  Spital  am  Pim. 
■  Die  Markgrafen  von  Steier  im  Archiv  für  österr.  Gesch.  LXXXIV,  249. 
Die  Ziffer  16  ist  ein  Druckfehler  für  10. 


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499 

der  Steierburg  noch  im  10.  oder  erst  im  11.  Jahrhunderte  vor 
sich  gegangen  sein,  mag  dieselbe  den  Lambachern  zufallen  oder 
ihr  Urheber  unbekannt  bleiben:  unbedingt  ausgeschlossen  ist 
nach  der  Sachlage  —  die  im  weiteren  Verlaufe  noch  eingehen- 
der erörtert  werden  wird  — ,  daß  die  Otakare  sie  errichtet 
haben,  weil  sie  damals  noch  landfremd,  dagegen  im  Chiemgau 
in  Amt  und  Würden  waren. 

Wie  nun  der  überwiegende  Grundbesitz  gewöhnlich  zur 
Erlangung  des  Grafenamtes  führte,  wie  Arnold  und  Gottfried 
aus  dieser  Rücksicht  die  Verwaltung  der  angrenzenden  Eärnt- 
nermark  erlangten^  so  wird  der  gleiche  Vorgang  bei  ihrem  Be- 
sitznachfolger Otakar  eingetreten  sein. 

Die  Lambacher  starben  in  der  Mitte  des  11.  Jahrhunderts 
mit  Arnold  II.  aus,  dem  nicht  lange  vorher  (Weihnachten  1049 
oder  anfangs  1050)  Gottfried  vorangegangen  war.*  Ihre  Komi- 
tate  östlich  und  westlich  der  Traun  wurden  geteilt,  diese  fielen 
an  die  Grafen  von  Formbach,  jene  an  die  Otakare  aus  dem 
Chiemgau.  Die  Aufstellung  ist  in  jeder  Richtung  unter  Beweis 
zu  stellen;  während  bezüglich  der  Otakare  die  Nach  Weisung  der 
weiteren  Folge  vorbehalten  werden  muß,  wird  selbe  bezüglich 
der  Formbacher  sofort  geliefert. 

Die  Sohaunbergsohen  Landgerichte  zwischen  Hausmck 

und  Traun. 

In  den  Erläuterungen  wurde  bereits  bemerkt,  daß  die 
Grafengewalt  nach  dem  Absterben  der  Lambacher  (ohne  Rück- 
sicht auf  den  als  Mitglied  des  Klerus  nicht  in  Betracht  kom- 
menden Bischof  Adalbero)  an  die  Formbacher  gelangt  sein 
müsse,  da  durch  diese  Annahme  allein  verständlich  wird,  daß 
die  hohe  Gerichtsbarkeit  in  der  ganzen  Gegend  den  Schaun- 
bergern  zusteht  und  von  ihnen  in  der  oberen  Gruppe  weiter- 
geliehen wird. 

Ebenda  wurde  wiederholt,'  daß  nach  dem  nicht  wohl 
anzuzweifelnden  Berichte  des  Abtes  Heinrich  von  Formbach 
1196'  die  Maut  zu  Aschach  a.  d.  Donau  im  Besitze  der  Grafen 


^  Ann.  Altah.  mi^oreB.  M.  G.  Script.  XX,  804. 

'  ans  »Peuerbach*,  S.  202. 

'  OberOsterreichisches  Urkundenbuch  n,  456;  Mon.  Boic.  lY,  146. 


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500 

von  Formbach  gewesen  ist,  da  der  Abt  anläßlich  des  Rechts- 
spruches Herrn  ^  Wernharts  von  Schannberg  gegen  Heinrich 
Fahrirre  ausdrücklich  erklärt,  das  Kloster  habe  seine  Gerech- 
tigkeit (Mautbefreiung)  in  Aschach  von  seinen  Stiftern  (a  ve- 
nerabilibus  fundatoribus),  also  von  den  Eckberten  erhalten,  was 
deren  Besitz  vonseiten  der  Stifter  notwendig  voraussetzt. 

Entscheidend  fUr  die  Annahme  ist  meines  Erachtens  eine 
Stelle  in  der  lateinischen  Aufschreibung  über  den  Umfang  der 
Grafschaft  Neuburg  am  In  aus  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hunderts (Hec  sunt  bona  attinentia  castro  Niunburch),*  welche 
auch  die  Vorlage  für  den  Abschnitt  des  Landbuches  ,Hie  heft 
sich  an  die  herschaft  von  Niunburch  ob  Pazzowe  unde  allez 
daz  ze  der  selben  purge  hat  gehöret')  abgegeben  hat. 

Nach  Aufzählung  der  Burgen,  Ortschaften  und  Höfe, 
welche  die  Grafschaft  Neuburg  selbst  darstellen,  heißt  es:  ,Item 
I  Septem  iudicia  que  dicuntur  lantgeriht  inter  Danubium  et 
.   Enum' 

Die  Forschung  wußte  bisher  mit  der  Stelle  nichts  anzu- 
fangen, verzichtete  ganz  mit  Unrecht  auf  ein  tieferes  Eingehen 
und  begnügte  sich  mit  folgender  allgemeiner  Deutung:  ,Gemeint 
sind  damit  die  Untergerichte,  in  welche  die  Grafschaft  zei-fiel.*' 
Was  für  Üntergerichte  sollten  das  sein?  Urbargerichte?  Da- 
gegen streitet  die  bestimmt  lautende  Erklärung:  iudicia  que 
dicuntur  lantgeriht.  Im  12.  und  13.  Jahrhunderte  war  man  über 
den  Begriff  Landgericht  nicht  im  Zweifel,  weshalb  auch  das 
Landbuch  übersetzt:  ,Es  gehorent  euch  dar  zu  siben  lantgericht 
zwischen  der  Tunowe  unt  dem  In.' 

Sieben  Landgerichte  können  aber  in  dem  engen  Umfange 
der  Grafschaft  Neuburg,  die  sich  von  der  Donau  bei  Dietbruck, 
unterhalb  der  heutigen  Eisenbahnstation  Sandbach,  über  die  Rot 
oberhalb  Griesbach  bis  zum  Prienbach,  der  unterhalb  Braunau 
in  den  In  fällt,  erstreckte,  nur  die  Größe  eines  mäßigen  bayri- 
schen Landgerichtes   hatte  und  außerdem   zum  Teile  von  dem 

*  Die  Urkunde,  deren  Kopie  auf  der  ersten  Seite  des  Vorsetzblattes  des 
Traditionskodex  von  Formbach  von  einer  Hand  des  14.  Jahrhunderts 
geschrieben  ist,  gibt  ihm  den  damals  im  Gebrauche  stehenden  Titel 
comes.     Das  Wort  wird  eine  Glosse  der  Urkunde  gewesen  sein. 

*  Mon.  Boic.  XXVIII,  6,  189;  Oefele,  Geschichte  der  Grafen  von  Andechs, 
S.  68—59. 

'  Oefele,  Lampel. 


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501 

großen  Neuburger  Forste  erfüllt  war,  in  keinem  Falle  unter- 
gebracht werden. 

Der  Fehler  liegt  vielmehr  darin,  daß  man  die  Landgerichte 
innerhalb  der  Grafschaft  zwischen  In  und  Donau  suchte  statt 
außerhalb  desselben,  am  linken  Ufer  des  In  statt  am  rechten 
Inufer.  Der  Wortlaut  gestattet  diese  Auslegung,  der  Sinn  for- 
dert sie:  ,Hec  sunt  bona  attinentia  castro  Neunburch.  Item 
Septem  .  .  lantgeriht  inter  Danubium  et  Enum/ 

Sieben  Landgerichte  waren  es  auch,  welche  zwischen  In 
und  Donau  die  Erben  der  Formbacher:  Meraner  und  Schaun- 
berger,  innehatten,  nämlich:  1.  Schärding,  aus  welchem  erst 
im  14.  Jahrhunderte  das  Gericht  Ried  ausgeschieden  wurde  ;^ 
2.  Aschachwinkel,  in  welchem  sich  die  Donäumaut  Aschach  mit 
den  Burgen  Schaunberg  und  Stauf  befand;  3.  Donautal  mit 
Linz;  4.  Peuerbach;  6.  Erlach,  von  welchem  Tegembach  erst 
im  14.  Jahrhunderte  ausgebrochen  wurde;  6.  Starb emberg; 
7.  Schwans. 

Unter  dieser  Annahme  wird  erst  begreiflich,  wie  Graf 
Eckbert  I.  von  Formbach  dem  Könige  Heinrich  IV.  einen  län- 
geren hartnäckigen  Widerstand  entgegensetzen  konnte,  bis  er 
nach  Verlust  von  drei  Burgen  zur  Flucht  nach  Ungarn  ge- 
zwungen wurde.  Bei  der  großen  Ausdehnung  seines  kompakten 
Amtsgebietes  war  der  Annalist'  vollständig  befugt,  ihn  ,non 
parvae  valentiae  comitem'  zu  nennen. 

Für  die  Tatsache,  daß  Macht  und  Besitz  der  Grafen  von 
Lambach  bis  gegen  die  Ens  reichte,  spricht  auch  noch  eine  Stelle 
im  Formbacher  Traditionsbuche,  nach  welcher  Graf  Eckbert  I. 
um  das  Jahr  1100  ,quidquid  inter  enum  et  enesim  fluvios 
inveniri  potest  illorum  mancipiorum,  que  coniugi  sue  in  par- 
tem  ceciderunt  de  familia  patrui  sui  Adalberonis  episcopi^^ 

Wir  finden  nun  nach  dem  Tode  Eckberts  III.  sofort  den 
Julbacher  Heinrich  im  Donautale:  in  einer  Wilheringer  Urkunde 
vom  Jahre  1161*  heißt  Heinricus  de  Scovenberg  nobilis  et  po- 
tens  vir,  sein  Enkel  Wernhard  verfügt  1196  über  die  Maut- 
befreiung in  Aschach.  Von  nun  an  sind  die  Julbacher  un- 
unterbrochen im  Donautale  beglaubigt. 


^  8.  Erläaterungen. 

*  BertholduB.  M.  G.  Script.  Y,  802. 
»  Mon.  Boic  IV,  11,  Nr.  1. 

*  OberÖBterreichiflches  Urkundenbuch  II,  314 


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502 

Während  den  Grafen  von  Andechs  die  Formbachschen 
Eigen  jenseits  des  Hausruck waldes  zufielen,  kamen  an  die  Hoch- 
freien von  Julbach  jene  diesseits  des  Hausruck  zugleich  mit 
der  denselben  anhaftenden  Grafenberechtigung.  Eis  ist  daher 
nicht  wohl  zu  zweifeln,  daß  Erbrecht  den  Julbachern  zu  dem 
ansehnlichen  Erwerbe  verhelfen  hat,  wenn  auch  der  Verwandt- 
schaftsgrad nicht  bestimmt  werden  kann,  in  welchem  ihre 
Mutter  Benedikta  zu  dem  Erblasser  Eckbert  HI.  gestanden  ist. 

Es  scheint,  daß  die  Erbschaft  vorerst  der  ältere  Bruder 
Heinrich  allein  übernahm  und  der  jüngere  Gebhard  die  väter- 
liche Herrschaft  Julbach  verwaltete,  von  welcher  er  bei  Lebzeiten 
Heinrichs  den  Titel  fortführte.  Die  Burgen  Schaunberg  und 
Stauf  scheinen  ziemlich  gleichzeitig  erbaut  worden  zu  sein; 
denn  nach  allen  Umständen  ist  es  zweifellos,  daß  der  nach 
1158  mehrfach  genannte  Heinrich  de  Steife  oder  Stuof  kein 
anderer  ist  als  Heinrich  von  Schaunberg.  So  der  Heinricus  de 
stoitfe  (steife),  welcher  nebst  vielen  bayrischen  Großen  auf 
dem  Hoftage  Herzogs  Heinrich  von  Bayern  zu  Karpfham  im 
Rottale  anwesend  war  und  im  Reichersberger  Kodex ^  unmittel- 
bar auf  Chuno  von  Megling  folgt;  so  der  Hainricus  de  Stoufe, 
welcher  um  1170*  die  Tradition  des  Gutes  Lutingen  durch  den 
Reichsdienstmann  Herrand  von  Hausruck  an  Ranshofen  bezeugt; 
so  der  Henricus  de  steife,  welcher  auf  dem  Gerichtstage  Herzogs 
Heinrich  von  Bayern  zu  Ens  am  14.  März  1176*  nach  dem 
Grafen  Heinrich  von  Plaien  und  vor  Erchenpert  von  Hagenau 
verzeichnet  ist;  endlich  der  Hainricus  de  Stuof,  der  auf  dem 
Gerichtstage  des  Herzogs  Otto  (1180 — 1183)  von  Bayern  in  der 
Elagsache  des  Propstes  Liutold  von  Ranshofen  gegen  den  Hall- 
grafen Dietrich  anwesend  war  und  nach  dem  Landgrafen  Otto, 
jedoch  vor  Chunrad  von  Dornberg,  Erchenbert  von  Hagenau 
und  Gebhard  von  Julbach  gereiht  ist.* 

Nach  dem  Tode  Heinrichs,  welcher  auch  den  vom  Herzog 
Heinrich  im  Jahre  1162^  zu  Regensburg  abgehaltenen  Hoftag 
(in   generali    curia   ducis    Heinrici)   besucht   hat,^   nannte   sich 


*  Oberösterreichisches  Urkundenbach  I,  343. 

«  a.  a.  O.  I,  237.  »  a.  a.  O.  I,  349.  *  a.  a.  O.  I,  259. 

*  im  Herbst.    Vgl.  Riezler,  Gesch.  Bayerns  I,  685. 

*  Steiermärkisches  Urkundenbuch  I,  431.  Gereiht  ist  Heinricus  de  Sco- 
wenburch  wieder  nach  Chuno  de  Megelingen  und  dieser  nach  dem 
Grafen  Chunrad  von  Vallei. 


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503 

Gebhard  von  Schauenberg.^  Wernhard  verschmähte  es  nicht^  zu 
den  Herzogen  von  Heran  ins  Verhältnis  der  Vasallität  zu  treten, 
da  er  von  ihnen  1194  die  Maut  zu  Neuburg  zu  Lehen  trug;' 
die  ÖO  Hüben  bei  Münsteuer,  gleichfalls  Lehen^  scheinen  darauf 
hinzuweisen,  daß  schon  der  ältere  Wernhard  von  Julbach  von 
den  Formbachern  mit  der  Gerichtsbarkeit  östlich  vom  Hausruck 
belehnt  war.* 

Zur  Zeit,  als  die  Kärntnermark  dem  Grafen  Otakar  aus 
dem  Chiemgau  anvertraut  wurde,  war  die  Grafschaft  Rapotos 
(979 — 1006)  jedenfalls  schon  mit  jener  der  Lambacher  ver- 
eini^^  sie  dürfte  wohl  schon  lange  vor  dem  Jahre  1036  den- 
selben verliehen  worden  sein. 

Bevor  zur  Erörterung  der  bisher  nicht  gelösten  Frage 
nach  der  Heimat  der  Otakare  und  nach  der  steyrischen  Mark- 
grafenreihe geschritten  werden  kann,  sind  noch  die  neuesten 
Elinwürfe  gegen  die  vorstehend  geschilderte  Entwicklung  der 
öffentlich-rechtlichen  Verhältnisse  in  Betracht  zu  ziehen. 


Die  angebliche  Ängliederung  des  Traungaues  an  das 
Markherzogtnm  Österreich  im  Jahre  1156. 

Im  Schlüsse  seiner  eingehenden  Abhandlung  ,Die  baben- 
bergische  Ostmark  und  ihre  tres  comitatus^  (im  Jahrbuche  des 
Vereines  für  Landeskunde  von  Niederösterreich  1905  und  1906) 
ist  Dr.  Josef  Lampel^  mit  einer  völlig  neuen  Auffassung  des 
Ereignisses  von  1156  hervorgetreten,  indem  er  den  frühen  Zer- 
fall der  Qauverfassung  im  Traungau  in  Abrede  stellt,  auf  Her- 
mann von  Niederaltaich  und  die  Aufstellungen  Prof.  Bachmanns^ 
zurückgreift  und  die  Ängliederung  des  Traungaus  an  das  neue 
Herzogtum  im  Jahre  1156  zu  beweisen  unternimmt. 

So  sehr  ich  die  Vielseitigkeit  und  Gründlichkeit  der  Unter- 
suchungen des  Herrn  Sektionsrates  schätze  und  dieser  Wert- 
schätzung auch  öffentlichen  Ausdruck  verliehen  habe/   so  ver- 


*  Tradition  des  halben  Hofes  zu  Schnellham  bei  Hartkirchen  am  In  an 
Kl.  Formbach.    Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  688. 

«  Mon.  Boic.  HI,  118;  IV,  424. 

»  Mon.  Boic.  XXVHI,  b,  189.  *  a.  a.  O.  S.  411  flf. 

»  Zeitschr.  für  die  österr.  Gymnasien  1887,  S.  661—661. 

•  Arclüv  für  österr.  Gesch.  XCIV,  94,  104. 

Arehir.   94.  Band,  II.  H&lfte.  34 


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504 

mag  ich  doch  nicht;  mich  seinen  hieraus  abgeleiteten  Folgeran- 
gen anzuschließen. 

Meine  Anschauung  über  diese  Fragen  glaube  ich  in  den 
vorangehenden  Erörterungen,  in  der  ,Geburt  des  Landes  ob  der 
Ens^  und  in  ^Peuerbach^  so  umständlich  dargestellt  und  quellen- 
mäßig begründet  zu  haben,  daß  es  überflüssig  wäre,  die  ohne- 
hin durch  unausweichliche  Polemiken  anschwellende  Abhandlung 
noch  weiter  zu  belasten.  Nur  die  Admonter  Urkunden,  welche 
Lampel  zugunsten  seiner  These  ausnützen  zu  können  glaubt, 
darf  icii  nicht  übergehen,  weil  ich  sie  nach  zwei  Dezennien 
noch  genauer  kenne,  weil  ich  zur  Erklärung  derselben  neuen 
Stofif  beibringen  kann,  endlich  aber  auch  deshalb,  weil  ich 
wiederholt  die  Erfahrung  gemacht  habe,  daß  Fernerstehenden 
ein  richtiges  Urteil  erst  dann  möglich  gemacht  ist,  wenn  sie 
über  keinen  scheinbar  entscheidenden  Punkt  im  Zweifel  ge- 
lassen werden. 

In  der  ,Geburt  des  Landes  ob  der  Ens'  [S.  105—107] 
habe  ich  jene  Admonter  Urkunden  behandelt,  in  welchen  ein- 
zelne Textstellen  gegen  die  Zugehörigkeit  des  Traungaues  zu 
Bayern  nach  dem  Jahre  1156  und  zum  Herzogtume  Steyr  nach 
dem  Jahre  1180  gedeutet  werden  könnten,  hierbei  im  beson- 
deren bemerkt,  daß  in  die  nunmehr  von  Lampel  als  wertvoll 
erachtete  notitia  c.  1160*  sich  eine  Glosse  eingeschlichen  habe 
oder  aber  das  eine  oder  andere  Wort  ausgefallen  sein  müsse, 
außerdem  noch  darauf  hingewiesen,  daß  die  Ortschaft  Hezi- 
mannisdorf  nichts  anderes  als  Hetzmannsdorf  in  der  Pfarre  Wul- 
lersdorf,  Bezirk  Oberhollabrunn,  Niederösterreich  sei.  Nebst- 
bei  habe  ich  in  der  Anmerkung  285  ausdrücklich  hervorge- 
hoben —  was  Lampel  entgangen  ist  — ,  daß  die  Admonter  ür- 
barien  aus  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  (s.  Wichner 
in  den  Beiträgen  zur  Kunde  steiermärkischer  Geschichtsquellen 
XIII,  55,  75)  kein  Hetzmannsdorf  bei  Kirchdorf  im  Elremstale 
kennen. 

Lampel  erklärt  nun  nach  dem  Vorgange  Zahns*  Hezi- 
manisdorf  für  Etzelsdorf  bei  Wartberg  (sollte  heißen :  Etzelstorf 
unterhalb  des  Schlosses  Seisenburg,  Pfarre  Petenbach,  eine 
große    Ortschaft,    deren    sämtliche    Häuser    den    Herrschaften 


^  Steiermärkiflches  Urkandenbuch  I,  401,  Nr.  414. 
»  a.  a.  O.  I,  813,  840. 


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505 

Pernstein  and  Scharnstein  nnterworfen  waren.  Ein  partieller 
Verkauf  der  Klostergttter  nm  Kirchdorf  hat  kaum  stattgefun- 
den^  die  Admonter  Urkunden^  deren  aus  dem  späteren  Mittel- 
alter genug  vorhanden  sind,^  würden  ihn  ausweisen;  vielmehr 
wurden  dieselben  in  ihrer  Gesamtheit*  laut  ,Vrbar  Register  der 
Gült  und  Einkommen,  so  das  Gottshaus  Admont  in  den  Amb- 
tern  bei  und  umb  Kirchdorf  in  Österreich  ob  der  Ens, 
auch  zu  Sant  Peter  in  der  Auen  unter  der  Ens  gelegen  gehabt^,^ 
erst  am  14.  Mai  1571  an  Herrn  Georg  Achaz  zu  Losenstein 
und  Weißenberg  verkauft.  Ein  Etzlstorf,  Hezelstorf  ocfer  Hez- 
mansdorf  kommt  darunter  nicht  vor.  Hierzu  kommt  noch  zu 
bedenken,  daß  die  Schenkung  von  Schlierbach  an  das  Erzstift 
Salzburg  durch  König  Heinrich  II.  allen  Umständen  zufolge 
nicht  realisiert  worden  ist/  daher  es  im  Tale  von  Kirchdorf 
im  12.  Jahrhunderte  keine  salzburgischen  Ministerialen  gab,  von 
welchen  der  steyrische  Dienstmann  Volkold  das  praedium  in 
Hezmansdorf  hätte  an  sich  bringen  können,  wogegen  in  Nieder- 
österreich Traismauer  salzburgischer;  Wilhelmsburg  stejrrischer 


^  8.  Jakob  Wichner,  Geschichte  des  Benediktineratiftes  Admont. 

'  Im  Amte  Kirchdorf  werden  folgende  Hintersassen  verzeichnet: 

Hans  des  Schwäntzlperger  Sun  in  der  Reath,  Lienhardt  daselbst 
in  der  Reuth  Naßbacher  Pfarr  (irrig  geschrieben:  Nußdorfer  Pfarr); 
Lienhardt  Schauesperger  auf  dem  Frölichgut  im  Petenpach,  Pangraa  zu 
Pergem  daselbst  im  Petenpach,  Wolfgang  Leiter  er  zu  Intzersdorf  in 
Kirchdorfer  Pfarr,  Wolfgang  Schilher  derzeit  Ambtman  von  einer  halben 
Hüben  daselbst  (vgl.  Steiermärkisches  Urkundenbuch  I,  148),  Wolfgang 
Mandlhueber  auf  der  Schezglhueben  zu  Lauterpach  Kirchdorfer  Pfarr, 
Sigmundt  am  Schmidtlehen  zu  Lauterpach,  Wolfgang  Weymair  vom 
halben  Hof  zu  Nidem  Krems  der  Oberhof,  Hans  Saldmair  vom  andern 
halben  Hof  daselbst  (Steiermärkisches  Urkundenbuch  I,  411),  Hans  am 
Armansperg  bei  [Bad]  Hall  von  einer  halben  Hüben,  Hansl  auf  der 
Muntznprucken  an  der  Strassen  Pfarr  Gunskirchen,  Sigmund  daselbst 
von  der  andern  halben  Hub,  Hans  Schwarzleitner  von  der  Moswisen 
an  der  Straßen  bei  der  Müntzenprucken  (vgl.  Steiermärkisches  Urkun- 
denbuch I,  146),  Hans  Hohenfurter  zu  St.  Gilgen  von  der  Müntzen- 
prucken, der  Edlinger  bei  der  ireyen  statt. 

Im  Amte  St.  Peter  1  Holde  in  der  Pf.  Alhartsberg,  1  in  der  Pf. 
Seitenstetten,  1  in  der  Pf.  St.  Peter,  1  in  der  Pf.  Weistrach  (vgl.  Steier- 
märkisches Urkundenbuch  I,  344),  4  in  der  Pf.  Wolfsbach,  4  in  der 
Pf.  Aschbach,  1  in  der  Pf.  Kolmiz,  1  in  der  Pf.  Kransperg,  2  in  der  Pf. 
Losenstein. 

'  Noch  am  8.  Juni  1901  im  Archive  zu  Losensteinleiten  vorhanden. 

*  Vgl.  S.  474,  A.  3  und  S.  4i)3,  A.  3. 

84» 


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506 

Besitz  war,  welch  letztere  Tatsache  die  Anwesenheit  steyrischer 
Ministerialen  bei  dem  Kaufgeschäfte  erklärlich  macht.  ^ 

Es  kann  daher  wohl  von  einer  Beweiskraft  der  fraglichen 
Salbuchsstelle  für  die  Hypothese  Lampeis  keine  Rede  sein.* 

Ich  halte  einen  Augenblick  inne  zn  einer  persönlichen 
Bemerkung.  Aus  den  Polemiken  klingt  es  zuweilen  heraus, 
als  ob  ich  die  Quellen  einseitig  zugunsten  meiner  Anschauung 
ausbeuten  würde.  Gegen  solch  bösen  Schein  glaube  ich  be* 
rechtigt  zu  sein,  Einspruch  zu  erheben,  hätte  es  vielleicht  schon 
längst  tun  sollen.  Ich  erfülle  nur  eine  Pflicht,  welche  die  Ge- 
schichtsforschung ihren  Jüngern  auferlegt,  wenn  ich  alle  Be- 
denken, die  sich  gegen  eine  neue  Ansicht  erheben  lassen, 
im  vorhinein  zu  widerlegen  suche,  sobald  ich  erkannt  habe, 
daß  sie  nicht  stichhältig  sind.  Schon  durch  meinen  richter- 
lichen Lebensberuf  daran  gewöhnt,  das  Für  und  Wider  gegen- 
einander strenge  abzuwägen,  pflege  ich  meine  Aufstellungen 
nicht  willkürlich  zu  fassen,  sondern  erst  aus  den  Tatsachen 
nach  genauer  Prüfung  der  Quellen  zu  gewinnen,  andererseits 
Irrwege  sofort  zu  verlassen,  sobald  ich  sie  als  solche  erkannt 
zu  haben  glaube,   wie  ich  dies  im  Vorjahre  mit  der  Äußerung 


^  Der  Clericus  Otakars  Wezilo,  der  sein  Out  in  Wezeisberg  bei  Pabneu- 
kirchen  nach  St.  Veit  an  der  Gdlsen  stiftete,  war  wohl  der  Burgkaplan 
Otakars  von  Steyr. 

*  Aus  demselben  Orunde  und  weil  es  um  Wartberg  und  Kirchdorf  weder 
ein  Oerersdorf,  noch  eine  Ezechinge  auch  nur  entfernt  ähnlich  lautende 
Ortlichkeit  gibt,  ist  das  Oeroltesdorf  des  Steiermärkischen  Urkunden- 
buches  I,  364  in  eine  andere  Gegend  zu  verweisen.  Ortlichkeiten  mit 
der  Bezeichnung  Wartberg  werden  in  Niederösterreich  mehrfach  gefun- 
den, so  bei  Krems  (1310,  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  V,  30), 
zwischen  Gumpoldskirchen  und  Guntramsdorf  (1318  Oberösterreichisches 
Urkundenbuch  V,  200,  207). 

Gedersdorf,  Pfarre  Brunn  im  Felde  östlich  von  Krems,  liegt  in 
der  Ebene;  ein  Geroltstorf  cum  vineis  wird  in  den  Sekkauer  Urkunden 
1146,  1171,  1197  (Steiermärkisches  Urkundenbuch  I,  253,  602;  II,  47) 
angeführt;  es  ist  das  heutige  Gerasdorf,  Gerichtsbezirk  Neunkirchen, 
wobei  Austria  (I,  502)  nur  ,im  Osten*  bezeichnen  kann.  Gleichwohl 
spricht  die  Wahrscheinlichkeit  dafür,  daß  unter  Oeroltesdorf  Gedersdorf 
bei  Brunn  im  Felde  zu  verstehen  ist,  denn  in  der  Aggsbacher  Urkunde 
1376,  2.  März  (Fontes  LIX,  34)  wird  ein  Weingarten  am  Gerrestor- 
fer  perg  erwähnt,  also  an  der  Htigelreihe  nächst  dem  Dorfe. 

Der  Beisatz  Ulstal  in  der  Admonter  Tradition  ist  zweifellos  ver- 
derbt oder  verlesen. 


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507 

Ottos  von  fVeising  über  die  tres  comitatns  der  Ostmark  tat; 
weil  aus  derselben  meines  Erachtens  keine  gesicherten  Ergeb- 
nisse mehr  zu  erwarten  sind.  Würde  ich  bei  meinen  Arbeiten 
anders  zu  Werke  gehen^  so  würden  dieselben  unfähig  sein^  einer 
ernsten  Kritik  standzuhalten^  und  ich  müßte  dann  selbst  jenem 
geistlichen  Fachmanne  zustimmen^  der  sich  in  seinem  Unwillen 
über  die  nicht  endende  Aufdeckung  von  Geschichtslügen  so 
weit  vergaß;  mich  voreilig  der  Unbescheidenheit  zu  zeihen, 
weil  ich  in  dieser  Abhandlung  versuche^  die  noch  immer  in 
Schwebe  befindliche  Otakarefrage  einer  endgültigen  Lösung  zu- 
zuführen und  der  sogenannten  Vorauer  Tradition  den  ^Garaus^ 
zu  bereiten. 

Ich  fahre  bei  den  Admonter  Urkunden  fort. 

Die  Ortlichkeit  Warte  ^  mit  Wartberg  bei  Kremsmünster 
zu  identifizieren,  wie  Lampel  tut,  ist  eine  Willkür;  dieser  letz- 
tere Ort  wird,  wie  aus  dem  Urkundenbuche  von  Kremsmünster 
zu  entnehmen  ist,  bereits  im  11.  Jahrhunderte  Wartberg  ge- 
nannt und  hat  seinen  Namen  auch  später  nicht  geändert.  Des- 
halb hat  auch  Zahn  dieses  Warte  auf  Wart  bei  Ardacker  ge- 
deutet.* 

Lampel  bemängelt  weiters  meine  Interpretation  der  Ur- 
kunden Kaiser  Friedrichs  I.  vom  Jahre  1184,  Herzogs  Otakar 
vom  Jahre  1185  und  des  Papstes  Urban  III.  vom  26.  Mai  1189 
und  meint,'  bei  dem  Textpassus  Stadele  et  ubicumque  in  Austria 
circa  Ense  et  Oulispurch  et  Husrukke  et  Wels  possidetis:  ,Hier 
müßte  unbedingt  zwischen  Austria  und  circa  Ense  eine  Kon- 
junktion stehen,  wenn  man  nicht  Ens  und  alles  Folgende  in 
Austria  suchen  will.'  Er  hätte  auch  Recht,  wenn  nicht  diese 
von  ihm  geforderte  Konjunktion  sich  nicht  ohnehin  in  der 
päpstlichen  Bulle  fände,  was  er  nur  übersehen  hat.  Die 
iragliche  Stelle^  lautet: 

,Quecunque  apud  Chremse^  Aspach,  Stadele  et 

ubicunque  in  Austria  et  circa  Ense  et  Olspurch  et 

Husruk  et  Uvels  possidetis/ 

Die  Konjunktion  kann  daher,  wie  vernünftigerweise  nicht 
zu  zweifeln  ist,  in  den  beiden  anderen  Urkunden,  welche  eben- 

^  Steiermkrkischefl  Urkundenbuch  I,  627. 

«  a.  a.  O.  460,  926. 

>  Im  Jahrbache  1906/1906,  S.  429. 

*  SteiermkrkiBchefl  Urknndenbach  I,  663. 


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508 

falls  nicht  mehr  im  Originale  vorhanden,  sondern  in  einem  Ko- 
pialbnche  überliefert  sind,  nur  dnrch  Ungenauigkeit  des  Kopisten 
ausgeblieben  sein. 

Daß  Chremse  den  oberösterreichischen  Kremsbach  bei 
Kremsmünster  und  Kirchdorf  bedeute,  ist  unerweisbar;  gerade 
die  Stelle  ^vineta  apud  Chremse  cum  molendino  et  quecunque 
inibi  et  apud  Pielach  (bei  Melk)  et  ubicunque  in  Äustria^  in 
der  Bestätigung  Kaiser  Friedrichs  ^  läßt  keinen  Zweifel  darüber 
aufkommen,  daß  das  niederösterreichische  Krems  gemeint  ist. 
An  der  Krems  im  Traun  viertel  wurde  kein  Weinbau  getrieben, 
wogegen  Vergabungen  und  Käufe  von  Weingärten  bei  Krems 
im  12.  Jahrhunderte  in  den  Aufzeichnungen  von  Admont*  zur 
Genüge  vorkommen  und  der  Ankauf  einer  Mühle  bei  der  Stadt 
Krems  (molendinum  unum  apud  Chremese  ad  urbis  iusticiam) 
im  Jahre  1174,  daher  wohl  jene  in  der  Urkunde  Friedrichs 
ausdrücklich  bezeugt  ist.* 

Übrigens  sind  die  Örtlichkeiten  in  jeder  der  drei  Urkun- 
den etwas  anders  und  überhaupt  nicht  in  streng  geographischer 
Anordnung  gereiht,  woraus  allein  schon  folgt,  daß  sich  hieraus 
in  geographischer  Beziehung  keine  sicheren  Schlüsse  ziehen 
lassen. 

Lampel  baut  seine  Annahme,  der  Traungau  sei  —  trotz 
dem  bedenklichen  Schweigen  des  Privilegium  minus  über  diese 
Vergrößerung  —  1156  dem  neuen  Herzogtum  Osterreich  zu- 
gewiesen worden,  unter  anderem  auch  auf  die  von  ihm  be- 
hauptete Lehrenrührigkeit  der  Schaunbergschen  Gerichte  von 
den  Babenbergern  auf.     Er  folgert  in  Kürze  so: 

Nach  der  von  mir  selbst  (,Geburt  des  Landes  ob  der  Bus', 
S.  91)  angezogenen  Admonter  Urkunde  vom  Jahre  1179,*  also 
nach  dem  Jahre  1156  und  vor  dem  Jahre  1192,  sei  Heinrich  von 
Schaunberg  der  Mann  (fidelis)  Herzogs  Liupold  V.  von  Oster- 
reich gewesen.  Da  nicht  nachzuweisen  sei,  daß  die  Schaunberger 
damals  schon  Besitz  in  Niederösterreich  hatten,  müsse  angenom- 
men werden,  daß  sich  die  Mannschaft  auf  die  Gerichte  Heinrichs 
von  Schaunberg  im  Lande  ob  der  Ens  beziehe.  Seien  aber  die  Ge- 
richte desselben  lehenrührig  vom  österreichischen  Herzoge  gewesen, 
so  müsse  sich  die  Herzogsgewalt  des  letzteren  über  den  Traun- 

»  a.  a.  O.  I,  696.  »  a.  a.  O.  I,  303,  321,  328,  487. 

^  Steiermärkisches  Urkundenbucb  I,  535. 
*  a.  a.  O.  I,  568. 


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509 

gan  erstreckt  haben,  mitbin  letzterer  schon  zu  jener  Zeit  ein 
integrierender  Bestandteil  von  Osterreich  gewesen  sein.^ 

Schon  der  erste  Schluß  hinkt:  es  war  gar  nicht  nötig, 
daß  die  Schaunberger  Besitz  in  Niederösterreich  hatten.  Nicht 
allein  Grund  und  Boden,  auch  einzelne  Hörige  und  selbst  Ze- 
hente wurden  zu  Lehen  verliehen  und  eine  solche  geringfügige 
Verleihung  konnte  das  Vasallitätsverhältnis  begründen.  Übri- 
gens war  ja  gar  nicht  ausgeschlossen^  daß  das  babenbergische 
Lehen,  welches  Liutpold  berechtigte,  den  Schaunberger  seinen 
fidelem  zu  nennen,  außerhalb  Österreich  lag. 

Die  beiden  anderen  Folgerungen  sind  zwar  kühn,  aber 
ganz  unzulässig;  denn  auQt  Otakar,  der  Herzog  von  Steyr,  war 
Mann  der  Bischöfe  von  Passau  und  Bamberg,  weil  er  von  ihnen 
Lehen  trug^  ohne  daß  deshalb  seine  Gerichte  vojx  den  Kirchen- 
fürsten lehenrührig  gewesen  wäxen. 

Den  direkten  Gegenbeweis,  daß  Heinrich  yqu  Schaun- 
berg  die  Hoftage  Heinrichs  des  Löwen  besuchte,  also  dem  Her- 
zog von  Bayern  hoflfehrtpflichtig  war,  habe  ich  auf  S.  502  schon 
geführt:  der  Beweis,  daß  er  auch  die  Hoftage  der  österreichi- 
schen Herzoge  zwischen  1156  und  1192  suchte,  liegt  Lampel 
ob  und  steht  noch  aus.  Damit  fällt  aber  meines  Erachtens 
seine  Hypothese  von  selbst  zusammen.* 

Auch  Markgraf  Otakar  war  vor  1180  nach  Bayern  hof- 
tagpflichtig  wegen  der  bayrischen  Grafschaften  diesseits  des 
Pim,  was  ich  in  den  nächsten  Abschnitten  dartun  zu  können 
erachte. 


Lampel,  a.  a.  O.  454  findet  f&r  seine  Annahme,  daß  die  Schaunberger 
für  die  Formbachsthe  Lehenschaft  ihrer  Gerichte  jene  der  Babenberger 
eingetauscht  haben,  ein  beachtenswertes  Moment,  daß  sie  das  Land- 
richteramt  im  Traungau  und  Donautale  mit  dem  österreichischen  Dienst- 
mann Ernst  von  Traun  besetzten.  Es  läge  ihm  der  Beweis  ob,  daß 
Ernst  außer  seinem  herzoglichen  Dienstlehen  nicht  auch  Schaunberg- 
sehe  Lehen  innegehabt  hätte. 

Hierzu  sei  gleich  bemerkt,  daß  das  Vorhandensein  der  großen  Maut  zu 
Aschach  von  vornherein  den  frühzeitigen  Bestand  einer  Burg  in  der 
Nähe  voraussetzt,  von  welcher  die  Berechtigung  ausging  und  dieselbe 
auch  geschtltzt  werden  konnte;  die  Innehabung  der  Maut  vonseiten  der 
Grafen  von  Formbach  aber  begründet  die  Vermutung,  daß  sie  die  Er- 
bauer von  Schaunburg  und  Stauf  gewesen  sind  und  die  ,Schaunburg* 
eines  der  drei  Kastelle  war,  welche  (nach  Bertholdi  Ann.  Mon.  Germ. 
Script  y,  302)  KOnig  Heinrich  IV.  gegen  Ende  1077  belagerte  und 
dem  Grafen  Eckbert  I.  abnahm.     Die  Folgerung  des  Wilheringer  Ghro- 


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510 

Die  übrigen  Ausführungen  Lampeis  werden  in  der  fol- 
genden Abhandlung  über  das  Hausruckviertel  ihre  Beantwortung 
finden^  wohin  dieselbe  gehört. 

Die  Heimat  der  Otakare. 

Im  14.  Jahrhunderte  schrieb  ein  Unbekannter  auf  der 
letzten  Seite  eines  Kodex  des  steiermärkischen  Cborherrenstiftes 
Voran ^  nieder,  was  er  über  die  Vorfahren  der  Gründer  des  Gottes- 
hauses, die  steyrischen  Markgrafen  wußte  oder  wissen  wollte;  die 
Aufschreibung  hat  in  der  Geschichtsforschung  den  Namen  ,Vor- 
auer  Fragment'  *  erhalten  und  deshalb,  weil  man  annehmen  zu 
dürfen  glaubte,  daß  sie  in  dem  Kloster  fortgepflanzt  wurde  und 
eine  alte  Kunde  enthalte,  späterhin  als  ,Tradition^  Geltung 
erlangt. 

Sie  bringt  zuerst  für  den  langlebigen  Otakar  den  Namen 
Ozy,  nennt  ihn  den  Sohn  des  Markgrafen  Otachyr  und  den 
Enkel  eines  Markgrafen  Otacher,  sagt,  er  sei  in  den  Zeiten 
Heinrichs  IV.  und  V.  berühmt  gewesen  und  den  Erzbischöfen 
Gebhard,  Tymo  und  Konrad  ,iam  senex'  männlich  beigestanden. 
Da  sie  beisetzt,  Ozy  habe  mit  seinem  Bruder  Adylbero  Fehde 
geführt,  so  versteht  sie  unter  ihm  den  Gründer  des  Klosters 
Garsten. 

Noch  Ebendorfer  von  Haselbach  (f  1463)  hatte  von  dem 
Inhalt  des  ,Fragmentes'  keine  Kenntnis,  da  er  die  Brüder 
Otakar  und  Adalbero  als  Söhne  des  Markgrafen  Markward  be- 
zeichnet. Lazius  (t  1565)  dagegen  muß  damit  bekannt  gewesen 
sein,  weil  er  hieraus  die  Nachricht  geschöpft  hat,  Adalbero  sei 
von  seinen  Hofleuten  bei  Leoben  —  wie  er  das  Julben  des 
Unbekannten  deutet  —  erschlagen  worden;  aus  eigener  Erfin- 
dung setzt  er  bei,  daß  der  erste  Otakar  ein  Graf  von  Anasi- 
perc  (Ensburg)  zur  Zeit  Kaiser  Konrads  H.  gewesen  sei.  Spä- 
tere Schriftsteller  wußten  als  den  Zeitpunkt  der  Verleihung  das 


nisten  (Oberösterreichisches  Urkundenbuch  II,  483),  beide  Festen  könn- 
ten in  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  nicht  gestanden  sein,  ist  schon 
deshalb  hinfällig,  weil  im  Dorfe  Hilkering  das  Kloster  nicht  der  ein- 
zige Grundherr  war,  übrigens  sowohl  die  Schaunburg  als  auch  Stauf 
erwiesenermaßen  auf  Passauischem  Boden  aufgeführt  waren. 

^  Beschrieben  im  Archiv  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  X,  529. 

*  Abdruck  in  Mon.  Germ.  Script.  XXIV,  72. 


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511 

Jahr  1038  zu  melden^  natürlich  ohne  einen  urkundlichen  Nach- 
weis. Die  ,Alte  österreichische  Chronik  über  die  Fürsten,  Gra- 
fen und  Ritter  Österreichs^  SteiermarkS;  Kärntens^  Krains^  von 
Hans  Pichl  aus  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts^  konnte  schließ- 
lich den  Abschnitt  ,Kunig  und  LandfÜrsten  des  Fürstentum 
Steir*  mit  Otakar  L,  Markgrafen  in  Steyr  Anno  990  eröflfhen. 

Das  15.  Jahrhundert,  in  welchem  man  mit  Vorliebe  Grab- 
steine mit  fingierten  Jahreszahlen  setzte,  und  das  16.  waren 
hauptsächlich  die  Zeit  genealogischer  Erfindungen,  teils  um  das 
Alter  geistlicher  Häuser  besser  zu  beglaubigen,  teils  um  die, 
Sucht  des  Adels  nach  möglichst  langgliedrigen  Ahnenreihen  zu 
befriedigen.  Was  man  nicht  wußte,  kombinierte  man;  wo  auch 
die  Kombination  versagte,  half  die  Phantasie  aus. 

Das  Höchste  in  dieser  Richtung  leistete  Valentin  Freuen- 
hueber,*  der,  so  weit  Urkunden  und  Akten  zurückreichten,  in 
der  Stadtgeschichte  Steyr  ein  ehrlicher  und  zuverlässiger  Führer 
ist;  er  unternahm  eS;  den  Stammbaum  der  Otakare  auf  einen 
Heerführer  Alarichs,  Winulf,  im  Jahre  408  zurückzuführen, 
dem  er  zu  Enkeln  den  König  Odowakar  von  Italien  und  dessen 
Bruder  Arnulf  gab.  Die  Stammreihe  stattete  er  noch  aus  mit 
Biterolf  aus  der  deutschen  Heldensage,  mit  dem  erfundenen 
Erzbischof  Otokar  von  Lorch  624  und  mit  den  von  Pipin 
747  zu  Markgrafen  an  der  Ens  bestellten  Brüdern  Albert  und 
Otokar  HL,  bis  er  auf  Aribo  907  kam,  als  dessen  Sohn  er 
den  Markgrafen  Rüdiger  von  Pechlarn,  die  Heldengestalt  aus 
der  Nibelungennot,  proklamierte  und  mit  der  Jahreszahl  920 
versah. 

Der  Florianer  Chorherr  Franz  X.  Pritz  stieß  zwar  in 
seiner  Geschichte  der  Otakare  und  des  Landes  ob  der  Ens  die 
unhistorischen  Glieder  aus,  schuf  jedoch  eine  Genealogie  von 
acht  Otakaren,  welche  trotz  dem  auffälligen  Mangel  an  urkund- 
lichen Belegen  in  der  Hauptsache  auch  von  der  Forschung  bei- 
behalten wurde;  ihm  und  der  ,Vorauer  Tradition'  ist  es  zuzu- 
schreiben, daß  dieses  Geschlecht  als  Begründer  der  Steyrburg 
galt  und  den  Namen  ,Traungauer'  noch  heute  führt. 


'  8.  KroneS)  Die  Markgrafen  von  Steier  im  Archiv  fttr  österr.  Geschichte 
LXXXIV,  147. 

'  Ännales  Styrenses,  S.  398.  Er  leitete  auch  suerst  die  Starhemberger 
von  den  Otakaren  ab,  eine  Fabel,  die  sogar  in  einer  neuesten  Schrift 
Tom  Jahre  1899  nicht  gänzlich  abgelehnt  worden  ist. 


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512 

Den  ersten  Schlag  gegen  die  Pritzsche  Kombination  führte 
S.  Hirsch,*  indem  er  hervorhob,  daß  weder  Pritz  noch  ein 
Alterer  für  die  Tradition,  darnach  Otakar  die  Burg  Steyr  ge- 
gründet habe,  einen  Beleg  von  auch  nur  relativem  Wert  beizu- 
bringen imstande  war  und  das  erste  Vorkommen  von  Stirapurc 
in  einem  Akte  Bischof  Pilgrims  von  Passau  gebe  ihn  noch  nicht, 
wie  auch  die  Angabe  Pritz',  daß  dessen  Otakar  IV.  von  Kaiser 
Konrad  IL  Ens  zu  Lehen  erhalten  habe,  auf  sehr  schwanken 
Füßen  stehe.  Unstreitig  sei  jener  Otakar,  den  das  Garstner 
Traditionsbuch  als  verstorben  zu  Rom  bezeichne,  der  erste 
Markgraf  und  identisch  mit  dem  Otakar  in  dem  Komitate  des 
Chiemgaus  in  der  Urkunde  von  1048. 

Unabhängig  von  Hirsch,  dessen  Werk  mir  in  meinem 
weltabgeschiedenen  Aufenthalte  Peuerbach  unbekannt  und  bei 
meinem  dürftigen  Jahresgehalte  von  420  fl.  auch  unzugänglich 
geblieben  —  kam  ich  im  Jahre  1867  zu  dem  gleichen  Ergeb- 
nisse in  der  Schrift  ,Peuerbach'  (S.  85):  ,Die  Otakare  dagegen 
hatten  im  10.  Jahrhunderte  und  noch  im  11.  ihre  Komitate  im 
Chiemgau,  erst  in  diesem  erwarben  sie  Besitztümer  im  Ens-  und 
Baltentale  und  nachderhand,  hauptsächlich  durch  Beerbung  der 
Grafen  von  Lambach,  auch  diesseits  des  Karintgescheides  im 
Traungau.  Es  ist  weder  erwiesen  noch  wahrscheinlich,  daß 
der  um  das  Jahr  906  auftretende  königliche  Sendbote  Graf 
Otachar  Arbos  Sohn  und  Graf  im  Traungau  gewesen  ist.  Daß 
die  schon  um  985  urkundlich  erscheinende  Stiraburg  von  den 
Otakaren  gegründet  worden  sei,  muß  als  unerwiesene,  wenn- 
gleich stets  gläubig  nachgeschriebene  Sage  verworfen  werden/ 

Wie  weit  die  Lust  zu  fabulieren  ging,  zeigt  das  Horoskop, 
welches  der  Humanist  und  kaiserliche  Historiograph  Josef  Grün- 
peck  (t  nach  1532)  der  Stadt  Steyr  stellte.  Aus  der  Konjunk- 
tur der  Planeten  zur  Zeit  der  angeblichen  Erbauung  der  Stadt, 
,deren  Datum  für  ihn  allein  kein  Geheimnis  war',  weist  er  die 
Eigenschaften  der  Bewohner  nach*  und  berichtet,  daß  Steyr 
,den  24.  Tag  des  Monats  Augusti  980  in  der  zwölften  stund  zu 
bauen  angefangen  worden.*' 


^  Jahrbücher  des  deatschen  Reiches  unter  Kaiser  Heinrich  II.,  I,  87,  A.  2. 

'  Csemy,  , Josef  OrünpecV  im  Archiv  für  österr.  Gesch.  LXXXIII,  341. 

'  Abgedruckt  bei  Prits,  Gesch.  der  Stadt  Steyr,  S.  894.  Auf  diese  Angabe 
hin  hat  wirklich  die  Stadt  Steyr  das  Jubiläum  ihres  900j&hrigen  Be- 
standes im  Hochsommer  1880  feierlich  begangen. 


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513 

Im  ersten  Bande  seiner  Geschichte  Österreichs*  stimmte 
Alfons  Hnber  der  Auschauung  Hirsch'  zn^  bezeichnete  die 
Ableitung  des  Markgrafengeschlechtes  von  Aribo  als  ganz  nn- 
wahrscheinlichy  von  dem  Grafen  Otacher  im  Leobengau  als 
wenigstens  unsicher,  die  Znrttckflihrang  des  Hauses  bis  zu 
einem  Grafen  Otakar,  der  959  als  Mitbesitzer  der  Grafschaften 
im  bayrischen  Sandergau  und  Chiemgau  aber  als  einigermaßen 
wahrscheinlich,  denn  noch  der  spätere  Markgraf  Otakar,  wahr- 
scheinlich ein  Enkel  des  Letztgenannten,  besitze  1048  die  Graf- 
schaft und  Güter  im  Chiemgau.  Von  der  Stiraburg  hätten  sich 
diese  Markgrafen  genannt,  die  auch  die  Grafschaft  im  Traun- 
gau  innehatten;  doch  könne  er  die  Zeit  der  Erwerbung  der- 
selben nicht  nachweisen.*  An  der  Echtheit  des  Gabbriefes  des 
östlichen  Markgrafen  für  Melk  (mit  der  ersten  Erwähnung  Ozos 
=  Otakar  als  Markgrafen  von  Stire)  zweifelt  Huber  nicht. 

Einige  Monate  nach  Erscheinen  dieses  ersten  Bandes,  näm- 
lich am  3.  Dezember  1885,  wurde  meine  ,Geburt  des  Landes 
ob  der  Ens'  ausgegeben,  in  welcher  ich  (S.  öOflf.)  auf  meine 
Äußerung  vom  Jahre  1867  zurückkam,  die  Melker  Urkunde 
als  höchstwahrscheinlich  unecht  bezeichnete  und  diese  Behaup- 
tung auch  (in  A.  130)  kurz  begründete,  das  Vorauer  Fragment 
als  eine  späte  und  außerdem  trübe  Quelle  verwarf,  dagegen 
die  Vermutung  Zahns,  daß  nach  Otakar  I.  die  Mark  wieder 
an  die  Eppensteiner  gediehen,'  aufgriff  und  die  Ansicht  auf- 
stellte, daß  Otakar  IL  vom  Gegenkönige  Rudolf  den  Eppen- 
steinem  entgegengestellt  worden  sei. 

Dieser  Ansicht  sind  in  der  Hauptsache  Steindorff*  und 
Frieß*  beigetreten. 

Nach  Ausgabe  der  ,Geburt  des  Landes  ob  der  Ena'  er- 
schien im  Jahre  1886  der  erste  Band  der  Acta  Tirolensia  mit 
den  von  Prof.  O.  Redlich  bearbeiteten  Traditionsbüchern  des 
Hochstiftes  Brixen.  Zwei  Traditionen,  welche  zwischen  die 
Jahre  1065  und  1080  fallen,  dokumentieren  die  Amtstätigkeit 
des  Sohnes  Otakars  I.>  Adalbero,  als  Markgrafen  in  der  Kärntner 


»  1885,  S.  216.  «  a.  a.  O.  217,  A.  4. 

'  In  der  Festschrift  zur  Erinnerung^  an  die  Feier  der  Erhebung  der  Steier- 
mark zum  Herzogtum.  1880,  S.  1 — 18. 

*  Jahrbücher  des  deutschen  Reiches  unter  Heinrich  IV.  und  V.,  I,  209. 

*  G^chichte  des  ehemaligen  Nonnenklosters  Traunkirchen  im  Archiv  fUr 
österr.  Gesch.  LXXXH. 


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514 

Mark^  wodurch  die  Hypothese  Zahns  ins  Schwanken  geriet  und 
von  ihm  nicht  weiter  verfolgt  wurde. 

Die  Publikation  verschaffte  Prof.  Krones,  welcher  schon 
in  seiner  Verfassungs-  und  Verwaltungsgeschichte  der  Steier- 
mark (1897)  zur  älteren  ^Überlieferung'  zurückgekehrt  war, 
den  näheren  Anlaß,  diese  letztere  in  einer  weitausgreifenden 
Abhandlung^  retten  zu  wollen. 

Da  er  noch  immer  das  Melker  Diplom  zu  einem  Stütz- 
punkt seiner  Ausführungen  machte,  so  habe  ich  in  einem  be- 
sonderen Aufsatze  die  Unechtheit  des  Gabbriefes  des  Mark- 
grafen Ernst  für  Melk*  aus  inneren  Merkmalen  nachzuweisen 
unternommen.  Auf  die  Sache  sogleich  weiter  einzugehen,  ver- 
hinderten mich  die  von  1897  auf  1898  vor  sich  gegangene  Um- 
wälzung im  Streitverfahren,  eine  hartnäckige  Polemik  nnd  von 
1900  die  Arbeiten  für  den  historischen  Atlas  der  österreichi- 
schen Alpenländer,  die  alle  meine  Kräfte  und  noch  mehr  als  diese 
in  Anspruch  nahmen.  Bei  den  Abhandlungen  zum  Atlas  ist 
die  ersehnte,  übrigens  auch  unausweichliche  Gelegenheit  ge- 
geben, einer  Streitfrage  der  Forschung,  die  trotz  vielfachen 
Lösungsversuchen  eine  endgültige  Beantwortung  auszuschließen 
schien,  hart  an  den  Leib  zu  rücken. 

Indem  ich  mich  hierzu  anschicke,  bin  ich  mir  bewußt, 
nur  die  Pflicht,  dem  Gegner  standzuhalten  und  die  histori- 
sche Wahrheit  zu  ergründen,  zu  erfüllen. 

Auch  bei  der  nun  folgenden  Untersuchung  war  für  mich 
die  Methode  maßgebend,  welche  mein  Gönner,  der  Florianer 
Chorherr  Josef  Chmel  (in  den  Sitzungsber.  der  phil.-hist.  Klasse 
XI,  192  A.)  den  Forschern  empfohlen  hat:  vorurteilsfreie  Prü- 
fung unbedenklicher  Urkunden,  welche  in  erster  Linie  das 
historische  Bild  herzustellen  haben,  unter  steter  Rücksichtnahme 
auf  die  jeweiligen  politischen  Zustände  des  Reiches  und  der 
Länder,  und  erst  in  zweiter  Linie  die  Benützung  der  gleich- 
zeitigen Annalistik,  in  allerletzter  aber  späterer  Quellen.  Auch 
hier  habe  ich  sogenannte  Tradition,  die  sich  so  häufig  als  Kunst- 
produkt zeigt,  unbezweifelt  echten  Urkunden  gegenüber  ver- 
worfen. 


1  Im  Archiv  für  österr.  Gesch.  LXXXTV,  137—282. 

'  Blätter  des  Vereines  für  Landeskande  von  Niederösterreich  XXXI  (1897), 
S.  461—472. 


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515 

Ich  beginne  mit  dem 

C^abbrlefe  des  Markgrafen  Ernst  fttr  Helk,^ 

weil  gerade  dieser  mit  seinem  Zeugen  Oezo  marchio  de  Stire 
die  Hauptstütze  für  die  sogenannte  traditionelle  Genealogie  der 
Otakare  abgegeben  hat. 

Derselbe  ist  nicht  datiert;  Meiller'  setzte  ihn  nm  das  Jahr 

1074  (jedenfalls  längere  Zeit  vor  dem  9.  Juni  1075)  an.  Auf- 
fallend ist  vor  allem,  daß  das  Gut  Weickendorf  im  Marchfelde« 
das  Ernst  den  Kanonikern  verlieh,  in  dem  echten  Stiftbriefe 
1113,  13.  Oktober  wieder  in  der  Reihe  ganz  neuer  Schenkun- 
gen vorkommt,  ohne  daß  eine  vorangegangene  Vergabung  er- 
wähnt wird.  Bezüglich  der  Zeugen  hatte  schon  Waitz  (Deut- 
sche Verfassungsgeschichte  V,  312,  A.  4)  auf  den  bedenklichen 
Umstand  aufmerksam  gemacht,  daß  Ministerialen  der  Mark 
vorkommen  und  für  eine  so  frühe  urkundliche  Erwähnung  von 
Dienstleuten  des  Landes  kein  analoger  Fall  spreche.  Und 
ebenso  auffällig  ist,  daß  sämtliche  Zeugen  mit  Geschlechtsnamen 
versehen  sind.  In  meiner  Abhandlung  zeigte  ich,  daß  die  auf- 
geführten Zeugen  erst  im  12.  Jahrhundert  nachweisbar,  oft  ein 
halbes  Jahrhundert  voneinander  abstehend,  einzelne,  ein  Otto 
Mosehengist,  Pemhart  von  Rurippe  überhaupt  erfunden  sind. 
Das  nur  mehr  in  Bruchstücken  vorhandene  Reitersiegel  scheint 
die  Nachbildung  eines  solchen  des  Markgrafen  Liupold  III. 
zu  sein. 

Nach  dem  Ausspruche  eines  Germanisten  von  Ruf  kommt 
das  lange  e  nach  o  im  11.  Jahrhundert  noch  nicht  vor,  wie 
das  Marienlied  von  Melk  zeigt,  das  um  1130  niedergeschrieben 
ist;^  die  Schreibung  des  Namens  Oezo  statt  Ozo  vor  dem  Jahre 

1075  ist  demnach  anachronistisch  und  müßte  zur  Rettung  ein 
Schreibversehen  angenommen  werden,  was  gegenüber  den  an- 
deren Bedenken  unzulässig  ist. 

Ich  kam  daher  zur  Folgerung,  daß  das  Schriftstück 
ein  Fabrikat  aus  späterer  Zeit  sei,  angefertigt  zu  dem  Zwecke, 


'  AbbUdang  in  Mon.  graph.  med.  aevi,  Faszikel  V,  tab.  III. 
'  Regesten  der  Babenberger,  S.  202,  204,  A.  68,  70. 

'  Im  Kodex  G  7  Nr.  486  Melk,  der   auch    die  1122    angelegten  Annalen 
enth&lt 


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616 

dem  tatsächlichen  Besitze  des  Klosters  einen  Rechtstitel  aus 
früherer  Zeit  zu  verschaflFen.* 

Da  seinerzeit  auf  meine  Anfrage  von  fachmännischer  Seite 
keine  Bedenken  gegen  die  Echtheit  der  Urkunde  erhoben  wor- 
den waren,  habe  ich  damals  von  den  Äußerlichkeiten  abgesehen. 
Diese  Unterlassung  wurde  jedoch  im  Neuen  Archiv  (1898)  von 
Prof.  H.  Bloch  gerügt,  der  mir  auf  meine  Anfrage  folgendes 
von  Prof.  Breßlau  in  Straßburg  gebilligte  paläographische  Gut- 
achten zukommen  ließ:^ 

,Wenn  Sie  etwa  in  den  Kaiserurkunden  in  Abbildungen 
Lief.  X,  Tafel  7  a'  vergleichen  können,  wo  der  Text  von  einem 
Privatschreiber  herrührt,  so  werden  Sie  nicht  daran  zweifeln, 
daß  die  Schrift  dieser  Urkunde  ungefähr  in  die  gleiche  Zeit, 
also  etwa  in  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  gehört.  Die 
wenig  unter  die  Linie  gehenden,  leicht  gebogenen  Schäfte  von 
s  und  f,  die  Ligaturen  st  und  et  in  ihrer  engen  Zusammen- 
drängung, das  unciale  M,  das  große  F,  das  häufige,  am  Ende 
übergeschriebene  s  in  es,  os  —  das  wären  einige  Erscheinun- 
gen, die  in  Hinsicht  des  Schriftcharakters  für  das  1 2.  Jahr- 
hundert sprechen.  Dazu  kommt  aber  Wichtigeres:  Die  unter- 
brochene Ligatur  et  in  Zeile  3  (dictum),  die  nach  Art  der  Li- 
gaturen vorgenommene  Verbindung  sb  (Zeile  6:  adelmannes- 
brunne)  und  sh  (Zeile  8:  Gosheime  und  Zeile  11:  Anshalm), 
das  überaus  häufige  de  [oben  an  d  angesetztes  e];  vielleicht 
mag  eine  einzelne  dieser  Erscheinungen  gelegentlich  schon  im 
11.  Jahrhunderte  vorkommen,  in  ihrer  Verbindung  und  Häufig- 
keit (insbesondere  die  Regelmäßigkeit  von  de  ist  zu  beachten), 
sind  sie  im  11.  Jahrhunderte  (geschweige  denn  um  1065)  nicht 
zu  belegen.  —  Ich  übergehe  anderes,  um  nur  noch  die  beiden 
wichtigsten   Momente    hervorzuheben^    die    für   sich   allein   die 


^  Vielleicht  auch,  um  die  Wallfahrt  zam  Grabe  des  heil.  Koloman  älter 
erscheinen  zu  lassen,  dessen  passio  Abt  Erchenfirid  1121 — 1163  verfaßt 
haben  soll,  in  dessen  Zeit  auch  der  Schriftbefund  passen  würde.  (Yg^l. 
Mon.  Germ.  Script.  IV,  504). 

«  Brief  ddo.  Straßburg,  21.  Jänner  1899. 

'  Urkunde  König  Ghunrads  III.  ,data  nU  E.  aprU.  apud  Gonstantiam'  1142 
für  Kloster  Salmansweiler.  Die  persönliche  Yergleichung  gelang  mir 
erst  heuer;  denn  Kremsmünster,  Linz  und  Graz  besitzen  nicht  das  Ma- 
terial hiezu. 


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517 

EntstehuDg  der  Urkunde  des  Markgrafen  Ernst  im  12.  Jahr- 
hundert entscheidend  beweisen:  in  Zeile  8  finden  Sie  filii  mit 
den  beiden  i-Strichen,  die  in  Deutschland  nicht  Tor  dem 
12.  Jahrhundert  (zuerst  etwa  1110)  nachweisbar  sind.  Und 
endlich  finden  Sie  unter  den  Abkürzungen,  die  gleichfalls 
durch  ihre  Häufigkeit  und  die  Art  ihrer  Verwendung  (z.  B. 
flir  coU;  das  häufige  '  für  us  usw.)  mehr  dem  12.  Jahrhun- 
dert entsprechen,  die  Formen  oi  für  omni,^  dann  aligatiöe,' 
inpressiöe,'  dictiöe*  mit  dem  elidierten  n  (also  statt  .  .  ione), 
die  ein  gänzlich  unzweideutiges  Kennzeichen  des  12.  Jahr- 
hunderts sind.  Ich  glaube,  Ihnen  damit,  wenn  auch  nicht 
alle,  so  doch  die  wichtigsten  meiner  Gründe  dargelegt  zu 
haben;  ich  halte  es  für  vöUig  sicher,  daß  die  Urkunde  nach 
den  äußeren  Merkmalen  in  das  12.  Jahrhundert,  am  besten 
wohl  etwa  in  dessen  Mitte,  gesetzt  werden  muß.  Eine  spätere 
Entstehung  anzunehmen  (etwa  im  13.  Jahrhunderte),  dazu  fehlt 
es  an  jedem  Anhaltspunkte;  höchstens  etwa  müßte  ein  sehr 
geschickter  Fälscher  eine  Urkunde  des  12.  Jahrhunderts  nach- 
gezeichnet haben.  Eis  wird  Ihnen  von  Wert  sein  zu  erfahren, 
daß  Herr  Prof.  Breßlau  meiner  Meinung  über  die  Entstehungs- 
zeit der  Urkunde,  wie  sie  oben  dargelegt  ist,  völlig  zustimmt 
und  ihre  Anfertigung  im  11.  Jahrhunderte  für  völlig  ausge- 
schlossen erachtet.' 

Das  Benediktinerstift  Melk  hat  denn  auch  sine  ira  et  stu- 
dio dieses  Ergebnis  in  seiner  jüngsten  Stiftsgeschichte  (durch 
Dr.  E.  Katschthaler)*  zur  Kenntnis  genommen  und  das  bisher 
als  älteste  Babenberger  Urkunde  geschätzte  Schriftstück  aus 
der  Reihe  seiner  echten  Urkunden  gestrichen.  Die  angeblich 
bezeugte  Namensform  Oezo  kann  nicht  mehr  zum  Beweise  der 
Identität  der  Personennamen  Ozi  und  Otakar  dienen. 
Die  ganze  Form  auf  i  statt  auf  o  (Nominativ)  ist  eigen- 
tümlich und  völlig  unerforscht. 

Diese  Bemerkung  leitet  uns  über  auf  die  Untersuchung 
des  Vorkommens  beider  Namensformen,  deren  Ergebnis  dahin 
führen  wird,  daß  der  Chorus  verstummen  wird,  welcher  bisher 
mit  Krones*  mir  zurief:  ,Auf  die  Bemerkung  von  Stmadt,  daß 


^  Zeüe  2:  öiü.  *  ZeUe  5.  *  Zeile  5. 

*  ZeUe  5:  contradictiöe. 

*  Topographie  für  NiederOsterreich  VI,  373.  •  a.  a.  O.  Iü6,  A.  1. 


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518 

sich  der  Name  Oczo  keineswegs  mit  Otakar  identifisieren  Iftßt, 
muß  ihm  entgegnet  werden:  Oozo  ist  ebenso  gut  Koseform  Ton 
Udalrich  wie  Oczi,  Ozo  die  von  Otto  und  Ottokar/ 

Diese  Gleichstellong,  aufgebaut  auf  das  oben  erörterte 
Falsum  und  die  Vorauer  Aufschreibung,  die  später  ihre  Wür- 
digung erfahren  wird,  ist  ohne  allen  sprachlichen  und  urkund- 
lichen Beleg:  weder  Förstemann,^  noch  Stark*  wagen  es,  den 
Namen  Ozi  zu  erklären,  und  der  vorhin  erwähnte  Qermanist 
ließ  sich  hierüber  folgendermaßen  vernehmen:  ,Ich  kann  einen 
sicheren  Entscheid  nicht  geben,  weil  von  den  Bildungsge- 
setzen der  Kurzformen  noch  zu  wenig  bekannt  ist. 
An  sich  wäre  es  ganz  möglich,  daß  aus  Audovachar  über  Ota- 
kar sich  Ozi  entwickelt  (davon  dann  Ozilo).  Das  O  müßte 
lang  sein,  obzwar  aus  Audofredus  auch  Ötfrid  geworden  ist. 
Es  fragt  sich  nur,  wie  sich  damit  das  i  in  Ozi  verträgt. 
J.  Grimm,  Gramm.  3,  692  und  nach  ihm  andere,  wie  Socin  halten 
Ozi  für  eine  Kurzform  von  Otfrid,  wahrscheinlich  weil  i  dabei 
aus  dem  zweiten  Kompositionsteil  übernommen  wäre.  Ein  posi- 
tives Hindernis  sehe  ich  nicht  für  das  Verhältnis  Otakar:  Ozi, 
freilich  wäre  Ozo  aus  Otakar  näherliegend.  Förstemann  läßt 
natürlich  auch  in  der  zweiten  Auflage  vollkommen  im  Stiche. 
Daß  Ouzo  und  Ozo,  Ozi  auseinanderzuhalten  sind,  ergibt  sich 
aus  der  verschiedenen  Qualität  der  Wurzel.  Solange  man  nicht 
mehr  über  die  Bildung  der  Kurzformen  weiß,  als  Stark  ermittelt 
hat,  wird  man  immer  auf  die  wenigen  glückUchen  Zufälle  an- 
gewiesen sein,  wo  die  Urkunden  Identifikation  der  Langform 
und  Kurzform  erlauben.  Ich  wiederhole:  Das  Verhältnis  Ota- 
kar :  Ozi  scheint  mir  an  sich  nicht  unmöglich,  historische  oder 
genealogische  Schlüsse  möchte  ich  aber  nicht  darauf  bauen.^ 

Um  ein  Versäumnis  der  Forschung  nachzuholen  und  sich 
die  Überzeugung  zu  verschaffen,  ob  nicht  doch  aus  den  Ur- 
kunden sich  eine  Gleichstellung  der  Namensformen  Otakar  und 
Ozi  ermitteln  lasse,  habe  ich  den  großen  Aufwand  an  Zeit  und 
Muhe  nicht  gescheut,  die  gesamten  Nekrologien  der  Erzdiözese 
Salzburg,  alle  Traditionen  in  dem  des  Registers  noch  entbehren- 
den Salzburger  Urkundenbuche,  die  Traditionsbücher  des  Hoch- 
stiftes Brixen  und  des  Klosters  Götweig,  das  Oberösterreichische 


^  Die  deutschen  Personennamen,  1 .  und  2.  Auflage 
'  Die  Kosenamen  der  Germanen. 


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519 

und  Steiermärkische  Urkundenbuch,  die  Ottonischen  Urkunden 
in  der  Diplomata-Ausgabe^  die  Mon.  Boica  durchzustudieren, 
die  bezüglichen  urkundlichen  Aufschreibungen  mit  den  Zeugen 
zu  exzerpieren  und  die  Namen  Ozi,  Ozie,  Ozy,  Oze,  Ozilo, 
Ouzo,  Ouze,  Uza,  Oziman,  Ozinus,  Otker,^  Otfrid,  Otachar 
herauszusuchen.^ 


*  Auch  diese  Form  wurde  im  Salzburgischen  Urkundenbuche  von  Hau- 
thaler zum  Teile  mit  Otachar  identifiziert;  sprachlich  ist  diese  Iden- 
tifikation aber  wegen  des  langen  e  im  Korapositionsteile  ker  unmög- 
lich. 

'  Anderen  zur  Nachforschung  seien  die  Zitate  hergesetzt: 

Mon.  Germ.  Necrolog.  H,  217,  222,  230,  233,  66,  16  (36,  1),  16 
(36,  9),  18  (41,  26),  21  (49,  4),  26  (61,  13),  31  (76,  33),  33  (83,  30),  42, 
34  (86,  33),  323,  23  (25,  6),  66  (37,  4),  56  (37,  30),  66  (38,  3),  67  (I  6, 
6,  11,  38,  U  30,  49),  99,  110,  126,  140,  148,  160,  161,  193,  80  (16), 
446,  30  (75,  32),  68  (62),  16  (36,  23),  346.  Ein  Oezo  findet  sich  S.  150. 
—  Salzburgisches  Urkundenbuch  I,  70,  74,  76,  80,  82,  84,  88,  90,  91,  93— 
97,  99,  100,  102,  104,  106,  113,  119,  121,  124,  126,  127,  128,  130,  131, 
182,  137,  139,  140,  160,  162,  163,  166,  167,  169,  164,  168,  170,  174, 
178,  194,  197,  208,  219,  232,  266,  267,  268,  266,  266,  275,  278,  281, 
282,  283,  286,  286,  288,  290,  291,  293,  294,  296,  297,  298,  302,  303, 
306,  306,  307,  308,  312,  313,  316—322,  324,  327,  328,  333,  334,  336, 
337,  339,  346,  366,  366,  366,  367,  375,  379,  386,  387,  393.  —  Acta 
Tirolensia  I,  Nr.  12,  13,  14,  16,  22,  23,  26,  48,  60,  62,  64,  89,  99,  116, 
120,  126,  128,  136,  162,  176,  191,  229,  249,  362,  399.  —  Fontes  rer. 
Austr.,  Abt.  U,  Vlfl,  34,  47,  193  (Nr.  129,  193,  357).  XXXIX.  —  Ober- 
österreichisches Urkundenbuch  I,  89,  126,  134,  137,  144,  148,  160,  162, 
153,  164,  160,  173,  429,  430,  474,  632,  633,  636,  539,  691,  661,  681, 
717,  724,  727,  728,  736.  II,  15,  61,  134,  136,  141,  146,  160,  210,  580, 
600  (ein  Oez),  629,  719.  —  Steiermärkisches  Urkundenbuch  I,  18,  21, 
22,  23,  26,  26,  96,  109,  111,  118,  141,  479.  —  Mon.  Germ.  Dipl.  O.  I, 
695,  in,  406  a,  607  b  (Odo  de  Liuurno,  Ozo  de  Liuumo).  —  Codex 
Kozroh,  Bl.  136  (Archiv  fttr  österr.  Gesch.  XXVII,  258  der  16.  baju wari- 
sche Zeuge  Uzo).  — Mon.  Boic.  VI,  3,  169,  172,  174,  187,  189,  195  (Te- 
gemsee;,  XXVIII,  b,  200;  XIV,  186,  188.  —  In  den  Traditionen  von 
Bnxen  findet  sich  die  Form  Ozinus  in  Nr.  116  und  126,  der  Name  Ot- 
frid  in  Nr.  82.  Das  Personenverzeichnis  setzt  (S.  324)  zu  dem  Namen 
Ozi,  Oci,  Ovzi  bei:  ,8ieh  auch  Ovdalscalh.* 

Da  auch  bei  Ozi  mehrfach  das  u  übergeschrieben  ist,  müßte  in 
jedem  Falle  die  Gepflogenheit  des  jeweiligen  Schreibers  ausfindig  ge- 
macht werden,  um  sprachUche  Schlüsse  ziehen  zu  können. 

Vorstehender  Nachweis    reicht    vom    8.  (Indiculus,  Notitia,    Ver- 
brüderungsbuch von  St.  Peter)   bis  in  die  zweite   Hälfte   des  12.  Jahr- 
hunderts. 
ArehiT.   94.  Band,  11.  H&lfte.  35 


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520 

Aus  dieser  Sammlung  von  Hunderten  im  Laute  ähnlicher 
Personennamen  ergibt  sieh  folgende  Beobachtung:  Der  Name 
Ozi,  Oczi,  Ozie,  Oze  kommt  hauptsächlich  im  Norden  der 
Alpen^  am  häufigsten  in  dem  Striche  zwischen  dem  In  und  der 
Ens,  besonders  im  Chiemgau  und  im  oberösterreichischen  oberen 
Kremstale,^  verstreut,  aber  im  ganzen  Gebiete  des  bajuwari- 
schen  Stammes  vor.  Daß  er  im  Tale  von  Kirchdorf  häufiger 
erst  im  12.  Jahrhunderte  bezeugt  ist,  hängt  mit  dem  Umstände 
zusammen,  daß  die  Aufschreibungen  des  Klosters  Garsten  nicht 
früher  einsetzen,  aber  als  hier  einheimisch  ist  er  schon  mehr 
als  ein  Jahrhundert  früher  nachgewiesen.*  Die  Gleichstellung 
der  Namen  Ozi  und  Otakar  ermöglicht  keine  einzige  Urkunde, 
im  Gegenteile  treten  in  der  gleichen  Urkunde  Otker  und  Ota- 
char,^  Ozi  und  Otachar,*  also  gleichzeitig,  als  Zeugen  auf.  Die 
latinisierte  Form  Ozinus  ist  jenseits  der  Alpen  häufiger,  taucht 
aber  vereinzelt  auch  nördlich  von  den  Bergen  auf.  Ein  Ozinus 
comes  findet  sich  in  den  Nekrologen  nicht;  ein  späterer  Nach- 
trag in  dem  zwischen  1025  und  1041  angelegten  Totenbuche 
von  St.  Peter  in  Salzburg  A  hat  zum  5.  März  (ob.)  einen  Ozie 
comes,  welcher  für  den  Stifter  des  Klosters  Ossiach  gilt,  wel- 
ches jedoch  den  Jahrtag  des  Ozzius  comes  am  23.  Oktober 
feierte.^  Auch  ein  Graf  Ouzo  kommt  nicht  vor,  dagegen  hat 
eine  Hand  des  11.  Jahrhunderts  im  gedachten  Toten  buche  von 
St.  Peter  zum  10.  Jänner  Oudalrich  com.  ob.  und  zum  12.  März 
Oudalricus  comes  eingetragen.* 

Der  Personenname  Otakar  ist  von  altersher  in  der  Um- 
gebung von  Salzburg  gebräuchlich.  Die  breves  notitiae  er- 
wähnen,^ daß  Rudker,  Otaker,  Gotschalk  und  Eberger  ,nobiles 
viri^    ihr   Eigen   zu  Weng   am  Walersee   und  bei  Straß,   dann 


*  Von  einem  Ozi  führt  die  heutige  Ortschaft  Otstorf  bei  Kirchdorf  den 
Namen  (c.  1125,  Ozindorf,  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  160, 
154). 

*  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  70;  Urkundenbuch  von  Krems- 
münster 27. 

^  Salzburger  Urkundenbuch  I,  105,  113,  c.  924;  Oberösterreichisches  Ur- 
kundenbuch I,  86;  II,  15,  J.  843. 

*  a.  a.  0. 1,  137,  J.  930.  »  Necr.  Ossiac,  a.  a.  O.  446. 
«  a.  a.  O.  94,  114. 

'  Salzburgisches  Urkundenbuch  I,  37,  39.  In  der  Nähe  des  Weitmoses 
haben  den  Namen  Helmo  die  Dörfer  Helming  und  Helmansdorf  be- 
wahrt. 


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521 

Helmo  und  Otaker  ,viri  nobiles'  zwei  Höfe  zu  Teisendorf  der 
Kirche  Salzburg  übergaben.  Von  hier  aus  scheint  sich  der 
Name  auch  in  die  östlichen  und  südlichen  Berge  verpflanzt  zu 
haben,  jedoch  nur,  um  noch  lange  vor  Ablauf  des  10.  Jahr- 
hunderts wieder  von  da  zu  verschwinden.  Im  Chiemgau  ist 
er  noch  in  der  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  nicht  selten  und 
wird  nach  Übertragung  des  Markgrafenamtes  in  Kärnten  an 
Otakar  in  den  östlichen  Gegenden  wieder  häufiger;  sein  Ge- 
brauch vermindert  sich  nach  dem  13.  Jahrhunderte  und  hört 
im  15.  völlig  auf.  In  dieser  späten  Zeit  lautet  die  Koseform 
Akkerl.^  Im  Verhältnisse  zu  der  ganz  überwältigenden  Masse 
des  Namens  Ozi  ist  der  Name  Otakar  fast  ein  seltener  zu 
nennen. 

Träger  der  Namen  Othwin  und  Othfrid  sind  ganz  aus- 
nahmsweise vor  1110^  ein  einziges  Mal  im  Tale  von  Kirchdorf 
bei  Hausmaning  und  Micheldorf  nachweisbar. 

Forschen  wir  dem  urkundlichen  Auftauchen  der 
Otakare  nach,  so  steht  in  erster  Reihe  die  Urkunde  904, 
10.  März,^  mit  welcher  König  Ludwig  dem  Sohne  eines  Grafen 
Otachar,  namens  Arpo,  ,in  valle  quae  dicitur  Liupinatal  in 
comitatu  eiusdem  Otacharii'  20  Hüben  zu  Schlatten  bei  Goeß 
schenkt.  Dieser  Graf  mag  derselbe  Otacharius  comes  sein, 
welcher  nebst  dem  Bischof  Burchard  von  Passau  um  904*  zur 
Feststellung  der  Zollsätze  in  die  Ostmark  als  königlicher  Send- 
bote verordnet  wurde.  Im  Leobengau  war  die  Familie  kaum 
ansässig,  sonst  dürfte  unter  den  damaligen  Zeitverhältnissen  das 
Grafenamt  in  ihren  Händen  verblieben  sein,  was  nicht  geschah, 
da  im  Jahre  1023  ^  der  Gau  Liubental  als  Komitat  eines  Grafen 
Gebhard  bezeichnet  wird. 

Seine  Heimat  ist  wahrscheinlich  der  Chiemgau  gewesen, 
in   welchem   um   den  Chiemsee  herum  gerade  im  10.  Jahrhun- 


*  1350,  1352,  1366  Oberöaterreichisches  Urkundenbuch  VII,  199,  276; 
Vin,  236,  281.  Die  Ortschaftsnamen  Ackersberg  in  Bayern  und  Ober- 
österreich dürften  von  dieser  Kurzform  abzuleiten  sein. 

*  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  l,  134,  135,  210. 

*  Steiermärkisches  Urkundenbuch  l,  16. 

*  Mon.  Germ.  Leges  in,  380. 

*  Steiermärkisches  Urkundenbuch  I,  51.  Im  Jahre  926  bei  einer  Com- 
placitatio  um  Liegenschaften  in  Liupintale  wird  Otachar  nicht  genannt 
a.  a.  O.  18. 

85* 


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622 

derte  der  Name  Otakar  in  den  Salzburger  Traditionsbtichern 
häufig  begegnet.^  Schon  in  der  complacitatio  des  Edlen  Epar- 
hard  mit  Erzbischof  Pilgrim  (907—923)  treffen  wir  als  ersten 
Zeugen  Otachar  comes.^  Es  liegt  nahe,  in  diesem  den  Grafen 
des  Leobengaues  zu  erkennen.  Otachar  comes  bezeugt  nach 
seinem  Nachbar,  dem  Grafen  Hartwig  (im  Salzburggau)  das 
Geschäft  der  edlen  Frau  Willa  c.  963  und  vor  dem  Grafen 
Nortprecht  (im  Salzburggau)  jenes  des  Ministerialen  Dietrich.* 
Am  25.  April  976*  bezeugt  nach  dem  Grafen  Sighart  Otachar 
comes  die  Übergabe  von  Eigen  im  Chiemgau  (wahrscheinlich 
in  Kieming,  Kematen,  Englham)  an  das  Erzstift.  Kaum  zu 
zweifeln  ist,  daß  er  derselbe  Otachar  comes  ist,  welcher  in 
erster  Reihe  eine  nach  dem  Jahre  972  fallende  complacitatio 
des  Bischofs  Wolfgang  von  Regensburg  als  Nutznießers  der 
Abtei  Mondsee  mit  dem  edlen  Manne  Einhart  eingeht,**  wornach 
derselbe  seinen  Hof  in  loco  qui  dicitur  Riwtun  dem  Bischof 
tiberließ  gegen  lebenslänglichen  Bezug  des  Zehents  der  Kirche 
Irstorf  (nördlich  vom  Irsee,  Straß  walchen  zu). 

Dieser  mansus  ist  der  jetzige  Hof  in  Roit  bei  Vordern- 
Au  südwestlich  von  Zell  am  Mos;  in  der  Rubrik  ,villa  Aw'  des 
Mondseer  Urbars  von  1416®  wird  ausdrücklich  der  Hof  in  der 
Reut  verzeichnet. 

Der  Ort  des  Tauschgeschäftes  ist  nicht  angegeben;  die 
Tauschobjekte  befanden  sich  aber  knapp  an  der  Salzburger 
Grenze,  daher  wohl  nicht  auffällig  ist,  wenn  ein  Chiemgauer 
Graf,  dessen  Komitat,  wie  wir  sehen  werden,  bis  einige  Stun- 
den vor  Salzburg  reicht,  die  Handlung  bezeugt.  Wenn  Krones' 
selbst  meint,  er  werde  nicht  stark  fehlgreifen,  wenn  er  diesen 
Otakar  mit  jenem  der  Urkunde  von  959  in  Zusammenhang 
bringe,  dann  ist,  wie  manche  andere  Behauptung,  seine  nach- 
folgende Bemerkung  ganz  unerklärlich.  ^Wahrscheinlich  ist 
nur  eines:   daß   alle   diese  Zeugenschaftsfunde  unsere  Otakare 


>  Salzburgisches  Urkundenbuch  I,  70,  72,  90,  94,  121,  126,  197,  128,  139, 

140,  161,  168. 
»  a.  a.  O.  160. 
3  a.  a.  O.  170,  174. 
*  a.  a.  O.  178. 

^  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  87,  Nr.  149. 
^  Im  fürstlich  Wredeschen  Besitze  zu  Mondsee. 
'  a.  a.  O.  176,  177. 


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523 

[d.  i.  jeno;  welche  die  sogenannte  ^Überlieferung'  und  er  in  den 
Traungau  versetzen  und  ihnen  daselbst  die  Grafschaft  zuer- 
kennen] betreffen  und  wir  im  Rechte  sind,  wenn  wir  ihrer  Be- 
schränkung auf  den  Chiemgau  entgegentreten*,  eine  bei  dem 
vollständigen  Mangel  urkundlicher  Nachrichten  mehr  als  sonder- 
bare Folgerung  I 

Endlich  erscheinen  in  den  beiden  Königsurkunden  vom 
8.  Juni  959  für  die  Kanoniker  der  Salzburger  Kirche^  und 
vom  9.  Juni  959  für  das  Kloster  St.  Emmeram*  die  Güter  Gra- 
benstatt und  Reut  (Vogtareut)  zum  Teile  in  dem  Komitate  Ota- 
kars  gelegen. 

Der  Flankenangriff,  welchen  Krones  zugunsten  seiner 
These  unternahm,  indem  er  sich  die  zweite  Urkunde,  wie  er 
sie  in  den  Regesta  Imperii'  vorfand,  zunutzen  machte,  aller- 
dings, wie  es  scheint,  ohne  den  Text  einzusehen  und  in  die 
Sache  näher  einzugehen,  zeigt  die  Notwendigkeit,  die  beiden 
Diplome  gründlich  zu  interpretieren,  weil  Vermutungen  ebenso 
leicht  zerstört  als  aufgestellt  sind  und  die  Komitate  der  Chiem- 
gaugrafen  in  anderer  Weise  nicht  fixiert  werden  können. 

Wir  beginnen  die  Untersuchung  mit  den 

quaedam  res  in  loeo  Orabanastat  vocitato. 

Am  8.  Juni  959  zu  Ror  hatte  König  Otto  I.  den  Kanoni- 
kern der  Kirche  Salzburg  ,quasdam  res  quas  iam  antea  qui- 
dam  comes  nomine  Hartuuic  de  manu  Vuarmunti  comitis 
acceptas  Ulis  supra  annonam  sibi  deputatam  pro  requie  animae 
tradiderat  in  loco  Grabanastat  vocitato  in  pago  Chiemicho- 
vve  in  comitatibus  Otacharii,  Sighardi  ac  Willihalmi 
comitum  cum  omnibus  rebus  eidem  loco  recte  adiacentibus 
i.  e.  ...  cum  foresto  ad  flumen  Truna  .  .  .'  verliehen.* 

Der  Vergaber  war  derselbe  Graf  Warmund,  welcher  ,quas- 
dam  res  in  loco  Riut',  der  später  Vogtareut  genannten  Hof- 
mark, zu  seinem  Seelgerät  dem  Kloster  St.  Emmeram  übergab. 


1  Mon.  Genn.  DO.  I,  281,  Nr.  202. 

»  a.  a.  O.  282,  Nr.  263. 

»  Unter  Otto  I.  von  Ottenthai  8.  135  (9  ist  ein  Lapsus),  Nr.  271. 

*  Mon.  Germ.  Dipl.  I,  281,  Nr.  202.  Original  im  königl.  allg.  Reichsarchive 

zu  München.    Die  Saline,  in   welcher  Salzpfannen  vergaht  werden,  ist 

zweifellos  Reichenhall. 


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524 

das  ihm  im  15.  Jahrhunderte  einen  Grabstein  mit  der  unrichti- 
gen Inschrift:  ,Anno  D.  MX.  in  die  S.  Leonis  PP.  dnus  War- 
mundus  nobilis  comes  de  Wasserburg,  qui  huic  Monasterio  de- 
dit  Hofmarchiam  in  Vogterreut  Hie  sepultus'  errichtet  hat.^ 

Der  Ausdruck  quaedam  res  ist  in  jener  Zeit  eine  stehende 
Kanzleiformel,  aus  welcher  über  den  Umfang  der  Schenkung 
kein  irgendwie  sicherer  Schluß  gefolgert  werden  kann;  aus  der 
Angabe,  daß  die  Liegenschaften  zu  drei  Grafschaften  gehörten 
und  der  Forst  an  der  Traun  zu  ihnen  zählte,  ergibt  sich  jedoch 
wenigstens,  daß  das  Schenkungsobjekt  einen  größeren  Flächen- 
raum eingenommen  haben  muß.  Damit  haben  aber  die  Folge- 
rungen ein  Ende;  aus  dem  Urkundentexte  können  wir  nicht 
entnehmen,  wo  der  Forst  gelegen  war,  ob  an  der  roten  Traun, 
an  der  weißen  oder  See  -Traun  oder  an  der  vereinigten  Traun 
abwärts  von  Siegsdorf,  und  ebensowenig  wissen  wir,  wo  die 
Güter  sich  befanden,  die  unter  der  Bezeichnung  Grabenstätt 
begriffen  sind. 

Zur  Erläuterung  die  Fälschung  (Erweiterung)  dieser  Ur- 
kunde, welche  die  Kanoniker  zu  Ende  des  11.  Jahrhunderts 
anfertigten,  wahrscheinlich  um  ihrem  faktischen  Besitze  einen 
Rechtstitel  gegen  die  Schenkung  König  Heinrichs  III.  an  Erz- 
bischof Baldwin  1048  zu  verschaffen,*  heranzuziehen,  halte  ich 
für  völlig  unzulässig,  weil  dieselbe  ja  doch  nur  zur  Begründung 
von  weitergehenden  Besitzansprüchen  ins  Leben  gerufen  wurde 
und  daher  für  den  ursprünglichen  Besitzstand  kein  sicheres 
Zeugnis  abgeben  kann  und  sich  außerdem  zeigen  wird,  daß 
jene  Grenzen,  welche  identifiziert  werden  könnten,  mit  den 
Angaben  der  unbedenklichen  Kaiserurkunde  von  1048  im  Wi- 
derspruche stehen.  Außer  der  Kirche  St.  Johann  an  der  roten 
Traun,  dem  Wolfsberg  und  dem  —  mehrfach  vorhandenen  — 
Kaltenbach  sind  übrigens  die  anderen  Markungen,  zumal  der 
Morenstein,  heute  völlig  unbekannt. 


*  Historischer  Entwurf  der  Rechte  von  St.  Emmeram  auf  das  Propstge- 
richt Vogteyreut.  Handschrift  539  Kl.  (Kloekeliana)  in  der  königl.  Hof- 
und  Staatsbibliothek  in  München. 

*  Mon.  Germ.  Dipl.  I,  595,  Nr.  441:  Ausfertigung  in  Diplomform  im  k.  u. 
k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchive  in  Wien.  Der  ,Morenstein*  dürfte  mit 
dem  Sitze  der  Mornsteiner  gleichbedeutend  sein.  Salzburgisches  Ur- 
kundenbuch  I,  722,  756,  758. 


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525 

Richter  hat  geglaubt,*  zur  Erläuterung  sich  der  Urkunde 
Kaiser  Heinrichs  III.  vom  9.  April  1048  *  bedienen  zu  können, 
zu  welchem  Zwecke  jedoch  dieselbe  nicht  tauglich  ist,  einer- 
seits, weil  der  Geschenknehmer  eine  ganz  andere  Persönlich- 
keit, nämlich  der  Erzbischof  Baldwin,  war,  andererseits,  weil 
auch  das  Schenkungsobjekt:  forestum  in  comitatu  Otachari  si- 
tum'  ein  ganz  anderes  und  bestimmt  auf  der  Ostseite  der  ver- 
einigten und  der  weißen  Traun  gelegen  war. 

Die  Feststellung  der  Ortlichkeiten  hat  daher  auf  anderem 
Wege  zu  geschehen. 

Die  Grenzen  des  Traunwaldes,  den  1048  das  Erzstift  aus 
kaiserlicher  Huld  gewann,  hat  Richter'  mit  aller  Genauigkeit 
gezogen.  Daß  sie  richtig  sind,  zeigt  ein  Urbar  des  Hochstiftes 
Salzburg  aus  der  Zeit  um  das  Jahr  1300  im  allg.  Reichsarchive 
in  München  ;*  dasselbe  enthält  die  beiden  Rubriken  Nemora  und 
de  inferiori  Nemore.  Unter  ersterem  werden  die  Holden  im 
ehemaligen  Traunforste,  unter  letzterem  jene  an  der  Mörn  und 
bei  Oting  um  den  Forst  Heit  verzeichnet. 

Das  Urbar  des  Domkapitels  Salzburg  aus  dem  Jahre  1392, 
das  alle  Amter,  ausgenommen  Mauterndorf,  begreift,^  zählt  in 
der  Rubrik:  officium  Grabenstat  (auf  Bl.  IT  bis  Bl.  16')  folgende 
Eigenleute  der  Kanoniker  auf: 

In  Grabenstat  15,  in  Pernhauppen  (Bernhaupten)  12 
(inbegriffen  3  in  Ental  =  Endtal,  2  in  Humhausen,  1  in  Gei- 
selprechting,  2  in  Hörring  =  Hertwepging,  1  in  Büehling),  in 
Mulpach  (Mühlbach,  Pf.  Vachendorf)  7  (inbegriffen  2  in  Win- 
kel), in  Würgelham  2,  in  Spielwang  3,  in  Dingrating 
(Tinnerting)  4,  in  Achsdorf  8,  in  Wimpßzing  (Wimpassing) 
7,  in  Einhaym  (Einham)  6,  in  Erlstätt  11,  in  Wolkers- 
torf  13,  in  Schmidham  10,  in  Ruethering  (Riedering)  3, 
in  Herprechting  (Höpperding)  6,  in  Kotzing  2,  in  Geysing 
2,   in  Traun  st  orf  6.     Villici:   vlricus  et   chunradus  de  hoch- 


^  Untersuchungen  zur  historischen  Geographie  des  ehemaligen  Hochstiftes 
Salzburg  und  seiner  Nachbargebiete  im  ersten  Ergänzungsbande  zu  den 
Mitteil,  des  Inst.  fUr  österr.  Geschichtsforschung,  S.  641  ff. 

«  Juvavia  Dipl.,  Anh.  S.  233. 

3  a.  a.  O.  Hierzu  seine  Karte.  Nur  die  Folgerungen,  die  er  irrigerweise 
zog,  sind  abzulehnen. 

*  Litteralien  des  Erzstiftes  Salzburg  Nr.  883. 

^  Daselbst  Nr.  834. 


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526 

stet  (Hochstätt  zwischen  Grabenstatt  und  Kieming),  Otto  filios 
hainrici  et  christanus  de  heinrichsdorflF,  Zachar.  et  Weynmarus 
de  Newnling  (bei  Haslach),  Christanus  et  hr.  et  chnr.  de  Rei- 
chenhausen (bei  Bernhaupten),  Michahel  de  vahendorff,  idem 
Michel  de  prato  Schultaizwiz,  vh*.  lanchmair,  Otto  an  der  prun- 
leyten,  Rupertus  officialis  de  Grabnstat,  fridr.  filius  lang- 
taler,  Idem  de  putzenlach,  vir.  virtayler,  Chnr.  wider  de  ar- 
garten. 

3  Holden  dienten  je  200,  zusammen  600  Reynanken. 

Das  officium  myesenpach  verzeichnet  (Bl.  17'): 

34  ohne  Bezeichnung  der  Ortschaften,  in  Voglarn  (Vog- 
ling  bei  St.  Johann  am  rechten  Ufer  der  roten  Traun)  9,  in 
Miesenpach^  15,  in  Vohenau  (Vachenau  am  linken  Ufer  der 
weißen  Traun)  13,  in  Vadern  Myesenpach^  6,  in  Schon- 
rain (Schönram  am  linken  Ufer  der  weißen  Traun)  5,  in  Al- 
zing  (bei  Adelholzen  an  der  Straße  nach  Bergen  westlich  der 
weißen  Traun)  8,  in  Pattenperch  (südwestlich  von  Bergen 
auf  der  Berghöhe  von  Pattenberg)  18,  in  Schelnperg  (Schel- 
lenberg westlich  von  Bergen)  1,  in  Schlehing,  Pf.  Grassau  im 
Achentale  südwestlich  von  Marquartstein  8, 

Wein-Saumdienste  wurden  geleistet  3,  der  Käsedienst  in 
Miesenbach  betrug  1300  Laibe,  Neubrüche  aus  jüngster  Zeit 
51  (Novalia  ex  novo  instituta). 

Dieser  Besitzstand  erfährt  eine  willkommene  Beleuchtung 
durch  das  Verzeichnis  aller  in  Bayern  ansässigen  Untertanen 
des  Domkapitels  vom  Jahre  1783.^ 

Dieses  letztere  führt  vor: 

Im  Voglwald  zwischen  roter  und  weißer  Traun  55,  Mie- 
senpacher  42,  in  Alzing  5,  Neureute  im  Miesenpach  67. 

Im  Amte  Grabenstatt  ohne  Bezeichnung  der  Ortschaft 
13,  in  Mülpach  4,  zu  Grabenstatt  im  Dorf  13,  inWürgl- 
ham  6,  in  Dingrating  4,  in  Achstorf  9,  in  Wimpassing 
8,  in  Einham  4,  in  Erlstetten  11,  in  Wolkerstorf  11,  in 
Schmidham  9,  in  Riedering  3,  in  Heprechting  3,  in  Ko- 
zing  2,  in  Geißing  2,   in  Traunstorf  6,   dann   ,Villici  Hof- 

*  Zwei  Dörfer  Unter-  und  Vorder- (Ober-)  Miesenbach  mit  12  und  20  Ge- 
bäuden, Pf.  Rupoldingf  am  Ostufer  der  weißen  Traun. 

'  Litteralien  des  Erzstiftes  Salzburg  Nr.  352.  Urbarische  Beschreibung 
über  die  in  denen  Churbayrischen  Pfleg  Gerichten  befindlichen  Dom- 
kapitl.    Salzburg.    Untertanen  1783. 


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527 

stett'  14,  zwei  halbe  Höfe  Stift  oder  Mairhof  genannt  zu  Qra- 
benstatt,  einige  ledige  Stücke. 

Im  Amte  Hörzing:  2  halbe  Güter  zu  Feilenreut,  Pf. 
Siegsdorf,  westlich  der  weißen  Traun,  der  Voglhof  zu  Siegsdorf 
(an  der  weißen  Traun,  das  obere  Dorf  östlich,  das  untere  west- 
lich), Nußdorf  (westlich  der  Traun  bei  Herbsdorf),  in  Herbs- 
dorf (westlich  der  Traun)  2,  in  Pering  (Bergen  bei  Elrlstätt)  4, 
in  Hörzing  am  östlichen  Traunufer  3,  dann  weitere  7  Güter 
am  Surberg  östlich  der  Traun  (zwei  Hälften  der  Altenhub,  Fron- 
wies vier  Viertel,  Buchmühle,  Kirchtorgütl,  Puchengut,  Ober- 
göttenbachergut,  Gassenlehen),  3  Güter  zu  Selberting,  Pf.  Oting, 
schließlich  das  Gut  am  Wollsperg,  Anderlochnergut  oder  Hell- 
gut am  Hochberg,  Gut  am  Graben,  alle  in  der  Pfarre  Haslach, 
zwei  halbe  Güter  zu  Wiem,  Pichlergut,  Hinterpichlergut,  zwei 
halbe  Güter  am  Unterberg,  das  Gut  aufm  Reut,  alle  in  der 
Pfarre  Siegsdorf. 

Im  Landgerichte  Marquartstein  gehörten  zum  Amte  Mie- 
senbach  die  2  Güter  zu  Höpfling  und  die  6  zu  Schönram  sowie 
die  7  zu  Alzing,  alle  westlich  von  der  weißen  Traun,  am  Pat- 
tenberg 26  Holden,  in  Achleiching  12,  im  Berger  Winkel  6 
sowie  5  Ausbrüche,  im  Grassauertale  5  Neureute;  zum  Amte 
Grabenstatt  13  und  zum  Amte  Hörzing  4  ledige  Gründe. 

Die  bezeichneten  drei  Amter  umfaßten  465  Untertanen, 
das  Amt  Obing  32,  das  Urbaramt  Pintling  im  Pfleggerichte 
Wald  63;  zum  Domkapitelschen  St.  Erhard  Spital  gehörten  6, 
in  den  Pfleggerichten  Rosenheim,  Mermosen,  Kraiburg  und 
Trostberg  saßen  noch  27  Holden. 

Selbstverständlich  bildeten  nicht  alle  diese  Güter  das  ur- 
sprüngliche Zugehör  von  Grabenstatt;  es  erfolgten  im  Laufe 
des  11.,  12.  und  13.  Jahrhunderts  noch  viele  Stiftungen  an  die 
Kanoniker,  wie  ihr  codex  traditionum  ausweist,  auch  in  der 
Umgebung  von  Grabenstatt  und  in  die  Wälder  hinein.  Wir 
haben  in  dieser  Beziehung  Nachricht  von  Voglerwald  (zwischen 
den  beiden  Traunbächen),  vom  Sulzberg  (daselbst),  von  Rupol- 
ding,  von  Vachendorf,  von  Herbsdorf,  von  Schlipfing,  von 
Schwarzenberg,  vom  Surberg.*  Verschiedene  Güter  wurden  ge- 
teilt, manche  auch  vertauscht. 


1  Salzburgfwches  Urkundenbuch  I,  603,  665,  662,  657/676,  697,  681/741, 
667,  654/666,  662/722. 


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528 

Immerhin  aber  darf  angenommen  werden,  daß  der  Kern 
der  Besitzungen  des  Domkapitels,  demnach  die  Eigenlente  in 
Grabenstatt  am  Chiemsee  und  die  Umgebung  vom  See  bis  an 
die  Traun  und  südwärts  in  das  Tal  der  Seetraun  hinein  aus 
der  Schenkung  vom  Jahre  959  stammt. 

Es  handelt  sich  nunmehr  darum,  wo  der  Forst  an  der 
Traun  sich  befunden  haben  mag.  Ostwärts  von  derselben  in 
keinem  Falle;  denn  der  Traunwald,  welchen  Klpiig  Hein- 
rich III.  1048  dem  Erzbischof  Baldwin  übergab,  war  vor  die- 
sem Zeitpunkte  königliches  oder  herzogliches  ^  Gut  und  reichte 
vom  Rottenbach  {6  km  unterhalb  Traunstein)  am  rechten  Ufer 
der  vereinigten  Traun,  diese  und  die  weiße  Traun  hinauf  bis 
zum  Rauschenberg  und  von  diesem  über  den  Falkenstein  zum 
Kachelstein  zur  Achtaler  Ache,  zur  großen  Sur  und  dem  Wa- 
gingersee  bei  Peting  und  längs  dem  Weidachbache  wieder  zur 
großen  Traun.* 

Der  Qrabenstätter  Forst  muß  daher  in  westlicher  und  süd- 
licher Richtung  gesucht  werden  und  in  diese  Richtung  weist 
auch  der  Gutsbestand  des  Domkapitelschen  Amtes  Miesenbach. 
Es  beirrt  dabei  nicht,  daß  hier  oben  auch  zwischen  den  beiden 
Quellbächen  der  Traun  und  vereinzelt  über  die  rote  Traun 
hinüber  Eigenleute  des  Domkapitels  sitzen;  denn  einerseits 
stammen  selbe  aus  späteren  Erwerbungen  und  andererseits  wird 
wohl  auch  die  Fälschung  eine  Rolle  gespielt  und  die  Erzbischöfe 
bewogen  haben,  sich  mit  dem  Kapitel  abzufinden  und  dem- 
selben in  Güte  die  angestrebte  Ausdehnung  seines  Besitzes  über 
den  Wolfsberg  zur  Kirche  St.  Johann  an  der  roten  Traun  zu- 
zugestehen. 

Grabenstatt,  am  östlichen  Atme  des  Mündungsdeltas  der 
Achen,  eine  Hofmark,  welche  im  Jahre  1865  100  Gebäude  mit 
434  Einwohnern  zählte,  ist  mit  zwei  Zukirchen  der  Pfarre  Has- 
lach  bei  Traunstein  versehen;  die  Hofmark  mit  Schloß  gehörte 
im  Jahre  1724  dem  Baron  von  Eching,  der  Verwalter  über  die 
Untertanen  des  Domkapitels  wohnte  zu  Traunstein.^ 

1  Heinrich  III.  behielt  Bayern  vom  U.  Oktober  1047  bis  2.  Februar  1049 
in  seiner  Hand. 

'  Selbstverständlich  zeigen  diese  Markungen  nur  aus,  in  welchem  Um- 
fange die  verschiedenen  Waldungen  als  ZugehÖr  des  einstigen  Forstes 
betrachtet  wurden;  denn  schon  geraume  Zeit  war  der  Forst  von  An- 
siedhingen durchsetzt. 

'  Litteralien  des  Erzstiftes  Salzburg  Nr.  342. 


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529 

Die  Spezialkarte  lehrt,  daß  noch  heutzutage  an  der  West- 
seite der  weißen  Traun  ein  großes  Waldgebiet  vorhanden  ist, 
welches  bei  Maria-Eck  (südlich  von  Adelholzen,  südöstlich  von 
Bergen)  beginnt  und  sich  bis  an  die  Grenze  von  Tirol  fort- 
setzt; es  bildet  den  bayrischen  Staatsforst,  welcher  von  könig- 
Uchen  Forstämtern  (Bergen,  Reut  im  Winkel)  bewirtschaftet 
wird.  In  denselben  wurden  nach  der  Säkularisation  des  geist- 
lichen Fürstentums  Salzburg  auch  die  dem  Domkapitel  gehöri- 
gen \\'aldungen  einbezogen.  Die  Waldungen  am  Pattenberg 
gehören  zum  Teile  den  dortigen  Bauern,  und  zwar  erst  seit  1800. 

Nach  der  vorausgegangenen  Darstellung  des  Domkapitel- 
schen  Besitzes  von  Grabenstatt  darf  wohl  angenommen  werden, 
daß  der  mitvergab te  Forst  an  der  Traun,  der  flußaufwärts  bald 
der  Kultur  zugeführt  wurde,  wie  die  Ortsnamen  Bärengschwend, 
Brand,  Dickengschwend  bezeugen,  ursprünglich  bei  Maria-Eck 
begonnen  hat  und  von  Norden  nach  Süden  von  Pattenberg, 
Bairerschneid,  Hochfelln,  Hochgern,  im  Süden  von  Rechenberg, 
Eisenberg  und  ünternberg  eingeschlossen  war,  möglicherweise 
vielleicht  noch  weiter  hinein  in  die  inneren,  unbewohnten,  von 
brausenden  Wasserfällen  erfüllten  Gebirgstäler  reichte. 

Im  Osten  der  Traun  wird  der  große  Forst,  welcher  1048 
dem  Erzstifte  zugewendet  wurde,  nicht  viele  eingesprengte  Sied- 
lungen enthalten  haben,  wie  denn  heute  noch  dieses  Gebiet 
von  ehemaligen  oder  noch  bestehenden  Mosen  (Demelfilz,  Weit- 
mos,  Helminger  Filz,  Surberg  Mos,  Mos  bei  Niederachen- 
Schwarzenberg,  Torfmos  zwischen  den  beiden  Eschenforsten), 
größeren  Forsten  (Eschenwald,  oberer  und  unterer  Eschenforst 
Forst  Pechschnaitberg,  Burgstallerforst,  Zeller  Forst,  Höhen- 
wald) und  kleineren  Gehölzen  durchzogen  ist. 

Wir  wenden  uns  nunmehr  zur  Erklärung  der 

quaedain  res  in  loco  Bint  iuxta  Enum  in  Sandargonae. 

Am  nächsten  Tage  nach  der  Ausstellung  des  Diploms  für 
das  Domstift  Salzburg,  den  9.  Juni  959  zu  Rore  bestätigte  Kö- 
nig Otto  I.  auf  Intervention  des  Bischofs  Michael  von  Regens- 
burg den  Mönchen  von  St.  Emmeram  ,qua8dam  res  quas  iam 
antea  quidam  comes  nomine  Uuarmunt  ilHs  supra  annonam 
sibi  deputatam  pro  requic  suae  animae  tradiderat  in  loco  Riut 
iuxta  Enum  fluvium  in  pago  Sundargouue  in  comitatibus 
Ratolfi,  Chadalhohi,  Otocarii  et  Sigihardi  comitum  cum  omni- 


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530 

bus  rebus  eidem  loco  aspicientibns  vel  attinentibus  id  est  terris 
cnitis  et  incaltis  curtilibus  et  edificiis  pratis  pascnis  silvis  sagi- 
nationibns  venationibus  piscationibus  portibns  aquis  aqaammqae 
decursibns  molis  et  molendini  locis  maneipiis  utrinsqae  sexas 
parscalcbis  cidalariis  vectigalibus  cunctisqae  utensilibos  ad  eun- 
dem  locum  Riut  iure  assignatis  viis  et  inviis  intrinsecus  forinsecns 
quesitis  et  inquirendis/^ 

Bei  Erläuterung  dieser  Urkunde  sind  wir  in  noch  günsti- 
gerer Lage  als  bei  jener  für  die  Kanoniker  von  Salzburg^  da 
einander  näherstehende  urbariale  Aufzeichnungen  über  das 
Objekt  erhalten  geblieben  sind.  Die  Formel,  das  Zugehör  be- 
treffend, ist  hier  von  Belang;  denn  zu  dem  Gute  gehörten  viele 
Hüben,  Wälder,  Jagdbarkeiten,  Fischereirechte,  Urfahr,  Hörige, 
insbesondere  Parschalken,  auch  Honigbezüge,  wie  wir  sogleich 
sehen  werden. 

Denn  schon  72  Jahre  später,  im  Jahre  1031,  verfügte  Abt 
Burchard  von  St.  Emmeram  (1030 — 1037),  derselbe,  welcher 
,cum  manu  advocati  sui  Eadalhohi  comitis  excellentissimi'  mit 
seinen  Eigenleuten  (familia  quae  ad  Ruit  pertinet),  im  beson- 
deren mit  den  Hiltiscalchi,*  über  deren  Verpflichtungen  ein 
Übereinkommen  traf,'  durch  den  Propst  Arnold  eine  allgemeine 
Aufnahme  des  Klosterbesitzes,  deren  vollständiger  Inhalt  in 
einem  Traditionskodex  des  Stiftes  überliefert  worden  ist.* 

Nach  dieser  Beschreibung  bestanden  in  Reut  zwei  Sal- 
landswirtschaften,  die  eine  in  Riuti  selbst  mit  vier  Hufen,  die 
andere  in  Könparn  (Chefinpurun)  mit  fünf  Hufen  Salland;  dazu 
gehörten  die  Zehente  in  der  ganzen  Hofmark  und  von  20  an- 
deren Hüben.  Die  Parschalken  besaßen  76  Hüben  und  eine 
halbe;  Scafuuar^  eine  Hube,  der  Scherge  (praeco)  eine,  die 
2  Förster  (forstarii)  eine,  die  Fischer  drei  Hüben.  Von  den 
Reitern  (Equites)  dient  jeder  einen  ganzen  Saum  (Fuhr)  Wein, 
6  Mut^  Hafer,  1  Mut  Korn  (sigalis)  und  ein  Mut  Fastmus  (cu- 
muli)^  von  16  Parschalken  leistet  jeder  einen  Saum  Wein,  6  Mut 

»  Mon.  Germ.  DO.  I,   282,   Nr.  263.    Original  im  königl.  allg.  Reichsarchiv 

in  München. 
^  S.  Über  diese  Quellen  und  Erörterungen  I,  16,  A.  4,  dann  21. 

*  B.  Pez,  Anecd.  nov.  Thesaurus  I,  III,  C.  77. 

*  a.  a.  O.  67—77,  die  Rubrik  Ruiti  C.  71—72. 

*  Quellen  und  Erörterungen  I,  96,  Emmeramer  Trad.  Nr.  200. 

"  modius  minor  ist  wohl  ein  Mutl  (=  5  Motzen),   dann  modius  ein  Mut 
(=  30  Metzen). 


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531 

Hafer,  1  Mut  Korn,  1  Mutl  Weizen,  */,  MutI  Lein,  eine  Hand- 
voll Honig,  ein  Geschirr  voll  Bohnen  nnd  eines  voll  Lein,  auch 
haben  sie  Reitpferde  beizustellen  (et  parafredos  dant);  von  50 
ebenderselben  dient  jeder  einen  Saum  Wein,  6  Mut  Hafer,  ein 
Schaf.  Zu  Söchtenau  (ad  Sechtaha)  dient  eine  Hufe  ein  Mutl 
Korn  und  ein  Mutl  Weizen.  Zu  Buch  (Pf.  Prutting,  ad  Puoch) 
reicht  eine  Hube  ein  Mut  Korn.  Zu  Könpam  haben  die  Eigen- 
leute des  Herrenhofes  (servi  salici)  eine  halbe  Hufe,  die  leib- 
eigenen Zinsbauern  (mansi)  28  Hufen  und  eine  halbe;  jeder 
dient  einen  Saum  Wein,  6  Mut  Hafer,  2  Mut  Fastmuß,  ein 
Schaf,  2  Hühner,  12  Eier.  Weiters  gehören  zum  Gute  sechs 
Mühlen  mit  zwölf  Gängen  (rotis)  und  zwei  mit  vier  Gängen. 
Der  Mair  (villicus)  hat  zwei  Hüben  und  eine  halbe,  der  Welt- 
geistliche (Clericus)  eine  Hube,  Adalhart  2  Hüben,  Baze  eine 
halbe.  Die  Leibeigenen  vom  Herrenhofe  (servi  salici)  haben 
eine  Hube  und  2  Jauchert.  Summe  der  Haferleistung  im  Orte 
34,  sämtliche  nach  Ruit  Zugehörige  leisten  94  Weinfuhren 
(Saum  Wein). 

Zu  dem  Herrenhofe  Reut  (erst  vom  14.  Jahrhunderte  an 
von  der  Bevogtxmg,  welcher  derselbe  zuerst  vonseiten  der  Gra- 
fen, dann  der  Bischöfe  von  Regensburg  und  seit  1243  der  Her- 
zoge von  Bayern  unterlag,  Vogtei  Reut,  endlich  im  Dialekte 
Vogtareut  genannt)  gehörten  also  außer  dem  Sallande  im  Eigen- 
betriebe des  Klosters  sicher  hundert  Hüben.  An  Ortlichkeiten 
sind  außer  Reut  genannt  Buch,  Pf.  Prutting,  Könparn,  Pf.  Vog- 
tareut, Wollincheim. 

Die  zeitlich  nächste  Auskunft  über  Vogtareut  gibt  uns 
das  lateinisch  und  deutsch  niedergeschriebene  ,Recht  Buech  von 
Vogteyreut'  aus  dem  Jahre  1326.*  Hiernach  befand  sich  in 
der  Hofmark  ein  Amthaus  ,quod  vulgo  dicitur  Dinchause', 
in  welchem  der  Propst  oder  Amtmann  des  Abtes  alle  Fälle 
»exceptio  tribus  casibus,  videlicet  homicidio,  forto  et  coitu  vio- 
lento^  zu  entscheiden  hatte;  dingen  konnte  man  nur  an  den 
Abt  In  allen  Wäldern  und  auf  allen  Gründen  stand  die  Jagd, 
im  Puchsee  (Hofstätter  See)  und  im  Runsee  die  Fischerei  dem 


1  Enthalten  im  »Histor.  Entwurf*  Gb.  Kl.  539  der  Hof-  nnd  Staatsbibliothek 
in  München.  »Vermerkt  der  Brobstei  zu  Vog^ewt  Herlikait  vnd  ge- 
schriben  Becht',  auch  im  Salbuch  sec.  XV,  Nr.  30  der  Litteralien  von 
St.  Emmeram. 


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532 

Abte  zu,  in  dessen  Alleineigentum  der  Lüzelsee  (bei  Lang- 
hausen) stand.  An  den  beiden  Forsten,  quae  vulgo  der  Puch- 
forst  et  Sunderforst  dieuntur,  hatte  der  Vogt  keinen  Anteil; 
Holzfrevel  straft  der  Propst  allein.  ,Der  Vogt  hat  ze  pezzem 
nach  des  Fürsten  [Abtes]  Rat,  sines  Probstes  oder  siner  Ampt- 
läut,  doch  sol  der  Vogt  an  den  Vorsten  darumbe  dhein  Recht 
oder  dheinen  Nutz  haben;'  der  Vogt  hält  zwei  Taidinge:  eines 
bei  dem  ,Graz'  (doch  wohl  im  Mai),  das  andere  bei  dem  ,Hae' 
(Heu).  Für  Nachtseide  gibt  man  ihm  9  Zarg  (etwa  Schäffel) 
Roggen,  4  Frischling,  50  Käse  und  24  /Ä  für  Fische;  für  die 
Taidinge  gebühren  ihm  als  Vogtrecht  zu  dem  Maien  und  im 
Herbst  jedesmal  15  Äf  Münchner  Pfennige,  105  Lämmer,  105  Zarg 
Roggen  und  58  Zarg  Habern. 

Noch  im  Jahre  1437  gehörten  unter  Vogtareut  Güter  in 
Wiechs,  Pfarre  Au  und  in  Kirchdorf,  Landgericht  Aibling  jen- 
seits des  In;  damals  wurde  die  Klage  eines  Bürgers  von  Aib- 
ling hierum  an  das  Vogteigericht  zu  Vogtareut  gewiesen.^ 

I>as  nächste  Urbar  von  Vogtareut  stammt  aus  dem  15.  Jahr- 
hunderte und  steht  in  dem  ,alt  Salpuch  in  Voittarreitt'.^  , Her- 
nach stendt  geschriben  dy  Rändt  vnd  gült  der  Hofmarch  Vog- 
tareut gehorundt  zu  der  kirchen  sand  Haimeron  zu  Regens- 
purgk^  Im  ,officium  interius  das  Innerambt'  sind  verzeichnet 
der  Mairhof  oder  Ambthof  zu  Rewt,  7  ,Watschar^  daselbst,  ein 
Urfar  über  den  In,  2  Hofstätten  und  6  ^/^  Hüben  ebenda,  dann 
Hüben  zu  Winkel  und  Spulenswinkel,  zu  Ried  und  Hinter- 
winkel, zu  Pening,  zu  Forst,  zu  Od,  zu  Weichering,  zu  Ecken- 
heim; weiters  an  kleinen  ,aigen'  oder  Gütern  3  zu  Eckenheim, 
1  zu  Weichering,  das  Leygebin  Aigen  und  ,die  kobler  enhalb 
des  In^  Item  der  Hof  zu  Wiechs,  der  Hof  zu  Kirchdorf,  der 
Hof  Zaissering,  der  Hof  zu  Rot,  der  Hof  zu  Niderwinchering, 
die  halbe  Hub  zu  Weichselbaum,  die  8  Mühlen  (zu  Au,  zu 
Müldorf,  Enhaftzmül,  Putzmül,  Furtmül,  Simsmül,  Mül  zu  Zai- 
ßering,  Schurfens  Mül),  Bauer  zu  Stainpuech.  Zwo  Swaig  en- 
halb des  Ins  ,die  her  Fridreich  von  Hawtzendorf  gemacht  hat'. 
Eine  Swaig  zu  Weichselbaum.  Der  Hof  zu  Kemparn,  wozu 
folgende  10  Hüben  gehören:  2  zu  Viehausen,  2  zu  Oberwinche- 


*  ,Hist.  Entwurf*  wie  oben. 

^  Litteralien  von  St.  Emmeram  Nr.  28,  die  ersten  18  Blätter  aus  dem  14., 
ab  Blatt  19  aus  dem  15.  Jahrhunderte. 


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533 

ring,  3  zu  Perg,  1  zu  Tal,  2  zu  Eck.  Endlich  noch  V*  i»  Pir- 
chach,  ^4  2U  Kemparn,  ^/^  zu  Wietring,  1  Watschar  zu 
Obemtal. 

Zu  jRewt  dem  Ausserambt'  gehörten  Hüben: 
Zu  Sulmering  (Pf.  Vogtareut)  2,  zuPuech  2,  zu  Niedern- 
puech  und  Höfstett  ^g»  zu  Spulenstetten  ^/^^  zu  Graben  Hohen- 
steig  Entleiten  1,  zu  Gehering,  Pf.  Riedering  1  7^?  zu  Westen- 
dorf, Pf.  Frasdorf  Vs»  z^  Walkerting,  Pf.  Frasdorf  2  V,,  zu 
Kleinholzen,  Pf.  Riedering  7»>  zu  Füßen,  Pf.  Riedering  V^,  zu 
Wolkering,  Pf.  Prutting  2  V^,  zu  Ried,  Pf.  Prutting  Vj,  zu  Son- 
nen, Pf.  Prutting  1,  zu  Bamham,  Pf.  Prutting  3  Vs»  zu  Prutting 
3,  zu  Qebhartsberg  1,  zu  Irlach,  Pf.  Prutting  1,  Forst  am  See, 
Pf.  Prutting  1,  zu  Nendlberg,  Pf.  Prutting  2,  zu  Reischach,  Pf. 
Prutting  2,  zu  Rottenstetten  (Ratoltsteten),  Pf.  Prutting  1,  zu 
Langhausen,  Pf.  Prutting  1,  zu  Haidham,  Pf.  Prutting  2,  zu 
Inzenham,  Pf.  Prutting  1,  zu  Salmering,  Pf.  Prutting  2,  zu  Alt- 
stein (Alchstain),  Pf.  Prutting  ^j^,  zu  Schwabering  (Schweibra- 
ching)  2  ^l^f  zu  Osterfing  (Otolfing)  2,  zu  Hasendorf,  Pf.  Prut- 
ting 2,  zu  Lanting,  Pf.  Endorf  ^s?  zu  Lienzing,  Pf.  Eggstätt 
nördlich  vom  Chiemeee  %,  zu  Reichheim  2  ^/^  zu  Racherting. 
Pf.  Höslwang  1,  zu  Haslach,  Pf.  Höslwang  1,  zu  Rundorf  (Ru- 
gendorf),  Pf.  Höslwang  V«?  zu  Müldorf,  Pf.  Höslwang  2,  zu 
Holzheim,  Pf.  Höslwang  2,  zu  Wölkham,  Pf.  Höslwang  ^a»  zu 
Gunzenham,  Pf.  Höslwang  2,  zu  Sonnendorf  (Sunderdorf),  Pf. 
Höslwang  ^a»  zu  Lungham,  Pf.  Höslwang  1,  zu  Eck,  Pf.  Hösl- 
wang 1,  zu  Wochlug  ^2?  zu  Dingbüch,  Pf.  Söchtenau  1,  zu 
Stetten,  Pf.  Söchtenau  1,  zu  Söchtenau  (Sechtnach)  4,  zu  Wil- 
perting,  Pf.  Söchtenau  2,  zu  Straß,  Pf.  Söchtenau  1,  zu  Aschau, 
Pf.  Söchtenau  1  ^/g,  zu  Lampersberg,  Pf.  Söchtenau  3,  zu  Speck, 
Pf.  Söchtenau  ^/j,  zu  Aichpühel,  Pf.  Prutting  ^/g,  zu  Seeleiten, 
Pf.  Prutting  Vä;  zu  Entberg,  Pf.  Prutting  V,,  zu  Farmach,  Pf. 
SöUhuben  V*?  zu  üntersee,  Pf.  Prutting  1,  zu  Leiten,  Pf.  Prut- 
ting V«>  zu  Entmos,  Pf.  Prutting  V^,  zu  Wall,  Pf.  Söllhuben  1, 
zu  Reipersberg,  Pf.  Prutting  2,  zu  Hölking,  Pf.  Prutting  2,  zu 
Rachelsberg,  Pf.  Söchtenau  2,  zu  Tal,  Pf.  Eggstätt  1,  zu  Knogel, 
Pf.  Prutting  7s-  Endlich  geben  ,allein  pfenninggilt  und  nichtz 
von  getraid'  folgende  Hüben:  zu  See,  Pf.  Söllhuben  1,  zuPuech, 
Pf.  Prutting  7«;  Vogleiten  Vs;  Holzleiten  1,  Kalkgrub  1,  Zais- 
sering  Zeentangers  ^/j,  zu  Dobl  7«?  zu  Rauch  im  Holz  7*?  alles 
Pf.  Prutting,  zu  ,Geraut'  (BLreith,  Pf.  Riedering)  1,  zu  Western- 


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534 

dorf  =  Filz  (Pf.  Riedering)  ^s»  zu  Prntting  7»?  zu  Haing  ^j^, 
zu  Lochen  ein  halbes  Viertel,  zu  Schwabering  1  Aigen,  alles 
Pf.  Prutting,  zu  Kurf,  Pf.  Endorf  1  Aigen,  zu  Lanting,  Pf.  En- 
dorf ^2  Hub,  zu  Goldenhausen  ^j,  zu  Qebhartsberg  1  Gereut, 
zu  Prutting  1  Aigen,  zu  Lanting  Osterman  von  1  Aigen,  Stocker 
von  1  Aigen. 

In  Grölking,  Pf.  Prutting  und  in  Westemdorf  gab  je  eine 
Hub  ,Werchpfenning'  zu  St.  Emmerams  Tag.  Folgende  Hüben 
gaben  allein  Münchner  Pfenning:  zu  Rögling,  Pf.  SöUhub  1,  zu 
Wurmsdorf,  Pf.  SöUhuben  7«;  zu  Högering,  Pf.  Riedering  1  Aigen, 
zu  Lanting  1  Lehen,  zu  ,Rewchhaim'  ein  Acker,  zu  Weisham, 
Pf.  Eggstätt  ein  Viertellehen,  zu  Prutting  ein  halbes  Lehen,  zu 
Höhensteig,  Gehering  und  Rosenheim  (Schloßberg),  alles  Pf. 
Riedering  je  ein  Acker.  Folgende  Hüben  gaben  Münchner 
Pfenning  ,dy  do  haisen  Eysenpfenning':  zu  Sonnen  (Sunden), 
Pf.  Prutting  1,  zu  Gragling,  Pf.  Riedering,  zu  Graben  Höhen- 
steig Entleiten,  Pf.  Riedering  1,  zu  Öden  daselbst  ^/j,  zu  Spieln, 
Pf.  Prutting  Vi- 

Unveränderte  Bilder  zeigen  das  Rent-  und  Giltbueh  von 
Vogtareut  sec.  XV,^  das  Zins-  und  Giltregister  vom  Jahre  1482* 
und  das  Salbuch,  verfaßt  vom  Propst  Georg  Labermayr  im 
Jahre  1545.» 

Die  Propstei  konnte  ziemlich  geschlossen  genannt  werden; 
denn  man  darf  nicht  übersehen,  daß,  wie  in  Oberösterreich,  so 
auch  in  Bayern  größere  Dörfer  nicht  häufig  und  das  Land  mit 
Einöden  (Einschichten)  und  Weilern  übersät  ist,  welch  letztere 
als  Ortschaften  angesehen  werden,  sobald  sie  auch  nur  aus  zwei 
selbständigen  Wirtschaften  bestehen.  Viele  solcher  Weiler 
waren  in  ihrer  Gänze  der  Klosterherrschaft  unterworfen.  Ihr 
Gebiet  reichte  von  der  Mündung  der  Murn,  nahezu  gegenüber 
dem  vormaligen  Kloster  Rott,  am  rechten  Ufer  des  In  hinauf 
bis  zur  Einmündung  des  aus  dem  Simmsee  kommenden  Sims- 
baches, diesen  aufwärts  mit  einer  Biegung  um  Reigering  und 
Waidering  nach  Langhausen,  den  sumpfartigen  Lüzelsee  ein- 
schließend, an  den  Höhen,  welche  den  Simmsee  im  Norden  be- 
gleiten,   durch   die  Pfarren  Prutting  und   Schwabering  gegen 

*  Litteralien  Nr.  32.  "  Litteralien  Nr.  33. 

'  Litieralien  Nr.  28.  Es  sei  angemerkt,  daß  laut  Verzeichnisses  (Littera- 
lien Nr.  34)  im  Jahre  1641  im  Vogteigerichte  noch  415  leibeigene  Per- 
sonen waren,  darunter  26  in  der  Hofinark. 


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535 

Endorf,  dieses  umkreisend,  und  Eggstätt  zu,  während  nord- 
wärts der  westliche  Teil  der  Pfarre  Höslwang  den  Abschluß 
bildete.  Weisham  und  Linzing  bei  Gellenshausen  (nicht  weit 
vom  nördlichen  Chiemseeufer)  in  der  Pfarre  Eggstätt  waren  die 
östlichsten  Punkte. 

Das  südlich  in  der  Pfarre  Rordorf  gelegene  Lauterbach 
gehörte  nicht  nach  St.  Emmeram;  die  Klostervogtei  Lauterbach 
war  Ober-Lauterbach,  Landgericht  Schrobenhausen,  deren  größ- 
ten Teil  schon  821  Abt  Sigifrid  nach  St.  Emmeram  vergabt 
hatte.^ 

Nur  einen  einzigen  späteren  Zuwachs,  jenseits  des  In, 
hebt  das  Urbar  des  15.  Jahrhunderts  hervor,  daher  es  wohl 
kein  Wagnis  ist,  den  ganzen  übrigen  Bestand  auf  die  ursprüng- 
liche Stiftung  des  Grafen  Warmund  zurückzudatieren. 

Bevor  wir  versuchen,  die  Grafschaft  Otakars  ausfindig  zu 
machen  und  deren  Umfang  zu  konstruieren,  hat 

eine  Darstellung  der  Bildung  der  Orafsehaften 
im  Chiemgau 

vorauszugehen;  denn  die  einzelnen  Grafschaften  sind  entstan- 
den und  wieder  geschwunden,  wurden  geteilt  oder  vereinigt, 
das  Bild  wechselt  in  den  einzelnen  Zeiträumen. 

Krones*  glaubt,  aus  dem  Umstände,  daß  König  Otto  im 
Jahre  959  die  quaedam  res  in  Riute  als  im  Sundergau  gelegen 
bezeichnet,  schließen  zu  dürfen,  daß  Graf  Otakar  auch  eine 
Grafschaft  im  Sundergau  besessen  habe,  und  meint,  daß  der 
Einwand,  man  dürfe  in  jener  Urkunde  beim  Sundergau  auch 
an  den  benachbarten  Chiemgau  als  hier  einbezogenes  Glied 
eines  größeren  landschaftlichen  Ganzen  denken,  umso  gewagter 
wäre,  da  in  der  Urkunde  die  Grafen  Otakar  und  Sigihard  in 
Gesellschaft  ganz  anderer  Ranggenossen,  eines  Ratolf  und  Cha- 
dalhoch,  auftreten.  Diese  seine  Bemerkung  soll  sofort  sachlich 
beantwortet  werden,  während  seine  weitere  Äußerung:  ,und 
ebenso  unberechtigt  wäre  die  Ansicht,   daß  die  Otakare  nicht 


*  Mit  den  Kirchen  Pöbenhausen  und  Rokkolding.  B.  Pez,  Anecd.  Thes.  I, 
in,  C.  8.  Die  beiden  anderen  Yogteigerichte  Emmerams  waren  Forst 
Inning  nnd  Lüzellohe  in  den  Landgerichten  Ebersberg  and  Kastl.  Vgl. 
den  über  feudalis  der  Äbte  Erasmos  und  Ambrosius  sec.  15./ 16. 

^  Die  Markgrafen  von  Steier  a.  a.  O.  175,  176. 

ArchiT.  M.  Band.  U.  B&lfte.  36 


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536 

schon  959  an  der  oberen  Traun  im  Traungau  denkbar  seien, 
daß  man  somit  sehe,  die  Behauptung,  der  Cbiemgau  sei  aus- 
schließlich Heimat  und  Ursitz  der  Otakare,  leide  mindestens 
an  Einseitigkeit,  und  man  dürfte  gut  tun,  jener  alten  und 
gewiß  nicht  aus  der  Luft  gegriffenen  Tradition,  welche  die 
Stiraburg  und  das  Gebiet  an  der  Steier  mit  den  Anfängen 
unserer  Otakare  verknüpft,  unbefangen  nachzugehen',  ihre  Wider- 
legung durch  die  weiteren  Erörterungen  findet.  Daß  die  Wider- 
legung so  spät  erfolgt,  daran  ist  eben  der  Mangel  an  Unbe- 
fangenheit und  Voraussetzungslosigkeit  schuld  gewesen. 

Der  Begriff  Chiemgau  reichte  bis  an  den  In,  wie  aus  dem 
Indiculus  Arnonis  hervorgeht,  welcher  unter  den  in  Salzburgave 
et  Chimingave  pagibus  gelegenen  Kirchen  Kußdorf,  Roßholzen 
südöstlich  von  Neubeuern,  Beuern,  Rohrdorf,  Lauterbach,  Höhen- 
mos,  Riedering,  Sims  am  In,  gegenüber  von  Rosenheim  auf- 
zählt;^ ,die  beste  und,  wie  es  scheint,  auch  formell  möglichst 
getreue*  Handschrift  B  des  Congestum  aus  der  Mitte  des 
12.  Jahrhunderts*  hat  ,in  pago  Sundergov  villa  nuncupante 
Opinga',*  also  ©hing,  welches  in  gerader  Richtung  zwischen 
dem  nördlichen  Chiemseestrande  und  dem  Pfarrdorfe  Schnaitsee, 
das  950,  16.  Juli,*  im  Eomitate  Sighards  liegt,  welches  Eomitat 
nach  der  Königsurkunde  946,  21.  Juli,  ,in  pago  Chiemihgovae' 
begriffen  wird,^  wogegen  im  Codex  Odalberti  931,  6.  Februar, 
die  Zugehörigkeit  des  Mörntales  nächst  dem  Forste  Heit  (Eigel- 
wald)  in  der  Pfarre  Engelsberg  zum  Chiemgau  bezeugt  ist.^ 

Krones  hat  in  seiner  Befriedigung  über  die  ihm  für  sein 
Unternehmen  dienlich  scheinende  Gaubezeichnung  nicht  nur  die 
voraufgeführten  Belege  übersehen,  sondern  überhaupt  den  schon 
von  Riezler'  betonten  Umstand,  daß  Bayern  ursprünglich  nur  aus 
wenigen  großen  Gauen  bestand,  aus  welchen  wieder  die  kleineren 
durch  Teilung  abgezweigt  wurden.  Der  alte  Sundergau  begriff 
den  Chiemgau  in  sich  und  deshalb  konnte,  was  der  Chiemgau 


^  Salzburgisches  Urkundenbuch  I,  11,  12. 
»  a.  a.  O.  I,  3. 

•  a.  a.  O.  I,  6,  Anm.  f. 

*  M.  G.  D.  O.  I,  126. 
»  a.  a.  O.  I,  168. 

^  Salzburgisches  Urkundenbach  I,  146.    Als  erste  Zeugen  Sigihart  et  frater 

eius  Nordperht  (die  Grafen). 
'  Geschichte  Bayerns  I,  842. 


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537 

enthielt,  auch  dem  Sundergau  zugerechnet  werden,  zumal  in 
der  Gegend  am  In.* 

Zur  Gewinnung  einer 

Übersieht  der  im  Cliiemgau  entstandenen  Orafsehaften 

beginnen  wir  am  zweckmäßigsten  mit  den  urkundlichen  Daten, 
welche  uns  hauptsächlich  die  salzburgischen  TraditionsbUcher 
bieten. 

Im  Eomitate  Folkrads  lagen  92ö  die  Dörfer  Roitham 
und  Ischl  der  Pfarre  Seon,  933  die  Ortschaft  Reichertsheim  der 
Pfarre  Schnaitsee  (Landgericht  Wasserburg);*  im  Eomitate 
Gerhochs  923  Mosham,  Pfarre  Palling  (gegen  Heiligenkreuz 
bei  Trostberg  zu),  ca.  928  Holzhausen  Pfarrei  Kay  (südlich 
von  Kay,  nordösthch  von  Törring),  933  Megling  Pfarrei  Trost- 
berg (südwestlich  von  Trostberg).* 

Da  Schnaitsee  nordöstlich  von  Reichertsheim  liegt  und 
950  zum  Komitate  Sighards  gerechnet  wird,  so  muß  die  Graf- 
schaft Folkrads  späterhin  in  jener  Sighards  aufgegangen  sein. 

Die  Grafschaft  Sighards  reichte  im  Westen  in  der 
Richtung  von  Vogtareut,  dessen  Besitz  zum  Teile  zur  Graf- 
schaft gehörte.  907*  gehörte  Salzburghofen  ,in  pago  Salz- 
purkgovve  dicto^  zum  Komitate  Sighards,  des  mutmaßlichen 
Großvaters  des  erwähnten  Sighard. 

Dagegen  zählte  925  die  nächste  Umgebung  von  Salzburg- 
hofen: Perach,  Lohen,  Aumühle  an  der  Salach  zum  Komitate 
Engelberts,  welchen  Richter*  für  den  Sohn  Sighards  I.  hält; 
in  diesem  Komitate  lagen  auch:  927  Schügen  an  der  Sur,  930 
Lengfelden  und  Puch  am  östlichen  Salzachufer.® 

948,  8.  Juni,'  befindet  sich  aber  der  dem  Erzbischof 
Herold  verliehene  Königshof  zu  Salzburghofen  ,in  comitatu 
Reginberti^,  dessen  Grafschaft  927®  auch  Hörbsdorf  (Heri- 
gozesdorf,  das  nicht  mit  Molberting  identifiziert  werden  kann), 

^  Die  KalBerurkunde  1021  (s.  S.  544)  rechnet  auch  Reut  zum  Chiemgau. 
'  Salzburgisches  Urkundenbuch  I,  72,  136. 

'  a.a.0.111,  117,  156.    Bezüglich  Holzhausen  Differenz    mit  Richter,  der 
es  bei  Teisendorf  sucht 

*  JuYavia  Dipl.  Anhang  Nr.  59. 

*  Untersuchungen  a.  a.  O.  630. 

*  Salzburgisches  Urkundenbuch  I,  121,  104,  141. 
'  M.  G.  D.  O.  I,  118. 

^  Salzburgisches  Urkundenbuch  I,  104,  110,  111. 

36* 


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Neunling,  Oiging,  Erlstätt,  Hamhansen^  Mühlen,  Achsdorf,  Buch- 
ung, alle  westlich  von  der  Traun,  dann  Sigiperhtingon  sowie 
Nordperhtesdorf^  umfaßte.  Sollten  die  Identifikationen  der 
beiden  letztgenannten  Orte  mit  Selberting,  Pfarre  Otting,  und 
mit  Molberting  an  der  roten  Traun  Pfarrei  Siegsdorf,  richtig 
sein,  dann  würde  sich  die  Grafschaft  Reginberts  vom  linken 
Ufer  der  Salzach  ununterbrochen  an  das  östliche  Gestade  des 
Chiemsees  erstreckt  und  als  breiter  Riegel  zwischen  dem  Komi- 
tate  Sighards  im  Norden  und  dem  südlicher  gelegenen  Komi- 
tate  vorgeschoben  haben. 

Graf  Sighard  (comes  Sizo)  erwarb  sich  vom  Erzbischof 
Dietmar  (1025 — 1041)  gegen  Hingabe  von  Besitz  in  Trundorf 
(Traundorf,  südlich  von  Traunstein)  das  Gut  Langbürgen  an 
dem  kleinen  See  gleichen  Namens  (Gemeinde  Breitbrunn,  Pfarre 
Eggstätt)  mit  Fischereirecht  und  SchiflFstation.  Er  hatte  den 
Tausch  angestrebt,  augenscheinlich  deshalb,  weil  das  einge- 
tauschte Objekt  innerhalb  seines  Komitates  lag.^ 

Die  Grafschaft  Wilhelms  begriff  in  sich:  963  Schönram 
an  der  großen  Sur,  Pfarre  Peting,^  973  eine  Saline  ,quod  vulgo 
Hai  vocant  in  pago  Salzburggeuue  et  in  comitatu  Vuillihelmi 
comitis  sitam',  demnach  das  heutige  Reichenhall,^  dann  ca.  976 
Teisendorf.^ 

Zur  Grafschaft  Hartwichs  gehörten  963  Wintermoning 
Pfarre  Otting,  Meggental,  dann  Holzhausen  in  der  Pfarre  Kay 
bei  Titmoning.^  Tettenhausen  am  Wagingersee  wird  ca.  976 
dem  Komitate  ad  Torringun,  d.  i.  Törring,  zwischen  Tengling 
und  Titmoning  zugewiesen,^  unter  welchem  nichts  anderes  als 
die   Grafschaft  Hartwichs   verstanden   werden   kann,   wogegen 

^  Salzburgisches  Urkundenbuch  I,  104.  Das  in  der  St.  Emmeramer  Tra- 
ditionsnotiz ca.  1185  (Quellen  und  Erörterungen  zur  deutschen  und 
bayrischen  Geschichte  I,  323)  vorkommende  Nortprehtingen  ist  das 
heutige  Noppling;  daher  die  Verwandlung  des  Anlautes  Nord  in  Mol 
doch  starkem  Bedenken  unterliegt. 

*  Salzburgisches  Urkundenbuch  I,  211. 

.  ^  a.  a.  O.  170.  Identifikation  nach  Richter,  Untersuchungen  641  gegen 
Hauthaler,  dessen  Schaubern  yiel  zu  weit  im  Osten  liegt  und  sicherlich 
der  Grafschaft  Hartwigs  zuständig  war. 

*  M.  G.  D.  O.  I,  684. 

*  Salzburgisches  Urkundenbuch  I,  179. 

*  a.  a.  O.  168. 
'  a.  a.  O.  179. 


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539 

zu  gleicher  Zeit  das  benachbarte  Dorf  Eünhaasen  (Chindahasa) 
schon  dem  comitatns  Crapnastat^  also  jenem  Eomitate,  in  wel- 
chem Grabenstatt  gelegen  war,  zugerechnet  wird. 

Zur  Ergänzung  wird  beigefügt,  daß  ein  Otachar  als  erster 
Zeuge,  daher  wahrscheinlich  der  Graf,  um  das  Jahr  925  zu 
Taur  (westlich  von  Niederaschau,  wie  Hauthaler  sicherlich 
richtig  vermutet)  ein  Tauschgeschäft  des  edlen  Francho  bezeugt, 
welcher  fUr  Eingabe  eines  Eigens  in  Haselbach  sein  Lehen  in 
PfÜnzen  am  In  lebenslang  zu  eigen  erhält,^  bekräftigt,  weiters 
daß  976,  25.  April,*  Sigihart  comes,  Otachar  comes  die  Tradi- 
tion der  Eigengüter  des  Archidiakons  Rihheri  in  den  Orten 
Himminga,  Cheminata,  Engilhartesheima  (von  Eoch-Sternfeld, 
Zillner,  Egger  —  wie  mir  scheint,  richtig  —  auf  Chieming  am 
Oststrande  des  Chiemsees,  Eemating  Pfarre  Salzburghofen,  und 
Engertsham  bei  Trostberg  gedeutet)  bezeugen. 

Nachdem  Graf  Sizo^  seinen  Grundbesitz  in  Traundorf 
aufgegeben  hatte,  finden  wir  doch  noch  in  der  Schenkungs- 
urkunde Kaiser  Heinrichs  IV.  vom  9.  April  1048  fftr  das  Erz- 
stift Salzburg  die  Familie  der  Sigharde  am  Rande  oder  in- 
mitten des  großen  Traunforstes  begütert;  denn  die  Vergabung 
erfolgte  —  wie  es  in  dem  Diplome  heißt  —  unter  Zustimmung 
der  Anrainer,  und  zwar  des  Grafen  Otachar  selbst,  der  Frau 
Pilhilde,  Witwe  des  Grafen  Sizo,  und  ihrer  zwei  Söhne  Sig- 
hard  und  Friedrich,  dann  der  Frau  Judit  und  ihrer  Söhne 
Sighard,  Engelbert,  Marchward  und  Meginhard.* 

Die  Otakare  hielten  noch  lange  ererbtes  Gut  in  Zeidlarn 
in  der  Pfarre  Halsbach  an  der  Grenze  des  Chiemgaues  fest, 
von  welchem  noch  Markgraf  Otakar  (f  31.  Dezember  1164), 
der  vorletzte  seines  Stammes,  einen  Hof  (,de  patrimonio  nostro 
Cidelarn  dictum')  dem  Domkapitel  Salzburg  übergab. 

Schon  früher  hatte  die  Markgräfin  Chunegund  auf  ihren 
und  ihres  Gatten  unbeerbten  Todesfall  einen  Hof  ,in  loco  qui 
vocatur  Cidelarn'  dahin  vermacht.^ 


*  a.  a.  O.  127. 
«  a.  a.  O.  177. 

'  t  ^-  Juli  1044  in  der  Schlacht  gegen  die  Ungarn? 

*  Vor  1041  bezeugt  Sigihart  comes  den  Tausch  Erzbischofs  Dietmar  mit 
dem  Kleriker  Gerhoh  (a.  a.  O.  I,  227).  Die  duo  comites  Sizo  kommen 
um  dieselbe  Zeit  vor. 

'  Urkunden  (1161,  24.  Dezember)  und  1162,  25.  August,  dann  notitia  im 
Steiermärkischen   Urkundenbuch  I,    418,   429,  434;    Salzbur^isches  Ur- 


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540 

Erst  nach  allen  diesen  Erörterungen  sind  wir  in  die  Lage 
versetzt;  die  Grafschaft  der  Otakare  im  Chiemgau,  deren  Um- 
fang und  beiläufige  Markungen  ausfindig  zu  machen. 

Die  Grafschaft  der  Sigharde  dehnte  sich  im  Norden  des 
jbayrischen  Meeres^  aus,  unbestritten  mindestens  von  der  Alz 
bis  über  Schnaitsee  im  Norden  und  dem  Langbürgner  See  im 
Südwesten.  Im  Südosten  stieß  sie  noch  gegen  Ende  des  ersten 
Drittels  des  10.  Jahrhunderts  an  das  Eomitat  des  Grafen 
Reginbert,  das  sich  von  der  Salzachmündung  über  Hörbsdorf 
an  der  Traun  zum  Ostufer  des  Chiemsees  erstreckte  und  die 
allernächste  Umgebung  von  Grabenstätt  umfaßte;  der  große 
Forst  des  Jahres  1048,  soweit  er  zwischen  dem  Weidachbache, 
dem  Wagingersee  und  dem  Surberg  bestanden  war,  muß  einen 
Teil  dieses  Komitates  gebildet  haben. 

Im  Jahre  959  ist  dieses  letztere  verschwunden,  denn 
es  wird  in  dem  Diplome  König  Ottos  nicht  erwähnt,  obwohl 
die  quaedam  res  in  loco  Grabenstat  gerade  mit  dem  bedeutend- 
sten Flächenraume  ihm  angehört  haben  müßten;  statt  Regin- 
berts  erscheinen  die  Grafen  Otakar,  Sighard  und  Wilhelm.  Es 
ist  daher  nicht  zu  zweifeln,  daß  die  Grafschaft  Reginberts  in 
der  Zwischenzeit  aufgelöst  und  unter  den  gedachten  drei  Grafen 
aufgeteilt  wurde ;  das  gemeinsame  Auftreten  der  Grafen  Sighard 
und  Otakar  in  der  Tradition  Rihnis  im  Jahre  976,*  die  Kie- 
ming  und  Kematen  betraf,  ist  ein  deutlicher  Fingerzeig,  daß 
nunmehr  ihre  Komitate  zwischen  Traun  und  Chiemsee  unmittel- 
bar aneinander  grenzten.  Die  gegenseitige  Markung  mag  sich 
beiläufig  von  der  Einmündung  des  Rettenbaches  in  die  Traun  • 
hinüber  nach  Kieming  gestreckt  haben ;  denn  der  ganze  große 
Forst  östlich  der  Traun  in  den  Grenzen  des  Jahres  1048  hat 
zweifellos  schon  damals  zur  Grafschaft  Otakars  (mit  dem 
Gerichtssitze  in  Grabenstatt)  gehört,  weil  sonst  nicht  um  976 
Künhausen  am  Südostufer  des  Wagingersees  zum  comitatus 
Crapnastat  hätte  gezählt  werden  können.^ 

kundenbnch  I,  636.  Hauthaler  meint  Gidelarn  auf  Zeidlarn  bei  Leibnitz 
in  Steiermark  denten  zu  sollen,  jedoch  ohne  genüg^enden  Grund.  Zu 
Zeidlarn  hatten  auch  der  Vogt  Friedrich  von  Perge  und  seine  Gattin  Agnes 
Besitz;  sie  überließen  Gapellam  Zeidlarn  samt  dem  Berge  1181  an  das 
Kloster  Raitenhaslach.     Mon.  Boic  III)  115. 

^  Vgl.  S.  639. 

'  Siehe  die  Richtersche  historische  Karte  in  den  Untersuchungen. 

»  Vgl.  S.  639. 


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541 

Graf  Reginbert  und  seine  Familie  sind  plötzlich  ver- 
schwunden ;  da  er  Vogt  des  Erzstiftes  in  allen  Gauen  war^  darf 
wohl  angenommen  werden^  daß  er  treuer  Anhänger  des  Salz- 
burger Metropoliten  Herold  gewesen  ist  und  sich  an  dem  Auf- 
stande desselben  beteiligt  hat.  Das  erklärt  dann  alles.  Wurde 
der  Ik*zbiscbof  geblendet^  so  wird  Herzog  Heinrich  mit  Regin- 
bert, falls  derselbe  nicht  auf  dem  Schlachtfelde  blieb,  noch 
weniger  Umstände  gemacht  und  seine  Grafschaft  treugebliebenen 
Grafen,  als  welche  wir  uns  die  drei  zu  denken  haben,  zuge- 
wendet haben  (956).^ 

War  der  Traunforst  im  Jahre  959  bereits  dem  Komitate 
Otakars  zuständig,  dann  verbleibt  fUr  das  Komitat  Wilhelms 
nur  der  Forst  westlich  der  weißen  oder  Seetraun,  über 
welchen  auf  Seite  528  gehandelt  worden  ist. 

Festzustellen  kommt  nun  die  Westgrenze  der  Otakarischen 
Grafschaft. 

Das  Propstgericht  Vogtareut  lag  in  seiner  Hauptmasse  — 
denn  die  paar  vereinzelten  und  bedeutungslosen  Stücke  in  den 
Pfarren  SöUhuben  und  Frasdorf  können  nicht  in  Betracht 
kommen  —  längs  des  rechten  Inufers  zwischen  der  Murn  und 
dem  Simsbache  und  streckte  sich  ostwärts  hinüber  in  die  Pfarren 
Söchtenau,  Höslwang  und  Eggstätt.  Die  Güter  in  den  beiden 
letztgenannten  Pfarren  sind  allem  VorangefUhrten  nach  der 
Grafschaft  Sighards  zuzuweisen,  während  Vogtareut,  die  Hof- 
mark selbst  und  die  anstoßende  östliche  Gegend  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  dem  Komitate  des  Grafen  Kadalhoch  zu- 
gehörte. • 

Für  diese  letztere  Annahme  spricht  die  Tatsache,  daß  im 
Jahre  1031  ein  Graf  Kadalhoch  als  Vogt  des  Abtes  Burchard 
von  St.  Emmeram  (1030 — 1037)  bei  seiner  Vereinbarung 
mit  den  Eigenleuten  von  Vogtareut  auftritt  (vgl.  S.  530). 
Wie  dieser  Kadalhoch  kaum  ein  anderer  ist  als  jener  Graf 
Kadalhoch,  dessen  Komitat  im  Forste  Heit  durch  den  Mörn- 
bach  im  Jahre  1027  von  jenem  des  vielgenannten  Grafen 
jOzinus'  geschieden  wird,  daher  im  Westen  der  Mörn  sich  aus- 
dehnt, so  darf  der  Kadalhoch  unserer  Urkunde  mit  dem  Grafen 
gleichen   Namens   im   südlichen   Isengau*   identifiziert   werden. 

^  Vgl.  Riezler,  Geschichte  Bayerns  I,  348  ff.  Hierzu  stimmt,  daß  Schönram 

bereits  963  zur  Grafschaft  Wilhelms  gezählt  wird. 
«  M.  G.  D.  O.  I,  207. 


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542 


Die  Vogtei  übte  er  wohl  als  Nachkomme  des  Stifters  Grafen 
Warmund  in  männlicher  oder  weiblicher  Linie,  wie  denn  das 
Totenbuch  des  Klosters  St.  Emmeram  denselben  als  comes  de 
Raeut,^  der  Grabstein  gar  als  Grafen  von  Wasserburg  be- 
zeichnet, immerhin  aber  in  jene  Gegend  verweist,  über  welche 
die  nachmaligen  Hallgrafen  geboten. 

Über  einen  Teil  von  Vogtareut  reichte  die  Grafschaft 
Otakars.  Es  wird  zutreffen,  wenn  wir  hierfür  den  Landstrich 
zwischen  dem  Simsbach,  dem  Simmsee  einerseits,  dann  dem 
Hofstätter-  und  dem  Runsee  andererseits  annehmen;  östlich  in 
der  Pfarre  Endorf  dürften  die  Komitate  Otakars  und  Sighards 
zusammengestoßen  haben. 

Selbstverständlich  können  alle  diese  Grenzbestimmnngen 
nur  ungefähre  sein;  sie  dürften  gleichwohl  nicht  unbefriedi- 
gend lauten,  wenn  berücksichtigt  wird,  daß  seit  Ausstellung  der 
Urkunden  neun  Jahrhunderte  und  noch  ein  halbes  dazu  ver- 
laufen sind  und  der  Urkundentext  nicht  den  geringsten  An- 
haltspunkt geboten  hat. 

Dem  Komitate  Ratolts  müssen  die  Besitzungen  jenseits 
des  In,  Aibling  zu,  angehört  haben.  Eine  Vermutung  über  die 
Zugehörigkeit  dieses  Grafen  zu  äußern,  wäre  verfrüht;  dazu 
ist  die  Zeit  gekommen,  wenn  der  historische  Atlas  von  Bayern 
in  den  Zusammenhang  der  Geschlechter  und  ihren  Zug  nach 
Osten  voraussichtlich  wird  Licht  gebracht  haben.* 

Der  Graf  Otakar  der  Königsurkunden  des  Jahres  959 
übte  demnach  Grafengewalt  im  ganzen  südlichen  Chiem- 
gau,  von  Künhausen  am  Ostufer  des  Wagingersees  an- 
gefangen bis  hinüber  an  das  rechte  Stromufer  des 
reißenden  In,  vom  Hofstätter-  und  Runsee  und  von 
dem  Chiemseestrande  bei  Rimsting  und  Kieming  bis 
an  die  ragenden  Tirolerberge. 

Otakar  hat  bald  nach  dem  Jahre  976  das  Leben  ver- 
lassen, denn  er  wird  in  der  Bestätigung,  welche  Kaiser  Otto  H. 
auf  Bitte  des  Bischofs  Wolfgang  und  des  Abtes  Ramwold  am 
IL  Oktober  980  zu  Tribur   den   Mönchen   von   St.  Emmeram 

»  Mon.  Boic.  XIV,  386. 

'  Deshalb  hat  auch  J.  Egg^er  in  seiner  Schrift  ^Das  Aribonenhauü*  (Archiv 
für  österr.  Gesch.  LXXXIII,  886  ff.),  deren  hoher  Wert  erst  noch  richtig 
einzuschätzen  ist,  die  Au&tellung  von  Stammbäumen  unterlassen. 


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543 

über  die  quasdam  res  in  loco  Riut  iuxta  Enum  flavinm  in  pago 
Sandargonae  ausstellte/  nicht  mehr  genannt.  Vogtarent  liegt 
nach  diesem  Diplom  ,in  comitatibus  Arnnlfi,  Hartwici, 
Sigihardiy  item  Arnulfi  comitom^ 

Aach  Graf  Kadalhoch  ist  verschwunden;*  seine  Stelle 
nimmt  offenbar  Hartwich  ein.  Dieser  hat  eine  Grafschaft  im 
südlichen  Isengau  und  westlich  vom  In^  in  welcher  Richtung 
auch  das  Amtsgebiet  des  älteren  Kadalhoch  von  959  zu  ver- 
muten und  jenes  des  jüngeren  von  1027  sich  befand.' 

Graf  Sighard  und  sein  Eomitat  sind  uns  bekannt.  Der 
an  letzter  Stelle,  wohl  wegen  der  geringen  Bedeutung  des  in 
seinem  Eomitate  befindlichen  Elosterbesitzes  genannte  zweite 
Graf  Arnulf  ist  kaum  ein  anderer  als  der  Amtsnachfolger  des 
Ratolt  jenseits  des  In  um  Bosenheim  und  Aibling. 

In  dem  erstgenannten  Arnulf  dagegen  haben  wir  zweifel- 
los den  Nachfolger  Otakars  im  Grafenamte,  und  zwar 
sicherlich  seinen  Sohn  zu  erkennen. 

Jenen,  welche  das  Geleise  des  Vorauer  Fragmentes  und 
der  genealogischen  Skribenten  innehielten,  wird  es  auffallen, 
daß  im  Hause  der  Otakare  plötzlich  ein  anderer  Name  ein- 
dringt; der  Name  Arnulf  war  in  jener  Zeit  nicht  selten  und 
wird  durch  eine  Versippung,  die  ich  wenigstens  im  Augenblicke 
nicht  nachweisen  kann,  in  die  Familie  gelangt  sein  und  die 
gewohnte  Reihenfolge  der  Träger  des  Namens  Otakar  zum 
ersten  Male  durchbrochen  haben. 

Graf  Arnulf  kommt  kein  zweitesmal  vor,  daher  die  Ver- 
mutung gerechtfertigt  ist,  daß  er  bei  seinem  frühzeitigen  Hin- 
scheiden seinen  Sohn  als  unmündiges  Kind  hinterlassen  habe; 
denn  nicht  eher  als  im  Jahre  1048  kommt  dieser  letzte  chiem- 
gauische  Graf  Otakar  vor,  welcher  damals  bereits  in  vorge- 
rückterem Alter  stand,  weil  er,  wie  wir  sehen  werden,  bei 
seinem  Tode  zwei  Söhne  zurückgelassen  hat,  von  denen  mindestens 
der  eine,  der  ihm  in  der  Markgrafschaft  nachfolgte,  volljährig 
gewesen  sein  muß.  Während  der  Minderjährigkeit  Otakars  trat  an 
der  Westgrenze  der  Grafschaft  eine  Veränderung  ein;  denn  Kaiser 


1  M.  G.  D.  O.  I,  268,  Nr.  230. 

*  Er  war  schon  ca.  976  tot  (^beatissime  memorie*).  Salzburgüches  Ur- 
kundenbach  I,  180. 

'  Egger,  a.  a.  O.  408,  426,  auf  dessen  genealogische  Ausführungen  einzu- 
gehen yerfrüht  ist. 


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544 

Heinrich  II.  bezeichnet  in  seiner  Bestätigung,  ddo.  Köln,  1021, 
3.  Jali,^  die  curtis  Rnitte  in  pago  Chimengonne'  in  comi- 
tatu  Paponis  comitis  sitam.  Hiernach  maß  die  Markang 
mindestens  über  den  Simsee  zurückgewichen  sein,  zugleich 
aber  auch  das  Komitat  der  Sigharde  nördlich  vom  Chiemsee 
Einbuße  erlitten  haben,  und  zwar  nicht  vorübergehend,  sondern 
dauernd,  da  König  Heinrich  IV.  die  Abtei  Chiemsee  zu  dem 
Komitate  Babos  zählt.^  E^  ist  die  Vermutung  erlaubt,  daß 
Pabo  vielleicht  durch  Heirat  mit  einer  Tochter  Arnulfs  eine 
Abteilung  des  Komitats  erlangt  hat,  die  er  mit  seiner  eigenen 
Grafschaft  im  Norden  des  Chiemsees  vereinigte;  Egger  zählt 
die  beiden  Pabo  der  Familie  der  Stifter  des  Klosters  Rot  zu.* 
Ein  solcher  Übergang  kann  nicht  befremden,  da  nach  bayri- 
schem Rechte  von  jeher  Töchter  mit  Grundbesitz  ausgestattet, 
größere  Grafschaften  in  kleinere  zerteilt,  diese  aber  wieder 
aufgeerbt  oder  an  andere  Geschlechter  hindangegeben  wurden.^ 
Dann  wäre  der  Übergang  mancher  Teilgrafschaften  er- 
klärt, so  im  besonderen  an  Kuno  von  Megling-Frontenhausen, 
den  Vater  der  Stifterin  des  Klosters  Baumburg,  Adelheid, 
nacheinander  Gemahlin  Markwards  IL  von  Markwartstein,  des 
jvielreichcn'  Grafen  Ulrich  von  Passau  und  des  Grafen  Berengar 
von  Sulzbach.  Durch  Uta,  die  Tochter  Adelheids  aus  zweiter 
Ehe,  welche  mit  dem  kärtnerischen  Grafen  Engelbert  vermählt 
war,  gelangte  die  Herrschaft  Marquartstein  an  die  Spanheimer, 
welche  von  den  großmütterlichen  Erbgütern  sich  von  Kraiburg 
und  Marquartstein  nannten.^ 

»  M.  G.  D.  O.  in,  563. 

'  Statt  des  Mheren  AuBdruckes:  im  Sunder^au. 

•  1062,  12.  Dezember,  Eegensburg.  König  Heinrich  verleiht  dem  Erz- 
bischof Gebhard  von  Salzburg  ,quandam  nostri  iuris  abbatiam  Kiemisse 
dictam,  in  pago  autem  EiemigoYwe  et  in  comitatu  Babonis  comitis 
sitam'.     Mon.  Boic.  XXX,  a,  163. 

*  a.  a.  O.  428. 

'  Der  jüngere  Babo  ist  vielleicht  jener  Pabo  com  es  in  Cidlaresgoue, 
welchen  mit  seinen  zwei  Hausfrauen  Juta  und  Irmingart  das  ziemlich 
konfuse  Sepulturen Verzeichnis  des  Klosters  Raitenshaslach  zum  Jahre 
1155  anmerkt.     Mon.  Boic.  lU,  216. 

'  Vgl.  die  historia  fundationis  monasterii  Baumburgensis  ex  cod.  sec  XH, 
in  Mon.  Boic.  H,  173—179.  Witte  in  Mitt  des  Inst,  für  österr.  Geschichts- 
forschung, Ergänz.-Bd.  V,  374,  Anm.  1,  glaubt  nicht  an  diese  Identität, 
weil  die  Stellung  des  Marquartsteiners  eine  zu  wenig  angesehene  ge- 
wesen sei ;  allein  einerseits  wird  Marquard  fast  nie  erwähnt  und  ein  ,ab- 


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545 

Marqnartstein  war  das  Mittel-  und  Hauptstttck  der 
Grafschaft  der  Otakare;  kurz  nach  ihrem  Verschwinden  ans 
dem  Chiemgan  (nach  1050)  treffen  wir  in  der  Innehabnng 
dieser  Herrschaft  den  älteren  Markward,  in  welchem  wir  wohl 
ohne  Wagnis  den  in  der  Urkunde  1048  erwähnten  Sohn  des 
verstorbenen  Grafen  Sighard  und  seiner  Gattin  Judit  erkennen 
dürfen;^  sie  kann  an  ihn  füglich  nur  durch  eine  Transaktion 
mit  den  Otakaren  gelangt  sein^  gleichwie  die  Grafschaft  Babos 
im  Norden  des  Sees  eine  Vergrößerung  auf  Kosten  der  Nach- 
kommen des  anderen  Grafen  Sighard  erfahren  hat.  Die  come- 
tissa  Adelheid  konnte  um  das  Jahr  1095'  für  das  Seelenheil 
ihres  Mannes  Marquard  in  Hörgering,  Pfarre  Siegsdorf^  im 
Osten,  dann  prope  lacum  Sinse  im  äußersten  Westen  Liegen- 
schaften an  die  Kirche  Baumburg  vergaben.^ 

In  welcher  Art  die  Ostseite  des  Komitates  der  Otakare 
und  die  Grafschaft  Wilhelms  und  seines  Sohnes  Liutolt '  an  die 
Plaien  gediehen  ist,  entzieht  sich  noch  immer  völlig  unserer 
Kenntnis.  Was  Frieß  in  seiner  im  übrigen  gediegenen  Geschichte 
des  Nonnenklosters  Traunkirchen^  über  das  angebliche  Komitat 
der  Liutolde  im  Salzkammergute  und  die  Stiftung  des  Klosters 
durch  sie  bloß  auf  Grund  eines  erst  im  15.  Jahrhunderte  an- 
gelegten Totenbuches,  das  noch  dazu  nicht  im  Original,  son- 
dern in  einer  unbeglaubigten  modernen  Abschrift  vorliegt,  kon- 
jekturiert  hat,  muß  als  eine  phantastische  Verirrung  bezeichnet 
werden,  die  keiner  auch  nur  oberflächlichen  Kritik  standhält, 
weil  sie  jeder  urkundlichen  Stütze  entbehrt. 

Die  beigegebene  Kartenskizze  hat  den  Zweck,  die  voran- 
gegangene Darstellung  der  Grafschaftsgebiete  zwischen  dem  In 
und  der  Salzach  zu  veranschaulichen,   soweit  dies  möglich  ist. 


geteilter'  Qrafensohn  mit  drei  Brüdern  konnte  wohl  nur  durch  eine 
entsprechende  yerBchwägemng>  zu  einiger  Macht  gelangen.  Daa  Haus 
der  Sigharde  hatte  eine  zu  zahlreiche  Nachkommenschaft,  als  daß  es 
möglich  gewesen  wäre,  alle  Söhne  gleichmäßig  auszustatten. 

^  Diese  Gräfin  Judit  ist  wohl  dieselbe,  welche  mit  ihrem  Gemahl  (qui- 
dam  comes  Sizo)  die  Kirche  zu  Baumburg  erbaut  hatte  (Mon.  Boic.  ni,  3) 
und  dahin  ihren  Besitz  ,in  predicto  loco*  vergabte.  Markward  (II.)  er- 
scheint auch  im  Nekrolog  von  Baumburg  (Marcward  de  Marquardstein 
fundator.  Non.  Dez.  Mon.  Boic.  II,  268,  M.  G.  Necr.  II,  254). 

«  Mon.  Boic.  II,  4. 

'  Salzburgisches  Urkundenbuch  I,  168. 

*  Archiv  für  österr.  Gesch.  LXXXU,  187—203. 


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546 

ohne  Grenzen;  die  ja  in  den  meisten  Fällen  auf  willkürlichen 
Annahmen  berahen  würden^  eingezeichnet  zu  haben,  und  zu- 
gleich zur  Erläuterung  der  nun  folgenden  AusftLhrungen  über 
den  vielgenannten 

Grafen  Ozinus 

und  dessen  Eomitat  zu  dienen. 

Der  letzte  Otakar,  welchen  die  Kaiserurkunde  vom 
9.  April  1048  den  Grafen  des  Forstgebietes  zwischen  der 
Traun,  der  Sur  und  dem  Wagingersee  nennt,  wurde  bisher  mit 
jenem  Grafen  Ozinus  identifiziert,  in  dessen  Komitate  zum 
Teile  der  Forst  Heit  lag,  welchen  Kaiser  Chxmrad  1027, 
5.  Juli,^  dem  Erzstifte  Salzburg  verlieh,  welche  Schenkung  sein 
Sohn  Kaiser  Heinrich  III.  1049,  13.  Februar*  bestätigte. 

Die  Stelle  hat  in  beiden  Urkunden  gleichen  Wortlaut: 
,forestum  Heit  nominatum  ubi  aqua  merina  idem  forestum  per- 
fluit  ac  sie  in  sursum  per  eandem  aquam  in  comitatu  autem 
Chadalhohi  et  Ozini  situm^ 

Die  Merina  ist  der  Mömbach,  welcher  heutzutage  bei 
Osternberg  (im  Bezirke  des  Amtsgerichtes  Altöting)  aufgeht 
und  bei  Neuöting  in  den  In  fließt,  in  früheren  Zeiten  aber 
wohl  gegen  Maisenberg  (Pfarre  Engelsdorf,  Amtsgericht  Mtihl- 
dorf)  zu  den  Ursprung  genommen  haben  dürfte.  Der  Eigel- 
wald  zwischen  Ober-Neukirchen  und  Maisenberg  stellt  wahr- 
scheinlich den  Rest  des  Forstes  dar.  Der  Eigelwald  unserer 
Tage  lag  schon  im  Komitate  Kadalhochs  im  Isengau,  da  die 
Mörn,  welche  etwas  östlicher  läuft,  sicherlich  die  Grafschaften- 
grenze gebildet  hat  und  auch  bis  in  das  vergangene  Jahr- 
hundert die  Grenze  des  Landgerichtes  Mermosen  geblieben  ist.** 

Ozinus  ist  nur  die  latinisierte  Form  des  Namens  Ozi, 
weshalb  sämtliche  Forscher,  welche  bisher  die  steirischen  Ota- 
kare  zum  Gegenstande  ihrer  Betrachtung  gemacht  haben,  in 
dem   Ozinus   von   1027   und   1049   den  Otakar   von    1048   be- 


*  Juvavia  dipl.,  Anhang  S.  218;  Mon.  Boic.  XXIXa,  22. 
«  a.  a.  O.  234. 

•  Apian,  Topographie  im  Oberbayrischen  Archiv  IV,  283 — 284 :  ,prefectiira 
Mermosensis  .  .  reliquis  lateribus  amne  Mörna  dicto  a  Trostbergensi  et 
Otingensi  prefecturia  separatar'.  Peterskirchen  und  Moem  yiUa,  cir- 
cum  quam  fontes  amnis  Meme  scaturiunt  waren  die  südlichsten  Orte 
des  Gerichtes. 


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547 

grüßten,  and  zwar  nmso  williger,  als  dnrch  diese  Annahme  der 
letztere  Otakar  durch  22  Jahre  hindurch  urkundlich  beglaubigt 
erschien.  Selbst  Egger  ^  schloß  sich  dieser  Meinung  ohne- 
weiters  an  und  glaubte  sogar,  den  Grafen  Otakar  im  Jahre 
1051  unter  dem  Namen  Ouzzo  als  Grafen  im  Zeidlargau  wieder 
zu  treffen,  obwohl  jeder  deutsche  Sprachforscher  ihm  hätte  sagen 
können,   daß  Ouzo   unbedingt   die  Kurzform  für  Udalrich  sei.^ 

Auf  Seite  517 — 521  wurde  der  Nachweis  geführt,  daß  eine 
urkundliche  Gleichstellung  der  Namen  Ozi  und  Otakar  nicht 
ermöglicht,  ja  nach  einigen  Aufschreibungen  sogar  ausgeschlossen 
sei  nnd  daß  die  gegenwärtig  der  Sprachforschung  zu  Gebote 
stehenden  Erfahrungen  die  Ableitung  des  Namens  Ozi  von 
Otachar  nicht  erkennen  lassen,  endlich  daß  die  eigentliche 
Namensform  Ozi  in  ebenso  früher  Zeit  wie  die  Formen  Audo- 
wachar  und  Otachar  beglaubigt  seien. 

An  dem  Wahne,  der  Graf  Ozi  sei  ein  Graf  Otachar,  wird 
nunmehr  auch  der  hartnäckigste  Anhänger  der  Vorauer  Tradi- 
tion fiirderhin  nicht  mehr  festhalten  können. 

Wer  ist  aber  dann  dieser  Graf  Ozi  gewesen,  der  unfrei- 
willig in  der  Geschichte  so  viele  Verwirrung  angestiftet  hat? 
Wir  werden  daher  versuchen,  sein  Visier  zu  öffnen  und  ihm 
in  das  Gesicht  zu  blicken.  Vorerst  kommt  zu  bemerken,  daß 
die  beiden  Urkunden  von  1027  und  1049  zwar  in  den  Salz- 
burger Kammerbüchern  (Band  I,  Fol.  80—81'  und  84'— 85)» 
eingetragen  sind,  jedoch  nur  das  Original  der  ersten  im  k.  bayr. 
allgem.  Reichsarchive  in  München  erhalten  ist.  Sowohl  in  den 
Kammerbüchern  als  anch  im  erhaltenen  Originale  ist  ,Ozini^ 
geschrieben.  Da  die  erste  Urkunde  der  zweiten  zur  Vorlage 
diente  nnd  letztere  den  gleichen  Wortlaut  zeigt,  so  ist  nicht 
zu  zweifeln,  daß  in  dem  verlorenen  zweiten  Originale  auch 
,Ozini'  stand. 

Die  Grafschaft  Ozis  stieß  also  im  Westen  an  das  Komitat 
Kadalhochs,  von  welchem  sie  die  Mörn  trennte;  im  Süden 
grenzte  sie  unbedingt  an  die  Grafschaft  der  beiden  Sigharde 
oder  Sizo,  deren  Wirksamkeit  bis  gegen  1040  und  vielleicht 
noch   später   beurkundet   ist.    Welches   war   die  Grenze  gegen 

*  a.  a.  O.  397. 

'  Den  annalistische  Nachweis  in  den  casus  mon.  Petrihusensis,  s.  in  ,Q«bart 
des  Landes  ob  der  £ns*,  S.  52,  Anm.  130. 

•  Im  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiye  in  Wien. 


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548 

Osten?  MaD  sollte  glauben  die  Salzach.  Dem  ist  aber  nicht 
so.  Da  finden  wir  gleich  zwei  Jahre  später  (10.  Februar  1051) 
einen  Grafen  Azzo  und  vielmehr  Ouzo. 

Diese  Urkunde,  ebenfalls  nicht  im  Original  erhalten, 
erscheint  in  einem  Raitenhaslacher  Kopialbuche  sec.  XIII* 
mit  der  Überschrift  VIII  De  Sconenberch  et  de  communione 
foresti  und  von  späterer  Hand  mit  dem  Zusatz  ao  1051.  In 
dem  Klosterlitterale  Nr.  6,  gleichfalls  einem  Kopialbuche  des 
13.  Jahrhunderts  ist  von  späterer  Hand  (14./15.  Jahrhundert) 
am  oberen  Rande  das  Datum  geschrieben:  , Datum  IUI  Idns 
Februarii  anno  Dominice  incarnacionis  M^LI  indictione  1111*» 
Anno  autem  Domini  Hainrici  tercii  regis  imperatoris  secundi 
ordinacionis  eins  XXII,  regni  eins  XII,  imperii  autem  V.  in 
nomine  Domini.  Datum  Augusta  in  Dei  nomine  feliciter  amen/ 
Der  Druck  in  den  Mon.  Boic.  (III,  103)  hat  ,in  comitatu 
Azzonis',  die  beiden  Kopialbücher  zeigen  jedoch  ,in  pago  Zida- 
elargowe  in  comitatu  Ozzonis^,  der  Kopist  für  die  Mon.  Boic. 
hat  daher  das  0  mit  darüber  gesetztem  v  für  A  verlesen. 

Nach  dieser  Urkunde  verlieh  Kaiser  Heinrich  seinem  Diener 
dem  Reichsministerialen  Raffold,  zwei  königliche  Hüben  ,in 
Nathstall  in  pago  Zidalaregowe  in  comitatu  Ozonis  comitis  sitos^ 
Eine  spätere  undatierte  Königsurkunde,  ca.  1150,*  bestätigt  die 
Schenkung  ,in  villa  Schenperch,  que  prius  vulgo  dicebatur 
Matstatt  [Nahstall]  sitos  in  pago  Cidelaregeuue',  sowie  die  eines 
Edelhofes  in  Waltendorf.  Schönberg  ist  ein  Weiler  in  der  Ge- 
meinde Guffelham  Pfarre  Burgkirchen  an  der  Alz,  Walten- 
dorf das  Dorf  Wald  (Hinterberg  und  Obernberg)  an  der  Alz 
Amtsgericht  Burghausen. 

,In  villa  Walde  in  pago  Isinigowe'  in  comitatu  Udalrici' 
ist  auch  die  Königshube  belegen,  welche  König  Heinrich  IV. 
1079,  24.  Oktober,*  demselben  seinem  Diener  Raffold  schenkte. 

Der  Landstrich  zwischen  der  Alz  und  der  Salzach  war 
demnach  in  den  Jahren  1051  und  1079  ein  Bestandteil  des 
Komitates  eines  Grafen  Ouzo  oder  Udalrich;  demnach  würde 
für   die  Grafschaft   des  1027   und  1049  genannten  Grafen  Ozi 


^  Raitenhaslacher   Litterale   Nr.  3    (S.   16)   im   allg^em.  Reichsarchiye   in 
München. 

•  Mon.  Boic.  IH,  109. 

'  Für  Elinigowe  schon  von  Stumpf,  Reichskanzler  Nr.  2819  emendiert. 

*  Mon.  Boic.  Ul,  104. 


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549 

Dar  der  schmale  Kaum  zwischen  dem  Mörnbache  and  dem  Alz- 
flösse  verbleiben^  ^  was  bei  dem  gewöhnlichen  Umfange  der 
gleichzeitigen  Grafschaften  nicht  gut  denkbar  ist.  Ganz  anders 
stellt  sich  die  Sache^  wenn  wir  annehmen^  die  Mörn  sei  die 
Grenze  der  Grafschaft  Ulrichs,  in  welcher  nicht  lange  nachher 
die  Grafen  von  Borghaosen  walteten,  gewesen  und  der  Ozinus 
nichts  anderes  als  ein  Oozo,  und  zwar  jener  der  Urkunde  von 
1049  identisch  mit  dem  Oazo  der  Urkunde  1051,  der  ältere 
von  1027  aber  sein  Vorfahre.  Diese  Vermutung  ist  weder 
eine  willkürliche  noch  unbegründete,  denn  wir  finden,  daß 
Verwechslangen  der  beiden  Namen  Ouzo  und  Ozi  in  der  Tat 
vorgekommen  sind,  ganz  abgesehen  davon,  daß  sehr  häufig  die 
Schreiber  in  letzterem  Namen  dem  O  ein  v  übersetzen,  den- 
selben daher  —  und  zwar  in  der  gleichen  Urkunde  —  zu 
einem  Ouzi,  sonach  dem  Ouzo  ganz  ähnlich  machen.  So  hat 
die  Handschrift  N.  sec.  XIII.  des  Traditionskodex  von  St.  Peter 
statt  Ozino  Ozo'  und  der  Name  selbst  wird  dekliniert  wie  Ozo, 
so  im  selben  Kodex  Ozone.' 

Nicht  einmal  in  der  Heimat  konsequent  angewendet, 
konnte  daher  die  Namensform  Ozi,  die  auf  den  Bajuwaren- 
stamm  beschränkt  war,  mit  jenem  Ouzo  in  der  königlichen 
Ejinzlei  leicht  verwechselt  werden. 

Auf  die  Vermutungen,  welche  Krones  bezüglich  der  Ver- 
wandtschaft dieses  Grafen  im  Zeidlergau  mit  dem  Grafen 
Ozinus  in  Friaul^  ausspricht,  näher  einzugehen,  lohnt  sich  nach 
den  vorangeführten  eingehenden  Erörterungen  nicht  der  Mühe; 
zur  Sippe  der  Otakare  gehört  dieser  Graf,  mag  man  ihm 
den  Namen  Ozi  lassen  oder  nicht,  in  gar  keinem  Falle.* 

^  Selbst  dieser  kleine  Landstrich  ist  heute  noch  im  Osten  eingeengft 
durch  den  Otinger  Forst. 

*  Salzburgisches  Urkundenbuch  I,  181,  Anm.  e. 

»  a.  a.  O.  I,  393. 

^  Über  denselben  yergleiche  Zahn  in  ^Friaulische  Studien'  im  Archiv  für 
österr.  Geschichte  LVU,  306,  306;  über  die  Namensform  äußerte  er  sich 
Torsichtig:  ,Der  Name  Ozi  wird  regelmäßig  als  Koseform  von  Otakar 
angesehen.*  —  Der  Kuriosität  halber  mag  angemerkt  werden,  daß  im 
Totenbuch  des  steiermärkischen  Klosters  Beun  (Necrolog.  Germ.  II,  346) 
zum  10.  Mai  ein  Ozinus  sacerdos  et  monachus  Ton  einer  Hand  des 
14.  Jahrhunderts  eingetragen  ist. 

'  Um  auch  die  allerj unguten  Deutungen  und  Vermutungen,  die  sich  an 
unsem  Grafen  Ozinus  angehängt  haben,  nicht  unerwidert  zu  lassen, 
muß  am  Schlüsse  noch  nachstehendes  bemerkt  werden: 


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550 

Über  das  Jahr  1049  hinaus  finden  wir  keine  Tätigkeit 
der  Otakare  im  Chiemgan  weiter  beurkundet,  sie  verschwinden 
urplötzlich  aus  dieser  Gegend  und  nur  einmal  noch  tritt  in 
einer  Vergabung,  deren  Objekt  an  den  Grenzen  des  Chiem- 
gaues  zu  vermuten  ist,  der  Markgraf  Adalbero  der  Kämtner- 
mark  als  Zeuge  auf. 

Über  das  Verbleiben  und  die  ferneren  Geschicke  des  Hauses  ^ 
gibt  der  nächste  Abschnitt  auf  Grund  teilweise  neuen  Materials, 
jedenfalls  aber  der  eingehendsten  Durchforschung  des  alten 
hoffentlich  zuverlässige  Kunde. 


Hftuthaler  identifiziert  den  im  Codex  Baldwini  (1041—1660)  erwähn- 
ten ^  Vogt  des  Elosteni  St.  Peter  Ozinos  mit  ,Ozi,  dem  Inhaber  von  Graf- 
schaffcsrechten  sowohl  im  Chiemgan  als  auch  im  Zeidler-,  beziehungsweise 
IsengaUy  dem  Otakar  U.  nach  der  Zählung  von  Erones/  F.  Martin*  hält 
ihn,  da  der  Klosterrogt  Graf  Sighart  erst  1044  den  Tod  gefunden  habe, 
,für  den  Grafen  Ottokar  III.,  der  1049  Grafschaftsrechte  im  Chiemgan 
besitzt  und  ca.  1060  stirbt*.  Ganz  abgesehen  davon,  daß  — wie  im  Tor- 
stehenden  dargetan  wurde,  nach  dem  heutigen  Stande  der  Personennamen- 
forschung die  Gleichung  Ozi — Otachar  völlig  unerwiesen,  außerdem 
aber  auch  nicht  wahrscheinlich  ist,  steht  wohl  im  vorliegenden  Falle 
außer  allem  Zweifel,  daß  dieser  ganz  vereinzelt  erscheinende  Kloster- 
vogt nichts  anderes  als  der  Partikular-  oder  Lokalvogt  über  das  der 
Tauschhandlung  unterzogene  Klostergut  und  nicht  der  Hauptvogt  des 
Klosters  St.  Peter  ist.  Bei  dem  häufigen  Vorkommen  des  Namens  Ozi  in 
unserem  Zeiträume'  ist  an  eine  einwandfreie  Identifikation  dieses 
Vogtes  mit  dem  Grafen  Ozinus  am  rechten  Ufer  der  Mörn  umsoweniger 
zu  denken,  als  der  Beisatz  comes  mangelt. 
Die  Reihenfolge  der  Otakare  im  Chiemgaue  ist  diese: 

Otakar  comes  I,  zw.  907  und  923,  dann  925. 

^111 

Otakar  comes  II.  959,  968,  976. 
Arnulf  comes  980. 
Otakar  comes  m.  1048. 
Die  Otakare  I.  und  11.  kommen  außerdem  mehrfach  in  den  Traditionen 
ohne  den  Beisatz  comes  vor,  welchen  die  Schreiber  der  Notorietät  oder 
Bequemlichkeit  halber  weglassen. 


*  Salzburger  Urkundenbuch  I,  840,  Nr.  20.  Der  Klosterholde  Ricbolf  empflLngt  gegen  Über- 
gabe einer  Mflhlstatt  an  der  Oichfcen  und  seines  Eigenbesitzes  in  Eemeting  sein  Lehen 
auf  Lebensseit  zn  eigen. 

*  «Die  kirchliche  Yogtei  im  Erzstifte  Salzburg*  in  den  Mitteilungen  der  Gesellschaft  fftr 
Landeskunde  Ton  Salzburg,  Bd.  46,  S.  371. 

>  Salzburger  Urkundenbuch  1,  194,  197,  800,  808  cod.  Hartwici  Nr.  10,  14,  20,  S6;  819  cod. 
Tietmari  Nr.  15;  238  Nr.  4;  856,  857,  858,  265,  267,  876,  878  cod.  trad.  s.  Petri  Nr.  4,  5, 
7,  10,  88,  29,  45,  46,  51. 


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551 


Die  Otakare  in  der  Eämtnermark. 

Es  hieße  klaren  Tatsachen  gegenüber  die  Augen  zu  A^er- 
schließen,  wollte  geleugnet  werden,  der  in  dem  Schenkungs- 
briefe Kaiser  Heinrichs  III.,  1056/  21.  Februar,  genannte  marchio 
Otacharius,  in  dessen  marchia  et  comitatu  das  der  Kirche 
Brixen  verliehene  Gut  Oisnitz  in  Mittelsteiermark  lag,  sei  ein 
anderer  als  der  noch  im  Jahre  1048  im  Chiemgau  amtende 
Graf  Otakar.  Für  diese  Identität  spricht  auch  der  Umstand, 
daß  der  neue  Markgraf  der  Kärntnermark  schon  nach  einigen 
Jahren  aas  unserem  Gesichtskreise  entschwindet.  An  diesem 
Verschwinden  hat  auch  nicht  die  geringe  Anzahl  von  Urkunden 
schuld,  welche  wir  aus  diesem  Zeiträume  über  die  Kärntner- 
mark haben;  denn  es  hätte  längst  durch  eine  vor  einem  Jahr- 
hundert abgedruckte 

Traditionsnotiz  des  Frauenklosters  Oelsenfeld* 

dargetan  werden  können,  daß  unmittelbar  auf  Otakar  sein 
Sohn  Adalbero  im  Markgrafenamte  gefolgt  und  dieser  der 
ältere  der  beiden  Söhne  gewesen  ist,  wenn  nicht  die  Forschung 
unentwegt  an  den  Angaben  der  Annalistik  und  des  Vorauer 
Fragments  festgehalten  hätte. 

Groß  war  die  Überraschung,  als  ich  auf  die  Notiz  stieß, 
noch  größer  aber  die  Bedenken,  welche  sich  gegen  die  Glaub- 
würdigkeit der  Überlieferung  erhoben,  als  ich  nach  dem  Drucke 
in  den  Mon.  Boic.  annehmen  mußte,  der  Traditionskodex  sei 
nur  in  einem  Vidimus  des  15.  Jahrhunderts  auf  unsere  Tage 
gekommen.  Das  letztere  Bedenken  wurde  zwar  auf  eine  An- 
frage in  München  behoben,  jedoch  zugleich  das  neue  beigefügt, 
daß  der  Abdruck  nicht  genau  und  nicht  vollständig  sei  und 
in  der  Anordnung  vom  Traditionsbuche  abweiche. 

Schon  bei  Wahnschaffe*  hatte  der  Kodex  denselben  be- 
denklichen Eindruck  hervorgebracht,  weshalb  er  glaubte,  so- 
lange  nicht  eine   kritische   Ausgabe    desselben    vorliege,    den 


*  Steiermärkisches  Urknndenbuch  I,  71. 

•  Nächst  Vohburg,    gegründet    vom  Grafen  Eberhard  n.   von  Ebersberg 
(t  vor  1046). 

'  ,Da8  Herzogtom  Kärnten  und  seine  Marken  im  11.  Jahrhunderte*  54,  66 

Anm.  162. 
▲rekir.  94.  Buid,  IL  H&lfk«.  37 


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552 

Geisenfelder  Notizen  nur  eine  verhältnismäßig  geringe  Glaub- 
würdigkeit beimessen  zu  dürfen.  Selbst  eingesehen  hat  er  aber 
die  Handschrift  nicht. 

Der  Benützung  desselben  mußte  daher  eine  genaue 
Untersuchung  vorausgehen,  wenn  der  Fund  eine  Verwendung 
finden  durfte;  sie  war  umso  notwendiger,  als  die  gleichfalls 
abgedruckte  Stiftungsurkunde  vom  Jahre  1037  (deutscher 
Sprache)^  unter  die  Zeugen  anachronistisch  den  Markgrafen 
Adalbero  und  dessen  Bruder  Otakar  eingereiht  hatte. 

Die  Untersuchung  hat  denn  auch  das  erwünschte  Licht 
gebracht. 

Der  Kodex,  im  königl.  allgemeinen  Reichsarchive  in 
München  unter  der  Signatur  71  verwahrt,  in  einem  Einbände 
aus  rotem  Leder,  der  durch  zwei  Riemen  verschließbar  ist  — 
Vorder-  und  Rückdecke  mit  je  fünf  Metallbuckeln  versehen  — 
enthält  nach  alter  Foliierung  56  Pergamentblätter^  ungezählt 
das  mit  B  bezeichnete  Vorsetzblatt,  welches  auf  der  Rückseite 
die  erste  Tradition  ,Omnes  sancte*  beginnt  und  mit  den  Worten 
,Eadem  lege'  abbricht.  Alle  Überschriften  in  roter  Tinte  sind 
in  die  Zeilen  einbezogen.  Schrift  und  Pergament  sind  im 
ganzen  wohl  erhalten,  Folium  54  ist  ein  unregelmäßig  beschrie- 
bener Zettel,  Folium  17'  ist  unbeschrieben,  von  Folium  56  nur 
das  erste  Drittel  der  Vorderseite  ausgefüllt.  Die  Zeit  der  Ein- 
träge reicht  von  der  Gründung  des  Klosters  bis  zum  Jahre 
1309;  angelegt  wurde  das  Buch  im  Jahre  128 L*  Die  ersten 
17  Blätter  nehmen  die  Traditionen  von  Liegenschaften  ein,  die 
Blätter  18  bis  30  ein  Urbar,»  auf  Blatt  30'  die  Obleigilten,*  auf 
Blatt   31    die   Baugerichte   der  Amthöfe   und   Schwaigen,^   auf 

^  Dieselbe  ist  als  plumpes  Machwerk  des  15.  Jahrhunderts  erkennbar  und 
zur  Täuschung  ganz  untauglich. 

•  Nach  der  datierten  Tradition  des  Wochners  (dominus  ebedomedarius) 
»Acta  sunt  hec  Gertrude  abbatissa.  Anno  düi  millesimo  CC^  Ixisi*»*  folgt 
der  rubrizierte  Eintrag:  »Iste  über  renouatus  est  et  conscriptum  prece 
et  mercede  Alheidis  sacriste  dicte  de  waintigen,  que  ipsum  conscribere 
iussit  propter  in  ydoneitatem  veteris  libri  dicti  Salp^ch.  Acta  sunt  hec 
presidente  abbatissa  Gertrude  conpilante  hunc  librnm  Chvnrado  Notario 
et  Rectore.  Anno  dni  m'*.  cc«».  Ixxx^.  primo*  auf  Fol.  16,  wonach  Nach- 
träge von  anderen  Händen  auf  Fol.  16  und  17  folgen. 

'  Hie   notantur   redditus  Gisenueldensis  ecclesie  per  omnes  possessiones. 

*  Hie  notantur  denarii  oblaiales. 

^  Hie  intjtulantur  instrumenta  que  dicuntur  geriht  attinencia  curüs  et 
Swaigis  huius  Ecclesie. 


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553 

Blatt  32  von  anderer  Hand  die  Tradition  der  Gräfin  Richild 
von  Bogen  und  ein  Nachtrag  zum  Urbar,  von  Blatt  33  an  von 
der  Hand  des  Jahres  1281  die  Übergaben  zu  Leihzins  (Inci- 
piunt  donationes  mancipiorum  obligatorum  ad  censum  S.  Marie, 
Seto  Zenoni,  qui  hie  notati  sunt  cum  donationibus  eorumdem). 
Erst  von  Blatt  49  an  sind  am  Kande  die  zeitlichen  Abtissinen 
rot  angemerkt. 

Die  Aufschriften  des  Druckes:  ,sub  abbatissa  .  /  kommen 
in  der  Handschrift  gar  nicht  vor,  wurden  daher  von  der  Re- 
daktion des  14.  Bandes  der  Mon.  Boic.  selbständig  beigefügt, 
ja  die  von  WahnschaflFe  beanständete  Datierung  der  Tradi- 
tion XXHI:  Facta  sunt  hec  anno  millesimo  sexagesimo  quinto 
regnante  rege  Haeinrico  et  presente  comite  Heberhardo' 
fehlt  im  Kodex;  die  ganze  Stelle  ist  dem  Kopisten  der  Mon. 
Boic.  wahrscheinlich  aus  einem  andern  Schriftstück  in  die  Feder 
geflossen  und  so  in  den  Satz  geraten.  Die  Schenkung  der 
Engelrad  steht  übrigens  gar  nicht  unter  den  Traditionen  der 
Liegenschaften,  sondern  unter  jenen  der  Leibzinspflichtigen  auf 
Blatt  37. 

Mit  dieser  Beobachtung  wäre  das  schwere  Bedenken 
Wahnschaffes  beseitigt,  wenn  man  in  dem  Grafen  Eberhard  der 
Tradition  den  Grafen  von  Ebersberg  sehen  will,  wozu  aber 
kein  Umstand  nötigt,  da  Graf  Eberhard  als  Vogt  des  Klosters 
handelt  und  ein  solcher  zur  Zeit  der  Grafen  Chunrad  und 
Arnulf  von  Dachau  und  Ernsts  von  Hohenburg,  ca.  1060  bis 
1090,  auftritt.! 

Die  Herausgeber  der  Mon.  Boic.  haben  die  Reihenfolge 
der  Traditionen  nach  ihrem  Gutdünken  vielfach  geändert;  aus 
Blatt  32  allein  wurde  die  Tradition  der  comitissa  Richilt  de 
Pogen,  welche  die  Reihe  der  donationes  manciporum  eröffnet, 
als  Nummer  CXV,  die  folgende  Liutolds  de  Ronewege  dagegen 
als  Nummer  LX,  jene  Zakkos  als  Nummer  LXXXIX,  jene 
Pabos  von  Vulenbach  als  Nummer  XC,  jene  Hiltas  von  Haeize- 
choven  als  Nummer  LXXXVII  eingerückt.  Durch  diese  Willkür 
in  der  Anordnung  wurde  die  Ausgabe  der  Monumenta  zur  kriti- 
schen Benützung  gänzlich  untauglich  gemacht  und  der  stärkste 
Zweifel  an  die  Glaubwürdigkeit  des  Salbuches  herausgefordert. 

^  Er  ist  der  Sohn  der  nobilifi  matrona  Mahthilt  de  Baecenhoyen  und 
ihres  f  Gatten  Heberhard  (trad.  XXIX  im  Drucke  der  Mon.  Boic, 
vgl.  daselbst  XTV,  196,  197,  199,  200,  203). 

87* 


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554 


Zur  Vergleichung  nachstehend  die  Reihenfolge 

der  Tradi- 

tionen   in   den  ersten 

17  Blättern   < 

les  Kodex   und  i 

m  Drucke 

der  Monumenta: 

im  Kodex               ] 

im  Drucke 

im  Kodex 

im  Drucke 

1  yilla  Geisenfeld  .  . 

IV 

25 

Sigbrantsdorf  .  . 

XXVII 

2  comitissaWillibirch 

III 

26 

Telenwang   .  .  . 

XX 

3  Solari 

IV 

27 

Trad.  Bihperts   . 

XXI 

4  Hadprehstorf  .  .  . 

V 

28 

Hard 

XXVIII 

ö  Silva  in  Mospach  . 

vn 

29 

Swarzolfesdorf    . 

XXX 

6  item  de  Mospach   . 

VIII 

30 

Sigbrantsdorf  .  . 

.     XXXIV 

7  Bernchoven  .... 

IX 

31 

Mangoltsdorf  .  . 

XXXV 

8.  Tradition  des  Wolf. 

32 

Winden 

xxxni 

trigil 

XXII 

33 

1 

XCIX 

9  Aersingen    .... 

X 

34 

>  Prun 

c 

10  Mangoltstorf  .  .  . 

fehlt« 

35 

1 

ci 

11  Murbach  villa .  .  . 

XI 

36 

Bnchenhofen    .  . 

CII 

12  Tausch  derselben  . 

XIII 

37 

Qiebstorf  .... 

CCLXIX 

13  Asleishusen  .... 

XII 

38 

Laber 

cm 

14  Owese  und  Aenzen- 

39 

Bonegen    .  .  . 

UiV 

ried 

XXXI 

40  Huttenhofen    .      . 

cv 

15  Lera 

XIV 

41 

Haid,  Haride  .  . 

.      CLXIV 

16  Tausch  dieses  Gutes 

XV 

42  Eschlkofen    .  .  . 

CLxm 

17  Oudiloltisdorf  .  .  . 

XVI 

43 

Perapach  .... 

CLXV 

18  Baltheim 

XVII 

44 

Perhthersdorf, 

19  Herinhusen  .... 

XVIII 

Grunoltshofen   . 

CLXVI 

20  Winden 

XXXII  a 

45 

Pnchen 

XXXVII 

21  Gundramsried  .  .  . 

XXXIIb 

46  Leutenhusen   .  .  . 

XXXVI 

22  Peheim 

XIX 

47 

Hausen 

XXXVIII 

23  Wolfpuch 

XXV 

48 

Frimundsdorf  .  . 

XXXIX 

24  Tausch  dieses  Gutes 

XXVI 3 

49 

Heimbrechtshofen 

XL 

*  Nr.  I  ist  das  Vidimus  des  Abtes  von  Weltenburg  1434,  1.  August 

*  Der  Eintrag  auf  Blatt  3  lautet: 

De  traditione  predij  in  mangoltsdorf  (rot). 

Quidam  nobilis  vir  Engelmar.  Pallenda  filia  sua.  dedit  ad  altare 
sancte  marie  predium  quod  dicitur  Mangoltstorf.  et  adtracti  sunt  testes. 
AdAlbero  de  Pergen.  et  filij  eins  haertwich.  Huchbolt.  Archo. 
'  Am  Schlüsse  der  Notiz  steht  im  Kodex:  Facta  sunt  hec  anno  domini 
incamacionis  1087  indictione  X  regnante  quarto  Heinrico  imperatore, 
tempore  Yodalrici  sancte  Eihstetensis  ecciesie  XYIIII  episcopi  et  Ernesti 
advocati.  Das  Datum  ist  wohl  Zutat  des  Redaktors,  der  genau  in  die 
Mitte  der  Regierungszeit  des  Bischofs  (1076—1099)  griff. 


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555 


im  Kodex 

im  Drucke 

im  Kodex 

im  Drucke 

50  Langwat    .... 

XLI 

des  ebedomeda- 

51  Gamoltstorf  .  .  . 

XLII 

rius 

— 

52  Freinperg .... 

XLIII 

59  Haelica  Olsen vel- 

53  Hattenhusen    .  . 

XLIV 

densis  cnstos  .  . 

— 

54  Umbelsdorf  .  .  . 

XLV 

60  Infra  scripta  sunt 

55  Brunnen   .... 

XLVI 

quondamreposita 

56  Schmntshausen  . 

LXII 

in  sacrario   .  .  . 

— 

57  de  familia  Vdalric 

h        T.XTII 

61  Verzeichnis  der  Or- 

58 Jahrtagsstiftung 

nate    

— 

Nach  Angabe  des  Notars  ist  das  auf  uns  gekommene 
Salbuch  die  zweite  Redaktion  des  älteren^  welches  wegen  seiner 
Unhandsamkeit  anßer  Gebrauch  gesetzt  wurde.  Wir  wissen 
nicht,  ob  es  protokollarisch  angelegt  war,  dürfen  es  aber 
vermuten,  weil  es  offenbar  eben  deshalb  unbequem  und  aller 
Übersicht  entbehrend  erschien,  wenn  die  Traditionsnotizen 
nur  chronologisch  ohne  Unterschied  des  Gegenstandes  einge- 
tragen waren.  Hierauf  weist  die  jüngere  Anlage  hin,  in  wel- 
cher —  mit  Ausnahme  eines  einzigen  Nachtrages  —  die  Tradi- 
tionen in  die  Rubriken  der  Liegenschaften  und  der  Leibleute 
geordnet  sind  und  zur  Übersicht  der  ersteren  zwischen  beide 
der  damalige  Besitzstand  des  Gotteshauses  eingeschoben  wurde. 
Da  im  Kloster  Ebersberg,  zu  welchem  Geisenfeld  in  einem 
gewissen  Abhängigkeitsverhältnisse  stand,*  bereits  im  IL  Jahr- 
hundert die  Gepflogenheit  heimisch  war,  den  Namen  der  Zeugen 
ihren  Wohnsitz  beizufügen,  so  werden  auch  im  Geisenfelder 
Kodex  die  Ortsbezeichnungen  gleichzeitig  oder  kurz  nachher 
beigesetzt  worden  sein.  Eine  Überarbeitung  oder  Erweiterung 
der  Notizen  ist  nirgends  erkennbar  und  so  dürfen  wir  wohl 
versichert  sein,  daß  die  Notizen  in  der  Urform  in  das  neue 
Salbuch  übernommen  worden  sind.  Auch  die  zweite  Redaktion 
hat  an  der  chronologischen  Reihung  der  Traditionen  von  Liegen- 
schaften nur  ganz  ausnahmsweise^  etwas  geändert,  sonst  aber 
dieselbe,  soweit  ersichtlich,  nicht  angetastet.  Auch  wenn  man 
an  dem  Vorkommen  von  Ortsbezeichnungen  der  Zeugen  Anstoß 
nehmen   sollte,   kann  behauptet  werden,   daß  von  den  ältesten 

*  Vgl.  Chron.  Ebersperg.  in  M.  G.  Script.  XX,  9—15. 

*  Wie  bei  der  trad.  14,  woselbst  ein  Geschäft  der  Äbtissin  Fridernna 
mitten  in  die  Traditionen  der  Yorgeherin  Gerbirg  eingeschaltet  wurde, 
offenbar  der  bequemeren  Übersicht  halber. 


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556 

Aufschreibungen  die  größte  Anzahl  von  allfUIIigen  Glossen  ver- 
schont geblieben  ist  und  alle  Merkmale  des  hohen  Alters^  das 
sie  beanspruchen,  aufweist;  es  sind  dies  die  Notitien  2  (III); 
3  (IV),  5  (VID,  6  a  (VIII),  7  (IX),  9  (X),  11  (XI),  12  (XIII), 
13  (XII),  15  (XIV),  16  (XV),  17  (XVI),  18  (XVII),  19  (XVIII), 
21  (XXXIIb),  22  (XIX),  23  (XXV),   25  (XXVII),  26  (XX). 

Die  beiden  ersten  Abtissinen  Gerbirg  und  Wichbirg 
(nicht  ,Willibirg^  werden  erwähnt  in  den  Traditionen  2,  5,  13, 
15,  16,  dann  21.  Der  Katalog  der  Abtissinen  ^  läßt  erstere  bis 
1061,  letztere  bis  1064  dem  Konvente  vorstehen.  Obwohl  wir 
wissen,  was  von  solchen  erst  in  später  Zeit  kombinierten  Zahlen 
zu  halten  ist,  so  dürfte  doch  —  wenn  man  von  der  Behaup- 
tung absieht,  daß  die  Äbtissin  Wichbirg  die  Mutter  der  Äbtissin 
Gerbirg  gewesen  —  die  Zeit  beiläufig  stimmen;  denn  das 
Kloster  Geisenfeld  wurde  um  das  Jahr  1040  herum  gestiftet 
und  20  Vergabungen  von  Liegenschaften  allein  an  dasselbe  sind 
ftir  die  ersten  fünf  Lustren  nicht  zu  viele. 

Wir  finden  nun  in  der  soeben  beschriebenen  zweiten 
Rezension  des  Geisenfelder  Traditionsbuches  auf  Blatt  4*  und  5 
folgende  Eintragung  (die  17.  der  Reihenfolge): 

,Predium  de  Vdiloltisdorf  (rot). 
Quidam  nobilis  Wasigrim  pro  prebenda  filie  sue  dedit  ad 
altare  sancte  Marie  predium  quod  dicitur  Vdiloltisdorf  cum 
mancipiis  tribus  et  silua  et  pascuis  eo  iure,  quod  ipse  possidebat. 
Huius  rei  testes  sunt.  Adalbero  marchlo  et  frater  eins 
Otaker.    Pabo.  Engildio.  Aerbo.  Magonus.  Huch.  Ortolf.' 

Da  die  notitia  originäre  Form  zeigt  und  auch  sonst  zu 
keinerlei  Bedenken  Anlaß  gibt,  so  erscheint  durch  diese  Nach- 
richt, welche  wir  für  eine  gleichzeitige  anzusehen  berechtigt 
sind,  nunmehr  außer  allen  Streit  gesetzt,  daß  Adalbero^ 
der  ältere  Sohn  Otakars,  diesem  im  Markgrafenamte  un- 
mittelbar nachgefolgt  ist,  während  sein  Bruder  Otakar, 
welcher  von  der  Geschichtschreibung  als  legitimer  Nachfolger 
seines  Vaters  angesehen  wurde,  im  Gefolge  Adalberos  und 
sogar  ohne  Grafentitel  auftritt. 

Die  Traditionsnotiz  ist  wie  alle  alten  undatiert;  wäre  sie 
datiert,  so  müßte  sie  Bedenken  erregen.    Dessenungeachtet 

»  Mon.  Boic.  XIV,  177—178  nach  Hundt 


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557 

haben  wir  Anhaltspunkte,  die  Zeit  der  Handlung  doch 
annähernd  zu  bestimmen.  Die  fünfte  Notiz  stammt  aus 
der  Periode  vor  dem  Jahre  1053,  da  in  derselben  Adalbero, 
der  Bruder  Markwards  von  Eppenstein  und  Sohn  des  früheren 
Herzogs  Adalbero,  noch  ^Clericus^  genannt  wird,  die  siebente 
Tradition  aber,  in  welcher  derselbe  als  Bischof  von  Bamberg 
aufgeführt  ist,  spätestens  in  das  Jahr  1057  fallen  muß.^  Wir 
beobachten  weiters,  daß  die  erste  Äbtissin  Gerbirg  in  den 
Traditionen  3,  4,  5,  13,  15  und  16  vorkommt,  dazwischen 
jedoch  in  Tradition  8  eine  Äbtissin  Wichbirg.  Die  Widmung 
des  edlen  Mannes  Wolftrigel  für  die  Pfründe  seiner  Töchter  be- 
stand in  zwei  Mühlen  und  sieben  Leibeigenen;  sie  gab  sicher- 
lich keinen  Anlaß,  ihrethalben  von  der  Ordnung  des  alten  Sal- 
buches  abzuweichen,  daher  zu  vermuten  ist,  daß  Wichbirg  nur 
kurze  Zeit  dem  Kloster  vorstand  und  Gerbirg,  wenn  sie  devo- 
tionshalber resigniert  haben  sollte,  abermals  an  die  Spitze  trat 
oder  daß  Wichbirg  überhaupt  nur  ein  Schreibversehen  für  Ger- 
birg ist. 

Wird  der  ersten  Äbtissin  eine  Regierungszeit  von  20  bis 
25  Jahren  zugebilligt,  so  wird  die  uns  interessierende  Tradi- 
tion, da  sie  unmittelbar  nach  jener  eingetragen  ist,  welche  ein 
,per  manus  abbatisse  Qerbirge'  vollzogenes  Tauschgeschäft  be- 
handelt,* schwerlich  weit  über  das  Jahr  1060  hinaus  anzu- 
setzen sein.' 


^  Mon.  Boic.  XIV,  183,  184. 

«  a.  a.  O.  186. 

'  Oudiloltistorf  yerma^  ich  mit  Bestimmtheit  nicht  festzuBtellexi ;  dürfte 
man  ea  mit  Othkersdorf  im  Falkensteiner  Kodex,  Fol.  12  (drei  bayrische 
Traditionsbücher  S.  13),  identifizieren,  so  wäre  es  eine  Ortschaft,  in  der 
nachmaligen  Herrschaft  Hadmarsberg  im  westlichen  Chiemgau  gelegen. 
Es  würde  sich  dann  auch  vermuten  lassen,  daß  die  Otakare  um  1067 
bis  1070  noch  ihren  Besitz  in  der  Seegegend  festhielten,  und  wäre  die 
Zeugenschaft  der  Brüder  Adalbero  und  Otakar  in  einer  Traditionsnotiz, 
welche  eine  chiemgauische  Liegenschaft  betrifft,  vollauf  erklärt.  Von 
dem  ziemlich  häufigen  Personennamen  hat  übrigens  eine  an  der  Grenze 
des  Chieragaus  gelegene  Ortschaft  Watzgreiming  in  der  Pfarre  Ober- 
Burgkirchen,  Amtsgericht  Altöting,  den  Namen  gezogen;  sie  kommt  als 
Wasegrimingen  schon  im  Beginne  des  12.  Jahrhunderts  vor;  das  Erz- 
stift Salzburg  hatte  daselbst  Holden  bis  zum  Zeitpunkte  seiner  Seku- 
larisation.  Die  geäußerte  Vermutung  verliert  nicht  an  Boden,  wenn 
Oudiloltisdorf  auf  das  westlich  der  Eisenbahnstation  Aßling  (Route 
Rosenheim— München)   in  der  Pfarre  Holzen  gelegene  Kirchdorf  Loi- 


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658 

Hiermit  darf  die  Reihe  der  Erwägungen  noch  nicht  ab- 
geschlossen werden;  die  nun  folgenden  bringen  uns  meines  Er- 
achtens  der  Erkenntnis  des  wirklichen  Zeitpunktes,  in  welchem 
Adalbero  seinem  Vater  in  der  Mark  gefolgt  ist,  in  erhebliche  Nähe. 

Schon  Zahn  hat  in  der  Festschrift  als  auffällig  hervor- 
gehoben, daß  in  der  St.  Lambrechter  Urkunde,*  welche  um  das 
Jahr  1066  angesetzt  wird,  wohl  die  Mark  j(Marcha),  aber  kein 
Markgraf  derselben  erwähnt  wird.  Hieraus  wurde*  gefolgert,  daß 
die  Kärntnermark  entweder  mit  dem  Herzogtum  vereinigt  oder  in 
nicht  legitimer  Innehabung  gewesen  sei.  Mit  Rücksicht  auf 
die  Geisenfelder  Notiz  können  wir  heute  die  richtige  Erklärung 
dahin  geben,  daß  zu  jener  Zeit  die  Eärntnermark  wirklich  er- 
ledigt und  noch  nicht  mit  einem  neuen  Markgrafen  besetzt 
war.  Die  Erledigung  erfolgte  durch  das  Ableben  Otakars,  welcher 
zu  Rom  mit  Tod  abging  und  daselbst  auch  bestattet  wurde, 
wie  aus  dem  Briefe  des  jüngeren  Otakar  an  Abt  Berthold 
hervorgeht,  in  welchem  er  von  seinem  Vater  Otacher  Marchio 
bemerkt:  ,qui  Rome  defunctus  dormit'.'  Es  fragt  sich  um  den 
Anlaß,  welcher  den  alten  Markgrafen  nach  Rom  gebracht  hat; 
in  keinem  Falle  ein  Römerzug,  denn  der  deutsche  König 
Heinrich  IV.  war  noch  ein  Kind  und  geistliche  Würdenträger 
befehdeten  sich  um  Vormundschaft  und  Reichsregiment.  Man 
könnte  vermuten,  Otakar  habe  nach  der  Stiftung  des  Kollegiates 
Garsten  eine  Wallfahrt  ad  limina  apostolorum  unternommen; 
allein  die  Zeitverhältnisse  legen  einen  anderen  Anlaß  seines 
Aufenthaltes  in  Rom  viel  näher.  Seine  Wanderung  und  sein  Tod 
auf  derselben  kann  nicht  früher  fallen  als  nach  dem  Zeit- 
punkte, in  welchem  der  ungarische  Thronstreit  zwischen  Salo- 
mon  und  Geisa  beendet  schien,  also  erst  nach  dem  Vergleiche 
vom  20.  Jänner  1064;  erst  dann  war  es  Otakar  möglich, 
seine  Grenzmark  auf  einige  Zeit  zu  verlassen. 

tersdorf  g^edeutet  wird,  was  sprachlich  zulässig  erscheint,  da  das  Volk 
lange  Bezeichnungen  nicht  duldet,  die  Abstoßung  der  ersten  Silben 
häufig  vorkommt  und  das  1  sich  gewöhnlich  in  ein  i  verwandelt  hat. 

*  Steiermärkisches  Urkundenbuch  I,  77. 

*  Geburt  des  Landes  ob  der  Ens  56. 

*  Traditionsbuch  von  Garsten,  angelegt  von  einer  Hand  des  ausgehenden 
12.  oder  beginnenden  13.  Jahrhunderts,  Fol.  6  (trad.  X  im  Oberöster- 
reichischen Urkundenbuch  I,  122).  In  der  notitia  CXXL  des  Urkunden - 
buches  S.  160  macht  der  Schreiber  zur  Bezeichnung  des  tradierenden 
Otacher  marchio  gleichfalls  den  Beisatz:  ,qui  Rome  situs  est^ 


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559 

Gerade  im  Jahre  1064  war  es,  in  welchem  der  groß- 
artige Zug  deutscher  Pilger  unter  Führung  des  Erz- 
bischofs Sigfrid  von  Mainz  und  des  Bischofs  Günter  von  Bam- 
berg nach  dem  heiligen  Lande  vor  sich  ging.  ,Der  Drangt 
das  Land  zu  schauen,  in  welchem  der  Herr  wandelte  und  litt, 
am  heiligen  Grabe  zu  beten,  im  Jordan  zu  baden  und  im 
Garten  Abrahams  Palmzweige  zu  brechen,  hatte  den  Höhe- 
punkt erreicht.  Vornehme  und  Geringe,  Geistliche  und  Laien 
zogen  einzeln  und  scharenweise  hinüber  in  das  Land  ihrer 
Sehnsucht.^  Auch  In  Kärnten  schlug  diese  Bewegung  ihre 
Wellen;  aus  dem  Lavanttale  zog  der  Spanheimer  Graf  Sig- 
frid, der  Vater  des  Stifters  des  Klosters  St.  Paul,  nach  Palästina 
und  fand  auf  der  Rückreise  den  Tod  in  Bulgarien.*  So  wird 
auch  der  Kärntner  Markgraf  Otakar,  wenn  auch  nicht 
schon  1064,  so  doch  1065  nach  Rom  gezogen  sein,  um  dort 
den  Segen  des  Papstes  zu  empfangen  und  sich  nach  Syrien 
einzuschiffen;  aber  ohne  an  sein  Ziel  gelangt  zu  sein,  wurde 
er  ,ln  peregrlnatlone  HlerosoUmltana^  in  Rom  vom 
Tode  hinweggerafft. 

So  konnte  es  wirklich  kommen,  daß  es  um  1065/1066' 
in  der  Kärntnermark  keinen  Markgrafen  gab,  umso  leich- 
ter, als  der  scheinbar  tiefe  Friede  mit  Ungarn  nicht  eine  augen- 
blickliche Besetzung  des  erledigten  Amtes  gebot.  Daß  jedoch 
nachmals  die  Mark  dem  älteren  Sohne  Adalbero  übertragen 
worden  ist,  dafür  gibt  die  Geisenfelder  Traditionsnotiz  ein  erst- 
klassiges Zeugnis  ab. 

Von  den  Fragmentisten,  d.  h.  den  Anhängern  der  Vorauer 
Tradition,  Krones*  voran,  wird  in  Abrede  gestellt,  daß  zwi- 
schen dem  ersten  Markgrafen  aus  dem  Hause  der  Chiemgauer 
und  den  Grafen  von  Lambach  eine  Blutsverwandtschaft  be- 
standen   habe,    da    hiervon    einzig    und    allein    die   gefälschte 

^  Sybel,  Geschichte  des  ersten  Kreuzzuges,  1 .  Aufl.,  S.  202,  203 ;  Wilken, 
Geschichte  der  Kreuzzüge  I,  39 ;  Röhricht,  Geschichte  der  Kreuzzüge  im 
Umriß,  S.  10. 

•  ,Hunc  (Sigfridum)  in  reditu  ab  ierusalem  defunctum  et  in  uulgaria 
sepultum.'  Kap.  VII  des  Traditionsbuches  von  St.  Paul  1205  in  Fontes 
rer.  Austr.,  Diplom.  XXXIX,  39.  Daß  er  dorn  großen  Pilgerzuge  sich  ange- 
schlossen habe,  wiU  die  gelehrte  Haustradition  (Ankershofen,  Geschichte 
von  Kärnten  II,  910),  ist  jedoch  nicht  belegt. 

'  Steiermärkisches  Urkundenbuch  I,  77. 

*  ,Die  Markgrafen  von  Steier*,  S.  178. 


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560 

Gleunker  Urkunde  von  1088^  Meldung  mache.  Allein  der 
Taufname  Adalbero,  des  Sohnes  Otakars,  der  unvermittelt  in 
der  chiemgauischen  Familie  auftaucht  und  gleichzeitig  im 
Hause  der  Lambacher  vorkommt,  scheint  darauf  hinzudeuten, 
daß  zwischen  beiden  Geschlechtern  eine  Verschwägerung 
stattgefunden  habe;  denn  der  letzte  Sprößling  dieses  Grafen- 
stammes ist  Bischof  Adalbero  von  Wirzburg,  der  wohl  seinen 
Namensbruder  um  ein  paar  Jahre  überlebte,  aber  zweifellos 
älter  war  als  dieser.  Aus  diesem  Grunde  hat  wohl  auch 
Muchar*  die  Ansicht  vertreten,  Otakar  sei  der  Sohn  einer 
Schwester  des  jüngeren  Arnold,  demnach  einer  Tochter  des 
älteren  gewesen  und  habe  aus  diesem  Titel  einen  bedeutenden 
Teil  Lambacher  AUods  überkommen,  wogegen  ich  es  für  plau- 
sibler hielte,  anzunehmen,  es  sei  die  Schwester  des  Markgrafen 
Gottfrid  gewesen,  mit  welcher  Otakar  den  Ehebund  schloß,  er 
habe  dem  Erstling  aus  demselben  den  Namen  seines  Schwagers, 
dem  nachfolgenden  Sprößling  aber  den  gangbaren  Familien- 
namen beigelegt.  Daß  seine  Gattin  Willibirg  hieß,  hat  uns  das 
Garstner  Salbuch*  überliefert;  auch  die  Enkelin,  Hausfrau  des 
Grafen  Ekbert  II.  von  Formbach,  wurde  so  getauft.  Ist  diese 
Vermutung  richtig,  dann  wäre  doch  eine  verworrene  Kunde 
bis  in  das  13.  Jahrhundert  durchgesickert  und  die  Teilung 
der  Lambacher  Erbschaftsmasse  in  drei  Stücke  hinlänglich 
erklärt. 

Wir  wissen  nicht,  daß  die  Otakare,  solange  sie  im  Chiem- 
gau  weilten,  sich  freigebig  gegen  Kirchen  erzeigt  hätten:  nach 
Erlangung  der  Kärntnermark  aber  begannen  zwar  nicht  in 
dieser,  wohl  aber  auf  dem  Boden  der  bayrischen  Grafschaften 
diesseits  des  Pyrn,  also  auf  Lambacher  Erbe,  die  Kirchen- 
stiftungen. Es  ist;  nicht  ^ausgeschlossen,  daß  der  Erwerber 
der  Markgrafschaft  jener  Otachar  comes  ist,  welchen  Herzog 
Otakar  einen  seiner  Voreltern  nennt,  denjenigen,  der  dem 
Kloster  Traunkirchen  Vogtfreiheit  zugestanden,*  es  vielleicht 
sogar  gegründet  hat;  denn  weiter  zurück  als  in  die  Mitte  des 
11.  Jahrhunderts   die  Anfänge   von  Traunkirchen  zurückzuver- 


*  Oberösterreichiflches  Urkundenbuch  n,  117. 

'  Geschichte  des  Herzogtums  Steiermark  IV,  293. 

»  Blatt  32'  (Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  161). 

*  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  ü,  427. 


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561 

setzen,  gestattet  gewissenhafte  Forschung  nicht.  ^  Sicher  ist, 
daß  Otakar  I.  nach  Angabe  seines  Sohnes  Otakar  auf  seinem 
Grund  und  Boden  in  Garsten  bei  Steyr  Kleriker  eingeführt 
hat,  deren  erster  Propst  Eberhard  hieß,  und  der  Kirche  Garsten 
den  Wald  jenseits  der  Ens  zwischen  Dambach  und  Frenz  ver- 
lieh.* Mit  dieser  Stiftung,  die  er  vor  seiner  Pilgerfahrt  voll- 
führte, trat  er  in  die  Fußstapfen  seines  Schwähers  oder  Oheims, 
der  noch  vor  dem  Tode  seine  Stammburg  in  ein  Kollegiatstift 
verwandelte. 

Nun  erst  kann  einer  wiederholt  ins  Treffen  geführten 
Ranshofner  notitia  volle  Glaubwürdigkeit  zuerkannt  werden,  ob- 
wohl sie  anachronistisch  abgefaßt  ist'  und  der  Abdruck  ein 
Zeugenmanko*  und  einen  nicht  existierenden  Zeugen^  aufweist. 
Nach  dieser  Tradition,^  welche  mit  Wahrscheinlichkeit  in  den 
November  oder  Dezember  1074,  zu  welcher  Zeit  Heinrich  IV. 
in  Bayern  weilte,  anzusetzen  ist,  übergab  Heinricus  Imperator 
der  Kirche  Ranshofen  eine  Hörige  zum  Leibzinse  von  fünf 
Denaren;  als  Zeugen  sind  angeführt:  Ernest  Marchio  (f  10.  Juni 
1075).     Adalpero  Marchio  .  .  . 

Markgraf  Adalbero  kommt  in  zwei  weiteren  Aufschreibungen 
der  Traditionsbücher  von  Brixen  vor.  Vermöge  der  ersten  über- 
läßt Bischof  Altwin  an  den  erlauchten  Heinrich  (nobilis  pro- 
sapie)  flir  die  Hingabe  verschiedener  Güter  einen  Hof  zu  Lind 
,ac  quicquid  in  comitatu  marchionis  Adalperonis  visus  est  habere^' 
Die  Tradition  wird  von  dem  Bearbeiter  zwischen  1065  und 
1075  gesetzt,  was  stimmen  wird,  da  der  in  der  Tradition  vor- 


^  Vgl.  Frieß,  Geachichte  von  Traunkirchen.  Der  Name  der  angeblichen 
ersten  Äbtissin  Ata  (Nekrolog  zum  15.  November,  S.  315),  wohl  richtiger 
Alta  kommt  im  Chiemgau  vor.     Salzburger  Urkundenbuch  I,  130. 

'  Garstner  Kodex  Fol.  5;  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  121,  Nr.  X. 
Vgl.  Geburt  des  Landes  ob  der  Ens  66 — 57.  Fast  unglaublich  ist  es, 
daß  in  kritischen  Schriften  noch  auf  Grabsteine  Gewicht  gelegt  wird, 
die  erst  in  später  Zeit  angefertigt  wurden.  Das  Höchste  in  diesem 
Genre  leistete  die  Inschrift  im  Kloster  Au,  welche  die  Mon.  Boica  der 
staunenden  Nachwelt  überlieferten. 

'  Heinrich  lY.  wurde  erst  1084,  31.  März,  zum  Kaiser  gekrönt. 

*  S.  Hundt,  Bayr.  Stammenbuch,  S.  126. 

'  Sarchilo  comes  de  Mosepach.  S.  Sttllz,  Bemerkung  zur  Abhandlung 
Koch-Stemfelds  über  die  Sarhili. 

•  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  213,  Nr.  XXXH. 

^  Redlich,  Die  Traditionsbücher  des  Hochstiftes  Brixen  vom  10.  bis  in  das 
14.  Jahrhundert,  S.  81. 


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562 

kommende  Brixner  Vogt  öundachar  auch  in  einer  datierten 
Urkunde  vom  Jahre  1070  genannt  wird.* 

Nach  der  zweiten,  welche  zwischen  1070  und  1080  gesetzt 
wird,  schenkt  ,nobilis  prosapie  matrona  Chuniza^  der  Kirche 
Brixen  Qüter  ,in  his  tribus  ad  presens  titulatis  locis  videiicet 
ad  Grazlup  (Gegend  um  Neumarkt  in  Obersteiermark)  et 
Hengist  (Wildon)  ac  Runa  (Renn)  in  comitatu  Adalperonis 
marchionis'.* 

Hiermit  haben  wir  den  Markgrafen  Adalbero  bis  an  die 
Schwelle  des  Investiturstreites  begleitet.  Er  stand,  wie 
aus  der  vor  1180  verfaßten  vita  Gebehardi  archiep.  Salisb.*  zu 
entnehmen  ist,  in  diesem  Kampfe  auf  Seite  seines  Königs; 
von  seinem  MetropoHten  deshalb  mit  dem  Kirchenbanne  belegt, 
tiberließ  er  für  die  Lösung  von  demselben  dem  Erzbischof  das 
Dorf  Ardning  im  Enstale  —  heute  an  der  Pyrnbahn  gelegen 
—  und  das  Dorf  Hauzenbüchel.  Sicherlich  tat  er  dies  erst 
auf  dem  Sterbebette;  denn  die  Anhänger  des  Kaisers  wurden 
zwar  von  gregorianischer  Seite  als  Feinde  der  Kirche  betrachtet 
und  von  deren  Gemeinschaft  ausgeschlossen,  waren  aber  gläu- 
bige Christen.  ,Auch  sie  fühlten  sich  vom  Geiste  der  Zeit  er- 
griflFen  und  sahen  in  geistlichen  Stiftungen  gottgeftlllige  Werke, 
ein  Zeichen,  daß  sie  nicht  gegen  die  Kirche  kämpften,  sondern 
gegen  die  Neuerungen  der  höchsten  Kirchengewalt.'* 

Die  Nachricht  des  Vorauer  Fragments,  daß  Adalbero  von 
seinen  Dienstleuten  ^  erschlagen  worden  sei,  ist  sichtlich  frei  er- 
funden ;  sie  sollte  wohl  das  Strafgericht  Gottes  über  den  Wider- 
sacher der  kirchlichen  Partei  vorstellen  und  erinnert  lebhaft  an 
den  Ausgang  Belsazars  von  Babylon.®  Da  Gebhard  erst  in  der 
Mitte  Juni  1086  nach  Salzburg  zurückkehren  konnte  und  be- 
reits am  15.  Juni  1088  starb,  so  fällt  das  Hinscheiden  Adal- 
beros  in  die  Zwischenzeit.'^ 


»  Fontes  rer.  Austr.  Diplom.  XXXI,  Nr.  84,  S.  86. 

•  Redlich,  a.  a.  O.  101.  ■  Mon.  Genn.  Script.  XI,  36. 

*  F.  M.  Mayer,  ,Die  östlichen  Alpenländer  im  Investiturstreite*,  8.  109,  ein 
treffliches  Werk,   das  seinen  hohen  "Wert  noch   lange  behaupten  wird. 

•*  ,Bei  Julben*,  was  die  Fragmentisten  mit  Leoben  übersetzen  zu  müssen 

glaubten,  obgleich  dieser  Ort  niemals  so  geheißen  hat 
®  jBelsazar  ward  aber  in  selbiger  Nacht  von  seinen  Knechten  umgebracht* 
^  Wenn  der  Eintrag  im  Traunkirchner  Nekrolog  zum  22.  November:  Vdal- 
bertus  marchio  wirklich  auf  Adalbero  zu   deuten  ist,  so  fällt  sein  Ab- 
leben in  eines  der  beiden  Jahre  108G  oder  1087. 


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563 

Wie  der  Kampf  der  Kirche  gegen  die  Reichsgewalt  die 
Söhne  des  Kaisers  zum  Aufstande  gegen  den  Vater  aufrief,  so 
brachte  er  auch  Bruderkrieg  in  das  Haus  der  Otakare.  Der 
ehrgeizige  jüngere  Bruder  Otakar,  nicht  zufrieden  mit  der  Ver- 
waltung der  Qrafschaften  diesseits  der  Pyrn,  die  ihm  wahr- 
scheinlich zugewiesen  war,  ließ  sich  durch  den  Einfluß  des 
Bischofs  von  Passau  und  des  Markgrafen  Liupold  II.  der  Ost- 
mark verleiten,  sich  von  einem  deutschen  Gegenkönige,  viel- 
leicht noch  von  Rudolf  (1080),^  seinem  Bruder  als  Markgraf  in 
der  Kärntnermark  entgegenstellen  zu  lassen.  Die  Hand  der 
Tochter  Liupolds,  EUisabet,  mit  einer  reichen  Ausstattung  in 
der  Ostmark  war  der  Lohn  seiner  Haltung;  denn  zumal  im 
Mittelalter  mußte  kirchliche  Gesinnung  materiell  entschädigt 
werden. 

Die  kirchliche  Partei  gibt  dem  jüngeren  Otakar  den  Mark- 
grafentitel; die  gregorianische  Geschichtschreibung  geht  aber 
viel  weitet,  sie  unterdrückt  die  Tatsache,  daß  Adalbero  der 
rechtmäßige,  vom  legitimen  König  belehnte  Markgraf  gewesen 
ist,  vollständig  und  stellt  ihn  als  einen  Rebellen  hin,  der  seinem 
Bruder,  ,dem  Markgrafen^,  das  Enstal  vorenthalten  und  sich 
räuberisch  am  Kirchengute  vergriflFen  habe.*  Aber  selbst  aus 
der  Entstellung  der  Tatsachen  ist  noch  deutlich  zu  erkennen, 
daß  es  dem  ungetreuen  Bruder  nicht  gelang,  in  die  Mark  ein- 
zudringen; er  blieb  auf  seinen  bayrischen  Besitz  beschränkt 
und  bemüssigt,  zeitlebens  in  der  Stiraburg  zu  verbleiben,  ge- 
schützt von  dem  Herzog  Weif  von  Bayern  und  den  Markgrafen 
Liupold  II.  und  III.,  zu  welchen  er  im  Verhältnisse  von 
Schwiegersohn  und  Schwager  stand,  und  als  Weif  1096  seinen 
Frieden  mit  dem  Kaiser  geschlossen,  durch  die  gedachten 
Familienverbindungen,  in  welche  zuletzt  auch  der  alte  Herzog 
Heinrich   von  Kärnten  eintrat,  als  sich  derselbe  zur  Erhellung 


*  Für  das  Jahr  1080  spricht  die  Vermutung,  denn  ohne  Rückendeckung 
hätte  sich  Liupold  nicht  1081  an  die  Belagenmg  Augsburgs  wagen  können. 

'  Vita  Gebehardi,  Mon.  Germ.  Script.  XI,  35:  ,Adilbero  etiam  germanus 
eiusdem  marchionis,  qui  diutinam  cum  fratre  guerram  habuit,  pro  ab- 
solutione  banni  et  multimodis  iniuriis  coenobio  in  persecutione  Hein- 
rici  im.  imperatoris  illatis  tradidit  per  manus  itidem  archipresulis 
super  altare  s.  Blasii  villas  duas  Adarnich  cum  omnibus  suis  pertinen- 
tüs  et  predium  Huzenpuhel.^  Annales  s.  Budberti  a.  a.  O.  IX,  766 
ad.  1122:  ,Otachir  marchio  obiit,  qui  fratrem  habuit  Alberonem  cuius 
comitatus  ab  Enswald  usque  Geizaerwald.^ 


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564 

seiner  letzten  Lebenstage  Sophie,  die  jüngste  Schwester  des 
Markgrafen  Liupoid  III.  als  Gattin  geholt  hatte.  ^ 

Ton  dem  Zeitpunkte  des  Abfalls  Otakars  von  der 
königlichen  Partei  datiert  aach  die  Abzweigung  jenes  O^e- 
bietes,  welches  später  den  Namen  Grafseliaft  Steyr  er- 
hielt, TOn  der  Grafschaft  des  Enstales,  ron  dessen  Mitte 
es  noch  durch  bedeutende  Forste  geschieden  wurde.' 

Bezeichnend  für  das  tatsächliche  Verhältnis,  in  welchem 
Otakar  stand,  ist  die  Wahrnehmung,  daß  er  in  unzweifelhaft 
echten  Urkunden  einfach  Marchio,  niemals  aber  von  der 
Kärntnermark  genannt  wird;  denn  die  Benennung  E^mtner- 
mark  dauerte  fort,  wie  die  notitia  CXXII  des  Garstner  Tradi- 
tionsbuches' zeigt,  welche  Stutern  bei  Gröbming  im  Enstale 
nach  Karinthia  verlegt,  ebenso  Feistritz,  östlich  von  Seckau.* 
Auch  in  dem  Schreiben  an  Abt  Berthold  von  Garsten  bezeichnet 
er  selbst  sich  als  marchio  schlechtweg^  und  nur  seinen  Vater 
führt  er  als  ,Otacher  styrensis'  ohne  den  Markgrafentitel  an. 
Alle  Urkunden,  welche  ihm  im  11.  Jahrhunderte  den  Titel 
marchio  de  Styre  geben,  sind  Fälschungen.^  Bezüglich  der 
Melker  Urkunde  wurde  auf  S.  515  bereits  der  Nachweis  geliefert. 
Die  sogenannte  Admonter  Stiftungsurkunde'  ist  ein  im  Laufe 
des  12.  Jahrhunderts  angefertigtes  Verzeichnis  der  Dotations- 
gtiter  und  Zustiftungen  ohne  Beweiskraft  flir  die  zurückliegende 

*  Nur  darin  lag  die  Möglichkeit,  daß  Otakar  in  Verfügungen  über  seinen 
einzelnen  Besitz  im  Enstale  nicht  mehr  behindert  war.  Vgl.  Oberöster- 
reichisches Urkundenbuch  I,  142. 

'  Es  ist  stets  zu  beachten,  daß  in  jenem  Zeiträume  der  Verkehr  nach  der 
Ens  hinauf  bis  Altenmarkt,  von  hier  aber  über  den  Fluß  durch  das  Tal 
des  Buchauerbaches,  über  den  Sattel  hinüber  nach  Admont  ging,  wäh- 
rend das  Mürztal  nur  über  Trofaiach,  Vordernberg,  Eisenerz,  Hieflau 
mit  dem  Enstale  in  Verbindung  stand.  Von  Hieflau  führte  der  Weg  an 
der  Ens  abwärts  nach  Altenmarkt  und  weiter;  der  Frenzgraben  und  das 
unwegsame  Gesäuse  blieben  ganz  abseits.  Die  Kirche  zu  St.  Gallen 
wurde  erst  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  gegründet  (ecclesia  s.  Galli  in 
Silva,  Steiermärkisches  Urkundenbuch  I,  303,  334). 

'  Fol.  32*.  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  161.  Original  im  Linzer 
Diözesanarchiy. 

*  Fol.  19*,  a.  a.  O.  142. 

ß  Fol.  5,  a.  a,  O.  121.  Auch  den  Traditionen  für  St  Veit  a.  d.  Gölsen 
(Mitt.  des  Inst,  für  österr.  Geschichtsforschung  XXV,  692)  ist  er  ,marchio*. 

*  Nach  eigenen  Wahrnehmungen  und  dem  Befunde  der  Herren  Baron 
Mitis  und  Viktor  Melzer  (f),  welche  die  Originalien  einsahen. 

^  Steiermärkisches  Urkundenbuch  I,  95. 


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565 

Zeit  bezüglich  der  für  die  Zeit  der  AnfertigUDg  gebrauchten 
Ausdrücke.  Eine  Fälschung  ist  der  von  ,nobili8  vir  Otakar 
marchio  styrensis^  mit  Bischof  Altmann  eingegangene  Tausch 
der  Kirchen  Behamberg  und  Garsten  vom  Jahre  1082  —  wenn 
auch  das  Faktum  des  Tausches  richtig  ist  — ^  zusammengestellt 
aus  Nr.  5  des  Traditionsbuches  *  und  der  päpstlichen  Bulle  vom 
5.  April  1179.'  Unecht  ist  auch  die  Urkunde  Bischof  Altmanns 
vom  19.  August  1088'  über  die  mit  ,marchio  Stirie  (!)  Otak- 
kerio'  vereinbarte  Verwechslung  des  Kirchengutes  Dietach 
gegen  dessen  Güter  am  Hausruck.  Ein  Falsifikat  ist  endlich 
die  Urkunde/  womit  Otacher  Stirensis  marchio  die  auf  seine 
Bitte  vom  Bischof  Ulrich  von  Passau  von  der  Mutterpfarre 
(Tafersheim)  eximierte  Elapelle  Haselbach  (St.  Magdalena  bei 
Linz)  mit  ihrem  Widem  in  Niederwinkel  und  zwei  Höfen  dem 
Kloster  Garsten  übergibt;  sie  besteht  aus  der  notitiaNr.  CLXVIH 
des  Garstner  Kodex*  über  die  von  dem  vorletzten  Otakar  um 
1160  erfolgte  Übergabe  dieser  Kapelle  (ohne  Exemtion),  die 
Zeugen  wurden  der  Tradition  V,®  welche  wieder  zur  Anferti- 
gung der  Fälschung  vom  Jahre  1088  (siehe  oben)  benützt  wurde, 
entnommen. 

Die  urkundlichen  Stützen  der  sogenannten  , Über- 
lieferung^ (sit  venia  verbo)  sind  demnach  lauter  Fäl- 
schungen.^ 

Auch  nach  dem  Hintritte  seines  Bruders,  des  rechtmäßigen 
Markgrafen^  meldet  keine  urkundliche  Nachricht  irgendeine 
Tatsache,  welche  auf  eine  Anwesenheit  Otakars  in  der  Mark 
oder  auf  die  Ausübung  öffentlicher  Gewalt  in  derselben  schließen 
ließe;  Otakar  bleibt  in  Steyr  und  reformiert  dort  die  Stiftung 
seines  Vaters,  Garsten.  Über  die  Härte  seines  Wesens  unter- 
richtet  uns  die  Vita  s.  Berchtoldi   abb.  Garstensis:^   Da  die 


^  Fol.  3,  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  118. 

•  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  II,  359. 

•  a.  a.  O.  n,  117.  *  a.  a.  O.  U,  123. 

•  Pol.  40',  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  172. 
«  Fol.  3,  a.  a.0.  118,  119. 

"^  Auch  die  Urkunde  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  II,  169,  wonach 
Otakerius  dei  gT&ü&  marchio  Stirensis  im  Jahre  1125  Gleunk  gestiftet 
und  diesem  Kloster  Exemtion  von  dem  Landgerichte  der  Volkenstorfer 
verliehen  hätte,  ist  eine  mit  Zuhilfenahme  der  Urkunden  II,  169,  382 
angefertigte  Fälschung. 

•  Pez,  Script.  Austr.  H,  C.  88— 1>0. 


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666 

Kanoniker  sich  weigerten,  Mönche  zu  werden,  und  erklärten, 
sie  hätten  nicht  den  Sinn  dafür,  hierzu  könne  niemand  ge- 
zwungen und  müsse  die  Eingebung  Gottes  abgewartet  werden, 
versetzte  er,  sie  seien  in  seiner  Gewalt  und  hätten  zu  ge- 
horchen, widrigens  er  sie  zum  Gehorsam  zwingen  werde.  Er 
wußte  sich  auch  Gehorsam  zu  verschaffen:  den  widerspenstigen 
Kanoniker  Eberhard  ließ  er  anbinden  und  so  lange  peitschen, 
bis  auch  dieser  sich  fügte.  Dieser  Zug  der  Roheit  bei  äußer- 
licher Frömmigkeit  genügt,  sich  von  OtÄkar  ein  Charakterbild 
zu  machen.  Durch  alle  Wechselfälle  des  Investiturstreites  blieb 
er  auf  Seite  der  Päpste  und  der  Gegenkönige;  noch  im  vor- 
letzten Jahre  seines  Lebens  ließ  er  den  schärfsten  Gegner  des 
Kaisers,  Erzbischof  Konrad,  der  ihn  vor  seiner  Flucht  nach 
Tuscien  (1112)  zum  Vogt  des  Klosters  Nonnberg  bestellt  hatte, 
durch  seinen  Sohn  Liupold  nach  Salzburg  geleiten,*  denselben 
Kirchenfürsten,  der  kurz  hierauf  mit  Herzog  Heinrich  von 
Kärnten  in  erbitterte  Fehde  geriet.*  Von  kirchHcher  Seite 
wurde  ihm  daher  auch  volles  Lob  gespendet:  ,Erat  enim  egre- 
gius  ille  Fundator  vir  valde  memorabilis:  et  licet  Princeps  secu- 
laris,  tamen  aliis  potentibus  multam  dissimilis,  cultor  pacis, 
amator  justitiae  et  contra  iramanitatem  persecutionum  Turris 
Ecclesiae  inexpugnabilis.'' 

In  den  Zuständen  des  deutschen  Reiches  wäre 
auch  gar  kein  Anlaß  vorhanden  gewesen,  dem  starren 
Vertreter  der  päpstlichen  Interessen  nach  dem  Tode 
Adalberos  H.  die  wichtige  Kärntnermark  einzuräumen 
und  den  getreuesten  Anhänger  des  Kaisers,  Herzog  Liutold  von 
Kärnten,  auf  der  Ostseite  zu  umklammern;  im  Gegenteile,  sie 
mußte  in  Freundeshänden  verbleiben.  Damals  war  der  Stern 
Heinrichs  IV.  wieder  im  Steigen,  der  Gegenkönig  Hermann 
legte  die  Krone  zurück,  der  Bürgerkrieg  in  Sachsen  nahm  ein 
Ende,  der  kaiserliche  Erzbischof  von  Salzburg,  Bertold  von 
Mosburg,  gelangte  zum  Besitz  des  Stiftes.  Auf  Herzog  Liutold 
folgte  in  Kärnten  (1090)  dessen  nicht  minder  kaisertreuer 
Bruder  Heinrich ;  in  seinem  Machtbereiche  sucht  später  während 


*  Admonter  Annalen,  Mon.  Germ.  Script.  XI,  577,  XIII,  41. 

'  Mon.  Germ.  Script.  XI,  71—72.  Der  Bericht  kann  nicht  ganz  aas  der 
Luft  gegrififen  sein,  wenn  auch  Übertreibungen  unverkennbar  unter- 
laufen. 

»  Vita  Berchtoldi,  a.  a.  O.  86. 


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567 

des  Aafstandes  seines  Sohnes  Eonrad  der  Kaiser  Zuäacht. 
Ebenso  wenig  konnte  Kaiser  Heinrich  V.  daran  denken,  die 
Mark  dem  an  seiner  Seite  bleibenden  Eppensteiner  abzunehmen 
and  dem  Bandesgenossen  des  feindlichen  Metropoliten  za  über- 
geben. Ein  wieder  za  Gnaden  Aufgenommener  hätte 
auch  nicht  die  oppositionelle  Stellung  bis  an  sein 
Ende  behauptet. 

Zahn  hat  daher  richtig  gesehen,  wenn  er  die  Wieder- 
erlangung der  Mark  durch  die  Otakare  erst  nach  dem  Jahre 
1122  vermutete;  bei  der  kirchlichen  Richtung  der  Markgrafen 
würden  die  Klosterstiftungen  auf  märkischem  Boden  viel 
früher  begonnen  haben,  wenn  sie  desselben  mächtig  gewesen 
wären. 

Wenn  auch  zuletzt  mit  dem  Zustandekommen  des  Wormser 
Konkordats^  der  Hauptgrund  der  Gegnerschaft  Otakars  wider 
das  Reichsoberhaupt  wegfiel,  so  waren  in  dem  langen  Zeiträume 
Otakar  und  der  Herzog  alt  nnd  gebrechlich  geworden:  ihr 
Lebensfaden  lief  schon  nach  zwei  Monaten  ab.  Otakar  ging 
am  28.  November  desselben  Jahres  zu  Grabe  und  schon  nach 
sechs  Tagen  folgte  ihm  Heinrich  im  Tode  nach. 

Das  Landbuch  von  Österreich  und  Steier  meldet,* 
der  Herzog  habe  ,dem  Markgrafen  Otakar  von  Steyr*  all  sein 
Eigen  gedingt.  In  dieser  Form  ist  die  Nachricht  jedenfalls  nicht 
richtig,  denn  der  alte  Otakar  starb  noch  früher  und  lang- 
jährige Gegner  können  sich  zwar  versöhnen,  aber  in 
Liebe  werden  ihre  Herzen  nicht  für  einander  schlagen. 
Der  Kompilator  hat  sicherlich  die  Tatsache  des  Überganges 
der  Allode  der  Eppensteiner  an  das  Haus  der  Chiemgauer  in 
der  Anschauung  seines  Zeitalters  überliefert,  ihm  war  der  wahre 
Sachverhalt  bereits  verschleiert^  Otakar  galt  ihm  schon  als  fak- 
tischer und  legitimer  Inhaber  der  Mark. 

Wir  sehen  tiefer.  Wie  so  oft  in  alter  und  neuer  Zeit 
wird  auch  hier  Frauenhand  in  Völkergeschicke  eingegriflFen 
haben.  Herzog  Heinrich  hatte  am  späten  Lebensabend  sich 
die  dritte  Gemahlin  aus  dem  —  damals  sozusagen  politisch 
neutralen  —  Hause  der  Babenberger  geholt.  Seine  Wahl 
war  auf  Sophie,  die  jüngste  Tochter  des  ostmärkischen  Mark- 


^  23.  September  1122;  bestätig  auf  der  Lateransjnode  1123. 
*  Deutsche  Chroniken  UI,  Abt  n,  S.  706—707. 
ArehiT.  94.  Band,  II.  H&lfU.  38 


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568 

grafen  Liupold  11.,^  gefallen.  Als  eine  Jungfrau  von  kaum 
20  Jahren  wurde  sie  dem  dreimal  älteren  Herzog  angetraut. 
Wer  einigermaßen  die  Menschennatur  kennt,  kann  sich  lebhaft 
vorstellen,  welche  Macht  die  jugendliche  Frau,  besonders  wenn 
sie  nicht  häßlich  war,  über  ihren  alten  Gatten  gewonnen  haben 
wird.  Es  wird  ihr  daher  nicht  schwer  gefallen  sein,  denselben 
in  seiner  Todeskrankheit  zubewegen,  sein  Gut  ihrem  Neffen 
Liupold,  dem  Sohne  ihrer  vor  Jahren  verstorbenen  leiblichen 
Schwester  Elisabet  aus  der  Ehe  mit  Otakar  von  Steyr,  ver- 
mächtnisweise zuzuwenden  und  damit  den  Weg  zur  Nach- 
folge in  der  Mark  zu  bahnen.  Diese  letztere  ist,  nach  allem 
zu  schließen,  wieder  durch  Frauenhand  bewirkt  worden. 
Anhänger  der  alten  Theorie  werden  bezweifeln,  daß  die 
junge  Fürstin  so  bedeutende  Willenskraft  und  auch  Selbstlosig- 
keit besessen  habe,  wie  sie  der  erwähnte  Akt  voraussetzt;  sie 
vergessen  dabei,  wer  hinter  ihr  stand  und  die  eigentlich 
treibende  Kraft  war.  Damals  verwaltete  ihr  Bruder  Liu- 
pold lU.  die  Ostmark,  der  zwar  beraten  von  Anhängern  der 
strengeren  kirchlichen  Richtung  und  dieser  persönlich  zugetan, 
zugleich  jedoch  der  Meister  in  der  ,SchaukelpoHtik^  war,  die 
es  verstand,  im  Investiturstreite  an  der  Seite  des  Kaisers  zu 
bleiben,  ohne  es  mit  Rom  zu  verderben ;  eine  klug  berechnende 
Persönlichkeit,  die  sich  rechtzeitig  von  der  untergehenden  Sache 
des  Vaters  abwandte  und  dem  aufständischen  Sohne  zuneigte,  um 
mit  dem  Kaiserhause  sich  verschwägern  zu  können.  Wenn  daher 
Liupold  seine  junge  Schwester  dem  alten  Herzog  Heinrich  zusagte, 
hat  er  zweifellos  einen  Vorteil  für  sein  Haus  im  Auge  gehabt. 
Kinder  waren  aus  dieser  späten  Ehe  nicht  zu  gewärtigen,  der 
Vorteil  mußte  daher  anderswo  liegen.  Es  zeigte  sich  auch  nach 
dem  Ableben  des  Eppensteiners,  welche  Mission  Sophie,  ,das 
grüne  Reis  am  kahlen  Baum^,  zu  erfüllen  gehabt  hatte:  in  dem 
Gewinne  der  großen  Erbschaft  für  ihren  und  ihres  Bruders 
Neffen.  Wir  dürfen  aber  Liupold  auch  zutrauen,  daß  seinem 
weitschauenden  Blicke   die  iMöglichkeit   einer  Vereinigung   der 

*  Nach  Meiller,  Genealog.  Tabelle  der  Babenberg'or,  war  sie  ca.  1095  ge- 
boren; sie  starb  am  L*.  Mai  1154  als  Witwe  des  Grafen  Sighard  von 
Schala. 

Daß  Sophie  die  dritte  Hausfrau  des  Eppensteiners  war,  sagt 
Kaiser  Friedrich  1.  1170,  3.  März  (Steiormärkisches  Urkundenbuch  I, 
47H):  ,8t>pliia  uxor  ipsius  ducis  tercia.* 


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569 

Kärntner-  mit  der  Ostmark  nicht  entgangen  ist,  da  das  Hans 
der  Chiemgauer  keine  Seitenzweige  trieb  und  seit  dem  Tode 
des  Markgrafen  Adalbero  auf  zwei  Augen  stand. 

Selbstverständlich  ist  es,  daß  Liupold  dafür  gesorgt  haben 
wird,  seiner  Schwester  von  ihrem  alten  Bräutigam  ein  ent- 
sprechendes Wittum  zusichern  zu  lassen,  wie  er  dann  nach 
dem  Tode  ihres  Gemahls,  als  sie  zur  zweiten  Ehe  mit  dem 
Grafensohne  Sighard  von  Burghausen  schritt,  ihre  frühere 
Selbstverleugnung  mit  einer  stattlichen  Mitgift  belohnte. 

In  der  Tat  sprach  die  junge  Witwe  das  Tal  von  Aäenz, 
das  Kainachtal,  die  Weingärten  in  Oternitz  und  zwei  Herren- 
höfe im  Mürztale  an,  welche  ihr  Gemahl  schon  vor  Jahren  dem 
Kloster  St.  Lambrecht  verstiftet  hatte.  Sicherlich  hatte  eine 
Abmachung  mit  ihrem  Neffen  Liupold  stattgefunden^  weil,  un- 
geachtet aller  kirchlichen  Gesinnung,  weder  dieser  als  Vogt  des 
Klosters,  noch  dessen  Witwe  als  Vormünderin  des  jungen  Otakar 
ihr  hindernd  in  den  Weg  traten,  als  sie  sich  dieser  Güter  be- 
mächtigte. Das  KJoster  mußte  seine  Zuflucht  zum  Papste 
nehmen,  um  den  Vergleich  vom  19.  März  1151  zu  erzielen, 
wonach  sich  Sophie,  die  abermals  Witwe  geworden  war,  mit 
einer  Entschädigung  von  120  Mark  Silber  und  mit  vier  Höfen 
abfinden  ließ.^ 

Indem  ich  auf  diese  Weise  die  wirklichen  Beweggründe 
zu  dem  bisher  ganz  unmotivierten  Vermächtnisse  des  Eppen- 
steiners  herauszufinden  mich  bemüht  habe,  besorge  ich  nicht, 
bei  einsichtigen  Kritikern  dem  Vorwurfe  zu  begegnen,  ich  hätte 
modernes  Fühlen  in  alte  Geschichten  hineingetragen  oder  die 
Phantasie  zu  frei  walten  lassen.  Im  Gegenteile  habe  ich  bei 
Berücksichtigung  aller  Verhältnisse  und  Familienbeziehungen 
nur  auch  das  rein  Menschliche  nicht  aus  den  Augen  ver- 
loren; die  menschliche  Natur  bleibt  sich  immerdar  gleich  und 
der  juristische  Satz:  do,  ut  des,  facio,  ut  facias  hat  im  Mittel- 
alter nicht  geringere  Geltung  gehabt  als  in  der  Gegenwart. 
Freilich  gab  es  damals  keine  Memoiren,  welche  uns  nicht 
schriftUch  fixierte  geheime  Abmachungen  überliefert  hätten;  den 
wahren  Tatbestand  aus  formelhaften  Urkunden  herauszulesen 
und  aus  den  begleitenden  Umständen  zu  erschließen,  ist  eben 
die  schöne  Aufgabe  der  historischen  Forschung. 


1  SteiermErkisches  Urkundenbuch  I,  111,  117,  326,  478. 

38* 


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570 

Für  die  Fortdauer  der  Vereinigung  der  Mark  uiit 
dem  Herzogtume  unter  Heinrich  IIL  bis  zu  dessen  Hingange 
zeugt  auch  der  Titel,  welchen  derselbe  in  der  Gerichtsurkunde 
ddo.  Padua,  18.  März  1116^  führt.  Kaiser  Heinrich  V.  nennt 
ihn  jCharentanae  totiusque  Marchiae  dux*.  Wahnschaffe' 
meint  zwar,  daß  unter  totius  Marchiae  die  mit  dem  Dukate 
bisher  verbundene  Mark  Verona  mit  dem  Friauler  Komitate 
verstanden  sei.  Allein  Friaul  war  schon  seit  einem  Jahr- 
hunderte nur  eine  der  vielen  Grafschaften  der  Mark  Verona 
und  daher  ein  integrierender  Bestandteil  derselben,  die  Mark 
Krain  in  der  Innehabung  des  Patriarchen  von  Aquileja,  die  Mark 
Istrien  in  jener  des  Markgrafen  Engelbert.  Der  Ausdruck  tota 
Marchia  wäre  demnach  ein  überflüssiger,  wenn  darunter  nicht 
die  gesamte  Mark  Kärntens,  die  südwestliche  und  die  nordöst- 
liche, begriffen  wären. 

Diese  Deutung  gebietet  schon  die  Auslegungsregel,  sie 
wird  aber  auch  durch  Parallelstellen  gestützt.  Adalbero  L, 
Herzog  in  Kärnten  von  1012  bis  1035,  vereinigte  die  Verwal- 
tung der  beiden  Marken  mit  jener  des  Herzogtums.  In  zwei 
Urkunden  des  Frauenkonvents  S.  Zaccaria  in  Venedig  aus  den 
Jahren  1013  und  1017,'  welche  die  Verhandlung  und  Entschei- 
dung eines  Rechtsstreites  der  Nonnen  mit  dem  Kloster  St.  Giu- 
stina  zu  Padua  und  ein  Placitum  zugunsten  der  ersteren  be- 
treffen, heißt  der  Herzog  ,domnu8  Adalpero  dux  istius  marchiae', 
d.  h.  der  Mark  Verona,  in  welcher  er  zu  Gericht  saß;  das  ist 
doch  der  Gegensatz  der  Stilisierung  totius  marchiae. 

Dessenungeachtet  schien  zum  Schlüsse  doch  eine  Ur- 
kunde allen  entwickelten  Folgerungen  direkt  zu  wider- 
sprechen. 

Es  ist  die  von  Meiller*  angeführte  Urkunde  Kaiser  Hein- 
richs V.  ddo,  Mainz  1112,  16.  Juli,  für  das  Kloster  St.  Georgen 
an  der  Brigach  im  Schwarzwalde  ausgestellt  ,ob  interventum 
Moguntinensis  archiepiscopi  Adilberti,  Coloniensis  archiepiscopi 
Friderici,  Trevirensis  archiepiscopi  Brunonis,  Spirensis  episcopi 


^  Boehmer,  Acta  imperii  selecta,  S.  73,  Nr.  79. 

'  a.  a.  O.  80,  Anm.  241. 

'  Muratori,  Antichit^  Estensi  I,  85;  Antiquitates  Italicae  I,  169. 

*  Regesten  der  Babenberger,  S.  12,  Nr.  8,  nach  Schöpflin,  Alsatia  illustrata. 

Das  Kloster  stand  unter  Abt  Theoger,   dem  geistigen  Haupte  der  Hire- 

auer  Kongregation. 


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571 

Brnnonis  et  alioram  qnorundam  nostri  Regni  principum,  scilicet 
Linpoldi,  Odachori  et  Hermanni  de  Badun  marchionum. 
comitum  quoque  Willihelmi  de  Lnozzelinburc,  Gotefridi  de  Cal- 
win, Bertoldi  de  Nneringis.'  In  dieser  Textierung  wäre  zweifel- 
los Otakar  vom  Elaiser  als  Markgraf  anerkannt. 

Diplom  und  Überlieferung  forderten  gründliche  Unter- 
suchung. 

Die  von  Stumpf*  und  Dümge*  erhobenen  formellen  Be- 
denken wurden  von  Herrn  Prof.  Breßlau,  dessen  Gutachten  ich 
mir  erbat,  beseitigt.  Die  Wiederholung  einer  in  der  Königszeit 
ausgestellten  Urkunde  nach  der  Kaiserkrönung  ist  eine  ganz 
gewöhnliche  Erscheinung,  der  annus  regni  steht  wie  in  allen  Ur- 
kunden des  Jahres  1112;  der  annus  imperii  steht  richtig  II  (v  II). 
Auch  die  Intervenienten  geben  zu  keinen  Bedenken  Anlaß. 
Das  großherzoglich  badische  Landesarchiv  in  Karlsruhe,  an 
das  ich  mich  über  Anraten  wandte,  hatte  die  Güte,  den  ganzen 
ürkundenbetreflF  (3  Stücke)  zu  meiner  Einsicht  nach  Graz  zu 
senden. 

Das  Chartular  von  St.  Georgen  besteht  in  dem  Reste  von 
zwei  Blättern,  die  als  Einband  eines  Buches  gedient  hatten,^ 
enthält: 

a)  den  Schluß  der  in  Frage  stehenden  Urkunde  von  1112* 
von  [comjmonitus  si  in  satisfactione  congrua  bis  zu  Ende;  der 
übrig  gebliebene  Raum  der  zweiten  Spalte  ist  in  kleinerer 
Schrift  mit  der  Tradition  der  Freien  heilwidis  ausgefüllt. 

b)  Das  erste  Privilegium  König  Heinrichs  V.  ddo.  Mainz, 
1108,  28.  Jänner,  ausgestellt  ob  interuentum  Mogunsciensis 
archiepiscopi  Rödhardi,  Coloniensis  archiepiscopi  Friderici,  Treue- 
rensis  archiepiscopi  Brunonis,  Monasteriensis  Burchardi  et  aliorum 
quorundam  nostri  regni  principum,  im  ganzen  gleichlautend  mit 
der  Urkunde  von  1112,  nur  folgt  nach  dem  Schlußwort  noch 
ein  die  Klostergründung  in  Lukesham  betreffender  Passus,  dann 
ein  verschiedenes  EschatokoU. 

c)  Die  Urkunde  vom  Jahre  1163  (s.  1.),  womit  Kaiser 
Friedrich  I.  bestätigt,    daß  von  Folmaro  Metensi  aduocato  das 


*  Reichskanzler  3026.  •  Regesta  Badensia,  S.  30. 

*  Archivssignatur:    Karlsruhe,    Selekt   der    ältesten    Urkunden   bis    1200, 
Heinrich  V.,  Kopie  Nr,  A  16. 

*  Abgedruckt  bei  Huillard-BrehoUes,  Eist.  dipl.  Friderici  secundi  Via,  381, 
jedoch  nicht  völlig  genau. 


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572 

von  selbem  gegründete  Lncense  cenobinm  in  episcopatu  Metensi 
dem  Kloster  St.  Georgen  in  nigra  silna  ins  Eigentum  über- 
geben worden  sei.* 

Das  Vidimus  Kaiser  Friedrichs  II.  ddo.  Grosseto,  Dezem- 
ber 1245,*  im  Original  mit  Einschnitten  für  das  fehlende 
Siegel. 

Die  Nachbildung  der  Urkunde  von  1112  aus  dem  14.  Jahr- 
hunderte endlich  hat:  ,Lupoldi,  Odachorj,  Hermanni  de  Badin 
marchionum,  comitum  quoque  Willehelmi  de  luozzelinburC; 
Godefridj  decalwen,  Bertoldi  de  Nueringis.'  Augenscheinlich 
hat  der  Zeichner  nicht  ein  Original,  sondern  nur  das  Vidimus 
Friedrichs  II.  vor  Augen  gehabt;  aus  dem  Chartularfragmente 
selbst  war  nichts  zu  erfahren. 

Von  der  italienischen  Kanzlei  des  Kaisers  war  entschieden 
verlesen  der  Name  des  Zeugen  Bertold  de  Nueringis,  hinter 
dem,  wie  Herr  Dr.  Hans  Hirsch,  Mitarbeiter  der  Monumenta 
Germaniae,  vermutet,  der  junge  Bertold  von  Zähringen  (f  1122) 
verborgen  ist,  welcher  um  diese  Zeit  in  Urkunden  von  St.  Bla- 
sien  wiederholt  als  dominus  (nicht  dux)  de  Zaeringen  vor- 
kommt. Was  die  italienische  kaiserliche  Kanzlei  au  Namens- 
verunstaltungen verbrechen  konnte,  zeigt  das  Vidimus  1233, 
1.  März,'  der  angeblichen  Bestätigung  der  Stiftung  des  Klosters 
St.  Lambrecht  durch  Kaiser  Heinrich  IV.  vom  Jahre  1096,  die 
Kaiser  Friedrich  II.  im  guten  Glauben  als  echtes  Original  be- 
glaubigte. 

So  wird  auch  die  Namensform  Odachori  für  einen  guten 
deutschen  Namen  verlesen  worden  sein,  worauf  schon  allein 
die  damalige  politische  Lage  schließen  läßt.  Kaiser  Heinrich  V. 
hatte  im  Vorjahre  vom  Papste  Paschal  II.  die  Anerkennung  des 
königlichen  Investiturrechtes  erzwungen.  Die  kirchliche  Partei 
erhob  sich  jedoch  gegen  den  Vertrag  von  Ponte  Mammolo 
(11.  April  1111);  auf  dem  Laterankonzil  (18.— 23.  März  1112) 
wurde  das  ,pravilegium'  verworfen.  Der  Kaiser  mußte  schon  da- 
mals gewärtig  sein,  daß  der  Kampf  wieder  entbrennen  und  seine 
alten  Gegner  sich  wieder  zusammenschließen  werden;  es  ist 
gegen  alle  Wahrscheinlichkeit,  daß  der  kraftvolle  Herrscher,  um 


1  Auf  Blatt  2\ 

'  Signatur:  Selekt  der  Kaiser-  und  Königsnrkunden  Friedrichs  II.,  Nr.  37. 

'  Steiermärkisches  Urkundenbnch  I,  101—102. 


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573 

hartnäckige  Gegner  für  sieh  zu  gewinnen,  in  diesem  kritischen 
Augenblicke  so  kurzsichtig  gewesen  wäre,  dadurch  bewährte 
Freunde  von  sich  abzustoßen.  Da  er  zu  investieren  fortfuhr,  wurde 
er  schon  am  12.  September  1112  von  der  gallischen  Synode  von 
Vienne  in  den  Bann  getan,  Lothar  von  Sachsen  und  Rudolf 
von  der  Nordmark  erhoben  die  Waflfen,  auch  der  von  Heinrich 
aus  dem  Staube  erhobene  Erzbischof  Adalbert  von  Mainz  trat 
zu  den  Gegnern  über. 

Da  die  intervenierenden  Markgrafen  zum  größeren  Teile 
(Liutpold  III.  von  Österreich,  Hermann  von  Baden)  Süddeutsch- 
land angehörten,  ist  in  dieser  Richtung  wohl  auch  der  dritte 
ausfindig  zu  machen.  Dieser  dürfte  nun  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  Tietbald  H.  von  Vohburg  (f  1146)  gewesen  sein, 
welcher  die  Erhebung  Heinrichs  V.  zum  König  so  eifrig  be- 
trieben hat,  daher  ihn  Riezler  (Geschichte  Bayerns  I,  611) 
einen  der  Königsmacher  von  1105  genannt  hat,  und  gemeinsam 
mit  dem  Grafen  Berengar  von  Sulzbach  für  den  Kaiser  den 
Schwur,  welchen  dieser  am  9.  Februar  Uli  zu  Sutri  geleistet 
hatte,  in  Rom  wiederholte.^  Diese  drei  Markgrafen  (Hermann, 
Liutpold,  Tietbald)  waren  es  auch,  die  in  gleicher  Gemein- 
schaft die  ,in  presentia  et  nutu  et  auctoritate  Hainrici  impera- 
toris  quarti  augusti^  zu  Mainz  im  Jahre  1114  errichtete  Ur- 
kunde Herzogs  Heinrich  von  Kärnten  für  St.  Lambrecht*  be- 
zeugten. 

Ungeachtet  aller  Umstände,  welche  geradezu  auszuschließen 
scheinen,  daß  Otakar  von  öteyr  fast  unmittelbar  nach  der  Ge- 
fangennahme des  Papstes  sich  dem  Kaiser  Heinrich  V.  so  enge 
angeschlossen  haben  sollte,  daß  er  schon  im  Sommer  1112  als 
angesehener  Intervenient  bei  demselben  auftreten  konnte,  würde 
die  Kritik  immer  noch  das  Fehlen  eines  Gliedes  in  der  ganzen 
Beweiskette  zu  bemängeln  haben  und  sicherlich  die  Frage  auf- 
werfen: Auch  angenommen,  es  sei  von  der  italienischen  Kanzlei 
Friedrichs  II.  ebenso  wie  von  Berthold  von  Zubringen  der  vor 


*  Riezler,  Geschichte  Bayerns  I,  575,  680. 

*  Steiermärkisches  Urkundenbuch  I,  118:  ,8ub  testimonio  .  .  .  ducum  qiio- 
que  Welfonis  de  Bawaria,  Lotharii  ducis  de  Saxonia,  Friderici  ducis  de 
Swevia,  comitum  quoque  Gotfridi  palatini  comitis  (der  Gotfrid  von  Kalw 
der  Urkunde  1112,  der  nach  Stalin,  Geschichte  Wirtembergs  I,  256, 
1113  rheinischer  Pfalzgraf  geworden  war),  Hermanni  marchionis, 
Liytpoldi,  Tietbaldi  marchionis,  Berengarii  comitis/ 


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574 

diesem  stehende  Zengenname  der  Originalurkunde  verlesen 
worden,  wie  soll  dann  dieselbe  dazu  gekommen  sein,  für  den 
ihr  nicht  verständlichen  Namen  einen  ebenso  wenig  geläufigen, 
wie  Odachor  es  ist,  in  das  Vidimus  einzusetzen? 

Ich  glaube,  durch  eingehende  Nachforschungen  in  die 
Lage  versetzt  zu  sein^  auch  hierfür  eine  ausreichende  Erklärung 
zu  geben. 

Vor  allem  haben  wir  ganz  genau  den  Zeitpunkt  ins  Auge 
zu  fassen,  in  welchem  das  Transsumt  ausgestellt  wurde.  Es 
war  im  Dezember  1245  im  kaiserlichen  Winterquartier  zu  Gros- 
seto  in  Tuscien.  Seit  1239  stand  dem  Kaiser  als  Mitstreiter 
gegen  die  lombardischen  Städte  sowie  gegen  die  weltlichen  und 
geistlichen  WaflFen  des  Papstes  sein  natürlicher  Sohn  Enzio  zur 
Seite,  den  er  zum  König  von  Sardinien  erhoben  und  zu  seinem 
Legaten  in  Italien  bestellt  hatte.  Dies  führt  uns  auf  eine  kurze 
Betrachtung  der  Vergangenheit  Sardiniens.^ 

Die  Insel  Sardinien,  über  welche  der  römische  Stuhl  seit 
den  Tagen  Gregors  VII.  entschieden  die  Oberhoheit  ansprach, 
blieb  während  des  Investiturstreites  notgedrungen  außer  dem 
Machtbereiche  der  deutschen  Könige  und  Kaiser;  die  Sachlage 
änderte  sich  aber,  als  die  Staufer  den  deutschen  Thron  bestiegen. 
Schon  vor  seiner  Wahl  wird  Kaiser  Friedrich  I.  die  Insel  dem 
Bruder  des  Herzogs  Heinrich  von  Sachsen,  Weif  VI.,  zuge- 
sichert haben;  denn  wenige  Wochen  später  trägt  Weif  schon 
die  Titel:  Herzog  von  Spoleto,  Markgraf  von  Tuscien  und  Fürst 
von  Sardinien,*  in  einem  Qunstbriefe  für  Pisa  vom  9.  Februar 
1156^  nennt  er  sich  ,divina  favente  dementia  princeps  S ar- 
din ie,  dux  Spoleti,  marchio  Tuscie  ac  dominus  domus  Matilde^ 
Kaiser  Friedrich  betrachtete  demnach  vom  Anbeginn  seiner  Herr- 
schaft Sardinien  als  Reichslehen,  weshalb  er  sich  auch  für 
berechtigt  hielt,  dem  Richter  Barison  von  Arborea  im  Jahre 
1164   den  Königstitel   zu  verleihen,*  im   nächsten  Jahre  aber^ 


1  A.  Dove,  ,De  Sardinia  insula'  1866;  H.  Blasius,  ,E5nig  Ensio'  1884; 
Jaff^,  Bibliotheca  rer.  Germ.  II;  die  Regesta  Pontificom  Romanomm 
von  Jaffe  und  Potthast;  Codex  dipl.  Sard.  in  Monum.  bist  patriae, 
t.  X.  Tarin  1861.  In  geographischer  Beziehung  Neigebaur,  ,Die  Insel 
Sardinien*  1853. 

'  Riezler,  Geschichte  Bayerns  I,  664. 

»  Codex  dipl.  Sard.  I,  876.  ♦  a.  a.  O.  I,  228,  234,  240. 

«^  a.  a.  O.  232. 


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575 

die  ganze  Insel  mit  ihren  vier  Fürstentümern  Torre,  Gallura, 
Arborea  und  Cagliare  der  reichs-  and  kaisertreuen  Stadt  Pisa 
unter  Widerruf  des  Lehenbriefes  für  Weif  zu  Lehen  zu  geben. 
Während'der  Thronkämpfe  nach  dem  Tode  Heinrichs  VL  und 
während  der  Minderjährigkeit  Friedrichs  IL  erstarkte  wieder 
die  päpstliche  Gewalt,  bis  Kaiser  Friedrich  die  Gelegenheit 
ersah;  im  Jahre  1238  seinen  Enzio,  einen  ausnehmend  schönen, 
hochherzigen^  mit  allen  Rittertugenden  gezierten  Jüngling,  mit 
der  verwitweten  Herrin  der  Judikate  Turris  und  Gallura, 
Ädelasia,  zu  vermählen.  Zwar  wurde  über  letztere  ,wegen 
Bruches  des  Treueides  gegen  den  päpstlichen  Lehensherrn^  der 
Kirchenbann  verhängt,  aber  Enzio  kam  mit  ritterlichem  Gefolge 
auf  die  Insel  und  nannte  sich  fortan  König  von  Torres  und 
Gallura^  wenig  später  König  von  Sardinien.  Die  beiden  Fürsten- 
tümer wurden  für  ihn  jahrelang  verwaltet  und  noch  im  Jahre 
1248  schreibt  Papst  Innocenz  IV.,  daß  der  Bischof  von  Ploaghe 
von  den  Amtleuten  und  Helfern  Enzios  von  seinem  Sitze  ver- 
jagt worden  sei.^ 

Die  res  Sardoae  waren  demnach  damals  am  Kaiser- 
hofe aktuell;  sardinische  Namen,  zumal  jene  der  Magnaten 
und  der  Fürsten,  außer  allem  Zweifel  der  Kanzlei  sehr  wohl 
bekannt  und  mundgerecht. 

Auch  sprachliche  Gründe  streiten  gegen  die  Gleichung 
Odachor— Otacher.  Der  von  mir  in  der  Kaiserurkunde  bean- 
ständete Eigenname  Odachor  —  in  welcher  Form  der  Name 
Otachar  niemals  nachzuweisen  ist  —  zeigt  den  Auslaut  chor, 
welcher  im  11.  und  12.  Jahrhunderte  an  sardinischen  Namen 
beobachtet  wird,  welche  nicht  etwa  vereinzelt,  sondern  ziem- 
hch  häufig  bezeugt  sind,  daher  im  gewöhnlichen  Gebrauch  ge- 
wesen sein  müssen ;  selbst  die  Varianten  Orthocor  und  Othocor 
(im  modernen  Italienischen  Ottocore  lautend)  kommen  vor.  Die 
Anmerkung*   zählt   diese  Namen   und   auch   die   anklingenden 

*  a.  a.  O.  360. 

"  1073  Orzocco  (a.  a.  O.  166),  1074  Orzocor  (157),  1086  Orzocco  (157), 
ca.  1100  Orzoccor  (166),  1108  Orthocor  (182),  1112  Yttochor  (182), 
ca.  1112  Ithocor  de  atheu,  Ithocor  de  cerci  (184),  1113  iudex  Othocor 
de  GaUara  (186),  1113  Ithocor  de  Laccon,  Ithocor  de  athon  (186), 
1113  Izzocor  de  Laccon,  Izzocor  de  Bosoba,  Izzocor  de  Cerci  (188), 
1113  Izzoccor  de  Lacon,  Izzoccor  Laccon,  Uzzacor  de  Bosobe,  Iz- 
zocor de  Ceni  (189),  Ithocor  de  Athen,  Ithocor  (190),  1114/1115 
Orthoccor  Gallurensis  rex  (191),  1115/1116  Iudex  Ithocor  de  Galluri, 


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576 

auf,  die  zum  weitaus  größten  Teile  dem  Reiche  Enzios, 
zumal  dem  Judikate  Turris,  angehören. 

Nach  dieser  Darlegung  glaube  ich,  ohne  begründeten 
Widerspruch  besorgen  zu  müssen,  mit  der  bestimmten  Er- 
klärung schließen  zu  dürfen:  Odachor  ist  ein  sardinischer 
Name,  welchen  die  kaiserliche  Kanzlei  für  den  ihr  un- 
verständlichen richtigen  Zeugennamen  im  Vidimus  ein- 
gesetzt hat. 

Die  Wiedererwerbung  der  Eärntnermark  durch  das 
Chiemgauische  Haus 

ist  auf  ganz  andere  Weise  vor  sich  gegangen. 

Die  Weifen  standen  seit  dem  Jahre  1096  auf  kaiserlicher 
Seite;  dem  Herzoge  Weif  II.  war  in  Bayern  1120  sein  nicht 
minder  gut  kaiserlich  gesinnter  Bruder  Heinrich  IX.  (der 
Schwarze)  gefolgt.  Von  den  Töchtern  des  letzteren  war  Judit 
mit  Herzog  Friedrich  (dem  Staufer)  von  Schwaben,  Sophie  mit 
dem  jungen  Herzog  Berthold  III.  von  Zähringen  vermählt, 
Mathilde  heiratete  später  Tietbald,  den  Sohn  des  gleichnamigen 
Grafen   im   Nordgau   (Vohburg)    und    nach    dessen   Tode   den 


Ithocor  de  Flamen  (192),  1117  Thocor  de  Gunale,  Ithocor  de  Serra, 
Ithocor  de  Flumen  (196),  1120  Ithocor  de  Azzen  (200),  1131  Itho- 
cor de  Marthi,  Ithocor  quondam  Coinita(e)  de  Lacco,  Ithocor  de 
Calcafarre  (207),  1130  Izzochor  de  Athen,  Izzochor  Secce  ('210), 
1153  Ithocor  de  Lacon,  Ithocor  de  Bagnos  (219),  1182  Orzocho  de 
Lacon,  Orzocor  de  Lacon  Arboriscus  Curator  de  Barbaria  de  Meana 
(252),  1182/1183  donnigellu  Itochor  et  Itoicor  de  Lacon  (253),  1185 
Orzocor  de  Lacon  Sabin  curadore  de  parte  d'Usellos  (264),  1187 
Orthocco  Arbis,  Ithocoro  de  Varre  (261),  1188  Orzocor  de  Lacon 
Cnrator  de  Barberia  Dagusti  (262),  1195  Orzocor  sakellu  maiore  de 
buiachesos  (278),  1210  Ithocor  de  Navithan  (318),  1233  Arzocho  de 
Serra  (343),  1204  Ytochor  de  Thorum  (Potthaat  Regest  230u). 

Die  vorstehenden  Namen  finden  sich  hauptsächlich  in  Original- 
urkunden und  Ghartularien  der  Domkirchen  von  Genua  und  Pisa  sowie 
der  Klöster  Camaloli  in  Tuscien  (auch  Yallumbrosa  hatte  auf  Sardinien 
Besitz)  und  Monte  Cassino,  wohin  die  Fürsten  und  Magnaten  der  Insel 
stifteten;  denn  Sardinien  lag  im  12.  und  13.  Jahrhunderte  keineswegs 
außerhalb  des  Weltverkehres,  war  vielmehr  durch  die  rivalisierenden 
Machtbestrebungen  der  Päpste,  der  Freistaaten  Pisa  und  Genua,  zuletzt 
auch  des  Kaisertums  mit  dem  westlichen  Festlande  Italiens  enge  ver- 
bunden. 


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577 

Qrafen  Gebhard  von  Sulzbach,  Wulfhilde  endlich  den  Grafen 
Rudolf  von  Bregenz.  Als  Berthold  (juvenis  egregius,  impera- 
tori  fidelissimus^)^  noch  im  Jahre  1122  einen  gewaltsamen  Tod 
fand,  reichte  Sophie  dem  Sohne  Otakars  von  Steyr,  Liupold, 
die  Hand  zum  Ehebunde.^ 

In  diesem  Zeitpunkte  (1123)  war  die  Sachlage 
eine  völlig  veränderte.  Wenige  Tage  nach  dem  Hinscheiden 
des  alten  Otakar  (28.  November  1122)  war  auch  Heinrich  von 
Kärnten  in  das  Grab  gesunken  (4.  Dezember  1122),  das  Her- 
zogtum und  die  Mark  waren  gleichzeitig  erledigt.  Es 
unterliegt  wohl  keinem  begründeten  Zweifel,  daß  der  bei  dem 
Kaiser  hochangesehene  Herzog  von  Bayern  seinen  Einfluß  bei 
Hof  geltend  gemacht  hat,  daß  dem  Bräutigam  seiner  Toch- 
ter, welcher  durch  das  Vermächtnis  seines  Oheims  ohnehin  der 
bedeutendste  Grundherr  in  der  Mark  geworden  war,  die  er- 
ledigte Kärntnermark  übertragen  wurde;  das  Herzogtum 
Kärnten  trug  Engelbert  der  Spanheimer  davon.  Für  die 
bayrischen  Grafschaften  diesseits  des  Pirn  blieb  Liupold 
Mann  des  bayrischen  Herzogs;  eine  fernere  Abhängigkeit 
der  Mark  von  Kärnten  ist  nicht  beurkundet.* 

Jetzt  erst  —  nicht  vor  Sommer  1123  —  hielt  das  Chiem- 
gauer  Haus  seinen  Wiedereinzug  in  die  Mark;  der  bisherige 
Sitz  zu  Steyr  wurde  verlassen,  Liupold  schlug  seine  Residenz 
zu  Graz  auf.  Getreu  der  kirchlichen  Richtung  seines  Vaters 
schritt  der  neue  Markgraf  sofort  zu  einer  Klostergründung, 
Reun,  welche  nach  seinem  frühzeitigen  Tode  (1129,  26.  Oktober) 
die  Witwe  vollendete.*  Diese  wurde  auch  die  Vormünderin  seines 
Sohnes  Otakar;*  in   der  Zeit  ihrer  Regentschaft  (1129 — 1138) 


^  Ann.  Patherbr.  ad  1122.  Er  hatte  noch  am  23.  September  da«  Wormser 
Konkordat  bezeugt. 

•  Noch  am  30.  April  1123  (Oberösterreichiaches  Urkundeubuch  II,  159) 
weilte  der  marchio  Styrensis  Liutpold  zu  Steyr,  woselbst  er  dem 
Kloster  Garsten  die  demselben  von  seinem  Vater  Otakar  erteilten  Dona- 
tionen und  Freiheiten  bestätigte,  welcher  Umstand  für  die  Vermutung 
spricht,  daß  ihm  die  Verwaltung  der  Mark  erst  nach  diesem  Zeitpunkte 
übertragen  worden  ist. 

•  Interessant  ist  die  Übersicht  der  bajuvarisch-karentanischen  Panther- 
wappen bei  Anthony  von  Siegenfeld,  ,Daa  Landeswappen  der  Steiermark*, 
8.  362. 

^  Steiermärkisches  Urkundeubuch  I,  136,  174,  175. 

^  Derselbe  kann  firühestens  im  Jahre  1124  geboren  sein. 


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578 

wird  sie  die  Verwaltung  der  beiden  Grafschaften  zwi- 
schen der  Traun  und  der  Ens  und  im  Gebirge  aus  der 
Hand  gegeben  haben.  In  letzterer  erscheint  schon  1141* 
Hartnid  von  Ort  durch  diese  Bezeichnung  selbst  als  Inhaber 
der  Gerichtsgewalt  ausgewiesen;  die  erstere  wurde  wahrschein- 
lich schon  damals  den  Freien  von  Lengenbach  zu  Lehen 
gegeben.  Zwar  ist  erst  in  den  Exemtionsurkunden  für  St.  Flo- 
rian und  Kremsmünster  1212,  1213,  1219*  das  Gerichtslehen 
des  Domvogtes  Otto  von  Regensburg  in  dieser  Gegend  aus- 
drücklich bezeugt;  allein  auf  die  Innehabung  desselben  schon 
im  Laufe  des  12.  Jahrhunderts  weist  der  Umstand  hin,  daß  um 
das  Jahr  1185*  der  Ausgleich  des  Klosters  Admont  mit  dem 
Ritter  Friedrich  um  eine  Liegenschaft  zu  Stadelkirchen,  also 
im  Distrikte  des  Landgerichtes  zwischen  Traun  und  Ens, 
,mediante  Ottone  nobili  viro  de  Lengenbach'  zustande  kam, 
daher  anzunehmen  ist,  die  Streitsache  um  das  liegende  Gut  sei 
vor  die  Landschranne  gebracht  und  von  ihm,  dem  Richter, 
verglichen  worden.  Nachhin  trugen  von  den  Herren  von  Leng- 
bach das  Gericht  die  Dienstleute  von  Gleunk,  die  sich  nach 
der  Umwandlung  ihres  Sitzes  in  ein  Kloster  die  Burg  Volken- 
storf  bei  St.  Florian  erbaut  hatten,  zu  Afterlehen  und  nach 
dem  Aussterben  der  Domvögte*  unmittelbar  vom  Landesfürsten 
zu  Lehen.  Die  enge  Verbindung  der  HeiTcn  von  Lengbach 
mit  dem  Chiemgauer  Hause  geht  aus  der  Erzählung  des  Land- 
buches ^  hervor,  wonach  Herzog  Otakar  vor  dem  Gedinge  am 
St.  Georgenberg  um  den  Domvogt  Otto  (III.)  sandte  und  ihm 
Rapotenkirchen,  Kelch berg  und  Sitzenberg  überließ. 

Es  folgten  noch  in  der  Mark  die  Stiftungen  von  Spital 
am  Semmering  (1160),  von  Voran  (1163),  von  Seitz  (1165).^ 
Am  9.  Mai  1192  ging  der  letzte  Chiemgauer  zu  seinen  Vätern 
ein,  die  Kärntner  mark,  nun  Land  Steyr  genannt,  fiel  nach 
dem  Erbvertrage  von  1186  und  der  Belehnung  vom  Kaiser  an 
die  Babenberger. 


*  Oberösterreichiflches  Urkundenbuch  II,  194;  Mon.  Boic  FV,  408. 

^  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  II,  ö47,  660,  664,  668;  Urkunden- 
buch von  Kremsmünster  S.  74,  Nr.  67. 
'  Steiermärkisches  Urkandenbuch  I,  619. 

*  Stammtafel  bei  Meiller,  Reg.  der  Erzb.  von  Salzburg,  S.  538. 

*  Mon.  Germ.,  Deutsche  Chroniken  lü,  Abt.  II,  710. 
^  Steiermärkisches  Urkundenbuch  I,  396,  446,  46S. 


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579 

Wir  stehen  am  Schlüsse  der  Untersuchung  und  fassen 
ihre  Ergebnisse  zusammen: 

1.  Die  Vorfahren  der  steiermärkischen  Markgra- 
fen stammen  aus  dem  ChiemgaU;  in  welchem  sie  im  10. 
und  11.  Jahrhunderte  eine  Grafschaft  im  Süden  des 
Chiemsees  verwaltet  haben. 

2.  Die  Gleichstellung  der  Namensformen  Ozi  und 
Otakar  läßt  sich  weder  urkundlich  noch  sprachlich 
begründen;  sie  ist  von  älteren  Schriftstellern  in  An- 
lehnung an  die  Melker  Urkunde  und  an  die  Urkunden 
von  1027  und  1049  erfunden. 

3.  Das  Haus  der  sogenannten  Otakare  hatte  sein 
Stammgut  im  Chiemgau  und  kann  Besitz  und  Grafen- 
rechte  im  vormaligen  Traungau  erst  aus  der  Erb- 
schaftsmasse der  Lambacher  erworben  haben. 

4.  Der  erste  Kärntner  Markgraf  aus  dem  neuen 
Hause^  Otakar^  ist  spätestens  1066  aus  dem  Leben  ge- 
schieden und  hat  seinen  älteren  Sohn  Adalbero  als 
unmittelbaren  Nachfolger  in  der  Mark  gehabt. 

5.  Zwischen  Adalbero  und  den  Eppensteinern  in 
Kärnten  hat  kein  Kriegszustand  geherrscht,  wohl  aber 
zwischen  ihm  und  seinem  jüngeren  Bruder  Otakar, 
der  sich  von  einem  Gegenkönig  als  Markgraf  aufstel- 
len  ließ. 

6.  Nach  dem  Tode  Adalberos  fiel  die  Mark  an  Kärn- 
ten und  blieb  mit  diesem  Herzogtume  bis  zum  Er- 
löschen des  Hauses  Eppenstein  vereinigt. 

7.  Erst  nach  Eintritt  dieses  Ereignisses  wurde 
die  Mark  an  den  Neffen  Adalberos,  Liupold^  verliehen^ 
welcher,  um  die  rechtliche  Eigenschaft  des  von  seinem 
Vater  geführten  Titels  und  beanspruchten  Amtes  eines 
Markgrafen  nicht  in  Frage  zu  stellen,  den  Titel  von 
Steyr  beibehielt. 

8.  Die  ursprüngliche  Bezeichnung  der  Mark  (Kärn- 
ten, Kärntnermark)  erhielt  sich  gegen  die  nun  auf- 
kommende offizielle  ,Steyr'  noch  längere  Zeit  im  Volks- 
munde,^  bis  derselbe  der  neuen  Benennung  das  fest- 
gehaltene Suffix  jMark'  anhängte  und  so  die  Bezeich- 


*  Belege  im  Steiermärkischen  Urkundenbuch. 


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580 

nung  ^Steiermark'  schuf,   welche   seit   einem   Jahrhun- 
derte auch  die  offizielle  geworden  ist.^ 

9.  Otakar  ist  niemals  im  faktischen  Besitze  der 
Mark  gewesen;  er  blieb  Usurpator  des  Titels,  ein  Mark- 
graf ohne  Mark,  weshalb  er  auch  nur  von  seinem  Sitze 
Steyr  de  Styra  oder  Stirensis  genannt  wurde.  Er  ist 
aus  der  Markgrafenreihe  zu  streichen. 

Die  geschlossene  Reihe  der  Markgrafen  ist  demnach 
folgende : 

1.  Otakar  I.,  Graf  des  Komitates  ,Grabenstatt*  im  Chiem- 
gau,  wahrscheinlich  schon  seit  1050,  gestorben  auf  der  Pilger- 
fahrt zu  Rom  1065/1066.» 

2.  Adalbero  IL,  seit  1066,  gestorben  (22.  November)  1086 
oder  1087. 

3.  Herzog  Liutold  von  Kärnten,  seit  1087,  gestorben  1090. 

4.  Heinrich  UI.  von  Kärnten,  seit  1090,  gestorben  4.  De- 
zember 1122. 

5.  Liupold,  Neffe  Adalberos  H.,  seit  1123,  gestorben  26.  Ok- 
tober 1129. 

6.  Otakar  H.,  seit  1129  (unmündig  bis  1138),  gestorben 
auf  der  Pilgerfahrt  31.  Dezember  1164. 

7.  Otakar  III.,  seit  1165  (unmündig  bis  1177),  gestorben 
als  Herzog  9.  Mai  1192. 

Das  letzte,  nunmehr  das  leichteste  Stück  Arbeit  ist  die 
Würdigung  der 

Vorauer  Tradition. 

Nicht  sehr  lange  Zeit  ist  es  her,  daß  die  sogenannte  Über- 
lieferung ein  besonderes  Ansehen  genossen  hat.  Ausschlag- 
gebend sogar  wurde  sie  häufig,  wenn  urkundliche  Nachrichten 
nicht  aufzubringen  waren.  Man  übersah,  wie  kurz  das  Ge- 
dächtnis der  Menschen  selbst  in  der  Gegenwart  ist,  und  be- 
dachte nicht,  daß  es  in  der  Vergangenheit  ein  noch  kürzeres 
war.     Tatsachen,   schon  anfänglich  einseitig  aufgefaßt,   wurden 

verdunkelt,   bald   ganz   unterdrückt.     Dem  Vorauer  Fragment 

» 

^  Außer  im  großen  Titel  des  Monarchen. 

'  Die  Deutung  seines  Todestages  aus  den  Nekrologen  wurde  nicht  ver- 
sucht, ihr  müßte  ein  gpründliches  Studium  derselben  in  Hinsicht  der 
Zuverlässigkeit  und  des  Alters  der  Niederschriften  vorangehen. 


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581 

brachte  man  unbedingten  Glauben  schon  deshalb  entgegen,  weil 
die  Darstellung  nicht  über  die  Zeit  der  Otakare  hinausreichte 
und  aus  einem  von  dem  vorletzten  Otakar  gestifteten  Kloster 
stammte.  Die  zuverlässigste  Nachricht  über  die  Otakare  wäre 
naturgemäß  aus  ihrem  Hauskloster  Garsten  zu  erwarten  ge- 
wesen; allein  das  Interesse  der  dortigen  Mönche  ging  nicht 
über  den  Begründer  des  Benediktinerkonvents  hinaus,  ihre 
Annalistik  setzte  erst  später  ein  und  als  sie  endlich  nach  Jahr- 
hunderten daran  dachten,  die  Stiftung  in  Stein  zu  verewigen, 
waren  ihnen  nur  Falsifikate  geblieben,  die  ihnen  fingierte  An- 
gaben boten.  Wie  sollte  dann  in  dem  ein  Jahrhundert  später 
ins  Leben  gerufenen  Kloster  Voran  sich  eine  treue  Erinnerung 
an  die  Vergangenheit  bewahrt  haben  ?  Wie  die  Steinschrift  von 
Garsten  ist  nunmehr  auch  das  Vorauer  Fragment  als  eine 
Mischung  von  vielem  Unwahren  oder  Entstellten  mit  einigen 
wirklichen  Tatsachen  erkannt.  »Verlorene'  Nachrichten  hat 
der  Mann  nicht  benutzt,  es  müßten  denn  ebenfalls  FäL 
schungen  gewesen  sein;  wir  kennen  alle  seine  Quellen.  Es 
waren  die  Annalen  von  Salzburg  und  Admont  und  die  gleich- 
falls in  Admont  verfaßte  Lebensbeschreibung  des  Erzbischofs 
Gebhard  von  Salzburg,  sämtlich  dem  12.  Jahrhunderte  an- 
gehörig;  er  hatte  Kenntnis  von  der  Salzburger  Urkunde  vom 
Jahre  1049,  kaum  von  der  Melker.  Alles,  was  darüber  hinaus- 
ging, ist  seiner  Phantasie  oder  der  einseitigen  Richtung,  welche 
sich  die  Vergangenheit  nur  im  Lichte  der  Gegenwart  vorstellen 
konnte,  entsprungen.  Den  Stammbaum  der  Chiemgauer  mit 
durchaus  gleichen  Namen  verlängerte  er  auf  das  Geratewohl, 
Markgrafen  waren  ihm  alle;  den  Widersacher  der  Kirche  muß 
nach  seiner  Überzeugung  die  Strafe  des  Himmels  ereilen,^  des- 


^  Jeder  Widerstand  gegen  materielles  Interesse  einer  Kirche  schien  die 
Strafe  des  Himmels  herauszufordern,  selbst  wenn  derselbe,  wie  in 
dem  zweiten  der  folgenden  Beispiele,  rechtlich  begründet  war.  So 
ist  dem  Traditionsbuche  von  Berchtesgaden  der  freie  Herr  Wernhard 
von  Jolbach  (Stammvater  der  Schaunberger)  ,quidam  tyrannus  animae 
suae  inimiciis*,  weil  er  eine  Seelgerätstiftung  Meginhards  von  Rotenhof 
anfocht,  bis  Propst  Eberwin  ca.  1130  ,iramensam  maliciam  atque  in- 
saciabilem  avariciam  eiusdem  praedonis*  mit  einer  Geldsumme  abfand; 
der  Titel  dominus  wird  ihm  erst  bei  Ausstellung  der  Verzichtsurkunde 
zuteil.  (Quellen  und  Erörterungen  I,  26*2,  307.)  In  welch  falschem 
Lichte  würde  uns  dieser  angesehene  Mann  erscheinen,  wäre  uns  nur 
die  Schilderung  des  Berchtesgadener  Kanonikers  erhalten  geblieben? 


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582 

halb  läßt  er  Adalbero  erschlagen  und  erfindet  zur  besseren  Be- 
glaubigung seiner  Erzählung  einen  Ort  ,Julben*.  So  bestimmt 
er  dieses  gewaltsame  Ende  weiß^  so  lückenhaft  und  unsicher 
ist  seine  Kenntnis  der  Erwerbungen  der  Chiemgauer. 

Die  Schreiblibung  der  unbekannten  Hand  von  Voran,  die  so 
großes  Wirrsal  angerichtet  und  noch  zuletzt  mit  so  vielem  Eifer 
verteidigt  wurde,  hat  einer  auf  den  Grund  gehenden  Unter- 
suchung nicht  standzuhalten  vermocht.  Ich  glaube  keinem 
Widerspruche  zu  begegnen,  wenn  ich  das  Rösumö  mit  den 
Worten  schließe: 

Der  Vorauer  ,Tradition'  ist  das  Requiem  gesungen, 
sie  wird  nimmermehr  zum  Leben  erwachen. 

Die  abschließende  Darstellung  des  Besitzes  der  Otakare 
westlich  von  der  Traun  und  im  Norden  der  Donau,  des  ein- 
gehaltenen Modus  bei  der  Teilung  des  Lambachschen  Nach- 
lasses unter  die  Erbsinteressenten,-  der  Rechtsnachfolge  der 
Schaunberger  im  Lambachschen  Eigen  zwischen  Hausruck  und 
Traun  muß  der  nächsten  Abhandlung  ,Hausruck  und  Atergau' 
vorbehalten  bleiben,  da  dieselbe  von  Folgerungen  aus  der  Ent- 
wicklung des  Besitzstandes  im  11.  und  12.  Jahrhunderte  ab- 
hängig gemacht  ist,  für  welche  hier  Anlaß  und  Raum  nicht 
gegeben  sind. 

Die  Klarstellung  der  Geschicke  der  Kärntnermark  wäh- 
rend des  Investiturstreites  bringt  noch  einen  weiteren  Ge- 
winn: den  Schlüssel  zur  Beantwortung  der  immer  wieder 
gestellten  Frage  nach  der  Entstehung  der  Frenz-  und 
Laussagrenze  zwischen  dem  heutigen  Lande  ob  der  Ens  und 
Steiermark.  Zuerst  Herrschaftsgrenzen  zwischen  den  Gütern 
Steyr  und  Admont^  sind  Bäche  und  Täler  zuletzt  Landesgrenzen 


Nicht  viel  besser  würde  es  dem  ,Yir  valde  eminens*  Adalbert  von 
Perge  ergangen  sein,  hätte  er  nicht  doch  noch  seinen  Widerspruch 
gegen  die  Überlassung  eines  Gutes  zu  Meisching,  welche  das  Kloster 
Wilhering  von  dem  Eigenmann  Adalberts  in  allodialer  Eigenschaft  be- 
gehrt und  erhalten  hatte,  zurückgezogen,  ungeachtet  das  Geschäft  vor 
Herzog  und  Landrecht  für  ungültig  erklärt  worden  war.  Denn  selbst 
dann  noch  spricht  der  Aussteller  der  besiegelten  Traditionsnotiz  Abt 
Gebhard  davon,  daß  Adalbert  ,futurara  divini  examinis  discussionem*  zu 
fürchten  hatte  und  aus  dieser  Rücksicht  Gott  und  seiner  Mutter  Ge- 
rechtigkeit widerfahren  ließ  (1161,  Oberösterreichisches  Urkunden- 
buch  II,  316). 


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583 

geworden.^  Diese  Herrschaftsgrenzen  hat  denn  auch  der  Er- 
wählte von  Salzburg;  Philipp,  sorgfUltig  eingehalten,  als  er  zur 
Besetzung  des  Enstales  schritt. 

Die  Landgerichte. 

Die  Entwicklung  der  alten  großen  Landgerichte  und  deren 
allmähliche  Zersplitterung  in  kleinere  und  kleinste  Sprengel  ist 
in  den  Erläuterungen  nahezu  erschöpfend  zur  Darstellung  ge- 
langt. Hier  wird  daher  nur  das  nachgetragen,  was  dort  von 
der  Erörterung  ausgeschlossen  wurde,  weil  es  den  Zusammen- 
hang und  die  Übersicht  zu  gefährden  drohte. 

I.  Die  Herrschaft  Steyr 

war  in  seiner  ältesten  Begrenzung  der  untere  Enstalgau,  wel- 
chen der  Gegenmarkgraf  allein  gegen  seinen  Bruder  Adalbero 
behauptet  hat.  Das  Urbar  stieß  im  Westen  an  jenes  des  Hoch- 
stiftes Wirzburg,  an  welches  es  durch  Bischof  Adalbero  gelangt 
war.  Die  Grafschaftsrechte  scheinen  jedoch  durch  den  Lauf 
des  Steyrflusses  begrenzt  gewesen  zu  sein  und  nur  bei  Leon- 
stein über  denselben  hinausgereicht  zu  haben,  einerseits  weil 
das  Landgericht  zwischen  der  Traun  und  der  Ens  mit  jenem 
Anteile,  welcher  nachhin  das  Landgericht  Losensteinleiten 
bildete,  bis  zur  Landstraße  zwischen  (Bad)  Hall  und  Steyr 
heranreichte,  so  daß  die  Landgerichte  Hall  und  Steyr  nur 
mittels  eines  schmalen  Straßenstreifens  zusammenhingen  und 
andererseits  noch  im  Jahre  1621*  von  der  Herrschaft  Gschwendt 
der  Anspruch  auf  die  Ausdehnung  ihres  Landgerichtes  bis  an 
den  Burgfrieden  der  Stadt  Steyr  aufrecht  erhalten  wurde.  Daß 
vor  Zeiten  Steyrdorf  und  Aichet,  also  der  am  linken  Ufer  der 
Steyr  belegene  Teil  des  Stadtburgfriedens,  zum  Landgerichte 
zwischen  der  Traun  und  der  Ens  gehört  haben  werden,  darauf 
deutet  auch   die  längere  Jahre  eingehaltene  Gepflogenheit  der 


*  Noch  1675  war  die  Grenze  an  der  Mündung  der  Laussa  unsicher,  erst 
durch  Vergleich  vom  13.  September  1709  wurde  das  Bachbett  als 
Grenze  zwischen  Steyr  und  Admont  festgestellt  (Konfinstreit  1563—1770 

72 

Signatur  Bbb  — -  im  Stiftsarchive  Admont). 

*  Urbar  von  Gschwendt  vom  Jahre  1621  im  fürstlich  Auerspergschen 
Archive  zu  Losensteinleiten. 

ArehiT.  94.  Band,  II.  H&Ifto.  39 


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584 

Stadt  Steyr  hin,  in  Bjriminalfällen  den  Waldboten  (praeco)  von 
den  Herren  von  Volkenstorf  und  Losenstein  zur  Besetzung  des 
Malefizrechten  zu  erfordern.^ 

Für  die  Vermutung,  daß  der  Bezirk  des  nachmaligen 
Landgerichtes  Hall  ursprünglich  der  Grafschaft  zwischen  der 
Traun  und  der  Ens'  zuständig  gewesen,  spricht  auch  der  Um- 
stand, daß  der  Herrschaft  Qschwendt  der  Wildbann  innerhalb  der 
Haller  Markungen  (von  der  Krems  und  Ahrmühle  zu  ünterrohr 
längs  der  Schamstraße  [alten  Steyrer  Straße]  bis  zum  oberen 
Kaumberger  zu  Hilbern,  bis  zum  Koppen  in  Oberhamet  Ort- 
schaft Pesendorf  über  die  Kamerhub  bei  Gunersdorf  bis  zur 
Steyr,  diese  ab  und  ab  bis  zum  Parschallernberg  und  Grind- 
berg* zustand,  doch  wohl  als  ehemaliger  Landgerichtsobrigkeit. 

In  den  Erläuterungen  wurde  bereits  ausgeführt,  daß  ein 
Richter  zu  Hall  nicht  vor  dem  Jahre  1292  nachweisbar  ist,  was 
mit  der  Annahme  stimmt,  daß  sowohl  die  Abtrennung  des 
Gerichtsbezirkes  Hall  als  auch  die  Erweiterung  des  Land- 
gerichtes der  Herrschaft  Steyr  erst  aus  dem  Zeiträume  stammt, 
in  welchem  die  Landgerichtsbarkeit  den  Volkenstorfern  verloren 
gegangen  war,  also  zwischen  den  Jahren  1255  und  1282,*  sei  es, 
daß  dieselbe  schon  von  König  Otakar  gelegentlich  seiner  Organi- 
sierungsakte oder  erst  nachmals  von  Albrecht  verftlgt  worden  ist. 

Von  dieser  Zeit  an  zerfiel  das  Herrschaftsgebiet  von 
Steyr  in  zwei  Landgerichte:  jenes  von  Hall*  und  jenes   von 

^  Preuenhueber,  Ann.  Styrenses,  S.  167.  Urfehde  Hansen,  Stefan  des 
Oreuzlein  Sohn  von  Eremsmünster,  vom  Jahre  1404  auf  Barbara,  Haus- 
frau des  Pflegers  zu  Steyr  Wilhelm  von  Ror  .  .  Hans  z.  d.  z.  Waldbot 
zwischen  der  Ens  und  Traun,  Richter  und  Rat  zu  Steyr. 

*  Urbar  Gbchwendt. 

Und  nach  dem  Urbar  der  Herrschaft  Steyr  von  1658,  das  auf  die 
Zeit  Ferdinand  Hofmanns  (f  1573)  zurückgeht,  stand  auf  der  Steyr  von 
der  spritzenden  Mühle  (am  Steyrleitnerbach)  an  dem  Lenggraben 
bis  unterhalb  der  Scharmühle  das  Fischereirecht  der  Herrschaft  Steyr 
gemeinschaftlich  mit  Losensteinleiten  und  Kloster  Garsten  zu, 
was  vermuten  läßt,  der  Sprengel  des  ersteren  habe  vormals  bis  an  die 
Steyr  gereicht 
^  Oberösterreichisches  Urkundenbuch  HI,  548. 

*  Die  Grenzen  beschreibt  ein  Blatt  einfacher  Abschrift  im  Archive  Spital 
am  Pyrn  (Bd.  135,  neu  Bd.  693)  soc.  XVII  unter  der  Aufechrift:  ,Halle- 
rischer  Landgerichts  Gezierk  folgendermaßen: 

Das  Hallerische  Landgericht,    welches  durchgehends  eines 
freien  aigenthombs   und   von  alters  hero  negst  der  Statt  Steyr  auf  dem 


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Steyr.^  Letzteres  wurde  von  Hans  aus  (d.  h.  von  Steyr  aus) 
verwaltet,  wie  das  Urbar  der  kaiserlichen  Herrschaft  Steyr  vom 
Jahre  1658*  bemerkt,  jedoch  wurde  der  Landrichter  von  Hall 
im  Bedarfsfalle  auch  im  Landgerichte  Steyr  verwendet.*  Der 
Landrichter   hatte   zu  Hall   in    der  Hofmarch,    wie  von    alter 

Stainfeld  bey  der  steinern  gattem  Seylln  oberhalb  der  Statt  Steyr  Hoch- 
gericht sich  anfanget  und  gehet  neben  der  Steyr  hinauf  auf  Sieming- 
hofen,  Neuzeug,  Pichlern  hinein  in  Stainpach  an  die  Steyrleithen  Mühl 
(wo  das  Leonstainische  und  der  Herrschaft  Steyr  Landgericht  sich 
schaydet),  alsdann  auf  den  Grabmayrhof  in  der  Pemzell  neben  dem 
Fach  hin  bis  auf  den  Krankhopelhueber  (Krampenhuber),  hinumb  auf 
die  Kappenreuth,  von  dannen  auf  den  Löblpaum  (Loibl)  des  Herrn 
Pfarrers  zu  Gmundt  unterthan,  sodann  auf  das  Jägerhaus  (im  Brand), 
wo  das  Pemstainerische  und  der  Herrschaft  Steyr  (d.  i.  Hall)  Land- 
gericht sich  schaydet  Alsdann  auf  den  Nußbach  herunter  auf  Wartberg, 
neben  der  Orembs  hinunter  bis  auf  die  Grembsmünsterische  halbe 
Prucken  und  halben  Steg  unterhalb  Crembsmttnster  bei  der  Schiedlmühl, 
von  dannen  wider  nach  der  Grembs  hinab  auf  die  Pruckmühl,  auf  den 
Schiedlperg,  von  dem  Schiedlperg  hinab  auf  ober  Prunnem  wie  die 
Welser  StraB  yon  obbenanter  Pruckmühl  hergehet  und  das  Halleri- 
sche wie  auch  Losenstainleith-  und  Gschwenderische  Landgericht  sich 
schaiden  thuet,  also  daß  herwerths  gegen  Steyr  nach  ernanter  Weiser- 
straßen an  der  linken  band  liget  Losenstain  und  Gschwendtnerisch, 
das  andere  aber  auf  der  rechten  seithen  gegen  Haal  der  herrschaft 
Steyr  gehören  thuet,  wiewohlen  die  Herrschaft  Gschwendt  und  Losen- 
steinleithen  der  herrschaft  Steyr  disen  gezirk  in  etwas  strittig  gemacht 
und  dannenhero  dises  ganz  Negotium  auf  vortsezung  der  noch  yor- 
lengst  heryber  von  hof  aus  angeord tuet  Khay:  Comen  beruhet,  von  ob- 
berüehrten  Prunern  bis  auf  den  Pach  (soll  heißen  Berg)  Schallaberg 
(^Parschallem)  und  gar  hinunter  bis  auf  das  Stainfeld  zu  anfangs  ge- 
sezter  Gatterseylln,  welcher  gezierck  sich  wenigist  auf  10  bis  12  Meyll 
wegs  erstreckt,  worinen  gar  keine  Stett,  sondern  von  Steyr  aus  die 
obbenanten  Dörfer  Sieming,  Sieminghofen,  Neuenzeug,  Holz  bei  Stain- 
bach  (Grünburg),  in  der  Mitte  der  Marckt  Haal,  wie  auch  die  adelichen 
Süz  Müllgrueb,  Feyregg,  Hehenberg  und  Crembsegg,  die  unterthanen 
aber  Sieming,  Waldtneukhirchen ,  Grienperg,  Khirchdorf,  Khematen 
und  Pfarrkhirchen  Pfarm  gelegen  sein,  und  ist  beinebens  die  herrschaft 
Haal  kheinem  frembden  Landgerichtsherrn  auf  ihren  aigenthomblichen 
vndterthanen  grundt  oderPoden  ainiches  Landgerichtliches  Jus  bestendtig. 

^  Grenzbeschreibung  im  Anhang,  Beilage  Nr.  XVU. 

Vom  Urbaramt  Weyer  des  Klosters  Garsten  findet  sich  in  dessen 
Akten  im  Diözesanarchive  keine  Grenzbeschreibung  vor. 

'  Blatt  650,  651   im  gräflich  Lambergschen  Archive  im  Schlosse  Steyr, 
M.  S.  m,  268. 

•  Georg  Plattl  nennt  sich   1677,   1.  September,  Landrichter  zu  Hall  und 
der  Herrschaft  Steyr  (Hofkammerarchiv,  S.  26/2). 

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herkomen  zu  hausen  und  zu  wohnen,  auch  bei  einer  Burger- 
schaft daselbst  und  andern  zum]  Landgericht  gehörigen  Unter- 
tanen sowol  als  auch  in  der  Herrschaft  Steyr  Landgericht  ob 
guter  Mannzucht  zu  halten^^  Eine  förmliche  Exemtion  von 
dem  Landgerichte,  wie  andere  Städte  und  Märkte,  genoß  der 
Markt  Hall  nicht,  obwohl  demselben  einige  Untertanen  in  Wald- 
neukirchen und  besondere  Befreiuungen  zustanden.* 

Das  kaiserliche  Schloß  und  ,Burckgepeu'  zu  Steyr  bildete 
eine  Enklave  im  Burgfrieden  der  Stadt  und  war  von  der 
Gerichtsbarkeit  derselben  ,in  allen  Zivil-  und  Kriminalsachen 
ganz  völlig  separiert,  abgesondert  und  befreyet^*  Ausgeschieden 
vom  Burgfrieden  waren  laut  Vergleiches  vom  21.  Oktober  1606 
das  Schloß,  der  Hofgarten  mit  dem  Mairhäusl  und  die  Hof- 
gasse vom  Schloßtore  bis  zu  dem  unteren  Tore.* 

Die  Freiheiten  der  Stadt  Steyr  reichen  sicherlich  ins 
12.  Jahrhundert  zurück,^  sie  waren  jedoch  nicht  verbrieft.   Erst 


^  Bestallungsbrief  Kaiser  Rudolfe  IL  für  Hieronymus  Pruner  ,Landrichter 
unsers  Landgerichts  bei  unserer  Herrschaft  Steyr  und  Hall  in  der  Hof- 
march*.  1579.  a.  a.  O. 

'  Als  Landrichter  ist  zuerst  Heinrich  von  Rappach,  Burggraf  datz  Ror 
und  Richter  daz  Hall  in  der  Hofmarche  1303,  27.  Dezember  (Urkunden- 
buch  von  Kremsmünster,  S.  162,  163,  Nr.  146,  147),  aufzufassen.  Der 
Albertus  judex  in  Hall  1278,  1.  Juni  (Archiv  für  österr.  Geschichte 
LXXII,  228),  der  auch  1292,  im  Juli  (Oberösterreichisches  Urkunden- 
buch  IV,  170)  vorkommt,  ist  sicherlich  nur  der  Marktrichter. 

Der  ,gevogte*  Markt  Hall,  wie  selben  Kaiser  Max  I.  in  dem  Frei- 
briefe 1498,  21.  Juli,  nennt,  hatte  nur  Vogtrecht  zu  leisten  6  ^,  die 
Marktkämmerer  2  ^,  die  Marktholden  in  Waldneukirchen  6  ß  10  /^ 
(Dopsch,  a.  a.  O.  181,  Nr.  60).  Graf  Maximilian  von  Trauttmansdorff, 
welchem  Kaiser  Ferdinand  HI.  laut  Diplom  vom  1.  Juni  1644  den  ge- 
vogten  Markt  Hall  mit  den  drei  Ämtern  Ober-Hofmarch  (mit  178), 
untere  Hofmarch  (mit  281)  und  Nieder-Rohr  (mit  19  Untertanen)  für 
ein  Darlehen  von  125.000  Gulden  rhein.  verpfändete,  schuf  daraus  1650 
ein  Fideikommiß,  das  jetzt  auf  eine  Wiese  reduziert  ist;  das  Schloß 
(Haus  Nr.  1)  zu  Hall  wurde  bei  der  freiwilligen  Versteigerung  am 
21.  Mai  1860  mit  Grundstücken  im  Ausmaße  von  9  Joch  804  Quadrat- 
klafter von  den  Ehegatten  Karl  und  Anna  Masarei  erstanden. 

«  Urbar  vom  8.  Juli  1667,  Blatt  3,  M.  S.  HI,  270  im  Schloßarchive  Steyr. 

*  a.  a.  O.,  Streitakt  Kasten  H,  Lade  28,  im  Stadtarchive  in  Steyr.  Erläute- 
rung des  Vergleiches  ddo.  19.  November  1613,  genehmigt  von  der  nieder 
österreichischen  Kammer  22.  Mai  1614  daselbst.  Vgl.  Prenenhueber,  S.  338. 

*  Um  1187  wird  im  Garstner  Kodex,  Fol.  60,  Olricus  iudex  de  Styre  an- 
geführt.    Oberösterroicliisches  Urkundenbuch  I,  l85. 


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Herzog  Albrecht  I.  bestätigte  dieselben  am  23.  August  1287:^ 
yPrimo  quod  nullus  Judex  provincialis  infra  terminos  Hof- 
marchie  in  casu  quocumque  vel  causa  Judicium  sibi  yendicet 
seu  judicare  presumat  causis  sanguinis,  que  mortem  continent, 
tumtaxat  exceptis,  que  si  emerserint,  ad  easdem  iudicandas  per 
judicem  civitatis  ipsius,  qui  pro  tempore  fuerit,  preco  provin- 
cialis qui  vulgo  waltpot  dicitur  est  vocandus.'  Die  erste  Ver- 
leihung des  Blutbannes  an  einen  Stadtrichter  erfolgte  1495,* 
die  älteste  Beschreibung  der  Markungen  des  Burgfriedens 
stammt  aus  dem  15.  Jahrhunderte.'   Die  Grenzen  des  städtischen 


*  OberOsterreichisches  ürkundenbuch  IV,  66,  69. 

'  Preuenhueber,  167. 

'  AuBzvLg  aus  dem  alten  Stadtbache  im  Streitakte  (S.  686,  Anm.  4)  Blatt 
184'  bis  186*. 

fies  Ersten  yor  St.  Gilgenthor  hebt  sich  der  Burgfridt  an  von 
der  Enß  underhalb  des  Porchholz  (Pruckholz  rad.),  auf  der  rechten 
band  in  den  üartweg  zwischen  den  hensem  durch  das  Krechsental 
genant  (Kraxental  yor  Garsten)  unzt  in  das  Samingdorf  (Saming)  auf 
Garstner  StraB  gegen  der  Statt,  unzt  zu  der  Stigl  am  hof  bei  der 
Linden  genant,  nochmaln  von  derselben  Stigl  auf  der  denken  Hand 
neben  des  genanten  hofis  Leithen  hinumb  unzt  in  den  Driebswinckl 
genant,  über  die  wisen  und  den  pach  hinauf  unzt  in  die  Straß  und  in 
derselben  StraB  gegen  der  Statt  unzt  wider  zu  demselben  Pach  (an 
welchem  noch  ein  paar  Marksteine  stehen  geblieben  sind),  und  nach 
dem  Pach  (sog.  Tenfelsbach)  hinab  zu  dem  wasserfahl  unzt  in  die  Steyr 
und  dan  durch  die  Duen  unzt  an  die  stainen  Gatter  Seiln  enhalb 
der  Stejr,  und  was  also  Ton  der  Ens  unzt  an  die  Steyr,  die  voran- 
gezaigten  Straß  und  weg,  heuser  und  grün  dt  auf  der  rechten  selten  be- 
greift, ist  im  Burkfridt.  Item  enhalb  der  Steyr  hebt  sich  der  Burkfridt 
an  auf  dem  Stainfeldt  bei  der  stainen  Gatterseilen  herauf  von  der 
Steyr  wasserfluß,  nochmalln  von  derselben  Gatterseiln  gerechen  auf  der 
dencken  selten  nach  dem  Graben  unzt  auf  halbe  Leuthen  und  nach 
derselben  halben  Leuthen  gegen  der  Statt  unzt  an  den  Oelgraben  und 
in  den  graben  der  halben  Leuthen  hinab,  oberhalb  des  Stadihof  und 
under  dem  holz  daselbs,  und  darnach  unzt  an  der  Stainer  (Dorf  Stein) 
grundt  und  Acker  zum  Graben,  nach  demselben  Graben  hinab  auf  der 
Gleinker  und  Stainer  straß  unzt  zu  der  Marter  Seylen  bei  der  Linden, 
weiter  über  die  Stainer  Straß  neben  dem  graben  des  Stadihofs  gründt 
unzt  an  die  Prehofe  Leuthen,  von  dannen  an  des  Schlüßlhofs  grundt 
unzt  hinab  an  die  Ens,  und  was  also  von  der  stainen  Gatterseulen 
gegen  der  Statt  auf  der  rechten  band  unzt  an  die  Steyr  Gründt  sein, 
ist  alles  im  Burkfridt. 

Item  so  hebt  sich  der  Buridridt  an  underhalb  des  Ensdorf  an  der 
Ens  bei  dem  Saichgraben  genant,  von  demselben  Graben  herauf  an  die 
Leuthen   underhalb   des  Lochs   bis   an   den  Staingraben  oberhalb   des 


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Burgfriedens  und  die  Ausübung  der  Halsgerichtsbarkeit  gaben 
vielfach  Anlaß  zu  Mißhelligkeiten  zwischen  der  Herrschaft  und 
den  Pfandherren  einerseits  und  der  Stadt  andererseits,  wovon 
noch  Annalen  und  Akten  weitwendig  zu  erzählen  wissen. 

Die  Herrschaftsämter  Neustift,  Pfnurreut,  Eberseck  und 
Windhag  genossen  von  altersher^  manche  Befreiungen  und 
hatten  eine  alte  gemeinsame  Dingstatt  in  der  Raming  (Klein- 


Topfenhoft,  nach  dem  Püchel  hinauf  zwischen  der  Fischhueb  gründt  und 
der  Oammerhofs  gründt,  an  der  hohen  Leuthen  hinauf  oberhalb  des 
Khuepergs  unzt  an  des  Schwarzhofs  gründt  hinab  auf  die  Ens,  alles  auf 
der  rechten  band  das  ist  im  Burkfridt.* 

Die  Grenzen  des  Burgfrieds  gegen  die  Hofmark  des  Klosters 
Garsten  sind  in  dem  Vertrage  vom  13.  März  1584^  in  allen  Einzelheiten 
beschrieben. 

Die  RichtstStte  der  Stadt  befand  sich  am  Föhrerschacher  (Dachs- 
berg) rechts  von  der  Straße  nach  Hall  (Ecke  der  Katastralgemeinde 
Steyr  außerhalb  Aichet).  Die  Herrschaft  verlangte,  daß  sich  die  Stadt 
des  Hochgerichts  allein  mit  ihrem  Konsens  bediene.'  Hinrichtungen 
von  Verbrechern  fanden  statt  in  den  Jahren  1878,  1495,  1534,  1677.' 

Der  Burgfried  des  Schlosses  Losenstein  ging  nach  dem 
Pantäding  von  Losenstein  vom  Jahre  1543^  ^Schloß  aus  hinunder  zur  Ens 
und  hinein  nach  der  Ens  bis  zu  des  Pocken  an  der  Gstetten  Steyrischen, 
vnderthans  wisl,  von  danen  in  des  Pruner  graben  auf  und  auf  bis  zum 
hangenden  Stain  an  der  Wassersaig.  Von  disem  Stain  nach  des  Langen 
Wegers  Holz  oder  waidt  so  mit  gehägern  eingefridt  ist,  bis  zu  des 
Flickers  Wassergraben,  in  selbem  Graben  fort  unzt  auf  die  Prandstatt, 
von  danen  auf  die  Hueb,  von  der  Hueb  im  Graben  hinauf  bis  zur 
obem  Staingrueb  und  hinauf  zum  Creuz,  vom  Grenz  herab  in  Döller- 
graben,  in  disem  Graben  hinaus  in  den  Laussabach,  welcher  ein  Rain- 
pach  ist;  in  demselben  hinaus  an  die  Ens  und  nach  der  Ens  wider- 
umben  zum  Schloß.*  Die  Freiung  außerhalb  der  Dachtropfen  wurde  jedoch 
mangels  Ausübung  nicht  behauptet,  da  die  Herren  von  Losenstein  noch 
im  14.  Jahrhundert  sich  nach  dem  Schlosse  Leiten  (Losensteinleiten)  zogen, 
das  Schloß  Losenstein  zur  Ruine '^  verfiel,  welche  seit  einem  Dezennium 
unter  der  Obhut  des  Landes  Oberösterreich  steht,  nachdem  ein  Privatverein 
dieselbe  von  dem  rustikalen  Eigentümer  aus  eigenen  Mitteln  käuflich 
erworben  hatte. 
Urkundliche  Nachweise  in  Mitt.  des  Inst,  für  österr.  Geschichtsforschumg 


1  Orig.  Perg.  mit  fQnf  H&ngesiegeln  im  StadtarduTe  Steyr. 
»  Streitakt,  Pol.  7,  wie  Tor. 

*  Preaenhneber,  61,  215,  254,  294. 

*  Urbar  von  Losenstein  vom  Jahre  1665,  Blatt  2,  im  ArchiTe  za  Losensteinleiten. 

>  Im  Haaptrepertohnm  Losensteinleiten,  II.  Teil,  Blatt  703  (im  Linzer  Mnseum)  findet 
sich  die  Anmerkung,  dafi  das  Schloß  seit  dem  letzten  Burggrafen  Yinzenz  Ammetsberger 
in  die  dreihundert  Jahre  (von  1760  znrüekgerechnet)  unbewohnt  und  ohne  Dach  ge- 
wesen sei. 


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raming),  jedoch  keine  Freiung  von  dem  Landgerichte;^  dagegen 
hatte  ,der  Freithof  in  Steinbach  an  der  Steyr  Freiung,  der 
Landrichter  von  Hall  durfte  nicht  weiter  greifen  ;dan  an  die 
pruck  im  Stainpach^* 

Mit  dem  Amte  Pfrinnreut  —  wie  der  Name  jetzt  ge- 
schrieben wird  —  Pfarre  Neustift,  lauter  einschichtigen  Häusern, 
welche  zwischen  dem  Landgerichte  Behamberg  —  Kirnberg 
und  dem  südöstlichen  Teile  des  Landgerichtes  Ens  lagen,  griff 
das  Landgericht  der  Herrschaft  Steyr  nach  Niederösterreich 
über,  ohne  daß  sich  zu  .irgendeiner  Zeit  eine  Änderung  der 
heutigen  Landesgrenzen  nachweisen  läßt. 

Exemt  waren  die  Untertanen  von  Steyr  in  allen  Land- 
gerichten. 

Die  Landgerichtsmarken  von  Leonstein  werden  von  Hans 
Wilhelm  Herrn  von  Zelking  in  dem  Doppelurbar,  aufgerichtet 
am  1.  Juli  1591,'  im  folgenden  beschrieben:  .Als  nach  der 
Steyr  hinein  hebt  sichs  an  bei  der  sprüzenden  Müll  an  der 
Steyrleuthen  Im  Pemzellerpach  mitten  aufm  Stegen  und  gehört 
am  ganzen  Wasserstromb  der  Steyr  als  Leonstainischer  Visch- 
waidt,  so  weit  das  Wasser  braidt  ist,  aufwerts  bis  an  die 
Rambsau  Pruggen,  darnach  heraußerhalb  von  der  Teufengraben 
Pruggen  an  aufwerts  ins  geschröf  (sog.  Planwipfel)  gen  Stein- 
müllen, von  dannen  ab  zum  Reingrueb,  nachn  wasser  (Riener- 
bergerbach)  in  Rinnerperg  und  aufm  Podingstain  nach  der 
Wienzn  (Winznergut)  aus  übern  Jungwierthsberg  hin  aufn 
ungerpüchel,  darnach  von  dannen  in  der  Pernzell  abwerts  und 
nach  den  Leonstainerischen  Vrbarsgründten  bis  wider  zur  vor- 
bemelten  sprüzeten  Müll  in  die  Steyr/ 

Diese  Markungen  waren,  bevor  die  Zelkinger  in  den 
Posseß  des  Halsgerichtes  gelangten,  jene  der  Herrschaft  Steyr 
und  mutmaßlich  die  Westgrenze  des  einstigen  Enstalgaues. 

II.  Das  Landgericht  zwischen  der  Traun  und  der  Ens. 

Die  ursprüngliche  Ausdehnung  dieses  Gerichtes  gegen 
Süden  wurde  bereits  in  den  Erläuterungen  angedeutet ;  Südost, 
lieh   reichte  es  wahrscheinlich  von   dem  Zusammenflusse   der 


^  Rügbüchlein  der  vier  Ämter,  sec.  XYI,  in  der  Lambelschen  Weistümer- 

sammlnng. 
'  Rügbüchlein  des  Amtes  Steinbach  daselbst. 
'  Im  gräflich  Thürheimsehen  Archive  zu  Weinberg. 


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Steyr  und  der  Ens  die  erstere  aufwärts  bis  zum  Einfalle  des 
Steyrleitner  oder  Pernzeller  Baches  über  die  Berge  zum  ^Brand^ 
dem  Nußbach  entlang  bis  zur  MtLndung  des  letzteren  in  die 
Krems  oberhalb  Wartberg. 

Von  diesem  Punkte  aus  haben  wir  keine  ältere  Land- 
gerichtsgrenze; doch  kommt  uns  jene  von  Ort  zu  Hilfe,  deren 
nördlicher  Verlauf,  soweit  Urkunden  und  Akten  zurückreichen, 
keiner  Veränderung  unterworfen  war  und  daher  wohl  als  alte 
Grafschaftsgrenze  erkannt  werden  darf.  Sie  endet  bei  Falken- 
oren  an  der  westlichen  Laudach,  nachdem  sie  vom  Traunfalle 
herwärts  einen  schwachen  Bogen  beschrieben  hat.  Die  ur- 
sprüngliche Markung  der  beiden  Grafschaften:  im  Flachlande 
inter  amnes  und  jener  in  den  Bergen  wird  sich  demnach  von  dem 
bezeichneten  westlichen  Fixpunkte  bis  an  die  Krems  im  Osten 
erstreckt  haben.  Selbstverständlich  kann  sie  nicht  mit  völliger 
Genauigkeit  bestimmt  werden.  Da  jedoch  die  Vermutung  nahe- 
liegt, daß  man  bei  der  Abteilung  des  Landgerichtes  Scharn- 
stein  im  vorletzten  Dezennium  des  16.  Jahrhunderts  älteren 
ehemaligen  Grenzen  nachgegangen  ist,  so  dürfte  sie  von  Fal- 
kenoren  aus  südlich  von  Vorchdorf  zur  Alm  gelaufen  sein  und 
von  dieser  an  die  Markungen  der  nachmaligen  Landgerichte 
Wimsbach  und  Kremsmünster  eingehalten  haben,  also  über 
Teuerwang,  Spildorf,  Rürendorf  und  Voitsdorf  bei  dem  Kalch- 
mairgute*  zu  Penzendorf  (das  noch  vor  hundert  Jahren  zu 
Voitsdorf  gezählt  wurde)  die  Krems  erreicht  haben,  welche 
dann  bei  Wartberg  vorbei  bis  zum  Nußbach  den  Abschluß  ge- 
bildet haben  mag. 

Bis  hierher  ungefUhr,  anderthalb  Stunden  südlich  von 
Krerasmünster,  muß  die  alte  Zent  sich  erstreckt  haben,  weil 
noch  im  Jahre  1217  das  Kloster  Kremsmünster  mit  dem 
größeren  Teile  seiner  Eigenleute  ihr  angehörte  und  schon  des- 
halb die  im  Jahre  1394*  bezeugte  Ausdehnung  des  Land- 
gerichtes Schlierbach  bis  zur  Traunbrücke  zu  Wels  erst  nach 
dem  genannten  Zeitpunkte  herbeigeführt  worden  sein  kann. 

Das  im  Laufe  des  13.  Jahrhunderts  durch  Gebietsabtre- 
tungen an  das  Landgericht  der  Herrschaft  Steyr  um  Gleunk 
und   Hall   sowie   au    das  Landgericht  Schlierbach   verkleinerte 


^  Im  Volkflmunde  »Kalimair*,  demnach  Calhoh  villicua. 
'  Urkundenbuch  von  Kremamünster,  S.  346,  Nr.  326. 


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Landgericht  wurde  von  seinen  Inhabern,  den  Dienstherren  von 
Voikenstorf,  noch  vor  Ablauf  des  zweiten  Dezenniums  des 
14.  Jahrhunderts  unter  sich  geteilt.  Noch  im  Jahre  1317  ver- 
walteten sie  es  zur  ungeteilten  Hand;  denn  in  dem  Satzbriefe 
Ortolfs  des  Aspech  und  seiner  Hausfrau  Ofmey  um  ihren 
Sedelhof  in  der  Tenn  auf  das  Kloster  St.  Florian  vom  4.  Mai 
1317^  heißt  es,  daß  die  Urkunde  siegelten  ;her  Hainrich  der 
elter  von  Volchenstorf  und  her  Alber  und  her  Hadmar  von 
Chreutzen  und  her  Hainrich  der  jung  von  Volchenstorf,  in 
der(en)  gericht  derselb  hof  leit^  Dagegen  sagt  Hainricus 
senior  de  Volchenstorf,  wie  er  am  24.  April  1318  die  Stiftung 
eines  Jahrtages  durch  Albert  von  Wald  auf  der  Hube  auf  der 
Straß  bestätigt:  ,et  quoniam  sepedicta  huba  in  districtu 
mei  iudicij  extat  sita',  haben  er  und  sein  Sohn  Heinrich 
ihre  Siegel  angehängt.  Ebenso  hängt  am  4.  Juli  1318  an  den 
Satzbrief  um  den  Hof  in  dem  Hag  Pfarre  Wolfem  ,der  edle 
Herr  Her  Heinrich  von  Volchenstorf  der  alte,  in  des  land- 
gericht  der  vorgeschriben  Hof  leit*  sein  Siegel. 

Der  Wechselbrief  Hertweichs  des  Gugenpergers  um  seine 
Hub  Mousnest  vom  12.  März  1332  ist  versehen  mit  dem  Siegel 
,mines    herren   hern  Albern    von  Volchenstorf,    in    des   lant- 
geriht   iz   leit^*     Der   Kaufbrief  um  das    Fischlehen   in  der 
Zistel  gelegen  bei  der  Traun  hat  das  Siegel  ,herren  hainreichs 
von  Volkchenstorf,  in   des   gericht  dieselb   vischwaid   ge- 
legen  ist';   ddo.  27.  April  1343.^     Mit  derselben  Begründung 
hängt  Heinrich   von  Volkenstorf  sein  Siegel  an  den  Kaufbrief 
um  die  Mühle  an  der  Krems  und  ein  Lehen  und  eine  Hofstatt 
in  Rapeswinkl   (bei  Weißenberg),   ddo.  31.  März  1348,  um  ein 
Gehölz  aus  dem  Sulzhof,  ddo.  27.  Oktober  1343  und  den  Hof 
an  der  Wies  Pfarre  (Nieder-)  Neukirchen. ^ 

Entgegen  siegelten  den  Satzbrief  Ortolfs  des  Aspechen  um 
den  Hof  ,datz  Tenne*:  ,her  Otte  von  Chreuzen  und  her  Hain- 
rich von  Volkenstorf,  in  der  gericht  der  selb  hof  leit.*  Ur- 
kunde vom  24.  April  1301.'' 


Oberösterreichisches  Urkundenbach  V,  185. 

a.  a.  O.  208.  «  a.  a.  O.  220. 

Oberösterreichisches  Urkondenbuch  Y,  54. 

a.  a.  O.  449. 

a.  a.  O.  VI,  456,  525,  VH,  61. 

a.  a.  O.  388. 


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592 

Alber  der  Volkenstorfer  zu  Kreuzen  und  sein  Sohn  Otto 
versetzten  jedoch  im  Jahre  1338  ihren  Anteil^  das  nachmalige 
Landgericht  Losensteinleiten,  den  Dienstherren  von  Losenstein, 
wozu  (,das  Gericht  ob  der  Ens')  Herzog  Albrecht  II.  als  Lehen- 
herr am  22.  Dezember  1338^  die  Zustimmung  erteilte.  Mit 
diesem  Satz,  der  nie  mehr  eingelöst  wurde,  traten  die  Losen- 
steiner in  die  Gemeinschaft  der  Verwaltung  der  Land- 
gerichte zwischen  der  Traun  und  der  Ens  ein;  das  versetzte 
Drittel  —  sagt  Otto  von  Volkenstorf  am  24.  April  1347*  —  ,ist 
ir  gancz  und  gar*.  Während  noch  im  Jahre  1333  (6.  Mai)' 
Herzog  Albrecht  II.  einen  Streit  des  Klosters  Garsten  der 
Gerichtsbarkeit  wegen  gegen  die  Volkenstorfer  (Albrecht  und 
Heinrich)  allein  entschied,  hatte  es  der  Abt  im  Jahre  1358 
schon  mit  jenen  ,von  Losenstein  und  von  VolchenstorP  in  der- 
selben Sache  zu  tun,^  und  nachmals  am  29.  September  1381^ 
erklärte  Herzog  Albrecht  um  die  ,chrieg  und  stözz'  zwischen 
Abt  Niklas  von  Garsten  und  Hertneid  dem  Losensteiner  und 
Jörg,  Ortolf  und  Hans  von  Kreuzen  (zu  Gschwendt)  den  Volken- 
storfern,  welche  die  Gerichtsbarkeit  auf  den  Kiostergütern 
beanspruchten,  daß  es  bei  dem  Ausspruche  seines  Vaters 
Albrecht  (II.)  das  Verbleiben  habe. 

Bei  der  (ideellen)  Abteilung  des  Landgerichtes  1317/1318 
war  schon  vereinbart  worden,  daß  die  Untertanen  des  einen 
Teiles  von  der  Landgerichtsbarkeit  des  andern  ausgenommen 
seien,  wenn  sie  in  dessen  Distrikte  rücksässig  waren,  wie  fol- 
gende zwei  Urkundenauszüge  vom  Jahre  1325  dartun:  ,Ich 
Seybolt  von  Volkenstorf  bechenn  als  ich  meinem  prueder  Hain- 
reich von  Volkenstorf  mein  tail  landgerichtz  zwischen  Ens 
und  Traun  verkauft  han^  darin  er  mein  Holden  gerichts 
frey  gelassen  hat'  und  ,Ich  Albrecht  von  Volkenstorf  ver- 
gich  das  ich  verkauft  hab  das  drittail  an  dem  landgericht 
zwischen  der  Traun  und  der  Ens  herrn  Seybolten  von 
volkenstorf  ausgenomen  mein  holden  dy  suUen  ungericht- 
messig   sein'.^    Diese   gegenseitige    Exemtion    der   einzelnen 


^  a.  a.  O,  VI,  285.  •  a.  a.  O.  VH,  12.  »  a.  a.  O.  VI,  93. 

*  Gerichtsbrief  Herzogs  Albrecht  vom  16.  Mai  1368  a.  a.  O.  678. 

'^  Urkundenregesten    in    dem    fleissigen  Werke  Ferdinands    Wirmsberger 
(t  19.  Mai  1863):  Die  Dynasten  von  Volkenstorf.    Wels  1863. 

•  Register  aller  Lehnpuecher,  Lehenzetl,  Erbbrief,  Kaufbrief,  Geltschuld- 
brief oder  was  Brief  und  Zetl  nach  dem  Tode  Wolfgangs  von  Volkenstorf 


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593 

Herrschaften  von  der  Jurisdiktion  der  anderen  Qerichtsteilhaber^ 
blieb  bis  zum  Jahre  1850  bestehen. 

Daß  das  Landgericht  zwischen  der  Traun  und  der  Ens 
fortwährend  als  ein  Ganzes  betrachtet  wurde,  zeigen  nicht  bloß 
die  landesflirstlichen  Lehenbriefe,*  sondern  auch  die  Kund- 
schaft des  langjährigen  Landrichters  Sixtus  Ziegler  aus  der 
ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts,  ein  Unikum,  welches  über 
das  Wesen  des  Gerichtes  und  dessen  Rechtsgewohnheiten  klare 
Auskunft  erteilt  und  deshalb  in  der  Beilage  I  vollständig  ab- 
gedruckt ist.*  Die  Grenzbeschreibungen  der  Teilgerichte 
Gschwendt  und  Losensteinleiten  sind  aus  den  Urbaren  dieser 
Herrschaften  von  1621  und  1662,*  jene  der  Teilgerichte  Tillys- 
burg,  Weißenberg  und  Stein  aus  dem  oberösterreichischen  Amts- 
schematismus vom  Jahre  1827^  in  den  Beilagen  IH — VII  ab- 
gedruckt. 

Die  Herrschaft  Tillysburg  mit  dem  Landgerichte  kaufte 
das  Stift  St.  Florian  am  28.  Mai  1764  von  Ludovika  Freiin 
von  Weichs,  welche  dieselbe  durch  Vergleich  mit  den  Gläubi- 
gern ihres  verstorbenen  Gemahls  erlangt  hatte.  Nach  einem 
nur  77jährigen  Besitze  verkaufte  das  Stift  an  Karl  Grafen 
Ohegerty  und  dessen  Gemahlin  Franziska,  geborene  Gräfin 
Sternberg-Manderscheid  am  15.  Juli  1841  das  Schloß,  den  Meier- 
hof, das  Gartenhaus  und  das  ehemalige  Dienerhaus  mit  einem 
Grundkomplex  von  51  Joch  205  Quadratklafter,  dann  am 
S.August  1844   weitere   77   Joch   244  Quadratklafter  Gründe; 


den  Vettern  und  Brüdern  Wigoleis,  Jörig  und  Hadmar  von  Volkenstorf 
eingeantwortet  wurden,  im  Faszikel  I  der  Verwaltungsakten  von  Nieder- 
walsee im  Archiv  zu  Greinburg.  In  selbem  Register  ein  Lehenbrief 
Herzogs  Albrecht  V.  auf  Christoph  den  Volkenstorfer  über  ,das  gericht 
zu  Kurenperg  und  Pehaymperger  pfarr*.    1424. 

'  Sie  war  im  Jahre  1634  erneuert  worden  (Archiv  Losensteinleiten,  Lade 
59,  Nr.  24). 

'  Sie  lauteten  stets  auf  ein  Dritteil  oder  zwei  Dritteil  des  Landgerichtes 
zwischen  der  Traun  und  der  Ens. 

'  Archiv  Losensteinleiten,  Lade  62,  Faszikel  1,  Nr.  5. 

^  Ebendaselbst;  im  Urbar  von  Gschwendt  fehlt  der  Anfang  mit  einem 
Teile  der  Beschreibunng.  1418, 19.  Mai,  kommt  Hans  von  Ryczenwinkchl, 
Richter  in  der  Gschwendt,  vor. 

'  Die  Schematismen  enthalten  auch  alle  Distriktskommissariate,  Lei- 
tungsobrigkeiten, Herrschaften,  Landgüter  und  Freisitze  sowie  die  ge- 
schlossenen und  exemten  Kriminalgerichte. 


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594 

der  Rest,  die  Untertanen  und  die  Landgerichtsbarkeit  ver- 
blieben dem  Stifte.^ 

Die  Herrschaft  Weißenberg  brachte  1758  das  Kloster 
Kremsmünster  durch  Kauf  an  sich;  die  hohe  Gerichtsbarkeit 
ging  mit  dem  Jahre  1850  unter ,  das  Schloß  wurde  am 
29.  April/ 1.  Mai  1906  an  den  Fabrikanten  Richard  Porik  ver- 
äußert.* 

Der  Markt  Neuhofe n  genoß  dem  Landgerichte  Gschwendt 
gegenüber  insofeme  Freiung,  als  streichende  Diebe  im  Markte 
einzuziehen  und  nach  altem  Herkommen  am  dritten  Tage  in 
die  Herrschaft  zu  antworten  waren.* 

Das  Aigen  zu  Alhaming  hatte  einen  befreiten  Burgfried; 
jeder,  der  in  die  ^Freiheit'  floh,  hatte  drei  Tage  Schutz,  war 
aber  nach  Verlauf  dieser  Frist  ,gen  Erlagattem'  auf  Erfordern 
der  Herrschaft  zu  überantworten.* 

Die  Freiung  zu  Otstorf  ging  ,von  dem  Talpach  uncz  in 
den  Tutenpach  in  Talhaimer  pharr  gelegen^^ 

Über  das  Wesen  dieser  Freiung  enthält  der  Abschnitt 
,Frau  Benedikta  von  Julbach'  in  der  nächstfolgenden  Abhand- 
lung: Hausruck  und  Atergau  —  vollständige  Aufklärung;  sie 
gehörte  ursprünglich  hinüber  zu  der  Grafschaft  westlich  der 
Traun. 

Nach  dem  Briefe  des  Bischofs  Wigileus  von  Passau,  ddo. 
7.  August  1516,^  womit  er  die  aus  dem  Jahre  1439  beglaubigten 
Freiheiten  der  Bürger  von  Ebelsberg  bestätigte,  ging  ,der  Purg- 
frid  von  Ebelsperg  dem    Markt  bis  gen  Urfar  und  außerhalb 


^  Instrumentenbach  der  alten  Landtafel  in  Linz. 

'  Neue  oberösterreichische  Landtafel. 

'  Pantäding  von  Neuhofen  im  Urbar  von  GJschwendt. 

^  Pantäding    von    Alhaming    daselbst.      Die    Eigengüter,   Zinse,  Gülten 

und   Lehen   zu   Alhaming   verkaufte    das   Domkapitel    Bamberg    1S98, 

25.  Juli,  an  Reinprecht  von  Walsee;   Alhaming  dürfte  einen  Bestandteil 

des  predium  Slierbach  gebildet  haben. 
*  Lehenbrief  des   Grafen  Johanns    von  Schaunberg   vom  Jahre  1427   im 

Schaunberger  Lehenbuche,  sec.  XV. 
^  Pantäding    von   Ebelsberg.    Perg.  10  Folien   in  Holzdeckel,  Kopie   im 

allgemeinen    Reichsarchive   in  München,    Repert.  Hochstift  Passaa  362, 

Fol.  8\ 

Wörtlich  enthalten   in  dem  Urbar  der  Herrschaft  Ebelsberg  vom 

Jahre  1668,  Fol.  20,  woselbst  sich  auch  ein  Grundriß  von  G.  Beatler 

findet. 


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595 

von  Urfar  in  graben  zn  den  Siechen,  von  den  Siechen  auf  im 
graben  bis  an  das  Ensholz^  vom  Ensholz  an  das  Schlüsslholz^  vom 
Schlüsselholz  gen  Paumgarten,  von  Paumgarten  in  das  Vischdorf, 
von  Vischdorf  an  dy  Traun,  von  der  Traun  herab  gen  Ebelsperg 
und  mitten  in  der  Traun  in  die  Naufart^  Die  Landgerichte  Weißeu- 
berg  und  Tillysburg  erkannten  jedoch  diesen  Umfang  nicht  an, 
weshalb  mit  diesen  beständige  Streitigkeiten  obschwebten.  Wegen 
des  Anspruches  der  Herrschaft  Ebelsberg  auf  eine  Freiung  von 
Goldwöi*t  im  Landgerichte  Hartheim  entspann  sich  zwischen  ihr 
und  dieser  Landgerichtsobrigkeit  ein  weitwendiger  Prozeß,  wel- 
cher in  der  Abhandlung  über  das  Hausruckviertel  zur  Sprache 
kommen  wird. 

Zum  Landgerichte  der  Stadt  Ens  wird  nachgetragen,  daß 
von  den  Akten,  welche  1862  vom  Gemeindeausschusse  ver- 
kauft wurden,  ein  Teil  von  dem  Archivar  des  Deutschen  Ordens 
Beckh -Widmanstetter  erworben  wurde,  aber  nach  dessen  Ab- 
leben wieder  in  andere  Hände  geriet,  so  daß  Enser  Archivalien 
jetzt  allerorten  werden  aufgesucht  werden  müssen,  wenn  es 
einmal  zur  Ausarbeitung  einer  Geschichte  dieses  wichtigen  Ge- 
meinwesens kommen  sollte.^ 

Das  Schloß  Spllberg,  auf  einer  felsigen  Donauau  erbaut, 
war  ursprünglich  nur  mit  den  beiden  kleinen  Burgfrieden  von 
Langenstein  und  Au  am  linken  Stromufer  versehen,^  dehnte 
aber  seinen  Anspruch  auch  auf  eine  Freiung  am  rechten 
Donaugestade  aus,  auf  welchem  Häuser  zu  Lorch,  Ainsiedl, 
Eristein,  Enghagen  und  Kronau  dahin  unterworfen  waren. 
Schließlich  nahm  der  Schloßherr  Helmhart  Christoph  Graf  von 
Weißenwolf  das  volle  Blutgericht  in  Anspruch,  ließ  einen 
Pupillen  namens  Veit  Gruber  wegen  Verbrechens  der  Bestialität 
in  Langenstein  ausheben,  nach  Spilberg  führen,  daselbst  hin- 
richten und  dessen  Leichnam  zu  Staub  und  Asche  verbrennen. 
Darüber  wurde  von  dem  Landgerichtsherrn  Ferdinand  Lorenz 
Franz  X.  Grafen  von  Tilly  zu  Tillysburg  1692  bei  der  Landes- 


*  Das  Stadtarchiv  zu  Ena  bestand,  als  ich  dasselbe  am  19.  Juni  1902  be- 
suchte, aus  den  in  14  Kartons  verwahrten  Urkunden,  von  welchen 
manche  sowie  das  Repertorium  selbst  abgängige  waren,  aus  dem  Urbar 
des  Spitals,  aus  dem  pergamentenen  Kopialbuche  vom  Jahre  1397,  aus 
dem  Kopialbuche  vom  Jahre  1572  und  einigen  Bänden  Stadt-  oder  Ur- 
kundenbuch  aus  dem  16.  und  17.  Jahrhundert.     S.  Beilage  II. 

«  Vgl.  Archiv  für  österr.  Geschichte  CXCIV,  291,  292. 


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596 

hauptmannschaft  in  Linz  die  Gewaltklage  eingebracht.  Da  der 
Kläger  mit  einer  Keihe  von  Fällen  aas  den  Jahren  1600^  1627^ 
1646;  1657,  1668,  1692  die  Ausübung  der  Kriminalgerichts- 
barkeit auf  Spilbergschem  Herrschaftsboden  nachweisen  und 
durch  einen  Auszug  aus  dem  (inzwischen  leider  verloren  ge- 
gangenen) Volkenstorfer  Haupturbar  ^  dartun  konnte,  daß  Spil- 
berg  nicht  zum  Machlandviertel  gehöre,  und  die  Einwendung 
des  Geklagten,  daß  die  Naufart  der  Donau  vormals  zwischen 
Spilberg  und  dem  rechten  Stromufer  gewesen  sei,  keinen 
Glauben  verdiene,  so  erging  das  am  9.  April  1699  eröffnete 
rechtliche  Urteil  der  Landeshauptmannschaft:  Dem  Beklagten 
habe  nicht  gebührt,  gegen  Veit  Gruber  die  landgerichtliche 
Verfahrung  alda  zu  Spilberg  vorzunemben  und  selben  auf  der 
Insul  durch  den  Scharfrichter  hinrichten  zu  lassen»  der  Beklagte 
habe  60  Taler  Urteilstaxe  und  die  Kosten  der  Rechtsflihrung 
zu  zahlen. 

Es  blieb  sonach  dabei,  die  Herrschaft  Spilberg  habe 
die  Malefikanten  an  das  Landgericht  Tillysburg  zur  Über- 
nahme auf  dem  Johannsanger,  gegenüber  dem  Schlosse,  aus- 
zuliefern. 

Endlich  im  Jahre  1783  wurde  Spilberg  durch  Überein- 
kommen mit  dem  Stifte  St.  Florian  als  Inhaber  des  Land- 
gerichtes Tyllisburg  ein  eigenes  Landgericht,  in  welchem  aber 
nur  17  eigene  untertänige  Häuser  sich  befanden.* 


*  Die  Stelle  lautete :  ,Das  Landgericht  hebt  »ich  an  bey  der  Steyrer  Straß, 
da  das  Pächl  bey  Schleißhaimb  enthalb  des  Schloßbergs,  das  in  die 
Thraun  rinnt,  darnach  mitten  in  die  Traun,  wehret  mitten  in  die 
Donau,  von  dannen  bis  fUr  Lorch  bey  Enns,  bis  mitten  in  das  Spital 
und  Pächl,  das  hinaus  in  die  Thonau  rinnt,  von  dannen  bis  an  des 
Espanmayrs  Wismath,  von  demselbigen  mitten  bis  nach  Kronstorf  hinab 
bis  in  die  Enns/ 

*  Streitakt  und  Beschreibung  im  gräflich  Weißenwolfischen  Archive  zu 
Steyregg.  Die  Beschreibung  ddo.  26.  April  1804  wurde  infolge  all- 
gemeinen Auftrages  des  Mühlkreisamtes  vom  9.  März  1804,  genaue 
Landgerichtsbeschreibungen  zur  Verfassung  einer  Landgerichtsmappe 
vorzulegen,  angefertigt.  Sie  lautet:  ,Auf  dem  festen  Lande  greift  die 
Grenze  einen  festen  Fuß  im  Traunkreise  beim  Kerschberger,  floriani- 
schen Unterthan  im  Eselgraben,  und  zwar  bei  dem  dasigen  Ur- 
sprung der  Eühwampen,  welche  ursprünglich  ein  brunnartiger  Wasser- 
lauf ist,  wo  das  Landgericht  Tillysburg  herzustosset,  und  ist  die  Küh- 
wampen abwärts  die  Grenze  zwischen  Tillysburg  und  Spielberg,  so 
zwar,    daß    die   KUhwampen    ganz    nach    Spielberg   gehOrt.     Nach    der 


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597 

Das   E^oster   Glennk    beanspruchte    nach    seinen  Pantai- 
dingen   aus   dem  16.  und  17.  Jahrhundert^  die  Gerichtsbarkeit 


Kühwampen  hinab  zieht  sich  die  Grenze  mit  TiUjsborg  bis  auf  den 
Johannes  Auger  zum  neuen  Markstein  von  1783,  welcher  die  beiden 
Landgerichte  und  Jagd  Wildbahnen  scheidet  Dieser  Markstein  bleibt 
links  stehen  und  man  tritt  auf  den  Salzersteig,  welcher  £ns  zu  führt 
und  durch  den  Johannes  Anger  als  Grenze  läuft,  bis  an  die  Feldlacken 
im  Johannesanger,  die  dem  Innsbauer  in  der  Kronau  gehört  und  gäuz- 
lich  links  im  Spielbergischen  Landgericht  liegt.  Dieser  Salzer  oder 
Gangsteig  ist  weiters  dieselbe  Grenze  bis  zum  TeuchtenhausmüUer  zu 
Einsiedel,  welche  Mühle  im  Landgerichte  Spilberg  liegt;  von  da  weitors 
auf  diesem  Gangsteig  bis  zur  Mühle  zu  Lorch,  welche  Mühle  im 
Spilbergischen ,  das  sogenannte  Inleuthäusel  derselben  aber,  dermal 
das  Gstettenhäusel  genannt,  Haus  Nr.  11  im  Tillysburgischen  Land- 
gerichte liegt.  Unterhalb  diesem  Gstettenhäusel  rinnt  das  Blaich- 
bachel  in  den  Mühlbach,  über  welchen  Bach  Spilberg  nicht  schreiten 
darf,  wo  die  Grenze  mit  TiUysburg  endet  und  die  Stadt  Ens  mit  ihrem 
Landgericht^  oder  vor  alten  auch  Burgfrid  genannt,  herzugrenzt.  Von 
hier  aus  gehet  die  hiesige  Grenze  mit  der  Stadt  Ens  den  Mühlbach  ab- 
wärts, bis  sich  dieser  Bach  in  die  Kühwampen  ergießt.  Von  hier 
läuft  die  Grenze  mit  Ens  (welches  Landgericht  bis  an  die  Kühwampe 
greift,  die  Kühwampe  aber  ganz  hieher  gehört),  an  der  Kühwampo 
abwärts  bis  in  den  Enghagen  an  den  Salz-  oder  Arbeitstadl,  wo  die 
Kühwampen  sich  in  das  Enghagen  Donauwasaer  ergießt.' 

Der  kleine  Landstrich  war  ein  Ausschnitt  aus  dem  Landgerichte 
TiUysburg  und  gehörte  vorher  nicht  nach  Spilberg,  was  schon  daraus 
erhellt,  daß  in  demselben  die  Stelle  zur  Überantwortung  der  Malefikanten 
sich  befand;  der  älteste  im  15.  Jahrhunderte  nachweisbare*  Burgfirid 
war  jener  um  das  Dorf  Langenstein  am  linken  Donauufer.  Dieser  ,fängt 
an  bei  dem  Ursprung  des  Köstlbaches  in  den  sogenannten  Köstlbacher- 
feldern,  läuft  zwischen  dem  Dorfe  Gusen  und  Langenstein  neben  des 
Esel  zu  Gusen  Inleuthäusel  beim  Steinbruch  mitten  durch  die  sogenannte 
Hauderstraße  in  gerader  Linie  in  die  Donau,  bis  da  nauwärts,  bis  der 
Marbach  zwischen  dem  Untemfallner  zu  Langenstein  und  dem  Plesser 
im  U(r)fer  ebenfalls  in  die  Donau  fließet,  nach  dem  Marbach  aufwärts 

*  Abgedruckt  bei  RoUeder,  Heimatkunde  von  Steyr  (S.  381),   einem  viel 
zu  wenig  bekannten  trefflichen  Quellenwerke. 


^  Yenchieden  hiervon  war  jenes  Landgericht,  welches  sich  nrsprflnglich  zwischen  der  Ens 
nnd  der  Erlaf  ausdehnte,  sp&terhin  jedoch  durch  Abtrennung  der  neuen  Landgerichte  Be- 
hamberg-Kürnberg,  Niederwalsee  und  Salaberg  ganz  unförmlich  gestaltet  wurde.  Es  wurde 
im  13.  Jahrhundert  das  Judicium  provinciale  inferior  ultra  Amsteden  (Oberösterrcichisches 
ürknndenbuch  111,  892),  im  14.  das  Landgericht  ob  der  Erlaf,  im  15.  das  Landgericht 
niederhalb  der  Ens  (Niklas  der  Haslacher  derzeit  Verweser  des  Landgerichtes  ,nyderhalb 
der  Enns*  siegelte  die  Urfehde  Thoman  des  Firchenwanger  ddo.  28.  November  1441  im 
Stadtarchive  Ens),  endlich  schlechthin  «Landgericht  Ens*  genannt. 

«  Archiv  fttr  österr.  Geschichte  XCIY,  291,  Anm.  1. 


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598 

in   allen   landgerichtlichen  Fällen,   doch  ,die  wirkliche  Lebens- 
straf  ausgenommen^ 

Wie  im  Mühl-,  Machland-  und  Hausruckviertel,  hießen 
auch  in  den  Teilgerichten  der  Zent  zwischen  der  Traun  und 
der  Ens  die  Beisitzer  der  Landschranne  (,des  Malefizrechten^) 
die  Freien,  über  deren  Verpflichtungen  die  Beilage  Nr.  I 
genaue  Auskunft  gibt.  In  den  Gerichten  der  vormaligen  großen 
Landgerichte  Schlierbach,  Schamstein  und  Ort  hatte  sich  dafür 
die  Bezeichnung  Landhuber  (d.  i.  zum  Landgerichte  verpflich- 
tete Bauern)  eingebürgert.  Während  die  Zahl  der  ,Freien^  eine 
geringe  war,  ist  jene  der  Landhuber,  die  den  Holden  aller 
Herrschaften  entnommen   wurden,  eine  sehr  beträchtliche  und 


bis  an  den  Zweyzenbach,  welch  letzterer  ober  dem  Marbachmüller  in 
den  Marbach  rinnt,  dann  von  dort  aufwärts  bis  zum  Zweyzenberger 
und  Michael  dortselbst  (welche  beide  im  Landgerichte  Haus  liegen) 
und  von  dort  etwas  links  hinüber  bis  zu  dessen  Ursprung  neben  dem 
Köstlbach.  Ringhernm  bis  zur  Donau  grenzt  das  Landgericht  Haus  an^ 

Auch  in  der  Donau  und  in  den  benachbarten  Auen  sprach  Spil- 
berg  die  Landgerichtsherrlichkeit  an,  ohne  hierfür  eine  Grenzlinie  zu 
haben  oder  die  Anerkennung  der  benachbarten  Landgerichtsobrigkeiten 
erlangen  zu  können. 

Das  castrum  Spilberch  cum  adiacentiis  soU^  Lehen  des  Regens- 
burger Domvogtes  Otto  (f  1235)  von  Passau  gewesen  sein.  Im  Otaka- 
rischen  Urbar*  erscheint  das  Schloß  in  landesfürstlicher  Gewalt  und 
ein  Amtmann  auf  der  Insel.  An  Reinprecht  (I.)  von  Walsee,  dem 
Hauptmanne  zu  Ens,  1329'  zu  Leibgeding  verliehen,  wurde  die  Feste 
samt  ihrem  kleinen  Urbar  1366  von  Herzog  Rudolf  IV.  dem  Kloster 
St.  Florian  als  Ersatz  für  erlittene  Kriegsschäden  überlassen.^  Das 
letztere  hatte  Spilberg  noch  1383  inne,  wie  eine  Urkunde  im  Enser 
Stadtarchive  vom  9.  Jänner  desselben  Jahres  ausweist.  Hierauf  gelangte 
das  Schloß  an  Hans  von  Liechtenstein,  1395  nahm  es  Herzog  Albrecht  HI. 
an  sich,  1397  wurde  es  an  Reinprecht  von  Walsee  verliehen.  Die 
Herren  von  Scherfenberg  waren  die  letzten,  welche  noch  im  Anfange 
des  17.  Jahrhunderts  selbst  die  Burg  bewohnten.  Eine  ausführliche 
Beschreibung  derselben  ist  in  Piper,  ,österreichi8che  Burgen*  IV,  220  ff. 
enthalten,  schade,  daß  der  Verfasser  fast  durchgehends  veraltete 
historische  Nachrichten  beibringt,  die  nun  wieder  in  den  Kreisen,  für 
welche  das  schöne  Werk  in  erster  Linie  bestimmt  ist,  Weiterverbreitung 
finden. 


«  Mon.  Boic.  XXIX  b,  217. 

'  Dopsch,  &.  s.  0.  144,  165. 

»  Hoheneck  HF,  817. 

«  Archival.  Zeitschrift,  N.  F.  VUI,  107. 


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599 

war  diese  Verpflichtang  im  Landgerichte  EremBmünster  über- 
haupt allen  Elosteruntertanen  auferlegt.  Im  Landgerichte  Losen- 
steinleiten  waren  im  17.  Jahrhunderte^  die  Bauern  zu  Leyman- 
storf  nächst  dem  Schlosse  auf  erfolgte  Ansage  schuldig,  ^also- 
bald  zur  Herrschaft^  es  sei  nun  Tag  oder  Nacht;  bewehrt  zu 
erscheinen  und  überall  sich  hinzubegeben,  wohin  sie  begehrt 
werdend 

Losenstein  befindet  sich  noch  im  Besitze  der  Fürsten  von 
Auersperg  als  Erben  der  Grafen  von  Losenstein:  dagegen 
wurden  die  Hofgründe  von  Q  ach  wen  dt  zerstückt  und  das 
Schloß  samt  einem  Grundkomplex  von  16  Joch  1535  Quadrat- 
klafter vom  Fürsten  Karl  Wilhelm  an  die  Ehegatten  Franz  und 
Klara  Leik  in  Neuhof en  veräußert  (15.  Dezember  1862),  von 
deren  Erben  es  im  Jahre  1894  an  das  Land  Oberösterreich  zur 
Errichtung  einer  Irrenbewahranstalt  übergegangen  ist. 

III.  Das  alte  Landgericht  Schllerbacli. 

Auf  S.  493  wurde  es  als  wahrscheinlich  bezeichnet,  daß 
König  Rudolf  I.  es  gewesen  ist,  welcher  den  Bischöfen  von 
Bamberg  die  Blutgerichtsbarkeit  verliehen  hat.  Nach  dem 
Kaufbriefe  um  die  Feste  Pernstein,  welche  der  Verkäufer  Jörg 
von  Walsee  sein  Eigen  nennt,*  war  das  Landgericht,  zu  wel- 
chem das  Gerichtshaus  auf  dem  Mos  gehörte,  Lehen  von  Bischof 
und  Gotteshaus  Bamberg,  ,das  da  geeth  mitten  auf  dem  Piern, 
durch  die  Klauß*  für  Krembsmünster  und  gehen  Wels  au  die 
Stainpruck,  und  auf  nach  der  Traun  für  Lambach  an  den 
Stadl  unzt  an  die  thuerren  Lautach  und  auf  gehen  Kirchhaimb 
und  in  den  Viechtwang  und  in  den  Gruennach  und  über  den 
zittwerch  (Ziehberg  bei  Steinbach)  wieder  gehen  Clauß/ 

Die  allmähliche  Zerstücklung  in  kleinere  Landgerichte 
erörtern  die  Erläuterungen,*  die  Grenzbeschreibungen  geben  die 

*  Urbar  von  Losensteinleiten,  Bl.  104,  Rubrik:  , Angebot  im  Landtgericht/ 

*  1394,  26.  Juni,  in  vidimierter  Abschrift  vom  Jahre  1690  im  Urkundenbuch 
von  Kremsmfinster,  S.  846,  Nr.  325. 

'  Die  beiden  Tttrme,  welche  in  den  Erläuterungen  als  Burgfiriedsgrenzen 
von  KlauB  bezeichnet  wurden,  sind  der  Turm  am  Pim  und  der  Turm 
Klaus  selbst 

*  Das  Kloster  Schlierbach  war  in  der  letzten  Periode  der  Patri- 
monialgerichtsbarkeit Landgericht  über  die  Hofmark  Schlierbach 
(Grenzbeschreibung  im  Stiftsarchive  nicht  vorfindig)  und  über  99  exemte 

ArehiT.  94.  B«nd,  II.  Hilft«.  40 


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600 

Beilagen  Nr.  X  bis  XVI  im  Anhange,  jene  des  Burgfrieds  des 
Marktes  Kirchdorf  folgt  in  der  Anmerkung*  aus  der  Lambel- 
sehen  Weistümersammlung. 

Untertanen  im  Traun-  und  Hausruckviertel.    Die  Verleihung  der  hohen 
Gerichtsbarkeit  dürfte  unter  Kaiser  Ferdinand  11.  erfolgt  sein. 
*  Aus  der  Bestätigung  des  Bischofs  Ernst  von  Bamberg,  ddo.  16.  Dezem- 
ber 1586: 

,Zum  vierdten  unsern  der  orten  zu  Kirchdorf  Burgfrid  wie 
weit  sich  der  erstrecht  betreffent  facht  er  sich  erstlich  an  bei  der 
der  großen  wiesen  zu  Hannfeldt  und  geet  ab  und  ab  mit  sambt  dem 
Maibach  nach  den  gebogen  unz  in  die  under  Tatzgerin  und  von  der 
Tatzgerin  hindurch  nach  der  zwerch  über  die  gründ  wie  die  aus- 
gemerkt und  hinumb  durch  das  wißmath  gehn  Hausmaining  an  die 
linden,  von  der  linden  hinumb  bis  an  den  Schwehrn  gattem  in  den 
Metzleßgraben,  von  solchem  graben  auf  und  auf  bis  an  der  firauen  land 
von  Schlierbach  und  under  der  frauen  land  hindurch  an  die  Stampf- 
hueben  und  under  der  Stampf  hueben  durch  bis  an  das  Rindl,  von  dem 
Rindl  hinwiderumben  durch  hin  bis  an  die  wiesen  gehn  Hanfelt. 

Belangent  zum  fünften  wie  weit  unsere  [Bamberger]  bietmerkt 
zu  bemeltem  Kirchdorf  ausweisen,  facht  er  sich  an  bei  dem  Rindl,  gehet 
hinauf  zwischen  der  Stampf  hueben  und  der  Hannfeldt-leiden  bis  an  des 
Luegerpaum  grund  uud  nach  dem  Haag  herumb  zwischen  des  Lueger- 
paurn  gründen  und  der  Stampf  hueben  hinauf  bis  an  gattem,  nach  dem  fart- 
weg  hinauf  bis  an  den  Lueger  und  von  dem  Lueger  hinumb  auf  die  Rodatt 
zum  creuz  und  vom  creuz  hinauf  auf  alle  hoch  auf  die  Erdbriest  unz  an 
des  Hametner  grund,  was  das  regen wasser  also  schaidet:  was  herüber  feit 
gehört  der  grundherrschaft  [Bamberg]  und  gemainem  Markt  Kirchdorf 
und  unhalb  gehört  der  Herrschaft  Bemstain:  mehr  facht  es  sich  an 
zwischen  des  Hametner  gprund  und  des  Habich  und  geet  ab  und  ab  in 
den  Grubenbach  bis  an  den  Spitz,  wie  das  Bächel  von  dem  Habich  herab- 
fleust,  und  geet  herwider  mitten  in  sunft  an  den  Habich  durcher,  under 
der  Oberndorfer  und  Derfinger  beeder  felder  herdurch  bis  an  die  Wursch- 
leiten  hinauf  auf  alle  hoch  des  Hämets,  vor  dem  Hämet  durch  unter 
der  Schmiecking  bis  an  das  Ehentholer  holz,  von  dem  holz  herab  unzt 
an  die  leüten  gehn  Haußmainung.' 

Der  Burgfiried  war  dem  Markte  1584  von  Kaiser  Rudolf  H.  ver- 
liehen worden;  der  Freiheitsbrief  lag  in  der  1877  verbrannten  Burger 
Lad  Nr.  1. 

Zwischen  dem  Markte,  welcher  bei  bevorstehenden  Hinrichtungen 
die  Schranne  zu  errichten  hatte,  und  dem  Landgerichte  Pemstein 
schwebten  wegen  der  Burgfriedsfireiheit  beständige  Händel,  welche  die 
aus  dem  Brande  gerettete  Markt  Kirchdorferische  Registratur  vom  Jahre 
1777  verzeichnet  hat;  1611  errichteten  Soldaten  im  Markte  selbst  einen 
Galgen. 

Der  Markt  unterstand  dem  Bambergischen  Yizedom  zu  Wolfisberg 
in  Kärnten,  dem  auch  die  Bestätigung  der  Marktrichterwahlen  zukam, 
und    verwaltete    die    hochstiftischen    Untertanen   in    Hausmaning.    Als 


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601 

Das  Kloster  Kremsmünster  hatte  von  HelmhardJörger 
am  24.  September  1584  vorerst  das  Landgericht  in  den  Pfarren 
Sipbachzell^  Kremsmünster  and  Ried^  dann  am  27.  November 
1586  in  dem  nach  dem  Landgerichtsverkanfe  an  die  Stadt 
Wels  übriggebliebenen  Anteile  der  heutigen  Pfarren  Steinhaus 
und  Talheim  zur  Abrundung  des  neuen  Landgerichtsdistriktes 
erkauft.^ 

Die  Ausübung  der  exemten  Halsgerichtsbarkeit  wurde 
wiederholt  angefochten^  so  1424  von  der  landesfürstlichen  Herr- 
schaft Steyr  und  noch  im  16.  Jahrhundert  von  der  Herrschaft 
Qschwendt,  gegen  welche  1581  mit  Urtl  und  Recht  erkannt 
wurde^  daß  das  Kloster  im  ruhigen  Posseß  des  Rechtes^  durch 
den  Hofrichter  über  alle  seine  Grunduntertanen  in  Malefiz-  und 
Gejaidsachen  zu  richten,  sich  befinde.* 

Das  Stift  Spital  bestritt  noch  1756  die  Befugnis  von 
Kremsmünster,  wegen  eines  Kandsmordes,  welcher  in  dem 
Reitergute  zu  Kniewas,  einem  Uberländ  des  exemten  Pfarr- 
hofes Steinerkirchen,  verübt  worden,  landgerichtlich  zu  ver- 
fahren, doch  wurde  1758  vonseiten  Spitals  die  Exemtion  mit 
Vorbehalt  der  Exekution  eines  Todesurteiles  und  der  Verschar- 
rung von  Selbstmördern  unter  dem  Hochgericht  anerkannt, 
wogegen  Kremsmünster  zugab,  daß  offenkundige  Täter  ohne- 
weiters  von  Spital  eingezogen   werden  können.'    Doch  erhielt 

Bamberg  den  Markt  mit  Hausmaning  an  das  Kloster  Kremsmünster 
yeräußerte  und  dieses  Stift  die  sogenannte  Anwaltschaft  (eben  Uaus- 
maning)  yerSußerte,  erhob  die  Bürgerschaft  Beschwerde  bei  Kaiser  Leo- 
pold I.  und  verweigerte  die  Ablegung  des  Untertanengelübdes.  Auch 
mit  dem  im  Besitze  des  Marktes  nachfolgenden  Kloster  Schlierbach 
dauerten  die  MiBhelligkeiten  fort,  bis  der  Markt  denselben  dadurch  ein 
Ende  machte,  daß  er  im  Jahre  1810  das  Untertänigkeitsband  ablöste 
und  sich  fortan  selbst  verwaltete. 

Im  königl.  bayr.  Kreisarchive  zu  Bamberg  finden  sich  noch  jetzt 
geflickt,  zerfetzt  und  durchlöchert,  mit  Siegel,  Gerichtssatzungen  und 
Privilegien  für  Kirchdorf,  ddo.  27.  Dezember  1636,  auch  umfängliche 
Prozeßakten  zwischen  dem  Markte  und  den  Klöstern  Kremsmünster 
und  Schlierbach.  Kirchdorf  blieb  bambergisches  Lehen  bis  zur  Seku- 
larisiemng  des  Hochstifts. 

*  Benedikt  Finsterwalders  Registratur  1679,  Blatt  359,  im  Stiftsarchive 
Kremsmünster.  Nach  Blatt  360  hatte  die  Stadt  Wels  ihren  Land- 
gerichtsbezirk am  linken  Traunufer  mit  Kaufvertrag  vom  28.  November 
1584  erworben. 

•  Pinsterwalder  Registratur,  Blatt  819,  324. 
'  Streitakt  im  Archive  zu  Spital. 

40* 


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602 

sich  Kremsmünster  in  steter  Ausübung  des  Blutgerichtes:  Schon 
vor  Erwerbung  des  geschlossenen  Landgerichtsbezirkes  sind 
in  den  Jahren  1575,  1576,  1580,  1581,  1583*  Hinrichtungen 
verzeichnet.  Richtstätten  waren  im  Schacherforste,  hinter  dem 
Hospital  und  vor  dem  Aichertore  bei  der  Linde. 

Noch  ist  darzutun,  wie  sich  die  Leheneigenschaft  des 
Gerichtes  Schlierbach  verloren  hat. 

Dasselbe  war  am  25.  Juli  1343'  vom  Bischof  Leopold  von 
Bamberg  an  Eberhard  von  Walsee  zu  Erblehen  verliehen  wor- 
den ;  noch  1394  bezeichnet  es  der  herzogliche  Hofmeister  Hans 
von  Liechtenstein  als  Lehen  vom  Gotteshause  Bamberg.  Als 
jedoch  bald  darauf  Herzog  Albrecht  IH.  Pernstein  mit  dem 
Landgerichte  an  sich  nahm,  war  —  wie  wir  dies  auch  bei  den 
Herrschaften  Atersee  (Kogl)  und  Frankenburg  sehen  werden 
—  von  der  Lehenrührigkeit  keine  Rede  mehr;  1398  an  Rein- 
precht  (H.)  von  Walsee  verpfändet,  fiel  es  an  Kaiser  Fried- 
rich in.  zurück,'  als  freies  Eigen  kam  es  1581  und  1583  mit 
den  Schlössern  Pernstein  und  Scharnstein  an  Helmhart  Jörger. 
Das  Lehenband  des  Hauses  Schlierbach,  aber  nicht  der  hierzu 
gehörigen  Mannschaft,  wird  zu  gunsten  des  Frauenklosters  ge- 
löst worden  sein. 

Wie  der  bambergische  Lehenpropst  Wolf  Niklas  von 
Grüntal  im  Jahre  1607  berichtete,*  waren  viele  Lehen  jahre- 
lang verschwiegen,  für  freie  Ewigen  verkauft  oder  von  Oster- 
reich zu  Lehen  empfangen  worden  und  die  schlechte  Erhaltung 
der  Lehenbücher  der  Bischöfe  Albrecht  vom  Jahre  1403  und 
Friedrich  vom  Jahre  1421,  aus  welchen  viele  Blätter  heraus- 
geschnitten waren  oder  fehlten,  gestatteten  keine  Verfolgung  der 
rechtlichen  Ansprüche  des  Hochstiftes.  Nur  Herr  Nimrod  Khöln- 
peck  und  Herr  Gundacker  von  Polheim  empfingen  1604  wieder 
die  Herrschaft  Salaberg,  beziehungsweise  die  Vogtei  zu  Alhaming 


*  Ingedenk-Protokoll  über  alle  Criminal- Handlangen  bei  dem  Hof-  und 
Landgericht  Kremsmünster  de  anno  1570  bis  1771  im  Stiftsarchive 
Kremsmtinster. 

^  öberösterreichisches  ürkundenbuch  VH,  321. 

*  Vgl.  ,Die  Herren  von  Walsee*  von  M.  Doblinger  im  Archiv  für  öster- 
reichische Geschichte  XCV,  236  ff.,  die  erste  Österreichische  Adels- 
geschichte im  großen  Stile. 

*  Informatio  sive  ProthocoUum  der  Bambergischen  Lehen  in  Osterreich 
unter  und  ob  der  Ens  gelegen  —  im  königl.  bayr.  Kreisarchive  Bamberg. 


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603 

von  Bamberg  zu  Lehen;  als  jedoch  Helmhart  Hayden  zu  Dorf 
und  Lindach  aufgefordert  wurde,  ,die  Vesten  und  Qeschloß 
DorflF  cum  pertinentijs  sambt  ainer  Hueb  zu  Ellesbach,  wie  vor 
Jahren  geschehen,  vom  Fürstentum  und  Bistum  Bamberg  zu 
empfahen/  erwiderte  derselbe  am  3.  Februar  1607,  er  habe 
Dorf  cum  pertinentijs  von  dem  löblichen  Haus  Osterreich  ,ain 
lange  Zeit  hero'^  zu  Lehen  ersucht  und  ordentlich  empfangen, 
könne  sich  daher  in  keine  Traktation  einlassen. 

Das  Schloß  Scham  stein  wurde  wahrscheinUch  von 
den  Grafen  von  Fingen  in  der  ersten  Hälfte  des  12.  Jahr- 
hunderts erbaut;  denn  die  allernächste  Umgebung  von  Alt- 
Schamstein  gehörte  dem  Grafen  Adalbert  von  Rebgau,  wie 
sich  aus  der  besiegelten  Traditionsnotiz*  ergibt,  wonach  der- 
selbe um  1135 — 1140  als  Seelgerät  und  gegen  Zahlung  von 
6  Talenten  einen  Gutskomplex  von  6  Hüben  zwischen  dem 
obem  und  dem  untern  Diessenbach  dem  Abte  Udalrich  von 
Kremsmünster  übergab  und  nach  seiner  Verehelichung  auf  An- 
dringen seiner  Gattin  Gertrad  noch  2  Hüben  in  Viechtwang 
zur  Elrbauung  einer  Kirche  widmete,  deren  Einweihung  nach 
Befriedigung  der  Ansprüche  seiner  Söhne  Adalbert  und  Geb- 
hard  am  27.  Dezember  1157  erfolgte.  Als  diese  zum  Erben 
ihrer  um  Regau  und  Viechtwang  gelegenen  Güter  den  Herzog 
Liupold  V.  von  Osterreich  einsetzten,  nahmen  sie  sich  12  Höfe 
aus,  welche  sie  Seelgerätstiftungen  widmeten  und  zum  Teile 
an  Kremsmünster  vergabten:  Hiervon  wird  1189*  ausdrücklich 
ein  Forsthof,  gelegen  in  der  Ebene  in  silva  inter  Viehtwanch 
et  Gravinge  a  rivulo  usque  ad  montem  vicinum,  hervorgehoben. 
Eine  Durchsicht  der  zum  Amte  Viechtwang  gehörigen  Holden 
im  ältesten  Urbar  des  Stiftes  Ba-emsmünster  aus  den  Jahren 
1299 — 1304*   zeigt,    daß    dieselben    sich    in    den    Ortschaften 


>  Wirklich  hatte  schon  Kaiser  Friedrich  m.  am  Mitich  vor  Martini  1484 
den  Brüdern  Lienhart  und  Bernhard  Haiden  die  Güter  und  Stück,  die 
Yon  denen  vonWalsee  mit  Lehenschaft  an  kaiserliche  Majestät  ge- 
kommen, einen  Lehenbrief  ausgestellt,  darunter  über  den  Sitz  zu  Dorf 
mit  7  Hofstätten  und  eine  Hub  zu  Elleinspach  (Lehenbuch  120  im 
k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchive  Wien). 

*  Urkundenbuch  von  Kremsmünster  Nr.  83,  S.  41. 
»  a.  a.  O.  Nr.  46,  S.  69 

*  Leonard  Achleuthner,  »Das  älteste  ürbarium  von  Kremsmünster*,  S.  107 
bis  111.  Des  gelehrten  Abtes  (f  16.  Februar  1905)  und  der  gleichfalls 
abgeschiedenen  Stiftsbibliothekare  P.  Hugo  Schmid  (f  1900)  undP.  Odilo 


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604 

Viechtwang,  Diessenbach,  Scharnstein,  Dorf  und  Mtildorf  be- 
fanden^  sich  südwärts  bis  zum  Gumsenbach,  westlich  bis  zum 
Drambach,  nördlich  bis  gegen  den  Rehkogel  erstreckten,  nur 
das  Steinfeldergat  zählte  znr  östlichen  Ortschaft  Steinfelden. 
Über  weitere  Zustiftungen  in  dieser  Gegend  bis  zur  Anlegung 
des  Urbars  sind  wenigstens  keine  Urkunden  vorhanden ;  daher 
wohl  der  Schluß  zulässig  ist,  daß  der  ganze  urbariale  Bestand 
des  Amtes  Viechtwang   von   den  Grafen  von  Rebgau  herrührt. 

Daß  die  Gelände  am  Kasberg  und  am  Almsee  den  soge- 
nannten Grafen  von  Lambach  zustanden,  ist  urkundlich  ge- 
sichert (vgl.  S.  496);  der  Besitz  der  Grafen  von  Piugen- 
Rebgau  kann  daher  füglich  nur  aus  dem  Erbe  der  Lam- 
bacher  stammen,  da  eine  Versippung  mit  den  Otakaren  weder 
belegt  noch  auch  wahrscheinlich  ist.  Eine  sowohl  von  Wen- 
drinsky*  als  auch  teilweise  von  meiner  vormaligen  Ansicht' 
abweichende  Hypothese  über  den  Übergang  dieses  Besitzes  an 
die  PiugenRebgauer  wird  bei  Behandlung  des  Hausruck  und 
Atergaues  zu  begründen  versucht  werden ;  hier  kann  jedoch 
schon  bemerkt  werden,  daß  aus  der  Streulage  des  Anteiles 
Bischofs  Adalberos  an  dem  elterlichen  Stammgute  sich  schließen 
läßt,  es  sei  schon  bei  der  Teilung  der  Lambachschen  Erbschaft 
ebenso  vorgegangen  worden  wie  im  späteren  Mittelalter,  d.  h. 
es  seien  alle  Einkünfte  und  Rechte  zu  Geld  angeschlagen 
worden  und  die  Zuteilung  an  die  Erbsinteressenten  ohne  Rück- 
sicht auf  Geschlossenheit  des  Besitzes  erfolgt,  wenn  nur  die 
ausgemittelte  Giltenquote  erreicht  wurde.  Diese  Absicht  mag 
auch  der  Teilung  der  Grafschaften  im  Erbgange  zugrunde  ge- 
legen sein. 

Scharnstein  mit  seinem  ganzen  Zugehör  fiel,  ebenso  wie 
der  Besitz  um  Regau  nach  dem  Hinscheiden  des  Grafen  Geb- 
hard   zwischen   den  Jahren  1183*   und  1188'  an  Herzog  Liu- 

Dickinger  (f  1903)  sowie  des  Stiftsarchivars  Dr.  Altmann  Altinger  (f  1906), 
welche  die  Forschungen  für  den  historischen  Atlas  unermüdlich  unter- 
stützten, sei  an  diesem  Orte  in  schuldiger  Pietät  gedacht. 

*  ,Die  Grafen  von  Rebegau-Piugen*,  Blätter  des  Vereines  für  Landeskunde 
von  Niederösterreich  XIV,  181-— 194. 

^  ,PeuerbachS  S.  103—116.  «  a.  a.  O.  Nr.  46,  S.  59. 

*  Das  Traditionsdatum  26.  Dezember  1182,  dessen  Sicherheit  Lampel 
(,Die  Babenbergische  Ostmark  und  ihre  tres  Gomitatus'  im  Jahrbuche 
dos  Vereines  für  Landeskunde  von  Niederösterreich  1906,  S.  440)  be- 
zweifelt,   findet   sich  im  Original-Traditionskodex  von  Aspach  aus  dem 


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605 

pold  V.,  nicht  als  Landesherrn,  sondern  als  testamentarischen 
Erben,  also  ans  einem  Priratrechtstitel,  wie  er  selbst  sagt: 
^dum  (comites  de  Rebego we)  me  her e dem  sibi  constitne- 
bant*.  Als  dem  künftigen  Rechtsnachfolger  hatte  Abt  Ulrich 
dem  Herzog  die  Anzeige  von  der  nachgefolgten  Schenkung 
gemacht  und  dieser  dagegen  keine  Einwendung  erhoben,  gleich- 
wohl nach  Antritt  der  Erbschaft  die  Tradition  angefochten,  so 
daß  das  Kloster  die  Hilfe  seines  Vogtes,  des  Herzogs  Otakar, 
anrufen  und  den  Rechtsweg  betreten  mußte;  erst  nachdem  es 
einen  Spruch  zu  seinen  Gunsten  erwirkt  hatte,  bequemte  sich 
der  Herzog  (cogente  iudiciaria  sententia),  die  Tradition  anzu- 
erkennen. 

Der  Tenor  der  Urkunde  vom  4.  Jänner  1189  zeigt  ganz 
deutlich  den  Herzog  als  Privatperson,  daher  es  ganz  gleich- 
gültig ist,  ob  der  Abgang  des  letzten  Regauers  vor  dem  Tage 
am  St.  Qeorgenberg  erfolgte  oder  erst  nach  demselben;  übrigens 
war  ja  auch  schon  längere  Zeit  vor  dem  Erbvertrage  von  1186 
die  Nachfolge  des  Babenbergers  in  die  Allode  des  Chiemgauers 
nicht  zweifelhaft,  weshalb  wohl  auch  die  Rebgauer  lieber  gleich 
den  zukünftigen  Landesherrn  zum  Erben  berufen  haben  werden. 
Für  die  Hypothese  Lampeis  bezüglich  des  ehemaligen  Traun- 
gaues  ergibt  sich  aus  dieser  Dingung  keinerlei  Vorteil,  wie  er 
wohl  selbst  erkannt  hat. 

Der  Burgfried  von  Seisenburg  ist  in  dem  ältesten 
Urbar  vom  Jahre  1518^  noch  nicht  verzeichnet;  er  scheint  nur 
durch  Posseß  erworben  worden  zu  sein.  Zur  Herrschaft  ge- 
hörten ursprünglich  nur  31  Holden  (darunter  2  Rechtlehner), 
ihr  Haupteinkommen  floß  aus  dem  Forsthafer  und  den  Forst- 
pfennigen der  in  den  Seisenburger  Waldungen  eingeforsteten 
Bauern.  Das  Forsttäding  vom  Jahre  1584  zeigt  in  Urtel  22 
deutlich  den  Bestand  eines  Märkerdings;  bei  Ermittlung  des 
Umfanges    der    ehemaligen    Markgenossenschaft    wird    jedoch 

14.  Jahrhundert,  Blatt  29;  derselbe  ist  eine  Abschrift  des  alten  Tradi- 
tionsbnches,  gegen  welche  nach  inneren  und  äußeren  Merkmalen  kein 
gegründetes  Bedenken  obwaltet.  Der  Abdruck  der  Tradition  in  Mon. 
Boic  V,  132  ist  nicht  völlig  korrekt.  Rebgenowe  sollte  Rebgnowe, 
Untingen  sollte  uncingen  heißen,  Wolsha  aber  Wolf  ha. 
*  Zum  Diplom  Kaiser  Max  L  vom  10.  Jänner  1518,  womit  er  seinem  in 
den  Ritterstand  erhobenen  Kammerdiener  Georg  Vogl  flir  ein  Darlehen 
von  2200  Gulden  rhein.  das  Burgstall  Seisenburg  freieigen  verkauft,  im 
Sammelkodex  101  des  Linzer  Museums, 


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606 

nicht  außer  acht  zu  lassen  sein^  daß  seit  dem  Jahre  1556  Fin- 
forstungen  auch  kaufweise  erlangt  wurden.  Über  die  Mark- 
genossenschaften Oberösterreichs  werden  seinerzeit  die  Weistümer 
bedeutsames^  wenngleich  nur  mit  Umsicht  benutzbares  Mate- 
rial darbieten. 

IT.  Das  alte  Landgericlit  Ort. 

Grenzbeschreibungen  der  Landgerichte  Ort  und  Wilden- 
stein im  Anhange,  Beilagen  Nr.  VIII,  IX. 

Den  Burgfried  von  Traunkirchen  beschreibt  das  Urbar 
vom  Jahre  1679 :  ^  ,Erstlichen  hat  das  Stuft  und  Residenz  Traun- 
kirchen einen  befreydten  Burgfridt,  welcher  vom  Toiffenstain 
gegen  dem  Creuz  herauf  rechter  Hand,  dem  Qehesteig  nach 
in  das  Mössl  zum  Premb-  und  Mandimanns  kreith  neben  des 
Kirchberg,  abwerts  aber  auf  dem  steinigen  Graben  bis  in  See 
gehet,  auf  dem  Land  herab  gegen  Badtstain  zu,  alwo  das 
Creuz  den  Burgfridt  schliesset. 

Allermassen  auch  die  Ausliferung  einer  Malefizperson, 
wie  solche  mit  Gürtl  umbfangen,  dem  Landtgericht  bei  dem 
Creuz  vom  hiesigen  Gerichtsdiener  ausgehendtiget  und  dieses 
observiert  werden  muß,  daß  der  Seidensfaden  vom  hiesigen 
Gerichtsdiener  in  Händen  behalten  und  vom  Ortnerischen 
Landtgericht  kein  Tridt  in  Burgfridt,  das  ist  flir  das  Creuz 
herein  zuegelassen  oder  verstattet  werden  sollet* 


^  Im  Besitze  des  Seniors  J.  Friedrich  Koch  in  Gmunden.  Der  Burgfried 
erlosch  durch  Konsolidation,  als  nach  Aufhebung  des  Jesuitenordens 
1774  die  Herrschaft  Traunkirchen  an  den  Staat  fiel. 

'  Der  Ausschluß  des  Bannforstes,  welcher  dem  Kloster  allein  eigentümlich 
war,  am  rechten  Traunufer  vom  Seeberg  zum  Heinrichsgraben,  Rindbaohtal 
und  den  östlichen  Bergkogeln  (liber  historiarum  rerum  Traunkirchen- 
sium,  S.  618,  im  Linzer  Museum)  von  der  Grenzbeschreibung  des  Land- 
gerichtes  Wildenstein  (Beilage  IX  im  Anhange;  Codex  sec.  XV  bei  der 
Forstdirektion  Gmunden)  kann  nur  in  der  Exemtion  seinen  Grund  haben. 
Das  Kloster  hatte  in  Langbath  32  Untertanen,  welche  es  1690 
um  2000  Gulden  an  den  Kaiser  abtrat,  wornach  dieselben  vom  Sudver- 
weser in  Ebensee  verwaltet  wurden  und  die  Exemtion  gegenstandslos 
wurde.  Dennoch  ergab  sich  zwischen  dem  kaiserlichen  Landgerichte 
Ort  und  dem  kaiserlichen  Verweseramte  zu  Ebensee  am  3.  Jänner  1729 
ein  Konflikt,  indem  bei  der  im  Zuge  befindlichen  Überantwortung  einer 
Delinquentin  der  Ebenseer  Gegenschreiber  behauptete,  das  Verweseramt 
habe    das  Recht,    die  Delinquentin   (in    pcto  adulterii)  auf  dem  See  zu 


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607 

Nach  der  Urkunde  Kaiser  Friedrichs  III.  vom  25.  März 
1446,  womit  das  Dorf  Ischl  zu  einem  Markt  erhoben  und 
derselbe  vom  Eingriffe  des  Landrichters  befreit  wurde/  ,sind 
das  die  pimerkht-  von  erst  vahen  sich  die  an  bey  dem  kreutz 
enhalb  der  Traun  daselbs  bey  Yschl  under  der  Odleiten  und 
weret  von  dann  verrer  zu  der  Astach  über  die  Traun  zu  dem 
Ploderbrunn  über  die  Strassen  unz  an  die  Eglmosleiten  und 
nach  demselben  weg  hinumb  an  die  yschelprugken  und  nach 
demselben  wasser  ab  in  die  Traun  da  der  plnbstain  steet  und 
nach  der  Traun  auf  widerumb  zu  dem  obberürten  kreutz.^ 

Als  Grenzen  des  Burgfrieds  von  Hallstatt  nennt  der 
Freibrief  Erzherzogs  Ferdinand  vom  10.  Jänner  1524*  bloß 
die  beiden  Kreuze  (,den  Purkfrid  zwischen  baiden  kreutzen*), 
wie  es  nach  der  Lage  des  Ortes  zwischen  dem  Berge  und  dem 
See  nicht  anders  denkbitr  ist. 

Der  Gnadenbrief  Herzogs  Albrecht  II.  ddo.  Mitichen  vor 
dem  Sonntag  Laetare  zu  Mitterfasten,  erneuert  von  Erzherzog 
Albrecht  VI.  am  Samstag  vor  dem  Palmtage  1460  enthält  keine 
Grenzbeschreibung  des  Burgfrieds  von  Laufen,'^  aber  in  der 
Natur  ist  derselbe  noch  ausgezeigt  durch  zwei  Säulen,  von 
denen  die  untere  am  linken  Traunufer  beim  Hause  des  Josef 
Hocker^  gegenüber  dem  Friedhofe^  anstoßend  an  die  Sulzbacher 
Gründe,  keine  Bezeichnung  hat,  wogegen  die  obere  am  rechten 
Traunufer,  unterhalb  des  Hauses  des  Johann  Zeppezauer  das 
Marktwappen  und  die  Buchstaben  G.  M.  L.  zeigt. 

Das  Urbar  von  Wildenstein  vom  Jahre  1700,*  Fol.  15', 
anerkennt  die  Burgfrieden  von  Ischl,  Hallstatt  und  Laufen, 
nicht  aber  jenen  von  Geisern.  Als  Schrannen  galten  Ischl, 
Goisem  und  Gosau.  ,Perichtolt  von  Ysper,  diezeit  Richter 
in  dem  Ischellant',  siegelte  den  Gehorsambrief  ,der  Purger 
und   der  Kueffer,   der  Beslacher  und  Chlauzer  und   auch  der 


übergreben,  die  Ortischen  Landhuber  nun,  um  sich  bei  der  kalten  Wit- 
terung zu  erquicken,  die  Taferne  betreten  wollten,  wo  auch  die  Wöch- 
nerin gespeist  werden  sollte,  was  wieder  der  Gegenschreiber  nicht  zu- 
gab.    (Archiv  der  Salinenverwaltung  Ischl.) 
'  Vidimufl  ddo.  10.  Juni  1466  im  Marktarchive  Ischl. 

*  Im  Marktmuseum  zu  Hallstatt.    Original  im  Schaukasten. 
'  Original  in  der  Marktlade  in  Laufen. 

*  Im  Archive  der  k.  k.  Forst-  und  Domänendirektion  Gmunden.  Das  Schloß 
war  damals  schon  lange  Jahre  her  nicht  bewohnt  und  stark  reparatur- 
bedürftig. 


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608 

Scheflent  paid  gemain  zne  Hallstat  nnd  an  dem  Lanffen  m 
dem  Yschellant*  ddo.  25.  Oktober  1392;  i  nnd  am  27.  Juli  1396« 
gelobte  Friedrich  der  Kraft,  oberster  Amtmann  der  Herzoge 
Wilhelm  und  Albrecht,  welchem  diese  ihre  Feste  Wilden- 
stein nebst  dem  dazn  gehörigen  Landgerichte  zum  Leib- 
geding  verschrieben  haben,  von  dieser  das  Salzsieden  zu 
schirmen  und  damit  gehorsam  zu  sein. 

Die  Burgfrieden  von  Egenberg,  Hochhaus  und  Messen- 
bach, welche  beide  letztere  erst  ,bei  Separierung  der  Herr- 
schaften Egenberg  und  Hochhaus'  aus  ersterem  ,ex8cindiert  wor- 
den','  sind  beschrieben  in  der  Urkunde  König  Ferdinands  L 
vom  1.  September  1530,*  in  dem  ,Anschlag  über  das  Schloß  oder 
Vesten  Hochhauß  von  Leopold t  Khemetter,  Besitzer',  ca.  1652,^ 


^  Original  im  k.  u.  k.  Hans-,  Hof-  und  Staatsarchive  in  Wien. 

*  Lichnowsky-Birk,  Qeschichte  des  Haosee  Habsborg  V,  Reg.  81. 

*  ^Spezifikation  deren  in  der  HochhauBerischen  Liadt  befindlichen  Schriften* 
Nr.  61  im  Stiftsar chive  Schlierbach. 

*  ,Der  geztterk  und  die  gemerkt,  die  anfahen  nemblich  am  Kolpachgraben 
nnd  gehet  für  den  gattern  des  Panm  am  Riedl  am  Ortlsperg  nnd  von 
danen  an  das  Pnechegg  und  darnach  an  die  Inner  Laudach,  von  danen 
hinauf  iber  die  Inner  Laudach  an  Rehkogl,  von  danen  den  grftssing 
Weg  auf  den  Hänperg,  von  demselben  Perg  ab  und  ab  den  Glasberg 
hinumb  zu  der  Glazmühl  bis  an  die  ausser  Laudach,  die  Laudach  ab  bis 
an  den  Planken  in  der  Au,  darnach  an  dem  Wasser  der  Alben  hinauf 
bis  wider  an  den  Kolgraben.*  Die  ÜbeltKter,  sofeme  selbe  nach  den 
Indizien  am  Leben  oder  Leib  peinlich  zu  strafen  wSren,  sind  dem 
Landrichter  von  Schamstein  ,Uber  das  Wasser  der  Albm  sonegst  dem 
Steg,  der  darüber  gehet'  zu  überantworten.  Der  R($nig  behält  sich  zu 
seinem  Landgerichte  Schamstein  die  Landhueber,  die  in  dem  Burgfried 
seßhaft  sind,  und  das  ,Landtfueter*,  auch  alle  Obrigkeit  mit  Besetzung 
des  Rechtens  (der  Schranne)  zu  Yorchdorf  bevor. 

^  Im  Stiftsarchive  Schlierbach. 

,Burokfiridt  und  Dorf  Obrigkeit  zu  Yorchdorf.  So  hat  es  zu  disem 
Schloß  Hochhauß  einen  ansehnlichen  hoch  befreyten  Burgkfridt,  in 
welchem  man  in  allen  bürgerlichen  und  auch  maleficischen  Sachen, 
ungehindert  des  Landtgerichts  Scharnstein,  die  gebttr  zu  handien  und 
nach  Gelegenheit  eines  ieden  Yerprechens  die  Schuldigen  zu  strafen, 
auch  alle  Handlung  wie  in  einem  Landtgericht  fürzunehmen  befuegt, 
ausser  was  vom  Leben  zum  Todt,  das  mueß  das  Landtgericht  Scham- 
stain  annemben  und  ohne  derlaß  verrichten  lassen,  wie  solches  die 
Kays.  Special  Burgfrids  fireyheit  mit  mehrem  ausweist,  welcher  Purk- 
firidt  auch  einen  grossen  gezürck  in  sich  begreift,  dan  selbiger  hat  bis 
in  die  ausser  Laudach  beym  Planken  in  der  Au,  und  ist  umbfangen  auf 
einer  seiten  mit  der  Alm.' 


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609 

and   in   dem  ,Urbarinm   des   adeligen  Sitzes   Messenbach'   aus 
der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts.^ 


Die  Exemtionen. 

Wie  in  den  übrigen  Vierteln  waren  auch  im  Traunviertel 
die  geschlossenen  Landgerichtsbezirke  von  Exemtionen  mehr 
oder  weniger  durchsetzt. 

Die  Klöster  St.  Florian,  Kremsmünster,  Garsten  übtön  auf 
eigenem  Grund  und  Boden  das  Blutgericht  aus,  im  allernäch- 
sten Umkreise  brachte  ihnen  die  Geschlossenheit  des  Besitzes 
einen  faktischen  Landgerichtsbezirk  zuwege,  wie  die  Land- 
gerichtskarte bezüglich  der  Hofmarken  von  St.  Florian  und 
Garsten  ausweist. 

Im  Landgerichte  zwischen  der  Traun  und  Ens  waren  die 
Holden  der  Inhaber  der  einzelnen  Teilgerichte,  gegenseitig 
exemt,  weiters  die  Eigenleute  von  St.  Florian  und  Krems- 
mUnster;  im  Landgerichte  der  Herrschaft  Steyr  jene  des  Klo- 
sters Garsten;  im  Landgerichte  Hall  jene  von  Kremsmünster 
und  Feyregg;  im  Landgerichte  Kremsmünster  jene  der  Herr- 
schaft Burg  Wels  und  der  Herrschaften  Pernstein,  Scharn- 
stein  und  Feyregg;  im  Landgerichte  Pernstein  jene  von  Krems- 
münster, ebenso  im  Landgerichte  Scharnstein ;  im  Landgerichte 
Hochhaus  jene  von  Scharnstein  und  Kremsmünster;  im  Land- 
gerichte Ort  die  meisten  der  Herrschaft  Puchheim. 

Die  Vizedomschen  Untertanen  im  Traunviertel,  in  die 
zwei  Amter  Pausweckenamt  und  Wartbergamt  (zuletzt  Amt 
Lauterbach  geheißen)  abgeteilt,  mit  der  hohen  Gerichtsbarkeit 

^  Im  Stiftsarchive  Kremsmünster. 

,Bargfiridt  So  hat  es  auch  za  dißem  Schloß  (Mössenbach)  ein 
absonderlichen  ausgezaig^en  Burgfiidt,  welcher  im  umbkraiB  eine  guete 
Meill  Wegs  in  sich  begreift  und  ist  solcher  laut  nachvolgendter  benenten 
Märchen  nemblichen  und  erstlichen  von  Wierth  am  Steg  hinüber  über 
den  FluB  der  Albm  zum  Lederer  an  der  Hütten,  von  da  aufwerts  am 
Höllenperg,  von  dort  aus  an  Yeichtenperg  nacher  an  Hauffen  zue,  von 
demselben  an  Asang»  alßdan  abwerts  in  die  Inner  Laudach  zur 
SchüzenmüU  zue,  von  derselben  durch  den  Wexlberg,  am  Beißlberg, 
Hochkogl  und  Heüssesperg,  von  dannen  aufs  Fraunholz,  dasselbe  ab  bis 
in  die  ausser  Laudach,  da  ein  Marchstain  gesezt,  und  solches  alles 
was  über  dise  March  aufwerts  in  Pergen  gegen  Schämstein  bis  auf  die 
March,  so  disen  Burgfridt  und  das  Schärnstainische  Landtgericht  schaidet, 
in  sich  begreift  und  sein  auch  das  die  March,  erstlichen  von  Wierth  am 


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610 

dem  landesfürstlichen  Vizedom  zu  Linz  unterworfen,  saßen  zer- 
streut in  den  Landgerichten  Tillysburg,  Stein,  Weißenberg, 
Gschwendt,  Losensteinleiten,  Hall,  Steyr,  Pernstein,  Scharn- 
stein,  Kremsmiinster,  Ort  und  Wimsbach.^ 

Wären  nicht  die  Kanzleiakten  nach  dem  Jahre  1850  in 
den  meisten  Archiven  dem  Moder  überliefert  oder  geradezu 
vernichtet  worden,  so  würden  die  statistischen  Berichte,  welche 
nach  der  vom  Appellationsgerichtsrate  Enderle  gepflogenen  Unter- 
suchung der  Landgerichte  denselben  abgefordert  wurden,  ein 
anschauliches  Bild  der  sich  durchkreuzenden  Zuständigkeit  der 
einzelnen  patrimonialen  Obrigkeiten  gewähren;  allein  selbst  im 
Archive  des  Oberlandesgerichtes  Wien  fehlen  die  bezüglichen 
Akten,  in  Kremsmünster  konnten  die  seiner  Landgerichte 
Kremsmünster,  Weißenberg,  Pernstein  und  Scharnstein  wenig- 
stens bisher  nicht  aufgefunden  werden.  Es  ist  deshalb  als  eine 
glückliche  Fügung  zu  preisen,  daß  wenigstens  ein  Archiv,  das 
des  ehemaligen  Kollegiatstiftes  Spital  amPirn,  fast  vollständig 
erhalten  blieb  und  in  den  letzten  Jahren  eine  musterhafte  Neu- 
ordnung erfuhr.* 

In  diesem  Archive  blieben  die  bezüglichen  Akten  des 
Jahres  1818  unversehrt,  aas  welchen  wir  außer  der  Qrenz- 
beschreibung  des  Landgerichtes*  folgende  interessante 
Daten  zur  Darstellung  bringen  können: 

Steg  in  die  Alben  hinauf  bis  an  Kolbachgraben  und  gehet  für  den 
Gattern  des  Paurn  am  Riedl,  am  Orthsperg  und  von  dannen  an  das 
Purchegg,  und  darnach  an  die  Inner  Laudach,  von  dannen  hinauf  über 
die  Inner  Laudach  an  Rech  Kogl,  von  dannen  den  Kraising  weg  auf  den 
Hayberg,  von  demselben  Perg  ab  und  ab,  den  Glazperg  hinumb  zu  der 
GlazmüU  bis  in  die  außer  Laudach,  die  Laudach  ab  bis  zu  dem  vor- 
gemelten  Marchstain.* 

^  Urbare  im  oberösterreichischen  Landesarchiv. 

*  Ich  würde  es  für  grenzenlosen  Undank  erachten,  an  diesem  Orte  nicht 
mit  herzlichem  Danke  des  Mannes  zu  gedenken,  welcher  beim  Beginne 
der  Arbeiten  für  den  historischen  Atlas  dem  über  das  Hinscheiden 
seiner  teuren  Lebensgefährtin  Tiefbetrübten  ermutigend  die  Hand 
reichte  und  ihm  durch  die  ganzen  Jahre  unermüdlich  zur  Seite  stand, 
des  Mannes,  der  die  Neuordnung  des  Archivs  besorgt  hat  und  mit 
seinen  vielseitigen  gründlichen  Kenntnissen  überall  am  rechten  Platze 
steht,  des  nunmehrigen  Direktors  des  Gymnasiums  zu  Kremsmünster 
Herrn  P.  Sebastian  Mayr. 

'  Im  Berichte  vom  31.  Juli  1818,  Nr.  83,  an  das  Traunkreisamt  heißt  es: 

,Dieser  Landgerichtsbezirk  erstreckt  sich  nicht  nur  in  Oberöster- 

reich,  sondern  auch  in  die  angrenzende  Steiermark.    In  Osterreich  ob 


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611 

Zum  Landgerichte  Spital   gehörten  folgende  Ortschaften : 
Spital  am  Firn    mit  148  Häusern  1119  Einwohnern. 


Oberweng             „     55 

n 

369 

Windischgarsten  „   133 

*» 

944 

Mairwinkel            „     29 

» 

188 

Bading                  „     35 

M 

208 

Pichl                    „     39 

n 

241 

Piesling                „     23 

» 

175 

Walchegg              „     13 

1» 

90 

BoBleiten               „     38 

n 

270 

der  Ens  auf  6  Meilen  Länge  und  5  Meilen  in  der  Breite,  und 
grenzet  vom  Bcheiblingstein  über  den  Falsing  nach  Tal  an  die  Lagl- 
mauer,  von  der  Laglmauer  an  nach  der  Herrschaft  Steyrischen  Unter- 
tansgemeinden bis  zum  Tiefengraben  jenseits  des  Steyrflußes  mit  der 
Herrschaft  Stejr.  Vom  tiefen  Graben  nächst  Leonstein  nach  diesem 
fort  bis  in  die  Steinmühlen,  einen  hohen  Berg  mit  der  Herrschaft 
Leonstein;  auf  den  Rücken  dieses  Berges  und  sodann  nach  Tal  zur 
Kirche  am  Georgenberg  bei  Michldorf,  von  dieser  Kirche  bis  zur  an 
der  Landstraße  stehenden  Landgerichtssäule,  und  von  dieser  zum  Hum- 
senbauem  durch  den  Backofen,  dann  weiters  bergauf  bis  an  den  Pfann- 
stein, wo  Spital  mit  dem  Landgerichte  Pernstein  und  Scharnstein  zu- 
sammenstoßt; von  da  über  den  kleinen  Keibling  bis  zur  Törlmauer, 
von  dieser  an  nach  der  Herrschaft  Scharnstein  Grenze  bis  an  das  Kreuz 
im  hohen  Priel,  weiter  von  da  fort  über  das  hohe  Gamsgebirg  bis  zum 
Salzsteig,  wo  die  steiermärkische  Herrschaft  Wolkenstein  anstoßt,  vom 
Salzsteig  an  nach  der  Land  Steiermärkischen  Grenze  auf  die  Schnoßlitz, 
Hirscheck  und  Türken  Haag,  sodann  auf  die  große  Scheibe  durch  die 
Lacken,  Schaal,  Dietlscharten  auf  das  hohe  Kreuz,  Schränk  an  hohen 
Eiben,  Reingruben,  Mitterberg  zwischen  die  Wände,  weiters  auf  die 
Höhe  des  Warschenecks  und  von  da  nach  Tal  auf  das  Haidische  Burg- 
stall, Angererkogel,  Gaisfeld,  Kuhfeld  und  Rabenstein  (,Schazstein'). 
Vom  Rabenstein  über  den  Rücken  nach  Tal  im  Graben  und  wieder 
bergauf  zum  Turnberg  auf  die  Schanze  im  Hassegg,  von  da  bergauf- 
wärts das  StaUegg  auf  den  Poßruck,  wo  sich  das  Wolkensteinische 
Landgericht  endet  und  das  Admontische  anfängt  und  über  den  Poßruck 
weiter  fort  auf  die  Arling  und  über  dessen  Schneid  fort  bis  zur  Pachner 
Mauer  und  Yirgiel-Törl.  Von  da  weiters  über  den  Ameisrigl-Berg  auf- 
wärts bis  zur  Höhe  des  großen  Pirgas,  von  da  weiters  über  die  Sau- 
wiel  herab  und  wieder  hinauf  auf  den  Scheiblingstein,  wo  die  Herr- 
schaften Spital,  StejT  und  Admont  mit  den  Landgerichten  zusammen- 
stoßen/ 

Im  ältesten  ,Lanndtäding  betr.  Lantgericht  am  Moß*  vom  Jahre 
1531  ,y ermerkt  die  Ruegung  des  Lanndtädings  so  man  Järlich  phligt 
zuhalten  In  meiner  Herrn  von  Spital  Landgericht*  lautet  die  Responsio 
(ürtl)  auf  die  erste  Frage:  ,Wie  verr  der  Landrichter  nach  altem  löb- 


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612 


Schweinzedt^ 

mit 

34  Häusern  201  Einwohnern. 

Seebach 

» 

22 

» 

139 

ff 

Gleunkerau 

n 

22 

n 

171 

ff 

Pahrnberg 

» 

15 

n 

77 

ff 

Bosenau 

» 

55 

» 

288 

ff 

Dambach 

n 

52 

n 

68 

ff 

Edlbach 

n 

58 

n 

394 

ff 

Yorderstoder 

» 

51 

ff 

298 

ff 

Gaisrigl 

n 

19 

ff 

123 

ff 

Yordertamberg 

n 

51 

ff 

381 

ff 

Hinterstoder 

n 

63 

ff 

487 

ff 

Mittelstoder 

n 

49 

ff 

281 

ff 

Hintertamberg 

T> 

13 

ff 

82 

ff 

St.  Fankraz 

n 

55 

ff 

322 

ff 

Scbalchg 

n 

23 

ff 

98 

ff 

Kniewas 

^ 

28 

ff 

140 

ff 

Klaus 

ti 

59 

ff 

417 

ff 

Michldorf  am  Kienberg 

n 

22 

ff 

136 

ff 

Michldorf  zum  Teil 

n 

124 

ff 

734 

ff 

Firn  in  Steiermark  z.  Teil 

n 

13 

ff 

133 

ff 

Gesamtzahl: 

1469  Häuser  9654  Einwohnern. 

Hiervon  waren  folgende  Untertanen  fremder  Dominien 
exemt: 

1.  Der  Herrschaft  Steyr  96  (in  Mairwinkel  11,  in  Bosenau  18, 
in  Dambach  26,  in  St.  Fankraz  15,  in  Klaus  4,  in  Michldorf  am  Kien- 
berg  9,  in  Mühldorf  9  mit  4  Haarstuben)  mit  487  Einwohnern. 

liehen  herkomen  die  Strassen  vnd  landgericht  zu  beschirmen  hab*  fol- 
gend: ,Yom  Schazstain  am  Piem  bis  heraus  an  des  stainen  kreato 
vnder  sand  Georgenperg,  daselbs  vber  vntzt  an  den  Planwipfl,  und 
nach  dem  schaidgraben  ab  hin  an  den  Göritzstain,  vom  Göritzstain  auf 
dürr  Falten,  von  der  dürrn  Falten  an  Hopfing,  und  wie  das  Regen- 
wasser also  von  der  Ferghöch  herein  in  das  tal  fleußt,  hat  der  land- 
richter  allenthalben  alle  unpild  wie  sich  gehurt  zu  strafen,  auch  auf 
den  leutn  und  guetem  zu  Michldorf  im  Dorf  gelegen,  so  dem  gotshans 
Spital  zuegehörundt  geleicher  weiß.*  Es  gab  14  Landhuber:  bemerkt  ist 
auf  dem  Fergamentumschlage,  daß  am  6.  September  1611  und  am 
28.  August  1613  der  Hofrichter  Ludwig  Flengg  das  Landtäding  beim 
Georgen  zu  (Ober-)  Hilbem  gehalten  und  den  Dienst  von  den  Land- 
hubem  empfangen  habe.  Das  älteste  Täding  ist  vom  Erchtag  tof 
Ffingsten  1546  verzeichnet. 
*  Entstellt  aus  Schweikertsed  =  Swikkersoed. 


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613 

2.  Der  Herrschaft  Gleunk  77  (inMichldorf  13  mit  4  Haarstnben, 
in  Seebach  15,  in  Spital  16,  in  BoBleiten  13,  in  Gleunkeran  3)  mit 
89  Einwohnern. 

3.  Der  Herrschaft  Leonstein  4  in  Michldorf  mit  12  Einwohnern.. 

4.  Der  Herrschaft  Feyregg  in  Michldorf  10,  in  Michldorf  am  Eien- 
berg  1,  in  Klaus  1,  zusammen  12  mit  90  Einwohnern. 

5.  Der  Herrschaft  Burg  Wels  1  in  Michldorf  und  1  in  Michldorf 
am  Kienberg  mit  7  Einwohnern. 

6.  Des  Klosters  Kremsmünster  35  (in  Seebach  6,  in  Pichl  9, 
in  Piesling  5,  in  Bading  7,  in  Edelbach  5,  in  Mairwinkel  1,  in  Schwein- 
zesberg  2)  mit  186  Einwohnern. 

7.  Des  Klosters  Lambach  4  (in  Steyrling  1,  in  Klaus  3)  mit 
41  Einwohnern. 

8.  Der  Herrschaft  Lauterbach  (Vizedomamt,  laut  Kaufvertrages 
Tom  1.  August  1758  an  Josef  Mayr  übergegangen)  5  (in  Klaus  1,  in 
Steyrling  4)  mit  88  Einwohnern. 

9.  Der  Herrschaft  Fern  stein  50  (in  Michldorf  28  mit  4  Haar- 
stuben,  in  Michldorf  am  Kienberg  4,  in  Klaus  2,  in  Kniewas  12)  mit 
333  Einwohnern. 

Im  Gesamten  284  Häuser  mit  1735  Einwohnern. 

Verblieben  sonach  landgerichtlich  1185  Häuser  und  7919 
Köpfe. 

Nicht  exemt  waren  die  Untertanenhäuser  von  Klaus,  von 
Windem,  von  Achleiten  und  von  Schlierbach. 

Der  Pfleger  der  Religionsfondsherrschaft  Spital  mußte,  um 
den  Bericht  erstatten  zu  können,  erst  Umfrage  bei  allen  Domi- 
nien halten,  von  welchen  untertänige  Häuser  im  Landgerichts- 
bezirke sich  befanden,  ob  sie  einen  Exemtionsanspruch  erheben, 
ein  Fingerzeig,  daß  die  Exemtion  wenig  mehr  wird  geachtet 
worden  sein,  wenn  der  Landrichter  über  dieselbe  keine  Über- 
sicht hatte. 


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ANHANG. 

GrenzbeschreibungeiL 


Nr.  I. 


Landgericht  Volkenstorf . 

(Landgericht  zwischen  der  Traun  und  Ena.) 

jGefertigte  Urchund  weilend  Sixten  Zieglers,  welcher 
über  vierzig  Jahr  lang  der  Herrn  von  Volckenstorff 
Landrichter  gewest,  gerichtliches  anzaigen  wolge- 
dachter  Herrn  Landgericht  und  auch  was  demselben 
in  ainem  und  dem  andern  angehörig  betreffende 
Libell  in  einer  Abschrift  XVII.  sec. 

1574,  Pfinztag  nach  Sontag  Invocavit  in  der  Vasten, 
Garsten.  Hanns  EhQnnmann  der  Zeit  Hofrichter  zu  Garsten  vidimirt 
die  Abschrift  eines  Libells^  welches  die  Herren  Wilhelm  und  Hanns  Ge- 
brüder von  Volkenstorf  auf  Weißenberg  und  zum  Stain  ihm  vorgezaigt 
haben,  und  berichtet  selbst,  daß  er  dieses  Libell,  welches  der  vor  ihm 
geweste  Hofschreiber  in  Weißenberg  der  Edlvest  Georg  Fyhringer  zum 
Weingarthof  Böm.  Kay.  Mt.  diener  geschrieben  hatte,  im  Jahre  1552,  als 
er  bei  der  gedachten  Brüder  seligen  Vater  Herrn  Wolf  von  Volkenstorf 
aufs  Schloß  Weißenberg  in  Diensten  gekommen^  bereits  vorgefunden  und 
der  Landrichter  Sixt  Ziegler  als  Ton  ihm  dem  Hofschreiber  dictirt  be- 
stätiget habe. 

Das  Register  lautet: 

Hierin   begriffen,   wie  weit  der  Wohlgebornen  Herren   von 
Volckhenstorf  Landgericht  wertt  undt  wo  man  die  Bichtstatt 


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615 

und  Schrannen  zum  Malefiz  rechten  besizt,  Item  auch  wo  ain 
Landrichter  das  Standgeld  bey  der  kirchen  abzunemen  hat. 

Zu  mercken,  Nachdem  Ich  Sixt  Ziegler  des  Alters  über  Siebenzig 
Jahr  und  nunmalln  der  wolgebornen  Herren  Herrn  Casparn  von  Yolcken- 
storf  seligen  und  Herrn  Wolfen  ?on  Yolckenstorf  seines  Sohns  auch  seli- 
gen beeder  meiner  genedigen  Herren  und  nun  nach  Abgang  erst  gemelds 
Herrn  Wolfen  von  Yolckenstorf  seligen  gelassene  SöneWilhalbm  und  Hanß 
Casparn  Herren  von  Yolckenstorf  auch  meiner  genedigen  Herren  in  die 
45  Jahr  Landtrichter  gewesen  und  noch  bin,  zaig  ich  hiemit  warhaftig  an 
auf  geschwornen  Ayd,  so  mir  hernach  yolgent  Adelspersohnen  fürgehal- 
ten  haben,  Souill  mir  bewußt  und  also  bisher  meines  gedenckens,  wie  weit 
Irer  Gnaden  Landtgericht  wertt,  darin  Ir  Gnad  die  zwen  thail  haben, 
und  darnach  die  herrn  von  Losenstain  in  der  Gschwend  den 
dritten  thail,  von  demselben  dritten  thail  die  in  der  Gschwend  die 
zway  thail  und  die  Ton  Losenstain  auf  der  Leuten  den  dritten  thail, 
und  wenn  ain  herr  von  Yolckenstorf  in  das  Gericht  oder  zum  Rechten 
schicken  mueB,  schickht  er  Tier  knecht  und  die  in  Gschwend  zwen  und 
auf  der  Leuthen  ainen,  und  hat  kainer  dem  andern  seine  underthanen 
noch  die  ime  zuversprechen  steen,  zu  fahen  und  zu  strafen  und  auch 
nach  Tolgend  an  was  orten  bey  den  Kirchen  des  von  Yolkenstorf  Land- 
richter des  Standgeld  allein  abgenomen  hat,  auch  an  den  orten  die  herren 
Ton  Yolckenstorf  von  Halefiz  wegen  derselben  ort  und  freyhait  zu  er- 
fordern haben,  wie  das  alles  hernach  Tolgt. 

Erstlich  wie  weit  das  Landgericht  wert.  Hebt  sich  an  bey 
Steyrerstraß,  da  das  Pächl  bei  Schlaißhaimb  enthalb  des  Schloßperg  das 
in  die  Traun  rynd,  darnach  mitten  in  die  Traun,  werth  mitten  in  die 
Thnenau,  von  danen  bis  gehn  Lorch  bei  Ennß.  Bis  mitten  in  des  Spittal 
uad  Pächl,  das  hinab  in  die  Thuenau  rindt,  ?on  danen  bis  an  des  Esch- 
pan  Mayr  Wißmath,  ?on  dem  selbigen  mitten  hinumb  bis  in  die  Ennß, 
Also  hinauf  gehn  Ernsthofen,  darnach  hinüber  auf  Dietach  auf  der 
Steyrer  holz  bis  mitten  zu  der  grossen  Eggllacken,  Ton  derselbigen  Eggl- 
lacken  bis  zu  ainem  guet  under  dem  Herrn  von  Yolckenstorf  genant  die 
Ottstorfhueb,  von  der  Ottstorf hueb  werts  bis  auf  das  Stainfeld  zu  dem 
stainen  Chreutz,  das  bey  der  straß  steet;  von  demselbigen  Chreutz  wei*ts 
bis  gen  Parschalch.  Yon  der  Steyrer  Straß  bis  hinauf  gen  Pmnern,  von 
Prunern  aus  nach  der  Müttern  straß  bis  auf  die  faulwiß,  von  danen  hin 
aufPußlwang,  von  danen  bis  mitten  in  dieErembs  bey  dem  Zellhof,  Ynd 
was  man  zu  Haal  ain  thäter  gefangen  wierd,  was  Tad  er  an  das 
Schwerdt   zu  recht  füergestelldt  solle  wem,  ist  man  in  das 

ArcMT.  94.  Band,  U.  H&lfte.  41 


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616 

Landgericht  bis  mitten  in  die  Erembs  bey  Zellhof  schaldig 
zu  antworten.  Vom  Zellhof  bis  geen  Eematten  mitten  auf  die  Steyrer 
stras.  Von  der  Straß  wert  es  witer  in  das  Pächl  geen  St.  Gilgen  kirchen 
geen  Schlaißhaim. 

Zum  andern.  Wo  durch  die  heiTSchaft  Ebersperg  in  dem 
Marckt  oder  denselben  Furckfrid  zuegehörig  ain  übelthäter  von  Malefiz 
wegen  durch  ainen  Pfleger  oder  Richter  betreten  und  gefangen  wird,  so 
ist  der  Verwalter  schuldig  auf  Erfordern  der  Herren  von  Volckenstorf 
Landtrichter  zu  dreyen,  vierzehen  tagen  mit  allem  dem  wie  er  mit  fanck- 
nus  betreten  und  bey  im  gehabt,  nach  Vermögen  der  Herren  von  Volcken- 
storf herkomen  und  der  herrschaft  Ebersperg  frey halten  schuldig  zu 
antworten,  nemblich  zu  den  nach  benenten  orten  des  Purckfrid  hinaus 
auf  das  Ennßholz  zu  dem  stainen  Creuz,  darnach  auf  das  Schüsslholz 
geen  St.  Florian  werts,  stet  auch  ain  Creutz,  von  demselbigen  Chreutz  bis 
zu  der  Pruggen  in  Wanpach,  darnach  bis  hinab  gen  Au  zu  dem  Creuz 
bis  mit  in  die  Traun. 

Item  zu  Ans  fei  dt  hat  man  unerfodert  was  er  enhalb  des  Pachs 
in  das  dorf  von  Landgericht  wegen  weder  in  die  Heuser  noch  auf  den 
gassen  zu  greifen,  sondern  was  Maleflz  bedriflft  mueß  man  an  den  Ver- 
walter der  herrschaft  Ebersperg  in  dreyen  Vierzehen  tag  vodern.  was 
aber  ausser  des  dorff,  so  über  das  Pächl  bey  dem  alten  Meßnerhauß  rindt, 
ist,  hat  der  Landtrichter  umb  alle  verprechung  darein  zu  greifen. 

Zum  dritten  vermögung  der  Herren  von  Volckenstorf  und  aines 
jeden  Probst  zu  sandt  Florian  freyhaiten,  wann  des  von sandt Florian 
hofrichter  ainen  streichunden  Malefizischen  oder  seine  (sie)  seßhafft  in 
dem  Marckt  daselbs  war,  so  durch  obgemelden  hofrichter  oder  Verwalter 
Ambts  alda  der  thäter  zu  fanckhnnß  kombt,  soll  man  desselben  thäter 
des  Herrn  Yon  Volckenstorf  Landrichter  albeg  in  Vierzehen  tagen  er- 
fordern biß  so  lang  drey  vierzehen  tag  aus  sein,  Alßdann  soll  man  der 
Herren  von  Volkhenstorf  Landtrichter  solchen  thäter  heraus  für  das  Closter 
antwortten  Und  der  hofrichter  soll  bey  der  Ersten  frag  sein,  darnach 
soll  geschehen  weiter  was  recht  ist. 

Im  gleichen  Faal,  wo  der  Landrichter  ainen  Malefizischen  under 
dem  Probst  im  Landgericht  seßhafft  von  Malefiz  wegen  erfordert,  soll  er 
in  gleichem  Fall  wie  vorgemeld  überanwort  werden. 

ZumViertten  Waß  des  von  Volckenstorf  Landrichter  bey  den 
Nachvolgenten  Pfarkirchen  und  derselben  Zuekirchen  das  Standgeld  allein 
einzenemben. 

Erstlich  zu  Weiskirchen  haben  des  von  Volkenstorf  und  der 
Herr  von  Losenstain  in  der  Gschwendt  beede  Landrichter  das  Standtgeld 


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617 

dasselbs  miteinander  anznnemben/allweegen  des  Sonntags  nach  St.  Yeits- 
tag,  aber  des  von  Erembsmünster  Leuth  seindt  vor  dem  Standtgeldt 
gefreit. 

In  Packhing  Sambt  der  großen  Zuekirchen  sandt  Lienhardt 
und  Zeidlhaim  Nimbt  des  von  Yolckenstorf  Landtrichter  allein  ab ,  zu 
Puckhing  des  Sontags  nach  sand  Michaelstag,  zu  sand  Leonhard  zu  Mitter- 
fasten vnd  an  sand  Johanstag,  zu  Zeidlham  an  sand  Larentzentag  vnd 
an  sand  Maria  Magdalena  Tag,  aber  des  Ton  Losenstain  leüt  sein 
gefreit. 

Bei  der  Pfarrkirchen'zu  Ansfeldt  hat  des  von  Yolckenstorf  Landt- 
richter daselbs  nit  abzunemen,  aber  bei  derselben  Zuekirchen  auf  sandt 
Petersperg  zu  sandt  Peterstag,  zu  Neßlpach  an  sand  Pangrazen  tag  und  zu 
unser  frauen  gebuert  und  zu  sandt  Yeith  an  sandt  Yeitstag.  Alda  hat 
der  Ton  Yolckenstorf  Landtrichter  das  Standtgeldt  ohn  Irrung  der  ab- 
zenemen,  doch  ausserhalb  des  von  Losenstain  Leuth. 

Item  zu  Rorbach,  so  ain  Zuekirch  geen  sand  Florian  ist,  hat  des 
von  Yolckenstorf  Landrichter  und  des  von  sand  Florian  Marktrichter 
albegen  an  sandt  Stephanstag  baidt  auf  gleiche  Thailung  das  Standgeld 
abzenembem. 

Item  bei  der  Pfarrkirchen  sand  Lorentzen  bey  Enß  hat  des  von 
Yolckenstoif  Landrichter  an  sand  Lorentzentag  das  Standgeld  allein  ab- 
zenemen,  heraussen  des  freythofs  und  Innen  auf  dem  Freythof  bis  an  die 
Kirchthier  und  Niemands  anderer. 

Item  zu  sandt  Ylrich  bey  Yolkenstorfain  Zuekirch  geen  sand 
Florian  hat  des  von  Yolckenstorf  Landrichter  daß  Standgeld  allein  ab- 
zenemben. 

Item  bey  der  Kirchen  zu  Cronstorf  hat  des  von  Yolckenstorf 
Landrichter  das  Standtgeld  abzunemben,  ist  aber  bißher  nit  beschechen, 
sondern  man  läßt  der  kirchen  aus  guetem  Willen. 

Item  zu  Hef kirchen  zu  Mitfasten  hat  des  von  Yolckenstorf  und 
des  von  Losenstain  auf  der  Leithen  Landti'ichter  baid  das  Standgeld  da- 
selbs mit  einander  abzenemben. 

Item  zu  Neukirchen  hat  des  von  Yolckenstorf  Landtrichter  und 
der  Herr  von  Losenstain  in  der  Gschwend  und  Losenstainleuthen  das 
Standgeld  all  mit  einander  abzenemben  an  sandt  Margareth  tag  vnd  an 
sand  Gilgentag,  auch  am  Sontag  Exaudi  im  Jar. 

Item  bey  der  Pfarrkirche  zu  Samerein  hat  des  von  Yolckenstorf 
Landtrichter  und  des  von  Losenstain  Landtrichter  in  der  Gschwend  das 

Standtgeldt  abzenemen. 

41» 


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^  ^^xi  die  Sohrannen  fber  das  Male- 

rn vermerckeD, ^^^^^  ^,^  ^.^j^f^stet  sind  wie  hernach  volgt. 

ErstiicDen  ^"'^'^^^  ^  die  Freithofmaur  auf  dem  Anger,  darnach 
j^ircben  ^^^^^""^^^  Galgen  zn  Asten, 
d/e  ßic  ^nderSchran  zu  Elckhaim  auf  der  Rechwiß,  von  dannen 


I   fei*"«"*"  j;^ 

fit  beBi  ^^^  schrannen  zu  sand  Lorentzen  Pfarr- 

rstlichen  seit  m* 


Item  die 


zu  yorl 


..bemalter  Bichtefcat  zu  füehren. 

*        die  dritt  zu  Neukirchen  auf  dem  Platz  an  die  Prcidhof- 
Von  dannen  an  die  Eschen,  da  das  Oreutz  stett  sezt  man  die 
^    annen,  und  die  stat  zu  enthaubten  ausen  auf  dem  Chreuzholz,  da  stet 

ain  Chreuz. 

Item  die  viertt  Schrann  setzt  man  zu  sand  Marein  auf  dem  Anger 
Qr  des  Sulzmair  söldt  und  die  Enthaubtung  vor  der  Schrann  zu  füehren 
hinaus  auf  Samareiner  holz,  da  es  sich  anfecht,  da  stet  ain  Chreutz. 

Item  die  fünfift  besizt  man  zu  Eematen  vor  des  Georg  PQechler 
}iau6  und  der  andern  Tafern  auf  dem  Platz  und  die  Richtstatt  aussn  vor 
dem  dorf  neben  das  Eematschachen  bei  der  Welser  straß  auf  der  lincken 
bandt. 

Item  die  Sechste  Schran  besizt  man  zu  hasen  ürfar  auf  dem 
Platz  vor  der  Tafern  enhalb  der  Straß,  daselbst  mag  man  in  der  Schrann 
enthaubten.  Was  aber  mit  dem  Rath  undt  Prand  richten  will,  mag  man 
auf  dem  haidlein  bey  dem  Ohreuz,  wie  die  stras  hinein  zum  urfar  an  die 
Traun  gehet,  richten  lassen. 

Item  die  Siben  und  Letzte  Schran  ist  zu  Freindorf  neben  Ans- 
felden,  daselbs  besizt  maus  auf  ainem  Anger  neben  der  Freygätter,  Was 
man  aber  richten  will,  soll  man  zu  der  Richstat  gen  Asten  füehren. 

Vermerkt,  was    die   freyen   in  der  Herrschaft  Volckenstorf 

ainem  Landricht  dienstpar,  So  Sixt  Ziegler  Landrichter  f  ber 

viertzig  Jahr    in    gehabt    und   dermassen  Järlichen  einge- 

nomen.   Actum  den  3.  Juli  1558.^ 

Pf.  St.  Florian:  Schober  zu  Raflstetten  von  seinem  behausten  freygnt, 
so  er  zu  überlend  hat,  dient  Järlichen  faschang  hennen  zwo. 

Pf.  St.  Marien:  Stadlaigner  vom  Stadlaigen,  ainem  behausten  freigut, 
1  Faschanghenne;  Caspar  Sulzmair  (sonst  haimbl  genant)  zu 
Sumarein  von  ainem  behausten  freigut  zu  Pircha  1  faschang- 
henne. 


'  Eine  zweite  Abschrift  ist  bestätig  1643  von  Georg  Engelshaimber  d.  z. 
Hofrichter  zu  St.  Florian,  Vellrich  Baidt  vnd  Zacliarias  Neidthardt. 


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Pf.  Ansfelden:  Das  GQetl  an  der  Stigl,  behaustes  freigut,  1  faschang- 
henne;  Michl  am  Fleck,  ein  behaustes  freigütl,  2  faschang- 
hennen. 
Pf.  Pncking:  Oberpanrngatl,  behaustes  freigut,  1  Henne  (Überlend 
des  Wirts  in  Hasenurfar);  Sailler  daselbs,  behaustes  freigut, 
1  Henne;  Neuhauser  daselbs,  behaustes  freigut,  1  Henne; 
Eamptner  daselbs,  behaustes  freigut,  1  Henne;  Lehner  auf  der 
Haydt,  behaustes  freigut,  1  Henne. 
Pf.  Stadikirchen:  Tafern  zu  Stayning,  behaustes  freigut,  1  Henne; 
alt  Mertlmair  TonPirhat,  behaustes  freigut,  1  Henne;  Stefl 
Hauser,  behaustes  freigut,  1  Henne;  mehr  ain  freigut  daselbs, 
1  Henne. 
Yolgen  die  ledigen  Acker.  Christi  Püchler  zu  Nöttingstorf  hat  yezt 
zu  Tberlendt  etlich  Äcker,  so  vormals  darauf  ain  behaust  guet 
gestanden  und  das  Puechlguet  genandt  gewest,  dient  järlichen 
1  faschanghenne. 

Schober  zu  Bafelstetten  Pf.  Florian,  Fuxpaum  zu  Baydt 
Ff.  Enns  haben  ledige  Gründe,  Puxbaum  zu  Borbach  Ff.  St.  Flo- 
rian hat  ainen  ledigen  Grund,  heußl  zu  Dettling  hat  etlich  ledig 
Gründt. 

Wietzenmüilner  Pf.  Sumarein  hat  etlich  ledig  grQndt. 
Michl  am  Fleck  Pf.  Ansfeldt  hat  auch  ain  ledigen  grundt, 
Scharmüllner  hat  etlich  ledig  grflndt. 

Thoml  des  Mayr  zu  Döttling  Son  Ff.  Florian  hat  ain  Acker. 
Diso  vermelden  TJnderthanen  müessen  auf  ervodern  die  Schran  be- 
sizen.  Wann  ain  Verwandlung  beschiecht  under  den  behausten  oder  ledigen 
Gründen,  gibt  der  abfardt  drey  kreuzer  und  der  aufifert  drey  kreuzer 
ainem  Landrichter,  darzue  hat  ain  Landrichter  die  Yerttigung  über  die 
Tormelten  stuck  und  g^üeter. 

Pf.  St.  Florian:  Waldtpothueber  dient  Järlichen,  so  vers  ain  Landt- 
richter nit  selbs  besizt,  12  /^  ^. 
Pf.  Ansfeld;  Stiglpaur  dient  Eom  15  Mezen,  habern  15  Mezen,  herbst- 
bannen  2. 
Von  den  zwayen  güetern  Waldtpothueb  und  Stiglpaurnguet  mueß 
ain  Waldpoth  oder  Landtrichter  dasjening,  so  an  der  strengen  frag  auf 
ainen  Zichtiger  gehet,  darzue  was  man  aim  Fluetrichter  zu  thuen  ist, 
zalln  und  sein  die  freyen  darein  nichts  ze  geben  schuldig.   Was  aber 
aines  Zichtinger  und  Fluetrichter  Zehrung  betrifft,  sein  die  freyen  zu 
bezalen  schuldig,  was  auf  ain  Pluetschreiber  gehet,  sein  die  freyen  aus- 
zerichten  schuldig.   Der  Stiglpaur  ist  schuldig  die  armen  Leuth  zum  ge- 


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620 

rieht  zu  füehren,  der  waltpothueber  ist  schuldig,  die  Schrannen  und  was 
zum  Gericht  gehört  darzue  ze  fflehren.  Die  freyen  mflessen  die  Schrannen 
aufrichten.  Ain  Waldtpothueber  ist  schuldig  das  holz  zum  Galgen  ze 
geben  und  die  freyen  müessen  in  aufrichten.  Wann  man  ain  mit  dem 
Bath  urtlt  oder  rechtferttigt,  sein  schuldig  die  freyen  dasselb  zu  bestellen 
und  bezalen.  Ain  Waldpothueber  und  Stiglpaur  dürfen  die  Schrann 
mitbesezen.  Wann  man  ain  enthaubt,  sein  die  freyen  schuldig  das  Grab 
zu  machen  und  denselben  einzegraben.  Wann  aber  ain  Weibs  Person 
under  ain  Galgen  vergraben  werden  solle,  mueß  der  Zichtinger  selbs  zu 
verrichten. 

Zur  klaren  Auslegung  vorstehender  Kundschaft  gehört  folgende 
noch  ungedruckte  Urkunde:  1347,  24.  April. 

Ich  Gundakcher  vnd  ich  Berichtold,  wir  paid  prueder  von 
Losenstayn,  vnd  all  vnser  Eriben  veriechen  offenbar  [an]  dem  prief 
vnd  tuen  chunt  allen  den  di  in  sehent  oder  horent  lesen,  dl  nu  sind  oder 
hernach  chunftig  werdent.  Daz  vns  vnser  lieber  Ocheim  Her  Ott 
von  Yolchenstorf  geben  hat  nach  seines  vater  Hern  Albers  seligen 
Weisung  vnd  rat  von  volchenstarf  daz  ain  drittail  an  dem  Lant- 
gericht.  daz  er  gehabt  hat  ob  der  Ens.  vnd  daz  ander  drittail 
dez  selben  Lantgerichtes.  daz  stet  vnsern  Pruedern  Hern  Dye- 
treichen  vnd  Buedolfen  von  Losenstayn.  daz  schol  er  vns  herwider 
losen  vmb  Hundert  phunt  alter  wienner  phenning  an  all  Widerrede,  vnd 
denselben  tail  schol  unser  vorgenanter  öcheim  Herr  Ott  von  Vol- 
chenstarf mit  vns,  mit  vnsern  Eriben  inn  haben  vncz  an  seinen 
tot,  vnd  nach  seinem  tot,  ist  daz  er  Leib  eriben  gewint.  Da  schol  der 
selb  tail  auf  genauen.  Ist  awer,  daz  er  an  Leiberiben  verschaid,  so  schol 
der  selb  tail  zesampt  dem  unsern  Ledigleich vnser  vnd  vnserr  eriben 
sein,  vnd  schullen  wir  dann  di  vorgenanten  zway  Drittail  an  dem 
Lantgericht  gancz  vnd  gar  Jnn  haben  vnd  niezzen  mit  allen  den  rech- 
ten vnd  nuczen  als  da  zu  gehoi*t  versuecht  vnd  vnuersuecht.  wi  das  ge- 
nant ist.  ze  alle  dem  rechten,  alz  ez  vnser  Ocheim  Her  Alber  seliger 
vnd  sein  Svn  Her  Ott  in  ir  nucz  vnd  gewer  gehabt  haben,  vnd  dazselb 
Lantgericht  habent  si  vns  emaln  gemacht  vnd  haben  ez  auch  enphangen 
vnd  genomen  von  vnserm  genedigen  Hern  von  Österreich.  Er  hat  vns 
vnd  vnsern  Eriben  auch  geben  das  Hous  in  der  Geswent  vnd  waz 
da  zu  gehört,  daz  Lehen  ist  von  meinem  Herrn  von  Pazzaw  also,  daz  wir 
den  halben  tail  dez  selben  Hous  in  der  Geswent  losen  schullen  von  seiner 
wirtinn  vrown  Chunigunden  vmb  Hundert  Phund  vnd  Sibenzik  Phund 
alter  wienner  phenning,  wenn  wir  wellen  oder  mugen  vnd  schol  denn 
daz  obgenant  Hous  in  der  Geswent  mit  allen  rechten  und  nuczen  Ledig- 


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621 

leich  vnser  ynd  vnserr  Eriben  sein,  ze  alle  dem  recht  als  ez  Her  Albers 
seligen  vnd  Hern  Otten  seins  Sans  gewesen  ist.  ynd  daz  selb  Hous 
habent  si  vns  emaln  gemacht  vnd  geben,  vnd  haben  ez  auch  mit  sampt 
in  enphangen  vnd  genommen  von  ynserm  lieben  Hern  von  Fazzaw.  Er 
hat  yns  vnd  vnsern  eriben  auch  geben  vnd  gemacht  den  Ma rieht  ze 
Newnhofen  ynd  swaz  da  zu  gehört  wi  daz  genant  ist.  Der  Lochen 
ist  von  ynserm  Hern  dem  Herczogen  von  Österreich,  vnd  den  obem 
Hoff  ze  Schirmstarf.  der  Lochen  ist  von  Ohremsmflnster,  also  ob  er 
an  Leib  eriben  verschaid.  so  scholl  der  vorgenant  Maricht  ze  Newnhofen 
vnd  der  Hoff  ze  Schirmstarff  mit  allen  rechten  vnd  nueczen  vnd  da  zue 
gehört.  Ledichleich  auf  vns  vnd  vnser  eriben  geuallen.  Ist  awer.  daz 
er  den  Haricht  vnd  den  Hoff  indert  verchumbern  wil.  da  schallen  wir 
in  nicht  an  irren,  awer  der  maricht  vnd  der  Hoff  schol  furbaz  anders  wo 
nindert  mit  chainem  gemocht  vermacht  werden.  Vnd  di  vorgenanten  Guet 
alle,  wi  di  genant  sind,  hat  vns  vnd  vnsern  eriben  vnser  lieber  Ocheim 
Her  Ott  von  Yolkchenstorf  recht  vnd  redleich  geben  für  vnsern  Eribtail. 
der  vns  von  im  vnd  seinen  vodern  werten  schuld  sein.  Ist  aber  daz  er 
an  Leiberiben  verschaid.  waz  vns  denn  durich  recht  angeuallen  schol. 
da  schol  vns  niempt  an  irren  weder  wenich  noch  vil.  vnd  der  Gueter 
alle  wi  di  genant  sind,  schol  er  vnser  Gewer  vnd  scherm  sein  für  alle 
ansprach,  wo  vns  dez  not  geschieht,  alz  Landez  recht  vnd  gewonhait  ist 
in  dem  Land  ze  Österreich,  vnd  daz  di  sach  vnd  di  Wandlung  furbaz  stet 
Tnd  vnzeprochen  beleih.  Dar  vber  geh  wir  Ich  Gundakcher  vnd  ich  Be- 
richtold.  wir  Prueder  von  Losenstayn.  disen  offen  brief  versigelt  mit 
vnsern  paiden  anhangunden  Insigeln.  und  sind  der  Tajding  zeug  Her 
Hainreich  von  Volchenstorf  vnd  Her  Fridereich  von  Waltse  von  Ens  mit 
Jren  anhangunden  Insigeln.  Der  prief  ist  geben  nach  Christi  gepurd 
drewzehen  Hundert  Jar  vnd  darnach  in  dem  Siben  vnd  vierczkistem  Jar 
an  sand  Görigen  tag. 

Die  Siegel  der  Aussteller  hängen,  jene  der  Mitsiegler  sind  verloren. 

Orig.  Perg.  im  herzogl.  Sachsen-Koburgschen  Schloßarchive  Greinburg. 

Nr.  II. 
Landgericht  der  Stadt  Ens. 

Grenzbeschreibung  aus  dem  oberösterreichischen  Instanzen- 
kalender 1827. 

Die  Grenze  läuft  südlich  von  der  am  Ensflusse,  eine  halbe  Viertel- 
stunde von  der  Stadt  entlegenen  Lichten scheinmühle  und  dem  daselbst 


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622 

befindlichen  Hanptmarksteine  gerade  der  Höhe  bei  der  Forstbergsplanke 
vorüber  bis  zu  dem  Eingangstürchen  des  Freisitzes  Forstberg,  Ton  da 
auf  den  an  dem  eine  kleine  Viertelstunde  von  der  Stadt  entlegenen 
Biezlmayrfelde  liegenden  Bain  hinab  auf  den  Mosergangsteig  und  Yon 
diesem  bis  an  das  Espelmayr-  oder  Blaicherbächlein;  westlich  nach 
diesem  eine  Viertelstunde  Yon  der  Stadt  entlegenen  Espelmayr-  oder 
Bleicherbächlein  rechter  Hand  fort  bis  zur  Spitalkirche  und  über  die 
Straße  bis  zum  Lederer  nächst  des  Bürgerspitals  unter  dem  Schmiedberge; 
nördlich  von  diesem  Ledererhause  nach  dem  Bächlein  bis  zum  Qur- 
hofe;  Yon  da  bis  zu  der  eine  Viertelstunde  von  der  Stadt  entlegenen 
Luckenederstiegel  bei  Lorch  über  den  Fahrtweg  und  fort  bis  zur  Wasser- 
hütte in  Enghagen,  von  dieser  aber  nach  dem  Donauarme  und  dem 
Taborhause  fort,  wo  die  Ens  in  die  Donau  fließt;  östlich  dann  von 
diesem  Ausflusse  der  Ens  in  die  Donau  herauf  bis  auf  die  halbe  Naufahrt 
beim  Ealkofen  in  der  Vorstadt  ünterreintal,  endlich  von  der  Enser 
Jochbrücke  weg,  durch  den  Hausgarten  des  Pichlbauers  im  Lerchentale 
auf  der  Steyrer  Landstraße  fort  bis  zu  dem  obengenannten  Hauptmark- 
steine. 

Vgl.  auch  Grenze  gegen  Landgericht  Spilberg  S.  596,  Anm.  1. 

Nr.  III. 
Volkenstorf  (Tillysburg). 

Grenzbeschreibung  nach  dem  oberösterreichischen  Instanzen- 
kalender 1827. 

Der  Landgerichtsbezirk  zieht  sich  von  der  Pfarr  und  Ortschaft 
KroDstorf  nach  dem  Ensflusse  bis  zur  Lichtenscheinmühle  bei  Ens,  von 
dort  nach  dem  Burgfried  der  Stadt  Ens  und  dem  Blaicherbächlein  zur 
Donau,  längs  der  Donau  aufwärts  zur  Traun,  nach  diesem  Flusse  bis  zur 
Wambachbrücke,  von  dieser  über  den  Stättinger  auf  den  Borbacher  Fahrt- 
weg, durch  Bohrbach  zum  weißen  Kreuz  bei  Hohenbrunn  und  yon  diesem 
nach  dem  Fahrtwege  nach  Niederfraunleiten.  Von  da  erstreckt  sich  die 
Grenze  nach  dem  Fußsteige  vom  Giiiber  zu  Grub  bis  zum  Lughamer, 
von  welchem  Gute  die  Eommerzialstraße  die  Grenze  bei  Niederneukirchen 
ist,  und  wovon  sich  die  Landgerichtsgrenze  auf  den  Fußsteig  gegen  das 
Norbergut  auf  das  Mairgut  in  der  Wies,  von  dort  über  das  Schlattholz, 
über  den  Distlberg  nach  Winkling  auf  die  Kraußmühle  und  von  da  über 
Hausmaning,  Pirchhorn  nach  Kronstorf  zieht. 


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623 

Nr.  IV. 
Landgericht  Weißenberg. 

Grenzbeschreibung  nach  dem  Instanzenkalender  vom  Jahre 

1827. 

Der  Weißenbergische  geschlossene  Landgerichtsbezirk  erstreckt  sich 
von  der  Schwarzmühle  oberhalb  Schleißheim  des  Talweges  und  des  Traunflus- 
ses  entlang  bis  zur  Einmündung  des  Eremsflusses  in  denselben,  dann  nach 
diesem  Talwege  herauf  bis  Eremsdorf,  und  von  da  noch  über  die  Krems 
nach  einer  durch  die  Oi*tschaften  Grub,  Nöstelbach  und  Fachersdorf  bis 
zur  dasigen  Eremsmühle  reichenden  Linie ;  von  dieser  Mühle  wieder  nach 
einer  Linie  durch  die  Ortschaft  Lining  zurück  über  die  Erems,  und  wei- 
ters durch  die  Ortschaften  Lindach,  Laimgräben,  Bergern,  Samersdoif, 
Sinnersdorf,  Weißkirchen  und  Dietach  nebst  Schleißheim ;  endlich  nach 
einer  von  dieser  Linie  bei  Schleißheim  abspringenden  und  bis  zur  obigen 
Schwarzmühle  wieder  abschließenden  Linie. 

Nr.  V. 
Landgericht  Stein. 

Grenzbeschreibnng  nach  dem  k.  k.  Instanzenkalender  vom 

Jahre  1827. 

Von  der  Wambachgrenze  bis  Niederneukirchen  dient  die  Grenze 
des  Landgerichtes  Tillysburg  auch  für  den  Landgerichtsbezirk  Stein  als 
Absonderung  beider  Bezirke.  Von  Niederneukirchen  läuft  die  Grenze  über 
Buprechtshofen  auf  den  Babengattern  beim  Dörflbauer  bis  zum  Schmiede 
beim  Bach  zu  St.  Marien;  von  St.  Marien  nach  dem  Gangsteige  auf  die 
zwei  Hauschen  beim  Holz,  weiter  zum  Huber  zu  Fiebert,  zum  Plazer  zu 
Pacherstorf,  zum  Nöstlbach  und  Zierberg  und  nach  der  Erems  zur  Wam- 
bachbrücke.^ 


*  Der  Sitz  zum  Stain  wurde  1698,  20.  August  von  Wolf  Wilhelm  von 
Volkenstorf  von  Kaiser  Rudolf  H.  zu  Lehen  empfangen  (Blätter  des 
Vereines  fOr  Landeskunde  von  Niederösterreich  XXXV,  497).  Stein 
bildete  ein  Amt  der  Herrschaft  Weißenberg,  bis  M.  Ludowika  Freiin 
von  Weichs  dasselbe  sowie  Tillysburg  aus  der  Konkursmasse  ihres  Gemahls 
Joh.  Josef  Clemens  von  Weichs  an  sich  brachte  und  dann  später  beide 
dem  Stifte  St.  Florian  verkaufte.  Die  letzte  Tilly  Gräfin  M.  A.  Fran- 
ziska von  Montfort  hatte  selbe  1730  an  Freihern  von  Weichs  veräußert, 
mit  Stein  auch  den  östlichen  Teil  des  Landgerichtes  Weißenberg.  Das 
Schloß  war  nach  dem  Anschlage  der  Herrschaft  Stein  vom  Jahre  1745 


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624 

Nr.  VI. 
LosensteinleiteiL 

Grenzbeschreibung  aus  dem  Urbar  vom  Jahre  1662.^ 

Erstlichen  fanget  sich  das  Landgericht  zue  Ober  Prunern,  allda 
die  Landstraß  mitten  im  Dorf  durchgehet,  von  dannen  anf  die  rechte 
Hand  hinumb  zum  Stromayr,  zwischen  beeder  Häuser  durch,  alsdann 
über  die  Hech  herein,  ausser-  oder  oberhalb  der  Thaller  Pauin,  auf  die 
Hundtsedt,  allda  zway  Heuser,  aus  welchen  das  innerhalb  des  Wegs  im 
Losenstainerischen,  das  ander  im  Gschwendtnerischen  Landgericht  ligent 
ist,  Yon  dannen  in  die  Haydter  gassen  und  Haydt,  so  ein  Jnfang,  darin 
ein  Leimbäm  und  alhero  gehörig,  alsdann  auf  Haußbach  ausserhalb  Weich- 
stötten,  und  ausserhalb  des  Gänssterer  am  feit  im  thall  herumb,  in  wel- 
chem thall  oder  Läan  auf  dem  feit  zwergs  über  den  Gschwendtnerischen 
Fardtweg  ain  Binnsal  binüber  gegen  den  Haußpöcken,  auf  Haußbach  und 
also  fort  für  Erlafing  und  Driehueb  im  thall  hinab,  alda  in  Weich- 
stötterpach  kommen  und  fliessen  thuet,  welcher  pach  und  völliger  Binn- 
sal das  Landgericht  fort  bis  zu  der  Mühl  gen  Bueprechtshoven  und  gar 
auf  (Nieder)  Neukirchen  schaiden  thuet.  Von  Neukirchen  schaidet  es  der 
Kirch  oder  gehweg  zwischen  der  Mösen  und  Schmidten  durch  zum  Nörber, 
von  dannen  der  fardtweg  zum  Mayr  an  der  Wiß,  welcher  beede  ausser- 
halb hieigen  Landgerichtsgezirk  ligent,  von  dannen  fort  aufs  Schladtbolz 
zum  Pinderheusl  bey  der  Linden,  von  dannen  über  den  weg  im  holz,  am 
fartweg  durch  auf  der  Linzerstrassen,  und  in  holz  am  fartweg  durch  und 
neben  des  Dierstlbergers  Jnfang  am  fartweg  hinumb  in  der  gassen,  und 
bei  des  Edlinger  feld  durch  den  Gattern  auf  die  rechte  Hand  in  dem  feld 
hinab  zu  denen  Dierstlberger  Heusern  am  Weg  neben  der  Boßschwemb 
oder  Lacken  hinumb  beim  Haydterer  am  feldt  neben  den  grabn  hinab 
über  den  Berg  zu  desPraunmayrHanifstuben,  von  dannen  hinab  nach  den 
Graben  zu  der  Straußmühl,  alda  über  den  Berg  in  der  Strassen  hinab  auf 


(Schlüsselberger  Archly)  im  Jahre  1715  ^costbarist^  erbaut,  zur  Herr- 
schaft gehörten  65  Holden,  zum  freien  (im  17.  Jahrhundert  allodiali- 
sierten)  Landgerichte  355  Häuser. 

Dasselbe  war  von  dem  Pfleger  und  Landgerichtsverwalter  Abraham 
Bohner  (1640—1651)  aus  der  alten  Herrschaft  Urbariis  und  Begistem 
zusammengetragen  worden. 

Das  Fischwasser  auf  der  Traun  zwischen  dem  Gschwendt- 
nerischen und  dem  Florianischen,  dann  auf  der  Krems  unter  dem 
Wühr  bei  der  Kreuzmühl  bis  an  die  Brücke  zu  Wartberg,  femers  auf 
der  Steyr  bei  Pichlern,  Landgericht  Hall,  war  nach  Losensteinleiten 
dienstbar. 


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625 

Hanßmaningy  daselbst  im  weg  durch  und  an  der  Straß  hinaus  auf  das 
feld,  wo  das  helzerne  Kreiz  unterhalb  des  Häglsperg  steht,  von  dannen 
an  der  Strassen  fort  zum  Erueghof  auf  Plrchen  (welche  Heuser  zu 
Pirchen  alle  in  Losenstainerischen  Landgericht  ligen),  daselbsten  über 
das  feld  hinab  zu  des  Edtmayrs  Gattern,  und  von  demselben  fort  zu  des 
Aggermayrs  Gattern,  hinfüro  gleich  mitten  übers  feit  hinein  am  Bidl, 
alda  ain  ordentliche  seillen,  darauf  auf  ieder  selten  beeder  herrn  Oraven 
angebornes  Wappen  eingemacht ,  aufgericht ,  und  von  derselben  Seillen 
über  den  Ridl  hinab  zu  mitten  der  beeden  Tafernen  durch  und  hin  zu  der 
Linden,  sozuEronstorf  mitten  am  Platz  stehet,  volgents  in  den  fart- 
weg  über  den  Berg  für  die  Kirchen  hinab,  und  denselben  nach  gleich  bis 
mitten  in  die  Enß  hinein  gehet,  daß  also  die  Köglstatt,  Kirchen  und  was 
auf  der  linken  Hand  ligt,  in  das  Tillyspurg:  und  auf  der  rechten  Hand 
in  das  Losensteinleithnerische  Landgericht  gehörig  ist.  Von  dannen 
gehet  es  hinauf  neben  der  Enß  bis  zu  den  Steinwendtner  Gleinkerischen 
Unterthan,  alda  das  Landgericht  oder  Gezirk  mitten  durch  den  Hof  gehet, 
und  ist  der  Hausstock  desselben  Hauß  in  Losenstainleithnerischen  und 
der  Stadl  in  Steyrerischen  Landgericht  ligent.  Von  dannen  gehet  das 
Losenstainleithnerische  Landgericht  heraufwerts  zum  Forster,  von  dannen 
in  der  Eben  an  den  Heyberg  herumb  zum  Grüftner,  volgents  heroberhalb 
Dietach  von  thall  über  ein  feld  herauf  auf  Edt,  alda  auch  zwey  Heuser, 
80  auch  auf  Gleink  gehören,  von  dannen  ausserhalb  Judendorf  nach  den 
graben  am  feit  hinumb  zum  Gattern  und  fort  im  thall  negst  dem  Steyrer- 
holz,  da  es  ein  Rinnsal  hinauf  mitten  zu  der  Egl  Lacken  und  PrückI,  und 
neben  derselben  Lacken  am  Graben  hinüber  durchs  holz  zu  der  Langen 
gassen,  in  derselben  gassen  hin  zum  Stadler,  alda  zwischen  der  Schmidten 
hin  und  umb  des  Stadlers  hauß  hinumb  zu  des  Drizenmayrs  hauß,  und 
daselbsten  im  mittern  feit  hinab  zum  Grattern  zum  Purchholz,  und  nach 
denselben  graben  hinab  zum  Scheichenpalk  oberhalb  der  Stainern  Gatter- 
seillen,  und  nach  der  Straß  hindurch  gen  Sierninghoven  bis  zu  der 
Walckmühl,  von  dannen  auf  Ober-Prunern  mitten  durchs  Dorf,  da  es  die 
Straß  schaiden  thuet.  Damit  ist  also  der  ganze  gezürk  des  Landgerichts 
und  zugleich  des  Wiltpans  hieiger  Herrschaft  Losenstainleithen  von  Ort 
zu  Ort  ordentlich  verzeichnet  und  beschriebner. 

In  disem  Lantgericht  seint  nach  dem  Anno  613  den  15.  Augusti 
aufgerichten  Inventario  und  gemachten  Anschlag  bey  2000  feyrstött,  aus 
welchen  aber  die  Clöster  eximiert  sein  wollen.  Dieß  Landgericht  ist  von 
dem  Hochlöbl.  Erzhauß  von  Österreich  Lehen  (Zusatz:  gewesen,  aber  alle 
durch  etc.  etc.  wie  im  Modell  begriffen,  freygemacht  worden). 

Blatt  97. 


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626 

Nr.  Vll. 
Gschwendt. 

Grenzbeschreibung  aus  dem  Urbar  dieser  Herrschaft  vom 
Jahre  1621  im  Archiv  zu  Losensteinleiten;   der  Anfang  fehlt, 

sie  beginnt:* 

ybis  zur  stainer  Gaterseillen  an  der  von  Steyr  Bnrckfridt  (was  nun 
also  von  der  Haibertmüll  und  der  Crembs  an  bis  an  bemelte  Gaterseillen 
obhalb  der  beschribnen  alten  Welserstrassen  und  dem  obern  Stainfeld 
ligt,  gehört  in  das  Landgericht  Haal  zur  Eayl.  Herrschaft  Steyr).  von  der 
stainen  Gaterseillen  aber  geht  es  wider  zurück  hinder  der  Trixenmair  Leiten, 
alda  nit  weit  davon  ein  bochgespizeter  Stain  neben  den  zwayen  Heisel 
iigt,  darein  ein  vieregget  fensterl  gehauen  und  im  selben  das  Losen- 
stainerisch  wapen  gemalt  worden,  dann  under  der  Leithen  aus  und  aus 
bis  an  Parschalcheperg,  von  Parschalchen  an  der  neuen  Welserstrassen 
abers  felti  hinab  zum  gatern,  von  dannen  übers  Hämet  bis  zum  Pruner 
feldt,  alda  bei  beeden  gätern  ein  stainen  Creuz  gestanden,  alsdann  durch 
den  gatern  auf  der  rechten  Hand  und  übers  feit  zum  Gnedinger,  so  in- 
halb ligt,  durch  die  gaterlncken  und  auf  der  Strassen  fort  bis  ins 
feldel  zur  Wegschaid  auf  Mäzlstorf.  Von  diser  wegschaidt  geht  es 
gleich  übern  Luß  gegen  Mitten  der  wisen,  in  welcher  sich  bald  ain  pächl 
erhebt,  das  Goldtperger  pächl  genannt,  das  schaidt  bis  an  die  Gold- 
pergermühl  in  fartweg,  an  dem  geht  es  für  den  Stephan  Scheindel  so  in- 
halb, und  den  Erener  so  ausserhalb  ligt,  an  der  straß  nach  des  Ausser- 
mair  zu  Pesendorf  graben  und  bis  zum  hauß,  so  als  ausserhalb  ligt,  von 
dann  fürn  Innermair,  und  dort  übers  feld  zum  Kolben  und  Yeicht  zu 
Trischlriedt  ausserhalb  ligent.  Von  dann  übers  feld  zum  gatern  gen 
Weichstetten,  alda  durch  den  gatern  für  die  kirchen  auf,  so  ausserhalb 
ligt,  bis  zum  oberngatern,  von  dannen  übere  feld  zum  Dierstlinger,  so 
von  der  Straßen  ein  zwo  Akcher  lang  inhalb  ligt,  bei  der  gatterlukchen 
durch  ein  Hölzl  auf  ein  Ackerleng  zum  Dierstlingerschneiderheißl,  alda 
geht  auf  der  rechten  Hand  ein  Straß  zwischen  den  Bättem  durch  und 
in  den  Osterperger  Infangln  aus  und  aus  bis  ans  eck  und  gatern  der 
Neukircher  Straß,  alda  das  Losenstainloitner  und  Weisenberge- 
risch  Landgericht  aneinander  stost,  vom  gatern  nach  dem  graben  so 
inhalb  ligt  zu  den  drey  felbern,  so  ausserhalb,  und  an  der  Straß  vort 


1 


Der  fehlende  Anfang  ist  zu  ergänzen  aus  den  Grenzbeschreibungen  der 
Landgerichte  Schamstein  und  Kremsmünster,  dann  Losensteinleiten 
und  Hall. 


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627 

übers  feld  zum  giaben  auf  der  rechten  Hand  ausserhalb,  nach  dem 
graben  auf  der  Straß  vort  bis  zum  schmit  im  pach,  so  auch  ausserhalb, 
von  der  schmitn  ?ort  bis  gen  Sammerein,  vom  feldt  im  Gäßl  neben  des 
Hämet  wfierth,  so  inhalb,  alda  zu  mit  der  Straß  neben  der  Kirchen,  so 
ausserhalb  ligt,  aber  bei  der  Kirchen  durchs  Gässl  durch  fibersfelt  auf, 
an  der  Straßen  zur  Bichtstatt  und  hilzen  Creuz  alda,  so  ausserhalb 
ligt,  auf  diser  ebern  Strassen  ab  und  ab  bis  zu  dem  Weisenbergerischen 
Wasenmaisterheißl,  so  noch  ausserhalb,  alda  aber  geht  es  wider  zurück 
auf  der  Straßen  zur  rechten  Hand  neben  des  graben  und  dem  feldel  zum 
gQetl  im  Firchet  das  auch  ausserhalb,  von  dann  zwischen  des  felts  und 
wisen  in  des  heristlechner  Jnfängl,  durch  selb  durch  bis  zum  hauß,  so 
ausserhalb,  alsdann  vom  selben  hauß  übers  feld  zum  Plazer  zu  Passei- 
storf so  inhalb  ligt,  an  derselben  gassen  und  fartweg  zum  Crembsmüllner, 
vom  Crembsmüllner  aber  geht  es  über  die  felder  und  wisen  auf  alle 
grehen  hinder  des  Puchmair  hauß  im  graben  hinauf  an  die  Linzerstraß, 
Yon  dannen  zurück  an  das  Orabmer  Jnfang,  nach  dem  Jnfanggraben 
hinab  am  innem  Linda(ch)  zur  Schitgrueb  so  ausserhalb  der  straß  ligt, 
und  als  fort  aus  ans  ausser  Linda,  alsdann  neben  des  Obernhueber  holz 
durchs  Weisenbergerisch  holz  durch,  auf  der  rechten  Strassen  fort  an 
Puckinger  perg  im  tiefen  fartweg  bis  nach  Pucking  für  die  Tafern  so 
inhalb  ligt,  alsdann  zwischen  der  Kirchen  und  Pfarrhof  durch  auf  dem 
rechten  Gangsteig  füm  Oenspach  so  inhalb  ligt  hinaus  zum  ürfer  der 
Traun,  alsdann  von  mitten  der  Traun  auf  und  auf  bis  an  Tallpächl 
und  Mitten  des  Tallprückl,  von  dannen  an  die  rechte  Steirer  und  Welser 
Straß  vort  nach  Leubenpach,  alda  zwischen  des  Schloß  und  der  Tafern 
durch,  Ist  also  die  rechte  Schaidung  fortan  bis  zur  eisernen  Hand  am 
Kemetschacher,  ober  der  eisen  Hand  geht  es  der  alten  Strassen  nach  auf 
der  rechten  Hand  durch  den  gattern  über  den  Jenfelder  feit  hinab  bis 
wider  zum  hilzern  Creuz  bei  der  Linden  beim  Creuz  ausser  Kemeten,  wo 
es  den  Anfang  genommen. 

NB.  Schaidt  also  erstlich  die  Schadenstraß  von  der  Halbertmil  bis 
zur  stainern  Gatterseillen  am  Stainfeld  an  der  Steirer  Burgfridt 
Gschwendt  und  Herrschaft  Steyr  Landgericht,  von  der  stainern  gater- 
seilln  bis  zu  Endt  des  Osterperger  Jnfang  bei  der  Neukircher  straß 
Gschwendt  und  Losenstainleithner  Landgericht,  von  der  Osterperger  Jn- 
fang und  bemelter  Neukircher  Straß  bis  zum  Ufer  der  Traun  ausser 
Pucking  Gschwendt  und  Weisenberger  Landgericht,  vom  Ufer  und  Mitten 
der  Traun  auf  und  auf  bis  an  Tallpach  und  Prückl  und  an  der  Steirer 
und  Welser  Straß  schaid  es  Gschwendt  und  das  Khayl.  Landgericht,  so- 
wohl Wels  bis  an  Crembsmünster  Landgericht,  die  Steirer  und  Welser 


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628 

Straß  aber  vom  Tallprflckl  aas  bis  gen  Halbwärting  an  die  Crembsscbaidt 
das  Gschwendt  und  Crembsmünsterisch  Landgericbt. 

Laut  Vergleiches  vom  24.  Juli  1636  wurden  die  Grenzen  am  1.  bis 
3.  Mai  neu  vermarkt:  in  der  Urkunde  werden  genannt: 

Zum  Landgericht  Volkenstorf  (Tillysburg):  Das  Schul-  oder 
Meßnerhaus  zu  N.-Neukirchen,  Mair  an  der  Wiß,  die  untere  Tafern  zu 
Kronstorf,  die  Kirche  daselbst. 

Zum  Landgericht  Losensteinleiten:  Das  Totengräberhänsl  zu 
N. -Neukirchen,  das  ganze  Dorf  Winklern,  das  ganze  Dorf  Pürchen,  die 
obere  Tafern  in  Kronstoif. 

Zum  Landgericht  Weißenberg:  Schmid  im  Fach,  die  Kirche  zu 
Samarein,  Schuchhartgut,  Hans  Leithner,  das  Bockenmacherhäusl,  des 
Wezeis  Haus,  die  beiden  Häusel  zu  düiTn  Lindach,  Kremsmair  und 
Kremsmüller,  die  Falzmühl. 

Zum  Landgericht  Gschwendt:  Hametwirt  und  Kegelstatt  zu 
Samarein,  Maurergut,  Georg  Helferstorferhäusl,  Fuechmaingut,  Batten- 
häusl,  Dorf  Schleistheim. 

Die  neue  Grenze  zwischen  den  Landgerichten  Gschwendt  und 
Weißenberg  wurde  von  der  Falzmühl,  welche  Mühlwerchstatt  im  Weißen- 
bergischen Landgericht  bleibt,  folgendermaßen  festgesetzt:  ,gen  Lang- 
acker mitten  durchs  Dorf,  da  ausser  des  dorfs  am  Egg  ein  Marchstain 
gesezt  worden,  alsdann  gleich  auf  der  Gispel  und  von  der  Gispel  auf  die 
Welser  Straßen,  daselbst  auch  ein  Marchstain  gesezt  worden,  yon  selbem 
nach  und  durch  Weißkirchen,  yolgents  nach  Schlaißhamb  undterhalb  des 
Dorfs  hin,  das  es  in  dem  Gschwendtnerischen  Landgericht  verbleibt,  bis 
ans  Thallprückel.*  Sie  wurde,  wenn  überhaupt  durchgeführt,  von  Weißen- 
berg wieder  aufgegeben,  denn  das  alte  Grundbuch  1793/94  zeigt  die 
ältere  Grenze. 

VIIL 
Ort  im  Traunsee. 

GrenzbeschreibuDg  aus  dem  Urbar  vom  1.  Jänner  1699  im 
Archiv  der  Forst-  und  Domänendirektion  Gmunden. 

Die  Grafschaft  Ort  hebt  sich  an  ob  der  Langbath,  alwo  das  Ortisch 
nnd  Wildenstainische  Landgericht  zusamben  stosset,  dessen  pach  beede 
Landgerichter  von  einander  schaidet,  und  gehet  hinein  nach  dem  Lambat- 
pach  in  den  Euematsgraben.  Vom  Buematsgraben  in  den  Diernpach,  alle 
Wassersaig  herzue.    Vom  Diernpach  hinauf  alle  hoch  des  Cronabeth- 


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629 

Sattl/  dasselb  gebürg  hinffir  nuzt  auf  der  Schilt  oder  auf  die  Schilt  Albm. 
Vom  Schilt  ans  Lackhen  gebürg,  allwo  sich  daß  Wildenstainische  Land- 
gericht endet  und  das  Oammerische  anfanget,  durch  das  Aurach  Chor  auf 
den  Schlag,  alle  Waßersaig  herzue.  Vom  Schlag  über  gen  Stellen.  Von 
Stellen  yher  gen  Maisterschwandt.  Von  Maisterschwandt  auf  den  hindern 
Stainingegg,  alle  Wassersaig  herzue.  Vom  Stainingegg  yber  den  Bicht- 
berg  in  die  Schaidtgräben  auf  den  Gäberg  in  ein  Prun  genandt  die 
Yeichtingwisen.  Vom  Prun  auf  den  Prändtenberg  zu  einer  Puchen,  so 
gemarcht,  allwo  auch  noch  ein  Marchstain  stehet.  Von  danen  ab  in  den 
Kriechpach,  allwo  auch  ein  Marchstain.  Aus  dem  Eriechpach  zum  Pil- 
lichprun,  alda  eben  ain  Marchstain,  ynd  drei  Landgerichter  als  Ort, 
Cammer  und  Puchhaimb  zusamben  stossen,  auch  das  Camerische  abgehet 
und  das  Puechhaimbische  anfanget.  Und  gehen  diese  Puechhaimbische 
und  Ortische  Landgerichtsgränizen  so  fort  in  der  Gmundner  Strassen  für 
Bittsteig  neben  dem  Tiefenweg  allwo  ein  Marchstain  stehet.  Der  Strassen 
nach  gegen  Mairhof  durch  einen  gattern,  allwo  auch  ein  Marchstain.  Von 
dem  daselbstigen  Marchstain  nach  dem  Langen  graben  thalwerts  für 
Edengrueb  ins  Ofenpuech,  allwo  ein  Marchstain  stehet.  Yolgendts  gegen 
Babenstain  yber  die  Aurach  in  die  Kößlpodenauer  wisen  zu  dem  fast 
mitten  in  der  wisen  auf  einem  higl  stehenden  Marchstain  bis  zum  weg 
negst  der  Leithen,  daselbst  abeimal  ein  Marchstain  stehet.  Von  dar  auf 
selbigen  tiefen  gangsteig  yber  ermelte  Leithen  aufwerts  zum  Schachen- 
gattem,  in  selbiger  Strassen  fort  zu  einem  Marchstain  auf  Hundtpaum- 
bedt,  und  gehört  solche  bchausung  ins  Puechhaimbische  Landtgericht. 
Volgendts  durch  des  Vöttinger  Gattern  ybers  feldt  auf  Parz,  allwo  ein 
Marchstain  stehet.  Von  Parz  auf  Aichlham  mitten  durch  das  dorf  auf 
den  Schwanenstetter  weg  nacher  Pernestorf,  einem  Paurn  daselbst  der 
Planck  genant  durch  den  ofen.  Von  Pernestorf  für  Stärckling  linker 
handt  denen  sechs  Marchstainen  nach  ybern  Dumblplaz  zum  Kalchofen 
bis  mitten  der  Traun  Naufarth.  Nun  ist  hiebey  zu  merken,  daß  von  dem 
daselbst  stehenden  lezten  Marchstain  ob  des  ersagten  Kalchofens  an  der 
Grafschaft  Ort  in  dem  Puechhaimbischen  gegen  den  (Traun)  Fall  hinab 
gehenden  Landtgericht  ein  gerechtweg  bis  auf  erstgehörten  Fall  blos  und 
allein  zu  dem  ende  zuegelassen  und  bedingt  seyn,  damit  sie  Grafschaft 
dero  Landtgericht  diss-  und  jenseits  des  Traunflußes  uno  tractu  oder 
ohne  absaz  bereithen  und  besuechen  möge. 


*  Im  Kodex  sec.  XV  (s.  bei  Wildenstein)  heißt  der  Berg  noch  Chreim- 
hiltsattel.  Der  Name  Krimhilde  hängt  noch  an  verschiedenen  Ort- 
lichkeiten  Bayerns. 


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630 

Vom  fall,  allwo  das  Wibmspachische  Landtgericht  anfangt 
und  mit  dem  Ortischen  bis  an  die  Laudtach  fortgehet,  hinauf  zur  Wild- 
pans  Saulln,  welche  den  Kay:  und  Lambachischen  Wildpan  von  einander 
schaidet,  die  Sontaggassen  des  Pangrabens  bei  Hueb,  so  Boithamb-  und 
Lohkircher  Pfar  schaidet,  auf  Mitterpuech.  Von  Mitterpuech  auf  Fahrn- 
puecb.  Von  Yahrnpuech  auf  Wanckhamb.  Von  Wankhamb  hinauf  den 
Haßigraben  gen  Beittern,  allwo  wie  oben  ein  Wildpans  SauUen.  Von 
Reittern  gen  Dorf.  Von  Dorf  in  Engenthal  durch  die  Wolfsincken.  Von 
der  Wolfslucken  auf  das  hinder  aign,  dem  Lenzenpaurn  durch  den  Ofen. 
Vom  Aign  gen  Weidach  auf  der  Strassen  alda  mehr  ein  Wildpans  Saulln, 
im  Dorf  durch  zum  Wasser  der  Laudach,  so  weit  das  wasser  gehet,  und 
fangt  sich  aldorten  enthalb  der  Laudtach  der  Yorchdorfische  ynd  nach 
solchem  der  Egnbergische  Burgfridt  an,  wo  hiernach  das  Schärn- 
stainische  Landtgericht  ihren  anfang  hat  und  mit  der  Grafschaft  Ort 
Landtgericht  weiters  fortgehet. 

Yon  ermelter  Laudach  Ursprung  beymSee  hinauf  den  innern 
Schrättenstain.  Yom  Schrättenstain  nach  aller  Hoch  hinfflran  zu  Wein- 
garten auf  den  Kiesenberg.  Yom  Kiesenberg  an  Hochkogl.  Vom  Hoch- 
kogl  yber  an  den  Laugsperg.  Vom  Laugsperg  auf  das  Fellschloß.  Vom 
Fellschloßegg  hin  bis  auf  den  äussern  Thenn.  Yom  äussern  Thenn  auf 
den  Rindtpach.  Vom  Rindtpach  auf  das  Zwirchegg.  Vom  Zwirchegg 
heraus  in  den  Rindtpach  unzt  in  Traunsee.  Vom  selben  Rindtpach  wider 
in  die  Lambath.  Und  mag  das  Gericht  von  dem  See  ainem  schedlichen 
Mann  auf  dem  Land  nachgreifen,  als  verr  ainer  mit  ain  Stegraiff  Armb- 
prost  beschiessen  mag. 

(S.  1394  bis  1399.) 

Der  Grafschaft  Ort  Landtgericht  oder  merum  Imperium  thuet  in 
seinem  Vmbkreis  bey  vierzechen  Meill  begreifen  und  ist  hierinnen  ausser 
der  Landsfurstl.  Statt  Gmunden  einig  ausgezaigter  Burgfridt  nit  zu 
finden,  gleichwollen  aber  seint  die  hierin  ligende  Landsfürstliche  vice- 
dombische,  Burg  Welsisch  und  Residenz  Traunkirchische,  wie 
auch  herrschaft  Puechhaimbische  Gründt  und  poden  sowol  als  die 
darauf  wohnende  Underthanen  und  Holden  von  dem  Landtgericht  der- 
gestalten  exempt,  daß  nit  allein  das  Ortische  Landtgericht  daselbsten 
nit  eingreifen  mag,  sondern  auch  soviel  die  Vizdomb-  und  Burg  Welsische 
Vnderthanen  betrifft,  die  Grafschaft  Ort  hiemit  im  geringsten  nichts 
vorzunemben  hat,  belangent  aber  die  Traunkirchisch  und  Puechhaim- 
bische Vnderthanen  und  Inwohner,  möessen  solche  auf  den  Fall,  da 
einer  das  Leben  verwürcht,  dem  Ortischen  Landtgericht  zur  execution 
und  Vollziehung  des  ürtls  ausgeantwortet  und  übergeben  werden. 

(S.  19  bis  20.) 


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631 

Nr.  IX. 

WildensteiiL 

I.  Grenzbeschreibnng  aus   Faszikel  388  (1600—1699)   des 
Archivs  der  Salinenverwaltung  in  Ischl. 

Biegung  des  Landgerichtes  Wildenstein. 

Erstlichen  bebt  sich  das  Pidmerk  an  am  Tbiempach  und  gehet 
über  die  Iscbl  an  den  Markpach  auf  den  Walcbeskogl  und  von  dem 
Walcheskogel  auf  den  Lenzenkogl  oder  perg,  auf  die  Tratten  hinab  auf 
den  Störrer,  von  dem  Störrer  auf  den  vordem  Haußegg,  auf  den  Stigeck* 
gegen  der  Höll  vom  Foecheck  hinab  gegen  Franztball,  vom  Franzthall 
in  den  Kaltenpach  in  die  Clausen  und  von  der  Clausen  hinab  in  den 
vordem  Lambathsee,  nach  dem  Lambath:^  heraus  in  den  Traunsee  und 
so  weit  ein  gewappneter  Mann  hinein  reiten  mag,  mag  man  ain  schäd- 
lichen Man  heraus  nemben,  nach  dem  Traunsee  herüber  an  den  See- 
perg,  von  dem  Seeperg  an  den  Innern  Weissenpach  y  auf  den  undter 
Heinrichsgraben,  von  Heinrichsgraben  auf  den  Wildenkogl  auf  den 
Schwarzenberg,  von  dem  Schwarzenberg  auf  den  Prunkogl,  von  dem 
Prunkogl  in  den  Pluderbach  auf  den  Sändling,  von  dem  Sändling  auf 
den  Michel  kolpach,  in  die  Pötschen  und  auf  den  Sarstain  und  oben  über 
den  Sarstein  gegen  Obertraun  an  das  Mfilwerch,  da  der  Steinhaufen 
liegt  und  sich  die  Weg  theilen,  vom  Mülwerch  auf  den  Landtfridt,  von  dem 
Landtfridt  auf  den  Erüppenstain,  an  den  Moderegg,  vom  Moderegg  in  den 
Camersee  [Gk)sau8ee]  und  vom  Camersee  auf  Zwiselperg,  vom  Zwiselperg 
an  den  Bueßegg,  vom  Bueßegg  an  den  Schödtegg,  vom  Schidtegg  an  die 
Binderwand,  in  die  Trauchwand,  von  der  Trauchwand  in  den  Salzgraben 
und  vom  Salzgraben  auf  den  Lueger  und  herab  in  den  Türnpach. 

Anno  1570  den  Ersten  Januaij.  Jobst  Schmidtauer  (sollte  heißen: 
Andreas  Schmidtauer,  der  bis  1595  Pfleger  zu  Wildenstein  war). 

IL   Qränizbeschreibung    der    Kay.  Herrschaft j  Wildenstain 

Landgericht   aus   dem   Urbar   von  Wildenstein,   Blatt    18',   im 

Archiv  der  Forst-  und  Domänendirektion  Gmunden. 

Erstlichen  hebt  sich  das  Pidmerk  an  am  Diembach  und  gehet 
über  die  Ischl  an  den  Märekenbach  auf  den  Walckeskogl  und  von  dem 


*  Nach  einer  dritten  Abschrift  im  Landesarchive  zu  Graz  (,y ermerkt 
unsers  allergenedigisten  hern  der  Kay.  Mt.  Pügmerk  der  Herrschaft 
Wildenstain,  darin  und  soweit  ain  jeder  pflegper  daselbst  zu  richten,  zu 
gepieten  und  zu  verpieten,  zu  thain  und  zu  lassen,  jagen,  fachen  un- 
geverlich  hat  und  mag')  8uch egg.  '  Daselbst  Lambatpach. 

ArehiT.  94.  Baoa.  U.  H&lfto.  42 


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632 

Walkeskogl  auf  den  Lenzkogl  oder  Ferg,  auf  die  Tratten,  wie  und  wo 
die  Wassersaig  herein  gebet,  Ton  Tratten  hinüber  anf  den  Sterer,  yon 
dem  Sterer  auf  den  vordem  Haußegg,  auf  den  Stigegg  gegen  der  Höll, 
Yon  Fnrchthal  in  dem  Waltenpach  in  die  Clanßen,  von  der  Olaußen  hinab 
in  den  fordern  Lambathsee,  nach  dem  Lambathsee  hinaus  in  den  Traun- 
See  und  soweit  hinein,  als  ain  gewaffneter  Mann  hineinreiten  kann,  alda 
man  einen  schädlichen  Mann  herausnemben  mag,  nach  dem  Traunsee 
herüber  an  den  Seeberg,  von  dem  Seeberg  in  den  untern  Weißenbach, 
auf  den  Heinrichsgraben,  anf  den  Wildenkogl,  von  dem  Wildenkogl  auf 
den  Schwarzenberg,  auf  den  Fninkogl,  vom  Prunkogl  in  Flnederpach, 
auf  den  Sändling,  vom  S&ndling  auf  den  Haalbach,  in  die  Fötschen- 
wandt,  auf  den  Sarstain  und  oben  yber  den  Sarstain  gegen  Obertraun  in 
das  Mühlwerch,  da  der  Steinhaufen  ligt  und  sich  die  Weg  theilen,  von 
dem  Mühlwerch  auf  den  Lahnfridt,  von  dem  Lähnfridt  auf  den  Erippen- 
stain,  an  den  Moderegg,  von  dem  Moderegg  in  den  Cammersee,  vom 
Cammersee  auf  den  Zwischlberg,  an  den  Bueßegg,  auf  den  Schittegg  an 
die  Bindterwandt;  in  die  Traunwandt,  von  der  Traunwandt  an  den  Salz- 
graben herüber  auf  den  Lauger  und  herüber  in  den  Diernpach. 

Zur  Erläuterung. 

Die  Örtlichkeiten  sind  aus  den  Forstbezirkskarten  Ebensee,  Offen- 
see, Goisern,  Hallstatt  und  Gosau  zu  ersehen.  Die  Orenzbeschreibung 
ist,  wie  jene  der  Landgerichte  Ort,  Scharnstein,  Pflindsberg  und  Abtenau 
zeigen,  nicht  vollständig,  denn  es  sind  die  südlichen  Anhöhen  hinauf 
gegen  den  Dachstein  und  das  ganze  Forstgebiet  von  Traunkirchen  über- 
gangen. 

Die  alte  Bügung  der  Herrschaft  Wildenstein,  welche  noch  das  In- 
ventar vom  29.  April  1600  (in  Ischl,  Faszikel  200)  als  vorhanden  regi- 
striert, ging  im  Laufe  des  17.  Jahrhunderts  verloren,  die  Hofkammer 
konnte  trotz  Nachschlagens  ,mit  allem  vleiß'  am  24.  Mai  1664  nur  die 
Beschreibung  I  dem  Salzamte  Gmunden  schicken,  die  dann  in  das  neue 
Urbar  eingetragen  wurde.  Sie  ist  aber,  wie  sich  aus  den  ärarischen 
Waldbüchem  ergab,  nichts  anderes  als  die  Grenze  der  ärarischen  Wal- 
dungen, weshalb  das  kahle  Gebirge  und  auch  der  Traunkirchner  Forst 
in  der  Feder  blieb.  Erst  mit  Vertrag  vom  17.  März  1666  hat  die  Besi- 
denz  Traunkirchen  alle  Waldungen  im  Eammergut  Ihro  K.  E.  Majestät 
zum  Salzwesen  gegen  jährliche  800  Gulden  überlassen  und  sich  nur  die 
Ebenseer  Au  vorbehalten  (Extrakt  aus  dem  Traunkirchner  Urbar  1712 
bei  dem  Forstamte  Goisern). 


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633 

Das  älteste  Urbar  des  Klosters  aus  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts 
(ArchiY  der  Forst-  und  Domänendirektion  Omunden)  beanspruchte  ge- 
meinschaftliches Eigentum  aller  Forste  ,mit  der  herschaft  des  landes,  yon 
dem  is  gestifl  is  warden'  und  ein  Kodex  des  15.  Jahrhunderts  enthält 
folgenden  Eintrag: 

^ota  die  pAnfÖrst,  So  dem  Gotshaws  ze  Trawnkirichen  besunder 
zwe  gehöret.  Item  von  erst  am  Seeperig  fueß  vnd  get  vom  Seeperg  fueß 
ynczt  an  lewntswabegk,  vom  lewntschwabegk  an  puechegk,  vom  puech- 
egk  vncz  jn  Byntpach,  vom  Eynpach  vncz  jn  Twerichenegk,  vom  Twe- 
ridenegk  auff . .  .^  allwo  wassersaig,  die  dar  zue  geet  jn  den  walden,  ist 
alles  des  Gk)tzhauß  besunder  forst.  Item  vom  Stainperg  yncz  jn  hellgra- 
ben, vom  hellgraben  das  pirig  vncz  jn  lerhingekg,  vom  lerhyngekg  das 
pirig  an  Seeperigfueß,  das  sind  alles  des  Gozhawß  besunder  först.' 

In  den  ,Gotzhaws  Rechten  ze  Trawnkirichen'  heißt  es  Frage  22: 
,Item  ob  icht  lewt  auf  meiner  frawn  Giiintten  s&ssen,  es  weren  ynholden 
oder  diepp,  wie  man  die  ab  «meiner  frawn  grftntten  antwurtten  sull.' 
Vgl.  hierzu  das  Privilegium  Kaiser  Friedrichs  III.  vom  11.  Jänner  1463 
in  Chmel  Materialien  11,  41,  und  mein  ,Peuerbdch*,  S.  76.  Über  ,Pfarr- 
mening  vnd  Burgfridt  Nußdorf'  am  Atersee  sollte  nach  der  Deklaration 
Kaiser  Ferdinands  II.  vom  7.  September  1628  (im  Liber  rerum  seu 
historiarum  Traunkirchensium  im  Museum  zu  Linz)  ,da8  GottshaußTraun- 
kürchen  allein  Vogt-  Grundt-  und  Landtgrichts-Obrigkait*  sein. 

Zu  den  Erläuterungen  ist  berichtigend  nachzutragen,  daß  das  ,zur 
Feste  Wildenstein  an  dem  Lauffen'  gehörige  Landgericht  zuerst  in  dem 
Beverse  des  Salzamtmanns  Friedrich  des  Kraft  vom  27.  Juli  1396  (Lich- 
nowsky-Birk  V,  Beg.  81)  genannt  wird:  noch  frdher,  als  erster  Siegler 
des  Gehorsambriefes  der  Gemeinden  Hallstatt  und  Laufen  vom  25.  Ok- 


^  Die  weiteren  Stellen  sind  abgerieben  und  unleserlich,  sie  lauteten  aber 
nach  dem  oben  zitierten  Liber,  S.  618  folgend:  ,yom  Zwerchenegg  unzt 
an  das  P&chlegg,  nach  dem  Bindpach  hinein  an  die  Beiterstuben,  von 
der  Beiterstuben  unzt  an  das  Bindpachtal,  vom  Bindpachtal  unzt  auf  den 
Stainpergthenn,  yom  Stainperg^enn  in  den  Tonnerstrall  unzt  auf  das 
Aurachfeld  samt  allen  Wassersaigen.  Item  von  dem  Aurachfeld  unzt  auf 
das  Gschieregg  und  auf  dem  Gschieregg  herein  auf  den  Hochengschieregg 
in  die  prttnen,  von  der  prünen  auf  den  Himelkogl  bis  auf  das  Binach,  vom 
Binach  bis  auf  den  Prandkogl,  yom  Prandkogl  unzt  in  die  Grienperg  Alm. 
Item  von  der  Grienperg  Ahn  unzt  wider  auf  den  Prandkogl,  yon  dem- 
selbigen  Prandkogl  unzt  auf  die  Schrembkögl,  von  den  SchrembkÖgl 
unzt  auf  die  Prachberg  Alm,  von  derselbigen  Alm  unst  in  den  Hein- 
richsgraben, vom  Heinrichsgraben  unzt  in  den  Seepergfueß.  Item  was 
die  Wassersaig  herumb  ist  alles  des  Gotshaus  besondere  först.* 

48* 


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634 

tober  1392  (Orig.  im  k.  u.  k.  Hans-,  Hof-  und  Staatsarchive)  erscheint 
,Perichtolt  yon  ysper  die  zeit  Bichter  in  dem  Ischellant^ 

Das  Schloß  mit  dem  dazu  gehörigen  Urbar  ^  wnrde  von  den  Landes- 
fürsten häufig  verpQüidet.  1896  erhielt  es  Friedrich  der  Kraft  za  Leib- 
geding  mit  der  Verpflichtung,  von  der  Feste  aus  das  Salzsieden  zu  schir- 
men. Gegen  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  war  es  im  Besitze  Bein- 
prechts  lY.  Ton  Walsee,  als  dessen  Pfleger  im  Ischeilande  wohl  der  in 
einer  Urkunde  Yom  25.  Juli  1443  auftretende  Wolfgang  der  Oberhaimer 
anzusehen  ist;  in  der  Gfiterteilung  vom  20.  August  1456  (Kopie  Yon  der 
Hand  des  Job  Hartmann  Enenkel  im  oberösterreichischen  Landesarchiye)  fiel 
Wildenstein  dem  Sohne  Wolfgang  von  Walsee  zu.*  1498  wurde  die  Pflege 
von  Kaiser  Max  I.  um  12.000  Gulden  den  Brfldem  Sigmund  und  Hein- 
rich Prueschenk  yei*pfändet  (Streun  man.  gen.  XIII,  10  im  Stiftsarchive 
Götweig).  In  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  war  Hans  Hofmann 
Pfandinhaber,  bis  1657  der  Salzamtmann  Georg  Prugglacher,  sodann  der 
Salzamtmann  Jobann  Ignaz  Spindler.       % 

Nr.  X. 

Schamstein. 

Grenzbeschreibung  aus   dem  Urbar  ddo.  1.  Oktober  1583 
im  Stiftsarchive  Kremsmünster. 

Erstlichen  hebt  sich  das  Schärnstainerisch  Landgericht  an  inmitten 
der  Albm  beim  Steger  oder  Seyrgraben  negst  oberhalb  der  Schafferleüten, 
welcher  grabm  GrQennacher  und  Pettenpacher  Pfarr  yon  ainander  schai- 
det,  daran  auch  der  herrschaft  Pernstain  Landgericht  in  Pettnpacher 


Das  Urbar,  in  welchem  147  Untertanen  des  Klosters  Traunkirchen  ein- 
gestreut waren  (Urbar  von  Traunkirchen  sec  XIV.,  Über  rerum  seu 
historiarum  Traunk.  sec.  XYII),  zerfiel  in  folgende  12  Ämter  oder 
Riedlen:  1.  Dorf  oder  Geisern,  worin  die  ,Goisembnrg*  des  Georg  Leon- 
hard  Hieber  von  Greifenfels  (f  1691),  einfacher  adeliger  Sitz;  2.  Ober- 
Wasserriedl;  3.  Pergerriedl;  4.  Ramsau;  5.  Lahner  Biedl;  6.  Obertrauner 
Riedl;  7.  Gosariedl;  8.  Riedl  zwischen  den  Wassern;  9.  Riedl  enhalb  Ischl; 
20.  Riedl  enhalb  der  Traun;  11.  Ischl;  12.  Ebensee  oder  Plankauer  Riedl. 
Der  Gosauerriedl  erstreckte  sich  an  der  Gosach  zwischen  der  Falkenwand 
und  dem  Gosauhals  heraus  bis  zum  Gosauzwang  nahe  vor  der  Gosau- 
mühle;  er  begriff  noch  das  ReBenbachergut  östlich  der  Mündung  des 
Prielbaches  in  die  Gosach  in  sich.  Mit  Ausnahme  des  östlichen  Gosau- 
grabens  decken  sich  die  Grenzen  der  heutigen  Katastralgemeinde  Gosau 
gegen  Osten  vollständig  mit  jenen  vor  dem  Jahre  1492. 
Das  Amt  Klaffer  wurde  Reinprecht  V.  zugeteilt  Durch  diese  Urkunde  ist 
demnach  die  von  mir  im  Archiv  XCIY,  224  geäußerte  Vermutung,  daß 


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635 

Pfarr  Btosst,  und  gehet  von  der  Albm  in  Seyr  Grabm  hinauf  an  den 
Entznperg,  wie  das  Begenwasser  sagt,  volgent  hinüber  auf  die  Hoch  ob 
der  Wolfswisen,  nach  demselben  Bigl  hin  an  den  Mittagstain,  von  dem 
Mittagstain  hinüber  den  Yorstgemerken  nach,  so  die  Scharnstainerischen 
und  Seisenburgerischen  Yerst  von  ainander  marchen,  an  Ffannstain 
neben  der  Pfannwisen,  weiter  der  Hoch  nach  über  den  Schwärtznperg. 
bis  daher  gehen  die  Schärnstain  und  Pernstainerischen 
Landgerichtsgemerk  neben  ainander,  und  stöst  verrer  das 
Spitälerisch  Landgericht  auf  der  lingkenhand  herzue,  vom 
Schwärtznperg  yerrer  an  glatzeten  Eölbling  ober  des  Weisenperg  und 
hinauf  an  die  Falkenmaur  an  Potting  Bigl  und  Stainwandort,  so  man 
auch  Stainwandegg  nennt,  von  denen  yon  aller  Hoch  hinab  zu  die  Eal- 
tenau,  auch  in  Fadnpodn  genannt,  bis  zum  Fierweg,  welcher  aus  den 
Claußnerischen  Yörsten  über  die  Kaltenau  heraus  zum  Schwärzenpach 
geet,  weiter  vom  Fierweg  hinüber  auf  den  Eogl  genannt  der  Gruebrigl, 
Yon  dannen  hinein  in  den  Gruebhalß,  vom  Gruebhalß  auf  einen  Bigl 
Hinter  Bisach  genannt,  ?on  Hinder  Bisach  hinauf  aufs  Edlach  untzt  auf 
die  Hoch,  alsdann  auf  gemelter  Hoch  auf  der  Ebm  hinumb,  daran  Chri- 
stofen Storchen  zu  Clauß  Bissach  Albm  stöst,  an  die  yorstmarch,  von 
dannen  schrembs  ins  Thal  hinab  gegen  der  Hochenleütten  und  über  die 
Hochleütten  hinab  ins  Thal  auf  die  Gschait  auf  den  Fierwög  der  aus 
den  Claußnerischen  Yörsten  heraus  in  die  Thier  Grüenau  undern  Holn- 
stain  geet,  von  dannen  an  Salcheggkogl,  vom  Salchegkkogl  auf  den 
Grössenperg,  vom  Grössenperg  hinauf  bis  an  die  Lanna  Albm,  welche  Albm 
alle  im  Scharnstainerischen  Landgericht,  vom  yorgeschribnen  Mittagstain 
bis  auf  gemelte  Lanna  Albm  gehen  die  Landgerichtsgemerk  alle  nach  den 
angeschlagnen  vorstmarchen.  yerrer  hinter  diser  albm  auf  lingker  Hand 
hindurch  und  durch  an  den  Claußnerischen  Eäßperg,  welcher  auch  sambt 
der  Boßalbm  daselb  alter  im  Scharnstainerischen  Landtgericht  ligt, 
verrer  außerhalb  nach  dem  Käßperg  und  Boßalbm  hinumb  bis  an  Mai- 
senpergegk  oder  Waldpergegk  genannt,  alda  sich  wider  die  vorstmarch 
anfangen  und  die  Landgerichtsgemerk  denselben  nachgeen,  weiter  vom 
Maisenpergegk  hinein  in  das  Thal  auf  die  Haßlau,  so  man  auch  Län 
Gschait  genent,  bis  zum  Fierwög,  welcher  aus  den  Claußnerischen  v5r- 
sten  über  die  Haßlau  heraus  gegen  den  Straichnigg  Fach  geet,  von 
dannen  übernweg  auf  der  Haßlau  gegen  Babnstain,    den  man  auch 


Klaffer  1435  in  den  Händen  Beinprechta  IV.  zurückgeblieben  sei,  be- 
stätigt und  erklärt  sich  die  von  Auskunftspersonen  (a.  a.  O.  220)  be- 
zeugte Verwaltung  dieses  Amtes  von  dem  (1427—1483)  Waiseeschen 
Schlosse  Witigenhausen  aus. 


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636 

Schluecht  nennt,  bis  auf  alle  Hoch  desselben,  den  yorstmarchen  yerrer 
nach  auf  den  Schärnstainerischen  Prunperg,  den  man  auch  In  Gründten 
nennt,  von  dannen  den  angeschlagnen  yorstmarchen  nach  auf  den  Sant- 
perg,  den  man  auch  Präntl-Sattl  nennt,  übern  Holzweg  hinüber  gegen  der 
Fluttsau,  welche  die  Glaußnerischen  Santperg  nennen,  yon  dannen  der 
Schörff  und  der  Wassersag  nach  auf  den  Zöbl,  yon  den  Zöbln  hinein  an 
Prüell,  yom  Prüell  hinauf  zue  höchst  auf  den  Gradt  desselben  Stain- 
gepürgs,  dem  gemelten  Grat  nach,  wie  das  Begenwasser  schait,  auf  die 
Hötzau,  yon  der  Hötzau  auf  die  Sprintperg,  yon  Sprintpergen  auf  den 
Buechschachen,  yon  dannen  auf  den  Paungarten,  yerrer  auf  gemeltemgrat 
des  gepürks  hinumb  aufs  Grießkar,  yolgents  aufs  Oolm  Kai-,  yom  Colm  Gar 
auf  den  Tannschachen,  yon  Tannschachen  aufs  Neßlthal ,  yom  Neßlthal  auf  die 
Weiseneck,  yon  der  Weiseneck  an  Himelkogl,  yom  Himelkogl  der  Hohen- 
want  herein  aufs  Hochpfatt  übern  Fuerweg,  welcher  alda  aus  den  Traun- 
kircherischen  yorsten  heraus  in  die  Weißenegg  geet,  yerrer  auf  den 
hohen  Gschierkogl  oder  Gschieregg  genannt,  yom  Gschierkogl  über  die 
Hoch  aufs  hinder  Pruntal,  yom  hindern  Frunthal  auf  die  Hohenau,  yon 
der  Hohenau  in  die  Mosau  und  Prun  daselbst,  so  man  auch  Aurachfelt 
nennt,  yon  dan  an  Stainperg,  yom  Stainperg  zum  Ortnerprun,  yom 
Ortnerprun  aufs  Aurachfelt,  so  man  auch  Stainpergeck  und  Beitteregg 
nennt,  yon  yezt  negstgemelten  Aurachfeldt  übern  Fierweg,  welcher  yom 
Beitterthal  aus  der  Herrschaft  Ort  gehülzen  in  Schärnstainerischen  Aur- 
bach geet,  yon  gemeltem  Fuerweg  auf  den  Thenn,  yerrer  zum  Hohen 
Thenn,  alda  es  auch  noch  am  Aurachfelt  genennt  wird,  weiter  auf  den 
Hörlang  und  Hinter  Bintpach,  das  man  auch  Zwißlegg,  item  Hinterm 
Thenn  am  Eck  nennt,  hinauf  auf  die  Au  daselbst,  alsdann  auf  den 
Schüeller  zue  Beiterßlagken,  yon  dannen  auf  der  Herrschaft  Ort  Ozen 
Albm  genannt  Earbach  albm,  auf  alle  Hoch  derselben,  yon  der  Hoch 
hinab  aufm  Bigl  am  Fölschloßegk  und  Hinter  der  Earbachalbm  genannt, 
yon  dannen  gegen  der  Hol  oder  Ahornau,  über  die  HöU  auf  die  Aschlag- 
stadt, yon  dannen  übern  Fierwög  so  aus  der  Herrschaft  Ort  gehülz  und 
yon  derselben  Earbachalbm  heraus  in  den  Schärnstainerischen  Müel- 
grabm  geet,  yon  dannen  nach  dem  Egk  auf  der  HöU  hinauf  aufs  Jfiger- 
thal,  Ort  nennts  yort  auf  der  Höll,  yon  dannen  übern  Fuerw^,  welcher 
aus  der  Höll  in  yordern  Bintpach  herein  geet,  aufs  Egk  gegen  dem  Hoch- 
kogl,  welches  Ort  gegen  dem  Lauxperg  nennt,  und  zu  höchst  über  ge- 
melten Hochkogl  und  Lauxperg,  wie  das  Begenwasser  sagt,  auf  den  Laux- 
perg, welchen  Perg  die  Herrschaffc  Ort  Hochkogl  nennt,  übern  Lauxperg 
auf  den  Nadterkogl,  so  ain  hoher  plosser  Stain  und  die  Herrschaft  Ort 
beim  Wändin  nennt,  yon  dannen  übern  Nadterkogl  zu  dem  negsten 


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grossen  Stain,  welchen  Ort  das  nnder  Wändl,  die  Herrschaft  Schärn- 
stain  aher  auch  am  Nadterkogl  nennt,  yon  diesem  Stain  auf  die  recht 
Hand  hinab  gegen  Schwärzenpach,  Ort  nennts  zur  lingken  Seiten  daselb 
Lainau,  weiter  auf  das  Hoch  Gteoll,  vom  Hoch  Gsoll  auf  den  Eiesenperg, 
Yom  Eiesenperg  auf  Weingarten,  so  die  Herrschaft  Ort  Graß  nennt,  von 
dannen  auf  den  Hohenweingart  und  Oroßwenten  hinumb  bis  zur  ab- 
schlagstat  zum  Durchgang,  von  dannen  zu  höchst  auf  der  Hohenwandt 
und  auf  dem  Grat  hinumb,  alda  es  von  der  Herrschaft  Scharnstain  das 
Graß  genennt  wird,  auf  den  Staineck,  so  man  auch  den  innern  Schratten- 
stain  nennt,  die  Herrschaft  Ort  aber  nennt  ine  den  äussern  Schrätten- 
stain.  Yom  yorgemelten  Maisenpergegg  bis  her  an  Schr&ttenstain,  wie 
das  Begenwasser  sagt  und  die  yorstmarch  gehen.  Yerrer  yom  Schrätten- 
stain  bis  an  die  Lau tt ach  und  yerrer  auf  halbe  Lauttach,  alsdann  auf 
der  Lauttach  hin  bis  geen  Falkenorn  neben  des  (Gattern,  und  über  die 
Lauttach  hin  für  den  Schuester  zue  Hueb  an  den  Faal,  daselbst  in- 
mitten die  Traun,  yon  dannen  inmitten  der  Traun  ab  und  ab  für  Weiß, 
ob  Schlaißhamb,  wo  das  Thalpächl  in  die  Traun  rinnt,  daran  das 
Volkenstorferisch  und  Losenstainerisch  Landgericht  [Weißen- 
berg und  Gschwendt]  stOst,  geet  yerrer  demselben  Pächl  oder  Binnsal 
nach,  hinaus  aus  der  Traun  bis  mitten  in  Fuert  oberhalb  der 
Eumpfmül,  da  die  Straßen  yon  Weiß  auf  Stejr  durch  gemelts  thalp&chl 
geet,  yerrer  yom  Thalpächl  gemelter  Stejrerstraßen  nach  auf  Bdtholz 
und  durchs  Edtholz,  der  neuen  Strassen  nach  zwischen  des  Guts  und 
der  Mül  am  Z  all  ach  hin  aufs  Judenholz,  durchs  Judnholz  und  übers 
yeldt  auf  Leobmpach,  daselbst  zwischen  des  Schloßs  so  sambt  dem 
Mayrhof  im  Yolkenstorferischen  und  Losenstainerischen,  dann  der  Tafern, 
welche  sambt  dem  Padt  und  Mül  im  Sch&rnstainerischen  Landgericht 
ligt,  über  die  Hoch  auf  den  Ehötterhof  [jetzt  EettersOlde  in  Leombach], 
alda  zwischen  beeder  Heuser  durch  übers  yeld  zu  dem  Gattern  heraußer 
Waitzndorf,  dann  zwischen  Waitzndorf  und  Schnärndorf  über  die 
Yelder  hin  bis  geen  Weitterßdorf,  über  den  Sippach,  yon  dannen 
zwischen  der  Heuser  zu  Ärnperg  [Loibingdorf]  durch  und  hin  übers 
Pöllach  in  die  Hörstrassen,  yon  der  Hörstrassen  aufs  Hart  zum  stainen 
weissen  creutz,  darinnen  ain  eisene  handt  und  sich  alda  die  alt  und 
neu  Steyrer  Strassen  schaiden,  bis  her  aufs  Creutz  alles  der  Steyrer 
neuen  Straßen  nach,  yom  weissen  Creutz  nach  der  Steyrer  alten  Straß 
durch  Ennfelt,  yonEnnfelt  hinab  zum  roten  Creutz,  so  herausser  Eema- 
ten  bey  der  Strassen  steet,  yom  rotn  Creutz  hin  übern  Peitlpach,  yom 
Peutlpach  auf  Grueb,  yon  Grueb  auf  Holwärtting,  daselb  durchs 
Dorf  bey  der  müell,  so  auch  im  Schärnstainerischen  Landgericht  ligt. 


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mitten  durch  die  Erembs,  daran  das  Haller  Landgericht  gränizt,  in- 
mitten der  Krembs  auf  und  auf,  für  Erembemtinster,  bis  an  das 
Pernstainerisch  Landgericht,  so  bej  Ehalchmüel,  welche  im  selben 
Landgericht  und  in  Wartperger  Pfarr  ligt,  heran  stoßt.  Yerrer  aus  Mitten 
der  Krembs  bey  der  Kalchmüll  zum  Ealchhof,  vom  Kalchhof  auf  Graven- 
perg,  von  Gravenperg  zum  Sperrnpaurn,  vom  Sperrpaum  der  straßen 
nach  zum  Bögnpaum,  vom  Bögnpaurn  in  die  Eränzlgrueb,  weiter  auf  die 
Bömerhaidt,  dann  zu  dem  Mayr  zu  Edt,  von  der  ödt  geen  Yoitßdorf.  dise 
vorgemelte  Gtieter  und  Dörfer  so  von  der  Kalchmüel  her  beschriben  ligen 
alle  im  Pemstainerischen  Landgericht  und  stöst  auf  rechter  Hand  im 
Sch&rnstainerischen  Landgericht  Bieder  Pfarr  daran,  weiter  von  Yoitß- 
dorf der  Strassen  nach  so  auf  Weiß  von  Kirchdorf  geet  bis  zum  Hoch- 
gattern ^  darbej  auf  der  lingken  Hand  ain  gestutzte  Linten,  von  dem 
Hocbgattern  hineinwerts  der  Gmundtner  Strassen  nach  in  den  Aiter- 
pach,  alda  sich  Wartperger  pfarr  endt  und  auf  der  lingken  selten  Pettn- 
pacher  Pharr  anhebt.  Yom  Aiterpach  mitter  der  Strassen  nach  zum 
Gissibl  Gattern,  yom  Gissibl  Gattern  auf  der  rechten  band  dem  Gissibl- 
grabm  nach  an  den  Wilfingshaitgrabm,  von  dannen  zue  dem  Gut  an  der 
Wilfingshait,  welchs  in  Bieder  Phan*  und  im  Schärnstainerischen  Land- 
gericht ligt,  alda  sich  auch  solche  Pharrn  endt  und  die  Zeller  Pharr  bey 
Haidt  Gattern  anhebt,  von  den  Haidt  Gattern  an  den  Bätgrabm,  dem- 
selben nach  in  das  Batb  so  zway  heüser  und  beede  im  Pemstainerischen 
Landgericht  und  in  Pettnpacher  Pharr  liegen,  und  die  Zeller  Pharr  zu 
der  rechten  band  gar  daran  stost,  von  Bath  dem  Graben  und  Bätner  Holz 
nach  wider  auf  die  Gmundtner  Strassen,  derselben  hin  nach  zue  dem 
Thanrprun  so  auf  der  lingken  band  der  Strassen  und  in  Pettnpacher 
Pharr  ligt,  weiter  nach  der  Strassen  durch  das  Akamphueber  Holtz,  vom 
Akamphueberholtz  auf  die  Schallaun,  so  in  Vorchdorfer  Pfarr,  von  der 
Schallaun  zwischen  des  Krameß-  und  Zeitlhueber  guet  durch  auf  den 
Feldern,  von  dannen  durch  das  Zeitlhueber  Holtz  dem  Weg  oder  Birm 
nach  über  die  Felder  an  die  Egenstainer,  so  Ainlf  hauß  und  in  Pettn- 
pacher Pharr,  auch  im  Pemstainerischen  Landgericht  ligen,  von  Egen- 
stain  an  das  Teirwanger  holz  und  an  das  Heüßl  am  Spernegk,  so  in 
Vorchdorfer  Pharr,  weiter  gerad  mitten  in  die  Albm  das  wasser,  so  gar 
bey  dem  Heüßl  für  rinnt,  yon  dannen  inmitten  der  Albm  neben  der 
Herrschaft  Pernstain  Landgericht  auf  und  auf  bis  zum  Stöger  oder  Seyr 
Grabm  oberhalb  der  Schafferleüthen ,  alda  sich  der  Herrschaft  Schärn- 
stain  Gezierk  zum  ersten  angefangen  hat. 

Der  BurgfriedSeisenburg  begriff  nach  dem  alten  Gmndbuche 
außer  den  Schlosse  Seisenburg  das  Dorf  Nieder-Seisenburg  oder  die  Num- 


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mem  der  Ortschaft  Etzelstorf  1 — 17,  20,  21,  23—27,  29 — 33,  35,  86, 
41,  42,  44,  45,  51,  61,  66. 

Zum  Burgfried  Egenberg  gehörten  die  Nammern  1,  2,  8,  11 
biß  18;  von  Aichham  8,  9,  11 ;  von  Seyrkam  3,  7;  von  Vorchdorf  61; 
von  Papperleiten  1 — 4,  7,  9,  10,  12  —  17;  von  Einsiedling  5,  6,  12,  14 
biß  16,  18;  von  Lederau  1,  2,  6,  9,  10,  12,  13,  15—19,  21—24,  28 
bis  31,  33,  84,  86;  von  Banzlau  2 — 4,  9,  10;  13,  14;  von  Eampesberg 
1,  3,  7—9,  11,  20,  21,  30,  81,  86,  50,  51,  53;  von  Wahl  (Wald)  10; 
von  Mo8  8,  4,  7,  12;  von  Weidach  4  und  5  [2  gehörte  zu  Ort,  6  zu 
Scharnstein];  von  Falkenorn  12,  13  [2,  6,  8,  9,  11  gehörten  zu  Ort]. 

Der  Burgfried  Messenbach  umfaßte  von  Messenbach  die  Num- 
mern 43,  56 — 60,  66;  von  Vorchdorf  21,  62 — 65,  69;  von  Kogl  10, 
33;  von  Ealtenmarkt  1,  17 — 20,  22;  von  Feichtenberg  27. 

Der  Burgfried  Hochhaus  umfaßte  von  Vorchdorf  die  Nummern 
1—3,  6,  8,  9,  12,  14,  20,  21,  28,  25,  27—30,  32,  33,  35—38,  42 
bis  45,  47 — 53,  55;  von  Bergern  1,  3,  4,  6,  9,  10,  12,  15;  von  Fisch- 
bäckau  1,  3;  von  Au  26,  27,  31,  32;  von  Feldham  4;  von  Mos  33;  von 
Kogl  42;  von  Feichtenberg  6,  12,  13,  15,  18;  von  Wahl  5,  8,  14 — 17, 
19,  24,  25. 

Die  fehlenden  Nummern  waren  entweder  exemt  (Scharnstein, 
Kremsmünster)  oder  gehörten  zu  den  Landgerichten  Scharnstain,  Wims- 
bach, Ort. 

Nr.  XI. 
Pemstein. 

Grenzbeschreibung  aus  dem  Urbar  vom  1.  September  1581 
im  Stiftsarchive  Kremsmünster. 

Erstlichen  in  Kirchdorfer  Pfarr  höbt  sich  das  Landgericht  zu 
Michelndorf  beim  Oreuz,  daran  das  Spitalerisch  Landgericht  stöst  an, 
dann  geet  es  vom  Creuz  auf  die  Humbsenhueb  mitten  durch  den  Pachofen, 
von  dannen  in  den  Humbsen  Pühel,  vom  Humpsen  Pühel  über  alle  Hoch  in 
den  Ebm  Sattl,  von  dannen  auf  den  Schwärznperg,  vom  Schwärznperg  auf 
der  Hoch  hin  in  die  Phannwisen,  von  derselben  in  die  Wolfswisen,  so  schon 
in  Pettenpacher  Pfarr  ligt,  von  der  Wolfswisen  und  Mittagstein  an  den 
Steger  oder  Seyrgraben,  von  da  in  Pettenpacher  Pfarr  schaidts  die 
Albm  ab  und  ab  bis  an  das  Häusl  genannt  das  Spemegk  und  Thejr- 
wang  Holz.  Vom  Theyrwangholz  bis  geen  Gumpendorf,  so  in  Vorch- 
dorfer  Pfarr  ligt,  darnach  auf  die  Omundtner  Straßen  her  bis  an  den 
Daurnprun  und  von  dem  Daurnprun  bis  in  das  Bäth,  so  an  Zeller  Pfarr 


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steBBti  Yom  Bäth  der  Landstrassen  nach  bis  an  Aiterpacb,  so  an  Bieder 
Pfarr  stesst,  gehet  in  die  Wazlhneb,  stesset  hernach  an  Bieder  Pfarr, 
Frenntßdorf  [Voitsdorf],  Bennerhait,  Mayr  zu  Odt,  £[räntzlgnieb,  Begen- 
panrn,  Spempanm,  Grafenperg,  Ealichhof,  Ealichmüll  an  der  Erembs. 
Nach  der  Grembs  auf  und  auf  an  den  Nuspach,  nach  dem  Nuspach  bis  zu 
dem  Müllner  am  Graben,  von  dannen  nach  dem  pach  hinein  für  den 
Prannt  bis  zu  der  Schaidl  Bienn,  daran  die  Kirchdorfer  Pfarr  stöst.  Von 
dem  Schaitlrien  mitten  ober  den  Eckesperg,  vom  Eckesperg  in  die  Bien 
auf  den  Aichenstock,  von  demselben  in  den  Haßlgraben,  vom  Haßlgraben 
bis  auf  den  Mullpühel  hinaus  nach  der  Wienzen,  auf  die  Kxautting  Ebm, 
bis  in  den  Pottingstain,  alda  sich  das  Hallerisch  Gericht  schait  und  die 
Zelkingerischen  Gitint  [Landgericht  Leonstain]  anfahen,  vom  Pottingstain 
an  den  vordem  Bindersperg,  volgent  an  den  Schwärzenpach  bis  in  die 
Beingrueb,  Yon  der  Beingrueb  bis  geen  Steinmüln  zu  den  Lacken,  yon 
dannen  durch  das  Hollerthal  hinaus  an  die  Teuffenpruck,  yolgunt  hinauf 
auf  den  Plan  Wipfel,  yon  demselben  über  alle  H6ch  her  bis  wider  zum 
Greuz  gegen  Michlndorf. 

Anmerkung.  Nach  Wiederyereinigung  der  Pfarre  Petenbach 
mit  dem  Landgerichte  Scharnstain  lief  die  Westgrenze  des  Landgerichtes 
Pemstein  gegen  das  letztere  ,yon  der  Wolfswisen  hinab  an  die  Sagmüll, 
so  in  Kirchdörfer  Pfarr  ligend  ist,  und  yon  der  Sagmüll  hindurch  nach 
dem  Kunzer  Bidlpach,  durch  das  Seisenburger  Holz  und  über  den 
Tächlesperg  hinab  gen  Bäth,  so  zwaj  Heuser  sein  und  ligt  das  ain  hauß 
in  Pettenpacher  Pfarr  und  das  ain  in  Kirchdorfer  Pfarr,  darnach  auf  Sant 
Magdalena  Perg  und  yom  Perg  hinab  zu  dem  Pocken  an  die  Straß,  yon 
der  Straß  bis  an  das  Mößl  Lehen,  da  sich  nimbt  der  Ursprung  des  Aiter- 
pachs.  Den  Aiterpach  ab  und  ab  bis  an  die  Gmundnerstrasse  in  der 
Fuchsleiten  und  bis  gen  Yoitsdorf. 

Diese  jüngere  Westgrenze  ist  im  Atlas  dargestellt. 

Nr.  XIL 
Pemau. 

Grenzbeschreibung  aus  dem  Kaufbriefe  ddo.  1.  Jänner  1612. 
Kopie  im  Stiftsarchive  Lambach. 

,Und  erstreckt  sich  solcher  iezt  berierter  yerkaufter  Landgerichts 
gezierk  mit  dessen  ordenlichen  Märchen  folgenter  gestalt.  Nemblich  und 
fürs  erst  faht  sich  dieser  landtgerichts  gezierck  an  mitten  in  der  Albm 
bey  dem  IJrfar  zunegst  Häfeldt,  dann  in  Fahrtweg,  welcher  yon  Lambach 
durch  ermelte  Albm  hinyber  nach  Stainachkirchen,  aus  und  aus  zwischen 


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herrn  Aspans  von  Haag  angehörigen  gutem  zu  Hacbing,  welche  beede 
güeter  in  Wibmspacherischon  landtgericht  sambt  ihren  darzue  gehöri- 
gen grundt  und  boden  verbleiben,  dann  yerrer  solcher  ordentlich  land- 
Straß  nach  auf  Stainachkirchen  werts,  oberhalb  dem  Dorf  Ohrnharting 
weiter  dieselb  landstrassen  forthin  bis  auf  die  stainer  Säulen,  welche  auf 
der  Höche,  ehe  man  gen  Stainachkirefaen  khombt,  stehet,  von  dieser 
stainen  Sejlen  an  gestracks  hinyber  iber  die  felder  und  wisen  bis  auf  die 
ander  stainene  seylen  oberhalb  Stainachkirchen  beym  Gattern  stehet,  wo 
sich  des  Pfarrhofs  garten  endet,  und  ein  hilzen  sejlen  aldort,  als  auf  die 
granizen  bis  wider  in  die  landstraßen  nach  Krembsmünster  geent,  wel- 
ches dorf  Stainachkirchen  wie  oben  specificiert  in  dem  Pernaurischen 
landtgericht  verbleibt.  Yon  iezt  bemelten  Stainachkirchen  bis  auf  Ober- 
Heyspach,  alda  siben  heiser  und  ebnermassen  in  disem  gezierck  sein, 
von  dannen  grad  hinyber  aufin  Schickmayrhof  so  ausserhalb  St.  Georg 
auf  der  H(k;he  ligt,  und  yerrer  in  Fartweg,  welcher  neben  iezt  bemelten 
Schickmairhof  zur  rechten  band  hingehet,  stracks  abwerts  in  die  Traun 
und  in  Mitten  derselben  Traun  widerumb  aufwerts  in  mitten  der  Albm 
zu  obgedachten  Urfar  und  Strassen,  so  von  Lambach  gehet,  alda  sich 
diser  landtgerichtsgezirck  anfahen  und  enden  thuet.' 

Außerdem  wird  dem  Käufer  Wolf  Christof  Jagenreuter  die  Land- 
gerichtsbarkeit auf  Grund  und  Boden  seiner  im  Landgerichte  Wimsbach 
gelegenen  5  Untertanen:  Leitenbauernhof  und  Solde  amPühret  Pf.  Fischl- 
ham,  Solde  zu  Bächling  und  Hof  zu  Aurthal  (Austall)  Pf.  Steinerkirchen 
und  das  Gütl  auf  der  ZacherlOdt  in  Eberstalzeller  Pfarre  eingeräumt; 
doch  behält  sich  der  Verkäufer  das  landgerichtliche  Jus  gegen  fremde 
Personen  in  diesen  Gütern  bevor. 

Im  ganzen  gab  es  104  Häuser  in  dem  neuen  Landgericht. 

Nr.  XIIL 
Landgericht  der  Stadt  Wels  rechts  der  Traun, 

welches  Helmhart  Jörger  im  Jahre  1584  aus  seinem  Scharnsteiner  Land- 
gerichte verkauft  hat.  Die  Grenzen  ergeben  sich  aus  der  Beschreibung 
der  Landgerichtsgrenzen  von  Scharnstein  vom  Jahre  1583  und  aus  der 
nachstehenden  Eferdinger  Urkunde  ddo.  15.  Mai  1585  (Montag  nach 
Sonntag  Jubilate). 

Nr.  XIV. 
Landgericht  Wimsbach. 

Helmhart  Jörger  zu  Tollet,  Ehöppach  und  Zägging  Freiherr  auf 
Kreußpach,  Herr  zu  Pernstain,  Scharnstain  und  Walperstorff  Oberst 


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642 

ErblandhofmeiBter  in  Österreich  ob  der  Ens,  Sr.  kais.  Maj.  Bath  and 
Präsident  der  N.-Ö.  Kammer,  verkauft  dem  Gnndacker  Herrn  y.  Starbem- 
berg  auf  Penerbach  und  Lutzen  yon  Landaw  Freiherrn  zum  Haus 
und  Bappottenstain  Kais.  Maj.  Rath  als  Gerhaben  über  weiland  Hannsen 
Äschpanns  yon  dem  Hag  selig  nachgelassenen  Sohn  David  zn  dessen 
Herrschaft  Wimbspach  an?  seinem  freieigentümlichen  zur 
Herrschaft  Scharnstein  gehörigen  Landgericht  um  2300  fl. 
rhein.  und  50  Ducaten  Leihkauf 

folgenden  Landgerichts  Gezirk: 

yZu  Lambach  mitten  auf  der  prucken  angefangen,  mitten  in  der 
Traun  ab  und  ab  bis  zum  Graben,  welcher  nächst  herober  halb  der  Kir- 
chen am  Schaui-perg,  die  im  Weiserischen  Gezirk  liegt,  auf  die 
Traun  herabgeht,  daran  das  Welserisch  Landgericht,  so  ich  ihnen 
neulich  auch  von  dem  Schärnstainschen  Landgericht  ver- 
kauft, stößt,  in  demselben  Graben  von  der  Traun  hinauf  f&r  gemelte 
Kirchen  am  Schauersperg  und  das  Yischerhäusl  daselbst  zum  Gäßl  so 
zwischen  dem  Majrhof  und  der  Kirchen  hinein  zum  Steg,  dem  daselbst 
über  Aiterpach  geht,  im  selben  Gäßl  hinein  inmitten  des  Aiterpachs,  von 
dannen  im  Aiterpach  hinauf  bis  an  den  furth  herunterhalb  der  Cantzl- 
müU,  dadurch  die  Gmundtnerstrasse  geht  und  zur  linken  Hand  der 
Herrschaft  Pernstain  Landgericht  daran  stoßt,  verrer  auf  der 
rechten  Hand  Bieder  und  zur  linken  Hand  Pettenpacher  Pfarr,  derselben 
Gmundtner  Strassen  nach  auf  die  rechte  Seiten  auf  den  Oissiblgraben, 
weiter  hinumb  auf  den  Gissibl  Bain,  darnach  auf  die  WUfingshaidt  in 
Bieder  Pfarr,  so  im  Pemstainischen  Landgericht  bleibt,  von  dannen  zum 
Spitzgraben  auf  der  SOgnstat,  allda  sich  obberührte  Bieder  Pfarr  endet 
und  Zeller  Pfarr  anhebt,  nach  dem  Spitzgraben  aus  an  Koglomer  graben 
und  selben  Graben  nach  an  den  Hörberstorfer  Graben,  von  Hörberstorf 
auf  der  rechten  Hand  herumb  um  das  Dorf  darin  4  Häuser  und  in  Pem- 
stainer  Landgericht  auch  Zeller  Pfarr  liegen,  weiter  nach  dem  Graben 
hinauf  auf  die  Bauchenödt  allda  zwei  Häuser  in  Zeller  Pfarr,  welche  in 
diesem  Gezirk  verbleiben,  von  dannen  dem  Weg  nach  an  die  Spildorf- 
leutten  durchs  Holtz  und  dem  farthweg  nach  gen  Spildorf,  darinnen 
13  Häuser  sein,  die  ringsherum  im  Pemstainischen  Landgericht  bleiben, 
ferner  auf  dem  farthweg  zu  dem  obern  Perrschait  Gattern,  dann  dem 
farthweg  nach  auf  der  linken  Hand  zu  dem  Gut  am  Krämaß  und  auf 
die  Gmundtner  Strasse,  derselben  Gmundtner  Strasse  nach  auf  die  Kogl- 
ödt,  welche  man  Pellngrub  nennt,  so  ein  behaustes  Gut  und  auf  der 
rechten  Hand  liegt,  von  der  Koglödt  sunst  Pöilngrueb  und  der  Strassen 


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643 

nach  zu  der  Schächlhueb,  so  auf  der  linken  Hand  liegt,  weiter  nach  der 
Gmundtner  Straß  fürn  Mair  am  Theirwang,  so  im  Pernstainer  Landgericht 
liegt)  ferner  in  die  Albm  mitten  in  die  Albm  herab  bis  wie  die  Lauttach 
in  die  Albm  rinnt,  und  mitten  in  dem  Grieß  der  Lauttach  hinauf  bis  für 
des  Plankchen  in  der  Au  Behausung,  so  enhalb  der  Lauttach  und  mit 
Grundobrigkeit  unter  Lambach  liegt,  bis  in  des  Planken  Wismatzipf,  da 
die  Lauttach  an  rinnt,  und  des  Wenczles  am  Aigen  Leitten,  so  unter 
Xremsmünster  gehörig,  ansteht,  von  diesem  Ort  dann  verrer  unter  der 
Leitten  im  Wismat  nach  dem  Hag  hinumb  bis  an  Aigner  prun  und  unter 
der  Leitten  hinumb  bis  an  die  Stigl  und  Teufenweg,  im  Teufenweg  auf 
und  auf  bis  an  Aigner  Grabmegg,  so  auf  der  rechten  Hand  an  Sallinger 
gründt  anliest  (?),  von  selbem  Grabmegg  hinauf  in  Winckl  an  Sallinger 
Graben  enhalb  und  auf  demselben  Sallinger  Gi*aben  hinauf  und  in  den 
feldern  gar  herumb  bis  an  die  Marchengassen  und  das  Grabmegg  daselbst, 
allda  sich  Mitter  Bäther  gründt  und  Holtz  endten  und  niedem  Räther 
Gründt  anfahen,  zwischen  solcher  Mittem  und  Nieder  Räther  Gründt 
hindurch,  wie  es  die  Hager,  fridt  und  Bain  von  einander  schaiden  bis  an 
der  Herrschaft  Neidharting  Hofgründt,  genannt  die  Bäthleitten,  yon 
dannen  auf  der  rechten  Handt  nach  dem  Zaun  bis  an  solcher  Nieder 
Bather  Gatern  am  weg,  so  auf  Neidharting  hinabgeht,  von  solchem 
Gattern  auf  der  rechten  Hand  über  die  Leiten,  nach  dem  Zaun  hinab  an 
die  Stigl  beim  Wibmspacherischen  Teichl  allda  sich  auf  der  linken  Hand 
Neidhartinger  Gründt  enden  und  Wibmspacher  Gründt  anfahent,  feiTer 
zwischen  dem  auf  der  linken  Hand  gelegenen  Lambacherischen  Wislen 
und  Wibmspacher  Gründt  hinab,  der  gerechner  (sie)  nach  an  pach,  da 
die  zwischliß  groß  Ödl  stehet,  von  dannen  mitten  im  Wasser  und  Pach 
hinab  bis  an  das  Grabmegg  enhalb  des  Paches,  welcher  Graben  Neidt- 
hartinger  und  Wibmspacher  Gründt  schaidet,  yon  dannen  auf  über  die 
Leiten  an  die  Landt  Strasse,  übers  Feld  auf  dem  Bain  zwischen  Neidhar- 
tinger und  Wibmspacher  Äcker  hinüber  und  bis  an  die  zween  Marchsteine, 
die  im  Sunck  liegen,  yon  selben  auf  dem  Bain  auf  der  rechten  Hand  im 
Sunck  zwischen  Mittem  Pächeloher  und  Wibmspacher  Äcker  hinab 
wieder  auf  dem  Bain  der  mitter  und  unter  Pächeloher  Äcker  scheidet,  auf 
solchem  Bain  auf  gegen  die  Staingrueben  auf  dem  Bain  übers  feld  hinauf 
nahet  nächst  des  Grabens  über,  mehr  auf  dem  Bain  und  gar  bis  hinan 
an  Graben  straks  über  den  Graben  und  im  andern  feld  auch  auf  dem 
Bain  zwischen  Mittern  und  niedem  Pächeloher  Acker  hinab,  bis  auf  die 
Leiten,  über  die  Leiten  hinab,  mehr  auf  dem  Bain  gerade  über  auf  dem- 
selben Bain  im  Thal  hinaus  ans  Gehag  oder  Graben  am  Hart,  yon  dem 
gerath  hinden  (sie)  mitten  auf  die  Strasse,  die  yon  Wibmspach  an  Stadl 


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644 

übers  Hart  hinüber  geht  bis  mitten  in  die  Gmundtner  Straß  nächst  an 
Stadl  gelegen,  mitten  in  solcher  Gmundtner  Strasse  hinein  bis  mitten 
auf  die  Traun  und  Pruck  zu  Lambach,  allda  sich  solcher  Landgerichts 
Gezürk  angefangen  hat,  mit  allen  darin  gelegenen  Häusern,  Gehültzen, 
Wassern,  Mannschaften  und  allen  andern  Gründten.' 
zur  Ausübung  von  landtgerichtlichem  Pan  und  Acht  auf  ewige  Zeit. 

Doch  behält  er  sich  vor,  das  Landgericht  auf  allen  seinen  in 
diesem  Gezirk  befindlichen  Untertanen,  nämlich  in  Talhaimer  Pf.  den 
Seifridsöder ,  in  Bieder  Pf.  den  Püechlpaur  unter  Pernstain,  in  Zeller 
Pf.  Halbe  Hub  im  Unter  Eberstall,  Faschanggut  genannt,  das  Fröschlgut 
zu  Albersdorf,  Gut  zu  Albersdorf  auch  das  Faschanggut  genannt  bei  der 
stainen  Saillen,  die  anderhalb  Hub  zu  Albersdorf,  die  mitter  halb  Hueb 
daselbs,  Gütl  zu  Lütering  so  man  nennt  das  Schneiderpaurngut,  das 
Herrngut,  das  Wagnergütl  am  Lahen,  HanBengut  zu  Herbersdorf  zu- 
nächst der  ödt,  das  Teningergütl  zu  Herbersdorf,  das  Bittergütl  daselbst, 
das  Sebastiangütl  daselbst,  Gütl  an  der  Häßlödt,  das  andere  Gütl  daselbst 
Sebastian,  Halbe  Hueb  zu  Streining,  Gut  beim  Steeg  im  unteren  Ebers- 
tall, die  Prunnmüll,  das  Herrngut  zu  Lütering,  die  Mitterhalbhube  zu 
Lütering,  das  Gestlingergut  daselbst,  das  Gut  im  Ort  daselbs,  den  Schmidt- 
hof, die  ober  halb  Praitenhueb,  die  under  halb  Praitenhub;  Mehr  so  zum 
beneficio  gen  Schärnstain  gehört:  Sölden  zu  Oberhartleiten  und  Mair  zu 
Bechprunn,  Thoman  Bauchenödter  so  gegen  Schärnstain  gehört.  Mehr 
gegen  Pernstain  gehören  in  Steinakircher  Pfarr  ain  Hub  so  auf  dem 
Ealluß  zwischen  der  ödt  und  Gründt  der  Gröbminger  Grabstat  geseczt 
worden.  Häusl  auf  dem  halben  Holtz  auf  der  ödt  bei  Griexheimb,  Häusl 
auf  dem  andern  halben  ödtholtz  auf  der  ödt  bei  Griexheimb,  Häusl  so 
auf  das  Drittel  Ödt  Holtz  am  Griexheimber  ödt  genant  Schnetholz. 
Ledige  Stuck  das  Oedtholtz,  soviel  gegen  Pernstain  gehört,  der  Kalluß,  das 
Eirchlandt,  das  Schnetholtz  an  Griexheimber  Oedt  bei  dem  Gattern,  in 
VorchdorferPf.  zuHumblpininnHansGrinndthamer.  Mehr  das  Wassen*echt 
auf  Wasser  und  Land  wie  es  von  Alters  her  zurHerrschaft  Schärnstain  gehört. 

Von  solchem  Landgericht  sollen  die  Herren  Käufer  zu  jährlicher 
Mithilf  in  das  Landgericht  Geld  geben  3  fl.,  jedoch  selbe  nicht  gegen 
Schärastein,  sondern  zu  gemainer  Landschaft  raichen,  so  der  Herrschaft 
Schärnstein  an  ihrem  Lndgt.  gelt  aufzuheben  ist. 

Mitsiegler:  Der  Landeshauptmann  Ferdinand  Helffrich  von  Meggau 

Freiherr  auf  Creutzen,  Wolf  Jörger  der  Ältere  zu  ToUeth,  Eöppach  und 

Stejereck  Freiherr  auf  Eaeuspach  und  Inhaber  der  Herrschaft  Starhem- 

berg,  Burgvogt  zu  Wels. 

Orig.  auf  Perg.  Drittes  Siegel  hängt  Im  fürstlich  Starhembergschen 
Archive  in  Eferding. 


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645 

Nr.  XV. 
Ländgericht  Neidharting. 

1591,  20.  März,  Wien.  Helmhart  Jörger  zu  ToUeth,  Eöppach  and 
Zagging  Freiherr  auf  Erenspach,  Herr  zn  Pernstain,  Scbärnstain  nnd 
Walperstorf,  Oberster  Erblandhofmeister  ob  der  Ens,  Sr.  kais.  Maj.  Bath 
und  Präsident  der  N.  0.  Kammer,  verkauft  seinem  Vetter  Joachim  von 
Lanndaw  Freihen'n  zum  Haus  und  Bappottenstain  zn  dessen  Herr- 
schaft Neidtharting  aus  seinem  freieigentümlichen,  zur  Herr- 
schaft Sch&rnstein  gehörigen  Landgericht  um  eine  Summe  Geldes 

nachfolgenden  Landgerichtsgezirk 

mit  den  spezifizierten  Landhuebern  und  ihren  Diensten,  insonderheit 
auch  einen  Orund  zu  Theising  zwischen  Hannsen  Stockhammer  Schärn- 
steinschen  Unterthan  und  Wolf  Castperger  auf  dem  Dopfergütl  beider 
daselbst  Garten  gelegen,  darauf  man  von  Scbärnstain  aus  denen  Landt- 
huebern  in  Wibmspacher  und  Boithamer  Pfarren  die  Bechte  und  Ehe- 
hafttaidinge  järlich  besessen  und  der  Frejgrundt  genannt  ist,  der 
auch  hinfür  ferner  frey  gelaßen  werden  soll,  ferner  das  Standgelt  so  man 
zu  Kirchtagszeiten  auf  dem  Platz  yor  dem  Frejthof  zu  Beutham  reicht. 
Nämlich  angefangen  mitten  in  der  Traun  auf  der  Pruggen  zu 
Lambach,  von  dannen  er  mitten  in  der  Traun  hinauf  bis  unter  den  neuen 
Fall  allda  das  Wasser  in  die  Traun  herausföllt,  von  dann  auf  die  linke 
Hand  gleich  über  die  Leiten  hinauf,  zuhöchst  auf  die  Gstötten  ans  faal- 
holz,  yerrer  auf  derselben  Gstötten  nach  dem  fall  hinauf  bis  zu  dem 
farthweg,  der  von  der  faalprucken  heraus  ins  faalholz  geht,  von  dann 
durch  das  faalholz  im  Thal  hinaus  zu  dem  Schiedtgraben,  so  ausser  des 
Sonntags  Hof  und  Hub  gegen  Gmundten  zu  liegt,  ferrer  auf  den  ödthof 
und  Lebenedt  die  alle  in  disem  Gezirk  gehörig,  folgendts  auf  Farnpuech 
und  Wankhamb  auf  den  Haslgraben  hinauf  Beitern,  yon  Beitern  durch 
die  Aichen  hinein  ins  Engenthall,  ins  Eggenthall  hinauf  zum  Praitten- 
rain,  auf  demselben  Bain  hinauf  bis  zum  graben,  so  man  die  Wolfslucken 
nennt,  neben  dem  Graben  hinauf  durchs  Fällhölzl  hin  übers  feld  aufs 
Aigen,  so  ein  behaustes  Gut,  mitten  durch  dasselbig  Haus  durch  hinaus 
zu  dem  Garten  so  außer  des  Dorfes  zu  Falckenorn  und  derselben  feld 
steht,  von  gattern  gleich  über  die  Leiten  hinab  in  den  farthweg,  mitten 
im  farthweg,  so  zwischen  der  Häuser  zu  Ober  Weidach  hinaus  durch 
Lauttach  geht,  von  denen  in  mitten  solcher  Lauttach  hinab  bis  neben  des 
Plancken  in  der  Au  Wismatzipf  da  die  Lauttach  an  rinnt  und  des  Wencz- 
lens  im  Aigen  Leiten  so  unter  Cremsmünster  gehörig  auf  das  Wibm- 


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646 

spacherisch  Landgericht  anstoßt,  von  diesem  Ort  an  ferrer  zwi- 
schen Wibmspacher  und  diesem  Oezirk  unter  die  Leiten  im  Wis- 
matb,  nach  dem  Haag  hinumb  bis  zum  Aigner  prun  und  unter  der  Leiten 
hinumb  bis  an  die  Stigl  und  Teuffenweg  auf  und  auf  an  aigner  Grab- 
meck,  so  auf  der  rechten  Hand  an  Sallinger  Grund  an  liegt,  von  solchem 
Grabmeck  hinauf  im  Winkl  am  Sallinger  Graben  enthalb  und  auf  dem- 
selben Sallinger  Graben  hinauf  und  in  den  Feldern  hinumb  bis  an  die 
Merchengassen  und  das  Grabmeck  daselbst,  allda  sich  Mittern  Eadter 
Gründt  und  Holtz  enden  und  Nidern  Bäther  Gründt  anfahen.  Zwischen 
solchen  Mittern  und  Niedern  Räther  gründt  hindurch,  wie  es  die  Hager, 
Fridt  und  Rain  von  einander  scheiden  bis  an  die  Herrschaft  Neitharting 
Hofgründt  genannt  die  Räthleiten ,  von  dannen  auf  der  rechten  Hand 
nach  dem  Zaun  bis  an  solcher  Nieder  Bäther  Gatter  im  Weg  so  auf 
Neydtharting  hinabgeht,  von  solchem  Gattern  auf  der  rechten  Hand  über 
die  Leiten  nach  dem  Zaun  hinab  an  die  Stigl  beim  Wibmspacherischen 
Teichtl,  allda  sich  auf  der  anken  Hand  Neidthartinger  Gründt  und 
Wibmspacher  Gründt  anfahent,  ferner  zwischen  dem  auf  der  linken 
Hand  gelegenen  Lambacherischen  Wiesl  und  Wibmspacher  Gründt  hinab 
der  Gerathen  nach  am  Fach  wo  die  die  zwischlich  groß  ödl  steht,  von 
dannen  mitten  im  Wasser  und  Fach  hinab  bis  ans  Grabmeck  enthalb 
des  Fachs,  welcher  Graben  Neidthartinger  und  Wibmspacher  Gründt 
schaidet,  von  dannen  auf  über  die  Leiten  an  die  Landstraß  übers  Feld 
auf  dem  Rain  zwischen  Neydthartinger  und  Wibmspacher  Äcker  und  ab 
bis  an  die  zwen  Marchstaine  die  im  Sunck  liegen,  von  solchem  auf  dem 
Rain  auf  der  rechten  Hand  im  Sunck ,  zwischen  Mittern  Fächellacher 
und  Wibmspacher  Äcker  hinab  wieder  auf  dem  Rain,  der  mitter  und 
niedern  Fächelacher  Äcker  scheidet,  auf  solchem  Rain  auf  gegen  den 
Staingrueben,  auf  dem  Rain  übers  feld  nachet  nagst  des  Grabens  über, 
mehr  auf  dem  Rain  und  gar  hinan  am  Graben,  straks  über  den  Graben 
über  und  am  andern  feld  auch  auf  dem  Rain  zwischen  Niedern  und  Mit- 
tern Fächelacher  Äckern  hinab,  bis  auf  die  Leithen,  über  die  Leithen 
hinab,  mehr  auf  dem  Rain,  grad  auf  denselben  Rain  im  Thall  hinaus  ans 
Schlag  oder  graben  am  hardt,  von  dem  grad  hintan  mitten  auf  die  Straß 
80  von  Wimbspach  am  Stadl  übers  Hardt  hinüber  geht  bis  mitten  in  die 
Gmundtner  Straß  negst  an  Stadl  gelegen,  mitten  in  solcher  Gmundtner 
Straß  hinein  bis  mitten  auf  die  Traun  und  Frucken  zu  Lambach  allda 
sich  solcher  Gezirk  angefangen. 

Item  dieLandhuebnerin  Reuthamer  und  Wimbspacher  Ffarren 
(alle  mit  ihren  Diensten  genannt):  Lienhart  Linßpoder  zu  Fesenrach 
unterm  Spital  zu  Gmunden,  Jacob  Miliner  auf  der  Leuten  genant  das 


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647 

Obergütl  zu  Pesenrach  unter  Polhamb  in  Wels,  Merth  daselbst  zn  Pesen- 
rach  unter  Polham  in  Wels,  Sigmund  Linspoder  zu  Obernpirach  vom 
Obergütl  unter  Oberweiß,  Lienbart  Waiczing  daselbst  unterm  Haiden  zu 
Dorf,  Sebastian  Leeb  vom  Gut  an  der  Löbwardt  unterm  kais.  Schloß 
Linz,  Hanß  vom  Out  auf  der  Obernödt  unter  Dietach,  Sigmund  Hueber 
vom  Out  zu  Hueb  unter  Polhamb  in  Wels,  Lienbart  Schintl  zu  Obern- 
pnech  Yon  seinem  Auszugb&usl  daselbst  unterm  Pfarrer  zu  Prugg,  Oilg 
Starl  Bürger  zu  Omundten  vom  Sonntaghof  unter  Neidtharting,  Wolf- 
gang Kasperger  zu  Nieder  Teising  vom  Topfengütl  daselbst  unter  Feier- 
eck, Wolf  Gramer  unterm  Arch  zu  Seuthan,  Sebastian  von  der  Teiß- 
mühl  unter  Neidtharting  in  Widemspacher  pfarr.  Leonhart  Prauner  zu 
Perckhamb  unter  Wimbspach  vom  Pernergut,  Hans  Humplberger  vom 
Gut  zu  Haag  unter  Christoph  Pleitl,  Georg  Hager  daselbst  unterm  Pleidl, 
Andre  daselbs  vom  Straußengütl  unterm  Pleidl,  Sigmund  Leblpaur  zu 
Vorchdorf  vom  Haigglgut  underm  Pruggamt  Weiß,  Wolfgang  vom  Lebl- 
paurn  gut  daselbst  unter  Wimbspach,  Peter  auf  der  leithen  zu  Dorf  ham 
unter  Stift  Passau,  Sigmund  Töplpauer  vom  Gütl  auf  dem  Anger  zu 
Dorf  ham  unter  Yogtey  Wels,  Merth  Eoglberger  von  seiner  Sölden  beim 
Gattern  zu  Dorf  ham  unter  Wibmspach,  Christoph  Grabmperger  am 
untern  Kistlwang  unter  Albmegg,  die  ZaglsOlden  in  ündem  Eistlwang 
unter  Neidtharting,  Thoman  Viechtpauer  vom  Lindmhof  zu  TJndem  Eistl- 
wang unter  Neitharting,  Wolf  Wißhofer  am  Wißhof  zu  Eistlwang  unter 
Neidtharting,  Leonhart  Gaußrabmajr  vom  Hof  in  Eistlwang  unter  Leobm- 
pach,  Wolf  Goltinger  vom  Goltingergut  im  Eistlwang  unter  Wirting, 
Leonhart  Goltinger  vom  Sontaggütl  unter  Wierting,  ürban  Eöblpauer 
vom  Gütl  auf  dem  Pächl  unter  Neidharting,  Leonhart  Murer  vom  Winkl- 
gütl  im  Eistlwang  unter  Neydtharting,  Wolf  Erenpauer  vom  Krenpauer- 
gut  im  Kistlwang  genant  im  Winkl  unter  Neydtharting,  Sigmund 
Hochen Wächter  von  seiner  Sölden  beim  Gattern  im  Eistlwang  unter  Neydt- 
harting, Hanns  Stainmayr  von  der  Teufelmühle  im  Eistlwang  unter 
Oberweiß,  Yeit  Weber  von  seiner  Sölden  beim  Pach  in  Eistlwang  unter 
Paul  Merten  von  Polham. 

Ferrer  die  Landthueber  Ehehafft  täding  so  in  einem  sonder  Büchl 
beschrieben. 

Doch  behält  er  sich  bevor:  das  Landgericht,  Landhueberdienst, 
all  Becht  Gerechtigkeit  Yogteyen  und  Lehenschaft  erstlich  auf  der  Eir- 
cben  und  dem  freithof  zu  Boitham,  den  Pfarrhof  zur  selben  Kirche  ge- 
hörig, so  außerhalb  des  Dorfes  liegt,  zweitens  auf  seinen  eigenthüm- 
lichen  Unterthanen  Häusern  und  Gründten:  das  Harrichter  Gut  zu  Nider 
Teising  so  Andre  Teisinger  besitzt,  das  größere  Gut  beim  Gattern  da- 

AreUT.  M.  Band,  IL  H&lfU.  43 


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648 

selbst  des  Leonhart,  das  Elienergut  beim  Gattern  auch  des  Leonhart, 
das  Gut  nächst  dem  Garten  im  obern  Paumgarten  daselbst,  des  Mathias 
Stokhambergnt  zu  Teising  besitzt  Hans  Scheitl,  zwei  Gütl  zu  Pesenrach 
das  Sebastian  Linspoder  und  Andre  Staudtinger  so  mit  allen  Rechten 
von  Alters  her  zur  Herrschaft  Schärnstain  gehörig.  Dagegen  soll  der 
Käufer  von  solch  Landgerichtsgezirk  3  fl.,  nicht  gegen  Schärnstein  son- 
dern zu  gemeiner  Landschaft  reichen,  welche  der  Herrschaft  Schärnstein 
an  ihrem  Landgerichtgelt  abzuziehen  sind. 

Mitsiegler  sein  Vetter  Balthasar  Christoph  Tonrad  zu  Ternberg 
und  Bechtberg  B.  kais.  Maj.  N.  Ost.  Eammerrath. 

Ein&che  P&pier&bBchrift  im  forstlich  Stariiembergschen  Archive  %u 
Eferding. 

Nr.  XVI. 
Eremsmünster. 

Grenzbeschreibung  aus:  ,Ordnnng  der  Vogttaiding  beschri- 
ben  und  aufgericht  durch  den  Hofschreiber  Michaeln  Räminger 
im  Monat  Jannarj  Anno  1587'  im  Stiflsarchive  Kremsmünster. 

In  Sippachzeller  Pfarr  geet  der  von  der  Herrschaft  Sch&rnstain 
kaufte  Landgerichtsgezirk  oben  aus  Bieder  pfarr  mitt  im  Aiterpach  herab 
für  die  Felbermüll,  und  gar  hinab  in  Talhaimer  Pfarr  auf  das  Steuber- 
müllner  Wüer,  damit  er  das  Wasser  aus  dem  Aiterpach  auf  die  Steuber- 
müU  erhebt,  von  solcher  Wier  geen  die  gemerck  zwischen  der  Statt  Wels 
und  disem  Krembsmünsterischen  Landgerichts  Zirck  herein  durch  ain 
clains  Ferhatl  [Gföhret],  so  dem  Beif-  und  Gänglmüllner  zuegehörig, 
zum  Fai'tweg,  demselben  Fartweg  nach  herauf  fibers  feld,  über  ainen 
andern  Fartweg  zur  Lyndon,  so  vast  mitten  im  feld  steet,  darbey  zwen 
Fartweg  zusamben  komben,  von  solcher  Lyndon  dem  Fartweg  der  linken 
band  nach  hinumb  widerrumben  zu  der  grossen  Lyndon,  so  bei  dem 
Gangsteig  an  der  obern  Yeichten  steet.  Von  dannen  abermals  dem  Fart- 
weg nach,  hinauf  über  die  Welser  Straß  geen  Pergern  zum  Gatern,  dann 
hinab  über  das  Talpachl  zwischen  des  Hofs  und  Müll,  durch  den  teufen 
Fartweg,  zwerchs  hinauf  über  den  Gangsteig  an  die  Miechten,  zu  der 
Lyndon,  von  der  Lynden  gegen  der  Herrn  von  Losenstain  und  Yolken- 
storf  Landgericht  dem  Fartweg  nach,  hindurch  durch  das  Edtholz  zu  dem 
Judenholz  und  des  Helbml  Gattern,  der  Steyrer  Strassen  nach,  abermals 
für  Leobmpach  herein  und  dann  herober  Kematen  unter  des  Zehethof 
geen  Hailberting  zu  der  Krembs. 


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649 

Der  Yon  Schämstain  kaufte  Landgerichtsgezirgk  in  Bieder  Pfarr 
facht  sich  an  von  der  Erembs  im  Kalchpächl,  herauf  an  das  khag  zwi- 
schen des  Benmayrs  und  Begnpaom  wisen  ügent,  demselben  nach,  durch 
den  tiefen  Graben,  wie  den  das  Wasser  schaidt,  über  des  Benmairs  Waid 
an  die  stainen  Oatterseiln  beim  Zaunegk,  derselben  Strassen  nach,  herein 
ober  des  Mayrs  zu  Edt  Graben  im  feld,  dann  zwerchs  Qbers  Talpachl  und 
Wismadt  zu  der  Kränzlhaid  neben  des  Hauß  zum  Gattern,  darbey  ain 
Pierpaumb  steet,  von  solchem  Pierpaumb  umb  der  Voitstorfer  Gründt, 
80  weit  dieselben  sich  hinauf  erstrecken  und  an  den  Aiterpach  hinzue 
ligen  mitten  in  Fürth,  yon  dannen  an  im  Aiterpach  dem  rechten  Binnsal 
nach  hinab  und  ab  an  die  Felbermflll,  wie  dann  das  Gemerck  weiter  in 
Talhamer  Pfarr  unterschiedlich  gemelt  ist. 

Anmerkung.  In  dem  vom  Hofirichter  JUDr.  Benedikt  Finsterwalder 
am  24.  Februar  1708  abgeschlossenen  ,Haubt  Urbar  und  Grundbuch  ttber 
das  löbl.  Stift  und  Closter  Crembsmünster*,  Blatt  26—28,  ist  die  Beschreibung 
zusammengefaßt  und  durch  die  Grenzbezeichnungen  des  ehemaligen  Land- 
gerichtes Schamstein  gegen  das  Landgericht  Gschwendt  erweitert 

Nr.  XVII. 
Landgericht  der  Herrschaft  Steyr. 

Erste  Grensibeschreibang  aus  der  Zeit  vor  dem  8.  Sep- 
tember 1573  (Todestag  des  Herrn  Adam  Hofmann)  aus  dem 
Urbar  vom  Jahre  1658,  Bl.  650—651.  Arch.  Sign.  M.  S.  HI,  268. 

Gezirck  der  Herrschaft  Stejr  Landtgerieht,  wie  solches  Herr 
Adam  Hofman  (f  8.  September  1593)  frejherr  seliger  seinem 
Anzaigen  nach  In  zeit  seiner  Inhabung  in  rnehigem  gebrauch 

gewest  ist. 

Das  Landtgericht  Stejr  hebt  sich  an  unterhalb  der  Stat  Steyr 
und  des  Schlösslmairs  grundt,  wert  nach  der  Enns  hinab  auf  Stäning  bis 
zum  Asang  in  das  Yolckenstorferisch  landtgericht.  Von  dannen  in  der 
Ebm  herauf  an  den  Heyperg.  Verrer  hinumb  auf  Tiedach.  Gleingk. 
Stain.  bis  zum  Stadihof.  Item  von  Oleingk  aus  ober  die  H6ch  auf  die 
Neusift.  Weinzierl.  Ezengarn  und  hinaus  bis  geen  Parschalhen  auf  die 
Welser  StraB.   Diß  ort  wierdet  von  Hauß  aus  verwalten. 

Yolgendts  facht  es  sich  an  im  Aichach,  wo  sich  die  Sierninger  Pfarr 
anhebt  und  wert  hinaus  auf  der  Ebm  über  das  Stainveldt  biß  geen  Par- 
schalchen.  oben  am  Parschalhenperg  schaidt  die  Landstrassen,  so  auf 
Wels  geet,  das  Losenstainerisch  und  Hallisch  Landtgericht  bis  gen 
Eematen  an  die  Krembs.  Also  was  auf  der  rechten  handt  hinüber  ligt, 

48» 


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650 

gehört  denen  yon  Losenstain  zne,  das  ander  auf  der  lingken  handt  geen 
Hall,  und  yon  der  Welser  Strafi  auf  nach  der  Erembs  bis  fftr  Wartberg 
hin  auf  dem  Nnßpach  an  das  Schämstainerisch  landgericht  und  dann 
durch  die  Pernzell  hindurch  an  die  Steyr  und  Leonstainerisch  landgericht. 
Diser  gezirck  wierdet  durch  ain  Bichter  zu  Hall  verwalten. 

und  von  dannen  nach  der  Steyr  heraus  bis  wieder  in  das  Aichach. 
Yon  der  Stat  Steyr.  nach  der  Steyr  hinein  bis  an  das  Spithalerisch 
Landgericht  zu  Windischgärsten,  daselbst  hinüber  durch  das  gebürg  auf 
die  ober  laussa  an  das  Gallenstainerisch  landgericht  und  Steyrmärchisch 
gränizen.  Von  dannen  nach  der  Enns  heraus  bis  wider  zu  der  Stat  Steyr. 
In  disem  gezürck  ligt  das  Closter  Steyergarsten.  Das  will  mit  seinen 
unterthanen  für  die  landgerichtlich  Obrigkait  befreit  sein,  ist  aber  der- 
selben freyhait  schlechtlich  im  gebrauch  dises  Ort  wirt  auch  von  Hauß 
aus  verwalten. 

Enhalb  der  Enns  facht  es  sich  an  unterhalb  der  Stat  Steyr  am 
Bämingpach,  werth  neben  des  yon  Yolckenstorff  landgericht  ^  nach 
der  Bämming  hinein  bis  an  das  Weidthoferisch  landgericht,  yon  dannen 
hinein  durch  die  Neustift  yber  die  Haunoltstangen  bis  an  des  yom  Gar- 
sten landtgericht  (Im  Weyer  vnd  Gafflenz  spät.  Zusatz),  und  nach 
desselben  gräniz  herab  zum  Merchenfell,  auf  der  Enns.  yon  demselben 
nach  der  Enns  heraus  bis  zu  der  Stat  Stadt  Steyr.  In  disem  gezürck  ligt 
die  Herrschaft  Losenstain,  in  dero  sich  die  herrn  yon  Losenstain  der 
landtgerichtlichen  Obrigkait  anmassen.  Man  besteet  inen  aber  ausser- 
halb der  Tachtropfen  kainer  landtgerichtlicher  Obrigkait.  Dises  ort 
wierdet  auch  yon  Haus  aus  verwalten. 

Landgericht  Gefell  gebüren  zum  dritten  Teil  dem  Landrichter 
zu  Hall  (Bl.  676'). 

Zyyeite  Grenzbeschreibung  aus  dem  in  den  Jahren  1647, 

1648  und  1655  zusammengetragenen  Urbar,  Bl.  11 — 14.  Arch. 

Sign.  M.  S.  III,  270. 

Erstlichen  hat  die  Herrschaft;  Steyr  das  Landgericht  jenseits 
der  Steyr  und  Enß,  welches  noch  Anno  1634  Unserm  Hochgeehrti- 
sten  Anherrn  und  Yorfahrer  am  Reich  weyland  Ferdinande  diß  Nahmens 
dem  Anderen  Römischen  Kayser  Ghristmildesten  angedenckens ,  auch 
weylend  Werner  Graf  yonTilly  und  gegen  freymachung  etlicher 
bei  erkaufung  der  Volckenstorferischen, Herrschaften  Landsfürstlichen 


*  D.  h.  das  Landgericht  in  Kttrnberger  und  Behamberger  Pftmr  in  Nieder- 
österreich. 


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651 

Lehen  der  Herrschaft  cedirt,  abgetreten  und  würklich  einantworten 
lassen. 

Fangt  an  enthalb  der  Ennß,  heroberhalb  Haidershofen  bej  der 
Gatterseullen,  gehet  hin  anf  den  Teufels  Graben  geen  Sonnendorf,  von 
dort  gerad  hin  neben  dem  Pach  hinauf  zu  der  adelichen  Yesten  Stain- 
pach,  sodann  unterhalb  gedachter  Yesten  neben  dem  Stainpachgraben 
hinauf  auf  den  Eiernperg  bey  der  Kirchen  (und  ligt  das  WüertshauB  in 
der  Herrschaft  Steyr,  der  Garten  aber  in  dem  Burck  Ennßerischen  Land- 
gericht), gehet  sodann  neben  dem  Graben  hinunter  bis  zum  Weißensteg, 
mitten  auf  die  Bämbing  und  von  der  Bämbing  und  Bämbingsteg  heraus 
bis  mitten  auf  die  EnnB,  da  niemandts  einzugreifen  allein  die  Herrschaft 
Steyr.  Li  dlsem  Gezierk  eigen  die  adelichen  Sütz  und  Yesten  Bämbing- 
dorff  und  Stainpach. 

Der  Andere  Landgerichts  Gezürck  fangt  an  undterhalb  der 
Statt  Steyr,  alwo  die  B&mbing  in  den  Ennßfluß  rinnet,  gehet  rechte  handt 
nach  dem  R&mbingpach  und  Torbeschribenen  von  der  Herrschaft  Tilly- 
spnrg  der  Herrschaft  Steyr  eingeraumbten  Behambergerischen  Land- 
gerichts Gezierck  hinein  bis  zum  Weißensteg,  von  demselben  linckhe 
band  hinauf  zum  Hochreuth  Gattern  ans  Theberholz  zur  Herrschaft 
St.  Peter  gehörig,  nach  dem  Theberholz  an  der  Yel,  nach  dem  Pach 
hinein  zum  Molterlehner ,  vom  Molterlehen  nach  dem  Graben  an  das 
Bauchegg,  von  dannen  auf  den  Prief  berg,  hin  an  das  ort^  nachmahlen 
an  das  Waydhoferische  Landgericht  am  Puechreuth,  von  dannen  hinein 
durch  die  Neustift  fiber  die  Haunoldstangen  bis  an  des  von  Garsten  Land- 
gericht im  Weyer  ynnd  Gaflentz  und  nach  denselben  Gränitzen  herab 
zum  Merchenfahl  oberhalb  der  Diepolzau  an  die  Landstraß,  alwo  ain 
praiter  grosser  Grundstain  mit  ainem  eingebauten  Creutz,  welcher  der 
Herrschaft  und  des  Glosters  Garsten  Landgericht  zum  Weyer  schaiden 
thuet,  Yon  dißem  Stain  der  Gerathen  nach  abwerts  in  den  Ennß  fluß,  nach 
demselben  hinauß  zu  der  Statt  Steur  und  zwischen  derselben  und  des  Ennß- 
dorfs  wider  an  das  ort,  alwo  der  Bämbingpach  in  besagten  fluß  Ennß 
einlauft.  In  disem  Gezürck  ligt  die  Herrschaft  Losenstain,  in  der  sich 
die  herm  yon  Losenstain  der  Landgerichtlichen  Obrigkeit  anmassen. 
Man  bestehet  ihnen  aber  außer  der  Tachtropfen  kainer  Landgerichtlichen 
Obrigkait.  Item  ligt  in  diesem  Gezürck  negst  der  Statt  Steyr  das  Ennß- 
dorf  und  ein  ort  sowohl  ober-  als  vnterhalb  der  Statt  von  dessen  Burgfridt. 

Der  dritte  Gezürck  fangt  an  bey  der  Statt  Steyr  Burgfridt, 
gehet  nach  oftbesagtem  Fluß  der  Ennß  rechte  band  am  Wasser  und 
Land  hinein  ober  der  EhOßlpruggen,  alwo  der  Laussa  Pach,  welcher  die 
Herrschaft  Steyr  und  das  Closter  Admont  von  ainander  raint,  rechte 


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652 

Hand  ein  und  ein  in  das  Eampachthal  nnd  vom  Eampachthal  lincke  hand 
hinauf  zum  Prindl  im  Bathai  an  die  Creutz  Maur  negst  des  Hochgeßuechs, 
Yon  der  Creuzmaur  rechte  hand  nach  aller  H6ch  der  Lägl  Alm  hinüber 
bis  auf  die  L&glmaur  in  den  Steig  am  Pürgas,  alwo  das  Spitalerische 
Landgericht  hinzue  granizet  ynd  allerst  Ao  1655  in  beysein  der  Herr- 
schaft Steyr  und  besagten  Stüfts  Spital  Abgeordneten  in  ainen  praithen 
glatten  Stain  ein  Creuz  mit  zwen  fingern  eingebaut  worden.  Yon  dannen 
nach  denenselben  Gemercken,  wie  selbig  mit  beederseits  Vergnügung 
bedeuten  655i8ten  Jahre  gemacht  worden,  durchgehends  hinaus  in  den 
Bättenpach,  nach  demselben  in  die  Teichl,  nach  diser  in  den  Steyrfluß, 
nach  derselben  hinaus  wider  an  der  Statt  Steyr  Burgfridt.  In  disem 
Gezürck  ligt  das  Closter  Garsten  mit  einem  gueten  thail  dahin  gehöriger 
ünderthanen,  welches  auf  denenselben  wie  auch  deren  Grund  und  poden 
die  geistliche  cxemption  bis  auf  das  Bluet  hat»  die  Malefiz  Personen 
abermueß  das  Closter  wie  alters  herkommen  bey  dem  gattern  negst  der 
stainenen  Creuz  Seillen  der  Herrschaft  Steyr  ins  Landgericht  Ufern 
laßen;  dabey  zu  mercken,  obwohlen  das  Closter  sich  des  Landgerichts 
zum  Marckt  Weyer  und  Gaflentz  Erstlich  von  obgemelten  March- 
stain  am  Marchfahl  nach  der  Straß  hinein  unzt  auf  mitten  der  Frentz 
Pruggen  zu  aignen  beginet,  ist  man  ihme  dasselbige  gleichwol  nicht 
weiter,  bis  an  einen  Krumppen  Pierpaumb  ein  wenig  undterhalb  be- 
sagter Pruggen  und  des  WQehrts  in  der  frentz  kleinen  heußels  an  der 
Straß,  weil  der  Yorst  Gaflentz  daselbst  anstosset,  geständig  gewest;  wie 
dann  auch  ein  andern,  obschon  das  Closter  Garsten  in  dem  Thal  oder 
prouinciola  Gaflentz  das  Hoch  und  Nidere  Gericht,  was  die  Waßersaig 
von  allenthalben  der  Perge  und  Thälern  in  den  Gaflentz  Pach  saigert,  so 
hat  gleichwol  die  Herrschaft  Steyr  nicht  allein  auf  beeden  Yorsthueben 
Obs  Weyr  und  beeden  Hueben  ob  Gaflentz  und  allen  deroselben  aigen- 
thumblich  angehörigen  Grund  und  Poden  und  auch  allen  und  jeden  der 
Herrschaft  im  bedeuten  Gaflentz  Thal  und  einrinnenten  Waßersaig  ge- 
hörigen Waldungen,  Wayden  und  Pergen,  Grundt  und  Poden  das  hoche 
und  Nider  Gericht  in  allen  Criminal  und  Civil  Sachen,  auch  hochen  und 
Nidern  Wildtpan  bishero  innen  gehabt,  genutzet  und  genossen,  gestüftet 
und  gesteret,  sondern  ist  auch  weiters  in  deme  zwischen  der  Herrschaft 
Steyr  und  dem  Closter  Garsten  wegen  zweyer  forsthueben  und  etlicher 
strittigen  Waldung  sub  dato  1.  Dezembris  1665  aufgerichten  Yergleich 
also  reservirt  und  vorbehalten  worden. 

Der  viertte  Gezürck^  hebt  sich  an  unterhalb  der  Statt  und  des 


*  Ygl.  die  Grenzbeschreibungen  der   Landgerichte  Losensteinleiten    und 
Gschwendt  aus  dem  Archive  in  Losenateinleiten. 


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653 

SchliBlmayrs  Grundt,  der  Zeit  denen  P.  Societatis  J.  zu  Stejr  gehörig, 
wehrt  nach  der  EnnB  hinah  auf  Stämbing  bis  zum  Asang^  in  das  Yol- 
ckenBtorferische  Landgericht,  von  dannen  in  der  Ebene  herauf  an  den 
Heyberg ,  verrers  hinomb  auf  Dietach,  ober  der  Kirchen  hin  über  die 
Hoch  an  den  Landgraben,  nach  demselben  hin  und  hin  durch  den  Gattern 
oberhalb  des  Wisers  zu  Judendorf,  von  dannen  lincke  handt  in  den  Egl- 
lackhen  Fach,  nach  diesem  durch  die  Egllacken  aufwerts  über  den  Graben 
an  den  fahrt-  und  Gehweeg,  nach  demselben  der  gerade  nach  zu  der 
Wolfs  Firchen,  so  zwar  abgehackt,  die  stock  aber  noch  sichtig,  von 
dannen  lincke  band  hinumb  nach  der  Thanner  gassen  auf  Faschallem 
anf  die  Welser  Straß.  In  disem  district  ist  die  Herrschaft  Steyr  mit  den 
Graven  von  Losenstain  zu  der  Herrschaft  Loßenstainleüthen  an  zweyen 
Orten,  als  am  Heyberg  und  von  dem  Früggl  bey  der  Egllackhen  bis  gegen 
Faschallem  strittig  und  beruhet  die  sach  auf  einer  Commission. 

Item  im  Yorbeschribenen  Gezürck  ligt  das  Closter  Gleinck,  hat 
zwar  die  Exemption  wie  alle  Closter,  miessen  aber  die  Malefliz  Fersonen, 
wann  sye  ainige  haben,  der  Herrschaft  Steyr  außer  des  Olosters  bey  dem 
Creuz  oder  Martterseullen  negst  der  Straß  in  das  Landgericht  Ufern. 

Darbey  weiters  zumercken,  daß  die  Herrschaft  Steyr  nicht  allein 
über  ihre  aigene  Gründt,  urbars  und  forst  ünderthanen,  sondern  auch 
allen  andern  dahin  gevoggten  ünderthanen,  deroselben  Grundt 
und  Foden,  dero  angehörigen  Fupillen,  dienentes  Gesündt,  ob  sye  in 
einiger  andern  Herrschaft  Landgericht  seßhaft  wären,  selbst  in  allen 
Criminal  und  Civil  Sachen  das  hoche  und  Nidere  Gericht,  auch  solches 
bis  anhero  in  ruehigem  Gebrauch  und  possess  vel  quasi  hergebracht, 
dahero  keine  andere  frembde  Herrschaft  ainige  Jurisdiction  sowohl  über 
ihre  aigene  als  der  gevoggten  IJndeiihanen  Grundt  und  Foden,  Leib  und 
Gnet,  Künder  und  Gesund  nicht  beständig,  darbey  es  dann  auch  sein 
richtiges  Verbleiben  füertters  zu  allen  Zeiten  annoch  haben  solle. 

Dritte  Grenzbeßchreibung  aus  den  Landgerichtsgemerken 

des  Amtes  Mölln  gegen  Steiermark  und  im  besonderen  gegen 

das  Landgericht  Spital  im  Haupt-  und  Grundurbar  sec.  XVII, 

Bl.  850—854.    Arch.  Sign.  M.  S.  lU,  269. 

Nach  der  Tainfarth  hin  auch  auf  alle  Hoch  auf  das  Kampach, 
von  dannen  abwerts  der  Geraden  nach  auf  den  Schaipfenbach,  nach 
demselben  hinein  bis  in  den  Schlaipfen  prun,  von  dannen  hin  auf  alle 
Hoch,  durch  das  Schlaipfen  kor  auf  die  Oreuzmaur,  von  der  Oreuzmaur 
nach  aller  Hoch  der  Lagl  Albm  hinumb  bis  auf  die  Läglmaur  in  dem 
Steig  (alwo  sich  die  den  21,  22.  und  23.  Juny  des  1655i8ten  Jahrs 


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654 

zwischen  der  Herrschaft  Steyr  und  dem  Löbl.  Stuft  Spital  am  Piern  für- 
gangene  vermarchung  anfangen  thnet  nnd  in  besagter  Laglmanr  nndten 
auf  ainem  praiden  gladten  Stein  ain  Creuz  eingehauet  worden,  darbej  zu 
besserer  Gedechtnuß  2  finger  formirt,  deren  ainer  lincke  Handt  hinumb 
gegen  der  Fahrenberger  Wayd  under  Spital,  der  andere  rechte  Hand 
gegen  der  Lägl  Albm  under  die  Herrschaft  Steyr  gehörig  zaigen  thuet), 
von  disem  Creuz  der  Geraden  nach  abwerts  über  den  Scharpfen  Biedi 
Yom  auf  das  Egg  oder  Spiz  an  ain  Thannen  mit  zweyen  Grenzen,  das 
aine  aufwerts  an  den  Stain,  das  andere  der  geraden  nach  abwerts  in  den 
See,  alwo  der  Sossenauer  Fach  entspringt,  zaigent,  nach  disem  Fach 
hinaus  und  gegen  des  Fuetters  Reuthühtten  (so  under  Spital  gehörig) 
über  die  Geschaidtgassen,  nach  derselben  auf  alle  Hoch  auf  den  Boßen- 
stain,  und  seind  yon  der  Geschaid  Gassen  bis  an  den  Boßenstain  an 
3  Yeichten  und  einer  Puechen  7,  dan  in  aller  Hoch  an  den  Boßenstain 
ain  Oreuz  geschlagen  und  eingebaut  worden.  Yon  disem  Bosenstain 
nach  dem  hochen  Biedl  und  Gehag  hindurch  bis  an  den  Boßenleithen 
Gattern,  von  disem  Gattern  hin  zu  der  alten  Hüttstatt  auf  der  hindern 
Distl  Eben,  alda  ain  praider  Grundstain,  darauf  ain  Creuz  gehauet  wor- 
den, Yon  danen  hin  auf  den  Lamberg  an  ainen  grossen  Stain  im  Egg, 
darein  2  Creuz  gehauet  sein,  von  disem  hinab  in  den  Lettenprun,  von 
danen  abwerts  an  ain  Yeichten,  waran  undten  werts  ein  Creuz  ge- 
schlagen, Yon  diser  Yeichten  ab  und  ab  zum  Zeitschen  Gattern,  alwo  der 
Zeitschen-  und  Krautgärtl  Fach  zusamben  rinnen,  von  disem  Gattern  auf- 
werts an  ainen  Grundstain  ob  des  Windthagers,  under  die  Herrschaft 
Steyr  gehörigen  Beith  Hütten  negst  des  Wegs  und  des  Zauns  lincke 
Handt  ligent,  darauf  ain  Creuz  gehauet,  von  disem  hin  an  den  Stain 
Eogl  am  Pietschstain,  an  welchem  auch  2  Creuz  gebauet,  das  aine  zu- 
rück abwerts,  das  ander  hinauswerts  in  den  Eottgraben  zaigent,  nach 
dem  Kottgraben  auf  und  auf  in  des  Kottgraben  Prunnens  Ursprung, 
alwo  oberhalb  negst  under  des  Gattern  beim  Weg  an  ein  Lerchen  zway 
Creuz  gemacht,  yon  dannen  hinauf  an  den  Yordern  Stainkogl,  an  welchen 
under  sich  ain  Creuz  eingehauet,  von  disem  aufwerts  nach  dem  Stainigen 
Eidl  und  Wuraenprandt  hin  an  ein  Yeichten,  alwo  des  Wurzenprandt 
und  Augustin  Beuth  zusamben  stossen,  von  diser  Yeichten  nach  dem 
Gehag  ab  und  ab  bis  an  ain  Puechen,  die'negst  oberhalb  des  Ehroissen: 
und  Weissenstainers  Beitwißen,  mit  zwayen  Grenzen  gemarcht,  deren 
aines  aufwerts,  das  andere  gerad  hinüber  an  ain  Yeichten,  so  negst  an 
des  Khroißen  Hag  in  der  Wißen  stehet,  auch  mit  zwayen  Grenzen  zaigen 
thuet,  nach  disem  Gehag  hindurch  an  einen  Pierpanmb  mit  zweyen 
Grenzen  in  des  Khroißen  Beuth  oberhalb  des  Gehags,  von  disem  Pier- 


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655 

paumb  lincke  Handt  über  das  Gehag  in  daß  Grab!  in  des  Eliroissen 
Beuthwißen,  nach  dem  Gräbl  ab  und  ab  bis  in  die  Muetling  zu  dem  Prunn 
und  an  des  Mnetling  Panrn  Gebag,  nach  disem  Gehag  hindurch  bis  zu 
der  Clamb  und  nach  des  Clambpanrn  Gehag  hindurch  an  des  Bieplsper- 
gers  Waydt,  nach  derselben  aufwerts  an  den  Olambgattem,  nach  diesem 
Gattern  der  Geraden  nach  auf  alle  hoch  des  Glein  Wipfls,  von  dem  Glein- 
wipfel  Lincke  band  nach  der  Hech  hinab  zu-  und  mitten  durch  die  Glein- 
hütten,  nachmahlen  der  Wassersaig  nach  auf  den  blossen  Kogl,  von 
disem  herab  durch  die  Schadtige  Büß  über  den  Salzabach  in  den  Weiß- 
rißprun,  von  disem  an  einen  Stain,  so  mit  einem  Creuz  an  der  heruntern 
Platten  negst  oberhalb  des  Wegs  in  Anfang  der  Bißen  gemerckht,  nach- 
mahlen in  der  Weissenriß  hinauf  auf  alle  Hoch  in  den  Henpaumb,  von 
disem  der  Wassersaig  nach  über  die  Stainwand  hinaus  auf  den  Lerchen 
Kogl  von  dannen  in  den  Lerchen  Biedl,  nach  dem  Biedl  hinab  auf  den 
Clambstain,  lincke  Hand  herab  in  des  Gräbel,  von  demselben  herab  in  den 
Bettenpachy  nach  dem  Bettenpach  hinaus  und  rechte  Hand  über  in  den 
AUrißstain  zu  dem  Creuz  in  der  Maur,  Nachmalen  nach  dem  Weg  durch 
die  Kolleiten  oben  am  Egg,  am  undern  Weg  an  ainen  Grundstein  mit 
einem  Creuz,  nach  disem  undern  Weg  auf  den  Büßkamp,  alwo  abermalen 
auf  der  Hoch  beim  Weg  zway  Creuz  in  einen  Stain  eingebaut,  von  disem 
Stain  lincke  Hand  hinab  in  die  Kandl,  alwo  die  zwen  Eandl  Gräben  zu- 
samben  gehen,  alda  auch  in  ein  Maur  ein  Creuz  gehauet,  von  disem 
Creuz  der  Geraden  nach  über  sich  auf  alle  Hoch  des  Bostains,  vom 
Bostain  der  Wassersaig  nach  und  dem  Biedl  hinaus  in  das  große  Sattl- 
thal,  von  dannen  dem  Biedl  und  Weg  nach  ab  und  ab  in  Ciain  Sattlthal 
an  die  Maur,  alwo  ein  Creuz,  über  diese  Maur  hin  in  die  Dürrenaustückl, 
alda  auch  ein  Creuz  in  die  Mauer  gebaut  worden,  nachmahlen  in  den 
dürren  Graben,  nach  demselben  hinaus  in  den  äußern  Bettenpach, 
nach  dem  Bettenpach  hinaus  an  das  Mühlprüggel,  von  demselben  auf- 
werts nach  denen  Claußerischen  Gemercken  hin  an  die  Prindl  Yeichten, 
von  danen  nach  dem  Graben  abwerts  in  den  äussern  Bettenpach,  nach 
demselben  hinaus  in  die  Stejr,  nach  der  Steyr  auß  und  auß. 


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NACHTRÄGE 

zur  Abhandlung 

,Das  Land  im  Norden  der  Donau* 

in  diesem  Bande. 


Zu  Seite  114,  Anill.  1.  1281,  17.  Juni  (oberösterreichi- 
sches Urkundenbuch  III,  531),  verlieh  Bischof  Heinrich  von 
Begensburg  das  Dorf  Eaining  (chüning)  bei  Schönau  dem 
Ulrich  von  Kapellen  und  seinen  Kindern  zu  Lehen. 

Zu  Seite  158,  160.  Um  1130  übergab  Engelbert  von 
Schönhering  zum  Seelenheile  seines  Bruders  Pernhard  dem 
Kloster  St.  Nikola  eine  Hube  zu  Künzen  und  Windberg,  wor- 
über meine  Ausführung  in  den  Mitteilungen  des  Inst,  für 
österr.  Geschichtsforschung  XXVII,  326  Näheres  enthält. 

Engelbert  H.  von  Blankenberg  übergab  dem  Kloster  Al- 
dersbach ein  Gut  in  Dachslarn  (Pfarre  Pleinting,  Amtsgericht 
Vilshofen.  Mon.  Boic.  V,  312). 

Ungeachtet  des  im  Jahre  1291  erfolgten  Verkaufes  des 
Burgstalls  Feuchtenbach  an  Chunrad  von  Kapellen  zu  Püm- 
stein  (siehe  in  diesem  Bande  S.  148,  Anm.  2)  scheinen  späte 
Sprößlinge  des  Stammes  der  Feuchtenbacher  auf  demselben 
weiter  gehaust  zu  haben;  denn  nach  einer  Wildberger  Regi- 
stratur haben  Hans  und  Heinrich  die  Feuchtenpecken  im  Jahre 
1379  ihren  Hof  zu  Feuchtenbach  und  das  Burgstall  darunter 
an  den  letzten  Falkensteiner,  Herrn  Heinrich,  verkauft  (Ober- 
österreichisches  Urkundenbuch  IX,  915). 

Auch  der  Sitz  zu  Fischbach  blieb  bewohnt;  erst  1376, 
11.  November  (Oberösterreichisches  Urkundenbuch  IX,  158) 
verkaufte  Philipp  der  Staufenberger  den  Hof  zu  Fischbach  in 
der  Pfarre  Rorbach,  Lehen  von  Passau,  samt  den  Rechten  an 


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657 

dem  ^Pnrckcbstal  daselbs'  an  Udung  den  Herleinsberger  Häns- 
lein der  Qruber  di  zeit  Lantrichter  ze  Velden  hat  an 
den  Brief  sein  Siegel  gehängt. 

Za  Seite  187  (Falkensteiner).  Eberwein  der  Falken- 
Bteiner  (1337 — 1364)  fertigte  den  Bnndbrief  des  Adels  und  der 
Städte  zur  Erhaltung  ihrer  Rechte  und  Freiheiten  ddo.  Lands- 
hnt,  1347,  4.  November  (Erörterungen  und  Quellen  zur  bayri- 
schen und  deutschen  Geschichte  VI,  376). 

Peter  der  Falkensteiner  zu  Falkenfels  hatte  einen  vor 
ihm  verstorbenen  Bruder;  HanS;  der  in  die  Stammtafel  ein- 
zufügen ist.  —  Den  Söhnen  der  Tochter  desselben  (Barbara 
Hausfrau  des  Jörg  Fraunberger)  vermachte  er  in  seinem  Testa- 
mente ddo.  3.  April  1422  (Lang,  Reg.  Boic.  XII,  388)  seine 
Festen  Zaitzchofen  und  Falkenfels.  Er  starb  bald  darnach^  am 
29.  Mai  1424  (a.  a.  O.  XIII,  37)  nennt  ihn  Wigeleys  der  Degen- 
berger  Pfleger  zu  Mitterfels  bereits  seinen  Vetter  ,selig^ 

Kaihoch  IV.  tritt  zuletzt  1324,  9.  Jänner,  Heinrich  II. 
1346,  1.  Oktober  auf  (a.  a.  0.  VI,  123,  VII,  85). 

Die  von  mir  (,Peuerbach',  S.  357 — 359)  vertretene  Ver- 
mutung, daß  die  Haichenbacher  ein  Seitenzweig  der  Falken- 
steiner gewesen  seien,  läßt  sich  bei  eindringlicher  Nachforschung 
nicht  aufrechthalten.  Otto  frater  Wernheri  de  Eichenpach  er- 
scheint in  einer  Passauer  Urkunde  des  Jahres  1173  (Mon.  Boic. 
XXVIIIb,  251)  und  nicht  wieder  unter  dieser  Bezeichnung; 
die  nächsten  Sprossen  sind  die  Brüder  Otto  und  Chunrad, 
welche  im  Jahre  1206  auftreten.  Die  Haichenbacher  werden 
daher  in  der  Zwischenzeit  unter  einer  andern  Benennung  ge- 
gangen sein  und  da  fUUt  auf,  daß  in  dem  Briefe,  mit  welchem 
Bischof  Theobald  von  Passau  dem  Walchun  von  Stein  die 
Lehennachfolge  in  die  Gilter  Reginberts  von  EUsarn  zusichert 
(ca.  1187,  Mon.  Boic.  XXVIII,  H,  259)  unter  den  Zeugen  Richerus 
de  Wesen  et  frater  eins  Wernherus  aufgeführt  sind.  Nun  hatten 
aber  sowohl  Richer  der  Ältere  als  auch  Richer  der  Jüngere  von 
Wesen  einen  Bruder  des  Namens  Wernhard,  welcher,  wie  die 
gerade  angezogene  Urkunde  zeigt,  auch  als  Wemher  vor- 
kommt; dieser  Wernhard  nannte  sich  abwechselnd  von  Oster- 
nach, Wesen  und  Marsbach  und  hatte  einen  Sohn  Otto  (1180 
bis  1218),  der  wieder  von  Wesen  und  Marsbach  den  Titel 
führt  (Stammtafel  in  ,Peuerbach^  S.  172).  Nun  steht  das 
Schloß  Marsbach  über  der  Donau  gerade  gegenüber  von  Wesen 


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658 

und  das  Borgstall  Haichenbach  (als  Ruine  ;Kerschbanmerschloß^ 
geheißen)  war  in  .geringer  Entfernung  stromabwärts  auf  der 
Donauleiten  erbaut.  Es  spricht  daher  die  Wahrscheinlichkeit 
dafUr^  daß  wie  die  Marsbacher  so  auch  die  Haichenbacher  von 
Wesen  ausgegangen  und  Seitenzweige  der  Wesner  gewesen 
sind.  In  der  Tat  war  auch  der  Besitz  der  letzteren  in  der 
Umgebung  ihres  Schlosses  ein  geringfügiger  (siehe  S.  268, 
269),  größere  Lehen  weiter  im  Lande  drinnen  (vgl.  Velden, 
S.  173/101)  haben  sie  erst  nach  dem  Aussterben  der  Herren 
von  Griesbach  erlangt.  Jener  Wernherus  de  valchensteine, 
welcher  in  der  Urkunde  1204,  29.  Juli  (Mon.  Boic.  XXVHIb, 
269)  vorkommt,  war  augenscheinlich  nur  ein  Burgmann  von 
Falkenstain  und  nicht  eine  und  dieselbe  Person  mit  dem  Wern- 
herus de  Heichenpach  der  Schlägler  Stiftungsurkunde  (Ober- 
österreichisches Urkundenbuch  II,  598),  auch  nicht  mit  dem 
Wernherus  de  valchenstein  der  St.  Nikolaer  Traditionsnotiz 
ca.  1187  (Oberösterreichisches  Urkundenbuch  I,  587),  denn 
dieser  letztere  war  ein  BUrger  (urbanus)  von  Passau,  der  so 
hieß,  weil  er  wahrscheinlich  aus  dem  Markte  Falkenstein  bei 
Begensburg  stammte. 

Zu  Seite  198,  Anm.  2.  Das  Wallensteinergut  in  Posting 
(predium  in  Waidenstein)  war  den  Pibem  zu  Piberau  dienst- 
pflichtig, von  welchen  es  1242,  1.  März  (Oberösterreichisches  Ur- 
kundenbuch III,  109)  an  das  Kloster  Wilhering  hingegeben  wurde. 

Zu  Seite  223,  Anm.  3  von  Seite  219.  Die  daselbst 
ausgesprochene  Vermutung,  daß  bei  Ablösung  der  Pfandschaft 
Palkenstein  das  Amt  Klaffer  in  den  Händen  der  Walseer  zu- 
rückgeblieben und  zu  ihrer  Herrschaft  Witigenhausen  gezogen 
worden  ist,  findet  ihre  Bestätigung  in  dem  Teilungsbriefe  der 
Brüder  von  Walsee  vom  20.  August  1456. 

Zu  Seite  254.  1264,  21.  November,  verlieh  Bischof  Otto 
die  Lehen,  vormals  der  Brüder  von  Pernstein  und  nachmals 
Heinrichs  von  Harchheim,  durch  Ableben  des  letzteren  der 
Kirche  Passau  ledig  geworden,  nämlich  9  in  Rudmansdorf, 
8  in  Chalhosperg,  4  in  der  Oede  iuxta  Penzenstadel,  2  in 
Chrimingen,  den  Hof  und  die  Mühle  in  Oede,  3  in  Pfaffenreut, 
4  in  Laesingen,  3  in  Recklingen  und  den  Hof  in  Chubach  dem 
Kloster  Niedernburg  ,excepta  tamen  steura  regali'  (Lang, 
Reg.  Boic.  lU,  234). 

Es  sind  dies  die  S.  275,  Anm.  3  angeführten  G-üter. 


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659 

Zu  Seite  369,  370.  Die  von  mir  aufgestellte  Vermutnng, 
daß  jene  Holdengüter  fremder  Grundherren,  welche  nach  dem 
Marsbacher  Urbar  des  Jahres  1669  die  Königssteaer  nach  Neu- 
felden  za  entrichten  hatten,  ursprünglich  Lehen,  von  Velden 
ausgehend,  gewesen  seien,  erhält  eine  Bestätigung  durch  den 
Nachtrag  vom  Jahre  1439  im  Schaunberger  Urbar.  In  diesem 
heißt  es  bei  den  zur  Herrschaft  Neuhaus  auf  der  Donau  er- 
worbenen Gütern,  (damals)  Lehen  von  Passau:  ,Zu  Giedling. 
dint  3  phunt  phening  für  allen  dinst  und  nichts  mer.  Dann 
der  paur  geit  gen  Velden  die  kttnigsteur  5  helbling/  Das 
ist  der  einzige  nach  Velden  königsteuerpflichtige  Untertan  von 
Neuhaus,  von  welchem  das  Marsbacher  Urbar  meldet:  ,Balthasar 
Lindorfer  zu  Güelling  (Gierling  Pfarre  Altenteiden)  reicht  am 
tag  Stephani  in  heyl.  Weinacht  feyrtagen  Khönigsteuer  bey 
dem  Marktgericht  Neufelden  77»  Pfening/ 

Zu  Seite  375,  379.  Die  Eartenbeilage  ist  nicht  anachroni- 
stisch, wenn  auch  der  Besitzstand  der  Herrschaft  Falkenstein  sich 
auf  den  Urbaren  der  Jahre  1562  und  1570  aufbaut,  weil  der 
ursprüngliche  ohne  Willkür  nicht  zu  gewinnen  war;  gerade 
der  urbariale,  der  ersichtlich  auf  einer  nachträglichen  Aus- 
einandersetzung mit  dem  Hochstifte  Passau  beruht,  zeigt  deut> 
lieh  die  Gemeinsamkeit  der  Kolonisation  mit  den  Griesbachern 
und  Blankenbergern. 

Zu  Seite  379.  Die  Seite  275  erwähnte  Tatsache  des 
späten  Erscheinens  passauischer  Lehenleute  auf ,  dem  linken 
Donauufer  ist  meines  Erachtens  geradezu  entscheidend  für 
die  Unechtheit  der  Niedernburger  Schenkungsurkunde.  Nicht 
früher  als  unter  Bischof  Chunrad(l  151 — 1164)  erhalten  wir  Kunde 
von  Passauer  Lehen  im  Mühellande;  er  nötigte  den  Blanken- 
berger,  seiner  Kirche  einen  Teil  seiner  Allode  zu  Lehen  auf- 
zugeben. Daß  ein  Teil  am  linken  Ufer  der  großen  Mühel  sich 
befand,  steht  urkundlich  fest;  der  andere  Teil  lag  wohl  am 
rechten  Mühelufer  und  wurde  nach  dem  Abgange  der  Blanken- 
berger  wohl  den  Griesbachern  verliehen,  die  um  diesen  Preis 
den  andern  Besitz  in  der  Umgebung  mögen  zu  Lehen  genom- 
men haben.  Denn  die  Lehen,  deren  Belehnung  Bischof  Ulrich 
dem  letzten  Griesbacher  weigerte,  müssen  von  größerer  Be- 
deutung gewesen  sein,  weil  sich  andernfalls  Heinrich  von  Gries- 
bach  nicht  zur  Auftragung  seines  Stammbesitzes  herbeigelassen 
haben  würde.    Bei   dem  Eifer,   welchen   der  Babenberger  für 


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660 

seine  Kirche  entwickelte;  und  bei  der  ihm  eigenen  Energie, 
welche  in  seinem  Eingreifen  in  der  Erbschaftsangelegenheit 
nach  Otto  von  Machland  zum  Ausdrucke  kam  und  die  Mönche 
von  Baumgartenberg  bis  zur  skandalösen  Beschuldigung  des 
Bischofs,  derselbe  habe  gegen  sie  falsche  Zeugen  gedungen, 
reizte  (Oberösterreichisches  Urkundenbuch  II,  253),  ist  auch 
nicht  ausgeschlossen,  daß  das  Niedernbnrger  Diplom  bei  der 
Verwandlung  von  Alloden  der  reichsunmittelbaren*  Herren  in 
hochstiftische  Lehen   eine   einflußnehmende  Bolle   gespielt  hat. 


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Inhaltsübersicht. 


Seit« 

Der  Traungau 469 

Seine  ältesten  Grafiichaften 473 

Das  Qosachtal  and  sein  Anfall  an  Osterreich.    Der  Bergbau  Albrechts  I.  475 

Zugehörigkeit  des  Ausseelandes 484 

Älteste  Grenze  von  Kärnten:  Das  Earintscheide 486 

Die  Auslegung  des  Friedensvertrages  von  Ofen 489 

Die  Entwicklung  der  Grafschaften  zu  Landgerichten: 

aj  Die  Grafschaft  im  Gebirge 493 

hj  Die  Grafschaft  zwischen  der  Traun  und  der  Ens 496 

Die  Schaunbergschen  Landgerichte  zwischen  Hausruok  und  Traun  499 
Die  angebliche  Angliederung  des  Traungaues  an  das  Markherzogtum 

Osterreich  im  Jahre  1156  (Auffassung  Lampeis) 503 

Die  Heimat  der  Otakare 510 

Untersuchung  des  Gabbriefes  des  Markgrafen  Ernst  für  Melk    .  515 

Untersuchung  der  angeblichen  Koseform  Ozi 517 

Die  res  quaedam  in  loco  Grabenstat  vocitato 523 

Die  quaedam  res  in  loco  Riut  iuxta  Enum  in  Sundargouue  .    .  529 

Die  Grafschaften  des  Ghiemgaues  im  lO./ll.  Jahrhunderte  .    .    .  535 

Der  Graf  Ozinus  und  sein  Komitat.  —  Kartenskizze 546 

Die  Otakare  in  der  Kämtnermark 551 

Untersuchung  des  Traditionsbuches  des  Klosters  Geisenfeld  .    .  551 

Die  Geisenfelder  Traditionsnotiz  und  ihre  Beweiskraft    ....  556 

Markgraf  Adalbero  II.  und  der  Investiturstreit 561 

Der  Gegenmarkgraf  Otakar  in  den  bayrischen  Graftchaften  .    .  563 

Derselbe  ist  als  solcher  der  marchio  de  Stjre 564 

Wiedervereinigung  der  Kämtnermark  mit  Kärnten  1087—1123  566 

Die  Wiedererwerbung  der  Kärntnermark  durch  das  Haus  der  Ghiemgauer  576 

Ergebnisse  der  Gesamtuntersuchung;  geschlossene  Reihe  der  Markgrafen  579 

Würdigung  der  sogenannten  Vorauer  ^Tradition* 580 

Weiterentwicklung  der  Landgerichte: 

I.  Die  Herrschaft  Steyr 583 

n.  Das  Landgericht  zwischen  der  Traun  und  der  En8(Volkenstorf)  589 

HL  Das  alte  Landgericht  Schlierbach 599 

IV.  Da«  alte  Landgericht  Ort 606 

Die  Exemtionen 609 

Anhang  (Grenzbeschreibungen)  Nr.  I — XVU 614 

Nachträge  zur  Abhandlung  ,Das  Land  im  Norden  der  Donau*  ....  656 


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Archiv 


fftr 

österreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 

▼on  der 

Historischen  Kommission 

der 

kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Fünfundneunzigster  Band. 


Mit  6  Stammtafeln. 


Wien,  1906. 

In    Kommission    bei    Alfred   Holder 

k.  Q.  k.  Hof-  and  UniTersitftte-Bachh&Ddler 
Bucbh&sdler  der  kaiierlieben  Akademie  der  Wissensohaften. 


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Druck  von  Adolf  Holzhaasen, 
k.  und  k.  Bof-  and  VniTer«itiU>Bnehdzuok«r  in  Wl«n. 


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Inhalt  des  fanfündneanzigsten  Bandes. 


Seite 
Die   Nontiatarberichte  des  Petrus  Vidoni  über  den   ersten  nordischen 

Elrieg  aas  den  Jahren  1655 — 1658.     Von  Dr.  Artur  Leyinson    .         1 

Radetzky  in  den  Tagen  seiner  ärgsten  Bedrängnis.  Amtlicher  Bericht 
des  Feldmarschalls  vom  18.  bis  zam  30.  März  1848.  Von  Freih. 
V.  Helfert 145 

Beiträge  zur  Geschichte  des  deutschen  Rechtes  in  Galizien.    Von  Prof. 

Dr.  Baimund  Friedrich  Kaindl.    I.  und  II 163 

Die  Herren  von  Walsee.  Ein  Beitrag  zur  österreichischen  Adels- 
geschichte.   Von  Dr.  Max  Doblinger.    (Mit  6  Stammtafeln)  .     .     235 


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Archiv 


für 


/  Österreichische  Geschichte. 


I 

4,. 

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1 


Heraasgegeben 


HiistoriBclien  Komiinnsion 


kaiserlicheü   Akademie    der   Wisaenschafteiu 


Füll  tun  ein  1*11  II  KJS^Nler  Hund. 


Wien,  1906. 

In    Kommission    bei    Alfred    H  ö  1  tl  o  i 

k  tt,  \  Qüf-  und  Ui}tT«mtib-BudiUIUjdi6r 
ßmchh&tidiler  d«r  lolsufU^liiiii  AlLMlemiA  dar  Wii«iHiNih&fie:tt^ 


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Archiv 


für 

österreiohisclie  Gesohiolite. 


Herausgegeben 

TOD  der 

Historischen  Kommission 

der 

kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Fünfundneunzigster  Band. 

Ente  Hälfte. 


Wien,  1906. 


In  Kommission   bei   Alfred    Holder 

k.  a.  k.  Hof-  und  Unirersit&te-Biiohli&ndler 
Bncbb&ndler  der  kaiserlieben  Akademie  der  WiwenickafteD. 


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als  durch  die  Entfesselung  der  Leidenschaften  von  selten  der 
Kriegführenden  und  die  diplomatische  Einmischung  des  dama- 
ligen gesamten  Europas  die  Ereignisse  ein  getreues  Abbild  des 
kaum  ausgetragenen  großen  Glaubenskrieges  zu  werden  drohten, 
hat  die  Kurie  dann  auch  vom  konfessionellen  Standpunkte  aus, 
eine  entschiedene  Stellung  in  ihrer  Politik  einnehmen  müssen. 

Ein  Aufenthalt  in  Rom,  Forschungen  im  vatikanischen 
Archive,  verschafften  mir  vor  einigen  Jahren  die  erwünschte 
Gelegenheit,  diesem  Arbeitsgebiete  näherzutreten,  dessen  Quel- 
len zu  erkunden.  Es  sind  die  Berichte  des  apostolischen 
Nuntius  am  polnischen  Hofe,  Vidoni,  an  seine  Vorgesetzten  in 
Rom,  den  Kardinalstaatssekretär  Rospigliosi  und  den  Kardinal 
Chigi.  Da  sowohl  die  zeitgenössischen  Quellen,  als  auch,  ihnen 
folgend,  die  moderne  Darstellung,  nur  versprengt  und  kurz  an- 
gedeutet einige  Züge  von  der  Tätigkeit  dieses  gewandtem  und 
befähigten  Vertreters  der  Kurie  gebracht  haben,^  so  dürfte  eine 
Veröffentlichung  des  vorliegenden  stattlichen  Materials  gerecht- 
fertigt erscheinen  und  eine  nicht  unwillkommene  Ergänzung  zu 
den  Ergebnissen  der  bisherigen  Forschung  gewähren.  Äußere 
Gründe,  persönlicher  Natur,  gestatteten  mir  leider  nur  die  Akten 
für  die  Jahre  1655  bis  einschließlich  1658  einzusehen,  in  Ab- 
schrifiken  und  Regesten  den  Stoff  festzuhalten. 

Das  Material  selbst  befindet  sich  unter  den  Nuntiatur- 
berichten  des  Vatikans'  in  einzelnen  Bänden  der  großen  Ab- 
teilung ,Polonia'  und  enthält  außer  den  eigentUohen  Berichten 
des  Nuntius  anonyme  Schreiben  polnischer  Großer,  Berichte 
polnischer  Abgesandter  von  europäischen  Höfen,  Schreiben  ein- 
flußreicher Persönlichkeiten  aus  der  Umgebung  des  polnischen 
Herrschers,  so  des  Sekretärs  Masini  und  des  Beichtvaters  Carlo 
Soll,  Berichte  hinwiederum  einzelner  Bischöfe  des  Landes  an 
den  Nuntius  über  kirchliche  und  weltliche  Verhältnisse  in  ihren 


^  Namentlich  erwähnt  finde  ich  Vidoni  nur  in  dem  bekannten  Buche  von 
Sforza  Pallavicino  ,Vita  di  Alessandro  VII*  (Prato  1889),  8.228,  woselbst 
von  seinen  Bestrebungen,  die  griechisch-katholischen  Kosaken  mit  Born 
SU  vereinigen,  gesprochen  wird. 

'  Bei  Eorzeniowski,  ,Scriptores  remm  Polonicarum',  T.  XV,  Analecta 
Romana,  finden  sich  bei  der  Inventarauhiahme  aus  dem  vatikanischen 
Archive  auch  zahlreiche  Stücke  aufgeführt,  welche  Schreiben  und  In- 
struktionen,  den   Nuntius  Petrus   Vidoni   angehend,  entiialten,  p.  XXV, 

XXVI,  xxvn. 


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Gebieten  und  endlich  einige  Gegenschreiben  des  Kardinalstaats- 
Sekretärs  Rospigliosi  und  Kardinals  Chigi.    Schon  aus  der  Tat- 
sache^ daß  der  päpstliche  Qesandte  ein  ständiger  Begleiter  des 
polnischen  Königs  gewesen  ist  —   er  folgte  ihm  in  die  frei- 
willige Verbannung  nach   Schlesien^  später^  in   dem  Feldlager 
vor  Warschau,  hat  er,  keinem  seiner  Vorgänger  vergleichlich, 
wie  ein  einfacher  Soldat  die  Schrecken   des  Krieges  miterlebt 
—  dürfte  wohl  zur  Genüge  hervorgehen,  welche  wichtige  Quelle 
uns  durch  seine  Berichte  erschlossen  ist!     Durch  seinen  unbe- 
grenzten   Einfluß   auf  den   schwachen  JesuitenzOgling  Johann 
Kasimir,  seine   überlegene  Stellung  gegenüber  den  Gesandten 
der  anderen  Mächte  muß  uns  Vidoni  als  der  eigentliche  Vertraute 
des  Königs  und   damit  auch   der  Bestunterrichtetste  über  die 
Stimmung  am  polnischen  Hofe  erscheinen.    Übrigens  wird  uns 
diese    ganz    einzig   dastehende,    glänzende    Machtstellung   des 
Nuntius    am   Warschauer   Hofe    verständlich,    wenn    wir    mit 
Ranke  (,Die   römischen  Päpste',  Bd.  2)  einen  kurzen  Rück- 
blick auf  das  gewaltige  Anwachsen  und  allmähliche  Überwiegen 
des  Katholizismus  in  Polen  zur  Zeit  der  Gegenreformation  wer- 
fen.    Hatten  doch  damals  bereits,  nach  diesem  klassischen  Qe- 
währsmanne,  ,die  päpstlichen  Nuntien  von  allen  fremden  Gesand- 
ten in  Polen  allein  das  Recht,  sich  mit  dem  König  ohne  An- 
wesenheit eines  Senators  zu  unterreden'  (S.  365).     Ranke  hat 
dann  gezeigt,  wie  die  Vorgänger  unseres  Nuntius  es  vortrefflich 
verstanden,   ihr  vertrauliches,   persönliches   Verhältnis  zu  den 
polnischen  Herrschern,  im  Sinne  Roms  zu  benutzen.    Ihre  Er- 
folge, welche  sie  in  dieser  für  die  katholische  Sache  so  bedeu- 
tungsvollen Epoche   erzielten,  waren   abhängig  von  der  mehr 
oder  weniger  kirchlichen  Gesinnung  der  Könige  und  bestanden 
hauptsächlich   in  der  Verdrängung  der  Protestanten   aus   dem 
politischen  Leben,   ihrer   bisherigen  Machtstellung   im   Staate. 
Bereits  unter  Sigismund  HI.,  diesem  der  Kirche  so  ergebenen 
Sohne,  konnte  der  damalige  Nuntius  triumphierend  nach  Rom 
berichten,   ,daß   der  Katholizismus  in   Polen   die  Ketzerei   zu 
Grabe  trägt'  (S.  372). 

Dem  zielbewußten,  erfolgreichen  Handeln  seiner  Vorgän- 
ger, dem  überraschenden  Siegeszuge  des  Katholizismus  in  Polen 
hatte  also  Vidoni  seinen  vorhin  angedeuteten  Einfluß  zu  ver^ 
danken!  Nicht  oft  genug  weiß  er  in  seinen  Berichten  an  die 
Kurie  die  Ehrungen  gebührend  hervorzuheben,  welche  Johann 


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Kasimir  seiner  Persönlichkeit  und  hiermit  in  recht  eigentlicher 
Weise  seinem  Herrn  und  Meister^  dem  Papste  Alexander  VIL, 
hat  zuteil  werden  lassen.  In  den  zahlreichen,  oft  stundenlangen 
Unterredungen  des  Königs  mit  ihm  finden  wir  das  unbegrenzte 
Vertrauen  in  die  hohen  Fähigkeiten  des  Gesandten  zum  Aus- 
drucke gebracht.  Auch  in  rein  äußerlicher  Form  hat  Johann 
Kasimir  seine  persönliche  Verehrung  dem  Nuntius  einmal  da- 
durch zu  erkennen  gegeben  —  ein  nie  dagewesenes  Abweichen 
von  den  üblichen  höfischen  Gewohnheiten  der  polnischen  Könige 
—  daß  er  zu  seiner  Begrüßung  vom  Pferde  stieg.  Von  an- 
derer Seite,  den  fremden  Gesandten,  polnischen  Großen,  wird 
uns  dieses  mächtige  Einwirken  des  Nuntius  auf  die  schwache 
Persönlichkeit  Johann  Kasimirs  bestätigt,  so  daß  wir  in  ihm 
seinen  bevorzugten  Berater  erkennen  müssen.  Geradezu  aus- 
gesprochen hat  dies  einmal  der  österreichische  General  de  Souches^ 
als  er  bittere  Klagen  gegen  die  Königin  Marie  Luise  bei  dem 
Nuntius  vorbrachte  und  sein  Anliegen  damit  begründete:  ,er 
habe  sich  absichtlich  an  ihn  gewendet,  weil  er  wisse,  daß 
Johann  Kasimir  ihn  gerne  höre^ 

Von  einem  solchen  Gewährsmanne  dürften  wohl  nach 
alledem,  Stimmungsberichte  aus  der  nächsten  Umgebung  des 
Königs,  welche  bei  Vidonis  regen  Beziehungen  zu  den  Großen 
der  Kurie  auch  die  Aufnahme  der  kriegerischen  Ereignisse  im 
Lande  widerspiegeln,  hochwillkommen  sein!  Um  so  mehr,  da 
bisher  noch  immer  eine  solche  intime,  zeitgenössische  Schilde- 
rung gefehlt  hat,  wie  vor  geraumer  Zeit  bereits  von  anderer 
Seite  der  Forschung,  so  dem  Danziger  Damus  (Damus, 
,Der  erste  nordische  Krieg  bis  zur  Schlacht  bei  Warschau^  in 
der  Zeitschr.  d.  westpreußischen  Geschichtsvereines,  Heft  XII, 
1884,  S.  5  u.  6),  mit  Bedauern  bemerkt  worden  ist. 

Wichtiger  noch  als  der  tiefe  Einblick  in  die  Gemütszu- 
stände des  polnischen  Herrschers  und  zugleich  gewissermaßen 
in  die  polnische  Volkesseele,  welcher  uns  hier  geboten  wird, 
muß  eine  nähere  Beobachtung  der  diplomatischen  Tätigkeit  des 
Nuntius  sein,  da  aus  dem  Verhalten  ihres  Vertreters  die  da- 
maligen Bestrebungen  der  Kurie  in  der  schwedisch-polnischen 
Frage  erkenntlich  werden.  Aus  den  vielen,  inhaltsreichen 
Unterredungen,  welche  Vidoni  mit  den  Gesandten  der  katholi- 
schen Mächte  am  polnischen  Hofe,  dem  kaiserlichen,  Lisola, 
und  den  verschiedenen  Sendungen  Mazarins   hatte,  lernen  wir 


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diese  Tätigkeit  und  zugleich  ihr  festes^  unbeirrtes  Ziel;  nämlich 
den  Abschluß  des  österreichisch-brandenburgischen  Bündnisses 
gegen   Schweden^   kennen.     Als    nächster   Zuschauer  bei   der 
ELaiastrophe,    welche    durch    den    siegreichen    Ansturm    Karl 
Gustavs  über  das  morsche    Polenreich    hereingebrochen  war, 
hatte  der  Nuntius  eine  klare  Erkenntnis  von  der  gänzlichen 
Unzulänglichkeit  der  eigenen  Kräfte  dieses  Landes  gewonnen 
und  den  staatserhaltenden  Gedanken^  das  Heil  aus  diesem  Zu- 
sammenbruche in  dem  Anschlüsse  an  Osterreich  und  die  junge, 
militärisch  Achtung  gebietende  Macht   Brandenburgs,   richtig 
erfaßt.    Aber  die  Annahme  dürfte  wohl  begründet  erscheinen, 
daß  es  neben  dem  Interesse  ftir  die  Krone  Polen  noch  andere 
Beweg^ünde  waren,   welche   dem  Vertreter  des  Papstes   die 
Hilfe  Österreichs  und  einen  Bund  mit  dem  Hause  Habsburg 
besonders  begehrenswert  machten  I    Er  folgte  mit   diesen  Be- 
strebungen nur  den  Pfaden  einer  Politik,  welche  man  in  Rom 
bereits  seit  langem  eingehalten  hatte.   Der  Chigi  Alexander  VII. 
hat,  wie  Ranke  dargelegt  (,Römische  Päpste^,  Bd.  3,  S.  155 
u.  459),  in  noch  höherem  Grade  als  seine  Vorgänger,  was  die 
äußere  Politik  der  Kurie  anlangt,  spanisch-österreichischem  Ein- 
flüsse sich  günstig  gezeigt  und  im  Gegensatze  dazu  dem  früher 
in  Rom  vorherrschenden  Frankreich  mit  seinem  allmächtigen 
Mazarin    eine    immer    feindseligere    Haltung    bewiesen.     Seit 
Pribrams  Veröffentlichung  der  Gesandtschaftsberichte  Lisolas 
wissen    wir,    daß    es    das  Verdienst    dieses    kaiserUchen    Ge- 
sandten gewesen  ist,  die  Rettung  Polens  durch  den  Abschluß 
des  oben  erwähnten  Bündnisses   erwirkt  zu  haben.    Aus  den 
Blättern  unseres  Nuntius  nun  wird  es  ersichtlich,  welchen  treuen 
und   wirksamen  Genossen    bei   seinem   ungemein   schwierigen 
Werke  Lisola   an  ihm   geftmden    hatte!     An   Vidoni,    dessen 
unbegrenzter  Einfluß   auf  den  König  nicht   nur  dem   kaiser- 
lichen Gesandten,   sondern  auch  den  Vertretern  der  gegneri- 
schen Bestrebungen,   den  Franzosen,  sehr  wohl  bekannt  war, 
wendeten  sich  beide  Parteien  mit  ihren  AnUegen  und  Klagen. 
Oft  genug  hat   der   kühne   und   unermüdliche   Vertreter   der 
habsburgischen  Interessen,  wenn  die  Wogen  des  Kampfes  ihn 
zu  stark  umbrandeten,  der  Einfluß  der  Franzosen   dank  ihrer 
mächtigen  Gönnerin  Marie  Luise  ihm  den  Boden  am  Hofe  zu 
entziehen  drohte,  seine  letzte  Hilfe  bei   dem  Nuntius  gesucht 
und  gefunden.     Andererseits   hat  Vidoni   es   wohl  verstanden. 


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den  Abgesandten  des  allerchristlichsten  Königs^  trotzdem  er 
ihre  wahren  Absichten  scharf  darchschaute^  manche  bittere 
Pille,  welche  ihnen  am  polnischen  Hofe  gereicht  wurde,  zu 
überzuckern.  Auf  diese  Weise,  durch  die  vertraulichen  Mit- 
teilungen aus  der  Diplomatenwelt,  überreich  eingeweiht  in  alle 
Fäden  des  großen  Intriguenspieles,  welches  für  und  wider  das 
Wohl  Polens  aufgeftlhrt  wurde,  hat  dann  der  Nuntius  die 
heißen  Bemühungen  Lisolas  bis  zu  ihrem  befriedigenden  Ende 
aufs  wirksamste  unterstützt. 

Einen  wichtigen  Bundesgenossen  fttr  seine  Bestrebungen 
hatte  er  am  Wiener  Hofe,  wie  wir  nunmehr  erfahren,  in  seinem 
dortigen  Kollegen  Karl  Caraffa.  Von  ihm  erhielt  der  polnische 
Nuntius  nicht  nur  die  zuverlässigsten  Angaben  über  die  stets 
wechselnden  Strömungen,  welche  sich  im  Rate  des  Kaisers 
gegen  eine  militärische  Unterstützung  Polens  geltend  machten, 
sondern  Caraffa  hatte  die  eminent  wichtige  Aufgabe,  die  kaiser- 
liche R^ierung  aus  ihrer  furchtsam  abwaoiienden  Zurückhaltung 
zu  einer  energischen  militärischen  Hilfsaktion  für  Polen  zu  be- 
wegen. Seinerseits  hat  Vidoni  immer  SLufs  neue  den  Kollegen 
in  Wien  ermuntert  seine  bewährte  Tätigkeit  im  Dienste  dieser 
Sache  nicht  erlahmen  zu  lassen;  ja,  er  hat  ihm  sogar  einmal 
von  allerhöchster  Stelle  aus,  durch  die  Kurie,  einen  Mahnruf 
zu  erhöhterem  Eifer  zukommen  lassen!  Die  neueste  Veröflfent- 
lichung  Pribrams:  ,Venezianische  Depeschen  vom  Kaiserhofe' 
bringt  unter  anderem  eine  Bestätigung  fftr  das  soeben  ange- 
deutete Zusammenwirken  dieser  beiden  Vertreter  Roms  in  der 
polnischen  Frage. 

Nicht  minder  als  das  politische  Verhalten  des  Nuntius 
gegenüber  den  Vertretern  der  katholischen  Mächte  muß  seine 
Stellungnahme  zu  der  Politik  des  Kurfürsten  Friedrich  Wilhelm, 
wobei  hauptsächlich  die  ermländische  Frage  in  Betracht  kommt, 
unser  Interesse  erregen. 

Auch  auf  diesem  Gebiete  bringen  die  Berichte  reiches 
Material  herbei.  Solange  der  Kurfürst  durch  Karl  Gustavs 
Macht  militärisch  und  politisch  gefesselt  war,  verfolgte  auch  der 
Nuntius,  gleich  der  öffentlichen  Meinung  in  Polen,  die  wechsel- 
reich tiefrerschlungenen  Pfade  der  Politik  des  Kurfürsten  mit 
nicht  unberechtigtem  Mißtrauen.  Dann  aber  gelangte  Vidoni, 
wohl  als  einer  der  ersten,  zu  der  Einsicht,  daß  der  polnische 
König   zur  Erhaltung   seiner  Krone   des    abtrünnigen    Lehns* 


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mannes  sis  Bundesgenosse  dringend  bedürfte,  und  hat  zur  Er- 
reichung dieses  gemeinsamen  Zieles  seinen  Mitarbeiter  Lisola 
aufs     kräftigste    unterstützt.     Neben    dieser   Frage    der   groß- 
europJüschen  Politik,    der  Gewinnung   des  brandenburgisohen 
Bundesgenossen,   hat  dann   den   Vertreter  Roms,  als  den  be- 
rufenen Verfechter  der  Kirohenrechte,  eine  andere,  damit  staats- 
rechtlich  aufs  innigste  verknüpfte  Frage  beschäftigt,  nämlich 
die  emiländische.   Sie  ist  ein  stetes  Schmerzenskind  seiner  Für- 
^orgo  geblieben  und  nicht   oft  genug  konnte  er   dem  Könige, 
fremden  Gesandten  und  den  Großen  des  Reiches  eine  für  den 
Papst  und  die  Kirche  günstige  Lösimg  dieser  Frage  ans  Herz 
legen;    mit   der   ungleich  wichtigeren  Angelegenheit  von    der 
höchsten  politischen  Tragweite,   der  Souveränität  in  Preußen, 
hat  sich  dagegen  der  päpstliche  Gesandte  wenig  oder  gar  nicht 
beschäftigt     Als   pikantes  Novum   möge  hier   noch  in   diesem 
Zusammenhange  erwähnt  sein,  daß  Friedrich  Wilhelm  selbst  es 
war,    der   zu  Beginn   des  Jahres   1656  gegenüber  einem  der 
polnischen  Abgesandten,   Martianus  Vituski,   den  Wunsch  aus- 
sprach, mit  dem  einflußreichen  Nuntius  in  schriftlichen  Verkehr 
zu  treten.    Leider  erfahren  wir  aus  den  Akten  nicht,  ob  dann 
wirkUch  zwischen  dem  EetzerfUrsten  und  dem  Gesandten   des 
Papstes  eine  politische  Korrespondenz  stattgefunden  habe;  viel- 
leicht hätte  sich   dann  eine   neue,  ungeahnte  Entwicklung  der 
Dinge  aus  der  hergestellten  Verbindung  zwischen  Rom  und  der 
jungen  protestantischen  Macht  ergeben!    Uns  ist  nur  aus  einem 
Gegenschreiben  des  Eardinalstaatssekretärs  die  Instruktion  fUr 
Vidoni  erhalten,  welcher  in  Rom  angefragt  hatte,  wie  er  sich 
dem  Verlangen  des  Kurfürsten  gegenüber  zu  verhalten  habe? 
Der  Inhalt  des  Schreibens,  welches  die  persönliche  Ansicht  des 
Papstes  wiedergibt,  ist  folgender:  ,Der  Papst  selber  habe  zwar 
niemals  an  einen  protestantischen  Fürsten  ein  Antwortschreiben 
gerichtet,  gestatte  aber  seinem  Nuntius  in  Polen,  gegebenenfalls 
an  den  Kurfürsten  zu  schreiben,  allerdings  nur  in   ganz  allge- 
meinen Ausdrücken   und  nachdem   er  vorher  den  König  ver- 
ständigt habe/ 

Bevor  ich  nun  zu  den  Berichten  selbst  übergehe,  möge 
es  mir  gestattet  sein,  die  wenigen  Notizen  über  das  Leben  des 
Nuntius,  und  zwar  aus  dem  historischen  Kirchenlexikon  von 
Moroni  wiederzugeben.  Pietro  Vidoni  stammte  aus  cremonen- 
sbchem  Adel.   Er  studierte  auf  den  italienischen  Universitäten, 


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errang  den  Doktorgrad  und  kam  ganz  jung  nach  Rom.  Von 
Urban  VIII.  wurde  er  in  der  Verwaltung  der  Städte  Rimmi^ 
Tivoli^  Sabina;  Orvieto  und  Spoleto  beschäftigty  sodann  in  der 
Vizelegation  der  Romagna^  in  der  Vizepräfektur  von  Fermo 
und  in  dem  Präsidium  der  Marken.  1644  wtirde  er  mit  34  Jahren 
unter  Urban  VIII.  Bischof  von  Lodi;  1652  von  Innocenz  X. 
nach  Rom  zurückberufen  und  als  Nuntius  nach  Polen  zu  Johann 
Kasinur  geschickt^  wo  er  acht  Jahre  lang  die  Kirche  verteidigte 
und  sich  den  Dank  Alexanders  VU.  verdiente.  Die  großen 
Schwierigkeiten;  welche  sich  in  Polen  erhoben^  drohten  ihn  um 
sein  hohes  Ansehen  zu  bringen^  welches  er  sich  daselbst  erworben 
hatte.  Mit  wunderbarer  Geschicklichkeit  jedoch  verstand  er  es^ 
sich  seine  Stellung  zu  bewahren^  indem  er  sich  die  Gunst  des 
Königs  erwarb.  Auf  dessen  Empfehlung^  erhob  ihn  Alexan- 
der  VII.  am  5.  April  1660  zum  Kardinalpriester  von  S.  Calisto, 
Beschützer  des  Königreiches  Polen  und  des  Kamaldulenser- 
ordens.  Er  nahm  an  Konklaven  von  Klemens  IX.^  Klemens  X« 
und  Innocenz  XI.  teil.  Er  starb  im  Rom  1681^  71  Jahre  alt^ 
und  wurde  in  der  ELirche  S.  Maria  della  Vittoria  begraben 
neben  dem  Kardinal  Girolamo^  seinem  OnkeL 

Auch  an  dieser  Stelle  möge  es  mir  gestattet  sein,  den 
Beamten  des  vatikanischen  Archives  sowie  dem  damaligen 
Leiter  des  königl.  preußischen  historischen  Institutes  in  Rom, 
Herrn  Geheimrat  Dr.  Friedensburg,  und  Herrn  Dr.  Kupke 
von  demselben  Institute  meinen  innigsten  Dank  für  die  För- 
derung meiner  Arbeit  auszusprechen. 

^  Dieses  Empfehlungsschreiben  Johann  Kasimirs  an  den  Papst,  dat.  War- 
schau, 7.  Juni  1659,  befindet  sich  in  der  Bibliothek  Chigi  in  Rom  (S.  70 
des  Kataloges,  unter  Cifre  scritte  a  diversi  Nunzi  e  legati  dall*  anno  1657 
al  1660)  und  lautet:  ,Con  stlma  et  applauso  ö  accompagnata  dalla  mia 
Real  Corte  e  da  tutti  questi  miei  popoU  la  benevolenza,  che  porto  k 
Monsig'  Vidoni  vescovo  di  Lodi  nuncio  di  V.  Beat°«  perche  come  le  con- 
tingense  degV  affari  di  questi  miei  Regni  li  hanno  dato  largo  campo  nello 
spatio  di  sette  anni  d*  esercitare  trli  continui  desagi  una  costante  tote- 
ranza,  e  irk  tanti  ardui  negotii  una  singolar  prudenza,  cosi  non  ö  alcuno, 
che  volentieri  non  contribuisca  k  di  lui  eccidenti  meriti  publiche  lodi.  Etc.' 


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J-)ie  ersten  Nachrichten  Vidonis   besagen  von   Vorboten 
des  Sturmes^  welcher  über  das  polnische  Reich  hereinbrechen 
sollte:    dem  Hilfegesuche   der  Danziger  angesichts  der  schwe- 
dischen Rüstungen  und  der  Mission  des  schwedischen  Agenten 
Koch  in  Danzig  —  Ereignisse^  welche  aus  der  oben  erwähnten 
Darstellung  von  Damus   bereits  bekannt  sind^  jedoch  teilweise 
eine  willkommene  Ergänzung  uns  bieten.    Neben  diesen  poli- 
tischen  Angelegenheiten^    zu   welchen  noch  die  Anfänge   der 
diplomatischen  Tätigkeit  in  Polen   hinzukommen^    nämlich  die 
Abreise  des  Palatins  Joh.  v.  Lesczynski  nach  Schweden,  erregten 
unliebsame  Vorkommnisse  rein  kirchUchen  Charakters  die  Auf- 
merksamkeit unseres  Berichterstatters:    Anfechtungen^   welche 
die  Jesuiten  im  Herzogtume  Preußen  zu  erleiden   hatten^  und 
das  Erscheinen  einer  Schmähschrifk  gegen  die  Jesuiten^  verfaßt 
von  dem  ermländischen   Kanonikus  Markiewicz.     Über   beide 
Fälle   findet  sich  ein  Schriftenaustausch   des  Nuntius  mit  Rom 
vor.    Entsprechend  dem  schnellen^  fUr  Polen  unheilvollen  Ver- 
laufe der  Ereignisse^  werden  nun  auch  die  Nachrichten  wichtiger 
und  beredter  fUr  uns.     Da  taucht  sogleich   die    ermländische 
Frage   und  mit  ihr  die  Erscheinung  Friedrich    Wilhelms   vor 
uns   auf.     Gelegentlich    des  Antrages^    welchen    der  KurfUrst 
dem   ermländischen   Bischöfe   machte^    sein  Bistum  gegen   die 
Schweden  zu  schützen,   lernen  wir  das   persönliche  Mißtrauen 
des  polnischen  Königs  gegen  den  Brandenburger  kennen,  dem 
man  auf  polnischer  Seite  geheimes  Einverständnis  mit  Schweden 
und  eigene  Annexionsgelüste  auf  Ermland  zumutete.    Hier  ein- 
gestreut  findet  sich   eine  politische   Anschauung   des   Nuntius 
über  die  Zukunft  des  Reiches,  welche  in  klarer,  pessimistischer 
Erkenntnis  dessen  Zusammenbruch  voraussieht.     Als  dann  die 
Katastrophe  über  das  polnische  Reich  hereingebrochen  ist,   er- 


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erhalten  wir  Stimmungsbilder  vom  Königshofe  in  Warschau, 
welche  durch  die  Tatsache,  daß  ihr  Verfasser  der  ständige  Ver- 
traute des  Königspaares  war  und  durch  seine  weitverzweigten 
Verbindungen  unter  den  Großen  des  Reiches  wohl  wie  kein 
anderer  die  panikartige  Erregung  im  Lande  zu  verfolgen  wußte, 
an  intimem  Reize  der  Ausflihrung  weit  den  Wert  der  bisherigen 
Quellen  überragen.  Da  wird  in  anschaulicher  Weise  der  ver- 
zweifelte Seelenzustand  des  schwachen  Johann  Kasimir,  der 
sich  von  allen  verlassen  sieht,  geschildert;  daneben  schon  jetzt 
die  energische  Tätigkeit  seiner  kraftvollen^  ehrgeizigen  Gemahlin 
Marie  Ludovika  gebührend  hervorgehoben.  Fluchtgedanken 
bewegten  den  König,  die  entsprechend  seiner  uns  nun  be- 
kannten pessimistischen  Auffassung  von  der  Lage  des  Reiches 
auch  sogleich  von  dem  Nuntius  gebilligt  wurden.  Sich  ver- 
loren dünkend  im  eigenen  Reiche,  erblickte  der  polnische 
Herrscher  sein  ganzes  Heil  in  Rom ;  dorthin  wollte  er  gegebenen- 
falls den  päpstlichen  Vertreter  selbst  oder  einen  uns  unbekannten 
Abt  Makoski  senden.  Und  in  der  Tat,  nach  dem  schimpflichen, 
verräterischen  Verhalten  und  der  mißtrauisch- feindseligen  Stim- 
mung des  polnischen  Adels  gegen  Johann  Kasimir,  wie  sie  der 
Nuntius  in  folgendem  schildert,  lag  alle  Veranlassung  für  den 
unglücklichen  Herrscher  vor,  seine  hilfesuchenden  Blicke  nach 
dem  Auslande  zu  werfen!  Maß  man  doch  ihm,  dem  Könige 
allein,  die  Schuld  an  diesem  unseligen  Kriege  bei,  weil  er  gegen 
den  Rat  der  Senatoren,  in  törichter,  politischer  Verblendung, 
dem  Schwedenkönige  niemals  den  Titel  ,König  von  Schweden* 
zuerkannt  habe!  Und  diesen  Krieg,  so  murrten  die  erbitterten 
Adeligen,  habe  er  nur  unternommen,  um  sie  selbst,  die  er  nie 
geliebt,  deren  Freiheiten  er  bereits  geraubt,  in  Armut  und 
Elend  zu  stürzen.  Vidonis  Vertraute,  der  Großmarschall  und 
der  Unterstaatssekretär,  wußten  von  einer  so  gewaltigen  Er- 
bitterung in  den  Kreisen  des  unzufriedenen  Adels  zu  berichten, 
daß  er  selbst,  sein  Urteil  über  die  Lage  zusammenfassend,  zu 
dem  Schlüsse  gelangte :  ,Man  müsse  sich  mehr  vor  dem  Feinde 
im  Innern,  als  vor  den  äußeren  Gegnern  fürchten.' 

Als  neu  hinzutretend  zu  den  zahlreichen  Fällen,  welche 
andere  Quellen  über  den  feigen  Verrat  des  Adels  anführen, 
spricht  unser  Gewährsmann  von  den  Verdachtsmomenten, 
welche  darauf  hinzudeuten  scheinen,  daß  auch  der  Primas  des 
Reiches,  der  Erzbischof  von  Gnesen,  Andreas  Lesczynski,  sich 


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13 

in  hochverräterische  Beziehungen  mit  den  Schweden  eingelassen 
hatte.  Ans  den  Akten  ergeben  sich  uns  da  die  folgenden 
Tatsachen^  deren  Schauplatz  die  dem  Erzbischofe  zugehörige 
Stadt  Loviz  war.  Durch  das  falsche  Gerücht  von  dem  An- 
rücken der  Schweden  hatte  der  Erzbischof  den  Abzug  Johann 
Kasimirs  mit  seinem  Heere  aus  dieser  Stadt  erwirkt  und  danach 
die  willkommene  Gelegenheit  geftmden,  mit  den  Feinden  un- 
gestört zu  unterhandeln.  Dies  geschah  zunächst  in  der  Form 
eines  Schriftenaustausches  mit  dem  General  der  Schweden^ 
später  schickte  er  jedoch  sogar  einen  kalvinistischen  Ver- 
wandten in  das  Lager  Karl  Gustavs^  um  mit  dem  Schweden- 
könige selbst  in  Friedensunterhandlungen  zu  treten.  Nicht 
genug  damity  hatte  er  nach  der  Einnahme  der  Stadt  dem 
Könige  xmd  seinem  Vertrauten,  dem  Hochverräter  Radziejowski^ 
ein  Festmahl  gegeben  und  das  Schloß  an  die  Feinde  übergeben. 
Leider  ergeben  die  Akten  nicht^  ob  das  fortgesetzte  Mißtrauen 
des  polnischen  Königspaares  gegen  den  Erzbischof  infolge 
dieser  stark  belastenden  Verdachtsmomente  gerechtfertigt  ge- 
wesen sei  und  er  in  Wirklichkeit  Hochverrat  ausgeübt  habe? 
Wir  erfahren  nur  noch,  daß  der  Nuntius  zunächst  den  höchsten 
Kirchenftlrsten  des  Landes  gegen  solche  furchtbare  Verdächti- 
gungen in  Schutz  nahm,  dann  aber  selbst  zweifelhaft  werdend 
und  im  eigensten  Interesse  des  Erzbischofe,  mit  ihm  eine  Aus- 
sprache hatte.  Zu  seiner  Ehitlastung  führte  hier  Lesczynski 
an:  Der  Wunsch,  mit  ihm  zu  verhandeln,  sei  von  dem 
Schwedenkönig  ausgegangen  und  er  habe  sich  dazu  bereit 
erklärt,  wenn  sein  König  und  die  Republik  ihre  Einwilligung 
erteilt  hätten. 

Die  nächsten  Blätter  des  Nuntius  stammen  bereits  aus 
Schlesien,  wohin  er  dem  polnischen  Könige,  der  inzwischen 
seinen  Fluchtgedanken  verwirklicht  hatte,  gefolgt  war.  Aus 
den  Unterredungen,  welche  hier  Roms  Vertreter  mit  dem  pol- 
nischen Abgesandten  zum  Kaiserhofe,  Johann  v.  Lesczynski, 
dem  dortigen  Residenten  Visconti  sowie  dem  kaiserlichen 
Residenten  am  Warschauer  Hofe,  Girardin,  hatte,  erfahren  wir 
die  Gründe  ftb*  den  ersten  Mißerfolg  der  polnischen  Diplomatie 
in  ihrem  Bestreben,  den  Kaiser  zu  kriegerischem  Vorgehen 
gegen  Karl  Gustav  zu  bewegen.  Es  tritt  uns  da  das  tiefe 
Mißtrauen  und  die  Abneigung,  welche  man  in  Wien  sowohl 
gegen  das  polnische  Königspaar   als  auch  gegen   die  Nation 


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14 

hegte,  entgegen.  Der  Kaiser  wollte  weder  an  die  Wahrhaftig- 
keit der  Versprechungen  Johann  Kasimirs,  noch  an  die  An- 
erbietung  der  Polen  glauben,  welche  ihm  die  Krone  fbr  seine 
Hilfe  in  Aussicht  stellten,  denn  ihm  war  die  nationale  Ab- 
neigung der  Polen  gegen  eine  Herrschaft  des  Hauses  Habsburg 
zu  sehr  bekannt.  Hinzu  kam,  daß  die  Königin  Marie  Luise 
in  Wien  höchst  unbeliebt  war  wegen  ihrer  ausgesprochenen 
Franzosenfreundlichkeit  und  weil  sie  sich  dem  Kaiserhofe  gegen- 
über verschiedene  Formfehler  hatte  zuschulden  kommen  lassen. 
Eines  dieser  Gespräche,  nämlich  mit  dem  kaiserlichen  Residenten 
Girardin,  muß  uns  als  das  wichtigste  erscheinen,  da  es  zum 
erstenmale  eine  Kritik  des  Nuntius  selbst  über  die  damalige 
schwächliche  und  verfehlte  Politik  des  Kaisers  enthält  Vidoni 
gab  hier  seinem  Erstaunen  darüber  Ausdruck,  daß  der  Elaiser 
die  polnischen  Anerbietungen  nicht  angenommen  hatte,  und  ließ 
zugleich  durchblicken,  daß  die  Polen  nun  notgedrungen  sich 
nach  anderer  Hilfe  umsehen  müßten,  was  wiederum  dem 
Kaiser  vielleicht  nicht  lieb  sein  dürfte.  Vor  aUem  aber  ver- 
urteilte er  die  Unentschlossenheit  in  der  kaiserlichen  Politik: 
Durch  einen  Krieg  von  wenigen  Monaten  hätte  der  Kaiser  den 
Frieden  der  katholischen  Kirche  sichern  können,  während  er 
jetzt  einem  ewigen  Kriege  mit  ungewissem  Ausgange  gegen- 
überstünde. Auch  den  £^wand,  die  Scheu  vor  einem  Bruche 
des  Friedens  zu  Münster  gebiete  dem  Kaiser,  den  Frieden  mit 
Schweden  zu  halten,  wollte  der  Nuntius  nicht  gelten  lassen, 
da  ja  gerade  die  Schweden  diesen  Frieden  durch  ihren  kriege- 
rischen Einfall  verletzt  hätten  und  andererseits  für  den  Kaiser 
eine  Veranlassung  zum  Eingreifen  durch  das  Hilfegesuch  der 
Polen  gegeben  wäre.  Diese  Ausführungen  des  Nuntius  fanden 
bei  dem  kaiserlichen  Residenten  nicht  nur  die  vollste  Billigung^ 
sondern  Girardin  konnte  ihm  auch  mitteilen,  daß  er  in  gleichem 
Sinne,  allerdings  erfolglos,  nach  Wien  berichtet  habe. 

Gegen  Ende  dieses  ersten  Kriegsjahres  werden  wir  wieder 
zu  den  Ereignissen  in  Preußen  zurückgeführt.  Die  Nach- 
richten, welche  der  Nuntius  aus  Danzig  erhielt,  beschäftigen 
sich  sowohl  mit  der  Persönlichkeit  Friedrich  Wilhelms,  als  auch 
den  kriegerischen  Unternehmungen  der  Schweden  gegen 
Danzig  und  andere  Städte  in  Polnisch-Preußen.  Friedrich 
Wilhelms  festliche  Aufnahme  in  der  alten  Hansestadt  Danzig 
und   die  schwedische   Gesandtschaft   mit  den  bekannten  drei 


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15 

Forderungen  in  Gestalt  eines  Ultimatums  an  den  EurfUrsten 
werden  erwähnt.  Für  die  wichtigste  Tatsache  aus  dem  mili- 
tärischen und  politischen  Vorgehen  des  EurfUrsten  in  dieser 
Zeit,  nämlich  sein  Schutzbündnis  mit  den  Ständen  Preußens 
zu  Rinsk  am  12.  November,  erfahren  wir  als  Novum,  daß  der 
Nuntius  es  fUr  nötig  erachtete^  eine  zweite  Redaktion  dieser 
Urkunde  nach  Rom  zu  senden.  Der  Absender  glaubte  näm- 
lich dem  Papste  dadurch  eine  besondere  Freude  zu  bereiten, 
da  diese  Fassung  des  Rinsker  Vertrages  Randbemerkungen 
des  Eönigs,  des  Erzbischofs  und  der  preußischen  Stände  ent- 
hielt, aus  welchen  die  besondere  Rücksichtnahme  auf  das 
Earchengut  und  den  Bischof  von  Ermland  hervorging.  —  Leider 
habe  ich  dieses  interessante  Blatt  bei  den  Akten  in  Rom  nicht 
finden  können.  —  Am  anziehendsten  jedoch  aus  diesem  Teile 
der  Berichte  wird  für  jeden  Geschichtsireund  eine  Schilderung 
der  Persönlichkeit  des  nordischen  Alexander  sein,  wie  die 
damalige  Zeit  bereits  den  Schwedenkönig  Earl  Gustav  genannt 
hat.  Der  polnische  Abgesandte  Adam  Brochowski,  Eastellan 
von  Sochoczowia  hat  den  merkwtU'digen  Helden  des  Erieges 
kennen  gelernt,  als  er  Ende  September  1655  mit  Friedensvor- 
schlägen sich  in  das  schwedische  Lager  vor  Erakau  begab« 
und  unserem  Nuntius  seine  daselbst  empfangenen  Eindrücke 
mitgeteilt.  —  Noch  am  Ende  des  Jahres  begleitete  der  Nuntius 
den  landflüchtigen  Eönig  in  sein  Reich  zurück. 

Ein  völliger  Umschwung  der  Verhältnisse,  welcher  in- 
zwischen in  Polen  eingetreten  war,  hatte  ermutigend  zu  diesem 
Schritte  gewirkt.  Das  Erwachen  der  nationalen  Begeisterung 
des  Volkes  gegen  die  schwedischen  Eindringlinge,  von  einer 
fanatischen  katholischen  Geistlichkeit  zum  Glaubenskriege  gegen 
die  verhaßten  Eetzer  geschürt,  hatten  diese  günstige  Wendung 
herbeigeführt  So  traten  Johann  Easimir  und  sein  getreuer 
Begleiter  die  lange  und  durch  die  Unbilden  der  Witterung 
gefährliche  Reise  an.  Am  18.  Dezember  1655,  wie  wir  aus 
dem  Itinerar  des  Nuntius  entnehmen,  brach  man  von  Glogau 
auf  und  kam  unter  unsäglichen  Strapazen,  der  Weg  führte 
über  die  unwirtlichen  Bei^gegenden  Galiziens,  endlich  wohl- 
behalten in  Polen  an.  Politische  oder  gar  Waffenerfolge  sollten 
jedoch  Johann  Easimir  aus  seiner  Rückkehr  in  das  angestammte 
Reich  nicht  erwachsen.  Eläglich  genug  lauteten  die  Berichte, 
welche  der  Nuntius  von  den  Vertretern  Polens  in  Wien,  Visconti 


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16 

und  Lesczynski,  erhielt.  Sie  ergaben  die  traurige  Gewißheit, 
daß  zurzeit  auf  Hilfe  von  dieser  Seite  nicht  zu  rechnen  sei. 
An  dieser  Tatsache  vermochten  auch  die  heißen  Bemühungen 
seines  Kollegen  am  Kaiserhofe,  Karl  Caraffa,  den  Vidoni  durch 
Weisungen  aus  Rom  zu  immer  erneutem  Eifer  anfeuern  ließ, 
nichts  zu  ändern.  —  In  Polen  selbst  wollte  man  sich  diese 
kurzsichtige,,  untätige  Politik  des  Kaisers  in  einer  zweifachen 
Weise  erklären:  einmal  durch  das  zunehmende  Leiden  des 
alternden  Herrschers,  sodann  durch  Gründe  der  äußeren 
Politik,  welche  ihn  bei  dem  noch  fortbestehenden  spanisch- 
französischen  Konflikte  in  die  Zwangslage  versetzten,  Hilfs- 
truppen nach  Flandern  und  Mailand  zu  senden,  sodaß  seine 
Macht  fUr  einen  Feldzug  in  Polen  nicht  mehr  ausreichte. 

Dieser  unseligen  Enttäuschung,  welche  die  polnische 
Diplomatie  in  Wien  erlitt,  schlössen  sich  Hiobsposten  vom 
Kriegsschauplatze  in  Preußen  an,  welche  erst  jetzt  zur  Kenntnis 
des  Nuntius  gelangten :  der  Fall  des  wichtigen  Thorn  und  bald 
darauf  Elbings.  Über  das  bedeutungsvollste  Ereignis  dieser 
Tage,  den  Königsberger  Vertrag  vom  17.  Jänner  1656,  bheb 
man  lange  am  polnischen  Hofe  in  Ungewißheit.  Man  wollte 
nicht  an  ein  Offensivbündnis  des  Kurfürsten  mit  Karl  Gustav 
gegen  Polen  glauben,  sondern  sprach  nur  Ton  einem  Waffen- 
stillstände, welcher  zwischen  den  beiden  Fürsten  bis  Pfingsten 
des  laufenden  Jahres  geschlossen  sei,  und  gab  sich  zugleich 
der  Hoffnung  hin,  daß  nach  einigen  Erfolgen  der  polnischen 
Waffen  Friedrich  Wilhelm  zu  seinem  alten  Lehnsherrn  zurück- 
kehren würde.  Tritt  uns  doch  eine  solche  Auffassung  der  längst 
erfolgten  Tatsache  noch  in  einem  Berichte  des  Nuntius,  datiert 
Lemberg,  20.  Februar  1656  entgegen.  Erst  viel  später  lernen 
wir  auch  die  Aufnahme,  welche  jener  folgenschwere  Entschluß 
des  Kurfürsten  bei  den  Polen  fand,  kennen.  Da  kam  unver- 
hüllt der  Grimm  über  den  Abfall  des  ungetreuen  Lehnsmannes 
zum  Ausdrucke,  wenn  wir  die  Ansicht  hören,  daß  seit  Beginn 
des  Krieges  bereits  eine  Verbindung  zwischen  ihm  und  Karl 
Gustav  bestanden  habe  und  der  Schutzvertrag  mit  den  preu- 
ßischen Ständen  zu  Rinsk  auch  nur  ein  abgekartetes  Spiel 
gewesen  sei. 

Unter  den  Bestimmungen  des  Königsberger  Vertrages, 
welche  die  besondere  Auftnerksamkeit  des  Vertreters  der  Kurie 
erregen  mußten,  war  unstreitig  an  erster  Stelle  diejenige,  welche 


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17 

das  bisherige  Bistum  Ermland  anlangte.  Danach  war  das  Bis- 
tum als  schwedisches  Lehen,  mit  dem  Herzogtume  Preußen 
verbunden,  an  den  Kurfllrsten  gefallen.  Nur  aus  persönlichen 
Rücksichten  hatte  der  Kurfürst  dem  greisen  Bischöfe  Wenzel 
Lesczynski  auf  Lebenszeit  seine  Einkünfte  belassen,  mit  der 
ausdrücklichen  Erklärung  jedoch,  daß  diese  Einkünfte  nicht  aus 
dem  Bistume  stammten,  es  war  ja  säkularisiert,  sondern  aus 
seinem  eigenen  kurfürstlichen  Schatze.  — •'  Wir  werden  noch 
in  den  folgenden  Kriegsjahren  sehen,  daß  diese  ermländische 
Frage  ein  stetes  Schmerzenskind  für  den  Nuntius  bHeb.  Mit 
heißem  Begehren  waren  seine  Blicke  auf  dieses  der  Kirche 
geraubte  Kleinod  gerichtet,  um  es  den  Händen  des  Usurpators 
zu  entreißen  und  seinem  rechtmäßigen  Besitzer,  dem  Bischöfe, 
wieder  zuzuführen.  —  Damals  nun,  in  der  ersten  Entwicklungs- 
phase dieser  Frage,  mußte  es  seine  höchste  Besorgnis  erregen, 
welche  Stellung  der  Bischof  dem  Kurfürsten  gegenüber  ein- 
nehmen würde.  Wohl  wegen  der  unsicheren  Kriegszeit  blieb 
Vidoni  lange  ohne  jede  Nachricht  von  dem  Bischöfe,  hoflfte 
jedoch  das  beste  von  dessen  bewährter  Gesinnungstreue  und 
zumal,  wie  wir  erfahren,  der  Bischof  oder  ein  von  ihm  ab- 
gesandter Prälat  dem  Könige  von  Polen  durch  einen  besonderen 
Eid  verpflichtet  war.  Selbst  die  erste  Kunde,  welche  Vidoni 
durch  den  uns  bereits  von  seiner  Sendung  nach  Wien  be- 
kannten Bruder  des  ermländischen  Bischofs,  den  Bischof  von 
Kulm,  erhielt,  sollte  ihm  keine  Aufklärung  über  das  Verhalten 
Lesczynskis  bringen.  Er  meinte,  daß  gleich  ihm  auch  sein 
Bruder  den  Vertrag  nicht  anerkennen  würde,  und  versprach 
auf  ihn  einzuwirken,  daß  er  heimlich  aus  seinem  augenblick- 
lichen Aufenthaltsorte  Königsberg  entweiche,  um  sich  in  den 
Schutz  des  Königs  von  Polen  zu  begeben. 

Die  inzwischen  gänzlich  veränderte  Lage  auf  dem  Kriegs- 
schauplatze, sowie  die  hierdurch  bedingte  Umgestaltung  in  der 
Politik  der  interessierten  Mächte  zogen  naturgemäß  die  Auf- 
merksamkeit unseres  Nuntius  von  der  ermländischen  Frage  ab. 
Karl  Gustav  hatte  durch  einen  Winterfeldzug  dem  Kriege  in 
Polen  ein  rasches  Ende  machen  wollen.  Seine  Unternehmungen 
mißlangen  jedoch  fast  völlig  und  nur  mit  Mühe  gelang  es  ihm, 
sich  mit  dem  Reste  seines  tapferen  Heeres  nach  Warschau 
durchzuschlagen.  So  war  durch  das  plötzliche  Versagen  des 
bisherigen  Kriegsglückes  seine  Lage  eine  gänzlich  veränderte, 

Archir.  XCY.  Band.  I.  Hilft«.  2 


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höchst  schwierige  geworden,  seine  durch  Hunger  und  Kälte 
fast  aufgeriebenen  Truppen  waren  schwer  bedi*ängt  von  den 
siegesübermütigen  Polen,  welche  von  allen  Seiten  zur  Be- 
lagerung Warschaus  heranrückten.  Karl  Oustav  selbst  eilte 
nun  nach  Preußen,  um  den  Kurfürsten  zu  festerem,  tat- 
kräftigerem Bunde  in  dieser  Not  zu  bewegen;  in  Warschau 
Heß  er  den  General  Wittenberg  zur  Verteidigung  zurück.  In 
dem  polnischen  Lager  vor  dieser  Stadt  fanden  sich  bald  die 
Vertreter  der  damaligen  Großmächte  ein,  um  Johann  Kasimir 
unter  diesen  günstigen  Verhältnissen  ihre  Vermittlung  zwischen 
den  kriegführenden  Parteien  anzubieten.  Da  lernen  wir  aus 
den  von  hier  stammenden  Blättern  des  Nuntius  den  kaiserlichen 
Gesandten  Franz  v.  Lisola  kennen,  dessen  Gesandtschafts- 
berichte  zurzeit  von  Pribram  herausgegeben  sind.  Wir  wissen 
seitdem,  daß,  wäre  es  nach  den  Bestrebungen  dieses  kräftigen 
Vertreters  habsburgischer  Hauspolitik  gegangen,  der  Kaiser 
sich  längst  zum  offenen  Bunde  mit  Polen  und  dem  Branden- 
burger gegen  Schweden  hätte  entschließen  müssen.  Bereits 
die  erste,  kurze  Begegnung  unseres  Nuntius  mit  Lisola  ergab, 
wie  völlig  die  poHtischen  Ansichten  dieser  beiden  Männer 
übereinstimmten.  Auch  der  Nuntius  machte  auf  die  Notwendig- 
keit und  zugleich  den  Vorteil  aufmerksam,  welche  dem  Kaiser 
aus  einer  Unterstützung  Polens  erwachsen  würden,  was  natür- 
lich Lisola  rückhaltlos  anerkannte,  zumal,  wie  er  betonte,  die 
eigentlichen  Absichten  der  Schweden  ja  gegen  das  Reich  ge- 
richtet seien.  Hatten  sich  so  die  Vertreter  Roms  und  des 
Hauses  Habsburg  zu  natürlicher  Bundesgenossenschaft  gegen 
den  Schweden  schnell  geftinden,  so  zeigt  es  anderseits  von  dem 
scharfen,  staatsmännischen  Blicke  Vidonis,  daß  er  auch  die 
gegnerischen  Bestrebungen,  welche  von  dem  Abgesandten 
Frankreichs,  de  Lumbres,  ausgingen,  richtig  zu  erfassen  wußte. 
Es  erregte  sein  höchstes  Mißtrauen,  so  berichtete  er  nach  Rom, 
daß  erst  jetzt,  da  die  Dinge  für  Schweden  einen  so  ungünstigen 
Verlauf  genommen,  Frankreich  auf  der  politischen  Bühne 
erschien,  während  der  Kaiser  bereits  früher  seine  Vermittlung 
angeboten  hatte.  Diese  auffallende  Erscheinung  ftihrte  ihn  zu 
dem  Schlüsse,  daß  Frankreich  nur  im  eigensten  Interesse 
Schweden  stützen  wollte,  an  die  Sache  Polens  aber  dabei  gar 
nicht  denke.  Der  kaiserliche  Gesandte  hat  diese  Mißstimmung 
des  Nuntius  gegen  das  französische  Ränkespiel  wohl  zu  benutzen 


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verstanden,  indem  er  bei  Johann  Kasimir  fortgesetzt  auf  Ein- 
stellung der  Verhandlungen  mit  de  Lumbres  drang,  da  durch 
dessen  Anwesenheit  am  polnischen  Hofe  die  Stimmung  des 
Kaisers  gegen   Polen   eine  fortdauernd   erregte  bleiben  müßte. 

Während  dieser  diplomatischen  Züge  und  Gegenzüge 
nahmen  die  Operationen  gegen  Warschau  einen  trägen,  lang- 
samen Verlauf.  Man  machte  dafür  den  König  verantwortlich, 
der  allerdings  dem  Nuntius  seine  geringe  Neigung  zur  Be- 
lagerung Warschaus  anvertraut  und  ihm  zu  verstehen  gegeben 
hatte,  daß  er  sich  viel  mehr  Erfolg  von  einer  Reise  nach 
Preußen  verspräche,  um  den  KurftLrsten  zum  Anschlüsse  zu 
bewegen.  Viel  mehr  jedoch  als  diese  geringe  Anteilnahme 
des  Königs  an  den  kriegerischen  Vorgängen  vor  Warschau 
hat  die  Mißstimmung  im  polnischen  Lager  selbst  den  Fort- 
gang der  Belagerung  gehemmt.  Nach  einer  vertraulichen  Mit- 
teilung, welche  der  polnische  Großkanzler  unserem  Gewährsmanne 
machte,  hatte  sich  eine  gefährliche  Fronde  der  im  Lager  be- 
findlichen Senatoren  gegen  Johann  Kasimir  gebildet,  um  den 
König  dem  übermächtigen  Einflüsse  seiner  Günstlinge  zu  ent- 
ziehen und  ihren  eigenen  Ratschlägen  geneigter  zu  machen.  — 
Nach  diesen  Bildern  aus  dem  Lager  werden  uns  wieder  die 
Ereignisse  in  Preußen  vorgefllhrt.  Die  Pfingstunruhen  in 
Königsberg  werden  erwähnt,  woselbst  der  Pöbel  die  katholische 
Kirche  gestürmt  und  sich  Ausschreitungen  gegen  die  Polen 
gestattet  hatte.  Der  Nuntius  verlangte  vom  Könige  energische 
Bestrafung  des  Frevels  und  unterließ  es  bei  dieser  Gelegenheit 
nicht;  dem  polnischen  Herrscher  die  Wiederherstellung  des 
Status  quo  ante  im  Ermlande  ans  Herz  zu  legen.  Johann 
Kasimir  meinte  jedoch,  daß  nur  mit  Gewalt,  oder  falls  besonders 
gtLnstige  Verhältnisse  die  Usurpatoren  zum  Abzüge  nötigten, 
dieser  Wunsch  erfüllt  werden  könnte. 

Über  das  wichtigste  Ereignis,  den  neuen  Bund,  welchen 
der  Kurfürst  mit  den  Schweden  am  25.  Juni  geschlossen  hatte, 
erhalten  wir  den  Bericht  des  polnischen  Abgesandten,  des 
Jägermeisters  Maidel.  Seine  Bemühungen,  den  Kurfürsten  zur 
Rückkehr  zu  seinem  Lehnsherrn  zu  bewegen,  waren  erfolglos 
gewesen.  Der  Kurfürst  hatte  sich  bei  ihm  über  den  König 
und  den  Kaiser  beklagt.  Dem  Könige  machte  er  feindselige 
Einfälle  polnischer  Truppen  in  sein  Gebiet  zum  Vorwurfe,  dem 
ELaiser,   weil  er  ihm,    auf  die  Kunde   vom  Tode  Karl  Gustavs, 

2^ 


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seine  Lehen  im  Reiche  zur  Strafe  habe  nehmen  wollen.  Be- 
stimmend jedoch  für  seinen  Bund  mit  Schweden  habe  auf  ihn 
die  Tatsache  eingewirkt^  daß  jetzt  der  Krieg  in  sein  Land  ge- 
tragen sei  und  die  Aussicht,  größere  Vorteile  beim  Frieden  zu 
erlangen.  —  Über  die  dreitägige  Schlacht  von  Warschau,  vom 
28.  bis  30.  Juli,  in  welcher  die  junge  schwedisch-branden- 
burgische Waffenbrüderschaft  ihre  glänzende  Probe  bestand, 
schweigen  die  Berichte  des  Nuntius  auffallenderweise  gänzlich. 
Sie  beschäftigen  sich  vielmehr  um  diese  Zeit  angelegentlichst 
mit  der  Person  des  ermländischen  Bischofs  Lesczynski.  Vidoni 
hegte  die  Befürchtung,  daß  der  Bischof  in  seiner  ihm  vom 
Kurfürsten  angewiesenen  Residenz  Heilsberg  strenge  behandelt 
würde.  Erkundigungen,  welche  er  daraufhin  durch  den  firan- 
zösischen  Gesandten  einziehen  ließ,  ergaben  jedoch  das  Un- 
berechtigte dieser  Annahme.  Friedrich  Wilhelm  hat  den  greisen 
Kirchenfürsten  stets  mit  Wohlwollen  behandelt,  ihm  seine  volle 
Freiheit  gelassen,  wie  dies  auch  in  der  neuesten  Veröffent- 
lichung über  die  Ermländische  Frage  von  Kolberg  ,Ermland 
als  kurbrandenburgisches  Fürstentum  in  den  Jahren  1656  und 
1657^  vollinhaltlich  sich  bestätigt  findet. 

Dem  schweren  Schlage  von  Warschau  folgte  eine  andere 
Niederlage  auf  politischem  Gebiete,  welche  den  Nuntius  mit 
nicht  geringer  Sorge  erfUllte.  Am  11.  September  wurde  zu 
Elbing  zwischen  den  Schweden  und  Holländern  ein  Vertrag 
handelspolitischer  Natur  geschlossen  und  es  ging  das  Gerücht, 
daß  auch  Danzig  demselben  beigetreten  sei.  Erst  als  Bark- 
mann, der  Vertreter  dieser  Stadt,  die  Tatsache  in  Abrede 
stellte  und  die  unwandelbare  Treue  der  Danziger  versicherte, 
atmete  man  am  polnischen  Hofe  erleichtert  auf.  Ein  Lichtblick 
für  Polen  in  dieser  Zeiten  Schwere  war  die  Niederlage,  welche 
Gonsiewski  am  8.  Oktober  bei  Prostken  am  Lyckflusse  den 
AUiirten,  Schweden  und  Brandenburgern,  beibrachte.  In  der 
Tatsache,  daß  dieses  glückliche  Gefecht  an  demselben  Orte 
stattgefunden  hatte,  an  welchem  einst  zwischen  König  Sigismund 
von  Polen  und  Herzog  Albrecht  von  Preußen  Frieden  und 
unwandelbares  Bündnis  abgeschlossen  war,  sah  man  auf  pol- 
nischer Seite  eine  geschichtliche  Vergeltung.  Die  glückUchen 
Ereignisse,  welche  die  folgenden  Depeschen  des  Nuntius  ent- 
halten, die  Einnahme  von  Konitz,  Johann  Kasimirs  triumphieren- 
der Einzug  in  Danzig  und  die  Gefangennahme  des  bekannten 


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21 

Qenerals  Eönigsmark,  welcher  dem  Schwedenkönige  die  sehn- 
süchtig erwarteten  Hilfstruppen  zuführen  wollte,  bedeuteten  für 
Polens  Sache  bessere  Zeiten.  Pikant  und  bezeichnend  genug 
muß  es  wirken,  wenn  Roms  Vertreter  dem  Könige  noch  vor 
seinem  Einzüge  in  die  Ketzerstadt  Danzig  durch  seine  Gemahlin 
den  warnenden  Wink  zukommen  ließ,  vor  den  Umtrieben 
seiner  Feinde  auf  der  Hut  zu  sein  und  besonders  bei  den 
Mahlzeiten  sich  vor  Vergiftung  in  acht  zu  nehmen!  —  Und 
wiederum  trafen  hier,  in  der  alten  Hansestadt,  die  Gesandten 
der  Mächte  zusammen,  um  den  Frieden  zwischen  Schweden 
und  Polen  herbeizuführen.  Alles  sehnte  sich  darnach.  Auch  die 
Danziger  stellten  Johann  Kasimir  vor,  daß  ihre  Stadt  nicht  länger 
mehr  die  Kriegskosten  erschwingen  könnte.  Nur  der  Kurfürst 
hatte  noch  keinen  Vertreter  gesendet.  Durch  seinen  letzten 
Vertrag  zu  Labiau,  20.  November,  welcher  ihm  die  Souveränität 
in  Preußen  eingebracht  hatte,  den  Schweden  verbunden,  ver- 
sprach er  sich  keinen  Erfolg  von  den  Verhandlungen.  Die  wider- 
sprechendsten Gerüchte  welche  über  sein  damaliges  politisches 
Verhalten  umgingen,  teilt  der  Nuntius  mit.  In  Königsberg  habe 
er  öffentlich  verkünden  lassen,  daß  seine  Soldaten  keine  Feind- 
seligkeiten mehr  auf  polnischem  Gebiete  verüben  dürften; 
einige  Tage  darauf  habe  er  jedoch  den  Schweden  beträchdiche 
Hilfe  gesendet.  Übrigens,  so  hieß  es,  erwarte  man  die  An- 
kunft seines  Gesandten  Hoverbeck,  der  sein  Verhalten  von  dem 
mehr  oder  weniger  günstigen  Fortgange  der  Verhandlungen 
zwischen  Schweden  und  Polen  abhängig  machen  wollte. 

Das  Jahr  1657  ist  der  Schauplatz  heißer  diplomatischer 
Kämpfe  geworden.  Zunächst  galt  es  für  Polen,  den  Kurfürsten 
aus  der  festen  Umklammerung  des  Bundes  mit  den  Schweden 
zu  lösen  und  den  Kaiser  zu  einer  energischen  AktionspoHtik 
zu  bewegen.  Das  Verdienst,  diese  beiden  mächtigen  und  für 
Polen  staatserhaltenden  Fördernisse  durchgesetzt  zu  haben,  ge- 
bührt dem  kaiserlichen  Gesandten  Lisola.  Mit  ihm,  aber  auch 
zugleich  mit  den  Gegnern  seiner  Bestrebungen,  den  Vertretern 
Frankreichs,  sehen  wir  den  Nuntius  in  eifrigem  Verkehre  und 
lernen  so  Züge  und  Gegenzüge,  welche  auf  dem  diplomatischen 
Schachbrette  geführt  wurden,  kennen.  Auch  jenes  Ereignis, 
welches  mit  seinen  unberechenbaren  Folgen  neue  ungeahnte 
politische  Perspektiven  für  die  interessierten  Mächte  hätte  er- 
geben können,  nämlich  der  am  2.  April  1657  erfolgte  Tod  des 


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Kaisers  Ferdinand  III.,  findet  in  den  Blättern  des  Nuntius  ge- 
bührende Beachtung.  Mitteilungen,  welche  ihm  der  französische 
Gesandte  de  Lumbres  machte,  verrieten  die  Absichten  Karl 
Gustavs,  anknüpfend  an  den  Tod  des  Kaisers  und  flir  die  be- 
vorstehende Kaiserwahl.  Danach  wollte  der  Schwedenkönig, 
einer  Unterstützung  durch  die  protestantischen  Fürsten  in 
Deutschland  sicher,  den  Kriegsschauplatz  in  das  Reich  verlegen 
und  zugleich  den  Ansprüchen  des  Hauses  Habsburg  bei  der 
Kaiserwahl  entgegentreten.  Von  den  Schweden  aufgefangene 
Briefe  sprachen  die  Hoffnung  aus,  daß  der  König  von  Frank- 
reich die  Kaiserkrone  erhalten  würde.  Diese  für  das  Haus 
Habsburg  höchst  beunruhigenden  Nachrichten  teilte  der  Nuntius 
seinem  Kollegen  Caraffa  in  Wien  mit  und  es  mag  neben  den 
heißen  Bemühungen  Lisolas  diesem  Mahnrufe  Vidonis  zu  ver- 
danken gewesen  sein,  daß  endlich  die  dortige  Regierung  aus 
ihrer  bisherigen  Zurückhaltung  heraustrat  und  sich  zur  Hilfs- 
aktion für  Polen  entschloß.  Freudig  konnten  nach  so  schwerem 
und  langem  Ringen  Lisola  und  sein  getreuer  Mitarbeiter,  der 
Nuntius,  die  Kunde  vom  Abschlüsse  des  Bundes  zwischen  Oster- 
reich und  Polen,  der  am  27.  Mai  1657  erfolgt  war,  begrüßen. 
Gleichzeitig  begannen  die  lebhaften  Werbungen  Lisolas 
um  den  KurfUrsten.  Als  besondere  Hindernisse,  welche  sich 
diesen  Bemühungen  entgegenstellten,  führte  der  Nuntius  an: 
das  Auftreten  eines  neuen  Bundesgenossen  für  Schweden  in 
der  Person  des  Siebenbürger  Fürsten  Rakoczy  und  dann  das 
fortgesetzte  Mißtrauen  des  Kurftirsten  in  die  Anerbietungen  von 
polnischer  Seite.  Bezeichnenderweise  für  den  Vertreter  der 
Kurie  finden  wir,  daß  während  dieser  Verhandlungen  mit  dem 
Kurfiirsten  sogleich  sein  Hauptinteresse  sich  wieder  der  erm- 
ländischen  Frage  zuwendet.  Allen  maßgebenden  Persönlich- 
keiten, dem  Könige,  d'Avaugour,  einem  der  Vertreter  Frank- 
reichs, und  nicht  zuletzt  Lisola,  legte  Vidoni  es  ans  Herz, 
darüber  zu  wachen,  daß  dem  Ermlande  im  Falle  eines  Ver- 
trages mit  dem  KuriUrsten  weder  im  ganzen  noch  im  Teile 
ein  Präjudiz  daraus  entstünde.  Auffallend  genug  flir  die  Tat- 
sache, daß  der  Nuntius  sein  Hauptaugenmerk  auf  das  Wohl 
und  Wehe  dieses  Bistums  gerichtet  hielt,  dürfte  auch  folgendes 
erscheinen:  Als  ihm  Lisola  noch  vor  seiner  Abreise  an  den 
Hof  des  Kurfürsten  in  Königsberg  dessen  Forderung  mitteilte, 
in  Braunsberg   und  einem   anderen  Orte   des  Ermlandes    eine 


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Besatzung  zu  halten,  dann  aber  auf  die  Hauptforderung,  die 
Souveränität  in  Preußen,  zu  sprechen  kam,  ging  der  Nuntius 
über  diesen  Kernpunkt  der  brandenburgischen  Politik  mit  Still- 
schweigen hinweg  und  bat  hingegen  den  kaiserlichen  Gesandten, 
alles  aufzubieten,  damit  er  den  Kurfürsten  von  jener  ersten  For- 
derung, wodurch  die  Freiheit  der  Kirche  geschädigt  würde,  abbringe. 
Über  das  heiße  Ringen  der  Diplomaten,  welches  sich  nun 
in  Königsberg  um  die  Person  des  Kurfürsten  erhob,  bringen 
die  Akten  meist  Bekanntes:  Die  Bemühungen  Lisolas,  seinen 
Rivalen  d'Avaugour  vom  Hofe  zu  entfernen,  den  Schriftwechsel 
zwischen  der  polnischen  Königin  und  der  Kurfiirstin-Mutter, 
um  ihren  Sohn  von  den  Schweden  zu  befreien.  Interessanter 
sind  die  Unterredungen  des  Nuntius  mit  d'Avaugour.  Wir 
lernen  daraus  die  ganze  Erbitterung  der  Franzosen  über  die 
Einmischung  des  Hauses  Habsburg  kennen.  So  machte  d'Avau- 
gour  kein  Hehl  daraus,  daß  Frankreich  sich  sofort  mit  Schweden 
verbinden  und  die  Waffen  gegen  den  König  von  Ungarn  er- 
heben würde,  sobald  er  Polen  unterstützte,  ja  daß  sogar  aus 
einem  solchen  Vorgehen  des  zukünftigen  Kaisers  ein  euro- 
päischer Krieg  entstehen  könnte.  Auch  über  seine  eifrigen 
Werbungen  bei  dem  Kurfürsten  äußerte  sich  der  französische 
Gesandte  in  gleicher,  unverhüllter  Weise.  Sie  verfolgten  nur 
den  Zweck,  bei  der  Kaiserwahl  dem  Hause  Habsburg  die 
brandenburgische  Kurstimme  zu  entziehen,  da  dies  nur  zum 
Schaden  Frankreichs  geschehen  könnte  und  auf  alle  Weise 
verhindert  werden  müßte.  Auf  Vidonis  Einwendung,  daß  der 
Kurfürst  doch  wie  bisher  in  bester  Freundschaft  mit  Frankreich 
und  Osterreich  leben  könnte  und  man  ihm  freie  Wahl  über 
seine  Kurstimme  geben  sollte,  erklärte  dies  d'Avaugour  für  un- 
mögUch,  indem  er  einmal  auf  den  verderblichen  Einfluß  Lisolas 
auf  den  Kurfürsten  hinwies,  sodann  aber  an  die  Verpflichtung 
Friedrich  Wilhelms  durch  die  französisch-brandenburgische 
DefensivalUanz  vom  24.  Februar  1656  erinnerte,  wonach  er 
seine  Kurstimme  nur  mit  Einwilligung  Frankreichs  abgeben 
dürfte.  Wohl  nur  ein  Ausdruck  der  Höflichkeit  gegen  Roms 
Vertreter  war  es,  wenn  am  Schlüsse  dieses  inhaltreichen  Ge- 
spräches der  geschmeidige  Franzose  meinte,  daß  die  augen- 
blickhchen  und  noch  kommenden  größeren  Verwicklungen  nur 
durch  den  Papst  gelöst  werden  könnten.  —  Dennoch  mußte 
d'Avaugour  weichen.    Am  22.  August  erfolgte  der  erste  Schritt 


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zur  Annäherung  zwischen  Brandenburg  und  Polen,   indem  mit 
Gonsiewski;  dem  Anführer  der  Httauisch-polnischen  Armee,  ein 
Waffenstillstand  abgeschlossen  wurde.    Einige  Tage  darauf  zog 
der  Vertreter  des  allerchristlichsten  Königs  ärgerlich  ab.  —  Viel 
schwieriger  als  dieses  Vorspiel,  gestalteten  sich  die  eigentlichen 
politischen  Verhandlungen  am  Hofe  des  Kurfürsten  zu  Königs- 
berg  und   dann    zu   Wehlau,    welche   zum    festen   Bunde    mit 
Polen  fuhren  sollten.     Die  allgemeine  Stimmung  in  Polen,    wie 
der  Nuntius   mitteilt,    war  für   den  Frieden   mit  Brandenburg, 
da  eine   solche   militärische  Hilfe   bei   dem   derzeitigen   Stande 
des  Reiches   nicht  zu  verachten   sei.     Auch   für   die  freie    Ge- 
währung   der   Souveränität    an   den   Kurfürsten   sprachen   sich 
die  meisten  aus  und  nur  der  Großkanzler  Korycinski  hielt  an- 
fangs die  Zustimmung   des  Volkes  fUr  erforderlich,    dann  gab 
auch  er  nach.    Große  Sorge  bereiteten  dem  Nuntius  besonders 
die    zwei     Forderungen     der    brandenburgischen    Diplomatie, 
welche  die  Abtretung   Braunsbergs   und    Elbings  aussprachen. 
Sobald  er  von   der   ersten  Forderung,   Braunsberg   anlangend, 
Kunde  erhalten  hatte,  setzte  er  alles  in  Bewegung,  um  sie  zu 
hintertreiben.    Dem  Erzbischofe  von  Gnesen,  der  ihm  mitteilte, 
daß  Hoverbeck  einen  Vergleich  dafiir  angeboten  habe,  bemerkte 
er,  daß  der  heilige  Stuhl  niemals  mit  Ketzern  Vergleiche  schlösse. 
Und  nur  um  Gewißheit  in  dieser  Frage  zu  erlangen,   wendete 
er  sich  noch  an  andere  Persönlichkeiten,  den  Vizekanzler  und 
den  Beichtvater  des  Königs,  Carlo  Soll.     Auch   die  Abtretung 
Elbings,    welche   der  Kurfürst   zum  Ersätze  für  die  Rückgabe 
des  Ermlandes  erhalten  sollte,  befürchtete  er.    In  Wirklichkeit 
erfolgte  dieselbe  nicht.    Die  Ketzerstadt,  wie  der  Gnesener  Erz- 
bischof zu  Vidoni  sich  äußerte,    welche  von  jeher  der  Krone 
wenig  ergeben  gewesen,  deren  Wiedergewinnung  viel  Blut  und 
Geld  kosten  und  auch  zweifelhaft  sein  würde,  sollte  noch  40  Jahre, 
bis  1698,  Polen  erhalten  bleiben. 

Über  die  Verträge  von  Wehlau  und  den  darauffolgenden 
von  Bromberg  erfahren  wir  nichts  mehr  von  Belang.  Die 
Blätter  des  Nuntius  beschäftigen  sich  in  dieser  wichtigen  Zeit 
mit  der  Person  des  französischen  Gesandten  Blondel,  sein  Vor- 
gänger d'Avaugour  war  am  6.  September  1657  gestorben,  welcher 
auf  Drängen  Lisolas  und  bei  der  gänzlich  veränderten  Stim- 
mung am  polnischen  Hofe  seine  Pässe  erhielt.  Wir  erfahren, 
daß  dies  in  besonders  harten   Ausdrücken  vom  Kronrate  be- 


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schlössen  war,  vornehmlich  auf  Anraten  desErzbischofs  von  Ghiesen, 
vom  Könige  selbst  jedoch  die  Fassung  abgeschwächt  wurde. 
Die  Königin  hatte  dem  Gesandten  als  Grund  für  diese  Maß- 
regel offen  angegeben^  man  wolle  dadurch  verhindern^  daß  er 
dem  Kurfürsten  Vorwürfe  über  seine  jüngste  Handlungsweise 
machen  könnte.  Blondel  beklagte  sich  bitter  bei  dem  Nuntius 
über  seine  Verabschiedung  und  man  erkennt  die  ganze  Sym- 
pathie Vidonis  für  die  Sache  Frankreichs  aus  seiner  Bitte,  der 
Gesandte  möge  nur  ja  nicht  darüber  nach  Hause  berichten 
oder,  wenn  dies  unumgänglich,  in  schonendster  Weise.  Blondel 
meinte  darauf,  daß  dies  schon  von  anderer  Seite  erfolgen  würde, 
und  stellte,  seiner  grollenden  Stimmung  entsprechend,  der 
nächsten  politischen  Zukunft  ein  recht  trübes  Prognostiken. 
Es  würde  nicht  leicht  sein,  meinte  er,  den  König  von  Ungarn 
in  den  Frieden  einzuschließen,  und  ebenso  würde  Schweden 
dem  Kurfürsten  große  Schwierigkeiten  bereiten.  Wie  weit 
übrigens  das  Mißtrauen  am  polnischen  Hofe  gegen  den  fran- 
zösischen Ränkeschmied  ging,  wird  aus  folgender  Mitteilung 
des  Nuntius  erkenntlich.  Da  Blondel  selbst  nach  seiner  Ver- 
abschiedung Warschau  nicht  verließ,  erblickte  man  in  ihm 
nur  mehr  einen  Kundschafter  für  die  Schweden  und  Johann 
Kasimir  bat  den  Nuntius,  ihn  zu  beobachten.  Vidoni  verstand 
es  jedoch,  unter  einem  Verwände  sich  diesem  peinlichen  Auf- 
trage zu  entziehen.  Kurz  darauf  wird  uns  nochmals  der  unheilvolle 
französische  Einfluß,  und  zwar  anläßlich  der  bevorstehenden 
Kaiserwahl,  vorgeführt.  Der  Kurfürst  hatte  noch  keine  Erklärung 
über  seine  Stimme  abgegeben,  obwohl  seine  Neigung  flir  das 
Haus  Habsburg  aus  seinen  vertraulichen  Mitteilungen  zu  dem 
polnischen  Königspaare  ersichtlich  wurde.  Danach  wollte  Friedrich 
Wilhelm  dem  Könige  von  Ungarn  seine  Stimme  geben,  wenn 
eine  bestimmte  Zusicherung  der  erbetenen  Hilfe  erfolgen  würde, 
und  meinte  auch,  es  wäre  nicht  gut,  wenn  ein  Pensionär  Frank- 
reichs gewählt  würde.  Demgegenüber  wußte  jedoch  Lisola 
unserem  Nuntius  zu  berichten,  wie  es  noch  seinerzeit  d' Avaugour 
gelungen  war,  den  Kurfürsten  zu  überrumpeln.  Er  hatte  ihm 
nämlich  die  Versicherung  abgerungen,  keinem  Feinde  Frank- 
reichs seine  Stimme  abzugeben  und  gleich  darauf,  zur  größten 
Verwirrung  des  Kurfürsten,  der  sich  deshalb  bei  Lisola  ent- 
schuldigte, die  Erklärung  abgegeben,  daß  Frankreichs  Feind 
der  König  von  Ungarn   wäre. 


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Hatte  man  also  id  Polen,  wie  aus  alledem  ersichtlich, 
Frankreichs  gefllhrliche  Interessenpolitik  richtig  erkannt  und 
deren  Vertreter  endgültig  abgewiesen,  so  war  man  andererseits, 
besonders  in  den  Kreisen  des  polnischen  Adels,  den  beiden  neuen 
Verbündeten,  den  Österreichern  und  Brandenburgern,  ebenso- 
wenig zugetan.  Die  allezeit  rührige  Fronde,  welche  von  jeher  eifer- 
süchtig über  ihre  ,Libertät'  wachte,  war  mit  der  übergroßen  Hin- 
neigung des  Königs  zum  deutschen  Elemente  nach  den  Tagen  von 
Wehlau  und  Bromberg  durchaus  nicht  einverstanden.  Diese 
Unzufriedenheit  kommt  in  einem  Gespräche  des  Marschalls 
Lubomirski  mit  dem  Nuntius  unverhüllt  zum  Ausdrucke.  Der 
Marschall  beklagte  sich,  daß  der  König  es  zu  sehr  mit  den 
Deutschen  und  besonders  dem  Kurfürsten  halte,  und  sprach 
die  Befürchtung  aus,  er  ginge  mit  Ideen  um,  welche  ihm  von 
den  Jesuiten  eingegeben  seien  und  durch  die  ihre  ,Libertät' 
gefährdet  würde.  Nur  mit  Mühe  gelang  es  Vidoni,  den  Führer 
der  Adelspartei  ^von  den  guten  Absichten  Johann  Kasimirs  zu 
überzeugen.  Ebenso  trübe  ist  das  Stimmungsbild  aus  dem  Ge- 
biete Posen,  welches  uns  der  Nuntius  über  das  Einvernehmen 
mit  den  Österreichern  gibt.  Dort  klagte  der  Adel  bitter  über 
die  geringe  Unternehmungslust  der  kaiserlichen  Truppen,  welche 
weder  Thorn  belagern  wollten,  noch  zu  einem  anderen  kriege- 
rischen Vorgehen  zu  bewegen  seien.  —  So  schUeßen  die  Be- 
richte aus  dem  Jahre  1657,  trotz  der  großen  Errungenschaften 
dieses  Jahres  für  die  polnische  Sache,  mit  einem  grellen  Miß- 
klange ab. 

Die  Berichte  aus  dem  folgenden  Jahre  verschaffen  uns 
besonders  eingehende  Aufklärung  über  dieses  soeben  angedeutete 
unliebsame,  gespannte  Verhältnis  zwischen  Polen  und  dem 
mächtigsten  seiner  neuen  Bundesgenossen,  den  Österreichern. 
Die  inzwischen  gänzlich  veränderte  politische  Lage,  hervor- 
gerufen durch  das  nochmalige  unerhörte  Kriegsglück  ihres  ge- 
meinsamen Gegners  Karl  Gustav,  gibt  zugleich  eine  Erklärung 
für  diese'^immerhin  befremdende  Tatsache.  Noch  im  Sommer 
des  Jahres  1657  war  der  Schwedenkönig  durch  die  Kriegs- 
erklärung^ seines  dänischen  Nachbarn  vom  fernen  polnischen 
Schauplatze  in  seine  nordische  Heimat  abberufen  worden.  Wie 
vorhin  Polen,  so  hatte  er  jetzt  bald  den  neuen  Gegner  in 
schnellem  Siegeszuge  niedergeworfen  und  stand  nun  wieder  in 
ungeschwächtem  Glänze  seiner  Erfolge,   als  der  alte  Günstling 


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der  neidischen  Fortuna^  vor  den  erstaunten  Augen  der  damaligen 
Welt  da. 

Während  uns  also  hier  der  Schwedenkönig,  wie  auch  bei 
jeder  anderen  Gelegenheit,  als  der  Held  des  kühnen  Handelns 
entgegentritt,  verharrten  die  drei  verbündeten  Mächte,  Polen, 
Osterreich  und  Brandenburg,  in  tatenlosem  Zuschauen,  Erst 
der  Gedanke  des  KurfUrsten,  den  vormaligen  schwedischen 
Bundesgenossen,  zu  dem  ja  in  der  Tat  das  Bundesverhältnis 
gelöst  war,  in  Pommern  anzugreifen,  um  ihm  bei  dieser  Gelegen- 
heit die  seit  dem  Frieden  von  Münster  verloren  gegangene 
Provinz  wieder  zu  entreißen,  machte  das  Verlangen  nach  einem 
gemeinsamen  kriegerischen  Vorgehen  gegen  Karl  Gustav  rege. 
Die  Beteiligung  Polens  an  diesem  Unternehmen  mußte  im 
eigensten  Interesse  Johann  Kasimirs  als  gewiß  gelten,  wäre 
doch  dadurch  der  Schauplatz  des  Krieges  aus  seinem  Lande 
auf  fremden  Boden  übertragen  worden.  Viel  wichtiger  und 
geradezu  unentbehrlich  mußte  jedoch  die  militärische  Hilfe  des 
mächtigen  Österreich  erscheinen.  In  jene  Schwierigkeiten  nun, 
welche  auf  polnischer  und  österreichischer  Seite  erwuchsen, 
bevor  der  Wiener  Hof  aus  seiner  abwartenden  Stellung  zu 
energischem  Vortreten  heraustrat,  flihren  uns  die  Blätter  des 
Nuntius  ein.  Aus  einem  der  häufigen  Gespräche  Vidonis  mit 
der  Königin  entnehmen  wir,  wie  weit  am  polnischen  Hofe  das 
Mißtrauen  gegen  Österreich  emporgewachsen  war.  Man  nahm 
da  einfach  an,  Österreich  und  Brandenburg  wollten  sich  mit 
Schweden  einigen,  um  eine  Teilung  Polens  vorzunehmen,  wobei 
die  Krone  des  Reiches  an  den  König  von  Ungarn  fallen  sollte. 
Andererseits  sprach  der  österreichische  General  de  Souches 
unserem  Gewährsmanne  seinen  Unwillen  über  die  Machen- 
schaften der  Königin  aus,  welche  ganz  von  den  Franzosen  ge- 
wonnen sei.  Auch  in  Wien,  wo  man  ihr  Treiben  wohl  erkannt 
habe,  sei  die  Königin  sehr  unbeliebt  und  Lisola  sei  nur  deshalb 
in  Ungnade  bei  Hofe  gefallen,  weil  er  ihre  Gesinnung  als  eine 
dem  Kaiserhofe  sehr  ergebene  hingestellt  habe.  Mit  diesen 
beiden  bedeutenden  Persönlichkeiten,  der  ehrgeizigen  polnischen 
Königin,  welche  an  der  Seite  ihres  schwachen,  unbedeutenden 
Gemahls  in  Wirklichkeit  das  Reich  regierte,  und  dem  unermüd- 
lich tätigen,  hochbefähigten  kaiserlichen  Gesandten  beschäftigen 
sich  recht  eigentlich  unsere  Blätter.  Wir  werden  in  die  Kämpfe 
eingeweiht,  welche  Lisola  gegen  die  Vertreter  Frankreichs  zu 


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bestehen  hatte^  deren  Einfluß  am  polnischen  Hofe,  hauptsächlich 
durch  die  Begünstigung  der  Königin  und  ihres  Anhanges, 
wieder  erstarkt  war.  Luise  Marie  hatte  sich  gänzlich  den  Inter- 
essen einer  österreichischen  Politik  entfremdet,  die  Königin  und 
mit  ihr  der  polnische  Adel  wünschten  vielmehr  die  Entfernung 
des  verhaßten  deutschen  Bundesgenossen  aus  dem  Lande  und 
durch  Frankreichs  Vermittlung  den  Frieden  mit  Schweden. 
Hauptsächlich  gegen  diese  alte,  uns  wohlbekannte  Vermittler- 
idee durch  den  gefährlichen  Nebenbuhler  erhob  sich  Lisola  und 
erklärte,  das  ganze  Friedensgeschäft  werde  durch  Frankreichs 
Vermittlung  gestört  und  schon  aus  diesem  Grunde  könne  man 
nicht  die  deutschen  Truppen,  wie  es  die  Polen  wünschten,  aus 
ihrem  Lande  entfernen. 

An  dieser  Forderung,  Frankreich  aus  dem  Spiele  zu  lassen, 
hielt  derGesandte  fest,  andererseits  stellte  er  sogleich  10.000  Mann 
österreichischer   Truppen    flir  den   Marsch    nach    Pommern  in 
Aussicht,  sobald  die  ausbedungene  Summe  von  100.000  Talern 
dafür  gezahlt   worden  sei.     Vidoni  teilt  uns  die  Erregung   mit, 
welche   diese   offene  Erklärung   des   kühnen  Mannes  bei  dem 
polnischen  Königspaare  und  seiner  Umgebung  erweckte.     Der 
Schwächling  Johann  Kasimir  geriet  darüber  in  kindische  Ent- 
rüstung, gab  Lisola   zu  verstehen,    daß  er  es  nicht  mit  einem 
Knaben  zu  tun  habe,    die  Vermittlung   Frankreichs  sei  bereits 
angenommen,    die   100.000  Taler  wolle   er  nicht  zahlen^    viel- 
mehr den  Österreichern  die  Quartiere  entziehen.    Dem  Nuntius 
gegenüber    sprach    er    sich    noch    in    schärferer    Tonart,     den 
törichsten  Drohungen  aus:    man  solle  ihn  nicht  zum  äußersten 
reizen,  von  Warschau  bis  Wien   sei  kein    weiter  Weg  und  er 
werde   gegen   Schlesien   die   Tataren    und   Kosaken    loslassen! 
Weit  geftlhrlicher  als  diese  ohnmächtigen  Zomesausbrüche  ihres 
Gemahls   waren   die   Umtriebe,   welche   die  Königin  selbst  zu- 
gunsten   Frankreichs,    gegen    Lisola    und    die    Deutschen    ins 
Werk  setzte.     In  Wort  und  Schrift   wirkte   die   ränkesüchtige 
Frau  in  diesem  Sinne  auf  die  Großen  des  Reiches,  Laien  und 
Geistliche,  ein,  so  daß  das  Gerücht  sich  verbreitete,    entweder 
müsse  die  Königin  von  den  Deutschen  großen  Verdruß  erlitten 
oder  von  den  Franzosen  große  Versprechungen  erhalten  haben. 
An    der   Spitze   ihres   Anhanges  finden    wir   Lubomirski,    den 
Marschall  des  Reiches.     Selbstsüchtige  Zwecke   verbanden  ihn 
mit  der  Königin,   hegten  beide   doch   die  Hoffnung,   nach  dem 


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Abzüge  der  Deutschen  den  schwachen  Johann  Kasimir  nach 
Willkür  beherrschen  zu  können^  und  in  dieser  Absicht  ver- 
breiteten sie  auch  die  abenteuerlichsten  Qerttchte  über  die 
Deutschen:  daß  sie  die  Krone  erstrebten,  sich  mit  Gewalt  der 
festen  Plätze  des  Landes  bemächtigen  wollten  u.  a.  m.  Wie 
gewöhnlich  trat  Lisola  energisch  diesen  offenen  Feindseligkeiten 
entgegen.  In  einer  vertraulichen  Unterredung  mit  dem  Nuntius 
drohte  er  mit  seiner  Abreise,  da  es  nicht  in  Österreichs  Inter- 
esse liegen  könnte,  für  jemanden  zu  kämpfen,  der  sich  seinen 
Feinden  in  die  Arme  geworfen  hätte.  Die  Vermittlung  Frank- 
reichs ziele  darauf  hinaus,  daß  die  Franzosen  den  Schweden 
das  Qeld  für  den  Verlust  Preußens  geben  und  Frankreich  durch 
Mitwirken  der  Königin  einige  feste  Plätze  erhalte.  Aus  dem- 
selben Berichte,  welcher  diese  bedeutsame  Unterredung  enthält, 
lernen  wir  noch  einen  zweiten  Gegner  der  Königin  und  ihrer 
Bestrebungen  kennen,  den  Erzbischof  von  Gnesen.  Lesczynski 
war  Air  ein  Festhalten  an  dem  Bunde  mit  Österreich  und  dem 
Kurfürsten  und  erklärte  dementsprechend  Frankreichs  Vermitt- 
lung für  unannehmbar.  Jedoch  dürfte  er  der  Königin  diese 
Meinung  nicht  offen  bekennen  und  es  sei  jede  Mühe  vergeblich, 
da  in  Wirklichkeit  nur  sie  im  Reiche  regiere.  —  Lisolas  Dro- 
hungen hatten  den  gewünschten  Erfolg.  Der  Nuntius  stellte 
dem  Königspaare  die  Gefahr  eines  Bruches  mit  Österreich  vor 
und  wurde  infolgedessen  nochmals  zu  dem  kaiserlichen  Ge- 
sandten geschickt,  um  ihn  zum  Verbleiben  zu  bewegen.  Mit 
Mühe  gelang  diese  Mission,  ja,  Vidoni  konnte  sogar  dem  Er- 
ztLrnten  einen  neuen  Vertragsentwurf  abringen;  wahrscheinlich 
mtlssen  wir  darunter  jene  Idee  Lisolas  verstehen,  wonach  man 
die  Kurfürsten  des  Reiches  auffordern  sollte,  die  Vermittlung 
bei  den  Verhandlungen  zu  übernehmen. 

Noch  lange  jedoch,  bis  zum  August  des  Jahres  1658, 
sollte  es  währen,  bevor  die  mühsame  Errungenschaft  Lisolas,  auch 
von  dem  gewünschten  Erfolge,  einem  gemeinsamen  kriegerischen 
Vorgehen  der  Verbündeten  gegen  Schweden,  begleitet  wurde. 
Die  Demütigung  Dänemarks,  besiegelt  durch  den  Rothschilder 
Frieden,  27.  Februar  1658,  hatte  Karl  Gustavs  Macht  und  ün- 
überwindlichkeit  von  neuem  so  drohend  erstehen  lassen,  daß 
alle  feindlichen  Unternehmungen  gegen  ihn  gelähmt  wurden. 
Der  niederschmetternde  Eindruck  dieses  Ereignisses  mit  seinen 
voraussichtlichen  Folgen  tritt  uns   auch  in   den  Berichten   ent- 


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gegen.    Lisola  teilte  dem  Nuntius  seine  Besorgnis  mit,  daß  nun 
wohl  der  Kurfürst  wieder  den  Schweden  sich  anschließen  würde, 
zumal  der  französische  Gesandte  an  dessen  Hof  zurückgekehrt 
wäre   und   dann   sein   eigener    Herr,   der   König   von   Ungarn, 
ganz   verlassen   dastehen   würde.     Er  bat  daher  den  Nuntius, 
in   gutem   Sinne    auf   den   König    einzuwirken,    damit    solches 
Unheil    verhindert   werde.     Es    ist   lehrreich,    bei    dieser    und 
anderer  Gelegenheit  zu  erfahren,  wie  wohl  bekannt  Vidoni  der 
mächtige,  oft  unheilvolle  Einfluß  der  Königin  auf  Johann  Kasimir 
war.     So  äußerte   er  auch  jetzt,    daß   der   König   wohl    nichts 
ohne  den  König  von  Ungarn  unternehmen  würde,  aber  niemand 
bürge  ihm  dafür,   daß  nicht  etwa  dennoch  die  Königin,  wie  es 
fast  immer  geschehen,  ihren  Gemahl  für  die  Vorschläge  Frank- 
reichs gewinnen  könnte.    Auch  über  die  eigentlichen  Absichten 
der  Schweden  und  ihrer  Helfershelfer,   der  Franzosen,    dachte 
der   Nuntius   nicht  weniger  scharf  und   pessimistisch    als  sein 
politischer  Vertrauter  Lisola.     In  seinen  Berichten  an  die  Kurie 
hat   er   daraus   kein  Hehl  gemacht.     So   schrieb   er  über  die 
angeblichen  Friedensbestrebungen   dieser  beiden  Mächte   etwa 
folgendes:    Er  fürchte,   daß  die  Franzosen   und  Schweden  nur 
deshalb  die  Polen  zum  Frieden  bewegen  wollen,   damit  sie  so- 
dann den  König  von  Ungarn  durch  einen  Angriff  auf  Deutschland 
zur  Rückberufung  seiner  Truppen  nötigen  könnten,  so  daß  schließ- 
lich auf  diese  Art  Polen  zum  Frieden  gezwungen  sein  würde. 
Es  sind   dies  die   letzten  Nachrichten   von  größerem  poli- 
tischen Interesse.     Die  Berichte   des  Jahres  1659  beschäftigen 
sich    fast    ausschließlich    mit   dem    Ermlande,    und    zwar    dem 
äußeren  Zustande  dieses  Bistums.    Wir  erhalten  eine  lebhaft  ge- 
färbte Schilderung  von  dem  materiellen  Elende,   welches  über 
das  unglückliche  Land  durch  die  Last  der  unausgesetzten  Ein- 
quartierung fremder  Truppen,    der  Brandenburger   und   Oster- 
reicher,  hereingebrochen  war;    kurze,   interessante  RückbUcke 
werden  auch  auf  die  vorausgegangene  kurfürstliche  Verwaltung 
des  kirchlichen  Gebietes  geworfen,  welche  bei  unserem  Bericht- 
erstatter sich  keiner  sehr  anerkennenden  Kritik  zu  erfreuen  hat. 
Im  ganzen  können  wir  sagen,  daß  sich  auch  in  diesem  letzten 
Teile  der  Berichte   manche  neue  und  wertvolle  Angaben  über 
das  Ermland  finden,  wodurch  selbst  die  vorhin  erwähnte  umfang- 
reiche Monographie   Kolbergs   über   die  Zustände   des  Landes 
in  dieser  Zeit,  eine  erfreuliche  Ergänzung  finden  dürfte. 


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31 

Was  die  äußere  Form  der  Veröffentlichung  anlangt^  so  habe 
ich  mich  vöUig  an  das  bewährte  Muster  ähnUcher  Arbeiten  auf  dem 
gleichen  Gebiete  der  Herausgabe  von  Qesandtschaftsberichten 
gehalten.  Als  vorbildlich  maßgebend  sind  mir  da  besonders  die 
beiden  mehrfach  erwähnten,  umfangreichen  Werke  von  Pribram 
,Die  Gesandtschaftsberichte  Lisolas'  und ,  Venetianische  Depeschen 
vom  Kaiserhofe'  erschienen.  Dementsprechend  habe  auch  ich 
den  eigentlichen  Berichten  des  Nuntius  ein  kurzes  Regest  vor- 
ausgeschickt und  dann  die  Akten  in  meist  unverkürzter  Form 
folgen  lassen.  Ebenso  habe  ich  an  der  veralteten^  zeitgemäßen 
Orthographie  des  Berichterstatters  die  übUchen  Veränderungen 
vorgenommen  und  besonders  seine  oft  sinnentstellende  Interpunk- 
tion nach  den  Anforderungen  des  modernen  Satzbaues  umge- 
schaltet. Die  wenig  zahlreichen  Gegenschreiben,  abgefaßt  vom 
Kardinal  Staatssekretär  Rospigliosi  und  seit  dem  22.  April  1657 
wie  ein  Kanzleivermerk  besagt,  von  dem  Kardinal  Chigi,  habe 
ich  geglaubt,  in  die  Anmerkungen  verweisen  zu  dürfen,  da  sie 
meist  nur  belanglose  Antworten  auf  Anfragen  des  Nuntius  und 
kurz  gefaßte  Instruktionen  für  ihn  enthalten. 

Die  Berichterstattung  Vidonis  ist  ruhig  und  maßvoll^  sein 
Stil  im  ganzen  klar  und  deutlich,  jedoch  muß  zur  Beurteilung 
seiner  Sprache  hervorgehoben  werden,  daß  gerade  bei  den 
prägnantesten  Gelegenheiten,  im  Zwiegespräch  mit  den  Gesandten, 
einer  wahren  Fundgrube  seiner  politischen  Anschauungen,  seine 
Worte  ebenso  gedankentief  wie  schwer  verständUch  für  uns 
sind.  Einen  eifrigeren  und  gewissenhafteren  Berichterstatter 
als  diesen  päpstlichen  Vertreter  konnte  man  sich  kaum  wünschen. 
Hat  er  doch  selbst  zu  verschiedenenmalen,  wenn  es  sich  in 
seinen  Depeschen  um  nebensächUche  Dinge  oder  seine  eigene 
Persönlichkeit  handelte,  in  Rom  geradezu  um  Entschuldigung 
gebeten,  da  er  es  sich  zur  Aufgabe  gemacht  habe,  nichts,  was 
die  hiesigen,  das  heißt  polnischen  Dinge  angehe,  zu  verschweigen. 
Und  wahrUch,  diesen  Grundsatz,  über  alles,  was  bei  diesem 
Welthandel  für  das  Wohl  und  Wehe  Polens  und  die  Machtfrage 
der  katholischen  Kirche  in  Betracht  kam,  die  Kurie  zu  unter- 
richten, hat  er  in  glänzender  Weise  durchgeführt.  In  gleicher 
Weise  hat  dieser  emsige  und  scharfe  Beobachter  seine  Auf- 
merksamkeit den  beiden  kriegführenden  Mächten  und  dem 
ganzen  damaUgen  Europa,  welches  so  reich  an  dem  neuen 
Weltenbrande  beteiligt  war,  zugewendet    Vidonis  Blätter  geben 


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32 

über   die   kriegerischen   Ereignisse   und  die   Diplomatenhändel 
den  genauesten  Aufschluß^  hinter  dem  polnischen  Eönigspaare, 
dem  Kurfürsten,  den  Gesandten  sehen  wir  aber  auch  mit  nicht 
geringerem  Interesse  die  Gestalt  des  gewaltigen  Protektors  von 
England  vor  uns  auftauchen,  vernehmen  wir  von  dem  kräftigen 
Echo,    welches    der    schwedisch-polnische    Zweikampf  bei  den 
Holländern,  Russen,  Dänen,  ja  dem   Türken  erweckte.     Aber 
auch  Fragen,    welche  erst  im  Rahmen   einer  großeuropäischen 
Politik  ihre  Wichtigkeit  erlangten,  so  die  Stimmung  der  Fürsten 
im  Reiche  und  die  Nachfolge   in  Polen,  fanden  bei  Vidoni  die 
gleiche  volle  Berücksichtigung,   wie   alle  Angriffe,   welchen  die 
katholische  Kirche  in  dem  Gebiete  seiner  Nuntiatur  ausgesetzt  war. 
Über  die  Ereignisse  selbst,  soweit  sie  kriegerischer  Natur 
waren,  berichtet  unser  Gewährsmann  in  knapper  und  schlichter 
Form.     Zweifel    an    der   Glaubwürdigkeit    seiner   Nachrichten, 
welche  ihm  oft  aus  Danzig  überbracht  waren,  pflegt  er  durch 
Wendungen  wie  ,vogliono  molti^,  ,se  fusse  vero'  oder  ,bei  ihrer 
Wichtigkeit  müßte   man    noch   nähere  Kunde   abwarten',    zum 
Ausdrucke  zu   bringen.     Erst  im  Gespräche   mit   den  fremden 
Gesandten,   bei  Wiedergabe  der  Stimmung  im  Lande   und  bei 
Hofe   lernen   wir  in  ihm   den   gewandten  Diplomaten   aus  der 
ersten  Schule   Europas,   Rom,    und   den   scharfen   Kenner  von 
Menschen  und  Verhältnissen  schätzen.    Seine  Rolle  ist  stets  die 
des  beschwichtigenden  Vermittlers  zwischen  den  Parteien,  doch 
mit  äußerster   Vorsicht  gespielt,    um   nur  ja  nicht   die   eigene 
Persönlichkeit  und  mit  ihr  die  päpstliche  Sache  dem  öffentlichen 
Urteile  preiszugeben.     So  hat  er,   um  nur  einige  Beispiele  an- 
zufiihren,    bei    dem    fortgesetzten    nationalen    Hader    zwischen 
Polen  und  Österreichern  gehandelt  und  nicht  anders  suchte  er 
auch  die   stürmischen    Angriffe   und  Beschuldigungen   der  ehr- 
geizigen polnischen  Großen  gegen  ihren  Herrscher  zu  beschwich- 
tigen.    Dem  schwachen,   als  die   Katastrophe  hereingebrochen, 
von   allen   verlassenen  Johann  Kasimir   gehören   seine   ganzen 
Sympathien  an  und  er  führt  dessen  Sache,  da  man  den  König 
allein    ftlr    den    Zusammenbruch    des    Reiches    verantwortlich 
machen  möchte.     Als  es  dann  später  galt,   die  Österreicher  zu 
Verbündeten  für  Polen   zu   gewinnen,    ist   der   endliche  Erfolg 
wohl  nur  dem  vermittelnden  Einflüsse  eines  so  feinen  Menschen- 
kenners  wie   Vidoni   zu   verdanken,    der   am   besten    mit    den 
beiden    hervorstechenden   Charaktereigenschaften    des   Königs, 


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33 

seiner  Schwäche  und  den  jähzornigen  Ausbrüchen  eines  heiß- 
blütigen Temperamentes,  zu  rechnen  wußte.  Nur  seiner  weisen 
Mäßigung  im  Gegensatze  zu  dem  leidenschaftlichen  Toben  des 
Königs  gelang  es  ja,  wie  wir  gesehen  haben,  Lisola  zum  Ver- 
harren auf  seinem  schwierigen  Posten  zu  bewegen  und  dann 
vereint  mit  ihm  zum  Ziele  ihrer  Wünsche,  zum  Abschlüsse 
des  Bundes  zu  schreiten. 

Wie  ihm  die  guten  Eigenschaften  und  die  Schwächen  des 
polnischen  Herrschers  wohl  bekannt  waren,  so  hatte  er  sich 
auch  ein  richtiges  Bild  von  der  ganz  anders  gearteten,  kraft- 
vollen Persönlichkeit  seiner  ehrgeizigen  Gemahlin  gemacht. 
Ihre  unermüdliche  Tätigkeit,  die  hohe  politische  BefUhigung 
dieser  geborenen  Herrschematur,  welche  sich  ihm  in  ihren  langen 
Unterredungen  genügend  oflfenbart,  hebt  er  gebührend  hervor 
und  weist  auch  manche  Beschuldigungen  gegen  sie  als  nicht 
gerechte  oder  nicht  erwiesene  Tatsachen  zurück,  so  besonders 
den  Vorwurf  ihrer  zu  großen  Franzosenfreundlichkeit.  Anderer- 
seits unterläßt  er  es  bei  keiner  Gelegenheit,  auf  den  übermäch- 
tigen, oft  verderblichen  Einfluß  hinzuweisen,  welchen  diese 
eigentliche  Herrscherin  auf  dem  polnischen  Throne  über  Johann 
Kasimir  auszuüben  wußte,  und  gerade  in  den  letzten  Partien 
der  Berichte,  als  die  politische  deutschfeindliche  Wandlung  der 
Königin  sich  vollzogen  hatte,  wollen  die  Klagen  des  päpstlichen 
Vertreters  über  ihr  unberechenbares,  zerstörendes  Vorgehen 
gar  kein  Ende  nehmen. 

An  anderer  Stelle  schon  ist  daraufhingewiesen,  mit  welchem 
nicht  unberechtigtem  Mißtrauen  Vidoni  die  hin-  und  herschwan- 
kende PoHtik  des  Kurfürsten  Friedrich  Wilhelm  verfolgt  hat. 
Im  ganzen  kann  man  auch  hier  sagen,  daß  sein  Urteil  über 
ihn,  dem  ganzen  Charakter  seiner  Berichterstattung  entsprechend, 
ein  maßvolles  und  besonnenes  ist.  Er  bekundet  oft  seine 
Zweifel,  ob  die  Absichten  des  Kurfürsten  ehrlich  gemeint  sind, 
doch  tritt  er  andererseits  als  wahrheitsliebender  Chronist  Nach- 
richten, welche  ihm  zu  unverbürgt  erscheinen,  mit  offenbarer 
Kritik  entgegen.  Bei  einem  Vertreter  der  Kurie  wird  es  uns 
auch  nicht  besonders  befremden,  daß  Vidoni  seine  Befriedigung 
darüber  ausspricht,  ein  persönliches  Zusammentreffen  mit  dem 
Ketzerftirsten,  welches  wohl  auf  der  bekannten  Zusammenkunft 
Friedrich  Wilhelms  mit  Johann  Kasimir  in  Bromberg  unver- 
meidlich gewesen  wäre,   durch  sein  Fernbleiben    vermieden  zu 

ArchiT.   XCY.  Band.  I.  H&lfl«.  3 


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34 

haben.  —  Viel  schlimmer   als  über  den  Kurfürsten  ist  an  ver- 
einzelten Stellen  seine  Meinung  über  die  Bewohner  der  Ketzer- 
stadt Danzig.     Da  mutet  er  den  Danzigern  nicht  nur  zu^    daß 
sie  die  Anwesenheit  des  Polenkönigs,   ihres  Herrschers   in  den 
Mauern  ihrer  Stadt,  dazu  benützen  könnten,   von  ihm  Vorteile 
für  sich  zu  ertrotzen,  sondern  er  glaubt  sogar  Johann  Kasimir 
durch  seine  Gemahlin  wai'nen  zu  müssen,  daß  sein  Leben  von 
den  Danzigern  bedroht  sei.   Diese  Verdächtigungen  des  Nuntius 
gegen  die  alte  Hansestadt  wird  man  als  unbegründete  zurück- 
weisen müssen.     Hat  doch  im  Gegenteile  die  Forschung  nach- 
gewiesen,  daß  gleich  ihren  Vorfahren,   auch  bei  diesem  mäch- 
tigen Anstürme   gegen   das   Polenreich    die  Danziger   sich   als 
getreue   Untertanen    des    Königs    von    Polen    bewährt    haben, 
allerdings  nicht,   wie  wohl   bekannt,    aus  idealen  Gründen    der 
Hingebung  für  die  polnische  Sache,  sondern  weil  sie  als  kluge 
Realpolitiker  längst  erkannt  hatten,  daß  unter  diesem  schwachen 
Zepter  ihr  mächtig  aufblühendes  Gemeinwesen  die  größten  Vor- 
teile zu  gewinnen  hatte.  —  Hingegen  verdient  Vidonis  scharfes, 
abfälliges  Urteil  über  die  Nation,  zu  welcher  Rom  ihn  entsendet 
hatte,  nämlich  die  polnische,  anerkannt  zu  werden.    Oft  genug 
klagt  er  über   die   politische   Unfähigkeit   der  dortigen    Diplo- 
maten, welche  so  manche  günstige  Gelegenheit  zur  Förderung 
der  polnischen  Sache  ungenützt   vorübergehen   ließen  und  nie- 
mals seinem  Rate  gefolgt  seien,  und  von  den  militärischen  Eigen- 
schaften der  Polen   denkt   er  so  gering,   daß  er   einmal  meint; 
sie  wären  weder  imstande  Krieg  zu  führen,  noch  den  Frieden 
zu  machen.     Nur   ein   notwendiges   Ergebnis,    dieser   geringen 
Wertschätzung  der  eigenen  Kräfte,  welche  das  Land  zur  Ver- 
fügung hatte,   entsprechend,   ist  denn  auch   die  politische  Auf- 
fassung des  Nuntius  über  die  Lage  des  Reiches  eine  durchaus 
pessimistische  und  zu  verschiedenen  Malen  finden   wir  die  Be- 
fürchtung   eines   allgemeinen   Zusammenbruches    bei  ihm   aus- 
gesprochen.    Ebenso   entspricht   es   nur   dem  Geiste   der  Zeit, 
wenn  der  Nuntius  in  den  ersten  Kriegsjahren,  da  die  glänzenden 
Waffenerfolge  der  Schweden  bei  den  Polen  den  alten  Glauben 
wieder  aufkommen  ließen,  daß  ihre  Gegner  mit  dem  Teufel  im 
Bunde    kämpften,   allen  Ernstes    in   Rom   anfragte,   ob   er  zur 
Bannung   des   bösen  Dämons   vor  der  Feldschlacht  dem  Ein- 
zelnen oder    dem    ganzen    polnischen    Heere    den    päpstlichen 
Segen  erteilen  dürfe. 


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Wie  er  sich  hier  von  der  Macht  seines  Glaubens  und  des 
Oberhauptes  der  katholischen  Kirche  überzeugt  ausspricht,  so 
hat  er  sich  auch  als  ein  stets  wachsamer  Anwalt  Roms  bewährt, 
wenn  es  galt,  die  Güter  der  Kirche  vor  Ansprüchen  der  Ketzer 
zu  schützen  oder  irgendwelche  Erfolge  der  Glaubensfeinde  zu 
verhindern.  Bei  zahlreichen  Fällen,  welchen  wir  an  anderer 
Stelle  nähergetreten  sind,  so  in  der  ermländischen  Frage,  den 
Vorgängen  in  der  Stadt  Posen  u.  a.  m.,  hat  Vidoni  gezeigt,  daß 
die  Kurie  in  ihm  den  richtigen  Vertreter  für  jene  schweren, 
kriegerischen  Zeiten  nach  Polen  gesendet  hatte,  einen  Rufer 
im  Streite,  einen  Führer  der  Ecclesia  militans.  —  Hier  möchte 
ich  nur  noch  zum  Schlüsse  zwei  Gelegenheiten  anfUhren,  bei 
welchen  die  Stellungnahme  des  Nuntius  in  Machtfragen  der 
Kirche  so  recht  zum  Ausdrucke  kommt.  Anläßlich  des  Todes 
des  Erzbischofs  von  Gnesen,  der  ihm  eine  unersetzliche  Stütze 
war,  kommt  er  auf  den  einen  der  Kandidaten  für  die  Nach- 
folge auf  diesem  höchsten  Kirchenstuhle  in  Polen  zu  sprechen, 
nämlich  den  Bruder  des  Verstorbenen,  den  Bischof  von  Erm- 
land.  Er  erkennt  in  ihm  die  gute  Gesinnung  an,  vermißt  aber, 
nnd  das  ist  für  ims  das  Wesentliche,  bei  ihm  diejenigen  Eigen- 
schaften, welche  ein  so  hoher  Kirchenfürst  in  den  bewegten, 
schweren  Zeiten  seiner  Meinung  nach  haben  müßte:  ,fe  certo, 
che  h  un  buono  Sig'®,  e  che  le  di  lui  parentele  lö  renderanno 
molto  stimato,  mk  non  vedo  poi  in  lui  quei  spiriti,  che  si  richie- 
derebbono  in  questi  tempi  e  per  gl'  accidenti  che  potessero  darsi, 
e  per  conoscere  gl*  artifitii  de  laici,  e  contrastare  la  mira,  che 
hanno  in  teuer  bassi  gV  ecclesiastici/  Der  andere  Fall  gehört 
der  ermländischen  Frage  an.  Vidoni  hatte  von  dem  Gnesener 
Erzbischofe  vernommen,  daß  der  Kurfürst  durch  seinen  Unter- 
händler Hoverbeck  für  die  Abtretung  Braunsbergs  einen  Ver- 
gleich angeboten  habe,  worauf  der  Nuntius  bezeichnend  genug 
bemerkte:  ,daß  der  heilige  Stuhl  niemals  mit  Ketzern  Ver- 
gleiche schlösse'. 


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1.  Warschau^  1655  Mai  9. 

Ankunft  eines  Danziger  Abgesandten,  welcher  den  König 
um  Hilfe  bittet  gegen  die  von  Schweden  drohende  Gefahr. 

Sono  giä  alcuni  giorni,  ch'  h  qua  giunto  un  sindico  della  cittk 
di  Danzica  per  rappresentar  &  S.  M.  i  sospetti,  che  s'  hanno 
in  quella  cittk  dell'armi  Suezzesi,  e  discorrere  il  modo  della 
diffesa^  chiedendo  perciö  licenza  di  potere  dimandar  aiuti  alle 
cittk  Ansiatiche,  al  rä  di  Danimarca^  et  k  gl'  Olandesi^  e  la 
M.  S.  r  hk  benignamente  compiacciuto  per  questa  volta  sola,  e 
per  la  detta  occasionC;  anzi  paremi  d'  udire,  che  si  sia  da  S.  M. 
stessa  scritto  in  qnesta  conformitk  alli  due  ultimi;  et  a  V.  S.  Hl"* 
per  fine  faccio  riv**. 

2.  Warschau,  1655  Mai  15. 

Störung  und  Überfall  einer  Jesuitenmission  zu  Villamova 
im  Herzogtume  Preußen  während  der  Osterzeit  durch  die  dor- 
tigen Lutheraner,  Der  Nuntius  wird  den  König  hei  der 
nächsten  Audienz  ersuchen,  an  den  Kurfürsten  von  Branden- 
burg zu  schreiben,  damit  die  Schuldigen  strenge  bestraft  wer- 
den, was  umsomehr  erforderlich  sei,  da  nach  dem  Lehensver- 
trage des  Herzogtums  der  katholischen  Kirche  freie  Religions- 
ausübung verbürgt  sei. 

3.  Rom,  1656  Juni  19. 

Gegenschreiben  des  Staatssekretärs  Rospigliosi^  an  den 
Nuntius.  Der  Papst  sei  über  den  bedauerlichen  Vorfall  in 
Villamova  betrübt,  zugleich  aber  durch  das  Versprechen  des 
polnischen  Königs,  die  Schuldigen  zu  bestrafen,  getröstet. 

4.  Warschau,  1655  Juni  13. 

Aufbruch  des  Woiwoden  von  Lenczica,  polnischen  Ge- 
sandten,    zum     Schwedenkönige.      Friedensversicherungen     des 


'  Der  spätere  Nachfolger  Alexanders  YII.  unter  dem  Namen  Riemens  IX. 
In  dieser  Zeit  flihrte  er  die  auswärtigen  Geschäfte  der  Kurie.  Vgl. 
Bänke,  Die  römischen  Päpste,    8.  Buch,  S.  37  ff. 


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37 

schwedischen  Gesandten  Koch  in  Danzig.     Trotzdem  Rüstungen 
der  Danziger. 

H  &  Palatino  di  Lancicia  ^  destinato  per  li  trattati  di  Sve- 
zia  se  n'h  partito  alla  volta  di  Danzica  con  nobile  comitiva 
per  portarsi  poi  k  queUa  parte,  dove  le  sark  fatto  intendere, 
che  si  sia  incamminato  quel  rh.  Scrivono  frk  tanto  di  detta 
cittk,  eh'  il  Kochi  agente,  ö  ministro  di  Svezia  ivi  faavesse  fatto 
sapere  k  quel  magistrato, '  che  Y  armi  del  suo  rh  non  fussero 
per  voltarsi  ne  contro  quella  cittk,  ne  contro  il  regno,  e  ch'  il 
medesimo  fuss' anco  stato  scritto  k  grelettori  deirimperio:  mk 
ciö  non  ostante  conti nuava  la  stessa  cittk  con  gran  sollecitu- 
dine  le  fortificationi  dentro  e  faori,  et  oltre  k  certo  buon  nu- 
mero  di  militia  pagata,  havevano  descritto  50™  persone  per 
valersene  in  caso   d'  attacco,  e  speravano  di  potersi  difendere. 

6.  Rom,  1655  Mai  16, 

Schreiben  des  Staatssekretärs  Rospigliosi  an  den  Nuntius^ 
betreffend  die  Schmähschrift  des  ermländischen  Kanonikus 
Johannes  Markiewicz,  betitelt:  Scandalum  expurgatum  in  lau- 
dem  instituti  societatis  Jesu.'  Der  Papst  hat  dem  Nuntius  be- 
fohlen, die  Verbreitung  dieses  Buches  gegen  die  Jesuiten  zu 
verhindern. 

6.  Warschau,  1655  Juni  20. 

Empfangsbestätigung  dieses  Schreibens  vom  15.  Mai.  Hat 
dem  Könige  darüber  Bericht  erstattet  und  zugleich  die  Erz- 
bischöfe  und  Bischöfe  seiner  Nuntiatur  aufgefordert,  die  Ver- 
breitung dieses  in  Danzig  gedruckten  Buches  zu  verhindern. 

7.  Warschau,  1655  Juni  20. 

Nachricht  aus  Danzig  über  Rüstungen  in  der  Stadt  und 
in  ganz  Preußen  gegen   die  Schweden:   e   che    anche   li   abbati 

*  Johann  von  Lesczynski.  Die  Abreise  der  Gesandtschaft  aus  Weichsel- 
münde,  erfolgte  nach  Damus  am  24.  Juni. 

"  Vgl.  über  diese  Mission  Kochs  an  den  Rat  der  Stadt  Danzig  Damus,  Der 
erste  nordische  Krieg  bis  zur  Schlacht  bei  Warschau,  in  der  Zeitschrift 
des  westpreußischen  Geschichtsvereins  1884,  Heft  YII,  S.  23.  Damus, 
1.  c,  S.  25. 

»  Gedruckt  zu  Danzig  im  Jahre  1664.  Vgl.  Lukaszowicz,  Historisch-stati- 
stisches Bild  der  Stadt  Posen,  Bd.  2,  S.  155. 


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38 

d'  Oliva,  e  di  Peplino  ^  Cisterciensi  havessero  in  ordine  piü  di 
500  fanti  per  guardar  la  spiaggia  del  mare  in  confine  de  loro 
beni;  e  che  si  stava  pure  con  incertezza  &  quäl  parte  fussero 
per  incaminarsi^  e  qualch'  ano  diceva,  che  potessero  andar 
contro  il  principe  di  Neuburg*  e  di  Ik  regolar  poi  le  risolu- 
tioni  conformi  &  i  successi. 

8.  Warschau,  1655  Juni  27. 

Aufregung  in  Danzig  über  das  Nahen  von  16  fremden 
Schiffen,  Es  stellte  sich  jedoch  heraus,  daß  es  französische, 
auf  der  Fahrt  nach  Königsberg  begriffene,  waren, 

9.  Warschau,  1655  Juli  9. 

Fortgesetzte  Rüstungen  der  Danziger,  trotz  der  erneuten 
Friedensversicherung  Kochs, 

10.  Warschau,  1655  Juli  26, 

Kochs  Bitte  um  Neutralität  an  die  Danziger,  Schreiben 
des  Königs  an  die  Stadt     Friedensversicherungen  Kochs, 

Nel  principio  della  settimana  passata  comparvero  lettere 
del  magistrato  di  Danzica  dirette  al  lor  secretario  qui  resi- 
dente, *  che  gli  significavano,  come  il  Coqui  (sie!)  ministro  di 
Svezia  le  havesse  k  nome  di  quel  rh  fatto  istanza  della  neutralitk, 
e  ch'  essi  havevan  risposto,  c'  haverebbero  fatta  consideratione 
sopra  la  di  lui  dimanda,  la  quäle  havendola  participata  quk,  et 
essende  stati  esortati  da  S.  M^  di  rimaner  costanti  nella  difesa, 
ch'  essi  gli  havessero  poi  data  risposta  di  non  poter  compiacerlo 
per  haverne  ricevuti  di  quk  ordini  in  contrario  di  che  egli  moströ 
qualche  senso,  e  massime,  c'  havessero  participato  il  fatto  con 
S.  M.    Doppo  s'  fe  detto  ch'  il  medesimo  Coqui  sia  stato  ad  assi- 


*  Pelplin. 

'  Philipp  Wilhelm  Herzog  von  Pfalz-Neuburg,  der  bekannte  Gegner  des 
Kurfürsten  von  Brandenbarg  Schwager  Johann  Kasimirs. 

•  Zu  dieser  Zeit  wirkten  nach  Damus,  1.  c,  S.  24,  Anm.  4  die  bei- 
den Sekretäre  der  Danziger,  Barkmann  und  Schlakow,  am  Hofe;  des- 
halb ist  nicht  ersichtlich,  an  wen  das  Schreiben  des  Rates  gerichtet 
war,  wahrscheinlich  aber,  wie  Damus  S.  25  mitteilt,  an  die  beiden  Ge- 
schäftsträger.    Barkmann  werden  wir  noch  öfters  begegnen. 


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curarli,   che  non  sark  in  alcun  modo  molestata  quella  cittk,  ne 
impedito  il  trafico  del  mare. 

11.  Warschau,  1665  Juli  26. 

Angelegenheit  des  ermländischen  Kanonikus  Markiewicz.^ 
Der  Papst  hat  nach  reiflicher  Erwägung  den  Markiewicz  be- 
gnadigt, der  König  hat  sich  jedoch  gegen  die  Rückkehr  des 
Kanonikus  nach  Preußen  ausgesprochen. 

12.  Krakau,  1655  August  29. 

Persönliches.  Große  Ergebenheit  des  Königs  gegen  den 
Papst,  ersichtlich  aus  der  Ehrung  des  Nuntius. 

Mk  non  dovo  gik  tacere  k  V.  S.  111™*  V  honore  che  S.  M.  si 
degnö  fare  alla  S**  di  N.  S^®  nella  mia  persona,  mentre  uscit'  io 
di  carrozza  per  riverirlo,  com*h6  detto,  egli  sbalzö  da  cavallo 
per  sentirmi  attione  che  ffi  da  tutti  quei  S.  S"  ministri  ammirata, 
come  non  mai  piü  pratticata  ne  da  rh  suoi  antecessori,  ne 
da  lui  stesso  con  altri  nuntii,  e  che  tutto  confennerk  la  sua 
gran  riverenza  verso  di  S.  B.;  che  spero  n' udirk  con  gusto 
Tawiso,  mentr'io  etc. 

13.  Eom,  1655  August  28. 

Gegenschreiben,  betreffend  Angelegenheit  des  Kanonikus 
Markiewicz. 

II  canonico  Markiervirkz(^«ic.9  non  potrk  per  adesso  ritor- 
nare  in  Polonia,  e  N.  S''®  provederk  opportunamente  k  gl'  in- 
convenienti,  de  come  accenna  V.  S.  Jll™*  da  ciö  facilmente  ri- 
sulterebbero. 

14.  Warschau,  1655  August  16. 

Politik  des  Kurfürsten  von  Brandenburg.  Anerbieten  an 
den  Bischof  von  Ermland.  Beurteilung  desselben  durch  den 
König.    Ansicht  des  Nuntius  über  die  Lage  des  Reiches. 

Die  Sache  ist  sehr  wichtig,  welche  der  Bischof  von  Ermland^ 
geschrieben,  wegen  des  Einverständnisses  zwischen  Schweden  und 


*  Siehe   die  Nummern  5   und   6.     Vgl.  über  Markiewicz  und  seinen  er- 
bitterten   Streit    gegen    die  Jesuiten    Lukaszewicz,    1.  c,    S.   147 — 166. 

*  Wenzel  Lesczynski. 


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dem  Kurfürsten  e  per  il  passo  concessoli  (dem  Kurfürsten) 
con  tanta  facilitk,  e  perch^  ricevendosi  da  Monsig'  quelle  piazze 
non  se  ne  impadronissero,  e  non  si  potessero  cacciare  und  um- 
somehr,  da  man  meint,  das  Bistum  ist  ihm  von  Schweden  zu- 
gesagt. Es  ist  zweifelhaft,  ob  dies  Angehot  ehrlich  ist.  Der 
Nuntius  wird  mit  dem  König  sprechen.  Der  König  hat  ihm  sein 
Mißtrauen  gegen  den  Kurfürsten  ausgesprochen,  der  unter  dem 
Vorwande,  daß  das  Bistum  nicht  von  Schweden  besetzt  werde,  es 
selbst  willy^  mk  si  stimano  d'accordo,  e  vedrk  la  congionta  di 
un  canonico  di  Varmia.   lo  dubbito  che  si  perda  tutto  il  regno. 

15.  Heilsbergy  1655  August  1, 

Schreiben  des  Bischofs  von  Ermland  an  den  Nuntius.* 
Teilt  das  Anerbieten  des  Kurfürsten  mit,  Ermland  unter  seinen 
Schutz  zu  nehmen,  in  Braunsberg  und  anderen  Orten  Besatzung 
zu  legen.  Will  darauf  keine  Antwort  erteilen,  bevor  er  nicht 
des  Königs  Ansicht  kennt.  Bitte  um  Schutz.  Eigenhändige 
Unterschrift  Venceslaus  de  Lesnfe. 

16.  Warschau,  1655  August  16. 

Stimmung  des  Königs,  Fluchtgedanken.  Vertrauen  zum 
Papste.  Sendung  des  Abtes  Makoski  nach  Rom?  Der  König  miß- 
traut seinen  Polen,  da  Vertraute  ihm  gesagt,  es  sei  unmöglich, 
Geld  zu  schaffen.  Viddi  il  rfe  molto  abattuto,  h  piü  travagliato, 
e  parlando  dell'  ambasciatore  percosü,  disse,  forsi  converrk  fug- 
gire,  et  andare  io  k  Roma.  Der  König  setzt  sein  ganzes  Ver- 
trauen in  den  Papst  und  hat  den  Nuntius  gefragt,  ob  die  Sen- 
dung des  Abbate  Makoski  Erfolg  haben  würdef^  Der  Nuntius 
antwortet,  der  Papst  betrachte  die  Sache  wie  seine  eigene, 

17.  Krakau,  1655  August  29. 

Der  Großmarschall  *  mißt  die  Schuld  dem  Könige  am  Kriege 
bei.  Warnung  vor  dem  Adel.  Gestern  legte  der  Nuntius  dem  Groß- 

*  Vgl.  Urkunden  nnd  Akten  7,  S.  377  und  die  Verhandlungen  zwischen 
Brandenburg  und  Schweden  bis  zum  Abbruche  der  Stettiner  Traktaten 
S.  878—395. 

"  Siehe  die  Nr.  14. 

*  Aus  den  Akten  ist  nicht  ersichtlich,  ob  diese  Sendung  wirklich  er- 
folgt ist. 

*  Georg  Lubomiraki.  Vgl  Damus,  1.  c,  S.  19  über  den  Anspruch  Johann 
Kasimirs  auf  den  Titel  , König  von  Schweden*. 


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marschall  die  Sache  ans  Herz  und  bat,  daß  er  mit  seinen 
Leuten  den  König  unterstütze.  Dieser  antwortet:  di  haver  ii 
regno  questa  guerra  per  causa  del  rh,  il  quale  non  hk  mai  vo- 
luto  fare  a  modo  del  conseglio  de  senatori  con  lasciare  il  titolo 
di  rh  di  Suetia,  e  che  hk  trovato  nelle  diete  piccole  grand'  ad- 
herenza  k  Suetesi,  hk  perö  detto  alla  regina,  che  il  rfe  si  pro- 
veda  di  soldatesca  pagata  perche  puo  dubbitar  molto  della 
nobiltk. 

18.  KrakaUy  1655  August  29. 

Nachrichten  über  den  König  und  die  Königin, 
Der  König,  aus  Furcht  verlassen  zu  werden,  will  flüchten. 
Der  Nuntius  billigt  den  Entschluß,  da  nach  dem  Verluste 
des  schwachen  Heeres  König  und  Reich  geliefert  seien.  Die 
Königin  ist  sehr  tätig,  mi  tenne  quattr'  höre  seco  und  vertraut 
auf  den  Papst. 

19.  Krakau,  1655  September  4, 

Aufbruch  des  Königs  von  Lowitz,  Verdacht  des  Hochver- 
rates gegen  den  Erzbischof  von  Gnesen.^  Bitte,  diese  Ange- 
legenheit in  Rom  geheimzuhalten. 

Der  König  ist  von  Lowitz  aufgebrochen,  nachdem  ein 
parente  des  Erzbischofs  von  Gnesen  hier  mitteilt,  daß  der 
König  von  Schweden  komme.  Als  sich  dies  nicht  bestätigte, 
hatte  der  König  Verdacht,  daß  der  Erzbischof  dies  absichtlich 
getan,  damit  die  Soldaten  aus  seiner  Stadt  ziehen,  oder  daß 
er  mit  den  Schweden  geheim  verhandle.  Man  erzählt,  er  habe 
an  ihren  General  sehr  höflich  geschrieben:  e  che  non  si  saria 
combattuto,  senon  con  anni  de  vassalli  e  cortesia,  e  tutto 
qaesto  vien  scritto  da  un  segretario  confidente  del  rh  al  gran 
maresciallOy  e  V  awisa  ancora  come  si  era  fatta  speditione  di 
persona  per  trattare  con  il  vk  di  Suetia  con  lettere  di  S.  M*^; 
che  ne  mandö  copia,  e  dice  essersi  pur  scritto  all'  elettore  di 
Brandenburgh.  Der  Nuntius  will  nicht  an  den  Verrat  glauben 
und  bittet  die  Königin,  dies  Mißtrauen  aufzugeben,  da  man 
sonst  dadurch  dem  Reiche  den  letzten  Stoß  versetzen  würde. 
Supplico  V.  S.  111°»*,  che  N.  Sig'®  nel  discorso  col  Sig^  cardinale 


*  Andreas  Lesczynski.   Über   die  Vorgänge  in  Lowitz    vgl.  Damus,   1.  c, 
S.  28. 


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Orsino  e  ministri  di  S.  M**  non  mostri  di  havere  quei  avisi 
che  non  piacessero  k  S.  M*^  che  si  sapessero.  La  lettere  con 
il  nome  tagliato  h  del  confessore  di  S.  M*^.* 

20.  Bielau,  1655  August  28. 

Heillose  Vertvirrung  in  und  um  Lowitz,  Schwache  Hoff- 
nung^ daß  ein  Heer  zusammenkommen  werde. 

21.  Krakau,  1655  September  4. 

Fernbleiben  des  Adels  vom  Heere.  Gerüchte  über  den 
König  und  Mißstimmung  gegen  ihn.  Politik  des  Kurfürsten 
von  Brandenburg. 

Der  Adel  kommt  nicht  zum  Heere,  weil  die  Kunde  verbreitet 
ward,  daß  der  König  tot  e  che  era  scassato  qui  il  tesoro,  e 
levate  molte  gioie  und  der  Erzbischof  von  Gnesen  komme,  um 
einen  andern  König  zu  krönen.  Auch  hätte  man  das  Reich  ohne 
ihr  Wissen  dem  Kaiser  angetragen,  al  che  non  incUnavano  molti, 
e  che  erano  gik  privi  della  Hbertä.  Si  dolgono  molti  che  il 
r&  non  l'ami  e  stimi,  e  che  non  curi  di  perdere  se  stesso  per 
perderli  loro,  e  che  habbia  sempre  nudrita  la  guerra  per  im- 
poverirli.  Mormorano,  e  pochi  si  mostrano  affettionati  al  ri, 
in  modo  che  deve  guardarsi  piü  da  nemici  interni,  che  dalli 
esterni  e  per  questo  si  puö  sempre  dubbitare  di  peggio.  Aus 
Warschau  hört  man,  der  Kurfürst  wolle  una  certa  provisione 
dem  Bischof  und  Kapitel  von  Ermland  gehen,  das  Bistum  an 
sich  nehmen,  aber  die  katholische  Religion  freilassen. 

22.  Krakau,  1655  September  11. 

Neuer  Verdacht  gegen  den  Erzbischof  von  Gnesen.  Der 
Nuntius  wird  an  ihn  schreiben. 

Die  Königin  erzählt  dem  Nuntius,  daß,  als  die  Schweden 
nach  Lowitz  wollten,  begab  sich  ein  kalvinischer  Verwandter  des 
Erzbischofs  per  ottenere  salvaguardia,  mk  fu  persuaso  di  andare 
dal  vh  di  Suetia  il  quäle  gli  domandö  dove  fosse,  e  che  havria 
desiderato  di  havere  trattato  seco  la  pace.  Dadurch  Mißtrauen 
bei   den  Majestäten   und   auch   der  Nuntius  findet   es  seltsam, 


*  Carlo  Soll,  dessen  Schreiben  uns  noch  öfter  begeben  werden. 


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daß  ein  Prälat  mit  Ketzern  verhandeln  will.    Der  Nuntius  wird 
ihm  schreiben^  damit  der  Erzbischof  erfährt^  xoas  er  wissen  muß, 

23.  Krakau,  1656  September  11. 

Unzuverlässigkeit  des  Adels.  Verdacht  gegen  den  Erzbischof 
von  Gnesen. 

Der  sotto  segretario  des  Königs  hat  erzählt^  daß  man  be- 
fürchten kann^  der  unzufriedene  Adel  liefere  den  König  dem 
Feinde  aus  oder  setze  ihn  selbst  gefangen.  Jemand,  der  Diens- 
tag av^  dem  Lager  kam,  teilt  mit,  man  müsse  dem  Erzbischof 
von  Onesen  sehr  mißtrauen.  Der  König  von  Schweden  und 
Ragioschi^  fossero  banchettati  in  Loviz  in  seinem  Namen  und 
das  Kastell  ihm  übergeben. 

24.  Krakau,  1655  September  18. 

Verhalten  des  Adels  im  Palatinate  Krakau,  Anklagen 
gegen  den  König, 

Der  Adel  des  Palatinats  Krakau  hat  sich  beim  Nahen  des 
Feindes  zuriickgezogerij  unter  dem  Vorwande,  Krakau  zu  schützen. 
Für  die  gesamten  letzten  Vorfälle  macht  man  den  König  verant- 
wo^*tlich,  da  er  nicht  angreife  und  sich  als  erster  zurück- 
ziehe. Wenn  dies  wahr  wäre,  sei  es  nur  aus  Mißtrauen  gegen 
den  Adel  geschehen,  der  die  Gelegenheit  benütze,  ihn  zu  verlassen. 

25.  Krakau,  1655  September  18. 

Unterredung  zwischen  dem  Erzbischof  von  Gnesen  und  dem 
Nuntius,  Mißtrauen  der  Königin  und  vieler  gegen  den  Erz- 
bischof  Der  Erzbischof  von  Gnesen  habe  ihm  erzählt,  was 
zwischen  seinem  Verwandten  und  dem  König  von  Schweden  sich 
ereignet.  Er  habe  nur  dem  Wunsche  des  Königs  entsprochen, 
mit  ihm  zu  verhandeln,  und  sei  jederzeit  bereit,  wenn  sein  König 
und  die  Republik  damit  einverstanden  wären.  Der  Erzbischof 
ist  sehr  erregt  durch  die  Zweifel  des  Königs  und  die  Gerüchte 
über  ihn.  Der  Nuntius  sagt:  che  questo  era  il  bersaglio,  al 
quale  erano  sottoposti  i  grandi  della  sua  positione.  Viele  miß- 
trauen ihm,  da  er  hergekommen,  um  sich  der  hier  befindlichen 


^  HieronymoB  Radziejowski,  ehemaliger  polnischer  Unterkanzler,  zu  Karl 
Gustav  übergetreten,  an  dessen  Hofe  er  eine  große  Rolle  spielte. 


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Krone  zu  bemächtigen.  Zwischen  der  Königin  und  dem  Erz- 
hischof  besteht  immer  mehr  Mißtrauen;  der  Nuntius  bemüht 
sichy  es  zu  bekämpfen.^ 

26.  Nissa,  1655  Oktober  12. 

Anfrage  der  Königin  in  Wien.  Unbeliebtheit  der  Königin 
daselbst. 

Die  Königin  hat  um  Gemächer  für  sich  und  ihren  hiesigen 
Hofstaat  gebeten.  Man  hat  darüber  in  Wien  angefragt,  wo 
man  ungehalten  ist  über  die  vielen  Franzosen^  die  hierher  vor- 
ausgekommen.  Die  Königin,  da  sie  in  Frankreich  geboren,  sei 
imbevuta  delle  massime  di  Richelieu  et  hanno  sin  detto^  che 
per  il  fatto  di  Arras*  facesse  la  regina  cantare  il  Te  Deum  k 
Varsavia  nella  sua  cappella  mk  non  credo  fosse  vero. 

27.  Nissa,  1655  Oktober  14. 

Rückkehr  und  Bericht  des  polnischen  Unterhändlers  am 
Kaiserhofe.      Persönliche    Gefahr    des    Nuntius.     Der    Unter- 


^  Das  vorliegende  Material  ergibt  keine  genügende  Klarheit  darüber,  ob 
in  Wirklichkeit  ein  Treubruch  des  höchsten  Kirchenfürsten  im  polni- 
schen Reiche  stattgefunden  hat  Verschieden  beurteilt  wird  allerdings 
bezeichnenderweise  die  Gesinnung  Lesczynskis  gegen  sein  angestammtes 
Herrscherhaus  bereits  in  der  zeitgenössischen  Literatur;  so  hebt  Ko- 
chowski,  I.  c,  S.  61  Lesczynskis  Treue  gegen  Johann  Kasimir  besonders 
hervor,  als  er  von  dem  schmählichen  Abfalle  der  polnischen  Großen 
von  ihrem  Könige  nach  der  Einnahme  Krakaus  im  Jahre  1655  spricht: 
,Primas  Regni  Andreas  Lesczynski  Nyssae  aut  Glogoviae  agebat; 
Casimiro  consiliis  et  fortuna  indivulsus/  Rudawski  dagegen  meint  an- 
läßlich des  Ablebens  des  Erzbischofe,  1.  c,  S.  415:  ,er  sei  dem  Könige 
und  der  Königin  feindlich  gesinnt  gewesen,  wie  sich  dies  am  besten 
zur  Zeit  des  polnischen  Interregnums  gezeigt  habe.  Lesczynski,  da- 
mals Vizekanzler  des  Reiches,  sei  ein  Anhänger  des  österreichischen 
Thronbewerbers  Karl  Ferdinand  gewesen  und  habe  dringend  die  Ge- 
fangennehmung Johann  Kasimirs  verlangt,  was  auch  sicher  geschehen 
wäre,  wenn  Karl  Ferdinand  erwählt  worden  wäre*. 

*  Wahrscheinlich  ist  die  Schlappe  gemeint,  welche  im  französisch-spani- 
schen Kriege  am  25.  August  1654  Turenne  bei  Arras  den  belagernden 
Spaniern  unter  Erzherzog  Leopold  Wilhelm  und  Cond6  beibrachte.  Vgl. 
Heeren  und  Ukert,  Sammlung;  Schmidt,  »Frankreich*  4,  S.  170  und 
Cheruel,  ,La  France  sous  Mazarin*  H,  Cap.  V.  Über  die  Persönlichkeit 
und  die  politischen  Bestrebungen  der  Königin  Louise  Marie  vgl.  Ur- 
kunden und  Akten  8,  S.  267  ff.,  Einleitung. 


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händler^  beim  Kaiser  ist  zurückgekehrt  und  berichtet:  Che  S.  M*^ 
Cesarea  non  si  fidi  del  rfe,  come  che  dubbiti  non  tratti  sinceramente, 
e  molto  meno  delle  Offerte  de  Polacchi^  sapendo  molto  bene,  che 
gran  parte  di  essi  sono  avversi  dal  suo  dominio  e  che  perciö 
habbi  caro  di  vederli  affatto  destituti  per  potere  poi  meglio  sog- 
gettarli  con  V  armi.  Auf  dem  Wege  nach  Wisnitz  haben  die 
Soldaten  des  Königs  ihn  in  die  Hände  der  Schweden  bringen 
wollen^  aber  er  habe  Gott  sei  Dank  eine  andere  Straße  gewählt. 

28.  Glogau,  1655  Oktober  26, 

Der  Kurfürst  von  Brandenburg  in  Danzig.  Schwedische 
Gesandtschaft  an  ihn.  Militärische  Pläne  des  Kurfürsten.  Ab- 
sichten der  Schweden  gegen  Thom. 

Per  via  di  Danzica  s'  fe  inteso  ch'  il  S.  elettore  di  Brande- 
burgo  haveva  chiesto  il  passo  k  quella  eittk*  per  portara  dal 
suo  marchesato  nella  Prussia  ducale  cod  Tarmata  ad  effette  di 
difender  non  solo  questa,  mk  anche  la  provincia  reale,  e  che 
sebene  da  principio  fh  difficoltato,  che  dopoi  gli  fusse  stato 
concesso,  anziehe  fasse  stato  nella  medesima  cittk  di  Danzica 
lautissimamente  banchettato  da  quel  magistrato,  e  che  vi  fusse 
comparso  un'  ambasciatore  del  rfe  di  Suezia  *  con  tri  punti,  ciofe 
per  intender  ciö  che  designasse  di  far  S.  A.  del  suo  esercito,  che 
dovesse  andar  k  prendere  V  investitura  dellä  Prussia  ducale  da 
quella  M*^,  e  che  gU  consegnasse  due  fortezze  sul  mare  Baltico,* 
onde  che  ne  rimanesse  grandemente  sdegnato,  et  havesse  subito 
spedito  alla  M*^  Ces»  sopra  le  dette  propositioni,  e  che  anche  S.  A. 


^  Johannes  Lesczynski  Graf  von  Leszno.  Über  die  Verhandlungen  der 
Polen  am  Kaiserhofe  vgl.  Radawski,  Historiamm  Poloniae  ab  excessu 
Poloniae  Vladislai  IV,  lib.  IX,  ib.  lib.  VI,  S.  206  und  Pribram,  Die  Be- 
richte des  kaiserlichen  Gesandten  Franz  von  Lisola  aus  den  Jahren 
1665—1660,  Einleitung,  8.  18  und  110. 

*  Vgl.  über  diese  Verhandlungen  des  Kurfürsten  mit  Danzig  und  seinen 
Aufenthalt  dortselbst  Damus,  l.  c,  S.  38,  .89. 

'  Die  Nachricht,  daß  ein  schwedischer  Gesandter  zur  Zeit  der  Anwesen- 
heit des  Kurfürsten  in  Danzig,  nach  Damus  am  23.  September  1655,  er- 
schienen sei,  findet  sich  in  keiner  andern  Quelle. 

^  Pillau  und  Memel.  Bereits  die  Verhandlungen  zu  Stettin  im  August 
dieses  Jahres  waren  durch  das  Versagen  dieser  beiden  wichtigen  Plätze 
von  Seiten  des  Kurfürsten  gescheitert.  Siehe  Erdmannsdörfer,  1.  c, 
S.  230. 


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havesse  chiesto  k  Mons'  Vescovo  di  Varmia  di  poter  passare  per 
quel  suo  vescovato,  e  ch'  k  tal  effetto  fasse  ordinato,  ehe  s'  accom- 
modassero  i  ponti,  e  che  quaodo  gli  fasse  negato,  non  poteva 
di  meno  di  non  pigliarselo.  —  Altre  lettere  di  Danzica  portano 
che  1'  elettore  di  Brandeburg  gik  campeggiasse  per  la  Prnssia 
reale,  offerendo  k  quelle  cittk  il  suo  presidio/  che  veniva 
rifiutato,  mentre  si  retrovavano  ben  proviste,  mk  ch'  in  Brusberga 
cittk  del  vescovato  di  Varmia  ve  V  havesse  messo  per  forza.  — 
Sono  State  intercette  alcune  lettere  d'  officiali  Suedesi,  dalle  quali 
s'  fe  raccolto  c'  habbino  mira  di  sorprender  la  piazza  di  Turonia 
in  Prussia,  dove  perö  s'fe  spedito  avviso  che  stijno  vigilanti. 

29.  Glogau,  1655  Oktober  27. 

Der  Beichtvater  des  Königs  sagt,  dessen  Flucht  habe  den 
schlechtesten  Eindruck  gemacht.  Ein  Gesetz  bestimmt,  wenn  der 
König  das  Reich  verläßt,  sind  die  Vasallen  des  Eides  ledig; 
also  die  Folgen  dieses  Schrittes  bedenklich,  denn  der  König  von 
Schweden  wird  schon  die  Gelegenheit  benutzen. 

30.  Glogau,  1655  Oktober  27. 

Unterredung  des  Nuntius  mit  dem  kaiserlichen  Residenten.  * 
Essendomi  veduto  con  il  S.  residente  di  S.  M.  Ces»,  non 
hö  potuto  dimeno  di  non  stendermi  seco,  per  quanto  il  tempo 
m'  hk  concessO)  nel  significarle  cosi  generalmente,  che  ben  mi 
maravigliamo  come  S.  M.  C.  non  havesse  preso  risolutione  sopra 
le  propositioni  portatele,  e  che  doveva  haver  per  indubitatO; 
c'  hormai  era  forzoso  k  questi  S.  S"  di  pensar  k  casi  loro,  e  che 
riccorrendo  ad  altri,  potessi  darsi  caso,  che  b  non  fusse,  ö  non 
divenisse  suo  poco  amico,  e  dove  con  la  guerra  d'un  paro  di 
mesi  havria  potuto  assicurare  la  religione  catolica,  se  stesso,  e 
r  altri  con  tanto  suo  vantaggio,  gli  converria  far  una  guerra 
perpetua  con  incertezza  di  quelle  gli  possa  succedere,  e  che 
non   sapevo   vedere   com*  adducesse  il   timore   di  non  rompere 


*  über  die  Verhandlungen  mit  den  westpreußischen  Ständen  siehe  be- 
sonders Damus,  1.  c,  S.  40;  Lengnich,  Geschichte  des  polnischen  Preußens 
Vn,  140  ff.  und  Urkunden  und  Akten  VH,  395  ff. 

2  Nach  Pribram,  »Lisola*,  S.  104,  1.  c,  Johann  Morando  Girardin,  Resident 
am  Warschauer  Hofe. 


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47 

la  pace  con  la  Suezia,  ^  mentr'  essa  non  hk  havuto  rispetto 
d'  invader  il  regno  senza  sua  saputa,  e  d'  entrarvi  non  chiamato, 
che  perö  molto  piü  poteva  entrarvi  S.  M.  C,  ch'  era  chiamata 
e  pregata.  Non  ha  potuto  non  approvare  il  mio  discorso,  anzi 
m'ha  detto  d'haver  quasi  scritto  il  medesimo,  e  pur  di  non  ne 
ricevere  risposta;  il  che  hö  voluto  riferire  a  V.  S.  111°**  perche 
riconosca  di  non  pretermetter  io  tutto  cio  che  stimo  possa  con- 
ferir  al  ben  pubUco  etc. 

31.  Glogau,  1655  Oktober  27, 

Bericht  des  Kastellans  von  Sochoczowia  *  über  Karl  Oustav, 
seine  Stellung  zur  katholischen  Kirche,  sein  Heer^  Charakteristik, 
Verhalten  zu  den  Polen.  ^ 

II  castellano  di  Sochoczowia  tomato  ultimamente  dal  rh  di 
Suezia,  e  del  quäle  havrk  V.  S.  111™*  congiunto  il  discorso  fat- 
tole*  m' ha  riferito  V  avversione  grande  ch' egH  habbi  non  solo 
alla  religione  catolica,  mk  ad  ogn^  altra  setta  fuori  che  alla  sua 
luterana^  che  niuna  cosa  maggiormente  desideri^  che  di  veder 
in  alcuno  delli  ecclesiastici  piü  conspicui  qualche  notabil  errore, 
perche  da  questo  si  indegno  esempio  ne  succedessero  quei 
scandali^  che  si  prometterebbe  dall'  indulgenze  delle  disolutezze. 
Confido  nella  M*^  di  Dio,  che  non  sia  mai  per  riuscirle,  e  me 
n'  assicura  la  pietk  loro,  e  V  esser  tutto  fiiori  del  regno.  Non 
innoverk  egli  per  hora  in  materia  di  chiese  e  monasteri  cos'  al- 
cuna  per  quanto  si  dice,  mk  vacando,  ne  distribuerk  Y  entrate  k 
8U0  piacere,  e  che  non  sia  per  permettere,  che  si  vestano  in 
avvenire  monachi.  La  militia  sua  h  poca  e  mal  in  ordine,  mk 
tanto  ubbidiente  per  il  rigor  militare,  che  ben  spesso  molti, 
benche  per  cosa  leggiera,  vengono  condannati  alla  morte,  et 
egli  nelle   quereile   dell'  insolenze  che  usano  risponde,  non  ve- 


*  Frieden  zu  Münster. 

'  Adam  Brochowski,  Kastellan  von  Sochoczowia,  wurde  als  Abgesandter 
mit  FriedensYorschlägen  zu  Karl  Gustav  geschickt,  als  die  Schweden 
Ende  September  1655  vor  Krakau  lagen.  Vgl.  Kochowski  in  seinem 
^Annalium  Poloniae  climacter  Wy  S.  58. 

'  Vgl.  die  Charakteristik  des  Schwedenkönigs  bei  Pribram,  ^Lisola', 
S.  120  ff. 

*  Diese  Ansprache  des  polnischen  Unterhändlers  an  Karl  Gustav  findet 
sich  bei  Kochowski,  1.  c,  S.  58. 


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48 

dete  quant'  io  ne  procuri  il  rimedio  nelle  giustitie,  che  s'  ese- 
quiscono,  benche  la  vera  cagione  non  proceda  da  questo,  mk 
dalle  trasgressioni  militari,  che  punisce  con  ogni  maggiore  ri- 
gore;  ch'il  r&  aspiri  e  mediti  gran  cose,  come  che  speri  di  non 
incontrare  chi  se  le  opponga,  esser  avidissimo  della  gloria^  mk 
altre  tanto  inimico  del  fasto  e  della  pompa,  ne  haver  egli  la- 
sciato  di  tentar  la  sua  fede,  come  fk  con  grand'  arte,  e  pro- 
messe con  tutf  i  Polacchi  che  trattano  seco,  k  quaU  usa  ogni 
Sorte  di  cortesia  e  di  confidenza  per  renderseli  benevoli,  ben 
conoscendo,  che  V  acquisto  del  regno  non  consista  nel  spatio 
materiale  del  paese,  mk  neirafFetto  de  sudditi  etc. 

32.  Glogau,  1655  November  2. 

Erklärungen  Viscontis  ^  über  die  Stimmung  am  Kaiserhofe. 

Visconti  sagt,  der  Kaiser  wolle  Hilfe  leisteUj  aber  zuvor 
die  Kurfürsten  fragen.  Er  mißtraut  den  Polen  und  wünscht, 
daß  sie  nichts  von  der  Hilfe  wissen.  Im  Vertrauen  sagt  er  dem 
Nuntius:  che  vi  sia  io  quella  corte  poco  concetto  del  re,  che 
non  applichi,  e  che  piü  toste  inclini  k  Francia.  Die  Königin 
ist  unbeliebt  und  die  Kaiserin^  habe  ihr  übelgenommen,  daß 
sie  nicht  geschrieben,  als  sie  in  ihr  Reich  kam. 

33.  Glogau^  1655  November  8. 
Visconti  in  Ungnade. 

Der  König  hält  Visconti  troppo  partiale  di  casa  d'  Austria, 
wird  deshalb  nach  Frankfurt  gesendet 

34.  Oppeln,  1655  November  15. 

Stimmung  am  Kaiserhofe  gegen  Polen.  Furcht  vor  Schwe- 
den.   Üble  Lage  des  Königs. 


*  Visconti,  polnischer  Resident  in  Wien. 

'  Im  Widerspruche  zu  dieser  Angabe,  daß  die  Kaiserin  gegen  die  Königin 
während  ihres  Aufenthaltes  in  Glogau  verstimmt  gewesen  sei,  findet 
sich  bei  Kochowski,  Annalium  Poloniae  climacter  n,  S,  37  die  Nachricht, 
daß  Marie  Louise  von  allen  Seiten  Trost  zugesprochen  wurde,  zuerst 
von  Seiten  des  Kaisers,  dann  aber  auch  ,Eleonora  imperatrix  Ludovicam 
Reginam  ex  Gonzagarum  stirpe  affinem  sibi,  similiter  in  eo  infortunio 
solabatur'. 


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49 

Von  einem  österreichischen  Offizier,  der  viele  Beziehungen 
ZV/m  Kaiserhofe  habe,  hat  der  Nuntius  erfahren,  daß  man  nicht 
nv/r  nicht  an  Hilfe  für  Polen  denkt,  sondern  auch  den  König 
ungern  im  Reiche  sieht,  aus  Furcht^  die  Schweden  könnten 
herkommen,  ihn  zu  fangen,  oder  es  könnte  Krieg  daraus  dem 
Kaiser  entstehen,  ^  Der  Nuntius  hat  den  König  gebeten,  in  sein 
Reich  zurückzukehren^  doch  fürchtet  er  sich,  von  neuem  ver- 
raten zu  werden,  und  würde  nach  Preußen  gehen,  wenn  er  des 
Kurfürsten  sicher  wäre. 

35.  Oppeln,  1655  November  22. 

Mißstimmung  gegen  den  König.  Schreiben  des  Kurfürsten 
von  Brandenburg, 

Der  Qrofikanzler  berichtet  über  die  schlechte  Stimmung 
gegen  den  König,  Alle  wollen  ihn  verlassen,  falls  er  mit  den 
Schweden  abschließt.  Auch  herrscht  Unwillen,  da  er  nichts  den 
Offizieren  zahlt.  Schreiben  des  Kurfürsten  an  den  König,  er 
sei  sein  Freund,  wünsche,  daß  er  mit  dem  Kaiser  verhandle, 
au^h  seien  noch  die  Engländer  als  Hilfe  zu  hoffen. 

36.  Oppeln,  1655  November  25. 

Intriguen  der  österreichischen  Befehlshaber  in  Schlesien 
gegen  den  König.  Klagen  des  Königs  darüber.  Die  Komman- 
danten der  Österreicher  verbreiten  das  Gerücht,  daß  schwedische 
Reiter  anrücken,  damit  der  König  das  Land  verlasse,  und 
machen  ihm  auch  sonst  Unannehmlichkeiten.  Der  König  ist 
darüber  empört,  er  beklagt  sich  bei  dem  Nuntius  über  den 
Kaiser.  Der  Nuntius  beschwichtigt  ihn  und  glaubt,  daß  es  nur 
Übereifer  der  Offiziere  sei,  fürchtet  aber,  daß  schlechte  Berater 
ihn  beeinflussen,  indem  sie  ihn  zu  überreden  versuchen,  ins  Reich 
zurückzukehren,  woher  er  mit  so  viel  Schaden  geflüchtet. 

37.  Ologau,  1655  Dezember  4. 

Klagen  des  Königs  über  den  Kommandanten  von  Oppeln. 


^  Vgl.  Über  die  Beweggründe,  von  welchen  der  Kaiser  sich  in  seiner 
Politik  den  Polen  gegenüber  leiten  ließ,  anter  anderem  die  Einleitung 
bei  Pribrams  ,Lisola'  and  über  die  Stimmnng  in  Wien  nach  der  Flacht 
Johann  Kasimirs  auf  schlesisches  Gebiet  vgl.  Urkunden  und  Akten  7, 
S.  421  £E: 

ArohiT.  XCV.  Band.  I.  H&lfte.  4 


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50 

Der  General  Spose  hat  dem  Klhitge  einen  Brief  des  Kaisers 
gezeigt,  worin  in  gewisser  Art  befohlen  wird,  den  König  nicht 
in  Oppeln  zu  lassen.  Alles  dies  ist  aus  Furcht  geschehen,  mit 
Schweden  zu  brechen. 


38.  Glogau^  1655  Dezember  4. 

Verhaftwng  des  Profossen(f)  von  Weichsdmünde  wegen  Hoch- 
verrates, 

Era  stato  fatto  prigione  in  Danzica  il  provosto  della  lan- 
terna^  per  intelligenze  con  rVrangel,*  onde  da  quello  si  cre- 
deva  di  scoprir  mold  altri  affettionati  al  partito  Suedere,  e  pro- 
vedere  all'intiera  sicurezza  di  qaeUa  cittk. 

39.  Ologau,  1655  Dezember  13. 

Abzug  Wrangeis  von  Danzig.  Bestätigung  der  Nachricht, 
betreffend  den  Hochverrat  in  Weichselmünde.  Schreiben  Danzigs 
an  den  polnischen  König. 

40.  Glogau,  1655  Dezember  18. 

Scrivono  di  Danzica  la  ritirata  da  quel  mare  del  general 
Vrangel  senz'  alcun  fi'utto,  e  che  si  fusse  lasciato  intendere  di 
tornar  in  prima  vera  con  maggiori  forze,  e  confermano  la  car- 
ceratione  di  quel  prevosto  con  due  altri,  uno  de  quali  di  qual- 
che    conditioni,    perche    havessero    corrispondenze   pregiudiciali 


^  Die  ^Laterne*  war  nach  Hobarg,  ^Geschichte  der  Festungswerke  Danzigs', 
8.  121  ein  gemauerter  runder  Turm,  dessen  oberer  Teil  als  Leuchtturm 
eingerichtet  war,  und  daher  erhielt  dieser  stark  befestigte  Punkt  des 
alten  Blockhauses  Weichselmünde  die  obige  Bezeichnung.  Ob  nun  unter 
dem  ,Provo8to  della  Lantema*  einer  jener  Kommandanten  der  Festung, 
welche  Hoburg,  ib.  S.  120  für  unsere  Zeit  aufführt,  angenommen  wer- 
den dürfte,  läßt  sich  schwer  sagen.  Pierre  des  Nojers,  Sekretär  der  polni- 
schen Königin,  spricht  einmal  in  seinen  ,Lettres*  S.  198  von  dem  ,fort  de 
la  Lanteme*,  in  welchem  die  Danziger  den  schwedischen  General  Steen- 
bock  gefangenhielten.  Über  diesen  Hochverrat  ,dans  le  fort  de  Meinde* 
berichtet  er  S.  36.    Vgl.  auch  Rudawski,  Hist.  Poloniae.  Lib.  VI,  8.  226. 

'  Karl  Gustav  Wrangel,  schwedischer  General,  blockierte  mit  der  Flotte 
den  Hafen  von  Danzig  seit  Anfang  September  des  Jahres  1666.  Vgl. 
Damus,  1.  c,  8.  39. 


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61 

col  Sttdetto  generale,^  che  seguitarano  tuttavia  le  fortificationi 
con  li  qnali  si  rendeva  hormai  inespugnabile  la  piazza.  B  ma- 
gistrato  die  quella  cittk  hk  scritto  k  8.  M.  lettere  di  grandissimo 
ossequio^  dichiarandosi  ohe  se  le  conservark  fidelissimo  per 
sempre. 

41.  Glogauy  1655  Dezember  13. 

Das  Defensivbündnis  in  Rinsk  mit  den  westpreußischen 
Ständen  und  nochmals  die  Forderungen  Karl  Gustavs  an  den 
Kurßirsteii. 

Se  bene  sotto  li  22  passato  inviai  k  V.  S.  111°^  le  con- 
ventioni  ßtabilite  fra  il  Ser"®  di  Brandeburg  e  li  SS"  stati  di 
Pmssia*  tuttavia  essendo  stati  rimessi  qui  per  la  confermatione 
di  S.  M*'  in  miglior  forma,  lo  stimato  bene  di  rimetterli  di 
nuovo,  havendomene  favorito  Mons'^  arcivescovo '  e  S.  M'^  col 
parere  de  senatori  s'  h  compiasciuta  confermarli  con  aggiunta 
per6  d'alcuna  cosa  come  s'annota  in  margine.  Da  essi  vedrk 
y.  S.  111°^  quanto  in  questa  occasione  si  siano  mostrati  quei 
SS"  palatini  zelanti  della  religione  catolica  della  preservatione 
de  beni  ecclesiastici  e  del  rispetto  dovnto  k  Mons'  Vescovo  di 
Varmia:  onde  stimo  che  S.  B.  se  ne  rallegrerk  molto  nella  con- 
tinuatione  de  travagli,  che  per  tant'  altri  infelici  successi  di 
queste  parti  lo  molestano,  et  essendomi  anche  capitate  le  di- 
mande,  che  si  dissero  gik  fatte  dal  r^  di  Suezia  all'  elettore 
sudetto,  e  per  le  quali  ne  rimase  tanto  alterato  le  ne  mando 
pur  copia,  perche  N.  S"  resti  intieramente  informato  di  tutte 
quelle  occorrenze,  che  ooncemono  la  notitia  di  questi  affari. 

42.  Krosno,  1656  Januar  9. 

Kriegsnachrichten,  Gerücht  von  dem  bevo^'stehenden  Bunde 
zwischen  dem  Kurßlrsten  und  Schweden.  Polnische  Gesandt- 
Schaft  an  den  Kurfürsten,    Itinerar  des  Nuntius. 


^  Eine  Bestätigung  dieser  Nachricht  findet  sich  auch  ^ei  Noyers,  1.  c, 
S.  55.  Dat.  Glogau,  17.  Janaar  1656.  Noyers  selbst  hatte  die  Danziger 
darüber  verständigt,  zur  Zeit,  als  er  in  Paris  war. 

'  Das  Bündnis  wurde  zwischen  dem  Kurfürsten  und  den  Ständen  am 
12.  November  1656  zu  Rinsk  geschlossen. 

*  Der  Erzbischof  von  Gnesen,  Primas  des  Reiches.  Der  Inhalt  des  Ver- 
trages bei  V.  Mömer,  Kurbrandenburgische  Staatsverträge,  S.  192  ff. 

4* 


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52 

Doppo  Timpresa  fatta  da  Saezzesi  della  cittä  di  Tiironia 
in  Prussia  senz'  alcun  spargimento,  di  sangae  delle  parti  ^  s'  era 
qael  r^  *  incaminato  verso  Eibinga,  mk  dubitando^  che  V  ac- 
quisto  gli  potesse  riuscir  dif&ciley  procurava  per  via  d'accordo 
la  resa  et  intanto  il  palatino  di  Marienburgo'  s'era  messe  in 
buena  difesa  con  haver  presidiato  la  cittk^  e  fortezza  di  4000 
persene,  risoluto  in  caso  d'  attaeco  di  difendersi  sin'  all'  ultimo 
spirito.  —  Alcune  lettere  di  Prussia  portano  come  il  Ser"**  di 
Brandeburg  pensasse  all'  aggiustamento  con  i  Suezzesi,  onde  di 
qua  se  le  spedisse  k  rappresentarle  il  stato  presente  delle  cose, 
e  per  divertirlo  da  simile  risolutione  tanto  pregiudiciale  k  se 
stesso,  et  k  tutti.*  Der  Nuntius  hat  am  18.  Dezember  1655  in 
Begleitung  des  Königs  Glogau  verlassen^  um  sich  über  Ungarn 
wieder  nach  Polen  zu  begeben.  Sehr  gefährliche  Reise  wegen 
der  angeschwollenen  Flüsse,  des  Schnees  und  der  räuberischen 
Bewohner  der  Berge  Ungarns.^ 

43.  Krosno,  1656  Januar  9. 

Berichte  Viscontis  und  des  päpstlichen  Nuntius  aus  Wien. 
Ansichten  Vidonis  über  die  Hoffnung  für  Polen,  vom  Kaiserhofe 
Hilfe  zu  erhalten,  Bitte,  den  Nuntius  in  Wien  zur  Beharrlich- 
keit anzufeuern, 

Le  lettere  deUi  15.  passato  di  Vienna  dels'  residente 
Visconti  avvisano  d'  haver  egli  ricevuto  da  S.  M.  Ces»  una  lunga 
audienza  e  d'  haverle  rappresentato  in  conformitk  delle  instrut- 
tioni  ricevute,  tutti  i  mottivi,  e  ragioni,  che  meglio  poterano 
persuaderlo  k  porgerci  i  sospirati  aiuti,  e  che  S.  M*'  Ces*  si 
havesse  fatto  gran  riflesso^  e  dettole  che  informasse  i  suoi  mi- 
nistri^  e  ne  dasse  scrittura^  e  fk  sperare  che  finalmente  S.  M. 
Ces*  sia  per  disporsi  k  consolarci^  mk  ritenend'io  lettere  da 


*  Die  Einnahme  Thoms  erfolg^  am  4.  Dezember  1666.  Siehe  Erdmanns- 
dörfer,  L  c,  S.  240. 

■  Karl  GußUy. 

'  Graf  Jakob  Weiher,  Woiwode  von  Marienborg. 

*  Über  diese  Yerhandlnng^n  zwischen  Brandenburg  und  Schweden,  welche 
am  17.  Januar  1666  zum  Abschlüsse  des  EOnigsberger  Vertrages  führten. 
Siehe  unter  anderen  bei  Pribram,  ,LisolaS  1.  c,  S.  130  ff. 

'  Vgl.  die  Reiseschilderung  des  Danzigers  Barkmann  durch  dasselbe 
Gebiet  bei  Damus,  L  c,  S.  60  & 


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53 

quel  Mons'®  nuntio^  delli  13  che  mi  significano  come  prima  di 
prender  altra  deliberatione  si  volevano  aspettare  le  risposte 
del  rh  di  Suezia  sopra  la  mediatione  proposta  non  sapevaperö 
che  frutto  potessero  portare  i  nnovi  ufBcii  da  passarsi  dals^  Pa- 
latino di  Laneicia  che  sperava  la  prima  audienza  k  20  del 
passato^  il  che  stimo  piü  probabile,  anzi  lo  dissi  gik  k  S.  M. 
perchfe  non  vorrk  S.  M.  Ces*  nello  stesso  tempo  esser  media- 
tore  e  collegato  delle  parti.  La  tardanza  per6  ci  rende  sempre 
maggiori  pregindicii^  e  senza  V  aiuti  forastieri,  dabito  ch'  alla 
fine  non  sark  possibile  V  awanzarsi  k  gran  cose^  tanto  piü  se 
si  yerificasse  che  Telettore  di  Brandeburgo  sia  per  aggiustarsi 
con  li  Suezzesi.  II  secretario  del  detto  S'  palatino  che  h  stato 
da  Mona'  nnnzio  e  ch'  haveva  gik  introdotto  qualche  negotiato 
m'  awisa  scoprirsi  rilevanti  oppositioni  k  nostri  desiderii,  e  perö 
snpplioo  V.  S.  111"*  continuare  al  stesso  Mons'  nunzio  li  ordini 
per  non  desistere  dalle  sae  rigorose  istanze,  gik  che  li  aiuti 
di  S.  M.  Ces^  possono  assicurar  meglio  la  religione  catolica  di 
quelli  d'  ogn'  altro  principe  per  i  rispetti  che  saran  noti  all'  in- 
finita  prudenza  di  V.  S.  Hl"». 

44.  Lancut  (Lamuta),  1656  Januar  17, 

Der  Kwrßirst  verbündet  sich  nicht  mit  Schweden.  Elbing 
hält  sich.    Damig  versichert  seine  Treue  und  rüstet  fort, 

Le  lettere  di  Prussia  portano  come  il  Seren"**  di  Brande- 
burg non  si  fusse  poi  aggiustato  con  li  Suedesi^  che  Elbinga 
si  difendesse  tuttavia  bravamente,  sebene  il  r^  di  Suezia  ha- 
veva Ordinate  k  tutti  li  suoi  capi,  che  per  li  12  del  corrente 
tutti  si  ritrovassero  con  le  loro  truppe  sotto  quella  piazza.  La 
cittk  di  Danzica  intanto  oontinuava  il  suo  armamento^^  e  fk 
assicurare  S.  M.  col  mezzo  del  suo  secretario  residente  della 
costanza  della  sua  fedeltk^  e  divotione. 

45.  Lancuty  1656  Januar  17, 

Letzter  Bericht  des  Palatins  von  Laneicia  aus  Wien:  Die 
Aussichten  auf  Hilf e  sind  nicht  größer  geworden;  er  verzweifelt 


^  Karl  Cara£fa,  päpstlicher  Nuntias  in  Wien. 

'  Ober  die  umfassenden  Verteidigungsanstalten  in  Danzig  zu  dieser  Zeit 
vgl.  Damus,  1.  c,  S.  58  ff. 


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64 

dennoch  nicht,  sondern  wartet  heisere  Gelegenheit  ab.  Vorschlag, 
Frieden  mit  dem  Moskounter  zu  machen,  um  ihn  gegen  Schweden 
auszuspielen,  ^ 

46.  Lancut,  1656  Januar  24. 

Einnahme  Elhings.  Schlappe  der  Schweden  durch  die 
Brandenburger.  Bauernaufstand  in  Samogitien  und  Livland. 
Die  Absendung  seiner  Post  hat  sich  verzögert  •  .  .,  et  essendo 
comparsi  awisi  di  Prussia  dal  magistrato  di  Danzica  della  resa 
d' Eibinga  k  Suedesi,*  e  che  questi  doppo  fussero  stati  grava- 
mente  battuti  d'airarmi  dell' elettore  di  Brandeburgo,  ne  porto 
k  V.  S.  111™*  r  avviso,  che  se  si  confermerk,  sara  considerabile. 
Der  Aufstand  der  Bauern  in  Samogitia  und  Livonia^  gegen 
die  Schweden  und  gegen  ihre  eigenen  Herren,  die  salvagardie  Sue* 
tesi  besitzen. 

47.  Lancut,  1656  Januar  24. 

Berichte  des  Nuntius  in  Wien  und  des  Palatins  von  Lan- 
cicia  über  die  geringen  Aussichten  auf  Hilfe.  Ansichten  bei 
den  Polen  darüber. 

Verwunderung  darüber,  daß  trotz  der  Audienz  am  ver- 
gangenen Freitag  beim  Könige  auf  Befehl  des  Papstes  noch 
keine  Antwort  erfolgt  sei.  Daraus  ist  Unschlüssigkeit  zu  ent- 
nehmen. Der  Nuntius  in  Deutschland^  teilt  am  5.  mit,  daß 
kein  Erfolg  trotz  der  erneuten  Verhandlungen  mit  dem  Gesandten 
von  Spanien  ^  und  dem  Fürsten  von  Ausperg  *  zu  verzeichnen  ist. 
B  S^  Palatino  di  Lancicia,  che  per  s'  affatica  con  1'  aso  della 
sna  prudenza^  et  applicatione^  scrive  di  sperar  tanto  poco^  che 


^  Der  Gzar  Alexei  Michailo witsch  hatte  bereits  im  April  1664  den  Krieg 
gegen  Polen  begonnen.  Als  natürlicher  Nebenbuhler  Schwedens  in 
der  Angriffspolitik  gegen  das  schwache  polnische  Reich  lag  fQr  die 
polnischen  Diplomaten  der  Gedanke  sehr  nahe,  mit  dem  einen  der 
Gegner  Frieden  zu  schließen  und  dadurch  einen  Verbündeten  gegen 
Schweden  zu  gewinnen. 

'  Elbing  ergab  sich  am  20.  Dezember  1655. 

'  Vgl.  unter  anderen  Damus,  1.  c,  S.  62. 

*  Karl  Caraffa. 

^  Der  Marchese  von  Gastel  Rodrigo. 

•  Job.  Weikhard,  Fürst  von  Auersperg.  Vgl.  über  ihn  Pribrams  »LisolaS 
Einleitung,  S.  30. 


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55 

non  se  ne  possa  far  alcun  capitale,  onde  V.  S.  BI"^  puol  bene 
considerare  il  grave  sentimento  col  quäle  qui  se  ne  rimane  ve- 
dendosi  abbandonati  da  quella  parte  dove  piü  si  confidava,  e 
che  si  stimava  la  piü  interessata  in  qaesta  causa  commune.  Li 
discorre  qui,  che  possa  attribuirsi  alla  poca  salute  in  che  si 
trova  S.  M.  C,  e  che  per  ogni  accidente  non  vorria  lasciar  la 
8ua  casa  con  simil  imbarazzo,  et  altri,  che  convenga,  che  pensi 
k  i  soccorsi  di  Fiandra  e  di  Milano,^  in  modo  che  minute  le 
sue  piazze  de  frontiera,  non  possa  haver  gente  k  bastanza  di 
por  in  campagna,  con  tutto  ciö  pare  ch'  il  debellare  questo  com- 
muDe  nemico  potesse  esser  piü  vantaggio  di  quell' August"**  casa, 
e  ch'appunto  adesso  se  ne  dovesse  assicurare,  e  quanto  all'in- 
Yiar  i  detti  aiuti,  che  questo  saria  un  facilitar  V  acquisto  de 
suoi  stati  al  nemico,  il  quäle  V  intraprenderk  maggiormente  per 
divortirlo  del  disegno,  e  per  corrispondere  k  suoi  confederati, 
e  non  voglia  Dio  se  ne  vedano  presto  averati  i  pronostici. 

48.  Lancut,  1656  Januar  24, 

Ältere  Damiger  Nachrichten  über  Vorgänge  hei  der  Ein- 
schließung Elbings  durch  die  Schweden. 

Di  Prussia  non  vi  sono  lottere,  che  assai  vecchie,  le  quali 
riferiscono,  come  havendo  la  cittk  d'  Eibinga  inviati  due  suoi 
deputati  al  vh  di  Suezia,  li  teneva  egli  come  arestati,  non  vo- 
lendoli  rilasciare,  se  prima  non  ricevevano  il  di  lui  presidio,  la 
cittk  di  Danzica  perö  non  solo  li  haveva  esortati  alla  difesa, 
mk  gli  haveva  anche  esebito  aiuti  per  farlo  maggiormente,  che 
perö  s'attende  con  desiderio  il  seguito. 

49.  Lammtj  1656  Januar  24, 

Klagen  des  Königs  über  den  Kaiser,  In  Glogau  sei  eine 
Schrift,  worin  eine  Einladung  des  Adels  enthalten,  daß  der 
König  zurückkehre^  im  Hause  des  Druckers  mit  Beschlag  be- 
legt worden.  Der  König  hat  mit  Senatoren  über  die  eoentuelle 
Ankunft  der  Königin  gesprochen.  Diese  haben  geraten,  sie  zu 
verschieben,  da  die  Straßen  unsicher  sind.    Der  Nuntius  glaubt. 


^  Es  sind  die  Trappen  gemeint,  welche  der  Kaiser  znr  YerfQgang  auf 
dem  Kriegsschauplatze  des  noch  immer  fortgehenden  Kampfes  gegen 
Frankreich  haben  mußte. 


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56 

weil   sie   befürchten,    daß  der  König  mehr   auf  den   Rat   der 
Königin  als  auf  den  ihrigen  hören  würde. 

50.  Laneut,  1666  Januar  28. 

Gesandtschaften  an  den  Kurfürsten,  damit  er  sich  nicht 
mit  Schweden  verbünde,  Besorgnis^  daß  der  Kurfürst  sich  an 
Schweden  anschließe,  da  ihm  in  Wien  die  Hilfe  verweigert 
XDurde. 

AI  Seren™'*  elettore  di  Braüdeburg  si  sono  fatte  varie  spe- 
ditioni  per  rimoverlo  dai  peDsieri,  ^  che  potesse  havere  d'  aggiun- 
tarsi  con  la  Suezia,  e  se  le  fk  sperare  la  congiuntione  di  quest'  armi 
alle  sue.  —  Sfe  inteso  di  Vienna  eh'  il  Seren"**  di  Brandeborg 
havesse  chiesti  6000  fanti  k  S.  M.  C.  per  aiuto  delle  sue  trappe, 
e  che  gli  fussero  stati  negati,*  il  che  tanto  piü  fk  temere,  ch'elli 
non  prenda  partito  d' aggiustarsi  con  la  Snezia. 

51.  Samhor,  1656  Februar  8. 
Kunde  von  dem  Königsberger  Vertrage, 

Einzelheiten  fehlen.  Man  hört,  daß  der  Kurfürst  den 
Schweden  seine  beste  Mannschaft  zu  Fuß  und  Reiter  zur  Ver- 
fügung stellt,^  dafür  ihm  Ermland  abgetreten  wird.  Doch 
wartet  man  auf  sichere  Kunde, 

52.  Sambor,  1656  Februar  8. 

Abreise  des  Palatins  von  Lancicia  aus  Wien  unverrich- 
teter  Sache.  Schilderung  der  verzicei feiten  Stimmung  hier  in- 
folgedessen, besonders  da  durch  den  Bund  des  Kurfürsten  mit 
Schweden  die  Feinde  noch  mächtiger  sind, 

53.  Sambor,  1656  Februar  8. 

Klagen  des  Königs  über  den  Kaiser  und  Ansicht  des 
Nuntius  über  die  Gefahr  einer  polnisch- schwedischen  Annähe- 
rung gegen  den  Kaiser, 


^  Vgl.  über  die  Gesandtschaft  Johann  Kasimirs  an  den  Kurfürsten  za 
dieser  Zeit  bei  Droysen,  Geschichte  der  preußischen  Politik  O  j,  S.  246 
und  Urkunden  und  Akten  2,  S.  75. 

*  Ober  die  Versuche  des  Kurfürsten,  den  Kaiser  zur  Hilfe  gegen  Schweden 
zu  bewegen.    Vgl  Urkunden  und  Akten  VII,  440  ff. 

»  1500  Mann.  Mörner,  l.  c,  S.  196  ff. 


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57 

Unwillen  gegen  den  Kaiser,  da  er  keine  Hilfe  sendet  und 
die  Polen  schlecht  behandelt  werden.  So  wurden  einige  in 
Schlesien  an  die  Schweden  ausgeliefert  und  enthauptet;  dem 
Bischöfe  von  Kulm,^  der  sich  in  Oppeln  aufhielt,  sei  gesagt 
worden,  daß  er  wenn  er  nicht  abreise,  ausgeliefert  würde.  Der 
Nuntius  solle  sofort  an  den  Nuntius  in  Wien  schreiben  und, 
wenn  keine  Genugtuung  erfolgt,  conosco  S.  M*^  pronta  alla  Ven- 
detta; der  König  hat  nämlich  gesagt,  wenn  er  Tataren  haben 
würde,  würde  er  dv/rch  Schlesien  nach  Pommern  ziehen  und 
sich  mit  den  Schweden  gegen  den  Kaiser  verbinden.  Der  Nun- 
tius  bittet  ihn,  die  öffentliche  Ruhe  zu  wahren.  Auch  wundert 
sich  der  König  seit  lange,  daß  der  Resident  Visconti  in  Wien 
gar  nicht  mehr  schreibt.  Als  er  dann  geschrieben  hat,  bleibt 
das  Mißtrauen  des  Königs  gegen  ihn  bestehen. 

54.  Lemberg,  1656  Februar  15, 

Urkunde  der  Senatoren  Littauens  und  darauf  des  Königs, 
worin  bestätigt  wird,  die  Summe  von  33.000  Talern,  ein  Ge- 
schenk des  Papstes,^  von  den   Wiener  Kaufleuten   Cäsar  und 


Johann  Lesczynski. 
'  Eine  genaue  Darstellung  der  Teilnahme  und  Tätigkeit,  welche  Papst 
Alexander  VU.  für  da^  gefährdete  Polenreich  hewies,  findet  sich  in  der 
Lehensgeschichte  dieses  Papstes  von  Sforza  Pallavicino  ,yita  di  Ales- 
sandro  YII'  (Prato  1839).  Dort  heißt  es  S.  326  ff.:  ,Auf  die  Kunde 
von  den  Erfolgen  Karls  in  Polen,  Ende  Juli  1655,  und  nach  den  Ge- 
sandtschaften Johann  Kasimirs  an  den  Kaiser  und  Papst  war  Alezander 
erschüttert.  Seine  Meinung:  „Vielleicht  als  Strafe  Gottes  oder  wegen 
der  Menschen  Ruchlosigkeit  könnte  dieses  groBe  südliche  Bollwerk  der 
katholischen  Religion  zugrunde  gehen,  jedoch  Sache  des  heil.  Stuhles 
sei  es,  dies  zu  verhindern.  Er  sei  hereit,  zur  Rettung  Polens  alles 
Silber  der  Kirche  zu  verkaufen.  Dann  aber  sandte  er  zwei  Boten  an 
Johann  Kasimir  und  den  Kaiser.  Den  Polen  zeigte  er,  vor  welchem 
Abgrunde  das  Land  und  die  Christenheit  stünden,  wenn  die  Ketzer  es 
erwerben.  Die  Versprechen  Karl  Gustavs  auf  Religionsfreiheit  würden 
entweder  oft;  verletzt,  oder  selbst  wenn  sie  gehalten,  würden  die  Ka- 
tholiken mit  MiBtrauen  behandelt  und  keinen  Anteil  an  öffentlichen 
Ämtern  haben.  Sie  sollten  nur  nach  England,  Schottland,  Irland,  den 
Niederlanden  und  Ländern,  wo  Ketzer  herrschen,  sehen,  wie  elend  dort 
die  Katholiken  leben  und  welchen  Anfeindungen  sie  ausgesetzt  sind.  Als 
Unterstützung  schickte  er  dem  Könige  30.000  Scudi,  eine  Summe,  die  in 
jenen  geldarmen  Landen  mehr  als  90.000  Wert  hatte,  außerdem  die 
Erlaubnis,  daa  Kirchengeräte  anzugreifen,  mit  der  Verpflichtung,  es  bei 


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Octavio  Pestalozzi  durch  den  Gregor  Berkman,  Secretarius  Qe- 
danensisy  erhalten  zu  haben.^ 

55.  Lemberg  (Leopoli),  1656  Februar  16. 

Verbindung  des  Nuntius  mit  dem  Kurfürsten  durch  den 
Kanonikus  Vituski, 

Premend'  io  come  devo,  d'  haver  tntte  le  corrispondenze, 
che  ponno  farmi  havere  cognitione  di  tutti  graflFari,  che  cor- 
rono,  non  meno  per  incontrar  pienamente  la  mente  di  S.  B., 
che  per  poter  meglio  adempir  le  mie  parti,  pregai  il  S.  ca- 
nico  Martiano  Vituski  mio  amorevole,  che  fii  gik  spedito 
al  Ser™®  di  Brandeburg,  di  volermi  far  parte  de  suoi  negotiati, 
e  vedo  dal  tenor  della  sua,  che  V  hä  fatto,  mk  non  m'  fe  sin 
hora  capitata  altra  sua  lettera,  fuorche  la  congiunta,  che  ri- 
metto  k  V.  S.  111™*,*  dalle  quäle  si  scuopre  qualche  particolare. 


besseren  Zeiten  wieder  zu  ersetzen.  Durch  seinen  Nuntius  ließ  er  den 
Bischöfen  und  katholischen  Palatinen  Breve  zukommen,  worin  sie  auf 
die  Vernichtung  ihrer  geistlichen  und  weltlichen  Stellung  aufmerksam 
gemacht  wurden,  so  lange  ein  Feind  des  Glaubens  im  Lande  herrsche, 
der  außerdem  der  alte  Feind  des  Staates  sei.*  Wie  wir  aus  einem 
Gegenschreiben,  datiert  Rom,  1655  September  20,  erfahren,  hatte  sich 
der  Papst  damals  trotz  des  schlechten  Zustandes  seiner  Finanzen  zu 
dieser  Schenkung  entschlossen.  In  einem  Gespräche  mit  seinem  Se- 
kretär Doni  sagte  der  Papst,  daß  es  manchmal  sich  ereignet,  wegen 
Mangel  an  Geld  ,8i  siano  perdute  ottime  cogiunture'  und  er  beschloß, 
an  den  Nuntius  ,una  polizza  di  credita  per  la  somma  di  trentamila 
scudi*  zu  senden. 

Barkmann  hat  mit  dem  Nuntius  zu  verschiedenen  Malen  Finaniopera- 
tionen  erledigt  Vgl.  darüber  Damus,  1.  c,  S.  45  und  58. 
Dieses  Schreiben  des  Kanonikus  Vituski,  datiert  Regiomonto,  14.  Januar 
1656,  bringt  die  Wünsche  des  Kurfürsten  zum  Ausdrucke  und  hat  fol- 
genden Wortlaut:  ,A  i  21  Novembre  h6  scritto  k  V.  S.  Dl"»»  Sig*  e 
Padrone  mio  S'^,  quanto  L^  elettore  era  restato  pronto  k  dar  effettivi 
soccorsi  k  Sua  Real  Maesta,  et  informatosi  egli  medesimo  della  qualiti 
della  persona  di  V.  S.  Hl"»  m*  haveva  richiesto  di  scriver  k  V.  S.  111"* 
accio  per  mezzo  dell*  autorita  della  Santita  di  Nostro  Sig^  operasse 
V.  S.  111°**  che  non  solamente  gl' elettori  spirituali  ma  anche  li  ves- 
covi  maggiori  d'Alemagna  come  quello  di  Saltzburg,  Paderborna 
et  altri  simili  concedessero  le  levate  di  gente  ne  i  loro  dominii  e 
trattandomi  molto  confedentemente  moströ  nna  gran  stima  e  contro 
che  faceva  di  Sua  Santita  dicendo  che  si  doyeva  far  fonda- 
mento  della  sua  persona,  dichiarendo  anche  che  voleya  haver  un 


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che  non  le  riuscirk  forsi  discaro;  e  perch'  egli  accenna,  che 
S.  A.  voleva  haver  meco  corrispondenza,  la  supplico  de  senti- 
menti  di  N.  S"  in  ordine  k  ci6,  da  quali  non  deviarö;  e  se  in- 
tanto  sin  capitasse  qualche  lettera  (che  non  crederci)  non  usciro 
nelle  risposte  da  i  termini  generali  di  complimento^  sin  che  non 
riceva  i  comandi  di  S.  B.;^  come  debba  regolarmi. 

56.  Lemherg,  1656  Februar  16, 

Nachricht  über  den  Klmigsberger  Vertrag.  Gesandtschaften 
der  Danziger  nach  Dänemark  und  Holland,  Bestimmungen 
des  Klhiigsberger  Vertrages.    Rüstungen  in  Damig. 

Nachricht  aus  Preußen,  daß  der  Bund  zwischen  Schweden 
und  Preußen  nur  ein  Waffenstillstand  bis  zu  den  nächsten 
Pfingsten  sei,  *   Von  Damig  kommt  Kunde,  daß  einer  der  Sindici 


introduttione  alla  corrispondenza  con  V.  S.  Bl™*.*  Entschuldig^  sich, 
daß  dann  bei  dem  Kriegte  seine  Berichte  ausgeblieben  sind. 

^  Diese  Antwort  erhielt  der  Nuntius  in  einem  Gegenschreiben  des  Kar- 
dinalstaatssekretärs,  datiert  1656  April  1,  ohne  Angabe  des  Ortes, 
welches  die  Instruktion  für  sein  Verhalten  gegenüber  dem  Kurfürsten 
bringt:  ,Intomo  alla  corrispondenza  con  V  elettore  di  Brandenburgh 
motivata  k  V.  S.  Dl™»  dal  canonico  Martiano  Vituschi,  dice  N«>  Sig~, 
che  egli  non  hk  voluto  rispondere  mai  ad  alcun  prencipe  heretico,  ha- 
vendo  sempre  sfuggito  d*  impegnare  la  penna  con  essi,  con  i  quali 
nelle  occasioni  precise  hk  complito  indirettamente  con  mezo  di  altri 
in  Toce,  ne  per  tal  causa  hk  incontrato  disgusto,  k  mala  sodisfattione 
di  alcuna  sorte.'  Dennoch  soll  der  Nuntius,  wenn  die  Verhältnisse  es 
gebieten,  an  den  Kurfürsten  schreiben,  aber  in  ganz  allgemeinen  Aus- 
drücken, und  vorher  den  König  davon  verständigen. 

*  Wie  unsicher  die  Nachrichten  am  polnischen  Hofe  über  den  Vertrag 
waren,  darüber  sprechen  sich  auch  in  gleichlautender  Weise  die 
Briefe  Barkmanns  aus  diesen  Tagen  aus.  Vgl.  Damus,  l.  c,  S.  56 
und  ib.  Anm.  2.  Das  interessante  Schreiben  eines  Anonymus  Giorgio 
drückt  das  Bedauern  aus,  daB  man  nicht  schon  lange  vor  dem  Ab- 
schlüsse des  Vertrages  seinem  Rate  gefolgt  ist,  den  Kurfürsten  zu 
gewinnen.  Femer  wird  darin  auf  die  Bedeutung  Rakoczjs  für  die 
Sache  Polens  hingewiesen:  ,Lancut,  1656  Februar  11.  L*  accordi  di 
Brandeburgo  con  li  Suetesi  füi  dk  mh  molto  prima  previsto,  et  io 
proposi  piii  d^  una  volta,  che  si  mandasse  k  quel  principe,  per  con- 
fermarlo  nella  nostra  amicitia.  Mä  il  mio  consiglio  non  fh  eseguito, 
e  la  legatione  in  quel  tempo  fh  stimata  superflua.  Hora  che  si  e 
voltato  al  partito  Suetese,  risolvono  di  soUicitarlo  con  nuovi  et  in- 
tempestivi  ofücii,  li  quali  daranno  materia  di  ridere  k  nemici  della 
poca  accertezza  e  prudenza,  con  che  si  govemano  qul  le  cose,  mentre 


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60 

der  Stadt  nach  Dänemark  als  Gesandter  gekommen  ist  und  da- 
selbst die  Versicherung  erhalten  hat,  daß  die  Dänen  der  Stadt 
günstig  sind;  zu  gleichem  Zwecke  geht  jetzt  derselbe  nach  Hol- 
land.^ Obgleich  die  Briefe  aus  Wien  vom  26,  Januar  keine 
Erwähnung  des  Bundes  zvoischen  Schweden  und  dem  Kur- 
fürsten tun,  weiß  man  durch  den  Palatin  von  Marienburg  die 
Bestimmungen,  die  noch  nicht  beschworen:  concesso  il  Vescovato 
di  Varmia;  toltone  il  luogo  dov'  h  situata  la  Cattedrale,  e  Brons- 
berga  residenza  episcopale,  che  alF  in  contro  di  detti  luoghi  gli 
era  stata  data  ana  Btarostia  in  Polonia  maggiore  &  confini  di 
Pomerania,  e  ch'  era  stato  esentato  dal  tributo  solito  per  la  Prussia 
ducale,  e  di  non  dover  andar  per  se  stesso  &  pigliarne  Y  in- 
vestitura^  m&  incambio  dasse  in  tempo  di  guerra  certo  namero 
di  militia  k  sue  spese,  con  molt'altri  capitoli.  —  Li  Danzicani 
hanno  fatto  nuovo  giuramento  reciproco  frä  la  cittadinanza,' 
e  popolo  di  volersi  difendere,  et  k  tal  effetto  havevano  levati 
tutti  li  borghi  della  cittk. 

67.  Lemberg,  1656  Februar  20. 

Nachricht  über  den  Königsberger  Vertrag.     Hoffnv/ng,   daß 
kein  Offensivbündnis  gegen  Polen  bestehe. 

Non  si  h  verificato  ch'il  Seren™*  di  Brandebnrg  habbia 
dato  soldateBche  k  Suetesi,  ma  si  bene  che  non  sia  stato  ac- 
cordo  formatOy  mk  solo  armistitio,  in  modo  che  si  crede  che 
vedendo  risorgere  le  forze  di  S.  M^  possa  poi  ripigliar  1'  armi 
per  avantagiar  le  sue  cose.' 


si  lasciano  scappare  dalle  mani  li  vantaggi,  per  andarli  poi  cercando 
infrattuoBamente  con  discapito  di  repatatione.  Adesso  anche,  che  sono 
riuBcite  vani  gl*  aiuti  dell*  imperatore  et  h  mancato  1*  appoggio  di 
Brandeburgo,  si  comincia  k  conoscere,  che  nion  Principe  faceva  tanto 
al  nostro  bisogno,  qoanto  il  Rakozzi  (Bikoczj,  Georg  IL  Fürst  yon 
Siebenbürgen,  Bundesgenosse  Karl  Gustavs)  e  la  necessiti  al  presente 
ik  parer  vero  quelle,  che  prima  non  si  yolsero  lasciar  persuadere  dalle 
mie  ragioni/ 

^  Nach  dem  Haag  wurde  der  Subsyndikus  Schröder  entsendet.  Vgl. 
Damus,  1.  c,  S.  81  ff. 

*  Vgl.  über  diese  Erneuerung  des  Treueides  bei  den  Dansigem  Damus, 
1.  c,  S.  60  und  Anm.  4  ib. 

'  Über  die  Aufnahme  des  Vertrages  am  polnischen  Hofe  zu  dieser  Zeit 
ygL  Damus,  L  c.>  S.  56. 


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68.  Lemherg,  1656  Februar  25. 

Inttruktion  des  Nuntius  an  die  Erzbischöfe  von  Ghiesen 
und  Lemberg  und  den  Bischof  von  Luceoria^  über  die  Ein- 
Schmelzung  der  goldenen  und  silbernen  Kirchengeräte^  durch 
ein  Breve  des  Papstes  gestattet.^ 

69.  Lemberg,  1656  März  6. 

Bitte  um  Erteilung  des  päpstlichen  Segens  für  das  pol- 
nische Heer. 

Bedenken  und  Anfragen  des  Nuntius,  ob  er  privat,  ein- 
zelnen oder  dem  Heere  den  Segen  erteilen  kann,  sarebbe  k  mio 
credere  di  gran  consolatione  e  rieevuta  eon  uguale  veneratione, 
e  gli  leverebbe  facilmente  dalla  mente  qualche  concetto,  che 
hanno^  che  le  fortane  de  nemici  succedono  per  arte  diabolica^ 
havendomi  detto  un  senatore  di  molta  stima  e  pietk,  che  si 
trovö  nell'  ultima  fattione  che  segcd^  che  i  nostri  si  portamo 
valorosamente  al  principio,  mk  doppo,  che  viddero  nn  cavatlo^ 
che  gli  girava  attomo^  che  furono  astretti  di  fuggire.  lo  gli 
risposi  c'  havessero  indubitata  fede,  ch'  il  Demonio  non  potesse 
nocergli  e  combattessero  pure  k  difesa  della  religione  catolica 
e  della  patria,  che  niuna  cosa  havria  potuto  vincerli^  onde  si 
parü  assai  consolato. 

60.  Lemberg,  1656  März  6. 

ühglücksnachrichten  vom  Berliner  Hofe  des  Kurfürsten. 
Auffassung  dieser  Vorgänge  im  Volke. 

Doppo  seguito  V  aggiustamento  di  Brandeburg  con  la 
Suezia  s'  amalö  gravemente  la  moglie  *  di  quel  Seren"***  elettore, 
che  alcuni  scrivono  morta^  e  ch'in  Berlino  sua  residenza  se  le 
fusse  abmggiato  il  suo  superbo  palazzo,  e  ch'  k  pena  si  fusse 
potuto  salvare  il  prencipino  suo  figlio  dalle  flamme^  onde  da 
questi  avvenimenti  ne  formarce  il  popolo  cattivissimo  augurio. 


*  ,Lack'  oder  Jjutzk',  Stadt  in  Polen. 

*  In  dem  Gegenschreiben  ans  Rom,  4.  September  1665  wird  die  Erlaubnis 
hiersn  erteilt  Erwähnt  unter  anderen  auch  bei  Damus,  1.  c,  S.  46  und 
Pallavicino. 

'  Louise  Henriette.  Über  ihre  damalige  Erkrankung  vgl.  Droysen,  1.  c, 
8,  1,  S.  181. 


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61.  Lemberg,  1656  März  10. 

Nachricht,  daß  der  Kurfürst  wieder  gegen  Schweden  ist. 
Da  diese  Kunde  so  wichtig,  muß  man  erst  größere  Sicherheit 
abwarten. 

62.  Lemberg,  1666  März  26. 

Übergabe  Marienburgs  an  die  Schweden.^  Sie  ist  durch 
die  Bürger  so  schnell  erfolgt y  daß  der  Palatin  und  sein  Bruder , 
Palatin  von  Pomerellen,  sich  auf  das  Schloß  zurückziehen 
mußten.  Man  weiß  nicht,  ob  dessen  Verteidigung  gelingt,  da 
es  von  der  Stadt  aus  bedroht  ist  und  die  nötigen  Mittel  fehlen. ' 

63.  Lemberg,  1656  März  28. 

Unsichere  Nachricht  von  der  Gefangennahme  des  Land- 
grafen von  Hessen. 

Non  si  verificö  poi  la  prigionia  accennata  col  passato  di 
quel  Langravio  d'Assia,  che  fü  scritta  di  Danzica. ' 

64.  Lemberg,  1666  April  6. 

Ermländische  Frage.  Ungewißheit  über  die  Stellwngnahme 
des  ermländischen  Bischofs  zum  Königsberger  Vertrage. 

Nella  capitolatione  seguita  fra  Suezzesi  e  V  elettore  di 
Brandeburg  vien  scritto  di  Danzica^  che  sia  rimasto  fr&  V  altre 
cose  stabilite,  ch'  il  vescovato  di  Varmia  rimanga  k  qaesto^  mk 
che  perö  Mon'  vescovo  presente  lo  possa  godere  in  vita  sua. 
lo  non  s6  come  il  medesimo  prelato  si  sark  regolato  in  questa 
occasione,  gik  che  non  vi  sono  lettere  sue  da  molti  mesi  in 
quk:  tuttavia  voglio  sperare  si  sark  conformato  con  Tuso  della 
sua  solita  pietk  e  fedeltk  verso  S.  M.^  tanto  piü  che  n'  hk  anco 
maggior  legame  per  il  giuramento^  che  gik  da  molt'anni  saole 
prestar  quel  vescovo  al  rfe  proprio,  ö  qualche  prelato  da  lui 
deputato.    Con  la  venuta  del  S'  palatino  di  Lancicia  suo  fratello, 


*  Vgl.  Lengnich,  1.  c,  p.  162/163. 

'  Die  Übergabe  des  Schlosses  erfolgte  am  16.  M&rz.  Vgl.  Damos,  1.  c,  S.  67. 

•  Bei  Pierre  de  Noyers,  1.  c,  S.  98  findet  sich  eine  Danziger  Nachricht, 
datiert  2.  März  1 656,  womach  der  Kommandant  von  Patzig  gefangen- 
nehmen ließ  ,un  landgrave  d*  Alberstadt'  nebst  seiner  Eskorte,  die  auf 
Rekognoszierung  begriffen  war. 


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63 

vedrö  se  potrö  ritrader  cosa  di  certo  per  usar  nel  rimanente 
di  quella  circospettione,  che  richiede  la  gravitk  dell'  affare,  e 
ch'  h  tanto  k  cuore  &  S.  B. 

65.  Lemberg,  1656  April  5. 

BegleiUchreihen  des  Nuntius  zu  dem  Gelübde,  ^  in  welchem 
Johann  Kasimir  seine  Reiche  der  heil.  Jungfrau  übergibt 

Riusci  di  grand'  edificatione  la  funtione,  che  fece  il  rh 
sabbato  con  tanta  divotione,  che  trassa  le  lagrime  dal  cuore 
di  molti.  Inviö  perö  k  V.  S.  Hl""  coogiunta  la  copia  del  voto 
fatto,  dove  si  legge  anco  di  procurar  11  rimedio  all'  oppressioni 
de  poveri,  che  veramente  era  piü  che  necessario,  et  io  credo, 
che  le  loro  strida  habbino  contribuito  k  provocar  V  ira  Divina 
8opra  di  questi  S.  S**.  Ci  conceda  Dio,  che  come  hora  lo  co- 
nosconO;  cosi  in  awenire  se  riastenghino^  e  con  migliori  tratta- 
menti  compischino  alla  promessa  fattane.  Si  compiacerk  S.  B. 
d'  adir  qnesto  naovo  atto  di  pietk  esemplare  di  S.  M^,  accom- 
pagnato  da  quello  della  Republica^  et  insomma  si  vede,  ch^e 
si  riccordiamo  piü  di  Dio,  quando  ci  percuote,  che  quando  ci 
prospera,  ne  fe  meraviglia  se,  non  riconoscendo  da  lui  il  bene, 
ci  mandi  del  male,  mentre  si  scordiamo  del  debito,  c'  habbiamo 
di  ringratiarlo  di  quello. 

66.  Lemberg,  1656  April  5. 

I  Cosacchi  dissero  che  il  Turco  era  pagano,  II  Sig'  di 
Moscovia  ebreo,  II  rh  di  Suetia  frattor  di  fede  e  questo  vh  chia- 
morono  orfanello,  cosi  mi  hk  raccontato  S.  M**  istessa.  Schlimme 
Lage  in  Preußen,  Le  cose  di  Prussia  danno  che  pensare 
mentre  non  vi  resta  che  Dancica  che  alla  fine  si  potria  accor- 
dare,  e  si  intende,  che  il  rfe  di  Suetia  habbia  dato  120  (ver- 
stUmmelt)  patenti  per  levate  in  varie  parti,  e  Y  elettore  di 
Brandenbnrgh  si  crede  si  sia  dato  in  braccio  k  Suetesi. 

67.  Lemberg,  1656  April  10. 

Bericht  des  Starosten  Podlodoski,^  der  vom  polnischen 
Könige   aus  Lancut   smm  Kurfürsten  gesendet  war,   über   die 

^  Abgedruckt  bei  Rndawski,  l.  c,  S.  241. 

*  Podlochowski,  Staroat  von  Radom.    Vgl.  Über  seine  erfolglose  Mission 
am  kurfürstlichen  Hofe  Pribram,  »LisolaS  1.  c,  S.  157,  168,  174. 


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64 

Politik  des  Kv/rßlrsten  und  das  Verhalten  des  schwedischen 
Kanzlers  Oxenstjema.  Meinung  über  die  Bestimmungen  des 
Königsberger  Vertrages.  Si  credeva  perö  che  vi  fussero  altri 
articoli  piü  segreti,  e  ch' il  tempo  solo  li  possi  palesare:  con 
tutto  ci6  6  opinione  di  molti,  che  tutto  sia  stato  aiidficio;  e  che 
fra  essi  ve  ne  fasse  anche  prima  della  mossa  dell'armi  il  con- 
certo,  e  che  la  confederatione,  che  fece  con  i  stati  di  Prussia 
fasse  mera  fintione,*  e  che  procurasse  di  mettere  i  suoi  pre- 
sidii  nelle  cittk  principali  per  guadagnarle  con  inganno.  II  gran 
cancelliere  di  Suezia  Occisteme  ingelosito  di  questa  missione 
scrisse  subito  all' elettore^  perche  non  fasse  sentito^  anzi  licen- 
tiato:^  con  tutto  ci6  fix  egli  banchettato  da  S.  A.,  e  se  ne  parti 
per  Danzica  per  rincorrar  quella  cittadinanza  &  conservarsi  nella 
dovuta  fede^  mentre  veniva  non  mententata  e  lusingata  da 
promesse^  che  minacciata  con  V  armi^  quando  non  accetti  le 
prime. 

68.  Lemberg,  1656  April  19. 

Unterredung  mit  dem  Palatin  von  Lancicia  über  seine 
Mission  in  Wien  und  die  ermländische  Frage. 

E  mi  dice  ch'  il  Ser™*  elettore,  occupato  il  di  lui  vesco- 
vatO;  come  fix  scritto^  gli  habbi  detto,  che  gli  dark  in  sua  vita 
provisione  bastante  alle  sue  conditioni,  con  pretesta  perö  di 
farlo  non  de  frutti  del  vescovato,  mk  del  suo  proprio  erario. 
Non  consente  il  S'  palatino  k  ciö,  come  non  crede  consenta 
Mons'  vescovo,  mk  Y  esser  questo  in  Regiomonte  nelle  sue  mani; 
r  obliga  d'  andar  cauto,  e  pensa  di  fargli  penetrare,  che  petendo, 
si  absenti  di  Ik  in  der  Hoffnung^  daß  der  König  ihm  zur  Be- 
lohnung seiner  Verdienste  eine  Abtei  oder  andere  kirchliche 
Stelle  schenken  wird. 


^  Vgl.  auch  die  Abhandlung  von  Kolberg:  ,Ermland  als  kurbrandenbnr- 
giflches  Fürstentum  in  den  Jahren  1656  und  1657',  in  der  Ermländischen 
Zeitschrift  1899,  12.  Bd.,  S.  455.  Die  militärischen  Operationen  des 
Kurfürsten  gegen  Schweden,  nach  dem  Vertrage  von  Rinsk,  wurden 
auf  polnischer  Seite  für  abgekartetes  Spiel  gehalten.  So  lauteten  auch 
die  Berichte  der  in  Danzig  weilenden  Domherren  Demuth  und  Ja- 
cobelli. 

*  Über  die  Bemühungen  Oxenstjemas,  die  Audienz  zu  verhindern,  vgl. 
Urkunden  und  Akten  2,  S.  88/89. 


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69.  Zamocz  (Zamosci),  1666  Mai  12. 

Der  holländische  Gesandte  in  Danzig.  Der  BchwediBche 
Gesandte  Koch  muß  diese  Stadt  verlassen.  Militärisches  vom 
Kurfürsten  und  Bericht  Vituskis  über  dessen  Verbindung  mit 
den  Schweden. 

Sono  giunti  in  Danzica  alcuni  ambasciatori  Olandesi/  di- 
cono  con  ordine  dei  loro  stati  d'  informarsi  delF  essere  delle 
cose  presenti  della  Polonia,  e  riferirlo  subito  colk  per  ricever 
pol  gl'  ordini  di  ciö,  che  dovrano  esequire,  e  quel  magistrato 
haveva  fatto  intendere  al  Coqui  ministro  di  Suezia,  che  si  par- 
tisse  da  quella  cittk  sicome  era  seguito.  A  24  del  passato 
spinse  V  elettore  di  Brandeburgo  dalla  Prussia  nel  regno  mille 
fanti  e  500  cavalli  in  aiuto  de  Suezzesi.  II  S^  canonico  Mar- 
tiano  Vituski,  che  gik  passö  dal  Ser°*  di  Brandeburg  per  or- 
dine di  S.  M.  hk  fatto  ritorno  da  quelle  parti,  e  riferito  avanti 
S.  M.  e  senatori  presenti  il  stato  di  quelli  affari,  da  quali  si 
raccoglie  d'  haver  S.  A.  grand'  unione  con  i  Suezzesi. 

70.  Zamocz,  1656  Mai  12. 

Politische  Betrachtungen  des  Nuntius  über  die  Ankunft 
des  französischen  Gesandten,  *  welche  sehr  verdächtig  ei*scheint, 
da  jetzt  die  Schweden  so  im  Nachteile  sind. 

Sark  da  riflettere  ancora,  che  S.  M**  Cesarea  sin  da  De- 
cembre  offerse  la  sua  interpositione,  che  le  cose  erano  per  qui 
disperate^  e  fix  accettata,  ne  si  come  potrk  gradire^  che  la 
Francia  si  mescoli  in  quest'  affare  perche  se  bene  questa  potria 
dire,  che  lo  fk  come  mediatrice,  si  pu6  rispondere,  che  quei 
trattati  sono  spirati  per  la  innovatione  fatta  da  Suetesi^  in 
modo  che  se  h  stato  lecito  k  questi  di  rompere  Tindutie  senza 
riguardo  k  mediatori,  che  molto  piü  puo  la  Polonia  prettendere 
di  essere  libera  da  quell' impegno^   mentre  la  Suetia  vi  hk  cosi 


^  über  diese  holländische  Oesandtschaft,  welche  am  24.  April  in  Dansig 
eintraf,  Tgl.  Damos,  1.  c,  S.  87. 

•  Graf  Charles  d'Avaugour.  Vgl.  Pribram,  jLisola*,  1.  c,  8.  173,  die  An- 
sichten Lisolas  über  die  eigentlichen  Interessen,  welche  Frankreich  bei 
seiner  Vermittlungspolitik  verfolgte,  und  vgl.  über  die  grausame  Be- 
handlang der  polnischen  Flüchtlinge  in  Schlesien  bei  des  Noyers,  1.  c, 
I,  8.  74,  wo  es  heißt:  ,le  duc  de  Brieg  en  livra  60,  que  les  Su^dois  egor- 
g^rent*. 
Archiv.  XCV.  Band.   I.  H&lfte.  6 


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66 

rinunziato,  e  V  assistervi  1'  uno  e  Y  altro  non  so  come  potrebbono 
accordarsiy  mentre  il  fine  loro  saria  tanto  diverso,  quanto  sono 
gl'  interessi,  che  vi  li  muove.  Non  si  deve  lasciare  senza  ri- 
flessione,  che  S.  M^  Cesarea,  oltre  V  havere  alle  mani  la  pace 
con  i  Moscoviti,  la  sua  interpositione  con  i  Suetesi  si  stima  non 
con  altro  fine,  che  della  quiete  e  de  confinanti  mk  di  quella  di 
Francia  e  da  dubitare  piü  per  sostenere  la  Suetia  per  il  loro 
interesse  che  per  la  Polonia. 

71.  Lublin,  1656  Mai  19. 

Sicherheit  üher  militärisches  Zusammengehen  des  Kur- 
fürsten mit  den  Schweden^  die  auf  Hilfe  von  Cromwell  hoffen. 
Schwedische  Umtriebe. 

Non  si  lascia  di  dubitare,  che  V  elettore  di  Brandeburg 
non  unisca  le  sue  forze  alle  Suezzesi,  quali  publicano  anche 
d'  attender  rinforzi  dal  Cromvel,  ne  lasciano  nella  diminutione 
delle  forze  d'  usare  ogni  sorte  de  i  loro  artificii  per  rimovere 
la  nobiltk  dal  seguito  di  S.  M.,  et  introdur  diffidenze,  mk 
essendo  gik  conosciuta  la  loro  natura,  si  crede  che  faranno 
poco  effetto. 

72.  Lager  vor  Warschau,  1656  Mai  28, 

Karl  Gustav  in  Elbing.  Ungewißheit^  ob  der  Kurfürst 
seiner  Bitte  um  Hilfe  nachkommt?  Sendung  Podlodowskis  zur 
Informierung,^  Treue  der  Danziger;  sie  erobern  Dirschau  wieder. 
Hoffnung  auf  ihre  Streitkräfte.  La  cittk  di  Danzica  continua 
nella  dovuta  fedeltk,  e  si  sente  che  ultimamente  havessero  le 
sue  militie  ricuperato  Dersavia,*  e  si  spera,  che  giungeranno 
le  loro  armi  alle  regie  per  esser  k  parte  dei  felici  successi  di 
S.  M.  Die  Königin  von  Schweden  in  Elbing;  Karl  Gustav  be- 
sucht sie.  Bericht  des  aus  Königsberg  zurückgekehrten  Podlo- 
dowski,  daß  Karl  Gustav  xcieder  den  Kurfürsten  um  Hilfe 
bittet.  Die  kaiserlichen  Gesandten  Graf  Poettingen  und  Lisola 
verlassen  Warschau,  um  nach  Thorn  zu  gehen.  Vorhergehende 
Audienz  Pöttingens  beim  Schwedenkönige,  deren  Ergebnis  jedoch 
nichts  besagt,  da  die  Pläne  Karl  Gustavs  unbekannt  sind. 

*  Vgl.  Pribram,  »Lisola*,  1.  c,  S.  174. 

*  Vgl.  Urkunden   und  Akten   VII,    8.  588,    wonach  dieses  Unternehmen 
der  Danziger  einen  weniger  gUnstigen  Verlauf  nahm. 


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73.  Lager  vor  Warschau^  1656  Mai  28, 
Pläne  Johann  Kasimirs. 

Der  König  hat  wenig  Lusty  Warschau  zu  erobern;  er  ver- 
spricht sich  viel  mehr  Erfolg,  wenn  er  nach  Preußen  geht,  um 
den  Kurfürsten  zum  Anschlüsse  zu  bewegen, 

74.  Lager  vor  Warschau,  1656  Juni  10. 

Oefährliches  Anschwellen  der  Weichsel,  so  daß  der  Nun- 
titts  nicht  zum  Könige  gelangen  kann.  Kurze  Unterredung  mit 
Lisola,  Übereinstimmung  ihrer  Ansichten,  die  Vorteile  einer 
kaiserlichen  Hilfsaktion  für  Polen  anlangend,  und  Lisolas 
Meinung  über  die  Pläne  der  Schweden, 

Hebbi  occasione  di  vedermi  alla  sfuggita  col  S'  resi- 
dente deir  Isola,  il  quäle  professa  gran  riverenza  k  S.  B.,  di- 
cendo  haverle  resi  i  suoi  ossequi  al  congresso  della  pace  ^  e 
raccolsi,  ch'  anch'  esso  conosce  il  vantaggio,  che  risulteria  ä 
S.  M.  Ces*,  se  adesso  si  valesse  della  congiuntara  di  soecorerei, 
tenendo  egli  per  fermo,  ch'  i  dissegni  de  Suedesi  sian  volti 
ancho  contro  V  imperio,  et  il  S'  conte  di  Pettin  ^  esser  stato 
poco  ben  trattato. 

75.  Lager  vor  Warschau,  1666  Juni  10. 

Persönliches  des  Nuntius.  Nachforschungen  der  Schweden 
über  den  Aufenthalt  des  Nuntius  beim  Könige. 

76.  Lager  vor  Warschau,  1656  Juni  10. 

Hö  qui  da  molti  religiosi  e  da  altri  inteso,  che  li  Suedesi 
per  mezo  del  S'  Ragiewski*  facevano  gran  diligenze,  per  in- 
tender  s'  io  mi  ritrovassi  veramente  apresso  S.  M.,  e  particolar- 
mente   ne   chiese   questo   al   P.  Provinziale  delle  schole  pie,   il 

*  KongpreB  zu  Münster.  Über  die  Bestrebungen  des  kaiserl.  Gesandten 
Lisola  in  dieser  Zeit  vgl.  ,Lisola*  bei  Pribram,  1.  c,  S.  174  ib.  Er- 
wähnung des  apostolischen  Nuntius  u.  ff.  In  einem  Gegenschreiben, 
datiert  Rom,  8.  Juli  1666,  wird  die  Freude  des  Papstes  über  den 
günstigen  obigen  Bericht  des  Nuntius  ausgesprochen  und  zugleich  dessen 
Hochachtung,  welche  er  der  Persönlichkeit  des  ,deir  Isola*,  den  er  auf 
dem  Kongresse  zu  Münster  kennen  gelernt  hat,  entgegenbringt. 

'  Poettingen. 

*  Radziejowski. 

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quäle  benche  le  mostrasse  le  mie  lettere  di  Leopoli^  tuttavia  si 
rendeva  difficile  &  creder,  ch'  lo  vi  fussi.  Der  Nuntius  sagt 
zum  Schlüsse,  er  wollte  dies  nicht  verschweigen^  wie  alles,  was 
die  hiesigen  Sachen  angeht. 

11,  Lager  vor  Warschau,  1656  Juni  10. 

Unterredung  mit  Lisola. 

Dell'  Isela  hat  ihn  gebeten,  beim  Könige  dahin  zu  wirken, 
daß  er  nochmals  zum  Kaiser  um  Hilfe  sende.  Risposi^  che 
r  esperienza  del  passato  haveva  fatto  perdere  la  speranza  k 
S.  M^  di  spuntarli,  mk  egli  disse^  che  non  haveva  lasciato  di 
dare  k  S.  M**  et  al  prencipe  d'  Auspergh  motivi  tali  da  poteme 
sperar  frutto. 

78.  Lager  vor  Warschau,  1656  Juni  15. 

Persönliches.  Beziehungen  des  Nuntius  zu  dem  Danziger 
Residenten  Barkmann. 

n  secretario  della  cittk  di  Danzica,  che  risiede  appresso 
S.  M.,  benche  heretico  h  solito  talvolta  capitar  da  me  anco  per 
comando  di  S.  M.  conforme  alle  occorrenze;  e  stato  perö  ulti- 
mamente  k  trovarmi;  e  pregarmi  insieme^  c'  havendo  quantitk 
di  lettere  intercette  k  Suedesi,  le  quali  per  esser  in  quella 
lingua  non  si  sono  potute  per  anco  spiegare^  che  desiderava  con- 
segnarle  k  me  per  maggior  sicurezza  ne  pericoli^  che  potriano 
correre,  se  succedesse  qualche  battaglia.  lo  risposi,  c'  havevo 
maggior  occasione  di  temere  di  quelle  poteva  far  lui,  ch'era 
della  stessa  loro  religione,  con  tutto  ciö  persistette,  ch'  io  gli 
facessi  questo  piacere,  ne  mi  parve  di  poter  glielo  negare,  di- 
cendole,  c'  havrian  scorsa  la  stessa  fortuna  delle  mie  scritture. 
Non  hö  potuto  pero  senza  gusto  riflettere  esser  pur  assai,  che 
chi  non  hk  vera  fede,  confidi  di  ritrovarla  piü  nel  ministro  di 
S.  B.,  che  in  altri.  A  questo  soggetto,  che  h  di  molto  spirito 
non  lascio  di  dar  spesso  cenno  di  corresponder  alle  gratie,  che 
Dio  gli  hk  fatte  di  molti  buoni  talenti,  ne  lo  vedo  mal  incli- 
nato,  anzi  spesso  mi  dice  di  voler  ritomar  costi,  dov'  fe  stato 
altre  volte,  ne  despero,  ch'  un  giorno  non  sia  per  abbracciar  la 
nostra  santa  fede,  della  veritk  della  quäle  mi  persuado  habbia 
gran  conoscimento,  sicome  io  lo  porto  grandissimo  delle  mie 
obligazioni  verso  di  V.  S.  111™*. 


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79.  Lager  vor  Warschau,  1656  Juni  15. 

Abreise  Poettingens  und  Lisolas  am  verflossenen  Sonntage 
zum  Könige  von  Schweden  nach  Preußen^  der  in  Marienburg 
sein  soll.  Absicht  der  Schweden  ist,  Danzig  zu  belagern.  Des- 
halb das  Hilfegesuch  Barkmanns. 

n  fioe  et  applicatione  principale  hora  del  vh  di  Suezia  si 
crede  che  sia  V  impresa  di  Danzica^  onde  quel  magistrato  hk 
fatto  qui  per  mezzo  del  suo  secretario  residente  esporre  la  ne- 
cessitä,^  che  hanno  di  esser  presto  soccorsi^  e  vien  creduto  che 
saranno  compiacciuti  in  riguardo  alle  consequenze^  che  porta 
seco  un  posto  di  tanta  importanza. 

80.  Lager  vor  Warschau,  1656  Juni  16. 

Unterredung  mit  Johann  Kasimir.  Klagen  des  Königs 
über  das  Ausbleiben  der  Hilfe  an  den  Kaiser.  Persönliches  des 
Nuntius. 

Con  tal  occasione  ritocö  qualche  cosa  della  durezza  di 
S.  M.  Ces*  in  non  volerle  somministrare  alcun  aiuto^  e  che  pure 
da  tanti  riscontri,  c'  ha  havuti  potria  hormai  chiarirsi^  che 
r  oggetto  principale  dell'  armi  nemiche  tende  contro  la  sua 
Aagustissima  casa.  Zum  Schlüsse  drückt  der  Nuntius  seine 
Befriedigung  auSy  daß  er  im  Feldlager  als  Soldat  weilen  kann, 
worauf  der  König  erwidert,  daß  noch  niemals  ein  Nuntius  dies 
getan.  Auch  hieraus  also,  sagt  der  Nuntius  zum  Könige,  könne 
er  den  Eifer  und  die  Liebe  des  Papstes  erkennen,  auf  dessen 
Befehl  er  in  jeder  Gefahr  dem  Könige  zur  Seite  stehen  soll. 

81.  Lager  vor  Warschau,  1656  Juni  20. 
Die  Angelegenheit  mit  Barkmann.^ 

Barkmann  war  beim  Nuntius,  um  einige  der  ihm  Uber- 
gebenen  Briefe  zu  sehen.  Nochmals  macht  ihn  der  Nuntius  auf 
die  Oefahr   aufmerksam,   wenn  die  Briefe   in   seinen   Händen 


In  der  Tat  fand  die  EinBchließung  der  Stadt  durch  Karl  Gustav,  so- 
dann nach  dessen  Abzüge  durch  den  schwedischen  General  Steenbock 
statt.  Vgl.  Damus,  1.  c,  S.  76.  Von  einem  Hilfegesuche  Barkmanns  für 
seine  bedrohte  Vaterstadt  finden  wir  jedoch  in  den  Danziger  Quellen 
keine  Erwähnung. 
Vgl.  den  Bericht  unter  Nr.  78. 


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seien^  und  gibt  ihm  den  Rat,  sie  an  die  Königin  nach  Schlesien 
zu  senden^  da  dort  Sicherheit  ist.  Es  waren  Schreiben  aus  Eng- 
landy  vom  Haag  (dalF  Haia)  und  Frankfurt  in  Chiffren  an 
den  König  von  Schweden  und  Private,  Barkmann  geht  darauf 
ein  und  der  Nuntius  ist  frohj  die  Briefe  los  zu  sein. 

82.  Lager  vor  Warschau,  1656  Juni  20. 
Nachricht  von  der  Belagerung  Danzigs, 

Le  ultime  di  Danzica^  se  bene  assai  vecchie,  confermano 
d'  easer  soccorsi,  mass®  che  per  qualche  strettezza  di  viveri  quel 
popolo  si  cominciava  ä  render  impatiente^  e  che  dal  r^  di 
Suezia  gli  fasse  stato  trasmesso  an  trombetta  con  doglianze 
d*  haver  commessi  contro  di  lui  atti  d'  hostilitk,  e  d'  haver 
sparsa  la  sua  morte,^  e  che  temessero  che  non  fussero  attac- 
cate  alcune  nuove  fortificationi  fatte  sul  monte  *  perö  havevano 
ordinato,  che  tutti  stassero  pronti  per  accorrere  ad  an  tal  segno 
alla  difesa  d'  esso. 

83.  Lager  vor  Warschau,  1656  Juni  20. 
Mißstimmung  der  Senatoren  gegen  den  König.  Hofkamarilla. 
Viddi   giovedi   il  rfe   molto   sbigottito   sicome   i  senatori  e 

S.  M*^  mi  disse  che  stassi  pronto  per  seguirlo,  et  il  gran  can- 
celliere  mi  si  accosti,  e  disse  Monsig'®  questo  rfe  non  vuole  ab- 
bracciare  i  consigli,  non  so  che  si  faremo,  e  sento  gran  dispa- 
reri  frk  S.  M*^  et  i  senatori  alcuni  de  quali  fanno  conferenze 
separate,  e  si  fe  stabilita  una  unione  frk  certi,  che  prima  non  vi 
era  che  mi  dk  sospetto,  et  in  somma  si  dolgono  che  S.  M*^  fac- 
cia  tutto  quelle,  che  vogliono  quelli,  che  pratticano  in  camera 
e  non  li  senatori. 

84.  Lager  vor  Warschau  (ne  Borghi),  1656  Juni  27. 

Pfingstunruhen  gegen  die  Katholiken  in  Königsberg.^  An- 
sicht   über    deren   Entstehung.     Man    sagt,    auf  Anstiften   des 

'  Dieses  Schreiben  Karl  Gustavs  mit  den  obigen  Beschwerden  gegen  die 
Danziger  findet  sich  abgedruckt  bei  Rudawski,  1.  c,  S.  267. 

^  Nach  Damus,  1.  c,  S.  75  hatten  die  Danziger  ara  Bischofs-  und  Hagels- 
berge Palissadenwerke  angelegt. 

'  Vgl.  die  Berichte  darüber  bei  Droysen,  1.  c,  S.  267  und  Urkunden  und 
Akten  II,  S.  98. 


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schwedischen  Residenten,^  Der  Kurfürst  hat  die  Schuldigen 
bestrafen  lassen,  e  vien  creduto,  che  ci6  sia  stato  fatto  perche 
r  elettore  si  stringa  maggiormente  con  Suezzesi  mentre  gl'  in- 
sinuano,  ch*  il  rh  di  Polonia  sark  per  vendicar  onninamente  in- 
giuria  si  grande  contro  li  patti  della  di  lui  investitura. 

85.  Lager  vor  Warschau^  1666  Juni  27. 

Der  König  war  immer  gegen  die  Belagerung  Warschaus. 
Deshalb  macht  man  ihm  die  Langsamkeit  der  Operationen  zum 
Vorwurfe. 

86.  Lager  vor  Warschau,  1656  Juli  2. 

Ermländische  Frage,  Gespräch  mit  Lisola  über  die  Ein- 
mischung Frankreichs. 

Im  Gespräche  über  das  Ermland  sagt  der  König,  der 
Bischof  wäre  durch  Gewalt  gezwungen  worden;  er  hätte  nicht 
den  Vertrag  mit  dem  Kurfürsten  eingehen  dürfen.  Sein  Bruder, 
der  Palatin,  übermittelt  Briefe  von  ihm,  man  solle  schleunigst 
jemand  zur  Verhandlung  mit  dem  Kurfürsten  senden,  aber  der 
Nuntius  glaubt  nur  dann  an  einen  Erfolg,  xoenn  der  König  mit 
den  Waffen  eingreifen  würde  oder  Sieg  über  Schweden  erfochten 
sei.  Der  Resident  des  Kaisers  sei  bei  ihm  gewesen  und  hat  ge- 
meint, die  Anwesenheit  des  französischen  Sekretärs  ^  könnte  den 
Unwillen  des  Kaisers  erregen.  Der  Nuntius  beschwichtigt  und 
meint,  der  König  werde  schon  einen  klugen  Entschluß  fassen,  da- 
mit das  Einvernehmen  zwischen  Kaiser  und  König,  das  der  Papst 
so  freudig  sähe,  nicht  gestört  werde,  aber  der  Kaiser  solle  Polen 
helfen,  so  daß  es  Frankreich  nicht  nötig  habe,  e  mi  hk  risposto,  clie 
E 1 1  i  rappresenti  la  massitk,  che  ve  n'  fe,  e  non  mi  hk  disperato. 


87.  Lager  vor  Warschau,  1656  Juki  2. 

Unterredung    mit    dem   Könige    über    dii  Bestrafung   der 
Königsberger   Pßngstunruhen  ^    und    die    Wiederherstellung    der 


*  Christoph  Karl  Graf  Schlippenbach ;  ob  dieser  Verdacht  gegen  Schlippen- 
bach berechtigt  war,  läßt  sich  bei  dem  Versagen  der  Quellen  nicht 
entscheiden. 

*  De  Lumbres.  Vgl.  über  die  Bestrebungen  der  französischen  Diplomatie 
zu  dieser  Zeit  unter  anderen  Pribram,  ^LisolaS  1.  c,  S.  187  und  Ur- 
kunden und  Akten  II,  S.  104. 

'  Tatsächlich  hat  der  Kurfürst  die  Schuldigen  strenge  bestrafen  lassen. 
Vgl.  Droysen,  1.  c,  S.  267  und  Kolberg,  1.  c,  S.  487.     In  den  Beilagen 


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72 

ermländischen  Kirche,  Zuerst  Bestrafung  der  so  großen  Be- 
leidigung, ne  trascurai  con  quest*  occasione  di  rinovar  k  S.  M. 
Y  istanza  per  pensar  ai  mezzi  opportuni  co  quali  si  potessero 
ricuperar  i  beni  della  chiesa  di  Vaiinia,  e  restituir  nell'  esser 
primiero  non  solo  la  libertk  d'  essi  e  di  quelli  del  Capitolo,  mk 
anco  la  ginrisditione,  mk  la  M.  Sna  non  vede  altro  rimedio^  che 
quello  della  forza^  b  di  congiunture  tali,  che  necessitan  gl*  nsur- 
patori  al  rilasso^  ne  riusco  in  dubio  che  S.  M.  non  sia  per  star 
attentissimo  d'  abbracciar  tutte  le  opportunitk  per  ottenere 
quest'  importantissimo  intento,  e  le  mie  parti  s'  eserciteranno 
nel  tenerglielo  ricordato  sempre  mk  particolarmente,  quando  ne 
vedrö  il  tempo  e  V  occasione  piü  propria. 

88.  Lager  vor  Warschau^  1656  Juli  2. 

Nach  Bericht  aus  Danzig  erwartet  man  daselbst  bald  die 
Ankunß  einer  holländischen  Flotte  und  ein  Schreiben  des  Dan- 
ziger  Residenten  im  Haag^  läßt  auf  Hilfe  von  dieser  Seite 
hoffen. 

89.  Lager  vor  Warschau ^  1656  Juli  11, 
Beurteilung  der  Politik  des  Kurfürsten. 

Dk  meraviglia  che  Brandenbnrgh  proponga  di  essere  me- 
diatore,  mentre  h  aperto  nemico,  e  si  crede  si  proporrk  qualche 
tregna  con  fine^  che  questo  essercito  si  diminuischi. 

90.  Lager  vor  Warschau,  1666  Juli  11. 

Bericht  Maidels  aus  Preußen,^  Politik  des  Kurfürsten. 
Klagen  über  Polen  und  den  Kaiser;  sein  Bund  mit  Schwedefi. 
Maidel  hatte  mit  Mühe  Audienz  beim  Kurfürsten,  der  sich  über 


von  Lehmann,  Preußen  und  die  katholische  Kirche  I,  S.  317  findet  sich 
eine  Urkunde,  datiert  Königsberg,  8.  Juni  1666,  worin  dieser  Skandal 
als  eine  ,erschreckliche  hochstrafbare  Unordnung*  scharf  verurteilt  und 
zugleich  eine  Strafandrohung  erlassen  wird. 

'  Der  uns  bereits  bekannte  Snbsyndikus  Schröder.  Am  18.  Juli  kam  es 
zu  einem  Vertragsentwürfe  zwischen  den  Holländern  und  diesem  Ver- 
treter Danzigs.    Vgl.  Damus,  1.  c,  S.  88. 

'  Maidel,  Jägermeister  von  Lithauen,  der  Abgesandte  Johann  Kasimirs, 
erschien  18.  Juni  in  Königsberg,  um  den  Kurfürsten  zum  Anschlüsse 
an  Polen  zu  bewegen.  Vgl.  Droysen,  1.  c,  S.  268 ;  Urkunden  und  Akten 
Vn,  S.  616  ff. 


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73 

Polen  beklagt  und  die  Notwendigkeit  betont^  mit  den  Schweden 
zu  gehen,  denen  er  sich  mit  ganzer  Macht,  zirka  15,000  Mann, 
verbinde.  Der  Adel  Preußens  will  nicht  gegen  Polen  fechten,^ 
Klage  des  Kurfürsten  über  den  König,  daß  er  Czarneski^  in 
seine  Staaten  einfallen  läßt,  und  auch  über  den  Kaiser,  per- 
che  quando  si  disse  ch'  il  rh  di  Suezia  fusse  morto^  pensasse 
che  fusse  citato  per  levargli  li  feudi,  che  gode  neir  imperio, 
dando  motivo  di  Vendetta.  Ursache  für  seinen  Bund  mit  Schwe- 
den, weil  der  Krieg  jetzt  in  sein  Land  getragen  ist  und  nun 
größere  Voi^teile  beim  Frieden  zu  haben  sind, 

91.  Lager  vor  Warschau,  1656  Juli  28, 

Barkmann  teilt  die  Ankunft  von  1800  Mann  der  hollän- 
dischen Flotte  in  Danzig  mit,^ 

92.  Lancut,  1656  August  12. 

Behandlung  des  Bischofs  von  Ermland  in  Heilsberg,  Rück- 
sprache mit  de  Lumbres  über  diesen  Punkt, 

Essendomi  penetrato,  che  Mons^  vescovo  di  Varmia  *  fusse 
in  Heilsperg  tenuto  con  qualche  strettezza,  e  che  se  le  impe- 
disse  lo  scrivere,  pregai  il  S'  di  Lombre  nel  giorno  appunto 
della  sua  partenza  de  28  passato  di  procurar  appresso  il  Ser"^® 
elettore  perche  ricevesse  ogni  buon  trattamento,  senza  perö 
esprimersi,  ch'  io  ne  V  havressi  pregato,  e  mi  rispose  che  vera- 
mente  T  elettore  non  era  mal  inclinato  verso  di  quel  prelato/ 
mk  che  alcuni  de  suoi  consiglieri  non  lasciavano  di  porlo  sem- 
pre  in  maggior  difidenza  appresso  di  S.  A. 


*  Von  einer  Unzufriedenheit  der  preußischen  Stände  mit  der  Regierung 
des  Kurfürsten,  allerdings  aus  anderen  Gründen,  findet  sich  eine  Nach- 
richt in  Urkunden  und  Akten  ET,  S.  102. 

*  Stephan  Gzarnecki,  polnischer  Feldherr.  Über  Feindseligkeiten,  welche 
die  Polen  vor  dem  Abschlüsse  des  Marienburger  Bündnisses  in  ver- 
schiedenen Gebieten  des  Kurfürsten  verübten,  vgl.  Droysen,  S.  26ö. 

'  Die  Ankunft  erfolgte  nach  Damus,  S.  89,  am  27.  Juli. 

*  Wenzel  Lesczynski. 

^  Aus  dem  bei  Kolberg  beigebrachten  Materiale  (S.  475)  geht  hervor,  daß 
der  Bischof  sich  stets  der  besten  Behandlung  vonseiten  des  Kurfürsten 
zu  erfreuen  hatte. 


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74 


93.  Lancuty  1656  August  31, 

In  Damig  sind  8000  Holländer  angekommen. 

94.  Lublin,  1656  September  13, 

De  Lumbres  erzählt,  daß  der  Bischof  von  Ermland  ganz 
frei  sei;^  in  seiner  Umgebung  sei  ein  Kanonikus  dieser  Kirche, 

95.  Wolbor,  1656  Oktober  7. 

Kriegsnachrichten,  Neutralitätsvertrag  der  Schweden  mit 
Holland  und  Damig. 

Übergabe  der  brandenburgischen  Besatzung  von  Lancicia 
nach  kräftigem  Widerstände.^  Der  Nuntius  glaubt y  daß  der 
König  an  ihnen  ein  Exempel  statuieren  werde.  Questo  felice 
avenimento  viene  amareggiato  da  altro  di  pessima  consegaenza^ 
che  gl'  Olandesi,  la  (fj  cittk  di  Danzica  babbino  aecordato  la 
neutralitk  con  i  Suedesi*  e  perche  sento  differita  la  partenza 
della  posta  sin'  adhora. 

96.  Wolbor,  1656  Oktober  11. 

Barkmann  hat  in  einem  Schreiben  an  die  Königin  in  Ab- 
rede gestellt,  daß  die  Danziger  dem  Vertrage,  welcher  zwischen 
Schweden  und  Holland  zu  Marienburg  geschlossen  ist,  in  der 
Tat  beigetreten  sind. 


^  In  einem  späteren  Gegenschreiben,  datiert  Rom,  21.  Oktober  1656,  wird 
sowohl  dem  Bischöfe  von  Ermland  als  auch  dessen  Bruder  Johann  von 
Lesczjnski,  dem  Palatin  von  Posen,  wegen  ihres  Verhaltens  das  höchste 
Lob  ausgesprochen:  ,Sono  i  cattivi  trattamenti,  che  Monsig'  Veacovo 
di  Yarmia  h^  ricevuto  da  gli  heretici  elettorali  securo  inditio  della 
molta  costanza,  con  che  V  istesso  prelato  conformandosi  k  sensi  deUa 
propria  piet&  e  al  singolar  zelo  del  Sig*"  palatino,  suo  fratello,  h& 
intrepidamente  difeso  la  dignit^  della  patria  e  le  prerogative  di  quella 
nobilissima  chiesa.* 

'  Lenczyc  wurde  von  Czarnecky  nach  fünftägigem  Bombardement  am 
4.  Oktober  zur  Übergabe  gezwungen.  Vgl.  Droysen,  S.  311,  und  auch 
des  Noyers,  8.  252  ff.,  wonach  Johann  Kasimir  der  brandenburgiachen 
Besatzung  daselbst  das  Leben  schenkte. 

^  In  dem  Elbinger  Vertrage  vom  11.  September.    Vgl.  Damus,  S.  88. 


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75 

97.  Bormein,  1656  Oktober  13. 

Kopie  des  Schreibens  des  Sig'  N.  N.  an  den  Nuntius,  Be- 
richt über  das  Treffen  bei  Prosthi  zwischen  6  schwedischen  und 
10  brandenburgischen  Regimentern  und  den  Polen  unter  Gor- 
czewski.     Herzog  Boguslaus  Radziwil   und  Waldeck  gefangen,^ 

98.  Wolbor,  1656  Oktober  14. 

Nochmals  der  Vertrag  über  die  Freiheit  des  Handels. 
Kriegsnachrichten,   Hoffnung  auf  Anschluß  des  Kurfürsten, 

Die  Holländer  hatten  Danzig  in  dem  Vertrage  mit  aufge- 
nommen salva  fide  Regi  Poloniae^  aber  Barkmann  hatte  es  in 
Abrede  gestellt  und  die  Königin  der  unwandelbaren  Treue  der 
Danziger  versichert.^  Questo  buon  avvenimento  puö  migliorar 
le  cose,  e  gik  si  vede,  che  Brandeburg  mostra  inclinatione 
all*  aggiustamento.  Es  war  das  für  die  Polen  glückliche  Ge- 
fecht bei  Protzko  am  Lyck  vom  8,  Oktober  vorausgegangen^^  in 
welchem  der  polnische  General  Gonsiewski  gegen  16  feindliche 
Regimenter  Brandenburger  und  den  Herzog  Boguslaus  gesiegt 
hatte,  wie  es  in  seinem  Berichte  vom  8,  Oktober  an  den 
König  heißt. 

99.  Wolbor,  1656  Oktober  27. 

Friedensbestrebungen  des  Kurfürsten  durch  den  Bischof 
von  Ermland.  Das  Treffen  bei  Prosthi  eine  historische  Ver- 
geltung. Ergebniß  der  Annäherungsversuche  des  Kurfürsten 
an  Polen. 

Mons.  vescovo  di  Vannia,  che  si  ritrovava  indisposto^  era 
stato  visitato  dal  Ser™**  di  Brandeburgo,  il  quäle  havria  desi- 
derato,  che  fosse  passato  da  S.  M.  per  persuaderlo  alla  pace 
con  i  Suedesi^  stanti  le  buone  congiunture  presenti,  mk  non 
havendolo   potuto   effettuare   per   se,  haveva  inviata  persona  k 


^  Gemeint  sind  der  Fürst  Boguslaus  Radziwili  und  Graf  Georg  Friedrich 
Waideck,  der  bekannte  Staatsmann  und  Heerführer  des  Kurfürsten. 
Vgl.  auch  die  Einzelheiten  über  dieses  Gefecht  von  Prostken  am  Lyck- 
flusse  bei  Pierre  des  Noyers,  1.  c,  S.  260/61;  Droysen,  Preußische 
Politik,  Bd.  in,  S.  226,  und  besonders  v.  Rauchbar,  Leben  und  Taten 
des  Fürsten  Georg  Friedrich  von  Waldeck  I,  S.  140  ff. 

•  Vgl.  Damus,  8.  90,  Anm.  1  u.  3. 

•  Vgl.  Droysen,  8.  309. 


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76 

S.  M.  per  rappresentarle  i  medesimi  affari^  e  intanto  per  altra 
parte  si  sente,  ch'  il  rfe  Carlo  si  contenteria  di  restitair  tutto 
r  ocenpatO;  perebe  potesse  ritener  qualche  piazza  della  Prassia 
per  suo  honore.  —  E  stato  osservato  che  non  senza  giusto  giu- 
dicio  di  Dio  la  rotta  data  k  Suedesi,  e  Brandeburgesi  k  confini 
della  Prussia  ducale  sia  successo  nel  luogo  appunto  dove  nel 
tempo  del  rfe  Sigismondo  primo  e  Y  elettore  Alberto  fEi  inalzata 
una  colonna  con  inscrittione  in  marmo  in  memoria  della  pace 
et  unione  inviolabile  frk  di  loro.  *  Der  König  hat  den  Gesandten 
des  Bischofs  von  Ermland  14  Meilen  von  Danzig  empfangen 
und  ihm  geantwortet:  ^obgleich  der  Kurfürst  der  Verzeihung 
unwilrdigy  wolle  er  sie  ihm  dennoch  gewähren^  wenn  er  die 
Schweden  verlassen^  sich  mit  dem  Könige  verbinden  und  den 
Treueid  aufs  neue  schioören  würde.^ 

100.  Conitz,  1656  Oktober  30. 

Kopie  eines  Schreibens  des  Cristoforo  Masini'  aus  dem 
Lager  vor  Conitz. 

Kriegsnachrichten.  Einnahme  von  Conitz.^  Wegnahme 
eines  Schiffes  durch  die  Danziger  bei  Puski,^  auf  welchem  sich 
unter  anderem  das  Silbergeräte  aus  den  Kirchen  von  Grnesen 
und  Krakau  befand. 

101.  Wolbor,  1656  November  4. 

Warnung  an  den  König,  während  seiner  Anwesenheit  in 
Danzig  seine  Person  in  acht  zu  nehmen. 

La  fierezza  de  nemici  del  rh  h  tale,  ebe  ei  puö  ragione- 
volmente  far  temere,  ebe  non  lascino  strada  intentata,  e  ch'or- 
disebino   ogni   trama  per   V  esecutione    de    loro    pemiciosissimi 


'  P.  des  Noyers,  1.  c,  8.  261  spricht  von  einer  Mannors&ule,  die  an  dieser 
Stelle  Kurfürst  Georg  Wilhelm  zur  Erinnerung  an  den  Akt  seines 
Lehenseides,  welchen  er  dem  Könige  von  Polen  geschworen,  er- 
richten ließ. 

»  Diese  Nachricht  findet  sich  bei  des  Noyers,  S.  263,  der  Gesandte  des 
Bischofs  war  der  ermländische  Kanonikus  Nowieyski.  Nur  der  Ort 
fehlt  bei  des  Noyers. 

'  Sekretär  des  Königs  von  Polen. 

«  Am  29.  Oktober.    Vgl.  Lengnich,  1.  c,  S.  173. 

*  Putzig  bei  Danzig.  Vgl.  auch  diese  Nachricht  bei  des  Noyers,  1.  c,  II, 
S.  266. 


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77 

disegni;  ond'  hö  supplicato  la  Ser"*  regina  degnarsi  di  riflettere, 
che  passando  S.  M.  in  Danzica,  cittk  quasi  tutta  heretica,  e 
dove  non  mancano  corrispondenze  e  fautori  de  stessi  nemici, 
d'  avvertirlo  d'  haver  in  particolare  cura  la  sua  reale  persona^ 
anco  per  quelle  che  tocca  alle  vivande.  Der  König  wird  den 
Rat  befolgen. 

102.  Wolbor,  1656  November  IL 

Empfang   des  Königs  in  Danzig,     Danziger  Nachrichten, 

Am  6.  Ankunft  des  Königs,  Das  ganze  Fupüolk  der  Stadt 
ging  ihm  5  leghe  weit  entgegen^  teils  der  Ehre  wegen,  teils  um 
einen  Handstreich  der  Schweden  zu  verhindern,  ^  Die  Danziger 
haben  die  Absicht,  zwei  Plätze,  welche  die  Schweden  in  der  Um- 
gebung halten,  zu  nehmen.  Gefangennahme  des  Generals  vecchio 
Konismark  *  famoso  per  le  guerre  di  Germania,  der  von  Bremen 
aus  mit  2000  Scozzesi  und  einer  Quantität  Waffen  und  Muni- 
tion nach  Pillau  wollte;  durch  den  Sturm  wurde  ein  Schiff  in 
den  Danziger  Hafen  verschlagen,  ebenso  ein  anderes,  auf  welchem 
der  General  sich  befand;  er  wird  als  Gefangener  in  die  Festung 
della  Lantema  geschafft. 

103.  Wolbor,  1656  November  18, 

Berichte  Miaskowskis,  Morstins  und  anderer.  Gfute  Av>s- 
sichten  auf  Hilfe  vom  Kaiser. 

Miaskoski, '  der  soeben  vom  kaiserlichen  Hofe  zurückge- 
kehrt ist,  bringt  gute  Hoffnung  auf  Hilfe  für  Polen  mit.  Das- 
selbe bestätigt  der  Sekretär  Morstini*  con  dubio  pero,  che  non 
se  ne  differisca  Y  effetto  sin'  k  primo  tempo  per  goder  il  bene- 


^  Oenaae  Beschreibung  der  Empfangsfeierlichkeiten  bei  Lengnich,  S.  1 73. 

*  Graf  Königsmark  der  Ältere,  der  aus  dem  30jährigen  Kriege  bekannte 
schwedische  General  und  Statthalter  in  Bremen.  Über  seine  Gefangen- 
nehmung Tgl.  Lengnich,  S.  173,  und  Droysen,  S.  318,  doch  wird  in 
diesen  beiden  Quellen  im  Gegensatze  zu  unseren  Nachrichten  als  Ort 
der  Einschiffung  Wismar  genannt.  Vgl.  auch  noch  des  Noyers,  1.  c,  ü, 
8.  271  ff. 

'  Andreas  Miaskowski,  Vertreter  Polens  in  Wien. 

*  Johann  Andreas  Morstein,  polnischer  Gesandter  in  Wien,  Sekretär 
Johann  Kasimirs.  Über  die  Verhandlungen  der  Polen  in  Wien,  welche 
zum  österreichisch-polnischen  Allianzvertrage  vom  1.  Dezember  führten, 
▼gl.  Pribram,  ,Li8olaS  1.  c,  S.  31  ff. 


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78 

ficio  di  questo.  Der  Jesuitenpater,  Provinciale  di  Littuania^ 
Cisewski,  der  am  dortigen  Hofe  sehr  beliebt  war,^  schreibt  der 
Königin:  der  General  Azfelt*  sagte  ihm:  che  no  si  controver- 
teva  piü,  che  non  si  dovessero  dare  gl'  aiuti  alla  Polonia  e 
Mons^  arcivescovo*  m' hk  pur  riferito,  ch' il  S'  palatino  di  Pos- 
nania  *  gliele  1'  av visa  quasi  per  certo.  Übrigens  wird  inzwischen 
der  Nuntius^  sichere  Kunde  über  alles  nach  Italien  gebracht 
haben. 

104.  Wolbor,  1656  Dezember  L 

Die  Gesandten  der  Mächte  sind  mit  Ausnahme  des  Kur- 
fürsten in  Damig,  Auch  die  Danziger  verlangen  nach  Frieden, 
Gerücht  über  die  Politik  des  Kurfürsten,   Ankunft  Avaugours, 

Frankreich  und  Holland^  haben  Gesandte  geschickt,  der 
Kurfürst  jedoch  noch  nicht,  da  er  auf  keinen  friedlichen  Er- 
folg rechnet.  II  magistrato  di  Danzica  pure  haveva  supplicato 
S.  M.  k  degnarsi  di  dar  orecchie  k  trattati  della  pace^  gik  che 
le  spese  della  guerra  erano  cosi  grande  che  longamente  non 
havrian  potuto  sostenerle.  Vogliono  molti,  che  V  elettore  di 
Brandeburg  abbandoneria  il  partito  Suedese,  quando  fusse  vera- 
mente  sicuro  della  gratia  del  rfe,  k  cui  non  voleva  mandar 
publicamente  per  non  rendersi  sospetto  k  Suedesi.^  Ankunft 
eines  Edelmannes,  des  Herrn  d'Awoncur^fnc/j  in  Damig,  der 
im  Auftrage  der  Schweden  das  Verlangen  nach  Frieden  aus- 
drückte. 

105.  Wolbor,  1656  Dezember  1, 

Die  Nachrichten   aus  Wien  von  dem  dortigen  polnischen 
Gesandten  lauten  wenig  hoffnungsvoll. 


*  Der  Jesuitenpater  Gzeciscewski.    Vgl.  über  ihn  Pribram,  ^Lisola^  S.  892 
und  528. 

*  Graf  Melchior  Hatzfeld,  kaiserl.  General. 

'  Der  Erzbischof  von  Gnesen,  Andreas  Lesczjnski. 

*  Johann  Lesczynski. 

'^  Karl  Garaffa,  päpstlicher  Nuntius  in  Wien. 

*  Über  die  Verhandlungen   der  Holländer  mit  Polen  in  dieser  Zeit  vgl. 
Urkunden  und  Akten  III,  S.  102,  und  Pribram,  ,Lisola*,  S.  227. 

^  Vgl.  besonders  die  Unterredung  des  KurfUrsten  mit  Lisola  bei  Pribram, 

,Li8olaS  S.  223. 
"  Charles  Graf  d^Avaugour,  französischer  Gesandter  am  polnischen  Hofe. 

Vgl.  über  seine  Verhandlungen  in  Danzig  Urkunden  und  Akten  II,  S.  124. 


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79 

Die  Hoffnungen^  welche  der  Fürst  von  Ausperg*  dem 
Nuntius  dl  Qermania  dort  gemacht  hat^  sind  noch  ersichtlich 
aus  dem  Berichte  dieses  Nuntius  an  Vidoni  vom  15.  des  ver- 
flossenen Monates;  sie  scheinen  nicht  mit  dem  Berichte,  den  ich 
von  unserem  dortigen  Gesandten  erhalten,  zu  stimmen.  Dieser 
versichert:  che  la  propositioni  siano  tali,  che  non  moderate,  ö 
non  fatte  alineno  reciproche,  vi  rimanga  poca  speranza  di  con- 
clusione,  onde  mi  sono  fatto  lecito  di  darne  cenno  k  Mons^ 
nunzio,  affinche  con  V  uso  della  sua  solita  sollecitudine  replicbi 
con  r  efficaccia  de  suoi  ufficii  le  convenienze  che  vi  sono  per 
ogni  rispetto  di  riportar  qualche  frutto  in  questa  materia,  per- 
che  alla  fin  fine  le  ultime  necessitk  non  facessero  abbracciar 
da  questa  banda  quei  consegli,  che  potessero  riguardar  piü 
alla  propria  quiete,  ch'  alla  commune,  mentre  questa  vien  ne- 
gletta  con  la  nostra  particolare. 

106.  Wolhor,  1656  Dezember  3. 

Bemühungen  des  Gesandten,  um  Frieden  zwischen  dem 
Kurfürsten  und  Polen  zu  stiften.     Schwierigkeiten. 

Er  kann  unter  den  jetzigen  Verhältnissen  nicht  Kopien 
senden,  il  piü  sostantiale  fe  ch'  il  duca  Boguslao  *  procurava  sbri- 
garsi  da  Suedesi,  e  cosi  il  Radziewski  *  per  ritornare  da  S.  M.  e 
facevano  ogn'  opera  di  staccar  Brandeburg  da  Suedesi,  e  li  S.  S" 
ambasciatori  di  Francia  s'  affatticavano  per  la  pace,  facendo 
apparire  speranza  della  restitutione  della  Prussia,  mk  s'  incon- 
trarano  le  solite  difficoltä  per  i  mediatori,  onde  proponevano 
di  nuovo,  che  S.  M.  si  degnasse  di  lasciar  venire  il  conte  Bene- 
detto  Oxensterne,*  almeno  per  sentirlo. 

107.  Wolhor,  1656  Dezember  7. 

Verhalten  des  Kurfürsten  gegen  Polen. 
Seine  gute  Gesinnung  erhellt  aus  einem  Briefe  des  Königs 
an   die  Königin,   come  havesse  fatto  publicar  in  Regiomonte  k 


^  Fürst  Auersperg  leitete  gemeinsam  mit  Ottingen  für   den  Kaiser    die 
Verhandlungen  mit   den   Polen  in  Wien.    Vgl.  Pribram,  ^Lisola*,  S.  30. 

*  Radziwill. 

'  Radziejowski. 

*  Benedikt  Oxenstjerna,  Graf,  schwedischer  Reichsrat. 


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80 

suono   di  trombe^   che  alcuno  delle  sue  militie  ardisca  di  dan- 
neggiar^  ne  usar  alcun  atto  d'  hostilitk  ne  stati  di  S.  M^. 

108.  Wolbor,  1666  Dezember  10. 

Politik  des  Kurfürsten  gegenüber  Schweden.  Itinerar  des 
Nuntius. 

Briefe  vom  3.  aus  Danzig  melden^  daßj  während  man 
meinte^  daß  der  Kurfürst  keine  Hilfe  den  Schweden  senden 
würde,  er  zwei  Tage  vorher  ihnen  eine  beträchtliche  Truppen- 
zahl zu  Hilfe  gesandt  hat:  che  tuttavia  s'  attendesse  Y  Ower- 
bek  k  nome  di  S.  A.,  il  qaale  se  vedrk;  che  S.  M.  inclini  alla 
pace  col  Suedese^  non  tratterk  alcuna  cosa,  mk  attenderk 
d'  esser  compreso  nel  trattato  generale,  mk  se  S.  M.  sark  lon- 
tano  dalla  pace  con  la  Suezia,  che  trattare  particolarmente.  Ab- 
reise des  Nuntius  von  Wolbor  am  11.  nach  Lasko  und  Kalis, 
am  31,  Dezember  Berichte  aus  Chonice.^ 

109.  Kalis,  1667  Januar  27. 

Rückkehr  Morstinis  vom  Frankfurter  Reichstage.  Stim- 
mung in  Deutschland. 

Hk  ritrovato  ils'  secretario  Marstini  molta  dispositione  verso 
g*  interessi  di  questo  regno  massime  nell'  Emin™^  di  Magonza  * 
anzi  li  heretici  medesimi  desiderar  che  le  cose  della  Polonia 
succedan  prosperamente  perche  temono  della  guerra  in  Ger- 
mania. 

110.  Hagis,  k  6  Febr.  usque  ad  13  Martii  1657. 

Aufzug  aus  dem  Schreiben  Nicolaus  de  Bye,*  Residenten 
des  polnischen  Königs  bei  den  Holländern.  Etwa  drei  Seiten  lang. 

111.  Czenstochan  (Czestokowa),  1667  Februar  9. 
Unterredung  mit  Mor stein.     Stimmen  vom  Reichstage. 

»  Conitz. 

*  Johann  Philipp  von  Schönborn,  Kurfürst  von  Mainz.  Über  den  Reicbs- 
deputationstag  zu  Frankfurt  und  die  Stimmung  daselbst  in  der  pol- 
nischen Frage  vgl.  Urkunden  und  Akten  VII,  S.  681. 

"  Nikolaus  de  Bie. 


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81 

Dieser  schreibt  den  größten  Teil  seines  Erfolges  den  Be- 
mühungen des  Nuntius  von  Germania^  zu.  Die  Minister  der 
Fürsten  in  Frankfurt  sagten,  im  Falle  die  Franzosen  nach 
Deutschland  kommen,  würden  sie  neutral  bleiben.  Davon  hat 
er  auch  dem  Fürsten  Ausperg  Mitteilung  gemacht,  der  die 
Nachricht  begründet  fand;  e  m'  aggiunse,  che  tutti  quei  S.  S'* 
si  meravigliano  de  nostri  disordini,  e  che  no  sappiamo  valersi 
di  tante  buone  congiuntare,  c'  habbiamo  havute,  che  fe  quello, 
ch'  io  pur  spesso  hö  qui  accenato^  se  ben  senza  profitto,  al- 
meno  lo  caggionasse  per  Y  avvenire. 

112.  Czenstochau,  1657  März  2. 
Abreise  Lisolas  vom  Schwedenkönige, 

S'  6  penetrato,  ch'  il  S'  dell'  Isola  fingendo  d'  accompagnar 
la  moglie  per  qualche  lega  per  ritornar  in  Germania,*  si  sia 
poi  licentiato  con  lettere  dalla  residenza  del  rh  Carlo,  il  che  gli 
porta  moltu  gelosia. 

113.  Czenstochau,  1657  März  8. 

Nochmals  der  schwedisch-holländische  Vertrag  und  die 
Danziger. 

Non  si  lascia  di  temere  che  la  cittk  di  Danzica  doppo  la 
partenza  di  S.  M.  pensi  di  ratificar  il  trattato,^  che  fü  stabilito 
dalli  Olandesi  con  la  Snezia  per  la  parte  di  essa,  e  si  teme  di 
qualch'  altra  novitk,  se  bene  si  sente,  che  non  siano  quei  citta- 
dini  d'  accordo  nelle  risolutioni. 

114.  Czenstochau,  1657  März  8. 

Ansicht  des  Königs  über  den  Bischof  von  Ermland  und 
sein  Kapitel.  Johann  Kasimir  beurteilt  die  Ergebenheit  der 
ermländischen  Domherren  gegenüber  dem  Kurfürsten  abfällig.^ 


^  Karl  Garaffa. 

'  Liflola  reiste  auf  Wunsch  der  Polen  nach  Wien  ab.  Vgl.  Pribrami  ,LiBola*, 
S.  242. 

'  Der  Elbinger  Handelsvertrag  vom  12.  September  1666.  Über  Einzel- 
heiten des  Vertrages  siehe  Lengnich,  1.  c,  S.  171  ff. 

^  Über  das  Verhalten  des  Bischöfe  und  seines  Kapitels  gegenüber  dem 
Kurfürsten  in  dieser  Zeit  vgl.  Kolberg,  ^Ermland    als   kurbrandenbur- 

ArehiY.  XCY.  Band.  I.  H&lfU.  6 


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82 


115.  Czenstochau,  1657  März  8, 

Gespräch  mit  Lisola,  Politik  des  Kurfürsten^  Dänemark, 
Hilfe  vom  Kaiser, 

Deir  Isola  hat  alles  getan,  per  staccare  Brandenborgh  da 
Suetesi^  e  ne  riceve  speranza^  mk  nel  trattato  seguito  ultima- 
mente  con  il  rfe  di  Suetia  in  Holand  *  quello  V  assicura  della 
venuta  del  Transilvano,*  e  cosi  si  raffredö,  e  dabita  che  i  Po- 
lacchi  non  gli  osservino  quello  gli  prometessero,  mk  replicft,  che 
r  imperatore  lo  fark  mantenere.  Lisola  sagt,  Dänemark  rüstet, 
mk  non  si  impegnark  con  Polacchi;'  wenn  es  auch  der  Kaiser 
tut,  al  quäle  qui  si  pensa  di  dare  ogni  sodisfattione  per  tirarlo 
dal  poco  al  molto,  giache  con  quello  si  dichiara  per  noi,  i 
converii  per  suo  interesse,  che  faccia  piü,  mk  prevedo  difficoltk 
nel  concerto,  mentre  siamo  senza  denari.  Isola  meint,  che  si 
procurasse  la  venuta  della  regina  di  Suezia*  e  16  proporrk  k 
S.  M*^  Ces*  e  dice,  che  non  accade,  che  speri  alcun  danaro 
per  li  suoi  assegnamenti. 


116.  Czenstochau,  1657  März  26. 

Verlust   der   katholischen   Kirche   in  Elhing,   welche   von 
den  Lutheranern  in  Besitz  genommen  wird. 


117.         Ex  Hagis,  k  27  Martii,  10  et  17  ApriUs  1657. 

Einzelheiten    des   Elbinger   Vertrages    und   die  Damiger. 
Die  Schweden  und  der  Kurfürst  zur  See. 


gisches  Fürstentum  in  den  Jahren  1656  und  1657'  in  der  Zeitschrift 
für  die  Geschieh ts-  und  Altertumskunde  Ermlands,  Bd.  XII,  Jahrgang 
1897,  S.  466  ff. 

*  Zusammenkunft  in  Preußisch-Holland,  25.  Januar;  siehe  Droysen,  1.  c, 
S.  329. 

'  Rakoczy. 

'  Über  die  kriegerischen  Pläne  Dänemarks,  welche  mehr  auf  einen  Ein- 
fall in  Schweden  als  ein  Bündnis  mit  Polen  gerichtet  waren,  vgl.  Pri- 
bram,  ,LisolaS  S.  284;  ib.  auch  S.  232  Lisolas  Ansichten  über  die  Hilfe 
vom  Kaiser. 

*  Hedwig;  vgl.  Kochowski,  ,Annalium  Poloniae  Glimacteris*  H,  Lib.  Uly 
p.  186. 


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83 

HoUaudi  sancte  promiserunt  tractatus  Elbingenses  nondum 
ratificariy  sed  militem  suum  Dantisci  permanere  debere.  ^  Le- 
gatus  Hollandicus  Dorp*  urget  apud  Dantiscanos  punctum  non 
augendi  thelonii;  qui  omnia  ad  deliberandum  cum  ordinibus 
civitatis  et  ad  regi  Poloniae  referendum  supersunt  promittentes 
brevi  responsum  dare.  Pillaviam  venere  6  naves  classicae  Sue- 
corum,  et  ipse  elector  tres  actuarias  naves  tormentis  munitas 
in  Buos  usus  coemit. 

118.  Czenstochau,  1657  April  1. 

Unternehmen  der  Schweden  gegen  Danzig,  ihre  Kriegs- 
machty  Pläne  Karl  Gustavs,  Politik  Dänemarks  und  Rußlands, 

Con  lettere  di  Danzica  di  19  passato  si  sono  ricevnti  varii 
avvisi,  et  in  particolare  che  li  Suedesi  con  disegno  di  allagar 
quella  cittk,  havessero  rotto  non  s6  che  argine,'  ma  che  non 
haveva  profittato  il  loro  intento,  che  1*  essercito  di  questi  non 
eccedesse  il  numero  di  4.  in  5000  computata  la  gente  dell'  elet- 
tore,*  e  ch*  il  rfe  Carlo  stasse  in  gran  dubio,  se  dovesse  por- 
tarsi  in  Pomerania  e  nel  ducato  di  Bremen  b  pure  venirsi  k 
congiungere  col  Ragozzi.^ 

L'  ambasciatore  di  Danimarca,  ®  che  si  ritrovava  in  Dan- 
zica, haveva  ricevuto  ordine  di  passar  k  ritrovar  Y  elettore  di 
Brandeburg  et  essortarlo  k  recedere  dair  amicitia  de  Suedesi, 
altrimente  di  dichiararseli  nemico  et  il  medesimo  andava  fa- 
cendo  un  ambasciatore  del  Moscovita,  che  si  trovava  in  Regio- 
monte.  "^ 


^  Vgl.  Lengnich,  S.  171. 

'  Frederik  von  Dorp,  holländiflcher  Gesandter. 

*  Karl  Gustav  ließ  die  Weichseldämme  durchstechen,  so  daß  der  Danziger 
Werder  überschwemmt  wurde.    Vgl.  Urkunden  und  Akten  8,  S.  159. 

*  Garlson,  1.  c,  8.  189,  gibt  die  Truppenmacht  Karl  Gustavs  um  diese  Zeit 
nach  der  Vereinigung  mit  Waldecks  3000  Mann  auf  7000  Mann  an, 
annähernd  gleich  auch  Drojsen,  1.  c,  S.  331. 

^  Die  Vereinigung  mit  Rakoczy  erfolgte  bei  Sendomir,  11.  April;  siehe 
Erdmannsdörffer,  1.  c,  8.  271. 

*  Über  die  Verhandlungen  des  dänischen  Gesandten  Rosenvinge  in  Königs- 
berg vgl.  Urkunden  und  Akten  8,  8.  186  ff. 

'  Der  rassische  Gesandte  Fedor  Petrowitsch  Obemebessow.  Vgl.  Urkunden 
und  Akten  8,  8.  37. 

6* 


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84 

119.  Oppeln,  1657  April  6. 

Unbestimmte  Nachricht  über  bevorstehende  Hilfe  vom 
Kaiser, 

Dienstag  Mittag  langt  in  Czestokowa  der  Kurier  aus 
Wien  mit  Briefen  vom  30.  an,  der  Kaiser  werde  bald  Polen 
beträchtliche  Hilfe  senden.  Da  diese  Schreiben  noch  nicht  ent- 
ziffert sind,  weiß  man  nicht  ihren  Inhalt,  hört  aber  von  anderer 
Seite,  daß  diese  Hilfstruppe  12.000  Mann  stark  und  unter 
General  Azfelt  sein  werde.  * 


120.  Oppeln,  1657  April  12. 

Tod  des  Kaisers,  Frage  der  Hilfeleistung  für  Polen  unter 
seinem  Nachfolger.  Waffenstillstand  zwischen  Gonziewski  und 
den  Brandenburgern,    Ansicht  darüber. 

Nachricht  vom  Tode  des  Kaisers,^  Betrachtungen  dar- 
über, wie  sich  sein  Nachfolger  zur  Frage  der  Unterstützung 
Polens  stellen  wird.  In  jedem  Falle  wird  die  Unterstützung 
schwächer,  da  die  Verteidigung  der  eigenen  Staaten  zu  sehr 
die  Kräfte  Österreichs  in  Anspruch  nimmt,  Si  vocifera  che  di 
nuovo  il  Qoncewski  generale  campestre  di  Littuania  habbi  con- 
cluso  un  armistitio  con  Brandebnrg,'  che  non  saria  niente  pro- 
fittevole^  mentre  non  fasse  accompagnato  da  qualche  vantaggio 
et  il  disgusto  che  moströ  S.  M.  dell'  altro  che  concluse,  lo  dovria 
haver  reso  piü  cauto  nel  maneggio  d'  affare  si  rilevante. 

121.  Dankow,  1667  April  16, 

Schreiben  an  den  Erzherzog  Leopold  Wilhelm,^  Brief  des 
Königs  von  Polen  an  den  Nuntius,  enthaltend  die  Enthüllungen 
de  Lumbres  über  die  Pläne  Karl  Gustavs,  sich  Hilfe  bei  den 
protestantischen  Fürsten  Deutschlands  gegen  Polen  und  die 
Kaiserwahl  zu  holen. 


*  Erst  am  27.  Mai  1657  durch  das  österreichiBch-polnische  Bündnis  wurden 
12.000  Mann  unter  Hatzfeld  fUr  Polen  bestimmt. 

•  Ferdinand  m.  f  2.  April. 

'  Über  die  Verhandlungen  mit  Gonziewski  zu  dieser  Zeit  vgl.  UriEunden 

und  Akten  8,  S.  202. 
^  Der  Oheim  des  Königs  von  Ungarn,  Leopold. 


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85 

Hs.  dell'  Hombres  ambaBciatore  Francese  ci  dice,*  che 
essendosi  il  rfe  Carlo  Gustavo  altre  volte  vantato  di  voler  in 
ogni  modo  dare  nna  scorsa  in  Germania  per  la  sicnrezza,  che 
teneva  di  dover  esser  assistito  dai  principi  protestanti  in  .  .  .  (ge- 
tilgt) formare  un  esercito  e  condurlo  in  Polonia,  senza  che  al- 
cuno  lo  potesse  impedire^  tanto  maggiormente  in  questa  con- 
giuntura  possa  applicare  di  essegnire  il  pensierO;  mk  col  fine 
di  sconcertare  ancora  gli  affari  della  regia  casa  d'Austria  nella 
futura  elettione  delP  imperatore  dei  Romani.  Der  König  bittet 
den  Nuntius,  daß  er  schleunigst  diese  Kunde  dem  apostolischen 
Nuntius  in  Wien  mitteilt,  um  die  Entschlüsse  des  dortigen  Hofes 
zu  beschleunigen. 

122.  Krepicz,  1657  April  18, 

Schwedische  Nachricht^  Zustand  in  Österreich  nach  dem 
Tode  des  Kaisers,  Aussichten  für  Polen,  Hoffnungen  der  Schwe- 
den für  die  Kaiserwahl. 

In  einem  aufgefangenen  Schreiben,  bestimmt  für  einen 
schwedischen  Obersten  in  Krakau,  befindet  sich  folgender  In- 
halt: Gli  accenna  la  confusione  delli  affari  doppo  la  morte 
dell'  imperatore  e  che  non  crede  siano  per  somministrarsi 
aiuti  della  Polonia  e  che  sperano  d*  haver  per  imperatore  e  rfe 
di  Boemia  il  rfe  di  Francia.* 

123.  Krepicz,  1667  April  22, 

Unterredungen  mit  dem  Könige,  dem  französischen  Ge- 
sandten  und   dem  Großkanzler   über   die   ermländische  Frage, 

In  der  Audienz  bittet  der  Nuntius  den  König,  niemals  in 
einem  Vertrage  mit  dem  Kurfürsten  oder  anderen,  weder  im 
ganzen  noch  im  Teile  ein  Präjudiz  für  das  Ermland  zu  schaffen. 
Der  König  verspricht  dies.  Dieselbe  Bitte  trägt  der  Nuntius 
dt'm  französischen  Gesandten  vor.  Der  Gesandte  antwortet, 
daß  ihm  stets  von  seinem  Könige  die  katholische  Religion  ans 


^  Vgl.  die  fast  gleichlautenden  ^nthttllnngen  de  Lnmbres  in  einem 
Schreiben  Johann  Kasimirs  an  den  Erzherzog  Leopold  Wilhelm  bei 
Pribram,  »Lisola*,  S.  268,  Anm. 

•  Über  den  Plan  Mazarins,  die  Wahl  Lndwigs  XIV.  zum  Kaiser  durch- 
zusetzen, Tgl.  Erdmannsdörfer,  1.  c,  S.  302,  Anm. 


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86 

Herz  gelegt  sei,  und  gesteht  ihm  dann,  daß  der  Kurfürst  ihm 
davon  gesprochen  habe:  mk  ch'  egli  gli  haveva  risposto,  che  non 
vedeva  come  se  ne  potesse  disporre  mentre  era  patrimonio  di 
Dio  immediamente  sottoposto  alla  S**  Sede,  mk  che  subito  S.  A. 
addnsse  V  esempio  di  quei  di  Germania,  ^  onde  gli  replicasse, 
ch'  il  negotio  fusse  molto  diverso,  per  che  quelli  erano  gik  pezzo 
f  k  aboliti,  e  che  nondimeno  la  S**  Sede  App<*  V  haveva  con- 
tradetta,*  e  che  molto  piü  lo  faria  adesso,  e  che  mai  posse- 
deria  legitimamente  quei  beni,  e  che  Y  elettore  Boggiungesse, 
che  gli  era  gik  stato  offerto,  mk  gli  replicö,  che  conveniva  ve- 
dere  in  quäl  tempo,  e  con  quei  conditioni,  e  che  poteva  esser, 
che  fusse  stato  quando  le  cose  erano  in  precipitio,  e  che  per 
non  perdere  tutte  Y  altre  chiese  della  Polonia  si  fusse  forsi  con- 
desceso  k  questo,  et  havendo  di  tutto  ciö  dato  parte  in  Francia, 
ch'  erano  State  lodate  le  risposte.  Der  Nuntius  dankt  dem  Ge- 
sandten für  das  Interesse,  welches  er  und  der  König  von  Frank- 
reich für  Polen  an  den  Tag  gelegt:  et  havendolo  pregato,  che 
nelle  congiunture  c'  havesse  con  Y  elettore,  procurasse  di  fargli 
perdere  le  speranze  di  ciö,  e  che  di  questo  non  potria  mai 
esser  mezano,  m'  hk  risposto  che  non  gli  pareva  di  potersene 
spiegar  chiaramente  per  non  renderlo  diffidente,  mk  si  bene, 
che  rappresenterk  le  difficoltk  per  distorlo  da  simile  proponi- 
mento.  Auch  mit  dem  Oroßkanzler^  hat  der  Nuntius  deshalb 
gesprochen  und  dieser  hat  zu  seiner  Befriedigung  erklärt:  che 
mai  egli  sia  per  consentire  alF  ingiustitia  di  questa  pretensione. 


'  YgL  diese  Ausführungen  de  Lumbres  in  seinem  Gespräche  mit  dem 
Kurfürsten  vom  5.  Oktober  1B56  in  Urkunden  und  Akten  2,  S.  109,  und 
in  einem  Gegenschreiben,  datiert  Rom,  19.  Mai  1667,  wird  der  Nuntius 
ausdrücklich  für  dieses  obige  Gespräch  mit  dem  französischen  Gesandten 
über  die  Indemnität  Ermlands  und  anderer  Kirchen  gelobt.  Es  ist  dieses 
eines  der  ersten  Gegenschreiben  des  Kardinals  Ghigi,  welche  laut  Akten- 
vermerk vom  22.  April  1657  beginnen,  während  die  früheren  Gegen- 
schreiben von  dem  Staatssekretär  Rospigliosi,  an  den  auch  die  Berichte 
Yidonis  abgingen,  herrührten. 

*  Gemeint  ist  die  Protestbulle  Innozenz  X.  vom  26.  November  1648  gegen 
den"  Abschluß  des  Friedens  von  Münster.  Vgl.  Zwiedinek- Südenhorst, 
Deutsche  Geschichte,  Bd.  1,  S.  67. 

•  Stephan  Koriczynski  de  Pilcza. 


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87 

124.  Krepiczy  1657  ApHl  22. 

Gespräch  mit  dem  französischen  Gesandten  über  die  Friedens- 
aussichten. 

Der  Gesandte:  Es  ist  wohl  Hoffnung,  daß  König  Karl 
an  den  Frieden  denke,  aber  man  kann  es  nicht  versichern. 
Der  Nuntius:  Wie  lange  aber  vMrden  die  Präliminarien  nur 
dauernd  Wohl  ein  Jahrf  Bestimmung  des  Ortes,  der  Sicherheits- 
pässe von  Seiten  Polens,  Österreichs  und  des  Königs  von  Däne- 
mark, von  Seiten  Schwedens,  Rakozzi  und  der  Kosaken.  Die 
Verhandlungen  selbst,  bei  den  verschiedenen  Interessen  und  An- 
sprüchen dauern  wohl  so  lange  wie  jene  zu  Münster,  Der  Ge- 
sandte: Sieht  dies  ein  und  gesteht^  daß  es  ein  großes  Hinder- 
nis für  den  Frieden  sei.  Frankreichs  Interesse  sei  für  die 
katholische  Religion  und  er  befürchte,  daß  dieser  Krieg,  der 
bisher  nur  ein  Staatenkrieg  war,  jetzt  noch  ein  Religionskrieg 
icürde  und  nach  Deutschland  hineingetragen  werde,^ 

125.  Krepicz,  1657  April  22. 

Hoffnv/ng  auf  Hilfe  vom  Kaiser.  Ansicht  des  polnischen 
Adels  darüber. 

Se  bene  da  Vienna  si  conferma,  che  verranno  i  soccorsi 
et  in  nnmero  competente^  ad  ogni  modo  se  ne  protu?  la  mar- 
ciata^  e  vien  credato,  che  aspetti  quella  corte  qualche  risposta 
di  fiiori,  e  forsi  da  Danimarca,*  riesce  perö  qui  molto  pregiu- 
diciale,  mentre  la  nobiltk  fondata  sü  detti  aiuti  non  comparisee 
con  pretesto,  che  subito  verranno  all'  arrivo  de  detti  aiuti. 

126.  Krepicz,  1657  Mai  23. 

Unterredung  mit  Lisola  vor  dessen  Reise  zum  Kurfürsten 
über  die  ermländische  Frage, 

Der  Nuntius  legt  ihm  das  Frmland  an  Herz.  Dieser  ant- 
wortet: che  quando  s'  aboccö  seco  poco  avanti  che  partisse  con 


*  Vgl.  zu  diesen  Erklärungen  de  Lumbres  die  Auffassungf  welche  Lisola 
über  die  Ziele  der  französischen  Politik  bei  diesem  Kriege  hatte.  Pri- 
bram,  »Lisola*,  8.  264,  und  Chernel  in  dem  ,Recueil  des  instmctions 
donnees  aux  ambassadeurs  et  ministres  de  France*  T.  IV,  Pologne,  8.  19  ff. 

•  Vgl.  Pribram,  ,LisolaS  8.  279.  In  Dänemark  wartete  man  die  Ent- 
schließungen des  Wiener  Hofes  in  dieser  Zeit  ab. 


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88 

S.  M.  da  Danzica^  ch'  egli  medesimo  conosceva  le  difficoltk,  che 
poteva  incontrar  la  sna  pretensione,  la  quäle  per  questo  conto 
si  riduceva  poi  k  poter  tener  presidio  in  Brunsberga  et  in  un 
altro  luogho  del  vescovato/  mk  che  la  maggior  premura  sua 
h  d*  haver  la  Prussia  dacale  in  sovranitk^  onde  gli  rappresentai 
i  pregiudicii,  che  ne  deriyavano  da  tal  presidio  alla  libertk  dl 
quella  insigne  chiesa,  e  che  perö  lo  pregavo  di  distorlo  onnina- 
mente  da  simil  disegno,  come  mi  promise  d'  eseguire  con  ogni 
prontezza,  ne  trascurerö  alcuna  congiuntura,  ch'  io  habbia 
d'  adempir  le  mie  parti  per  la  preservatione  et  indemnitk  di 
essa;  e  gik  che  Dio  vole^  ch'  k  me  tocchi  e  pur  troppo  io 
yeda  le  ruine  e  Tincendii  de  tutte  queste  chiese^  almeno  lo 
supplicO;  che  non  permetta,  che  rimangan  preda  de  suoi  nemici. 

127.  Krepicz,  1667  Mai  23, 

Gespräch  mit  Lisola.  Seine  Instruktion  ßlr  den  Kur- 
fürsten.   Sendung  an  den  Papst  um  Oeld. 

Lisola  hat  sehr  strenge  Instruktion,  mit  dem  Kurfürsten* 
im  Falle  dieser  nicht  die  Schweden  verläßt^  mk  credo  sark  dif- 
ficile,  quando  non  si  veda  vicino  qualche  armata.  Mi  disse 
anchora  il  medesimo  Isola,  che  si  spediva  persona  k  N'^.  Sig^ 
per  procurare  qualche  denaro  per  dare  alcuna  paga  alla  solda- 
tesca,  che  verrk  in  nostro  aiuto,  ne  trascura  di  dirle  le  strettezze 
della  Camera  apostoUca,  e  le  spese  immense  tanto  note  fatie 
per  il  contagio.^ 

128.  Krepicz,  1667  Mai  23. 

Klage  des  Königs  über  das  Ausbleiben  der  österreichischen 
Hilfe.  Nachricht  vom  Abschlüsse  des  österreichisch-polnischen 
Bündnisses. 


^  Dieser  andere  Ort  war  Allenatein.    Vgl.  Pribram,  ^Lisola*,  S.  261. 

•  Vgl.  Pribram,  »Ligola*,  8.  264. 

*  Der  Nuntius  erinnert  an  die  Pest,  welche  im  Jahre  1656,  von  Nei^el 
ausgehend,  auch  in  Rom  von  April  bis  Mitte  August  wütete.  Vgl.  dar- 
über und  besonders  die  Maßnahmen,  welche  Papst  Alexander  gegen 
die  furchtbare  Seuche  ergriff,  indem  er  schwere  finanzielle  Opfer  su 
diesem  Zwecke  aus  der  päpstlichen  Kasse  bringen  mußte,  bei  Novae», 
,Storia  dei  Sommi  Pontefici*,  Bd.  X,  S.  104  ff. 


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89 

Der  König  hat  sich  bitter  darüber  beklagt,  daß  durch 
Verzögerung  der  Hilfe  von  Österreich  großer  Schaden  entstehe, 
da  man  nicht  die  Festungen  zurückerobern  könne,  zumal  im 
September  hier  schon  kaltes  Wetter  eintrete,  Isola  hat  aber 
dem  Nuntius  gesagt,  er  bedauere  das  sehr,  sei  aber  überzeugt, 
daß  bald  Hilfe  komme.  Während  er  schreibt,  trifft  die  Bot- 
schaft vom  Abschlüsse  des  Vertrages  ein,  ^  Der  König  und  Lisola 
freuen  sich  mit  ihm  darüber.  Man  kann  jetzt  also  bessere  Zeiten 
hoffen  und  es  würde  dem  Hause  Österreich  sehr  zuträglich  sein, 
u>enn  vor  der  Kaiserwahl  der  Schwede  geschlagen  wäre. 

129.  Krepicz,  1657  Juni  6. 

Bemühungen  Lisolas,  die  Abreise  des  französischen  Ge- 
sandten zu  erreichen.  Seine  politischen  Chründe  für  diese 
Absicht, 

Lisola  arbeitet  daraufhin,  daß  der  französische  Gesandte 
abreise,  e  gik  si  vk  maturando  la  risposta  da  darsele,  della 
quäle  spero  che  havrö  copia,  e  la  mandarö.  Dice  essere  ne- 
cessario  di  farlo  perchfe  Danimarca  si  risolverk  meglio  di  en- 
trare in  lega,  quando  vedrk  disciolto  ogni  trattato,  e  cosi  che 
possa  stringerßi  piä  Brandenburgh,  mentre  perderk  la  speranza 
della  pace. ' 

130.  Krepicz,  1667  Juni  6. 

Kriegsnachrichten  und  anderes  aus  Danzig, 
Scrivono  di  Danzica  che  alcune  navi  con  V  insegne  della 
Polonia  n'  havessero  prese  nna  Suedese  carica  di  ferri  e  di 
12.000  taleri  contanti  e  ch'  il  comandante  gli  havesse  fatto  la 
riceyata  e  che  gli  sariano  rimborsati  in  detta  cittk.  Essendosi 
nella  medesima  scoperto  che  alcuni  vascelli,  che  si  trovavano 
verso  la  bocca  di  quel  portO;  havessero  intelligenza  con  alcuna 
delle  guardie,  che  custodivano  il  generale  Chinismarck^(^«tc.9 
per  farlo  fuggire^  sono  perö  State  giustitiate  alcune  di  esse,  et 
ordinato  da  quel  magistrato,  che  si  tenga  piü  ristretto. 


*  Am  17.  Mai.    Vgl.  Pribram,  »Lisola*,  S.  280. 

*  Diese  Erkl&rangen  Lisolas  bei  Pribram,  ,LisolaS  8.  280. 

'  Der  schwedische  General  Königsmark,  der  1666  von  den  Danzigern  ge- 
fangen war.    Vgl.  Lengnich,  L  c,  S.  176. 


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131.  Czenstochau^  1657  Juni  17. 

Sendung  der  polnischen  Königin  an  die  Kurfürstin-Mutter. 
Antwortschreiben  auf  diese  Sendung, 

Die  Königin  sendet  einen  französischen  Kapellan  des 
Königs  an  die  Kurfürstin-Mutter^  in  der  Mark,  damit  sie 
ihren  Sohn  beeinflusse,  die  Schweden  zu  verlassen,  indem  m^in 
ihm  die  Gefahren  schildert,  welche  ihm  aus  dem  Bunde  so 
vieler  Fürsten  gegen  Schweden  erwachsen  würden.  Gerade  zu 
dieser  Zeit  teilte  ihr  der  Kurfürst  mit,  daß  die  Verträge  zwischen 
Dänemark  und  Schweden  gebrochen  seien,  disse  (sc.  die  Kur- 
fürstin)  che  tutto  procedeva  da  consiglieri  cattivi,  e  maBsime 
dal  Valdech,*  che  nondimeno  farrk  quanto  potria  per  servire 
S.  M*^  tanto  piü  che  16  conosceva  beneficio  del  figlio,  e  che 
gF  aggiunse  nel  sentirsi  dire  i  prencipi^  che  entravano  in  lega, 
che  sapeva  quanto  N"  Sig"  ancora  facesse  per  beneficio  di 
Polonia  e  per  mezo  del  nunzio  con  gl'  f^cclesiastici^  e  senatori 
che  molti  haveriano  adherito  k  Suezia^  se  non  fosse  stata  intro- 
posta  r  auttoritk  di  S.  B«. 

132.  Czenstochau,  1657  Juni  17. 

Die  schwedische  Politik  des  Kurfürsten.  Unzufriedenheit 
seines  preußischen  Adels, 

Con  quelle  di  Regio  Monte  di  29  si  sente,  che  quell'  elet- 
tore^si  mostrasse  sempre  piü  dedito  k  seguitar  la  fortuna  delli 
Suetesi;^  che  k  nome  di  quella  nobiltk  gli  fusse  stato  rapresen- 
tato  il  loro  pessimo  stato  e  che  non  vorriano  essere  violentati  k 
qualche  rissolutione  pregiudiciale;  che  molti  di  quei  officiali  s'an- 
daran  licentiando,  e  ch'  egli  insospettito  d'  altri  li  mntava,  e 
rimaneva  con  gran  dubio  dei  sensi  della  medesima  nobiltk. 


^  Es  ist  die  Sendung  des  Abtes  von  Paradeis  an  Elisabeth  Charlotte  ge- 
meint.   Vgl.  Urkunden  und  Akten  8,  8.  208  ff. 
'  Graf  Waldeck,  Führer  der  Schwedenpartei  am  kurfttrstlichen  Hofe. 

•  Vgl.  über  Karl  Gustavs  damalige  schwankende  ünentschlossenheit  Pri- 
bram,  »Lisola*,  S.  284  ff.,  und  Carlson,  1.  c,  8.  204.  Erklärungen  d'Avau- 
gours  siehe  Urkunden  und  Akten  2,  S.  127. 

*  Über  das  damalige  Verhalten  Brandenburgs  zu  Schweden  vgl.  Urkunden 
und  Akten  8,  S.  168. 


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133.  Czenstochau,  1657  Juni  27. 

Oerüchte  über  Pläne  und  Bewegungen  Karl  Crustavs. 

König  Karl  läßt  am  18.  in  Thorn  Schiffe  bereiten,  um 
das  Geschütz^  wie  man  sagt,  nach  Marienburg  zu  schaffen. 
Andere  Gerüchte,  daß  er  durch  Großpolen  nach  Schlesien  oder 
auch  nach  Pommern  zieht,  vorher  aber  vom  Kurfürsten  Truppen 
verlangt,  um  ihn  fester  an  sich  zu  ziehen. 

134.  Czenstochau,  1657  Juni  27. 

Unterredung  mit  dem  Großschatzmeister  nach  seiner  Rück- 
kehr aus  Wien,  Österreich  will  seine  ganze  Macht  nur  für  die 
Hilfe  Polens  verwenden. 

H  medesimo  S'  gran  tesoriere  ^  m'  hk  pur  raccontato,  ch'  il 
S'  ambasciatore  di  Spagna  '  n'  habbia  grandemente  contribuito 
(zum  Eifolge  seiner  Sendung) '^^  anziehe  gli  facesse  vedere  let- 
tere  di  S.  M.  Cat**,*  con  lequali  gli  diceva  d' haver  scritto  al 
S'  D.  Giovanni  d'Austria*  et  al  Governatore  di  Milano,^  che 
qoando  le  bisognasse  militia,  si  provedessero  altrove,  per  che 
desiderava,  ch'  onninamente  si  soccorresse  la  Polonia;  il  che  hk 
confermato  in  queste  M.  M^  il  concetto^  che  portano  della  molta 
pietk  di  S.  M**  et  affetto  verso  le  medesime. 

135.  Czenstochau,  1657  Juli  4. 

Gerüchte  von  der  Absicht  Karl  Gustavs,  nach  Schweden 
zurückzukehren.  Schwedische  Kriegskontribution  in  Thorn  und 
zukünftiges  Schicksal  dieser  Festung. 

Con  lettere  di  Prussia  si  vk  tuttavia  confermando,  ch'  il 
r^  Carlo  disegnasse  di  passar  in  Pomerania  al  soccorso  de  suoi 


'  Bogufllaw  Lescsynski. 

'  Der  MarquiB  La  Fnente. 

>  Das  österreichisch-polnische  Bündnis  vom  27.  Mai  1657.  Bestimmte 
Angaben  über  eine  derartige  Unterstüünuig  des  polnischen  Glesandten 
durch  den  spanischen  am  Wiener  Hofe  finden  sich  leider  nirgends.  Vgl. 
auch  über  Fuente  bei  Pribram,  »Venet.  Dep.*,  1.  c,  S.  12,  82  etc. 

*  Philipp  IV.,  König  von  Spanien. 

^  Don  Juan  d^Austria,  Statthalter  in  den  spanischen  Niederlanden. 

•  Alonso  Perez  de  Vivero,  Graf  von  Fuensaldagna.  VgL  Pribram,  ,Venet. 
Dep.*,  S.  677. 


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stati,  *  e  ch'  in  Turonia  fiisse  giunto  da  Stocolmo  un  borgo- 
mastro  di  quella  cittk  per  rappresentar  al  detto  il  mal  Btato  di 
quei  popoli  et  il  timor  grande,  che  v'  era  di  qualche  solleva- 
tione,  e  che  molti  desiderassero  il  ritorno  della  regina  Chri- 
stina.* II  rfe  Carlo  chiede  gran  somma  di  denaro  alla  cittk  di 
Turonia,^  e  credono  alcuni,  che  per  valersi  anche  di  quel  pre- 
sidio  sia  per  consegnar  quella  piazza  all'  elettore. 

136.  Czenstochau,  1657  Juli  4, 

Unterredung  mit  dem  französischen  Gesandten  über  die 
Pläne  Karl  Gustavs  und  die  Friedensaussichten, 

Non  crede  cosi  facilmente  il  Sig'  ambasciatore  di  Francia 
che  il  Th  di  Suezia  sia  per  portarsi  in  Pomerania,  per  che  Bran- 
denburgh  fark  quanto  potrk  per  trattenerlo,  mentre  solo,  saria 
difficile  k  resistere  k  Polacchi  e  Tedeschi,  et  havendole  detto, 
che  vedevo  le  cose  disposte  in  modo,  che  si  poteva  sperare  la 
pace,  mi  hk  risposto,  che  k  volere,  che  prima  si  restituisca 
tatto,  che  raai  lasciark  introdurre  trattato,  mk  gl'  \xh  soggiunto, 
che  k  questo  pure  si  saria  potuto  trovar  ripiego,  dando  il  rfe  di 
Suezia  parola  k  S.  M'^  christianiss™*  di  farlo  seguito  il  trattato, 
mk  dice,  che  saria  difficile  di  inducerlo,  e  con  questo  salvaria 
r  honor  suo.  Crede  il  Sig'  ambasciatore,  che  egli  onninamente 
pensark^  di  comporsi  con  alcuno  di  suoi  nemici,  e  che  non 
vede,  che  lo  possa  fare  con  altri  con  meno  danno,  che  con  la 
Polonia,  perche  con  questa.^non  perderk  del  proprio,  come  le 
converrk  di  fare  h  col  Moscovita,  6  con  Danimarca. 


*  Vgl.  die  Ungewißheit  über  die  damaligen  Pläne  Karl  GuBtavs  bei  Carl- 
son,  1.  c,  S.  240,  und  die  Gründe,  welche  Lisola  für  ein  yoranssicht^ 
liches  Verlassen  des  Kriegsschauplatzes  in  Polen  anführt,  bei  Pribram, 
»LisolaS  8.  285. 

'  Christine  von  Schweden. 

*  Die  Höhe  der  Kontribution  für  Thorn  findet  sich  angegeben  bei  ,Lii0olaS 
S.'  285;  jedoch  findet  sich  weder  hier  noch  an  anderer  Stelle,  so  bei 
Lengnich  oder  Carlson,  wo  man  es  hätte  erwarten  können,  eine  Nach- 
richt über  die  Mission  des  Stockholmer  Bürgermeisters  an  Karl  Gostav 
nach  Thoin. 

*  Vgl.  über  Karl  Gustavs  damalige  Unentschlossenheit  Pribram,  ,Liso]aS 
S.  284  ff.,  und  Carlson,  1.  c,  S.  204;  Erklärungen  d*Avaugours  siehe  Ur- 
kunden und  Akten  2,  127. 


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137.  Pieakowctschala^  1667  Juli  17. 

Abzug  Karl  Gustavs  gegen  Dänemark.  Nachrichten  aus 
Thom. 

König  Karl  hat  der  Stadt  Thom  noch  2000  fiorini  ab- 
verlangt^ und  ist  dann  fo^'t  gegen  Dänemark.  Jetzt  soll  in 
Thom  der  Kurfürst  eingezogen  sein, 

138.  Korzkiew,  1657  Juli  26. 

Unterhandlungen  mit  dem  Kurfürsten  sind  im  Gange.  Die 
ermländische  Kirche. 

Der  Nutius  hat  erfahren,  daß  dem  Generale  Campestre 
in  Litthavsn^  Vollmacht  erteilt  sei,  unter  größter  Diskretion 
mit  dem  Kurfürsten  zu  verhandeln,  bei  dem  auch  schon  zu 
gleichem  Zwecke  die  Herzogin- Schwester  von  Kurland^  einge- 
troffen sei.  Bei  dieser  Gelegenheit  hat  er  wieder  dem  Könige 
das  Wohl  der  ermländischen  Kirche  ans  Herz  gelegt. 

139.  Korzkiew,  1657  Juli  26. 

Klage  des  Königs  über  die  Unfähigkeit  des  österreichischen 
Generals  Hatzfeld,  Wünsche  für  dessen  Ersatz. 

Der  König  beklagt  sich  über  den  General  Azfelt,*  der 
schon  ganz  das  Gedächtnis  verloren  und  keinen  Rat  annehme. 
Neulich  hat  er  in  des  Königs  Gegenwart  Befehl  erteilt,  die 
Artillerie  auf  einen  günstigen  Platz  zu  schaffen.  Als  er  dann 
sah,  wie  man  die  Geschütze  dorthin  führte,  fragte  er,  wer  dazu 
den  Befehl  erteilt  f  Auf  die  Antwort,  er  selbst,  verneinte  er  dies 
und  ließ  sie  wieder  zurückbringen.  Der  König  hat  den  Nuntius 
ei*sucht,  daß  er  nach  Wien  an  den  Nuntius  schreibe,  damit  er 
abberufen   werde  und  das  Kommando  entweder  an  Montecucoli 


^  Pribram,  ^LAboW,  S.  285,  nennt  als  Kriegskontribution  7  Tonnen  Goldes. 
Karl  Gostavs  Anf  brach  von  Thom  erfolgte  am  22.  Juni  1657. 

'  Gonziewski;  vgl.  über  die  Verhandlungen  mit  ihm  zu  dieser  Zeit  Ur- 
kunden und  Akten  8,  S.  200  fiP. 

'  Louise  Charlotte;  über  ihr  Einwirken  auf  den  Kurfürsten  im  Interesse 
Polens  Tgl.  Pribram,  ,LisolaS  S.  303. 

^  Vgl.  über  die  militärische  Unfähigkeit  des  altersschwachen  Hatzfeld 
auch  Pribram,  ,yenet.  Dep.*,  S.  29. 


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übertragen  oder  ein  Kriegsrat  gebildet  werde,  in  dem  die  Mehr- 
heit siege, 

140.  Korzkiew,  1657  Juli  26. 

Die  Kaiserwahl,  die  Stimme  des  Kurfürsten  und  Liaola. 

H6  qualche  dubiO;  che  L'  Isola  non  condescenda  ad  al- 
cuna  cosa  di  piü  per  guadagnare  il  voto  deir  elettore  e  sopra 
ciö  staremo  k  vedere.  * 

141.  Korzkiew,  1657  August  1. 

Das  Erscheinen  des  Königs  von  Dänemark  mit  Schiffen 
vor  Danzig.  Ghründe  hierfür,  Ankunft  der  Diplomaten  in 
Königsberg,  ihre  Absichten  und  eine  Erklärung  der  Herzogin 
von  Kurland.  Die  Angelegenheit  Demut.  Aufsicht  auf  einen 
Bund  mit  dem  Kurfürsten, 

Aus  Danzig  kommt  die  Kunde,  daß  der  König  von  Däne- 
mark mit  10  Kriegsschiffen  angelangt  sei.^  Orund:  Er  habe 
gehört,  die  Schweden  wollten  die  Stadt  belagern  und  daher  die 
Hilfe,  oder  er  habe  gehört,  daß  Karl  nach  Schweden  wollte  und 
er  beabsichtigte,  ihn  abzufangen.  Da  Karl  beides  nicht  getan, 
zog  sich  auch  der  Däne  wieder  zurück.  Aus  Königsberg  wird 
die  Ankunft  Isolas^  Awoncurs  und  Slipenbaks  gemeldet.  Ob- 
gleich man  noch  nicht  ihre  Absichten  kennt,  meint  man,  sie 
wollen  den  Kurfürsten  im  Bunde  mit  Schweden  halten,^  e  ciö 
anco  si  raccoglieva  dal  discorso  c'haveva  fatto  la  duchessa  di 
Curlandia  Borella  del  Seren"®  elettore,*  la  quäle  s*  era  spiegata 
seco,  che  tutte  qaei,  che  persuadevano  il  fratello  di  continuar 
il  partito  Snedese,  gli  erano  poco  amici.  Hk  fatto  V  elettore  di 
Brandeburg  carcerare  un  tal  ofEciale  Demut/  che  suppone  le- 

*  Vgl.  über  die  Bemühungen  Lisolas  beim  Kurfürsten  in  der  Wahlange- 
legenheit Pribram,  ,LisolaS  S.  306  ff. 

'  Friedrich  DI.,  König  von  Dänemark.  Er  kam  auf  der  Bhede  von 
Danzig  am  8.  Juli  mit  20  Schiffen  an,  wie  Lengnich,  1.  c,  8.  ISO,  be- 
richtet. 

'  Vgl.  Urkunden  und  Akten  8,  S.  230.  Die  Korrespondenz  Schlippen- 
bachs mit  dem  Kurfürsten. 

*  Vgl.  Pribram,  jLisola*,  S.  309.  Die  derbe  Abfertigung,  welche  Louise 
Charlotte  einem  der  französischen  Gesandten  zuteil  werden  ließ. 

*  Vgl.  über  ihn  Kolberg,  1.  c,  8.  453,  465. 


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vasse  gente  ne  suoi  stati  in  servitio  della  Polonia,  e  che  gli 
soUevasse  il  popolo,  mk  il  S'  deU'Isola  sperava  di  farlo  rilas- 
ciare,  et  intanto  s'  andava  nel  medesimo  elettore  seuoprendo 
buona  dispositione  all' agginstamento.^ 

142.  Korzkiewj  1657  August  6, 

Enthüllungen  des  französischen  Gesandten,  Pläne  der 
Franzosen,  falls  Österreich  die  Polen  unterstützen  sollte, 

H6  scoperto  in  discorso  con  TAmbasciatore  di  Francia 
probabile^  che  ßi  muovino  1'  armi  Francese  contro  il  vh  d'  Un- 
gheria,  k  cui  caso  che  assistesse  la  Polonia;  che  loro  assisteranno 
k  Suetesi  e  minaccia^  che  sconvolgera  tutta  V  Europa^  e  vedo^ 
che  confidono  molto  negF  aiuti  del  Cromvel.  * 

143.  Korzkiew,  1667  August  6. 

Bemühungen  des  Nuntius  für  seine  Kirche. 

Bei  der  Souveränitätsfrage  des  Kurfürsten  hat  der  Nuntius 
wieder  mit  dem  Könige  gesprochen,  daß  die  Rechte  der  Katho- 
liken gewahrt  bleiben,  und  in  gleichem  Sinne  hat  er  auch  an 
Lisola  geschrieben. 

144.  Korzkiew,  1657  August  12. 

Die  Bemühungen  Avaucours,  den  Kurfürsten  bei  Schweden 
zu  erhalten.  Gespräch  mit  Avaucour  über  den  Kv^rfürsten, 
seine  Stimme  bei  der  Kaiserwahl  und  seine  Stellung  zu  Öster- 
reich und  Frankreich.  Hoffnungen  auf  den  Papst.  Bund 
zwischen  Österreich  und  Dänemark. 

Die  Verhandlungen  mit  dem  Kurfürsten  scheinen  einen 
guten  Fortgang  zu  nehmen,  sie  waren  aber  fast  zerstört  durch 
das  Vorgehen  des  Avoncur,  der  ihn  durch  Versprechungen  und 
Geld  zu   bewegen  sucht,   nicht  von  Schweden  zu  lassen.^    Der 


*  Vgl.  Pribram,  ,Li8olaS  8.  310. 

*  Die  Politik  Gromwelk  in  dieser  Zeit  siehe  Urkunden  nnd  Akten  7, 
S.  706  ff. 

*  VgL  die  Anerbietangen  d^Avaucoors,  bei  Pribram,  ,LisolaS  8.  806  ff., 
ebenso  ib.  die  politische  Tätigkeit  Lisolas  gegen  die  Bestrebungen  der 
Franzosen. 


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König  ist  verstimmt  dadurch]  er  bittet  den  Nuntius,  dabei  zu 
sein,  sobald  der  Sekretär  Lisolas  die  Briefe  des  französischen 
Gesandten  entziffert.  Der  französische  Gesandte  sagt  ihm,  daß 
die  Versprechungen  an  den  Kurfürsten  nicht  diesen  Zweck 
haben,  sondern  nur,  daß  er  nicht  mit  dem  Könige  von  Ungarn 
zusammengehe,  während  er  mit  Frankreich  gebunden  ist,  e  che 
Tandata  dell'Isola  h  stata  importuna,  perche  mentre  vaol  pro- 
curare  quel  voto,  non  puo  seguire  che  con  pregiuditio  della  Fran- 
cia,  dandolo  al  detto  r^,  e  perö,  che  col  negotio  impedirk  quanto 
poträ  la  elettione  spiegandosi  in  an  certo  modo^  che  non  lo  fark 
con  Tarmi,  se  non  vi  sark  sforzato;  hö  replicato  che  poteva 
Stare  insieme  V  amicida  deir  elettore  con  la  Francia  e  con  il  rh 
d'  Ungheria,  come  era  stato  sin'  hora  e  lasciarlo  in  libertä  dei 
suo  YOtO;  mk  mi  replicö^  che  l'Isola  16  minacciava;  senon  si 
dichiarava  del  suo  voto,  e  che  in  vigore  della  lega  seco,*  non 
puö  darlo,  che  d'  accordo  con  la  Francia.  Zum  Schlüsse  meinte 
der  Gesandte,  daß  die  jetzigen  und  noch  kommenden  größeren 
Verwicklungen  nur  durch  den  Papst  gelöst  werden  könnten^ 
worauf  der  Nuntius  sagte,  daß  der  Papst  niemals  seine  Be- 
mühungen aufgeben  uMrde,  Per  quanto  sento  la  lega  nostra 
col  xh  d' Ungheria  h  Danimarca  non  h,  che  sin' hora  in  parola. 


145.  Korzkiew,  1657  August  12. 

Kriegsnachrichten  aus  dem  königlichen  Preußen,  Bestre- 
bungen und  Gegenbestrebungen  der  Diplomaten  in  Königsberg. 
Schreiben  aus  Danzig  vom  27.  melden  den  Rückzug  der  Schwe- 
den aus  Dirschau,^  Zerstörung  der  Befestigung,  ihre  Absicht, 
in  Elbing,  Marienburg  und  Thorn  sich  zu  halten,  und  zu  diesem 
Zwecke  sei  Adolf  Johann,  ^  des  Königs  Bruder,  mit  2000  Mann 
geblieben.  Die  Bestrebungen  Lisolas  beim  Kurfürsten,  Wider- 
stand  von  Seiten  des  Awoncur,  so  daß  der  Ausgang  zweifel- 
haft sei. 


^  d^Avaaconr  erinnert  an  die  französisch-brandenbar^ische  Defensivallians 

vom  24.  Februar  1656. 
•  Vgl.  Lengnich,  1.  c,  8.  180. 
'  Adolf  Johann,  Pfalzgraf  von  Zweibrttcken. 


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Ö7 

146.  KorzkieWy  1657  August  19, 

Abschluß  des  Vertrages  zwischen  Polen  und  dem  Kur- 
fürsten.   Abreise  Avaugours,    Verschiedene  Nachrichten. 

Ein  Schreiben  Lisolas  meldet  den  Abschluß  des  Vertrages 
dv/rch  ihn  und  den  Bischof  von  Ermland  mit  dem  Kurßirsten.^ 
Infolgedessen  zieht  Avaugour  ärgerlich  am  29.  ab.  Aus  Danzig 
wird  vom  Ende  Juli  gemeldet:  Kriegsnachrichten,  die  Geburt  des 
Kurprinzen,^  der  Ausbruch  der  Pest  am  diesseitigen  Ufer  der 
Weichsel. 

147.  Korzkiew,  1657  August  25. 

Gerüchte  über  die  Politik  des  Kurfürsien;  seine  Verhand- 
lungen zwischen  Dänemark  und  Schweden. 

Si  sente  di  Danzica  che  V  elettore  tratta  con  poca  since- 
ritk^  e  che  ardentamente  procuri  la  pace  frk  Danimarca  et 
Suezia,'  oflFerendo  k  nome  di  questo  alFaltro  ogni  sodisfattione, 
e  frapone  sempre  nuovi  induggi  per  veder  k  che  si  mettano 
le  cose  tanto  da  questa  parte,  come  da  Danimarca. 

148.  Krakau,  1657  September  1. 

Das  Schreiben  der  Kurfürstin-Mutter  an  die  Königin. 
Die  Entschlüsse  Karl  Gustavs,  Preußen  anlangend.  Der  Kur- 
fürst als  Frieden svermittler  zwischen  Schweden  und  Rußland. 
Die  Korrespondenz  zwischen  Avaugour  und  de  TMmbres. 

La  madre  elettrice  scrive  alla  regina,  che  V  elettore  di 
Brandenburgh  suo  figlio  tiene  avviso  che  ii  rfc  di  Suezia  si 
contentark  di  restituire  le  piazze  di  Prussia  per  denari,  e  che 
1' ambasciatore*  mandato  da  suo  figlio  al  Moscovita  era  ritor- 
nato  con  nuova,  che  quelle  accettaria  la  sua  mediatione  per  la 
pace  con  Suetesi,  mk  non  si  crede  si  facilmente.   Auch  hat  sie 


*  Der    polniflch-braudenburgiflche  Waffenstillstand    von   Wierzbolowa    er- 
folgfte  jedoch  erst  am  22.  August    Vgl.  Urkunden  und  Akten  8,  215. 

'  Der  spätere  erste  König  von  Preußen  Friedrich  I. 

*  Vgl.  die  Vermittlungsbestrebungen  des  Kurfürsten  zwischen  Schweden 
und  Dänemark.    Urkunden  und  Akten  8,  S.  180  ff. 

*  Eulenburg  für  die  russisch-brandenburgischen   Beziehungen.     Vgl.  Ur- 
kunden und  Akten  8,  S.  42  ff. 

Archir.   ICV.  Band.  I.  Hälfte.  7 


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98 

an    den   König    ein   Paket   Briefe  von   Avaucur   an  Delumbre 
geschickt,  aber  da  alles  in  Chiffren  war,  hat  er  es  zurückgesendet. 


149.  Krakau,  1657  September  7. 

Der  Vertrag  mit  dem  Kurfürsten.  Seine  erhöhten  Ansprüche. 
Der  Einspruch  Danzigs  gegen  die  Überlassung  Elbings, 

Der  Kurfürst  fordert  nämlich  außer  dem  bisher  Be- 
kannten: Che  mancando  tutta  la  linea  mascolina^  se  diano 
300.000  taleri  alle  femine,  e  vuol  comprendere  nel  trattato  il 
duca  Boguslao,*  e  se  le  restituisca  tutto  il  sao  e  se  le  conce- 
dano  le  facoltk  del  defonto  generale  Radzivil,  e  qualche  sta- 
rostia.  Zweifel,  ob  die  Polen  auf  alles  eingehen  werden.  Danzig 
wünscht  zwar  defii  Friedensabschluß  mit  dem  Kurfürsten,  aber 
nicht,  daß  er  Elbing  erhalte,^  che  come  vicina  al  Baltico  po- 
tria  darsi  caso  d'  introdurvi  traffico  in  pregiudicio  di  quelle 
della  loro  cittä. 

150.  Dembrowa,  1657  September  12. 

Schreiben  des  Großmarschalls  ^  an  den  Nuntius.  Miß- 
stimmung gegen  Österreich, 

Partii  da  Moghila  all'  improviso,  perche  non  mi  dava  il 
euere    d'  entrare    in    Cracovia^    alla    discretione    della   militia 


*  Im  Wehlauer  Vertrage  wurde  bestimmt,  daß  im  Herzogtume  Preußen 
nur  für  den  Fall  des  Aussterbens  der  männlichen  Nachkommenschaft 
des  Kurfürsten  der  polnische  Lehensanspruch  wieder  erhoben  werden 
dürfte.    Vgl.  Erdmannsdörffer,  1.  c,  S.  279. 

*  Boguslaus  Radziwill.    Vgl.  Lengnich,  1.  c,  S.  184. 
»  Vgl.  Lengnich,  1.  c,  S.  185  ff. 

*  Lubomirski. 

"  Am  30.  August  war  Krakau  nach  langer  Belagerung  von  den  Oster- 
reichem  erobert,  welche  schon  damals  nicht  gewillt  waren,  die  Stadt 
wieder  an  Polen  abzutreten.  Daher  entstand  aus  anderen,  später 
folgenden  Ursachen,  so  wegen  der  Frage  der  Winterquartiere  für  die 
deutschen  Hilfstruppen,  bei  den  Polen  eine  erbitterte  Stimmung  gegen 
ihre  Bundesgenossen.  Vgl.  Urkunden  und  Akten  8,  S.  347,  und  Pri- 
bram,  ,Lisola*,  S.  340,  Anm.  2;  und  die  Streitigkeiten  wegen  der  Be- 
satzung Krakaus  siehe  Rudawski,  1.  c,  S.  350.  Auch  des  Noyers,  1.  c, 
2,  S.  357,  hat  eine  drastische  Schilderung  von  dem  nationalen  Hasse 
der  Polen  gegen  die  Österreicher  gegeben:  ,il  y  a  une  si  grande  auti- 


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9Ö 

Austriaca^  et  che  vedere  la  M*^  del  rfe  trionfare  d'  una  cosa, 
che  non  restava  intieramente  sua.  La  congiontione  deir  armi 
deve  sapponere  qaella  delFanimi  e  de  voleri,  mk  questa  e  im- 
possibile  che  ci  possa  essere,  mentre  H  S.  S"  Tedeschi  ci  trat- 
tano  in  questo  modo.  lo  credo,  che  V.  S.  111™*  sii  molto  ben 
persuasa  che  non  vi  b  cavaliero  in  Polonia,  che  per  publici  et 
privati  respetti  sia  piü  di  me  osseguioso  deirAugustiss"*  casa 
d'Anstria,  et  per  questo  piü  d'  ogn'  altro  k  me  dispiace  il  modo 
che  tengono  H  ministri  di  essa,  che  puö  essere  egualmente  pre- 
giaditiale  k  noi  et  k  loro.  Hö  voluto  sfogar  il  disgusto,  che  sento 
de  procederi  de  nostri  amici  con  V.  S.  III™*  con  quella  intiera  conli- 
denza^  che  mi  hk  concesao  la  di  lei  benignitk^  mentre  col  ratifi- 
carle  ogni  mia  parte  totalmente  dedicata  alle  dispositioni  di 
V.  S.  Ill™*  le  bacio  devotamente  le  mani. 


151.  KrakaUy  1657  September  15, 

Die  Antwort,  des  Nuntius  auf  dieses  Schreiben. 

Der  Marschall  solle  sich  gedulden,  er  hat  die  nötigen 
Schritte  getan  und  billigt  ganz  seine  Ansicht,  Sobald  er  ihn 
sehen  oder  mit  S'  Cefali^  sprechen  kann,  wird  er  sich  xoeiter 
auslassen, 

152.  Krakau,  1657  September  15. 

Klage  über  die  Ketzer  in  Posen.  Vertrag  mit  dem  Kur- 
fürsten,  die  Souveränität,  die  pommer ellischen  Starostien  und 
die  Elbinger  Frage. 

Im  Vertrage  mit  dem  Kurfürsten  waren  viele  für  die  freie 
Gewährung  der  Souveränität,  aber  der  Qroßkanzler^  *  der  zuerst 
dafür  war,  daß  die  Zustimmung  des  Volkes  erforderlich  sei, 
gibt  dann  auch  nach.  E  ch'  i  capitanati  Bittovense  e  Le- 
durghense  in  Pomerella'  se  le  diano  solo  con  le   rendite  loro^ 


pathie  entre  les  Polonais  et  les  Allemands,  que  je  puls  vous  assurer 
qu'  eile  snrpasse  celle  des  Fran^ais  et  des  E8pagnol8^ 

*  Sebastiano   Cefali,  Sekretär  des  Großmarschalls  Lubomirski.     Vgl.  des 
Noyers,  1.  c,  8.  421. 

*  Stephan  Korycinski. 

*  Die   beiden    pommerischen  Ämter  Lanenburg   und  Btltow.     Vgl.   Erd- 
mannsdöHfer,  1.  c,  S.  280,  und  Urkunden  und  Akten  8,  S.  216. 

7* 


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100 

salve  le  ragioni  e  giurisdittioni  della  nobiltk,  e  qiianto  a  Ei- 
binga/ che  se  ne  debba  pigliar  il  consenso  della  nobiltä  della 
Prussia  regale^  benche  altri  propongono  che  fusse  ineglio  dargli 
danaro  in  cambio  di  detta  cittk. 

153.  Krakau,  1657  September  22. 

Die  Zügellosigkeit  der  Soldaten  des  kaiserlichen  Hilfs- 
korps in  Polen, 

Die  Klagen  des  Nuntius  darüber.  Er  fürchtet ^  daß  dive- 
ranno  un  giorno  (che  Dio  non  voglia)  schiavi  de  Barbari.  Er 
hat  deshalb  schon  mit  dem  deutschen  Nuntius^  verhandelt.^ 
Nicht  nur  gegen  die  Bauern^  sondern  auch  dem  Adel  gegenüber 
sind  sie  sehr  frech  und  deshalb  verhaßt,^  Der  König  verspricht 
Abhilfe, 

154.  Krakau^  1657  September  22. 
Das  Treffen  bei  Dirschau, 

Aus  Danzig  langen  Sonntag  Briefe  ein,  welche  melden, 
daß  bei  Dirschau  ein  Gefecht  zwischen  den  Schioeden  und  dieser 
Stadt  stattgefunden.  Die  Schweden  verloren  ca.  300  Mann,  als 
aber  die  Kurfürstlichen  zu  Hilfe  kamen^  mußten  sich  die  von 
Dirschau  mit  Verlust  eines  kleinen  Feldgeschützes  zurückziehen. 
Waldeck,  der  die  Brandenburger  führt,  wurde  vervmndeU^ 

155.  Krakau,  1657  September  22. 

Gespräch  mit  dem  Könige  über  den  Frieden  mit  Branden- 
burg.   Allgemeine  Stimmung  hiefür. 

»  Vgl.  Erdraannsdörffer,  1.  c,  S.  280. 

*  Karl  Caraffa. 

'  Aus  einem  Gegenschreiben,  datiert  Rom,  25.  August  1657,  geht  hervor, 
daß  Caraffa  nach  Rom  über  die  Unzufriedenheit  der  österreichischen 
Generäle  in  Polen  ,come  anche  per  la  scarsezza,  con  la  quäle  si  pro- 
cede  verso  le  soldatesche  comandate  da  loro*  berichtet  hatte,  und  daß, 
,da  der  König  nicht  energisch  hilft,  große  Unannehmlichkeiten  ent- 
stehen könnten*.  Auf  diesen  Bericht  Carafias  war  Vidoni  vom  Papste 
aufgefordert,  sich  der  Sache  anzunehmen. 

*  Über  die  feindliche  Stimmung  der  Polen  gegen  die  Österreicher  vgl. 
Pribram,  ,Lisola*,  1.  c,  S.  340,  Anm.,  und  Pribram,  ,Venet.  Dep.*,  S.  57. 

*  Über  da«  Gefecht  bei  Dirschau,  welches  am  2.  September  1657  statt- 
fand, vgl.  Lengnich,  I.  c,  S.  180,  und  Droysen,  1.  c,  S.  349. 


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Der  König  teilt  mit,  wie  Isola  geschrieben,  daß  die  Sache 
vorgeschritten,^  Auch  der  König  von  Ungarn  und  der  größte 
Teil  der  Senatoren  sei  für  den  Frieden,  die  Hilfe  sei  bei  dem 
jetzigen  Stande  des  Reiches  nicht  zu  verachten,^ 


156.  Warschau,  1657  Oktober  6. 

Avaugour  als  Kundschafter  für  die  Schweden.  Der  Nun- 
tius soll  ihn  beobachten.  Weshalb  sich  der  Kurfürst  bei  War- 
schau nicht  mit  den  Polen  verbunden  hat. 


'  Lisola  hatte  auch  in  gleichlauteudem  Sinne  an  den  Nuntius  geschrieben, 
dabei  jedoch  auf  die  Schwierigkeiten  in  der  religiösen  Frage  besonders 
hingewiesen  (datiert  Königsberg,  1657  August  31).  Er  hat  vorher  nicht 
den  Mut  gehabt  zu  schreiben.  Jetzt  scheinen  aber  die  Geschäfte  einen 
befriedigenden  Ausgang  zu  nehmen.  Dennoch  .  .  .  (folgen  Ghiffiren,  die 
am  Rande  so  aufgelöst  zu  sein  scheinen)  ,r  elettore  vole  che  gli  con- 
cediamo  la  libertA  del  Calvinismo  —  diese  Forderung  des  Kurfürsten, 
aber  nur  für  Pommern,  findet  sich  bei  Pribram,  ,Li8olaS  S.  317;  viel- 
leicht ist  es  aber  gerade  diese  dechiffrierte  Stelle,  deren  Auflösung  Pribram 
noch  nicht  kannte,  in  welcher  die  Forderung  der  freien  kalvinistischen 
Religionsausübung  für  das  ganze  Land  ausgesprochen  ist  —  e  questa 
e  una  delle  maggiore  difficoltü  anzi  quasi  luuica,  che  ei  resta,  per  la 
quäle  hoggi  haveremo  una  dura  bataglia,  ma  in  questo  saremo  inesso- 
rabili  qnalsivoglia  effetto  ne  possa  seguire.  Humilissimo  e  devotissimo 
Ser«^«  F.  Delisola. 

^  Einen  lehrreichen  Einblick  in  die  Beurteilung  der  Politik  des  Kur- 
fürsten durch  den  Papst  und  zugleich  Ratschläge  für  die  Verhandlungen 
mit  dem  Kurfürsten  gewährt  ein  Gegenschreiben,  datiert  Rom,  25.  August 
1657:  Anläßlich  der  Annäherung  des  Kurfürsten  an  den  König  von 
Polen  meint  der  Papst,  daß  der  König  da  mit  aller  Klugheit  vorgehen 
müsse,  ,che  richiedono  ugualmente  il  zelo  della  gloria  di  Dio  e  le  con- 
venienze  della  Corona,  verso  di  cui  si  kt  mostrato  quel  principe  cosi 
fiero  et  implacabil  nemico,  non  con  altro  motivo,  che  di  avanzare  la 
propria  conditione  con  V  esterminio  della  santa  fede  e  del  regno.  Mi 
ha  con  tutto  ci6  comandato  S.  B«  di  significare  k  V.  S.,  ch'  ella  insista 
opportunamente,  affinche  non  si  condesceuda  per  cotesta  parte  alle 
sodisfationi  di  S.  A.,  la  quäle  inducendosi  hora  k  procurarle  per  via  di 
pace,  con  il  solo  stimolo  di  non  poter  continuare  piu  lungamente  la 
guerra,  e  molto  verisimile,  che  quando  ne  havesse  il  modo,  tomasse 
nuovamente  i  gli  atti  di  hostilitii  e  di  rebellione,  mentre  hora  non  le 
ne  venga  preclusa  ogni  speranza,  median te  una  generusa  resolutione 
di  vendicare  le  ingiurie,  che  hi  fatto  k  S.  D.  M^  et  alla  Repub<»*.  In 
gleichem  Sinne  wird  er  heute  abends  an  den  Nuntius  di  Germania 
schreiben,  mit  dem  sodann  Vidoni  darüber  verhandeln  kann. 


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102 

Der  König  erzählt,  daß  der  französische  Gesandte  nur  hiei' 
bleibe,  um  den  Schweden  zu  berichten,  und  bittet  den  Nuntius, 
ihn  zu  beobachten.  Der  Nuntius  aber  ersucht,  ihn  davon  zu 
entbinden,  da  er  das  QeiHcht  habe  verbreiten  lassen,  daß  er 
wegen  Unpäßlichkeit  dem  Könige  nicht  folgen  könne.  Der  König 
versteht  ihn  und  der  Nuntius  kann  Sr,  Eminem  nicht  genu^ 
rühmen,  wie  er  zwei  Stunden  lang  mit  ihm  gesprochen  hat.  Aus 
einem  Briefe,  den  der  General  in  Litauen^  an  den  Rat  ge- 
richtet, geht  hervor,  daß  der  Kurfürst  im  vorigen  Jahre  sich 
mit  dem  Könige  bei  Warschau  habe  verbindest  wollen,  wenn 
nicht  di  Lumbre  gesagt  hätte,  das  sei  unmöglich  und  die  Re- 
publik würde  es  nie  zugeben. 

157.  Warschau,  1657  Oktober  6. 

Schreiben  Lisolas  über  die  politischen  Folgen  des  Ver- 
trages mit  dem  Kurfürsten,  Bericht  des  Nuntius  aus  Wien  übei' 
die  Aufnahme  des  Bündnisses  daselbst,  Ungnade  Lisolas  in 
Wien,  Unzufriedenheit  des  Königs  von  Ungarn,  sein  Verlangen, 
in  Krakau  eine  österreichische  Besatzung  zu  halten. 

Der  König  hat  ihm  den  Brief  Lisolas  über  den  Vertrag 
mit  dem  Kurfürsten  gezeigt,^  Lisola  zeigt  darin  con  potenti 
ragioni  die  günstigen  Folgen  für  Polen  und  Deutschland '  e  che 
cosi  si  conferma  nel  paiiito  di  Danimarca  e  molto  piü^  che  i 
Francesi  e  Suetesi  gli  replicavano  le  promesse  et  assistenze. 
Stä  pero  perplesso  V  elettore  di  portare  armi  contro  Suetesi  in 
Germania  se  non  16  fk  ancora  il  vh  di  Ungheria,  che  pare 
vada  circospetto  per  non  mostrare  di  rompere  la  pace  con  V  im- 
perio.  —  Der  Nuntius  von  Germania  schreibt  ihm,  daß  man 
dort  das  Bündnis  wünschte,  aber  mit  Lisola  nicht  zufrieden  ist, 


^  Gonsiewski.  Vgl.  über  die  Vermittlungsversuche  de  Lumbres  am  pol- 
nischen Hofe  kurz  vor  der  Schlacht  bei  Warschau  Urkunden  und 
Akten  2,  S.  104  ff.,  und  Droysen,  1.  c,  S.  274  ff.  Damach  hatte  im 
Gegensatze  zu  obiger  Nachricht  de  Lumbres  den  Antrag  des  Kurfürsten 
überbracht,  daß  der  König  von  Polen  sich  mit  ihm  und  den  Schweden 
verbttnde  und  Polen  in  eine  erbliche  Monarchie  verwandle.  Bei  der 
Siegesgewißheit  und  kriegerischen  Stimmung  jedoch,  welche  in  Warschau 
herrschten,  wurde  dieser  letzte  Versuch  des  französischen  Gesandten, 
eine  Einigung  zu  erzielen,  mit  Verachtung  zurückgewiesen. 

'  Der  Vertrag  von  Welau,  19.  September  1667. 

^  Diese  Ausführungen  Lisolas  bei  Pribram,  I.  c,  S.  822  ff. 


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da  er  mehr  bewilligte^  als  seine  Instruktion  enthielt,  mk  fii  gran 
danno^  che  all'  arrivo  suo  colk  trovö,  che  lo  elettore  ne  haveva 
havuto  copia,  in  modo  che  sapendo  Y  elettore  quello  se  gli  vo- 
leva  dare^  pretese  di  piü.  S.  M**  poi  disse  che  con  questo  ac- 
cordo  si  mettevano  gV  eretici  alle  mani  frk  di  loro.  Risposi,  che 
conveniva  vedere,  sc  S.  Alt"  fosse  poi  stata  salda  e  non  ritor- 
nasse  al  partito  contrario,  del  che  pure  doppo  moströ  meco  di 
dubitare  il  generale  Montecucoli  il  quäle  mi  disse,  che  il  rh 
d*  Ungheria  sentiva  molto,  che  si  fosse  negato  di  mettere  il  suo 
presidio  nel  castello  di  Craccovia.  *  Dasselbe  hat  ihm  der 
Nuntius  geschrieben  und  er  hat  mit  dem  Könige  gesprochen, 
der  ihm  dafür  Genugtuung  geben  möchte.  Dagegen  aber  sind  der 
Marschall,^  der  Oroßkanzler^  und  andere;  anzi  vorriano,  che 
si  levasse  quello  della  cittk. 

158.  Warschau,  1657  Oktober  6. 

Die  Verhandlungen  mit  dem  Kurfürsten.  Die  Frage  der 
Abtretung  von  Braunsberg  und  Elbing, 

Der  Nuntius  hat  gehört,  daß  Overbeck  außer  anderem  auch 
Braunsberg  fordert.^  Sogleich  begibt  sich  der  Nuntius  zum 
Erzbischofe  von  Onesen,  damit  er  beim  Könige  dies  nicht  zu- 
lasse. Der  Erzbischof  verspricht  es  natürlich,  sagt  aber,  daß 
Overbeck  einen  Vergleich  dafür  angeboten  habe,  worauf  der 
Nuntius  bemei'kt,  daß  der  heil.  Stuhl  niemals  mit  Ketzern  Ver- 
gleiche schließe.  Bemühungen  des  Nuntius  und  Besorgnis,  daß 
auch  Elbing  abgetreten  werde. 

159.  Posen,  1657  Oktober  6. 

Schreiben  des  Bischofs  Albertus  von  Posen^  an  den  Nuntius 
(vgl.  Nr.  167). 


*  über  Streitigkeiten  zwischen  den  Deutschen  und  Polen  in  der  Be- 
satzangsfrage  von  Krakau  vgl.  Pribram,  ,Venet.  Dep.*,  S.  67. 

*  Lubomirski. 

*  Koricsynski.    Vgl.  Lengnich  7,  1.  c,  S.  89. 
«  Vgl.  Urkunden  und  Akten  8,  8.  417. 

^  BiBchof  Adalbert  Tholibowski.  Vgl.  über  die  Geschichte  der  Stadt  Posen 
in  dieser  Zeit  Lukaszewicz,  ^Historisch-statistisches  Bild  der  Stadt  PosenS 
Bd.  II,  S.  264. 


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160.  Warschau,  1657  Oktober  12, 

Verabschiedung  des  französischen  Gesandten.  Gründe  für 
diese  Thatsache. 

Die  Verabschiedung  des  französischen  Gesandten^^  und 
zwar  in  harten  Ausdrücken^  umrde  vom  Rate  beschlossen.  Be- 
sonders dafür  war  der  Erzbischof  von  Gnesen,^  doch  der  König 
schwächte  die  Fassung  ab.  Die  Königin  erzählt,  sie  habe  dem 
Gesandten  offen  gesagt,  sie  wollten  ihn  nicht  seco,  perche  non 
potesse  dire  all'  elettore^  che  habbia  fatto  male  nelle  risoluzioni 
prese. * 

161.  Warschau,  1657  Oktober  13. 
Die  Frage  der  Abtretung  Braunsbergs. 

Der  Beichtvater^  des  Königs  sagt  ihm,  daß  allerdings 
Overbeck  diese  Forderung  gestellt,  der  König  sie  aber  rundweg 
abgeschlagen  habe,^ 

162.  Wai^chau,  1657  Oktober  20. 

Persönliches  des  Nuntius.  Sein  Zusammentreffen  mit  dem 
Kurfürsten  wird  vermieden. 

Non  fe  forsi  stato  male^  ch'  io  sia  rimasto  qnk  in  riguardo 
alle  oecasioni;  che  haverei  havuto  di  vedermi  con  V  elettore, 
massime  al  banchetto,  che  le  fark  S.  M*^.* 


^  Blondel.  Vgl.  seine  Berichte  aus  dieser  Zeit  in  Urkunden  und  Akten  2, 
8.  142  ff. 

*  Andreas  Lesczynski. 

*  Gemeint  ist  der  Wehlauer  Vertrag.    Vgl.  Pierre  des  Noyers,  S.  349. 

*  Carlo  Soll. 

^  Im  allgemeinen  und  zur  ermländischen  Frage,  betreffend  den  Stand- 
punkt des  Papstes  gegenüber  Versprechungen  protestantischer  Fürsten, 
ist  ein  Gegenschreiben,  datiert  Rom,  9.  September  1657,  interessant 
Der  Nuntius  soll  die  Sache  der  ermländischen  Kirche  und  des  Herzog- 
tums Preufien  dem  Könige  ans  Herz  legen:  ,1a  quäle  (sc.  V.  111°*%  der 
Nuntius)  doverk  con  ogni  maggior  vivezza  rappresentare  alla  M**  S.  et 
i  cotesti  S.  S'*  quei  motivi  che  devono  dissuadere  un  trattato  ugual- 
mente  pemitioso  k  gr  interessi  della  religione  e  della  Corona  atteso 
principalmente,  che  le  promesse  intentionate  in  tal  materia  da  prote- 
stanti  rare  volte  si  osservano,  h  solo  per  breve  spatio  di  tempo*. 

*  Die  Feste  anläßlich  der  Zusammenkunft  des  Kurfürsten  mit  Johann 
Kasimir  in  Bromberg,  beginnend  am  30.  Oktober.  Vgl.  Erdmannsdörffer, 
1.  c,  S.  280,  und  Droysen,  1.  c,  S.  354. 


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163.  Warschau,  J657  November  ö. 


Unzufriedenheit  des  Marschalls  über  den  König.  Beruhi- 
gung durch  den  Nuntius, 

Der  Marschall  ^  ist  unzufrieden,  daß  der  König  es  so  sehr 
mit  den  Deutschen  hält,  e  molto  piü  dcir  abboccamento  con 
r  elettore,  che  non  mediti  cose  grande  e  pregiuditiali  alla  libertk 
e  che  gli  siano  suggeriti  pensieri  torbidi  dalli  Giesuiti.  Der 
Nuntius  beschwichtigt  ihn,  der  König  wolle  nur  den  Frieden 
und  das  Glück  des  Reiches, 

164.  Bromberg,  1657  November  6. 

Schreiben  des  Carlo  Soll,  Beichtvater  des  Königs,  über  den 
Friedensabschluß  mit  dem  Kurfürsten.    Kriegsnachrichten. 

Zuerst  genaue  Beschreibung  des  Banketts  vom  1.  November,'^ 
Am  Vormittage  des  6,  sollte  der  Kurfürst  abreisen.  Vorher  aber 
lasen  die  Senatoren  in  Gegenwart  des  Königs  die  einzelnen  Ar- 
tikel des  Vertrages.  Bei  der  Stelle,  daß  der  Kurfürst  das  Jus 
Patronatus  in  den  Kirchen  des  Territoriums  von  Lauenburg  und 
Bittovia^  haben  soll,  protestierte  dagegen  der  Monsignor  von 
Cuiavia  *  (am  Rande  von  gleicher  Hand  findet  sich  Vladialavia. 
Die  ganze  wichtige  Stelle  ist  durch  Striche  am  Rande  mit 
gleicher  Tinte  bezeichnet,  teilweise  auch  im  Texte  unterstrichen). 
Es  entstand  ein  Disput  von  mehreren  Stunden,  aber  da  er  nichts 
ausrichtete,  begab  er  sich  zum  Kurfürsten  selbst  und  machte 
ihn  auf  das  Unrecht  aufmerksam.  Der  Kurfürst  jedoch,  unter- 
stützt von  Overbeck,  setzte  harten  Widerstand  entgegen  und  da 
der  Bischof  nichts  ausrichten  konnte,  so  bat  er,  daß  ihm  er- 
'  laubt  sein  solle,  di  raccommandare  il  soggetto,  che  dovea  pre- 
sentarsi  dall*  elettore,  come  k  chi  fosse  piü  d*  ogni  altro  la  qua- 
litk  e  sufficienza  de  soggetti  nella  sua  diocesi.  Der  Kurßirst 
gestand   dem   Bischöfe   aus  Achtung   vor    seiner   Person    dieses 


*  Lubomirski. 

*  Die  Festlichkeiten  bei  der  Zusammenkunft  des  Kurfürsten  mit  Johann 
Kasimir  in  Bromberg. 

*  Die  pommerschen  Ämter  Lauenburg  und  BUtow. 

*  Richtig  ist  ,Cujavia*,  also  der  cujavische  Bischof,  da  zu  dessen  Diözese 
die  beiden  Orte  gehörten  und  nicht  zu  der  des  Bischöfe  von  Leslau. 
Über  die  Verhandlungen,  betreffend  diese  Religionsfragen  für  diese 
Ämter  vgl.  besonders  Lengnich,  1.  c,  S.  187. 


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Recht  zu,  und  zwar  vita  durante.  Aber  da  der  Bischof  damit 
nicht  zufrieden  war  und  auch  für  seine  Nachfolger  dasselbe 
forderte^  gab  der  Kurfürst  nach,  da  die  beiden  Räte  nichts  da- 
gegen hatten.  So  wurde  folgender  Tenor  festgesetzt:  Ser"°' 
elector  habeat  ius  praesentandi  commendatam  ab  epi- 
scopo,  instituendum  ab  eodem  episcopo,  riservandosi 
perö  che  puotesse  per  giuste  raggioni  ributtare  qualclie- 
duno  raccomandato  dal  vescovo.  —  Beschreibung  des  Über- 
ganges Czarneski^  am  30.  über  die  Oder  bei  Frankfurt,  wo 
die  Soldaten  schwimmen  mußten.  Die  Brandenburger  machten 
ihnen  den  Übergang  streitig,  doch  nahm  Czarnecki  den  Kampf 
nicht  an,  da  er  ihm  nur  Schein  dünkte. 

165.  Warschau,  1657  November  12. 

Aus  den  Verhandlungen  mit  dem  Kurfürsten,  Klage  des 
französischen  Gesandten  und  seine  Ansicht  über  die  poli- 
tische Lage. 

Der  Kurfürst  ist  sehr  hartnäckig  in  den  Verhandlungen, 
so  daß  bald  alles  zu  Ende  gewesen  wäre.^  Die  Königin  war 
für  seine  Neutralität,  der  König  nicht,  doch  ließ  er  sich  etwas 
bestimmen.  Der  französische  Gesandte  hat  sich  bitter  bei  ihm 
über  seine  Verabschiedung  beklagt  Der  Nuntius  bittet  ihn,  ent- 
weder gar  nicht  oder  schonend  nach  Frankreich  zu  schreiben.  Der 
Gesandte  meint,  daß  dies  schon  von  anderen  geschehen  würde 
und  daß  es  nicht  leicht  sein  würde,  den  König  von  Ungarn  in 
den  Frieden  einzuschließen,  ebenso  würde  Schweden  dem  Kur- 
fürsten große  Schwierigkeiten  bereiten. 

166.  Warschau,  1657  November  12. 

Die  Danziger  in  der  Frage  der  Abtretung  Elbings. 
Li  Danzicani  Hanno  strepitato  assai  perche  non  fasse  con- 
cessa  Eibinga  all' elettore,  *  mk  poi  si  sono  radolciti  con  la  spe- 


*  Der  polnische  Feldherr  Czarnecki.  Über  sein  damaliges  Vordringen  in 
Pommern  vgl.  Rudawski,  1.  c,  S.  373. 

"  Vgl.  Pribram,  »Lisola*,  S.  828  ff.,  den  Bericht  Lisolas  über  die  Verhand- 
lungen mit  dem  Kurfürsten  in  Bromberg  und  auch  Droysen,  8.  364  ff. 

'  Elbing  sollte  im  Vertrage  von  Wehlau,  19.  September  1667,  dem  Kur- 
fürsten als  Ersatz  für  das  zurückzugebende  Ermland  abgetreten  werden. 


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ranza  dello  sborso  efFettivo  del  danaro  per  la  ricupera  di  essa, 
che  dovrk  farsele  di  4000  talari^  oltre  le  starostie  di  Lemburgo  e 
Bitom/  anzi  alcuno  scrive,  che  possano  i  Danzicani  medesimi 
pensar  allo  sborso  della  sudetta  somma  e  ritener  intanto  loro 
inpegno  Eibinga. 

167.  Warschau,  1667  November  12. 

Klage  über  die  Ketzer  in  Posen,  Lutheraner  und  Calvi- 
nisten,  Veranlassung  dazu  hatte  ein  Schreiben  des  Bischofs 
Albertus  von  Posen  an  den  Nuntius  gegeben. 

168.  Posen,  1657  Dezember  5. 

Ei'klärungen  des  Nuntius  über  die  mißliche  militärische 
Lage  und  die  diplomatischen  Schwierigkeiten  für  den  Frieden. 
Er  hat  die  Verhältnisse  hier  schlecht  vorgefunden.  Klagen  des 
Adels  über  die  kaiserlichen  Truppen^  die  weder  Thorn  belagern 
wollten,  *  noch  zu  einer  andern  Operation  zu  bewegen  seien.  Sie 
icollten  nach  Pommern,  um  den  Feind  zu  benachrichtigen.  Der 
König  müsse  sich  entscheiden  für  Krieg  oder  Frieden  oder 
wenigstens  4000  Mann  Fußvolk  dem  Kurfürsten  geben,  der  von 
den  Schweden  angegriffen  zu  werden  fürchtet  Wenn  man  ihn 
nicht  unterstützt,  sei  Gefahr,  daß  er  sich  mit  Schweden  ver- 
bünde, da  er  keine  Hilfe  erhalten.  Lisola  hat  seinen  Sekretär 
nach  Prag  gesendet^  mit  einem  Berichte  über  diesen  Zustand 
und  schreibt,  daß  er  Erfolg  hoffe.  lo  ne  hö  scritto  k  Monsig' 
nuntio;  e  temo  che  fatte  le  lore  diligenze  da  questi  Sig"  non 
si  accordino  poi  senza  il  rh  di  Ungheria,  tanto  piü,  che  il  Mi- 
nistro  di  Danimarca  protesta,  che  il  suo  rfe  fark  la  pace,  senon 
fe  aiutato  dal  detto  vh,  et  i  Francesi  fanno  le  parti  loro  perche 
si   accordiano   senza   di   esso^   benche  non  se  gli  presti  intiera 


In  Wirklichkeit  kam  es  jedoch  nicht  dazu.  Vgl.  Erdmannsdörffer,  1.  c, 
S.  280.  Über  den  Einspruch,  welchen  die  Danziger  gegen  diese  Ab- 
tretung Elbings  erhoben,  da  ihr  Handel  dadurch  schwer  geschädigt 
wurde,  vgl.  besonders  Lengnich,  1.  c,  S.  186  ff.,  und  Pribram,  ,Venet. 
Dep.S  S.  64. 

*  Die  pommerschen  Ämter  Lauenburg  und  Bütow;  vgl.  Erdmannsdörffer,  ib. 

*  Vgl.  Pribram,  ,Lisola*,  S.  333. 

'  Wahrscheinlich  ist  die  Sendung  des  Obersten  Garnier  durch  Lisola  ge- 
meint.   Vgl.  Pribram,  ,Lißola*,  S.  839. 


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fede,  hormai  palesi  i  loro  fini.  Der  König  hat  ihm  befohlen^ 
mit  den  Ministem  und  Offizieren  des  Königs  von  Ungarn  zu 
sprechen,  was  er  auch  tun  wird, 

169.  Posen,  1657  Dezember  6. 

Schritte  des  Nuntius  zur  Bekämpfung  der  Ketzerei  in  Posen 
und  konfessionellen  Umgestaltung  des  dortigen  Offizierskorps. 

170.  Posen,  1657  Dezember  16. 

Klagen  über  die  Einquartierungen  österreichischer  und 
anderer  Truppen  im  Ermlande,  Verarmung  der  dortigen  Kirche^ 
erfolglose  Bemühungen  des  Nuntius  in  dieser  Angelegenheit  und 
seine  Hoffnung  auf  den  polnischen  Reichstag. 

171.  Posen,  1657  Dezember  16. 

Der  Kurfürst  und  die  Kaiserwahl,  Lisolas  Auffassung 
der  politischen  Lage.    Lisola   verhindert   den  Abzug  Hatzfelds. 

Der  Kurfürst  hat  sich  noch  nicht  erklärt,  wem  er  seine 
Stimme  bei  der  Wahl  geben  wird,  obgleich  er  der  Königin  ge- 
sagt hat,  daß,  wenn  der  König  von  Ungarn  ihm  die  erbetene  Hilfe 
gibt,  stimme  er  für  ihn,  und  dem  Könige  sagte  er,  es  wäre  nicht 
gutj  wenn  einer  gewählt  würde,  der  Pensionär  Frankreichs  sei,^ 
et  il  Sig^  deir  Isola  mi  dice,  che  D'Avoncur  *  fece  istanza  all'  elet- 
tore  di  non  dare  il  suo  voto  ad  alcun  nemico  della  Francia  alche 
consenti,  et  il  di  segaente  gli  dichiarö  per  nemico  il  rfc  d'  Un- 
gheria,  onde  S.  Alt"  se  ne  comincio  poi  k  scusare.  —  Isola 
verurteilt  die  Langsamkeit  seines  Hofes;  dadurch  könnte  Däne- 
mark zum  Bunde  mit  Schweden  zurückkehren.  Es  gebe  keinen 
besseren  Augenblick,  um  jetzt  vereint  den  Schweden  zu  unter- 
drücken, und  man  sollte  nicht  so  viele  Bedenken  haben,  den 
Frieden  von  Münster  zu  brechen,  da  die  Schweden  ja  zuerst  das 
in    Deutschland   und  Polen  getan   hätten.^    Azfelt*  war  nahe 


*  Vgl.  die  Haltung  des  Kurfürsten  in  der  Frage  der  Eaiserwahl  in  Ur- 
kunden und  Akten  8,  S.  350  flf. 

'  Eine  ähnlich  lautende  Erklärung  des  Kurfürsten  zu  d'Avaugour  war 
am  3.  August  1657  bereits  erfolgt;  siehe  Urkunden  und  Akten  2,  8. 129. 
d'Avaugour  f  6-  September  d.  J.    Sein  Nachfolger  wurde  Blondel. 

'  Diese  Erklärungen  Lisolas  bei  Pribram,  »Lisola*,  8.  328 — 333. 

*  Graf  Melchior  Hatzfeld,  Oberbefehlshaber  der  österreichischen  Hilfstruppen. 


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daraUy  das  Heer  an  die  schlesische  Grenze  abrücken  zu  lassen, 
aus  irgend  einem  Verdrusse,  aber  Isola  erhob  Einspruch,  man 
müsse  die  Entscheidung  des  Königs  von  Ungarn  abwarten, 

172.  Posen,  1657  Dezember  27. 

Unterredung  mit  dem  Palatin  von  Posen  über  die  Ketzer, 
Der  Palatino  erzählt,  daß  er  schon  vor  der  Übergabe  der 
Stadt  mit  Overbeck  wegen  dieser  Angelegenheit  einen  harten 
Stand  gehabt  habe.  Nach  der  Übergabe  habe  er  es  geschickt 
durchgesetzt,  daß  die  Ketzer  von  selbst  den  Ort  ihrer  essercitii 
verließen,  um  nicht  Konflikt  mit  den  Katholiken  e  ch'  egli 
r  introducesse  da  S.  M*^  k  Bidgocez*  con  esibitione  di  lasciar 
il  luogo  und  später,  als  er  um  einen  andern  Ort  bat,  habe  der 
König  geantwortet,  daß  es  zu  große  Schwierigkeiten  macht  wegen 
der  Katholiken,  Später  versuchten  sie  in  Posen  aufgenommen 
zu  werden,  aber  es  ging  nicht  wegen  der  Dekrete  Sigismunds  III, 
und  Vladislaus\  Die  Ansicht  des  Palatins  ist,  die  Angelegen- 
heit bis  zum  Friedensschlüsse  ruhen  zu  lassen,  denn  jetzt  könnten 
die  Ketzer  Hilfe  bei  den  ihnen  günstig  gesinnten  Fürsten  suchen, 

173.  Posen,  1658  Januar  2. 

Die  Frage  der  Abtretung  Braunsbergs  im  Hinblicke  auf 
den  Papst, 

Der  König  hat  ihm  neulich  im  Zimmer  der  Königin  im 
tiefsten  Vertrauen  gesagt  (mi  si  accostö  all'  orecchio)  e  mi  disse, 
che  dair  elettore  veniva  come  astretto  di  scrivere  k  N^^  Sig'®, 
perche  permettesse  quäl  che  cambio  di  Brunsberga  con  altro 
luogo,  che  dasse  S.  Alt"  per  la  chiesa  di  Varmia,  ma  che  S.  San*^ 
facesse  quelle,  che  gli  paresse  inostrando  perö  che  Tistanza  le 
sia  stata  fatta  e  che  cio  rimanga  segreto.  Sentii  con  mera- 
viglia  r  avviso  datomi  all'  hora  e  non  nelle  udienze  private  che 
pure  sono  freguenti,  mk  foi'si  non  se  ne  sark  ricordato  6  pure 
sapendosi  quanto  io  habbia  premuto  incontrario  non  si  sark  cosi 
facilmente  risoluto  k  parteciparmelo.  Ist  aber  sehr  erfreut  über 
die  Ergebenheit  des  Königs  gegen  den  Papst  und  hat  ihm  ge- 
sagt, er  glaube,  der  Papst  werde  es  nie  bewilligen. 


^  Johann  Lescsynski. 
'  Bromberg. 


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174.  Posen,  1658  Januar  4. 

Unterredung  mit  der  Königin,  Gefahr  für  Polen  durch  die 
anderen  Mächte,  Unzufriedenheit  der  österreichischen  Offiziei'e, 
Ein  Bund  mit  dem  Kurfürsten  ist  die  einzige  Rettung. 

Gestern  sagte  ihm  die  Königin  in  langem  Gespräche:  Che 
il  rfe  di  Ungheria  ci  vuol  dare  ad  intendere,  che  sia  stato  ri- 
chiesto  dal  rfe  di  Suetia  per  mediatore,  e  lui  fc  quello,  che  gli 
Ik  fk  offerire  per  mezo  deir  elettore,  e  non  lascia  di  dubitare, 
che  il  rfe  di  Ungheria,  Suetia  e  Brandembargh  possino  accor- 
darsi  per  dividersi  la  Polonia.  Die  höheren  deutschen  Offiziere 
beklagten  sich  über  schlechte  Quartiere  in  diesem  Palatinate 
.  .  .  e  che  se  si  fosse  licentiato  V  ambasciatore  di  Francia,  come 
volevano,  che  non  haveressiano  chi  trattasse  per  noi.  Che  se 
il  rfe  di  Suetia  si  accostark,  i  Polacchi  se  le  uniranno  con  en- 
trare ai  danni  di  Slesia.  Der  Nuntius  erwiderte^  man  dürfe 
nicht  alles  glauben^  die  Dinge  lägen  gut  und  man  müsse  sie 
erhalten.  Aber  die  Königin  erwiderte  hierauf:  Die  Offiziere 
hätten  offen  gesagt^  sie  gingen  nicht  nach  Pommern^  weil  sie 
nach  ihrer  Kapitulation  nicht  dazu  verpflichtet  seien^  und  sie 
ersuchte  den  Nuntius^  daß  er  an  den  Palatin  von  Posen  schreibe, 
che  dove  puö  abbracci  i  partiti  di  pace  e  che  1'  elettore  non 
ci  scappi.  Dei*  Nuntius  hat  dies  getan,  denn  er  sieht  ein,  daß 
es  unmöglich  ist^  länger  den  Krieg  zu  führen  ohne  diese  Hilfe. 

175.  Berlin,  1658  Januar  17, 

Anonymes  Schreiben  Lisolas  an  den  Vizekanzler  über  den 
Stand  der  diplomatischen  Verhandlungen  zu  Berlin.  Teilweise 
in  Chiffren,  die  aber  alle  von  derselben  Hand  aufgelöst  sind. 
Lisola  bedauert,  keinen  erwünschten  Bericht  senden  zu  können, 
da  die  Verhandlungen  langsam  und  mit  vielen  Schwierigkeiten  ge- 
führt sind  und  schließlich  Ei*klärungen  abgegeben  vmrden,  die 
verschieden  von  den  vorher  in  Posen  und  anderen  Orten  abge- 
gebenen sindy  so  daß  er  schleunigst  einen  Kurier  nach  Prag 
entsendet,  um  Instruktionen  zu  erbitten.  Doch  wird  man  Erfolg 
haben,  se  Y  elettore  caminera  da  dovero  in  questo  negotio  di 
che    dubito    un    poco.     Graf  Slipenbac^    wünscht    eine   Unter- 


*  Vgl.  über  diese  Erklärungen  Schlippenbachs  und  ihre  Aufoahme  bei  den 
kaiserlichen  Gesandton  Montecucoli  und  Lisola  Pribram,  ^Lisola*,  S.  366, 


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redung,  verspricht  viel  für  Österreich  und  Polen^  er  traut  ihm 
wenig.  Man  darf  zwar  nichts  verachten,  aber  die  Sache  gefällt 
ihm  nicht  Seitdem  Akakia  ^  hier  ist,  glaubt  er  eine  Veränderung 
am  hiesigen  Hofe  zu  bemerken:  li  discorsi  impertinenti  che  vk 
facendo  e  le  prattiche  nelle  quali  si  mischia  indovntamente 
mi  fanno  congietturare  che  li  Francesi  cercano  piu  tosto  d'  im- 
brogliare  le  cose,  che  di  portarle  al  desiderato  fine.  Er  sieht 
vorher,  daß,  so  lange  die  Geschäfte  in  den  Händen  der  Fran- 
zosen sich  befinden,^  an  ein  Verhandeln  mit  Vertrauen  nicht  zu 
denken  sei,  und  hofft,  daß  nichts  geschehen  wird  ohne  die  Teil- 
nahme Österreichs,  Letzteres  sei  bereit,  mit  Waffen  und  Ver- 
handlungen unter  ehrlichen  Mitteln  e  che  non  venghino  in  esso 
adoprati  quelli  che  non  hanno  maggiore  mira  che  la  nostra 
ruina.  Nachtrag:  lo  s6  anche  da  bnona  parte,  che  non  sark 
contrario,  k  trattare  senza  massime  senza  la  Dancia  ogni  volta 
che  dalla  nostra  parte  verrk  cosi  desiderato.  V.  S.  saprk  fare 
sopra  di  ciö  le  dovate  riflessioni.  Am  Schlüsse  des  Schreibens 
als  Vermerk:  Questa  fe  stata  scritta  dal  Sig'  deir  Isola  k  Mons"^ 
V.  Cancelliere. 

176.  Posen,  1658  Januar  18. 

Gespräch  mit  dem  'österreichischen  General  Susa.  Miß- 
stimmung in  Wien  gegen  die  Königin.  Ungnade  Lisolas.  Er- 
klärungen der  Königin  und  des  Vizekanzlers  über  die  Gründe 
der  Verstimmung  in  Wien, 

Der  General  Susa, '  Befehlshaber  der  deutschen  Infanterie, 
hat  sich  bei  ihm  über  die  Königin  beklagt  und  daß  die  Ttmppen 
von  den  Polen  insultiert  werden.  Die  Königin  sei  von  den  Fran- 
zosen  gewonnen^    und    er   sowohl   als   der  König  von   Ungarn, 


Anm.  1,  und  die  Verhandlungen  zwischen  Schlippenbach  und  Schwerin 
in  Urkunden  und  Akten  8,  S.  238  ff. 

*  Vgl.  über  die  Wirksamkeit  des  französischen  Agenten  Akakia  am  Ber- 
liner Hofe  um  diese  Zeit  Urkunden  und  Akten  2,  S.  149  ff. 

'  Vgl.  die  Korrespondenz  Lisolas  mit  dem  polnischen  Vizekanzler  Trze- 
bicki  über  die  Frage  der  französischen  Friedensvermittlung  bei  Pri- 
bram,  »LisoiaS  S.  366,  Anm.  2. 

"  Ludwig  Ratwic  de  Souches. 

*  Vgl.  Urkunden  und  Akten  8,  8.  276.  Vgl.  über  die  Beschwerden  der 
österreichischen  Truppen  gegen  ihre  Quartiergeber,  die  Polen,  Pribram, 


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dem  er  dies  in  Gegenwart  der  Minister  berichten  werde,  hätte 
dies  nie  geglaubt.  Sie  seien  unter  ganz  anderen  Übereinkünften 
in  das  Reich  gekommen.  Als  ich  Zeichen  des  Mißfallens  gab 
und  betonte,  daß  ich  bei  jeder  Gelegenheit  mich  bemüht  hätte, 
zu  seiner  Zufriedenheit  zu  handeln^  antwortete  er,  daß  er  ab- 
sichtlich sich  an  mich  gewendet  habe,  da  er  wohl  toisse,  daß 
der  König  mich  gern  anhöre.  Als  ich  hinzufügte^  daß  ich  nur 
ein  Bestreben  habe,  daß  etwas  in  dieser  Sache  geschehen  sollte, 
wurde  er  etwas  ungeduldig  und  sagte,  er  wolle  an  die  Minister 
nach  Prag  schreiben.  Ich  bat  ihn,  dies  nicht  zu  tun  oder 
wenigstens  in  einer  Weise,  daß  nicht  neues  Mißtrauen  daraus 
entstehe,  e  mi  hk  scoperto,  che  il  Sig'  deir  Isola  ha  .  .  .  (aus- 
gestrichen) perto  il  credito  k  quella  corte  per  havere  assicurato 
colk  i  buoni  sensi  della  regina  e  poi  toccano  con  mano  il  con- 
trario. Der  General  sprach  sich  ferner  lobend  über  die  Geist- 
lichkeit, den  Erzbischof  von  Gnesen  ^  und  den  Vizekanzler  *  aus. 
Der  Nuntius  meinte  dazu:  diese  hätten  nur  das  Interesse  der 
Religion  und  des  Königs  im  Sinne.  Dafür  habe  auch  der 
König  von  Ungarn  Hilfe  gesendet.  Der  Nuntius  sprach  darauf 
mit  der  Königin,  die  nicht  ableugnet,  ganz  offen  mit  Susa  ge- 
sprochen zu  haben.  Sie  wundert  sich  aber,  daß  sie  nichts  unter- 
nehmen und  dem  Könige  nicht  gehorchen,  der  doch  diese  T^*uppen 
bezahlt  habe,  und  beklagt  sich  darüber,  daß  man  von  Prag  her 
keine  Mitteilung  gemacht  habe  über  das,  was  dort  der  Schwede 
gesagt  hat.^  Der  Vizekanzler  dagegen  hat  mir  im  Vertrauen 
gesagt,  die  Königin  wünsche  nicht,  daß  man  dem  Könige  von 
Ungarn  die  Präliminarien  mitteile,  welche  man  mit  dem  Könige 
von  Schweden  führe,  was  bei  diesem  Hofe  sehr  übel  aufgenommen 
werden  würde,  und  ohne  diese  Hilfe  könnten  die  Polen  nichts 
machen.  Dissi  giache  bisognava  fare  la  pace,  perche  non  sape- 
vano  fare  la  guen*a,  nik  dubito,  che  non  sapremo  fare  ne  meno 
quella. 


jVenet.  Dep.*,  1.  c,  S.  87,  und  besonders  die  gemeinsame  Expedition 
der  Österreicher  mit  Polen  und  Brandenburg  gegen  Pommern. 

^  Andreas  Lesczynski. 

'  Andreas  Trzebicki. 

•  Wahrscheinlich  ist  die  geheime  Sendung  des  schwedischen  Agenten 
Habbaeus  an  den  österreichischen  Hof  nach  Prag  gemeint  Vgl.  Ur- 
kunden und  Akten  8,  S.  353. 


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113 

177.  Posen,  1658  Januar  26, 

Die  Braunsberger  Frage  wird  von  der  Entscheidung  des 
Papstes  abhängig  gemacht. 

Non  h  ancora  uscito  il  presidio  di  Brandemburgh  da  Bruns- 
berga,^  ne  qui  facendosi  istanza  per  non  havere  soldatesca  da 
mettervi,  V  elettore  stark  quieto  et  attenderk  quello  riponderk 
Jjw  Sig'®  al  rfe  sopra  il  cambio. 

178.  Warschau,  1658  Februar  16. 

Verlangen  Lisolas,  die  Vermittlerrolle  Frankreichs  abzu- 
lehnen und  Geld  für  die  Hilfstruppen  zu  zahlen.  Zwist  zwischen 
ihm  und  dem  Könige, 

Der  Sekretär  Lisolas  war  bei  ihm  mit  einem  Schreiben 
von  diesem  aus  Berlin  vom  3,  Februar,  Hierin  betonte  er  die 
Unmöglichkeit^  die  Vermittlung  Frankreichs  anzunehmen.^  Das 
ganze  Friedensgeschäft  werde  hierdurch  gestört  und  auch  aus 
diesem  Grrunde  könne  man  die  deutschen  Truppen  nicht  aus 
Polen  entfernen.  Ihm  fehlen  nicht  die  Mittel,  den  Frieden  auch 
ohne  Vermittler  zu  betreiben,  und  zwar  leichter  und  er  bittet, 
die  Beratung  bis  zu  seiner  Rückkehr  aufzuschieben,  10,000  Mann 
würden  nach  Pommern  rücken,  wenn  100.000  Taler  bezahlt  würden, 
wie  es  zu  Beginn  ihnen  versprochen  worden  sei.  Der  König  aber 
hat  dem  Nuntius  gesagt,  es  werde  sehr  schwierig  sein  und 
nur  noch  die  Quartierfrage  erschweren.  Der  Sekretär  hat  alles 
dies  dem  Könige  auseinandergesetzt,  la  quäle  (S.  M^)  mi  suppone 
gli  rispondesse  altamente  e  che  non  credesse  V  Isola  di  havere 
che  fare  con  un  pntto^  che  gia  haveva  accettata  la  mediatione 
di  Francia,'  e  che  non  voleva  dare  li  centomila  tallari^  anzi 
levargli  li  quartieri^  di  che  si  mostra  molto  disgustato.  Ql'hö 
detto  che  non  si  smarrlschi  per  questo  e  tenga  in  se  ogni  cosa, 
che  la  venuta  deir  Isola  rimediaria  tutto.     Monsig^  vicecancel- 


*  Vgl.  Kolberg,  1.  c,  8.  644,  wo  sich  genaue  Einzelheiten  über  diese  An- 
gelegenheit der  brandenborgischen  Besatzung  in  Braunsberg  und  Über- 
haupt im  Ermlande  finden. 

'  Vgl.  das  Schreiben  Lisolas  an  den  polnischen  Vizekanzler  bei  Pribram, 
,Lisola*,  S.  366,  Anm. 

'  Vgl.  über  diese  Bestrebungen  Lisolas  und  seinen  damaligen  Mißerfolg 
Urkunden  und  Akten  8,  S.  282. 

▲nUt.  XCY.  Band.  I.  HUfU.  8 


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114 

liere  mi  hk  detto,  che  nella  risposta  data  all'  ambasciatore  di 
Francia  circa  la  mediatione  mise  quelle  parole  ambigae,  ben- 
che  S.  M*^  gli  disse  espressamente,  che  gl'  accettava  per  non 
esacerbare  il  rfc  d'  Ungheria  e  per  lasciare  apertura  di  rece- 
deme  se  occorrerk. 

179.  Warschau,  1658  Februar  23. 

Steigende  Erbitterung  des  Königs  und  seiner  Umgebung 
gegen  Lisola  und  die  Österreicher,  Die  Folge  hievon  ist  viel- 
leicht FHeden  zurischen  Polen  und  Schweden  zum  Schaden  Öster- 
reichs.    Frage  der  Besatzung  in  Braunsberg. 

Aus  seinem  Schreiben  wird  der  Kardinal  ersehen  haben, 
wie  mißfällig  man  hier  das  Vorgehen  der  Minister  des  Königs 
von  Ungarn  beurteilt  und  den  Verdacht  hegt,  sie  streben  mit 
Gewalt  nach  der  Krone  und  wollen  nicht  die  Truppen  aus  dem 
Reiche  herausziehen.^  Infolgedessen  sind  die  Majestäten  molto 
inaspite  und  auch  die  Herren,  wie  der  Marschall^  dem  die 
Königin  erzählte,  was  der  General  Susa  ihr  gesagt:  che  si  do- 
veva  tagliare  la  testa  k  quattro  frä  quali  k  lui.  Die  üble  Ge- 
sinnung hat  noch  zugenommen,  da  neulich  Lisola  zu  viel  dem 
Palatin  von  Posen  mitgeteilt  hat:  dicendole,  che  non  si  levaria 
r  armata  se  non  si  lascia  la  mediatione  di  Francia^  e  di  volere 
altre  somme  di  denari  oltre  quelle  dei  patti,*  diche  S.  M*^  si 
k  offesa  grandemente^  e  mi  disse,  se  mi  metterano  in  necessitk 
di  qualche  stravagante  risoluzione,  e  da  qui  k  Vienna  non  vi 
essere  grande  ostacolo.  Der  Nuntius  unterließ  nichts,  um  die 
Gemüter  zu  beruhigen,  und  war  sehr  vorsichtig^  um  nicht  selbst 
in  Verdacht  zu  kommen.  Sobald  Lisola  zurückkehrt,  unrd  dei' 
Nuntius  auch  seine  Pflicht  tun,  jnk  h  certo,  che  non  si  vede 
altro  procedere,  che  qui  faranno  la  pace  con  Suetesi^  e  si  uni- 
ranno  seco  ai  danni  dei  rfe  d'  Ungheria.  H6  accennato  k  S.  M**, 
che  non  lo  supphcano  di  mettere  il  presidio  di  Alemanni  in 
Brunsberga  in  cambio  di  quelli  deir  elettore  per  le  difficultk 
de  vi  erano  per  parte  di  S.  M*^  e  per  quella  dell'  elettore,  mk 
che  havesse  memoria  di  farlo  quanto  prima. 

^  über  die  immer  zunehmende  Erbitterung  der  Polen  gegen  die  Öster- 
reicher vgl.  Pribram,  ,Lisola*,  S.  386. 

'  Beschwerden  der  Polen  über  unrechtmäßiges  Vorgehen  der  Österreicher 
siehe  bei  Pribram,  ,LisolaS  S.  386. 


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115 


180.  Warschau,  165S  März  4. 

Umtriebe  der  Königin  fUr  die  Vermittlung  Frankreichs 
und  gegen  Österreich.  Meinung  über  ihre  Beweggründe.  Unter- 
stützung durch  den  Marschall  und  dessen  Absichten,  Folgen 
/ür  Polen,  wenn  eine  Trennung  von  Österreich  stattfinden  sollte. 

La  regina  hk  procurato  di  guadagnare  molti  senatori  ancfae 
ecclesiastici  per  che  concorrano  nella  mediatione  anche  di  Fran- 
cia,  et  ad  alcuni  hk  date  ragioni  in  scritto  risponsive  alle  ad- 
dotte  in  contrario  dal  Sig^  Isola,  e  vk  incitando  pablicamente 
tutti  contro  i  Tedeschi.  Onde  si  discorre,  che  6  habbia  ricevuto 
da  qnesti  qualche  gran  disgusto,  6  qualche  gran  promessa  da 
Francesi,  se  qui  si  divideranno  da  loro.  II  Sig^  maresciallo  ^ 
gF  adherisce  perche  eschino  dal  regno  per  dominare  il  rfe,  k  cui 
obbedirk  in  quello  gli  parerk  stando  tutto  adombrato,  che  non 
mirino  i  Tedeschi  alla  corona '  anche  con  violenza  per  V  occu- 
pazione  delle  piazze  e  per  non  uscire  ha?  dal  regno  in  Pom- 
merania,  e  persona  dependente  da  lui  disse,  che  se  S.  M*^ 
conduceva  seco,  come  pensassa  gaardia  de  Tedeschi^  che  non 
saria  venuto.  Soweit  der  Nuntius  gehört,  sind  die  Stimmen 
für  eine  Vermittlung  durch  Frankreich  geteilt,  aber  der  König 
erklärt,  sein  Wort  dafür  gegeben  zu  haben.  Es  ist  nicht  zweifel- 
haft, daß  man  viel  Grund  hat,  sich  über  die  Deutschen  zu  be- 
klagen, aber  viele  meinen,  daß,  wenn  Dänemark  besiegt,  wie  es 
heißt,  und  toir  uns  vom  Könige  von  Ungarn  trennen,  wir  entweder 
in  große  Gefahr  geraten  oder  Frieden  nach  dem  Willen  der 
Feinde  machen  müssen,  denn  sie  sägen,  daß  die  Franzosen  immer 
mehr  das  Interesse  Schwedens  als  das  unserige  wahrnehmen 
werden.  Da  der  Nuntius  sieht,  daß  der  Bund  mit  dem  Könige 
von  Ungarn  gefährdet  sei,  geht  er  zum  Könige,  um  ihn  zum 
Einlenken  zu  bewegen.  Dieser  ist  sehr  aufgeregt.  Isola  habe 
gedacht,  die  deutschen  Truppen  würden  nicht  das  Reich  ver- 
lassen, wenn  man  nicht  auf  Frankreichs  Vermittlung  verzichte, 
e  che  non  erano  termini  di  amici^  che  chiamaria  i  Tartan  e 
Cosacchi  in  Slesia,  e  spedirk  al  Moscovita  per  fargli  sapere  che 


*  Lubomirski. 

*  Über  das  Verhalten  der  Königin  Luise  Marie  ge^en  die  Österreicher 
zu  dieser  Zeit  und  im  besonderen  in  der  polnischen  Thronfolgefrage 
Tgl.  die  Ausführungen  Lisolas  bei  Pribram,  ,LisolaS  S.  387. 

8* 


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116 

il  rfe  di  Ungheria  vorria  impadronirsi  del  regno  dopö  che  hk 
saputo  r  inclinatione  della  Polonia  verso  di  lui,  e  scriverk  al 
rfe  di  Suetia  che  trattark  solo.  Onde  consideri  V.  Em"  come 
io  rimansi.  Der  Nuntius  bemüht  sich,  den  König  zu  beschwich- 
tigen, und  dieser  sowohl  als  die  Königin  beauftragen  ihn,  zu 
Isola  zu  gehen, ^  Dieser  erklärt:  che  di  trattare  la  mediatione 
non  occorreva  parlarne,  mk  che  pensasse  k  qualche  ripiego  e 
dopo  molte  doglianze  contro  la  Regina  ottenni  che  stese  in 
carta  due  repieghi.  Diese  trug  der  Nuntius  zu  den  Majestäten^ 
die  Kopien  wollten,  um  den  Senatoren  davon  mitzuteilen.  Der 
Nuntius  will  es  einigen  mitteilen,  weil  er  glaubt,  daß  manche 
es  auf  den  Bruch  absehen,  um  den  König  der  Hilfe  zu  be- 
rauben und  damit  sie  ihn  in  Händen  haben,  mk  questo  non 
16  devo  dire  al  rh,  per  che  forsi  gli  venia  detto  con  pericolo 
di  molti  sconcerti,  e  volesse  Dio  m'  inganassi. 


181.  Warschau,  1658  März  4. 

Die  Frage  der  Abtretung  Braunsbergs  an  den  Kurfürsten, 
Gespräch  mit  dem  Könige  über  diese  Angelegenheit, 

Der  Kanonikus  Fantoni  von  Ermland  hat  ihm  mitgeteilt, 
daß  der  Kurfürst  Braunsberg  wolle.  Fantoni  hat  ihn  gebeten^ 
beim  Könige  vorstellig  zu  werden.  Der  König  antwortet,  daß 
bei  der  Zusammenkunft  mit  dem  Kurfürsten  in  Bidgosc*  dieser 
Frage  wegen  beinahe  der  Friedensabschluß  gescheitert  wäre.  Er 
habe  in  die  Abtretung  Elbings  getoilligt,  damit  Braunsberg  er- 
halten bliebe,^ 


•  Vgl.  Pribram,  ^Lisola*,  S.  390,  wornach  Lisola  durch  die  Senatoren  und 
den  päpstlichen  Nuntius  auf  das  polnische  Herrscherpaar  einzuwirken 
suchte. 

•  Bromberg.  Vgl.  über  die  Einzelheiten  in  der  Braunsberger  Frage,  auf 
welche  der  Kurfürst  so  ungemeines  Gewicht  legte,  Kolberg,  1.  c, 
S.  649  ff. 

•  In  einem  Gegenschreiben,  datiert  Rom,  6.  April  1658,  wird  der  Nuntius 
für  seine  Wachsamkeit  gelobt,  mit  welcher  er  sorgte,  daB  nicht  ,1a  citti 
di  Braunsberga*  in  die  Hände  der  Ketzer  falle.  Er  soll  sich  mit  dem 
Könige,  Bischof  von  Ermland  und  dessen  Bruder,  dem  Palatin  von 
Posen,  für  seine  Bestrebungen  verbinden. 


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117 


182.  Warschau,  1658  März  11. 

Lisola  droht  mit  seiner  Abreise.  ^  Der  Nuntivs  beschwichtigt 
ihn.  Die  Meinung  Lisolas  über  Frankreichs  Absichten  bei  der 
Vermittlung,  Lisola  wünscht  den  Marschall  zu  gemnnen  und 
klagt  über  das  Mißtrauen  gegen  den  Gesandten  Dänemarks. 
Der  Erzbischof  von  Grnesen  ist  ein  Gegner  der  französischen 
Vermittlung;  seine  Klagen  über  die  Königin. 

Lisola  ist  bei  ihm  gewesen  und  war  sehr  ungehalten  über 
die  Neuigkeiten,  besonders  die  Vermittlung  Frankreichs  e  che 
converrk,  che  il  vh  d'  Ungheria  pensi  al  fatto  suo.  Che  vedrk 
quelle  puö  fare  in  brevi  giorni  e  poi  dark  parte  al  suo  ri  di 
tutto  quelle  passa  e  pensark  alla  partenza  perche  non  h  dovere, 
che  spingano  le  loro  armi  in  Pomerania  per  difesa  di  chi  si  fe 
buttato  in  braccio  k  suoi  nemici.  Der  Nuntius  hat  ihn  be- 
schwichtigt und  hofft,  daß  es  seiner  Klugheit  gelingen  werde, 
auf  den  König  einzuwirken.  Hk  doppo  dettO;  che  sapeva  dove 
mirava  la  mediatione;  che  la  Francia  daria  forsi  i  denari  che 
pretende  il  r^  di  Suetia  per  la  compensa  della  Prussia  mk  con 
qualche  simulatione  si  consegnark  qualche  piazza  k  Francesi 
sotto  apparenza  della  regina.  H6  risposto^  che  non  credevo  si 
volesse  V  uscita  de  Suetesi  di  Ik,  senon  perche  ritornasse  Ubera- 
mente  k  S.  M*^.  Im  Vertrauen  hat  Lisola  ihm  gesagt,  daß  er 
den  Marschall  zu  gewinnen  wünsche,  damit  er  ihm  Krakau 
übergebe,  auch  habe  er  sehr  liebenswürdige  Schreiben  des  Kö7iigs 
von  Ungarn  an  ihn  mit.  Zum  Schlüsse  beklagt  er  sich,  daß 
man  Mißtrauten  in  den  Residenten  von  Dänemark  setze,  anstatt 
alles  aufzubieten,  um  den  Bund  zu  erhalten.  Der  Erzbischof 
von  Grnesen  hat  sein  Bedenken  ausgedrückt,^  welcher  Schaden 
aus  dieser  Trennung  entstehen  würde,  und  er  verstehe  nicht,  wie 
man  den  Bund  mit  dem  Könige  von  Ungarn  und  den  erneuerten 
mit  dem  Kurfürsten  erhalten  wolle,  wenn  man  Frankreich  als 
Vermittler  annehme.  Aber  wenn  er  der  Königin  offen  seine 
Meinung  sage,  loürde  er  ihren  Zorn  auf  sich  laden.  Der  Nun- 


'  Vgl.  über  dieses  heiße  Ringen  Lisolas  am  polnischen  Hofe  gegen  den 

Einfluß  Frankreichs  Pribram,  ,LisolaS  S.  385  ff. 
'  Vgl.  Budawskif  1.  c,  S.  399.     Die  Rede  des  Erzbischofs  Andreas  Les- 

czynski  auf  dem  Reichstage  zu  Warschau,  11.  Februar  1658,  worin  er 

zum  Ausharren  bei  Osterreich  ermahnte  und  ibid.  die  ganze  Stimmung 

der  Versammlung  wiedergegeben  ut. 


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118 

tiiLS  hat  ihn  gebeten,  nicht  an  der  Sache  zu  verzweifeln,  aher 
er  erwiderte,  es  sei  jede  Mühe  vergeblich,  da  die  Königin  in 
Wirklichkeit  regiere,  ^ 

183.  Warschau,  1658  März  11, 

Gipfelpunkt  der  Gefahr  und  des  Bruches  mit  Österreich. 
Der  Nuntius  wird  zu  Lisola  geschickt  und  erwirkt  von  ihm  ein 
beruhigendes  Schriftstück.    Die  Hofkamarilla, 

184.  Warschau,  1658  März  11, 

Klagen  über  die  Übergriffe  der  Österreicher  im  Bistume 
Posen.     Schritte  dagegen, 

Sonnabend  vormittags  erhielt  der  Bischof  von  Posen  Nach- 
richty  daß  die  Übergriffe  der  Deutschen  in  seinem  Bistume  und 
Palatinate  auch  gegen  den  Adel  nicht  mehr  zu  ertragen  seien. 
Der  Bischof  wendete  sich  an  den  König,  der  mir  anempfahl, 
mit  Lisola  darüber  zu  sprechen,  Lisola  verspricht,  sogleich  an 
den  General  Montecucoli^  zu  schreiben. 

186.  Warschau,  1658  März  19. 

Kriegsnachrichten,  Schlappe  der  Schweden  vor  Thom  und 
Graudenz, 

Die  Besatzungen  der  Schweden  in  Preußen  glaubten^  die 
Polen  nel  Carnevale  passato  spensierati,  und  versüßten  in  Thom 
am  Montage  einen  Überfall,  Über  300  zogen  aus,  gegen  sie 
Giovanni  Sapieha,  *  notaro  dell'  esercito  del  regno,  mit  wenig 
Leuten  und  tat  so,  als  ob  er  fliehen  würde,  während  er  eine 
große  Zahl  Soldaten  versteckt  hielt.  Die  meisten  Schweden 
wurden  getötet  oder  gefangen.  Dasselbe  geschah  in  Grraudenz 
am  Kamevalstage, 

^  In  drastischer  Weise  hat  Radawski,  1.  c,  S.  398  ff.,  dies  aasg^esprochen: 
,regina,  quae  tunc  maritom  regehat,  ut  parvus  Aethiops  elephantum*. 

'  Der  kaiserliche  General  Graf  Baimand  Montecuccoli. 

'  Nach  Lengnich,  1.  c,  S.  218,  der  Eronfeldschreiher  Johann  Sapieha, 
doch  fehlt  hei  ihm  jede  Nachricht  über  die  oben  erw&hnte  glückliche 
Waffentat  der  Polen  zu  dieser  Zeit.  Dagegen  findet  sich  eine  ent- 
sprechende Nachricht  von  dem  gelungenen  Überfalle  der  schwedischen 
Garnisonen  durch  die  Polen  bei  des  Noyers,  1.  c,  S.  390,  Noyers  nennt 
aber  als  zweite  Garnison  Strasburg. 


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186.  Warschau,  1658  März  19, 

Verlangen,  daß  die  österreichischen  Truppen  Polen  ver- 
lassen,    Ultimatum  an  Lisola. 

Die  Königin  wünscht  dringend,  daß  der  König  nach  Posen 
zurückkehre  per  accalorare  V  uscita  delP  armata  Tedesca  e  de 
nostri  per  tenere  infede  V  elettore.  Der  König  aber  ist  gegen 
diese  Reise^  dicendo^  che  non  stima  bene  di  impegnarsi  colk, 
e  che  non  uscendo  i  Tedeschi  si  trovasse  in  qualche  impegno 
cosi  fatto  con  pericolo  di  alcun  disordine  e  della  sua  riputa- 
zione.  Er  will  vielmehr  den  Sekretär  Masini  zu  Montecuccoli 
senden,  damit  er  ihn  zum  Abzüge  bewege.  Sollte  dies  nicht  ge- 
lingen, so  möge  er  ihm  sagen,  daß  er  mit  seinem  Heere  lieber 
nach  Schlesien  zurückkehre,  anstatt  in  Polen  zu  bleiben  und 
das  Land  zu  verunlsten.  Der  Nuntius  ßirchtet  aber,  daß  die 
Königin  dennoch  nach  und  nach  den  König  zu  dieser  Reise 
bewegt.  AI  Sig'  Isola  si  h  detto  per  ultimo^  ^  che  entrande  le 
militie  in  Pomerania  S.  M**  tirark  in  lango  quanto  potrk  il  trat- 
tato^  ne  16  concluderk  senza  il  rh  di  Ungheria^  tanto  piü  che 
il  Sig'  ambasciatore  di  Francia  si  fe  dichiarato  piü  volte,  che 
il  rfe  di  Suetia  non  trattaria  quando  le  armate  entrassero  nella 
Pomerania. 


187.  Warschau,  1658  März  19. 

Aufhören  der  päpstlichen  Unterstützung.  Klage  darüber 
in  Polen. 

Doni  hat  geschrieben,  daß  der  Papst  keine  Unterstützung 
mehr  geben  könne.  Darauf  haben  sich  einige  Senatoren  beklagt: 
che  questa  guerra  sia  di  uguale  importanza  per  la  christianitk, 
che  quella  del  Turco.  Darauf  erwidert  der  Nuntius:  Der 
Papst  hätte  getan,  was  er  konnte;  außer  den  30.000  scudi,  die 
er  gesendet,^  noch  100.000  tallari  aus  dem  Kirchensilber;  die 
Geistlichen  täten  mehr  als  sie  selbst. 


*  über  die  Verhandlung^en  mit  Lisola  vgl.  Pribram,  »Lisola*,  S.  386  ff. 
'  Diese  Geldsendung  des  Papstes  Alexander  VII.  war  bereits  im  Jahre 
1655  erfolgt. 


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188.  Warschau,  1668  März  25. 

Frieden  mit  Dänemark.  Besorgnis  Lisolas  vor  Entschlüssen 
des  Königs,  welche  Österreich  nachteilig  wären.  Hilfe  vom 
Nuntius  wird  erbeten,  der  jedoch  den  Einfluß  der  Königin  he- 
ßlrchtet. 

Von  Berlin  aus  wird  der  Abschluß  des  Friedens  mit  Däne- 
mark ^  berichtet,  dies  gibt  Isola  zwr  Besorgnis  Veranlassung,  be- 
sonders da  der  französische  Gesandte  zuiHlckgekehrt  ist,  und  er 
fürchtet,  daß  der  Kurfürst  dem  Bunde  beitreten  werde,^  so  daß 
dann  der  König  von  Ungarn  verlassen  bliebe.  Isola  hat  den 
Nuntius  gebeten,  bei  dem  Könige  Grutes  zu  erwirken.  Soweit 
nun  der  Nuntius  des  Königs  Gesinnung  kennt^  wird  er  nichts 
ohne  den  König  von  Ungarn  unternehmen,  aber  niemand  bürgt 
ihm  dafür,  daß  er  nicht  vernünftige  Vorschläge  Frankreichs 
annehme,  da  die  Königin  ihn  wohl  gewinnen  dürfte,  wie  es  fast 
immer  geschieht  und  wie  es  auch  jetzt  mit  seiner  Abreise  geschah. 


189.  War  schau j  1658  April  3. 

Schreiben  Morsteins  *  aus  Kopenhagen  an  seinen  Bruder.  * 
Warnung  vor  den  Franzosen,  Schweden  und  Cromwell.  Sein 
Batschlag:  schleuniger  Bund  mit  den  Holländern.  Gründe  für 
diesen  Bund. 

Masini  hat  das  Schreiben  in  Gegenwart  des  Morstein  de- 
chiffriert und  schickt  es  an  den  Nuntius.  Fuggite  per  Dio 
buono  i  consigli  Francesi  e  li  intercessioni  per  il  Suetese  piü 
che  la  peste.  Lo  Suetese  non  dimanda  sinceramente  la  pace, 
mk  uccellatore  vi  vuole  ingannare.  —  In  tutti  gF  awisi  si  ride 
del  generale   campestre   di   Lituania^  e   della  conyocatione  di 


'  Friede  yon  Rothschild  zwischen  Schweden  und  Dänemark  am  27.  Fe- 
bruar 1658.    Vgl.  Erdmannsdörflfer,  1.  c,  S.  289, 

*  Vgl.  Pribram,  »Lisola*,  S.  398. 

'  Tobias  Morstein,  polnischer  Gesandter  in  Dänemark.  Über  seine  Ver- 
handlungen am  dänischen  Hofe  im  Jahre  1667  vgl.  Urkunden  und 
Akten  8,  S.  181  u.  185. 

*  Joh.  Andreas  Morstein,  polnischer  Gesandter  in  Wien  nnd  Sekretär 
Johann  Kasimirs. 

*  Gonziewski. 


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121 

Varsavia.*  —  CromveP  lo  spinge  e  prega  di  promovere  e  prin- 
cipiare  la  gnerra  di  religione  in  Germania  e  gli  promette  un'  ar- 
mata  navale  per  ottenere  il  dominio  del  mare  Baltico  anzi  di 
Danzica  in  questa  primavera.  Questo  assolntamente  ^  vero. 
State  cauti,  e  fate  lega  quanto  prima  con  gPOlandesi^  acciö 
avanti  di  maggio,  6  nel  principio  di  esso  soccorrino  Danzica^ 
cosi  il  rh  di  Danimarca  k  voi  et  k  gl'  Olandesi  renderk  gratie. 
Fate  seriamente  e  non  disprezzate  il  consiglio.  Li  Francesi 
Btimulano  il  Turco^  al  qnale  Cromvel  o£ferisce  armata  navale. 
—  I  Danesi  temono  gl'  Olandesi,  e  pure  la  parte  piii  conside- 
rabile  desidera,  che  questi  li  liberano  dalli  Suetesi.  Danque 
concladete  presto  con  gl'  Olandesi  e  prima  che  i  Suetesi  si 
muovino  contro  Danzica.  —  II  Cromvel  hk  man  dato  4  vasselli 
yerso  Markvico  e  la  stanno  sopra  1'  ancore.  Non  h  dubio  che 
la  maggior  parte  serrerk  il  Baltico.  Li  Suetesi  dimandano  k 
Danesi  alcune  navi  e  ciö  del  arto  contro  Danzica  etc.  Guai 
k  voi  tutti. 

190.  Posen,  1658  April  18. 

Anonymes  Schreiben  an  den  Nuntivs. 

Gestern  sind  General  Spahar^  und  Owerbek*  hier  ange- 
kommen. Der  Kurfürst  denkt  an  Neutralität  und  beklagt  sieh 
über  die  Langsamkeit  der  Polen  und  Österreicher^  die  es  nicht 
zum  Kriege  kommen  lassen.  Die  letzteren  scheinen  jedem  Marsche 
nach  Pommern  abgeneigt.  *  Der  Anfang  des  Übels  und  was  alle 
Operationen  aufhält,  sei  der  ch'  il  duca  elettore  non  si  possa 
distaccare  dal  conseglio  della  Francia/  che  si  farebbe  con  uno 


*  Der  Reichstag  in  Warschau,  11.  Februar  1668.  Vgl.  Rudawski,  1.  c, 
8.  398  ff. 

*  Über  die  Politik  Cromwells  vgl.  Urkunden  und  Akten  7,  S.  789,  und 
besonders  ersichtlich  aus  der  Sendung  des  Generalmajors  Jephson  an 
den  Kurfürsten,  ib.,  S.  793  ff. 

'  Der  brandenburgische  Qeneral  Otto  Christoph  Sparr. 
^  Johann  Hoverbeck,  der  bekannte  Staatsmann  und  Gesandter  des  Kur- 
fürsten in  Polen. 

*  Über  die  militärischen  Pläne  der  Österreicher  vgl.  die  Erklärungen 
Lisolas  in  dem  Kriegsrate  zu  Posen.    Pribram,  ,Lisola',  S.  401. 

*  Wie  richtig  die  Ansicht  des  obigen  Anonymus  ttber  die  starke  Beein- 
flussung des  Kurfürsten  durch  die  Franzosen  um  diese  Zeit  gewesen 
ist,   geht   unter   anderem   aus   dem   Gespräche   des   französischen   Ge- 


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122 

il  quäle  non  volendo  combattere,  abbnndarebbe  di  pretesti^  al- 
meno  non  del  tutto  nudi  di  apparenti  ragioni  per  sfiiggir  V  in- 
contro  e  mettersi  in  pugno  V  arbitrio  della  pace?  E  qnando 
minacciasse.  (il  che  concedono  non  haver  del  verisimile,  mk 
non  YOgliono  che  si  dica  impossibile)  di  ritirarsi  alla  parte  de 
Saezzesi^  dolce  partito  alFhora  ci  parerebbe  di  lasciarlo  nella 
neutralitk.  Die  brandenburgischen  Minister  dagegen  toünschen 
den  Marsch  auf  Pommern  und  zeigen^  wie  überlegen  unsere 
Macht  der  schwedischen  sei^  sotvohl  ata  militärischen  als  aus 
politischen  Gründen.^  Der  Kurfürst  aber  fürchtet,  daß  die 
Schweden,  welche  jetzt  nach  dem  Siege  über  die  Dänen  durch 
die  Versprechungen  Cromwells  so  stark  sind,  sein  Land  über- 
schwemmen. Che  se  si  aspettava  la  potenza  Suezzese  questa 
haverebbe  invitato  i  nostri  k  fnggire;  onde  con  la  nostra  pro- 
pria  gente  haveressimo  accresciute  le  forze  al  nemico^  che  S.  A. 
non  poteva  trovarsi  con  noi  et  k  diffender  il  sao^  ch'  in  tal  caso 
si  saressimo  tutti  trovati  in  necessitk  di  prender  nuovi  partiti. 
Finisco  col  voltar  k  mio  capricio  quel  concetto  tanto  noto  de 
tutt'  i  comici  e  poeti^  siamo  la  farfalla^  che  tanto  s'  ageriamo 
intorno  al  nostro  bei  lume,  che  finalmente  s'  abbruggiaremo 
r  ali,  andiamo  quk  e  Ik^  mk  sempre  torniamo  k  quel  bellissimo 
lume  di  pace^  vi  potrebbe  esser  questa  differenza  cio&  che  ci 
siamo  destramente  condotti.  Li  S.  S"  Austriaci  parlano  di  Po- 
merania^  mk  son  innamorati  dclla  Prussia,  e  se  qualche  buon 
pretesto  potesse  trovarsi  da  qualche  bell'  ingegno^  parmi  che 
si  contentariano  di  voltar  altrove  la  marciata.  V.  S.  Hl""  costk 
m'  hk  predetto  quest'  imbroglii^  et  k  me  tocca  il  sentirli  quk  e 
faccio. 

191.  Warschau,  1658  April  22. 

Tod  des  Erzbischofs  von  Gnesen,^  Ansicht  des  Nuntius 
über  ihn  und  die  bevorstehende  Neubesetzung  dieses  Kirchen- 
Stuhles. 


sandten  Blondel  mit  Friedrich  Wilhelm   hervor.    Vgl.  Urkunden   und 
Akten  2,  8.  162/63. 

*  Vgl.  Urkunden  und  Akten  8,  8.  356,  wo  au«  dem  militSrischen  Gut- 
achten des  Kurfürsten  ttber  den  Zustand  des  schwedischen  Heeres  seine 
ganze  Aktionslust  ersichtlich  wird. 

*  Andreas  Lesczynski.  Vgl.  seine  Charakteristik  bei  Rudawski,  L  c, 
S.  415,  und  bei  Kochowski,  1.  c,  8.  277. 


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123 

Sein  Tod  ist  für  die  Kirche  und  für  den  Nuntius  ein 
großer  Verlust,  che  se  bene  conveniva  trattar  seco  molto  destra- 
mente,  tuttavia  operava  poi  bene.  Sollte  die  Wahl  auf  den 
Bischof  von  Ermland  ^  fallen,  wie  es  heißt,  h  certo,  che  h  un 
buono  Sig'®,  e  che  le  di  lui  parentele  16  renderanno  molto 
stimato.  Mk  non  vedo  poi  in  lui  quei  spiriti,  che  si  richiede- 
rebbono  in  questi  tempi  e  per  gl'  accidenti  che  potessero  darsi 
e  per  conoscere  gl'  artifitii  de  laici  e  contrastare  la  mira^  che 
hanno  in  tener  bassi  gl'  ecclesiastici. ' 


192.  Warschau,  1658  April  22. 

Lisolas  fortgesetzte  Bestrebungen  gegen  die  Vermittlung 
Frankreichs;  seine  Gründe  hiefür.  Befürchtungen  des  Nuntius, 
Pläne  der  Franzosen  und  Schweden  anlangend. 

Isola  hat  seine  Bemühungen,  damit  die  Vermittlung  Frank- 
reichs zurückgewiesen  wird,  heim  Könige  erneuert.^  Sein  König 
würde  dieselbe  niemals  annehmen  aus  vielen  Gründen,  von 
denen  der  Nuntius  durch  den  Sekretär  Masini  die  folgenden 
erfahren  hat:  V  havere  rifuitato  gik  quella  del  defonto  impera- 
tore,  r  haver  fatto  la  Francia  dichiarazioni  tanto  aperte  contro 
il  rfe  di  Ungheria.  GF  aiuti  dati  da  Francesi  alli  Suetesi  e  le 
doglianze  publiche  per  gl'  aiuti  somministrati  alla  Polonia.  lo 
dubito  che  i  Francesi  e  Suetesi  vorranno  impegnarci  al  trattato 
e  poi  entrando  i  primi  in  Germania  contro  il  rh  di  Ungheria 
necessitarlo  k  richiamare  la  sua  gente  con  supposta  all'  hora 
che  la  Polonia  ferk  la  pace  quasi  per  forza,  e  voglia  Dio  che 
m'  inganni. 

193.  Posen,  1668  April  24. 

Zwei  anonyme  Briefe  Masinis  an  den  Nuntius.  Das  po- 
litische  und  militärische  Verhalten   zwischen   dem   Kurfürsten 


^  Wenzel  Lesczynski  wurde  in  der  Tat  sein  Nachfolg^er.  Vg^l.  Rudawski, 
1.  c,  S.  415. 

'  Vgl.  mit  diesem  Urteile  des  Nantius  über  Lesczynski  auch  den  Vor- 
wurf, welchen  er  seinerzeit  dem  Bischöfe  und  einem  Teile  der  erm- 
ländischen  Chorherren  und  ihrem  Verhalten  gegenüber  dem  Kurfürsten 
gemacht  hat,  bei  Kolberg,  1.  c,  S.  566. 

«  Vgl.  Pribram,  »Lisola*,  S.  395  ff. 


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124 

und  Österreich,  Ansicht  des  Nuntiibs  über  die  politische  allge- 
meine Lage, 

Im  zweiten  Briefe  kann  er  schon  Tatsachen  berichten.  Es 
heißt  da:  Hb  scritto,  che  gl'  elettorali  consigliarano  di  impie- 
gare  la  gente  Austriaca  in  Pmssia  e  che  per  essere  stato  ris- 
posto  secondo  quel  piü^  che  si  richiedeva  ad  nna  propositione 
in  forma  di  a£fettuoso  parere,  si  era  da  loro  passato  ad  una 
meza  e  poi  ad  nna  totale  dichiaratione  di  non  volere  andare 
contro  il  rfe  Carlo  Gustavo  ^  e  di  non  volere  cimentare  in  modo 
alcuno  la  sua  fortuna  in  una  battaglia.  —  Pure  h  vero,  che 
doppo  tante  difficoltk  superate  k  costo  del  pretioso  tempo,  che 
si  h  produtO;  finalmente,  vedendo  gV  elettorali^  che  sotto  la 
forma  di  consiglio  non  si  poteva  distomare  la  marchiata  con 
loro^  anzi  da  loro^  e  si  puo  dire  per  loro  concertata  smasche- 
rano  li  pretesti  e  si  dichiarano^  che  le  lentezze  della  corte  di 
Ungheria  hanno  causato,  che  nelF  imperio  le  prattiche  Suetese 
si  siano  ridotte  all'  evento  da  loro  desiderato,  perche  li  Stati ' 
scrivono  k  S.  A.,  che  se  egli  unira  Y  armi  sue  alle  Polacche 
b  ad  altri  prencipi  per  attaccare  alcun  dominio,  spettante  al 
sacro  Romano  imperio^  si  crederanno  in  necessitk  di  assistere 
al  rfe  Carlo  Gustave*  Onde  TAU**  Sua  haveya  mandato  k 
rappresentare  k  S.  M**  et  k  S.  S'^  ministri  Austriaci,  che  quelle 
mani^  le  quali  altre  volte  si  mostrorono  piü  pronte  dell'  altre, 
adesso  venivano  legate  con  cosi  potente  minaccie.  —  Hebbe 
campo  il  Sig'  generale  Montecucoli  di  dare  un  saggio  dell'  elo- 
quenza  e  facondia  sua^  mentre  col  fondamento  di  molte  et 
efficaci   raggioni  potfe  senza  eccedere  i  termini  della  modestia 


^  Vgl.  bei  Pribram,  ^Lisola',  S.  401,  die  Erklärungen  der  brandenburgi- 
schen Abgesandten  Spaar  und  Hoverbeck,  womach  sie,  dem  Zwange 
der  Verhältnisse  entsprechend,  damals  die  gemeinsam  geplante  Expe- 
dition nach  Pommern  glaubten  ablehnen  zu  müssen. 

'  Die  veränderte  Politik  der  Staaten  den  Schweden  gegenüber  nach  dem 
Frieden  von  Rothschild,  ihre  Furcht  vor  Karl  Gustav  und  femer  die 
hier  angegebene  politische  Abhängigkeit  des  Kurfürsten  von  den  Staaten, 
wird  ersichtlich  aus  dem  ausführlichen  Exposä  Lisolas  bei  Pribram, 
,Lisola',  S.  418. 

'  Dieses  drohende  Verhalten  der  Staaten  gegen  den  Kurfürsten  wird  aus 
den  trockenen  holländischen  Gesandtschaffcsberichten  in  Urkunden  und 
Akten  3,  S.  118  ff.,  nicht  ersichtlich,  sondern  nur  ib.,  S.  122,  die  Ver- 
sicherung des  Kurfürsten,  daB  Brandenburg  im  deutschen  Reiche  nichts 
Offensives  beginnen  werde. 


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125 

sfogare  le  sue  doglienze  contro  il  procedere  delli  elettorali.  Mk 
che  bell'  incontrO;  perche  tanto  freddamente  si  riduceva  ad'  una 
tale  risolutione  e  che  bei  campo  per  fare  magnifica  pompa  di 
una  buona  volontk.  Prima  Y  elettore  si  hebbe  k  suiscerare  per 
la  Polonia;  quando  sollicitö  questa  risolutione  et  offeri  di  con- 
dürre  gl'  eserciti.  Adesso  sono  pronti  gl'Austriaci  ^  e  S.  Alt" 
si  duole  di  non  potersi  muovere.  Adunque  abbandano  sempre 
le  obligationi  di  ringratiare  questo  e  quelle  per  le  dimostrazioni 
di  buona  volontk.  Unsere  Lage  ist  jetzt  sehr  veiivickelt  und 
die  Königin  hat  ihm  gesagt,  man  wisse  nicht,  wo  der  Hof  bleibt; 
die  Anwesenheit  des  Nuntivs  hier  wäre  sehr  erwünscht.  Se  li 
Stati  deir  imperio  assicurano  la  M**  del  rfe  di  Ungheria,  che  se 
fatta  la  pace  in  Polonia  lo  Suetese  si  rivoltasse  contro  de  suoi 
stati,  essi  assisteranno  contro  di  questo,  dunque  si  pu6  accettare 
la  mediatione  di  Francia,  e  non  si  deve  dubitare  che  sia  per 
restare  escluso  dalli  trattati  e  dalla  pace  il  vh  di  Ungheria.* 
Accetta  la  mediatione  Francese  il  duca  elettore,*  il  quäle  piü 
di  tutti  sospira  il  modo  di  saltar  fuori  di  questa  guerra  con 
quelle  che  k  lui  e  stato  promesso  senza  che  si  affatichi  in 
meritarlo. 

194.  Warschau,  1658  April  29. 

Versuch  der  Schweden,  mit  Österreich  zu  verhandeln,  Er- 
klärungen des  Mainzer  Kurfürsten,  welche  dagegen  sprechen, 
Auffassung  des  Nuntius  von  der  politischen  Lage, 

Der  Vizekanzler*^  sagt  ihm,  man  wolle  nicht  in  Verhand- 
lungen mit  den  Schweden  treten,  da  man  sehe,  daß  sie  es  nicht 
ernst  meinen  et  intanto  di  andare  indugiando  con  i  Francesi 
sin  che  s'  inducano  k  trattare  da  vero  con  la  forza.  Auf  An- 
trag Lisolas,  die  Vermittlung  Frankreichs  zu  unterlassen,  hat 
der  König  abgelehnt,   mk   che   mentre   li   Suetesi   hanno    fatta 


*  Vgl.  die  Korrespondenz  Montecuccolis  mit  dem  Kurfürsten  in  Urkunden 
und  Akten  8,  S.  358. 

'  Vgl.  über  die  Stimmung  der  Reichsfürsten  zu  Osterreich  und  Frankreich 

Urkunden  und  Akten  8,  S.  490  ff. 
'  YgL  die  damalige  schwankende  Haltung  des  Kurfürsten  den  Einflüssen 

Blondels  gegenüber  in  Urkunden  und  Akten  2,  S.  162/63. 

*  Trzebicky. 


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126 

istanza  al  rfe  di  üngheria  perraezo  dell'  elettore  di  Magonza  ^ 
per  la  pace  che  il  medesimo  elettore  motivi  da  se  k  Suetesi 
che  r  ostacolo  k  conseguirla  e  la  mediatione  di  Francia^  che 
non  pu6  accettare  il  r^  di  Üngheria  e  che  se  vogliono  schietta- 
mente  la  pace,  si  dichiarino  che  tratteranno  senza  mediatori, 
come  fecero  due  anni  sono.  Onde  V.  Em**  vede  le  cose  di 
quk  pericolare^  et  io  godo  di  non  esservi  stato  presente  perche 
qui  ho  predetto  quelle,  che  fe  avvenuto,  ne  haverei  potnto  con- 
tenermi  di  non  darne  cenno. 

195.  Warschau,  1658  Mai  6. 

Mitteilungen  Masinia  über  die  politische  Lage  des  Kur- 
fürsten, 

Masini  hat  ihm  mitgeteilt,  che  crescono  i  sospetti  dell'  elet- 
tore se  persisterk  con  noi  6  nö  e  si  credeva,  che  il  rh  di  Suezia 
non  assaltaria  i  snoi  stati  per  non  necessitarlo  k  stare  unito  con 
noi,  credendo  li  Suetesi,  che  Sua  Altezza  non  si  vorrk  disgustare 
e  discostarsi  molto  da  suoi  dominii,  il  che  stimo  gli  basterk. 

196.  Warschau,  1658  Mai  6. 

Die  Braunsherger  Frage  und  das  Verhalten  des  Kurfürsten. 

Ihm  lag  stets  daran,  daß  in  Braunsberg  nichts  geändert 
werde,  besonders  daß  die  Besatzung  dem  Könige  zu  gehorchen 
hat,^  und  er  glaubt,  daß  der  König  darüber  toacht,^  non  di- 
meno  le  procedure  del  Ser™**  elettore  devono  sempre  piü  farci 
aprir   gV  occhi   massime  se  fusse  vero  quelle,  che  mi  viene  ri- 


*  Johann  Philipp  Schönborn,  Kurfürst  von  Mainz.  Über  diesen  Vorschlag 
Karl  Gustavs,  zum  Friedenswerke  ohne  Vermittler  zu  schreiten,  vgl. 
Pribram,  ,Lisola*,  S.  399  flF. 

^  Die  brandenburgische  Besatzung  in  Braunsberg  hatte  in  Wirklichkeit 
auf  Verfügung  des  Kurfürsten,  datiert  6.  November  1667,  sowohl  dem 
Könige  von  Polen  als  auch  dem  Bischöfe  des  Ermlandes  Treue  schwören 
müssen.    Vgl.  Kolberg,  1.  c,  S.  649  ff. 

'  In  einem  Gegenschreiben,  datiert  Rom,  8.  Juni  1668,  wird  für  die  In- 
demnität des  Bistums  Ermland  als  besonders  wichtig  hingestellt,  daß 
Braunsberg  nicht  in  die  Hand  der  Ketzer  falle.  Da  nun  der  Bischof 
von  Ermland  zum  Erzbischofe  von  Gnesen  ernannt  ist,  könnten  die 
Protestanten  diese  Gelegenheit  benützen  und  es  wird  deshalb  dem 
Nuntius  die  größte  Wachsamkeit  eingeschärft. 


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127 

ferto^  ch'  egli^  senz'  attender  i  comissarii  Regii  habbia  preso  il 
possesso  de  i  due  capitanati;  ^  che  gli  fnrono  aduti  nell'  accordo 
seguitO;  come  awisai. 

197.  Warschau,  1668  Mai  30, 

Die  Langsamkeit  der  Friedensverhandlungen  mit  Schweden, 
Gründe  hieflir.  Die  Ansichten  in  Frankfurt  und  Warschau  über 
die  Vermittlung  Frankreichs. 

Obgleich  der  Conte  di  Colovrato  *  angekommen  ist,  schreiten 
die  Friedensverhandlungen  mit  Schweden  nicht  fort,  perche  i 
parti  proposti  gik  dal  Sig'  ambasciatore  di  Francia^  che  dava 
per  facili  di  essere  abbracciati  da  Saetesi^  questi  non  li  con- 
sentono.  Onde  dk  occasione  di  rinovare  le  diffidenze  di  fidarsi 
da  Francesi  in  questo  negotio,  e  di  conoscere  sempre  piü,  che 
il  rh  di  Suetia  non  voglia  la  pace,  che  k  suo  modo.  —  La  re- 
gina  mi  disse  scrivere  V  elettore,  che  il  conte  Cnrtio  *  havesse 
detto  in  Francfort,  che  non  si  cnrano,  che  la  Francia  fosse 
mediatrice  per  la  Polonia,  mk  qui  il  Sig'  dell'  Isola  hora  dice 
altrimenti  e  scopro  che  la  regina  diffida  che  si  possa  venire  al 
trattato,  dicendo,  che  i  Francesi  non  possono  quello,  che  altri 
credono  col  rh  di  Suetia. 

198.  Sierakow,  1658  Juni  11. 

Klagen  des  Bischofs  von  Finnland  über  die  deutschen  Sol- 
daten.   Verwendung  des  Nuntius  Sanfelice  für  ihn. 

Hk  ben  Y  applicatione  di  Mons'  nuntio  Sanfelice  *  adem- 
pite  tatte  le  sue  parti  k  soglievo  del  vescovati  di  Varmia,  si 
come  anche  V.  E.  si  degna  awisarmi  con  una  delle  sue,  mk 
non  han  gik  sortito  i  suoi  ufficii  il  desiderato  frutto. 


^  Gemeint  sind  wohl  die  beiden  Ämter  Laaenburg  und  Bütow,  welche 
nach  dem  Vertrage  von  Wehlau  an  den  Kurfürsten  abgetreten  wurden. 

'  Graf  Kolowrat,  der  mit  Lisola  zum  kaiserlichen  Bevollmächtigten  bei 
den  Friedensverhandlungen  ernannt  worden  war.  Vgl.  Pribram,  ^Lisola*, 
S.  899  u.  407. 

'  Graf  Ferdinand  Kurtz,  Reichsvizekanzler. 

*  Aus  einem  Gegenschreiben,  datiert  Bom,  13.  April  1658,  geht  hervor, 
daß  der  Kardinal  Ghigi  im  Auftrage  des  Papstes  sich  an  den  Nuntius 
Sanfelice  gewendet  hatte,  damit  die  Übergriffe  der  österreichischen 
Soldaten  unterdrückt  würden. 


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128 


199.  Sierakow,  1658  Juni  11. 

Reys  Mission  in  Frankfurt^  die  Vermittlung  Frankreichs 
betreffend. 

Rey,^  der  nach  Frankfurt  gesandt  tcurde,  um  die  Kur- 
fürsten zu  bewegen,  daß  der  Kaiser  die  Vermittlung  Frankreichs 
annehme,  schreibt:  ,Der  Mainzer  wolle  noch  mit  Sachsen  sprechen^ 
doch  einige  meinen,  der  Frieden  sei  nur  durch  Vermittlung 
Frankreichs  möglich/ 


200.  Sierakow,  1658  Juni  18. 

Die  Klageschrift  des  Bischofs^  und  Klerus  von  Posen 
gegen  die  österreichischen  Soldaten.  Auffassung  Johann  Kasimirs 
darüber  und  sein  Verhalten  gegen  den  mutmaßlichen  Verfasser 
Andreas  Olszewski, 

Die  österreichischen  Minister  sind  beleidigt  durch  die 
Überschrift:  Super  barbara  Austriaci  militis  insolentia.'  In 
Frankfurt  ist  diese  Klageschrift  erschienen.  Der  König  von 
Polen  nimmt  an,  daß  Olszewski,^  der  die  Bittschrift  überreicht 
hat,  sie  niemals  in  dieser  Form  abgefaßt  hat,  was  um  so  glaub- 
würdiger ist,  als  dieselbe  erst  nach  seiner  Abreise  von  dort  er- 
schienen ist  Der  König  meint  auch,  daß  dieser  Titel  von  Übel- 
gesinnten gemacht  sei,  ben  che  il  memoriale  sia  vero,  onde  penso, 
ch'  il  sentimento  con  che  ne  rimane  S.  M.  sia  per  render  capaei 
i  medesimi  ministri  della  rettitudine  delle  sue  intendoni. 

P.  S.  Olszewski  befindet  sich  in  der  Nähe  und  bestreitet, 
dies  haben  drucken  zu  lassen:  nondimeno  S.  M.  non  lo  vuol 
ammettere  alla  sua  presenza  se  prima  non  si  giustifica.  —  Folgt 
die  Bittschrift,  welche  an  den  König  von  ünga^m  gerichtet  ist, 
versehen  mit  den  Unterschriften  des  Bischofs  und  seines  Klerus, 


^  Wladislaw  Bey,  SekretJU*  der  polnischen  Königen.  Ober  seine  Be- 
mühungen bei  dem  KorfOrsten,  g^gen  den  ausdrücklichen  Wunsch 
Österreichs  die  französische  Yermittlung  anzunehmen,  vgl.  unter  anderem 
besonders  Rudawski,  1.  c,  S.  412,  und  Pribram,  ^Lisola*,  8.484. 

«  Albert  Tolibowski. 

'  Dieses  Libell  findet  sich  abgedruckt  bei  Rudawski,  1.  c,  8.  404  ff. 

^  Andreas  Olszewski,  Kanonikus  von  Krakau,  polnischer  Vertreter  in 
Frankfurt.    Über  seine  Tätigkeit  daselbst  ygl.  auch  Rudawski,  8.  404  ff. 


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201.  Sierakow,  1658  Juni  18. 

Gespräch  mit  dem  Könige  über  die  Gefahr  in  Posen,  wo 
durch  das  gemischte  Bekenntnis  der  Offiziere  im  Falle  eines 
Angriffes  eine  Katastrophe  entstehen  könnte.  Der  König  ver- 
spricht Abhilfe. 

202.  Sierakow,  1668  Juni  18. 

Die  Besatzungsfrage  in  Braunsberg  zwischen  Polen  und 
Brandenburg. 

Bitte  beim  Könige,  die  Besatzung  in  Braunsberg  zu  ändern. 
Der  König  erwidert,  daß  bei  der  Zusammenkunft  mit  dem  Kur- 
ßlrsten^  beinahe  der  ganze  Vertrag  gescheitert  wäre,  weil  der 
Kurfürst  diesen  Platz  behalten  wollte. 

203.  Posen,  1658  Juni  24. 

Abreise  der  Königin  nach  Berlin.  Empfehlung  der  Brauns- 
berger  Frage  bei  dieser  Gelegenheit. 

Havendo  dubitato,  che  con  V  andata  della  regina  a  Ber- 
lino,  *  non  rinnovi  1*  elettore  1'  istanza  per  il  cambio  di  Bruns- 
berga  del  vescovato  di  Varmia  con  tirare  S.  M*^  k  qualche  im- 
pegno,  ne  parlai  al  rh,  perche  ne  awertisse  la  regina  etc. 

204.  Warschau,  1658  Juli  8. 

Kriegsnachrichten  aus  Preußen  vom  Frischen  Haff. 

Einige  schwedische  Schiffe,  etwa  zehn,  sind  in  der  Ostsee 
gesehen  worden^  und  haben  begonnen,  Leute  auszuschiffen  zwischen 
Danzig  und  Elbing,  un  certo  posto  dirimpetto  all'  Haff.  Darauf 
will  Czameski  *  mit  Soldaten  hin,  um  sich  mit  dem  Kurfürsten 
gegen  sie  zu  vereinigen. 


^  Die  Znsammenkanft  in  Bromberg,  30.  Oktober.  Vgl.  über  die  obige 
Frage  unter  anderen  besonders  Kolberg,  1.  c,  S.  549  ff. 

*  Der  Aufenthalt  der  Königin  in  Berlin  w&hrte  vom  28.  Juni  bis  3.  Juli. 
Urkunden  und  Akten  2,  S.  172. 

*  Vgl.  Urkunden  und  Akten  8,  S.  366.  Wahrscheinlich  sind  die  Schiffe 
gemeint,  welche  den  aus  Schweden  erwarteten  Truppenersatz  nach 
Preufien  brachten.  Vgl.  Lengnich,  1.  c,  S.  212,  und  auch  Kolberg,  S.  548. 

^  Der  oft  erwähnte  polnische  Feldherr  Czarnecki. 
ArebiT.  XCV.  B»od.  I.  Hälfte.  9 


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130 

205.  Warschau,  1658  Juli  8. 

Ausschreitungen  der  Österreicher  beim  Verlcasen  des  Erm- 
landes,  Störung  und  gotteslästerliche  Handlungen  bei  einer  Pro- 
zession. ^ 

Der  Fall  wurde  dein  General  Szusa  *  berichtet,  der  sehr  er- 
grimmt ist  und  die  Schuldigen  bestrafen  wird. 

206.  Warschau,  1658  Juli  15. 

Abberufung  Reys  aus  Frankfurt.   Gespräch  mit  Kolourrat. 

Rey  ist  aus  Frankfurt  als  unfähig  auf  Verlangen  der 
dortigen  östen'eichischen  Minister  abberufen  worden.  Es  soll 
schnell  geschehen,  damit  bei  Ankunft  der  Königin,  da  cui  de- 
pende  il  Rey,  nicht  toieder  der  Entschluß  geändert  werde.  — 
Colowrat  hat  den  Nuntius  gebeten,  sobald  er  etwas  gegen  seinen 
König  oder  das  Heer  vernehme,  ihn  zu  benachrichtigen.  Der 
Nuntius  hat  ihm  seine  Ergebenheit  gegen  seinen  König  ausge- 
drückt. Mi  scordava,  che  il  medesimo  Sig'  eonte  mi  aggiuDse 
ehe  il  Rey,  partito  dalia  sudetta  conferenza  andasse  subito 
dalli  ambasciatori  Francesi. 

207.  Warschau,  1658  August  6. 

Gespräch  mit  Kolowrat  über  Rey  und  den  Gesandten 
Cromwells. 

Hk  scoperto  il  Sig'  conte  di  Kolovrat  come  mi  hk  detto, 
che  si  sia  spedito  ordine  al  Sig'  Rey  segretamente  di  complire 
in  nome  delle  Maestk  con  S.  M*^  Cesarea,*  e  che  si  fosse  par- 
tito, come  le  fix  ordinato,  che  se  ne  ritorni^  il  che  hk  grande- 
mente  sentito,  perche  havendo  procurato  di  farlo  richiamare 
per  comando  di  S.  M*^  Cesarea  se  lo  deve  poi  veder  compa- 
rire  avanti  per  simile  funtione,  e  tanto  gli  preme  perche  si  sia 


^  Der  Abzug  der  gesamten  österreichischen  Truppen  aus  dem  Ermlande 
erfolgte  nach  Kolberg,  1.  c,   S.  547,  Ende  Mai  oder  Anfang  Juni  1658. 

•  De  Souches. 

'  Vgl.  Pribram,  ^Lisola^  S.  440,  wonach  die  kaiserlichen  Gesandten  sich 
bei  Johann  Kasimir  beklagten,  daß  er  Rey  nicht  abberufe  und  ihn 
sogar  zum  Überbringer  seiner  Glückwünsche  an  den  Kaiser  lu  dessen 
Wahl  auaersehen  habe. 


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131 

fatto  senza  farlene  sapere  niente^  perche  haveria  insinuato^  che 
si  fosse  fatto  per  Bcansare  le  spese.^  Sente  ancora  male^  ehe 
si  voglia  ricevere  1' ambasciatore  del  Cromvel;'  mk  questo  pas- 
seria.  II  piü  b,  che  si  ode,  che  sia  per  offerire  la  sua  mediatione 
con  Suetia^  e  pure  si  sk;  che  gl'  hk  dati  ainti^  e  se  bene  S.  M^ 
gl'hk  detto,  che  quanto  alla  mediatione^  dirk  di  riportarsene  k 
suoi  collegati;  tuttavia  temo^  che  per  opera  dalla  regina^  non 
segua,  come  fe  seguita  quella  di  Francia  et  io  dubito,  che 
mandi  Y  ambasciatore  con  intelligenza  di  questi  heretici,  nelche 
haverei  caro  di  ingannarmi. 


208.  Warschau,  1658  August  13. 

Mißstimmung  der  Polen  gegen  die  kaiserlichen  IVuppen, 
besonders  in  Großpolen.  Folgen^  welche  aus  einem  Bruche  mit 
Österreich  entstehen  könnten. 

Klagen  der  polnischen  Deputierten  in  der  Kammer  über 
die  deutschen  Truppen^  die  nichts  tun  und  das  Land  aussaugen. 
Besonders  die  von  Großpolen  haben  dies  dargestellt  und  es  wächst 
die  Unzufriedenheit  mehr  und  mehr^  che  introdacono  del  con- 
tinuo  nuova  gente  sotto  pretesto  di  recluse,  e  si  fk  conto^  che 
dove,  conformo  k  patti  devono  essere  12.000,  che  sono  passa 
venti.'  Der  Marschall  und  andere  haben  ihm  dargestellt^  wie 
es  unmöglich  seiy  sie  länger  zu  ei*nähren;  das  Reich  und  das 
Gran  Dncato  seien  vo7i  100.000  Soldaten  verheert,  die  nichts 
tun,  und  die  Folgen,  die  daraus  entstehen  könnten  seien  un- 
absehbar: dabito  di  stravaganze,  come  pure  mi  hk  discorso  la 
regina,  e  rompendosi  noi  con  S.  M**  Cesarea,  V  elettore  si  se- 
parark  da  noi,  e  tornaramo  da  capo,  se  pure  non  ci  sostenesse 
li  Moscoviti,*  quando  perö  si  faccia  la  pace  con  loro. 


'  Vgl.  Pribram,  JjisolaS  S.  440,  die  Entschuldigung  des  polnischen  Königs, 
er  lasse  Bey  in  Frankfurt  nur,  da  es  ihm  an  Geld  fehle,  jemand  eigens 
dorthin  zu  schicken. 

*  Erwähnung  dieser  von  Oromwell  beabsichtigften  Vermittlung  bei  Pri- 
bram,  ,Li8olaS  8.  439. 

'  Vgl.  über  diese  Mißstimmung  der  Polen,  besonders  in  Qroßpolen,  gegen 
die  Österreicher  Pribram,  ,LisolaS  S.  440  ff. 

*  Über  die  damaligen  gespannten  Beziehungen  zwischen  Rußland  und 
Polen  Tgl.  Urkunden  und  Akten  8,  S.  288  ff.,  und  des  Noyers,  S.  434. 

9* 


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132 

209.  Warschau,  1658  August  20, 

Gespräch  mit  dem  zum  Erzbischof  von  Chieseii  ernannten 
Bischof  von  Ermland  ^  über  den  Kurfürsten  und  die  Besatzungs- 
frage in  Braunsberg. 

Der  Bischof  liegt  krank  im  Bette.  Passö  poi  k  raccon- 
tarmi  le  angastie  nelle  quali  si  h  molte  volte  ritrovato  per  le 
molestie  dell'  elettore,  e  ch'  alla  dimanda  che  gli  fece  fare  di 
riconoscerlo  per  suo  diretto  padrone,  rispondesse  francamente, 
che  piütosto  si  saria  esposto  alla  morte,  onde  chi  gli  fece 
r  ambasciata,  se  ne  parti  lagrimando.  Was  die  Änderung  der 
Besatzung  in  Braunsberg  anlangt,  so  hält  er  sie  für  nötig.  Jedoch 
müsse  man  mit  den  Bedenken  des  Kurfürsten  wegen  der  Wich- 
tigkeit des  Platzes  und  cW  i  Polacchi  non  siano  bnoni  k  difen- 
derle  rechnen  und  schließlich  muß  man  die  Ereignisse  bei  Thom 
abwarten,  *  bevor  die  Braunsberger  Frage  erledigt  werden  könne. 

210.  Warschau,  1658  September  10. 

Anfrage  des  Nuntius,  ob  er  einer  eventuellen  Einladung 
der  Danziger  folgen  dürftet 

Es  könnte  sein,  daß  nach  der  Erob&rung  Thoms  der  König 
sich  zur  Belagerung  von  Marienburg  oder  von  einem  anderen 
Orte  aus  nach  Danzig  begibt,  wohin  er  ihm  zu  folgen  hätte. 
Et  essendo  solito  quel  magistrato  di  pasteggiar,  come  si  dice 
nna  volta  il  niintio;  supplico  V.  C.  farmi  sapere  se  in  questo 
caso  dovessi  accettare,  se  bene  se  andassi  con  le  M**  loro,  forsi 
m'  iDviteriano  al  convitto,  che  gli  facessero^  al  quäle  non  farei 
difficoltk  come  che  sarei  k  servire  le  M*^  etc. 


211.  Warschau,  1658  September  10. 

Schwierigkeiten  im  Hinblicke  auf  die  Friedensverhand- 
lungen mit  Schweden,  besonders  die  Besatzungsfrage  Brauns- 
bergs durch  Brandenburg  anlangend. 


^  Wenzel  Lesczynski  wurde  nach  dem  Tode  Andreas  Lesczynskis  ernannt. 
Vgl.  Lengnich,  1.  c,  S.  192,  und  Rudawski,  1.  c,  S.  416  flf. 

"  Nämlich  die  Belagerung  dieser  Stadt,  welche  bereits  im  Juli  1668  be- 
gonnen hatte.  Der  GroÖmarschall  Lubomirski  rückte  im  September 
mit  seiner  Heeresabteil nng  vor  die  Stadt    Vgl.  Lengnich,  1.  c,  S.  213. 


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133 

Fra  le  difficoltk,  che  si  frapongono  al  congresso  per  la 
pace  con  Suetia,  una  fe  che  quel  rfe  vuole,  che  i  luoghi  depu- 
tati  siano  liberi  dal  presidio;  onde  dovrk  uscire  da  Brunsberga 
quelle  dell' elettore;  il  che  sente  male  TOverbec,  come  mi  hk 
detto  il  Sig'^  conte  di  Kolovrat  con  il  quäle  se  v'  h  dichiarato, 
dicendo;  che  mentre  non  vi  hanno  da  essere  i  plenipotentiarii 
Suetesi,  che  non  gli  deve  importare^  che  speri  in  qualche 
modo  gli  debba  restare  quella  piazza^  6  almeno  con  dar  cam- 
biOy  e  che  sin  da  quando  si  fece  il  trattato  dell'accordo  con 
r  elettore^  *  che  disse  al  Sig'  dell'  Isola,  che  se  il  rh  di  Ungheria 
air  hora  non  gli  faceva  dare  detta  piazza^  che  non  gli  dai*ia  il 
8U0  voto  per  Telettione,  mk  che  gli  rispondesse  che  S.  Altezza 
era  ben  padrone  del  suo  voto,  mk  S.  M**  non  gik  della  volontk 
del  ri  di  Polonia,  k  cui  spettava. 


212.  Warschau,  1658  September  14. 

Reise  in  das  Lager  vor  Thorn,  Rückblick  auf  seine  ver- 
ßossene  Amtstätigkeit, 

Fuggo  dalla  peste  scopertasi  affatto  et  avvanzatasi  nel 
plenilunio  passato,  e  vado  incontro  alla  guerra  et  alla  fame; 
mute  continuamente  stanza,  e  non  miglioro  la  sortc.  Passano 
gr  anni,  mk  non  variano  gl'  accidenti.  Incomincio  ii  settimo  di 
quest'  impiego,*  e  non  h  diverse  dal  principio  del  primo,  ch'ap- 
punto  neir  ingresso  vi  ritrovai  la  peste  etc. 


213.  Lager  bei  Thorn,  1668  September  28, 

Schreiben  des  Masini  an  den  Nuntius  im  Auftrage  des 
Königs,  um  die  vorzeitige  Abreise  des  Grafen  Kolowrat  zu  hinter- 
treiben. 


^  über  die  Verhandlaugen  der  kaiserlichen  Gesandten,  Hoverbecks  and 
der  Polen  zum  Friedens  werke  vgl.  Pribram,  ,Liflola*,  S.  449  flf.  Lisola 
betont  da  die  Notwendigkeit  des  guten  Einvernehmens  mit  den  Branden- 
burgern. Eine  Erwähnung  der  Braunsberger  Frage  zwischen  diesen 
Diplomaten,  wie  oben,  findet  sich  jedoch  nirgends. 

'  Vidoni  wurde  im  Jahre  1 652  vom  Papste  Innozenz  X.  als  Nuntius  nach 
Polen  geschickt.  Vgl.  die  Angaben  Über  Vidonis  Leben  in  Moronis  ,Di- 
zionario  storico  ecclesiastico*. 


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Vorgestern  eröffnete  Kolowrat^  ganz  unerwartet  dem  Könige, 
daß  er  nach  Posen  gehen  solle,  bis  der  Kongreß  beginne.  Der 
König,  in  der  Voraussicht,  daß  die  Abreise  des  ersten  Ministers 
auf  die  Polen  Eindruck  machen  werde,  bittet  ihn,  zu  bleiben. 
Da  er  sich  nicht  überreden  läßt,  soll  nun  der  Nuntius  zu  ihm 
gehen  und  ihm  vorstellen,  che  questa  sna  partenza  fark  dire^ 
che  per  la  parte  delli  Austriaci  altro  non  si  studia^  che  di  al- 
longare  ogni  strada  di  entrare  nei  trattati  k  fine;  che  la  Po- 
lonia  sia  sempre  il  teatro  della  guerra.  La  M*^  S.  mi  disse, 
che  k  V.  S.  Ill"*  non  bisognava  lungo  discorso  sopra  di  questo, 
essende  Ella  informatissima  quante  attioni  di  minor  rilievo  di 
questa  habbino  indotti  li  S.  Sig'  Polacchi  alla  medesima  sospit- 
tione.  Wenn  er  wenigstens  den  Grafen  bis  zur  Einnahme  Thoms 
halten  könnte,  hätte  er  schon  die  Hälftre  des  Begehrten  erreicht.^ 

214.  Lager  bei  Thorn,  1658  Oktober  3. 

Unterredung  des  Nuntius  mit  Kolowrat,  Eifersucht  der 
Österreicher  auf  die  Bevorzugung  des  Kurfürsten  durch  Johann 
Kasimir,     Zwist  zwischen  de  Souches  und  dem  Könige. 

In  der  Unterredung  mit  Colovratt  (sie!)  hat  er  gemerkt, 
daß  zu  den  Befürchtungen  des  Königs  kein  Grund  vorliegt, 
wohl  aber  hat  sich  Kolowrat  bei  ihm  über  die  Königin  beklagt, 
ueil  sie  dem  Palatin  von  Prussia'  geheim  befohlen,  kein  Ein- 
verständnis mit  Montecuccoli,  sondern  nur  mit  dem  Kurfürsten 
zu  halten,^  Er  beklagt  sich,  daß  man  größeres  Vertrauen  haben 
will,  con  un'  heretico  amico  reconcigliato  e  che  hk  voluto  tante 
sodisfattioni,  piü  che  con  S.  M*^  Ces%  che  gl'  hk  aiutati  senza 
interesse,  e  che  gl'  fe  parente.   Auch  ist  neuer  Verdruß  zwischen 


^  Vgl.  Pribram,  ^Lisola*,  S.  452/54,  ttber  diese  Angelegenheit  ,Kolowrat 
and  das  Mißtrauen  der  Polen  in  die  Absichten  der  Österreicher*. 

'  Die  Bemühungen  Masinis  und  des  Nuntius  waren  vergeblich;  Kolowrat 
reiste  am  5.  Oktober  nach  Posen  ab ;  siehe  Pribram,  ^Lisola*,  S.  454. 

'  Czamecky,  der  1657  zum  Palatin  von  Russia  ernannt  worden  war. 
Vgl.  Rudawskii  1.  c,  S.  829.  Dieser  geheime  Auftrag  der  Königin  an 
ihn  findet  sich  bei  Pribram,  ,Lisola*,  S.  453. 

^  Die  tiefe  Abneigung  der  Königin  gegen  die  Österreicher  um  diese  Zeit 
wird  am  besten  ersichtlich  aus  dem  Schreiben  ihres  Sekretärs  des  Noyers, 
1.  c,  S.  441 ;  andererseits  die  Begünstigung  und  das  Vertrauen,  welches 
sie  der  brandenburgischen  Politik  entgegenbrachte,  aus  Urkunden  und 
Akten  8,  S.  292  ff. 


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135 

dem  Könige  und  General  Szusa  ^  ausgebrochen,  der  neue  Kaval- 
l&i'ie  ins  Reich  bringen  wollte.  Vielleicht  hat  er  der  Botschaft 
des  Königs  zu  übermütig  geantwortet  oder  man  hat  nicht  der 
Wahrheit  gemäß  berichtet,  genug,  der  König  proruppe  in  grande 
escandescenza.  Der  Nuntius  hat  den  Grafen  gebeten,  er  solle 
dem  General  raten,  mehr  an  sich  zu  halten,  besonders  da  er 
auch  mit  dem  Marschall  schlecht  steht. 

215.  Niessova,  1658  November  29. 

Klagen  des  Nuntius  über  den  Sekretär  der  Königin  des 
Noyers. 

Oft  schon  hat  der  Nuntius  über  die  falschen  Nachrichten 
geschrieben,  die  von  Frankreich  aus  über  die  hiesigen  Verhält- 
nisse und  den  Papst  verbreitet  werden.  Besonders  geht  dies  von 
dem  Sekretär  der  Königin  Noiers*  av^.  Solange  der  Beicht- 
vater  der  Königin  *  lebte,  hatte  er  an  ihm  eine  Stütze,  jetzt  aber 
weiß  er  nicht,  wie  er  die  Königin  über  diese  Gerüchte,  welche 
ungeheuer  viel  Schaden  bei  Ketzern  und  Katholiken  anrichten, 
aufklären  kann. 

216.  Lager  bei  Thom,  1668  Dezember  7. 

Schreiben  des  Kurfürsten  an  die  Königin  und  ihre  Ant- 
wort darauf. 

Die  Königin  teilt  dem  Nuntius  mit,  daß  der  Kurfürst  an 
sie  geschrieben:^  man  erzähle,  daß  sie  geheim  mit  den  Fran- 
zosen Frieden  mit  Schweden  erstrebe,  che  ben  sapeva,  che  i 
coUegati  non   si  erano   mossi,  che  per  beneficio  della  Polonia^ 


Der  mehrfach  erwähnte  österreichische  General  de  Souches. 
'  Der  oft  als  Autor  zitierte  Pierre  des  Noyers  erhielt  nach  seinem  eigenen 
Berichte,  1.  c,  2,  S.  392,  Nachrichten  aus  Rom  über  die  Unbeliebtheit 
der  Nepoten  des  Papstes  beim  Volke,  die  Geschenke  empfangen,  so  vom 
Kardinal  Antonio.  In  Rom  war  deshalb  eine  Untersuchung,  wer  die 
Nachrichten  nach  Polen  gesendet  hat?  Auch  der  Nuntius  wollte  es 
gern  wissen,  jedoch  des  Noyers  meint:  ,mais  je  ne  la  lui  ai  pas  voulu 
laisser  yoir'. 

Der  Jesuitenpater  Rosa  nach  Dittrich,  ,Geschichte  des  Katholizismus  in 
Altpreuden',  in  Zeitschrift  für  die  Geschichte  und  Altertumskunde  des 
Ermlandes,  Bd.  13,  1900/01. 
Abgedruckt  in  Urkunden  und  Akten  8,  S.  293. 


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136 

che  egli  nondimeno  non  lö  credeva;  S.  M^^gUhk  risposto,^  che 
i  collegati  hanno  havuto  riguardo  ai  propra  interessi^  dicen- 
domi;  che  gli  sia  costata  molto  cara  Tamicitia  dell' elettore^  e 
questo  vorria  ancora,  che  si  richiamasse  il  palatino  di  Russia,* 
nelche  dissi;  che  conveniva  stare  molto  avertito. 

217.  Niessova,  1658  Dezember  14, 

Schreiben  des  Kurfürsten  anläßlich  der  Nachricht,  d(iß 
Polen  ohne  die  Verbündeten  Frieden  mit  Schweden  machen  wolle. ' 
Warnung  vor  Schweden,   Bitte,  auf  ihn  zu  vertrauen. 

Der  Großkanzler  hat  ihm  ein  Schreiben  des  Kurfürsten 
vom  5.  mitgeteilt,  in  dem  der  Kurfürst  gehört  zu  haben  vorgibt  : 
come  si  vogh'a  trattar  dalla  Polonia  la  pace  con  Suedesi  senza 
participacione  de  collegati,  mostrandone  molto  sentimento  e  met- 
tendole  in  consideracione  i  gravissimi  danni,  che  ne  ponno  se- 
guire,  maravigliandosi,  che  questo  si  pensi  di  fare,  quando  si 
pu5  sperare  la  loro  depressione,  aggiunge  e  detesta  le  frodi  et 
inganni  loro,  de  quali  alP  hora  dice  che  piü  e  da  temere,  quando 
ofFeriscono  migliori  partiti,  et  esser  unico  ogetto  loro  divider  i 
collegati,  in  fine  dice  di  confidar  in  lui,  come  d'un  ministro  k 
cui  deve  esser  k  cuore  non  meno  il  proprio  bene,  che  quelle 
de  tutti  gr  interessati,  c'han  postposti  i  propra  vantagii  per 
difFesa  della  Polonia  etc. 

218.  Lager  bei  Thom,  1658  Dezember  21, 

Befürchtung  des  Nuntius  wegen  der  Besatzungsfrage  in 
Braunsberg.  Annahme,  daß  ein  geheimes  Einverständnis  zwischen 
dem  Kaiser  und  dem  Kurfürsten  bestehen  könnte, 

Nei  disgusti,  che  prevedo  potersi  accrescere  frk  la  Polonia 
e  S.  M**  Cesarea,   e  nascere  con  Y  elettore  per  Y  operarsi  senza 


*  Dieses  Antwortschreiben  der  Königrin  in  Urkunden  und  Akten  8,  S.  296. 
'Über  die  Forderung   des  Kurfürsten,    den    Czarnecky   vom    dänischen 

Kriegsschauplätze   abzuberufen,    seine    Gründe    hierfür    und    die    Ent- 
gegnung der  Königin  vgl.  Urkunden  und  Akten  8,  S.  293  ff. 

•  Vgl.  Urkunden  und  Akten  8,  S.  293  ff.  Die  Korrespondenz  des  Kur- 
fürsten mit  der  polnischen  Königin  über  dieses  Gerücht  eines  Separat- 
friedens zwischen  Polen  und  Schweden  und  die  beruhigenden  Er- 
klärungen der  Königin. 


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137 

loro  consenso,  fe  da  temere,  che  la  piazza  di  Brunsberga  peri- 
coli^  perche  non  gli  mancheranno  prima  le  scuse  e  pretesti  di 
non  fare  uscire  il  presidio/  e  poi  di  pretendere  somme  di  de- 
nari  per  le  spese,  e  qui  non  si  riflette,  perche  non  si  pensa  ad 
altro,  che  alla  pace.  lo  lo  suggerirö  k  S.  M**  et  altrove,  mk 
vogHa  Dio,  che  giovi,  e  sento  da  qualche  parte^  che  gik  frk 
S.  M**  Cesarea  e  Y  elettore  *  sia  qualche  trattato  segreto,  e  re- 
stando  uniti^  facilmente  conseguirk  questo  il  suo  intento. 

219.  Posen,  1658  Dezember  22. 

Schwedische  Vorschläge^  betreffend  die  Rückgabe  Preußens, 
und  die  Ansicht  des  Nuntius,  Die  Vermittlungsfrage  im  Urteile 
der  Polen  und  des  Nuntius, 

Si  riduce  la  proposta  deU'Akakia,*  che  trattark  il  vh  di 
Saetia  con  tatti  i  collegati  e  che  restituirk  tntta  la  Prnssia  con 
qualche  ricompensa,  *  spingendosi  di  denari.  lo  hö  detto,  che 
questa  promessa  non  serve  k  niente^  mentre  non  h  libera^  per- 
che pretendere  cosa  impossibile  h  il  medesimo^  che  non  pro- 
mettere.  Die  Königin  sagt,  im  Rate  habe  jemand  nicht  die 
Vermittlung  Frankreichs  gewollt,  aber  der  König  wünsche  es,  da 
Frankreich  schon  in  den  anderen  Verhandlungen  mit  Schweden 
begriffen  war.  Andere  Senatoren  wollen  den  Papst  zum  Ver- 
mittler, was  wohl  der  Ketzer  wegen  nicht  möglich  ist;  so  solle 
er  nur  mit  den  Katholiken  verhandeln.  Prevego  una  difficoltk^ 
e  Taccenno  k  Monsig'  nuntio  k  Praga,  che  non  so,  se  il  rh 
d'Ungheria  vorrk  la  Francia  per  mediatrice  con  pericolo  di 
dividerci,  che  h  il  copo  del  rh  di  Snetia  e  forsi  di  altri,  perche 


^  Vgl.  die  Einzelheiten  über  die  oft  erwähnte  Frage  der  brandenburgi- 
sehen  Beaatznng  in  Braunsberg  bei  Kolberg,  1.  c,  S.  549  ff. 

'  Das  Mißtrauen  der  Polen,  betreffend  geheime  Abmachungen  zwischen 
Osterreich  und  Brandenburg  in  dieser  Zeit,  wird  am  besten  ersichtlich 
aus  dem  Schreiben  der  Königin  an  den  Kurfürsten  in  Urkunden  und 
Akten  8,  S.  295. 

'  Akakia  weilte  damals  in  den  Niederlanden.  Ober  seine  Verhandlungen 
daselbst  siehe  Urkunden  und  Akten  7,  S.  166  ff. 

^  Mit  welchem  berechtigen  Mißtrauen  diese  Anträge  Karl  GustaTs,  mit 
allen  Verbündeten  verhandeln  und  Preußen  zurückgeben  zu  wollen, 
auf  polnischer  und  brandenburgischer  Seite  aufgefaßt  wurden,  geht  aus 
der  Korrespondenz  des  Kurfürsten  mit  der  Königin  hervor,  in  Urkunden 
und  Akten  8,  S.  298  ff. 


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138 

86  noi  trattaremo  senza  lui,  i  Suetesi  alzaranno  le  pretensioni 
e  si  difficultark  la  pace^  e  6  si  concluderk  con  disavantaggio, 
h  non  concludendosi,  haveremo  perso  il  tempo  e  gl'  aiuti  del  rfe 
di  Uogheria,  che  sono  i  piü  fondamentati. 


220.  Niessova^  1658  Dezember  29. 

Hochverräterische  Bestrebungen  in  Königsberg,^  die  Stadt 
den  Schweden  zu  überliefern.  Vorausgegangen  ist  der  Bericht 
über  die  Übergahe  Thoms  und  die  Bedingungen  vom  23.  Dezember. 

Le  lettere  di  Danzica  di  21.  riferiscono  tener  di  Regio- 
monte  essersi  scoperto  tradimento^  come  aicuni  di  quei  cittadini 
volessero  dar  in  mano  de  Suedesi  quella  cittk,  perche  doven- 
dosi  approssimare  3000  cavalli  raccolti  da  varie  piazze  della 
Prussia,  aicuni  d'  essi  cittadini  dovevano  accender  il  fuoco  in 
piü  luoghi;  e  mentre  le  genti  erano  intente  ad  estinguirlO;  quelli 
dovevano  occupare  la  cittk^  et  il  tutto  si  h  chiarito  da  lettere 
intercette,  e  se  ne  faceva  rigorosa  inquisitione. 

221.  Niessova,  1658  Dezember  29. 

Klagen  des  Generals  de  Souches  über  Intrigen  des  Mar- 
schalls und  der  Königin  mit  den  Franzosen  gegen  die  Öster- 
reicher. Mitteilungen  Masinis  über  de  Souches  und  Gefährdung 
Polens  durch  die  Franzosen, 

General  Sczusa  beklagt  sich  bei  dem  Nuntius  über  den 
Marschall j*  der  die  Deutschen  aus  dem  Reiche  heraus  haben 
möchte^  unter  dem  Vortcande,  sie  strebten  nach  der  Krone,  in 
Wahrheit  aber,  um  den  König  in  seiner  Gewalt  zu  haben,  e  che 
i  Francesi  col  mezo  della  regina  spuntavano  tutto,  e  che  tuttavia 
le  cose  non  erano  in  stato,  che  non  si  havesse  ancora  di  ha- 
vere  bisogno  di  S.  M**  Cesarea,  che  sapeva,  che  volevano  i  Po- 
lacchi  far  la  pace  con  Suetesi  senza  loro  e  che  k  quest'  eflfetto, 


'  Allgemeine  Angaben  über  die  Mißstimmnng  gegen  die  Hemehaft  des 
Korflirsten  im  Heraogtume  und  auch  Anseichen  eines  Einrentänd- 
nisses  mit  den  Schweden  in  Königsberg  finden  sicli  bei  Droysen,  1.  c, 
S.  426. 

'  Zwistigkeiten  zwischen  dem  Marschall  Lubomirski  und  dem  Gsterreichi- 
Bchen  General  de  Souches,  erwähnt  bei  Pribram,  ^Lisola*,  8.  459  ff. 


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139 

si  voleva  fare  la  tregua  accenata  ultimamente.  *  Der  Sekretär 
Masini  teilt  ihm  mit,  die  Härte  des  Generals  Szusa  erbittere 
ungemein  und  es  entstünden  unvermeidliche  Konflikte  mit  den 
Deutschen,  e  che  da  Francesi  siamo  precipitati  aflfatto,  se  i 
vero  quello,  che  si  scrive  d'Olanda.* 


222.  Thorn,  1659  Januar  8, 

Brief  des  Beichtvaters  des  Königs,  Carlo  Soll,  an  den 
Nuntius  unter  anderem  über  die  Braunsberger  Besatzungsfrage. 

Del  presidio  di  Brunsberga  non  si  puole  per  adesso  dis- 
porre,  ne  innovare  cosa  alcuna,  essendoni  pure  necessario  e 
non  puotendo  essere  snpplito  della  nostra  gente.  Non  si  manca 
perö  di  prevenire  ogni  disegno  che  vi  puotrebbe  havere  Y  elettore 
oltre  i  termini  gik  accordati  e  si  procurerk  in  ogni  nianiera  di 
evitare  ogni  pregiudicio  della  Corona  e  della  chiesa. 


223.  Warschau,  1659  Februar  1. 

Schreiben  des  Königs  an  Lisola  über  den  Termin  für  den 
Abzug  der  Österreicher  aus  Polen  und  Abhaltung  des  Friedens- 
kongresses in  Thorn, 

Lisola,  der  in  den  Salinen  bei  Krakau  weilt,  hat  ein 
Schreiben  vom  Könige  erhalten,  nel  quäle  se  le  notifica  come 
astretta  S.  M^  dalF  istanze  della  nobiltk  con  dubio  di  solleva- 
tione,  deliberava,  che  le  soldatesche  di  S.  M.  Ces*  debban  esser 
uscite  dal  regno  per  tutto  marzo  prossimo^  che  altrove  si  potran 
adoprar  piü  utilmente  e  che  non  per  questo  lasciasse  di  tro- 
varsi   al   congresso   (diese  Stelle  ist  am  Rande,   wie  es  scheint, 


*  Der  Vertrag,  welcher  bei  der  Übergabe  Thorns,  am  33.  Dezember  1658, 
zwischen  Polen  und  Schweden  ohne  eine  Verständigung  Österreichs  er- 
folgte. Abgedruckt  bei  Rudawski,  1.  c,  S.  420  ff.  Diesem  Vertrage  schloß 
sich  noch  ein  Waffenstillstand,  geltend  für  Preußen  bis  zum  15.  Februar, 
an.    Vgl.  des  Noyers,  S.  479. 

'  Wahrscheinlich  ist  die  Nachricht  ans  Holland  gemeint,  welche  sich  bei 
des  Nojers,  S.  479,  findet  und  ib.,  S.  483,  eine  weitere  Erklärung  dafür. 
Danach  arbeiteten  Frankreich  und  England  im  Interesse  Schwedens 
darauf  hin,  einen  Separatfrieden  für  Dänemark  und  Polen  zu  erlangen, 
während  die  Polen  wünschten,  beide  Kriege,  den  dänischen  und  den 
schwedischen,   durch  einen   einzigen  Friedensschluß  beendet  zu  sehen. 


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140 

mit  gleicher  Tinte  unterstrichen),  gik  da  me  accennato  da  tenersi 
in  Turonia  per  il  primo  detto  con  avvisarne  ils^  conte  de  Col- 
lowratt. 

224.  Heilsberg,  1659  Februar  8. 

Schreiben  des  Bischofs  von  Ermland,  woi^in  die  elende 
Lage  des  Bistums  geschildert  wird, 

225.  Warschau,  1659  Februar  22. 

Nochmals  dieses  Schreiben  des  Bischofs  und  dessen  Erfolg 
beim  Könige, 

Die  Bitten  des  Bischofs  von  Ermland  für  seine  Untertanen 
haben  beim  Könige  den  Erfolg  gehabt,  daß  sie  für  die  nächste 
Zeit  von  allen  Abgaben  befreit  wurden. 

226.  Warschau,  1659  März  1. 

Gespräch  des  Nuntius  mit  dem  Könige  über  das  Ermland 
und  die  Besatzung  in  Braunsberg. 

Der  Nuntius  hat  dem  Könige  für  die  Hilfe  im  Ermlande 
gedankt  und  zugleich  über  die  Besatzung  in  Braunsberg  ge- 
sprochen, die  ganz  ketzerisch  sei  und  deren  Erhaltung  per  Monat 
15.000  fiorini  koste.  Es  sei  doch  besser,  wenn  dieses  Geld  die 
Soldaten  des  Königs  erhielten  und  außerdem  hat  er  ihn  auf 
die  Gefahr  aufmerksam  gemacht,  welche  darin  liege.  Der  König 
erwidert,   man   könne  jetzt   nichts  an  diesem  Zustande  ändern. 

227.  Warschau,  1659  Mai  8. 
Rede  Lisolas  im  Reichstage  zu  Warschau. 

228.  Warschau,  1659  Mai  10. 

Unterredung  des  Nuntius  mit  Overbeck  und  Lisola  über 
den  kommenden  Friedenskongreß  in  Thom.^ 

Overbeck  meint,  die  kaiserlichen  Minister  würden  den 
Schweden  Schwierigkeiten  hinsichtlich  der  Pässe  zum  Friedens- 


'  Vgl.  Pribram,  ,LiflolaS  S.  604,  Nr.  130. 


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141 

kongresse  machen.  Der  Nuntius  hofft,  daß  man  darüber  hin- 
wegkommen werde,  befürchtet  aber  zwei  andere  Hindernisse: 
YvLJio,  che  le  plenipotenze  de  Suetesi  si  supponevano  vitiose^ 
Taltro,  ch'egli  volesse^  non  si  trattasse  e  concludesse  senza 
di  loro,  il  che  hebbe  per  molto  ragionevole,  e  in  conformitk 
m'attestö.  Bei  Lisola  incontrai  andere  Schwierigkeiten^  e  le 
attestai^  ch'  i  suoi  desiderii  sariano  stati  spalleggiati  da  pleni- 
potentiarii  di  S.  A.,  mk  non  havrei  voluto,  che  nella  dilatione 
de  suoi  passaporti  s'  apprendesse  da  collegati;  che  non  cammino 
di  buon  piede  alla  pace  e  fussero  necessitati  di  trattar  soli. 
Che  si  ricordasse^  che  gik  da  S.  S"  Polacchi  fü  mottivato  non 
esser  necessarii  i  loro  passaporti  k  Suedesi,  come  che  non  pas- 
sarono  per  i  stati  di  8.  M.  Ces%  e  che  se  gli  fusse  convenuto 
farlo  frk  Y  armate  Alemane^  che  come  subordinate  al  comando 
di  questa  M*^,  non  potevano  nocergli,  in  modo  che  col  darli 
venivano  k  guadagnarC;  e  conobbe,  ch'  il  riflesso  fusse  loro 
favorevole. 

229.  Warschau,  1659  Juni  7. 

Intervention  des  Nuntius  für  die  katholischen  Geistlichen 
in  Bütow  und  Lauenburg.    Die  Braunsberger  Angelegenheit. 

Vidoni  bittet  den  König  um  Schutz  für  die  Priester  de 
Capitanati  di  Bitow  e  Lemberg,*  welche  wegen  schlechter  Be- 
handlung alle  geflüchtet  seien.  Der  Kurfürst  sei  nach  des 
Königs  Meinung  verpflichtet,  Braunsberg  zurückzugeben,  und  es 
wird  auch  geschehen.* 

230.  Warschau,  1659  Juli  12. 

Gespräch  mit  dem  Könige  über  Braunsberg  und  die  Amter 
Bütow  und  Lauenburg. 

Der  König  meint,  es  sei  sehr  schwer,  die  Abtretung  Brauns- 
bergs anlangend,  bevor  nicht  Frieden  mit  Schweden  sei,  da  diese 


*  Die  Ämter  Bütow  und  Lauenburg,  welche  nach  dem  Wehlauer  Vertrage 
an  den  Kurfürsten  gefallen  waren.  Eine  Klage  wider  den  Kurfürsten, 
da6  er  ,die  ihm  abgetretenen  Lande  Lauenburg  und  Bütow  in  ihren 
geistlichen  und  weltlichen  Rechtsamen  kränke*,  findet  sich  bei  Lengnich, 
1.  c,  S.  264,  in  der  Instruktion  für  den  polnischen  Reichstag  1661. 

•  Vgl.  die  Einzelheiten  bei  Kolberg,  1.  c,  S.  649  flF. 


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142 

Braunsberg  angreifen  würden,  sobald  sie  hörten,  daß  Polen 
darin  seien:  perche  Tesperienza  ci  fk  veder  ogni  giomo,  che 
b  sono  facilissimi  alla  resa,  ö  air  abbandono  della  difesa^  aber 
sehr  schwer  sei  es  zurückzuerobern.  Auf  die  Frage  des  Nun- 
tius, ob  es  nicht  dasselbe  mit  dem  Kurßlrsten  seif  antwortet 
der  König  ,nein',  ch'  i  patti  erano  chiari.  Über  die  Entschä- 
digung der  Priester  in  Bitom  und  Lemberg  habe  er  schon  mit 
den  Ministem  des  Kurfürsten  gesprochen. 

231.  Warschau,  1659  August  16. 

Schreiben  des  Bischofs  von  Kiovia^  über  die  Zustände 
im  Ermlande.  Antwort  des  Nuntius  und  Unterredung  mit  dem 
Könige  über  diese  und  die  Braunsberger  Frage, 

Der  Bischof  hatte  ihm  die  Brandschatzung  des  Ermlandes 
durch  brandenburgische  Truppen  geschildert.  Ghroßer  Schaden 
sei  auch  durch  die  Flucht  von  4000  Untertanen  in  das  Herzog- 
tum Preußen  entstanden,  abgesehen  von  der  Gefahr,  daß  die- 
selben Ketzer  würden.  Der  Nuntius  lobt  den  Bischof  wegen 
seiner  Fürsorge  für  diese  Kirche  und  fordert  ihn  auf  die 
Flüchtlinge  zurückzurufen.  Auch  hat  er  in  dieser  Sache  und 
wegen  Braunsberg  mit  dem  Könige  gesprochen  und  dieser  hat 
ihm  Hoffnung  gemacht,  sobald  der  Frieden  mit  Schweden  zu- 
stande komme. 

232.  Warschau,  1659  Oktober  11. 

Befürchtungen  und  Bemühungen  des  Nuntius,  betreffend 
Braunsberg  im  Falle  des  Friedens. 

Havendo  sempre  maggior  ragione  di  temere  della  resti- 
tutione  di  Brunsberga,  come  che  sia  nelle  mani  di  che  fk  ugual- 
mente  capitale  di  quel  d'  altri,  che  del  proprio^  bittet  deshalb 
den  König,  er  möge  beim  Abschlüsse  des  FHedens  seinem  Be- 
vollmächtigten einschärfen,  daß  Braunsberg  an  das  Ermland 
zurückkomme.  Der  König  sagt,  er  habe  es  schon  getan  und 
hofft  auf  Erfolg. 


^  Thomas  Ujejski,  Bischof  von  Kiovia,  Administrator  des  Ermlandes, 
hatte  an  den  Kurfürsten  ein  Klageschreiben  Über  Ausschreitungen  der 
brandenburgischen  Soldaten  im  Bistume  gerichtet,  datiert  Warschau, 
14.  Juni  1669;  siehe  Kolberg,  1.  c,  8.  651. 


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233.  Warschau,  1659  Oktober  17. 

Ungehörigkeiten  der  Danziger  gegen  die  katholische  Kirche,^ 
Schritte   des  Nuntius  infolgedessen  und  nochmals  Braunsberg, 

Oestei^n  hat  der  Nuntius  mit  dem  Könige  über  diese  Dan- 
ziger Sache  gesprochen  und  er  hat  ihm  versprochen,  sobald  er 
in  diese  Landesteile  komme,  würde  er  seine  Autorität  einsetzen. 
Braunsberg  anlangend,  wiederholte  der  König  ihm  seine  früher 
mitgeteilte  Meinung:  che  V  elettore  h  obligato  alla  restitutione 
ogni  volta  che  S.  M.  vi  vorrk  introdurre  il  suo  presidio.  * 

234.  Warschau,  1659  Dezember  8. 

Das  Elend  im  Bistume  Eiland,  Anfrage  des  dortigen 
Kapitels,  ob  mit  Genehmigung  des  Papstes  Abhilfe  geschaffen 
werden  dürftet 

Durch  die  Einquartierungen  und  Kontributionen  der  Sol- 
daten sind  sowohl  die  Bewohner  als  auch  das  Kapitel  des  Erm- 
landes  derartig  arm,  daß  das  Kapitel  daran  gedacht  hat,  ob 
man  nicht  mit  Genehmigung  des  Papstes  ,das  Kirchensilber  zu 
Geld  machen  könnest  Bericht  des  Fantoni ^  darüber.  Der 
Nuntius  wird  an  den  Papst  schreiben, 

235.  Warschau,  1659  Dezember  8. 

Berichte  über  Ermland  und  Braunsberg  durch  Fantoni, 
Bemühungen  des  Nuntius, 

Vidoni  kann  nicht  genügend  das  Elend  des  Ermlandes 
schildern,  wie  es  Fantoni  ihm  getan  hat.  Infolgedessen  fliehen 
die  Untertanen  in  die  Staaten  des  Kurfürsten,  was  für  ihre 
Seelen  und  die  Güter  der  Kirche  eine  Gefahr  ist.  Wenn  der 
König  nella  prossima  distributione  de  quartieri  Don  havrk  ri- 
guardo   alla   loro   desolatione;   verliert  man  die  Hoffnung,   daß 


^  Vgl.  über  diese  Angelegenheit  Lengnich,  1.  c,  S.  204,  224  u.  244. 

'  Vgl.  Kolberg,  S.  650.  Die  Auffaasnng  des  Königs  über  die  branden- 
burgische Besatzong  daselbst  ging  dahin,  daß  der  Abzug  dieser  Truppe 
aus  Braunsberg  von  seinem  Befehle  abhänge.  Vgl.  besonders  die  ib. 
mitgeteilten  Schreiben  des  Königs  darüber. 

'  Abt  vom  ermländischen  Kapitel. 


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jemals  wieder  gute  Zustände  eintreten  könnten.  Fantoni  hat 
auch  erzählt^  daß  die  Kurfürstlichen  Braunsberg  befestigen, 
also  nicht  an  die  ZuiHlckgabe  dieser  Stadt  denken.  Wegen 
dieser  beiden  Fragen  ist  Fantoni  vom  Kapitel  an  den  Hof 
gesendet.  Vidoni  wird  ihn  unterstützen,  er  hat  schon  an  den 
Beichtvater  des  Königs  geschrieben  und  wird  sich  später  an 
Masini,  den  Sekretär  des  Königs,  wenden. 


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BADETZKY 

IN  DEN  TAGEN 
SEINER  ÄRGSTEN  BEDRÄNGNIS. 

AMTLICHER  BERICHT  DES  FELDMARSCHALLS 
VOM  18.  BIS  ZUM  30.  MÄRZ  1848. 

VON 

FREIH.  V.  BELFERT, 

KORRISP.  MITGLIEOI  DER  EAIS.  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


▲r«biT.  IG?.  Bftnd.  I.  H&lfte.  10 


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fechönhals  in  seinen  klassischen  ,Erinnerungen'  macht  die 
Bemerkung,  Radetzky  sei  mehr  zu  bewundern  gewesen  in  der 
Zeit  der  ihm  aufgedrungenen  Ruhe,  wo  er  bei  seinem  Taten- 
drange mit  seiner  vergleichsweise  niederen  Truppenzahl  zu 
Verona  dem  ganzen  piemontesischen  Heere  gegenüber  zähne- 
knirschend an  sich  halten  mußte,  als  in  jener,  wo  er,  sich 
seinem  Gegner  gewachsen  fühlend,  zum  Angriflfe  hervorbrechend 
den  Stier  bei  den  Hörnern  packen  konnte.  Allein  wohl  in 
noch  höherem  Grade  zwingt  Radetzky  uns  Epigonen  staunende 
Bewunderung  ab,  als  er  einer  großen  volkreichen  insurgierten 
Stadt  gegenüber,  deren  meist  enge,  von  zahllosen  Barrikaden 
abgesperrte  Gassen  sie  wie  zu  einer  Festung  machten,  täglich 
von  Nachrichten  über  den  sich  mehr  und  mehr  über  das  ganze 
Land  verbreitenden  Aufstand,  über  den  Abfall  aller  großen 
Städte,  über  den  Verlust  der  meisten  landesangehörigen  Truppen- 
körper in  die  Enge  getrieben,  den  Einfall  des  jenseits  des 
Ticino  in  Bereitschaft  stehenden  äußern  Feindes  besorgend, 
dabei  von  der  der  Revolution  verfallenen  Reichshauptstadt 
im  Stiche  gelassen,  also  in  einer  Lage,  wo  andere  an  Jahren 
viel  jüngere  Führer  schier  der  Verzweiflung  erlegen  wären, 
den  moralischen  Mut  nicht  verlor  und  mitten  in  der  been- 
gendsten  Klemme  den  künftigen  rettenden  Ausgang  fest  im 
Auge  hielt. 

Radetzky  hat  Tag  für  Tag  den  Hauptinhalt  der  vorge- 
fallenen Ereignisse  und  seiner  eigenen  Lage  ftlr  dienstliche 
Zwecke  zu  Papier  gebracht  und  bis  hart  vor  seinem  Eintreffen 
in  Verona  fortgeführt.  Dieser  Bericht  befindet  sich  im  kaiser- 
lichen Kriegsarchiv  in  zwei  Exemplaren,  einmal  als  Original- 
konzept mit  dem  ,exp.'  Radetzky 's  auf  der  ersten  Spalte;  dann 
als  Mundum  mit  Radetzky 's  Unterschrift  für  den  amtlichen  Ge- 
brauch ,praes.  7./4.  1848^  Im  Konzepte  sind  zweifelsohne  auf 
Radetzky's  Befehl  manche  Stellen  teils  ganz  gestrichen,  teils 
gekürzt  oder  durch  eine  andere  Fassung  ersetzt.   Das  Mundum 

10* 


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148 

wurde  im  amtlichen  Teile  der  ,Wiener  Zeitung'  vom  8.  April. 
Nr.  99,  fUr  einen  ausnihrlichen  Auszug  stellenweise  mit  den 
eigenen  Worten  des  Berichtes  benützt.  Der  volle  Wortlaut 
des  interessanten  Schriftstückes  ist  bisher  nicht  veröffentlicht 
worden. 

Es  existiert  aber  noch  ein  drittes  Exemplar  dieses  Berichtes, 
richtiger  der  bis  zum  21.  März,  nachmittags  2  Uhr  reichenden 
ersten  Hälfte  desselben,  abgedruckt  in  italienischer  Übersetzung 
und  im  deutschen  Originale  im  ,Archivio  triennale  delle  cose 
d'  Italia'  (Capolago  tip.  elvetica  1851)  II  p.  472—486.  Daß  die 
italienische  Übertragung  von  zahlreichen  kritisierenden  und 
opponierenden  Anmerkungen  begleitet  ist,  braucht  wohl  eben- 
sowenig hervorgehoben  zu  werden,  als  daß  diese  Anmerkungen 
hier,  wo  es  sich  nicht  um  Sicherung  des  Tatbestandes,  sondern 
einzig  um  Feststellung  des  Textes  handelt,  von  keinem  weitern 
Belange  sind. 

Im  Archivio  findet  sich  die  Angabe:  ,11  documento  origi- 
nale tedesco  si  conserva  nel  deposito  Bellazzi,  pacco  1^,  filza  12*/ 
Da  kein  Grund  vorhanden  ist,  an  der  Richtigkeit  dieser  An- 
gabe zu  zweifeln,  so  ist  nur  anzunehmen: 

erstens  daß  Radetzky  nach  dem  Besuche  der  aus- 
wärtigen Konsuln  am  21.  und  bei  dem  zu  erwartenden 
Erfolge  der  vorgeschlagenen  Waffenruhe  seinen  bis  dahin 
zu  Papier  gebrachten  Text  hat  abschreiben  und  mit 
seiner  Unterschrift  versehen  lassen,  um  ihn  nach  Wien 
an  Ficquelmont  einzuschicken,  und  daß 

zweitens  bei  dem  Aufbruche  in  der  Nacht  des  22. 
dieses  Mundum,  das  sich  behufs  Absendung  an  seinen 
Bestimmungsort  nicht  bei  den  anderen  Papieren,  vielleicht 
schon  in  postalischer  Verwahrung  befand,  aus  Versehen 
im  Kastell  zurückgeblieben  und  dort  von  der  siegenden 
Partei  in  Empfang  genommen  wurde. 

Diese  Mailänder  Kopie,  wie  wir  sie  nennen  wollen,  ist  in 
doppelter  Richtung  von  Wert.  Sie  gibt,  soweit  sie  eben  reicht, 
den  vollen  Wortlaut  des  ursprünglichen  Konzeptes  ohne  die 
Auslassungen  oder  Änderungen,  die  später  daran  vorgenommen 
wurden,  und  sie  enthält  überdies  an  einer  Stelle  einen  Beisatz, 
der  von  großer  Bedeutung  ist.  Es  •  heißt  nämlich  vor  der 
Wiederaufnahme  des  Berichtes  am  21.  morgens  10  Uhr: 


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,Der   Feldmarschall    ruht   einen  Augenblick.     Wall- 
moden' — 

was  ein  sprechender  Beweis  ist,  daß  der  Text  des  Konzeptes 
von  Radetzky  selbst  dem  Schreiber,  als  den  wir  uns  einen 
Jüngern  Herrn  seiner  Suite,  einen  Ordonnanzoffizier  oder 
,Kibitz*  zu  denken  haben,  in  die  Feder  diktiert  worden  ist. 
Auf  welche  Art  übrigens  jener  Zusatz  von  Wallmoden's  Hand 
in  die  Mailänder  Reinschrift  hineingeraten  ist,  bleibt  unaufge- 
klärt, im  Konzepte  findet  sich  keine  Spur  davon,  in  der  Wiener 
Reinschrift  selbstverständlich  noch  weniger. 

Das  Originalkonzept  setzt,  wie  gesagt,  ohne  wahrnehm- 
bare Unterbrechung  unter  dem  Datum  des  21.  fort,  bis  es 
Bogen  3  S.  4  mit  einer  durchstrichenen  Stelle  mitten  im  Satze 
abbricht.  Es  folgt  sodann  Bogen  4,  auf  welchem  der  Kontext 
mit  einem  neuen  Satze  und  mit  den  Schriftzügen  einer  andern 
Hand  beginnt  und  auf  Bogen  7  S.  4  mit  einer  Stelle  schließt, 
die  wieder  die  Hand  des  ersten  Abschreibers  aufweist.  Die 
Weiterftihrung  des  Konzeptes  auf  Bogen  4  bis  8  enthält  Mar- 
ginaldatierungen:  ,am  22*',  ,Melignano  den  23**"',  ,24*  März', 
,25*';  diese  Tagesangaben  beziehen  sich  aber  nicht  auf  die 
Niederschreibung  des  Konzeptes,  die  vielmehr  im  Hauptquartier 
von  Orzinovi  am  27.,  wo  der  Feldmarschall  sich  und  seinen 
Truppen  einige  Ruhe  gönnte,  stattfand,  sondern  auf  die  Zeit- 
folge der  geschilderten  Ereignisse.  Der  Abschluß  des  Be- 
richtes erfolgte  im  Hauptquartier  von  Montechiaro  am  30.  März. 

In  dem  Gang  der  diese  Niederschreibungen  verfolgenden 
Anmerkungen  sollen  zitiert  werden:  a)  das  Originalkonzept; 
b)  die  in  das  Archivio  triennale  aufgenommene  Mailänder  teil- 
weise Abschrift:  c)  die  am  4.  April  in  die  Hände  des  Grafen 
Ficquelmont  gelangte  vollständige  Abschrift. 

Wien,  Mai  1905. 

Prh.  V.  Helfert. 


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An  Seine  Exzellenz  den  Herrn  Wirklichen  Oeheimen  Rath,  Staats- 

nnd  Conferenz-Minister,  General  der  Cavallerie,  Hofkriegsraths- 

Präsidenten  etc.  etc.  etc. 

Grafen  von  Ficquelmont. 

Castel  von  Mailand, 
Nachts  2  Uhr  vom  18.  auf  den  19.  März  1848. 

Schon  seit  einigen  Tagen  waren  mir  Nachrichten  von  ver- 
schiedenen Seiten  zugegangen,  wonach  man  am  18.  einen  Auf- 
stands-Versuch  hier  in  Mailand  machen  wollte.  Am  17.  Abends 
traf  die  telegraphische  Nachricht  ddo.  Wien  15.  März  hier  ein, 
nach  welcher  von  Seiner  Majestät  große  Concessionen  gemacht 
wurden.  Schon  am  heutigen  Morgen  wurden  die  Bekannt- 
machungen an  allen  Straßenecken  angeschlagen.  Man  glaubte, 
diese  würden  das  Volk  Mailands  beruhigen,  und  der  Herr 
Vice-Präsident  Graf  0*donel  richtete  an  mich  das  Ansuchen, 
keinenfalls  Militair-Macht  zu  entwickeln,  im  Falle  man  etwas 
unternehmen  würde,  außer  wenn  ich  dazu  durch  die  Civil- 
Behörden  aufgefordert  würde.  Gegen  Mittag  liefen  bei  mir 
beunruhigende  Gerüchte  ein,  wonach  Volk  sich  hier  und  da 
sammele  und  die  Kinder  von  ihren  Angehörigen  aus  den 
Schulen  abgeholt  würden.  Die  Truppen  waren  in  die  Kasernen 
consignirt,  der  Ausbruch  einer  allgemeinen  Verschwörung  war 
mir  jedoch  auch  nicht  wahrscheinlich.  Ich  befand  mich  in 
meinem  Bureau,  als  der  Sturm  losbrach,  so  daß  ich  genöthigt 
war,  ins  Castel  zu  flüchten,  um  nicht  durch  einen  Volkshaufen 
umwickelt  zu  werden.^ 

Von  Augenblick  zu  Augenblick  wurden  die  Meldungen 
beunruhigender,   man  benachrichtigte  mich,  daß  Barricaden  in 


*  A.  tr.  481:  ,und  so  begab  ich  mich  gegen  Mittag  aus  meiner  Kanzlei 
in  das  nahe  gelegene  Castell,  um  daselbst  die  Ereignisse  abzuwarteii.^ 
Diese  Stelle  ist  im  Konzepte  durchstrichen  und  durch  die  Worte:  ,Der 
Ausbruch  .  .  .  umwickelt  zu  werden*  ersetzt. 


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allen  Hauptstraßen  errichtet  seien,  ich  ließ  die  Truppen  allar- 
miren.  Keine  Aufforderung  einzuschreiten  erging  an  mich, 
endlich  erschien  der  Ober-Polizei-Comissair  de  Betta,  dessen 
besondere  Thätigkeit  ich  anerkennend  erwähnen  muß,  und  so 
erfuhr  ich,  daß  die  geringe  Wache  des  Gouvernement-Gebäudes 
größtentheils  getödtet,  oder  doch  schwer  verwundet  und  ent- 
waffnet sei.  Das  Gouvernement-Gebäude  war  von  den  Rebellen 
geplündert,  ein  großer  Theil  des  Archives  vernichtet  und  der 
Vice-Präsident  Graf  O'donel  gefangen  abgeführt.  Durch  General 
Wohlgemuth,  der  die  Truppen  jenes  Rayons  kommandirte, 
wurde,  nachdem  die  Barricaden  mit  stürmender  Hand  ge- 
nommen, wobei  auch  Geschütz  mitwirken  mußte,  dieses  Ge- 
bäude wieder  besetzt.  Gräfin  Spaur  hatte  unter  dem  Dache 
in  einem  kleinen  Zimmer  Schutz  gefunden.  Während  dieser 
Zeit  war  auf  allen  Punkten  der  Stadt  der  Kampf  angesponnen, 
man  feuerte  aus  den  Fenstern  auf  jeden  Soldaten  und  schleu- 
derte von  den  Dächern  alle  Arten  von  Projectilen  herab. 
Mancher  brave  Soldat  verlor  schon  hier  das  Leben.  Als  GM. 
Rath  sich  mit  seinen  Truppen  in  das  Innere  der  Stadt  begab, 
um  den  Domplatz,  die  Burg  und  die  Haupt-Regierungs-Gebäude 
zu  besetzen,  entspann  sich  in  den  Straßen  ein  hartnäckiger 
Kampf,  doch  gelangten  die  Truppen  trotz  aller  ihnen  entgegen 
stehenden  Barricaden  an  die  ihnen  bestimmten  Plätze.  Jetzt 
wurden  mir  Proclamationen  von  einer  provisorischen  Regierung, 
deren  Sitz  im  Municipalitäts-Gebäude  aufgeschlagen  war,  zu- 
gesandt, ich  erhielt  ein  dem  Grafen  O'donel  wahrscheinlich  mit 
Gewalt  abgedrungenes  Schreiben,  wonach  man  National-Garden 
und  viele  derartige  Concessionen  decretirte.  An  der  Spitze 
dieser  improvisirten  Regierung  stand  der  Name  des  Delegaten 
Belatti,  der  sich  als  General-Polizei-Direktor  unterschrieben. 
Der  Abend  war  herangekommen,  das  Gefecht  in  den  Straßen, 
besser  gesagt,  das  Feuern  auf  unsere  Truppen  hatte  bereits 
6  Stunden  gedauert,  als  ich  mich  entschloß,  unter  jeder  Be- 
dingung das  Municipalitäts-Gebäude  zu  nehmen,  und  durch 
Aufhebung  der  dort  versammelten  provisorischen  Regierung 
den  Hauptnerv  der  Revolte  durchzuschneiden.  Vier  Stunden 
dauerte  der  Kampf,  der  von  Seite  der  Rebellen  mit  Hart- 
näckigkeit geführt  ward.  Endlich,  nachdem  die  meisten  Zimmer- 
leute, die  zum  Einschlagen  der  Thore  verwendet  waren,  ver- 
wundet, gelang  es,  mit  12  # Geschütz,  das  nur  schwer  in  der 


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engen  Straße  verwendet  werden  konnte,  das  Thor  zu  zer- 
stören und  Herr  dieses  Gebäudes  zu  werden.  Über  250  wur- 
den zu  Gefangenen  gemacht,  unter  ihnen  viele  Leute  von  aus- 
gezeichneten Namen.  Eben  so  fiel  ein  bedeutendes  Waffen- 
Depot  in  unsere  Hände;  Personen  wie  Waffen  wurden  in  das 
Castel  abgeführt. 

Mailand  ist  in  Belagerungs-Zustand  erklärt.  Gubernial- 
rath  Graf  Pachta,  der  vollkommen  ausgeplündert  war  und  dem 
es  mit  genauer  Noth  gelungen  sein  Leben  zu  retten,  kam  gegen 
Abend  unter  Bedeckung  in  das  Castel.  Ich  habe  ihm  vor- 
läufig die  Leitung  der  etwaigen  gouvemativen  Geschäfte  über- 
tragen. 

Meinen  Verlust  an  Todten  und  Verwundeten  kann  ich 
noch  nicht  angeben,  doch  kann  er  nicht  unbedeutend  ge- 
wesen sein. 

Für  den  Augenblick  ist  es  ruhig,  doch  wäre  es  möglich, 
daß   mit  Anbruch   des  Tages   der  Kampf  von  neuem  beginnt. 

Ich  bin  entschloßen,  unter  jeder  Bedingung  Herr  von 
Mailand  zu  bleiben.  Läßt  man  vom  Kampfe  nicht  ab,  so 
werde  ich  die  Stadt  bombardiren  laßen. 


19.  März  Nachmittags  5  Uhr. 

Wie  ich  Euer  Exzellenz  zu  melden  die  Ehre  hatte,  war 
Feldmarschall-Lieutenant  von  Weigelsperg  zum  schleunigen  Ab- 
gang nach  Ferrara  von  mir  beordert;  derselbe  konnte  aber 
gestern  nicht  abreisen,  da  der  Poststall  verbarricadirt  war,  und 
daher  Postpferde  durchaus  nicht  zu  bekommen;  ich  hoffe,  dem 
Feldmarschall- Lieutenant  wird  es  geHngen,  morgen  früh  aus 
Mailand  zu  kommen;  ich  werde  demselben  meinen  Bericht 
übergeben,  damit  er  von  Verona  dann  mit  Staffette  weiter  be- 
fördert werden  könne. 

In  der  Lage  Mailands  hat  sich  bis  jetzt  nichts  geändert, 
schon  in  der  Früh  begann  erst  einzeln,  dann  auf  allen  Punkten 
der  Stadt  das  Feuer.  Die  Truppen  sind  trotz  der  furchtbaren 
Fatiquen  unermüdlich  und  von  einem  bewunderungswürdigen 
Geiste  beseelt.  Ich  habe  die  mir  zunächst  liegenden  Bataillons 
an  mich  gezogen,  um  meine  Streitkräfte  zu  vermehren  und 
den  Truppen  wo  möglich  einige  Ruhe  zu  verschaffen.  AUe 
Straßen  sind  durch  Barricaden  gesperrt,  die  aber  für  den  Muth 


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des  Soldaten  kein  Hindernis  sind.  Leider  war  das  Haupt  der  Re- 
bellen Podestk  Conte  Cassati  nicht  unter  den  gestern  im  Muni- 
zipalitätsGebäude  Gefangenen^  und  so  war  das  leitende  Comitä 
bald  wieder  organisirt.  Es  scheint,  als  sei  jetzt  der  Sitz  der 
improvisirten  Regierung  in  den  Palast  des  Grafen  Borromeo 
verlegt.  Ich  gedenke  in  einer  späteren  Stunde  das  Haus  nehmen 
zu  lassen,  um  durch  Aufhebung  der  Leiter  die  befindlichen 
Combinationen  theils  zu  lähmen,  theils  aber  auch  in  den  vor- 
nehmsten Personen  Mailands  Geißeln  für  die  Ruhe  der  Stadt 
in  die  Hände  zu  bekommen. 

Aus  den  Provinzen  sind  mir  bis  jetzt  wenig  Nachrichten 
zugekommen,  in  Monza  und  Como  waren  die  National-Garden 
angeordnet,  doch  war  es  dem  umsichtigen  Benehmen  der  Mi- 
litair-Autoritäten  gelungen,  einem  Revoluzions-Ausbruch  zu  be- 
gegnen. 

Leider  ist  die  Thätigkeit  der  Polizei  vollkommen  gelähmt, 
der  Herr  General-Polizei-Director  ist  bis  jetzt  trotz  mehrfacher 
Aufforderung  noch  nicht  im  Castel  erschienen,  um  sich  mit  mir 
mündlich  zu  bereden;  es  ist  keine  Möglichkeit^  die  an  das  Volk 
von  mir  gerichteten  Proclamationen  bekannt  zu  machen.  Mai- 
lands Straßen  sind  wie  ausgestorben,  kein  Gewölbe,  keine  Thür 
war  während  des  ganzen  Tages  geöffnet  und  ich  sah  mich  ge- 
zwungen, den  Bedarf  an  Fleisch  für  meine  Truppen  mit  großen 
Abtheilungen  herbeischaffen  zu  lassen.  Glücklicher  Weise  ward 
mir  noch  zu  rechter  Zeit  die  Anzeige  erstattet,  daß  das  Fleisch 
vergiftet  sei,  sonst  wäre  ein  unabsehbares  Unglück  über  uns 
hereingebrochen,  denn  es  fand  sich  in  der  That,  daß  mehreres 
Fleisch  vergiftet  war.  Das  Wetter  ist  heute  gut,  während 
gestern  sowohl  wie  diese  Nacht  ein  wolkenbruchartiger  Regen 
vom  Himmel  herabströmte. 

Noch  hatte  ich  eine  Hoffnung,  die  Stadt  ohne  Bombar- 
dement zum  Gehorsam  zurückzuführen,  und  habe  diese  extreme 
Maßregel  daher  heute  noch  nicht  angewandt,  sondern  das 
Geschütz  nur  gegen  Barricaden  und  die  gefUhrlichsten  Punkte 
spielen  lassen,  ich  fürchte  aber  immer,  daß  mir  kein  anderer 
Ausweg  übrig  bleibt.  Ich  werde  in  dieser  Nacht  die  meisten 
Truppen-Abtheilungen  in  ihre  Kasernen  zurückziehen,  und  nur 
die  Haupt-Regierungs- Gebäude  besetzt  lassen.  Sehe  ich  aber, 
daß  man  morgen  den  Kampf  von  neuem  anfUngt,  dann  werde 
ich  thun,  was  mir  die  Pflicht  gebiethet. 


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Ich  werde  die  Ehre  haben,  meinen  Rapport  nach  Beendi- 
gung des  heutigen  Gefechtes  fortzusetzen. 

Mir  sind  heute  um  7i3  Uhr  aus  Verona  Nachrichten  zu- 
gekommen, wonach  man  Seine  Kaiserliche  Hoheit  den  Erz- 
herzog-Vicekönig  zwingen  wollte,  die  von  Seiner  Majestät  AUer- 
gnädigst  ertheilten  Concessionen  allsogleich  in  Leben  zu  rufen, 
doch  ist  es  daselbst  gelungen,  die  Ordnung  ohne  bedeutende 
Ruhestörungen  wieder  herzustellen.  Euer  Exzellenz  dürften 
darüber  bereits  directe  die  Meldung  erhalten  haben. 

Auf  der  piemontesischen  Grenze  war  bis  jetzt  noch  alles 
ruhig.  Es  dürfte  meine  Verlegenheit  sich  bedeutend  vermehren, 
wenn  die  so  häufig  angekündigten  Freischaarenzüge  den  jetzigen 
Moment  benützten.     Dasselbe  gilt  von  der  Schweizer  Grenze. 

Feldmarschall-Lieutenant  d'Aspre  erstattet  mir  aus  Padua 
beunruhigende  Nachrichten  über  diese  Stadt,  noch  mehr  aber 
über  Venedig. 

So  eben  bringe  ich  in  Erfahrung,  daß  an  der  piemon- 
tesischen Grenze  Batterien  aufgeworfen  werden.  In  Como  er- 
wartet man  einen  Aufstand,  dem  vielleicht  Schweizer  Zuzüge 
zu  Hilfe  eilen  könnten;  man  hat  mir  wenigstens  mitgetheilt, 
daß  im  Canton  Ticino  4  Bataillons  aufgehoben  wurden.  Doch 
ist  Como  angemeßen  besetzt,  in  Magenta  steht  General  Maurer 
und  in  Pavia  das  Regiment  Gyulai,  allenthalben  mit  ange- 
meßenem  Geschütze  versehen.  Ich  werde  daher  die  Grenze 
Piemonts  in  seiner  jetzigen  Stärke  besetzt  laßen,  zugleich  ziehe 
ich  aber  5  frische  Bataillons  an  mich,  mit  denen  ich  morgen 
früh  den  Kampf  aufs  neue  gegen  Mailand  beginnen  und 
hoflfentlich  zu  einem  glücklichen  Ende  führen  werde.  ^ 

Mailand,  21.  März  Morgens  10  Uhr. 

Es  war  keine  Möglichkeit,  meine  Depesche  abzusenden, 
da  jede  Communication  nach  außen  derart  abgeschnitten  ist, 
daß  nur  mit  größeren  Abtheilungen  eine  Nachricht  zu  mir  ge- 
langt, oder  von  mir  abgehen  kann. 

Gestern  ist  mit  großer  Wuth  der  Kampf  fortgeführt,  es 
müßen   von   beiden   Seiten   viele   Opfer  gefallen   sein,    meinen 

*  Hier  steht  im  A.  tr.  478  und  485  die  Stelle:  ,Der  Feldmarschall  ruht 
einen  Augenblick.  Wallmoden.*  mit  der  Bemerkung:  ,Questa  postilla  e 
scritta  di  pugno  di  Wallmoden.* 


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Verlust  kann  ich  noch  immer  nicht  angeben,  da  mir  darüber 
noch  alle  Angaben  fehlen.  Die  Stadt  Mailand  ist  in  ihren  Grund- 
festen aufgewühlt  und  es  wird  schwer  sein,  sich  einen  Begriflf 
davon  zu  machen.  Nicht  hunderte  sondern  tausende  von  Barri- 
caden  sperren  die  Straßen,  und  die  Parthei  entwickelt  in  der 
Durchführung  ihrer  Maßregeln  eine  Umsicht  und  eine  Kühn- 
heit, die  klar  an  den  Tag  legt,  daß  dem  Auslande  entlehnte 
militairische  Lenker  an  der  Spitze  stehen.  Der  Charakter 
dieses  Volkes  scheint  wie  mit  einem  Zauberschlage  umge- 
wandelt, der  Fanatismus  hat  jedes  Alter,  jeden  Rang  und  jedes 
Geschlecht  ergriflfen.  Ich  hatte  gestern  in  der  Frühe  alle 
Truppen  aus  dem  Innern  der  Stadt  in  das  Castel  gezogen, 
nur  die  Kasernen,  mit  denen  eine  Verbindung  zu  erhalten 
möglich  ist,  bleiben  besetzt.  Ebenso  sind  alle  Thore  in  meiner 
Gewalt  und  die  Generäle  Wohlgemuth  und  Clam  haben  nach 
wie  vor  ihre  Stellung  beibehalten,  wodurch  die  Communication 
zu  den  Thoren  oflfen  bleibt.  Es  war  nicht  möglich,  die  inneren 
Posten  länger  zu  halten,  ihre  Verproviantierung,  ihre  Ablösung 
ist  stets  mit  Kampf  und  Verlust  verbunden.^  Einzelheiten  des 
Kampfes  fehlen  mir  zum  Theil,  andemtheils  würde  es  mich  zu 
weit  führen,  sie  zu  erzählen.  Eines  aber  muß  ich  anführen, 
dazu  drängen  mich  alle  meine  Gefühle,  das  ist,  meine  Truppen 
sind  wahrhaft  bewundernswerth,  sie  leisten  über  die  Möglich- 
keit und  bleiben  guten  Muthes,  obgleich  sie  nun  seit  4  Tagen 
unter  dem  furchtbarsten  Wetter  noch  keine  Ruhe  genoßen.  Es 
könnte  mir  das  Herz  brechen,  daß  solcher  Muth  nicht  gegen 
einen  offenen  ehrlichen*  Feind  verwendet  werden  kann. 

Gestern  erhielt  ich  eine  Zuschrift  von  den  in  Mailand  an- 
wesenden Consuln,  worin  sie  mich  beschwören,  das  Bombarde- 
ment der  Stadt  nicht  zu  beginnen.  Ich  habe  ihnen  darauf 
erwiedert,  daß  es  ganz  allein  von  der  Stadt  abhinge,  eine  solch 
extreme  Maßregel  zu  verhüthen,  wenn  sie  aufhörte,  mich  an- 
zugreifen.' Darauf  erhielt  ich  am  Abend  die  Bitte  der  Consuln, 


^  Die  SteHe:  ,E8  war  .  . .  verbunden*  fehlt  im  A.  tr.  485;  sie  ist  im  Kon- 
zepte ein  späterer  Zusatz  von  der  Hand  des  zweiten  Abschreibers. 

■  Das  ^ehrlichen*  kommt  im  Konzepte  nicht  vor,  vom  A.  tr.  ist  es  gewiß 
nicht  beigefügt;  es  bleibt  folglich  nur  die  Erklärung,  daß  es  nach  An- 
gabe Radctzkys  in  die  Mailänder  Abschrift  eingefügt  wurde. 

^  A.  tr.:  jDoch  habe  ich  denselben  zur  Sicherung  des  Eigen thums  ihrer 
Schutzbefohlenen   eine  24  stündige  Frist  gewährt,  sie  zugleich  auch  er- 


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ihnen  eine  Unterredung  zu  gewähren^  die  heute  früh  im  Castel 
stattfand.*  Während  dieser  Zeit  lief  die  Nachricht  ein,  ein 
Theil  der  piemontesischen  Armee  werde  am  gestrigen  Tage 
die  Grenze  tiberschreiten,  was  auch  der  König  ftlr  Befehle  er- 
laßen möge,  um  auf  dem  kürzesten  Wege  nach  Mailand  zu 
eilen.  Meine  Maßregeln  für  diesen  Fall  werden  durch  die  Um- 
stände bestimmt  werden.* 

Mit  den  Consuln  ist  heute  ein  Stägiger  Waffenstillstand 
verabredet,  meine  Truppen  bedürfen  bei  der  übermenschlichen 
Anstrengung  der  Ruhe,  und  ich  werde  dadurch  in  den  Stand 
gesetzt,  Mailand  mehr  zu  zemiren. 

Meine  Nachrichten  aus  den  Provinzen,  so  wenig  es  auch 
sind,  lauten  betrübend,  es  ist  das  ganze  Land  insurgirt  und 
selbst    das  Landvolk   bewaffnet.^     Der  Waffenstillstand   ward 


Bucht,  ihren  etwaigen  Einfluß  auf  die  Häupter  der  Reyolution  anzu- 
wenden, um  sie  zur  Unterwerfung  zu  bewegen  und  so  dem  Blutver- 
gießen und  der  Zerstörung  ein  Ende  zu  machen.*  Im  Konzepte  später 
durchstrichen. 

A.  tr.:  ,Die  Nacht  war  ziemlich  ruhig,  wenigstens  ward  das  Feuer  nur 
schwach  unterhalten.*  Im  Konzepte  durchstrichen. 
Dieser  letzte  Satz  ist  nachträglich  statt  der  früheren  ausführlicheren, 
aber  nachderhand  durchstrichenen  Stelle  beigefügt  worden :  ,Tritt  dieser 
Fall  ein,  dann  bin  ich  genötigt,  Mailand  aufisugeben  und  mich  hinter 
die  Adda  zurückzuziehen,  da  eine  Stellung  zwischen  Mailand  und  einer 
andern  Armee  unhaltbar  wird.  Ich  habe  daher  für  diesen  Fall  die 
nothwendigen  Dispositionen  getroffen.  Mir  war  daher  die  Ankunft  der 
Consuln  in  so  weit  angenehm,  als  ich  aus  ihrer  Haltung  glaubte  ent- 
nehmen zu  können,  ob  diese  Nachricht  mehr  als  bloßes  Gerücht  sei. 
Ich  bin  etwas  mehr  beruhigt  und  daher  sicher,  Herr  Mailands  zu 
bleiben,  so  lange  eine  solche  Eventualität  nicht  eintritt.*  Diese  Even- 
tualität ist  aber  bekanntlich  bald  darauf  eingetreten  und  deshalb  ist 
die  ganze  Stelle  vom  Feldmarschall  gestrichen  und  durch  die  bezeich- 
nete kürzere  Bemerkung  ersetzt  worden,  was  sehr  bezeichnend  ist 
Die  Bemerkung  trägt  die  Züge  des  ersten  Abschreibers  und  ist  folglich 
die  Eliminierung  der  Stelle,  die  sich  im  A.  tr.  nicht  findet,  vorge- 
nommen worden,  bevor  Radetzky  jene  Abschrift  anfertigen  ließ,  die 
dann  in  die  Hände  seiner  Feinde  fallen  mußte. 

A.  tr.  486:  ,Nachmittag8  2  Uhr  ist  der  Waffenstillstand  noch  nicht  ab- 
geschloßen ;  denn  bis  zu  dieser  Stunde  hat  sich  niemand  aus  der  Stadt 
bei  mir  gezeigt.  Radetzky,  FM.*  Mit  diesem  Satze  und  dieser  Unter- 
zeichnung schließt  die  Mailänder  Abschrift.  Der  Satz  wurde  später  im 
Konzepte  durchstrichen  und  durch  den  andern:  ,Der  Waffenstilbtand 
.  .  .  fort*,  von  der  Hand  des  zweiten  Abschreibers  ersetzt  Es  folgt 
nun    im    Konzepte:    ,Die   Ereignisse   eilen    schon   und  haben  so  ganz 


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nicht  angenommen^  und  der  Kampf  dauert  mit  ungeschwächter 
Wuth  fort. 

Ich  hatte  den  Entschluß  gefaßt;  alle  meine  detachirten 
Qarnisonen  an  mich  zu  ziehen^  und  so  Mailand  von  allen  Seiten 
anzugreifen.  Die  Ausführung  dieses  Entschlusses  hätte  der 
Empörung  ein  Ende  machen  müßen,  aber  alle  Verbindungen 
sind  unterbrochen,  vereinzelte  Ordonnanzen  werden  erschoßen 
oder  aufgefangen,  größere  Abtheilungen  finden  unüberwind- 
lichen Widerstand  auf  den  barricadirten  Straßen  und  in  den 
Ortschaften.  An  Kundschafter  ist  nicht  zu  denken,  an  der 
Unterbrechung  aller  Verbindungen  scheitert  jede  Combination. 

Brod  habe  ich  noch  auf  einige  Tage,  obgleich  die  Bäckerei 
unter  beständigem  Kampfe  behauptet  werden  muß.  Aus  der 
Stadt  ist  nichts  mehr  zu  erhalten,  alle  gegen  das  Castel  ein- 
mündenden Straßen  sind  barricadirt,  die  ich  zwar  von  Zeit  zu 
Zeit  zerstören  laße,  die  aber  immer  wieder  erbaut  werden. 
Fleisch  und  Salz  verschaffe  ich  mir  durch  Requisitions- Com- 
manden,  aber  auch  diese  Resourcen  sind  bereits  erschöpft.  Zu 
dem  außer  der  Stadt  an  der  Circumvallation  ^  gelegenen  Fourage- 
Magazin  muß  sich  jedesmal  der  Zugang  erkämpft  werden.  Ob- 
gleich Sieger  auf  allen  Punkten,  befinde  ich  mich  in  der  trau- 
rigen Lage,  dem  Hiuger  weichen  zu  müßen. 

Am  21.  lief  die  Nachricht  ein,  daß  die  piemontesischen 
Streitkräfte  sich  am  Ticino  vermehren,  Freischaaren-Abthei- 
lungen  hier  und  da  den  Fluß  paßiert  hätten. 

Von  der  Schweizer  Grenze,  besonders  wie  es  scheint  aus 
dem  Valtelin,  ergießen  sich  bewaffnete  Bauern-Haufen  über  die 
Ebene,  man  gibt  ihre  Zahl  auf  10.000  Mann  an.  In  Monza 
überfielen  sie  ein  Battaillon  Geppert  (das  andere  hatte  ich 
schon  an  mich  gezogen),  es  verlor  mehrere  hundert  Mann  und 
seine  Kasse  und  Bagage.     Das  gleiche  Schicksal  scheinen  das 


meine  Zeit  in  Anspruch  genommen,  daß  ich  erst  heute^  —  in  Margine 
steht:  ^Hauptquartier  Orzinovi,  am  27.  März  1848*  —  ,meine  Meldung 
fortzusetzen  im  Stande  hin.  Bis  2  Uhr  nachmittags  des  21.  ging  die 
Erzählung  der  Ereignisse,  und  ich  knüpfe  an  dieser  Stunde  wieder  an. 
Der  Kampf  war  von  Stunde  zu  Stunde  hartnäckiger,  der  vordere  Castel- 
platz  war  kaum  mehr  zu  betreten,  so  sehr*  .  .  .  Hier  bricht  der  Satz 
unvollendet  ab  und  beginnt  auf  dem  nächsten  Bogen  ein  neuer. 
*  Diese  letzten  drei  Worte  in  Margine  von  der  Hand  des  ersten  Ab- 
schreibers. 


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Bataillon  Warasdiner  Kreutzer  und  zwei  Compagnien  Prohaska 
in  Como  erlitten  zu  haben;  ich  habe  noch  keine  bestimmte 
Nachricht  über  das  Schicksal  dieser  Truppen. 

So  standen  die  Dinge^  als  ich  die  Unmöglichkeit  erkannte, 
meine  Stellung  in  Mailand  länger  halten  zu  können. 

Ich  befahl  nun  der  Brigade  Maurer,  welche  in  Magenta,  und 
der  Brigade  Strasoldo,  welche  in  Saronno  stand,  und  mit  welchen 
meine  Verbindungen  noch  offen  waren,  sich  mit  mir  in  Mailand 
zu  vereinigen,  während  welcher  Zeit  ich  den  Kampf  in  Mailand 
mit  erneuerter  Wuth  fortsetzen  muß. 

Meine  Verbindungen  finden  allein  nur  noch  über  den 
Rerapart  statt,  die  aber  der  Feind  auf  alle  mögliche  Weise  zu 
stören  und  zu  unterbrechen  sucht.  General  Wohlgemuth  und 
Graf  Clam  schützen  diese  Verbindungen,  ich  habe  ihnen  den 
Befehl  gegeben,  alle  an  den  Wall  stoßenden  Gebäude  durch 
ihre  Artillerie  zu  zerstören.  Viele  derselben  mußten  mit  Sturm 
genommen  werden.  Da  ich  noch  Meister  der  Thore  bin,  so 
habe  ich  der  Stadt  die  Zufuhr  abgeschnitten,  in  der  Stadt  zahlt 
man  bereits  einen  Gulden  für  ein  Pfund  Rindfleisch.  Hätte  ich 
nur  noch  Lebensmittel  auf  einige  Tage,  so  müßte  sich  Mailand 
unterwerfen,  aber  es  wird  länger  aushalten  als  ich.  Unsere 
allerseitige  Ermüdung  hat  den  höchsten  Grad  erreicht,  und  doch 
ist  der  Geist  der  Truppen  noch  ungebeugt. 

Am  22.  März  1848. 

Es  ist  der  fürchterlichste  Entschluß  meines  Lebens,  aber 
ich  kann  Mailand  länger  nicht  mehr  halten.  Das  ganze  Land 
ist  in  Empörung.  Ich  bin  in  meinem  Rücken  durch  Piemont 
bedroht.  Man  kann  alle  Brücken  in  meinem  Rücken  ab- 
brechen, ich  habe  keine  Balken,  um  sie  wieder  herzustellen, 
ebenso  wenig  Transport-Mittel.  Ich  weiß  nichts  von  dem,  was 
hinter  mir  vorgeht.  —  Ich  werde  meinen  Rückzug  über  Lodi 
nehmen,  um  die  großen  Städte  zu  vermeiden,  und  weil  das 
Land,  das  diese  Straße  durchzieht,  offen  ist.  Mein  Rückzug 
über  die  Stadtwälle  wird  schwierig  sein,  denn  mein  Troß  ist 
sehr  groß,  denn  viele  Civil-  und  Militair-Beamte,  die  sich  unter 
meinen  Schutz  geflüchtet  haben,  kann  ich  der  Wuth  eines  fana- 
tischen Pöbels  nicht  überlassen. 

Mein  Rückzug  findet  heute  Nacht  in  fünf  Colonnen  statt, 
die   Generale    Clam    und    Wohlgemuth,    welche    alles    zerstört 


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haben^  was  an  den  Wall  stößt,  decken  ihn.  Die  Brigaden 
Maurer  und  Strasoldo  haben  sich  mit  mir  vereinigt.  In  der 
Nähe  von  Porta  Tosa  und  Romana  steht  alles  in  Flammen. 

Melegnano,  23.  März  1848. 

Mein  Rückzug  ist  vollkommen  geglückt.  Er  ist  eines  jener 
traurigen  Meisterstücke  der  Kriegskunst. 

Alle  meine  Truppen  waren  auf  dem  Waffenplatze,  sobald 
es  dunkel  ward,  in  gedrängten  Colonnen  aufgestellt.  Das  Castel 
blieb  besetzt,  die  Flanken  waren  durch  zahlreiche  Tiralleurs 
gedeckt.  Trotz  des  großen  Trains  ging  der  Marsch  durch  das 
lange  Defilee  der  Wälle  rasch  und  fließend  vonstatten.  Bei  Porta 
Comasina  besonders  suchte  man  ihn  zu  hindern,  allein  unsere 
Truppen  überwanden  jeden  Widerstand;  der  dabei  eriittene 
Verlust  war  im  Verhältnis  zu  der  schwierigen  Aufgabe  gering. 
Nach  Mittemacht  räumte  unsere  Arriire-Garde  ihre  Stellung 
auf  den  Wällen,  in  welcher  sie  meinen  Rückzug  protegirt 
hatte.  Auf  der  Straße  nach  Lodi  hatte  man  hier  und  da  Ver- 
haue angelegt  und  Abgrabungen  der  Straße  gemacht,  die 
Avantgarde  hatte  dem  Gros  den  Weg  gebahnt.  Vor  Melegnano 
angekommen,  hatte  der  Ort  die  Frechheit,  von  mir  die  Nieder- 
legung der  Waffen  zu  verlangen.  Der  diesfalls  mit  den  Orts- 
behörden parlamentirende  Oberst  Graf  Wratislaw  ward  festge- 
nommen und  mit  dem  Tode  bedroht,  man  sperrte  ihn  in  das 
Castel  ein.  Hiervon  benachrichtigt,  ließ  ich  mehrere  Batterien 
auffahren,  in  kurzem  stand  der  Ort  im  Brande,  jetzt  ließ  ich 
ihn  mit  Sturm  nehmen.  Die  Zei-störung  der  Brücke  war,  da 
sie  aus  massiven  Quadern  besteht,  nicht  gelungen,  dagegen 
hatte  man  sie  auf  eine  außerordentliche  Art  verbarricadirt.  Der 
Schrecken,  den  das  Schicksal  Melegnanos  vor  mir  her  ver- 
breitete, hatte  die  heilsamsten  Folgen,  man  setzte  mir  keinen 
Widerstand  mehr  entgegen. 

Am  24.  März  1848. 

Es  war  dem  Erzherzog  Ernst  gelungen,  Lodi  in  Unter- 
würfigkeit zu  halten,  so  daß  ich  ohne  Anstand  die  Adda  pas- 
sierte. Ich  machte  hier  Rasttag,  um  meinen  äußerst  ermüdeten 
Truppen  eine  Ruhe  zu  gönnen. 

Mein  Plan  war,  mich  hinter  der  Adda  aufzustellen,  alle 
meine  disponiblen  Truppen  an  mich  zu  ziehen,   meine  Verbin- 


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duDgen  mit  den  rückwärtigen  Festungen  zu  eröffnen^  meine 
Armee  zu  organisiren  und  dann  Mailand  wieder  anzugreifen. 
Allein  durch  ein  Suplement  der  Venez.-Zeitung  erfuhr  ich  den 
Umsturz  der  Dinge  in  Venedig^  die  Räumung  Brescias^  den  Ab- 
fall der  Garnison  von  Cremona.  Über  den  Zustand  in  Wien 
waren  die  schwärzesten  QerUchte  verbreitet.  Ich  mußte  meinen 
Plan;  mich  an  der  Adda  zu  halten,  aufgeben. 

Am  25.  MSra  1848. 

In  Crema  empfing  ich  die  Nachricht  vom  wohlgeordneten 
Rückzuge  des  Oberst  Benedek  aus  Pavia.  Da  das  ohnehin 
fast  verfallene  Castel  von  Piacenza  sich  kaum  einige  Tage 
hätte  halten  können,  so  befahl  ich  die  Räumung  dieses  Platzes, 
die  beiden  ungarischen  Battaillons,  welche  die  Besatzung  dieses 
Platzes  bilden,  waren  mir  in  meiner  Lage  zu  kostbar,  als  daß 
ich  sie  einer  Capitulation  hätte  aussetzen  können.  Diese  Bri- 
gade ist  mit  drei  Batterien  zu  mir  gestoßen,  eine  davon  ist  mit 
Vorspann  bespannt. 

Montechiari,  30.  März  1848. 

Mein  Marsch  bis  hieher,  wo  ich  gestern  einrückte,  biethet 
nichts  besonders  bemerkenswertes  dar.  Die  vereinzelten  Re- 
lationen über  die  Ereigniße  von  Como,  Bergamo,  Brescia,  Cre- 
mona werde  ich  in  separaten  Relationen  nachtragen.  Noch  bin 
ich  nicht  in  der  Lage,  ein  vollkommenes  zusammenhängendes 
Bild  dieser  Ereigniße  geben  zu  können. 

Zur  Rettung  Mantuas  war  bereits  die  Brigade  Wohlge- 
muth  entsendet.  Hier  erfuhr  ich  zum  ersten  Male  gestern 
durch  einen  Offizier  von  Windischgrätz-Chevauxlegers,  daß 
Feldmarschall-Lieutenant  d' Aspro  mit  concentrierter  Kraft  bei 
Verona  stehe  und  unsere  Festungen  gerettet  seien. 

Ich  lasse  nun  das  1.  Corps  am  Mincio  stehen,  und  schiebe 
starke  Avantgarden  bis  in  die  Höhe  von  Lonato  vor,  für  meine 
Person  eile  ich  nach  Verona,  um  meine  Armee  wieder  zu 
ordnen.  Bei  meinem  Abmärsche  aus  Mailand  konnte  ich  noch 
die  in  der  Zecca  befindliche  Kaße  retten,  ohne  sie  wäre  ich 
ohne  alles  Geld  gewesen.  Die  Central-Caße  im  Marino  zu 
retten,  war  nicht  möglich.  Ich  hatte  eine  Brigade  dazu  be- 
stimmt,  allein   dieses  maßive  Gebäude   war  verrammelt,   man 


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IGl 

konnte  keinen  Beamten  finden,  ich  konnte  eine  Brigade  nicht 
dem  Feuer  der  umgebenden  Häuser  aussetzen,  ich  mußte  also 
meine  Expedition  unverrichteter  Sache  aufgeben.  Auch  hatte 
ich  einen  solchen  Mangel  an  Fuhrwerken,  daß  ich  Munitions- 
karren leeren  lassen  mußte,  um  das  wenige  Geld,  das  ich  ge- 
rettet, mit  fortbidngen  zu  können. 

Ich  und  ein  großer  Theil  meiner  Officiere  und  viele  Regi- 
menter sind  am  Bettelstabe.  Unsere  Wohnungen  wurden,  nach- 
dem sie  verlassen,  geplündert  und  zerstört;  überfallen,  konnten 
wir  nur  retten,  was  wir  auf  dem  Leibe  trugen. 

Bis  jetzt  hat  unter  den  italienischen  Truppen  unter  meinen 
unmittelbaren  Befehlen  keine  Desertion  stattgefunden.  Während 
des  Kampfes  in  Mailand  wetteiferten  sie  mit  den  anderen.  In 
Cremona  ging  das  Regiment  Albrecht  und  das  dritte  Bataillon 
Ceccopieri  zum  Feinde  über,  und  veranlaßten  dadurch  die 
Catastrophe  dieser  Garnison;  in  Brescia  ging  ein  Theil  des 
3.  Bataillons  Haugwitz  über,  der  andere  Theil  feuerte  auf  die- 
selben; die  beiden  in  Pizzighettone  gelegenen  Compagnien 
Geppert  lösten  sich  auf,  mehrere  Officiere  schlössen  sich  an 
die  Compagnien  an.  Die  drei  in  Cremona  befindlichen  Schwa- 
dronen Uhlanen  wurden  durch  eine  Convention  gerettet,  und 
sind  mit  der  Armee  wieder  vereinigt.  General  Schönhals, 
Oberst  Wimpflfen  nebst  den  anderen  Officieren  des  Regimentes 
und  40  Officiere,  welche  zu  Folge  Convention  von  Desenzano 
nach  Riva  gebracht  werden  sollten,  hat  man  das  Wort  ge- 
brochen; sie  befinden  sich  gegenwärtig  gefangen  in  Brescia. 

Ich  habe  eine  bedeutende  Anzahl  Geißeln  in  meinen 
Händen;  ich  werde  sie  benützen,  um  die  noch  in  Mailand 
und  den  übrigen  Garnisonen  zurückgehaltenen  Geißeln  zu  be- 
freien. 

Ich  werde  mich  genöthigt  sehen,  die  Gnade  Seiner  Ma- 
jestät fUr  mehrere  Herren  Generäle,  Officiere  und  Soldaten  in 
Anspruch  zu  nehmen.  Es  gibt  lange  Kriege,  die  nicht  so  viele 
Beweise  von  Selbstaufopferung  und  Tapferkeit  aufzuweisen  haben, 
wie  dieser  Kampf. 

Ein  Trost  bleibt  mir,  Wien,  nicht  Mailand,  hat  mich 
besiegt.  Ich  war  Sieger  bis  zum  letzten  Augenblicke  auf  allen 
Punkten,  hätte  ich  noch  einige  Tage  Lebensmittel  gehabt,  um 
ausharren  zu  können,  so  wäre  Mailand  in  meiner  Hand  ge- 
wesen, und  mit  ihm  wäre  die  ganze  Revolution  zerfallen. 

iUcliiv.    XCY.  Band.  I.  Uäifte.  11 


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In  Mailand  muß  der  Verlust  an  Menschenleben  sehr  he- 
deutend  gewesen  sein,  in  einzelnen  Häusern,  die  mit  Sturm 
genommen  werden  mußten,  sind  bis  hundert  Menschen  getödtet 
worden;  meinen  eigenen  Verlust  anzugeben,  bin  ich  noch  außer 
Stande,  doch  erwarte  ich  jetzt  die  betreffenden  Angaben ;  un- 
bedeutend kann  er  nicht  gewesen  sein,  besonders  im  Verhältnis 
an  Officieren.  ^ 

Radetzky. 


'  Das  letzte  Alinea  von  der  Hand  des  ersten  Abschreibers. 


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BEITRAGE  ZUR  GESCHICHTE 

DES 

DEUTSCHEN  RECHTES 

IN  GALIZIEN. 

VON 

PROF.  D^  RAIMUND  FRIEDRICH  KAINDL 

IN    CZERNOWITZ. 

I.  UND  n. 

(VORGELEGT  IN  DER  SITZUNG  AM  1.  MÄRZ  1906. > 


11* 


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Jciine  Durchsicht  der  bekannten  deutschen  Rechtsgeschich- 
ten lehrt,  daß  dieselben  über  die  Geschichte  des  deutschen 
Rechtes  in  Polen  und  speziell  in  Galizien  überaus  wenig  bieten, 
und  doch  hat  dasselbe  hier  bis  ins  18.  Jahrhundert  eine  über- 
aus große  Verbreitung  erreicht  und  war  besonders  für  die  Ent- 
wicklung des  städtischen  Lebens  von  hervorragender  Bedeutung. 
Für  die  Verbreitung  des  deutschen  Rechtes  in  diesen  Gebieten 
wird  gewöhnlich  die  längst  veraltete  Arbeit  von  Roepell*  an- 
geführt; daneben  noch  jene  von  Bobrzyriski*  über  den  deut- 
schen Oberhof  in  Erakau;  sonst  wird  höchstens  noch  die  eine 
oder  andere  kleine  Schrift  genannt.  Verdienstliche  polnische 
Arbeiten,'  die  freilich  gegenwärtig  auch  schon  zum  Teile  ver- 
altet sind,  und  noch  viel  weniger  das  in  den  letzten  Jahrzehnten 
in  reichlicher  Fülle  veröffentlichte  Urkundenmaterial*  sind  bis- 
her Ton  der  deutschen  Wissenschaft  fast  gar  nicht  ausgenützt 
worden.  Es  dürften  daher  die  folgenden  Beiträge  nicht  ganz 
unwillkommen  sein,   wiewohl   sie   sich  durchaus  nicht  die  Auf- 


^  R.  Roepell,  Über  die  Verbreitung  des  Magdeburger  Stadtrechtes.  Abb. 
der  hist-phil.  Gesellschaft  in  Breslau  I  (1858),  S.  243  ff. 

'  M.  Bobrzyuski,  Über  die  Entstehung  des  deutschen  Oberhofs  in  Krakau. 
Zeitschr.  f.  Eechtsgeschichte  Xu  (1876),  S.  219  ff.  (unvollendet). 

'  So  vor  allem  die  Originalarbeit  von  M.  Bobrzydski,  O  zalo^eniu 
wy£szego  i  najwytszego  s^du  prawa  niemieckiego  na  zamkn  krakowskim. 
jEozprawy*  der  Krakauer  Akademie  der  Wissenschaften  IV  (1875),  S.  1  ff 
Femer:  Fr.  Piekosidski,  O  s^dach  wyÄszych  prawa  niemieckiego  w 
Polsce  wiek6w  firednich.  Ebenda  XVIII  (1885),  S.  1  ff .  Fr.  Pieko- 
siiiski,  S^ownictwo  w  Polsce  wiek6w  firednich.  Ebenda  IL  Serie, 
X  (1898),  S.  353  ff.     Andere  werden  unten  genannt. 

*  Die  wichtigsten  Urkundenwerke  sind  folgende.  Die  für  dieselben  ge- 
brauchten Abkürzungen  sind  fett  gedruckt.  Codex  Diplomaticus  Poloniae 
vonL.  Rzyszczewski  und  A.  Muczkowski,  I— III  (Warschau  1847  ff.) 
CDPol.  —  Codex  Diplomaticus  Poloniae  Minoris  von  F.  Piekosii^ski, 
I— ni  (Krakau  1876  ff.)  CDPM.  —  Libri  Antiquissimi  Civitatis  Craco- 
viensis  1300—1400  von  F.  PiekosiÄski  und  J.  Szujski  (Krakau  1878) 
LACrae*    —    Codex    Diplomaticus    Civitatis   Cracoviensis    I— IV    von 


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gäbe  stellen,  ihren  Gegenstand  erschöpfend  zu  behandeln.*  Wenn 
aber  die  folgenden  Ausführungen  den  Juristen  nicht  völlig  be- 
friedigen werden,  so  möge  zur  Entschuldigung  dienen,  daß  der 
Verfasser  seine  Studien  zu  historischen  Zwecken  angestellt  hat. 
Der  Zweck  der  Beiträge  dürfte  schon  erreicht  sein,  wenn  sie 
deutschen  Rechtshistorikern  Veranlassung  bieten,  auf  diese  Fragen 
näher  einzugehen. 


F.  PiekosiÄski  (Krakau  1879  ff.)  CBCrac.  —  Leges,  Privilegia  et 
Statuta  Civitatis  Graco  viensis  1 1 , 1 2,  I1 1 ,  n  2  von  F.  Piekosiuski  (Krakau 
1885  ff.)  LPStCrae«  —  Cathedralis  ad  8.  Venceslaum  Ecclesiao  Craco- 
viensiß  Codex  Diplomaticus  I  und  II  von  F.  Piekosiuski  (Krakau 
1874  ff.)  CathCraeCB«  —  Akta  Grodzkie  i  Ziemskie  z  Czasöw  Rzeczy- 
pospolitej  Polskiej  I— XVIII  (Lemberg  1868  ff.)  AGZ.  —  Pomniki  Dzie- 
jowe  Lwowa  z  Archiwum  Miasta  I  und  II  von  A.  Czolowski  (Lem- 
berg 1892)  Pomniki  Lwowa.  —  Kodeks  djplomatjczny  klaütorn 
Tynieckiego,  hgb.  von  W.  K^trzyiiski  (Lemberg  1875)  Kod*  TjB.  — 
Volumina  legum  (Petersburger  Ausgabe  von  1859/60),  8  BSe.  Vol.  Leg. 
—  Starodawne  prawa  polskiego  pomniki,  Bd.  I — IX  (Warschau  1856  ff.) 
Star.  Pom.  —  Andere  Urkundenwerke  werden  gelegentlich  genannt 
werden. 
^  Eine  der  nächsten  Studien  wird  Über  die  Verbreitung  des  deutschen 
Rechtes  in  Galizien  handeln. 


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L 
Das  Gerichtswesen. 

1.  Einleitung. 

JJie  Verleihung  des  deutschen  Rechtes  war  stets  mit  der 
Befreiung  von  der  landesüblichen  Gerichtsbarkeit  verbunden, 
mag  es  sich  um  eine  Neuansiedlung  oder  um  Übertragung  des 
deutschen  Rechtes  an  einen  bereits  bestehenden  Ort  handeln. 
So  wird  in  der  Bestiftungsurkunde  von  Bochnia  (1253)  be- 
stimmt^ daß  über  die  Bürger  dieser  Stadt  kein  Kastellan,  kein 
Paiatin  (Woiwode)  und  kein  anderer  polnischer  Richter  ein 
Urteil  schöpfen  dürfe.*  Im  Privileg  von  Wieliczka  (1290)  wird 
die  Befreiung  der  Stadt  und  ihrer  Bewohner  von  allen  Ver- 
pflielitungen  nach  polnischem  Rechte ,  darunter  insbesondere 
auch  von  der  ,Citation  auf  die  Burg*  ausgesprochen;*  hier 
hatte  nämlich  das  Kastellanei-,  Burg-  oder  Grodgericht  seinen 
Sitz^  das  für  die  dem  landesüblichen  Rechte  untergeordneten 
Einwohner  des  betreffenden  Burgbezirkes  das  ordentliche  öffent- 
liche Gericht  war,  insofern  die  UrteilsfkUung  über  die  Gerichts- 
barkeit des  Grundherrn,  also  über  die  Befugnisse  des  Patrimo- 
nialgerichtes,  hinausging  oder  nicht  bereits  im  Kreise  des 
fürstlichen  Gerichtes  lag.  Ahnlich  lauten  die  Bestimmungen  in 
zahlreichen  anderen  Urkunden.  So  befreit  Kazimierz  der  Große 
in  der  Begründungsurkunde  des  Dorfes  Ci§4kowice  (1348)  das- 
selbe von  allen  Machtbefugnissen  der  Kastellane,  Palatine, 
Richter,  Unterrichter  und  Ministerialen;*  und  die  Stadt  Dem- 
bowiec  wird  von  demselben  Könige,  als  er  deren  Vogtei  an 
Nikolaus  von  Bakow  verlieh  (1349),  für  alle  Zeiten  von  allen 
polnischen    Rechten    und    Gewohnheiten    befreit,    welche    das 

*  CDPM.n,Nr.439:  neque  castellanufl,  neque  palatinus  vel  quivis  alius  iudex. 
'  ib.  Nr.  515:  ab  omnibus  angariis  et  perangariis  iuris  Polonici  ...  a  ca- 

stri  citacione  .  .  .  inmunes  permaneant. 
^  ib.  Nr.  688:  ab  omnibus  iuribus  et  potestatibus  omnium  castellanorum, 

paiatin orum,  iudicum,  subiudicum  universorumque  rainisterialium. 


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deutsche  Recht  zu  stören  pflegen;  weder  der  Vogt  und  dessen 
Nachfolger,  noch  die  Bürger  der  Stadt  sollen,  von  einem  der 
polnischen  Beamten  vorgeladen,  zum  Erscheinen  verpflichtet 
sein.^  Zu  demselben  Zwecke  wurde  in  den  Gegenden,  wo  das 
ruthenische  Recht  verbreitet  war,  also  in  den  von  Kazimierz 
dem  Großen  gewonnenen  Teilen  Ostgaliziens,  die  Aufhebung 
dieses  Rechtes  ausgesprochen.*  Auch  wurde,  weil  an  Stelle 
des  ruthenischen  Rechtes  allmählich  das  polnische  zur  Geltung 
gelangte,  die  Ungültigkeit  beider  festgesetzt.'  Für  Ansiedlungen 
auf  den  Gütern  des  Adels  und  der  Geistlichkeit  verliehen  die 
Landesflirsten  ausdrücklich  oder  stillschweigend  dieselben  Frei- 
heiten, so  daß  das  deutsche  Gerichtswesen  auch  auf  adeligen, 
bischöflichen  und  klösterlichen  Gebieten  um  sich  greifen  konnte. 
Von  Zeit  zu  Zeit  wurde  die  Freiheit  der  mit  deutschem 
Recht  bestifteten  Orte  von  den  landesüblichen  Gerichten  den 
polnischen  Beamten  durch  besondere  Urkunden  ins  Gedächtnis 
zurückgerufen.  So  befiehlt  z.  B.  Kazimierz  der  Große  im  Jahre 
1348,  daß  die  Bürger  von  Alt-Sandec,  welche  deutsches  Recht 
besitzen,  nicht  vor  die  polnischen  Gerichte  gezogen  werden 
sollten.*  Derselbe  Befehl  wurde  im  Jahre  1358  wiederholt* 
Ebenso  trug  im  Jahre  1448  Kazimierz  Jagiello  den  Beamten 
auf,  die  Bürger  von  Neu-Sandec  nicht  zu  richten,  sondern  sie  ans 
städtische  Gericht  zu  weisen.^  Diesen  Befehl  hat  König  Johann 
Albrecht  im  Jahre  1499  wiederholt.''  Kam  es  vor,  daß  Insassen 
eines  mit  deutschem  Rechte  ausgestatteten  Ortes  vor  einem  pol- 
nischen Gerichte  angeklagt  wurden,  so  mußte  dieses  die  Rechts- 
sprechung verweigern,  wenn  es  sich  von  der  eximierten  Stel- 
lung des  Angeklagten  überzeugt  hatte.®  Zu  demselben  Zwecke 
ist  den  Bürgern  von  Bochnia  in  ihrem  Bestiftungsprivileg   von 


*  CDPM.  II,  Nr.  690:  eximimus  et  liberamus  perpetuo  ab  omnibns  iuribus 
et  consuetudinibus  Polonicalibus ,  que  ius  theutonicum  consueverunt 
perturbare;  .  .  .  citati  .  .  .  minime  teneantur  respondere. 

*  AGZ.  III,  Nr.  5,  Urkunde  des  Königs  Kazimierz  des  Großen  für  Lemberg 
vom  Jahre  1356:  removentes  ibidem  omnia  iura  ruthenicalia  et  con- 
suetudines  ruthenicales  universas. 

8  AGZ.  m,  Nr.  89,  Urkunde  des  Königs  Wladyslaw  n.  für  die  Schulzeien 
in  Äuk(5w  und  Drzyszczöw  vom  Jahre  1420:  de  iure  polonico,  ruthenico 
et  quo  vis  alio  in  ius  thewtunicum,  quod  8redense  dicitur,  transferimus. 
Vgl.  ib.  UI,  Nr.  93;  V,  Nr.  80;  H,  Nr.  24  u.  74. 

*  CDPol.  m,  Nr.  119.         ^  AGZ.  IV,  Nr.  2.         «  AGZ.  IX,  Nr.  50. 
'  AGZ.  IX,  Nr.  126.         •  Vgl.  CDPol.  IH,  Nr.  171. 


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169 

1253  auch  zugestanden  worden,  daß  niemand  sie  richten  dürfe, 
in  welche  Teile  des  Herzogtums  sie  auch  mit  ihren  Waren 
kommen  würden,  und  daß  niemand  ihre  Waren  mit  Beschlag 
belegen  solle  ohne  besondere  landesfürstliche  Erlaubnis;  auch 
vor  dem  fürstlichen  Gericht  sollten  sie  dann  nur  nach  deut- 
schem Recht  gerichtet  werden.^  Den  Krakauern  ist  im  Jahre 
1306  ihr  Gerichtstand  in  jedem  Falle  nur  vor  ihrem  Richter 
angewiesen  worden;  auch  wenn  sie  außerhalb  der  Stadt  sich 
befanden,  durften  sie  nur  nach  deutschem  Recht  gerichtet  wer- 
den, wie  sie  auch  jeden  überall  nach  deutschem  Recht  be- 
langen konnten.*  Für  die  Dauer  konnte  freilich  weder  Krakau 
noch  eine  andere  Stadt  diese  volle  Fülle  des  Rechtes  behaupten. 
Betont  muß  ferner  werden,  daß  diese  Befreiung  und  Unab- 
hängigkeit von  allen  gewöhnlichen  allgemeinen  Gerichten  im 
Gegensatze  zu  Deutschland  in  Polen  nicht  nur  den  Städten, 
sondern  auch  den  Dörfern  zuteil  wurde.  Es  war  dies  eine 
notwendige  Folge  des  Umstandes,  daß  keine  allgemeinen  deut- 
schen Landgerichte  niederer  Instanz  vorhanden  waren.  So  er- 
hielten die  Dörfer  hier  eine  Freiheit,  die  in  Deutschland  ein 
charakteristisches  Merkmal  der  Städte  war,  und  deshalb  wies 
das  gesamte  deutsche  Gerichtswesen  in  Polen  einen  ausge- 
prägten städtischen  Charakter  auf.  Daher  ist  es  erklärlich, 
daß  alle  mit  deutschem  Recht  bestifteten  Orte  in  Polen,  auch 
die  dörflichen,  nach  Magdeburger  Stadtrecht  oder  einem  ver- 
wandten Weichbildrechte  lebten,  hingegen  das  Landrecht,  den 
Sachsenspiegel,  welcher  die  Rechte  der  freien  l^andbewohner  ent- 
hält, nur  nebenbei  benützten.  Wenn  aber  auch  in  gewissen  Be- 
ziehungen die  deutsche  Gerichtsverfassung  in  Polen,  entspre- 
chend den  Verhältnissen  des  Landes,  eine  zum  Teil  andere 
Form  annahm,  so  muß  andererseits  doch  wieder  mit  Nach- 
druck auf  die  engsten  Beziehungen  hingewiesen  werden.  In 
keiner  Bestiftungsurkunde  werden  z.  B.  Strafbestimmungen, 
Handelsgesetze,  erbrechtliche  Normen  o.  dgl.  angeführt,  son- 
dern man  begnügt  sich  mit  der  Verleihung  eines  deutschen 
Stadtrechtes,  wobei  in  dem  Privileg  von  Krakau  der  ausdrück- 
liche Zusatz  gemacht  wird,  daß  in  zweifelhaften  Fällen  das 
geschriebene    Magdeburger    Recht    eingesehen     werden    soll.' 

^  CDPM.  II,  Nr.  439.         »  CDCrac.  I,  Nr.  3. 

'  CDCrac.  I,  Nr.  1 :  ut  si  quando  de  hoc  dubitatum  fuerit,  ad  ius  scriptum 
a  dubitantibus  recurratur. 


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170 

Deshalb  werden  die  deutschen  RechtsbUcher  von  den  deutschen 
Gerichten  in  Polen  verwendet;  daher  hatten  hier  Schöflfen- 
Sprüche^  die  von  Stadtgerichten  in  Deutschland  ausgingen, 
Geltung;  ja  es  wurden  dieselben  Tennine,  welche  das  Magde- 
burger Recht  von  1261  für  die  Burggraf  engerichte  feststellt  (in 
sante  Agcthen  tage,  in  sante  Johannes  tage  des  Hechten,  in 
dem  achtenden  tage  sente  Martenes)  f\ir  die  höheren  Orts- 
gerichte beibehalten.^ 

Erwähnt  sei  noch,  daß  das  deutsche  Gerichtsverfahren  in 
Polen  wie  überhaupt  die  ganze  Rechtsstellung  der  mit  deut- 
schem Recht  bestifteten  Orte  daselbst  keinen  Unterschied  auf- 
wies, mag  nun  dem  Orte  nach  dem  Wortlaute  seiner  Be- 
stiftungsurkunde  kurzwegs  deutsches  Recht  oder  eines  der 
Stadtrechte  von  Magdeburg,  Breslau,  Neumarkt -Szroda  usw. 
verliehen  worden  sein.*  Ferner  mag  noch  hervorgehoben  wer- 
den, daß  das  deutsche  Gerichtsverfahren  den  innersten,  den 
Wandlungen  am  wenigsten  ausgesetzten  Kern  der  auf  deut- 
schem Recht  beruhenden  Freiheiten  polnischer  Orte  ausmachte. 
So  hat  der  Gutsbesitzer  von  Ryczychow  im  Jahre  1487  von 
seinen  Bauern  nach  Landesgewolinheit  wohl  ,tloki'  (unentgelt- 
liche Arbeitstage)  u.  dgl.  gefordert,  aber  er  beließ  ihnen  das 
,iudicium  alias  prawo  Theutonicum^' 

3.  Niedere  Ortsgerichte. 

Die  Gerichtsbarkeit  erster  Instanz  war  in  den  mit  deut- 
schem Recht  bestifteten  Orten  dem  Schulzen  (scultetus)  oder 
Vogt  (advocatus,  voyt)  und  den  Schöffen,  die  auch  Geschworene 
genannt  wurden  (scabini,  iurati,  scheppen)  tiberlassen.*    Besaß 


'  Vgl,  weiter  unten  180. 

'  Für  diese  Gleichwertigkeit  von  ins  Theutonicum  und  ius  Ma^ebur- 
gense  bietet  z.  B.  folgende  Stelle  aus  dem  Privileg  vom  Jahre  1375 
filr  Freistadt-Frysztak  ein  Beispiel:  ipsi  advocati  cum  scabinis  suis  in 
prodicta  ci  vi  täte  prout  ius  Maydeburgense  postulat  et  requirit, 
ipsum  iure  Theutonico  habeant  iudicare,  et  iuxta  penam,  quam  me- 
ruerit,  secundum  ius  Maydeburgense  habeant  punire  ...  advocati 
vero  coram  septem  scultetis  in  civitate  Fristath  non  aliter,  nisi  iure 
Theutonico  Maydeburgensi  respondere  sint  astricti  (CDPM.  III, 
Nr.  869). 

3  AGZ.  IX,  Nr.  96.    Vgl.  X,  Nr.  160. 

*  Der  Ausdruck  iuratus  kommt  selten  vor;  so  in  der  Urkunde  filr  Wietrs- 
nicÄ  vom   Jahre   1317:    scabini   seu    iurati  (CDPM.  II,   p.  L,   Nr.  630); 


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171 

ein  Ort  mehrere  Vögte,  so  wurde  zuweilen  nur  einem  von 
ihnen  die  Gerichtsbarkeit  anvertraut  So  bestimmte  Boleslaw 
der  Schamhafte  in  der  bereits  zitierten  Urkunde  flir  Bochnia 
vom  Jahre  1253  den  Nikolaus,  Sohn  des  Volkmar,  einen  der 
vier  Lokatoren  der  Stadt,  wegen  seiner  ganz  besonderen  Ver- 
dienste zum  erblichen  Richter  und  Vogt  (iudicem  et  advocatum 
constituimus  hereditarie),  ,weil  alle  Rechtsgeschäfte  schneller 
und  besser  durch  einen  als  durch  mehrere  geschUchtet  zu  wer- 
den pflegen*.*  Die  Zahl  der  Schöffen  wird  nur  in  vereinzelten 
Fällen  besonders  festgesetzt.  Unzweifelhaft  war  die  Siebenzahl 
Regel;  daher  auch  zumeist  keine  Bestimmung  getroffen  wurde. 
In  seltenen  Fällen  war  ihre  Zahl  kleiner  oder  größer.  So 
mußten  in  Opalana  (1338)  neben  dem  Schulzen  sechs  Ge- 
schworene der  Gerichtssitzung  zugegen  sein.*  In  Krakau  gab 
es  anfangs  sieben  Schöffen;  aber  im  letzten  Viertel  des  14.  Jahr- 
hunderts stieg  die  Zahl  auf  zehn,  sodann  auf  elf.*  In  Lemberg 
finden  wir  im  Jahre  1413  zwölf  Schöffen.*  Mitunter  scheint 
besonders  in  neugegründeten  Orten  die  Aufbringung  der  nöti- 
gen Anzahl  von  Schöffen  Schwierigkeit  bereitet  zu  haben.  Nur 
so  hat  es  einen  Sinn,  wenn  das  Kloster  Tyniec  als  Gutsherr- 
schaft von  Okulice  fUr  die  daselbst  neubegründete  Schulzei 
folgende  Bestimmung  trifft:  ,Auch  werden  wir  zu  den  Gerichts- 
sitzungen, wenn  es  nötig  sein  wird,  drei  Schöffen  aus  unserem 
Dorfe  Esi^nica  bestimmen;  die  anderen  hat  der  Schulz  aus 
dem  genannten  Dorfe  Okulice  zu  stellen.'^ 

Vögten  und  Schulzen  kam,  wie  im  deutschen  Rechte  über- 
haupt, nur  der  Vorsitz,  nicht  aber  die  Entscheidung  zu;  diese 
wurde  vielmehr  durch  die  Schöffen  getroffen.  Ihre  richterlichen 
Befugnisse  erhielten  Vögte,  Schulzen  und  Schöffen  entweder 
unmittelbar  vom  Landesflirsten   oder   von   den   weltlichen   und 


für  Ciechorzyn  vom  Jahro  1320:  scultetus  median tibus  suis  iuratis 
(ib.  II,  Nr.  579);  für  Przekop  vom  Jahre  1323:  scultetus  cum  suis  iura- 
tis (ib.  n,  Nr.  684);  für  die  Schulzei  im  Walde  bei  Gaben  vom  Jahre 
1333:  scolteti  .  .  .  mediantibus  suis  scabinis  seu  iuratis  (ib.  Nr.  632); 
für  Opalana  vom  Jahre  1338:  scultetus  . .  .  mediantibus  sex  iuratis 
(ib.  m,  Nr.  663). 

»  CDPM.  n,  Nr.  439.        »  Siehe  S.  170,  Anm.  4. 

'  S.  Szujski  und  F.  Piekosidski,  Stary  Krakow,  2.  Aufl.  (Krakau  1901), 
8.  126. 

*  AGZ.  IV,  Nr.  30.        *  CDPol.  UI,  Nr.  176. 


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172 

geistlichen  Gntsherren,  welche  die  ihnen  zustehende  oder  vom 
Fürsten  übertragene  grundherrliche  patrimoniale  Gerichtsbar- 
keit auf  sie  übertrugen.  Ausdrücklich  sei  erwähnt,  daß  die 
weiblichen  Rechtsnachfolger  von  Schulzen  nicht  nur  in  den 
Besitz  ihrer  verschiedenen  Freiheiten  und  Genüsse  traten,  son- 
dern auch  zur  Ausübung  der  Gerichtsbarkeit  berechtigt  werden 
konnten.^  So  heißt  es  in  dem  Privileg  für  Olszana  vom  Jahre 
1317:  ,Und  niemand  soll  die  Bewohner  dieses  Ortes  richten, 
außer  die  Schulzen  und  deren  gesetzliche  Nachfolger  beiderlei 
Geschlechtes/  Vogtei-  und  Schulzeirecht  waren  in  männlicher 
und  weiblicher  Linie  vererbliche  Lehen;  ihre  Inhaber  waren 
nicht  nur  dem  Landesfürsten  und  Gutsherrn  zur  Heerfolge 
verpflichtet,  sondern  es  bestanden  für  sie  auch  besondere 
Gerichte,  welche  ausdrücklich  als  Lehensgerichte  bezeichnet 
werden.* 

Dem  Ortsgerichte  wurde  oft  nur  die  niedere  Gerichtsbar- 
keit anvertraut,  während  der  LandesfUrst  oder  Grundherr  sich 
die  höhere  vorbehielt.  So  hat  Herzog  Heinrich  von  Schlesien, 
der  auch  über  das  Krakauer  Gebiet  eine  Zeitlang  herrschte, 
im  Jahre  1234  dem  Krakauer  Palatin  Theodorus  und  seinen 
Schulzen  die  Gerichtsbarkeit  nach  deutschem  Rechte  über 
seine  Ansiedler  übertragen,  nur  die  Erkenntnis  auf  Todesstrafe 
und  Verstümmlung  der  Glieder  behielt  er  sich  als  Herzogrecht 
vor.*  Im  Jahre  1292  verfügte  die  Herzogin  Griphina  für  die 
Ansiedlung  Na  L§kach,  daß  der  Schulz  Bratcho  über  alle  Ver- 
gehen urteilen  solle,  mit  Ausnahme  der  schweren  Fälle,  als  hand- 
greiflichen Diebstahl,  Raub,  Blutvergießen  und  ähnliche;  über 
diese  behielt  sich  die  Fürstin  die  Entscheidung  vor.*  Ahnlich 
lautete  die  Verfügung  vom  Jahre  1293^  für  Olszana  und  ebenso 
jene  von  1299  für  Mogilno.^  In  der  Urkunde  für  den  letzteren 
Ort  wird  hervorgehoben,  daß  die  Herzogin  sich  und  dem  durch 
sie  vertretenen  Klarissinnenkloster  in  Sandec  jene  Rechtsfölle 
vorbehalte,  ,über  welche  nach  Magdeburger  Recht  das  Dorf  nicht 

*  Man  vergleiche  z.  B.  die  Bestimmung  für  Olszana  vom  Jahre  1317 
(CDPM.  II,  Nr.  568):  noc  aliqnis  babeat  eodem  iudicare,  nisi  prefati 
sculteti  ac  ipsorum  utriusque  sexus  legitimi  successoren. 

*  Vgl.  weiter  unten. 

^  CDPM.  I,  Nr.  15:  excepto  iure  ducali,  quod  est  decisio  capitis  vel  mem- 
brorum  mutilacio. 

*  CDPM.  II,  Nr.  518.         ^  ib.  U,  Nr.  524.         «  ib.  I,  Nr.  132. 


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173 

richten  kann,  also  die  größten  und  schwersten  Verbrechend 
Auch  auf  anderen  Stiftsgütern  wurden  ähnliche  Verfügungen 
getroflfen.  So  bestimmte  z.  B.  der  Abt  des  Zisterzienserklosters 
Szczyrzyc  im  Jahre  1333,  daß  der  Schulz  des  Dorfes  Ludzimirz 
über  alle  Verbrechen  richten  solle,  nur  die  Verstümmlung  der 
Glieder  und  die  Todesstrafe  behielt  sich  das  Kloster  vor.^ 
Genau  so  lautete  auch  die  Bestimmung,  welche  der  Abt  Hein- 
rich dieses  Klosters  im  Jahre  1382  für  den  mit  der  Schulzei 
in  Krauszöw  betrauten  Krakauer  Bürger  Stephan  gab.*  End- 
lich haben  auch  adelige  Grundbesitzer  ähnliche  Verfügungen 
getroflfen.  So  bestimmte  Pribko,  Grundherr  von  GaboÄ,  als  er 
im  Jahre  1325  eine  Siedlung  mit  deutschem  Rechte  begründete, 
daß  die  Ansiedler  nirgends  anders  als  in  ihrem  Dorfe  vor 
ihrem  Richter  nach  deutschem,  und  zwar  Magdeburger  Recht 
gerichtet  werden  durften,  außer  es  würde  der  Rechtsfall  die 
Befugnisse  des  Richters  übersteigen,  dann  sollte  er  vom  Grund- 
herrn untersucht  werden.'  Und  als  Nikolaus  Werzing,  Truch- 
seß  von  Sandomir,  im  Jahre  1359  mit  Rücksicht  auf  die  Dienste 
seines  getreuen  Henzelin  Werzing  und  in  der  Absicht,  auch 
andere  treue  Diener  zu  gewinnen,  seine  Schulzei  im  Dorfe 
Skrynka  diesem  Henzelin  verlieh,  behielt  er  sich  die  Rechts- 
sprechung über  Mord,  Vergewaltigung  von  Jungfrauen  und 
nächtlichen  Einbruch  verbunden  mit  Raub  und  Mord  vor;  doch 
blieb  dem  Richter  das  Recht  gewahrt,  gegen  auf  handfester 
Tat  ergriflfene  Mörder  und  sonstige  Verbrecher  auf  Galgen, 
Köpfung,  Abhauen  von  Händen  und  Füßen,  endlich  auf  das 
Herausreißen  der  Augen  zu  erkennen.* 

In  vielen  Fällen  ist  jedoch  Vögten  und  Schulzen  auch 
das  Urteil  über  schwere  Vergehen  ohne  jede  Einschränkung 
erteilt  worden.  So  hatte  nach  der  Bestimmung  des  Herzogs 
Boleslaw  vom  Jahre  1253  der  zum  Vogt  von  Bochnia  eingesetzte 
Nikolaus  Volkmar  über  alle  Kriminal-  und  Zivilprozesse  zu 
richten,  mögen  sie  klein  oder  schwer  sein,  und  zwar  waren 
seinen  richterlichen  Befugnissen  nicht  nur  die  Bürger  der  Stadt 
unterworfen,  sondern  auch  die  Bewohner  der  benachbarten 
Dörfer,  alle  Fremden,  Kauf-  und  Geschäftsleute,  überhaupt  alle, 
die  zufällig  oder  vorsätzlich  aus  einem  beliebigen  Orte  kamen, 


»  CDPM.  I,  Nr.  194.         »  ib.  I,  Nr.  366.         »  ib.  n,  Nr.  590. 
*  AGZ.  UI,  Nr.  8. 


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174 

mögen  sie  welchem  Berufe  und  welcher  Nation  auch  immer 
angehören,  ritterliche  oder  landesftirstliche  Mannen  sein,  wenn 
sie  nur  dem  weltlichen  Gerichte  unterstanden.  Ausdrücklich 
wird  auch  erwähnt,  daß  die  Knappen  der  Ritter  und  jene  des 
Bergwerks  in  Bochnia  vom  Vogt  zu  richten  seien.  Nur  die 
Adeligen  selbst,  ferner  die  landesfUrstlichen  Verwalter  und  Be- 
amten des  Salzwerkes  gehörten  vor  den  Richterstuhl  des  Für- 
sten, der  sich  überhaupt  bei  persönlicher  Anwesenheit  in  der 
Stadt  die  richterliche  Gewalt  vorbehält.  Auch  unterstanden 
Verbrechen,  welche  im  Bereiche  des  Salzwerkes  selbst,  in  den 
Bergen  oder  Schächten  (intra  montes  seu  sachtas)  und  in  den 
Gewerkshäusem  geschahen,  nicht  dem  Vogte.*  Für  Podolin, 
wo  der  von  Boleslaw  dem  Schamhaften  und  seiner  GemahUn 
überaus  begünstigte  getreue  Heidenrich  Schulz  war,  traf  Her- 
zogin Eunigunde  im  Jahre  1289  die  Bestimmung,  daß  er  über 
alle  Rechtsfalle  zu  richten  habe.*  Ebenso  überließ  im  Jahre 
1319  der  Grundherr  von  Eamie^  seinem  Schulz  Hulmann, 
einem  Krakauer  Bürger,  die  volle  Gerichtsbarkeit  in  diesem 
Dorfe,  wobei  ausdrücklich  Mord,  Diebstahl,  Raub,  Brand- 
stiftung u.  dgl.  als  Verbrechen  genannt  werden,  die  dem  Schulzen- 
gericht unterstehen  und  zu  deren  Sühne  dasselbe  die  Todes- 
strafe verhängen  konnte.'  Diese  Verfügung  findet  sich  beson- 
ders seit  der  Zeit  Kazimierz'  des  Großen  überaus  häufig.  Der 
König  ging  mit  dem  Zugeständnisse  dieser  weitgehenden  Ge- 
richtsbarkeit bei  seinen  Gründungen  voraus.  So  bestimmte  er 
im  Jahre  1342  in  der  Stiftungsurkunde  für  Myölenice,  daß 
kein  polnischer  Richter  über  die  Verbrechen  und  Vergehen 
daselbst  urteilen  dürfe,  nur  die  beiden  Schulzen  Heinko,  Sohn 
des  Wilhelm,  und  Heinko  genannt  Pauli,  und  zwar  nur  nach 
deutschem,  nämlich  Magdeburger  Recht.  Außerdem  wurde 
noch  die  Bestimmung  getroffen,  daß  jeder  Bauer  und  Fremde, 
welcher  mit  Umgehung  des  Ortsgerichtes  sich  an  den  Hof  des 
Königs  mit  einer  Rechtssache  wenden  wolle,  zunächst  im  Dorf- 
gericht ftlnf  Vierdung,  also  I74  Mark  Silber,  erlegen  mußte.* 
In   der  Urkunde  von    1348,   mit   welcher  Johann  Tyznar  zur 


1  CDPM.  n,  Nr.  439.        «  ib.  H,  Nr.  612. 

°  ib.  II,  Nr.  158.    Vgl.  auch  die  Urkunde  der  Gutsbesitzerin  Margarete  fär 

den  Wald  bei  Gabon  (ib.  HI,  Nr.  632). 
*  ib.  ra,  Nr.  671. 


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175 

Gründung  von  Osobnica  befugt  wird,  hebt  Kazimierz  alle  pol- 
nischen Rechte  auf,  so  daß  die  Bewohner  des  genannten  Dorfes 
vor  keinem  polnischen  Gerichte  Rede  zu  stehen  haben,  son- 
dern nur  vor  ihren  Schulzen  nach  deutschem  Recht.  ^  Ahnlich 
lauten  die  Bestimmungen  für  Ci§ikowice  (1348),  Dembowiec 
(1349),  Dzierzaniny  (1351),  Sietnica  (1351),  Kobyle  (1352), 
Mrowla  (1352),  Pilzno  (1354),  :^ukowice  (1354)  usw.«  In  allen 
diesen  Urkunden  wird  immer  wieder  die  Bestimmung  wieder- 
holt, daß  die  Bauern  nur  vor  ihren  Schulzen,  die  Bürger  aber 
vor  ihrem  Vogt  Rede  zu  stehen  haben,'  und  zwar  nach  dem 
ihnen  verliehenen  deutschen  Recht.  Und  diese  Bestimmung 
findet  sich  dann  oft  auch  in  nicht  landesfUrstlichen  Urkunden. 
So  lesen  wir  z.  B.  in  der  Urkunde,  welche  die  Äbtissin  vom 
Elarissinnenkloster  in  Sandec  fUr  Zabrzez  ausstellt:^  ,Wir 
wollen,  daß  niemand  die  Bauern  und  Bewohner  dieser  Dörfer 
zu  richten  wage,  außer  der  Schulz  und  seine  gesetzlichen  Nach- 
folger nach  Magdeburger  Recht,  mag  es  sich  um  schwere  oder 
leichte  Fälle  handeln;  die  Verbrecher  sollen  innerhalb  der 
Ortsgrenze,  wie  es  das  Magdeburger  Recht  bestimmt,  ihre 
Strafe  erleiden.^ 

Entsprechend  diesen  Bestimmungen  durften  Rechtssachen, 
welche  dem  Ortsgerichte  unterstanden,  in  erster  Instanz  bei 
keinem  anderen  anhängig  gemacht  werden.  Über  Bewohner 
von  Orten,  die  mit  deutschem  Recht  ausgestattet  waren,  durften 
also  weder  polnische  Gerichte  urteilen,  noch  durfte  überhaupt 
das  Ortsgericht  umgangen  werden.  Auch  vor  den  König  durfte 
eine  Rechtssache  nicht  gebracht  werden,  bevor  sie  nicht  von 
dem  ordentlichen  Ortsgerichte  behandelt  worden  war.  Darauf 
deutet  schon  die  oben  erwähnte  Verfügung  des  Königs  in  dem 
Privileg  von  Myilenice  vom  Jahre  1342.  Aber  es  sind  auch 
besondere  Fälle  bekannt^  in  denen  Klagen  vom  königlichen 
Gerichte  auf  das  ordentliche  Ortsgericht  zurückgewiesen  wur- 
den. Dies  geschah  besonders,  wenn  Bürger  von  Adeligen 
direkt  vor  dem  königlichen  Gerichte  geklagt  wurden.  So  wurde 
z.  B.  am    12.  Juni    1521    der   Rechts8ti*eit,    welchen    die    edle 


1  CDPM.  in,  Nr.  686. 

»  ib.  m,  Nr.  688,  690,  698,  694,  696,  697,  706,  708. 

^  Villani   (kmethones)   non  alias  nisi  coram  sno  sculteto  .  .  .  cives  et  iu- 

cole  civitatis  coram  advocato  ipsorum. 
*  CDPM.  II,  Nr.  719. 


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176 

Elisabeth  Slyraakowa  gegen  den  Bürgermeister  und  die  Räte 
von  Bochnia  anhängig  gemacht  hatte,  ad  ins  eivile  Magdebor- 
gense  Bochnense,  also  an  das  städtische  Magdeburger  Gericht 
in  Bochnia  zurückgewiesen.^  An  solche  Entscheidungen  konnte 
allerdings  die  Bemerkung  geknüpft  werden,  daß  bei  Rechts- 
verweigerung der  Fall  vor  dem  königlichen  Gerichte  zur  Ver- 
handlung kommen  sollte.  So  wurde  am  26.  August  1518  der 
Prozeß,  den  die  Edelleute  Paul  Dluszki  und  Stanislaw  Wy- 
narszki  gegen  die  Räte  und  Bürger  von  Ropczyce  vor  dem 
königUchen  Gerichte  anhängig  gemacht  hatten,  gemäß  dem 
Privileg  des  Vogts  von  Ropczyce  an  diesen  gewiesen;  zugleich 
wurde  aber  ein  Gerichtstermin  vor  dem  königlichen  Gerichte 
bestimmt,  wenn  den  Klägern  das  Recht  verweigert  werden 
sollte.*  Mitunter  wurde  auch  mit  dem  Verweise  auf  das  deutsche 
Ortsgericht,  auch  auf  den  weiteren  Rechtszug  von  demselben 
an  ein  höheres  deutsches  Gericht  hingedeutet.* 

Für  die  von  dem  Ortsrichter  abgehaltene  Gerichtssitzung 
kommen  in  den  deutsch  geschriebenen  Stadtbüchem  und  Ur- 
kunden die  Bezeichnungen  ding,  voitding,  gehegtes  (gehegetes, 
geheytes)  ding  vor;  in  den  lateinischen  findet  sich  gewöhnlich 
die  Bezeichnung  iudicium  bannitum.* 

Zahlreiche  Akten  dieser  Gerichte  in  deutscher  und  latei- 
nischer Sprache  sind  uns  besonders  aus  Erakau  und  Lemberg 
bekannt.^ 

Von  den  Gerichtseinkünften,  Bußgeldern  u.  dgl.  kam  fast 
ausnahmslos  ein  Drittel  dem  Vogte  oder  Schulzen  zu,  während 
der  Rest  dem  Lehensherrn,  also  dem  Fürsten  oder  Gutsherrn, 
zufiel.  ^ 


*  Star.  Pom.  VI,  Nr.  194.   Man  vergleiche  ebenda  auch  Nr.  37,  82, 191,  247. 

«  ib.  Nr.  146.    Vgl.  auch  Nr.  189.         »  ib.  Nr.  288. 

^  Dafür  findet  man  in  den  zitierten  Urkundenwerken  zahlreiche  Belege. 
So  kommt  der  Ausdruck  ding  und  voitding  häufig  in  dem  deutsch  ge- 
schriebenen Teile  der  LACrac.  I,  S.  4  ff .  vor;  gehegtes  ding  ebenda  und 
AGZ.  IV,  Nr.  41,  43,  44,  46,  48;  iudicium  bannitum  in  LACrac.  I,  S.  48  ff. 
und  AGZ.  IV,  Nr.  62,  78  usw.;  Pomniki  Lwowa  I,  S.  2 ff. 

^  Man  vergleiche  die  in  vorhergehender  Anmerkung  genannten  Quellen. 
Jetzt  vor  allem  noch  St.  Krzy2anowski,  Ksi^gi  lawnicze  krakowskie 
1365—1376  und  1390—1397,  Acta  scabinalia  Cracovien.  (Krakau  1904), 
welches  Werk  mir  noch  nicht  zugänglich  war. 

^  Diese  Bestimmung  findet  man  fast  in  allen  von  uns  zitierten  Urkunden, 
besonders  seit  dem  14.  Jahrhundert. 


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177 


3.  Die  „großen*'  Ortsgeriehte. 

Wie  wir  sahen,  behielten  sich  die  Lehensherren,  mögen  es 
nun  die  LandesfUrsten  oder  weltliche  und  geistliche  Gutsherren 
gewesen  sein,  in  einzelnen  Orten  einen  Teil  der  Gerichtsbar- 
keit vor.  über  diese  Fälle  konnte  aber  der  Lehensherr  nicht 
etwa  willkürlich  urteilen.  Er  war  vielmehr  auch  an  das  deutsche 
Recht  gebunden  und  daher  konnte  die  Urteilsßlllung  nicht  durch 
ihn  selbst  erfolgen,  sondern  mußte  durch  die  Schöffen  im  zu- 
ständigen Ortsgerichte  geschehen.  Daher  behielten  sich  die 
Lehensherren  selbst  in  denjenigen  Fällen,  wo  sie  dem  Vogt 
oder  Schulzen  die  ganze  Gerichtsbarkeit  überließen,  in  der 
Regel  das  Recht  vor,  in  eigener  Person  oder  durch  besonders 
bestimmte  Vertreter  dem  Ortsgerichte  zu  gewissen  Zeiten  vor- 
zusitzen. 

Das  scheint  schon  zur  Zeit  Bolesiaws  des  Schamhaften 
der  Fall  gewesen  zu  sein.  Li  seinem  Freibriefe  für  Krakau 
vom  Jahre  1257  gewährt  er  nämlich  den  Vögten  und  Bürgern 
der  Stadt  die  besondere  Freiheit,  daß  er  ihnen  niemals  einen 
,advocatum  generalem'  vorsetzen  werde,  sondern  zur  Schlich- 
tung wichtiger  Angelegenheiten  entweder  persönlich  erscheinen 
oder  einen  besonderen  Stellvertreter  senden  werde.  ^  Der  ,ad- 
vocatus  generalis'  kann  niemand  anderer  sein  als  der  oben  er- 
wähnte gewöhnliche  Vertreter  des  Landesfllrsten  in  den  Orts- 
gerichten. Sobald  Krakau  durch  den  Aufstand  von  1311/12 
seine  hohen  Vorrechte  zum  Teile  verloren  hatte,  erscheinen 
auch  hier  die  gewöhnlichen  Vertreter  des  Königs  bei  gewissen 
Gerichtssitzungen.  So  wird  hier  in  den  Jahren  1317,  1318 
und  1321  Vilhelmus  provincialis  advocatus  genannt.  Damit  hat 
in  Krakau  das  ,iudicium  magnum',  das  ist  das  höhere  außer- 
ordentliche Ortsgericht  neben  dem  gewöhnlichen  ,iudicium  ci- 
vitatis', dem  Stadtgericht  des  Vogtes,  Eingang  gefunden.  Schon 
am  18.  November  1312  fand  ein  iudicium  magnum  statt,  bei 
dem  sich  der  Einfluß  des  Herzogs  in  besonderer  Weise  be- 
merkbar macht,  und  seit  dieser  Zeit  verzeichnet  das  Stadtbuch 
oft  seine  Abhaltung.*  Wenn  es  zum  Jahre  1324  in  den  Stadt- 


'  CDCrac.  I,  Nr.  1. 

«  LACrac.  I,  Nr.  262,  404,  494,  632—633,  635.  Gleich  beim  ersten  iudi- 
cium magnum  zeigt  sich    der  große  EinfluB  des  Herzogs.    Mit  dieser 
ArcMT.   XCY.Band.   I.  H&lfte.  12 


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178 

büchern  heißt,  daß  der  Vogt  Geras  beide  Gerichte  (utrumque 
iudicium)  auf  Befehl  des  Königs  hielt,  so  geht  aus  weiteren 
Aufzeichnungen  hervor,  daß  es  sich  um  die  Abhaltung  des  iu- 
dicium civitatis  Cracovie  und  des  iudicium  provinciale  handelte, 
welches  letztere  wieder  dem  iudicium  magnum  entspricht^  Im 
Jahre  1336  wurde  in  Krakau  dieses  iudicium  provinciale  durch 
den  advocatum  provincialem  videlicet  Henricum  Schere  abge- 
halten, neben  dem  der  Vogt  Hanko  und  sieben  Schüjffen  saßen.^ 
In  einem  undatierten  Spruche  der  ,scheppen  der  stat  Crokaw^ 
wird  neben  dem  ,hegetim  dinge',  in  welchem  ,der  foyt  rechtis 
pflegit',  von  ,den  dreyen  grossin  dingen',  ,so  der  bor^roffe  das 
ding  siezet'  gesprochen.*  Es  sind  dies  also  die  ,di-ü  bötding' 
des  Magdeburger-Breslauer  Rechtes,  denen  der  ,burchgrave' 
vorsitzt  und  die  zu  denselben  Terminen  stattfinden/ 

Auch  in  Dörfern  ist  dieses  höhere  Ortsgericht  unter  der 
Leitung  eines  fürstlichen  Boten  schon  im  13.  Jahrhunderte 
nachweisbar.  So  bestimmt  Herzogin  Kunigunde  im  Jahre  1268 
für  das  Gebiet  von  Sandec,  daß  ihr  Richter  (iudex  noster) 
dreimal  jährlich  in  dieses  kommen  und  über  die  schweren 
Rechtssachen  zu  Gerichte  sitzen  werde. ^  Im  Jahre  1337  er- 
scheint ein  ,Petrmannus  provincialis  (advooatus  oder  iudex)  iu- 
diciorum  villarum  in  terra  Cracoviensi  in  iure  Thewtunico', 
also  der  Provinzialvogt  für  die  Gerichte  der  Dörfer  mit  deut- 
schem Rechte  im  Krakauer  Gebiete.^  Der  deutsche  Titel  dieses 
Beamten  war  Landvogt  (lantwojt,  polonisiert  landwöjt),  der 
schon  im  14.  Jahrhunderte  bezeugt  ist  und  noch  Jahrhunderte 
später  in  Polen   vorkommt.''     Oben   haben   wir   schon   die  Be- 


Eintragung beginnt  auch  der  lateinische  Text  de«  Krakauer  Stadtbuches, 
bis  dahin  ist  er  deutsch.  Ob  dieser  Wechsel  der  Sprache  in  einer  Be- 
ziehung zur  Niederdrückung  des  Aufstandes  steht,  möge  dahingestellt 
bleiben.     Er  wird  von  polnischen  Gelehrten  angenommen. 

1  LACrac.  I,  Nr.  703—704  und  70G.    «  ib.  Nr.  1194. 

"  E.  Kalu2niaki,  Die  polnische  Rezension  der  Magdeburger  Urteile  und 
die  einschlHgigen  deutschen,  lateinischen  und  czechischen  Sammlungen. 
Wiener  Sitzungsberichte  CXI  (1886),  S.  90.  Ähnlich  in  dem  yon  Stobbe 
mitgeteilten  Schöffenspruch  ( Zeitsclirift  f.  Rechtsgeschichte X  [1872]  8. 86  f.). 

*  Vgl.  oben  S.  170  und  unten.       ^  CDPM.  II,  Nr.  474.         •  ib.  III,  Nr.  650. 

'  CDPM.  III,  Nr.  668  aus  dem  Jahre  1342:  provincialis,  qui  landwoyt 
dicitur,  .  .  .  nun  plus  nisi  tribus  vicibus.  —  Ib.  Nr.  967  aus  dem  Jahre 
1370:  advocjitus  provincialis,  qui  lanthwoyth  dicitur.  —  Aus  dem 
16.  Jahrhundert  bieten  eine  Fülle  Belege  die  Font  Hist  Ukraino-russ., 


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179 

Zeichnung  Burggraf  kennen  gelernt.  Andere  Bezeichnungen 
sind:  provincialis  iudex/  assessor,*  nuncius,^  nuncius  vel  pro- 
curator.*  Die  Mannigfaltigkeit  dieser  Titel  erklärt  sich  aus 
dem  Umstände,  daß  zu  diesem  Geschäfte  durchaus  nicht  immer 
ein  eigener  hierzu  bestimmter  Beamter  benützt  wurde;  vielmehr 
konnte  dazu  entweder  der  Hofrichter  entsendet  werden,  über 
welchen  noch  weiter  unten  die  Rede  sein  wird,  oder  eine  an- 
dere Vertrauensperson  des  Lehensherrn  oder  der  Bürger.  Na- 
türlich Heß  sich  durch  solche  Stellvertreter  in  der  Regel  nur 
der  Landesfterst  oder  ein  über  viele  Güter  und  Dörfer  gebie- 
tendes Stift  vertreten;  der  kleinere  Gutsbesitzer  besorgt  selbst 
den  Vorsitz  in  den  ohnehin  nur  selten  wiederkehrenden  Ge- 
richtssitzungen über  wichtigere  Angelegenheiten. 

Diese  Gerichtstage  wurden  zum  Unterschiede  von  den  ge- 
wohnlichen,  große  Gerichte  (magna  iudicia),  ,grose  ding',  ,ehliche 
odir  echte  ding',  ,grose  ehliche  ding*  oder  Provinzialgerichte  (iu- 
dicia provincialia)  genannt.^  Letztere  Bezeichnung  ist  nicht 
so  aufzufassen,  als  ob  sich  diese  Gerichte  auf  eine  ganze  Pro- 
vinz erstreckten;^  vielmehr  waren  es  auch  nur  Ortsgerichte, 
die  diesen  Namen  nur  deshalb  führten,  weil  ihnen  der  pro- 
vincialis iudex  vorsaß,  der  eben  der  Vorsitzende  in  allen  diesen 
Gerichten  desselben  Gebietes  war.  Auch  die  Bezeichnung 
,iudicium  provinciale  et  magnum'  war  üblich.'  Ebenso  kommt 
die  Bezeichnung  ,feierliches  Gericht'  (solemniora  iudicia)  vor.® 
Mitunter  wird  dieses  Gericht  auch  iudicium  (oder  coUoquium) 
generale  genannt,  weil  der  iudex  provincialis  auch  generalis 
hieß.  » 

Im  Gegensatze  zu  den  gewöhnlichen  nach  Bedarf  vom 
Ortsrichter  abgehaltenen  Dingen  fanden  die  höheren  nur 
dreimal  jährlich  an  regelmäßig  wiederkehrenden  Terminen  statt. 


(hrgb.  von  M.  Hruszewskyj,  Lemberg),   Bd.  I — III  und  VII  (vgl.  den 

Index  EU  III  und  VII).   —  Aus  dem   17.  Jahrhunderte  siehe  AGZ.  X, 

Nr.  4693  und  6343  (au»  dem  Jahre  1699). 
>  CDPM.  n,  Nr.  648,  Jahr  1336.        «  ib.  H,  Nr.  630,  Jahr  1317. 
»  ib.  U,  Nr.  660,  Jahr  1313  und  HI,  Nr.  686,  Jahr  1348. 
*  ib.  m,  Nr.  869,  Jahr  1376.  *  Belegstellen  im  Texte  und  bei  Stobbe  a.a.O. 
^  Es  gab,  wie  schon  oben  bemerkt  wurde,  in  Polen  keine  allgemeinen 

deutschen  Landesgerichte  niederer  Instanz. 
'  LACrac.  I,  Nr.  768  und  868.         »  Siehe  unten  im  Texte. 
»  CDPM.n,  Nr.  598;  HI,  Nr.  816,869;  Cath.  Crac.  CD.  I,  Nr.  173,  179,  180. 

12* 


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180 

ohne  daß  sie  besonders  erst  angekündigt  werden  mußten.  Als 
Termine  werden  genannt:  der  Tag  der  heil.  Agathe  (5.  Februar); 
am  dritten  Tage  nach  Johannes  dem  Täufer,  was  nach  mittel- 
alterlicher Zählung  den  26.  Juni  bedeutet,  also  das  Fest  Jo- 
hannes und  Paulus,  das  als  Termin  dieser  Gerichte  z.  B.  in 
Krakau  genannt  wird;^  endlich  in  der  Oktav  des  heil.  Martin 
(18.  November). 

Der  Schulz  oder  Vogt  hatte  gewöhnlich  die  Verpflichtung, 
den  zu  diesen  Gerichtssitzungen  erschienenen  Vorsitzenden  zu 
einem  der  drei  Gerichtstermine  zu  verpflegen,  während  den 
anderen  Bewohnern  diese  Pflicht  an  den  zwei  übrigen  oblag.' 

Im  14.  Jahrhundert  waren  die  geschilderten  Einrichtungen 
ganz  allgemein  verbreitet.  So  bestinmit  Kazimierz  der  Große  in 
der  bereits  zitierten  Urkunde  für  Myölenice  vom  Jahre  1342,  daß 
der  Kastellan  von  Krakau  ,seinen  besonderen  Mann'  (hominem 
suum  specialem)  zum  ,großen  Gericht'  entsenden  werde,  welches 
die  Schulzen  nach  der  Gewohnheit  dreimal  jährlich  zu  halten 
verpflichtet  sind;  die  Bauern  sollen  demselben  für  zwei  Mahl- 
zeiten (pro  duobus  prandiis)  bloß  eine  Mark  zahlen,  die  Schulzen 
für  die  dritte  eine  halbe  Mark,  doch  erst  nach  Ablauf  ihrer 
Freijahre.*  Nach  der  Urkunde  für  Osobnica  vom  Jahre  1348 
entsendet  der  König  zu  den  großen  Gerichten  einen  ,nuntius', 


«  LACrac,  Nr.  440,  636,  706,  768,  1011,  il94.  Auch  die  anderen  Ter- 
mine kommen  in  den  Krakauer  Gerichtsbüchem  vor,  so  der  Agathen- 
tag, a.  a.  0.,  Nr.  868  und  die  Oktav  des  Martinstages  ebenda  Nr.  986 
und  1124.  Daß  das  magnum  iudicium  in  Krakau  an  drei  Terminen 
stattfand,  bezeugt  auch  die  Urkunde  des  Abtes  von  Tyuiec  vom  Jahre 
1327  (CDPM  I,  Nr.  176).  Höchst  interessante  Belehrung  über  diese 
Gerichte  und  die  bei  denselben  in  Krakau  üblichen  Taxen  bietet  fol- 
gender Schöffenspruch,  der  leider  nicht  datiert  ist  (Kaluiniacki, 
a.  a.  O.,  S.  90  des  Separatdruckes):  Doruff  spreche  wir  scheppen  der 
stat  Crokaw  eyn  recht:  wenne  der  foyt  rechtis  pflegit  in  hegetim  dinge 
adir  sust,  alle,  dy  ym  bussevellig  werdin,  dy  wettin  ym  nicht  wenne 
VIII  Schillinge  holler,  dy  do  genge  (gangbar)  sint.  Sundir  in  den  dreyen 
groRsin  dingen,  dy  sint  eynis  am  sinte  Johannistag  vnd  an  sinte  Paulus- 
tag, das  andere  ding  das  ist  noch  sinte  Martintag  an  dem  achtin  tage, 
das  dritte  ding  an  sinte  Agathentag,  so  der  borggroffe  das  ding  siezet 
vnd  alzolange,  alz  her  siezet,  so  ist  dy  busse  XXX  Schillinge  hellir. 
Wenne  aber  der  borggroffe  uffgestet,  so  ist  dy  busse  nicht  mir  denne 
VIII  Schillinge  heller,  dy  geng^  synt,  von  rechtis  wegen. 

^  Siehe  die  folgenden  Belegstellen  im  Texte. 

»  CDPM.  m,  Nr.  671. 


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181 

dem  flir  jede  Mahlzeit  sechs  Skot,  also  eine  Viertelmark  zu 
zahlen  sind.^  Ebenso  lautet  die  Bestimmung  von  Cieikowice 
von  demselben  Jahre  (1348).*  In  der  Urkunde  für  die  Stadt  Dem- 
bowiec  (1349)  verspricht  der  König,  die  iudicia  magna  entweder 
selbst  zu  leiten  oder  seinen  procurator  zu  schicken ;  hier  wurden 
flir  jede  Mahlzeit  acht  Skot  oder  eine  Drittelmark  gezahlt.^ 
In  der  Urkunde  flir  Sietnica  (1351)  wird  freigestellt,  dem  nun- 
cius  entweder  die  drei  Mahlzeiten  zu  geben  oder  flir  jede  als 
Ablösung  sechs  Skot  zu  entrichten.*  Ebenso  lautet  die  Be- 
stimmung flir  Kobyle  (1352).^  In  der  Urkunde  flir  Mrowla 
(1352)  wird  ausdrücklich  bestimmt,  daß  der  Schulz  und  die 
Dörfler  erst  nach  Ablauf  der  Freijahre  den  königlichen  Mann 
und  Bevollmächtigten  (hominem  nostrum  seu  procuratorem)  zur 
Veranstaltung  der  großen  Gerichte  dreimal  im  Jahre  aufzunehmen 
haben.*  Ahnlich  lauten  die  Bestimmungen  in  vielen  anderen 
Urkunden  der  Landesflirsten,  wobei  noch  ausdrücklich  daran 
erinnert  werden  möge,  daß  in  allen  aufgezählten  Fällen  der 
Fürst  sonst  die  ganze  Gerichtsbarkeit  dem  Vogte  oder  Schulzen 
überließ. 

Ebensolche  Verfllgungen  treffen  auch  z.  B.  die  Äbtissinnen 
des  flirstlich  ausgestatteten  Klarisserinnenklosters  in  Sandec.  So 
bestimmt  die  Äbtissin  Katharina  im  Jahre  1313  flir  Mokra  Dq- 
browa,  daß  alle  Bewohner  in  diesem  Dorfe  durch  ihren  Schulzen 
und  die  Schöffen  gerichtet  werden.  Doch  sollen  dreimal  jähr- 
lich iudicia  provincialia  unter  dem  Vorsitze  des  klösterlichen 
nuncius  stattfinden,  vor  denen  alle  großen  und  kleinen  Rechts- 
fiQle  nach  Magdeburger  Recht  geschlichtet  werden  sollen.  Den 
Boten  hatte  am  ersten  Gerichtstage  in  der  Oktav  des  heil. 
Martin  der  Schulz  zu  verpflegen;  an  beiden  anderen,  am  Tage 
der  heil.  Agathe  und  am  dritten  Tage  nach  Johannes  dem 
Täufer,  hatten  die  Dörfler  diese  Pflicht.''  In  ihrer  Urkunde 
flir  Wietrznica  vom  Jahre  1317  nennt  Katharina  diese  Gerichte 
iudicia  magna  und  ihren  Vertreter  bei  denselben  assessor.  ®  Die- 
selbe Äbtissin  bestimmt  flir  Olszana  im  Jahre  1317,  daß  die 
zwei  Schulzen  des  Dorfes  die  drei  feierlichen  Gerichtssitzungen 
(iudicia  solempniora)   ohne  ihren   Boten   (nostro  nuncio)  nicht 


>  CDPM.  m,  Nr.  686.        •  ib.  Nr.  688.        •  ib.  Nr.  690. 

*  ib.  Nr.  694.         »  ib.  Nr.  696.         •  ib.  Nr.  697.         '  ib.  II,  Nr.  560. 

•  ib.  Nr.  630. 


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182 

abzuhalten  wagen;  die  schwersten  Verbrechen  wurden  übrigens 
in  diesem  Dorfe  ausdrücklich  dem  Hofgerichte  vorbehalten.^ 
Dagegen  überließ  die  Äbtissin  Budislawa  im  Jahre  1323  dem 
Schulzen  von  Przekop  auch  die  Aburteilung  der  schweren  Ver- 
brechen; die  Verfügungen  über  die  ,großen'  Gerichtssitzungen 
werden  aber  ebenso  getroffen,  doch  mit  dem  ausdrücklichen 
Zusätze,  daß  dieselben  erst  nach  Ablauf  der  Freijahre  zu  halten 
sind.  *  Schließlich  mag  nur  noch  die  Bestimmung  der  Äbtissin 
Katharina  vom  Jahre  1330  für  das  Dorf  Kamienica  ausführ- 
licher angeführt  werden.'  Darnach  durften  die  schweren  Ver- 
brechen ohne  den  klösterlichen  nuntius  nicht  gerichtet  werden ; 
die  feierlichen  Gerichte  (solemniora  ludicia)  wurden  von  den 
provinciales  iudices  oder  eben  den  nuncii  geleitet;  die  Ver- 
fügung über  die  drei  Termine  und  über  die  Verpflegung  der 
Boten  bleiben  immer  dieselben.  Ahnliche  Bestimmungen  ent- 
halten auch  die  Urkunden  für  Tylmanowa  (1336),  Dlugol^ka 
(1357)  und  Zabrzez  (1358).*  Auch  andere  Klöster  trafen  ähn- 
liche Verfügungen.  So  bestimmt  Abt  Konrad  des  Zisterzienser- 
klosters Koprzywnica  für  die  Vogtei  in  Freistadt  (Frysztak)  im 
Jahre  1375,  daß  er  seinen  nuncius  vel  procurator  dreimal  im 
Jahre  senden  werde,  damit  er  die  generalia  vel  magna  iudicia 
halte;  auch  hier  hatten  die  Vögte  fiir  die  Verpflegung  der  Send- 
boten an  einem  Termine,  die  Bürger  an  zwei  Terminen  zu 
sorgen.*»  Im  Jahre  1378  trifft  derselbe  Abt  für  das  Dorf  Wie- 
trznowa  wola  die  gleiche  VerfUgung.^  Bemerkt  sei,  daß  in 
beiden  Fällen  sonst  dem  Vogte  und  Schulzen  auch  die  Ge- 
richtsbarkeit über  schwere  Verbrechen  nach  Magdeburger  Recht 
eingerämt  war. 

Endlich  trafen  auch  adelige  Grundbesitzer  dieselben  Be- 
stimmungen über  die  höheren  Ortsgerichte.  So  bestimmt  Pribko 
von  Gaboö,  der  sich  die  oberste  Gerichtsbarkeit  vorbehalten 
hatte,  im  Jahre  1325,  daß  er  selbst,  wie  das  deutsche  Recht 
fordert,  dreimal  im  Jahre  dem  Gerichte  Vorsitzen  werde;  zwei- 
mal sollte  ihm  der  Schulz  zusammen  mit  den  Bauern  die  Ver- 
pflegung   reichen,    während    das    drittemal    ihnen    diese    Ver- 


*  CDPM.  n,  Nr.  568.         «  ib.  Nr.  684. 

•  ib.  Nr.  601.    Vgl.  dazu   die  Urkunden  für  Ciechorzyn  vom  Jahre  1320, 
ib.  Nr.  579. 

»  ib.  m,  Nr.  648,  714,  719.         »  ib.  Nr.  869.         «  ib.  Nr.  904. 


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183 

pflichtung  nachgesehen  werden  sollte.*  Acht  Jahre  später 
(1333)  gestand  die  Mutter  dieses  Grundherrn  bei  der  Be- 
siedlung eines  benachbarten  Waldes  dem  Schulzen  Nikolaus 
und  seinem  Sohne  Werner  die  volle  Gerichtsbarkeit  zu;  über 
die  drei  großen  Gerichtstage  und  deren  Termine  wurden  aber 
dieselben  Bestimmungen  getroffen.*  Auch  die  Grundherren  von 
Opalana  ordneten  die  drei  großen  Gerichtstermine  an,  nur  daß 
statt  der  Oktav  des  heil.  Martin  jene  des  heil.  Franz  (11.  Ok- 
tober) genannt  wird,*  Schließlich  sei  nur  noch  auf  die  Ur- 
kunde des  Erbvogtes  Paul  von  Sandec  vom  Jahre  1464  fiir 
seine  Dörfer  Mszalnica  und  Cienawa  hingewiesen.*  Auch  er 
bestimmt,  daß  die  Bauern  und  alle  Bewohner  dieser  Ort- 
schaften nur  in  denselben  von  ihren  Schulzen  und  nur  nach 
Magdeburger  Kecht  gerichtet  werden  dürfen.  Die  drei  großen 
Gerichtssitzungen  sollten  gewohnheitsgemäß  stattfinden ;  der 
Schulz  habe  dem  Grundherrn  und  seinen  Nachfolgern  für  die 
Verpflegung  eine  Vierdung  (eine  Viertelmark),  die  Bauern 
aber  zwei  Vierdung  zu  reichen.  Bemerkt  sei  noch,  daß  dieses 
Privileg  später  in  den  Jahren  1530  und  1611  bestätigt  wurde.* 
Am  Schlüsse  dieser  Ausführungen  über  die  großen  Ge- 
richtstage, die  übrigens  samt  ihren  Terminen  sich  an  deutsche 
Einrichtungen  anlehnen,  sei  noch  folgendes  bemerkt  Es  sind 
schon  oben  Urkunden  angeführt  worden,  welche  bestimmten, 
daß  diese  feierlichen  Gerichtssitzungen  erst  nach  dem  Ablaufe 
der  den  einzelnen  Orten  bei  ihrer  Bestiftung  gewährten  Frei- 
jahre stattfinden  sollen.  Da  die  Ansiedler  während  der  Frei- 
jahre von  allen  Lasten  enthoben  waren,  so  konnten  sie  auch 
nicht  zur-  Verpflegung  des  Sendboten  verhalten  werden.  So 
bestimmt  z.  B.  auch  König  Eazimierz  in  der  Urkunde  flir 
Borek  vom  Jahre  1350,  daß  in  diesem  Orte  kein  Bote  oder 
Richter  (nuncius  sive  iudex)  des  Königs  einem  Gerichte  bei- 
zuwohnen habe,  solange  die  Freijahre  währen.^  Ebenso  be- 
stimmt im  Jahre  1343  der  Krakauer  Bischof  Johann  Groto, 
daß  der  Schulz  Heinmann  von  Chelm,  dem  er  zwanzig  Frei- 
jahre bewilligt  hatte,  in  den  ersten  zehn  Jahren  allein  dem 
Gerichte  versitzen  und  alle  Strafgelder  in  Empfang  nehmen 
sollte;  erst  nach  Verlauf  dieser  ^ehn  Jahre  hatte  er  den  bischöf- 


»  CDPM.  n,  Nr.  590.        »  ib.  HI,  Nr.  632.        •  ib.  Nr.  652. 

*  CDPol.  UI,  Nr.  220.       »  ib.  in  der  Anm.         «  CDPM.  I,  Nr.  229. 


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184 

liehen    procurator   dreimal   im  Jahre   zu   den  generalia  iudicia 
aufzunehmen  und  gebührend  zu  verpflegen.^ 

Schriftliche  Aufzeichnungen  dieser  Gerichte  sind  nur  in 
verhältnismäßig  geringer  Zahl  bekannt;  die  meisten  rühren  aus 
den  älteren  Stadtbüchern  von  Krakau  her.* 

i.  Die  Hofgerichte  (sogenannte  Lehensgerlehte  und 
Obergerichte). 

Das  Ortsgericht,  welches  wir  bisher  kennen  gelernt  haben, 
genügte  aber,  mag  es  vom  Vogte  oder  Schulzen  oder  auch 
vom  Lehensherrn  und  dessen  Stellvertreter  geleitet  worden 
sein,  nicht  für  alle  Rechtsfalle.  Abgesehen  davon,  daß  der 
Grundherr  sich  die  höhere  Gerichtsbarkeit  auch  über  das 
,große  Gericht'  hinaus  vorbehielt  —  man  vergleiche  z.  B.  die 
oben  angeführte  Bestimmung  für  Olszana  vom  Jahre  1317  *  — 
haben  noch  verschiedene  andere  Umstände  das  lehensherrliche 
Hofgericht  notwendig  gemacht.  So  haben  vor  allem  Rechts- 
fklle,  welche  zwischen  den  Bewohnern  eines  mit  deutschem 
Rechte  bestifteten  Ortes  und  anderen  Leuten  vorfielen,  Schwierig- 
keiten bereitet,  denen  man  unter  anderem  auf  die  Weise  vorzu- 
beugen suchte,  daß  sie  vom  Lehensherm  entschieden  werden 
sollten.  Es  bestimmte  z.  B.  im  Jahre  1289  die  Herzogin -Witwe 
Kunigunde,  damals  bereits  Nonne  in  Sandec,  bei  einem  im 
Orte  Podgrodzie  zwischen  ihr  und  dem  Magister  und  Medikus 
Radslaw  verabredeten  Tauschgeschäfte,  daß  bei  Streitigkeiten 
zwischen  ihren  und  seinen  Bauern  dieselben  schriftlich  vor  die 
Richter  des  Klosters  geladen  und  nach  deutschem  Rechte  ge- 
richtet werden  sollen.*  Ebenso  erforderten  Rechtsfälle,  bei 
denen  Adelige  beteiligt  waren,  besondere  Bestimmungen.  So 
wurde  schon  im  Freibriefe  von  Bochnia  vom  Jahre  1253  ver- 
ordnet, daß  der  Fürst  sich  die  Gerichtsbarkeit  über  die  Rechts- 
streitigkeiten mit  Adeligen  vorbehalte.  Die  Krakauer  verloren 
ihr  im  Jahre  1306  erworbenes  außerordentliches  Privileg,^  selbst 
Adelige,   welche   in   der   Stadt   Schulden   gemacht  hatten  oder 


»  CathCracCD.  I,  Nr.  173. 

•  LAOrac.  I.  Ferner  die  Urkunden  vom  19.  Jänner  1403,  welche  Michael, 

iudex  provincialis,  und  die  sieben  Schöffen  von  Krosno  in  dieser  Stadt 

ausstellten.    AGZ.  HI,  Nr.  78. 
»  Siehe  oben  S.  181  f.  *  CDPM.  H,  Nr.  613. 

«  CDCrac.  I,  Nr.  3, 


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185 

bei  einem  Verbrechen  ertappt  worden  waren,  vor  ihren  Richter- 
stuhl zu  ziehen,  und  bei  der  Erneuerung  ihres  Stadtrechtes  im 
Jahre  1358  wurde  bestimmt/  daß  jeder  einheimische  Pole  für 
einen  in  der  Stadt  verursachten  Schaden  oder  Todschlag  nur 
von  seinem  Gerichte  oder  dem  Fürsten  nach  polnischem  Rechte 
belangt  werden  konnte;  ferner  sollte  der  Bürger,  welcher  einen 
Ritter  oder  Adeligen  verwundete  oder  tötete,  von  dem  Herzoge 
oder  dessen  Stellvertreter  unter  Beiziehung  von  mindestens 
zwei  Ratsherren  oder  Bürgern  der  Stadt  nach  deren  Recht  ge- 
richtet werden.  König  Wladyslaw  11.  erteilte  im  Jahre  1420 
der  Stadt  Krosno,  um  sie  gegen  Schäden  durch  Adelige  und 
deren  Anhänger  zu  schützen,  die  Freiheit,  in  allen  RechtsfUllen 
alle  Personen  zu  richten;  das  Urteil  über  eine  Verwundung 
oder  Tötung  eines  Adeligen  im  Stadtgebiete  behielt  er  aber 
sich  und  seinem  Gerichte  vor.*  Diese  Bestimmung  wurde  auch 
vom  Könige  Siegmund  August  im  Jahre  1562  bestätigt.'  Das 
grundherrliche  Gericht  mußte  femer  in  allen  Fällen  einschreiten, 
wenn  das  Ortsgericht  lässig  war  und  sich  Rechtsverweigerungen 
zuschulden  kommen  ließ,  und  der  Landesfürst  mußte  über- 
dies in  allen  Fällen  seine  richterliche  Befugnis  als  Oberlehens- 
herr geltend  machen,  wenn  auch  der  Grundherr  seinen  Pflichten 
nicht  nachkam  oder  der  Fürst  diesem  überhaupt  nicht  die 
ganze  Gerichtsbarkeit  überlassen  hatte.  So  traf  im  Jahre  1308 
der  Herzog  Wladyslaw  Lokietek  für  die  Besitzungen  des 
Klosters  Szczyrzyc  die  Bestimmung,  daß  die  Bewohner  dieser 
Orte  auf  schriftliche  Ladung  vor  dem  Hofrichter  zu  erscheinen 
haben,  wenn  die  Schulzen  und  die  Mönche  in  der  Erfüllung 
ihrer  Pflicht  lässig  sein  sollten.*  Derselbe  Fürst  bestimmt  in 
einer  Urkunde  vom  Jahre  1329  für  Luslawice,  daß  die  Schulzen 
über  alle  Bewohner  in  allen  RechtsfUllen  zu  urteilen  hätten; 
sollten  sie  aber  jemandem,  der  über  Bewohner  ihres  Ortes 
Klage  führt,  Recht  zu  schafi*en  versäumen,  dann  hatten  sich 
die  Beklagten  vor  dem  Fürsten  (coram  nobis)  auf  dessen  schrift- 
lichen Befehl  einzufinden  und  waren  von  diesem  nach  deutschem 
Rechte  zu  richten.  ^    Ebenso  überließ  der  König  Kazimierz  der 


*  CDCrac  I,  Nr.  32.   Vgl.  auch  die  Bestimmungen  des  Bestiftungsprivilegs 
vom  Jahre  1267  (ib.  Nr.  1). 

«  AGZ.  m,  Nr.  88.        •  ib.  Nr.  174. 

*  CDPM.  n,  N.  646.        »  ib.  I,  Nr.  182. 


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186 

Große  im  Jahre  1357  der  Stadt  Czchöw  die  ganze  Gerichts- 
barkeit; wenn  jedoch  der  Vogt  und  die  Schö£fen  nachlässig 
und  ungerecht  sein  würden  und  das  Urteil  der  Schöffen  ange- 
fochten werden  sollte,  dann  würden  die  Bürger  vor  das  könig- 
lich deutsche  Gericht  in  Krakau  (iudicium  nostrum  theutoni- 
cum  Cracoviense)  gerufen  werden.*  Denselben  Zweck  verfolgt 
Königin  Elisabeth,  wenn  sie  der  Bestimmung,  daß  den  Vögten 
und  Schulzen  die  ganze  Gerichtsbarkeit  über  ihre  Ortssassen 
überlassen  sei,  die  Bemerkung  hinzuftigt:  ,nach  des  polnischen 
Reiches  Gewohnheit  und  mit  demselben  Rechtsvorbehalte,  wie 
es  zur  Zeit  des  Königs  Kazimierz  üblich  gewesen^  *  Und  König 
Wladyslaw  IL  fügt  bei  ähnlichen  Veranlassungen  hinzu,  daß  er 
sich  alle  seine  königlichen  Rechte  wahre.* 

Vor  allem  mußten  sämtliche  die  Vögte  und  Schulzen  selbst 
betreffenden  Rechtssachen  vor  dem  Lehensherm  abgewickelt 
werden,  mag  nun  dieser  der  Landesfürst  oder  ein  weltlicher 
oder  geistlicher  Gutsbesitzer  gewesen  sein.  So  bestimmt  der 
Herzog  Boleslaw  im  Jahre  1253  für  Bochnia,  daß  der  Vogt 
und  seine  Nachfolger  mit  ihren  Gehilfen  (ministri)  sich  nur 
vor  ihm  nach  deutschem  Rechte  und  auf  seine  schriftliche 
Ladung  zu  verantworten  haben,  und  zwar  imter  Beiziehung 
von  Beisitzern  oder  Schöffen  (assessores  seu  scabini),  welche 
des  deutschen  Rechtes  kundig  sind.  Im  Streite  mit  Adeligen 
wird  dem  Vogte  vor  dem  fürstlichen  Richterstuhle  gleiches 
Recht  zugesichert.*  Im  Jahre  1306  verfügte  Lokietek,  daß 
über  Klagen  gegen  einen  der  Krakauer  Vögte  nur  der  von 
ihm  entsandte  Richter  (iudex  noster)  in  der  Stadt  nach  deren 
Rechte  zu  richten  habe.*  In  den  zahlreichen  Urkunden  des 
Königs  Kazimierz  des  Großen  findet  man  regelmäßig  neben 
der  Verfügung,  daß  die  Bewohner  der  landesfürstlichen  Orte 
vor  dem  Vogte  oder  Schulzen  ihren  Gerichtsstand  haben,  die 
weitere  Anordnung,  daß  die  Vögte  und  Schulzen  nur  vor  dem 


1  CDPM.  I,  Nr.  249. 

'  ib.  m,  Nr.  909:  secundum  regni  Polonie  consuetudinem  alias  Serenis- 
simi .  .  .  Kazimiri  .  .  .  conservatam.  Vgl.  auch  Nr.  910  u.  912.  Alle 
zitierten  Urkunden  sind  aus  dem  Jahre  1379. 

*  AGZ.  n,  Nr.  24,  vom  Jahre  1397:  iuribos  tarnen  nostris  regalibus  in 
Omnibus  semper  salvis. 

*  CDPM.  n,  Nr.  439. 
5  CDCrac.  Nr.  3. 


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187 

Könige/  ßeinem  Richter,^  seinem  Generalprokurator, ^  dem  dazu 
bestimmten  Starosten  (capitaneus)*  oder  endlich  dem  könig- 
lichen deutschen  Gerichte^  nach  ihrem  deutschen  Rechte  sich 
zu  verantworten  haben,  und  zwar  stets  nur  über  schriftliche, 
mit  dem  königlichen  Siegel  versehene  Ladung.  Ahnlich  lauten 
die  Bestimmungen  anderer  Landesfürsten.  ^  Aber  nicht  nur 
über  die  landesfürstlichen  Vögte  und  Schulzen,  sondern  auch 
über  diejenigen  auf  adeligen  und  geistlichen  Gutem  nahmen 
die  Könige  die  oberrichterliche  Macht  in  Anspruch,  wie  auch 
über  die  Gutsherren  selbst.  So  bestimmte  Leszek  der  Schwarze 
im  Jahre  1288  für  die  Dörfer  des  Klosters  Tyniec,  daß  die 
Schulzen  derselben  vor  dem  Könige  nach  deutschem  Rechte 
sich  zu  verantworten  haben.''  Auch  Herzogin  Griphina  ver- 
ftigte  im  Jahre  1299  für  Mogilno,  daß  die  von  allen  polnischen 
Beamten  befreiten  Bewohner  des  Ortes  nur  von  ihrem  Erbherrn 
und  dessen  Schulzen  gerichtet  werden  sollten,  die  Herren  und 
Schulzen  aber  vor  ihr  über  schriftliche  Ladung  sich  zu  ver- 
antworten hätten.^  Ebenso  bestimmte  König  Kazimierz  der 
Große,  ^  als  er  auf  Bitten  der  Grundherren  von  Gorzyce,  Wielo- 


^  Coram  nobis.  Urkunde  für  Myillenice  vom  Jahre  1342  CDPM.  III, 
Nr.  671;  Cieikowice  vom  Jahre  134S,  ib.  Nr.  688;  Dzierianiny  vom 
Jahre  1361,  ib.  Nr.  993. 

'  Coram  nostro  iudice.  Urkunde  fUr  Osobnica  vom  Jahre  1348  CDPM. 
III,  Nr.  686;  Kobyle  vom  Jahre  1352,  ib.  Nr.  696. 

•  Procurator  generali».  Urkunde  für  2ukowice  vom  Jahre  1368  CDPM 
m,  Nr.  811. 

•  Coram  capitaneo  nostro.  Urkunden  für  Tyczyn  vom  Jahre  1368.  CDPM. 
I,  Nr.  294.  Vgl.  Piekosiiiski,  O  s^dach  wyiszych,  S.  29.  Auch  AGZ. 
XI,  Nr.  1311/12  vom  Jahre  1440. 

•  Judicium  nostrum  Theutonicale.  tfrkunden  für  Dembowiec  vom  Jahre 
1349  CDPM.  m,  Nr.  690;  für  Sietnica  vom  Jahre  1351  ib.  Nr.  694. 
— -  Judicium  nostrum  generale.  Urkunden  für  Tyczyn  vom  Jahre  1368 
ib.  I,  Nr.  294;  für  Bystra  vom  Jahre  1369  ib.  III,  Nr.  827.  —  ludicium 
nostrum  superius  Theutonicale.  Urkunde  für  Äukowice  vom  Jahre 
1368  ib.  in,  Nr.  811. 

•  Über  eine  beim  königlichen  Gerichte  vorgebrachte  Klage  konnte  der 
König  mit  seinen  Bäten  und  Beisitzern  (cum  consiliariis  et  iudicio 
protunc  eidem  assidentibus)  entweder  endgültig  entscheiden,  oder  er 
machte  die  Richter  namhaft,  welchen  er  das  Urteil  überließ.  Star.  Pom. 
VI,  Nr.  297,  gegenüber  Nr.  46  u.  308. 

'  Kod.  Tyn.  Nr.  36.  Diese  Bestimmung  in  dem  sonst  angezweifelten 
Dokumente  ist  sicher  unverdächtig. 

•  CDPM.  I,  Nr.  132.        »  AGZ.  V,  Nr.  4. 


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pole  und  U6cie,  diese  Dörfer  auf  deutsches  Recht  setzte,  daß 
deren  Schulz  über  schriftliche  Ladung  des  Königs  seinen  An- 
klägern am  königlichen  Hofe  nach  deutschem  Rechte  werde 
Rede  stehen  müssen  (1359).  Und  für  das  grundherrliche  Dorf 
Brzozowa  bestimmte  derselbe  König  (1366),  daß  der  Schulz 
vor  ihm  oder  seinem  Prokurator  sich  zu  verantworten  haben 
werde.  ^  In  der  Regel  wurde  den  grundherrlichen  Vögten  und 
Schulzen  ihr  ordentlicher  Gerichtsstand  vor  ihren  Grundherren 
angewiesen  und  erst  in  zweiter  Instanz  kam  das  Gericht  des 
Landesfürsten  als  Oberlehensherm  in  Betracht.  So  wurden  im 
Jahre  1366  das  Dorf  Boleslaw  und  drei  andere  Orte  über  Bitten 
ihrer  EIrbherren  durch  König  Kazimierz  vom  polnischen  auf 
deutsches,  nämlich  Szroder  Recht  gesetzt  und  dabei  ausdrück- 
lich bestimmt,  daß  die  Bauern  vor  ihren  Schulzen,  diese  aber 
vor  ihren  Grundherren  oder  vor  dem  Könige  und  seinem  Ge- 
richte sich  zu  verantworten  haben.  *  Nach  der  Verordnung  der 
Königin  Elisabeth  vom  Jahre  1373  hatten  die  Schulzen  von 
Zassona  und  Niecew  sich  vor  ihrem  Grundbesitzer  oder  vor 
der  Fürstin  zu  verantworten,  wenn  sie  in  ihrem  Amte  nach- 
lässig sein  würden.'  In  demselben  Jahre  bestimmte  dieselbe 
Königin  für  alle  Ortschaften  der  Klarisserinnen  von  Sandec, 
daß  die  Schulzen  derselben  vor  dem  procurator  der  Nonnen 
oder  vor  der  Fürstin  oder  deren  Gericht  sich  zu  verantworten 
hätten.^  Dieselbe  Bestimmung  traf  EHsabeth  im  Jahre  1379 
für  die  Güter  des  Johannes  von  Tarnöw;  der  Gutsherr  soll 
über  die  Schulzen  richten,  aber  die  Fürstin  behält  auch  sich 
und  ihrem  Gerichte  dieses  Recht  vor.  ^  Dabei  wird  aber  immer 
wieder  betont,  daß  die  angeklagten  Schulzen  vor  dem  könig- 
lichen Richterstuhle  nur  über  schriftliche  Ladung  zu  erscheinen 
haben  imd  nur  nach  ihrem  deutschen  Rechte  gerichtet  werden 
sollen.  Ebenso  bestimmte  König  Wladyslaw  II.  im  Jahre  1415 
ftir  das  Dorf  Swoszowice,  das  den  Augustinern  in  Kazimierz  ge- 
hörte, daß  der  Schulz  von  dem  Abte  Konrad  oder  von  dem  Kö- 
nige oder  dessen  Gericht  zu  richten  sei;  aber  auch  dem  Abte  wird 
der  Prozeß  nach  Neumarkter  Recht  in  Aussicht  gestellt,  wenn 


*  CDPM.  I,  Nr.  283. 

*  ib.  III,  Nr.  791.    Vgl.  auch  die  Urkunde  für  Wojiücowa  wola  vom  Jahre 
1363  ib.  Nr.  766. 

*  ib.  in,  Nr.  852.        *  ib.  Nr.  856.        »  ib.  Nr.  909. 


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er  und  der  Schulz  ungerecht  sein  würden.^  Derselbe  König 
bestimmte  im  Jahi'e  1430  auch  für  alle  Städte  und  Dörfer  des 
Erzbistums  Lemberg,  daß  die  Insassen  derselben  von  ihren 
Vögten  und  Schulzen  zu  richten  seien,  diese  aber  von  den 
Richtern  und  Beamten  (iudicibus  et  officialibus)  des  Erzbischofs 
oder  von  dem  Könige,  wenn  sie  ihren  Pflichten  nicht  genügen 
würden.* 

Aus  dem  Mitgeteilten  ist  zu  ersehen^  daß  die  Einrichtung 
von  deutschen  Gerichten  an  den  Höfen  des  LandesRirsten  und 
der  Gutsherren,  welche  mit  deutschem  Rechte  bestiftete  Orte 
besaßen,  notwendig  war,  denn  in  allen  in  den  angeführten 
Urkunden  erwähnten  Fällen  konnte  das  Urteil  nur  nach 
deutschem  Rechte  geschöpft  werden;  daher  konnte  es  nicht 
etwa  vom  Lehensherrn  allein  gefällt  werden.  Es  konnte  auch 
nicht,  insofern  Rechtsgeschäfte  der  Vögte  und  Schulzen  zu  er- 
ledigen waren  oder  gegen  sie  ein  Strafprozeß  zu  verhandeln 
war,  das  betreffende  Ortsgericht,  selbst  nicht  in  der  Form  des 
,großen  Gerichtes',  in  Anspruch  genommen  werden,  weil  die 
Vögte  und  Schulzen  eine  bevorzugte  Stellung  einnahmen,  über 
der  anderen  Bevölkerung  standen  und  daher  auch  nur  in  einem 
besonders  zusammengesetzten  Gerichte  gerichtet  werden  konnten, 
dem  andere  rechtskundige  Vögte  und  Schulzen  als  Schöffen 
beigezogen  wurden '  und  dem  der  Lehensherr  oder  dessen  Ver- 
treter als  Hofrichter  voratand.  Li  zahlreichen  Fällen  wird  dieser 
Stellvertreter  dieselbe  Persönlichkeit  gewesen  sein,  welche  auch 
in  den  höheren  Ortsgerichten  den  Vorsitz  führte.  Als  Vorsteher 
dieses  für  mehrere  Ansiedlungen,  filr  eine  ganze  Provinz  be- 
stimmten Gerichtes  fühi'en  sie  ihren  Titel  Provinz-  oder  Land- 
vogt im  eigentlichen  Sinne.*  Doch  werden  diese  Vorsitzenden 
auch  kurzwegs  als  advocatus,  viceadvocatus,  iudex  u.  dgl. 
bezeichnet.*  Betraut  wurden  mit  diesem  Amte  nicht  selten 
rechtskundige  Vögte  und  andere  Bürger.^  Auch  die  Namen 
für  diese  Gerichte  sind  schwankend.  Außer  den  Bezeichnungen 
Provinz-  oder  Landgericht  (iudicium  provinciale,  iudicium  iuris 


»  CathCracCD.  U,  Nr.  668.        •  AQZ.  U,  Nr.  51. 

*  Vgl.  unten  im  Texte  die  Urkunden  vom  Jahre  1379  für  Neu-Sandec. 

*  Belege  weiter  unten  im  Texte. 

^  Auch  dazu  die  Belege  unten  im  Texte. 

*  Dies  gilt  auch   von  den    Provinzialvögten.    Belege  findet  man  S.  178, 
191,  194,  196  und  208.     Vgl.  auch  CDCrac.  I,  S.  XL. 


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provincialis)  und  Hofgericht  (iudicium  curie)  fUfaren  sie  vor 
allem  die  bezeichnenden  Namen:  feodale  iudiciam^  ius  linski, 
lenske^  lincaie,  lincum^  also  Lehensgericht;  ^  es  kommt  darin 
klar  zum  Ausdrucke^  daß  die  vor  dieses  Gericht  gehörenden 
Vögte  und  Schulzen  zum  Gerichtsherm  im  Lehensverhältnisse 
standen.  Ferner  kommt  die  Bezeichnung  iudicium  scultetorum 
oder  auch  iudicium  provinciale  scultetorum  vor,  also  ein  Ge- 
richt, das  von  Schulzen  als  Schöffen  zusammengesetzt  war  und 
über  Schulzen  richtet.*  Wenn  diese  Gerichte  als  iudicium  ge- 
nerale, iudicium  supremum,  ius  supremum  bezeichnet  wurden,' 
so  deuten  diese  Benennungen  auf  die  zweite  Seite  der  Tätig- 
keit dieser  Gerichte;  sie  haben  sich  nämlich  auch  zu  Gerichten 
höherer  Instanz  gegenüber  den  Ortsgerichten  in  allen  Rechts- 
angelegenheiten  entwickelt. 

Es  ist  leicht  begreiflich,  daß  ständige  Lehensgerichte  nur 
dort  entstanden,  wo  eine  größere  Anzahl  von  Orten  mit  deutschem 
Rechte  vorhanden  waren,  welche  demselben  Besitzer  gehörten. 
Vor  allem  begegnen  uns  daher  landesfUrstliche  Lehensgerichte; 
fei-ner  finden  wir  beständige  Lehensgerichte  auf  den  Gütern 
der  reichen  Stifte.  Kleinere  Lehensherren  konnten  nur  von 
Fall  zu  Fall  ein  solches  Gericht  zusammensetzen. 

a)  LandesfUrstliche  „Lehenihöfe^*. 

Wie  wir  wissen,  haben  die  Landesfllrsten  nicht  nur  die 
höhere  Gerichtsbarkeit  über  die  Vögte  und  Schulzen  landes- 
fürstlicher Orte  in  Anspruch  genommen,  sondern  sie  waren 
als  Oberlehensherren  auch  oberste  Gerichtsherren  über  alle 
adeligen  und  geistlichen  Vögte  und  Schulzen.  Es  ist  leicht  be- 
greiflich, daß  für  die  zahlreichen  Geschäfte  der  landesherr- 
lichen Gerichtsbarkeit  über  die  mit  deutschem  Rechte  bestifteten 
Orte  das  Hofgericht  nicht  genügte,  besonders  seit  die  Teil- 
fürstentümer  zu   einem  Gesamtreich  vereinigt  wurden  und  die 

*  Piokoainski,  O  s^dach  wyiszych,  S.  21,  und  AGZ.  XI,  Nr.  466  (secun- 
diim  formam  iuris  feodalis  alias  linske).     Vgl.  auch  8.  200. 

*  Kromor,  Polonia  a  1578  (od.  V.  Czermak,  Krakau  1901,  S.  120:  sculte- 
torum iudicia. 

®  Man  beachte  den  Umstand,  daß  diese  Namen  nicht  nur  den  landes- 
flirstlichon,  nondern  auch  den  geistlichen  Liehensgerichten  zukamen.  So 
heißt  schon  im  Jaltre  1307  das  Lehensgericht  am  Hofe  der  Nonnen 
von  Alt-Sandoc  generale  iudicium  und  das  Kloster  Tjmiec  beieichnet 
später  sein  Lehensgericht  als   ius  supremum  (Belege  unten  im  Texte). 


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Zahl  der  deutschen  Ansiedlungen  immer  mehr  wuchs.  So  kam 
es^  ^aß  allmählich  mehrere  Provinzialgerichte  eDtstanden. 

Vor  allem  war  natürlich  die  fürstliche  Burg  am  Wawel 
in  Krakau  der  Sitz  eines  Lehenshofes.  Wir  haben  schon  oben 
erfahren,^  daß  seit  der  Oktav  des  Martinstages  1312  (18.  No- 
yember)  sich  die  Abhaltung  der  iudicia  magna  in  Krakau  neben 
dem  Stadtgerichte  (iudicium  civitatis)  nachweisen  lasse.  Nun 
heißt  es  im  ältesten  Gerichtsbuche  von  Krakau  zum  Jahre  1317: 
,Am  dritten  Tage  nach  Johannes  (26.  Juni)  fand  das  iudicium 
magnum  nicht  statt,  sondern  Peter,  Sohn  des  Moritz,  fing  an 
mit  der  Abhaltung  des  herzoglichen  Qerichtes,  nämlich  dem 
dritten  Pfennig.*  Unter  dem  herzogUchen  Gerichte,  das  im 
Gegensatze  zum  großen  Ortsgerichte  genannt  wird,  kann  nur 
das  Hof-  und  Lehensgericht  gedacht  sein.  Dieses  hatte  also 
in  Elrakau  ebenso  wie  das  große  Gericht  nach  der  Nieder- 
werfung des  Krakauer  Aufstandes  von  1311/12  bestimmtere 
Formen  angenommen.  Die  Bemerkung  ,dem  dritten  Pfennig' 
bezieht  sich  offenbar  auf  die  Gerichtseinkünfte;  wahrscheinlich 
beanspruchte  der  Vorsitzende  den  dritten  Teil  der  Bußen.* 
Aus  einer  Urkunde  vom  Jahre  1337  erfahren  wir,*  daß  dieses 
Gericht  den  Namen  lus  Thentunicum  in  Castro  Cracoviensi 
führt;  ein  Krakauer  Bürger  sitzt  ihm  als  Vogt  vor;  ihm  zur 
Seite  werden  sieben  Schöffen  genannt,  zumeist  Schulzen  von 
verschiedenen  Orten.  Gegenstand  der  Verhandlung  waren 
Streitigkeiten  über  Schulzeirechte.  Im  Jahre  1357  erscheint 
dieses  Gericht  unter  dem  Namen  iudicium  nostrum  Theutoni- 
cum  Cracoviense^  und  1358  begegnet  uns  Helmannas  Edlingi 
summus  iudex  et  advocatus  provincialis  iuris  Theutunici  in  Castro 
Cracoviensi,  dem  zur  Seite  sieben  Vögte  und  Schulzen  als 
Schöffen  stehen.*   Aus  diesem  Gerichte  entwickelte  sich  gerade 


»  Siehe  S.  177. 

•  LACrac.  I,  Nr.  440:  Item  tercio  die  post  Johannis  (26.  Juni)  iudicium 
magnum  non  fuit,  sed  Petrus  Moricii  incepit  teuere  iudicium  ducale, 
yidelicet  denarium  tercium. 

'  Die  StadtY($gte  und  Schulzen  hatten  ein  Drittel  der  Gerichtseinkünfte, 
während  die  zwei  anderen  Drittel  dem  Herzoge  zufielen.  Es  würde 
daher  ganz  entsprechend  sein,  daß  der  Fürst  auch  dem  Vorsitzenden 
des  Lehensgerichtes  ein  Drittel  der  Taxen  überließ.  Vgl.  dagegen  die 
Deutung  dieser  Stelle  in  der  Einleitung  zum  CDCrac.  I,  S.  XLI. 

•  CDPM.  III,  Nr.  660.        «^  ib.  I,  Nr.  249. 

•  ib.  I,  Nr.  253.  Vgl.  auch  Nr.  266  (Jahr  1362). 


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192 

damals  das  oberste  deutsche  Gerieht  in  diesen  Teilen  Polens 
überhaupt.  Darüber  wird  weiter  unten  das  Nähere  gesagt 
werden.  Erwähnenswert  ist  noch  folgender  Umstand.  Während 
unstreitig  dem  Lehensgerichte  auf  der  Krakauer  Burg  die 
Vögte  und  Schulzen  aller  landesfilrstlichen  Orte  im  Krakauer 
Gebiete  unmittelbar  unterstanden,  nahm  die  Stadt  Krakau  selbst 
seit  dem  Ende  des  14.  Jahrhunderts  eine  Ausnahmsstellung  ein. 
Im  Jahre  1399  bestimmte  nämlich  König  Wladislaw  IL,  daß 
die  Bürger  von  Krakau  sich  zu  verantworten  haben  vor  ihrem 
Vogte  und  den  SchöflFen,  diese  vor  den  Ratsherren,  die  Rats- 
herren endlich  vor  dem  Könige,  wenn  er  in  Krakau  oder  der 
Krakauer  Burg  sich  aufhalten  werde,  oder  vor  dessen  be- 
sonderen Bevollmächtigten  auf  der  Krakauer  Burg,  und  zwar 
nur  auf  schriftlichen  Befehl  des  Königs  und  unter  Wahrung 
ihrer  Rechte.^  Hier  war  somit  der  Rat  die  unmittelbar  höhere 
Instanz  gegenüber  dem  Vogte  und  den  Schöffen.  So  hat  auch 
z.  B.  am  5.  Mai  1525  das  königliche  Gericht  entschieden,  daß 
die  von  einem  Auswärtigen  gegen  den  Vogt  und  die  Schöffen 
von  Krakau  vorgebrachte  Klage  vom  Bürgermeister  und  Rat 
der  Stadt  zu  untersuchen  sei.*  Es  entspricht  dem  übrigens 
auch  der  Umstand,  daß  Vogt  und  Schöffen  von  Krakau  sich  in 
zweifelhaften  Fällen  an  den  Rat  zu  wenden  pflegten.' 

Ein  zweiter  landesfürstlicher  Lehenshof  entstand  in  San- 
domir,  zu  dessen  Bezirk  auch  der  benachbarte  Teil  von  Ga- 
lizien  gehörte.  Im  Jahre  1336  befahl  König  Kazimierz,*  daß 
die  mit  deutschem  Rechte  bestifketen  Stadt-  und  Dorfbewohner 
dieses  Gebietes,  die  durch  Ladungen  nach  Krakau  und  anderen 
Orten  geschädigt  wurden,  fortan  nur  von  ihren  Vögten  und 
Schulzen  gerichtet  werden  sollten.  Bei  sehr  schweren  Fällen 
und  über  schriftliche  Ladung  des  Königs  sollten  sie  durch  den 


»  CDPol.  I,  Nr.  160.        «  Star.  Pom.  VI,  Nr.  314. 

■  Siehe  unten  im  Texte. 

*  CDPM.  I,  Nr.  204 1  duximus  decernendumf  videlicet  quod  omnes  cives 
et  eorum  singuli  dicte  civitatis  Sandomirensis  et  inhabitantes  villas, 
castra  oppida  iure  Theutonico  collocata  in  districtu  et  temtorio  Sando- 
mirensi .  .  .  nullatenus  evocari,  trahi  et  citari  debent,  sed  tantummodo 
.  .  .  coram  ipsomm  advocato  vel  sculteto  loci  ipsios  et  non  aUas  re- 
spondere  tenebuntur;  in  cansis  gravibus  et  magnis,  vel  que  tales  emer- 
serint,  et  eciam  si  qui  per  nostram  literam  citati  et  evocati  fuerint,  per 
advocatum  Sandomirensem  et  per  illos,  qui  addeputandi  fuerint,  iure 
8U0  teutonico  in  Castro  nostro  Sandomirensi  iudicabuntur. 


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193 

Sandomirer  Vogt  und  besonders  bestimmte  Beisitzer  nach 
deutschem  Rechte  in  der  Burg  Sandomir  gerichtet  werden.  Es 
handelt  sich  hier  also  auch  um  ein  besonderes  in  der  Burg, 
nicht  in  der  Stadt,  zusammentretendes  höheres  königliches  Ge- 
richt, zu  dessen  Vorsitzenden  der  rechtskundige  Vogt  der  Stadt 
bestimmt  wurde,  dem  aber  zu  diesem  Zwecke  besondere,  nicht 
die  gewönlichen  Schöflfen  der  Stadt,  zur  Seite  gestellt  werden. 
Im  Jahre  1381  erscheint  Ulrich  Bohemus  als  iudex  supremus 
Theutonici  iuris  in  der  Burg  Sandomir,  der  mit  Zustimmung 
des  Sandomirer  Wojwoden  und  Starosten  die  zu  diesem  Ge- 
richte gehörigen  sieben  Schulzen  entbietet.^ 

Ein  drittes  Lehensgericht  des  Landesfürsten  bildete  sich 
allmählich  in  Sandec  heraus,  und  zwar  zunächst  in  AltSandec, 
dem  Mittelpunkte  der  ausgedehnten  WitwengUter  der  polnischen 
Fürstinnen  und  jener  des  von  ihnen  geförderten  Elarisserinnen- 
klosters  zu  Alt-Sandec.  Schon  im  Jahre  1292  bestimmte  die 
Herzogin  Griphina  für  Na  L§kach:  Wenn  jemand  die  Ein- 
wohner oder  den  Schulzen  dieses  Dorfes  klagen  wollte,  so 
sollen  dieselben  durch  ein  von  der  Fürstin  besiegeltes  Schreiben 
vorgeladen  und  nach  deutschem  Rechte  gerichtet  werden.* 
Deutlicher  lautet  die  Verfügung  in  der  Urkunde  derselben 
Fürstin  vom  Jahre  1293  für  Olszana,  daß  die  angeklagten  Erb- 
herren des  Dorfes  vor  die  Fürstin  (ad  nostram  presenciam)  in 
der  vorgeschriebenen  Weise  zu  laden  seien.  ^  In  der  Urkunde 
dieser  Fürstin  von  demselben  Jahre  (1293)  für  GaboÄ  wird 
hinzugefügt,  daß  der  über  schriftHche  Ladung  erschienene 
Schulz  sich  vor  dem  Hofrichter  (coram  iudice  nostre  curie) 
verantworten  werde.*  Die  weitere  Ausbildung  dieses  Lehensge- 
richtes hängt  eng  mit  dem  Kloster  der  Klarisserinnen  in  Alt-Sandec 
zusammen,  denen  schon  Herzogin  Kunigunde  im  Jahre  1280 
die  Stadt  und  zahlreiche  Dörfer  geschenkt  hatte  ^  und  auf  die 
gewissermaßen  die  Hoheitsrechte  der  Herzoginnen  übergingen. 
Jedenfalls  wird  in  den  folgenden  Jahrzehnten  das  Lehensge- 
richt zu  Alt-Sandec  stets  nur  im  engsten  Zusammenhange  mit 
dem  Kloster  genannt,  worüber  weiter  unten  das  Nähere  gesagt 
werden  wird.  Erst  im  Jahre  1357  findet  sich  in  Alt-Sandec 
die  Spur  eines  dem  Klostergerichte  übergeordneten  Gerichtes, 


»  CDPM.  I,  Nr.  356.         »  ib.  H,  Nr.  618.         »  ib.  Nr.  524. 
*  ib.  Nr.  523.         ^  ib.  Nr.  487  u.  521. 
ArehiT.   XCV.  Band.   I.  UälfU.  18 


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194 

also  wahrscheinlich  eines  landesftirstlichen  Lehenshofes.  In  der 
Urkunde  der  Äbtissin  Konstantia  von  dem  genannten  Jahre 
für  Dlugoleka  wird  nämlich  bestimmt,^  daß  alle  schweren 
Rechtsfälle  vor  dem  Hofgerichte  des  Klosters  nach  deutschem 
Rechte  gerichtet  werden  sollen,  in  zweifelhaften  Fällen  sollte 
aber  ,in  Alt-Sandec  Einsprache  erhoben  werden'.  Weitere  Nach- 
richten über  dieses  Gericht,  das  doch  kaum  das  gewöhnliche 
städtische  sein  dürfte,*  fehlen.  Später  erscheint  das  königliche 
Lehensgericht  in  Neu-Sandec,  an  welche  landesfürstliche  Stadt 
seit  dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts  allmählich  das  ältere  Sandec 
seine  Bedeutung  verloren  hat.  Die  früheste  bestimmte  Nach- 
richt von  dem  fürstlichen  Lehenshofe  in  Neu-Sandec  rührt  aus 
dem  Jahre  1379  her.  In  einer  Urkunde  aus  diesem  Jahre 
wird  das  iudicium  provinciale  in  (Neu-)Sandec  genannt,  dem 
der  Fleischhauer  Nikolaus  als  iudex  provincialis  vorsitzt  und 
zu  dem  noch  als  SchöflFen  sieben  Schulzen  von  Dörfern  des 
Sandecer-Distrikts  gehören,  nämlich  jene  von  Dtugol^ka,  Eiezna, 
Gtostwica,  Milkowa,  Siedice,  Eunina  und  Fryczowa.  •  In  einer 
Urkunde  der  Königin  Hedwig  von  1384  wird  dieses  Gericht 
nostrum  iudicium  Theutonicale  supremi  iudicii  curie  nostre  San- 
decensis  genannt;  vor  ihm  hat  sich  der  Gutsherr  von  Janu- 
szowa  oder  Sonnenschyn,  wenn  er  in  der  Ausübung  der  Ge- 
rechtigkeit lässig  sein  sollte,  auf  schriftliche  Ladung  nach 
deutschem  Rechte  zu  verantworten.*  Nach  einer  Urkunde  vom 
Jahre  1389  besteht  dieses  Gericht  ebenfalls  aus  dem  Vogte  und 
sieben  Schöffen,  darunter  wieder  die  Schulzen  von  Kunina, 
Fryczowa,  Siedice  und  Gostwica  erscheinen.  In  dieser  Urkunde 
führt  das  Gericht  den  bezeichnenden  Namen  feudale  iudicium 
curie  regis  Felonie  in  Nowa  Sandec,  also  Lehensgericht  am 
Hofe  des  Königs  von  Polen  in  Neu-Sandec.^  Im  Jahre  1402 
wird  in  Neu-Sandec  Joannes  Froling  als  advocatus  feudalis 
erwähnt.  ^    Endlich  bestimmt  im  Jahre  1464  der  Erbvogt  Paulus 


»  CDPM.  m,  Nr.  714. 

*  Man  vergleiche  jedoch  das  weiter  unten  Ober  die  Bedeutung  des  Lem- 
berger  Stadtgerichtes  Gesagte. 

3  CDPM.  I,  Nr.  346. 

*  ib.  Nr.  369  (Urkunde  aus  dem  Archive  von  Neu-Sandec). 
»  AGZ.  IX,  Nr.  4. 

^  Fr.  Behrend,  Die  Magdeburger  Fragen  (Berlin  1865),  S.  XXI,  Anm.  40, 
u.  S.  242. 


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von  Neu-Sandec^  daß  der  Schulz  seiner  Dörfer  Mszalnica  und 
Cienawa  sich  nur  ,in  iudicio  scoltetorum  Curiae  Sandecensis^ 
nach  Magdeburger  Recht  zu  verantworten  hat,  also  vor  dem 
Schulzengerichte  auf  dem  Hofe  in  Sandec.  ^ 

Ein  ebensolches  Gericht  ist  in  B  i  e  c  z  nachweisbar.  *  Seine 
Akten  beginnen  mit  dem  Jahre  1383.  Als  Bezeichnungen  für 
dieses  Gericht  finden  wir:  supremum  ius  theutonicum  terre  Bey- 
censiS;  supremum  iudicium  iuris  provincialis  terre  Beycensis, 
iudicium  supremum  scultetorum  terre  Beycensis.  Auch  diesem 
Gerichte  stand  ein  Vogt  vor,  dem  sieben  Schulzen  als  SchöfiFen 
beisitzen.  Im  Jahre  1473  erscheint  ein  Laurentius  scultetus  et 
advocatus  iuris  Theutunici  Magdeburgensis  supremi  in  Castro 
Biecz  una  Septem  cum  scabinis  eiusdem  iuris  et  iudicii.  Diese 
SchöfiFen  sind  durchaus  Schulzen  verschiedener  Orte,  welche 
der  König  besonders  dazu  bestimmt  hat  (ad  hoc  speciaHter  de- 
putatis).  Ihr  Gericht  nennen  die  Richter  ein  ,iudicium  banni- 
tum',  weil  es  nicht  zu  bestimmten  Zeiten  stattfand,  sondern 
seine  Abhaltung  von  Fall  zu  Fall  anbefohlen  wurde.  ^ 

Auf  dem  Gebiete  des  alten  Rntheniens  (Rotrußland,  Ost- 
galizien)  finden  wir  ein  ausdrücklich  ausgebildetes  Lehens- 
gericht in  Sanok.*  Es  dürfte  zwischen  1403  und  1425  ent- 
standen sein.  Die  ersten  Akten  desselben  rühren  aus  dem 
Jahre  1425  her.  Dann  sind  Reste  aus  den  Jahren  1435,  1446  und 
1449  erhalten;  von  1457  sind  die  Akten  mit  einigen  Lücken 
bis  1553  auf  uns  gekommen.  Von  den  zahlreichen  Bezeich- 
nungen für  diesen  Lehenshof  seien  angeführt:  supremum  Theu- 
tonicale  iuris  Magdeburgensis  castri  Sanocensis,  ius  supremum 
feodale  Sanocense,  ius  sculteticum  in  Sanok,  ius  supremum  et 
scultetorum  terre  Sanocensis;  letztere  Benennung  ist  besonders 
bezeichnend  für  die  doppelte  Aufgabe  dieser  Höfe  als  Appel- 
lationsgerichte gegenüber  den  Ortsgerichten  und  als  Lehens- 
gerichte. An  der  Spitze  des  Gerichtes  stand  der  iudex,  ad- 
vocatus, viceadvocatus  oder  iuratus;  ihm  zur  Seite  saßen  sieben 
SchöfiFen  (scabini,  iurati),  welche  wenigstens  zum  Teile  Schulzen 


»  CDPol.  in,  Nr.  220. 

*  Vgl.  Piekosiiiski,  O  s%dach  wyiszych,  S.  26. 
'  Roepell,  a.  a.  O.,  S.  290  fl 

*  J.  Samolewicz,  Sijd  wyiszy  prawa  niemieckiego  na  zamku  sanockim 
1426—1553  (Lemberg  1903).  Die  Akten  dieses  Gerichtes  sind  ver- 
öflfentlicht  AGZ.  XI  u.  XVI. 

13* 


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von  den  Dörfern  des  Sanoker  Gebietes  waren.  Übrigens  waren 
auch  die  meisten  bekannten  Vögte  dieses  Gerichtes  nachweis- 
lich Schulzen  derselben  Dörfer.  Unter  ihnen  erscheinen  Peter 
Kynel  (1425),  Nikolaus  Zeywirth  (1435),  Thomas  Kuncza  oder 
schon  polonisiert  Kuncowicz  (1446 — 1467),  Laurentius  oder 
Lorincz  FoflF  (1469—1490)  und  Johann  Wilam  oder  Wilhelmus 
(1502—1505). 

Nur  beschränkte  örtliche  Bedeutung  scheint  dagegen  das 
Schulzengericht  in  T  y  c  z  y  n  gehabt  zu  haben.  Dieser  nördlich 
von  Sanok  gelegene  Ort  war  auch  eine  landesfürstliche  Stadt, 
die  im  Jahre  1368  von  Eazimierz  mit  deutschem  Rechte  be- 
stiftet worden  war.  Auch  hier  fanden  Gerichtssitzungen  statt, 
an  denen  außer  dem  Vogte  der  Stadt  sieben  Schulzen  benach- 
barter Orte  Anteil  nahmen.^  Im  Jahre  1425  hatten  dieselben 
über  einen  Rechtsstreit  zwischen  dem  Schulzen  Wilhelm  von 
Wulka  pod  lasem  und  dem  Schulzen  von  Lutory4  zu  ent- 
scheiden. Da  Wilhelm  sich  durch  ihr  Urteil  benachteiligt 
glaubte,  legte  er  in  Sanok  Berufung  ein.  Dort  wurde  über 
den  Rechtsfall  im  iudicium  bannitum  vom  8.  Oktober  1425 
unter  dem  Vorsitze  des  Vogtstellvertreters  Peter  Kynel  von  den 
SchöfiFen  Martin,  Mathias  Schindler,  Friedrich,  Laurenz,  Paul 
Arnold  und  zwei  anderen  entschieden.  Wir  finden  hier  also 
das  deutsche  Gericht  in  Sanok  in  seiner  Eigenschaft  als  ins 
supremum  in  Tätigkeit. 

Wie  das  Schulzengericht  in  Tyczyn  hatte  auch  wohl  jenes 
in  Krosno  (westÜch  von  Sanok)  nur  beschränkte  Bedeutung. 
Eine  Spur  seiner  Tätigkeit  hat  uns  eine  Urkunde  vom  Jahre 
1403  aufbewahrt.^  In  derselben  wird  von  Michael,  dem  iudex 
provincialis,  und  den  sieben  SchöfiFen  Peter  Regeler,  Johann 
Klause,  Franz  Kensteyn  dem  Weber,  Paul  dem  Krämer,  Stephan 
Furman,  Peter  Hone  und  Johann  Peszer  bestätigt,  daß  zwischen 
dem  Erbvogte  Peter  von  Krosno  und  dem  Bürger  Jakob  Zirler 
aus  Biecz  ein  dieVogtei  von  Krosno  betrefifendes  Geschäft  ab- 
geschlossen wurde.  Merkwürdigerweise  werden  die  Beisitzer 
dieses  Gerichtes  als  SchöfiFen  der  Stadt  Krosno  bezeichnet; 
während  in  der  Regel  die  SchöfiTen  der  Lehensgerichte,  wie 
wir  wissen,  die  Schulzen  anderer  Orte  waren.  Trotzdem  kann 
man  dieses  Gericht  nicht  etwa  als  ein  bloßes  iudicium  magnum 


»  AGZ.  XI,  Nr.  173a.         «  ib.  lU,  Nr.  78. 


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auffassen,  weil  es  ausdrücklich  als  iudicium  bannitum  bezeichnet 
wurde  und  am  19.  Jänner  stattfand^  welche  Kennzeichen  nicht 
auf  die  höheren  Ortsgerichte  passen.  Auch  betraf  der  Gegen- 
stand der  Verhandlung  die  Vogteirechte,  und  diese  gehörten  vor 
das  Lehensgericht.  Der  Umstand,  daß  der  Vorsitzende  als 
iudex  provincialis  erscheint,  spricht  durchaus  nicht  ftlr  ein 
magnum  iudicium  und  gegen  ein  Lehensgericht,  denn  auch  der 
Vorsitzende  des  Krakauer  Lehensgerichtes  war  iudex  et  ad- 
vocatus  provincialis,  und  es  ist  schon  oben  bemerkt  worden, 
daß  wahrscheinlich  in  vielen  Fällen  dieselbe  Persönlichkeit  den 
höheren  Ortsgerichten  und  den  Lehensgerichten  vorsaß.  Übrigens 
konnten  sich  auch  Ortsgerichte  zu  Gerichten  höherer  Instanz 
entwickeln,  wie  dies  gleich  näher  erörtert  werden  soll. 

Für  die  anderen  Teile  Galiziens  ist  ein  fürstlicher  deutscher 
Lehenshof  mit  festem  Sitze  nicht  nachweisbar.  Wohl  erscheint 
in  verschiedenen  Urkunden,^  welche  den  Osten  des  Landes 
betreffen,  ein  iudicium  generale  (1405,  1448)  oder  ein  iudex 
generalis  (1423,  1458),  vor  dem  wie  vor  dem  Könige  sich  nach- 
lässige Schulzen  und  Vögte  auf  schriftliche  Ladung  nach 
deutschem  Rechte  zu  verantworten  haben  werden;  aber  ob 
es  sich  um  ein  bestimmtes  Gericht  handelt,  ob  dasselbe,  wie 
zu  vermuten  wäre,  in  Lemberg  seinen  Sitz  hatte,  oder  ob  man 
an  das  oberste  deutsche  Gericht  in  Krakau  zu  denken  habe, 
ist  nicht  klar.*  Der  Bestand  eines  ständigen  königlichen  Ge- 
richtes mit  deutschem  Rechte  in  Lemberg  wird  wenigstens  für 
das  14.  und  15.  Jahrhundert  durch  folgende  Umstände  sehr 
zweifelhaft  gemacht.  Im  Jahre  1389  traf  König  Wladyslaw 
Jagiello  bei  der  Bestifkung  der  Stadt  Tr^bowla  mit  deutschem 
Rechte  folgende  Bestimmung:'  ,Wenn  aber  irgend  welche 
schwierigen  Rechtssachen  sich  ergeben  würden,  welche  Vogt 
und  Räte  der  Stadt  nicht  entscheiden  könnten,  dann  sollen  sie 
sich,  so  oft  es  nötig  wäre,  um  eine  Belehrung,  nämlich  um 
ein  „Ortel",  an  die  Bürger  von  Lemberg  wenden.'  Und  sein 
Nachfolger  Wladyslaw  HI.  gab  im  Jahre  1444  der  Stadt  Lera- 


'  AGZ.  II,  Nr.  33  u.  74;  ferner  ebenda  TL,  Nr.  42,  und  VI,  Nr.  28. 

'  Der  AuBdrack  iudicium  generale  bezeichnet  sowohl  die  ^oBen  Orts- 
gerichte (Tgl.  oben  8.  179),  als  die  Lehensgerichte  (siehe  S.  190)  und 
endlich  auch  den  aus  dem  königlichen  Lehensgerichte  in  Krakau  ent- 
standenen Oberhof. 

•  M.  BaliÄski,  Staroiytna  Polska  H,  2  (Warschau  1846),  S.  726. 


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berg  geradezu  das  Vorrecht,  daß  alle  Städte,  Märkte  und 
Dörfer  Rutheniens  sich  mit  ihren  Rechtsstreitigkeiten  an  diese 
Stadt  wenden  und  daselbst  ,orthele'  einholen.  Anch  sollten  die 
Lemberger  das  Recht  haben,  alle  in  diesem  Gebiete  ge- 
fangenen Übeltäter,  Räuber  und  Diebe  in  ihre  Stadt  zu  führen 
und  daselbst  zu  richten.  ^  Es  hat  also  durchaus  den  Anschein, 
daß  in  jener  Zeit  das  Lemberger  Stadtgericht  wenigstens  alle 
Geschäfte  ausübte,  die  den  bereits  genannten  Gerichtshöfen  als 
iura  suprema  zustanden,  daß  es  also  damals  hier  keinen  be- 
sonderen königUchen  Lehenshof  gab.  Im  16.  Jahrhundert  scheint 
aber  doch  ein  besonderes  königliches  Obergericht  dort  bestan- 
den zu  haben.  Aus  einer  Urkunde  vom  Jahre  1610  geht  zu- 
nächst hervor,  daß  aus  Lemberg  an  ein  höheres  deutsches 
Gericht  (ad  ius  Teutonicum  superius)  Berufungen  gerichtet  zu 
werden  pflegten.  Ob  dieses  Gericht  in  Lemberg  selbst  seinen 
Sitz  hatte,  bleibt  aber  unklar.*  Als  der  Kanzler  Johann  Za- 
mojskie  im  Jahre  1580  die  Stadt  Zamo&6  mit  deutschem  Rechte 
ausstattete,  verordnete  er,  daß  in  zweifelhaften  Fällen  nicht  an 
die  Grundherrschaft,  sondern  an  das  höchste  Magdeburger  Ge- 
richt in  Lemberg  (do  s%du  najwyzszego  Magdeb.  w  Lwowie) 
Berufung  eingelegt  werde.  *  Und  drei  Jahre  später  (28.  Jänner 
1583)  bestimmte  König  Stephan  nach  einer  Bemerkung  in  den 
Lemberger  Burggerichtsakten  den  18.  April  als  Termin  flir  Ver- 
handlungen, welche  nach  Magdeburger  und  Chelmer  Recht 
stattfinden  sollen.^  Wie  es  scheint,  fanden  also  damals  auf  der 
Lemberger  Burg  ähnlich  wie  in  jener  zu  Krakau  und  ander- 
wärts deutsche  Gerichtssitzungen  statt.  Wahrscheinlich  wurde 
dort  auch  über  Lehenssachen  gerichtet. 

b)  „Lehenshöfe*'  auf  geistlichen  Gutem. 

Auch  auf  geistlichen  Gütern  entwickelten  sich  unter  gün- 
stigen Verhältnissen  Lehensgerichte. 


*  AGZ.  V,  Nr.  106.  Ähnlich  die  Urkunde  für  Krakau  au«  demselben 
Jahre  in  CDCrac.  I,  Nr.  143. 

*  F.  Bischoff,  Osterreichische  Stadtrechte  und  Privilegien  (Wien  1867), 
S.  77 :  volumns,  quod  in  causis  praedictis  Armenos  concernentibus,  quae 
in  praetorio  iudicabuntur,  appellationes  ad  ius  Theutonicum  superius, 
ad  quod  ex  ipsa  civitate  appellari  consuevit,  appellatur. 

«  BaliÄski,  a.  a.  O.,  U,  2,  S.  794.        *  AGZ.  X,  Nr.  2214. 


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199 

Ein  solches  finden  wir  vor  allem  auf  den  Besitzungen  des 
Klarisserinnenklosters  in  Sandec,  das  von  den  hier  herrschen- 
den LandesfUrstinnen  besonders  gefördert  wurde.  Schon  aus 
der  Urkunde  der  Äbtissin  Katharina  für  Mokra  D^browa  vom 
Jahre  1313  geht  deutlich  hervor,  daß  dieses  Kloster  einen  Hof- 
richter hatte,  der  im  Kloster  seines  Amtes  waltet;  es  heißt 
nämlich  in  der  Urkunde,  daß  der  Schulz  oder  seine  Ange- 
hörigen ,vor  den  Hofrichter  an  unsern  Hof*  zu  rufen  seien.  ^ 
Interessant  ist,  daß  dieser  Richter  auch  im  Besitze  eines  Siegels 
ist,  mit  dem  er  die  Vorladung  zu  bezeichnen  hat.  Im  Jahre 
1315  erscheint  Graf  Paulus,  Sohn  des  Trebe,  als  Hofrichter 
des  Klosters,^  und  im  Jahre  1317  bezeichnet  die  Äbtissin  Ka- 
tharina den  Grafen  Martin  als  ihren  Richter.'  In  der  Urkunde 
derselben  Äbtissin  für  Wietrznica  vom  Jahre  1317  soll  die 
Ladung  des  Schulzen  und  seiner  Nachkommen  an  den  Hof 
durch  ein  Schreiben  geschehen,  das  mit  dem  Siegel  des  klöster- 
lichen Amtes  (nostri  officii  sigillo)  gezeichnet  ist.^  In  der  Ur- 
kunde der  Äbtissin  Stronislawa  flir  Ciechorzyn  vom  Jahre  1320 
wird  wieder  vom  Siegel  des  Richters  gesprochen,  mit  dem  an 
den  Schulzen  gerichtete  Vorladungen  zu  versehen  sind.^  Ahn- 
liche Bestimmungen  findet  man^  für  Kamienica  (1330),  für 
DlugoI§ka  (1357)  und  Zabrei  (1358).  SelbstverständHch  konnte 
auch  hier  der  Hofrichter  nicht  selbst  entscheiden.  Vielmehr 
mußten  ihm  Beisitzer  zugesellt  werden.  So  finden  wir^  schon 
im  Jahre  1307  in  Alt-Sandec  ein  generale  iudicium,  an  dem 
die  Räte  und  der  Vogt  der  Stadt  teilnehmen.  Neben  letzterem 
werden  sieben  Beisitzer  namentlich  angeführt,  darunter  mehrere 
Schulzen  anderer  Ortschaften,  die  wenigstens  zum  Teile  ebenso 
wie  die  Stadt  selbst  klösterlich  waren.*  Vor  ihnen  findet  der 
Verkauf  eines  Schulzeianteiles  des  Klosterdorfes  Biegunice  statt. 
Als  Stätte  der  Verhandlung  wird  der  Hof  der  Nonnen  in  Alt- 
Sandec  genannt  (in  curia  dominarum  in  Antiqua  Sandecz).  Es 
weist  also  dieses  Gericht  alle  Kennzeichen  eines  Lehensge- 
richtes auf.  Aus  dem  Jahre  1315  ist  uns  eine  Urkunde  er- 
halten,  welche   den  Verkauf  eines  Vogteirechtes   des  Klosters 


»  CDPM.  n,  Nr.  560.        •  ib.  H,  Nr.  662.        »  ib.  Nr.  668. 

*  ib.  Nr.  630.        »  ib.  Nr.  679.        •  ib.  Nr.  601 ;  m,  Nr.  714,  719. 
'  ib.  n,  Nr.  643. 

•  So  Mokra  D^browa  und  Olszana.    Vgl.  ib.  Nr.  621  u.  668. 


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200 

betrifft*  Dieses  unbedingt  vor  ein  Lehensgericht  gehörende 
Rechtsgeschäft  wird  von  dem  Vogte  und  den  Schöffen  der  Stadt 
Alt-Sandec,  dem  Hofrichter  und  dem  Schulzen  des  klösteriichen  * 
Dorfes  PodoHn  in  einem  bannitum  iudicium  abgewickelt.  Ist 
in  diesen  Urkunden  die  Ausübung  der  klösterlichen  Gerichts- 
barkeit in  Alt-Sandec  bezeugt^  so  wird  in  dem  Privileg  der 
Äbtissin  Katharina  für  Olszana  vom  Jahre  1317  die  Tätigkeit 
dieses  Lehenshofes  auch  als  eines  höheren  Gerichtes  überhaupt 
gekennzeichnet.^  Es  wird  nämlich  in  dieser  Urkunde  festge- 
setzt, daß  die  schweren  RechtsfUlle  im  Kloster  selbst  (in  curia 
nostra)  nach  deutschem  Rechte  von  Beisitzern,  welche  die  Äb- 
tissin mit  dem  Rate  der  Schwestern  bestimmen  wird,  zu  richten 
sind.  Als  Zeuge  wird  in  dieser  Urkunde  der  bereits  genannte 
klösterliche  Hofrichter  Graf  Martin  genannt.  Im  Jahre  1373 
erscheint  als  Vorsitzender  des  Gerichtes,  vor  dem  sich  die 
klösterlichen  Schulzen  zu  verantworten  hatten,  der  procurator 
des  Klosters  genannt;  als  zweite  Instanz  bestimmte  die  Königin 
Elisabeth  das  königliche  Gericht.* 

Das  berühmte  Kloster  Tyniec,  westlich  von  Krakau, 
hatte  schon  im  Jahre  1349  ein  iudicium  provinciale  scultetorum, 
dessen  Sitz  jedoch  nicht  festgestellt  ist.*  Im  Jahre  1382  be- 
stimmt der  Abt  Johann  desselben  Klosters,  daß  der  Schulz  von 
Moderöwka  sich  nur  am  Hofe  des  Abtes  in  Kolaczyce  vor  ihm 
und  sieben  Schulzen  nach  deutschem  Rechte  zu  verantworten 
habe,  wenn  er  durch  ein  vom  Abte  besiegeltes  Schreiben  ge- 
laden werde.  •  Vom  Jahre  1405  an  besitzen  wir  die  Akten 
dieses  Gerichtes.'  Es  wurde  nach  der  Burg  Golesz  oder  dem 
bereits  genannten  benachbarten  Kolaczyce  genannt  und  führt 
unter  anderem  die  Titel:  ius  supremum  Theutonicum  oder 
Magdeburgense  in  Castro  Golesz,  ius  superius  dictum  lenske 
(lincale,  lincum)  in  Colaczice,  ius  feodale  castri  Golesz,  iudi- 
cium scultetorum  supremi  iuris  Theutonicalis  in  Colaczice.  Dieses 


*  CDPM'  II,  Nr.  662.         »  Vgl.  ib.  Nr.  487  u.  521. 

■  ib.    Nr.  568:    exceptie    causis   enormibus  et  difficilibus,    quos  in  curia 

nostra  iure  ipsomm   cum  assessoribus,   quos  domina  abbatissa  de  con- 

silio  ponet  sororum,  sine  debito  terminabunt. 
*  ib.  ni,  Nr.  855.         »  Kod.  Tyn.  I,  Nr.  67. 
«  Kod.  Tyn.  I,  Nr.  108,  und  ODPol.  in,  Nr.  165. 
'  F.  PiekosiAski,  Akta  s^du  ledskiego   wyiszego   w  gfr<5dku  Goleskim 

U06— 1546  (Star.  Pom.  IX).    Krakau  1889. 


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201 

Hofgericht  führt  also  alle  fUr  seine  doppelte  Tätigkeit  als  Lehens- 
hof und  Oberhof  bezeichnenden  Namen.  Als  Sitz  eines  zweiten 
Lehensgerichtes  dieses  Klosters  wird  in  den  Jahren  1386  und 
1394  Tyniec  selbst  genannt.^  Im  Jahre  1431  führt  dieses  Ge- 
richt den  Titel:  ,ius  supremum  Theutonicum  Magdeburgense  in 
Thynyecz^;  in  ihm  sitzen  sieben  Schulzen  als  Schöffen.*  An 
diesen  Oberhof  in  Tyniec  konnte  von  dem  Lehensgerichte  in 
Kolaczyce  appelliert  werden.* 

Im  Jahre  1375  bestimmte  Abt  Konrad  von  Koprzy  wnica 
flir  die  klösteriiche  Stadt  ,Fristath'  (Freistadt,  Frysztak),  daß 
die  Vögte  derselben  nur  vor  sieben  Schulzen  in  der  genannten 
Stadt  selbst  nach  Magdeburger  Recht  gerichtet  werden  sollten. 
Diese  Bestimmung  ist  insofern  bemerkenswert,  als  das  Lehens- 
gericht am  Sitze  des  Belehnten  stattfand.^  Derselbe  Abt  gab 
im  Jahre  1378  auch  seinem  Schulzen  Oberwin  von  Wietrznowa 
wola  die  Freiheit,  daß  derselbe  nur  vor  dem  Abte,  und  zwar 
in  der  Ansiedlung  selbst  gerichtet  werden  könnte.^  Dieses 
Klloster  scheint  also  sein  Lehensgericht  nicht  an  einem  be- 
stimmten Orte  errichtet  zu  haben,  sondern  hielt  die  entspre- 
chenden Verhandlungen  in  seinen  verschiedenen  Besitzungen, 
die  mit  deutschem  Rechte  bestiftet  waren,  nach  Bedarf  ab. 

Auch  das  Nonnenkloster  in  Zwierzyniec,  ebenfalls  im 
Krakauer  Gebiete  gelegen,  hatte  sein  magnum  iudicium  Theu- 
thunicale,  als  dessen  Vogt  Nikolaus  Szaffiar  erscheint;  als  Schöffen 
sind  sieben  Schulzen  genannt  (1401  und  1402).* 

Weiter  im  Osten  finden  wir  ein  deutsches  Lehensgericht 
im  Bistume  PrzemySl.  Schon  in  einer  Urkunde  vom  Jahre 
1386  bestimmt  Bischof  Erich,  daß  der  Schulz  von  Biskopes- 
walt  (Jasionka)  nur  von  ihm  und  seinem  iudicium  Theutonicum 
gerichtet  werden  sollte. '  Im  Jahre  1441  bestimmt  der  Bischof 
von  Przemyfil,  daß  der  Vogt  von  Radymno  vor  dem  Bischof 
oder   dessen   Nachfolger   und   sieben  Vögten   gerichtet  werden 


*  Kod.  Tyn.  I,  Nr.  109  (Jahr  1386):  coram  nobis  et  coram  iudicio  nostro- 
rum  Bcultetorum  in  Tincia.  —  Ib.  I.  Nr.  119  (Jahr  1394):  coram  nobis 
et  succesfloribuB  nostris  seu  iudicio  claustri  Tineciensis. 

•  ib.  I,  Nr.  167. 

•  Vgl.  die  Einleitung,  S.  XXXI,  zu  den  von  Piekosiiiski  in  Star.  Pom. 
herausgegebenen  Akten. 

*  CDPM.  m,  Nr.  969.        »  ib.  Nr.  904. 

«  CDCrac.  I,  Nr.  94  u.  101.        '  AGZ.  Vm,  Nr.  18. 


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202 

sollte.^  Drei  Jahre  später  (1444)  erscheint  ein  supremum  ius 
Theutunicum  Magdeburgense  episcopatus  Prernyslensis,  das 
außer  einem  iudex  noch  sieben  Beisitzer  zählt  und  in  Brzozow 
seinen  Sitz  hatte.  ^ 

Für  das  Lemberger  Bistum  ist  der  Bestand  eines  eigent- 
lichen deutschen  Lehensgerichtes  noch  nicht  nachgewiesen.  Doch 
herrschte  auch  hier  sonst  der  gleiche  Rechtsbrauch.  So  ist  für 
die  Stadt,  welche  Bischof  Johann  an  Stelle  von  Bartholds  Wirts- 
haus errichten  sollte,  im  Jahre  1442  von  König  Wtadyslaw  die 
Bestimmung  getroffen  worden,  daß  der  Vogt  sich  nur  vor  dem 
Erzbischofe  auf  dessen  schriftHche  Ladung  nach  Magdeburger 
Recht  zu  verantworten  habe.'  Natürlich  mußte  der  Bischof 
zu  diesem  Zwecke  ein  Lehensgericht  zusammentreten   lassen.^ 

c)  LehenBgerichtBbarkeit  der  adeligen  OrundbeBitzer. 

Schheßlich  ist  noch  einiges  über  die  Gerichtsbarkeit  zu 
sagen,  welche  adelige  Grundbesitzer  als  Lehensherren  ausübten. 
So  bestimmte  z.  B.  Margareta  P^czek,  als  sie  einen  Wald  bei 
GaboA  einem  gewissen  Nikolaus  und  seinem  Sohne  Werner  zur 
Besiedlung  übergab  (1333),  daß  die  Schulzen  nur  vor  ihr  über 
schriftliche  Ladung  zu  erscheinen  und  sich  nach  deutschem 
Rechte  zu  verantworten  hätten.^  Die  Grundherren  von  Opa- 
l^na  treffen  im  Jahre  1338  für  ihren  Schulzen  dieselbe  Be- 
stimmung, nur  daß  es  in  der  Urkunde  heißt,  sie  würden  sich 
vor  dem  Richter  des  Gutsherrn  oder  vor  diesem  selbst  zu  ver- 
antworten haben.  •  Aus  dieser  Bemerkung  geht  hervor,  daß 
auch  Privatgrundherren  Richter  bestellten.  Nach  dem  zuge- 
sicherten deutschen  Rechte  richteten  aber  weder  die  Gutsherren 
noch  ihre  Richter  selbst,  sondern  es  mußte  ebenfalls  ein  Lehens- 


»  AGZ.  Vm,  Nr.  66.        •  ib.  Nr.  72.  Vgl.  ib.  XI,  Nr.  2420  (Jahr  1447). 

»  ib.  n,  Nr.  66. 

*  Über  ähnliche  Gerichte  außerhalb  Galiziens  vgl.  man  Piekosii&ski, 
O  s^ach  wjissych,  8.  31  ff.  Dazu  noch  die  Urkunden  Nr.  941  u.  942 
vom  Jahre  1386  in  CDPM.  III.  In  der  ersten  Urkunde  wird  genannt 
Pesco  adrocatus  Biiechovienflis  necnon  iudex  supremi  iudicii  curie  Mie- 
choyiensis  iuris  Thentonici.  In  der  zweiten  erscheint  Pesco  advocatus 
Miechoviensis  necnon  iudex  curie  Miechoviensis  generalis  et  iurati  iam 
dicte  curie  Miechoviensis.    Die  Zahl  der  Schöffen  beträgt  sieben. 

»  CDPM.  m,  Nr.  632. 

^  ib.  Nr.  662:  coram  iudice  nostro  et  coram  nobis. 


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203 

gericht  zusammengesetzt  werden.  Die  Beisitzer  desselben  wur- 
den von  Fall  zu  Fall  bestimmt.  Wahrscheinlich  wurden  zu 
diesem  Zwecke  auch  Schulzen  anderer  Gutsbesitzer  herbei- 
gezogen, wenn  ein  Grundherr  nicht  über  die  entsprechende 
Anzahl  von  rechtskundigen  Schöffen  verfügte.  Zur  Ausbil- 
dung ständiger  Lehensgerichte  ist  es  begreiflicherweise  auf 
solchen  Gutsherrschaften  von  beschränktem  Umfange  nicht  ge- 
kommen. 


5.  Der  königliche  dentsebe  Oberhof  anf  der  Bnrg 
zu  Erakau.    Kecbtszug  nach  Magdeburg. 

Von  allen  bekannten  Lehensgerichten  hatten  begreiflicher- 
weise die  landesfiirstlichen  das  größte  Ansehen  und  den  wei- 
testen Wirkungskreis.  Da  der  Landesfttrst  nicht  nur  über  seine 
Vögte  und  Schulzen  richtete,  sondern  auch  die  Gerichtsbarkeit 
über  die  gutsherrHchen  beanspruchte,  so  konnten  seine  deutschen 
Gerichte  den  grundherrlichen  Charakter  abstreifen  und  zu  öffent- 
lichen werden.  Das  Lehensgericht  des  Königs  konnte  über 
andere  Orts-  und  Lehensgerichte  gestellt  werden,  ihnen  als 
höhere  Instanz  übergeordnet  werden  und  über  Vögte  und 
Schulzen  des  Adels  und  der  Geistlichkeit  richten.  Es  entsprach 
ganz  dem  deutschen  Rechte,  daß  bei  einer  Rechtsverweigerung 
die  Partei  sich  an  den  übergeordneten  Richter  wende;  ,der 
König  ist  aber  allgemeiner  Richter  über  alle^,  heißt  es  im 
Sachsenspiegel.*  Somit  ging  der  Rechtszug  vom  Ortsgerichte 
an  das  Lehensgericht,  von  diesem  aber  an  den  Fürsten,  das 
ist  an  dessen  deutsches  Gericht,  wobei  natürlich  jenes  auf 
der  Krakauer  Burg  in  erster  Linie  in  Betracht  kam.  So  lag 
in  diesem  Gerichte  von  allem  Anfange  an  der  Keim,  zum 
höchsten  deutschen  Gerichte  in  diesen  Teilen  Polens,  zum 
,Oberhof^  zu  werden. 

Aber  nicht  nur  Klagen  gegen  Vögte  und  Schulzen  gaben 
Anlaß,  sich  an  ein  anderes  Gericht  zu  wenden.  Eis  konnte 
vorkommen,  daß  die  Schöffen  über  die  Behandlung  einer  Rechts- 
sache nicht  im  Klaren  waren,  oder  daß  sich  für  ein  vorge- 
schlagenes Urteil  nicht  die  nötige  Stimmenmehrheit  der  Schöffen 
fand,  und  man  daher   um   eine  Weisung   oder  Öffnung  andere 


^  Die  koning  Ib  gemene  richtere  oyer  al. 


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204 

Richter  angehen  mußte.  Auch  konnte  das  Urteil  von  einer 
Partei  gescholten  werden,  weil  es  nach  ihrer  Ansicht  nicht 
dem  Recht  entsprach.  Nun  gab  es  zwar  urspiünglich  nach 
deutschem  Rechte  keine  eigentliche  Berufung  oder  Appellation 
in  unserem  Sinne,  womach  ein  höheres  Gericht  das  Urteil  des 
niederen  aufheben  konnte;  wohl  aber  konnte  man  unverbind- 
liche Urteile  holen,  das  heißt  in  zweifelhaften  Fällen  Rechts- 
mitteilungen erbitten.  Dieser  gemein-deutsche  Rechtsbrauch 
fand  auch  in  Polen  Eingang,  und  er  spielte  hier  eine  umso 
wichtigere  Rolle,  weil  das  deutsche  Recht,  als  es  hierher  ge- 
bracht wurde,  noch  wenig  ausgebildet  war.  Es  zählte  nämlich 
das  älteste  Magdeburger  Recht  vom  Jahre  1188  nur  9  Artikel; 
der  Magdeburger  Rechtsbrief  für  Herzog  Heinrich  I.  von  Schle- 
sien aus  dem  Anfange  des  13.  Jahrhunderts  hatte  nur  18  Ar- 
tikel; das  Hallesche  Recht  für  Neumarkt  vom  Jahre  1235  um- 
faßte 46  Artikel;  das  Magdeburg-Breslauer  Recht  vom  Jahre 
1261  schon  79  Artikel,  wozu  im  Jahre  1295  noch  23  weitere 
Artikel  von  den  Magdeburger  SchöflFen  als  Nachtrag  nach 
Breslau  gesandt  wurden.  Im  Jahre  1304  erteilten  die  Magde- 
burger den  Görlitzern  bereits  ein  140  Artikel  umfassendes 
Recht.  Und  das  Rechtsbuch,  welches  Eazimierz  der  Große 
auf  Grundlage  des  Sachsenspiegels  und  des  Magdeburger 
Rechtes  für  sein  deutsches  Gericht  auf  der  Krakauer  Burg 
herstellen  ließ,  weist  schon  502  Artikel  auf.  Die  ursprüngliche 
Lückenhaftigkeit  des  deutschen  Rechtes  wurde  in  Polen  umso 
fühlbarer,  als  hier  die  Verhältnisse  vielfach  anders  als  in  der 
Heimat  waren,  auch  in  den  Orten  mit  gemischter  Bevölkerung 
viele  mit  dem  deutschen  Rechtsverfahren  überhaupt  nicht  ver- 
traut waren;  es  erhielten  aber  auch  Einheimische  Schulzen- 
ämter. Dazu  kommt,  daß  in  den  Bestiftungsurkunden  niemals 
die  Rechtsbestimmungen  im  einzelnen  angeführt  wurden,  viel- 
mehr man  sich  mit  dem  bloßen  Verweise  auf  das  deutsche  Recht 
oder  irgend  ein  Stadtrecht  begnügte.  Aufzeichnungen  dieser 
Rechte  waren  aber  gewiß  in  vielen  Orten  nicht  vorhanden,  kam 
es  doch  noch  im  15.  Jahrhundert  vor,  daß  man  die  Appellation 
an  ein  höheres  Gericht  als  Rekurs  an  das  geschriebene  Recht 
bezeichnete  (ad  ins  supremum,  videlicet  ad  scriptum).^  So  kam 
es,    daß   von   allem  Anfange   an   die  Notwendigkeit  vorhanden 


^  Star.  Pom.  IX,  Nr.  185  aus  dem  Jahre  1418. 


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206 

war,  in  zweifelhaften  oder  strittigen  Fällen  eine  Rechtsbelehrung 
bei  besser  unterrichteten  Richtern  einzuholen. 

Dieser  Notwendigkeit  hat  schon  Boleslaw  der  Schamhafte 
Rechnung  getragen,  als  er  im  Jahre  1257  im  Freibriefe  von 
Krakau  bestimmte,  daß  diese  Stadt  das  Breslauer  Recht  mit 
Beobachtung  jenes  von  Magdeburg  erhalten  solle,  damit  in 
zweifelhaften  Fällen  zum  geschriebenen  Rechte  ,rekurriert 
werdet  ^  Ebenso  hat  Wenzel  II.  von  Böhmen  in  seinem  Frei- 
briefe ftlr  Neu-Sandec  vom  Jahre  1292  bestimmt,  daß  diese 
Stadt  das  Magdeburger  Recht,  wie  es  in  Krakau  gilt,  besitzen 
solle,  damit  man  zu  diesem  Rechte  ,rekurriere',  wenn  ein 
Zweifel  entstehen  wtlrde.*  In  anderen  Fällen  wird  nur  kurz 
bemerkt,  daß  einem  Orte  das  Recht  nach  dem  Muster  dieses 
oder  jenes  älteren  verliehen  werde;  so  hatte  Podolin  im  Jahre 
1244  das  Magdeburger  Recht  erhalten,  wie  es  Krakau  und 
Sandomir  besaßen.^  In  allen  diesen  Fällen  darf  man  an- 
nehmen, daß  die  Tochterstadt  sich  in  zweifelhaften  Rechts- 
sachen an  die  Mutterstadt  wandte.  In  zahlreichen  anderen 
stand  eine  Anfrage  beim  Grundherrn  oder  dessen  deutschem 
Gerichte  umso  näher,  als  der  Lehensherr  sich  die  Entscheidung 
über  die  schweren  RechtsfkUe  vorbehalten  hatte.  In  einzelnen 
großen  Orten,  z.  B.  in  Krakau,  kam  es  vor,  daß  die  Schöffen 
in  zweifelhaften  Fragen  die  Anschauung  der  Ratsherren  ein- 
zogen; dies  geschah  hier  schon  am  Anfange  des  14.  Jahr- 
hunderts* und  am  Ende  desselben  hatte  König  Wladyslaw  II. 
dieses  Verfahren  noch  befestigt.^  Ein  anderer  Ausweg  bestand 
darin,  daß  man  sich  an  einen  anderen  Ort,  besonders  an  eine 
größere  Stadt  wandte.  Da  nun  das  Verlangen  oft  vorhanden 
war,  sich  direkt  an  der  Quelle  des  deutschen  Rechtes  zu  unter- 
richten, so  wurden  derartige  Rechtsanft*agen  häufig  nach  Deutsch- 
land, besonders  nach  Magdeburg,  gerichtet. 

Dieses  ungeregelte  Appellationsverfahren  war,  wie  leicht 
zu  ersehen  ist,  mit  zahlreichen  Unzukömmlichkeiten  und  nicht 


'  CDCrac.  I,  Nr.  1 :  ad  iue  scriptum  a  dubitantibus  recurratur. 

^  GDPol.  in,  Nr.  67 :  ut  ad  ius  ibidem  praescriptum  recurrant,  si  de  aliquo 

faerit  dubitatum. 
»  CDPM.  n,  Nr.  426. 
*  LACrac.  I,  Nr.  706:    scabini  dictam  causam    disposuerunt   ad    consules 

Cracovienses  (Jahr  1324).     Dazu  auch  Piekosiiiski,  O   wyiszych  8%- 

dach,  S.  62  f.        »  Siehe  oben,  8.  192. 


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206 

geringen  Ausgaben  verbunden.  Alle  ,Urteile'  von  anderen 
Orten  in  Polen  und  Deutschland  mußten  ^gekauft'  werden,  und 
trotzdem  erlangte  man  auf  diese  Weise  nicht  rechtskräftige  Ent- 
scheidungen, sondern  bloß  unverbindliche  Weisungen.  Dazu 
kam,  daß  die  Herrscher  sowohl  das  Erkaufen  von  Urteilen 
bei  deutschen  Gerichten  polnischer  Orte,  die  nur  für  ihr  Weich- 
bild richterliche  Gewalt  erhalten  hatten,  als  auch  in  Deutsch- 
land als  Eingriff  in  ihre  Rechte  ansahen.  Man  hielt  eine  allzu 
enge  Verbindung  zwischen  Orten  mit  deutschem  Rechte  in  Polen 
für  ebenso  gefährlich  wie  mit  dem  Auslande.  ^  Alle  diese  Um- 
stände, femer  das  Begehren,  seine  Gerichtseinkünfte  zu  ver- 
größern, endlich  gewiß  auch  die  Absicht,  die  einen  bevorzugten 
Stand  bildenden  Vögte  und  Schulzen  der  Gerichtsbarkeit  ihrer 
Gutsherren  zu  entziehen  und  sie  zum  Vorteile  des  Fürsten  von 
diesem  abhängig  zu  machen,  bewog  Kazimierz  den  Großen 
umsomehr  einen  deutschen  Oberhof  zu  schaffen^  als  unter  ihm 
die  Ausbreitung  des  deutschen  Rechtes  in  Polen  einen  überaus 
großen  Aufschwung  genommen  hatte.* 

Die  Durchführung  dieses  Planes  war  nicht  ohne  Schwierig- 
keiten, denn  es  mußten  zum  Teile  Verhältnisse,  deren  Entwick- 
lung die  Landesfürsten  selbst  herbeigeführt  haben,  rückgängig 
gemacht  werden.  So  hatte  z.  B.  Kazimierz  selbst  am  Anfange 
seiner  Regierung  noch  so  wenig  an  die  Zentralisation  des 
obersten  deutschen  Gerichtswesens  in  seinem  Reiche  gedacht, 
daß  er  im  Jahre  1336  in  Sandomir  ein  dem  Krakauer  gleich- 
gestelltes Gericht  für  wichtige  und  schwierige  Rechtsangelegen- 
heiten errichtete.'  Vor  allem  haben  alle  Landesfürsten  zum 
großen  Teile  auf  die  Gerichtsbarkeit  zu  Gunsten  der  Orts- 
und Lehensgerichte  verzichtet.  Bevor  daher  das  deutsche  Ge- 
richt auf  der  Krakauer  Burg  mit  Erfolg  zu  einem  allgemeinen 
Oberhof  für  alle  deutschen  Orts-  und  Lehensgerichte,  also  auch 
für  jene  auf  geistlichen  und  adeligen  Gütern,  erklärt  werden 
konnte,  mußten  mit  den  geistlichen  und  adeligen  Grundbesitzern^ 
ferner  den  Vertretern  der  Stadt-  und  Dorfgemeinden,  den  Rats- 
herren, Vögten,  Schulzen  und  Schöffen  Verhandlungen  gepflogen 


^  Darüber  werde  ich  an  einem  anderen  Orte  handeln. 

•  Über  die  Beweggründe  gibt  König  Kazimierz  zumeist  selbst  Auskunft 

in  seinem  Stiftbriefe  des  Oberhofes.     Dazu  Piekosii&ski,  O  wjtszych 

s^ach,  S.  48  ff. 
»  Siehe  oben,  S.  192  f. 


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207 

werden,  wie  dies  der  König  selbst  in  der  Errichtungsurkunde 
des  Oberhofes  erklärt.^  Dieselbe  ist  in  ihrer  ältesten  Fassung 
vom  Jahre  1366  datiert  und  wurde  in  den  Jahren  1361  und 
1368  erneuert;  es  f^llt  also  die  Errichtung  und  Reorganisierung 
des  Krakauer  Oberhofes  in  die  Zeit  der  reichen  gesetzgebe- 
rischen Tätigkeit  unter  Kazimierz,  deren  Ergebnisse  in  dem 
sogenannten  WiSlicer  Statute  vereinigt  sind. 

Von  1357  angefangen  finden  wir  auch  schon  deutliche 
Beweise  des  Bestandes  des  Oberhofes.  So  traf  in  diesem  Jahre 
König  Kazimierz  die  Bestimmung,  daß  bei  Rechtsverweigerung 
durch  Vogt  und  Schöffen  von  Czchöw  oder  bei  Scheltung  des 
Urteiles  derselben  der  Prozeß  beim  königlichen  deutschen  Ge- 
richte in  Krakau  (iudicium  nostrum  Theutonicum  Cracoviense) 
geführt  werden  sollte  und  der  Rekurs  zum  ,Buche  des  deutschen 
Rechtes  zu  Krakau'  ergriflfen  werden  könne.*  Unter  diesem 
Buche  ist  natürlich  das  Rechtsbuch  des  Königs  zu  verstehen, 
welches  in  der  Gründungsurkunde  des  Oberhofes  erwähnt  wird. 
Aus  dem  folgenden  Jahre  (28.  September  1358)  ist  uns  eine 
Urkunde  erhalten,  in  welcher  Helmann  Edlingi  als  summus 
iudex  et  advocatus  provincialis  iuris  Theutonici  in  Castro  Cra- 
coviensi  erscheint;  ihm  zur  Seite  sitzen  als  Schöffen  sieben 
Vögte  und  Schulzen.  •  Bezeichnend  ist,  daß  diese  nicht  nur  von 
königlichen,  sondern  auch  von  geistlichen  Gütern  berufen  wur- 
den; es  war  somit  dem  Gerichte  eine  Zusammensetzung  ge- 
geben worden,  die  es  als  einen  allgemeinen  Oberhof  kenn- 
zeichnet, vor  dem  nicht  nur  königliche  Mannen  zu  richten 
waren.  Bemerkenswert  ist  auch,  daß  der  zitierte  Akt  dieses 
Gerichtes  den  Verkauf  einer  klösterlichen  Schulzei  betrifft,  also 
ein  Geschäft,  das  sonst  vor  das  Lehensgericht  des  Klosters  ge- 
hört hätte.  Somit  hatte  bereits  damals  dieses  Kloster,  St.  An- 
dreas  in  Krakau,    das   königliche    deutsche   Gericht   auf  der 


*  Dazu  iflt  jetzt  vor  allem  zu  vergleichen:  F.  PiekoaiAski,  Przywilej 
kröla  Kazimierza  Wielkiego  w  przedmiocie  zalo2enia  s^du  wyiszego 
prawa  niemieckiego  na  zamka  Krakowskim.  Rozprawy  der  Krakauer 
Akad.,  hiflt  phil.  Serie  U,  Bd.  X  (1898),  S.  290  ff.  Hier  und  bei  Bo- 
brzjÄski,  O  zatoieniu  wyiszego  i  najwyiszego  s^du,  findet  man  auch 
den  Stiftbrief  abgedruckt. 

*  CDPM.  I,  Nr.  249;  recunus  poterit  baberi  ad  librum  iuris  Theutonici 
Cracovie. 

»  ib.  Nr.  263. 


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208 

Krakauer   Burg   als   allgemeines   Obergericht   nach   deutschem 
Rechte   anerkannt.    Wenige   Monate   später,   am   7.  Dezember 
1358,    ist   in   dem   neuen  Freiheitsbrief  der   Krakauer  bereits 
deren  Unterordnung  unter  diesen  Oberhof  zum  Ausdrucke  ge- 
bracht/  ganz   im   Gegensatze   zu   ihren    früheren  Vorrechten, 
wornach   sie   keinem  advocatus  generalis,  also  keinem  ordent- 
lichen  höheren  Richter   des  Fürsten,   unterstehen  sollten,   viel- 
mehr  in   schwierigen   Fällen   der   König   oder  ein   besonderer 
Abgeordneter  desselben  die  Untersuchung  leiten   sollte.     Jetzt, 
im   Dezember   1358,   wurde   ausdrücklich   verfügt,    daß  gegen 
ein  ,orteyl'  des  Stadtgerichtes  gestattet  sei,  ,beim  höheren  Ge- 
richte   des    Königs   Berufung    einzulegen'    (ad    maius    nostrum 
iudicium  appellare),  und  daß  vor  diesem  über  die  Beschwerde 
nach   deutschem  Rechte   zu   entscheiden   sei.     Seit  dem  Jahre 
1359  finden  wir  für  dieses  hohe  königliche  Gericht  den  Namen 
iudicium   nostrum  generale;   doch   muß   bemerkt  werden,  daß 
diese  Bezeichnung   oft  auf  andere  Gerichte  angewendet  wird.* 
In   der   Gründungsurkunde   des   Oberhofes  wird   derselbe   Jus 
supremum  Theutonicale  provinciale   oder  auch  Judicium  supre- 
mum  provinciale  Theutonicale  castri  nostri  Cracoviensis  genannt. 
Endlich  erscheinen  in  Urkunden  seit  1365  für  dasselbe  Gericht 
die  Bezeichnungen:'  ins  Theutonicum  castri  Cracoviensis,  supre- 
mum  iudicium   (pro vin Cialis)   iuris  Theutonici   in   Castro  Craco- 
viensi   oder   supremum   ins  Theutonicum  in  Castro  Cracoviensi. 
Der  Vorsitzende  hieß  advocatus,  iudex  seu  advocatus  oder  iudex 
provincialis.  In  dieser  Eigenschaft  erscheinen  wiederholt  Krakauer 
Bürger.    Im  Jahre  1464  ist  Nikolaus  Rezinger,  im  Jahre  1516 
Jakob  Maysnar  Vorsitzender.*     Die   sieben    Schöflfen   (scabini) 
sind   teils   Krakauer  Bürger,   zumeist  aber  Schulzen  verschie- 
dener  Ortschaften.     Alles   dies    entspricht    den   Bestimmungen 
der  Errichtungsurkunde  des  Königs  Kazimierz.  In  dieser  spricht 
er   sich    übrigens   ausdrücklich   über   die   Beweggründe   seiner 


»  CDCrac.  I,  Nr.  32. 

"  Vgl.  die  bei  Piekosiiiski,  O  wjtszych  s^dach,  8.  47,  Anm.  1,  ge- 
nannten Urkunden;  ferner  CDPM.  III,  Nr.  865  u.  909;  CathCracCD.  U, 
Nr.  658.    Dazu  die  Bemerkungen  oben,  S.  197,  Anm.  2. 

«  CDPM.  I,  Nr.  279,  326,  338,  362;  UI,  Nr.  889,  892,  916. 

*  Fr.  Bujak,  Materyaly  do  historyl  miasto  Biecsa,  Teil  I  (1368—1674). 
Spraw.  kom.  bist,  sztuki  VII  (1904),  Urkunden  Nr.  40  u.  96.  In  beiden 
Urkunden  handelt  es  sich  um  Geschäfte,  welche  Vogteien  betreffen. 


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209 

Gründung  aus ;  er  erwähnt  der  Verhandlungen  zu  diesem  Zwecke 
und  kündigt  die  Niederlegung  des  für  dieses  Gericht  bestimmten 
Rechtsbuches  in  dem  Schatze  seiner  Krakauer  Burg  an.  Die 
Urkunde  enthält  auch  die  Bestimmungen  über  die  Einkünfte 
und  Rechte  des  Vogtes^  der  Schöffen  und  des  Notars^  der  mit 
der  Ausfertigung  der  Schriftstücke  betraut  war.  Von  allen 
Gerichtstaxen  fiel  dem  königlichen  Fiskus  die  Hälfte  zu;  von 
den  Geldstrafen  nahm  der  König  vier  Fünftel  in  Anspruch; 
den  Rest  erhielten  die  Schöffen. 

So  umsichtig  aber  die  Gründung  des  Oberhofes  in  Krakau 
eingeleitet  und  durchgeführt  wurde,  es  gelang  doch  nicht,  für 
die  Dauer  ausschUeßlich  ihm  den  Charakter  eines  obersten 
deutschen  Gerichtes  zu  sichern.  Schwerlich  wird  die  Ansicht 
richtig  sein,  daß  König  Kazimierz  in  Krakau  überhaupt  nur 
einen  Oberhof  für  das  Krakauer  Gebiet  habe  errichten  wollen, 
und  daß  ihm  daher  keine  andere  Stellung  als  anderen  in  Polen 
bestandenen  Oberhöfen  einzuräumen  sei.  ^  Begründeter  er- 
scheint wohl  die  Anschauung,  daß  der  frühe  Tod  des  Königs  ihn 
an  der  völligen  Durchführung  seiner  umfassenden  Pläne  ver- 
hindert habe.  Die  Ereignisse  der  folgenden  Jahre  nach  dem 
Aussterben  der  Piasten  erleichterten  einzelnen  mächtigen 
Lehensherren  die  Ausbildung  ihrer  eigenen  Hofgerichte  zu 
obersten  deutschen  Gerichtshöfen  zu  fördern;  und  zugleich 
haben  neben  dem  Krakauer  andere  königUche  Lehensgerichte 
den  Titel  von  Oberhöfen  angenommen.  So  kam  es,  daß  die 
einzelnen  Lehensgerichte,  wie  bereits  oben  ausgeführt  wurde, 
sich  als  iudicia  suprema  u.  dgl.  bezeichnen  konnten.  Bemerkt 
muß  jedoch  werden,  daß  der  Krakauer  Oberhof  trotzdem  einen 
gewissen  Vorrang  behielt,  und  daß  Prozesse  auch  von  den 
anderen  mit  dem  Titel  eines  Oberhofes  ausgezeichneten  Lehens- 
höfen an  ihn  geleitet  wurden.  So  wurde  in  den  Jahren  1461/62 
ein  Rechtsstreit  zwischen  den  Vögten  Johannes  und  Peter  von 
Krosno  vor  dem  ins  supremum  in  Sanok  verhandelt;  von  dort 
ging  er  an  das  ius  supremum  castri  Cracoviensis.  Das  Urteil 
des  letzteren  bestätigte  Kazimierz  JagiHo  am  6.  Juni  1463.* 


*  Boepell,  Über  die  Verbreitung  usw.,  S.  286,  und  F.  Bischof,  Bei- 
trJlge  zur  Geschichte  des  Mageburger  Bechtes.  Wiener  Sitzungsberichte 
der  phil.-hist.  Klasse,  Bd.  L  (1865),  S.  368. 

»  AQZ.  XI,  Nr.  3640  ff.  u.  3719  ff.;  ib.  HI,  Nr.  118  u.  119. 

Archiv.  XCV.  Band.  I.  Hilfta.  1* 


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210 

Auch  angesehene  städtische  Gerichte  sind  wie  schon  vor  der 
Gründung  des  Krakauer  Oberhofes  auch  nachher  um  Rechtsmit- 
teilungen angegangen  worden.  So  ist  uns  z.  B.  ein  Spruch  der 
,scheppin  der  stat  Crawko*  für  die  Stadt  Biecz  erhalten,^  die 
erst  im  Jahre  1363  Magdeburger  Recht  erhielt,*  und  ebenso 
kennen  wir  zwei  interessante  Urteile  der  Schöffen  von  Lem- 
berg,  welche  über  Anfrage  der  Schöffen  von  Krotoszyn  er- 
folgten/ das  erst  nach  1397  deutsches  Recht  erhalten  haben 
kann.*  Aber  noch  mehr:  die  Könige  haben  auch  selbst  wieder 
einzelnen  Städten  geradezu  das  Recht  erteilt,  anderen  Orten 
Urteile  zu  geben.  Wir  haben  schon  oben  gesehen,  wie  das 
Lemberger  Stadtgericht  auf  diese  Weise  geradezu  ein  Oberhof 
wurde  (1444).^ 

Auch  den  Rechtszug  nach  Magdeburg  haben  die  könig- 
lichen Verfügungen  nicht  zu  unterdrücken  vermocht.  In  den 
verschiedenen  Sammlungen  von  Schöffensprüchen  finden  sich 
nicht  nur  Magdeburger  Urteile,  die  vor  1356  eingeholt  wurden, 
sondern  auch  solche  aus  späterer  Zeit.  So  ist  uns  ein  Schöffen- 
spruch erhalten,^  in  welchem  sich  die  Bemerkung  findet:  ,Dis 
was  der  erste  brif,  der  czu  Medeburg  durch  den  Crocawischen 
statscrebir  geholit  wart  .  .  .  vnde  wurdyn  geholit  in  der  ior- 
czal  herregotis  1376.'  Natürlich  war  dieses  Urteil  nicht  das 
erste  überhaupt  aus  Magdeburg  nach  Krakau  gebrachte,  viel- 
mehr muß  sich  das  ,erste'  auf  eine  bestimmte  Gruppe  von  Ur- 
teilen beziehen.  Sehr  interessant  ist  eine  Gruppe  von  Schöffen- 
sprüchen, die  sich  geradezu  auf  den  Widerstreit  zwischen  der 
königlichen  Gewalt  und  der  Berufung  nach  Magdeburg  be- 
ziehen.^    In  einem  ist  von  Ratmannen  die  Rede,   welche  ,sich 


^  Ka}u2niacki,  a.  a.  O.,  S.  108.  Ein  anderes  Urteü  fOr  Biecz  ebenda, 
S.  106  f. 

•  CDPM.  m,  Nr.  765. 

'  Ea}u2niacki,  a.  a.  O.,  S.  97  ff.  Andere  Urteile  der  Krakauer  sind 
S.  90  u.  92  mitgeteilt.    Vgl.  auch  die  Bemerkungen  S.  46,  161,  165. 

*  AGZ.  II,  Nr.  24. 

»  Siehe  oben,  S.  197  i     Vgl.  auch  Kromers  Polonia,  S.  119. 

®  W.  Wislocki,  Kodex  pilinieÄski  ortylöw  Magdeburskich.  Rozprawy 
der  Krakauer  Akademie,  hist.-phil.  Klasse,  n  (1874),  S.  174.  F.  Bischoff, 
Über  eine  Sammlung  deutscher  Schöffensprüche  in  einer  Krakauer 
Handschrift.  Archiv  für  Österreichische  Geschichte  XXXVm  (1867),  S.  4. 

'  H.  Bohl  au.  Die  ,Summa  der  rechte  Weg  genannt*.  Zeitschrift  für 
Rechtsgeschichte  VOl  (1869),  S.  183. 


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211 

zu  Hofe  lieben'  und  mit  deren  Hilfe  der  König  das  Stadtrecht 
bricht.  In  einem  anderen  wird  bemerkt,  daß  auch  wenn  der 
König  dem  Stadtgerichte  in  einem  Weichbilde  vorsitzt,  der  Zug 
von  dem  dort  gefundenen  Urteile  an  die  Mutterstadt  geht.  In 
einem  dritten  wird  gelehrt,  daß  königlich  bestätigte  Willküren, 
wenn  sie  gegen  das  gemeine  Recht  sind,  die  Schöffen  nicht 
binden.  SchließUch  ist  in  einem  Spruche  die  Rede  von  einem 
Verbote  des  Königs,  ,dorvmb  schreybe  wir  vmb  solch  vorbot 
iczundt  keyn  recht  vnd  senden  euch  ewer  gelt  widder';  Richter 
und  Schöffen  mögen  sich  selbst  zurechtfinden.  Mit  großer  Ge- 
wißheit darf  man  vermuten,  daß  all  diese  Sprüche  mit  der  Ein- 
schränkung des  freien  Rechtes  der  Berufung  zusammenhängen, 
welche  seit  der  Gründung  des  Kj-akauer  Oberhofes  eintrat;  sie 
sind  also  wohl  alle  nach  1356  gegeben  worden.  Diese  Schöffen- 
sprüche sind  aber  auch  deshalb  interessant,  weil  ihre  scharfe 
Sprache  gegen  die  königliche  Gewalt  uns  die  Abneigung  der 
Könige  gegen  den  Zug  nach  Deutschland  erklären  hilft.  In 
einem  Magdeburger  Schöffenspruch  ^  wird  der  Rechtsfall  be- 
handelt, wie  der  Mann  zu  behandeln  sei,  ,der  syn  elich  wijp 
ijn  czome  czu  tode  geslagen  hat,  vnd  her  von  gnodin  des  hey- 
ligin  stulis  czu  Rome  losunge  irworbin  hat,  vnd  dij  konijgijnne 
und  der  konig  czu  genadin  genomen  habin^  Gemeint  sind 
in  diesem  Urteile  offenbar  die  regierende  Königin  Hedwig  und 
ihr  Gemahl  Jagiello;  somit  gehört  es  in  das  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts und  wurde  von  einem  Gerichte  in  Polen  geholt.  Die 
Schöffen  von  Magdeburg  entscheiden,  daß  der  Angeklagte 
unter  den  angeführten  Umständen  ,alle  sijn  recht  vnd  wirde- 
keijt^  wieder  erhalten  soll.  Für  Neu-Sandec  ist  uns  ein  Magde- 
burger Spruch  erhalten,  der  ungefähr  um  1400  geholt  sein 
dürfte.*  SchließUch  sei  nur  noch  ein  Magdeburger  Schöffen- 
spruch für  Krakau  aus  dem  Anfange  des  15.  Jahrhunderts  be- 
sprochen.' Er  ist  über  Anfrage  der  verklagten  Partei,  der 
Ratmannen  von  Krakau,  ergangen,  die  sich  um  Rechtsbelehrung 
nach  Magdeburg  gewendet  hatten.  Die  Anfrage  wirft  auf  die 
Zeitverhältnisse    ein   interessantes   Streiflicht.     Ein    vornehmer 


»  Behrend,  a.  a.  O.,  S.  143,  und  Wislocki,  a.  a.  O.,  S.  190.     Vgl.  auch 

Ealuiniacki,  a.  a.  O.,  S.  37. 
•  Behrend,  a.  a.  O.,  S.  242,  und  dazu  S.  XXI,  Anm.  40. 
"  V.  Stobbe,  Ein  Magdeburger  Schöflfenbrief  für  Krakau.    Zeitschrift  für 

Rechtsgeschichte  X  (1872),  S.  84  ff. 

14* 


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212 

Mann,  der  zugleich  Ratsherr  war,  wurde  vom  Krakauer  Stadt- 
gerichte wegen  Diebstahles  auf  handfester  Tat  zum  Tode  ver- 
urteilt und,  ohne  daß  man  ihn  hatte  beichten  lassen,  hinge- 
richtet. Dafür  wurde  der  Rat  von  den  Verwandten  des  Ver- 
urteilten vor  dem  königlichen  Gerichte  angeklagt;  es  wurde 
vor  allem  der  Vorwurf  erhoben,  daß  dem  Gerichte  nicht  der 
eigentliche  Richter  sondern  ein  von  diesem  eingesetzter  Unter- 
richter vorsaß,  welcher  vom  Könige  nicht  den  Gerichtsbann 
erhalten  hatte  Über  diese  Streitfrage  wurde  die  Ansicht  der 
Magdeburger  Schöflfen  erbeten.  Der  Brief  ist  im  Originale  er- 
halten und  schon  wegen  seiner  Form  bemerkenswert.  Die  An- 
frage der  Krakauer  zerfällt  in  zwei  Teile;  zwischen  denselben 
hat  ihr  Schreiber  einen  Raum  freigelassen.  Auf  diesem  Räume 
haben  die  Magdeburger  die  Antwort  auf  die  erste  Frage  ein- 
getragen, während  sie  die  Antwort  auf  die  zweite  ihr  am 
Schlüsse  folgen  lassen.  Anfragen  und  Antworten  sind  in 
deutscher  Sprache.  Zahlreiche  andere  Magdebui^er  Sprüche 
filr  Krakau  und  wohl  auch  andere  galizische  Orte  sind  nicht 
datiert  und  ihre  Entstehungszeit  auch  sonst  schwer  bestimmbar. 
Aber  es  gibt  noch  eine  andere  Quelle  für  die  Erkenntnis,  daß 
auch  nach  1356  die  Städte  Galiziens  sich  nach  Magdeburg  um 
Rechtsbelehrungen  wandten.  So  finden  wir  in  den  alten 
Rechenbüchern  von  Krakau  unter  den  Einnahmen  des  Jahres 
1395  ein  halbes  Schock  Groschen  eingetragen,  die  für  ein  nach 
Magdeburg  zur  Begutachtung  geschicktes  Urteil  eingezahlt 
worden  waren;  ^  zum  Jahre  1397  finden  wir  unter  den  Aus- 
gaben drei  Mark  für  solche  nach  Magdeburg  gesandte  Anfragen 
eingetragen.*  Zur  Erklärung  mögen  folgende  Mitteilungen  eines 
Schöffenspruches  über  das  zu  Krakau  übliche  Verfahren  bei 
der  Einholung  von  Urteilen  aus  Magdeburg  dienen:'  Wußten 
die  Schöffen,  um  das  Recht  befragt,  keinen  Aufschluß  zu  geben, 
so  hatten  beide  Parteien  das  Geld  für  die  Einholung  des  Urteils 
zu  erlegen.  Kamen  hierauf  die  Schöffen  auf  die  entsprechende 
Entscheidung,  bevor  das  Recht  geholt  wurde,  so  mußte  den 
Parteien  ihr  Geld  zurückgegeben  werden.  Wurde  jedoch  das 
Urteil  geholt,   so  ging  der  sachfölUge  Teil  seines  Geldes  ver- 


»  LACrac.  U,  S.  307.         «  ib.  S.  317. 

"  B  ehrend,  a.  a.  O.,  S.  24.    Vgl.  übrigens   auch    für   Sanok   AGZ.   XI, 
8.  466  u.  486  (Nr.  3725). 


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213 

lustig^  während  ,der  gerecht  wirt'  seines  zurückerhielt.  Schließ- 
lich sei  noch  erwähnt^  daß  nach  einer  Eintragung  in  den  Kra- 
kauer Stadtbiichem  zum  Jahre  1399  bei  einem  Prozesse  das 
,orteyl  der  scheppen  von  Meydburg'  berücksichtigt  wurde.* 
Aber  auch  Jahrzehnte  später  war  das  Holen  von  Urteilen  aus 
Deutschland  üblich  und  erregte  den  Zorn  der  Führer  der  natio- 
nalen adeligen  Partei.  Um  das  Jahr  1477  läßt  sich  Ostrorog 
in  seinem  Monumentum  pro  rei  publicae  ordinatione  wie  folgt 
vernehmen:*  ,0  Verblendung  und  Schwäche,  o  Schmach  und 
Schande,  daß  man  sich  in  unserem  ruhmreichen  freien  König- 
reiche über  den  König  hinwegsetzend  und  die  Großen  miß- 
achtend, nach  Magdeburg  begibt,  um  Recht  zu  finden.  Gibt 
es  denn  in  diesem  freien  Königreiche  keine  gerechten  Richter, 
keine  weisen,  bedächtigen  und  gelehrten  Männer,  daß  man  sich 
Rat  erholt  bei  unsauberen,  schmutzstarrenden  Handwerkern 
und  Menschen  des  niedersten  Standes,  die  nicht  zu  den  ge- 
lehrten Männern,  sondern  zur  ärgsten  Hefe  des  Volkes  gehören. 
0  wachet  endlich  auf  und  weiset  zurück  diese  schändliche 
Schmach,  daß  wir  nicht  mehr  durch  ihren  Unflat  beschmutzt 
werden!' 

6.  Das  oberste  Gerieht  der  sechs  Städte. 

Außer  dem  Oberhofe  in  Krakau  hatte  König  Kazimierz 
mit  derselben  Urkunde  ein  noch  höheres  Gericht  eingesetzt, 
das  von  Fall  zu  Fall  zusammentreten  sollte.  Der  König  ver- 
ordnete nämlich,  daß  im  Falle  jemand  von  dem  Oberhofe  in 
Krakau  an  den  König  Berufung  einlegen  würde,  ein  Gericht, 
bestehend  aus  zwölf  Kommissären,  über  diese  Appellation  zu 
beraten  hätte,  und  zwar  sollten  zu  der  Kommission  je  zwei 
Ratsherren  von  folgenden  Städten  durch  die  Parteien  selbst 
(wahrscheinlich  von  jeder  zu  gleicher  Zahl)  gewählt  werden: 
Klrakau,  Sandec,  Bochnia,  Wielicka,  Kazimierz  und  Ilkusz; 
nur  letzterer  Ort  liegt  außerhalb  Galiziens.  Im  Jahre  1399  hat 
König  Wladyslaw  H.  nur  die  vier  ersteren  Städte  als  jene 
bezeichnet,*  von   denen   Kommissäre   gewählt  werden    sollten, 


»  LACrac.  II,  S.  191  f. 
«  Star.  Pom.  V,  8.  126. 
»  CDPol.  I,  Nr.  160. 


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214 

und  zwar  aus  jeder  drei  oder  zwei;  sie  sollten  im  deutschen 
Rechte  wohl  erfahren  sein  und  über  Betreiben  des  appellieren- 
den Teiles  vom  Krakauer  Starosten  auf  eine  bestimmte  Zeit 
nach  Erakau  berufen  werden.  In  der  genannten  Urkunde^ 
welche  speziell  die  Rechtsverhältnisse  Krakaus  ordnet^  wird 
als  gewöhnlicher  Rechtszug  bestimmt:  das  Gericht  der  Stadt 
Krakau  (iudicium  civitatis  Cracoviensis);  sodann  der  Oberhof 
auf  der  Krakauer  Burg  (supremum  ins  Theutonicum  Magde- 
burgense,  quod  et  provinciale  dicitur,  castri  nostri  Cracoviensis); 
endlich  der  König;  welcher  den  Rechtsstreit  durch  das  Kom- 
missionsgericht entscheiden  läßt.  Von  diesem  durfte  nicht  weiter 
appelliert  werden  (non  erit  neque  esse  debet  facultas  cuiquam 
ulterius  appellandi).  Im  Jahre  1421  bestätigt  sodann  JagieUo 
das  Privileg  des  Königs  Kazimierz  ohne  Änderungen  und  setzte 
hiermit  wieder  die  früher  übergangenen  zwei  Städte  in  ihr 
Recht.  ^  So  erscheinen  auch  z.  B.  im  Privilegium  des  Königs 
Kazimierz  Jagiello  vom  Jahre  1455  alle  sechs  Städte  genannt.  * 
Mit  dieser  Urkunde  hat  der  König  das  Verbot,  vom  Kommissions- 
gerichte weiter  zu  appellieren,  so  verschärft,  daß  auf  die 
Nichtbeachtung  dieses  Gebotes  geradezu  der  Verlust  der  Habe 
und  des  Lebens  gesetzt  wurde.  Ganz  offenbar  ist  diese  harte 
Maßregel  unter  dem  Einflüsse  jener  Partei  erfolgt,  welche  das 
Urteilholen  aus  Deutschland  als  Unheil  und  Schmach  ftir  Polen 
erachtete.  Wie  weit  sich  die  Jurisdiktion  dieses  Kommissions- 
gerichtes erstreckte,  ist  nicht  festgestellt;  insbesonders  ist  nicht 
bekannt,  daß  es  auch  über  Prozesse  aus  Ostgalizien  entschieden 
hätte,  weil  leider  die  Zahl  der  bisher  bekannt  gewordenen  Ur- 
teile desselben  überhaupt  sehr  gering  ist.  Unter  anderem  sind 
uns  die  Akten  eines  Prozesses  des  Dytrich  Weynrich  bekannt, 
der  1432  zunächst  vor  dem  ,ffoyt  vnd  sepphen  der  stat  Ka- 
zimer',  dann  infolge  einer  Berufung  ,an  dez  konigs  buch'  vor 
dem  ,voyth  und  sepphen  dez  abirstyn  gerichtes  dewtschis  Magde- 
burger rechtes  czu  Crakaw  vff  dem  hawse  (der  Burg)'  behan- 
delt wurde  und  mit  einem  ,orteyl  der  VI  stetin'  schloß.' 


^  Siehe  den  Abdruck  der  Urkunde  bei  Bobrzyiiski,  O  zaloiyniu 
wyiszego  usw.,  und  bei  Piekosidski,  S^downictwo  w  Polsce. 

•  CDCrac.  I,  Nr.  168. 

'  Die  Akten  bei  Piekosiiislci,  O  wyiszych  s^dach,  S.  66  ff.  Ebenda 
S.  63  ein  Urteil  des  Kommissionsgerichtes  fQr  Großpolen.  Ein  anderes 
Urteil   des  kleinpolnischen  Kommissionsgerichtes   aus   dem  Jahre  1462 


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215 

Wie  übrigens  andere  Lehensgerichte  dem  königlichen  auf 
der  Krakauer  Burg  im  Range  gleichzukommen  suchten,  so 
haben  auch  einzelne  Lehensherren  nach  dem  Beispiele  des 
Königs  Kommissionsgerichte  zusammengesetzt,  so  z.  B.  das 
lüoster  Tyniec  in  den  Jahren  1479  und  1482.  ^ 

7.  Deutsche  Bechtsbflcher  und  Sammlangen  Ton  SeMffen- 

sprKehen  in  Galizion.    Bemerkungen  zur  Charakteristik 

der  OerichtsTerfassung  und  des  Crerichtsyerfahrens. 

Es  ist  leicht  begreiflich,  daß  man  in  Krakau  frühzeitig 
deutsche  Rechtsbüchor  sich  zu  verschaffen  suchte. 

Schon  das  Rechtsbuch  Konrads  von  Oppeln,  welches  im 
Jahre  1306  geschrieben  wurde,  ist  uns  auch  in  einer  Krakauer 
Handschrift  erhalten,  in  welcher  der  Text  des  sächsischen  Land- 
rechtes (Sachsenspiegel)  308  Artikel  zählt,  während  das  fol- 
gende Weichbildrecht  (Stadtrecht)  112  Artikel  aufweist.*  Diese 
Rechtssammlung  ist  in  deutscher  Sprache  geschrieben;  sie 
hatte  keinen  offiziellen  Charakter,  sondern  erscheint  als  eine 
Privatarbeit,  die  zumeist  auf  Grundlage  eines  in  einer  Breslauer 
Handschrift  enthaltenen  Schöffenrechtes,  ferner  des  Magdeburger 
Rechtes  vom  Jahre  1261  durch  Zusätze  aus  dem  Rechte  vom 
Jahre  1295  hergestellt  wurde.  Auf  ihr  beruht  wieder  jenes 
deutsche  Rechtsbuch,  welches  Kazimierz  der  Große  für  seinen 
deutschen  Oberhof  auf  der  Krakauer  Burg  herstellen  ließ  und 
das  schon  502  Artikel  aufweist. ' 


(consules  sex  civitatum)  im  CDPol.  HI,  Nr.  218,  betrifft  Pilzno.  Dem 
König  blieb  übrigens  auch  über  das  Gericht  der  sechs  Städte  eine  ge- 
wisse oberste  Qerichtsbarkeit  gewahrt.     Kromer,  Polonia,  S.  119  f. 

»  Kod.  Tyn.  Nr.  269  u.  276. 

•  F.  Bisch  off,  Über  einen  Rech  tokodex  der  Krakauer  Universitätsbiblio- 
thek (Kodex  Nr.  169).  Wiener  Sitzungsberichte,  phil.-hist.  Klasse,  XLVUI 
(1864),  S.  269  ff.  Dazu  P.  Lab  and,  Magdeburger  Rechtsquellen  (Königs- 
berg 1869),  S.  98  ff. 

'  Es  enthält  das  sächsische  Landrecht  in  390  Kapiteln  und  das  Magde- 
burger Weichbildrecht  in  112  Kapiteln.  Diese  Handschrift  erliegt  auf 
der  Krakauer  Universitätsbibliothek  unter  Nr.  168.  Dazu  und  zum 
folgenden  vgl.  Bisch  off,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Magdeburger 
Rechtes,  a.  a.  O.;  Lab  and,  a.  a.  O.,  endlich  besonders  A.  Halb  an,  Zur 
Geschichte  des  deutschen  Rechtes  in  Podolien,  Wolhynien  und  der 
Ukraine  (Berlin  1896). 


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216 

Andererseits  wnrde  die  Rechtssammlung  aus  dem  Anfange 
des  14.  Jahrhunderts  auch  als  Grundlage  flir  lateinische  Über- 
setzungen dieser  Stadtrechte  benützt,  die  später  durch  Zusätze 
erweitert  in  die  von  König  Alexander  im  Jahre  1505  bestätigte 
und  im  Jahre  1506  zuerst  in  Erakau  gedruckte  Sammlung  von 
Gesetzen  und  Rechten  des  polnischen  Reiches  von  Johannes 
Laski  aufgenommen  wurde  (Commune  incliti  Polen,  regni  Pri- 
vilegium). Im  Jahre  1535  veranlaßte  König  Siegmund  eine 
neue  lateinische  Übersetzung  der  deutschen  Rechtsbücher  durch 
Nikolaus  Jaskier,  die  auch  in  Krakau  erschien.  In  diesem 
Werke  erscheinen  ebenfalls  Sachsenspiegel  und  Weichbildrecht 
vereinigt;  über  beide  ist  ein  ausführliches  alphabetisches  Re- 
gister beigefügt.  Es  ist  leicht  erklärlich,  daß  diese  lateini- 
schen Ausgaben  oft  benützt  wurden,  seitdem  immer  mehr  pol- 
nische Elemente  auch  in  die  früher  reindeutschen  Gemein- 
wesen eindrangen.  So  wurden  z.  B.  zufolge  einer  Notiz  in 
den  Rechenbüchern  von  Krakau  im  Jahre  1586  für  einen 
Sachsenspiegel  in  lateinischer  Sprache,  der  für  den  Gebrauch 
der  Stadtobrigkeit  angeschafft  worden  war,  fünf  Mark  be- 
zahlt. * 

Seit  dem  Jahre  1581  erschienen  auch  polnische  Über- 
setzungen; seit  1735  endlich  im  Auftrage  der  russischen  Re- 
gierung Übersetzungen  ins  Russische.  Dazu  kamen  seit  dem 
16.  Jahrhundert  allerlei  Bearbeitungen  und  Erklärungsschrifteo, 
die  zum  Teile  die  Rechtsquellen  selbst  verdrängten.  Mit  dein 
Schwinden  des  deutschen  Bevölkerungselementes  und  des  Zu- 
sammenhanges mit  Deutschland  verlor  sich  die  Fähigkeit,  das 
deutsche  Recht  zeitgemäß  fortzubilden.  Zu  gemeinsamer  Ord- 
nung ihres  Rechtes  und  ihrer  Angelegenheiten  kamen  die  Orte 
mit  deutschem  Rechte  nicht^  weil  jeder  Zusammenhang  ihnen 
fehlte.  So  griff  die  staatliche  Gesetzgebung  mit  ihrem  fremden 
Geiste  immer  mehr  ein,  besonders  wo  es  sich  um  die  Ordnung 
der  allen  Städten  gemeinsamen  Angelegenheiten  handelte.  Auch 
die  Grundherren  änderten,  was  ihnen  unbequem  schien.  Daher 
drangen  immer  mehr  fremde  Elemente  ins  deutsche  Recht  ein. 
Doch  wurden  noch  im  18.  Jahrhundert  Ausgaben  des  deutschen 
Rechtes  veranstaltet,  so  im  Jahre  1760  in  PrzemySl.  Damals 
stand  auf  der  Krakauer  Burg  auch  noch  der  Kodex  des  Königs 


»  LPStCrac.  I,  2,  8.  1142. 


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217 

Kazimierz  in  Verwendung.^  Bald  darauf  aber  schwand  mit 
dem  Falle  des  deutschen  Rechtes  auch  die  Bedeutung  dieser 
Rechtsbücher  und  sie  sind  als  bloße  historische  Denkmale 
von  den  Bibliotheken  und  Archiven  in  Verwahrung  genommen 
worden. 

Neben  den  genannten  Rechtsbüchern  wurden  als  Er- 
gänzung derselben  die  Seh  offen  Sprüche  gesammelt.  Auch 
solche  Sammlungen  sind  in  GaUzien  verbreitet  gewesen,  ein 
Beweis,  daß  man  derselben  ebenso  wie  des  Weichbildrechtes 
und  des  Sachsenspiegels  bei  der  Rechtssprechung  nicht  ent- 
behren konnte.  Wahrscheinlich  in  Krakau  selbst  ist  jene 
Sammlung  von  306  SchöflFensprüchen  in  deutscher  Sprache  an- 
gelegt worden,  welche  der  Kodex  Nr.  399  der  Krakauer  Uni- 
versitätsbibliothek enthält.'  Er  rilhrt  aus  dem  Ende  des  14.  Jahr- 
hunderts her.  Einige  von  den  in  dieser  Sammlung  enthaltenen 
Sprüchen  sind  nachweislich  aus  Magdeburg  für  Krakau  geholt 
worden.  So  außer  dem  schon  oben  (S.  210)  besprochenen  aus 
dem  Jahre  1376  vor  allem  das  Urteil  Nr.  40,  dessen  Über- 
schrift lautet:  ,domoch  senten  dy  scheppen  y  czu  Crokaw  ge- 
meinicliche  dese  froge  ken  Maydeburg'.  In  Krakau  sind  wahr- 
scheinlich auch  zwei  andere  Sammlungen  um  1400  entstanden, 
die  viele  auf  Krakau  bezügliche  Stücke  enthalten  und  jetzt  zu 
Dresden  und  Thom   erUegen.'    Andere  Sammlungen^  solcher 


*  Der  Kodex  168  der  Krakauer  Uuiversitätsbibliothek,  also  Königs  Kazi- 
mierz Rechtsbach,  war  zufolge  der  Angabe  auf  dem  (modernen)  Titel- 
blatte non  interrnptim  usque  modernum  Serenissimum  Stanislaum  Augu- 
stum  regem  Pol.  et  Magniducatus  Lithaviae  feliciter  regnantem  in  Anno 
Domini  1765  adprobatum.     Bischoff,  Beiträge,  S.  336. 

*  Bisch  off,  Über  eine  Sammlung  deutscher  Schöffensprttche,  a.  a.  O.  Da- 
zu auch  seine  Bemerkungen  in  Beiträge  zur  Geschichte  des  Magde- 
burger Rechtes,  a.  a.  O.,  S.  369  f. 

»  Über  dieselben  vgl.  B  ehrend,  a.  a.  O.,  S.  XIII  flf.  u.  XIX  ff. 

^  Zum  folgenden  vgl.  man  vor  allem  Kaluiuiacki,  a.  a.  O.  Derselbe 
yerzeichnet  die  deutschen  Sammlungen  im  Kap.  UI,  die  polnischen  im 
Kap.  I,  die  lateinischen  im  Kap.  lY.  Über  Stücke  galizischen  Ursprungs 
TgL  daselbst  S.  36  f.,  84  ff.,  152  ff.,  171  f.  Dazu  auch  A.  Brückner, 
^e  Magdeburger  Urteile.*  Ein  Denkmal  deutschen  Rechtes  in  pol- 
nischer Sprache  aus  der  Mitte  des  15.  Jahrhunders.  Archiv  für  sla- 
▼isohe  PhUologie  VI,  319  ff.  u.  VII,  625  ff.  (1883/84).  A.  Kaiina,  Arty- 
kuly  Prawa  Magdeburskiego  z  r^kopismu  okolo  roku  1500  (polnische 
Übersetzung  der  Urteile  aus  einer  Petersburger  Handschrift).  Rozprawy 
der  Krakauer  Akademie,  hist-phil.  Klasse,  VII  (1880),  S.  227  ff.;    die 


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218 

Sprüche  in  deutscher  Sprache  rühren  aus  Pilzno  und  Sanok 
her;  eine  weitere,  ebenfalls  in  deutscher  Sprache,  erliegt  in  der 
Ossolinskischen  Bibliothek  zu  Lemberg.  Beide  letztgenannte 
rühren  aus  dem  Anfange  des  16.  Jahrhunderts  her,  ein  Zeichen, 
daß  man  damals  sich  noch  der  deutsch  geschriebenen  Bücher 
vollauf  bediente.  Doch  hat  man  schon  um  die  Mitte  des 
15.  Jahrhunderts  Samminngen  von  Schöflfensprüchen  ins  Pol- 
nische übersetzt  und  von  diesen  polnischen  sind  ebenfalls  eine 
größere  Anzahl  bekannt,  von  denen  einige  in  galizischen  Biblio- 
theken und  Archiven  erliegen.  Auch  in  lateinischen  Über- 
setzungen waren  die  SchöflFensprüche  verbreitet.  Im  Przemyfiler 
Stadtarchiv  sind  zwei  Übersetzungen  aus  dem  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts erhalten.  In  der  Überschrift  einer  derselben  ist  aus- 
drücklich bemerkt,  daß  die  Sammlung  durch  einen  Notar  der 
Stadt  PrzemyW  aus  dem  Deutschen  ins  Lateinische  übertragen 
wurde.  Erwähnt  sei,  daß  alle  diese  Sammlungen  zahlreiche 
Stücke  galizischen  Ursprungs  enthalten,  sei  es,  daß  bloß  die 
Anfrage  oder  auch  die  Antwort  von  einem  galizischen  Orte 
ausging. 

Bei  den  vielfachen  Beziehungen  der  mit  deutschem  Rechte 
bestifteten  Orte  zum  übrigen  Lande  ist  es  begreiflich,  daß  die 
deutschen  Ortsobrigkeiten  auch  frühzeitig  die  polnische  Gesetz- 
gebung nicht  aus  dem  Auge  ließen.  So  finden  wir  schon  im 
Jahre  1397  in  den  Rechenbüchern  von  Krakau  Ausgaben  fUr 
das  Abschreiben  des  ius  Polonicum  verzeichnet.^ 

Am  Schlüsse  mögen  noch  einige  Bemerkungen  zur  Cha- 
rakteristik der  Gerichtsverfassung  und  des  Gerichtsverfahrens 
folgen. 

Die  deutschen  Ortsgerichte  gewannen  mitunter  dadurch 
an  Bedeutung,  daß  ihre  Befugnisse  auch  auf  Personen  ausge- 
dehnt wurden,  die  nicht  zur  Gemeinde  des  Gerichtsortes  ge- 
hörten. Es  ist  z.  B.  schon  erwähnt  worden,  wie  weitläufig  der 
Machtkreis  des  Stadtgerichtes  von  Bochnia  nach  der  Urkunde 
vom  Jahre  1253  war.*  Auch  in  Wielicka  unterstanden  nach 
der  Urkunde  vom  Jahre  1290  die  Salzhauer  und  Salzsieder 
des  königlichen  Bergwerkes  dem  Stadtgerichte.*  Erzählt  wurde 

Überschrift  des  §  20  lautet  ,Gerada  y  czo  knyey  nalyezy*  und  die  des 

§  21  ,Czo  to  Gerada  xowya*. 
»  LACrac.  II,  S.  316,  Nr.  39,  und  Anm.  dazu  S.  317. 
»  Siehe  oben  S.  173  f.         CDPM.  H,  Nr.  ölö. 


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219 

auch  schon^  daß  das  Krakauer  Stadtgericht  am  Anfange  des 
14.  Jahrhunderts  selbst  über  Adeh'ge  urteilen  konnte.  ^  Dem 
Lern  berger  Gerichte  ist  im  Jahre  1444  nicht  nur  der  Charakter 
eines  Oberhofes  fUr  die  Städte  und  Dörfer  Ostgaliziens  ver- 
liehen worden,  sondern  es  erhielt  auch  Gewalt  über  alle  in 
diesem  Gebiete  gefangenen  Verbrecher  und  ebenso  stand  ihm 
die  Aburteilung  aller  in  Lemberg  weilenden  Kaufleute  nach 
Magdeburger  Recht  zu,  sie  mögen  Griechen,  Armenier,  Sara- 
zenen und  Juden,  Christen  oder  Heiden,  polnische  oder  fremde 
Untertanen  sein.*  In  demselben  Jahre  erhielt  auch  Krakau 
das  Recht,  Verbrecher  außerhalb  der  Stadt  zu  fangen  und  sie 
nach  seinem  Rechte  zu  behandehi.'  Im  Jahre  1458  wurden  die 
Ratsherren  von  KoJomea  mit  dem  Rechte  ausgestattet,  über  die 
gewaltsamen  ViehpfUndungen  auf  dem  Wege  zwischen  Kolaczyn 
(an  der  moldauischen  Grenze)  und  Äukow  zu  entscheiden.  Auf 
diesem  Wege  wurden  nämlich  häufig  den  Kaufleuten,  welche 
zwischen  der  Moldau  und  Lemberg  Viehhandel  trieben,  Rinder 
und  Pferde  unter  dem  Verwände,  daß  sie  gestohlen  seien, 
weggenommen.* 

Eifersüchtig  wachten  die  städtischen  Gerichte  darüber, 
daß  sich  niemand  widerrechtlich  ihrer  Gerichtsbarkeit  entziehe. 
Verboten  wurde  daher  auch,  sich  vor  ein  geistliches  Gericht 
zu  ziehen.  So  wurde  im  Jahre  1397  Hano  Hesse  vom  Krakauer 
Stadtgerichte  mit  5  Mark  bestraft,  weil  er  einen  anderen  Mit- 
bürger vor  das  ,geistlich  gericht'  belangt  hatte.  ^  Deshalb 
setzten  die  Krakauer  im  Jahre  1393  auch  durch,  daß  Geist- 
liche nicht  zu  Vormündern  und  zu  Verwaltern  von  Waisen- 
gütem  bestellt  werden  durften.^  Die  Krakauer  ,wilk6r  vnd 
satczungen'  vom  Jahre  1468  enthalten  die  Bestimmung:^  , Welch 
Borger  adder  Burgerynne  zu  hoffe  loffen  clagen  nicht  kö- 
rnende vor  dy  hern,  der  verbust  den  hern  V  margk.  Item  is 
ist  gewilkort,  ab  yrkeyne  Rotfrawe  addir  sust  eyne  Burgerynne 
zu  hoffe  worden  gehen  bittende  vor  bosze  lewte  man  addir 
weip,  dy  obirtreten  vnde  gebrochen  wedir  der  stat  recht,  ane 
der  herren  willen;  dyselben  gebussit  werden  noch  der  herren 
derkenthnisse.' 


^  Siehe  oben  S.  184.  »  AGZ.  V,  Nr.  104. 

•  CDCrac.  Nr.  143.  *  AGZ.  VI,  Nr.  26. 

»  LACrac.  H,  S.  816.  •  CDCrac.  I,  Nr.  77. 
»  ib.  U,  8.  468. 


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220 

Bemerkt  muß  ferner  werden,  daß  in  den  Städten^  z.  B. 
in  Krakau,  allmählich  zahlreiche  richterUche  Geschäfte  von  dem 
Vogte  und  den  Schöflfen  auf  die  Ratsherren  tibergingen.  Schon 
Kazimierz  der  Große  hatte  in  seinem  Privileg  von  1336  be- 
stimmt/ daß  die  Ratsherren  über  Meineidige  und  über  Ver- 
banntC;  welche  die  Rückkehr  in  die  Stadt  wagen  würden^  zu 
richten  haben.  Es  war  auch  üblich^  daß  das  Stadtgericht  in 
zweifelhaften  Fällen  sich  an  den  Rat  um  Belehrung  wandte.' 
Bekannt  ist  uns  schon  die  Tatsache,  daß  im  Jahre  1399  die 
Ratsherren  von  Krakau  zu  Richtern  über  Vögte  und  Schöffen 
der  Stadt  gesetzt  wurden.*  Noch  mehr  wuchs  der  Einfluß  der 
Räte  gegenüber  dem  Stadtgerichte,  nachdem  die  Vogtei  im 
Jahre  1475  in  den  Besitz  der  Stadt  gelangt  war,*  Beweis 
dafür  ist  die  Bemerkung  in  einem  Einkonmienregister  von 
Krakau  aus  dem  Jahre  1542,  daß  der  Vogt  früher  der  Stadt 
für  sein  Amt  40  Mark  gezahlt  habe,  jetzt  aber  nur  30  Mark 
entrichte,  und  dies  aus  dem  Grunde,  weil  viele  aus  Scheu  vor 
den  Kosten  das  Stadtgericht  meiden  und  ein  guter  Teil  der 
bürgerlichen  Rechtsgeschäfte  durch  die  Ratsherren  entschieden 
werde.* 

Selbstverständlich  wies  das  Gerichtsverfahren  alle  mittel- 
alterlichen Härten  auf.  Henken,  Köpfen,  Abhauen  von  Händen 
und  Füßen,  Herausreißen  der  Augen,  Pfkhlen,  Verbrennen 
waren  nicht  außergewöhnliche  Strafen.®  Von  den  leichteren 
Strafen  war  auch  das  Tragen  des  Schandsteines  für  zanksüchtige 
Weiber  bekannt.  So  wurde  diese  Strafe  im  Jahre  1399  in  Krakau 
der  Höckerin  Elisabeth  Strebekatze  angedroht.^  In  den  alten 
Stadtrechnungen  finden  wir  Jahr  für  Jahr  Eintragungen  für  den 
tortor  oder  suspensor  und  für  Bedürfnisse  seines  traurigen  Hand- 
werks verzeichnet.  Bald  werden  Ketten  zum  Galgen  ange- 
schafft,*  bald   wird  das  Schwert  repariert,®  bald  wieder  Aus- 

*  CDCrac.  I,  Nr.  21.        •  Vgl.  oben  S.  205.        «  Vgl.  oben  S.  192. 

*  Kutrzeba,  Finansy  Krakowa  w  wiekach  i^rednich  (Rocsnik  Krakowski 
m),  S.  48. 

»  CDCrac.  IV,  8.  729. 

*  AGZ.  n,  Nr.  8;  LACrac.  U,  S.  47,  313,  326.  Dasu  auch  K.  B^kowski, 
Sadownictwo  karne  w  Krakowie  w  wieku  XIV  (Krakau  1901). 

'  LACrac.  II,  S.  198.  Diese  Strafe  war  auch  den  deutschen  Stadtrechten 
in  Ungarn  allgemein  bekannt  Näheres  darüber  in  meiner  »Geschichte 
der  Deutschen  in  den  Karpathenländern*. 

"  ib.  S.  309,  Anm.  zu  25.      *  ib.  S.  313,  Anm.  zu  23. 


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221 

gaben  fUr  Brennmaterialien  zu  Scheiterhaufen  verzeichnet.  ^ 
Mit  dem  Tode  durch  Verbrennen  bestrafte  man  z.  B.  in  Lern- 
berg  im  Jahre  1518  einen  Armenier  und  seine  kathoHsche 
Magd^  mit  der  er  Umgang  gepflogen  hatte.  Man  legte  nämlich 
die  Verbindung  des  eutychianischen  Armeniers  mit  einer  katho- 
lischen  Christin  als  ein  Sakrilegium  aus,  das  durch  den  Feuer- 
tod gesühnt  werden  müsse.'  Erwähnt  sei  auch,  daß  Gottesurteile 
ausnahmsweise  üblich  waren.  So  gewährte  König  Eazimierz  der 
Stadt  Pilzno  im  Jahre  1354  aus  besonderer  Gnade  die  Freiheit, 
den  gerichtlichen  Zweikampf  anwenden  zu  dürfen,  ,auch  wenn 
der  König  abwesend  sein  wtlrde^ '  Sehr  häufig  wurde  auch  fUr 
schwere  Verbrechen  die  Proskription,  abo  die  Verbannung  aus 
der  Stadt,  verhängt.*  So  wurde  z.  B.  im  Jahre  1383,  da  Petrus 
Wirsing  Krakauer  Vogt  war,  Peter  Feginhemil  für  vier  Wunden 
und  drei  ,blutrunst^  verbannt,  und  im  Jahre  1384  wurde  unter 
dem  Vogte  Nikolaus  Morder  der  Bleischhauer  Hans  wegen 
jfoUeist'  (d.  h.  Mithilfe  bei  einer  verbrecherischen  Handlung) 
und  ,wegelogunge'  (Wegelagerung)  proskribiert.*  In  letzterem 
Jahre  wurde  auch  der  Pedell  Johann  Lichtenberg  wegen  der 
Ermordung  seiner  Frau  und  im  Jahre  1395  der  Kürschner 
Nikolaus  Hicke  wegen  ,reraup'  (Leichenraub)  verbannt.  Die 
Proskription  erscheint  oft  als  eine  Handlung  der  Begnadigung, 
deren  man  sich  bediente,  um  die  harten  Maßregeln  des  Magde- 
burger Rechtes  nicht  anwenden  zu  müssen.  Diese  Begnadigung 
wird  entweder  infolge  besonderer  Gunst  der  Ratsherren  geübt* 
oder  sie  geschah  über  Fürbitte  hervorragender  Persönlichkeiten.' 
Entziehen  konnte  man  sich  der  Verurteilung  auch  durch  eine 
Pilgerfahrt  nach  Rom  (romfart).®  Daneben  wird  auch  die 
,ochfart',    also    die   Sühnfahrt   nach   Aachen,   genannt.*    Diese 


^  LAGrac.  II,  S.  313,  Anm.  su  23  and  S.  326,  Anm.  zu  22. 

*  Zabrzycki,  Elronika  miasta  Lwowa  (Lemberg  1844),  S.  140  f. 
»  CDPM.  I,  Nr.  238  und  lU,  Nr.  706. 

*  Vgl.  LACrac  II,  S.  1  ff. 
»  ib.  S.  64  n.  67. 

*  Sznjski  und  Piekosiiiski,  Stary  Krakow,  S.  121  f. 

*  LAGrac  n,  S.  60,  67,  69  ff.  and  unten  im  Texte. 

*  ib.  8.  86;  vgl.  auch  S.  14,  X16,  212  u.  217.  Vgl.  auch  oben  im  Texte, 
S.  211,  wo  Ton  ,des  heyligin  stulis  czu  Rome  losnnge'  die  Rede  ist. 

*  ib.  8.  86:  ,umben  di  romfart  und  ochfart,  di  Guncze  yor  synne  brudir 
tun  gal.*  8.217;  ,Ich  Andris  Melczer,  ich  bevele  usczurichten  ejn  fus- 
gengir  czu  eynir  Romfart  und  eyn  czu  eynir  och£urt.* 


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222 

übrigens  anderwärts  ebenfalls  vorkommenden  Bußfahrten  ^  sind 
auch  in  Oberungarn  bekannt  gewesen,  deren  Ansiedler  und 
Rechtsgewohnheiten  mit  denjenigen  in  Galizien  eng  verwandt 
waren.*  Damit  nicht  die  aus  einer  Stadt  Verbannten  in  deren 
Nähe  sich  aufhalten^  wurde  z.  B.  im  Jahre  1358  die  Bestim- 
mung getroffen,  daß  die  aus  Krakau  Verbannten  nicht  in 
Kazimierz  und  Florencia  (jetzt  Kleparz)  sich  aufhalten  durften 
und  die  in  diesen  Orten  Proskribierten  nicht  in  Krakau  ge- 
duldet werden.' 

Nach  dem  auch  anderwärts  in  deutschen  Ländern  üblichen 
Brauche  konnten  Verbrecher  über  Fürbitte  des  Fürsten  oder 
einer  anderen  einflußreichen  Persönlichkeit,  die  gerade  einen 
Ort  besuchte,  in  dessen  Gefängnisse  Verurteilte  saßen,  be- 
gnadigt werden.  So  hat  ein  milder  Akt  der  Barmherzigkeit, 
den  Hedwig  von  Ungarn  im  Jahre  1384  in  Erakau  geübt  hat, 
uns  die  älteste  Kunde  ihres  Aufenthaltes  in  dieser  deutschen 
Stadt  erhalten.*  Sie  erbat  für  einen  Verbannten  die  Rück- 
kehr. Auch  in  den  folgenden  Monaten  finden  sich  ähnliche 
Gnadenakte  der  Königin  verzeichnet.  So  rettete  die  dreizehn- 
jährige Königin  kurz  nachdem  sie  im  Oktober  1384  gekrönt 
worden  war,  am  Vorabende  des  Martinstages  dem  Henirer 
Snirsinder,  der  einen  Mord  begangen  hatte,  das  Leben.^  Ebenso 
erbat  sie  am  Fronleichnamstage  des  folgenden  Jahres,  an 
welchem  sie  an  dem  feierlichen  Umgange  teilgenommen  hatte, 
für  mehrere  Verbrecher  Gnade.  ^  Auch  der  in  romantisches 
Licht  gehüllte,  vielfach  bezweifelte  Ehebund  zwischen  Hed- 
wig und  dem  Habsburger  Wilhelm  hat  in  den  Krakauer  Stadt- 
büchern eine  bemerkenswerte,  dem  milden  Sinne  Hedwigs 
entsprechende  Spur  hinterlassen.  Am  15.  August  1385  hätte 
nach  den  Verfügungen  der  ungarischen  Königin  Elisabeth  das 
Beilager  stattfinden  sollen.  Man  bezweifelt,  daß  es  damals 
vollzogen  wurde.  In  den  Krakauer  Stadtbüchern  heißt  es  aber, 


^  Vgl.  E.  F.  Rößler,  Deutsche  Rechtsdenkmäler  aus  Böhmen  und  Mähreu 
II,  S.  170  (Brünner  Schöffenbuch,  Kap.  376).  J.  A.  Tomaschek, 
Deutsches  Recht  in  Osterreich,  S.  83.  Über  denselben  Rechtsbrauch 
in  den  Niederlanden  L.  A.  Warnkönig,  Flandrische  Staats-  und  Rechts- 
geschichte bis  zum  Jahre  1305  III,  1,  S.  172  f. 

•  Darüber  werde  ich  Näheres  in  einer  besonderen  Arbeit  mitteilen. 

»  CDCrac.  I,  Nr.  32.        *  LACrac.  H,  S.  46. 

»  ib.  S.  60.        •  ib.  S.  61. 


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223 

daß  am  Vortage  des  heil.  Bartholomäus  (24.  August)  die  Kö- 
nigin nach  ihrer  vollzogenen  Vermählung  gebeten  habe^  daß 
alle  Gefangenen^  welche  damals  im  städtischen  Kerker  sich 
befanden;  befreit  werden  sollen.  Tatsächlich  wurde  eine  An- 
zahl derselben,  die  namentlich  angefUhrt  werden^  begnadigt.  ^ 
In  diesen  Jahren  (1381 — 1385)  sind  andere  Verbrecher  auf  die 
Fürbitte  des  Markgrafen  Siegmund  von  Brandenburg-Böhmen 
und  des  Herzogs  Wladyslaw  von  Oppeln,  femer  des  Krakauer 
Bischofs  und  des  Gnesener  Erzbischofs  begnadigt  werden.* 
Wie  oft  derartige  Bitten  um  Nachsicht  der  Strafen  damals  vor- 
gebracht wurden,  beweist  der  Umstand,  daß  die  Lemberger 
schon  im  Jahre  1360  in  einer  von  König  Kazimierz  bestätigten 
Willkür  bestimmten,  daß  jeder,  welcher  fllr  einen  Verurteilten 
den  Vogt,  die  Ratsherren  oder  eine  andere  Person  um  Gnade 
und  Nachsicht  der  Strafe  bitten  würde,  mit  derselben  Strafe 
belegt  werden  sollte.'  Ähnlich  lagen  die  Verhältnisse  in  Krakau, 
wie  die  oben  angeführte  Willkür  aus  dem  Jahre  1468  dartut, 
welche  Ratsfrauen  und  Bürgerinnen  die  Anbringung  von  Gnaden- 
gesuchen bei  Hofe  verbot.*  Erwähnt  sei  auch,  daß  in  den  mit 
deutschem  Rechte  bestifteten  Städten  und  Dörfern  noch  ein 
ganz  besonders  interessanter  Brauch  sich  geltend  machte.  Ein 
zum  Tode  Verurteilter  konnte  dadurch  gerettet  werden,  daß 
ein  Mädchen  sich  erbot^  ihn  als  Mann  heimzuführen.  Diese  in 
Polen  und  insbesondere  in  Galizien  bis  ins  18.  Jahrhundert 
nachgewiesene  Sitte  ist  gewiß  erst  durch  die  deutschen  An* 
Siedler  dahin  gebracht  worden.  Dem  polnischen  Rechte  ist  sie 
ebenso  fremd  wie  den  slawischen  Völkern,  bei  denen  deutscher 
Rechtsbrauch  keine  Verbreitung  gefunden  hatte.  ^  Schließlich 
mag  noch  bemerkt  werden,  daß  mitunter  auch  das  Asylrecht 
Beachtung  fand.  Als  im  Jahre  1319  Wojwode  Navogius  von 
Sandomir,  um  den  Stand  seiner  Güter  zu  verbessern,  in  seinen 
Wäldern  die  Ansiedlung  T^czynek  errichtete  und  sie  mit  Neu- 
markter  Recht  ausstattete,  traf  er  in  dem  Freibriefe  folgende 
Bestimmung:  ,Wenn  irgend  jemand  wegen  eines  Vergehens  in 


»  LACrac.  H,  S.  63. 

•  ib.  8.  49,  60,  57,  69  f.,  62. 
»  AGZ.  in,  Nr.  10. 

*  Vgl.  oben  S.  219. 

^  St.  Estereicher,  Wypraszanie  od  kary  j^mierci  w   obyczaju   ua«zego 
ludu.    Lw6w  (Lemberg)  X,  241  ff. 


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224 

jenes   Dorf  fliehen   würde,    soll    er   durch    zwei  Wochen   vom 
Herzoge  und  vom  Gutsherrn  im  Frieden  gelassen  werden/* 

Wie  reich  die  Fülle  der  Straf-  und  Zivilprozesse  (,peynlich 
und  borgerlich  Sachen')*  war,  welche  die  deutschen  Gerichte  zu 
überwältigen  hatten,  daftLr  legen  die  erhaltenen  Stadtbücher,  be- 
sonders jene  von  Krakau  und  Lemberg,  ein  beredtes  Zeugnis  ab.' 
Außer  den  verschiedenartigen  Strafprozeßakten  enthalten  sie  Auf- 
zeichnungen über  die  verschiedenartigsten  Fälle  der  freiwilligen 
Gerichtsbarkeit,  Verträge,  Käufe,  Verkäufe,  Testamente,  Ver- 
mögensinventare,  allerlei  kaufmännische  Geschäfte  u.  dgl.  m. 
Viele  von  diesen  Rechtssachen  sind  nicht  vor  dem  Stadtgerichte, 
also  dem  Vogte  und  den  Schöffen,  sondern  von  den  Rats- 
heri'en  abgewickelt  worden  und  wurden  von  ihnen  bestätigt 
So  sind  uns  Testamente  erhalten,  welche  Schwerkranke  in 
ihrer  Wohnung  vor  Ratsherren  niederschreiben  ließen.*  In  der 
Krakauer  Aufzeichnung^  vom  Jahre  1435  über  die  Taxen, 
die  an  den  ,statschreiber'  zu  entrichten  waren,  lesen  wir:  ,§  8. 
Wenn  man  geet  czu  Testamente  VI  gr.  (Groschen).'  In  ver- 
hältnismäßig geringer  Zahl  sind  schriftliche  Aufzeichnungen 
über  die  von  den  Dorfgerichten  besorgen  Rechtsgeschäfte 
bisher  bekannt.  Als  ein  Beispiel  kann  eine  Urkunde  vom 
Jahre  1402  dienen,  mit  welcher  der  Schulz  Johann  von  Pr%dnik 
bei  Krakau  mit  seinen  sieben  Schöffen  unter  Beihängung  ihrer 
Siegel  bestätigt,  daß  vor  ihrem  gehegten  Gerichte  der  Priester 
Johann  Kranz  mit  einem  Krakauer  Bürger  desselben  Namens 
ihre  Gründe  in  Pr^dnik  tauschten.^ 

8.  Lehenswesen  und  eigentliche  Lehensgeriehte 
im  Haliezer  €^eblete. 

Wie  aus  dem  bisher  Gesagten  zu  ersehen  ist,  wurden  in 
Polen  in  der  Regel  deutsche  Stadtrechte  verliehen,  und  zwar 
an  Dörfer  und  Städte.  Gemeines  deutsches  Landrecht  kam 
als  solches  nicht  zur  Anwendung,  doch  findet  man  dasselbe  in 
den  Stadtrechtsbüchern  auch  in  Polen  berücksichtigt,  wie  man 


»  CDPM.  n,  Nr.  Ö75.        «  Schöffenspruch  bei  Stob be,  a.  a.  O.,  S.  87. 
'  Man  vergleiche  die  verschiedenen  oben  S.  165  f.  genannten  Quellen. 
*  z.  B.  LACrac.  H,  S.  179. 
^  CDCrac.  U,  Nr.  313. 
«  CathCracCD.  H,  Nr.  467. 


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225 

auch  mit  Landrecht  zuweilen  überhaupt  deutsches  Recht  be- 
zeichnet.^ Es  erübrigt  hier  noch,  einiges  über  das  deutsche 
Lehensrecht  zu  sagen.^ 

Es  ist  unzweifelhaft,  daß  man  in  Polen  neben  dem 
deutschen  Stadt-  und  Landrechte  auch  das  deutsche  Lehens- 
recht imterschied.  Eine  Urkunde  vom  Jahre  1356  betont  aus- 
drücklich diese  Dreiteilung  des  deutschen  Rechtes  und  nennt 
das  ius  municipale,  ius  provinciale  und  ius  feodale.*  Aber 
deutsches  Lehensrecht  ist  auch  praktisch  geübt  worden.  Ob 
die  deutschen  Dienstmannen  imd  Ritter,  welche  schon  im  12. 
und  13.  Jahrhundert  nach  Polen  kamen  und  sich  insbesondere 
auch  in  Westgalizien  niederließen,  zu  den  Landesfürsten  und 
anderen  polnischen  Großen  ins  Lehensverhältnis  traten,  ist  un- 
bekannt, aber  sehr  wahrscheinlich.  Bestimmt  wissen  wir,  daß 
die  Verleihung  von  Vogteien  und  Schulzeien  in  Städten  und 
Dörfern  nach  Art  der  deutschen  Lehen  geschah,  daß  Vögte 
und  Schulzen  zum  Landesfiirsten  oder  ihren  weltUchen  und 
geistlichen  Grundherren  in  das  Verhältnis  von  Lehensleuten 
traten  und  daher  auch  zu  Kriegsdiensten  verpflichtet  waren; 
schon  dadurch  ist  in  gewissem  Sinne  deutsches  Lehensrecht 
auf  polnischem  Boden  heimisch  geworden.  Es  sind  daher  auch 
Lehensgerichte  notwendig  gewesen,  vor  denen  Vögte  und 
Schulzen  ihre  Rechtsgeschäfte  zu  schlichten  hatten;  für  diese 
Gerichtsbarkeit  kommt  auch  der  Name  feodale  iudicium, 
also  Lehensgericht,  vor.  Aber  deutsches  Lehensrecht  ist  auch 
noch  im  strengeren  Sinne  in  einem  Teile  unseres  Gebietes, 
und  zwar  auf  dem  Boden  des  einstigen  ruthenischen  Fürsten- 
tums, also  in  Ostgalizien,  geltend  gewesen. 

Schwache  Andeutungen  weisen  darauf  hin,  daß  schon 
zur  Zeit  der  ruthenischen  Fürsten  hier  das  Lehenswesen  nach 
westeuropäischem  Muster  Eingang  gefunden  hatte.  Nach  der 
Erwerbung  dieses  Gebietes  durch  Kazimierz  den  Großen  von 
Polen  hat  dieser  König  hier  Landgüter  in  einer  Form  an  seine 


*  CDPM.  I,  Nr.  293,  Urkunde  für  Nowa  wieÄ  narodowa:  .  .  .  quam  iure 

teutonico,  dicto  wul^ariter  lantrecht  .  .  .  loco  recepunus. 
'  Zum  folgenden  vgl.  Piekosiiiski  in  der  Einleitung  zu  Star.  Pom.  IX 

und  vor  aUem  A.  Prochaska,  Lenna  i  mai&Btwa  na  Rnsi  i  na  Podolu. 

Rozprawy  der  Krakauer  Akademie,  hist-phil.  Kl.,  II.  Serie,   Bd.  XVII 

(1902),  S.  1  ff. 
»  CDPM.  I,  Nr.  247.  Vgl.  AGZ.  XVH,  Nr.  1718  (ius  feodale  vel  municipale). 
ArchiT.  XCV.fiand.  I.  Hilft«.  15 


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226 

Getreuen  überlassen,  die  von  der  sonst  in  Polen  üblichen  ab- 
wich. Insbesondere  wird  in  jedem  dieser  Privilegien  der  Kriegs- 
dienst des  Beschenkten  in  einer  vom  polnischen  Gebrauche 
abweichenden  Weise  betont.^  Schon  dies  gleicht  sehr  einem 
Lehensverhältnisse.  Als  sodann  nach  dem  Tode  des  Königs 
Kazimierz  im  Namen  seines  Erben,  des  ungarischen  Königs 
Ludwig  des  Großen,  Wladyslaw  von  Oppeln  Galizien  ver- 
waltete, hat  er  seit  1373  ausdrücklich  bei  seinen  Güterver- 
leihungen das  Lehensrecht  eingeführt.  So  wird  z.  B.  am  15.  De- 
zember 1373  das  Dorf  Gwoidiec  (bei  Kolomea)  an  Chodko  Loyo- 
wicz  filr  dessen  treue  Dienste  ,erblich  mit  jenem  Lehensrechte 
(iure  foedali),  jenen  Freiheiten  und  Gewohnheiten  verliehen,  mit 
welchen  die  anderen  Lehensleute  (vasalli)  ihre  Güter  erhalten 
haben*.*  Mit  einer  Urkunde  vom  Jahre  1375  verlieh  Wla- 
dislaw  das  Dorf  ByWo  (bei  Rohatyn)  und  die  Schulzei  in 
Dobrowody  (bei  Podhajce)  dem  Juschko  de  Scomicz  ,als  Lehen 
oder  nach  Lehensrecht'  (in  feudum  sive  iure  feodali).'  Und 
mit  einer  Urkunde  von  demselben  Jahre  wird  dem  getreuen 
Jasko  das  Dorf  Doroszöw  (bei  Sambor)  mit  derselben  Frei- 
heit verliehen,  mit  der  die  anderen  Vasallen  ihre  Güter  be- 
sitzen.* Ahnliche  Verleihungen  sind  aus  dieser  Zeit  noch  in 
größerer  Zahl  bekannt,^  darunter  solche  an  offenbar  deutsche 
Männer  wie  Lymbirdus,  *  Nitschko  Slancz,  ^  Denhart®  und 
Regnold.^  Bei  diesen  Belehnungen  wurde  die  Verpflichtung 
des  Bestifteten  zum  Kriegsdienste  genau  festgestellt  und  die 
Art  der  Bewaffnung  angegeben.^®  Mitunter  wird  der  Vasall 
zur  Teilnahme  ,an  jedem  beliebigen  Kriegszuge'  und  zur 
Stellung    eines    zweiten    Kriegers    verpflichtet.^^     Erwähnt  sei 


»  CDPM.  I,  Nr.  662  (Jahr  1868);  AGZ.  n,  Nr.  2   (Jahr  1364).    Vgl.  Pro- 

chaska,  a.  a.  O.,  S.  6. 
'  AGZ.  y,  Nr.  8:  ,hereditarie  eo  iure  feodali,  ea  libertate  et  consaetudine, 

qua  ceteri  vassali  nostri  possident  8ua  bona.' 
»  ib.  n,  Nr.  4. 

*  ib.  Vn,  Nr.  11:  ,ceteri  vassali  nostri  bona  sua  possident.' 

»  ib.  n,  Nr.  6,  6  u.  14;  V,  Nr.  10  u.  11;  VH,  Nr.  9  u.  10;  Vin,  Nr.  9  usw. 

•  ib.  II,  Nr.  6.         '  ib.  Nr.  6.        •  ib.  Nr.  14.         •  ib.  V,  Nr.  11. 

*°  ib.  V,  Nr.  8:  ,cum  una  hasta  et  uno  sagitario,  cum  armis  bene  prepa- 
ratis  in  equis  valentibus.'  ib.  VII,  Nr.  11:  ,cum  una  hasta  et  uno 
sagittario.* 

**  ib.  11,  Nr.  4:  ,cum  una  hasta  et  uno  sagittario  ad  quamlibet  expe- 
dicionem.'     Ferner  unter  S.  228. 


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227 

femer,  daß  öfters  die  ausdrückliche  Bestimmung  getroffen  wird, 
daß  der  Belehnte  nur  mit  der  Erlaubnis  des  Lehensherrn  sein 
Gut  verpßinden,  vertauschen  oder  verkaufen  dürfe,*  eine  Be- 
stimmung, die  auch  bei  Verleihung  von  Vogteien  und  Schulzeien 
allgemein  üblich  war.*  Das  Erbrecht  der  Kinder  wurde  in 
der  Regel  betont.  Ferner  verheißt  oft  in  den  Urkunden  der 
Lehensherr  seinem  Vasallen,  daß  er  ihn  aus  der  Kriegsgefangen- 
schaft auslösen  und  ihm  sonstigen  Schaden,  den  er  auf  den 
Kriegszügen  erleiden  würde,  vergüten  werde.  Diese  Bestim- 
mungen sind  z.  B.  in  den  Lehenbriefen  fiir  den  erwähnten 
Nitschko  Slancz  und  ftlr  Denhart  enthalten;  insbesondere  wird 
auch  in  beiden  der  Ersatz  gefallener  Rosse  in  Aussicht  gestellt. 
Auch  haben  wir  Beweise,  daß  derartige  Versprechen  wirklich 
erfüllt  wurden. '  In  einzelnen  Urkunden  wird  der  Zweck,  dem 
menschenleeren  Lande  neue  Bevölkerungselemente  zuzuführen, 
ausdrücklich  betont  und  daher  dem  Belehnten  zur  Pflicht  ge- 
macht, in  demselben  seinen  Sitz  zu  nehmen.  So  heißt  es 
z.  B.  in  der  Urkunde  für  Lymbirdus,  daß  mit  Rücksicht  auf 
die  Entvölkerung  des  Landes  er  mit  Frau  und  Kindern  wie 
die  anderen  Barone  daselbst  seinen  Wohnsitz  zu  nehmen  habe.^ 
Und  der  oben  genannte  Regnold  und  seine  Brüder  mußten 
sich  zur  ErfüUung  dieser  Bedingung  ausdrücklich  verpflichten.* 
Als  Wladyslaw  II.  Jagiello  von  Litauen  in  Polen  zur 
Herrschaft  kam,  zeigte  er  sich  umsomehr  als  eifriger  Förderer 
des  Lehenswesens,  als  dasselbe  in  Lithauen  im  14.  Jahrhundert 
eine   sehr  große   Ausdehnung  gefunden   hatte.     So   hat  dieser 


»  AGZ.  n,  Nr.  4,  6,  6;  V,  Nr.  11;  VUI,  Nr.  9. 

*  Diese  Bedingung  bat  man  auch  noch  im  Jahre  1564  als  sicheres  Zeichen 
betrachtet,  daß  man  es  mit  einem  Lehen  zu  tun  habe.  Prochaska, 
a.  a.  O.,  S.  10. 

'  AGZ.  Vni,  Nr.  13  (Jahr  1378).  Wladyslaw  von  Oppeln  verleiht  einem 
Jesko  eine  Schulzei,  damit  er  sie  verkaufe  und  mit  dem  Erlöse  sich 
aus  der  litauischen  Gefangenschaft  befreie. 

*  ib.  II,  Nr.  ö :  ,Consideratisque  defectibus  gentis,  qua  in  dicta  terra  Russi 
caremus,  quod  idem  Lymbirdus  cum  sua  uxore  et  pueris  suis  sicut 
ceteri  barones  ipsam  inhabitant,  inhabitabit  et  residenciam  in  ipsa  faciet 
personalem.* 

*  ib.  Nr.  6:  ,taliter  eciam  quod  dicti  fratri  unaoum  uxoribus  et  pueris 
ipsorum  in  dicta  nostra  terra  Russie  residenciam  faciant  personalem, 
prout  se  adhuc  specialiter  obligaverunt.* 

16* 


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228 

König  nicht  nur  ganze  Landschaften,  wie  Podolien  und  die 
Moldau,  in  ein  lehenrechtliches  Verhältnis  zu  Polen  gestellt, 
sondern  auch  kleine  Gebiete,  und  zwar  vor  allem  in  Ostgalizien, 
nach  Lehensrecht  verliehen.^  Wir  haben  von  diesem  Könige 
eine  Reihe  von  Urkunden,  in  denen  Güter  unter  Bedingungen 
vergeben  werden,  die  den  wenn  auch  nicht  immer  ganz  reinen 
lehensrechtlichen  Charakter  dieser  Bestiftungen  beweisen.  Immer 
wieder  wird  hiebei  der  Kriegsdienst  betont,  der  in  dem  stets 
bedrohten  Gebiete  besonderen  Wert  hatte.  So  hat  im  Jahre 
1412  Nikolaus  Frejstetter  oder  Frauwensteter,  Vogt  von  Kolo- 
mea,  das  Dorf  Berezöw  erhalten,  woftir  er  verpflichtet  wurde, 
zu  den  Feldzügen  des  Königs  zwei  Lanzenträger  zu  steUen, 
zur  Verteidigung  des  Landes  aber  mit  allen  Leuten  herbeizu- 
ziehen. Vielleicht  um  sich  dieses  im  Grenzgebiete  lästigen 
Dienstes  zu  entziehen  hat  Frauenstetter  schon  1419  sein  Lehen 
veräußert.  Auch  die  Absicht,  die  Bevölkerung  zu  vermehren, 
und  daher  die  Forderung  der  persönlichen  Niederlassung  wird 
von  Wladyslaw  betont,  ebenso  wie  die  Erlaubnis  des  Lehens- 
herrn bei  Verkauf,  Tausch  und  Verpftlndung.  *  Nach  ähnlichem 
Grundsatze  hat  auch  sein  Sohn  Kazimierz  derartige  Beleh- 
nungen vollzogen.  *  Ja  noch  1596  ist  von  König  Siegmund  lU. 
bei  einer  besonderen  Veranlassung  anerkannt  worden,  daß  Be- 
sitzer von  Lehensgütern  dem  Adel  gleichzuhalten  seien,  weil 
sie  seit  Jahrhunderten  zu  keinen  Diensten  verhalten  wurden, 
welche  adeligen  Rechten  widersprochen  hätten.* 

Aber  nicht  nur  die  Landesfürsten  haben  Lehen  vergeben. 
Es  sind  vielmehr  auch  eine  Reihe  von  Zeugnissen  erhalten, 
daß  landesfürstliche  Vasallen  Afterlehen  verliehen  haben.  So 
ist  z.  B.  die  Verleihung  von  Byszöw  bei  Sokal  durch  Ziemowit 
von  Masowien  im  Jahre  1408  aufzufassen,  wobei  über  die  Ver- 
äußerung des  Gutes  und  den  Kriegsdienst  des  Belehnten  die 
uns  bereits  bekannten  Bestimmungen  getroffen  wurden.^  Über 
den  Bestand  solcher  kleiner  Hinterlehen  in  der  Gegend  von 
Jaroslaw  und  PrzemySl  sind  zahlreiche  Nachrichten  aus  dem 
15.  Jahrhundert  erhalten.  Es  kommt  vor,  daß  sich  die  Lehens- 
leute um  beträchtliche  Summen  von  ihrer  gutsherrlichen  Lehens- 


*  Zum  folgenden  die  Belegte  bei  Prochaska,  8.  3—13. 

*  Vgl.  z.  B.  AGZ.  IV,  Nr.  16.         »  ib.  V,  Nr.  126  (Jahr  1448). 

*  Prochaska,  a.  a.  O.,  S.  21.        *  AGZ.  III,  Nr.  83. 


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229 

pflicht  loskauften  und  so  unter  die  unmittelbare  landesfUrstliche 
Herrschaft  traten.  Auch  Prozesse  wegen  verweigerter  Dienst- 
pflicht kamen  vor.^ 

Das  Lehenswesen  fand  überhaupt  unter  den  Polen  keinen 
Anklang.  Schon  von  der  Zeit  Jagieüos  macht  sich  der  Wider- 
stand bemerkbar.  Man  betrachtete  die  Einführung  des  Lehens- 
rechtes als  im  Widerspruche  stehend  mit  dem  polnischen  Rechte. 
Im  Interesse  des  Adels  stand  es^  daß  ihm  die  Güter  in  unbe- 
schränktes Eigentum  übergeben  werden  und  die  Kriegspflicht 
die  gewöhnliche  bleibe,  welche  jeder  Gutsbesitzer  nur  fllr  seine 
Person  und  zur  Verteidigung  des  Landes  zu  leisten  hatte.  Daher 
versuchten  schon  zur  Zeit  JagieUos  sich  einzelne  Lehensmannen 
freizumachen.  Er  selbst  vollzieht'  z.  B.  eine  solche  Befreiung 
im  Jahre  1416  und  der  obengenannte  Ziemowit  1435.^  Um 
dieselbe  Zeit  kamen,  wie  bereits  oben  bemerkt  wurde,  Los- 
käufe von  der  Lehenspflicht  gegenüber  privaten  Gutsbesitzern 
vor.  Im  Jahre  1519  hat  König  Siegmund  eine  solche  Be- 
freiung ausgesprochen.  Bei  diesen  Befreiungen  ist  ausdrücklich 
betont  worden,  daß  der  Lehensmann  und  seine  Elrben  vom 
Lehens-  oder  Dienstrechte  befreit  und  auf  den  Stand  der 
anderen  Landsassen  gesetzt  werde.  So  wird  in  der  erwähnten 
Urkunde  des  Königs  JagieHo  vom  Jahre  1416  ausdrücklich  die 
Befreiung  vom  Lehensrechte  oder  vom  Dienstrechte  (de  iure 
feodali  alias  szluskiego)  und  von  der  Lehensgerichtsbarkeit  (ab 
omni  iurisdiccione  feodaU)  bestimmt^  und  in  der  Urkunde  Zie- 
mowits  vom  Jahre  1435  die  Freiheit  von  allen  Hofdiensten  (ab 
Omnibus  serviciis  curiensibus)  und  dem  Dienstrecht  (de  iure  ser- 
viU)  ausgesprochen.^  In  beiden  Fällen  wird  zugleich  bestimmt, 
daß  die  Befreiten  fortan  der  gewöhnlichen  landesüblichen  Rechte 
teilhaft  sein  sollten.  Seit  in  Ostgalizien  das  ruthenische  Recht 
durch  das  polnische  verdrängt  wurde,  machte  sich  im  15.  und 
16.  Jahrhundert  immer  mehr  das  Bestreben  des  Adels  daselbst 
geltend,  das  Lehensrecht  überhaupt  zu  beseitigen.  Im  15.  Jahr- 
hundert ist  dieses  Ziel  von  den  damals  entstandenen  Bündnissen 
des  Adels  verfolgt  worden  und  in  den  Jahren  1562  und  1576 
haben  tatsächlich  die  Adeligen  gesetzliche  Bestimmungen  durch- 
gesetzt,  welche   das   Lehensrecht    des    Königs    fast    aufhoben 


>  Prochaska,  S.  14—31.        •  AGZ.  V,  Nr.  30.        »  ib.  ffl,  Nr.  107. 
*  ib.  V,  Nr.  30.        »  ib.  IH,  Nr.  107. 


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230 

Daher  hören  auch  mit  dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts  alle 
Nachrichten  über  das  Lehenswesen  in  Polen  auf.  Die  Krone 
verlor  auf  diese  Weise  viele  Ländereien  und  die  ihr  zustehen- 
den Kriegsdienste.  Auch  darin  hat  der  selbstsüchtige  Adel 
einen  Sieg  über  das  schwache  Königtum  zu  Ungunsten  des 
allgemeinen  Besten  gewonnen. 

Für  die  nach  Lehensrecht  bestifteten  Gutsbesitzer  muß 
auch  ein  eigenes  Gericht  bestanden  haben^  denn  es  ist  nicht 
annehmbar,  daß  sie  vor  den  gewöhnlichen  polnischen  Richter 
gezogen  wurden,  während  schon  die  Besitzer  eines  Schulzen- 
amtes vor  ein  besonderes  deutsches  Gericht  gehörten.  Viel- 
leicht war  der  in  Lehensurkunden  unter  Wladyslaw  IL  auf- 
tretende ,iudex  provincialis  terre  Russie*  Peter  Braun  Vor- 
sitzender dieses  Lehensgerichtes.  ^  Auf  einen  besonderen  Ge- 
richtsstand weisen  vor  allem  die  oben  angefahrten  Urkunden 
von  1416  und  1435.  Eigentliche  Akten  dieser  Gerichte  sind 
aber  bisher  nicht  gefunden  worden.  Erwähnt  sei  auch,  daß 
schon  Wladyslaw  von  Oppeln  bei  Vergabungen  nach  Lehens- 
recht nach  dem  reiflichen  Rate  seiner  Vasallen  verfilhrt,  was 
voraussetzt,  daß  Versammlungen  und  Beratungen  derselben 
üblich  waren.*  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  dieselben  mit 
Gerichtssitzungen  verbunden  waren. 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  daß  wir  mit  Einrich- 
tungen zu  tun  haben,  die  überaus  dem  westeuropäischen 
Lehenswesen  gleichen.  Daß  hiebei  aber  deutsche  Einflüsse 
sich  geltend  machten,  geht  aus  dem  Umstände  hervor,  daß 
deutsche  Bezeichnungen  fUr  diese  lehensrechtlichen  Einrich- 
tungen gebraucht  wurden.  Gewöhnlich  hießen  sie  ius  feudale; 
aber  auch  die  Ausdrücke  ius  lenske,  linske,  lincale,  lincum, 
die  auf  das  deutsche  ,Lehen'  zurückgehen,  sind  wiederholt 
belegt.^  Auch  die  bereits  angeführte  polnische  Bezeichnung 
szluskie  =  servicium  curiense*  weist  auf  das  deutsche  ,Dienst- 
recht'.  Femer  wird  aber  auch  Dienst-  oder  Lehensmann  als 
omagialis    perpetuus    alias    man    und    servicium    omagiale    als 


»  AGZ.  n,  Nr.  4,  6,  6;  V,  Nr.  10  u.  11.  Vgl.  auch  AGZ.  VII,  Nr.  23,  und 
dazu  die  Bemerkungen  von  Piekosidski  in  Star.  Pom.,  a.  a.  O. 

'  AGZ.  V,  Nr.  13  vom  Jahre  1378:  ^maturo  nostrorum  yassalorum  prehabito 
consUio.* 

»  Siehe  oben  S.  190. 

*  AGZ.  V,  Nr.  30  und  m,  Nr.  107. 


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231 

manysthvo  bezeichnet*  Hervorzuheben  ist  übrigens  auch^ 
daß  der  schlesische  Fürst  Wladyslaw  von  Oppeln  zuerst  deut- 
lich dieses  Recht  in  Galizien  eingeführt  hat. 

IL 

Identität  des  ^deutschen  Rechtes*  und  deutscher 
Stadtrechte  in  Polen. 

Bekanntlich  hat  Stenzel  für  Schlesien  die  Behauptung 
aufgestellt,^  daß  ^deutsches  Recht  nichts  als  die  Verhältnisse 
der  Städte  und  Dörfer  nach  deutscher  Art^  bedeute.  ,Es  drückt 
dasselbe  demnach  die  in  Schlesien  neuen,  nach  deutscher  Art 
gebildeten  Verhältnisse  aus,  in  welche  jetzt  die  Bewohner  der 
Dörfer  und  Städte  zu  einander,  zu  ihrer  Gerichts-,  Grund-  und 
Landesherrschaft  kamen,  die  Verhältnisse,  durch  welche  freie 
und  geschlossene,  der  Last  des  polnischen  Rechtes  größtenteils 
oder  ganz  enthobene  Körperschaften  in  Städten  und  Dörfern 
gebildet  wurden,  mit  Teilnahme  an  der  Verwaltung  des  Gemein- 
wesens (unter  dem  Stadtrate)  und  der  Gerichte  (als  Schöffen), 
unter  ihren  Schulzen  und  Vögten  in  Fällen  der  niederen,  unter 
dem  Fürsten  oder  dessen  Bevollmächtigten  in  Sachen  der  höheren 
Gerichtsbarkeit,  endlich  als  Urheber  der  durch  Rechtssprüche 
und  Willküren  neugebildeten  Rechtsverhältnisse.'  Daß  diese 
Auffassung  im  allgemeinen  auch  flir  Polen  zutreffe,  hat  Roe- 
pell  bereits  vor  mehr  als  60  Jahren  festgestellt:*  ,Der  Aus- 
druck ins  teutonicum  (deutsches  Recht)  ist  der  ganz  allgemeine; 
er  wird  sehr  häufig  allein  in  Urkunden  gebraucht  und  be- 
deutet allerdings  auch  hier  (in  Polen)  zunächst  nichts  weiter 
als  die  Anlegung  von  Dörfern  nach  deutscher  Art  und  Ge- 
meindeverfassung/ Wenn  aber  aus  Stenzels  sonstigen  Aus- 
flihrungen  hervorzugehen  scheint,  daß  deutsches  Recht  von 
speziellen  Stadtrechten,  insbesondere  vom  Magdeburger  Rechte 
zu  unterscheiden  sei,  wenn  er  bemerkt,  daß  ,keine  Stadt  Magde- 
burger Recht  erhalten  hat,  welche  nicht  vorher  deutsches  Recht 

»  Prochaska,  Beilage  8.28  u.S.  16,  Anm. AGZ. XVIU,  Nr.  2916, 2970  u.4019. 

•  G.  A.  Tzschoppe  und  G.  A.  Stenzel,  Urkundensammlung  zur  Ge- 
schichte des  Ursprunges  der  StHdte  in  Schlesien  und  der  Oberlausitz 
(Hamburg  1832),  S.  99. 

»  A.  Roepell,  Geschichte  Polens  I,  S.  576,  Anm.  19. 


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232 

gehabt  hätte',  so  ist  dies  für  Polen  auch  schon  für  das  13.  Jahr- 
hundert;  nicht  aber  erst,  wie  Stenzel  zugeben  möchte,^ 
fUr  spätere  Zeit  (14.  Jahrhundert)  nicht  zutreffend.  Hier  besteht 
kein  Unterschied  zwischen  dem  deutschen  Rechte  als  solchem 
und  dem  Magdeburger  Rechte  sowie  den  anderen  von  diesem 
abgeleiteten  Rechten.  Das  deutsche  Recht  umfaßt  gewisser- 
maßen alle  diese  und  ist  nicht  eine  bloße  Vorstufe  derselben. 
Neben  dem  deutschen  Rechte  ab  solchem  wird  das  besondere 
oft  nur  so  nebenbei  als  näher  erklärender,  aber  ziemlich  gleich- 
gültiger Zusatz  hinzugefügt.  Zwischen  Orten,  die  mit  deutschem 
Rechte  kurzwegs  bestiftet  wurden,  und  solchen,  die  mit  Magde- 
burger Recht  begabt  wurden,  ist  kein  weiterer  Unterschied 
vorhanden,  wenn  nicht  besondere  Privilegien  dies  festsetzen. 
Das  Magdeburger  Recht  oder  ein  anderes  Weichbildrecht  kann 
hier  ebenso  wie  das  deutsche  Recht  sofort  neubegründeten  An- 
siedlungen,  gleichviel  ob  es  Dörfer  oder  Städte  sind,  verliehen 
werden.  Es  muß  also  nicht  erst  eine  Bestiftung  mit  deutschem 
Rechte  vorangegangen  sein  und  die  Verleihung  des  Magde- 
burger oder  eines  anderen  Stadtrechtes  folgen.  Aber  es  ist  auch 
durch  die  Verleihung  eines  dieser  letzteren  Rechte  durchaus 
nicht  der  Ort  sofort  zur  Stadt  geworden,  vielmehr  konnte  er 
trotz  des  Magdeburger  Rechtes  eine  dörfliche  Siedlung  bleiben 
und  einem  Schulzen  unterstehen,  und  es  bedurfte  erst  eines 
besonderen  Privilegs,  welches  den  Ort  zur  Stadt  erhob  und 
ihm  den  Vogt  gab.  Denn  auch  in  Polen  ist  regelmäßig  der 
Vogt  Richter  der  Stadt  und  der  Schulz  Richter  des  Dorfes  wie 
in  Schlesien. 

Zur  Begründung  und  Erhärtung  dieser  Bemerkungen 
mögen  einige  Belege  aus  Urkunden  angeftlhrt  werden. 

In  einer  Urkunde  vom  Jahre  1276  sagt  Herzogin  Kune- 
gunde:  ,villam  nostram  Golgowicz  nuncupatam  iure  teutoni- 
cali  ordinandam  duximus  et  locandam^;  und  gleich  darauf 
heißt  es  in  derselben  Urkunde,  daß  die  Bewohner  des  Ortes 
(incole  et  coloni)  ,iure  Magdeburgensi  vivere^  sollen  und 
,secundum  quod  ius  Magdeburgense  exigit  et  requirit'  ihre  dem 
Walde  abgerungenen  Gründe  benützen  sollen.* 

Nach  einer  Urkunde  vom  Jahre  1293  soll  der  Kapellan 
Matthias  den  ihm  geschenkten  Wald  am  Flusse  Olszana  ,quo- 


»  a.  a.  O.,  S.  106.  .      «  CDPM.  H,  Nr.  482. 


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233 

cunque  iure  theutonico^  Magdeburgensi  vel  Noviforensi' 
besiedeln  dürfen;  und  dann  beißt  es  gleich:  ^nos  ipsius  heredi- 
tatis  incolas  et  scultetos  facimus  gaudere  privilegio  sui  iuris 
tbeutonicalis^;  und  weiter  wird  zugesichert,  daß  jeder  Insasse 
vor  dem  fürstlichen  Ricbterstuhle  ^suo  iure  theutonico  respon- 
debit^i 

Im  Jahre  1295  erhielt  das  Kloster  Miechow  die  Freiheit, 
seine  Dörfer  (viUas),  femer  die  in  Wäldern  anzulegenden  An- 
siedlungen  im  Gebiete  von  Krakau  und  Sandomir  mit  belie- 
bigem deutschen  Rechte  (iure  quo  maluerint  theutonico)  zu 
bestiften.* 

Ahnlich  erhält  das  Kloster  Szczyrzyc  im  Jahre  1308  von 
Wladyslaw  Lokietek  die  Bewilligung,  ,iure  quo  voluerint  theu- 
tonico' Dörfer,  Güter  und  Wälder  zu  besiedeln. ' 

Im  Freibriefe  von  Kamieii  vom  Jahre  1319  heißt  es: 
,villam  Kamieri  iure  theutonico,  quo  civitas  utitur,  que  No- 
vum  forum  in  Slezia  nuncupatur,  collocandam/* 

Im  Freibriefe  von  T§czynek  vom  Jahre  1319  wird  genau 
dieselbe  Bestimmung  getroffen.^ 

Slowikowa  wird  im  Jahre  1334  begründet  ,iure  theutonico 
sub  forma  iuris  Magdeburgensis'.® 

Bartholdowa  karczma  =  Bartatöw  (Jahr  1442):  ,et  ut 
ipsius  civitatis  condicionem  faci&mus  meUorem,  ipsam  de  iure 
polonico  in  ius  tbeutunicum,  quod  Magdeburgense  dicitur,  trans- 
ferimus.' ' 

Kamienica  dolna  (Jahr  1345):  ,villam  ibidem  iure  theu- 
tonico Magdeburgensi/® 

Dzierianiny  (Jahr  1351):  ,locare  iure  theutonico  Novifori 
quod  Sredske  vulgariter  dicitur/ • 

Nowawiefi  narodowa  bei  Lobzow  (Jahr  1367):  ,iure  theuto- 
nico, dicto  vulgariter  Lantrecht/^^ 

Diese  Stellen  gentigen,  um  die  Gleichwertigkeit  aller  ge- 
nannten Rechte  darzutun  und  zugleich  den  Umstand,  daß  auch 
neu  entstehende  dörfliche  Ansiedlungen  mit  Magdeburger  oder 
einem  anderen  abgeleiteten  Rechte  bestiflet  werden  konnten. 
Dazu  kommt,  daß  alle  genannten  Siedlungen  stets  unter  einen 


»  CDPM.  II,  Nr.  624.        •  ib.  Nr.  580.         »  ib.  HI,  Nr.  656. 

*  ib.  I,  Nr.  158.        »  ib.  H,  Nr.  575.        «  AGZ.  Vn,  Nr.  5. 
'  ib.  n,  Nr.  66.        •  CDPM.  m,  Nr.  677. 

•  ib.  UI,  Nr.  693.        *°  ib.  I,  Nr.  293.     Vgl.  auch  oben  S.  170,  Anm.  2. 
Archiv.    XCY.  Band.    I.  Hälfte.  16 


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234 

Schulzen  gestellt  erscheinen,  auch  wenn  sie  Magdeburger  und 
Neumarkter  ,Stadtrecht^  erhielten.  Zur  Stadt  wurde  ein  Ort, 
trotz  des  bereits  früher  verliehenen  Stadtrechtes,  erst  durch 
weitere  besondere  Vorrechte,  indem  ihm  ausdrücklich  der  Titel 
Stadt  (civitas)  und  ein  Vogt,  femer  verschiedene  dem  ent- 
wickelten städtischen  Leben  entsprechende  Freiheiten  im  Handel, 
Verkehr  usw.  gewährt  wurden. 


Inhaltsübersicht. 


Saito 

I.  Das  Gerichtswesen 167 

1.  Einleitung 167 

2.  Niedere  Ortsgerichte 170 

3.  Die  ,großen*  Ortsgerichte 177 

4.  Die  Hofgerichte  (sogenannte  Lehens-  und  Obergerichte)    .     .  184 

aj  LandesfUrstliche  ^Lehenshöfe' 190 

bj  ,Lehenshöfe*  auf  geistlichen  Gütern 198 

c)  Lehensgerichtsbarkeit  der  adeligen  Grundbesitzer      .     .  202 

5.  Der   königlich    deutsche  Oberhof  auf  der  Burg  zu  Krakau, 

Rechtszug  nach  Magdeburg 203 

6.  Das  oberste  Gericht  der  sechs  Städte 218 

7.  Deutsche  Rechtsbücher  und  Sammlungen  von  Schöffensprüchen 

in  Galizien.    Bemerkungen  zur  Charakteristik  der  Gerichts- 
verfassung und  des  Gerichtsverfahrens 215 

8.  Lehenswesen    und    eigentliche    Lehensgerichte    im    Haliczer 

Gebiete 224 

n.  Identität  des  ^deutschen   Rechtes*   und  deutscher  Stadt- 
rechte in  Polen 231 


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Archiv 


r   österreichisclie  Geschichte. 


Heraasgegebeu 

Historischen  Kommission 

der 

kaiserlichen  Akademie   der  Wissenschaften. 


i 


Filiifandneaiixtgster  Band, 

Zweite  Hälfte. 

Mit  6   Stamint afelu. 


Wien,  1906. 
In    KommiBsioD    bei    Alfred    Höldet 

Baehliifidler  äet  kus&rlkbeji  Akademk  dar  WifrMDXili&fieii« 


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Archiv 


für 

österreichische  Qeschichte. 


Herausgegeben 

▼on  der 

Historischen  Kommission 

der 

kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Fünfundneunzigster  Band. 

Zweite  Hälfte. 
Mit   6  Stammtafeln. 


Wien,  1906. 

In   Kommission    bei    Alfred    Holder 

k.  Q.  k.  Hof-  und  UniTersit&ts-Bnctahindler 
Bnebh&ndler  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenechaften 


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DIE  HERREN  VON  WALSEE. 


EIN    BEITR^a 

ZUE 

ÖSTERREICHISCHEN  ADELSGESCHICHTE. 


TON 


D"  MAX  DOBLINGER. 


VORGELEGT  IN  DER  SITZUNG  AM  8.  NOVEMBER  1905. 


AkUt.  XCV.Band.  II.  Hüft«.  17 


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Vorwort. 


Jcirst  jüngst  wieder  ist  von  berufener  Seite  auf  den  Wert 
kritisch  gesichteter  Adelsgeschichte  hingewiesen  worden.  Wenn 
irgendwo,  so  mögen  die  Worte,  welche  Prof  J.  Loserth  seinen 
,Genealogischen  Studien  zur  Geschichte  des  steir.  üradels' 
(Forschungen  zur  Verfassungs-  und  Verwaltungsgeschichte  der 
Steiermark,  Bd.  VI*,  Graz  1905)  voranschickt,  fUr  die  Geschichte 
des  Hauses  Walsee  gelten,  die  hier  dargestellt  ist. 

Längst  besitzen  wir  über  die  beiden  bekanntesten  Adels- 
geschlechter unserer  Heimat,  die  Grafen  von  Schaunberg  und 
von  Cilli,  eine  Anzahl  brauchbarer  Arbeiten.  Die  Herren  von 
Walsee,  die  sich  den  vorgenannten  Geschlechtern  getrost  an 
die  Seite  stellen  lassen,  entbehrten  bisher  einer  ausreichenden 
historischen  Darstellung.  Allerdings  war  ihre  Geschichte  be- 
reits mehrfach  Gegenstand  der  Erörterung.  Aber  schon  der 
alte  Wolfgang  Laz  (De  migratione  gentium,  Frankfurt  1600, 
S.  464)  brachte  eine  derartige  Verwirrung  in  die  umfangreiche 
Genealogie  des  Hauses,  daß  weder  Steyerer  (Commentarii  pro 
historia  Alberti  H.,  Wien  1725,  Anh.  col.  18  ff.),  noch  der  fleißige 
Hoheneck  (Genealogie  des  obderensischen  Adels  IH,  888  ff.) 
damit  zurechtkamen.  Überdies  fügte  nun  auch  hier  der  be- 
kannte Chr.  Hanthaler  (Recensus  diplom.  gen.  arch.  Campilil.) 
seine  Fälschungen  hinzu;  noch  Hopf  (Genealogischer  Atlas, 
S.  374)  gab  seine  Tabelle  darnach. 

Es  war  der  verdiente  Chmel,  der  die  Bedeutung  des 
Hauses  erkannt  und  dazu  (Notizenblatt  der  kaiserl.  Akad.  der 

17* 


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238 

Wissensch.,  Bd.  IV)  bedeutendes  urkundliches  Material  ver- 
öffentlicht hat.  Alfons  Huber  (Geschichte  des  Herzogs  Rudolf  IV., 
Exkurs  II)  stellte  sodann  die  Genealogie  desselben  auf  sichere 
Grundlagen  und  Krones  (Allgemeine  deutsche  Biographie, 
XLI.  Bd.)  sowie  Weiß-Starkenfels  (Wappenbuch  des  obderen- 
sischen  Adels,  S.  579 — 604)  haben  daran  weitergesichtet. 

Immerhin  bheb  auch  hier  noch  vieles  zu  tun  übrig:  eine 
umfangreiche  Literatur  war  oft  schwierig  zu  beschaffen  und 
vor  allem  waren  die  bisher  noch  ungenügend  ausgebeuteten 
Urkundenschätze  zu  heben.  Allen  den  zahlreichen  Persönlich- 
keiten, die  dem  Verfasser  besonders  nach  dieser  Richtung  ihre 
Unterstützung  zuteil  werden  Ueßen,  sei  dafUr  der  ergebenste 
Dank  gesagt,  insbesondere  aber  Freiherm  Viktor  von  Handel- 
Mazzetti,  Archivar  des  Museums  Francisco-Carolinum  in  Linz, 
der  für  die  vorliegende  Arbeit  eine  reichhaltige  Sammlung  von 
ürkundenauszügen  zur  Verfügung  stellte. 

Graz,  im  Dezember  1905. 

Dr.  Max  Doblinger. 


Abkfirzangen. 

AÖG =  Archiv  für  österreichische  Geschichte. 

FRA =  Fontes  Rerum  Austriacamm. 

HHStA.    .  .  =  K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  in  Wien. 
JBMFC.  .  .  =  Jahresbericht  des  Museums  Francisco-Carolinum  in  Linz. 

LB =  Lichnowsky  (-Birk),  Geschichte  des  Hauses  Habsburg. 

NB =  Notizenblatt  zum  Archiv  für  Kunde  österreichischer  Geschichts- 
quellen. 
StLA.     .  .  .  =  Steiennärkisches  Landesarchiv  in  Graz. 
StAEferding  =  Fürstlich  Starhemberg^ches  Archiv  in  Eferding. 
UBoE.   .  .  .  =  Urkundenbuch  des  Landes  ob  der  Ens. 
WSt =  Weiß-Starkenfels,  Wappenbuch  des  obderensischen  Adels. 

Inventar.  .  .  =  Archivinventar  von  Nieder -Walsee,  1646  Okt.  26,  Niederösterr. 
Herrschaftsakten,  Fasz.  17684  Wl,  6d,  Archiv  des  k.  u.  k. 
gem.  Beichffinanzminiflteriums  in  Wien. 


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Eiiileitung. 


Mit  den  Habsburgem  kam  unter  Albrecht  I.  auch  eine 
Anzahl  von  Adelsgeschlechtern  aus  der  schwäbischen  Heimat 
in  die  österreichischen  Lande.  Weitaus  die  bedeutendste  dieser 
Familien  und  eine  der  hervorragendsten  überhaupt^  die  der 
österreichische  Adel  des  späteren  Mittelalters  in  seinen  Reihen 
zählte,  waren  die  Herren  von  Walsee. 

Sie  hatten  bereits  ein  Jahrhundert  nicht  eben  bedeutender 
Vergangenheit  als  weifische  und  staufische  Ministerialen  in  dem 
Städtchen  Walsee  hinter  sich,  als  sie  auf  dem  Boden  Österreichs 
heimisch  wurden.  Hier  breiten  sie  sich  in  vier  Linien  aus,  ge- 
langen unter  dem  Hochadel  zur  Geltung  und  bringen  einen 
weitausgedehnten  Besitz  an  Eigengut,  meist  aber  an  herzog- 
lichen Lehen  und  Pfandschaften  an  sich.  Als  Lehensträger  der 
Kirchen  von  Salzburg  und  Passau,  Bamberg,  Regensburg  und 
Freising,  ja  selbst  Brixen  und  Pola,  sowie  als  Widerpart  der 
Grafen  von  Schaunberg  in  Oberösterreich  sind  auch  sie  mit 
tätig  bei  der  Ausgestaltung  der  habsburgischen  Landeshoheit. 
Eine  Anzahl  bedeutender,  tüchtiger  Männer  des  Hauses  leistet 
wiederholt  den  Habsburgem  in  Krieg  und  Frieden  die  wich- 
tigsten Dienste  und  der  Reichtum,  den  sie  durch  sorgsame 
Wirtschaft  zu  mehren  verstanden,  stellt  den  hilfsbedürftigen 
herzoglichen  Finanzen  oft  beträchtliche  Summen  zur  Verfügung. 

Reinprecht  H.  von  Walsee  (f  1422),  der  eine  Machtfülle 
in  seiner  Hand  vereinte,  wie  sie  nach  ihm  wenigen  Dienern 
des  Hauses  Habsburg  zuteil  geworden  ist,  wnrde  überdies  mit 
seinem  Bruder  Friedrich  V.  der  Schöpfer  jener  für  die  inner- 
poHtische  Geschichte  Österreichs  hochbedeutsamen  Stellung  der 
Stände,  welche  dieselben  durch  volle  zwei  Jahrhunderte,  bis 
zum  Siege   der  Gegenreformation,   innehatten.     Stets   in   enger 


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240 

Verbindung  mit  den  Geschicken  ihres  Herrscherhauses,  enden 
die  Herren  von  Walsee  mit  Reinprecht  V.  (f  1483)  an  der 
Schwelle  einer  neuen  Zeit,  mit  der  so  viele  Geschlechter  des 
österreichischen  Adels  von  der  Bildfläche  verschwinden,  und 
rasch  ist  mit  der  Zerstückelung  des  walseeischen  Erbes  ihre 
Spur  verflogen. 

Der  Verfasser  behandelt  nach  einem  Abschnitte  über  die 
schwäbische  Vorgeschichte  des  Geschlechtes  dessen  Geschicke 
auf  dem  Boden  Österreichs.  Trotz  mancher  Bedenken  schien 
es  vorteilhafter,  die  Schicksale  der  vier  Linien  des  Hauses,  von 
Linz,  Ens,  Graz  und  Drosendorf  getrennt  darzustellen.  Anderer- 
seits war  es  auch  geboten,  dem  Wirkungskreise  der  wichtigsten 
Amter  nachzugehen,  welche  die  Walseer  als  Hofmeister,  Land- 
marschälle und  Hauptleute  ob  der  Ens  und  in  der  Steiermark 
vielfach  innehatten;  Abschnitte  über  die  sozialen  Verhältnisse 
und  das  Wirtschaftsleben  sowie  über  die  Genealogie  des  Ge- 
schlechtes bilden  den  Schluß. 

Übersehen  wir  den  gesamten  Wirkungsbereich  des  Hauses 
Walsee,  so  wird  sich  die  Erkenntnis  ergeben,  daß  wir  in  dem- 
selben für  das  14.  und  15.  Jahrhundert  einen  politischen  und 
wirtschaftlich  in  sich  geschlossenen  Machtfaktor  zu  erblicken 
haben,  dessen  Bedeutung  fUr  das  damalige  habsburgische  Oster- 
reich bisher  unterschätzt  worden  ist. 


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I.  Abschnitt. 
Die  Walseer  in  Schwaben. 

xlitwa  halben  Weges  zwischen  Donau  und  Bodensee  liegt 
in  anmutiger  Moränenlandschaft  Waldsee,  die  Heimat  des  nun 
schon  seit  mehr  denn  400  Jahren  abgestorbenen  gleichnamigen 
Geschlechtes,  heute  eine  württembergische  Oberamtsstadt. 

Schon  der  Name,  in  seiner  ältesten  Schreibweise  walahse 
=  Walchsee  lautend,  läßt  auf  einen  Bestand  des  Ortes  bereits 
in  Römerzeiten  schließen.  Zahlreiche  Römerfunde  sind  denn 
auch  in  der  Umgebung  von  Waldsee  zutage  gefördert  worden. 

Als  dann  das  Christentum  Eingang  gefunden  hatte,  er- 
stand in  der  Nähe  Heisterkirch,  die  Leutkirche  des  Heister- 
gaues, als  eine  der  ältesten  Kultstätten  des  neuen  Glaubens,  der 
sich  von  hier  in  der  ganzen  Umgegend  verbreitete. 

Seinen  Ursprung  mag  Waldsee  den  karolingischen  Schen- 
kungen an  das  bekannte  elsässische  Kloster  Weißenburg  ver- 
danken, welches  zu  Waldsee,  wo  sich  auch  die  Weißenburger 
Kirchenheiligen  wiederfinden,  und  in  mehreren  Orten  der  Um- 
gebung, so  zu  Heisterkirch,  Groß-  und  Klein-Laubheim,  Holz- 
kirch u.  a.  bedeutende  Güter  besaß.  Zum  ersten  Male  wird 
Waldsee  im  Traditionskodex  von  Weißenburg  (10.  Jahrhundert) 
genannt.^  Die  Eintragung  daselbst:  ,Ad  Walahse  est  curtis 
dominica  a  paganis  desolata'  gibt  uns  zugleich  Kunde,  daß  die 
Ungarn  (pagani)  Waldsee  zerstörten,  als  sie  beim  Einfalle  von 
926  nach  der  Belagerung  des  durch  Bischof  Ulrich  verteidigten 
Augsburg  Alemannien  verwüsteten  und  bis  St.  Gallen  verheerend 
vordrangen.  Im  Heistergaue  war  dabei  die  Bevölkerung  ge- 
radezu  vernichtet   worden.     Weiters    führt   der  Weißenburger 

1  Württemberg.  Geschichtsquellen  U  (1895),  279. 


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242 

Liber  possessionum  Edelini  abbatis  an:*  ,Beneficium  Bezzelini 
comitis;  ad  Walahse  et  Heistinikirche  totum  comitiserum  preter 
ministeriales  et  eorum  praedia  et  beneficia^  que  abbatem  soltun 
respiciunt/  Dieser  Graf  Bezzelin,  identisch  mit  dem  Grafen 
Berthold  von  Breisgau  oder  dessen  Sohne,  dem  1024  verstor- 
benen Ahnherrn  der  Zähringer,  Berthold  von  VilUngen,  erscheint 
als  Lehensträger  des  Klosters  Weißenbnrg  zu  Waldsee,  läßt 
sich  indes  als  Graf  im  Heistergaue  nicht  nachweisen. 

Von  da  ab  vergehen  volle  140  Jahre  ohne  Nachricht  über 
den  Fortbestand  Waldsees.  Während  dieses  langen  Zeitraumes 
hat  sich  die  Ansiedlung  von  den  Schäden  des  üngarneinfalles 
erholt  und  zu  einem  Pfarrorte  weiterentwickelt,  in  welchem  be- 
reits um  1165  ein  Kloster  bestand. 

In  der  Urkunde  von  1171  März  31*  nun,  worin  Herzog 
Heinrich  von  Baiem  und  Sachsen  zu  Tiuringen*  bekundet,  daß 
sein  Dienstmann  Otto  de  Hasenwillare  die  Prädien  zu  Swain- 
dorf  und  Richenbach  dem  KUoster  Salem*  geschenkt  habe, 
finden  sich  neben  anderen  Zeugen,  unmittelbar  nach  Fridericus 
de  Dahsperc,  der  als  Dienstmann  des  Grafen  Otto  von  Kirch- 
berg sichergestellt  ist,  die  ersten  Walseer  genannt:  Gebehardus 
et  Chonradus  de  Walchse.  Gleich  anderen  Ministerialen  er- 
scheinen die  Waldseer  dann  seit  dem  Übergänge  der  weifischen 
Hausgüter  in  Schwaben  von  Herzog  Weif  VI.  an  die  Staufer 
unter  den  Dienstleuten  der  letzteren. 

1179  Dezember  25*  verbriefte  Herzog  Friedrich  V.  von 
Schwaben  zu  Altdorf  den  Übergang  der  Vogtei  über  Besitzun- 
gen des  Klosters  Kreuzungen  auf  ihn  und  genehmigte  zugleich 
die  Übergabe  mehrerer  Dienstleute  samt  deren  Habe  an  das 
Kloster.  Unter  den  Zeugen  befanden  sich:  Fridericus  de  Wald- 
burch,  dann  Eberhardus  de  Walhse,  Eberhardus  de  Tanne  et 
frater  suus  Bertolfus  sowie  Bertolfus  de  Walhse  u.  a. 

Auf  dem  ülmer  Reichstage  wurde  ferners  1181  Mai  5^ 
die  feierliche  Tauschhandlung  vollzogen,  wodurch  das  Kloster 
Roth  von  Berthold  von  Laubheim  bei  Memmingen,  einem  Dienst- 


»  Württemberg.  Geschichtsquellen  n  (1896),  282. 
'  Weech,  Cod.  diplom.  Salemitanns  I,  25. 
'  Thenringen  bei  Überlingen. 

*  Salmannsweiler  bei  Überlingen. 

*  Wirtemberg.  Urk.-B.  II,  205.  «  Ebenda,  214. 


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243 

manne  des  Grafen  Otto  von  Hohenberg  (=  Kirchberg),  die  Kirche 
in  Stainbach,  einen  kirchbergischen  Besitz  an  der  Hier,  dieser 
hingegen  vom  Stifte  das  Gut  zu  Hard  sowie  17  Talente  als 
Ausgleichssumme  erhielt.  In  der  Zeugenreihe  dieser  Urkunde 
sind  nun  als  kirchbergische  Ministerialen  abermals  dominus 
£berhardus  et  filius  eins  Bertoldus  et  patruus  ipsius  dominus 
Chunrathus  de  Walechse  genannt.  Dieselben  bezeugen  auch 
noch  neben  denen  von  Tanne,  Winterstetten  u.  a.  die  von 
K.  Friedrich  I.  auf  demselben  Ulmer  Reichstage  1181  Mai  12* 
ausgestellte  Urkunde,  worin  die  zu  Zeiten  des  Bischofs  Her- 
mann I.  von  Konstanz  (1152 — 1165)  erfolgte  Umwandlung  der 
Pfarrkirche  Walhse  in  ein  Augustiner-ChorheiTenstifl  mit  der 
ausdrücklichen  Klausel  bestätigt  wird,  daß  die  Ministeriales  de 
Waltse  zum  Herzogtume  Schwaben  gehören  und  nur  der  Ge- 
richtsbarkeit ihres  Herzogs  unterstehen  sollen. 

Die  genannten  drei  Waldseer  sind  die  ersten  nachweis- 
baren Angehörigen  des  Geschlechtes,  der  1171  bezeugte  Geb- 
hard  (I.)  wohl  ein  Bruder  Konrads  (L),  welcher  1171 — 1181 
auftritt.  Auch  das  Weißenauer*  Totenbuch  gedenkt  zu  Mai  15 
,Cuonradi  de  Waise  militis  et  Eberhardi  de  Tanne,  et  paren- 
tum  suorum,  quorum  annivers.  solemniter  celebramiis',*  und  das 
Stiftungsbuch  desselben  Klosters  mit  der  Bemerkung,*  daß 
Konrad  von  Waise  bedeutende  Summen  von  Kirchengeldem 
ihrem  Zwecke  entfremdet  und  sein  Unrecht  durch  eine  Schen- 
kung von  15  Mark  Silber  an  das  Kloster  gesühnt  habe.  Seit 
1181  wird  Konrads  (I.)  Bruder  Eberhard  (I.)  nicht  mehr  er- 
wähnt, wohl  aber  sein  Sohn  Berthold,  der  im  Frühlinge  1187* 
als  Dienstmann  Hartmanns  d.  J.  von  Karchberg  zugegen  war, 
als  Herzog  Friedrich  V.  von  Schwaben  den  Verkauf  von  Gütern 
zu  ,Graggenhoven,  Wiare,  Iberch  und  Maizilstein'  durch  die 
Brüder  von  Hohenburg  an  den  Grafen  Hartmann  von  Kirch- 
berg bestätigte.  Daraus  geht  wohl  hervor,  daß  die  Waldseer 
als  staufische  Ministerialen   natürlich  für  den  Kaiser  gegen  die 


*  Wirtemberg.  Urk.-B.  U,  216. 

*  Weißenau,  Angia  minor  bei  Ravensburg. 
"  M.  G.  Necrol.  I,  169. 

*  Banmann,  Acta  8.  Petri  in  Angia»  Zeitochrift  fQr  Gesch.  des  Oberrheins 
XXIX,  113. 

'  Banmann,  Gesch.  des  Allgäus  I,  206. 


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244 

kirchliche  Partei   auftraten;   nun  fehlen  aber   alle  Nachrichten 
über  sie  auf  vierzig  Jahre  hinaus. 

Für  die  BVage  nach  der  Abstammung  der  Waldseer 
scheinen  sich  darnach  Anhaltspunkte  nach  zwei  Richtungen  zu 
ergeben. 

Einerseits  begegnen  wir  ihnen,  ebenso  noch  im  13.  Jahrhun- 
dert, in  den  Zeugenreihen  der  Urkunden  wie  nahen  Vettern  neben 
denen  von  Tann,  Waldburg  und  Winterstetten,  Ministerialen- 
geschlechtern in  der  Umgebung  Waldsees,  deren  Verwandtschaft 
untereinander  noch  keineswegs  geklärt  ist.^  Auch  die  auf- 
fallende Gleichheit  der  Taufnamen,  die  sich  bei  den  genannten 
Familien  wiederfinden,  läßt  sich  ebensogut  wie  durch  etwaige 
gemeinsame  Abstammung  auch  durch  Verschwägerung  erklären, 
wie  wir  sie  mit  denen  von  Waldburg  und  Winterstetten  nach- 
weisen, bei  denen  von  Tanne  vermuten  können.  Zudem  waren 
ja  Eberhard,  Konrad,  Heinrich,  Berthold,  Ulrich  und  Friedrich 
damals  gerade  die  häufigsten  Taufnamen  im  Schwabenlande. 
Es  läßt  sich  durchaus  nicht  erweisen  oder  auch  nur  ver- 
muten, daß  die  Besitzungen  der  Waldseer  ganz  oder  teilweise 
von  denen  von  Waldburg,  Winterstetten  oder  Tanne  —  oder  um- 
gekehrt hergekommen  wären.  Auch  ihr  Wappen,*  ein  schwarzer 
Schild  mit  weißem  Querbalken,  wie  ihn  heute  noch  das  Städt- 
chen Waldsee,*  doch  nun  mit  den  württembergischen  Hirsch- 
geweihen als  Helmzier  fuhrt  —  das  allerdings  gegenwärtig  erst 
von  der  im  königl.  württembergischen  Staatsarchive  aufbewahr- 
ten Urkunde  von  1275  Juli  21  an,  und  zwar  in  einem  Drei- 
eckssiegel erhalten  ist  —  weist  keinerlei  Ähnlichkeit  mit  den 
Wappen  der  vorerwähnten  Geschlechter  auf.*  So  mag  die 
mehrfache  Beziehung  dieser  Familien  zu  einander  lediglich  in 
Verschwägerung,  in  der  Zugehörigkeit  unter  dem  gemeinsamen 
Lehensherrn  und  gewiß  nicht  zuletzt  in  der  nachbarlichen  Lage 
ihrer  Besitzungen  —  die  Tanne  grenzten  an  Waldsee,  die  Winter- 


>  Vgl.  Stalin,  Wirtemberg.  Gesch.  II,  610—639  und  Hauthalcr,  AbstammnDg 
des  Erzbischofs  Eberhard  II.  von  Salzbarg,  Salzburg.  Gymnas.-Programm 
(Borromäum)  1877. 

>  Vgl.  darüber  WSt.,  669—670. 

'  Ein  Siegel  des  16.  Jahrhunderts  (doch  hier  irrig  einem  Osterreichischen 
Walsee  beigelegt)  s.  Mitt.  der  Zentralkommission,  Neue  Folge,  HI.  Bd., 
8.  CLIV. 

*  Vgl.  Stalin,  Wirtemberg.  Gesch.  II,  616. 


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245 

statten  hausten  nördlich;  die  von  Waldhurg  nahe  südlich  davon 
bei  Ravensburg  —  ihre  Ursachen  gehabt  haben.  Andererseits 
scheinen  —  wie  Weiß-Starkenfels  vermutet*  —  flir  eine  solche 
Urverwandtschaft  die  in  den  angeflihrten  Urkunden  gleichfalls 
auftretenden  Daxberger  in  Betracht  zu  kommen. 

Neben  dem  kirchbergischen  Ministerialen  Friedrich  von 
Daxberg,  der  nach  1171  nicht  mehr  urkundet,  erscheint  um 
1173  im  Stiftungsbriefe  des  Ruegerüs  de  Pforzheim*  für  das 
Kloster  Fölling*  unter  den  Zeugen  Heinricus  de  Dahsperc,  wohl 
Friedrichs  Bruder.  Auch  dieser  Henricus,  der  gleichfalls  nur 
einmal  genannt  wird,  gehört  als  Ministeriale  des  Grafen  Gott- 
fried von  Ronsberg  hierher;  die  Ronsbergische  Gebietsgrenze 
reichte  mit  der  noch  innerhalb  derselben  gelegenen  Ortschaft 
Sontheim  bis  unmittelbar  vor  Memmingen,  nahe  gegen  Erkheim 
und  Daxberg  hin.  Zu  Augsburg  verzichteten  weiters  1227 
März  20*  die  Brüder  Heinrich  und  Friedrich  von  Dahsperc 
vor  K.  Heinrich  VI.  für  ein  Entgelt  von  70  Mark  Silber  auf  die 
Lehenschaft  zweier  Mausen  ,in  villa  Widergeltingen^,  mit  denen 
sich  der  1191  f  Herzog  Weif  ein  Seelgeräte  im  Kloster  Stein- 
gaden  am  Lech  gestiftet  hatte. 

Daß  auch  diese  beiden  Brüder,  wohl  Söhne  Friedrichs 
oder  Heinrichs  von  Dahsperc,  zu  den  Daxbergern  bei  Memmingen 
gehören,  steht  außer  Zweifel.  Mit  den  beiden  Gütern  zu  Wider- 
geltingen ^  waren  sie  mindestens  schon  1191  im  Todesjahre 
Herzog  Welfs  belehnt.  Mit  ihnen  schließt  die  Reihe  der  Dax- 
berger, von  denen  auch  das  Nekrolog  von  Ottobeuren  eine 
1  (aica)  Hiltrut  zu  April  2^  und  den  Waltherus  puer  de  Dahs- 
perc zu  August  6^  sowie  das  Totenbuch  von  Löwenthal  zu 
Juli  9®  eine  Wilibera  und  endlich  eine  Elisabeth  von  Dachs- 
perg  zu  November  15®  anführt.  Die  von  Weiß-Starkenfels  an- 
genommene Möglichkeit,  daß  die  stammverwandten  Vettern  von 
Waldsee  bei  diesem  frühzeitigen  Erlöschen  der  Daxberger  noch 
erfolgreich   Erbansprttche    in   Hinsicht  auf  eine   drei   bis   vier 


*  WSt.,  670-— 572;    mangeU  zwingender  Beweise    muß  Weiß -Starkenfels* 
Ansicht  wohl  Hypothese  bleiben. 

*  Pforzheim  =  Pforzen,  Ostlich  von  Ronsberg. 
'  Bei  Weilheim,  östlich  vom  Lech. 

*  WSt.,  571.  »  östlich  von  Mindelheim. 
«  M.  G.  Nekrol.  I,  106.  '  Ebenda,  113. 

*  Ebenda,  199. 


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246 

Generationen  erfolgte  Abzweigung  geltend  machen  konnten^  ist 
allerdings  nur  eine  vage  zu  nennen. 

Von  1187  an  verlautet  nichts  mehr  über  Berthold  von 
Waldsee,  der  indes  damals  noch  nicht  bejahrt  sein  konnte^  da 
sein  Vater  noch  sechs  Jahre  vorher  am  Leben  gewesen  war. 
So  mag  Berthold  erst  in  späteren  Jahren  dem  Vater  ins  Grab 
gefolgt  sein,  wenn  nun  auch  der  Zeitraum  bis  1228  durch 
keinerlei  Urkunden  oder  Nachrichten  ausgefüllt  wird.  Eber- 
hard II.,  der  daher  ganz  wohl  als  sein  Sohn  bezeichnet  werden 
kann,  zumal  er  nach  damaliger  Sitte  des  Großvaters  Taufnamen 
führt,  tritt  zum  ersten  Male  zu  Ulm  neben  dem  Truchsessen 
Eberhard  von  Waldburg,  Chunrat  von  Winterstetten  u.  a.  als 
Zeuge  in  der  Urkunde  auf,  worin  K.  Heinrich  VI.  1228  Fe- 
bruar 23^  das  Kloster  Thurthal  von  der  Vogtei  des  Grafen 
Diethelm  von  Toggenburg  befreite. 

Dann  zog  Eberhard  11.  mit  K.  Friedrich  11.  gegen  den 
letzten  Babenberger  zu  Felde,  nach  Österreich,  wo  seinem 
Hause  dereinst  eine  so  große  Zukunft  erblühen  sollte;  zu  Wels 
bezeugt  Eberhard  H.  im  Juni  1235*  die  Bestätigung  von  Pri- 
vilegien des  Klosters  Kremsmünster  durch  K.  Friedrich  ü.  In 
die  Heimat  zurückgekehrt,  war  der  Waldseer  zugegen,  als  Graf 
Konrad  von  Freiburg  i.  B.  1238  August  30'  das  Freiburger 
Predigerkloster  von  allem  Zehent  auf  seinen  Hufen  befreite. 
Auch  befand  er  sich  unter  den  Zeugen,  als  Konrad  von  Schma- 
lenek  1241*  in  der  Burghalle  zu  Winterstetten  das  Dorf 
Theuringen  dem  Kloster  Weißenau  versetzte,  ebenso  als  K.  Kon- 
rad IV.  im  Oktober  dieses  Jahres  zu  Baindt^  dieses  Kloster  von 
jeder  Vogtei  befreite. 

Zweimal  noch  tritt  Eberhard  ü.  als  Zeuge  auf;  so  im 
April  1245^  zu  Ittendorf,  wo  Graf  Berthold  von  Heiligenberg 
auf  Bitten  Konrads  von  Schmalenek  dem  Kloster  Baindt  sein 
Eigentum  an  Gütern  zu  Eggenreut  schenkte,  und  leztlich  be- 
zeugt er  neben  denen  von  Waldburg,  Winterstetten,  Warthausen 


»  Wartmann,  Urk.-B.  von  St.  Gallen  lU,  76. 

*  Hagn,  Urk.-B.  von  Kremsmünster,  81—83. 

*  Schreiber,  Urk.-B.  von  Freibarg  i.  B.  I,  60. 

*  Wirtemberg.  Urk.-B.  IV,  7. 

'  Bei  Ravensburg;  Wirtemberg.  Urk.-B.  IV,  89. 
«  Ebenda. 


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247 

und  Ravensburg  1248  Mai  5*  zu  Augsburg  K.  Konrads  IV.  Be- 
stätigung der  Freiheiten  des  Klosters  Weingarten. 

Seither  wird  Eberhard  EL.,  auf  dem  das  Geschlecht  der 
Waldseer  offenbar  allein  beruht  hatte^  nicht  mehr  genannt.  Als 
seine  Gemahlin  mag  jene  Mechtildis  gelten,  deren  Name  sich  als 
etwa  gleichzeitige  Eintragung  im  neu  aufgefundenen  Toten- 
buche des  Klosters  Salem  zu  Januar  14  findet:*  ,ob.  Mechtildis 
uxor  dicti  de  Waise,  de  qua  datur  pitancia.'  Sie  entstammte 
sicherlich  einem  der  so  oft  mit  den  Waldseem  genannten  Adels- 
geschlechter der  Umgebung. 

Daß  die  nächstfolgenden  Waldseer,  Eberhard  III.  und  Wolf- 
gang I.,  Söhne  dieses  Ehepaares  waren,  unterliegt  schwerlich 
einem  Zweifel.  Bereits  drei  Jahre  später  hören  wir  von  Eber- 
hard III.,  dem  älteren  der  Brüder.  1251  Februar  11'  er- 
teilte Papst  Innozenz  IV.  zu  Lyon  Adelheid,*  der  Nichte  des 
Bischofs  von  Konstanz,  Eberhard  von  Waldburg,  die  päpstliche 
Dispens,  sich  mit  Eberhard  de  Waldse^  ,fautore  quondam  Fri- 
derici  11.^,  zu  vermählen,  der  mit  ihr  im  vierten  Grade  verwandt 
war,  in  der  Erwartung,  daß  Eberhard  von  Waldburg  dafür  die 
Adeligen  Walther  und  Qozwin  von  Hohen vels,  die  er  vordem 
im  Dienste  K.  Friedrichs  IL  gefangengenommen  hatte  und 
seither  in  sicherem  Gewahrsam  hielt,  freilassen  werde.  Als  stau- 
fische Ministerialen  nahmen  die  Waldseer  an  den  Kämpfen 
dieser  Jahre  natürUch  auf  der  Seite  ihrer  Lehensherren  teil  und 
so  erklärt  sich  der  Mangel  von  Nachrichten  über  das  Geschlecht 
für  die  nächsten  acht  Jahre  durch  die  Wirren,  welche  das  ge- 
rade in  Schwaben  so  fühlbare  Erlöschen  der  Staufer  mit  sich 
brachte.  Seinen  Frieden  mit  der  kirchlichen  Partei  hat  Eber- 
hard m.  offenbar  bald  nach  K.  Friedrichs  11.  Tode  gemacht. 
Später  hören  wir  wieder  von  ihm,  als  derselbe  Bischof  Eber- 
hard von  Konstanz  1259  September  12^  dem  miles  Wernher 
Geistinc  de  Raderach  das  Kirchenpatronat  zu  Toggenhausen 
vertauschte,  wofür  er  die  von  letzterem  dem  Grafen  Berthold 
von  Heiligenberg  aufgesagten  und  zur  Hälfte  verkauften  Güter 
zu  Marcdorf  erhielt,  deren  restliche  Hälfte  der  miles  Eberhart 

*  Wirtemberg.  Urk.-B.  IV,  176. 

*  Zeitochr.  f.  Ge«ch.  d.  Oberrh.,  Neue  Folge  XIV,  516. 

*  M.  6.  Epistol.  Saec.  Xm,  Bd.  m,  43. 

*  Vgl.  die  Genealogie. 

'  Ladewig,  Reg.  episcop.  Constant.  228. 


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248 

de  Waise  auf  Lebenszeit  innehatte,  für  die  ein  eventueller 
Eaufschilling  von  650  Mark  Silber  vereinbart  wurde.  Im  Juni 
1262^  hängte  Eberhardus  senior  de  Waise  neben  denen  von 
Winterstetten,  Warthausen  u.  a.  zu  Waldsee  sein  Siegel  an  die 
Urkunde,  worin  Prior  und  Konvent  von  Ochsenhausen  dem 
Heinrich  von  Seldenhoven  eine  Mark  Silber  jährlich  aus  der 
Vogtei  über  das  Dorf  Furamoos  zu  Lehen  gaben. 

Der  bereits  um  1250  vermählte  Eberhard  IIL  und  sein 
Bruder  Wolfgang  I.  standen  damals  im  besten  Mannesalter  und 
hatten  bereits  erwachsene  Söhne  und  Töchter.  So  war  1264 
Oktober  21*  Eberhard  (IV.)  iunior  de  Waldse  volljährig  als 
Zeuge  bei  der  Beurkundung  des  Tausches  zugegen,  womit 
Konrad,  Schenk  von  Winterstetten  den  Besitz  zu  Auigg  dem 
Kloster  Waldsee  überließ  und  seiner  Tochter  Elisabeth  schenkte 
Eberhard  (in.)  1266  August  28»  zu  Zell  bei  ihrem  Eintritte 
in  das  Kloster  Baindt  seinen  Besitz  zu  Gunenhus.^ 

Da  Eberhard  IV.  nach  1264  erst  1280  wieder  auftritt,  mag 
er  1267  an  dem  Zuge  Konradins  nach  Italien  teilgenommen 
haben,  der  mit  dem  tragischen  Tode  des  letzten  Staufers  en- 
dete. Wenige  Jahre  nach  seiner  Rückkehr  schloß  er  sich  dann 
dem  neuen  Könige  Rudolf  von  Habsburg  an  und  zog  nach  und 
nach  alle  seine  Brüder  mit  sich  in  die  neue  Heimat  nach  Oster- 
reich; seit  1264  treflFen   wir  ihn   nicht  mehr  in  Schwaben  an. 

Dort  urkundet  zunächst  sein  Vater  Eberhard  HI.  allein 
weiter.  1268  Dezember  2,*  also  während  sich  zu  Neapel 
das  Schicksal  des  unglücklichen  Staufers  erflillte,  bezeugt  der 
alte  Eberhard  HI.  daheim  zu  Waldsee  den  Verzicht  Heinrichs 
von  Ingoldingen  gegen  das  Erlöster  Baindt  auf  den  Besitz  zu 
Littebach  und  Marcdorf,  und  demselben  Kloster  eignete  er  im 
folgenden  Jahre  1269  September  24^  zu  Waldsee  im  eigenen, 
sowie  im  Namen  seines  Bruders  (Wolfgang  I.),  der  ihn  daflir 
mit  Geld  entschädigt  hatte,  den  von  seinen  Vorfahren  ererbten 
Hof  zu  Harlanden  samt  Zugehör,  den  Wald  ausgenommen,  zu. 

Eine  weitere  Stiftung  Walthers  von  Tann  flir  Baindt  be- 
zeugten 1271  März  18  "^   zu  Waldsee   der  sonst  nicht  genannte 


»  Wirtemberg.  Urk.-B.  VI,  61.  •  Ebenda,  157.  »  Ebenda,  266. 

*  =  Kofeld  bei  Bodnegg? 

*  Wirtemberg.  Urk.-B.  VI,  426/6.  •  Ebenda  VU,  50. 
'  Ebenda,  132. 


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249 

dominus  Alber  miles  de  Waise  ^  und  Wolfgangus  (I.)  de  Cella 
als  Lehensherren.  Wie  Eberhard  IIL  war  auch  sein  Bruder 
Wol%ang  I.  mit  einer  Schwester  des  Truchsessen  Eberhard 
von  Waldburg  vermählt,  der  1275  Juli  21*  mit  Einwilligung 
seiner  Schwester  zu  Zell,  Waldsee  und  Marcdorf  dem  Kloster 
Weingarten  benannte  Güter  schenkte.  Die  Urkunde  darüber 
besiegelten  der  miles  Eberhardus  de  Waldse;  fllr  dessen 
avunculus  de  Cella  Wolfgang  (EL.)  hing  der  gleichnamige  Vater 
sein  Siegel  daran,  das  gleichfalls  den  Balkenschild  der  Walseer 
mit  der  Legende  zeigt.  Zweifellos  sind  somit  Wolfgang  I.  von 
Zell  und  der  schon  1269  erwähnte  Bruder  Eberhards  III.  eine 
Person;  in  der  Urkunde  von  1281  Mai  23,*  laut  welcher  Her- 
mann Ronemann  dem  Kloster  Weingarten  mehrere  Güter  ver- 
kaufte, wird  Wolfgangs  I.  ausdrücklich  als  Eberhard  III.  Bruder 
bezeichnet.  Daß  Wolfgang  I.  Sohn  Wolfgang  II.  von  dem 
Truchsessen  Eberhard  von  Waldburg  avunculus  genannt  wird, 
braucht  uns  daran  nicht  irre  zu  machen,  da  diese  Bezeichnung 
damals  auch  vom  Oheime  dem  Neffen  zurückgegeben  wurde. 
Schon  seit  1271  saß  also  Wolfgang  I.  und  1275  sein  gleich- 
namiger Sohn  östlich  von  Waldsee  zu  Zell,  dem  später  und 
noch  gegenwärtig  Eberhardszeil  genannten  PfaiTdorfe;  vorher 
war  nur  der  Name  Cella  gebräuchlich  gewesen  und  noch  1353 
hieß  es  die  Cella  Wolfgangi,  über  welche  die  Habsburger  als 
Käufer  das  Patronatsrecht  ausübten.  Während  Wolfgang  I.  seit 
1281  nicht  mehr  erwähnt  wird,  tritt  sein  Sohn  noch  mehrfach 
in  Urkunden  auf.  So  erhielt  Wolfgang  11.  von  Waldsee  vom 
Abte  Albrecht  von  Reichenau  1282  November  24*  die  Erlaub- 
nis, alle  Güter,  die  er  von  diesem  Kloster  zu  Leben  trug,  dem 
Eberhard  von  Junging  und  Johann  von  Ruckenburg  zu  über- 
geben. Weiters  schenkte  Wolfgang  II.  1286  April  16*  dem 
Kloster  Baindt  Güter  in  Gaisbeuren;  er  wird  unter  Zeugen  ge- 
nannt, als  fünf  Schiedsrichter  1290  Oktober  18*  zu  Salem 
einen  Streit  zwischen  diesem  Kloster  und  Dietrich  von  Neufrach 
um  einen  Hof  zu  Neufrach  entschieden.  Ebenso  bezeugt  er 
Oktober  23^  gleichen  Jahres  die  Verkaufsurkunde   des  Ritters 


*  Vgl.  über  ihn  die  Qenealogie. 

«  Wirtemberg.  Urk.-U.  VO,  361/2. 
»  WSt,  673. 

*  Weech,  Cod.  dipl.  Salemit.  II,  397. 
»  W8t.,  673. 


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250 

Friedrich  von  Ryeth  gegen  das  Kloster  Weingarten.  Leztlich 
beurkundet  Wolfgang  IL  1291  Oktober  16^  gemeinschafUich 
mit  dem  Schenken  Konrad  d.  A.  von  Winterstetten,  daß  ihr  ge- 
treuer Konrad  Bothunc  seinen  Hof  zu  Olzreute  mit  ihrer  Ein- 
willigung dem  Kloster  Schussenried  verkauft  habe.  Wolfgang  11. 
scheint  später  nach  Osterreich  gekommen  und  in  Beziehungen 
zu  seinen  Vettern  getreten  zu  sein.  Nach  einer  Stelle  im 
Zwettler  Stiftungsbuche  war  er  um  1311  bereits  tot*  Die 
weiteren  Nachrichten  über  diese  walseeische  Seitenlinie  sind 
dürftig  genug.  Zell  verblieb  derselben  nicht^  sondern  befand 
sich  1325  bereits  wieder,  gleich  den  übrigen  in  Schwaben  ge- 
legenen Qütern,  im  Besitze  des  walseeischen  Hauptstammes^  ohne 
daß  wir  weiteres  über  diese  Besitzveränderungen  erfahren. 

Wir  hören  von  den  Dachsbergem  erst  wieder  im  Jahre 
1328,  •  wo  Heinrich  von  Dachsberg  in  den  Verzicht  seiner 
Gattin  Klara,  einer  geborenen  Schenkin  von  Winterstetten,  auf 
ein  Gut  zu  Rüti  und  Onolzreute  zugunsten  des  Klosters  Schufen- 
ried  einwilligt.  Sein  Siegel  (der  walseeische  Balkenschild) 
sowie  die  Anführung  seiner  Gattin  stellen  die  Identität  dieses 
Heinrich  mit  jenem  Heinrich  (IV.),  dem  Alten  von  Waltse,  ge- 
nannt von  Daxberg,  außer  Frage,  dem  wir  als  bejahrtem  Manne 
1341  nochmals  begegnen.  Mit  gutem  Grunde  hält  ihn  Weiß- 
Starkenfels*  für  Wolfgangs  IL  Sohn  und  führt  das  Fehlen 
weiteren  Urkundenmateriales  über  die  Dachsberger  Linie  auf 
den  Verlust  der  Archive  des  Klosters  Kempten  zurück.  Der 
erwähnte  Heinrich  (IV.)  veräußerte  1341  verschiedene  Lehen 
um  Memmingen  und  Kempten  an  Heinrich  von  Eisenberg,  den 
Herzog  Albrecht  damit  1341  Januar  31*  zu  Wien  belehnte.  Am 
22.  Oktober  dieses  Jahres  *  verzichtete  Heinrich  IV.  in  Linz  zu- 
gunsten seiner  längst  nach  Osterreich  ausgewanderten  Vettern 
von  Waltsee  auf  alle  Ansprüche  hinsichtlich  ihrer  Besitzungen 
in  Schwaben,  Waldsee  oder  anderswo.  Heinrich  IV.  starb  wohl 
bald  darauf;  seine  Witwe  Klara  von  Winterstätten  verkaufte  im 
Jahre  1362'   ihre  Güter   zu  Daxberg,   Erkheim   und  Fricken- 


»  WSt.,  573. 

•  Vgl.  die  Genealogie. 

'  Alberti,  Württemberg.  Adels-  und  Wappenbach  I,  116. 

•  8.  574.  »  Regesta  Boica  VU,  296. 

•  UBoE.  VI,  395.  *  Baomann,  Gesch.  des  Allgäus  II,  585. 


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251 

hausen^  an  Berthold  von  Königsegg,  was  bereits  andeutet,  daß 
ein  männlicher  Sproß  weltlichen  Standes  in  dieser  Linie  nicht 
vorhanden  war.  Heinrich  IV.  scheint  bloß  einen  Sohn  gleichen 
Namens  (IX.)  hinterlassen  zu  haben,  der  im  Jahre  1368  Chor- 
herr des  Züricher  Frauenmiinsters  war,  dem  er  wohl  zur  Ver- 
sehung des  Gottesdienstes  beigegeben  war;  er  soll  1369  No- 
vember 22*  gestorben  sein.  Noch  Mai  27  und  Juli  21  13733 
aber  gedenken  seiner  zwei  Züricher  Urkunden,  laut  welcher 
Johann  von  Lichtenwörth,  thesaurarius  zu  Brixen,  namens  des 
Helias  de  Vedrovia,  Kantors  zu  Xanten  und  Kollektors  des 
päpstlichen  Zehents,  beurkundet,  es  seien  ihm  von  der  Abtei 
Zürich  und  dortigen  Pfarren  50  Qoldgulden  durch  den  Presbyter 
Henricus  de  Waise  canonicus  gesammelt  worden;  dieses  Geldes 
habe  ihn  der  Knecht  Peter  von  Spiegelberg  auf  der  Konstanzer 
Straße  von  Zürich  nach  Winterthur  beraubt.  Dies  ist  unsere 
letzte  Kunde  über  den  Daxbergischen  Nebenzweig  des  Hauses 
Walsee. 

Wenden  wir  uns  wieder  dem  Hauptstamme,  Eberhard  HI. 
und  seinen  Nachkommen  zu.  Jener  urkundet  nach  1281,  wo 
wir  seiner  zuletzt  gedachten,  in  seiner  schwäbischen  Heimat 
weiter.  Zunächst  war  er  unter  den  Zeugen  gewesen,  als  Truch- 
seß  Eberhard  von  Waldburg  1277  März  11*  dem  Kloster  Wein- 
garten gewisse  Zehente  übertrug  und  1280  April  1  Höfe  und 
eine  Mühle  zu  Altdorf  verkaufte.  Im  Jahre  1283  schenkte 
Eberhard  III.  dem  Stifte  Waldsee,  das  durch  die  Erbauung  der 
Mauern  von  Waldsee  Schaden  gelitten,  sein  Gut  zu  Gaisbeuren 
und  übei^pab  1286  September  8*  dem  Kloster  Baindt  Güter  in 
Reut,  Lehen  des  Grafen  von  Merkenberg.  1293  Januar  5* 
siegelt  Eberhard  HI.  als  Vogt  des  Klosters  Waldsee  die  Urkunde, 
laut  welcher  Bischof  Rudolf  von  Konstanz  einen  Gütertausch 
zwischen  dem  Kanonikus  Berthold  als  Prokurator  des  Klosters 
Waldsee  und  dem  Kloster  Weingarten  genehmigte,  und  gab  am 
gleichen  Tage  seine  Zustimmung,  daß  ersteres  Kloster  dem 
Stifte  Weingarten  Zehente  zu  Ankenreut  übergebe.  Letztlich 
siegelte  Eberhard  HI.  1293  März  18^  die  Schenkungsurkunde 
der  Brüder  Heinrich  und  Hartmann  die  Romanenser  an  das 
Kloster  St.  Elisabeth  zu  Memmingen  als  der  ,älteste  von  Wald- 

1  Bei  Dazberg.  >  M.  G.  Necrol.  I,  614. 

^  WSt.,  674.  *  Ebenda,  flF. 

^  M.  Feyerabend,  Jahrbücher  des  Stiftes  Ottobeuren. 
ArcbiT.   XCY.  Band.   II.  Hälfte.  18 


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252 

see^,  da  er  von  seinem  ältesten  Sohne  Eberhard  IV.  einen  ebenso 
genannten  Enkel  hatte;  dies  die  letzte  Nachricht  über  Eber- 
hard in.,  der  wohl  in  den  nächsten  Jahren  aus  dem  Leben  schied. 

So  sehen  wir  Eberhard  HI.  bis  an  sein  Lebensende  die 
schwäbischen  Güter  seines  Hauses  bewahren  und  verwalten, 
während  seine  Söhne  an  K.  Rudolfs  Zügen  nach  Osterreich 
teilnahmen  und  unter  K.  Albrecht  I.  immer  mehr  mit  den  dor- 
tigen Verhältnissen  verknüpft  und  schließlich  sämtlich  in  Öster- 
reich seßhaft  wurden. 

Eberhard  HL,  der  sich  also  nie  dauernd  in  Osterreich 
aufhielt/  war  mit  einer  zahlreichen  Nachkommenschaft,  sechs 
Söhnen  und  drei  Töchtern  gesegnet.  Von  der  ältesten  Tochter 
Elsbeth  abgesehen,  welche  frühzeitig  in  das  schwäbische  Kloster 
Baindt  eintrat,  wurden  sie  alle  in  Osterreich  heimisch.  Die 
beiden  jüngeren  Schwestern  verheirateten  sich  dort  und  von 
den  Brüdern  gründeten  Eberhard  IV.,  Heinrich  I.,  Ulrich  I. 
und  Friedrich  I.  die  österreichischen  Linien  des  Hauses  Walsee 
zu  Linz,  Ens,  Graz  (oder  ob  der  Steiermark)  und  Drosendorf, 
in  denen  sich  das  Geschlecht  bis  zu  seinem  Erlöschen  fort- 
pflanzte; Gebhard  (II.)  und  Eonrad  (H.)  erlangten  in  Osterreich 
als  Geistliche  einkömmHche  Stellungen. 

In  dem  Maße  nun,  als  die  Walseer  in  der  neuen  Heimat 
durch  ihre  hohen  Amter  und  Würden  an  Einfluß  und  durch 
ihre  daselbst  sich  rasch  vergrößernden  Besitzungen  an  An- 
sehen und  Reichtum  gewannen,  trat  natürlich  die  Bedeutung 
und  Wichtigkeit  der  mehr  und  mehr  vernachlässigten  schwä- 
bischen Stammgüter  schon  binnen  weniger  Jahrzehente  zurück. 
Der  Schwerpunkt  ihrer  Macht  verlegte  sich  immer  mehr  nach 
Osterreich,  bis  es  schließlich,  als  eine  natürliche  Folge  dieser 
Entwicklung,  1331  zum  Verkaufe  ihres  sämtlichen  schwäbi- 
schen Besitzes  an  die  Habsburger  kam. 

Seit  dem  Tode  Eberhards  III.  standen  die  walseeischen 
Burgen  in  Schwaben  verlassen  von  ihren  Herren,  die  sich  be- 
reits fast  alle  in  Osterreich  aufhielten,  und  wurden  von  Burg- 
grafen und  Amtleuten  verwaltet.*  Nur  ab  und  zu  noch  er- 
streckte sich  die  Tätigkeit  der  Söhne  Eberhards  HL  auf  ihren 


*  Vgl.  die  Genealogie. 

*  Genannt  werden:    Manegold,  Amtmann  1295;    Eberhard  von  Rosenawe, 
Vogt  1306;  Burkard  von  Jangingen,  Barggraf  1326. 


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253 

gemeinschaftlichen  schwäbischen  Stammbesitz.  Sie  betraf,  von 
unbedeutenden  Besitzveränderungen  abgesehen^  zumeist  das  von 
ihnen  begünstigte  Städtchen  Waldsee  oder  das  Kloster  daselbst^ 
dessen  Vogtei  K.  Rudolf  den  beiden  älteren  Söhnen  Eberhards  III., 
Eberhard  IV.  und  Heinrich  I.  1282  Mai  21  ^  für  20  Mark  Silber 
versetzt  und  die  Verpfändung  ungeachtet  der  früheren  1286 
Februar  4*  an  Eberhard  IV.  und  seine  Brüder  für  30  Mark 
Silber  erneuert  hatte.  Für  Waldsee  erwirkten  die  Brüder  eine 
Erweiterung  des  Stadtrechtes  bei  K.  Albrecht  I.,  der  auf  Bitten 
der  ^nobilium  virorum  fratrum  de  Walsee  dilectorum  nostrorum 
fidelium^  der  Stadt  Waldsee  1298  September  13'  zu  Holzkirchen 
die  Rechte  und  Freiheiten  verlieh,  wie  sie  die  benachbarten 
Ravensbui^er  besaßen.  Nach  K.  Albrechts  Ableben  bestätigte 
K.  Heinrich  VH.  den  Brüdern  1311  Juni  5*  zu  Brescia  die  Ver- 
leihung der  Klostervogtei  durch  die  Habsbuiger.  Zu  Lichtmeß 
1313^  schlössen  die  Brüder  von  Waldsee  einen  Gütertausch  mit 
dem  Kloster  daselbst  und  überließen  demselben  im  gleichen 
Jahre  den  großen  und  kleinen  Korn-  und  Heuzehent  zu  Steinach. 
1317  November  12*  hatte  Ulrich  I.  von  Walsee-Graz  ein  Gut 
zu  Burgstall  mit  dem  Kirchensatze  um  290  ÄT^^  vom  Frauen- 
kloster zu  Weiler  erworben,  dagegen  1322  Juni  7^  zu  Marbach 
sein  Schloß  Wolfsölden,  das  sein  Sohn  durch  Heirat  an  sich 
gebracht  hatte  —  da  es  vom  übrigen  Besitze  in  Schwaben  zu 
sehr  abgelegen  war''  —  dem  Grafen  Eberhard  von  Württemberg 
verkauft.  Im  Jahre  1330  verzichtete  Heinrich  II.  von  Walsee- 
Ens  auf  die  Lehensgerechtigkeit  über  das  Gut  auf  dem  Baindlin, 
die  hohe  Baind  genannt,  zugunsten  des  Klosters  Waldsee,  wel- 
ches dieses  Gut  erkauft  hatte. 

1331  Februar  7®  kam  schließlich  zu  Wien  jener  ansehn- 
liche Güterkauf  zustande,  durch  welche  die  Walseer  den  Her- 
zogen Albrecht  II.  und  Otto  von  Österreich  ihre  sämtlichen  Be- 
sitzungen in  Schwaben,  nämlich  Burg  und  Stadt  Waldsee  mit 
der  Vogtei  des  Klosters  daselbst,  sowie  ^  Warthausen,  Schwein- 
hausen, ^®  Laubheim,"  Zelle  und  Schwarzach ^*  nebst  der  ihnen 


>  Bdbmer-Redlich,  Reg.  Imp.,  n.  1659.  *  Ebenda,  n.  1990. 

»  NB.  n,  210. 

*  WSt,  674.  »  Ebenda,  ö75.  •  Ebenda,  579;  vgl.  die  Genealogie. 

'  Bei  Marbach  gelegen.  •  UBoE.  VI,  1—2. 

»  Bei  Biberach.  »«  Bei  Waldsee.  "  Südlich  von  Ulm. 

^  Unter-Schwarzacb,  (totlich  von  Waldsee. 

18» 


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254 

von  den  Herzogen  für  500  Mark  Silber  verpftlndeten  F^te 
Winterstetten  um  11.000  Mark  Silber  verkauften;  anstatt  dieser 
Barsumme  wurde  ihnen  eine  Anzahl  österreichischer  Pfand- 
schaften tiberantwortet. 

Noch    sei    der    Herkunft    dieser    schwäbischen    Be- 
sitzungen  gedacht.^     Die   alte   gleichnamige  Stanunfeste    der 
Waldseer  —  das   nun   waldburgische   Schloß   kommt   nicht    in 
Betracht   —   stand   an   der   Nordseite   der  Stadt,   wo   sich   die 
Straßen   nach   Biberach   und   nach   dem   Saulgau    gabeln,    auf 
einem    noch    gegenwärtig    die    Buchhalde    genannten    Htigel. 
Weder   davon,   noch   von   dem   eine  Stunde  stidhch   gelegenen 
Sitze  Neuwaldsee,  dessen  Erbauung  in  die  Wende  des  13.  und 
14.  Jahrhunderts,   also   wohl   in   die   letzten  Lebensjahre  Eber- 
hards HI.  von  Waldsee  fallen  soll,  ist  ein  Überbleibsel  und  nur 
noch  der  Name  des   alten  Gemäuers   geblieben.     Mit  Waldsee 
dürften  Eberhards  HI.  Söhne  auch  Schwarzach  und  Laubheim 
ererbt    haben,    von    denen    ersteres    ein    Geschlecht    gleichen 
Namens   als  Soldlehen  von   den  Waldseem   innehatte,   letzteres 
nach    1280   von   der  Witwe  Ottos    von  Laubheim,   des   letzten 
dieses  Geschlechtes,  an  die  Waldseer  gekommen  war.     Hierzu 
war    (Eberhards-)Zell    von    der  Wolfgangisch-Dachspergischen 
Linie   etwa   im  Tauschwege   oder   durch  Erbschaft  an   sie  ge- 
langt.    Warthausen  und   Schweinhausen   waren   den   um  1321 
erloschenen  Truchsessen  von  Warthausen,   einem  Zweige  derer 
von  Waldburg,  zugestanden;  schon  zu  Lichtmeß  1325  erscheinen 
die  von  Waldsee   im  Besitze  dieser  Güter,   die  sie  wohl  durch 
Kauf   an    sich    gebracht    hatten.    Winterstetten    war,    wie    die 
gleiche  Urkunde  besagt,  walseeische  Pfandschaft  von  den  Habs- 
burgern,   an  welche  es  durch  die  Schenken  von  Winterstetten 
gekommen  war.* 

Diese  waren  also  die  keineswegs  imansehnlichen  Stamm- 
güter der  HeiTcn  von  Walsee,  die  somit  dem  Neide  und  der 
Mißgunst  gegenüber,  die  sie  in  Osterreich  alsbald  erfuhren,  auf 
ein  Jahrhundert  ehrenhafter  Vergangenheit  und  einen  Besitz 
hinweisen  konnten,  der  weder  klein  noch  von  geringem  Er- 
trage war.  Betrugen  doch  die  Einkünfte  aus  der  Herrschaft 
Waldsee  drei  Jahre  nach  der  Übergabe  —  und  vorher  dürften 


*  Vgl.  Memminger,  Beschreibung  des  Oberamtes  Waldsee. 
«  WSt.,  674. 


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255 

sie  wohl  die  gleichen  gewesen  sein  —  jährlich  1680  Malter 
Getreide  und  588  &  6  jS  sin  Geld,  ^  ein  stattliches  Einkommen ! 

Auf  österreichischem  Boden  werden  die  schwäbischen 
Ministeriales,  beziehungsweise  milites  sofort  zu  einer  der  ersten 
Familien  des  höchsten  habsburgischen  Dienstadels;  auch  kam 
den  Walseern  dort  zugute,  daß  sich  eben  an  der  Wende  des 
13.  ins  14.  Jahrhundert  der  neue  Herrenstand  entwickelte,  zu 
dessen  hervorragendsten  Mitgliedern  sie  nun  zählen. 

Damit  schwinden  die  Walseer  aus  Schwaben;  auch  einige 
niedere  Dienstmannengeschlechter  folgten  ihnen  nach  Oster- 
reich,* so  vor  allem  die  Aulendorfer  (Alindorfer)  —  die  spä- 
teren Seiseneker,  die  Humbrechtsrieder,  die  von  Jungingen  und 
von  Rosenau. 

Anstatt  des  früheren  Waldsee,  wie  das  wtirttembergische 
Städtchen  heute  noch  heißt,  wurde  in  Österreich  immer  mehr 
und  seit  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  so  gut  wie  ausschließ- 
lich die  Form  Walsee  gebräuchlich,  der  auch  wir  uns  bedienen 
wollen. 

n.  Abschnitt. 
Die  Anfiiiige  der  Walseer  in  Österreich. 

Gleich  vielen  schwäbischen  Adeligen  kamen  auch  Eber- 
hards in.  von  Waldsee  Söhne  auf  K.  Rudolfs  Zligen  gegen 
Ottokar  II.  von  Böhmen  nach  Osterreich,  das  bereits  ihr  Groß- 
vater im  Jahre  1235  bei  K.  Friedrichs  II.  Heerfahrt  gegen  den 
letzten  Babenberger  betreten  hatte. 

Dem  ältesten  der  Brüder,  Eberhard  IV.,  der  sich  1280* 
am  Hofe  K.  Rudolfs  aufhielt,  folgte  zunächst  Heinrich  I.  von 
Waldsee  dahin  und  der  König  verpfilndete  diesen  beiden  1282 
Mai  21*  die  Vogtei  des  heimatlichen  Klosters  Waldsee  um 
20  Mark  Silber.  Nochmals  wurde  dieselbe  1286 »  Eberhard  IV. 
und  seinen  Brüdern  für  ihre  Dienste  um  weitere  30  Mark 
Silber  versetzt.  Von  den  Verdiensten  und  Taten,  durch  die 
sich  die  Brüder  unter  K.  Rudolf  auszeichneten,  wird  uns  nichts 


^  Chmel,  Österreichischer  Geschichtsforscher  II,  253. 

«  Vgl.  8.  446—447. 

'  Urk.  1280  Aügnst  17;  Winkelmann,  Acta  imperii  inedita  ü,  103. 

*  Böhmer-Redlich,  Regesta  Imperii,  n.  1669.  *  Ebenda,  n.  1990. 


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256 

berichtet;  sie  waren  indes  jedenfalls  besonders  geeignet,  das 
Vertrauen  des  Königs  zu  erwecken. 

So  kam  es,  daß  die  mit  den  österreichischen  Verhältnissen 
bereits  vertrauten  Brüder  nach  dem  Augsburger  Reichstage, 
auf  dem  E.  Rudolf  seinen  Sohn  Albrecht  gemeinsam  mit  dessen 
Bruder  Rudolf  im  Dezember  1282  mit  den  österreichischen 
Herzogtümern  belehnte,  nebst  dem  Landenberger  Mitglieder 
des  einflußreichen  heimlichen  Rates  wurden,*  neben  welchem 
der  aus  16  Österreichern  bestehende  weitere  Rat,  den  der 
König  seinem  Sohne  mitgegeben  hatte,  immer  mehr  zurücktrat. 

Damit  werden  die  Waldseer  auf  österreichischem  Boden 
heimisch  und  hier  gewinnt  das  Geschlecht,  das  sich  in  dieser 
neuen  Heimat  ausleben  sollte,  eine  unvergleichUch  größere 
Bedeutung.  War  in  Schwaben  der  Besitz  des  Hauses,  wenn 
auch  nicht  unbedeutend,  so  doch  auf  einen  eng  umgrenzten 
Raum  beschränkt,  reichten  die  Beziehungen  und  Kreise, 
in  denen  sich  dort  das  Leben  des  Stammes  abspielte, 
nicht  über  die  Landschaft  zwischen  Donau  und  Bodensee 
hinaus,  so  wird  ihnen  nun  ein  weites  Feld  geöffnet,  auf  dem 
sie  sich  in  reichem  Maße  zur  Geltung  bringen.  Die  treuen 
,Schwaben',  die  Waldseer  und  Hermann  von  Landenberg  sowie 
Hang  von  Taufers  werden  jetzt  an  der  Seite  Herzog  Albrechts 
die  besten  Stützen  der  habsburgischen  Herrschaft.  Dienst- 
mannentreue  und  die  gemeinsame  schwäbische  Abkunft,  dazu 
die  Dankbarkeit  banden  sie  an  das  neue  Herrscherhaus,  wie 
nicht  minder  die  Abneigung,  mit  der  ihnen  der  eifersüchtige 
Adel  Österreichs  anfangs  begegnete.  So  war  das  Geschick  ihres 
Geschlechtes  an  das  Interesse  der  Habsburger  geknüpft,  das 
sie  auch  jederzeit  und  in  den  schwierigsten  Lagen  auf  das 
nachdrücklichste  verteidigten.  Und  fürwahr,  das  tat  zunächst 
umsomehr  not,  als  es  langwieriger  innerer  Kämpfe  und  einer 
Anzahl  auswärtiger  Feldzüge  gegen  eine  geschlossene  Reihe 
feindlicher  Nachbarn  bedurft;e,  um  die  habsburgische  Herrschaft 
in  den  neugewonnenen  Gebieten  sicherzustellen. 

Herzog  Albrecht  sah  sich  in  Österreich  schwierigen  Pro- 
blemen der  inneren  wie  äußeren  Politik  gegenüber.  Wollte  er 
im  Lande   festen  Fuß  fassen,   seine  Landeshoheit  allenthalben 


^  Matthias  v.  Neaenbarg,  Böhmer,  Fontes  Rerum  Germanicarnm  IV,  191, 
zählt  sie  irrig  dem  16gliedrigen  Rate  bei. 


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257 

zur  Geltung  briDgen,  so  mußte  er  alsbald  gerade  mit  denselben 
Faktoren  in  Gegnerschaft  geraten^  die  sich  dem  Könige  ange- 
schlossen hatten^  um  Ottokar  IL,  der  ein  strenges  Regiment  als 
Landesherr  geführt  hatte,  zu  Falle  zu  bringen.  Sie  alle,  der 
Adel,  die  Kirche  und  das  Bürgertum  fanden  sich  enttäuscht 
angesichts  der  Tatsache,  fUr  eine  feste  Hand  eine  andere 
eingetauscht  zu  haben,  und  waren  nicht  gewillt,  sich  die  Zu- 
geständnisse, die  ihnen  der  König  gewährt  hatte,  um  sie  gegen 
Ottokar  zu  gewinnen,  leichten  Kampfes  entwinden  zu  lassen. 
Da  sein  weiterer  Rat  von  16  Mitgliedern  nur  aus  Österreichern 
bestand,  welche  weniger  als  sichere  Verfechter  des  landesherr- 
lichen als  vielmehr  des  ständischen  Interesses  gelten  konnten, 
nahm  er  demselben  alle  Bedeutung  und  verlegte  sie  in  seinen 
,geheimen  Rat',  ^  unter  dessen  Schwaben  die  Walseer  die  wich- 
tigsten MitgUeder  wurden.  Die  höchsten  Amter  besetzte  er 
gleichfalls  mit  Schwaben;  Eberhard  IV.  wurde  Landrichter  ob 
der  Ens,  Hermann  von  Landenberg  Marschall  in  (Nieder-) 
Osterreich.  In  der  Steiermark  erhob  er  Ulrich  I.  von  Walsee 
nach  dem  Tode  des  treuen  Landschreibers  Heinrich  von  Ad- 
mont  (t  1297)  1299  zum  Hauptmanne. 

Überdies  kam  gerade  unter  Herzog  Albrecht  jene  Um- 
bildung des  Adels  mehr  und  mehr  zum  Abschlüsse,  aus  welcher 
der  Herren-  und  der  Ritterstand  hervorgingen.*  Im  Herren- 
Stande,  der  den  hohen  Adel  —  Grafen,  Freie  und  Dienst- 
mannen (Ministerialen)  umfassend  —  bildete,  bewegen  sich  nun 
auch  die  neuen  schwäbischen  Geschlechter,  unter  ihnen  die 
Walseer,  und  sie  wirkten  durch  Verbindungen  und  Beziehungen 
auch  auf  diesem  Boden  fUr  die  Aussöhnung  mit  den  neuen  Ver- 
hältnissen. ^ 

Immerhin  war  die  Lage  Herzog  Albrechts  trotz  aller  Un- 
zufriedenheit im  Innern  und  des  Neides  der  Nachbarn,  welche 
die  neue  Hausmacht  mit  scheelen  BUcken  betrachteten,   gewiß 


*  Vgl.  Krones,  Landesfarstliche  Behörden  and  Stände  des  Herzogtnms 
Steiermark.  Forschungen  zur  steirischen  Verfassungs-  und  Verwaltungs- 
gesch.  IV,  190—194. 

*  Vgl.  Nikoladoni,  Zur  Verfassung  und  Verwaltung  der  österreichischen 
Herzogtümer,  JBMFC.  LXI,  104—106. 

*  Vgl.  Siegel,  Die  rechtliche  Stellung  der  Dienstmannen  in  Österreich. 
Sitzungsherichte  der  Wiener  Akademie  der  Wissensch.,  phil.-hist.  Kl.  CII, 
236—286. 


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258 

keine  gefährliche  zu  nennen,  so  lange  K.  Rudolf,  der  Träger 
der  Reichsgewalt,  am  Leben  war  und  dieselbe  für  sein  Haus 
in  die  Wagschale  werfen  konnte.  Nach  dessen  Ableben  aber 
stand  denn  auch  alles  auf  dem  Spiele. 

Bereits  im  Winter  1287/88  gab  Herzog  Albrecht  Eber- 
hard IV.  von  Walsee  einen  selbständigen  Wirkungskreis,  in- 
dem er  ihn  zum  Nachfolger  Ulrichs  von  Kapellen  in  dem 
wichtigen  Amte  des  Landrichters^  (des  späteren  [Landes-] 
Hauptmannes)  ob  der  Enns  machte,  welches  seitdem  zwei 
Jahrhunderte  hindurch  fast  ununterbrochen  in  den  Händen  des 
Hauses  Walsee  verblieb.  Eberhard  IV.  schlug  damit  seinen 
Wohnsitz  auf  dem  herzoglichen  Schlosse  in  Linz  auf,  wonach 
sich  nun  die  von  ihm  begründete  Linie  seines  Geschlechtes 
nannte.  Daselbst  bezeugt  er  auch  1288  Januar  29'  einen  Linzer 
Ratsspruch  zum  ersten  Male  in  seiner  Eigenschaft  als  ,Land- 
richter  ob  Ens^  Im  Frühlinge  dieses  Jahres  befand  er  sich 
auf  dem  Kriegsschauplatze  zu  Neuburg  am  Inn,'  als  Herzog 
Albrecht  gegen  Baiern  ins  Feld  zog.  Eine  Waffentat  Eber- 
hardts  steht  mit  diesen  Ereignissen  in  engem  Zusammenhange. 
Die  Leute  des  Witigonen  Zawisch,  der  sich  nach  seiner  Bui^ 
Falkenstein  *■  im  oberen  Mühlviertel  nannte,  hatten  sich  an  dem 
Kriege  als  bairische  Parteigänger  beteiligt.  Nach  Zawisch'  Sturze 
verständigte  sich  nun  K.  Wenzel,  dem  an  der  abgelegenen  Feste 
wenig  lag,  mit  Herzog  Albrecht,  für  den  sie  als  vorgeschobener 
Posten  gegen  Passau  von  Wert  war.  Der  Herzog  brachte  sie 
gegen  eine  Grenzkompensation  an  sich  und  ließ  dem  Unwesen 
auf  der  Feste  durch  Eberhard  IV.  von  Walsee  ^  ein  Ende 
machen,  der  dieselbe  nach  längerer  Belagerung  einnahm.  Auch 
an  der  erfolgreichen  Heerfahrt  gegen  Ungarn  im  Sommer  1289 
nahmen  die  Walseer  teil  und  zeichneten  sich  bei  der  Belagerung 
von  Deutsch-Altenburg  aus.®  Zu  den  Friedensverhandlungen 
entsandte  Herzog  Albrecht  auch  Eberhard  IV.  von  Walsee 
nach  Hainburg,''  wo  am  28.  August  1289  ein  Vertrag  mit  dem 
Ungarkönige  zustande  kam. 


*  Vgl.  S.  456 — 467  und   Nikoladoni,   Zur  Verfassung  und  Verwaltung  der 
österreichischen  Herzogtümer  LXI,  JBMFC.  135  £f. 

*  UBoE.  IV,  82.  »  Urk.  1288  Februar  20,  ebenda  83. 

*  An  der  Mündung  der  Ranna  in  die  Donau;  vgl.  Stmadt,  Das  Land  im 
Norden  der  Donau.  AÖG.  XCIV,  129—131. 

^  Reimchronik,  V.  23160  flf.        «  Ebenda,  V.  30704.        '  Ebenda,  V.  43719. 


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259 

Zur  Bestreitung  der  Kosten  dieses  Krieges  vermochten 
Eberhard  IV.  und  Heinrich  I.  von  Walsee  für  den  Herzog 
die  bedeutende  Summe  von  2000^.^  auszulegen,  wofür  ihnen 
dieser  Freistadt  und  die  Riedmark  samt  dem  Landgerichte 
und  das  Machland  verpfändete  und  dadurch  in  sichere  Hut 
vor  bairischen  Aspirationen  brachte.  Auf  diesem  Satze,  der 
einzigen  größeren  Erwerbung  aus  dieser  Periode,  wies  Eber- 
hard IV.  mit  Zustimmung  seines  Bruders  1290  Januar  2*  die 
Mitgift  Marias  vonKuenring  an,  mit  der  er  sich  nach  seiner 
Rückkehr  aus  dem  letzten  Feldzuge  vermählte  —  eine  Verbin- 
dung, welche  die  Walseer  in  die  Kreise  des  österreichischen 
Hochadels  einführte,  dessen  vorzüglichste  Mitglieder  an  der 
Hochzeitsfeier  teilnahmen.*  Auch  Heinrich  I.  vermählte  sich 
bald  darauf  mit  Elsbet  aus  dem  Hause  der  Starhemberger, 
welchem  die  Walseer  fortan  bis  zu  ihrem  Aussterben  befreun- 
det blieben. 

Nun  aber  nahten  kritische  Jahre.  Mit  Herzog  Albrecht, 
der  seinen  Besitz  erst  nach  einem  Jahrzehent  wenig  unterbro- 
chener Kämpfe,  nicht  zum  wenigsten  durch  die  Hilfe  seiner 
treuen  Schwaben  gesichert  sah,  war  auch  die  ganze  Stellung 
gefährdet,  welche  die  Walseer  nun  in  Osterreich  einnahmen. 

Bereits  1288  mußte  Herzog  Albrecht  einen  Aufstand  der 
Wiener  niederwerfen,  die  sich  erhoben,  als  der  Herzog  die 
ihnen  von  K.  Rudolf  gemachten  Konzessionen  zugunsten  seiner 
Landesherrlichkeit  rückgängig  machte.  Während  des  Einfalles, 
den  K.  Andreas  von  Ungarn  im  Sommer  1291  in  die  Gegend 
westlich  der  Leitha  unternahm,  traten  neuerlich  Anzeichen  von 
Mißstimmung  gegen  den  Herzog  zutage.  Der  österreichische 
Adel  tat  nichts,  um  dem  Wüten  der  magyarischen  Horden  im 
Vereine  mit  den  Truppen  des  Herzogs  Einhalt  zu  gebieten, 
sondern  verharrte  in  murrender  Untätigkeit.*  Ohne  Zweifel 
hatte  der  Adel  bereits  seit  Jahren  dem  Herzoge  gegrollt,  nun 
gab  er  seiner  Gesinnung  gegen  Herzog  Albrecht  sofort  in  dem 
AugenbUcke  Ausdruck,  als  dem  Landesherm  durch  den  Tod 
K.  Rudolfs  (t  1291  Juli  15)  jener  starke  Rückhalt  genommen 
war,  den  er  durch  seinen  Vater  an  der  Reichsgewalt  gehabt 
hatte.    Zusehends  gewann  die  Bewegung  gegen  die  Habsburger 


*  üBoE.  IV,  120.  «  Vgl.  die  Genealogie. 

»  Cont.  Zwetl.  M.  G.  SS.  IX,  665. 


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260 

an  Bedeutung  und  Ausdehnung.*  Und  wie  in  Osterreich  und 
in  der  Steiermark^  so  stand  der  unbotmäßige  Adel  aus  ähn- 
lichen Gründen  auch  in  Kärnten  gegen  Meinhard  von  Görz 
auf;  den  einzigen  Helfer^  der  Herzog  Albrecht  zur  Seite  stand^ 
als  sich  ein  ganzer  Bund  mächtiger  Fürsten,  K.  Wenzel  von 
Böhmen,  die  niederbairischen  Herzoge  sowie  die  Kirchenfiirsten 
von  Salzburg  und  Aquileja  mit  den  mißvergnügten  Adeligen 
gegen  ihn  vereinte.  Zudem  entwickelten  sich  auch  die  Verhält- 
nisse im  Reiche  zu  seinen  Ungunsten.  Allenthalben  sah  sich  der 
einheimische  Adel  aus  seiner  Stellung  verdrängt:  die  wichtigsten 
Amter  waren  in  den  Händen  der  Schwaben,  derselben,  die 
auch  im  heimlichen  Kate  des  Herzogs  maßgebenden  Einfluß 
auf  Kosten  des  bedeutungslosen  16gUedrigen  Rates  erlangten, 
in  welchem  die  österreichischen  und  steirischen  Adeligen  ver- 
treten waren.  Überall  nahm  der  Herzog  seine  Rechte  als 
Landesherr  nachdrücklich  wahr,  insbesondere  hinsichtlich  der 
landesfUrstUchen  Güter;  dies  sowie  die  schlechte  Münze  ver- 
spürten zumal  die  Finanzen  der  adeligen  Herren.  Vergeblich 
verlangte  man  vom  Herzoge  die  Bestätigung  der  ,alten  Land- 
rechtet  Zeitgenössische  Dichter,  wie  der  Reimchronist  und  der 
kleine  Lucidarius  geben  in  beredten  Worten  dem  Groll  gegen 
das  Schalten  des  Herzogs  und  seine  ,Schwaben^  Ausdruck, 
unter  denen  die  Walseer  und  der  Landenberger  am  besten  ge- 
haßt waren. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  1291  wurde  die  Bewe- 
gung zum  Ausbruche  reif.  In  Niederösterreich  kam  es  indes 
zu  keinen  bedeutenderen  Ereignissen.  Um  Neujahr  1292  aber 
schlug  der  steunsche  Adel  endUch  los  und  sammelte  seine 
Streitkräfte;  schon  zogen  auch  die  Bundesgenossen  heran.  Aber 
rasch  rückte  Herzog  Albrecht  noch  vor  Ende  Februar  über 
den  Semmering  ein,  schlug  die  durch  sein  Erscheinen  über- 
raschten Aufständischen  in  mehreren  Gefechten  in  Obersteier- 
mark und  zwang  dadurch  auch  die  eingedrungenen  bairischen 
und  salzburgischen  Truppen  zum  Rückzuge.  Gerade  jetzt  zeigte 
sich   nun   der  Herzog   nachgiebig  und   bestätigte,   dem  weisen 


^  Vgl.  Frieß,  Herzog  Albrecht  und  die  Dienstherren  in  Österreich.  Blätter 
des  Vereines  für  Landeskunde  von  Niederösterreich  XXII,  600  ß.  und 
Dopsch,  Ein  antihabsburgischer  Fürstenbund  im  Jahre  1292.  Mitt  des 
Inst,  für  österr.  Gesch.  XVI,  379  flf. 


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261 

Rate  Eberhards  IV.  von  Walsee  folgend/  den  Steirern  ihre 
Liandrechte^  —  der  einzig  richtige  Schritt,  den  der  Herzog 
angesichts  der  bedrohlichen  Lage  tun  konnte.  Während  der 
Kampf  in  Kärnten  noch  bis  Ende  1292  fortdauerte,  eilte  Herzog 
Albrecht  ins  Reich  und  huldigte,  nachdem  er  vergeblich  um 
die  deutsche  Krone  geworben,  dem  neuen  Könige  Adolf  von 
Nassau,  der  ihn  mit  seinen  Herzogtümern  belehnte. 

Als  er  hierdurch  eine  sichere  Stellung  gewonnen,  wandte 
sich  Herzog  Albrecht  nach  der  Schweiz,  wo  sich  gleichfalls  ein 
starker  Bund  gegen  ihn  gebildet  hatte.  Da  auch  die  Brüder 
von  Walsee  sich  auf  diesem  Zuge  befanden,  tritt  in  diesem 
Jahre  Weichard  von  Polheim  anstatt  Eberhards  IV.  von  Wal- 
see als  Landrichter  ob  der  Ens  auf.*  Im  Hochsommer  1293 
belagerte  der  Herzog  die  dem  Abte  von  St.  Gallen  gehörige 
Stadt  Wil  und  übergab  sie  nach  ihrer  Einnahme  der  Obhut 
Heinrichs  von  Klingenberg  und  eines  der  Brüder  von  Walsee.  ^ 
Die  Kosten  dieses  Feldzuges  und  die  Vorftllle  des  Jahres  1292 
nahmen  allerdings  ihre  Mittel  so  in  Anspruch,  daß  Eberhard  IV. 
sich  zu  Lichtmeß  1294*  mit  seinem  Bruder  über  die  Tilgung 
einer  beträchtUchen  Schuldensumme  einigen  mußte. 

Bei  der  Rückkehr  Herzog  Albrechts  nach  Osterreich  kam 
anfangs  1294  auch  der  dritte  der  Brüder  von  Walsee,  Ulrich  I., 
ins  Land.  Im  gleichen  Jahre  schloß  derselbe  einen  Ehebund 
mit  einer  Elisabeth  unbekannter  Abkunft,  wohl  einer  Steier- 
märkerin,  die  ihm  indes  schwerlich  großen  Reichtum  zubrachte. 
Der  Herzog  stattete  das  junge  Ehepaar*  1294  Oktober  8  mit 
der  ansehnlichen  Summe  von  600  ü^  aus,  wofür  er  die  Dörfer 
Frannach,  Mitter-Labill,  Grasdorf  bei  Straden,  Zehensdorf  bei 
Weinburg,  Mettersdorf  (bei  St.  Nikolai)  und  Gabersdorf  ®  zum 
Pfände  anwies. 

Die  politische  Lage  wurde  neuerdings  für  Herzog  Albrecht 
gefahrdrohend.  In  Wien  tobte  1294  abermals  der  Aufruhr  und 
weder  der  grollende  Adel,  noch  die  benachbarten  feindlichen 
Fürsten  ließen  von  ihren  Plänen  ab,  die  Habsburger  aus  den 
neuerworbenen  Gebieten  zu  verdrängen.    Dazu  waren  die  Be- 

*  Reimchronik,  V.  66039—65046. 

»  Urk.  1293  April  9;  UBoE.  IV,  186. 

'  Nlewe  Casus  St.  Galli.,  Mitt.  zur  yaterl&ndischen  Gesch.  XVIII,  249. 

*  NB.  I,  316.  »  ÜBoE.  IV,  233. 

*  Sämtlich  bei  Leibnitz,  Mittelsteiermark. 


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262 

Ziehungen  Herzog  Albrechts  zu  Adolf  von  Nassau  im  Frühling 
1295  äußerst  gespannte  geworden.  Damals  entsandte  der  Her- 
zog Eberhard  IV.  von  Walsee  zu  König  Adolf  mit  den  zwei 
Abordnungen,  welche  in  dem  zu  Ende  1298  an  den  päpstlichen 
Stuhl  gerichteten  Schreiben  K.  Albrechts  erwähnt  werden.  ^ 

Der  letzte  Mißerfolg  hinderte  die  unzufriedenen  Land- 
herren nicht,  die  Beziehungen  zu  Herzog  Albrechts  Gegnern, 
dem  K.  Adolf,  Erzbischof  Konrad  IV.  von  Salzburg,  K.  Wenzel 
von  Böhmen  und  dem  Ungarn  Iwan  von  Güssing  aufrecht  zu 
erhalten.  Zumal  richtete  sich  ihr  Haß  gegen  die  schwäbischen 
Räte  des  Herzogs,  die  gerade  durch  die  letzte  Empörung  an 
Einfluß  und  Macht  gewonnen  hatten;  insbesondere  den  Wal- 
seern  warf  man  voll  Neid  ganz  mit  Unrecht  vor,  sie  wären 
ohne  Pfennig  ins  Land  gekommen  und  hätten  sich  durch  ihre 
Heiraten  mit  vermögenden  Osterreicherinnen  bereichert*  Als 
sich  der  Adel  auswärtiger  Hilfe  sicher  glaubte,  suchte  er  nur 
noch  nach  einer  Gelegenheit  zur  Erhebung.  Diesmal  war  es 
der  österreichische  Adel,  von  dem  die  Bewegung  ausging, 
während  jener  der  Steiermark,  bereits  durch  seine  Niederlage 
von  1292  gewitzigt,  bei  derselben  nicht  hervortritt. 

Anfangs  November  1295  erkrankte  Herzog  Albrecht  und 
nun  verbreitete  sich  das  Gerücht,  er  sei  am  Martinstage  (No- 
vember 11)  an  Vergiftung  gestorben.  Sofort  fiel  der  Adel  über 
die  verhaßten  Schwaben  her  und  hatte  bereits  walseeisches  Be- 
sitztum verwüstet,  als  man  erfuhr,  jenes  Gerücht  sei  falsch  ge- 
wesen, der  Herzog  genese.  In  ihrer  Verlegenheit  beriefen  die 
Empörer,  deren  Führer  Leutold  von  Kuenring,  Konrad  von 
Sumerau  und  Alber  von  Puchheim  waren,  eine  Versammlung 
nach  Stockerau  ein.  Von  dort  wurde  eine  Abordnung  an 
K.  Wenzel  nach  Böhmen  entsandt,  eine  andere  zum  Herzoge 
nach  Wien,  um  ihm  die  Beschwerden  des  Adels  vorzulegen, 
welche  Herzog  Albrecht  denn  auch  zu  prüfen  verhieß.  Da 
dieser  Bescheid  nicht  den  gewünschten  Bruch  mit  dem  Her- 
zoge herbeiführte,  war  er  den  Absichten  der  Aufständischen 
entgegen,  die  nun  einen  Tag  nach  Triebensee  (Dorf,  Tulln 
gegenüber)  einberiefen.  Dort  trafen  günstige  Zusagen  aus 
Böhmen  ein;*  zugleich  erfuhr  man  den  Einfall  des  Erzbischofs 


*  LB.  II,  291. 

«  Reimchronik,  V.  66801—66803.  »  Ebenda,  V.  68470. 


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263 

von  Salzburg  ins  Salzkammergut.  In  einem  zweiten  schrift- 
lichen Begehren  forderte  man  vom  Herzoge  die  Bestätigung 
aller  Landrechte  und  die  Entfernung  der  verhaßten  Schwaben. 
Seiner  bedenklichen  Lage  bewußt,  zeigte  sich  Herzog  Albrecht 
zur  Nachgiebigkeit  bereit  und  wollte  nur  Hermann  von  Landen- 
berg und  die  drei  Brüder  von  Walsee  bei  sich  behalten.*  Als 
jedoch  die  in  Triebensee  Versammelten  diesen  Wunsch  des 
Herzogs  schroff  abwiesen,  brach  dieser  die  Verhandlungen  mit 
den  Aufrührern  ab;  er  hatte  bereits  Zeit  gewonnen.  Aus 
Schwaben  waren  Hilfstruppen  im  Anzüge,  auch  von  Böhmen 
kein  Angriff  mehr  zu  besorgen  und  die  Hoffnungen  der  Auf- 
ständischen dadurch  so  herabgestimmt,  daß  sie  sich  nur  noch 
mühsam  beisammenhalten  Ueßen.  Mit  dem  Eintreffen  des  Heeres 
aus  Schwaben  war  der  Widerstand  vollends  gebrochen;  Konrad 
von  Sumerau  wurde  landflüchtig,  die  meisten  Landherren  unter- 
warfen sich. 

So  endete  auch  diese  Erhebung  des  Adels  mit  einem  Er- 
folge Herzog  Albrechts,  der  nun  auch  den  angefeindeten 
,Schwaben'  zugute  kam.  Mehrfach  gelangten  jetzt  Besitzungen 
der  Aufständischen  in  die  Hände  der  verläßlichen  Walseer.  Als 
Leutold  von  Kuenring  am  Sonnwendtage  1296*  dem  Herzog 
Treue  gelobte,  überantwortete  er  als  Unterpfand  derselben  dem 
ihm  verschwägerten  Eberhard  IV.  von  Walsee  die  Burgen  Spitz 
und  Wolfstein  in  der  Wachau  auf  fünf  Jahre  und  setzte  die 
Schlösser  Windeck  *  und  Zistersdorf,  sowie  seinen  Besitz  auf  dem 
Marchfelde  ebendemselben  zum  Pfände  für  die  Rückgabe  von 
Weitra  und  WöUersdorf  bis  nächsten  2.  Juli.  Auch  Güter  der 
Sumerauer  gingen  in  der  Folge  an  die  Walseer  über. 

Noch  standen  indes  andere  Gegner  Herzog  Albrechts  im 
Felde,  zunächst  Erzbischof  Konrad  IV.  von  Salzburg,  gegen 
welchen  der  Herzog  Ende  Juni  von  Wien  aufbrach.  Salz- 
burgisches Gebiet  ward  verwüstet  und  im  JuU  1296*  lagen 
mit  dem  herzogUchen  Heere  auch  Heinrich  I.  und  Ulrich  I.  von 
Walsee  vor  Radstadt.  Nach  der  Rottenmanner  Zusammenkunft 
wurde   ein  Waffenstillstand   vereinbart;    der   Herzog   wünschte 


»  Reimchronik,  V.  66790—66803. 

*  Fließ,  Die  Herren  von  Kuenring,  S.  471,  472. 

*  Bei  Schwertberg,  Oberösterreich. 

*  Urk.  1296  Juli  29;  Muchar,  Gesch.  der  Steiermark  VI,  109. 


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264 

indes  jetzt  den  Frieden  so  wenig,  daß  er  noch  im  Angnst  1296 
von  Judenburg  aus  an  Heinrich  I.  von  Walsee  die  Weisung  er- 
gehen ließ/  den  Krieg  nach  Ablauf  der  Waffenruhe  kräftig 
fortzusetzen  und  200  Mann  Verstärkung  an  ihn  absandte.  Mit 
diesen  fiel  Heinrich  I.  dann  in  Kärnten  ein  und  verwüstete  es 
gi'ausam,  unter  anderem  St.  Andrä  im  Lavanttale,  worauf  er 
Ende  1296  an  den  Hof  des  Herzogs  nach  Wien  zurückkehrte. 
Im  Frühjahre  1297  vereinigte  sich  Heinrich  I.  auf  steirischem 
Boden  mit  seinem  Bruder  Ulrich  L;*  gemeinsam  rückten  sie 
vor  Leibnitz,  wo  der  salzburgische  Vizedom  Ulrich  —  seit  an- 
fangs März  Bischof  von  Seckau  —  seinen  Sitz  hatte,  der  durch 
geschicktes  Unterhandeln  die  Zerstörung  von  Leibnitz  abwandte 
und  Verhandlungen  anbahnte,  die  in  Anwesenheit  der  drei 
Brüder  von  Walsee  am  24.  September  1297*  zu  Wien  ihren  Ab- 
schluß in  einem  endgültigen  Frieden  fanden.  Als  er  dadurch 
freie  Hand  erhalten,  zog  Herzog  Albrecht  noch  im  Herbste  1297 
auch  gegen  Herzog  Otto  von  Nieder-Baiern  zu  Felde;  im 
Passauer  Frieden  von  1297  Dezember  27*  wurden  österreichi- 
scherseits  Eberhard  IV.  und  Heinrich  I.  von  Walsee  zu  Schieds- 
richtern über  einige  strittige  Vertragspunkte  erwählt. 

Zugleich  aber  hatte  sich  Herzog  Albrechts  Verhältnis  zu 
K.  Adolf  so  weit  verschlimmert,  daß  schon  um  die  Jahreswende 
1297/98  die  Bewerbung  des  Habsburgers  um  die  deutsche 
Krone  und  ein  Zug  gegen  K.  Adolf  beschlossene  Sache  waren. 
Überdies  sicherte  sich  der  Habsburger  die  Unterstützung  der 
Könige  von  Böhmen  und  Ungarn.  Anfangs  März  1298  zogen 
die  Truppen  von  Wien  donauaufwärts  und  verstärkten  sich 
während  des  Marsches.  Zu  Wels  befanden  sich  1298  März  16^ 
bereits  Eberhard  IV.  und  Heinrich  I.  von  Walsee  bei  Herzog 
Albrechts  Heere,  dem  sich  auch  deren  Bruder  Ulrich  I.  an- 
schloß.® Durch  die  Landschaften  an  der  oberen  Donau  und 
am  Oberrhein  kam  Herzog  Albrecht  in  die  Gegend  von  Straß- 
burg, wo  er  Alzei  belagerte.  Von  dort  aus  berief  der  Herzog 
Ulrich  I.  von  Walsee  zurück,'  der  mit  einem  Grafen  von  Lich- 
tenberg zum  Entsätze   des  von  K.  Adolf  berannten  Städtchens 


»  Reimchronik,  V.  69760  flf.  «  Ebenda,  V.  69772  ff. 

•  Kurz,  Österreich  unter  Albrecht  I.,  Bd.  II,  222. 

*  UBoE.  IV,  278.  »  FRA.  XXXI,  463. 

«  Reimchronik,  V.  70  626.  '  Ebenda,  V.  71844-71347,  72268. 


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265 

Rufach  ausgerückt  war.  In  der  darauffolgenden  Schlacht  bei 
Göllheim  waren  die  von  Ulrich  I.  befehligten  Steiermärker  dem 
Herzog  Heinrich  von  Kärnten  unterstellt.*  Besonders  Ulrich  I. 
,der  voUechome  degen'  zeichnete  sich  in  diesem  Treffen  aus;* 
auch  seine  Brüder  taten  ihr  Bestes. 

Diese  Verdienste  wurden  denn  auch  vom  Herzog  gewür- 
digt. Auf  ihre  Bitten  verlieh  er  auf  seinem  Rückmarsche  zu 
Holzkirchen  bei  Nördlingen  der  Stadt  Waldsee  1298  Septem- 
ber 13'  alle  Rechte  und  Freiheiten,  wie  sie  das  benachbarte 
Ravensburg  besaß.  Bei  der  Belehnung  der  Söhne  K.  Albrechts 
mit  Osterreich  auf  dem  Reichstage  zu  Nürnberg  waren  auch 
die  getreuen  Walseer  zugegen.  Neben  Eberhard  IV.  und  Hein- 
rich I.  von  Walsee  wird  im  Lehenbriefe  darüber  von  1298 
November  20*  zum  ersten  Male  als  Zeuge  ihr  jüngerer  Bruder 
Friedrich  I,  von  Walsee  genannt,  der  nun  nach  dem  Tode 
seines  Vaters  Eberhard  HI.  mit  seinen  Schwestern  den  Brüdern 
nach  Osterreich  folgte. 

Damit,  daß  K.  Albrecht  die  Reichsgewalt  an  sich  gebracht 
hatte,  war  die  Stellung  der  Habsburger  in  Osterreich  und  da- 
durch auch  die  ihrer  Getreuen  daselbst  gesichert.  Mochte  ab 
und  zu  noch  die  Abneigung  gegen  die  ,Schwaben',  so  auf  dem 
Turniere,  das  man  1303  zu  Graz  abhielt,  zum  Aasdrucke 
kommen,  allmählich  schwanden  diese  Symptome.  Ein  übriges 
tat  dabei  vor  allem  der  Umstand,  daß  die  Walseer  sich 
mit  mehreren  wichtigen  Ministerialengeschlechtem,  so  den 
Kuenringem,  Kapellem,  Starhembergern  und  anderen  ver- 
schwägerten. 

Nicht  weniger  aber  mußte  es  den  Walseern  die  Achtung 
und  Wertschätzung  ihrer  adeligen  Standesgenossen  erwerben, 
daß  sie  jetzt,  wo  ihr  Verbleiben  im  Lande  gesichert  war,  in 
rascher  Folge  bedeutenden  Besitz  an  sich  brachten  und  durch 
ausgezeichnete  Wirtschaft  binnen  wenigen  Jahrzehnten  auch  zu 
einer  der  reichsten  Familien  des  österreichischen  Adels  wurden. 
Die  Ereignisse  des  letzten  Jahrzehntes  hatten  insbesondere  die 
drei  ältesten  Brüder  von  Walsee,  Eberhard  IV.,  Heinrich  I.  und 


»  Beimchronik,  V.  72609. 

'  Hirzelin,  Böhmer,  Fontes  Rernm  Qermanicaruin  II,  486;    Reimchronik, 

V.  72669. 
»  NB.  n,  10.  *  UBoE.  IV,  287. 


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266 

Ulrich  I.,  im  Dienste  des  Herzogs  aufs  engste  vereint.  Nun 
lockerte  sich  dieses  Band  in  den  folgenden  Jahren  einigermaßen 
und  zumal  die  Besitzentwicklung  ließ  mehr  und  mehr  das  Auf- 
gehen des  Hauses  in  seine  vier  Linien  hervortreten^  die  sich 
nun  auf  dem  Boden  des  gesamten  damals  habsburgischen  Oster- 
reich ausbreiteten. 

Auch  wir  folgen  diesem  Zuge  und  gehen  den  Schicksalen 
der  einzelnen  Zweige  des  Geschlechtes  nach. 

ni.  Abschnitt. 
Die  Walseer  za  Linz. 

1.  Eberhard  IV.  0280—1826.) 

Als  der  älteste  der  eingewanderten  Brüder  von  Walsee 
hatte  es  Eberhard  IV.  zuerst  zu  einem  Amte  gebracht.  Er 
stand  bereits  im  besten  Mannesalter^  als  ihm  Herzog  Albrecht 
1287/88  das  Landrichteramt  ob  der  Ens  übergab.  Seitdem 
er  damit  seinen  Sitz  auf  dem  Schlosse  zu  Linz  genonmien  hatte, 
nannten  er  und  die  Seinen  von  demselben  ihre  Linie.  Fast 
durch  zwei  Jahrhunderte  bUeben  sie  im  Besitze  dieses  wichtigen 
Amtes^  der  nachmaligen  Hauptmannschaft  ob  der  Ens;  dazu 
kam  noch  bedeutender  Grundbesitz  in  Osterreich  ob  und  unter 
der  Ens,  der  die  Bedeutung  dieser  Linie  erhöhte. 

Wir  haben  Eberhards  IV.  Wirken  bereits  bis  zur  QöU- 
heimer  Schlacht  verfolgt;  bei  seiner  Heimkunft  von  dem  Nürn- 
berger Reichstage  hatte  er  zunächst  im  Auftrage  K.  Albrechts 
Schadenerhebungen  ^  wegen  der  Streitigkeiten  zwischen  Bischof 
und  Bürgerschaft  in  Passau  zu  pflegen,  ffierauf  begegnen  wir 
ihm  seit  Ende  1299  auf  den  Taidingen,*  die  er  als  Landrichter 
ob  der  Ens  abzuhalten  hatte. 

Im  Frühling  des  Jahres  1300  begleitete  der  Walseer  Her- 
zog Rudolf,  den  ältesten  Sohn  K.  Albrechts,  auf  seiner  Hoch- 
zeitsfahrt.' In  Paris  fand  die  Vermählung  des  fUrstlichen 
Paares  unter  großen  Festlichkeiten  statt,  bis  der  ti'cue  Begleiter 


^  Monumenta  Boica  XXYIII*,  248. 

>  UBoE.  IV,  303  und  MonumenU  Boica  IV,  160. 

»  Reimchronik,  V.  75206  ff. 


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267 

schließlich  zur  Heimkehr  mahnen  mußte.  Bis  an  die  Grenze 
folgte  K.  Philipp  dem  Zuge,  der  in  den  Rheingegenden  von 
K.  Albrecht  erwartet  wurde  und  im  Herbste  in  Wien  anlangte. 
Dort  wurden  abermals  glänzende  Feste  gefeiert,  bei  denen  sämt- 
liche Walseer  zugegen  waren. 

Auch  in  die  Feldzüge,  die  nun  K.  Albrechts  Reichspolitik 
erheischten,  ritt  Eberhard  IV.  aus.  So  befand  er  sich  bei  dem 
stattlichen  Hilfsheere,  das  Herzog  Rudolf  im  Sommer  1301 
seinem  Vater  gegen  die  feindlichen  rheinischen  Kurfürsten  zu- 
führte. Mitte  Juli  1301  ^  nahm  er  mit  seinen  Brüdern  Ulrich  I. 
und  Heinrich  I.  von  Walsee  an  der  Belagerung  von  Bensheim 
an  der  Bergstraße  teil.  Nach  Beendigung  dieser  Heerfahrt  ge- 
leiteten die  Brüder  die  Herzoge  Rudolf  und  Friedrich  nach 
Passau,  wo  am  17.  Februar  1302*  ein  Bündnis  mit  den  Her- 
zogen Otto  und  Stefan  von  Baiern  gegen  den  Pfalzgrafen  zu- 
stande kam. 

Ende  April  1304*  besuchte  Eberhard  IV.  mit  seinen  Brü- 
dern das  große  Taiding,  das  Herzog  Rudolf  in  Judenburg  ab- 
hielt, und  folgte  mit  denselben  dem  Herzoge  nach  Osterreich, 
als  dessen  Anwesenheit  angesichts  des  Eingreifens  K.  Wenzels 
in  die  ungarische  Thronfrage  erforderlich  war.  Nach  der  Flucht 
des  Böhmenkönigs  erlangte  die  Partei  K.  Roberts  in  Ungarn 
die  Oberhand  und  mit  diesem  führten  auch  die  Walseer  als 
österreichische  Bevollmächtigte  Verhandlungen  über  ein  Schutz- 
und  Trutzbündnis,  welches  Herzog  Rudolf  dann  am  24.  August 
1304  in  ihrer  Gegenwart  einging.*  Ebenso  waren  die  Brüder 
beim  Abschlüsse  des  Friedens  zu  Nürnberg  am  15.  August 
1305^  mit  Herzog  Otto  von  Baiem,  dem  einflußreichen  Ratgeber 
K.  Wenzels  IH.  von  Böhmen,  erfolgreich  tätig. 

Der  Tod  des  Habsburgers  Rudolfs  III.  (f  1307  Juli  3) 
brachte  dessen  Haus  wieder  um  die  kaum  erst  erworbene 
Krone  Böhmens.  Vergeblich  suchte  es  K.  Albrecht  zu  ver- 
hindern, daß  dort  der  Görzer  Heinrich  zum  Könige  gewählt 
wurde;  Herzog  Friedrich,  der  von  Süden  über  Mähren  vor- 
rückte,  vermochte   ebenfalls  keine  nachhaltigen  Erfolge  zu  er- 


*  Vgl.  ürk.  1301  Juli  12;  Böhmer,  Reg.  Imp.,  n.  348. 

*  Kurz,  Österreich  unter  Ottokar  und  Albrecht  I.,  Bd.  II,  238. 
'  Muchar,  Gesch.  der  Steiermark  VI,  150. 

*  Reimchronik,  V.  84174.  »  Ebenda,  V,  86667. 

ArehiT.   XCY.  Band.   U.  Hüfte.  19 


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268 

zielen,  und  auch  der  günstige  Verlauf  der  Kämpfe  in  dem 
Stammbesitze  des  Görzers,  in  Kärnten,  konnte  daran  nichts 
ändern.  Eben  traf  Herzog  Friedrich  im  Frühling  1308  An- 
stalten, den  Kampf  um  Böhmen  zu  erneuern,  als  K.  Albrecht 
am  1.  Mai  1308  in  seinen  Stammlanden  ein  blutiges  Ende 
fand  —  ein  bedeutungsvolles  Ereignis,  das  den  Habsborgem 
die  deutsche  Königskrone  wieder  entwand  und  abermals  alle 
die  feindseligen  Kräfte  in  Osterreich  entfesselte,  die  K.  Albrecht 
in  den  letzten  Jahrzehnten  mit  starker  Hand  erfolgreich  nieder- 
gehalten hatte.  Unter  diesen  Verhältnissen  vermochten  die 
Habsburger  mit  ihren  geschwächten  Machtmitteln  ihre  Ab- 
sichten auf  Böhmen  nicht  durchzusetzen;  der  neuerliche  Feld- 
zug endete  im  Herbste  1308  mit  dem  Znaimer  Vertrage,  in 
welchem  Böhmen  aufgegeben  wurde.  Dazu  wurde  Ende  1308 
Heinrich  von  Luxemburg  zum  deutschen  König  gewählt  und 
so  mußte  Herzog  Friedrich  der  Schöne  bei  der  allgemein  feind- 
seligen Stimmung  gegen  sein  Haus  darauf  bedacht  sein,  vor 
allem  von  dem  neuen  Reichsoberhaupte  die  Belehnung  mit 
Osterreich  und  Steiermark  zu  erhalten,  wozu  er  anfangs  1309 
ins  Reich  auszog. 

Zum  letzten  Male  trat  nun  abermals  die  antihabsburgische 
Partei  in  Osterreich  auf;  K.  Albrechts  Tod,  die  den  Habsbur- 
gern  mißgünstige  Stimmung  so  vieler  Reichflirsten  und  vor 
allem  die  wichtige  Frage,  ob  wohl  Herzog  Friedrich  die  Be- 
lehnung erreichen  werde,  nährten  die  Hoffiiungen  der  Unzufrie- 
denen. Auch  diesmal  fanden  dieselben  Unterstützung  bei  den 
bairischen  Herzogen,  welche  gegen  Neuburg  am  Inn  zogen; 
unter  bairischen  Fahnen  sammelte  sich  aufständischer  Adel  in 
Niederösterreich,  auf  dessen  Boden  die  bald  niedergeworfene 
Bewegung  sich  abspielte.  Wir  erfahren  nichts  über  Eberhards  IV. 
Tätigkeit  bei  diesen  Ereignissen  in  seinem  Wirkungskreise 
Oberösterreich,  ebensowenig  aus  dem  folgenden  Jahre,  wo 
Herzog  Friedrich  den  erfolglosen  Kampf  gegen  die  bairischen 
Herzoge  eröffnete  und  mit  seinem  Hauptheere  aus  der  Traun- 
gegend  in  das  Inn  viertel  vordrang. 

Im  Frühjahr  1311  zog  Eberhard  IV.  von  Walsee-Linz  mit 

Dietrich    von    Pillichdorf    als   Abgesandter   Herzog   Friedrichs 

nach  Oberitalien   zu   K.  Heinrich  VII.,   der   beide   wohlwollend 

aufnahm.    Bei  diesem  Anlasse  bestätigte  der  König  1311  Juni  5^ 

>  WSt.,  674. 


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269 

den  Walseern  die  Verpfändung  der  Vogtei  des  Klosters  Wald- 
see im  Lager  zu  Brescia,  wo  Verhandlungen^  betreffs  der  Ent- 
schädigung, welche  K.  Johann  fUr  den  Verzicht  der  Habsburger 
auf  Böhmen  zahlen  sollte,  sowie  über  die  geplante  Vermählung 
der  Schwester  des  Königs  mit  Herzog  Friedrich  gepflogen 
wurden.  Nur  schwer  vermochten  die  Habsburger  den  Verlust 
Böhmens  zu  verschmerzen,  das  nun  nach  der  Vertreibung  Hein- 
richs von  Görz  die  Luxemburger  fiir  sich  gewonnen  hatten.  In 
dem  darauffolgenden  Znaimer  Vertrage  (1312  August  18*) 
machte  Herzog  Friedrich  dem  Böhmenkönige  als  Vertragsbürgen 
auch  Eberhard  IV.  von  Walsee-Linz  namhaft,  welcher  an  den 
habsburgischen  Beziehungen  zum  Adel  zumal  Südböhmens  An- 
teil hatte,  wie  der  Revers  des  Benesch  von  Michelsberg  von 
Lichtmeß  1312»  dartut. 

Während  dieser  Friedensjahre  konnten  sich  die  Walseer 
der  Verwaltung  ihrer  Güter  widmen  und  auch  dem  schwäbischen 
Stammbesitze  einige  Aufmerksamkeit  schenken.*  Als  damals  Her- 
zog Friedrichs  Heiratsplan  mit  Elsbet  von  Aragonien  reifte, 
fand  sich  auch  Eberhard  IV.  mit  seinen  Brüdern  bei  den  Stän- 
den Österreichs  ein,  welche  am  4.  Mai  1313^  die  Ehepakten 
des  Herzogs  gegen  K.  Jakob  von  Aragonien  in  Klostemeubnrg 
beschworen;  Mitte  Jänner  1314  wohnten  sämtliche  Walseer  der 
Hochzeit  des  Herzogspaares  in  Wien  bei.^ 

Zugleich  fielen  aber  in  diese  Jahre  Ereignisse,  welche  die 
Treue  und  Ergebenheit  der  Walseer  an  das  Haus  Habsburg 
auf  keine  geringe  Probe  stellten. 

Mit  seinen  übrigen  Brüdern  war  auch  Gebhard  II.  von 
Walsee  nach  Osterreich  gekommen,  der  den  geistlichen  Stand 
erwählt  hatte  und  anfangs  zum  Pfarrer  von  Weitra  vorgeschla- 
gen war.  Da  jedoch  Herzog  Albrecht  1291  November  20' 
anderweitig  über  diese  Pfarre  verfügte,  ging  Gebhard  zur  Voll- 
endung seiner  Studien  nach  Italien;  1295®  erscheint  er  in  den 


^  Vg^l.  das  Schreiben  1311  Jani  15;  Wilrdtwein,  Subsidia  Diplomat.  I,  412. 

*  Regesta  Reram  Bohem.  et  Morav.  III,  4. 
»  UBoE.  V,  66. 

*  Vgl.  Urk.  1313  Februar  2;  WSt.  576. 

*  Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie  derWissensch.  CXXXVU,  169—171. 

*  Vgl.  Urk.  1314  Januar  18;  NB.  IV,  81. 
'  LB.  n,  r.  7. 

"  Blätter  des  Vereines  für  Landeskunde  von  Niederösterreich  XV,  250. 

19* 


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270 

Universitätsmatrikeln  von  Bologna.  Nach  seiner  Rückkehr  war 
er  im  Jahre  1300^  bereits  Domherr  zu  Passau  und  unterhielt 
von  dort  aus  lebhafte  Beziehungen  zu  seinen  Brüdern,  insbe- 
sondere zu  Eberhard  IV.  SchUeßlich  wurde  er  1312*  auch 
Vizedom  des  Stiftes  und  vom  Bischöfe  Wernhard,  der  in  ihm 
wohl  seinen  Nachfolger  sah,  in  dessen  letzten  Willen  zum  Testa- 
mentsvollstrecker ernannt.*  Die  große  Mehrheit  der  Stimmen 
erhob  ihn  denn  auch  nach  dem  Tode  Bischofs  Wernhard 
(f  1313  Juli  28)  auf  den  Passauer  Bischofsstuhl;  eine 
Minderheit  aber  wählte  Albrecht  (II.)  von  Habsburg,  den  nach- 
maligen Herzog,  trotz  kanonischer  Mängel  an  Alter  und  Weihen.* 
Während  der  Walseer  nicht  einmal  auf  den  Beistand  seiner 
Brüder  rechnen  konnte,  die  den  Habsburgern  alles  verdankten 
und  nicht  daran  denken  durften,  sich  deren  Willen  zu  wider- 
setzen, standen  Albrecht  alle  Hilfs-  und  Machtmittel  sowie  der 
Einfluß  seines  Hauses  zu  Gebote;  er  war  der  Stärkere  un^  setzte 
sich  in  den  Besitz  des  Bistums.  Gebhard  zog  daher  in  die 
Fremde;  er  wandte  sich  nach  Avignon  behufs  Erlangung  einer 
päpstlichen  Entscheidung  an  Klemens  V.,  während  Albrecht 
seine  Sache  daselbst  bloß  durch  einen  Abgesandten  vertreten 
ließ.*  Als  der  Papst  den  Bischof  Bernhard  von  Tusculum  mit 
der  Prüfung  der  Sache  betraut  hatte,  starb  Gebhard  H.  von 
Walsee  im  Jahre  1315  noch  vor  der  Entscheidung  nach 
l^sjährigem  Aufenthalte  zu  Avignon.^ 

Als  nun  der  große  Kampf  entbrannte,  den  das  Doppel- 
königtum Ludwigs  von  Witteisbach  und  Friedrichs  von  Habs- 
burg hervorrief,  war  Eberhard  IV.  bereits  zu  bejahrt,  um  an 
demselben  hervorragenden  Anteil  zu  nehmen. 

Schon  im  vorangegangenen  Wafl*engange  von  1313  tritt 
er  nicht  hervor  und  nach  der  Krönungsfahrt  K.  Friedrichs 
scheint  er  mit  seinen  Brüdern  nur  noch  im  Sommer  1315  an 
der  Seite  seines  Herrn  geweilt  zu  haben,  ^  der  sich  damals  am 


*  Urk.  1300  Januar  16;  NB.  I,  817. 

'  Urk.  1312  Dezember  7;  RegesU  Boica  V,  239. 
»  Urk.  1313  Juli  26;  Regesta  Boica  VI,  344. 

*  Calend.  Zwetl.  M.  G.  SS.  IX,  666;  Ann.  Matts,  ebenda  816. 

^  Riezler,  Vatik.  Akten  zur  Gesch.  Ludwigs  des  Baiem  I,  47. 

*  Vgl.  die  Genealogie   und  Sitzungsberichte   der   Wiener  Akademie    der 
Wissensch.  CXL,  66. 

'  ürkundenlücke  1316  Februar  10  bis  August  10. 


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271 

Oberrhein  aufhielt.  Dafür  wurde  er  mit  seinem  Bruder  Hein- 
rich I.  mehrfach  dazu  herangezogen,  in  dem  durch  die  über- 
großen Kriegslasten  zerrütteten  Finanzwesen  des  Königs  seine 
Hilfe  zu  leihen.  So  verpflichteten  sich  die  beiden  1318*  fiir 
den  König  gegen  den  Passauer  Vizedom  hinsichtlich  der  Lösung 
von  Neuburg  am  Inn  und  waren  in  den  folgenden  Jahren  des 
Königs  Bürgen*  für  hohe  Summen  gegen  Herzog  Leopold  und 
den  Grafen  Eberhard  von  Württemberg.  Als  1322  der  große 
Entscheidungskampf  zwischen  den  Gegenkönigen  ausgefochten 
wurde,  genoß  Eberhard  IV.  schon  die  Ruhe  des  Alters;  1321® 
hatte  er  bereits  die  Verwaltung  seiner  sämtlichen  Güter  seinem 
gleichnamigen  Sohne  Eberhard  V.  übergeben,  das  Amt  des 
Landrichters  ob  der  Ens  jedoch  noch  behalten. 

Dabei  verstand  es  Eberhard  IV.,  trotz  der  wechselvollen 
Zeiten  ausgezeichnet  zu  wirtschaften  und  durch  weise  Spar- 
samkeit und  geschickte  Benützung  der  Verhältnisse  sich  einen 
rasch  in  Ober-  und  Niederösterreich  sich  bildenden  Besitzstand 
zu  schaffen,  zu  welchem  die  herzogliche  Pfandschaft  Freistadt 
mit  der  Riedmark  und  dem  Machlande  den  ersten  Grund  legte. 

In  Niederösterreich  gelang  es  ihm,  zwei  größere  Güter- 
komplexe  zu  erwerben,   die   er  dann  fortwährend  vergrößerte. 

Im  Jänner  1297  war  Eberhard  IV.  mit  Ulrich  von  Rukhen- 
dorf  und  den  Seinen  in  Verhandlungen  getreten,  welche  zur 
Erwerbung  des  Schlosses  Guntersdorf,*  eines  herzoglichen 
Lehens,  führten.  Zu  diesem  erkaufte  er  nun  in  den  Jahren^ 
1297 — 1301  eine  ganze  Reihe  von  Gütern,  Liegenschaften  und 
Gülten  daselbst  sowie  von  den  Starhembergem  1309^  Lehen 
und  GlQten  in  einem  weiteren  Umkreise  und  1312 — 1314'  aber- 
mals mehrere  Lehen  und  Eigen.  Auf  sein  Betreiben  wurde 
Guntersdorf  auch  1312®  vom  Bischof  Wemhard  von  Passau  zur 


*  Urk.  1318  Oktober  28;  Mitt.  des  histor.  Vereins  für  Niederbayern  XI,  82. 
>  Urk.  1319  August  21,  Böhmer,  Reg.  Imp.  173  und  Urk.  1320  Oktober  26, 

Böhmer,  Acta  Imp.  Selecta  477/8. 
3  Urk.  1321  Juli  16;  LB.  IH,  r.  672. 

*  Bei  Ober-Hollabrunn. 

*  Vgl.  das  Inventar  f.  7'— 8;  Urk.  1300  Februar  21,  Topographie  von  Nieder- 
österreich IV,  767 ;  Urk.  1800  Februar  28,  Wretschko,  Österreichs  Mar- 
schallamt 212;  Urk.  1300.  NB.  III,  79. 

*  Urk.  1309  Juni  24;  NB.  lU,  8. 

'  Vgl,  AÖG.  n,  637;  NB.  IV,  81 ;  LB.  in,  r.  296. 
'  Inventar  f.  45. 


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272 

selbständigen  Pfarre  erhoben,  während  es  bis  dahin  nach 
WuUersdorf  gehört  hatte. 

Noch  bedeutender  war  das  ansehnliche  E>be,  das  seinem 
jugendlichen  Sohne  Eberhard  V.  dessen  Braut  Elsbet  von 
Gutrat  durch  die  1304  August  17*  mit  Walter  von  Tauf  kirchen 
abgeschlossene  Guterteilung  zubrachte.  Dasselbe  umfaßte  das 
freieigene  Schloß  Straneck  (nordöstlich  von  Oberhollabrunn) 
samt  dem  nahen  Markte  Stronsdorf,  den  Markt  Wulzeshofen 
(nördlich  davon),  das  halbe  Dorf  Reintal  (bei  Feldsberg),  Wein- 
gärten zu  Grinzing  und  Nußdorf  sowie  die  Pfarrpatronate  von 
Stronsdorf,  Murstetten,'  das  in  einem  Streite  gegen  das  Wiener 
Frauenkloster  St.  Maria  Magdalena  glücklich  behauptet  wurde, ' 
und  St.  Lorenzen  an  der  Ips.  Die  Maut  und  das  Urfahr  zu 
Mautern,*  womit  der  Walseer  1306*  vom  Burggrafen  Friedrich 
von  Zollern  belehnt  wurde,  ging  freilich  bald,  als  Eberhard 
darauf  seiner  Tochter  Kunigund  500ä<>ä  Mitgift  verschrieb,* 
an  die  Kapeller  über;  dafür  erkaufte  er  wieder  1307  und  1309 
von  den  Starhembergern  deren  Gülten  ob-  und  niederhalb  des 
Kampflusses'  gelegen,  überdies  trat  ihm  nun  1314®  Walter 
von  Taufkirchen  seine  Hälfte  des  Gutratischen  Erbes,  das  freie 
Eigen  Burg  und  Dorf  Senftenberg  und  wohl  auch  das  Dorf 
Zebing  und  die  übrigen  Stücke,*  sowie  die  Kirchenpatronate 
von  Senftenberg,  Zebing  und  KuiFarn  gegen  eine  Summe  von 
2250  ^/Ä  ab.  Der  kleinere  Teil  dieses  Gutratischen  Erbes  lag 
in  der  Nähe  von  Guntersdorf,  der  größere  in  ansehnlichem 
Umfange  in  der  Umgebung  von  Krems. 

In  dem  Gebiete  zwischen  Donau,  Ens  und  Ips  erhielt 
Eberhard  IV.  von  Walsee  1302^®  vom  Grafen  Ulrich  von  Pfann- 
berg dessen  daselbst  gelegene  Mannslehen,  Reste  ehedem  Peil- 
steinischer  Besitzungen,  die  wohl  später  an  die  Linie  Walsee-Ens 
übergingen,  welche  hier  ihren  Hauptbesitz  hatte;   in  der  Nähe 


»  UBoE.  IV,  465.  "  Bei  Sieghartskirchen. 

»  Vgl.  das  Inventar  f.  36.  *  Bei  Krems. 

»  Urk.  1306  April  19;  Monum.  Zollerana  II,  289. 

•  Urk.  1309  Juni  16;  ebenda,  300. 

'  Urkk.  1807  Januar  8,  UBoE.  IV,  518;  1309  Juni  24,  NB.  III,  8. 

^  Verzeichnis   von  Urkunden    über   das  Marscballamt   in  Österreich   und 

Steiermark,  c.  1545;  Schloß  Losensteinleiten,  Oberösterreich. 
»  Vgl.  Urk.  1304  August  17;  s.  oben. 
"  Urk.  1302  Ostern;  AÖG.  XVUI,  213. 


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273 

hatte  Eberhard  1315^  auch  die  Vogtei  des  Stiftes  Ärdagger 
inne.  Einer  Gepflogenheit  des  österreichischen  Adels  folgend, 
hatte  sich  Eberhard  bereits  1304*  ein  Haus  zu  Wien  auf  dem 
Witmarkte  erkauft. 

In  Oberösterreich  faßte  Eberhard  IV.  erst  später  festen 
Fuß.  Die  Belehnung  mit  der  Feste  Wildberg  erhielten  er  und 
Ulrich  von  Kapellen  1297 '  vom  Bischof  Wemhard  von  Passau 
lediglich  als  Gerhaben  der  Kinder  Hadmars  von  Starhemberg. 
Sonst  stand  ihm  abgesehen  von  der  Freistädter  Pfandschaft 
vorläufig  nur  (1297*)  die  Klostervogtei  von  St.  Florian  zu. 
Später  kam  dazu  die  Vogtei  des  Klosters  Lambach,  welche  ihm 
Herzog  Friedrich  1313^  fiir  200Äf/Ä,  seine  Hochzeitsgabe  zur 
Vermählung  Kunigundens,  Eberhards  IV.  Tochter,  mit  Jans 
von  Kapellen  verpfändete.  Von  Bedeutung  war  es  indes  allein, 
daß  ihm  K.  Friedrich  in  seiner  Geldnot  —  spätestens  1322* 
—  das  wichtige  Neuburg  am  Inn  versetzte,  welches  nun  fast 
ununterbrochen  mehr  denn  ein  Jahrhundert  als  Pfandschaft  den 
Walseern  verblieb. 

Wie  wir  seinerzeit  erwähnt,  hatte  Eberhard  IV.  1290 
Maria,  eine  Tochter  Heinrichs  II.  von  Khuenring-Weitra-See- 
feld  (f  1293),  heimgeführt.  Alsbald  war  der  Tochter  auch  ihre 
Mutter,  die  vielgeprüfte  Kunigunde,  in  die  neue  Heimat  ge- 
folgt, welche  1303  auf  dem  Schlosse  zu  Linz  ihre  Tage  be- 
schloß.' Eberhards  IV.  Ehe  war  mit  einem  einzigen  Stamm- 
halter, dem  wohl  noch  1290  zur  Welt  gekommenen  Eberhard  V. 
und  zwei  Töchtern  gesegnet.  Von  diesen  wurde  Kunigunde 
noch  als  Kind  1303  mit  Jans  von  Kapellen  verlobt,  doch  erst 
1313  vermählt;  sie  war  als  dessen  Hausfrau  noch  1342  am 
Leben.® 

Die  zweite  Tochter,  Dorothea,  soll  sich  mit  Reinprecht  H. 
von  Ebersdorf  verheiratet  haben,  als  dessen  Hausfrau  sie  von 
1330—1342  genannt  wird.» 


»  Urk.  1316  Januar  21;  AÖG.  XL  VI,  496. 

*  Urk.  1304  November  29;  NB.  I,  319. 
3  JBMFC.  LVn,  4. 

*  Urk.  1297  April  24;  UBoE.  IV,  269. 

*  Urk.  1313  März  3;  UBoE.  V,  99. 

*  Vgl.  Urk.  1323  Juni  15;  Begesta  Boica  VI,  100. 
'  Vgl.  Frieß,  Die  Herren  von  Kuenring  183—184. 

*  Vgl.  die  Genealogie. 


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274 

Bereits  1320  war  Maria  von  Kuenring  ihrem  Gatten  im 
Tode  vorangegangen  und  in  der  Stiftung  ihres  Elternhauses^  im 
Kloster  Zwettl  beigesetzt  worden.^  In  vorgeschrittenem  Alter 
starb  Eberhard  IV.  von  Walsee-Linz  —  der  getreue  Diener 
und  Vertraute  dreier  deutscher  Könige  —  am  10.  Oktober  1325. 
Weise  im  Rate,  hatte  er  sich  insbesondere  auf  diplomatischem 
Gebiete  große  Verdienste  erworben.  Auf  seinem  gesamten  Be- 
sitze sowie  im  Amte  des  Landrichters  ob  der  Ens  folgte  ihm 
sein  einziger  Sohn  Eberhard  V. 

2.  Eberhard  V.  (1804—1371). 

Eberhard  V.  war  bereits  erwachsen  und  schon  zum  zweiten 
Male  verheiratet,  als  er  das  Erbe  seines  Vaters  antrat  Wie  zu 
Lebzeiten  desselben  nahm  er  auch  jetzt  keinen  hervorragenden 
Anteil  an  den  Kämpfen  dieser  Jahre,  in  welchen  seine  Vettern 
ihre  Tapferkeit  bewährten.  So  hatte  er  auch  bei  Mühldorf 
nicht  mitgefochten  und  deshalb  war  ihm  das  Schicksal  der 
anderen  erspart  geblieben;  auch  in  der  Folge  hat  er  sich  nicht 
zu  häufig  kriegerische  Lorbeeren  geholt.  Jetzt  folgte  er  seinem 
Vater  im  Amte  des  Landrichters  ob  der  Ens,*  das  er  getreulich 
versah  und  durch  45  Jahre  innebehielt.  Große  Aufmerksam- 
keit schenkte  er  der  Verwaltung  seiner  sich  stets  mehrenden 
Güter.  Mehrfach  nimmt  er  Gelegenheit,  seiner  kirchlich- 
frommen  Gesinnung  Ausdruck  zu  geben,  ist  er  doch  der  Grün- 
der von  zwei  Klöstern. 

Immerhin  war  auch  er  mehrmals  genötigt,  an  den  krie- 
gerischen Ereignissen  teilzunehmen,  die  sich  während  seiner 
langen  Lebensdauer  zutrugen.  Zunächst  hatten  die  Teilungs- 
pläne Herzog  Ottos  zur  Folge,  daß  sich  sowohl  K.  Johann  von 
Böhmen  als  auch  K.  Karl  von  Ungarn  gegen  die  Habsburger 
wandten  und  darüber  ein  verheerender  Bj-ieg  an  den  Gemar- 
kungen Österreichs  und  Mährens  entbrannte.  Die  Walseer 
führten  im  Juni  1327'  ihre  Fähnlein  gegen  den  Landesfeind 
heran  und  tummelten  sich  mit  dem  Feinde  herum.  Beim 
Friedensschlüsse  mit  Ungarn  zu  Brück  an  der  Leitha  (1328 
September  21*)  war  Eberhard  V.  von  Walsee-Linz  zugegen.  Der 


»  Vgl.  die  Genealogie.  •  Vgl.  Urk.  1326  November  11 ;  UBoE.  V,  436. 

»  Vgl.  FRA.  XX VIII,  212. 

*  Monum.  Hungar.  hi«t.  acU  extera  1,  n.  289,  S.  269—276. 


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275 

Friede  mit  Böhmen  war  indes  nicht  von  langer  Dauer;  in  der 
Zwischenzeit  kam  der  Verkauf  der  schwäbischen  Stammgüter 
der  Walseer  zustande,  von  welchen  sie  im  Sommer  1330  Ab- 
schied nahmen.^  Infolge  der  Übergehung  des  Luxemburger  in 
der  1335  aufgerollten  Kärntner  Frage  griff  K.  Johann  abermals 
zu  den  Waffen.  Im  Frühjahre  1336  wurde  Osterreich  nördlich  der 
Donau  von  ihm  furchtbar  verheert  und  einige  feste  Plätze  gingen 
an  ihn  verloren.  Auch  Eberhard  V.  von  Walsee-Linz  vermochte 
ihm  in  seinem  Schlosse  Guntersdorf,  in  das  er  sich  geworfen 
hatte,  nicht  zu  widerstehen'  und  geriet  mit  zehn  anderen  Mini- 
sterialen bei  der  Eroberung  der  Feste  in  Gefangenschaft,  die 
indes  nur  bis  in  den  Herbst  dieses  Jahres  währte,  wo  Eber- 
hard V.  seine  guten  Dienste  als  Bürge  der  Geldverpflichtungen 
leistete,  die  Herzog  Albrecht  H.  im  Enser  Vertrage  (1336 
Oktober  11  ^)  gegen  den  Böhmerkönig  eingieng. 

Dem  Brauche  ihrer  Zeit  gemäß  erwiesen  auch  die  Wal- 
seer zu  Linz  mehreren  Klöstern  Wohltaten,  insbesondere  den 
Minderbrüdern  zu  Linz.*  Infolge  der  Vermählung  Eberhards  IV. 
von  Walsee-Linz  mit  einer  Kuenringerin  hatten  sie  auch  der 
Stiftung  dieses  Hauses,  dem  Kloster  Zwettl,  mehrfach  ihr  Wohl- 
wollen geschenkt.  Als  nun  Eberhard  V.  in  diesen  Jahren  daran 
ging,  ein  Kloster,  das  zweite  bereits,  das  sein  Haus  geschaffen, 
zu  gründen  und  dasselbe  auf  dem  Erbgute  seiner  ersten  Gattin 
zu  Sensenstein  an  der  Donau  errichtete,^  überwies  er  es  denn 
auch  den  Mönchen  von  Zwettl,  ^  nachdem  Verhandlungen  mit 
den  Augustiner-Eremiten  zu  keinem  Ergebnisse  geführt  hatten. 
Zwei  Jahre  hindurch  hatten  die  Zwettler  Mönche  Sensenstein 
inne,  das  1335'  auch  das  Pfarrpatronat  von  Guntersdorf  erhielt, 
welches  bisher  der  Stifter  innegehabt  hatte.  Wir  wissen  nicht, 
wodurch   sich   derselbe   veranlaßt   sah,   seine  Gründung   ihrem 


^  Mitte  Jani  ziehen  sie  durch  Augsburg;   ygl.  Zeitschr.  des  histor.  Vereins 

für  Schwaben  und  Neuburg  V,  17. 
»  Ann.  Zwetl.,  M.  G.  SS.  IX,  682. 
»  LB.  III,  r.  1087. 

*  Daß  er  Gründer  desselben  war  (1236!),  ist  unrichtig;  vgl.  AÖG.  LXIV, 
102.  Der  Grabstein  Eberhard  V.  von  1288  (I)  stammt  aus  dem  15.  Jahr- 
hundert; vgl.  die  Genealogie. 

^  Vgl.  Erdinger,  Gesch.  des  Klosters  Sensenstein;  Blätter  des  Vereines  fUr 
Landeskunde  von  Niederüsterreich  X,  28 — 31. 

•  Calend.  Zwetl.  M.  G.  SS.  IX,  690. 

'  Hanthaler,  Fast!  Capililienses  II,  13. 


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276 

Mutterkloster  wieder  zu  entziehen  und  sie  dem  oberösterreichi- 
schen Stifte  Wilhering  zu  überweisen,  wozu  Eberhard  V.  auch 
die  Genehmigung  des  Ordenskapitels  erhielt.  Am  19.  August  1336^ 
übergab  er  im  Beisein  seiner  ganzen  Familie  dem  Abte  Her- 
mann von  Wilhering  Sensenstein   samt  80  Äf /Ä  Gülten  daselbst 

Eine  ganze  Reihe  von  Taidingen  sah  Eberhard  V.  Ton 
Walsee-Linz  seines  Amtes  als  Hauptmann  ob  der  Ens^  während 
dieser  Friedensjahre  walten,  in  denen  sich  OsteiTeich  unter 
Herzog  Albrechts  H.  weiser  Regierung  wirtschaftlich  allenthal- 
ben kräftigte.  Eberhards  V.  Haus,  das  nun  hier  allein  heimisch 
war,  trat  immer  mehr  ein  in  den  Kreis  der  Beziehungen  und 
Interessen  seiner  Standesgenossen  im  Lande,  wozu  die  neuen 
Verschwägerungen  mit  den  Grafen  von  Pemstein,  den  Losen- 
steinern,  Volkenstorfern,  Taufkirchen,  dann  jene  der  anderen 
walseeischen  Linien  nicht  wenig  beitrugen. 

Dagegen  unterhielt  das  Haus  Walsee  aus  begreiflichen 
Gründen  mit  den  Grafen  von  Schaunberg,  dem  vornehmsten 
Geschlechte  im  Lande  ob  der  Ens,  keine  näheren  Beziehungen. 
Wie  sollten  auch  die  gerade  in  den  Zeiten  Friedrichs  des 
Schönen  zu  Macht  gekommenen  Schaunberger,  die  stolz  auf 
die  emporgekommenen  Ministerialen  herabsahen,  deren  Freund- 
schaft gesucht  haben,  zumal  die  Walseer  gerade  ihnen  gegen- 
über die  Pläne  Herzog  Albrechts  zur  Ausführung  brachten,  die 
darauf  abzielten,  mehr  und  mehr  jede  Abrundung  des  zer- 
stückelten Schaunberger  Ländchens  zu  verhindern  und  schaun- 
bergische  Lehen  in  seine  Hand  zu  bringen.*  So  war  es  eben 
Eberhard  V.  von  Walsee-Linz,  der  den  Schaunbergem  die  Aus- 


»  UBoE.  VI,  215. 

'  Statt  Landrichter  ob  der  Ens  werden  seit  1330  die  Bezeichnangpen 
Pfleger  ob  der  Ens,  Landvogt,  Hauptmann  zu  Linz  (Analogie  zu  Graz!) 
und  —  seit  1337  ausschließlich  —  Hauptmann  ob  der  Ens  üblich;  nur 
der  Name  ändert  sich,  das  Amt  bleibt  mit  gleichen  Kompetenzen 
in  derselben  Hand.  Den  Hauptleuten  ob  der  Ens  unterstanden  als- 
bald eigene  Landrichter  ob  der  Ens.  Als  solche  werden  genannt:  1336 
Chunrat  von  Götzleinsdorf;  1344,  1349  Chunrad  der  (EQezlinger;  1348 
Hertneid  von  Haunsperg;  1360  Lienhart  der  Ecker;  1364  Hans  der 
Mftwrl;  1367  Ludwig  ob  dem  Steine;  1384—1392  Ludwig  der  Neundlinger; 
1396—1403  Walter  von  Seuseneck  —  zumeist  walseeische  Lehensleute. 
Sie  nehmen  dem  Hauptmanne  ob  der  Ens  die  weniger  bedeutenden 
richterlichen  Funktionen  ab. 

»  Vgl.  Strnadt,  Peuerbach  JBMFC.  XXVH,  391  flf. 


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277 

breitung  nach  Süden  über  das  Trattnachtal  wehrte;  der  Lehens- 
revers, den  Dietmar  der  Lerbüler  1331  April  4^  auf  ihn  aus- 
stellte, diente  diesem  Zwecke.  Auch  gegen  Norden  schlössen 
walseeische  Besitzungen  das  schaunbergische  Gebiet  immer  mehr 
ab.  Falkenstein,  an  der  Grenze  gegen  Passau  gelegen,  war 
£berhard  V.,  zugleich  Wachsenberg  und  Ottensheim  den  Wal- 
seern  zu  Ens  von  den  Habsburgern  seit  1331  verpfändet.  Auch 
das  Eigen  Freudenstein,  das  Eberhard  V.  von  den  Pruschenken, 
schaunbergischen  Lehensleuten,  1333  nach  längeren  Verhand- 
lungen erkauft  hatte,  behauptete  er  gegen  die  Ansprüche  des 
Grafen  Heinrich  von  Schaunberg.  Als  sich  derselbe  weigerte, 
in  der  Landschranne  zu  erscheinen,  fühlte  Eberhard  im  Taiding 
zu  Perg  (1340  November  25')  ein  abweisendes  Urteil  gegen 
ihn.  Zum  oflFenen  Ausbruch  sollte  der  Kampf  mit  den  Schaun- 
bergern  um  die  Anerkennung  der  habsburgischen  Landeshoheit 
indes  erst  in  späteren  Jahrzehnten  kommen. 

Wichtiger  und  gefahrdrohender  waren  für  die  Walseer  zu 
Linz  und  Ens  vorläufig  die  fortwährenden  Streitigkeiten  mit 
dem  Adel  Südböhmens,  die  volle  zehn  Jahre  hindurch  selten 
zur  Ruhe  kamen  und  mehrmals  bedenklichen  Umfang  annahmen. 

Bereits  1335  hatten  Grenzstreitigkeiten  der  Brüder  Rein- 
precht  I.  und  Friedrich  II.  von  Walsee-Ens  als  Pfandinhaber 
der  Steiermark  mit  dem  Besitzer  des  Amtes  Weitersfelden,' 
Jans  von  Kapellen,  dem  Gatten  Kunigundens  von  Walsee,  um 
die  Wälder  bei  Freistadt  stattgefunden  und  eines  Schiedsspruches 
Eberhards  V.  von  Walsee-Linz  geharrt,*  bis  schließlich  der  Herzog 
selbst  die  Sache  1341*  beilegte.  Die  gleichen  Ursachen,  der 
Mangel  an  sicheren  Grenzen  gegen  Böhmen  hin  führten  1345^ 
zu  einer  Fehde  derselben  Waldseer  mit  den  Herren  von  Rosen- 
berg und  rasch  schloß  sich  beiderseits  der  benachbarte  Adel 
den  Kämpfenden  an.  Angesichts  dieser  Sachlage  wandte  sich 
Herzog  Albrecht  H.  an  den  Markgrafen  Karl  von  Mähren,  der 
die  Angelegenheit  binnen  kurzem  einer  friedlichen  Lösung  zu- 
führte.  Am  22.  Juni  1346^  erklärte  Peter  von  Rosenberg  seine 


»  UBoE.  VI,  6.  •  UBoE.  VI,  356.  »  Östlich  von  Freistadt. 

*  Urk.  1386  Juli  16;  UBoE.  VI,  173. 

»  Urk.  1341  Oktober  29;  LB.  III,  r.  1292. 

*  Johann  ▼.  Viktring.   Böhmer,  Fontes  Rerum  Germanicarum  I,  449,  aber 
zum  Jahre  1343;  Contin.  Zwetl.  M.  Q.  SS.  IX,  691. 

'  NB.  IV,  129. 


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278 

Fehde  mit  den  beiden  Walseern  fUr  beendet  und  verpflichtete 
sich,  dem  Schiedssprüche  Ulrichs  11.  von  Walsee-Graz  und  Ber- 
tholds  von  der  Leippe  einzuhalten,  bei  100  Mark  Silber  Strsle 
an  die  Brüder  von  Walsee. 

Wenn  in  den  nächsten  drei  Jahren  auf  diesem  Boden 
Ruhe  herrschte,  so  liegt  die  Ursache  hievon  in  den  politischen 
Verhältnissen.  Markgraf  Karl  von  Mähren  war  mittlerweile 
von  der  päpstlichen  Partei  zum  Gegenkönig  Ludwig  des  Baiern 
gewählt  worden  und  trachtete  nach  dessen  plötzlichem  Tode 
nun  insbesondere  Herzog  Albrecht  von  Osterreich  zu  gewinnen; 
deshalb  war  er  ohne  Zweifel  bemüht,  hier  Ordnung  zu  schaffen. 
Auch  gegen  die  einflußreichen  Walseer,  wie  Eberhard  V.  von 
Walsee-Linz  oder  Ulrich  ü.  von  Walsee-Graz  war  man  in  jenen 
Tagen  zuvorkommend  und  suchte  von  Passau  wie  von  Avignon 
aus  in  diesem  Sinne  zu  wirken.^ 

Als  aber  sowohl  der  Herzog  als  K.  Karl  IV.  im  Sommer 
1351  ferne  von  ihren  Landen  weilten,  brach  an  den  Grenzen 
Österreichs  gegen  Böhmen  und  Mähren  eine  noch  heftigere 
Fehde  aus.*  Gegen  die  Raubzüge  Heinrichs  von  Neuhaus, 
Johanns  II.  von  Michelsberg  und  der  Brüder  Stephan  und  Peter 
von  Sternberg,  denen  sich  trotz  seiner  Verschwägerung  mit  den 
Walseern  zu  Ens  auch  Jost  von  Sternberg  anschloß,  setzte  sich 
vor  allem  der  Hauptmann  ob  der  Ens,  Eberhard  V.  zur  Wehr; 
seine  Verschwägerung  mit  denen  von  Neuhaus  hatte  im  Vor- 
jahre durch  den  Tod  Annas,  der  Gattin  Eberhards  VII., '  seines 
Erstgeborenen,  ihre  Bedeutung  verloren.  In  Niederösterreich 
rüsteten  sich  Heinrich  IH.  von  Walsee-Drosendorf  und  die  Seinen 
mit  ihrem  Bundesgenossen  Alber  von  Puchheim  zum  Wider- 
stände. Außerdem  ergriff  der  böhmische  Oberstburggraf  Wil- 
helm von  Landstein  ihre  Partei,  dessen  Gattin,  eine  Kuenringerin, 
mit  den  Walseern  verwandt  war. 

Mit  70  Helmen  zog  Heinrich  von  Neuhaus  ins  Feld  und 
drang  unter  großen  Verwüstungen  bis  gegen  Ottensheim  (bei 
Linz)  vor,  das  am  Bricciustage  (13.  November)  geplündert  und 


>  Vgl.  S.  286  und  Urk.  1387  August  26;  Riezler,  Vatik.  Akten  »ur  Gewh. 

Ludwigs  des  Baiern  I,  847. 
'  Vgl.  Klimesch,  Die  Herren  von  Michelsberg.  Mitt.  des  Vereines  für  Geseh. 

der  Deutschen  in  Böhmen  XXII,  339—342. 
'  Vgl.  die  Genealogie. 


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279 

niedergebrannt  wurde.  ^  Als  er  beutebeladen  den  Rückweg 
antrat,  brachte  ihm  Eberhard  IV.  von  Walsee-Linz  zwischen 
Hellmonsöd  und  Freistadt  eine  Schlappe  bei,  die  ihn  zu 
schleuniger  Flucht  zwang;  der  Sieger  ließ  die  Gefangenen  am 
Galgen  enden.  Die  Walseer  folgten  dem  Gegner  in  die  Nähe 
von  Frauen  berg  bei  Budweis  und  schlugen  ihn  dort,  trotzdem 
Peter  von  Sternberg  im  entscheidenden  Augenblicke  mit  einer 
Verstärkung  von  30  Helmen  eintraf,  mit  Hilfe  Wilhelms  von 
Landstein  entscheidend  am  16.  November  1351.'  Heinrich  von 
Neuhaus  und  Peter  von  Stemberg  wurden  gefangengenommen 
und  erst  gegen  hohes  Lösegeld  aus  ihrer  Haft  in  Wien  und 
Pottenstein  entlassen.  Nach  seiner  Heimkehr  suchte  sich  Hein- 
rich von  Neuhaus  an  seinen  Gegnern  zu  rächen.  Darüber  nahm 
die  Fehde  einen  solchen  Umfang  an,  daß  sich  viele  öster- 
reichische Adelige,  wie  Jans  von  Traun*,  ja  selbst  Graf  Ulrich 
von  Cilli*  dem  Kampfe  gegen  die  Böhmen  anschlössen  und  den 
befreundeten  Walseem  hilfreichen  Beistand  leisteten.  K.KarllV. 
selbst  zog  gegen  die  Unruhestifter  in  der  Fasten  1352  aus  und 
füllte  am  2.  Mai  dieses  Jahres**  einen  Schiedspruch,  der  die 
Fehde  beendigte.  Zwar  standen  sich  bald  darauf  abermals  die 
Rosenberger,  Jans  von  Michelsberg  und  die  Walseer  Heinrich 
von  Neuhaus  imd  Wilhelm  von  Landstein  gegenüber,  doch  ge- 
nügte K.  Karls  IV.  Rückkehr  aus  Deutschland,  um  zuerst  die 
letzteren,  sodann  Eberhard  V.  von  Walsee-Linz  und  Jost  von 
Rosenberg  am  10.  August  1352  auszusöhnen. 

Der  Verlust  seiner  beiden  bereits  erwachsenen  Söhne 
Eberhards  VII.  und  Heinrichs  V.,  welcher  in  diese  Jahre  fUllt,*^ 
traf  den  alternden  Vater  umso  härter,  als  Eberhard  V.  von  seiner 
zweiten  Gattin  Anna  von  Losenstein,  die  ihm  schon  1321  an- 
getraut war,  keinen  Erben  mehr  erwarten  konnte;  so  schien 
es,  als  sollte  mit  ihm  die  Linzer  Linie  erlöschen.  In  dieser 
traurigen  Voraussicht  ging  Eberhard  V.  damals  daran,  eine 
zweite   Klostergründung  ins  Werk   zu  setzen.     Er  räumte 


*  Vgl.  Wilheringer  Annalen,  Archiv  fQr  Qesch.  der  Diözese  Linz  II,  249. 
«  Ann.  nna  Calend.  Zwetl.  M.  G.  SS.  IX,  691—692." 

»  Vgl.  Primiaier,  P.  Suchenwirt,  XVI,  V.  62,  XVHI,  V.  371. 

*  Vgl.  Qubo,    Graf  Friedrich  II.  von  Cilli.    Cillier    Gymnasial-Programm 
1888,  S.  4. 

'  Lndewig,  Reliquiae  Manuscr.  IV,  279. 

*  Vgl.  die  Genealogie. 


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280 

dafür  das  erst  vor  kurzem  erkaufte  Schloß  Schlierbach  im 
Kremstale  ein,  behielt  aber  die  gleichnamige  Herrschaft  mit 
dem  Landgerichte  in  seiner  Hand.  Am  22.  Februar  1355^ 
übergaben  Eberhard  V.  und  sein  Ehegemahl  die  Stiftung,  ein 
neues  Denkmal  der  kirchlichen  Gesinnung  des  Hauses  Walsee, 
und  Zisterzienserinnen,  herbeigerufen  aus  der  schwäbischen 
Stammheimat,  dem  Erlöster  Baindt,'  zogen  in  dieselbe  ein.  Am 
folgenden  Tage  gab  auch  der  Diözesanbischof  Gottfried  von 
Passau  seine  Einwilligung  zur  Errichtung  des  Klosters,'  der 
LandesfUrst  nahm  es  in  seinen  Schutz  und  Schirm.  Eberhard  V. 
stattete  es  mit  200  H  ^  auf  gestiftetem  Gute  nördlich  der  Donau 
in  Niederösterreich  aus  und  wies  dafür  vorläufig  die  Einkünfte 
seiner  Herrschaft  Pemstein  an;  1357*  fügte  Eberhard  mit  Be- 
willigung seines  Herzogs  die  Hälfte  seines  Satzes  auf  Falken- 
sein und  100  tiJ^  auf  der  Maut  zu  Linz  hinzu.  Dazu  verleibte 
Bischof  Gottfried  von  Passau  1359**  die  Pfarrkirche  zu  Schlier- 
bach dem  Kloster  daselbst  auf  Ansuchen  Eberhards  ein,  der 
auch  wenige  Tage  vorher^  das  Kirchenpatronat  von  Wartberg 
im  Krerastale  für  das  von  Zwettl,  in  der  Herrschaft  Wachsen- 
berg gelegen,  zugunsten  seiner  Stiftung  eintauschte. 

Die  Mattseer  Chronik  berichtet  uns^  aus  dem  Stiftungs- 
jähre  von  Schlierbach  über  einen  sonst  unbekannten  Einfall 
Eberhards  V.  auf  salzburgisches  Gebiet,  der  vermutlich  mit 
jenen  Streitigkeiten  in  Zusammenhang  stand,  die  aus  dem  Er- 
löschen einer  Linie  des  salzburgischen  Ministerialengeschlechtes 
der  Tanne  entsprangen.  Mit  bedeutenden  Streitkräften  tiber- 
schritt Eberhard  V.  am  St.  Franziskustage  (Oktober  5)  1355  die 
Grenze,  verheerte  die  Umgebung  von  Straßwalchen  und  Neu- 
markt und  ftihrte  700  Stück  Vieh  und  300  Pferde  auf  dem 
Rückzuge  nach  Veckhelstorf  (Vöcklamarkt)  davon.  Der  salz- 
burgische Kastellan  zu  Mattsee,  Konrad  der  Chuechler,  der  sich 
keiner  Feindseligkeiten  versehen   hatte,   vermochte  ihm  keinen 


»  UBoE.  VII,  403. 

'  Vgl.  Stadien  und  Mitteilungen  «us  dem  Benediktiner-  and  Zi«tenienser- 
orden  XXIV,  377." 

•  Urkk.  1366  Febraar  23  and  April  29;  ÜBoE.  VH,  405  and  411. 
<  Urk.  1367  Juli  26;  UBoE.  VH,  619. 

»  Urk.  1369  September  10;  UBoE.  VII,  657. 

•  Urk.  1369  September  7;  UBoE.  VII,  656. 
'  FRA.  XLIX,  91. 


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281 

Widerstand  zu  leisten.  Die  Absicht  Dietrichs  des  Lerbüchler, 
eines  walseeischen  Lehensmannes^  der  die  Scharen  Eberhards  V. 
anführte,  das  benachbarte  reiche  Stift  Mattsee  heimzusuchen, 
fand  wohl  nicht  die  Billigung  Eberhards  und  so  blieb  das 
Kloster  verschont. 

Wenn  der  antihabsburgisch  gesinnte  Chronist  Mattseer  ein 
wenig  unparteiisches  Urteil  über  den  Stifter  von  Sensenstein  und 
Schlierbach  fUllt  und  ihn  der  Feindseligkeit  gegen  die  Passauer 
Kirche  anklagt,  so  bezieht  sich  dies  wohl  auf  die  vorüber- 
gehenden Streitigkeiten  um  Falkenstein  (1352 — 1354).^ 

Wenige  Wochen  darnach  weilte  Eberhard  V.  gleich  seinen 
Vettern  bei  Hofe,  als  Herzog  Albrecht  1355  November  25' 
seine  Hausordnung  veröffentlichte,  die  sie  im  Kreise  der  öster- 
reichischen und  steirischen  Landherren  beschworen.  Gerade 
die  Walseer  hatten  wie  nicht  leicht  ein  anderes  Geschlecht 
ihrer  Standesgenossen  ein  besonderes  Interesse  daran,  daß 
ihrem  Herrscherhause  Einheit  und  Einigkeit  gewahrt  blieben; 
wie  leicht  konnten  bei  ihren  über  die  ganzen  habsburgischen 
Länder  verbreiteten  Besitzungen  Streitigkeiten  und  Teilungen 
unter  den  Habsburgern  sie  einem  bedenklichen  Dilemma  zu- 
fUhren. 

Unter  Herzog  Albrechts  II.  Nachfolger,  dem  hochbegabten 
Rudolf  IV.  wußte  sich  Eberhard  V.  in  seinem  Amte  als  Haupt- 
mann ob  der  Ens  zu  behaupten;  er  weilte  häufig  am  Hofe  dieses 
prunkliebenden  Fürsten.  Den  großen  Plänen  desselben,  welchen 
die  gefälschten  Freiheitsbriefe  dienten,  kam  hinsichtlich  der 
Grafen  von  Schaunberg  im  Lande  ob  der  Ens  das  freundschaft- 
liche Verhältnis  zugute,  in  welchem  der  Herzog  zu  den  Grafen 
Heinrich  und  Ulrich  stand.  Den  Walseern,  die  in  Oberösterreich 
mit  denselben  in  einem  stillen  Wettstreite  um  Reichtum  und 
Ansehen  lagen,  mochte  es  eine  innerliche  Befriedigung  ge- 
währen, als  Eberhard  V.  mit  drei  Vettern  auf  dem  für  ihn  be- 
sonders als  Hauptmann  ob  der  Ens  wichtigen  Tage  von  Weitra 
1361  Juni  16*  zugegen  war,  an  dem  die  Unabhängigkeit  der 
Schaunberger  den  ersten  Stoß  erhielt. 

»  Vgl.  S.  286  und  287. 

•  Schwind-Dopsch,  Ausg.  Urk,  zur  Verfassangsgesch.  Österreichs  189 — 191. 

"  UBoE.  Vni,  27;  vgl.  Edlbacher,  Das  Verhältnis  der  Grafen  von  Schaun- 
berg zu  Herzog  Rudolf  IV.  und  Albrecht  Ol.  Zeitschr.  für  österreichische 
Gymnasien,  Jahrgang  1872. 


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282 

Daß  Eberhard  V.  Ende  136  P  sein  Amt  als  Hauptmann 
ob  der  Ens  verlor  und  Jans  von  Traun  an  seine  Stelle  trat, 
hat  nicht  viel  zu  besagen;  Herzog  Rudolf  IV.  liebte  häufig 
solche  Verschiebungen  selbst  in  den  höchsten  Ämtern.  Eber- 
hard V.  geleitete  sogar  den  Herzog  in  der  letzten  Woche  dieses 
Jahres  nach  Preßburg,  wo  am  Silvestertage  1361*  mit  den 
Königen  von  Ungarn  und  Polen  ein  gegen  den  Kaiser  gerich- 
teteff  BUndnis  abgeschlossen  wurde.  Eberhard  V.  erhielt  über- 
dies sein  Amt  zurück,  als  der  Herzog  im  Jänner  1363  nach 
Tirol  eilte,  um  nach  Herzog  Meinhards  Tode  dort  den  Witteis- 
bachern zuvorzukommen.  Während  nun  Herzog  Rudolf  den 
bairischen  Einfall  in  Tirol  abwehrte,  setzten  sich  an  der  Öster- 
reich isch-bairischen  Grenze  Erzbischof  Ortolf  von  Salzbui^, 
Eberhard  V.,*  der  das  wichtige  Neuburg  am  Inn  als  Pfand- 
schaft besaß,  und  Graf  Ulrich  von  Schaunberg  gegen  die  Baiem 
in  Bewegung,  erlitten  indes  bei  Otting  am  Inn  eine  verlustreiche 
Schlappe.  Eberhard  V.  gab  sodann  seinem  Herzog  das  Geleite 
nach  Brunn  und  wohnte  daselbst  der  1364  Februar  8*  durch 
den  Kaiser  erfolgten  Belehnung  mit  Tirol  bei,  welche  die  neue 
Erwerbung  sicherte.  Noch  war  indes  der  Kampf  um  dieselbe 
nicht  beendet.  Im  Sommer  dieses  Jahres  zog  Eberhard  I.  mit 
seinen  jugendlichen  Vettern,  den  Söhnen  Reinprechts  I.  von 
Walsee-Ens  und  Heinrichs  IH.  von  Walsee-Drosendorf  abermals 
mit  dem  Herzoge  von  Oberösterreich  aus  gegen  die  Witteis- 
bacher zu  Felde.  ^  Nach  kurzer  Belagerung  ergab  sich  Ried, 
worauf  alsbald  ein  weiterhin  mehrfach  verlängerter  WaflFenstill- 
stand  abgeschlossen  wurde.  Den  ganzen  Frühling  1365  hin- 
durch weilte  Eberhard  am  herzoghchen  Hofe  zu  Wien  und  war 
dort  Zeuge  der  rastlosen  Tätigkeit  seines  jugendlichen  Herr- 
schers, die  sich  insbesondere  in  der  Gründung  der  Universität 
und  jener  der  Dompropstei  St.  Stephan  kundtat.*  Er  sah  den 
Herzog  zum  letzten  Male,  als  dieser  im  Mai  1365  von  Wien 
nach   Mailand    eilte,    um    dort    Hilfe    gegen   Aquileja   und   die 


'  Vgl.  die  Genealogie. 

•  Ladewig,  Reliqu.  Mantucr.  IV,  294. 
»  ChroD.  SalUburg.  M.  G.  SS.  IX,  831. 

•  Stejerer,  Comment.  p.  bist.  Alberti  II.,  col.  880. 

»  Vgl.  Urk.  1364  August  26,  Senkenberg,  Sei.  Jurii  IV,  465  und  ürk.  1364 
August  28,  Hormayr,  Gesch.  Wiens  V,  A.  46. 

•  Urk.  1365  März  12  und  16;  Hormayr,  Gesch.  Wiens  V,  A.  66  und  98. 


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283 

Carraresen  zu  suchen;  am  27.  Juli  1365  machte  dort  ein  böses 
Fieber  dessen  Leben  jäh  ein  Ende. 

Für  den  Walseer  blieb  sein  Ableben  ohne  Folgen;  er  be- 
hielt sein  Amt  und  die  Herzoge  Albrecht  III.  und  Leopold  III. 
gaben  ihm  neue  Beweise  von  Huld  und  Vertrauen.  Als  sie 
nun  daran  gingen,  der  Freisinger  Kirche  die  Pfandschaften 
zurückzugeben,  welche  Herzog  Rudolf  auf  Freisinger  Gütern 
mehreren  vom  Adel  angewiesen  hatte,  teilte  sich  Eberhard  V. 
mit  fünf  anderen  1365  Oktober  28^  in  das  Amt  der  Schieds- 
leute, welche  den  Vergleich  über  die  dieser  Kirche  zugefügten 
Schäden  zuwege  brachten.  Dieselbe  Funktion  hatte  er  zwei 
Jahre  später  in  einer  nicht  minder  wichtigen  Frage,  als  der 
Aufstand  der  Passauer  Bürger  gegen  ihren  Bischof  mit  öster- 
reichischer Hilfe  unter  Jans  von  Traun  niedergeschlagen  wor- 
den war.  Der  Schiedsspruch  der  Herzoge,  1367  Dezember  18' 
zwischen  Bischof  und  Stadt  gefüllt,  betraute  Eberhard  in  Ge- 
meinschaft mit  dem  Grafen  Ulrich  von  Schaunberg  mit  der 
Schlichtung  mehrerer  Vergleichspunkte  an  Ort  und  Stelle. 

Der  Kampf,  in  welchen  die  Habsburger  1368  mit  den 
Venezianern  um  Triest  gerieten,  rief  auch  den  gealterten  Eber- 
hard V.  noch  einmal  ins  Feld.*  In  der  Folge  wurde  dieser 
Zug  nach  dem  Süden  für  sein  Haus  von  weittragender  Bedeu- 
tung durch  Beziehungen,  die  damals  mit  den  Tibeinern*  an- 
geknüpft wurden,  weitaus  dem  wichtigsten  Adelsgeschlechte  im 
Hinterlande  von  Triest  und  bis  an  den  Quamero  hinüber. 

Von  hier  mußte  Eberhard  V.  indes  alsbald  einem  anderen 
Kriegsschauplatze  zueilen,  um  seine  Kräfte  dem  ihm  als  Haupt- 
mann ob  der  Ens  näher  liegenden  Kampfe  gegen  Baiem  zu 
leihen,**  der  von  den  Habsburgem  1369  nach  Ablauf  des  WaflFen- 
stillstandes  erneuert  wurde.  In  dieser  Fehde  wurde  die  an 
Eberhard  verpfändete  Grenzfeste  Falkenstein  von  einem  ge- 
wissen Leutwin  üsel  überrumpelt;*  vergeblich  versuchte  Eber- 
hard sie  zurückzuerobern.  Usel  verpfändete  sie  dem  Grafen 
von  Hals,   von  diesem  ward  sie  durch  einen  Stubenberger  für 


>  PRA.  XXXVI,  342.  »  UBoE.  VIH,  361. 

»  Vgl.  Urk.  1369;  HHStA.  Kod.  Suppl.  408,  f.  8'. 

*  Über  dieselben  vgl.  Pichler,  II  castello  di  Duino,  Trient  1882. 
»  Vgl.  Urk.  1869  Juni  6;  UBoE.  VIH,  418. 

•  Ann.  MatseenB.,  M.  Q.  SS.  IX,  884;  vgl.  Strnadt,  Das  Land  im  Norden  der 
Donau,  AÖG.  XCIV,  214. 

▲rehiT.   XCY.Band.  U.  HilfU.  20 


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284 

die  Herzoge  zurückgelöst  und  so  kam  sie  vorläufig  Eberhard  V. 
aus  der  Hand.  Den  Abschluß  des  Kampfes  gegen  Baiem  bil- 
dete der  Schärdinger  Friede  von  Michaeli  1369/  der  Tirol 
endgiltig  den  Habsburgem  beließ.  Eberhard  V.,  der  bei  den 
Verhandlungen  desselben  noch  zugegen  war,  schloß  damit  seine 
Laufbahn^  auf  welcher  er  sich  durch  ein  halbes  Jahrhundert 
im  Dienste  der  Habsburger  bewährt  hatte;  der  70jährige  Greis 
bedurfte  der  Rast  flir  seinen  Lebensabend  —  sie  war  ihm  nur 
kurz  beschieden. 

Das  Erbe  seines  Vaters  hat  Eberhard  V.  als  dessen  ein- 
ziger Sohn  ungeschmälert  überkommen;  seine  Schwester  Kuni- 
gund  und  deren  Gatte  Jans  von  Kapellen  ließen  sich*  mit  ihren 
Erbansprüchen  gegen  eine  Summe  von  400  Äf'^  abfinden. 

Sein  ganzes  Leben  hindurch  hat  Eberhard  V.  den  er- 
erbten Besitzstand  durch  fortwährende  Ankäufe,  die  zuzeiten 
fast  über  seine  Kräfte  gingen,  vermehrt  und  dieses  Ergebnis 
zustande  gebracht,  obwohl  ihm  durch  die  allmähliche  Gesun- 
dung der  landesherrlichen  Finanzen  unter  Herzog  Albrecht  U. 
wieder  ein  gut  Teil  der  herzoglichen  Pfandschaften  durch  Ab- 
lösung entzogen  wurde.  Wie  unter  seinem  Vater  geht  auch 
die  Entwicklung  des  Besitzes  Eberhards  V.  lediglich  auf  dem 
Boden  Ober-  und  Niederösterreichs  vor  sich. 

Im  Lande  ob  der  Ens  schuf  sich  Eberhard  V.  besonders 
einen  bedeutenden  Güterbestand  im  Alm-  und  Kremstale  sowie, 
hier  weniger  geschlossen,  nördlich  der  Donau;  kleinere  Be- 
sitzungen im  Trattnachtale  waren  der  Schaunberger  wegen  von 
Wichtigkeit. 

Zuerst  hatte  Eberhard  1329*  von  Werner  und  Gottfried 
den  Polheimern  deren  Viertel  am  Schlosse  zu  Seisenburg*  um 
500ä(.ä  erkauft,  doch  kam  dieser  Anteil  alsbald  an  die  Volken- 
storfer  —  durch  die  Ehe  der  Tochter  Eberhards  V.,  Margret, 
mit  Alber  v.  Volkenstorf  —  und  durch  letzteren  an  den  Herzog.* 
Im  Jahre  1331  brachte  Eberhard  V.  sodann  zwei  Pfandschaften 
im  Kremstale  an  sich.  Von  demselben  Volkenstorfer  wurde 
ihm®  das  Haus  zu  Forchtenberg  um  250 ^.Ä  überlassen.    An- 


*  Qaellen  und  Erörterungen  z.  bair.  u.  deutsch.  Qesch.  VI,  499. 

*  Urk.  1328  Dezember  21;  NB.  I,  330. 

»  Urk.  1329  Februar  19;  ÜBoE.  V,  631. 

*  Westlich  von  Kirchdorf,  OberOsterreich. 

»  WSt.  587.  «  Urk.  1331  Mai  19;  UBoE.  VI,  20. 


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285 

dererseits  befand  sich  die  Feste  Rohr^  mit  20^^  Gülten 
unter  den  Sätzen,  die  auf  Eberhard  V.  durch  Verkauf  der 
schwäbischen  Stammgüter  von  den  Herzogen  für  sein  Teil  ver- 
schrieben wurden;  Rohr  war  1357*  von  Eberhard  V.  wieder 
gelöst.  1337  war  der  Walseer  trotz  der  Kriegsläufte  des 
Vorjahres  abermals  in  der  Lage,  einen  bedeutenden  Kauf  zu 
machen.  Er  erwarb  Februar  23*  das  wichtige  Schloß  Fern- 
st ein,  herzogliches  Lehen,  fUr  4500  ^/Ä  von  Lybaun  und 
Hertnid  den  Truchsen  und  überHeß  ihnen  bis  zur  Tilgung  dieser 
Summe  Schloß  Senftenberg  nebst  Zebing  als  Bürgschaft. 

Allerdings  überstiegen  diese  großen  Ankäufe  fast  Eber- 
hards V.Kräfte;  um  die  Mittel  hiefÜr  und  die  Mitgift*  seiner 
Tochter  Agnes,  die  sich  1343  mit  dem  Grafen  Johann  von 
Pemstein  vermählte,  aufzubringen,  war  er  in  diesen  Jahren  ge- 
zwungen, vorübergehend  kleine  Besitzungen  und  Gülten^  zu 
verpfänden  und  selbst  größere  Anleihen,  so  bei  seinem  Schwager 
Jans  dem  Alten  von  Kapellen,*  aufzunehmen.  Ein  Jahrzehent 
wirtschaftlicher  Sparsamkeit,  und  Eberhard  hatte  diese  Schwierig- 
keiten überwunden. 

Für  die  Lösung  von  Neuburg  am  Inn  erhielt  er  1363^ 
die  Herrschaft  Seisenburg  und  die  Vogtei  zu  Wels  ver- 
piUndet;  auf  diesen  Satz  schlug  ihm  Herzog  Albrecht  1369 
Juni  6®  weiters  eine  Schuld  von  2000  Äf^,  die  aus  dem  letzten 
Kriege  gegen  Baiem  stammte. 

Von  größerer  Bedeutung  aber  waren  die  bambergischen 
Lehen  im  Kremstale,  die  nun  an  Eberhard  und  damit  auf  ein 
Jahrhundert  an  sein*  Haus  kamen.  Die  Stellung  der  Walseer 
in  Osterreich,  insbesondere  als  Inhaber  der  höchsten  Amter, 
brachte  es  dabei  mit  sich,  daß  bei  allen  diesen  Besitzungen, 
die  sie  von  den  Bischöfen  von  Bamberg,  Regensburg,  Passau, 


*  Bei  Kremsmünster;  1331  Januar  7  (UBoE.  VI,  1)  erhielt  Eberhard  V.  für 
seinen  Anteil  ron  2250  H,  ^  daran  die  Herrschaften  Rohr  und  Falken- 
stein versetzt  und  200  ü  ^  auf  der  Maut  zu  Linz  angewiesen. 

•  Vgl.  Urk.  1357  November  11;  LB.  III  r.  1977.  »  UBoE.  VI,  229. 

*  Da  der  Graf  derselben  1343  November  15  (NB.  IV,  127)  1000  i^  ^ 
Morgengabe  verschreibt,  dürfte  ihr  Heiratsgut  eine  ähnliche  Summe  be- 
tragen haben. 

»  Vgl.  Urk.  1339  März  17,  UBoE.  VI,  291  und  Urk.  1344  Dezember  6, 
UBoE.  VI,  499. 

•  Urk.  1341  Juni  7;  NB.  IV,  107. 

'  Urk.  1362  April  6;  UBoE.  VHI,  73.  •  Ebenda  418. 

20» 


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286 

Freising  u.  a.  zu  Lehen  trugen,  immer  mehr  das  Moment  der 
habsburgischen  Landeshoheit  auf  Kosten  der  Lehensherren  zur 
Geltung  kam.  So  wirkten  die  Walseer  auch  nach  dieser  Seite 
an  der  territorialen  Ausgestaltung  der  österreichischen  Länder 
mit,  ein  Faktor,  der  nicht  zu  übersehen  ist  Zuerst  ging  das 
Schloß  Schlierbach  samt  dem  Landgerichte  (,auf  dem  Moos^ 
von  den  Kapellem  kaufweise  an  Eberhard  V.  über,  der  vom 
Bischof  Leopold  von  Bamberg  1353  Juli  25  ^  darüber  die  Be- 
lehnung erhielt.  Das  Landgericht  behielt  er  in  seiner  Hand, 
das  Schloß  dagegen  räumte  er  dem  von  ihm  1355  begründeten 
Zisterzienserinnenkloster  ein.  Dem  Stifter  von  Sensenstein  und 
Schlierbach  konnte  die  Gunst  der  Kirche  nicht  fehlen.  So 
übergab  ihm  Bischof  Friedrich  von  Bamberg  die  Vogtei  über 
den  Markt  Kirchdorf,  die  Hofmark  Windischgarsten  und 
das  Garstener  Tal,  worüber  Eberhard  seinen  Pflegrevers  1363 
Dezember  1  ausstellte.* 

Auch  mit  den  Passauer  Bischöfen  stand  Eberhard  auf 
bestem  Fuße,  ebenso  seine  Vettern  von  Walsee-Ens.  So  er- 
warb Eberhard  V.  von  Ruger  von  Starhemberg  1327*  die  Vogtei 
über  ein  Gut  des  Klosters  St.  Nikola  bei  Passau,  später  erhielt 
er  die  wichtige  Pflegschaft  auf  St.  Georgenberg*  und 
blieb  trotz  mancher  Weitungen  **  dem  Bischöfe  befreundet;  auch 
bei  den  Ereignissen  von  1367  lieh  er  demselben  seine  Dienste.* 
Diese  Beziehungen  entsprachen  zweifelsohne  den  Absichten  der 
Habsburger,  die  ja  bereits  seit  K.  Albrechts  I.  Zeiten  ihren 
Einfluß  in  diesem  Bistume  zu  mehren  trachteten. 

Ebenso  ließ  sich  Eberhard  V.  vom  Irfndesfürstlichen  Inter- 
esse bei  den  Besitzerwerbungen  im  Trattnachtale  leiten,  die  der 
Schaunberger  wegen  wichtig  waren,  da  sie  die  Absicht  der 
letzteren,^  zwischen  ihrem  Hauptbesitze  und  jenen  im  Atter- 
gaue  eine  Verbindung  herzustellen,  vereitelten.  Zuerst  brachte 
der   Walseer    Schloß    Gallspach    bei    Grieskirchen    an    sich; 


1  Als  Erblehen  für  Söhne  und  Töchter;  UBoE.  VII,  821. 

«  UBoE.  Vm,  169.  »  Urk.  1327  November  26;  UBoE.  V,  496. 

*  Vgl.  Urk.  1346  Oktober  1 ;  Regesta  Boica  VIII,  56. 

*  Vgl.  Urk.  1352  Juli  4,  1364  Januar  27,  Dezember  29;  Orig.  Reichsarchiv 
München;  vgl.  S.  281. 

*  Bischof  Albert  stammte  aus  dem  den  Walseern  von  Ens  verschwSgerten 
Geschlechte  derer  von  Winkel. 

'  Vgl.  S.  277. 


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287 

1343  ^  erhielt  er  die  Kapelle  daselbst  von  dem  Kapitel  St.  Ni- 
kola  bei  Passau  gegen  Entschädigung  abgetreten,  woraus  er 
Pfarrkirche  und  Pfarre  Gallspach  stiftete.  Schloß  Gallspach 
verkaufte  er  1354*  an  Heinrich  Geuman,  dessen  Geschlecht  nun 
durch  ein  Jahrhundert  Gallspach  als  Afterlehen  innehatte.  Von 
dem  Welser  Bürger  Chunrad  dem  Schreiber  erkaufte  Eberhard 
135P  um  330  «f^  das  Schloß  Trattenek  und  erhielt  1353* 
vom  Herzoge  die  Belehnung  darüber.  Dazu  kamen  Waldungen 
zu  Polheim,*  die  der  Walseer  in  letzterem  Jahre  nach  längeren 
Verhandlungen  erwarb,  und  Güter  zu  Kirchberg,*  von  Welser 
Bürgern  1358  erkauft. 

Bei  Eberhards  Gütern,  die  er  nördlich  der  Donau  besaß, 
machte  sich  dieselbe  habsburgische  Interessenpolitik  geltend. 
In  seine  sichere  Hut  gaben  die  Herzoge  anläßlich  des  Ankaufes 
der  walseeischen  Stammgüter  in  Schwaben  1331^  die  Herr- 
schaft Falkenstein  mit  32^^  Gülten  als  Pfandschaft  —  den 
äußersten  österreichischen  Vorposten  an  der  oberen  Donau, 
gegen  das  Hochstift  Passau,  die  bairischen  Herzoge  und  die 
Schaunberger  in  gleicher  Weise  ein  wichtiger  Stützpunkt.  Nach- 
dem hier  in  den  Jahren  1352 — 1354®  Grenzstreitigkeiten  mit 
dem  Bischöfe  von  Passau  vorgefallen  waren,  wurde  die  Herr- 
schaft 1359»  von  Erzherzog  Rudolf  IV.  eingelöst.  In  Eber- 
hards letzten  Lebensjahren  befand  sie  sich  nach  der  Episode 
von  1369  nochmals  auf  mehrere  Jahre  ^®  im  Besitze  der  Linzer 
Walseer.  Ein  unverkennbarer  Schachzug  gegen  die  Grafen 
von   Schaunberg  war   femer    die   Erwerbung    des    freieigenen 

»  Urk.  1343  August  19;  UBoE.  VI,  452. 

•  Strnadt,  Peuerbach,  IBMFC.  XXVII,  393. 

«  Urk.  1361  September  16;  UBoE.  VIII,  264;  Trattenek  südlich  von  Gries- 
kirohen. 

•  Urk.  1353  April  20;  Orig.  StAEferding. 

•  Nördlich  von  Gricskirchen ;  Urk.  1853  August  19;  UBoE.  VU,  326. 
«  Nördlich  von  Wels;  Urk.  1368  Februar  22;  UBoO.  VII,  556. 

'  Urk.  1831  Januar  7;  UBoE.  VI,  1;  vgl.  Strnadt,  Das  Land  im  Norden 
der  Donau,  AÖG.  XCIV,  132—133, 

•  Urk.  1352  Juni  1,  1354  Januar  26;  UBoE.  VII,  281,  345. 

•  Vgl.  UBoE.  VU,  681. 

^^  Gleich  Neuburg  a.  Inn  muß  sie  nach  der  Lösung  von  1359  abermals  an 
Eberhard  V.  verpfändet  oder  durch  diesen  von  dem  Stubenberger  abge- 
löst worden  sein,  da  sie  nach  Urk.  1879  April  1  (HHStA.  Kod.  Suppl. 
407,  f.  109')  wieder  durch  Heinrich  von  Zelking  um  5000  U.  ^  von  Jörg 
V.  Walsee-Linz  gelöst  wurden,  der  erst  wenige  Jahre  gevogt  war. 


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288 

Schlosses  Freudenstein  bei  Ottensheim;  das  Eberhard  1333^ 
von  Fridrich  und  Ulrich  den  Prueschinken  um  1000  </.Ä  er- 
kaufte und  gegen  den  Grafen  Heinrich  von  Schaunberg  be- 
hauptete. Auf  diesem  ehedem  prueschinkischen  Boden  erbaute 
Eberhard  V.  einen  neuen  Halt  gegen  die  Schaunberger.  Als 
dem  ältesten  des  Hauses  Walsee  erwies  ihm  Herzog  Rudolf 
1364  Oktober  30*  die  Gnade,  eine  neue  Feste  namens  Wal- 
see' auf  dem  Klausberge  oberhalb  der  Klausmühle  am  Pösen- 
bache  erbauen  zu  dürfen,  ,auf  daß  dieser  ehrwürdige  Name 
des  berühmten  Geschlechtes  erhalten  bleibe'-,  vor  Jahres- 
schluß* erwarb  der  Walseer  mehrere  um  die  neue  Burg  ge- 
legene Güter  hinzu.  Noch  heute,  nachdem  vor  mehr  als  vier 
Jahrhunderten  der  letzte  Walseer  zu  Grabe  getragen  wurde, 
erzählen  die  Trümmer  des  Schlosses  Ober- Walsee  von  längst- 
vergangenen Zeiten  und  schauen  trutzig  hernieder  auf  das 
sonnige  Aschacher  Becken.  Seinen  Besitz  in  der  Riedmark, 
an  den  sich  weiter  keine  Interessen  knüpften,  hat  Eberhard 
gänzlich  aufgegeben.  Er  trat  seinen  Anteil  an  der  Freistädter 
Pfandschaft  an  die  Vettern  von  Walsee-Ens  ab;^  an  Dietrich 
und  Wohunk  von  Harrach  verkaufte  er  1330  *  die  an  der  böh- 
mischen Grenze  gelegenen  Dörfer '  in  der  Stiftung,  EÜbenstein, 
Freudental  und  Schwarzenbach  um  820  Äf^  und  veräußerte 
1352®  auch  die  Herrschaft  Reichenstein*  in  der  Riedmark 
um  3600  Ä(.Ä  an  Ulrich  von  Kapellen.  Weitere  Einbußen  er- 
litt Eberhard  V.  durch  die  um  1357,  beziehungsweise  1359  und 
1362^®  erfolgte  Einlösung  seiner  Pfandschaften  Rohr,  Falken- 
stein und  Neuburg  am  Inn;  flir  letzteres  erhielt  er  wenigstens 
Ersatz. 

Auf  dem  Boden  Niederösterreichs  blieb  es  zumeist  bei 
dem  Besitze,  den  Eberhard  V.  von  seinem  Vater  überkommen 
und  durch  seine  erste  Gattin  erheiratet  hatte.  Schloß  Aspers- 
hofen,"   das  er  von  Ludwig  von  Zelking  1326"  um  700^^ 

*  Urk.  1338  Mai  1,  UBoE.  VI,  91;  vgl.  S.  277. 

>  UBoE.  Vm,  194.  »  Jetzt  Ober-Walsee  bei  Landahaag. 

<  Urk.  1364  November  8;  UBoE.  Vm,  196. 

»  Zwischen  ca.  1330—1340.  «  Urk.  1330,  Februar  1;  UBoE.  Vffl,  664. 

'  Nördlich  von  Freistadt,  nicht  in  Niederösterreich. 

«  Urk.  1362  Juni  8;  UBoE.  VII,  286. 

•  Bei  Pregarten,  südlich  von  Freistadt. 

"  Vgl.  Urk.  1362  April  6;  UBoE.  VIU,  73. 

"  Bei  Sieghartskirchen,  VUWW.  "  Urk,  1326  April  30;  NB.  I,  83. 


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289 

erstanden  hatte,  war  schwerlich  lange  in  seinem  Besitze,  da  es 
in  der  Folge  außer  Sicht  gerät.  Zu  Neujahr  1332^  brachte  Eber- 
hard von  Andre  dem  Sunnberger  um  1950  Mark  Silber  dessen 
freies  Eigen  Schloß  Allentsteig*  samt  dem  Landgerichte  an 
sich;  er  trat  es  1367^  an  Seitz  von  Kuenring  wieder  fiir  die 
Ansprüche  und  Forderungen  ab,  die  derselbe  von  Eberhards  V. 
Gerhabschaft  her  über  ihn  geltend  machte.  Für  geleistete 
Kriegsdienste  verp&ndete  ihm  der  Herzog  im  Jahre  1369*  den 
Markt  Wöllersdorf,  in  der  Nähe  von  Guntersdorf  gelegen, 
um  4000  Äf/Ä  und  schHeßlich  im  gleichen  Jahre  die  von  Fried- 
rich n.  von  Walsee -Ens  abgelöste  Feste  Freienstein*  mit 
verschiedenen  Gütern  zu  Neumarkt  a.  d.  Ips  und  Kornspach 
sowie  dem  Marchfutter  zu  Ips  und  Ardagger  fllr  eine  gleiche 
Schuld  von  20477,^^,  die  bereits  1370  mit  Erlaubnis  der 
Herzoge  durch  den  bekannten  Hofmeister  Hans  v.  Liechten- 
stein-Nikolsburg  zurückgelöst  wurde.  Durch  die  allzu  großen 
Darlehen  geriet  Eberhard  in  jenen  Jahren  selbst  beinahe  in 
Geldverlegenheiten,  so  daß  er  z,  B.  1367^  genötigt  war,  seinem 
Burggrafen  auf  Senftenberg  Ekhard  von  Seldenhofen  den  Sitz 
zu  Draß  bei  Senftenberg  zu  verpftlnden. 

Lassen  wir  an  uns  nun  auch  Eberhards  V.  Familienleben ' 
vorüberziehen,  das  sich  so  wechselvoll  gestaltete.  Wohl  durch 
die  Beziehungen  seiner  Mutter,  der  Kuenringerin  Maria,  war 
1304  die  erste  Heirat  des  eben  gevogten  Eberhard  V.  mit  Elsbet 
von  Gutrat  zustande  gekommen,  deren  Erbe  ihm  auch  ver- 
blieb, als  Elsbet  bald  nach  1314  hinwegstarb,  ohne  daß  dieser 
ersten  Ehe  Kinder  entsprossen  wären.  Noch  vor  dem  Tode 
seines  Vaters  schloß  Eberhard  V.,  spätestens  1321,  mit  Anna 
aus  dem  angesehenen  Ministerialengeschlechte  der  Losensteiner 
einen  zweiten  Ehebund,  welchem  zwei  Söhne  und  eine  Tochter 
entsprangen. 

In  jenen  Jahren  aber  verheirateten  sich  auch  noch  zwei 
Schwestern  Eberhards  V.,  Margret,  die  seit  1329  als  Gattin 
Albers  von  Volkenstorf,  und  Dorothea,  welche  etwa  von  1330 
an   als  Reinprechts  H.  von  Ebersdorf  Hausfrau  genannt  wird. 


»  UBoE.  VI,  42.            »  Nordöstlich  von  Zwettl. 

»  Urk.  1367  Mai  4;  UBoE.  Vin,  318.  *  HHStA.  Kod.  Suppl.  407,  f.  8'. 

*  An  der  Donau,  südöstlich  von  Grein.  •  Urk.  1367  Juni  7;  NB.  IV,  388. 
'  Vgl.  die  Genealogie. 


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290 

Seit  1335,  beziehungsweise  1336  treten  Eberhards  V.  beide 
Söhne  Eberhard  VII.  und  Heinrich  V.  bereits  als  gevogt  auf; 
seine  Tochter  Agnes  wurde  1343  dem  Gh'afen  Johann  von  Pem- 
stein  angetraut,  dessen  angesehene  FamiUe  an  der  ungarischen 
Grenze  reich  begütert  war.  Etwa  1335  erscheint  auch  Eber- 
hard Vn.  mit  Anna  von  Neuhaus  bereits  vermählt/  die  um 
1350  mit  Tod  abging.  Dem  mehr  als  50jährigen  Eberhard  V. 
war  es  aber  beschieden,  die  beiden  Söhne  zu  verlieren,  von 
welchen  Eberhard  VII.  nach  1351,  Heinrich  V.  seit  Ende  1352 
nicht  mehr  genannt  wird;  ein  schmerzlicher  Verlust,  der  den 
alternden  Vater  umso  härter  traf,  als  er  von  seiner  ihm  nun 
vor  mehr  als  30  Jahren  angetrauten  Gemahlin  keine  Nach- 
kommenschaft mehr  erhoffen  konnte.  So  schien  zuerst  der 
Mannsstamm  der  Linzer  Linie  des  Hauses  Walsee  zu  er- 
löschen. 

Aber  das  Schicksal  hatte  es  anders  bestimmt.  Bald  nach 
1355  starb  Anna  von  Losenstein,  der  erst  im  Vorjahre  ein  Erbe 
von  150  Ä^  ^  von  ihren  Großeltern  her  zugefallen  war.*  Elin 
dritter  Ehebund,  den  Eberhard  V.  dann  um  1360  noch  im 
Alter  von  70  Jahren  mit  einer  Pettauerin  einging,  brachte  ihm 
die  ersehnte  Nachkommenschaft:  einen  Sohn  Georg  und  zwei 
Töchter. 

So  sah  Eberhard  V.  wenigstens  seinen  Stamm  erhalten, 
als  er,  1371  April  21,  aus  dem  Leben  schied.  Seit  den  Tagen 
Friedrichs  des  Schönen  hatte  er  durch  ein  halbes  Jahrhundert 
dem  Hause  Habsburg  als  Hauptmann  ob  der  Ens  in  Ehren 
und  Treuen  bis  zu  seinem  Tode  gedient. 

Zwei  fromme  Stiftungen,  Sensenstein  und  Schlierbach, 
verdankten  ihm  ihre  Entstehung.  Von  diesen  wollte  anfangs 
Schlierbach  nicht  recht  gedeihen.  Doch  half  auf  seine  Bitten 
Abt  Bertold  von  Salmannsweiler  der  Not  der  Nonnen  ab,  als 
er  das  Kloster  1368^  visitierte,  und  Eberhard  selbst  gewährte 
seine  Unterstützung  und  verzichtete  zugunsten  desselben  auf 
die  Lehenschaft  vieler  Besitzungen.  Vor  seinem  Tode  bedachte 
er  es  noch  1371  Februar  2*  mit  zahlreichen  Gütern  und  Giebig- 
keiten  in  den  Pfarren  Wartberg  und  Kirchdorf  und  befreite 
es  auch  von  aller  fremden  Vogtei  und  Gerichtsbarkeit. 


1  Vgl.  die  Genealogie.  «  Urk.  1354  Märe  16;  FRA.  LI,  479. 

»  Urk.  1368  Februar  28  j  UBoE.  VUI,  365.  <  Ebenda  610. 


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291 

Seinen  Besitz  hatte  Eberhard  V.  stetig  gemehrt  und  wohl 
verwaltet.  Nun  waren  eben  durch  die  Darlehen,  die  der  Wal- 
seer  für  den  Baiernkrieg  von  1369  gewährt  hatte,  größere 
finanzielle  Operationen  nötig  geworden,  deren  Abwicklung  den 
Qerhaben  zufiel,  welche  der  junge  Georg  zunächst  erhielt. 

3.  Georg  a365— 1400). 

Mit  dem  Tode  Eberhards  V.  war  die  Bedeutung  der  Linie 
Walsee-Linz  für  die  Geschichte  des  Hauses  vorbei;  sie  ging 
an  die  Walseer  zu  Ens  über.  Mit  Persönlichkeiten  wie  Eber- 
hard IV.  und  V.  kann  Georg  von  Walsee-Linz  einen  Vergleich 
nicht  aushalten.  Beim  Tode  seines  Vaters  war  Georg  noch 
ungevogt  und  so  wurden  die  Vettern  Rudolf  I.,  Reinprecht  II. 
und  Friedrich  V.  von  Walsee-Ens  seine  Gerhaben,  die  dieses 
Amt  wenig  befriedigend  versahen.  Lag  darin  schon  ein  wirt- 
schaftlicher Nachteil,  so  war  der  Entgang  der  obderensischen 
Hauptmannschaft  es  in  mancherlei  Hinsicht  nicht  minder  — 
volle  80  Jahre  hindurch  hatten  Vater  und  Großvater  dieselbe 
innegehabt.  Bei  Georgs  Jugend  mußte  sie  natürlich  ^  in  andere 
Hände  kommen  und  so  erhielt  sie  Graf  Ulrich  von  Schaun- 
berg,  ein  treuer  und  verläßlicher  Freund  der  Habsburger,  der 
den  gealterten  Eberhard  V.  bereits  während  des  letzten  Feld- 
zuges gegen  die  Baiern  in  diesem  Amte  unterstützt  hatte. 

Auch  späterhin  hat  Georg  es  dazu  nicht  gebracht;  ohne 
bedeutsame  Ereignisse  floß  sein  Leben  dahin,  dem  Wirken  im 
Kreise  der  Seinen  gewidmet.  Von  seinen  beiden  Schwestern* 
wurde  Katharina  1374  die  Gattin  Albers  von  Puchheim,  wäh- 
rend sich  die  zweite  mit  Heinrich  III.  von  Liechtenstein-Nikols- 
burg  vermählte,  aber  nach  kurzer  Ehe  1378  bereits  verstor- 
ben war. 

Georg  erbte  den  gesamten  väterlichen  Besitz.  Seine  Schwe- 
ster Katharina  erhielt  1374^  eine  Heimsteuer  von  900Ä^/Ä,  Chri- 
stoph, der  Sohn  der  zweiten  Schwester  Georgs  von  Heinrich  III. 
von  Liechtenstein-Nikolsburg,  wurde  1378*  mit  1100  Äf^  ab- 
gefunden,  während  die  Söhne  der  Tochter  zweiter  Ehe  Eber- 


^  Georg  hatte  infolge  dessen  anch  nie  seinen  Wohnsitz  dauernd  in  Linz. 
«  Vgl.  die  Genealogie.  •  Urk.  1374  Mai  6;  NB.  IV,  634. 

«  Urk.  1378  März  21;  NB.  IV,  656. 


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292 

hards  V.,  Agnes,   die  Grafen  Ulrich   und  Peter  von  Pernstein, 
1377*   auf  jeden  Erbanspruch   zugunsten  Georgs   verzichteten. 

Aus  der  Gerhabschaft  entlassen,  ging  Georg  alsbald  gegen 
seine  Vettern  vor,  von  denen  er  sich  übervorteilt  fühlte.  Tat- 
sächlich scheinen  sie  sich  an  den  Geldgeschäften,  welche  die 
Ausstände  sowie  die  Legate  Eberhards  V.  nötig  machten,  be- 
reichert zu  haben,  denn  der  Schiedsspruch  1378  November  5' 
erkannte  Georgs  Klagen  als  begründet  an.  Von  der  bedeu- 
tenden, in  den  wenigen  Jahren  der  Vormundschaft  erwachsenen 
Schuldensumme  von  8650  Äf^  an  Juden,  blOö&  4ß  5ä  an 
Christen  ward  die  Hälfte  den  gewinnsüchtigen  Vormündern  zur 
Tilgung  überwiesen,  die  auch  von  den  2700  Äf/Ä,  welche  Georg 
seinen  Verwandten  an  Erbteil  auszuzahlen  hatte,  675  Äf /Ä  über- 
nehmen, überdies  alle  seit  Eberhards  V.  Tode  hereingebrachten 
Schuldbriefe  zurückstellen  mußten,  ebenso,  was  sie  an  fahren- 
der Habe  von  der  Pettauerin  (Eberhards  V.  Wittib)  zu  sich 
genommen. 

Auch  in  der  Folge  hat  sich  Georg  z.  B.  an  den  Kämpfen 
gegen  die  Grafen  von  Schaunberg  oder  an  der  Niederwerfung 
der  Kohrer  in  Oberösterreich  wenig  beteiligt.  Er  schaltete  auf 
seinen  Gütern  und  war  eifrig  bemüht,  die  auf  denselben  über- 
kommenen Schulden  abzutragen,  was  umso  leichter  gelang,  als 
ihm  1379  Neuburg  am  Inn  und  Falkenstein  um  4000  Ä^^ 
abgelöst  wurden.'  Zunächst  löste  Georg  die  Herrschaft  Allent- 
steig 1376*  um  1000  Äf^  wieder  ein;  doch  mußte  er  damals 
noch  zur  Aufbringung  dieser  Summe  verschiedene  kleine  Güter 
an  Chadolt  von  Wehingen  verpfonden.  Darüber  hinaus  brachte 
er  es  freilich  nur  zu  unbedeutenden  Erwerbungen,^  welche 
seine  niederösterreichischen  Besitzungen  abrunden  halfen. 

Der  Heirat  Georgs  mit  Margret,®  der  Tochter  des  Grafen 
Jörg  von  Curbaw  wird  noch  in  anderem  Zusammenhange  ge- 
dacht werden.     Er  widerlegte   1385  September  30'  die  Heim- 


»  Urk.  1377  M»rz  1;  Orig.  StAEferdiug.  «  NB.  I,  374. 

•  Vgl.  8.  287,  Anm.  u.  324. 

*  Urk.  1376  Juni  28;  NB.  IV,  549. 

»  So  1388  ein  Zehent  zu  Chelichdorf  (Urk.  1388  August  18;  NB.  VI,  699); 
Gülten  zu  Wulzeshofen  (Urk.  1388  September  24;  ebenda  600):  ein  Gut 
zu  Groß-Wulzesdorf  bei  Poisdorf  VUMB.  (Urk.  1390  April  10;  Orig. 
StLA.,  Nr.  3695. 

«  Vgl.  die  Genealogie.  »  NB.  IV,  694. 


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293 

Steuer  seiner  Gattin  von  llOOÄf /Ä  auf  der  Feste  Guntersdorf 
und  Gülten  daselbst  zu  Immendorf  ^  und  Schöngrabern  sowie 
dem  salzburgischen  Zehente  zu  Guntersdorf  und  versetzte  ihr 
1386»  filr  geliehene  3000  0^  seine  Herrschaft  Straneck.  Da 
Georg  1390«  flir  3000^^  dieselbe  gegen  Rückkauf  seinem 
Vetter  Friedrich  V.  von  Walsee-Ens  tiberließ,  der  sie  zu  seinem 
neuen  Besitze  Aspem  an  der  Zaya*  zu  erwerben  wünschte, 
gab  er  an  deren  Stelle  seiner  Gattin  noch  im  gleichen  Jahre  ^ 
die  Herrschaft  Pern stein  zum  Pfände.  Eben  diese  hat  aber 
Georg  samt  dem  Pernsteiner  Kapellenlehen^  dem  Hause  ,auf 
dem  Moos'  samt  dem  Landgerichte  dabei,  Bamberger  Lehen, 
den  Vogteien  über  das  Kloster  Schlierbach,  dem  Markt  und 
der  Kirche  zu  Kirchdorf  und  der  Pfarre  Wartberg  an  der 
Krems  1394  Juni  26*  an  den  einflußreichen  Hofmeister  Her- 
zog Albrechts  HI.,  Hans  von  Liechtenstein- Nikolsburg,  um 
7200  Äf/Ä  verkauft.  Dafür  verpfändete  Jörg  nun  im  gleichen 
Jahre '  seiner  Hausirau  den  Satz  auf  WöUersdorf  mit  herzog- 
licher Elrlaubnis. 

In  Niederösterreich  kam  Georg  in  den  Besitz  von  Drosen- 
dorf  (ob  als  Pfandschaft,  Pflege  oder  Lehen?),  das  der  dor- 
tigen Linie  der  Walseer  abgelöst  worden  und  bereits  1383  in 
anderen  Händen  gewesen  war.  Als  Georg  1393®  mit  den  öster- 
reichischen Hilfstruppen  nach  Mähren  zog,  um  dort  dem  Mark- 
grafen Jost  und  den  Rosenbergern  zu  Hilfe  zu  eilen,  deren 
Güter  König  Wenzel  verwüstete,  dürfte  er  bereits  im  Besitze 
von  Drosendorf  gewesen  sein.  Durch  die  Grenzfehden  mit 
dem  südmährischen  Adel  erlitt  Georg  in  den  nächsten  Jahren 
einen  solchen  Schaden,  daß  ihm  die  Herzoge  1396*  ft\r  seine 
Kosten  am  Schlosse  und  für  die  Schäden,  welche  die  Seinen 
im  Kriege  genommen,  500  Äf^  anwiesen. 

So  war  Georg  auf  seinen  Gütern  mit  wechselnden  Er- 
folgen tätig.  Daneben  ließ  er  es  sich  angelegen  sein,  die 
frommen  Stiftungen  seines  Vaters  in  Stand  zu   halten.     Er  er- 


»  Bei  Guntersdorf.  «  ürk.  1386  Oktober  8;  NB.  IV,  697. 

•  Urk.  1390  April  8;  ebenda  601.  *  Bei  Mistelbach,  VUMB. 
»  Urk.  1890  April  8;  NB.  IV,  602. 

•  Hagn,  Urk.-B.  von  KremsmOnster  346. 
'  Urk.  1394  Juli  26;  LB.  IV,  r.  2426. 

•  Vgl.  Urk.  1398  August  14;  Krones,  Urk.  r.  361. 
•'Urk.  1396  Februar  14;  HHStA.  Kod.  16,  f.  26'. 


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294 

neuerte  1394*  dessen  Stiftung  eines  Benefiziums  bei  der  Ka- 
pelle zu  Altpernstein  und  dotierte  dieselbe  mit  mehreren  in  den 
Pfarren  Kirchdorf  und  Wartberg  gelegenen  Gütern.  Dem  Kloster 
Sehlierbach  wies  er  im  gleichen  Jahre*  die  von  seinem  Vater 
gestifteten  jährlichen  64  Äf  /Ä  auf  Freudenstein  anstatt  auf  dem 
verkauften  Pernstein  an  und  widmete  demselben  neuerlich 
200  «f^  und  Uüf^  jährlicher  Gülten.  Diese  Stiftung  gestal- 
tete er  1395*  weiter  aus,  übergab  ihr  anstatt  der  von  seinem 
Vater  gestifteten  jährUchen  214äf/tS  Grundzinse  sowie  die  Pfarr- 
kirchen Wartberg  und  Kirchdorf  und  löste  andere  64  ff^  jähr- 
liche Grundzinse  filr  1280  Äf^  ab.  Auch  dem  niederöster- 
reichischen Stifte  Altenburg*  erwies  Georg  manche  Wohltat 

Georg  wird  im  Testamente  seines  Vetters  Ulrichs  IV.  von 
Walsee-Dr.  1400,  Jänner  28,  zum  letztenmal  am  Leben  er- 
wähnt.* Er  dürfte  noch  in  diesem  Jahre  oder  anfangs  1401 
gestorben  sein,  seine  Gattin  war  ihm  wohl  im  Tode  vorange- 
gangen. Da  ihm  aber  kurz  vorher  sein  einziges  Söhnlein  Eber- 
hard X.  hinweggestorben  war,  schloß  er  die  Reihe  der  Wal- 
seer  zu  Linz,  von  denen  er  es  am  wenigsten  zu  persönlicher 
Bedeutung  gebracht  hat. 

Der  Besitz  Georgs  lag  fast  ausschließlich  in  Ober-  und 
Niederösterreich.  Nach  dem  Aussterben  der  Grazer  Linie  der 
Walseer  hatten  auch  die  Walseer  zu  Linz  einen  Anteil  am 
Erbe  derselben  in  der  Steiermark,  und  zwar  scheint  hierzu  die 
Herrschaft  Schmirnberg  ausersehen  gewesen  zu  sein.  Die- 
selbe sollte^  aber,  gleich  anderen  Lehen  des  Klosters  St.  Paul, 
an  den  Herzog  Albrecht  III.  fallen;  sie  kam  dann  gegen  eine 
Entschädigung  von  2000  &^  fiir  Jörg  von  Walsee-Linz  an  die 
Grafen  von  Cilh.  "^  Der  sonstige  daran  sich  knüpfende  Verkehr 
an  kleinen  Gütern®  war  ohne  alle  Bedeutung, 


*  ürk.  1894  März  3;  Hagn,  Urk.-B.  von  Kremsmünster  340. 
«  Urk.  1394  Mai  8;  NB.  I,  379. 

'  Urk.  1396  Mai  1;  Kop.  Linzer  Mnsealarchiv. 

*  Vgl.  Urk.  1397  Dezember  16;  AÖG.  XXIV,  287. 

*  Vgl.  die  Genealogie. 

*  Vgl.  ürk.  1363  April  6;  AÖG.  XXXIX,  242. 
■^  WSt  584. 

^  1365  (Urk.  1365  Jannar  21;  Orig.  HHStA.)  Verleihung  eines  seckanischen 
Zebents  bei  Lentschacb;  1395  (Orig.  StLA.  Nr.  3844)  Ankauf  von  Glllten 
bei  Windisch-Landsberg. 


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295 

Fast  die  gesamten  Besitzungen  Jörgs  in  Ober-  und  Nieder- 
österreieh,  das  Lehen  Ober-Walsee,  Freudenstein,  ein  freies 
Eigen,  das  herzogliche  Lehen  Trattenek  sowie  das  an  die 
Geuman  verlehnte  Schloß  Gallspach,  die  Vogtei  im  nahen  Neu- 
markt,  sodann  die  Pfandschaft  Seusenburg  mit  der  Vogtei  zu 
Wels  —  sämtlich  im  Lande  ob  der  Ens  gelegen  —  Senftenberg 
mit  Zebing  und  Draß  —  Eigengut  —  sowie  das  Lehen  Gun- 
tersdorf und  eine  bedeutende  Anzahl  kleinerer  Güter  fielen  den 
drei  Brüdern  Rudolf  I.,  Reinprecht  II.  und  Friedrich  V.  aus  der 
jetzt  allein  noch  übrigen  Linie  Walsee-Ens  anheim,  zu  deren 
Gunsten  Heinrich  von  Puchheim  auf  sein  mütterliches  Erbteil 
als  Sohn  Katharinas,  der  Schwester  Jörgs  von  Walsee-Linz, 
1402^  verzichtete.  Sonstige  herzogliche  Lehen,  die  Jörg  inne- 
gehabt hatte,  wurden  vom  Herzoge  1401*  anderweitig  vergeben; 
in  fremde  Hände  kam  auch  Drosendorf,  welches  1403  Zacharias 
Haderer  pfandweise  innehatte.' 


rV.  Abschnitt. 

Die  Linie  Walsee-Ens   bis   zum  Schlüsse   des   14.  Jahr- 
hunderts. 

1.  Heinrich  L  a280— 1326). 

Eine  zweite  Linie  des  Hauses  Walsee  hat  Eberhards  HI. 
Zweitältester  Sohn,  Heinrich  I.,  gegründet.  Derselbe  war  be- 
reits 30  Jahre  im  Lande,  bevor  er  in  den  Besitz  von  Ens  kam, 
nach  welchem  seine  Linie  sich  benannte.  In  dieser  haben  es 
die  Herren  von  Walsee  zu  ihrer  größten  Bedeutung  gebracht 
und  mit  ihr  ist  auch  das  Haus  erloschen. 

Nach  seiner  Rückkehr  vom  Nürnberger  Reichstage  von 
1298,  bis  zu  welchem  wir  sein  Wirken  auf  österreichischem 
Boden  bereits  verfolgt  haben,  blieb  Heinrich  I.  zunächst  neben 


»  Vgl.  Urk.  1402  Oktober  26;  Orig.  StAEferding. 

«  Urk.  1401  Juli  31;  LB.  V,  r.  470. 

'  Nach  Urk.  1405  Dezember  1  (Blätter  des  Vereines  für  Landeskunde  von 

NiederOsterreich  XXXV,  140)  hatte  dieser  bereits  den  Satz  von  Jörg  dem 

Dressidler  gelöst 


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296 

seinem    Bnider    in   Oberösterreich,     wo    wir    ihn   Ende    1299' 
neben  demselben  auf  den  dortigen  Taidingen  treffen. 

Im  Winter  1300  zog  er  an  K.  Albrechts  Hof  nach 
Ulm  und  wohnte  daselbst  den  Staatsakten'  bei^  durch  welche 
Morgengabe  und  Sukzessionsrechte  fllr  die  Ehe  Herzog  Ru- 
dolfs III.,  des  ältesten  Sohnes  E.  Albrechts,  mit  Blanka,  Tochter 
K.  Philipps  IV.  von  Frankreich,  festgesetzt  wurden.  Von  dort 
kam  Heinrich  I.  abermals  nach  Oberösterreich  zurück  und 
wurde  nun  Landrichter  zu  Wachsenberg,'  welche  Herrschaft 
K.  Albrecht  erst  vor  wenigen  Jahren  dem  Grafen  von  Schaun- 
berg  wieder  abgenommen  hatte.*  Sodann  leistete  Heinrich 
gleich  seinen  Brüdern  dem  Könige  Heeresfolge  im  Feldzuge 
gegen  die  rheinischen  Kurfürsten,  von  welchem  er  im  BVühjahre 
1302  heimkehrte.  Im  Auftrage  seines  Herrn  begab  er  sich  im 
Sommer  1303  nach  Köln,  um  den  dortigen  Erzbischof  als  Bun- 
desgenossen gegen  K.  Wenzel  zu  gewinnen,  wie  wir  aus  seinem 
vor  diesem  Unternehmen  1303  August  15^  abgefaßten  letzten 
Willen  erfahren. 

Ende  April  1304^  fand  sich  Heinrich  auf  dem  starkbe- 
suchten Taidinge  wieder  ein,  das  Herzog  Rudolf  zu  Judenburg 
abhielt,  folgte  diesem  sodann  nach  Wien  und  war  beim  Ab- 
schluß des  Bündnisses  mit  K.  Karl  Robert  von  Ungarn  tätig,' 
ebenso  im  folgenden  Jahre  bei  den  Friedensverhandlungen  mit 
Herzog  Otto  von  Baiem.  Der  Feldzug  gegen  die  Luxembur- 
ger führte  ihn  1308  nach  Böhmen.  Nun  tritt  Heinrich  I.  flir 
einige  Jahre,  so  auch  beim  Aufstande  von  1309,  in  den  Hinter- 
grund. Wir  begegnen  ihm  wieder,  als  er  1313  Mai  4^  zu 
Klosterneuburg,  wo  sich  die  Stände  Österreichs  versammelt 
hatten,  die  Ehepakten  Herzog  Friedrichs  des  Schönen  gegen 
K.  Jakob  von  Aragonien  mitbeschwor.  Im  Sommer  1313'  zog 
er  an  der  Spitze  einer  glänzenden  Gesandtschaft  nach  Spanien 
und   warb   dort  um  K.  Jakobs  Tochter  Elisabeth.     Die  Braut 


»  UBoE.  IV,  303  ond  Monumenta  Boic*  IV,  160. 

*  Urkk.  1800  Februar  6;  Böhmer,  Reg.  Imp.,  n.  266. 
3  Vgl.  Urk.  1300  Febroar  3;  UBoE.  IV,  331. 

*  Vgl.  Strnadt,  Peuerbach,  JBMFC.  XXVU,  316  und  ebenda  XXVIH,  213. 
»  NB.  II,  374. 

*  Muchar,  Gesch.  der  Steiermark  VI,  160. 
»  Vgl.  8.  267  flf.  •  Vgl.  8.  269. 

*  Johann  v.  Viktring,  Böhmer,  Fontes  Rerum  Germ.  I,  378, 


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297 

ward  über  Südfrankreich  und  den  Oberrhein  heimwärts  ge- 
leitet; Herzog  Friedrich  eilte  dem  Zuge  bis  nach  Kärnten  ent- 
gegen. Mitte  Jänner  1314  weilte  Heinrich  in  Wien  bei  den 
Hochzeitsfestlichkeiten  des  Herzogpaares. 

Der  große  Kampf  der  Gegenkönige  Friedrichs  des  Schönen 
und  Ludwigs  von  Oberbaiem  rief  nun  auch  Heinrich  zu  den 
Waffen,  welcher  in  den  Jahren  1314  und  1315^  mit  seinem 
Herrn  ins  Reich  zog.  Später  ging  er  mit  seinem  älteren  Bru- 
der hohe  Bürgschaften  für  den  Habsburger  ein,  dessen  Finanzen 
völlig  erschöpft  waren.  Der  1322  unternommene  Feldzug  sollte 
den  Kampf  entscheiden.  Im  Sommer  drang  K.  Friedrichs  Heer 
bis  an  den  Inn  vorwärts,  um  dem  von  Westen  herbeieilenden 
Herzog  Leopold  die  Hand  zu  reichen.  Um  den  20.  September 
langten  die  Streitkräfte  K.  Friedrichs  in  der  Gegend  von  Mühl- 
dorf am  Inn  an.  Ihm  gegenüber  traf  K.  Ludwig  am*  24.  mit 
den  Seinen  ein.  Vergeblich  wartete  K.  Friedrich  auf  Herzog 
Leopolds  Ankunft  und  ließ  schließlich  vor  derselben  schlagen 
wider  den  wohlmeinenden  Rat  Heinrichs  I.  und  Ulrichs  I.  von 
Walsee  und  Dietrichs  von  Pillichdorf,  sich  noch  zu  gedulden. 
So  kam  es  September  28  zur  Schlacht.  *  K.  Friedrich  gliederte 
sein  Heer  in  vier  Abteilungen;  im  dritten  Heerhaufen  befestigten 
Heinrich  I.  und  Ulrich  I.  von  Walsee  das  Banner  der  Steier- 
märker,  denen  sich  die  Ungarn  und  Kumanen  anschlössen.  An- 
fangs war  K.  Friedrich  wohl  im  Vorteil,  aber  ein  unerwarteter 
Flankenangriff  des  Burggrafen  von  Nürnberg  entschied  den 
Ausgang  des  Tages.  K.  Friedrich  selbst  sowie  Herzog  Heinrich 
wurden  gefangen  und  ihr  Los  teilten  viele  von  Österreichs 
Adel,  darunter  auch  die  Walseer.'  Heinrich  I.  geriet  gleich 
seinem  Bruder  in  die  Hände  der  Feinde.  Sie  wurden  mit  dem 
gefangenen  Könige  zunächst  nach  Schloß  Domberg,  sodann 
nach  Ottingen  gebracht  und  kamen  schließlich  mit  Herzog 
Heinrich  nach  Prag  in  die  Gewalt  K.  Johanns  von  Böhmen, 
der  sie  in  strengem  Gewahrsam  hielt;  erst  im  Oktober  1323 
wurden  sie  daraus  entlassen. 


*  Vgl.  8.270  flf. 

*  Vgl.  Dobeneckor,  Mitt.  des  Inst,  für  öaterr.  Geschichtaforschung,  Erg.-Bd.  I, 
165  ff. 

*  Vgl.  Zeibig,  ,Der  strit  ze  Müldorf .  AÖG.  IX,  368  und  Cmogar,  Ann.  Ducat. 
Stir.  II,  436. 


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298 

Heinrichs  I.  Lebenswerk  war  damit  abgeschlossen;  die 
Haft  hatte  seine  Kräfte  erschöpft.  Er  war  nicht  mehr  imstande^ 
sich  weiter  am  Kampfe  gegen  den  Witteisbacher  zu  beteiligen^ 
dessen  Sache  Herzog  Leopold^  der  unermtLdliche  Streiter  Habs- 
burgS;  diplomatisch  wie  strategisch  bedeutenden  Abbruch  tat 
Der  Herzog  schloß  die  alten  Getreuen  seines  Hauses  fest  an 
sich.  Zu  Brück  im  Aargau  gelobten  ihm  Heinrichs  L  Söhne 
Reinprecht  I.  und  Friedrich  H.  sowie  Ulrich  H.  von  Walsee  am 
Lichtmeßtage  1325^  mit  100  Helmen  zu  dienen  und  alle  ihre 
Burgen  in  Schwaben  offen  zu  halten.  Heinrich  I.  zog  in  diesem 
Jahre  nicht  mehr  ins  Feld  —  es  war  der  letzte  Sommer^  den 
er  erleben  sollte. 

Heinrich  I.  hat  seinen  Nachkommen  einen  schönen  Be- 
sitzstand hinterlassen,  der  sich  während  seines  Wirkens  in 
Osterreich  stetig  vermehrt  hatte. 

Im  Lande  ob  der  Ens  lagen  davon  nur  mehrere  bedeu- 
tende Pfandschaften,  Sätze,  die  ihm  die  Geldnot  der  Habsbur- 
ger zugespielt  hatte.  Die  Riedmark  mit  Freistadt  war  ihm 
1290,  wie  bereits*  erwähnt,  zuerst  mit  Eberhard  IV.  von  Wal- 
see-Linz gemeinsam  verpfändet,  ging  aber  später  durch 
Ablösung  an  ihn  allein  über.  Nach  dieser  ersten  Pfandschafl 
wurden  ihm  —  vor  1309  Juli  25*  —  Burghut,  Gericht  und 
Maut  zu  Ens  versetzt;  von  da  ab  versah  Heinrich  I.  die  Haupt- 
mannschaft zu  Ens,^  hielt  sich  häufig  in  dieser  Stadt  auf  und 
nannte  sich  und  die  Seinen  darnach.  Gleichfalls  von  Friedrich 
dem  Schönen  wurden  ihm  1314^  die  Mauten  zu  Gmunden  und 
Mauthausen  um  750  Ä(^  verpfändet  Außer  diesen  Pfand- 
schaften hatte  Heinrich  I.  im  Lande  ob  der  Ens  fast  keinen 
Besitz.  ® 

In  Niederösterreich  bildet  sich  rasch  ein  immer  mehr  ab- 
gerundeter Güterkomplex  zwischen  Donau,  Ens  und  Ips, 
dem  fortwährend  kleine  Güter  zugeführt  wurden;  diese  Güter- 
gruppe  reichte   bis   südlich   und  westlich  von  Melk.     Anderer 


»  LB.  in,  r.  671.  «  Vgl.  8.  269  und  288. 

•  Vgl.  UBoE.  V,  25  und  AÖG.  II,  626. 

^  In  der  Stadt;   mehrfach    mit  der  (LandeB)hanptmann8chaft  ob  der  Ens 

verwechselt,  mit  welcher  sie  nichts  zu  tun  hat. 
^  Urk.  1314  April  6;  AÖG.  H,  642. 

*  Der  Ankauf  einer  Hube   zu  Gumpolting,   Pfarre  Kirchberg   bei  Web, 
Urk.  1301  Mai  19  (ÜBoE.  IV,  376),  steht  vereinzelt  da. 


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299 

und  gleichfalls  nicht  unbedeutender  Besitz  lag  nördlich  der 
Donau,  hier  mehr  zerstreut. 

Bereits  1297  ^  war  Heinrich  I.  die  Klostervogtei  von  Erla- 
kloster*  übertragen,  wie  wir  aus  einem  Vergleiche  mit  seinem 
Bruder  Eberhard  IV.  erfahren.  Im  Jahre  1303*  erkaufte 
Heinrich  Gülten  herzoglicher  Lehenschaft  zu  Au,  Hebatendorf 
u.  a.,  um  BUndenmarkt  gelegen,  sodann  1303  April  24*  von 
Konrad  dem  Sumerauer,  K.  Albrechts  einstigem  Gegner,  den 
freieigenen  Burgstall  zu  Seuseneck  bei  Amstetten  imd  noch 
im  selben  Frühjahre*  die  Feste  Seuseneck  selbst  nebst  Höfen 
und  Gülten  zu  Alramstorf,  Amoldsdorf,  Hehenberg  und  einem 
Zehente  im  Vesnitztale  von  den  Paygern.  Es  steht  außer 
Frage,  daß  das  landesherrliche  Interesse  den  Übergang  dieser 
Güter  von  dem  antihabsburgisch  gesinnten  Sumerauer,  den 
Schenken  von  Dobra  (Sebarn),  den  Paygern  und  zumal  den 
Kuenringem  nicht  ungern  sah.  Dazu  versetzte  Herzog  Fried- 
rich dem  Wabeer  gleichzeitig  das  Gericht  zu  Strengberg^ 
um  800Äf/Ä.  Leutold  von  Kuenring  verkaufte  an  Heinrich  I. 
femer  1310  Februar  24'  die  Vogtei  zu  Eisdornach  bei  Amstetten, 
die  er  vom  Herzoge  zu  Lehen  trug,  um  ^0<t(^,  Kleinere 
Güterkäufe®  Heinrichs  I.  in  dieser  Gegend  wiederholten  sich 
weiterhin  fast  Jahr  fUr  Jahr. 

Da  ihm  außerdem  Ulrich  Schenk  von  Sebarn  (früher  von 
Dobra)  gegen  eine  Ablösung  von  760^^  das  obere  Gericht 
zu  Peilstein,*  herzogliche  Pfandschaft,  im  Jahre  1319^®  über- 
ließ und  wohl  auch  die  von  den  Pfannbergern  an  Eberhard  IV. 
von  Walsee-Linz  ^^  gekommenen  Lehen  an  Heinrich  I.  und  die 
Seinen  kamen,   so  war  damit   ein  Großteil  der  ehedem  Plaien- 


*  Urk.  1297  April  24;  UBoE.  IV,  269.  «  östlich  der  Ensmündung. 
'  Urk.  1303  Januar  24;  UBoE.  IV,  430.  *  UBoE.  IV,  437. 

»  Urkk.  1303  März  27,  April  24,  Mai  1;  UBoE.  IV,  436  ff. 
«  Östlich  von  Ens;  AÖG.  II,  526.  '  UBoE.  V,  27. 

*  Ein  freieigener  Hof  zu  Salveterre  1306  Dezember  19  (UBoE.  IV,  496); 
ein  halber  Hof  dort  als  Pfandschaft,  1306  Dezember  6  (ebenda  612); 
ein  halber  freieigener  Hof  zu  Chelbersberg  (ebenda  606);  ein  Gut  zu 
Öd  1311  (Inventar,  f.84);  ein  Gut  zu  Praunsbach  1312  (WSt.  590);  Güter 
zu  Prasdorf  und  Medling  1322,  Januar  6  und  20  (UBoE.  V,  307). 

*  Pfarre  St.  Leonhard  im  Forst,  südlich  von  Melk. 

*°  Urk.  1319  April  6;  Hoheneck,  Genealogie  HI,  817. 
'*  Vgl.  S.  272;  sie  sind  nicht  weiter  im  Besitze  der  Walseer  zu  Linz  nach- 
weisbar. 
ArehiT.  XCY.  Band.  II.  Hälfte.  21 


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300 

Peilsteinischen  Besitzungen  im  Viertel  ob  dem  Wienerwalde 
in  walseeischen  Händen. 

Nördlich  von  Krems  und  in  der  Wachau  hatte  Heinrich  L 
gleichfalls  ganz  ansehnlichen  Besitz.  Von  Dietmar  von  Loben- 
stein  verkaufte  er  1300  April  24^  die  eine  Hälfte  des  Schlosses 
Hartenstein,  freies  Eigen,  am  Znsammenflusse  der  Großen  und 
Kleinen  Krems  gelegen,  und  erwarb  auch  die  restliche  Hälfte 
von  dessen  Bruder  Alber  hinzu.  Aus  Heinrichs  Testament 
1303  August  15*  erfahren  wir  femer  von  Gülten  zu  Mühlbach, 
welche  Feste  gleichfalls  dem  Walseer  gehörte,  Ekendorf,  Wei- 
kersdorf  usw.,  sämtlich  bei  Meissau  gelegen,  dann  von  Berg- 
rechten (Weingärten)  zu  (KJo8ter-)Neuburg,  Nußdorf  und  Krot- 
tendorf.  Einen  Teil  dieser  Besitzungen  wird  ihm  wobi  seine 
Gattin,  die  Starhembergerin  Elsbet,  zugebracht  haben,  von  deren 
Angehörigen  er  1301*  auch  einen  Weingarten  in  der  Wachau 
angekauft  hatte. 

Noch  weiter  gegen  Norden  soll  ihm  an  der  mährischen 
Grenze  die  Feste  Kolmans  bereits  1293  zugestanden  haben.  ^ 
In  der  Nähe  davon  erwarb  er  1300^  an  Bügengut  von  der 
Gräfin  Hedwig  von  Schaunberg  die  Dörfer  Japons,  Ludweis, 
(Klein) Ulreichsschlag  und  Seebs  im  Drosendorfer  Gerichte 
und  die  Mannschaft  zu  Prosmareut.^  Diese  Besitzungen  wur- 
den 1314'  durch  den  Ankauf  zahlreicher  Lehen  zu  Gezweins 
und  Barperg  bei  Waidhofen  an  der  Thaya  vergrößert. 

Diesen  großen  Besitz,  von  welchem  K.  Friedrich  die 
Schlösser  Kolmans  und  Hartenstein  1319  zu  Weiberlehen 
machte,®  erbten  Heinrichs  I.  drei  Söhne,  Heinrich  H.,  Rein- 
precht  I.  und  Friedrich  H.  —  alle  drei  bereits  1318  gevogt  — 
die  er  neben  zwei  Töchtern  hinterließ.  • 

Heinrich  I.  von  Walsee -Ens  schloß  1326  März  1  sein 
tatenreiches  Leben,  wenige  Tage  nach  ihm  auch  seine  Gattin. 
In  der  Enser  Stadtpfarrkirche,  an  welcher  sie  eine  eigene 
Kapelle  gestiftet  hatten,    sind   ihre   Grabsteine   noch   erhalten. 


»  UBoE.  IV,  838.  •  Vgl.  S.  296.  »  UBoE.  IV,  390. 

*  Vgl.  Schweickhardt  v.  Sickingen,  VOMB.  IV,  62. 
»  Urk.  1300  September  25;  UBoE.  IV,  860. 

'  Ist  abgekommen,  lag  bei  Zettlitz,  Pfarre  Raabs. 
'  Urk.  1314  Januar  17;  NB.  IV,  81. 
»  Vgl.  Schweickhardt,  a.  a.  O.,  8.  68. 

•  Vgl.  die  Genealogie. 


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301 

Die   Minderbiiider  zu  Ens^    verloren   an   ihnen   ihre  größten 
Gönner. 

2.  Heinriohg  I.  Söhne  Heinrich  IL  (11334),  Beinprecht  I.  (11360/61) 
und  Friedrich  II.  (f  1355). 

Heinrichs  I.  Söhne,  die  sich  binnen  wenigen  Monaten  ver- 
waist sahen,  traten  nun  das  Erbe  ihrer  Eltern  an;  als  der 
älteste  überkam  Heinrich  H.  die  Hauptmannschaft  zu  Ens,*  der 
Besitz  blieb  gemeinsam  verwaltet.  Sie  zogen  im  folgenden 
Jahre  gegen  die  Ungarn  ins  Feld  und  waren  1328  Septem- 
ber 21  zu  Brück  a.  d.  Leitha  zugegen,'  als  daselbst  der  Friede 
mit  K.  Karl  von  Ungarn  abgeschlossen  wurde. 

Von  den  drei  Brüdern  starb  Heinrich  II.,*  der  1330  be- 
reits mit  Alheid,  einer  Tochter  Bertolds  von  Aichheim  —  aus 
niederbairischem  Qeschlechte  —  vermählt  war,  schon  1334  Juli  26 
hinweg,  ohne  Nachkommen  zu  hinterlassen.  1340  Juni  16^ 
traten  seine  Brüder  Reinprecht  I.  und  Friedrich  H.  die  Feste 
Mtihlbach  als  Pfandschaft  flir  Wittum  und  Heimsteuer  an  seine 
Witwe  ab,  die  sich  damals  bereits  wieder  mit  Rudolf  dem 
Jungen  von  Liechtenstein- Murau  vermählt  hatte. 

Nach  Heinrichs  II.  Tode  ging  die  Hauptmannschaft  zu 
Ens  an  Reinprecht  I.,  den  älteren  der  Brüder,  über;  ihre  Güter 
blieben  auch  weiterhin  gemeinsam.  In  der  Folge  treten  die 
Brüder  nicht  bedeutend  hervor.  Ihrer  Streitigkeiten  als  In- 
haber der  Freistädter  Pfandschaft  insbesondere  gegen  Böhmen 
haben  wir  bereits  an  anderer  Stelle  gedacht;  an  der  großen 
Fehde  von  1351  dürften  indes  weder  Reinprecht  I.  noch  Fried- 
rich n.  teilgenommen  haben,  da  sich  eben  erst,  spätestens  im 
Frühlinge  1351,  Reinprechts  I.  älteste  Tochter  Agnes  *  mit  Jost 
von  Rosenberg  vermählt  hatte.  Andere  Mißhelligkeiten,  die 
sich  mit  dem  Abte  Wolfgang  I.  von  Göttweih  ergaben,  fanden 
1342®  durch  die  Entscheidung  des  Herzogs  ihr  Ende. 


*  Vgl.  ürk.  1843  Juli  7;  UBoE.  VI,  460.  Daß  sie  deren  1309  zum  ersten 
Male  genanntes  Kloster  gegründet,  ist  nicht  wahrscheinlich.  Vgl. 
JBMFC.  XXX,  48  flf.  und  AÖG.  LXIV,  103. 

'  Erst  seit  1334  nennt  sich  Reinprecht  I.  Hauptmann  zu  Ens;  vgl.  die 
Qenealogie. 

•  Vgl.  8.  274.  *  Vgl.  die  Genealogie.  »  UBoE.  VI,  336. 
«  Urk.  1342  Mai  30;  FRA.  LI,  397. 

21* 


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302 

Reinprecht  I.,^  der  die  Hauptmannschaft  zu  Ens  im  Jahre 
1345  infolge  der  Ablösung  dieser  Pfandsehaft  verloren  faatte^ 
schaltete  seit  1350  und  noch  1356  als  herzoglicher  Verweser 
zu  Krems.  Dann  findet  er  sich  1358  unter  den  Räten  Herzog 
Rudolfs  IV.,  ist  weiter  —  wohl  nebenher  —  1359  Pfleger  und 
Verweser  der  Güter  der  Burggrafen  von  Nürnberg  in  Oster- 
reich und  beschließt  1360/61  sein  Leben  als  Hauptmann  und 
Burggraf  der  Stadt  Steier  (seit  1359  daselbst). 

Sein  jüngerer  Bruder  Friedrich  IL  hat  kein  Amt  bekleidet. 
In  Gesellschaft  seiner  Vettern  von  Walsee-Graz  zog  er  1354 
mit  Herzog  Albrecht  und  K.  Karl  IV.  gegen  das  unbotmäßige 
Zürich  aus.  Zu  Brück  im  Aargau  (Oktober  31)  und  zu  Win- 
terthur  (November  11)  wurden  Friedrich  II.  und  sein  Vetter 
gleichen  Namens  (IH.)  von  Walsee-Graz  des  Herzogs  Bürgen 
für  bedeutende  Soldforderungen.*  Von  dieser  Heerfahrt  heim- 
gekehrt, schied  er^  bereits  um  die  Mitte  des  Jahres  1355  aus 
dem  Leben. 

Von  den  beiden  Töchtern  Heinrichs  I.  vermählte  sich 
Gueta  mit  Hertneid  von  Stadeck,  die  andere  mit  einem  Rauhen- 
steiner.^  Die  Erbansprüche  zweier  Enkel  Heinrichs  I.  aus 
diesen  Ehen,  Albers  des  Rauhensteiners  und  Leutolds  von 
Stadeck,  wurden  im  Spruche  von  1349  März  29'  anerkannt 
und  ihnen  Anteile  am  Heiratsgute  ihrer  Großmutter  Elsbet, 
Heinrichs  I.  von  Walsee-Ens  Gattin,  sowie  dem  Rauhensteiner 
die  Heimsteuer  seiner  Mutter  von  500  ^/Ä,  falls  sie  nicht  aus- 
bezahlt worden,  zugesprochen. 

Reinprecht  I.  war  zweimal  vermählt  gewesen.^  Um  1333 
hatte  er  seinen  Ehebund  mit  Elsbet,  der  reichen  Erbtochter  des 
Truchsessen  Christian  von  Lengenbach,  geschlossen,  der  durch 
Elsbets  Tod  um  1344  gelöst  wurde.  Die  beiden  Töchter  aus 
dieser  ersten  Ehe  vermählten  sich  noch  bei  Lebzeiten  ihres 
Vaters,  spätestens  1351,  Elsbet  mit  Konrad  von  Pottendorf,  die 
erst  1402  verstorbene  Agnes  mit  Jost  von  Rosenberg.  Von 
letzterer  stammt  das  noch  gegenwärtig  im  Stifte  Hohenfurt  in 
Südböhmen  aufbewahrte  prachtvolle  Antependium.  * 


*  Vgl.  die  Genealogie. 

«  LB.  m,  r.  1717,  1718. 

'  NB.  n,  815;  noch  nach  schwäbischem  Rechte! 

*  Mittcil.  d.  Zentral-Kommission,  XVI.  Bd.,  XXV— XXVII. 


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303 

Bereits  1350  hatte  Reinprecht  I.  ^  eine  zweite  Gattin  heim- 
geführt, eine  Starhembergerin,  gleichfalls  namens  Elsbet.  Diese 
wird  bis  1358  erwähnt  und  hat  ihren  Gatten  mindestens  nicht 
lange  überlebt.  Ihrer  Ehe  entsprossen  fünf  Kinder:  die  Söhne 
Rudolf  I.,  Reinprecht  11.  und  Friedrich  V.,  die  Töchter  Anna 
und  Dorothea. 

Friedrich  II.  hatte  spätestens  1346  Kunigund,  eine  Tochter 
Rudolfs  von  Liechtenstein-Murau,  zur  Gattin  genommen,  mit  wel- 
chem Hause  er  ja  auch  durch  die  Witwe  Heinrichs  II.  verschwä- 
gert war.  Sie  hat  ihren  Gatten  überlebt;  derselbe  hinterließ 
gleich  Reinprecht  I.  drei  Söhne  und  vier  Töchter:  Anna,  Agnes, 
Friedrich  VI.,  Wolfgang  III.,  Heinrich  VI.,  Elsbet  und  Ursula. 
Davon  heirateten  noch  vor  dem  Ableben  ihres  Vaters  Anna 
1345/6  Johann  II.  von  Kuenring-Seefeld,  Agnes  1351  Niklas  von 
Chiaw.  Mit  beiden  Häusern,  insbesondere  mit  dem  der  Kuen- 
ringer  waren   die  Walseer   durch  Wechselheiraten  verbunden. 

Die  Besitzentwicklung  der  Linie  geht  auch  weiterhin  auf 
ober-  und  niederösterreichischem  Boden  vor  sich  und  zeigt  ein 
stetes  Anwachsen  des  Güterbestandes. 

Im  Lande  ob  der  Ens  kam  nördlich  der  Donau,  wo  auch 
die  Walseer  zu  Linz  festen  Fuß  gefaßt  hatten,*  1331  die  große 
Pfandschaft  Wachsenberg'  mit  Ottensheim  durch  die  Her- 
zoge anläßUch  des  Verkaufes  der  schwäbischen  Stammgüter 
für  2916  Mark  Silber  an  die  Enser  Linie,  der  dadurch  wich- 
tige habsburgische  Interessen  im  Abteilande  anvertraut  wurden. 

Zwar  wurde  die  Donaufeste  Spielberg  (nördlich  von 
Ens)  1329*  durch  Herzog  Albrecht  an  Reinprecht  I.  für  seine 
Dienste  als  Leibgedinge  verliehen,  die  Pfandschaft  Ens  aber 
—  vor  1345  Oktober  2^  —  durch  Herzog  Albrecht  H.  von 
Reinprecht  I.  und  Friedrich  II.  mit  Hilfe  der  Bürger  dieser 
Stadt  eingelöst.  Doch  blieben  in  und  um  Ens  noch  zahlreiche 
walseeische  Liegenschaften  und  Güter,  zumeist  an  Enser  Bürger 
verlehnt,  deren  Abgaben  Gegenstand  langwieriger  Streitigkeiten 
zwischen  den  Walseem  und  den  Bürgern  waren.  Unter  diesen 
Besitzungen  befanden  sich  auch  Eigen  und  Lehen  zwischen 
Ens  und  Traun,  welche  die  Enser  Walseer  1339 «  von  Dietrich 
dem  Alteren  von  Weißenperg  erkauft  hatten. 

»  Vgl.  die  Genealogie.  «  Vgl.  S.  287. 

3  Urk.  1331  Februar  7;  UBoE.  VI,  1;  Wachsenberg  bei  St.  Veit. 

*  Hohenek,  Genealogie  HI,  817.         »  UBoE.  VI,  528.         •  Inventar,  f.  82'. 


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304 

Weitere  Ankäufe  brachten  Reinprecht  I.  und  Friedrich  ü. 
reichen  Besitz  im  Vorlande  des  Traunsees  und  im  Almtale.  Seit 
1333  ^  hatten  Reinprecht  I.  und  Friedrich  H.  auf  der  Herrschaft 
Ort  am  Traunsee  eine  Pfandsumme  von  600  Äf^  stehen.  Ihre 
bereits  1342*  durch  den  Ankauf  einer  Hube  zu  Straß,  bei 
Lankirchen  in  dieser  Herrschaft  gelegen,  bekundete  Absicht^ 
dieselbe  ganz  zu  erwerben,  wurde  bald  darauf  verwirklicht 
Sie  ging  als  Eigengut  mit  dem  Landgerichte  zur  Hälfte  1344 
April  24  •  von  Alber  und  Hertnid  von  Rauhenstein  an  die  bis- 
herigen Pfandinhaber  über,  welche  die  Kaufsumme  von  2250Äf^ 
in  mehreren  Beträgen  bis  1348*  erlegten  und  dem  neuen  Be- 
sitze auch  die  zweite  Hälfte  der  Herrschaft  von  denen  von 
Winkel^  sowie  kleinere  Ankäufe  von  Höfen  bei  Gmunden  und 
in  der  Viechtau*  hinzuftLgten.  Die  gleichzeitigen  Erwerbungen  im 
benachbarten  Almtale  stehen  damit  gewiß  in  engster  Verbindung. 
Dort  brachten  die  Brüder  Reinprecht  I.  und  Friedrich  II.  die 
bedeutende  Lehensherrschaft  Scharnstein  von  den  Polheimen 
1335^  gleichfalls  kaufweise  an  sich  und  vergrößerten  dieselbe 
1341®  durch  den  Kauf  mehrerer  Güter  in  den  Pfarren  Viech t- 
wang  und  Pettenbach  von  Konrad  von  Polheim,  sowie  des 
Zehents  zu  Viechtwang,  den  sie  1348*  von  Dietrich  dem 
Schenken  von  Dobra  um  110  Ä(^  erwarben.  Die  Mittel  zu 
diesen  beträchtlichen  Ankäufen  fanden  sich  einigermaßen  leich- 
ter, da  der  Gattin  Friedrichs  H.,  Kunigund,  1346  ^^  eine  Summe 
von  1200  Äf^  als  Erbteil  nach  ihrem  Vater,  Rudolf  dem  Alten 
von  Liechtenstein-Murau,  zugesprochen  wurde. 

In  Niederösterreich  ergab  sich  gleichfalls  ein  namhafter 
Güterzuwachs,  der  indes  zum  geringeren  Teile  beiden  Brüdern 
noch  gemeinsam  zugute  kam. 

Sie  hatten  ihren  großen  Besitz  auf  dem  Ipsfelde^^  bald 
nach  dem  Tode  ihres  Vaters  durch  die  Vogtei  über  Güter  des 


»  Urk.  1333  Juni  20;  UBoE.  VI,  97. 

«  Urk.  1312  MÄra  28;  ÜBoE.  VI,  406.  •  UBoE.  VI,  475. 

*  Urk.  1348  Juni  27;  FRA.  LI,  441.   1348  November  24;  UBoE.  VH,  82. 

»  Nach  Urk.  1360  Januar  26;  UBoE.  VH,  164. 

«  Urk.  1348  November  1;  UBoE.  VI,  558. 

'  Inventar  f.  7'.  «  Ebenda,  f.  60,  68',  69'. 

»  Urk.  1348  November  1;  UBoE.  VI,  668. 

1«  Urk.  1346,  März  22;  UBoE.  VI,  646. 

"  Vgl.  Urk.  1326  März  20;  FKA.  LI,  320. 


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305 

Stiftes  Göttweih  daselbst  sowie  1348^  durch  die  Vogtei  über 
die  bambergischen  Untertanen  in  der  Hofmark  Haag  abge- 
rundet und  auch  ihren  Besitzungen  nördlich  der  Donau  1326/7  * 
(passauische)  Lehen  zu  Eisneinsdorf  hinzugefügt.  Dagegen  ging 
die  Feste  Mühlbach  hier  1340  in  andere  Hände  über. 

Seit  der  Vermählung  Reinprechts  I.  mit  Elsbet,  der  Erb- 
tochter Christians  des  Truchsessen  von  Lengenbach  (Alt-Leng- 
bach), war  die  bisher  bestandene  Gütergemeinschaft  zwischen 
den  Brüdern  auf  die  Dauer  nicht  mehr  wohl  auft*echt  zu  er- 
halten,' und  so  teilten  dieselben  1350  Januar  25  vorerst  ihren 
Eigen-  und  Lehenbesitz;*  die  Pfandschaften  Wachsenberg  mit 
Ottensheim  sowie  Freistadt  mit  dem  Marchlande  bUeben  noch  ge- 
meinsam. An  Reinprecht  L  fielen  darnach  Schloß  Scharnstein 
mit  der  Fisch  weide  auf  der  Lautach,*  die  Feste  Seuseneck 
samt  Zugehör,  alles  Gut  zu  Ens  und  bei  Ens,  ein  ,Gütel  zwi- 
schen den  Wassern',  das  Gut  zu  Helfenberg  und  jenes  zu 
Übensee.  Friedrichs  IL  Teil  bestand  aus  der  Herrschaft  Ort, 
dem  von  den  Rorem  erworbenen  Zehente  zu  Laakirchen,  dem 
Hofe  zu  Straß,  einem  Gute  zu  Gasteig  und  den  beiden  Festen 
Sumerau  und  Hartenstein  mit  allem  Zugehör.  Am  29.  Juni 
1356^  schritt  man  auch  zur  Teilung  der  Freistädter  Pfand- 
schaft zwischen  Reinprecht  I.  und  den  Söhnen  Friedrichs  H., 
doch  wurde  dieselbe  binnen  kurzer  Frist  von  dem  bekannten 
Jans  von  Traun  abgelöst,^  nachdem  sie  seit  1290  in  den 
Händen  der  Walseer  gewesen  war.  1356  JuU  4®  ward  auch 
Wachsenberg  mit  Ottensheim  geteilt:  an  Reinprecht  L  fielen 
Wachsenberg  und  der  größte  Teil  seines  Urbars  mit  Ottens- 
heim, dessen  Feste  gemeinschaftlich  blieb.  Friedrichs  IL  Söhnen 
Friedrich  VI.,  Wolfgang  HL  und  Heinrich  VI.  wurde  der  Rest 
des  Wachsenberger  Urbars  sowie  Markt,  Maut  und  Gericht  zu 
Leonfelden  zugesprochen.  Von  den  sonstigen  Besitzungen 
findet  sich  die  Pfandschaft  Peil  st  ein®  späterliin  im  Besitze 
Reinprechts  I.  und  der  Seinen,   ebenso   die  Klostervogtei  von 


'  Urk.  1348  November  2;  HHStA.  Kod.  1049,  f.  65'. 

»  Urk.  1326  Januar  6;  NB.  IV,  82;  Urk.  1327  April  9;  Orig.  StAEferding. 

'  Umsoweniger  als  Reinprecht  I.  und  Friedrich  EL.  einen  Kindersegen  von 

je  drei  Söhnen  und  vier  Tüchtem  heranwachsen  sahen. 
*  UBoE.  VII,  164.  »  Nebenfluß  der  Alm.  •  UBoE.  VII,  460. 

'  Vor  1368  April  20;  UBoE.  VII,  572.  •  Ebenda  463. 

»  Vgl.  WSt.  697. 


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306 

Seitenstetten.  ^  Diese  Teilung  des  Besitzes  der  Linie  Walsee- 
Ens  währte  bis  zu  dem  1398  erfolgten  Tode  Heinrichs  VL, 
mit  welchem  die  Nachkommenschaft  Friedrichs  ü.  von  Walsee- 
Ens  erlosch. 

Reinprcchts  I.  Gattin  Elsbet  von  Lengenbach  brachte  ihrem 
Ehewirte  die  Herrschaft  Viehofen,*  ein  Passauer  Lehen,  tu 
und  auch  die  Feste  Purkersdorf,  welche  das  Ehepaar  1333^ 
an  Herzog  Albrecht  filr  1000  Äf  /Ä  veräußerte,  stammte  wohl 
aus  lengenbachischem  Besitze.  Durch  seine  bald  nach  1344 
verstorbene  erste  Hausfrau  fielen  Reinprecht  I.  weiters  ansehn- 
liche Güter,  darunter  die  Herrschaften  Heinsberg  und  Brneck,* 
bischöflich  regensburgische  Lehen  von  Elsbets  Vater,  Truch- 
sessen  Christian  von  Lengenbach,  dem  Letzten  seines  Stammes, 
zu.  Aus  diesem  Erbe  nun,  welchem  Reinprecht  1344^  cid 
regensburgisches  Lehen  zu  Stetten,  dann  die  Vogtei  über  den 
Göttweiher  Stiftsbesitz  ®  um  Viehofen  und  1354 '  durch  Kauf 
von  Marquard  von  Tiernstain  filr  312  Äf  /Ä  Gülten  im  Lengen- 
bacher Gerichte  hinzugefiigt  hatte,  vermachte  er  seinen  beiden 
Töchtern  erster  Ehe,  Elsbet,  der  Hausfrau  Eonrads  von  Potten- 
dorf, und  Agnes,  Josts  von  Rosenberg  Gemahlin,  vorerst*  die 
Feste  Viehofen  und  schließlich  in  einem  späteren  Testamente* 
auch  Em  eck  und  Reinsberg,  welche  alsbald  an  die  Zelkin- 
ger  kamen,  das  Gut  zu  Kritzendorf,^®  bOif^  Geldes  auf  der 
Maut  zu  Stein  und  alle  Habe,  die  Christian  von  Lengenbach 
hinterlassen,  mit  Ausnahme  des  Marktes  Weißenbach  und  der 
Lehen. 

Nach  der  Besitzteilung  von  1350  arrondierte  Reinprecht  I. 
durch  Ankauf  von  Gütern  zu  Blumau  und  Talern  *^  sowie  zu 
St.  Georgen  auf  dem  Ipsfelde^'  seine  Herrschaft  Seusenek, 
während  er  andererseits  das  von  seinem  Besitz  abgelegene  Gut 


»  Vgl.  Urk.  1359  August  18;  FRA.  XXXIU,  238. 

*  Nördlich  von  St.  Polten.  »  Urk.  1333  Dezember  12;  LB.  III,  r.  963. 

*  Südlich  von  Wieselburg  a.  d.  Erlaf.  »  WSt.  696. 
«  Urk.  1350  April  24;  FRA.  LI,  446. 

'  Urk.  1364  Oktober  18;  UBoE.  VH,  378. 
«  Urk.  1351  Mai  26;  UBoE.  VU,  209. 
»  Urk.  1357  März  29;  NB.  IV,  337. 
*®  Nordwestlich  von  Klöstern eu bürg. 
"  Bei  Amstetten;  Urk.  1351  Juli  26;  UBoE.  VII,  267. 
"  Bei  Amstetten;  Urk.  1358  März  15;  UBoE.  VU,  565. 


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307 

zu  Eizendorf  im  Machlande/  jenseits  der  Donau^  13Ö8  dem 
dortigen  EJoster  Baumgartenberg  verkaufte.  Für  eine  Schuld 
A^on  1000  ^„S  wurde  er  am  Georgitage  1355^  vom  Herzoge 
auf  das  Gericht  zu  Krems  gewiesen,  wo  sich  Reinprecht  eben 
als  herzoglicher  Verweser  befand,  und  auf  die  Maut  zu  Stein. 
Bald  darauf  erkaufte  derselbe  Walseer  1358  *  von  Leutold  von 
Pottendorf  die  Feste  Hohen  eck/  herzogliches  Lehen,  samt 
dem  passauischen  Zehente  daselbst,  westlich  von  Viehofen 
gelegen. 

Auch  Friedrich  U,  von  Walsee-Ens  hat  sein  in  der  Tei- 
lung von  1350  erhaltenes  Gut  noch  gemehrt.  Er  erkaufte  in 
letzterem  Jahre  ^  von  denen  von  Walde  den  Getreide-  und 
Weinzehent  zu  Rossatz  in  der  Wachau,  Lehen  des  Bistums 
Passau.  Später  stand  er  wegen  der  Pfandschaft  Traismauer^ 
in  Verhandlungen  mit  dem  Bischof  Albrecht  von  Freising,  der 
ihm  schließlich  1355  die  Feste  Ulmerfeld'  samt  dem  Land- 
gerichte und  bald  nach  Friedrichs  H.  Tode  1356  ®  dessen  älte- 
stem Sohne  Friedrich  VI.  die  nach  Merlin  dem  Haesib  frei- 
gewordenen Lehen  übergab. 

Eine  Jahrtagstiftung,  welche  sich  die  beiden  Brüder  Rein- 
precht I.  und  Friedrich  IE.  in  der  Kirche  zu  Sindelburg,  nächst 
ihrer  Feste  Sumerau,  im  Jahre  1336*  mit  der  ansehnlichen 
Summe  von  300  Mark  Silber  errichteten,  erhielt  ihr  Andenken. 

3.  Der  Zweig  von  Senseneok:  Beinprechts  I.  Söhne 

Budolf  I.,  Beinpreoht  II.  und  Friedrich  V.  bis  zur  Wende  des 

14.  Jahrhunderts. 

Aus  den  drei  Söhnen,  welche  Reinprecht  I.  hinterließ, 
gingen  die  größten  Männer  ihres  Hauses  hervor:  neben  Ru- 
dolf I.  Reinprecht  11.,  ein  Mann,  der  mächtig  in  die  Schick- 
sale des  habsburgischen  Osterreich  jener  Zeit  eingriff,  und  der 
kaum  minder  bedeutende  Friedrich  V.,  den  ein  widriges  Ge- 
schick in  der  Blüte  seiner  Manneskraft  dahinraffte. 


»  Bei  Saxen;  Urk.  1868  Februar  24;  UBoE.  VU,  5ö7. 

«  LB.  m,  r.  1772.  •  Inventar,  f.  62. 

*  Nicht  mit  der  steirischen  Pfandschaft  gleichen  Namens  zu  verwechseln. 

»  Urk.  1360  Mai  27;  NB.  IV,  132.  •  Vgl.  FRA.  XXXVI,  300. 

T  Urk.  1355  März  12,  ebenda  292;  bei  Wieselburg. 

«  Urk.  1356  Januar  7;  Orig.  HHStA. 

»  Vgl.  Stadl,  Ehrensp.  d.  Hzj.  Steierm.,  StLA.  Hs.  28,  III,  308. 


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308 

Da  Reinprecht  I.  in  den  Jahren^  wo  er  aus  seiner  zweiten 
Ehe  noch  die  genannten  drei  Söhne  und  zwei  Töchter  erhielt, 
nach  der  Lösung  von  Ens  dann  als  herzoglicher  Verweser  in 
Krems  tätig  war,  dürfen  wir  dieselben  wohl  als  geborene 
(Nieder-)  Österreicher  ansehen.  Möglich,  daß  sie  dem  Vater 
nach  Wien  folgten,  als  dieser  1358  Rat  Rudolfs  IV.  wurde. 
Eine  Kinderverlobung  des  etwa  zehnjährigen  Rudolf  I.  mit 
Anna,  Dietrichs  von  Hohenberg  Tochter,  wurde  durch  Rudolfe 
Vater  1357^  wieder  rückgängig  gemacht;  die  Hohenbergerin 
wurde  nachmals  die  Gattin  Heinrichs  VT.  von  Walsee-Ens.  Als 
die  Söhne  ca.  1361  ihren  Vater,  zuletzt  Burggrafen  in  Steier, 
verloren,  waren  Rudolf  I.  und  Reinprecht  II.  schon  ihrer  Mün- 
digkeit nahe. 

Im  Jahre  1364  begleiteten  sie  ihren  Vetter  Eberhard  V. 
von  Walsee- Linz,  den  Hauptmann  ob  der  Enns,  auf  dem  Feld- 
zuge gegen  Baiern.'  Mit  letzterem  Walseer  zog  Rudolf  I.  1368 
abermals  aus,  der  Adria  zu;  mit  seinen  Dienstleuten  Otaker 
dem  Wolfstein  und  Simon  dem  Venk  lag  er  damals  mit 
34  Hauben  für  die  Habsburger  gegen  die  Venezianer  im  Felde.' 
Das  freundschaftliche  Verhältnis,  welches  sich  damals  mit 
Haug  VI.  von  Tibein  entwickelte,*  dem  mächtigsten  Adeligen 
im  äußersten  Süden  des  habsburgischen  Machtbereiches,  fand 
seinen  Ausdruck  in  der  bald  darauf  erfolgten  Vermählung  des 
Tibeiners  mit  Rudolfs  I.  von  Walsee-Ens  Schwester  Anna. 
Zwar  blieb  die  durch  Annas  Tod  früh  gelöste  Ehe  ohne  Nach- 
kommen; 1373  Juni  6^  bewilligten  die  Herzoge  dem  Tibeiner 
die  Widerlegung  der  600  ti  ^  Heimsteuer  seiner  bereits  ver- 
storbenen Gattin  für  deren  Brüder  auf  der  Pfandschaft  Karls- 
berg.^  Das  Testament  Haugs  VI.  vom  Jahre  1374^  brachte 
indes  den  Walseern  bereits  die  Anwartschaft  auf  einen  beträcht- 
lichen Teil  des  tibeinischen  Erbes  und  die  engen  Beziehungen 
zwischen  den  Häusern  Walsee  und  Tibein  dauerten  auch  an, 
als  Haug  VI.  eine  zweite  Ehe  mit  Anna  von  Wildhaus  einging. 
Insbesondere  war  es  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens,  der  dieselben 
aufrecht  erhielt.  Zwar  gerieten  Rudolf  I.  und  seine  Brüder, 
von  denen  nun  auch  Friedrich  V.  um  1368  vogtbar  geworden 

»  Urk.  1357  Juni  25;  NB.  IV,  338.  «  Vgl.  8.  282. 

3  Urk.  1368  April  22;  UBoE.  VIU,  375;  vgl.  8.  283. 

*  Vgl.  8.  292  und  317.  »  LB.  IV^  r.  1123. 

ö  Bei  St.  Veit  in  Kärnten.  '  Pichler,  II  cutello  di  Duino,  22i. 


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309 

war,  mit  Georg  von  Walsee-Linz  über  Geldansprtiche  aus  der 
Gerhabschaft,  welche  sie  über  denselben  seit  1371  geführt 
hatten,*  in  Differenzen,  die  erst  1378  ihre  Regelung  erfuhren; 
der  Ehebund,  welchen  Georg  späterhin  schloß,  war  indes  ohne 
Zweifel  durch  Rudolf  I.  und  dessen  Brüder  zustande  gebracht, 
die  sich  auch  hier  wieder  von  den  Beziehungen  zum  Hause 
Tibein  leiten  ließen. 

In  jenen  Jahren  weilte  Reinprecht  II.  selten  in  der  Heimat; 
er  oblag  wohl  zumeist  dem  Waffenhandwerke.  Von  diesen 
Zügen  heimgekehrt,  führte  er  Katharina,  die  Tochter  des  ein- 
flußreichen Hans  von  Liechtenstein-Nikolsburg,  als  Gemahlin 
heim,  der  er  1370  Juni  23*  zu  Wien  900  Äf^  als  Morgengabe 
verschrieb;  wir  verlieren  ihn  dann  wieder  auf  längere  Zeit  aus 
den  Augen. 

Im  Frühjahre  1372*  zog  Rudolf  I.  im  Dienste  der  Habs- 
burger nach  Schwaben  und  erhielt  dort  einen  nicht  unbedeu- 
tenden Wirkungskreis;  es  wurde  ihm  die  (kaiserliche  und  die 
habsburgische)  Landvogtei  im  Elsaß  und  in  Schwaben  auf 
P/j  Jahre  übertragen.  Eifrig  wachte  Rudolf  daselbst  über  die 
Sicherheit  des  Handels  im  Interesse  der  einheimischen  Bürger 
sowohl  als  der  fremden,  meist  italienischen*  Kaufleute.  Damals 
machte  besonders  der  Ritter  Johann  Erbe  den  Straßburgern 
zu  schaffen.^  Auf  zehn  Jahre  aus  der  Stadt  verwiesen,  weil 
er  sich  1372  weigerte,  den  verlangten  Bürgereid  zu  schwören, 
begann  er  mit  den  Straßburgern  einen  Streit  um  die  Fähre  zu 
Grafenstaden,  den  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  und  Bichof  Lam- 
brecht  von  Straßburg  vergeblich  beizulegen  suchten.^  Schließ- 
lich widersagte  Erbe  der  Stadt  und  tat  ihr  mit  anderen  aus- 
gewiesenen Edlen  und  sonstigem  gesammelten  Gelichter  großen 


»  Vgl.  S.  292.  «  NB.  IV,  437. 

»  Vgl.  Steyerer,  Comm.  pro  hißt.  Alb.  II,  Anh.  col.  20  und  Urk.  1372  Mai  12; 
Urk.  B.  d.  St.  Straßburg  V,  781.  Daß  Rudolf  I.  die  Landvogtei  bereits 
1366  verwaltet  hätte  (Kurz,  Albrecht  III.,  I,  202),  ist  bei  seinen  Jahren 
damals  ein  Unding;  offenbar  ist  das  Datum  dieser  einzigen  fraglichen 
Urkunde  korrumpiert. 

*  Vgl.  Urk.  1372  August  17;  Thommen,  Urk.  z.  Schweiz.  Gesch.  11,  23. 

»  Vgl.  Ann.  hospit.  Argent.,  M.  G.  SS.  XVII,  104;  Chron.  d.  Jak.  Twinger 
Y.  Königshoven,  Chron.  deutsch.  Städte  IX,  802;  Chron.  d.  Rektor  Mülich, 
ebenda  XXII,  15;  Chron.  d.  Gerhard  v.  Appenweiler,  Basler  Chroniken 
IV,  377;  Kleine  Basler  Chronik,  ebenda  V,  61. 

«  Urk.  1372  Juli  8;  Urk.-B.  d.  St.  Straßburg  V,  784. 


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310 

Schaden.  In  der  Neujahrsnacht  1373  erstieg  er  mit  seinen 
Helfern  die  Burg  Herlisheim  bei  Kolmar^  nahm  Herrn  Eppe 
von  Hadestat;  einen  reichen  Straßburger  Bürger,  der  darauf 
saß,  gefangen  und  hielt  das  Städtchen  besetzt.  Sofort  aber 
legte  sich  Rudolfs  Untervogt  Johann  Miirlin  ^  mit  den  Kolmarem 
und  Schlettstädtem  davor  und  ließ  niemand  entwischen.  Nach 
wenigen  Tagen  zog  Rudolf  selbst  mit  den  Straßburgem  und 
anderen  Städtern  gegen  Herlisheim,  eroberte  es  am  8.  Januar 
und  ließ  die  darin  gefangenen  56  Bösewichte,  meist  Edelleute, 
fast  sämtlich  hinrichten;  Johann  Erbe  hatte  sich  bei  Zeiten  ge- 
flüchtet. Zur  Verteidigung  seines  Vorgehens  schloß  Rudolf  1373 
Februar  24*  zu  Breisach  mit  denen  von  Straßburg,  Basel  und 
elf  anderen  Städten  ein  Bündnis  ab;  auch  vom  Kaiser  und  von 
den  Habsburgern  ergingen  Schreiben,  so  an  den  Pfalzgrafen 
Ruprecht  den  Alteren '  und  den  Grafen  Eberhard  von  Württem- 
berg,* die  verjagten  Edelleute  nicht  zu  unterstützen.  Dadurch 
ward  mit  den  adeligen  Wegelagerern  im  Elsaß  gründlich  auf- 
geräumt, zur  großen  Freude  der  Städter.  Als  sich  Rudolf  so 
durch  sein  rasches  Handeln  den  Dank  der  Bürger  erworben 
hatte,  zog  er  im  Sommer  1373  wieder  heimwärts  und  war  mit 
seinem  Vetter  Heinrich  VI.  von  Walsee-Ens  in  Wien  bereits 
wieder  zugegen,  als  dort  1373  Juli  25^  eine  Teilung  der  habs- 
burgischen  Lande  zwischen  den  Herzogen  Albrecht  UI.  und 
Leopold  HI.  vereinbart  wurde. 

Die  Hauptmannschaft  in  der  Steiermark  wurde  Rudolfe 
Lohn  ftlr  seine  Tätigkeit  in  Schwaben,  doch  kam  sie  nicht 
mehr  dauernd  an  die  Walseer  zurück.  Er  erhielt  sie  sofort 
nach  seiner  Rückkehr  im  Sommer  1373®  und  ließ  sich,  da  er 
oft  von  der  Steiermark  abwesend  war,  in  seinem  Amte  durch 
Verweser'  vertreten,  als  welche  nacheinander  die  walseeischen 
Dienstleute  Albrecht  der  Qefeller,  sein  Burggraf  auf  der  Rie- 
gersburg,    der    Niederösterreicher    Otaker    der    Wolfstain    und 


*  Mit  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  ins  Elsaß  gekommen;  identisch  mit  Hans 
dem  Mäurl,  der  1364  Landrichter  ob  der  Ens  war;  vgl.  Anm.  S.  276. 

3  Urk.-B.  d.  St.  Straßburg  V,  808.  »  Urk.  1373  Mai  0;  ebenda  V,  816. 

*  Urk.  1373  April  12;  ebenda  V,  817.  »  UBoE.  Vm,  6ö4. 

*  Vgl.  Krones,  Landesfürst,  Behörden  und  Stände  des  Herzogtums  Steier- 
mark, Forschungen  zur  steirischen  Verfassungs-  und  Yerwaltungsgesch . 
IV>,  162. 

'  Vgl.  ebenda  167—168. 


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311 

Peter  Hinterholzer  auftreten,  letzterer  vordem  Burggraf  zu  Steier, 
das  Rudolf  und  seine  Brüder  seit  1374  als  herzogliche  Pfand- 
schafib  innehatten.  Ende  1374^  erhielt  Rudolf  mit  seinen  Brü- 
dern auch  das  steirische  Erbtruchsessenamt  nach  dem 
Ableben  Cholos  von  Seldenhofen,  der  es  nach  Friedrichs  lU. 
von  Walsee-Graz  Tode  überkommen  hatte;  Wilhelm  von  Glaneck 
ließ  sich  mit  seinen  Ansprüchen  darauf  mit  100^^  abfinden.* 
Im  gleichen  Jahre  verheiratete  sich  Rudolf  I.  auch  mit  Agnes 
aus  dem  Hause  derer  von  der  Leippe,*  welches  den  Walseern 
bereits  verschwägert  war.  Nun  wurden  auch  die  walseeischen 
Verbindungen  mit  dem  steirischen  Adel  wieder  aufgefrischt, 
insbesondere  aber  durch  die  im  Jahre  1376'  erfolgte  Vermäh- 
lung der  jüngsten  Schwester  Rudolfs,  Dorothea,  mit  Wulfing 
von  Stubenberg.  Im  Frühlinge  1379  ritt  Rudolf  I.  mit  einem 
seiner  Brüder  abermals  zu  Felde,  gegen  Venedig,  als  Partei- 
gänger K.  Ludwigs  von  Ungarn,  auf  dessen  Seite  Herzog  Al- 
brecht HI.  stand,  der  den  beiden  Walseern  darüber  einen 
Schadlosbrief^  ausstellte. 

Da  trat  Rudolfs  I.  Bruder  Reinprecht  IL  plötzKch  an 
leitender  Stelle  in  den  Vordergrund  der  Ereignisse,*^  die  sich 
nun  zwischen  Herzog  Albrecht  IH.  und  dem  Grafen  Heinrich 
von  Schaunberg  abspielten.  In  letzter  Stunde  vor  der  Er- 
öffnung des  Kampfes  mit  demselben  setzte  der  Herzog  nämlich 
an  die  Stelle  Heinrichs  VI.  von  Walsee-Ens  dessen  energischen 
und  ohne  Zweifel  bereits  kriegserprobten  Vetter  Reinprecht  IL 
von  Walsee-Ens,  der  1379  Oktober  28^  zum  ersten  Male  als 
Hauptmann  ob  der  Ens  erscheint.  Der  Herzog  brachte  die 
zum  Kriege  nötigen  Summen  auf  und  verschaffte  Reinprecht  H. 
auch  Zahlungsfrist'  für  seine  dem  Juden  David  dem  Stenzz 
schuldigen  IbOOfi^.  Von  Wien  aus  ließ  der  Herzog  im  Winter 
1379/80  seine  Befehle  an  Reinprecht  H.  ergehen,®  Söldner  an- 
werben und  die  Bürger  der  Städte  ob  der  Ens  aufbieten.    1380 


^  ürk.  1374  November  12;  Hoheneck  IH,  819. 

*  Urk.  1377  März  7;  NB.  I,  374. 
'  Vgl.  die  Genealogie. 

*  ürk.  1379  Mai  25;  LB.  IV,  r.  1424.  »  Vgl.  S.  837  ff. 

*  Orig.  HHStA. 

'  Urk.  1380  Januar  2;  LB.  IV,  r.  1480. 

^  Vgl.  Urk.  1379  November  7;  Kop.  Linzer  Mnsealarchiv ;  1380  Febmar  18, 
LB.  IV,  r.  1497;  1380  Mai  31;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 


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312 

März  17^  ernannte  er  ihn  zum  Anftlhrer  seiner  Truppen^  be- 
traute ihn  mit  der  Führung  des  Krieges  gegen  den  Schaon- 
berger  und  sicherte  ihm  Ersatz  fttr  alle  Ausgaben  zu. 

Im  Frühlinge  1380  eröffnete  Reinprecht  H.  den  Kampf 
und  errang  rasch  bedeutende  Erfolge.  Die  Feste  Kammer  und 
damit  der  Besitz  im  Attergau  fiel  den  Herzoglichen  in  die 
Hände,  im  Mühlviertel  ward  Schloß  Velden*  belagert,  das  mit 
den  Donaufesten  um  1373  vom  Bistume  Passau  den  Schaun- 
bergem  verpfUndet  worden  war,  auch  das  ganze  offene  schaun- 
berger  Ländchen  vom  Trattnachtale  aus  besetzt  Um  Sonn- 
wenden 1380  wurde  Peuerbach  vom  Herzoge,  der  jetzt  selbst 
auf  dem  Kriegsschauplatze  erschien,  belagert  und  trotz  seiner 
vom  Grafen  Heinrich  aufgeführten  festen  Mauern  eingenom- 
men. Wenn  auch  die  Festen  Donau  aufwärts  noch  Widerstand 
leisteten,  war  doch  fast  das  ganze  schaunbergische  Gebiet  vom 
Gegner  besetzt  und  Graf  Heinrich  auf  die  Stammburg  seines 
Hauses  beschränkt.  Auch  die  Rosenberge  mußten  Eferding 
den  Herzoglichen  räumen  und  mit  dem  Bischöfe  von  Passau, 
Konrad  von  Schärffenberg,  hatte  der  Herzog  schon  1380 
April  17*  ein  Bündnis  abgeschlossen.  So  blieb  dem  Grafen 
nur  mehr  Schloß  Schaunberg,  dessen  Belagerung  Herzog  Al- 
brecht seit  August  1380  persönlich  leitete,*  und  konnte  auch 
diese  sehr  starke  Feste  nicht  genommen  werden,  so  sah  sich 
Graf  Heinrich  doch  genötigt,  mit  dem  Herzoge  1381  Janaar  21 
einen  in  der  Folge  mehrmals  verlängerten  Waffenstillstand  ab- 
zuschließen. 

Reinprecht  H.  entließ  daher  den  größten  Teil  der  gegen 
den  Schaunberger  verwendeten  Söldner —  1381  April  1®  quit- 
tieren ihm  Ulrich  Fraß  und  dessen  Brüder  über  erhaltenen 
Sold  —  und  erhielt  1381  April  4'  vom  Herzoge  für  1500  «T^S, 
die  er  ihm  für  die  Söldner  von  Eferding  und  Velden  schuldete, 
jährlich  150Äf.Ä  Gülten  zu  Steier  angewiesen.  Auch  weiter- 
hin hatte  Reinprecht  die  feindseligen  Absichten  des  Grafen  zu 
vereiteln,  der  den  Waffenstillstand  brach  und  herzogliche  Trup- 
pen überfiel,  die  vor  Schaunberg  zurückgeblieben  waren.    Die 


'  Kur«,  Albrecht  IH.,  Bd.  II,  211. 

•  Vgl.  Strn*dt,  Peuerbach,  JBMFC.  XXVO,  398  ff. 

•  Bei  Neufelden.  *  MouumenU  Boica  XXX  *,  350. 
»  Vgl.  JBMFC.  XXVn,  400.  •  NB.  U,  154. 

'  HHStA.  Kod.  Suppl.  407,  f.  109. 


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313 

Lage  des  Grafen  verschlimmerte  sich  dadurch  nur;  der  Nürn 
berger  Schiedsspruch    1383  Februar   28   machte   seiner  Unab- 
hängigkeit ein  Ende. 

Nach  Beendigung  des  Krieges  entfaltete  Reinprecht  II. 
eine  rege  Tätigkeit,  um  im  Lande  ob  der  Ens  Ordnung  zu 
schaffen^  wie  aus  zahlreichen  auf  ihn  ausgestellten  Urfehde- 
briefen* hervorgeht.  Weniger  günstig  gestaltete  sich  sein  Ver- 
hältnis zu  den  Bürgern,  insbesondere  der  Städte  Ens  und  Wels, 
die  wie  zu  seines  Vaters  Zeiten  ihr  Recht  geltend  machten, 
von  ihren  Herrenlehen  nur  dem  Herzoge  zu  zinsen.  Herzog- 
liche Befehle,  welche  darüber  an  Reinprecht  H.  ergingen,* 
schafften  den  Bürgern  so  wenig  Abhilfe  wie  Beschwerden  gegen 
andere  Übergriffe  des  Adels  im  Handel  und  Wandel,  die  sich 
gleichfalls  gegen  die  Walseer  richteten.  Sie  vermochten  Rein- 
precht n.  wenig  anzuhaben,  der  seine  obderensische  Haupt- 
mannschaft trefftich  versah  und  die  Gunst  des  Herzogs 
durch  seine  Tätigkeit  in  der  Schaunbergerfehde  wahrlich  ver- 
dient hatte. 

Auch  andere  Angehörige  des  Hauses  gewannen  ihren 
Vorteil  davon.  Rudolf  I.  ward  spätestens  1384*  als  Hauptmann 
in  der  Steiermark  durch  seinen  Vetter  Ulrich  IV.  von  Walsee- 
Drosendorf  ersetzt  und  dafür  mit  dem  österreichischen  Land- 
marschallamte betraut.  In  dieser  Eigenschaft  hatte  er  sich 
mit  dem  Abgesandten  K.  Wenzels  wegen  der  Streitigkeiten 
zwischen  den  Bürgern  von  Wien  und  Prag  zu  vergleichen,* 
was  durch  seinen  1385  Dezember  4^  mit  Bischof  Berthold  von 
Freising  gefeilten  Schiedsspruch  geschah. 

Da  kam  im  Juli  1386  die  Unglücksbotschaft  von  Sem- 
pach  nach  Wien.  Der  niederschmetternde  Eindruck  derselben, 
die  nicht  zu  verkennende  Tatsache,  daß  die  Teilung  von  1379 
die  Macht  der  Habsburger  geschwächt  hatte,  die  Mißerfolge  in 
der  äußeren  Politik  wie  der  ungünstige  Stand  der  Finanzen, 
dies  alles  einte  die  getreuen  Berater  des  Herrscherhauses  in 
dem  Verlangen,    daß   den   habsburgischen  Landen  wieder   ein 


»  1381—1386,  11  Stück! 

«  Vgl.  ürk.  1384  Mai  8;  AÖG.  XXVII,  87. 

*  Vgl.  die  Qenealogie  and  Krones,  Landesf.  etc.,  a.  a.  O.  162. 

*  Vgl.  die  ürkk.  Herzog  Albrechts  1386  Oktober  10,   Orig.,  HHStA.  und 
•K.  Weneels  1385  November  6;  Peleel,  K.  Wenael,  Urk.  47. 

«^  Orig.,  HHStA. 


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314 

gemeinsames  Oberhaupt  gegeben  werde,  umsomehr  als  Herzog 
Leopolds  Sohn  Herzog  Wilhelm  der  ernsten  Lage  schwerlicb 
gewachsen  war.  In  Gegenwart  der  Geistlichkeit  und  vieler 
vom  Adel,  darunter  Rudolfs  I.,  Reinprechts  H.  und  ihres  Vetters 
Heinrichs  VI.  von  Walsee-Ens,  wurde  1386  Oktober  10*  in 
Wien  die  bisherige  Besitzteilung  aufgehoben  und  Herzog  Al- 
brecht übernahm  im  Einverständnisse  mit  den  Leopoldinem 
wieder  allein  die  Regierung  aller  habsburgischen  Länder. 

Nach  drei  Jahren  der  Ruhe  war  Reinprecht  II.  genötigt, 
abermals  gegen  Grafen  Heinrich  von  Schaunberg  einzuschrei- 
ten, der  seine  Unabhängigkeit  wieder  erlangen  wollte.  Aber 
bereits  sein  erster  Versuch,  sich  gegen  Herzog  Albrecht  aufsn- 
lehnen,  schlug  fehl.  Als  Graf  Heinrich  seiner  Feste  Neuhaus* 
an  der  Donau  gegenüber  eine  Befestigung  erbaute  und  von  dort 
aus  durch  erhöhte  Mautabgaben  die  freie  Schiffahrt  störte,*  bot 
Reinprecht  H.  rasch  herzogliche  Truppen  und  die  Bürger  von 
Linz,  Ens  und  Wels  auf,*  vereinigte  sich  mit  Mannschaften  des 
Bischofes  von  Passau  und  zog  mit  dem  berühmten  Kriegsmanne 
Zacharias  Haderer  bald  nach  Neujahr  1386  gegen  den  Schaxm- 
berger  aus.  Am  20.  Febniar  begann  die  Belagerung  von  Neu- 
haus, das  Bollwerk  diesem  Schlosse  gegenüber  wurde  zerstört, 
und  schon  am  25.  März^  kam  es  durch  Johann  von  Abensperg 
und  Herzog  Albrechts  Hofmeister  Hans  von  Liechtenstein-Ni- 
kolsburg,  Reinprechts  H.  Schwiegervater,  in  Linz  zu  einer  Ver- 
einbarung. Die  freie  Schiffahrt  auf  der  Donau  wurde  wieder 
hergestellt,  Schloß  Neuhaus  vorläufig  der  Obhut  des  Liechten- 
steiners übergeben  und  Graf  Heinrich  verpflichtet,  den  Burg- 
stall Neuhaus  gegenüber  nicht  wieder  aufzubauen®  —  ein  Er 
folg,  der  zweifelsohne  dem  energischen  Eingreifen  Reinprechts  II. 
zu  danken  war.  Herzog  Albrecht  traf  jetzt  weitere  Vorkehrun- 
gen zur  Überwachung  des  Grafen.  Wenn  dieser  auch  noch 
weiterhin  seine  Pläne  verfolgte  und  sich  den  Herzogen  von 
Baiem  zu  nähern  suchte,  so  schloß  sein  1390  erfolgtes  Ableben 
alle  derartigen  Bestrebungen  für  immer  ab. 


1  Rauch,  SS.  R.  A.  m,  400.  *  NGrdlich  Yon  Aschach  an  der  Donau. 

3  Vgl.  Kurz,  Albrecht  HI.,  Bd.  II,  47  und  242;  Urk.  1888  Oktober  13. 
*  Hagens  Chron.,  Append.;  Pes,  SS.  Rer.  Austr.  I,  col.  1162  und  Contin. 

Monach.  St.  Petri,  M.  G.  SS.  IX,  840. 
ö  Kurz,  Albrecht  IH.,  Bd.  U,  248.  «  Ebenda  61. 


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315 

Alsbald  mußte  Roinprecht  II.  als  Hauptmann  ob  der  Ens 
sein  Augenmerk  auf  das  benachbarte  Pas  sau  richten/  wo  ein 
Einschreiten  von  habsburgischer  Seite  durch  eine  zwiespältige 
Bischofswahl  notwendig  wurde.  Gegen  den  österreichisch  ge- 
sinnten Hermann^  nach  dem  Tode  Bischof  Johanns  von  Schär- 
fenberg (f  1387)  rechtmäßig  zum  Bischöfe  erwählt,  erhob  Papst 
Urban  VI.  den  Grafen  Ruprecht  von  Berg  auf  den  Passauer 
Bischofsstuhl,  und  als  Hermann  darauf  verzichtete,  wählte  das 
Domkapitel  Georg  von  Hohenlohe  zum  Bischöfe.  Gegen  diesen 
fand  Ruprecht  Unterstützung  bei  denen  von  Berg,  bei  K.  Wenzel 
und  den  Bürgern  der  Bischofsstadt  Passau  selbst.^ 

Auf  habsburgischer  Seite  stand  man  dem  Gegenbischofe 
hilfreich  bei;  waren  doch  durch  Ruprechts  Partei  die  öster- 
reichischen Interessen  im  Abteilande'  so  gut  wie  im  Donautale, 
zumal  bei  der  zweifelhaften  Haltung  des  Schaunbergers,  ernst- 
lich bedroht  Für  den  abwesenden  Herzog  traf  Reinprecht  H. 
die  geeigneten  Maßnahmen;  überdies  war  er  als  Pfandinhaber 
der  bei  Passau  gelegenen  Festen  Neuhaus  und  Wemstein  auch 
in  seinem  eigenen  Besitze  beunruhigt.  Er  ließ  dem  Bischof 
Georg  von  Hohenlohe  alle  Hilfe  angedeihen  und  sandte  ihm 
Söldner  zu. 

Von  Michaeli  bis  Martini  1388^  lag  Reinprecht  II.  mit 
herzoglichen  Truppen  in  der  Ilzstadt  vor  Passau,  indes  ver- 
gebens, da  die  Bürger  von  K.  Wenzel  Söldner  zugeführt  er- 
hielten. Nach  Neujahr  1389  kam  auch  Herzog  Albrecht  nach 
Osterreich  und  überzeugte  sich  von  der  Sachlage.  Im  nächsten 
Frühling  nahm  der  Krieg  seinen  Fortgang.  Am  Ostermontag 
1389  überfielen  die  Bürger  Passaus  Reinprechts  H.  von  Walsee 
Schloß  Neuhaus  am  Inn  und  brannten  es  nieder^  wobei  auch 
die  dorthin  geflüchteten  Bücherschätze  des  Klosters  St.  Nikola 
in  Flammen  aufgingen.^  Dagegen  rückten  an  demselben  Tage 
der  erprobte  Kriegsmann  Zacharias  Haderer  und  der  Söldner- 
fUhrer  Michael  Haypekh  in  die  Passauer  Ilzstadt  ein  und  hiel- 
ten  selbe  einen   Monat  hindurch  gegen  die  Bürger   besetzt.^ 


»  Ebend*  119 ff.;  vgl.  LB.  IV,  r.  2087. 
«  Vgl.  JBMFC.  XXVn,  896. 

'  =:  das  obere  Mflhlyiertel  westlich  der  Großen  Mühl. 
^  Chron.  Mellic;  Pez,  SS.  R.  A.,  I,  col.  249. 
»  Kurz,  Albrecht  lU.,  Bd.  n,  128. 

•  Vgl.  Urkk.  1389  Mai  29  und  SO;  LB.  IV,  r.  2168,  2169. 
ArehiT.  XCT.  Band.  II.  H&lfl«.  22 


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316 

Die  kriegerischen  Ereignisse  vor  Passau  fanden  damit  ihr 
Ende. 

Nach  längeren  Verhandlungen  kam  Georg  von  Hohenlohe 
1393  endgiltig  in  den  Besitz  seines  Bistums.  Allezeit  blieb  er 
ein  treuer  Anhänger  der  habsburgischen  Albrechtiner.  Nie  hat 
er  die  Hilfe  vergessen,  welche  ihm  Herzog  Albrecht  geleistet, 
insbesondere  Reinprecht  H.  von  Walsee-Ens  fand  an  ihm  stets 
einen  dankbaren  Freund  und  verläßlichen  Bundesgenossen. 

Obwolil  Reinprecht  H.  im  Lande  ob  der  Ens  nach  Kräf- 
ten* für  die  Sicherheit  sorgte  und  zahlreiche  Missetäter*  durch 
seinen  Richter'  in  festem  Gewahrsam  halten  ließ,  nahm  doch 
das  Unwesen  keineswegs  ab.  Auch  einzelne  vom  Adel,  zonial 
niedere  Vasallen  der  Schaunberger  machten  sich  mancher  Ver- 
gehen schuldig.  Wilhelm  der  Rorer,  der  mit  fünf  Brüdern  auf 
dem  festen  Schlosse  Leonstein  bei  Steier  saß,  vermaß  sich, 
zwei  Gesandte  des  Erzbischofs  von  Salzburg,*  die  mit  sicherem 
Geleite  Herzog  Albrechts  heimwärts  zogen,  aufzuheben  und 
auf  Leonstein  gefangen  zu  setzen.  Herzog  Albrecht  und  mit 
ihm  wohl  auch  ^  sein  Hauptmann  ob  der  Ens  belagerten  hierauf 
seit  August  1390  die  Burg,  deren  Besatzung  sich  nach  Aller- 
heiligen ergab,  als  Zacharias  Haderer  einen  die  Feste  beherr- 
schenden Punkt  besetzt  hatte.*  Mit  der  Zerstörung  des  er- 
oberten Leonstein  war  die  Fehde  jedoch  nicht  beendet.  Wil- 
helm der  Rorer,  der  aus  dem  Schlosse  entkommen  war,  leistete 
mit  seinen  Brüdern  weiteren  Widerstand;  Besitzungen  der  treue- 
sten  Diener  des  Herzogs,  so  der  Walseer,'  Bischof  Bertholds 
von  Freising  und  der  Kapeller  wurden  verheert  und  dem  Bis- 
tume  Bamberg  Güter  entrissen.  Auf  die  Bitten  Bischofs  Lam- 
prechts  von  Bamberg  erging  1392  August  17»  an  Reinprecht  II. 
der  herzogliche  Befehl  zur  Rückgabe  der  Bambergischen  Güter, 
die  der  Pfleger  zu  Steier  den  Rorem  abgenommen  hatte.  Der 

^  1887  —  1393  finden  sich  16  Urfehden  auf  Reinprecht  von  Walsee  ansgestellt. 
'  Meist  anf  den  Festen  Starhemberg  nnd  Sinzing. 

'  Als  solche  erscheinen  die  walseeischen  Lehenslente  Ludwig  Neundlio^r 
1384—1392  nnd  Walter  von  Seuseneck  1396—1402. 

*  Vgl.  Hagens  Chron.,  Appendix;  Pe»,  SS.  R.  A.  I,  col.  1162. 

'  Was  sich  von  Reinpreohts  Itinerar  feststellen  l&ßt,  spricht  dafür. 

*^  Vgl.  Chron.  Mellic.  M.  G.  SS.  IX,  614;  Pritz,  Gesch.  des  Landes  ob  der  Eos 

n,  74;  Kurz,  Albrecht  HI.,  Bd.  U,  18. 
'  Nicht  näher  genannt;  vgl.  Kurz,  a.  a.  O.  274. 

•  HHStA.  Kod.  1049,  f.  67'. 


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317 

Schiedsspruch  von  1392  November  27  verpflichtete  indes  zum 
Schadenersatze  gegen  alle  Geschädigten;  er  brachte  den  Rorern 
zwar  die  Verzeihung  des  Herzogs,  aber  den  Verlust  von  Leon- 
stein. Damit  war  die  Reihe  von  Fehden  beendigt,  welche 
Reinprecht  im  Dienste  des  Herzogs  auf  oberösterreichischem 
Boden  auszufechten  hatte. 

Noch  während  des  Kampfes  mit  den  Rorern  war  jedoch 
ein  fiir  die  ganze  Zukunft  des  Hauses  Walsee  bedeutungsvolles 
Ereignis  eingetreten. 

Auch  nach  Haugs  VI.  von  Tibein  zweiter  Heirat  hatten 
sich  dessen  Beziehungen  zu  den  Walseern  von  Ens  fortgespon- 
nen. Sie  waren  1385  wieder  zutage  getreten/  als  Rudolfs  I. 
ehemaliges  Mündel  Georg  von  Walsee-Linz  sich  mit  der  Witwe 
Ulrichs  des  Weißeneckers  —  ein  den  Tibeinem  eng  ver- 
wandtes Haus  —  Margret,  einer  Tochter  des  Grafen  Gregor 
von  Kurbaw,  vermählte.  Haugs  VI.  zweites  Testament  von 
1385  August  30*  hatte  die  drei  Brüder  von  Walsee-Ens  bereits 
zu  Gerhaben  der  beiden  Söhne  des  Erblassers  bestimmt,  die 
sie  im  Falle  kinderlosen  Ablebens  beerben  sollten.  Haugs  VI. 
letzter  Wille  von  1390  November  11*  gab  den  beiden  Söhnlein 
Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  zum  Vormunde  und  überwies  den 
Walseern  auch  die  Gerhabschaft  über  die  jungen  Pettauer,  die 
Hang  VI.  innegehabt  hatte.  Als  letzterer  noch  im  gleichen 
Jahre  starb,  kam  die  Verwaltung  des  ganzen  reichen  tibeini- 
schen  Besitzes,  der  sich  von  Tibein*  bis  St.  Veit  am  Pflaumb 
(Fiume)  erstreckte,  an  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  und  dessen 
Haus.  Die  bedeutende  Rolle,  welche  die  Tibeiner  als  das 
mächtigste  und  reichste  Geschlecht  in  diesem  südlichsten  Teile 
der  habsburgischen  Länder,  als  die  wichtigsten  Anhänger  der 
Habsburger  unter  dem  Adel  im  Süden  gespielt  hatten,  ging 
jetzt  an  die  Herren  von  Walsee  über;  denn  das  Schicksal 
wollte  es,  daß  Hang  VI.  Söhne  ihre  Volljährigkeit  nicht  erleben 
sollten. 

So  zog  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  denn  an  die  Adria  und 
ordnete  dort  die  tibeinischen  Erbschaftsangelegenheiten.  Über- 
dies erhielt  er  1394  Mai  1  *  vom  Herzoge  die  Hauptmannschaft 
von  Triest,  mit  dessen   Bürgern   Rudolf  alsbald   in  MißhelHg- 

^  Vgl.  S.  292,  308  and  die  Genealogie. 

*  Pichler,  II  cattello  di  Daino  226.  '  Ebenda  227. 

*  Duino,  nordweBtlich  von  Triest.  *  LB.  VUI,  r.  2403»».«. 

22* 


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318 

keiten  geriet,  und  gleichzeitig*  wurde  er  auch  mit  der  Ent- 
scheidung aller  Streitigkeiten  in  Stadt  und  Grebiet  des  nahen 
habsburgischen  Portenau  (Pordenone)  betraut  Rudolfs  häufige 
Abwesenheit  machte  die  Bestellung  eines  Stellvertreters  ftlr  die 
Tibeiner  Angelegenheiten  notwendig,  als  welcher  ein  Jörg  Rais- 
perger  ab  1394  erscheint.*  Durch  Herzog  Albrechts  Bewilli- 
gungen wußte  Rudolf  I.  seinen  Mündeln  sowohl  die  herzoglichen 
Lehen  als  die  Mitterburger  Pfandschaft  zu  erhalten,*  doch 
wurde  ihr  Erbe  durch  mehrere  Verpßlndungen,  so  vor  allem 
der  Kastelle  Piemont  und  Frayn  (Vragna)  und  des  Dorfes 
Briest  in  Istrien  an  den  herzoglichen  Pfleger  zu  Triest*  sowie 
mehrerer  kleinerer  Güter  ^  geschmälert.  Infolge  von  Rudolfe 
Vorgehen  bei  der  Besetzung  des  Pfarrbenefiziums  zu  Domegg 
(Ternova)^  begannen  1395  seine  Streitigkeiten  mit  dem  Dom- 
kapitel zu  Triest,  die  sich  späterhin  wiederholten.  Händel  an 
der  venezianischen  Grenze  wurden  1397'  durch  ein  Überein- 
kommen mit  dem  venezianischen  Hauptmanne  auf  Schloß  Raspe 
beigelegt.  Der  Erbschaftsstreit,  welchen  Rudolf  I.  mit  Haugs  VI. 
Wittib  Anna  auszutragen  hatte,  wurde  durch  ein  Schiedsgericht 
vom  höchsten  Adel  und  schließlich  durch  Herzog  Albrecht 
selbst  1393  Januar  21  und  23^  dahin  entschieden,  daß  Anna 
über  die  vier  Schlösser  Gonobitz,  Freudenberg,*  Statten- 
berg^®  und  Eibiswald  zugunsten  ihrer  beiden  Töchter  ver- 
fügen dürfe.  Das  1396  erfolgte  Ableben  Annas  machte  dem 
Streite  ein  Ende.  Durch  alle  diese  Angelegenheiten  blieb 
Rudolf  I.  meist  in  der  Steiermark  und  im  Süden  festgehalten. 
Mittlerweile  war  auch  Friedrich  V.  von  Walsee-Ens  zum 
Manne  herangewachsen;  er  hatte  sich  mit  Anna  aus  dem  nieder- 
österreichischen  Hause  derer  von  Winkel  vermählt,*^  die  ihm 
bald  nach  1390  hinwegstarb.  Nun  gelangte  auch  er  zu  hohen 
Ehren  am  Hofe  Herzog  Leopolds.  Als  dessen  Hofmeister 
weilte   er  bereits  im  Frühling   1391  ^*  mit  mehreren  anderen 


»  Urk.  1394  Mai  1;  Orig.  HHStA.  *  Pichler,  a.  a.  O.,  Anhang. 

•  LB.  IV,  r.  2367.  *  Urk.  1392  April  11;  NB.  I,  378. 

«^  Urk.  1396;  Inventar  f.  32.  «  An  der  Reka. 

'  Urk.  1397  November  25;  I  libri  commemoriali  d.  r.  di  Yenezia  III,  248. 

8  Pichler,  II  castello  di  Dnino  232.  •  Nördlich  von  Gonobite. 

"  Südwestlich  von  Pettau,  im  Dranntale. 
**  Vgl.  die  Genealogie. 
"  Vgl.  Plancher,  Histoire  de  Bourgogne  III,  Nr.  CL. 


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319 

herzoglichen  Räten  am  Hofe  Herzog  Philipps  von  Burgund, 
um  dort  die  Vermählung  der  Tochter  desselben,  Katharina,  mit 
seinem  Herzoge  zu  betreiben;  an  der  Spitze  einer  glänzenden 
Gesandtschaft  brachte  er  dann  im  Frühjahre  1392^  seine  Wer- 
bung an  und  unterfertigte  1392  Mai  5^  zu  Dijon  als  Bürge  die 
Ehepakten  des  fürstlichen  Paares.  Friedrich  blieb  in  seinem 
Amte  bis  in  den  Sommer  1395  in  den  Vorlanden  tätig'  und 
führte  von  dort  seine  zweite  Hausfrau  Ita,  die  Tochter  des 
habsburgischen  Landvogtes  Engelhard  von  Weinsberg,  nach 
Osterreich  heim,  mit  der  er  sich  im  Juli  1395  zu  Baden  bei 
Wien  vermählte. 

In  Oberösterreich  geriet  Reinprecht  H.  neuerUch  wegen 
der  Steuern  von  den  Herrenlehen  mit  Welser  Bürgern*  in 
Streit,  als  Herzog  Albrecht  in  seiner  Finanznot  neue  Steuern 
ausschrieb.^  Über  Betreiben  des  Herzogs  traf  Reinprecht  H. 
nun  als  (Landes-)  Hauptmann  mehrere  Anordnungen,  den  Salz- 
handel und  dessen  Handelswege  betreffend.  Den  bambergischen 
Untertanen  im  Krems-  und  Garstentale  ward  die  Salzeinfuhr 
von  Aussee  über  den  Pyhrn  weiterhin  gestattet.^  Dagegen 
wurde  der  Salz-  und  sonstige  Handel  durch  den  Haselgraben 
nach  Böhmen  verboten  und  die  Einhaltung  der  alten  Straße 
angeordnet.''  Gundaker  von  Starhemberg,  auf  der  Feste  Wild- 
berg® im  Haselgraben  gesessen,  gegen  den  sich  dieses  Verbot 
richtete,  hatte  alle  Ursache,  demselben  Folge  zu  leisten. 

Qegen  E.  Wenzel  hatte  sich  ein  Bund  mächtiger  Edel- 
leute  Böhmens,  darunter  die  den  Walseem  befreundeten  Rosen- 
berge, mit  Herzog  Albrecht  von  Osterreich  und  anderen  Fürsten 
vereint;  österreichische  Hilfstruppen  gingen  nach  Mähren  gegen 
die  Königlichen  ab.  Dem  Erzbischof  Pilgrim  von  Salzburg, 
der  sich  auf  die  Seite  K.  Wenzels  schlug,^  ließ  der  Herzog  den 
steirischen  Markt  Leibnitz  plündern,  ^*  in  Oberösterreich  nahm 
Reinprecht  H.  von  Walsee-Ens  salzbui^che  Untertanen  und 


»  Vgl.  Urk.  1892  Febni*r  3;  LB.  VI,  r.  2274»>.  «  Orig.  HHStA. 

'  Vgl.  die  Genealogie. 

*  Urk.  1391  Febniar  20;  Honnayr,  Hist.  Taschenbuch  1837,  365. 
»  Chron.  Mellic,  M.  G.  SS.  IX,  614. 

*  Urk.  1393  Augnßt  17;  HHStA.  Kod.  1049,  f.  68. 

'  Urk.  1393  Oktober  7;  LB.  IV,  r.  2358.  •  Nördlich  von  Linz. 

*  Vgl.  Pichler,  Salzburg.  Landesgesch.  226. 

"  Contin.  Monach.  St.  Petri,  M.  G.  SS.  IX,  841. 


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320 

Vasallen  gefangen  und  tat  dem  Erzbistume  dadurch  allein  einen 
Schaden  von  800  AT /Ä.  Die  Fehde  mit  Salzburg  ward  indes 
bald  beigelegt  und  der  durch  Reinprecht  und  in  der  Steiermark 
entstandene  Schaden  auf  Befehl  Herzog  Albrechts  *  durch  seine 
und  salzbui^ische  Räte  abgeschätzt.  Mittlerweile  hatten  böhmi- 
sche Adelige  K.  Wenzel  gefangen  imd  schließlich  auf  Schloß 
Wildberg  gebracht,  wo  er  den  Sommer  1394  zubrachte.  Herzog 
Albrecht  mißbilligte  zwar  das  Verhalten  der  Starhemberger 
gegen  den  König,  ließ  ihnen  aber  doch  bereits  1395  seine  Ver- 
zeihung zukommen. 

Schlimmer  erging  es  Reinprechts  H.  Schwiegervater  Hans 
von  Liechtenstein-Nikolsburg,  dem  einflußreichen  Hofineister 
Herzog  Albrechts,  der  auf  Befehl  des  Herzogs  gefangen  ge- 
setzt wurde.  Die  Liechtensteiner  und  sämtliche  Walseer  von 
Ens,  wie  auch  Reinprechts  IL  Gattin  Katharina,  die  Tochter 
des  Unglücklichen,  unterwarfen  sich  dem  1395  Februar  7  *  ge- 
füllten Urteile  der  Schiedsrichter.  Damach  verlor  der  Liech- 
tensteiner die  meisten  Besitzungen  an  den  Herzog;  andere  wur- 
den veräußert.  Ein  gebrochener  Mann,  überlebte  der  ehemaUge 
Hofmeister  seinen  Sturz  nicht  lange  imd  starb  um  1398.  Noch 
vor  ihm  schied  seine  Tochter,  Reinprechts  II.  Gattin,  ca.  1397 
aus  dem  Leben  ;^  sie  vermochte  das  Unglück  der  Ihrigen  nicht 
zu  verwinden.  Übte  der  Fall  des  Liechtensteiners  auch  sicht- 
lich keinen  Einfluß  auf  das  Verhältnis  der  Walseer  zum  Herzog 
aus,  so  mag  doch  bei  ihrem  mit  den  Meissauern  1395  April  22  * 
abgeschlossenen  Bündnisse  das  Bedürfnis  nach  wechselseitigem 
Schutze  mitgespielt  haben,  wenn  sich  dieses  auch  in  erster 
Linie  gegen  die  Einfälle  der  Leuchtenburger  u.  a.  aus  Süd- 
mähren richtete.^ 

Von  Wien  aus  zog  Reinprecht  H.  von  Wabee-Ens  Ende 
April  dieses  Jahres  mit  dem  Herzoge  nach  Obernberg  am  Inn  * 
und  beteihgte  sich  dort  am  Abschlüsse  des  Bündnisses  von 
1395  Mai  6  mit  den  Herzogen  Johann  und  Ernst  von  Baiem 
gegen  die  von  K.  Wenzel  unterstützten  Herzoge  Stephan  und 
Ludwig  von  Baiem.  Mehrere  bairische  Untertanen,  die  bei 
früheren  österreichischen  Streifzügen  gegen  Obemberg  gefangen 

»  1394  Juni  19;  Krones,  ürk.  r.  355. 

*  Kurz,  Albrecht  m.,  Bd.  II,  306—313.  »  Vgl.  die  Genealogie. 

*  Orig.  HHStA.  »  Vgl.  Urk.  1397  April  15;  LB.  IV,  r.  2478. 

*  Vgl.  Kurz,  a.  a.  O.  194. 


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321 

genommen  wurden/  erhielten  dabei  ihre  Freiheit  znrttck  und 
stellten  ihre  Urfehden  auf  Reinpreeht  II.  von  Walsee-£ns  als 
Hauptmann  ob  der  Ens  und  den  Herzog  aus.' 

Herzog  Albrecht  IH.  schied  1395  August  29  aus  dem 
Leben,  aufrichtig  betrauert  von  seinen  Untertanen.  Sein  ein- 
ziger Sohn  Albrecht  IV.  war  bereits  großjährig  und  stand  im 
18.  Lebensjahre.  Ihm  gegenüber  strebte  Herzog  Wilhelm,  der 
älteste  der  Leopoldiner,  als  Senior  des  Hauses  die  Vorherr- 
schaft auch  über  Ober-  und  Niederösterreich  an  und  berief 
sich  dabei  auf  den  Hausvertrag  von  1386,  Forderungen,  denen 
Herzog  Albrecht  IV.  begreiflicherweise  widerstrebte.  In  Zwie- 
tracht und  Parteiungen  verbreitete  sich  der  Zwist  der  Herzoge 
über  alle  habsburgischen  Länder.  Herzog  Albrecht  fand  insbe- 
sondere bei  dem  österreichischen  Adel  Unterstützung.  Von  den 
ihm  ergebenen  Walseem  behielt  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  das 
österreichische  Marschallamt,'  Reinpreeht  H.  die  Hauptmann- 
schaft ob  der  Ens;  er  wurde  überdies  des  Herzogs  Hofmeister. 

Der  Hollenburger  Vertrag  von  1395  November  10*  wahrte 
schließlich  den  inneren  Frieden  auf  das  Zutun  der  treuen  Diener 
des  Hauses,  unter  welchen  sich  Rudolf  I.  und  Reinpreeht  IL  so 
wie  Heinrich  VI.  von  Walsee-Ens  befanden.  In  demselben  ver- 
glichen sich  die  Herzoge  dahin,  daß  fortab  alle  Länder  gemein- 
sam regiert  werden  sollten,  wodurch  Herzog  Wilhelm  auch 
Mitregent  in  Osterreich  wurde;  doch  sollten  die  Lande  nach 
dem  Wiener  Vertrage  von  1396  März  30  ungeteilt  bleiben, 
aber  getrennt  verwaltet  werden.  Schließlich  verglichen  sich 
die  Herzoge  auch^  über  die  von  Albrecht  HI.  hinterlassene 
Habe  und  Hauskleinodien,  die  sie  nur  unter  gegenseitiger  Über- 
einstimmung und  unter  Aufsicht  des  Bischofs  Berthold  von 
Freising,  Rudolfs  I.  und  Reinprechts  IL  von  Walsee-Ens,  Ul- 
richs IV.  von  Walsee-Drosendorf  und  vier  weiterer  Edelleute 
im  äußersten  Notfalle  angreifen  sollten. 

Der  Ausgleich  zwischen  den  Herzogen  brachte  den  Wal- 
seem weitere  Würden  und  Ehrenstellen.*  So  wurde  Fried- 
rich V.  von  Walsee-Ens,  vordem  Herzog  Leopolds  Hofmeister, 


^  Vgl.  Bachinger,  Geschichte  yon  Passaa  11,  64. 

«  LB.  IV,  r.  2480,  2484,  2486. 

'  Vgl.  die  Geneidogie. 

*  Raach,  88.  Rernm  Anstriacaram  III,  411. 

»  ürk.  1396  Mai  4;  Ku«,  Albrecht  IV.,  Bd.  I,  172. 


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322 

nun  dessen  Rat,  und  da  jetzt  überdies  Heinrich  VI.  von  Walsee- 
Ens  Rat  der  Herzoge  Wilhelm  und  Albrecht  sowie  Ulrich  IV. 
von  Walsee-Drosendorf  Hofmeister  Herzog  Wilhelms  wurde, 
hatten  nun  fUnf  Walseer  gleichzeitig  wichtige  Amter  am  Hofe 
der  Habsburger  inne.  1397  wurde  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens 
als  österreichischer  Landmarschall  durch  Eonrad  von  Meissau 
ersetzt  und  dafür  Herzog  Wilhelms  Hofmeister,  als  Ulrich  IV. 
von  Walsee-Drosendorf  aus  diesem  Amte  schied.  Der  Einfluß, 
den  das  Haus  Walsee  dadurch  innehatte,  wurde  überdies  durch 
seinen  Reichtum  verstärkt,  der  es  in  Stand  setzte,  den  Her- 
zogen in  ihrer  Geldnot  bedeutende  Summen  vorzustrecken  und 
fUr  sie  hohe  Bürgschaften  zu  leisten.^ 

Insbesondere  aber  verursachten  die  endlosen  Grenzfehden 
gegen  Böhmen  und  Mähren  schwere  wirtschaftHche  Schäden, 
da  mit  E.  Wenzel  noch  immer  kein  endgiltiger  Friede  zu- 
stande kam.  Auch  der  Schiedsspruch,  den  Rudolf  I.  von  Wal- 
see-Ens und  andere  Schiedsrichter  1395 '  zwischen  Herzog  Al- 
brecht und  den  Vettauem  filUten,  brachte  keine  Abhilfe  und 
ein  WaffenstiUstand  zwischen  Osterreich  und  Mähren  schuf  im 
Dezember  1396  nur  vorübergehend  Ruhe.  Fiel  es  selbst  tüchtigen 
Landeshauptleuten,  wie  jenem  von  Kärnten,  oder  Reinprecht  H. 
von  Walsee-Ens  in  Oberösterreich  schwer,  Ordnung  und  Sicher- 
heit im  Inneren  aufrecht  zu  erhalten  und  dem  Wegelagerer- 
tume  ein  Ende  zu  machen,'  so  stand  es  in  den  Nachbarländern 
darum  noch  schlimmer.  Besonders  Niederösterreich  nördlich 
der  Donau  litt  schwer  durch  die  böhmischen  Adeligen  von 
Neuhaus  und  von  der  Leippe,  die  von  Eunsladt  auf  Jaispitz 
und  den  Bandenftlhrer  SokoL*  (Trotz  aller  Verträge  und  BtLnd- 
nisse  wiederholten  sich  1399  die  Einfälle  auf  österreichischen 
Boden,  wodurch  die  Walseer,  Meissauer,  Kuenringe  und  Puch- 
heimer  bedroht  waren.  Bereits  im  März  dieses  Jahres^  unter- 
handelte Reinprecht  H.  in  Freistadt  mit  Gesandten  E.  Wenzels 
und  die  Übereinkunft  im  Felde  vor  Hard  von  1399*  August  4 


»  Vgl.  Urk.  1396  August  3,    HHStA.  Kod.  17,  f.  26';  Urk.  1396  Septem- 
ber 29,  Hoheneck,  Genealogie  III,  814. 
«  Urk.  1396  April  17;  LB.  IV,  r.  2478. 

'  1396—1399  werden  abermals  10  Urfehden  auf  Reinprecht  ausgestellt. 
*  Kurz,  Albrecht  IV.,  Bd.  I,  44;  Krones,  Gesch.  Österreichs  II,  219. 
»  Urk.  1399  März  11;  HHStA.  Kod.  16,  fol.  46. 
«  Urk.  1399  August  4;  Cod.  dipl.  epist.  Mor.  XII,  482. 


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323 

tibertrug  die  Entscheidung  des  Streites  mit  denen  von  Neuhaus 
sechs  Schiedsrichtern,  darunter  Rudolf  I.  und  Reinprecht  U. 
von  Walsee-Ens.  In  den  nächsten  Tagen  ^  folgten  auch  die  von 
Kunstadt  auf  Jaispitz  und  die  von  der  Leippe  ihrem  Beispiele. 
Die  Schiedsleute  füllten  im  September  1399  *  ihre  Sprüche,  wo- 
mit die  Sache  vorläufig  ihren  Abschluß  fand. 

Die  Bedeutung  dieses  Zeitabschnittes  lag  indes  in  wich- 
tigen familiengeschichtlichen  Ereignissen  und  Veränderungen, 
die  sich  in  den  Jahren  1390 — 1400  vollzogen;  am  Schlüsse  der- 
selben sind  es  die  drei  Brüder  Rudolf  I.,  Reinprecht  II.  und 
Friedrich  V.  von  Walsee-Ens,  welche  das  Erbe  der  Tib einer 
und  den  gesamten  Besitz  des  Hauses  Walsee  in  ihrer 
Hand  vereinen. 

In  fortwährendem,  sich  immer  rascher  steigerndem  An- 
wachsen bewegt  sich  zugleich  die  Gütergeschichte  dieser  Linie 
des  Geschlechtes,  bis  sie  in  den  Erbschaften  der  Jahre  1398, 1399 
und  1400  und  damit  in  der  Hauptsache  die  Besitzentwicklung 
der  Herren  von  Walsee  überhaupt  ihren  Höhepunkt  erreicht. 

Bald  nach  dem  Tode  Reinprechts  I.  fiel  seinen  Söhnen 
aus  dem  Erbe  der  1363  erloschenen  Walseer  zu  Graz  die  große 
Herrschaft  Riegersburg  zu,  welche  der  gesamten  Enser  Linie 
in  ihren  beiden  Zweigen  gemeinsam  verblieb.^  Die  Klage, 
welche  Herzog  Rudolf  IV.  1365  März  20*  vor  Leutold  von 
Stadeck,  Landmarschall  in  Osterreich,  gegen  sie  wegen  der 
niederen  Feste  zu  Riegersburg  vorbrachte,  die  einst  Satz  Fried- 
richs HI.  von  Walsee-Graz  von  Herzog  Albrecht  IH.,  dann 
Eberhards  VIII.  von  Walsee-Graz  Erblehen  geworden  war, 
wurde  zugunsten  der  Enser  Walseer  entschieden.  Weiterhin 
kam  an  Ankäufen  in  der  Steiennark  lediglich  1379  ^  der  eines 
Hauses  in  der  Bürgerstraße  zu  Graz  hinzu,  dessen  Erwerbung 
den  Brüdern  wohl  wegen  Rudolfs  I.  Stellung  als  Hauptmann 
in  der  Steiermark  wünschenswert  schien. 

Zwischen  den  drei  Brüdern  Rudolf  I.,  Reinprecht  II.  und 
Friedrich  V.  scheint  eine  förmliche  Teilung  ihrer  in  der  Folge 


1  Urk.  1399  August  12  und  15;  Kurz,  Albrecht  IV.,  Bd.  I,  187. 
'  Ebenda  191.  Urk.  1399  September  9;  Orig.  Gr.Oeminsches  Arohiy  Neuhaus. 
'  Vgl.  die  gemeinsam   ausgestellten  Lehenbriefe  1364  Dezember  21;   1369 
Dezember  18;  Brandl,  Urk.-B.  d.  Teuffenbach  45,  81. 

*  Schwind-Dopsch,   Urkunden   zur  Verfassungsgeschichte  Österreichs,  243. 

*  Urk.  1379  August  26;  NB.  I,  374. 


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234 

Schulzen  gestellt  erscheinen,  auch  wenn  sie  Magdeburger  und 
Neumarkter  ,8tadtrecht'  erhielten.  Zur  Stadt  wurde  ein  Ort, 
trotz  des  bereits  früher  verliehenen  Stadtrechtes,  erst  durch 
weitere  besondere  Vorrechte,  indem  ihm  ausdrücklich  der  Titel 
Stadt  (civitas)  und  ein  Vogt,  femer  verschiedene  dem  ent- 
wickelten städtischen  Leben  entsprechende  Freiheiten  im  Handel, 
Verkehr  usw.  gewährt  wurden. 


Inhaltsabersiolit. 


Saite 

Das  Gerichtswesen 167 

1.  Einleitung 167 

2.  Niedere  Ortsgerichte 170 

3.  Die  jgroßen*  Ortsgerichte 177 

4.  Die  Hofgerichte  (sogenannte  Lehens-  und  Obergerichte)    .     .  184 

a)  Landesfürstliche  ^Lehensböfe* 190 

b)  ,Lehenshöfe'  auf  geistlichen  Gütern 198 

c)  Lehensgerichtsbarkeit  der  adeligen  Grundbesitzer      .     .  202 

5.  Der   königlich    deutsche  Oberhof  auf  der  Burg  zu  Krakan, 

Rechtszng  nach  Magdeburg 203 

6.  Das  oberste  Gericht  der  sechs  Städte    , 213 

7.  Deutsche  Rechtsbflcher  und  Sammlungen  von  SchGffensprüchen 

in  Galizien.    Bemerkungen  zur  Charakteristik  der  Gerichts- 
verfassung und  des  Gerich tsyerfahrens 215 

8.  Lehenswesen    und    eigentliche    Lehensgerichte    im    Haliczer 

Gebiete .224 

Identität  des  ^deutschen  Rechtes*   und  deutscher  Stadt- 
rechte in  Polen 231 


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4 


Wlfr^BT,  1906. 

D  r  D  c  k    r  u  rt    A  d  a  H    H  o  I  s  li  h  ii  *  e  iv , 


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österreichische  Geschichte. 


Herattagegeben 

TOü  der 

Historischen  KommissioD 

der 

kaiserlichen  Akademie    der  Wisseuschaften, 


Filufondneuiizigster  Band. 

Zweite  Hälfte. 

Mit  0  StaiamtafelQ. 


Wien,  1906. 
In    Kommission    bei    Alfred    Holder 

k.  n*  lt.  Hof-  qnd  trai¥ersit&t»-l!achhifidlet 
Badibäadl^r  der  kUMrlüclieix  Akwicm],«  d«r  Wiesäutobciftftii. 


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Archiv 


für 

österreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 

Ton  der 

Historischen  Kommission 

der 

kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Fünfundneunzigster   Band. 

Zweite  Hälfte. 
Mit  6  Stammtafeln. 


Wien,  1906. 

In   Kommission   bei    Alfred    Holder 

k,  n.  k.  Hof-  und  Unirersit&ts-Baohh&ndler 
Buchhändler  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wisienschaflen 


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DIE  HERREN  VON  WALSEE. 


EIN    BEITR^a 

ZUR 

ÖSTERREICHISCHEN  ADELSGESCHICHTE. 


VON 


D"  MAX  DOBLINGER. 


VORGELEGT  IN  DER  SITZUNG  AM  8.  NOVEMBER  1905. 


AickiT.  XCV.Band.  U.  Hüfte.  17 


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Vorwort. 


Jcirst  jüngst  wieder  ist  von  berufener  Seite  auf  den  Wert 
kritisch  gesichteter  Adelsgeschichte  hingewiesen  worden.  Wenn 
irgendwo,  so  mögen  die  Worte,  welche  Prof.  J.  Loserth  seinen 
jGenealogischen  Studien  zur  Geschichte  des  steir.  Uradels' 
(Forschungen  zur  Verfassungs-  und  Verwaltungsgeschichte  der 
Steiermark,  Bd.  VI*,  Graz  1905)  voranschickt,  für  die  Geschichte 
des  Hauses  Walsee  gelten,  die  hier  dargestellt  ist. 

Längst  besitzen  wir  über  die  beiden  bekanntesten  Adels- 
geschlechter unserer  Heimat,  die  Grafen  von  Schaunberg  und 
von  Cilli,  eine  Anzahl  brauchbarer  Arbeiten.  Die  Herren  von 
Walsee,  die  sich  den  vorgenannten  Geschlechtern  getrost  an 
die  Seite  stellen  lassen,  entbehrten  bisher  einer  ausreichenden 
historischen  Darstellung.  Allerdings  war  ihre  Geschichte  be- 
reits mehrfach  Gegenstand  der  Erörterung.  Aber  schon  der 
alte  Wolfgang  Laz  (De  migratione  gentium,  Frankfurt  1600, 
S.  464)  brachte  eine  derartige  Verwirrung  in  die  umfangreiche 
Genealogie  des  Hauses,  daß  weder  Steyerer  (Commentarii  pro 
historia  Alberti  H.,  Wien  1725,  Anh.  col.  18  ff.),  noch  der  fleißige 
Hoheneck  (Genealogie  des  obderensischen  Adels  IH,  888  ff.) 
damit  zurechtkamen.  Überdies  fügte  nun  auch  hier  der  be- 
kannte Chr.  Hanthaler  (Recensus  diplom.  gen.  arch.  Campilil.) 
seine  Fälschungen  hinzu;  noch  Hopf  (Genealogischer  Atlas, 
S.  374)  gab  seine  Tabelle  darnach. 

Es  war  der  verdiente  Chmel,  der  die  Bedeutung  des 
Hauses  erkannt  und  dazu  (Notizenblatt  der  kaiserl.  Akad.  der 

17» 


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238 

Wissensch.,  Bd.  IV)  bedeutendes  urkundliches  Material  ver- 
öffentlicht hat.  Alfons  Huber  (Geschichte  des  Herzogs  Rudolf  IV., 
Exkurs  II)  stellte  sodann  die  Genealogie  desselben  auf  sichere 
Grundlagen  und  Krones  (Allgemeine  deutsche  Biographie, 
XLI.  Bd.)  sowie  Weiß-Starkenfels  (Wappenbuch  des  obderen- 
sischen  Adels,  S.  579 — 604)  haben  daran  weitergesichtet. 

Immerhin  blieb  auch  hier  noch  vieles  zu  tun  übrig:  eine 
umfangreiche  Literatur  war  oft  schwierig  zu  beschaffen  und 
vor  allem  waren  die  bisher  noch  ungenügend  ausgebeuteten 
Urkundenschätze  zu  heben.  Allen  den  zahlreichen  Persönlich- 
keiten, die  dem  Verfasser  besonders  nach  dieser  Richtung  ihre 
Unterstützung  zuteil  werden  ließen,  sei  dafür  der  ergebenste 
Dank  gesagt,  insbesondere  aber  Freiherrn  Viktor  von  Handel- 
Mazzetti,  Archivar  des  Museums  Francisco-Carolinum  in  Linz, 
der  für  die  vorliegende  Arbeit  eine  reichhaltige  Sammlung  von 
Urkundenauszügen  zur  Verfügung  stellte. 

Graz,  im  Dezember  1905. 

Dr.  Max  Soblinger. 


Abkürzungen. 

AÖG =  Archiv  für  österreichische  Geschichte. 

FRA =  Fontes  Kerum  Austriacamm. 

HHStA.    .  .  =  K.  u.  k.  Hans-,  Hof-  und  Staatsarchiv  in  Wien. 
JBMFC.  .  .  =  Jahresbericht  des  Mnseams  Francisco-Carolinam  in  Lins. 

LB =  Lichnowskj  (-Birk),  Geschichte  des  Hauses  Habsburg. 

NB =  Notizenblatt  zum  Archiv  für  Kunde  Österreichischer  Geschichts- 

quellen. 
StLA.     .  .  .  =  Steiermärkisches  Landesarchiv  in  Graz. 
StAEferding  =  Fürstlich  Starhembergisches  Archiv  in  Eferding. 
UBoE.   .  .  .  =  Urkundenbuch  des  Landes  ob  der  Ens. 
WSt   .  .  .  .  =  Weiß-Starkenfels,  Wappenbuch  des  obderensischen  Adels. 

Inventar.  .  .  =  Archivinventar  von  Nieder -Walsee,  1545  Okt.  26,  NiederOsterr. 
Herrschaftsakten,  Fasz.  17684  Wl,  Öd,  Archiv  des  k.  u.  k. 
gem.  Reicbsfinansministerioms  in  Wien. 


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Einleitung. 


Mit  den  Habsbnrgern  kam  unter  Albrecht  I.  auch  eine 
Anzahl  von  Adelsgeschlechtern  aus  der  schwäbischen  Heimat 
in  die  österreichischen  Lande.  Weitaus  die  bedeutendste  dieser 
Familien  und  eine  der  hervorragendsten  überhaupt^  die  der 
österreichische  Adel  des  späteren  Mittelalters  in  seinen  Reihen 
zählte^  waren  die  Herren  von  Walsee. 

Sie  hatten  bereits  ein  Jahrhundert  nicht  eben  bedeutender 
Vergangenheit  als  weifische  und  staufische  Ministerialen  in  dem 
Städtchen  Walsee  hinter  sich,  als  sie  auf  dem  Boden  Österreichs 
heimisch  wurden.  Hier  breiten  sie  sich  in  vier  Linien  aus,  ge- 
langen unter  dem  Hochadel  zur  Geltung  und  bringen  einen 
weitausgedehnten  Besitz  an  Eigengut,  meist  aber  an  herzog- 
lichen Lehen  und  Pfandschaften  an  sich.  Als  Lehensträger  der 
Kirchen  von  Salzburg  und  Passau^  Bamberg,  Regensburg  und 
Freising,  ja  selbst  Brixen  und  Pola,  sowie  als  Widerpart  der 
Grafen  von  Schaunberg  in  Oberösterreich  sind  auch  sie  mit 
tätig  bei  der  Ausgestaltung  der  habsburgischen  Landeshoheit. 
Eine  Anzahl  bedeutender,  tüchtiger  Männer  des  Hauses  leistet 
wiederholt  den  Habsburgern  in  Krieg  und  Frieden  die  wich- 
tigsten Dienste  und  der  Reichtum,  den  sie  durch  sorgsame 
Wirtschaft  zu  mehren  verstanden,  stellt  den  hilfsbedürftigen 
herzoglichen  Finanzen  oft  beträchtliche  Summen  zur  Verfügung. 

Reinprecht  H.  von  Walsee  (f  1422),  der  eine  MachtfUlle 
in  seiner  Hand  vereinte,  wie  sie  nach  ihm  wenigen  Dienern 
des  Hauses  Habsburg  zuteil  geworden  ist,  wurde  überdies  mit 
seinem  Bruder  Friedrich  V.  der  Schöpfer  jener  für  die  inner- 
politische Geschichte  Österreichs  hochbedeutsamen  Stellung  der 
Stände,  welche  dieselben  durch  volle  zwei  Jahrhunderte,  bis 
zum  Siege   der  Gegenreformation,   innehatten.     Stets  in   enger 


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240 

Verbindung  mit  den  Geschicken  ihres  Herrscherhauses,  enden 
die  Herren  von  Walsee  mit  Reinprecht  V.  (f  1483)  an  der 
Schwelle  einer  neuen  Zeit,  mit  der  so  viele  Geschlechter  des 
österreichischen  Adels  von  der  Bildfläche  verschwinden,  und 
rasch  ist  mit  der  Zerstückelung  des  walseeischen  Erbes  ihre 
Spur  verflogen. 

Der  Verfasser  behandelt  nach  einem  Abschnitte  über  die 
schwäbische  Vorgeschichte  des  Geschlechtes  dessen  Geschicke 
auf  dem  Boden  Österreichs.  Trotz  mancher  Bedenken  schien 
es  vorteilhafter,  die  Schicksale  der  vier  Linien  des  Hauses,  von 
Linz,  Ens,  Graz  und  Drosendorf  getrennt  darzustellen.  Anderer- 
seits war  es  auch  geboten,  dem  Wirkungskreise  der  wichtigsten 
Amter  nachzugehen,  welche  die  Walseer  als  Hofmeister,  Land- 
marschälle und  Hauptleute  ob  der  Ens  und  in  der  Steiermark 
vielfach  innehatten;  Abschnitte  über  die  sozialen  Verhältnisse 
und  das  Wirtschaftsleben  sowie  über  die  Genealogie  des  Ge- 
schlechtes bilden  den  Schluß. 

Übensehen  wir  den  gesamten  Wirkungsbereich  des  Hauses 
Walsee,  so  wird  sich  die  Erkenntnis  ergeben,  daß  wir  in  dem- 
selben fUr  das  14.  und  15.  Jahrhundert  einen  politischen  und 
wirtschaftlich  in  sich  geschlossenen  Machtfaktor  zu  erblicken 
haben,  dessen  Bedeutung  ftlr  das  damalige  habsburgische  Öster- 
reich bisher  unterschätzt  worden  ist. 


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I.  Abschnitt. 
Die  Walseer  In  Sehwaben. 

XJitwa  halben  Weges  zwischen  Donau  und  Bodensee  liegt 
in  anmutiger  Moränenlandscbaft  Waldsee,  die  Heimat  des  nun 
schon  seit  mehr  denn  400  Jahren  abgestorbenen  gleichnamigen 
Geschlechtes,  heute  eine  wtirttembergische  Oberamtsstadt. 

Schon  der  Name,  in  seiner  ältesten  Schreibweise  walahse 
=  Walchsee  lautend,  läßt  auf  einen  Bestand  des  Ortes  bereits 
in  Römerzeiten  schließen.  Zahlreiche  Römerfunde  sind  denn 
auch  in  der  Umgebung  von  Waldsee  zutage  gefördert  worden. 

Als  dann  das  Christentum  Eingang  gefunden  hatte,  er- 
stand in  der  Nähe  Heisterkirch,  die  Leutkirche  des  Heister- 
gaues, als  eine  der  ältesten  Eultstätten  des  neuen  Glaubens,  der 
sich  von  hier  in  der  ganzen  Umgegend  verbreitete. 

Seinen  Ursprung  mag  Waldsee  den  karohngischen  Schen- 
kungen an  das  bekannte  elsässische  Kloster  Weißenburg  ver- 
danken, welches  zu  Waldsee,  wo  sich  auch  die  Weißenburger 
Kirchenheiligen  wiederfinden,  und  in  mehreren  Orten  der  Um- 
gebung, so  zu  Heisterkirch,  Groß-  und  Klein-Laubheim,  Holz- 
kirch u.  a.  bedeutende  Güter  besaß.  Zum  ersten  Male  wird 
Waldsee  im  Traditionskodex  von  Weißenburg  (10.  Jahrhundert) 
genannt.^  Die  Eintragung  daselbst:  ,Ad  Walahse  est  curtis 
dominica  a  paganis  desolata^  gibt  uns  zugleich  Kunde,  daß  die 
Ungarn  (pagani)  Waldsee  zerstörten,  als  sie  beim  Einfalle  von 
926  nach  der  Belagerung  des  durch  Bischof  Ulrich  verteidigten 
Augsburg  Alemannien  verwüsteten  und  bis  St.  Gallen  verheerend 
vordrangen.  Im  Heistergaue  war  dabei  die  Bevölkerung  ge- 
radezu vernichtet  worden.     Weiters   führt   der  Weißenburger 

^  WQrttemberg.  Geschichtsquellen  II  (1896),  279. 


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242 

Liber  possessionum  Edelini  abbatis  an:^  ,Beneficmm  Bezzelini 
comitis;  ad  Walahse  et  Heistinikirche  totum  comitiserum  preter 
ministeriales  et  eorum  praedia  et  beneficia,  que  abbatem  solnm 
respiciunt'  Dieser  Graf  Bezzelin,  identisch  mit  dem  Grafen 
Berthold  von  Breisgaa  oder  dessen  Sohne,  dem  1024  verstor- 
benen Ahnherrn  der  Zähringer,  Berthold  von  Villingen,  erscheint 
als  Lehensträger  des  Klosters  Weißenburg  zu  Waldsee,  läßt 
sich  indes  als  Graf  im  Heistergaue  nicht  nachweisen. 

Von  da  ab  vergehen  volle  140  Jahre  ohne  Nachricht  über 
den  Fortbestand  Waldsees.  Während  dieses  langen  Zeitraumes 
hat  sich  die  Ansiedlung  von  den  Schäden  des  Ungarneinfalles 
erholt  und  zu  einem  Pfarrorte  weiterentwickelt,  in  welchem  be- 
reits um  1165  ein  Kloster  bestand. 

In  der  Urkunde  von  1171  März  31*  nun,  worin  Herzog 
Heinrich  von  Baiem  und  Sachsen  zu  Tiuringen*  bekundet,  daß 
sein  Dienstmann  Otto  de  Hasenwillare  die  Prädien  zu  Swain- 
dorf  und  Richenbach  dem  Kloster  Salem*  geschenkt  habe, 
finden  sich  neben  anderen  Zeugen,  unmittelbar  nach  Fridericus 
de  Dahsporc,  der  ab  Dienstmann  des  Grafen  Otto  von  Kirch- 
berg sichergestellt  ist,  die  ersten  Walseer  genannt:  Gebehardus 
et  Chonradus  de  Walchse.  Gleich  anderen  Ministerialen  er- 
scheinen die  Waldseer  dann  seit  dem  Übergänge  der  weifischen 
Hausgüter  in  Schwaben  von  Herzog  Weif  VI.  an  die  Staufer 
unter  den  Dienstleuten  der  letzteren. 

1179  Dezember  25^  verbriefte  Herzog  Friedrich  V.  von 
Schwaben  zu  Altdorf  den  Übergang  der  Vogtei  über  Besitzun- 
gen des  Klosters  Kreuzlingen  auf  ihn  und  genehmigte  zugleich 
die  Übergabe  mehrerer  Dienstleute  samt  deren  Habe  an  das 
Kloster.  Unter  den  Zeugen  befanden  sich:  Fridericus  de  Wald- 
burch,  dann  Eberhardus  de  Walhse,  Eberhardus  de  Tanne  et 
frater  suus  Bertolfus  sowie  Bertolfus  de  Walhse  u.  a. 

Auf  dem  Ulmer  Reichstage  wurde  ferners  1181  Mai  5* 
die  feierliche  Tauschhandlung  vollzogen,  wodurch  das  Kloster 
Roth  von  Berthold  von  Laubheim  bei  Memmingen,  einem  Dienst- 


»  Württemberg.  Geschichtsquellen  H  (1895),  282. 

■  Weech,  Cod.  diplom.  Salemitanns  I,  25. 

^  Thenringen  bei  Überlingen. 

^  Salmannsweiler  bei  Überlingen. 

»  Wirtemberg.  Urk.-B.  II,  205.  «  Ebenda,  214. 


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243 

manne  des  Grafen  Otto  von  Hohenberg  (=  Kirchberg),  die  Kirche 
in  Stainbach,  einen  kirchbergischen  Besitz  an  der  Hier,  dieser 
hingegen  vom  Stifte  das  Gut  zu  Hard  sowie  17  Talente  als 
Ausgleichssumme  erhielt.  In  der  Zeugenreihe  dieser  Urkunde 
sind  nun  als  kirchbergische  Ministerialen  abermals  dominus 
Eberhardus  et  fiUus  eins  Bertoldus  et  patruus  ipsius  dominus 
Chunrathus  de  Walechse  genannt.  Dieselben  bezeugen  auch 
noch  neben  denen  von  Tanne,  Winterstetten  u.  a.  die  von 
K.  Friedrich  I.  auf  demselben  Ulmer  Reichstage  1181  Mai  12^ 
ausgestellte  Urkunde,  worin  die  zu  Zeiten  des  Bischofs  Her- 
mann I.  von  Konstanz  (1152 — 1165)  erfolgte  Umwandlung  der 
Pfarrkirche  Walhse  in  ein  Augustiner-Chorherrenstift  mit  der 
ausdrückUchen  Klausel  bestätigt  wird,  daß  die  Ministeriales  de 
Waltse  zum  Herzogtume  Schwaben  gehören  und  nur  der  Ge- 
richtsbarkeit ihres  Herzogs  unterstehen  sollen. 

Die  genannten  drei  Waldseer  sind  die  ersten  nachweis- 
baren Angehörigen  des  Geschlechtes,  der  1171  bezeugte  Geb- 
hard  (I.)  wohl  ein  Bruder  Konrads  (I.),  welcher  1171 — 1181 
auftritt.  Auch  das  Weißenauer*  Totenbuch  gedenkt  zu  Mai  15 
,Cuonradi  de  Waise  militis  et  Eberhardi  de  Tanne,  et  paren- 
tum  suorum,  quorum  annivers.  solemniter  celebramiis',*  und  das 
Stiftungsbuch  desselben  Klosters  mit  der  Bemerkung,*  daß 
Konrad  von  Waise  bedeutende  Summen  von  Kirchengeldern 
ihrem  Zwecke  entfremdet  und  sein  Unrecht  durch  eine  Schen- 
kung von  15  Mark  Silber  an  das  Kloster  gesühnt  habe.  Seit 
1181  wird  Konrads  (I.)  Bruder  Eberhard  (I.)  nicht  mehr  er- 
wähnt, wohl  aber  sein  Sohn  Berthold,  der  im  Frühlinge  1187^ 
als  Dienstmann  Hartmanns  d.  J.  von  Kirchberg  zugegen  war, 
als  Herzog  Friedrich  V.  von  Schwaben  den  Verkauf  von  Gütern 
zu  ,Graggenhoven,  Wiare,  Iberch  und  Maizilstein'  durch  die 
Brüder  von  Hohenburg  an  den  Grafen  Hartmann  von  Kii*ch- 
berg  bestätigte.  Daraus  geht  wohl  hervor,  daß  die  Waldseer 
als  staufische  Ministerialen   natürlich  für  den  Kaiser  gegen  die 


»  Wirtemberg.  Urk.-B.  II,  216. 

*  Weißenau,  AngU  nünor  bei  Ravensburg. 
»  M.  G.  Necrol.  I,  169. 

*  Baamann,  Acta  S.  Petri  in  Angia,  Zeitschrift  fflr  Gesch.  des  Oberrheins 
XXIX,  113. 

^  Banmann,  Gesch.  des  Allgäus  I,  206. 


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244 

kirchliche  Partei   auftraten;   nun   fehlen  aber  alle  Nachrichten 
über  Bie  auf  vierzig  Jahre  hinaus. 

Für  die  Frage  nach  der  Abstammung  der  Waldseer 
scheinen  sich  darnach  Anhaltspunkte  nach  zwei  Richtungen  zu 
ergeben. 

Einerseits  begegnen  wir  ihnen^  ebenso  noch  im  13.  Jahrhun- 
dert, in  den  Zeugenreihen  der  Urkunden  wie  nahen  Vettern  neben 
denen  von  Tann,  Waldburg  und  Winterstetten,  Ministerialen- 
geschlechtem  in  der  Umgebung  Waldsees,  deren  Verwandtschaft 
untereinander  noch  keineswegs  geklärt  ist.^  Auch  die  auf- 
fallende Gleichheit  der  Taufnamen,  die  sich  bei  den  genannten 
Familien  wiederfinden,  läßt  sich  ebensogut  wie  durch  etwaige 
gemeinsame  Abstammung  auch  durch  Verschwägerung  erklären, 
wie  wir  sie  mit  denen  von  Waldburg  und  Winterstetten  nach- 
weisen, bei  denen  von  Tanne  vermuten  können.  Zudem  waren 
ja  Eberhard,  Konrad,  Heinrich,  Berthold,  Ulrich  und  Friedrich 
damals  gerade  die  häufigsten  Taufnamen  im  Schwabenlande. 
Es  läßt  sich  durchaus  nicht  erweisen  oder  auch  nur  ver- 
muten, daß  die  Besitzungen  der  Waldseer  ganz  oder  teilweise 
von  denen  von  Waldburg,  Winterstetten  oder  Tanne  —  oder  um- 
gekehrt hergekommen  wären.  Auch  ihr  Wappen,*  ein  schwarzer 
Schild  mit  weißem  Querbalken,  wie  ihn  heute  noch  das  Städt- 
chen Waldsee,'  doch  nun  mit  den  württembergischen  Hirsch- 
geweihen als  Helmzier  flihrt  —  das  allerdings  gegenwärtig  erst 
von  der  im  königl.  württembergischen  Staatsarchive  aufbewahr- 
ten Urkunde  von  1275  Juli  21  an,  und  zwar  in  einem  Drei- 
eckssiegel erhalten  ist  —  weist  keinerlei  Ähnlichkeit  mit  den 
Wappen  der  vorerwähnten  Geschlechter  auf.*  So  mag  die 
mehrfache  Beziehung  dieser  Familien  zu  einander  lediglich  in 
Verschwägerung,  in  der  Zugehörigkeit  unter  dem  gemeinsamen 
Lehensherrn  und  gewiß  nicht  zuletzt  in  der  nachbarlichen  Lage 
ihrer  Besitzungen  —  die  Tanne  grenzten  an  Waldsee,  die  Winter- 


*  Vgl.  Stalin,  Wirtemberg.  Gesch.  II,  610—639  und  Hauthaler,  Abstammaog 
des  Erzbischofs  Eberhard  II.  von  Salzburg,  Salzburg.  Gymnas.-Programm 
(Borromäum)  1877. 

«  Vgl.  darüber  WSt.,  669—670. 

*  Ein  Siegel  des  16.  Jahrhunderts  (doch  hier  irrig  einem  österreichischen 
Walsee  beigelegt)  s.  Mitt.  der  Zentralkommission,  Neue  Folge,  HI.  Bd., 
S.  CLIV. 

*  Vgl.  Stalin,  Wirtemberg.  Gesch.  II,  616. 


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245 

stetten  hausten  nördlich,  die  von  Waldburg  nahe  südlich  davon 
bei  Ravensburg  —  ihre  Ursachen  gehabt  haben.  Andererseits 
scheinen  —  wie  Weiß-Starkenfels  vermutet^  —  fUr  eine  solche 
Urverwandtschaft  die  in  den  angeführten  Urkunden  gleichfalls 
auftretenden  Daxberger  in  Betracht  zu  kommen. 

Neben  dem  kirchbergischen  Ministerialen  Friedrich  von 
Daxberg,  der  nach  1171  nicht  mehr  urkundet,  erscheint  um 
1173  im  Stiftungsbriefe  des  Ruegerus  de  Pforzheim*  f&r  das 
Kloster  Fölling*  unter  den  Zeugen  Heinricus  de  Dahsperc,  wohl 
Friedrichs  Bruder.  Auch  dieser  Henricus,  der  gleichfalls  nur 
einmal  genannt  wird,  gehört  als  Ministeriale  des  Grafen  Gott- 
fried von  Ronsberg  hierher;  die  Ronsbergische  Gebietsgrenze 
reichte  mit  der  noch  innerhalb  derselben  gelegenen  Ortschaft 
Sontheim  bis  unmittelbar  vor  Memmingen,  nahe  gegen  Erkheim 
und  Daxberg  hin.  Zu  Augsburg  verzichteten  weiters  1227 
März  20*  die  Brüder  Heinrich  und  Friedrich  von  Dahsperc 
vor  K.  Heinrich  VI.  für  ein  Entgelt  von  70  Mark  Silber  auf  die 
Lehenschaft  zweier  Mausen  ,in  villa  Widergeltingen^,  mit  denen 
sich  der  1191  f  Herzog  Weif  ein  Seelgeräte  im  Kloster  Stein- 
gaden  am  Lech  gestiftet  hatte. 

Daß  auch  diese  beiden  Brüder,  wohl  Söhne  Friedrichs 
oder  Heinrichs  von  Dahsperc,  zu  den  Daxbergern  bei  Memmingen 
gehören,  steht  außer  Zweifel.  Mit  den  beiden  Gütern  zu  Wider- 
geltingen ^  waren  sie  mindestens  schon  1191  im  Todesjahre 
Herzog  Welfs  belehnt.  Mit  ihnen  schließt  die  Reihe  der  Dax- 
berger, von  denen  auch  das  Nekrolog  von  Ottobeuren  eine 
1  (aica)  Hiltrut  zu  April  2^  and  den  Waltherus  puer  de  Dahs- 
perc zu  August  6'  sowie  das  Totenbuch  von  Löwenthal  zu 
Juli  9®  eine  Wilibera  und  endlich  eine  Elisabeth  von  Dachs- 
perg  zu  November  15®  anführt.  Die  von  Weiß-Starkenfels  an- 
genommene Möglichkeit,  daß  die  stammverwandten  Vettern  von 
Waldsee  bei  diesem  frühzeitigen  Erlöschen  der  Daxberger  noch 
erfolgreich   Erbansprüche    in  Bünsicht  auf  eine   drei   bis   vier 


*  WSt.,  670—572;    mangels  zwingender  Beweise    muß  Weiß -Starkenfels' 
Ansicht  wohl  Hypothese  bleiben. 

*  Pforzheim  =  Pforzen,  Ostlich  von  Ronsberg. 
'  Bei  Weilheim,  Ostlich  vom  Lech. 

*  WSt.,  671.  *  östlich  von  Mindelheim. 
«  M.  G.  Nekrol.  I,  106.  '  Ebenda,  118. 

'  Ebenda,  199. 


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246 

Generationen  erfolgte  Abzweigung  geltend  machen  konnten^  ist 
allerdings  nur  eine  vage  zu  nennen. 

Von  1187  an  verlautet  nichts  mehr  über  Berthold  von 
Waldsee,  der  indes  damals  noch  nicht  bejahrt  sein  konnte,  da 
sein  Vater  noch  sechs  Jahre  vorher  am  Leben  gewesen  war. 
So  mag  Berthold  erst  in  späteren  Jahren  dem  Vater  ins  Grab 
gefolgt  sein,  wenn  nun  auch  der  Zeitraum  bis  1228  durch 
keinerlei  Urkunden  oder  Nachrichten  ausgefüllt  wird.  Eber- 
hard II.,  der  daher  ganz  wohl  als  sein  Sohn  bezeichnet  werden 
kann,  zumal  er  nach  damaliger  Sitte  des  Großvaters  Taufhamen 
führt,  tritt  zum  ersten  Male  zu  Ulm  neben  dem  Truchsessen 
Eberhard  von  Waldburg,  Chunrat  von  Winterstetten  u.  a.  als 
Zeuge  in  der  Urkunde  auf,  worin  K.  Heinrich  VI.  1228  Fe- 
bruar 23^  das  Kloster  Thurthal  von  der  Vogtei  des  Grafen 
Diethelm  von  Toggenburg  befreite. 

Dann  zog  Eberhard  11.  mit  K.  Friedrich  11.  gegen  den 
letzten  Babenberger  zu  Felde,  nach  Osterreich,  wo  seinem 
Hause  dereinst  eine  so  große  Zukunft  erblühen  sollte;  zu  Wels 
bezeugt  Eberhard  11.  im  Juni  1235*  die  Bestätigung  von  Pri- 
vilegien des  Klosters  Kremsmünster  durch  K.  Friedrich  11.  In 
die  Heimat  zurückgekehrt,  war  der  Waldseer  zugegen,  als  Graf 
Konrad  von  Freiburg  i.  B.  1238  August  30*  das  Freiburger 
Predigerkloster  von  allem  Zehent  auf  seinen  Hufen  befreite. 
Auch  befand  er  sich  unter  den  Zeugen,  als  Konrad  von  Schma- 
lenek  1241*  in  der  Burghalle  zu  Winterstetten  das  Dorf 
Theuringen  dem  Kloster  Weißenau  versetzte,  ebenso  als  K.  Kon- 
rad IV.  im  Oktober  dieses  Jahres  zu  Baindt^  dieses  Kloster  von 
jeder  Vogtei  befreite. 

Zweimal  noch  tritt  Eberhard  11.  als  Zeuge  auf;  so  im 
April  1245®  zu  Ittendorf,  wo  Graf  Berthold  von  Heiligenberg 
auf  Bitten  Konrads  von  Schmalenek  dem  Kloster  Baindt  sein 
Eigentum  an  Gütern  zu  Eggenreut  schenkte,  und  leztlich  be- 
zeugt er  neben  denen  von  Waldburg,  Winterstetten,  Warthausen 


*  Wartmann,  Urk.-B.  von  St.  Gallen  HI,  76. 

*  Hagn,  ürk.-B.  von  Kremsmünster,  81—88. 
Schreiber,  Ürk.-B.  von  Freibnrg^  i.  B.  I.  50. 
Wirtemberg.  Urk.-B.  IV,  7. 
Bei  Ravensburg;  Wirtemberg.  Urk.-B.  IV,  89. 

*  Ebenda. 


t 


6 


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247 

und  Ravensburg  1248  Mai  5*  zu  Augsburg  K.  Konrads  IV.  Be- 
stätigung der  Freiheiten  des  Klosters  Weingarten. 

Seither  wird  Eberhard  II.,  auf  dem  das  Geschlecht  der 
Waldseer  oflFenbar  allein  beruht  hatte,  nicht  mehr  genannt.  Als 
seine  Gemahlin  mag  jene  Mechtildis  gelten,  deren  Name  sich  als 
etwa  gleichzeitige  Eintragung  im  neu  aufgefundenen  Toten- 
buche des  Klosters  Salem  zu  Januar  14  findet:'  ,ob.  Mechtildis 
uxor  dicti  de  Waise,  de  qua  datur  pitancia.'  Sie  entstammte 
sicherlich  einem  der  so  oft  mit  den  Waldseem  genannten  Adels- 
geschlechter der  Umgebung. 

Daß  die  nächstfolgenden  Waldseer,  Eberhard  III.  und  Wolf- 
gang I.,  Söhne  dieses  Ehepaares  waren,  unterliegt  schwerlich 
einem  Zweifel.  Bereits  drei  Jahre  später  hören  wir  von  Eber- 
hard III.,  dem  älteren  der  Brüder.  1251  Februar  11'  er- 
teilte Papst  Innozenz  IV.  zu  Lyon  Adelheid,*  der  Nichte  des 
Bischofs  von  Konstanz,  Eberhard  von  Waldburg,  die  päpstliche 
Dispens,  sich  mit  Eberhard  de  Waldse^  ,fautore  quondam  Fri- 
derici  11.^,  zu  vermählen,  der  mit  ihr  im  vierten  Grade  verwandt 
war,  in  der  Erwartung,  daß  Eberhard  von  Waldburg  dafür  die 
Adeligen  Walther  und  Gozwin  von  Hohenvels,  die  er  vordem 
im  Dienste  K.  Friedrichs  IL  gefangengenommen  hatte  und 
seither  in  sicherem  Gewahrsam  hielt,  freilassen  werde.  Als  stau- 
fische Ministerialen  nahmen  die  Waldseer  an  den  Kämpfen 
dieser  Jahre  natürlich  auf  der  Seite  ihrer  Lehensherren  teil  und 
so  erklärt  sich  der  Mangel  von  Nachrichten  über  das  Geschlecht 
für  die  nächsten  acht  Jahre  durch  die  Wirren,  welche  das  ge- 
rade in  Schwaben  so  fUhlbare  Erlöschen  der  Staufer  mit  sich 
brachte.  Seinen  Frieden  mit  der  kirchlichen  Partei  hat  Eber- 
hard in.  offenbar  bald  nach  K.  Friedrichs  11.  Tode  gemacht. 
Später  hören  wir  wieder  von  ihm,  als  derselbe  Bischof  Eber- 
hard von  Konstanz  1259  September  12^  dem  miles  Wernher 
Geistinc  de  Raderach  das  Kirchenpatronat  zu  Toggenhausen 
vertauschte,  wofür  er  die  von  letzterem  dem  Grafen  Berthold 
von  Heiligenberg  aufgesagten  und  zur  Hälfte  verkauften  Güter 
zu  Marcdorf  erhielt,  deren  restliche  Hälfte  der  miles  Eberhart 

*  Wirtembergr.  Ürk.-B.  IV,  176. 

"  Zeitachr.  f.  Gesch.  d.  Oberrh.,  Neue  Folge  XIV,  616. 
»  M.  G.  Epistol.  Saec.  XHI,  Bd.  III,  43. 

*  Vgl.  die  Genealogie. 

^  Ladewig,  Reg.  episcop.  Constant.  228. 


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248 

de  Waise  auf  Lebenszeit  innehatte,  ftir  die  ein  eventueller 
Eaufschilling  von  650  Mark  Silber  vereinbart  wurde.  Im  Juni 
1262^  hängte  Eberhardus  senior  de  Waise  neben  denen  von 
Winterstetten,  Warthausen  u.  a.  zu  Waldsee  sein  Siegel  an  die 
Urkunde,  worin  Prior  und  Konvent  von  Ochsenhausen  dem 
Heinrich  von  Seldenhoven  eine  Mark  Silber  jährlich  aus  der 
Vogtei  über  das  Dorf  Furamoos  zu  Lehen  gaben. 

Der  bereits  um  1250  vermählte  Eberhard  III.  und  sein 
Bruder  Wolfgang  I.  standen  damals  im  besten  Mannesalter  und 
hatten  bereits  erwachsene  Söhne  und  Töchter.  So  war  1264 
Oktober  21*  Eberhard  (IV.)  iunior  de  Waldse  volljährig  als 
Zeuge  bei  der  Beurkundung  des  Tausches  zugegen,  womit 
Konrad,  Schenk  von  Winterstetten  den  Besitz  zu  Auigg  dem 
Kloster  Waldsee  überließ  und  seiner  Tochter  Elisabeth  schenkte 
Eberhard  (III.)  1266  August  28»  zu  Zell  bei  ihrem  Eintritte 
in  das  Kloster  Baindt  seinen  Besitz  zu  Cunenhus.* 

Da  Eberhard  IV.  nach  1264  erst  1280  wieder  auftritt,  mag 
er  1267  an  dem  Zuge  Konradins  nach  Italien  teilgenommen 
haben,  der  mit  dem  tragischen  Tode  des  letzten  Staufers  en- 
dete. Wenige  Jahre  nach  seiner  Rückkehr  schloß  er  sich  dann 
dem  neuen  Könige  Rudolf  von  Habsburg  an  und  zog  nach  und 
nach  alle  seine  Brüder  mit  sich  in  die  neue  Heimat  nach  Öster- 
reich; seit  1264  treffen   wir  ihn   nicht   mehr  in  Schwaben  an. 

Dort  urkundet  zunächst  sein  Vater  Eberhard  HL  allein 
weiter.  1268  Dezember  2/  also  während  sich  zu  Neapel 
das  Schicksal  des  unglücklichen  Staufers  erfüllte,  bezeugt  der 
alte  Eberhard  HI.  daheim  zu  Waldsee  den  Verzicht  Heinrichs 
von  Ingoldingen  gegen  das  Kloster  Baindt  auf  den  Besitz  zu 
Littebach  und  Marcdorf,  und  demselben  Kloster  eignete  er  im 
folgenden  Jahre  1269  September  24®  zu  Waldsee  im  eigenen, 
sowie  im  Namen  seines  Bruders  (Wolfgang  I.),  der  ihn  dafür 
mit  Geld  entschädigt  hatte,  den  von  seinen  Vorfahren  ererbten 
Hof  zu  Harlanden  samt  Zugehör,  den  Wald  ausgenommen,  zu. 

Eine  weitere  Stiftung  Walthers  von  Tann  für  Baindt  be- 
zeugten 1271  März  18^   zu  Waldsee   der  sonst  nicht  genannte 


»  Wirtcmberg.  Urk.-B.  VI,  61.  •  Ebenda,  157.  »  Ebenda,  266. 

*  =  Kofeld  bei  Bodnegg? 

»  Wirtemberg.  Urk.-B.  VI,  425/6.  •  Ebenda  VII,  50. 

^  Ebenda,  132. 


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249 

dominus  Alber  miles  de  Waise  ^  und  Wolfgangus  (I.)  de  Cella 
als  Lehensherren.  Wie  Eberhard  III.  war  auch  sein  Bruder 
Wolfgang  I.  mit  einer  Schwester  des  Truchsessen  Eberhard 
von  Waldburg  yermählt,  der  1275  Juli  21*  mit  Einwilligung 
seiner  Schwester  zu  Zell,  Waldsee  und  Marcdorf  dem  Kloster 
Weingarten  benannte  Güter  schenkte.  Die  Urkunde  darüber 
besiegelten  der  miles  Eberhardus  de  Waldse;  ftir  dessen 
avunculus  de  Cella  Wolfgang  (II.)  hing  der  gleichnamige  Vater 
sein  Siegel  daran,  das  gleichfalls  den  Balkenschild  der  Walseer 
mit  der  Legende  zeigt.  Zweifellos  sind  somit  Wolfgang  L  von 
Zell  und  der  schon  1269  erwähnte  Bruder  Eberhards  HI.  eine 
Person;  in  der  Urkunde  von  1281  Mai  23,*  laut  welcher  Her- 
mann Ronemann  dem  Kloster  Weingarten  mehrere  Güter  ver- 
kaufte, wird  Wolfgangs  I.  ausdrücklich  als  Eberhard  III.  Bruder 
bezeichnet.  Daß  Wolfgang  I.  Sohn  Wolfgang  II.  von  dem 
Truchsessen  Eberhard  von  Waldburg  avunculus  genannt  wird, 
braucht  uns  daran  nicht  irre  zu  machen,  da  diese  Bezeichnung 
damals  auch  vom  Oheime  dem  Neffen  zurückgegeben  wurde. 
Schon  seit  1271  saß  also  Wolfgang  I.  und  1275  sein  gleich- 
namiger Sohn  östhch  von  Waldsee  zu  Zell,  dem  später  und 
noch  gegenwärtig  Eberhardszeil  genannten  PfaiTdorfe;  vorher 
war  nur  der  Name  Cella  gebräuchlich  gewesen  und  noch  1353 
hieß  es  die  Cella  Wolfgangi,  über  welche  die  Habsburger  als 
Käufer  das  Patronatsrecht  ausübten.  Während  Wolfgang  I.  seit 
1281  nicht  mehr  erwähnt  wird,  tritt  sein  Sohn  noch  mehrfach 
in  Urkunden  auf.  So  erhielt  Wolfgang  TL,  von  Waldsee  vom 
Abte  Albrecht  von  Reichenau  1282  November  24'  die  Erlaub- 
nis, alle  Güter,  die  er  von  diesem  Kloster  zu  Lehen  trug,  dem 
Eberhard  von  Junging  und  Johann  von  Ruckenburg  zu  über- 
geben. Weiters  schenkte  Wolfgang  H.  1286  April  16'  dem 
Erlöster  Baindt  Güter  in  Gaisbeuren;  er  wird  unter  Zeugen  ge- 
nannt, als  fünf  Schiedsrichter  1290  Oktober  18*  zu  Salem 
einen  Streit  zwischen  diesem  Kloster  und  Dietrich  von  Neufrach 
um  einen  Hof  zu  Neufrach  entschieden.  Ebenso  bezeugt  er 
Oktober  23^  gleichen  Jahres  die  Verkaufsurkunde   des  Ritters 


*  Vgl.  über  ihn  die  Genealogie. 

«  Wirtemberg.  Urk.-U.  VH,  361/2. 
»  WSt,  578. 

*  Weech,  Cod.  dipl.  Salemit.  II,  897. 

*  WSt.,  673. 


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250 

Friedrich  von  Ryeth  gegen  das  Kloster  Weingarten.  Leztlich 
beurkundet  Wolfgang  IL  1291  Oktober  16^  gemeinschaftlich 
mit  dem  Schenken  Konrad  d.  A.  von  Winterstetten,  daß  ihr  ge- 
treuer Konrad  Bothunc  seinen  Hof  zu  Olzreute  mit  ihrer  Ein- 
willigung dem  Kloster  Schussenried  verkauft  habe.  Wolfgang  11. 
scheint  später  nach  Osterreich  gekommen  und  in  Beziehungen 
zu  seinen  Vettern  getreten  zu  sein.  Nach  einer  Stelle  im 
Zwettler  Stiftungsbuche  war  er  um  1311  bereits  tot.*  Die 
weiteren  Nachrichten  über  diese  walseeische  Seitenlinie  sind 
dürftig  genug.  Zell  verblieb  derselben  nicht,  sondern  befand 
sich  1325  bereits  wieder,  gleich  den  übrigen  in  Schwaben  ge- 
legenen Gütern,  im  Besitze  des  walseeischen  Hauptstammes,  ohne 
daß  wir  weiteres  über  diese  Besitzveränderungen  erfahren. 

Wir  hören  von  den  Dachsbergem  erat  wieder  im  Jahre 
1328,'  wo  Heinrich  von  Dachsberg  in  den  Verzicht  seiner 
Gattin  Klara,  einer  geborenen  Schenkin  von  Winterstetten,  auf 
ein  Gut  zu  Rüti  und  Onolzreute  zugunsten  des  Klosters  Schussen- 
ried einwilligt.  Sein  Siegel  (der  walseeische  Balkenschild) 
sowie  die  Anführung  seiner  Gattin  stellen  die  Identität  dieses 
Heinrich  mit  jenem  Heinrich  (IV.),  dem  Alten  von  Waltse,  ge- 
nannt von  Daxberg,  außer  Frage,  dem  wir  als  bejahrtem  Manne 
1341  nochmals  begegnen.  Mit  gutem  Grunde  hält  ihn  Weiß- 
Starkenfels*  ftir  Wolfgangs  II.  Sohn  und  führt  das  Fehlen 
weiteren  Urkundenmateriales  über  die  Dachsberger  Linie  auf 
den  Verlust  der  Archive  des  Klosters  Kempten  zurück.  Der 
erwähnte  Heinrich  (IV.)  veräußerte  1341  verschiedene  Lehen 
um  Memmingen  und  Kempten  an  Heinrich  von  Eisenberg,  den 
Herzog  Albrecht  damit  1341  Januar  31  ^  zu  Wien  belehnte.  Am 
22.  Oktober  dieses  Jahres*  verzichtete  Heinrich  IV.  in  Linz  zu- 
gunsten seiner  längst  nach  Osterreich  ausgewanderten  Vettern 
von  Waltsee  auf  alle  Ansprüche  hinsichtlich  ihrer  Besitzungen 
in  Schwaben,  Waldsee  oder  anderswo.  Heinrich  IV.  starb  wohl 
bald  darauf;  seine  Witwe  Klara  von  Winterstätten  verkaufte  im 
Jahre  1362^   ihre  Güter  zu  Daxberg,   Erkheim  und   Fricken- 


»  WSt.,  573. 

•  Vgl.  die  Genealogie. 

•  Alberti,  Württemberg.  Adels-  und  Wappenbach  I,  116. 

•  S.  574.  6  Regesta  Boica  VU,  296. 

•  UBoE.  VI,  395.  »  Baumann,  Gesch.  des  Allgäus  II,  586. 


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251 

hausen  ^  an  Berthold  von  Königsegg,  was  bereits  andeutet,  daß 
ein  männlicher  Sproß  weltUchen  Standes  in  dieser  Linie  nicht 
vorhanden  war.  Heinrich  IV.  scheint  bloß  einen  Sohn  gleichen 
Namens  (IX.)  hinterlassen  zu  haben,  der  im  Jahre  1368  Chor- 
herr des  Züricher  Frauenmünsters  war,  dem  er  wohl  zur  Ver- 
sehung des  Gottesdienstes  beigegeben  war;  er  soll  1369  No- 
vember 22*  gestorben  sein.  Noch  Mai  27  und  Juli  21  13733 
aber  gedenken  seiner  zwei  Züricher  Urkunden,  laut  welcher 
Johann  von  Lichten wörth,  thesaurarius  zu  Brixen,  namens  des 
Helias  de  Vedrovia,  Kantors  zu  Xanten  und  Kollektors  des 
päpstUchen  Zehents,  beurkundet,  es  seien  ihm  von  der  Abtei 
Zürich  und  dortigen  Pfarren  50  Goldgulden  durch  den  Presbyter 
Henricus  de  Waise  canonicus  gesammelt  worden;  dieses  Geldes 
habe  ihn  der  Knecht  Peter  von  Spiegelberg  auf  der  Konstanzer 
Straße  von  Zürich  nach  Winterthur  beraubt.  Dies  ist  unsere 
letzte  Kunde  über  den  Daxbergischen  Nebenzweig  des  Hauses 
Walsee. 

Wenden  wir  uns  wieder  dem  Hauptstamme,  Eberhard  HI. 
und  seinen  Nachkommen  zu.  Jener  urkundet  nach  1281,  wo 
wir  seiner  zuletzt  gedachten,  in  seiner  schwäbischen  Heimat 
weiter.  Zunächst  war  er  unter  den  Zeugen  gewesen,  als  Truch- 
seß  Eberhard  von  Waldburg  1277  März  11*  dem  Kloster  Wein- 
garten gewisse  Zehente  übertrug  und  1280  April  1  Höfe  und 
eine  Mühle  zu  Altdorf  verkaufte.  Im  Jahre  1283  schenkte 
Eberhard  III.  dem  Stifte  Waldsee,  das  durch  die  Erbauung  der 
Mauern  vorl  Waldsee  Schaden  gelitten,  sein  Gut  zu  Gaisbeuren 
und  übei^ab  1286  September  8*  dem  Kloster  Baindt  Güter  in 
Reut,  Lehen  des  Grafen  von  Merkenberg.  1293  Januar  5* 
siegelt  Eberhard  HI.  als  Vogt  des  Klosters  Waldsee  die  Urkunde, 
laut  welcher  Bischof  Rudolf  von  Konstanz  einen  Gütertausch 
zwischen  dem  Kanonikus  Berthold  als  Prokurator  des  Klosters 
Waldsee  und  dem  Kloster  Weingarten  genehmigte,  und  gab  am 
gleichen  Tage  seine  Zustimmung,  daß  ersteres  Kloster  dem 
Stifte  Weingarten  Zehente  zu  Ankenreut  übergebe.  Letztlich 
siegelte  Eberhard  HI.  1293  März  18*^  die  Schenkungsurkunde 
der  Brüder  Heinrich  und  Hartmann  die  Romanenser  an  das 
Kloster  St.  EUsabeth  zu  Memmingen  als  der  ,älteste  von  Wald- 

^  Bei  Daxberg.  «  M.  G.  Necrol.  I,  614. 

»  W8t.,  674.  *  Ebenda,  ff. 

*  M.  Peyerabend,  Jahrbücher  des  Stiftes  Ottobeuren. 
ArcbiT.   XCY.  Band.  II.  H&lfte.  18 


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252 

see',  da  er  von  seinem  ältesten  Sohne  Eberhard  IV.  einen  ebenso 
genannten  Enkel  hatte;  dies  die  letzte  Nachricht  über  Eber- 
hard in.,  der  wohl  in  den  nächsten  Jahren  aus  dem  Leben  schied. 

So  sehen  wir  Eberhard  HI.  bis  an  sein  Lebensende  die 
schwäbischen  Güter  seines  Hauses  bewahren  und  verwalten, 
während  seine  Söhne  an  K.  Rudolfs  Zügen  nach  Osterreich 
teilnahmen  und  unter  K.  Albrecht  I.  immer  mehr  mit  den  dor- 
tigen Verhältnissen  verknüpft  und  schließlich  sämtlich  in  Oster- 
reich seßhaft  wurden. 

Eberhard  HL,  der  sich  also  nie  dauernd  in  Osterreich 
aufhielt,^  war  mit  einer  zahlreichen  Nachkommenschaft,  sechs 
Söhnen  und  drei  Töchtern  gesegnet.  Von  der  ältesten  Tochter 
Elsbeth  abgesehen,  welche  frühzeitig  in  das  schwäbische  Kloster 
Baindt  eintrat,  wurden  sie  alle  in  Osterreich  heimisch.  Die 
beiden  jüngeren  Schwestern  verheirateten  sich  dort  und  von 
den  Brüdern  gründeten  Eberhard  IV.,  Heinrich  L,  Ulrich  I. 
und  Friedrich  I.  die  österreichischen  Linien  des  Hauses  Walsee 
zu  Linz,  Ens,  Graz  (oder  ob  der  Steiermark)  und  Drosendorf, 
in  denen  sich  das  Geschlecht  bis  zu  seinem  Erlöschen  fort- 
pflanzte; Gebhard  (II.)  und  Eonrad  (H.)  erlangten  in  Osterreich 
als  Geistliche  einkömmliche  Stellungen. 

In  dem  Maße  nun,  als  die  Walseer  in  der  neuen  Heimat 
durch  ihre  hohen  Amter  und  Würden  an  Einfluß  und  durch 
ihre  daselbst  sich  rasch  vergrößernden  Besitzungen  an  An- 
sehen und  Reichtum  gewannen,  trat  natürlich  die  Bedeutung 
und  Wichtigkeit  der  mehr  und  mehr  vernachlässigten  schwä- 
bischen Stammgüter  schon  binnen  weniger  Jahrzehente  zurück. 
Der  Schwerpunkt  ihrer  Macht  verlegte  sich  immer  mehr  nach 
Osterreich,  bis  es  schließlich,  als  eine  natürliche  Folge  dieser 
Entwicklung,  1331  zum  Verkaufe  ihres  sämtlichen  schwäbi- 
schen Besitzes  an  die  Habsburger  kam. 

Seit  dem  Tode  Eberhards  HL  standen  die  walseeischen 
Burgen  in  Schwaben  verlassen  von  ihren  Herren,  die  sich  be- 
reits fast  alle  in  Osterreich  aufhielten,  und  wurden  von  Burg- 
grafen und  Amtleuten  verwaltet.*  Nur  ab  und  zu  noch  er- 
streckte sich  die  Tätigkeit  der  Söhne  Eberhards  HL  auf  ihren 


*  Vgl.  die  Genealogie. 

•  GenanDt  werden:    Manegold,  Amtmann  1296;    Eberhard  von  Rosenawe, 
Vogt  1306;  Burkard  von  Jnngingen,  Burggraf  1326. 


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gemeinschaftlichen  schwäbischen  Stammbesitz.    Sie  betraf,  von 
unbedeutenden  Besitzveränderungen  abgesehen^  zumeist  das  von 
ihnen  begünstigte  Städtchen  Waldsee  oder  das  Kloster  daselbst^ 
dessen  Vogtei  K.Rudolf  den  beiden  älteren  Söhnen  Eberhards  III., 
Eberhard  IV.  und  Heinrich  I.  1282  Mai  21 1  für  20  Mark  Silber 
versetzt  und   die  Verpßlndung   ungeachtet   der   früheren   1286 
Februar  4*  an  Eberhard  IV.  und   seine  Brüder   für  30  Mark 
Silber  erneuert  hatte.   Für  Waldsee  erwirkten  die  Brüder  eine 
Erweiterung  des  Stadtrechtes  bei  K.  Albrecht  I.,  der  auf  Bitten 
der  ,nobilium  virorum  fratnim  de  Walsee  dilectorum  nostrorum 
fidelium'  der  Stadt  Waldsee  1298  September  13'  zu  Holzkirchen 
die  Rechte  und  Freiheiten   verlieh,   wie   sie   die   benachbarten 
Ravensburger  besaßen.     Nach  K.  Albrechts  Ableben  bestätigte 
K.  Heinrich  VH.  den  Brüdern  1311  Juni  5*  zu  Brescia  die  Ver- 
leihung der  Klostervogtei  durch  die  Habsburger.   Zu  Lichtmeß 
1313*  schlössen  die  Brüder  von  Waldsee  einen  Gütertausch  mit 
dem   Kloster   daselbst   und   überließen   demselben   im  gleichen 
Jahre  den  großen  und  kleinen  Korn-  und  Heuzehent  zu  Steinach. 
1317  November   12^  hatte  Ulrich  I.  von  Walsee-Graz   ein  Gut 
zu  Burgstall   mit  dem  Kirchensatze   um   290  Äf^^  vom  Frauen- 
kloster zu  Weiler  erworben,  dagegen  1322  Juni  7  ®  zu  Marbach 
sein  Schloß  Wolfsölden,    das   sein  Sohn   durch   Heirat   an   sich 
gebracht  hatte  —  da  es  vom  übrigen  Besitze  in  Schwaben  zu 
sehr  abgelegen  war'  —  dem  Grafen  Eberhard  von  Württemberg 
verkauft.    Im  Jahre  1330  verzichtete  Heinrich  IL  von  Walsee- 
Ens  auf  die  Lehensgerechtigkeit  über  das  Gut  auf  dem  Baindlin, 
die  hohe  Baind  genannt,  zugunsten  des  Klosters  Waldsee,  wel- 
ches dieses  Gut  erkauft  hatte. 

1331  Februar  7®  kam  schließlich  zu  Wien  jener  ansehn- 
liche Güterkauf  zustande,  durch  welche  die  Walseer  den  Her- 
zogen Albrecht  II.  und  Otto  von  Osterreich  ihre  sämtlichen  Be- 
sitzungen in  Schwaben,  nämlich  Burg  und  Stadt  Waldsee  mit 
der  Vogtei  des  Klosters  daselbst,  sowie  ^  Warthausen,  Schwein- 
hausen, *®  Laubheim,  ^*  Zelle  und  Schwarzach  ^^  nebst  der  ihnen 


*  Böhmer-Redlich,  Reg.  Imp.,  n.  1659.  *  Ebenda,  n.  1990. 
»  NB.  n,  210. 

*  WSt.,  574.  *  Ebenda,  576.  •  Ebenda,  579;  vgl.  die  Genealogie. 
'  Bei  Marbach  gelegen.            «  UBoE.  VI,  1—2. 

*  Bei  Biberach.  ^^  Bei  Waldsee.  "  Südlich  von  Ulm. 
'•  Unter-Schwarzach,  östlich  von  Waldsee. 

IS» 


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254 

von  den  Herzogen  für  500  Mark  Silber  verpfUndeten  F^te 
Winterstetten  um  11.000  Mark  Silber  verkauften;  anstatt  dieser 
Barsumme  wurde  ihnen  eine  Anzahl  österreichischer  Pfand- 
schaften überantwortet. 

Noch  sei  der  Herkunft  dieser  schwäbischen  Be- 
sitzungen gedacht.^  Die  alte  gleichnamige  Stammfeste  der 
Waldseer  —  das  nun  waldburgische  Schloß  kommt  nicht  in 
Betracht  —  stand  an  der  Nordseite  der  Stadt,  wo  sich  die 
Straßen  nach  Biberach  und  nach  dem  Saulgau  gabeln,  auf 
einem  noch  gegenwärtig  die  Buchhalde  genannten  Hügel. 
Weder  davon,  noch  von  dem  eine  Stunde  südlich  gelegenen 
Sitze  Neuwaldsee,  dessen  Erbauung  in  die  Wende  des  13.  und 
14.  Jahrhunderts,  also  wohl  in  die  letzten  Lebensjahre  Eber- 
hards HI.  von  Waldsee  fallen  soll,  ist  ein  Überbleibsel  und  nur 
noch  der  Name  des  alten  Gemäuers  geblieben.  Mit  Waldsee 
dürften  Eberhards  HI.  Söhne  auch  Schwarzach  und  Laubheim 
ererbt  haben,  von  denen  ersteres  ein  Geschlecht  gleichen 
Namens  als  Soldlehen  von  den  Waldseern  innehatte,  letzteres 
nach  1280  von  der  Witwe  Ottos  von  Laubheim,  des  letzten 
dieses  Geschlechtes,  an  die  Waldseer  gekommen  war.  Hierzu 
war  (Eberhards-)Zell  von  der  Wolfgangisch-Dachspergischen 
Linie  etwa  im  Tauschwege  oder  durch  Erbschaft  an  sie  ge- 
langt. Warthausen  und  Schweinhausen  waren  den  um  1321 
erloschenen  Truchsessen  von  Warthausen,  einem  Zweige  derer 
von  Waldburg,  zugestanden;  schon  zu  Lichtmeß  1325  erscheinen 
die  von  Waldsee  im  Besitze  dieser  Güter,  die  sie  wohl  durch 
Kauf  an  sich  gebracht  hatten.  Winterstetten  war,  wie  die 
gleiche  Urkunde  besagt,  walseeische  Pfandschaft  von  den  Habs- 
burgem,  an  welche  es  durch  die  Schenken  von  Winterstetten 
gekommen  war.* 

Diese  waren  also  die  keineswegs  unansehnlichen  Stamm- 
guter  der  Herren  von  Walsee,  die  somit  dem  Neide  und  der 
Mißgunst  gegenüber,  die  sie  in  Osterreich  alsbald  erfuhren,  auf 
ein  Jahrhundert  ehrenhafter  Vergangenheit  und  einen  Besitz 
hinweisen  konnten,  der  weder  klein  noch  von  geringem  Er- 
trage war.  Betrugen  doch  die  Einkünfte  aus  der  Herrschaft 
Waldsee  drei  Jahre  nach  der  Übergabe  —  und  vorher  dürften 


*  Vgl.  Memminger,  Beschreibung  des  Oberamtes  Waldsee. 

•  WSt.,  674. 


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255 

sie  wohl  die  gleichen  gewesen  sein  —  jährlich  1680  Malter 
Getreide  und  588  Äf  6  jS  sm  Geld,^  ein  stattliches  Einkommen! 

Anf  österreichischem  Boden  werden  die  schwäbischen 
MinisterialeS;  beziehungsweise  milites  sofort  zu  einer  der  ersten 
Familien  des  höchsten  habsburgischen  Dienstadels;  auch  kam 
den  Walseern  dort  zugute,  daß  sich  eben  an  der  Wende  des 
13.  ins  14.  Jahrhundert  der  neue  Herrenstand  entwickelte,  zu 
dessen  hervorragendsten  Mitgliedern  sie  nun  zählen. 

Damit  schwinden  die  Walseer  aus  Schwaben;  auch  einige 
niedere  Dienstmannengeschlechter  folgten  ihnen  nach  Öster- 
reich,* so  vor  allem  die  Aulendorfer  (AHndorfer)  —  die  spä- 
teren Seiseneker,  die  Humbrechtsrieder,  die  von  Jungingen  und 
von  Rosenau. 

Anstatt  des  früheren  Waldsee,  wie  das  wtirttembergische 
Städtchen  heute  noch  heißt,  wurde  in  Osterreich  immer  mehr 
und  seit  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  so  gut  wie  ausschließ- 
lich die  Form  Walsee  gebräuchlich,  der  auch  wir  uns  bedienen 
wollen. 

n.  Abschnitt. 
Die  Anfönge  der  Walseer  in  Österreich  • 

Gleich  vielen  schwäbischen  Adeligen  kamen  auch  Eber- 
hards ni.  von  Waldsee  Söhne  auf  K.  Rudolfs  Zügen  gegen 
Ottokar  II.  von  Böhmen  nach  Osterreich,  das  bereits  ihr  Groß- 
vater im  Jahre  1235  bei  K.  Friedrichs  IL  Heerfahrt  gegen  den 
letzten  Babenberger  betreten  hatte. 

Dem  ältesten  der  Brüder,  Eberhard  IV.,  der  sich  1280* 
am  Hofe  K.  Rudolfs  aufhielt,  folgte  zunächst  Heinrich  I.  von 
Waldsee  dahin  und  der  König  verpftlndete  diesen  beiden  1282 
Mai  21*  die  Vogtei  des  heimatlichen  Klosters  Waldsee  um 
20  Mark  Silber.  Nochmals  wurde  dieselbe  1286 '^  Eberhard  IV. 
und  seinen  Brüdern  für  ihre  Dienste  um  weitere  30  Mark 
Silber  versetzt.  Von  den  Verdiensten  und  Taten,  durch  die 
sich  die  Brüder  unter  K.  Rudolf  auszeichneten,  wird  uns  nichts 


^  Chmel,  österreichischer  Geschichtsforscher  ü,  263. 
»  Vgl.  8.  446—447. 

*  Urk.  1280  August  17;  Winkelmann,  Acta  imperii  inedita  Uy  103. 

*  Böhmer-Redlich,  Regesta  Imperii,  n.  1659.  *  Ebenda,  n.  1990. 


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256 

berichtet;  sie  waren  indes  jedenfalls  besonders  geeignet,  das 
Vertrauen  des  Königs  zu  erwecken. 

So  kam  es,  daß  die  mit  den  österreichischen  Verhältnissen 
bereits  vertrauten  Brüder  nach  dem  Augsbui^er  Reichstage, 
auf  dem  E.  Rudolf  seinen  Sohn  Albrecht  gemeinsam  mit  dessen 
Bruder  Rudolf  im  Dezember  1282  mit  den  österreichischen 
Herzogtümern  belehnte,  nebst  dem  Landenberger  Mitglieder 
des  einflußreichen  heimlichen  Rates  wurden,*  neben  welchem 
der  aus  16  Österreichern  bestehende  weitere  Rat,  den  der 
König  seinem  Sohne  mitgegeben  hatte,  immer  mehr  zurücktrat. 

Damit  werden  die  Waldseer  auf  österreichischem  Boden 
heimisch  und  hier  gewinnt  das  Geschlecht,  das  sich  in  dieser 
neuen  Heimat  ausleben  sollte,  eine  unvergleichUch  größere 
Bedeutung.  War  in  Schwaben  der  Besitz  dos  Hauses,  wenn 
auch  nicht  unbedeutend,  so  doch  auf  einen  eng  umgrenzten 
Raum  beschränkt,  reichten  die  Beziehungen  und  Kreise, 
in  denen  sich  dort  das  Leben  des  Stammes  abspielte, 
nicht  über  die  Landschaft  zwischen  Donau  und  Bodensee 
hinaus,  so  wird  ihnen  nun  ein  weites  Feld  geöffnet,  auf  dem 
sie  sich  in  reichem  Maße  zur  Geltung  bringen.  Die  treuen 
,Schwaben^,  die  Waldseer  und  Hermann  von  Landenberg  sowie 
Hang  von  Taufers  werden  jetzt  an  der  Seite  Herzog  Albrechts 
die  besten  Stützen  der  habsburgischen  Herrschaft  Dienst- 
mannentreue  und  die  gemeinsame  schwäbische  Abkunft,  dazu 
die  Dankbarkeit  banden  sie  an  das  neue  Herrscherhaus,  wie 
nicht  minder  die  Abneigung,  mit  der  ihnen  der  eifersüchtige 
Adel  Österreichs  anfangs  begegnete.  So  war  das  Geschick  ihres 
Geschlechtes  an  das  Interesse  der  Habsburger  geknüpft,  das 
sie  auch  jederzeit  und  in  den  schwierigsten  Lagen  auf  das 
nachdrücklichste  verteidigten.  Und  fürwahr,  das  tat  zunächst 
umsomehr  not,  als  es  langwieriger  innerer  Kämpfe  und  einer 
Anzahl  auswärtiger  Feldzüge  gegen  eine  geschlossene  Reihe 
feindlicher  Nachbarn  bedurfte,  um  die  habsburgische  Herrschaft 
in  den  neugewonnenen  Gebieten  sicherzustellen. 

Herzog  Albrecht  sah  sich  in  Österreich  schwierigen  Pro- 
blemen der  inneren  wie  äußeren  Politik  gegenüber.  Wollte  er 
im  Lande   festen  Fuß  fassen,   seine  Landeshoheit  allenthalben 


*  Matthias  v.  Neaenburg,  Böhmer,  Fontes  Rerum  Germanicamm  IV,  191, 
zählt  sie  irrig  dem  16gliedrigen  Bäte  bei. 


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257 

zur  Geltung  bringen;  so  mußte  er  alsbald  gerade  mit  denselben 
Faktoren  in  Gegnerschaft  geraten,  die  sich  dem  Könige  ange- 
schlossen hatten,  um  Ottokar  IL,  der  ein  strenges  Regiment  als 
Landesherr  geführt  hatte,  zu  Falle  zu  bringen.  Sie  alle,  der 
Adel,  die  Kirche  und  das  BUrgertum  fanden  sich  enttäuscht 
angesichts  der  Tatsache,  flir  eine  feste  Hand  eine  andere 
eingetauscht  zu  haben,  und  waren  nicht  gewillt,  sich  die  Zu- 
geständnisse, die  ihnen  der  König  gewährt  hatte,  um  sie  gegen 
Ottokar  zu  gewinnen,  leichten  Kampfes  entwinden  zu  lassen. 
Da  sein  weiterer  Rat  von  16  Mitgliedern  nur  aus  Österreichern 
bestand,  welche  weniger  als  sichere  Verfechter  des  landesherr- 
lichen als  vielmehr  des  ständischen  Interesses  gelten  konnten, 
nahm  er  demselben  alle  Bedeutung  und  verlegte  sie  in  seinen 
,geheimen  Rat^,  ^  unter  dessen  Schwaben  die  Walseer  die  wich- 
tigsten Mitglieder  wurden.  Die  höchsten  Amter  besetzte  er 
gleichfalls  mit  Schwaben;  Eberhard  IV.  wurde  Landrichter  ob 
der  Ens,  Hermann  von  Landenberg  Marschall  in  (Nieder-) 
Osterreich.  In  der  Steiermark  erhob  er  Ulrich  I.  von  Walsee 
nach  dem  Tode  des  treuen  Landschreibers  Heinrich  von  Ad- 
mont  (t  1297)  1299  zum  Hauptmanne. 

Überdies  kam  gerade  unter  Herzog  Albrecht  jene  Um- 
bildung des  Adels  mehr  und  mehr  zum  Abschlüsse,  aus  welcher 
der  Herren-  und  der  Ritterstand  hervorgingen.*  Im  Herren- 
stande, der  den  hohen  Adel  —  Grafen,  Freie  und  Dienst- 
mannen (Ministerialen)  umfassend  —  bildete,  bewegen  sich  nun 
auch  die  neuen  schwäbischen  Geschlechter,  unter  ihnen  die 
Walseer,  und  sie  wirkten  durch  Verbindungen  und  Beziehungen 
auch  auf  diesem  Boden  für  die  Aussöhnung  mit  den  neuen  Ver- 
hältnissen.' 

Immerhin  war  die  Lage  Herzog  Albrechts  trotz  aller  Un- 
zufriedenheit im  Innern  und  des  Neides  der  Nachbarn,  welche 
die  neue  Hausmacht  mit  scheelen  Blicken  betrachteten,   gewiß 


*  Vgl.  Krones,   Landesfürstliche    Behörden   and   Stände   des   Herzogtums 

Steiermark.    Forschungen  zur  steirischen  Verfassungs-  und  Yerwaltungs- 

gesch.  IV,  190—194. 
'  Vgl.  Nikoladoni,   Zur  Verfassung   und  Verwaltung   der   österreichischen 

Herzogtümer,  JBMFC.  LXI,  104—106. 
'  Vgl.  Siegel,   Die   rechtliche  Stellung   der  Dienstmannen    in  Österreich. 

Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie  der  Wissensch.,  phil.-hist.  Kl.  CXI, 

236—286. 


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258 

keine  geftlhrliche  zu  nennen,  so  lange  K.  Rudolf,  der  Träger 
der  Reichsgewalt,  am  Leben  war  und  dieselbe  für  sein  Haus 
in  die  Wagschale  werfen  konnte.  Nach  dessen  Ableben  aber 
stand  denn  auch  alles  auf  dem  Spiele. 

Bereits  im  Winter  1287/88  gab  Herzog  Albrecht  Eber- 
hard IV.  von  Walsee  einen  selbständigen  Wirkungskreis,  in- 
dem er  ihn  zum  Nachfolger  Ulrichs  von  Kapellen  in  dem 
wichtigen  Amte  des  Landrichters^  (des  späteren  [Landes-] 
Hauptmannes)  ob  der  Enns  machte,  welches  seitdem  zwei 
Jahrhunderte  hindurch  fast  ununterbrochen  in  den  Händen  des 
Hauses  Walsee  verblieb.  Eberhard  IV.  schlug  damit  seinen 
Wohnsitz  auf  dem  herzoglichen  Schlosse  in  Linz  auf,  wonach 
sich  nun  die  von  ihm  begründete  Linie  seines  Geschlechtes 
nannte.  Daselbst  bezeugt  er  auch  1288  Januar  29*  einen  Linzer 
Ratsspruch  zum  ersten  Male  in  seiner  Eigenschaft  als  ,Land- 
richter  ob  Ens^  Im  Frühlinge  dieses  Jahres  befand  er  sich 
auf  dem  Kriegsschauplatze  zu  Neuburg  am  Inn,'  als  Herzog 
Albrecht  gegen  Baiern  ins  Feld  zog.  Eine  Waffentat  Eber- 
hardts  steht  mit  diesen  Ereignissen  in  engem  Zusammenhange. 
Die  Leute  des  Witigonen  Zawisch,  der  sich  nach  seiner  Burg 
Falkenstein*  im  oberen  Mühlviertel  nannte,  hatten  sich  an  dem 
Kriege  als  bairische  Parteigänger  beteiligt.  Nach  Zawisch'  Sturze 
verständigte  sich  nun  K.  Wenzel,  dem  an  der  abgelegenen  Feste 
wenig  lag,  mit  Herzog  Albrecht,  flir  den  sie  als  vorgeschobener 
Posten  gegen  Passau  von  Wert  war.  Der  Herzog  brachte  sie 
gegen  eine  Grenzkompensation  an  sich  und  ließ  dem  Unwesen 
auf  der  Feste  durch  Eberhard  IV.  von  Walsee  ^  ein  Ende 
machen,  der  dieselbe  nach  längerer  Belagerung  einnahm.  Auch 
an  der  erfolgreichen  Heerfahrt  gegen  Ungarn  im  Sommer  1289 
nahmen  die  Walseer  teil  und  zeichneten  sich  bei  der  Belagerung 
von  Deutsch- Altenburg  aus.*  Zu  den  Friedensverhandlungen 
entsandte  Herzog  Albrecht  auch  Eberhard  IV.  von  Walsee 
nach  Hainburg,'  wo  am  28.  August  1289  ein  Vertrag  mit  dem 
Ungarkönige  zustande  kam. 


*  Vgl.  S.  456 — 467  und   NikoUdoni,   Zur  Verfaasung  und  Verwaltung  der 
Osterreichischen  Herzogtümer  LXI,  JBMFC.  136  ff. 

«  UBoE.  rV,  82.  >  ürk.  1288  Februar  20,  ebenda  83. 

*  An  der  Mündung  der  Ranna  in  die  Donau;  ygl.  Stmadt,  Das  Land  im 
Norden  der  Donau.  AÖG.  XCIV,  129—131. 

»  Reimchronik,  V.  23160  ff.        •  Ebenda,  V.  30704.        '  Ebenda,  V.  43719. 


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259 

Zur  Bestreitung  der  Kosten  dieses  Krieges  vermochten 
Eberhard  IV.  und  Heinrich  I.  von  Walsee  für  den  Herzog 
die  bedeutende  Summe  von  2000^/^  auszulegen,  wofür  ihnen 
dieser  Freistadt  und  die  Riedmark  samt  dem  Landgerichte 
und  das  Machland  verpfändete  und  dadurch  in  sichere  Hut 
vor  bairischen  Aspirationen  brachte.  Auf  diesem  Satze,  der 
einzigen  größeren  Erwerbung  aus  dieser  Periode,  wies  Eber- 
hard IV.  mit  Zustimmung  seines  Bruders  1290  Januar  2*  die 
Mitgift  Marias  von  Kuenring  an,  mit  der  er  sich  nach  seiner 
Rückkehr  aus  dem  letzten  Feldzuge  vermählte  —  eine  Verbin- 
dung, welche  die  Walseer  in  die  Kreise  des  österreichischen 
Hochadels  einflihrte,  dessen  vorzüglichste  Mitglieder  an  der 
Hochzeitsfeier  teilnahmen.*  Auch  Heinrich  I.  vermählte  sich 
bald  darauf  mit  Elsbet  aus  dem  Hause  der  Starhemberger, 
welchem  die  Walseer  fortan  bis  zu  ihrem  Aussterben  befreun- 
det blieben. 

Nun  aber  nahten  kritische  Jahre.  Mit  Herzog  Albrecht, 
der  seinen  Besitz  erst  nach  einem  Jahrzehent  wenig  unterbro- 
chener Kämpfe,  nicht  zum  wenigsten  durch  die  Hilfe  seiner 
treuen  Schwaben  gesichert  sah,  war  auch  die  ganze  Stellung 
gefährdet,  welche  die  Walseer  nun  in  Österreich  einnahmen. 

Bereits  1288  mußte  Herzog  Albrecht  einen  Aufstand  der 
Wiener  niederwerfen,  die  sich  erhoben,  als  der  Herzog  die 
ihnen  von  K.  Rudolf  gemachten  Konzessionen  zugunsten  seiner 
Landesherrlichkeit  rückgängig  machte.  Während  des  Einfalles, 
den  K.  Andreas  von  Ungarn  im  Sommer  1291  in  die  Gegend 
westlich  der  Leitha  unternahm,  traten  neuerlich  Anzeichen  von 
Mißstimmung  gegen  den  Herzog  zutage.  Der  österreichische 
Adel  tat  nichts,  um  dem  Wüten  der  magyarischen  Horden  im 
Vereine  mit  den  Truppen  des  Herzogs  Einhalt  zu  gebieten, 
sondern  verharrte  in  murrender  Untätigkeit.'  Ohne  Zweifel 
hatte  der  Adel  bereits  seit  Jahren  dem  Herzoge  gegrollt,  nun 
gab  er  seiner  Gesinnung  gegen  Herzog  Albrecht  sofort  in  dem 
AugenbUcke  Ausdruck,  als  dem  Landesherm  durch  den  Tod 
K.  Rudolfs  (t  1291  Juli  15)  jener  starke  Rückhalt  genommen 
war,  den  er  durch  seinen  Vater  an  der  Reichsgewalt  gehabt 
hatte.    Zusehends  gewann  die  Bewegung  gegen  die  Habsburger 


*  UBoE.  IV,  120.  »  Vgl.  die  Genealogie. 

•  Cent.  Zwetl.  M.  G.  SS.  IX,  665. 


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260 

an  Bedeutung  und  Ausdehnung.^  und  wie  in  Osterreich  und 
in  der  Steiermark^  so  stand  der  unbotmäßige  Adel  aus  ähn- 
lichen Gründen  auch  in  Kärnten  gegen  Meinhard  von  Görz 
auf;  den  einzigen  Helfer,  der  Herzog  Albrecht  zur  Seite  stand, 
als  sich  ein  ganzer  Bund  mächtiger  Ftlrsten,  K.  Wenzel  von 
Böhmen,  die  niederbairischen  Herzoge  sowie  die  Eirchenfiirsten 
von  Salzburg  und  Aquileja  mit  den  mißvergnügten  Adeligen 
gegen  ihn  vereinte.  Zudem  entwickelten  sich  auch  die  Verhält- 
nisse im  Reiche  zu  seinen  Ungunsten.  Allenthalben  sah  sich  der 
einheimische  Adel  aus  seiner  Stellung  verdrängt:  die  wichtigsten 
Amter  waren  in  den  Händen  der  Schwaben,  derselben,  die 
auch  im  heimlichen  Kate  des  Herzogs  maßgebenden  Einfluß 
auf  Kosten  des  bedeutungslosen  16gliedrigen  Rates  erlangten, 
in  welchem  die  österreichischen  und  steirischen  Adeligen  ver- 
treten waren.  Überall  nahm  der  Herzog  seine  Rechte  als 
Landesherr  nachdrücklich  wahr,  insbesondere  hinsichtlich  der 
landesfUrsthchen  Güter;  dies  sowie  die  schlechte  Münze  ver- 
spürten zumal  die  Finanzen  der  adeligen  Herren.  VergebUch 
verlangte  man  vom  Herzoge  die  Bestätigung  der  ,alten  Land- 
rechte^  Zeitgenössische  Dichter,  wie  der  Reimchronist  und  der 
kleine  Lucidarius  geben  in  beredten  Worten  dem  Groll  gegen 
das  Schalten  des  Herzogs  und  seine  ,Schwaben^  Ausdruck, 
unter  denen  die  Walseer  und  der  Landenberger  am  besten  ge- 
haßt waren. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  1291  wurde  die  Bewe- 
gung zum  Ausbruche  reif.  In  Niederösterreich  kam  es  indes 
zu  keinen  bedeutenderen  Ereignissen.  Um  Neujahr  1292  aber 
schlug  der  steirische  Adel  endlich  los  und  sammelte  seine 
Streitkräfte;  schon  zogen  auch  die  Bundesgenossen  heran.  Aber 
rasch  rückte  Herzog  Albrecht  noch  vor  Ende  Februar  über 
den  Semmering  ein,  schlug  die  durch  sein  Erscheinen  über- 
raschten Aufständischen  in  mehreren  Gefechten  in  Obersteier- 
mark und  zwang  dadurch  auch  die  eingedrungenen  bairischen 
und  salzburgischen  Truppen  zum  Rückzuge.  Gerade  jetzt  zeigte 
sich   nun   der  Herzog   nachgiebig  und   bestätigte,   dem  weisen 


1  Vgl.  Frieß,  Herzog  Albrecht  und  die  Dienstherren  in  Österreich.  BUtter 
des  Vereines  für  Landeskunde  von  Niederösterreich  XXU,  600  ff.  und 
Dopsch,  Ein  antihabsburgischer  Fürstenbund  im  Jahre  1292.  Mit!  des 
Inst,  für  österr.  Gesch.  XVI,  379  ff. 


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261 

Rate  Eberhards  IV.  von  Walsee  folgend/  den  Steirern  ihre 
Landrechte^  —  der  einzig  richtige  Schritt,  den  der  Herzog 
angesichts  der  bedrohlichen  Lage  tun  konnte.  Während  der 
Kampf  in  Kärnten  noch  bis  Ende  1292  fortdauerte,  eilte  Herzog 
Albrecht  ins  Reich  und  huldigte,  nachdem  er  vergeblich  um 
die  deutsche  Krone  geworben,  dem  neuen  Könige  Adolf  von 
Nassau,  der  ihn  mit  seinen  Herzogtümern  belehnte. 

Als  er  hierdurch  eine  sichere  Stellung  gewonnen,  wandte 
sich  Herzog  Albrecht  nach  der  Schweiz,  wo  sich  gleichfalls  ein 
starker  Bund  gegen  ihn  gebildet  hatte.  Da  auch  die  Brüder 
von  Walsee  sich  auf  diesem  Zuge  befanden,  tritt  in  diesem 
Jahre  Weichard  von  Polheim  anstatt  Eberhards  IV.  von  Wal- 
see als  Landrichter  ob  der  Ens  auf.*  Im  Hochsommer  1293 
belagerte  der  Herzog  die  dem  Abte  von  St.  Gallen  gehörige 
Stadt  Wil  und  übergab  sie  nach  ihrer  Einnahme  der  Obhut 
Heinrichs  von  Klingenberg  und  eines  der  Brüder  von  Walsee.  ^ 
Die  Kosten  dieses  Feldzuges  und  die  Vorftllle  des  Jahres  1292 
nahmen  allerdings  ihre  Mittel  so  in  Anspruch,  daß  Eberhard  IV. 
sich  zu  Lichtmeß  1294*  mit  seinem  Bruder  über  die  Tilgung 
einer  beträchtUchen  Schuldensumme  einigen  mußte. 

Bei  der  Rückkehr  Herzog  Albrechts  nach  Osterreich  kam 
anfangs  1294  auch  der  dritte  der  Brüder  von  Walsee,  Ulrich  I., 
ins  Land.  Im  gleichen  Jahre  schloß  derselbe  einen  Ehebund 
mit  einer  Elisabeth  unbekannter  Abkunft,  wohl  einer  Steier- 
märkerin,  die  ihm  indes  schwerlich  großen  Reichtum  zubrachte. 
Der  Herzog  stattete  das  junge  Ehepaar^  1294  Oktober  8  mit 
der  ansehnlichen  Summe  von  600  €1^  aus,  wofür  er  die  Dörfer 
Frannach,  Mitter-Labill,  Grasdorf  bei  Straden,  Zehensdorf  bei 
Weinburg,  Mettersdorf  (bei  St.  Nikolai)  und  Gabersdorf  *  zum 
Pfände  anwies. 

Die  politische  Lage  wurde  neuerdings  für  Herzog  Albrecht 
gefahrdrohend.  In  Wien  tobte  1294  abermals  der  Aufruhr  und 
weder  der  grollende  Adel,  noch  die  benachbarten  feindlichen 
Fürsten  ließen  von  ihren  Plänen  ab,  die  Habsburger  aus  den 
neuerworbenen  Gebieten  zu  verdrängen.    Dazu  waren  die  Be- 

*  Reimchronik,  V.  56039—55046. 

«  Urk.  1293  April  9;  UBoE.  IV,  186. 

»  Niewe  Casua  St.  Galli.,  Mitt.  zur  vaterländischen  Gesch.  XVIII,  249. 

*  NB.  I,  316.  »  UBoE.  IV,  233. 

^  Sämtlich  bei  Leibnitz,  Mittelsteiermark. 


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262 

Ziehungen  Herzog  Albrechts  zu  Adolf  von  Nassau  im  Frühling 
1295  äußerst  gespannte  geworden.  Damals  entsandte  der  Her- 
zog Eberhard  IV.  von  Walsee  zu  König  Adolf  mit  den  zwei 
Abordnungen,  welche  in  dem  zu  Ende  1298  an  den  päpstlichen 
Stuhl  gerichteten  Schreiben  K.  Albrechts  erwähnt  werden.  ^ 

Der  letzte  Mißerfolg  hinderte  die  unzufriedenen  Land- 
herren nicht,  die  Beziehungen  zu  Herzog  Albrechts  Gegnern, 
dem  K.  Adolf,  Erzbischof  Konrad  IV.  von  Salzburg,  K.  Wenzel 
von  Böhmen  und  dem  Ungarn  Iwan  von  Güssing  aufrecht  zu 
erhalten.  Zumal  richtete  sich  ihr  Haß  gegen  die  schwäbischen 
Räte  des  Herzogs,  die  gerade  durch  die  letzte  Empörung  an 
Einfluß  und  Macht  gewonnen  hatten;  insbesondere  den  Wal- 
seern  warf  man  voll  Neid  ganz  mit  Unrecht  vor,  sie  wären 
ohne  Pfennig  ins  Land  gekommen  und  hätten  sich  durch  ihre 
Heiraten  mit  vermögenden  Osterreicherinnen  bereichert."  Als 
sich  der  Adel  auswärtiger  Hilfe  sicher  glaubte,  suchte  er  nur 
noch  nach  einer  Gelegenheit  zur  Erhebung.  Diesmal  war  es 
der  österreichische  Adel,  von  dem  die  Bewegung  ausging, 
während  jener  der  Steiermark,  bereits  durch  seine  Niederlage 
von  1292  gewitzigt,  bei  derselben  nicht  hervortritt. 

Anfangs  November  1295  erkrankte  Herzog  Albrecht  und 
nun  verbreitete  sich  das  Gerlicht,  er  sei  am  Martinstage  (No- 
vember 11)  an  Vergiftung  gestorben.  Sofort  fiel  der  Adel  über 
die  verhaßten  Schwaben  her  und  hatte  bereits  walseeisches  Be- 
sitztum verwüstet,  als  man  erfuhr,  jenes  Gerücht  sei  falsch  ge- 
wesen, der  Herzog  genese.  In  ihrer  Verlegenheit  beriefen  die 
Empörer,  deren  Führer  Leutold  von  Kuenring,  Konrad  von 
Sumerau  und  Alber  von  Puchheim  waren,  eine  Versammlung 
nach  Stockerau  ein.  Von  dort  wurde  eine  Abordnung  an 
K.  Wenzel  nach  Böhmen  entsandt,  eine  andere  zum  Herzoge 
nach  Wien,  um  ihm  die  Beschwerden  des  Adels  vorzulegen, 
welche  Herzog  Albrecht  denn  auch  zu  prüfen  verhieß.  Da 
dieser  Bescheid  nicht  den  gewünschten  Bruch  mit  dem  Her- 
zoge herbeiführte,  war  er  den  Absichten  der  Aufständischen 
entgegen,  die  nun  einen  Tag  nach  Triebensee  (Dorf,  Tulln 
gegenüber)  einberiefen.  Dort  trafen  günstige  Zusagen  aus 
Böhmen  ein;'  zugleich  erfuhr  man  den  Einfall  des  Erzbischofs 


»  LB.  II,  291. 

«  Reimchronik,  V.  66801—66803.  »  Ebenda,  V.  68470. 


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263 

von  Salzburg  ins  Salzkammergut.  In  einem  zweiten  schrift- 
lichen Begehren  forderte  man  vom  Herzoge  die  Bestätigung 
aller  Landrechte  und  die  Entfernung  der  verhaßten  Schwaben. 
Seiner  bedenklichen  Lage  bewußt,  zeigte  sich  Herzog  Albrecht 
zur  Nachgiebigkeit  bereit  und  wollte  nur  Hermann  von  Landen- 
berg und  die  drei  Brüder  von  Walsee  bei  sich  behalten.  *  Als 
jedoch  die  in  Triebensee  Versammelten  diesen  Wunsch  des 
Herzogs  schroflF  abwiesen,  brach  dieser  die  Verhandlungen  mit 
den  Aufrührern  ab;  er  hatte  bereits  Zeit  gewonnen.  Aus 
Schwaben  waren  Hilfstruppen  im  Anzüge,  auch  von  Böhmen 
kein  Angriff  mehr  zu  besorgen  und  die  Hoffnungen  der  Auf- 
ständischen dadurch  so  herabgestimmt,  daß  sie  sich  nur  noch 
mühsam  beisammenhalten  ließen.  Mit  dem  Eintreffen  des  Heeres 
aus  Schwaben  war  der  Widerstand  vollends  gebrochen;  Eonrad 
von  Sumerau  wurde  landflüchtig,  die  meisten  Landherren  unter- 
warfen sich. 

So  endete  auch  diese  Erhebung  des  Adels  mit  einem  Er- 
folge Herzog  Albrechts,  der  nun  auch  den  angefeindeten 
,Schwaben^  zugute  kam.  Mehrfach  gelangten  jetzt  Besitzungen 
der  Aufständischen  in  die  Hände  der  verläßlichen  Walseer.  Als 
Leutold  von  Kuenring  am  Sonnwendtage  1296*  dem  Herzog 
Treue  gelobte,  überantwortete  er  als  Unterpfand  derselben  dem 
ihm  verschwägerten  Eberhard  IV.  von  Walsee  die  Burgen  Spitz 
und  Wolfstein  in  der  Wachau  auf  fünf  Jahre  und  setzte  die 
Schlösser  Windeck  *  und  Zistersdorf,  sowie  seinen  Besitz  auf  dem 
Marchfelde  ebendemselben  zum  Pfände  für  die  Rückgabe  von 
Weitra  und  Wöllersdorf  bis  nächsten  2.  Juli.  Auch  Güter  der 
Sumerauer  gingen  in  der  Folge  an  die  Walseer  über. 

Noch  standen  indes  andere  Gegner  Herzog  Albrechts  im 
Felde,  zunächst  Erzbischof  Konrad  IV.  von  Salzburg,  gegen 
welchen  der  Herzog  Ende  Juni  von  Wien  aufbrach.  Salz- 
burgisches Gebiet  ward  verwüstet  und  im  JuH  1296*  lagen 
mit  dem  herzoghchen  Heere  auch  Heinrich  I.  und  Ulrich  I.  von 
Walsee  vor  Radstadt.  Nach  der  Rottenmanner  Zusammenkunft 
wurde   ein  Waffenstillstand   vereinbart;    der   Herzog   wünschte 


»  Reimchronik,  V.  66790—66803. 

»  Frieß,  Die  Herren  von  Kuenring,  S.  471,  472. 

•  Bei  Schwertberg,  Oberöaterreich. 

*  ürk.  1296  Juli  29;  Muchar,  Gesch.  der  Steiermark  VI,  109. 


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264 

indes  jetzt  den  Frieden  so  wenig,  daß  er  noch  im  Aagnst  1296 
von  Judenburg  aus  an  Heinrich  I.  von  Walsee  die  Weisung  er- 
gehen ließ/  den  Krieg  nach  Ablauf  der  Waffenruhe  kräftig 
fortzusetzen  und  200  Mann  Verstärkung  an  ihn  absandte.  Mit 
diesen  fiel  Heinrich  I.  dann  in  Kärnten  ein  und  verwüstete  es 
grausam,  unter  anderem  St.  Andrä  im  Lavanttale,  worauf  er 
Ende  1296  an  den  Hof  des  Herzogs  nach  Wien  zurückkehrte. 
Im  Frühjahre  1297  vereinigte  sich  Heinrich  I.  auf  steirischem 
Boden  mit  seinem  Bruder  Ulrich  I.;*  gemeinsam  rückten  sie 
vor  LeibnitZ;  wo  der  salzburgische  Vizedom  Ulrich  —  seit  an- 
fangs März  Bischof  von  Seckau  —  seinen  Sitz  hatte,  der  durch 
geschicktes  Unterhandeln  die  Zerstörung  von  Leibnitz  abwandte 
und  Verhandlungen  anbahnte,  die  in  Anwesenheit  der  drei 
Brüder  von  Walsee  am  24.  September  1297  •  zu  Wien  ihren  Ab- 
schluß in  einem  endgültigen  Frieden  fanden.  Als  er  dadurch 
freie  Hand  erhalten,  zog  Herzog  Albrecht  noch  im  Herbste  1297 
auch  gegen  Herzog  Otto  von  Nieder-Baiem  zu  Felde;  im 
Passauer  Frieden  von  1297  Dezember  27*  wurden  österreichi- 
scherseits  Eberhard  IV.  und  Heinrich  I.  von  Walsee  zu  Schieds- 
richtern über  einige  strittige  Vertragspunkte  erwählt. 

Zugleich  aber  hatte  sich  Herzog  Albrechts  Verhältnis  zu 
K.  Adolf  so  weit  verschlimmert,  daß  schon  um  die  Jahreswende 
1297/98  die  Bewerbung  des  Habsburgers  um  die  deutsche 
Krone  und  ein  Zug  gegen  K.  Adolf  beschlossene  Sache  waren, 
überdies  sicherte  sich  der  Habsburger  die  Unterstützung  der 
Könige  von  Böhmen  und  Ungarn.  Anfangs  März  1298  zogen 
die  Truppen  von  Wien  donauaufwärts  und  verstärkten  sich 
während  des  Marsches.  Zu  Wels  befanden  sich  1298  März  16* 
bereits  Eberhard  IV.  und  Heinrich  I.  von  Walsee  bei  Herzog 
Albrechts  Heere,  dem  sich  auch  deren  Bruder  Ulrich  I.  an- 
schloß.^ Durch  die  Landschaften  an  der  oberen  Donau  und 
am  Oberrhein  kam  Herzog  Albrecht  in  die  Gegend  von  Straß- 
burg, wo  er  Alzei  belagerte.  Von  dort  aus  berief  der  Herzog 
Ulrich  I.  von  Walsee  zurück,'  der  mit  einem  Grafen  von  Lich- 
tenberg  zum  Entsätze   des  von  K.  Adolf  berannten  Städtchens 


»  Reimchronik,  V.  69760  S.  «  Ebenda,  V.  69772  ff. 

»  Kurz,  Österreich  unter  Albrecht  I.,  Bd.  11,  222. 

*  UBoE.  IV,  278.  »  FRA.  XXXI,  463. 

«  Reimchronik,  V.  70  626.  »  Ebenda,  V.  71344—71847,  72268. 


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265 

Rufach  ausgerückt  war.  In  der  darauffolgenden  Schlacht  bei 
GöUheim  waren  die  von  Ulrich  I.  befehligten  Steiermärker  dem 
Herzog  Heinrich  von  Kärnten  unterstellt.^  Besonders  Ulrich  I. 
,der  voUechome  degen'  zeichnete  sich  in  diesem  Treffen  aus;* 
auch  seine  Brüder  taten  ihr  Bestes. 

Diese  Verdienste  wurden  denn  auch  vom  Herzog  gewür- 
digt. Auf  ihre  Bitten  verlieh  er  auf  seinem  Rückmarsche  zu 
Holzkirchen  bei  Nördlingen  der  Stadt  Waldsee  1298  Septem- 
ber 13'  alle  Rechte  und  Freiheiten,  wie  sie  das  benachbarte 
Ravensburg  besaß.  Bei  der  Belehnung  der  Söhne  K.  Albrechts 
mit  Osterreich  auf  dem  Reichstage  zu  Nürnberg  waren  auch 
die  getreuen  Walseer  zugegen.  Neben  Eberhard  IV.  und  Hein- 
rich I.  von  Walsee  wird  im  Lehenbriefe  darüber  von  1298 
November  20*  zum  ereten  Male  als  Zeuge  ihr  jüngerer  Bruder 
Friedrich  I,  von  Walsee  genannt,  der  nun  nach  dem  Tode 
seines  Vaters  Eberhard  HI.  mit  seinen  Schwestern  den  Brüdern 
nach  Osterreich  folgte. 

Damit,  daß  K.  Albrecht  die  Reichsgewalt  an  sich  gebracht 
hatte,  war  die  Stellung  der  Habsburger  in  Osterreich  und  da- 
durch auch  die  ihrer  Getreuen  daselbst  gesichert.  Mochte  ab 
und  zu  noch  die  Abneigung  gegen  die  ,Schwaben',  so  auf  dem 
Turniere,  das  man  1303  zu  Graz  abhielt,  zum  Ausdrucke 
kommen,  allmählich  schwanden  diese  Symptome.  Ein  übriges 
tat  dabei  vor  allem  der  Umstand,  daß  die  Walseer  sich 
mit  mehreren  wichtigen  Ministerialengeschlechtem,  so  den 
Kuenringem,  Kapellem,  Starhembergern  und  anderen  ver- 
schwägerten. 

Nicht  weniger  aber  mußte  es  den  Walseern  die  Achtung 
und  Wertschätzung  ihrer  adeligen  Standesgenossen  erwerben, 
daß  sie  jetzt,  wo  ihr  Verbleiben  im  Lande  gesichert  war,  in 
rascher  Folge  bedeutenden  Besitz  an  sich  brachten  und  durch 
ausgezeichnete  Wirtschaft  binnen  wenigen  Jahrzehnten  auch  zu 
einer  der  reichsten  Familien  des  österreichischen  Adels  wurden. 
Die  Ereignisse  des  letzten  Jahrzehntes  hatten  insbesondere  die 
drei  ältesten  Brüder  von  Walsee,  Eberhard  IV.,  Heinrich  I.  und 


»  Beimchronik,  V.  72609. 

'  Hirzelin,  Böhmer,  Fontes  Rernm  Qermanicarum  II,  486;    Beimchronik, 

V.  72669. 
•  NB.  n,  10.  *  UBoE.  IV,  287. 


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266 

Ulrich  I.,  im  Dienste  des  Herzogs  aufs  engste  vereint.  Nun 
lockerte  sich  dieses  Band  in  den  folgenden  Jahren  einigermaßen 
und  zumal  die  Besitzentwicklung  ließ  mehr  und  mehr  das  Auf- 
gehen des  Hauses  in  seine  vier  Linien  hervortreten,  die  sich 
nun  auf  dem  Boden  des  gesamten  damals  habsburgischen  Oster- 
reich ausbreiteten. 

Auch  wir  folgen  diesem  Zuge  und  gehen  den  Schicksalen 
der  einzelnen  Zweige  des  Geschlechtes  nach. 

ni.  Abschnitt. 
Die  Walseer  zu  Linz. 

1.  Eberhard  IV.  a280— 1825.) 

Als  der  älteste  der  eingewanderten  Brüder  von  Walsee 
hatte  es  Eberhard  IV.  zuerst  zu  einem  Amte  gebracht.  Er 
stand  bereits  im  besten  Mannesalter,  als  ihm  Herzog  Albrecht 
1287/88  das  Landrichteramt  ob  der  Ens  übergab.  Seitdem 
er  damit  seinen  Sitz  auf  dem  Schlosse  zu  Linz  genommen  hatte, 
nannten  er  und  die  Seinen  von  demselben  ihre  Linie.  Fast 
durch  zwei  Jahrhunderte  bUeben  sie  im  Besitze  dieses  wichtigen 
Amtes^  der  nachmaUgen  Hauptmannschaft  ob  der  Ens;  dazu 
kam  noch  bedeutender  Grundbesitz  in  Osterreich  ob  und  unter 
der  Ens,  der  die  Bedeutung  dieser  Linie  erhöhte. 

Wii'  haben  Eberhards  IV.  Wirken  bereits  bis  zur  Göll- 
heimer  Schlacht  verfolgt;  bei  seiner  Heimkunft  von  dem  Nürn- 
berger Reichstage  hatte  er  zunächst  im  Auftrage  K.  Albrechts 
Schadenerhebungen  ^  wegen  der  Streitigkeiten  zwischen  Bischof 
und  Bürgerschaft  in  Passau  zu  pflegen.  BQerauf  begegnen  wir 
ihm  seit  Ende  1299  auf  den  Taidingen,*  die  er  als  Landrichter 
ob  der  Ens  abzuhalten  hatte. 

Im  Frühling  des  Jahres  1300  begleitete  der  Walseer  Her- 
zog Rudolf,  den  ältesten  Sohn  K.  Albrechts,  auf  seiner  Hoch- 
zeitsfahrt.* In  Paris  fand  die  Vermählung  des  fürsth'chen 
Paares  unter  großen  Festlichkeiten  statt,  bis  der  treue  Begleiter 


>  MonamenU  Boica  XXVIII*,  248. 

«  UBoE.  IV,  303  und  Monumenta  Boica  IV,  160. 

»  Reimchronik,  V.  75206  ff. 


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267 

schließlich  zur  Heimkehr  mahnen  mußte.  Bis  an  die  Grenze 
folgte  K.  Philipp  dem  Zuge,  der  in  den  Rheingegenden  von 
K.  Albrecht  erwartet  wurde  und  im  Herbste  in  Wien  anlangte. 
Dort  wurden  abermab  glänzende  Feste  gefeiert,  bei  denen  sämt- 
liche Walseer  zugegen  waren. 

Auch  in  die  Feldzüge,  die  nun  K.  Albrechts  Reichspolitik 
erheischten,  ritt  Eberhard  IV.  aus.  So  befand  er  sich  bei  dem 
stattlichen  Hilfsheere,  das  Herzog  Rudolf  im  Sommer  1301 
seinem  Vater  gegen  die  feindlichen  rheinischen  Kurfürsten  zu- 
führte. Mitte  JuH  1301  ^  nahm  er  mit  seinen  Brüdern  Ulrich  I. 
und  Heinrich  I.  von  Wabee  an  der  Belagerung  von  Bensheim 
an  der  Bergstraße  teil.  Nach  Beendigung  dieser  Heerfahrt  ge- 
leiteten die  Brüder  die  Herzoge  Rudolf  und  Friedrich  nach 
Passau,  wo  am  17.  Februar  1302*  ein  Bündnis  mit  den  Her- 
zogen Otto  und  Stefan  von  Baiern  gegen  den  Pfalzgrafen  zu- 
stande kam. 

Ende  April  1304*  besuchte  Eberhard  IV.  mit  seinen  Brü- 
dern das  große  Taiding,  das  Herzog  Rudolf  in  Judenburg  ab- 
hielt, und  folgte  mit  denselben  dem  Herzoge  nach  Osterreich, 
als  dessen  Anwesenheit  angesichts  des  Eingreifens  K.  Wenzels 
in  die  ungarische  Thronfrage  erforderlich  war.  Nach  der  Flucht 
des  Böhmenkönigs  erlangte  die  Partei  K.  Roberts  in  Ungarn 
die  Oberhand  und  mit  diesem  führten  auch  die  Walseer  als 
österreichische  Bevollmächtigte  Verhandlungen  über  ein  Schutz- 
und  Trutzbündnis,  welches  Herzog  Rudolf  dann  am  24.  August 
1304  in  ihrer  Gegenwart  einging.*  Ebenso  waren  die  Brüder 
beim  Abschlüsse  des  Friedens  zu  Nürnberg  am  15.  August 
1305*  mit  Herzog  Otto  von  Baiem,  dem  einflußreichen  Ratgeber 
K.  Wenzels  DI.  von  Böhmen,  erfolgreich  tätig. 

Der  Tod  des  Habsburgers  Rudolfs  HI.  (f  1307  Juli  3) 
brachte  dessen  Haus  wieder  um  die  kaum  erst  erworbene 
Krone  Böhmens.  Vergeblich  suchte  es  K.  Albrecht  zu  ver- 
hindern, daß  dort  der  Görzer  Heinrich  zum  Könige  gewählt 
wurde;  Herzog  Friedrich,  der  von  Süden  über  Mähren  vor- 
rückte,  vermochte   ebenfalls  keine  nachhaltigen  Erfolge  zu  er- 


*  Vgl.  ürk.  1301  Juli  12;  Böhmer,  Reg.  Imp.,  n.  348. 

•  Kurz,  Österreich  unter  Ottokar  und  Albrecht  I.,  Bd.  II,  238. 

•  Muchar,  Qescb.  der  Steiermark  VI,  150. 

*  Reimchronik,  V.  84174.  »  Ebenda,  V,  86667. 

Arehir.   XCY.  Band.   U.  Hilfte.  19 


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268 

zielen^  und  auch  der  günstige  Verlauf  der  Kämpfe  in  dem 
Stammbesitze  des  Görzers,  in  Kärnten,  konnte  daran  nichts 
ändern.  Eben  traf  Herzog  Friedrich  im  Frühling  1308  An- 
stalten, den  Kampf  um  Böhmen  zu  erneuem,  als  K.  Albrecht 
am  1.  Mai  1308  in  seinen  Stammlanden  ein  blutiges  Ende 
fand  —  ein  bedeutungsvolles  Ereignis,  das  den  Habsbui-gem 
die  deutsche  Königskrone  wieder  entwand  und  abermals  alle 
die  feindseligen  Kräfte  in  Osterreich  entfesselte,  die  K.  Albrecht 
in  den  letzten  Jahrzehnten  mit  starker  Hand  erfolgreich  nieder- 
gehalten hatte.  Unter  diesen  Verhältnissen  vermochten  die 
Habsburger  mit  ihren  geschwächten  Machtmitteln  ihre  Ab- 
sichten auf  Böhmen  nicht  durchzusetzen;  der  neuerliche  Feld- 
zug endete  im  Herbste  1308  mit  dem  Znaimer  Vertrage,  in 
welchem  Böhmen  aufgegeben  wurde.  Dazu  wurde  Ende  1308 
Heinrich  von  Luxemburg  zum  deutschen  König  gewählt  und 
so  mußte  Herzog  Friedrich  der  Schöne  bei  der  allgemein  feind- 
seligen Stimmung  gegen  sein  Haus  darauf  bedacht  sein,  vor 
allem  von  dem  neuen  Reichsoberhaupte  die  Belehnung  mit 
Osterreich  und  Steiermark  zu  erhalten,  wozu  er  anfangs  1309 
ins  Reich  auszog. 

Zum  letzten  Male  trat  nun  abermals  die  antihabsburgische 
Partei  in  Osterreich  auf;  K.  Albrechts  Tod,  die  den  Habsbur- 
gern  mißgünstige  Stimmung  so  vieler  Reichfürsten  und  vor 
allem  die  wichtige  Frage,  ob  wohl  Herzog  Friedrich  die  Be- 
lehnung erreichen  werde,  nährten  die  Hoflfhungen  der  Unzufrie- 
denen. Auch  diesmal  fanden  dieselben  Unterstützung  bei  den 
bairischen  Herzogen,  welche  gegen  Neuburg  am  Inn  zogen; 
unter  bairischen  Fahnen  sammelte  sich  aufständischer  Adel  in 
Niederösterreich,  auf  dessen  Boden  die  bald  niedergeworfene 
Bewegung  sich  abspielte.  Wir  erfahren  nichts  über  Eberhards  IV. 
Tätigkeit  bei  diesen  Ereignissen  in  seinem  Wirkungskreise 
Oberösterreich,  ebensowenig  aus  dem  folgenden  Jahre,  wo 
Herzog  Friedrich  den  erfolglosen  Kampf  gegen  die  bairischen 
Herzoge  eröffnete  und  mit  seinem  Hauptheere  aus  der  Traun- 
gegend  in  das  Inn  viertel  vordrang. 

Im  Frühjahr  1311  zog  Eberhard  IV.  von  Walsee-Linz  mit 

Dietrich    von    Pillichdorf    als   Abgesandter   Herzog   Friedrichs 

nach  Oberitalien   zu  K.  Heinrich  VH.,   der   beide   wohlwollend 

aufnahm.   Bei  diesem  Anlasse  bestätigte  der  König  1311  Juni  5* 

»  WSt.,  574. 


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269 

den  Walseern  die  Verpfändung  der  Vogtei  des  Klosters  Wald- 
see im  Lager  zu  Brescia,  wo  Verhandlungen^  betreffs  der  Ent- 
schädigung, welche  K.  Johann  fUr  den  Verzicht  der  Habsburger 
auf  Böhmen  zahlen  sollte,  sowie  über  die  geplante  Vermählung 
der  Schwester  des  Königs  mit  Herzog  Friedrich  gepflogen 
wurden.  Nur  schwer  vermochten  die  Habsburger  den  Verlust 
Böhmens  zu  verschmerzen,  das  nun  nach  der  Vertreibung  Hein- 
richs von  Görz  die  Luxemburger  für  sich  gewonnen  hatten.  In 
dem  darauffolgenden  Znaimer  Vertrage  (1312  August  18*) 
machte  Herzog  Friedrich  dem  Böhmenkönige  als  Vertragsblirgen 
auch  Eberhard  IV.  von  Walsee-Linz  namhaft,  welcher  an  den 
habsburgischen  Beziehungen  zum  Adel  zumal  Südböhmens  An- 
teil hatte,  wie  der  Revers  des  Benesch  von  Michelsberg  von 
Lichtmeß  1312»  dartut. 

Während  dieser  Friedensjahre  konnten  sich  die  Walseer 
der  Verwaltung  ihrer  Güter  widmen  und  auch  dem  schwäbischen 
Stammbesitze  einige  Aufmerksamkeit  schenken.*  Als  damals  Her- 
zog Friedrichs  Heiratsplan  mit  Elsbet  von  Aragonien  reifle, 
fand  sich  auch  Eberhard  IV.  mit  seinen  Brüdern  bei  den  Stän- 
den Österreichs  ein,  welche  am  4.  Mai  1313^  die  Ehepakten 
des  Herzogs  gegen  K.  Jakob  von  Aragonien  in  Klostemeuburg 
beschworen;  Mitte  Jänner  1314  wohnten  sämtliche  Walseer  der 
Hochzeit  des  Herzogspaares  in  Wien  bei.* 

Zugleich  fielen  aber  in  diese  Jahre  Ereignisse,  welche  die 
Treue  und  Ergebenheit  der  Walseer  an  das  Haus  Habsburg 
auf  keine  geringe  Probe  stellten. 

Mit  seinen  übrigen  Brüdern  war  auch  Gebhard  IL  von 
Walsee  nach  Österreich  gekommen,  der  den  geistlichen  Staud 
erwählt  hatte  und  anfangs  zum  Pfarrer  von  Weitra  vorgeschla- 
gen war.  Da  jedoch  Herzog  Albrecht  1291  November  20' 
anderweitig  über  diese  Pfarre  verfügte,  ging  Gebhard  zur  Voll- 
endung seiner  Studien  nach  Italien;  1295®  erscheint  er  in  den 


>  Vgl.  das  Schreiben  1311  Juni  15;  Würdtwein,  Subsidi*  Diplomat.  I,  412. 

*  Regesta  Reram  Bohem.  et  Morav.  III,  4. 
»  UBoE.  V,  66. 

*  Vgl.  ürk.  1313  Februar  2;  WSt.  576. 

'^  Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie  derWissensch.  CXXXVII,  169—171. 

*  Vgl.  Urk.  1314  Januar  18;  NB.  IV,  81. 
'  LB.  n,  r.  7. 

^  Blätter  des  Vereines  für  Landeskunde  yon  Niederösterreich  XV,  250. 

19* 


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270 

Universitätsmatrikeln  von  Bologna.  Nach  seiner  Rückkehr  war 
er  im  Jahre  1300^  bereits  Domherr  zu  Passau  und  unterhielt 
von  dort  aus  lebhafte  Beziehungen  zu  seinen  Brüdern,  insbe- 
sondere zu  Eberhard  IV.  SchHeßlich  wurde  er  1312*  auch 
Vizedom  des  Stiftes  und  vom  Bischöfe  Wemhard,  der  in  ihm 
wohl  seinen  Nachfolger  sah,  in  dessen  letzten  Willen  zum  Testa- 
mentsvollstrecker ernannt.*  Die  große  Mehrheit  der  Stimmen 
erhob  ihn  denn  auch  nach  dem  Tode  Bischofs  Wemhard 
(f  1313  Juli  28)  auf  den  Passauer  Bischofsstuhl;  eine 
Minderheit  aber  wählte  Albrecht  (IL)  von  Habsbui^,  den  nach- 
maligen  Herzog,  trotz  kanonischer  Mängel  an  Alter  und  Weihen.* 
Während  der  Walseer  nicht  einmal  auf  den  Beistand  seiner 
Brüder  rechnen  konnte,  die  den  Habsburgern  alles  verdankten 
und  nicht  daran  denken  durften,  sich  deren  Willen  zu  wider- 
setzen, standen  Albrecht  alle  Hilfs-  und  Machtmittel  sowie  der 
Einfluß  seines  Hauses  zu  Gebote;  er  war  der  Stärkere  un^  setzte 
sich  in  den  Besitz  des  Bistums.  Gebhard  zog  daher  in  die 
Fremde;  er  wandte  sich  nach  Avignon  behufs  Erlangung  einer 
päpstlichen  Entscheidung  an  Klemens  V.,  während  Albrecht 
seine  Sache  daselbst  bloß  durch  einen  Abgesandten  vertreten 
ließ.**  Als  der  Papst  den  Bischof  Bernhard  von  Tusculum  mit 
der  Prüfung  der  Sache  betraut  hatte,  starb  Gebhard  11.  von 
Walsee  im  Jahre  1315  noch  vor  der  Entscheidung  nach 
P/,jährigem  Aufenthalte  zu  Avignon.^ 

Als  nun  der  große  Kampf  entbrannte,  den  das  Doppel- 
königtum Ludwigs  von  Witteisbach  und  Friedrichs  von  Habs- 
burg hervorrief,  war  Eberhard  IV.  bereits  zu  bejahrt,  um  an 
demselben  hervorragenden  Anteil  zu  nehmen. 

Schon  im  vorangegangenen  WaflTengange  von  1313  tritt 
er  nicht  hervor  und  nach  der  Krönungsfahrt  K.  Friedrichs 
scheint  er  mit  seinen  Brüdern  nur  noch  im  Sommer  1315  an 
der  Seite  seines  Herrn  geweilt  zu  haben,  ^  der  sich  damals  am 


^  Urk.  1300  Januar  16;  NB.  I,  817. 

«  Urk.  1312  Dezember  7;  RegesU  Boica  V,  239. 

»  Urk.  1313  Juli  26;  RegesU  Boica  VI,  344. 

«  Calend.  Zwetl.  M.  G.  SS.  IX,  665;  Ann.  Matts,  ebenda  815. 

"  Riezler,  Vatik.  Akten  zur  Gesch.  Ludwigs  des  Baiem  I,  47. 

•  Vgl.  die   Genealogie    und  Sitzungsberichte    der   Wiener   Akademie    der 

Wissensch.  CXL,  56. 
'  ürkundenlücke  1315  Februar  10  bis  August  10. 


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271 

Oberrhein  aufhielt.  Dafür  wurde  er  mit  seinem  Bruder  Hein- 
rich I.  mehrfach  dazu  herangezogen,  in  dem  durch  die  über- 
großen Kriegslasten  zerrütteten  Finanzwesen  des  Königs  seine 
Hilfe  zu  leihen.  So  verpflichteten  sich  die  beiden  1318^  fUr 
den  König  gegen  den  Passauer  Vizedom  hinsichtlich  der  Lösung 
von  Neuburg  am  Inn  und  waren  in  den  folgenden  Jahren  des 
Königs  Bürgen*  für  hohe  Summen  gegen  Herzog  Leopold  und 
den  Grafen  Eberhard  von  Württemberg.  Als  1322  der  große 
Entscheidungskampf  zwischen  den  öegenkönigen  ausgefochten 
wurde,  genoß  Eberhard  IV.  schon  die  Ruhe  des  Alters;  1321^ 
hatte  er  bereits  die  Verwaltung  seiner  sämtlichen  Güter  seinem 
gleichnamigen  Sohne  Eberhard  V.  übergeben,  das  Amt  des 
Landrichters  ob  der  Ens  jedoch  noch  behalten. 

Dabei  verstand  es  Eberhard  IV.,  trotz  der  wechselvollen 
Zeiten  ausgezeichnet  zu  wirtschaften  und  durch  weise  Spar- 
samkeit und  geschickte  Benützung  der  Verhältnisse  sich  einen 
rasch  in  Ober-  und  Niederösterreich  sich  bildenden  Besitzstand 
zu  schaffen,  zu  welchem  die  herzogliche  Pfandschaft  Freistadt 
mit  der  Riedmark  und  dem  Machlande  den  ersten  Grund  legte. 

In  Niederösterreich  gelang  es  ihm,  zwei  größere  Güter- 
komplexe  zu  erwerben,   die   er  dann  fortwährend  vergrößerte. 

Im  Jänner  1297  war  Eberhard  IV.  mit  Ulrich  von  Rukhen- 
dorf  und  den  Seinen  in  Verhandlungen  geti'eten,  welche  zur 
Erwerbung  des  Schlosses  Guntersdorf,*  eines  herzoglichen 
Lehens,  fUhrten.  Zu  diesem  erkaufte  er  nun  in  den  Jahren^ 
1297 — 1301  eine  ganze  Reihe  von  Gütern,  Liegenschaften  und 
Gülten  daselbst  sowie  von  den  Starhembergem  1309^  Lehen 
und  Gülten  in  einem  weiteren  Umkreise  und  1312 — 1314'  aber- 
mals mehrere  Lehen  und  Eigen.  Auf  sein  Betreiben  wurde 
Guntersdorf  auch  1312®  vom  Bischof  Wemhard  von  Passau  zur 


*  Urk.  1318  Oktober  28;  Mitt.  des  histor.  Vereins  für  Niederbayern  XI,  82. 
«  Urk.  1319  August  21,  Böhmer,  Reg.  Imp.  173  und  Urk.  1320  Oktober  26, 

Böhmer,  Acta  Imp.  Selecta  477/8. 
3  Urk.  1321  Juli  16;  LB.  IH,  r.  672. 

*  Bei  Ober-HoUabrunn. 

*  Vgl.  das  Inventar  f.  7'— 8;  Urk.  1300  Februar  21,  Topographie  von  Nieder- 
österreich IV,  767 ;  Urk.  1800  Februar  28,  Wretschko,  Österreichs  Mar- 
schallamt 212;  Urk.  1300.  NB.  III,  79. 

*  Urk.  1309  Juni  24;  NB.  IH,  8. 

'  Vgl.  AÖG.  n,  637;  NB.  IV,  81 ;  LB.  in,  r.  296. 
'  Inventar  f.  45. 


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272 

selbständigen  Pfarre  erhoben,  während  es  bis  dabin  nach 
WuUersdorf  gehört  hatte. 

Noch  bedeutender  war  das  ansehnliche  Erbe,  das  seinem 
jugendlichen  Sohne  Eberhard  V.  dessen  Braut  Elsbet  von 
Gutrat  durch  die  1304  August  17^  mit  Walter  von  Tauf  kirchen 
abgeschlossene  Qüterteilung  zubrachte.  Dasselbe  umfaßte  das 
freieigene  Schloß  Straneck  (nordöstlich  von  Oberhollabrunn) 
samt  dem  nahen  Markte  Stronsdorf,  den  Markt  Wulzeshofen 
(nördlich  davon),  das  halbe  Dorf  Reintal  (bei  Feldsberg),  Wein- 
gärten zu  Grinzing  und  Nußdorf  sowie  die  Pfarrpatronate  von 
Stronsdorf,  Murstetten, '  das  in  einem  Streite  gegen  das  Wiener 
Frauenkloster  St.  Maria  Magdalena  glücklich  behauptet  wurde, ' 
und  St.  Lorenzen  an  der  Ips.  Die  Maut  und  das  Urfahr  zu 
Mautern,*  womit  der  Walseer  1306*  vom  Burggrafen  Friedrich 
von  Zollern  belehnt  wurde,  ging  freilich  bald,  als  Eberhard 
darauf  seiner  Tochter  Kunigund  500Ä(/Ä  Mitgift  verschrieb,® 
an  die  Kapeller  über;  dafür  erkaufte  er  wieder  1307  und  1309 
von  den  Starhembergern  deren  Gülten  ob-  und  niederhalb  des 
Kampflusses'  gelegen.  Überdies  trat  ihm  nun  1314®  Walter 
von  Taufkirchen  seine  Hälfte  des  Gutratischen  Erbes,  das  freie 
Eigen  Burg  und  Dorf  Senftenberg  und  wohl  auch  das  Dorf 
Zebing  und  die  übrigen  Stücke,  •  sowie  die  Kirchenpatronate 
von  Senftenberg,  Zebing  und  Kuflfam  gegen  eine  Summe  von 
2250^^  ab.  Der  kleinere  Teil  dieses  Gutratischen  Erbes  lag 
in  der  Nähe  von  Guntersdorf,  der  größere  in  ansehnlichem 
Umfange  in  der  Umgebung  von  Krems. 

In  dem  Gebiete  zwischen  Donau,  Ens  und  Ips  erhielt 
Eberhard  IV.  von  Walsee  1302^^  vom  Grafen  Ulrich  von  Pfann- 
berg dessen  daselbst  gelegene  Mannslehen,  Reste  ehedem  Peil- 
steinischer  Besitzungen,  die  wohl  später  an  die  Linie  Walsee-Ens 
übergingen,  welche  hier  ihren  Hauptbesitz  hatte;   in  der  Nähe 


1  UBoE.  IV,  465.  «  Bei  Sieghartskirchen. 

•  Vgl.  das  Inventar  f.  36.  *  Bei  Krems. 

<^  Urk.  1306  April  19;  Monnm.  Zollerana  II,  289. 

•  Urk.  1309  Juni  15;  ebenda,  300. 

'  ürkk.  1807  Januar  8,  UBoE.  IV,  518;  1309  Juni  24,  NB.  III,  8. 
^  Verzeichnis   yon  Urkunden    über   das  Marscballamt   in  Österreich  und 
Steiermark,  c.  1545;  Schloß  Losensteinleiten,  Oberösterreich. 

•  Vgl.  Urk.  1304  August  17;  s.  oben. 
10  Urk.  1302  Ostern;  AÖG.  XVUI,  213. 


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273 

hatte  Eberhard  1315^  auch  die  Vogtei  des  Stiftes  Ardagger 
inne.  Einer  Gepflogenheit  des  österreichischen  Adels  folgend, 
hatte  sich  Eberhard  bereits  1304^  ein  Hans  zu  Wien  auf  dem 
Witmarkte  erkauft. 

In  Oberösterreich  faßte  Eberhard  IV.  erst  später  festen 
Fuß.  Die  Belehnung  mit  der  Feste  Wildberg  erhielten  er  und 
Ulrich  von  Kapellen  1297  *  vom  Bischof  Wernhard  von  Passau 
lediglich  als  Gerhaben  der  Kinder  Hadmars  von  Starhemberg. 
Sonst  stand  ihm  abgesehen  von  der  Freistädter  Pfandschaft 
vorläufig  nur  (1297*)  die  Kloster  vogtei  von  St.  Florian  zu. 
Später  kam  dazu  die  Vogtei  des  Klosters  Lambach,  welche  ihm 
Herzog  Friedrich  1313*  für  200Äf/Ä,  seine  Hochzeitsgabe  zur 
Vermählung  Kunigundens,  Eberhards  IV.  Tochter,  mit  Jans 
von  Kapellen  verpfändete.  Von  Bedeutung  war  es  indes  allein, 
daß  ihm  K.  Friedrich  in  seiner  Geldnot  —  spätestens  1322^ 
—  das  wichtige  Neuburg  am  Inn  versetzte,  welches  nun  fast 
ununterbrochen  mehr  denn  ein  Jahrhundert  als  Pfandschaft  den 
Walseern  verblieb. 

Wie  wir  seinerzeit  erwähnt,  hatte  Eberhard  IV.  1290 
Maria,  eine  Tochter  Heinrichs  II.  von  Khuenring-Weitra-See- 
feld  (f  1293),  heimgeführt.  Alsbald  war  der  Tochter  auch  ihre 
Mutter,  die  vielgeprüfte  Kunigunde,  in  die  neue  Heimat  ge- 
folgt, welche  1303  auf  dem  Schlosse  zu  Linz  ihre  Tage  be- 
schloß.' Eberhards  IV.  Ehe  war  mit  einem  einzigen  Stamm- 
halter, dem  wohl  noch  1290  zur  Welt  gekommenen  Eberhard  V. 
und  zwei  Töchtern  gesegnet.  Von  diesen  wurde  Kunigunde 
noch  als  Kind  1303  mit  Jans  von  Kapellen  verlobt,  doch  erst 
1313  vermählt;  sie  war  als  dessen  Hausfrau  noch  1342  am 
Leben.® 

Die  zweite  Tochter,  Dorothea,  soll  sich  mit  Reinprecht  II. 
von  Ebersdorf  verheiratet  haben,  als  dessen  Hausfrau  sie  von 
1330—1342  genannt  wird.» 


>  Urk.  1316  Januar  21;  AÖG.  XL  VI,  495. 
«  Urk.  1304  November  29;  NB.  I,  319. 
»  JBMFC.  LVn,  4. 

*  Urk.  1297  April  24;  UBoE.  IV,  269. 

*  Urk.  1313  März  3;  UBoE.  V,  99. 

•  Vgl.  Urk.  1323  Juni  15;  Eegesta  Boica  VI,  100. 
'  Vgl.  Prieß,  Die  Herren  von  Kuenring  183—184. 

•  Vgl.  die  Genealogie. 


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274 

Bereits  1320  war  Maria  von  Kuenring  ihrem  Gatten  im 
Tode  vorangegangen  und  in  der  Stiftung  ihres  Elternhauses^  im 
Kloster  Zwettl  beigesetzt  worden.^  In  vorgeschrittenem  Alter 
starb  Eberhard  IV.  von  Wakee-Linz  —  der  getreue  Diener 
und  Vertraute  dreier  deutscher  Könige  —  am  10.  Oktober  1325. 
Weise  im  Rate,  hatte  er  sich  insbesondere  auf  diplomatischem 
Gebiete  große  Verdienste  erworben.  Auf  seinem  gesamten  Be- 
sitze sowie  im  Amte  des  Landrichters  ob  der  Ens  folgte  ihm 
sein  einziger  Sohn  Eberhard  V. 

2.  Eberhard  V.  (1804—1371). 

Eberhard  V.  war  bereits  erwachsen  und  schon  zum  zweiten 
Male  verheiratet,  als  er  das  Erbe  seines  Vaters  antrat.  Wie  zu 
Lebzeiten  desselben  nahm  er  auch  jetzt  keinen  hervorragenden 
Anteil  an  den  Kämpfen  dieser  Jahre,  in  welchen  seine  Vettern 
ihre  Tapferkeit  bewährten.  So  hatte  er  auch  bei  MUhldorf 
nicht  mitgefochten  und  deshalb  war  ihm  das  Schicksal  der 
anderen  erspart  geblieben;  auch  in  der  Folge  hat  er  sich  nicht 
zu  häufig  kriegerische  Lorbeeren  geholt.  Jetzt  folgte  er  seinem 
Vater  im  Amte  des  Landrichters  ob  der  Ens,'  das  er  getreulich 
versah  und  durch  45  Jahre  innebehielt.  Große  Aufmerksam- 
keit schenkte  er  der  Verwaltung  seiner  sich  stets  mehrenden 
Güter.  Mehrfach  nimmt  er  Gelegenheit,  seiner  kirchlich- 
frommen Gesinnung  Ausdruck  zu  geben,  ist  er  doch  der  Grün- 
der von  zwei  Klöstern. 

Immerhin  war  auch  er  mehrmals  genötigt,  an  den  krie- 
gerischen Ereignissen  teilzunehmen,  die  sich  während  seiner 
langen  Lebensdauer  zutrugen.  Zunächst  hatten  die  Teilungs- 
pläne Herzog  Ottos  zur  Folge,  daß  sich  sowohl  K.  Johann  von 
Böhmen  als  auch  K.  Karl  von  Ungarn  gegen  die  Habsburger 
wandten  und  darüber  ein  verheerender  Krieg  an  den  Gemar- 
kungen Österreichs  und  Mährens  entbrannte.  Die  Walseer 
führten  im  Juni  1327*  ihre  Fähnlein  gegen  den  Landesfeind 
heran  und  tummelten  sich  mit  dem  Feinde  herum.  Beim 
Friedensschlüsse  mit  Ungarn  zu  Brück  an  der  Leitha  (1328 
September  21*)  war  Eberhard  V.  von  Walsee-Linz  zugegen.  Der 


»  Vgl.  die  Genealogie.  «  Vgl.  Urk.  1326  November  11 ;  UBoE.  V,  435. 

•  Vgl.  FBA.  XXVIII,  212. 

*  Monum.  Hungar.  bist.  acU  extera  I,  n.  289,  S.  269—276. 


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275 

Friede  mit  Böhmen  war  indes  nicht  von  langer  Dauer;  in  der 
Zwischenzeit  kam  der  Verkauf  der  schwäbischen  Stammgüter 
der  Walseer  zustande,  von  welchen  sie  im  Sommer  1330  Ab- 
schied nahmen.^  Infolge  der  Übergebung  des  Luxemburger  in 
der  1335  aufgerollten  Kärntner  Frage  griflf  K.  Johann  abermals 
zu  den  Waffen.  Im  Frühjahre  1336  wurde  Osterreich  nördlich  der 
Donau  von  ihm  furchtbar  verheert  und  einige  feste  Plätze  gingen 
an  ihn  verloren.  Auch  Eberhard  V.  von  Walsee-Linz  vermochte 
ihm  in  seinem  Schlosse  Quntersdorf,  in  das  er  sich  geworfen 
hatte,  nicht  zu  widerstehen'  und  geriet  mit  zehn  anderen  Mini- 
sterialen bei  der  Eroberung  der  Feste  in  Gefangenschaft,  die 
indes  nur  bis  in  den  Herbst  dieses  Jahres  währte,  wo  Eber- 
hard V.  seine  guten  Dienste  als  Bürge  der  Geldverpflichtungen 
leistete,  die  Herzog  Albrecht  H.  im  Enser  Vertrage  (1336 
Oktober  IP)  gegen  den  Böhmerkönig  eingieng. 

Dem  Brauche  ihrer  Zeit  gemäß  erwiesen  auch  die  Wal- 
seer zu  Linz  mehreren  Klöstern  Wohltaten,  insbesondere  den 
Minderbrüdern  zu  Linz.*  Infolge  der  Vermählung  Eberhards  IV. 
von  Walsee-Linz  mit  einer  Kuenringerin  hatten  sie  auch  der 
Stiftung  dieses  Hauses,  dem  Kloster  Zwettl,  mehrfach  ihr  Wohl- 
wollen geschenkt.  Als  nun  Eberhard  V.  in  diesen  Jahren  daran 
ging,  ein  Kloster,  das  zweite  bereits,  das  sein  Haus  geschaffen, 
zu  gründen  und  dasselbe  auf  dem  Erbgute  seiner  ersten  Gattin 
zu  Sensenstein  an  der  Donau  errichtete,*  überwies  er  es  denn 
auch  den  Mönchen  von  Zwettl,  ®  nachdem  Verhandlungen  mit 
den  Augustiner-Eremiten  zu  keinem  Ergebnisse  geführt  hatten. 
Zwei  Jahre  hindurch  hatten  die  Z wettler  Mönche  Sensenstein 
inne,  das  1335'  auch  das  Pfarrpatronat  von  Guntersdorf  erhielt, 
welches  bisher  der  Stifter  innegehabt  hatte.  Wir  wissen  nicht, 
wodurch   sich   derselbe   veranlaßt   sah,   seine  Gründung   ihrem 


^  Mitte  Juni  ziehen  sie  durch  Aagsburg;  vgl.  Zeitschr.  des  histor.  Vereins 

für  Schwaben  und  Neuburg  V,  17. 
>  Ann.  Zwetl.,  M.  G.  SS.  IX,  682. 

•  LB.  III,  r.  1087. 

*  Daß  er  Gründer  desselben  war  (1236!),  ist  unrichtig;  vgl.  AÖG.  LXIV, 
102.  Der  Grabstein  Eberhard  V.  von  1288  (!)  stammt  aus  dem  15.  Jahr- 
hundert; vgl.  die  Genealogie. 

*  Vgl.  Erdinger,  Gesch.  des  Klosters  Sensenstein;  Blätter  des  Vereines  für 
Landeskunde  von  Niederttsterreich  X,  28 — 31. 

•  Calend.  Zwetl.  M.  G.  SS.  IX,  690. 

'  Hanthaler,  Fasti  Capililienses  II,  13. 


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276 

Mutterkloster  wieder  zu  entziehen  und  sie  dem  oberösterreichi- 
schen Stifte  Wilhering  zu  überweisen,  wozu  Eberhard  V.  auch 
die  Genehmigung  des  Ordenskapitels  erhielt.  Am  19.  August  1336^ 
übergab  er  im  Beisein  seiner  ganzen  Familie  dem  Abte  Her- 
mann von  Wilhering  Sensenstein   samt  80  ü^  Gülten  daselbst 

Eine  ganze  Reihe  von  Taidingen  sah  Eberhard  V.  von 
Walsee-Linz  seines  Amtes  als  Hauptmann  ob  der  Ens*  während 
dieser  Friedensjahre  walten,  in  denen  sich  Österreich  unter 
Herzog  Albrechts  H.  weiser  Regierung  wirtschaftlich  allenthal- 
ben kräftigte.  Eberhards  V.  Haus,  das  nun  hier  allein  heimisch 
war,  trat  immer  mehr  ein  in  den  Kreis  der  Beziehungen  und 
Interessen  seiner  Standesgenossen  im  Lande,  wozu  die  neuen 
Verschwägerungen  mit  den  Grafen  von  Pemstein,  den  Losen- 
steinern,  Volkenstorfern,  Taufkirchen,  dann  jene  der  anderen 
walseeischen  Linien  nicht  wenig  beitrugen. 

Dagegen  unterhielt  das  Haus  Walsee  aus  begreiflichen 
Gründen  mit  den  Grafen  vonSchaunberg,  dem  vornehmsten 
Geschlechte  im  Lande  ob  der  Ens,  keine  näheren  Beziehungen. 
Wie  sollten  auch  die  gerade  in  den  Zeiten  Friedrichs  des 
Schönen  zu  Macht  gekommenen  Schaunberger,  die  stolz  auf 
die  emporgekommenen  Ministerialen  herabsahen,  deren  Freund- 
schaft gesucht  haben,  zumal  die  Walseer  gerade  ihnen  gegen- 
über die  Pläne  Herzog  Albrechts  zur  Ausführung  brachten,  die 
darauf  abzielten,  mehr  und  mehr  jede  Abrundung  des  zer- 
stückelten Schaunberger  Ländchens  zu  verhindern  und  schaun- 
bergische  Lehen  in  seine  Hand  zu  bringen.*  So  war  es  eben 
Eberhard  V.  von  Walsee-Linz,  der  den  Schaunbergem  die  Aus- 


^  UBoE.  VI,  215. 

'  Statt  Landrichter  ob  der  Ens  werden  seit  1330  die  Bezeichnungen 
Pfleger  ob  der  Ens,  Landyogt,  Hauptmann  zu  Linz  (Analogie  su  Graz!) 
und  —  seit  1337  ausschließlich  —  Hauptmann  ob  der  Ens  üblich;  nur 
der  Name  ändert  sich,  das  Amt  bleibt  mit  gleichen  Kompetenzen 
in  derselben  Hand.  Den  Hauptleuten  ob  der  Ens  unterstanden  als- 
bald eigene  Landrichter  ob  der  Ens.  Als  solche  werden  genannt:  1336 
Chunrat  von  Götzleinsdorf;  1344,  1349  Chunrad  der  (H)ezlinger;  1348 
Hertneid  von  Haunsperg;  1360  Lienhart  der  Ecker;  1364  Hans  der 
Mäwrl;  1367  Ludwig  ob  dem  Steine;  1384—1392  Ludwig  der  Neundlinger; 
1396—1403  Walter  von  Seuseneck  —  zumeist  walseeische  Lehensleute. 
Sie  nehmen  dem  Hauptmanne  ob  der  Ens  die  weniger  bedeutenden 
richterlichen  Funktionen  ab. 

8  Vgl.  Strnadt,  Peuerbach  JBMFC.  XXVH,  391  flf. 


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breitung  nach  Süden  über  das  Trattnachtal  wehrte;  der  Lehens- 
revers, den  Dietmar  der  Lerbüler  1331  April  4^  auf  ihn  aus- 
stellte, diente  diesem  Zwecke.  Auch  gegen  Norden  schlössen 
walseeische  Besitzungen  das  schaunbergische  Gebiet  immer  mehr 
ab.  Falkenstein,  an  der  Grenze  gegen  Passau  gelegen,  war 
Eberhard  V.,  zugleich  Wachsenberg  und  Ottensheim  den  Wal- 
seern  zu  Ens  von  den  Habsburgern  seit  1331  verpfändet.  Auch 
das  Eigen  Freudenstein,  das  Eberhard  V.  von  den  Pruschenken, 
schaunbergischen  Lehensleuten,  1333  nach  längeren  Verhand- 
lungen erkauft  hatte,  behauptete  er  gegen  die  Ansprüche  des 
Grafen  Heinrich  von  Schaunberg.  Als  sich  derselbe  weigerte, 
in  der  Landschranne  zu  erscheinen,  fühlte  Eberhard  im  Taiding 
zu  Perg  (1340  November  25*)  ein  abweisendes  Urteil  gegen 
ihn.  Zum  oflfenen  Ausbruch  sollte  der  Kampf  mit  den  Schaun- 
bergern  um  die  Anerkennung  der  habsburgischen  Landeshoheit 
indes  erst  in  späteren  Jahrzehnten  kommen. 

Wichtiger  und  gefahrdrohender  waren  für  die  Walseer  zu 
Linz  und  Ens  vorläufig  die  fortwährenden  Streitigkeiten  mit 
dem  Adel  Südböhmens,  die  volle  zehn  Jahre  hindurch  selten 
zur  Ruhe  kamen  und  mehrmals  bedenklichen  Umfang  annahmen. 

Bereits  1335  hatten  Grenzstreitigkeiten  der  Brüder  Rein- 
precht  I.  und  Friedrich  IL  von  Walsee-Ens  als  Pfandinhaber 
der  Steiermark  mit  dem  Besitzer  des  Amtes  Weitersfelden,' 
Jans  von  Kapellen,  dem  Gatten  Kunigundens  von  Walsee,  um 
die  Wälder  bei  Freistadt  stattgefunden  und  eines  Schiedsspruches 
Eberhards  V.  von  Walsee-Linz  geharrt,*  bis  schUeßlich  der  Herzog 
selbst  die  Sache  1341^  beilegte.  Die  gleichen  Ursachen,  der 
Mangel  an  sicheren  Grenzen  gegen  Böhmen  hin  führten  1345^ 
zu  einer  Fehde  derselben  Waldseer  mit  den  Herren  von  Rosen- 
berg und  rasch  schloß  sich  beiderseits  der  benachbarte  Adel 
den  Kämpfenden  an.  Angesichts  dieser  Sachlage  wandte  sich 
Herzog  Albrecht  H.  an  den  Markgrafen  Karl  von  Mähren,  der 
die  Angelegenheit  binnen  kurzem  einer  friedlichen  Lösung  zu- 
führte.  Am  22,  Juni  1346'  erklärte  Peter  von  Rosenberg  seine 


»  UBoE.  VI,  6.  «  UBoE.  VI,  356.  •  Östlich  von  FreisUdt. 

*  ürk.  1335  Juli  16;  UBoE.  VI,  173. 

^  Urk.  1341  Oktober  29;  LB.  III,  r.  1292. 

^  Johann  v.  Viktring.   Böhmer,  Fontes  Berum  Germanicarum  I,  449,  aber 

zum  Jahre  1843;  Contin.  Zwetl.  M.  G.  SS.  IX,  691. 
'  NB.  IV,  129. 


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278 

Fehde  mit  den  beiden  Walseern  fiir  beendet  und  verpflichtete 
sich,  dem  Schiedssprüche  Ulrichs  11.  von  Walsee-Graz  und  Ber- 
tholds  von  der  Leippe  einzuhalten,  bei  100  Mark  Silber  Strafe 
an  die  Brüder  von  Walsee. 

Wenn  in  den  nächsten  drei  Jahren  auf  diesem  Boden 
Ruhe  herrschte,  so  liegt  die  Ursache  hievon  in  den  politischen 
Verhältnissen.  Markgraf  Karl  von  Mähren  war  mittlerweile 
von  der  päpstlichen  Partei  zum  Gegenkönig  Ludwig  des  Baiem 
gewählt  worden  und  trachtete  nach  dessen  plötzlichem  Tode 
nun  insbesondere  Herzog  Albrecht  von  Osterreich  zu  gewinnen; 
deshalb  war  er  ohne  Zweifel  bemüht,  hier  Ordnung  zu  schaffen. 
Auch  gegen  die  einflußreichen  Walseer,  wie  Eberhard  V.  von 
Walsee-Linz  oder  Ulrich  11.  von  Walsee-Graz  war  man  in  jenen 
Tagen  zuvorkommend  und  suchte  von  Passau  wie  von  Avignon 
aus  in  diesem  Sinne  zu  wirken.* 

Als  aber  sowohl  der  Herzog  ab  K.  Karl  IV.  im  Sommer 
1351  ferne  von  ihren  Landen  weilten,  brach  an  den  Grenzen 
Österreichs  gegen  Böhmen  und  Mähren  eine  noch  heftigere 
Fehde  aus.*  Gegen  die  Raubzüge  Heinrichs  von  Neuhaus, 
Johanns  H.  von  Michelsberg  und  der  Brüder  Stephan  und  Peter 
von  Stemberg,  denen  sich  trotz  seiner  Verschwägerung  mit  den 
Walseern  zu  £ns  auch  Jost  von  Stemberg  anschloß,  setzte  sich 
vor  allem  der  Hauptmann  ob  der  Ens,  Eberhard  V.  zur  Wehr; 
seine  Verschwägerung  mit  denen  von  Neuhaus  hatte  im  Vor- 
jahre durch  den  Tod  Annas,  der  Gattin  Eberhards  VII., '  seines 
Erstgeborenen,  ihre  Bedeutung  verloren.  In  Niederösterreich 
rüsteten  sich  Heinrich  HI.  von  Walsee-Drosendorf  und  die  Seinen 
mit  ihrem  Bundesgenossen  Alber  von  Puchheim  zum  Wider- 
stände. Außerdem  ergriff  der  böhmische  Oberstburggraf  Wil- 
helm von  Landstein  ihre  Partei,  dessen  Gattin,  eine  Kuenringerin, 
mit  den  Walseern  verwandt  war. 

Mit  70  Helmen  zog  Heinrich  von  Neuhaus  ins  Feld  und 
drang  unter  großen  Verwüstungen  bis  gegen  Ottensheim  (bei 
Linz)  vor,  das  am  Bricciustage  (13.  November)  geplündert  und 


»  Vgl.  8.  286  und  Urk.  1337  August  26;  Riczler,  Vatik.  Akten  lur  Gesch. 

Ludwigs  des  Baiern  I,  847. 
'  Vgl.  Klimesch,  Die  Herren  von  Michelsberg.  Mitt.  des  Vereines  für  Gesch. 

der  Deutschen  in  Böhmen  XXII,  339—342. 
•  Vgl.  die  Genealogie. 


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279 

niedergebrannt  wurde.*  Als  er  beutebeladen  den  Rückweg 
antrat,  brachte  ihm  Eberhard  IV.  von  Walsee-Linz  zwischen 
Hellmonsöd  und  Freistadt  eine  Schlappe  bei,  die  ihn  zu 
schleuniger  Flucht  zwang;  der  Sieger  ließ  die  Gefangenen  am 
Galgen  enden.  Die  Walseer  folgten  dem  Gegner  in  die  Nähe 
von  Frauenberg  bei  Budweis  und  schlugen  ihn  dort,  trotzdem 
Peter  von  Sternberg  im  entscheidenden  Augenblicke  mit  einer 
Verstärkung  von  30  Helmen  eintraf,  mit  Hilfe  Wilhelms  von 
Landstein  entscheidend  am  16.  November  1351.*  Heinrich  von 
Neuhaus  und  Peter  von  Sternberg  wurden  gefangengenommen 
und  erst  gegen  hohes  Lösegeld  aus  ihrer  Haft  in  Wien  und 
Pottenstein  entlassen.  Nach  seiner  Heimkehr  suchte  sich  Hein- 
rich von  Neuhaus  an  seinen  Gegnern  zu  rächen.  Darüber  nahm 
die  Fehde  einen  solchen  Umfang  an,  daß  sich  viele  öster- 
reichische Adelige,  wie  Jans  von  Traun*,  ja  selbst  Graf  Ulrich 
von  Cilli*  dem  Kampfe  gegen  die  Böhmen  anschlössen  und  den 
befreundeten  Walseem  hilfreichen  Beistand  leisteten.  K.  Karl  IV. 
selbst  zog  gegen  die  Unruhestifter  in  der  Fasten  1352  aus  und 
föUte  am  2.  Mai  dieses  Jahres^  einen  Schiedspruch,  der  die 
Fehde  beendigte.  Zwar  standen  sich  bald  darauf  abermals  die 
Rosenberger,  Jans  von  Michelsberg  und  die  Walseer  Heinrich 
von  Neuhaus  imd  Wilhelm  von  Landstein  gegenüber,  doch  ge- 
nügte K.  Karls  IV.  Rückkehr  aus  Deutschland,  um  zuerst  die 
letzteren,  sodann  Eberhard  V.  von  Walsee-Linz  und  Jost  von 
Rosenberg  am  10.  August  1352  auszusöhnen. 

Der  Verlust  seiner  beiden  bereits  erwachsenen  Söhne 
Eberhards  VII.  und  Heinrichs  V.,  welcher  in  diese  Jahre  fUllt,  ® 
traf  den  alternden  Vater  umso  härter,  als  Eberhard  V.  von  seiner 
zweiten  Gattin  Anna  von  Losenstein,  die  ihm  schon  1321  an- 
getraut war,  keinen  Erben  mehr  erwarten  konnte;  so  schien 
es,  als  sollte  mit  ihm  die  Linzer  Linie  erlöschen.  In  dieser 
traurigen  Voraussicht  ging  Eberhard  V.  damals  daran,  eine 
zweite   Klostergründung  ins  Werk   zu  setzen.     Er  räumte 


^  Vgl.  Wilheriuger  Annalen,  Archiv  für  Qesch.  der  Diözese  Linz  II,  249. 

«  Ann.  und  Calend.  Zwetl.  M.  G.  SS.  IX,  691—692." 

»  Vgl.  Primiaser,  P.  Suchenwirt,  XVI,  V.  62,  XVHI,  V.  371. 

*  Vgl.  Gubo,    Graf  Friedrich  II.  von  Cilli.    Cillier    Gymnasial-Programm 
1888,  S.  4. 

*  Ludewig,  Beliquiae  Manuscr.  IV,  279. 
'  Vgl.  die  Genealogie. 


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280 

dafür  das  erst  vor  kurzem  erkaufte  Schloß  Schlierbach  im 
Kremstale  ein,  behielt  aber  die  gleichnamige  Herrschaft  mit 
dem  Landgerichte  in  seiner  Hand.  Am  22.  Februar  1353^ 
tibergaben  Eberhard  V.  und  sein  Ehegemahl  die  Stiftung,  ein 
neues  Denkmal  der  kirchlichen  Gesinnung  des  Hauses  Walsee, 
und  Zisterzienserinnen,  herbeigerufen  aus  der  schwäbischen 
Stammheimat,  dem  Kloster  Baindt,*  zogen  in  dieselbe  ein.  Am 
folgenden  Tage  gab  auch  der  Diözesanbischof  Gottfried  von 
Passau  seine  Einwilligung  zur  Errichtung  des  Klosters,'  der 
Landesfürst  nahm  es  in  seinen  Schutz  und  Schirm.  Eberhard  V. 
stattete  es  mit  200  <fi  ^  auf  gestiftetem  Gute  nördlich  der  Donau 
in  Niederösterreich  aus  und  wies  dafür  vorläufig  die  Einkünfte 
seiner  Herrschaft  Pemstein  an;  1357*  fügte  Eberhard  mit  Be- 
willigung seines  Herzogs  die  Hälfte  seines  Satzes  auf  Falken- 
sein und  100  ^/Ä  auf  der  Maut  zu  Linz  hinzu.  Dazu  verleibte 
Bischof  Gottfried  von  Passau  1359*  die  Pfarrkirche  zu  Schlier- 
bach dem  Kloster  daselbst  auf  Ansuchen  Eberhards  ein,  der 
auch  wenige  Tage  vorher®  das  Kirchenpatronat  von  Wartberg 
im  Kremstale  für  das  von  Zwettl,  in  der  Herrschaft  Wachsen- 
berg gelegen,  zugunsten  seiner  Stiftung  eintauschte. 

Die  Mattseer  Chronik  berichtet  uns'  aus  dem  Stiftungs- 
jahre von  Schlierbach  über  einen  sonst  unbekannten  Einfall 
Eberhards  V.  auf  salzburgisches  Gebiet,  der  vermutlich  mit 
jenen  Streitigkeiten  in  Zusammenhang  stand,  die  aus  dem  Er- 
löschen einer  Linie  des  salzburgischen  Ministerialengeschlechtes 
der  Tanne  entsprangen.  Mit  bedeutenden  Streitkräften  über- 
schritt Eberhard  V.  am  St.  Franziskustage  (Oktober  5)  1355  die 
Grenze,  verheerte  die  Umgebung  von  Straßwalchen  und  Neu- 
markt und  ftlhrte  700  Stück  Vieh  und  300  Pferde  auf  dem 
Rückzuge  nach  Veckhelstorf  (Vöcklamarkt)  davon.  Der  salz- 
burgische Kastellan  zu  Mattsee,  Konrad  der  Chuechler,  der  sich 
keiner  Feindseligkeiten  versehen    hatte,    vermochte  ihm  keinen 


»  UBoE.  Vn,  403. 

'  Vgl.  Stadien  und  Mitteilangen  aus  dem  Benediktiner-  und  ZiBtenienser- 

Orden  XXIV,  377." 
8  Urkk.  1365  Februar  23  und  April  29;  UBoE.  VH,  405  und  411. 
*  Urk.  1357  Juli  26;  UBoE.  VH,  519. 
^  Urk.  1359  September  10;  UBoE.  VII,  657. 
«  Urk.  1859  September  7;  UBoE.  VII,  656. 
'  FRA.  XLIX,  91. 


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281 

Widerstand  zu  leisten.  Die  Absicht  Dietrichs  des  Lerbüchler, 
eines  walseeischen  Lehensmannes,  der  die  Scharen  Eberhards  V. 
anführte^  das  benachbarte  reiche  Stift  Mattsee  heimzusuchen, 
fand  wohl  nicht  die  Billigung  Eberhards  und  so  blieb  das 
Kloster  verschont. 

Wenn  der  antihabsburgisch  gesinnte  Chronist  Mattseer  ein 
wenig  unparteiisches  Urteil  über  den  Stifter  von  Seusenstein  und 
Schlierbach  fällt  und  ihn  der  Feindseligkeit  gegen  die  Passauer 
Kirche  anklagt,  so  bezieht  sich  dies  wohl  auf  die  vorüber- 
gehenden Streitigkeiten  um  Palkenstein  (1352 — 1354).^ 

Wenige  Wochen  darnach  weilte  Eberhard  V.  gleich  seinen 
Vettern  bei  Hofe,  als  Herzog  Albrecht  1355  November  25' 
seine  Hausordnung  veröflfentlichte,  die  sie  im  Kreise  der  öster- 
reichischen und  steirischen  Landherren  beschworen.  Gerade 
die  Walseer  hatten  wie  nicht  leicht  ein  anderes  Geschlecht 
ihrer  Standesgenossen  ein  besonderes  Interesse  daran,  daß 
ihrem  Herrscherhause  Einheit  und  Einigkeit  gewahrt  blieben; 
wie  leicht  konnten  bei  ihren  über  die  ganzen  habsburgischen 
Länder  verbreiteten  Besitzungen  Streitigkeiten  und  Teilungen 
unter  den  Habsburgem  sie  einem  bedenklichen  Dilemma  zu- 
führen. 

Unter  Herzog  Albrechts  H.  Nachfolger,  dem  hochbegabten 
Rudolf  IV.  wußte  sich  Eberhard  V.  in  seinem  Amte  als  Haupt- 
mann ob  der  Ens  zu  behaupten;  er  weilte  häufig  am  Hofe  dieses 
prunkliebenden  Fürsten.  Den  großen  Plänen  desselben,  welchen 
die  geiUlschten  Freiheitsbriefe  dienten,  kam  hinsichtlich  der 
Grafen  von  Schaunberg  im  Lande  ob  der  Ens  das  freundschaft- 
liche Verhältnis  zugute,  in  welchem  der  Herzog  zu  den  Grafen 
Heinrich  und  Ulrich  stand.  Den  Walseern,  die  in  Oberösterreich 
mit  denselben  in  einem  stillen  Wettstreite  um  Reichtum  und 
Ansehen  lagen,  mochte  es  eine  innerliche  Befriedigung  ge- 
währen, als  Eberhard  V.  mit  drei  Vettern  auf  dem  für  ihn  be- 
sonders als  Hauptmann  ob  der  Ens  wichtigen  Tage  von  Weitra 
1361  Juni  16*  zugegen  war,  an  dem  die  Unabhängigkeit  der 
Schaunberger  den  ersten  Stoß  erhielt. 


»  Vgl.  8.  286  und  287. 

'  Schwind-Dopsch,  Ausg.  Urk.  zur  VerfassungsgeBcb.  Österreichs  189—191. 

•  UBoE.  Vni,  27;  vgl.  Edlbacher,  Das  Verhältnis  der  Grafen  von  Schaun- 
berg zu  Herzog  Rudolf  IV.  und  Albrecht  III.  Zeitschr.  für  OsterreichiBche 
Gymnasien,  Jahrgang  1872. 


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282 

Daß  Eberhard  V.  Ende  1361^  sein  Amt  als  Hauptmann 
ob  der  Ens  verlor  und  Jans  von  Traun  an  seine  Stelle  trat, 
hat  nicht  viel  zu  besagen;  Herzog  Rudolf  IV.  liebte  häufig 
solche  Verschiebungen  selbst  in  den  höchsten  Amtern-  Eber- 
hard V.  geleitete  sogar  den  Herzog  in  der  letzten  Woche  dieses 
Jahres  nach  Preßburg,  wo  am  Silvestertage  1361*  mit  den 
Königen  von  Ungarn  und  Polen  ein  gegen  den  Kaiser  gerich- 
tetes Bündnis  abgeschlossen  wurde.  Eberhard  V.  erhielt  über- 
dies sein  Amt  zurück,  als  der  Herzog  im  Jänner  1363  nach 
Tirol  eilte,  um  nach  Herzog  Meinhards  Tode  dort  den  Witteis- 
bachern zuvorzukommen.  Während  nun  Herzog  Rudolf  den 
bairischen  Einfall  in  Tirol  abwehrte,  setzten  sich  an  der  öster- 
reichisch-bairischen  Grenze  Erzbischof  Ortolf  von  Salzburg, 
Eberhard  V.,*  der  das  wichtige  Neuburg  am  Inn  als  Pfand- 
schaft besaß,  und  Graf  Ulrich  von  Schaunberg  gegen  die  Baiem 
in  Bewegung,  erlitten  indes  bei  Otting  am  Inn  eine  verlustreiche 
Schlappe.  Eberhard  V.  gab  sodann  seinem  Herzog  das  Geleite 
nach  Brunn  und  wohnte  daselbst  der  1364  Februar  8*  durch 
den  Kaiser  erfolgten  Belehnung  mit  Tirol  bei,  welche  die  neue 
Erwerbung  sicherte.  Noch  war  indes  der  Kampf  um  dieselbe 
nicht  beendet.  Im  Sommer  dieses  Jahres  zog  Eberhard  I.  mit 
seinen  jugendlichen  Vettern,  den  Söhnen  Reinprechts  I.  von 
Walsee-Ens  und  Heinrichs  IH.  von  Walsee-Drosendorf  abermals 
mit  dem  Herzoge  von  Oberösterreich  aus  gegen  die  Witteis- 
bacher zu  Felde.  ^  Nach  kurzer  Belagerung  ergab  sich  Ried, 
worauf  alsbald  ein  weiterhin  mehrfach  verlängerter  WafiFenstill- 
stand  abgeschlossen  wurde.  Den  ganzen  Frühling  1365  hin- 
durch weilte  Eberhard  am  herzoglichen  Hofe  zu  Wien  und  war 
dort  Zeuge  der  rastlosen  Tätigkeit  seines  jugendlichen  Herr- 
schers, die  sich  insbesondere  in  der  Gründung  der  Universität 
und  jener  der  Dompropstei  St.  Stephan  kundtat*  Er  sah  den 
Herzog  zum  letzten  Male,  als  dieser  im  Mai  1365  von  Wien 
nach   Mailand    eilte,    um    dort    Hilfe    gegen   Aquileja  und   die 


^  Vgl.  die  Qenealogie. 

"  Ludewig,  Beliqu.  Manoscr.  IV,  294. 

»  Chron.  SalUburg.  M.  G.  SS.  IX,  831. 

*  Steyerer,  Comment.  p.  bist.  Alberti  II.,  col.  380. 

^  Vgl.  Urk.  1364  August  26,  Senkenberg,  Sei.  Juris  IV,  465  und  Urk.  1364 
August  28,  Hormayr,  Gesch.  Wiens  V,  A.  46. 

•  Urk.  1365  Mära  12  und  16;  Hormayr,  Gesch.  Wiens  V,  A.  66  und  98. 


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283 

Carraresen  zu  suchen;  am  27.  Juli  1365  machte  dort  ein  böses 
Fieber  dessen  Leben  jäh  ein  Ende. 

Für  den  Walseer  blieb  sein  Ableben  ohne  Folgen;  er  be- 
hielt sein  Amt  und  die  Herzoge  Albrecht  III.  und  Leopold  III. 
gaben  ihm  neue  Beweise  von  Huld  und  Vertrauen.  Als  sie 
nun  daran  gingen,  der  Freisinger  Kirche  die  Pfandschaften 
zurückzugeben,  welche  Herzog  Rudolf  auf  Freisinger  Gütern 
mehreren  vom  Adel  angewiesen  hatte,  teilte  sich  Eberhard  V. 
mit  fünf  anderen  1365  Oktober  28^  in  das  Amt  der  Schieds- 
leute, welche  den  Vergleich  über  die  dieser  Kirche  zugefligten 
Schäden  zuwege  brachten.  Dieselbe  Funktion  hatte  er  zwei 
Jahre  später  in  einer  nicht  minder  wichtigen  Frage,  als  der 
Aufstand  der  Passauer  Bürger  gegen  ihren  Bischof  mit  öster- 
reichischer Hilfe  unter  Jans  von  Traun  niedergeschlagen  wor- 
den war.  Der  Schiedsspruch  der  Herzoge,  1367  Dezember  18* 
zwischen  Bischof  nnd  Stadt  gefUllt,  betraute  Eberhard  in  Ge- 
meinschaft mit  dem  Grafen  Ulrich  von  Schaunberg  mit  der 
Schlichtung  mehrerer  Vergleichspunkte  an  Ort  und  Stelle. 

Der  Kampf,  in  welchen  die  Habsburger  1368  mit  den 
Venezianern  um  Triest  gerieten,  rief  auch  den  gealterten  Eber- 
hard V.  noch  einmal  ins  Feld.*  In  der  Folge  wurde  dieser 
Zug  nach  dem  Süden  für  sein  Haus  von  weittragender  Bedeu- 
tung durch  Beziehungen,  die  damals  mit  den  Tibeinern*  an- 
geknüpft wurden,  weitaus  dem  wichtigsten  Adelsgeschlechte  im 
Hinterlande  von  Triest  und  bis  an  den  Quarnero  hinüber. 

Von  hier  mußte  Eberhard  V.  indes  alsbald  einem  anderen 
Kriegsschauplatze  zueilen,  um  seine  Kräfte  dem  ihm  als  Haupt- 
mann ob  der  Ens  näher  liegenden  Kampfe  gegen  Baiern  zu 
leihen,^  der  von  den  Habsburgem  1369  nach  Ablauf  des  Waffen- 
stillstandes erneuert  wurde.  In  dieser  Fehde  wurde  die  an 
Eberhard  verpfändete  Grenzfeste  Falkenstein  von  einem  ge- 
wissen Leutwin  Usel  überrumpelt;*  vergeblich  versuchte  Eber- 
hard sie  zurückzuerobern.  Usel  verpfändete  sie  dem  Grafen 
von  Hals,   von  diesem  ward  sie  durch  einen  Stubenberger  für 


»  PEA.  XXXVI,  842.  «  UBoE.  Vin,  361. 

»  Vgl.  Urk.  1369;  HHStA.  Kod.  Suppl.  408,  f.  8'. 

*  Über  dieselben  vgl.  Pichler,  II  castello  di  Duino,  Tricnt  1882. 
»  Vgl.  Urk.  1369  Juni  6;  UBoE.  Vm,  418. 

*  Ann.  Matseens.,  M.  O.  SS.  IX,  834;  vgl.  Strnadt,  Das  Land  im  Norden  der 
Donau,  AÖG.  XCTV,  214. 

Archir.   XCY.  Band.  U.  HftlfU.  20 


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284 

die  Herzoge  zurückgelöst  und  so  kam  sie  vorläufig  Eberhard  V. 
aus  der  Hand.  Den  Abschluß  des  Kampfes  gegen  Baiem  bil- 
dete der  Schärdinger  Friede  von  Michaeli  1369,*  der  Tirol 
endgiltig  den  Habsburgem  beließ.  Eberhard  V.,  der  bei  den 
Verhandlungen  desselben  noch  zugegen  war,  schloß  damit  seine 
Laufbahn,  auf  welcher  er  sich  durch  ein  halbes  Jahrhundert 
im  Dienste  der  Habsburger  bewährt  hatte;  der  70jährige  Greis 
bedurfte  der  Rast  für  seinen  Lebensabend  —  sie  war  ihm  nur 
kurz  beschieden. 

Das  Erbe  seines  Vaters  hat  Eberhard  V.  als  dessen  ein- 
ziger Sohn  ungeschmälert  überkommen;  seine  Schwester  Kuni- 
gund  und  deren  Gatte  Jans  von  Kapellen  ließen  sich  *  mit  ihren 
Erbansprüchen  gegen  eine  Summe  von  400  Äf'^  abfinden. 

Sein  ganzes  Leben  hindurch  hat  Eberhard  V.  den  er- 
erbten Besitzstand  durch  fortwährende  Ankäufe,  die  zuzeiten 
fast  über  seine  Kräfte  gingen,  vermehrt  und  dieses  Ergebnis 
zustande  gebracht,  obwohl  ihm  durch  die  allmähliche  Gesun- 
dung der  landesherrlichen  Finanzen  unter  Herzog  Albrecht  H. 
wieder  ein  gut  Teil  der  herzoglichen  Pfandschaften  durch  Ab- 
lösung entzogen  wurde.  Wie  unter  seinem  Vater  geht  auch 
die  Entwicklung  des  Besitzes  Eberhards  V.  lediglich  auf  dem 
Boden  Ober-  und  Niederösterreichs  vor  sich. 

Im  Lande  ob  der  Ens  schuf  sich  Eberhard  V.  besonders 
einen  bedeutenden  Güterbestand  im  Alm-  und  Kremstale  sowie, 
hier  weniger  geschlossen,  nördUch  der  Donau;  kleinere  Be- 
sitzungen im  Trattnachtale  waren  der  Schaunberger  wegen  von 
Wichtigkeit. 

Zuerst  hatte  Eberhard  1329'  von  Werner  und  Gottfried 
den  Polheimem  deren  Viertel  am  Schlosse  zu  Seisenburg*  um 
500Äf.Ä  erkauft;,  doch  kam  dieser  Anteil  alsbald  an  die  Volken- 
storfer  —  durch  die  Ehe  der  Tochter  Eberhards  V.,  Margret, 
mit  Alber  v.  Volkenstorf  —  und  durch  letzteren  an  den  Herzog.* 
Im  Jahre  1331  brachte  Eberhard  V.  sodann  zwei  Pfandschaften 
im  Kremstale  an  sich.  Von  demselben  Volkenstorfer  wurde 
ihm®  das  Haus  zu  Forchtenberg  um  250Äf/Ä  überlassen.    An- 


^  Quellen  und  ErtJrterungen  s.  bair.  a.  deutsch.  Gesch.  VI,  499. 

«  Urk.  1328  Dezember  21;  NB.  I,  330. 

»  Urk.  1329  Februar  19;  ÜBoE.  V,  631. 

*  Westlich  yon  Kirchdorf,  OberOsterreich. 

»  WSt.  587.  •  Urk.  1331  Mai  19;  UBoE.  VI,  20. 


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285 

dererseits  befand  sich  die  Feste  Rohr^  mit  20Äf/Ä  Gülten 
unter  den  Sätzen,  die  auf  Eberhard  V.  durch  Verkauf  der 
schwäbischen  Stammgüter  von  den  Herzogen  für  sein  Teil  ver- 
schrieben wurden;  Rohr  war  1357*  von  Eberhard  V.  wieder 
gelöst.  1337  war  der  Walseer  trotz  der  Kriegsläufie  des 
Vorjahres  abermals  in  der  Lage,  einen  bedeutenden  Kauf  zu 
machen.  Er  erwarb  Februar  23'  das  wichtige  Schloß  Pern- 
stein,  herzogliches  Lehen,  für  4500  Äf^  von  Lybaun  und 
Hertnid  den  Truchsen  und  überUeß  ihnen  bis  zur  Tilgung  dieser 
Summe  Schloß  Senftenberg  nebst  Zebing  als  Bürgschaft. 

Allerdings  überstiegen  diese  großen  Ankäufe  fast  Eber- 
hards V.Kräfte;  um  die  Mittel  hiefÜr  und  die  Mitgift*  seiner 
Tochter  Agnes,  die  sich  1343  mit  dem  Grafen  Johann  von 
Pemstein  vermählte,  aufzubringen,  war  er  in  diesen  Jahren  ge- 
zwungen, vorübergehend  kleine  Besitzungen  und  Gülten^  zu 
verpfänden  und  selbst  größere  Anleihen,  so  bei  seinem  Schwager 
Jans  dem  Alten  von  Kapellen,^  aufzunehmen.  Ein  Jahrzehent 
wirtschaftlicher  Sparsamkeit,  und  Eberhard  hatte  diese  Schwierig- 
keiten überwunden. 

Für  die  Lösung  von  Neuburg  am  Inn  erhielt  er  1363^ 
die  Herrschaft  Seisenburg  und  die  Vogtei  zu  Wels  ver- 
pfändet; auf  diesen  Satz  schlug  ihm  Herzog  Albrecht  1369 
Juni  6^  weiters  eine  Schuld  von  2000  Ä^,  die  aus  dem  letzten 
Kriege  gegen  Baiem  stammte. 

Von   gi'ößerer  Bedeutung   aber  waren  die  bambergischen 

Lehen  im  Kremstale,  die  nun  an  Eberhard  und  damit  auf  ein 

Jahrhundert  an  sein»  Haus  kamen.     Die  Stellung  der  Walseer 
••  •• 

in  Osterreich,  insbesondere  als  Inhaber  der  höchsten  Amter, 
brachte  es  dabei  mit  sich,  daß  bei  allen  diesen  Besitzungen, 
die  sie  von  den  Bischöfen  von  Bamberg,  Regensburg,  Passau, 


"  Bei  Kremsmünster;  1881  Januar  7  (UBoE.  VI,  1)  erhielt  Eberhard  V.  für 
seinen  Anteil  ron  2260^.^  daran  die  Herrschaften  Rohr  und  Falken- 
stein versetzt  and  200  ^  ^  auf  der  Maut  zu  Linz  angewiesen. 

«  Vgl.  Urk.  1367  November  11;  LB.  UI  r.  1977.  »  UBoE.  VI,  229. 

*  Da  der  Graf  derselben  1343  November  15  (NB.  IV,  127)  1000  ü  ^ 
Morgengabe  verschreibt,  dürfte  ihr  Heiratsgut  eine  ähnliche  Summe  be- 
tragen haben. 

«  Vgl.  Urk.  1339  März  17,  UBoE.  VI,  291  und  Urk.  1344  Dezember  6, 
UBoE.  VI,  499. 

•  Urk.  1841  Juni  7;  NB.  IV,  107. 

'  Urk.  1362  April  6;  UBoE.  VOI,  73.  ■  Ebenda  418. 

20* 


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286 

Freising  u.  a.  zu  Lehen  trugen,  immer  mehr  das  Moment  der 
habsburgischen  Landeshoheit  auf  Kosten  der  Lehensherren  zur 
Geltung  kam.  So  wirkten  die  Walseer  auch  nach  dieser  Seite 
an  der  territorialen  Ausgestaltung  der  österreichischen  Länder 
mit,  ein  Faktor,  der  nicht  zu  übersehen  ist  Zuerst  ging  das 
Schloß  Schlierbach  samt  dem  Landgerichte  (,auf  dem  Moos') 
von  den  Kapellem  kaufweise  an  Eberhard  V.  über,  der  vom 
Bischof  Leopold  von  Bamberg  1353  Juli  25  ^  darüber  die  Be- 
lehnung erhielt.  Das  Landgericht  behielt  er  in  seiner  Hand, 
das  Schloß  dagegen  räumte  er  dem  von  ihm  1355  begründeten 
ZLsterzienserinnenkloster  ein.  Dem  Stifter  von  Sensenstein  und 
Schlierbach  konnte  die  Gunst  der  Kirche  nicht  fehlen.  So 
übergab  ihm  Bischof  Friedrich  von  Bamberg  die  Vogtei  über 
den  Markt  Kirchdorf,  die  Hofmark  Windischgarsten  und 
das  Garstener  Tal,  worüber  Eberhard  seinen  Pflegrevers  1363 
Dezember  1  ausstellte.* 

Auch  mit  den  Passauer  Bischöfen  stand  Eberhard  auf 
bestem  Fuße,  ebenso  seine  Vettern  von  Walsee-Ens.  So  er- 
warb Eberhard  V.  von  Ruger  von  Starhemberg  1327'  die  Vogtei 
über  ein  Gut  des  Klosters  St.  Nikola  bei  Passau^  später  erhielt 
er  die  wichtige  Pflegschaft  auf  St.  Georgenberg*  und 
blieb  trotz  mancher  Weitungen  *  dem  Bischöfe  befreundet;  auch 
bei  den  Ereignissen  von  1367  lieh  er  demselben  seine  Dienste.^ 
Diese  Beziehungen  entsprachen  zweifelsohne  den  Absichten  der 
Habsburger,  die  ja  bereits  seit  K.  Albrechts  I.  Zeiten  ihren 
Einfluß  in  diesem  Bistume  zu  mehren  trachteten. 

Ebenso  ließ  sich  Eberhard  V.  vom  IrfndesfÜrstlichen  Inter- 
esse bei  den  Besitzerwerbungen  im  Trattnachtale  leiten,  die  der 
Schaunberger  wegen  wichtig  waren,  da  sie  die  Absicht  der 
letzteren,'  zwischen  ihrem  Hauptbesitze  und  jenen  im  Atter- 
gaue  eine  Verbindung  herzustellen,  vereitelten.  Zuerst  brachte 
der   Walseer    Schloß    Gallspach    bei    Grieskirchen    an    sich; 


»  Als  Erblehen  für  Söhne  und  Töchter;  UBoE.  VII,  321. 

«  UBoE.  Vm,  169.  »  Urk.  1327  November  25;  UBoE.  V,  495. 

*  Vgl.  Urk.  1346  Oktober  1;  Regesta  Boic«  VIU,  55. 

»  Vgl.  Urk.  1352  Jali  4,  1354  Januar  27,  Dezember  29;  Orig.  Reichsarchir 
Mttnchen;  ygl.  S.  2S1. 

*  Bischof  Albert  stammte  aus  dem  den  Walseem  von  Bns  verschwigerten 
Geschlechte  derer  ron  Winkel. 

»  Vgl.  S.  277. 


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287 

1343  ^  erhielt  er  die  Kapelle  daselbst  von  dem  Kapitel  St.  Ni- 
kola  bei  Passau  gegen  Entschädigung  abgetreten,  woraus  er 
Pfarrkirche  und  Pfarre  Gallspach  stiftete.  Schloß  Gallspach 
verkaufte  er  1354*  an  Heinrich  Geuman,  dessen  Geschlecht  nun 
durch  ein  Jahrhundert  Gallspach  als  Afterlehen  innehatte.  Von 
dem  Welser  Bürger  Chunrad  dem  Schreiber  erkaufte  Eberhard 
135P  um  330  «f^  das  Schloß  Trattenek  und  erhielt  1353* 
vom  Herzoge  die  Belehnung  darüber.  Dazu  kamen  Waldungen 
zu  Polheim,^  die  der  Walseer  in  letzterem  Jahre  nach  längeren 
Verhandlungen  erwarb,  und  Güter  zu  Kirchberg, ^  von  Welser 
Bürgern  1358  erkauft. 

Bei  Eberhards  Gütern,  die  er  nördlich  der  Donau  besaß, 
machte  sich  dieselbe  habsburgische  Interessenpolitik  geltend. 
In  seine  sichere  Hut  gaben  die  Herzoge  anläßlich  des  Ankaufes 
der  walseeischen  Stammgüter  in  Schwaben  1331'  die  Herr- 
schaft Falkenstein  mit  i2&^  Gülten  als  Pfandschaft  —  den 
äußersten  österreichischen  Vorposten  an  der  oberen  Donau, 
gegen  das  Hochstift  Passau,  die  bairischen  Herzoge  und  die 
Schaunberger  in  gleicher  Weise  ein  wichtiger  Stützpunkt.  Nach- 
dem hier  in  den  Jahren  1352 — 1354®  Grenzstreitigkeiten  mit 
dem  Bischöfe  von  Passau  vorgefallen  waren,  wurde  die  Herr- 
schaft 1359*  von  Erzherzog  Rudolf  IV.  eingelöst.  In  Eber- 
hards letzten  Lebensjahren  befand  sie  sich  nach  der  Episode 
von  1369  nochmals  auf  mehrere  Jahre  *®  im  Besitze  der  Linzer 
Walseer.  Ein  unverkennbarer  Schachzug  gegen  die  Grafen 
von   Schaunberg   war   femer    die   Erwerbung    des    freieigenen 

»  Urk.  1343  August  19;  UBoE.  VI,  452. 

»  Struadt,  Peuerbach,  IBMFC.  XXVII,  393. 

»  Urk.  1351  September  16;  UBoE.  VIII,  264;  Trattenek  BÜdlich  von  Griea- 

kirchen. 
«  Urk.  1353  April  20;  Orig.  StAEferding. 

»  Nördlich  von  Gricskirchen ;  Urk.  1363  August  19;  UBoE.  VII,  326. 
«  Nördlich  von  Wels;  Urk.  1358  Februar  22;  UBoO.  VII,  556. 
'  Urk.  1331  Januar  7 ;  UBoE.  VI,  1 ;  vgl.  Stmadt,  Das  Land  im   Norden 

der  Donau,  AÖG.  XCIV,  182—133. 

•  Urk.  1352  Juni  1,  1354  Januar  26;  UBoE.  VH,  281,  345. 

•  Vgl.  UBoE.  VII,  681. 

^*^  Gleich  Neuburg  a.  Inn  muß  sie  nach  der  Lösung  von  1359  abermals  an 
Eberhard  V.  verpfändet  oder  durch  diesen  von  dem  Stuben  berger  abge- 
löst worden  sein,  da  sie  nach  Urk.  1379  April  1  (HHStA.  Kod.  Suppl. 
407,  f.  109')  wieder  durch  Heinrich  von  Zelking  um  5000  ü.  ^  von  Jörg 
V.  Walsee-Linz  gelöst  wurden,  der  erst  wenige  Jahre  gevogt  war. 


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288 

Schlosses  Freudenstein  bei  Ottensheim,  das  Eberhard  1333* 
von  Fridrich  und  Uhich  den  Prueschinken  um  1000  Äf^Ä  er- 
kaufte und  gegen  den  Grafen  Heinrich  von  Schaunberg  be- 
hauptete. Auf  diesem  ehedem  prueschinkischen  Boden  erbaute 
Eberhard  V.  einen  neuen  Halt  gegen  die  Schaunberger.  Als 
dem  ältesten  des  Hauses  Walsee  erwies  ihm  Herzog  Rudolf 
1364  Oktober  30*  die  Gnade,  eine  neue  Feste  namens  Wal- 
see* auf  dem  Klausberge  oberhalb  der  Klausmtihle  am  Pösen- 
bache  erbauen  zu  dürfen,  ,auf  daß  dieser  ehrwürdige  Name 
des  berühmten  Geschlechtes  erhalten  bleibe';  vor  Jahres- 
schluß* erwarb  der  Walseer  mehrere  um  die  neue  Bui^  ge- 
legene Güter  hinzu.  Noch  heute,  nachdem  vor  mehr  als  vier 
Jahrhunderten  der  letzte  Walseer  zu  Grabe  getragen  wurde, 
erzählen  die  Trümmer  des  Schlosses  Ober- Walsee  von  längst- 
vergangenen Zeiten  und  schauen  trutzig  hernieder  auf  das 
sonnige  Aschacher  Becken.  Seinen  Besitz  in  der  Riedmark, 
an  den  sich  weiter  keine  Interessen  knüpften,  hat  Eberhard 
gänzUch  aufgegeben.  Er  trat  seinen  Anteil  an  der  Freistädter 
Pfandschaft  an  die  Vettern  von  Walsee-Ens  ab;*  an  Dietrich 
und  Wohunk  von  Harrach  verkaufte  er  1330  ^  die  an  der  böh- 
mischen Grenze  gelegenen  Dörfer '  in  der  Stiftung,  Eibenstein, 
Freudental  und  Schwarzenbach  um  820^/^  und  veräußerte 
1352^  auch  die  Herrschaft  Reichenstein^  in  der  Riedmark 
um  3600  Äf^  an  Ulrich  von  Kapellen.  Weitere  Einbußen  er- 
litt Eberhard  V.  durch  die  um  1357,  beziehungsweise  1359  und 
1362^®  erfolgte  Einlösung  seiner  Pfandschaftien  Rohr,  Falken- 
stein und  Neuburg  am  Inn;  fiir  letzteres  erhielt  er  wenigstens 
Ersatz. 

Auf  dem  Boden  Niederösterreichs  blieb  es  zumeist  bei 
dem  Besitze,  den  Eberhard  V.  von  seinem  Vater  überkommen 
und  durch  seine  erste  Gattin  erheiratet  hatte.  Schloß  Aspers- 
hofen,^^   das  er  von  Ludwig  von  Zelking  1326^*  um  100 &^ 

»  Urk.  1333  Mai  1,  UBoE.  VI,  91 ;  vgl.  8.  277. 

«  UBoE.  Vra,  194.  •  Jetzt  Ober-WaUee  bei  Landshaag. 

*  Urk.  1364  November  8;  UBoE.  VIII,  196. 

ß  Zwischen  ca.  1330—1340.  «  Urk.  1330,  Februar  1;  UBoE.  VIII,  664. 

'  Nördlich  von  Freistadt,  nicht  in  NiederOsterreich. 
»  Urk.  1852  Juni  8;  UBoE.  VII,  286. 

•  Bei  Pregarten,  südlich  von  Freistadt. 

»«  Vgl.  Urk.  1362  April  6;  UBoE.  Vin,  73. 

"  Bei  Sieghartskirchen,  VUWW.  "  Urk.  1326  April  80;  NB.  I,  83, 


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289 

erstanden  hatte,  war  schwerlich  lange  in  seinem  Besitze,  da  es 
in  der  Folge  außer  Sicht  gerät.  Zu  Neujahi*  1332^  brachte  Eber- 
hard von  Andre  dem  Sunnberger  um  1950  Mark  Silber  dessen 
freies  Eigen  Schloß  Allentsteig*  samt  dem  Landgerichte  an 
sich;  er  trat  es  1367'  an  Seitz  von  Kuenring  wieder  für  die 
Ansprüche  und  Forderungen  ab,  die  derselbe  von  Eberhards  V. 
Oerhabschaft  her  über  ihn  geltend  machte.  Für  geleistete 
Kriegsdienste  verpfändete  ihm  der  Herzog  im  Jahre  1369  *  den 
Markt  Wöllersdorf,  in  der  Nähe  von  Guntersdorf  gelegen, 
um  4000  Äf^  und  schließlich  im  gleichen  Jahre  die  von  Fried- 
rich n.  von  Walsee-Ens  abgelöste  Feste  Freienstein^  mit 
verschiedenen  Gütern  zu  Neumarkt  a.  d.  Ips  und  Kornspach 
sowie  dem  Marchfutter  zu  Ips  und  Ardagger  ftlr  eine  gleiche 
Schuld  von  2047^,^^,  die  bereits  1370  mit  Erlaubnis  der 
Herzoge  durch  den  bekannten  Hofmeister  Hans  v.  Liechten- 
stein-Nikolsburg  zurückgelöst  wurde.  Durch  die  allzu  großen 
Darlehen  geriet  Eberhard  in  jenen  Jahren  selbst  beinahe  in 
Geldverlegenheiten,  so  daß  er  z,  B.  1367®  genötigt  war,  seinem 
Burggrafen  auf  Senftenberg  Ekhard  von  Seldenhofen  den  Sitz 
zu  Draß  bei  Senftenberg  zu  verpfänden. 

Lassen  wir  an  uns  nun  auch  Eberhards  V.  Familienleben ' 
vorüberziehen,  das  sich  so  wechselvoll  gestaltete.  Wohl  durch 
die  Beziehungen  seiner  Mutter,  der  Kuenringerin  Maria,  war 
1304  die  erste  Heirat  des  eben  gevogten  Eberhard  V.  mit  Elsbet 
von  Qutrat  zustande  gekommen,  deren  Erbe  ihm  auch  ver- 
blieb, als  Elsbet  bald  nach  1314  hinwegstarb,  ohne  daß  dieser 
ersten  Ehe  Kinder  entsprossen  wären.  Noch  vor  dem  Tode 
seines  Vaters  schloß  Eberhard  V.,  spätestens  1321,  mit  Anna 
aus  dem  angesehenen  Ministerialengeschlechte  der  Losensteiner 
einen  zweiten  Ehebund,  welchem  zwei  Söhne  und  eine  Tochter 
entsprangen. 

In  jenen  Jahren  aber  verheirateten  sich  auch  noch  zwei 
Schwestern  Eberhards  V.,  Margret,  die  seit  1329  als  Gattin 
Albers  von  Volkenstorf,  und  Dorothea,  welche  etwa  von  1330 
an   als  Reinprechts  H.  von  Ebersdorf  Hausfrau  genannt  wird. 


*  UBoE.  VI,  42.  •  Nordöstlich  von  Zwettl. 

»  Urk.  1367  Mai  4;  UBoE.  VIH,  318.         *  HHStA.  Kod.  Suppl.  407,  f.  8'. 

*  An  der  Donau,  südöstlich  von  Grein.         •  Urk.  1367  Juni  7;  NB.  IV,  388. 
^  Vgl.  die  Genealogie. 


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290 

Seit  1335,  beziehungsweise  1336  treten  Eberhards  V.  beide 
Söhne  Eberhard  VII.  und  Heinrich  V.  bereits  als  gevogt  auf; 
seine  Tochter  Agnes  wurde  1343  dem  Grafen  Johann  von  Pem- 
stein  angetraut,  dessen  angesehene  FamiUe  an  der  angarischen 
Grenze  reich  begütert  war.  Etwa  1335  erscheint  auch  Eber- 
hard Vn.  mit  Anna  von  Neuhaus  bereits  vermählt,^  die  um 
1350  mit  Tod  abging.  Dem  mehr  ab  50  jährigen  Eberhard  V. 
war  es  aber  beschieden,  die  beiden  Söhne  zu  verlieren,  von 
welchen  Eberhard  VII.  nach  1351,  Heinrich  V.  seit  Ende  1352 
nicht  mehr  genannt  wird;  ein  schmerzlicher  Verlust,  der  den 
alternden  Vater  umso  härter  traf,  als  er  von  seiner  ihm  nun 
vor  mehr  als  30  Jahren  angetrauten  Gemahlin  keine  Nach- 
kommenschaft mehr  erhoffen  konnte.  So  schien  zuerst  der 
Mannsstamm  der  Linzer  Linie  des  Hauses  Walsee  zu  er- 
löschen. 

Aber  das  Schicksal  hatte  es  anders  bestimmt.  Bald  nach 
1355  starb  Anna  von  Losenstein,  der  erst  im  Vorjahre  ein  Erbe 
von  150  ^/Ä  von  ihren  Großeltern  her  zugefallen  war.*  Ein 
dritter  Ehebund,  den  Eberhard  V.  dann  um  1360  noch  im 
Alter  von  70  Jahren  mit  einer  Pettauerin  einging,  brachte  ihm 
die  ersehnte  Nachkommenschaft:  einen  Sohn  Georg  und  zwei 
Töchter. 

So  sah  Eberhard  V.  wenigstens  seinen  Stamm  erhalten, 
als  er,  1371  April  21,  aus  dem  Leben  schied.  Seit  den  Tagen 
Friedrichs  des  Schönen  hatte  er  durch  ein  halbes  Jahrhundert 
dem  Hause  Habsburg  als  Hauptmann  ob  der  Ens  in  Ehren 
und  Treuen  bis  zu  seinem  Tode  gedient. 

Zwei  fromme  Stiftungen,  Sensenstein  und  Schlierbach, 
verdankten  ihm  ihre  Entstehung.  Von  diesen  wollte  anfangs 
SchHerbach  nicht  recht  gedeihen.  Doch  half  auf  seine  Bitten 
Abt  Bertold  von  Salmannsweiler  der  Not  der  Nonnen  ab,  als 
er  das  Kloster  1368^  visitierte,  und  Eberhard  selbst  gewährte 
seine  Unterstützung  und  verzichtete  zugunsten  desselben  auf 
die  Lehenschaft  vieler  Besitzungen.  Vor  seinem  Tode  bedachte 
er  es  noch  1371  Februar  2*  mit  zahlreichen  Gütern  und  Giebig- 
keiten  in  den  Pfarren  Wartberg  und  Kirchdorf  imd  befreite 
es  auch  von  aller  fremden  Vogtei  und  Gerichtsbarkeit. 


1  Vgl.  die  Genealogie.  »  Urk.  1854  Märe  15;  FRA.  LI,  479. 

•  Urk.  1368  Februar  28;  UBoE.  VUI,  365.  *  Ebenda  610. 


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291 

Seinen  Besitz  hatte  Eberhard  V.  stetig  gemehrt  und  wohl 
verwaltet.  Nun  waren  eben  durch  die  Darlehen,  die  der  Wal- 
seer  für  den  Baiernkrieg  von  1369  gewährt  hatte,  größere 
finanzielle  Operationen  nötig  geworden,  deren  Abwicklung  den 
Gerhaben  zufiel,  welche  der  junge  Georg  zunächst  erhielt. 

8.  Georg  0365—1400). 

Mit  dem  Tode  Eberhards  V.  war  die  Bedeutung  der  Linie 
Walsee-Linz  für  die  Geschichte  des  Hauses  vorbei;  sie  ging 
an  die  Walseer  zu  Ens  über.  Mit  Persönlichkeiten  wie  Eber- 
hard IV.  und  V.  kann  Georg  von  Walsee-Linz  einen  Vergleich 
nicht  aushalten.  Beim  Tode  seines  Vaters  war  Georg  noch 
ungevogt  und  so  wurden  die  Vettern  Rudolf  I.,  Reinprecht  II. 
und  Friedrich  V.  von  Walsee-Ens  seine  Gerhaben,  die  dieses 
Amt  wenig  befriedigend  versahen.  Lag  darin  schon  ein  wirt- 
schaftlicher Nachteil,  so  war  der  Entgang  der  obderensischen 
Hauptmannschaft  es  in  mancherlei  Hinsicht  nicht  minder  — 
volle  80  Jahre  hindurch  hatten  Vater  und  Großvater  dieselbe 
innegehabt.  Bei  Georgs  Jugend  mußte  sie  natürlich^  in  andere 
Hände  kommen  und  so  erhielt  sie  Graf  Ulrich  von  Schaun- 
berg,  ein  treuer  und  verläßlicher  Freund  der  Habsburger,  der 
den  gealterten  Eberhard  V.  bereits  während  des  letzten  Feld- 
zuges gegen  die  Baiern  in  diesem  Amte  unterstützt  hatte. 

Auch  späterhin  hat  Georg  es  dazu  nicht  gebracht;  ohne 
bedeutsame  Ereignisse  floß  sein  Leben  dahin,  dem  Wirken  im 
Kreise  der  Seinen  gewidmet.  Von  seinen  beiden  Schwestern* 
wurde  Katharina  1374  die  Gattin  Albers  von  Puchheim,  wäh- 
rend sich  die  zweite  mit  Heinrich  III.  von  Liechtenstein-Nikols- 
burg  vermählte,  aber  nach  kurzer  Ehe  1378  bereits  verstor- 
ben war. 

Georg  erbte  den  gesamten  väterlichen  Besitz.  Seine  Schwe- 
ster Katharina  erhielt  1374^  eine  Heimsteuer  von  900^^,  Chri- 
stoph, der  Sohn  der  zweiten  Schwester  Georgs  von  Heinrich  III. 
von  Liechtenstein-Nikolsburg,  wurde  1378*  mit  llOOÄf^  ab- 
gefunden, während  die  Söhne  der  Tochter  zweiter  Ehe  Eber- 


^  Georg  hatte  infolge  dessen  auch  nie  seinen  Wohnsitz  dauernd   in  Linz. 
»  Vgl.  die  Genealogie.  •  Urk.  1374  Mai  5;  NB.  IV,  634. 

*  Urk.  1378  März  21;  NB.  IV,  666. 


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292 

hards  V.,  Agnes,   die  Grafen  Ulrich  und  Peter  von  Pernstein, 
1377^   auf  jeden  Erbanspruch   zugunsten  Georgs  verzichteten. 

Aus  der  Gerhabschaft  entlassen,  ging  Georg  alsbald  gegen 
seine  Vettern  vor,  von  denen  er  sich  übervorteilt  fühlte.  Tat- 
sächlich scheinen  sie  sich  an  den  Geldgeschäften,  welche  die 
Ausstände  sowie  die  Legate  Eberhards  V.  nötig  machten,  be- 
reichert zu  haben,  denn  der  Schiedsspruch  1378  November  5' 
erkannte  Georgs  Klagen  als  begründet  an.  Von  der  bedeu- 
tenden, in  den  wenigen  Jahren  der  Vormundschaft  erwachsenen 
Schuldensumme  von  8650  Ü^  an  Juden,  5105  &  A  ß  b  ^  an 
Christen  ward  die  Hälfte  den  gewinnsüchtigen  Vormündern  zur 
Tilgung  überwiesen,  die  auch  von  den  2700  Ö/Ä,  welche  Georg 
seinen  Verwandten  an  Erbteil  auszuzahlen  hatte,  675  Äf  ^  über- 
nehmen, überdies  alle  seit  Eberhards  V.  Tode  hereingebrachten 
Schuldbriefe  zurückstellen  mußten,  ebenso,  was  sie  an  fahren- 
der Habe  von  der  Pettauerin  (Eberhards  V.  Wittib)  zu  sich 
genommen. 

Auch  in  der  Folge  hat  sich  Georg  z.  B.  an  den  Kämpfen 
gegen  die  Grafen  von  Schaunberg  oder  an  der  Niederwerfung 
der  Rohrer  in  Oberösterreich  wenig  beteihgt.  Er  schaltete  auf 
seinen  Gütern  und  war  eifrig  bemüht,  die  auf  denselben  über- 
kommenen Schulden  abzutragen,  was  umso  leichter  gelang,  als 
ihm  1379  Neuburg  am  Inn  und  Falkenstein  um  4000  Äf/Ä 
abgelöst  wurden.'  Zunächst  löste  Georg  die  Herrschaft  Allent- 
steig 1376*  um  1000  Ä(/Ä  wieder  ein;  doch  mußte  er  damals 
noch  zur  Aufbringung  dieser  Summe  verschiedene  kleine  Güter 
an  Chadolt  von  Wehingen  verpfänden.  Darüber  hinaus  brachte 
er  es  freiUch  nur  zu  unbedeutenden  Erwerbungen,^  welche 
seine  niederösterreichischen  Besitzungen  abrunden  halfen. 

Der  Heirat  Georgs  mit  Margret,^  der  Tochter  des  Grafen 
Jörg  von  Curbaw  wird  noch  in  anderem  Zusammenhange  ge- 
dacht werden.     Er   widerlegte   1385  September  30^  die  Heim- 


»  Urk.  1377  MÄra  1;  Orig.  StAEferdiug.  «  NB.  I,  374. 

*  Vgl.  8.  287,  Anm.  u.  324. 

*  Urk.  1376  Juni  28;  NB.  IV,  549. 

»  So  1388  ein  Zebent  zu  Chelichdorf  (Urk.  1388  August  18;  NB.  VI,  599); 
Gülten  zu  Wulzeshofen  (Urk.  1388  September  24;  ebenda  600):  ein  Gut 
BU  Groß-Wulzesdorf  bei  Poisdorf  VUMB.  (Urk.  1390  April  10;  Orig. 
StLA.,  Nr.  3695. 

*  Vgl.  die  Genealogie.  »  NB.  IV,  594. 


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293 

Steuer  seiner  Gattin  von  llOOÄf /i?i  auf  der  Feste  Guntersdorf 
und  Gülten  daselbst  zu  Immendorf^  und  Schöngrabern  sowie 
dem  salzburgischen  Zehente  zu  Guntersdorf  und  versetzte  ihr 
1386*  für  geliehene  3000«^  seine  Herrschaft  Straneck.  Da 
Georg  1390*  flir  3000  Ä(.Ä  dieselbe  gegen  Rückkauf  seinem 
Vetter  Friedrich  V.  von  Walsee-Ens  überiieß,  der  sie  zu  seinem 
neuen  Besitze  Aspem  an  der  Zaya*  zu  erwerben  wünschte, 
gab  er  an  deren  Stelle  seiner  Gattin  noch  im  gleichen  Jahre  ^ 
die  Herrschaft  Pern stein  zum  Pfände.  Eben  diese  hat  aber 
Georg  samt  dem  Pernsteiner  Kapellenlehen;  dem  Hause  ,auf 
dem  Moos'  samt  dem  Landgerichte  dabei^  Bamberger  Lehen, 
den  Vogteien  über  das  Kloster  Schlierbach,  dem  Markt  und 
der  Kirche  zu  Kirchdorf  und  der  Pfarre  Wartberg  an  der 
Krems  1394  Juni  26^  an  den  einflußreichen  Hofmeister  Her- 
zog Albrechts  HI.,  Hans  von  Liechtenstein-Nikolsburg,  um 
7200  Äf/Ä  verkauft.  Dafür  verpfändete  Jörg  nun  im  gleichen 
Jahre'  seiner  Hausfrau  den  Satz  auf  WöUersdorf  mit  herzog- 
licher Elrlaubnis. 

In  Niederösterreich  kam  Georg  in  den  Besitz  von  Drosen- 
dorf  (ob  als  Pfandschaft,  Pflege  oder  Lehen?),  das  der  dor- 
tigen Linie  der  Walseer  abgelöst  worden  und  bereits  1383  in 
anderen  Händen  gewesen  war.  Als  Georg  1393®  mit  den  öster- 
reichischen Hilfstruppen  nach  Mähren  zog,  um  dort  dem  Mark- 
grafen Jost  und  den  Rosenbergern  zu  Hilfe  zu  eilen,  deren 
Güter  König  Wenzel  verwüstete,  dürfte  er  bereits  im  Besitze 
von  Drosendorf  gewesen  sein.  Durch  die  Grenzfehden  mit 
dem  südmährischen  Adel  erlitt  Georg  in  den  nächsten  Jahren 
einen  solchen  Schaden,  daß  ihm  die  Herzoge  1396*  für  seine 
Kosten  am  Schlosse  und  für  die  Schäden,  welche  die  Seinen 
im  Kriege  genommen,  500  Äf^  anwiesen. 

So  war  Georg  auf  seinen  Gütern  mit  wechselnden  Er- 
folgen tätig.  Daneben  ließ  er  es  sich  angelegen  sein,  die 
frommen  Stiftungen  seines  Vaters  in  Stand  zu   halten.     Er  er- 


»  Bei  Gunteredorf.  »  Urk.  1386  Oktober  8;  NB.  IV,  697. 

»  Urk.  1390  April  8;  ebenda  601.  *  Bei  Mistelbach,  VUMB. 

»  Urk.  1890  April  8;  NB.  IV,  602. 

*  Uagn,  Urk.-B.  von  Kremsmtinster  346. 
'  Urk.  1394  Juli  25;  LB.  IV,  r.  2426. 

•  Vgl.  Urk.  1398  August  14;  Kronea,  Urk.  r.  351. 
•'Urk.  1396  Februar  14;  HHStA.  Kod.  16,  f.  26'. 


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294 

neuerte  1394^  dessen  Stiftung  eines  Benefiziums  bei  der  Ka- 
pelle zu  Altpernstein  und  dotierte  dieselbe  mit  mehreren  in  den 
Pfarren  Kirchdorf  und  Wartberg  gelegenen  Gütern.  Dem  Kloster 
Schlierbach  wies  er  im  gleichen  Jahre*  die  von  seinem  Vater 
gestifteten  jährlichen  64  ^  /Ä  auf  Freudenstein  anstatt  auf  dem 
verkauften  Pernstein  an  und  widmete  demselben  neuerlich 
200 «f^  und  U&^  jährlicher  Gülten.  Diese  Stiftung  gestal- 
tete  er  1395'  weiter  aus,  übergab  ihr  anstatt  der  von  seinem 
Vater  gestifteten  jährlichen  214  Äf^  Grundzinse  sowie  die  Pfarr- 
kirchen Wartberg  und  Kirchdorf  und  löste  andere  64//^  jähr- 
liche Grundzinse  flir  1280  AT /Ä  ab.  Auch  dem  niederöster- 
reichischen Stifte  Altenburg*  erwies  Georg  manche  Wohltat. 

Georg  wird  im  Testamente  seines  Vetters  Ulrichs  IV.  von 
Walsee-Dr.  1400,  Jänner  28,  zum  letztenmal  am  Leben  er- 
wähnt.* Er  dürfte  noch  in  diesem  Jahre  oder  anfangs  1401 
gestorben  sein,  seine  Gattin  war  ihm  wohl  im  Tode  vorange- 
gangen. Da  ihm  aber  kurz  vorher  sein  einziges  Söhnlein  Eber- 
hard X.  hinweggestorben  war,  schloß  er  die  Reihe  der  Wal- 
seer  zu  Linz,  von  denen  er  es  am  wenigsten  zu  persönlicher 
Bedeutung  gebracht  hat. 

Der  Besitz  Georgs  lag  fast  ausschließlich  in  Ober-  und 
Niederösterreich.  Nach  dem  Aussterben  der  Grazer  Linie  der 
Walseer  hatten  auch  die  Walseer  zu  Linz  einen  Anteil  am 
Erbe  derselben  in  der  Steiermark,  und  zwar  scheint  hierzu  die 
Herrschaft  Schmirnberg  ausersehen  gewesen  zu  sein.  Die- 
selbe sollte^  aber,  gleich  anderen  Lehen  des  Klosters  St.  Paul, 
an  den  Herzog  Albrecht  IlL  fallen;  sie  kam  dann  gegen  eine 
Entschädigung  von  2000  &y^  filr  Jörg  von  Walsee-Linz  an  die 
Grafen  von  Cilli. '  Der  sonstige  daran  sich  knüpfende  Verkehr 
an  kleinen  Gütern®  war  ohne  alle  Bedeutung. 


»  Urk.  1394  März  3;  Hagn,  Urk.-B.  von  Kremsmünster  340. 
>  Urk.  1394  Mai  8;  NB.  I,  379. 

*  Urk.  1395  Mai  1;  Kop.  Linser  Museal archiv. 

*  Vgl.  Urk.  1397  Dezember  16;  AÖG.  XXIV,  287. 

*  Vgl.  die  Genealogie. 

«  Vgl.  Urk.  1363  April  6;  AÖG.  XXXIX,  242. 

'  WSt  684. 

^  1365  (Urk.  1366  Janaar  21;  Orig.  HHStA.)  Verleihnng  eines  seckauischen 

Zehents  bei  Lentschach;  1396  (Orig.  StLA.  Nr.  3844)  Ankauf  von  Gülten 

bei  Windisck-Landsberg. 


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295 

Fast  die  gesamten  Besitzungen  Jörgs  in  Ober-  und  Nieder- 
österreich, das  Lehen  Ober-Walsee,  Freudenstein,  ein  freies 
Eigen,  das  herzogliche  Lehen  Trattenek  sowie  das  an  die 
Geuman  verlehnte  Schloß  Gallspach,  die  Vogtei  im  nahen  Neu- 
markt, sodann  die  Pfandschaft  Seusenburg  mit  der  Vogtei  zu 
Wels  —  sämtlich  im  Lande  ob  der  Ens  gelegen  —  Senftenberg 
mit  Zebing  und  Draß  —  Eigengut  —  sowie  das  Lehen  Gun- 
tersdorf und  eine  bedeutende  Anzahl  kleinerer  Güter  fielen  den 
drei  Brüdern  Rudolf  I.,  Reinprecht  II.  und  Friedrich  V.  aus  der 
jetzt  allein  noch  übrigen  Linie  Walsee-Ens  anheim,  zu  deren 
Gunsten  Heinrich  von  Puchheim  auf  sein  mütterliches  Erbteil 
ab  Sohn  Katharinas,  der  Schwester  Jörgs  von  Walsee-Linz, 
1402^  verzichtete.  Sonstige  herzogliche  Lehen,  die  Jörg  inne- 
gehabt hatte,  wurden  vom  Herzoge  1401*  anderweitig  vergeben; 
in  fremde  Hände  kam  auch  Drosendorf,  welches  1403  Zacharias 
Haderer  pfandweise  innehatte.' 


IV.  Abschnitt. 

Die  Linie  Walsee-£ns   bis  zum  Schlüsse   des   14.  Jahr- 
hunderts. 

1.  Heinrich  I.  a280— 1S26). 

Eine  zweite  Linie  des  Hauses  Walsee  hat  Eberhards  HL 
Zweitältester  Sohn,  Heinrich  I.,  gegründet.  Derselbe  war  be- 
reits 30  Jahre  im  Lande,  bevor  er  in  den  Besitz  von  Ens  kam, 
nach  welchem  seine  Linie  sich  benannte.  In  dieser  haben  es 
die  Herren  von  Walsee  zu  ihrer  größten  Bedeutung  gebracht 
und  mit  ihr  ist  auch  das  Haus  erloschen. 

Nach  seiner  Rückkehr  vom  Nürnberger  Reichstage  von 
1298,  bis  zu  welchem  wir  sein  Wirken  auf  österreichischem 
Boden  bereits  verfolgt  haben,  blieb  Heinrich  I.  zunächst  neben 


>  Vgl.  Utk.  1402  Oktober  26;  Orig.  StAEferding. 

>  ürk.  1401  Juli  31;  LB.  V,  r.  470. 

'  Nach  Urk.  1405  Dezember  1  (Blätter  des  Vereines  für  Landeskunde  von 
NiederOflterreich  XXXV,  140)  hatte  dieser  bereits  den  Satz  von  Jörg  dem 
Dressidler  gel($st 


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296 

seinem    Bruder    in   Oberösterreich,     wo    wir    ihn   Ende    1299^ 
neben  demselben  auf  den  dortigen  Taidingen  treffen. 

Im  Winter  1300  zog  er  an  K.  Albrechts  Hof  nach 
Ulm  und  wohnte  daselbst  den  Staatsakten'  bei,  durch  welche 
Morgengabe  und  Sukzessionsrechte  für  die  Ehe  Herzog  Ru- 
dolfs III.,  des  ältesten  Sohnes  K.  Albrechts,  mit  Blanka,  Tochter 
K.  Philipps  IV.  von  Frankreich,  festgesetzt  wurden.  Von  dort 
kam  Heinrich  I.  abermals  nach  Oberösterreich  zurück  und 
wurde  nun  Landrichter  zu  Wachsenberg,'  welche  Herrschaft 
K.  Albrecht  erst  vor  wenigen  Jahren  dem  Grafen  von  Schaon- 
berg  wieder  abgenommen  hatte.*  Sodann  leistete  Heinrich 
gleich  seinen  Brüdern  dem  Könige  Heeresfolge  im  Feldzuge 
gegen  die  rheinischen  Kurfürsten,  von  welchem  er  im  Frühjahre 
1302  heimkehrte.  Im  Auftrage  seines  Herrn  begab  er  sich  im 
Sommer  1303  nach  Köln,  um  den  dortigen  Erzbischof  als  Bun- 
desgenossen gegen  K.  Wenzel  zu  gewinnen,  wie  wir  aus  seinem 
vor  diesem  Unternehmen  1303  August  15^  abgefaßten  letzten 
Willen  erfahren. 

Ende  April  1304*  fand  sich  Heinrich  auf  dem  starkbe- 
suchten Taidinge  wieder  ein,  das  Herzog  Rudolf  zu  Judenbui^ 
abhielt,  folgte  diesem  sodann  nach  Wien  und  war  beim  Ab- 
schluß des  Bündnisses  mit  K.  Karl  Robert  von  Ungarn  tätig,  ^ 
ebenso  im  folgenden  Jahre  bei  den  Friedensverhandlungen  mit 
Herzog  Otto  von  Baiem.  Der  Feldzug  gegen  die  Luxembur- 
ger führte  ihn  1308  nach  Böhmen.  Nun  tritt  Heinrich  I.  f&r 
einige  Jahre,  so  auch  beim  Aufstande  von  1309,  in  den  Hinter- 
grund. Wir  begegnen  ihm  wieder,  als  er  1313  Mai  4*  zu 
Klostemeuburg,  wo  sich  die  Stände  Österreichs  versammelt 
hatten,  die  Ehepakten  Herzog  Friedrichs  des  Schönen  gegen 
K.  Jakob  von  Aragonien  mitbeschwor.  Im  Sommer  1313^  zog 
er  an  der  Spitze  einer  glänzenden  Gesandtschaft  nach  Spanien 
und   warb   dort  um  K.  Jakobs  Tochter  Elisabeth.     Die  Braut 


1  UBoE.  ly,  303  and  MonoinenU  Boica  IV,  160. 
'  Urkk.  1800  Februar  6;  Böhmer,  Reg.  Imp.,  n.  266. 
5  Vgl.  Urk.  1300  Februar  3;  UBoE.  IV,  331. 

*  Vgl.  Strnadt,  Peuerbach,  JBMFC.  XX VU,  315  und  ebenda  XX  Vm,  213. 
»  NB.  n,  374. 

•  Muchar,  Gesch.  der  Steiermark  VI,  160. 
'  Vgl.  S.  267  ff.  •  Vgl.  S.  269. 

'  Johann  v.  Viktring,  Böhmer,  Fontes  Rerum  (}erm.  I,  878. 


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297 

ward  über  SUdfrankreich  und  den  Oberrhein  heimwärts  ge- 
leitet; Herzog  Friedrich  eilte  dem  Zuge  bis  nach  Kärnten  ent- 
gegen. Mitte  Jänner  1314  weilte  Heinrich  in  Wien  bei  den 
Hochzeitsfestlichkeiten  des  Herzogpaares. 

Der  große  Kampf  der  Qegenkönige  Friedrichs  des  Schönen 
und  Ludwigs  von  Oberbaiem  rief  nun  auch  Heinrich  zu  den 
WaflFen,  welcher  in  den  Jahren  1314  und  1315^  mit  seinem 
Herrn  ins  Reich  zog.  Später  ging  er  mit  seinem  älteren  Bru- 
der hohe  Bürgschaften  für  den  Habsburger  ein,  dessen  Finanzen 
völlig  erschöpft  waren.  Der  1322  unternommene  Feldzug  sollte 
den  Kampf  entscheiden.  Im  Sommer  drang  K.  Friedrichs  Heer 
bis  an  den  Inn  vorwärts,  um  dem  von  Westen  herbeieilenden 
Herzog  Leopold  die  Hand  zu  reichen.  Um  den  20.  September 
langten  die  Streitkräfte  K.  Friedrichs  in  der  Gegend  von  Mühl- 
dorf am  Inn  an.  Ihm  gegenüber  traf  K.  Ludwig  am* 24.  mit 
den  Seinen  ein.  Vergeblich  wartete  K.  Friedrich  auf  Herzog 
Leopolds  Ankunft  und  ließ  schUeßlich  vor  derselben  schlagen 
wider  den  wohlmeinenden  Rat  Heinrichs  I.  und  Ulrichs  I.  von 
Walsee  und  Dietrichs  von  Pillichdorf,  sich  noch  zu  gedulden. 
So  kam  es  September  28  zur  Schlacht.  *  K.  Friedrich  gliederte 
sein  Heer  in  vier  Abteilungen;  im  dritten  Heerhaufen  befestigten 
Heinrich  I.  und  Ulrich  I.  von  Walsee  das  Banner  der  Steier- 
märker,  denen  sich  die  Ungarn  und  Kumanen  anschlössen.  An- 
fangs war  K.  Friedrich  wohl  im  Vorteil,  aber  ein  unerwarteter 
Flankenangriff  des  Burggrafen  von  Nürnberg  entschied  den 
Ausgang  des  Tages.  K.  Friedrich  selbst  sowie  Herzog  Heinrich 
wurden  gefangen  und  ihr  Los  teilten  viele  von  Österreichs 
Adel,  darunter  auch  die  Walseer.*  Heinrich  I.  geriet  gleich 
seinem  Bruder  in  die  Hände  der  Feinde.  Sie  wurden  mit  dem 
gefangenen  Könige  zunächst  nach  Schloß  Domberg,  sodann 
nach  Ottingen  gebracht  und  kamen  schließlich  mit  Herzog 
Heinrich  nach  Prag  in  die  Gewalt  K.  Johanns  von  Böhmen, 
der  sie  in  strengem  Gewahrsam  hielt  5  erst  im  Oktober  1323 
wurden  sie  daraus  entlassen. 


»  Vgl.  8.270  flf. 

*  Vgl.  Dobenecker,  Mitt.  des  Inst,  für  österr.  Geschichtsforschung,  Erg.-Bd.  I, 

166  ff. 
■  Vgl.  Zeibig,  ,Der  strit  ze  Müldorf .  AÖG.  IX,  368  und  Caesar,  Ann.  Dncat. 

Stir.  U,  436. 


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298 

Heinrichs  I.  Lebenswerk  war  damit  abgeschlossen;  die 
Haft  hatte  seine  Kräfte  erschöpft.  Er  war  nicht  mehr  imstande, 
sich  weiter  am  Kampfe  gegen  den  Witteisbacher  zu  beteiligen, 
dessen  Sache  Herzog  Leopold,  der  unermttdUche  Streiter  Habs- 
burgs,  diplomatisch  wie  strategisch  bedeutenden  Abbruch  tat 
Der  Herzog  schloß  die  alten  Getreuen  seines  Hauses  fest  an 
sich.  Zu  Brück  im  Aargau  gelobten  ihm  Heinrichs  I.  Sohne 
Reinprecht  I.  und  Friedrich  H.  sowie  Ulrich  H.  von  Walsee  am 
Lichtmeßtage  1325^  mit  100  Helmen  zu  dienen  und  alle  ihre 
Burgen  in  Schwaben  oflFen  zu  halten.  Heinrich  L  zog  in  diesem 
Jahre  nicht  mehr  ins  Feld  —  es  war  der  letzte  Sommer,  den 
er  erleben  sollte. 

Heinrich  I.  hat  seinen  Nachkommen  einen  schönen  Be- 
sitzstand hinterlassen,  der  sich  während  seines  Wirkens  in 
Osterreich  stetig  vermehrt  hatte. 

Im  Lande  ob  der  Ens  lagen  davon  nur  mehrere  bedeu- 
tende  Pfandschaften,  Sätze,  die  ihm  die  Geldnot  der  Habsbur- 
ger  zugespielt  hatte.  Die  Riedmark  mit  Freistadt  war  ihm 
1290,  wie  bereits*  erwähnt,  zuerst  mit  Eberhard  IV.  von  Wal- 
see-Linz gemeinsam  verpfändet,  ging  aber  später  durch 
Ablösung  an  ihn  allein  über.  Nach  dieser  ersten  Pfandschafi 
wurden  ihm  —  vor  1309  Juli  25'  —  Burghut,  Gericht  und 
Maut  zu  Ens  versetzt;  von  da  ab  versah  Heinrich  I.  die  Haupt- 
mannschaft  zu  Ens,^  hielt  sich  häufig  in  dieser  Stadt  auf  und 
nannte  sich  und  die  Seinen  darnach.  Gleichfalls  von  Friedrich 
dem  Schönen  wurden  ihm  1314^  die  Mauten  zu  Gmunden  und 
Mauthausen  um  750  U  J^  verpfändet.  Außer  diesen  Pfand- 
schaften hatte  Heinrich  I.  im  Lande   ob   der  Ens   fast  keinen 


In  Niederösterreich  bildet  sich  rasch  ein  immer  mehr  ab- 
gerundeter Güterkomplex  zwischen  Donau,  Ens  und  Ips, 
dem  fortwährend  kleine  Güter  zugeführt  wurden;  diese  Gtiter- 
gruppe   reichte   bis   südlich   und  westlich  von  Melk.     Anderer 


*  LB.  in,  r.  671.  «  Vgl.  8.  259  und  288. 

•  Vgl.  UBoE.  V,  26  und  AÖG.  II,  626. 

^  In  der  Stadt;   mehrfach    mit  der  (Lande8)hauptmann8cha£t  ob  der  Ena 

verwechselt,  mit  welcher  sie  nichts  zu  tun  hat. 
«  Urk.  1314  April  6;  AÖG.  H,  642. 
^  Der  Ankauf  einer  Hube   zu  Gumpolting,   Pfarre  Kirchfoerg   bei  Weli, 

Urk.  1301  Mai  19  (ÜBoE.  IV,  375),  steht  vereinzelt  da. 


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299 

und  gleichfalls  nicht  unbedeutender  Besitz  lag  nördlich  der 
Donau,  hier  mehr  zerstreut. 

Bereits  1297  ^  war  Heinrich  I.  die  Klostervogtei  von  Erla- 
kloster*  übertragen,  wie  wir  aus  einem  Vergleiche  mit  seinem 
Bruder  Eberhard  IV.  erfahren.  Im  Jahre  1303*  erkaufte 
Heinrich  Gülten  herzoglicher  Lehenschaft  zu  Au,  Hebatendorf 
u.  a.,  um  Blindenmarkt  gelegen,  sodann  1303  April  24*  von 
Konrad  dem  Sumerauer,  K.  Albrechts  einstigem  Gegner,  den 
freieigenen  Burgstall  zu  Seuseneck  bei  Amstetten  und  noch 
im  selben  Frühjahre^  die  Feste  Seuseneck  selbst  nebst  Höfen 
und  Gülten  zu  Alramstorf,  Amoldsdorf,  Hehenberg  und  einem 
Zehente  im  Vesnitztale  von  den  Paygern.  Es  steht  außer 
Frage,  daß  das  landesherrliche  Interesse  den  Übergang  dieser 
Güter  von  dem  antihabsburgisch  gesinnten  Sumerauer,  den 
Schenken  von  Dobra  (Sebarn),  den  Paygern  und  zumal  den 
Kuenringern  nicht  ungern  sah.  Dazu  versetzte  Herzog  Fried- 
rich dem  Walseer  gleichzeitig  das  Gericht  zu  Strengberg* 
um  800  ^/Ä.  Leutold  von  Kuenring  verkaufte  an  Heinrich  I. 
ferner  1310  Februar  24'  die  Vogtei  zu  Eisdornach  bei  Amstetten, 
die  er  vom  Herzoge  zu  Lehen  trug,  um  80  ^.Ä.  Kleinere 
Güterkäufe®  Heinrichs  I.  in  dieser  Gegend  wiederholten  sich 
weiterhin  fast  Jahr  für  Jahr. 

Da  ihm  außerdem  Ulrich  Schenk  von  Sebarn  (früher  von 
Dobra)  gegen  eine  Ablösung  von  760Äf/Ä  das  obere  Gericht 
zu  Peilstein,*  herzogliche  Pfandschaft,  im  Jahre  1319^®  über- 
ließ und  wohl  auch  die  von  den  Pfannbergem  an  Eberhard  IV. 
von  Walsee-Linz  ^^  gekommenen  Lehen  an  Heinrich  I.  und  die 
Seinen  kamen,   so  war  damit  ein  Großteil  der  ehedem  Plaien- 


•  ürk.  1297  April  24;  UBoE.  IV,  269.  "  östlich  der  Ensmündung. 
^  Urk.  1303  Januar  24;  UBoE.  IV,  430.  *  UBoE.  IV,  437. 

«  Urkk.  1303  März  27,  April  24,  Mai  1;  UBoE.  IV,  436  ff. 
«  Östlich  von  Ens;  AÖG.  II,  626.  '  UBoE.  V,  27. 

•  Ein  freieigener  Hof  zu  Salveterre  1306  Dezember  19  (UBoE.  IV,  496); 
ein  halber  Hof  dort  als  Pfandschaft,  1306  Dezember  6  (ebenda  612); 
ein  halber  freieigener  Hof  zu  Chelbersberg  (ebenda  606);  ein  Gut  zu 
Öd  1311  (Inventar,  f. 84);  ein  Gut  zu  Praunsbach  1312  (WSt.  690);  Güter 
zu  Prasdorf  und  Medling  1822,  Januar  6  und  20  (UBoE.  V,  307). 

•  Pfarre  St.  Leonhard  im  Forst,  südlich  von  Melk. 

><>  Urk.  1319  April  6;  Hoheneck,  Genealogie  HI,  817. 
"  Vgl.  S.  272;  sie  sind  nicht  weiter  im  Besitze  der  Walseer  zu  Linz  nach- 
weisbar. 
ArchiT.  XCV.  Band.  n.  ll&lfle.  21 


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300 

Peilsteinischen   Besitzungen    im   Viertel    ob   dem  Wienerwalde 
in  walseeischen  Händen. 

Nördlich  von  Krems  und  in  der  Wachau  hatte  Heinrich  L 
gleichfalls  ganz  ansehnlichen  Besitz.  Von  Dietmar  von  Loben- 
stein  verkaufte  er  1300  April  24^  die  eine  Hälfte  des  Schlosses 
Hartenstein,  freies  Eigen,  am  Zusammenflusse  der  Großen  und 
Kleinen  Krems  gelegen,  und  erwarb  auch  die  restliche  HlÜfte 
von  dessen  Bruder  Alber  hinzu.  Aus  Heinrichs  Testament 
1303  August  15*  erfahren  wir  femer  von  Gälten  zu  Mühlbach, 
welche  Feste  gleichfalls  dem  Walseer  gehörte,  Ekendorf,  Wei- 
kersdorf  usw.,  sämtlich  bei  Meissau  gelegen,  dann  von  Berg- 
rechten (Weingärten)  zu  (BLlo8ter-)Neuburg,  Nußdorf  und  Krot- 
tendorf.  Einen  Teil  dieser  Besitzungen  wird  ihm  wohl  seine 
Gattin,  die  Starhembergerin  Elsbet,  zugebracht  haben,  von  deren 
Angehörigen  er  1301 '  auch  einen  Weingarten  in  der  Wachau 
angekauft  hatte. 

Noch  weiter  gegen  Norden  soll  ihm  an  der  mährischen 
Grenze  die  Feste  Kolmans  bereits  1293  zugestanden  haben.  ^ 
In  der  Nähe  davon  erwarb  er  1300^  an  Eigengut  von  der 
Gräfin  Hedwig  von  Schaunberg  die  Dörfer  Japons,  Ludweis, 
(Klein) Ulreichsschlag  und  Seebs  im  Drosendorfer  Gerichte 
und  die  Mannschaft  zu  Prosmareut.^  Diese  Besitzungen  wur- 
den 1314^  durch  den  Ankauf  zahlreicher  Lehen  zu  Q^zweins 
und  Barperg  bei  Waidhofen  an  der  Thaya  vergrößert. 

Diesen  großen  Besitz,  von  welchem  K.  Friedrich  die 
Schlösser  Kolmans  und  Hartenstein  1319  zu  Weiberlehen 
machte,®  erbten  Heinrichs  I.  drei  Söhne,  Heinrich  H.,  Rein- 
precht  I.  und  Friedrich  H.  —  alle  drei  bereits  1318  gevogt  — 
die  er  neben  zwei  Töchtern  hinterließ.  • 

Heinrich  I.  von  Walsee -Ens  schloß  1326  März  1  sein 
tatenreiches  Leben,  wenige  Tage  nach  ihm  auch  seine  Gattin. 
In  der  Enser  Stadtpfarrkirche,  an  welcher  sie  eine  eigene 
Kapelle  gestiftet  hatten,    sind   ihre   Grabsteine   noch   erhalten. 


»  UBoE.  IV,  338.  «  Vgl.  S.  296.  •  UBoE.  IV,  390. 

•  Vgl.  SchweickhÄTdt  y.  Sickingen,  VOMB.  IV,  62. 
^  Urk.  1300  September  25;  UBoE.  IV,  350. 

'  Ist  abgekommen,  lag  bei  Zettlits,  Pfarre  Raabs. 
'  Urk.  1314  Januar  17;  NB.  IV,  81. 

•  Vgl.  Schweickhardt,  a.  a.  O.,  S.  63. 

•  Vgl.  die  Genealogie. 


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301 

Die   Minderbrüder  zu  Ens^    verloren   an   ihnen    ihre  größten 
Gönner. 

2.  Heinrichs  I.  Söhne  Heinrich  IL  (f  1334),  Eeinprecht  I.  (11360/61) 
und  Friedrich  11.  (f  1355). 

Heinrichs  I.  Söhne,  die  sich  binnen  wenigen  Monaten  ver- 
waist sahen,  traten  nun  das  Erbe  ihrer  Eltern  an;  als  der 
älteste  überkam  Heinrich  H.  die  Haaptmannschaft  zu  Ens,*  der 
Besitz  blieb  gemeinsam  verwaltet.  Sie  zogen  im  folgenden 
Jahre  gegen  die  Ungarn  ins  Feld  und  waren  1328  Septem- 
ber 21  zu  Brück  a.  d.  Leitha  zugegen,'  als  daselbst  der  Friede 
mit  K.  Karl  von  Ungarn  abgeschlossen  wurde. 

Von  den  drei  Brüdern  starb  Heinrich  H.,*  der  1330  be- 
reits mit  Alheid,  einer  Tochter  Bertolds  von  Aichheim  —  aus 
niederbairischem  Geschlechte  —  vermählt  war,  schon  1334  Juli  26 
hinweg,  ohne  Nachkommen  zu  hinterlassen.  1340  Juni  16^ 
traten  seine  Brüder  Reinprecht  I.  und  Friedrich  H.  die  Feste 
Mühlbach  als  Pfandschaft  fllr  Wittum  und  Heimsteuer  an  seine 
Witwe  ab,  die  sich  damals  bereits  wieder  mit  Rudolf  dem 
Jungen  von  Liechtenstein- Murau  vermählt  hatte. 

Nach  Heinrichs  IL  Tode  ging  die  Hauptmannschaft  zu 
Ens  an  Reinprecht  I.,  den  älteren  der  Brüder,  über;  ihre  Güter 
blieben  auch  weiterhin  gemeinsam.  In  der  Folge  treten  die 
Brüder  nicht  bedeutend  hervor.  Ihrer  Streitigkeiten  als  In- 
haber der  Freistädter  Pfandschaft  insbesondere  gegen  Böhmen 
haben  wir  bereits  an  anderer  Stelle  gedacht;  an  der  großen 
Fehde  von  1351  dürften  indes  weder  Reinprecht  I.  noch  Fried- 
rich n.  teilgenommen  haben,  da  sich  eben  erst,  spätestens  im 
Frühlinge  1351,  Reinprechts  I.  älteste  Tochter  Agnes  *  mit  Jost 
von  Rosenberg  vermählt  hatte.  Andere  Mißhelligkeiten,  die 
sich  mit  dem  Abte  Wolfgang  I.  von  Göttweih  ergaben,  fanden 
1342^  durch  die  Entscheidung  des  Herzogs  ihr  Ende. 


*  Vgl.  ürk.  1343  Juli  7;  UBoE.  VI,  460.  Daß  sie  deren  1309  zum  ersten 
Male  genanntes  Kloster  gegründet,  ist  nicht  wahrscheinlich.  Vgl. 
JBMFC.  XXX,  48  ff.  und  AÖG.  LXIV,  103. 

*  Erst  seit  1334  nennt  sich  Reinprecht  I.  Hauptmann  zu  Ens;  vgl.  die 
Genealogie. 

•  Vgl.  S.  274.  *  Vgl.  die  Genealogie.  *  UBoE.  VI,  336. 

•  Urk.  1342  Mai  30;  FRA.  U,  397. 

21* 


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302 

Reinprecht  I.,^  der  die  Hauptmannschaft  zu  Ens  im  Jahre 
1345  infolge  der  Ablösung  dieser  Pfandschaft  verloren  hatte, 
schaltete  seit  1350  und  noch  1356  als  herzoglicher  Verweser 
zu  Krems.  Dann  findet  er  sich  1358  unter  den  Räten  Herzog 
Rudolfs  IV.,  ist  weiter  —  wohl  nebenher  —  1359  Pfleger  und 
Verweser  der  Güter  der  Burggrafen  von  Nürnberg  in  Oster- 
reich und  beschließt  1360/61  sein  Leben  als  Hauptmann  und 
Burggraf  der  Stadt  Steier  (seit  1359  daselbst). 

Sein  jüngerer  Bruder  Friedrich  H.  hat  kein  Amt  bekleidet. 
In  Gesellschaft  seiner  Vettern  von  Walsee-Graz  zog  er  1354 
mit  Herzog  Albrecht  und  K.  Karl  IV.  gegen  das  unbotmäßige 
Zürich  aus.  Zu  Brück  im  Aargau  (Oktober  31)  und  zu  Win- 
terthur  (November  11)  wurden  Friedrich  H.  und  sein  Vetter 
gleichen  Namens  (IH.)  von  Walsee-Graz  des  Herzogs  Bürgen 
filr  bedeutende  Soldforderungen.*  Von  dieser  Heerfahrt  heim- 
gekehrt, schied  er^  bereits  um  die  Mitte  des  Jahres  1355  aus 
dem  Leben. 

Von  den  beiden  Töchtern  Heinrichs  I.  vermählte  sich 
Gueta  mit  Hertneid  von  Stadeck,  die  andere  mit  einem  Rauhen- 
Steiner.^  Die  Erbansprüche  zweier  Enkel  Heinrichs  L  aus 
diesen  Ehen,  Albers  des  Rauhensteiners  und  Leutolds  von 
Stadeck,  wurden  im  Spruche  von  1349  März  29'  anerkannt 
und  ihnen  Anteile  am  Heiratsgute  ihrer  Großmutter  Elsbet, 
Heinrichs  I.  von  Walsee-Ens  Gattin,  sowie  dem  Rauhensteiner 
die  Heimsteuer  seiner  Mutter  von  500^^,  falls  sie  nicht  aus- 
bezahlt worden,  zugesprochen. 

Reinprecht  I.  war  zweimal  vermählt  gewesen.^  Um  1333 
hatte  er  seinen  Ehebund  mit  Elsbet,  der  reichen  Erbtochter  des 
Truchsessen  Christian  von  Lengenbach,  geschlossen,  der  durch 
Elsbets  Tod  um  1344  gelöst  wurde.  Die  beiden  Töchter  aus 
dieser  ersten  Ehe  vermählten  sich  noch  bei  Lebzeiten  ihres 
Vaters,  spätestens  1351,  Elsbet  mit  Konrad  von  Pottendorf,  die 
erst  1402  verstorbene  Agnes  mit  Jost  von  Rosenberg.  Von 
letzterer  stammt  das  noch  gegenwärtig  im  Stifte  Hohenfurt  in 
Südböhmen  aufbewahrte  prachtvolle  Antependium.  * 


*  Vgl.  die  Genealogie. 

«  LB.  ni,  r.  1717,  1718. 

*  NB.  II,  315;  noch  nach  schwäbischem  Rechte! 

*  Mitteil.  d.  Zentral-Kommission,  XVI.  Bd.,  XXV— XXVII. 


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303 

Bereits  1350  hatte  Reinprecht  I.  ^  eine  zweite  Gattin  heim- 
geführt, eine  Starhembergerin,  gleichfalls  namens  Elsbet.  Diese 
wird  bis  1358  erwähnt  und  hat  ihren  Gatten  mindestens  nicht 
lange  überlebt.  Ihrer  Ehe  entsprossen  fünf  Kinder:  die  Söhne 
Rudolf  I.,  Reinprecht  11.  und  Friedrich  V.,  die  Töchter  Anna 
und  Dorothea. 

Friedrich  II.  hatte  spätestens  1346  Kunigund,  eine  Tochter 
Rudolfs  von  Liechtenstein-Murau,  zur  Gattin  genommen,  mit  wel- 
chem Hause  er  ja  auch  durch  die  Witwe  Heinrichs  II.  verschwä- 
gert war.  Sie  hat  ihren  Gatten  überlebt;  derselbe  hinterließ 
gleich  Reinprecht  I.  drei  Söhne  und  vier  Töchter:  Anna,  Agnes, 
Friedrich  VI.,  Wolfgang  III.,  Heinrich  VI.,  Elsbet  und  Ursula. 
Davon  heirateten  noch  vor  dem  Ableben  ihres  Vaters  Anna 
1345/6  Johann  IL  von  Kuenring-Seefeld,  Agnes  1351  Niklas  von 
Chiaw.  Mit  beiden  Häusern,  insbesondere  mit  dem  der  Kuen- 
ringer  waren   die  Walseer   durch  Wechselheiraten  verbunden. 

Die  Besitzentwicklung  der  Linie  geht  auch  weiterhin  auf 
ober-  und  niederösterreichischem  Boden  vor  sich  und  zeigt  ein 
stetes  Anwachsen  des  Güterbestandes. 

Im  Lande  ob  der  Ens  kam  nördhch  der  Donau,  wo  auch 
die  Walseer  zu  Linz  festen  Fuß  gefaßt  hatten,*  1331  die  große 
Pfandschaft  Wachsenberg*  mit  Ottensheim  durch  die  Her- 
zoge anläßUch  des  Verkaufes  der  schwäbischen  Stammgüter 
für  2916  Mark  Silber  an  die  Enser  Linie,  der  dadurch  wich- 
tige habsburgische  Interessen  im  Abteilande  anvertraut  wurden. 

Zwar  wurde  die  Donaufeste  Spielberg  (nördhch  von 
Ens)  1329*  durch  Herzog  Albrecht  an  Reinprecht  I.  für  seine 
Dienste  als  Leibgedinge  verheben,  die  Pfandschaft  Ens  aber 
—  vor  1345  Oktober  2^  —  durch  Herzog  Albrecht  II.  von 
Reinprecht  I.  und  Friedrich  II.  mit  Hilfe  der  Bürger  dieser 
Stadt  eingelöst.  Doch  blieben  in  und  um  Ens  noch  zahlreiche 
walseeische  Liegenschaften  und  Güter,  zumeist  an  Enser  Bürger 
verlehnt,  deren  Abgaben  Gegenstand  langwieriger  Streitigkeiten 
zwischen  den  Walseern  und  den  Bürgern  waren.  Unter  diesen 
Besitzungen  befanden  sich  auch  Eigen  und  Lehen  zwischen 
Ens  und  Traun,  welche  die  Enser  Walseer  1339  ^  von  Dietrich 
dem  Alteren  von  Weißenperg  erkauft  hatten. 

»  Vgl.  die  Genealogie.  «  Vgl.  S.  287. 

»  Urk.  1331  Februar  7;  UBoE.  VI,  1;  Wachsenberg  bei  St.  Veit. 

*  Hohenek,  Genealogie  UI,  817.         »  UBoE.  VI,  528.         •  Inventar,  f.  82'. 


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304 

Weitere  Ankäufe  brachten  Reinprecht  I.  und  Friedrieh  11. 
reichen  Besitz  im  Vorlande  des  Traunsees  und  im  Almtale.  Seit 
1333  ^  hatten  Reinprecht  I.  und  Friedrich  II.  auf  der  Herrschaft 
Ort  am  Traunsee  eine  Pfandsumme  von  600  Ä(  Ä  stehen.  Ihre 
bereits  1342'  durch  den  Ankauf  einer  Hube  zu  Straß,  bei 
Lankirchen  in  dieser  Herrschaft  gelegen,  bekundete  Absicht^ 
dieselbe  ganz  zu  erwerben,  wurde  bald  darauf  verwirklicht 
Sie  ging  als  Eigengut  mit  dem  Landgerichte  zur  Hälfte  1344 
April  24*  von  Alber  und  Hertnid  von  Rauhenstein  an  die  bis- 
herigen Pfandinhaber  über,  welche  die  Kaufsumme  von  22b0€(  ^ 
in  mehreren  Beträgen  bis  1348*  erlegten  und  dem  neuen  Be- 
sitze auch  die  zweite  Hälfte  der  Herrschaft  von  denen  von 
Winkel^  sowie  kleinere  Ankäufe  von  Höfen  bei  Gmunden  und 
in  der  Viechtau*  hinzuftigten.  Die  gleichzeitigen  Erwerbungen  im 
benachbarten  Almtale  stehen  damit  gewiß  in  engster  Verbindung. 
Dort  brachten  die  Brüder  Reinprecht  I.  und  Friedrich  II.  die 
bedeutende  Lehensherrschaft  Scharnstein  von  den  Polheimen 
1335^  gleichfalls  kaufweise  an  sich  und  vergrößerten  dieselbe 
1341®  durch  den  Kauf  mehrerer  Güter  in  den  Pfarren  Viecht- 
wang  und  Pettenbach  von  Konrad  von  Polheim,  sowie  des 
Zehents  zu  Viechtwang,  den  sie  1348*  von  Dietrich  dem 
Schenken  von  Dobra  um  110  Äf  /Ä  erwarben.  Die  Mittel  zu 
diesen  beträchtlichen  Ankäufen  fanden  sich  einigermaßen  leich- 
ter, da  der  Gattin  Friedrichs  H.,  Kunigund,  1346  ^®  eine  Summe 
von  1200  ^/Ä  als  Erbteil  nach  ihrem  Vater,  Rudolf  dem  Alten 
von  Liechtenstein-Murau,  zugesprochen  wurde. 

In  Niederösterreich  ergab  sich  gleichfalls  ein  namhafter 
Güterzuwachs,  der  indes  zum  geringeren  Teile  beiden  Brüdern 
noch  gemeinsam  zugute  kam. 

Sie  hatten  ihren  großen  Besitz  auf  dem  Ipsfelde*^  bald 
nach  dem  Tode  ihres  Vaters  durch  die  Vogtei  über  Güter  des 


>  Urk.  1333  Juni  20;  UBoE.  VI,  97. 

«  Urk.  1342  März  28;  ÜBoE.  VI,  406.  »  ÜBoE.  VI,  475. 

•  Urk.  1348  Juni  27;   PRA.  LI,  441.   1348  November  24;  UBoE.  VE,  82. 
»  Nach  Urk.  1850  Januar  25;  UBoE.  VU,  164. 

•  Urk.  1348  November  1 ;  UBoE.  VI,  558. 

'  Inventar  f.  7'.  «  Ebenda,  f.  60,  68',  69'. 

•  Urk.  1348  November  1;  UBoE.  VI,  668. 
»0  Urk.  1346,  März  22;  UBoE.  VI,  545. 

»^  Vgl.  Urk.  1326  März  20;  FEA.  LI,  320. 


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305 

Stiftes  Göttweih  daselbst  sowie  1348^  durch  die  Vogtei  über 
die  bambergischen  Untertanen  in  der  Hofmark  Haag  abge- 
rundet und  auch  ihren  Besitzungen  nördlich  der  Donau  1326/7  * 
(passauische)  Lehen  zu  Eisneinsdorf  hinzugefügt.  Dagegen  ging 
die  Feste  Mühlbach  hier  1340  in  andere  Hände  über. 

Seit  der  Vermählung  Reinprechts  I.  mit  Elsbet,  der  Erb- 
tochter Christians  des  Truchsessen  von  Lengenbach  (Alt-Leng- 
bach), war  die  bisher  bestandene  Gütergemeinschaft  zwischen 
den  Brüdern  auf  die  Dauer  nicht  mehr  wohl  aufi'echt  zu  er- 
halten,' und  so  teilten  dieselben  1350  Januar  25  vorerst  ihren 
Eigen-  und  Lehenbesitz;*  die  Pfandschaften  Wachsenberg  mit 
Ottensheim  sowie  Freistadt  mit  dem  Marchlande  bUeben  noch  ge- 
meinsam. An  Reinprecht  I.  fielen  darnach  Schloß  Schar  nstein 
mit  der  Fisch  weide  auf  der  Lautach,^  die  Feste  Seuseneck 
samt  Zugehör,  alles  Gut  zu  Ens  und  bei  Ens,  ein  ,Gütel  zwi- 
schen den  Wassern',  das  Gut  zu  Helfenberg  und  jenes  zu 
Übensee.  Friedrichs  II.  Teil  bestand  aus  der  Herrschaft  Ort, 
dem  von  den  Rorem  erworbenen  Zehente  zu  Laakirchen,  dem 
Hofe  zu  Straß,  einem  Gute  zu  Gasteig  und  den  beiden  Festen 
Sumerau  und  Hartenstein  mit  allem  Zugehör.  Am  29.  Juni 
1356^  schritt  man  auch  zur  Teilung  der  Freistädter  Pfand- 
schaft zwischen  Reinprecht  I.  und  den  Söhnen  Friedrichs  H., 
doch  wurde  dieselbe  binnen  kurzer  Frist  von  dem  bekannten 
Jans  von  Traun  abgelöst,^  nachdem  sie  seit  1290  in  den 
Händen  der  Walseer  gewesen  war.  1356  Juh  4®  ward  auch 
Wachsenberg  mit  Ottensheim  geteilt:  an  Reinprecht  L  fielen 
Wachsenberg  und  der  größte  Teil  seines  Urbars  mit  Ottens- 
heim, dessen  Feste  gemeinschafiJich  blieb.  Friedrichs  H.  Söhnen 
Friedrich  VI.,  Wolfgang  HL  und  Heinrich  VI.  wurde  der  Rest 
des  Wachsenberger  Urbars  sowie  Markt,  Maut  und  Gericht  zu 
Leonfelden  zugesprochen.  Von  den  sonstigen  Besitzungen 
findet  sich  die  Pfandschaft  Peilstein*  späterhin  im  Besitze 
Reinprechts  I.  und  der  Seinen,   ebenso   die  Klostervogtei   von 


»  Urk.  1348  November  2;  HHStA.  Kod.  1049,  f.  55'. 

«  Urk.  1326  Januar  6;  NB.  IV,  82;  Urk.  1327  April  9;  Orig.  StAEferding. 

'  Umsoweniger  als  Reinprecht  I.  und  Friedrich  II.  einen  Kindersegen  von 

je  drei  Söhnen  und  vier  Töchtern  heranwachsen  sahen. 
*  UBoE.  VII,  164.  «^  Nebenfluß  der  Alm.  •  UBoE.  VII,  460. 

'  Vor  1358  April  20;  UBoE.  VH,  572.  •  Ebenda  463. 

»  Vgl.  WSt.  597. 


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306 

Seitenstetten.  ^  Diese  Teilung  des  Besitzes  der  Linie  Walsee- 
Ens  währte  bis  zu  dem  1398  erfolgten  Tode  Heinrichs  VL, 
mit  welchem  die  Nachkommenschaft  Friedrichs  II.  von  Walsee- 
Ens  erlosch. 

Reinprechts  I.  Gattin  Elsbet  von  Lengenbach  brachte  ihrem 
Ehewirte  die  Herrschaft  Viehofen,*  ein  Passauer  Lehen,  zu 
und  auch  die  Feste  Purkersdorf,  welche  das  Ehepaar  1333^ 
an  Herzog  Albrecht  für  1000  Ü  ^  veräußerte,  stammte  wohl 
aus  lengenbachischem  Besitze.  Durch  seine  bald  nach  1344 
verstorbene  erste  Hausfrau  fielen  Reinprecht  I.  weiters  ansehn- 
liche Güter,  darunter  die  Herrschaften  Reinsberg  und  Erneck,* 
bischöflich  regen sburgische  Lehen  von  Elsbets  Vater,  Truch- 
sessen  Christian  von  Lengenbach,  dem  Letzten  seines  Stammes, 
zu.  Aus  diesem  Erbe  nun,  welchem  Reinprecht  1344^  eio 
regensburgisches  Lehen  zu  Stetten,  dann  die  Vogtei  über  den 
Göttweiher  Stiftsbesitz  ^  um  Viehofen  und  1354'  durch  Kauf 
von  Marquard  von  Tiernstain  ftlr  312  Äf  /Ä  Gülten  im  Lengen- 
bacher Gerichte  hinzugeftigt  hatte,  vermachte  er  seinen  beiden 
Töchtern  erster  Ehe,  Elsbet,  der  Hausfrau  Konrads  von  Potten- 
dorf, und  Agnes,  Josts  von  Rosenberg  Gemahlin,  vorerst*  die 
Feste  Viehofen  und  schließlich  in  einem  späteren  Testamente* 
auch  Erneck  und  Reinsberg,  welche  alsbald  an  die  Zelkin- 
ger  kamen,  das  Gut  zu  Kritzendorf,^®  50Äf/Ä  Geldes  auf  der 
Maut  zu  Stein  und  alle  Habe,  die  Christian  von  Lengenbach 
hinterlassen,  mit  Ausnahme  des  Marktes  Weißenbach  und  der 
Lehen. 

Nach  der  Besitzteilung  von  1350  arrondierte  Reinprecht  I. 
durch  Ankauf  von  Gutem  zu  Blumau  und  Talern  ^^  sowie  zu 
St.  Georgen  auf  dem  Ipsfelde^*  seine  Herrschaft  Seusenek, 
während  er  anderei*seits  das  von  seinem  Besitz  abgelegene  Gut 


»  Vgl.  Urk.  1359  August  18;  FRA.  XXXHI,  238. 

»  Nördlich  von  St.  Polten.  «  Urk.  1333  Dezember  12;  LB.  III,  r.  963. 

♦  Südlich  von  Wieselburg  a.  d.  ErUf.  *  WSt.  695. 

«  Urk.  1350  April  24;  FRA.  LI,  446. 

'  Urk.  1364  Oktober  18;  UBoE.  VH,  378. 

«  Urk.  1351  Mai  26;  UBoE.  VU,  209. 

«»  Urk.  1357  März  29;  NB.  IV,  337. 
^^  Nordwestlich  von  Klöstern euburg. 
"  Bei  Arastetten;  Urk.  1351  Juli  26;  UBoE.  VH,  257. 
»'^  Bei  Arastetten;  Urk.  1358  März  15;  UBoE.  VU,  565. 


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307 

zu  Eizendorf  im  Machlande,^  jenseits  der  Donau^  1358  dem 
dortigen  Booster  Baumgartenberg  verkaufte.  Für  eine  Schuld 
von  1000  ^/Ä  wurde  er  am  Georgitage  1355*  vom  Herzoge 
auf  das  Gericht  zu  Krems  gewiesen,  wo  sich  Reinprecht  eben 
als  herzoglicher  Verweser  befand,  und  auf  die  Maut  zu  Stein. 
Bald  darauf  erkaufte  derselbe  Walseer  1358  *  von  Leutold  von 
Pottendorf  die  Feste  Hoheneck,*  herzogliches  Lehen,  samt 
dem  passauischen  Zehente  daselbst,  westlich  von  Viehofen 
gelegen. 

Auch  Friedrich  11.  von  Walsee-Ens  hat  sein  in  der  Tei- 
lung von  1350  erhaltenes  Gut  noch  gemehrt.  Er  erkaufte  in 
letzterem  Jahre  ^  von  denen  von  Walde  den  Getreide-  und 
Weinzehent  zu  Rossatz  in  der  Wachau,  Lehen  des  Bistums 
Passau.  Später  stand  er  wegen  der  Pfandschaft  Traismauer^ 
in  Verhandlungen  mit  dem  Bischof  Albrecht  von  Freising,  der 
ihm  schließlich  1355  die  Feste  Ulmerfeld'  samt  dem  Land- 
gerichte und  bald  nach  Friedrichs  11.  Tode  1356®  dessen  älte- 
stem Sohne  Friedrich  VI.  die  nach  Merlin  dem  Haesib  frei- 
gewordenen Lehen  übergab. 

Eine  Jahrtagstiftung,  welche  sich  die  beiden  Brüder  Rem- 
precht I.  und  Friedrich  11.  in  der  Kirche  zu  Sindelburg,  nächst 
ihrer  Feste  Sumerau,  im  Jahre  1336*  mit  der  ansehnlichen 
Summe  von  300  Mark  Silber  errichteten,  erhielt  ihr  Andenken. 

3.  Der  Zweig  von  Seuseneck:  Eeinpreohts  L  Söhne 

Eudolf  I.,  Eeinprecht  IL  und  Friedrich  V.  bis  zur  Wende  des 

14.  Jahrhunderts. 

Aus  den  drei  Söhnen,  welche  Reinprecht  I.  hinterließ, 
gingen  die  größten  Männer  ihres  Hauses  hervor:  neben  Ru- 
dolf I.  Reinprecht  IL,  ein  Mann,  der  mächtig  in  die  Schick- 
sale des  habsburgischen  Osterreich  jener  Zeit  eingriff,  und  der 
kaum  minder  bedeutende  Friedrich  V.,  den  ein  widriges  Ge- 
schick in  der  Blüte  seiner  Manneskraft  dahinraffte. 


*  Bei  Saxen;  Urk.  1368  Februar  24;  UBoE.  VU,  567. 
«  LB.  m,  r.  1772.  «  Inventar,  f.  62. 

*  Nicht  mit  der  steirischen  Pfandschaft  gleichen  Namens   zu  verwechseln. 
»  Urk.  1360  Mai  27;  NB.  IV,  132.  «  Vgl.  FRA.  XXXVI,  300. 

^  Urk.  1366  März  12,  ebenda  292;  bei  Wieselburg. 

-  Urk.  1356  Januar  7;  Orig.  HHStA. 

»  Vgl.  SUdl,  Ehrensp.  d.  Hz.  Steierm.,  StLA.  Hs.  28,  UI,  308. 


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308 

Da  Reinprecht  I.  in  den  Jahren,  wo  er  aus  seiner  zweiten 
Ehe  noch  die  genannten  drei  Söhne  und  zwei  Töchter  erhielt, 
nach  der  Lösung  von  Ens  dann  als  herzoglicher  Verweser  in 
Krems  tätig  war,  dürfen  wir  dieselben  wohl  als  geborene 
(Nieder-)  Österreicher  ansehen.  Möglich,  daß  sie  dem  Vater 
nach  Wien  folgten,  als  dieser  1358  Rat  Rudolfs  IV.  wurde. 
Eine  Kinder  Verlobung  des  etwa  zehnjährigen  Rudolf  I.  mit 
Anna,  Dietrichs  von  Hohenberg  Tochter,  wurde  durch  Rudolfe 
Vater  1357^  wieder  rückgängig  gemacht;  die  Hohenbergerin 
wurde  nachmals  die  Gattin  Heinrichs  VI.  von  Walsee-Ens.  Als 
die  Söhne  ca.  1361  ihren  Vater,  zuletzt  Burggrafen  in  Steier, 
verloren,  waren  Rudolf  I.  und  Reinprecht  II.  schon  ihrer  Mün- 
digkeit nahe. 

Im  Jahre  1364  begleiteten  sie  ihren  Vetter  Eberhard  V. 
von  Walsee-Linz,  den  Hauptmann  ob  der  Enns,  auf  dem  Feld- 
zuge gegen  Baiern.*  Mit  letzterem  Walseer  zog  Rudolf  I.  1368 
abermals  aus,  der  Adria  zu;  mit  seinen  Dienstleuten  Otaker 
dem  Wolfstein  und  Simon  dem  Venk  lag  er  damals  mit 
34  Hauben  flir  die  Habsburger  gegen  die  Venezianer  im  Felde.' 
Das  freundschaftliche  Verhältnis,  welches  sich  damals  mit 
HaugVI.  von  Tibein  entwickelte,*  dem  mächtigsten  Adeligen 
im  äußersten  Süden  des  habsburgischen  Machtbereiches,  fand 
seinen  Ausdruck  in  der  bald  darauf  erfolgten  Vermählung  des 
Tibeiners  mit  Rudolfs  I.  von  Walsee-Ens  Schwester  Amia. 
Zwar  blieb  die  durch  Annas  Tod  früh  gelöste  Ehe  ohne  Nach- 
kommen; 1373  Juni  6^  bewilligten  die  Herzoge  dem  Tibeiner 
die  Widerlegung  der  600  U  /Ä  Heimsteuer  seiner  bereits  ver- 
storbenen Gattin  für  deren  Brüder  auf  der  Pfandschaft  Karls- 
berg.^  Das  Testament  Haugs  VI.  vom  Jahre  1374^  brachte 
indes  den  Walseern  bereits  die  Anwartschaft  auf  einen  beträcht- 
lichen Teil  des  tibeinischen  Erbes  und  die  engen  Beziehungen 
zwischen  den  Häusern  Walsee  und  Tibein  dauerten  auch  an, 
als  Hang  VI.  eine  zweite  Ehe  mit  Anna  von  Wildhaus  einging. 
Insbesondere  war  es  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens,  der  dieselben 
aufrecht  erhielt.  Zwar  gerieten  Rudolf  I.  und  seine  Brüder, 
von  denen  nun  auch  Friedrich  V.  um  1368  vogtbar  geworden 

»  Urk.  1357  Juni  25;  NB.  IV,  338.  «  Vgl.  8.  282. 

3  Urk.  1368  April  22;  UBoE.  VIU,  375;  vgl.  S.  283. 

*  Vgl.  8.  292  und  317.  ^  LB.  IV^  r.  1123. 

«  Bei  St.  Veit  in  Kärnten.  '  Pichler,  II  castello  di  Duino,  224. 


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309 

war,  mit  Georg  von  Walsee-Linz  über  Geldansprüche  aus  der 
Gerhabschaft,  welche  sie  über  denselben  seit  1371  geführt 
hatten,^  in  Diflferenzen,  die  erst  1378  ihre  Regelung  erfuhren; 
der  Ehebund,  welchen  Georg  späterhin  schloß,  war  indes  ohne 
Zweifel  durch  Rudolf  I.  und  dessen  Brüder  zustande  gebracht, 
die  sich  auch  hier  wieder  von  den  Beziehungen  zum  Hause 
Tibein  leiten  ließen. 

In  jenen  Jahren  weilte  Reinprecht  II.  selten  in  der  Heimat; 
er  oblag  wohl  zumeist  dem  Waffenhandwerke.  Von  diesen 
Zügen  heimgekehrt,  führte  er  Katharina,  die  Tochter  des  ein- 
flußreichen Hans  von  Liechtenstein-Nikolsburg,  als  Gemahlin 
heim,  der  er  1370  Juni  23*  zu  Wien  900Äf/Ä  als  Morgengabe 
verschrieb;  wir  verlieren  ihn  dann  wieder  auf  längere  Zeit  aus 
den  Augen. 

Im  Frühjahre  1372»  zog  Rudolf  I.  im  Dienste  der  Habs- 
burger nach  Schwaben  und  erhielt  dort  einen  nicht  unbedeu- 
tenden Wirkungskreis;  es  wurde  ihm  die  (kaiserliche  und  die 
habsburgische)  Landvogtei  im  Elsaß  und  in  Schwaben  auf 
17«  Jahre  übertragen.  Eifrig  wachte  Rudolf  daselbst  über  die 
Sicherheit  des  Handels  im  Interesse  der  einheimischen  Bürger 
sowohl  als  der  fremden,  meist  italienischen*  Kaufleute.  Damals 
machte  besonders  der  Ritter  Johann  Erbe  den  Straßburgern 
zu  schaffen.^  Auf  zehn  Jahre  aus  der  Stadt  verwiesen,  weil 
er  sich  1372  weigerte,  den  verlangten  Bürgereid  zu  schwören, 
begann  er  mit  den  Straßburgern  einen  Streit  um  die  Fähre  zu 
Grafenstaden,  den  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  und  Bichof  Lam- 
brecht  von  Straßburg  vergeblich  beizulegen  suchten.^  Schließ- 
lich widersagte  Erbe  der  Stadt  und  tat  ihr  mit  anderen  aus- 
gewiesenen Edlen  und  sonstigem  gesammelten  Gelichter  großen 


»  Vgl.  S.  292.  «  NB.  IV,  437. 

«  Vgl.  Steyerer,  Comm.  pro  hißt.  Alb.  II,  Anh.  col.  20  und  Urk.  1372  Mai  12; 
Urk.  B.  d.  St.  Straßburg  V,  781.  Daß  Rudolf  I.  die  Landvogtei  bereits 
1366  yerwaltet  hätte  (Kurz,  Albrecht  III.,  I,  202),  ist  bei  seinen  Jahren 
damals  ein  Unding;  offenbar  ist  das  Datam  dieser  einzigen  fraglichen 
Urkunde  korrumpiert. 

*  Vgl.  Urk.  1372  August  17;  Thommen,  Urk.  z.  Schweiz.  Qesch.  II,  23. 

»  Vgl.  Ann.  hospit.  Argent.,  M.  G.  SS.  XVII,  104;  Chron.  d.  Jak.  Twinger 
V.  Königshoven,  Chron.  deutsch.  Städte  IX,  802;  Chron.  d.  Hektor  Mülich, 
ebenda  XXII,  15;  Chron.  d.  Gerhard  v.  Appenweiler,  Basler  Chroniken 
IV,  377;  Kleine  Basler  Chronik,  ebenda  V,  61. 

«  Urk.  1872  Juli  8;  Urk.-B.  d.  St.  Straßburg  V,  784. 


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310 

Schaden.  In  der  Neujahrsnacht  1373  erstieg  er  mit  seinen 
Helfern  die  Burg  Herlisheim  bei  Kolmar,  nahm  Herrn  Eppe 
von  Hadestat,  einen  reichen  Straßburger  Bürger,  der  darauf 
saß,  gefangen  und  hielt  das  Städtchen  besetzt.  Sofort  aber 
legte  sich  Rudolfs  Untervogt  Johann  Mürlin  ^  mit  den  Kolmarem 
und  Schlettstädtern  davor  und  Heß  niemand  entwischen.  Nach 
wenigen  Tagen  zog  Rudolf  selbst  mit  den  Straßburgem  und 
anderen  Städtern  gegen  Herlisheim,  eroberte  es  am  8.  Januar 
und  ließ  die  darin  gefangenen  56  Bösewichte,  meist  Edelleute, 
fast  sämtlich  hinrichten;  Johann  Erbe  hatte  sich  bei  Zeiten  ge- 
flüchtet. Zur  Verteidigung  seines  Vorgehens  schloß  Rudolf  1373 
Februar  24*  zu  Breisach  mit  denen  von  Straßburg,  Basel  und 
elf  anderen  Städten  ein  Bündnis  ab;  auch  vom  Kaiser  und  von 
den  Habsburgern  ergingen  Schreiben,  so  an  den  Pfalzgrafen 
Ruprecht  den  Alteren*  und  den  Grafen  Eberhard  von  Württem- 
berg,* die  verjagten  Edelleute  nicht  zu  unterstützen.  Dadurch 
ward  mit  den  adeligen  Wegelagerern  im  Elsaß  gründlich  auf- 
geräumt, zur  großen  Freude  der  Städter.  Als  sich  Rudolf  so 
durch  sein  rasches  Handeln  den  Dank  der  Bürger  erworben 
hatte,  zog  er  im  Sommer  1373  wieder  heimwärts  und  war  mit 
seinem  Vetter  Heinrich  VI.  von  Walsee-Ens  in  Wien  bereits 
wieder  zugegen,  als  dort  1373  Juli  25^  eine  Teilung  der  habs- 
burgischen  Lande  zwischen  den  Herzogen  Albrecht  UI.  und 
Leopold  ni.  vereinbart  wurde. 

Die  Hauptmannschaft  in  der  Steiermark  wurde  Rudolfe 
Lohn  ftlr  seine  Tätigkeit  in  Schwaben,  doch  kam  sie  nicht 
mehr  dauernd  an  die  Walseer  zurück.  Er  erhielt  sie  sofort 
nach  seiner  Rückkehr  im  Sommer  1373*  und  ließ  sich,  da  er 
oft  von  der  Steiermark  abwesend  war,  in  seinem  Amte  durch 
Verweser^  vertreten,  als  welche  nacheinander  die  walseeischen 
Dienstleute  Albrecht  der  Gefeller,  sein  Burggraf  auf  der  Rie- 
gersburg,    der    Niederösterreicher    Otaker    der    Wolfstain    und 


^  Mit  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  ins  Elsaß  g^ekommen;  identisch  mit  Hans 
dem  MSurl,  der  1364  Landrichter  ob  der  Ens  war;  vgl.  Anm.  S.  276. 

«  Urk.-B.  d.  St.  Straßburg  V,  808.  «  Urk.  1373  Mai  6;  ebenda  V,  816. 

*  Urk.  1373  April  12;  ebenda  V,  817.  »  UBoE.  VHI,  654. 

'^  Vgl.  Krones,  Landesfürst,  Behörden  und  Stände  des  Herzogtums  Steier- 
mark, Forschungen  zur  steirischen  Verfassungs-  und  Verwaltungsgesch. 
IV»,  162. 

'  Vgl.  ebenda  167—168. 


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311 

Peter  Hinterholzer  auftreten,  letzterer  vordem  Burggraf  zu  Steier, 
das  Rudolf  und  seine  Brüder  seit  1374  als  herzogliche  Pfand- 
scfaaft  innehatten.  Ende  1374*  erhielt  Rudolf  mit  seinen  Brü- 
dern auch  das  steirische  Erbtruchsessenamt  nach  dem 
Ableben  Cholos  von  Seldenhofen,  der  es  nach  Friedrichs  III. 
von  Walsee-Graz  Tode  überkommen  hatte;  Wilhelm  von  Glaneck 
ließ  sich  mit  seinen  Ansprüchen  darauf  mit  100  ^/Ä  abfinden.* 
Im  gleichen  Jahre  verheiratete  sich  Rudolf  I.  auch  mit  Agnes 
aus  dem  Hause  derer  von  der  Leippe,*  welches  den  Walseem 
bereits  verschwägert  war.  Nun  wurden  auch  die  walseeischen 
Verbindungen  mit  dem  steirischen  Adel  wieder  aufgefrischt, 
insbesondere  aber  durch  die  im  Jahre  1376*  erfolgte  Vermäh- 
lung der  jüngsten  Schwester  Rudolfs,  Dorothea,  mit  Wulfing 
von  Stubenberg.  Im  Frühlinge  1379  ritt  Rudolf  I.  mit  einem 
seiner  Brüder  abermals  zu  Felde,  gegen  Venedig,  als  Partei- 
gänger K.  Ludwigs  von  Ungarn,  auf  dessen  Seite  Herzog  Al- 
brecht HI.  stand,  der  den  beiden  Walseem  darüber  einen 
Schadlosbrief*  ausstellte. 

Da  trat  Rudolfs  I.  Bruder  Reinprecht  IL  plötzlich  an 
leitender  Stelle  in  den  Vordergrund  der  Ereignisse,^  die  sich 
nun  zwischen  Herzog  Albrecht  HI.  und  dem  Grafen  Heinrich 
von  Schaunberg  abspielten.  In  letzter  Stunde  vor  der  Er- 
öfihung  des  Kampfes  mit  demselben  setzte  der  Herzog  nämlich 
an  die  Stelle  Heinrichs  VI.  von  Walsee-Ens  dessen  energischen 
und  ohne  Zweifel  bereits  kriegserprobten  Vetter  Reinprecht  II. 
von  Walsee-Ens,  der  1379  Oktober  28^  zum  ersten  Male  als 
Hauptmann  ob  der  Ens  erscheint.  Der  Herzog  brachte  die 
zum  Kriege  nötigen  Summen  auf  und  verschaffte  Reinprecht  U. 
auch  Zahlungsfrist'  für  seine  dem  Juden  David  dem  Stenzz 
schuldigen  1500  ^.Ä.  Von  Wien  aus  Heß  der  Herzog  im  Winter 
1379/80  seine  Befehle  an  Reinprecht  II.  ergehen,®  Söldner  an- 
werben und  die  Bürger  der  Städte  ob  der  Ens  aufbieten.    1380 


^  Urk.  1374  November  12;  Hoheneck  HI,  819. 
«  Urk.  1377  März  7;  NB.  I,  374. 
'  Vgl.  die  Genealogie. 

*  Urk.  1379  Mai  26;  LB.  IV,  r.  1424.  »  Vgl.  S.  337  flf. 

«  Orig.  HHStA. 

'  Urk.  1380  Januar  2;  LB.  IV,  r.  1480. 

®  Vgl.  Urk.  1379  November  7;  Kop.  Linzer  Musealarchiv;  1380  Februar  18, 
LB.  IV,  r.  1497;  1380  Mai  31;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 


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312 

März  17*  ernannte  er  ihn  zum  Anfilhrer  seiner  Truppen,  be- 
traute ihn  mit  der  Führung  des  Krieges  gegen  den  Schaan- 
berger  und  sicherte  ihm  Ersatz  für  alle  Ausgaben  zu. 

Im  Frühlinge  1380  eröffnete  Reinprecht  11.  den  Kampf* 
und  errang  rasch  bedeutende  Erfolge.  Die  Feste  Kammer  und 
damit  der  Besitz  im  Attergau  fiel  den  Herzoglichen  in  die 
Hände,  im  Mühlviertel  ward  Schloß  Velden*  belagert,  das  mit 
den  Donaufesten  um  1373  vom  Bistume  Passau  den  Schaun- 
bergem  verpfUndet  worden  war,  auch  das  ganze  offene  schaan- 
berger  Ländchen  vom  Trattnachtale  aus  besetzt.  Um  Sonn- 
wenden 1380  wurde  Peuerbach  vom  Herzoge,  der  jetzt  selbst 
auf  dem  Kriegsschauplatze  erschien,  belagert  und  trotz  seiner 
vom  Grafen  Heinrich  aufgeführten  festen  Mauern  eingenom- 
men. Wenn  auch  die  Festen  Donau  aufwärts  noch  Widerstand 
leisteten,  war  doch  fast  das  ganze  schaunbergische  Gebiet  vom 
Gegner  besetzt  und  Graf  Heinrich  auf  die  Stammburg  seines 
Hauses  beschränkt.  Auch  die  Rosenberge  mußten  Eferding 
den  Herzoglichen  räumen  und  mit  dem  Bischöfe  von  Passau, 
Konrad  von  Schärffenberg,  hatte  der  Herzog  schon  1380 
April  17*  ein  Bündnis  abgeschlossen.  So  blieb  dem  Grafen 
nur  mehr  Schloß  Schaunberg,  dessen  Belagerung  Herzog  Al- 
brecht seit  August  1380  persönlich  leitete,^  und  konnte  auch 
diese  sehr  starke  Feste  nicht  genommen  werden,  so  sah  sieh 
Graf  Heinrich  doch  genötigt,  mit  dem  Herzoge  1381  Januar  21 
einen  in  der  Folge  mehrmals  verlängerten  WaffenstiUstand  ab- 
zuschließen. 

Reinprecht  H.  entließ  daher  den  größten  Teil  der  gegen 
den  Schaunberger  verwendeten  Söldner —  1381  Apiil  1^  quit- 
tieren ihm  Ulrich  Fraß  und  dessen  Brüder  über  erhaltenen 
Sold  —  und  erhielt  1381  April  4'  vom  Herzoge  für  1500«  A 
die  er  ihm  fllr  die  Söldner  von  Eferding  und  Velden  schuldete, 
jährlich  150  Äf^  Gülten  zu  Steier  angewiesen.  Auch  weiter- 
hin hatte  Reinprecht  die  feindseligen  Absichten  des  Grafen  zu 
vereiteln,  der  den  Waffenstillstand  brach  und  herzogliche  Trup- 
pen überfiel,  die  vor  Schaunberg  zurückgeblieben  waren.    Die 


»  Kurz,  Albrecht  HL,  Bd.  II,  211. 

•  Vgl.  Strnadt,  Peuerbach,  JBMFC.  XXVII,  398  ff. 

»  Bei  Neufelden.  *  MouumenU  Boica  XXX  S  350. 

*  Vgl.  JBMFC.  XXVn,  400.  •  NB.  U,  164. 
'  HHStA.  Kod.  Suppl.  407,  f.  109. 


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313 

Lage  des  Grafen  verschlimmerte  sich  dadurch  nur;  der  Nürn 
berger  Schiedsspruch    1383  Februar   28   machte   seiner  Unab- 
hängigkeit ein  Ende. 

Nach  Beendigung  des  Krieges  entfaltete  Reinprecht  II. 
eine  rege  Tätigkeit,  um  im  Lande  ob  der  Ens  Ordnung  zu 
schaffen^  wie  aus  zahlreichen  auf  ihn  ausgestellten  Urfehde- 
briefen ^  hervorgeht.  Weniger  günstig  gestaltete  sich  sein  Ver- 
hältnis zu  den  Bürgern,  insbesondere  der  Städte  Ens  und  Wels, 
die  wie  zu  seines  Vaters  Zeiten  ihr  Recht  geltend  machten, 
von  ihren  Herrenlehen  nur  dem  Herzoge  zu  zinsen.  Herzog- 
liche Befehle,  welche  darüber  an  Reinprecht  H.  ergingen,* 
schafften  den  Bürgern  so  wenig  Abhilfe  wie  Beschwerden  gegen 
andere  Übergriffe  des  Adels  im  Handel  und  Wandel,  die  sich 
gleichfalls  gegen  die  Walseer  richteten.  Sie  vermochten  Rein- 
precht n.  wenig  anzuhaben,  der  seine  obderensische  Haupt- 
mannschaft trefflich  versah  und  die  Gunst  des  Herzogs 
durch  seine  Tätigkeit  in  der  Schaunbergerfehde  wahrlich  ver- 
dient hatte. 

Auch  andere  Angehörige  des  Hauses  gewannen  ihren 
Vorteil  davon.  Rudolf  I.  ward  spätestens  1384*  als  Hauptmann 
in  der  Steiermark  durch  seinen  Vetter  Ulrich  IV.  von  Walsee- 
Drosendorf  ersetzt  und  dafür  mit  dem  österreichischen  Land- 
marschallamte betraut.  In  dieser  Eigenschaft  hatte  er  sich 
mit  dem  Abgesandten  K.  Wenzels  wegen  der  Streitigkeiten 
zwischen  den  Bürgern  von  Wien  und  Prag  zu  vergleichen,* 
was  durch  seinen  1385  Dezember  4^  mit  Bischof  Berthold  von 
Freising  gefällten  Schiedsspruch  geschah. 

Da  kam  im  Juli  1386  die  Unglücksbotschaft  von  Sem- 
pach  nach  Wien.  Der  niederschmetternde  Eindruck  derselben, 
die  nicht  zu  verkennende  Tatsache,  daß  die  Teilung  von  1379 
die  Macht  der  Habsburger  geschwächt  hatte,  die  Mißerfolge  in 
der  äußeren  Politik  wie  der  ungünstige  Stand  der  Finanzen, 
dies  alles  einte  die  getreuen  Berater  des  Herrscherhauses  in 
dem  Verlangen,   daß   den   habsburgischen  Landen  wieder   ein 


»  1381—1386,  11  Stück! 
«  Vgl.  Urk.  1384  Mai  8;  AÖG.  XXVII,  87. 
"  Vgl.  die  Genealogie  und  Erones,  Landesf.  etc.,  a.  a.  O.  162. 
*  Vgl.  die  Urkk.  Herzog  Albrechta  1886  Oktober  10,   Orig.,  HHStA.  und 
•K.  Wenzels  1385  November  6;  Pelzel,  K.  Wenzel,  Urk.  47. 
**  Orig.,  HHStA. 


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314 

gemeinsames  Oberhaupt  gegeben  werde,  umsomehr  als  Herzog 
Leopolds  Sohn  Herzog  Wilhelm  der  ernsten  Lage  schwerlich 
gewachsen  war.  In  Gegenwart  der  Geistlichkeit  und  vieler 
vom  Adel,  darunter  Rudolfs  I.,  Reinprechts  H.  und  ihres  Vetters 
Heinrichs  VI.  von  Walsee-Ens,  wurde  1386  Oktober  10^  in 
Wien  die  bisherige  Besitzteilung  aufgehoben  und  Herzog  Al- 
brecht übernahm  im  Einverständnisse  mit  den  Leopoldinem 
wieder  allein  die  Regierung  aller  habsburgischen  Länder. 

Nach  drei  Jahren  der  Ruhe  war  Reinprecht  H.  genötigt, 
abermals  gegen  Grafen  Heinrich  von  Schaunberg  einznschrei- 
ten,  der  seine  Unabhängigkeit  wieder  erlangen  wollte.  Aber 
bereits  sein  erster  Versuch,  sich  gegen  Herzog  Albrecht  au&o- 
lehnen,  schlug  fehl.  Als  Graf  Heinrich  seiner  Feste  Neuhaus* 
an  der  Donau  gegenüber  eine  Befestigung  erbaute  und  von  dort 
aus  durch  erhöhte  Mautabgaben  die  freie  Schiffahrt  störte,  *  bot 
Reinprecht  H.  rasch  herzogliche  Truppen  und  die  Bürger  von 
Linz,  Ens  und  Wels  auf,*  vereinigte  sich  mit  Mannschaften  des 
Bischofes  von  Passau  und  zog  mit  dem  berühmten  Kriegsmanne 
Zacharias  Haderer  bald  nach  Neujahr  1386  gegen  den  Schann- 
berger  aus.  Am  20.  Februar  begann  die  Belagerung  von  Neu- 
haus, das  Bollwerk  diesem  Schlosse  gegenüber  wurde  zerstört, 
und  schon  am  25.  März^  kam  es  durch  Johann  von  Abensperg 
und  Herzog  Albrechts  Hofmeister  Hans  von  Liechtenstein-Ni- 
kolsburg,  Reinprechts  H.  Schwiegervater,  in  Linz  zu  einer  Ver- 
einbarung. Die  freie  Schiffahrt  auf  der  Donau  wurde  wieder 
hergestellt,  Schloß  Neuhaus  vorläufig  der  Obhut  des  Liechten- 
steiners übergeben  und  Graf  Heinrich  verpflichtet,  den  Burg- 
stall Neuhaus  gegenüber  nicht  wieder  aufzubauen^  —  ein  Er- 
folg, der  zweifelsohne  dem  energischen  Eingreifen  Reinprechts  H. 
zu  danken  war.  Herzog  Albrecht  traf  jetzt  weitere  Vorkehrun- 
gen zur  Überwachung  des  Grafen.  Wenn  dieser  auch  noch 
weiterhin  seine  Pläne  verfolgte  und  sich  den  Herzogen  von 
Baiem  zu  nähern  suchte,  so  schloß  sein  1390  erfolgtes  Ableben 
alle  derartigen  Bestrebungen  für  immer  ab. 


1  Rauch,  SS.  R.  A.  m,  400.  *  Nördlich  Ton  Aschach  an  der  Donau. 

3  Vgl.  Kurz,  Albrecht  m.,  Bd.  H,  47  und  242;  Urk.  1388  Oktober  18. 
*  Hagens  Chron.,  Append.;  Pez,  SS.  Rer.  Austr.  I,  col.  1162  and  Contin. 

Monach.  St.  Petri,  M.  G.  SS.  IX,  840. 
ß  Kurz,  Albrecht  lU.,  Bd.  II,  248.  «  Ebenda  61. 


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315 

Alsbald  mußte  Reinprecht  11.  als  Hauptmann  ob  der  Ens 
sein  Augenmerk  auf  das  benachbarte  Pas  sau  richten/  wo  ein 
Einschreiten  von  habsburgischer  Seite  durch  eine  zwiespältige 
Bischofswahl  notwendig  wurde.  Gegen  den  österreichisch  ge- 
sinnten Hermann,  nach  dem  Tode  Bischof  Johanns  von  Schär- 
fenberg (t  1387)  rechtmäßig  zum  Bischöfe  erwählt,  erhob  Papst 
Urban  VI.  den  Grafen  Ruprecht  von  Berg  auf  den  Passauer 
Bischofsstuhl,  und  als  Hermann  darauf  verzichtete,  wählte  das 
Domkapitel  Georg  von  Hohenlohe  zum  Bischöfe.  Gegen  diesen 
fand  Ruprecht  Unterstützung  bei  denen  von  Berg,  bei  K.  Wenzel 
und  den  Bürgern  der  Bischofestadt  Passau  selbst.' 

Auf  habsburgischer  Seite  stand  man  dem  Gegenbischofe 
hilfreich  bei;  waren  doch  durch  Ruprechts  Partei  die  öster- 
reichischen Interessen  im  Abteilande '^  so  gut  wie  im  Donautale, 
zumal  bei  der  zweifelhaften  Haltung  des  Schaunbergers,  ernst- 
lich bedroht.  Für  den  abwesenden  Herzog  traf  Reinprecht  H. 
die  geeigneten  Maßnahmen;  überdies  war  er  als  Pfandinhaber 
der  bei  Passau  gelegenen  Festen  Neuhaus  und  Wemstein  auch 
in  seinem  eigenen  Besitze  beunruhigt.  Er  ließ  dem  Bischof 
Georg  von  Hohenlohe  alle  Hilfe  angedeihen  und  sandte  ihm 
Söldner  zu. 

Von  Michaeli  bis  Martini  1388*  lag  Reinprecht  II.  mit 
herzoglichen  Truppen  in  der  Ilzstadt  vor  Passau,  indes  ver- 
gebens, da  die  Bürger  von  K.  Wenzel  Söldner  zugeführt  er- 
hielten. Nach  Neujahr  1389  kam  auch  Herzog  Albrecht  nach 
Osterreich  und  überzeugte  sich  von  der  Sachlage.  Im  nächsten 
Frühling  nahm  der  Krieg  seinen  Fortgang.  Am  Ostermontag 
1389  überfielen  die  Bürger  Passaus  Reinprechts  II.  von  Walsee 
Schloß  Neuhaus  am  Inn  und  brannten  es  nieder,  wobei  auch 
die  dorthin  geflüchteten  Bücherschätze  des  Klosters  St.  Nikola 
in  Flammen  aufgingen.^  Dagegen  rückten  an  demselben  Tage 
der  erprobte  Kriegsmann  Zacharias  Haderer  und  der  Söldner- 
führer Michael  Haypekh  in  die  Passauer  Ilzstadt  ein  und  hiel- 
ten selbe   einen  Monat  hindurch  gegen   die   Bürger   besetzt.® 


•  Ebend«  119  ff.;  vgl.  LB.  IV,  r.  2087. 

•  Vgl.  JBMFC.  XXVn,  896. 

•  =  das  obere  Mühlviertel  westlich  der  Großen  Mtthl. 
^  Chron.  Mellic;  Pez,  SS.  R.  A.,  I,  col.  249. 

^  Kurz,  Albrecht  IH.,  Bd.  II,  128. 

•  Vgl.  Urkk.  1389  Mai  29  and  30;  LB.  IV,  r.  2168,  2169. 
AreluT.  XCY.  Band.  II.  Hilfte.  22 


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316 

Die  kriegerischen  Ereignisse  vor  Passau  fanden  damit  ihr 
Ende. 

Nach  längeren  Verhandlungen  kam  Georg  von  Hohenlohe 
1393  endgiltig  in  den  Besitz  seines  Bistums.  Allezeit  blieb  er 
ein  treuer  Anhänger  der  habsburgischen  Albrechtiner.  Nie  hat 
er  die  Hilfe  vergessen,  welche  ihm  Herzog  Albrecht  geleistet, 
insbesondere  Reinprecht  H.  von  Walsee-Ens  fand  an  ihm  stets 
einen  dankbaren  Freund  und  verläßlichen  Bundesgenossen. 

Obwohl  Reinprecht  H.  im  Lande  ob  der  Ens  nach  Kräf- 
ten^ Ar  die  Sicherheit  sorgte  und  zahlreiche  Missetäter'  durch 
seinen  Richter'  in  festem  Gewahrsam  halten  ließ,  nahm  doch 
das  Unwesen  keineswegs  ab.  Auch  einzelne  vom  Adel,  zumal 
niedere  Vasallen  der  Schaunberger  machten  sich  mancher  Ver- 
gehen schuldig.  Wilhelm  der  Rorer,  der  mit  fünf  Brüdern  auf 
dem  festen  Schlosse  Leonstein  bei  Steier  saß,  vermaß  sich, 
zwei  Gesandte  des  Erzbischofs  von  Salzburg,*  die  mit  sicherem 
Geleite  Herzog  Albrechts  heimwärts  zogen,  aufzuheben  und 
auf  Leonstein  gefangen  zu  setzen.  Herzog  Albrecht  und  mit 
ihm  wohl  auch  *  sein  Hauptmann  ob  der  Ens  belagerten  hierauf 
seit  August  1390  die  Burg,  deren  Besatzung  sich  nach  Aller- 
heiligen ergab,  als  Zacharias  Haderer  einen  die  Feste  beherr- 
schenden Punkt  besetzt  hatte.**  Mit  der  Zerstörung  des  er- 
oberten Leonstein  war  die  Fehde  jedoch  nicht  beendet.  Wil- 
helm der  Rorer,  der  aus  dem  Schlosse  entkommen  war,  leistete 
mit  seinen  Brüdern  weiteren  Widerstand;  Besitzungen  der  treue- 
sten  Diener  des  Herzogs,  so  der  Walseer,^  Bischof  Bertholds 
von  Freising  und  der  Kapeller  wurden  verheert  und  dem  Bis- 
tume  Bamberg  Güter  entrissen.  Auf  die  Bitten  Bischofs  Lam- 
prechts von  Bamberg  erging  1392  August  17«  an  Reinprecht  U. 
der  herzogliche  Befehl  zur  Rückgabe  der  Bambergischen  Güter, 
die  der  Pfleger  zu  Steier  den  Rorem  abgenommen  hatte.   Der 

^  1387-1398  finden  sich  16  Urfehden  auf  Reinprecht  von  Walsee  ausgestellt. 
'  Meist  auf  den  Festen  Starhemberg  und  Sinzing. 

'  Als  solche  erscheinen  die  walseeischen  Lehensleute  Ludwig  Neundlinger 
1384—1392  und  Walter  von  Seuseneck  1396—1402. 

*  Vgl.  Hagens  Chron.,  Appendix;  Fez,  8S.  R.  A.  I,  col.  1162. 

*  Was  sich  yon  Reinpreehts  Itlnerar  feststellen  läßt,  spricht  dafOr. 

*  Vgl.  Chron.  Mellic.  M.  G.  SS.  IX,  614;  Pritz,  Gesch.  des  Landes  ob  der  Ens 
n,  74;  Kurz,  Albrecht  HI.,  Bd.  H,  18. 

'  Nicht  näher  genannt;  vgl.  Kurz,  a.  a.  O.  274. 

*  HHStA.  Kod.  1049,  f.  67'. 


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317 

Schiedsspruch  von  1392  November  27  verpflichtete  indes  zum 
Schadenersatze  gegen  alle  Geschädigten;  er  brachte  den  Rorern 
zwar  die  Verzeihung  des  Herzogs,  aber  den  Verlust  von  Leon- 
stein. Damit  war  die  Reihe  von  Fehden  beendigt,  welche 
Reinprecht  im  Dienste  des  Herzogs  auf  oberösterreichischem 
Boden  auszufechten  hatte. 

Noch  während  des  Kampfes  mit  den  Rorern  war  jedoch 
ein  für  die  ganze  Zukunft  des  Hauses  Walsee  bedeutungsvolles 
Ereignis  eingetreten. 

Auch  nach  Haugs  VI.  von  Tibein  zweiter  Heirat  hatten 
sich  dessen  Beziehungen  zu  den  Walseern  von  Ens  fortgespon- 
nen. Sie  waren  1385  wieder  zutage  getreten/  als  Rudolfs  I. 
ehemaliges  Mündel  Georg  von  Walsee-Linz  sich  mit  der  Witwe 
Ulrichs  des  Weißeneckers  —  ein  den  Tibeinern  eng  ver- 
wandtes Haus  —  Margret,  einer  Tochter  des  Grafen  Gregor 
von  Kurbaw,  vermählte.  Haugs  VL  zweites  Testament  von 
1385  August  30'  hatte  die  drei  Brüder  von  Walsee-Ens  bereits 
zu  Gerhaben  der  beiden  Söhne  des  Erblassers  bestimmt,  die 
sie  im  Falle  kinderlosen  Ablebens  beerben  sollten.  Haugs  VI. 
letzter  Wille  von  1390  November  11'  gab  den  beiden  Söhnlein 
Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  zum  Vormunde  und  überwies  den 
Walseern  auch  die  Gerhabschaft  über  die  jungen  Pettauer,  die 
Hang  VI.  innegehabt  hatte.  Als  letzterer  noch  im  gleichen 
Jahre  starb,  kam  die  Verwaltung  des  ganzen  reichen  tibeini- 
schen  Besitzes,  der  sich  von  Tibein*  bis  St.  Veit  am  Pflaumb 
(Fiume)  erstreckte,  an  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  und  dessen 
Haus.  Die  bedeutende  Rolle,  welche  die  Tibeiner  als  das 
mächtigste  und  reichste  Geschlecht  in  diesem  südlichsten  Teile 
der  habsburgischen  Länder,  als  die  wichtigsten  Anhänger  der 
Habsburger  unter  dem  Adel  im  Süden  gespielt  hatten,  ging 
jetzt  an  die  Herren  von  Walsee  über;  denn  das  Schicksal 
wollte  es,  daß  Hang  VI.  Söhne  ihre  Volljährigkeit  nicht  erleben 
sollten. 

So  zog  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  denn  an  die  Adria  und 
ordnete  dort  die  tibeinischen  Erbschaftsangelegenheiten.  Über- 
dies erhielt  er  1394  Mai  1  *  vom  Herzoge  die  Hauptmannschaft 
von  Triest,  mit  dessen  Bürgern   Rudolf  alsbald  in  Mißhellig- 

^  Vgl.  S.  292,  308  und  die  Genealogie. 

•  Pichler,  II  castello  di  Duino  226.  »  Ebenda  227. 

*  Duino,  nordwestlich  von  Triest.  »  LB.  VIII,  r.  2403»»'«. 

22* 


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318 

keiten  geriet,  und  gleichzeitig*  wurde  er  auch  mit  der  Ent- 
scheidung aller  Streitigkeiten  in  Stadt  und  Grebiet  des  nahen 
habsburgischen  Portenau  (Pordenone)  betraut  Rudolfs  häufige 
Abwesenheit  machte  die  Bestellung  eines  Stellvertreters  ftir  die 
Tibeiner  Angelegenheiten  notwendig,  als  welcher  ein  Jörg  Rais- 
perger  ab  1394  erscheint.'  Durch  Herzog  Albrechts  Bewilli- 
gungen wußte  Rudolf  I.  seinen  Mündeln  sowohl  die  herzoglichen 
Lehen  als  die  Mitterburger  Pfandschaft  zu  erhalten,*  doch 
wurde  ihr  Erbe  durch  mehrere  Verpfändungen,  so  vor  allem 
der  Kastelle  Piemont  und  Frayn  (Vragna)  und  des  Dorfes 
Briest  in  Istrien  an  den  herzoglichen  Pfleger  zu  Triest*  sowie 
mehrerer  kleinerer  Güter  ^  geschmälert.  Infolge  von  Rudolfs 
Vorgehen  bei  der  Besetzung  des  Pfarrbenefiziums  zu  Domegg 
(Temova)^  begannen  1395  seine  Streitigkeiten  mit  dem  Dom- 
kapitel zu  Triest,  die  sich  späterhin  wiederholten.  Händel  an 
der  venezianischen  Grenze  wurden  1397^  durch  ein  Überein- 
kommen mit  dem  venezianischen  Hauptmanne  auf  Schloß  Raspo 
beigelegt.  Der  Erbschaflsstreit,  welchen  Rudolf  I.  mit  Haugs  VI. 
Wittib  Anna  auszutragen  hatte,  wurde  durch  ein  Schiedsgericht 
vom  höchsten  Adel  und  schließlich  durch  Herzog  Albrecht 
selbst  1393  Januar  21  und  23^  dahin  entschieden,  daß  Anna 
über  die  vier  Schlösser  Gonobitz,  Freudenberg,*  Statten- 
berg^®  und  Eibiswald  zugunsten  ihrer  beiden  Töchter  ver- 
fügen dürfe.  Das  1396  erfolgte  Ableben  Annas  machte  dem 
Streite  ein  Ende.  Durch  alle  diese  Angelegenheiten  blieb 
Rudolf  I.  meist  in  der  Steiermark  und  im  Süden  festgehalten. 
Mittlerweile  war  auch  Friedrich  V.  von  Walsee-Ens  zum 
Manne  herangewachsen;  er  hatte  sich  mit  Anna  aus  dem  nieder- 
österreichischen Hause  derer  von  Winkel  vermählt,  ^^  die  ihm 
bald  nach  1390  hin  wegstarb.  Nun  gelangte  auch  er  zu  hohen 
Ehren  am  Hofe  Herzog  Leopolds.  Als  dessen  Hofmeister 
weilte   er  bereits  im  Frühling   1391  ^*  mit  mehreren  anderen 


»  Urk.  1894  Mai  1 ;  Orig.  HHStA.  •  Pichler,  a.  a.  O.,  Anhang. 

»  LB.  IV,  r.  2867.  *  Urk.  1392  April  11;  NB.  I,  378. 

»  Urk.  1396;  Inventar  f.  32.  •  An  der  Reka. 

'  Urk.  1397  November  25;  I  libri  commemoriali  d.  r.  di  Yenesia  III,  248. 

«  Pichler,  II  castello  di  Dnino  232.  »  Nördlich  von  Gonobits. 

'^  Südwestlich  von  Pettau,  im  Dranntale. 
"  Vgl.  die  Genealogie. 
"  Vgl.  Plancher,  Histoire  de  Bourgogne  HI,  Nr.  CL. 


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319 

herzoglichen  Räten  am  Hofe  Herzog  Philipps  von  Burgnnd, 
um  dort  die  Vermählung  der  Tochter  desselben,  Katharina,  mit 
seinem  Herzoge  zu  betreiben;  an  der  Spitze  einer  glänzenden 
Gesandtschaft  brachte  er  dann  im  Frühjahre  1392^  seine  Wer- 
bung an  und  unterfertigte  1392  Mai  5^  zu  Dijon  als  Bürge  die 
Ehepakten  des  fürstlichen  Paares.  Friedrich  blieb  in  seinem 
Amte  bis  in  den  Sommer  1395  in  den  Vorlanden  tätig'  und 
führte  von  dort  seine  zweite  Hausfrau  Ita,  die  Tochter  des 
habsburgischen  Landvogtes  Engelhard  von  Weinsberg,  nach 
Osterreich  heim,  mit  der  er  sich  im  Juli  1395  zu  Baden  bei 
Wien  vermählte. 

In  Oberösterreich  geriet  Reinprecht  H.  neuerlich  wegen 
der  Steuern  von  den  Herreulehen  mit  Welser  Bürgern*  in 
Streit,  als  Herzog  Albrecht  in  seiner  Finanznot  neue  Steuern 
ausschrieb.^  Über  Betreiben  des  Herzogs  traf  ßeinprecht  H. 
nun  als  (Landes-)  Hauptmann  mehrere  Anordnungen,  den  Salz- 
handel und  dessen  Handelswege  betreffend.  Den  bambergischen 
Untertanen  im  Krems-  und  Garstentale  ward  die  Salzeinfuhr 
von  Aussee  über  den  Pyhm  weiterhin  gestattet.^  Dagegen 
wurde  der  Salz-  und  sonstige  Handel  durch  den  Haselgraben 
nach  Böhmen  verboten  und  die  Einhaltung  der  alten  Straße 
angeordnet. "^  Gundaker  von  Starhemberg,  auf  der  Feste  Wild- 
berg® im  Haselgraben  gesessen,  gegen  den  sich  dieses  Verbot 
richtete,  hatte  alle  Ursache,  demselben  Folge  zu  leisten. 

Gegen  K.  Wenzel  hatte  sich  ein  Bund  mächtiger  Edel- 
leute  Böhmens,  darunter  die  den  Walseem  befreundeten  Rosen- 
berge, mit  Herzog  Albrecht  von  Osterreich  und  anderen  Fürsten 
vereint;  österreichische  Hilfstruppen  gingen  nach  Mähren  gegen 
die  KönigUchen  ab.  Dem  Erzbischof  Pilgrim  von  Salzburg, 
der  sich  auf  die  Seite  K.  Wenzels  schlug,^  ließ  der  Herzog  den 
steirischen  Markt  Leibnitz  plündern,^®  in  Oberösterreich  nahm 
Reinprecht  II.  von  Walsee-Ens  salzburgische  Untertanen  und 


»  Vgl.  Urk.  1392  Februmr  3;  LB.  VI,  r.  2274«».  *  Orig.  HHStA. 

'  Vgl.  die  Genealogie. 

*  Urk.  1391  Februar  20;  Hormayr,  Eist.  Taschenbuch  1837,  366. 
^  Chron.  Mellic,  M.  G.  SS.  IX,  614. 

•  Urk.  1393  August  17;  HHStA.  Kod.  1049,  f.  68. 

»  Urk.  1393  Oktober  7;  LB.  IV,  r.  2358.  »  Nördlich  Yon  Linz. 

'  Vgl.  Pichler,  Salzburg.  Landesgesch.  226. 
^0  Contin.  Monach.  St.  Petri,  M.  G.  SS.  IX,  841. 


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320 

Vasallen  gefangen  and  tat  dem  Erzbistume  dadurch  allein  einen 
Schaden  von  800  AT  .Ä.  Die  Fehde  mit  Salzburg  ward  indes 
bald  beigelegt  und  der  durch  Reinprecht  und  in  der  Steiermark 
entstandene  Schaden  auf  Befehl  Herzog  Albrechts  *  durch  seine 
und  salzburgische  Räte  abgeschätzt.  Mittlerweile  hatten  böhmi- 
sche Adelige  K.  Wenzel  gefangen  und  schließlich  auf  Schloß 
Wildberg  gebracht,  wo  er  den  Sommer  1394  zubrachte.  Herzog 
Albrecht  mißbilligte  zwar  das  Verhalten  der  Starhembei^er 
gegen  den  König,  Heß  ihnen  aber  doch  bereits  1395  seine  Ver- 
zeihung zukommen. 

Schlimmer  erging  es  Reinprechts  H.  Schwiegervater  Hans 
von  Liechtenstein-Nikolsburg,  dem  einflußreichen  Hofineister 
Herzog  Albrechts,  der  auf  Befehl  des  Herzens  gefangen  ge- 
setzt wurde.  Die  Liechtensteiner  und  sämtliche  Walseer  von 
Ens,  wie  auch  Reinprechts  H.  Gattin  Katharina,  die  Tochter 
des  UngltickUchen,  unterwarfen  sich  dem  1395  Februar  7*  ge- 
fällten Urteile  der  Schiedsrichter.  Damach  verlor  der  Liech- 
tensteiner die  meisten  Besitzungen  an  den  Herzog;  andere  wur- 
den veräußert.  En  gebrochener  Mann,  überlebte  der  ehemalige 
Hofmeister  seinen  Sturz  nicht  lange  und  starb  um  1398.  Noch 
vor  ihm  schied  seine  Tochter,  Reinprechts  H.  Gattin,  ca.  1397 
aus  dem  Leben;'  sie  vermochte  das  Unglück  der  Ihrigen  nicht 
zu  verwinden.  Übte  der  Fall  des  Liechtensteiners  auch  sicht- 
lich keinen  Einfluß  auf  das  Verhältnis  der  Walseer  zum  Herzog 
aus,  so  mag  doch  bei  ihrem  mit  den  Meissauem  1396  April  22  * 
abgeschlossenen  Bündnisse  das  Bedürfnis  nach  wechselseitigem 
Schutze  mitgespielt  haben,  wenn  sich  dieses  auch  in  erster 
Linie  gegen  die  Einfälle  der  Leuchtenburger  u.  a.  aus  Süd- 
mähren richtete.^ 

Von  Wien  aus  zog  Reinprecht  II.  von  Walsee-Ens  Ende 
April  dieses  Jahres  mit  dem  Herzoge  nach  Obemberg  am  Inn  * 
und  beteiligte  sich  dort  am  Abschlüsse  des  Bündnisses  von 
1395  Mai  6  mit  den  Herzogen  Johann  und  Ernst  von  Baiern 
gegen  die  von  K.  Wenzel  unterstützten  Herzoge  Stephan  und 
Ludwig  von  Baiem.  Mehrere  bairische  Untertanen,  die  bei 
früheren  österreichischen  Streifzügen  gegen  Obemberg  gefangen 

*  1394  Juni  19;  Krones,  ürk.  r.  366. 

*  Kürz,  Albrecht  HI.,  Bd.  II,  306—313.  •  Vgl.  die  Genealogie. 

*  Orig.  HHStA.  »  Vgl.  Urk.  1897  April  16;  LB.  IV,  r.  247S. 
«  Vgl.  Kurz,  a.  a.  O.  194. 


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321 

genommen  wurden/  erhielten  dabei  ihre  Freiheit  znrttck  und 
stellten  ihre  Urfehden  auf  Reinprecht  II.  von  Walsee-Ens  als 
Hauptmann  ob  der  Ens  und  den  Herzog  aus.' 

Herzog  Albrecht  IH.  schied  1395  August  29  aus  dem 
Leben^  aufrichtig  betrauert  von  seinen  Untertanen.  Sein  ein- 
ziger Sohn  Albrecht  IV.  war  bereits  großjährig  und  stand  im 
18.  Lebensjahre.  Ihm  gegenüber  strebte  Herzog  Wilhelm,  der 
älteste  der  Leopoldiner,  ab  Senior  des  Hauses  die  Vorherr- 
schaft auch  über  Ober-  und  Niederösterreich  an  und  berief 
sich  dabei  auf  den  Hausvertrag  von  1386,  Forderungen,  denen 
Herzog  Albrecht  IV.  begreiflicherweise  widerstrebte.  In  Zwie- 
tracht und  Parteiungen  verbreitete  sich  der  Zwist  der  Herzoge 
über  alle  habsburgischen  Länder.  Herzog  Albrecht  fand  insbe- 
sondere bei  dem  österreichischen  Adel  Unterstützung.  Von  den 
ihm  ergebenen  Walseem  behielt  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  das 
österreichische  Marschallamt,^  Reinprecht  H.  die  Hauptmann- 
schaft ob  der  Ens;  er  wurde  überdies  des  Herzogs  Hofmeister. 

Der  Hollenburger  Vertrag  von  1396  November  10*  wahrte 
schließlich  den  inneren  Frieden  auf  das  Zutun  der  treuen  Diener 
des  Hauses,  unter  welchen  sich  Rudolf  I.  und  Reinprecht  IL  so 
wie  Heinrich  VI.  von  Walsee-Ens  befanden.  In  demselben  ver- 
glichen sich  die  Herzoge  dahin,  daß  fortab  alle  Länder  gemein- 
sam regiert  werden  sollten,  wodurch  Herzog  Wilhelm  auch 
Mitregent  in  Osterreich  wurde;  doch  sollten  die  Lande  nach 
dem  Wiener  Vertrage  von  1396  März  30  ungeteilt  bleiben, 
aber  getrennt  verwaltet  werden.  Schließlich  verglichen  sich 
die  Herzoge  auch^  über  die  von  Albrecht  HI.  hinterlassene 
Habe  und  Hauskleinodien,  die  sie  nur  unter  gegenseitiger  Über- 
einstimmung und  unter  Aufsicht  des  Bischofs  Berthold  von 
Freising,  Rudolfs  I.  und  Reinprechts  II.  von  Walsee-Ens,  Ul- 
richs rV.  von  Walsee-Drosendorf  und  vier  weiterer  Edelleute 
im  äußersten  Notfalle  angreifen  sollten. 

Der  Ausgleich  zwischen  den  Herzogen  brachte  den  Wal- 
seem weitere  Würden  und  Ehrenstellen.*  So  wurde  Fried- 
rich V.  von  Walsee-Ens,  vordem  Herzog  Leopolds  Hofmeister, 


^  Vgl.  Bachinger,  Geschichte  Yon  Passau  II,  64. 

•  LB.  IV,  r.  2480,  2484,  2486. 

'  Vgl.  die  Genealogie. 

^  Rauch,  SS.  Rernm  Aastriacaram  III,  411. 

»  Urk.  1896  Mai  4;  Kurz,  Albrocht  IV.,  Bd.  I,  172. 


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322 

nun  dessen  Rat,  und  da  jetzt  überdies  Heinrich  VI.  von  Walsee- 
Ens  Rat  der  Herzoge  Wilhelm  und  Albrecht  sowie  Ulrich  IV. 
von  Walsee-Drosendorf  Hofmeister  Herzog  Wilhelms  wurde, 
hatten  nun  fünf  Walseer  gleichzeitig  wichtige  Amter  am  Hofe 
der  Habsburger  inne.  1397  wurde  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens 
als  österreichischer  Landmarschall  durch  Konrad  von  Meissaa 
ersetzt  und  dafür  Herzog  Wilhelms  Hofmeister,  ab  Ulrich  IV. 
von  Walsee-Drosendorf  aus  diesem  Amte  schied.  Der  Einfloß, 
den  das  Haus  Walsee  dadurch  innehatte,  wurde  überdies  durch 
seinen  Reichtum  verstärkt,  der  es  in  Stand  setzte,  den  Her- 
zogen in  ihrer  Geldnot  bedeutende  Summen  vorzustrecken  und 
für  sie  hohe  Bürgschaften  zu  leisten.^ 

Insbesondere  aber  verursachten  die  endlosen  Grenzfehden 
gegen  Böhmen  und  Mähren  schwere  wirtschafüiche  Schäden, 
da  mit  K.  Wenzel  noch  immer  kein  endgiltiger  Friede  zu- 
stande kam.  Auch  der  Schiedsspruch,  den  Rudolf  I.  von  Wal- 
see-Ens und  andere  Schiedsrichter  1395'  zwischen  Herzog  Al- 
brecht und  den  Vettauem  füllten,  brachte  keine  Abhilfe  und 
ein  Waffenstillstand  zwischen  Österreich  und  Mähren  schuf  im 
Dezember  1396  nur  vorübergehend  Ruhe.  Fiel  es  selbst  tüchtigen 
Landeshauptleuten,  wie  jenem  von  Kärnten,  oder  Reinprecht  II. 
von  Walsee-Ens  in  Oberösterreich  schwer,  Ordnung  und  Sicher- 
heit im  Inneren  aufrecht  zu  erhalten  und  dem  Wegelagerer- 
tume  ein  Ende  zu  machen,'^  so  stand  es  in  den  Nachbarländern 
darum  noch  schlimmer.  Besonders  Niederösterreich  nördlich 
der  Donau  litt  schwer  durch  die  böhmischen  Adeligen  von 
Neuhaus  und  von  der  Leippe,  die  von  Kunsladt  auf  Jaispitz 
und  den  Bandenführer  SokoL*  (Trotz  aller  Verträge  und  Bünd- 
nisse wiederholten  sich  1399  die  Einf^e  auf  österreichischen 
Boden,  wodurch  die  Walseer,  Meissauer,  Kuenringe  und  Puch- 
heimer  bedroht  waren.  Bereits  im  März  dieses  Jahres^  unter- 
handelte Reinprecht  II.  in  Freistadt  mit  Gesandten  K.  Wenzels 
und  die  Übereinkunft  im  Felde  vor  Hard  von  1399*  August  4 


»  Vgl.  Urk.  1396  August  3,    HHStA.  Kod.  17,  f.  25';  ürk.  1396  Septem- 
ber 29,  Hoheneck,  Genealogie  III,  814. 

•  ürk.  1395  April  17;  LB.  IV,  r.  2478. 

>  1396—1399  werden  abermals  10  Urfehden  auf  Reinprecht  ausgestellt. 

•  Kurz,  Albrecht  IV.,  Bd.  I,  44;  Krones,  Gesch.  Österreichs  II,  219. 
»  Urk.  1399  März  11;  HHStA.  Kod.  16,  fol.  45. 

•  Urk.  1399  August  4;  Cod.  dipl.  epist.  Mor.  XII,  482. 


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323 

übertrug  die  Entscheidung  des  Streites  mit  denen  von  Neuhaus 
sechs  Schiedsrichtern,  darunter  Rudolf  I.  und  Reinprecht  11. 
von  Walsee-Ens.  In  den  nächsten  Tagen  *  folgten  auch  die  von 
Kunstadt  auf  Jaispitz  und  die  von  der  Leippe  ihrem  Beispiele. 
Die  Schiedsleute  Mlten  im  September  1399  *  ihre  Sprüche,  wo- 
mit die  Sache  vorläufig  ihren  Abschluß  fand. 

Die  Bedeutung  dieses  Zeitabschnittes  lag  indes  in  wich- 
tigen familiengeschichtlichen  Ereignissen  und  Veränderungen, 
die  sich  in  den  Jahren  1390 — 1400  vollzogen;  am  Schlüsse  der- 
selben sind  es  die  drei  Brüder  Rudolf  I.,  Reinprecht  II.  und 
Friedrich  V.  von  Walsee-Ens,  welche  das  Erbe  der  Tib einer 
und  den  gesamten  Besitz  des  Hauses  Walsee  in  ihrer 
Hand  vereinen. 

In  fortwährendem,  sich  immer  rascher  steigerndem  An- 
wachsen bewegt  sich  zugleich  die  Gütergeschichte  dieser  Linie 
des  Geschlechtes,  bis  sie  in  den  Erbschaften  der  Jahre  1398, 1399 
und  1400  und  damit  in  der  Hauptsache  die  Besitzentwicklung 
der  Herren  von  Walsee  überhaupt  ihren  Höhepunkt  erreicht. 

Bald  nach  dem  Tode  Reinprechts  I.  fiel  seinen  Söhnen 
aus  dem  Erbe  der  1363  erloschenen  Walseer  zu  Graz  die  große 
Herrschaft  Riegersburg  zu,  welche  der  gesamten  Enser  Linie 
in  ihren  beiden  Zweigen  gemeinsam  verblieb.*  Die  Klage, 
welche  Herzog  Rudolf  IV.  1365  März  20*  vor  Leutold  von 
Stadeck,  Landmarschall  in  Osterreich,  gegen  sie  wegen  der 
niederen  Feste  zu  Riegersburg  vorbrachte,  die  einst  Satz  Fried- 
richs HL  von  Walsee-Qraz  von  Herzog  Albrecht  IH.,  dann 
Eberhards  VIII.  von  Walsee-Graz  Erblehen  geworden  war, 
wurde  zugunsten  der  Enser  Walseer  entschieden.  Weiterhin 
kam  an  Ankäufen  in  der  Steiennark  lediglich  1379  *  der  eines 
Hauses  in  der  Bürgerstraße  zu  Graz  hinzu,  dessen  Erwerbung 
den  Brüdern  wohl  wegen  Rudolfs  I.  Stellung  als  Hauptmann 
in  der  Steiermark  wünschenswert  schien. 

Zwischen  den  drei  Brüdern  Rudolf  I.,  Reinprecht  II.  und 
Friedrich  V.  scheint  eine  förmliche  Teilung  ihrer  in  der  Folge 


1  Urk.  1399  August  12  und  16;  Kura,  Albrecht  IV.,  Bd.  I,  187. 

*  Ebenda  191.  Urk.  1399  September  9;  Orig.  Gr.Cerninsches  Archiv  Neuhaus. 
'  Vgl.  die  gemeinsam   ausgestellten  Lehenbriefe  1364  Dezember  21;   1369 

Dezember  18;  Brandl,  Urk.-B.  d.  Teuffenbach  45,  81. 

*  Schwind-Dopsch,    Urkunden   zur  Verfassungsgeschichte  Österreichs,  243. 
»  Urk.  1379  August  26;  NB.  I,  374. 


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324 

durch  Kauf  und  Anfall  stark  vermehrten  väterlichen  Besitzungen 
nicht  erfolgt  zu  sein.  Doch  nahm  Rudolf  I.  seinen  Sitz  vor- 
wiegend zu  Seusenek,^  welches  sein  Vater  zum  Wittume  ihrer 
Mutter  bestimmt  hatte,  und  das  nun  etwa  1368  nach  deren 
Tode  an  ihn  kam.  Zu  den  dortigen  Besitzungen  im  Ips-  and 
Erlafgebiete  erwarb  Rudolf  I.  in  diesen  Jahren  eine  Anzahl 
kleiner  Güter  ,auf  dem  Gehage*,  zu  Windpassing,  Neustadt], 
Viehdorf  und  Schildern,'  meist  freie  Eigen,  durch  Kauf  oder 
Pfandrecht  und  rundete  dadurch  diese  Gtttergruppe  ab. 

Mit  seinen  Brüdern  stiftete  Rudolf  I.  1368'  den  dahin- 
geschiedenen Eltern  zu  St.  Georgen  a.  d.  Ipsfelde  einen  Jahr- 
tag,  dem  Kloster  Schlierbach  erwies  er  sich  geneigt  und  eine 
Anzahl  von  Stiftungen  der  Brüder  beweist,  daß  auch  ihnen 
dieser  Zug  des  Mittelalters  nicht  fremd  war.  Gleichwohl  war 
Rudolf  I.  der  Kirche  gegenüber  keineswegs  nachgiebig,  so 
wenig  wie  sein  Bruder  Reinprecht  II.,*  der  mehrmals  mit  der 
Geistlichkeit  in  Zwiespalt  lag,  was  zweimal  beinahe  zur  Ver- 
hängung kirchlicher  Strafen  über  den  trotzigen  Mann  geführt 
hätte.  Trotzdem  verfolgten  sie  dabei  den  von  den  Ihrigen  ein- 
geschlagenen Weg  weiter:  sie  wußten  eine  ganze  Anzahl  kirch- 
licher Besitzungen  an  sich  zu  bringen  und  förderten  dadurch 
die  Interessen  des  Landesfürstentums.  So  scheint  nach  dem 
Tode  Eberhards  V.  von  Walsee-Linz  durch  die  Gerhabschaft  über 
dessen  Sohn  Georg  die  Pflege  der  wichtigen  passauischen  Feste 
St.  Georgenberg  an  Rudolf  I.  als  den  ältesten  der  Brüder 
übergegangen  zu  sein,  die  er  1377 '^  gegen  Dienstrevers  Zach- 
reis dem  Haderer  übergab;  gleichfalls  als  Pflege  erhielt  er 
1375^  von  demselben  Bistum  den  Markt  Amstetten  samt 
dem   Marktgerichte.     Vom   Bischof  Konrad   von   Regensburg 


»  Vgl.  Urkk.  1369  Februar  26,  UBoE.  Vm,  409;  1873  Juli  8,  BegesU 
Boica  IX,  300;  1377  Febraar  20,  NB.  IV,  454;  1382  Januar  16,  eben- 
da 564. 

•  SSmtlich  bei  Amstetten;  Urkk.  1364  Juli  13,  NB.  IV,  386;  1369  Fe- 
bruar 25,  UBoE.  vm,  409;  1371  Februar  2,  ebenda  509;  1393  Sep- 
tember 26;  Orig.  Linser  Musealarchiy. 

*  1368  November  12;  Keiblinger,  Oesch.  Yon  Melk  II,  261. 

*  Vgl.  die  Bemerkung  im  Zehentbuche  der  Propste!  St.  Stephan,  Blätter 
des  Vereines  für  Landeskunde  Ton  NiederOsterreich  XXIY,  181. 

»  Urk.  1377  Mira  8;  NB.  IV,  556. 

•  Urk.  1375  Juli  24;  Monumenta  Boica  XXX»,  317. 


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325 

wurde  ihm  ferner  1373^  die  Pflege  der  Hofmark  Pöchlarn 
anvertraut.  Bischof  Bertold  von  Freising  verlieh  ihm  1383* 
die  Pflege  der  Herrschaften  Waidhofe n  und  Ulmerfeld, 
welch  letztere  ehedem  bereits  Friedrich  II.  von  Walsee-Ens 
innegehabt  hatte;  als  Freisinger  Lehensmann  wurde  Rudolf  I. 
vom  Bischof  1399*  in  einem  Streite  um  Freisinger  Güter  zum 
Richter  bestellt.  Da  auch  andere  Walseer  nach  dieser  Richtung 
hin  tätig  waren,*  befanden  sich  zu  Ende  des  14.  Jahrhunderts 
die  meisten  Lehen  und  Pflegschaften  der  Hochstifte  zwischen 
Ens  und  Wienerwald  in  den  Händen  des  Hauses  Walsee,  das 
hier  damals  weitaus  über  den  gi'ößten  Besitz  verfügte. 

Das  Testament  des  Seitz  von  Kuenring,  der  den  drei 
Brüdern  1374*  eine  Hälfte  der  Feste  Seefeld,  ZoUerisches  Lehen, 
als  seinen  Oheimen  vermachte,  kam  nicht  zur  Ausführung. 
Dagegen  gelang  denselben  eine  andere  Erwerbung,  indem  sie 
das  Erbgut  ihrer  Stiefschwester  Agnes,  das  von  ihres  Vaters 
erster  Gattin  herrührte,  wieder  an  sich  brachten.  Die  beiden 
Stiefschwestern  Elsbet  und  Agnes*  —  längst  bereits  vermählt 
—  hatten  von  Herzog  Albrecht  1372^  die  Bewilligung  erhalten, 
ihre  österreichischen  Lehen  einander  vermachen  zu  dürfen. 
Viehofen,®  das  passauischer  Lehenschaft  war,  ging  vorerst 
gegen  Abfindung  in  Agnes'  Alleinbesitz  über,  die  es  1374® 
samt  ihrem  Eigengute  zu  Anzbach  (bei  Böheimkirchen)  ihren 
drei  Stiefbrüdern  um  2500^^  verkaufte. 

Zur  Abrundung  ihrer  Herrschaft  Wachsenberg  im  Lande 
ob  der  Ens  war  der  Kauf  der  Feste  Roteneck  (nordwestlich 
von  Ottensheim),  eines  herzoglichen  Lehens,  bestimmt,  welche 
die  Brüder  nebst  zugehöriger  Mannschaft  in  der  Grafschaft 
Wachsenberg  und  dortigen  passauischen  und  bambergischen 
Lehen  1375*®  von  Diemut,  der  Witwe  Herrmanns  von  Landen- 
berg,   erkauften.     Sie    behielten   indes    diese    Erwerbung    nur 


1  Vgl.  Rudolfs  Pflegrevers,  1373  Juli  8;  Regesta  Boica  IX,  300. 

•  Urk.  1883  Juni  9;  NB.  IV,  668. 

»  Urk.  1399  Juli  3;  Regesta  Boica  XI,  158.  *  Vgl.  8.  342. 

<»  Vgl.  Urkk.  1373  Oktober  16,  Monumenta  Zollerana  VII,  219;   1374  No- 
vember 30,  ÜBoE.  Vm,  728. 

•  Vgl.  die  Genealogie. 

»  Urk.  1374  Juli  25;  UBoE.  VUI,  713.  »  Nördlich  von  St.  Polten. 

•  Urk.  1374  Juli  25;  UBoE.  VIH,  713. 
"  Urk.  1375  März  17;  UBoE.  Vm,  749. 


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326 

kurze  Zeit  und  verlehnten  die  Feste  bereits  1377*  an  Ludwig 
den  Neundlinger  weiter,  in  dessen  Familie  sie  nun  blieb. 

Trotz  oder  eben  infolge  dieser  Ankäufe  und  obgleich 
Reinprechts  U.  junges  Gemahl  Katharina  von  Liechtenstein- 
Nikolsburg  1370  eine  Mitgift  von  900  0^,  ebenso  Rudolfs  I. 
Gattin  Agnes  von  der  Leippe  1374^  eine  solche  von  iOÖ6€/  Ji 
mitgebracht  hatte,  und  wiewohl  auch  die  Gerhabschaft  über 
Jörg  von  Walsee-Linz  durch  die  Brüder  nicht  uneigennützig 
verwaltet  wurde,  hatten  die  Brüder  in  diesen  Jahren  einen  be- 
trächtlichen Schuldenstand.  Dem  Grafen  Thoman  von  St.  Geor- 
gen schuldeten  sie  1376'  eine  Summe  von  700  Ä^  und  der 
Schiedsspruch  von  1378  November  5  legte  ihnen  bedeutende 
Verpflichtungen  gegenüber  Georg  von  Walsee-Linz  auf;*  dazu 
kamen  mehrere  Schuldbriefe^  an  Juden  —  das  Zeichen  finan- 
zieller Bedrängnis. 

Die  Ursachen  dieser  Verschuldung  lagen  indes  keines- 
wegs in  drückenden  Vermögensverhältnissen,  sondern  darin,  daß 
Rudolf  I.  und  seine  Brüder  ansehnliche  Beträge  an  ihre  in 
diesen  Jahren  verheirateten  beiden  Schwestern  auszuzahlen, 
insbesondere  aber  große  Summen  rückständiger  Forderungen 
beim  Landesfürsten  hatten.  Das  Übereinkonmien  der  Herzoge 
Albrecht  und  Leopold  von  1373  Dezember  31*  wies  bereits 
eine  Schuld  von  2254  Gulden  an  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens 
Herzog  Albrecht  zu.  1374  März  13^  bekannte  Herzog  Albrecht 
Rudolf  I.  von  der  Landvogtei  in  Schwaben  und  im  Elsaß  wegen 
6054  Gulden  und  überdies  1800  Gulden  schuldig  zu  sein,  die 
er  für  ihn  an  Haug  von  Tibein  bezahlt  hatte;  erlegte  der  Herzog 
diese  Summe  nicht  bis  Sonnwend,  so  sollte  die  Feste  Weiten- 
eck® an  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  verpfändet  werden.  Da 
der  Herzog  das  Geld  nicht  aufbringen  konnte,  verpfändete  er 
schließlich    1374    Oktober    7»   den   Brüdern   Rudolf  I.,    Rein- 


*  Urk.  1377  Jmnnar  17;  NB.  I,  379. 

*  Urk.  1374  Juli  4;  NB.  IV,  536. 

»  Urk.  1376  Juli  13;  NB.  IV,  562.  *  Vgl.  8.  292. 

5  Urkk.  1377  Mai  13;    1378  Juni  11,    November  19;    1379  September  4; 
NB.  IV,  656—569. 

*  Thommen,  Urk.  zur  schweizer.  Gesch.  II,  34. 

^  Kod.  5/10  Strein  Mskr.,  oberösterr.  Landesarchiv. 
"  Bei  Melk,  an  der  Donau. 
'  Thommen,  ebenda  II,  57. 


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327 

precht  n.  und  Friedrich  V.  von  Walsee- Ens  um  4060  & ^  die 
Burg  zu  Steier  samt  der  Burghut  und  dem  Urbar  daselbst 
und  406  €1^  Gülten  bis  zur  Wiedereinlösung  um  dieselbe  Summe; 
dafür  hatten  die  Brüder  die  Bui^  den  Herzogen  offen  zu  halten 
und  ihnen  damit  gewärtig  zu  sein.  1379  Oktober  28*  gaben 
Rudolf  I.  und  Friedrich  V.  ihr  Teil  an  der  Pfandschaft  von 
4060  Äf^>  gänzlich  an  Reinprecht  II.  von  Walsee-Ens  ab. 

So  trat  der  ältere,  gemeinsame  Besitz  der  Brüder  in  dem 
Maße  zurück,  als  jeder  derselben  durch  Erbschaften,  Käufe 
und  Belehnungen  seine  eigenen  Erwerbungen  machte. 

Auf  seiner  Feste  Seusenek  widerlegte  Rudolf  I.  von  Wal- 
see-Ens 1382*  die  Morgengabe  seiner  Gattin  Agnes  von  der 
Leippe  von  1100  Äf.Ä.  Noch  im  gleichen  Jahre  testierte  ihm 
der  verschwägerte  Graf  Yban  von  Pemstein  2200  AT /Ä  auf 
seinem  Satze  zu  Gutensteih  *  und  zwei  Monate  später  Johanna, 
Witwe  des  Grafen  Ulrich  von  Pemstein,  mehrere  Sätze  und 
Zehenten  von  zusammen  1100  Äf/Ä.  Dieses  Erbe  fiel  Rudolf  I. 
auch  tatsächlich  zu;  sein  Streit  darüber  mit  Otto  dem  Eren- 
felser  wurde  1385*  durch  Herzog  Albrechts  Spruch  ent- 
schieden. 

Eine  weitere  Erwerbung  war  jene  der  Feste  Rabenstein 
an  der  Pielach,*  die  ihm  1386  nach  dem  Tode  des  söhnelosen 
Heinrich  von  Rauhenstein  als  Leibgedinge  zufiel,  wie  Herzog 
Albrecht  bereits  1384®  zugesagt  hatte.  Eine  Ergänzung  fand 
dieser  Zuwachs  noch  durch  Bemgers  von  Landenberg'  Testa- 
ment, der  Rudolf  I.  Güter  zu  Weinberg  und  Diepoldsdorf** 
und  weiter  1387  sein  Teil  an  Rabenstein  nebst  einem  Hofe  zu 
Mannswört*  und  der  Feste  Weinsberg  vermachte.  ^®  Gleichzeitig 
machte  Rudolf  I.  auch  Ansprüche  auf  die  in  der  Nachbarschaft 
von  Rabenstein  gelegene  Feste  Weißenberg  geltend,  doch  ver- 


»  Orig.  HHStA.  «  ürk.  1382  Januar  16;  NB.  IV,  664. 

•  Im  Wienerwalde;  Urkk.  1882  August  28,  Oktober  8;  NB.  I,  376. 

•  Urk.  1386  März  12;  Orig.  Niederö«terr.  Landesarchiv. 

•  VOWW.,  nicht  jenes  an  der  Mur  in  Steiermark. 

•  Urk.  1884  Januar  16;  WSt.  697. 

^  Auch  die  Landenberger  standen,  yielleicht  durch  die  Liechtensteiner 
oder  Hohenberger,  in  verwandtschaftlichen  Beziehungen  zu  den  Wal- 
seem,  die  aber  dunkel  bleiben;  vgl.  WSt.  170—172  und  die  Topographie 
von  NiederOsterreich  V,  816. 

•  Beide  bi  Putten,  VÜWW.  •  Unterhalb  Wien. 

w  Urkk.  1387  M&rz  12,  LB.  IV,  r.  2048;  1387  März  26,  NB.  IV,  697. 


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328 

blieb  dieselbe  durch  Herzog  Albrechts  Spruch^  1388  Juni  5 
bei  Hans  von  Liechtenstein-Nikolsburg.  1391  *  erhielt  Rudolf  L 
den  von  Passau  zu  Lehen  rührenden  Zehent  zu  Weißenberg, 
der  durch  den  Tod  des  Rauhensteiners  erledigt  worden  war, 
und  nach  dem  Sturze  des  Liechtensteiners  verlieh  Herzog 
Albrecht  1396'  Rudolf  I.  ein  Dritteil  von  Weißenberg  samt 
dem  Kirchenlehen  und  Watenstein/  die  dem  Liechtensteiner 
konfisziert  worden  waren.  Der  leibgedingsweise  Besitz  von 
Rabenstein  ward  Rudolf  I.  und  seinen  Brüdern  nochmals  ^  durch 
die  Herzoge  Albrecht  und  Wilhelm  verbrieft. 

Ende  1389  oder  1390  hat  Rudolf  L  die  Feste  Asparn 
an  der  Zaia,  welche  sein  Bruder  Friedrich  V.  ererbt  hatte,  an 
sich  gebracht,^  da  sie  sich  so  leichter  gegen  anderweitige  Erb- 
ansprüche behaupten  ließ.  Dazu  erhielt  Rudolf  I.  auch  1391 ' 
die  durch  den  Tod  des  Rauheneckers  ledig  gewordenen  Passauer 
und  1393®  die  herzoglichen  Lehen  um  Asparn.  Ein  Zehent- 
tausch mit  dem  Pfarrer  zu  Mistelbach  diente  1397^  abermals 
dem  Zwecke,  die  Herrschaft  Aspem  zu  arrondieren.  Dem 
untertänigen  Markte  gleichen  Namens  schenkte  Rudolf  I.  sein 
besonderes  Wohlwollen  und  suchte  ihn  zu  heben.  Er  bestiflete 
die  neue  Kapelle  ^^  in  der  Pfarrkirche  daselbst;  1398  Mai  24" 
gestatteten  ihm  die  Herzoge  Wilhelm  und  Albrecht,  Asparn  mit 
einer  Ringmauer  zu  umgeben,  und  verliehen  dem  Markte 
August  5^^  auch  einen  Jahrmarkt. 

An  Besitzverlusten  haben  wir  dagegen  lediglich  den  der 
Feste  Leopoldsdorf  ^^  zu  verzeichnen,  die  Rudolf  L  von  Wal- 
see-Ens  erst  1394**  als  freies  Eigen  von  den  Stockhornem  er- 


1  LB.  IV,  r.  2186.  "  ürk.  1891  Juli  11;  NB.  IV,  606. 

»  WSt.  697.  *  Bei  Weißenberg. 

»  Urkk.  1398  Juni  4,   1899  März  22;  LB.  IV,  r.  231,  304. 

•  Vgl.  HHStA.  Kod.  48,  f.  62'. 

'  Urk.  1391  Mai  2;  NB.  IV,  604. 

•  Urk.  1393  September  27;  NB.  I,  879. 

•  Urk.  1397  Juli  26;  NB.  IV,  606. 

^^  Urk.  1397  März  27;  Blätter  des  Vereines  für  Landeskunde  von  Nieder- 
österreich IV,  147. 

^^  Maurer,  Gesch.  des  Marktes  Aspam,  840. 

"  HHStA.  Kod.  16,  f.  72. 

"  Bei  Wien. 

^*  Urk.  1394  März  7;  Blätter  des  Vereines  fQr  Landeskunde  Ton  Nieder- 
(toterreich  XXVIH,  346. 


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329 

worben  hatte;  er  hat  sie  1398  seiner  Schwester  Dorothea, 
Wulfing  von  Stubenbergs  Witwe,  um  560  €1^  verkauft.  ^ 

Lagen  alle  diese  Besitzerwerbungen  in  Niederösterreich, 
wo  Rudolf  I.  in  jenen  Jahren  als  Landmarschall  tätig  war,  so 
blieben  die  seines  Bruders  Reinprecht  11.,  des  Hauptmannes  ob 
der  Ens,  auf  dieses  Land  beschränkt. 

Als  Begleichung  der  ihm  aus  der  Schaumbergerfehde  er- 
wachsenen Kosten  und  zur  Lösung  des  Satzes  von  Steier  er- 
hielt Reinprecht  IL  1384  September  17*  vom  Herzog  Albrecht 
die  Herrschaften  Neuburg  am  Inn  und  Falkenstein  für 
5000^/1^  verpfändet,  die  lange  Jahre  hindurch  im  Pfandbesitze 
der  Walseer  zu  Linz  gewesen  waren,  und  zwei  Tage  darauf 
versprach  ihm  der  Herzog,  •  ihn  vor  Ablösung  der  beiden  Herr- 
schaften der  Hauptmannschaft  ob  der  Ens  nicht  zu  entsetzen  und 
die  beiden  Festen  im  Falle  seines  vorzeitigen  Todes  von  seinen 
Erben  auf  deren  Verlangen  innerhalb  eines  Vierteljahres  zu 
lösen.  Überdies  sicherte  er  ihm  für  die  strittige  Maut  zu 
Schardenberg*  Ersatz  zu,  falls  selbe  den  Herzogen  von  Bayern 
zugesprochen  würde.  Die  Lösung  beider  Festen  erfolgte  indes 
erst  längst  nach  Reinprechts  H.  Tode. 

Neuerliche  Erwerbungen  arrondierten  dessen  Herrschaft 
Wachsenbei^.  Für  seine  Dienste  erhielt  Reinprecht  H.  1386^ 
vom  Herzoge  die  Belehnung  mit  einer  Weierstat  zu  (Ober-) 
Neukirchen  im  Wachsenberger  Gerichte.  Im  nahen  Ottens- 
heim  erkaufte  er  1388*  ein  Haus  von  dem  dortigen  Richter 
Wemhard  Hager.  Wichtiger  war  es,  daß  Reinprecht  1398 
Juli  25^  um  700  Gulden  Nürnberger  Währung  alle  bambergi- 
schen Eigen,  Güter,  Zehente,  Lehen  und  Gülten  in  der  Herr- 
schaft Wachsenberg  und  zu  Alhaming*  an  sich  brachte. 


^  Urk.  1398  Mai  10;  Orig.  Niederösterr.  Landesarchiy. 

*  HHStA.  Kod.  Sappl.  408,  f.  6';  Tgl.  die  Anm.  S.  287. 

•  LB.  in,  r.  1882—1884. 

^  Bei  Schärding,  nächst  Wernstein;  nicht  Schwertberg  an  der  Aist. 

>  Urk.  1356  Mai  6;  HHStA.  Kod.  Sappl.  408,  f.  6. 

«  Urk.  1388  Mai  28;  Orig.  StAEferding.  Möglich,  daß  dieser  Hauskauf 
bereits  mit  der  Gründung  des  Walseer  Spitales  in  Ottensheim  zusammen- 
hängt, die  Tor  1416  durch  Reinprecht  U.  oder  dessen  Brttder  sicher- 
gestellt ist;  Tgl.  Grillnberger,  Das  Walseer  Spital  in  Ottensheim.  Archiv 
für  Gesch.  der  DiOzese  Linz  I,  46. 

'  Orig.  Linzer  Musealarohiy. 

'  Bei  Neuhofen  im  Kremstale. 


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330 

An  kleineren  Ankäufen  dieser  Jahre  erwähnen  wir  jene 
eines  Hauses  zu  Linz  1387^^  eines  Hauses  zu  Wels*  1392  und 
1393  von  Bürgern  daselbst,  des  Sitzes  zu  Au  bei  GaUneu- 
kirchen,  den  Konrad  Walich  1386'  an  Reinprecht  IE.  versetzte, 
eines  Hofes  zu  Varichberg  an  der  Trattnach  nächst  seiner 
Feste  Tratteneck*  und  schließlich  1393*  des  Bauhofes  in  der 
Pfarre  Steinbach  am  Ziehberge,  sowie  1400*  des  Hofes  zu  Buch- 
egg, Pfarre  Viechtwang,  beide  wabeeische  Lehen  in  der  Herr- 
schaft Scharnstein.  Die  Mittel  zu  diesen  "Käufen  ließen  sich 
umso  leichter  beschaffen,  als  Reinprechts  H.  Gattin  Katharina 
eine  bedeutende  Erbschaft  ,von  ihrer  Anfrau  mueterhalben, 
Herrn  Ulrichs  Hausfrau  von  Liechtenstein-Murau*  zufiel,  600Äf.Ä, 
die  sie  ihrem  Gemahle  1393  September  22'  zu  Wien  ver- 
schrieb. 

In  den  Jahren  1395 — 1397  erhielt  Reinprecht  H.  auch 
von  Herzog  Albrecht  die  Pflege  der  Grenzfeste  Starhemberg* 
am  Hausruck.  Aus  dem  konfiszierten  Liechtensteinischen  Be- 
sitze verlieh  ihm  der  Herzog  1397  Jänner  6*  als  Leibgedinge 
die  Feste  Spielberg,  die  nach  dem  Tode  Reinprechts  L,  dessen 
Leibgedinge  sie  gewesen,  an  den  Herzog  zurückgefallen  war; 
sie  findet  sich  indes  bereits  1400  wieder  in  fremdem  Besitze. 
Weiter  verpftlndeten  ihm  die  Herzoge  Albrecht  und  Wilhelm 
um  2000 «r^  1398  Mai  lO^«  die  Feste  Pernstein  mit  allem 
Zugehör  und  dem  Gerichte  auf  dem  Mos,  wie  es  der  Liechten- 
steiner immer  gehabt. 

In  Niederösterreich  hat  Reinprecht  H.  lediglich  1384**  von 
seiner  Muhme  einen  Zehent  zu  Rossaz  in  der  Wachau  sowie 
um  1390  von  seinem  Bruder  Friedrich  V.  die  Feste  Rauhen- 
eck erkauft,  welche  ihm  Herzog  Albrecht  dann  1398**  als  Leib- 
gedinge verlieh. 


^  Urk.  1387  April  24;  Orig.  Linser  Muftealarchiv. 

*  Urkk.  1392  Hai  U,   1393  Oktober  14;  Orig.  ebenda. 
»  Urk.  1386  Januar  1;  Orig.  StAEferding. 

*  Urk.  1389  November  30;  Orig.  HHStA. 
»  Urk.  1393  November  26;  Orig.  HHStA. 

*  Urk.  1400  Januar  21;  ebenda.  '  NB.  I,  876. 

*  Urk.  1366  Angnst  28;  UBoE.  YHI,  238  ist  aus  einwandfreien  Gründen 
(HoflLmter!)  mit  1895—1397,  also  wohl  1896  zu  datieren,  nicht  1883, 
wie  sie  WSt.  699  ansetst. 

*  Kop.  Linzer  Musealarchiv.  "  LB.  V,  r.  228. 

"  Urk.  1384  November  13;  NB.  IV,  691.  "  Inventar,  f. 43. 


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331 

Spät  erst  fahrte  Friedrich  V.  von  WalseeEns,  der  jüngste 
der  drei  Brüder,  seine  Hausfrau  Anna,  eine  Tochter  Friedrichs 
von  Winkel,  heim.  Wir  erfahren  von  ihr  zum  erstenmale  1384,^ 
als  sie  von  ihrem  Großvater  Hans  dem  Tursen  von  Rauheneck 
die  Festen  Asparn  an  der  Zaia'  und  Rauheneck  bei  Baden, 
herzogliche  Lehen,  ererbte  und  ihrem  Gemahle  zubrachte;* 
dieser  erwarb  1384  durch  Kauf  Güter  zu  Haberstorf*  und  im 
folgenden  Jahre  Gülten  und  Holden  zu  Dürrenschletz  hinzu.* 
Dieses  namhafte  Erbe  wußte  Friedrich  V.  gegen  seine  Schwäger 
dadurch  leichter  zu  behaupten,  daß  er  alsbald  Asparn  an  seinen 
Bruder  Rudolf  I.,  Rauheneck  an  Reinprecht  H.  kaufweise  ab- 
trat.* 1389  begab  sich  Alber  von  Ottenstein  seiner  Ansprüche 
darauf  zugunsten  Friedrichs  V.  und  seiner  Gattin^  und  schließ- 
lich verzichteten  1395®  auch  Heinrich  und  Hans  die  Pemer 
sowie  1397*  Weikhart  von  Polheim  gegen  eine  Summe  von 
400  it^  auf  beide  Schlösser. 

Wegen  der  Nähe  von  Aspam  war  die  Erwerbung  der 
benachbarten  Feste  Straneck  sehr  gelegen,  welche  Fried- 
rich V.  um  3000  Äf/Ä  von  seinem  Vetter  Georg  von  Walsee- 
Linz  erkaufte,  ^^  der  sich  jedoch  das  Rückkaufsrecht  daran 
sicherte.  Seiner  zweiten  Gattin  Ita  von  Weinsberg  widerlegte 
Friedrich  V.  1395^^  ihre  Heimsteuer  von  4000  ung.  Goldgulden 
und  verpfändete  ihr  dafür  Straneck  samt  Zugehör  mit  220  Äf /Ä 
Gülten  im  Dorfe  Straneck,  dem  Markte  Stronsdorf,  den  Dörfern 
Wulzeshofen  und  Reintal,  wie  er  es  alles  von  Georg  von  Wal- 
see-Linz erkauft  hatte. 

Damit  sind  jedoch  Friedrichs  V.  Erwerbungen  weitaus 
nicht  erschöpft. 

Das  Passauer  Domkapitel  überließ  ihm  und  seiner  Gattin 
am  Sonnwendtage  1389"  die  Stadt  St.  Polten  mit  dem  Stadt- 


*  Urk.  1384  Juni  10;  NB.  IV,  691.  »  Bei  Mistelbach. 
»  Vgl.  Urk.  1385  Juni  6;  NB.  IV,  692. 

*  Urk.  1884  Dezember  21;  ebenda. 

»  Urk.  1388  Februar  6  (richtig);  ebenda  698.  «  Vgl.  S.  328. 

^  Urk.  1389  September  26;  NB.  I,  378. 
»  Urk.  1396  April  6;  LB.  IV,  r.  2474. 

*  Urk.  1397  März  24;  Orig.  StAEferdiug. 

"  Vgl.  den  Revers  1890  MSrz  26;  NB.  IV,  601. 

"  Urk.1895  Juli  13;  Orig.  HHStA.  und  Urk.  1396  September  14;  Orig.  ebenda. 
>*  Regesta  Boica  X,  243. 
ArdÜT.  XCT.  Band.  H.  Hftlfte.  23 


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332 

gerichte  um  4000  €tj^  gegen  Wiederkauf.  Von  seinem  ältesten 
Bruder  übernahm  Friedrich  V.  außerdem  die  Grafschaft  Peil- 
stein,  in  deren  Alleinbesitz  er  sich  1390  und  weiterhin  findet; 
1398*  erkaufte  er  daselbst  ein  Inwerteigen  zu  Apholtespach,  in 
der  Pfarre  St.  Leonhard  im  Forst  gelegen.  Herzog  Albrecht 
verlieh  ihm  und  seinen  Brüdern  1397  Oktober  19*  seinen 
Satz^  die  Feste  Freienstein^  als  Leibgedinge.  Schließlich 
kaufte  er  1399  Juli  5*  vom  Bischof  Georg  von  Passau  die 
Güter  und  Zehente  zu  Wieselburg,  welche  Stephan  von  Zel- 
kings  Wittib  innegehabt  hatte. 

Mit  Vorliebe  hauste  Friedrich  V.  in  jenen  Jahren  auf 
seiner  in  der  Nähe  von  Seuseneck  gelegenen  Feste  Korns- 
pach  (jetzt  Karlsbach,  bei  Amstetten),  einem  herzoglichen 
Lehen,  das  sein  Bruder  Rudolf  I.  bereits  1376*  von  Friedrich 
von  Graben  erkauft  und  dann  an  Friedrich  V.  überlassen  hatte, 
der  sie  1390  vom  Herzoge  zu  Lehen  erhielt.*  Der  Marienkapelle 
zu  Komspach  stiftete  Friedrich  V.  im  gleichen  Jahre  ^  einen  Ka- 
plan mit  mehreren  Gütern,  auf  deren  Eigenschaft  Herzog  Albrecht 
bereits  1389^  verzichtet  hatte.  Seiner  Gattin  Ita  verschrieb  Fried- 
rich V.  1395®  neuerdings  4000  Goldgulden  als  Morgengabe,  dazu 
4000  Goldgulden  zu  ihrer  freien  Verfügung,  50Ä(.Ä  Gülten  auf 
Komspach  und  in  der  Pfarre  St.  Martin  gelegen.  Diese  Verschrei- 
bung  wurde  1396*  noch  von  Herzog  Wilhelm  bestätigt.  Um  1399 
hielt  sich  Friedrich  V.  dauernd  auf  Komspach  auf  und  scheint 
dort  an  schwerer  Krankheit  damiedergelegen  zu  sein.  Da 
seine  Gattin  bald  nach  1396  gestorben  war,  hatte  er  sich  be- 
reits in  den  nächsten  Jahren  mit  Dorothea  von  Starhemberg 
zum  drittenmale  vermählt.  In  seinem  letzten  Willen,  1399 
Juni  23  zu  Komspach  ^^  abgefaßt,  bedachte  er  sie  mit  400  A/i^ 
und  der  fahrenden  Habe,  traf  Bestimmungen  ftir  sein  Leichen- 


*  WSt.  696.  »  LB.  V,  r.  193.  »  Zeitschrift  ^dler*  H,  188. 

^  Inventar,  f.  6';  nicht  von  der  steirischen  Familie  gleichen  Namens, 
sondern  von  jener  im  VOWW.,  den  Dienstmannen  der  Peilsteiner,  den 
jHerren  im  Forste*  zagehörig. 

»  Inventar,  f.  4'.  •  ürk.  1390  März  4;  Orig.  StAEferding. 

'  ürk.  1389  Septemher  16;  LB.  IV,  r.  2180. 

8  ürk.  1396  September  14 ;  Orig.  HHStA. 

*  ürk.  1396  März  12;  WSt.  696.  Irrig  Karichperg  (!)  statt  des  sichern 
Komspach. 

^«  NB.  I,  376;  vgl.  die  Genealogie. 


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333 

begängnis  und  vermachte  dem  Kloster  Sensenstein  eine  Summe 
von  IbOÜ^  fUr  die  im  Chore  zu  Säusenstein  von  ihm  gestif- 
teten Glasmalereien. 

Diese  letzten  Erwerbungen  Friedrichs  V.  in  der  unteren 
Ipsgegend,  im  Erlaf-  und  Traisengebiete  gelegen,  stehen  oflFen- 
bar  in  völliger  Übereinstimmung  mit  den  Absichten,  die  sich 
in  der  gleichzeitigen  Güterpolitik  Rudolfs  I.  offenbaren. 

Alle  diese  bedeutenden  Vermehrungen  ihres  Besitzstandes 
wurden  jedoch  durch  vier  große  Erbschaften  noch  weit  über- 
troffen, welche  den  drei  Brüdern  in  rascher  Folge  in  den  Jahren 
1398—1400  zufielen. 

Von  ihrem  1398  verstorbenen  Vetter  Heinrich  IV.  von 
Walsee-Ens  erbten  die  Brüder,*  zu  deren  Gunsten  Ulrich  von 
Meissau  1399*  auf  jeden  Erbanspruch  verzichtete,  dessen  Pfand- 
schaften im  Attergau,  Frankenburg,  Attersee  und  Puch- 
heim,  Heinrichs  Anteile  an  dem  Satze  Wachsenberg  und 
den  Lehen  davon  sowie*  den  Markt  Leon  fei  den,  in  Ober- 
österreich ferner  die  Herrschaft  Ort  und  das  an  die  Ponhalme 
ausgetane  Lehen  Marbach,*  in  Niederösterreich  die  Herr- 
schaften Gleuß,  Purgstall*  und  Sinibelkirchen. 

Zu  Purgstall  erkaufte  Friedrich  V.  dann  1399*  noch  von 
Hans  dem  Häusler  dessen  Anteile  an  dieser  Feste  und  dem 
gleichnamigen  Markte  sowie  1400^  von  Christoph  dem  Laun 
ein  freies  Eigen  und  1403*  von  Jörg  dem  Hager  dessen  Hof 
auf  dem  Steinfeld,  ein  Lehen  des  Bistums  Regensburg,  beides 
in  der  Pfarre  Purgstall  gelegen. 

Das  Jahr  1399  brachte  den  Anfall  des  ganzen  tibeini- 
schen  Erbes:  die  beiden  unmündigen  Söhne  Haugs  VI.  waren, 
zuerst  Reinprecht  und  endlich  1399  Hang  VH.  gestorben  und 
damit  der  Mannsstamm  der  Tibeiner  erloschen.  Infolge  seiner 
Verwandtschaft  erhielt  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  1399  Ok- 
tober 10*  die  erbetene  Belehnung  mit  dem  nun  erledigten 
Wappen  der  Tibeiner. 


«  Vgl.  S.  344.  «  Urk.  1399  März  3;  Orig.  StAEferding. 

»  Vgl.  Urk.  1399  August  9;  Orig.  HHStA. 

*  Vgl.  Inventar,  f.  22'.  »  Vgl.  S.  343. 

*  Urk.  1397  Juli  17;  WSt.  596. 

*  Urk.  1400  Juni  11;  Orig.  StAEferding. 

*  Urk.  1403  Juni  1;  ebenda. 

*  LB.  V,  r.  354. 

23* 


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334 

Der  ganze  weit  ausgebreitete  Besitz  derselben  fiel  jetzt 
den  drei  Brüdern  von  Wakee-Ens  zu;  Ansprüche  Heinrichs  von 
Wildhausen  auf  das  Erbe  wurden  abgewiesen.  Dieser  große 
Güterkomplex  bestand  aus  den  Hauptherrschaften  Tibein 
(Duino);  Lehen  von  dem  Patriarchen  von  Aquileja  mit  dem 
neueU;  erst  von  den  letzten  Tibeinem  erbauten  Schlosse  Seno- 
setsch,^  Prem,  Quteneck*  und  Marenfels  (jetzt  Lupoglava) 
auf  dem  Karste^  den  Lehen  des  Bischofs  von  Pola:  Castua, 
Moschenizza,  Veprinaz  (sämtlich  am  Quarnero)  und  St  Veit 
am  Pflaumb  (Fiume),  mit  welchen  Rudolf  I.  und  seine  Brüder 
1400  belehnt  wurden,'  der  großen  Pfandschaft  Mitterburg 
mit  dem  habsburgischen  Istrien,  den  Sätzen  Görtschach* 
und  Neuburg  auf  dem  Kanker^  in  Ober-Krain,  den  Pfand- 
schaften Windischgraz  und  Mahrenberg  sowie  dem  herzog- 
lichen Lehen  (Ober-)Marburg^  in  der  Steiermark  und  dem 
Satze  auf  Bleib urg^  in  Kärnten  —  alles  in  allem  ein  mäch- 
tiger Besitz,  der  stattlichste  und  bedeutendste  unter  dem  ganzen 
Adel  auf  dem  habsburgischen  Gebiete  an  der  Adria. 

Der  Übergang  des  Tibeiner  Erbes  in  sichere  Hände  lag 
gar  sehr  im  Interesse  der  Habsburger.  Es  war  einer  der 
wichtigsten  Dienste,  welche  die  Walseer  ihnen  leisteten: 
Kamen  diese  Gebiete,  deren  Lehensrührigkeit  von  den  Kirchen 
von  Aquileja  und  Pola  bereits  stark  in  den  Hintergrund  ge- 
treten und  deren  Zugehörigkeit  selbst  zum  Deutschen  Reiche 
hinsichtlich  der  Polaner  Lehen  mindestens  fraglich  war,  jetzt 
in  Hände,  die  sich  etwa  den  Görzem  oder  gar  den  Venezianern 
gefügig  zeigten,  so  war  die  Verbindung  Triests  mit  Krain  ab- 
geschnitten, den  Habsburgern  das  Hinterland  von  Triest  ver- 
sperrt und  diese  Stadt  dann  nicht  zu  halten.  Alle  die  Versuche 
der  Habsburger,  an  der  Adria  festen  Fuß  zu  fassen,  konnten 
dann  vorderhand  schwerlich  von  Erfolg  sein;  bei  der  Expansiv- 


^  Von  Senosetsch   allein   steht  die  Lehensrührigkeit   von  Aquileja   nicht 

sicher  fest. 
'  Beim  Bekaorapronge.  '  Pichler,  II  castello  dl  Doino  233. 

*  Zwischen  Elrainborg  and  Laibach. 
^  Nordostlich  von  Krainbnrg. 

^  Herzogliche  Lehenherrschaft,  welche  die  Scherfenberger  innehatten  und 
1386  an  die  Tibeiner  verpfändeten. 

*  Nach  dem  Inventar  f.  24  scheint  dieser  Sata  gleichfalls  an   die  Walseer 
übergegangen  sn  sein. 


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335 

krafty  welche  die  Venezianer  am  Beginne  des  15.  Jahrhunderts 
entwickelten,  waren  sie  vielleicht  auf  lange  Zeit  hinausge- 
schoben. 

Nun  wurde  auch  im  kommenden  Jahre  1400  durch  das 
Aussterben  der  Linie  Walsee-Drosendorf  mit  Ulrich  IV. 
und  der  Linie  Walsee-Linz,  die  spätestens  Mitte  1401  mit 
Georg  von  Walsee-Linz  erlosch,  der  ganze,  seit  der  Einwan- 
derung des  Hauses  nach  Osterreich  geteilte  Besitz  der  Wai- 
se er  in  den  Händen  der  drei  Sprossen  aus  der  Enser  Linie 
vereinigt,  die  jetzt  allein  noch  am  Leben  waren. 

Von  Ulrich  IV.  fielen  den  Brüdern  die  Festen  Nieder- 
Walsee  mit  Sumerau  und  Sindelburg,  Merkenstein  samt 
Zugehör,  die  herzoglichen  Lehen  Sinibelkirchen,  Ebreichs- 
dorf  und  Hoheneck,  alle  Mannschaft  enthalb  der  Donau, 
der  herzogliche  Satz  Wachseneck  und  die  Stadt  St.  Polten, 
Pfandschaft  vom  Bistume  Passau,  sowie  schließlich  alle  Qülten 
von  den  Amtleuten  anheim;  außerdem  erhielten  sie  Anwart- 
schaft auf  die  Festen  Enzesfeld,  Gleichenberg  und  Weinburg, 
welche  Bernhard  von  Pettau  erbte. 

Binnen  Jahresfrist  kam  dazu  noch  das  Erbe  Georgs 
von  Walsee-Linz:^  Ober-Walsee  und  Freudenstein, 
Tratteneck  mit  dem  an  die  Geuman  verlehnten  Gallspach 
und  der  Vogtei  zu  Neumarkt,  die  Pfandschaft  Seusenburg 
mit  der  Vogtei  zu  Wels  —  sämtlich  in  Oberösterreich  gelegen 
—  femer  Senftenberg  mit  Zebing  und  Draß  sowie  die 
Herrschaft  Guntersdorf  in  Niederösterreich  und  einige  kleinere 
Güter. 

Durch  diese  vier  Erbschaften,  welche  in  der  kurzen 
Frist  von  drei  Jahren  den  gesamten  Besitz  der  Walseer  und 
das  große  Erbe  der  Tibeiner  an  Rudolf  I.,  Reinprecht  H.  und 
Friedrich  V.  von  Walsee-Ens  brachten,  verfügten  diese  über 
einen  enormen  Güterreichtum.  In  Verbindung  mit  ihren  Hof- 
ämtem  und  dem  weitgehenden  Einflüsse  bei  den  Habsburgern 
wurden  sie  dadurch  zu  einer  Machtflille  emporgehoben,  wie  sie 
schlechterdings  kein  einziges  der  großen  Adelsgeschlechter  in 
den  österreichischen  Ländern  am  Beginne  des  15.  Jahrhunderts 
besaß.  Eine  glänzende  Zukunft  war  dem  Hause  umsomehr  ge- 
sichert, als  die  drei  Männer,  die  es  damals  vertraten,  auch  zu 


»  Vgl.  8.  296. 


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336 

den   bedeutendsten  Persönlichkeiten  unter  ihren  Standes-    und 
Zeitgenossen  zählten. 

4.  Dar  Zweig  Ton  Ort  und  Sumerau:  Friedrioht  IL  Sohne  Fried- 
rich VI.  (t  1372),  Wolfgang  HI.  und  Heinrich  YL  (f  1398). 

Es  war  eine  zahlreiche  Nachkommenschaft,  welche  der 
1355  verstorbene  Friedrich  IE.  von  Walsee-Ens  seiner  Witwe 
Kunigund  hinterließ:*  die  drei  bereits  gevogten  Söhne  Fried- 
rich VI.,  Wolfgang  in.  und  Heinrich  VL,  von  welchen  der  mitt- 
lere bald  nach  1357  als  junger  Kleriker  verstarb,  der  bereits  die 
Pfarrpfrlinden  von  Ort  und  Riegersburg  innegehabt  hatte,*  und 
vier  Töchter,  von  denen  zwei  beim  Tode  ihres  Vaters  schon  ver- 
mählt waren.  Auf  ein  Jahrzehnt  hinaus  ist  es  wenig,  was  wir 
über  diesen  Zweig  des  Hauses  erfahren:  die  beiden  Söhne  wuchsen 
zu  tüchtigen  Männern  heran;  nach  wenigen  Jahren  verließen 
die  beiden  jüngeren  Töchter  gleichfalls  das  Elternhaus  und  ver- 
heirateten sich,  Elsbeth  um  1360  mit  Konrad  von  Meissau, 
Ursula  bald  nach  1361  mit  Gundaker  von  Polheim.* 

Jedenfalls  hat  Friedrich  VI.  alsbald  besondere  Fähigkeiten 
an  den  Tag  gelegt,  ohne  daß  wir  darüber  näheres  erfahren. 
Im  Jahre  1367  *  vertraute  ihm  dann  Herzog  Albrecht  das  ver- 
antwortungsvolle Amt  des  niederösterreichischen  Land  mar* 
Schalls  an.  Er  versah  dasselbe  offenbar  bis  an  sein  Lebens- 
ende, welches  bereits  1372  Dezember  11  erfolgte.* 

Seine  Gattin  findet  sich  nirgends  genannt;  eine  vage  Ver- 
mutung deutet  darauf  hin,  sie  sei  eine  Meissauerin  gewesen. 
Das  einzige  Kind  Friedrichs  VI.,  seine  Tochter  Afra,  wurde 
nachmals  mit  dem  1395  verstorbenen  Hertneid  von  Liechten- 
stein-Nikolsburg  vermählt.  Sie  überlebte  auch  ihren  zweiten 
Gatten,  Alber  Stuchsen  von  Trautmannsdorf,  der  1406  das  Zeit- 
liche segnete,  und  starb  hochbetagt  1439  zu  Wien,  wo  sie  in 
der  Kirche  Maria  am  Gestade  begraben  liegt.  ^ 

Wenige  Jahre  nach  dem  Tode  seines  Bruders  treffen  wir 
Heinrich  VI.  an  leitender  Stelle  in  Oberösterreich:  Seine  Hand 
war  vom  Herzog  Albrecht  III.  dazu  ausersehen,  dort  jenes 
Netz  um  die  reichsunmittelbaren  Grafen  von  Schaunberg  zu- 
sammenzuziehen,  dessen  Maschen  mit  sorglicher  Hand  in  den 

*  Vgl.  die  Genealogie. 

'  Vgl.  Lang,  Mouumenta  Salzburgo-Aquileiensia  II,  430—431,  490  und  726. 


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337 

Tagen  der  Herzoge  Albrecht  11.  und  Rudolf  IV.  unter  Mitwir- 
kung des  Hauses  Walsee  geknüpft  worden  waren.  ^ 

In  der  Fasten  1373  war  Graf  Ulricli  von  Schaunberg,  der 
Nachfolger  Eberhards  V.  von  Walsee-Linz  in  der  Hauptmann- 
schaft ob  der  Ens,  gestorben,  ein  aufrichtiger  Freund  der 
Habsburger.'  Als  dieselben  nun  dieses  wichtige  Amt  an  die 
Walseer  zurückkommen  ließen  und  es  1374  Heinrich  VI.  von 
Walsee-Ens  *  übergaben,  sah  sich  dadurch  der  Bruder  des  Ver- 
storbenen, Graf  Heinrich  von  Schaunberg,  ein  eifriger  Verfechter 
der  Rechte  seines  Hauses,  enttäuscht  imd  die  Beziehungen  des 
Schaunbergers  zu  den  Habsburgem  und  ihrem  neuen  Haupt- 
manne wurden  alsbald  äußerst  gespannte.  Dazu  geriet  Hein- 
rich VI.  von  Walsee-Ens  damals  in  Mißhelligkeiten  mit  salz- 
burgischen AdeUgen,  wie  Hartwig  von  Degenhart  und  dessen 
Vetter  Stephan  Altmann,*  denen  sich  auch  Erzbischof  Piligrim 
von  Salzburg  anschloß.  Durch  die  wachsende  Entfremdung 
zwischen  den  Herzogen  Albrecht  und  Leopold  ergab  es  sich, 
daß  alle  diese  gegnerischen  Kräfte  und  mit  ihnen  auch  die 
Schaunberger  nun  bei  Herzog  Leopold  Anlehnung  suchten  und 
auch  fanden.* 

Immer  mehr  reiften  die  Dinge  zur  Entscheidung  heran. 
Nach  allen  Seiten  hin  war  Heinrich  VI.  im  Interesse  des  Her- 
zogs gegen  den  Grafen  tätig.  Ende  1375  weilte  er  mit  seinem 
Vetter  Rudolf  I.  in  Schwaben;  in  ihrem  Beisein  wurde  dort 
auf  der  einstigen  Stammburg  des  Hauses  Walsee  das  Überein- 
kommen von  1376  Januar  6^  zwischen  den  Herzogen  Albrecht 
und  Leopold  abgeschlossen.  Ebenso  war  Heinrich  VI.  auf  dem 
Tage  von  Passau,  1376  August  28^  an  den  Verhandlungen  be- 
teiUgt,  durch  die  sich  Herzog  Albrecht  HI.  der  Herzoge  von 
Baiem  versicherte.  Vergebens  suchte  der  Schaunberger  sich 
durch  ein  Bündnis  mit  Salzburg  zu  decken  und  angesichts  der 
Verstimmung  zwischen  den  Herzogen  Albrecht  IH.  und  Leo- 
pold lU.  den  letzteren  zu  gewinnen. 


»  Vgl.  S.  276  und  286. 

«  Vgl.  Stmadt,  Peuerbach,  JBMFC.  XXVII,  391  flf. 

'  Urknndet  als  solcher  seit  1374  Dezember  12,  MonomenU  Zollerana  VI, 
301, 

*  Vgl  ürk.  1374;  LB.  IV,  undat.  Reg.,  r.  4. 

*  Vgl.  LB.  IV,  r.  1182. 

*  Knrz,  Österreich  unter  Albrecht  III.,  Bd.  I,  270.  *  Ebenda  276. 


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338 

Überdies  war  in  den  letzten  Jahrzehnten  die  Isolierong 
des  Schaunberger  Ländchens  immer  mehr  vorgeschritten:  von 
walseeischem  Besitze  verengten  nördlich  der  Donau  das  neu- 
erbaute Schloß  Ober-Wabee  (der  Linie  Walsee-Linz  gehörig), 
das  mit  seinem  hohen  Wartturme  zur  Beobachtung  des  gegen- 
überliegenden schaunbergischen  Gebietes  wie  geschaflFen  war, 
und  das  von  den  Walseem  zu  Ens  erkaufte  Roteneck,  im 
Trattnachtale  die  von  der  Linie  Walsee-Linz  erworbene  Vogtei 
über  Neumarkt  und  die  an  die  Qeuman  verlehnte  Feste  Galls- 
pach  den  Elreis,  ^  den  man  unter  Herzog  Albrecht  II.  um  das 
Gebiet  der  Schaunberger  gezogen  hatte.  Schließlich  kamen 
1379*  von  den  Cilliern  die  Festen  Frankenburg  und  Attersee, 
deren  Vogtei  schaunbergisch  war,  als  herzoglicher  Satz  an 
Heinrich  VI.,  der  damit  nun  auch  den  Schaunberger  Besitz  im 
Attergau  bedrohte.  So  hatte  Heinrich  VI.  allenthalben  seine 
Hand  im  Spiele  bei  dem  Bestreben  der  Habsburger,  schaun- 
bergische  Lehen  an  sich  zu  bringen.'  Am  empfindUchsten 
aber  traf  er  den  Grafen  damit,  daß  er  die  Treue  seiner  Vasallen 
wankend  machte  und  schließlich  im  Herbste  1379^  den  größten 
Teil  -seiner  Mannen  zum  offenen  Abfall  brachte. 

Nachdem  die  gegenseitige  Erbitterung  bereits  so  weit  ge- 
stiegen war,  daß  ein  Teil  die  Überläufer  des  anderen  in  seine 
Dienste  nahm,^  gab  endlich  ein  Streit  zwischen  dem  Haupt- 
manne und  dem  Grafen,  aus  uns  unbekannten  Ursachen  entsprun- 
gen, den  willkommenen  Anlaß  loszuschlagen.  Weder  Baiem 
noch  Salzburg  stand  dem  Grafen  bei,  Herzog  Leopold  war  ihm 
durch  die  Länderteilung  von  1379  entrtlckt  und  selbst  vom 
verschwägerten  Hochadel  fand  er  nur  bei  den  Rosenbergem 
dadurch  Unterstützung,  daß  er  sie  durch  die  Übergabe  von 
Eferding  an  sich  band.*  Vergeblich  ging  Graf  Heinrich  selbst 
auf  das  Ansinnen  Heinrichs  VI.  von  Walsee-Ens  ein,  den  Streit 
durch  Herzog  Leopold  entscheiden  zu  lassen.  Wir  erfahren 
nichts  von  einem  Schiedssprüche  des  Herzogs,  jedenfalls  aber 
hatte  Herzog  Albrecht  dadurch  Zeit  zur  Vollendung  seiner 
Rüstungen  gewonnen. 

*  Vgl.  Stmmdt,  «.  «.  O.  393.  •  Ebenda  u.  WSt.  694. 
»  Vgl.  Urk.  1375  November  1;  UBoE.  Vm,  783. 

*  Urk.  1379  Oktober  16;  Denkschriften  der  Wiener  Akademie  derWisien- 
Schäften  XII,  r.  623. 

»  Vgl.  Stmadt,  a.  a.  O.  398.  •  Ebenda  399. 


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339 

Noch  vor  dem  Ausbruch  des  Kampfes  ward  aber  Hein- 
rich VL  in  der  Hauptmannschaft  ob  der  Ens  durch  seinen 
Vetter  Reinprecht  11.  von  Walsee-Ens  ersetzt,  sei  es  nun,  daß 
eine  Krankheit  diese  Änderung  wünschenswert  machte  oder 
daß  Heinrichs  VI.  persönlicher  Streit  mit  dem  Grafen  die  Ur- 
sache derselben  war.^ 

Nach  der  Schaunberger  Fehde  tritt  Heinrich  VI.  nicht 
mehr  bedeutend  hervor.  Um  1385  war  er  Hauptmann  zu  Wiener- 
Neustadt,  später  Rat  der  Herzoge  Albrecht  IH.,  Leopold  IV. 
und  Wilhelm.*  Heinrichs  Ehe  mit  Anna  von  Hohenberg,  die 
als  Kind  seinem  Vetter  Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  versprochen 
war,  blieb  kinderlos;  Anna  war  1381  bereits  tot.  Als  letzter 
seines  Zweiges  hat  Heinrich  VI.  sein  Leben  1398  September  13 
beschlossen. 

Auch  dieser  Zweig  des  Hauses  Walsee  hat  eine  äußerst 
glückliche  wirtschaftliche  Tätigkeit  entfaltet.  Als  Friedrich  IL 
1355  starb,  erbten  die  drei  Söhne  den  uns  von  der  letzten  Tei- 
lung her  bekannten  väterlichen  Besitz.  ^  Bis  zur  Erfüllung  der 
letztwilligen  Anordnungen  ihres  Vaters  überantworteten  sie  ihrem 
Oheim  Reinprecht  I.  die  Herrschaft  Ort/  die  indes  bald  an  die 
Brüder  zurückkam,  welche  1360^  dazu  einen  passauisch  Lehen- 
zehent  zu  Herrenröch^  erkauften.  Als  ältestem  der  Brüder 
ward  Friedrich  VL  1357^  vom  Herzog  Albrecht  sein  Satz,  die 
Feste  Freienstein,^  auf  seine  und  seiner  Brüder  Lebenszeit 
verliehen  und  Herzog  Rudolf  IV.  übergab  ihm  1361  ®  auch  die 
Vogtei  über  Güter  des  bairischen  Klosters  Wetten*^  zu  Eis- 
domach. ^* 

Bald  darauf  ahmten  auch  Friedrich  VI.  und  Heinrich  VI. 
das  Beispiel  ihrer  Vettern  nach  und  nahmen  1361  August  3,^^ 
gleichfalls  eine  Teilung  ihres  Besitzes  vor.  Darnach  fielen  an 
Friedrich  VI.  fast  ausschließlich  niederösterreichische  Güter:  die 


*  Vgl.  S.  311  ff.  «  Vgl.  die  Genealogie.  •  Vgl.  S.  306. 

*  Urk.  1365  Oktober  27;  UBoE.  VII,  424. 
'^  Urk.  1360  September  18;  ebenda  723. 

*  Pfarre  Wimsbach  bei  Gmnnden. 
'  1867  Oktober  19;  WSt.  576. 

*  An  der  Donau,  gegenüber  St.  Nikola  im  Stmden ;  vgl.  S.  289. 

*  Urk.  1361  Mai  7;  Monumenta  Boica  XI,  404. 
^^  östlich  Yon  Regensburg. 

^^  Bei  Seoseneck;  vgl.  S.  299. 

"  Urk.  1361  August  3;  UBoE.  Vlfl,  41. 


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340 

Festen  Hartenstein  und  Sumerau  samt  allem  ZugehOr,  die 
Güter  in  und  um  Freistadt,  die  Gtlter  von  dem  Keikestorfer 
(nördlich  von  St.  Polten),  der  Weingarten  zu  Spitz,  der  Zehent 
zu  Rossaz,  Güter  um  Wien,  zu  Strupfing  und  S^Atzleinsdorf 
(bei  Feldsberg),  der  Hof  zu  Hirschstetten  (am  Marchfelde, 
VUMB.)  und  das  Gut  zu  Nußdorf,  die  Güter,  die  von  den 
Liechtensteinern  herkamen,  zu  Siebenbrunn,  Reisenberg,  Brück 
und  Quntersdorf,  die  Gülten  von  Piburg  (bei  St.  Valentin,  öst- 
lich von  Ens),  nach  Sumerau  und  jene  um  Weitra  nach  Mühl- 
bach gehörig. 

Heinrich  VI.  erhielt  die  Feste  Ort  mit  dem  Landgerichte 
und  dem  Zehente  zu  Laakirchen  (nördlich  von  Gmunden),  den 
Hof  zu  Gastäig  (bei  Manning  am  Hausruck)  und  die  Hube  zu 
Straß,  die  halbe  Feste  Mühlbach,  Güter  um  Ens,  die  von  dem 
Wolfsteiner  erworbenen  Güter  zu  Ensdorf,  Zehente  zu  Piburg 
und  Windpassing  (bei  St  Valentin),  ein  Bergrecht  zu  Kloster- 
neuburg, das  Mauthaus  zu  Mauthausen,  löü  -^  Burgrecht  zu 
Stolhenberg  (nördlich  von  Mauthausen)  und  den  Anteil  an  dem 
Hofe  zu  Gumpolting  (Pfarre  Kirchberg  bei  Web).  Ebenso 
wurde  auch  das  wertvolle  Silbergeschirr  geteilt.  Gemeinsam 
blieben  die  Lehen  von  Mühlbach,  Hartenstein  und  Ort,  die 
Häuser  zu  Wien  und  Kxems  sowie  Weingärten  zu  Wien,  Krems 
und  in  der  Wachau  —  und  wohl  auch  der  in  der  Teilungsurkunde 
nicht  erwähnte  Anteil  am  Satze  Wachsenberg  mit  Leonfelden. 

Ein  stattlicher  Besitz!  —  und  doch  nur  der  des  einen 
Zweiges  der  Enser  Linie;  viele  kleinere  Güter,  von  denen  wir 
wenig  erfahren  mögen,  vervollständigen  das  Bild  des  Wohl- 
standes, über  den  das  reiche  Haus  gebot. 

Bald  nach  dieser  Teilung  kamen  die  Brüder  auch  in  den 
Mitbesitz  der  steirischen  Herrschaft  Riegersburg  aus  dem  Erbe 
der  Linie  Walsee-Graz.*  Wir  kennen  die  Verdienste  und  per- 
sönlichen Beziehungen  nicht,  welche  Friedrich  VI.  geltend 
machen  konnte.  Tatsache  ist,  daß  er  im  Einverständnis  mit 
dem  Herzog  bald  nach  der  Teilung  von  1361  zum  Bau  einer 
neuen  Feste  schritt,  welche  den  Namen  seines  Hauses  ver- 


»  Vgl.  8.  323. 

*  Eine  Urkunde  darüber,  wie  sie  für  Ober-Walsee  erhalten  blieb,  ist  nicht 
vorhanden  und  schon  im  Nieder- Walseer  Archivsyerzeichnisse  Yon  1545 
nicht  angeführt.    AufiTällig  ist,   daß  in  der  Urk.  1364  Oktober  30  (vgl. 


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341 

ewigen  sollte^  wie  Schloß  (Ober-) Walsee,  das  sein  Vetter  Eber- 
hard von  Walsee-Linz  gleichzeitig  aufführte.' 

In  der  Nähe  des  verfallenden  Sumerau  erhob  sich  an  einer 
vorspringenden  Steile  des  rechten  Donauufers  das  neue  (Nieder-) 
Walsee,  wahrscheinlich  auf  älteren  Fundamenten.  Um  sie  zu 
heben,  verlieh  Herzog  Rudolf  IV.  der  jungen  damit  verbun- 
denen Siedlung  1362^  bereits  einen  Wochenmarkt  und  bestätigte 
der  Kirche  von  Sindelburg,  wohin  (Nieder-)Walsee  eingepfarrt, 
ihre  Meßstiftung.*  So  war  der  Ort  bereits  mit  Marktrechten 
versehen;  1368  September  18*  gestatteten  die  Herzoge  den 
Bürgern,  auf  Friedrichs  VI.  von  Walsee-Ens  Lebenszeit  wö- 
chentlich fünf  Wagen  Eisen  von  Waidhofen  gen  Wakee  zu 
führen  und  auch  andere  Freiheiten  der  Städte  ob  der  Ens  zu 
genießen.  Scheel  mußten  die  Städte  auf  die  neue  Gründung 
sehen;  die  Bestrebungen  der  Walseer,  ihre  untertänigen  Märkte, 
so  Aspam  und  Leonfelden  zu  heben,  zogen  notwendig  die 
Gegnerschaft  der  Städte  nach  sich,  die  davon  mannigfachen 
Nachteil  hatten. 

Sonst  hören  wir  wenig  über  Friedrichs  VI.  Besitz.  Vom 
Bischof  Paul  von  Freising  erhielt  er  1362*  alle  von  Ortlein  dem 
Volkenstorfer  freigewordenen  Lehen.  1367^  hat  er  das  aus 
seinem  väterUchen  Erbe  stammende  Haus  zu  Wien  an  Wolfgang 
von  Wieden  verkauft. 

Als  er  1372  starb,  kam  eine  Anzahl  kleinerer  Güter  durch 
seine  einzige  Tochter  Afra  schließlich  an  die  Liechtensteiner, 
Schloß  Hartenstein  an  die  Meissauer,  Nieder-Walsee  mit 
Sumerau  und  Sindelburg  aber  an  den  Bruder  des  Verstor- 
benen, Heinrich  VI.,  der  nun  darauf  seinen  Wohnsitz  nahm. 

Unbedeutend  war  das  Erbe,  das  Heinrich  VI.  1368*  von 
seiner  Schwester  Agnes,  Witwe  Johanns  von  Kuenring-Seefeld, 


S.  288)  des  Baaes  yon  (Nieder-)Wal8ee  gar  nicht  gedacht  wird.    Derselbe 

hat  also  wohl  erst  kurz  darauf  begonnen. 
^  Inyentar,   f.  83;    vielleicht  ist   die  Jahreszahl  des  Archivsyerzeichnisses 

ungenau. 
'  Ebenda. 

*  Ebenda,  ergänzt  durch:  Stadl,  Ehrenspiegel  des  Herzogtums  Steiermark ; 
StLA.  Hs.  28,  ra,  319. 

*  Urk.  1362  April  4;  PEA.  XXXVI,  338. 
»  Urk.  1367  Juni  15;  UBoE.  VIU,  323. 

*  Vgl.  das  Testament   1368  Mai  31;    Friess,   Die  Herren   von  Kuenring, 
r.  811. 


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342 

zufiel:  ein  Haus  zu  Ens  und  ihre  vom  Bischof  von  Passan  und 
den  Nonnen  von  Erlakloster  lehnbaren  Zehente. 

Um  die  Güter  seiner  verstorbenen  Gattin  Anna  hatte  Hein- 
rieh VI.  mit  Reinprecht  von  Haslau,  Hans  von  Königsberg  und 
Otto  von  Topel  einen  Streit  auszutragen^  der  1381*  durch 
Herzog  Albrecht  geschlichtet  wurde.  Noch  im  gleichen  Jahre 
erhielt  Heinrich  VI.  die  Belehnung  mit  den  von  seiner  Gattin 
herrührenden  Passauer  Lehen.'  Die  zu  Schönau  (an  der 
Triesting)  gehörenden  Lehengüter,  welche  der  Eönigsberger 
Heinrich  VI.  streitig  gemacht  hatte,  wurden  letzterem  erst  1388 
auf  Befehl  des  Herzogs  eingeräumt.' 

Meist  durch  Kauf  hat  Heinrich  VI.  eine  ganze  Reihe  an- 
sehnlicher Güter  an  sich  gebracht. 

Ein  Teil  derselben  lag  im  Lande  ob  der  Ens  und  ihre 
Erwerbung  war  mit  Heinrichs  VI.  Tätigkeit  in  der  Schaum- 
bergerfehde  verknüpft.  Angesichts  des  belagerten  Schaumberg 
wurde  Heinrich  VI.  1380  September  8*  vom  Herzog  Albrecht 
die  wohl  von  den  Landenbergem  erkaufte*  Feste  Stein  ver- 
lieheU;  nördlich  seiner  Pfandschaft  Leonfelden  auf  nun  böhmi- 
schem Boden  gelegen.  1381  September  2*  verlieh  ihm  der 
Herzog  auch  Feste  und  Dorf  Puchheim  (bei  Vöcklabruck, 
Oberösterreich),  die  Heinrich  VI.  von  der  Witwe  und  dem 
Sohne  des  berühmten  Jans  von  Traun  um  2555^^  gelöst 
hatte  —  ein  willkommener  Zuwachs  zu  seinem  neuen  Besitz 
im  Attergau,  den  Pfandschaften  Frankenburg  und  Attersee, 
der  wir  bereits'  gedachten. 

Andere  Ankäufe  Heinrichs  VI.  lagen  in  Niederösterreich, 
zwischen  der  Ens  und  dem  Wienerwalde,  und  schlössen  sich  an 
den  dortigen  großen  walseeischen  Besitz  an.  Dort  brachte  er  die 
Herrschaft  Gleuß  (ein  Passauer  Lehen,  nordöstlich  Waidhofen  an 
der  Ips)  an  sich,  zu  der  er  1372®  von  Stephan  dem  Haesib  Güter 
bei  Piberbach,  passauischen  Besitz,  erwarb,  überdies  erkaufte 
Heinrich  VI.  von  Jörg  dem  Häusler  die  halbe  Feste  Purgstall* 


*  Urk.  1381  Juni  6;  LB.  IV,  r.  1591. 

«  Urk.  1381  November  10;  NB.  IV,  664. 
»  Urk.  1388  März  2;  LB.  IV,  r.  2126. 

*  Strnadt,  ä.  a.  O.  400.  *  Vgl.  Inventar,  f.  63. 
«  HHStA.  Kod.  Suppl.  407,  f.  109'.  *  S.  338. 

*  Urk.  1372  Mal  1;  UBoE.  VIH,  590. 

'  An  der  Erlaf,  nördlich  von  Scheibbs. 


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343 

nebst  dem  Anteile  an  dem  Markte  und  mehreren  bischöflich 
passauischen  und  regensburgischen  Lehen  um  1970^^  und 
erhielt  1374  August  17*  vom  Herzog  die  Belehnung  dar- 
über,  welcher  Handel  nachträglich  oder  nochmals  1375*  ver- 
brieft wurde.  Später  brachte  Heinrich  VI.  dann  die  Feste 
Sinibelkirchen  (bei  Kirchberg  a.  d.  Pielach,  VOWW.)  als 
freies  Eigen  von  Peter  von  Losenstein  1388'  an  sich.  Außer- 
dem überwies  ihm  Bischof  Qeorg  von  Passau  1394^  die  Ein- 
künfte passauischer  Güter  in  den  Ämtern  Traismauer  und 
St.  Polten  auf  vier  Jahre. 

Ln  Jahre  1377^  taucht  die  Feste  Liechtenstein  bei 
Mödliug  als  in  Heinrichs  VI.  Besitz  befindlich  auf.  Ob  der- 
selbe den  Markt  Groß-GerungS;  über  dessen  Preis  er  sich  mit 
Alber  von  Volkenstorf  1394  März  30*  einigte,  wirklich  er- 
worben hat,  wissen  wir  nicht.  Beide  Besitzungen  geraten  in 
der  Folge  außer  Sicht. 

In  seinen  letzten  Lebensjahren  wandte  Heinrich  VI.  sein 
Augenmerk  wieder  obderensischen  Gütern  zu.  Durch  den 
Kauf  ansehnlicher  Güter  in  der  Viechtau  vergrößerte  er  1394^ 
seine  Herrschaft  Ort.  Dann  gingen  aus  dem  Besitze  des  ge- 
stürzten Liechtensteiners  die  Herrschaften  Ebelsberg  bei  Linz 
und  Ried  eck  bei  Gallneukirchen  1396*  an  ihn  über,  wozu 
Herzog  Albrecht  seine  landesherrliche  Genehmigung  gab.'  Im 
gleichen  Jahre  *^  wurde  ihm  auch  der  Besitz  zu  Hütting  und 
beim  Urfahr  zu  Unter- Walsee,  herzoglicher  Lehen,  zur  Herr- 
schaft Freistadt  gehörig,  durch  Herzog  Albrecht  bestätigt.  Noch 
in  Heinrichs  VI.  Todesjahre  gestattete  ihm  der  Herzog,  ^^  die 
Feste  Marbach  bei  Mauthausen,  die  er  samt  dem  lürchen- 
lehen  als  herzogliches  Lehen  innehatte,  weiter  zu  verleihen; 
sie  wurde  bald  darauf  an  die  Ponhalm  ausgetan.  ^*  Schließlich 
erhielt  Heinrich  VI.   mit   seinem  Vetter   Reinprecht  H.    1398 

*  ÜBoE.  Vm,  716.  »  Urk.  1375  Januar  U;  ÜBoE.  Vm,  734. 
»  Urk.  1388  März  19;  NB.  IV,  598. 

*  Urk.  1394  Juni  29;  MonamenU  Boica  XXX  S  438. 

*  Urk.  1377  Juni  29;  Winter,  österr.  Weistümer  I,  671. 

*  Wirmsberger,  Di©  Dynasten  von  Volkenstorf,  r.  238. 
'  Inventar,  f.  59. 

»  Urk.  1896  Juni  17;  Orig.  HHStA. 

*  Urk.  1396  November  14;  HHStA.  Kod.  16,  f.  29. 
*®  Urk.  1396  November  14;  ebenda. 

"  WSt  594.  «  Vgl.  S.  833. 


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344 

Mai  25  ^  vom  Herzoge  die  Lehen  der  Herrschaft  Wach- 
senberg. 

In  der  Steiermark  wurde  ihm  gleichfalls  1398*  in  Gemein- 
schaft mit  seinem  Vetter  Ulrich  IV.  von  Walsee -Drosendorf 
durch  Herzog  Wilhelm  die  Feste  Wachseneck  um  700OÄf>Ä 
auf  28  Jahre  verpfllndet. 

Heinrichs  VI.  schöner  Besitz  blieb  bei  seinem  Tode  dem 
Hause  Walsee  erhalten;  1397*  hatte  ihm  Herzog  Albrecht  ge- 
stattet, seine  Lehen  wem  er  wolle  zu  vermachen. 

An  seinem  Erbe  ging  Georg  von  Walsee-Linz  leer  aus 
oder  er  erhielt  eine  Geldentschädigung.  Die  drei  Brüder  von 
Walsee-Ens  erbten*  die  Pfandschaften  im  Attergau:  Franken- 
burg, Attersee  und  Puchheim,  Heinrichs  Anteil  an  der 
Wachsenberger  Pfandschaft  mit  dem  Markte  Leonfelden, 
die  Herrschaft  Ort,  das  an  die  Ponhalme  ausgetane  Marbach, 
in  Niederösterreich  die  Herrschaften  Gleuß,  Sinibelkirchen 
und  Purgstall. 

Reich  bedacht  ward  Heinrichs  VI.  ehemaliges  Mündel, 
sein  Vetter  Ulrich  IV.  von  Walsee-Drosendorf.  Ihm  ver- 
machte Heinrich  VI.  die  Feste  Nieder-Walsee  mit  Sumerau 
und  Sindelburg,  die  ehedem  Liechtensteinischen  Pfandschaften 
Ebelsberg  und  Riedeck  und  einen  Satz  von  240^^  auf 
Zeiselmauer. 


V.  Abschnitt. 
Die  Linie  Walsee-i^lraz. 

1.  Ulrich  I.  (1294—1329.) 

Von  allen  den  Söhnen  Eberhards  IH.  von  Walsee  war  der 
drittälteste,  Ulrich  L,  die  hervorragendste  Persönlichkeit: 
er  darf  geradezu  als  eine  der  berühmten  Gestalten  aus  der 
Ritterschaft  seiner  Zeit  bezeichnet  werden. 

In  Schwaben  aufgewachsen,  traf  er  erst  beträchtlich  später 
als  seine  beiden  älteren  Brüder  in  Osterreich  ein.    Schon  seine 


*  LB.  V,  r.  230. 

«  Urk.  1898  Januar  9;  LB.  V,  r.  808. 

*  Urk.  1897  Oktober  16;  ebenda,  r.  190.  *  Vgl.  S.  888. 


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345 

erste  Vermählung  (1294)  wies  auf  die  Steiermark  hin  und  hier 
ist  er  denn  auch  heimisch  geworden,  der  Gründer  der  Linie 
Walsee -Graz  oder  ab  der  Steiermark,  wie  sich  die  Seinen 
zuweilen  nannten. 

Nach  dem  Nilmberger  Reichstage,  auf  welchem  wir  Ul- 
rich I.  zum  letztenmale  begegneten,  gab  ihn  E.  Albrecht  I. 
gleich  Eberhard  IV.  von  Walsee  und  Hermann  von  Landen* 
berg  seinem  Sohne  Rudolf  als  Rat  bei.  Mit  diesem  zog  er 
über  Wien  nach  Wiener-Neustadt,  wo  die  Steiermärker  (1S99 
März  12)  dem  jungen  Herzoge  huldigten. 

Dort  wurde  Ulrich  I.  im  Einverständnis  mit  den  steirischen 
Ständen  zum  Hauptmann  der  Steiermark  ernannt,^  in  der 
er  ja  bereits  Güter  besaß.  Bald  darauf  kam  er  nach  Graz, 
nahm  seinen  Wohnsitz  in  der  Burg  daselbst  und  urkundet  dort 
1299  April  26')  zum  erstenmale  in  seiner  neuen  Würde,  die 
Ulrich  und  seine  Nachkommen  bis  zum  Erlöschen  der  Linie 
Walsee-Graz  fast  ohne  Unterbrechung  innehatten.  Auf  dem 
folgenden  Marburger  Taidinge  erscheint  er  1299  September  17* 
auch  bereits  im  Besitze  des  steirischen  Truchsessenamtes, 
welches  durch  das  Erlöschen  der  älteren  Linie  der  Wildonier 
erledigt  war  und  nun  an  Ulrich  I.  überging. 

Damit  legte  K.  Albrecht  das  wichtigste  Amt  in  der  Steier- 
mark, die  Hauptmannschaft,  in  die  Hand  des  vertrauens- 
würdigen Ulrich  —  wie  Eberhard  IV.  sie  im  Lande  ob  der 
Ens  innehatte.  Seiner  Aufgabe,  das  Land  für  die  Habsburger 
zu  betreuen,  ist  Ulrich  I.  glänzend  gerecht  geworden.  Auf 
zahlreichen  Taidingen  sehen  wir  ihn  zu  Gericht  sitzen;  per- 
sönlich von  großer  Tapferkeit,  wenn  auch  als  Heerführer  nicht 
immer  vom  Glück  begünstigt,  sorgte  er  für  die  Verteidigung 
des  Landes.  Vor  allem  aber  gelang  es  ihm,  Adel  und  Bürger- 
tum nach  den  Erhebungen  der  letzten  Jahre  mit  den  neuen 
Verhältnissen  auszusöhnen  und  ihre  Zuneigung  für  die  Habs- 
burger zu  gewinnen.  Daß  zwei  Schwestern  Ulrichs  I.  sich  mit 
Steiermärkem  aus  angesehenem  Hause  vermählten*  —  Brigitta 
mit  dem  Eranichberger  Ortolf,  Agnes  (allerdings  erst  1314)  mit 


*  Reimchronik,  V.  74086. 

•  Mochar,  Gesch.  der  Steiermark  VI,  129. 
»  Zeitschr.  ^dler*  II,  99. 

^  Vgl.  die  Genealogie. 


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346 

dem  Grafen  Ulrich  von  Pfannberg  ^  —  konnte  in  dieser  Be- 
ziehung nur  förderlich  wirken. 

Im  Frühling  1300  weilte  Ulrich  I.  gleich  seinem  Bruder 
Heinrich  I.  in  Ulm  am  Hofe  K.  Albrechts,  der  dort  die  Vor- 
bereitungen zur  Vermählung  seines  Sohnes  Rudolf  traf.' 

Die  folgenden  Jahre  führten  Ulrich  I.  nach  Mitteldeutsch- 
land auf  den  Zügen,  die  nun  E.  Albrechts  Reichspolitik  er- 
heischte. Gegen  die  rheinischen  Kurfürsten  führte  Herzog  Rudolf 
im  Sommer  1301  seinem  Vater  ein  Hilfsheer  zu,  bei  dem  sich  Erz- 
bischoi  Eonrad  von  Salzburg,  Ulrich  I.  von  Walsee  —  dieser 
auf  besonderen  Wunsch  des  Königs  —  sowie  dessen  Brüder 
befanden.*  Mitte  Juli  1301  nahmen  dieselben  an  der  Belage- 
rung von  Bensheim  an  der  Bei^straße  teil.  Im  Lager  vor 
Bingen  erfuhr  Ulrich  I.  von  Walsee,  daß  jenseits  des  Rheines 
500  Mann  feindlicher  Truppen  fouragierten.*  Rasch  griff  er 
sie  mit  50  erlesenen  Steiermärkem  an  und  nahm  ihre  beiden 
Führer  nebst  100  Mann  gefangen.  Die  Gegner  setzten  indes 
nach,  jagten  ihnen  60  Gefangene  wieder  ab  und  zwangen  Ul- 
rich, in  der  nahen  katzenellbogenischen  Bm^  Riedeck  eine 
Zuflucht  zu  suchen,  die  er  nur  mit  Not  vor  den  auf  der  Zug- 
brücke nachdrängenden  Gegnern  erreichte.  Am  folgenden 
Tage  kehrte  Ulrich  indes  unbehelligt  mit  seinen  Gefangenen 
nach  Bingen  zurück.  Über  Passau  zog  er  heimwärts  in  sein 
Steiermark,  die  unterdessen  der  Liandschreiber  Albrecht  von 
Zeiring  betreut  hatte  ;^  hier  hielt  Ulrich  I.  anfangs  April  in 
Judenburg  und  Ende  Juli  zu  Pettau  Taidinge  ab. 

Im  Herbste  1302  führte  er  K.  Albrecht  abermals  100  Steirer 
an  den  Rhein  zu^  und  kehrte  von  dieser  Heerfahrt  Ende  1302 
zurück;  auf  dem  Taiding  zu  Komeuburg  erschien  er  1303  Fe- 
bruar 27'  vor  Herzog  Rudolf. 

Als  sich  K.  Albrecht  während  der  Verhandlungen  mit 
K.  Wenzel  von  Böhmen  im  Sommer  1303  in  Wien  aufhielt 
und  dort  die  österreichischen  und  steirischen  Verhältnisse  ord- 


^  Auch  die  Vermählang  einer  Tochter  Heinrichs  I.  yon  Walsee,  Oneta, 
mit  Hertneid  II.  von  Stadeck  —  der  wieder  mit  Ulrichs  I.  yon  Walsee 
zweiter  Gattin  nahe  verschwägert  war  —  ist  hier  heransusiehen. 

«  Vgl.  8.  296.  »  Vgl.  8.  267. 

*  Reimchronik,  V.  77207. 

^  Vgl.  Krones:  Landesfürst,  Behörden  und  Stände,  Forschungen  etc.  IV,  153. 

«  Reimchronik,  V.  78690.  *  NB.  I,  818. 


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347 

netO;  erstatteten  Ulrich  I.  von  Walsee  als  Hauptmann^  sowie 
der  Landschreiber  der  Steiermark  ihre  Berichte.  Nach  dem 
von  sämtlichen  Walseem  besuchten  Judenburger  Taidinge  (Ende 
April  1304)'  zog  Herzog  Rudolf  und  mit  ihm  Ulrich  I.  von 
Walsee  auf  die  Nachrichten  über  die  ungarischen  Thronwirren 
hin  nach  Osterreich.  Nach  dem  Fehlschlagen  seiner  Absichten 
auf  Ungarn  entführte  K.  Wenzel  die  ungarischen  Eroninsignien 
mit  seinem  Sohne  und  kehrte  nach  Böhmen  zurück.  Infolge 
falscher  Nachrichten  und  des  Abmahnens  seiner  Räte  unterließ 
es  Herzog  Rudolf;  ihn  auf  seinem  Rückzuge  anzugreifen  und 
entsandte  bloß  Ulrich  I.  von  Walsee  mit  200  Mann  auf  Kund- 
schaft;* er  selbst  zog  sich  nach  Laa  zurück.  Ulrich  sah  nuU; 
daß  der  Böhmen  nur  wenige  waren;  griflF  sie  aber  auf  Herzog 
Rudolfs  Verbot  hin  nicht  aU;  so  daß  E.  Wenzel  entkam. 

Nachdem  Ulrich  I.  dann  noch  am  Abschlüsse  des  Bünd- 
nisses mit  Ungarn  und  des  Friedens  mit  dem  Baiemherzoge 
Otto  mitgewirkt  hattO;*  erfreute  er  sich  kurzer  Ruhe  in  der 
Steiermark. 

Die  böhmische  Thronfrage,  durch  den  Tod  des  Habs- 
burgers Rudolf  1307  neuerdings  aufgeworfen;  rief  den  Walseer 
abermals  ins  Feld.  Vergebens  suchte  E.  Albrecht  die  Wahl 
Heinrichs  von  Görz  durch  einen  Einfall  nach  Böhmen  hintan- 
zuhalteu;  Herzog  Friedrich;  der  über  Mähren  vordrang;  wo 
Ulrich  I.  von  Walsee  durch  ein  halbes  Jahr  zu  Brunn  be- 
fehligte,^ errang  gleichfalls  keine  bedeutenden  Vorteile.  Im 
Süden  fiel  Erzbischof  Eonrad  von  Salzburg  in  Eärnten  ein; 
um  des  Görzers  Hilfsquellen  aus  seinen  Stammlanden  abzu- 
schneiden. Vor  St.  Veit  vereinigten  sich  Graf  Friedrich  von 
Heunburg  und  Ulrich  I.  von  Walsee  mit  ihm,*  worauf  das 
Städtchen  genommen  und  von  Ulrich  besetzt  ward.  Derselbe 
verwaltete  die  eroberten  Teile  Eämtens  für  die  Habsburger 
und  kehrte  erst  im  Winter  1307/8  nach  Graz  zurück. 

Während  Ulrich  L  im  Frühlinge  1308  eben  die  steirischen 
Streitkräfte  sammelte;  um  sie  dem  Herzog  Friedrich  zur  Fort- 
setzung des  Feldzuges  gegen  Böhmen  zuzuführen;^  war  auf  der 


»  Reimchronik,  V.  81836.  "  Muchar,  Gesch.  d.  Steienn.  VI,  150. 

'  Reimchronik,  V.  88891.  *  Vgl  S.  267. 

»  Reimchronik,  V.  98408.  •  Ebenda,  V.  92519  und  92672  ff. 

'  Ebenda,  V.  95415—95503. 
Arohiy.  XCY.  Band.  U.  H&lfte.  24 


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348 

gegnerischen  Seite  Herzog  Otto  von  Meran-Eämten  mit  dem 
Grafen  Heinrich  von  Qüns  in  Verbindung  getreten  und  hoffte 
dadurch  die  verlorenen  festen  Plätze  in  Untersteiermark,  Krain 
und  Kärnten  zurückzugewinnen;  ein  ungarisches  Heer  schickte 
sich  zum  Einbrüche  in  die  Steiermark  an.  Auf  die  Kunde 
davon  eilte  Ulrich  I.  rasch  herbei;  bot  um  Marbui^  den  Land- 
sturm auf  und  zog  entschlossen  den  Ungarn  entgegen.  Ange- 
sichts des  unerwarteten  Widerstandes  traf  Graf  Heinrich  von 
Güns  mit  Ulrich  zu  Marburg  ein  Übereinkommen ,  das  die 
Feindseligkeiten  beendigte. 

Jetzt  erst  konnte  Ulrich  mit  den  Seinen  am  St  Veitstage 
1308  zu  Herzog  Friedrich  nach  Osterreich  aufbrechen;  er 
nahm  mit  seinen  BrUdem  am  folgenden  Kriege  gegen  Böhmen 
teil;  der  mit  dem  Znaimer  Vertrage  abschloß. 

Als  Herzog  Friedrich  anfangs  1309  ins  Reich  zog,  um 
von  dem  neuen  König,  Heinrich  von  Luxemburg,  die  Beleh- 
nung zu  erhalten,  ließ  er  Ulrich  I.  in  der  Steiermark  als  Ver- 
weser zurück,  der  daselbst  weiterhin  urkundet*  Angesichts 
der  neuerlichen  Regungen,  welche  die  antihabsburgische  Partei 
in  Niederösterreich  versuchte,  berief  Ulrich  auf  den  Rat  d^ 
Erzbischofs  Konrad  IV.  von  Salzburg  die  steirischen  Stände  nach 
Graz  und  bot  alle  seine  Mittel  und  Streitkräfte  für  die  Habs- 
burger auf.'  Der  steirische  Adel  zeigte  sich  dem  Landesherm 
treu,  das  Ei^ebnis  der  nun  zehnjährigen  Tätigkeit  Ulrichs  in 
der  Steiermark.  Dieser  fUhrte  seine  durch  die  inzwischen  ein- 
gelangte Nachricht  von  der  Belehnung  der  Habsburger  er- 
mutigten Truppen  im  Oktober  1309*  über  Hartberg  nach  Nieder- 
österreich in  die  Umgebung  von  Wiener-Neustadt.  Dort  wie 
in  Wien  wurde  die  Bewegung  niedergeschlagen,^  worauf  sich 
auch  treue  Wiener  mit  Ulrich  I.  vereinigten.  Zu  seinem  Un- 
glück hatte  sich  auch  einer  von  Kranichberg  am  Aufetande 
beteiligt,^  obwohl  er  Ulrich  I.  verschwägert  war,  und  das  her- 
zogliche Gloggnitz  überfallen.    Nun  wurden  die  Empörer  emp- 


^  1309  Febrnar  23;  Machar,  Gesch.  d.  Steierm.  VI,   174,  Mftrz  9,  Graz; 

Orig.  StLA.,  Nr.  1726»». 
»  Reimchronik,  V.  98387  ff.;  vgl.  aach  Urk.  1309  Oktober  12;  NB.  IV,  80. 
*  Oktober  4  orkondet  Ulrich  in  Graz;  Kop.  StLA.,  Nr.  1731  >». 
^  Reimchronik,  V.  98537;    Chron.  d.  Pulkawa,  Fontes  Remm  Bohemicar. 

V,  197. 
»  Vgl.  die  Genealogie  nnd  Reimchronik,  V.  98193. 


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349 

Endlich   gezüchtigt   und   von   Herzog   Friedrich,   der  aus   dem 
Kelche  herbeieilte,  grausam  bestraft. 

Nachdem  er  im  Juni  1310  eine  große  Landes  Versamm- 
lung zu  Graz  abgehalten,  wandte  sich  Herzog  Friedrich  gegen 
die  bairischen  Herzoge,  welche  den  vorjährigen  Aufetand  eifrig 
unterstützt  hatten.  Er  selbst  rückte  mit  dem  Hauptheere  aus 
Oberösterreich  in  das  Innviertel  vor;  Ulrich  I.  kam  mit  steiri- 
schen  Truppen  durch  das  Enstal  herbei.*  Als  linke  Seiten- 
kolonne drang  er  600  Mann  stark  über  Oberwang  und  Mond- 
see (das  damals  noch  bairisch  war)  vor  und  verwüstete  das 
bairische  Gebiet  bis  gegen  Tittmoning,  bis  ihn  am  Schlüsse 
des  Jahres  1310  große  Kälte  zum  Rückzuge  zwang.  Der  Elrieg 
nahm  für  Herzog  Friedrich  nicht  den  gewünschten  Fortgang; 
seit  Neujahr  kam  es  zu  größeren  Unternehmungen  nicht  mehr 
und  im  März  1311  wurden  schließlich  Friedensverhandlungen 
eröffnet 

Eine  Ruhepause  von  zwei  Jahren  folgte.  Anfangs  Mai 
1313  fand  sich  Ulrich  in  Wien  ein  und  beschwor  dort  mit  den 
Steiermärkern  den  Ehevertrag  Herzog  Friedrichs  mit  Elsbet  von 
Äragonien.'  In  einem  besonderen  Reverse  (1313  Juni  3)  ver- 
pflichtete er  sich,  als  Hauptmann  in  der  Steiermark  mit  dem 
österreichischen  Landmarschalle  Dietrich  von  Pillichdorf  flir 
die  Erbfolge  der  Sprößlinge  aus  dieser  Ehe  einzutreten.  Mitte 
Januar  1314  zeigte  sich  Ulrich  auf  der  Hochzeit  des  Herzogs- 
paares zu  Wien.^ 

Mittlerweile  hatte  die  Vormundschaft,  welche  Herzog  Fried- 
rich über  die  ungevogten  Söhne  der  Herzoge  Stephan  und  Otto 
von  Niederbaiem  (seit  1312  November  13)  führte,  einen  Waffen- 
gang mit  Herzog  Ludwig  von  Oberbaiem  verursacht,  dem  der 
habsburgische  Einfluß  in  Niederbaiern  unbequem  war.  Die 
Herzoge  Leopold  und  Friedrich  von  Osterreich  rüsteten  in 
Schwaben  und  boten  auch  in  Osterreich  ihre  Streitkräfte  auf, 
an  deren  Spitze  Ulrich  I.  von  Walsee  gestellt  wurde,  der  im 
Oktober  1313*  von  Graz  nach  Baiern  aufbrach.  Diesmal  war 
das  Kriegsglück  gegen  ihn.  Er  war  bereits  bis  an  die  Isar 
vorgerückt,  als  Herzog  Ludwig  1313  November  9  ihn  mit  den 


*  Chron.  Lnxuelac.  Pez,  SÄ.  Rer.  Aostriac.  I,  167. 
»  Sitznngsber.  d.  Wiener  Akad.  d.  WiMengch.  CXXXVIT,  169—171. 
»  Vgl.  S.  269.  *  Vgl.  Urk.  1313  Oktober  21;  AÖG.  LIX,  278. 

24* 


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350 

Seinen  bei  dichtem  Nebel  zu  Ghimmelsdorf  ^  tiberfiel  und  sie 
zu  Volkmannsdorf  über  die  IsarbrUcke  drängte,  durch  deren 
Einsturz  viele  vom  österreichischen  Adel  in  Gefangenschaft 
gerieten.^  Graf  Ulrich  von  Pfannberg,  der  sich  im  Kampfe 
besonders  hervorgetan,  erhielt  dafür  von  Ulrich  von  Walsee 
die  Hand  seiner  Schwester  Agnes  zugesagt.  Auf  diese  Schlappe 
hin  mußte  sich  Ulrich  mit  dem  Reste  seiner  Truppen  eilig  aus 
Baiem  zurückziehen. 

Im  nächsten  Jahre  aber  begann  bereits  der  große  Streit 
um  Deutschlands  Thron,  den  Friedrich  der  Schöne  mit  dem 
Witteisbacher  führte.  In  den  vordersten  Reihen  des  Habsbur- 
gers stand  Ulrich  I.  von  Walsee.  Hier  war  sein  Platz:  EHn 
fkhiger  Heerführer  von  großer  Tapferkeit  und  unentwegter  Aus- 
dauer, ging  er  fast  auf  in  diesem  großen  Kampfe,  an  dem  er 
persönlich  den  lebhaftesten  Anteil  nahm;  ruhmvoll  beschloß  er 
damit  seine  Laufbahn. 

Im  Frlihling  1314  geleitete  Ulrich  I.  Friedrich  den  Schönen 
auf  dem  unter  großen  Kosten  gerüsteten  Zuge,  den  dieser  zur 
Betreibung  seiner  Wahl  in  die  Vorlande  und  an  den  Oberrhein 
antrat;'  in  der  Steiermark  erhielt  er  für  die  Dauer  seines 
Fernbleibens  Konrad  von  Drauburg*  als  Stellvertreter.  Dann 
blieb  er  auf  der  Krönungsfahrt*  und  1315  am  Oberrhein  an 
der  Seite  seines  Herrn.^  Durch  einen  neuen  Feldzug,  zu 
welchem  er  inzwischen  in  Osterreich  rüsten  ließ,  hoffte  K. 
Friedrich  die  ersehnte  Entscheidung  herbeizuführen.  Starke 
Heerhaufen  zogen  im  Frühling  1316^  den  Habsburgem  aus 
Osterreich  gegen  Schwaben  zu.  Mit  seinem  kriegserprobten 
Vater  Ulrich  I.  ritt  damals  auch  bereits  dessen  ältester  Sohn 
Uh'ich  II.  aus  und  holte  sich  im  unentschiedenen  Treffen  von 
Eßlingen  seine  ersten  Lorbeeren.*  Beide  Ulriche  verweilten  so- 
dann in  Schwaben  bei  den  Habsburgem,   für  deren  erschöpfte 


^  Nördlich  Moosbnrg  an  der  Isar. 

■  Joh.  V.  Viktring;  Böhmer,  Fönte«  Remm  Germanicarum  I,  379. 
»  Vgl.  Urk.  1814  Mai  19;  AÖG.  II,  638. 

*  Derselbe  nrkandet  1314  März  22  als  solcher;  Kop.  StLA.,  Nr.  1790<>. 

*  Wenigstens  weist  die   Urknndenlttcke  Ton   1314  August  15  bis  Noveni- 
ber  11  darauf  hin. 

*  Desgleichen  1316  Februar  10  bis  August  10. 

»  1316  Mai  1  urkundet  Ulrich  I.  noch  in  Graz;  Orig.  StLA.,  Nr.  18I3* 

■  Primisser,  P.  Suchenwirt  XIII,  41,  V.  58. 


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351 

Finanzen  sie  Ende  1316  bedeutende  Geldverpflichtungen  *  gegen 
den  Grafen  Eberhard  von  Württenberg  und  Heinrich  Grafen 
von  Berge  eingingen.  Bis  Ende  1317  blieb  Ulrich  I.  bei  Herzog 
Leopold  in  den  Vorlanden  und  kam  erst  im  Frühling  1318  auf 
kurze  Zeit  in  die  Steiermark  zurück. 

Während  K.  Friedrich  so  in  Deutschland  mit  wechseln- 
dem Glück  kämpfte,  trugen  sich  in  Oberitalien  Dinge  zu,  die 
ihn  zum  Eingreifen  in  die  dortigen  Verhältnisse  veranlaßten. 
Als  sich  die  Trevisaner  an  den  König  um  Hilfe  wider  Cane 
della  Scala,  Herrn  von  Verona,  wandten,  bestellte  dieser  den 
Grafen  Heinrich  von  Görz  als  Reichsvikar,  mit  welchem  Ulrich  I. 
den  Zug  nach  Padua  und  Treviso  im  Herbste  1319  antrat. 
November  4*  ward  Padua  übergeben  und  um  Weihnachten 
kam  Ulrich  nach  Treviso,  um  mit  Cane  Frieden  zu  schließen.* 
Januar  3  kehrte  er  mit  den  vereinbarten  Bedingungen  zurück: 
die  Stadt  solle  sich  ihm  namens  E.  Friedrichs  übergeben,  die 
Zwistigkeiten  durch  den  König  und  Herzog  Heinrich  von 
Kärnten  zu  Bozen  bis  Mittfasten  beigelegt  werden.  Demgemäß 
ward  Padua  denn  auch  Januar  5  Ulrich  I.  als  Statthalter 
tiberliefert*  und  der  Waffenstillstand  verlängert. 

Über  Kärnten  heimgekehrt,  feierte  Ulrich  I.  seine  Hoch- 
zeit mit  Katharina,  des  Grafen  Albert  von  Görz  Tochter,*  eine 
Verbindung,  die  sowohl  die  Wertschätzung  der  Persönlichkeit 
Ulrichs  wie  auch  seines  Hauses  zum  Ausdrucke  bringt  und 
das  wichtige  Haus  der  Görzer  noch  mehr  an  Habsburgs 
Freunde  band. 

Die  Fürstenzusammenkunft  zu  Brixen,  bei  der  sich  auch 
Ulrich  I.  einfand,  blieb  indes  ohne  Ergebnis.  Cane  della  Scala 
brach  den  Waffenstillstand,  belästigte  Padua  von  umliegenden 
Festen  aus  und  suchte  die  Stadt  1320  Juni  3  vergebens  durch 
einen  Handstreich  zu  nehmen.  Auf  ihre  Bitten  entsandte  K. 
Friedrich  den  Walseer,  der  mit  seinem  tapferen  Sohne  und 
dem  Grafen  Ulrich  von  Pfannberg,  seinem  Schwager,  herbei- 
eilte und  den  Befehlshaber  Canes  Juli  12  schlug  und  gefangen 


1  Urkk.  1316  November  4;  WSt.  675.  1316  Dezember  23;  LB.  HI,  r.  414. 

«  LB.  ni,  120.  »  Vgl.  AÖG.  XXXVI,  469. 

*  Alberto  Mussato,  Muratori,  SS.  Rer.  Italicar.  X,  694;  Chron.  Cortusior., 
ebenda  786  ff.  Die  Paduaner  Münzen  tragen  während  Ulrichs  von  Wal- 
see Statthalterschaft  (Pichler,  a.  a.  O.  243)  dessen  Wappen. 

^  Seine  dritte  Gattin;  vgl.  die  Genealogie. 


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352 

nahm.  Als  Padua  nach  Ulrichs  I.  Abzug  nochmals  von  Cane 
eingeschlossen  und  von  einer  neuerrichteten  Feste  aas  bedrängt 
ward,  entsetzten  Ulrich  I.  und  der  Görzer  mit  400  Helmen 
und  den  Trevisanem  die  Stadt*  und  brachten  den  Truppen 
des  Cane  am  Morgen  des  28.  August  1320  eine  entscheidende 
Niederlage  bei.  Nur  mit  Not  rettete  sich  Cane  selbst  Sein 
Land  ward  bis  gegen  Eiste  und  Vicenza  hin  verheert  und  Ka- 
stell MonseUce  seit  September  4  durch  20  Tage  belagert,  worauf 
Cane  della  Scala  Verhandlungen  einleitete,  die  bis  Januar  1321 
währten.  Ruhmbedeckt  zog  Ulrich  I.*  —  D  Grande,  wie  ihn 
die  Wälschen  nannten  —  mit  Gesandten  der  Paduaner  im 
Februar  1321  nach  Schwaben  zu  K.  Friedrich,  als  die  Ver- 
handlungen über  die  noch  nicht  geordneten  Punkte  des  Über- 
einkommens zu  keinem  Erfolge  fllhrten.  Der  wälschen  Händel 
müde,  legte  Ulrich  das  schwierige  und  undankbare  Amt  der 
Statthalterschaft  über  Treviso  usw.  nieder,  womit  seine  Tätig- 
keit in  Oberitalien  vorläufig  ihren  Abschluß  fand. 

Das  Jahr  1322  brachte  endlich  auf  dem  Kriegsschauplatz 
in  Deutschland  die  Entscheidung.  Ulrich  I.  von  Walsee,  der 
sich  vor  dem  Auszuge  noch  einen  Jahrtag  zu  Mariazell  (März  1)* 
gestiftet  hatte,  rückte  mit  dem  wohlgerüsteten  Heere  K.  Fried- 
richs ins  Feld  und  fiel  an  der  Spitze  der  Steirer  und  Oster- 
reicher  in  Baiem  ein.  Der  Abend  der  Schlacht  von  Mühldorf, 
in  welcher  er  den  dritten  Heerhaufen  befehligte,  sah  auch  ihn 
als  Gefangenen;*  das  gleiche  Schicksal  teilte  sein  verwundeter 
Sohn.  Sie  kamen  mit  Herzog  Heinrich  zu  Prag  in  strenge 
Haft,  aus  welcher  sie  erst  Ende  1323  entlassen  wurden.^  In  der 
Steiermark  hatte  Ulrich  I.  in  der  Zwischenzeit  an  Konrad  von 
Windischgraz*  einen  Stellvertreter  in  der  Hauptmannschaft  gehabt 

Im  Sommer  1324  geleiteten  Ulrich  I.  und  sein  Sohn  die 
Herzoge  Otto  von  Osterreich  und  Heinrich  von  Kärnten  auf 
dem  Zuge  nach  Oberitalien,'  als  nach  Heinrichs  von  Görz  Tode 


*  Vgl.  Documenti  per  U  storia  del  Friuli  I,  369. 

*  1320  November  28  urkandet  er  noch  auf  italienischem  Boden,  wohl  in 
Padua;  vgl.  I  libri  commemoriali  d.  r.  di  Venesia  I,  284.  Die  Darstel- 
lung Tangis  (AÖQ.  XYIII,  227)  ist  demgemäß  richtigzustellen. 

»  Kop.  StLA.,  Nr.  1898.  *  Vgl.  8.  297. 

»  Vgl.  Urk.  1324  April  3;  NB.  IV,  82. 

*  Urk.  1323  MKrz  18;  Muchar,  Qesch.  d.  Steierm.  VI,  218. 
^  Caesar,  Ann.  Duc  Stir.  II,  439. 


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363 

ein  Einschreiten  gegen  Cane  della  Scala  abermals  von  den 
Paduanem  erbeten  wurde.  Im  Juni  1324  kamen  die  Herzoge 
mit  bedeutenden  Streitkräften  nach  Treviso  und  Padua.  Der 
Feldzag  verlief  indes  ergebnislos  und  das  habsburgisch-görzische 
Heer  zog  unverrichteter  Dinge  heimwärts. 

Damit  war  Ulrichs  Lebenswerk  getan.  Ruhmreich  be- 
teiligte sich  sein  würdiger  Sohn  an  der  Fortsetzung  des  Kampfes 
gegen  Ludwig  den  Baiem.  Der  Rest  seines  Lebens,  den  Ul- 
rich nun  in  Ruhe  verbrachte,  war  ihm  nur  kurz  bemessen. 
Als  letzter  von  allen  seinen  Brüdern  verschied  er  1329  Ja- 
nuar 29.^  Seinen  Landesfürsten  stets  ein  verläßlicher  Getreuer 
von  großen  Verdiensten,  in  vielen  Feldzügen  hervorragend  durch 
seine  Führergaben  wie  durch  persönliche  Tapferkeit,  deren 
Lob  ein  Hirzelin  so  gut  wie  der  Italiener  Alberto  Mussato' 
der  Nachwelt  verkündeten,  hat  er  von  allen  Söhnen  Eber- 
hards HL  von  Walsee  am  meisten  Anspruch,  zu  den  hervor- 
ragendsten und  geschichtlich  denkwürdigen  Männern  des  öster- 
reichischen Adels  seiner  Zeit  gezählt  zu  werden. 

Ulrich  war  dreimal  vermählt.^  Seine  erste  Gattm  Elsbet, 
die  nur  ein  einziges  Mal  1294  erwähnt  wird,  ist  ihm  wohl  bald 
hinweggestorben.  Diemut,  eine  Tochter  Dietrichs  von  Rorau 
und  Diemuts  von  Feldsberg,  hat  dann  Ulrich,  als  dessen  Gattin 
sie  1299 — 1308  genannt  ist,  einiges  Erbgut  zugebracht.  Seiner 
dritten  Gemahlin,  der  Görzerin  Katharina,  haben  wir  bereits 
an  anderer  Stelle  gedacht. 

Ulrichs  ältester  Sohn,  Ulrich  H.,  ist  offenbar  noch  dessen 
erstem  Ehebunde  entsprossen;  seine  übrigen  Kinder  Fried- 
rich HI.,  Jans  I.  und  die  Tochter  Diemut  entstammen  der 
zweiten  Ehe  Ulrichs. 

Seinem  Wirkungskreise  entsprechend,  blieben  auch  die 
Beziehungen,  welche  Ulrich  mit  seinen  Standesgenossen  unter- 
hielt, meist  auf  die  Steiermark  beschränkt,  ebenso  auch  der 
schöne  und  große  Besitz,  den  er  hinterUeß.  Hier  treten  die 
Walseer  besonders  an  die  Stelle  der  zwei  bedeutendsten  Adels- 
geschlechter Mittelsteiermarks,  der  Wildonier  und  der  Grafen 
von  Pfannberg,  die  sich  beide  damals  eben  in  raschem 
Niedergange  befanden. 


*  Vgl.  die  Genealogie. 

*  Mnratori,  SS.  Rer.  Italic.  X,  698  ff. 


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354 

Für  einen  von  seiner  zweiten  Qattin  ererbten  Anteil  an 
Feldsberg  in  Niederösterreich  und  450  Mark  Silber  ertauschte 
Ulrich  1299*  die  bedeutende  Herrschaft  Riegersburg  und 
ergänzte  den  neuen  Besitz,  indem  er  1299'  yon  Ortlieb  von 
Winkel  und  1301  •  von  Alber  von  Rauhenstein  deren  Anteile 
an  dieser  Herrschaft  um  je  1877f  Mark  Silber  erkaufte,  wozu 
1301^  noch  die  nahen  Besitzungen  zu  Haselbach  und  Neustift 
von  Ulrich  dem  Winkler  erstanden  wurden.  Dann  erkaufte 
Ulrich  1301  *  von  Ortolf  von  Kornbei^  das  benachbarte  Schloß 
Kornberg*  nebst  einem  Hofe  zu  Kxottendorf. 

In  rascher  Folge  ging  weiter  ein  großer  Teil  des  wil do- 
nischen Besitzes^  an  die  Walseer  über.  Von  Hertnid  (HL 
oder  IV.)  von  Wildon  brachte  Ulrich  I.  von  Walsee  im  Jahre 
1302^  die  herzogUche  Lehensherrschaft  Gleichenberg  zu- 
nächst pfandweise  an  sich^  eine  Erwerbung,  die  wegen  der 
Nähe  der  Riegersburg  umso  höheren  Wert  hatte.  Da  Sofei, 
Tochter  Herrants  IH.  von  Wildon,  1312®  ihren  Ansprachen 
darauf  zugunsten  Ulrichs  entsagte,  blieb  die  Herrschaft  dauernd 
in  dessen  Besitz.  Dann  folgte  Schloß  Wald  stein  ^®  auf  dem 
gleichen  Wege  nach.  Nach  den  Urkunden  1305  Dezember  13 
und  17"  war  es  bereits  von  Ulrich  IIL  von  Wildon  an  den 
Walseer  übergegangen,  der  damals  noch  einen  Teil  der  Kauf- 
summe zu  erlegen  hatte.  Zu  Waldstein  erwarb  Ulrich  sodann 
Bergwerke  unter  diesem  Schlosse,  Eisengör  und  Arzwald,  die 
ehedem  gleichfalls  den  Wildoniem  gehört  hatten,  vom  Stifte 
Seckau  im  Jahre  1307,^^  im  gleichen  Jahre  auch  von  Hertnid  IV. 
von  Wildon  kleineres  Eigengut  und  Mannschaft  auf  steirischem 


>  Urk.  1299  NoTember  27;  Frieß,  Die  Herren  von  Kuenring,  r.  508. 

«  Urk.  1299  Deiember  6;  NB.  I,  317.  »  Urk.  1801  April  6;  cbend*. 

«  Urk.  1301   (richtig  sUtt  1302)  April  21;  Machar,  Gesch.  d.  Steierm.  VI, 

142. 
»  Urk.  1301  (richtig  sUtt  1302)  Deiember  28;  UBoE.  IV,  422. 
'  Nord  weltlich  von  Feldbach;  wird  nach  1331  nicht  mehr  als  walseeisch 

bezeichnet.    Vielleicht  hatten  es  die  von  Komberg  und  die  Ton  Graben 

als  walseeisches  Lehen  inne;  doch  läßt  sich  eine  Lehensrührig^eit  nicht 

nachweisen. 
'  Vgl.  Kammer,   Das   Ministerialengeschlecht   von  Wildonie,   AÖG.  LIX, 

179  ff. 
"  InvenUr,  f.  68.  •  Ebenda,  f.  68'. 

»0  Bei  Frohnleiten;  vgl.  AÖG.  LIX,  287—288.  "  NB.  II,  376. 

»»  Urk.  1307  Februar  26;  Muchar,  Gesch.  d,  Steierm.  VI,  164. 


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355 

Boden.^  Nach  längeren  Unterhandlungen  kaufte  er  schließlich 
von  den  Wildoniern  1308'  auch  noch  deren  letztes  größeres 
Familiengut,  das  herzogliche  Lehen  Schloß  Weinberg  (im 
Sasttale,  Mittelsteiermark)  mit  dem  Landgerichte  darauf  um 
300  Mark  Silber,  das  er  dann  1313*  durch  Mannschaft  im 
Murfeld  bei  Weinburg  und  Mureck  arrondierte,  die  er  von  Al- 
brecht, Schenken  von  Rabenstein,  an  sich  brachte.  Da  sich 
nachmals  auch  einige  ehedem  wildonische  Sätze  in  den  Händen 
der  Walseer  zu  Graz  finden,  war  somit  fast  der  ganze  bedeu- 
tendere Besitz  an  Eigengut,  Lehen  und  Sätzen  der  noch  vor 
Ulrichs  I.  von  Walsee  Tode  erloschenen  Wildonier  an  die  auf- 
strebenden Walseer  gelangt. 

Nicht  viel  anders  erging  es  den  Grafen  von  Pfannberg, 
die  gleichfalls  ihre  Blütezeit  längst  hinter  sich  hatten;  auch  von 
diesen  erwarb  Ulrich  beträchtliche  Güter.  Der  ihm  nachmals 
verschwägerte  Graf  Ulrich  IV.  von  Pfannberg  übergab  ihm 
1304  *  für  seine  Dienste  seine  Mannschaft  zu  (Deutsch-)  Feistritz 
an  der  Mur  und  einen  Teil  des  Holzes  am  Schöckel  und  sah 
sich  1308^  genötigt,  ihm  sein  Stammschloß  Pfannberg  nebst 
Gütern  zu  Übelbach  und  Riegersburg  zu  verpfilnden.  Später 
erkaufte  Ulrich  in  dieser  Gegend  noch  in  den  Jahren  1319 
und  1320^  den  Zehent  zu  Passail  vom  Grafen  Hermann  von 
Heunburg. 

Dazu  spielte  nun  die  wachsende  Finanznot  der  Habsbur- 
ger Ulrich  I.  Pfandschaft  auf  Pfandschaft  in  die  Hände,  die 
für  den  Walseer  umso  wertvoller  waren,  als  sie  anderen  seiner 
Güter  benachbart  lagen.  Im  Jahre  1308^  —  stets  sind  die 
Jahre  der  Verpfändung  bezeichnenderweise  auch  Kriegsjahre 
—  versetzte  ihm  Herzog  Friedrich  um  400  Mark  Silber  für 
seinen  Dienst  und  200  Mark  Silber,  die  er  für  den  Herzog 
gezahlt,  135  Mark  Silber  Geld,  davon  110  Mark  auf  Gericht 
und  Urbar  Übelbach,  den  Rest  auf  ,dem  Seckauer  Gute  und 
auf  dem  Gesnait';  1318®  wurden  dann  noch  weitere  100  Mark 


»  InvenUr,  f.  22'.  «  Urk.  1308  März  16;  NB.  I,  318. 

»  Stubenberg.  Arch.  Verzeichnis;  Kop.  StLA.,  Nr.  1786*. 

•  Urk.  1304  Februar  3;  NB.  II,  376.  »  AÖG.  XVIU,  215. 

•  Urkk.  1319  Juli  12   (richtig  sUtt  Juli  11);  AÖG.  XXV,  286  und   1320 
März  24  (richtig  statt  März  31)  ebenda. 

^  Urk.  1308  Mai  12;  Krones,  Urkk.  z.  Gesch.  d.  Steierm.  etc.  36. 

•  LB.  in,  r.  461. 


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356 

Silber  auf  Übelbach  geschlagen.  Um  1400  Mark  Silber  ver- 
setzte dieser  Habsbarger  femer  1314  ^  Güter  zu  Semriach, 
Schrems  und  Laufnitz*  an  Ulrich.  Dieser  löste  auch  1316  für 
E.  Friedrich  den  Markt  Feldbach  um  100  Mark  Silber  von 
der  Witwe  des  Truchsessen  von  Enmierberg.  Für  seine  Ver- 
dienste an  der  Bewältigung  des  Aufttandes  von  1309  hatte 
ihm  der  Herzog  eine  Anzahl  eingezogener  Güter,'  zwischen 
Wien  und  Wiener-Neustadt  am  Saume  des  Wienerwaldee  ge- 
legen, verliehen,  die  indes  weiterhin  außer  Sicht  kommen. 

An  Ulrichs  I.  Schwester  Agnes  verpfändete  Herzog  Fried- 
rich 1314^  die  Maut  zu  Leoben,  die  durch  Agnes'  Heirat  an 
die  Pfannberger  kam;  es  dürfte  damit  wohl  in  Zusammenhang 
stehen,  daß  auch  Ulrichs  I.  von  Walsee  Satz  auf  Pfannberg 
sich  in  der  Folge  nicht  mehr   in   walseeischem  Besitze   findet 

Auch  sonst,  abgesehen  von  diesen  Gruppen,  hat  Ulrich 
noch  ansehnlichen  Besitz  erworben.  Überhaupt  ist  die  starke 
Kaufkraft,  die  er  entwickelt,  das  beredteste  Zeichen  für  den 
wachsenden  Wohlstand  des  Walseers.  Im  Jahre  1319^  besaß 
Ulrich  bereits  ein  Gut  im  Pusterwalde,  um  das  er  mit  den 
Liechtensteinern  in  einem  längeren  Streite  lag.  Schließlich  er- 
warb Ulrich  I.  1326  Januar  21*  von  dem  Grafen  Hohenlohe 
die  Feste  Schmirnberg  bei  Leutschach  um  3000  Mark  Silber 
und  überkam  damit  auch  die  Güter  und  die  Vogtei  auf  dem 
Remschnik,'  um  welche  seine  Söhne  und  andere  Walseer  durch 
ein  volles  Jahrhundert  mit  dem  Kloster  St.  Paul  im  Streite 
lagen,®  trotz  aller  Schiedssprüche  und  der  Verträge,  die  zwi- 
schen den  streitenden  Teilen  abgeschlossen  wurden. 

So  lag  Ulrichs  reicher  Besitz  in  der  ganzen  mittleren 
Steiermark  zerstreut.  Deutlich  heben  sich  zwei  ziemlich  ge- 
schlossene Gruppen  vom  Reste  ab:  nördlich  von  Graz  Wald- 
stein, Übelbach,  Pfannberg  und  Umgebung;  sodann  in  der  Ost- 
steiermark die  Riegersburg  nebst  Feldbach  und  Komberg  und 
weiter  die  Herrschaften  Gleichenberg  und  Weinburg. 

Allen  nicht  steirischen  Besitz  hat  Ulrich  rasch  wieder  ab- 
gestoßen.    Gegen   Rapoto   und   Hadmar  von  Falkenberg  ver- 


»  AÖG.  n,  566.  «  Bei  Frohnleiton.  »  AÖG.  m,  630—63«. 

*  Urk.  1314  Mai  19;  AÖG.  II,  638. 

«*  Vgl.  Urk.  1318  Dezember  6;  Orig.  StLA.,  Nr.  1846.  ♦  NB.  IV,  82. 

^  Nördlich  von  Mahrenberg  an  der  Drau. 

«  FRA,  XXXI,  218—222. 


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357 

zichtete  er  1306  *  auf  die  früher  den  Brlidern  von  Stadeck  ge- 
hörige Herrschaft  Gobelsburg  bei  Kxems,  ebenso  1308*  gegen 
das  oberösterreichische  Kloster  Engelszell  anf  allen  Anspruch 
an  einen  Hof  zu  Tiendorf. 

Stets  stand  Ulrich  I.  mit  der  Kirche  in  bestem  Einver- 
nehmen. Sein  jüngerer  Bruder  Konrad  H.,  der  sich  dem  geist- 
lichen Stande  gewidmet  hatte^  war  gleichfalls  zu  ihm  in  die 
Steiermark  gekommen.  Hier  erhielt  er  die  Pfarre  Piber,  doch 
ohne  je  die  höheren  Weihen  zu  nehmen;  vor  1311'  starb  er 
eines  gewaltsamen  Todes. 

In  Graz  hat  sich  Ulrich  I.  von  Walsee  durch  eine  Stif- 
tung verewigt.  Von  Herzog  Friedrich  erhielt  er  1307  April  8  * 
die  Erlaubnis^  den  Nonnen  des  Predigerordens  ein  Kloster 
und  eine  Kirche  zu  Qraz  außerhalb  der  Stadtmauern  auf  dem 
sogenannten  Grillhügel  ^  zu  erbauen.  Diese  Gründung  statteten 
Ulrich  I.  und  sein  junger  Sohn  Ulrich  H.  1308  *  mit  Gülten  zu 
Semriach,  Stiwoll  (westlich  von  Peggau),  Hoheneck  u.  a.  aus, 
bestifteten  sie  auch  fernerhin  und  erwirkten  der  Klosterkirche 
1325^  in  Avignon  Ablässe.  Alsbald  vertrauten  befreundete 
Adelsfamilien,  so  die  Kranichberger,  die  Losensteine,  ihre 
Töchter  dem  Kloster  an,  das  auch  manche  Gönnerin,  wie  die 
mildtätige  Margret,  Witwe  Ulrichs  H.  von  Wildon-Eppenstein,® 
fand.  Hier  wie  in  Reun,  das  die  Grazer  Walseer  gleichfalls 
bevorzugten,  blieb  deren  Andenken  der  Nachwelt  erhalten. 

2.  Ulrichs  L  Söhne  und  der  Ausgang  der  Orazer  Linie. 

Von  Ulrichs  I.  drei  Söhnen  hat  Ulrich  H.,  der  älteste 
und  bedeutendste  der  Brüder,  in  einem  überaus  tatenreichen 
Leben  die  ruhmvolle  Laufbahn  seines  Vaters  fortgesetzt.  Wenige 
Jahre  nach  seinem  Tode  erlosch  indes  mit  Eberhard  Vlll.  die 
Grazer  Linie  der  Walseer,  deren  Besitz  zersplittert  und  großen- 
teils ihrem  Hause  entfremdet  wird. 


»  ürk.  1306  August  6;  WSt.  676. 

»  ürk.  1308  März  3;  NB.  VI,  693.  »  Vgl.  die  Genealogie. 

•  (richtig  statt  April  6);  Muchar,  Gesch.  d.  Steierm.  VI,   164. 
^  Etwa  in  der  Nähe  der  heutigen  Technik. 

•  Urk.  1308  Juni  16;  Orig.  StLA.,  Nr.  1717  und  1786. 

^  Urk.  1325  Oktober  25;  Lang,  Monum.  Salzburgo-Aquileiensia  I,  8.  94. 

•  Vgl.  AÖG.  LIX,  278. 


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358 

Ulrich  n.  tritt  1308  anläßlich  der  Klostergrttndung  seines 
Vaters  zum  ersten  Male  auf  und  soll  bereits  1312^  mit  der 
Schwäbin  Alhait  von  Weinsberg  vermählt  gewesen  sein,  die  ihm 
dann  durch  drei  Jahrzehnte  zur  Seite  stand.  Mit  seinem  Vater 
zog  er  1316  gegen  Ludwig  den  Baiem  ins  Feld,  zeichnete  sich 
im  Treffen  von  Eßlingen  (September  19)  aus  und  erhielt  dafür 
den  Ritterschlag.  *  Als  Herzog  Leopold  1318  Kolmar  belagerte, 
tat  er  sich  abermals  beim  Sturme  auf  die  Stadt  hervor  und 
bedeckte  sich  mit  Ruhm.'  Im  Jahre  1320  weilte  und  wirkte 
er  an  der  Seite  seines  Vaters  in  Oberitalien.  Kaum  war  er 
aus  dem  Süden  heimgekehrt,  so  unternahm  er  noch  im  Jahre 
1321  eine  jener  Heerfahrten  gegen  die  heidnischen  Preußen,^ 
die  weniger  ernsten  Kampfes  halber  als  aus  jugendlicher  Aben- 
teuerei  und  zur  Erprobung  ritterlichen  Mutes  veranstaltet  wur- 
den, lo  der  Schlacht  bei  Mühldorf  teilte  er  das  Schicksal  der 
Seinigen  und  fiel  verwundet  in  Gefangenschaft;  daraus  entlassen, 
zog  er  1324  abermals  mit  seinem  Vater  nach  Oberitalien.  Dann 
griff  er  wieder  gegen  den  Witteisbacher  zu  den  Waffen  und 
holte  sich  zu  Memmingen  und  vor  ,Münik'  (München?)  neue 
Lorbeeren.  ^ 

Als  1327  Niederösterreich  nördlich  der  Donau  von  den 
Böhmen  verheert  wurde,  schlug  er  sich  vor  Ulrichskirchen  mit 
dem  Gegner  herum;  vor  Stetteldorf  stach  er  drei  Feinde  nieder 
und  nahm  einen  vierten  gefangen.  ^  Dann  war  er  wieder  rasch 
gegen  die  nae(h  Oststeiermark  eingedrungenen  Ungarn  zur  Stelle. 
Als  sie  sich  aus  der  Gegend  von  Radkersburg  zurückziehen 
mußten,  setzte  er  ihnen  bei  Ölsnitz  über  die  Mur  nach^  und 
schuf  ihnen  großes  Ungemach.  Als  sein  zweiter  Bruder,  der 
seit  1319  genannte  Friedrich  HI.,  im  Jahre  1329  von  einer  im 
Gefolge  K.  Johanns  von  Böhmen  unternommenen  Preußenfahrt 
zurückkehrte,*  traf  er  den  Vater  nicht  mehr  unter  den  Le- 
benden. 

Der  Tod  Ulrichs  I.  ließ  seinen  Besitz  ungeteilt  an  die 
drei   Söhne   Ulrich  H.,    Friedrich  HI.  und   den    eben   erst 


»  Vgl.  die  Genealogie.  "  Vgl.  S.  860. 

"  Suchenwirt,  a.  a.  O.  V.  67. 

♦  Ebenda,  V.  103—118.  »  Ebenda,  V.  119—132. 

«  Ebenda,   V.   133—136;   die   von  Primisser   yersuchte  Lokalinerung  ist 

natürlich  verfehlt. 
'  Vgl.  Urk.  1329  März  12;  NB.  IV,  84. 


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gevogten  Jans  I.  (Jenslein)  fallen.  An  den  vielerprobten 
Ulrich  n.  kam  ferner  die  Hauptmannschaft  in  der  Steier- 
mark.^ Im  Besitze  des  steirischen  Truchsessenamtes  erschei- 
nen nach  Ulrichs  I.  Ableben  —  von  einer  einzigen  Urkunde 
abgesehen  —  wieder  die  Emmerberger,  die  es  als  Erbamt  inne- 
hatten. 

Der  Ehebund,  den  Ulrichs  I.  einzige  Tochter  Diemut 
spätestens  1229  mit  dem  mächtigen  Friedrich  von  Saneck 
schloß,  gab  ihren  Brüdern  Veranlassung,  dem  Schwager  in 
seiner  bereits  seit  1328  währenden  FeBde  mit  den  Weißeneckem 
beizustehen.'  Um  das  Interesse  der  verschwägerten  Walseer 
enger  an  das  seine  zu  knüpfen,  versetzte  ihnen  der  Sanecker 
1329  Dezember  29*  zu  Graz  seine  sämtlichen  Festen,  doch 
scheint  diese  Verpfkndung  überhaupt  nicht  in  Kraft  getreten  zu 
sein.  Der  Schiedsspruch  von  1331  September  9*  machte 
schließUch  der  Weißenecker  Fehde  ein  Ende. 

Sodann  waren  die  Walseer  im  Dienste  der  habsburgischen 
Absichten  auf  Kärnten  tätig.  Der  Übergang  der  Weißenecker 
Güter  im  Lavanttale  an  Ulrich  U.  und  seine  Brüder  förderte 
die  Beziehungen,  die  man  von  habsburgischer  Seite  mit  Kärn- 
tens Adel  unterhielt.  Nach  derselben  Seite  hin  wirkte  Ul- 
rich n.  bei  der  durch  Herzog  Albrecht  beigelegten  Fehde, 
welche  Bischof  Bernhard  von  Bamberg  und  dessen  Bruder  Hein- 
rich, Schenk  von  Reicheneck,  als  Pfleger  der  großen  Güter  dieses 
Gotteshauses  in  Kärnten  im  Jahre  1334  mit  Konrad  von  Auffen- 
stein  und  den  Ortenburgem  ausfocht,  um  beide  Teile  ftir  die 
Habsburger  zu  gewinnen,  indem  er  sich  mit  dem  Reichenecker 
verständigte^  und  sich  dem  Bischof  als  Bürgen  ftir  die  Los- 
lassung des  gefangenen  Friedrich  von  Auffenstein  darbot.* 
Nächst  Bamberg  und  Aquileja  war  das  Erzbistum  Salzburg  von 
Wichtigkeit,  dessen  man  sich  durch  das  1335  März  29'  zu 
Salzburg  abgeschlossene  Bündnis  versicherte.  Auch  dabei  war 
Ulrich  n.  zugegen  und  wurde  zu  einem  der  herzoglichen  Schieds- 
leute bestimmt,  die  über  alle  salzburgischen  Ansprüche  in  Kärn- 


^  Vgl.  die  Genealogie. 

'  Vgl.  KroneSy  Die  Freien  von  Saneck  72. 

>  Ebenda  122;  richtig  sUtt  1330.  *  NB.  U,  313. 

»  NB.  IV,  101.  •  Ebenda  102. 

^  Steyerer,  Additamentom  ad  bist.  Alb.  ü,  c.  89. 


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ten  mit  salzburgischen  Schiedsrichtern  entscheiden  sollten.  Als 
Herzog  Heinrich  von  Kämten-Tiroi  1335  April  4  starb,  erlangten 
die  Habsburger  sofort  von  K.  Ludwig  die  Belehnung  mit  Kärnten. 
Ulrich  IL  von  Walsee-Qraz  und  Graf  Ulrich  von  Pfannberg 
überbrachten  dorthin  die  Kunde  der  vollendeten  Tatsache^  und 
sagten  den  Kärntnern  die  Bestätigung  ihrer  alten  Freiheiten 
durch  die  Habsburger  zu;'  ohne  Widerstand  ward  das  Land 
nach  kurzer  Frist  durch  Herzog  Otto  fiir  dieselben  in  Besitz 
genommen. 

Stets  hat  Ulrich  IT.*  der  offenbar  in  streng  kirchlichem 
Sinne  erzogen  war,  nach  dem  Sinne  der  päpstlichen  Politik  ge- 
handelt und  mit  der  Kurie  rege  Beziehungen  unterhalten.  Elr 
hatte  unter  Herzog  Leopold  gegen  den  gebannten  K.  Ludwig 
weiter  gefochten,  leistete  der  Kurie  gute  Dienste,  indem  er  ihr 
wichtige  Nachrichten  zukommen  ließ,  *  wofür  er  manche  Gunst- 
bezeigungen erhielt,  und  blieb  dem  Witteisbacher  ferne. 

Die  Erwerbung  Kärntens  durch  die  Habsbui^er  hatte  einen 
Waffengang  mit  den  Luxemburgern  zur  Folge,  der  mit  dem 
Enser  Vertrage  (1336  Oktober  11*)  schloß,  in  welchem  Ulrich  H. 
von  Herzog  Albrecht  H.  zum  Bürgen  für  die  eingegangenen 
Geldverpflichtungen  gegen  K.  Johann  von  Böhmen  gesetzt 
wurde.  Der  beabsichtigte  Einfall  des  Luxemburgers  Johann 
Meinhard  nach  Kärnten  trieb  Herzog  Albi*echt  H.  nun  in  die 
Arme  K.  Ludwigs,  der  Ende  1338  zu  einem  Unternehmen 
gegen  Herzog  Heinrich  von  Niederbaiern,  des  Böhmenkönigs 
Eidam,  rüstete.  Das  Nürnberger  Bündnis,  welches  Ulrich  IL 
von  Walsee  und  Graf  Ulrich  von  Pfannberg  für  die  Habsbui^r 
1339  Januar  10^  mit  K.  Ludwig  abschlössen,  sprach  den  letz- 
teren alles  zu  erobernde  Land  Herzog  Heinrichs  östlich  der 
Salzach  zu.  Der  Tod  dieses  Herzogs  sowie  die  Belehnung 
K.  Johanns  von  Böhmen  durch  Kaiser  Ludwig  ließen  die  Habs- 
burger indes  von  diesen  Plänen  abseben. 

Auch  die  Steiermark  genoß  in  diesen  Jahren  die  Segnun- 
gen der  Friedenspolitik  Herzog  Albrechts  H.  Eine  Fehde,  in 
welche  die  Walseer,  Cillier  und  Ortenburger  wegen  des  Ruden- 
ecker  Schloßbaues   mit  Herdegen  von  Pettau  gerieten,  wurde 


^  Anon.  Leobiens.,  Pez,  SS.  Ber.  Aostr.  I,  940. 

•  Urk.  1336  Mai  8;  NB.  VIII,  806. 

'  Vgl.  Vatikanische  Akten  zur  Gesch.  Ludwigs  des  Baiern  I,  440,  847. 

*  LB.  ni,  r.  1087.  *  Stejerer,  a.  a.  O.,  c.  123. 


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1344*  durch  einen  herzoglichen  Schiedsspruch  beigelegt,  bevor 
sie  gefilhrlichen  Umfang  angenommen  hatte.  So  fand  Ulrich  11. 
von  Walsee  Muße,  nach  der  Sitte  seiner  Zeit  auch  unter  fremden 
Fahnen  zu  dienen.  Er  folgte  1345*  K.  Johann  von  Böhmen 
auf  seinem  Zuge  gegen  Krakau  nach  Polen  und  bewährte  sich 
dort  neuerdings  vor  dem  Feinde.  Nach  seiner  Rttckkehr 
wirkte  er  nach  dem  Übereinkommen  von  1345  Dezember  14* 
zwischen  Herzog  Albrecht  11.  und  K.  Ludwig  von  Ungarn  ab 
Bevollmächtigter  des  Herzogs  für  die  Grenzstreitigkeiten  gegen 
Ungarn  auf  der  Strecke  von  Hartberg  bis  zur  Drau. 

Im  gleichen  Jahre  1345  starb  um  Lichtmeß  im  blühend- 
sten Mannesalter  Ulrichs  H.  jüngster  Bruder  Jans  I.,*  wohl 
noch  unvermählt.  Sein  zweiter  Bruder  Friedrich  HI.  trat  in 
die  Dienste  des  Bischofs  von  Bamberg,  Friedrichs  von  Hohen- 
lohe,  als  Hauptmann  der  Kärntner  Besitzungen  dieses  Hoch- 
stiftes, auf  welchen  ihm  auch  der  Schirm  aller  dortigen  Juden 
übertragen  war.*  1348  Mai  29^  quittiert  er  zu  Graz  seinem 
Herrn  den  Empfang  von  800  Goldgulden  flir  seine  Dienste  in 
diesen  Jahren  imd  noch  1350  Februar  25'  bestätigt  er  den 
Erhalt  von  425  Goldgulden,  die  ihm  aus  diesem  Amte  zukamen. 
Damals  hatte  er  bereits  seine  Gattin,  eine  Tochter  Leutolds  des 
Alten  von  Euenring-Dürrenstein,  heimgeführt. 

Gestützt  auf  seine  erstarkten  Hilfsquellen  wie  durch  das 
Bündnis  mit  den  Luxemburgera  begann  Herzog  Albrecht  H. 
nun  wieder  eine  oflFensive  Politik  zu  treiben. 

Er  leistete  nach  dem  Tode  des  Patriarchen  Bertrand  de 
S.  Genesio  von  Aquileja  dem  Hilferufe  des  Friauler  Parlamentes 
Folge  und  betraute  Ulrich  II.  von  Walsee  mit  der  Führung 
ansehnlicher  Streitkräfte.  Dieser  rückte  im  Sommer  1350  in 
Friaul®  ein  und  besetzte  als  des  Herzogs  Hauptmann  Udine 
mit  dem  Nordosten  des  Patriarchates.  Herzog  Albrecht  kam 
persönlich  nach  Friaul,  um  sich  dort  huldigen  zu  lassen;  1350 
August  9^  belehnte  er  zu  Peutelstein  (Venzone)  Friauler  Adelige 
mit  österreichischen  Lehen  in  Friaul  in  Ulrichs  H.  von  Walsee 


'  Urk.  1344  Juli  21;  Erones,  Die  Freien  von  Saneck  168. 

«  Suchenwirt,  a.  a.  O.,  V.  187—141. 

'  Muchar,  Qesch.  d  Steierm  VI,  304.  *•  Vgl.  die  Genealogie. 

»  Urk.  1346  Angnst  16;  HHStA.,  Kod.  1063  f.  22. 

•  HHStA.,  Kod.  1049,  f.  66'.  »  Ebenda,  f.  93. 

'  Bianchi,  Chron.  Spilimbergense  8.  *  FBA.  XL,  71. 


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Gegenwart.  Mit  dem  neuen  Patriarchen  Nikolaus^  K.  Johanns 
von  Böhmen  natürUchem  Sohne,  schloß  Herzog  Albrecht  1351 
unter  Vermittlung  K.  Karls  IV.  einen  yorteilhaflen  Frieden  ab. 

Das  Vorgehen  der  Züricher  gegen  Rapperschwyl  zwang 
Herzog  Albrecht,  zur  Wahrung  seiner  Stammlande  im  Sommer 
1352  seinen  ersten  Heereszug  gegen  das  starke  Zürich  zu 
rüsten^  auf  dem  ihm  auch  der  tapfere  Ulrich  H.  von  Walsee- 
Graz  folgte.^  Ohne  nachhaltige  Erfolge  gegen  die  immer  mehr 
um  sich  greifenden  Eidgenossen  errungen  zu  haben,  traf  der 
Herzog  wieder  in  Osterreich  ein. 

Zum  zweitenmale  zogen  Ulrich  H.,  dessen  Sohn  Eber- 
hard VIH.  und  Friedrich  IH.  von  Walsee-Graz  sowie  Fried- 
rich n.  von  Walsee-Ens  im  Juni  1354*  mit  Herzog  Albrecht 
und  dem  Kaiser  gegen  Zürich  zu  Felde. 

Als  sich  1356  die  Grenzfehden  gegen  Böhmen  und  Mähren 
wiederholten,  nahm  K.  Karl  von  Ungarn  die  Vermittlung  zwischen 
Herzog  Albrecht  und  dem  Kaiser  in  die  Hand.  Von  Raab  aus 
entsandte  der  Herzog  1356  Februar  20*  Ulrich  von  Wabee- 
Graz  mit  anderen  Bevollmächtigten  zur  Taidung  mit  Kaiser 
Karl.  Ein  Gegendienst  dafür  war  es,  als  Ulrich  H.  von  Walsee- 
Graz,  der  berühmte  Degen,  mit  dem  befreundeten  Ungam- 
könige  gegen  Treviso  zu  Felde  zog;^  zum  letztenmale  hat  hier 
der  kühne,  kampffrohe  Mann  das  Schwert  gefUhrt. 

Im  Sommer  1358  trat  Friedrich  HI.  von  Walsee-Qraz  in 
die  Dienste  des  Erzbischofs  von  Salzburg  und  focht  für  den- 
selben gegen  Herzog  Stephan  von  Baiern;  1358  Dezember  13^ 
bestätigt  Friedrich  Hans  dem  Vitztume  zu  Lienz  den  Empfang 
von  1000  £(^  für  den  Dienst,  den  er  gegen  Baiem  geleistet 
Um  dieser  Fehde  ein  Ende  zu  machen,  zog  der  gealterte  Ul- 
rich n.  von  Walsee-Graz  im  strengen  Winter  1358/9  als  (ge- 
sandter Herzog  Albrechts  nach  Salzburg;  sein  Werk  war  der 
am  nächsten  Lichtmeßtage  abgeschlossene  Waffenstillstand.^ 


>  Suchenwirt,  a.  a.  O.,  V.  156;  der  Zug  flUlt  ins  Jahr  1352,  nicht  1351, 
wie  sich  auch  aus  Ulrichs  Itinerar  ergibt,  das  ron  1352  Mai  29  (KB.  II, 
331)  bis  November  3  (Orig.  StLA.,  Nr.  2457  »)  eine  Lacke  aufweist 

«  Vgl.  Suchenwirt,  a.  a.  O.,  V.  157.  Vgl.  S.  302;  Norember  13  urkundet 
Ulrich  II.  wieder  in  Qraz.    (Orig.  Deutsches  Ordensarchir,  Wien.) 

■  Steyerer,  a.  a.  O.,  col.  188.  *  Suchenwirt,  a.  a.  O.,  V.  165. 

»  HHStA.,  Eepertor.  VIII,  Salsburg. 

•  Suchenwirt,  a.  a.  O.,  V.  172. 


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363 

Seinen  geliebten  Herzog,  der  1358  Juli  20  verschied,  hat 
Ulrich  nur  um  ein  Jahr  überlebt;  er  folgte  ihm  1359  Juli  12^ 
im  Tode  nach.  In  seinen  letzten  Lebensjahren  hatte  er  noch 
das  von  seinem  Vater  gestiftete  Dominikanerinnenkloster  reich 
bedacht  und  bei  den  Minderbrüdem'  zu  Brück  a.  M.,  Leoben^ 
Judenburg  und  Pettau,  im  Kloster  Stainz  sowie  zu  St.  Agidi 
in  Graz  Jahrtage  gestiftet. 

Ein  würdiger  Sohn  seines  berühmten  Vaters,  galt  er  bei 
seinen  Zeitgenossen  als  ein  Spiegel  aller  ritterlichen  Tugenden, 
deren  Preis  Suchenwirt  eine  seiner  Ehrenreden  widmete.  Von 
Feldzug  zu  Feldzug  neu  bewährt  und  mit  Ruhm  bedeckt, 
war  er  während  der  ganzen  Regierung  Herzog  Albrechts  H. 
ein  treuer  Diener  seines  Herrn  und  eine  besonders  wert- 
volle Kraft  gewesen,  einer  der  besten  Männer  des  Österreich 
seiner  Zeit. 

Da  ihm  sein  erstes  Söhnlein  Ulrich  IH.  in  zartem  Alter 
gestorben  war,*  hinterließ  Ulrich  II.  von  seiner  Gattin,  der  ihm 
im  Tode  vorangegangenen  Schwäbin  Alheid  von  Weinsberg, 
den  einzigen  Eberhard  VHI.,  der  sich  um  1356  mit  der  Kuen- 
ringerin  Elsbeth  vermählte.*  Eberhard  folgte  seinem  Vater  so- 
fort im  Amte  des  Hauptmanns  in  der  Steiermark  und  überkam 
den  gesamten  väterlichen  Besitz. 

Von  Herzog  Rudolf  IV.  wurde  1359  an  Friedrich  III. 
von  Walsee-Graz  das  oberste  Schenkenamt  in  der  Steiermark 
übertragen.*  Er  tauschte  es  1361  gegen  das  steirische  Ober- 
truchsessenamt  ein,  das  damit  nochmals  an  sein  Haus  zurückkam. 

Friedrich  HI.  von  Walsee-Graz,  der  in  den  letzten  Jahren 
seinen  Sitz  zu  Amfels^  genommen  hatte,  wurde  im  Sommer 
1362  (f  Juli  8)  zu  Grabe  getragen;  auch  er  hat  sich  im  Do- 
minikanerinnenkloster zu  Graz  einen  Jahrtag  gestiftet.^  Seine 
Kinder  von  der  Kuenringerin  Agnes  waren  ihm  schon  in  jugend- 


^  Vgl.  die  Genealogie. 

«  ürkk.  1352—1369;  Orig.  8tLA.,  Nr.  2446,  2662  ^  2663  ^  2626,  2626»»»°, 

2664,  2585,  2618,  2714. 
•  Vgl.  die  Genealogie. 
^  Nordwestlich  von  Marburg;  es  war  salzburgisch.     Wahrscheinlich  hatte 

er   die   Pflegschaft   daselbst.    Vgl.  Urk.  1360   Angost   10;    Orig.  StLA., 

Nr.  2762«. 
^  Mit   dem   Dorfe  Steinach   an    der  Kainach;   Urk.  1362  Juni  22;  Orig. 

StLA.,  Nr.  2825» 
▲rehir.  XCT.  Band.  U.  U&lfte.  25 


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364 

liebem  Alter  entrissen  worden,  und  so  beerbte  ihn  vorerst  sein 
Neffe  Eberhard  VIII.  von  Walsee-Qraz,  der  (Jatte  Elsbeths, 
einer  Schwester  der  vorgenannten  Agnes.  Da  auch  diesem 
der  Bandersegen  versagt  blieb,  schloß  durch  sein  bereits  1363 
Juli  12  erfolgtes  Ableben  die  Reihe  der  Walseer  zu  Graz.  ^ 

Damit  war  der  erste  der  vier  Zweige  abgestorben,  in 
denen  das  Haus  Walsee  in  Österreich  blühte.  In  drei  Gene- 
rationen hatte  er  sich  in  der  Steiermark  und  über  deren  Grenzen 
hinaus  ausgebreitet;  aber  viel  weiter  noch  war  der  Ruf  von  der 
Tapferkeit  und  dem  Ruhme  Ulrichs  I.  und  seines  Sohnes  Ul- 
richs n.  gedrungen,  zweier  Zierden  steirischer  Ritterschaft 

Das  ganze  Menschenalter  hindurch,  in  welchem  Ulrichs  L 
Söhne  wirkten  und  schufen,  hat  sich  deren  Besitzentwicklung 
fortwährend  in  aufsteigender  Richtung  bewegt;  sie  haben  den 
väterlichen  Besitz,  der  vorderhand  gemeinschaftlich  blieb,  noch 
um  ein  bedeutendes  vermehrt.  Noch  vor  dem  Tode  seines 
Vaters  hat  Ubnch  11.  1312*  die  beiden  Festen  Entreich  und 
Cheltzenwerde,  deren  Lage  nicht  bekannt  ist,  um  500  Mark 
Silber  erkauft;  sie  kommen  weiterhin  außer  Sicht  In  der  Ost- 
steiermark, nahe  den  großen  walseeischen  Herrschaften  Rie- 
gersburg  und  Gleichenberg,  wurde  der  salzburgische  Zehent 
zu  Gleichenberg  1329*  durch  Ortolf  von  Pemreut  an  Ulrich  IL 
von  Walsee  und  dessen  Brüder  übergeben.  Den  Urbarzehent 
zu  Gleisdorf  erhielt  Ulrich  11.  im  gleichen  Jahre*  vom  Erz- 
bischof von  Salzburg  im  Tausche  gegen  Zehente  zu  Paurau 
und  Walteradorf  zu  Lehen.  Am  5.  Oktober  1331*  wurden 
Ulrich  n.  und  seine  Brüder  von  Herzog  Otto  mit  Schloß  Kom- 
berg  belehnt,  das  bereits  ihr  Vater  innegehabt  hatte.  Wichtiger 
aber  war  die  Erwerbung  der  oststeirischen  Pfandherrschaft 
Wachseneck  (bei  Anger  an  der  Feistritz),  welche  den  Qrazer 
Walseern  beim  Verkaufe  der  schwäbischen  Stammgüter  im 
Vertrage  von  1331  Januar  7^  für  2817  Mark  Silber  zugewiesen 
wurde.  In  der  Obersteiermark  blieb  es  bei  dem  spärlichen 
walseeischen   Besitze,   dem   Gute  im  Pusterwalde;    zu   diesem 


*  Vgl.  die  Genealogie. 

•  ürk.  1312  Februar  24;  Orig.  StLA.,  Nr.  1760;  die  Regesten  in  NB.  VI, 
417  und  AÖG.  LIX,  285  sind  mangelhaft  und  unrichtig. 

»  Urk.  1329  März  12;  Orig.  StAEferding. 

♦  Urk.  1829  November  30;  Muchar,  Gesch.  der  Steiermark  VI,  248. 

*  Muchar,  ebenda  266.  «  UBoE.  VI,  1. 


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erwarb  er  die  Vogtei  über  eine  dem  Stifte  Seitenstetten  (Nieder- 
österreich) gehörige  Mühle  auf  der  Zeiring,  die  ihm  Herzog 
Albrecht  II.  1329^  Übertrag.  Im  Unterlande  nahmen  sie  zur 
Arrondierung  ihrer  Herrschaft  Schmimberg  1332*  verschiedene 
Seckauer  Lehen  in  der  Umgebung  von  Leutschach;  auch  ver- 
lieh ihnen  Abt  Heinrich  von  St.  Paul  1342  •  verschiedene  im 
dortigen  Umkreise  gelegene  Güter,  die  bereits  ihr  Vater  inne- 
gehabt hatte.  1334*  erhielten  sie  die  Vogtei  über  ein  Qut  der 
Kartause  Seitz  zu  Swersobitz  (bei  Rohitsch).  Noch  weiter  im 
Süden,  in  der  Umgebung  Cillis,  kamen  die  drei  Festen  Hohen- 
eck,*  Sachsen  wart  und  Sachsenfeld  1331^  als  herzoglicher 
Satz  an  sie,  den  sie  von  Konrad  von  Auffenstein  um  1823  Mark 
Silber  ablösten. 

Noch  bedeutender  aber  waren  die  Ankäufe  im  Kärntner 
Lavanttale,  welche  die  geldkräftigen  Walseer  machten,  als  sich 
nach  dem  Ausgange  der  Weißenecker  Fehde  letzteres  Ge- 
schlecht gezwungen  sah,  sein  Stammgut  Stück  um  Stück  zu 
veräußern.  Bereits  1330^  versetzten  die  Weißenecker  den  drei 
Brüdern  von  Walsee-Graz  ihr  Schloß  Weißeneck®  mit  dem 
Gerichte  daselbst  um  1000  Ä(^,  dem  als  Kauf  1331  die  Feste 
Hartneidstein'  samt  dem  zugehörigen  Landgerichte  um 
350  Mark  Silber  folgte,^^  ebenso  im  gleichen  Jahre  noch  *^  die 
im  Lavanttale  gelegenen  Landgerichte  zu  St.  Leonhard,  St. 
Andrä  und  Reisberg.**  Schließlich  ging  auch  das  vordere 
Schloß  zu  Weißeneck,  ein  Teil  1333,*»  die  restliche  Hälfte 
folgte  13391*  an  die  genannten  Walseer  ftlr  1000  und  600  Mark 


»  Urk.  1329  Juli  19;  FR A.  XXXIII,  184. 

*  Kop.  StLA.  Nr.  2039  >"*;  diese  und  eine  noch  größere  Anzahl  fUhrt  das 
Seckauer  Lehensverzeichnis,  der  bald  nach  1318  entstandene  Liber  Wo- 
chonis,  Kop.  StLA.  Hs.  60,  f.  59  an. 

»  Urk.  1342  September  1;  AÖG.  XXXIX,  232. 
<  Urk.  1334  Juni  22;  Kop.  StLA.,  Nr.  2064  ^ 

*  Nicht  mit  jenem  westlich  von  St.  Polten  su  verwechseln. 
«  Urk.  1331  Juni  29;  Steyerer,  a.  a.  O.  c.  19. 

»  Urk.  1330  September  29;  NB.  IV,  86. 
'  Südlich  von  St.  Leonhard  im  Lavanttale. 

*  Am  Westabhange  der  Koralpe. 


»«  Urk.  1331  Januar  8;  NB.  IV,  86. 
"  Urk.  1331  Juli  19;  ebenda  87. 


"  Nordwestlich  von  St.  Andrft.  "  Urk.  1333  Juni  3;  NB.  IV,  180. 

»*  Urk.  1339  Juli  6;  ebenda  105. 


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366 

Silber  über.  Nachmals  erwarben  dieselben  noch  1342*  ver- 
schiedency  diese  Besitzungen  abrundende  Güter  und  Zehente 
und  zuletzt  erkaufte  Ulrich  11.  1355*  von  Nikla  dem  Weißen- 
ecker um  150  Ä^  Güter  ^  zu  Mautern  und  St.  Georgen  — 
Lehen  des  Klosters  Goß.  Im  Jahre  1346*  erhielt  Ubich  IL 
von  Walsee  vom  Bischof  von  Bamberg,  Heinrich  von  Hohen- 
lohe,  die  Belehnung  mit  Schloß  und  Herrschaft  Weißeneck. 
Das  Gericht  daselbst  wurde  dem  Walseer  durch  die  Pfann- 
berger  streitig  gemacht;^  der  Friesacher  Schiedsspruch  ent- 
schied jedoch  1354  März  12^  zu  seinen  Gunsten.  Daraufhin 
hat  Bischof  Leopold  von  Bebenburg  1356''  die  Belehnung  mit 
Weißeneck  dem  Walseer  erneuert.  Dieser  schöne  Besitz  im 
Lavanttale  hat  sich  jedoch  in  der  Folge  nicht  weiter  entwickelt 
und  ging  bereits  mit  dem  Aussterben  der  Linie  Walsee-Grax 
dem  Hause  Walsee  für  immer  verloren. 

Nach  dem  Tode  Jans  I.  von  Walsee-Graz  hatte  Herzog 
Albrecht  II.  den  beiden  Brüdern  Ulrich  H.  und  Friedrich  HI. 
von  Walsee-Graz  bewilligt,  alle  ihre  Lehen  Söhnen  und  Töch- 
tern zu  vererben.  Wenige  Jahre  darauf  hoben  sie  die  seit  ihres 
Vaters  Tode  gemeinsame  Verwaltung  auf  und  teilten  1351 
Januar  28«  ihre  Güter.  Ulrich  IL  fielen  die  Festen  Wald- 
stein und  Gleichenberg,  der  Satz  von  Übelbach  mit  dem 
Urbar  von  Gleichenberg  und  Teilen  des  Urbars  der  Riegers- 
burg  zu.  Friedrich  HI.  dagegen  erhielt  die  Festen  Riegers- 
burg  und  Krems  (bei  Voitsberg)  mit  der  Pack,  den  Satz  von 
Stainz  und  auf  dem  ,Gesnait',  einen  Teil  des  Satzes  zu  Wildon, 
den  größeren  Teil  des  Urbars  der  Riegersburg  und  Schloß  Wein- 
berg mit  dem  Landgerichte.  Von  den  Pfandschaften  war  bereits 
Januar  18^  dieses  Jahres  Ulrich  II.  Hoheneck,  Friedrich  HI. 
dagegen  Wachseneck  und  Feldbach  zugewiesen  worden. 
Schließlich  schritten  die  beiden  Brüder  1352  Mai  13  ^^  in  Graz 
zur  Teilung   der  noch   übrigen  gemeinsamen  Güter.     Darnach 


»  Urk.  1342  April  7;  ebenda  126. 

«  Urk.  1866  Juni  23;  Orig.  StLA.,  Nr.  2641. 

^  Dieselben  würden  bald  darauf  dem  Kloster   der  Dominikanerinnen  ra 

Gra«  verpfändet:  Urk.  1367  Juli  12;  Orig.  StLA.,  Nr.  2612. 
♦  HHStA.  Kod.  1049,  f.  20'. 

»  Vgl.  Urk.  1361  Juli  4;  RegesU  Boica  Vm,  218.  •  NB.  IV,  317. 

»  Urk.  1356  MÄrz  7;  NB.  IV,  321.  •  NB.  IV,  279. 

»  NB.  n,  329.  »«  NB.  IV,  294. 


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kamen  die  Fe8teii  Weißeneck,  Hartneidstein  und  Kranich- 
berg (bei  Gloggnitz  am  Semmering),  dazu  die  Güter  zu  Finster- 
pels,  Obdach  und  Eppenstein,  sämtlich  um  Judenburg  gelegen, 
an  Ulrich  11.,  die  Feste  Roseck  (auf  der  Pack)  dagegen  so- 
wie die  Feste  bei  Marburg  im  Draufelde  samt  allem  Zugehör 
wurden  Friedrichs  III.  Anteil.  Auch  das  Urbar  zu  Schmirn- 
berg  wurde  1352  Mai  29  geteilt,^  doch  blieben  diese  Feste 
und  das  Amt  darauf  gemeinsam. 

Was  Ulrich  II.  in  seinen  letzten  Lebensjahren  noch  hinzu 
erwarb,  ist  ohne  aUe  Bedeutung.  Er  brachte  1352*  Gülten  zu 
Wolkenstein  im  Enstale  von  Konrad  von  Graben  sowie  1358* 
einen  Hof  bei  Weißenkirchen*  durch  Kauf  und  satzweise  1359* 
noch  von  Albrecht  dem  Hollenecker  Gülten  zu  Deutsch-Fei- 
stritz an  sich. 

Dagegen  hat  Friedrich  IH.  von  Walsee-Graz  in  seinen 
letzten  Lebensjahren  seinen  Besitz  noch  ganz  bedeutend  ver- 
mehrt. Von  Jans  von  Junging  erkaufte  er  1352*  einen  Hof 
zu  Ragnitz  bei  Wildon.  Dann  wurde  ihm  vom  Herzoge  1353 
Mai  30^  ein  ungenanntes  ,Gut  auf  der  Steiermark'  um  1500  Äf  ,Ä, 
für  eine  Schuld  von  1100^^  und  200  Gulden  1355  Novem- 
ber 27  8  Burg  und  Stadt  Windisch-Feistritz»  verpfändet.  Schließ- 
lich erwarb  Friedrich  noch  von  Heinrich  von  Wildhausen  die 
Feste  Mahrenberg,  die  ihm  dieser  1360^®  um  1334  Mark 
Silber  verkaufte.  Seinen  Satz  auf  Feldbach  lösten  die  Bürger 
um  300Äf,Ä  selbst  ab  und  erhielten  dafür  vom  Herzog  1362 
Februar  26  ^*  eine  fÜnQährige  Steuerfreiheit.  Dagegen  hat  Fried- 
rich das  Viertel  an  der  Feste  Dürrenstein,**  das  ihm  seine 
Gattin  Agnes,  Leutolds  von  Kuenring  Tochter,  zugebracht,  1356 
Juni  81»  dem  Herzog  filr  1500^^  verkauft.  Nach  Friedrichs  HL 
Ableben  fiel  dessen  Besitz  seinem  NeflFen  Eberhard  VHI.  von 
Walsee-Graz  zu.  Friedrichs  III.  Witwe  ließ  sich  mit  einer 
Summe   von   1000  Goldgulden   abfinden.^*    Die    Feste    Krems 

*  NB.  IV,  317.  •  Urk.  1362  November  3;  Orig.  StLA.,  Nr.  2457  •. 
»  Urk.  1358  März  11;  Kop.  StLA.,  Nr.  2643«.  *  Bei  Knittelfeld. 

*  Urk.  1869  März  12;  Kop.  StLA.,  Nr.  2689'. 

•  Urk.  1362  November  20;  Kop.  StLA.,  Nr.  2469«. 

»  LB.  in,  r.  1632;  falsch  datiert.  •  LB.  HI,  r.  1826. 

•  Südwestlich  Marburg.  »«  Urk.  1360  August  19;  NB.  IV,  343. 
^^  Krones,  Urk.  z.  Gesch.  d.  Steierm.  etc.,  r.  223. 

"  Bei  Krems,  Niederösterreich.  "  LB.  HI,  r.  1863 

"  Urk.  1362  Juli  27;  UBoE.  Vm,  91. 


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368 

kam  aus  Friedrichs  m.  Erbe   auf  unbekannte  Weise  an   die 
befreundeten  Stadecker. 

Noch  bei  Lebzeiten  seines  Vaters  hatte  Eberhard  VUL 
für  seinen  Dienst  gegen  Zürich  1354  Juni  16  ^  vom  Herzog  das 
Gericht  und  den  herzoglichen  Keller  zu  Marburg  sowie  den 
Zehent  auf  dem  Draufelde  um  2000  Ä^Ä  versetzt  erhalten. 
Seine  Gattin  Elsbeth^  gleichfalls  eine  Tochter  Leutolds  von  Euen- 
ring,  erbte  die  beiden  Festen  zu  Spitz,*  mit  welchen  Eber- 
hard Vin.  1356  April  2*  vom  Markgrafen  Ludwig  von  Bran- 
denburg und  dem  Herzog  Stephan  von  Baiem  belehnt  wurde; 
er  hat  sie  durch  Herzog  Albrechts  Entscheidung  von  Novem- 
ber 29^  gleichen  Jahres  gegen  die  Meissauer  behauptet.  Schließ- 
lich hat  Eberhard  noch  1362^  von  Ulrich  dem  Winkler  6  Mark 
57  ^  Geldes  auf  Gütern  um  Obdach  und  in  der  Finstern  Pek 
um  150  gute  Gulden  angekauft. 

Durch  das  mit  dem  Tode  Eberhards  VUI.  erfolgte  Er- 
löschen der  Grazer  Linie  wurde  ein  beträchtUcher  Teil  ihrer 
Besitzungen  dem  Hause  Walsee  ftir  immer  entfremdet.  Zwar 
hatte  Herzog  Albrecht  nochmals  1357  Mai  27  «  den  Brüdern  Ul- 
rich n.  und  Friedrich  HI.  gestattet,  ihre  herzoglichen  Lehen 
ihren  Vettern  und  Schwestersöhnen  zu  vererben  und  Bischof 
Leopold  von  Bamberg  ihnen  die  gleiche  Erlaubnis  hinsichtlich 
der  Feste  Weißeneck,  eines  Bamberger  Lehens,  gegeben,'  wo- 
durch einer  allzuweit  gehenden  Zersplitterung  ihres  Besitzes 
vorgebeugt  schien.  Eberhard  Vlll.  hat  indes  einen  großen  Teil 
seiner  Güter  den  Nachkommen  seiner  Tante  Diemut,  den  Grafen 
von  Cilli  sowie  den  Pettauem  vermacht,  während  der  Rest 
unter  die  Walseer  zu  Ens  und  Drosendorf  verteilt  wurde;  jene 
zu  Linz  gingen  fast  leer  aus. 

An  Hertnid  von  Pettau  verschrieb  Eberhard  VIU.  noch 
1362®  Roseck,  Haus  am  Pacher,  den  Satz  von  Marburg 
und  die  Zehente  auf  dem  Draufelde.  Herzog  Rudolf  verHeh 
1363  April  19®  die  ihm  von  Eberhard  VDI.  aufgesandten  Land- 
gerichte zu  Waldstein  in  Steiermark  sowie  Weißeneck  und 
Hartneidstein  in  Kärnten   den  Grafen  Ulrich  und  Hermann 


>  LB.  m,  r.  1962.  «  Bei  Krems,  Niederösterreich. 

»  Regesto  Boica  VIU,  360.  *  Frieß,  Die  Herren  ron  Knenring,  r.  796. 

*  Urk.  1362  Dezember  29;  Orig.  StLA.,  Nr.  2S49.  •  LB.  UI,  r.  1936. 
'  Urk.  1368  Juni  8;  NB.  IV,  338.             »  Kop.  StLA.,  Nr.  2860«. 

*  Melly,  Vaterländische  Urkunden  44. 


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369 

von  Cilli,  an  die  auch  der  Satz  von  Hoheneck,  Sachsenwart 
und  Sachsenfeld^  kam.  Die  Feste  Schmirnberg,  einSt.Pauler 
Lehen,  sollte  gleich  anderen  Lehen  dieses  Klosters  an  die  Her- 
zoge fallen,*  kam  aber  an  die  Cillier;  dafür  wurde  Eberhard  V. 
von  Walsee-Linz  mit  2000  Äf/Ä,  Jans  11.  von  Walsee-Drosen- 
dorf  mit  1000  tl  ^  vom  Grafen  Hermann  von  Cilli  entschädigt.' 

Friedrichs  HI.  von  Walsee-Graz  Witwe,  der  Kuenringerin 
Agnes,  verblieb  die  halbe  Stadt  Zistersdorf  (Niederösterreich), 
die  ihr  die  Herzoge  verliehen  hatten;  sie  vermachte  dieselbe 
1366*  ihrem  Schwager  Andre  von  Liechtenstein  und  starb  um 
1368.*  Gleich  ihrer  Schwester  verbrachte  auch  Elsbeth,  die 
Witwe  Eberhards  VHI.  von  Walsee-Graz,  den  Rest  ihres  Lebens 
im  elterlichen  Hause.  Sie  wurde  mit  Heidenreich  von  Meissau, 
dem  sie  1364  ^  ihr  Heiratsgut,  Anteile  an  den  Festen  Spitz  und 
Wolfstein,  verkaufte,  1378  ^  die  Stifterin  der  Kapelle  im  Kuen- 
ringerhofe  zu  Dürrenstein,  die  sie  auch  in  ihrem  letzten  Willen 
1379  Mai  2^  nochmals  bedachte.  Noch  in  diesem  Jahre  hat 
sie  das  Zeitliche  gesegnet.  Der  Markt  Hadersdorf,  den  sie  an 
Bernhard  von  Meissau  vererbt  hatte,  kam  kurz  darauf  an  die 
Herzoge  zurück.® 

Alle  diese  Besitzungen,  auch  das  steirische  Truch- 
sessenamt  gingen  dem  Hause  Walsee  somit  verloren.  Der 
Linie  Walsee-Ens  in  ihren  beiden  Zweigen  ward  die  große 
Herrschaft  Riegersburg  zuteil.  Von  den  Drosendorfern  wurde 
Heinrich  HI.  mit  den  Festen  und  Herrschaften  Gleichenberg, 
Weinburg  und  Kapfenstein^®  (bei  Fehring)  bedacht,  sowie 
mit  der  Pfandschaft  Wachseneck,  auf  welcher  1367*^  das 
Heiratsgut  der  Gattin  Jans  H.  von  Walsee-Drosendorf  hinter- 
legt wurde;  Friedrich  VH.  von  Walsee-Drosendorf  mußte  die 
ihm  zugefallene  Pfandschaft  Windisch-Feistritz  1363  Juni  1^* 
gegen  einen  entsprechenden  Satz  auf  Pottenstein  (Niederöster- 
reich) an  den  Herzog  abtreten. 


^  Urk.  1363  Oktober  25;  Krones,  Urk.  z.  Gesch.  d.  Steierm.  etc.,  r.  244. 

•  Urk.  1363  April  6;  AÖG.  XXXIX,  242.  »  WSt.  584. 

•  Frieß,  Die  Herren  ron  Kuenring,  r.  887.  ^  Vgl.  die  Genealogie. 

•  Urk-  1364  Dezember  21;  Regesta  Boica  VIU,  112. 

»  Urk.  1378  Juni  15;  Frieß,  a.  a.  O.,  r.  829.  »  Ebenda,  r.  830. 

•  Urk.  1379  August  14;  ebenda,  r.  831. 

"  Vgl.  Urk.  1362  Oktober  21;  WSt.  579,  "  Inventar,  f.  6'. 

»»  AÖG.  U,  435. 


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370 

So  waren  mit  dem  Absterben  der  Walseer  zu  Graz  deren 
Güter  auf  Kärntner  Boden  fllr  immer  dahin  und  auch  von 
ihrem  Besitze  in  der  Steiermark  blieben  nur  Trümmer  dem 
Hause  Walsee  erhalten^  das  nie  mehr  einen  selbständigen  Mit- 
telpunkt auf  steirischem  Boden  gewann. 

VI.  Abschnitt. 
Die  Linie  Walsee-Drosendorf. 

1.  Friedrich  I.  (f  1318)  und  seine  Kinder. 

Als  vierter  der  walseeischen  Linien  auf  dem  Boden  Öster- 
reichs haben  wir  nun  jener  zu  gedenken,  die  von  Friedrich  L, 
dem  jüngsten  der  Söhne  Eberhards  m.  von  Walsee,  begründet 
und  nach  dem  niederösterreichischen  Städtchen  Drosendorf  be- 
nannt wurde,  das  sie  durch  lange  Jahre  innehatte. 

Zu  der  Bedeutung  der  Walseer  von  Linz,  Ens  oder  Graz 
hat  es  die  Linie  zu  Drosendorf  nie  gebracht.  Einerseits  fehlten 
ihr  hervorragendere  Persönlichkeiten  fast  ganz,  die  sich  über 
das  Maß  dessen  erhoben  hätten^  was  beim  Adel  jener  Zeit 
gang  und  gäbe  war,  andererseits  stand  sie  auch  an  Wohlhaben- 
heit hinter  den  übrigen  Walseem  um  ein  beträchtliches  zurück; 
schUeßlich  dürfen  wir  auch  nicht  verhehlen,  daß  wir  gerade 
über  diese  Linie  am  schlechtesten  unterrichtet  bleiben  —  Um- 
stände, die  sich  alle  bereits  hinsichtlich  der  Person  ihres  Stif- 
ters Friedrichs  I.  geltend  machen. 

Dieser  kam  erst  nach  dem  Tode  seines  Vaters,  weit  später 
als  seine  Brüder  nach  Osterreich.  Zum  ersten  Male  wird  er  auf 
dem  Nürnberger  Reichstage  von  1298  genannt,^  nach  welchem 
er  seinen  Brüdern  in  die  neue  Heimat  folgte.  Hier  hielt  er 
sich  bei  dem  einen  oder  anderen  derselben  wie  am  Hofe  auf, 
ohne  Amt  und  bestimmtes  Ziel;  so  hat  er  es  auch  zu  keinem 
bleibenden  Wohnsitze  gebracht.  Im  Sommer  1301  zog  er  mit 
dem  Hilfsheere  unter  Herzog  Rudolf  dem  Könige  Albrecht  nach 
den  Rheinlanden  zu  und  nahm  gleich  seinen  Brüdern  im  JuU 
an  der  Belagerung  von  Bensheim  teil.*  Nach  seiner  Rückkehr 
vermögen  wir  seine  Anwesenheit  auf  verschiedenen  Taidingen 
und  bei  manchen  Familienanlässen    zu  verfolgen.     Im  Jahre 


*  Vgl.  Urk.  1298  November  21;  UBoE.  IV,  287—288.  «  Vgl.  8.  267. 


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371 

1309  erwarb  er  sich  Verdienste  um  die  Niederwerfung  des 
Aufstandes  in  Niederösterreich.*  Nach  dem  Jahre  1314  tritt 
er  nur  noch  1316  ein  einzig  Mal  gelegentlich  einer  Gliter- 
streitigkeit  auf.  Als  erster  von  seinen  Brüdern  verschied  Fried- 
rich I.  1318  Juli  22;*  er  wurde  wahrscheinlich  im  Kloster 
Zwettl  beigesetzt. 

Im  Jahre  1314  hatte  er  seine  Gattin  Alheid,  eine  Schwe- 
ster Konrads  von  Werde,  längst  heimgeführt,*  die  ihn  um  ein 
volles  Jahrzehent  überlebte.  Er  hinterließ  ihr  aus  dieser  Ehe 
drei  Sohne,  den  bereits  gevogten  Eberhard  VI.,  femer  Fried- 
rich IV.  und  Heinrich  III.,  und  zwei  Töchter,  Elsbeth  sowie 
die  schon  als  Kind  1314  mit  Weichard  von  Winkel  verlobte 
Katharina. 

Von  diesen  tritt  der  älteste  Sohn  Eberhard  VI.  unmittel- 
bar nach  dem  Tode  seines  Vaters  1318  August  4  als  Burg- 
graf von  Weitra  auf.  Da  er  damals  erst  kurz  vorher  gevogt 
gewesen  sein  kann  und  in  diesem  Amte  weiter'  nicht  beur- 
kundet ist,  das  er  wohl  nur  infolge  des  Ablebens  seines  Vaters 
vorderhand  versehen  hatte,  und  Friedrich  I.  femer  Besitz  im 
Waldviertel  hatte,  ist  es  wahrscheinlich,  daß  Friedrich  I.  sein 
Leben  als  Burggraf  zu  Weitra  beschlossen  hat;*  keinesfalls 
aber  war  er  je  Hauptmann  zu  Drosendorf,  das  seine  Söhne 
erst  1327  überkamen. 

Bis  zu  diesem  Jahre  verlautet  nichts  von  Friedrichs  I. 
FamiUe.  Bei  dem  Einfalle,  den  K.  Johann  von  Böhmen  in 
diesem  Jahre  nach  Osterreich  machte,  war  das  an  der  Grenze 
Mährens  gelegene  Drosendorf  dem  Angriff  zunächst  ausgesetzt. 
Nach  sechswöchentlicher  Belagerung  war  einer  der  Walseer 
gezwungen,*  Drosendorf  den  Böhmen  zu  übergeben. 

Von  den  drei  Brüdern  wählte  der  älteste,  Eberhard  VI., 
Alheid  von  Falkenberg  um  1328  zu  seiner  GemahUn.  Der 
zweite,  der  bald  nach  1335  verstorbene  Friedrich  IV.,  erscheint 


^  Vgl.  Blätter  d.  Vereines  f.  Landesk.  ▼.  NiederOsterreich  XIX,  246. 

•  Vgl.  die  Genealogie. 

'  Urk.  1325  März  2   (Kopie  Linzer  Musealarchiy)  wird  Eberhard  ,weilen 
hauptmann  ze  Weitra'  genannt. 

•  Vgl.  die  Genealogie ;  auch  der  sonst  rerdächtige  Chr.  Hanthaler  gibt  dies 
bereits  an. 

•  Primisser,  Snchenwirt,  S.  226  Anm.,  doch  wird  der  Walseer  hier  Otto  ge- 
nannt; kein  Mitglied  des  Hauses  führt  diesen  Namen. 


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372 

im  gleichen  Jahre  mit  einer  Mai^areta  vermählt,  von  der  er 
eine  Tochter  Anna,  die  spätere  Ghittin  Ottos  von  Meissau,  hinter- 
ließ. Der  jüngste  der  Brüder,  Heinrich  IQ.,  verlor  nach  ein- 
ander zwei  Gattinnen,  eine  Klingenbei^rin  und  eine  von  Vol- 
kenstorf,  durch  den  Tod  nach  kurzer  Ehe.* 

Von  den  beiden  Töchtern  Friedrichs  I.  war  Katharina  als 
Gattin  Weinhards  von  Winkel  noch  1348  am  Leben,  EUsbeth 
starb  vor  1344  als  Gemahlin  Albers  von  Lichteneck. 

AllmähUch  erst  treten  die  Brüder  wieder  bedeutender  her- 
vor. So  wurde  Eberhard  VI.  Bevollmächtigter  des  Herzogs  fiir 
die  Strecke  von  der  Donau  bis  Hartberg,  als  derselbe  im  Ver- 
trage von  1345  Dezember  14*  Vorkehrungen  zur  Schlichtung 
der  Streitigkeiten  an  der  Grenze  gegen  Ungarn  traf.  Als  Her- 
zog Albrecht  nach  Ludwigs  des  Baiem  plötzlichem  Tode  zu 
E.  Karl  IV.  in  nähere  Beziehungen  trat,  fanden  sich,  wohl  im 
Auftrage  des  Herzogs,  anfangs  September  1347  *  sowie  im  April 
des  folgenden  Jahres  die  Brüder  Eberhard  VI.  und  Heinrich  HL 
am  Hofe  zu  Prag  ein.  Sie  scheinen  sich  bei  diesem  in  Gunst 
gesetzt  zu  haben,  was  bei  der  Lage  Drosendorfs  dicht  an  der 
mährischen  Grenze  gewiß  nicht  ohne  Wert  war.  Heinrich  HI. 
von  Walsee-Drosendorf  erhielt  1348  Mai  14*  vom  Könige  sogar 
mehrere  südmährische  Lehen. 

Die  Besitzentwicklung  der  Drosendorfer  Linie  bietet  nicht 
in  dem  Maße  das  Bild  rasch  sich  mehrenden  Reichtums,  wie 
wir  es  bei  den  Vettern  von  Linz,  Ens  und  Graz  verfolgen 
konnten.  Zu  Zeiten  kann  hier  auch  kaum  mehr  von  Wohlstand 
gesprochen  werden;  gleichwohl  folgten  auf  die  trüben  wieder 
bessere  Jahre  und  gewiß  hat  hier  oft  verwandtschaftliche  Unter- 
stützung eingegriffen.  Was  wir  über  Friedrichs  L  Besitzver- 
hältnisse erfahren,  ist  nur  wenig,  jedenfalls  blieb  bereits  er 
hinter  seinen  Brüdern  auch  nach  dieser  Seite  hin  stark  zurück. 

Ihm  hat  K.  Friedrich  1314»  den  Markt  Gföhl  samt  dem 
Forste  um  900  Mark  Silber  verpfilndet.  Dann  wissen  wir  von 
einer  Gülte  zu  Groß-Globnitz,  ^  die  Friedrich  I.  1312  erworben 


'  Vgl.  die  Genealogie. 

«  Muchar,  Gesch.  d.  Steierm.  VI,  304. 

»  Böhmer-Huber,  Reg.  Imp.,  n.  334,  643—664.  *  Ebenda,  n.  67S. 

*  AÖG.  II,  54Ö. 

•  Bei  PöUa,  VOMB.;  Urk.  1312  Januar  8,  FRA.,  2.  A.,  III,  596. 


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373 

und  noch  in  demselben  Jahre  weitergegeben  hat.*  Seine  An- 
sprüche auf  Besitz  und  die  Kirche  zu  Weigelsdorf  bei  Potten- 
dorf^  die  offenbar  mit  dem  Erbgute  seiner  Gattin  in  Zusammen- 
hang standen^  wurden  1316*  zugunsten  des  Wiener  Bürgerspitals 
abgewiesen.  Dem  Zwettler  Kloster  vermachte  er  1318  Gülten 
zu  Otz  (nördlich  von  Spitz)  samt  dem  Dorfgerichte.  Meist  lag 
dieser  Besitz  im  Waldviertel,  was  auf  Friedrichs  I.  Amt  als 
Burggraf  zu  Weitra  hindeutet.  Seine  Gattin  Alheid  von  Werde 
scheint  ihm  nicht  unbedeutenden  Besitz  zugebracht  zu  haben. 
Aus  diesem  stammten  wohl  die  Dörfer  Höflein  und  Regels- 
brunn* sowie  Schloß  Kalksburg,  welche  Güter  ihre  drei  Söhne 
Eberhard  VI.,  Friedrich  IV.  und  Heinrich  IH.  1327  Januar  4* 
an  Wendel,  Konrads  von  Werde  Witwe  gegen  die  Festen 
Merchtenstein  und  Hirtenberg,  Schloß  Wernberg  (bei 
Pottenstein),  das  Dorf  Eitzestal  (bei  Ober-Hollabrunn?),  den 
Markt  Hadersdorf  und  die  Sätze  Weikhartsschlag  und 
Drosendorf  vorteilhaft  vertauschten.  Nach  letzterem  Städt- 
chen, das  im  gleichen  Jahre  an  die  Böhmen  verloren  ging, 
nannte  sich  Eberhard  VI.  Hauptmann  zu  Drosendorf  seit  1332, 
als  dasselbe  durch  den  Frieden  mit  Böhmen  an  Osterreich  zu- 
rückgekommen war. 

Trotzdem  war  die  Drosendorfer  Linie,  vielleicht  infolge  der 
Böhmeneinfälle  in  fortwährenden  Geldschwierigkeiten,  genötigt, 
bei  Christen  und  Juden  Darlehen  auf  Darlehen  aufzunehmen,  und 
daraus  gab  es  bei  dem  damaligen  hohen  Zinsfuße  trotz  aller  ver- 
wandtschaftlichen Nachhilfe  nur  schwer  ein  Entrinnen.  Es  half 
auch  wenig,  daß  den  Brüdern  anläßlich  des  Verkaufes  der 
schwäbischen  Stammgüter  an  die  Herzoge  1331*  Schloß  Potten- 
stein um  1800  Mark  Silber  verpftlndet  wurde,  wozu  sie  bei 
Juden  noch  volle  1233  Mark  Silber  angewiesen  erhielten.  Auf 
Jahre  hinaus  ist  die  einzige  Besitzveränderung  der  unbedeutende 
Gültentausch,  durch  welchen  die  Brüder  1335^  für  Gülten  zu 
Ebreichsdorf  solche  zwischen  Merkenstein  und  Gainfarn  ein- 
tauschten. Von  Besitzerwerbungen  konnte  auch  weiterhin  nicht 
die  Rede  sein,   so  lange  sich  die  Brüder  in  den  Händen  ihrer 

*  Urk.  1312  Februar  2;  Ladewig,  Reliqa.  Manuscript.  IV,  123. 

•  Urk.  1316  August  21;  Quellen  »ur  Gesch.  der  Stadt  Wien  n\  n.  62. 

*  Bei  Brück  an  der  Leitha.  *  NB.  IV,  83. 
»  Urk.  1331  Februar  7;  UBoE.  VI,  1. 

•  Urk.  1336  Dezember  13;  UBoE.  VI,  192. 


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374 

Geldgeber  befanden.  Schließlich  kam  es  1339  zu  einem  Aus- 
gleich Eberhards  VI.  und  Heinrichs  IQ.  mit  der  Jüdin  Plume, 
die  sich  fUr  bOO€f^  aller  Ansprüche  begab,  worauf  Herzog 
Albrecht  zu  Weihnachten  1339*  alle  Schuldscheine  derselben 
für  ungültig  erklärte.  Schon  im  folgenden  Jahre  hören  wir 
indes  von  neuen  Geldverpflichtungen  der  Brüder  gegen  den 
Juden  Eisach  von  Wiener -Neustadt,*  der  nun  ihr  Bankier 
wurde,  und  so  hielten  diese  mißlichen  Verhältnisse  auch  ferner- 
hin an. 

Der  erste  und  einzige  Besitzerwerb,  von  dem  wir  wieder 
hören,  war  der  des  Marktes  Frattern,  des  Dorfes  Rantzem  und 
anderer  Güter,  südmährischer  Lehen  in  der  Nachbarschaft  Dro- 
sendorfs,  die  Heinrich  IH.  1348  von  den  ihm  verschwägerten 
Klingenbergem  ankaufte;  noch  im  gleichen  Jahre  erhielt  er  von 
K.  Karl  IV.  die  Belehnung  darüber. '  Zwei  Testamente,  die  den 
Drosendorfem  reiche  Erbaussichten  eröffneten,  traten  nicht  in 
Kraft:  die  großen  Güter  in  Untersteiermark,  welche  Cholo  von 
Seldenhoven  1344*  Eberhard  VI.  und  Heinrich  IH.  vermacht 
hatte,  gingen  nach  dessen  Tode  1374  gegen  Entschädigung  an 
die  Cillier  über,*  und  Otto  von  Volkenstorf,  der  1349  Oktober  4* 
den  Söhnen  Heinrichs  HI.  von  Walsee-Drosendorf  beträchtlichen 
Besitz  im  oberösterreichischen  Kremstal  vermachte,  erhielt  noch 
männliche  Nachkommen. 

Da  sich  einer  der  Brüder  durch  die  Gütergemeinschaft 
benachteiligt  fühlte,  in  welcher  sie  seit  ihres  Vaters  Tode  ihren 
Besitz  bewirtschaftet  hatten,  teilten  Eberhard  VI.  und  Hein- 
rich HI.  1349  März  29'  ihren  Besitz.  Ersterem  fielen  darnach 
die  Festen  Merkenstein  und  Hirtenberg  samt  Zugehör,  ein 
Sitz  in  der  Domau  (bei  Leobersdorf  auf  dem  Steinfelde)  sowie 
mehrere  kleinere  Güter  zu.  An  Heinrich  III.  kamen  die  Festen 
Enzesfeld  (Engelschalchsfeld)  und  Lestorf  und  ihr  Zugehör. 
Auf  Pottenstein,  dessen  Einkünfte  gemeinsam  blieben,  soUte 
vorerst  Eberhard  VI.  mit  den  Seinen  durch  zehn  Jahre  wohnen, 
sodann  die  Familien  beider  Brüder  alle  ein  bis  zwei  Jahre 
abwechseln.     Die   Hauptmannschaft  Drosendorf  blieb    unge- 


»  LB.  in,  r.  1226.  •  Urk.  1340  Man  24;  NB.  IV,  106. 

»  Vgl.  8.  372.  *  Urk.  1344  November  80;  FRA.  XXXVI,  284. 

»  ürkk.  1874  April  23,  1377  Mär«  ö  und  8;  Orig.  HHStA.,  Wien. 
«  UBoE.  VII,  143.  '  UBoE.  VU,  100. 


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375 

teilt.  ^  Von  sonstigen  Sätzen  scheint  in  der  Folge  der  auf  Ar  n- 
stein  an  Eberhard  VI.^  Gföhl  dagegen  an  Heinrich  III.  überge- 
gangen zu  sein. 

Damit  begründete  Eberhard  VI.  den  Pottensteiner,  Hein- 
rich in.  den   Enzesfelder  Zweig  der  Walseer  zu  Drosendorf, 

2.  Der  Pottentteiner  Zweig. 

Die  letzte  Besitzteilung  hat  den  Walseern  zu  Drosendorf 
sichtlich  keine  Vorteile  gebracht.  Der  Zweig  zu  Pottenstein 
wenigstens  kam  fortan  nicht  mehr  in  günstige  Verhältnisse  und 
endet  schließlich  wenig  rühmlich. 

Als  Gatten  Alheids  von  Falkenberg  fiel  Eberhard  VI.  und 
dessen  Söhnen  Friedrich  VI.  und  Heinrich  VI.  allerdings  ein 
bedeutendes  Erbe  von  Rapoto  von  Falkenberg  zu:  sie  ver- 
kauften ihren  Miterben^  den  Kapellem,  1355  November  2ö'  um 
700  ^>A  einen  Teil  davon^  so  daß  nun  die  ganze  Erbschaft 
gleicherweise  den  Walseern  und  den  KapeUem  zustand.  Durch 
diese  Summe  vermochten  sie  sich  vorderhand  ihrer  Judenschul- 
den zu  entledigen. 

Noch  im  gleichen  Jahre  schied  Eberhard  VI.  aus  dem 
Leben  und  hinterließ  seine  zweite  Qattin  Agnes  aus  dem  Hause 
der  Grafen  von  Ortenburg,  mit  der  er  sich  erst  im  Vorjahre 
vermählt  hatte.  ^  Die  beiden  Söhne  aus  seiner  ersten  Ehe  mit 
Alheid  von  Falkenberg  (1328—1349)  hatten  sich  damals  bereits 
verheiratet:  Friedrich  VII.  hatte  um  1355  Elara^  eine  Tochter 
Leutolds  III.  von  Kuenring,  heimgeführt  und  Heinrich  VII.  war 
zur  selben  Zeit  der  Gatte  Margrets,  einer  Tochter  des  Grafen 
Lorenz  von  Mattersdorf,  geworden. 

Eberhards  VI.  Witwe,  welche  das  von  den  KapeUem  ihr 
und  ihrem  Gatten  um  1250  Äf/Ä  versetzte  Dorf  Stetteldorf, 
ein  Lehen  der  Zollern,  innehatte,  gab  dasselbe  bereits  1369* 
Eberhard  von  Kapellen  zu  lösen.  Dagegen  behielt  sie  ihr  elter- 
liches Heiratsgut,  den  Satz  zu  Radmannsdorf  in  Krain,  den 
sie  erst  um  1377  ihrem  Neffen,  dem  Grafen  Friedrich  von 
Ortenburg,  abtrat.    Agnes  war  noch  1386  am  Leben  und  stif- 

^  WSt.  681 ;  beide  Brüder  nennen  sich  anch  in  der  Folge  Hauptlente  zu 
Drosendorf. 

•  NB.  IV,  820.  »  Vgl.  die  Genealogie. 

*  ürk.  1869  Juni  80;  NB.  IV,  841. 


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376 

tete  sich  Oktober  28  ^  dieses  Jahres  im  Nonnenkloster  Studenits 
in  Krain  einen  Jahrtag. 

Bedeutender  als  sein  Bruder  tritt  Friedrich  VII.  hervor. 
Er  wurde  1358*  Herzog  Rudolfs  IV.  Kammermeister,  vermochte 
indes  dieses  Amt  bei  seinen  beschränkten  Vermögensverhätt- 
nissen  nur  ein  Jahr  lang  zu  behaupten. 

Bald  nach  dem  Tode  ihres  Vaters  teilten  auch  Fried- 
rich Vn.  und  Heinrich  VII.  wieder  ihren  Besitz,  wodurch  an 
ersteren  Pottenstein,  das  seinerzeit  ganz  an  Eberhard  VL 
übergegangen  war,  nebst  Dornau*  und  dem  Satze  von  Drosen- 
dorf  kamen^  während  Heinrich  VH.  Merkenstein  und  wohl 
auch  Hirten berg  erhielt.  Seitdem  nannten  sich  die  Brüder 
nach  Pottenstein,  beziehungsweise  Merkenstein. 

Anfangs  erwarb  Friedrich  VH.  auch  mehrere  Besitzungen. 
1355*  versetzte  Herzog  Albrecht  ihm  und  seiner  Gattin  die  Feste 
Arnstein*  im  Wienerwalde.  Dann  brachte  er  1359*  Gülten  um 
Baden  an  sich  und  erkaufte  1360  von  Friedrich  von  Winkel 
solche  zu  Hadersdorf,  ^  mit  denen  ihn  Herzog  Rudolf  IV.  be- 
lehnte. Dagegen  überUeß  er  sein  Teil  an  der  Lehenschaft  zu 
Schwertberg  (an  der  Aist,  Oberösterreich),  das  ihm  durch  seine 
Gattin,  die  Kuenringerin  Klara,  zugefallen  war,  1359*  käuflich 
an  Eberhard  von  EapeUen,  da  dieses  Erbe  z^weit  von  seinem 
übrigen  Besitze  abseits  lag.  Aus  dem  Nachlasse  der  Walseer 
von  Graz  erhielt  Friedrich  VH.  femer  den  Satz  auf  Windisch- 
Feistritz,•ftb•  welchen  ihn  aber  der  Herzog  auf  Pottenstein  wies. 

Trotzdem  wurde  die  Lage  dieses  walseeischen  Zweiges 
eine  mißliche.  Wie  der  Schuldbrief  Friedrichs  VH.  und  Hein- 
richs VH.  von  1363^®  beweist,  kam  Friedrich  VH.  wieder  in  die 
Hände  jüdischer  Geldgeber,  aus  denen  es  trotz  seiner  reichen 
Heirat  kein  Entrinnen  gab. 

Vor  allem  waren  die  Brüder  infolge  dieser  Verhältnisse 
nicht  imstande,   die  falkenbergische  Erbschaft  zu  halten;    nach 


'  Schumi,  Archiv  I,  32.  *  Vgl.  die  Genealogie. 

»  Vgl.  ürkk.  1369  Juni  17,  1362  April  2;  LB.  IV,  r.  50  und  362. 

•  1365  Mai  14;  LB.  III,  r.  1775  falsch  dauert. 
^  Westlich  Yon  Heiligenkreus. 

•  Urk.  1859  Oktober  30;  FRA.  XVI,  249. 

»  VOMB.;  Urk.  1360  Juni  16.;  Orig.  StAEferding. 

•  Urk.  1369  Januar  8;  UBoE.  VIH,  609.  •  Vgl.  S.  369. 
"  Urk.  1363  August  5;  NB.  IV,  386. 


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377 

dem  Vertrage  von  1355  sahen  sie  sich  alsbald  gezwungen,  die 
ganze  Hinterlassenschaft  an  die  reicheren  Kapeller  zu  veräußern. 
Mit  diesen  hatten  sie  sich  noch  1364^  wegen  des  Patronates 
der  Pfarre  Qobelsburg  geeinigt,  auf  welcher  ihr  Vetter  Fried- 
rich VIII.,  ein  Sohn  Heinrichs  HI.  von  Walsee-Drosendorf,  als 
Pfarrer  saß  (?);  das  Pfarrpatronat  von  Hadreis  hatten  sie  dem 
EJoster  Pulgam  geschenkt.*  Nun  verkauften  Friedrich  VH. 
und  Heinrich  VII.  1367  September  24*  all  ihren  Anteil  an  Fal- 
kenberg und  dem  Burgstall  daselbst,  der  Feste  Gobelsburg 
(bei  Langenlois,  VOMB.),  dem  Markte  und  dem  Landgerichte 
zu  Hadersdorf  mit  allen  zugehörigen  Lehen  an  die  Kapeller, 
welche  1368*  vom  Herzoge  damit  belehnt  wurden. 

Alle  diese  Summen  halfen  Friedrich  VH.  nicht  aus  seiner 
Geldklemme,  obgleich  Herzog  Rudolf  1365^  seine  Schuldbriefe, 
die  der  entwichene  Jude  Musch  von  Marburg  besaß,  für  un- 
gültig erklärte.  1367^  steUten  er  und  sein  Eidam  Heinrich 
von  Zelking  an  den  Juden  Judmann  zu  Wien  einen  Schuldbrief 
aus  und  noch  im  gleichen  Jahre  ^  ward  ihm  auch  die  herzog- 
liche Pfandschafl  Amstein  durch  Hans  von  Tyrna  um  1000  ii  /Ä 
abgelöst.  Der  schwerverschuldete  Friedrich  VH.  veräußerte 
schließlich  1370  Juni  15®  an  seine  Vettern  zu  Enzesfeld  all 
sein  Eigengut:  Anteile  an  den  Festen  Merkenstein  und  Hirten- 
berg, der  Feste  Domau,  Gütern  zu  Altenwört  an  der  Donau 
und  Ottental,  Mistelbach  und  Ringelsdorf,  das  Haus  zu  Wien, 
den  Weingarten  zu  Dornbach,  Lehen  zu  Domau  und  Leobers- 
dorf  und  seinen  Anteil  an  den  Sätzen  zu  Drosendorf,  Weik- 
hartsschlag  und  Pottenstein,  immer  noch  ein  ansehnlicher  Besitz, 
den  aber  die  Käufer  erst  aus  Judenhänden  lösen  mußten.  ® 

Da  Friedrich  VH.  nach  1371  nicht  mehr  genannt  wird, 
muß  er  bald  darauf  gestorben  sein;  seine  Gattin  Klara  von 
Kuenring  war  ihm  längst  im  Tode  vorausgegangen.  ^®  Das  Ehe- 


^  Strein,  Biscr.  Kod.  */io*  ^'  ^^^^  Schlttsselberger  Archiv  des  oberOsterreichi- 
schen  Landesarchlyt. 

•  Vgl.  Urk.  1366  Juli  8;  UBoE.  Vm,  286.  •  NB.  IV,  389. 

•  Urk.  1368,  November  14;  ÜBoE.  VIU,  398. 
»  Urk.  1366  Februar  13;  Orig.  HHStA. 

•  Urk.  1367  Februar  1;  NB.  IV,  387. 
^  Ebenda  388.  •  Ebenda  435. 

•  Vgl.  Urk.  1870  Juni  21;  UBoE.  VIU,  473. 
^^  Vgl.  die  Genealogie. 


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378 

paar  hinterließ  zwei  Töchter,  Agnes^  die  Gattin  Heinrichs  von 
Zelking^  und  Johanna,  die  1371  bei  ihrer  Vermählung  mit  Jans 
von  Meseritsch  immerhin  ein  Heiratsgut  von  1100  Äf/Ä  erhielt;* 
ein  Sohn,  Friedrich  IX.,  war  beim  Tode  seines  Vaters  noch 
ungevogt 

Um  dieselbe  Zeit  oder  bereits  einige  Monate  vor  seinem 
Bruder  Friedrich  VH.  schied  auch  Heinrich  VH.,  zu  Merken- 
stein gesessen,  aus  dem  Leben.'  Von  seiner  Gattin  Margret, 
einer  Tochter  des  Grafen  Lorenz  von  Mattersdorf,  hinterließ  er 
eine  Tochter,  die  den  Namen  ihrer  Mutter  trug.  Margret 
wurde  um  1385  an  Ulrich  von  Dachsberg  vermählt  und  war 
als  dessen  Witwe  noch  1439  am  Leben.  Sie  erbte  einen  Teil 
der  Güter  ihres  Vaters*  und  tat  sich  nachmals  durch  Stif- 
tungen am  Spitale  und  an  der  Pfarrkirche  zu  Ei^ems  hervor.^ 
Merkenstein  fiel  an  den  Ast  zu  Enzesfeld;  von  seinem  Satze 
zu  Drosendorf,  den  er  mit  seinen  Vettern  gemeinsam  besaß, 
hatte  Heinrich  VH.  1368  Juni  22 »  seine  Hälfte  von  400  «f 
seinem  Bruder  und  dessen  Töchtern  vermacht. 

Als  dann  Friedrich  IX.  zu  vogtbaren  Jahren  gekommen 
war,  hauste  er  auf  Pottenstein,  wo  ihm  das  Wohnungsrecht 
geblieben  war.  Ulrich  IV.  vom  Enzesfelder  Aste  apanagierte^ 
den  infolge  der  Verschuldung  seines  Vaters  mittellosen  Vetter, 
von  dem  er  sich  daftür  1385''  den  Alleinbesitz  der  herzoglichen 
Lehen  sicherte,  die  sie  gemeinsam  innehatten,  fUr  den  Fall,  als 
Friedrich  IX.  ohne  Leibeserben  stürbe.  Dieser  Fall  trat  1392* 
oder  bald  darauf  ein:  Friedrich  IX.  bleibt  von  da  ab  ver- 
schollen. Damit  endete  der  Pottensteiner  Zweig  der  Drosen- 
dorfer  Linie. 

3.  Der  Zweig  zu  Bnzetfeld. 

Zu  größerer  Blüte  hat  es  der  Enzesfelder  Ast  der  Drosen- 
dorfer  Walseer  gebracht.     Er  erlischt  indes  gleichfalls  bereits 


»  Vgl.  Urk.  1371  April  24;  NB.  IV,  631.  •  Vgl.  die  Genealogie. 

»  Vgl.  Urk.  1386  April  4;  NB.  I,  876. 

«  Vgl.  die  Urkk.  1430  Oktober  10,  1438  November  13,  1439  Mai  83,  1468 

Mai  23;  Orig.  Kremser  Stadtarchir. 
»  NB.  IV,  434.  •  Vgl.  HHStA.  Kod.  48,  f.  54. 

*  Urkk.  1385  Januar  22  and  Deiember  22;   Orig.  NiederOsterreichifches 

Landesarchir. 


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379 

am  Schlüsse  des  14.  Jahrhunderts  mit  seinem  bedeutendsten 
Vertreter  Ulrich  IV. 

Ein  günstigeres  Lebensschicksal  als  seinem  Bruder  Eber- 
hard VE.  war  dem  bedeutenderen  Heinrich  III.  beschieden, 
dem  der  Anfall  eines  ansehnlichen  Erbes  nach  den  Grazer 
Walseem  schließlich  tlber  alle  wirtschaftlichen  Schwierigkeiten 
hinweghalf. 

Zunächst  war  er  im  Dienste  der  Habsburger  in  Friaul 
tätig.  Im  Herbste  1350  zogen  Heinrich  IH.  von  Walsee-Drosen- 
dorf  und  Konrad  von  Auffenstein  mit  zahlreichem  Kriegsvolke 
ans  Kärnten  über  Spilimbergo  dem  habsburgischen  Portenau 
zu^  wo  sie  sich  am  Martinstage  mit  den  Truppen  des  Grafen 
von  Görz  vereinten.*  Am  folgenden  Tage  weigerten  sich  in- 
des Beacchino  de  Porcilleis  und  die  Bürger,  die  Stadt  an  Hein- 
rich in.  von  Walsee-Drosendorf  an  des  Herzogs  statt  zu  über- 
geben, da  sie  ohne  genügende  Beglaubigung  seien.  ^  Hein- 
rich in.  von  Walsee-Drosendorf  und  der  Auffensteiner  kehrten 
sodann  nach  Österreich  zurück,  um  dem  Herzog  von  ihrer 
Mission  Bericht  zu  erstatten. 

An  der  Nordgrenze  Österreichs  bereitete  sich  damals  eben 
die  große  Walseer  Fehde  mit  dem  Adel  Südböhmens  vor. 
Während  Eberhard  V.  von  Walsee-Linz  in  Oberösterreich  die 
Hauptlast  derselben  zu  tragen  hatte,  ^  kam  es  in  Niederösterreich, 
wo  die  Walseer  zu  Drosendorf  und  Alber  von  Puchheim  gleich- 
falls gerüstet  hatten,  zu  keinen  größeren  Kriegsereignissen. 

Im  Herbste  des  folgenden  Jahres  1352  scheint*  Hein- 
rich UI.  das  Heilige  Land  besucht  zu  haben,  aus  dem  er  im 
Frühjahre  1353  heimkehrte. 

In  der  Folge  erfahren  wir  wenig  mehr  über  ihn;  ab  und 
zu  weilte  er  am  Hofe  Herzog  Rudolfs  IV.,  so  auch  bei  dem 
wichtigen  Weitraer  Tage  1361  Juni  16,*  auf  dem  sich  die 
Grafen  von  Schaunberg  zu  habsburgischen  Vasallen  erklärten. 

Nach  dem  Tode  seiner  zweiten  Gattin  schloß  Heinrich  III. 
um  1359  noch  einen  Ehebund  mit  Katrei  von  Chiaw,  die  ihm 
1350  Januar  31^  600  ^/Ä  Heimsteuer  auf  dem  herzoglichen 
Lehen  Pottendorf  bei  Feldsberg  verschrieb.    Heinrichs  IH.  Be- 


»  Annali  del  Priuli  V,  103.  «  FRA.  XXIV,  64. 

»  Vgl.  S.  278. 

^  Vgl.  Urk.  1852  Jali  2;  Lang,  Monum.  Salzbturgo-Aqnileiensia  I,  358. 
»  Vgl.  S.  281.  •  NB.  IV,  840. 

ArelÜT.   XCY.  Band.   U.  HUfke.  26 


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380 

sitz  blieb  fast  stationär ;  nur  1360*  sah  er  sich  gezwungen,  mit 
seinen  Söhnen  filr  geliehene  330  Ö/Ä  Gülten  zu  Ober-  und 
Nieder- Waltenreut,  Wolfsberg  und  Gasprechts  an  Gondaker 
von  Werde  zu  verpfänden.  Durch  das  Ableben  des  letzten 
Walseers  zu  Graz  fielen  ihm  jedoch  die  bedeutenden  Herr- 
schaften Gleichenberg  —  auf  welcher  Heinrich  HL  1365 
eine  Schloßkaplanei  stiftete*  — ,  Kapfenstein  und  Weinburg, 
sämtlich  herzogliche  Lehen,  sowie  der  Satz  auf  Wachseneck 
zu,  ein  so  stattliches  Erbe,  daß  es  ihn  aller  Sorgen  für  seine 
zahlreiche  Nachkommenschaft  enthob. 

Als  Heinrich  HI.  im  Herbste  1367  starb,  zog  sich  seine 
Witwe  Katharina  nach  Wien,  wo  sie  1367*  ein  Haus  in  der 
Singerstraße  ankaufte,  und  beschloß  dort  ihre  Tage. 

Von  seinen  Kindern  waren  Heinrich  HI.  mehrere  schon 
im  Tode  vorangegangen.  Ein  Söhnlein  aus  seiner  Ehe  mit 
einer  Volkenstorferin,  Reinprecht  HI.,  der  1349  —1353  erwähnt 
wird,*  starb  in  jungen  Jahren.  Seine  Tochter  Alheid  war  be- 
reits 1353  mit  Leutold  IH.  von  Kuenring-Seefeld  vermählt,  der 
1355  mit  Tod  abging.  Ihr  Heß  Herzog  Albrecht  1356  April  6» 
das  herzogliche  Lehen  Rossaz  bei  Dürrenstein  verleihen,  das 
sie  bald  an  Reinprecht  I.  von  Walsee-Ens  verkaufte.*  Bald 
darauf  folgte  sie  ihrem  zweiten  Gatten  Zdenek  von  der  Leipp^ 
OberstlandmarschaU  und  Kämmerer  in  Böhmen,  in  seine  Heimat, 
den  sie  1359  zum  Witwer  machte.*  Ein  anderer  Sohn,  Eber- 
hard IX.,  der  bereits  1360  als  gevogt  auftritt,  wird  seit  1365 
nicht  mehr  genannt;  Friedrich  VHI.  femer,  der  den  geistlichen 
Stand  erwählt  hatte  und  1364  Pfarrer  zu  Gobelsburg  war, 
kommt  seit  diesem  Jahre  gleichfalls  außer  Sicht.  So  hinter» 
ließ  Heinrich  HI.  bei  seinem  Ableben  noch  drei  Söhne,  den 
bereits  1360  gevogten  Jans  H.,  femer  Heinrich  VHI.  und 
Wolfgang  rV.  Dieselben  hatten  1365^  den  Zug  gegen  Baiem 
und  die  Belagerung  von  Ried  mitgemacht  und  waren  längere 
Zeit  hindurch  am  Hofe  Herzog  Rudolfs  anwesend.    Von  ihnen 


»  Urk.  1360  Mäte  3;  NB.  IV,  342. 

*  Urkk.  1365   Januar  5  und  27;   Salzbarger  Borromeam  Prog^.  1892/93, 

S.  26. 
»  Urk.  1367  Oktober  28;  NB.  IV,  433.  *  Vgl.  die  Genealogie. 

»  LB.  in,  r.  1848. 

«  Urk.  1368  November  17;  LB.  IV,  r.  17. 
'  Vgl.  S.  282. 


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starb  Jans  II.  bereits  1370.^  Aus  seiner  Ehe  mit  der  Pettauerin 
Clsbeth  hinterließ  er  einen  einzigen  Sohn^  der  nun  auf  kurze  Zeit 
unter  der  Gerhabschaft  Heinrichs  VI.  stand.  Da  in  den  fol- 
genden Jahren  Heinrich  VHI.  nach  1377  nicht  mehr  genannt 
wird,  der  wohl  unvermählt  starb,  und  Wolfgang  IV.  zwischen 
1380 — 1382  gleichfalls  aus  dem  Leben  schied,  der  seiner  jungen 
Witwe  Katharina  von  Maidburg  ein  kleines  Töchterchen  hinter- 
ließ, so  blieb  Ulrich  IV.  als  einziger  und  letzter  Sprosse  des 
Enzesfelder  Astes  übrig. 

Heinrichs  HI.  Söhne  verwalteten  ihren  väterlichen  Besitz 
gemeinschaftlich.  Sie  brachten  vor  allem  1370  Juni  14^  von 
ihrem  schwerverschuldeten  Vetter  all  dessen  Eigengut  an  sich : 
Anteile  an  den  Festen  Merkenstein  —  wovon  sie  gleichzeitig 
den  Rest  nach  ihrem  Vetter  Heinrich  VH.  erbten  —  und  Hirten- 
berg, die  Feste  Domau,  eine  Anzahl  kleinerer  Güter  nebst 
einem  Hause  in  Wien  sowie  dessen  Anteil  an  den  Pfandschaften 
Drosendorf,  Weikartsschlag  und  Pottenstein,  die  sie  indes  erst 
von  Juden  auslösen  mußten,  worüber  sie  sich  von  Herzog  Al- 
brecht 1370  Juni  21*  einen  Schutzbrief  aussteUen  ließen.  Da- 
gegen wurde  1370*  von  Heinrich  VHI.  durch  Heinrich  von 
Meissau  Feste  und  Markt  Gföhl  gelöst,  die  ihm  Herzog  Al- 
brecht für  5860  «r^  und  1600  fl.  verpfändet  hatte.  Wolf- 
gang IV.  und  sein  Vetter  Ulrich  IV.  verkauften  femer 
1374  April  1*  ihr  Eigengut,  die  Feste  Ochsenburg, ^  um 
1400  Äf/Ä,  sowie  an  Hans  Pusenhofer  1377^  eine  Fischwaide 
auf  der  Traisen,  herzogliches  Lehen,  bald  darauf^  an  Heinrich 
von  Zelking  die  bei  Drosendorf  gelegene  Feste  Türnau  und 
schließlich  1380*  auch  ihre  Feste  Lestorf  an  Stephan  von  Zel- 
king. Der  Satz  von  Drosendorf  selbst  mit  Weikartsschlag, 
auf  dem  diese  walseeische  Linie  seit  1327  gesessen  hatte,  er- 
scheint  gleichfalls   längstens    1383   gelöst.^    Die    Mittel    aber, 

*  Vgl.  die  Genealogie.  •  Vgl.  S.  377. 
3  Urk.  1370  JuU  22;  LB.  IV,  r.  988. 

*  Urk.-Buch  ron  St.  Polten  H,  161. 

^  Südostlich  von  St.  Polten;  yordem  in  dachsbergischem  Besitze. 

«  Urk.  1377  Mai  81;  Urk.-Buch  von  St.  Polten  II,  193. 

'  Zwischen  1370—1379;  WSt.  684. 

®  Urk.  1380  Juni  8;  Niederösterr.  Landesarchir. 

»  Nach  Urk.  1383  November  2  (HHStA,,  Kod.  Suppl.  407  f.  116',  ist  der 

Satz  Yon  den  Walseem   gelöst   und  an  Nikla  den  Pillnng  weiter  yer- 

pfftndet. 

26* 


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382 

welche  durch  diese  beträchtlichen^  indes  offenbar  notwendigen 
Einbußen  gewonnen  wurden,  ermöglichten  es  Ulrich  IV.,  dem 
letzten  Drosendorfer-Walseer,  alle  Schulden  zu  tilgen  und  da- 
mit wie  durch  neue  Erwerbungen  seinen  Gttterbestand  in  der 
Folge  allmählich  wieder  zu  einer  neuen  Blüte  zu  bringen. 

Bald  darauf  wurde  Ulrich  IV.  1384*  an  Stelle  Rudolfe  I. 
von  Walsee-Ens  Hauptmann  in  der  Steiermark,  schied  jedoch 
bald  wieder  aus  diesem  Amte.  Dann  tritt  er  auf  eine  Reihe 
von  Jahren  zurück.  Als  sich  die  Habsburger  nach  dem  Hollen- 
burger  Vertrage  Ende  1395  wieder  geeint  hatten,  wurde  er  um 
Neujahr  1396  Herzog  Wilhelms  Hofmeister  und  besuchte  mit 
demselben  im  gleichen  Jahre  das  heilige  Land.'  In  diesem 
wichtigen  Amte  blieb  er  bis  in  das  Frühjahr  1398  tätig.' 

Wirtschaftlich  ging  es  mit  Ulrich  IV.  allmählich  und  immer 
rascher  wieder  aufwärts.  Elr  setzte  sich  zunächst  mit  der  Witwe 
seines  Onkels  Wolfgang  IV.,  Katarina,  auseinander;  der  Schieds- 
spruch von  1382  März  12*  legte  ihm  nur  geringe  Verpflich- 
tungen auf.  Dann  sicherte  er  sich  1385^  den  Anfall  der  her- 
zoglichen  Lehen  seines  Vetters  Friedrich  IX.,  der  um  1392  er- 
folgte. Dazu  verzichtete  1386*  seine  Muhme  Margret,  Hein- 
richs VIL  von  Walsee-Drosendorf-Markenstein  Tochter  und  Ul- 
richs von  Dachsberg  Gattin,  auf  all  ihr  väterliches  Gut  in 
Ulrichs  IV.  Besitze  und  behielt  sich  nur  eine  Sunune  von 
1000  «f^  bevor,  falls  Ulrich  IV.  ohne  Söhne  stürbe.  Um  1385» 
vermählte  sich  Ulrich  IV.  mit  Elsbeth,  der  Tochter  Heinrichs 
von  Neitberg,  die  ihm  ansehnliches  Heiratsgut  zubrachte.  Die 
zur  Herrschaft  Ochsenburg  gehörigen  Lehen,  welche  er  1385^ 
von  den  Neitbergem  erhalten  hatte,  trat  Ulrich  IV.  noch  im 
gleichen  Jahre  dem  Stifte  St.  Polten  ab.  Sonstige  kleine  Ver- 
äußerungen und  Verpfllndungen  dieser  Jahre  waren  ohne  Be- 
deutung und  blieben  vereinzelt.  Wenige  Jahre  darauf  vermochte 


^  Vgl.  die  Genealogie;  Krones,  LandesfÜrst,  Behörden  und  Stände  in  Steier- 
mark, S.  163,  weist  ihn  mit  Unrecht  als  Hauptmann  der  Steiermark  ah: 
als  Nachfolger  Bndolfs  I.  hatte  er  zweifelsohne  dieses  Amt  nnd  nicht  die 
Hauptmannschaft  zu  Steier  inne,  wo  lediglich  die  Enser  Walseer  Pfand- 
inhaher  waren. 

*  Kleine  Klostemeuburger  Chronik;  FRA.,  2.  Abt,  VH,  236. 

»  Vgl.  die  Genealogie.  *  NB.  IV,  666.  »  Vgl.  S.  377. 

«  Urk.  1386  April  4;  NB.  I,  376. 

'  ürkk.  1385  Januar  11,   Mai  1;    Urk.-Buch  von  St  Polten  H,  368-370. 


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383 

Ulrich  IV.  dem  Herzog  Albrecht  für  einen  Zug  nach  Schwaben 
bereits  5000  Äf/Ä  vorzustrecken,  wofür  ihm  1387  Juni  11^  die 
Städte  Krems  mit  dem  Schlosse  und  Stein  samt  allem  Zugehör 
verpfändet  wurden.  Mit  seinen  Vettern  von  Walsee-Ens  er- 
kaufte er  am  Georgitage  1388'  vom  Kloster  Melk  mehrere 
Güter,  in  der  Nähe  der  walseeischen  Besitzungen  Leobersdorf, 
Hirtenberg  und  Enzesfeld  im  VUWW.  gelegen.  Von  Hans  von 
Liechtenstein-Nikolsburg,  dem  er  1392*  Gülten  zu  Ottental, 
Pruschendorf  etc.  sein  freies  Mgen  um  150  U  ^  verkauft  hatte, 
kam  nach  dessen  Sturze^  ein  Haus  bei  Unser  Frauen  in  Wien 
gelegen  in  seinen  Besitz;  1397^  erkaufte  er  von  dem  Grafen 
Toman  von  St.  Georgen  ein  Haus  zu  Wiener-Neustadt.  An 
sonstigen  kleineren  Erwerbungen  in  Niederösterreich  sei  der 
eines  Hofes  zu  Reichen taP  sowie  von  Gülten  und  Liegen- 
schaften zu  Grinzing,  Nußdorf  und  Heiligenstadt  bei  Wien  aus 
dem  Jahre  1397^  gedacht.  An  größeren  Besitzungen  erhielt 
Ulrich  IV.  dann  1398  März  17»  von  Herzog  Wilhelm  als  Für- 
pfand die  Feste  Schranawand  bei  Ebreichsdorf,  die  derselbe 
von  Rudolf  und  Ludwig  von  Tirna  um  2000  Ä/Ä  erkauft  hatte, 
für  welche  Ulrich  des  Herzogs  Bürge  gegen  die  Stubenberger 
geworden  war,  sowie  als  Kauf  von  denen  von  Tirna  eine  Fisch- 
waide zu  Ebersdorf*  und  ein  Eigen  zu  Nußdorf.  ^®  Auch  war 
Ulrich  IV.  im  Besitze  der  Herrschaft  Gutenstein  im  Wiener- 
walde, die  ihm  die  Herzoge  1398  Juli  12^^  für  seine  Dienste  bis 
an  seinen  Tod  zu  belassen  versprachen;  das  Schloß  Wartenstein 
am  Semmering  hatte  Ulrich  IV.  von  Herzog  Albrecht  gleichfalls 
als  Leibgedinge  inne.  Dagegen  hat  Ulrich  IV.  1392^*  seine 
Feste   Großau^^  an   Konrad    von  Weitra  weiterverlehnt  und 


»  HHStA.,  Kod.  Suppl.  408,  f.  14. 

*  Blätter  des  Vereines  für  Landeskunde  von  Niederösterreich  XVI,  242. 

*  ürk.  1392  März  20;  NB.  IV,  606. 

*  Urk.  1898  Januar  7;  NB.  I,  380. 

^  Urk.  1397  November  1 ;  Orig.  Niederösterreichisches  Landesarchiv. 

«  ürk.  1394  Märe  22;  Orig.  HHStA.  »  WSt.  684. 

«  LB.  V,  r.  217.  »  Urk.  1394  Mai  15;  Orig.  HHStA. 

"  Urk.  1401  Februar  8;  Eegosta  Boica  XI,  171. 

^^  HHStA.,  Kod.  16,  f.  36';    Gutenstein   war  vorher   Satz  im  Besitze   der 

Grafen  von  Pernstein. 
^*  Urk.  1392  März  14;  Fischer  v.  Fischersberg,    Der  landständische  Adel 

in  Österreich,  Hs.  236  des  niederOsterreichischen  Landesarchivs. 
"  Bei  Vöslau. 


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384 

die  Herrschaft  Ulrichskirchen  nördlich  von  Wien,  die  er 
nach  dem  Falle  der  Liechtensteiner  von  Nikolsburg  (1395)  er- 
worben hatte,  um  2550  Äf/Ä  an  Ulrich  von  Dachsberg  1399* 
verkauft. 

Auf  niederösterreichischem  Boden  fiel  Ulrich  IV.  femer  1398 
ein  reiches  Erbe  von  seinem  Vetter  Heinrich  VI.  von  Walsee- 
Ens  zu^  der  sein  ehemaliges  MtLndel  letztwillig  reich  bedachte.' 

Ihm  vermachte  Heinrich  VI.  die  Feste  Nieder-Walsee, 
mit  welcher  Ulrich  IV.  von  Herzog  Albrecht  1399  Januar  7' 
belehnt  wurde,  mit  Sumerau  und  dem  Markte  Sindelburg, 
ferner  die  ehedem  liechtensteinischen  Pfandschaften  Ebelsberg 
und  Riedegg,  die  Ulrich  IV.  1398  November  12*  dem  Bischof 
Georg  von  Passau  gegen  die  Stadt  St.  Polten  samt  den  Gülten 
daselbst  und  gegen  eine  Anzahl  nördlich  von  Wien  im  VUMB. 
gelegene  Zehente  abtrat,  und  den  Satz  von  240ä(/i^  auf  Zeisel- 
mauer,  den  ihm  Bischof  Georg  samt  der  Feste  Greifenstein 
ftlr  eine  Geldforderung  gleichzeitig^  auf  28  Jahre  überließ. 

Auch  in  der  Steiermark  war  Ulrich  IV.  tätig,  umsomehr 
als  er  daselbst  durch  seine  Mutter,  die  Pettauerin  Elsbeth  und 
seine  Gattin,  eine  Neitbergerin  gleichen  Namens,  Anknüpfungs- 
punkte hatte.  Die  Maut  zu  Landschach  an  der  Mnr  hat  Ul- 
rich IV.  zuerst  1383*  an  Otto  den  Wolfsauer  um  300  H^  und 
1397^  abermals  seinem  Diener  Nikla  dem  Polan  um  400  £f^ 
verpfändet;  dem  Dominikanerinnenkloster  zu  Graz  verkaufte  er 
1398®  das  Dorf  Rakatschach  bei  Mureck.  Dagegen  erwarb 
er  1387*  eine  Anzahl  von  Hüben  zu  Pibring  sowie  1393  ^* 
von  Hans  Schwabauer  sieben  Hüben  an  der  Schwarzach  in  der 
Nähe  seiner  Herrschaft  Weinburg;  an  Ulrich  von  Ehrenhausen 
verlieh  er  1397^^  verschiedene  ihm  aufgesandte  Lehen  bei 
Leibnitz  und  Spielfeld.  In  Obersteiermark  war  er  femer  Vogt 
des  Klosters  St.  Lambrecht.^* 


»  Urk.  1899  Jannjur  7;  LB.  V,  r.  288.  •  Vgl  S.  844. 

•  LB.  V,  r.  289.  *  WSt  694. 

^  Urk.  1398  Noyember  12;  MonomenU  Boica  XXX\  478;  vgl.  Urk.  1898 

Dezember  13;  LB.  V,  r.  282. 
«  Urk.  1883  Mai  19;  NB.  I,  376. 
»  Urk.  1897  Juni  1;  Kop.  StLA.,  Nr.  8916»». 

•  Urk.  1898  September  20;  Kop.  St.LA.  Nr.  8962. 

•  Kop.  StLA.,  Nr.  8617*.  »<>  Kop.  StLA.,  Nr.  8796»'. 
"  Urk.  1397  Mai  8;  Orig.  StAEferding. 

"  Vgl.  Urk.  1396  September  16;  Krone»,  Urk.  aar  Qesch.  etc.,  r.  361. 


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385 

An  größeren  Besitzungen  gab  ihm  Herzog  Wilhelm  1396 
Juni  15*  die  Feste  Maidburg  bei  Marburg  zu  Lehen.  In 
Gemeinschaft  mit  seinem  Vetter  Heinrich  VI.  von  Walsee-Ens 
wurde  ihm  1398  Januar  9*  die  Feste  Wachseneck  durch 
Herzog  Wilhelm  und  dessen  Brüder  auf  28  Jahre  verpfändet 
Zudem  ward  ihm  und  seinem  Vetter  Reinprecht  H.  von  Walsee- 
Ens  der  Anfall  des  Sitzes  Walters  dorf  bei  Qraz  nach  dem 
Ableben  Albrechts  von  Neitberg  1400  Januar  20  *  durch  Herzog 
Albrecht  gesichert. 

Gegen  die  Brüder  seiner  Mutter,  Bernhard,  Friedrich 
und  Hertneid  von  Pettau,  hatte  Ulrich  IV.  aus  seinem  mütter- 
lichen Erbe  eine  Forderung  von  2500  €(^  erhoben,  über  welche 
es  1385*  zu  einer  Einigung  kam.  Später  führte  er  die  Ger- 
habschaft über  seinen  Vetter  Bernhard  von  Pettau  und  wußte 
denselben  gänzlich  ftir  sich  zu  gewinnen.  Als  Vormund  re- 
versierte er  1393  April  13*  den  Bischof  Friedrich  von  Brixen 
über  Burg  und  Markt  Schwanberg  und  gelobte  nochmals 
1398  •  dem  Bischof  Ulrich  von  Brixen,  seinen  Lehenspflichten 
nachzukommen.  Volljährig  geworden,  überließ  Bernhard  von 
Pettau  an  Ulrich  IV.  mehrere  salzburgische  Lehengüter  zu 
Pettau^  und  testierte  ihm  im  Falle  kinderlosen  Ablebens  das 
Marschallamt  in  Steier  samt  der  damit  als  Nutzlehen  verbun- 
denen Feste  Frauheim  bei  Eötsch  sowie  an  salzburgischen 
Lehen  die  Feste  Pettau,  Burg  und  Stadt  Friedau  nebst  den 
Schlössern  Wurmberg  und  Polstrau®  —  ein  reiches  Vermächtnis, 
das  indes  Ulrich  IV.  nicht  zugute  kam,  da  die  Pettauer  erst 
1440  ausstarben. 

Ulrich  IV.  schied  im  Februar  1400  auf  seinem  Schlosse 
Enzesfeld  aus  dem  Leben.^  Seiner  Ehe  mit  Elsbet  von  Neit- 
berg war  bloß  eine  einzige  Tochter  entsprossen.     Noch  1398^® 


»  Krones,  a.  a.  O.,  r.  869.  •  LB.  V,  r.  808. 

•  LB.  V,  r.  380. 

*  Urk.  1386  Juli  14;  Kop.  StLA.  Nr.  3629. 

*  Hammer-Purgstall,  Die  Qallerin  auf  der  Riegeraburg  81. 

•  Urk.  1398  Januar  22;  Krone»,  Urk.,  r.  386. 
»  Urk.  1396  Februar  19;  ebenda,  r.  380. 

»  ürkk.  1398  Januar  14;  Krone»,  a.  a.  O.,  r.  388  und  1398;  Kop.  StLA. 

Nr.  3969». 
'  Vgl.  die  Genealogie. 
"  Urk.  1898  Juli  25;  Orig.  NiederösterreichUche»  Lande»archiv. 


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386 

hatte  sie  ihrem  Gatten  ein  mütterliches  Erbteil  von  900  iV^ 
zugebracht,  welches  bis  dahin  ihr  Bruder  Alber  innegehabt 
hatte.  Mit  Ulrich  IV.  starb  eine  bedeutende  Persönlichkeit 
dahin,  die  sich  auch  die  Bildung  ihrer  Zeit  zu  eigen  gemacht 
hatte  und  insbesondere  das  Vertrauen  Herzog  Wilhelms  genoß. 
Mehrfach  hat  er  im  letzten  Jahrzehnte  Klöster  beschenkt; 
1391  ^  stiftete  er  sich  im  Stifte  Stainz  mit  einem  Hofe  bei  Stainz 
einen  Jahrtag,  1396  dem  Spitale  zu  Enzesfeld  4ßil^  Gülten 
auf  dem  Gerichte  Leobersdorf,  die  Herzog  Albrecht  1396*  dem 
Spitale  zueignete.  Im  gleichen  Jahre  hat  Ulrich  auch  die  Ka- 
pelle zu  Unser  Frauen  auf  der  Stetten  in  Wien  bedacht.* 

Nach  Uhichs  IV.  letztem  Willen,  1400  Januar  28*  auf 
Enzesfeld  abgefaßt,  soUen  ihn  seine  Vettern  von  Walsee-Ens 
begraben  und  ihm  abends  eine  gesungene  Vigil,  morgens  ein 
gesungenes  Seelenamt  halten  lassen.  Am  Tage  seiner  Bei- 
Setzung  sollen  32  Arme  je  einen  grauen  Mantel  und  32  ^  er- 
halten. Dazu  stiftet  Ulrich  Güter  ftir  die  Spitäler  zu  Enzesfeld 
und  Wien  und  die  Kirche  auf  der  Stetten  daselbst,  sowie 
Güter  ftir  ein  zu  errichtendes  Kartäuserkloster.  Dem  Herzog 
Wilhelm  vermacht  er  die  Festen  Pottenstein  und  Guten- 
stein gänzlich  ledig;  an  Herzog  Albrecht  fiel  sein  Leibgedinge, 
die  Feste  Wartenstein,  zurück.  Seinen  drei  Vettern  Rudolf!., 
Reinprecht  H.  und  Friedrich  V.  von  Wabee-Ens^  testierte  er 
die  Festen  Nieder-Walsee  mit  Sumerau  und  Sindelburg, 
Merkenstein  samt  Zugehör  und  aUe  Mannschaft  ,enthalb^  der 
Donau,  dazu  den  herzoglichen  Satz  Wachseneck,  ebenso  die 
Stadt  St.  Polten,  Pfandschaft  vom  Bistume  Passau,  und  alle 
Gülten  von  seinen  Amtleuten.  Aus  seinem  Erbe  gingen  femer 
die  Festen  Ebreichsdorf,  Sinibelkirchen  und  Hoheneck 
an  die  Vettern  von  Walsee-Ens  über,  die  seiner  Tochter,  wenn 
sie  vogtbar  wird,  3000  Äf/Ä  Heimsteuer  und  300  Äf^  ftir  ihre 
Fertigung  ausrichten  soUen,  ebenso  die  1000  Gulden,  die  er 
nebst  allen  seinen  Kleinoden  und  allem  Silbergeschirr,  12  Silber- 
schüsseln ausgenommen,  seiner  Gattin  Elsbeth  vermachte.  Seinem 
Vetter  Georg  von  Walsee-Linz  schafite  er  900  Äf /Ä,  die  ihm  von 


*  Kop.  StLA.,  Nr.  3729». 

«  Urk.  1396  September  29 ;  LB.  V,  r.  96. 

*  Urk.  1396  Oktober  2;  NB.  I,  380. 

*  Orig.  HHStA.  »  Vgl.  S.  335. 


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387 

des  von  Maidburg  Schwester,*  und  ebensoviel,  die  ihm  von 
dem  von  Meseriez  anfallen  sollen;  stirbt  Georg  ohne  Söhne,  so 
fallen  diese  Summen  an  die  Walseer  zu  Ens.  Seinem  Vetter 
Bernhard  von  Pettau  vermachte  er  seine  Feste  Enzesfeld 
samt  der  Mannschaft  dieshalb  der  Donau,  mit  Ausnahme  der 
Stiftungen  flir  Kirchen  und  Spitäler,  dazu  die  Festen  Wein- 
burg und  Gleichenberg  samt  Mannschaft  und  Zugehör  für 
die  2500  ^/A,  die  ihm  nach  Ulrichs  Tode  zufallen  sollen.  Nimmt 
er  die  Festen  nicht  daftir,  so  können  ihm  die  Vettern  von 
Walsee-Ens  diese  Summe  auszahlen  und  die  Festen  behalten. 
Stirbt  Bernhards  von  Pettau  männliche  Nachkommenschaft,  so 
sollen  die  Festen  Enzesfeld  und  Weinburg  den  Vettern  von 
Ens  zufallen  und  die  Erben  des  Stammes  Walsee  Gleichenberg 
um  2500  ^/A  einlösen  können.  Seinem  Oheim  Bernhard  von 
Winden  vermachte  er  einen  Weingarten,  seinem  Schwager  Hans 
von  Ebersdorf  ein  Haus  zu  Wien  und  eines  zu  Wiener-Neustadt, 
seinem  Schwager  Albrecht  von  Neitberg  sein  Teil  an  der  Feste 
Kapfenstein  und  zwölf  Silberschüsseln  sowie  die  Zehente 
jenseits  der  Donau  auf  zwölf  Jahre,  worauf  sie  an  seine  Vettern 
fallen.  Seiner  Muhme  Margret,  Ulrich  von  Dachsbergs  Gattin, 
dem  Oheim  Heinrich  von  Liechteneck  und  den  Söhnen  seines 
Oheims  Heinrich  von  Winkel  wurden  Geldsummen  zugedacht, 
seinem  Freunde  Wiwenz  von  Sunnenberg  zwei  Weingärten  zu 
Luttenberg  und  seine  deutschen  Bücher,  doch  die  seines 
Schwagers,  des  Neitbergers,  ausgenommen.  Seiner  Dienerschaft 
schließlich  vermachte  er  420  &^  und  seine  Pferde. 

Bald  nach  der  Abfassung  des  Testamentes,  das  uns  Ein- 
blick in  den  Reichtum  des  österreichischen  Hochadels  jener 
Zeit  gibt,  verschied  Ulrich  IV.,  nachdem  er  noch  1400  Fe- 
bruar 3  *  den  Pfarrer  zu  Unser  lieben  Frauen  auf  der  Stetten 
in  Wien  mit  einem  kleinen  Vermächtnis  bedacht  hatte,  als  der 
letzte  Walseer  des  Enzesfelder  Astes  und  der  ganzen  Drosen- 
dorfer  Linie. 


*  Offenbar  Wolfgangs  IV.  von  Walsee- Drosendorf  Witwe. 
>  Regesta  Boica  XI,  171. 


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388 

Vn.  Abschnitt. 

Die  Glanzzeit  des  Hauses  nnter  Beinpreeht  II. 
(1400-1422). 

1.  Die  Ereignisse  bis  zum  Tode  Herzog  Wilhelms. 

Binnen  wenigen  Jahren  hatte  sich  der  gesamte  riesige 
Besitz  ihres  Hauses  und  jener  der  Tibeiner  in  den  Händen  der 
drei  Walseer  von  Ens  vereint;  an  Reichtum  wie  durch  ihre 
Stellung  am  Hofe  der  Habsburger  kam  ihnen  nicht  ein  einziges 
der  Häuser  des  österreichischen  Hochadels  gleich.  So  darf  es 
nicht  wundernehmen,  daß  ihre  ins  Außerordentliche  gestie- 
gene Macht  nun  auch  den  Stolz  und  das  Selbstgefühl  der  Wal- 
seer in  einer  Weise  hob,  die  sie  fortan  mehrfach  in  Konflikte 
mit  der  Kirche  und  dem  Bürgertume  der  Städte  brachte,  wie 
sie  damals  überdies  so  häufig  waren. 

Zunächst  stritt  sich  Reinprecht  H.  wegen  der  Besetzung 
der  Pfarre  Qrammastetten  mit  dem  Kloster  Wilhering  herum.  ^ 
Als  der  Abt,  der  sich  irüher  mit  dem  Absentgelde  begnägt 
hatte,  die  Pfarre  einem  Klosterbruder  verlieh,  beanspruchte 
Reinprecht  H.  als  Inhaber  der  Herrschaft  Wachsenberg  die 
Besetzung  der  Pfarre  und  ließ  den  Abt  und  den  Konventualen 
Konrad  daraus  vertreiben.  Der  Abt  beschwerte  sich  zuerst 
bei  den  Herzogen,  die  Reinprecht  zur  Rückgabe  der  Pfarre 
verhielten,'  und  als  dies  nichts  half,  bei  Papst  Bonifaz  IX.,  der 
1401  April  2  dem  Abte  Hertnid  von  Admont  auftrug,  gegen 
Reinprecht  nötigenfalls  mit  der  Exkommunikation  vorzugehen. 
Nun  ergingen  an  Reinprecht  Januar  18  und  29  weitere  herzog- 
liche Befehle,  deren  gemessener  Ton  ihn  endlich  zur  Nach- 
giebigkeit zwang.  Ein  anderer  Zwiespalt  Reinprechts  mit  dem 
Pfarrer  von  Petzenkirchen*  wurde  1406  durch  Bischof  Georg 
von  Passau  beigelegt. 

Gleichzeitig  lag  1401  auch  Reinprechts  H.  Bruder  Rudolf  L 
mit  dem  Domkapitel  von  Triest  wegen  der  Besetzung  der  Pfarre 
Kossau  im  Streite;^  der  walseeische  Hauptmann  zu  Duino  ge- 
riet wegen  der  jährlichen  Prozession  aus   dem  Kloster  Beligna 

1  Stülz,  Gesch.  d.  Klosters  Wilhering  57. 

*  Urk.  1400  NoYemher  9;  Kop.  Linzer  Mnsealarchiy. 

*  Bei  Amstetten;  Urk.  1406  Mai  11;  NB.  I,  881. 

*  Hortis,  Docnmenti  IX. 


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389 

in  die  Eärche  S.  Giovanni  di  Timavo  gleichfaUs  in  Händel  mit 
diesem  Kloster,  so  daß  auch  gegen  diesen  1404  ein  päpstlicher 
Erlaß  erging.* 

Bürger  obderensischer  Städte  erhoben  jetzt  gleichfalls 
berechtigte  Klagen  gegen  Reinprecht  U.  So  setzte  er  den 
Freistädtem  einige  Hintersassen  gefangen;  wohl  im  Gefühle 
seines  Unrechtes  erbot  er  sich  1404  *  gegen  die  Herzogin  Bea- 
trix zu  einem  Ausgleiche  mit  den  Bürgern.  Trotzdem  klagten 
diese  neuerdings  über  erlittenen  Schaden;®  seinem  Versprechen 
entgegen  tat  er  den  Bürgern  noch  mehr  Beschwer  denn  zuvor. 
Gewiß  traf  die  Schuld  an  solch  unbilligem  Vorgehen  häufig 
Reinprechts  Dienstleute,  die  nur  zu  leicht  und  gerne  über  die 
Weisungen  ihres  Herrn  hinausgingen.  Spätere  Klagen  über 
anderweitige  Rechtswidrigkeiten  müssen  uns  aber  überzeugen, 
daß  die  Brüder  von  Walsee  selbst  damals  diesen  Vorfällen 
nicht  ferne  standen  —  Übergriffe,  wie  sie  nun  einmal  im  Geiste 
jener  Zeit  lagen;  sie  wollen  daher  nicht  allzu  ernst  genom- 
men sein. 

Wir  ersehen  auch  durchaus  nicht,  daß  die  Stellung  der 
Walseer  bei  Hofe  darunter  gelitten  hätte;  sie  stiegen  vielmehr 
jetzt  noch  mehr  empor. ^  Während  Rudolf  I.  bis  zu  seinem 
Tode  Herzog  Wilhelms  Hofmeister,  Reinprecht  II.  Hauptmann 
ob  der  Ens  verblieb,  erhielt  Friedrich  V.  von  Walsee,  der  seit 
1396  als  Rat  Herzog  Wilhelms  tätig  war,  nun  alsbald  das  in 
diesem  Augenblicke  besonders  wichtige  österreichische  Marschall- 
amt. Am  Wiener  Hofe  entschieden  die  Brüder  1401  Novem- 
ber 16*  mit  anderen  füi'  die  Rückgabe  von  Mautem  durch 
Herzog  Wilhelm  an  Bischof  Georg  von  Passau  und  söhnten 
1402  *  die  Brüder  des  Bischofs  Berthold  von  Freising  mit  dem 
Herzoge  aus;  die  Wehinger  verpflichteten  sich  zum  Gehorsam 
gegen  die  Herzoge  und  übertrugen  den  Walseem  die  Schlich- 
tung aller  ihrer  Händel. 

Als  Hauptmann  ob  der  Ens  war  Reinprecht  H.  nach  wie 
vor  in  dem  ihm  anvertrauten  Lande  unermüdlich  tätig.''  Strenge 
Aufmerksamkeit  und  Vorsicht  war   auch  umsomehr  erforder- 


*  Pichler,  U  casteUo  di  Dnino  247. 

*  Urk.  1404  Jani  16;  Kop.  LioEer  MnBealarchiy.  *  AOG.  XXXI,  286. 

*  Vgl.  die  Genealogie.  *  LB.  V,  r.  480. 

*  Urk.  1402  Oktober  16;  Orig.  HHStA. 

^  1401—1404  werden  wieder  11  Urfehdebriefe  auf  ihn  ausgestellt 


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390 

lieh;  als  K.  Wenzel  im  Sommer  1402  ^  abermals  als  Gefangener, 
diesmal  auf  Schloß  Schaunberg,  im  Lande  ob  der  Ens  weilte, 
eine  Folge  der  Wirren,  die  in  Böhmen  noch  weiter  fortdauerten, 
während  andererseits  das  Verhältnis  der  Habsburger  zu  EL  Sieg- 
mund immer  enger  wurde.  Auch  die  Einfälle  böhmisch-mäh- 
rischer Kaubscharen  in  das  benachbarte  Osterreich  wiederholten 
sich  und  nahmen  einen  bedrohlichen  Umfang  an.  Um  ihrem 
Unwesen  und  den  Verheerungen  im  Lande  zu  steuern,  ward 
das  Geraune,  ein  strenges  Verfahren  gegen  dieses  Gelichter, 
eingeleitet  und  wurden  Truppen  ausgerüstet,  die  unter  ihren 
Anführern,  den  Geraunmeistern,  das  Land  säuberten.  Diese 
Aufgabe  fiel  in  erster  Linie  dem  neuen  Landmarschall  in  Oster- 
reich, Friedrich  V.  von  Walsee,  zu,  den  die  Herzoge  1403 
Februar  6*  damit  betrauten.  Viele  Missetäter  wurden  gefäng- 
lich eingezogen,'  andere  mit  Geldbußen  belegt  und  das  Land 
einigermaßen  von  dieser  Plage  befreit.* 

Gegen  Ende  Mai  1404  zogen  Reinprecht  II.  und  Fried- 
rieh  V.  von  Walsee  mit  Herzog  Albrecht  IV.  und  K.  Siegmund 
gegen  die  mährischen  Räuber  vor  Znaim.  Die  Burg  daselbst 
konnte  indes  nicht  genommen  werden,  da  Herzog  Albrecht 
seine  Mannschaft  schonte  und  durch  Friedrich  von  Walsee  vom 
Sturme  zurückhalten  ließ.*  Da  brach  im  Heere  die  Ruhr  aus, 
an  der  auch  Herzog  Albrecht  und  K.  Siegmund  erkrankten; 
andere  maßen  die  Schuld  beigebrachtem  Gifte  bei.®  Herzog 
Albrecht  erlag  der  Gewaltkur  seines  Arztes  und  verschied  1404 
September  14  auf  dem  Rückwege  zu  Komeuburg. 

Herzog  Albrechts  IV.  hinterlassenes  Söhnlein  Albrecht  V. 
war  erst  sieben  Jahre  alt  und  so  übernahm  Herzog  Wilhelm 
die  Vormundschaft.     An  diesen  wandten  sich  jetzt  neuerdings 


^  Anhang  zn  Hagens  Chron.,  Pes,  SS.  Rer.  Anstr.  I,  col.  1165. 

*  Wretschko,  Das  Osterr.  Marachallamt  234. 

»  Vgl.  die  Urfehden  ebenda  203—206  und  LB.  V,  r.  601. 

*  Der  Reyera  Bischof  Georgs  von  Passan  an  einen  Walseer  über  Greifen- 
stein 1404  (Inventar,  f.  73)  dürfte  mit  diesen  Vorgängen  gleichfalls  in 
Znsammenhang  stehen. 

'  Anhang  za  Hagens  Chron.,  Festschrift  für  Büdinger  326. 

^  Ebendorfer,  Pez,  a.  a.  O.  II,  547.  Das  Gerücht  soll  anch  Reinprecht  IL  von 
Walsee,  einen  Kapeller  und  einen  Meissauer  des  Giftmordes  geziehen 
haben  (Eb.  Windeke,  K.  Siegmunds  Denkwürdigkeiten,  Kap.  87),  natür- 
lich mit  Unrecht.  Wir  wissen  auch  nichts  von  einem  Verfahren,  das 
gegen  sie  eingeleitet  worden  wäre. 


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391 

die  Bürger  obderensischer  Städte  mit  ihren  Klagen  über  un- 
gerechte Bestenerung.  An  Reinprecht  11.  ergingen  als  Haupt- 
mann ob  der  Ena  allein  binnen  Jahresfrist  drei  herzogliche  Be- 
fehle/ den  Bürgern  von  ihren  Herrenlehen  keine  Steuern  ab- 
zufordern: gerade  die  häufige  Wiederkehr  dieser  Mahnungen 
beweist,  wie  wenig  ihnen  Folge  geleistet  wurde.  Dagegen  war 
der  Adel  und  so  auch  die  Walseer  bemüht,  die  ihnen  unter- 
tänigen Märkte  zu  heben.  So  erhielt  Reinprecht  H.  von  Wal- 
see für  seinen  Markt  Leonfelden  1404  *  von  den  Herzogen  einen 
Jahrmarkt  verliehen,  nicht  zum  Vorteile  der  benachbarten  Frei- 
städter. Dafür  ward  die  Donauschiffahrt  beschützt;'  die  uner- 
laubten Ladstätten  auf  der  Donau  wurden  1405^  durch  einen 
Befehl  an  Reinprecht  untersagt,  gegen  den  sich  dieses  Verbot 
in  erster  Linie  richtete. 

Im  Frühlinge  1405  wurde  Rudolf  I.  von  Walsee  zu  Grabe 
getragen.^  Ein  Mann  von  vielleicht  weniger  glänzenden  Gaben 
als  seine  Brüder,  war  er  doch  im  Dienste  der  Habsburger  pflicht- 
eifrig und  tüchtig  gewesen;  ihm  hatte  sein  Haus  vorzugsweise 
den  Anfall  des  tibeiner  Erbes  zu  danken.  Seine  Brüder,  denen 
er  in  seinem  letzten  Willen  1404  ^  all  sein  Gut  und  seine  Klei- 
node vermacht  hatte,  gerieten  mit  Agnes  von  der  Leippe,  Ru- 
dolfs kinderloser  Witwe,  um  die  Widerlage  ihrer  Morgengabe 
in  einen  Streit,  den  Bischof  Georg  von  Passau  1408  "^  zugunsten 
der  Witwe  entschied.  Darnach  wurden  ihr  die  versessenen 
Zinse  auf  Seuseneck  und  Weißenbach  zugesprochen,  die  ihr 
Gatte  ihr  einst  verschrieben  hatte.  Rudolfs  mit  seinen  Brüdern 
großenteils  gemeinsam  verwalteter  Besitz  verbUeb  nun  diesen. 
Milde  Stiftungen,®  die  Rudolf  I.  und  vorher  sein  Vetter  Ul- 
rich IV.  an  das  Kloster  Schlierbach  gemacht  hatten,  übergab 
Reinprecht  H.  ihrer  Bestimmung. 


^  1404  Oktober  19,  1405  Janaar  18,  Hormayr,  HiBtorisches  Taschenbach 
1837,  364 — 365;  1405  Jani  9;  Eop.  Linzer  Masealarchiv. 

«  AÖG.  XXXI,  292. 

'  Vgl.  Urk.  1404  Dezember  8;  Yerhandl.  d.  hist.  Vereines  f.  Niederbaiem 
XV,  64. 

*  Urk.  1405  März  28;  Eop.  Linzer  Masealarchiv. 
'  Vgl.  die  Genealogie.  '  Inventar,  f.  7. 

'  Urk.  1408  März  10;  Orig.  F.  Schwarzenberg.  Arch.  Wittingaa. 

•  Blätter  d.  Vereines  f.  Landesk.  v.  Niederösterr.  X,  149;  Urkk.  1405  März  81 
and  Oktober  13,   NB.  I,  380—381. 


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392 

Im  Sommer  1405  war  Reinprecht  nebst  seinem  Schwie- 
gervater Eberhard  von  Kapellen  bei  der  Vermählong  Johannas 
von  Durazzo  mit  Herzog  Wilhelm  zugegen;  in  ihre  Hftnde 
hinterlegten  die  Herzoge  1405  Juni  15^  die  Urkunde  über  die 
Heimsteuer  Johannas.  Dieser  Ehebund  und  das  BOndnis  mit 
K.  Wenzel  und  dem  Markgrafen  Prokop  von  Mähren  brachten 
den  Herzog  in  Gegensatz  zu  E.  Siegmund,  der  sich  als  einstiger 
Freund  Herzog  Albrechts  IV.  jetzt  als  Beschützer  des  jungen 
Albrecht  V.  betrachtete.  Er  schenkte  Beschwerden  der  Her- 
zoginwitwe Johanna,  der  Mutter  Albrechts  V.,  willig  Gkhör  und 
sicherte  ihr  seinen  Beistand  zu.  Da  fielen  nach  der  Niederlage 
der  Vettauer  und  ihrer  Gesellen  1406  abermals  Räuberhorden, 
diesmal  aus  Ungarn,  nach  Osterreich  ein ;  Herzog  Wilhelm  aber 
schlug  sie  und  folgte  ihnen  auf  ungarisches  Gebiet  —  ftbr  E. 
Siegmund  ein  willkommener  Anlaß  zu  rüsten.  Herzog  Wilhelm 
machte  einen  letzten  Versuch  zur  Erhaltung  des  Friedens  und 
bevollmächtigte  1406  Mai  27  »  Reinprecht  H.  und  Friedrich  V. 
sowie  andere  Abgesandte  der  österreichischen  Stände  zu  neuer- 
lichen Verhandlungen.  Am  Hoflager  zu  Preßburg  empfing  sie 
der  Eönig  ungnädig  mit  drohenden  Worten.  Da  wies  Rein- 
precht IL  von  Walsee  die  Anwürfe  des  Eönigs  zurück  und  er- 
klärte/ im  Eriegsfalle  selbst  tausend  Reiter  ein  Jahr  lang  be- 
solden zu  wollen.  Diese  entschlossene  Sprache,  die  in  Reinprechts 
Munde  mehr  denn  eitle  Prahlerei  war,  blieb  nicht  ohne  Ein- 
druck auf  den  Eönig,  den  sich  der  Walseer  damit  für  aUe 
Zukunft  gewann.  Er  nahm  die  bereits  abgebrochenen  Verhand- 
lungen wieder  auf  und  schloß  mit  Österreich  Frieden. 

Durch  das  tibeinische  Erbe  war  Rudolf  I.  in  seinen  letzten 
Lebensjahren  meist  im  Süden  und  in  der  Steiermark  mit  der 
Verwaltung  des  dortigen  Besitzes  beschäftigt,  zu  welchem  ein 
ausgedehnter  Lehenhof,  darunter  die  alten  Diener  des  Hauses 
Tibein,  die  ritterlichen  Geschlechter  der  Obemburger,  Trapp, 
Raunacher,  Mindorfer  und  Wachsensteiner  gehörten.  Aus  dem 
im  Mannsstamme  erloschenen  Hause  der  Tibeiner  waren  noch 
zwei  Töchter  vorhanden,  von  denen  sich  Eatharina  1400  mit 
Leutold  von  Meissau  vermählte.  Ihr  fiel  väterlicherseits  eine 
Mitgift  von  4000  Gulden  testamentarisch  zu  und  auch  aus  dem 


»  LB.  V.,  r.  707.         «  Kura,  Österreich  unter  Albrecht  H.  (V.),  Bd.  I,  269. 
'  Ebendorfer,  Pei,  a.  a.  O.  n,  col.  828. 


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393 

Erbe  ihrer  Mutter  erhielt  sie  ihren  Anteil  an  den  vier  Schlös- 
sern derselben.^  In  dem  Vergleiche,  den  sie  mit  Rudolf  I.  von 
Walsee  1401  einging,  wurde  diesem  Schloß  Freudenberg, 
ein  Gurker  Lehen,  lebenslänglich  zugewiesen.  Katharinas 
Schwester,  die  Gattin  Eberhards  von  Kapellen,  erhielt  gleich- 
falls 4000  Gulden  Mitgift*  und  aus  ihrem  mütterlichen  Erbe 
den  restlichen  Teil.  Da  sowohl  Katharina  von  Meissau  als 
Anna  von  Kapellen  ^  auf  alle  weiteren  Erbansprüche  zugunsten 
der  Walseer  verzichteten,  war  deren  neuer  Besitz  im  Süden 
dadurch  sichergestellt. 

Von  den  steirischen  Gütern  verlieh  Rudolf  I.  flir  sich  und 
seine  Brüder  1400*  dem  Dienstmanne  Jakob  Trapp  die  Feste 
Ober-Marbui^  als  Leibgedinge  und  im  folgenden  Jahre  ^  Fried- 
rich von  Graben,  seinem  Burggrafen  auf  Riegersburg,  mehrere 
Lehen  in  dieser  Herrschaft;  1404  ^  belehnte  Rudolf  I.  den  Fried- 
rich von  Stubenberg  mit  Dorf  und  Schloß  Höflein. 

Außerdem  erfahren  wir  von  der  bedeutenden  Pfandschaft 
Porten  au  (Pordenone),  die  den  drei  Brüdern  von  Walsee  nach 
1399  verpfändet  worden  war.  1404  Juli  22^  stellte  Wenzel 
von  Spennberg®  seinen  Pflegrevers  über  Schloß  und  Stadt 
Portenau  auf  Rudolf  von  Walsee  aus.  Jetzt  nahm  Herzog  Wil- 
helm die  Stadt  wieder  selbst  in  seine  Hand,*  nachdem  ein  Ge- 
sandter der  Portenauer  nach  Wien  gekommen  war,  um  unter 
Vermittlung  der  Walseer  die  Beilegung  der  Zwistigkeiten  zwi- 
schen seiner  Vaterstadt  und  dem  Patriarchen  von  Aquileja  zu 
betreiben.  Herzog  Wilhelm  kam  1405  April  21^®  mit  Rein- 
precht  n.  und  Friedrich  V.  von  Walsee  überein,  ihnen  bis 
St.  Gilgentag  die  Entschädigung  für  ihre  Ansprüche  auf  Por- 
tenau festsetzen  zu  lassen. 

Die  Ek-werbungen  der  Walseer  waren  in  diesen  Jahren 
besonders  in  Oberösterreich  nicht  unbedeutend;  sie  dienten  vor- 


*  Vgl.  Pichler,  U  castello  di  Dnino  238. 

'  Beiträge  zur  Kunde  steierm.  Qeschichtsqaellen  XXVI,  97. 
»  ürk.  1403  August  6;  NB.  I,  380. 

*  ürk.  1400  Januar  24;  Orig.  HHStA. 
^  Muchar,  Qesoh.  d.  Steienn.  VII,  73. 

*  1404  Februar  3;  NB.  X,  273. 

*  F.  C.  Carreri,  Cinque  inediti  documenti.  Padua  1882. 

'  (Spilimbergo) ;  über  das  Geschlecht  vgl.  y.  Zahn  in  der  Zeitschr.  ,Adler'. 
N.  F.  n,  166. 

*  FEA.  XXIV,  143.  w  Ebenda. 


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394 

wiegend  dem  Zweck,  ihre  Güter  zu  arrondieren  und  zu  ge- 
schlossenen Gruppen  auszugestalten.  Außerdem  aber  wurden 
auch  neuerlich  herzogliche  Lehensherrschaften  Reinprecht  IL 
von  Walsee  überantwortet. 

An  solchen  kleinen  Gütern  erwarb  er  1400^  Grandstücke 
vor  der  Stadt  Linz  gelegen.  Ln  Trattnachtale  brachte  er  den 
Euetopelhof  im  Landgerichte  Tegembach  an  sich,'  den  ihm 
Otto  der  LerbtÜer  1404  vermachte,  dazu  durch  Kauf  1406* 
eine  Point  in  der  Neumühle  bei  Schönau.  Zu  Starhemberg, 
das  er  bereits  innehatte,  übergab  ihm  Herzog  Wilhelm  auch 
die  Pflege  der  Feste  Wolfseck  am  Hausruck  und  wies  ihm 
1405^  jährUch  50^^  Burghut  daftLr  auf  der  Maut  zu  Linz 
an.  Im  Attergau  erwarb  er  im  gleichen  Jahre  ^  das  Haus 
Hans  Geumans  im  Markte  Swans  (Schwanenstadt)  nebst  13  Hof- 
stätten und  in  seiner  Herrschaft  Ort  1404  ^  einen  Hof  zu  Sautem. 
Dem  Kaufe  eines  Hofes  zu  Buchegg  ^  in  der  walseeischen  Herr- 
schaft Schamstein  folgte  die  Erwerbung  der  benachbarten  Feste 
Egenberg,'  mit  welcher  Reinprecht  1402  Oktober  15*  be- 
lehnt wurde.  Im  Steiergebiete  erkaufte  er  von  Reinprecht  dem 
Posch  laut  herzogUchen  Lehenbriefes  von  1405  Dezember  5*® 
zwei  Höfe  zu  Erlafing  bei  Sieming. 

Dagegen  treten  die  Besitzveränderungen  in  Niederöster- 
reich zurück.  Von  kleineren  Erwerbungen  an  der  Triesting 
abgesehen,  testierte  ihm  dort  1405^^  Gilg  der  Anfelder  Frei- 
singer Lehen,  zu  Auratzfeld,  bei  Amstetten  und  an  der  Ips 
gelegen.  1406  Mai  11^*  erhielt  er  die  Belehnung  mit  der  1398 
von   Heinrich  VI.  von  Walsee-Ens  ererbten  Feste   Purgstall. 

Noch  in  seinen  letzten  Lebenstagen  bewilligte  Herzog 
Wilhelm  1406  Juli  6,^'  daß  Katharina  von  Tibein  ihrem  Gatten 


»  ürk.  1400  Juni  16;  Orig.  StAEferding. 

'  Bei  Grieskirchen;  Urk.  1404  November  9;  Orig.  StAEferding. 

'  Urk.  1406  Apnl  21;  ebenda. 

*  ürk.  1406  Deeember  18;  LB.  V,  r.  736. 

*  Wildberger  Archivsverzeichnis  von  1641;  StAEferding. 

•  Urk.  1404  Juni  16;  ebend«. 

'  Bei   Viecbtwang,    Ostlich   von   Gmunden;    Urk.  1400  Januar  12;    Orig. 

HHStA. 
"  Nordöstlich  von  Gmunden,  nicht  mit  dem  bei  Graz  zu  verwechseln. 

•  LB.  V,  r.  614.  "  Orig.  StAEferding. 

"  ürk.  1406  November  27;  Orig.  StAEferding.  »  WSt.  601. 

"  NB.  I,  381. 


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395 

Reinprecht  II.  von  Walsee  ihre  Hälfte  der  Herrschaft  Eibis- 
wald  verschreibe.  Nach  dem  Tode  seiner  ersten  Hausfrau 
Katharina  von  Liechtenstein-Nikolsburg^  die  den  Sturz  ihres 
Vaters  nicht  lange  überlebte,  hatte  Reinprecht  zunächst  eine  Ehe 
mit  Anna^  der  Tochter  Eberhards  von  Kapellen,  geschlossen/ 
mit  der  er  zwischen  1398 — 1404  velrehelicht  war;  beide  Verbin- 
dungen waren  kinderlos  geblieben;  nach  Annas  frühem  Ableben 
vermählte  sich  Reinprecht  IL  im  Alter  von  fast  60  Jahren  1406 
zum  dritten  Male  mit  der  weit  jüngeren  Katharina  von  Tibein, 
der  Wittib  Leutolds  von  Meissau,  die  ihm  aus  ihrem  mütter- 
lichen Erbe  die  Herrschaft  Eibiswald  zubrachte.*  Da  in  den 
nächsten  Jahren  die  zweite  Tochter  Haugs  VH.  von  Tibein, 
Anna,  die  Gattin  Eberhards  von  Kapellen,  aus  dem  Leben 
schied  und  den  Rest  ihres  mütterlichen  Erbes  Qonobitz, 
Freudenberg  und  Stattenberg'  ihrer  Schwester  Katharina 
und  deren  Gatten  hinterließ,  so  war  damit  die  Auferbung  des 
Hauses  Tibein  durch  die  Walseer  eine  vollständige  geworden. 


2.   Die  Walseer  und  der  Streit  um  die  yormundschaft  Herzog 
Albrechts  y.  bis  lum  Schiedssprüche  K.  Siegmunds. 

Nach  Herzog  Wilhelms  Tode  (f  1406  Juli  15)  wurde  die 
Frage  der  Vormundschaft  über  Albrecht  V.  die  Ursache  mehr- 
jähriger Wirren,  in  welche  Friedrich  V.  und  insbesondere  sein 
Bruder  Reinprecht  IL  von  Walsee  tatkräftig,  ja  entscheidend 
eingriffen.  Den  Hausverträgen  entgegen  übertrugen  die  Her- 
zoge den  Grundsatz  der  Gleichberechtigung,  von  dem  man  bei 
den  Länderteilungen  ausging,  dahin,  daß  sie  auch  die  Ein* 
künfte  aus  der  Vormundschaft  unter  alle  übrigen  Geldquellen 
einbezogen  und  demgemäß  bei  den  Teilungsplänen  in  Rechnung 
brachten.  Dieser  selbstsüchtigen  Politik  gegenüber,  welche  die 
Vormundschaftsfrage  weniger  vom  Standpunkte  des  gesamt- 
habsburgischen  Hausinteresses,  vielmehr  als  persönliche  Macht- 
und  Geldfrage  betrachtete,  sehen  wir  die  Sache  des  jungen 
Herzogs   durch   die  österreichischen  Stände  vertreten,   geführt 


^  Vgl.  die  Genealogie. 

*  Beiträge  zur  Kunde  steierm.  Geschichtsqnellen  XXVI,  97. 

•  Vgl.  den  Pflegreyera  des  Stattenberger  Pflegen  von  1421,  Inventar,  f.  69. 
ArchiT.  XCY.  Band.  U.  H&lfte.  27 


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396 

von  ihren  mächtigsten  Mitgliedern^  den  Brüdern  Eleinprecht  IL 
und  Friedrich  V.  von  Walsee. 

Die  Walseer  verdankten  ja  allerdings  gerade  den  AI- 
brechtinem  ihre  jetzige  Bedentong  und  Reinprecht  II.  war 
dem  jungen  Herzog  persönlich  zugetan;  dies  war  es  aber 
sicherlich  nicht  allein,  was  die  beiden  Brüder  zu  ihrem  Auf- 
treten gegen  die  herzoglichen  Vettern  ihres  Schützlings  bewog. 
Gelang  es^  die  Stellung  der  Stände  den  Herzogen  gegenüber 
zur  vollen  Geltung  zu  bringen,  so  war  ihnen  die  erste  Rolle 
bei  den  kommenden  Ereignissen  und  reicher  Gewinn  an  Macht 
und  Einfluß  sicher;  denn  weder  an  Reichtum  und  Besitz  oder 
wichtigen  Verbindungen,  noch  an  fähigen  Männern  kam  ihnen 
in  diesem  Augenblicke  auch  nur  ein  Haus  des  österreichischen 
Hochadels  gleich.  So  fand  Reinprecht  II.  als  bereits  gereifter 
und  vielerfahrener  Mann  mit  seinem  Bruder  Friedrich  V.  ein 
größeres,  bedeutenderes  Feld  für  seine  Tätigkeit,  die  er  mit 
Geschick  und  Glück  entfaltete. 

Als  nach  Herzog  Wilhelms  Tode  die  Absichten  der  Leo- 
poldiner  oflfenbar  wurden,  versammelten  sich  die  Geistlichkeit, 
die  Herren  mit  Reinprecht  IL  von  Walsee  an  ihrer  Spitze,  die 
Ritter  und  Abgesandten  der  Städte  zu  Wien,  verbanden  sich 
dort  1406  August  6^  zu  gemeinsamem  Handeln  und  traten 
einmütig  für  die  Sache  Herzog  Albrechts  V.  ein.  Als  die  Leo- 
poldiner sich  ihrem  Spruche  unterwarfen,  entschieden  sie  unter 
Führung  Reinprechts  II.  1406  September  12*  zwar  über  die 
Aufteilung  des  Gebietes  derselben,  ließen  aber  die  Frage  offen, 
ob  Herzog  Leopold  oder  Herzog  Ernst  die  Vormundschaft 
führen  sollte,  die  nun  Herzog  Leopold  im  Einverständnisse  mit 
seinem  Bruder  übernahm. 

Herzog  Leopold  suchte  nun  Osterreich  die  ersehnte  Ruhe 
zu  verschaffen.  Mit  dem  Markgrafen  Jost  von  Mähren  kam 
ein  Friede  zustande  und  die  Rosenberger  sowie  den  von  Neu- 
haus ließ  der  Herzog  durch  Reinprecht  IL  von  Walsee  Mitte 
Dezember  1406*  zu  einer  Zusammenkunft  nach  Freistadt  ein- 
laden. Hierauf  wandte  sich  der  Herzog  an  die  in  Wien  ver- 
sammelten Stände,  unter   denen   sich  abermals  Reinprecht  TL, 


*  Schwind-Dopsch,  Urk.  zur  Verf.-Gesch.  Österr.  300. 

•  Kur«,  Österreich  unter  Albrecht  II.  (V.),  Bd.  I,  466. 
»  AÖG.  XXXI,  29e. 


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von  Walsee  befand,  und  schloß  unter  deren  Mitwirkung  1407 
Januar  2^  einen  allgemeinen  Landfrieden  für  Osterreich  ab. 

Nun  wurden  auch  die  Geldforderungen  der  Walseer  an 
die  Herzoge  ausgeglichen.  Als  Entschädigung  für  den  Satz 
auf  Portenau  von  13.000  Gulden  und  eine  Schuld  von  19.000 
Qulden,  die  der  verstorbene  Rudolf  I.  von  Walsee  von  Herzog 
Wilhelm  zu  fordern  gehabt  hatte,  verpfändeten  die  Herzoge 
Leopold  und  Ernst  an  Reinprecht  II.  1407  Februar  28  *  neuer- 
dings die  vordem  tibeinische  Pfandschaft  Mitterburg  mit  den 
Kastellen  Piremont  und  Frayn  (Vragna)  im  habsburgischen 
Istrien,  die  Feste  Ober-Stein,  welche  Friedrich  V.  von  Wal- 
see im  gleichen  Jahre  von  den  Scherfenbergern  gelöst  hatte,* 
Görtschach  in  Krain,  Windischgraz  und  Mahrenberg  in 
der  Steiermark  und  die  alten  walseeischen  Pfandschaften  Wach- 
senberg, Attersee,  Puchheim,  Seusenburg  und  Pern- 
stein  im  Lande  ob  der  Ekis,  Peilstein,  Freienstein  und 
Weikersdorf*  in  NiederOsterreich  auf  weitere  28  Jahre,  dazu 
1407  März  1*  zur  Ergänzung  auf  des  verstorbenen  Rudolfs 
von  Walsee  Forderung  die  Herrschaft  Greifenburg  samt  Maut 
und  Feste  und  die  halbe  Maut  zu  Spital  in  Oberkärnten 
gleichfalls  auf  28  Jahre.  Dafür  erklärten  Reinprecht  H.  und 
Friedrich  V.  1407  März  5  ^  alle  Schuldbriefe  ihres  verstorbenen 
Bruders  an  die  Herzoge  für  getilgt. 

Daraufhin  kehrte  Reinprecht  II.  nach  Oberösterreich  zu- 
rück und  nahm  dort  seine  Tätigkeit  als  Hauptmann  ob  der  Ens 
wieder  auf. 

Die  Eintracht  zwischen  den  Herzogen  Leopold  und  Ernst 
war  indes  nicht  von  Dauer:  es  war  ihnen  nicht  Ernst  mit  den 
Ausdrücken  brüderlicher  Liebe,  in  denen  sie  sich  noch  im 
Juni  1407  ergingen.  Auf  der  einen  Seite  war  Herzog  Leopolds 
Kanzler  Bischof  Berthold  von  Freising  höchst  unbeliebt;  sein 
militärischer  Mißerfolg  gab  1407  das  Land  mährischen  Raub- 
gesellen preis.  Dazu  begünstigte  Herzog  Leopold  auf  Kosten 
des  Herrenstandes  die  Ritterschaft,  welche  sich  1407''  in  einem 


>  Kuw,  a.  a.  O.  Bd.  I,  281.  »  LB.  V,  r.  862. 

•  Inventar,  f.  6';  bei  Stein  in  Krain.  *  Westlich  von  Stockeran. 

'^  MHVSt.  Vn,  56;  dieser  Satz  steht  wohl  nicht  ohne  Beziehung  zu  dem 
ehemals  tibeinischen  Satze  auf  Bleiburg,  der  noch  1404  walseeisch  war. 

•  LB.  V,  r.  865. 

•  Krones,  Landesfürst,  Behörden  und  Stände  230—232. 

27* 


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398 

Bündnisse  vereinigte.  Herzog  Eknst  dagegen  war  anch  dorch 
das  letzte  Übereinkommen  noch  nicht  befriedigt.  Wenige 
Wochen  nach  den  mit  jenem  getauschten  Freundschaftsyersiche- 
rangen  zog  er  den  bisher  vemachlftssigten  Herzog  Friedrich 
auf  seine  Seite  und  sicherte  ihm  seinen  Beistand  gegen  den 
Bruder  zu.  Für  Herzog  Ernst  ergriflFen  die  Geistlichkeit,  die 
Walseer  mit  dem  größeren  Teile  des  hohen  Adels  nnd.  die 
Städte  Partei.^  Herzog  Leopold,  hieß  es,  sei  gesonnen,  ven 
der  Vormundschaft  zur  wirklichen  Herrschaft  überzugehen,  eine 
Absicht,  die  sich  ihm  indes  nicht  nachweisen  läßt. 

Im  Herbste  1407  kam  es  zum  offenen  Bruche  zwischen 
den  Herzogen.  Herzog  Ernst  traf  in  Wien  ein  und  fand  dort 
allerseits  starken  Anhang.*  Reinprecht  H.  und  selbst  Fried- 
rich V.  von  Walsee,  Herzog  Leopolds  Hofmeister,  traten  auf 
seine  Seite,  offenbar  infolge  von  Herzog  Leopolds  Parteinahme 
ftlr  die  Ritterschaft.  Herzog  Leopold  zog  sich  nach  Wiener- 
Neustadt  zurück  und  kündigte  seinem  Bruder  und  dessen  Partei 
sowie  der  Stadt  Wien  die  Fehde  an;  von  Enzersdorf  aus  suchte 
der  verhaßte  Wehinger  die  Anhänger  Herzog  Elmsts  auf  die 
andere  Seite  zu  ziehen.  Herzog  Ernst  bemächtigte  sich  mit 
Friedrich  V.  von  Walsee  der  Vormundschaft  über  Albrecht  V. 
und  schloß  mit  Bischof  Georg  von  Passau,  den  beiden  Walseem 
und  dem  Hochadel  ein  Bündnis,  welches  durch  das  Wiener 
Abkommen  1407  November  25'  auch  auf  K.  Siegmund,  den 
Erzbischof  von  Salzburg  sowie  die  Grafen  von  Cilli  und  Orten- 
burg  ausgedehnt  werden  sollte,  wozu  dann  auch  noch  Herzog 
Heinrich  von  Baiern-Landshut  als  Verbündeter  kam.  Durch 
Herzog  Ernsts  offenbare  Überlegenheit  gedrängt,  nahm  jetzt 
Herzog  Leopold  selbst  zahlreiche  Stegreifiitter  in  Sold,  darunter 
den  berüchtigten  Böhmen  Jan  Sokol.  Wenn  auch  der  kalte 
Winter  1407/08  das  Umherziehen  der  plündernden  Banden  er- 
schwerte, so  litten  doch  die  Klöster  und  besonders  die  wehr- 
losen Bauern  furchtbar  unter  dem  Unwesen  des  Raubgesindels,^ 
dem  die  Walseer  in  Ober-  und  Niederösterreich  nach  Kräften 
zu  wehren  suchten.  Die  Parteiungen  übertrugen  sich  auf  alle 
Kreise  öffentlichen  Lebens  und  wirkten  überall  zersetzend  auf 


^  Cjilend.  Zwetlense,  M.  0.  SS.  IX,  697. 

«  Ebendorfer,  Pea,  «.  ä.  O.  U,  831  ff. 

^  Kurz,  Österreich  unter  Albrecht  IL  (V.),  Bd.  I,  286. 

♦  Vgl.  Ebendorfer,  a.  a.  O.  832;  Ann.  Mellic,  M.  G.  SS.  IX,  615. 


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399 

die  Verhältnisse  des  von  allen  Greueln  eines  Bürgerkrieges 
heimgesuchten  Landes.  Um  Neujahr  1408^  standen  Herzog 
Leopold  mit  dem  Freisinger  und  Sokol^  Herzog  Ernst  mit  den 
Walseern,  Meissauern  und  anderen  vom  Adel  und  vielen  Prä- 
laten einander  zu  Komeuburg  und  Elosterneuburg  gegenüber.* 
Ein  Waflfenstillstand  und  Verhandlungen  zwischen  den  Herzogen 
führten  1408  Januar  14  zum  BLlosterneuburger  Abkommen,  — 
ein  fauler  Friede,  der  zwar  dem  offenen  Kriegszustande  ein 
Ende  machte,  nicht  aber  den  Gewalttätigkeiten  der  erbitterten 
Parteien. 

Nach  Oberösterreich  zurückgekehrt,  betrieb  Reinprecht  IL 
von  Walsee  eben  die  Aburteilung  von  Resten  der  seit  1397 
verfolgten  Waldenser  in  der  Umgebung  von  Steier,*  als  ihn 
die  Nachricht  vom  Verluste  seines  einzigen  Bruders  traf.  Fried- 
rich V.  von  Walsee  erlitt  Mitte  März  1408  durch  eine  Pulver- 
explosion auf  Schloß  Nieder-Walsee  so  schwere  Verletzungen, 
daß  er  denselben  nach  drei  Tagen  erlag.*  Da  auch  Fried- 
rich V.  von  Walsee  ohne  Nachkommen  starb  —  die  Kinder 
von  seiner  dritten  Gattin  Dorothea  von  Starhemberg,  die  er  als 
Witwe  hinterließ,  waren  früh  gestorben  — ,  so  war  nun  Rein- 
precht H.  nach  dem  Tode  seines  reichbegabten  Bruders  der 
einzige  Walseer.  Die  Gefahr,  daß  das  Haus  Walsee  mit  ihm 
aussterben  könnte,  wurde  indes  dadurch  beseitigt,  daß  ihm  seine 
dritte  Gemahlin  Katharina  von  Tibein  1407  oder  1408  einen 
Sohn  Reinprecht  IV.  schenkte.  Friedrichs  V.  Besitzungen, 
die  er  außer  den  Herrschaften  Kornspach  und  Stroneck 
mit  seinem  Bruder  gemeinschaftlich  innegehabt  hatte,  gingen 
nun  sämtlich  in  dessen  Alleinbesitz  über.  So  vereinte  sich  die 
gesamte  Macht  und  Stellung  der  Walseer  jetzt  in  der  Person 
Reinprechts  IL,  des  bedeutendsten  und  berühmtesten  Mannes 
seines  Hauses. 

Wenn  auch  Herzog  Leopold  und  Bischof  Berthold  an  dem 
durch  Unvorsichtigkeit  verursachten  Tode  des  Walseers  sicher 
nicht  die  Schuld  traf,  der  sie  das  Gerücht  anklagte,  jedenfalls 


*  Ebondorfer,  a.  a.  O.;  Kl.  Klosterneuburger  Chron.,  AÖG.,  2.  A.,  VII,  230. 
^  Vgl.  Reinprechts   von  Walsee   Ladschreiben    an  die  Städte  Krems  und 

Stein  1408  Januar  8;  Kurz,  Albrecht  II.  (V.)  Bd.  I.,  320. 
3  Vgl.  die  beiden  Reverse,  1408  Februar  17;  Orig.  HHStA. 

*  Ebendorfer,  a.  a.  O.  833;    Kl.  Klostemeuburger  Chron.  a.  a.  O.;   Anon. 
Viennens.  Chron.,  Pez,  a.  a.  O.  I,  c.  649. 


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400 

war  das  Aufsehen,  das  dieses  beklagenswerte  Ereignis  erregte,* 
nar  darnach  angetan,  die  gegenseitige  Erbitterung  zu  steigern. 
Herzog  Ernst  selbst  eilte  auf  die  Unglücksbotschaft  hin  schleu- 
nigst von  Graz  nach  Wien,  ein  Beweb,  wie  nahe  ihm  das  Un- 
glück des  Wabeers  ging. 

Herzog  Leopold  und  der  Freisinger  ruhten  auch  jetzt 
nicht  und  brachten  durch  Versprechungen  und  Drohungen  viele 
Anhänger  Herzog  Elrnsts  auf  ihre  Seite.*  Reinprecht  von  Wal- 
see aber  war  nicht  zu  gewinnen;  er  hielt  treu  zu  Herzog  Ernst, 
ebenso  auch  die  Bürger  Wiens  und  die  Geistlichkeit.  Nachdem 
Herzog  Leopolds  Raubgesellen  noch  von  Wiener  Bürgern  hohe 
Summen  erpreßt  hatten,  kam  es  Ende  April  neuerlich  za  Unter- 
handlungen. Zunächst  wurde  der  Streit  der  Herren  mit  den 
Rittern  und  Knechten  über  die  Besetzung  der  Hofgerichts- 
schranne  entschieden.  Die  Herren  mit  Reinprecht  von  Walsee 
an  ihrer  Spitze  gaben  1408  April  27'  die  Entscheidung  ihres 
Streitfalles  Herzog  Elmst,  die  Ritter  und  Knechte  Herzog  Leo- 
pold in  die  Hand,  welcher  zugunsten  der  letzteren  entschied. 
Endlich  schien  der  Kremser  Spruch  (1408  Juni  2)  des  erwähl- 
ten Schiedsgerichtes  den  erhofften  Frieden  zu  schaffen,^  der 
Herzog  Ernst  abermals  seinem  Ziele  näher  brachte. 

Daraufbin  kehrte  Reinprecht  nach  Oberösterreich  zurück^ 
und  nahm  dort  seine  Tätigkeit  wieder  auf,  von  der  uns  neuer- 
liche Urfehden  Zeugnis  geben.  Er  ließ  im  Kloster  Schlägl  die 
damals  von  den  Habsburgern  unterstützte  Klosterrcform  durch- 
führen und  verpflichtete  den  neuen  Abt  Martin  des  Klosters 
darauf.^  Da  die  Spannung  zwischen  den  Herzogen  und  ihren 
beiderseitigen  Anhängern  fortdauerte  und  eine  Partei  der 
anderen  mißtraute,  schloß  Reinprecht  H.  1408  Juli  8^  zu  Linz 
mit  seinem  alten  Freunde  Bischof  Georg  von  Passau  ein  Bündnis 
zu  gegenseitigem  Beistande  gegen  jedermann,  die  Herzoge  von 
Osterreich  ausgenommen.  Damit  war  die  Geistlichkeit  umso- 
mehr  für  Reinprecht  gewonnen,  der  die  Hilfe  seines  alten 
Bundesgenossen  nur  zu  bald  in  Anspruch  nehmen  sollte. 


^  Der  erste  Unglücksfall  dieser  Art  auf  österreichischem  Boden. 

•  Ebendorfer,  a.  a.  O.  »  Rauch,  SS.  Rer.  Austr.  IH,  470. 

*  Vgl.  AÖG.  LXXXVI,  611. 

'  Mai  1  arknndet  er  wieder  zn  Linz;  Kop.  Linser  Mosealarcbiy. 

«  Reverse  von   1408  Juni  6,  Orig.  HHStA.  und  Juni  10;  LB.  V,  r.  1027. 

^  MonumenU  Boica  XXXI  >,  78. 


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401 

Herzog  Leopold  war  nach  dem  Abkommen  im  Jani  1408 
wieder  nach  Wien  gezogen^  wo  er  alsbald  den  dem  Herzog 
Ernst  getreuen  Bürgermeister  Vorlauf  und  fünf  geachtete  Bür- 
ger in  Haft  nehmen  und  1408  Juli  11  Vorlauf  mit  zwei  Ge- 
nossen hinrichten  ließ.^ 

Die  Erregung  und  Entrüstung  über  diese  grausame  und 
übereilte  Tat  war  ungeheuer.  Die  ganze  Partei  Herzog  Ernsts 
erhob  sich  jetzt  neuerdings  und  sagte  Herzog  Leopold  ab,' 
insbesondere  Reinprecht  von  Walsee  trat  als  entschiedener 
Gegner  der  Gewaltherrschaft  Herzog  Leopolds  auf,  dem  selbst 
aus  Böhmen,  Mähren  und  Ungarn  Febdebriefe  zukamen. 

Von  Linz  aus,  wo  Keinprecht  die  Nachricht  von  den  Vor- 
gängen in  Wien  erhielt,  berief  er  sofort  Abgeordnete  der  Stände 
zur  Beratung  der  Lage  nach  Ens  zusammen.'  Die  Rosenberger 
in  Südböhmen  sagten  ihren  Beistand  zu,  Herzog  Ernst  betrieb 
gleichfalls  seine  Rüstungen.  1408  September  2^  schloß  der 
Herzog  bereits  ein  Defensivbündnis  mit  K.  Siegmund  von  Un- 
garn, das  ihm  den  Rücken  deckte.  Der  Steirer  Vertrag  von 
1408  September  23,  Oktober  4  zu  Ens  erneuert,  schloß  Rein- 
precht von  Walsee  und  den  Hochadel  sowie  Bischof  Georg  von 
Passau  enge  an  Herzog  Eirnst,  der  nur  nach  des  Bischofs,  Rein- 
prechts  von  Walsee,  der  Puchheimer  und  Starhemberger  Rat 
zu  handeln  und  ohne  deren  Wissen  und  Willen  auch  keinen 
Frieden  oder  Verhandlungen  mit  Herzog  Leopold  einzugehen 
versprach.  Dazu  trat  später  noch  1408  September  27  *  Herzog 
Heinrich  von  Niederbaiern  oflfen  als  Verbündeter,  der  Verlobte 
von  Albrechts  V.  Schwester  Margret. 

Reinprecht  von  Walsee  nahm  böhmische  Söldner  auf  ^  und 
vereitelte  mit  Hilfe  bald  eingetroffener  Verstärkungen  aus 
Baiem  jeden  Erhebungsversuch  der  auch  im  Lande  ob  der  Ens 
vorhandenen  Anhänger  Herzog  Leopolds.''  Er  hielt  die  wider- 
spenstigen Städte  Wels,  Ens  und  Gmunden  in  Gehorsam  für 
Albrecht  V.  und  züchtigte  den  Zinzendorfer  so,®  daß  sich  dessen 


*  Ebendorfer,  a.  o.  0. 11,  836;  vgl.  Kurz,  Österreich  unter  Albrecht  II.  (V.), 
Bd.  I,  107. 

*  Ebendorfer,  a.  a.  O.  836. 

»  Vgl.  das  Schreiben  an  die  Freistädter  1408  Juli  20;  AÖG.  XXXI,  299. 

*  LB.  V,  r.  1041,  1048.  »  Rauch,  SS.  Rer.  Austr.  m,  840. 

*  Vgl.  Urk.  1422  Oktober  22;  NB.  II,  8. 

'  Calend.  Zwetl.  M.  G.  SS.  IX,  697.  »  Ebendorfer,  a.  a.  O.  836. 


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402 

Familie  lange  nicht  von  ihren  damaligen  Verlusten  erholte. 
Aach  sperrte  Reinprecht  die  Donau  ab^  und  verhinderte  da- 
durch jeden  Verkehr  mit  den  Gegnern  in  Niederösterreich. 

Im  Lande  unter  der  Ens^  wo  Reinprecht  Truppenkörper 
bei  Aspam  am  linken  Donauufer  und  bei  St.  Polten  aufgestellt 
hatte,*  mißglückte  letzterer  Abteilung  ein  Angriff  auf  Potten- 
brunn.  Als  überdies  jetzt  der  mächtige  Stibor  aus  Ungarn 
nach  Niederösten*eich  einfiel  und  unter  Sengen  und  Brennen 
bis  in  die  Nähe  Wiens  vordrang,  nahm  Herzog  Leopold  aber- 
mals den  Bandenftlhrer  Sokol  in  Sold:  der  größte  Teil  seiner 
Anhänger  hingegen  leistete  dem  Herzoge  weiter  keine  Unter- 
stützung. 

Die  ganze  Last  des  Krieges  gegen  Herzog  Leopold  ruhte 
jetzt  auf  Reinprecht  von  Walsee,  der  ungebeugt  ausharrte. 
Anfangs  September  1408  wandte  sich  Sokol  gegen  ihn,  unter 
neuerlichen  furchtbaren  Verheerungen  der  Klöster  und  Land- 
dörfer. Zwar  gingen  die  walseeischen  Festen  Rauheneck  bei 
Baden  und  Senftenberg  bei  Krems  durch  Verrat  verloren;' 
dagegen  fand  der  Hauptmann  Hechtl,  den  Herzog  Leopold  mit 
böhmischen  und  polnischen  Söldnern  gegen  Tulln  und  Herzogen- 
burg ausgesandt  hatte,  vor  St.  Polten  beharrlichen  Widerstand 
von  den  Bürgern  und  Reinprechts  Söldnern.^  Da  sich  der 
Walseer  ebenfalls  durch  Verheerungen  schadlos  zu  halten  suchte, 
litt  das  Land  entsetzUch  unter  den  greulichsten  Verwüstungen.* 
Georg  von  Liechtenstein,  Bischof  von  Trient,  brachte  endlich 
zwischen  den  streitenden  Parteien  Unterhandlungen  xmd  1408 
Oktober  7  ®  zu  Ens  einen  Waffenstillstand  zuwege.  Herzog  Ernst, 
Bischof  Georg  von  Passau,  Reinprecht  von  Walsee  und  ihre 
Anhänger  einerseits,  Herzog  Leopold  und  Bischof  Berthold 
von  der  Gegenseite  ernannten  je  acht  Schiedsrichter,  dazu  K. 
Siegmund  als  Obmann,  dem  die  Entscheidung  zufallen  sollte, 
falls  sich  die  Schiedsrichter  nicht  einigen  könnten.  Am  Georgi- 
tage  sollten  sie  nach  Lichtenwört  kommen  und  warten,  bis  ihnen 
K.  Siegmund  einen  Termin  nach  Ödenburg  oder  Eisenstadt 
setzen  würde.    Bis  dahin  sollte  Friede  herrschen,  Herzog  Leo- 


'  Kl.  Klostemeuburger  Chron.,  a.  a.  O.  239. 

*  Ebendorfer,  a.  a.  O.  836. 

8  Calend.  Zwettl.  M.  G.  S8.  IX,  697. 

*  Ebendorfer,  a.  a.  O.  837.  »  Ann.  Mellic,  M.  G.  SS.  IX,  616. 

*  Rauch,  SS.  Rer.  Austr.  UI,  485. 


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403 

pold  aber  im  Lande  ob  der  EnS;  wo  Reinprecht  von  Walsee 
Hauptmann  blieb^  nichts  zu  befehlen  haben.  Daraufhin  konnte 
Reinprecht  seine  böhmischen  Söldner  entlassen^  die  ihm  1408 
Oktober  14  zu  Ens,  Oktober  22  zu  Linz  über  den  empfangenen 
Sold  reversieren.  * 

Damit  war  diese  Fehde  beendigt,  in  welcher  Reinprecht 
von  Walsee  dem  Herzog  Leopold  mit  Erfolg  die  Spitze  bot; 
freilich  waren  seine  Beweggründe  und  seine  Ziele  dabei  andere 
gewesen  als  die  Herzog  Ernsts^  an  dessen  Seite  er  gestritten 
hatte.  In  den  ersten  Tagen  des  Jahres  1409  fand  eine  Zu- 
sammenkunft der  Herzoge  und  der  Stände  statt;  *  Herzog  Leo- 
pold erschien  mit  dem  jungen  Herzog  Albrecht  V.  in  Wiener- 
Neustadt,  Herzog  Albrecht  dagegen  blieb  mit  Reinprecht  von 
Walsee  und  den  Seinen  in  Ebenfurt.  Bei  den  darauf  einge- 
leiteten Unterhandlungen  kam  eine  vollständige  Einigung  nicht 
zustande.  Man  überließ  die  noch  übrigen  strittigen  Punkte, 
insbesondere  die  Hauptfrage  der  Vormundschaft,  der  Entschei- 
dung E.  Siegmunds  und  verlängerte  den  Waffenstillstand,  worauf 
die  Herzoge  nach  Wien  zurückkehrten. 

Während  Herzog  Leopold  durch  die  Begünstigung  des 
Freibeuters  Hans  Laun  neuerdings  den  Argwohn  der  Wiener 
erweckte,  suchte  Herzog  Ernst  sich  die  Gunst  E.  Siegmunds  zu 
erwerben.  Er  kam,  von  seinen  hervorragendsten  Anhängern, 
Reinprecht  von  Walsee,  den  Meissauern,  Puchheimern,  Starhem- 
bergern  u.  a.  begleitet  an  dessen  Hof  und  ließ  sich  dort  1409 
Februar  16^  zu  Odenburg  mit  Reinprecht  und  seinem  übrigen 
Qefolge  in  den  Drachenorden,  eine  Stiftung  E.  Siegmunds,  auf- 
nehmen. Der  1409  März  13  von  E.  Siegmund  gefällte  Schieds- 
spruch brachte  jetzt  endlich  Herzog  Ernst  an  sein  Ziel;  er  er- 
hielt die  volle  Mitvormundschaft  über  Albrecht  V.  und  gleiche 
Teilung  der  Einkünfte  mit  Herzog  Leopold  zugesprochen. 

Damit  schien  nun  endlich  der  Friede  zwischen  den  Her- 
zogen wieder  hergestellt.  Wie  diese  im  Lande  unter  der  Ens, 
so  suchte  Reinprecht  H.  von  Walsee  in  Oberösterreich  die 
Schäden  des  Erieges  zu  heilen  und  der  allgemein  eingerissenen 
Verwilderung  im  Lande   zu  steuern.*     Gerade  die  sich  wenig 

'  NB  n,  7—8.  «  Ebendorfer,  a.  a.  O.  837. 

•  Kurz,  Österreich  unter  Albrecht  ü.  (V.),  Bd.  I,  291. 

*  Aus  dem  Jahre  1409  finden  sich    allein  neun  Urfehdebrtefe  auf  Rein- 
precht n.  von  Walsee  im  HHStA. 


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mindernde  Zahl  der  auf  Reinprecht  II.  von  Walsee  ausgestellten 
ürfehdebriefe  beweist  indes,  daß  er  dieser  Verhältnisse  nicht 
so  leicht  Herr  werden  konnte. 

War  Reinprecht  durch  die  Fehden  der  letzten  Jahre  mit 
ihren  großen  Kosten  und  vielen  Schäden  wirtschaftlich  arg 
geschädigt  worden,  so  kamen  dazu  noch  bedeutende  ander- 
weitige vermögensrechtliche  Forderangen.  Der  verstorbene 
Ulrich  IV.  von  Walsee-Drosendorf  war  1398^  Herzog  Wilhelms 
Bürge  flir  2000  Äf^S  bei  Otto  von  Stubenberg  geworden,  wozu 
noch  5000 //.i^  an  Zinsen  und  Schäden  zuwuchsen.  Für  diese 
7000  ii  ^  hatte  Reinprecht  dem  Stubenberger  die  Riegersburg 
und  Schloß  Wachseneck  übergeben.  Der  Spruch,  den  Graf 
Hermann  von  Cilli  darüber  1408  Dezember  19  ftlUte,*  ver- 
pflichtete Reinprecht  zur  Zahlung  von  7000  AT  ^  an  den  Stuben- 
berger bis  Sonnwenden  1409  und  ließ  ihm  fortab  alle  Ein- 
künfte von  Wachseneck;  erlegt  Heinrich  die  7000  Ä/Ä,  so  fiele 
die  Riegersburg  an  Reinprecht  zurück.  Wachseneck  wird  für 
die  7000  U  ^  des  Stubenbergers  Pfand.  Der  Linzer  Vergleich 
von  1409  Juli  16^  schlichtete  schließlich  den  Streit  und  Otto 
von  Stubenberg  erhielt  von  Reinprecht  die  Summe  von  7000  Äf  ^ 
ausbezahlt. 

Andere  Ansprüche  erhoben  Ekigelhard  und  Konrad  von 
Weinsberg  an  Reinprecht,  auf  die  Morgengabe  (6000  Gulden) 
ihrer  verstorbenen  Schwester  Ita,  die  ihr  Friedrich  V.  ver- 
schrieben hatte.  Die  Weinsberger  bevollmächtigten  1409  Juli  1* 
den  Bischof  Georg  von  Passau  und  Konrad  den  Rechen,  mit 
Reinprecht  darüber  zu  taidigen,  ohne  daß  wir  über  den  Aus- 
gang dieser  Sache  wüßten. 

Da  Reinprecht  nicht  zu  dem  beliebten  Mittel  der  Güter- 
Verpfändung  greifen  wollte,  war  er  gezwungen,  zur  Aufbringung 
aller  dieser  Summen  Gelder  aufzunehmen.  So  entlieh  er  laut 
Schuldbrief  von  1409  März  20*  800^^  von  Nikla  dem  Se- 
bekhen,  am  selben  Tage*  von  Seifried  dem  Riczendorfer  und 
Christian  dem  Tehenstainer  400Äf-i^  und  1409  Mai  21*  von 
Heinrich  dem  Klebsattel  lb40&^.  Es  gelang  ihm  aber,  in 
dieser  schwierigen  finanziellen  Lage  auszuhalten  und  seinen 
Besitzstand  zu  wahren. 


»  Vgl.  LB.  V,  r.  217.  «  NB.  H,  8. 

»  NB.  IX,  296.  *  Orig.  HHStA. 


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405 

Auch  seinen  Besitz  im  Süden  hat  Reinprecht  trotz  der 
großen  Entfernung  nicht  vernachlässigt^  wenn  er  sich  dort  auch 
nicht  dauernd  aufhielt.  Die  alten  Diener  der  Tibeiner  behüteten 
dort  als  Burggrafen  und  Amtleute  treu  Reinprechts  Herrschaften.^ 
Patriarch  Anton  von  Aquileia  verUeh  ihm  1409  das  Patronats- 
nnd  Präsentationsrecht  der  Pfarre  (St.  Georg  zu)  Gonobitz.  Zu 
Linz*  genehmigte  Reinprecht  im  gleichen  Jahre  einen  Güter- 
tausch des  Klosters  Seiz  und  verzichtete  zugunsten  desselben 
auf  eine  Hube  zu  Gonobitzdorf.' 

Selbst  auf  die  Verhältnisse  in  Friaul  übte  Reinprecht  als 
mächtiger  Gebietsnachbar  seinen  Einfluß  aus.  Die  Stadt  Civi- 
dale  lag  dort  1409  in  Hader  und  Fehde  mit  dem  Patriarchen 
von  Aquileia,  Anton  Panciera;  Papst  Gregor  XII.  setzte  sogar 
diesen  ab  und  Ludovico  da  Ponte  an  dessen  Stelle.  Nach 
Udine,  wo  der  Hauptsitz  der  Anhänger  Pancieras  war,  ent- 
sandte auch  der  Walseor,  sicher  im  Einverständnisse  mit  den 
Habsburgern,  1409  Gesandte,*  die  von  der  Kommune  festlich 
empfangen  wurden.  Mit  dem  Ausgleich  der  streitenden  Teile 
in  Friaul  war  dort  der  Friede  noch  nicht  sichergestellt;  es 
kam  darüber  zum  Kriege  zwischen  K.  Siegmund  und  den  Vene- 
zianern. 

Auf  eigenem  Boden  hatte  Reinprecht  von  Walsee  in  Istrien 
einen  Aufruhr  niederzuschlagen.  Die  Bewohner  von  Mitter- 
burg (Pisino)  und  der  umliegenden  Ortschaften  vertrieben  den 
walseeischen  Burggrafen  Seifried  von  Gallenberg  aus  dem  Ka- 
stell von  Mitterburg  und  verübten  auch  sonstige  Gewalttätig- 
keiten. Reinprecht  wurde  der  Empörung  rasch  Herr,  nahm 
Richter  und  Sudichen,  den  Rat  von  Mitterburg,  gefangen  und 
ließ  sie  1409  November  22 '^  Urfehde  wegen  ihrer  Gefangen- 
schaft, sowie  Treue  und  Gehorsam  schwören.  Überdies  er- 
mahnte auch  der  Patriarch  von  Aquileia  zum  Frieden  und  be- 
drohte jeden,  der  dem  Hauptmanne  zu  Mitterburg  zuwider- 
handelte, mit  schwerer  Strafe.  Jene  böhmischen  Söldner,  die 
1410  Juli  22^  zu  Linz  Reinprecht  über  ihren  erhaltenen  Sold 


^  Pichler,  II  cftstello  di  Daino  245. 

'  Urk.  1409  Februar  20;  Mitteilungen  des  historischen  Vereines  für  Steier- 
mark Vn,  268. 
'  Bei  Gonobits.  ^  Pichler,  II  castello  di  Dnino  248. 

'^  Mellj,  Beitrag  zur  Siegelkunde  Österreichs  114. 
•  NB.  U,  8. 


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406 

reversieren,  welche  gegen  Reinprechts  Feinde  ,in  Steier'  zn  Dienst 
geritten^  dürften  wohl  hier  in  Istrien  verwendet  worden   sein. 

Im  Frühling  1410  war  Reinprecht  bereits  wieder  nach 
Oberösterreich  heimgekehrt;  durch  ein  Schreiben  aus  Linz 
empfahl  er  1410  April  12*  seinen  Diener  Hans  Oberheimer 
den  ihm  als  Anhängern  Herzog  Emsts  befreundeten  Freistädtem, 
ihm  in  seiner  Sache  bei  der  Herzogin  Beatrix  behilflich  zu 
sein.  Die  Streitigkeiten  des  Adels  mit  den  Städten,  die  Steuern 
der  Holden  sowie  die  Niederlagen  der  Handelsgüter  betreffend, 
dauerten  dabei  immer  noch  an.  Neuerdings  richteten  die  Her- 
zoge 1410  Mai  16*  an  Reinprecht  den  Befehl,  zwischen  Sindel- 
burg und  Ebelsberg  Handelsniederlagen  zu  Wasser  und  zu 
Lande  nur  zu  Ens  zu  dulden  und  Wein  nur  in  Ekighagen  (an 
der  Einsmündung)  abzuladen. 

In  diesem  Jahre  kam  endlich  der  schon  seit  1407  währende 
Streit  um  das  &be  des  letzten  Kapellers  zur  Austragung, 
woran  auch  Reinprecht  II.  von  Walsee  sein  Teil  hatte.  Eiber- 
hard, der  Letzte  aus  dem  alten  angesehenen  Geschlechte  der 
Kapeller,  hatte  1406  Dezember  18'  in  Gegenwart  seines  Eidams 
Reinprecht  H.  von  Wabee  dem  Kloster  Pulgam  seine  letztwillige 
Stiftung  gemacht  und  war  bald  darauf  um  Neujahr  1407  ver- 
schieden, kurz  nach  ihm  auch  seine  Gattin  Anna,  eine  der 
beiden  Töchter  des  letzten  Tibeiners.  Der  Kapeller  hatte  zwei 
Töchter  hinterlassen,  Wilbirg,  mit  Jörg  von  Dachsberg,  und 
Dorothea,  mit  Hertnid  von  Liechtenstein-Nikolsburg  vermählt. 
Reinprecht  erhob  nun  als  einstiger  Gatte  Annas,^  einer  bereits 
verstorbenen  dritten  Tochter  Eberhards  von  Kapellen,  Ansprüche 
auf  bedeutende  Teile  des  Erbes  der  Kapeller  und  damit  ver- 
quickten sich  durch  Dorotheas  Ehe  mit  dem  Liechtensteiner 
auch  seine  Forderungen  an  die  Vettern  seiner  ersten  Gemahlin 


»  AÖG.  XXXI,  304.  «  AÖG.  XXVU,  105. 

»  JBMFC.  VI,  169. 

*  WSt.  weist  S.  601  Anna  von  Kapellen  als  Gattin  Reinprechts  von  Wal- 
see ab,  da  ihm  die  Urk.  1417  Mftrz  26  anbekannt  war,  and  sucht  Rein- 
prechts Ansprüche  aaf  das  Erbe  der  Kapeller  darch  Legate  Eberhards 
yon  Kapellen  an  Reinprecht  von  Walsee  eu  erkl&ren.  Daza  sind  diese 
Ansprüche,  die  er  insbesondere  nach  dem  yon  WSt.  gleichfalls  nicht  be- 
nützten Lehenbache  Herzog  Albrechts  IV.  (HHStA.  Kod.  39)  machte, 
jedoch  viel  zu  groß;  sie  sind  keine  Legate,  sondern  ein  beträchtlicher 
Teil  der  ganzen  Erbschaft. 


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407 

Katharina  von  Liechtenstein-Nikolsburg.  Laut  testamentarischer 
Bestimmung  war  Reinprecht  von  Walsee  neben  Otto  von  Zel- 
king  Testamentsvollstrecker  des  Kapellers;  er  verweigerte  nun 
die  Herausgabe  ihres  väterlichen  Erbgutes  an  Dorothea  von 
Liechtenstein  und  erhob  selbst  Ansprüche  an  das  Kapellerische 
Erbe.  Zwar  erlangte  Reinprecht  1411^  die  herzogliche  Be- 
lehnung über  die  einst  kapellerischen  Festen  Lichtenfels,  Mit- 
terberg (Pfarre  Pergkirchen  bei  Perg)  und  Reichenstein  im 
Machlande^  das  Gericht  zu  Stetteldorf  und  Hadersdorf  (beide 
östlich  von  ELrems)  und  andere,  doch  wurde  sie  auf  Einschreiten 
Jörgs  von  Dachsberg  und  Hartnids  von  Liechtenstein  wieder 
rückgängig  gemacht  und  auf  die  beiden  Erbtöchter  übertragen.^ 
Reinprecht  war  vorübergehend  im  tatsächlichen  Besitze  4ßs 
Erbes  der  Kapeller;  1410  Januar  24'  begab  sich  Friedrich 
der  Schachtel  am  B^,  Amtmann  auf  dem  Traunfels,  aller  For- 
derungen seines  Amtes  wegen  gegen  Reinprecht  anstatt  des 
von  Kapellen  selig  Erben.  Der  Schiedsspruch  Ottos  von  Meissau 
und  Kaspars  von  Starhemberg,  1410  September  29  und  30* 
zu  Pöchlam  gefiült;  sprach  zuerst  Reinprecht  von  den  Liechten- 
steinern 3000^^  zu,  fWlig  bis  Weihnachten  1410,  und  ver- 
pflichtete ihn  zur  Herausgabe  von  Dorotheas  Erbe,  dessen  Nutz- 
nießung ihm  jedoch  bis  zur  Erlegung  der  3000  Äf,Ä  verblieb; 
alle  übrigen  Geldansprüche  Reinprechts  an  die  Liechtensteiner 
wurden  abgewiesen.  Über  das  Erbe  des  Kapellers  wurde  da- 
hin entschieden,  daß  dessen  beide  Töchter  die  Stiftung  von 
60  &^  Gülten  dem  Erlöster  Pulgarn  auszurichten  haben,  dem 
auch  Bergrechte  zu  Klosterneuburg  und  Nußdorf  zufielen; 
1400^x1^  sollte  Reinprecht  unter  die  männliche  Dienerschaft, 
400  €fy^  an  das  weibliche  Gesinde  des  Kapellers,  ebenso  auch 
die  übrigen  Legate  auszahlen.  Reinprecht  erhielt  die  Wahl 
zwischen  den  beiden  Schlössern  Windeck  (bei  Schwertberg  im 
Machlande)  und  Steireck  und  empfing  die  Schuldbriefe  des 
längst  verstorbenen  Eberhard  V.  von  Walsee-Linz  an  die  Ka- 
peller zurück;  alle  sonstigen  Ansprüche  gingen  auf  die  beiden 
Töchter  des  Kapellers  über.  Außerdem  verblieb  Reinprecht 
laut  Testament  die  Herrschaft  Rutenstein  (östlich  von  Frei- 
stadt) samt  den  untertänigen  Märkten  Weißenbach  und  Königs- 


*  HHStA.  Kod.  39,  f.  11'  und  Inventar,  f.  5.  «  Ebenda,  f.  21,  25. 

»  Orig.  HHStA. 


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408 

wiesen  und  von  der  Heimstener  Annas  von  Tibein  fielen  ihm 
2160  Gulden  zu.  Reinprecht  wählte  von  den  beiden  Festen 
Windeck  und  noch  vor  Jahresschluß  traten  ihm  Wilbirg  von 
Dachsberg^  und  Dorothea  von  Liechtenstein  ihre  Ansprüche 
darauf  ab;  in  den  nächsten  Monaten  gelangte  dann  die  ganze 
Angelegenheit  zum  Abschluß.^  So  brachte  denn  Reinprecht 
aus  dem  Erbe  der  Eapeller  wenigstens  Windeck  und  Ruten- 
stein als  ansehnliche  Erwerbungen  in  Oberösterresch  an  sich. 

3.  Beinpreohts  U.  Fehde  mit  Herxog  Smst. 

In  Osterreich  herrschte  nach  E.  Siegmunds  Schiedsspruch 
ai^cheinend  tiefer  Friede  und  der  Tod  des  verhaßten  Freisinger 
Bischofs  Berthold  von  Wehingen  schien  geeignet,  denselben 
noch  mehr  zu  festigen.  Die  Herzoge  Leopold  und  Ernst  blieben 
sich  aber  persönlich  abgeneigt;  nur  der  Eigennutz  kettete  sie 
aneinander.  Im  Juli  1409  kam  auch  Herzog  Friedrich  zu 
ihnen;  mit  diesem  schloß  Herzog  Elmst,  um  seinem  Bruder 
Leopold  jede  Aussicht  auf  Beerbung  zu  nehmen;  einen  EIrb- 
vertrag.^  In  ihrer  Habsucht  schritten  die  Herzoge  darauf  im 
August  zur  Teilung  des  habsburgischen  Hausschatzes  in  vier 
gleiche  Teile,  zum  oflFenbaren  Schaden  Herzog  Albrechts  V., 
dem  doch  als  einzigen  Albrechtiner  die  Hälfte  davon  gebührt 
hätte;  der  Anhang  des  letzteren  erging  sich  in  berechtigen 
Klagen  darüber.* 

Wenn  die  Herzoge  einander  argwöhnisch  beobachteten, 
so  stand  ihnen  andererseits  wieder  die  eigentliche  albrechtini- 
sehe  Partei  mit  ihrem  Führer  Reinprecht  H.  von  Walsee  voll 
berechtigten  Mißtrauens  gegenüber,  die  sich  vorher  an  die 
Herzoge  angeschlossen  hatte,  so  weit  es  das  Interesse  des 
jungen  Albrecht  V.  erforderte,  und  die  vorläufig  zu  Herzog 
Ernst  hielt. 

Da  brach  im  August  1410  in  Wien  die  Pest  aus  und  raffte 
bis  zu  ihrem  Erlöschen  um  Lichtmeß  1411  Tausende  hinweg.^ 
Die  Umgebung  Albrechts  V.,  bereits  besorgt,  daß  die  Absicht 
Herzog  Leopolds  auf  eine  ungesetzUche  Verlängerung  der  Vor- 

^  Urk.  1410  Dezember  21;  Orig.  StAEferding. 

'  Vgl.  die  Empfangsbestätigung  1411  März  23;  Orig.  StAEferding. 

»  1409  Juli  27;  vgl.  Huber,  österr.  Gesch.  II,  418. 

*  Ebendorfer,  a.  a.  O.  c.  839.  ^  Ebenda  840. 


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409 

mnndschaft  hinausgehe,  nahm  jetzt  die  Gelegenheit  wahr,  den 
jungen  Herzog  bei  Zeiten  der  Aufsicht  seines  Vormunds  zu 
entziehen.^  Man  verhinderte  es,  daß  er  seinem  Oheime  nach 
Wiener-Neustadt  folge,  und  brachte  ihn  schließlich  der  Pest- 
gefahr halber  auf  die  Feste  Starhemberg  bei  Wiener-Neustadt, 
nachdem  die  Absicht,  ihn  nach  Herzogenburg  zu  geleiten,  durch 
Herzog  Leopold  vereitelt  worden  war.  Ende  September  1410 
traf  Albrecht  V.  auf  Starhemberg  ein,  wo  auch  seine  Schwester 
Margarete  anlangte,  beide  ängstlich  behütet  von  den  Räten, 
welche  die  Übergabe  Albrechts  V.  an  Herzog  Leopold  fort- 
während hinauszuschieben  wußten. 

Als  nun  1411  April  24  das  Ende  der  Vormundschaft  ge- 
kommen war  und  die  Herzoge  auch  nach  Ablauf  dieses  Termines 
keine  Miene  machten,  ihr  einträgliches  Amt  niederzulegen, 
hielten  die  Anhänger  Albrechts  V.  die  Zeit  zum  Handeln  für 
gekommen,  und  jetzt  trat  auch  Reinprecht  von  Walsee  auf 
den  Plan,  der  bisher  den  Oang  der  Ereignisse  von  Oberöster- 
reich aus  verfolgt  hatte.'  Ek*  bemächtigte  sich  'mit  Leupold 
von  Eckartsau  der  Feste  Starhemberg  und  der  Person  des 
jungen  Herzogs  —  oflFenbar  im  Einverständnisse  mit  dessen 
Begleitern*  — .  und  entf&hrte  Albrecht  V.  EInde  Mai  1411  auf 
großen  Umwegen  über  die  Donau  nach  Eggenburg,  wohin 
Reinprecht  die  Stände  zusammenberief,  um  dem  Herzog  Al- 
brecht V.  die  Regierung  zu  sichern  und  der  Vormundschaft  ein 
Ende  zu  machen.  Auf  die  Nachricht  hievon  traf  Herzog  Leo- 
pold ein  Blutschlag,  der  seinem  Leben  1411  Juni  3  ein  jähes 
Ende  bereitete;  leicht  hätte  dieser  Todesfall  zur  Lösung  der 
ganzen  Frage  führen  können. 

Nun  zeigte  sich  aber  nur  zu  offenkundig,  daß  Herzog 
Elmst  selbst  die  früher  seinem  Bruder  angesonnenen  Absichten 
hatte  und  daß  es  ihm  durchaus  nicht  um  das  Interesse  des 
jungen  Herzogs  zu  tun  war,  ab  dessen  Beschützer  er  sich  auf- 
spielte. Der  Versuch,  seinerseits  eine  Verlängerung  der  Vor- 
mundschaft herbeizuführen,  mußte  ihn  aber  jetzt  mit  den  An- 
hängern Albrechts  V.,  die  früher  an  ihm  eine  Stütze  gesucht 
hatten,  in  erbitterte  Gegnerschaft  bringen.    Herzog  Ernst  trat 


»  Vgl.  Zeißberg,  AÖG.  LXXXVI,  627  ff. 

'  Mai  21  stellt  er  za  Linz  noch  einen  Lehenbrief  ans.    Orig.  HHStA. 

'  Ebendorfer,  a.  a.  O.  840  ff. 


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410 

anfangs  nicht  offen  gegen  Albrecht  V.  auf.  Als  aber  der  junge 
Herzog  Juni  6  in  der  Hauptstadt  eingetroffen  war,  von  den 
Wienern  jubelnd  empfangen,  stellten  Herzog  Ernst  und  sein 
Bruder  alsbald  das  Verlangen,  die  Vormundschaft  solle,  dem 
Vertrage  von  1379  gemäß,  bis  zum  16.  Lebensjahre  Herzog 
Albrechts  fortdauern.  Als  sie  damit  nicht  durchdrangen,  zogen 
sie  sich  von  Wien  nach  Himberg  zurück,  voll  Groll  gegen  die 
Anhänger  Herzog  Albrechts. 

Dieser  umgab  sich  jetzt  mit  seinem  Anhange  aus  dem 
Hochadel  als  seinen  vertrautesten  Ratgebern  und  WürdenMl- 
gern,  unter  denen  Reinprecht  IL  von  Walsee  unbestrit- 
ten den  ersten  Platz  einnahm  und  so  eigentlich  an  der 
Spitze  der  Regierung  stand.  So  scheiterten  Herzog  Elmsts 
und  seiner  Brüder  Pläne  an  der  überlegenen  Widerstandskraft 
ihrer  öegner:  an  dem  jungen,  reichbegabten  Herzog  Albrecht  V., 
an  E.  Siegmund,  der  für  ihn  eintrat,  und  an  den  zu  einem  be- 
deutenden Machtfaktor  gewordenen  Ständen,  ab  deren  hervor- 
ragendster Vertreter  Reinprecht  IL  von  Walsee  über  den  maß- 
gebenden Einfluß  und  einen  Reichtum  verfUgte,  der  ihm  selbst 
das  Aufbieten  größerer  Machtmittel  ermöglichte. 

Zunächst  zwangen  Reinprechts  rasch  getrq^ene  Anstalten 
den  Herzog  Ernst,  sich  von  Himberg  nach  Wiener-Neustadt 
zurückzuziehen,  und  damit  war  Wien  vor  einem  TJberfalle  ge- 
sichert. Reinprecht  hatte  böhmische  und  bairische  Söldner,  so 
1411  September  8*  den  Peter  Konypass  und  Jan  von  Necztyn 
mit  180  Pferden  aufgenommen  und  Herzog  Ernst  vermochte 
daher  gegen  ihn  nichts  auszurichten.  Herzog  Ernst  erklärte 
sich  schließlich  bereit,  die  Vormundschaftsfrage  dem  K.  Sieg- 
mund als  Schiedsrichter  zu  unterbreiten.  Diesem  hatte  Herzog 
Albrecht  IV.  seinen  Sohn  noch  auf  dem  Sterbebette  empfohlen. 
Dieses  Vertrauen  hat  der  Luxemburger  durchaus  gerechtfertigt; 
seit  kurzem  auch  deutscher  Wahlkönig,  brachte  Siegmund  den 
jungen  Herzog  in  noch  engere  Beziehungen  zu  seinem  Hause. 
Um  den  Michelstag  1411*  trafen  Herzog  Ernst  und  Herzog 
Albrecht  V.  in  Preßburg  ein,  mit  ihnen  mehrere  vom  hohen 
Adel  mit  Reinprecht  von  Walsee  an  der  Spitze.  Hier  verlobte 
K.  Siegmund  Oktober  7  seine  einzige  zweijährige  Tochter  Eli- 
sabeth mit  Herzog  Albrecht  V.,  ein  Heiratsplan,  dessen  Ver- 


»  NB.  n,  8.  «  Eberh.  Windeke,  K«p.  22  ^ 


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411 

wirklichung  insbesondere  Reinprecht  von  Walsee  betrieben 
hatte.^  Der  Ofener  Schiedsspruch  K.  Siegmunds  (1411  Novem- 
ber 30),*  den  Reinprecht  unter  diesen  Umständen  durchzu- 
setzen vermochte,  erklärte  Albrecht  V.  für  mündig,  glich  die 
Forderungen  der  Herzoge  aus  und  setzte  die  näheren  Friedens- 
bedingungen fest;  zugleich  erklärte  Reinprecht  von  Walsee 
seine  Bereitwilligkeit,  mit  Herzog  Ernst  seinen  Frieden  zu 
machen. 

Dieser  dagegen  war  entschlossen,  Reinprechts  Vorgehen 
schwer  zu  ahnden.  Höchst  ungehalten  über  die  Entscheidung 
des  Königs  zog  er  nach  Graz  und  ließ  jetzt  seinen  Groll  an 
dem  Walseer  aus,  dessen  Auftreten  allerdings  als  eine  Auf- 
lehnung gegen  ihn  als  Lehens-  und  Landesherrn  (in  bezug 
auf  Reinprechts  innerösterreichischen  Besitz)  betrachtet  werden 
konnte.  In  eine  solche  Zwitterstellung  mußte  eben  Reinprecht 
infolge  der  großen  Ausdehnung  seiner  Güter  bei  jedem  Zwiste 
im  Hause  Habsburg  kommen.  Albrechts  V.  Entführung  hatte 
Herzog  Ernst  sofort  mit  feindseligem  Mißtrauen  gegen  Rein- 
precht erfüllt  und  schon  1411  Juni  9,^  noch  vor  seinem  Ab- 
züge von  Wien,  warnte  er  die  Steirer,  deren  damaliger  Pfleger 
Georg  Scheck  von  Wald*  mit  Reinprecht  verfeindet  war,  vor 
dem  Walseer  auf  der  Hut  zu  sein  und  demselben  keine  Hul- 
digung für  Herzog  Albrecht  V.  zu  leisten.  Die  folgenden  Er- 
eignisse bis  zum  Schiedssprüche  E.  Siegmunds  waren  allerdings 
auch  nicht  darnach  angetan,  Herzog  Ernst  in  eine  versöhnliche 
Stimmung  gegen  den  willensstarken  Mann  zu  versetzen.  E^ 
scheint,  daß  Reinprecht  von  Walsee  unter  solchen  Umständen 
vor  Herzog  Ernst  weder  persönlich  erschien,  noch  sich  durch 
Bevollmächtigte  vertreten  ließ,  als  dieser  Ende  Oktober  die 
steirischen  Lehen  berief  und  in  Graz  verlieh.^  So  kam  es, 
daß  Herzog  Ernst  1411  Dezember  2  seinen  Bruder  Friedrich 
mit  allen  von  Reinprecht  von  Walsee  besessenen  und  wegen 
Ungehorsams  gegen  ihn  als  Landes-  und  Erbherrn  verwirkten 


^  Gerhard  yan  Roo,  Ann.  159.  *  Ranch,  SS.  Rer.  Anstr.  UI,  491. 

'  Prenenhnher,  Ann.  Styr.  78. 

^  G^en  diesen  lag  auch  der  später  berühmte  Ulrich  Eizinger  im  Dienste 
Reinprechts  Ton  Walsee  im  Felde. 

^  Vgl.  Krones,  LandesfClrst,  Behörden  nnd  Stände  in  Steiermark  25  nnd 
Reinprechts  von  Walsee  Schreiben  an  seinen  Pfleger  za  Daino,  1411  No- 
vember 12;  Orig.  HHStA. 

ArehiT.  XCY.  Band.  n.  SUUfte.  28 


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412 

Herrschaften^  Sätzen^  Festen,  Lehen  und  Qülten  in  seinen 
Landen  belehnte.^ 

Es  kennzeichnet  am  besten  Reinprechts  Selbstgefühl  nnd 
seine  Machtstellung^  daß  er  den  Kampf  mit  Herzog  Ernst 
um  seine  Güter  in  Innerösterreich  wirklich  aafnehmen  ond^ 
nnterstUtzt  durch  die  politischen  Verhältnisse  nnd  seinen  Ein- 
fluß bei  Herzog  Albrecht  und  E.  Siegmund^  ohne  Schaden  und 
Nachteil  daraus  hervorgehen  konnte. 

Reinprecht  warb  gegen  Herzog  Ernst,  dem  bis  Ende  1411 
auch  Herzog  Friedrich  Beistand  leistete,*  bairische  und  böhmi- 
sche Söldner  und  bot  seine  zahlreichen  Dienstleute  auf.'  In 
Niederösterreich  machte  er  damit  einige  Fortschritte,  nahm 
mehrere  Schlösser  Herzog  Emsts,  wie  Eierling^  und  Stammers- 
dorf,  ein  und  erhielt  dabei  wenigstens  mittelbar  Unterstützung 
von  Herzog  Albrecht  V.  Niederösterreich  aber  ward  dadurch 
neuerdings  in  Unruhe  versetzt  und  das  Fehdewesen  wie  die 
Unordnung  im  Lande  nahmen  einen  solchen  Umfang  an,  daß 
Herzog  Albrecht,  um  von  seinen  Landen  alle  die  ,krieg,  stözz 
und  misshelung'  fernzuhalten,  1412  Januar  28^  zu  Wien  einen 
Landfrieden  für  Osterreich  verkündete,  dessen  Einhaltung  Rein- 
precht an  der  Spitze  des  österreichischen  Adels  reversieren 
mußte. 

In  der  Steiermark  dagegen  konnte  sich  Herzog  Elmst 
noch  nicht  mit  voller  Macht  gegen  Reinprecht  wenden.  Das 
Auftreten  Herzog  Friedrichs  in  Friaul  und  das  anfangs  1412 
zustande  gekommene  Bündnis  Herzog  Emsts  und  seines  Bru- 
ders mit  Venedig  ®  beantwortete  K.  Siegmund,  gegen  den  es  sich 
richtete,  damit,  daß  er  1412  Februar  3'  zu  Ofen  Reinprecht 
von  Walsee  für  seine  Herzog  Albrecht  V.  geleisteten  Dienste 
in  seinen  besonderen  Schutz  nahm  und  im  Februar  1412  dem 
Herzog  Ernst  offen  absagte.  Trotz  des  mit  E.  Wladislaw  von 
Polen  abgeschlossenen  Gegenbündnisses  zog  Herzog  Ernst  es 
vor,  Unterhandlungen  einzuleiten,  die  durch  Vermittlung  Herzog 
Albrechts  zu  einem  Waffenstillstände  führten.  Da  E.  Wladis- 
law indes  seinen  Frieden  mit  E.  Siegmund  machte,  kam  Herzog 

>  LB.  V,  r.  244.  «  Mitt.  d.  histor.  Vereines  f.  Steierm.  XXV,  54. 

'  Ebendorfer,  a.  a.  O.  S43;  Kl.  Klosterneubarger  Chron.,  a.  a.  O.  241. 

♦  Bei  Klosterneuburg  und  Klein-Enaersdorf.  *  NB.  HI,  308. 

*  Mitt.  d.  histor.  Vereines  f.  Steierm.  XXV,  66. 
^  Altmann,  Reg.  Imperii,  r.  187. 


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413 

Ernst  anfangs  Juni  1412  persönlich  zu  neuerlichen  Verhand- 
inngen nach  Ofen.  Während  aber  K.  Siegmund  daselbst  sein 
Bündnis  mit  Herzog  Albrecht  V.  1412  Juni  6*  erneuerte,  wurde 
Herzog  Emsts  Verhältnis  zum  Könige  ein  äußerst  gespanntes. 
Mag  dazu  einer  der  Anlässe,  welche  uns  die  Chronisten  Unrest 
und  Ebendorfer  erzählen,  beigetragen  haben,  eine  Hauptursache 
dieser  Verstimmung  lag  ohne  Zweifel  darin,  daß  während 
dieses  Ofener  Aufenthaltes  Reinprecht  H.  von  Walsee  auf  Ver- 
anlassung K.  Siegmunds  Hofmeister  Herzog  Albrechts  V. 
wurde.*  Damit  hatte  Reinprecht  jetzt  auch  jene  äußere  Stel- 
lung erhalten,  die  ihm  als  dem  einflußreichsten  Manne  am  her- 
zoglichen Hofe  zukam.  Herzog  Ernsts  Gegnerschaft  gegen 
Reinprecht  konnte  dadurch  freilich  nur  erbitterter  werden. 

In  der  Steiermark  ging  jetzt  Herzog  Ernst  mit  Nachdruck 
an  die  E}roberung  der  walseeischen  Festen  und  Besitzungen, 
da  ihm  der  Krieg  K.  Siegmunds  gegen  die  Venezianer  nach 
dieser  Seite  hin  freie  Hand  gab. 

Der  König  lag  seit  1411  im  Kampfe  mit  der  Republik 
und  ließ  durch  ein  starkes  Heer  unter  Pippo  von  Ozora  Friaul 
besetzen.  Damit  hatte  er  die  Oberhand  gewonnen:  er  vergab 
das  verwaiste  Patriarchat  von  Aquileia  an  Ludwig  von  Teck 
und  kam  im  Herbste  1412  persönlich  auf  den  Kriegsschauplatz. 
Dort  trafen  auch  von  Herzog  Albrecht  V.  Verstärkungen  ein; 
in  Islrien  befehligte  Reinprechts  ,Hauptmann  auf  dem  Karste' 
Gregor  Rathaiminger  ^  an  der  venezianischen  Grenze;  ansehn- 
liche Hilfsmittel  stellte  Reinprecht  auf  seinen  ehemals  tibeini- 
schen  Schlössern  dem  Könige  zur  Verfügung.  So  dürfte  wohl 
Keinprecht  von  Walsee  jener  Roberto  di  Valdez  sein,  der  1413 
unter  den  Verbündeten  des  Luxemburgers  im  Vertrage  von 
Castelluto  inbegriffen  wurde.* 


*  LB.  V,  r.  1318. 

»  Nach  der  Kl.  Klostemeubnrger  Chron.,  AÖG.  2.  A.,  VII,  241;  damit  stim- 
men aach  die  Urkunden  überein,  die  bis  Febraar  1412  Pilgrim  von 
Pnchheim,  seit  Jnli  17  Keinprecht  von  Walsee  als  Hofmeister  anführen. 
Sowohl  Ebendorfer  als  Windeke  geben  den  Zeitpunkt  der  Ernennung 
unrichtig  an,  ersterer  nach  Juni,  letzterer  Oktober  1411;  nach  ihnen 
die  Literatur  darüber. 

•  Vgl.  die  Verrechnung  sswischen  Reinprechts  von  Walsee  Schreiber  Cunrat 
von  Tehnpekh  und  Hans  Myndorfer  1413  September  4;  Orig.  HHStA. 

^  Pichler,  H  castello  di  Duino  248. 


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414 

Reinprechts  Leute,  so  die  walseeischen  Barggrafen  von 
Riegersburg,  Mahrenberg  und  Gonobitz  und  andere  seiner  An- 
hänger richteten  in  der  Steiermark  großen  Schaden  durch  Raub, 
Brandlegung  und  Plünderung  an;  zu  größeren  Unternehmungen 
brachten  sie  es  indes  nicht,  ein  Anschlag  auf  Feldbach  schlug 
fehl.  Besonders  schlimm  erging  es  einigen  walseeischen  Lehens- 
leuten^  wie  den  Peßnitzem,  die  es  nun  mit  Herzog  Ernst  hielten. 
Welchen  Umfang  die  Fehde  annahm,  zeigt  ein  erhaltenes 
Schadenverzeichnis,^  das  eine  ganze  Reihe  von  Ortschaften  in 
Mittel-  und  Untersteiermark,  mehrere  vom  Adel  und  drei  Klö- 
ster unter  den  Geschädigten  anführt  und  die  Schadensumme, 
wenn  auch  weit  übertrieben,  auf  600.000  Gulden  veran- 
schlagt. Anhänger  Herzog  Emsts  dagegen,  wie  der  Jeden- 
speuger,*  raubten  und  plünderten  in  der  Umgebung  von  Kirch- 
dorf in  Oberösterreich.  Reinprechts  Leute  von  Rotenfels  und 
Oberwölz  (Freisinger  Besitz,  den  Reinprecht  von  Walsee  da- 
mals wohl  als  Pfleger  innehatte)  waren  den  Angriffen  des  Hans 
von  Stubenberg  ausgesetzt,*  der  seinen  früheren  Streit  mit 
Reinprecht  erneuerte  und  zu  Ofen  vor  K.  Siegmund,  der  darüber 
einen  Schiedsspruch  fällen  sollte,^  nicht  erschien.  Schließlich 
überfiel  der  Stubenberger  den  walseeischen  Pfleger  auf  Roten- 
fels, Nikla  Baumkircher,  jagte  ihn  vom  Schlosse^  und  setzte 
sich  auch  in  den  Besitz  von  Wachseneck. 

Nach  Niederösterreich,  wo  Reinprecht  seine  Schlösser, 
wie  das  einem  Einfalle  aus  Steiermark  zunächst  ausgesetzte 
Rauheneck,  durch  Befestigungen  verstärkte,®  griff  der  Krieg 
nicht  weiter  über.  Dagegen  nahm  jetzt  Herzog  Ernst  in  der 
Steiermark  ein  Schloß  des  Walseers  nach  dem  andern  ein  und 
dies  umso  leichter,  als  Reinprecht,  vielleicht  weil  ihm  die  Pässe 
am  Pyhrn  und  Semmering  verlegt  wurden,  gar  nicht  in  der 
Steiermark  erschien,  sondern  in  Oberösterreich  blieb,  von  wo 
die  Steirer  Bürger'  den  Herzog  Ernst  mit  Nachrichten  über 
Reinprecht  versahen.     Bis  Neujahr  1413  hatte  Reinprecht  be- 


»  Von  ca.  1418  (nicht  Uli);  Orig.  HHStA. 

«  Urk.  141^  Joni  19;  HHStA.,  Kod.  1049,  f.  249'. 

'  Vgl.  die  Urfehde  des  Kaplans  Stephan  1412  April  11,  Kop.  Linsser  Moseal- 

archiy. 
^  Nach  Urk.  1412  Juni  25;  Altmann,  Reg.  Imperü,  r.  265. 
*  Vgl.  Urk.  1418  Juli  20;  Kop.  StLA.,  Nr.  4699«. 
«  Schweickhardt,  VUWW.  V,  76.  '  Preuenhuher,  Ann.  Styr.  80. 


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415 

reits  sieben  Schlösser  an  den  Herzog  verloren.  Die  Riegers- 
bürg,  welche  Reinprecht  halten  zu  können  vermeinte,  mußten 
die  walseeischen  Pfleger  Tywolt  Eellermaister  ^  und  Peter  An- 
hanger von  Köppach*  übergeben,  Eibiswald,  Mahrenberg  u.  a. 
waren  bereits  gefallen.  Vor  Gonobitz  konnte  der  Herzog  1413 
Januar  13'  den  Steirern  von  seinen  Erfolgen  berichten  und 
auch  diese  Feste  gewann  er  noch.  Damit  war  aber  mit  dem 
walseeischen  Besitz  in  der  Steiermark  so  ziemlich  aufgeräumt; 
zweifelsohne  hätte  sich  Herzog  Ernst  nun  gegen  Reinprechts 
Tibeiner  Güter  gewendet. 

Nun  trat  aber  E.  Siegmund  nachdrücklich  für  Rein- 
precht ein.  Schon  1413  Januar  15*  war  es  zu  Udine  zwi- 
schen dem  Könige  und  den  Herzogen  Ernst  und  Friedrich  zu 
einem  Kompromiß  gekommen;  ohne  Zweifel  traf  man  dabei 
auch  bindende  Verabredungen  über  die  Walseer  Fehde.  Herzog 
Ernst  befahl  1413  Januar  26^  bereits  von  Brück  a.  M.  aus  den 
Bürgern  von  Steier,  dem  abziehenden  Abensperger  den  Paß 
von  Steier  nicht  zu  verlegen,  da  K.  Siegmund  von  ihm  be- 
gehre, mit  Reinprecht  von  Walsee  bis  Michaelis  (September  29) 
einen  Frieden  zu  machen,  und  1413  Februar  4  ^  kam  wirklich 
der  Waffenstillstand  zwischen  den  Gegnern  zustande,  der  dann 
bis  1417  mehrmals  verlängert  wurde. 

Während  der  ganzen  Fehde  hielt  sich  Reinprecht  in 
Österreich,  besonders  im  Lande  ob  der  Ens  auf,  wo  seit  seiner 
&hebung  zum  Hofmeister  ein  Verweser  der  Hauptmannschaft 
ob  der  Ens  bestellt  wurde,'  der  ihn  in  seinem  Amte  vertrat 
und  unterstützte.  Als  solcher  erscheint  seit  1413  der  passauische 
Vitztum  und  walseeische  Lehensmann  Andre  Herleinsperger 
bis  Ende  1418,®  und  nachdem  derselbe  wieder  in  passauische 
Dienste  getreten  war,  seit  1419*  Gregor  Rathaiminger,  der 
diese  SteUung  bis  über  Reinprechts  H.  Tod  hinaus  innehatte. 


»  Vgl.  das  Schreiben  1413  Juni  29;  LB.  VIII,  r.  1392»>. 

*  Hoheneck,  Genealogie  III,  280;  KOppach,  Ansitz  in  der  Herrschaft  Puch- 

heim. 
3  Preuenhuber,  a.  a.  O.;  Kl.  Klosterneuburger  Chron.,  AÖG.  2.  A.,  VH,  241. 
•*  Kümmel,  Mitt.  d.  histor.  Vereines  f.  Steierm.  XXV,  63. 
^  Preuenhuber,  a.  a.  O.  «  LB.  V,  r.  1374,  1375,  1457. 

'  Vgl.  über  die  Verweser  ob  der  Ens  Preuenhuber,  Ann.  Styr.  336—339. 
»  JBMFC.  XXXI,  122. 
»  Ebenda  XX,  231;  vgl.  Urk.  1419  Oktober  8;   Kop.  Linzer  Musealarchiv. 


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416 

Auch  während  seines  Kampfes  mit  Herzog  Elrnst  können  wir 
Reinprechts  Tätigkeit  in  Österreich  an  mehreren  Schiedssprü- 
chen sowie  als  Hauptmann  ob  der  Ens  verfolgen. 

Jetzt;  wo  seine  Kräfte  durch  die  Fehde  mit  Herzog  Ekust 
in  Anspruch  genommen  waren^  wurden  von  mehreren  Seiten 
an  Reinprecht  von  Wabee  Ansprüche  erhoben  und  alte  Miß- 
helligkeiten hervorgesuchty  die  man  zu  dieser  Zeit  leichter 
durchzusetzen  gedachte.  Zu  Wien  schlichtete  1412  ^  ein  Schieds- 
gericht den  Streit  Reinprechts  mit  Christian  dem  Zinzendorfer 
und  Konrad  dem  Krieger  —  der  offenbar  auf  die  Fehde  von 
1408  zurückzuführen  ist  —  wodurch  Reinprecht  die  Feste 
Ober-Hauseck*  zurückerhielt,  ^die  ihm  Bischof  Johann  von 
Regensburg  (1384 — 1409)  nebst  Pöchlam  verpfändet  hatte  und 
Bischof  Albert  HI.  (1409—1421)  bald  darauf  wieder  einlöste.» 
Dagegen  mußte  Reinprecht  die  dem  Zinzendorfer  abgenom- 
menen Festen  zurückgeben.  Auch  die  Liechtensteine  von 
Nikolsburg  wandten  sich  neuerdings  gegen  Reinprecht,  d^  den 
Bestimmungen  des  Schiedsspruches  von  1410  nicht  genau  nach- 
gekommen sein  dürfte. 

Reinprechts  Hausfrau  Katharina  hatte  noch  von  ihrem 
ersten  Gatten,  dem  1404  verstorbenen  Leutold  von  Meissau, 
die  Wiederlage  für  ihr  Heiratsgut,  den  Gjaidhof  zu  Gf^hl  und 
den  Qfbhlerwald,  inne,  die  ihr  nach  der  Pfandverleihung  von 
1406  ^  an  Otto  von  Meissau  bis  zum  Todfalle  oder  zur  Ablösung 
verblieben.  Reinprecht  wiederlegte  nun  Katharinas  Heimsteuer 
von  4000  Gulden  und  wies  sie  damit  auf  Schloß  Hoheneck  und 
das  Dorf  Rossatz,  was  1412  Dezember  21^  die  Genehmigung 
des  Herzogs  erhielt 

Daneben  gelangen  Reinprecht  neuerhche  Gütererwerbun- 
gen, während  er  wieder  zahlreiche  Lehen  vergab.  Ulrich 
Schenk  von  Osterwitz  leistete  1411^  für  800  Goldgulden  gegen 
Reinprecht  Verzicht  auf  mehrere  Erbgüter  in  Krain  und  Kärn- 
ten. An  Wilhelm  von  Rabenstein,  Hauptmann  in  Krain,  ver- 
pachtete Reinprecht  Güter  und  das  Amt  zu  Igg  (bei  Brunn- 
dorf, südlich  von  Laibach),  worüber  ihm  der  Rabensteiner  1412^ 

»  Ulk.  1412  April  4;  NB.  U,  8.  «  Bei  Grerton  an  der  Kleinen  Erlaf. 

•  Öfele,  Script  Rer.  Bav.  U,  216»». 

•  Urk.  1406  Dezember  14;  NB.  m,  306.  *  NB.  H,  10. 

•  Urk.  1411  November  6;  Orig.  StAEferding. 
'  Urk.  1412  April  17;  NB.  II,  9. 


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417 

reversierte.  Die  Feste  Guntersdorf,  den  Zehent  zu  Ober-Sieben- 
bmnn  und  andere  Gutter  hatten  Reinpreeht  II.  und  seine  Brtt- 
der  wohl  schon  seit  1400  innegehabt;  jetzt  erhielt  Reinpreeht 
1412^  vom  Abte  Johann  U.  von  Melk  die  Belehnong  darüber. 

Reinpreeht  IL  hatte  für  Herzog  Albrecht  V.  1412/13  die 
Trappen  geworben,  die  an  E.  Siegmund  als  Verstärkung  ab- 
gegangen waren,  und  dabei  bedeutende  Summen  für  den  Herzog 
ausgelegt.  So  versprach  Herzog  Albrecht  V.  1413  Januar  12* 
dem  Walseer  alle  Kosten  für  1381  Reiter  zu  ersetzen,  die  er 
ihm  aufgebracht;  am  folgenden  Tage^  stellte  er  ihm  einen  Schuld- 
brief über  3872 Ubß  10 ^,  die  er  für  den  Herzog  an  Sold 
verwendet,  1413  August  14*  einen  weiteren  Schuldschein  über 
5527  ^40/1^  aus^  die  ihm  auf  der  Maut  zu  Linz  und  dem 
Amte  zu  Gmunden  angewiesen  wurden.  Außerdem  wurde 
Reinpreeht  1413^  des  Herzogs  Bürge  Air  eine  Summe  von 
2000  «<>Ä. 

Für  alle  diese  bedeutenden  Geldleistungen  wurde  Rein- 
preeht IL  vom  Herzog  reichlich  schadlos  gehalten.  Als  seltene 
Auszeichnung  erhielt  er  1413  Februar  10^  vom  Herzog  ,in 
Ansehung  seiner  getreuen  und  nützbaren  Dienste'  das  hohe 
Gericht  (den  Blutbann)  auf  seinen  niederösterreichischen 
Schlössern  Nieder-Walsee,  Seuseneck  und  Kornspach  als 
Mannslehen.  Dazu  verpfändete  ihm  der  Herzog  1413'  für 
1000 ^'A  die  Feste  Lengbach  und  übergab  ihm  die  Pflege 
daselbst.  Außerdem  verlieh  Herzog  Albrecht  1413  Septem- 
ber 18®  zu  Wien  an  Reinpreeht  das  Schloß  Nußdorf  a.  d. 
Traisen,®  das  früher  Hertneid  von  Pottendorf  besessen  hatte; 
es  wurde  später  mehrfach  verlehnt  und  war  noch  um  1445 
walseeisches  Lehen.  ^®  Reinpreeht  selbst  erwarb  außerdem  die 
Feste  Spielberg,  die  ihm  Heinrich  der  Klebsattel  1413  Okto- 


1  Urk.  1412  August  20;  Keiblinger,  Gesch.  v.  Melk  II,  257  und  479. 
«  Kurz,  Albrecht  U.  (V.),  Bd.  I,  182.  »  HHStA.  Kod.  16,  f.  147. 

*  SchlOsselberg.  Arch.  Kod.  37,  f.  151 ;  Oberösterr.  Landesarchiv. 
5  Urk.  1423  Juli  25;  HHStA.  Kod.  16. 

«  Lehenbuch  Herzog  Albrechts  V.;  HHStA.  Kod.  Suppl.  422,  f.  63'. 

'  Urk.  1413  Juli  25;  LB.  V,  r.  1398;  Neu-Lengbach  westlich  von  Wien, 

nicht  Lembach  in  Oberöeterreioh,  wohin  es  Pritz  (Geschichte  des  Landes 

ob  der  Ens  U,  94)  bezog. 

•  LB.  V,  r.  1412.  •  Bei  Traismauer. 

*®  Vgl.  das  walseeiscbe  Lehenbuch   im   k.  k.  Archive  für  Niederösterreich, 
Wien,  f.  134,  137. 


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418 

ber  27  ^  gegen  eine  jährliche  Leibrente  von  40  H^  abtrat.  Ein 
weiterer  Kauf  Reinprechts,  das  Kirchenlehen  zn  Aspern  an  der 
Zaya  und  Güter  daselbst,  die  er  1413  Juni  13*  vom  Abt  Kon- 
rad von  Altenburg  um  200  Äf /Ä  an  sich  brachte,  führte  zu  einer 
Auseinandersetzung  mit  diesem  Abte  um  die  Stiftung  Hadmars 
von  Sunnberg;  dieselbe  verblieb  durch  eine  Entscheidung' 
Michaels  von  Atzmannsdorf,  Kommissärs  des  passauischen  Dom- 
herrn Andreas  von  Grillenberg,  in  den  Händen  Reinprechts  bei 
der  Kirche  von  Aspem. 

Während  der  Zeit  der  Waffenruhe  mit  Herzog  Ernst,  seit 
1413,  blieb  Reinprecht  nach  wie  vor  im  Verein  mit  einer  kleinen 
Anzahl  von  Männern  in  führender  Stellung  am  Hofe  Herzog 
Albrechts  V.,  dessen  Fähigkeiten  sich  immer  mehr  entfalteten. 
Eng  begrenzt  war  der  Kreis  von  Männern,  in  deren  Ebtnd  die 
Führung  der  Geschäfte  lag.  Bischof  Georg  von  Passau,  Rein- 
prechts alter  Verbündeter,  mußte,  als  er  Herzog  Albrechts  Rat 
geworden,  1413*  dessen  Räten  Reinprecht  von  Walsee,  Leopold 
von  Eckartsau  und  Pilgrim  von  Puchstein  versprechen,  mit 
ihnen  gemeinschaftlich  ihre  Geschäfte  zu  fördern  und  ihnen 
gegen  jedermann  beizustehen.^ 

Während  ein  ehrenvoller  Friede  mit  Herzog  Ernst  infolge 
des  Eingreifens  K.  Siegmunds  nur  noch  eine  Frage  der  Zeit 
war  und  in  der  Steiermark  allmählich  einigermaßen  geordnete 
Verhältnisse  wiederkehrten,  begann  dafür  abermals  die  alte 
Plage  der  böhmisch-mährischen  Grenzfehden,  worüber  wir  dies- 
mal nur  dürftige  Kunde  erhalten.  In  Reinprechts  engerem 
Wirkungskreise  Oberösterreich  war  insbesondere  Freistadt  diesen 
Angriffen  ausgesetzt. 

Reinprecht  benachrichtigte  1413  August  14^  die  Frei- 
städter, daß  Ulrich  von  Ausk  ihm  und  dem  Herzoge  am  Vor- 
tage abgesagt  habe,  ermahnte  sie  zu  tapferem  Widerstände 
und    sagte   ihnen   den    Beistand    der   Seinen   zu;    August  19^ 


»  Orig.  HHStA.  «  Ebenda. 

»  Urk.  1413  Juli  7;  FRA.  XXI,  297. 

«  Urk.  1413  Juli  29;  Monumenta  Boica  XXXI*,  118. 

^  Bischof  Georg  blieb  auch  bis  an  sein  Ende  den  Habsburgem  treu  er- 
geben. An  der  großen  Konföderation  Salzburgs  mit  seinen  DiOsesanen 
von  1419  nahm  z.  B.  Passau  aUein  nicht  teil,  ohne  Zweifel  aus  Rück- 
sicht auf  Österreich. 

•  AÖG.  XXXI,  306.  '  Ebenda. 


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419 

richteten  die  Bürger  an  den  Herzog  die  Bitte^  ihnen  das  An- 
lehen  von  1200  Gulden  zn  erlassen,  da  sie  infolge  der  Einfälle 
Ulrichs  von  Auck  die  Stadtmauern  auszubessern  und  strenge 
Wacht  zu  halten  hatten.  Allerdings  traten  auf  Veranlassung 
K.  Wenzels  mährische  Abgesandte  mit  denen  Herzog  Albrechts  V., 
mit  Grafen  Johann  von  Maidburg,  Reinprecht  von  Walsee  und 
mehreren  anderen  zusammen,  welche  1414  Dezember  7^  zu 
Znaim  einen  Frieden  bis  St.  Georgstag  1416  abschlössen.  Her- 
zog Albrecht  bestätigte  dieses  Abkommen  in  Gegenwart  aller 
jener  Abgeordneten  in  Wien  (1415  Januar  4*);  aber  trotzdem 
trat  keine  nachhaltige  Besserung  dieser  Verhältnisse  ein,  unter 
welchen  Osterreich  ob  und  insbesondere  unter  der  Ens  so 
furchtbar  zu  leiden  hatten.  Bereits  1415  März  3^  mußte  Rein- 
precht von  Walsee  wieder  die  Freistädter  Bürger  auf  ihren 
Bericht  hin  wegen  des  Streites  der  Herren  von  Neuhaus  mit 
dem  von  Tirna  zur  Wachsamkeit  mahnen.  Die  fortgesetzten 
Bemühungen  und  strengen  Maßregeln  stellten  aber  schließlich 
doch  die  Sicherheit  im  Lande  her  und  wenn  der  gleichzeitige 
Chronist  Ebendorfer^  übertreibend  berichtet,  man  hätte  damals 
ohne  Gefahr  Geld  mit  den  Händen  durch  Österreich  tragen 
können,  so  beweist  es  immerhin,  daß  sich  die  Verhältnisse  doch 
zum  besseren  wandten.  Daß  dies  insbesondere  in  Oberöster- 
reich zutraf,  ein  Verdienst,  das  wohl  der  langjährigen  Tätigkeit 
Reinprechts  U.  von  Walsee  als  Hauptmann  ob  der  Ens  zuzu- 
schreiben ist,  zeigt  die  gegen  früher  abnehmende  Anzahl  von 
Urfehden,*  die  auf  Reinprecht  ausgestellt  wurden.  Außerdem 
vear  Reinprecht  mehrmals  genötigt,  gegen  seine  eigenen  Dienst- 
leute, wie  den  Stephan  Weingartner,^  oder  seinen  Amtmann  zu 
Nieder -Walsee,  Weichart  in  der  Plankhen, '  einzuschreiten. 
Seinen  Diener  Peter  Anhanger  von  Köppach,  der  die  Riegers- 
burg  an  Herzog  Ernst  übergeben  hatte,  zog  Reinprecht  gleich- 
falls zur  Verantwortung.  Der  Urteilsbrief,  den  die  walseeischen 
Dienstleute  Andre  Herleinsperger  und  Michel  Oberheimer,  Pfleger 
auf  Wachsenberg,    1416®   darüber  fertigten,    sprach  aus,    daß 


>  Kur«,  Österreich  unter  Albrecht  II.  (V.),  Bd.  I,  191. 
'  NB.  III,  334.  '  Kop.  Linzer  MuBealarchiv. 

*  Pez,  a.  a.  O.  U,  c.  844.  »  1414—1421  nur  noch  6  Stück. 
«  ürk.  1414  Oktober  17;  Orig.  HHStA. 

'  Urk.  1416  Oktober  27;  ebenda. 

*  Hoheneck,  Genealogie  III,  280. 


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420 

der  Yon  Walsee  dem  Anhanger  dafür  mit  Leib  und  Gut  an- 
haben möge. 

Im  Süden,  in  der  Umgebung  von  Triest,  begannen  neuer- 
liche Reibungen  mit  den  Bürgern  und  dem  Domkapitel  dieser 
Stadt.  Die  Leute  Reinprechts  vergalten  die  vom  Kapitel  bei 
den  Pfarrbesetzungen  geübte  Nachsicht  mit  einer  den  Bürgern 
feindseligen  Haltung.^  Auf  die  Nachricht,  daß  Bewaffiiete  sich 
in  Dnino  sammelten,  entsandte  die  Kommune  SpUhbarken  dort- 
hin, nach  S.  Giovanni  di  Timavo  und  an  die  Isonzomündung; 
Abgesandte  der  Kommune  zogen  in  Friaul  Erkundigungen  ein, 
ob  man  dort  Leute  für  den  Walseer  aufbringe,  ein  weiterer 
Kundschafter  wurde  nach  Mitterburg  (Pisino)  und  anderen 
Orten  Istriens  geschickt,  ob  von  dort  her  walseeische  Truppen 
mit  einem  Einfalle  drohten.  Da  Reinprecht  weitere  Verwick- 
lungen bei  seinem  noch  nicht  endgiltig  geordneten  Verhältnisse 
zu  Herzog  Ernst  ungelegen  waren,  blieb  es  beim  Frieden, 
auch  mochte  der  Herzog  selbst  beruhigend  eingewirkt  haben, 
als  er  die  Kommune  (1414  Mai  6)  von  dem  mit  Reinprecht 
abgeschlossenen  und  eben  verlängerten  Waffenstillstände  be- 
nachrichtigte. 

Zur  Besserung  der  Finanzen,  die  sich  nach  den  Kriegen 
der  letzten  Jahre  nur  langsam  erholten,  schrieb  Herzog  Al- 
brecht V.  eine  Judensteuer  aus.  Gegen  Erl^ung  derselben 
versprach'  der  Herzog  den  Juden  in  Osterreich  Befreiung  von 
allen  sonstigen  außergewöhnlichen  Steuern  bis  Georgitag  1418, 
bestätigte  ihre  herkömmlichen  Rechte  und  bestellte  Reinprecht 
von  Walsee  zu  ihrem  Schützer  und  Schirmer,  eine  Vertrauens- 
stellung, die  einen  uneigennützigen  Mann  ganz  besonders  er- 
forderte. Auch  jetzt  traten  die  obderensischen  Städte  wieder 
mit  ihren  alten  Klagen  an  den  Herzog  heran.'  Sie  beschwerten 
sich  über  die  ungesetzlichen  Ladstätten  zwischen  Linz  und 
Grein,  zu  Walsee  und  Ardagger  —  eine  Klage,  die  sich 
geradezu  gegen  Reinprecht  richtete,  über  den  Ausschank 
fremden  Weines  durch  Geistlichkeit  und  Adel,  über  den  Handel, 
den  mehrere  Märkte,  die  nicht  Bannmärkte  waren,  wie  Kirch- 
dorf und  Leonfelden,  trieben,  über  die  Steuern,  welche  Adel 
und  Geistlichkeit  den  Bürgern  für  ihre  Lehen  abforderten,  ob- 


*  Hortis,  DocumcDti  IX.  >  Urk.  1416  Janaar  15;  NB.  Xu,  BS4, 

»  AÖG.  XXXI,  307. 


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421 

wohl  der  Herssog  selbst  sie  dayon  erhielt^  und  brachten  noch 
mehrere  Handel  und  Wandel  betreffende  Beschwerden  vor.  Zur 
Abhilfe  derselben  Ueß  Herzog  Albrecht  V.  1415  März  9^ 
mehrere  Befehle  ergehen.  Er  untersagte  den  Amt-  und  Maut- 
leuten  auf  der  Donau^  ungewöhnliche  Mauten  zu  nehmen^  schrieb 
an  Reinprecht  wegen  Aufhebung  des  ungerechten  Grundrechtes^ 
richtete  an  ihn  ein  Verbot^  an  ungebräuchlichen  Stellen  Wein 
abladen  zu  lassen^  und  befahl  ihm,  der  Geistlichkeit  und  dem 
Hofadel  allen  Handel  zu  untersagen,  durch  den  die  dazu  be- 
fugten Städte  so  großen  Nachteil  erlitten.  Daß  auch  diesmal 
den  herzoglichen  Befehlen  nicht  Folge  geleistet  wurde^  beweist 
ein  neuerliches  Verbot,  das  der  Herzog  1419  Dezember  13'  an 
Keinprecht  richtete,  worin  er  dem  Adel  abermals  untersagte, 
von  Gütern  oder  Lehen,  welche  Welser  Bürger  vom  Adel  inne- 
hatten, Steuern  einzufordern. 

Eine  ganze  Reihe  Yon  Verleihungen  und  Belehnungen 
aus  diesen  Jahren  zeigt,  daß  Reinprechts  Verhältnis  zum  Her- 
zoge keine  Trübung  erfuhr  und  daß  sich  Albrecht  V.  dem 
Manne  gegenüber  dankbar  erwies,  der  mit  so  unerschütterlich 
treuer  Anhänglichkeit  seine  beste  und  sicherste  Stütze  in  drang- 
vollen Zeiten  gewesen  war. 

So  verlieh  der  Herzog  dem  Walseer  1414  August  12' 
mehrere  vordem  starhembergische  Güter  in  den  Pfarren  Haag 
und  Rottenbach  am  Hausruck,  zur  Herrschaft  Starhemberg  ge- 
hörig, die  er  an  sich  gebracht  hatte.  Reinprecht  IV.,  Rein- 
prechts n.  einzigem  Sohne,  gab  Herzog  Albrecht  September  12* 
gleichen  Jahres  als  Leibgedinge  die  Feste  Rabenstein,  die  be- 
reits Reinprecht  II.  als  Leibgedinge  besaß.  Weiters  verlieh 
der  Herzog  1415  April  7*>  dem  Walseer  und  Leopold  von 
Ek^kartsau  Schloß  Sitzendorf  (am  Schmiedabache,  VUMB.) 
nebst  mehreren  Gütern  und  gestattete  Reinprecht  II.  Juli  3^ 
dieses  Jahres,  die  baufiülige  Feste  Freienstein  gegen  Ver- 
gütung der  Kosten  wieder  aufzubauen.  Neuerlich  wurde  Rein- 
precht 1415  Mai  3^  vom  Herzoge  durch  die  Verleihung  des 
hohen  Gerichtes  (Blutbannes)  auf  weiteren  sechs  Herr- 
schaften: Ober-Walsee  im  Lande  ob  der  Ens,  Senftenberg, 


^  AÖG.  XXXI,  307.  *  Kop.  Ldnzer  Masealarchiy. 

'  Pritz,  Gesch.  de«  Landes  ob  der  Ens  II,  95. 

*  HHStA.  Kod.  16.  f.  104'.  »  Orig.  StAEferding. 

•  HHStA.  Kod.  16,  f.  114'.  '  NB.  U,  308. 


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422 

Gantersdorf;  Stroneck^  Pnrgstall  nnd  Hoheneck  in  Nieder- 
österreich ausgezeichnet.  Die  Feste  Pernstein  erhielt  Rein- 
precht  1416  Januar  2*  vom  Herzoge  ,für  seine  Dienste  nach 
billiger  Dankbarkeit'  und  Juni  6'  dieses  Jahres  vorbehaltlich 
der  Genehmigung  K.  Siegmunds  als  Leibgedinge.  Dazu  wurde 
Reinprecht  II.  1417  April  12'  der  Genuß  folgender  ihm  von 
den  Herzogen  Ernst  und  Leopold  1407  verpfändeter  Herrschaften 
durch  Albrecht  V.  bestätigt:  in  Istrien  die  Grafschaft  Mitter- 
burg (Pisino)  mit  Frayn  (Vragna)*,  Ober-Stein  und  Gört- 
schach  in  Krain^  Windischgraz  und  Mahrenberg  in  Steier- 
mark;  in  Osterreich  Wachsenberg  mit  Ottensheim^  Fran- 
kenburg, Attersee,  Puchheim,  Seusenburg,  Pernstein, 
die  Grafschaft  zu  Peilstein,  Freienstein  auf  der  Donau  und 
der  Markt  Wul der sdorf;  am  gleichen  Tage  überwies  ihm  der 
Herzog  den  Fortbezug  aller  Erträgnisse  der  Pfandschaften  Neu- 
burg am  Inn  und  Falkenstein  bis  zur  völligen  Ablösung  zum 
Lohne  für  seine  Verdienste.  Auch  erhielt  Reinprecht  1416 
Juli  31^  die  herzogliche  Belehnung  mit  der  Feste  Sehr  ana- 
wand (bei  Pottendorf,  VUWW.),  welche  nach  Kikla  dem 
Scheurbecken  ledig  geworden  war,  und  behauptete  sie  gegen 
die  Ansprüche  der  Witwe  desselben.^  SchUeßUch  wurde  Rein- 
precht II.  auch  1416  März  25^  vom  Abte  und  Konvente  des 
Klosters  Walderbach  (am  Regen,  Oberpfalz)  die  Pflege  und 
das  Gericht  über  das  Dorf  Grafendorf*  übertragen. 

Jetzt  kam  es  schUeßlich  auch  zum  endgiltigen  fVieden 
zwischen  Reinprecht  U.  und  Herzog  Ernst,  nachdem  der  Waffen- 
stillstand zwischen  denselben  durch  Vermittlung  K.  Siegmunds 
fortwährend  verlängert  worden  war.  Offenbar  hegte  Herzog 
Ernst  den  Plan,  dem  Walseer  wenn  möglich  auch  den  Rest 
seines  steirischen  Besitzes,  die  Herrschaften  in  Krain  und  auf 
dem  Karste,  zu  entreißen;  noch  1415^  bedrückten  herzogliche 
Beamte  und  Dienstleute  die  walseeischen  Hintersassen  in  Krain 
mit  Erpressungen  und  Reinprecht  von  Walsee  bheb  im  Süden 
immerhin  für  den  Wiederausbruch  der  Feindsehgkeiten  gerüstet 


>  NB.  n,  808.  «  LB.  V,  r.  1624. 

*  Kurz,  Österreich  unter  Albrecht  ü.  (V.),  Bd.  II,  3. 

*  Südöstlich  von  Pisino.  *  Orig.  HHStA.  •  LB.  V,  r.  1654. 
'  Orig.  StAEferding.            •  Bei  St  Polten. 

*  Vgl.  Urkk.  1415  Mai  24,  26,  Juni  28;  1416  Januar  7;  Kop.  Linier  MoMal- 
archiv. 


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423 

Obwohl  der  Walseer  im  Kampfe  seine  meisten  steiriscfaen 
Besitzungen  eingebüßt  hatte,  war  Herzog  Ernst  nicht  in  der 
Lage^  drückende  Bedingungen  zu  stellen.  In  erster  Linie 
machte  es  das  entschiedene  Eintreten  E.  Siegmunds  dem  Her- 
zoge unmöglich,  die  gewonnenen  Vorteile  auszunützen.  Die 
seit  1415  eingetretenen  Ereignisse,  das  ganze  schwere  Miß- 
geschick, das  über  seinen  Bruder  Friedrich  hereingebrochen 
war  und  den  gesamten  Besitzstand  der  Habsburger  in  Vorder- 
österreich  gefährdete,  nötigten  Herzog  Ernst,  vor  allem  flir 
seinen  bedrängten  Bruder  E.  Siegmund  einzustehen.  Außerdem 
wurden  durch  den  Einfall  der  Türken,  die  1415  bis  Laibach 
vordrangen,  Herzog  Ernst  und  in  gleicher  Weise  Reinprecht 
von  Walsee  ^  —  seiner  Tibeiner  Güter  wegen  —  auch  die 
Cillier,  Ortenburger  und  selbst  das  Patriachat  von  Aquileja  zu 
Rüstungen  zur  Abwehr  dieser  schlimmen  Gäste  veranlaßt.  Alle 
diese  Umstände  bewogen  Herzog  Ernst  im  Streite  gegen  den 
Walseer  zur  Nachgiebigkeit. 

Gleichzeitig  fand  auch  die  vollständige  Aussöhnung  Her- 
zog Albrechts  V.  mit  Herzog  Ernst  statt,  zwischen  denen  es 
noch  mehrere  strittige  Punkte  gegeben  hatte.  1417  Juni  15* 
stellten  Herzog  Albrecht  V.  zu  Wien,  Herzog  Ernst  zu  Wiener- 
Neustadt  ihre  gegenseitigen  Vertragsurkunden  aus.  Die  Her- 
soge verglichen  sich  darin  über  ihre  Forderungen  und  been- 
digten gleichzeitig  die  Walseer  Fehde.  Reinprecht  H.  leistete 
bei  Herzog  Albrecht  formelle  Abbitte,  welche  an  seiner  Statt 
Kaspar  von  Starhemberg  zu  Wien  verrichtete, '  und  erhielt  auf 
nächsten  St.  Laurentiustag  die  beiden  Festen  Riegersburg, 
Gonobitz,  Stattenberg,  Eibiswald  und  Windischgraz  in 
Steiermark,  Görtschach  und  Neuburg  auf  dem  Ranker  in 
Erain  und  alle  sonstigen  Eroberungen  von  Herzog  Ernst  zurück, 
ebenso  alle  seine  und  seiner  Hausfrau  Eatharina  von  Tibein 
Lehen,  mit  welchen  er  vom  Herzoge  wieder  belehnt  wurde;  auch 
sollte  Reinprecht  alle  seine  Lehensleate  wieder  belehnen  und 
niemandem  davon  den  Erieg  nachtragen.  Die  Forderung  Her- 
zog   Ernste    von   600.000    Gulden   Schadenersatz   wurde    auf 


'  Vgl.  Levec,  Die  ersten  Türkeneinfälle  in  Krain,  Mitt.  des  Musealvereines 

fUr  Krain  XVI,  192  und  200. 
>  Knrz,  österreicb  unter  Albrecht  ü.  (V.),  Bd.  H,  313. 
•  Prenenbnber,  Ann.  Styr.  418;  ihren  eher  hochmütig  klingenden  Wortlaut 

s.  Wnrmbrand,  Collectanea  Genealogica  24. 


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424 

25.000  Dukaten  nnd  6000  tf^  herabgesetzt,  die  H^7M>g  Al- 
brecht y.  auf  St.  Laurentiustag  für  Reinprecht  erlegen  sollte. 
Damit  fand  die  Fehde  mit  Herzog  Ernst,  ein  gewagtes 
Beginnen,  in  welches  sich  Reinprecht  wider  Willen  einlassen 
mußte,  ihren  für  den  Walseer  ehrenvollen  Abschluß.  Da  die 
Rückgabe  der  Güter  eine  vollständige  war,  führte  der  Ausgleich 
mit  Herzog  Ernst  also  durchaus  keine  Schwächung  des  Wal- 
seers  herbei,  dessen  Verhalten  zu  seinem  früheren  Gegner  fort- 
an ein  durchaus  loyales  war.  Dieser  Friede  bildet  aber  zu- 
gleich den  Abschluß  der  bedeutenden  politischen  Tätigkeit, 
welche  Reinprecht  H.  von  Walsee  seit  Herzog  Wilhelms  Tode 
entwickelt  hatte.  Als  betagter  Mann  war  Reinprecht  der  ver- 
dienten Ruhe  bedürftig,  wenn  ihn  auch  die  Frische  und  R^- 
samkeit  seines  Geistes  nicht  verließ.  Er  behielt  seine  Stellung 
und  seinen  Einfluß  bei  Herzog  Albrecht,  der  seinem  alten  Rat- 
geber nach  wie  vor  sein  ganzes  Vertrauen  schenkte,  gr(>ßere 
Unternehmungen  aber  pflegte  Reinprecht  nun  an  seinem  Lebens- 
ende jüngeren  Schultern  anzuvertrauen. 

4.  Reinpreohts  II.  Lebensende ; 
das  Haus  Waltee  auf  dem  Höhepunkte  seiner  Macht. 

Nach  dem  Abschluß  des  fViedens  mit  Herzog  Ernst  kamen 
mehrere  ältere  Streitigkeiten  Reinprechts  zur  Austragung, 
zunächst  die  mit  den  Liechtensteinern  von  Kikolsburg, 
die  sich  aus  der  Erbschaft  Eberhards  von  Kapellen  entwickelt 
hatten.  Beide  Teile  scheinen  dem  Spruche  von  1410  nicht  ge- 
nau Folge  geleistet  zu  haben;  Dorothea,  eine  der  Töchter  des 
verstorbenen  Kapellers,  hatte  1412'  abermals  ihre  Ansprtlche 
an  Hartnid  von  Liechtenstein  übertragen.  Nun  wurde  der  alte 
Streit  wieder  aufgenommen.  Offenbar  in  bezug  darauf  erklärte 
Herzog  Albrecht  V.  1417  Februar  6,*  daß  niemand  mehr  Rein- 
precht von  Walsee  um  Geld-  oder  Erbschuld  zu  belangen  habe, 
nachdem  im  Lande  ob  der  Ens  ausgerufen  worden,  jeder- 
mann habe  seine  Ansprüche  bis  Lichtmeß  dem  Herzoge  vor- 
zubringen. Während  Reinprecht  bei  seinem  Einflüsse  eine 
persönliche  Entscheidung    des   Herzogs   anstrebte,    wollte    der 


^  Falke,  Qesch.  des  Hauses  Liechtenstein  I,  439. 
»  NB.  II,  308. 


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425 

Liechtensteiner  dagegen  die  Sache  vor  ein  ordentliches  Gericht 
bringen.  Heinrich  von  Liechtenstein  erschien  1417  März  25^ 
in  der  Wiener  Hofburg  beim  Herzog,  am  sich  über  seinen 
Streit  mit  Reinprecht  zu  besprechen.  Der  Herzog  schlug 
ihm  wiederholt  sein  Begehren  um  Entscheidung  der  Sache  im 
öffentlichen  Landrecht  ab,  lud  ihn  aber  auf  den  nächsten  Vor- 
mittag zu  sich;  auch  dort  begründete  der  Liechtensteiner  seine 
Ansprüche  ohne  Erfolg.  Der  Herzog  übergab  Reinprecht  dar- 
über einen  öerichtsbrief,*  worin  er  diese  Ansprüche  anführt, 
ohne  jedoch  eine  Entscheidung  zu  treffen.  Die  Forderungen 
betrafen  eine  Summe  von  1000  ^/Ä,  die  sein  verstorbener  Bru- 
der dem  Walseer  gegeben  hatte,  die  Rückgabe  von  Schloß 
Windeck,  die  richtige  Auszahlung  der  Legate  des  letzten  Ka- 
pellers und  weitere  1000  Äf/Ä,  die  der  Kapeller  seiner  Tochter 
Anna,  Reinprechts  Hausfrau,  als  Heimsteuer  gegeben  hatte^  die 
nach  des  Kapellers  Tode  an  Dorothea  von  Liechtenstein  hätten 
fallen  sollen.  Da  der  Liechtensteiner  einer  weiteren  Vorladung 
nicht  Folge  leistete,  fkUte  der  Herzog  1417  April  2'  einen 
Schiedsspruch  zugunsten  Reinprechts.  Schließlich  bestätigte 
Albrecht  V.  Juni  16  das  Urteil  der  zu  Gericht  versammelten 
Herren,  Ritter  und  Knechte,  das  den  Liechtensteiner  dazu  ver- 
hielt, sich  dem  Schiedssprüche  von  1410  zu  fügen,  dem  er 
nicht  Folge  geleistet  hatte. 

Nochmals  kam  der  Walseer  im  Laufe  des  Jahres  1417  in 
Konflikt  mit  der  Geistlichkeit,  und  zwar  sowohl  in  Öster- 
reich als  im  Küstenlande.  Reinprecht  beanspruchte  wie  seine 
Vorgänger  nicht  bloß  die  Besetzung  der  Pfarren  auf  seinen 
Gütern  im  Süden,  sondern  machte  seinen  Einfluß  auch  bei  der 
Besetzung  des  auf  seinem  Boden  gelegenen  Bischofssitzes  von 
Piben  (Pedena,  südöstlich  von  Pisino)  geltend.  Er  ernannte 
1417  Februar  12*  den  Fra  Paolo,  einen  Augustinermönch  aus 
Fiume,  zum  Bischof  von  Piben.  Diese  Wahl  scheint  jedoch 
auf  den  Widerspruch  des  päpstlichen  Stuhles  gestoßen  zu  sein, 
denn  1418  saß  Fra  Paolo  als  episcopus  electus  daheim  im 
Kloster  zu  Fiume  und  ein  gewisser  Gregor  auf  dem  bischöf- 
lichen Stuhle  zu  Piben,  den  Fra  Paolo  erst  um  1430  wirklich 
innegehabt  zu  haben  scheint. 


*  Falke,  a.  a.  O.  436.  »  Orig.  HHStA.  »  LB.  V,  r.  1701. 

*  Pichler,  U  castelto  di  Dnino  267. 


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426 

In  Osterreich  hatte  Reinprecht  Höfe  und  Zehente  za 
Wolfhuntem  und  Putzenberg,  Pfarre  Aschbach  bei  Amstetten 
(womit  Peter  der  Anhanger  —  indes  offenbar  ohne  lehens- 
herrliche Genehmigung  Reinprecbts  —  in  der  Kapelle  zum 
heil.  Jakob  einen  Altar  und  eine  ewige  Messe  und  in  der 
Kirche  zu  Aschbach  ein  ewiges  Licht  gestiftet  hatte)^  ohne  viel 
Federlesens  an  sich  genommen.  Rasch  gelangte  eine  Beschwerde 
hierüber  an  das  eben  tagende  Konstanzer  Konzil  und  1417 
November  5^  erhielt  Jacobus  de  Camplo  als  Beauftragter  des 
Konzils  vom  Kardinal  Johann  von  Ostia  unter  Mitteilung  des 
Sachverhaltes  durch  den  Bericht  des  Prokurators  Johannes  de 
Scribanis  den  Befehl^  Reinprecht  von  Walsee  nötigenfalls  seiner 
Kirchenlehen  ftir  verlustig  zu  erklären  und  zu  500  Mark  Silber 
Strafe  sowie  zur  Herausgabe  des  angeeigneten  Besitzes  zu  ver- 
urteilen. Weigerte  sich  Reinprecht,  diese  Bedingungen  binnen 
zwei  zu  stellenden  Terminen  zu  erfäUen^  so  sollte  die  weltliche 
Obrigkeit  angerufen,  Reinprecht  vorgeladen  und  nach  Wieder- 
holung der  Termine  exkommuniziert  werden.  "Es  kam  indes 
keinesfalls  zur  Verhängung  dar  angedrohten  Strafen;  bald 
darauf  finden  wir  Reinprecht  bereits  wieder  im  Einvernehmen 
mit  der  Kirche:  1418  April  6*  bestätigte  der  Patriarch  Ludwig 
von  Aquileia  den  von  Reinprecht  vorgeschlagenen  Pfarrer  von 
St.  Georg  zu  öonobitz. 

Nach  einem  kurzen  Aufenthalt  am  Wiener  Hofe  weilte 
Reinprecht  im  Frühling  1417'  zu  Aspern  an  der  Zaya; 
damals  mag  er  den  Bau  des  neuen  Schlosses  daselbst  an- 
geordnet haben,  das  erst  kurz  vor  seinem  Tode  vollendet 
wurde.  Noch  heute  schmücken  die  Wappenschilde  Reinprecbts  II. 
und  seiner  Hausfrau  den  Torbogen  des  Schlosses  zu  Aspem 
mit  der  Inschrift:  ,A.  d.  1421  Reinpertus  de  Walsee  senior 
me  fecit.' 

Obwohl  sich  die  herzoglichen  Finanzen  in  den  letzten 
Jahren  gebessert  hatten,  war  Herzog  Albrecht  doch  genötigt, 
bei  Reinprecht  1417^  ein  Anlehen  von  600  Goldgulden  zu 
machen;    dafür    wurde  Reinprecht    1418  Januar   29   mit    der 


*  Orig.  HHStA.  «  Muchar,  Goech.  der  Steierm.  VII,  149. 

*  Vgl.  das  Schreiben    an   die  FreistXdter,  Aspern,    1417  April  24,   AÖO. 
XXXI,  809. 

*  Urk.  1417  Dezember  8,  Kod.  16,  HHStA. 


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427 

Feste  Rotenstein^  belehnt,  deren  frühere  Besitzer,  die  Enzes- 
dorfer,  Raab  und  Unfug  auf  der  Donau  wie  auf  den  Straßen 
getrieben  hatten. 

Die  Aussöhnung  Reinprechts  mit  Herzog  Ernst  war  eine 
vollkommene.  Der  Herzog  bestätigte  ihm  1418  Januar  27*  zu 
Wiener-Neustadt  als  Erben  Haugs  yon  Tibein  die  zugunsten 
des  letzteren  1366  Februar  7  von  den  Herzogen  Albrecht  und 
Leopold  ausgestellte  Urkunde  und  gleichzeitig  die  Verschrei- 
bung  der  Feste  Eibiswald,^  welche  Katharina  von  Tibein 
ihrem  Gatten  Reinprecht  übergeben  hatte;  außerdem  wurde 
Reinprecht  im  gleichen  Jahre  von  Herzog  Ernst  mit  dem  steiri- 
sehen  Erbtruchsessenamte  belehnt. 

Der  Schiedsspruch  der  Herzoge  Albrecht  V.  und  Ernst, 
1418  Juni  29*  zu  Traiskirchen  gefällt,  beendigte  schließlich 
auch  den  Zwist  des  Walseers  mit  den  Stubenbergern.  Rein- 
precht n,  von  Walsee  erhielt  dadurch  die  ihm  von  Hans  dem 
Alteren  von  Stubenberg  seinerzeit  abgenommenen  Güter  Ober- 
Wölz  und  Rotenfels  sowie  Wachseneck,  deren  Herausgabe  die 
Stubenberger  verweigert  hatten,  zurück. 

Ein  weiterer  Streit  entwickelte  sich  zwischen  Reinprecht  II. 
von  Walsee  und  den  nahe  verwandten  Starhembergern  um 
das  Urfahr  und  die  Maut  zu  Mautern,  ^  ein  Lehen  der  Burg- 
grafen von  Nürnberg,  das  früher  im  Besitze  der  Kapeller  ge- 
wesen war.  Reinprecht  hatte  auf  sein  Ansuchen  von  Friedrich 
und  Hans  Grafen  von  Zollern  die  Belehnung  darüber  erhalten. 
Die  Starhemberger  aber,  an  welche  Mautern  als  Pfandschaft; 
von  Dorothea  von  Liechtenstein-Nikolsburg,  einer  Tochter  des 
letzten  Kapellers,  gekommen  war,  verweigerten  jetzt  Reinprecht 
die  Rückeinlösung  des  Pfandes.  Er  brachte  die  Klage  vor  Leupolt 
von  Ek^kartsau,  den  die  Burggrafen  hiezu  als  Richter  be- 
stellten. Dieser  lud  die  Starhemberger  nach  Wien  vor  sich;® 
da  sie  nicht  erschienen,  wurde  die  Sache  mehrmals  vertagt, 
ein  Vorgang,  der  sich  bis  Lichtmeß  1419'  wiederholte.  Das 
Ausbleiben  der  Starhemberger  läßt  darauf  schließen,  daß  sie 
ihre  Sache  verloren  gaben.     Der  Streit   wurde   denn  auch  zu 


»  Bei  Hamburg;  LB.  V,  r.  1771.  «  LB.  V,  r.  1770. 

•  NB.  n,  309.            *  LB.  V,  r.  1841.  »  Bei  Krema. 

•  Urk.  1418  Juli  6;  Orig.  HHStA.  '  Orig.  HHStA. 

ArehiT.   XCT.  Buid.  IL  H&lfke.  29 


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428 

ihren  Ungansten  entschieden;  1429^  ist  wenigstens  Mantem 
wieder  in  walseeischem  Besitz. 

Während  Reinprecht  II.  daheim  in  Ruhe  sein  Alter  ge- 
noß, währten  auf  seinen  tibeinischen  Besitzungen  die  Fehden 
and  Streitigkeiten  fort.  Bereits  1416'  soll  sich  der  Patriarch 
von  Aqoileia  znr  Beilegang  derselben  nach  Monfalcone  begeben 
haben.  An  dem  neaerlichen  Kriege  K.  Siegmands  gegen  die 
Venezianer  (1417 — 1418)  nahmen  die  Habsbarger  and  Rein- 
precht von  Walsee  nicht  teil;  doch  ließ  K.  Siegmond  1418 
Jali  2'  an  den  Walseer  den  Befehl  ergehen,  deatscben  Kauf- 
leaten  die  Ein-  and  Aasfahr  von  Waren  von  and  nach  Venedig 
strenge  za  verbieten.  *  Wie  Triest  beschränkte  sich  Reinprecht 
von  WalseC;  als  die  Venezianer  mit  einem  Einfalle  nach  Istrien 
drohten,  aaf  eine  bewaffiiete  Neatralität.  Uberhaapt  blieb  die 
Politik  der  Walseer  gegen  die  Repablik  fortan  eine  firiedliche, 
höchstens  daß  es  za  Reibangen  zwischen  den  Fiamanem  and 
venezianischen  Fischern  kam.  Daß  Daino  1420  in  die  Hände 
der  Venezianer  fiel,  wie  Palladio  and  nach  ihm  Czoernig*  be- 
richten, ist  nicht  richtig  and  beraht,  wie  bereits  Pichler*  nadi- 
gewiesen  hat,  aaf  einer  Verwechslang  mit  dem  einst  dainischen^ 
dann  verkaaften  Schlosse  Zaino  in  Friaal,  das  die  Venezianer 
1420  einnahmen  and  an  die  Strassoldo  vergaben. 

Dagegen  kam  es  za  neaen  Zwistigkeiten  zwischen  Rein- 
prechts  IL  von  Walsee  Leaten  and  der  Stadt  Triest.  Letztere 
verbot  den  walseeischen  and  anderen  Untertanen  die  Waren- 
aasfuhr  darch  Triest  and  schädigte  sie  dadarch  in  ihrem  Er- 
werbe. Daraafhin  überfielen  dainische  Untertanen  1418 
Aagast  15'  reisende  Triestiner  aaf  ofiener  Straße  and  setzten 
sie  aaf  dem  Schlosse  Daino  gefangen.  Aaf  die  Nachricht  hie- 
von  übten  die  Triestiner  Vergeltung  darch  Raab  and  Plün- 
derang  aaf  dainischem  Boden:  beide  Teile  machten  Gefangene. 
Der  Walseer  erklärte  sich   für  den  Angegriffenen,   beschwerte 


'  Urk.  U29  November  27;  NB.  II,  311. 

'  Palladio,  I,  482.  Vgl.  dazu  das  Schreiben  des  Patriarchen  an  die  wal- 
seeischen Räte,  Sibidat  (Cividale)  1416  Juni  16;  Kop.  Linxer  Mnseal- 
archiy. 

•  Altmann,  Reg.  Imperii,  r.  3307  •. 

*  Vgl.  Pichler,  II  castello  di  Duino  249. 

^  Das  Land  Qön  und  Gradiska  643.  ^  II  castello  di  Daino  250. 

'  Hortis,  Documenti  XI,  Pichler,  a.  a.  O.  261. 


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429 

sich  bei  Herzog  Ernsl,  ,e  la  parola  d'un  Walsee  era  potente!^ 
fÜgtPichler  hinzu.  1419  März  8^  kam  es  zu  einem  Vergleiche: 
die  Stadt  Triest  gewährte  den  Untertanen  der  Cillier  und 
Walseer  Handelserleichterungen  und  erlaubte  ihnen  die  Aus- 
fuhr aus  der  Stadt.  Trotzdem  erschwerten  die  Triestiner  den 
Handel  auch  weiterhin;  der  Zwist  dauerte  fort  und  im  Sep- 
tember 1419*  forderte  Herzog  Ernst  den  Rat  von  Triest  aber- 
mals auf;  sich  gegen  die  häufigen  Klagen  Reinprechts  zu  ver- 
antworten. Die  Streitfragen  bUeben  ohne  Erledigung;  immer 
wieder  mußte  Reinprecht  beim  Herzog  deswegen  vorstellig 
werden,  bis  derselbe  endlich  im  Jahre  1424,  erst  zwei  Jahre 
nach  Reinprechts  H.  Tode,  dem  Streite  durch  seine  Entschei- 
dung ein  Ende  machte. 

Auch  an  der  venezianischen  Grenze  in  Istrien  war  es 
1420  zu  Weidestreitigkeiten  gekommen,  die  1420  März  17^  zu 
Öemigrad  bei  S.  Andrea  durch  ein  Übereinkommen  zwischen 
Reinprechts  Hauptmanne  zu  Merenfels,  Gunter  von  Herberstein, 
und  dem  venezianischen  Hauptmanne  auf  Raspurch  beigelegt 
wurden.  Ein  Einfall  der  Morlaken  kostete  Ende  Juni  1421 
den  walseeischen  Untertanen  zu  Kestau  (Castua)  an  die  2000 
Stück  Vieh;  bei  dem  Versuche,  den  Räubern  ihre  Beute  wieder 
abzunehmen,  fielen  mehrere  der  nachsetzenden  Castuaner  und 
Fiumaner.  Der  nachsetzende  Hauptmann  zu  Tibein  und  auf 
dem  Karst  Friedrich  von  Rat  nahm  sich  der  Seinen  an*  und 
traf  geeignete  Maßregeln  zur  Bestrafung  der  Übeltäter,  unter 
welchen  sich  auch  Leute  des  Grafen  Nikla  Frangipan  befun- 
den haben  sollen. 

An  der  Schwelle  des  Greisenalters  sah  Reinprecht  H.  von 
Walsee  allmählich  nach  einem  so  bewegten  Leben  seine  Kräfte 
schwinden;  umsomehr  war  es  an  der  Zeit,  die  Zukunft  seines 
einzigen  Sohnes  Reinprecht  IV.  sicherzustellen. 

Die  Erneuerung  der  herzoglichen  Verpfllndungen  1416 
April  12*  bestimmte  bereits,  daß  bis  zum  Ablauf  des  Pfand- 
termines  Reinprecht  H.  oder  sein  Sohn  diese  Pfandschaften 
innehaben  sollten;     Herzog  Albrecht  gab  Reinprecht  H.*  1416 


*  Cod.  diplom.  Istriano  Xu.  •  Hortis,  Documenti  IX,  8. 

*  Vgl.  dessen  Bericht  an  Reinprecht  von  Walsee,  Senosetschach,  1421  Juli  7; 
Kop.  Linzer  Mosealarchiv. 

*  Kura,  Österreich  unter  Albrecht  H.  (V.),  Bd.  H,  3. 
»  LB.  V,  r.  1664. 

29* 


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430 

Dezember  28  das  Versprechen,  im  Falle  dieser  vorzeitig  stürbe, 
seinen  Sohn  Reinprecht  IV.  mit  allen  seinen  Besitzungen  in 
seinen  besonderen  Schutz  nehmen  zu  wollen.  Reinprecht  IV. 
war  bereits  in  das  mannbare  Alter  getreten  und  konnte  seine 
Gemahlin  aus  den  ersten  Häusern  des  österreichischen  Hoch- 
adels nehmen.  Er  warb^  um  die  dreizehnjährige  Katharina 
aus  dem  Hause  der  den  Walseem  beireundeten  und  verschwä- 
gerten Rosenberge,  zu  jener  Zeit  dem  mächtigsten  Adels- 
geschlechte  Südböhmens.  Der  betagte  Vater  schloß  1418 
Juni  15*  darüber  mit  Ulrich  von  Rosenberg  die  Heiratsabrede 
ab.  Als  Heiratsgut  sollte  Katharina  1600  Schock  böhmische 
Groschen  erhalten,  hievon  400  Schock  bar,  statt  der  restlichen 
1200  Schock  den  Markt  Haslach  samt  beiden  Gerichten  und 
allem  Zugehör.  Diese  Heimsteuer  wurde  durch  den  Walseer 
mit  2000  Schock  Groschen  auf  dem  Markte  Haslach  und  den 
Gütern  nördlich  der  Donau  widerlegt.  Die  Vermählung  sollte 
am  Sonntag  vor  Kolomanni  (1418)  zu  Krumau  stattfinden;  sie 
wurde  indes  verschoben  und  erst  im  Sommer  1421  vollzogen, 
als  Reinprechts  H.  übler  Gesundheitszustand  bereits  zur  höchsten 
Eile  mahnte. '  So  sah  Reinprecht  H.  am  Ausgange  seines  Lebens 
noch  die  Zukunft  seines  Hauses  durch  diese  reiche  Verbindung 
seines  Sohnes  sichergestellt. 

Dieselbe  wurde  umso  bedeutsamer  beim  Ausbruch  der 
Hussitenkriege,  den  Reinprecht  H.  von  Walsee  noch  erlebte. 
Im  Frühling  1420  bot  K.  Siegmund  alles  zu  seinem  Krönungs- 
zuge  nach  Prag  auf;  Herzog  Albrecht  V.  rüstete  gleich  Herzog 
Ernst,  ihm  mit  bedeutenden  Streitkräften  zu  Hilfe  zu  eilen. 
Reinprecht  H.  von  Walsee  ließ  hiezu  durch  den  Rathaiminger 
und  durch  seinen  Pfleger  zu  Starhemberg*  Erasm  von  Preising 
Söldner  anwerben.  Mitte  Juni  1420  brachen  die  Herzoge  nach 
Böhmen  auf,*  mit  ihnen  die  Mannen  der  Schaunberger,  Wal- 
seer,^ Kuenringer  und  anderer.     Trotz   der  Krönung  K.  Sieg- 


'  Vgl.   Urk.    1418  Februar   28;    Orig.   im    fürrtl.   Schwarzenberg.  ArcfaiT 

Wittingau  and  Klimesch,  Bosenberg.  Chronik  90. 
'  Orig.  OberOsterr.  Landesarchiv. 
'  Vgl.  das  Schreiben  Katharinas   an    ihren   Gatten    1421   Juni    26,    Kop. 

Linser  Mosealarcbiv. 

*  Vgl.  das  Schreiben  1420  Juni  6,  Orig.  HHStA. 

*  Anon.  Vienn.  Chron.,  Pes,  SS.  Rer.  Anstr.  II,  c.  550. 

*  Vgl.  Frieß,  Die  Herren  von  Knenring  208. 


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431 

munds  in  Prag  blieb  der  Feldzug  erfolglos  und  schon  anfangs 
August  trat  Herzog  Albrecht  wieder  den  Rückzug  an.  Rein- 
precht  II.  von  Walsee  hinderten  die  Beschwerden  des  Alters, 
an  diesem  Feldzuge  noch  teilzunehmen,  während  wir  seinen 
Sohn  Reinprecht  IV.  auf  demselben  vermuten  dürfen.  Im 
Frühling  1421  mußte  Reinprecht  11.  abermals  zur  Abwehr  der 
Ilussiten  Streitkräfte  aufbieten,  die  sich  in  Freistadt  sammelten.^ 
Als  nun  die  Hauptlast  des  Kampfes  gegen  die  Hussiten  in  Süd- 
böhmen auf  den  Schultern  Ulrichs  von  Rosenberg  ruhte,  unter- 
stützten die  beiden  Walseer  denselben  mit  großen  Darlehen. 
Dafür  hat  Ulrich  von  Rosenberg  1420  September  29*  seinem 
Schwager  die  beiden  Festen  und  die  Stadt  Rosenberg  um 
4000  bairische  Groschen  verpfilndet  und  1421  April  27^  mit 
Zustimmung  seines  Lehensherm,  des  Bischofs  Georg  von  Passau, 
den  Markt  Haslach  samt  Zugehör,  doch  ohne  das  hohe  Ge- 
richt verkauft. 

Reinprecht  H.,  der  in  seinen  letzten  Lebensjahren  auch 
Rat  K.  Siegmunds  war,*  verwaltete  die  Hauptmannschaft  ob 
der  Ens  weiter;  seit  1421  scheint  allerdings  auch  Reinprecht  IV. 
den  gealterten  Vater  darin  unteratützt  zu  haben.  Dagegen  war 
es  dem  altersschwachen  Manne  nicht  mehr  möglich,  Herzog 
Albrechts  Hofmeisteramt  zu  versehen,^  das  er  daher  um  Neu- 
jahr 1420  an  Friedrich  von  Stubenberg  übergab. 

Immer  noch  läßt  sich  dabei  Reinprechts  Tätigkeit  als 
Hauptmann  ob  der  Ens  an  verschiedenen  Entscheidungen  und 
Schiedssprüchen  verfolgen.  Auf  Befehl  Herzog  Albrechts  V., 
der  die  bedeutende  neue  Bewegung  für  Öosterreform  mächtig 
förderte,*  ließ  Reinprecht  H.  im  Kloster  Schlägl,'  wo  er  bereits 
einmal  eingegriffen  hatte,  eine  Visitation  und  Reformation  durch 
den    passauischen   Vitztum  Andre   Herleinsperger    vornehmen. 


'  Vg^l.  das  Schreiben  1421  März  21;  Kop.  Linzer  Musealarchiy. 

'  Orig.  im  f&rstl.  Schwarzenberg^.  Archiv  Wittingau.  '  NB.  II,  10. 

*  Vgl.  Urk.  1418  Juli  2;  Altmann,  Reg.  Imperii,  r.  3307» 

'  Als  Hofmeister  wird  er  1419  Dezember  26  zum  letzten  Male  genannt 
(Preuenhaber,  Ann.  Styr.  446). 

^  Vgl.  V.  Srbik,  Die  Beziehungen  zwischen  Staat  und  Kirche  während  des 
Mittelalters  221. 

^  Vgl.  S.  400.  Auf  diese  Reformbestrebungen  weist  auch  das  Büchlein  tiber 
die  Fastenevangelien  hin,  das  der  Franziskanerbruder  und  Hofprediger 
Herzog  Wilhelms,  Hans  Bischof,  über  Veranlassung  unseres  Walseers 
schrieb;  vgl.  Nagl-Zeidler,  Deutsch-Osterr.  Literaturgeschichte,  S.  319. 


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432 

der  1420  September  11*  seinen  Befund  aus  Schlägl  berichtet 
Auch  sonst  finden  wir  Reinprecht  II.  in  seinen  letzten  Jahren 
mehrfach  in  Berührung  mit  österreichischen  Klöstern.  Anna 
von  Kaya,  Priorin  der  Nonnen  zu  Minnbach  bei  Krems,  trat 
1420^  mit  Einwilligung  des  Konvents  die  ihrem  Kloster  ge- 
hörige Pfarre  Alt-Münster  am  Traunsee  gegen  die  von  Kirch- 
dorf ab ;  Bischof  Georg  von  Passau  gab  alsbald '  seine  Zustim- 
mung hiezu.  Dem  Kloster  Säusenstein,  der  Stiftung  seines 
Hauses,  erbat  Reinprecht  eine  Schenkung  Herzog  Albrechts 
von  jährlich  zwei  DreiHngen  Salz*  im  folgenden  Jahre. 

Des  gealterten  Keinprechts  Tage  flössen  fortab  ruhig  dahin; 
er  weilte  meist  zu  Linz  oder  am  Wiener  Hofe,  zur  Sommers- 
zeit kam  er  ab  und  zu  noch  auf  eines  seiner  Güter.  Seinen 
treuen  Dienern  gewährte  er  Unterstützungen,  bestätigte  zahl- 
reichen Dienstleuten  ihre  Lehen  und  vergab  neue  Belehnungen; 
an   auswärtigen   Ereignissen  nahm   er  nur   mittelbaren  AnleiL 

Von  Herzog  Albrecht  wurden  ihm  ,flir  seine  treuen  und 
nutzbaren  Dienste^  noch  weitere  Auszeichnungen  zuteil:  der  Her- 
zog verlieh  ihm  1418  Juh  7^  das  hohe  Gericht  eine  Meile  um 
Ober-Walsee  mit  genannten  Grenzen  als  Erblehen  und  gleich- 
zeitig^ auch  die  beiden  Weiher,  die  Reinprecht  zu  Ober-Neu- 
kirchen bei  Leonfelden  angelegt  hatte,  zu  rechten  Mannslehen. 

Die  wenig  bedeutenden  Gütererwerbungen,  welche  Rein- 
precht n.  in  diesen  Jahren  noch  machte,  dienten  ausschließlich 
dem  Zwecke,  seine  größeren  Güter  selbst  unter  Abstoßung  ver- 
einzelten Streubesitzes  zu  arrondieren.  So  erkaufte  er  in  den 
Jahren  1417  und  1418^  Untertanen  und  Güter  um  Neumarkt 
im  Erlacher  Landgerichte,  womit  der  walseeische  Besitz  im 
Trattnachgebiete  abgerundet  wurde.  In  der  Herrschaft  Scham- 
stein tauschte  er  1418  Juni  5 '  das  Kirchenlehen  zu  Grünau  samt 
Gütern  daselbst  gegen  andere  vom  Kloster  Lambach  ein;  aus 
der  Herrschaft  Ort  ®  sei  eines  anderen  kleinen  Kaufes  gedacht. 
Der  passauische  Vitztum  Andre  Herleinsperger  endlich  übergab 


Orig.  HHStA.  «  Chmel,  Der  österr.  Geschicbtsforecher  I,  589. 

Urk.  1420  Dezember  24;  Orig.  HHStA. 

Blätter  d.  Vereines  f.  Landesk.  v.  Niederösterr.  X,  151. 

Lehenbach  Herzog  Albrechts  V.,  HHStA.,  Kod.  Snppl.  422,  f.  149. 

Urkk.  1417  September  18,  29;  1418  Juni  16;  Orig.  StA Eferding. 

Kop.  Linser  Masealarchiv. 

Urk.  1421  März  14;  Orig.  StAEferding. 


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433 

ihm  1421^  sein  Haas  in  der  Schmiedgasse  zu  Ens.  In  der 
Steiermark  brachte  der  Walseer  1420  noch  das  Dorf  Dieters- 
dorf sowie  Güter  zu  Gillersdorf,*  Lehen  seiner  Herrschaft  Rie- 
gersburg,  von  den  Teufenbachern  durch  Kauf  zurück. 

An  seinem  Lebensende  genoß  Reinprecht  H.  von  Walsee 
durch  das  unbeschränkte  Vertrauen,  das  Herzog  Albrecht  seinem 
Hofmeister  schenkte,  wie  durch  seinen  großen  Besitz,  der  vom 
Böhmerwalde  bis  an  die  Adria  hin  in  zahlreichen  Herrschaften 
zerstreut  war,  ein  Ansehen,  das  ihn  weit  über  die  Be- 
deutung aller  seiner  Zeitgenossen  aus  dem  Hochadel 
Österreichs  emporhob.  Jetzt,  am  Ende  seines  Lebens, 
suchten  selbst  einstige  Gegner  mit  ihm  in  Verbindung  zu  treten. 
Hertneid  von  Liechtenstein-Nikolsburg  schloß  1421*  ein  Bünd- 
nis mit  Reinprecht  H.  und  dessen  Sohne  ab  und  sogar  die 
Grafen  von  Schaunberg,  noch  immer  die  vornehmsten  vom 
Adel  in  Oberösterreich,  traten  an  den  Mann  heran,  der  so 
kräftig  zu  ihrer  eigenen  Bezwingung  beigetragen  hatte;  1421 
Dezember  13*  verbündeten  sich  Graf  Johann  von  Schaunberg 
und  seine  beiden  Söhne  mit  den  beiden  Walseern  zu  gegen- 
seitiger Hilfe  gegen  jedermann. 

Das  Alter  machte  endUch  an  dem  mehr  als  siebzigjähri- 
gen Greise  seine  Rechte  geltend;  sein  gebrechlicher  Körper 
mußte  auf  einem  Krankenstuhle  getragen  werden,  als  ihm  seine 
Kräfte  das  Gehen  nicht  mehr  gestatteten.  Am  Tage  Maria 
Heimsuchung  (Juli  2)  1422  schloß  Reinprecht  H.  von  Walsee 
sein  reichbewegtes  Dasein  und  ward  bei  seinen  Vorfahren  zu 
Säusenstein  begraben.** 

Mit  ihm  schied  eine  der  hervorragendsten  Gestalten  Öster- 
reichs aus  dem  Beginne  des  15.  Jahrhunderts  aus  dem  Leben, 
ein  Mann,  dessen  Wirken  ohne  Zweifel  von  historischer  Be- 
deutung ist.  Sein  Eintreten  flir  Albrecht  V.,  den  letzten  Spros- 
sen der  Albrechtinischen  Linie  der  Habsburger,  wirkte  aus- 
schlaggebend zu  dessen  Gunsten.  Dieser  Anhänglichkeit  an 
den  jungen  Fürsten  gedachte  auch  der  zeitgenössische  Kloster- 
neuburger  Chronist®  bei  Reinprechts  II.  Tode  mit  den  ehren- 
den Worten:  ,Er  hielt  Herzog  Albrecht  den  Jungen  bei  Treuen 
und  Ehren,  bei  Land  und  Leuten  wider  seine  Vettern.' 

^  Ebenda.  '  Bei  Fürstenfeld;  Urk.  1420  März  15;  Orig.  ebenda. 

3  Falke,  Gesch.  d.  Hauses  Liechtenstein  I,  445.  *  NB.  II,  10,  309. 

»  Vgl.  die  Genealogie.  «  FRA.,  2.  Abt.,  Vn,  241. 


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434 

Noch  in  einer  weiteren  BLinsicht  war  Reinprechts  11.  Wir- 
ken auf  geraume  Zeiten  hinaus  fUr  die  Verhältnisse  in  Oster- 
reich bestimmend.  In  den  Jahren  des  Zwistes  und  der  Un- 
einigkeit im  Herrscherhause  schuf  Reinprecht  II.  den  öster- 
reichischen Ständen  die  machtvolle,  für  das  Verfassungsleben 
unserer  Heimat  hochbedeutsame  Stellung,  welche  sie  durch 
volle  zwei  Jahrhunderte,  bis  zum  Siege  der  Gegenreformation, 
innehatten. 

In  der  Person  Reinprechts  H.  erreichten  die  Herren  von 
Walsee  den  Höhepunkt  ihrer  Bedeutung.  Sein  Ansehen 
bei  Hofe,  die  Würden  und  Ehrenämter,  die  er  bekleidete,  ver- 
banden sich  dazu  mit  einem  außerordentlichen  Reichtum  an 
Gütern  und  Herrschaften,  welche  ihm  reichliche  Mittel  boten, 
sich  in  seiner  Stellung  zu  behaupten  und  nach  allen  Seiten 
achtunggebietende  Geltung  zu  verschaffen.  Die  Umstände  hatten 
Reinprecht  allerdings  bei  der  Erwerbung  dieses  Güterreichtums 
begünstigt.  Eine  Anzahl  reicher  Erbschaften  fiel  ihm  zu  und 
der  gesamte  Besitz  seines  Hauses  vereinte  sich  in  seiner  Hand, 
wozu  noch  zahlreiche  herzogliche  Lehen  und  Pfandschaften 
kamen.  Die  Zeiten  waren  jedoch  einer  gedeihlichen  wirtschaft- 
lichen Entwicklung  keineswegs  günstig;  die  vielen  Fehden  und 
hohen  Kriegskosten,  die  Jahre  der  inneren  Wirren  und  ver- 
heerenden Bürgerkriege  mußten  im  Gegenteile  Jahre  hindurch 
an  dem  Wohlstande  zehren,  der  in  besseren  Zeiten  geschaffen 
worden  war.  Trotzdem  hat  Reinprecht  H.  es  verstanden,  die 
nötigen  Mittel  für  die  großen  Anforderungen  und  Bedürf- 
nisse aufzubringen.  Auch  nicht  ein  einziges  Mal  hat  er  zu 
dem  Auswege  gegriffen,  der  zu  seiner  Zeit  allgemein  benütet 
wurde,  keine  einzige  Herrschaft  hat  er  je  verpftUidet  oder  ver- 
kauft, sondern  seinen  Besitz  trotz  aller  schlimmen  Zeitläufte 
fortwährend  vermehrt,  ein  Beweis  des  wirtschaftlichen  Sinnes, 
der  Reinprecht  H.  wie  fast  allen  Männern  seines  Hauses  in 
hohem  Maße  eigen  war.  So  hinterließ  er  bei  seinem  Tode 
einen  riesigen  Besitz,  der  über  die  gesamten  habsburgischen 
Länder  mit  Ausnahme  Tirols  und  der  Vorlande  in  zahlreichen 
Herrschaften  —  Eigengut,  Lehen  und  Pfandschaften  —  fast 
hundert  an  der  Zahl,  vom  Böhmerwalde  bis  an  den  Quarnero 
zerstreut  lag.* 


'  Vg].  die  beigegebene  Karte. 


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435 

Von  seiner  dritten  Gemahlin  Katharina  von  Tibein,  welche 
ihren  Gatten  tiberlebte  und  erst  im  Jahre  1427  starb,  hinter- 
ließ Reinprecht  11.  zwei  Kinder :  eine  jüngere  Tochter  Barbara, 
die  sich  nachmals  mit  Nikla  Frangipani,  Grafen  zu  Veglia  und 
Modrusch,  vermählte,^  und  einen  Sohn  Reinprecht  IV,,  der 
seinem  Vater  in  der  Hauptmannschaft  ob  der  Eins  nachfolgte 
und  dessen  gesamten  Besitz  erbte. 

Aber  während  die  Hen'en  von  Walsee  in  Reinprechts  II. 
Jugendtagen  noch  eine  starke,  große  Familie  gebildet  hatten, 
war  bei  seinem  Tode  Reinprecht  IV.  der  einzige  männUche 
Sprosse  seines  Hauses  und  schon  nach  einem  halben  Jahrhun- 
dert sollte  der  Glanz  des  Geschlechtes  dahinschwinden. 


Vm,  Abschnitt. 
Reinprecht  IV.  ron  Walsee  (1433-1450). 

1.  Reinprechts  IV.  Anfänge  und  sein  Wirken  in  den  Hussiten- 
kriegen. 

Sein  Haus  stand  auf  der  Höhe  seines  Ruhmes,  als  Rein- 
precht II.  1422  die  Augen  schloß.  Keiner  seiner  wenigen 
Nachkommen  konnte  in  diesem  Maße  mehr  die  Macht  einer 
bedeutenden  Persönlichkeit  geltend  machen,  und  mit  dem 
Reichtum  ging  es  zunächst  nicht  mehr  vor-,  nach  einem  Men- 
schenalter aber  schon  entschieden  abwärts. 

Die  Stellung,  welche  Reinprecht  H.  seinem  Herzog  gegen- 
über eingenommen  hatte,  war  nach  seinem  Tode  schlechter- 
dings nicht  mehr  aufrecht  zu  erhalten.  War  Reinprecht  II. 
dem  Habsburger  immer  ein  väterlicher  Freund  gewesen,  dessen 
Verdienste  sich  nie  vergessen  ließen,  so  sah  sich  jetzt  Rein- 
precht IV.  dem  rasch  sich  entfaltenden  geistvollen  Herzog  ab 
der  Jüngere  gegenüber.  Kein  Zweifel,  daß  das  enge  Verhält- 
nis, wie  es  zwischen  Herzog  Albrecht  V.  und  seinem  weisen 
Ratgeber  bestanden  hatte,  sich  nicht  auch  auf  dessen  Sohn 
tibertragen  ließ.  Der  erst  16jährige  Reinprecht  IV.  hat  zwar 
von  den  Ämtern  seines  Vaters  das  eines  Hauptmannes  ob  der 
Ens  behalten   und  den  großen   Besitz   seines  Hauses    geerbt; 


*  Vgl.  die  Genealogie. 


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436 

seine  vorerst  unbedeutende  Gestalt  tritt  indes  weit  hinter  der 
seines  Vaters  zurück ,  dessen  glänzende  Gaben  ihm  fehlten. 
Reinprechts  IV.  Tätigkeit  blieb  darauf  beschränkt,  die  Stellung 
und  den  Besitz  seines  Hauses  einigermaßen  zu  wahren  und 
Pfade  weiter  zu  wandeln,  die  sein  Vater  ihm  bereits  geebnet 
hatte ;  kaum  vermochte  er  dieser  Aufgabe  gerecht  zu  werden. 
So  kam  es,  daß  viele  von  den  Fäden,  welche  vordem  von  allen 
Seiten  her  durch  Reinprechts  11.  Hände  gegangen  waren,  nun 
unmittelbar  ihren  Weg  zum  Herzog  fanden.  Dies  machte  sich 
schon  bei  der  Entwicklung  der  Dinge  im  nahen  Passau  geltend^ 
wo  sich  nach  Bischof  Georgs  Tode  abermals  ein  bairischer  und 
ein  österreichisch  gesinnter  Bewerber  gegenüberstanden.  Rein- 
precht  IV.  war  wohl  auch  noch  zu  jung,  um  an  dem  Streite 
bedeutenderen  Anteil  zu  nehmen,  zumal  sich  derselbe  diesmal 
größtenteils  auf  diplomatischem  Wege  abspielte. 

Reinprecht  IV.  überkam  wohl  in  jeder  Hinsicht  das  Erbe 
seines  Vaters.  Auch  er  suchte  immerhin  in  dem  ihm  unter- 
stellten Lande  ob  der  Ens  Ordnung  zu  schaffen.^  Wie  unter 
seinem  Vater  wandten  sich  jetzt  umsomehr  die  oberösterreichi- 
schen Städte  mit  ihren  Beschwerden  gegen  Prälaten  und  Adel 
an  den  Herzog  und  klagten  •  über  die  verbotenen  Ladstätten  auf 
der  Donau,  den  unerlaubten  Weinhandel,  die  Abhaltung  nicht 
gestatteter  Jahrmärkte  und  über  die  Kaufmannschaft,  die  von 
den  nicht  landesftirstlichen  Märkten  getrieben  wurde  —  und 
wie  bisher  blieb  darin  alles  beim  alten.  Ehemalige  Diener 
Reinprechts  H.,  wie  Gregor  Rathaiminger,'  der  dessen  ,Rat^  auf 
den  Tibeiner  Gütern  und  nachmals  Verweser  ob  der  Ens  ge- 
wesen war,  und  Andre  von  Graben,*  oder  einstige  Gegner,  wie 
Heinrich  Rindschad,  nun  Hofmeister  Herzog  Emsts,  sowie 
Erhard  der  Herberstorfer,*  Albrecht  der  Feistritzer*  und  Jöi^ 
der  Mindorfer^  hielten  die  Zeit  für  gekommen,  alte  Forderun- 
gen wieder  anzubringen,  die  noch  aus  der  Fehde  Herzog  Ernsts 


1  Vgl.  die  Urfehden   1423  Januar  8,  LB.  V,  r.  2101;   1425  Februar  27, 
FRA.  LH,  190. 

*  Vgl.  die  Beschwerdeschrit't  Ton  1425;  Kop.  Linzer  Musealarchiy. 
»  Urk.  1423  Februar  12;  NB.  II,  309. 

*  Urk.  1441  Januar  6;  Orig.  StAEferding. 
^  Urk.  1428  Januar  9;  NB.  U,  10. 

^  Urk.  1428  Juli  4;  Beitr.  z.  Kunde  steierm.  Gesofaichtsqu.  XXX,  180. 
^  Urkk.  1423  Januar  11,  Oktober  15,  25;  Kop.  Liuzer  MusealarchiT. 


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437 

mit  Reinprecht  IE.  von  Walsee  in  der  Steiermark  herrührten. 
Auch  die  Wildhanser  machten  jetzt  Ansprüche  an  Teile  des 
tibeinischen  Erbes  nochmals  geltend  —  ohne  Erfolg  indes,  wie 
der  Verzicht  Ulrichs  von  Wildhaus  auf  die  Herrschaft  Gono- 
bitz  von  1428  ^  beweist.  Die  Streitigkeiten  um  das  Pfarrpatronat 
daselbst^  das  bereits  der  Patriarch  von  Aquileia  1423  Rein- 
precht IV.  bestätigt  hatte,  wurden  im  gleichen  Jahre*  durch 
einen  Schiedsspruch,  jene  mit  den  Triestinem  1424  April  15' 
durch  Herzog  Ernst  zu  Wiener-Neustadt  entschieden.  Auch 
der  Streit  der  Walseer  mit  dem  Kloster  St.  Paul  um  Vogtei 
und  Gericht  auf  dem  Remsnik  lebte  wieder  auf.  Die  Entschei- 
dung, welche  Herzog  Friedrich  darüber  1428  Januar  9*  zu 
Wiener-Neustadt  Mite,  änderte  daran  so  wenig  wie  alle  seit 
einem  Jahrhundert  ergangenen  Rechtssprüche. 

Auch  in  seinen  Familienbeziehungen  hielt  Reinprecht  IV. 
von  Walsee  an  den  väterlichen  Traditionen  fest.  Als  ihn  seine 
Gemahlin  Katharina  mit  einem  Töchterchen  Agnes  beschenkte, 
verlobte  er  das  im  zartesten  Alter  stehende  Kind  bereits  dem 
jungen  Grafen  Bernhard,  dem  Sohne  des  Grafen  Johann  von 
Schaunberg,  und  verschrieb  demselben  1423  April  18*  ein 
Heiratsgut  von  6000  Gulden  gegen  Verzichtleistung  auf  alle 
weiteren  Eh*bansprüche,  so  lange  männliche  Erben  aus  dem 
Hause  Walsee  vorhanden  wären.  Noch  vor  Jahresschluß^  ver- 
machte Reinprecht  IV.  dem  Grafen  Johann  von  Schaunberg 
die  Herrschaften  und  Festen  Ober- Walsee,  Tratteneck,  Egen- 
berg  und  Rutenstein,  herzogliche  Lehen,  und  Windeck,  Lehen 
vom  Bischof  von  Regensburg.  DafUr  setzte  ihn  Graf  Johann 
im  gleichen  Jahre '  zum  Verweser  seiner  Güter  und  der  Seinen 
ein,  falls  er  innerhalb  der  nächsten  zehn  Jahre  stürbe.  Dieses 
freundschaftliche  Verhältnis  zu  den  Schaunbergern  erhielt  sich 
von  da  ab  bis  zum  Aussterben  der  Walseer.  Andere  Bezie- 
hungen Reinprechts  IV.  von  Walsee,  die  zu  seinem  Schwager 
Ulrich   von  Rosenberg,   stehen   in   engem  Zusammenhange  mit 


*  InvenUr,  f.  76'. 

*  Urk.  1423  Mai  10;  Mitt.  d.  histor.  Vereines  f.  Steierm.  VUI,  171. 

*  Cod.  diplom.  Istriano  III. 

«  FBA.  XXXIX,  352;  da   1435  mit  den  Pfandschaften   auch  Mahrenberg 

an  den  Herzog  zurückfiel,  war  der  Streit  damit  zu  Ende. 
»  NB.U,  10.  «  Urk.  1423  Dezember  19;  NB.  II,  237. 

'  Urk.  1423  September  8;  NB.  II,  10. 


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438 

den  WechselfUllen  der  Hussitenkriege,  an  denen  der  Walseer 
unter  bedeutenden  Opfern  flir  Herzog  Albrecht  V.  teilnahm. 
Noch  im  Todesjahre  seines  Vaters  mußte  Reinprecht  IV. 
abermals  gegen  die  Hussiten  rüsten.  Da  Herzog  Älbrecht 
dem  E.  Siegmund  seine  Teilnahme  an  der  zu  unternehmenden 
Heerfahrt  zugesagt  hatte^  entbot  er  mit  den  Mächtigsten  unter 
dem  Hochadel  auch  Reinprecht  Ende  September  1422  zu  einer 
Beratung  darüber  nach  Wien.*  Dort  wurde  vereinbart,  daß 
das  Herr  sich  bis  Ende  Oktober  in  Waidhofen  an  der  Thaya 
sammeln  und  November  4  nach  Böhmen  aufbrechen  sollte. 
Durch  E.  Siegmund  kam  es  jedoch  diesmal  nicht  zum  beab- 
sichtigten Feldzuge. 

Auch  seinem  Schwager  Ulrich  von  Rosenberg,  dem  Haupt- 
gegner der  Hussiten  in  Südböhmen,  gewährte  Reinprecht  IV. 
alle  Unterstützung;  im  Jahre  1423  allein  lieh  er  dem  bedrängten 
Rosenberger  Summen  von  500  Gulden  ung.  und  1000  Äf/Ä.* 
Reinprechts  Burggraf  auf  seiner  Pfandschaft  Rosenberg,  Rein- 
precht von  Polheim,  suchte  sich  durch  ein  Bündnis'  mit  den 
benachbarten  Burggrafen  auf  Maschkowitz,  Hlawatze  und  &imau 
zu  schützen. 

Im  Jahre  1424  zog  Reinprecht  FV.  mit  seinen  Leuten 
nach  Mähren  und  focht  dort*  unter  dem  Grafen  Johann  von 
Schaunberg,  Herzog  Albrechts  Hauptmann,  gegen  die  Eetzer. 
Unter  dem  Eindrucke  der  1425  und  anfangs  1426  wiederholten 
Plünderungszüge  der  Hussiten  beschlossen  die  1426  April  21 
zu  Wien  zusammengetretenen  ober-  und  niederösterreichischen 
Stände  umfassende  Rüstungen.^  Schon  nach  wenigen  Tagen 
wurde  das  allgemeine  Aufgebot  erlassen  und  für  dessen  Orga- 
nisierung zweckdienliche  Bestimmungen  getroffen;  auch  die 
Landherren  boten  die  Ihrigen  auf  und  so  fitnd  sich  Rein- 
precht IV.  mit  600  Pferden  gleich  den  Reisigen  des  Schaun- 


»  Reinprecht  von  WaUee  weilt  1422   Oktober  6'  (Orig.  HHStA.)  daselbst; 

vgl.  Frieß,  Herzog  Albrecht  V.  und  die  Htmiten.  Gymnaa.-Progr.  Seiten- 

stetten  1883. 
*  Schuldscheine  von  1423  Januar  3  and  April  24;  Orig.  im  fUrstl.  Schwarsenb. 

Archiv  Wittingau. 
'  Urk.  1425  August  6;  Klimesch,  Bosenberg.  Chronik  100. 
^  Vgl.  Herzog  Albrechts  Schadlosbrief  an  Reinprecht  von  Walsee,  Olmfita 

14*24  August  20;  Kurz,  Österreich  unter  Albrecht  H.  (V.),  Bd.  H,  194. 
^  Kl.  Klosterneuburger  Chron.,  FRA ,  2.  Abt,  YU,  260;  Frieß,  a.  a.  O.  43. 


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439 

bergers  mit  dem  oberösterreichischen  Zuzüge  Ende  Juni  in 
Eggenburg  ein.  Doch  führte  der  Feldzug  nicht  zu  der  er- 
hofften Wiedereroberung  Lundenburgs;  die  verheerenden  Züge 
der  Hussiten  verwüsteten  neuerdings  Osterreich  nördlich  der 
Donau.  Als  am  12.  März  1427  ein  Heer  der  Taboriten  zum 
zweiten  Male  vor  Zwettl  erschien  und  die  Stadt  vergeblich  zu 
nehmen  suchte^  eilte  das  von  Herzog  Albrecht  aufgebotene  (Teer 
unter  der  Führung  Reinprechts  IV.  und  Leopolds  von  Krayg 
zum  Entsätze  heran.  Unter  den  Mauern  von  Zwettl  kam  es 
1427  März  25  zur  Schlacht.*  Nach  vier  Stunden  erbitterten 
Bingens  gelang  es  den  Österreichern^  sich  der  feindUchen 
Wagenburg  zu  bemächtigen  und  den  Gegner  in  die  Flucht  zu 
schlagen.  Als  sich  aber  die  Österreicher  bei  der  Plünderung 
der  erbeuteten  Wagen  zerstreuten  und  ihre  Ordnung  lösten^ 
erneuerten  die  Hussiten  den  Kampf  und  entwanden  ihren 
Gegnern  den  bereits  errungenen  Sieg.  Der  Verlust  der  Öster- 
reicher wird  auf  9000  Mann  beziffert.  Ungeheure  Beute,  dar- 
unter Banner  und  Siegel*  des  Walseers,  dessen  Sorglosigkeit 
Aeneas  Sylvius  den  Verlust  des  Tages  zuschreibt,  fielen  in  die 
Hände  der  Sieger.  Österreich  nördlich  der  Donau  ward  nun 
abermals  furchtbar  verheert,  so  daß  die  walseeischen  Schlösser 
daselbst,  wie  Aspem  an  der  Zaya,  Guntersdorf  u.  a.,  noch 
jahrelang  starke  Besatzungen  benötigten,'  um  sich  der  Hussiten 
zu  erwehren.  Auch  Reinprecht  IV.  erlitt  großen  Schaden  auf 
seinen  Gütern;  im  Mühl viertel  gingen  seine  Märkte  Haslach 
und  Leonfelden  in  Flammen  auf.*  Auch  sein  Schwager  Ulrich 
von  Rosenberg  war  wirtschaftlich  so  geschädigt,  daß  er  von 
Reinprecht  neuerliche  bedeutende  Darlehen  aufnehmen^  und  ihm 


*  Vgl.  Chron.  vet.  coli.  Prag.,  Höfler,  I,  89;  die  verlÄßliche  Kl.  Klosterneu- 
bnrger  Chron.,  «.  a.  O.  250;  Andreas  von  Begensbnrg,  Oefele,  SS.  Rer. 
Boicar.  I,  29  und  Aeneas  Sylvias,  Hist.  Bohem.  155  geben  Reinprecht 
Ton  Walsee  als  Führer  an. 

*  Das  1427 — 1429  Terrofene  Siegel  Reinprechts  ist  offenbar  bei  diesem 
Treffen  in  Verlust  gekommen;  vgl.  Chmel,  Gesch.  Friedrichs  IV.,  Bd.  I, 
175—176. 

*  Vgl.  die  Soldquittungen  1428  Mai  29,  1429  Juli  19;  Kop.  Linzer  Museal- 
archiv. 

*  Pritz,  Gesch.  des  Landes  ob  der  Ens  II,  104. 

*  Vgl.  den  Schuldschein  über  6333  ung.  Gulden,  1427  Juli  6;  Orig.  im 
ftirstl.  Schwarzenb.  Archiv  Krumau. 


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440 

für  2000  Goldgulden  1427  September  9^  die  Feste  Witting- 
hausen  verkaufen  mußte^  deren  Erwerbung  Reinprecht  wegen 
der  Nähe  Haslachs  und  Wachsenbei^s  umso  gelegener  kam. 
Auch  in  den  folgenden  Jahren  hat  Reinprecht  gegen  die  Hus- 
siten  weitergekämpft,*  doch  vermochten  weder  er  noch  seine 
Verweser,  die  ihn  darin  während  seiner  häufigen  Abwesenheit 
von  Oberösterreich  unterstützten,  auch  nur  das  seiner  Haupt- 
mannschaft  unterstehende  Land  ob  der  Ens  vor  dem  Gegner 
zu  schtltzen.  Es  gelang  ihm  zwar,  die  Emissäre,  welche  die 
Hussiten  nach  Oberösterreich  sandten,  wie  Christoph  Zeiringer,* 
oder  die  entlaufenen  Franziskanermönche  Johann  SparhackI 
und  Johann  Bostekh  von  Ralis,^  dingest  zu  machen,  wider- 
spenstige Lehensleute*  und  andere  Übeltäter  der  verdienten 
Strafe  zuzuführen*  und  so  die  Ordnung  in  den  weniger  be- 
drohten Landesteilen  aufrecht  zu  halten;  den  verheerenden  großen 
Einfällen  der  Hussiten  Einhalt  zu  gebieten,  dazu  reichten  Rein- 
prechts  Kräfte  nicht  hin. 

Mitten  in  diese  Jahre  fkllt  das  Bündnis  einiger  öster- 
reichischer Adeliger  mit  dem  reichbegüterten  österreichischen 
Landmarschall  Otto  von  Meissau,'  der,  wie  es  die  1429  vom 
Herzog  selbst  vor  den  Landherren  erhobene  Anklage  ausführt, 
hochverräterische  Verbindungen  unterhalten  haben  soll.  Zwar 
hatte  Reinprecht  IV.  das  schon  1395®  zwischen  den  Häusern 
Walsee  und  Meissau  abgeschlossene  Bündnis  erneuert,  zur  Be- 
kräftigung desselben  1425*  seine  jugendUche  Tochter  Elsbet 
mit  dem  gleichfalls  noch  ungevogten  Bernhard  von  Meissau 
verlobt  und  sich  Februar  23  gleichen  Jahres  zu  Linz  ver- 
pflichtet,^^ Otto  von  Meissau  und  dessen  beiden  Söhnen  mit 
allem  seinem  Vermögen  gegen  jedermann  beizustehen.  Auf- 
fällig ist,  daß  der  Herzog  darin  nicht  ausgenommen  erscheint 
Es   ist  überhaupt  schwer   zu   ergründen,  was  diese  Pläne  des 


'  NB.  II,  11.  •  Vgl.  Urk.  1428  April  19;  LB.  V,  r.  2636. 

»  Vgl.  die  Urfehde  1429  Mära  17;  Orig.  HHStA. 

*  Reyers  1429  Oktober  16;  Orig.  ebenda. 
6  Vgl.  die  Urfehde  von  1428;  NB.  I,  810. 

<»  Vgl.  die  Serie  von  Urfehden  von  1429;  Orig.  HHStA. 

^  Vgl.  POlzl,  Die  Herren  von  Meissau.     Blätter  des  Vereines  för  Lduides- 

knnde   von   NiederOsterreich   XV,    47  ff.,    und   Zeibig,    Des    Meissaaers 

Schuld  and  Strafe. 

•  Vgl.  S.  820.  •  Vgl.  die  Genealogie.  »«  Orig.  HHStA. 


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Meissaners  bezwecken  sollten,  und  fast  wahrscheinlicher,  daß  er 
Intrigen  des  ehrgeizigen  Ulrich  Eizinger  zum  Opfer  fiel,  einer 
Persönlichkeit,  die  jetzt  beim  Herzog  immer  größeren  Einfluß 
erlangte.  Zudem  war  ein  Bündnis  gegen  den  Habsburger  allen 
Überlieferungen  und  Interessen  des  Hauses  Walsee  geradewegs 
zuwider  und  damals  gänzlich  unbegründet;  bei  der  Persönlich- 
keit Reinprechts  IV.  wäre  es  vollends  undenkbar.  Sicher  ist 
zumindest,  daß  Reinprecht  beim  Sturz  des  Meissauers  in  keinerlei 
Zusammenhang  mit  diesem  gebracht  wurde. 

In  Oberösterreich  mußte  Reinprecht  IV.  damals  gegen  den 
unruhigen  Wiltpolt  von  Polheim  einschreiten,  dessen  Streitig- 
keiten er,  so  1425^  mit  dem  Erzbischof  Eberhard  von  Salzburg, 
schon  mehrmals  ausgeglichen  hatte.  Jetzt  setzte  der  Polheimer 
den  Kaspar  Geltinger,  dem  niederen  Adel  angehörig,  aus  un- 
bekannten Ursachen  auf  seinem  Schlosse  Wartenburg  bei  Vöckla- 
bruck  gefangen  und  weigerte  sich  trotz  wiederholter  Mahnungen 
des  Landeshauptmannes,  ihn  freizulassen.  Nun  zog  Reinprecht 
schließlich  vor  das  Schloß,  in  welchem  ein  dem  Polheimer  be- 
freundeter bairischer  Ritter  Matthes  Granß  von  Uttendorf  und 
der  Pfleger  Hans  Anhanger  mit  etlichen  Gesellen  und  Kriegs- 
leuten lagen.  Granß  übergab  endlich  1431  Juli  4*  die  Feste; 
Geltinger  gewann  seine  Freiheit  zurück,  die  Besatzung  sowie 
die  Gattin  des  Polheimers  erhielten  freien  Abzug  zugestanden. 
Reinprecht  von  Walsee  verpflichtete  sich  außerdem,  den  Pol- 
heimer vor  dem  Herzoge  wegen  seines  gemachten  Versprechens 
zu  vertreten,  den  Geltinger  nur  zu  seinen  Händen  ausliefern 
zu  wollen.  Andere  polheimische  Lehensleute,  wie  Jörg  Prei- 
singer  und  Lienhard  Kienberger,*  mußten  dem  Walseer  Urfehde 
schwören. 

Den  Bürgern  der  landesfllrstlichen  Städte  gegenüber  han- 
delte Reinprecht  IV.  keineswegs  so  glimpflich  und  nachsichtig. 
In  ihrem  Streite  mit  dem  walseeischen  Burggrafen  auf  Wachsen- 
berg mußten  sich  die  Linzer  Bürger  schUeßlich  1431  *  an  Herzog 
Albrecht  wenden.  Dabei  wurde  das  Bürgertum  vom  Adel  fort- 
während in  seinen  Handelsvorrechten  geschädigt;  so  ließ  Rein- 
precht IV.  selbst  über  Ottensheim  bairisches  Salz  anstatt  des 

*  ürk.  1425  Mai  20;  Orig.  HHStA. 

*  Preuenhuber,  Ann.  Btjr.  476;  JBMFC.  XVII,  49  setzen  irrig  1434. 
»  Urk.  1431  Juni  7;  LB.  V,  r.  2988. 

*  Urk.  1431  Mai  4;  NB.  HI,  406. 


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herzoglichen  in  das  Mtihlviertel  gehen  ^  und  die  Bürger  der 
untertänigen  Märkte  wie  Leonfelden  ungestört  Handel  treiben. 
Griffen  die  Städter  einmal  zu  und  ahndeten  sie  solche  Über- 
tretungeU;  dann  genügte  wohl  zumeist  ein  Schreiben  Reinprechts 
oder  seines  Verwesers,  um  die  Bürger  nachgiebig  zu  machen, 
die  es  sich  mit  dem  mächtigen  Herrn  nicht  allzusehr  verderben 
wollten.* 

Gleichzeitig  geriet  Reinprecht  IV.  auch  im  Süden  in  einen 
erbitterten  Streit  mit  dem  Domkapitel  von  Triest.  Als  dieses 
1433  bei  der  Besetzung  der  Pfarre  Domegg  (Temova)  Rein- 
prechts Schützling  Marino  di  Los  ablehnte,  war  jener  keines- 
wegs gewillt,  sich  sein  Patronatsrecht  verkürzen  zu  lassen.  Ejt 
ließ  die  Sache  beim  Papste  in  Rom  sowie  bei  dem  Konzil  in 
Basel  betreiben,  doch  ohne  Erfolg.  So  zogen  sich  diese  Streitig- 
keiten durch  Jahrzehnte  hin.' 

Die  Beziehungen  des  Kaisers  Siegmund  zu  Reinprecht  IV. 
gestalteten  sich  allerdings  nicht  mehr  so  lebhaft  wie  zu  dessen 
Vater;  immerhin  aber  konnte  Reinprecht  seine  guten  Dienste 
als  Hauptmann  ob  der  Ens  gegen  die  in  Hader  und  Zwist 
liegenden  bairischen  Herzoge  tun,  so  bereits  1425^  und  noch- 
mals, als  durch  das  Vorgehen  des  Herzogs  Ludwig  von  Baiem- 
Ingolstadt  gegen  den  Bischof  von  Passau  ^  Herzog  Albrecht 
sich  zum  Schutze  des  letzteren  veranlaßt  sah.^ 

Wie  sehr  K.  Siegmund  seit  dem  Tage,  da  ihm  Rein- 
precht n.  kühn  entgegentrat  und  nun  auch  unter  Reinprecht  IV. 
die  Walseer  begünstigte  und  seiner  Huld  vergewisserte,  und 
zugleich  die  ganze  Stellung  des  auf  der  höchsten  Stufe  seines 
Ruhmes  stehenden  Hauses  zeigt  die  bedeutsame  Tatsache,  daß 
K.  Siegmund  1434  Oktober  20^  zu  Preßburg  Reinprecht  IV. 
den  Blutbann  auf  allen  seinen  Gerichten  in  Osterreich, 
Steiermark,    Krain,    Kärnten,    auf   dem  Karst   und   im 


^  Vgl.  die  Beschwerde  des  Gmtmdener  Amtmannes  1432;  Kop.  Linser  Mnseal- 
archiT. 

*  Vgl.  das  Schreiben  des  Verwesers  Hans  Walch   1434  April  4  und  Rein- 
prechts Ton  Walsee  1437  Juni  5  an  die  Freistidter;  Kopie  ebenda. 

'  Vgl.  Hortis,  Documenti. 

^  VgL  Altmann,  Reg.  Imperii,  r.  6311. 

(^  Urk.  1433  Juni  38;  MonomenU  Boica  XXXI*   232. 

•  Vgl.  Altmann,  a.  a.  O.,  r.  10311:  Urk.  1434  AprU  28. 

^  Schwind-Dopsch,  Urk.  zur  Verfassnngsgesch.  Österreichs,  336. 


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Isterreich  verlieh.  Wir  erfahren  nicht,  wie  sich  Herzog  Al- 
brecht dazu  verhielt,  dem  in  gleicher  Weise  die  Begünstigung 
der  Cillier  und  Schaunberger  durch  den  Kaiser  aus  denselben 
Beweggründen  unmöglich  gleichgültig  sein  konnte. 

Es  kann  schwerlich  einem  Zweifel  unterliegen,  daß  damit 
bereits  ein  wichtiger  Schritt  auf  dem  Wege  historischer  Ent- 
wicklung getan  schien,  auf  dem  sich  andere  Geschlechter  des 
österreichischen  Hochadels,  so  die  Schaunberger  und  vor  allem 
die  Grafen  von  Cilli,  auslebten.  Ob  auch  die  Herren  von  Wal- 
see dieses  Ziel  erreichen  sollten,  blieb  der  Zukunft  überlassen; 
sie  hat  es  ihnen  versagt. 

Der  Gründe  dafür  mögen  mehrere  sein,  vor  allem  das 
schon  1483  erfolgte  Aussterben  des  Hauses,  das  seit  Rein- 
prechts  H.  Tode  keinen  Mann  von  dessen  Bedeutung  mehr 
hervorbrachte.  Dazu  waren  die  Verhältnisse  einer  solchen  Ent- 
wicklung fortab  nicht  weiter  günstig.  In  wirtschaftlicher  Be- 
ziehung läßt  sich  kein  Aufschwung  mehr,  sondern  vorerst  ein 
Stagnieren  und  seit  Reinprechts  IV.  Tode  sogar,  wie  in  Öster- 
reich in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  überhaupt, 
ein  immer  rascherer  Niedergang  wahrnehmen.^ 

Indes  schnitt  bereits  der  Tod  K.  Siegmunds  (f  1437)  alle 
derartigen  Möglichkeiten  ab.  Die  Habsburger,  bei  denen  von 
nun  an  die  deutsche  Krone  verblieb,  konnten  doch  nie  und 
nimmer  gewillt  sein,  in  ihren  eigenen  Landen  eine  solche  Ent- 
wicklung der  Dinge  selbst  zu  unterstützen,  um  sich  etwa  da- 
mit schließlich  einen  Gegner  zu  schaffen. 

Als  Haupt  und  einziger  männlicher  Sprosse  des  Hauses 
hat  Reinprecht  IV.  seine  junge  Schwester  Barbara*  an  den 
Grafen  Nikla  Frangipani  zu  Veglia  und  Modrusch  verheiratet 
—  eine  Verbindung,  die  das  mächtigste  Adelsgeschlecht  am 
Quarnero,'  die  Nachbarn  Fiumes  auf  kroatischer  Seite,  an  die 
Walseer  kettete.  Gegen  ein  Heiratsgut  von  6000  Goldgulden 
verzichtete  Barbara   1438   Oktober  8*  zu  Linz  auf  alle  Erb- 


'  Der  walseeische  Besitz  war  swar  entschieden  größer  als  der  der  Schaunberger 

und  anderer,  bildete  aber  nirgends  eine  größere  geschlossene  Masse  und 

lag  weithin  zerstreut. 
*  Gewiß  nach  K.  Siegmnnds  Qattin  so  benannt.     Der  Name  findet  sich 

dann  neben  Reinprecht  und  Wolfgang  hänfig  bei  walseeischen  Lehens- 

lenten  und  Hintersassen. 
»  Vgl.  Klaiö:  Krökri  Knezovi  Frankapani,  Agram  1901.  *  NB.  U,  12. 

ArehiT.  XCV.  Band.  II.  Hilft«.  30 


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444 

ansprüche  gegen  ihren  Bruder;  ihre  Mitgift  hatte  der  Graf  be- 
reits September  15^  gleichen  Jahres  mit  9000  Goldgulden  auf 
den  Herrschaften  Basan  und  zum  Ribnik  in  Kroatien  widerlegt. 

Die  Heimsteuer  seiner  Gattin  Katharina  von  Rosenberg 
hat  Reinprecht  IV.  im  Jahre  1431  auf  den  Festen  Seuseneck 
und  Hoheneck  und  auf  dem  Dorfe  Rossatz  mit  herzoglicher 
Genehmigung*  und  auf  der  Feste  Viehofen  mit  Bewilligung 
Bischof  Lienhards  von  Passau'  angewiesen. 

Nach  seines  Vaters  Tode  erbte  Reinprecht  IV.  fast  dessen 
gesamten  Besitz.  Nur  die  Leibgedinge  und  vereinzelte  Lehen 
gelangten  an  den  Herzog  zurück;  die  Pflegen  zu  Wolfs  eck 
und  Starhemberg  am  Hausruck  waren  wohl  schon  zu  Leb- 
zeiten Reinprechts  U.  bereits  wieder  in  fremden  Händen.  So 
kommen  nach  Reinprechts  H.  Tode  die  Lehen  Sitzendorf 
und  Spielberg,  der  Satz  auf  Lengbach,  ferner  Rotenfels 
mit  Ober-Wölz  außer  Sicht. 

Reinprecht  IV.  hat  diese  Verluste  durch  neue  Erwerbungen 
einigermaßen  wettgemacht  und  auch  die  Ansprüche,  welche 
Stephan  von  Hohenberg*  sowie  Rudolf  von  Scherfenberg^  auf 
das  gesamte  Erbe  des  1400  verstorbenen  Ulrich  IV.  von  Wal- 
see-Enzesfeld  erhoben  hatte,  erfolgreich  zurückgewiesen.  Im 
großen  und  ganzen  aber  sehen  wir  die  frühere  fortwährende 
Vermehrung  des  walseeischen  Besitzes  allmählich  in  ein  Stag- 
nieren übergehen.  Die  entschieden  wachsenden  Erfordernisse 
suchte  man  durch  genauere  Verrechnung  und  eine  Vermehrung 
der  Untertanenlasten  hereinzubringen;  diese  wurden  von  den 
Untertanen  als  drückende  Beschwer  empfunden,  ohne  den 
Grundherren  eine  ausgiebige  Abhilfe  zu  bieten.  Für  die  Wal- 
seer  waren  allgemach  die  Zeiten  vorbei,  wo  sich  die  Mittel  zu 
größeren  Erwerbungen  erübrigen  ließen. 

Abgesehen  von  den  beiden  rosenbergischen  Herrschaften 
Rosenberg  und  Wittinghausen,*  deren  wir  bereits  gedachten, 


'  BeitrXge  nur  Kunde  steierm.  Gesohichtsquellen  XXX,  181. 
»  Urk.  1431  Februar  4;  NB.  H,  812;  LB.  V,  r.  29S8. 

*  Urk.  1431  April  29;  WSt.  603. 

*  Urk.  1428  September  8;   LB.  V,  r.  2686;    1429   Juli    23;    Kop.  Linser 
MusealarchiT. 

»  Urk.  1431  Januar  21;  NB.  II,  12. 

*  Zu   diesen   gehörte    auch    der    untertänige   Markt   Friedberg;    Tgl.  das 
Schreiben  1442  Februar  3;  Kop.  Linaer  Musealarchiv. 


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445 

machte  Reinprecht  immerhin  noch  einige  nicht  anbedeutende 
Erwerbungen. 

Weniger  in  Öberösterreich;  dort  arrondierte  er  seine  Herr- 
schaft Ober- Walsee  durch  den  Ankauf  eines  Gutes  am  Anger 
von  Rueger  dem  Gneuzzer^  und  eines  Gutes  im  Schlag  von 
Andre  Herleinsperger,*  freier  Eigen  in  der  Pfarre  Feldkirchen. 
Auch  zu  Swans  (Schwanenstadt)  brachte  Reinprecht  einige 
kleinere  Güter  in  den  Jahren  1422  und  1425^  an  sich. 

Größere  Erwerbungen  wurden  in  Niederösterreich  gemacht, 
die  sich  meist  an  den  großen  walseeischen  Besitz  im  VOWW. 
anschlössen.  So  erkaufte  Reinprecht  1426*  von  Hertneid  von 
Liechtenstein-Nikolsburg  den  Burgstall  und  das  Urbar  zu  Alten- 
hofen.^  Herzog  Albrecht  V.,  der  den  Walseer  1428*  zum  Vogt 
des  Klosters  Garsten  ernannt  hatte,  übertrug  ihm  im  folgenden 
Jahre'  auch  die  Vogtei  der  Pfarrkirchen  St.  Leonhard  im  Forst • 
und  Scheibbs  sowie  die  des  Klosters  Mauerbach.  Vom  Mark- 
grafen Friedrich  von  Brandenburg  erhielt  Reinprecht  1429* 
eine  ganze  Anzahl  von  Gütern  um  Blindenmarkt  an  der 
Ips  sowie  die  Maut  und  das  Urfahr  von  Mautern  verliehen. 
Außerdem  erscheint  Reinprecht  1428^®  im  Besitze  des  Amtes 
(Herrschaft?)  Wocking,  dessen  Erwerbungszeit  nicht  be- 
kannt ist. 

In  der  Steiermark  überließ  Herzog  Ernst  dem  Walseer 
1423  Juni  29^^  die  beiden  ihm  verpfilndeten  Festen  Wachsen- 
eck gegen  eine  Aufgabe  von  6000  Goldgulden  als  Leibgedinge, 
während  wir  sonst  seine  Tätigkeit  hier  nur  an  den  zahlreichen 
Lehenbriefen  verfolgen  können.  Der  Entfernung  halber  hatte 
Reinprecht  in  der  Steiermark,  wo  er  nicht  mehr  als  landsässig 
galt,^*  seit  1428  einen  eigenen  Anwalt.^^   In  diesen  Jahren  ließ 


>  Urk.  1423  Oktober  15:  Orig.  StAEferding. 

«  Urk.  1426  Juni  6;  Orig.  ebenda. 

'  Urkk.  1422  September  22,  1425  Januar  2;  Orig.  ebenda. 

•  Urkk.  1426  Juli  28;  NB.  H,  10;  1427  Juni  4;  Orig.  StAEferding. 
^  Bei  St.  Valentin,  Östlich  Ton  Ena. 

•  Pritz,  Gesch.  des  Landes  ob  der  Ena  H,  715.  '  LB.  V,  r.  2710. 

•  Südlich  Ton  Melk.  •  NB.  II,  311. 

"  Vgl.  die  Quittung  1428  November  6;  Orig.  Linzer  Musealarchiv. 

"  LB.  V,  r.  2128,  2129. 

"  Vgl.  HHStA.,  Kod.  107,  f.  80'. 

"  Vgl.  Urk.  1428  April  19;  LB.  V,  r.  2636. 

30* 


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446 

er  seine  beiden  steirischen  Festen  Ober-Marburg*  und  Riegers- 
burg  wieder  in  guten  Bauzustand  versetzen. 

Auf  seinen  Tibeiner  Gütern  veriehnte  er  1431*  an  Lien- 
hart  Wolf  die  Feste  Gerdassel  und  das  halbe  Kastell  Corsan 
(Gherdoselo  und  Chersani),   nördlich   von  Mitterburg  gelegen. 

Dagegen  gelangten  seit  Reinprechts  11.  Tode  keine  landes- 
fürstlichen Pfandschaften  mehr  an  dessen  Sohn^  obwohl  dieser 
den  Herzogen  noch  wiederholt^  so  laut  Schuldschein  von  1433 
März  18'  Herzog  Friedrich  der  Altere  mit  einer  Sonime  von 
3000  ungarischen  Gulden,  aushalf. 

An  die  Stelle  der  Walseer  war  dort  allmählich  der  be- 
kannte Ulrich  von  Eizing  als  Geldgeber  getreten.^  Rein- 
precht  n.  von  Walsee  selbst  hatte  den  jungen  Baiem  in  seine 
Dienste  genommen  und  wider  den  Schecken^  und  andere  Wege- 
lagerer verwendet.  Der  Walseer  rtlstete  ihn  ftlr  den  Hof  Herzog 
Albrechts  aus;  dort  brachte  er  sich  mit  Glück  empor  und  wurde 
nach  dem  Tode  des  herzogUchen  Hubmeisters  Berthold  von 
Mangen  dessen  Nachfolger  in  diesem  einträglichen  Amte.  Rasch 
kam  er  zu  Geltung  beim  Herzog  und  zu  großem  Pfandbesitz 
—  zum  tiefen  Verdruß  des  österreichischen  Hochadels,  der 
Walseer,  Schaunberger,  Puchheimer  und  vieler  anderer. 

Zudem  lief  jetzt  der  Termin  der  an  Reinprecht  H.  im 
Jahre  1407  auf  28  Jahre  versetzten  zahlreichen  Herrschaften 
ab,  die  nun  zum  größten  Teile  an  Herzog  Albrecht  zurück- 
kamen; was  davon  in  Inner-Osterreich  lag,  fiel  an  Herzog 
Friedrich  den  Jüngeren.*  So  wurden  die  Pfandschaften  Mahren- 
berg' und  die  Stadt  Windischgraz  in  der  Steiermark,  in 
Osterreich  vor  allem  Wachsenberg®  mit  Ottensheim,  die 
seit  1331  walseeisch  gewesen  waren,  Frankenburg,  Puch- 
heim    und    Attersee,    Seusenburg,    die    Grafschaft    Peil- 


'  Vgl.  die  Qnittangen  1434  Jali  21;  Kop.  Linser  MnsealarchiY  and  1430 
August  23;  Kop.  ebenda. 

*  Inventar,  f.  48.  »  LB.  V,  r.  3808. 

^  Vgl.  die  Schrift  gegen  Eizinger,  NB.  VII,  231  ff.,  und  Krones,  österrei- 
chische  Gesch.  II,  333. 

'^  Der  Burggraf  von  Steier,  mit  dem  Reinprecht  1410 — 1413  yerfeindet  war. 

'  Vgl.  Urk.  1435  Mai  5;  Schwind-Dopsch,  Urk.  zur  Verfassungsgesch.  Öster- 
reichs, 338,  Zeile  29—31. 

*  Dort  kam  es  noch  1435  Januar  6  wegen  der  Vogtei  am  Remscknik  sa 
einem  Vergleiche  (Orig.  StAEferding). 

«  1436  durch  die  Schallenberger  gel(Sst. 


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447 

stein^  seit  1316  walseeisch,  die  Feste  Freienstein/  femer 
Falkenstein  und  Neuburg*  am  Inn  im  Jahre  1435  an  die 
Herzoge  zurückerstattet  oder  abgelöst  und  waren  seitdem  in 
fremdem  Besitz;  auch  die  übrigen  in  den  Pfandschaftsurkunden 
von  1407  und  1416  genannten  Herrschaften  dürften  ihnen  als- 
bald gefolgt  sein.' 

Es  steht  zweifelsohne  mit  der  Rücklösung  dieser  Pfand- 
scbaften  in  Zusammenhang;  daß  Reinprecht  IV.  —  gleichsam 
als  Ersatz  daftlr  —  nach  längeren  Unterhandlungen*  1435  die 
Stadt  und  Herrschaft  St.  Polten  um  20.641  Gulden  und  3175Äf^ 
vom  Bischof  Leonhard  von  Passau  erkaufte^  der  sich  darauf 
das  Rücklösungsrecht  vorbehielt.  Im  gleichen  Jahre  löste  Rein- 
precht IV.  auch  von  Georg  von  Auersperg  dessen  Satz  von 
1520  Gulden  auf  dem  herzogUchen  Salzamte  zu  Gmunden  ab.  ^ 

Trotzdem  bedeutete  der  Wegfall  der  Pfandschaften^  der 
die  ganzen  Besitzverhältnisse  des  Hauses  Walsee  umgestaltete^ 
in  vieler  Hinsicht  einen  finanziellen  Entgang  wie  eine  Einbuße 
an  Einfluß;  die  sich  schwer  wieder  wettmachen  ließen. 

2.  Beinpreohts  lY.  spätere  Lebenszeit  und  Ende,  wirtschaftliche 
Stagnation  seit  der  Kücklösung  der  Ffandschaften. 

An  der  raschen  Entwicklung  mannigfacher  politischer  Er- 
eignisse, die  sich  in  Osterreich  seit  dem  Tode  K.  Siegmunds 
vollzog,  nahm  auch  Reinprecht  IV.  von  Walsee  einen  tätigen 
und  nicht  unbedeutenden  Anteil. 

Von  Ungarn  aus,  dessen  Krone  Herzog  Albrecht  sich  nun 
errang,  ernannte  er  1438  *  zu  Ofen  auch  Reinprecht  von  Wal- 
see, seinen  Hauptmann  ob  der  Ens,  unter  den  bevollmächtigten 
Regierungsverwesem  flir  Ober-  und  Niederösterreich,  die  wäh- 
rend seiner  Abwesenheit  mit  der  Verwaltung  des  Landes  be- 
traut wurden.     Damals  suchte  die  Witwe  K.  Siegmunds,  Bar- 

*  Für  diese  fünf  Herrschaften  vgl.  HHStA.,  Kod.  Suppl.  1167,  f.  9. 
'  Darob  die  Oberheimer  gelOst. 

^  Allein  das  in  der  Urk.  von  1416  genannte  Pemstein  blieb  walseeischy 
da  es  in  ein  Erblehen  umgewandelt  worden  war. 

*  Vgl.  Urk.  1434  Januar  23,  Regesta  Boica  XIII,  281;  Schweickhardt, 
VOWW.  I,  287.  Die  Angabe  bei  Hansiz,  German.  Sacra  I,  536  ist  dar- 
nach riohtigzuBtellen. 

^  Vgl.  Wissgrill,  Schauplatz  etc.  I,  230. 
«  Kurz,  Albrecht  II.,  Bd.  II,  253. 


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448 

bara^  erfolglos  durch  Ulrich  von  Rosenberg  *  auf  Reinprecht 
einzuwirken^  den  E.  Albrecht  zu  größerer  Milde  gegen  sie  zu 
bestimmen^  während  andererseits  Herzog  Friedrich  der  Jüngere 
den  Walseer  gegen  Friedrich  von  Cilli  aufirief.*  Im  Sommer 
1438  zog  Reinprecht  an  der  Spitze  der  Oberösterreicher  mit 
E.  Albrecht,  der  inzwischen  auch  zum  deutschen  Eönig  erw^t 
worden  war,  nach  Prag.  Dort  wohnte  er  mit  dem  Schaun- 
berger  und  dem  Grafen  von  Cilli  der  1438  Juni  29  •  im  St  Veits- 
dome zu  Prag  erfolgten  Erönung  Albrechts  zum  Eönig  von 
Böhmen  bei.  Von  Prag  brach  Reinprecht  alsbald  mit  den 
Seinen  auf,  um  mit  E.  Albrecht  gegen  die  bei  Tabor  stehenden 
Polen  und  Utraquisten  ins  Feld  zu  rücken.  Als  sich  hier  die 
Heere  ohne  Erfolg  gegenübertraten,  führten  Reinprecht,  Ulrich 
von  Rosenberg  und  der  Schaunberger  als  königUche  Abgesandte 
Unterhandlungen  mit  den  Polen,  die  sich  indes  nach  zwei- 
tägiger Dauer  1438  August  1^  zerschlugen.  Ende  Oktober 
leistete  Reinprecht  seinem  Eönige  bereits  wieder  auf  einem 
Zuge  nach  Schlesien  Gefolgschaft  und  erhielt  dafür  1438  von 
Albrecht  einen  Schadlosbrief  ^  ausgestellt.  Da  Ende  1438 
zwischen  E.  Albrecht  und  Wladislaw  von  Polen  bereits  eine 
Waffenruhe  eintrat,  machte  sich  Reinprecht  auf  den  Heimweg 
und  traf  um  Neujahr  1439*  bereits  wieder  in  Linz  ein. 

In  diesem  Jahre  wurde  endlich  die  Hochzeit  ftü*  Rein- 
prechts  Tochter  Barbara  mit  ihrem  Verlobten,'  dem  Grafen 
Bernhard  von  Schaunberg,  zugerüstet;  Barbara  erhielt  ein  Hei- 
ratsgut von  3000  Gulden,  für  das  sie  1439  August  10^  auf  alle 
weiteren  Erbansprüche  verzichtete.  Da  die  Vermählungsfeier 
im  August  1439  —  wohl  zu  Linz  —  stattfand,'  konnte  Rein- 
precht IV.  dem  E.  Albrecht  nicht  das  Geleite  auf  seinem  Zuge 


^  Vgl.  daa  Schreiben  des  Alei  yon  Stemberg  an  den  Rosenberger,  1438 

Febraar;  ArchiT  öesky  II,  8. 
■  1438;  InTentar,  f.  44;  Tgl.  auch  Gubo,  Graf  Friedrich  H.  von  CiUi,  Cillier 

Gjmnaa.-Progr.  1888/9,  8.  9—12. 
'  Bartoaoh  tod  Drahonic,  Fontes  Remm  Bohemioarom  Y,  621. 

*  Vgl.  den  Geleitsbrief  für  Reinprecht  Ton  Walsee,  1438  August  31 ;  Archiv 
eeskj  m,  462;  Paladkj,  Gesch.  Böhmens  m,  819. 

»  Urk.  1438  November  9;  LB.  V,  r.  4072. 

*  Vgl.  Urk.  1439  Januar  7,  Lins;  Kop.  Linser  Musealarchiv. 

'  Seit  1423  bereits;  Tgl.  die  Genealogie.  *  Orig.  StAEferding. 

*  Vgl.  das  Schreiben  Johanns  von  Schaunbeig  an  Ulrich  von  Roseabeif, 
1439  August  15;  Steinhausen,  PriTstbriefe  des  Mittelalters  40. 


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449 

nach  Ungarn  geben,  von  dem  dieser  tüchtige  Herrscher  nicht 
mehr  heimkehren  sollte.  Allgemein  war  die  Trauer  um  den 
frühen  Tod  des  Königs,  der  auch  ftlr  den  Walseer  einen 
schmerzlichen  Verlust  bedeutete. 

K.  Friedrich,  der  nun  durch  ein  halbes  Jahrhundert  unter 
wechselvollen  Schicksalen  die  Geschicke  Österreichs  lenkte, 
hat  den  letzten  Walseer  überlebt,  wie  so  viele  seiner  Zeit- 
genossen. Ihm  gegenüber  befanden  sich  Reinprecht  IV.  und 
nachmals  dessen  Söhne  bereits  in  wesentlich  veränderter  Lage. 
Seit  dem  Aussterben  der  Linie  Walsee-Graz  (1363)  waren  die 
Beziehungen  der  Herren  von  Walsee  zu  Innerösterreich  und 
den  dort  herrschenden  Leopoldinern  trotz  der  tibeinischen  Erb- 
schaft zurückgetreten  gegenüber  den  Interessen  des  Hauses  in 
Ober-  und  Niederösterreich  und  der  treuen  und  reich  belohnten 
AnhängUchkeit  der  Walseer  an  die  albrechtinische  Linie  der 
Habsburger.  Dazu  immerhin  die  Erinnerung  an  die  Walseer 
Fehde  mit  Herzog  Ernst!  So  war  Reinprecht  IV.  und  sein 
Haus  dem  K.  Friedrich  fast  fremd  geblieben,  der  jetzt  als  Ver- 
weser und  Vormund  des  Ladislaus  Posthumus  auch  über  Oster- 
reich gebot.  Sah  sich  Reinprecht  IV.  schließlich  gleich  an- 
deren durch  einen  Ulrich  Eizinger  aus  der  Nähe  des  verstor- 
benen K.  Albrecht  II.  verdrängt,  so  umgaben  K.  Friedrich  IV. 
eine  Anzahl  steirischer  Günstlinge,  die  ,steirische  Weisheit',  wie 
sie  Aeneas  Sylvius  anzüglich  nennt.*  Überdies  war  Rein- 
precht rV.  auch  schwerlich  der  Mann,  sich  unter  den  obwalten- 
den Verhältnissen  zur  Geltung  zu  bringen. 

Immerhin  befand  sich  Reinprecht  IV.  unter  den  Häuptern 
der  gut  albrechtinisch  gesinnten  österreichischen  Stände,  die 
sich  mit  K.  Friedrich  in  der  Perchtoldsdorfer  Tagung  1439 
November  13*  auseinandersetzten,  K.  Friedrich  als  Verweser, 
Gerhaben  (falls  E.  Elisabeth  eines  Sohnes  genesen  sollte)  und 
Regenten  in  Osterreich  anerkannten  und  die  Ansprüche  ab- 
wiesen, welche  Friedrichs  jüngerer  Bruder  Erzherzog  Al- 
brecht VI.  alsbald  auf  die  Vormundschaft  erhob.  So  wurde  er 
K.  Friedrich  eine  Stütze  gegen  den  Anhang  Eizingers,  zumeist 
aus  niederen  Adeligen  bestehend,  die  auf  den  ständischen  Ta- 
gungen das  große  Wort  führten.  Daher  kam  es,  daß  Rein- 
precht IV.  auf  dem  Wiener  Landtag  Ende  November  1440,  als 


1  Vgl.  Krones,  Österr.  Gesch.  II,  326.  »  Huber,  Gesch.  Österr.  III,  18. 

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450 

ihn  der  König  znm  Landmarschall  vorschlug,  zurückgewiesen 
und  an  seiner  Statt  Hans  von  Ebersdorf  von  den  Ständen  als 
solcher  begehrt  wurde.  ^ 

Im  Jahre  1440  waren  durch  das  Ableben  BViedrichs  von 
Pettau  und  Ottos  von  Meissau  zwei  der  hervorragendsten  öster- 
reichischen Adelsgeschlechter  erloschen,  beide  den  Walseem 
verschwägert.  Nach  dem  Vermächtnis  des  Pettauers  fielen, 
dem  Testamente  Ulrichs  IV.  von  Walsee-Drosendorf-Enzesfeld 
von  1400  Januar  28  *  gemäß,  die  beiden  Festen  Gleichenberg 
und  Weinburg  in  der  Steiermark,  mit  welchen  K.  Friedrich 
1440  April  22'  Reinprecht  VT.  von  Walsee  zu  Wien  belehnte, 
sowie  in  Niederösterreich  das  freie  Eigen  Schloß  Enzesfeld^ 
zurück.  Andererseits  gelangte  Reinprecht  IV.  durch  den  letzten 
Willen  Ottos  von  Meissau  in  den  Besitz  des  Oberst-Erbmar- 
schallamtes in  Osterreich,  mit  welchem  er  nun  vom  Könige 
1440  Dezember  19  *  zu  Wiener-Neustadt  belehnt  wurde.  Auch 
scheint  ihm  Otto  von  Meissau  die  Feste  Engelstein,  südöst- 
lich von  Weitra,  testiert  zu  haben,  die  sich  1442*  und  weiterhin 
noch  1453^  in  walseeischem  Besitze  findet. 

Im  Vereine  mit  dem  Bischof  von  Passau,  dem  Schaun- 
beider  und  dem  Maidburger  war  Reinprecht  so  im  Einverneh- 
men mit  dem  Könige  sowie  mit  Ulrich  von  Rosenberg,*  dem 
Vertreter  der  Sache  des  kleinen  Ladislaus  in  Böhmen,  für  den 
jungen  Herzog  und  dessen  Mutter,  die  Königinwitwe  Elisabeth, 
tätig.  Im  Frühling  1442  gab  er  dem  König  das  Gleleite  auf 
dem  Krönungszuge  in  das  Reich. ^  In  Nürnberg,  wohin  man 
über  Salzburg,^®  Innsbruck  und  Augsburg  gekommen  war, 
setzte  K.  Friedrich  1442  Mai  9**  24  Landesverweser  fftr 
Österreich  ein,  unter  ihnen  Reinprecht  IV.  von  Walsee,  dem 
er  gleichzeitig  einen  Schadlosbrief  für  alle  Ausgaben  in  diesem 


^  Chmel,  Gesch.  Friedrichs  lY.,  Bd.  II,  SS. 

«  Orig.  HHStA.;  vgl.  S.  387.  »  Orig.  StAEferding. 

*  Vgl.  Urk.  1440  Dezember  13;  Chmel,  Materialien  z.  Gesch.  Friedrichs  IV., 
r.  301. 

^  Ebenda,  r.  184.  ^  Urk.  1443  April  24;  Inventar,  f.  5'. 

'  Urk.  1453  MXrz  23;  ebenda,  f.  4. 

"  Vgl.  das  Schreiben  der  Königin  Elisabeth,   1442  April  13;  Quellen  n. 
Forschangen  s.  vateri.  Gesch.  (Wien  1849)  219. 

*  Äneas  Silvias,  Ep.  51. 

^"^  Vgl.  Urk.  1442  M&rz  1;  Kop.  Linier  Mosealarchiv.  ^  Orig.  HHStA. 


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451 

Dienste  erteilte.^  Der  Walseer  trennte  sich  darauf  von  dem  König; 
er  zog  nach  Osterreich  zurück  und  weilte  in  den  ersten  Junitagen 
bereits  wieder  in  Wien,  wo  neuerliche  Verhandlungen  mit  der 
Königinwitwe  Ordnung  in  die  Verhältnisse  bringen  sollten.* 

Traurige  Zustände,  verursacht  durch  eine  heillose  Ver- 
wirrung der  Finanzen,  brachen  nun  über  Osterreich  herein. 
Söldnerführer,  denen  ihre  Rückstände  nicht  beglichen  werden 
konnten,  sowie  Leute  vom  Adel  wie  Ulrich  Eizinger*  sagten 
dem  König  ab  und  zogen  im  Lande  umher,  anarchische 
Zustände  verbreitend.  Jörg  von  Stein,  der  später  eine  so 
bedeutende,  aber  wenig  verdienstvolle  Rolle  spielte,  plünderte 
bereits  damals  in  Niederösterreich  und  verübte  Erpressungen 
an  walseeischen  Untertanen.*  Das  Zerwürfnis  Reinprechts  mit 
Ulrich  Eizinger  wurde  durch  K.  Friedrich  1443  August  13^ 
zu  Wiener-Neustadt  beigelegt.  Vergebens  suchten  die  Landes- 
verweser all  diesem  Unwesen  zu  steuern;  auf  den  Landtagen 
vermochten  sich  die  in  diesen  Jahren  mehrmals,  aber  fruchtlos 
versammelten  österreichischen  Stände  nicht  über  die  Ansätze 
der  zu  bewilligenden  Steuern  zu  einigen. 

Auch  im  Lande  ob  der  Ens,  mit  dessen  Verwaltung  Rein- 
precht  von  Walsee  betraut  war,  hielten  die  verzweifelten  Zu- 
stände des  allenthalben  von  Fehden  und  Räubereien  heimge- 
suchten Landes  an.  So  wurden^  die  zum  Linzer  Jahrmarkt 
fahrenden  Budweiser  Tuchmacher  trotz  ihres  vom  Verweser 
Reinprechts  ausgestellten  Geleitsbriefes  von  Hans  von  Starhem- 
berg,  der  ihrer  Stadt  abgesagt  hatte,  bei  Qallneukirchen  ge- 
fangen genommen.  Sie  wurden  indes  gegen  Lösegeld  frei- 
gelassen, da  Reinprecht  sich  nun  als  Hauptmann  ob  der  Ens 
ins  Mittel  legte,  umsomehr,  als  sich  Ulrich  von  Rosenberg  ^  bei 
seinem  Schwager  für  sie  verwendete. 


1  Chmel,  Reg.  Frid.  IV,  r.  611. 

*  Vgl.  Beinprechts  Schreiben  ans  Wien,  1448  Joni  2;  Kop.  Linzer  Mnseal- 
archiy. 

*  Mit  diesem  glich  sich  K.  Friedrich   noch  Ende   1441   wieder  aus;   vgl. 
Haber,  österr.  Qesch.  U,  78. 

*  Vgl.  den  Bericht  des  walseeischen  Pflegers  za  Stronsdorf,   1444  Mai  31; 
Kop.  Linzer  Masealarchiy. 

^  Topographie  von  NiederOsterreich  ü,  93. 

*  Vgl.  LB.  VI,  r.  43;  Chmel,  Gesch.  Friedrichs  IV.,  Bd.  II,  263. 

^  Vgl.  das  Dankschreiben  der  Badweiser  an  denselben,  1444  April  2;  Orig. 
Wittingaa. 


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452 

Im  Sommer  1444  geleitete  Reinprecht  K.  Friedrich  auf 
den  Reichstag  zu  Nürnberg.  Von  dort  ans  wurde  er  mit  den 
Bischöfen  von  Augsburg,  Chiemsee  u.  a.  an  den  Dauphin  ab- 
gesandt,^  als  die  schlimmen  Nachrichten  von  dem  Einfalle  der 
Armagnaken  in  den  Sundgau  eintrafen.  Ihnen  schlössen  sich 
auch  zwei  vom  Konzil  zu  Basel  abgesandte  Kardinäle  an.  Die 
Verhandlungen,  welche  sie  1444  September  1  mit  dem  Dauphin 
zu  Altkirch  fllhrten,  blieben  ohne  Ergebnis  und  so  kehrten  sie 
mit  dessen  Beauftragten  nach  Nürnberg  zum  König  zurück. 

Kurz  vorher  *  war  vom  Basler  Konzil  Reinprecht«  Anrecht 
auf  das  Patronat  der  Eorche  St.  Georg  zu  Gonobitz  anerkannt 
worden,  für  welche  er  dem  Konzil  einen  Lambert  Rukhendorfer 
als  Pfarrer  präsentiert  hatte.' 

Im  folgenden  Jahre  1445  gestalteten  sich  die  Dinge  in 
Osterreich  noch  verworrener,  zumal  da  jetzt  die  Thronfrage  in 
Böhmen  und  Ungarn  durch  das  Ableben  K.  Wladislaws  bren- 
nend wurde,  der  seinen  Tod  auf  der  Wahlstatt  zu  Vama  ge- 
funden hatte  (1444  November  10).  Reinprecht  verhandelte  in 
Gemeinschaft  mit  dem  Schaunberger  Ende  April  1445^  neuer- 
lich zu  Wien  über  die  Aussichten  K.  Ladislaus  in  Böhmen. 
Zu  dem  Kriege  gegen  die  nach  Niederösterreich  und  Steier- 
mark eingefallenen  Ungarn  streckte  Reinprecht  bedeutende 
Summen  ftir  den  aufgelaufenen  Sold  vor;  am  Lichtmeßtage 
1445^  wies  ihn  der  König  mit  600^/^  ausgelegten  Soldes  an 
die  Stadt  Linz  und  verpfändete  ihm  1445  Mai  24®  ftlr  weitere 
schuldige  4000  Dukaten  die  Herrschaften  Freistadt,  Kam- 
mer und  Attersee  in  Oberösterreich.  Im  August  dieses  Jahres 
stand  Reinprecht  an  der  Spitze  des  obderensischen  Zuzuges^ 
sowie  mit  dem   Aufgebote    der   walseeischen   Herrschaften   in 


^  Vgl.  die  Chronik  Heinrichs  von  Beinheim,  Basler  Chroniken  V,  361. 

>  Urk.  1444  Jnni  6;  Quellen  z.  Gesch.  d.  Stadt  Wien  I,  r.  186. 

»  Mitt.  d.  histor.  Vereines  f.  Steierm.  VIII,  176. 

*  Vgl.  das  Schreiben  K.  Friedrichs  1445  März  27  und  das  Kaspar  Schlicks 

1445  April   13;  Orig.  im  fürstl.  Schwarzenberg.  Archiv  Wittingaa   und 

Archiv  «esky  II,  408. 
»  Muchar,  Gesch.  d.  Steierm.  VHI,  320. 
'  Chmel,  Reg.  Friderici,  r.  1915.  Beinprechts  von  Walsee  Revers  darüber 

1445  August  2;  Orig.  HHStA. 
^  Vgl.  das  Schreiben  an  die  Freistädter,  1445  August  2,   ,im  Felde  bei 

Baumgarten'  (bei  Marchegg);  AÖG.  XXXI,  323. 


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453 

Niederösterreich  *  gegen  die  Ungarn  im  Felde  an  der  March^ 
wo  Pangratz  von  Halicz  einen  förmlichen  Ränberstaat  geschaffen 
hatte.  Da  Reinprecht  und  seine  Amtsgenossen,  die  von  K. 
Friedrich  1442  eingesetzten  Verweser  über  Osterreich,  sich 
ganz  außer  Stande  sahen,  mit  den  ihnen  zu  Gebote  stehenden 
Mitteln  ihrer  Aufgabe  gerecht  zu  werden,  legten  sie  schließlich 
1445  ihr  Amt  in  die  Hände  des  Königs  zurück.  Die  Geldnot 
K.  Friedrichs  nötigte  Reinprecht  zu  neuen  Darlehen;  1446 
August  2*  wurden  ihm  auf  den  Satz  von  BVeistadt,  Kammer 
und  Attersee  neuerdings  3000  Äf.Ä  geschlagen. 

Daneben  stand  Reinprecht  IV.  von  Walsee  gleich  dem 
Schaunberger  und  dem  Bischof  von  Passau  durch  seinen  Schwa- 
ger Ulrich  von  Rosenberg  in  diesen  Jahren  auch  der  albrech- 
tinisch  gesinnten  Partei  in  Böhmen  nahe'  und  unterhielt  mit 
dem  bekannten  Kanzler  Kaspar  Schlick  und  anderen  eifrigen 
Verkehr.  Noch  näher  stand  ihm  Bischof  Leonhard  von  Passau, 
der  sich  z.  B.  1446*  an  den  der  Verhältnisse  kundigen  Walseer 
wandte,  ihm  über  Hofnachrichten  berichtete  und  seiner  Bitte, 
ihm  solche  zukommen  zu  lassen,  zwei  Armbrüste  fttr  die  Jagd 
als  ein  Zeichen  seiner  Freundschaft  beifügte. 

Unterdessen  hatte  im  Süden  der  Streit  Reinprechts  mit 
dem  Domkapitel  von  Triest  um  das  Pfarrpatronat  von  Ter- 
nova  fortgedauert.^  Die  Entscheidung  über  die  Frage  der 
Pfarrpatronate  wurde  schließUch  dem  Bischof  Martin  von  Piben 
(Pedena)  übertragen;  als  derselbe  aber  1444  Vikar  des  Patriar- 
chates von  Aquileia,  und  zwar  für  den  Nachfolger  des  Alexan- 
der von  Masovien,  den  Bischof  Lorenz  von  Gurk  wurde,  wandten 
sich  die  zur  Obedienz  Eugens  IV.  gehörigen  Triestiner  gegen 
Martin  als  Anhänger  des  Basler  Konzils.  Als  Aeneas  Sylvius 
auf  dem  bald  darauf  verwaisten  Triestiner  Bischofssitze  eintraf, 
standen  die  Dinge  schlimm  genug;  die  Leute  des  Walseers,  der  ge- 
rüstet und  Söldner  angeworben  hatte,  ^  befanden  sich  in  hellem 

'  Vgl.  Reinprechts  Schreiben  an  seinen  Amtmann  zu  Gleuss,  1445  Okto- 
ber 25;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

'  Vgl.  Reinprecht«  Schreiben  an  seinem  Amtmann  zu  Gleuß  1445  Okto- 
ber 25 ;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

»  Vgl.  Archiv  6e8ky  HI;  50,  XII,  412. 

^  Schreiben  1446  August  5;  Chmel,  Materialien,  I,  56;  Tgl.  auch  das  Schreiben 
1443  Januar  6;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

»  Vgl.  Hortis,  Documenti  XXXI  ff.  und  Pichler,  a.  a.  O.  254—256. 

*  Vgl.  die  Soldquittungen  1448  Nov.  30,  Des.  22;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 


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454 

Kriegszustände  mit  der  Stadt.  E^  gelang  dem  gewandten 
Manne  indes^  Ordnung  zu  schaffen;  1449^  kam  eine  Eänigung 
zwischen  Reinprecht  IV.  von  Walsee^  dem  Bischof  und  der 
Stadt  durch  den  Ausspruch  K.  Friedrichs  zustande. 

Auch  mit  Venedig  stand  Reinprecht  auf  freundschaftlichem 
Fuße,  umsomehr  als  der  Doge  Francesco  Foscari*  seinen  Leuten 
Handelserleichterungen  für  die  Einfuhr  nach  der  Lagunenstadt 
zugestand. 

Reinprecht  IV.  von  Wabee  war  noch  in  den  Jahren 
1447 — 1449  auf  den  Landtagen  der  österreichischen  Stände  tatig. 
Gerade  im  letzten  Jahrzehnte  hatte  sich  seine  Persönlichkeit 
immer  mehr  entfaltet  und  so  war  allmählich  der  unter  Herzog 
Albrecht  V.  an  Ulrich  Eizinger  verlorene  Einfluß  nahezu  wieder 
zurückgewonnen  worden.  Da  starb  der  erst  etwa  43jährige 
Mann  in  der  Blüte  seiner  Jahre  1450  März  10*  und  wurde  bei 
seinen  Vorfahren  zu  Sensenstein  bestattet. 

Er  hat  noch  eine  Stiftung  des  1400  verstorbenen  Ulrich  IV. 
von  Walsee-Drosendorf-Enzesfeld  ausgeführt  und  dem  Kar- 
täuserkloster Mauerbach  für  einen  Jahrtag  zu  Ulrichs  Seelenheil 
1436*  einen  Hof  zu  Riedental  übergeben.  Reinprecht  IV.  selbst 
beschenkte  1425^  das  Kloster  Sensenstein  mit  einer  Hube  zu 
Matichbach;  er  stiftete  sich  femer  mit  genannten  Zehenten  1427* 
ein  tägliches  Amt  in  der  Pfarrkirche  zu  Aspam  und  widmete 
schließlich  dem  Krainer  Kloster  Sittich  1448^  zur  Abhaltung  von 
zwei  Jahrtagen  sein  Haus  neben  der  St.  Niklaskirche  zu  Laibach. 

Seinen  Besitzstand  hat  Reinprecht  IV.  in  seinen  späteren 
Jahren  nicht  mehr  zu  vergrößern  vermocht.  Allerdings  fiel 
ihm,  wie  bereits  erwähnt,  das  pettauische  Erbe,  Enzesfeld, 
Gleichenberg  und  Weinburg,  sowie  von  dem  letzten  Meissauer 
Engelstein  zu.    Dagegen  war  er  1438®  gezwungen,  seine  Herr- 

^  Urkk.  1449  Man  15;  Chmel,  MateriaHen  I,  2491;  449  September  26,  Cod. 

dipl.  Istriano  III. 
«  ürk.  1442  November  27,  Cod.  dipl.  Istriano  HI.      »  Vgl.  die  Genealogie. 

*  Urkk.  1432  Januar  16;  NB.  HI,  406  und  1486  Joli  4;  Orig.  StAEferdiog. 
"  Urk.  1426  Juni  7;    Blätter  des  Vereines   für  Landeskunde  Yon   Nieder- 
österreich X,  151. 

«  Urk.  1427  Januar  27;  Maurer,  Oesch.  des  Marktes  Aspam  369. 

*  Urk.  1448  November  12;  Orig.  StAEferding. 

^  Vgl.  Falke,  Gesch.  des  Hauses  Liechtenstein  I,  462;  Rutenstein,  nicht 
Gutenstein  —  das  gar  nicht  walseeisch  war  —  wie  sich  auch  aus  der 
HiniufÜgung  von  Weißenbach  ergibt 


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465 

Schaft  Rutenstein  samt  Weißenbach  an  Christoph  von  Liechten* 
stein- Nikoisburg  zu  versetzen  —  seit  mehr  denn  einem  Menschen- 
alter wieder  der  erste  derartige  Fall  im  Hause  Walsee.  Doch 
Tvnrde  die  Herrschaft  bald  wieder  eingelöst  und  befand  sich 
1444^  1450  ff.  wieder  in  walseeischem  Besitze.  Durch  den 
Spruch  K.  Friedrichs  von  1443  August  13*  ging  auch  die 
Herrschaft  Asparn  gegen  eine  Geldentschädigung  in  den  Pfand- 
besitz Eizingers  über. 

Das  altwalseeische  Guntersdorf  kam  1448'  (satzweise) 
an  Kaspar  von  Rogendorf  von  Pöggstall.  Überdies  veräußerte 
Reiaprecht  1450'  seine  ftreieigene  Herrschaft  Ebers dorf,  doch 
ohne  die  rittermäßigen  Lehen,  an  den  Wiener  Bürger  Hans 
Zötl.  Wie  es  scheint,  hatte  Reinprecht  auch  das  passauische 
Amt  Zeiselmauer  innegehabt,  das  er  dann  etwa  1440^  an 
Bischof  Leonhard  zurückstellte. 

Daneben  können  wir  andererseits  mancher  kleiner  Er- 
werbungen gedenken,  so  einer  Mühle  ^  zu  Swans  (Schwanen- 
stadt)  von  einer  Geuman  oder  eines  Hofes  zu  Lindham  bei 
Walding*  in  der  Herrschaft  Ober- Walsee  und  von  Liegen- 
schaften zwischen  Linz  und  der  Traun,  die  Reinprecht  IV. 
1438'  von  einer  Sinzendorferin  erwarb.  Mit  dem  Kämlhofe 
(Pfarre  Hörsching)  und  dem  Zehent  zu  Ensdorf  wurde  er  1447  ® 
von  der  Äbtissin  Ebbeth  von  Erlakloster  belehnt. 

In  Niederösterreich  erwarb  der  Walseer  Güter  zu  Sleuntz, 
mit  denen  er  1440*  von  K.  Friedrich  belehnt  wurde,  sowie 
1443*0  um  120  «f  ^  Güter  zu  Hargensee. 

Der  Lehenbrief,  den  K.  Friedrich  1443  November  16"  auf 
Reinprecht  IV.  über  die  Feste  Marburg  ausstellte,  sowie  über 
den  niederen  Turm  zu  Riegersburg,  führt  uns  auch  die  sonstigen 
Reste  an  landesftLrstlichen   Lehen   der  Walseer  in  der  Steier- 


*  Topographie  von  Niederösterreich  11,   93;    1480  scheint  das  Schloß  im 
Besitze  des  Hans  Gradner  gewesen  zn  sein. 

«  Schweickhardt,  a.  a.  O.  VUMB.  H,  203. 

•  WSt.  602.  *  Inventar,  f.  68' 

<^  Urk.  1444  Dezember  19;  Orig.  StAEferding. 
<^  Urk.  1450  Mftrz  7;  Orig.  ebenda. 
'  Urk.  1438  April  19;  LB.  V,  r.  3884. 

•  Urk.  1447  Mai  13;  Orig.  StAEferding. 

*  Urk.  1440  Dezember  27;  Orig.  StAEferding. 

^®  Urk.  1443  Jnni  25;  Kop.  Linzer  Mosealarchiv. 

^^  Beiträge  znr  Kunde  steierm.  Geschieh tsqnellen  XXXU,  345. 


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456 

mark  vor;  sie  waren  auf  wenige  Gülten,  Güter  und  Häuser  zu 
Eibiswald,  Wildon  und  Windischgraz  herabgesunken. 

Infolge  des  Ablebens  Reinprechts  IV.  fielen  nun  dessen 
Leibgedinge,  die  steirische  Herrschaft  Wachseneck^  und 
Rabenstein  in  Niederösterreich,  an  den  Herzog  zurück. 

Der  Tod  Reinprechts  IV.  bedeutete  abermals  einen 
schweren  Verlust  fiir  das  Haus  Walsee.  Reinprecht  hinterließ 
zwar  von  seiner  Witwe,  der  Rosenbergenn  Katharina,  neben 
einer  Tochter  Agnes,  der  Gattin  des  Grafen  Bernhard  von 
Schaunberg,  zwei  bereits  gevogte  Söhne,  Wolfgang  V.  und 
Reinprecht  V.;  es  war  aber  nun  eine  Frage,  ob  diese  beiden 
unerfahrenen  Jünglinge  den  Traditionen  ihrer  Vorfahren  folgen, 
vor  allem  aber,  ob  ihnen  männliche  Leibeserben  beschert 
würden.  Und  wirklich  sank  mit  Reinprecht  V.,  der  nur  eine 
Tochter  hinterließ,  bereits  der  letzte  aus  dem  altehrwürdigen 
Hause  ins  Grab. 


JX.  Abschnitt. 
Wolfgang  V.  und  Reinprecht  V.  von  Walsee.  (1450—1483.) 

1.  Die  beiden  Brüder  unter  K.  Ladislaus;  wirtschaftlicher 
Niedergang. 

Das  Erbe,  welches  die  beiden  Söhne  Reinprechts  IV.  von 
Walsee  überkamen,  umfaßte  noch  immer  einen  Besitz,  dem  sich 
im  gesamten  Hochadel  Österreichs  wenig  an  die  Seite  stellen 
ließ.  Standen  die  Herren  von  Walsee  auch  im  Range  den 
Grafen  von  Schaunberg  und  von  Maidburg  nach,  so  galten  sie 
dafiir  nach  dem  Zeugnisse  eines  Aeneas  Sylvius*  mit  Recht  ftlr 
umso  reicher  und  mächtiger  durch  ihren  Einfluß. 

Es  waren  zwei  grundverschiedene  Naturen,  die  jetzt  die 
Schicksale  ihres  Hauses  lenken  sollten.  Wolfgang  V.,  der  Al- 
tere, ehrgeizig,  neuen  Gedanken  leicht  zugänglich  und  nicht 
schwer  zu  gewinnen,  dabei  voll  Mutes  und  ein  unternehmender 
Kopf.  In  seinem  stolzen  Selbstbewußtsein  entfaltete  er  gern 
seinen  Reichtum  und  gefiel  sich  in  der  Rolle  des  großen  Herrn. 


*  Urk.  1450  April  22;  Chmel,  Reg.  Frid.,  r.  2616. 

•  Hist.  Frid.,  c.  14. 


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457 

Was  verschlag  es,  wenn  seine  Qüterj  deren  Ertrag  sich  gerade 
jetzt  eher  verringerte,  die  großen  Summen  für  den  prunkvollen 
Haushalt,  sein  Schlemmerleben  und,  was  ihm  wirtschaftlich 
wohl  am  teuersten  zu  stehen  kam,  sein  Eintreten  fUr  den  gleich 
verschwenderischen  Erzherzog  Albrecht  VI.  nicht  aufzubringen 
vermochten! 

Wie  anders  sein  jüngerer  Bruder  Reinprecht  V.,  der,  wie 
es  scheint,  nicht  von  fester  Gesundheit  war.  Hinter  der  blen- 
denden Erscheinung  seines  Bruders  trat  er  weit  zurück  und 
hielt  bedächtig  und  zähe  an  sich,  als  Wolfgang  V.  sich  voll 
und  ganz  dem  rasch  pulsierenden  politischen  Leben  jener 
Jahre  hingab.  Anfangs  versuchte  sein  wirtschaftlicher  Sinn, 
die  übermäßigen  Ausgaben  seines  Bruders  wieder  wettzumachen; 
als  er  aber  sah,  daß  er  dabei  im  Nachteile  blieb,  nahm  er 
alsbald  mit  Wolfgang  V.  eine  Güterteilung,  die  letzte  des  wal- 
seeischen  Besitzes,  vor. 

K.  Friedrich  hatte  nach  Reinprechts  IV.  von  Walsee  Tode 
die  Hauptmannschafi  ob  der  Ens  mit  dem  Grafen  Johann 
von  Schaunberg  besetzt.  Die  beiden  Brüder,  denen  nur  ihre 
Erbämter  geblieben  waren,  welche  Wolfgang  V.,  als  dem  Alteren, 
zukamen,^  hielten  sich  daher  vorerst  im  Jahre  1450  meist  am 
Hofe  K.  Friedrichs  auf,  der  ihnen  wohlwollend  entgegen- 
kam. Dort  verlieh  der  König  zwar  1450  April  22*  an  Wolf- 
gang V.,  als  den  älteren  Bruder,  den  Blutbann  auf  allen  seinen 
Gerichten,  doch  mit  Vorbehalt  der  österreichischen  Lehenschaft. 
Bald  darauf  nahm  indes  K.  Friedrich  die  Gelegenheit  wahr 
und  sicherte  sich  von  den  beiden  Walseem  im  Wiener-Neu- 
städter Übereinkommen  1450  Dezember  6,'  worin  auch  mehrere 
anderweitige  Forderungen  abgetan  wurden,  das  Zugeständnis, 
daß  das  hohe  Gericht  auf  allen  den  Herrschaften,  wie  es 
Herzog  Albrecht  V.  seinerzeit  an  Reinprecht  II.  von  Walsee 
verliehen  hatte,  an  den  Landesfürsten  zurückfallen  sollte,  falls 
die  beiden  Walseer  ohne  männliche  Leibeserben  mit  Tod  ab- 
gingen. Sei  es,  daß  der  bedächtige  K.  Friedrich  dies  als 
eine   Etappe    zu    weiteren    Zusicherungen    betrachtete,    durch 


^  Vgl.  das  Schreiben  Reinprechts  von  Walsee  an  seinen  Bmder,  das  Mar- 
schallsiegel betreffend,  1450  Mai  23;  Kop.  Linzer  Masealarchiy. 
»  Chmel,  Reg.  Frid.,  r.  261 B. 
'  Chmel,  Materialien  zur  Gesch.  Friedrichs  I,  331. 


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458 

welche  er  das  hohe  Gericht  wieder  ganz  an  sich  bringen 
wollte,  oder  daß  er  an  den  Fall  etwaiger  Beerbang  durch  die 
zunächststehenden  Schaunberger  dachte,  jedenfalls  hat  er  im 
Interesse  des  Landesfbrstentums  damit  die  Möglichkeit  einer 
Weiterentwicklung  nach  der  seinerzeit^  angedeuteten  Seite  hin 
vorweggenommen. 

Mittlerweile  bereiteten  sich  auf  österreichischem  Boden 
neue  Verwicklungen  vor.  Der  ehrgeizige  Ulrich  Eizinger  und 
sein  anfangs  kleiner  Anhang  wühlten  im  Lande  herum  in  der 
Absicht,*  die  Unzufriedenheit  über  die  Herrschaft  K.  Fried- 
richs auszunützen  und  sich  dann  eine  ähnliche  Stellung  in 
Osterreich  zu  schaffen,  wie  sie  etwa  Hunyady  oder  Podiebrad 
in  den  Nachbarländern  innehatten  —  Pläne,  die  sich  am  leich- 
testen während  der  bevorstehenden  Romfahrt  K.  Friedrichs 
verwirklichen  ließen.  Keine  gerechte  Sache,  einzig  Ehi^eiz  und 
Eigennutz  trieben  Eizinger  und  die  Seinen  in  ihr  Beginnen. 
Was  sollte  die  Forderung,  den  erst  zehnjährigen  Ladislaus  aus 
der  Vormundschaft  zu  entlassen,  anderes  bezwecken,  als  den 
Knaben  selbst  in  die  Hand  zu  bekommen,  um  damit  zur  Macht 
zu  gelangen!  Allerdings  hatte  der  König  dadurch  Anlaß  zur 
Unzufriedenheit  gegeben,  daß  er  Ladislaus  außer  Landes  hielt 
—  und  ebensowenig  mochte  es  ihm  in  Osterreich  Sympathien 
eintragen,  wenn  er  allerwärts  den  Senioratsgedanken  durch- 
blicken ließ.'  Man  war  nun  einmal  den  steirischen  Leopoldinem 
in  Osterreich  nicht  besonders  zugetan. 

Wenn  die  Brüder  von  Walsee  auch  an  den  Tagungen 
von  Mailberg*  und  Wolkerstorf  noch  nicht  teilgenommen  hatten, 
so  blieben  sie  doch  nicht  ohne  Beziehungen  zu  dieser  Be- 
wegung, die  rasch  immer  mehr  anschwoll.  Sie  traten  anfangs 
Dezember  1451  mit  K.  Friedrich  den  Römerzug  an  und 
kamen  mit  ihm  bis  nach  St.  Veit  in  Kärnten,  wo  man  das 
Weihnachtsfest  feierte.   Unter  dem  flindrucke  der  Nachrichten 


»  Vgl.  8.  443. 

*  Vgl.  Chmel,  Gesch.  Friedrichs  IV.  II,  640  and  Haber,  Gesch.  Öster- 
reichs n,  81. 

»  Vgl.  Zeißberg,  AÖG.  LVIII,  45  ff. 

*  Das  Siegel  Wol^angs  V.  von  Walsee  an  der  Mailberger  Urknnde  ist  erst 
sp&ter  darangehängt;  vgl.  Chmel,  Gesch.  Friedrichs  IV.,  Bd.  II,  640  ff. 
Ende  Oktober  nrknndet  Wol%ang  V.  in  Prem  auf  seinen  Tibeiner  Herr- 
schaften, dann  in  der  Steiermark  November  14  aaf  Schloß  Weinbnrg, 
November  17  auf  Riegersbnrg. 


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459 

aus  Osterreich  ließ  sich  hier  auch  Wolfgang  V.  von  Walsee 
—  ohne  Zweifel  war  er  der  Treibende — umstimmen.  Er  ent- 
wich mit  seinem  Bruder  aus  St.  Veit  und  kehrte  nach  Hause 
zurück;^  ein  Schreiben  an  den  Kaiser  suchte  ihr  Verhalten  zu 
rechtfertigen.  Wolfgang  V.  und  sein  Bruder  wurden  nun  mit 
dem  Cillier  und  Schaunberger  Eizingers  wichtigste  Bundes- 
genossen. Mit  Unrecht  verglich  Eizinger  in  Wien  Ende  1451 
die  Sachlage  mit  den  Verhältnissen  von  1411^  wo  Reinprecht  II. 
von  Walsee  den  jungen  Albrecht  V.  der  Vormundschaft  ent- 
rissen hatte.  Nicht  warmer  Patriotismus  und  Abwehr  gegen 
Ungesetzlichkeit,  nur  der  Ehrgeiz  und  die  sichere  Voraussicht, 
daß  beim  Umsturz  der  Verhältnisse  für  sie  ein  Erkleckliches 
abfallen  werde,  haben  des  großen  Reinprecht  II.  kleinere  Enkel 
bestimmt,  K.  Friedrich  den  Rücken  zu  kehren. 

Bei  seiner  Rückkunft  nach  Osterreich  fand  Wolfgang  V. 
von  Walsee  die  Bewegungspartei  in  voller  Tätigkeit.*  Der 
Wiener  Landtag  von  1451  Dezember  12  hatte  in  Nieder- 
österreich ihre  Sache  zur  herrschenden  gemacht  und  auch  im 
Lande  ob  der  Ens  sagten  die  dortigen  Stände  dem  König  als 
Regenten  und  Vormund  auf  dem  Welser  Landtage  Mitte 
Januar  1452  den  Gehorsam  auf,  die  Cillier  schlössen  sich  gleich- 
falls der  Bewegung  an,  die  durch  den  Bund  von  1452  März  5,* 
an  welchem  sich  die  ungarischen  Stände,  die  beiden  Cillier  und 
die  österreichischen  Stände,  unter  ihnen  Wolfgang  von  Walsee, 
beteiligten,  feste  Gestaltung  gewann.  Nun  empfing  dieser  bereits 
einen  Teil  seines  Lohnes;  Eizinger,  der  sich  schon  ganz  als 
Regent  Österreichs  fiihlte,  bedachte  ihn  mit  der  Hauptmann- 
schaft ob  der  Ens,*  die  bisher  der  Schaunberger  versehen 
hatte. 

Was  half  es,  daß  Papst  Nikolaus  alle  die  Verbündeten 
mit  dem  Banne  bedrohte:^  sie  kehrten  sich  so  wenig  daran 
wie  an  die  Schreiben,  welche  der  Kaiser  aus  Italien  in  die 
Heimat  abgehen  ließ.  Dabei  herrschten  das  Jahr  1452  hin- 
durch in  Osterreich  fast  anarchische  Zustände.   Die  Verbündeten 


»  Vgl.  Aeneas  Sylvias,  Hiat.  Frid.,  c.  228. 

*  Vgl.  Huber,  Gesch.  Österreichs  II,  82—84. 

'  Cbmel,  Materialien  zur  Gesch.  Friedrichs  IV.,  Bd.  I,  374. 

*  Seit  Mftrz  1452  ist  Wol^ang  von  Walsee  als  Hauptmann  ob  der  Ens  be- 
nrknndet;  vgl.  die  Genealogie. 

^  1452  April  4;  Chmel,  Materialien  zur  Gesch.  Friedrichs  IV.,  Bd.  11,  4. 
ArchiT.  XCV.Band.  II.  U&lft«.  31 


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460 

Eizingers,  wie  die  Walseer^  welche  allenthalben  auf  ihren  Herr- 
schaften in  Österreich  Dienstleate  nnd  Mannschaften  aufboten,^ 
befehdeten  sich  mit  dem  dem  K.  Friedrich  noch  treagebliebenen 
Teile  des  Adels;  eine  Episode  aus  diesen  Kämpfen,  die  den 
Wabeem  manchen  Verlust  brachten,  hat  uns  Aeneas  Sylvias' 
überliefert.  Auch  auf  den  steirischen  Herrschaften,  wo  man 
vor  den  Kaiserlichen  auf  der  Hut  sein  mußte,  zeigten  sich  die 
Folgen  dieser  Vorgänge.  Auf  die  Mahnungen  des  Kaisers  hin 
verließen  walseeische  Pfleger,  wie  Daniel  von  Kolnics  auf 
Gonobitz,^  den  Dienst  ihres  Herrn  und  hielten  es  mit  der 
Gegenseite. 

Während  Wolfgang  V.  von  Walsee  allenthalben  in  diese 
Vorgänge  tätig  eingriff,  hauste  unterdessen  Reinprecht  V.  ruhig 
bei  seiner  erkrankten  Mutter  auf  Schloß  Nieder -Walsee,  von 
wo  er  1452  Februar  16'  seinem  Bruder  über  sie  berichtet,  daß 
sie  ,etwas  plod  ist,  aber  es  bessert  sich  vast^ 

Die  Untätigkeit  des  Kaisers,  der  erst  1452  Juni  20  in 
Wiener-Neustadt  eintraf,  ließ  den  Verbündeten  vollends  fireies 
Feld.  Die  Truppen  Eizingers,  der  Cillier,  Schaunbei^er,  Wal- 
seer,^  Kuenringe  u.  a.  nahmen  zuerst  das  von  den  Kaiserlichen 
gehaltene  Schloß  Ort  im  Marchfeld  und  zogen  nun  eilends 
gegen  Wiener-Neustadt,  das  ihrem  unvermuteten  Angriffe  kaum 
zu  widerstehen  vermochte.  Bei  der  nun  folgenden  Belagerung 
der  Stadt  erlitt  das  walseeische  Fähnlein,  das  aus  böhmischen 
Söldnern  bestand,  imter  dem  Geschützfeuer  der  Verteidiger 
starke  Verluste.^ 

Obgleich  die  Sache  des  Kaisers  keineswegs  verzweifelt 
stand  und  bedeutende  Verstärkungen  im  Anmärsche  waren, 
gab  er  doch  dem  Drängen  seiner  Gegner  nach.  In  übereilter 
Weise  ging  er  mit  den  Verbündeten  Unterhandlungen  ein  und 
lieferte  den  jungen  Ladislaus  noch  vor  der  Ausfertigung  der 
Vertragsurkunde  1452  September  4*  dem  Grafen  Ulrich  von 
Cilli  aus.     Nominell  wurde  der  dreizehnjährige  Ladislaus  jetzt 


'  Vgl.  das  Schreiben  des  walseeischen  Pflegen  eq  Attersee  1452  Juli  3; 
Kop.  LiDzer  Mnsealarchiv. 

*  Ebenda. 

'  Vgl.  dessen  Schreiben  an  die  Brüder  von  Walsee  1452  Juli  14,  ebenda. 

*  Vgl.  Blätter  des  Vereines  für  Landeskunde  von  NiederOsterreich  XXm,  65. 
'  Vgl.  Aeneas  Sylvias,  a.  a.  O.,  c.  382. 

*  Ebenda  213;  vgl.  Haber,  österr.  Gesch.  III,  88—90. 


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461 

allerdings  för  großjährig  angesehen,  in  Wahrheit  aber  befand 
er  sich  natürlich  Yollkommen  in  den  Händen  der  Verbündeten^ 
die  sich,  wie  Wolfgang  V.  von  Walsee,  weigerten,  den  Ver- 
trag mit  dem  Kaiser  zu  siegeln,  und  kein  Bedenken  trugen, 
ihn,  als  von  den  Ereignissen  überholt,  einfach  außer  acht  zu 
lassen. 

Nun  war  Wolfgang  von  Walsee  insbesondere  diplomatisch 
tätig.  Bald  nach  Neujahr  1453  reiste  er  im  Interesse  des 
Herzogs  Ladislaus  nach  Brunn,  um  die  Mährer  für  diesen  in 
Eid  zu  nehmen.^  Nachdem  er  im  Frühling  nach  Oberöster- 
reich zurückgekehrt  war,  zog  er  im  Sommer  dieses  Jahres 
abermab  nach  Brunn  an  den  Hof  K.  Ladislaus.'  Von  hier 
aus  trat  er  nebst  Bischof  Johann  von  Olmütz  und  zwei 
anderen  Abgesandten  des  Königs  in  Krakau  mit  Kasimir  von 
Polen  K.  in  Unterhandlungen,  deren  Ergebnis  das  1454  abge- 
schlossene Ehebündnis  desselben  mit  K.  Ladislaus'  Schwester 
Elsbeth  war. 

Vorerst  war  der  ehrgeizige  Ulrich  Eizinger  durch  den 
Grafen  Ulrich  von  Cilli  gänzlich  in  den  Hintergrund  gedrängt 
worden;  auch  die  Grafen  von  Schaunberg  hatten  ihren  Vorteil 
bei  dem  jungen  Könige  wahrgenommen.  Eizinger  gab  indes 
die  Hoffnung  nicht  auf,  den  vielgehaßten  Cillier  von  der  Seite 
des  Königs  zu  verdrängen.  Insgeheim  wußte  er  K.  Ladislaus 
gegen  ihn  einzunehmen  und  1453  September  28  wurde  der 
ahnungslose  Cillier  vom  König  in  Ungnaden  entlassen. 

Die  nächsten  Wochen  brachten  Eizinger  an  sein  Ziel: 
der  junge  König  wurde  dazu  vermocht,  auf  dem  Wiener  Land- 
tage anfangs  November  1453'  die  Regierung  Österreichs  bis 
zu  seinem  zwanzigsten  Lebensjahre  den  Ständen  zu  über- 
lassen, die  einen  Rat  von  zwölf  Männern  zu  diesem  Behufe 
einsetzten.  Sogleich  konnte  Graf  Johann  von  Schaunberg* 
1453  November  6  seine  Zustimmung  zu  diesem  Abkommen  fdr 
sich,  seinen  Sohn  Bernhard  und  Wolfgang  V.  von  Walsee  er- 


'  Vgl.  Wol%aDg8  y.  Sehreiben  an  seinen  Brader  1463  Dezember  31,  Wien; 
Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

*  Vgl.  Klimesch,  Rosenberger  Chronik  124  and  Palacky,  Urkundl.  Beitr. 
zar  Qesch.  Böhmens  im  Zeitalter  K.  Georgs  von  Podiebrad  68. 

»  LB.  VI,  r.  1846,  1847. 

*  Denkschriften  der  Wiener  Akad.  der  Wissensch.  Xu,  829. 

31* 


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462 

klären,  der  seinem  jungen  Herrscher  bereits  nach  Prag  voraus- 
geeilt war.^ 

Aber  auch  Eizinger  genoß  nur  kurze  Zeit  die  Früchte 
seines  Erfolges;  binnen  Jahres&ist  war  auch  er  gestürzt  Scheel 
sah  der  Hochadel  auf  den  Emporkömnüing  herab,  dem  sein 
Reichtum  zahlreiche  Neider,  sowie  Geldgier  viele  Feinde  schufen; 
allenthalben  wurden  Klagen  über  Bedrückungen  laut,  die  seinen 
Fall  beschleunigten.  Einem  gewissen  Plankensteiner  und  an- 
deren Freunden  des  gestürzten  Cilliers  gelang  es  schließlich, 
den  König  gegen  Eizinger  zu  stimmen;'  auch  der  Hochadel 
war  nach  dieser  Richtung  tätig. 

Und  nun  war  Wolfgang  V.  von  Walsee  der  kommende 
Mann.  Ihn  ernannte  K.  Ladislaus  1454  August  10'  zu  Prag  an 
Elizingers  Stelle  zum  obersten  Hauptmanne  ob  und  unter 
der  Ens.  Dabei  blieb  Wolfgang  auch  des  Königs  Rat  und 
Hauptmann  ob  der  Ens  und  hatte  überdies  das  österrei- 
chische Oberstmarschall-  und  das  steirische  Oberst- 
truchsessenamt  erbUch  inne  —  eine  Stellung,  die  sich  mit 
der  Reinprechts  H.  von  Walsee  in  seinen  besten  Tagen  wohl 
vergleichen  läßt.  Zugleich*  erteilte  ihm  der  König  einen  Schad- 
losbrief fUr  sich  und  seine  Söldner  im  Dienste  gegen  Ladwenko 
von  Rachmanan^  und  andere  Gegner  und  gab  ihm  nebst  anderen 
vier  Räten  volle  Gewalt,  ihn  auf  dem  nächsten  Landtage  zu 
Wien  (September  1)  zu  vertreten.  Zwei  Monate  später  erhielt 
er  überdies  die  Befugnis,^  alle  Amtleute,  Hubmeister  und  Pfl^er 
in  Osterreich  ein-  oder  abzusetzen. 

Nun  führte  er  auch  in  der  ersten  Hälfte  dieses  Jahres 
Veronika  aus  dem  Hause  der  bairischen  Grafen  von  Orten- 
burg^  als  seine  Gattin  heim.  Das  junge  Paar  schlug  seinen 
Wohnsitz   auf  dem  Schlosse   Seuseneck   auf,  wo   sich   alsbald 


^  Vgl.  das  Schreiben  Kathjurinas  von  Walsee  an  den  Amtmann  sn  Seasen- 

eck  1453  September  17,  Linz;  Kop.  Linzer  Mosealarchiv. 
«  Vgl.  Gerhard  von  Eoo,  Ann.  169. 
»  LB.  VI,  r.  1901. 
«  Urk.  1464  Aogost  10;  Chmel,  Materialien  H,  74. 

*  Den    bekannten    mährischen    Raabgesellen,    gegen   den    später    Herzog 
Albrecht  VI.  persönlich  zn  Felde  zog. 

*  Urk.  1464  Oktober  10;  Orig.  HHStA. 

*  In  der  Nachbarschaft  der  walseeischen  Pfandschaft  Nenbnrg  am  Inn  an- 
gesessen. 


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463 

Wolfgangs  Freunde,  wie  Bernhard  von  Schaunberg,  als  Gäste 
einfanden.^ 

Zwar  kehrte  nun  im  Februar  1455  Graf  Ulrich  von  Cilli, 
der  den  Walseem  schwerlich  günstig  gesinnt  war,*  an  den  Hof 
K.  Ladislaus'  zurück,  dem  der  gestürzte  Eizinger  nun  den 
Rücken  wandte.  Aber  Wolfgang  V.  wußte  sich  in  seiner  Stel- 
lung neben  ihm  zu  behaupten  und  klug  in  die  Verhältnisse  zu 
finden.  Wie  er  stets  durch  regen  Briefwechsel*  mit  befreun- 
detem Hochadel  über  die  Verhältnisse  Bescheid  wußte,  so  war 
er  auch  im  Frühling  1455  in  die  Anschläge  eingeweiht,^  die 
man  gegen  Johann  Hunyady  versuchte. 

An  den  Grenzen  Baierns  gaben  die  Zustände  dem  Herzog 
Ludwig  mehrfachen  Anlaß  zu  Klagen.  Er  wandte  sich  (1455 
November  11)^  in  einem  Schreiben  an  Wolfgang  V.  von  Wal- 
see und  forderte  ihn  auf,  die  Straßen  am  Hausruck  und  sonst 
in  Oberösterreich  sicherer  zu  halten  und  besser  zu  schützen, 
da  seine  Zölle  und  Mauten  merklichen  Schaden  litten.  Im  Auf- 
trage des  K.  Ladislaus^  ritten  daher  Reinprecht  V.  von  Walsee 
und  Hans  von  Starhemberg  zu  Herzog  Ludwig  von  Baiem,  um 
mit  ihm  Rats  zu  pflegen. 

Bis  zum  Schlüsse  des  Jahres  1455  hatte  Wolfgang  V.  die 
oberste  Hauptmannschaft  in  Österreich  inne.  Als  sich  K.  Ladis- 
laus  im  Februar  1456  zum  Landtag  nach  Ofen  begab,  um  Ver- 
teidigungsanstalten gegen  die  Türken  zu  treffen,  blieben  die  beiden 
Walseer^  gleich  Bischof  Ulrich  von  Passau  und  anderen  Räten 
des  Königs  als  dessen  Statthalter  in  Osterreich  zurück.  Sie  ver- 
blieben in  diesem  Amte  auch,  als  E.  Ladislaus  Ende  August 
1456  seinen  Zug  nach  Südungam  antrat,  auf  welchem  Graf  Ul- 
rich als  der  letzte  Cillier  am  9.  November  1456  ums  Leben  kam. 


^  Derselbe  lud  sich  1458  Angnst  6  daselbst  zu  einem  Fischessen  ein;  Orig. 

Oberösterreichisches  Landesarchiv. 
'  Vgl.  noch  das  Schreiben  des  Cilliers  1456  Januar  11,  Warasdin;  Orig. 

StAEferding. 
3  Vgl.  die  Schreiben   1451  Mai  3,    1452  Dezember  31,    1454  Januar  12; 

Kop.  Linzer  Musealarchiy. 

*  Vgl.  Aeneas  Sylvius,  Hist.  Frid.,  c.  458. 

*  Orig.  StAEferding. 

*  1455  Dezember  23;  Orig.  StAEferding. 

'  Vgl.  das  Schreiben  der  Nürnberger  an   dieselben  1456  März  8;  FEA. 
XLU,  183. 


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464 

Über  Ofen  kehrte  der  König  erst  im  Mai  1457  nach 
Wien  zurück^  wo  mittlerweile  der  ehrgeizige  Eizinger  in  Ver- 
bindung mit  Georg  von  Podiebrad,  dem  mächtigen  Gnbemator 
Böhmens;  neuerlich  Umtriebe  gegen  K.  Ladislaus  und  den 
treuen  Wiener  Bürgermeister  Hölzler  verursacht  hatte,  f^de 
Oktober  1457  trat  der  König  seinen  Zug  nach  Prag  an,  ohne 
daß  ihn  die  Walseer,  trotz  der  Aufforderung  dazu^  ^  begleiteten. 
Dort  starb  der  18jährige  K.  Ladislaus,  als  eben  seine  Hochzeit 
stattfinden  sollte,  eines  raschen  Todes  (1457  November  23); 
sein  Ableben  gab  Osterreich  neuerlich  verheerenden  Stürmen 
und  allem  Jammer  eines  Bürgerkrieges  preis. 

Waren  die  Herren  von  Walsee  durch  die  bedeutende  Per- 
sönlichkeit Wolfgangs  V.  zu  neuer  Bedeutung  und  Geltung  im 
politischen  Leben  der  österreichischen  Länder  gekommen,  so 
stand  dieser  erfreulichen  Tatsache  leider  ein  unverkennbarer 
wirtschaftlicher  Rückgang  gegenüber. 

Zwar  hatte  insbesondere  Reinprecht  IV.  sich  bedeutende 
Verdienste  um  die  Verwaltung  seiner  Güter  erworben;  unter 
ihm  wurde  um  1440  das  für  den  sehr  bedeutenden  östei^ 
reichischen  Lehenhof  der  Walseer  wichtige  walseeische  Lehen- 
buch angelegt.  Aber  schon  zu  seinen  Zeiten  war  allmählich 
ein  Stillstand  im  Wachstum  des  walseeischen  Besitzstandes  ein- 
getreten, der  nunmehr  rasch  in  einen  Rückgang  überging. 

Gewiß  mögen  Wolfgangs  V.  Vorliebe  für  äußeren  Glanz, 
seine  Verschwendung  und  die  sich  in  jener  Zeit  allgemein  stei- 
gernden kulturellen  Lebensbedürfnisse  dabei  mitgewirkt  haben; 
auch  die  österreichischen  Wirren  und  für  die  Herrschaften 
nördlich  der  Donau  insbesondere  die  Hussitenkriege  sind  heran- 
zuziehen —  kein  Zweifel  aber,  daß  eine  Mitursache  in  allge- 
meineren Verhältnissen,  in  dem  um  die  Mitte  des  15.  Jahr- 
hunderts in  Osterreich  allerwärts  bemerkbaren  wirtschaftlichen 
Niedergange  lag.* 

Abgeseben  von  wenigen  unbedeutenden  TauschverMigen 
und  zahlreichen  Lehenbriefen  begegnen  wir  aus  diesen  Jahren 
fast  nur  Besitzverlusten  an  walseeischen  Gütern   und  Schuld- 


^  Vgl.  das  Schreiben   des  Michel  Oberheimer   an  Wol%ang   von  Walsee 
1457  November  6,  Wien;  Eop.  Linser  Mosealarchiv. 

*  Vgl.  A.  Qnind,    Die  YeriLndemngen  der  Topographie  im  Wienerwalde, 
Leipzig  1901. 


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465 

briefen  in  schwerer  Menge.  Dabei  klagen  die  Untertanen  über 
neue  Steuern;  da  und  dort  werden  Maß  und  Qewicht  der  Ab- 
gaben von  der  Herrschaft  erhöht. 

Für  eine  Schuld  von  2200  Gulden,*  von  denen  die  Brüder 
von  Wabee  dem  K.  Ladislaus  2000  Gulden  zur  Bezahlung 
Heinrichs  von  Bosenberg  geliehen  hatten,  schlug  der  Landes- 
herr 1456  Dezember  23*  diese  Summe  Wolfgang  V.  von  Wal- 
see auf  die  Feste  zu  Freistadt.  Dafür  mußten  die  beiden 
Walseer  die  ihnen  von  den  Rosenbergern  noch  verpfändete  Stadt 
Rosenberg  zu  lösen  geben;  1456  April  24'  versprach  ihnen 
Ulrich  von  Rosenberg  mit  seinen  Söhnen,  die  darauf  noch  aus- 
ständigen Gülten  und  Zinse  zu  vergüten.  Bereits  im  Jahre  1453^ 
hatten  Wolfgang  V.  und  sein  Bruder  \\2&  1  ß  22^  jährlicher 
Gülten  auf  dem  Amte,  ,das  der  Grabner  innehat^,  an  Benedikt 
den  Schifer  verkauft.  Im  folgenden  Jahre  ^  verschrieb  Wolf- 
gang  V.  seinem  Pfleger  auf  Hoheneck,  Ruger  ob  dem  Berge, 
die  Herrschaft;  Viehofen  auf  dessen  Lebenszeit  nach  Wolfgangs 
Tode.  In  der  Steiermark  wurde  den  Brüdern  zuerst  1456* 
das  Dorf  Wilhelmsdorf  abgesprochen  und  bald  darauf  sprach 
das  Urteil  von  1456  Juli  22^  Leuthold  und  Hans  von  Stuben- 
berg auch  die  Festen  Gleichenberg,  Riegersburg  und  Eibiswald 
zu,  die  sie  von  Wolfgang  V.  pfandweise  innehatten.  Der  wal- 
seeische  Besitz  in  Steiermark  war  damit  vorderhand  zur  Hälfte 
verloren! 

Bei  der  Gütergemeinschaft  der  beiden  Brüder  befand  sich 
indes  der  jüngere,  Reinprecht  V.,  in  offenbarem  Nachteile  gegen- 
über Wolfgang  V.,  der  verschwenderisch  verausgabte,  was  einst 
fleißigere  Hände  zusammengetragen.  Wolfgang  V.  konnte  leicht 
als  der  ältere  der  Brüder  mit  den  Amtleuten  und  Pflegern  vor- 
zeitig abrechnen  und  zog  damit  den  Ertrag  vieler  Herrschaften 
für  sich  ein;  namhafte  Summen  aus  seinen  großen  Ausgaben 
wies  er  kurzerhand  denselben  Beamten  zur  Bezahlung  [an  — 
meist  ohne  Vorwissen  seines  weit  sparsamer  veranlagten  Bruders. 
Begreiflich,  wenn   es   darüber  zu  Weiterungen  kam;    und  so 


1  Vgl.  den  Revers  von  1455  Juli  30;  Orig.  HHStA. 

•  Orig.  HHStA.  »  Orig.  StAEferding. 

«  Uric  1458  April  28;  ebenda. 

»  Schweickhardt,  a.  a.  O.  VOWW.  VI,  200. 

«  Urk.  1456  Mai  3;  NB.  X,  378.  '  Ebenda. 


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466 

nahmen  die  Brüder  1456  August  20^  eine  Teilung  ihrer  Gftter 
vor,  die  uns  noch  einmal  so  recht  den  ganzen  Glans  und  Reich- 
tum ihres  Hauses  vor  Äugen  fUhrt. 

Damach  fielen  an  Wolfgang  V.  von  Walsee: 

Die  Herrschaften  Scharnstein,  Pernstein,  Ober-Wal- 
secy  Aspern,  Egenberg,  Hoheneck,  Enzesfeld,  Seusen- 
eck,  Gleuß,  Eornspach,  Wocking  und  Wildenstein  (wohl 
jenes  bei  Ischl*);  die  Ämter  Geboltzkirchen,  Altenhofen, 
Opponitz  (bei  Waidhofen  an  der  Ips),  Wieselburg,  Sinibel- 
kirchen,  Zum  Stain,  Regerisch  Aigen,^  Stronsdorf, 
das  Eigen  Rossatz,  vier  Weingärten,  je  zwei  Häuser  zu  Wien 
(in  der  Walichstraße  und  zwischen  der  Pfannbei^r  Häuser) 
und  St.  Polten,  das  Euenringerhaus  zu  Ens,  zwei  Häuser  zu 
Linz  und  verschiedene  kleinere  Besitzungen. 

Reinprecht  V.  von  Walsee  erhielt: 

Die  Schlösser  Rutenstein,  Burgstall,  Senftenberg, 
Guntersdorf,  Windeck,  Wittinghausen,  Rauheneck  und 
Ort,  das  Amt  im  Klaffe r,^  die  Märkte  Weißen bach  und 
Eönigswiesen,  das  E^gen  Zebing  (am  unteren  Kamp),  die 
Amter  Freideck  (bei  Blindenmarkt),  Frankenfels  (an  der 
Pielach)  und  Wartenstein,  zu  Oberndorf  im  Erlach,  in  der 
Rogatsch,  ein  Drittel  am  Weißenberg,  zu  Wies,  im  Enzes- 
bach,  zu  Ens  und  Matzleinsdorf,^  Bergrechte  und  Zehente 
zu  Klosterneuburg  und  Kritzendorf,*  die  Rechtlehen  von  Peter 
des  Anhangers  Gütern,  den  Markt  Neumarkt,  die  Vogteien 
zu  Tratteneck  und  Lambach,  genannte  Weingärten,  zwei 
Häuser  zu  Wien,  je  eines  zu  Wels,  Ekis  und  im  Ekisdorf,  schließ- 
lich das  Raminghaus  und  den  Grashof  zu  Linz. 

Die  Stadt  St.  Polten  blieb  Wolfgang  V.  ab  dem  älteren 
Bruder  Untertan»  ihre  Einkünfke  wurden  geteilt;  die  Stadt 
Freistadt  blieb  gemeinsam,  so  auch  Schranawand  und 
Tratteneck,  der  neue  (Getreide-)  Kasten  beim  Bttchsenhause 
zu  Linz  und   das   Landgericht  auf  dem  Moos  (Schlierbach). 


»  Orig.  HHStA. 

'  Diese  Pflegschaft  war  stets  mit  dem  Salsamte  zu  Gmunden  yerbondeii, 

die  seit  1435  walseeisoher  Sats  war;  vgL  S.  447. 
»  =  Rebgauisch  Eigen;  Regau  bei  Vöcklabmck.  Vgl.  JBMFC.  XXVn,  110. 
^  Bei  Haslach;   darüber  Stmadt,   Das  Land   nördlich  der  Donan.    AÖQ. 

XCIV,  220—221;  vgl.  S.  494. 
'^  Matzelsdorf  bei  Sierning.  ^  Bei  Klostemenburg. 


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467 

Die  rittermäßigen  Lehen  sollte  Wolfgang  V.  als  der  ältere  für 
beide  Teile  nehmen^  Kirchen-  und  Beatellehen  jeder  selbst  ver- 
leihen. 

Die  Pfandschafken  sowie  sämtliche  Güter  in  der  Steier- 
mark und  im  Süden  blieben  vorläufig  gemeinschaftlich  und 
wurden  von  der  Teilung  nicht  berührt. 

Bereits  1456  August  23*  verpfändete  der  geldbedürftige 
Wolfgang  V.  seinem  Bruder  die  Amter  Altenhofen  und  Si- 
nibelkirchen  für  2500^^  schwarzer  Münze,  ein  deutlicher 
Beweis,  daß  Reinprecht  V.  bisher  bei  der  Gütergemeinschaft 
finanziell  benachteiligt  gewesen  war. 

Immerhin  zeigt  uns  diese  Übersicht  des  walseeischen  Be- 
sitzes noch  einen  immensen  Güterreichtum.  Die  zahlreichen 
Pfandschaften  und  so  manches  andere  waren  ja  freilich  ab- 
handen gekommen;  aber  der  stattliche  Rest,  dem  bei  der  ganz 
willkürlichen  Zersplitterung  durch  die  Teilung  eine  geordnete 
Verwaltung  umsomehr  nottat,  ließ  sich  vom  Hause  Walsee 
immer  noch  in  einer  Weise  znr  Geltung  bringen,  welche  ihm 
die  alte  Bedeutung  durchaus  sicherte. 

2.  Die  W&lseer  als  Gegner  K.  Friedrichs  unter  Erzherzog 
Albreoht  VI. 

Die  wechselvollen  Ereignisse,  welche  dem  Tode  K.  Ladis- 
laus'  folgten,  gaben  dem  reichbegabten  Wolfgang  V.  fortgesetzt 
Gelegenheit,  an  der  Spitze  des  österreichischen  Hochadels  eine 
wichtige  Rolle  zu  spielen;  sein  jüngerer  Bruder  Reinprecht  V. 
tritt  neben  ihm  in  den  Hintergrund. 

Wie  vorauszusehen,  ließen  sich  die  österreichischen  Stände 
die  Gelegenheit  nicht  entgehen,  bei  der  Entscheidung  der  Frage 
über  E.  Ladislaus'  Erbe  ein  gewichtiges  Wort  mitzusprechen. 

In  Oberösterreich,  wo  Wolfgang  V.  als  Hauptmann  gebot, 
traten  die  vier  Stände  des  Landes  schon  1457  Dezember  4* 
in  Linz  zusammen.  Sie  kamen  überein,  bis  zur  Regelung  der 
Erbfolgefrage  den  Landfrieden  zu  halten,  und  überwiesen  die 
Verwesung  der  Landschaft  Wolfgang  als  Hauptmann  mit  je 
zwei  Mitgliedern  der  vier  Stände.     In  ihrem  Auftrag  ritt  der- 


»  NB.  n,  327. 

•  Vgl.  Zeißberg,  AÖG.  LVIU,  67  flf. 


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468 

selbe  SU  den  niederösterreichischeD  Ständen  nach  Wien  und 
teilte  diesen  den  Beschluß  der  Oberösterreicher  mit 

Hatten  so  die  Stände  Oberösterreichs  unter  der  Führung 
Wolfgangs  die  Initiative  ergriffen^  so  war  in  Niederösterreich 
die  Hauptstadt  umsomehr  bedacht^  sich  ihre  Neutralität  zu 
wahren,  als  Erzherzog  Albrecht  selbst  in  ihren  Mauern  weilte. 
Andererseits  suchte  letzterer  bereits  für  sich  Stimmung  zu 
machen.  Die  niederösterreichischen  Stände  traten  mit  den 
Wienern  in  Verbindung;  sie  beschlossen  auf  einer  Versammlung 
zu  Ebersdorf/  einen  Landtag  nach  Wien  einzuberufen,  ver- 
mochten aber  mit  den  Wienern  darüber  nicht  eins  zu  werden. 
In  Wien  fand  1457  Dezember  23  eine  Zusammenkunft  ober- 
und  niederösterreichischer  Stände  statt,  auf  welcher  auch  der 
Walseer  erschien.  Man  vereinbarte  die  Einsetzung  von  vier 
Verwesern:  Graf  Michael  von  Maid  bürg,  Oraf  Bernhard  von 
Schaunberg,  Wolfgang  von  Walsee  und  Ulrich  Eizinger,  die 
das  Land  bis  zum  Zusammentritte  des  Landtages  verwalten 
sollten,  der  bereits  in  ihrem  Namen  auf  St  Agnesentag'  aus- 
geschrieben wurde. 

Dieser  Landtag  blieb  indes  fast  ohne  Ergebnis.  Erzherzog 
Albrecht  trat  daselbst  persönlich  für  seine  und  seines  Vetters 
Siegmund  Ansprüche  ein,  den  Kaiser  vertraten  mehrere  Räte; 
auch  Botschaften  Oeorgs  von  Podiebrad  aus  Böhmen  sowie  des 
Herzogs  Wilhelm  von  Sachsen  trafen  ein.' 

Wolfgang  von  Walsee  und  seine  drei  Mitverweser  legten 
1458  Januar  22  ihr  Amt  in  die  Hände  der  Stände  zurttck,  die 
nun  einen  32gliedrigen  Ausschuß  wählten,  dem  überdies  die 
früheren  vier  Verweser  beigegeben  wurden.  Eine  Schlichtung 
der  Erbfolgefrage  ließ  sich  auf  dem  Landtage  nicht  erzielen, 
solange  die  Habsburger  uneins  blieben,  und  die  neutralen  Stände 
übertrugen  daher  den  Verwesern  die  Regierung  des  Landes 
neuerdings   bis   auf  weiteres.^    Nachträglich    sprach    sich   der 


*■  Vor  Dezember  11;  in  Abwesenheit  des  Walseers;  Tgl.  diu  Kopeybuch  der 
Stadt  Wien,  FRA.,  2.  Abt,  VII,  18. 

>  1458  Januar  21;  vgl.  FRA.,  2.  Abt.,  Vn,  48  und  Anon.  Chron.  Anstr.,  Sen- 
kenberg, Sei.  iuris  V,  51. 

*  Chmel,  MateriaUen  rar  Gesch.  Friedrichs  IV.,  Bd.  II,  144 ff.;  Zeißbeig,  AÖG. 
LVm,  87  ff. 

*  Anon.  Chron.  Anstr.,  a.  a.  O.  51 ;  Zeißberg,  a.  a.  O.  96. 


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469 

Kaiser  in  mehreren  Schreiben'  an  die  Verweser,  die  Stände 
und  den  Wiener  Rat  gegen  die  weitere  Verwesung  des  Landes 
aus  und  lud  dieselben  behufs  friedlicher  Austragung  gleich 
Erzherzog  Albrecht  zu  sich  nach  Wiener-Neustadt.  Die  Ver- 
weser sowie  acht  ständische  Mitglieder  verfügten  sich  auch 
dahin,  doch  zerschlugen  sich  die  Verhandlungen  infolge  der  ab- 
lehnenden Haltung  Erzherzog  Albrechts.  Ein  Schreiben  des 
Kaisers  (1.  März)  an  die  Verweser,  die  Stände  und  den  Rat 
zu  Wien  kündigte  neuerdings  seine  beyorstehende  Ankunft  da- 
selbst an. 

Am  Tage  der  Beantwortung  dieses  Schreibens  (März  5) 
ließ  Erzherzog  Albrecht  den  Verweser  Ulrich  Elizinger  gefangen 
setzen.*  Darüber  aufs  höchste  bestürzt,  versammelten  sich  die 
übrigen  Verweser  sowie  die  Wiener  Stadtgemeinde  und  ver- 
wendeten sich  für  ihn,  kaiserliche  Schreiben  forderten  seine 
EVeilassung,  ebenso  Georg  von  Podiebrad.  Erzherzog  Albrecht 
aber  war  umso  weniger  gewillt,  Eizinger  seiner  Haft  zu  ledigen^ 
als  er  wohl  wußte,  wie  viele  schadenfrohe  Feinde  derselbe 
unter  dem  Adel  hatte.  Durch  Werbungen  gegen  den  Banden- 
fbhrer  Ladwenko  hielt  er  sich  auch  den  Kaiser  von  Wien 
ferne;  Ladwenkos  Macht  auf  dem  Marchfelde  wurde  Ende 
März  gebrochen.  Die  Kriegswirren  zwischen  Erzherzog  Albrecht 
und  König  Georg  von  Böhmen,  durch  Eizingers  Gefangen- 
haltung  veranlaßt,  drohten  auch  auf  das  Land  ob  der  Ens 
überzugreifen.  Reinprecht  V.  von  Walsee  ließ  schon  1458 
März  8'  den  einem  Einfalle  zunächst  ausgesetzten  Freistädtem 
eine  Mahnung  zur  Wachsamkeit  zukommen,  die  Wolfgang  V. 
im  Schreiben  von  1458  Juli  8*  an  seinen  Pfleger  zu  Freistadt, 
Jörg  Marschalk,  wiederholte. 

Nachdem  sich  vorerst  die  Erzherzoge  Albrecht  und  Sieg- 
mund verständigt  hatten,  einigten  sich  schließlich  die  beiden 
Erzherzoge,  die  Verweser  samt  den  Ständen  und  der  Kaiser 
zu  Wien  auf  dem  Florianilandtage  (1458  Juni  27)^  über  die 
Erbschaftsfrage.  Damach  fiel  Osterreich  ob  der  Ens  dem  Erz- 
herzog Albrecht,  Niederösterreich  dem  Kaiser  zu;  Wien  blieb 
gemeinsam. 


^  Kopeybnch,  FRA.,  2.  Abt.,  VII,  80,  88. 

•  Vgl.  ebenda  98—107.  »  AÖG.  XXXI,  337. 

^  Vgl.  Chmel,  Materialien  zur  Gesoh.  Friedrichs  IV.,  Bd.  II,  174. 


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470 

Wie  vorauszusehen,  wandten  sich  die  beiden  Walseer  so- 
gleich dem  Erzherzog  Älbrecht  zu^  hatte  doch  Wolfgang  V. 
die  Hauptmannschafl;  ob  der  Ens  inne.  Wie  hätte  überdies 
die  rasche,  energische  Art  dieses  Mannes  an  dem  saumseligen, 
kargenden  Gehaben  des  Kaisers  Gefallen  finden  können!  Da 
mußte  sich  Wolfgang  weit  eher  Yom  Erzherzog  angezogen 
fühlen,  mit  dem  er  so  manche  Schwäche,  Yor  allem  die  Nei- 
gung zur  Verschwendung,  gemein  hatte.  Erzherzog  Albrecht 
wußte  ihn  denn  auch  als  eine  geeignete  Persönlichkeit  für  seine 
weiteren  Pläne  wohl  zu  schätzen;  im  September  1458^  war 
Wolfgang  bereits  des  Herzogs  Hofmeister. 

Auch  diesmal  fand  der  heftige  Gegensatz,  in  welchem  sich 
die  beiden  Walseer  als  hervorragende  Anhänger  Albrechts  VI. 
zum  Kaiser  befanden,  seinen  Widerhall  auf  den  innerösterrei- 
chischen Gütern  derselben.  Dürfen  wir  nach  dem  Vorgange 
von  1452  schon  in  dem  starken  Wechsel  der  walseeischen 
Pfleger  in  der  Steiermark  um  1458  eine  Folge  dieser  Verstim- 
mung erblicken,  so  gingen  die  Wogen  der  Erregung  im  Süden 
weit  höher.  Der  walseeische  Hauptmann  zu  Tibein  und  auf 
dem  Karst  Niklas  Lueger  erstattete  seinen  beiden  Herren  einen 
ausführlichen  Bericht*  über  diese  in  den  Sommer  1458  fallen- 
den Vorgänge. 

Wie  gewöhnlich  auf  diesem  Boden  begann  der  Handel 
mit  einem  Viehraube.  Der  kaiserlich  gesinnte  Adelige  Jörg 
Moshaimer  griff  mit  74  Leuten  1500  Stück  Vieh  walseeischer 
Untertanen  von  Kestau  (Castua)  an,  die  bei  Guteneck  ^  lagerten, 
und  trieb  sie  weg  in  den  Wald.  Ihm  nach  eilten  Andre  Lueger 
von  St.  Veit  (Fiume),  Heinrich  Obernburger  —  walseeische 
Dienstleute  —  die  walseeischen  Untertanen  von  Kestau  und 
50  Bauern  von  Guteneck,  schlugen  sie  im  Walde  mit  bedeu- 
tenden Verlusten  und  nahmen  ihnen  ihre  Beute  wieder  ab. 
Auf  diese  Nachricht  sammelte  sich  Niklas  Lueger  am  nächsten 
Tage  ,mit  der  ganzen  Landschaft'  —  dem  Aufgebote  des  ganzen 
Tibeiner  Gebietes  —  bei  Guteneck.  Dann  zogen  sie  durch  des 
Grafen  Stephan  von  Krabatien  (Frangipani?)  Herrschaft  auf 
des  Jörg  Mosheimer  Dörfer  bei  Grafenwört  und  lagerten  sich 
vor  diesem  Schlosse.    Da  der  Mosheimer  eine  Belagerung  des- 

*  Vgl.  die  Oenealogie. 

'  1458  September  3,  Schloß  Lueg;  Kop.  Linzer  MosealarchiT. 

'  In  der  Nähe  des  Ursprunges  der  Beka. 


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471 

selben  befürchtete,  übergab  er  es  dem  Grafen  Stephan.  In- 
folgedessen brach  Laeger  von  hier  am  nächsten  Tage  anf,  zog 
durch  die  ,Kotczey',  die  Reiffiiitz  und  des  Kaisers  Herrschaft 
und  kam  glücklich  mit  seiner  Beate  zurück.  Obwohl  er  den 
Auersperger  zum  Mitzuge  nicht  aufforderte,  war  derselbe  doch 
zu  Diensten  willig. 

Andererseits  griff  der  walseeische  Pfleger  Heinrich  Geuman 
—  ein  Oberösterreicher  —  vom  Schlosse  Gardassel  (Gherdo- 
selo)  aus  des  Kaisers  Untertanen  in  der  Grafschaft  Mitterburg 
mit  Raub  und  Plünderung  an  und  versah  sein  Schloß  reichlich 
aus  den  Dörfern  auf  dem  Karst  und  von  Sovignacco,  bevor  er 
es  einem  Grafen  Yben  (Frangipani?)  übergab. 

So  vergalten  die  walseeischen  Dienstleute  sogar  reichlich 
alle  Unbill^  die  ihnen  von  der  Gegenseite  widerfahren  war; 
freilich   litten   darunter  Wohlstand   und  Sicherheit   im   Lande! 

Von  besonderer  Wichtigkeit  waren  die  großen  Geld- 
geschäfte, die  Wolfgang  von  Walsee  mit  Erzherzog  Albrecht 
zu  erledigen  hatte.  Nachdem  er  zuerst  fUr  bedeutende  Sum- 
men^ des  Erzherzogs  Bürge  geworden  war,  wurde  auch  die 
BVage  der  noch  von  K.  Ladislaus  her  an  den  Walseer  rück- 
ständigen hohen  Summen  geregelt,  die  Wolfgang,  wohl  zu  hoch, 
niit  60.000  Gulden  bezifferte.*  Erzherzog  Albrecht  nahm  davon 
ein  Drittel  auf  sich  und  verschrieb  dafür  Wolfgang  das  Schloß 
zu  Linz  samt  dem  Meierhofe.  Dieses  trat  Wolfgang  indes 
wieder  an  Albrecht  ab  und  erhielt  dafür  1460  März  13*  zu 
seiner  Burghut  von  600Äf/Ä  weitere  600^^  jährlich  auf  der 
Maut  zu  Linz,  die  Pflege  zu  Freistadt  und  das  Hof  haus  in 
der  Stadt  Linz  verschrieben.  Der  Walseer  quittierte  März  23* 
über  die  ganze  Forderung  dem  Erzherzog,  der  ihm  am  gleichen 
Tage  einen  Gnadenbrief  in  schmeichelhaften  Ausdrücken  er- 
teilte.* In  den  nächsten  Monaten  aber  erscheint  Wolfgang  als 
des  Erzherzogs  Schuldner,  ohne  daß  wir  näheres  über  den 
Hergang  erfahren.  Bereits  1460  Mai  22*  verschrieb  er  dem 
Erzherzog  für  schuldige  32.000  Gulden,  fällig  auf  Bartlmäi 
(August  24),   im  Falle   seines  vorzeitigen  Ablebens  alle  seine 


^  Vgl.  dazu  auch  da«  Schreiben  Wolfgangs  von  WaLsee  an  Wolfgang  Ton 

Rnkhendorf  1458  November  27;  Kop.  Linzer  Mosealarchiv. 
»  Urk.  1469  Mai  22;  LB.  VH,  r.  211.  »  FEA.,  2.  Abt,  U,  160. 

«  Chmel,  MateriaUen  z.  Gesch.  Friedrichs  IV.,  Bd.  II,  203. 
<^  Ebenda  207. 


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472 

Herrschaften^  mit  Ausnahme  eines  Legates  von  10.000  Gnlden 
für  das  Leibgedinge  seiner  Witwe. 

Sicher  ist,  daß  dadurch  den  Plänen  Erzherzog  Albrechts 
auf  Niederösterreich  Vorschub  geleistet  wurde  —  Absichten, 
mit  denen  Wolfgang  von  Walsee  zweifellos  yertraut  war; 
wurde  doch  im  März  1460*  einer  der  Landtage,  auf  wel- 
chen sich  die  Niederösterreicher  in  Klagen  und  Beschwerden 
ergingen,  in  dem  walseeischen  Ountersdorf  abgehalten.  Der 
Adel  Österreichs,  voran  die  Eizingerische  Partei,  wurde  immer 
schwieriger  g^gen  den  Elaiser  und  suchte  bei  Erzherzog  Al- 
brecht Anlehnung.  Bandenflihrer  und  Söldnerhauptleute  wie 
der  berüchtigte  Fronauer  verwüsteten  das  Land,  dessen  Finanz- 
und  Geldverhältnisse  sich  in  trostlosem  Zustande  befanden. 

Alle  diese  Verhältnisse  nahm  EIrzherzog  Albrecht  zu  seinem 
Vorteile  wahr  und  stellte  seine  Sache  durch  ein  weitausgrei- 
fendes Werben  von  Bundesgenossen  sicher.'  Zunächst  hatte 
er  sich  in  Oberösterreich  durch  den  Anschluß  an  die  Witteis- 
bacher gedeckt  und  indem  er  das  alte  Bündnis  mit  Passau 
1459  Januar  21^  zu  Linz  in  Gegenwart  beider  Brüder  von 
Walsee  erneuerte,  mit  welchen  Bischof  Ulrich  auch  fernerhin 
enge  Beziehungen  unterhielt.^  Seinen  Vetter  Erzherzog  Sigis- 
mund  gewann  er  sich  völlig  und  setzte  ihn  zu  seinem  Erben 
ein.  Derselbe  trat  1461  April  9*  seine  Rechte  auf  Oberöster- 
reich an  Albrecht  ab,  wogegen  sich  dieser  unter  Bürgschaft 
Graf  Bernhards  von  Schaunberg,  der  beiden  Walseer  und  zweier 
weiterer  Bürgen  verpflichtete,  Siegmund  imd  dessen  Ekben 
jährlich  als  sein  Drittel  des  Ertrages  3000  Gulden  zu  zahlen. 

Als  sich  dieser  Kreis  von  Bundesgenossen  immer  mehr 
geschlossen  hatte,  sammelte  Erzherzog  Albrecht  endlich  seine 
Truppen  und  sagte  dem  kaiserlichen  Bruder  ab  (1461  Juni  19);' 
seinem  Beispiele  folgten  mit  Hunderten  aus  dem  österreichi- 
schen Adel  auch  Wolfgang  und  Reinprecht  von  Wabee,  welch 
letzterem  Erzherzog  Albrecht  Juni  22  einen  Schadlosbrief  fbr 

^  Vgl.  die  Teilnngsarkunde   1456  August  20;  nur  Wildenstein  wird  jetst 
nicht  mehr  genannt 

*  Cbmel,  Materialien  z.  Gesch.  Friedrichs  lY.,  Bd.  11,  293. 
'  Vgl.  Bachmann,  Dentsohe  Beichsgeschichte  I,  68. 

*  MonnmenU  Boica  XXXI*,  465. 

^  Vgl.  das  Beglanbignngsschreiben  1459  MSrz  19;  Orig.  OberOsterr.  Landet- 
archir. 

*  Orig.  HHStA.  '  Bachmann,  a.  a.  O.  I,  70—72. 


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473 

den  bevorstehenden  Feldzag  erteilte.^  Rasch  rückte  Erzherzog 
Albrecht  in  Niederösterreich  vor;  Wien  wurde  durch  das  diplo- 
matische Einschreiten  K.  Georgs  von  Böhmen  dem  Kaiser  er- 
halten; der  Laxenburger  Vertrag  (1461  September  6)  schuf 
vorläufig  Ruhe.  Schon  vorher  waren  die  Feindseligkeiten  an 
der  oberösterreichisch-steirischen  Grenze  auf  ein  eigenes  Ab- 
kommen* der  Landleute  (des  Adels)  hin  eingestellt  worden. 
Erzherzog  Albrecht  behielt  seine  Erwerbungen  auf  niederöster- 
reichischem Boden;'  so  gab  er  davon  1461  Oktober  13  das 
Ungeld  zu  Ips  an  Wolfgang  von  Walsee  auf  zwei  Jahre  fUr 
jährliche  700  «f^  in  Bestand.* 

Diese  Rriegszeiten  verursachten  auch  dem  Adel  große 
Kosten,  umso  gelegener  mochte  es  daher  den  beiden  Wal- 
seern  kommen^  daß  die  Rosenberger  nun  ihre  seit  der  Hussiten- 
zeit  verpfändeten  Kleinode  1460^  sowie  die  des  Klosters  Wit- 
tingau  von  ihnen  1461^  auslösten.  Bereits  1459  war  Wolfgang 
von  Walsee  wegen  verbriefter  Schulden  mit  Siegmund  von 
Eizinger  in  Streit  geraten.^  Als  sich  nun  1462  abermals  Diffe- 
renzen zwischen  Reinprecht  von  Walsee  und  Stephan  Eizinger 
ergaben,  beschied  K.  Georg  von  Böhmen  beide  Teile  nach 
Budweis  zu  sich  und  nahm  den  Ausgleich  in  seine  Hand^®  zu- 
mal es  damals  seinem  Interesse  entsprach,  eine  immerhin  mög- 
liche Spaltung  unter  dem  Adel,  soweit  er  dem  Erzherzog  Al- 
brecht ergeben  war,  zu  verhindern. 

In  tiefer  Not  und  Trübsal  trat  Osterreich  in  das  Jahr 
1462  ein;  das  Land  litt  umsomehr,  als  es  zu  keiner  Entschei- 
dung kam.  Bei  dem  wüsten  Durcheinander,  das  insbesondere 
die  unentlohnten  kaiserlichen  Söldner  im  VOWW.  verursachten, 
leistete  Wolfgang  von  Walsee  durch  weitere  Rüstungen^  den 


»  FRA.,  2.  Abt.,  n,  110. 

*  Vgl.  das  Schreiben  des  Ulrich  Vetsinger,  Wo%aiig  Stainacher  und  Wolf- 
gang Pnetinger  an  Wolfgang  yon  Walsee  1461  August  7,  Spital  a.  Pjhm; 
Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

»  Vgl.  Kurz,  Österreich  unter  Friedrich  IV.,  Bd.  II,  28. 

*  LB.  Vn,  r.  605.  »  ürk.  1460  September  16;  NB.  H,  837. 
«  Urk.  1461  November  26-,  Archir  öesky  Vm,  238. 

*  Vgl.  das  Urteil  des  Landmarschalls  Grafen  Bernhard  von  Schaunberg 
1459  Mai  4;  Denkschr.  d.  Wiener  Akad.  d.  Wissensch.  XII,  333. 

*  Urk.  1462  Februar  2;  Archiv  «esky  XIV,  107. 

'  Vgl.  die  Quittung  des  Harnischmeisters  Peter  Küssing  1462  April  4,  Wels; 
Kop.  Linzer  Musealarchiv. 


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474 

Erzherzoglichen  alle  Hilfe.  Für  seinen  Anteil  an  St.  Polten, 
dessen  Umgebang  von  den  Söldnerrotten  forchtbar  verheert 
wurde,  erhielt  er  1462  März  26^  von  Erzherzog  Albrecht  einen 
Schadlosbrief. 

unter  diesen  Verhältnissen  wurde  schließlich  auch  die 
Treue  der  Wiener  zum  Kaiser  wankend.  Als  der  ehrgeizige 
Wolfgang  Holzer  mit  seinen  Genossen  in  den  Augusttagen  1462 
ans  Buder  gelangte,  genügten  wenige  Tage,  um  die  Stadt  in 
hellen  Aufstand  gegen  den  Kaiser  zu  versetzen,  der  aus  Qraz 
August  25  in  Wien  eingetroffen  war.  K.  Friedrich  wurde  in 
der  Wiener  Burg  belagert,  die  man  auf  das  heftigste  beschoß. 
Alsbald  langte  auch  Erzherzog  Albrecht  mit  Heeresmacht  an, 
zahlreiche  Absagebriefe  ergingen  an  den  bedrängten  Kaiser,* 
so  1462  November  10  jener  Reinprechts  von  Walsee  und  42 
seiner  Diener,  darunter  zahlreiche  böhmische  Söldnerhauptleute, 
die  an  der  Belagerung  teilnahmen.  Bereits  1462  November  5 
verbündete  sich  Erzherzog  Albrecht  offen  mit  den  Ständen 
Niederösterreichs.'  Da  nahte  im  letzten  Augenblick,  als  die 
Wiener  Burg  zum  äußersten  gebracht  war,  Hilfe  von  den 
Innerösterreichern,  kaiserlichen  Söldnerftahrem  und  vor  allem 
von  K.  Georg  von  Böhmen. 

Der  Friede  von  1462  Dezember  2,  der  darauf  zwischen 
dem  Kaiser  und  dessen  Bruder  zustande  kam,  brachte  letzterem 
die  Verwaltung  Niederösterreichs  gegen  jährliche  40.000  Gold- 
gulden auf  acht  Jahre.  Das  Land  kam  damit  noch  nicht  zur 
Ruhe.  Die  Wiener  sahen  sich  in  ihrem  neuen  Herrn  enttäuscht, 
der  Holzer  für  ihren  Elrhebungsversuch  mit  dem  Leben  büßen 
ließ;  auch  manche  vom  Adel  begannen  sich  dem  Kaiser  wieder 
fcu  nähern.  Da  gebot  der  Tod  dem  verheerenden  Kampfe  Ein- 
halt, indem  er  Erzherzog  Albrecht  VI.  1463  Dezember  2  un- 
vermutet dahinraffte. 

Durch  sein  Ableben  waren  die  Walseer  vor  eine  wichtige 
Entscheidung  gestellt:  sollten  sie,  den  eingegangenen  Verpflich- 
tungen gemäß,  an  Erzherzog  Sigismund  festhalten  oder  sich 
dem  Kaiser  zuwenden,  der  alsbald  gleichfalb  Ansprüche  an  das 
Erbe  Albrechts  erhob? 


»  FRA.,  2.  Abt.,  U,  119.  «  Chmel,  Eeg.  Fridr.  IV.,  Bd.  U,  r.  3949. 

'  Vgl.  M.  Beheim,  Das  Bach  von  den  Wieneni,  beraasg.  y.  Karajan,  173; 
Gerbard  van  Roo,  Ann.  269. 


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475 

Infolge  des  zwischen  dem  Verstorbenen  und  Ek'zherzog 
Siegmund  abgeschlossenen  Vertrages  hatte  Wolfgang  V.  1462 
März  16^  dem  letzteren  gelobt;  ihm  mit  der  Hanptmannschaft 
ob  der  Ens  und  dem  Schlosse  zu  Linz  gewärtig  zu  sein,  falls 
Erzherzog  Albrecht  mit  Tod  abginge. 

Auf  die  Nachricht  vom  Tode  des  Landesherrn  hin  schrieb 
Wolfgang  sofort  als  Landeshauptmann  ob  der  Ens  einen  Land- 
tag auf  1463  Dezember  15*  nach  Linz  aus.  Dort  zeigte  sich 
die  Stimmung  fUr  den  Kaiser  günstig;  der  Abgesandte  des- 
selben, Georg  von  Volkenstorf,  vertrat  seine  Sache  mit  Erfolg 
gegen  Hilbrand  Rasp,  den  Boten  Erzherzog  Siegmunds.  Die 
Stände  wollten  von  einer  Verschreibung  des  Landes  an  Sieg- 
mund  nichts  hören;  als  Wolfgang  von  Walsee  erklärte,'  er 
werde  sich  für  das  Schloß  zu  Linz  daran  halten,  wurde  ihm 
mit  der  Amtsentsetzung  gedroht.  Schließlich  einigte  man  sich 
dahin,  1464  Januar  2  einen  zweiten  Landtag  abzuhalten. 

Nun  fand  es  Wolfgang  von  Walsee  geraten,  sich  immer 
mehr  zum  Kaiser  hinzuneigen;  nur  wenige  Pfandinhaber,  wie 
Jörg  von  Stein,  Wilhelm  von  Tiernstein  und  Ortolf  Geuman, 
hielten  es  noch  mit  Erzherzog  Siegmund  —  aus  leichtbegreif- 
lichen Gründen.  Zudem  war  es  für  den  schwachen  Siegmund 
überhaupt  schwer  möglich,  das  Land  ob  der  Ens  von  dem 
fernen  Tirol  aus  zu  halten.  Wenn  Wolfgang  dem  Kaiser  noch 
weiter  entgegenarbeitete,  so  schien  es  undenkbar,  je  wieder 
dessen  Gunst  zu  erringen,  die  er  sich  durch  die  Geschehnisse 
der  letzten  Jahre  verscherzt  hatte.  Vom  Standpunkt  des  wal- 
seeischen  Familieninteresses  mußte  dieselbe  wegen  der  Güter 
in  Niederösterreich,  in  der  Steiermark  und  im  Süden  noch 
immer  von  großem  Wert  erscheinen,  während  Erzherzog  Sieg- 
mund  ähnliche  Vorteile  nicht  bieten  konnte. 

So  war  Wolfgang  wohl  von  vornherein  geneigt,  sich  dem 
Kaiser  wieder  zu  nähern,  und  wollte  sich  nur  so  teuer  als  mög- 
lich erkaufen  lassen.  Und  wirklich,  wie  die  Gesandten  Erz- 
herzog Siegmunds  um  ihn  als  die  maßgebende  Persönlichkeit 
geworben  hatten,*  so  trat  jetzt  nach  dem  Landtage  vonseiten 
des  Kaisers  Mathis  von  Spaur   mit  so  großen  Versprechungen 


*  LB.  VII,  r.  644.  *  Bacbmann,  Deutsche  Reichsgesch.  I,  609. 

3  Vgl.  den  Bericht  1463  Dezember;  FRA.,  2.  Abt.,  11,  310. 
«  Vgl.  den  Bericht  1463  Dezember;  NB.  VI,  201. 
ArehiT.  XCV.  Band.  II.  H&lfke.  32 


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476 

und  Anerbieten  an  ihn  heran,  ^  daß  es  sich  wohl  lohnte,  darauf 
einzugehen. 

Der  Landtag  von  1464  Januar  2  war  daher  fast  einmütig 
für  den  Kaiser  gesinnt  und  sprach  dessen  Anerkennung  als 
Landesherrn  aus;  Wolfgang  von  Walsee  wies  Januar  7  Ge- 
sandte, die  abermals  eine  Werbung  K.  Siegmunds  anbringen 
wollten,  schon  unter  Vorwänden  an,  ihr  Anliegen  schriftlich 
einzusenden,  was  einer  Abweisung  gleichkam.  Versuche  der 
tirolisch  gesinnten  Partei,  vorab  Jörgs  von  Stein,  sich  in  Ober- 
österreich zu  regen,  wurden  rasch  vereitelt.  Der  Wiener-Neu- 
städter Vertrag  (1464  März  5)  einte  überdies  auch  beide  Habs- 
burger. 

Wolfgang  von  Walsee  behielt  die  Hauptmannschaft  ob 
der  £n s  und  erlangte  für  seine  Parteinahme  zugunsten  Erzherzog 
Albrechts  die  Verzeihung  des  Kaisers,  der  ihm  fortab  ein  gnä- 
diger Landesherr  blieb.  In  Osterreich  wurde  es  nun  allgemach 
wieder  ruhig;  ein  Streit,  den  Zdenko  von  Stemberg  wegen 
rückständiger  Soldforderungen  gegen  den  Kaiser  verursachte, 
machte  freilich  nochmals  kriegerische  Rüstungen  notwendig. 
Wolfgang  von  Walsee  bot  dazu  den  obderensischen  Zuzug 
auf,*  bis  die  Sache  schließlich  durch  K.  Q^org  von  Böhmen 
beigelegt  wurde.  Der  Friede  tat  Wolfgang  aber  auch  dringend 
not;  die  Ereignisse  der  letzten  Jahre  hatten  ihn  finanziell  aufs 
äußerste  erschöpft.  Während  er  1455*  noch  den  reichen  Herrn 
spielen  konnte  und  das  Kloster  Sensenstein  freigebig  mit  einem 
wertvollen  Meßornamente  beschenkte,  mußte  er  jetzt  die  Kost- 
barkeiten seines  Hausschatzes  als  Fürpfand  geben,  um  bei  den 
unsicheren  Zeiten  auch  nur  bescheidene  Summen,  so  1464  ganze 
150  Gulden,  von  Jörg  von  Stein  geliehen  zu  erhalten;*  so  rasch 
hatte  sich  seine  Lage  geändert. 

Gegen  Ips,  wo  sich  nochmals  Rotten  böhmischer  ,Brüder' 
festgesetzt  hatten,  zogen  auf  Wolfgangs  Geheiß  abermals  die 
Freistädter  unter  Jörg  von  Stein  und  Jörg  Seusenecker  aus,^ 


^  Vgl.  den  Bericht  U63  Deiember;  NB.  VI,  202. 

*  Vgl.  das  Schreiben  an  den  FreistSdter  1464  Oktober  13;    Kop.  Linser 
MusealarchiT. 

'  Vgl.  Bl&tter  des  Vereines  für  Landeskunde  von  NiederOsterreich  X,  162. 

*  Urk.  1464  Angust  17;  Orig.  im  Privatbesitz. 

'^  Vgl.  den  Bericht  1465  Juli  25;  Kop.  Linzer  Mnsealarchiy. 


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477 

worauf  das  Städtchen  durch  Wolfgang  von  Walsee  und  Grafen 
Siegmund  von  Schaunberg  im  Juli  146Ö  genommen  wurde.  * 

Mit  Erzherzog  Siegmund^  für  den  Wolfgang  von  Walsee 
und  Jörg  von  Stein  eine  Bürgschaft  gegen  Pilgram  von  Hödorf 
übernommen  hatten^  von  der  er  sie  trotz  wiederholter  Bitten 
nicht  löste,  gerieten  beide  Bürgen  in  eine  Auseinandersetzung,* 
die  schließlich  vor  dem  kaiserlichen  Kammergerichte  ausge- 
tragen wurde. 

Da  riefen  die  Verhältnisse  Wolfgang  V.  nach  dem  Süden. 
Dort  waren  zwar  die  alten  Streitigkeiten  mit  dem  Triester 
Domkapitel  wegen  der  Pfarrbesetzungen  endlich  beigelegt 
worden;'  dafür  gaben  die  VorflÜle  in  dem  unruhigen  Triest, 
das  in  einen  Kampf  mit  Venedig  verwickelt  wurde,  zu  ernsten 
Besorgnissen  Anlaß.  Um  sich  die  Stadt  besser  zu  sichern, 
wünschte  K.  Friedrich  ihr  Hinterland  —  also  das  tibeinische 
Erbe  —  in  seine  eigene  Verwaltung  zu  bringen.  Auf  sein  Be- 
treiben vermachte  ihm  Wolfgang  von  Walsee  1465  Septem- 
ber 1*  für  den  Fall  seines  Ablebens  den  in  der  Teilung  von 
1464  ihm  zugefallenen  Besitz,  Fiume  und  die  Herrschaften  am 
Quarnero;  von  dem  wichtigeren  Duino  dagegen  wollte  der 
ssähere  Reinprecht  V.  nicht  lassen.  Als  nun  1466  in  Triest 
abermals  der  Bürgerkrieg  zwischen  der  habsburgisch  und 
der  venezianisch  gesinnten  Partei  ausbrach,  unter  dem  auch  die 
benachbarten  walseeischen  Herrschaften  litten,  eilte  Wolfgang  V. 
von  Walsee  im  Spätsommer  1466  nach  dem  Süden.  Dort  ist 
er  1466  Oktober  4^  als  kinderloser  Witwer  gestorben.  Jahr- 
tagstiftungen im  Augustinerkloster  zu  Fiume,*  wo  er  mutmaß- 
lich begraben  liegt,  sowie  zu  Sensenstein  und  Lambach  wahrten 
sein  Andenken. 


^  Die  in  den  Soldqoittangen  1465  April  4,  Juli  15  and  21  erwähnten 
Söldner,  welche  zu  Barg^Uil  gemustert  wurden,  sind  wohl  auch  gegen 
Ips  verwendet  worden;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

*  Vgl.  das  Schreiben  1464  Juli  17,  1465  Dezember  22,  1466  Januar  21; 
PRA.,  2.  A.,  n,  191,  199—201. 

3  Urk.  1464  Juli  21;  Cod.  dipl.  Istriano  IV;  vgl.  Hortis,  Documenti  LXVIII 
bis  LXX  und  Pichler,  a.  a.  O.  259.^ 

*  HHStA.,  Kod.  17,  f.  105. 

^  Vgl.  die  Genealogie  und  das  Schreiben  K.  Friedrichs  an  JOrg  Kainer 
1466  November  6;  Chmel,  Beg.  Frid.,  r.  4728. 

*  Vgl.  Urk.  1566  Januar  20,  Graz,  Beiträge  zur  Kunde  steierm.  Geschichts- 
quellen XXXn,  111  und  Pichler,  a.  a.  O.  265. 

32* 


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478 

Seine  Gattin  Veronika,  deren  Vater  Graf  Alram  von  Or- 
tenbarg dem  Ehepaare  1460  Janoar  10^  ein  bedeutendes  &be 
testiert  hatte,  war  ihm  1460 — 1461  bereits  im  Tode  vorangegangen. 

Nnn  war  Reinprecbt  V.  der  einzige  tiberlebende  Walseer; 
er  sollte  auch  der  letzte  sein. 

Immer  mehr  waren  daneben  die  wirtschaiUichen  Verhält- 
nisse auch  bei  den  Walseem  in  den  allgemeinen  Niedergang 
hineingeraten,  der  in  Osterreich  während  dieser  Jahrzehnte 
allenthalben  bemerkbar  ist.  Fortwährend  begegnen  wir  zahl- 
reichen Verpfandungen  und  Veräußerungen,  denen  auch  nicht 
der  mindeste  Ersatz  gegenüberstand.  Die  einstige  wirtschaft- 
liche Blute  war  trotz  allen  Reichtums  unwiederbringlich  dahin, 
das  Haus  Walsee  in  jähem  Niedergange.  Dabei  verteilten 
sich  die  großen  Verluste  über  den  ganzen  wabeeischen  Besitz- 
bereich. Zwar  treffen  sie  in  der  Mehrzahl  Wolfgang  V.,  dessen 
rege  Beteiligung  am  politischen  Leben  nnd  großer  Aufwand 
bedeutende  Summen  verschlangen,  indes  vermochte  auch  Rein- 
precht  V.  seinen  Besitz  nicht  zu  erhalten. 

In  Oberösterreich  allein  war  dieser  Abgang  schon  bedeu- 
tend genug.  Von  den  Gütern  nördlich  der  Donau  versetzte 
Wolfgang  1459*  seinem  Pfleger  auf  Ober- Wabee,  Bartlmä  Geu- 
man,  Urbar  und  Amt  Freuden  stein  ^  um  432  tif^,  sodann 
noch  Dezember  12^  gleichen  Jahres  seinem  Bruder  Rein- 
precbt V.  von  Walsee  die  ganze  Herrschaft  Obe r- Walsee  um 
1460  Gulden  ung.,  ebenso  von  Andre  Stadler  1464^  fiir  schul- 
dige 200  &  ^  die  Fischwaide  im  Donaugange  bei  Ober- Walsee, 
um  schließlich  1465®  die  ganze  Herrschaft  samt  dem  Landge- 
richte seinem  Bruder  gänzlich  zu  verkaufen.  Etliche  Güter 
und  einen  Meierhof  in  der  Umgebung  des  Schlosses  Linz  hat 
Wolfgang  teils  1459^  Erzherzog  Albrecht  abgetreten,  teils  1465 
an  Reinprecht  verkauft,®  ebenso  im  Vorjahre  das  von  den  Wal- 
seem gestiftete  Spital  zu  Ottensheim^  an  Ulrich  aus  dem  jetzt 


»  Vgl.  WSt.  603. 

>  Urk.  1469  Juli  3;  Orig.  OberOsterreichisches  Landesarcbiy. 

'  Schloß  Freudenstein  scheiut  damals  bereits  öde  gewesen  eu  sein. 

•  NB.  n,  329.  »  Urk.  1464  Wkn  6;  Orig.  HHStA. 

•  Urk.  1465  September  16;  NB.  n,  839. 

^  Urk.  1459  Dezember  23;  LB.  VII,  2S9. 
«  Urk.  1465  Januar  18;  NB.  U,  338. 

•  Urk.  1464  Oktober  3;  Orig.  StAEferding;  vgl.  S.  329. 


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479 

mächtig  emporstrebenden  Hanse  der  Starhemberger.  An  der 
böhmischen  Grenze  wurde  1464^  die  Herrschaft  Wittinghausen 
durch  Johann  von  Rosenberg  von  Reinprecht  V.  zurückgekauft. 
Außerdem  hatte  letzterer  schon  im  gleichen  Jahre  bestimmt, 
daß  nach  seinem  Tode,  falls  er  kinderlos  sterben  würde,  der 
Markt  Haslach  den  Rosenbergern  zufallen  solle.*  Damit  sie 
noch  früher  in  den  Besitz  des  Ortes  kämen,  verpfändete  Rein- 
precht Haslach  an  Johann  von  Rosenberg  schon  im  Jahre 
darauf. 

Ebenso  erging  es  dem  Besitz  im  Kremstale.  Im  Jahre 
1460^  verschrieb  Wolfgang  von  Walsee  Schloß  Pernstein  dem 
Konrad  von  Hurrenheim  auf  Lebenszeit  und  verkaufte  dem- 
selben 1461*  auch  mehrere  Gülten  in  dieser  Herrschaft.  Dann 
war  er  gleichfalls  1460^  gezwungen,  an  den  erzherzoglichen 
Hubmeister  Ulrich  Rehlinger  für  schuldige  900  Dukaten  und 
7028  Gulden  auch  die  Herrschaft  Scharnstein  zu  versetzen. 
Mehrere  Eigen  in  dieser  Herrschaft  wurden^  in  den  folgenden 
Jahren  veräußert,  ebenso  1464  das  nahe  gelegene  freieigene 
Gut  Adelhaming,^  zur  Herrschaft  Egenberg  gehörig,  an  Ulrich 
von  Starhemberg,  der  auch  1464 — 1465®  eine  ganze  Reihe  von 
Gütern  in  den  Pfarren  Pettenbach,  Vorchdorf  und  Grünau, 
Kirchheim  und  Laakirchen  von  dem  Walseer  ankaufte.  Schloß 
Egenberg  versetzte  derselbe  1464®  flir  geliehene  7000  Gulden 
an  Hans  Kirchberger.  Schließlich  erwarb  1462^^  das  Kloster 
Lambach  von  Wolfgang  von  Walsee  eine  Schwaige  bei  Klaus 
und  das  Stift  Spital  am  Pyhm  1464^^  einen  Teil  des  Land- 
gerichtes auf  dem  Moos  (Schlierbach)  und  zu  Micheldorf. 
Urbar  und  Amt  Matzelsdorf  (bei  Sieming);  welches  den  wal- 
seeischen  Streubesitz  westlich  von  Steier  umfaßte,  wurde  1465^* 


»  WSt.  604.  «  JBMFC,  XLIV,  42. 

»  Revers  von  1460  Juni  27;  LB.  VII,  r.  401. 

*  ürk.  1461  Mai  16;  Orig.  HHStA. 

*  Inventar,  f.  22'. 

«  Urk.  1464  April   24;   Kop.  Linzer  Mnsealarchiv;    Urk.  1466  April  24; 

HHStA. 
'  Bei  Vorchdorf;  Urk.  1464  Juli  24;  Orig.  StAEferding. 
«  Urkk.  1464  Januar  14,   November  17,    1466  Januar  26,   Juni  8;    Orig. 

StAEferding. 
»  Hoheneck,  HI,  461.  *®  Urk.  1462  November  28;  Orig.  HHStA. 

"  Urk.  1464  Desember  13;  Kop.  Linzer  Mnsealarchiv. 
^s  Urk.  1465  November  22;  NB.  II,  339. 


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480 

durch  Wolfgang  von  Walsee  um  400  Ä/Ä  dem  Wolfgang  Hohen- 
furter  ebenfalls  yerkauft^  desgleichen  Schloß  und  Herrschaft 
Tratteneck  1463*  an  Ortolf  Oeumann. 

Nicht  geringer  waren  die  Einbußen  walseeischen  Besitzes 
auf  dem  Boden  Niederösterreichs.  Mehrere  Herrschaften,  die 
hier  von  Wolfgang  V.  an  Reinprecht  V.  übergingen,  blieben 
immerhin  dem  Hause  erhalten.  So  hat  Wolfgang  1459'  seinem 
Bmder  die  Herrschaft  Seuseneck  und  um  dieselbe  Zeit'  auch 
die  Herrschaft  Gleuß  mit  dem  Urbar,  dem  Amte  Opponitz  (bei 
Waidhofen  an  der  Ips)  und  den  Zehent  zu  Winklern  um 
2000  AT  versetzt  und  schließlich  das  Landgericht  daselbst  und 
auf  allen  passauischen  Besitzungen  in  der  Herrschaft  Seusen- 
eck 1465^  verkauft.  Die  beiden  benachbarten  Amter  Alten- 
hofen  und  Sinibelkirchen  gingen  im  gleichen  Jahre  ^  nach  vor- 
angegangener Verpfändung  gänzlich  von  Wolfgang  an  Rein- 
precht über.  Die  Feste  Schranawand  machte  Wolfgang  außer- 
dem 1464^  seinem  Bruder  zum  Geschenk.  Ganz  verloren  da- 
gegen waren  Güter  in  der  Herrschaft  Seuseneck,  die  Wolfgang 
1458^  an  Konrad  Schirmer  verkaufte.  Die  Zehente  in  den 
westlich  davon  gelegenen  Orten  Ensdorf,  Piburg  und  Wim- 
passing  hat  Reinprecht  V.  1465^  um  500  ungarische  Goldgulden 
verkauft.  Das  in  der  Teilung  von  1456  genannte  Gut  (Amt) 
Stein  wurde  durch  Wolfgang  von  Walsee  an  Wernhart  Drugk- 
setz  von  Grueb  verpfändet  und  harrte  1460  •  der  Lösung;  da 
es  außer  Sicht  kommt,  ist  es  offenbar  gleichfalls  in  fremde 
Hände  übergegangen.  Auch  war  Wolfgang  1462^^  um  2öO€t^ 
Schuldner  des  Jörg  Vischer  an  der  Steten.  Schloß  Hohen- 
eck,  durch  mehr  als  ein  Jahrhundert  walseeisch,  hat  Wolfgang 
von  Walsee  1464  Juli  4**  an  Matthäus  von  Spaur,   einen  der 

*  Vgl.  Pühringer,  Gesch.  von  OrieskircheD,  21. 

*  Inventar,  f.  60. 

»  Vgl.  Urk.  1459  Mai  27;  Monumenta  Boica  XXXI«,  473. 
«  Urk.  1466  Oktober  14;  ebenda  603. 
»  Urk.  1466  Oktober  27;  NB.  II,  239. 
«  Urk.  1464  Juni  9;  ebenda  308. 

*  Urk.  1468  Oktober  27;  PRA.  LH,  604. 

*  Urk.  1466  Juni  22;  Orig.  StAEferding. 

*  Vgl.  das  Schreiben  1460  Februar  7;  Kop.  Linser  Musealarchiv. 
w  Urk.  1462  Mirz  24;  NB.  II,  337. 

*^  Orig.  Oberösterreichisches  Landesarchiv;  vgl.  dasn  Adler,  Zur  Geech.  des 
adeligen  Grundbesitzes  in  Österreich  166.  Der  Verkauf  war  eine  Folge 


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481 

Getreuen  K.  Friedrichs,  veräußert.  In  Wien  überließen  beide 
Wabeer  ihr  großes,  ehedem  den  Grafen  von  Montfort  gehöriges 
Haus  am  Eck  bei  der  Burg  1460^  an  E.  Friedrich.  Bei  der 
jetzt  so  günstigen  Gelegenheit  wurde  auch  die  Stadt  St.  Polten 
vom  Bistum  Passau  zurlickerworben.  Wolfgang  V.  verkaufte 
1461  April  7«  seine  Hälfte  der  Stadt  St.  Polten  an  den  Bischof 
Ulrich  von  Passau  um  7000  Gulden  und  seinem  Beispiele  ist 
auch  Reinprecht  V.  gefolgt,  der  dem  Bischof  1465  April  21* 
über  die  dritte  Abschlagszahlung  daran  quittiert. 

In  der  Steiermark  gab  es  nicht  minder  Verluste  über 
Verluste  altwalseeischen  Besitzes.  Zwar  erscheinen  die  beiden 
Brüder  von  Walsee  wieder*  im  Besitze  der  den  Stubenbergem 
bereits  zugesprochenen  Herrschaft  Riegersburg,  deren  Unter- 
tanen 1459^  unter  den  Einfällen  ungarischer  Raubgesellen  zu 
leiden  hatten.  Auch  die  Herrschaft  Gonobitz  stand  ihnen  noch 
zu,  welche  sie  1458^  dem  Hauptmanne  zu  Triest  Siegmund 
von  Spaur  pflegweise  auf  zehn  Jahre  überließen.  Dagegen 
verkauften  die  beiden  Walseer  ihre  Herrschaft  Stattenberg 
an  Stephan  Prueschenk,^  natürlich  ohne  von  dem  Rückkaufs- 
rechte, das  sie  sich  auf  16  Jahre  hinaus  gesichert  hatten,  Ge- 
brauch machen  zu  können.  Dann  ging  1460®  aus  dem  Erbe 
der  Pettauer  die  verfallende  Feste  Weinburg,  ein  altwalseei- 
scher  Besitz,  an  Niklas  von  Liechtenstein-Murau  verloren,  der 
trotzdem  1466»  abermals  als  Wolfgangs  V.  Gläubiger  für  3000 
Goldgulden  erscheint.  Die  von  den  Stubenbergem  gleichfalls 
zurüokgelöste  Herrschaft  Eibiswald  hat  Reinprecht  V.  1464 
an  K.  Friedrich  verkauft.*® 


der  Auflehnung  des  Walseera   und    seines  Lehensmannes  Jörg  Sensen- 

ecker  gegen  den  Kaiser. 
1  ürk.  1460  September  20;  Chmel,  Reg.  Frid.  IV.,  Bd.  II,  r.  3827  und  8949. 
»  Orig.  HHStA.  »  Ebenda. 

^  Offenbar   hatten   sie   die  Pfandsumme    an  die  Stubenberger  schließlich 

doch  erlegt. 
»  Vgl.  die  Urfehde  1469  Februar  11;  NB.  H,  329. 

*  Janisch,  Topographisches  Lexikon  der  Steiermark  I,  360. 
»  Inventar,  f.  69'. 

«  Vgl.  die  Belehnnng  durch  K.  Friedrich  1460  Augast  10;  AÖG.  X,  237 
und  Urk.  1461  Oktober  13;  Orig.  im  fürstl.  Schwarzenbergschen  Archiv 
in  Murau. 

•  Schuldbrief  1466  Mai  19;  Walseer  Lehenbuch;  k.  k.  Archiv  fttr  Nieder- 
Osterreich,  Kod.  1656. 

w  1464  Oktober  30;  Inventar,  f.  5'. 


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482 

Diesen  Überaus  großen  Verlnsten  an  alten  und  ausgedehn- 
ten Besitzungen  steht  dabei  auch  nicht  der  kleinste  Neu- 
er wer  b  gegenüber.  Da  Wolfgang  V.  überdies  1465  September  1  * 
dem  K.  Friedrich  seinen  Anteil  an  dem  Tibeinischen  Erbe,  das 
die  Brüder  im  Vorjahre  geteilt  hatten  —  wobei  Reinprecht  V. 
Yon  Walsee  die  Herrschaften  DuinO;  Prem  und  Senosetsch  bu- 
gefallen  waren  —  nämlich  die  Städte  Fiume  und  Castua 
(Eestau)y  die  Kastelle  Moschenizza,  Sabinich  (Subiach) 
am  Perge  (auf  dem  Karate)  und  Veprinaz  sowie  Guteneck 
in  Krain  für  den  Fall  seines  Ablebens  yerschrieben  hatte,  die 
nun  dem  Kaiser  zufielen,  so  blieben  bei  Wolfgangs  V.  Tode 
seinem  Bruder  Reinprecht  V.  allenthalben  nur  mehr  Trümmer 
des  alten  großen  walseeischen  Besitzes  übrig:  der  Glanz  seines 
Hauses  war  bereits  stark  verblaßt. 

3.  Bai  Ende  Reinpreohti  V.  und  der  Ausgang  des  Hauses. 

Mit  Wolfgangs  V.  Tode  war  die  Bedeutung  seines  Ge- 
schlechtes dahin ;  Reinprecht  V.,  der  letzte  Walseer,  war  nicht 
der  Mann,  sich  persönlich  hervorzutun  oder  den  wirtschaftlichen 
Niedergang  seines  Hauses  aufzuhalten. 

Es  kennzeichnet  die  Lage  nach  Wolfgangs  V.  Tode  und 
die  beiden  Männer,  Reinprecht  V.  sowohl  als  seinen  kaiserlichen 
Herrn,  daß  die  wichtige  Stelle  des  Hauptmanns  ob  der  Ens 
nach  Wolfgangs  Tode  ein  halbes  Jahr  hindurch  einfach  unbe- 
setzt blieb,  obwohl  die  traurigsten  Verhältnisse  im  Lande 
herrachten. 

Während  das  ganze  übrige  Osterreich  in  den  letzten 
Jahren  zur  Ruhe  gekommen  war,  lagen  die  Dinge  im  Lande 
ob  der  Ens  ärger  denn  je.  Zwietracht,  Mißgunst  und  eine 
heillose  Verlotterung  traten  alsbald  in  dem  Ländchen  ein,  das 
nach  Wolfgangs  V.  Tode  ohne  geregelte  Aufsicht  war.  Urheber 
dieser  Wirren  war  Jörg  von  Stein,  ehedem  Erzherzog  Al- 
brechts VI.  Kanzler,  der  sich  weigerte,  dem  Kaiser  die  Pfand- 
schaft Steier  herauszugeben,  als  K.  Friedrich  mit  der  Zahlung 
schuldiger  Summen  zögerte.  Er  trat  neben  Wilhelm  von  Puch- 
heim,  der  dem  Kaiser  gleichfalls  absagte,  in  Verbindung  mit 
K.  Georg  von  Böhmen,  damals  Gegner  K.  Friedrichs,  und  wurde 


»  HHStA.,  Kod.  17,  f.  106. 


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483 

dessen  Diener.  Andererseits  stand  Reinprecht  V.  wieder  dem 
Rosenberger  Ulrich^  nahe,  einem  der  wichtigsten  Mitglieder  des 
hochadeligen  katholischen  Herrenbandes,  welcher  sich  in  Böh- 
men gegen  K.  Georg  bildete  und  der  Gunst  K.  Friedrichs  er- 
freute. 

In  Oberösterreich  suchte  K.  Friedrich  Ordnung  durch  einen 
auf  1467  Januar  6  ausgeschriebenen  Landtag  zu  schaffen^ 
dessen  Eröffiiung  durch  die  Ankunft  E.  Friedrichs  in  Linz 
Mitte  Januar  eingeleitet  wurde.  Man  wollte  nun  die  Abwesen- 
heit Jörgs  Yon  Stein  von  Steier  benutzen;  um  sich  dieser  Stadt 
und  der  Burg  zu  bemächtigen.^  Daher  ordnete  der  Kaiser 
seinen  Schwiegersohn  Herzog  Albrecht  yon  Sachsen,  den  Grafen 
Wolfgang  von  Schaunberg,  Reinprecht  V.  von  Walsee  und  Georg 
Volkenstorf  mit  400  Pferden  gegen  Steier  ab.  Sie  rückten  in 
die  Stadt  ein  und  empfingen  von  der  Bürgerschaft  die  Huldi- 
gung^ die  Burg  aber  vermochten  sie  nicht  zu  nehmen.  Bei 
seinem  Abzüge  Keß  Herzog  Albrecht  von  Sachsen  eine  Be- 
satzung unter  Jörg  von  Volkenstorf  zurück.  Darauf  erfolgte 
Januar  29  ein  Angriff  Jörgs  von  Stein  auf  Steier,  das  der 
Volkenstorfer  am  folgenden  Tage  verließ.  Steins  Söldner  plün- 
derten nun  das  Land  zwischen  Ens  und  Traun  aus  und  brand- 
schatzten furchtbar  auf  den  Besitzungen  Reinprechts  V.  und 
der  Volkenstorfer.*  Von  dem  festen  Pernstein  aus  versuchte 
Reinprecht  mit  seinen  Leuten  und  aufgebotenen  Bauern  den 
Plünderungen  zu  wehren,  es  wurden  aber  bei  200  derselben 
von  Steins  böhmischen  Söldnern  im  nahen  Markte  Kirchdorf 
erschlagen.  Zugleich  zog  Wilhelm  von  Puchheim  im  Mach- 
land umher  und  verwüstete  gleichfalls  die  walseeischen  Güter 
daselbst  sowie  das  Kloster  Baumgartenberg.  Der  Vertrag,  den 
K.  Friedrich  Ende  Februar*  mit  Jörg  von  Stein  abschloß, 
sicherte  letzterem  10.000  Goldgulden  für  die  Ablösung  von 
Steier;  des  von  Puchheim  Sache  wurde  auf  Sonn  wenden  ver- 
tagt, bis  dahin  sollten  Reinprecht  V.  und  Rüdiger  von  Starhem- 
berg  darüber  ihre  Sprüche  tun. 


^  Vgl.  das  Schreiben  der  Herrenbündler  an  Reinprecht  von  Walsee  1467 

Februar  9;  Archiv  desky  IV,  186. 
'  Anon.  chron.  Anstr.,  a.  a.  O.  328;  Gerhard  yan  Roo,  Annales  291. 
'  Vgl.  Prenenhuber,  Annal.  Styr.  163;  Kurz,  Österreich  unter  Friedrich  IV., 

Bd.  n,  78  ff.;  Pritz,  Gesch.  des  Landes  ob  der  Ens  II,  156. 
*  ürk.  1467  Februar  28;  LB.  IV,  r.  1169. 


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484 

Es  war  Dor  ein  sehr  schwacher  Elrsatz  flir  den  erlittenen 
großen  Schaden^  wenn  K.  Friedrich  zu  Ostern  1467^  Rein- 
precht  die  Haaptmannschaft  ob  der  Ens  übergab  und  ihm 
März  26  Yon  Anssee  aus'  das  österreichische  Harschall- 
amt und  alle  die  Lehen  und  Mannschaften'  verlieh,  die  durch 
Wolfgangs  V.  Tod  ledig  geworden  waren.  Dieselben  waren 
Yorläofig  dem  Kaiser  znge£Bdlen,  da  Reinprecht  wegen  der 
großen  darauf  haftenden  Geldschulden  ihre  Übernahme  ver- 
weigerte. 

Wie  wir  bereits  erwähnten,  hatte  Wolfgang  V.  1466  sein 
Dasein  als  Witwer  und  ohne  Nachkommen  beschlossen.  Somit 
war  von  dem  ganzen  einst  so  zahlreichen  Hause  Walsee  nur 
noch  der  einzige  Reinprecht  V.  am  Leben  und  alles  hing  da- 
von ab,  ob  er  Söhne  erhalten  und  damit  sein  altes  ruhmreiches 
Qeschlecht  fortpflanzen  würde.  Reinprecht  hatte  sich  bereits 
im  Februar  1461  vermählt  und  seiner  jungen  Gattin  Margret, 
Rudiger  des  Altern  von  Starhemberg  Tochter,  löOOäT^  als 
Widerlage  ihres  Heiratsgutes  verschrieben^.  Ln  folgenden 
Jahre  vermachte  ihr  Reinprecht  fUr  den  Fall  seines  vorzei- 
tigen Ablebens  Schloß  Windeck  und  jährlich  2000  Dukaten. 
Margret  starb  indes  bereits  1466  oder  1467^  nach  kinder- 
loser Ehe.  Darauf  ftlhrte  der  damals  etwa  40jährige  Rein- 
precht eine  Base  seiner  ersten  Gattin,  Katharina,  Schwester 
Gottfrieds  und  Ulrichs  von  Starhemberg,  als  seine  zweite  Haus- 
frau heim,  der  er  1486  Dezember  19^  eine  Heimsteuer  von 
1000^  mit  löOO^  widerlegte,  dazu  400^^  als  Morgengabe 
schenkte  und  die  ganzen  2900  it  ^  auf  den  Amtern  der  Herr- 
schaft Ort  zu  Laakirchen  und  auf  dem  Tauntzerhofe  anwies. 
Für  den  Fall  seines  Ablebens  bestimmte  er  ihr  1469^  Schloß 
und  Herrschaft  Scharnstein  als  Witwensitz,  was  im  folgenden 
Jahre  die  Genehmigung  K.  Friedrichs  erhielt.^ 

Reinprechts  Tätigkeit  als  Hauptmann  ob  der  Ens  war 
auf  die  Wiederherstellung  des  Friedens  gerichtet.  Seiner  Be- 
ziehungen  zu  dem  Rosenberger  Ulrich  in  Sttdböhmen   dürfen 


*  Vgl.  das   Schreiben  Reinprecht«   von  WaUee   an    die  Freistidter  1467 
März  27;  Kop.  Linzer  Mosealarchiy. 

*  Chmel,  Reg.  Frid.  lY.,  Bd.  U,  r.  4950.  *  Kop.  Linser  MuBealarchiy. 
«  WSt.  604.            «  Vgl.  die  Genealogie.  <  Orig.  StAEfeiding. 

*  ürk.  1469  Januar  21;  WSt.  604. 

"  Urk.  1470  M&rs  19;  Orig.  UHStA. 


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485 

wir  daneben  nicht  vergessen.^  Nebst  dem  Schaunberger  war 
Reinprecht  im  Sommer  1467  im  Interesse  des  Kaisers  für  den 
Abschluß  eines  Waffenstillstandes  zwischen  K.  Georg  und  den 
katholischen  Adeligen  in  Böhmen  tätig,^  denen  sich  auch  der 
Bosenberger  anschloß. 

Andererseits  rührten  sich  auch  E.  Georgs  Anhänger  in 
Österreich;  Jörg  von  Stein,  Wilhelm  von  Puchheim  und  Stephan 
von  Eäzing  begannen  mit  böhmischer  Hilfe  eine  neue  Fehde 
gegen  den  Kaiser.  Besonders  in  der  Ips-  und  Traisengegend 
litten  die  walseeischen  Herrschaften  abermals  durch  Raub  und 
Plünderung.*  Doch  wurden  ihnen  Steier  und  Ips  abgenommen 
und  dem  Unwesen,  das  sie  dann  nördlich  der  Donau  trieben, 
durch  den  kaiserlichen  Feldhauptmann  Ulrich  Grafenecker  ein 
Ende  gemacht.  Dagegen  sagte  1468  Januar  8  K.  Georg  dem 
Kaiser  ab^  und  trat  nun  offen  fUr  seine  Schützlinge  ein.  Im 
Lande  ob  der  Ens  war  seit  dem  Frühjahr  1468  Freistadt 
ständig  von  den  Böhmen  bedroht;  mit  Mühe  vermochte  sich 
der  Grafenecker  in  Niederösterreich  gegen  K.  Georg  zu  halten. 
Es  hielt  in  diesen  Tagen  für  den  Walseer  schwer,  seiner  Auf- 
gabe als  Hauptmann  ob  der  Ens  gerecht  zu  werden.  Er  zog 
gegen  die  Böhmen,  die  ihm  neuerdings  auf  seinen  Gütern  großen 
Schaden  zufügten,  nicht  selbst  ins  Feld,  sondern  suchte  von 
Linz  aus,  wie  wir  aus  seiner  Korrespondenz^  mit  den  Frei- 
Städtern  wissen,  so  gut  es  eben  ging,  dieser  bedrohten  Stadt 
zu  helfen  und  insbesondere  Ulrich  von  Grafeneck  mit  Verstär- 
kungen und  Geldmitteln  zur  Kriegftlhrung  zu  versehen. 

Im  Frühlinge  1468  wurde  indes  K.  Matthias  von  Ungarn 
des  Kaisers  Verbündeter  gegen  die  Böhmen,  wodurch  Ober- 
österreich von  diesen  weniger  heimgesucht  wurde;  dafür  er- 
preßte der  Grafenecker  im  Lande  ob  der  Ens  große  Summen 
und  setzte  sich  dabei  gänzlich  über  die  Stände  und  den  Landes- 
hauptmann  hinweg.     Auch  die   Verstärkungen,^  welche   dem 

^  Vgl.  das  Schreiben  des  Jans  yon  Rosenberg  1467  April  27;  Archiv  ceskj 
Vn,  274. 

*  Vgl.  den  Bericht  des  Abtes  von  Goldenkron,  vor  1467  September  30; 
Archiv  iesky  VII,  279. 

'  Vgl.  die  Schreiben  1467  April  17,  September  29;  Kop.  Linzer  Mnsealarchiv. 
^  Vgl.  Bachmann,  Deutsche  Beichsgesch.  II,  136—138. 
»  AÖG.  XXXI,  362—368. 

*  Vgl.  das  Schreiben  Reinprechts  von  Walsee  an  die  Freistädter  1468  De- 
zember 11;  AÖG.  XXXI,  317. 


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486 

E.  Matthias  ans  Oberösterreich  zugesandt  wnrden,  vermochte 
das  ausgesogene  Land  kaum  mehr  aufzubringen. 

Während  der  Krieg  in  Mähren  fortdauerte,  kehrte  der 
Kaiser  im  Frühjahr  1469  aus  Rom  in  die  Steiermark  zurück, 
auf  deren  Boden  sich  nun  die  bekannte  Baumkircherfehde  ab- 
spielte. Auch  Reinpreoht  von  Walsee  folgte^  diesen  Ereignissen 
aufmerksam  von  Oberösterreich  aus;  er  suchte  den  böhmischen 
Söldnern,  welche  zu  Baumkircber  stoßen  wollten,  den  Weg 
über  die  Donau  zu  versperren.' 

Im  Hochsommer  1469  machte  Jörg  von  Stein  einen  neuen 
Einfall  nach  Oberösterreich,  während  andererseits  auch  die 
Böhmen  ins  Mühlviertel  vordraogen  und  (1469  August  15) 
Haslach  verbrannten.'  Daraufhin  rief  Reinprecht  von  Linz  aus 
die  Freistädter  zur  Verteidigung  ihrer  Stadt  gegen  den  Landes- 
feind auf.  Auch  im  folgenden  Jahre  mußte  Reinprecht  das 
Land  ob  der  Ens  gegen  einen  befürchteten  Einfall  Jörgs  von 
Stein  in  Verteidigungszustand  setzen;  der  Linzer  Landtag  von 
Juni  29  empfahl  die  Bereithaltung  des  Aufgebots  des  zehnten 
Mannes,  wovon  Reinprecht  die  Freistädter  in  Kenntnis  setzte.^ 
Jörg  von  Stein  fand  das  Land  wohl  verwahrt  und  wandte  sich 
daher  nach  Niederösterreich,  wo  er  indes  auch  keine  Fort- 
schritte machte. 

Trotz  des  Einvernehmens,  das  zwischen  K.  Wladislaw, 
dem  Nachfolger  K.  Georgs  auf  dem  Throne  Böhmens,  und  dem 
Kaiser  bestand,  fand  1472  abermals  ein  Einfall  böhmischer 
Adeliger,  so  des  berüchtigten  Roubik,  in  das  Mühlviertel  statt 
Schon  Ende  Januar  ließ  K.  Friedrich^  und  im  Mai  der  Burg- 
graf auf  Klingenberg  ^  an  den  Walseer  warnende  Schreiben  er- 
gehen, die  ihn  über  die  Gefährdung  von  Haslach  und  Freistadt 
durch  die  Böhmen  benachrichtigten.  An  der  Spitze  des  Auf- 
gebotes suchte  sich  Reinprecht  des  Einfalls  nach  Kräften  zu 
erwehren;  Erfolge,  die  er  dabei  davontrug,  benahmen  den  böh- 


^  Vgl.  Reinprechts  von  Walsee  Schreiben  an  die  Freistädter  1469  April  4 

(richtig  statt  Febmar  7);  AÖG.  XXXI,  358. 
'  Vgl.  das  Mandat  Reinprechts  von  Walsee  1469  Mai  5;  AÖG.  XXXI,  359. 

*  Vgl.  das  Schreiben  Reinprechts  von  Walsee  1469  Angost  18;  AÖG.  XXXI, 
359.  Preuenhuber,  Ann.  Styr.  125;  Kurz,  Österreich  anter  Friedrich  IT., 
Bd.  n,  87. 

*  1470  Jnli  19;  AÖG.  XXXI,  860.        »  1472  Januar  29;  AÖG.  XXXI,  862. 
«  1472  Mai  6;  Archiv  öesky  VIII,  12. 


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487 

mischen  Stegreifrittern  zumindest  nicht  die  Lnst^  ihren  Einfall 
im  kommenden  Jahre  zu  wiederholen.  Bereits  1473  April  1^ 
mußte  Reinprecht  die  Oberösterreicher  wieder  auffordern^  sich 
gerüstet  zu  halten,  um  nach  Haslach  zu  ziehen,  da,  wie  ein- 
geholte Kundschaft  berichtete,  ,der  Plech'  mit  vielem  Volke 
bereits  vier  Meilen  von  Leonfelden  lag  und  jeden  Tag  ein  Ein- 
fall zu  befürchten  war. 

Auch  im  Lande  selbst  gab  es  abermals  Verwirrung  und 
Fehde,  die  wohl  von  Niederösterreich  aus  dahin  übergriff,  wo 
wieder  eine  ganze  Anzahl  von  Adeligen  im  Kampf  mit  dem 
Kaiser  lag.'  Reinprecht  leistete  auch  den  niederösterreichischen 
Ständen  Beistand  und  bot  im  Winter  1473  zum  Zuge  gegen 
den  Tabor  zu  Sensenstein  auf,^  die  Stiftung  seiner  Ahnen,  die 
jetzt  von  böhmischen  Söldnern  verwüstet  wurde. 

Wenig  half  es,  daß  sich  Reinprecht  an  der  Spitze  der 
obderensischen  Stände  1473  an  den  schwachen  König  Wla- 
dislaw  wandte*  und  dort  Beschwerden  über  den  unruhigen 
böhmischen  Adel  anbringen  ließ;  die  Verwendung  ungarischer 
Räte  in  Prag  hatte  gleichfalls  nicht  den  gewünschten  Erfolg  in 
dieser  Sache.  Selbst  Reinprechts  Verbindungen  mit  den  Rosen- 
bergern,  die  ihren  Ausdruck  eben  erst  im  Testamente  Johanns 
von  Rosenberg  gefunden  hatten,*  vermochten  den  Unfrieden  mit 
den  südböhmischen  Adeligen  nicht  hintanzuhalten.  Die  Feind- 
seligkeiten wurden  vielmehr  im  Jahre  1474  weit  lebhafter.* 
Mit  seinen  Verbündeten  Peter  Stoupensky  und  Heinrich  Zini- 
span  sagte  —  gewiß  gegen  den  Willen  K.  Wladislaws  —  dessen 
Obersthofmeister  Leo  von  Rosental  (Lew  von  Roimital)^  1474 
Juni  15  den  Herren  im  Lande  ob  der  Ens  die  Fehde  an,  in 
deren  Verlauf  es  1474  zur  Besetzung  Haslachs  und  des  Schlosses 


>  AÖG.  XXXI,  868. 

'  Vgl.  Kurz,  Österreich  unter  Friedrich  IV.,  II,  117  nnd  Bachmann, 
Deutsche  Reichsgesch.  II,  388. 

*  Vgl.  Reinprechts  von  Walsee  Schreiben  an  die  Freistädter;  AÖG.  XXXI, 
363. 

*  Kurz,  a.  a.  O.  IT,  118.  *  Sedlaöek,  Hradj  Zkmkj  a  Turze  HI,  32. 
^  Vgl.  das  Schreiben  Graf  Siegmunds  yon  Schaunberg  an  den  Walseer  1474 

April  24,  Eferding;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

*  Vgl.  Kurz,  a.  a.  O.  n,  119;  Pritz,  Geschichte  des  Landes  ob  der  Ens  11, 
160;  Cori,  Die  Grenzfehden  zwischen  Böhmen  und  OberOsterreich  unter 
Friedrich  IV.,  JBMFC.  XXXXIV,  Iff.;  MareS,  Jindfich  Roubik  z  Hla- 
watec,  Casopis  Öeskeho  Museum  LV,  87,  214. 


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488 

Waidenfels  durch  die  Böhmen  und  zu  einem  Gegeneinfalle  der 
Oberösterreicher  über  die  Grenze  kam.  Auch  Heinrich  Boubik 
gesellte  sich  anfangs  1475  zu  den  Angreifern;^  als  ihm  von 
dem  Oberösterreicher  Kaspar  Sitzenberger,  einem  walseeischen 
Lehensmann^  eine  Beleidigung  widerfahren  war.  Nachdem  das 
Jahr  1475  nach  der  Taidung  von  Leonfelden^  die  das  eroberte 
Hörschlag  vorläufig  dem  Schaunberger  und  dem  Rosenberger 
zusprach;  unter  gegenseitigen  kleineren  Plttnderungszügen  da- 
mit geschlossen  hatte,  daß  Roubik  Hörschlag  abermals  einnahm, 
versuchte  Reinprecht  den  Freibeuter  vergeblich  durch  ein  An- 
gebot von  200  Seh.  b.  Gr.  zum  Frieden  und  zur  Herannahe 
der  von  ihm  besetzten  drei  Schlösser  zu  bewegen.'  Roubik 
wurde  dadurch  nur  ermutigt,  seine  Raubzüge  1476  noch  weiter 
bis  an  die  Donau  und  in  die  Wachau  auszudehnen,  wo  er  dem 
Walseer  großen  Schaden  an  seinen  Weingärten  zufögte.'  End- 
lich erfocht  Bernhard  von  Scherfenberg,  der  als  kaiserlicher 
Feldhauptmann  eine  hinreichende  Truppenmacht  aufgebracht 
hatte,  in  der  Pfingstwoche  bei  Grein,  in  dessen  Nähe  die  Böh- 
men einen  Tabor  errichtet  hatten,  einen  Sieg  über  Roubik  und 
dessen  Leute  ;^  aus  der  Beute  wurde  Reinprecht  das  zweitbeste 
Pferd  und  das  beste  Schießgewehr  verehrt.  Reinprechts  Ver- 
weser Kaspar  Herleinsberger  leitete  schUeßlich  Verhandlungen 
mit  Roubik  ein  und  auch  die  übrigen  böhmischen  Adeligen 
schlössen  1477  April  4^  mit  E.  Friedrich  einen  Waffenstillstand 
ab,  der  dem  Walseer  und  dem  Grafen  Hang  von  Werdenberg 
die  endgültige  Schlichtung  aller  Forderungen  übertrug. 

Schon  in  die  Kämpfe  der  letzten  Jahre  hatte  Reinprecht 
nicht  mehr  persönlich  eingegriffen,  so  als  sich  im  Jahre  1477 
abermab  mehrere  Edelleute,  wie  die  Liechtensteine  u.  a.,  gegen 
den  Kaiser  erhoben.  Während  Bernhard  von  Scherfenberg  im 
nächsten  Frühling  nochmals  einen  Einfall  nach  Südböhmen 
machte,  für  den  nun  Vergeltung  in  Aussicht  stand,  suchte  der 
Walseer  noch  im  März  die  Erneuerung  und  Verlängerung  des 
Waffenstillstandes  zu  vermitteln  und  wandte  sich  deshalb  an 
den  Kaiser;  dieser  aber  hörte  nur  auf  den  Scherfenberger,  der 


*  Vgl.  das  Schreiben  Roubiks  1474  Desember  1 ;  Archiv  öesky  Vm,  154. 

*  Vgl.  Koubiks  Schreiben  1476  Mal  1;  Archir  deaky  IX,  169. 

*  Desgl.  1476  September  30;  ebenda  170. 

*  Vgl.  Kur«,  Österreich  unter  Friedrich  IV.,  Bd.  II,  121. 
'  Chmel,  Monum.  Habsbnrg.  I^,  606. 


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für  den  Krieg  war.  Der  ewigen  Händel  Überdrüssig,  legte  der 
lebensmüde  Reinprecht  von  Walsee,  dem  neben  allen  diesen 
traurigen  Verhältnissen  überdies  der  Niedergang  und  das  Er- 
löschen seines  Hauses  vor  Augen  stand,  um  Ostern  1478^  sein 
Amt  als  Hauptmann  ob  der  Ens  nieder.'  An  seine  Stelle  trat 
darin  Bernhard  von  Scherfenberg,  dem  K.  Friedrich  alsbald' 
die  Hauptmannschaft  ob  der  Ekis  übergab.  Neuerliche  Einfälle 
und  Verheerungszüge  der  Böhmen,  die  wiederum  die  wal- 
seeischen  Besitzungen  nördlich  der  Donau  heimsuchten^  und 
EUaffer  bei  Haslach  verbrannten,  machten  auch  dem  neuen 
Hauptmann  zu  schaffen.  Reinprecht  V.,  dessen  Gesundheit  der 
Ruhe  bedurfte,  blieb  dem  Kaiser  immerhin  als  dessen  Rat  nahe, 
doch  tritt  er  fortan  nicht  mehr  bedeutend  hervor. 

Seit  1480  begannen  dabei  die  Einfälle  der  Ungarn  nach 
Niederösterreich,  dessen  Eroberung  K.  Matthias  damit  einleitete, 
sowie  in  die  Steiermark.  Von  der  Heersteuer,  welche  der  Kaiser 
zur  Aufbringung  der  notwendigsten  Truppen  1480^  ausschrieb, 
wurden  bedeutende  Summen  auf  die  walseeischen  Herrschaften 
umgelegt.  Trotzdem  war  der  Walseer  genötigt,  auch  selbst 
Söldner  zur  Abwehr  des  Gegners  aufzunehmen;  so  hatte  er 
Böhmen  unter  dem  Hauptmann  Andre  Dobco  von  Plennitz 
1482^  zu  Sensenstein  liegen.  Im  übrigen  suchten  sich  die  wal- 
seeischen Pfleger  und  Hintersassen  so  gut  als  möglich  mit  ,Hul- 
digungen'  abzufinden,^  womit  sie  sich  notgedrungen  vor  den 
Ungarn  von  weiteren  Plünderungen  loskauften.  Reinprecht  V. 
hielt  sich  in  dieser  unsicheren  Zeit  seit  Frühjahr  1482  meist 
auf  Schloß  Nieder- Walsee  auf  und  tat  wenig  auf  die  schlimmen 
Nachrichten  hin,  die  aus  seinen  niederösterreichischen  Herr- 
schaften einliefen.  Er  konnte  sich  nur  mehr  schwer  zu  einem 
tatkräftigen  Handeln  aufraffen;  der  Wirrwarr  von  Verhandlungen 


*  Hoheneck,  Genealogie  H,  800.  •  Vgl.  JBMFC.  XUV,  32. 

'  Vgl.  den  Reyen  Bernhards  von  Scherfenberg  1478  September  12;  Chmel, 
Eeg.  Frid.  IV,  Bd.  II,  r.  7226.  Irrtttmlich  wird  Reinprecht  von  Walsee 
in  einer  Passauer  Urkunde  1480  Jani  19  (Monnmenta  Boica  XXXI  \ 
669)  noch  einmal  Hauptmann  ob  der  Ens  genannt. 

*  Vgl.  die  Schreiben  1478  Juli  8,  Archir  deskj  IX,  239;  1478  August  6, 
Oktober  24,  ebenda  X,  1—8. 

^  Vgl.  die  beiden  Schreiben  Reinprechts  Ton  Wakee   1480  Mai  28  und 

1481  M&n  1;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 
'  Vgl.  dessen  Schreiben  1482  Min  27;  ebenda. 
'  Vgl.  das  Schreiben  des  Senftenberger  Pflegers  1482  Juli  6;  ebenda. 


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490 

mit  einzelnen  Söldnerscharen,  die  sich  ihren  Entgang  an  Beute 
nm  schweres  Qeld  abkaufen  ließen,  schuf  den  Untertanen  wenig 
Abhilfe.  Auch  des  Kaisers  Aufforderung  an  die  Stände  des 
VOWW.,*  sich  auf  Reinprechts  und  des  Aggsteiner  Pflegers 
Mahnung  hin  mit  ihren  Aufgeboten  an  Reisigen  auf  Laurenzi 
in  Wien  einzustellen,  hatte  keine  umfassendere  Tätigkeit  Rein- 
prechts zur  Folge.  Die  Hauptursache  war  wohl,  daß  dem  Wal- 
seer  eben  die  nötigen  Mittel  zu  einem  Eingreifen  in  die  trost- 
losen Verhältnisse  fehlten. 

Auch  seinen  Untertanen  und  Lehensleuten  in  der  Steier- 
mark erging  es  gleichzeitig  nicht  besser.' 

Der  Niedergang  des  Hauses  Walsee  war  dabei  in  wirt- 
schaftlicher Hinsicht  abermals  in  den  letzten  Jahren  weiter 
Yorgeschritten.  Vor  allem  ging  nun  auch  die  restliche  Hälfte 
des  ehedem  tibeinischen  Besitzes^  und  damit  die  Machtstellung 
verloren,  welche  die  Herren  von  Walsee  an  der  Adria  im  Hinter- 
lande von  Triest  fast  durch  ein  Jahrhundert  innegehabt  hatten. 
Reinprecht  kam  dem  Wunsche  K.  Friedrichs,  diesen  Besitz  der 
von  Wolfgang  V.  von  Walsee  erworbenen  Hälfte  anzugliedern, 
nicht  entgegen.  Zwar  hat  K.  Friedrich  in  dieser  Absicht  daför 
1469  Dezember  15*  Reinprechts  Herrschaft  Nieder- Walsee,  ein 
herzogliches  Lehen,  zu  einem  freien  Eigen  (Allode)  gemacht 
und  1470  März  19*  eine  Kaufabrede  vereinbart^  laut  welcher 
Reinprecht  das  obere  und  das  untere  Schloß  zu  Duino  (Tibein)^ 
Senosetsch  mit  der  Maut  und  dem  Kastelle  daselbst  und 
Prem  sowie  seine  Rechte  auf  S.  Vinzenz  und  andere  Dörfer 
in  Isterreich  —  mit  insgesamt  1700  Äf^  jährlicher  Gülten  — 
abtreten  und  daftir  vom  Kaiser  Herrschaft  und  Schloß  Attersee 
fllr  10.000  Qulden  und  filr  den  Abgang  davon  die  Schlösser 
Frankenburg,  Neu-Attersee,  Kogl  genannt,  und  Seusen- 
burg  unter  genannten  Bedingungen  als  Pfandschaften  erhalten 
sollte.     Reinprecht  schob  indes  die  Abtretung  von  Tibein  etc. 


»  1482  Juni  28;  FRA.  LV,  204. 

*  Vgl.  das  Schreiben  an  Reinprecht  von  WaUee  1483  Mai  6 ;  Kop.  Linier 
Musealarohiv. 

'  Anch  hier  zeigt  sich  der  Niedergang  der  Walseer  in  rückständigen  Zah- 
lungen an  Niklas  Lueger,  yordem  Hauptmann  xu  Tibein,  nun  K.  Fried- 
richs Hauptmann  zu  Triest;  ygl.  die  Sehreiben  1470  Juni  6,  7 ;  Chme), 
Reg.  Frid.,  r.  6053,  6056,  1472  Mlrx  19;  Orig.  StAEferding. 

*  Orig.  StAEferding. 


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491 

mit  gutem  Grande  hinaus^  da  die  ihm  verheißenen  Herrschaf- 
ten^ noch  im  Besitz  anderer  Pfandinhaber  waren^  bis  schließlich 
K.  Friedrich  einen  solchen  Druck  auf  ihn  ausübte,'  daß  er 
sich  wohl  oder  übel  dazu  bequemen  mußte.  Bereits  1471  hatte 
Reinprecht  an  K.  Friedrich  einen  Riickfallsrevers  über  die 
Herrschaft  Attersee  für  den  Fall  des  Aussterbens  des  Hauses 
Walsee  im  Mannsstamme  ausgestellt,  im  März  1472'  gelaugte 
schließlich  die  Abtretung  zum  Abschlüsse.  Für  die  verlorenen 
Güter  erhielt  Reinprecht  die  Herrschaft  Kammer  am  Attersee 
samt  dem  Kirchenlehen  von  Schörfling  als  Ek*blehen  und  für 
schuldige  84.800  Gulden,  ferner  1220  Gulden  Rückstände  die 
Pfandschaften  Neu-Attersee,  genannt  zum  Kogl,  Seusenburg 
und  Frankeuburg,  die  sich  ehedem  bereits  in  walseeischem 
Pfandbesitz  befunden  hatten;  damit  war  ihm  allerdings  hinrei- 
chender Ersatz  für  das  Verlorene  —  verheißen. 

Zwar  trachtete  Reinprecht  wenigstens  kleinere  ehemalige 
Besitzungen  seines  verstorbenen  Bruders  wieder  an  sich  zu 
bringen  —  wie  den  Zehent  zu  Ensdorf,  womit  ihn  die  Äbtissin 
von  Erlakloster  1475  belehnte/  oder  einen  zu  Gleuß  gehörigen 
Zehent,  den  er  von  Linzer  Bürgersleuten  1476^  zurückkaufte 
—  im  Übrigen  aber  häuften  sich  auch  weiterhin  Verluste  auf 
Verluste. 

Von  kleineren  Verkäufen  abgesehen,^  haben  wir  insbe- 
sondere der  Veräußerung  einer  der  ältesten  walseeischen  Be- 
sitzungen in  Osterreich  zu  gedenken.  Schloß  Guntersdorf 
wurde  nämlich  vorerst  an  Ulrich  Röhlinger  für  4400  Äf.Ä  ver- 
pfändet^ und  ihm  sodann  1476  für  eine  alte,  von  Wolfgang  V. 
von  Walsee  herrührende  Schuld  entgiltig  verkauft,  doch  ohne 
das  Kirchenlehen  zu  Schöngrabern;  sodann  folgte  1478®  die 
Veräußerung  der  Herrschaft  Gleuß  an  Siegmund  E^tzinger. 

*  So  Attersee;  vgl.  ürk.  1471  April  5;  Chmel,  Reg.  Frid.,  r.  6207- 

*  Das  Schreiben  Graf  Bernhards  von  Schaunberg  1471  August  23  (Denk- 
schriften der  Wiener  Akad.  der  Wissensch.  XII,  340)  bezieht  sich  wohl 
darauf. 

*  Urkk.  1472  Mftra  12  und  19;  Orig.  HHStA. 

*  Urk.  1475  Juli  31;  Orig.  StAEferding. 
^  Urk.  1476  August  12;  Orig.  ebenda. 

*  Urkk.  1473  April  12,  1474  Juni  1;  Orig.  ebenda. 

*  Revers  des  Rohlinger,  1472  August  26;  Urkk.  1476  April  16,  Septem- 
ber 16;  ebenda. 

*  Schweickhardt  von  Sickingen,  VOWW.,  XL  Bd.,  219. 

Arobiv.  XCV.  Band.  II.  Hftlfle.  33 


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492 

Der  walseeische  Besitz  in  der  Steiermark  wurde  geradezu 
aufgelöst.  Gonobitz  ging^  wohl  um  1469,  in  den  Besitz  des 
Kaisers^  über.  Mit  dem  Schlosse  Ober-Marburg  wurde  vom 
Kaiser  1469*  Ulrich  von  Graben  belehnt,  dem  es  noch  zu  Leb- 
zeiten Wolfgangs  von  Walsee  gegen  die  beiden  Wabeer  zuge- 
sprochen worden  war.  Ebenso  hat  Reinprecht  V.  1478  die 
Herrschaft  Gleichenberg'  an  Jörg  von  Reichenburg  und  an 
dessen  Bruder  Reinprecht  auch  die  Riegersburg  verkauft, 
doch  ohne  die  Lehen  von  letzterer,  wie  noch  ein  Lehenbrief* 
andeutet.  Eine  lange  Reihe  von  Walseer  Lehen,  Gülten  etc. 
in  der  Oststeiermark  hielt  auf  diesem  Boden  noch  durch  Jahr- 
hunderte die  Erinnerung  an  das  ruhmvolle  Haus  aufrecht. 

Damit  waren  die  Walseer  seit  einem  Menschenalter  von 
ihrem  früheren  Güterbestande  weit  herabgekommen;  der  Rest 
war  vernachlässigt,  seine  Erträgnisse  gesunken.  Obgleich  immer 
noch  z.  B.  ein  reicher  Hausschatz  vorhanden  war,  fehlte  es  zu- 
zeiten selbst  am  Nötigen.  So  war  der  Walseer  Hof  in  Wien 
um  1473  derart  verwahrlost,^  daß  sein  Herr  dort  nicht  einmal 
absteigen  konnte.  Kaum  mehr  ein  Viertel  war  von  dem  alten, 
überreichen  Besitzstande  übrig,  als  Reinprecht  V.,  der  Letzte 
seines  Hauses,  die  Augen  schloß. 

Von  seiner  ersten  Gattin,  der  Starhembergerin  Margret, 
wurde  Reinprecht  wohl  mit  einem  Töchterchen  Barbara  be- 
schenkt, das  sich  1474^  mit  dem  Grafen  Siegmund  von  Schaun- 
berg  vermählte;  seinen  Hoffnungen  auf  einen  Stammhalter  war 
jedoch  keine  Erfüllung  beschieden.  Der  schmerzliche  Gedanke, 
daß  mit  seinem  Tode  das  Ende  des  ruhmvollen  Hauses  ge- 
kommen sei,  verdüsterte  ihm  das  Dasein  und  war  wohl  die 
Ursache,  weshalb  Reinprecht  gerade  im  letzten  Lebensabschnitte 
so  wenig  Schaffensfreude  in  sich  fühlte:  er  sah  keine  Zukunft 
seines  Hauses,  keinen  Sohn  um  sich! 

Bereits  1472'  hat  er  seiner  Gattin  Schloß  und  Herrschaft 
Ort  verschrieben     Zehn  Jahre   später  bestätigte  er   nochmals 


^  Vgl.  Janisch,  Topographisches  Lexikon  der  Steiermark  I,  358. 

'  Beiträge  zur  Kunde  steir.  Geschieh tsquellen  XXXII,  223. 

»  WSt.  604.  *  1479  Juni  I5  Orig.  StLA.  Nr.  7776. 

^  Vgl.  das  Schreiben    des  Schaffers  Jörg  Stainbot    1473  Dezember  31    an 

seinen  Herrn  Reinprecht  von  Walsee;  Kop.  Linzer  Musealarchiy. 
•  Vgl.  die  Heiratsabrede,  Nieder- Walsee  1474  Oktober  24;  InvenUr,  f.  61'. 
'  WSt.  604. 


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493 

dieses  Vermächtnis  und  fügte  1482  März  15*  Schloß  Win.deck 
nebst  den  Märkten  Schwertberg  und  Tragwein  seiner  Gattin 
als  &be  hinzu.  An  die  Liechtensteiner  von  Nikolsburg  testierte  er 
femer  1479*  sein  Schloß  Kirchhöfen,  ein  Haus  zu  Wien  sowie 
die  Dörfer  Stadlau,  Aspern  u.  a.  auf  dem  Marchfelde. 

Als  Reinprecht  Ende  1482  den  Tod  herannahen  fühlte, 
verfügte  er  noch  über  seine  Erbämter^  von  denen  er  das 
steirische  Truchsessenamt  den  Brüdern  Siegmund  und 
Heinrich  Prueschink/  und  1483  März  13  auch  das  öster- 
reichische Erbmarschallamt  seinem  Vetter^  dem  Grafen 
Georg  von  Schaunberg  testierte.* 

Als  Letzter  seines  hochangesehenen  ruhmreichen  Hauses 
ist  Reinprecht  V.  von  Walsee  am  19.  Mai  1483^  aus  dem  Leben 
geschieden  und  bei  seinen  Ahnen  in  der  walseeischen  Stiftung 
Sensenstein  bestattet  worden^  der  er  noch  1479  mit  seiner  Haus- 
frau das  Amt  Sinibelkirchen  gewidmet  hatte.^ 

Sein  Erbe  umfaßte  etwa  noch  ein  Dutzend  Herrschaften 
und  eine  Anzahl  kleinerer  Güter.  Darüber  hatte  obendrein 
großenteils  K.  Friedrich  zu  verfügen.  Er  konnte  die  Manns- 
lehen einziehen;  nur  die  Weiberlehen  und  Allode  gehörten  der 
Tochter.  Einen  Teil  davon  hatte  der  letzte  Walseer  seiner 
Witwe  vermacht.  Der  Rest  kam  durch  Reinprechts  V.  einziges 
Kind,  die  Erbtochter  Barbara,  an  deren  Gatten,  den  Grafen 
Siegmund  von  Schaunberg^  und  da  derselbe  nach  kinderloser 
Ehe  1498  aus  dem  Leben  schied^  an  Siegmunds  Neffen  Grafen 
Georg.  In  dem  Vergleich  von  1489  Dezember  13'  erhielten 
Graf  Siegmund  und  seine  Gattin  vom  Kaiser  die  Herrschafken 
Ober-Walsee,  Burgstall,  Senftenberg,  Seuseneck,  das 
halbe  Schloß  Scharnstein  und  das  Erbmarschallamt  in 
Österreich  nebst  dem  Versprechen,  dem  Grafen  EViedrich  von 
Schaunberg  zum  Erzbistume  Salzburg  zu  verhelfen. 

Der  verstorbene  Reinprecht  V.  von  Walsee  war  vollkommen 
im  Rechte  gewesen,  dem  Kaiser  die  Abtretung  von  Tibein  so 
lange  abzuschlagen.     Sofort  nach  Reinprechts  Tode   bemühten 

*  Urk.  1482  Mära  15;  Orig.  StAEferding. 

*  Falke,  Gesch.  des  Hauses  Liechtenstein  I,  495. 

»  Urk.  1482  Dezember  9;  Chmel,  Reg.  Prid.,  r.  7678. 

*  Denkschriften  der  Wiener  Akad.  der  Wissensch.  XII,  344. 

*  Vgl.  die  Genealogie.  •  Inrentar,  f.  8. 

'  Denkschriften  der  Wiener  Akad.  der  Wissensch.  XII,  347. 

33* 


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494 

sich^  dessen  Tochter  and  ihr  Gatte,  in  den  Besitz  der  daftLr 
verpfilndeten  Herrschaften  zu  gelangen.  Wie  wir  ans  der  Klage 
erfahren,  welche  das  Ehepaar  1484'  gegen  den  Kaiser  bei  der 
obderensischen  Landschaft  erhob,  war  Reinprecht  V.  weder  das 
ihm  als  E^rblehen  gegebene  Kammer  je  ausgeliefert,  noch  die 
daftir  yereinbarte  Summe  bezahlt  worden.  Als  sich  die  Kläger 
nach  Reinprechts  Tode  der  verpftlndeten  Herrschaften  ,an- 
nahmenS  wurden  sie  vom  Kaiser  und  von  Bernhard  von  Scher- 
fenberg  ,dayon  gedrängt',  ungeachtet  sie  sich  zum  Rate  erboten 
hatten.  Der  Vergleich,  zu  dem  sich  der  Kaiser  darauf  herbei- 
ließ, brachte  den  Erben  wenigstens  Seusenburg,  Kogel  (Neu- 
Attersee)  und  Frankenburg  zu. '  Auch  die  vordem  walseeische 
Erbvogtei  über  das  Erlöster  Lambach  kam  jetzt  an  den  Schaun- 
berger  und  dessen  Gattin.^ 

Reinprechts  V.  Witwe  Katharina  waren  nach  den  erwähnten 
Bestimmungen  Ort  und  Windeck  geblieben,  dazu  kam  noch 
der  Markt  Swans  (Schwanenstadt),  der  ihr  von  Barbara  und 
Grafen  Georg  von  Schaunberg  zugesprochen  wurde.*  Obwohl 
gerade  Bernhard  von  Scherfenberg  seinerzeit  in  Gegensatz  zu 
ihrem  Gatten  gestanden  hatte  ^  und  neuerlich  erst  wieder  ihrer 
Stieftochter  bei  der  Erlangung  einer  Entschädigung  ftir  die 
Tibeiner  Güter  entgegengetreten  war,  vermählte  sich  Barbara 
1490/91  mit  dem  Scherfenberger,  der  eben  erst  Witwer  nadi 
seiner  1489  August  14'  verstorbenen  ersten  Gemahlin,  der 
Steirerin  Elsbeth  von  Fladnitz,  geworden  war.  So  wurde 
Windeck  1491*  an  Bernhard  von  Scherfenberg  übergeben. 
Katharina  überlebte  auch  noch  ihren  zweiten  Gatten  (Bernhard 
von  Scherfenberg  starb  1513  Dezember  13)'  und  schied  erst 
1517  aus  dem  Leben.*  Ort  fiel  nach  ihrem  Tode  an  das  Haus 
Starhemberg. 


Vgl.  Urk.  1483  M&rz  25;  WSt.  604. 

1484  Febraar  17 ;  Denkschriften  der  Wiener  Akad.  der  Wissensch.  XU,  344. 

Urkk.  1489  Jannar  22,    1499  Joli  6;    Denkschriften  der  Wiener  Akad. 

der  Wissensch.  Xu,  847  und  351. 

Vgl.  das  Schreiben  Graf  Georgs  yon  Schaunberg   1483  Oktober  1 ;  Kop. 

Linzer  Mnsealarchiy. 

Urk.  1484  August  9;  WSt.  604. 

Vgl.  S.  488—489. 

WSt.  321.  «  Hoheneck,  Genealogie  IH,  645. 

Genealogica,  Stiftsarchiy  WUhering. 


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495 

Dem  Übereinkommen  von  1464  gemäß  ging  jetzt  (1483) 
Haslach^  voUends  in  das  Eigentum  der  Rosenberger  über.  Als 
ihnen  der  Landeshauptmann  Ulrich  von  Starhemberg  diese  er- 
erbten Güter  und  Untertanen  in  Oberösterreich  mit  der  Eriegs- 
stener  belegte^  setzten  sie  sich  energisch  zur  Wehr  and  es  kam 
darüber  zu  Streitigkeiten^  die  bis  1487  währten. 

Anderweitige  Ansprüche  an  das  Erbe  der  Walseer  worden 
nicht  erhoben.  Die  Cillier,  denen  Wolfgang  V.  xmd  Reinprecht  V. 
von  Walsee  die  Festen  Gonobitz^  Stattenberg  u.  a.  1451  Dezem- 
ber 13'  fUr  den  Fall  vermacht  hatten^  daß  sie  ohne  Söhne 
stürben,  waren  ja  längst  (1456)  erloschen,  die  steirischen  Güter 
verkauft. 

Barbara  von  Schaunberg,  der  letzten  Walseerin,  war  ein 
wenig  freudvolles  Los  geschieden.  Miterbe  war  der  Neffe  ihres 
Gatten,  Graf  Georg  von  Schaunberg.  Die  beiden  Erben  teilten 
sich  im  Jahre  1491  derart  in  die  Güter,  daß  Graf  Georg  die 
Lehen  erhielt:*  die  Schlösser  Ob  er- Walsee  und  Senf  tenberg 
samt  Zugehör,  das  an  die  Auersperge  versetzte  Schloß  Burg- 
stall, Schloß  Windeck,  welches  ihre  Stiefmutter  bereits  inne- 
hatte und  bald  darauf  deren  zweiten  Gatten  übergeben  wurde, 
Schloß  Seuseneck,  das  an  Andre  Kraubat  verpfändet  war,  sowie 
das  halbe  Schloß  Scharnstein,  der  Zehent  zu  Ensdorf,  nun 
den  Losensteinem  versetzt,  Häuser  zu  Wien  (bei  St.  Michael 
gelegen),  Ikis,  Wels,  Bleiburg,  Krems,  die  Teiche  bei  Seusen- 
eck und  Wachsenberg  und  den  Meierhof  zu  Linz.  Barbara 
fielen  dagegen  die  Ailode  zu:^  Schloß  Nieder-Walsee,  der 
Rest  von  Scharnstein,  Markt  und  Teich  zu  Neumarkt,  die 
Amter  Altenhofen,  Ens,  Anzbach,  Regerisch- Aigen^  und 
ELlaffer,^  das  Amt  der  Rechtlehner,  von  Peter  dem  Anhanger 
herrührend,^  Güter  von  dem  Gefeller  und  Bergrechte  zu 
Kritzendorf,  Klosterneuburg  und  am  Bisamberge.  Die  Sätze 
von  26.000  Gulden  auf  Frankenburg  und  Kogl  verblieben  bei 
Georg  von  Schaunberg,  der  auch  die  Pfleger  daselbst  bestellte. 
Die  Erträgnisse  dieser  Pfandschaften  fielen  zur  Hälfte  Barbara 
zu;   die  andere  Hälfte  warde   ihr  1492*  fUr  ein  Darlehen  von 


»  Vgl.  JBMFC.  XLIV,  43. 

*  Vgl.  Janisch,  Topographisches  Lexikon  der  Steiermark  I,  860. 

'  Urk.  1491  Juli  1 ;  Kop.  Linser  Masealarchiy. 

^  Urk.  1491  Januar  29;  ebenda. 

»  Vgl.  S.  466.  •  InyenUr,  f.  69. 


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496 

6000  Äf/Ä  verschrieben,  welches  sie  ihrem  Schwager^  dem  Erz- 
bischofe  Friedrich  von  Salzburg,  gewährt  hatte. 

Auch  sonst  wandten  sich  der  Schwager  sowohl  als  ihr 
GemahP  nnd  auch  E.  Max  in  ihren  Geldnöten  an  sie  und 
nutzten  den  Reichtum  der  schutzlosen  Frau  aus,  die  schon 
durch  den  geringen  Wert  ihres  Besitzteiles,  wie  auch  durch  die 
Beschränkimg  ihres  Verfügungsrechtes  benachteilt  wurde.' 
Nachdem  sie  durch  die  Schaunberger  um  ein  Großteil  ihres 
Vermögens  gebracht  war,  wünschte  E.  Max  auch  noch  ihr 
Schloß  Nieder- Walsee  an  sich  zu  bringen,  und  Barbara  fand 
sich  dazu  gegen  ein  Jahrgeld  von  1000  Gulden  bereit.  Dieses 
wurde  ihr  indes  vom  Kaiser  nie  ausbezahlt,  was  denselben 
nicht  hinderte,  Nieder- Wabee  1494^  seinem  Hofmarschall  Rein- 
precht  von  Reichenburg  und  dessen  Sohne  Hans  zu  schenken, 
die  aber  noch  nicht  in  den  Besitz  des  Schlosses  traten.  1498 
Oktober  20  starb  Barbaras  Gratte,  mit  dessen  Neffen  Graf  Georg 
von  Schaunberg  sie  sich  1499*  über  ihr  Wittum  verglich.  Dar- 
nach verblieb  ihr  nur  Nieder-Walsee,  auf  dem  die  kinderlose 
Witwe  nun  ihre  letzten  Tage  zubrachte.  In  dem  schaunber- 
gischen  Peuerbach  erinnert  die  Barbarastiftung  am  Pfarrbene- 
fizium,  in  Aspach  bei  Amstetten  eine  Meßstiftung  ^  an  sie.  Eine 
geringe  und  wohlfeile  Entschädigung  für  das  geschuldete  Jahr- 
geld war  es,  wenn  ihr  K.  Max  1501  den  zur  Herrschaft  Nieder- 
Wakee  gehörigen  Wildbann  ^  in  der  Umgegend  und  Nieder- 
Walsee  einen  Jahrmarkt  verlieh.  ^  Schließlich  fand  sie  Zuflucht 
bei  der  Familie  ihrer  Mutter,  den  Starhcmbergern.  Auf  deren 
Schlosse  Riedeck  testierte  sie  denselben  das  Amt  Anzbach  und 
starb  dort  1506  November  14;^  ihr  Grabstein  ist  heute  noch 
in  Sindelburg,  Nieder- Walsees  Pfarrkirche,  erhalten.* 

Barbaras  Testament,  in  dem  sie  Nieder-Walsee  an  Hans 
von  Reichenburg  vermachte,  gab  indes  Anlaß  zu  einem  lang- 


*  Vgl.  den  Schuldbrief  über  8000  Galden  Yon  1497;  Inventar,  f.  60. 

*  Vgl.  A.  Qaeiser,  Geschichtl.  Darstellung  yon  Schloß  und  Herrschaft  Wal- 
see, 2.  Auflage,  S.  54—66. 

*  Urk.  1494  Oktober  10;  ebenda. 

*  Urk.  1499  April  10;  JBMFC.  XXVH,  488. 

^  Urk.  1491  September  10;  Kop.  Linser  Musealarchiy. 

*  Urk.  1601  Januar  6.  *  Inventar,  f.  60'. 

*  Vgl.  die  Genealogie. 

'  Mitteilungen  und  Berichte  des  Wiener  Altertumyereines  Xm,  802. 


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497 

jährigen  Erbstreite.  *  Nieder- Walsee  wurde  von  dem  Reichen- 
burger  auf  Grund  der  kaiserlichen  Schenkung  wie  des  Testa- 
mentes der  Walseerin,  ferner  vom  niederösterreichischen 
Kammerprokurator  als  Heimfall  und  von  den  Enkelinnen  der 
an  Graf  Bernhard  von  Schaunberg  vermählten  Agnes  von 
Walsee  (verstorben  1470)*  als  Intestatserben,  sowie  von  den 
Rosenbergem  angesprochen.  Gegenüber  dem  von  Barbara  zum 
Testamentsvollstrecker  ernannten  Hans  von  Reichenburg*  suchten 
sich  Graf  Hans  von  Hardeck  namens  seiner  Gemahlin  Elisabeth, 
einer  der  obenerwähnten  Nichten  Barbaras,  sowie  der  Eammer- 
prokurator  in  den  Besitz  Nieder- Walsees  und  des  wichtigen 
Archivs  daselbst  zu  setzen;  schließlich  gelang  dies  dem  Pro- 
kurator. Der  Prozeß  fand  einen  schleppenden  Fortgang  beim 
kaiserlichen  Reichshofrat  und  der  niederösterreichischen  Lan- 
desregierung. Als  nach  38jähriger  Prozeßdauer  die  meisten 
Beteiligten  bereits  gestorben  waren,  wurde  die  Herrschaft 
Walsee  endlich  den  Reichenburgem  zuerkannt. 
Dies  war  das  Ende  des  Hauses  Walsee! 


Seit  den  Tagen  K.  Albrechts  I.  waren  die  Herren  von 
Walsee  eine  der  mächtigsten  und  reichsten  Familien  des  öster- 
reichischen Adels  gewesen.  Hervorragend  tüchtige  Männer 
waren  aus  dem  Hause  hervorgegangen,  die  den  Habsburgern 
wiederholt  die  wichtigsten  Dienste  in  schweren  Zeiten  leisteten. 
Gleich  bedeutsam  treten  sie  als  Inhaber  der  höchsten  Landes- 
ämter wie  durch  ihren  Anteil  an  den  ständischen  Bewegungen 
hervor.  Und  diese  Stellung  unterstützte  ein  überreicher  Besitz, 
weithin  vom  Böhmerwalde  bis  an  die  Adria  zerstreut;  in  ihrer 
Hand  wird  er  zu  einer  größeren  wirtschaftlichen  Einheit  inner- 
halb der  österreichischen  Länder,  mit  der  sie  auch  auf  die 
territoriale  Gestaltung  derselben  Einfluß  nehmen. 

Überblicken  wir  ihren  Verwandtschaftskreis,  so  finden  wir 
fast  alle  Namen  vertreten,  die  dazumal  in  unserer  Heimat  von 
Bedeutung  waren. 

Im  Lande  ob  der  Ens  standen  ihnen  vor  allem  die  Star- 
hemberger  und  Kapeller  nahe,  auch  mit  den  Puchheimem  und 


*  Vgl.  Qaeiser,  a.  a.  O.  •  Vgl.  die  Genealogie. 

»  Vgl.  den  Revers  1508  November  11;  W8t  604. 


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Polheimen^  den  Volkenstorfern,  Zelkingern  und  Losensteinen 
sind  sie  verschwägert,  die  Grafen  von  Sohannberg,  die  Vor- 
nehmsten im  Lande,  werden  ihre  Erben. 

In  Niederösterreich  sind  ihnen  die  Herren  von  Enenring, 
die  Meissauer  nnd  die  Liechtensteine  von  Nikolsburg  nahe  ver- 
wandt, ferner  die  von  Chiaw,  die  Ranhensteiner,  die  von  Hohen- 
berg  sowie  die  Tmchsessen  von  Lengenbach. 

Anf  dem  Boden  Innerösterreichs  zählen  selbst  die  Ghrafen 
von  Görz  sowie  die  von  Cilli  xmd  von  Ortenburg  hierher, 
außerdem  sei  der  Stnbenberger,  Pettauer  nnd  Liechtensteine 
von  Mnran  gedacht.  Noch  weiter  im  Sttden  zählten  die  Ti- 
beiner  nnd  die  Frangipani  dazn. 

Von  dem  Adel  der  Nachbarländer  waren  ihnen  die  bai- 
rischen  Grafen  von  Ortenbnrg  imd  die  Aichheimer,  vor  allem 
aber  in  Böhmen  die  von  Leippe  und  die  Rosenberger  ver- 
sippt, sowie  in  Westnngam  die  Grafen  von  Pernstein  und 
von  Mattersdorf. 

So  war  ihre  Geschichte  eng  mit  den  Geschicken  der  Habs- 
burger und  des  damaligen  Österreich  verbunden.  Nun,  da  der 
mittelalterliche  Feudalstaat  sich  überlebt  hatte  und  eine  neue 
Zeit  mit  größeren  Aufgaben  an  BMrsten  und  Völker  herantrat, 
teilten  auch  die  Herren  von  Wakee  das  Los  so  vieler  öster- 
reichischer Adelsgeschlechter,  die  am  Ausgang  des  Mittelalters 
in  rascher  Folge  erloschen. 

Rasch  fiel  die  große  Vergangenheit  des  Hauses  Walsee 
einer  unverdienten  Vergessenheit  anheim.  Der  Gründe  hievon 
mögen  mehrere  sein.  Sie  liegen  wohl  vor  allem  in  dem  so 
jähen  wirtschaftlichen  Niedergange  des  Geschlechtes  in  den 
letzten  Jahrzehnten,  der  die  Spuren  besserer  Zeiten  stark  ver- 
wischte. TEb  war  daher  auch  kein  bedeutendes  Erbe  mehr  da, 
durch  welches  sich  die  Traditionen  des  Hauses  etwa  ander- 
weitig erhalten  hätten.  Auch  in  der  Landesgeschiohte  blieb  ihr 
Wirken  bisher  meist  übersehen,  offenbar,  da  es  weder  ausschließ- 
lich oder  auch  nur  vorwiegend  einem  der  altösterreichischen 
Länder  allein  angehört.  Derselbe  Umstand  erschwerte  auch  in 
hohem  Maße  die  Forschungen,  ist  doch  das  reiche  Material 
an  Urkunden  und  Briefen  weithin  zertreut  und  vielfach  hier 
zum  ersten  Male  für  den  Gegenstand  verwertet. 

In  ihrer  einstigen  Heimat  hat  das  schwäbische  Städtchen 
Waldsee,  auf  österreichischem  Boden  haben  die  Ruine  Ober- Wakee 


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and  Schloß  Nieder- Walsee^  das  heute  Mitglieder  des  Kaiser- 
hauses in  seinen  Mauern  beherbergt^  den  Namen  der  Herren 
von  Walsee  der  Gegenwart  erhalten  —  die  einzige  Erinnerung 
an  reichbewegtes  Leben  vergangener  Jahrhunderte! 

X.  Abschnitt. 

Die  Standes-,  Besitz-  und  WirtschaftSTerhBltnisse 
des  Hauses  Walsee« 

E^n  Versuch;  die  Standes-,  Besitz-  und  Wirtschaftsverhält- 
nisse  sowie  die  Verwaltung  des  Hauses  Walsee  zu  erörtern^ 
soll  die  vorliegende  Arbeit  beschließen. 

Die  Absicht,  wenigstens  dürftig  Einblick  in  das  innere 
Leben  des  größten  adeligen  Wirtschaftsorganismus  unserer 
Heimatlande  im  Mittelalter  zu  geben,  erscheint  uns  so  dankens- 
wert, daß  wir  uns  der  Aufgabe  unterziehen,  trotz  der  voraus- 
sichtlichen Mängel  der  Arbeit.  Die  geringe  Zahl  von  größeren 
und  brauchbaren  Vorarbeiten  für  unseren  Boden  macht  sie  hier 
umso  ftihlbarer,  als  das  vorliegende  Quellenmaterial  viele 
Lücken  aufweist. 

Sie  erklären  sich  durch  das  frühe  Aussterben  der  Wal- 
seer  nach  raschem  Niedergange,  durch  die  Ausbreitung  des 
Hauses  über  ein  weites  Gebiet  in  vier  Linien  sowie  durch  die 
Teilungen  und  relativ  häufigen  Besitzveränderungen,  Umstände, 
die  alle  einer  vielfachen  Verschleppung  und  Vernichtung  archi- 
valischer  Bestände  günstig  waren. 

Vor  allem  läßt  sich  hier  der  Mangel  eines  walseeischen 
Gesamturbars,  wie  sich  ein  solches  z.  B.  von  den  Grafen  von 
Schaunberg  und  den  Herren  von  Eizing  in  Oberösterreich  oder 
bei  den  steirisch-niederösterreichischen  Kranichbergem  erhalten 
hat,  besonders  für  die  Fixierung  des  Besitzstandes  nicht  er- 
setzen und  die  wenigen  kleinen  Teilurbare  ^  aus  einzelnen  Herr- 
schaften, die  sich  sonst  finden,  bedeuten  wenig  bei  dem  Um- 
fange des  walseeischen  Besitzstandes.  Außerdem  stehen  uns 
einige  Amtmannsrechnungen*  zu  Gebote.    Wichtiger  ist  jedoch 

*  Handarbare  der  Herrschaften  Gnntersdorf  1465,  Nieder- Walsee  1484,  an 
Ort  und  SteUe;  Flame  1424,  Kop.  Linzer  Mosealarchiv. 

*  Der  Herrschaften  Tratteneck   1447,  Windeck  1456,   Ober- Walsee  1461, 
ebenda;    Riegersbarg    1434,    Qleichenberg    1463,    Abschrift    Im    StLA.; 


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500 

ein  Lehenbach  für  die  walseeischen  Lehen  in  Ober-  und  Nieder- 
österreich^  das  um  1440  angelegt  ist  and  mit  einigen  Lehen- 
briefen and  Notizen  bis  1466  reicht.^  Das  arkandliche  Material, 
welches  sich  aaf  mehr  denn  3000  Stücke  beläaft^  bietet  immer- 
hin nar  unvollkommenen  Ersatz  Air  diese  geringe  Anzahl  wirt- 
schaftsgeschichtlicher Quellen. 

1.  Dia  Standesverhaltnitie. 

Wie  ihre  Nachbarn  waren  die  Waldseer  in  Schwaben 
wohl  ursprünglich  weifische  Ministerialen  und  nach  dem  Über- 
gänge weifischer  Hausgüter  von  Herzog  Weif  VL  an  die  Staufer 
Ministerialen  der  letzteren  als  Herzogen  von  Schwaben;^  auch 
zu  den  Grafen  von  Eirchberg-Heiligenberg  standen  sie  im  Mini- 
sterialitätsverhältnisse.*  Bis  in  die  Zeiten  E.  Eonrads  IV.  ver- 
mögen wir  diese  Stellung  zu  verfolgen.  Sie  löst  sich  durch  das 
Aussterben  der  Staufer  und  seitdem  nennt  sich  Eberhard  HI. 
von  Waldsee  miles^  Ritter  schlechthin.^ 

Gerade  die  Zeiten  des  nun  folgenden  Interregnums  f&hrten 
in  Osterreich  alsbald  zu  der  Übergangsperiode,  aus  welcher 
schließlich  die  Ministerialen,  die  Dienstherren  vereinigt  mit  dem 
Hochadel  als  Landherren,  Herrenstand  hervorgingen.  In  Oster- 
reich gelangte  dieser  Prozeß  wenige  Jahrzehnte  nach  dem  Auf- 
treten der  Walseer  in  ihrer  neuen  Heimat  zum  völligen  Ab- 
schluß. Eberhards  III.  von  Walsee  Söhne  kommen  als  habs- 
burgische  Ministerialen*^  ins  Land  und  ihre  Verschwägerungen 
erstrecken  sich  bis  über  die  Jahrhundertwende  ausschließlich 
auf  die  hervorragenderen  Ministerialenfamilien  Österreichs,  die 
Euenringer,  Starhemberger,  Eapeller  u.  a.  Der  Ausgang  des 
vorerwähnten  Elntwicklungsprozesses,  die  Geltung,  welche  die 
Walseer  bei  den  Habsburgern  genossen,  dazu  die  hohen  Amter, 

Prem  1454  in  Privatbesitz;  Rossas  1444,  Seoseuburg  1417  in  Privat- 
besitz. 

'  Pap.  Kod.  1665,  k.  k.  Archiv  für  NiederOsterreich,  Wien;  noch  nicht  ver- 
öffentlicht. 

>  Vgl.  Urkk.  1181  Mai  12,  Wirtemberg.  Urk.-B.  II,  215;  1259  September  12, 
Reg.  ep.  Constant.,  r.  2003;  1278  MIrz  18,  Wirtemberg.  Ürk.-B.  VH,  132. 

'  Vgl.  Urk.  1286  September  8;  Orig.  kgl.  würtemb.  Staatsarchiv  in  Stattgart 

*  Vgl.  Urkk.  1277  Man  11,  1280  April  1;  ebenda. 

^  Vgl.  noch  Urkk.  1280  August  17,  Wiukelmann,  Acta  imp.  ined.  II,  103 
und  1320  Mai  3,  Blätter  des  Vereines  für  Landeskunde  von  NiederOfter- 
reich  11,  106. 


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501 

welche  sie  als  Hanptlente  ob  der  Ens  nnd  in  der  Steiermark 
bekleideten^  nnd  nicht  znletzt  ihr  Besitzreichtnm  brachten  sie 
indes  bald  in  innige  Beziehungen  mit  hohem  und  höchstem 
Adel.  1314  konnte  Ulrich  I.  von  Walsee  bereits  einem  Grafen 
von  Pfannberg  die  Hand  seiner  Schwester  verheißen^  and 
sechs  Jahre  später  führte  derselbe  sogar  eine  Görzerin  als 
Oattin  heim.  Fortan  bewegten  sich  die  Walseer  bis  zu  ihrem 
Aussterben  im  Herrenstande^  wie  ihr  ganzer  Verwandtschafts- 
kreis zur  Genüge  dartut.  Nie  begeben  sie  sich  in  den  Dienst 
ihrer  Standesgenossen  oder  etwa  der  Grafen  von  Schaunberg 
u.  a. ;  wir  trefifen  sie  ausschließlich  im  Dienste  der  Habsburger 
sowie  der  Kirchenfürsten  von  Salzburg,  Passau  und  Bamberg. 
Ihre  Stellung  wird  mit  Ende  des  14.  Jahrhunderts  durch 
den  Anfall  des  Erbes  der  Tibeiner  noch  gefestigt,  auf  diesem 
Boden  können  sie  sich  völlig  als  ihre  eigenen  Herren  betrachten. 
Kam  doch  die  Lehensrührigkeit  dieser  Herrschaften  zu  den 
Hochkirchen  von  Aquileia  und  Pola  immer  mehr  in  Vergessen- 
heit;* den  Bischöfen  von  Pola  gegenüber  verlautet  seit  1400 
nichts  mehr  davon.  Wie  vorher  die  Herren  von  Duino,  ver- 
sahen die  Walseer  ihre  adeligen  Dienstmannen  auf  dem  Karste 
mit  eigenem  Rechte.^  Schon  früher  und  besonders  unter  Rein- 
precht  II.  erwarben  sie  vielfach  den  Blutbann;*  K.  Siegmund 
verlieh  ihnen  denselben  auf  allen  ihren  Herrschaften.  Stolz 
nannten  sie  sich  bald  darauf^  bereits  ^Herren  zu  Tibein  und 
auf  dem  Karst'  (della  Carsia)  und  schufen  sich  auch  eigene 
HofUmter.  Bezeichnenderweise  begann  Reinprecht  IV.  in  seinen 
letzten  Lebensjahren  mit  rotem  Wachs  zu  siegeln  und  sein 
Sohn  Wolfgang  V.  folgte  diesem  Beispiel.  1461*  führt  er  sogar 
ein  Reitersiegel,  dessen  Gebrauch  ihm  bald  darauf  verboten 
worden  sein  dürfte,  da  er  sich  seit  1463  wieder  des  gewöhn- 
Uchen  Walseer  Schildes  bedient.  Nach  allem  diesem  kann 
schwerlich  ein  Zweifel  sein,  daß  die  Walseer  damals  geradezu 
auf  dem  Wege  zur  Reichsunmittelbarkeit  waren.  Es  blieb  sehr 
fragwürdig,  was  etwa  K.  Friedrich,  der  Gegner  Erzherzog  Al- 
brechts VI.,  hier  weiterhin  noch  an  Rechten  als  Landesherr 
oder  —   wenigstens   hinsichtlich    der    Polaner  Lehen  —  von 

>  Vgl.  die  Genealogie.  *  Vgl.  S.  334. 

*  Vgl.  Dimitz,  Geschichte  Krains  II,  105.  «  Vgl.  S.  442  und  614. 
»  Vgl.  ürk.  1442  November  27;  Cod.  dipl.  Istriano,  III. 

*  Urk.  1461  Oktober  31;  Orig.  Lambach. 


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502 

Reichswegen  geltend  machen  konnte.  So  bestätigte  Wolfgang  V^ 
Herr  von  Tibein  nnd  der  Earsia^  Oberstmarschall  in  Österreich 
nnd  Obersttruchseß  in  Steiermark,  1460  April  24^  auch  seiner- 
seits den  vom  Kaiser  in  den  Adelsstand  erhobenen  Bürgern 
von  Fiume  Jakob  imd  Nikla  Michaletsch  ihre  Adelsfreiheiten. 
Immerhin  aber  band  das  Überwiegen  österreichischer  Interessen 
die  Wakeer  an  die  Habsburger,  bei  denen  nun  die  deutsche 
Kaiserkrone  verblieb,  und  bereits  K.  Friedrich  traf  dementspre- 
chend seine  Maßnahmen.  Der  wirtschaftliche  Verfall  und  das 
baldige  Aussterben  des  Hauses  Walsee  ließen  alle  derartigen 
Aussichten  in  Wegfall  kommen.' 

2.  Tasallan  und  Dianstleuta. 

An  Untergenossen  unterstand  den  Walseem  ein  weiter 
Kreis  rittermäßiger  Geschlechter,  die  von  ihnen  Gttter  zu  Lehen 
tragen  und  in  ihren  Diensten  standen,  in  gleicher  Weise  solche 
bürgerlicher  Abkunft,  abgesehen  von  den  Familien  niederer 
Dienstleute.  Zu  Ende  des  13.  Jahrhunderts  war  der  Ritter- 
stand nach  unten  noch  offen.  Aus  Bürgerkreisen  wie  ans  der 
wohlhabenden  Bauernschaft  schloß  sich  so  manche  tüchtige 
Kraft  der  Lebensführung  des  Adels  an  und  fand  in  demselben 
Aufnahme.  Insbesondere  war  es  die  neutrale  Eigentumsform 
des  Burgrechts,  die  ein  solches  Aufsteigen  am  leichtesten  er- 
möglichte. Viele  Geschlechter  unseres  Ritterstandes  sind  nach- 
weislich bäuerlicher  Herkunft;  im  15.  Jahrhundert  war  der 
Ritterstand  bereits  nach  unten  ziemlich  abgeschlossen.  Das 
Ergebnis  der  Umbildung  vom  kriegerischen  Berufs-  in  den  Ge- 
burtsstand, gliederte  er  sich  in  Ritter  und  Knechte.  Letztere, 
die  ,erbaren  knechte'.  Knappen,  in  der  Steiermark  im  engeren, 
älteren  Sinne  auch  Landleute  genannt,  waren  Ritter-,  ,Send^- 
mäßige,  die  noch  nicht  durch  Empfang  des  Ritterschlages  den 
formalen  Bedingungen  zum  Ritter  entsprochen  hatten,  sei  es 
nun,  daß  sie  das  24.  Jahr  noch  nicht  erreicht  hatten  oder  die 
Ritterschaft  nie  erlangten  und  damit  ^gestandene  Edelknechte' 
blieben.  Ihre  rechtliche  Stellung  war  jener  der  Ritter  iden- 
tisch, wenn  diese  auch  vermöge  ihrer  Ritterschaft  den  Vorrang 
im  Dienste  wie  in  den  Bezügen  hatten. 


»  Orig.  StAEferding.  «  Vgl.  S.  467. 


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503 

Die  Verpflichtungen  des  Lehensadels  bestanden  in  per- 
sönlicher Treue  gegen  den  Herrn  und  in  der  Leistung  des 
Kriegsdienstes^  die  jedoch  bei  den  beiden  adeligen  Klassen  eine 
verschiedene  war.  Der  Herr  zog  als  Bannerherr  mit  seiner 
ritterlichen  Schar  ins  Feld.^  Die  Banner  der  Dienstherren  bil- 
deten in  Österreich  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  vier  Fünftel 
der  herzoglichen  Streitmacht,  doch  sank  ihre  Bedeutung  bereits 
in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  durch  das  Söldner- 
wesen. ^  Der  Ritter  dagegen  diente  meist  als  einzelner  Ritter 
mit  Schild  und  Roß  (^Einschildritter').  Lehenberechtigt  zu 
rittermftßigen  Lehen  waren  in  erster  Linie  nur  Leute  ritter- 
licher Abkunft/  daneben  aber  auch  schon  im  13.  Jahrhun- 
dert die  ErbbCLrger^  Patrizier^  die  höhere  städtische  Klasse/ 
welche  gleichfalls  ritterliche  Lehen  innehatte.  Der  Ritter- 
stand hatte  im  Gegensatz  zum  Hochadel  lediglich  die  passive 
Lebensfähigkeit.  Ritter  und  Knappen  standen  ursprünglich  zu 
ihren  Herren  im  Verhältnis  der  Eigenhörigkeit  und  wenn  dieses 
sich  auch  längst  gemildert  hatte^  so  war  davon  doch  noch  ein 
Rest  übrig.  Im  Teilbriefe  von  1304  August  17^  wurden  bei- 
spielsweise die  zu  den  Burgen  Straneck  und  Senftenberg  ge- 
hörigen ,edlen  Leute*  den  beiden  Parteien  zugesprochen.  1331 
Januar  8*  verkaufen  die  Weißenecker  den  Walseern  zu  Graz 
Schloß  Hartneidstein  samt  dem  Landgerichte  und  ,den  edlingen^ 
die  darin  gesezzen  sint^  Ob  die  Bezeichnung  ^manschaft'  all- 
gemein die  rittermäßigen  Eigenleute  eines  Lehensherm  be- 
deutet, wie  Schalk  nach  einem  konkreten  Falle  annimmt/ 
scheint  uns  nach  dem  hierfür  vorliegenden  Material^  zweifel- 
haft; richtiger  wohl  ließen  sich  darunter  auch  vereinzelt  zer- 
streute bäuerliche  Untertanen  verstehen. 


'  Vgl.  Siegel,   Die   rechtliche  Stellung   der  Dienstmannen    in  Österreich. 
Sitzangsberichte  der  Wiener  Akad.  der  Wissensch.  CU,  246. 

*  Vgl.  die  Soldreverse  S.  312,  315  und  417  sowie  den  interessanten  Revers 
des  Rottmeisters  Lienhart  Bair  1465  Juli  25;  Kop.  Linser  Musealarchiv. 

*  Vgl.  Worunsky,  österr.  Reichsgeschichte  34. 

*  Vgl.  Schalk,  Die  niederösterreichischen  weltlichen  Stände  des  15.  Jahr- 
hunderts. Mitt.  des  Inst  für  Osterr.  Geschichtsforschung,  Erg.-Bd.  ü,  423. 

*  UBoE.  IV,  465;  vgl.  8.  272. 

«  NB.  IV,  86;  vgl.  S.  365.  ^  Schalk,  a.  a.  O.  428. 

■  Urkk.  1300  September  25,  UBoE.  IV,  350;  1304  Februar  8,  NB.  II,  375; 
1307  .  . .,  Inventar,  f.  22'. 


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504 

Erst  im  Laufe  des  15.  Jahrhunderts  verlieren  sich  die 
letzten  Spuren  der  Unfreiheit  ritterlicher  Familien.  Obgleich 
ihre  Lehen  ja  längst  erblich  waren^  konnten  sie  ihren  Besitz 
nur  anderen  Lehensleuten  ihres  Herrn  oder  sonst  nur  mit 
dessen  Bewilligung  verkaufen  oder  vermaehen.  Allmählich  er- 
ringen sie  sich  auch  die  Ebenbürtigkeit  vor  Gericht  mit  dem 
hohen  Adel,  dem  sie  ja  immerhin  durch  ihre  ritterliche  Lebens- 
fUhrung  nahestanden.  Wenn  sie  auch  1408  die  Teilnahme  am 
herzoglichen  Hofgericht  erlangten,  nachdem  sie  sich  schon 
früher  Zutritt  zum  Landtaiding  verschafft  hatten,  so  begegneten 
sie  doch^  immer  wieder,  vorab  nicht  ritterUche  Dienstleute, 
vor  Gericht  ihren  Herren.  Die  grundherrliche  Gewalt,  weiter 
der  Blutbann,  den  die  Walseer  auf  einer  ganzen  Reihe  von 
Landgerichten  innehatten,  und  schließlich  die  hohen  Amter  der 
Landmarschälle,  der  Hauptleute  ob  der  Ekis  und  in  der  Steier- 
mark sowie  der  Hofmeister  boten  allerorten  genügend  Hand- 
haben, erforderlichenfalls  den  nötigen  Druck  auszuüben,  um 
diese  Kreise  fügsam  zu  erhalten.  Die  auf  die  Wakeer  ausge- 
stellten Urfehdebriefe,  weit  über  100  an  2^hl,  rühren  großen- 
teils von  walseeischen  Dienst-  und  Lehensleuten  ritterlicher  und 
nicht  ritterbürtiger  Abkunft  her. 

Aus  diesen  Schichten  schufen  sich  die  Walseer  seit  dem 
Beginn  des  14.  Jahrhunderts  auf  ihren  Herrschaften  einen  aus- 
gedehnten Lehenhof,  aus  welchem  wir  nur  die  wichtigsten  Fa- 
milien hervorheben  wollen. 

Da  sei  vor  allem  derjenigen  gedacht,  die  aus  der  schwä- 
bischen Heimat  der  Walsee  mit  nach  Österreich  kamen,  derer 
von  Jungingen  und  Rosenau.  Die  Aulendorfer,  deren  Wappen 
die  Identität  mit  den  Viehdorfem  und  Seuseneckern*  sowie 
ihrer  Seitenlinie,  den  Meilerstorfem  beweist,  stammten  aus  der 
nächsten  Umgebung  Walsees  in  Schwaben;  mm  waren  sie  als 
walseeische  Lehensleute  in  der  Amstettner  Gegend  seßhaft  und 
meist  Burggrafen  und  Pfleger  auf  den  nahen  walseeischen  Herr- 
schaften.    Die  um  1420  ausgestorbenen  Humbrechtsrieder' 


*  Vgl.  E.  B.  den  Fall  des  Peter  Anhänger,  walseebchen  Pflegers  auf  der 
Riegersburg,  Urk.  1416  --;  Hoheneck,  Genealogie  III,  280. 

•  WSt.  361—363. 

3  WSt.  139;  als  Letzter  des  Geschlechts  dient  1416  Mert  H.  als  walseeischer 
reisiger  Knecht  anf  dem  Karst.  Vgl.  Alberti,  Württemberg.  Adels-  nnd 
Wappenbach  I,  362. 


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505 

stammten  aus  Hummerts-(Hunbrechts-)ried  bei  Waldsee;  jetzt 
saßen  sie  im  Traunviertel  und  waren  vielfach  walseeische  Burg- 
grafen und  Landrichter  in  diesen  Gegenden. 

In  Oberösterreich  treflfen  wir  unter  den  walseeischen  Vasallen 
vor  allem  die  wachsenbergischen  Dienstmannen^  darunter  die 
Schallenberger/  später  selbst  Pfandinhaber  von  Wachsen- 
bergy  die  Premser,^  die  aus  dem  Abteilande  stammenden  Her- 
leinsb erger,'  mehrfach  als  Landesverweser  genannt,  dann  die 
ob  dem  Steine,*  ferner  aus  Neundling  bei  Rorbach  die  Neund- 
linger,^  die  durch  ein  Jahrhundert  Roteneck  als  walseeisches 
Lehen  innehatten,  sowie  die  Steinpekhen®  und  auf  dem  Sitze 
Hagen  bei  Linz  die  Alt.  In  der  Riedmark  und  im  Machland 
saßen  die  Oder^  auf  dem  ihnen  von  den  Walseern  verlehnten 
Sitze  Kriech  bäum  bei  Trag  wein  und  die  Walchen,®  sowie  auf 
dem   walseeischen  Lehen  Marbach   bei  Ried   die  Ponhalme.® 

Im  Hausruckviertel  wären  an  erster  Linie  die  mit  Gall- 
spach  und  zahlreichen  Gütern  um  Swans  (Schwanenstadt)  be- 
lehnten Geuman^^  zu  erwähnen,  dann  die  aus  dem  Vorlande 
des  Hausrucks  stammenden  Aspan,  **  ferner  die  Anhänger^* 
von  Köppach  und  Reut,  die  vordem  als  Natternbacher  auf- 
tretenden Schifer,*'  die  sich  durch  eine  Stiftung  hervortaten, 
dann  die  Oberheime r,**  meist  walseeische  Burggrafen  auf 
Neuburg  am  Inn  und  Falkenstein,  die  Albrechtsheimer,^*^ 
die  Vatersheimer*®  aus  Vatersheim  bei  Tauf  kirchen  an  der  Tratt- 
nach,  die  Rathaiminger*^  aus  der  Vorchdorfer  Gegend,  die 
Sinzinger^*  und  die  in  der  Herrschaft  Ort  angesessenen  Mlil- 
wanger,*'  Förster  und  Kammerer. 

Im  Traunviertel  saßen  die  Schecken,*^  ein  aus  Steier 
stammendes  ritterbürtiges  Geschlecht,  und  die  Meurl,*^  von 
denen  der  seit  1361  beurkundete  Hans  1372  als  Untervogt 
Rudolfs  I.  von  Walsee  im  Elsaß  weilte,  dann  die  Teurwanger^* 


»  WSt.  317—320.  *  Ebenda  267.         »  Ebenda  121.         *  Ebenda  529. 

^  Stammesgleich  mit  den  Ludmansdorfern;  vgl.  WSt.  193 — 195. 
•  WSt.  401—403.  ^  Ebenda  224—227.  «  Ebenda  659-666. 

»  Ebenda  231.         *<>  Ebenda  62.         "  Ebenda  9.         "  Ebenda  6  n.  708. 
1»  Ebenda  332—336;  JBMFC.  XXVII,  316—324;  Grienberger,  Das  Schifer- 

sche  Erbfltifl  in  Eferding,  Linz  1898. 
"  WSt  223.  "  Ana  Albrechtsham  bei  Ried;  WSt.  3  nnd  708. 

"  JBMFC.  XXVn,  236.  "  Zeitschrift  ,Adler*  X,  49. 

M  WSt  370.  »•  Ebenda  218-219.  ^  Ebenda  327—828. 

^1  Ebenda  204;  Vgl.  S.  310.  »  Ebenda  466. 


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506 

aus  Teurwang  bei  Vorchdorf,  die  Sinzendorfer^  aus  Sinzen- 
dorf  bei  Wartberg  an  der  Krems^  die  Rudminger  und  Sinzen- 
berger*  aus  der  Enser  Gegend,  insbesondere  aber  die  Ler- 
büler'  und  die  gegenwärtig  noch  blühenden  Haydn^  von 
Dorf  (bei  Schlierbach). 

In  Niederösterreich  treten  die  Wolfs tein^  und  die 
Palleiter®  in  der  Amstettner  Gegend,  femer  die  Geveller  im 
Waldviertel,  die  Hager/  Hoheneck  und  die  Scheurbecken' 
auf,  ferner  sei  der  Uttendorfer,  Poger,  Hofer,*  dann  der 
Floyten^^  und  der  Plankh*^  gedacht.  Sonst  waren  im  Lande 
die  Schaller,  welche  die  walseeische  Feste  Engelstein  bei 
Weitra^*  zu  Lehen  trugen,  dann  die  Anfeld,  Guntramsdorfer,** 
Wockinger,  Gräslein,  Stadler,  die  Schirmer"  und  Schreiber 
und  die  Zeller  ^^  sowie  die  Pfaffinger  zerstreut.  Vom  Sitze 
gleichen  Namens  (VUMM.)  stammten  die  von  Ruckendorf.** 
Die  Praunstorfer  *''  waren  meist  walseeische  Burggrafen  auf 
Guntersdorf,  die  Hohenfelder**  ursprünglich  schaunbergische 
Ministerialen;  aus  dem  Machland  stammten  die  Schneken- 
reuter.  *•  Ursprünglich  Wiener  Bürgerfamilien  waren  die 
Flußhart,  ^^  als  Hausgenossen  (Münzer)  und  Richter  daselbst 
genannt,  die  (heutigen  Grafen)  Fünf  kircher '^  sowie  die 
Innprucker." 

Auf  dem  Boden  der  Steiermark  lag  der  Mittelpunkt  des 
späteren  walseeischen  Lehenshofes  auf  der  Riegersburg,  dem 
,stain  zu  Rukkerspurg'  in  der  Oststeiermark.  Wir  erwähnen 
hier  die  Steinpeiß'^  und  die  ihnen  nahe  verschwägerten 
Phuntan**  und  von  Graben,*^  femer  die  Auer,  die  Herber- 
steiner** uebst  den  Trautmannsdorf ern,"  den  Gleisbachem 


>  WSt  866.  *  Ebenda  364.  *  Ebenda  178.  ^  Ebenda  110. 

*  Ebenda  666;    Keiblinger,   Gesch.  von  Melk  II,  26.  *  WSt  280. 
'  Wissgrill,  Schauplatz  IV,  38, 

*  Blätter  des  Vereines  für  Landeskunde  yon  NiederGsterreich  XVII,  373. 

*  Wissgrill,  IV,  362.  »«  Ebenda  III,  68.  "  WSt.  267. 
"  Vgl.  das  Inventar,  f.  4—6'.            "  WissgrUl,  HI,  461. 

"  WSt.  336.  ^  Ebenda  697.  «»  Ebenda  306. 

^^  Vgl.  Heider,  Die  romanische  Kirche  in  SchOngrabem  36. 

"  WSt  131.  *•  Ebenda  346. 

•«  Wissgrill,  m,  69.  «1  Ebenda  169.  «  WissgriU,  IV,  488. 

"  Vgl.  Stadl,  Ehrenspiegel  des  Herzogtums  Steiermark  IX,  73;  StLA.,  Hs.  26. 

^  Vgl.  Stadl,  a.  a.  O.  II,  606.  »*  Vgl.  S.  332  und  864.         *»  WSt  113. 

'^  Vgl.  Trautmannsdorff^  Beitrag  zur  niederOsterr.  Landesgeschichte. 


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507 

und  Gloiachern,*  dann  die  Leupacher,  Teuffenbacher*  und 
Narringer^  sämtlich  in  der  Raabgegend  seßhaft^  und  die  nicht 
unbedeutenden  Welzer;*  in  den  windischen  Bühehi  waren  die 
Pessnitzer^  und  die  Hollenecker  daheim^  in  Sudsteiermark 
die  Trapp,*  an  welche  die  Walseer  Ober-Marburg  verlehnt 
hatten. 

Von  den  ehemals  tibeinischen  Lehensleuten  dort  und  weiter 
im  Süden,  auf  dem  Karst,  sei  der  Mindorfer,*  Oberburger 
und  Raunacher^  sowie  der  Wachsensteiner  gedacht. 

3.  Die  Hof-  und  Landesämter. 

Seit  ihrem  Auftreten  in  Osterreich  hatten  die  Walseer  fort- 
während die  wichtigsten  Hof-  und  Landesämter  inne,  ein  Umstand, 
der  die  Bedeutung  des  Hauses  nicht  wenig  erhöht. 

Als  unter  Albrecht  I.  der  anfangs  eingesetzte  Rat  von 
zwanzig  Österreichern  rasch  seine  Bedeutung  verlor,  trat  der 
sogenannte  ,haimbliche'  Rat,  die  secretarii  an  dessen  Stelle,  der 
nur  aus  wenigen  verläßlichen  Schwaben,  vorab  aus  den  drei 
Brüdern  Eberhard  IV.,  Heinrich  I.  und  Ulrich  L  von  Walsee, 
sowie  dem  Landenberger  bestand.  Fortan  blieben  die  Walseer 
stets  der  wichtigen  Zentralstelle  des  herzoglichen  Rates^ 
nahe.  Derselbe  bildete  sich  weiter  aus  und  erweiterte  seinen 
Geschäftskreis,  zu  dessen  leichterer  Bewältigung  er  meist  für 
die  verschiedenen  Agenden  in  Kommissionen  tagte,  die  ihre 
Gutachten  abgaben;  er  stellte  auch  Beisitzer  zum  Hofgericht. 
Die  Trennung  der  Albrechtiner  und  Leopoldiner  hatte  auch 
eine  Teilung  der  herzoglichen  Räte  zur  Folge.  So  erscheint 
Reinprecht  L  von  Walsee-Ens  1358'  unter  Rudolfs  IV.  Räten, 
Heinrich  VI.  von  Walsee-Ens®  war  zuerst  1393  als  Rat  Herzog 
Albrechts  HI.,  seit  1395  als  Rat  der  Herzoge  Albrecht  IV.  und 


•  Zahn-Siegenfeld,  Zach.  Bartsch,  Steir.  Wappenbuch,  Anh.  30— -32. 

•  Vgl.  Brandl,  Urk.-B.  der  Teuffenbach ;  Meli,  Regesten  zur  Gesch.  der  Fa- 
milie vonTeuffenbach,  Beiträge  zur  Kunde  steir.  Geschichtsquellen  XXXIV. 

«  WSt.  632.  *  Vgl.  Stadl,  a.  a.  O.  II,  65;  StLA.,  Hs.  26. 

»  Vgl.  Zahn-Siegenfeld,  a.  a.  O.,  Anh.  49.  •  Ebenda  74. 

^  Czoemig,  Das  Land  QOrz  und  Gradiska  686. 

®  Vgl.  Werunsky,  österr.  Reichsgesch.  91—92;  Krones,  Landesfürst,  Behör- 
den und  Stände  190—201. 

•  Vgl.  die  Genealogie. 

ArohiT.  XCY.  Band.  U.  H&lfto.  34 


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508 

Wilhelm,  ferner  Friedrich  V.  von  Walsee-Ens^  1396  als  Rat 
Herzog  Wilhelms  tätig.  Die  Besoldung  der  Räte,  welche  in 
einem  Jahrgelde  bestand  und  um  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts 
200  &  ^  betragen  mochte,  war  zu  Heinrichs  VI.  von  Walsee-Ens 
Zeiten  1395*  auf  ein  ,Ko8tgeld'  von  ^ßO&^  gestiegen.  In 
Stellvertretung  des  Herzogs  war  dessen  Hofmeister  Vorsitzender 
des  Rates.  Als  solchem  mußte  Bischof  Georg  von  Passau  1413* 
bei  seinem  Eintritt  in  den  herzoglichen  Rat  an  Reiuprecht  H. 
von  Walsee  und  dessen  Miträte  reversieren,  mit  ihnen  gemein- 
schaftlich ihre  Geschäfte  zu  fördern  und  ihnen  gegen  jeder- 
mann beizustehen.  Rasch  wuchs  die  Arbeitslast  des  herzog- 
lichen Rates,  der  dadurch  zu  den  Zeiten  K.  Friedrichs  IH.  in 
Unordnung  geriet.  Wenn  der  letzte  Walseer,  Reinprecht  V.,* 
1481  noch  als  Rat  des  Kaisers  erscheint,  so  mag  dies  wenig 
mehr  als  ein  Titel  gewesen  sein,  da  dessen  Inhaber  fast  nie 
mehr  bei  Hofe  weilte  und  ferne  davon  auf  seinen  Gütern  ein 
trauriges  Alter  beschloß. 

Auch  die  Hauptleute  der  Steiermark  und  ob  der  Ens 
nahmen  häufig  am  herzoglichen  Rate  teil.  Diesem  Kreise 
entnahm  Herzog  Albrecht  V.  die  Persönlichkeiten  wie  Rein- 
precht IV.  von  Walsee,  den  Hauptmann  ob  der  Ens,  welche  er 
1438*  für  die  Dauer  seiner  Abwesenheit  als  Rat  mit  selbstän- 
diger Entscheidungsgewalt  zur  Regierung  seiner  österreichischen 
Länder  einsetzte.  Auch  Statthalter  mit  zugeordneten  Räten 
wurden  von  K.  Friedrich  VI.  mehrmals^  eingesetzt. 

Auch  die  österreichischen  Länder  hatten  ihre  vier  mittel- 
alterlichen Hofämter  (Marschall,  Kämmerer,  Truchseß,  Schenk), 
die  zu  der  Zeit,  als  die  Walseer  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts 
hier  gleichfalls  zugezogen  wurden,  bereits  zu  Mannslehen  be- 
stimmter Ministerialengeschlechter  geworden  waren.  Damit 
zogen  sich  die  Inhaber  aber  auf  ihre  Besitzungen  zurück  und 
warteten  nur  noch  bei  feierlichen  Anlässen  ihres  Hofdienstes, 
behielten  indes  die  Einkünfte  der  mit  ihren  Erbämtem  ver- 
bundenen Nutzlehen.  An  solchen  erwarben  die  Wabeer  das 
österreichische  Marschallamt,  ^  das  ihnen  die  1440  ausgestor- 
benen Meissauer  vermachten;   von   ihnen  kam  es  1483  an  die 

*  Vgl.  die  Genealogie.  •  LB.  V,  r.  16. 

»  ürk.  1413  Juli  29;  Monumenta  Boica  XXXI«,  118. 

*  Vgl.  S.  447  und  8.  450.  »  Vgl.  S.  450. 

^  Vgl.  Y.  Wretschko,  Das  (^sterreichiBche  Marschallamt;  Tgl.  S.  450  und  493. 


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609 

Grafen  von  Schaunberg.  In  der  Steiermark  war  das  Truch- 
sessenamt^  in  den  Händen  der  Walseer.  Ulrich  I.  von  Walsee- 
Graz  erhielt  es  1299  nach  dem  Erlöschen  des  älteren  Zweiges 
der  Wildonier,*  da  der  jüngere  Zweig  derselben  ohnedies  das 
steirische  Marschallamt  innehatte.  Erst  nach  Ukichs  I.  Tode 
führen  die  Emmerberger  den  Trnchsessentitel  wieder  wie  vor- 
mals neben  den  Wildoniem  weiter;  Ulrichs  I.  Sohn  Ulrich  II. 
ist  in  einer  einzigen  Urkunde  als  Truchseß  genannt.*  Später 
findet  sich  freilich  Friedrich  III.  von  Walsee-Graz  13^1—1362» 
als  ,obrister  truchsess  in  der  Steiermarch'  beurkundet.  Nach 
dem  Erlöschen  der  Grazer  Walseer  kam  das  Amt  1363  an  Cholo 
von  Seldenhofen.  Nach  dessen  Ableben  geriet  es  1374*  an  die 
Walseer  der  Enser  Linie;  Wilhelm  von  Glanneck  ließ  sich 
1377  mit  seinen  Ansprüchen  darauf  für  100  Äf .Ä  abfinden.  Als 
die  Walseer  um  1385  endgiltig  von  der  steirischen  Hauptmann- 
schaft schieden,  traten  alsbald  die  Emmerberger  wieder  als 
Truchsessen  hervor,  zumal  sich  die  Walseer  den  Leopoldinern 
später  entfremdeten.  So  schwankt  das  steirische  Erbtruchsessen- 
amt  —  wenn  wir  überhaupt  von  einem  solchen  bereits  sprechen 
dürfen  —  im  ganzen  14.  Jahrhundert  zwischen  den  Häusern 
Walsee  und  Emmerberg.**  Es  änderte  zunächst  nicht  einmal 
etwas  daran,  daß  Reinprecht  H.  von  Walsee  nach  seiner  Aus- 
söhnung mit  Herzog  Ernst  1418®  von  diesem  mit  dem  steiri- 
schen Erbtruchsessenamte  belehnt  wurde.  Die  Walseer  be- 
haupteten sich  indes  nun  doch  darin  und  vererbten  es  bei 
ihrem  Aussterben  1483  an  die  Prueschinken. '  Seit  1359  er- 
scheint Friedrich  III.  von  Walsee-Graz  als  oberster  Schenk  in 
Steiermark,  welches  Amt  er  bereits  1361®  gegen  das  Truch- 
sessenamt  an  Friedrich  von  Stubenberg  vertauschte. 

In  den  vier  Hofkmtern,  welche  die  Herzoge  für  die  wirk- 
liche Leistung  der  Hofdienste  schufen,  als  die  vier  alten  Hof- 
ämter zu  erblichen  Landesämtem  geworden  waren,  treflfen  wir 
die  Walseer  nicht.  Friedrich  VH.  von  Walsee-Drosendorf  be- 
gegnet uns  1358 — 1359*  im  Dienste  Rudolfs  IV.  als  herzogUcher 


^  Vgl.  Krones,  LandesfÜnt,  Behörden  und  Stände  183—186. 
«  Vgl.  8.  346.  »  Vgl.  die  Genealogie.  *  Vgl.  S.  311. 

*  Daß  es  von  den  Emmerbergern  an  die  Walseer  gekommen,  weist  Krones, 
a.  a.  O.  8. 185  als  unrichtig  nach. 

*  Vgl.  8.  427.  '  Vgl.  8.  493. 

*  Vgl.  die  Genealogie;  Krones,  a.  a.  O.  8.  186. 

34* 


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510 

Eammermeister^  der  als  oberster  Finanzbeamter  die  meisten 
Obliegenheiten  des  nun  erblich  gewordenen  einstigen  Kämmerer- 
amtes zu  versehen  hatte.  ^ 

Es  spricht  deutlich  fUr  die  Bedeutung  des  EUinses,  daß 
die  Walseer  vielfach  an  der  wichtigsten  Stelle  am  Hofe  der 
Habsburger  wirkten:  als  Hofmeister*  waren  sie  die  ersten 
und  wichtigsten  Hofbeamten.  Die  Hofmeister^  welche  auch  die 
Aufsicht  über  das  Hofgesinde  führten,  hatten  insbesondere  den 
Herzog  in  allen  Regierungsangelegenheiten  zu  vertreten  und 
waren  daher  auch  Vorsitzende  des  herzoglichen  Rates.  Es  ist 
klar,  was  dieses  Amt  daher  z.  B.  in  den  Jugendjahren  Herzog 
Albrechts  V.  bedeutete,  als  es  Reinprecht  H.  von  Walsee  beklei- 
dete. Häufig  vertrat  der  Hofmeister  auch  den  Herzog  im  Vor- 
sitz beim  Hofgerichte.  Außerdem  erscheint  er  im  14.  und  15.  Jahr- 
hundert als  Einnehmer  der  Judensteuem. ' 

In  gleicher  Weise  finden  wir  die  drei  wichtigsten  Landes- 
ämter der  österreichischen  Lande:  das  österreichische  Land- 
marschallamt sowie  die  Hauptmannschaften  obderEns^ 
und  in  der  Steiermark^  lange  Jahre  hindurch  von  den  Wal- 
seem  versehen.  Bei  der  häufigen  Abwesenheit  des  Landes- 
herm  war  ein  Vollmachtträger,  Stellvertreter,  Statthalter  in 
jedem  dieser  Länder  erforderlich,  der  an  Stelle  desselben  die 
oberste  militärische  wie  richterliche  Autorität  daselbst  darstellte. 
Aus  dieser  Stellvertretung  hat  sich  das  Amt  in  Niederösterreich 
wie  im  Lande  ob  der  Ens  und  in  der  Steiermark  ziemlich 
konform  ausgestaltet.  Ging  die  Errichtung  desselben  somit 
von  der  Seite  des  LandesfUrstentums  aus,  welches  diese  wich- 
tigsten Posten  nur  an  treu  ergebene  Ministerialen  und  Herren 
gelangen  ließ,  so  ergab  es  sich  andererseits,  daß  mit  dem  Er- 
starken der  ständischen  Gewalten  aus  ihnen  mehr  und  mehr 
die  Hauptvertreter  der  letzteren,  vor  allem  des  Hochadels 
wurden.     Dieser  Werdegang,    für    welchen    der    Beginn    des 


*  Vgl.  Werunsky,  österr.  Reichsgesch.  96. 

*  Vgl.  Seeliger,  Das  Deutsche  Hofmeisteramt;  die  Tabelle  auf  S.  130  da- 
selbst ist  aus  der  Genealogie  der  Walseer,  S.  526 — 628  und  546  sn  er- 
gänzen. 

»  Vgl.  8.  420. 

*  Vgl.  Nikoladoni,  Zur  Verfassnngs-  nnd  Verwaltongsgeschichte  der  Oster- 
reichischen Herzogtümer,  JBMFC.  LX,  136  ff. 

^  Vgl.  Krones,  Laodesfttrst,  Behörden  und  Stände  157  ff. 


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511 

15.  Jahrhunderts  der  entscheidende  Wendepunkt  war,  läßt  sich 
insbesondere  an  den  Herren  von  Walsee  genau  verfolgen.^ 
Diese  Doppelstellung  kam  auch  dadurch  zum  Ausdruck,  daß 
Landmarschälle'  und  Landeshauptleute  auf  Vorschlag  der  Stände 
vom  Herzog  ernannt  wurden,  dem  sie  bei  ihrem  Amtsantritt 
den  Diensteid  schwuren. 

Sie  fuhren  fllr  den  Herzog  den  Oberbefehl  über  die 
Ritterschaft  des  Landes  und  die  Wehrkraft  der  Städte,'  wie 
er  einst  dem  (obersten)  Marschall  als  Stellvertreter  des  Herzogs 
zugestanden  hatte.  Das  Urteil  des  Land-,  beziehungsweise  Hof- 
taidings  wird  durch  sie,  wenn  nötig,  mit  WaflFengewalt  voll- 
streckt, sie  schirmen  den  Landfrieden  und  üben  die  Polizeige- 
walt; in  den  Händen  des  Landmarschalls  liegt  in  Niederöster- 
reich das  summarische  Verfahren  über  Landfriedensbrecher, 
,Qereune'  genannt.^  Auch  in  allen  Verwaltungszweigen  wie  im 
Finanzwesen  vertreten  sie  den  Herzog. 

Wichtig  aber  waren  die  drei  Amter  vor  allem  als  die 
obersten  richterlichen  Beamtungen  ihrer  Länder.  Wie  der 
Landmarschall  in  Niederösterreich,  so  haben  auch  die  Haupt- 
leute ob  der  Ens  und  in  der  Steiermark  ihre  Funktionen  als 
Stellvertreter  des  Herzogs  im  Landtaiding  und  später  im  Hof- 
gerichte von  den  obersten  Landrichtern  übernommen,  aus  wel- 
chen sie  unter  den  ersten  Habsburgern  hervorgehen.  Dies  ist 
besonders  im  Lande  ob  der  Ens  deutlich  zu  verfolgen,  wo  sich 
unter  den  beiden  Persönlichkeiten  Eberhard  IV.  und  Eber- 
hard V.  von  Walsee-Linz  der  Übergang  vom  Landrichter  ,ob  der 
Ens'  zum  (Landes-)  Hauptmann  vollzieht.*  Der  Landmarschall 
und  die  beiden  Hauptleute  vertreten  den  Herzog  sowohl  im 
Vorsitz  beim  Landtaiding  als  später  beim  Hoftaiding,  aus  wel- 
chem sich  unter  Herzog  Albrecht  V.  das  herzogliche  Hofgericht 
einer-  und  andererseits  das  Landrecht*  entwickelte,  das  oberste 
ständische  Gericht,  gleichfalls  unter  ihrem  Vorsitze.  Von  diesen 
drei  Amtern  ward  das  des  Landmarschalls  nur  kurze  Zeit 
(1384—1397;  1403—1405)  durch  Walseer  versehen,  umso  länger 
dagegen  die  obderensische  Hauptmannschaft.  Diese  war  zuerst 
von  1288 — 1371^   den  Linzer  Walseem  verblieben  und   dann 


»  Vgl.  S.  396.  •  Vgl.  8.  449.  »  Vgl.  8.  314. 

*  Vgl.  8.  390.  »  Vgl.  S.  276.  •  Vgl.  S.  426. 

*  Mit  Ausnahme  von  1361-- 1363;  vgl.  die  Genealogie. 


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512 

von  1374—1478  (mit  Ausnahme  von  1450—1452)  von  Männern 
aus  der  Linie  Walsee-E^s  versehen  worden.  Die  Hauptmann- 
schaft in  Steiermark^  ward  in  den  Jahren  1299 — 1360  durch 
die  Qrazer  Walseer,  1369  sowie  1373—1384  von  Enser  Wal- 
seern  geführt^  Daten^  die  beredt  für  die  Tüchtigkeit  und  Be- 
deutung der  Männer  dieses  Hauses  sprechen. 

Die  Bestallung  mit  diesen  drei  Ämtern  erfolgte  auf  be- 
liebigen Widerruf  des  Herzogs,  somit  auf  unbestimmte  Zeit 
Bei  der  Geldnot  der  Landesflirsten  wurden  indes  selbst  diese 
Amter  mit  ihren  Einkünften  zum  Pfandobjekte;  ihre  Träger 
konnten  dann  davon  nicht  entfernt  werden,  bevor  der  Herzog 
sie  gelöst.  Das  Einkommen  davon  bestand  aus  einem  fixen 
Jahressold,  wozu  noch  meist  die  Burghuten  des  Schlosses  zu 
Linz,  beziehungsweise  der  Burg  zu  Graz  sowie  Zuweisungen 
aus  dem  herzoglichen  Marchfutter  kamen.  Fa  bezog'  der 
Hauptmann  in  der  Steiermark  1330  jährlich  150  Mark  Silber, 
der  österreichische  Landmarschall  1384  200  ^.i^  und  den  Rest 
aus  des  Herzogs  Kammer,  1427  aber  AGi&y^  und  1460'  gleich 
dem  Hauptmann  ob  der  Ens  ein  Jahrgeld  von  600Äf/Ä. 

Als  bambergischer  Hauptmann  in  Kärnten,  eine  Stellung, 
die  den  vorgenannten  einigermaßen  ähnlich  gewesen  sein  mag, 
hatte  Friedrich  HI.  von  Walsee-Graz  1348*  jährlich  800  Gold- 
gulden. 

Davon  mußten  sie  indes  ihre  Unterbeamten  besolden.  An 
solchen  war  dem  Landmarschall  der  Untermarschall  unterge- 
ordnet, der  dem  Ritterstande  entnommen  wurde  und  den  stell- 
vertretenden Vorsitz  im  Landrecht  hatte.  Im  Lande  ob  der 
Ens  wurde  um  1 330  das  im  Amte  des  Landeshauptmanns  auf- 
gegangene Amt  des  obersten  Richters,  nun  Pflegers,  Land- 
richters oder  Anwalts  genannt,  wieder  errichtet.*  Außerdem 
wurde  auch  hier  ein  eigener  Stellvertreter  des  Hauptmanns 
notwendig,  besonders  als  Reinprecht  H.  von  Walsee  durch  seine 
Hofmeisterschaft  viel  außer  Landes  weilte;  das  Amt  des  Ver- 
wesers, das  unter  diesen  Umständen  1413  geschaffen  wurde,* 
blieb  dann  ein  ständiges.  Die  Verweser,  gleichfalls  dem  Ritter- 
stande   entnommen   und   meist  Lehensleute    des  Hauptmanns, 

^  Vgl.  die  Genealogie. 

'  Ghmel,  österreichischer  Geschichtsforscher  n,  220. 

»  Vgl.  Urk.  1460  Mära  18;  PRA.,  2.  Abt.,  II,  106. 

*  HHStA.  Kod.  1049,  f.  96.  »  Vgl.  S.  276.  •  Vgl.  8.  416. 


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vertreten  diesen  in  seiner  Abwesenheit  und  insbesondere  im 
Vorsitz  beim  Landrecht.  In  der  Steiermark  begegnet  uns  das 
Amt  des  Landesverwesers  bereits  unter  Herzog  Rudolf  IV. ;  es 
wurde  seit  der  Hauptmannschaft  Rudolfs  I.  von  Walsee  (1373 
bis  1384)  gleichfalls  aus  denselben  Gründen  ständig.  Allent- 
halben hatte  der  Hauptmann  und  Landmarschall  ^  außerdem 
noch  seine  Gerichtsschreiber  und  Fronboten  zu  besolden. 

Was  die  Walseer  sonst  an  landesflirstlichen  Ämtern  inne- 
hatten, war  ohne  Belang.  Die  ^Hauptmannschaften^,  wie  einige 
der  wichtigeren  Burggrafenämter  auch  hießen,  standen  meist, 
so  zu  Ens,  Drosendorf  und  Steier,  mit  herzoglichen  Pfand- 
schaften in  Zusammenhang.  Auch  als  Hauptleute  zu  Wiener- 
Neustadt,  Portenau  und  Triest*  sowie  als  herzogliche  Verweser 
zu  Krems  füllten  Walseer  den  gleichen  Wirkungskreis  aus. 

4.  Gerichtsstand  und  Gerichtsbarkeit;  Vogteiverhältnisie. 

Der  Gerichtsstand  der  Walseer  war  natürlich  der  des 
hohen  Adels  in  Osterreich.  An  ihre  Herkunft  aus  Schwaben 
erinnert  noch,  daß  sie  1349*  nach  schwäbischem  Rechte  bei 
einem  Güterstreit  gerichtet  werden.  Das  Landtaiding,^  dem 
sie  in  den  Zeiten  der  ersten  Habsburger  häufig  als  Vorsitzende 
—  durch  die  Hauptmannschaften  in  Steiermark  und  ob  der 
Ens  —  sowie  als  ürteilsfinder  beiwohnten,  wurde  unter  Her- 
zog Albrecht  II.  immer  mehr  durch  das  Hoftaiding*  ver- 
drängt und  damit  den  Forderungen  des  Hochadels  nach  einem 
besonderen  Gerichtsstande  im  Gegensatze  zur  Ritterschaft  Rech- 
nung getragen.  Das  Nachdrängen  des  Ritterstandes,  der  1408 
an  der  Besetzung  der  Hofschranne  Anteil  erhielt,  führte  zur 
Ausbildung  des  landmarschallischen  Gerichtes  oder  Land- 
rechtes, das  etwa  um  1412  geschaflFen  wurde.  Vor  diesem 
sollte  1417«  der  Streit  der  Liechtensteiner  von  Nikolsburg  mit 
Reinprecht  H.  von  Walsee  zur  Austragung  kommen.  Das  Land- 


»  Vgl.  S.  310.  «  Vgl.  S.  317. 

s  Urk.  1849  März  26;  NB.  II,  815. 

*  Vgl.  Urkk.  1308  Febraar  27,  NB.  I,  319;  1311  Januar  23,  Muchar,  Qesch. 
d.  Stelerm.  VI,  187;  1333  März  8,  ÜBoE.  VI,  112. 

*  Vgl.  Urkk.  1338  Dezember  18,    1386  September  26,    NB.  IV,  103   und 
697;  1417  Juni  16,  LB.  V,  r.  1721. 

'  Vgl.  Falke,  Qesch.  des  Hauses  Liechtenstein  11,  439—443. 


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recht,  vor  welchem  die  Walseer  zu  Linz  und  Wien,  zu  Graz^ 
und  Laibach*  erschienen,  blieb  dann  unter  mehreren  Umge- 
staltungen der  Gerichtsstand  des  Adels  weit  über  das  Mittel- 
alter hinaus. 

Streitigkeiten  um  Lehen  und  Güter  weltlicher  und  geist- 
licher fremder  Fürsten  wurden  entweder  durch  diese  Lehens- 
herren selbst  oder  durch  (Lehen-)Richter  entschieden,  die  von 
Fall  zu  Fall  bestellt  wurden;  mehr  und  mehr  kam  auch  hier 
die  landesherrliche  Gerichtsbarkeit  zur  Geltung.  So  entschied 
Burggraf  Albrecht  von  Nürnberg  1358'  persönlich  gegen  die 
Ansprüche  Reinprechts  I.  von  Walsee-Ens  auf  das  zoUerische 
Lehen  Göllersdorf  zugunsten  Albers  von  Puchheim;  1418*  er- 
nannte Burggraf  Friedrich  von  Nürnberg  Leutold  den  Eckarts- 
auer zum  Richter  im  Streite  zwischen  Reinprecht  ü.  von  Wal- 
see und  den  Starhembergem  um  Mautem.  Als  Freisinger 
Lehensmann  wurde  Rudolf  L  von  Walsee  1399*  zum  Richter  in 
einem  Streite  um  Freisinger  Güter  vom  Bischof  Berthold  bestellt 

Die  Walseer  spielten  indes  auch  eine  nicht  unbedeutende 
Rolle  als  Gerichtsherren.  Von  der  grundherrlichen,  hofrecht- 
lichen Gerichtsbarkeit,  die  ihnen  auf  ihren  Herrschaften  zu- 
stand, abgesehen,  erscheinen  sie  auf  einer  ganzen  Anzahl  von 
Landgerichten  gleich  anderen  Häusern  des  Hochadels,  wie  die 
Schaunberger  etc.,  als  Inhaber  des  Gerichtes  ,mit  Stock  und 
Galgen^,  des  Blutbanns;  außerdem  waren  zahlreiche  Vogteien 
in  ihren  Händen.  Durch  Belehnung,  Kauf  und  Verpfändung 
waren  eine  ganze  Anzahl  von  Landgerichten  an  die  Wal- 
seer gekommen,  die  meist  im  Sprengel  reich  begütert  waren 
und  ja  ohnedies  die  niedere  Gerichtsbarkeit  über  die  Hinter- 
sassen daselbst  ausübten.  So  war  Heinrich  I.  von  Walsee-Ens 
selbst  im  Jahre  1300^  als  herzogHcher  Landrichter  zu  Wachsen- 
berg tätig.  Ihm  und  seinen  Söhnen  war  femer  der  Satz  von 
Ens  etwa  von  1309  bis  c.  1345^  samt  dem  Gerichte  verp&ndet, 
das  sie  als  Hauptleute  daselbst  zugleich  versahen.  Des  weiteren 
blieb  Freistadt  mit  dem  Landgerichte  (Riedmark)  den  Walseem 


»  Vgl.  ürk.  1430  August  8;  NB.  H,  311. 

»  Vgl.  Urk.  1441  Januar  6;  Orig.  StAEferding. 

»  Zeitschrift  ^dler'  XVII,  141. 

*  Vgl.  Urk.  1418  Juli  6;  Orig.  HHStA. 

*  Vgl.  Urk.  1399  Juli  4;  RegesU  Boic*  XI,  168. 

*  Vgl.  S.  296.  '  Vgl.  S.  298  und  308. 


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von  Linz  und  Ens  von  1290  bis  c.  1358,*  das  Landgericht  zu 
Wachsenberg  der  Enser  Linie  1331* — 1436  verpfändet.  Kauf- 
weise kamen  femer  die  Landgerichte  Peilstein  1319*  (1435  ab- 
gelöst) und  Ort  1344*— 1483  an  die  Enser-,  Allentsteig  1332 
bis  1367*  und  nochmals  1376,  desgleichen  Senftenberg  1314 
durch  Kaufan  die  Linzer  Linie  des  Hauses,  der  1355®  auch  das 
bambergische  Landgericht  zu  Schlierbach  (auf  dem  Moos)  erb- 
lich verliehen  wurde.  Den  Enser  Walseern  stand  1418 — 1465 
auch  das  Landgericht  Haslach  zu.''  In  der  Steiermark  war 
1302—1400  sowie  1440—1478  das  Gericht  zu  Gleichenberg,» 
das  zu  Weinburg  •  1308 — 1400  sowie  nochmals  1440 — 1460  in 
walseeischen  Händen.  In  Kärnten  gingen  das  herzogliche 
Landgericht  Hartneidstein,  1331,  sowie  die  bambergischen  Land- 
gerichte Weißeneck  1330,  St.  Leonhard,  St.  Andre  und  Reisberg 
1331  erworben,*®  sämtlich  nach  dem  Absterben  der  Grazer 
Walseer  1363  in  fremden  Besitz  über.**  Für  die  untersteirischen 
Herrschaften  wie  für  das  Erbe  der  Tibeiner  lassen  sich  nur 
wenige  Nachweise  beibringen;  dort  stand  den  Walseern  min- 
destens auf  den  ehedem  tibeinischen  Herrschaften  Duino,  Prem 
und  Senosetsch  sowie  am  Quamero  die  Blutgerichtsbarkeit 
gleichfalls  zu.  Nachdem  Herzog  Albrecht  V.  an  Reinprecht  II. 
von  Walsee  1413**  das  hohe  Gericht  (Gerichtsleihe)  auf  seinen 
Herrschaften  Nieder- Walsee,  Seuseneck  und  Komspach,  zwei 
Jahre  darauf**  auch  auf  Ober-Walsee,  Senftenberg,  Gunters- 
dorf, Stroneck,  Purgstall  und  Hoheneck  verliehen  hatte,  erteilte 
K.  Siegmund  dem  Sohne  dieses  Walseers,  Reinprecht  IV., 
1434**  den  Blutbann  (Bannleihe)  auf  allen  seinen 
Gerichten.  Aber  bereits  K.  Friedrich  sicherte  sich  im 
Vertrage  von  1450  Dezember  6*^  für  den  Fall  des  Aus- 
sterbens des  Hauses  im  Mannsstamme  deren  Heimfall.  Der 
Sitz  des  Landgerichtes  Schlierbach  wurde  später  nach  Pem- 
stein  und  schließlich  nach  Scharnstein  verlegt,  *^  ein  Teil  davon 

^  Vgl.  S.  259  und  306.  *  Efienda  S.  808  und  446. 

'  S.  299  und  446.  «  S.  304  und  494.  »  8.  288  und  292. 

•  Vgl.  S.  286  und  479.  '  Vgl.  S.  479. 

•  Vgl.  8.  864,  369,  887,  460  und  492. 
»  Vgl.  8.  866,  869,  387,  450  und  481. 

10  Vgl.  8.  365.  "  Vgl.  8.  868.  "  Vgl.  8.  417. 

"  Vgl.  8.  421.  "  Vgl.  8.  442.  "  Vgl.  8.  467. 

"  Vgl.  Urkk.  1467  Mära  5,  Kop.  Linzer  Mugealarchiv ;  1474  März  3,  Orig. 
8tAEf6rding. 


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ausgeschieden  und  dem  Stifte  Spital  a.  P.  1464*  verkauft.  Da 
weiter  das  tibeinische  Erbe  in  seinen  beiden  Hälften  1466  und 
1472  an  den  Kaiser  gekommen  und  von  den  Herrschaften 
Guntersdorf,  Hoheneck  u.  a.  längst  verkauft  waren,  so  waren 
beim  Erlöschen  des  Hauses  1483  noch  die  Landgerichte  Ort, 
Schamstein,  Ober -Walsee,  Seuseneck,  Purgstall  und  Senften- 
berg  übrig. 

Dazu  hatten  die  Walseer  außer  den  grundherrlichen  sowie 
der  Dorf-*  oder  Hofmarkgerichtsbarkeit  nun  noch  eine  ganze 
Anzahl  von  Vogteien  inne.  Auch  sie  waren  von  einiger  Be- 
deutung und  sind  sowohl  wegen  des  Einflusses  und  der  Gewalt, 
die  sie  ihren  Inhabern  boten,  wie  auch  wegen  ihrer  Erträgnisse 
nicht  außer  acht  zu  lassen,  zumal  da  sie  eine  nicht  geringe 
Stärkung  der  grundherrlichen  Gewalt  des  Vogtherm  ergaben. 
Die  Herkunft  dieser  Vogteigerechtigkeiten  ist  eine  verschiedene. 

Geistliche  wie  weltliche  Grundherren,  landsässige  wie 
fremde  vogten  den  Walseem  Grundhörige  ihrer  im  Lande  ge- 
legenen Besitzungen,  aller  oder  einzelner,  selbst  an,  am  den- 
selben einen  besseren  Schutz  zu  verschaffen.  Der  Vogt  erhIÜt 
die  niedere  Gerichtsbarkeit  über  sie,  woraus  dagegen  Leistungen 
der  Vogtholden  an  denselben  entsprangen.' 

So  hatten  die  Herren  von  Walsee  seit  1348*  die  bam- 
bergische Vogtei  zu  Haag  in  Niederösterreich,  von  1363^  ab 
die  im  Markte  Kirchhof  in  der  Hofmark  Windischgarsten  und 
im  Garstener  Tale  inne.  Rudolf  I.  von  Walsee  war  Vogt  des 
Hochstifts  Regensburg  in  Österreich;  Bischof  Johann  überließ 
ihm  ftir  diese  Zeit  1391^  überdies  die  Hälfte  der  Lehenschaft 
über  die  Besitzungen  desselben.  Burggraf  Friedrich  von  Nürn- 
berg belehnte  Heinrich  I.  von  Walsee  1318^  unter  anderm  mit 
der  Vogtei  zu  ,Perharczdorf  ^  Die  Walseer  zu  Linz  brachten 
ferner  die  Vogtei  zu  Neumarkt®  an  sich  (vor  1379),  damals  die 


1  Vgl.  S.  479. 

»  Vgl.ürk.  1314  Februar  2,   NB.  IV,  81;    1318  August  8,    1319  Juni  9, 

FRA.,  2.  Abt.,  in,  680,  664. 
»  Vgl.  Schalk,  a.  *  0.  442. 

♦  Vgl.  Urk.  1348  November  2;  HHStA.  Kod.  1049,  f.  60'. 
^  Urk.  1363  Desember  1 ;  UBoE.  Vni,  159. 

•  Urk.  1391  November  11;  Orig.  HHStA. 
">  InvenUr,  f.  16'. 

«  Vgl.  Stmadt,  Peuerbach,  JBMFC.  XXVII,  393. 


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letzte  österreichische  Enklave  im  schaunbergischen  Trattnach- 
gebiete,  die  bis  1483  walseeisch  blieb.  ^ 

Als  oberster  VogtheiT  weist  femer  der  Landesfürst  den 
Walseem  weltliche  wie  geistliche  Vogteion  zu.  1359*  verpfändet 
ihnen  Herzog  Albrecht  die  Vogtei  zu  Wels,  welche  lange  Jahre 
hindurch  walseeisch  blieb. 

Die  meisten  Klöster  in  Osterreich  hatten  den  Herzog  zum 
Vogte.'  Während  sie  die  Schirm  vogtei,  hohe  Vogtei  davon 
behielten,  setzten  sie  meist  Untervögte  ein,  welche  die  niedere 
Vogtei,  Kasten-,  Ding-  oder  Betvogtei  erhielten.  Sie  ernannten 
dazu  die  Landeshauptleute  oder  häufiger  die  Landrichter  sowie 
andere  in  der  betreffenden  Gegend  begüterte  Adelige.  Diese 
Untervögte  und  noch  mehr  ihre  Beamten  mißbrauchten  nur  zu 
oft  ihr  Amt.  Das  dadurch  begreifliche  Streben  der  Klöster 
nach  Entvogtung  vermochte  nicht  überall  durchzudringen;  in 
einzelnen  Fällen  kam  es  im  Qegenteil  sogar  zur  Erblichkeit 
der  Untervogtei. 

Im  Lande  ob  der  Ens  hatten  die  Walseer  die  Kloster- 
vogteien  von  St.  Florian  (schon  1297*  und  noch  1349)  und 
Garsten  (seit  1428)  inne;  die  von  Lambach  (seit  1313)*  wurde 
schließlich  trotz  des  Bestrebens  des  Klosters,^  die  Vogtfreiheit 
zu  erringen,  zur  Erbvogtei.^  Dazu  kam  schließlich  noch  die 
Vogtei  des  Minoritenklosters  zu  Wels  ^  c.  1434  und  die  Patronats- 
vogtei  über  Schlierbach,  das  die  Walseer  1355  gegründet  hatten; 
Eberhard  V.  von  Walsee-Linz  verzichtete  1371®  darauf.  In  der 
Steiermark  besaß  Ulrich  IV.  von  Walsee-Drosendorf  die  Vogtei 
von  St.  Lambrecht  (1395);^  wie  es  etwa  mit  der  Patronatsvogtei 
des  Grazer  Dominikanerinnenklosters  stand,  ist  nicht  mehr  aus- 
findig zu  machen. 

Auf  dem  Boden  Niederösterreichs  erscheinen  die  Walseer 
als  Vögte  von  Erlakloster  (1297),*  vom  nahen  Ardagger,  wo 
1315^^  der  walseeische  Burggraf  zu  Seuseneck  zum  Untervogt 


1  Vgl.  S.  495.  «  ÜBoE.  Vn,  681. 

'  Vgl.  Wemnsky,  österreichische  Beichsgeschichte  64;  v.  Srbik,  Beziehun- 
gen Ton  Staat  und  Kirche  während  des  Mittelalters  76—91. 

*  Vgl.  8.  273. 

*  Vgl.  ürk.  1481  Mai  26;  Britz,  (Jesch.  des  Landes  ob  der  Ens  II,  716. 

•  Vgl.  Urk.  1488  Oktober  1;  Kop.  Linzer  MnsealarchiT. 
^  Vgl.  Meindl,  Gesch.  der  Stadt  Wels  II,  102. 

•  Vgl.  S.  290.  »  Vgl.  Krones,  Urk.,  r.  861.  "  Vgl.  S.  622. 


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bestellt  war,  ferner  von  Seitenstetten  (1359  *).  Die  Vogtei  au 
Mauerbach  wurde  Keinprecht  IV.  von  Walsee  1429*  veriiehen, 
sein  Sohn  ließ  die  von  Minnbach  1475  von  Senftenberg  aus 
versehen.'  Dazu  kam  hier  die  Patronatsvogtei  über  die  wal- 
seeische  Gründung  Sensenstein. 

Von  angevogteten  einzelnen  Gütern  und  Holden  nennen 
wir  die  Betvogtei  über  die  Holden  des  Stiftes  St.  Peter  in  Salz- 
burg zu  Breitenau  (bei  Gunskirchen),  über  welche  die  Walseer 
Eberhard  V.,  Heinrich  VI.  und  Reinprecht  11.  beim  Antritt  ihrer 
obderensischen  Hauptmannschaft  1325,  1374  und  1379*  rever- 
sieren.  Sie  wurde  durch  die  walseeischen  Pfleger  auf  dem 
nahen  Tratteneck  ^  ausgeübt.  Dort  waren  auch  Untertanen  des 
Klosters  Mondsee  angevogtet.  *  Femer  besaß  Eberhard  V.  von 
Walsee  die  Vogtei  über  ein  Gut  des  Klosters  St.  Nikola  zu 
Passau.  Der  walseeischen  Herrschaft  Rutenstein  waren  Bunter- 
Sassen  des  Klosters  Waldhausen  angevogtet.  ^  In  Niederöster- 
reich hatten  die  Walseer  zu  Ens  die  Vogtei  der  Besitzungen  des 
bairischen  Klosters  Metten  zu  Eisdornach  1310  und  noch  1361.^ 
Wiederholt  klagen  die  Göttweiher  Untertanen,  deren  Vogtei  die 
Walseer  zu  Ens  innehatten/  über  Bedrückung  vonseite  der- 
selben.^^ Auch  Melker  Untertanen  unterstanden  walseeischer 
Vogtei.*^  In  der  Steiermark  bevogtete  die  dortige  und  später 
die  E^ser  Linie  Güter  des  Klosters  Seitenstetten  auf  der  Zei- 
ring,  Vorauer  Holden  in  der  Herrschaft  Gleichenberg,**  ein 
Gut  der  Kartause  Seitz  zu  Swersobitz  im  Unterlande.  *'  Schließ- 
lich hatten  die  Walseer  die  Vogtei  über  die  Güter  des  Klosters 
St.  Paul  auf  dem  Remschnik,  der  Gegenstand  eines  hundert- 
jährigen Streites  (1331 — 1434)  zwischen  Kloster  und  Vogtherren." 


»  S.  306.  •  Vgl.  8.  446. 

'  Vgl.  Urk.  1475  Mai  4;  Kop.  Linzer  Mosealarchiv. 

*  Urkk.  1325  Juli  4,   1374  November  8,   1379  November  11;   Kop.  linEer 
Mosealarchiv. 

»  Vgl.  Urk.  1368  Juli  80;  ebenda.  •  Vgl.  S.  638. 

^  Urk.  1444  Deeember  20;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 
«  Vgl.  S.  299  und  S.  339. 

•  Vgl.  Urk.  1390  Oktober  9;  FBA.  LI,  732. 
>o  Urk.  1390  Oktober  9;  ebenda. 

"  Urk.  1362  März  21;  Ph.  Huber,  Austria  ex  arch.  Mellic  ill.  80. 
"  Urk.  1440  Oktober  20;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 
"  Vgl.  8.  365.  "  Vgl.  8.  356  und  446. 


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5.  Verwaltung  und  Dienerschaft. 


Bereits  in  Schwaben^  also  zu  Ende  des  13.  Jahrhunderts, 
hatten  die  walseeischen  Güter  ihre  geordnete  Verwaltung  durch 
Burggrafen  und  Amtleute.  *  Sie  wurde  in  derselben  Weise  in 
Osterreich  weitergeführt  und  die  Zersplitterung  des  walseeischen 
Besitzes  ließ  es  darin  bis  zu  Ende  des  14.  Jahrhunderts  zu  Be- 
sonderheiten nicht  kommen.  Eine  bedeutende  Erweiterung  der 
Organisation  trat  dagegen  alsbald  ein,  als  die  Vereinigung  der 
großen  Gtltermasse  eine  teilweise  Zentralisierung  der  Verwaltung 
ermöglichte. 

Vorerst  kamen  dafUr  vor  allem  die  ständigen  Schreib- 
stuben* in  Betracht,  deren  Bestand  wir  bei  allen  vier  Walseer 
Linien  bereits  seit  dem  Beginne  des  14.  Jahrhunderts  verfolgen 
können.  Die  Schreiber  derselben  •  —  die  zweimal  genannten 
Notare  sind  wohl  der  gleichen  Kategorie  beizuzählen  —  ge- 
hörten durchwegs  dem  Laienstande  an.  Ihre  Sache  war  es, 
die  Urkunden  und  Briefe  für  ihre  Herren  auszufertigen, 
Quittungen  auszustellen  und  die  Verrechnung  mit  den  Amt- 
leuten und  Pflegern  zu  besorgen.  Au<5h  zu  mancherlei  anderen 
Sendungen  und  Zwecken  wurden  die  walseeischen  Schreiber 
verwendet.  In  Linz  wie  in  Graz  war,  wie  natürlich,  das  amt- 
liche Bedürfnis  der  dortigen  walseeischen  Landeshauptleute  mit 
dem  privaten  verquickt,  so  daß  die  dortigen  Schreibstuben  wohl 
beiden  Zwecken  zugleich  dienten. 

An  der  Spitze  der  einzelnen  walseeischen  Herrschaften,  zu- 
mal der  größeren,  standen  Burggrafen  und  Pfleger*  —  auf 
den  Tibeiner  Gütern  meist  Hauptleute  — ,  die  späterhin  im 
15.  Jahrhundert  häufig  zugleich  die  Funktionen  des  Landrichters 

»  Vgl.  S.  252. 

'  Vgl.  Czernj,  Die  Bibliothek  des  Chorherrenstiftes  St.  Florian,  Schreiber 
auf  den  Edelhöfen,  S.  64—69. 

•  Genannt  werden:  Leupold,  Schreiber  Eberhards  IV.  von  Walsee-Linz 
1805;  Choloman,  Notarias  Friedrichs  I.  von  Walsee-Drosendorf  vor  1311; 
Ekhard,  notarius  domini  de  Waise  nach  1314;  Friedrich,  Schreiber  und 
Pfleger  Eberhards  IV.  von  Walsee-Linz  1321 ;  Johann,  Schreiber  Hein- 
richs VI.  von  Walsee-Ens  1380;  Heinrich  der  Diezzer,  Schreiber  Jörgs 
von  Walsee-Linz  1382;  Ulrich,  Schreiber  Reinprechts  H.  von  Walsee-Ens 
1391;  desselben  Schreiber:  Cunrat  von  Tehnpekh  1413,  Mert  Ranynger, 
1414,  1421. 

*  Vgl.  Werunsky,  Österr.  Reichsgesch.  86—88. 


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520 

ausübten.  Diese  Amter  waren  mit  ritterbtlrtigen  Männern  (auch 
unter  den  walseeischen  ,Dienem^^  schlechthin  finden  sich  deren 
genug)  besetzt,  meist  aus  den  Familien  der  zahlreichen  Lehens- 
leutC;  die  dadurch  oft  weit  von  ihrer  Heimat  hinweggeftlhrt  worden. 
So  treflFen  wir  in  walseeischen  Diensten  den  Baiem  Friedrich 
von  der  Bott,  die  oberösterreichischen  Rathaiminger,  Albrechts- 
heimer,  Geuman  und  Humbrechtsrieder,  aus  der  Steiermark  die 
Mindorfer  und  Herbei'steiner  alle  in  den  tibeinischen  Herrschaften 
auf  dem  Karst,  einen  Anhanger  in  der  Steiermark;  einem 
Meurl,  gleichfalls  Oberösterreicher,  begegnen  wir  im  Elsaß,  ein 
Rauber  aus  Krain  war  Pfleger  auf  Rutenstein  im  Nordostwinkel 
Oberösterreichs. 

Der  Burggraf,  auch  Pfleger  und  an  wichtigeren  Posten 
(so  besonders  auf  den  tibeinischen  Herrschaften)  Hauptmann 
genannt,  hatte  die  Burghut:  ihm  war  die  Burg,  welche  er  in 
wehrfähigem  Zustande  zu  halten  hatte,  mit  einer  kleinen  Be- 
satztmg  von  Burgwächtern  und  Söldnern  anvertraut.  Er  be- 
fehligte sie  an  Stelle  seines  Herrn  im  Kriegsfall,  wo  er  die 
ritterlichen  Leute,  geworbene  Söldner  und  die  Landwehre  seiner 
Herrschaft  heranzog;  Burgsassen  finden  sich  hierzulande  nur 
vereinzelt.*  Ferner  war  er  verpflichtet,  seinem  Herrn  im  Be- 
darfsfalle mit  einer  Anzahl  gerüsteter  Leute  auch  nach  aus- 
wärts' zuzuziehen  und  den  Troß  an  Heerwagen,  Knechten  und 
Pferden  aufzubringen.*  Auf  vielen  Herrschaften  verwaltete  der 
Pfleger  zugleich  auch  das  Amt  des  Landrichters,  der  ihm  sonst 
im  Range  nachstand.  Der  ,Pfleger*  schlechthin  hatte  damit 
auch  die  Funktionen  desselben  wie  die  Erhaltung  des  Land- 
friedens, die  Straßen-  und  Handelspolizei  tlber. 

Unter  den  walseeischen  Hauptleuten  und  Burggrafen  nahm 
der  auf  Tibein  (Duino)  den  vorzüglichsten  Platz  ein.**  Er  war 
geradezu  Statthalter  auf  den  tibeinischen  Herrschaften,  deren 
Hauptleute  und  Pfleger  ihm  sämtlich  unterstanden,  und  zugleich 
Lehenrichter  der  Walseer.*  Ihm  unterstand  alle  Wehrkraft 
der  tibeinischen  Herrschaften,  auch  der  gesamte  Adel  derselben 


»  Vgl.  B.  B.  ürk.  1408  Dezember  8;  Kop.  HHStA. 

*  Z.  B.  anf   einem  Tanne   sa  Lins,   Urk.  1385  Angnst   18;    Kop.  linser 
Masealarchiv. 

'  Vgl.  Urk.  1452  Jnli  3;  ebenda.  «  Urk.  1445  Oktober  25;  ebenda. 

*  Vgl.  Pichler,  a.  a.  O.  246  und  264. 

*  Urk.  1430  M&rs  23;  ebenda. 


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521 

folgte  seinem  Befehl.  Durch  seine  Hand  gingen  alle  zu  erle- 
digenden Angelegenheiten  an  die  Walseer  nach  Österreich.  Be- 
sonders mußte  er  es  sich  angelegen  sein  lassen^  die  guten  Be- 
ziehungen zu  den  Venezianern  zu  erhalten.  ^ 

Die  Anstellung  des  Burggrafen,  Pflegers  oder  Hauptmanns 
erfolgte  nur  noch  auf  Zeit,  meist  für  1 — 3  Jahre  oder  auf 
Widerruf.  Eine  Vererblichung  des  Amtes  trat  nicht  ein,  wenn 
wir  auch  ab  und  zu  Vater,  Sohn  und  Enkel  nacheinander  als 
Pfleger  finden.  Familien,  die  etwa  in  der  Nähe  einer  Burg 
stärker  begütert  waren,  kamen  naturgemäß  häufiger  zur  Burg- 
grafen- und  Pflegerschaft  auf  derselben.  Die  Burghut  —  damit 
werden  sowohl  das  Amt  als  die  Bezüge  bezeichnet  —  bestand 
in  Geld  und  Naturallieferungen ;  auch  Nutznießungen  von  ein- 
zelnen Grundstücken,  Meierhöfen  und  selbst  Mühlen*  waren 
damit  verbunden.  Da  sie  als  ganzes  übertragen  zu  werden 
pflegte,  hatte  der  Pfleger  die  Burghüter'  und  Torwächter  bei- 
zustellen und  zu  besolden.  So  betrugen  die  Burghuten  der 
flinf  Pfandschaften  Freienstein,  Frankenburg,  Peilstein,  Puch- 
heim  und  Seusenburg  um  1438  zusammen  292Äf,Ä,*  etwa  ein 
Fünftel  des  Erträgnisses.  Der  walseeische  Burggraf  auf  Seusen- 
eck  bezog  1458 »  jährlich  72^^,  jener  auf  Schamstein  1474 
60  ÄT/Ä,  2  Mut  Korn  und  ebensoviel  Hafer,*  die  beiden  Wächter 
daselbst  im  Vorjahre  6/,Ä  und  14  Motzen  Korn.^  Neben  den 
Pflegern,  femer  auf  den  kleineren  Schlössern  (und  auf  allen 
Schlössern  der  Linie  Walsee-Graz  bis  1363)  sowie  in  den  wal- 
seeischen  Häusern  in  den  Städten  (so  in  Linz,  Ens,  Wels, 
Krems,  St.  Polten,  Klostemeubui-g,  Wien,  Graz,  Bleiburg  und 
Laibach)  saßen  Hauspfleger,  Hausschaffer  oder  Schaffer  genannt, 
welche  lediglich  die  Schloß-  und  Hausverwaltung  flihrten.® 
Schaffer  bewirtschafteten  ferner  die  wenigen  Meierhöfe,  welche 
der  Grandherr  noch,  meist  in  jeder  Herrschaft  nur  einen,  in 
Eigenbetrieb  behalten  hatte. 


^  Urk.  1430  März  23;  ebenda  263. 

*  Vgl.  das  Urbar  von  Fiurae  von  1424,  f.  1';  Kop.  Linzer  Masealarchiv. 
»  Vgl.  Urk.  1447  Februar  26;  ebenda. 

*  HHStA.  Kod.  Suppl.  1167,  f.  9. 

*  Vgl.  Urk.  1468  September  28;  Orig.  HHStA. 

*  Vgl.  Urk.  1474  März  3;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 
'  Laut  Quittung  1473  -— ;  ebenda. 

'^  Vgl.  Urk.  1452  Oktober  8;  ebenda  u.  a. 


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522 

Die  Finanzverwaltung  der  Herrschaft  führte  der  Amt- 
mann;^ größere  Herrschaften  waren  in  mehrere  Amter  geteilt, 
andererseits  auch  der  Streubesitz  zu  Ämtern^  vereinigt,  so  daß 
sich  Urbar-  und  Gerichtsverwaltung  nicht  deckten.  Der  Amt- 
mann —  in  untertänigen  Märkten'  der  Marktrichter  —  war 
Einnehmer  der  Geld-  wie  auch  der  Naturalabgaben,  die  er 
jedes  Jahr  richtigzustellen  hattet  Er  hielt  mit  seinem  Herrn 
jährlich  einmal*  unter  Vorlage  der  , Rechenbücher'  über  Ein- 
nahmen und  Ausgaben  Abrechnung.  Ihm  lag  auch  die  Führung 
der  Urbare,  der  Grund-(Gewer-)  Bücher*  ob,  die  wohl  meist  in 
der  Schreibstube  des  Herrn  angelegt  worden  waren.  ^  Er  hatte 
Burggrafen®  (Pflegern),  Schaffem,  Torwärtem  und  sonstigen 
Dienstleuten  ihre  Besoldung,  aufgenommenen  Arbeitern  ihren 
Taglohn  auszuzahlen,  ebenso  legte  er  die  Kosten  für  Bauten, 
bei  Handwerksleuten  und  fUr  alle  sonstigen  Anschaffungen  so- 
wie die  vielen  Botenlöhne  aus.  Neben  dem  Amtmann  erscheint 
auf  größeren  Herrschafl»n  der  Kastner.  Diesem  oblag  die 
Übernahme  des  eingelieferten  Dienstgetreides,  das  in  den  herr- 
schaftlichen Speichern,  Getreide-,Kästen'  aufgeschüttet  wurde. 
Empfang  und  Abgabe  wurden  allenthalben  im  15.  Jahrhundert 
bereits  genau  bestätigt;  derartige  Quittungen  haben  sich  von 
mehreren  walseeischen  Herrschaften  zahlreich  erhalten. 

Amtleute,  Schaffer  und  Kastner  gingen  fast  ausnahmslos 
aus  den  Familien  niedriger  Dienstleute  hervor  und  waren  offen- 
bar häufig  bäuerlicher  Abkunft. 

Die  Vogtleute  unterstanden  dem  Pfleger*  der  Herrschaft, 
welcher  sie  angevogtet  waren,  und  Vogtamtleuten.  ^® 

^  Vgl.  Dopsch,   Die  landesfürstlichen  Urbare  Ober-  und  Nieder(teterreichs 

cxxx— cxxxn. 

•  Vgl.  S.  466,  480,  495. 

»  Vgl.  Urkk.  1440  Januar  21,  1442  Februar  3,  1444  April  24,  1464  Fe- 
bruar 27;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

*  ,Die  Zehente  beraiten',  vgl.  Urk.  1438  Juni  30;  ebenda. 

^  Als  Abrechnungstage  finden  sich  genannt:  Ebenweich  tag  (Neujahr),  am 
häufigsten  der  Prehentag  (3  Könige),  Ostern,  Qeorgi  und  Pfingsten. 

ß  Vgl.  Urkk.  1449  Februar  4,  1464  April  24,  1476  Mira  4;  a.  a.  O. 

^  Manche  Herrschaften  hatten  bereits  einen  eigenen  Schreiber;  vgl.  Urk. 
1340  Juli  26,  Stejerer  Collectanea,  col.  48. 

^  Vgl.  Urk.  1464  Dezember  22;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

'  Z.  B.  die  von  Ardagger  dem  walseeischen  Burggrafen  auf  Seuseneck; 
vgl.  Urk.  1316  Januar  21;  AÖC.  XLVI,  496. 

^°  Z.  B.  zu  Tratteneck,  Urk.  1447  November  2 1 ;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 


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623 

Seit  dem  Beginn  des  16.  Jahrhunderts  gestaltete  sich  dieser 
einfache  Organismus,  wie  er  fUr  größere  Adelsgeschlechter  da- 
zumal bei  uns  typisch  war,  alsbald  bedeutend  aus,  als  der  ge- 
samte Besitz  des  Hauses  Walsee  in  den  Händen  der  Enser 
Linie  vereint  und  auch  sonst  bedeutend  vermehrt  wurde.  Dazu 
kam,  daß  nun  überdies  der  Wohnsitz  der  auf  wenige  Köpfe 
zusammengeschmolzenen  Walseer  durch  die  obderensische  Haupt- 
mannschaft  an  Linz  und  die  benachbarten  walseeischen  Herr- 
schaften gebunden  blieb.  Diese  Verhältnisse,  welche  namentlich 
auch  eine  Stellvertretung  des  Herrn  öfters  erheischten,  führten 
durch  die  Ausgestaltung  der  walseeischen  Schreibstube  zum 
Entstehen  einer  zentralen  Verwaltung  für  die  gesamten  wirt- 
schaftlichen Verhältnisse  des  Hauses. 

Wir  finden  nun  (zum  ersten  Male  1397)^  Räte,  auch  An- 
wälte genannt,  zur  Besorgung  der  wichtigeren  Geschäfte.*  Sie 
sind  nichts  anderes  als  ältere,  erfahrene  frühere  Schreiber  und 
zum  Teile  als  solche  nachweisbar,  wie  jener  Mert  Raninger,' 
der  sich  1426  durch  die  Stiftung^  der  (älteren)  Dreifaltigkeits- 
kapelle zu  Linz  hervortat.  Auf  zahlreichen  Reisen  begegnen 
wir  ihnen  da  und  dort  in  mancherlei  Aufträgen  ihres  Herrn. 
Eigene  ,An walte**  —  meist  zugleich  Pfleger  auf  der  Riegers- 
burg  —  vertreten  die  Walseer  vor  der  Landschranne  im  leo- 
poldinischen  Innerösterreich. 

Bereits  die  Walseer  zu  Graz  hatten  1341  einen  eigenen 
Kammermeister  gehalten,^  der  indes  eher  nur  als  untergeord- 
netes Finanzorgan  aufzufassen  ist.  Bald  nach  Reinprechts  II. 
Tode  erscheint  (1428 — 1461  nachweisbar)  ein  Rentmeister  an 
der  Spitze  der  walseeischen  Finanzverwaltung,  der  eine  Ver- 
rechnung sämtlicher  Einnahmen  und  Ausgaben  des  Hauses 
führen  sollte;'  er  hatte  auch  mit  den  Ämtleuten  abzurechnen 
und  diese  zu  überwachen. 


^  Urk.  1897  November  25 ;  Libri  Commemoriali  d.  r.  di  Venezia  HI,  248. 
«  Vgl.  Urk.  1486  Oktober  10;   Preuenhuber,  Ann.  Stir.  446;    Urk.  1440 

Oktober  20   (Kop.  Linzer   MoseaUrchiv)   bemfen   sie   die   walseeischen 

Lehen. 
»  Vgl.  S.  613. 

^  Vgl.  Archiv  fQr  Gesch.  der  Diözese  Linz  I,  154. 
»  Vgl.  Urk.  1428  April  19;  LB.  V,  r.  2636. 

•  Urk.   1341    Februar    10;    Orig.  StLA.    Nr.  2180;    vgl.  Dopsch,    Urbare, 
S.  CXXXVI. 

*  Vgl.  das  Inventor,  f.  28. 

▲toUt.  XCY.  Band.  II.  H&lfle.  35 


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624 

EHn  Qesamturbar  des  walseeischen  Besitzes^  hat  sich 
leider  nicht  erhalten,  wohl  aber  ein  um  1440  angelegtes  Lehen- 
bach, das  bis  etwa  1466  reicht,  aber  nur  die  ober-  und  nieder- 
österreichischen Lehen  enthält.' 

Um  dieselbe  Zqü  treten  auch  walseeische  Hofilmter  an^ 
deren  Inhaber  wir  ausschHeßlich  in  tatsächlicher  Ausübung 
ihres  Dienstes  treffen.  So  lassen  sich  Kämmerer  in  den  Jahren 
1430 — 1468,  Marschalken  von  1445 — 1455'  nachweisen.  Auch 
eigene  Kapläne  werden  mehrfach  erwähnt;  sie  und  die  Schreiber 
waren  wohl  die  Lehrmeister  in  der  edlen  Kunst  des  Lesens* 
und  Schreibens,  welche  die  meisten  Mitglieder  des  Hauses  Wal- 
see bereits  übten.  Ein  oberster  Schaffer,  als  welcher  1440  bis 
1443*  der  —  ritterbilrtige  —  Veit  Mülwanger  genannt  wird, 
beaufsichtigte  die  Verwaltung  des  Haushaltes  und  die  niedere 
Dienerschaft  —  einen  schier  unübersehbaren  Troß.  Welchen 
Umfang  die  walseeische  Haushaltung  um  die  Mitte  des  15.  Jahr- 
hunderts angenommen  hat,  läßt  sich  aus  der  Erwähnung  eigener 
Küchenschreiber  und  Futterschreiber  —  zur  Verrechnung  für 
Küche  und  Marstall  — ,  Kellner  (Kellermeister)^  und  Reise- 
schaffer  ^  entnehmen.  Dazu  kamen  dann  eigene  Jägermeister, 
Falkner  und  zuletzt  sei  der  walseeischen  SpieUeute,  Lautner, 
Fiedler  und  Pfeifer  gedacht,®  die  gern  bei  Freunden  ihres 
Herrn,  Adeligen  und  Klöstern,  in  der  Hoffnung  aufspielten, 
durch  klingenden  Lohn  ihr  schmales  Einkommen  aufzubessern. 

Es  ist  ein  buntes,  lebendiges  Bild,  das  sich  uns  von  dem 
Leben  und  Treiben   des  an  Gut  und  Ehren  so  reichen  Adels- 


'  Im  Inventar  von  1645  (f.  48)  wird  erw&hnt:  ,6in  anBchlagbuech  auf  heim 
Reinprechts  von  Walsee  Schlösser  und  g^eter  anno  (14)43*;  aoßer  den 
erhaltenen  Teilurbaren  werden  solche  genannt  von  Leonfelden  1361, 
Seoseneck  1405,  Weißenbach  15.  Jahrhundert,  Senosetsch  1461,  Kom- 
spach  15.  Jahrhundert;  vgl.  S.  499. 

•  Vgl.  S.  600. 

'  Meist  ritterbürtig;  Siegmund  Vorster  nennt  sich  1450  ausdrücklich  ,Hof- 
marschalich'. 

•  Vgl.  das  Testament  Ulrichs  IV.  von  Walsee-Drosendorf,  1400  Januar  20; 
Orig.  HHStA. 

»  Vgl.  Urkk.  1440  Mai  17,  1440  Oktober  17;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

•  Vgl.  Urk.  1481  August  16;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 
"*  Urk.  1452  Oktober  8;  ebenda. 

«  Vgl.  AÖO.  XXVIII,  246  und  JBMFC.  XXXIX,  27. 


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625 

geschlechtes  entrollt.  Ein  wertvoller  Hausschatz ^  an  Juwelen, 
Kleinodien,  PrunkgefUßen  und  Tafelgeschirr  aus  Gold  und  Silber, 
bereits  bei  den  Teilungen  des  14.  Jahrhunderts  erwähnt,  lagerte 
auf  den  walseeischen  Schlössern. 

So  war  die  Lebensführung  des  Hauses  bei  üppiger  Reich- 
lichkeit angelangt,  als  es  mit  seiner  wirtschaftUchen  Blüte  bereits 
zur  Neige  ging. 

6.  Die  Besitzverhaltnisse. 

In  einem  weiten  Umkreise  waren  die  walseeischen  Güter 
über  den  größeren  Teil  der  damals  habsburgischen  Gebiete  zer- 
streut; in  dichten  Gruppen  finden  wir  sie  in  Ober-  und  Nieder- 
österreich, im  ganzen  Mur-  und  Draugebiete  in  der  Steiermark 
wie  im  kämtnerischen  Lavanttale,  einiges  in  Krain;  die  großen 
Tibeiner  Güter  im  Hinterlande  von  Triest  machten  den  Ab- 
schluß. 

Dieser  Besitz,  ohne  Zweifel  der  größte  unter  unserem 
damaUgen  ganzen  Hochadel,  gliederte  sich  naturgemäß  in  die 
drei  Hauptgruppen:  Eigengut,  AUod,  auch  freies  Eigen  genannt, 
die  zahlreichen  Lehen,  von  den  Herzogen  und  Kirchenfürsten 
rührend,  nebst  den  Leibgedingen,  und  die  umfangreichen 
Pfandschaften.  Die  Burgrechte,  als  unterste  adelige  Eigen- 
tumsform —  meist  Kleinbesitz  in  den  Städten  —  fallen  diesen 
anderen  Besitzklassen  gegenüber  nicht  ins  Gewicht. 

An  Eigengut  besaßen  die  Walseer  nicht  allzuviel,  was 
sich  durch  die  Einwanderung  aus  Schwaben  erklärt;  sie  standen 
indes  auch  nur  wenig  gegenüber  den  Häusern  des  österreichi- 
schen Uradels  zurück.  Wir  finden  sowohl  freieigene  Herr- 
schaften (Herreneigen)  als  auch  rittermäßige  Eigen*  in  ihrem 
Besitze. 

Den  Grundstock  des  walseeischen  Eigenbesitzes  in  Nieder- 
österreich bildete  das  Gutratische  Erbe,  wie  wir  es  in  Urkunde 


»  Vgl.  Urkk.  1361  August  3  (UBoE.  Vin,  41),  1400  Januar  28  (vgl.  S.  386 
bis  387),  1429  Oktober  18  (Kop.  Linzer  Musealarchiv),  1464  August  17 
(Orig.  in  Privatbesitz)  und  vor  allem  das  ftußerst  interessante  Inventar 
von  Nieder-Walsee,  1545  Oktober  26,  Niederösterreiehische  Herrschafts- 
akten, Fasz.  17684  Wl,  6  a,  Archiv  des  k.  und  k.  Reichsfinanzministeriums 
in  Wien. 

•  Vgl.  Urkk.  1384  November  4,  WSt.  552;  1423  Oktober  15,  1425  Januar  2; 
Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

35* 


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526 

1304  August  7  kennen  lernen,^  der  Linie  Walsee-Linz,  seit 
1400  der  Linie  Walsee-Ens  gehörig:  Senftenberg  nebst  Draß 
und  Zebing,  femer  nordöstlich  davon  Stroneck  nebst  Stronsdorf 
umfassend;  Allentsteig  war  gleichfalls  1332 — 1367'  im  Besitz 
der  Walseer  von  Linz.  Eine  andere  Gruppe  bestand  aus  den 
Herrschaften  Enzesfeld,'  1330 — 1400  der  Drosendorfer  und  seit 
1440  nochmals  der  Enser  Linie  gehörig,  Merkenstein  seit  1327 
und  Ebreichsdorf  bis  1450  im  Besitze  der  Drosendorfer,  be- 
ziehungsweise Enser  Linie;  sie  lagen  sämtlich  am  Rande  des 
Wienerwaldes  in  der  Gegend  von  Baden.  Ebenso  hatten  die 
Enser  Walseer  1394—1398  Schloß  Leopoldsdorf  inne.*  Bei 
Amstetten  besaßen  die  Enser  Walseer  Seuseneck*  1303 — 1483; 
Schloß  Nieder- Walsee  wurde  ihnen  1469  Dezember  15*  durch 
K.  Friedrich  zu  einem  freien  Eigen  erhoben. 

In  Oberösterreich  lagen  die  Eigengüter  Freudenstein,' 
seit  1333  den  Walseem  zu  Linz,  1400 — 1459  denen  zu  Ens 
gehörig.  Der  Linie  Walsee-Linz  stand  Pernstein^  1337  bis 
1394  (dann  abermals  1415 — 1460  der  Enser  Linie),  Ort  den 
Enser  Walseem  1344 — 1483*  zu.  In  Südböhmen  war  die  Herr- 
schaft Wittinghausen  1427 — 1464*®  im  Besitz  der  Walseer  und 
als  solcher  in  die  böhmische  Landtafel  ,eingelegt^  ** 

Walseeischer  Eigenbesitz  fehlt  dagegen  in  der  Steiermark 
fast  gänzlich  und  läßt  sich  auch  im  Eüstenlande  und  in  Krain 
nicht  nachweisen. 

Weit  größer  waren  die  Güter,  welche  die  Herren  von 
Walsee  von  den  österreichischen  Herzogen,  den  Burggrafen 
von  Nürnberg  und  den  Herzogen  von  Baiern  sowie  von  den 
meisten  südostdeutschen  Bistümern  und  schließlich  von  ver- 
schiedenen Klöstern  zu  Lehen  trugen. 

Über  Lehen  stand  auch  dem  Hochadel  nicht  die  fireie 
Verfügung  zu;  der  Verkauf  eines  Lehens  war  nur  mit  Zu- 
stimmung des  Lehensherm  gestattet,   desgleichen  eine  Weiter- 


>  Vgl.  8.  626.  »  Vgl.  8.  616. 

•  Vgl.  8.  874,  8S7  und  460.  *  Vgl.  8.  S28. 
»  Vgl.  8.  299  und  498.            •  Vgl.  8.  490. 

•  Vgl.  8.  286,  296  und  478. 

•  Vgl.  8.  286,  298  und  422  sowie  479. 

•  Vgl.  8.  304  und  492. 
>•  Vgl.  8.  440  und  479. 

"  Vgl.  Urk.  1427  September  9;  NB.  II,  11. 


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527 

begebung  als  Afterlehen.  ^  Nach  dem  Tode  des  LeheDsherrn 
hatten  die  Vasallen  binnen  Jahresfrist  um  neuerliche  Belehnung 
anzusuchen^  ihre  Lehen  an  kundgemachten  Tagen  zu  ^sinnen' 
oder  zu  ^muten^'  Im  Lehenbesitz  konnten  daher^  solange  die 
walseeischen  Güter  durch  die  Teilungen  in  Linien  zersplittert 
waren,  starke  Veränderungen  eintreten;  die  Gunst  der  Habs- 
burger hat  das  Haus  Walsee  mehrmals  vor  solchen  Einbußen 
bewahrt.  Herzog  Albrecht  H.  gestattete  den  steirischen  Wal- 
seem  1348*  und  nochmals  1357,*  ihre  Lehen  Söhnen  und 
Töchtern  zu  vermachen,  worauf  auch  Bischof  Leopold  von  Bam- 
berg 1358*  seinem  Beispiele  folgte.  Indem  Herzog  Albrecht  HL 
1373  Dezember  1  •  sämtlichen  Walaeern  die  Erlaubnis  erteilte, 
ihre  herzogUchen  Lehen  einander  zu  vermachen,  was  1382 
März  5''  den  drei  Brüdern  Rudolf,  Reinprecht  und  Friedrich 
von  Walsee-Ens  nochmals  wiederholt  wurde,  war  der  schließ- 
liche Anfall  der  gesamten  herzoglichen  Lehen  an  die  Walseer 
zu  Ens  gesichert. 

In  Niederösterreich  waren  an  herzoglichen  Lehen 
längere  Zeit  in  walseeischem  Besitze:  die  Herrschaft  Gun- 
tersdorf« 1297—1400  den  Walseem  zu  Linz,  bis  1476  denen 
zu  Ens  gehörig,  letzteren  auch  Aspam  an  der  Zaia®  1384  bis 
um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts,  femer  Hartenstein^^  1300 
-1372  und  Mühlbach  "  c.  1300  bis  nach  1361,  Sitzendorf  seit  1415. 
Südlich  der  Donau  lagen  im  Lande:  Eomspach  (Earlsbach),^' 
seit  1376  im  Besitz  der  Enser  Linie;  Sumerau,  1350  gleich- 
falls bereits  in  deren  Besitz,  sodann  verödet,  als  bald  nach  1362 
Schloß  Nieder- Walsee  erbaut  wurde,  ^'  das  K.  Friedrich  1469 
zu  einem  freien  Eigen  erhob.  Hoheneck,**  seit  1358  walseeisch, 
wurde  1464  verkauft,  BurgstalH*  war  1374 — 1483,  Schrana- 
wand  seit  1416^^  und  noch  1464  im  Besitze  der  Enser  Linie. 


'  Vgl.  Urk.  1398  Mai  13;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

«  Vgl.  S.  414.  •  Urk.  1348  November  29;  UBoE.  VII,  84. 

*  Urk.  1357  Mai  27;  LB.  III,  r.  1395. 
»  Urk.  1368  Juni  8;  NB.  IV,  838. 

•  UBoE.  Vra,  667.  *  Orig.  StAEferding. 

■  Vgl.  S.  271,  386  und  491.  •  Vgl.  8.  331  und  466. 

>«  Vgl.  8.  300  und  341.  "  Vgl.  8.  300  und  340. 

»«  Vgl.  8. 332.  "  Vgl.  8.  306  und  341. 

"  8.  307  und  480.  «  8.  342,  333  und  493. 

i<  8.  422  und  480. 


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528 

Kürzere  Zeit  waren  im  Besitz  der  Walseer  Purkersdorf  (1333 
wieder  verkauft),  Aspershofen  (1326  erworben),  Nußdorf  an  der 
Traisen  seit  1413^  und  noch  1444  und  Rotenstein  von  1418  an. 

Rabenstein'  war  seit  1384,  Bauheneck'  seit  1398  Leib- 
gedinge Reinprechts  II.  und  ersteres  nochmals  Reinprechts  IV., 
nach  dessen  Tode  es  1450  an  den  Landesfürsten  zurückfiel, 
während  Rauheneck  dem  Hause  Walsee  erhalten  blieb  und  noch 
in  dem  Teilbriefe  von  1456  genannt  wird. 

An  mährischen  Lehen  erhielten  die  Walseer  zu  Drosen- 
dorf  1348  den  Markt  Frattem  und  das  Dorf  Rantzem  in  der 
Nachbarschaft  Drosendorfs. 

Im  Lande  ob  der  Ens  lagen  die  Festen  Ober- Walsee,  ^ 
1364  von  Eberhard  V.  von  Walsee-Linz  erbaut  und  nach  dem 
Erlöschen  dieser  Linie  bis  1483  im  Besitz  der  Enser  Walseer; 
Roteneck,  1375  von  letzteren  erkauft,^  blieb  seit  1377  an  die 
Neundlinger  ausgetan.  Der  Enser  Linie  stand  femer  Schloß 
Marbach^  bei  Mauthausen  c.  1398  und  noch  1440  zu  —  es 
war  an  die  Ponhalm  verlehnt.  Nächst  Tratteneck,  ^  das  1351 
von  den  Linzer  Walseem  erkauft,  bis  1463  der  Enser  Linie 
des  Hauses  gehörte,  besaßen  erstere  Schloß  Qallspach,  das  seit 
1354  an  die  Geuman  verlehnt  blieb.  Die  Herrschaft  Scham- 
stein befand  sich  1335® — 1483  in  den  Händen  der  Wakeer  zu 
Ens,  Egenberg*  bei  Gmunden  1402 — 1464,  Rutenstein  kam 
1406  an  sie  und  war  bis  1483  walseeisch.  *®  Auf  nun  böh- 
mischem Boden  lag  die  Feste  Stein,  mit  welcher  Heinrich  VI. 
von  Walsee-Ens  1380  von  Herzog  Albrecht  IH.  belehnt  wurde. 
Die  Donaufeste  Spielberg  war  seit  1329  Leibgedinge  des  1360 
verstorbenen  Reinprecht  I.  von  Walsee-Ens  und  später  1397 
(1400  nicht  mehr)  sowie  nochmals  1413 — 1422  (?)  im  Besitz  Rein- 
prechts n.  von  Walsee-Ens. 

In  der  Steiermark  überwog  durchaus  der  Besitz  an  her^ 
zoglichen  Lehen  unter  den  walseeischen  Gütern.  Hier  ist  vor 
allem  die  Herrschaft  Riegersburg**  zu  nennen,  die  seit  1299 
und   bis  1478  walseeisch  war,   dazu  das  1302  erkaufte  Schloß 


»  Vgl.  8.  417.     •  S.  327  und  466.     •  8.  380  und  466. 

*  Vgl.  8.  288,  296  und  495.     »  8.  325.     «  8.  343  und  333. 
^  Vgl.  8.  287,  295,  466  und  480.     ■  Vgl.  8.  304  und  493. 

•  Vgl.  8.  394  und  479. 

»°  Vgl.  8.  407,  454,  466  und  Urk.  1482  März  16;  WSt.  604. 
"  Vgl.  8.  364,  323  und  492. 


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529 

Komberg.  Die  Herrschaft  Weinburg*  stand  der  Linie  Walsee- 
Graz  1308 — 1363,  sodann  den  Drosendorfem  bis  1400  zu;  von 
1440 — 1460  war  sie  nochmals  walseeisch.  In  gleicher  Weise 
war  Schloß  Qleichenberg*  1302 — 1363  im  Besitz  der  Qrazer, 
bis  1400  der  Drosendorfer-Walseer  und  abermals  1440 — 1478 
in  den  Händen  des  Geschlechtes.  An  herzoglichen  Lehen  kamen 
femer  dazu  aus  dem  Ti  beiner  Erbe  die  Herrschaft  (Ober-) 
Marburg,*  die  seit  1399  und  noch  1456  in  walseeischem  Be- 
sitze war,  ferner  seit  1404,  beziehungsweise  1406  die  Herr- 
schaften Gonobitz,  bis  1469  walseeisch,  Stattenberg  1458  und 
Eibiswald  1464  verkauft.  Im  Kärntner  Lavanttale  lag  die  Herr- 
schaft Hartneidstein,  die  den  Grazer  Walseem  1331 — 1363  zu- 
stand. Noch  weiter  im  Süden  war  in  Krain  das  herzogUche 
Lehen  Neuburg  auf  dem  Ranker  1399 — 1422  (?)  walseeisch. 

Außerdem  haben  die  Walseer  in  Nieder- Osterreich  vorüber- 
gehend auch  einige  fremde  Lehen  inne.  Von  den  Zoll  er  n  war 
die  Maut  und  das  Urfahr  zu  Mautem  1306 — 1309  und  dann 
nochmals  1418  nach  langwierigem  Streite  mit  den  Kapellern  in 
ihren  Händen.*  1318  erhielt  Heinrich  I.  von  Walsee-Ens  die 
Dörfer  Matzleinsdorf,  Heiperg  und  Gumprechtsdorf*  nebst  anderen 
zoUerischen  Lehen.  1429*  wurde  Reinprecht  IV.  von  Walsee 
abermals  mit  zoUerischen  Gütern  zu  Blindenmarkt  und  Mautern 
belehnt.  Ansprüche  Reinprechts  I.  von  Walsee-Ens  an  das 
Lehen  GöUersdorf  wies  Burggraf  Albrecht  von  Nürnberg  1358* 
ab.  Dereelbe  Walseer  urkundet  1359  September  25  als  Ver- 
weser und  Pfleger  der  Burggrafen  von  Nürnberg  auf  deren 
österreichischen  Gütern;'  sein  Sohn  Rudolf  L  wurde  vom  Burg- 
grafen Friedrich  1395®  zum  Lehenpropste  der  zoUerischen 
Lehen  in  Österreich  bestellt.  Von  den  Herzogen  Stephan  von 
Baiern  und  Markgraf  Ludwig  von  Brandenburg  trugen  die 
Walseer  von  Graz  1356—1364®  Anteile  an  den  beiden  Festen 
zu  Spitz  zu  Lehen. 

Höchst  wichtig  aber  waren  die  zahbeichen  Kirchen- 
lehen in  den  Händen  der  Walseer,   denen   hier  eine  nicht  zu 


»  Vgl.  S.  616.  •  Vgl.  S.  884  und  466. 

»  Vgl.  S.  427.  *  Inventar,  f.  16'. 

6  Vgl.  8.  614.  •  Zeitschrift  ,Adler*  XVÜ,  141. 

*  Vgl.  die  Genealogie.  •  Inventar,  f.  19. 

»  Vgl.  S.  369. 


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530 

übersehende  Rolle  bei  der  allmählichen  Einordnung  dieser  viel- 
fach zerstreuten  Enklaven  unter  die  habsburgische  Landeshoheit 
zufiel.^  Friedlich  und  in  aller  Stille  dauert  dieser  Prozeß  bis 
zum  Erlöschen  dieses  Geschlechtes.  Diese  zahlreichen  geistUchen 
Lehen  in  Ober-  und  Niederösterreich,  in  der  Steiermark  sowe 
insbesondere  im  Hinterlande  von  Triest  gerieten  durch  die  Wal- 
seer,  welche  so  auch  an  der  territorialen  Ausgestaltung  des 
habsburgischen  Altösterreichs  mitvrirkten,  allmählich  immer  mehr 
in  den  Machtbereich  der  Habsburger,  das  Lehensverhältnis  zu 
ihren  Kirchenftirsten  tritt  gegenüber  der  Landeshoheit  zurück. 

Es  waren  Lehenschaften  von  Salzburg,  Freising,  Regens- 
burg, Bamberg  und  Passau,  Seckau  und  Gurk,  ja  selbst 
Aquileia  und  Pola,   welche  die  Herren  von  Walsee  innehatten. 

Von  Salzburg  rührten  in  Steiermark  die  Zehente  zn 
Gleichenberg  und  Gleisdorf,  welche  die  Grazer  Walseer  1329* 
besaßen.  An  Freisinger  Besitz  wurde  die  Pflegschaft  und 
das  Landgericht  zu  Ulmerfeld'  1355  an  Friedrich  H.,  1383  an 
Rudolf  I.  von  Walsee-Ens  übergeben,  im  gleichen  Jahre  letzterem 
auch  die  Herrschaft  Waidhofen  an  der  Ips.' 

Von  Regensburg  trugen  die  Enser  Walseer  bereits  1344* 
einen  Hof  bei  Viehofen  zu  Lehen  und  1373  wurde  ihnen  auch 
die  Pflege  der  Hofmark  Pöchlarn*  übertragen.  Rudolf  I.  von 
Walsee  war  Vogt  der  Besitzungen  des  Hochstiftes  in  08te^ 
reich;  Bischof  Johann  überließ  ihm  überdies  1391^  die  Hälfte 
der  Lehenschaft  derselben  auf  die  Dauer  seiner  Vogtei.  Rein- 
precht  n.  von  Walsee-Ens  erhielt  überdies  1410^  die  Lehen- 
herrschaft Windeck,  welche  die  Walseer  bis  zu  ihrem  Aus- 
sterben besaßen. 

Auch  ihre  Bamberg  er  Lehen  im  Krems-  sowie  im  La- 
vanttale  waren  beträchtlich.  Dazu  gehörte  vor  allem  die  Herr 
Schaft  Schlierbach,  ,da8  Haus  auf  dem  Moos',  welches  die  Wabeer 
von  Linz  1353—1394®  (nebst  den  Vogteien  über  den  Markt 
Kirchdorf,  die  Hofmark  Windischgarsten  und  das  Garstner  Tal 
1363 — 1483)    innehatten.     Im    Kärntner    Lavanttale    war   die 


*  Vgl.  y.  Srbik,    Die  Beziehungen   von    Staat   und  Kirche   während  dei 
Mittelalters  43. 

*  Vgl.  S.  364.  »  Vgl.  S.  307  und  826.  *  S.  306. 

*  Vgl.  S.  326.  •  Urk.  1391  November  11 ;  Orig.  HHStA. 
'  Vgl.  S.  407  und  493.  «  Vgl.  S.  286  und  293. 


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531 

Lehensherrschaft  Weißeneck  1333 — 1363^  im  Besitz  der  Wal- 
seer  von  Graz. 

An  Passauer  Lehen  erwarben  die  Walseer  1309*  von 
den  Starhembergern  solche  im  Viertel  ob  und  unter  dem  Man- 
hartsberge,  1318'  die  der  Buchberger  im  Kamptale.  Rein- 
precht  I.  von  Walsee-Ens  erheiratete  c.  1347  die  Lehensherr- 
schaft Viehofen,*  die  dann  bis  1454  walseeisch  blieb.  1350 
war  der  Qetreide-  und  Weinzehent  zu  Rossaz^  gleichfalls  an 
die  Walseer  verlehnt.  Auch  der  passauische  Markt  Amstetten 
kam  1375*  an  sie.  Die  benachbarte  Herrschaft  Gleuß^  war 
ebenfalls  von  etwa  1372 — 1478  in  walseeischen  Händen,  seit 
1399  auch  das  alte  Wieselburg,®  das  Wolfgang  V.  von  Walsee 
1461  verkaufte.  Im  Lande  ob  der  Ens  war  ferner  die  Lehens- 
herrschaft Haslach  1418 — 1465  walseeisch.* 

Der  bald  nach  1318  entstandene  Liber  Wochonis,  das 
Seckauer  Lehensverzeichnis,  führt  ^^  eine  ganze  Reihe  von  Lehen 
zu  Leutschach,  Eibiswald,  Schwarzach  und  anderen  Orten  Mittel- 
steiermarks an,  welche  an  die  Gh'azer  Walseer  ausgetan  waren; 
nach  deren  Absterben  war  1365^^  der  Zehent  zu  Leutschach 
an  Eberhard  V.  von  Walsee-Linz  verlehnt. 

Die  Herrschaft  Freudenberg,  ein  Gurker  Lehen,  war 
seit  1401^'  in  walseeischem  Besitz. 

Burg  und  Markt  Schwanberg  erhielt  Ulrich  IV.  von  Wal- 
see-Drosendorf  1393"  von  Bischof  Friedrich  von  Brixen  zu 
Lehen  —  indes  wohl  entweder  als  Gerhabe  der  jungen  Pettauer 
oder  ftür  den  Fall  des  Aussterbens  der  letzteren,  der  damals 
nicht  eintrat. 

Im  Süden  waren  vor  allem  Tibein,  Prem  und  Guteneck 
als  Lehen  von  Aquileia  von  Bedeutung,  wenn  diese  Lehens- 
rührigkeit auch  bereits  gänzlich  in  den  Hintergrund  getreten 
war.**    Als  Lehen  vom  Bischof  von   Pola  waren   die   Herr- 


»  Vgl.  S.  865  und  368.  •  Vgl.  8.  272. 

'  Steyerer,  Comment.  p.  bist.  Alberti  11,  Anh.  c.  19. 

*  Vgl.  8.  306  und  466. 

*  Urk.  1360  Mai  31 ;  NB.  IV,  132. 

«  Vgl.  8.  324.  '  Vgl.  8.  342,  333  und  491. 

*  Vgl.  8.  332.  •  8.  430,  466  und  479. 

>o  Vgl.  8.  366.  "  Vgl.  8.  294.  »  8.  393.  ^  8.  385. 

'^  Vgl.  8.  334  und  490.  Eine  Belehnung  der  Walseer  läßt  sich  überhaupt  nicht 
nachweisen;  schon  unter  den  letzten  Tibeinem  hatten  die  GOrzer  als 
Vögte  von  Aquileia  die  Lehensrührigkeit  dieser  Güter  angesprochen. 


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532 

Schäften  Quarnero,  St.  Veit  am  Pflaumb  (Fiume),  Kestau  (Castua), 
Moschenizza  und  Veprinaz  gleichfalls  wichtig.  Mag  die  Nach- 
richt, die  Inhaber  dieser  Herrschaften  hätten  jedem  neuen 
Bischof  zum  Zeichen  ihrer  Lehenspflicht  zwei  Jagdhunde,  einen 
Falken  sowie  ein  aufgezäumtes  Füllen  überbracht,  *  richtig  sein 
oder  nicht,  sicher  ist,  daß  die  Lehensrührigkeit  dieser  Ar  die 
Habsburger  äußerst  wichtigen  Herrschaften*  gänzlich  in  Ver- 
gessenheit kam.  Durch  die  Walseer  wurde  österreichischer 
Einfluß  herrschend  auf  diesen  Gebieten,  welche  K.  Friedrich 
schließlich'  1466  und  1472  an  sich  brachte. 

An  Lehen  landsässiger  und  fremder  Klöster  hatten  die 
Walseer  von  Graz,  später  von  Ens  eine  ganze  Anzahl  von 
Gütern  in  Mittelsteiermark  bis  zur  Drau  vom  Kärntner  Stifte 
St.  Paul  inne.  Vom  Kloster  Melk  rührten  einige  Güter  bei 
Guntersdorf  in  Niederösterreich,  die  Reinprecht  II.  1412*  wieder 
zu  Lehen  erhielt.  Das  Kloster  Walderbach  in  der  Oberpfalz 
übergab  1416^  demselben  Walseer  das  Gericht  und  die  Pflege 
zu  Grafendorf  bei  St.  Polten. 

Das  Pfandschaftsunwesen  des  späteren  Mittelalters 
trieb  auch  in  Osterreich  üppige  Auswüchse.  Es  spielte  gerade 
den  Herren  von  Walsee  für  lange  Zeit  eine  große  Anzahl 
reicher  Herrschaften  in  die  Hände,  deren  Erträgnisse  ihnen 
die  Habsburger  für  Darlehen  und  rückständige  Forderungen 
auf  bestimmte  Zeit  oder  gegen  Ablösung  verpfändeten.  Durch 
die  Feldzüge  Friedrichs  des  Schönen  und  den  Güterverkauf 
von  1331  wuchs  dieses  einträgliche  Pfandwesen  heran  und  stieg 
dann  nach  kurzem  Stagnieren  in  der  zweiten  Hälfte  des 
14.  Jahrhunderts  fortwährend,  um  am  Lebensende  Beinprechts  IL 
seinen  Höhepunkt  zu  erreichen.  Das  Rückfallsjahr  1435®  schloß 
diese  Verhältnisse  ab;  es  bedeutete  filr  die  Walseer  eine  empfind- 
liche Einbuße.  Die  vereinzelten  späteren  Verpfändungen  waren 
von  geringer  Bedeutung. 

Allein  im  Lande  ob  der  Ens  hatten  die  Walseer  an  Sätzen 
inne:  Freistadt  und  die  Riedmark'  mit  dem  Machlande  1290 
— 1358;  nachmals  war  Freistadt  seit  1445®  wieder  an  sie  ver- 


*  Stadl,  Ehrensplegel  des  Herzogtums  Steiermark  III,  319;  Steierm.  Landet- 

archiv,  Hs.  26. 
«  Vgl.  S.  334.  »  Vgl.  8.  482  und  490.  *  Vgl.  8.  417. 

^  Vgl.  8.  422.  «  Vgl.  8.  446.  '  Vgl.  8.  269,  298  und  306. 

8  Vgl.  S.  462. 


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533 

pfUndet.  Gericht  und  Maut  zu  Ens*  hatte  die  darnach  be- 
nannte Linie  1309 — 1345  in  Händen.  Den  Walseem  zu  Linz 
war  Neuburg  am  Inn«  1322—1362,  dann  nochmals  1374—1379 
und  von  1384 — 1435  denen  zu  Ens  verpfändet.  Die  Feste 
Rohr*  hatten  die  Walseer  zu  Linz  1331—1357,  Falkenstein* 
1331 — 1359  und  nochmals  c.  1374 — 1379  inne;  sodann  war  es 
denen  von  Ens  1384 — 1435  verpfändet,  desgleichen  Wachsen- 
berg^  mit  Leonfelden  und  Ottensheim  1331 — 1435.  Ferner 
waren  die  Enser  Walseer  Pfandinhaber  von  Steier^  samt  Urbar 
1374—1384,  Attersee'  1379—1435  und  nochmals  1445—1470, 
Kammer  1445 — 1483®  (1472  wurde  es  in  ein  Erblehen  um- 
gewandelt), Franken  bürg»  1379—1435  und  1472  (?)— 1483, 
Puchheim^ö  1381—1435,  sowie  seit  1398  von  Pernstein,"  das 
1415  in  ein  herzogliches  Lehen  umgewandelt  wurde.  Seusen- 
burg^*  hatten  die  Walseer  1363 — 1435,  seit  1470  nochmals 
pfandweise  inne. 

In  Niederösterreich  hatten  die  Walseer  von  Drosendorf 
den  Markt  Qfbhl"  1314—1370,  Drosendorf  und  Weikharts- 
schlagi*  1327  bis  c.  1383,  die  Herrschaft  Pottenstein"  1331  bis 
1400,  Krems  und  Stein  seit  1385,  die  Feste  Amstein  seit  1355 
in  ihrem  Pfandbesitz,  Wöllersdorf  ^®  wurde  1369  der  Linie  Wal- 
see-Linz und  blieb  bis  1435  jener  zu  Ens  verpfändet.  Letztere 
hatte  die  Pfandschaft  Peilstein  1319—1435,*^  Freienstein  seit 
1357,^®  schließUch  als  Leibgedinge  Reinprechts  11.  (f  1422)  und 
(Neu-)Lengbach  seit  1413. 

In  der  Steiermark  waren  den  Walseem  von  Graz  Übel- 
bach^»  von  1308—1363,  Feldbach«»  1316—1362  verpfändet. 
Der  Satz  auf  Wachseneck**  (seit  1331)  ging  später  auf  die 
Drosendorfer,  sodann  auf  die  Enser  Walseer  über  und  wurde 
schließlich  in  ein  Leibgedinge  Reinprechts  IV.  (f  1450)  umge- 
wandelt  Die  Festen  Hoheneck,  Sachsenwart  und  Sachsenfeld  ^* 

»  Vgl.  S.  514.     «  Vgl.  S.  273,  285,  287,  292,  329  und  447. 

»  Vgl.  S.  285.     *  Vgl.  S.  287—292,  329  und  447. 

»  Vgl.  S.  803,  306,  333  und  446.     •  Vgl.  S.  327  und  329. 

^  S.  338,  333,  446,  452  und  490.     «  S.  452  und  491. 

»  S.  338,  333  und  446.     ^^  S.  342  und  446. 

"  Vgl.  S.  330  und  422.     "  Vgl.  S.  285  und  335.  446. 

»»  S.  372  und  381.     »*  S.  373  und  381.     "  8.  373  und  386. 

*ß  8.  289  und  447.     "  Vgl.  8.  299,  305  und  447.     "  S.  339. 

"  8.  355  und  366.     «<>  8.  356  und  367. 

"  Vgl.  8.  364,  369,  335  und  456.     "  Vgl.  8.  366  und  369. 


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534 

waren  den  Walseem  von  Graz  1331 — 1363  Terpfändet,  Win- 
disch'Feistritz^  seit  1355;  letzteres  wurde  1363  den  Drosen- 
dorfern  gegen  Entschädigung  abgelöst.  Der  Satz  zu  Marbui^' 
stand  der  Grazer  Linie  1354 — 1363  zu,  ebenso  der  zu  Mahren- 
berg 1360 — 1435  der  Enser  Linie.  Aus  dem  Tibeiner  Erbe 
fiel  den  Walseern  die  steirische  Pfiindschaft  Windischgraz 
(1399—1435)  zu. 

Weiter  im  Süden  lag  in  Krain  die  1407  von  den  Scherfen- 
bergem  erworbene  Pfandschaft  Ober-Stein,  weiter  aus  dem  Ti- 
beiner Erbe  die  Sätze  auf  Görtschach  in  Erain,  Mitterbui^  mit 
dem  habsburgischen  Istrien  sowie  das  1407  verpfändete  Grei- 
fenburg in  Kärnten,  die  alle  wohl  gleichfalls  1435  abgelöst 
wurden.'  In  Friaul  war  Portenau*  (Pordenone)  den  Ekiser 
Walseern  zwischen  1399  und  1405  verpfändet. 

Außer  den  herzoglichen  Pfandschaften  hatten  die  Walseer 
solche  von  geldbedürftigen  Bischöfen  und  Adeligen  inne.  So 
war  die  Stadt  St.  Polten^  vom  Bischof  und  dem  Domkapitel 
von  Passau  seit  1389  an  die  Walseer  verpfÄndet,  1435  wurde 
sie  sogar  an  Reinprecht  IV.  von  Walsee  verkauft,  gegen  Rück- 
kauf, welcher  1461  stattfand.  Dieselben  Walseer  hatten  auch 
Sätze  auf  den  passauischen  Herrschaften  Zeiselmauer,  Greifen- 
stein und  Traismauer  stehen.  Vom  Bistum  Regensburg  wurde 
Reinprecht  II.  die  Feste  Ober-Hauseck*  vor  1409  verpflüidet 
und  nach  1412  rückgelöst;  demselben  Walseer  waren  um  1412 
wahrscheinUch  auch  die  freisingischen  Besitzungen  Ober-Wölz 
und  Rotenfels^  verpfändet  (oder  zur  Pflege  übergeben?). 

Die  Grafen  von  Pfannberg  waren  1308  genötigt,®  ihr 
gleichnamiges  Stammschloß  den  Walseem  von  Gh^z  zu  ver- 
pfUnden.  Die  1329  Dezember  29^  beurkundete  Verpföndung 
sämtlicher  Festen  der  Sanecker  an  dieselben  Walseer  ist 
wohl  nie  zur  Ausführung  gekommen.  Sie  bezweckte  nur,  den 
Saneckern  die  Unterstützung  der  verschwägerten  Walseer  in 
der  Weißenecker  Fehde  zu  sichern.  Aus  ähnlichen  Gründen 
blieb  den  Walseern  1420—1456  in  Südböhmen  die  Herrschaft 
Rosenberg  ^^  während  der  Hussitenzeit  von  den  Herren  von 
Rosenberg  verpftlndet,    welche   1418   den  Walseem  auch   das 

*  Vgl.  S.  367  und  369.     «  Vgl.  S.  368.     •  Vgl.  8.  446. 

*  Vgl.  S.  393.     6  Vgl.  S.  331,  336,  447  und  461.     •  Vgl  8.  416. 
'  Vgl.  8.  414.     •  Vgl.  8.  356.     •  Vgl.  8.  369. 

»«  Vgl.  S.  431  und  466. 


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535 

passauische  Lehen  Haslach^  abgetreten  hatten^  das  1465  aber- 
malsy  zunächst  pfandweise^  an  die  Rosenberger  zurückkam. 

Die  Burgreohte,  welche  die  Walseer  da  und  dort  besaßen, 
fallen  als  Kleinbesitz  jenen  großen  Gütern  gegenüber  nicht  ins 
Gewicht. 

Alles  in  allem  ist  es  weitaus  der  größte  Besitzstand,  den 
die  Walseer  unter  ihren  Standesgenossen  aufwiesen ;  am  besten 
mag  die  beigegebene  Karte  daftir  sprechen,  welche  seinen 
Höchststand  im  Jahre  1422  darstellt. 

Allerdings  behielt  das  Geschlecht  diesen  großen  Bestand 
nicht  durchaus  in  eigener  Hand.  Als  Angehörige  des  Hochadels, 
dem  die  aktive  Lebensfähigkeit  zukam,  verlehnten  die  Walseer 
ansehnliche  Teile  ihrer  Herrschaften  —  bei  herzoglichen  Lehen 
mußte  dafUr  vom  Landesfürsten  um  Bewilhgung  angesucht  wer- 
den*—  an  rittermäßige  Leute,  die  dafür  als  Vasallen  die  Ver- 
pflichtung zum  Kriegsdienst  zu  Pferde  übernahmen.  Um  die 
vom  Landesfürsten  von  ihnen  angesprochene*  Anzahl  von 
,Helmen'  stellen  zu  können,  ergab  sich  zumal  bei  den  häufigen 
Kriegen  am  Beginn  des  14.  Jahrhunderts  die  Notwendigkeit, 
dieselbe  auf  diese  Weise  aufzubringen.  Den  Kreis  dieser  Fa- 
milien des  niederen  Adels  sowie  deren  wichtigste  Lehen  haben 
wir  bereits  kennen  gelernt.*  Das  erhaltene  walseeische  Lehen- 
buch gibt  uns  den  Bestand  derselben  für  Ober-  und  Nieder- 
österreich aus  späterer  Zeit,  c.  1440 — 1460^  an. 

Neben  diesen  rittermäßigen  Lehen  gab  es  die  aus  einer 
Verbindung  mit  dem  Burgrechte  entstandenen,  die  Burgrechts-, 
Rechts-  und  Beutellehen/  welche  auch  an  die  unteren  Kategorien 
der  Bürger  sowie  selbst  an  Holden,  und  zwar  gegen  Zins  ver- 
liehen wurden. 

SchUeßlich  waren  die  Walseer,  insbesondere  von  der  Mitte 
des  15.  Jahrhunderts  an,  als  allmählich  ihr  Wohlstand  zu  sinken 
begann,  genötigt,  manche  ihrer  Herrschaften  zu  versetzen,  und 
rasch  mehrten  sich  diese  Zeichen  des  Verfalles. 


•  Vgl.  8. 430. 

•  Vgl.  Urk.  1898  Mai  13;  Kop.  Linzer  Mtwealarchiv. 

•  Vgl.  Urk.  1326  Februar  2;  WSt.  672. 

•  Vgl.  S.  504— Ö07. 

»  Vgl.  z.  B.  auch  Urk.  1450  Januar  30;  WSt.  602. 

•  Vgl.  S.  467;  Schalk,  a.  a.  O.  449;  ürkk.  1380  Januar  18,  NB.  IV,  662; 
1387  MäHB  26,  NB.  IV,  597. 


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536 

An  Verpfändungen  nennen  wir  neben  kleineren  Sätzen 
von  Gülten  und  Eleinbesitz  im  14.  Jahrhundert  die  der  Herr- 
schaften Rutenstein  1438  bis  c.  1444^  Asparn  seit  1443,  Riegers- 
bui^,  Gleichenberg  und  Eibiswald  c.  1456— 1459,  Freudenstein 
1459  und  Schamstein  seit  1460. 


7.  untertänige  Städte  und  Märkte ;   Handel  und  Verkehr. 

Der  Einfluß,  den  die  wichtigeren  Häuser  unseres  Hoch- 
adels auf  die  Entwicklung  zahb-eicher  Kleinstädte  wie  von 
Handel  und  Verkehr  im  späteren  Mittelalter  nahmen,  ist  nicht 
zu  unterschätzen;  er  war  insbesondere  bei  den  Walseem  kein 
unbedeutender. 

An  untertänigen  Städten  hatten  die  letzteren  zwei  inne: 
St.  Polten  als  passauische  Pfandschaft  und  Fiume  aus  dem  Erbe 
der  Tibeiner.  St.  Polten  behielt^  seine  von  den  Passauer  Bi- 
schöfen geschaflfene  Verwaltung.  Fiume,*  das  bereits  dem  Rechts- 
kreise der  Städte  an  der  Adria  angehörte,  behielt  seine  Kom- 
munalverfassung und  stand  nur  unter  einem  Hauptmann,  der 
von  den  Walseem  bestellt  wurde  und  auf  deren  prächtigem 
Schlosse  zu  Fiume  saß;  auch  er  war  dem  Hauptmann  zu  Tibein 
unterstellt.  Eifrig  wachte  die  Bürgerschaft  über  ihre  Rechte; 
80  schlug  sie  1437 '  ein  Ersuchen  Reinprechts  IV.,  den  Ser  Ca- 
stellino  di  Pesaro  in  ihren  Rat  aufzunehmen,  rundweg  ab.  Er- 
hielten Fremde  das  Bürgerrecht,  so  mußten  sie  den  Walseem 
den  Treueid  so  gut  wie  der  Kommune  schwören.  Die  Walseer 
blieben  stets  in  bestem  Einvernehmen  mit  der  Stadt,  der  sie 
1444*  zur  Förderung  ihres  Handels  sogar  eine  siebentägige 
Messe  (21. — 28.  JuU)  sowie  Befreiung  von  der  Marchsteuer 
selbst  verliehen.  Im  übrigen  waren  die  Wabeer  mit  ihren 
Einkünften  aus  der  Stadt  zufriedengestellt  und  behielten  sich 
nur  Angelegenheiten  von  größerer  Wichtigkeit  vor,  wie  die  aus 
wärtigen  Beziehungen,  so  namentlich  zu  den  Venezianern  (wegen 
der  zahlreichen  Fischerhändel)  und  mit  den  benachbarten  Fran- 
gipani  im  unsicheren  Ejroatien. 


*  Vgl.  Urk.  1389  Juni  24;  RegesU  Boica  X,  243. 
«  Vgl.  Pichler,  II  caatello  di  Daino  231. 
»  Ebenda  263.  *  Ebenda  264—266. 


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537 

Weit  größer  war  die  Zahl  der  den  Walseern  untertänigen 
Märkte.*  Es  lag  natürlich  in  ihrem  Vorteile,  diese  zu  heben 
und  dadurch  steuerkräftiger  zu  machen.  So  erwirkten  sie  ihren 
Märkten  Leonfelden,*  Walsee®  und  Aspam  an  der  Zaia*  von 
den  Herzogen  die  Verleihung  von  Wochenmärkten,  fUr  Asparn* 
auch  die  Anlage  einer  Ummauerung.  Die  Märkte  bildeten 
meist  auch  einen  eigenen  Gerichtsbezirk  ^  imter  einem  Markt- 
richter,® der  zugleich  die  Abgaben  an  die  Herrschaft  ablieferte 
und  mehreren  (drei  bis  vier)  ,Geschworenen'  oder  ,Vierern*^ 
als  Ausschuß  der  Gemeinde;  sie  unterstanden  hinsichtlich  des  Blut- 
banns ihrem  Pfleger,  der  auch  sonst  als  Aufsichtsorgan  fungierte. 

Auch  weiterhin  nahmen  die  Walseer  auf  Handel  und  Ver- 
kehr Einfluß;  bei  ihrer  Stellung,  besonders  als  Hauptleute  ob 
der  Ens,  ward  es  ihnen  nicht  schwer,  ihren  Vorteil  dabei  zu 
ersehen.  So  ließen  sie  den  bestehenden  Straßenzwang  tiber- 
treten, um  den  Verkehr  über  ihre  Herrschaften  und  besonders 
ihre  Märkte,  wie  Leonfelden^  zu  lenken.  Als  Hauptleute  ob 
der  Ens  hatten  sie  auch  die  Mauten  im  Lande  zu  beaufsichti- 
gen.^ Auf  der  großen  Donaumaut  zu  Linz  wurden  ihnen  häufig 
größere  Summen  angewiesen;  die  Maut  zu  Mauthausen  war 
ihnen  1314^ — 1365  verpfändet.  Desgleichen  hatten  sie  durch 
Neuburg  am  Inn  auch  die  Maut  zu  Schardenberg  ^®  als  Pfand- 
herren inne.  In  der  walseeischen  Herrschaft  Ort  wurde  zu 
Lindach,  *^  auf  den  Tibeiner  Gütern  in  der  Stadt  Fiume  ^'  und 
besonders  zu  Senosetsch  (an  der  Laibacher  Straße)  ein  Zoll 
eingehoben.  Zu  Nieder- Walsee  forderten  die  Walseer  von  den 
Schiffen  auf  der  Donau  einen  Weinaufschlag  ^*  ab.  Da  und 
dort  war  auch  das  ,Urfahr',  die  Lände  an  der  Donau  im  Be- 
sitze der  Walseer,  so  zu  Dornach  **  und  Mautern.  ** 

*  Vgl.  Werunsky,  österreichische  Reichsgesoh.  76. 

*  Vgl.  8.  391.  •  Vgl.  S.  341.  *  Vgl.  S.  328. 

*  Vgl.  Urkk.  1367  JuU  4,  NB.  IV,  889;  1371  Mai  6,  Hoheneck,  Genealogie  XU, 
817;  1375  Juli  4,  Monumenta  Boica  XXX\  317. 

«  Vgl.  S.  622. 

'  Vgl.  Urk.  1439  Dezember  1,  1444  Juni  18;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 
«  Vgl.  Urk.  1363  Januar  11;  UBoE.  VUI,  122.  »  Vgl.  AÖG.  II,  642. 

"  Vgl.  Urk.  1394  April  26;  Orig.  StAEferding.  "  Lehenbuch,  f.  7. 

"  Vgl.  Urk.  1460  November  11;  NB.  II,  326. 
"  Vgl.  die  Serie  von  Urkk.  von  1466;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 
1*  Urk.  1409  April  17;  HHStA. 

>*  Urkk.  1306  April  19,  Monum.  Zollerana  11,  289;  1417  September  8,  Kop. 
Linzer  Musealarchiv. 


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538 

Zahlreiche  Interessengegensätze  hatten  häufige  Streitig- 
keiten mit  den  landesfUrstlichen  Städten  zur  Folge,  die  nur  za 
Zeiten  durch  größere  gemeinsame  Interessen  in  den  Hintergrund 
gedrängt  wurden.  So  war  die  Frage,  ^  ob  die  Bürger  von  ihren 
Herrenlehen  der  Stadt  oder  dem  Adel  ihre  Steuern  entrichten 
sollten,  durch  volle  70  Jahre  der  Gegenstand  zahlreicher  Kla- 
gen der  obderensischen  Städte  über  die  Walseer  zu  Ens.  Die 
lautesten  Klagen  der  Städter  wandten  sich  jedoch  gegen  die 
Schädigung  im  Handel  durch  den  Adel.'  Hauptursache  waren 
die  vielen  Mißbräuche,'  welche  das  Vorrecht  des  Adels  mit  sich 
brachte,  seinen  Hausbedarf  maut-  und  zollfrei  einzuführen.  Der 
Adel,  vorab  die  Walseer,  trieb  einen  lebhaften  Handel  auf  der 
Donau  mit  Wein,*  Getreide  und  selbst  Salz,*  benützte  dazu  — 
auch  hier  besonders  die  Walseer  —  unerlaubte  Ladstätten  auf 
der  Donau*  und  tat  den  Städtern  durch  die  längst  abgeschaffte 
Grundruhr  Abbruch.  Die  auf  diese  Weise  eingeführten  Güter 
wurden  dann  weiter  verhandelt,  besonders  in  den  ihm  unter- 
tänigen Märkten.  An  allen  diesen  Übertretungen  und  Händeln 
zwischen  Adel  und  Bürgertum  sind  die  Walseer  in  erster  Linie 
beteiligt.  Begreiflicherweise;  denn  gerade  ihnen  brachte  der  Aus- 
tausch der  Produkte  ihrer  verschiedenen  Herrschaften  umsomehr 
Vorteil  und  materiellen  Gewinn.  Ihr  Einfluß  bei  den  Habsbur- 
gern  sicherte  sie  davor,  daß  die  Klagen  der  Städter  leicht 
Gehör  fanden  Derartige  Übergriffe  des  Adels  lagen  aber  nun 
einmal  im  Geiste  jener  Zeit  und  dürfen  daher  den  Schuldigen 
nicht  allzu  schwer  zur  Last  gelegt  werden. 

8.  Das  Einkommen. 

Schließlich  sind  auch  die  Einkünfte  der  Walseer  einer 
kurzen  Erörterung  zu  unterziehen.  Sie  bestanden  aus  den  Be- 
zügen von  ihren  Hof-  und  Landesämtem,  den  ihnen  anvertrauten 


>  Darüber  zehn  Urkunden,  1346—1419. 

*  Vgl.  S.  389,  391,  420,  436  und  441. 

'  Vgl.  die  beiden  Beschwerdeschriften  1415  März  9,  1426  — ;  Kop.  Linser 
Musealarchiy. 

*  Vgl.  die  Schreiben  1434  April  4,  1437  Jnni  6;  ebenda. 

*  Vgl.  die  Schreiben  von  1432;  ebenda. 

*  Vgl.Urkk.  1405  Milrs  28,  1410  Mai  15,  1415  Mftra  9;  ebenjda. 


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539 

Burghuten,  Pflegschaften,  hauptsächlich  aber  aus  den  reichen 
Erträgnissen  ihrer  großen  Güter. 

Die  Bezüge  ihrer  Hof-  und  Landesämter  sind  bereits  ander- 
weitig* angegeben.  Geringere  Summen  brachten  je  nach  ihrer 
Bedeutung  die  Burghuten,  Pflegschaften  und  Ellostervogteien 
ein.  So  trug  die  Pflege  der  freisingischen  Herrschaft  Ulmer- 
feld  1355*  den  Walseern  jährlich  6  Mut  Korn,  10  Mut  Hafer, 
einen  Meierhof  zur  Bewirtschaftung,  3  Faß  Wachauer,  ebenso- 
viel HoUenburger  Wein,  für  die  Burghut  zu  Wolfseck  bezog 
Reinprecht  H.  von  Walsee  1405*  vom  Herzog  50^^  jährlich. 
Von  den  Ellostervogteien  trug  beispielsweise  jene  von  St.  Lam- 
brecht*  in  Steiermark  1395  Ulrich  IV.  von  Wabee-Drosendorf 
24Äf  ^,  1435  die  vielumstrittene  St.  Pauler  Vogtei  auf  dem 
Ren8chnik34«f^,5  die  Erbvogtei  über  Lambach  1483«  32  ÄT^ 
,Vogtrecht^  In  der  Herrschaft  Trateneck  wurden  1447'  für 
die  angevogteten  Untertanen  des  Klosters  Mondsee  an  Vogt- 
recht  14  ß^  und  10/»^  flir  100  Reinanken,  fUr  jene  von  Seiten- 
stetten  10/?^  entrichtet. 

Dazu  kamen  nun  die  Erträgnisse  des  walseeischen  Grund- 
besitzes; bis  etwa  1310  überwog  dabei  noch  das  Einkommen 
aus  den  schwäbischen  Gütern.  Da  von  dem  österreichischen 
Besitze  kein  Gesamt-  und  nur  ganz  wenige  Teilurbare  sowie 
Rechnungsbücher  erhalten  sind,  so  läßt  sich  nur  durch  verein- 
zelte Angaben,  durch  die  Kaufpreise  und  Pfandsummen,  welche 
sich  häufig  auf  etwa  ein  Zehntel  des  jährlichen  ,Urbar^ertrages 
beliefen,  ein  Rückschluß  in  bescheidenem  Umfange  auf  die  Er- 
trägnisse dieser  Herrschaften  ziehen.  So  hatte  die  Herrschaft 
Steier  um  1380  einen  Ertrag  von  406  &,^,  die  Herrschaft  Har- 
tenstein trug  um  dieselbe  Zeit  über  97  Äf^,  dazu  je  10  Mut 
Korn  und  Hafer  ein.®  Die  fünf  Herrschaften  Freienstein, 
Frankenburg,  Puchheim,  Peilstein  und  Seusenburg  lieferten  1438 


»  Vgl.  8.  608  und  612. 

•  Urk.  1366  März  12;  PBA.  XXXVI,  292. 

3  Urk.  1406  Dezember  18,  LB.  V,  r.  736;  desgleichen  1410  Mai  11,  ebenda, 
r.  1146. 

*  Urk.  1396  September  16;  Krone«,  Urk.  znr  Gesch.  etc.,  r.  361. 
B  Urk.  1396  Januar  6;  Orig.  StAEferding. 

^  Urk.  1483  Oktober  1 ;  Kop.  Liinzer  Musealarchiy. 
^  Einnahmebuch  des  Amtmannes  Hans  Nnspaumer  1447,  f.  1';  ebenda. 
»  NB.  in,  123—124. 
ArehiT.  107.  Bud.  II.  Uilfte.  36 


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540 

ein  Erträgnis  von  1512  «T^,^  1470«  war  die  eine  Hälfte  der 
Tibeiner  Güter  allein  auf  volle  17000^  jährlicher  Gülten  ver- 
anschlagt. Bei  Einbeziehung  sämtlicher  Einnahmequellen  kommen 
wir  zu  dem  Ergebnis,  daß  sich  das  walseeische  Gesamtein- 
kommen (Brutto)  in  Geld  und  NaturaUen  zur  Glanzzeit  des 
Hauses  bei  Reinprechts  H.  Tode  auf  volle  12.000—15.000«^ 
belaufen  haben  mag.  Was  diese  Summe  damals  bedeutete,  er- 
gibt sich  erst  recht  aus  den  Vergleichen  mit  den  Eiinkommen 
der  Grafen  von  Schaunberg  (c.  6000 — 8000  Ä>Ä)  und  anderer 
Adelshäuser,  wie  der  Meissauer  und  Puchheimer*  sowie  mit  dem 
des  Landesförsten  zu  jener  Zeit.^  Bei  solchem  Reichtum  war 
es  allerdings  möglich,  den  Herzogen  oft  Summen  von  2000  bis 
3000  «/Ä  vorzustrecken,  die  dann  schließlich  (vgl.  die  Pfand- 
schaftsurkunden von  1407  und  1416)  auf  32.000  Goldgulden 
aufliefen.  In  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  sanken 
freilich  die  Einkünfte  schließlich  auf  höchstens  3000— 4000  «f^ 
herunter;  beim  Aussterben  des  Hauses  war  ja  dessen  Blütezeit 
längst  vorüber. 

0.  Die  WirtBohaftB-  und  Untertanenverhältnisse. 

Bei  dem  Mangel  an  walseeischen  Urbaren  sind  wir  (är 
die  Wirtschafts-  und  Untertanenverhältnisse  umsomehr  auf  den 
reichen  Urkundenschatz  angewiesen,  welcher  indes  diesen  Ab- 
gang nicht  völlig  wettzumachen  vermag. 

Den  weitaus  überwiegenden  Teil  der  walseeischen  Güter 
bewirtschafteten  die  Grundholden.  Die  wenigen  Meierhöfe,* 
welche  den  Herrschaften  als  Reste  ehemaligen  grundherrlichen 
Eigenbetriebes  verblieben  waren,  unterstanden  Schaffnern  und 
Meiern  bäuerlicher  Abkunft.^    Die  in  eigener  Bewirtschaftung 


»  HHStA.  Kod.  1167,  f.  9. 

•  Vgl.  Urk.  1470  Mära  19;  Orig.  StAEferding. 

'  Vgl.  Inama-Sternegg,  Deutsche  Wirtschaftagesch.  m^,  178. 

^  Dopsch,  Die  landesftlntlichen  Urbare  Ober-  und  NiederOeterreichs  CCXXm 

— ccxxvn. 

^  Vgl.  Urkk.  1305  Mai  27,  Orig.  Archiv  des  Deutschen  Ritterordens,  Wien; 

1352  Mai  29,   NB.  II,  883;   1856  M&n  8,  FRA.  XXXVI,  292;  1898  . . , 

Inventar,  f.  68. 
^  Vgl.  Inama-Sternegg,  Deutsche  Wirtschaftsgeschichte  ia\  250—251;  die 

Stellung  dieser  Hofe  war  tlbrigens  eine  sehr  yersehiedene;  vgl.  Dopsch, 

Die  landesfiirstlichen  Urbare  Ober-  und  NiederOsterreichs  CVU— CXII. 


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gebliebenen  Hofländereien,  worunter  insbesondere  zahlreiche 
Weingärten  in  Niederösterreich  und  in  der  Steiermark  zu  nennen 
sind,  wurden  durch  Gesinde  und  Taglöhner  sowie  mit  der  Robot 
der  Holden  bebaut.  Ein  anderer  Teil  des  Hoflandes  war  in 
Parzellen  (sogenannte  Beunden,  Pointen)^  an  Grundholden  ver- 
pachtet. Mit  dem  Aufhören  des  Eigenbetriebes  wurden  die 
Qrundherrschaften  immer  mehr  zu  Rentherrschaften. 

Die  walseeischen  Güter,  auch  die,  welche  nach  Lehen- 
recht ausgetan  waren,  wurden  somit  größtenteils  von  den  Hol- 
den, Untertanen,  bewirtschaftet;  diesen  gehörte  fast  die  gesamte 
bäuerliche  Bevölkerung  an.  War  die  Lage  der  Bauern,  denen 
von  ihrer  persönlichen  Unfreiheit  wenig  mehr  anhaftete,  im  13. 
und  noch  im  14.  Jahrhundert  eine  ganz  erträgliche  gewesen  — 
wir  brauchen  nur  an  die  Schilderungen  eines  Meier  Helmbrecht 
zu  denken  —  so  verschlechterte  sie  sich  im  15.  Jahrhundert 
nicht  unwesentlich. 

Als  bäuerliche  Besitz  formen  finden  wir  zu  oberst  die 
zur  neutralen  Eigentumsform  gewordenen  Burgrechte,*  meist 
Liegenschaften,  Grttnde,  Gärten  etc.  in  der  Umgebung  der  Städte 
sowie  in  Märkten  und  Dörfern;  im  Anschluß  daran  sind  die 
aus  einer  Kombination  derselben  mit  den  Lehen  hervorgegan- 
genen Burgrecht-,  Recht-  und  Beutellehen*  zu  nennen.  Zahl- 
reiche bäuerliche  ,freie  Eigen'  in  Ober-  sowie  in  Niederöster- 
reich, hauptsächlich  in  dem  am  längsten  besiedelten  Gebiete 
des  Einzelhofsystems  gelegen,*  weisen  hier  auf  einstige  bäuerliche 
Gemeinfreie  hin,  die  sich  längst  einem  Grund-  als  Vogt-  und 
Schutzherrn  untergeordnet  hatten;  sie  sind  im  14.  Jahrhundert 
bereits  fast  zu  Grundholden  herabgesunken.  Die  persönliche 
Dienstpflicht  hat  sich  in  eine  dingliche  umgewandelt;  nur  in 
diesem  Sinne  werden  Untertanen  noch  verkauft,  vertauscht  oder 
vererbt.  Wenig  mehr  fehlt  ihnen  zur  persönlichen  Freiheit; 
aber  diese  hat  ihren  Wert  verloren:  alle  sind  zu  Untertanen 
geworden,  deren  einzelne  Klassen  sich  einander  nähern.  Auch 
die  Besitzer  der  freien  Eigen  leisten  kaum  mehr  geringere  Ab- 


*  Vgl.  das   MonatsbUtt   des  Vereines   für  Landeskunde   von   Niederöster- 
reich IV,  289  ff. 

«  Vgl.  8.  602  und  635. 

»  Vgl.  Urkk.  1414  Mai  26,  HHStA.;  1466  August  20,  Kop.  Linzer  Museal- 
archiv. 

*  Vgl.  Strnadt,  Peuerbach,  JBMPC.  XXVH,  279—287. 

36» 


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542 

gaben  als  die  Holden,  die  Frondienste  vielleicht  aasgenommen. 
Die  hie  und  da  vorkommenden  Inwertseigen*  waren  Eigen, 
deren  Verkauf  oder  Verpfandung  an  Außenleute  mit  des  Herrn 
Hand  geschehen  mußte.* 

Die  große  Masse  der  bäuerUchen  Bevölkerung  aber  lebte 
zu  Kauf-  und  Erbrecht  einer-  sowie  als  Freistifter  andererseits. 
Die  freien  Leiheformen  des  Kauf-  und  Erbrechts  —  der  Unter- 
schied bestand  nur  in  der  freien  Verfügung  der  Inhaber  der 
letzteren  —  gewährten  dem  Holden  bereits  ein  Besitzrecht,  das 
seine  darauf  verwendete  Mühe  lohnte:  das  Gut  blieb  vor  allem 
in  seiner  Familie  erblich.'  Die  Steigerung  der  Bodenrente, 
welche  die  dadurch  intensivere  Wirtschaft  zur  Folge  hatte,  kam 
wieder  dem  Grundherrn  zugute  und  als  Folge  davon  ei^ab  ach 
die  allmähliche  Vererbrechtung  der  zu  Lieibgeding  und  Freistift 
verliehenen  Güter. 

Der  Erbleihe,  Erbpacht,  stand  schließlich  als  geringeres 
bäuerliches  Besitzrecht  die  Zeitpacht,  meist  auf  den  kleineren 
Gütern,  gegenüber.  Als  Leibgedinge  gewährte  sie  ein  lebens- 
längliches Nutzungsrecht,  die  Freistift  nur  ein  solches  auf  un- 
bestimmte Zeit,   häufig  gleichfalls   auf  Lebenszeit  des  Holden. 

Gerade  im  14.  und  15.  Jahrhundert  vollzog  sich  überaus 
häufig  der  Übergang  von  den  niederen  zu  den  höheren  Besitz- 
formen. ^  In  manchen  Fällen  führten  diese  Veränderungen 
selbst  zur  rechtlichen  Zersplitterung  der  einzelnen  Bauerngüter. 
So  war  1393^  von  einem  Hofe  zu  Schilddorf  bei  Seuseneck  ein 
Drittel  freies  Eigen,  ein  Drittel  Burgrecht  vom  Kloster  Baum- 
gartenberg, ein  Drittel  Lehen  der  Walseer  von  Ens. 

Das  Zahlenverhältnis  der  wichtigsten  bäuerlichen  Be- 
sitzformen: der  freien  Eigen,  Erb-  und  Kaufrechte  sowie  der 
Freistifter  läßt  sich  auch  fUr  die  walseeischen  Herrschaften 
kaum  annähernd  angeben.  Urbare  —  falls  sie  uns  darüber 
Aufschluß  geben  könnten  —  fehlen  und  bei  aller  Berücksich- 
tigung des  urkundlichen  Materiab  laufen  wir  Gefahr,  die  2jahl 


>  Ygl  ürk.  1398  November  11;  W8t.  576. 

*  Vg^l.  Bischoff,  Steir.  Landrecht,  S.  116  und  126. 

'  Vgl.  A.  Meli,  Die  Anfänge  der  Bauernbefreiung  in  Steiermark,  Forschun- 
gen zur  YerfassungB-  und  Verwaltnngsgesch.  der  Steiermark  Y^  18. 

*  Vgl.  Schalk,  a.  a.  O.  461—463. 

^  Urk.  1393  September  26;  Rop.  Liozer  Musealarchiv. 


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543 

der  Freistifter  zu  unterschätzen.  *  Da  sie  rasch  wechselten  und 
nur  kleinere  Zinsgüter  innehatten,  fehlen  für  sie  die  vom  Grund- 
herrn ausgestellten  Verleihungsarkunden  wie  die  Reverse  der 
Belehnten,  die  von  freien  Eigen,  Kauf-  und  Erbrechtgütern 
zahlreich  vorhanden  sind.  Nur  so  viel  läßt  sich  sicherstellen, 
daß  bereits  in  Niederösterreich  und  in  der  Steiermark  die  Zahl 
der  bäuerlichen  Eigen  geringer  ist,  auf  den  tibeinischen  Herr- 
schaften fehlen  sie  fast;  hier  war  sicher  die  Zahl  der  Freistifter 
überwiegend  gegen  die  zu  Erbleihe  sitzenden  Holden. 

Die  Besitzkategorien  der  bäuerlichen  Stellen  auf  den 
walseeischen  Herrschaften  bieten  wenig  Besonderheiten.  Die 
wirtschaftliche  Einheit  des  bäuerlichen  Besitzes  bildete  auf  dem 
Gebiete  des  Einzelhofsystems  die  Hube,  in  dem  der  Dorfsied- 
lung das  bäuerliche  Lehen.  Die  Hube  hat  von  ihrem  Ausmaße 
dnrch  die  häufigen  Teilungen  bereits  stark  eingebüßt,  denen  die 
Grundherren  nun  Einhalt  zu  gebieten  beginnen.  Wir  treffen  an 
bäuerlichen  Gütern  in  absteigender  Größe  Höfe,  Hüben  und 
Lehen,  Halb-,  Viertelhuben  und  Lehen  und  schließlich'  die 
Hofstätten,^  welche  eigentlich  eine  dritte,  kleinere  Wirtschafts- 
einheit ausmachten  und  gleichfalls  geteilt  wurden;  als  kleinste 
Untertanengüter  sind  die  Seiden  (Sölden)*  oder  Keuschen  zu 
nennen.  Die  häufigen  öden  (unbesetzten,  im  Gegensatze  zu  den 
bestifteten)  Hüben  (Lehen  etc.)  deuten  auf  einen  raschen  Wechsel 
der  bäuerlichen  Bevölkerung  hin. 

Neben  den  Gütern  wurden  Acker  auch  einzeln  verliehen, 
wie  es  scheint  von  ziemlich  verschiedener  Größe.  Unter  ihnen 
sind  hervorzuheben  die  sogenannten  Überländen,®  Gründe,  die 
erst  nachträglich  zum  Wirtschaftskomplexe  hinzugekommen 
waren.  ,Reuter',  Reutäcker,  waren  der  Kultur  durch  Rodung  ge- 
wonnen worden;  sie  werden  besonders  im  Norden  der  Riedmark* 


^  Vgl.  Dopsch,  a.  «.  O.  LIII;  Bittner,  Die  Gesch.  der  direkten  Steuern  im 

Erzfltifte  Salzburg,  AÖG.  XCII,  551. 
«  Z.  B.  Viertellehen  Urk.  1312  Oktober  18;  AÖG.  H,  537. 
»  Vgl.  Urkk.  1314  Januar  17,  Februar  2;  NB.  IV,  81. 

*  Urk.  1389  Noyember  80,  HHStA.;  Walseeisches  Lehenbnch,  f.  17. 

»  Vgl.  Urkk.  1359  Januar  31  UBoE.  VH,  611;  1456  September  19,  Wal- 
seeisches Lehenbuch,  f.  255,  Zulehen  finden  sich  nicht  erwähnt. 

*  Urkk.  1407  März  5,  Kop.  Linzer  Musealarchiy;  Walseeisches  Lehenbuch, 
f.  88  und  58;  Urk.  1399  März  29,  HHStA.;  1399  März  29,  Kop.  Linzer 
Musealarchiv. 


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544 

häufig  erwähnt.  Beundeban  war  im  Lande  ob  der  Ens  nicht 
selten.*  In  gleicher  Weise  wurden  auch  Qärten  und  Wiesen 
an  Holden  verlehnt. 

Die  Abgaben'  der  Untertanen  zerfielen  in  Grundzinse 
und  anderweitige  Abgaben  an  die  Qrundherrschaft^  die  Ze- 
hente, Vogteiabgaben  und  schließlich  landesfUrstliche  Steuern. 
Sie  mögen  sich  mindestens  auf  die  Hälfte  des  Bruttoertrages' 
belaufen  haben. 

Die  Grundzinse  wurden  in  Geld  und  Naturalien,  oft  als 
gemischter  Dienst  entrichtet.^ 

Die  Gelddienste,  Stift-  und  Grundpfennige  oder  Grund- 
rechte genannt,  waren  meist  bei  einer  größeren  Anzahl  von 
Wirtschaften  an  demselben  Orte  gleich  und  auch  in  demselben 
Amte  weniger  verschieden  als  in  verschiedenen  Ämtern.  Von 
freien  Eigen  geringer  als  von  Erb-  und  KaufirechtgUtern,  wur- 
den sie  im  übrigen  der  Größe  der  Wirtschaften  entsprechend 
angelegt.  Hofstätten  und  Sölden  entrichteten  meist  nur  Geld- 
dienste, desgleichen  vereinzelt  ausgetane  Acker,  Reute  und 
Wiesen.  Als  ,Stifttage^,  an  welchen  die  Zinse  erlegt  wurden, 
werden  Lichtmeß,  Georgi,  Maria  Geburt  und  Michaelis^  genannt 

Die  Naturalabgaben  standen  naturgemäß  in  engstem  Zu- 
sammenhange mit  den  Bodenprodukten,  welche  bei  dieser  Ge- 
legenheit gestreift  werden  soll.  Sie  zerfielen  in  den  Getreide- 
und  den  sogenannten  Eleindienst. 

Der  Getreidedienst  wurde  vor  allem  in  den  Hauptgetreide- 
arten Hafer,  Roggen  (Korn)  und  Weizen  gedient  Von  diesen 
war  am  stärksten  —  weil  überall  —  der  widerstandsfähige 
Hafer  angebaut,  nächstdem  Korn  —  auch  auf  den  Tibeiner 
Gütern,  Weizen  besonders  im  Lande  ob  der  Ens  weniger  als 
heute.  Gerste  tritt  daneben  zurück,  sie  wurde  z.  B.  im  Lande 
ob  der  Ens  nur  in  geschützteren  Lagen  gebaut;^  ihre  Zunahme 


^  V^l.  Urkk.  1299  Juni  24,  Orig.  8tLA.  Nr.  1898;  1418  Jani  6,  Kop.  Linser 

Mosealarchiv. 
«  Vgl.  Dopsch,  «.  «.  O.,  CIL— CLXXIV. 

'  Vgl.  Inama-Sternegg,  Deutsche  Wirachaftegesoh.  III  ^,  402—406. 
*  Vgl.  Meli,  Beitrige  xor  Gesch.  des  Untertanenwesens  in  der  Steiermark. 

II.  Die  Natural-  und  Gleldabgahen  der  Untertanen.  Mitt.  des  historischen 

Vereines  fUr  Steiermark  XU,  140  ff. 
^  Urk.  1482  Oktober  81;  Kop.  Linzer  Musealarohiv. 
"  Auf  den  tiheinischen  Herrschaften  wird  sie  nach  dem  Fiumaner  Urbare 

von  1424  nicht  gedient. 


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im  15.  Jahrhundert  wird  wohl  mit  dem  Aufblühen  der  Bier- 
brauerei zusammenhängen.  Hirsebau  findet  sich  nur  in  Mittel- 
steiermark häufiger.  Bemerkenswert  ist  der  starke  Mohndienst 
und  -bau  im  Mühlviertel  ;^  auch  Hanf  und  Flachs  werden  da 
und  dort  nicht  selten  gedient.  Von  Hülsenfrüchten  finden  sich 
Erbsen  und  Linsen'  angeführt.  Das  Dienstgetreide  etc.  wurde 
nach  dem  ^Eastenmaße^  gegen  Quittung  in  die  herrschaftlichen 
,Qetreide-Schütt-Kä8ten*  abgeliefert,  wie  solche  zu  Linz,  Gleuß' 
etc.  bestanden.  Besondere  Erwähnung  verdient  der  Weinbau, 
dessen  Grenzen  nach  Norden  am  Ende  des  Mittelalters  weiter 
als  gegenwärtig  reichten.  Die  Walseer  besaßen  zahlreiche  Wein- 
gärten in  Niederösterreich,  am  Ostabhange  des  Wienerwaldes 
wie  in  der  Wachau,  sowie  weiterhin  in  der  Steiermark  und  um 
Tibein,  wo  der  treffliche  Rainfal  wuchs,  sowie  auf  den  Herr- 
schaften am  Quarnero.  Die  Mehrzahl  der  Weingärten  war  an 
Holden  ausgetan.  Diese  dienten  davon  (neben  Geld)*  Wein- 
most, in  der  Wachau  und  um  Senftenberg  die  Hälfte  der  Lese.' 
Dieser  wurde  den  Weinpreßhäusem,  wie  sie  die  Walseer  in 
Senftenberg,  Elostemeuburg  und  Nußdorf  bei  Wien  hatten,  ab- 
geliefert und  weiterhin  gleich  dem  Weine  behandelt  und  ver- 
trieben, den  sie  von  ihren  in  f^genbetrieb  behaltenen  Wein- 
gärten erhielten.  Diese  wurden  entweder,  wie  in  der  Steier- 
mark, zumeist  durch  gedungene  Taglöhner  bearbeitet  oder  von 
Holden,  welche  fUr  diese  Weinkulturen  ein  ,Baugeld^  erhielten.* 
Wie  die  Riegersburger  Amtmannsrechnung  von  1434^  beweist, 
wurde  damals  der  Weinbau  in  Steiermark  technisch  bereits 
ebenso  wie  heute  betrieben.  Von  sonstigen  Spezialkulturen 
sind  noch  auf  den  tibeinischen  Herrschaften  die  Kastanien^  und 
der  Ligwer  zu  erwähnen,  die  gleichfalls  in  natura  gedient  wur- 


i  Vgl.  dazu  JBMFC.  XXXIX,  34. 

*  Urkk.  1420  Februar  11,  1466  Februar  18;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 
»  Vgl.  ürk.  1462  März  24;  NB.  U,  337. 

*  Vgl.  ürk.  1369  Oktober  30;  FRA.  XVI,  249. 

^  Urkk.  1469  August  6  und  31,  Orig.  StAEferdlng;  Zinsregister  von  Rossatz 
1444;  Kop.  Linzer  Musealarohiy. 

*  Dopsch,   a.  a.  O.  CLXXVIU;    Urk.  1476  März  4,  Kop.  Linzer  Museal- 
archiv. 

^  Kop.  StLA.,  Hs.  1661. 

"  Vgl.  das  Urbar  von  Fiume  (St.  Veit)   1424,  f.  5';  Kop.  Linzer  Museal- 
archiy. 


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Ö46 

den.  Nicht  unbedeutend  war  femer  die  Obst-  und  Gartenkultur 
und  schließlich  der  Wiesenbau,  von  welchem  Heu  gedient 
wurde. 

Wir  ddrfen  femer  auch  bereits  von  einer  geregelten  Forst- 
wirtschaft auf  den  walseeischen  Gutem  sprechen.  Ein  eigener 
Holzpropst*  hatte  dieselbe  für  den  Neuburger  Forst  (am  Inn) 
zu  versorgen,  sonst  war  an  größeren  Forsten  der  zu  Gfbhl  in 
walseeischem  Besitz.  Meist  bUeben  (z.  B.  zu  Schamstein)'  die 
Herrschaftsschaffer  mit  der  Besorgung  der  Geschäfte  daftb-  be- 
traut. Genau  wurden  die  Rechte,  Befugnisse  und  Grenzen' 
gegenüber  anderen  Grundherrschaften  festgesetzt  und  die  Er- 
trägnisse, ,For8tgelder' *  (wohl  hauptsächlich  an  verkauftem 
Holze)  verrechnet.  Daß  überdies  die  letzten  Walseer  eifrige 
Jäger  waren, ^  wird  uns  mehrfach  berichtet;  sie  hielten  sich 
sogar  eigene  Jägermeister.^ 

Mannigfach  waren  die  verschiedenen  Eleindienste.  Die 
Viehzucht  wurde  insbesondere  auf  den  Schwaighöfen  getrieben, 
worauf  die  zahlreichen  Eäsegülten  hinweisen.  Während  Groß- 
vieh unter  den  Diensten  nicht  begegnet  (nur  in  der  Herrschaft 
Ober- Walsee  [Freudenstein]  hatten  gewisse  Bauern  laut  flintra- 
gung  im  urbare^  im  Kriegsfalle  Pferde  zu  stellen),  finden  sich 
Dienstlänmier  und  -schafe  erwähnt.  Bedeutend  war  die  Schweine- 
zucht, auf  welche  die  verschiedenen  Ai*ten  von  Dienstschweinen 
hindeuten.  Daß  die  Geflügelzucht  gleichfalls  sehr  verbreitet 
war,  beweisen  allenthalben  die  vielen  Diensthühner  und  -gänse* 
sowie  die  Eierdienste.  An  Fischdiensten  lieferten  die  Fischer 
vom  Traun-*  und  Mond-  (wohl  auch  vom  Attersee)  die  be- 
kannten Reinanken,  von  den  Fischhuben  an  der  Traun  wurden 
Pfrillen*®  gedient.  Auch  sonst  weisen  die  zahlreichen,  im  Werte 


1  Urkk.  1323  Jani  15,  RegesU  Boica  VI,  100;  1434  April  2,  Kop.  Ldnier 

Musealarchiy. 
'  Urk.  1441  Febraar  3;  ebenda. 
»  Vgl.  AÖG.  LXXXn,  271—273. 
^  Urk.  1459  Mai  7;  Kop.  Linser  Mosealarchiv. 
«  Vgl.  Urk.  1462  Jali  12;  Kop.  Linser  Mnsealarchiy. 
•  Vgl.  8.  624. 

'  Von  1461,  f.  T;  Kop.  Linzer  MoBealarchiy. 
"  Urk.  1339  März  17;  UBoE.  VI,  291. 
'  Urk.  1370  Dezember  17;  Kop.  Linzer  Mosealarchiv. 
"  Urk.  1481  Juli  6;  ebenda. 


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nicht  niedrig  veranschlagten  Fischwaiden  sowie  die  da  und 
dort^  vorkommenden  Teichanlagen  auf  die  Fischzucht  hin. 

Sehr  zahhreich  sind  die  Fälle,  in  denen  die  Naturalab- 
gaben,  und  zwar  sowohl  das  Dienstgetreide,  Korn,  Weizen  und 
Hafer,  ab  auch  die  verschiedenen  Elleindienste,''so  an  Käsen, 
Hühnern  und  Eiern  durch  Geld  reluiert  worden  sind,  ein  Pro- 
zeß, der  immer  noch  weiter  fortdauerte. 

Dazu  kamen  schließlich  eine  Reihe  von  weiteren  Abgaben 
an  den  Grundherrn  und  dessen  Beamte.  Bei  Besitzverän- 
derungen war  die  An-  und  Ableit,*  auch  Auf-  und  Abfahrt 
genannt,  zu  entrichten,  gleich  dem  bei  Todesfällen  gegebenen 
Best-,  Todhaupte  oder  Todrechte,'  in  Ober-  und  Niederöster- 
reich allenthalben  im  Ausmaße  von  60  .Ä.  Dem  herrschaftlichen 
Richter  oder  Amtmann  wurde  das  Richter-,  Amtmannsrecht  in 
Geld  oder  Naturalien  gezinst,  auch  die  Büttel  erhielten  einen 
Gelddienst.*  Von  sonstigen  Taxen  und  Abgaben  sei  noch  das 
Weisat  herangezogen,  in  seinen  Leistungen  dem  Kleindienste 
ähnlich.  Dazu  kamen  noch  Natural-  und  Gelddienste  für  ver- 
schiedene Nutzungsrechte,  so  von  Wald  und  Weide,  wie  von 
den  grundherrlichen  Betriebsstätten,  als  Mühlen,  Backöfen,  Bad- 
stuben u.  dgl. 

Eine  zweite  Gruppe  von  Abgaben  waren  die  Zehente.* 
Ursprünglich  eine  kirchUche  Abgabe,  waren  sie  bereits  längst 
häufig  durch  Verleihung,  Verkauf,  Verpfändung  etc.  an  Welt- 
liche, also  an  den  Adel,  und  so  auch  von  den  Kirchen  von 
Passau,  Salzburg  u.  a.  an  die  Walseer  gekommen.  Auch  Ze- 
hente waren  durch  diese  Besitzveränderungen  zerstückelt  wor- 
den; es  finden  sich  Halb-,  Viertel-,  selbst  Zweidrittelzehente*  er- 
wähnt. Die  Zehente  wurden  in  Naturalabgaben  geleistet,  die 
indes  gleichfalls  bereits  häufig  durch  Geld  reluiert  waren.  Man 
unterschied  den  großen  Zehent  von  Getreide  und  Wein  und  den 
kleinen  von  Vieh  und  Gartenfrüchten. 


1  So    zu    Seaseneck,    Neumarkt,    Ort,   Leonfelden,   Oberneukirchen;   vg^l. 
JBMFC.  XXXIX,  69. 

*  Urkk.  1347  Mai  30,  UBoE.  YII,  22;  1370  Dezember  1,  1420  Dezember  21, 
Kop.  Linzer  Mosealarchiv. 

>  Ebenda;  1459  Aprü  8;  Orig.  StAEferding. 

*  Vgl.  da«  Urbar  von  Fiume  von  1424;  Kop.  Linzer  Mnsealarchiv. 
^  Vgl.  Inama-Stemegg,  a.  a.  O.  896-897;  Schalk,  a.  a.  O.  435. 

*  WalseeiBches  Lehenbach,  f.  76. 


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Die  Vogteiabgaben,  eine  weitere  Äbgabengmppe^  wur- 
den gleichfalls  in  Geld  (Vogtrecht)  und  teilweise  in  reloierten 
Naturalien^  vom  bevogteten  Ehester  einer-  wie  von  den  Vogt 
holden  andererseits  gedient;^  auch  oblag  den  Untertanen  die 
Verpflegung  des  Beamten  auf  dem  Vogteidinge.* 

An  landesherrlichen  Steuern  kamen  dazu  das  March- 
futter,*  der  Marchdienst  in  Osterreich  wie  in  der  Steiermark, 
ein  Getreidedienst^  besonders  an  Hafer.  Selbst  das  Marchfutter 
war  zum  Teile  bereits  durch  Verpfandung  und  anderweitig  an 
den  Adel  gekommen.  Seit  Herzog  Rudolf  IV.  wurde  femer 
das  Ungeld,*  eine  Getränkesteuer  in  Geld,  durch  die  ,Ungelter* 
eingehoben.  Bedeutender  aber  waren  die  im  15.  Jahrhundert 
sich  rasch  mehrenden  Steuern  fUr  Ejiegszwecke,  zur  Bezahlung 
der  Söldner  etc.  Auch  auf  den  walseeischen  Herrschaften  wur- 
den sie  auf  die  Untertanen  überwälzt,  so  die  Hussitensteuer  von 
1436.^  Diese  drückenden  Lasten  wurden  dann  auf  die  ein- 
zelnen Herrschaften  und  Amter  und  in  diesen  auf  die  Unter- 
tanen verteilt.  So  entfiel  beim  ^Anschlage  des  zehnten  Mannes^ 
von  1456^  allein  auf  die  Herrschaft  Windeck  die  Summe  von 
100  Ä(^,  von  der  Kriegssteuer,  die  1480^  zur  Bezahlung  der 
Söldner  ,angelegt^  wurde,  kamen  auf  die  Herrschaft  Nieder- 
Walsee  70Äf/Ä,  auf  das  Amt  zu  Tanzerstadl  bei  Ort  volle 
90  ÖA 

Zuletzt  sei  als  Leistung  der  Untertanen  noch  der  Robot^ 
gedacht.  Für  unser  Gebiet  fehlen  fast  alle  Belege  darüber. 
Möglich,  daß  die  mehrfach  genannten  ,Bauhöfe^^  als  solche  auf- 
zufassen sind,   auf  welchen   für  die  Grundherrschaft  gerobotet 

'  Vgl.  die  Trattenecker  Amtmannsrechnang  von  1447,  f.  1';  Kop.  Linzer 

Masealarchiy. 
«  Urk.  1327  November  25;  UBoE.  V,  495. 
'  Vgl.  Dopsch,   Beiträge  zur  Gesch.  der  Finanzverwaltung  in  NiederOster- 

reich,  Mitt.  des  Inst.  fOr  österr.  Geschichtsforschung  XVUI,  238. 

*  Vgl.  Urkk.  1412  Oktober  13,  HHStA.;  1432,  —  1448  Mai  1,  Kop.  Linzer 
Musealarchiv. 

*  Urk.  1436  April  24 ;  Orig.  Stiftsarchiv  Klostemeuburg. 

*  1456  April  26;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

^  Vgl.  Urkk.  1480  Mai  28,  1481  M&rz  1;  ebenda. 

^  Vgl.  Meli,  Beiträge  zur  Gesch.  des  Untertanenwesens.  1.  Die  Robot.  Mitt 

des  histor.  Vereines  fttr  Steiermark  XI,  136. 
»  Urkk.  1353  November  30,  Orig.  StAEferding;  1420  Juni  16,  Kop.  Linzer 

Musealarchiv. 


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549 

wurde.  Vereinzelt  wird  ein  Fall  von  Bedrückung  der  Holden 
des  Klosters  Minnbach  mit  Vogteifrohnen  erwähnt.  ^ 

Diese  riesige  Menge  von  Naturalabgaben^  welche  fast  die 
Hälfte  des  walseeischen  Gesamteinkommens  ausmachen  konnte^ 
wurde  nur  zum  Teile  von  der  großen  Wirtschaftseinheit,  welche 
das  Haus  darstellte,  konsumiert.  Die  zahlreichen  Klagen  der 
Städter  stellen  es  außer  Zweifel,  daß  von  Seite  der  Walseer 
unter  Mißbrauch  der  dem  Adel  fUr  seinen  Hausbedarf  gewährten 
Mautfreiheit  ein  ganz  bedeutender  Handel  mit  Wein  und  Ge- 
treide, besonders  auf  der  Donau,  getrieben  wurde.* 

Auch  die  Lage  der  Untertanen  steht  in  enger  Wechsel- 
beziehung mit  dem  Niedergange  des  Hauses  Walsee  im  15.  Jahr- 
hundert. Während  vorher  auf  den  walseeischen  Herrschaften 
allenthalben  durch  zahlreiche  kleine  Ankäufe  der  bäuerliche 
Besitz  au%esogen  und  der  Ausbau  der  Grundherrschaft  voll- 
endet wurde,  hören  diese  kleinen  Käufe  um  dieselbe  Zeit  auf 
wie  die  größeren  Gütererwerbungen. 

Verlautet  im  14.  Jahrhundert  wenigstens  nichts  von  Kla- 
gen der  Untertanen,  so  mehren  sich  dieselben  jetzt  allgemach; 
zweifellos  hat  sich  die  Lage  der  Holden  im  Laufe  des  15.  Jahr- 
hunderts erheblich  verschlechtert.  Daß  die  Bewohner  des  fla- 
chen Osterreich  nördUch  der  Donau  unter  den  HussiteneinfUUen 
sowie  jene  in  Innerösterreich  durch  die  Türken  zu  leiden  hatten, 
steht  außer  Zweifel.  Die  allmähliche  Reluierung  der  Natural- 
abgaben, der  Übergang  von  der  Natural-  zur  Geldwirtschaft, 
brachte  dem  Bauern  keinen  Nutzen;  wie  schwer  hielt  es  bei 
den  schlechten  Verkehrsverhältnissen,  seine  Produkte  zu  ver- 
kaufen. Der  Adel  dagegen  verlor  durch  die  heillose  Mtinzver- 
schlechterung,  die  andererseits  den  Holden  nicht  in  diesem 
Maße  Gewinn  brachte.  So  waren  selbst  die  Untertanen  viel- 
fach den  Juden  verschuldet,^  bei  dem  damaligen  Zinsfuße  ein 
schwer  zu  heilendes  Übel.  Dazu  kam  nun  die  Steigerung  der 
Leistungen  an  den  Grundherrn,  der  sich  selbst  nicht  mehr  in 
der  günstigen  Lage  von  Einst  befand  —  und  schließlich  die 
Häuftmg  von  landesfllrstlichen  Steuern,  die  auf  den  Holden  über- 
wälzt wurden.     Daher  erheben   sich   jetzt   da    und    dort    und 


'  Urk.  1476  April  4;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

•  Vgl.  8.  538. 

'  Vgl.  Beiträge  zur  Kunde  steierm.  Geschichtsquellen  II,  119. 


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650 

immer  mehr  Klagen  der  Untertanen.  E^  ist  nicht  etwa  ein 
Zug  von  Härte  des  Herrn  —  Steuemachlässe  bei  Elementar- 
schäden ^  zeugen  dagegen  —  sondern  ein  allgemeines  Anspannen 
der  Leistungsfähigkeit  der  Holden  bis  an  und  über  die  Ghi^nzen 
derselben.  Die  Holden  klagen  über  Bedrückung  durch  Er- 
höhung fast  aller  Steuern. 

So  verwendeten  sich  1446*  Pfleger  und  Amtmann  der 
Herrschaft  Purgstall  für  die  Untertanen  wegen  der  hohen  Steuern. 
Die  Holden  der  Herrschaft  Rutenstein  klagen  1450'  über  den 
neuen  großen  Korn-  und  Hofdienst;  überdies  war  zu  ihren  Un- 
gunsten das  Kastenmaß  vergrößert  worden.  Zur  selben  Zeit 
dienten  die  walseeischen  Weingärten  in  der  Wachau  die  Hälfte 
ihres  Weinmostes,  die  Weingärten  mehrerer  Klöster  daselbst 
diesen  nur  ein  Drittel.  In  der  Amstettner  Gegend  widersetzten 
sich  die  walseeischen  Holden  1448^  der  Entrichtung  des  landes- 
ftlrstlichen  Ungeldes.  Die  Vogtholden  von  Minnbach  beklagten 
sich  1475  über  ihnen  auferlegte  Vogteifi*onen,  andere  1469* 
über  starken  Steuerdruck.  Auf  den  tibeinischen  Herrschaften 
auf  dem  Karst^  die,  wie  die  Höhe  der  Pfarreinkünfte  ^  beweist, 
wirtschaftlich  hinter  den  anderen  nicht  zurückstanden,  begannen 
sich  da  und  dort  Holden  zu  entsiedeln. 

So  ist  auch  auf  den  einzelnen  walseeischen  Herrschaften 
eine  ersiehtUche  Verschlechterung  der  Lage  der  Untertanen 
wahrzunehmen  —  das  Korrelat  für  den  Niedergang  des  Hauses 
Walsee,  der  um  die  Zeit  der  wirtschaftlichen  Depression,  um 
die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  einsetzt. 


Auch  im  Wirtschaftsleben  der  habsburgischen  Länder  sehen 
wir  die  Herreu  von  Walsee  mit  ihrem  großen  Besitzstande, 
der  hier  seinerzeit  den  größten  adeUgen  Wirtschaftsorganismus 
darstellte,  eine  überaus  wichtige  Rolle  spielen.  Die  Mittel  und 
Kräfte,  die  ihnen  daraus  erwuchsen,  ließen  sich  oft  wieder  in 
der  Politik  ausschlaggebend  in  die  Wagschale  werfen. 


>  Vg^l.  Urk.  1482  April  20;  Kop.  Linser  Mosealarchiy. 

•  Urk.  1446  Juni  13;  ebenda. 

•  1450  Februar  19;  ebenda. 

•  1448  Mai  1;  ebenda. 

^  1469  April  6;  Kop.  Linzer  Musealarchiv. 

«  Vgl.  Urk.  1464  Juli  21;  Ckkl.  diplom.  Istriano  IV. 


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551 

Erst  wenn  wir  diese  Seite  ihrer  Tätigkeit  im  Auge  be- 
halten^  vermögen  wir  die  allseitige  Bedeutung  zu  würdigen, 
die  das  Haus  der  Herren  von  Walsee  in  unserer  Heimat  besaß. 


XI.  Abschnitt. 
Oenealogie  des  Hauses  Walsee. 

I.  Ältere  Hanptlinie. 

1.  Gebehardus  (I.)  et  Chunradus  (I.)  werden  1171 
März  31^  in  einer  Urkunde  Heinrichs  des  Löwen  als  Zeugen 
genannt;  Conradus  (I.)  bezeugt  noch  eine  Urkunde  1181  Juli  12.* 
Das  Totenbuch  von  Weittenau  gibt  Juni  15'  als  Todestag  Cuon- 
radi  de  Waisen^  militis^  also  wohl  dieses  Konrad  an. 

2.  Eberhardus  (L)  de  Walchse,  Waltse  ist  Zeuge  in 
einer  Urkunde  1179  Dezember  25*  und  wird  in  einem  Privileg 
für  das  Kloster  Waldsee  noch  1181  Mai  12*  genannt.  Nach 
Urkunde  1181  Mai  5*  ist  er  Konrads  Bruder. 

3.  Bertoldus  de  Waise,  nach  Urkunde  1181  Mai  5 
Eberhards  I.  Sohn,  bezeugt  noch  1187  April ^  eine  Urkunde; 
ist  nicht  identisch  mit  dem  zirka  1222  gestorbenen  gleichnami- 
gen Propste  des  Klosters  Waldsee. 

4.  Eberhard  H.  (ob  Bertolds  Sohn?  —  allerdings  spricht 
die  Zeit  und  der  Taufname  des  Großvaters  dafür)  wird  1228 
Februar  20^  bis  1248  Mai  10  urkundlich  genannt;  ob  der 
Heberhardus  de  Waise,  als  dessen  Todestag  das  nach  1200  an- 
gelegte Totenbuch  der  Franziskaner  von  Schaffhausen  Mai  12^ 
angibt,  Eberhard  H.  oder  HI.  ist,  läßt  sich  nicht  feststellen. 

Als  Gemahlin  eines  ,dicti  de  Waise'  wird  zu  Januar  14* 
im  Totenbuche  von  Salem  etwa  um  die  Mitte  des  13.  Jahr- 
hunderts eine  Mechtildis  erwähnt;  vielleicht  war  sie  Eber- 
hards n.  Gemahlin. 


1  Weech,  Cod.  diplom.  Sidemit  I,  25. 

«  Wirtemberg.  Urk.-B.  H,  206.  »  M.  G.  Necrol.  I,  169. 

*  Ebenda  214.  ^  Ebenda  213. 

"  Baumann,  Fonchnng^en  zur  schwäbischen  Geschichte  I,  206. 
'  Wirtembergr.  Urk.-B.  IH,  76  nnd  IV,  176. 

•  M.  G.  Necrol.  I,  606. 

»  Zeitschr.  für  Gesch.  des  Oberrheins,   N.  F.  XIV,  616. 


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552 

1252*  ist  ein  C(onradn8?)  dictos  de  Waldse  als  prepositus 
des  Klosters  Ochsenhausen  beurkundet;  falls  er  der  Familie 
angehört  also  wohl  ein  Bruder  Eberhards  11. 

5.  Eberhard  III.;  zuerst  in  der  ftir  seine  Vermählung 
mit  Adelheid  von  Waldburg  1251  Februar  11*  ausgestellten 
Ehedispens  genannt^  heißt  im  Juni  1262'  bereits  senior  und 
urkundet  ausschließlich  in  Schwaben  bis  1293  März  11,*  wo  er 
als  Eberhard  der  älteste  von  Waldsee  siegelt.  Er  dürfte  bald 
darauf  in  Schwaben  gestorben  und  überhaupt  nie  nach  Oster- 
reich gekommen  sein.  Der  Grabstein  mit  der  Inschrift  ,Ä.  d. 
1288  ob.  dominus  Eberhardus  de  Waise,  pater  senion  omnium 
dominorum  de  Waise  hie  sepultus',  von  dem  sich  eine  Abbil- 
dung* in  den  Streinschen  Manuskripten  erhalten  hat  —  auch 
Preuenhuber,^  der  Eberhard  III.  mit  Unrecht  im  Catalogus  der 
Landeshauptleute  ob  der  Ens  anftlhrt,  sah  ihn  noch  in  der 
Minoritenkirche  zu  Linz  —  ist  späteren  Ursprungs  und  stammt, 
nach  seiner  Architektur  zu  schließen,*  frühestens  aus  der  Zeit 
Reinprechts  IV.  von  Waise  (1416—1460). 

Als  Eberhards  III.  Gattin  wird  Adelheid,  eine  Schwester 
des  Truchsessen  Eberhard  von  Waldbui^,^  also  Tochter  des 
Truchsessen  Otto  Berthold  von  Waldburg,  1251  Februar  1 1  und 
1275  Juli  21*  genannt.  Einer  soror  Adelhait  von  Waldsee  ge- 
denkt zu  Juli  31^  das  nach  1250  entstandene  Totenbuch  von 
Löwental.  Ob  sie  nach  dem  Tode  ihres  Gatten  den  Schleier 
genommen,  oder  ob  diese  Nonne  überhaupt  mit  ihr  identisch, 
bleibt  umso  fraglicher,  als  sich  Eberhard  IQ.,  nach  dem  Alter 
seiner  Kinder  zu  schließen,  wohl  ein  zweites  Mal  vermählte. 
Lazius  und  nach  ihm  Hoheneck  geben  ihm  eine  Gräfin  von 
Ortenburg  zur  einzigen  GemahUn,  was  offenbar  auf  eine  Ver- 
wechslung mit  Eberhard  EL.  von  Walsee-Drosendorf  beruht,  der 
mit  einer  Ortenburgerin  verheiratet  war. 

6.  Alber,  miles  de  Waise,  Zeuge  in  Urkunde  1271 
März  18;*^   darnach  wahrscheinlich  ein  jüngerer  Bruder  Wolf- 


*  Wirtemberg.  Urk.-B.  HI,  162. 

'  M.  Q.  Epist.  Saecnl.  Xm,  IH.  Bd.,  48. 

»  Wirtemberg.  Urk.-B.  VI,  61.  *  WSt  673. 

*  Cod.  ^/lo  Schlüsselberger  Archiv,  OberOsterreich.  LandeBarchiy  Lins. 

*  Annal.  StTrenses  414.  ^  Wirtemberg.  Vierteljahrsschr.  Y,  412. 
«  Wirtemberg.  Urk.-B.  VU,  381.  »  M.  G.  Necrol.  I,  199. 

»«  Wirtemberg.  Urk.-B.  VH,  132. 


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553 

gangs  I.  und  somit  auch  Eberhards  III.;  doch  müßte  er  dann 
1269  noch  minderjährig  oder  abwesend  gewesen  sein,  da  sonst 
Eberhard  III.  in  der  Urkunde  1269  September  24^  schwerlich 
von  Wolfgang  I.  allein  spräche.  Alber  wird  sonst  nicht  er- 
wähnt und  ist  wohl  jung  gestorben. 

7.  November  8  unbekannten  Jahres  ob.  soror  Margret  von 
Waldsee  nach  dem  Löwentaler  Nekrologe^'  sonst  nirgends  ge- 
nannt. 

8.  Elsbeth  von  Walsee  wird  von  ihrem  Vater  Eberhard  HE. 
1266  August  28^  bei  ihrem  Eintritte  in  das  Kloster  Baindt  mit 
dem  Gute  Cunenhus  ausgestattet. 

9.  Gebhard  II.  (die  Reihenfolge  der  vier  weltlichen  einer- 
und der  beiden  geistlichen  Söhne  Eberhards  III.  andererseits  gibt 
die  Reimchronik*  richtig  an;  doch  waren  die  beiden  geistlichen 
Brüder  zweifellos  älter  als  der  erst  1298  urkundende  Fried- 
rich I.)  wird  zuerst  1291  November  20^  als  Kleriker  erwähnt, 
erscheint  seit  1300  Januar  16*  unter  den  Domherren  und  seit 
1312  Dezember  7^  als  Yitztum  des  Bistums  Passau  bis  1313 
Juli  25.8  Nach  Bischof  Wemhards  Tode  (f  1313  Juli  28) 
gegen  Albreoht  (II.)  von  Osterreich  zum  Bischof  von  Passau 
erwählt,  reiste  er  zur  Erlangung  der  päpstlichen  Bestätigung 
nach  Avignon,  wo  er  1315  August  3  starb.  • 

10.  Konrad  EL.  bezeugt  als  Chunradus  clericus  de  Waise 
zwischen  Juni  11 — 22  1288*^  eine  Urkunde  für  das  Kloster 
Salem,  wird  dann  Pfarrer  zu  Piber^^  und  als  solcher  auch  von 
der  Reimchrouik  ^'  erwähnt;  aus  dem  Spottnamen  ,der  Nem- 
hart^,  den  er  nach  derselben  fllhrte,  hat  eine  irrtümliche  Lese- 
art einen  weiteren  (7.)  Bruder  gemacht,  den  Hoheneck^'  und 
noch  Huber  ^*  anführen.  Konrad  II.  starb  auf  seiner  Pfarre 
eines  gewaltsamen  Todes;  1311  April  IP*  erhielt  er  auf  der- 
selben bereits  einen  Nachfolger. 


»  Wirtemberg.  Ürk.-B.  VH,  60.  •  M.  G.  Necrol.  I,  199. 

»  Wirtemberg.  Ürk.-B.  VI,  266.  *  Beimchronik.  V.  28167—28196. 

*  LB.  n,  r.  7.  •  NB.  I,  317. 

'  Regeste  Boica  V,  239.  •  Ebenda  VI,  344. 

*  Cont.  Zwetlens.  M.  G.  SS.  IX,  666  und  Totenbucb  von  Engelsxell,  Orig. 
Stiftsarchiy  Wilhering. 

>^  Weech,  Cod.  diplom.  Salemit.  11,  343. 

"  Bei  Voitsberg,  Steiermark.  "  Reimchronik.  V.  23186—28189. 

*»  Genealogie  UI,  817.  »*  Gesch.  Herzog  Rudolfs  IV.,  163. 

"^  StLA.,  Urk.  Nr.  1747. 


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554 

11.  In  der  Urkunde  1313  November  11*  wird  Preyde  (Bri- 
gitta),  Witwe  Ortolfs  von  Eranichberg,  als  Schwester  Ulrichs  I. 
von  Wabee  ausdrücklich  bezeichnet;  Urkunde  1319  Juli  12* 
heißen  Hermann  und  Hertel  von  Kränichberg  Ulrich  ihren 
Schwager.  Brigitta  ist  von  1307  November  19'  bis  1315  als  Grattin 
und  Witwe  beurkundet.  Nach  dem  Nekrolog  der  Grazer  Domini- 
kanerinnen starb  sie  Februar  7^  unbekannten  Jahres. 

12.  Agnes,  eine  zweite  Schwester  Ulrichs  I.,  wurde  dem 
Grafen  Ulrich  V.  von  Pfannberg*  nach  dem  Treffen  zu  Gam- 
melsdorf (1313  November  9)  verlobt;  nach  einer  Urkunde  von 
1314  Mai  19*  war  sie  noch  nicht  verheiratet  1320  wird  Ul- 
rich V.  von  Pfannberg  der  GemahF  der  Schwester  Ulrichs  I. 
genannt  und  1321  Juni  24*  siegelt  Ulrich  I.  als  Ulrichs  V.  von 
Pfannberg  Schwager.  Sonst  wird  Agnes  nicht  mehr  erwähnt 
Da  sich  ihr  Gatte  1330^  zum  zweiten  Male  vermählte,  muß  sie 
spätestens  1329  gestorben  sein. 

Ein  Rudolphus  de  Walhse,  der  in  einer  Tradition  des 
Falkensteiner  Kodex  von  c.  1160  genannt  wird,^®  gehört  sicher- 
lich nicht  zur  Familie. 

Jener  Wolfram  von  Walsee,  der  1135  auf  einem  Turniere 
zu  Zürich  gewesen  sein  solP*  —  Stadl  stellt  ihm  sogar  fiir  1180 
noch  eine  Notburga  an  die  Seite**  —  sowie  die  angeblich  1026 
auftretenden  Brüder  Heinrich  und  Liabord  (!)  von  Walsee  und 
damit  die  ganze  Fabel  von  einer  Abstammung  des  Hauses 
CoUoredo**  in  Friaul  von  den  Walseem  haben  urkundlich  keinen 
Boden  und  verdanken  ihr  Dasein  lediglich  den  genealogischen 
Spielereien  des  16.  und  17.  Jahrhunderts.  Von  mehreren  Per- 
sonen geistUchen  Standes  steht  es  nicht  fest,  ob  sie  Angehörige 
des  Klosters  Waldsee,  gebürtige  Waldseer  oder  MitgUeder  der  Fa- 
milie von  Waldsee  waren.  So  urkundet  der  magister  Eberhardos 


«  8t.LA.,  Urk.  Nr.  1786*.  •  Ebenda,  Nr.  1856». 

»  StLA.  Urkk.-Kop.  Nr.  1710«,  1866*.  *  Ha.  209,  f.  2',  StLA. 

^  Johann  von  Viktring,  Böhmer,  Fontes  Renim  Germanicamm  I,  378. 

«  LB.  ni,  r.  248.  '  Böhmer,  I,  880.  ■  HHStA.  Cod.  1049,  f.  86. 

»  Vgl.  Tangl,  Die  Grafen  von  Pfannberg,  AÖG.  XVUI,  189. 

"  ,Drei  bayerische  Traditionsbücher*,  S.  27. 

"  8.  Feyerabends  Tnmierbach,  Frankfurt  1578,  f.  75. 

*'  Stadl,   Ehrenspiegel   des   Herzogtums  Steiermark  m,   839;   StLA.,  Hs. 

Nr.  26. 
*'  Vgl.  Czoernig,  Das  Land  GOrs  und  Gradiska  658. 


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555 

de  Waise  ^  1273  Juni  24  und  —  wohl  derselbe  —  als  Kano- 
nikus des  Konstanzer  Bistums  1282  Oktober  2.'  Mehrere 
Schreiber  und  Notare  ,von  Waldsee^  haben  mit  der  FamiUe 
gleichfalls  nichts  zu  tun. 

II.  Jüngere  Hanptlinie :  Waldsee-Daohsperg. 

Diese  Nebenlinie  zweigte  mit  Wolfgang  I.,  einem  Sohne 
Eberhards  11.^  ab  und  saß  zu  Zell  (Eberhards-^  Wolfgangszell). 
Ob  Heinrich  IV.  ein  Sohn  Wolfgangs  11.  gewesen,  wie  Weiß- 
Starkenfels  annimmt,'  ist  zweifelhaft;  1325  ist  Zell  wieder  im 
Besitz  der  Hauptlinie  und  Heinrich  IV.  nannte  sich  nach  seinen 
dachspergischen  Gütern   westlich   vom   Lech   bei   Memmingen. 

1.  Wolfgang  I.,  Sohn  Eberhards  IH.  von  Waldsee,  von 
1269  September  24*  bis  1281  Mai  23*^  urkundlich  erwähnt; 
nach  den  Urkunden  von  1271  März  18 «  und  1275  Juli  21^ 
nennt  er  sich  zu  Zell.  Als  seine  Hausfrau  wird  in  letzterer  Ur- 
kunde eine  Schwester  des  Truchsessen  von  Waldburg  genannt. 

2.  Wolfgang  H.  tritt  von  1275  Juh  21  bis  1291  Okto- 
ber 16®  urkundlich  auf;  er  starb  vor  1311,  falls  sich  folgende 
Stelle  im  Zwettler  Stiftungsbuche  auf  ihn  bezieht:*  ,Item  in  die 
s.  Lucae  evangelistae  (Oct.  18.)  unum  plenarium  servicium  ex 
testamento  Wolf  kangi  Suevi,  cognati  dominorum  de  Waise  per 
abbatem  vel  cellerarium  ministretur.'  Damach  scheint  Wolf- 
gang n.  zu  seinen  Vettern  nach  Osterreich  gekommen  zu  sein. 

3.  Heinrich  IV.  von  Dachsberg  urkundet  1328***  in 
Schwaben  und  schließlich  als  ,der  alte  von  Waldsee  genant  von 
Dachsperg^  1341  Oktober  22^*  (Verzicht  auf  die  Stammgtiter) 
zu  Linz.  Weiß-Starkenfels  hält  ihn,  wohl  richtig,  für  Wolf- 
gangs n.  Sohn. 

Klara,  eine  geborene  Schenkin  von  Winterstetten  (Otels- 
wang)  ist  als  seine  Gattin  1328  und  bis  1362^*  als  seine  Witwe 
beurkundet. 


1  Zeitschr.  für  Gesch.  des  Oberrheins,  N.  F.,  XXYH,  232. 
*  Regesta  episcop.  Constant.  Nr.  2668. 
8  WSt.  673/4.  *  Wirtemberg.  Urk.-B.  VII,  60. 

«*  WSt  673.  •  Wirtemberg.  Urk.-B.  VU,  132.  '  Ebenda  381. 

»  WSt.  674.  »  FRA.,  2.  Abt.,  lU,  477. 

»°  Alberti,  Württemberg.  Adels-  nnd  Wappenbach  I,  116. 
"  UBoE.  VI,  396.  ^*  Baamann,  Gesch.  des  Allgäas  II,  586. 

ArchiT.  XCY.  Band.  U.  Hftlfte.  37 


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556 

4.  Heinrich  IX.,  Chorherr  am  Frauenmünster  zu  Zärich, 
1368*  beurkundet,  soll  nach  dem  Zurzacher  Totenbuche  1369 
Dezember  21*  gestorben  sein;  er  wird  noch  in  zwei  Züricher 
Urkunden  1373  Mai  27  und  Juli  21»  (ob  noch  am  Leben?) 
genannt. 

m.  Linie  Waltee-Lins. 

1.  Eberhard  IV.,  der  Stifter  der  Linie  Walsee-Linz,  er- 
scheint in  Urkunden  seit  1280  August  17,'  als  Landrichter  ob 
der  Ens  wird  er  genannt  von  1288  Januar  29*  bis  1325  Juni  15.^ 
Nach  dem  Calend.  Necrol.  Alberti  pleb.  starb  er  1325  Oktober  12,^ 
ebenso  nach  dem  St  Florianer  Calend.  Necrol.  Heinrici  prepositi.^ 

Seine  Hausfrau  war  Maria,  eine  Tochter  Heinrichs  U.  von 
Kuenring-Seefeld,  seit  1285  Gattin  des  1288  verstorbenen  Rein- 
precht  von  Ebersdorf.®  1289  November  20  noch  Witwe,  wird 
sie  als  Eberhards  IV.  Gattin  von  1290  Januar  2»  bis  1318 
Dezember  29^®  genannt;  sie  starb  1320  und  liegt  zu  ZwetÜ 
begraben.  ** 

2.  Eunigunde,  als  Eberhards  IV.  Tochter  und  Jans  von 
Kapellen  Verlobte  und  Hausfrau  genannt  1303  Mai  2^*  bis 
1342  Juni  24." 

3.  Eberhard V., Eberhards  IV. Sohn,  seit  1304 August  17" 
urkundlich  erwähnt.  Nach  seines  Vaters  Tode  Hauptmann  ob 
der  Ens,  blieb  er  mit  einer  Unterbrechung  von  ^*  1361  Dezem- 
ber 31  bis  1363  Januar  5,^^  wo  Jans  von  Traun  als  Hauptmann 
ob  der  Ens  auftritt  (in  der  vereinzelten  Urkunde  von  1354 
März  12^^  wird  Friedrich  11.  von  Walsee-Ens  nur  irrtümlich  als 
Hauptmann  ob  der  Ens  statt  zu  Ens  bezeichnet),  bis  1371  Fe- 
bruar 2^^  in  seinem  Amte.  Nach  dem  Nekrolog  von  Sensenstein^' 
starb  er  1371  April  21;  1371  August  26 ««  heißt  er  selig.   Daß 

»  WSt.  678.  «  M.  G.  Necrol.  I,  614. 

*  Winkelmann,  Acta  imp.  ined.  II,  108. 

*  UBoE.  IV,  82.  »  Ebenda  V,  424. 

*  JBMFC.  XXXIX,  18Ö.  '  Ebenda  XXXVI,  37. 

*  Frieß,  Die  Herren  Yon  Euenring  183. 

*  UBoE.  IV,  120.  "  FRA.,  2.  Abt.,  H,  668. 

1^  Cont.  Zwetlens.  M.  G.  SS.  IX,  681.  ^>  Mon.  Zollerana  II,  282. 

"  üBoE.  VI,  418.  1*  Ebenda  IV,  466.  »»  Ebenda  VIO,  56. 

»«  FRA.  XXI,  247.  "  UBoE.  VII,  363.  "  Ebenda  VIH,  50. 

'*  Kod.  ^/lO)  Strein,  Mscr.,  SchlÜsselberger  Archiv,  OberOsterreichisches  Lan- 

desarchiv,  Linz. 
"  UBoE.  Vm,  640. 


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557 

Eberhard  V.  eine  und  nicht  zwei  verschiedene  Persönlichkeiten 
war,  wie  Huber  wegen  seines  langen  Auftretens  vermutete,  geht 
aus  der  Urkunde  1377  März  1*  hervor. 

Eberhard  V.  war  dreimal  vermählt.  Zuerst  wird  Elsbeth 
von  Gutrat,  eine  Tochter  Kunos  von  Gutrat,  von  1304  August  17* 
bis  1314'  als  seine  Hausfrau  genannt,  die  auch  im  Sensen- 
Steiner  Nekrolog  erscheint.  Als  seine  zweite  Gattin  wird  Anna, 
nach  Urkunde  1352  Mai  5*  eine  Tochter  Hertneids  von  Losen- 
stein, seit  1321  Dezember  1^  genannt.  Daß  die  im  Nekrologe 
von  Sensenstein  als  1351  verstorben  angeführte  Anna  von  Neu- 
haus nicht  die  Gattin  Eberhards  V.  war,  geht  aus  den  die 
Identität  Annas  beweisenden  Urkunden  von^  1336  August  19, 
1352  Mai  5  und  1354  März  15'  hervor.  Anna  von  Losenstein 
ist  bis  1355  Februar  22®  beurkundet  und  starb  nach  demWil- 
heringer  Nekrologe  '  und  nach  dem  Calend.  Necrol.  Heinrici  pre- 
positi^^  an  einem  2.  Februar  unbekannten  Jahres.  Mit  einer 
dritten  Hausfrau,  nach  Urkunde  1378  November  5^^  wohl  aus 
dem  Hause  der  Pettauer,  vermählte  sich  Eberhard  V.  um  1360, 
da  der  Sohn  aus  dieser  Ehe,  Georg,  noch  1374  ungevogt  war.** 
Nach  Strein  hieß  diese  Pettauerin  Floringa.  Sie  ist  offenbar 
identisch  mit  jener  Floromey  (der  Name  ist  einem  zeitgenössi- 
schen Ritterromane  entnommen),  die  nach  einem  stubenbergischen 
Archivsverzeichnisse  1350  *•  mit  dem  zu  Weihnachten  1360 
(1359?)  verstorbenen  Heinrich  von  Meissau  vermählt  war.  Eber- 
hard V.  mag  dann  die  Witwe  1360/61**  heimgeführt  haben. 
Jedenfalls  entstammt  Georg  dieser  dritten  Ehe,  da  die  1321 
bereits  verheiratete  Anna  von  Losenstein  unmöglich  noch  1360 
einem  Sohne  das  Leben  schenken  konnte.  In  der  Urkunde  1394 
März  29,^*  in  welcher  Jörg  von  Walsee-Linz  von  Anna  als  seiner 
(Stief-)mutter  spricht,  ist  daher  Eberhards  V.  erste  oder  zweite 
Gemahlin  gemeint 


1  Orig.  StAEferding.  «  UBoE.  IV,  465.  »  WSt.  680. 

•  UBoE.  Vn,  280.  »  FRA.,  2.  Abt.,  VI,  29Ö. 

•  UBoE.  VI,  216.  »  FRA.  LI,  479.  «  UBoE.  VII,  403. 

•  Grillnberger,  Das  Totenbach  von  Wilhering  38. 
^«  JBMFC.  XXXVI,  88—39.  "  NB.  I,  374. 

**  Kod.  »/lo,  Strein,  Mscr.,  a.  a.  O.  "  Anszng  StLA.  Nr.  2416«. 

^*  Vgl.  Pölzl,   Die  Herren  yon  Meissan,   Blätter  des  Vereines  fQr  Landes- 
kunde Yon  NiederOsterreich  XIV,  390. 
^^  Hagn,  Urkandenbnch  yon  Kremsmtinster  340. 

37* 


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558 

4.  Dorothea,  eine  Tochter  Eberhards  IV.  und  Marias  von 
Kuenring,  war  etwa  1330 — 1343  mit  dem  1343  verstorbenen 
Reinprecht  II.  von  Ebersdorf  vermählt  (?).  ^ 

6.  Margret,  als  Gattin  Albers  von  Volkenstorf  von  1329 
Juni  8*  bis  1334  April  7  genannt,  ist  wohl,  wie  Weiß-Starken- 
fels' richtig  annimmt,  eine  Tochter  Eberhards  V.  von  Walsee- 
Linz,  nicht  eine  Schwester  des  Jans  von  Kapellen,  woftlr  sie 
Wirmsberger  hielt.* 

6.  Eberhard  Vn.,  Eberhards  V.  Sohn,  wird  urkundlich 
von  1335  Oktober  27*  bis  1351«  erwähnt. 

Mit  vieler  Wahrscheinlichkeit  dürfte  die  im  Seusensteiner 
Nekrologe  genannte  Anna  von  Neuhaus  die  Gattin  dieses  Eber- 
hard (Vn.)  und  nicht  die  seines  Vaters  Eberhard  V.  gewesen 
sein.  Denn  auch  das  Nieder-Walseer  Archivinventar  von  1545 
führt  f.  65'  ein  Testament  der  ,Anna  von  Neuhaus,  Hausfrau 
Eberhards  von  Wallsse'  von  1350  an.  Da  von  allen  Eberharden, 
die  um  diese  Zeit  lebten  (Eberhard  V.  und  VI.),  die  Gattinnen 
bekannt  sind,  bei  Eberhard  VU.  sowohl  das  Alter  als  die  Un- 
genauigkeit  der  Seusensteiner  Aufzeichnung  leicht  in  Einklang 
zu  bringen  sind,  dürfte  Anna  von  Neuhaus  wohl  an  diese  SteUe 
zu  setzen  sein.  Diese  Annahme  wird  zur  Gewißheit  durch  das 
Frauensiegel  an  Urkunde  1335  Januar  8,  Orig.  Linz,  Stadt- 
archiv. Die  Sieglerin  ,frau  Ann  von  Waise'  führt  darin  den 
Balkenschild  der  Walseer  und  als  ihr  Geburtswappen  —  die 
Witigonenrose  der  Neuhauser.  Da  Eberhard  VU.  1335  bereits 
an  die  20  Jahre  zählte,  kann  er  damals  ganz  wohl  schon  ver- 
mählt gewesen  sein.  Anna  mag  im  Jahre  ihrer  Testaments- 
errichtung, ihr  Gatte  im  Jahre  darauf  gestorben  sein. 

7.  Heinrich  V.,  Eberhards  V.  Sohn  zweiter  Ehe,  von  1336 
August  19^  bis  1352  November  11®  in  Urkunden  genannt 

8.  Agnes,  eine  Tochter  Eberhards  V.,  tritt  von  1343  No- 
vember 15*  bis  1353  Juli  28^®  als  Gattin  des  Grafen  Johann 
von  Pemstein  auf. 

9.  Georg,  der  Sohn  aus  Eberhards  V.  dritter  Ehe, 
zuerst  1365  Januar  21*^  in  einer  Seckauer  Urkunde  erwähnt, 


*  Topographie  von  Niederösterreich  IV,  429.  *  NB.  IV,  84. 

»  WSt.  689.  *  Die  Dynasten  von  Volkenstorf  163. 

^  UBoE.  vn,  183.  «  WSt.  680.  »  UBoE.  VI,  216. 

«  Regesto  Boica  VIII,  265.  »  NB.  IV,  126. 

*<>  Zeitschr.  ,Adler*  VI,  75.  »»  Orig.  HHStA. 


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559 

urkundet  bis  1400  Januar  28.^   Nach  dem  Seusensteiner  Toten- 
buche starb  er  in  diesem  Jahre. 

Als  seine  Hausfrau  wird  seit  1385  September  30*  Mar- 
gret, eine  Tochter  des  Grafen  Gregor  von  Curbau  und  nach 
Urkunde  1387  April  26'  Witwe  Uhichs  des  Weißeneckers,  bis 
1395  April  30*  genannt.  Ein  Söhnlein  aus  dieser  Ehe,  Eber- 
hard X.,  starb  nach  dem  Seusensteiner  Totenbuche  1400  kurz 
vor  seinem  Vater. 

10.  Eine  ungenannte  Tochter  Eberhards  V.  und  Schwester 
Georgs  von  Walsee-Linz  war  nach  den  Urkunden  von*  1378 
März  21  und  1410  September  29^  mit  Heinrich  HL  von  Liech- 
tenstein-Nikolsburg  vermählt. 

11.  Katharina,  Eberhards  V.  Tochter  und  Georgs  Schwester, 
war  laut  Urkunde  1374  März  5^  mit  Alber  IV.  von  Puchheim 
vermählt;  1399^  ist  Katharina  tot  und  ihr  Gatte  bereits  zum 
zweiten  Male  verheiratet. 

IV.  Linie  Walsee-Ens. 

1.  Heinrich  I.,  Gründer  der  Linie  Walsee-Ens,  1282 
Mai  21^  zuerst  urkundlich  genannt;  er  urkundet  1300  März  2^^ 
als  Landrichter  zu  Wachsenberg  und  seit  1309  Juli  25*^  als 
Burggraf  (Hauptmann)  zu  Ens  bis  1323  Februar  5.^*  Als  seinen 
Todestag  gibt  das  Calend.  Alberti  pleb.  Februar  25,  ^*  sein  Grab- 
stein zu  Ens  1326  März  1**  an;  1326  März  20 1»  wird  er  als 
bereits  verstorben  erwähnt. 

Er  war  seit  1290^*  mit  Elsbeth  von  Starhenberg,  der 
Witwe  Eberhards  von  Tellesprunn,  vermählt,  welche  1301 
Mai  11^^  bis  1323  Februar  5  als  seine  Hausfrau  beurkundet 
ist;  das  Calend.  Alberti  pleb.'®  und  ihr  Grabstein  zu  Ens  geben 
als  ihren  Todestag  1326  Juni  21  an. 


»  Orig.  HHStA.  *  NB.  IV,  594.  »  HHStA.,  Kod.  Suppl.  408,  f.  10. 

<  Orig.  StLA.  Nr.  3844.  »  NB.  IV,  Ö66. 

«  Orig.  Liechtenstein.  Archiv,  Wien.  '  NB.  IV,  534. 

•  Zeitschr.  ,Adler*  XVII,  152. 

*  Böhmer-Redlich,  Reg.  Imperii  VI,  r.  1659. 

»0  UBoE.  IV,  232.  "  Ebenda  V,  22.  i«  Ebenda  337. 

^'  JBMFC.  XXXIX,  129.  ^*  So  aach  Hoheneck,  Genealogie  III,  816. 

"  FRA.  LI,  320. 

"  Hoheneck,  Genealogie  m,  816;  Zeitschr.  ,Adler*,  N.  F.  IV,  50. 

"  ÜBoE.  IV,  390.  "  JBMFC.  XXXIX,  127. 


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560 

2.  Heinrich  11.,  Heinrichs  I.  Sohn,  in  Urkunden  1318 
JuU  4^  bis  1334  Mai  7*  genannt;  als  seinen  Todestag  gibt 
das  Calend.  Alberti  pleb.  Juli  26  an.'  Nach  einer  Urkunde 
von  1334  September  13*  dürfte  er  zu  dieser  Zeit  bereits  tot 
gewesen  sein. 

Seine  seit  1330  September  17^  erwähnte  Gattin  Adelheid, 
eine  Tochter  Bertholds  von  Aichheim,  ist  1340  Juni  15^  bereits 
wieder  mit  Rudolf  V.  dem  Jungen  von  Liechtenstein -Murau 
vermählt. 

3.  Reinprecht  L,  Heinrichs  I.  Sohn,  wird  von  1318 
Juh  41  bis  1360  Juni  12^  urkundlich  erwähnt  und  heißt  1361 
April  18  seUg.®  Als  Hauptmann  (Burggraf)  zu  Ens  urkundet  er 
seit  1334  September  13.*  Als  herzoglicher  Verweser  zu  Krems 
wird  er  1360  Juni  24*  und  nochmals  1356  Februar  17,®  unter 
Herzog  Rudolfs  IV.  Räten  1368  November  10*^  und  als  Pfleger 
und  Verweser  der  Güter  der  Burggrafen  von  Nürnberg  in 
Österreich  1359  September  25  ®  genannt.  Daneben  wird  er  von 
1359  Mai  20  ^^  bis  1360  Juni  12  ^^  als  Hauptmann  und  Burg- 
graf von  Steier  erwähnt. 

Er  war  zweimal  vermählt;  Elsbeth,  eine  Tochter  des 
Truchsessen  Christian  von  Lengenbach  (Viehofen),  wird^*  1333 
Dezember  15  bis  1344^*  als  seine  Hausfrau  genannt.  Nach 
der  Dürrensteiner  Jahrtagstiftimg  von  1347  November  25*'  ist 
sie  schon  tot  und  Reinprecht  1350  bereits  abermals  mit^*  Els- 
beth von  Starhemberg  verheiratet,  die  sich  urkundlich  1350,*' 
1351  Mai  26  und  bis  1358  März  15*»  als  seine  Gattin 
nachweisen  läßt.  Sie  war  1368  November  12**  bereits  ver- 
storben. 

4.  Friedrich  H.,  Heinrichs  I.  Sohn,  seit  1318  Juli  4* 
beurkundet,   war   neben   Reinprecht   I.  Burggraf  zu  Ens.     Bis 


1  UBoE.  V,  220 

*  Bl&tter  des  Vereines    für  LaDdeskiiDde  von  NiederOsterreich  X,  42. 
»  JBMFC.  XXXIX,  129.  *  NB.  IV,  102. 

»  RegesU  Boica  VI,  844.  •  NB.  IV,  107. 

'  Wichner,  Gesch.  Yon  Admont  HI,  63.  ^  Orig.  StAEferding. 

*  Faigl,  Urkandenbuch  des  Stiftes  Herzogenbarg  220. 
10  Knrz,  Handel  396.  "  UBoE.  VII,  649. 

"  Wichner,  Gesch.  von  Admont  m,  68.  *»  LB.  II,  r.  1962. 

"  WSt.  ö9ö.  ^  Orig.  StiftSÄTchiv  Herzogenburg. 

"  Vgl.  darüber  WSt.  592.  "  Inventar,  f.  63';  NB.  I,  887. 

^  OBoE.  Vn,  566.  »•  KeibUnger,  Gesch.  von  Melk  II,  261. 


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561 

1355  März  12^  erscheint  er  in  Urkunden  genannt;    1355  Ok- 
tober  27  *  heißt  er  selig. 

Seine  Hausfrau  Kunigund^  Rudolfs  von  Liechtenstein- 
Murau  Tochter,  wird  1346  März  22»  und  noch  1356  Sep- 
tember 12'  als  seine  Witwe  erwähnt. 

5.  1303  August  15^  werden  in  einem  Testamente  Hein- 
richs I.  zwei  ungevogte  Töchter  genannt.  1344  April  24^ 
nennen  Alber  und  Hartneid  von  Sensenstein  Reinprecht  I.  und 
Friedrich  H.  von  Walsee-Ens  ihre  Oheime,  eben  diese  nennen 
1348  Juni  22«  Alber  von  Rauhenstein  ihren  Oheim  und  1377^ 
nennt  Hans  von  Stadeck  Heinrich  VI.  von  Walsee-Ens  seinen 
Oheim  —  eine  Bezeichnung,  die  damals  zwischen  Oheim  und 
Neffen  wechselseitig  gebraucht  wurde.  Einer  von  Rauhenstein 
und  ein  Stadecker  erheben  1349  März  29®  Erbansprüche  an 
die  Walseer  zu  Ens,  die  sie  aus  ihren  Ehen  mit  Töchtern  Hein- 
richs I.  ableiten.  Die  eine  derselben  läßt  sich  sicherstellen:^ 
Gueta,  die  als  Gattin  Hertneids  H.  von  Stadeck  1318  März  28*<> 
bis  1331  Februar  24^^  beurkundet  ist;  wohl  identisch  mit  der 
Tueta  (Gueta)  von  Stadeck,  der  das  Nekrolog  von  Renn**  zu 
September  13  gedenkt. 

6.  Elsbeth,  Tochter  aus  Reinprechts  I.  erster  Ehe,  von^* 
1351  Mai  26  bis  1374  Juli  25**  beurkundet;  sie  war  nach  Ur- 
kunde 1357  März  29  *»  mit  Konrad  von  Pottendorf  vermählt. 

7.  Agnes,  Tochter  aus  Reinprechts  I.  Ehe,  von  1351 
Mai  26  bis  1380  Juni  26*^  als  Hausfrau  und  Witwe  Josts  von 
Rosenburg  urkundlich  genannt.  Nach  dem  Stiftungsbuche  von 
Hohenfurt  starb  sie  Mai  14,^^  nach  dem  Totenbuche  des  Ela- 
rissinnenklosters  zu  Erumau  1402  Mai  17.^^ 

8.  Rudolf  I.,  Reinprechts  I.  Sohn,  urkundlich  1357 
Juni  25'®  zuerst  erwähnt,  wo  seine  Verlobung  mit  Anna,  Diet- 
richs von  Hohenberg  Tochter,  rtlckgängig  gemacht  wird.  1366  ^*  (?) 


*  NB.  IV,  818.  »  Ebenda  I,  348.  »  Ebenda  IV,  337. 

*  NB.  n,  874.  »  UBoE.  VI,  476.  •  FBA.  LI,  441. 
»  NB.  I,  374.             •  NB.  U,  316. 

"  Vgl.  Weinhold,    Der  Minnesinger    yon    Stadeck    und    sein    Geschlecht, 

Sitzungsberichte  der  Wiener  Akad.  der  Wissensch.  XXXV,  168. 
10  PRA.  XVm,  162.  "  Urk.  1331  Februar  24;   Kop.  StLA.  Nr.  2001«. 

"  M.  G.  Necrol.  II,  361.  "  NB.  I,  337.  "  Ebenda  372. 

1»  NB.  m,  421.  "  AÖG.  XXm,  387. 

"  SitBungsberichte  der  Prager  Akad.  der  Wissensch.  1887. 
»  NB.  IV,  338.  >•  Kurz,  Albrecht  ni.,  Bd.  I,  202. 


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562 

sowie  1372  Mai  12^  bis  1373  September  13  erscheint  er  als 
Landvogt  in  Schwaben  und  im  Elsaß.  Von  1373  April  26*  bis 
1379  September  4'  in  der  Steiermark  als  Hauptmann  nach- 
weisbar^ tritt  er  als  Landmarschall  in  Österreich  1384  März  3^ 
bis  1397  Februar  2^  in  Urkunden  auf  und  läßt  sich  als  Hof- 
meister Herzog  Wilhelms  nachweisen  von  1398  November  12* 
bis  1404  Mai  18.  ^  Zum  letzten  Male  überhaupt  ist  er  1405 
Januar  27  ^  beurkundet.  Er  starb  nach  dem  Seusensteiner  Ne- 
krolog im  Jahre  1405»  und  heißt  1405  Mai  9  selig.*® 

Rudolf  I.  war  mit  Agnes  von  der  Leippe  vermählt,  welche 
seit  1374  Juli  4**  als  seine  Hausfrau,  als  seine  Witwe  noch 
1408  März  18"  erwähnt  wird. 

9.  Reinprecht  H.,  Reinprechts  L  Sohn,  urkondet  seif 
1363  Juni  5,  seit  1379  Oktober  18  **  als  Hauptmann  ob  der 
Ens.  Sodann  wird  er  als  Hofmeister  Herzog  Albrechts  IV. 
1395  September  14**  bis  1397  Januar  6"  und  als  Hofmeister 
Herzog  Albrechts  V.  seit  1412  Juli  16**  genannt;  zum  letzten 
Male  urkundet  er,  noch  als  Hofmeister  und  Hauptmann  ob  der 
Ens,  *^  1422  April  15.  Er  verschied  nach  den  Nekrologien  von 
Spital*^  am  Pyhm  und  Sensenstein^  sowie  nach  Preuenhuber" 
1422  JuH  2. 

Reinprecht  H.  war  dreimal  vermählt  Zuerst  mit  Katharina, 
Tochter  des  Hans  von  Liechtenstein-Nikolsburg,  welche  als  seine 
Hausfrau  von  1370  Juni  23"  bis  1395  Februar  7««  urkundet 
und  noch  1397  —  ob  noch  am  Leben?  —  erwähnt  wird.** 
Reinprechts  H.  zweite  Gattin  war,  was  Weiß-Starkenfels  mit 
Unrecht  bestritt,  **  Anna,  eine  Tochter  Eberhards  von  Kapellen. 
In  seinem  Testamente   von   1406  Dezember  18*'  nennt  Eber- 


1  Urkundenbach  der  Stadt  Straßburg  V,  781  und  825. 

*  Kop.  StLA.,  Nr.  3163.  •  NB.  IV,  562.  *  Ebenda  698. 
»  LB.  V,  r.  146.            «  Monumenta  Boica  XXX»,  478. 

'  Orig.  StLA.,  Nr.  4160*.  »  Orig.  StAEferding. 

*  Strein,  Mscr.,  a.  a.  O. 

»^  Orig.  Schwanenberg.  Archiv  Wittingan,  Familie  Walsee,  Registratur. 

"  NB.  IV,  636.  ^  Orig.  Schwarronberg.  Archiv  Wittingau,  a.  a.  O. 

»»  UBoE.  Vra,  161.  1*  Orig.  HHStA. 

"  Orig.  Stiftsarchiv  St  Florian. 

w  FRA.  LH,  186.  "  AÖG.  LXXH,  119. 

"  Annales  Styr.  869.  *•  NB.  IV,  437. 

*»  Kurx,  Albrecht  HI.,  Bd.  II,  306—310. 

«  InvenUr,  f.  8.  «  WSt  601.  »  JBMFC.  VI,  159. 


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563 

hard  von  Kapellen  Reinprecht  II.  von  Walsee  seinen  Eidam; 
nach  dem  einstigen  Grabsteine  Reinprechts  U.  in  Sensenstein, 
auf  dem  sie  als  seine  Gattin  genannt  war,  fUhren  sie  Strein 
und  nach  diesem  Hoheneck  an.  Schließlich  wird  sie  in  der 
Urkunde  1417  März  26^  als  Reinprechts  U.  verstorbene  Gattin 
ausdrücklich  erwähnt;  sie  mag  mit  ihm  zwischen  den  Jahren 
1398 — 1405  vermählt  gewesen  sein.  Nach  ihrem  Tode  ging 
Reinprecht  II.  eine  dritte  Ehe  mit  Katharina,  einer  Tochter 
Haugs  VI.  von  Tibein  ein,  welche  von  1406  Juli*  6  bis  1418 
Januar  25'  als  seine  Hausfrau  und  als  seine  Witwe  noch  1427 
Dezember  29^  urkundet.  Sie  starb  nach  Strein  1435)  De- 
zember 21. 

10.  Anna,  eine  Schwester  Rudolfs  I.,  Reinprechts  II.  und 
Friedrichs  V.  —  wohl  älter  als  letzterer  —  wird  1373  Juni  6  * 
als  verstorbene  Gattin  Haugs  VI.  von  Tibein  erwähnt. 

11.  Friedrich  V.,  der  jüngste  der  Brüder,  1368  Novem- 
ber 12«  zuerst  beurkundet,  wird  von  1391  März  27^  bis  1895 
Mai  19^  als  Herzog  Leopolds  Hofmeister  genannt  und  erscheint 
1396  März  12^  als  Herzog  Wilhelms  Rat.  Als  Landmarschall 
in  Osterreich  ist  er  nachweisbar  von  1403  Februar  6*®  bis 
1405  April  21.^^  Schließlich  wird  er  als  Herzog  Leopolds 
Hofmeister  in  Urkunde  von  1406  Dezember  4^*  bis  1408 
Januar  3*'  erwähnt  und  urkundet  noch  bis  1408  März  9.**  Er 
starb  in  der  Fasten  dieses  Jahres  an  den  Folgen  eines  Pulver- 
zündschlages auf  Schloß  Nieder -Walsee.  ^^ 

Auch  Friedrich  V.  war  dreimal  vermählt  Als  seine  erste 
Hausfrau  wird  1384  Juni  10*«  bis  1390  März  25  Anna,  eine 
Tochter  Friedrichs  von  Winkel,  erwähnt;  als  ihren  Todestag 
imbekannten  Jahres  gibt  das  Nekrolog  von  Lilienfeld  ^^  Okto- 
ber 21  an.    Ita,  Tochter  Engelhards  von  Weinsberg,  erscheint 


»  Orig.  HHStA.  •  NB.  I,  881.  »  Ebenda  II,  309. 

*  Hoheneck,  Genealoge  III,  824.  »  LB.  IV,  r.  1128. 
^  Eeiblinger,  Gesch.  yon  Melk  II,  261. 

*  Plancher,  Hlstoire  de  Boorgogne  m,  Nr.  CL. 

<^  Reichstagsakten  11,  396.  *  HHStA.,  Kod.  16. 

^^  Wretschko,  Das  Osterreichische  Marsohallamt  284. 

"  LB.  V,  r.  699.  "  NB.  IX,  277. 

^  Kons,  Albreoht  V.,  Bd.  I,  820.  ^«  Ebenda  824. 

»  Vgl.  Ebendorfer,    Pez,    88    Ber.   Anstr.   II,    888;    Anon.  Vien.  Chron., 

ebenda  648;  El.  Elostemenbnrger  Chronik,  AÖG.,  2.  Abt,  VH,  289. 
»•  NB.  IV,  694  nnd  601.  "  FBA.  XLI,  161. 


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564 

als  Friedrichs  V.  zweite  Hausfrau  von  1395  Juni  2^  bis  1396 
April  24.*  Friedrichs  V.  dritte  Gbittin  Dorothea  von  Starhem- 
berg  wird  in  einem  unrichtig  datierten  Testamente  Friedrichs  V. 
von  1399  Juni  23  •  (richtig  statt  1390,  wie  aus  den  Hoftmtem 
hervorgeht)  und  als  seine  Witwe  1408  Juli  31*  genannt.  Sie 
vermählte  sich  nachmals  noch  mit  Hartneid  von  Pottendorf  und 
starb  1419.* 

12.  Dorothea,  Tochter  Reinprechts  L,  urkundet  1376 
März  20^  als  Hausfrau  und  noch  1398  Mai  10«  als  Witwe  Wul- 
fings  von  Stubenberg. 

13.  Anna,  Tochter  Friedrichs  I.  von  Walsee-Ens,  seit 
Ende  1345,'  anfangs  1346  Gattin  des  1349  verstorbenen  Jo- 
hann n.  von  Kuenring-Seefeld;  ab  dessen  Witwe  verfaßt  sie 
1368  Mai  31  ihr  Testament.» 

14.  Agnes,  Tochter  Friedrichs  H.  von  Walsee-Ens  und 
seiner  Hausfrau  Kunigund,  erwähnt  seit  1351  Mai  17,^  ver- 
zichtet als  Gemahlin  des  Nikla  von  Chiau  1361  November  29* 
auf  ihr  väterliches  Erbe. 

15.  Friedrich  VI.,  Friedrichs  H.  Sohn,  seit  1351 
Mai  17^  beurkundet,  wird  als  Landmarschall  in  Osterreich  seit 
1367  Juni  12,  ^^  sicher  noch  bis  1368  Mai  3,"  als  Hauptmann 
in  der  Steiermark  1369  Dezember  18^*  genannt.  Nach  Urkunde 
1370  November  19"  sowie  nach  der  gefälschten,  indes  viel- 
leicht doch  nach  einer  echten  Vorlage  datierten  Urkunde  von 
1372  April  6^*  war  Friedrich  VI.  wieder  LandmarschalL  Da 
der  im  Totenbuche  von  Klein-MariazelP*  zu  Dezember  11  ge- 
nannte Fridericus  de  Waise  laicus  nach  seinem  Sterbetage 
weder  Friedrich  I.  oder  H.  noch  HI.  sein  kann  und  wohl  der 
Linie  des  Hauses  Walsee  von  Ens  angehört,  die  durch  Hein- 
richs VI.  Heirat  mit  einer  von  Hohenberg  Beziehungen  zum 
nahen  Klein-Mariazell  haben  konnte,  dürfte  dann  Friedrich  VI., 


1  LB.  IV,  r.  2487.  «  Orig.  HHStA.  »  NB.  I,  378. 

*•  Schwerdling,  Gesch.  des  Hauses  Starhemberg  119. 

•  Orig.  StAEferding.  •  Orig.  NiederOsterr.  Landesarchiy,  Wien. 
^  Frieß,  Die  Herren  von  Kuenring  194.  «  Ebenda,  r.  Sil. 

*  Vgl.  Lang,  Monnmenta  Salzbnrgo-Aquilegensia  H,  337. 

"  Feigl,  Urk.-B.  des  Stiftes  Hersogenburg  250.  "  NB,  IV,  433. 

**  LB.  IV,  r.  944.  "  Orig.  StLA.  Nr.  3098  •. 

"  Blätter  des  Vereines  für  Landesknnde  von  Niederösterreich  XXI,  376. 
"  Studien  und  Mitt.  des  Benediktiner-  und  Zisterzienserordens  II,  42. 


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565 

der   1373   Mai   26*    selig  heißt,    1372  Dezember  11    verschie- 
den sein. 

Seine  Gattin  wird  nirgends  genannt;  vielleicht  war  sie 
eine  Meissauerin. 

16.  Wolfgang  HI.,  Sohn  Friedrichs  ü.,  von  1351  Mai  17« 
bis  1357  Dezember  26'  urkundlich  erwähnt.  Er  wurde  Kleriker 
und  erhielt  die  Pfarren  Münster  und  Riegersburg;  wahrschein- 
lich ist  er  schon  1360  Januar  3,*   sicher  1361  August  3^  tot. 

17.  Heinrich  VI.,  Sohn  Friedrichs  11.,  zuerst  1351 
Mai  17'  urkundlich  genannt,  ist  als  Hauptmann  ob  der  Ens 
1374  Dezember  12 «  bis  1379  August  18^  beurkundet,  ferner 
1385  als  Hauptmann  zu  Wiener-Neustadt.  1393  Juni  5*  er- 
scheint er  als  Rat  Herzog  Albrechts  HI.  und  wird  1395  De- 
zember 29*  Rat  der  Herzoge  Albrecht  IV.  und  Wilhelm;  zum 
letzten  Male  urkundet  er  1398  Mai  31.^^  Nach  dem  Nekrolog 
von  Klein-MariazelP*  starb  er  September  10,  nach  dem  von 
Lilienfeld  ^«  1398  September  13.  1398  November  12 1»  heißt 
er  selig% 

Seine  Gemahlin  Anna  von  Hohenberg  wird  1381  Juni  13** 
als  bereits  verstorben  erwähnt. 

18.  Elsbeth,  Schwester  Friedrichs  VT.  und  Heinrichs  VI., 
nach  Urkunde  1360  Juli  4*^  Hausfrau  Konrads  von  Meissau; 
sonst  nicht  genannt,  auffalleiiderweise  auch  nicht  in  Urkunde 
1351  Mai  17,  die  alle  Kinder  Friedrichs  H.  anfuhrt. 

19.  Ursula,  Schwester  der  Vorigen,  erwähnt  bereits  1351 
Mai  17,  war  1361  April  21  *^  noch  ledig  und  urkundet  als  Witwe 
Gundakers  von  Polheim  1366  September  29"  bis  1370  Januar  25." 

20.  Reinprecht  IV.,  Reinprechts  H.  Sohn,  zuerst  1414 
September  12^^  erwähnt,  als  Hauptmann  ob  der  Ens  seit  1421 
April  27,  «0  beurkundet  bis  1450  Februar  28.^0  Nach  dem 
Totenbuche  von  Lilienfeld  starb  er  1450  März  3;*^  sein  Grab- 
stein zu  Sensenstein'^  gibt  den  18.  März  als  Todestag  an. 

^  NB.  IV,  583.  <  Lang,  a.  a.  O.         *  Ebenda  431.         «  Ebenda  490. 

»  UBoE.  Vm,  41.  «  Monnm.  Zollerana  VI,  801.  '  LB.  IH,  r.  1423. 

•  LB.  IV,  r.  2237.  •  LB.  V,  r.  15.  "  Kop.  Linzer  Mnsealarchiv. 

^^  Stadien  nnd  Mitt.  des  Benediktiner-  nnd  Zisteraienserordens  II,  80. 

"  FRA.  XLI,  144.  «  Monumenta  Boica  XXX»,  478. 

"  LB.  IV,  r.  1961.  "  NB.  IV,  348.  »•  Ebenda  538. 

"  WSt.  693.  ^«  Orig.  Linzer  Muaealarchiv. 

!•  HHStA.,  Kod.  16,  f.  104'.  «•  NB.  U,  10.  "  FRA.  XLI,  66. 

^  Mitt.  nnd  Berichte  des  Wiener  Altertomsyereines  XI,  208. 


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566 

Katharina,  Tochter  Heiorichs  von  Rosenberg,  erscheint 
seit^  1418  April  16  als  seine  Verlobte,  seit  1421  April  27'  als 
seine  Gattin  und  als  seine  Witwe  noch  1455  Januar  10.' 

21.  Barbara,  Tochter  Reinprechts  II.  aus  dessen  dritter 
Ehe,  wird  1428  Oktober  8*  als  Gattm  Niklas  Frangipani, 
Grafen  zu  Veglia  und  Modrusch  genannt;  bis  1430  März  7  be- 
urkundet.* 

22.  Zwei  jung  verstorbene  Kinder  Friedrichs  V.,  Christoph 
und  Katharina,  führt  das  Seusensteiner  Nekrolog  und  darnach 
Strein*  an. 

23.  Afra,  eine  Tochter  Friedrichs  VI.  von  Wabee-Ens,  seit 
1373  Mai  26 ^  urkundlich  erwähnt,  seit  1383  April  24«  als 
Hausfrau  des  1395  verstorbenen  Hertneid  von  Liechtenstein- 
Nikolsburg.  Seit  1396^  mit  Alber  Stuchs  von  Trautmannsdorf 
(f  1406)  vermählt,  ^®  urkundet  sie  bis  1427  als  dessen  Witwe. 
Nach  ihrem  Grabstein  in  der  Kirche  zu  St.  Maria  am  Gestade 
zu  Wien  starb  sie  im  Jahre  1439.** 

24.  Agnes,  Tochter  Reinprechts  IV.,  wird  seit  1423 
April  18**  als  Verlobte  des  Ghrafen  Bernhard  von  Schaunberg 
genannt.  Als  dessen  Gattin  ist  sie  bis  1466  November  23*^ 
beurkundet;  nach  dem  Wilheringer  Totenbuche  ist  sie  1470 
August  15*^  gestorben. 

25.  Nach  Strein*^  starben  Rudolf  II.,  ein  Söhnlein  Rein- 
prechts rV.,  und  zwei  Töchter  desselben  in  jungen  Jahren  und 
wurden  in  Sensenstein  begraben. 

Eine  dieser  Töchter  dürfte  jene  Elsbeth  sein,  die  1425,^^ 
wohl  noch  als  Kind,  mit  dem  gleichfalls  noch  ungevogten  Bern- 
hard von  Meissau  verlobt  wurde  und  gleich  demselben  noch 
vor  erlangter  Mtlndigkeit  starb. 


^  Orig.  OberOsterreichifcheB  Landesjurchiy,  Linz.  *  NB.  U,  10. 

»  Kop.  Linser  Musealarchiv;  vgl.  WSt.  602.  *  Vgl.  W8t.  602. 

^  Vgl.  das  Schreiben  1480  März  7;  Kop.  Linser  Mosealarchiv. 

'  Kod.  '/lot  Strein,  Mscr. ;  OberOsterreichisches  Landesarchiv. 

'  NB.  IV,  688.  •  NB.  I,  876. 

•  Vgl.  ürk.  1396  Juni  17;  Orig.  HHStA.  »•  WSt  693. 

1^  Vgl.  Min.  der  Zentralkommission,  Bd.  II,  70;  Neue  Folge  Bd.  XVU,  115. 

"  WSt.  603. 

"  StÜls,  Die  Grafen  von  Schaunberg,  Denkschr.  der  Wiener  Akademie  der 

Wissensch.  XII,  r.  1064. 
1*  Grillnberger,  Das  Totenbuch  von  Wilhering  129. 
**  Kod.  '/lo;  Oberösterreichisches  Landesarchiv.  "  Inventar,  £  64. 


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567 

26.  Wolfgang  V.,  Reinprechts  IV.  älterer  Sohn,  ist  seit 
1450  Februar  26^  beurkundet,  als  Hauptmann  ob  der  Ens  seit 
1452  März  24.*  Sodann  wird  er  oberster  Hauptmann  in  Oster- 
reich ob  und  unter  der  Ens,  1454  August  10,'  als  Nachfolger  des 
Ulrich  Eizinger  und  erscheint  bis  1455  November  6*  als  solcher. 
Als  Hofmeister  Erzherzog  Albrechts  VI.  von  1458  September  21  * 
bis  1462  Juni  20^  nachweisbar,  urkundet  er  bis  1466  Mai  3^ 
als  Hauptmann  ob  der  Ens,  zum  letzten  Male  überhaupt  1466 
September  10.  "^  Nach  dem  Nekrolog  von  Spital  am  Pyhrn  starb 
er  1470  Oktober  4^  (irrtümlich  statt  1466)  und  liegt  in  Fiume 
begraben.  • 

Laut  Heiratsbrief  von  1454*®  vermählte  sich  Wolfgang  IV. 
vor  1454  August  6**  mit  Veronika,  Tochter  des  (bairischen) 
Grafen  Alram  von  Ortenburg,  bis  1460  Januar  10**  als  seine 
Hausfrau  genannt;  1461  Oktober  31  *' war  sie  bereits  tot.  Ihre 
Elhe  war  kinderlos  gebUeben. 

27.  Reinprecht  V.,  Reinprechts  IV.  jüngerer  Sohn,  in 
Urkunden  seit  1450  Februar  26*  erwähnt,  findet  sich  als  Haupt- 
mann ob  der  Ens  genannt  von  1467  März  24**  bis  1478,  hier- 
auf 1481  November  29**  als  Rat  K.  Friedrichs.  Er  wird  ur- 
kundlich bis  1483  Mai  8**  erwähnt  und  starb  als  letzter  des 
Mannsstammes  der  Walsee  1483  Mai  19.**  Weiß-Starkenfels 
gibt  (S.  604)  als  Todestag  März  25  an,  was  sich  nicht  belegen 
läßt  und  mit  letzterwähnter  Urkunde  in  Widerspruch  steht. 
Reinprechts  V.  Grabstein,  den  Handel  Mazzetti  in  Sensenstein 
wieder  auffand,  gibt  als  Todestag  Mai  19  an,  übereinstimmend 
Wendtental. 

Als  seine  Hausfrauen  erscheinen:  Zuerst  Margret,  eine 
Tochter    Rüdiger    des    Alteren   von   Starhemberg,    1461    Fe- 


^  Kop.  Linzer  Mnsealarchly.  *  Orig.  Linzer  Mosealarchiv. 

»  WSt.  608.  *  Orig.  StAEferding. 

»  Orig.  HHStA.  •  HHStA.,  Kod.  17,  f.  104. 

^  Orig.  Lambach;  Eop.  Linzer  Mosealarchiv.  *  FRA.  LXXn,  135. 

*  Vgl.  S.  477.    Sein  Grabstein  ist  offenbar  der,  dessen  Valyasor  (Pichlerf 

a.  a.  O.  265)  gedenkt 
1«  Inventar,  f.  74'. 

^^  Vgl.  Urk.  1454  Angast  6;  Orig.  OberOsterreichiscbes  Landesarcbiv,  Linz. 
"  WSt.  608.  "  Vgl.  Urk.  1461  Oktober  81;  Orig.  StAEferding. 

^*  Orig.  Freistadt,  Abschrift  Linzer  Mosealarchiv. 
'^  Orig.  Gmnnden,  Abschrift  Linzer  Mosealarchiv. 
i<^  WendtenUl,  Aostria  sacra  Vm,  229. 


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568 

bruar  14*  bis  1466  April  7.*  Einen  Grabstein  Margrets  nebst 
Grabschrift,  die  1462  April  20  als  ihren  Todestag  angibt,  ftihren 
SchwerdUng*  und  Stadl  (Ehrenspiegel  des  Herzogtums  Steier- 
mark)^ an.  Davon  ist  zumindest  das  Jahr  unrichtig.  Rein- 
prechts  V.  zweite  Gattin  Katharina,  eine  Schwester  Gotthards 
und  Ulrichs  von  Starhemberg,  wird  seit  1468  Dezember  19* 
und  als  Reinprechts  V.  Witwe  bis  1484  August  9^  genannt.  Sie 
vermählte  sich  1490/1^  mit  Bernhard  von  Scherfenberg  und 
starb  1517*  als  dessen  Witwe. 

28.  Barbara,  Reinprechts  V.  Tochter  erster  Ehe,  wird  »um 
ersten  Male  in  ihrer  Heiratsabrede  mit  dem  1498  verstorbenen 
Grafen  Siegmund  von  Schaunberg  1474  Oktober  24*  erwähnt 
und  ist  weiters  bis  1506  November  10,**^  November  21  als  tot 
beurkundet.  Sie  starb  1506  November  14  (Samstag  vor  Leo- 
poldi)'  und  hegt  zu  Sindelburg  bei  Nieder -Walsee  begraben, 
wo  ihr  Grabstein  noch  vorhanden  ist.** 

V.  Linie  Walsee-Orai. 

1.  Ulrich  I.,  der  die  Linie  Walsee-Graz  (oder  ob  der 
Steiermark,  wie  sie  sich  auch  häufig  nennt)  gründet,  tritt  1294 
Oktober  8*'  zuerst  in  Urkunden  auf,  wird  1299  März  Haupt- 
mann in  der  Steiermark*'  und  urkundet  seit  1299  Septem- 
ber 17*^  auch  als  Truchseß  daselbst;  beide  Amter  behielt  er 
bis  zu  seinem  Tode.  Bis  1328  März  13*^  tritt  er  in  Urkunden 
auf;  selig  heißt  er  1329  März  12.**  Das  Nekrolog  seiner  Grün- 
dung, des  Dominikanerinnenklosters  zu  Graz,  nennt  als  seinen 
Todestag,  1329  Januar  23;*^  auch  das  Nekrolog  von  Renn*' 
gedenkt  seiner  zu  demselben  Tage  (ohne  Jahr).    &  war  im 


1  Orig.  StAEferding.  *  WSt  603. 

*  G^esch.  des  HaoBes  Starhemberg  158. 

*  m.  Bd.,  843;  StLA.,  Hs.  Nr.  26.  >  Orig.  StAEferding. 

«  Vgl.  S.  494.  '  WSt.  604.  •  Genemlogica,  Stiftsarchiv  Wilhering. 

*  Kopien  Linser  MiuealarchiT.  ^®  Inventar,  f.  6'. 

^>  Mitt  and  Berichte  des  Wiener  Altertamsrereinee  Xm,  202. 

"  NB.  I,  316.  ^  Reimchronik,  V.  74086—74090. 

^*  Zeitschr.  ,Adler*  U,  99.  »  Orig.  StLA.  Nr.  1968»». 

"  NB.  IV,  84.  "  StLA.,  Hs.  209,  f.  1*. 

^^  M.  G.  Necrol.  II,  343;  yerbessere  demnach  Erones,  LandesfOrst,  Behörden 

und  Stände  in  der  Steiermark,  Forschungen  xnr  Verfassangs-  und  Wer- 

waltungsgeschichte  Steiermarks  IV,  159. 


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569 

Dominikanerinnenkloster  zu  Graz  begraben;  der  bei  StadI 
(Ehrenspiegel  des  Herzogtums  Steiermark  III,  353)  ^  abgebildete 
Grabstein  (ohne  Inschrift)  dürfte  indes  wohl  aus  einer  späteren 
Zeit  nach  der  Übertragung  des  Klosters  in  die  Stadt  Graz  her- 
rühren. 

Ulrich  I.  war  dreimal  vermählt.  1294  Oktober  8  wird  eine 
Elsbeth  unbekannter  Abkunft  als  seine  Gattin  erwähnt.  Ulrichs 
zweite  Hausfrau  Diemut  läßt  sich  als  solche  urkundlich  von 
1299  Dezember  6*  bis  1308  März  3*  nachweisen.  Diemut  wird, 
noch  unvermählt,  bereits  c.  1280*  urkundlich  genannt,  und 
zwar  ausdrücklich  bezeichnet  als  Tochter  Dietrichs  von  Rorau 
(Niederösterreich)  und  der  Tochter  Albers  von  Feldberg, '^  gleich- 
falls Diemut,  welche  nachmals  noch  mit  Hartneid  von  Stadeck 
vermählt  war.  Als  ihren  Todestag  unbekannten  Jahres  geben 
das  Nekrolog  der  Grazer  Dominikanerinnen^  und  das  von  Reun 
Januar  25^  an.  Sodann  vermählte  sich  Katharina,  eine  Tochter 
des  Grafen  Albert  von  Görz,  Ende  1319  oder  anfangs  1320 
mit  Ulrich  I.  von  Walsee;  1320  März  31®  nennt  ihn  Graf  Her- 
mann von  Heunburg  seinen  Schwager,  1319  Juli  11^  aber  noch 
nicht.  Katharina  urkundet  1330*^  als  Ulrichs  I.  Witwe,  ver- 
mählte sich  dann  wieder  mit  einem  aus  der  schwäbischen  Fa- 
milie  derer  von  Taufers  und  urkundet   noch  1338  Juni  29.** 

Daß  Margret,  Witwe  von  Eppenstein,  Ulrichs  I.  von  Wal- 
see Gemahlin**  gewesen  ist,  haben  bereits  Huber  und  Weiß- 
Starkenfels  *•  als  Irrtum  erwiesen.  Margrets  Beziehungen**  zu 
Ulrich  erklären  sich  aus  der  Ehe  von  Ulrichs  Schwester  Breide 
(Brigitta)  mit  Ortolf  von  Bjranichberg,  welchem  Hause  Margret 
von  Eppenstein  verschwägert  war.*^ 


»  StLA.,  Hs.  Nr.  26.  «  NB.  I,  806.  »  WSt.  677. 

*  StLA.  Nr.  955;  hier  unrichtig  c.  1270  angesetzt 

"  Die  Identitftt  dieser  Diemat  mit  iUlrichs  I.  Gattin  beweisen  hinsichtlich 
des  Vaters  die  Eintragung  im  Nekrologe  der  Grazer  Dominikanerinnen, 
hinsichtlich  der  mütterlichen  Verwandtschaft  die  Urkunden  1299  Novem- 
ber 17  (Frieß,  Die  Herren  yon  Kuenring  r.  508),  1808  M&rz  28  (Orig. 
HHStA.),  1801  April  5  (NB.  I,'317);  auch  Ulrichs  I.  Auftreten  in  Urkunde 
1808  Februar  27  (NB.  I,  818)  erklärt  sich  durch  diese  Verschwigerung. 

«  StLA.,  Hs.  209,  f.  1.  »  A.  a.  O.  842.  •  AÖG.  XXV,  285. 

•  Muchar,  Gesch.  der  Steiermark  VI,  216.  *<»  WSt.  677. 
"  NB.  I,  838.            "  Vgl.  Muchar,  a.  a.  O.  VI,  157. 

^  WSt.  576.  >*  Vgl.  AÖG.  LIX,  278. 

^  Vgl.  Urk.  1805  April  4;  Muchar,  a.  a.  O.  VI,  160. 


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670 

2.  Ulrich  II.,  ältester  Sohn  Ulrichs  L,  seit  1308  Juni  16^ 
urkundlich  erwähnt,  wird  seit  1329  März  12«  bis  1359  Juni  6* 
als  Nachfolger  seines  Vaters  in  der  steirischen  Hauptmannschaft 
genannt.  Wenn  in  Urkunde  1329  Dezember  29^  alle  drei 
Brüder  ,Hauptleute  in  der  Steiermark'  heißen,  bezieht  sich  dies 
lediglich  auf  die  Auffensteiner  Fehde.  Ob  er  auch  das  stein- 
sehe  Truchsessenamt  innehatte,  erscheint  zweifelhaft,  da  er  nur 
in  der  vereinzelten  Urkunde  1336  Juli  25^  als  Truchseß  ge- 
nannt wird.  Nach  dem  Nekrolog  der  Grazer  Dominikanerinnen 
starb  Ulrich  IL  1359  JuU  12.« 

Als  seine  Gattin  wird  Alheid  von  Weinsberg  von  1312 
Februar  25^  bis  1342  April  7^  erwähnt.  Das  Nekrolog  von 
Renn  enthält  ihren  Namen  zu  Oktober  22  und  Dezember  28 
eingetragen,^  zu  letzterem  Tage  auch  das  Nekrolog  der  Grazer 
Dominikanerinnen.^®  Nach  der  Friesacher  Jahrtagstiftung  von 
1357  August  4^^  war  sie  bereits  tot. 

3.  Friedrich  ICE.,  Ulrichs  11.  jüngerer  Bruder,  auf^' 
Arnfels  gesessen,  ist  seit  1319  September  1^'  beurkundet,  wird 
als  bambergischer  Hauptmann  in  Kärnten  ^^  1348  Mai  29  er- 
wähnt, von  1359  Juli  9^»  bis  1361  Mai  1  als  oberster  Schenk, 
als  oberster  Truchseß  in  der  Steiermark  von^*  1361  Dezem- 
ber 31  bis  1362  März  10  genannt.  Er  urkundet  noch  bis^^ 
1362  Juni  22,^^  starb  nach  dem  Nekrolog  der  Grazer  Domini- 
kanerinnen (1362)  Juli  8^8  und  heißt  1362  Juli  27  selig." 

Friedrich  DI.  war  bereits  1350  Februar  25*^  vermählt 
Agnes,  Tochter  Leupolds  des  Alten  von  Kuenring-Dürrenstein, 
urkundet  seit  1356  März  19^^  als  seine  Hausfrau  und  bis  1368 
Mai  31*^  als  seine  Witwe.     Söhne  scheint  Friedrich  HI.  nach 


*  Orig.  StLA.  Nr.  1717.  •  NB.  IV,  84.  »  StLA.  Nr.  2700*. 

*  Krems,  Die  Freien  Ton  Saneck  122;  aber  richtig  1829  sUtt  1330. 
^  Salsbnrger  Kammerbtlcher  II,  f.  156.  *  A.  a.  O.,  f.  2. 

'  ürk.  1312  Februar  26;  Orig.  StLA.  Nr.  1760».  »  NB.  IV,  126. 

*  M.  G.  Necrol.  II,  362.  *«  StLA.,  Hs.  209,  f.  2.  "  WSt  672. 
1«  Vgl.  Urk.  1360  Augast  10;  StLA.  Nr.  2752«. 

"  StLA.  Nr.  1868.  »*  HHSU.  Kod.  1049,  f.  95'. 

^  Huber,  Gesch.  Herzog  Budolft  IV.,  157. 

^'  Krones,  Urkunden  zur  G^sch.  des  Landes  etc.  Steiermark,  Veröffentlichun- 
gen der  historischen  Landeskommission  für  Steiermark  IX,  r.  224. 
"  StLA.  Nr.  2825».  "  A.  a.  O.,  f.  1'. 

«  UBoE.  Vni,  91.  «•  HHStA.,  Kod.  1049,  f.  93. 

•*  Frieß,  Die  Herren  von  Kuenring,  r.  811. 


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571 

Urkunde  1351  Januar  18^  gehabt  zu  haben^  doch  sind  sie  wohl 
ungevogt  gestorben. 

4.  Johann  (Jans)  I.,  tHrichs  II.  jüngster  Bruder,*  1329 
März  12  bis  1344  November  11*  beurkundet;  um  1346  dürfte 
er  schon  verstorben  gewesen  sein.  Das  Nekrolog  der  Grazer 
Dominikanerinnen  nennt  Januar  31,*  das  der  Wiener  Minder- 
brüder ^  Februar  1,  das  von  Renn®  Februar  3  als  seinen 
Todestag. 

5.  Diemut,  Ulrichs  11.  Schwester,  erscheint  von  1329  De- 
zember 29  bis  1353  Mai  14^  als  Hausfrau  Friedrichs  von  San- 
eck;  in  der  Pettauer  Jahrtagstiftung  von  1357  November  30^ 
wird  sie  bereits  als  tot  erwähnt.  Auf  Diemuts  Ehe  mit  dem 
Sanecker  bezieht  es  sich,  wenn  die  Hohenlohe  und  die  Win- 
dischgrätzer  Ulrich  I.  ihren  Schwager  nennen. 

Wer  jene  soror  Dietmudis  von  Waltsee,  die  das  Nekrolog 
der  Grazer  Dominikanerinnen  zu  Januar  9®  anftLhrt,  gewesen 
sein  mag,  bleibt  fragUch,  doch  dürfte  sie  der  Grazer  Linie  an- 
gehört haben.  Mit  der  Grazer  Saneckerin  ist  sie  indes  schwer- 
lich identisch. 

6.  Ulrich  in.,  Sohn  Ulrichs  H.,  wird  ledigUch  1322 
Juni  7®  erwähnt;  er  scheint  jung  gestorben  zu  sein. 

7.  Eberhard  VE.,  Ukichs  11.  zweiter  Sohn,  seit  1351 
Juni  28  lö  beurkundet.  Er  erscheint  von  1359  Juli  7  ^^  bis  1360 
Juli  10^*  als  Nachfolger  seines  Vaters  in  der  steiermärkischen 
Hauptmannschaft,  urkundet  bis  1363  April  19^'  und  starb 
Juli  17  dieses  Jahres  nach  dem  Nekrolog  der  Grazer  Domini- 
kanerinnen,^* nach  dem  von  St.  Lambrecht  Juli  13.^^  Mit  ihm 
schloß  die  Linie  Walsee-Graz.  Er  war  bereits  1356  April  2^* 
mit  Elsbeth,  Leutolds  11.  von  Kuenring-Dürrenstein  Tochter, 
vermählt,  die  bis  1379  Mai  2^'  als  seine  Witwe  genannt  wird. 


^  NB.  IV,  279.  «  Orig.  StAEferding. 

'  Brandl,  Urkandenbnch  der  Teaffenpach  11. 
*  StLA.,  Hs.  209,  f.  1'.  »  Pez,  SS.  Rer.  Austr.  II,  475. 

ö  M.  G.  Necrol.  H,  343. 
^  Krones,  Die  Freien  Ton  Saneck  111. 

8  StLA.,  Hs.  209,  f.  36.  •  WSt.  679.  "  Orig.  StLA.  Nr.  2426». 

"  Steyerer,  Comment.  p.  hiat.  Alb.  II,  276.  "  FRA.  XVUI,  311. 

"  MeUy,  Vaterländische  Urkunden  44.  **  StLA.,  Hs.  209,  f.  35. 

"  PRA.  XXIX,  155.  "  RegesU  Boica  Vm,  350. 

"  NB.  IV,  560. 
ArchiT.   XCy.  Band.  U.  H&lfto.  38 


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572 

Sie   heißt  1379  August  14^  selig.     Die  Ehe  war  kinderlos  ge- 
blieben. 

VL  Linie  Walsae-DrotendorC 

1.  Friedrich  L,  Gründer  der  Linie  Walsee-Drosendorf,* 
1298  November  12  bis  1316  August  21'  beurkundet,  starb 
nach  den  Annales  Zwettlensis  1318  Juli  22,*^  1318  August  4 
heißt  er  bereits  selig.  Friedrich  I.  war  nach  Urkunde  1318 
August  4^^  wohl  Burggraf  zu  Weitra,  noch  nicht  Hauptmann  zu 
Drosendorfy  das  ja  erst  1327  walseeisch  wurde.  Als  seine 
Hausfrau  tritt  Alheid^  eine  Schwester  Chunrads  von  Werde, 
1314  Juni  6^  auf;  sie  urkundet  ab  seine  Witwe  bis  1328 
Mai  12.» 

2.  Eberhard  VI.  erscheint  zuerst  1318  August  4  als  Burg- 
graf zu  Weitra  und  seit  1332  August  26^  als  Hauptmann  zu 
Drosendorf  bis  1355  Dezember  21  ;•  er  starb  1356  und  liegt 
zu  Sensenstein  begraben.^® 

Als  seine  Hausfrau  werden  Alheid,  eine  Tochter  Hadmars 
von  Falkenberg  und  Witwe  ^*  des  1326  verstorbenen  Hadmar 
von  Schönberg,  von  1328  Februar  24*«  bis  1349  September  8,'» 
sowie  Agnes,  Tochter  des  Grafen  Meinhard  von  Ortenburg,  seit 
1355  Dezember  21  bis  1386  Oktober  28"  als  seine  Witwe 
genannt. 

3.  Katharina,  eine  Tochter  Friedrichs  L,  wird  1314  Juni  6^* 
mit  Weichard  von  Winkel  verlobt  und  ist  bis  1348  Okto- 
ber 2P*  als  dessen  Hausfrau  beurkundet;  1354M&rz25*^  war 
sie  bereits  tot. 

4.  Friedrich  IV.,  Sohn  BViedrichs  I.,  wird  in  Urkunden 
1327  Januar  7^*  bis  1335  Dezember  13**  genannt;  da  von 
1338  an  seine  Brüder  in  Familienurkunden  ohne  ihn  geschlossen 
auftreten,  durfte  er  damals  bereits  tot  gewesen  sein. 


>  LB.  in,  r.  264.  «  UBoE.  IV,  267. 

'  Quellen  zur  Gesch.  der  Stodt  Wien  11,  1,  Nr.  62. 

*  M.  G.  SS.  IX,  681.  »  FRA.,  2.  Abt.,  HI,  680.  •  WSt.  680. 

»  NB.  IV,  81.  •  Ebenda  100.  •  Ebenda  320. 

"  Cont.  Zwetl.  M.  G.  SS.  IX,  686. 

"  Vgl.  Blätter  des  Vereines  für  Landeskunde  von  NiederOsterreich  XIX,  402. 

»«  NB.  IV,  88.  "  ÜBoE.  VII,  131.  »«  Schumi,  Archiv  I,  32. 

»5  WSt  680.  "  UBoE.  Vn,  78.  »»  Ebenda  868. 

»«  NB.  IV,  83.  »  UBoE.  VI,  192. 


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573 

Als  seine  Gattin  wird  1328  Februar  24*  eine  Margret 
unbekannter  Abstammung  erwähnt. 

5.  Heinrich  HE.,  Friedrichs  I.  Sohn,  von  1327  Januar  7 
bis  1367  September  29*  urkundlich  genannt;  er  starb  1367 
und  heißt  1367  Oktober  28»  selig.  Heinrich  III.  war  wohl 
dreimal  vermählt.  Nach  Urkunde  1347  Oktober  28*  erscheint 
er  mit  einer  Klingenbergerin  verheiratet.  Nun  tritt  im  Testa- 
mente des  1370  verstorbenen  Otto  von  Volkenstorf  von  1349 
Oktober  14*»  offenbar  ein  blutsverwandtschaftlicher  Zusammen- 
hang mit  diesem  zutage.  Der  Volkenstorfer  testiert  darin  dem 
minderjährigen  Sohne  Heinrichs  H.,  Reinprecht  HI.,  bedeutende 
Güter,  die  demselben  indes  nicht  zufielen,  da  der  Volkenstorfer 
Reinprecht  HI.  von  Walsee-Drosendorf  überlebte  und  überdies 
Nachkommenschaft  erhielt.  Damach  hält  Wirmsberger*  Kuni- 
gunde,  die  von  1349  Oktober  4  bis  1353  Juni  15  beurkundete 
Hausfrau  Ottos  von  Volkenstorf,  für  eine  Schwester  Hein- 
richs ni.  von  Walsee-Drosendorf,  Weiß-Starkenfels  ^  dagegen, 
wohl  mit  mehr  Recht,  eine  Volkenstorferin  fiir  Reinprechts  HI. 
Mutter  und  Heinrichs  IH.  von  Walsee-Drosendorf  erste  oder 
zweite  Gattin;  doch  müßte  in  letzterem  Falle  die  Klingen- 
bergerin noch  1347  gestorben  sein.  Weiter  tritt  Katharina,  eine 
Tochter  Ottos  von  Chiau,  als  Heinrichs  HI.  Hausfrau  seit  1359 
Januar  31 «  und  1367  Oktober  28»  als  dessen  Witwe  auf. 

6.  Elsbeth,  Schwester  Heinrichs  HI.  und  Friedrichs  IV., 
wird  als  verstorbene  Hausfrau  Albers  von  Liechteneck  ^®  1344 
Juli  26  und  1348  Januar  26  ^^  erwähnt. 

7.  Friedrich  VII.,  Sohn  Eberhards  VI.,  gesessen  auf  Potten- 
stein,  seit  1355  Mai  14^'  beurkundet,  erscheint  als  Kammermeister 
Erzherzog  Rudolfs  IV.  von  Österreich  von^*  1358  November  10 
bis  1359  Oktober  20^*  und  urkundet  noch  bis  1371  April  23." 

Als  seine  Hausfrau  wird  Klara,  eine  Tochter  Leutolds  H. 
von  Kuenring-Dürrenstein,  von^^  1355  Mai  14  bis  1359  Januar  8" 
erwähnt. 


1  NB.  IV,  83.  «  Orig.  HHStA.  »  NB.  IV,  438. 

*  UBoE.  Vn,  33.  »  UBoE.  VII,  143. 

•  Die  Dynasten  von  Volkenstorf  163.  ^  WSt.  583. 

«  NB.  IV,  340.  •  Ebenda  438.  ^«  UBoE.  VI,  487. 

"  WSt.  680.  "  HHStA.  Kod.  14,  f.  20'.  *»  Huber,  Rudolf  IV.,  163. 

"  Lndewig,  Beliqu.  Manuscr.  IV,  289.  **  NB.  IV,  681. 

"  LB.  m,  r.  1776;  falsch  datiert.  "  UBoE.  VII,  609. 

88* 


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574 

8.  Heinrich  VTI.,  Sohn  Eberhards  VI.,  auf  Merkenstein 
gesessen,  wird  urkundlich  von  1355  Januar  25^  bis  1370 
Juni  21*  erwähnt;  1371  April  23  war  er  bereits  tot.  Als  seine 
Ehewirtin  wird  1355  Januar  25  Margret,  eine  Tochter  des 
Grafen  Lorenz  von  Mattersdorf,  genannt. 

9.  Anna,  eine  Tochter  Friedrichs  (IV.,  ist  nach  den  Zeit- 
yerhältnissen  anzunehmen),  wird  1348  April  6'  als  Gattin  Ottos 
von  Meissau  erwähnt 

10.  Alheid,  Heinrichs  HI.  Tochter,  war  zuerst,  etwa  seit 
1353*  mit  dem  1355  verstorbenen  Leutold  HI.  von  Kuenring- 
Dürrenstein,  sodann  seit  etwa  1356  mit  Zdenek  von  der  Leippe 
vermählt.  Sie  urkundet  bis  1358  November  17^  und  heißt  1359 
Januar  21*  selig. 

11.  Reinprecht  IH.,  ein  Söhnlein  Heinrichs  HI.,  wird^ 
1349  Oktober  14  und  nochmals  1353  April  20^  genannt  und 
ist  wohl  in  jungen  Jahren  gestorben. 

12.  Friedrich  VTLI.,  Sohn  Heinrichs  IH.,  war  nach 
Strein*  1364  Pfarrer  zu  Gt)bebburg  bei  Krems. 

13.  Eberhard  IX.,  Heinrichs  IH.  Sohn,  wird  1360  Juni  3>« 
bis  1365  März  16^^  urkundlich  genannt. 

14.  Jans  n.,  Heinrichs  IQ.  Sohn,  erscheint  in  Urkunde 
von  1360  Juni  3  bis  1370  Juni  15.^  Als  bereits  verstorben 
wird  er  1370  Juni  2V^  erwähnt. 

Seine  Gemahlin  Elsbeth  von  Pettau  ist  1362  Oktober  18" 
beurkundet  Nach  dem  Nieder -Walseer  Inventar**  von  1545 
versichert  Heinrich  der  Jüngere  (VTH.)  von  Walsee  seiner 
Schwägerin  Elsbeth  von  Pettau  1000  «f^  auf  der  Herrschaft 
Wachseneck;  nach  einem  Stubenberger  Archivverzeichnis  ^®  des 
16.  Jahrhunderts  verschreibt  ^Katharina'  von  Pettau  im  Jahre 
1372  (wohl  richtig  1362)  an  Hans  von  Walsee  ihr  Heiratsgut 
In  den  Urkunden  ^^  1385  August  14  und  1388  Juni  241»  wer- 

»  ÜBoE.  Vn,  399.  «  UBoE.  VIO,  473.  »  NB.  IV,  130. 

*  Vgl.  Frieß,  Die  Herren  von  Enenrlng  163.  »  LB.  IV,  r.  12. 

*  NB.  IV,  339.  '  ÜBoE.  VU,  143.  «  Orig.  StAEferding. 

*  Kod.  ^/lo)  OberOsterreichlsches  Landesarchiv.  Anderweitig  ist  die  Nach- 
richt nicht  zu  belegen ;  ob  nicht  etwa  eine  VerwechBlnng  mit  dem  Pfarr- 
patrone Friedrich  VQ.  von  Walsee  vorliegt? 

*«  NB.  IV,  342.  "  Hormayr,  Gesch.  Wiens  V,  98. 

"  NB.  IV,  436.  «  UBoE.  VIII,  473.  "  Orig.  StAEferding. 

«  Inventar,  f.  6'.  >•  StLA.  Nr.  3166«.  "  Ebenda,  Orig.  Nr.  3529. 

**  Orig.  Niederösterreichisches  Landesarohiv. 


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575 

den  die  Brüder  Bernhard,   Friedrich  und   Hertnid   von  Pettau 
Oheime  Ulrichs  III.  von  Walsee-Drosendorf  genannt. 

15.  Heinrich  Vlll.,  Heinrichs  HI.  Sohn,  urknndet  von 
1365  März  16  bis  1377.  ^ 

16.  Wolfgang  IV.,  Sohn  Heinrichs  III.,  wird  in  Urkunden 
von  1365  März  16  bis  1380  Juni  8>  genannt. 

Als  seine  Witwe  erscheint  Katharina,  eine  Tochter  des 
Grafen  Burghard  von  Maidburg  1382  März  12,»  wo  Wolf- 
gang IV.  bereits  tot  ist  und  von  seiner  Gattin  ein  Töchterlein 
hinterläßt,  dessen  weiter  nicht  mehr  gedacht  wird.  Katharina 
war  nach  Urkunde  1400  Januar  28*  noch  am  Leben. 

17.  Agnes,  Friedrichs  Vü.  Tochter,  wird  von  1367  Fe- 
bruar 1^  bis  1370  Juni  15^  als  Hausfirau  Heinrichs  von  Zelking 
und  dieser  als  Eidam  Friedrichs  VU.  genannt. 

18.  Johanna,  eine  Tochter  Friedrichs  VII.,  wird  1371 
April  24^  als  Hausfrau  des  Jans  von  Meseritsch  genannt. 

19.  Friedrich  IX.  Da  Friedrich  VU.  schon  seit  1371  in 
Urkunden  nicht  mehr  auftritt  und  auch  in  Urkunde  1373  De- 
zember 1,®  die  Vererbung  der  herzoglichen  Lehen  betreffend, 
nicht  angeführt  wird,  so  dürfte,  wie  bereits  Weiß-Starkenfels  ^ 
annahm,  jener  Friedrich  (IX.)  von  Walsee-Drosendorf,  zu  Potten- 
stein  gesessen,  der  von"  1385  Januar  28  bis  1392  März  30" 
urkundet,  ein  Sohn  Friedrichs  VH.  und  beim  Tode  seines  Vaters 
noch  ungevogt  gewesen  sein. 

20.  Margret,  eine  Tochter  Heinrichs  VII.,  seit  1385 
April  4^^  als  Hausfrau  Ulrichs  von  Dachsperg  und  bis  1439 
Mai  23^*  als  dessen  Witwe  beurkundet. 

21.  Ulrich  IV.,  Sohn  Jans'  H.,  erscheint  in  Urkunden  von^* 
1370  Juni  15  bis  1400  Februar  3;  er  saß  zu  Enzesfeld**  (Engel- 
schalchsfeld).  1384  November  13^^  wird  er  als  Hauptmann  in 
der  Steiermark  und  als  Herzog  Wilhelms  Hofmeister  von*^ 
1396  Januar  31  bis  1398  März  17"  erwähnt.  Nach  dem 
Seusensteiner  Nekrolog  starb  er  1400,^®  selig  heißt  er  1401. 

^  WSt.  584.  *  Orig.  Niederösterreichisches  Landesarchiv. 

»  NB.  IV,  566.  *  Orig.  HHStA.            *  NB.  IV,  387. 

«  NB.  IV,  435.  '  Ebenda  581.            «  UBoE.  Vin,  667. 

•  WSt.  582.  *•  Orig.  Niederösterreichisches  Landesarchiy. 

'^  NB.  rV,  606.  "  NB,  l,  876.            ^  Orig.  Kremser  Stadtarchiv. 

"  NB.  rV,  435.  "  RegesU  Boica  XI,  171.            *•  NB.  IV,  591, 

"  LB.  V,  r.  19.  "  Ebenda,  r.  127. 

^*  Strein,  Mscr. ;  Kod.  ^/lo ;  Oberösterreichisches  Landesarchiv. 


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576 

Ulrich  IV.  erscheint  mit  Elsbeth,  einer  Tochter  Heinrichs 
von  Neitperg,  seit  1385  Januar  11^  yermählt,  dieselbe  wird  bis 
1411  April  24*  als  seine  Witwe  genannt. 

22.  Katharina  wird  ab  Ulrichs  IV.  Tochter  1400  Januar  28» 
und  1428  September  3^  erwähnt;  nach  letzterer  Urkunde  dürfte 
sie  mit  einem  von  Hohenberg  vermählt  gewesen  sein. 


A  St.  POltenar  UrkundeDbach  ü,  268.  *  Orig.  StAEferding. 

»  Orig.  HHStA.  *  LB.  V,  r.  2686. 


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Inhaltsübersicht. 


Seit« 

Vorwort 287 

Einleitong 239 

I.  Abschnitt:  Die  Walseer  in  Schwaben 241 

II.  Abschnitt:  Die  Anf&nge  der  Walseer  in  Österreich  ....  265 

m.  Abschnitt:  Die  Walseer  za  Linz 266 

1.  Eberhard  IV.  (1280—1326) 266 

2.  Eberhard  V.  (1304—1371) 274 

8.  Georg  (1365—1400) 291 

IV.  Abschnitt:   Die  Linie  Walsee-Ens   bis   zam  Schiasse   des 

14.  Jahrhunderts 295 

1.  Heinrich  I.  (1280—1326) 295 

2.  Heinrichs   L   Söhne   Heinrich   H.    (f   1334),   Beinprecht   L 

(t  1360/61)  und  Friedrich  H,  (f  1355) 301 

3.  Der  Zweig  von  Seuseneck:  Beinprechts  I.  Söhne  Rudolf  L, 

Beinprecht  H.  und  Friedrich  V.  bis  zur  Wende  des  14.  Jahr- 
hunderts      307 

4.  Der  Zweig  Ton  Ort  und  Sumerau:  Friedrichs  H.  Söhne  Frie- 

drich VI.  (t  1372),  Wolfgang  HI.  und  Heinrich  VI.  (f  1398)  336 

V.  Abschnitt:  Die  Linie  Walsee-Graz 344 

1.  Ulrich  I.  (1294—1329) 344 

2.  Ulrichs  I.  Söhne  und  der  Ausgang  der  Grazer  Linie ....  357 
VL  Abschnitt:  Die  Linie  Walsee-Drosendorf 370 

1.  Friedrieh  I.  (f  1318)  und  seine  Kinder 370 

2.  Der  Pottensteiner  Zweig 375 

3.  Der  Zweig  zu  Enzesfeld 378 

VU.  Abschnitt:  Die  Glanzzeit  des  Hauses  unter  Beinprecht  H. 

(1400—1422) 888 

1.  Die  Ereigifisse  bis  zum  Tode  Herzog  Wilhelms 388 

2.  Die  Walseer  und  der  Streit  um  die  Vormundschaft  Herzog 

Albreehts  V.  bis  zum  Schiedssprüche  K.  Siegmunds    .    .    .  396 

3.  Beinprechts  H.  Fehde  mit  Herzog  Ernst 408 

4.  Beinprechts  H.  Lebensende;  das  Haus  Walsee  auf  dem  Höhe- 

punkte seiner  Macht 424 


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Vm.  Abschnitt:  Reinprecht  lY.  yon  Walsee  (1422—1450)  ....  435 

1.  Beinprechtf  IV.  Anfänge  nnd  sein  Wirken  in  den  Hussiten- 

kriegen       435 

2.  Reinprechts  IV.  sp&tere  Lebenszeit  and  Binde,  wirtschaftliche 

Stagnation  seit  der  RfloklOsnng  der  Pfandschaften    ...  447 
IX.  Abschnitt:  Wolfgang  V.  and  Reinprecht  V.  von  Walsee 

(1450—1483) 456 

1.  Die    beiden    Brüder    anter    K.   Ladislaos;    wirtschaftlicher 

Niedergang 456 

2.  Die   Walseer    als   Gegner    K.   Friedrichs   anter   Erzhersog 

Albrecht  VI 467 

3.  Das  Ende  Reinprechts  V.  and  der  Aasgang  des  Hauses  .    .  482 
X.  Abschnitt:  Die  Standes-,  Besitz-  und  Wirtschaftsverhält- 

nisse  des  Hauses  Walsee 499 

1.  Die  Standesverhältnisse 500 

2.  Vasallen  und  Dienstleute 502 

3.  Die  Hof-  und  Landesämter 507 

4.  Gerichtsstand  und  Gerichtsbarkeit;  Vogteiverhältnisse  ...  513 

5.  Verwaltung  und  Dienerschaft 519 

6.  Die  Besitzrerhältnisse 525 

7.  Untertänige  Städte  und  Märkte;  Handel  und  Verkehr  ...  636 

8.  Das  Einkommen 538 

9.  Die  Wirtschafts-  und  Untertanenverhältnisse 540 

XI.  Abschnitt:  Genealogie  des  Hauses  Walsee 551 

I.  Ältere  Hauptlinie 551 

n.  Jttngere  Hauptlinie:  Waldsee-Dachsperg 555 

lU.  Linie  Walsee-Linz 556 

rV.  Linie  Walsee-Ens 559 

V.  Linie  Walsee-Graz 668 

VI.  Linie  Walsee-Drosendorf 572 


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1361—1370  vid., 

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echt  V., 

8,  t  1483 

.xet  V.  Star 

461—1466^ 

lina  V.  Star 

-1484  vid., 


Barbara  (2! 

/04,   t  1606   N 
Sigmand  v.  Sc 
t  1498. 


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