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Archiv
für
österreichisohe Oesohiohte.
Herausgegeben
▼on der
Historisellen Kommission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Vierundneunzigster Band.
Mit 2 Karten und 1 Kartenskizze im Texte.
Wien, 1907.
In Kommission bei Alfred HSlder
k. n. k. Hof- und ünirersitftts-Bvehh&Ddler
Boehhindltr der kmiterlieben Akademie der WiteeBMkftflen.
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]>niok Yoa Adolf HolshAOMB,
k. vad k. Hof- oad UDiT«nittta*Baehdni^*r ia W ito.
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Abhandlungen
Bum
'Historischen Atlae
der
österreicMsclieii Alpenländer.
I. Die Entstehung der Landgerichte im haTrisch-Österreicbia«
Rechtsgebiete. Von Hans ▼. Yoltelini. S. 1-
II. Immunitftt, Landeshoheit und Waldschenkangen. Von Edi
Richter. S. 41-
III. Gremarknngen und Stenergemeinden im Lande Salzburg.
Eduard Richter. S. 63-
IF. Das Liand im Norden der Donau. Mit einer historischen K
Von Julias Strnadt. S. 83— :
Y. Jmmnniti^t, Grund- and leibherrliche Qerichtsbarkeit in Südl
Von r>r. Hans von Voltelini. S. 311 —
YI. ly&B Grebiet zwischen der Traun und der Ens, Von Ji
Strnadt. Mit 1 Karte und 1 Kartenskizze im Texte.
S. 466-
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Heraasgegeben
fon der
Historischen Kommission
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"kainerlicheti Akademie der Wissengchaften.
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YieruiiiiiieiitirJKiiter Bitnil.
Er^tt? Hälftu.
Mit einer KArtc*
Wien, 1906.
In K ft IQ m i s ^ i o n bei Alfred H ti l d e i
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Archiv
ftr
österreichische Geschichte.
Herausgegeben
Ton der
Historisclien Kommission
d«r
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Vierundneunzigster Band.
Ente Hälfte.
Mit einer Karte.
Wien, 1906.
In Kommission bei Alfred Holder
k. Q. k. Hof- «od UmiTernt&tB-Bnobhindler
BaeUiiiidltr d«r kftiMrUch«ii Akftdemi« d«r WitseiiMluiAeB.
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Drnok Ton Adolf HolshaoMD,
k. «. k. Hof« and Uiüv«nittto*BoehdnMkcr in Wi«a.
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Abhandlungen
zum
Historischen Atlas
der
österreichischen Alpenlander.
I. Die Entstehong der Landgerichte im baTrisch- österreichischen
Rechtsgebiete. Von Hans v. Yoltelini. S. 1—40.
n. Inunanitfity Landeshoheit und Waldschenkungen. Von Eduard
Richter. S. 41—62.
in. Genaarkangen and Steuergemeinden im Lande Salzburg. Von
Eduard Richter. S. 68—82.
lY. Das Land im Norden der Donau. Mit einer historischen Karte.
Von Julius Strnadt. S. 88-810.
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Vorwort.
Im Laufe der fortschreitenden Arbeiten für den ^Histori-
scben Atlas der österreichischen Alpenländer' ergab es sich,
daß die den Karten beizugebenden ^Erläuterungen' bei der
notwendigen ELnappheit ihrer Fassung nicht immer ausreichen
Tmd mcbt der Ort sein können, um ausführlichere Nachweise oder
^ISTtemngen anfzunehmen, die, zwar durch die Forschungen
^T den Atlas veranlaßt, doch auch über die nächsten Fragen
Unausreicliende Probleme behandeln. So regte der Schöpfer
des yHistorischen Atlas^, unser allzufrüh verewigter Eduard
Richter, den Gedanken an, derartige Arbeiten in einer eigenen
Serie von ,Abhandlungen zum Historischen Atlas' zu vereinigen,
und auf Antrag Richters beschloß die akademische ,Eom-
mission für Herausgabe eines historischen Atlas der österreichi-
schen Alpenländer' im Einvernehmen mit der ,Historischen
Kommission', diese Abhandlungen im Rahmen des ,Archivs
für österreichische Geschichte' zu veröffentlichen, so daß ihnen
je nach Bedarf einzelne Bände des Archivs ausschließlich ein-
geräumt werden sollen.
Hiermit veröffentlichen denn die beiden genannten aka-
demischen Kommissionen eine erste Reihe der Abhandlungen,
welche der ersten Lieferung des ,Atla8' zur Seite geht. Zwei
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VI
der Aufsätze stammen von Richter selbst - er hat sie noch
im Dezember 1904 und Jänner 1905 druckfertig gemacht und
wenige Tage vor seinem Tode, am 31. Jänner 1905, die Schluß-
bemerkung zur ersten Abhandlung hinzugefugt — ein erheben-
des Zeugnis der Geistesstärke, mit welcher der todkranke Mann,
der das Ende mit klarem Bewußtsein nahe wußte, bis zum
letzten Augenblicke für sein großes Werk sorgte.
Wien, im Januar 1906.
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I.
DIE ENTSTEHUNG
DER
LAN DGERICHTE
IM
BAYRISCH-ÖSTERREICHISCHEN
RECHTSGEBIETE.
TOH
D" HANS VON VOLTELINI.
▲lehiT. XCIV. B»nd.
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LiM den Problemen der dentschen Verfassungsgeschichte,
die noch iminer eine befriedigende Lösung nicht gefunden
haben, zählt unter anderem auch die Entstehung der Landge-
richte.^ Und doch handelt es sich dabei um Gebilde, welche
durch Jahrliunderte die örtliche Grundlage fiir die Verwaltung
der deutschen Territorien darstellten, auf denen insbesonders
auch im bayrisch-österreichischen Rechtsgebiete bis ins 18., ja
teilweise bis ins 19. Jahrhundert die politische und gericht-
liche Verwaltung beruhten, an die sich vielfach auch noch die
heutigen Verwaltnngssprengel anschließen. Als etwas Fertiges
treten uns die Liandgerichte im 13. Jahrhundert entgegen. Für
Bayern liegt bereits in dem ältesten wittelsbachischen Saal-
buche, das zwischen 1221 und 1228 entstanden ist,* eine Auf-
Zählung der Amter oder Landgerichte vor, und die österrei-
chischen Quellen derselben Zeit lassen ebenfalls den Bestand
von Landgerichten erkennen.*
Daß diese Gebilde an die Stelle der älteren Grafschaften
getreten sind, daß sie Trümmer von Grafschaften vorstellen,
darüber kann kein Zweifel bestehen. Werden sie doch selber
^ Ka^h einem Vortrag, gehalten auf der Versammlung der dentschen
Historiker in Salzburg 1904.
* Monumenta boica 31, 1, 1 f.; Riezler, Geschichte Bayerns 1, 178; Bösen-
thal, Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation
Bayerns 52 f.
^ Über die Osterr. Landgerichte vgl. Laschin, Geschichte des älteren Ge-
richtswesens in Österreich ob und anter der Enns 103 f.; Ders., österr.
Beichsgeschichte 193; Huber-Dopsch , österr. Reichsgeschichte 64 f.;
Wernnsky, österr. Reichs- und Rechtsgeschichte 56, 245; Bachmann,
Reichsgeschichte *, 119; HasenOhrl, Österr. Landrecht 166 und 173 f.;
Richter, Zar historischen Geographie des Hochstifts Salzburg, Mitteil,
des Inst., Ergänzungsbd. 1, 590 f.; Egger, Die Entstehung der Gerichts-
bezirke Deutschtirols, ebendort 4, 373; Krones, Verfassung und Ver-
waltung des Herzogtums Steiermark 126, 391 f.; Meli, Der comitatus
Liutpoldi, Mitteil, des Inst. 21, 385 f.; Die Anmerkungen in der Weis-
tOmer-Ausgabe der Akademie der Wissenschaften.
1»
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nicht selten als Grafschaften bezeichnet.^ Aber die Ursachen,
welche zu dieser Zersplitterung führten, die Momente, welche
auf die Bildung und räumliche Abgrenzung der Landgerichte
gewirkt haben, liegen nicht so klar zutage. Denn die Ent-
wicklung ßlllt in eine Zeit, in der urkundliche Quellen in
unseren Gegenden nur spärlich fließen. Die Namen einzelner
Grafen und Grafschaften, einzelner Gerichtsmalstätten und zu-
letzt die Namen der Landgerichte sind fast alles, was wir vom
10. bis 12. Jahrhundert über die räumliche Ausgestaltung der
Gerichtsbezirke in unseren Gegenden wissen.
Verschiedene Erklärungen sind für die Entstehung der
Landgerichte aufgestellt worden. Die meisten Schriftsteller, die
sich mit dieser Frage beschäftigten, haben sie mit älteren
Hundertschaften in Zusammenhang gebracht, so vor allem
Riezler* und ihm folgend die Mehrzahl der österreichischen
Gelehrten.' Ja Egger* versuchte sogar aus den Grenzztigen
der späteren Tiroler Landgerichte die Zenten, die einmal in
Tirol bestanden haben sollen, wieder herzustellen. Man war
eben geneigt, den Ergebnissen, die Sohm in seinem berühmten
Buche über die fränkische Gerichtsverfassung gewonnen hatte,
ohneweiters auch für Bayern Geltung zuzuschreiben, obwohl
Sohm selber auf die Besonderheiten der bayrischen Gerichts-
verfassung hingewiesen hat.^ Indes ist es wohl zweifellos, daß
die Bayern Hundertschaften als lokale Unterabteilungen der
Grafschaften nicht gekannt haben. ^ Nicht daß die, wie es
scheint, gemeingermanische Einteilung in Hundertschaften von
Haus aus gefehlt haben wird, aber in ihren neuen Sitzen haben
sie sich nicht nach Hundertschaften gegliedert niedergelassen.
^ HasenOhrl 173; österr. Landrecht, erweiterte Fassang, Art. 4 nennt
die Landgerichte: grafscheften. Schwind-Dopsch, Urkunden zur Yer-
fassungsgeschichte 57, n. 1; Bosenthal 60.
* Geschichte Bayerns 1, 125 f., 761 f.
* Wie Richter a. a. O. 699; Werunsky 55; Egger a. a. O. 382.
* a. a. O. Auch Rosenthal scheint S. 93 dieselbe Ansicht zu teilen, wenn
er sich auch nicht klar ausgesprochen hat, indem er wenigstens die Ge-
richtsschrannen mit den alten Malstätten der Hundertschaften in Be-
ziehung bringt.
^ Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung 159 f.
^ Merkel in der Ausgabe der lex Baiwar., MM. LI. 3, 283, n. 4; Felix
Dahn, Urgeschichte der Germanen 4, 152; Brunner, Deutsche Rechts-
geschichte 1, 117; Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte 1*, 217.
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Keine bayrische QaeUe kennt Handertschaften ^ und eine
Glosse zu Hermann von Altaich bezeugt es ausdrücklich^ daß
die Bezeichnung Zent bei den Bayern nicht gebräuchlich war.*
Zwar kennt die lex Baiwariorum Zenturionen, jedoch nur als
militärische Unterbefehlshaber unter dem Kommando des 6ra-
fen.* Dem Grafen steht in Bayern allerdings ein Exekutiv-
organ zur Seite, der Vikar oder Schultheiß, wie er auch ge-
nannt wird, der frühzeitig mit dem Hunnen, dem Zenturio
identifiziert wird, wie dies auch sonst der Fall war.* Und
solche Zenturionen werden nicht selten in den Urkunden er-
wähnt;^ nichts aber weist darauf hin, daß sie etwas anderes
als Hilfsorgane der Grafen waren, daß sie etwa Gerichtsbarkeit
in Unterabteilungen der Grafschaft gleich den fränkischen Zen-
tenaren geübt hätten. Ebensowenig kann die Erwähnung von
Dekanen ftir das Vorkommen von Hundertschaften sprechen.
Denn die Dekane, die in Tirol nicht selten sind,® sind Vor-
* Vgl. Waitz, Denteche Verfassungsgeschichte 2, II', 404; Dahn, Deutsche
Geschichte 1, II, 431 und Urgeschichte der Germanen 4, 152.
* MM. 88. 17, 357, n. e.: In quibusdam provinciis iudices provinciales
appellantuT centenarii, quia locus indicialis, qni apud nos vocatur
dinchstat, apud eos dicitur ceud. Es ergibt sich somit, daß der Urheber
der Glosse nicht einmal über die Bedeutung von Zent im Reinen war.
» l, c. 5, 283; vgl. Waitz 2, II », 15, 212; Brunner, Rechtsgeschichte 2,
174, n. 2.
* Wilhelm Sickel, Mitteil, des Inst. f. »sterr. Geschichtsf. 4, 628. In Bayern
nennen bereits die Statuten der Synode von Aschheim: presides seu iu-
dices, centuriones atque vicarios, MM. LI. 3, 458. Entscheidend die de-
creta sjnodorum Bavaricarum aus dem 10. Jahrh. c. 3, MM. LI. 3, 487 ;
wenn der vom Priester Gebannte nicht Buße tut: exactor publicus id
est centurio aut suus vicarius cum sacerdote pergat ad domum huius-
modi presumptoris. Der centurio ist also das Organ, das eine Pfändung
vornimmt. Vgl. Beseler Zeitschr. ftir Rechtsgesch. 9, 250.
* Zosammengestellt von Merkel MM. LI. 3, 283, u. 4.; Riezler, Geschichte
Bayerns 1, 127 und Forschungen zur deutschen Geschichte 18, 528;
Egger a. a. O. 382. Die Erwähnung des Zenturio in D. O. II. 178 für
Brixen ist vielleicht aus einer Formel eingedrungen, vgl. D. O. 11. 78,
kannte im übrigen nach dem Gesagten nicht auffallen. Damach auch in
späteren Kaiserurkunden für Brixen wie 1155 Friedrich I. Stumpf 3726.
• Unterforcher, Zeitschr. des Ferdinandeums III, 41, 211 f.; Egger, eben-
dort240f., 251 f. Dekane und Dekanien finden sich vorwiegend im einst
langobardischen Südtirol und in den Teilen des Landes, die länger mit
Kurrätien in Verbindung standen, im Yintschgau und Oberinntale von
Zams aufwärts.
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Steher von Gemeindevierteln und haben mit der Gerichtsbar-
keit nichts zu tun, finden sich übrigens nicht in den ursprüng-
lich von Baiuwaren besetzten Gebieten des Liandes. Egger
glaubte vor allem jene Gerichte als Reste alter Hundert-
schaften in Anspruch nehmen zu können, die in der Folge
insbesonders als Landgerichte, iudicia provincialia den ein-
fachen Gerichten entgegengestellt werden. In der Tat wird
diese Unterscheidung in den Quellen gemacht. Indes scheint
sie sich auf Tirol zu beschränken, anderen Teilen des bayrisch-
österreichischen Rechtsgebietes fremd zu sein; und sehr wohl
kann die Bezeichnung Landgericht, iudicium provinciale an
der Schranne gehaftet und von ihr auf jene Gerichte überge-
gangen sein, die sich als Gerichtsstätte eine alte Schranne be-
wahrt hatten.^ Wie die Unterabteilungen der Grafschaften in
Bayern hießen und welchen Umfang sie hatten, ist dunkel.*
Für die Gerichtsverfassung waren sie ohne Bedeutung; das
Gericht war in Bayern Grafschaftsgericht und wurde
an den einzelnen Malstätten, deren jede Grafschaft mehrere
besaß, abwechselnd gehalten.^ Wir müssen daher von den
^ Die Verle^ng der Schrannen bedurfte noch im 14. Jahrhundert landes-
fürstlicher Ermächtigung: Markgraf Ludwig gestattet dem Perchtold von
Gufidaun, seinem Richter zu Gufidaun, und allen den Richtern, die
nach ihm gesetzt werden, daß sie: ,umb alle maleficzi mit vollem ge-
walt siezen und gerichten sullent an der schranne auf Camp ... in
eleichstaiding an dem lantgericht mit vollem gewalt und an allen dem
rechten', wie man früher auf dem dinsacker gerichtet hat. Wasserburg
1858 Juni 24. Handschr. 59, f. 74 Nr. 227, Innsbruck 8t.-A.
' Vermutungen bei Dahn, Urgeschichte der Germanen 4, 152.
• Entscheidend lex Baiuwar. 2, c. 14, MM. LI. 8, 287; vgl. Brunner,
Deutsche Rechtsgeschichte 2, 220; Schröder, Lehrbuch der deutschen
Rechtsgeschichte \ 175. Der Einwand, den unter andern Richter a. a. O.
599 erhebt, daß die bayrischen Gaue zu groß gewesen seien, als daß
monatlich eine Vollversammlung der Freien hätte stattfinden kOnnen,
erledigt sich durch die Ausführungen von E. Mayer in den GUJttinger
Gelehrten Anzeigen 1891, 349. Die Freien hatten nur zu erscheinen
,wann und wo der Richter es befahl* (Brunner a. a. O.), ,ubi iudex ordi-
naverit*. Übrigens darf auch nicht übersehen werden, daß wir über die
Größe der Grafschaften, die im 8. Jahrundert kaum mehr mit den Gauen
zusammenfielen, vgl. unten, nicht unterrichtet sind, daß im 8. und 9. Jahr-
hundert weite Strecken noch unkultiviert und unbesiedelt waren und
daß die Zahl der Freien vielleicht doch nicht so groß war, als allgemein
angenommen wird. Wenn Dahn, Deutsche Geschichte a. a. O. und
V. Below, Göttinger Gelehrte Anzeigen 1890, 310 n. 3 doch Unterbezirke
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Hundertacliafteii absehen, wenn wir die Bildung der Land-
gerichtssprengel erklären wollen; wir dürfen in Bayern nicht;
wie dies v. Below mit vollem Rechte flir fränkisches Rechts-
gebiet ausftilirt,^ von einer Isolierung der Handertschaften
sprechen.
Mit mehr Recht fiihrt Luschin* die Entstehung der Land-
gerichte auf die Zersetzung der Grafschaften durch Immuni-
täten und auf das Erstarken und die Fortbildung grund-
herrlicher Gerichtsbarkeit zurück. Doch werden wir
diese Entstehungsgründe kaum als ausreichend bezeichnen
dürfen. Denn Landgerichte treten auch dort auf, wo keine
Immunitäten vorhanden waren, sie durchsetzen ja auch die in
unmittelbarer Verwaltung des Landesherm verbliebenen Terri-
torien in Bayern, Tirol, Osterreich, Steiermark, und wenn auch
manche Patrimonialgerichte an vorhergegangene grundherrliche
Gerichtsbarkeit anknüpfen, so doch durchaus nicht alle.
Es wird überhaupt nicht gelingen, die Bildung der Land-
gerichte mit einer einfachen Formel zu erklären. Auch diese
Frage kann nur durch Detailforschung gelöst werden. Die
Arbeiten an historischen Atlanten, die gegenwärtig in einigen
Teilen Deutschlands im Zuge sind, werden sicher unsere Kennt-
nisse über die Entstehung der Landgerichte und ihre Entwick-
lung in wünschenswerter Weise klären und vertiefen. Für die
bayrisch-österreichische Gerichtsverfassung dürfen wir uns Ahn-
liches von dem großen Unternehmen des historischen Atlasses
der deutsch-österreichischen Alpenländer versprechen.
Möge es gestattet sein, einige Beobachtungen, die sich
dem Verfasser bei der Mitarbeit an diesem Werke aufgedrängt
haben, hier anzuführen.
Allerdings gehört das italienische Südtirol, das ihm zur
Bearbeitung zugewiesen wurde, nicht mehr dem bayrischen
der Grafschaften annehmen, die freilich nicht Hundertschaften hießen
und Y. Below aas ihnen die Landgerichte hervorgehen läßt, mnß doch
eben bemerkt werden, daß wir Yon dem Bestände solcher Gebiete nichts
wissen, daß wir sie sar Erklärung der Landgerichte auch nicht brauchen,
und daß das Landgericht hier überall an die Grafschaft und das echte
Ding und nicht an das Botding anknüpft.
' Historische Zeitschr. 59, 222. Daher finden auch die Ausführungen Thu-
dichums, Gau- und Markverfassung 86 auf das bayrisch-österreichische
Rechtsgebiet keine Anwendung.
' Geschichte des Gerichtswesens 105.
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Rechtskreise an; es folgt vielmehr der langobardisch-italieni-
sehen Rechtsentwicklung. Doch nicht ohneweiters. Im Privat-
recht und Zivilprozeß zeigt Südtirol allerdings große Annähe-
rung an die benachbarten italienischen Gebiete. Nicht so ganz
in den übrigen Gebieten des öffentlichen Rechtes. Die Graf-
schaft Trient^ stand seit der zweiten Hälfte des 10. Jahr-
hunderts in Verbindung mit Kärnten und Bayern, sie wurde
auch, nachdem diese Verbindung infolge der Verleihung der
Grafschaft an die Bischöfe von Trient 1027 gelöst worden war,
fort und fort politisch zum deutschen Königreiche gerechnet.*
Die deutschen Reichsgesetze hatten daher auch in Trient Gel-
tung und haben die Rechtsentwicklung mannigfaltig beeinflußt.
So fand beispielsweise die Constitutio criminalis Carolina bis zur
Säkularisation subsidiär in Trient Anwendung. Dazu kam, daß
schon früh, ja vom 14. bis ins 16. Jahrhundert fest ausnahms-
Bekanntlich ssählten vom houtigen italienischen Südtirol oder besser
gesagt — denn es finden sich auch deutsche Enklaven in diesem Ge-
biete — von den heutigen Sprengein der Landesgerichte Trient und
Rovereto die Landgerichte Primör, Ivano, Telvana und San Pietro-
Castelalto wenigstens seit 1027 nicht zur Grafschaft Trient, sondern zu
Feltre und sind erst seit dem 14. Jahrhundert mit Tirol verbunden
worden. Fassa gehörte zum Bistum Brixen und ist erst 1816 zum Kreise
Trient geschlagen worden. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
ist durch fortdauernde Zerbröckeln ng eine Anzahl von Gerichten der
ehemaligen Grafschaft Trient, die fast ein Drittel ihres Gebietes aus-
machten, in direkte Verbindung mit Tirol getreten, vgl. Bidermann, Die
Italiener im Tirolischen Provinzialverbande 61 f.
Ficker, Reichsfürstenstand 218; Stumpf in Forschungen zur deutschen
Geschichte 15, 160; Durig, Jahresbericht der Oberrealschule in Innsbruck
1857 — 1858, 9 f. Verfasser dieses Aufsatzes hat bereits Zeitschr! des Ferdi-
nandeums lU, 33, 23 nachgewiesen, daß Trient bezüglich des Wormser Kon-
kordates als deutsches Bistum behandelt wurde, also die Investitur vor der
Weihe empfing. Trotzdem fehlt Trient in Kretschmers Historischer
Geographie von Mitteleuropa unter den deutschen Territorien, ebenso
unter den deutschen Bistümern, obwohl es sich nicht nur wie auch sein
Metropolitan, der Patriarch von Aglei, über bedeutende rein deutsche
Gebiete erstreckte, sondern, wenn auch bis zur Aufhebung des Patriar-
chats 1751 zu einer vorwiegend italienischen Metropolie geh(5rend, doch
in Staats -kirchenrechtlicher Beziehung zu Deutschland zählte, indem
die Konkordate der deutschen Nation wie die anderen Reichsgesetze hier
Geltung hatten und das ganze Gebiet in der Folge bis auf die unbe-
deutenden im Venezianischen liegenden Pfarren Tignale und Bagolino
zum Amtssprengel des Wiener Nuntius gehörte.
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los Deutsche auf dem Bischofsstahle von Trient saßen, die ihre
Landslente vielfach als Beamte verwendeten und ihre heimi-
schen Einrichtangen hierher verpflanzten. Auch die enge poli-
tische Verbindung, in welche das Bistum Trient zur Grafschaft
Tirol trat, mag da eingewirkt haben. So zeigt sich denn ge-
rade auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung ein enger An-
schluß an die benachbarten deutschen Länder^ an Deutschtirol
und den bayrisch-österreichischen Rechtskreis.
Egger allerdings hat geglaubt, von einer besonderen Ga-
staldienverfassnng sprechen zu sollen, die auf die Entwicklung
der Gerichtsverfassung hier von Einfluß gewesen sein soU.^
Doch dem entsprechen die Tatsachen nicht. Die Gastalden, be-
kanntlich bei den Langobarden Verwalter des Krongutes, führen
hier die Verwaltung des bischöflichen Besitzes. Es kommen
ihnen keine anderen Funktionen zu als den deutschen Pröpsten,
Meiern, Pflegern oder Amleuten oder wie diese Wirtschafts-
beamten heißen mochten. Mit der Ausübung der öffentlichen
Gerichtsbarkeit hatten sie prinzipiell nichts zu tun. Wenn sie,
wie dies allerdings vorkam, damit wirklich betraut waren,*
entsprach ihre Stellung vollends der deutscher Burggrafen und
bayrischer Pfleger. Dann ist ihnen die Hut einer Burg und
die Ausübung der Gerichtsbarkeit in dem zur Burg gehörigen
Bezirke tibertragen. Nur der Name des Amtes lautet hier
anders, das Amt ist dasselbe. Und seit der Mitte des 13. Jahr-
hunderts verschwindet auch der Titel in dieser Verwendung.
Nun wird nach den Funktionen genauer geschieden. Der Wirt-
schaftsbeamte wird als caniparius oder massarius, der Burg-
vogt als capitaneus bezeichnet.
Allerdings ist der Ausgangspunkt der Entwicklung hier
ein etwas anderer als im bayrischen Rechtsgebiete. Zwar
wissen wir über die Unterabteilungen der langobardischen
* a.a.O. 418.
* 1234 August 29. Kink, Fontes rer. Anstr. II, 5, Nr. 169: Bischof Aldrich
verleiht dem Bonifacin die Qastaldie in Beseno und in der gleich-
namigen Pfarre: committendo ei faciendi racionem inter homines do-
mini episcopi gastaldie predicte et sentenciandi inter eos secandum
iuris ordinem, nnd die warda des Schlosses. Ähnlich die Stellang der Ga-
stalden KU Pratalia 1234 Juli 14, Wien St.-A. Liber iorium in valle
Lagari f. 3. Wenn sonst eine Gerichtsbarkeit der Gastalden besonders
in Urkunden über Freilassungen und Adelserhebungen erwähnt wird,
handelt es sich um gutsherrliche Gerichtsbarkeit.
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10
Herzogtümer nicht viel mehr als über die Teile der bayrischen
Gane. Es werden indes bei den Langobarden iudiciariae ge-
nannt, die teils mit den Herzogtümern zusammen£allen, teils
kleinere Gebiete umfassen/ dann wohl mit den sculdasiae, den
Amtsbezirken der Schuldheißen zusammenfielen. Und eine
solche iudiciaria ist in Südtirol urkundlich belegt,* die iudi-
ciaria summa lacuensis, die in etwas beschränkterem Umfange
noch im heutigen Talnamen Judikarien weiterlebt. Und eine
solche iudiciaria dürfte wohl auch im Nons- und Sulzberg be-
standen haben, der, soviel uns bekannt, seit jeher, im 12. Jahr-
hundert unter bischöflichen Vizedomen, dann unter Hauptleuten
einen eigenen Gerichtssprengel bildete.* Hier also finden wir
wirklich Unterabteilungen der Grafschaft,* an welche die
Weiterentwicklung der Gerichtsverfassung anknüpfen konnte.
Der Gang der Entwicklung ist nun in Südtirol besonders
lehrreich. Hier, auf dem Gebiete der Notariatsurkunde liegt
seit der zweiten Hälftie des 12. Jahrhunderts ein überaus reiches
urkundliches Material vor, das den Gang der Dinge näher
beobachten läßt als anderswo und Aufschlüsse gewährt, die
auch auf die Entstehung der Landgerichte im bayrisch-öster-
reichischen Rechtsgebiete ein überraschendes Licht werfen.
Nicht ganz ist die Auflösung der alten Gerichtsbezirke hier
erfolgt. Ein Blick auf die Anichsche Karte von Tirol zeigt,
daß die Landgerichtsbezirke in Südtirol von sehr verschiedener
Größe waren. Die alte Judiciaria summa lacuensis, Judikarien,
^ Amira, Grundriß des germanischen Rechts 73.
2 Schuldheißen erwähnt im Placitum von 845 Febr. 26, Hühner, Gerichts-
urkunden Nr. 740. Auf bayrischem Rechtsboden wird in Tirol Schuld-
heiß, Justiziar oder Landrichter gebraucht bei Schwind-Dopsch, Urkunden
zur (österr.) Verfassungsgeschichte Nr. 22. Die iudiciaria summa lage-
nensis erwähnt im Testament des Bischofs Notker von Verona von 927
Nov. 17, De Dionysiis, De duobus episcopis Aldone et Notingo 103, in
derselben liegen Breguzzo, Bondo und Bolveno bei Tione.
^ Reich, ArcUivio Trentino 17, 86. Dagegen bildete das Lagertal keinen
gesonderten Verwaltungssprengel; irrig dafür Suster, Archivio Trentino
16, 13 f. Der comes Ragilo (Paulus Diaconus Histor. Langobard. 3, c. 9.
MM. SS rer. Lang et Italic. 97) ist kein Graf im fränkischen Sinne des
Wortes, vgl. Schupfer, Istituzioni politiche Langobardiche 318. Er dürfte
wohl eine militärische Würde bekleidet haben.
* Das langobardische Herzogtum Trient wird in der Karolingerzeit zur
Grafschaft.
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11
heute das Grebiet einer Bezirkshaaptmannschaft (Tione) und
dreier Bezirksgerichte (Condino, Stenico und Tione), bildete bis
zu den modernen Umwälzungen der Gerichtsverfassung im
19. Jahrhundert ein einziges Eriminalgericht, das allerdings f&r
die bürgerliche Gerichtsbarkeit in mehrere Sprengel zerfiel.
Daneben lagern sich die kleinen Gerichtssprengel von Riva-
Ledro, Arco-Penede, Tenno und am Idrosee die kleine Graf-
schaft Lodron als Splitter der alten ludiciaria. Und nicht anders
im Nonsberg. Der Nons- und Sulzberg, heute das Gebiet einer
Bezirkshauptmannschaft (Cles) und dreier Bezirksgerichte (Cles,
Fondo, Malö) umfassend, bildete ebenfalls der Hauptmasse
nach einen Gerichtssprengel. Enklavenartig aber sind eine An-
zahl kleiner Gerichte eingesprengt: Castelfondo-Arzo, selber
wieder aus zwei unzusammenhängenden Hälften bestehend,
Rabbi, Flavon, Spaur und Beifort, dies letzte ursprünglich zu
Judikarien gehörend, in der Folge in Verbindung mit Nons-
bei^er Schlössern. Hier besonders wird es deutlich, daß der
Prozeß der Auflösung der alten Gerichtssprengel nicht überall
in Südtirol zum Abschluß kam, in seinem Laufe gehemmt
wurde. Dies hängt wohl mit der schwankenden Haltung zu-
sammen^ welche die Bischöfe als Territorialherren zur Auf-
lösung der Gerichtssprengel einnahmen. Noch in der Mitte des
13. Jahrhunderts ist der Versuch gemacht worden, den Lauf
der Dinge rückgängig zu machen, die ganze Gerichtsbarkeit
in Trient zu konzentrieren.^
Ebenso wie in Bayern zeigt es sich dann, daß die Ge-
richtssprengel keineswegs von altersher sich gleichbleiben.
Viel stabiler ist vielmehr die Pfarre, die sich in der älteren
Zeit sichtlich auch mit der Markgemeinde deckt. Die Ge-
richtssprengel schwanken vielfach, entstehen und vergehen und
^ 1259 November 25. Bischof Egno verordnet: qaod omnes cause et qne-
stiones tarn civiles, maleficiorum, iniariarum quam aliarum omniura
racionam Ananie et Volsane, ludicarie et aliorura locorum episcopatus
et districtns Tridenti debeant venire ventilari et cognosci et tenninari
locoram predictoram in civitate et curia Tridenti per d™ episcopum
Tridentinam vel eins assessorem vel indicem, und verbietet allen capi-
tanei und gastaldiones eine Klage entgegenzunehmen, nisi ut antiquitus
aadire et eog^oscere consueverunt, ausgenommen nur die gastaldiones
von Bozen und Riva, also die Stadtrichter. Liber Zachei f. 2^ Nr. 3,
Wien St-A.
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12
sind erst im Beginne der Nenzeit einigermaßen feststehend
geworden, insofern als damals die Entstehung neuer Sprengel
im großen und ganzen abgeschlossen ist.
Neben diesem vielfach engen Anschluß an das deutsche
Nachbargebiet darf freilich nicht übersehen werden, daß die
landesfiirstliche Gewalt, die sich hier bildete, in ihrer Macht-
fülle den benachbarten deutschen Fürsten kaum vergleichbar
war. Das 1 3. Jahrhundert, das in Bayern, in Osterreich, in
Tirol, selbst im Salzburger Stiftslande ein mächtiges Landes-
flirstentum emporblühen sah, war für Trient ein Zeitalter der
Schwäche und Auflösung. Schon früher waren die Bischöfe
nur mit Mühe der unruhigen Elemente, die sie in ihrem Adel
und in ihren Bürgern besaßen, Herr geblieben. Der Regierung
des kräftigen Friedrich von Wangen folgte jäher Verfall. Noch
einmal raffte die Reichsverwaltung die Kräfte zusammen. Mit
dem Sturze der staufischen Herrschaft war das Schicksal des
Bistums besiegelt. Nicht vennochte die wiederhergestellte
schwache geistliche Herrschaft ein kraftvolles Regiment zu ent-
wickeln. Es folgten die Konflikte mit den mächtig ausgreifen-
den Tiroler Landesherren, aus denen das Bistum verkleinert
und geschwächt hervorging, bis endlich auch der Rest durch
die Kompaktaten Rudolfs IV. in halbe Abhängigkeit von Tirol
geriet. Und schwach, ja vielfach auch schlecht^ blieb das Regi-
ment der Bischöfe, bis endlich die Säkularisation der unglück-
seligen Zwitterstellung des Hochstiftes ein Ende bereitete, an
deren üblen Folgen freilich noch die Enkel zu tragen haben.
Ob sich in Bayern die Grafschaften je mit den Gauen
deckten, wissen wir nicht.* Schon früh wird dies nicht mehr
der Fall gewesen sein. Denn bereits Paulus Diaconus be-
^ Den Beweis wird Verfasser in seiner Tiroler Geschichte und in einer
größeren Arbeit über die Tiroler Gerichtsverfassung seit 1780 liefern.
Schlecht war die Verwaltung namentlich seit dem 16. Jahrhundert. Gerade
die glänzenden Bischöfe Bernhard von Cles und die Madrutz haben das
Land in ungerechter Weise ausgebeutet und einem krassen Nepotismus
gehuldigt. In der Folge trat der Marasmus dieses Regiments je länger,
je mehr zutage.
^ Die Grafschaften dürften in Bayern doch nicht erst dem fränkischen
Einflüsse ihre Entstehung verdanken. Paulus Diaconus erwähnt bereits zu
Ausgang des T.Jahrhunderts einen coraes Baioariorum, quem illi gravionem
dicunt. (5, c. 36, MM. SS. Rer. Lang, et Italic. 156). Jedenfalls geht daraus
hervor, daß diese Benennung zu Ende des 8. Jahrhunderts in Bayern gang
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13
richtet von einem bayrischen Grafen, der Bozen verwaltete.
Wenn auch Bozen zum Gau Norital gerechnet wurde, ^ so ist
doch Bozen schwerlich je der Mittelpunkt dieses großen Gaues,
der das ganze Eisacktal umfaßte, gewesen. Jedenfalls sind die
Gaue, wie Richter nachgewiesen hat, seit der spätkarolingischen
Zeit zu geographischen Begriffen geworden, die sich nicht
mehr mit dem Umfang der Gerichtssprengel, der Grafschaften
deckten 5* schon im 10. Jahrhundert ist das Bestehen mehrerer
Grafschaften auf dem Boden eines Gaues in Bayern nachzu-
weisen.' Anders lagen die Dinge allerdings in den Marken;
sie bildeten ein einheitliches Verwaltungsgebiet, in dessen
gimzem Umfange die ordentliche Gerichtsgewalt dem Mark-
grafen zustand. In den Marken hat daher die Zersplitterung
der Gerichtsbezirke etwas später eingesetzt und nicht alle Fak-
toren, welche für das altbayrische Stammland in Betracht
kamen, waren hier in gleicher Weise wirksam.
Mehrere Motive haben auf die Zerstücklung der alten
Grafschaften, auf die Bildung der Landgerichte eingewirkt.
und gäbe war. Daß der Graf Vorsitzender des Gerichtes war and nicht
der index, geben anch diejenigen zu, die wie Opet, Geschichte der
Prozeßeinleitongsformen 67; E. Mayer in den Göttinger Gelehrten An-
zeigen 1891, 349 den iudex als urteilend auffassen. Indes dürfte die
Ansicht, die Beseler in der Zeitscbr. für Rechtsgesch. 9, 248 f. gegen
Merkel begründet hat, den Vorzug verdienen, wonach der iudex, deutsch
eosago, öasagari, 6teilo, urteilo gleichwie bei den Alemannen nur das
Urteil fand. Diese Ansicht ist jedenfalls die herrschende geworden, vgl.
Branner, Deutsche Rechtsgesch. 1, 150; Schröder, Rechtsgesch. \ 175;
Riezler, Geschichte Bayerns 1, 128. Daß die Bedeutung des Wortes
index in der lex, die ja vielfach den westgotischen Gesetzestext wieder-
holt, eine schwankende ist, iudex fQr Behörde überhaupt gebraucht wird
nnd daher den Ghrafen and Herzog mitumfaßt, ist schon mehrfach her-
vorgehoben worden, vgl. Waitz, Deutsche Yerfassungsgesch. 2, n, 155 f.
Der bayrische iudex wird zum Schöffen, vgl. Riezler, Forschungen zur
deutschen Geschichte 18, 526. Der im 12. Jahrhundert auftauchende
Landrichter (iudex) kann daher nicht an den alten iudex des bayri-
schen Yolksrechtes anknüpfen.
* Nach Hauthaler, Salzbarger Urkundenbach 1, Nr. 67 (923), wo Mölten
und Terlan als in comitatu Nurihtale befindlich bezeichnet werden, vgl.
Egger a. a. O. 416. Egger denkt an zeitweise Vereinigung der Graf-
schaften Bozen und Eisacktal.
' a. a. 0. 606. Er spricht sich überhaupt gegen Zusammenfallen von Gau
and Gra&chaft aus.
' Richter a. a. O. 606; Rosenthal, 50; Riezler, Gesch. Bayerns 1, 843.
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14
Zanächst die Znnahme der Besiedlang und Bevölke-
rung.^ Die österreichischen Länder sind ja zum guten Teile,
wie Niederösterreich, Steiermark, Kärnten, Kolonialländer im
wahren Sinne des Wortes gewesen. Hier ist die deutsche Be-
völkerung erst im wesentlichen seit der Karolingerzeit einge-
wandert und hat die älteren Besiedler wenigstens nördlich der
Drau verdrängt. Hier konnte nicht an ältere Einrichtungen
angeknüpft werden, hier galt es von allem Anfang an, flir die
Bedürfnisse der Siedler neue Ordnungen zu schaffen. Aber
auch auf altbayrischem Boden in der Ebene sowohl als in den
Bergen hat die innere Kolonisation großen Umfang und große
Bedeutung gehabt. Vom 10. bis ins 12. Jahrhundert lichteten
sich die Wälder, die einen bedeutenden Teil des Landes be-
deckten.^ Dasselbe war in Tirol der Fall. Die vielen deutschen
Dorf- und Hofnamen, die sich hier mitten unter älteren romani-
schen finden, deuten der Mehrzahl nach auf Besiedlung in
dieser Zeit.^ Damals sind die Nebentäler des Inntales, das
Sellrain, Otz- und Pitztal, das Achental, die Leutasch, ein
guter Teil des Pustertales, so manche Seitentäler des Eisack-
tales besiedelt worden.* Und nicht minder in Südtirol. War
schon hier im 9. Jahrhundert ein Teil des Adels bayrischen
Ursprungs und griff das große Kolonisationsgebiet, das sich
wohl schon seit dem 9. und 10. Jahrhundert am Südostabhang
der Alpen im Gebiete von Verona, Vicenza und Feltre ge-
bildet hatte, auch höchst wahrscheinlich in den Vabugan und
die Grafschaft Trient (Lusern, Lavarone) hinüber, so drangen
nun seit dem 11. und 12. Jahrhundert deutsche Kolonisten
rüstig auch im Etschtale vor. Zunächst wurden die Höhen,
welche das Etschtal an der linken Seite umflanken, von Bozen
bis fast zur heutigen Landesgrenze von der Hacke deutscher
^ Worauf bereits v. Below, Histor. Zeitschr. 69, 217; Egger a. a. O. 377
und andere hingewiesen haben; ygl. auch Keutgen, Untersuchungen über
den Ursprung der deutschen Stadtverfassung 15.
' Biezler, Geschichte Bayerns 1, 771; Inama-Stemegg, Deutsche Wirt-
schaftsgeschichte 2, 20 f.
^ Alter sind die Namen mit dem Suffix ing im Inntale, die wang-Namen
sowie die deutschen Namen bei Bruneck, vgl. Redlich, Zeitsch. des Deut-
schen und österreichischen Alpenvereins 1897, 80 f.
* Redlich, Ein alter Bischofissitz im Gebirge. Zeitschr. des Deutschen und
Österreichischen Alpenvereins 1890, 39 f., 44.
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15
Baaem der Knttor erobert Dm reihten sich aneinander Welsch-
and Deatachnofen, schon durdi ihre Namen als Kolonisten'
ddrfer gekennzeidmet, Aldein, Fleims,^ Pinä und südlich des
Dnrchbnidies der Fersina, angrenzend an jenes filtere Koloni-
aation^ebiet, Fdgmreit, Costa, Terragnol und Vallarsa. Und
such im Talboden selber wurde rtLstig gearbeitet Die Grtln-
dang des mit deutschen Chorherren besetzten Klosters St Michel
ao der Etsch, das Fennbei^ und seine Besitsongen in Giovo
und Umgebong durch deutsche Bauern bewirtschaftete, die
Anlage des bald deutsch gewordenen Neumarkt waren hier
die entscheidenden Tatsachen. Noch lange hat diese Koloni-
sation weiter gedauert Tramin, durch seinen vortrefflichen
Rotwein bekannt, ist als Weinort zu Beginn des 13. Jahrhun-
derts durch Bischof Friedrich von Wangen angelegt worden.*
Ja noch im 14. Jahrhundert haben an der heutigen Sprach-
grenze zwischen Deutschmetz und Margreid umfangreiche Ro-
dungen von Weinland stattgefunden.'
Bei dieser weitgehenden Zunahme der Bevölkerung und
der bewohnten Grundfläche konnte die alte Gerichtseinteilung
nicht mehr ausreichen. Denn diese Kolonien lagen teilweise
auf hohen Bergrtlcken, die vom Tale nur auf stundenlangen
Saumpfaden zugänglich waren. Da mußte es im Interesse der
Kolonisten zur Neuerrichtung von Gerichtssprengeln kommen.
' Die Herkanft der Fleimser ist nooh nicht aa%eklärt. Ihr Recht enthält
mehr deatsche Elemente als jedes andere in Südtirol. Doch waren sie
weder Langobarden, noch Baiuwaren. Man könnte am ehesten an eine
Kolonie aus dem romanischen Rheintale, dem Bündnerlande denken.
Tgl. Festgaben für Bfidinger 358, das ja stark unter fr&nkisoh-alemanni-
schem Einfloß stand.
' Noch lange lebt die Erinnerung daran fort in den Leiheurkunden der
Weinberge; das Leiherecht wird durchaus in diesen auf den genannten
Bischof zurückgeführt.
' Exkönig Heinrich verleiht seinen (unehelichen) Brüdern Heinrich Dom-
herrn von Brizen und Heinrich von Eschenloh 40 Joch unbebauten Lan-
des zu Aicholtz in pertinentiis Meczi zur Urbarmachung; St. Zenoberg,
1327 Kovember 29. Derselbe für Albert von Forst, Gotschalk, Richter
zu Enn und Heinrich von SchOnna, gibt ihnen Gewalt an seiner statt
daz Aicholz ze Mecz uns und unsem erben ze einem zins ze raeuten
und ze pauen; 1327 Dezember 3. Hdschr. 392 f. 1 und 1^ Nr. 2 und 4,
Wien St.-A. Hier werden wohl die berühmten Teroldego-Reben (Tiroler)
angepflanzt worden sein.
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16 ^
die gewiß vielfach mit der Anlage dieser Kolonien Hand in
Hand ging. Die Gemeinde Fleims bildet einen eigenen Gerichts-
bezirk schon zn An&ng des 12. Jahrhunderts.^ Darauf und
nicht; wie Egger annahm^ auf die GastaldienverfEussung gehen
jene kleineren Gerichte zurück^ die einzelne dieser Bergge-
meinden umfassen, wie Flaas* und Campidell, Mölten, Jene-
sien, Wangen, Deutschnofen, Steineck und Welschnofen bei
Bozen. Und südlich von Trient war dasselbe der Fall mit
Folgareit, das ebenfalls seit 1440 einen eigenen Gerichtssprengel
bildete/ mit Ledro usw.
Neben diesem wirtschaftlichen Motive wirkte dann ein
persönliches zur Auflösung der alten Grafschaften. Daß die
Grafschaften Lehen wurden, ist für die Gerichtsverfassung
von der größten Bedeutung geworden. Indem sie als Lehen
erblich wurden, mußte es zu Teilungen und andererseits
wieder zur Vereinigung weit verstreuter Gebiete kommen.
Noch lange behielt das Reich einen maßgebenden Einfluß auf
das Schicksal der Gerichtssprengel. Die Veränderung der Ge-
richtsverfassung, die Teilung der Grafschaften, die Veräußerung
der Grafengewalt waren an die Zustimmung des Königs ge-
bunden.* Zugleich war die Vereinigung mehrerer Grafschaften
in einer Hand verboten, jede Grafschaft mußte ihren Grafen
haben^^ Indes diese Sätze, die der Sachsenspiegel noch als
geltendes Recht verkündet, haben zu seiner Zeit im bayrisch-
österreichischen Rechtsgebiet ebenso wenig wie die königliche
Bannleihe, wenigstens auf dem herzoglichen und Markboden
Geltung gehabt. '^ Damit war hier dem Landesfürsten die Mög-
^ Anerkannt in den Privilegien des Bischofs Gebhard von 1111 oder 1112,
Schwind-Dopsch Nr. 3.
* Flaas und Dentschnofen scheinen erst nach 1237 und 1242 als Gerichte
entstanden zu sein, vgl. Acta Tirol. 2, Nr. 864 und Einl. 205.
* Bottea, Cronaca di Folgaria 24. Folgareit und Ledro waren allerdings
nur Niedergerichte. Ledro ist eigener Gerichtssprengel mindestens seit
1608.
* Schröder, Zeitschr. der Savignystiftung für Rechtsgesch., Germ. Abt. 5, 49;
Rechtsgesch. *, 657.
•* Schröder, Zeitschr. der Savignystiftung 5, 49.
* Schröder, Rechtsgesch. *, 572 n. 169. Vgl. über das Dingen bei mark-
gräflichen Hulden Kuhns, Geschichte der Gerichtsverfassung und des
Prozesses in der Mark Brandenburg 45 f.
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17
lichkeit zu tieferen Eingriffen in die Gerichtsverfassung, zu
einer den wachsenden Bedürfiiissen angepaßten Neuordnung
gegeben^ ebenso wie aus denselben Gründen diese süddeutschen
Gebiete rasch zu Territorien im staatsrechtlichen Sinne er-
wuchsen, indem die Territorialherren in Bayern, Salzburg und
Tirol seit dem 13. Jahrhundert die reichsunmittelbaren oder
auch von ihnen lehenbaren Grafschaften in großem Umfange
einzogen.*
In Älterer Zeit war es vor allem die Verleihung der
Immunität von Seite des Königs, durch welche der Verband
der Grafschaft durchbrochen werden konnte. Allerdings die
Immunität hat erst später diesen Inhalt erhalten^ und sie
mußte ihn auch dann keineswegs besitzen. Es hat Fälle genug
gegeben, in denen das immune Gebiet in einem gewissen Zu-
sammenhang mit der Grafschaft geblieben ist.^ DaftLr ist ge-
rade ein Fall aus Südtirol besonders lehrreich. Das Domkapitel
von Verona besaß in Judikarien drei Dörfer, die ihm schon
zu Beginn des 10. Jahrhunderts durch Schenkung zugekommen
waren. Mag auch die Urkunde Kaiser Berengars, welche die
Schenkung bestätigt und Immunität verleiht,^ kaum echt sein,
spätere Diplome haben die Immunität im weitesten Umfange
gewährt. Das Domkapitel hat denn auch dort Richter einge-
setzt, Steuern erhoben, Statuten verkündigt, welche die Be-
straftmg selbst der schwersten Verbrechen regelten. Und so
konnte es im 13. Jahrhundert die Behauptung wagen, daß die
Dörfer nicht zur Grafschaft Trient gehörten. Freilich nicht
ohne Widerspruch von Seite Trients. Die Gerichtsbarkeit des
Kapitels mußte Trient schließlich freilich anerkennen; doch ist
dieses Gericht wieder verschwunden, als das Domkapitel seinen
Besitz in Judikarien gegen Ausgang des 13. Jahrhunderts
verlor.^
^ Biezier, Gesch. Bayerns 2, 13 f.; Richter a. a. O. 618 f.
' Heosler, Der Ursprung der deutschen Stadtverfassung 84 f.
' Seeliger, Die souale und politische Bedeutung der Grundherrschaft;
Abhandl. der phil.-hist. Klasse der kOnigl. sächs. Gesellsch. der Wissen-
schaften 22, 99.
* Schiaparelli, I diplomi di Berengario I, Nr. 118.
' Für das N&here sei sowohl wegen dieser als der folgenden Ausführungen
auf eine Arbeit verwiesen, die Verf. über die Immunitäts- und leibherr-
liche Gerichtsbarkeit in Südtirol vorbereitet.
ArchiT. XCnr. Band. 2
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18
Immerhin konnte die Immonität zu dauernder Ausschei-
dung aus dem Grafschaftsverbande, zur Bildung eigener Ge-
richte führen. Das Bistum Chur behauptete die hohe Gerichts-
barkeit im Mtinstertale^ und lange Zeit auch über einen guten
Teil seiner Gotteshausleute. Auf altes Immunitätsgebiet dürften
wohl auch jene Gerichte zurückgehen, in denen das Hochstift
Brixen die Gerichtsbarkeit behauptete: Stadt- und Hofgericht
Brixen, Lüsen, Salem, Niedervintel, Anras, Tilliach, Thum
an der Gader, Buchenstein und Fassa,* das erweislich aus
einem Brixnerischen Meiergerichte hervorgegangen ist, indem
die Bischöfe, die vorher die Entscheidung der Malefiz- und
wichtigeren Zivilsachen ihrem eigenen oder dem Gerichte von
Kommissären vorbehalten hatten, seit dem 13. Jahrhundert einen
eigenen Richter im Tale setzten. Inwieweit Trienter Gerichte
aus Immunitäten hervorgegangen sind, läßt sich nicht mehr
entscheiden. Es dürfte nändich keinem Zweifel unterliegen, daß
auch Trient so gut wie andere Hochstifl^r seine Immunitäts-
privilegien erhalten hat, die freilich früh zugrunde gegangen
sein müssen. Möglich, daß die Verwendung der Gastalden f&r
Zwecke der Gerichtsverwaltung auf eine ältere Tätigkeit als
Immunitätsrichter zurückgeht. Eine Immunität ist vielleicht
Fleims gewesen, wo der Bischof in der Tat Grundherr war.^
Auch fiir das Salzburger Stiflsland nimmt Richter* die
Entstehung einiger Landgerichte aus altem Immunitätsboden
an, und sicher gilt dies von jenen Landgerichten, die auf den
großen Besitzungen der bayrischen Reichskirchen in Österreicl^
Steiermark, Kärnten und Krain erwachsen sind. Gleichwie
aber diese Kirchen die hohe Gerichtsbarkeit auf ihren Immu-
nitäten vielfach frühzeitig verloren,^ sich nur die niedere be-
wahrten, die hohe erst in der Folge unter Ausnützung gün-
stiger Gelegenheit teilweise zurückerwarben,* so konnte auch
* Egger a. a. O. 423; Weistümer 3, 337.
• Wenn nicht bei einigen dieser Gerichte spätere Exemtion sagansten
der mit diesen Gerichten belehnten Ministerialen für ihre Bargfrieden
Yoriiegt, das Gericht sich also hier anf Grand eines älteren Bargfriedens-
bezirkes entwickelte.
» Vgl. AcU Tirol. 2, EinL 96.
* a. a, O. 617. » Richter a. a. O.
• Wie Passaa 1277, vgl. Redlich, Rudolf von Habsbarg 344; Srbik, Die
Beziehungen von Staat und Kirche in Österreich in Dopsch, Forschun-
gen TOT inneren Geschichte Österreichs 1, 53.
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19
das Stift Innichen in Tirol trotz seiner weitgehenden Privi-
legien^ sich nur im Besitze der niederen Gerichtsbarkeit und
anch dieser nur in beschränktem Gebiete behaupten^ da die
Grafen von Görz als Vögte nicht nur die Hochgerichtsbarkeit
beanspruchten, sondern für einen guten Teil des Immunitäts-
gebietes auch die niedere an sich rissen.*
Gefährlicher noch war fUr den Zusammenhang der Graf-
schaften die Exemtion weltlicher Herren. Denn auf geist-
lichem Immunitätsboden behielt der Graf, wenn er zugleich
Vogt der Barche war, was vielfach zutraf, die Ausübung der
hohen Gerichtsbarkeit in seinen Händen, wenn auch das Immu-
nitätsland dann einen eigenen Gerichtssprengel bildete. Auf
dem Boden der Mark, wo die geistlichen Immunitäten nicht
bedeutend waren, finden wir eine Reihe von Familien im Be-
sitze exemter Gebiete, die Grafen von Peilstein, Hardeck' usw.,
seit Rudolf von Habsburg die hohenzollerischen Burggrafen von
Nürnberg mit ihrem Besitze Seefeld. Auch in Tirol gab es
reichsunmittelbare Gebiete. Die Grafschaft Ulten ging vom
Reich zu Lehen,* und auch die Grafen von Flavon behaup-
teten einen Zusammenhang mit dem Reiche.^ So lange Ver-
änderungen in der Gerichtsverfassung nur durch den deutschen
König geschehen konnten, solange die Blutbannleihe Sache des
deutschen Königs war, war eine Exemtion von der Graf-
schaft nur durch Eingreifen des Königs möglich. Be-
kanntlich hat Kaiser Friedrich I. nach der Deutung Brunners
im Privilegium minus auf die Erteilung von Exemtionen in
Österreich verzichtet. Das Reich hat denn auch hier abgesehen
von den Zeiten der Reichsverwaltung unter Kaiser Friedrich II.
und König Rudolf von Habsburg sich aller Eingriflfe enthalten.
Aber in den anderen Territorien war dies nicht der Fall. Kaiser
Karl rV. und Sigismund haben bekanntlich die Grafschaft
Cilli errichtet,* die wie ein Keil die innerösterreichischen Terri-
' Friedrich I. 1187 April 19, Stumpf 4477.
* Egger, Tirol. Weistümer 4, 660.
^ Lnschin, Gerichtswesen 104; Adler, Zar Rechtsgeschichte des adeligen
Onmdbesitzes in Österreich 161.
* Egger, Mitteil, des Inst, Ergänzangsbd. 4, 426.
» Urk. 1308 Wien St-A.
* Haber, österr. Geschichte 3, 48.
2*
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tonen der Habsburger zu zerspalten drohte. In Tirol danken
die Grafen von Arco^ und Lodron* Privilegien der Kaiser
Sigismund und Friedrich III. ihre Erhebung. Beiden Familien
wurden ihre Grafschaften als Reichslehen verliehen, und von
beiden ist dann in der Folge die Reichsunmittelbarkeit in An-
spruch genommen worden. Beide schieden damit aus der Graf-
schaft Trient aus; die Reichsunmittelbarkeit konnten sie frei-
lich nicht behaupten, indem sie unter tirolische Landeshoheit
gerieten. Auch die Bischöfe von Brixen danken die Erwerbung
des vollen Blutbannes in der Stadt Bruneck erst einem Privileg
Karls IV.»
Indes begannen die Landesfürsten selber Exem-
tionen zu erteilen und sie konnten dies umso eher, seitdem
die Verleihung des Blutbannes auf sie übergegangen war. Daß
die Babenberger seit 1156 eine beträchtliche Anzahl solcher
Freiungen verliehen haben, hat Brunner nachgewiesen.* Den
Gefreiten wurde teils die hohe, teils auch nur die niedere Ge-
richtsbarkeit innerhalb der Freiungen überlassen.
Zweifelhaft bleibt es, wie weit in unserem Rechtsgebiete
die Gerichtsbarkeit des Leib- und Gutsherrn über
seine unfreien Untertanen und über seinen Grund-
besitz im 12. und 13. Jahrhundert noch anerkannt war.^ In
der Mark Österreich ist dies sicher noch in weitem Maße der
Fall gewesen. Hier im Kolonialland war ja die Besiedelung im
wesentlichen auf geschlossenem Großgrundbesitz erfolgt. Da
mag sich die Hofverfassung mit ihrer hofrechtlichen Gerichts-
barkeit fester und lebendiger erhalten haben, als auf alt-
bayrischem Boden und namentlich in den Bergen mit ihrer
teilweise freien Bauembevölkerung und ihrem zersplitterten
^ Pranzelores, Tridentum 3, 401; Bidermann, Die Italiener im tirol. Pro-
vinzialverbande 99.
* Bidermann 115. Diplom von 1452 April 6, Reichsreg. K. Friedrichs III.
F., f. 40; Chmel, Regesten Friedrichs III., Nr. 2821.
' Sinnacher, Beiträge zur Geschichte der Kirche, Sähen and Brixen 5,
461; Huber, Regesten Karls IV., Nr. 4991.
* Sitznngsber. der Wiener Akad. 47, 345 f. Über landesfiirstliche Exem-
tionen in Steiermark Krones, Verfassung und Verwaltung der Mark und
des Herzogtums Steier 127 f.
^ Für die ältere Zeit vgl. Brunner, Rechtsgeschichte 2, 283; Schröder ^,
179, 605.
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21
Grundbesitz.* Im Herzogtum Bayern wird sie den Ständen
durch das bekannte Privileg des Herzogs Otto von 1311 ein-
geräumt. Doch bleibt es streitig, ob dieses Privileg den Grund-
herren neue Rechte zuerteilte, oder ob es nicht bloß längst
bestehendes anerkannte.* Gewöhnlich entscheidet man sich,
insofern die weltlichen Grundherren in Betracht kommen, für
das erste und erblickt in dem Privileg ein verhängnisvolles
Zugeständnis an die wachsende Macht der Stände. Auch für
Tirol ist die Frage nicht geklärt. Im allgemeinen haben hier
die Landgerichte neben der hohen auch die niedere Gerichts-
barkeit behauptet, ein Beweis dafür, daß nur ein Bruchteil der
Bevölkerung der grundherrlichen Gerichtsbarkeit unterstand.
Allgemein kam diese dem Adel hier keineswegs zu. Marga-
rete Maultasch fand es für nötig, einem ihrer Adeligen, dem
Hans von Starkenberg, durch besonderes Privileg die niedere
Gerichtsbarkeit über seine Eigenleute in den Gerichten Peters-
berg, Imst und Landeck einzuräumen.' Es wird wohl kein ein-
heitlicher Rechtszustand geherrscht haben, die alten Geschlechter
wie die Matscher haben diese Gerichtsbarkeit behauptet,* die jun-
gem, selber aus der Unfreiheit emporgestiegen, ihrer gedarbt. Für
Stidtirol liegen die Dinge klarer. Eine Reihe von Zeugnissen
läßt keinen Zweifel übrig, daß den Ritterlichen die Gerichts-
barkeit über ihre Eigenleute zustand.* Allerdings in der Regel
nur die niedere. So übten also einige Grund- und Leibherren
die Gerichtsbarkeit noch aus eigenem grund- und leibherrlichen
Rechte, andere aber infolge einer Vergünstigung des Königs
oder des Landesherm, infolge einer Exemtion. Für den Fort-
gang war dies gleichgiltig. Denn immerhin konnte auch die
grund- und leibherrliche Gerichtsbarkeit den Anknüpfungs-
* Vgl. Dopsch, Die landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oborösterreichs
132; Laschin, Gerichtswesen 105.
* Rosen thal 190; Wirschinger, Darstellung der Patrimonialgerichtsbarkeit
in Bayern 90 f.; vgl. auch Riezler, Gesch. Bayerns 2, 176 f.
* 1363 Jänner 19, Huber, Vereinigung Tirols mit Österreich 217, Nr. 278.
* Ladurner, Zeitschr. des Ferdinandeuras III, 17, 227.
^ Weistum der Herren des Lagertales auf Befragen Bzzelins da Romano,
1268 Wien St.-A.: quod comitatus et iurisdicio tota de valle Lagarina
est episcopatas Tridenti, set quantum est in iure civili, milites faciunt
rationem de maanata sua et de suis servis glebe. Näheres und weitere
Belege im angekündigten Aufsatze.
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22
paukt, die territomle Cnteriage bieten, in der die Landge-
riehtdbarkeit erworben wnrde.
Wo die Immunitäten, Exemtionen und Eigenguter des
Gnmdherm kompakte, zusammenhängende Massen bildeten,
da bestanden ohneweiters damit auch Bezirke, die entweder
Landgerichte schon darstellten, oder doch durch Erwerbung
der hohen Gerichtsbarkeit zu Landgerichten ausgestaltet wer-
den konnten. Anders wo, wie in Tirol, Streubesitz vorherrschte,
wo es schon sehr früh zu einer weitgehenden Zersplitterung
des Grundbesitzes gekommen war. Die grund- und leibherr-
liche Gerichtsbarkeit ergriff nämlich wie gesagt nicht nur die
Eigengüter, sondern auch die Eigenleute, mochten diese auch
auf fremden Gütern sitzen, sie bedeutete nicht nur eine reale,
sondern auch eine personale Exemtion aus der niederen Ge-
richtsbarkeit des Landgerichtes. Wo nun die Güter zerstreut
unter den Besitzungen anderer Herren lagen, wo die unfreien
im weiten Umkreise neben den Untertanen anderer Herren
saßen, mußte sich ein unerträgliches Durcheinander der Kom-
petenzen ergeben, das um so fühlbarer wurde, als die Bevöl-
kerung wuchs, damit sich enger berührte und durch die wach-
sende Kultur genähert wurde. Begreiflich daher, daß die In-
haber der öffentlichen Gerichtsbarkeit, die Landesherren vor
allem auf Beseitigung dieser Zersplitterung oder wenigstens
auf räumliche Abgrenzung der Kompetenzen drängten. Derselbe
Trieb, der zum Kampf der Territorialherren gegen die reichs-
unmittelbaren Exemtionen führte, ein Kampf, den in Oster-
reich bekanntlich Herzog Rudolf IV. eröffnete und zum Teile
wenigstens mit Glück durchgeführt hat, den die Habsburger
in der Folge auch gegen die Immunitäten der Reichskirchen
siegreich durchkämpften,^ kehrte sich auch innerhalb der Land-
gerichte, ja innerhalb der Niedergerichte, wo solche gesondert
bestanden, gegen die Exemtionen und gegen die grund- und
leibherrliche Gerichtsbarkeit. Frühzeitig schon wurde sie nur
innerhalb geschlossener Hofmarken anerkannt, nicht aber für
Besitzungen, die außerhalb dieses Umkreises lagen. Dem Klo-
ster Stams war die niedere Gerichtsbarkeit über alle Eigen-
leute und Güter von dem Stifter und seinen nächsten Nach-
folgern zuerkannt worden,' später sehen wir sie auf die Hof-
' Srbik 51 f. « Hormayr, Geschichte Tirols 1\ 486.
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23
mark beschränkt. Das Kloster St. Michel an der Etsch gewann
und behauptete die niedere Gerichtsbarkeit nicht auf seinen
zerstreuten Besitzungen^ sondern nur in dem einen größeren
znsammeuhängenden Bezirk bildenden Fennberg.* Das Dom-
kapitel von Trient erlangte vom kaiserlichen Podestk Sodegher
die Anerkennung seiner grundherrlichen Gerichtsbarkeit auf
allen Besitzungen außer in Judikarien.* Später ist die Gerichts-
barkeit des Kapitels auf Sover, Sevignano und Montagnaga be-
schränkt.
Den weltHchen Herren gegenüber hatte der Territorial-
oder Gerichtßberr freilich einen schwereren Stand. Das Privileg
Herzogs Otto hat die grundherrliche Gerichtsbarkeit auch nur
innerhalb geschlossener Hofmarken anerkannt. Erst viel später,
im 16. Jahrhundert haben die Stände die Ausdehnung ihrer
Gerichtsbarkeit über die Hofinarken hinaus erlangt.^ In Nieder-
österreich ist gewöhnlich in jedem Dorfe nur Ein Grundherr
in den Besitz der niederen Gerichtsbarkeit gekommen,* die
übrigen behaupteten sie nur innerhalb der Dachtraufe ihrer
Häuser, es ist also da ein Ausgleich unter den Grundherren
erfolgt. Jedoch nicht immer. Viel zäher als die niedere Ge-
richtsbarkeit wurde die hohe über zerstreute Untertanen und
Häuser behauptet. So gab es in Österreich exemte Eriminal-
gerichte mit einer Gerichtsbarkeit über die in verschiedenen
Landgerichten und Pfarren zerstreuten Häuser des Gerichts-
herm.* Ganz dasselbe finden wir auch in Südtirol. Der Landes-
herr von Tirol übte als Inhaber des kleinen Gerichtes Castello
die hohe Gerichtsbarkeit in einer beträchtlichen Zahl von
Häusern, die in den einzelnen Dörfern des bischöflichen Ge-
richtes Fleims zerstreut lagen und den Fleimsem als Asyl
dienten.® Die Herren von Spaur besassen als Herren des Ge-
^ Der darch Eigenleute des Klosters gerodet wurde. Fennberg erhielt das
Stift nicht von den Grafen von Eppan, wie Egger a. a. O. 420 meint,
sondern vom Bischof von Trient; Bonelli, Notizie intomo al beato Adel-
prete 2, 392.
* 1254 April 20, Innsbruck St.-A., Trient C. 69, Nr. 42.
' Rosentbal 189, 193.
* Lnschin, Gerichtswesen 159 f.
* a. a. O. 118.
* um 1536. Gutachten über einen Austausch von Castello gegen Truden.
Innsbruck St.-A., Trient C. 12, Nr. 80.
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24
richtes Altspaur die Gerichtsbarkeit über vier Hänser in dem
zur Prätnr Trient gehörigen Mezzolombardo. Diese Hänser
wnrden in charakteristischer Weise als die Grafschaft la contk
bezeichnet.^ Ahnliche Verhältnisse bestanden zwischen Flavon
und Castelfondo einer- und dem bischöflichen Nonsberg an-
dererseits, zwischen Nomi und Castelnuovo usw. Auf verschie-
dene Weise sind diese zerrissenen Gerichtsbarkeiten entstanden.
Durch Verleihung der hohen Gerichtsbarkeit an Grundherrn,
welche die niedere bereits besaßen, wie in Niederösterreich,
durch Usurpation, wie vielfach in Südtirol, durch Bildung zer-
splitterter Burgfrieden, wie jene Höfe in Mezzolombardo, die
einst mit dem Schlosse San Pietro einen eigenen Burgfrieden
und ein eigenes Hochgericht gebildet hatten,* endlich durch
Vertrag. So haben die Herren von Castelbarco, als sie ihre
Gerichte im Lagertale teilten, sich gegenseitig die Gerichts-
barkeit über einzelne Eigenleute und Häuser im Anteile der
andern vorbehalten.*
Solche Verhältnisse mußten den Keim fortdauernder
Streitigkeiten in sich bergen. Es ist daher an anderen Orten zu
einem Ausgleich, zu einer Konsolidation gekommen. Die Herren
von Arco besaßen eine große Zahl von Eigenleuten und Höfen,
die in ganz Judikarien zerstreut lagen. Über diese übten sie
die Gerichtsbarkeit, während sie trotz aller Usurpationen bis
ins 14. Jahrhundert in einem geschlossenen Bezirke eine solche
nicht erwarben. Noch im Jahre 1B15 ist dieser Zustand aner-
kannt.* Doch schon zwei Jahre später wurde diesem unleid-
lichen Verhältnisse ein Ende gemacht durch einen Vergleich, nach
welchem die Arco auf die Gerichtsbarkeit über ihre Eigen-
leute verzichteten, dafUr aber als bischöfliche Vikare die Zivil-
und Kriminalgerichtsbarkeit, anfangs noch mit gewissen Be-
schränkungen, in der Pfarre Arco eingeräumt erhielten.^ Was
hier nur für eine Anzahl von Jahren festgestellt wurde, ist
dann dauernd Rechtens geworden trotz aller Versuche der
Arco, den ftlr sie günstigem früheren Zustand wieder herzu-
stellen. So war hier an Stelle einer auf privatrechtlichem
* 1617 Mai 22 Zeugenaussagen, Innsbruck St.-A., Trient C. 86, Nr. 7.
* Reich, Archivio Trentino 12, 264; Ders., I castelli di Sporo e Beifort 38.
8 1868 Dezember 2, 1436 August 13. Innsbruck St.-A., C. 32, Nr. 41.
* 1316 April 16, Wien St-A.
5 1317 März 10; Postinger, Atti delP Accademia dei Lincei III, 7, 173 f.
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25
Titel berahenden Gerichtsbarkeit über zerstreute
Eigenleute und Gtlter der Erwerb der öffentlichen
Gerichtsbarkeit innerhalb eines geschlossenen Bezir-
kes getreten, es war ein neues Landgericht entstanden.
Ganz ähnlich war die Entwicklung bei den Herren von
Matech, denen eben&Us die niedere Gerichtsbarkeit über ihre
Eigenleute im Vintschgau zustand,* bis ihnen 1498 der Blut-
bann, aber nur im Matscher Tale selber und in ihren Gerichten,
Dörfern und Grebieten von König Maximilian I. verliehen wurde.*
Lamprecht hat ähnliche Fälle aus der Rheingegend angeführt,'
und so läßt sich vermuten, daß diese Vorgänge nicht verein-
zelt geblieben sind, daß häufiger, als die Quellen erkennen
lassen, Landgerichte entstanden sind, um eine zersplitterte Ge-
richtsbarkeit zu beseitigen.
Sowohl in diesem Falle, als in dem der Exemtionen ge-
langt die öffentliche Gerichtsbarkeit in private Hände, ent-
stehen patrimoniale Landgerichte, Patrimonialgerichte in dem
Sinne, in dem das Wort in der österreichischen Rechtssprache
gebraucht wurde.* Zur Ausbildung der Landgerichte in
den landesfürstlichen Grafschaften gab den wichtig-
sten Anstoß wohl die Burgenverfassung. Es ist schon
wiederholt auf die Bedeutung der Burgen für das politische
Leben nnd ihren Zusammenhang mit den Verwaltungssprengeln
und Landgerichten des spätem Mittelalters hingewiesen worden.^
Unzweifelhaft ist, als sich die Notwendigkeit ergab, für die
wachsende Bevölkerung die Zahl der Gerichte zu vermehren,
die allzngroßen Sprengel zu teilen, oft genug der Burgfrieden
znm Landgericht geworden.
' Ladamer, Zeitschr. des Ferdinandeums III, 17, 203.
* Ladurner, Zeitschr. des Ferdinandeums III, 18, 143. Archivberichte aus
Tirol 2, Nr. 940.
« Deutsches Wirtschaftsleben 1, II, 1201 f.
* Während man sonst unter Patrimonialgericht das grundherrliche Gericht
versteht, bedeutet es in Österreich jedes hohe oder niedere Gericht,
das sich zu dauerndem Rechte in den Händen eines Privaten befand.
Aber auch in der Mark Brandenburg sprach man von patrimonialen
Landgerichten, vgl. Kuhns, Geschichte der Gerichtsverfassung Branden-
burgs 2, 124 f. Vgl. übrigens auch Schröder, Bechtsgesch. ^ 604.
* Schröder, Bechtsgesch. *, 608; v. Below, GOttinger gelehrte Anzeigen
1890, 313 und anderwärts.
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26
Im bayrisch-österreichischen Rechtsgebiete dan-
ken, von einigen Burgen in Tirol, die auf römische Kastelle
zurückgehen, abgesehen, die Burgen geradeso wie in Sachsen
den Ungarneinfällen ihre Entstehung. Denn nach der
großen Schlacht in der Ostmark im Jahre 907 lag auch Bayern
schutzlos den magyarischen Plünderern oflfen.^ Schon acht
Jahre vorher, im Jahre 899, waren die Ungarn in Italien ein-
gebrochen, hatten dem König Berengar an der Brenta eine ver-
nichtende Niederlage beigebracht und das flache Land bis auf
die ummauerten Städte verwüstet.* Wie in Italien der Burgen-
bau, dem in den Küstenländern schon die SarazeneneinfUlle
einen kräftigen Anstoß gegeben hatten, in den folgenden Jahren
mit erneutem Eifer in Angriflf genommen wurde,' so entstanden
damals auch in Bayern die ersten Burgen. König Ludwig IV.
verlieh dem Kloster St. Florian 900 die Ennsburg, die nach
dem ersten Einbruch der Ungarn zum Schutze der Grenze
erbaut worden war, und gestattete nach der großen Ungam-
schlacht dem Bistum Eichstädt im Jahre 908, auf seinen Be-
sitzungen Burgen zum Schutze gegen die pagani anzulegen.*
Es wird nur dem zufälligen Mangel an Urkunden zuzuschrei-
ben sein, wenn nicht mehrere ähnliche Fälle bekannt sind.
Daß in den Marken nach ihrer Wiedergewinnung eine Reihe
von Burgen zu Zwecken der Grenzverteidigung entstand, be-
' Riezier, Geschichte Bayerns 1, 257; Dfimmler, Geschichte des ostfräuki-
sehen Reiches 3', 547 f., nachdem die Ungarn bereits 900 über die
Grenze gefallen und 906 in Sachsen eingedrungen waren, a. a. O. 515
und 546.
" DUmmler a. a. O. 507.
• Davidsohn, Geschichte von Florenz 1, 304. Das Recht, Burgen zubauen,
wird durch Berengar verliehen an Reggio, Schiaparelli Nr. 76 (911), 76
für Leo und Genossen (911), Padua 82 (912), Pavia 84 (912), in beiden
letzten Urkunden mit besonderer Bezugnahme auf die Ungarn usw.;
gebaute bestätigt für Modena Seh. 46 (904), usw.
* Böhmer-Mühlbacher Nr. 1942 und 1992. Daß unter den pagani die Un-
garn und nicht etwa Slawen zu verstehen seien, ergeben die ganz glei-
chen Wendungen der Urkunden Berengars und folget schon aus der
Sachlage, da Bayern damals nicht durch Slawen, sondern nur durch die
Magyaren verwüstet wurde. Über den Burgenbau in der Rheingegend,
dem in analoger Weise die NormanneneinfäUe neuen Anstoß gaben, vgl.
Lamprecht, Wirtschaftsleben 1, II, 1306 f. Im allgemeinen auch Hegel,
Die Entstehung des deutschen Städtewesens 27 f. ; Keutgen, Untersuchun-
gen über den Ursprung der deutschen Stadtverfassung 42 f.
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27
darf keines weiteren Wortes. Aber auch im altbayrischen Ge-
biete haben die zahlreichen Kriege and Fehden^ insbesonders
die stürmischen Zeiten des Investiturstreites zum Baue neuer
Bargen gefuhrt. Auf den Burgen und ummauerten Städten
beruhte ja zum größten Teile die Landesverteidigung, die mili-
tärische Stellung des Landes wie der einzelnen Dynasten. Der
Barghauptmann oder wer sonst mit dem Kommando in der
Burg betraut war, nahm daher eine wichtige militärische
Stellung ein.
Begreiflich, daß die Burgen wegen der Sicherheit, die sie
boten, bald auch zu Mittelpunkten der Verwaltung erkoren
wurden. Hier wußte man das Einkommen des Burgherrn, die
Abgaben und Steuern der zins- und steuerpflichtigen Unter-
tanen am ehesten in Sicherheit.
Die Burgen sind nun aber in unseren Gegenden^ in
engste Verbindung mit den Landgerichten getreten,
derart, daß das Landgericht in der Folge dann geradezu wie
ein Zubehör zur Burg erscheint. Der Burghauptmann, Burg-
graf oder wie der Kommandant der Burg sonst heißt, wird
häufig genug mit der Ausübung der hohen Gerichtsbarkeit in
dem zur Burg gehörigen Landgerichtssprengel betraut. Aller-
dings erscheint in vielen Gerichten Bayerns neben dem Pfleger,
der dann auf die Verwaltung beschränkt ist, ein eigener Land-
richter betraut mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit.* Doch
ißt dies sicher erst spätere Bildung. Auch darüber geben die
Südtiroler Verhältnisse Auskunft. Zuerst erscheint hier der
capitaneus der Burg oder, wie er bis in die erste Hälfte des
13. Jahrhunderts auch heißt, der Gastalde als Landrichter.
^ Aach sonst in Deutschland. An anderen Orten bildete die Burg den
Mittelpunkt des Amtes, das ist des Verwaltungsspreugels; das Amt um-
faßte aber häufig mehrere Gerichte, vgl. y. Below, Territorium und Stadt
285. In Österreich fallen die Officia mit den Gerichten nicht zusammen;
Dopsch, Urbare, Einl. 83. Dagegen wo Burgen bestanden, war vielfach
der Burgwart auch Richter, vgl. Dopsch a. a. O. 167.
' Bosenthal 54; Riezler, Geschichte Bayerns 1, 752, knüpft den iudex des
12. Jahrhunderts an den Schuldheißen ; 2, 528, den Pfleger an den Vogt.
Der brandenburg^sche Vogt, der seit dem 13. Jahrhundert in der Mark
Brandenburg Landrichter ist, vgl. Kuhns, Gerichtsverfassung der Mark
Brandenburg 134 f., ist wohl auch nichts anderes als markgräflicher
Barghauptmann gewesen, jedenfalls hat er milit&risohe Gewalt, und
häufig ist eine Burg oder Stadt Mittelpunkt des Vogteibezirkes.
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28
Später tritt an seine Seite ein Vikar, der vom Hauptmann
eingesetzt, in der Folge auch von der Gerichtsgemeinde gewählt
wird. Dem Hauptmann bleibt entweder die Kriminalgerichts-
barkeit, wie in Judikarien, oder er wird Richter in zweiter
Instanz, wie in Fleims oder Tenno, oder er verliert die Ge-
richtsbarkeit ganz und wird auf die Verwaltung beschränkt.
In Deutschtirol waren wenigstens noch im 13. und der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts in den meisten Gerichten Gerichts-
barkeit und Verwaltung in denselben Händen vereinigt. Und
ganz ähnlich ist sicher die Entwicklung in Bayern gewesen.
Der Landrichter fungiert wo er besteht, und er besteht nicht
in allen Gerichten, als Stellvertreter des Pflegers, wird in der
Regel vom Pfleger eingesetzt, dem die Kriminalgerichtsbarkeit
kaum jemals ganz entzogen ist. Denn nur so erklärt sich die
Opposition des bayrischen Adels gegen die Übernahme des
Pflegeramtes, weil ihm die Ausübung der Malefizgerichtsbar-
keit als etwas Entehrendes erscheint.^
An sich steht nun allerdings die Burg in keinem Zu-
sammenhang mit der Gerichtsbarkeit. Dingstätte ist die Burg
in älterer Zeit nicht gewesen. Vielmehr besitzen die Gerichte
ihre von alters hergebrachten Malstätten oder Schrannen, in
Bayern, wo die Landgerichte umfaugreich geblieben sind, in
der Regel ihrer mehrere, in Tirol und Osterreich meist wohl
nur eine. Die richterliche Tätigkeit des Burgvogtes konnte
auch kaum an seine Verwaltungstätigkeit anschließen, denn
als Verwaltungsbeamten unterstehen ihm nur die landesfürst-
lichen Eigenleute und Besitzungen. Über diese übte er wohl
die grundherrliche Gerichtsgewalt namens seines Herrn, keines-
falls aber über die Hörigen eines andern Grunherm oder gar
die freien Bauern. Deshalb sind dort, wo eigene Amtleute mit
der Verwaltung der landesfiirstlichen Domänen betraut waren,
wie in Österreich, auch nicht diese Amtsleute zu Landrichtern
und ihre Amtsbezirke (officia) zu Landgerichten geworden, es
sei denn, daß die landesfürstlichen Besitzungen den ganzen
Gerichtsbezirk einnahmen und daß alle Einwohner des Bezirkes
der Gerichtsgewalt des Amtmannes als Immunitäts- oder grund-
herrlichen Richters unterstanden. Die richterliche Tätigkeit des
* Rosenthal 66. Über den Pfleger von Werfen M. Majr, Veste Hohen-
werfen 42.
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29
Burgvogte« hat vielmehr an seine militärische Stellung ange-
knüpft. Schon die Barggrafen in den rheinischen Bischofstädten
vereinigten militärisches Kommando mit der richterlichen^ gräf-
lichen Tätigkeit. Weil die Stadt einen eigenen militärischen
Bezirk bildete^ nicht dem Konmiando des Gaugrafen unter-
stand, schied sie auch in gerichtlicher Beziehung aus der Graf-
schaft aus.^ Denn die Bürger sind in erster Linie zur Ver-
teidigung ihrer Stadt verpflichtet und jede Stadt ist eine Burg.^
Auch auf dem flachen Lande bilden sich um die Burg Be-
zirke, über die der Burggraf ein besonderes militärisches
Kommando^ den Burgbann, übt.
Die Bauern sind bekanntlich aus den mittelalterlichen
Ritterheeren verdrängt worden. Aber zur Landesverteidigung
blieben sie verpflichtet, mochten sie frei oder unfrei sein. Sie
blieben verpflichtet zur Leistung öffentlicher Fronden bei An-
lage von Befestigungen, zu Burgwerk.* Sie hatten das Bau-
material zu liefern, Hand- und Spanndienste zum Bau oder zur
Erhaltung von Festungen zu leisten, sie hatten wohl auch die
Besatzung zu beköstigen und mußten die nötigen Wachen auf
der Burg, die waitas und scarawaitas, wie unsere Urkunden
sich ausdrücken, leisten.* Wenn die Burgen in Kriegszeiten
dem Bauern und seiner Habe Zuflucht gewährten, so schien
es gerecht, daß die Bauern für ihre Anlage, Erhaltung und
Bewachung Sorge trugen. So manches stolze Schloß war ur-
sprünglich Eigenttun einer bäuerlichen Gemeinde, ist von der
Baaemgemeinde in eigenem Interesse erbaut worden, und nur
das Kommando in der Burg kam dann einem Ritterlichen zu.
Noch zu Ende des 12. Jahrhunderts gilt das Schloß zu Arco
^8 Eigentum der Gemeinde Arco. Den Herren von Arco kam
nur der Burgbann zu.^ Der Bau einer Burg wird unter an-
derem den Leuten von Riva,*^ von Tisens,^ von Tramin® ge-
^ Hensler, Ursprang der deutschen Stadtyerfassung 52 f., 60; Waitz,
Deatsche Verfaasuiigi^^eschichte 7, 41 f., 53 f.
' Keatgen, Untersachungen über den Ursprung der deutschen Stadtyer-
fassung 52 f. ; Sohm, Entstehung des deutschen Städtewesens 40.
' Schröder, Bechtsgeschichte ^ 197, 592.
* Kink, Fontes II, 5, Nr. 62, 67, 99 usw.
^ Kink, Fontes II, 5, Nr. 59.
* Bonelli 2, 382. Der Bischof behält sich dabei einen Pallas (domus) im
Schlosse und den honor (Burgbann) vor.
' Kink a. a. O. Nr. 56 (1194). « a. a. O. Nr. 126.
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30
stattet und die Gemeinde Povo wird mit dem gleichnamigen
Schlosse belehnt, das der Bischof eingezogen hatte.* Noch da-
mals wird den Bauern, wenn einem Herrn Erlaubnis erteilt
wird, ein Schloß zu bauen, die Möglichkeit gewahrt, im Um-
kreise der Burg auch Zufluchtsorte für sich anzulegen.* Frei-
lich kommen die Schlösser mehr und mehr als Lehen in die
Hände des Adels' und die Rechte der bäuerlichen Gremeinden
geraten in Vergessenheit. Aber ihre Pflichten bleiben. Häufig
wird nun einzelnen Herren, wenn ihnen Erlaubnis erteilt wird,
ein Schloß zu bauen — und der Bau der Schlösser ist seit dem
12. Jahrhundert* an die Zustimmung des Territorialherm ge-
knüpft — oder bei Verleihung der Burghut zugleich die Er-
mächtigung gegeben, die Bauern eines gewissen Bezirkes um
die Burg herum zur Leistung von waitas und scarawaitas in
der Burg zu nötigen. So wird bei Übertragung der Burghut
des Schlosses Belvedere angeordnet, daß die homines illius
terre debent facere custodiam et publicum castri* und ähnliches
wird in gleichem Falle häufig wiederholt.^ Manchmal wird
auch die Baupflicht erwähnt. So wird bestimmt, daß die Leute
des Lagertales, Freie und Knechte, als Entgeld für die Hütten,
die sie im Schlosse Pratalia besitzen, das Schloß bauen und
einen Maurer anstellen müssen.' Zu vielen Burgen gehören
ganz wie in Sachsen die Burgwardeien, so auch hier und
sicher auch in Österreich,® bestimmt abgegrenzte Be-
zirke, deren Bauern in bestimmten Verpflichtungen zur Burg
stehen. Diese Bezirke sind verschieden groß, umfassen bald
eine ganze Pfarre oder ein oder mehrere Dörfer oder auch
nur einige Höfe. Der Bezirk braucht nicht um die Burg herum
zu liegen, in Südtirol wenigstens ist ein Fall bekannt, daß die
» a. a. O. Nr. 83 (1210).
• a. a. O. Nr. 13 (1172).
' So das Schloß Brentonico. Zeugenaussage um 1218. Wien St.-A.
• Kink a. a. O. Nr. 21 (1185). Rechtsspruch, wonach es niemandem erlaubt
ist, in der Grafschaft, die der Bischof selber oder mit einem andern
gemeinsam besitzt, ohne dessen Zustimmung ein Schloß zu bauen.
» Kink a. a. O. Nr. 6 (1161).
• z. B. Kink a. a. O. Nr. 7 (1161) für Schloß Madruzz; Nr. 69 (1201) fttr
Enn; Nr. 83 für Povo.
' Kink a. a. O. Nr. 134.
® Adler, Zur Rechtsgeschichte des adeligen Grundbesitzes in Österreich
123 f.
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31
Pflichtigen Dörfer stundenweit von der berechtigten Burg ent-
fernt lagen.^ Diese Bezirke kann man wohl, ein später auf-
tauchendes Wort gebrauchend, als Burgwardeien oder Burg-
frieden benennen.
Der Burgvogt übt den Burgbann über die Be-
wohner des Burgfriedens, er kann sie zu Burgwerk und
Wachten bannen.* Unsere Urkunden sprechen von honor, hono-
rantia, iurisdictio und districtus des Burgherren oder seines
Vogtes.* Qetibt wird dieser Bann in den regulae de castris, in
den Versammlungen jener Leute, die zum Burgfrieden gehören.
Das Recht, in diesen regulae zu gebieten, gilt als bischöfliches
Lehen, denn es ist öffentlichen, nicht privatrechtlichen Ur-
sprungs.*
Nun deckt sich häufig genug der Burgfrieden mit
dem Landgericht; die Bewohner des ganzen Landgerichtes
sind dann zu Burgwerk und Wachdienst verpflichtet. Vielfach
haben sich solche Verhältnisse noch recht spät erhalten. Aus
Südtirol mögen beispielsweise Levico,^ Tenno,® die vier Vika-
^ Die Gemeinden des spSteren Gerichtes Beifort: Andalo und Mol veno
wiren der Barg Visione verpflichtet. Äusserer, Der Adel des Nonsbergs
150 f.; Reich, I castelli di Sporo e Beifort 105; ob freilich ursprünglich?
oder was wahrscheinlicher ist, durch spätere Verknüpfung, als der Haupt-
mann von Visione Gerichtsinhaber in Andalo war, a. a. O. 150.
* Schröder, Rechtsgeschichte *, 619. Rodenberg, Mitteil, des Inst. 17, 164 f.
Über die ähnlichen Einrichtungen in der Mark Brandenburg Kuhns 1,
93 f.; Keutgen a. a. O. 51 f. Vgl. Adler 125; Ernst Mayer, Deutsche
und französische Verfassungsgeschichte 1, 67 f.
» Kink, Fontes H, 5, Nr. 26 (1187), Nr. 69 (1203), Nr. 99 (1211), Nr. 110
(1212) usw., Nr. 7 (1161) für die Herren von Madrutz: ut ipsi per re-
gulam constringerent rusticos ad publicandum castrum illud et ad custo-
dias faciendas, id est illos rusticos, qui incastellabunt in illo Castro.
* Rechtsspruch der Trienter Lehenskurie 1222; Durig, Mitteil, des Inst,
f. 98terr. Geschichtaf., Ergänzungsbd. 4, 439.
' Um 1480, Beweisartikel des Johannes Pemauer, Hauptmanns von Selva
gegen die Leute von Levico, Innsbruck St.-A., C. 14, Nr. 49; 1495 Juni 2,
Vergleich zwiBchen Bischof Ulrich von Liechtenstein und Eonrad Kon-
zin, Hauptmann von Selva, mit der (Gemeinde Levico, a. a. O. C. 14,
Nr. 60 usw.
* 1405 März 26, Privileg des Bischofs Georg für Tenno, die Leute von
Tenno sind verpflichtet: facere solvere et subire ac contribuere ad
omnia honera . . . occasione et pretextn custodiarum reparacionis seu
constructionis murorum castrorum et fortiliciarum dicti comunis Tenni,
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32
riate/ Castelfondo,* Pergine,* aus Deutschtirol Karneid, Eren-
berg* angeführt werden, aus Salzburg Werfen.^ Neue Sied-
lungen werden bestehenden Burgfrieden zugewiesen, wie die
Leute, die in Eichholz angesiedelt werden, die in gleicher Weise
dem Schlosse Kronmetz dienen sollen, wie die Bauern von
Metz.® Und ganz das gleiche gilt fllr manche niederösterreichi-
sche öerichtsbezirke.'' Nach allem, was wir über die Entste-
hungszeit dieser Landgerichte wissen, ist die Burg älter als
das Gericht. Es kann daher in der Regel wenigstens
nicht ein Gericht zum Burgfrieden umgeschaffen, son-
dern es muß der Burgfriede zum Gericht geworden
sein. Man hat, als sich die Notwendigkeit ergab, die Zahl der
Landgerichte zu vermehren, auf die Bezirke gegriffen, welche
durch die Burgenverfassung entstanden waren, und hat dem
Burghauptmann die Ausübung der Gerichtsbarkeit innerhalb
des Burgfriedens übertragen. Und was lag näher als dies,
nachdem er ja schon mit dem Burgbann eine öffentlich recht-
liche Gewalt über die Inwohner des Bannbezirkes ausübte und
als Verwaltungsbeamter das landesfürstliche Gut, dessen Er-
trägnis seit dem 12. Jahrhundert zumeist in Güten bestand,
verwaltete. Da war es doch natürlich, ihm auch Gerichtsbar-
keit und Eintreibung der Steuern zu übertragen, die ja zu-
sammen mit den Gerichtsbußen einen sehr wesentlichen Teil
des landesfürstlichen Einkommens ausmachten.
a. a. O. C. 7, Nr. 43; 1507 Oktober 11, Bericht der Gemeinde über aus-
geführte Bauten am Schloß, a. a. O. C. 7, Nr. 55; 1537 März 7, Wels-
tum über diese Baupflicht, a. a. O. C. 7, Nr. 93.
* Bericht über die vier Vikariate und die Leistungen ihrer Einwohner,
von denen gesagt wird, daß sie: fanno gfuardie et factione al castello,
a. a. O. C. 33, Nr. 7; aus älterer Zeit um 1218 Zeugenaussage, Wien
St.-A.
* Inama, Archivio Trentino 15, 172.
' 1428 Jänner 2, Entscheidung des Gionne da Chinichspergo, Burggrafen
von Tirol und Hauptmanns von Pergine in dem Streite des borgo gia-
cente sotto il castello und den sieben castaldie de fuoravia um die
Dienste für das Schloß Pergine.
* Welstümer 4, 333; Ladurner, Zeitschr. des Ferdinandeums m, 15, 62,
(1416).
^ M. Mayr, Hohenwerfen 41.
^ 1327 November 29 und Dezember 3; vgl. oben.
' Dopsch, Urbare, Einl. 167; Adler 145 f.
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33
Als Landricliter erhielt der Burghauptmann Ge-
richtsbarkeit in gleichem Umfange^ wie ihm der Burg-
bann zustand. T^er Ritterdienst leistete, war von der Ver-
pflichtung zn Burgbau und Scharwerk befreit, die nur auf
den Bauern und Bürgern lasteten.^ Wer daher in den ritter-
Kchen Stand aufgenommen wurde, dem wurden diese Leistun-
gen erlassen.' Meistens war damit die Vergtinstigung verknüpft,
nur vor dem Bischof oder seinem Vizedom, nicht aber vor
dem Gastalden oder dem Meier zu Rechte stehen zu müssen.
Denn der Liandrichter hatte nur Gerichtsgewalt über die
Bauern, der Adel wahrte seinen Gerichtsstand im alten Grafen-
gerichte. In Niederösterreich, dessen Zustände fUrs 13. Jahr-
hundert durch die Aufzeichnungen des Landrechts am klarsten
vorliegen, ist bekanntlich das Landtaiding als Nachkomme der
alten Grafschaftsgerichte allein kompetent für den freien Adel
und die Ministerialen, die sich den Gerichtsstand der Freien
errungen hatten, ja auch schon in Fällen der hohen Gerichts-
bcu'keit ftlr einfache Ritter.* Die Bauern unterstehen dem so-
genannten niedem Landgericht, das zugleich Niedergericht für
die Ritter ist. Und nicht anders in Trient. Die Vasallenkurie
ist im 13. Jahrhundert Hochgericht für den Adel,* der Ga-
stalde oder Hauptmann richtet über die Bauern. Im Ehaft-
taiding zu Bozen läßt sich das Ausscheiden der Bürger und
Bauern, das sich im Laufe des 13. Jahrhunderts vollzog, noch
^ Daher in den Urkunden über Erhebung in den Adel regelmäßig die
Befreiung yon solchen Lasten, vgl. die folgende Anmerkung. Noch
im 16. Jahrhundert ist diese Befreiung yon Adeligen geltend gemacht
worden.
' Solche Erhebungen in den freien oder unfreien Ritterstand durch Be-
lehnung mit districtus, fodrum, colta, bannum, condictio, sehr h&nfig in
Südtirol; doch wurde die waita de castris auch vorbehalten 1229 Okt. 8;
Hormayr, Geschichte Tirols I, 2, 284.
' Luschin, GerichtsverC. 62 f.
* Archiv für Österreichische Geschichte 92, 165. 1220 Kink, Fontes II, 5,
Nr. 144, erklärt Richter Heinrich belehnt zu sein mit der Kriminal-
gerichtsbarkeit über jene, welche nicht ad laudum curie vassallorum ge-
hören. Die Vikare des Bischofs, also Beamte desselben beanspruchen
indes die Kriminalgerichtsbarkeit auch über Ritterliche; 1240 Okt. 19
erklärt Jakob von Lizzana die Gerichtsbarkeit des Bartolomeus von Alba,
Vikar des Podest^ Sodegher, nicht anzuerkennen in einer Lehenssache,
wohl aber, wenn er wegen maleficium erkennen wolle, Wien St.-A.
ArduT. ICIY. Band. 3
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34
verfolgen. Es ist am Ausgange dieses Jahrhunderts zum Adels-
gerichte der ehemaligen Grafschaft Bozen geworden/ die Bür-
ger und Bauern erhalten ihren ordentlichen Gerichtsstand in
allen Sachen vor dem Stadtgericht, das aus den Botdingen her-
vorgegangen ist, und vor den Landgerichten. Dies entsprach
nur der allgemeinen Entwicklung der Dinge.*
Die Bedeutung der Burgen für die Entwicklung der Ge-
richtsverfassung kündigt sich schon an, als man beginnt die
Grafschaften nach Schlössern, statt nach Gauen oder In-
habern zu benennen.* Denn nun wird das Gericht bald als
Zubehör der Burg betrachtet.* Die Exemtionen schließen
sich ebenfalls in unsern Gegenden an Burgbezirke an.
Die Grafschaft Ulten-Eppan war keine geschlossene Zentene,
wie Egger meint,^ die sich auf beiden Seiten der Etsch im
Bozner Unterlande bis zur Mündung des Noce und Avisio er-
streckt hätte. Sie umfaßte vielmehr das Ultental mit dem
Schlosse Ulten als reichsunmittelbares Lehen, dann wahr-
scheinlich die Pfarre Tisens,^ dann die Burg Hoheneppan mit
einem Gebiete, das die Pfarre Eppan etwa im Umfange der
* Acta Tirol. 2, Einl. 206.
' Schröder, Rechtsgeschichte \ 599 f.; Zeitschr. fär Bechtsgeschichte 18, 53;
V. Below, Territorium und Stadt 284 f.; Rosenthal 113 f., der freilich
den Ursprung des herzoglichen Hofgerichtes in den Landtagen sucht.
' In Bayern seit der Mitte des 11. Jahrhunderts. Riezler, Geschichte
Bayerns 1, 750.
^ Noch yiel früher war dies in romanischen Ländern der Fall gewesen,
vgl. die Schenkung von Bergell und Chiayenna an das Bistum Chur
DO. I, 209; DO. HI, 48, 175.
'^ a. a. O. 419. Über den bei Bonelli Notizie 2, 357 erwähnten comes Be-
giner läßt sich nichts Sicheres sagen, da die Überlieferung der betreffen-
den Aufzeichnung, die mit dem sogenannten Vigiliusbrief zusammen-
hängt, eine allzu trübe ist. Ganz unrichtig auch Kretschmer, Histor.
Geographie 312 der ,die Grafschaft Bozen mit Bozen und vielen anderen
Orten und einen Teil des oberen Inntales' zur Grafschaft Eppan rechnet.
Richtig ist soviel, daß die älteren Grafen von Bozen vielleicht mit den
Eppanem verwandt waren, vgl. Huber, Archiv für Osterreichische Ge-
schichte 61, 634 und daß die Eppaner Besitzungen im ötztale und Ober-
inntale hatten, teilweise auch dort Grafenrechte ausübten, wonach man
aber natürlich nicht sagen konnte, daß diese Gebiete zur Grafschaft
Eppan gehört hätten.
^ Wenigstens haben dort die Eppaner Besitzungen und Eigenleute. Kink,
Fontes II, 5, Nr. 56.
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35
späteren Gerichte Hoheneppan und Altenburg ^ in sich faßte.
Dafbr aber, daß auch EalterU; Tramin^ Eurtatsch; Deutschmetz
zur Grafschaft Cppan gezählt hätten, fehlen Beweise, ja wir
wissen sicher, daß Tramin nicht den Grafen, sondern dem Bi-
schof gehört hat, und daß Kronmetz 1181 von den Grafen an
den Bischof abgetreten wurde.* Auf der andern Seite der
ElBch, in Enn und Neumarkt übten der Bischof und die Herren
von Enn Hoheitsrechte und Gerichtsbarkeit. Dagegen besitzen
nun die Eppaner eine Reihe von Schlössern zerstreut in Süd-
tirol, sämtliche mit Bezirken, in denen sie die hohe Gerichts-
barkeit ausüben und die deshalb Grafschaften genannt werden,
Arz auf dem Nonsberge,' vielleicht auch Altspaur,* Preore
in Judicarien,^ zeitweise Tenno,® Königsberg mit der Pfarre
St Michel,^ endlich Schloß und Grafschaft Castello in Fleims.®
Grundherren waren die Eppaner in diesen Gebieten keines-
wegs ausschließlich. Mögen sie hier auch reiche Besitzungen
gehabt haben, die später auf die Tiroler Grafen übergingen,
Grund und Boden waren auch hier wie in Tirol überhaupt
sehr zerstückelt; in der Pfarre Eppan namentlich waren auch
andere Besitzer, insbesonders das Domkapitel von Trient reich
begütert.* Ganz dasselbe gilt von der Grafschaft Flavon, die
^ Die Urknnde yon 1228, BonelU 3, 187, in der das Gericht Altenburg
zaerst erwähnt wird, ist Fälschung.
' BonelU, Notizie 2, 468.
' Urk. 1185 Joli 28. Kink, Fontes II, 5, Nr. 23. Später gehörte es den
Herren Ton Flayon und worden von ihnen 1281 Okt. 4 an Grafen Mein-
hard II. verkauft; Ladurner, Regesten aus Tirol. Urkunden, Archiv fQr
Geschichte und Altertumskunde Tirols 1, Nr. 149.
* Reich, I castelli di Sporo e Beifort 28.
" Kink a. a. O. Nr. 83; Urk. 1234 Dezember 14, Hormayr, Geschichte
Tirols l^ 807.
* Kink a, a. O. Nr. 87, 98.
^ Nach der Ghrfindungsurkunde des Stiftes St. Michel, 1145 BonelU 2,
392, Urkunde 1243 März 5: Bischof Egno erklärt K. als sein und der
paeri von Eppan Leben vom Hochstift Trient, Wien Sl-A. Oembra aber
gehörte damals nicht zu Königsberg, sondern ist Lehen der Herren von
Salnm 1214 Dez. 9. Innsbruck St.-A., C. 61, Nr. 8.
* Wenigstens bOchst wahrscheinlich, 1231 Jänner 5, Graf Ulrich von Ulten
verkauft die clesnra donica (wohl den Herrenhof) in C. an die Kirche
von Trient.
' Vgl. das Urbar des Domkapitels herausgegeben von Chr. Schneller, Tri-
dentinische Urbare aus dem 13. Jahrhundert 79 f.
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36
ebenfalls kein geschlossenes Gebiet bildete^ sondern sich ans
einer Reihe von Burgfrieden, Flavon, später auch Arz, Alt-
spaur und wohl auch Molveno^ zusammensetzte. Diese
ganze Entwicklung so zerrissener Gerichte, die nicht auf
Grundherrschaft beruhten, läßt keine andere Deutung zu, als
in ihnen Burgfrieden zu erkennen, für welche durch Exemtion
die hohe Gerichtsbarkeit von den Burgherren erworben wor-
den war.*
Landesfürstliche und patrimoniale Gerichte konn-
ten aus Burgfrieden entstehen. Als nach Wegfall der
Bannleihe* die Territorialherren zur Ordnung der Gerichts-
barkeit in ihren Territorien freie Hand erhielten, als die Mög-
lichkeit gegeben war, mehrere Grafschaften in einer Hand zu
vereinigen und durch Beamte verwalten zu lassen, da war es
das nächstliegendste, die Burgvögte zu Richtern in ihren Burg-
frieden zu bestellen. In Bayern lassen sich Richter, die an
Stelle des Gerichtsherm mit der Übung der hohen Gerichts-
barkeit betraut sind, bereits im 12. Jahrhundert nachweisen.*
In Deutschtirol liegt der älteste nachweisbare Fall aus Bozen
vor. Seitdem eigene Grafen in Bozen verschwinden, die Graf-
schaft zum Teile an die Grafen von Tirol verliehen wird, zum
Teile in den Händen des Bischofs bleibt, wird das Hochgericht
von einem bischöflichen Beamten dem Gastalden von Firmian,
der zugleich Schuldheiß des Grafen sein soll, abgehalten.^
Noch viel früher war den Fleimsern die Abhaltung des Ge-
richtes innerhalb ihrer Talgemeinde unter Vorsitz eines bischöf-
lichen Gastalden zugesagt worden, Fleims also als eigenes
Landgericht konstituiert.® Im 13. Jahrhundert treflFen wir Gastal-
* Manfredin v. Cles verkauft dem Grafen Meinhard 11. Molveno cum co-
mitatu onore et districtu impicando et dispicando et de ipsis facere
rationem, 1284 Mai 29, Wien St.-A. Dieser Mann hatte aber als Unter-
händler zwischen Grafen Meinhard und den Grafen von Flavon gedient,
vgl. Äusserer, Der Adel des Nonsbergs 101.
* Über ähnliche Fälle in Österreich Adler 153 f.
' Schröder, Rechtsgeschichte *, 672.
* Riezler, Fojrschungen zur deutschen Geschichte 19, 628.
* Schwind-Dopsch, Nr. 22. Dieser Zustand hält sich indes nicht lange.
1237 schon sitzen ein bischöflicher Justiziar und ein tirolischer Schuld-
heiß oder rihtar nebeneinander vor. Die Blutsgerichtsbarkeit übt der
tirolische Beamte allein aus; vgl. Acta Tirol. 2, Einl. 205.
' Schwind-Dopsch, Nr. 3.
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37
den und Bnrghauptleute schon öfter mit der Ansübnng der
Gerichtsbarkeit betraut. Nicht nur die Bischöfe , auch die
Grafen von Tirol und Eppan^ ja schon einzelne Patrimonial-
herren lassen die Gerichtsbarkeit durch Beamte, meistens Burg-
Yögte ausüben.
Nunmehr hatten jedoch die LandesfUrsten die Möglich-
keit, ohne RtLcksicht auf das Reich einem Burgherrn die hohe
Gerichtsbarkeit in einem gewissen Sprengel, der häufig mit
dem Burgfrieden zusammenfiel, zu verleihen, patrimoniale Hoch-
gerichte zu schaffen. Lassen sich in der Mark Österreich lau-
desf&rstliche Exemtionen seit dem Privilegium minus, genauer
seit dem Ausgang des 12. Jahrhunderts nachweisen, so nicht
lange hernach auch in unseren Gegenden. Bischof Gerhard ver-
heb 1225 dem Herrn Jakob von Lizzana die hohe Gerichts-
barkeit, den comitatus in der Pfarre Lizzana.^ Von der Zu-
stimmung des Reiches ist dabei keine Rede mehr^ nur die des
Patriarchen von Aglei als Metropoliten wird erwähnt, da es
sich um Veräußerung von Kirchengut handelte. Auf ähnliche
Weise mögen wohl auch die Grafen von Eppan und andere
Dynasten in den Besitz der Grafschaftsrechte innerhalb ihrer
Burgfrieden gelangt sein. Denn auch die Herren von Enn und
Salum sehen wir um diese Zeit im Besitze von patrimonialen
Hochgerichten.' Die Auflösung der alten Grafschaft Trient in
eine Anzahl bischöflicher und patrimonialer Hochgerichte ist
im vollen Zuge. Nicht selten geht die Verleihung der patri-
monialen Gerichtsbarkeit Hand in Hand mit der Errichtung
des Burgfriedens. So wird dem Jakob von Lizzana bei der Be-
lehnung mit dem Komitat zugleich gestattet, in seinem Gerichte,
wo er wolle, Burgen zu bauen. So erhält Nikolaus von Brenta
von Bischof Egno 1259 Erlaubnis, in der Pfarre Tenna zwei
Schlösser zu bauen, und zugleich den Burgbann, bürgerliche
ond peinliche Gerichtsbarkeit, so daß ein neues Landgericht
entsteht, das allerdings bald darnach wieder verschwindet.
1 1225 Mftrz 3, Innsbraek St.-A. Trient C. 38, Nr. 27.
' Nikolaus von Enn hält Gericht za Enn in einem Grensstreit der Leute
Yon Fleims und Montan, Pinean, ^alditsch 1234 Juni 6, Innsbruck
St.-A. Den Herren yon Enn gehörte auch das Gericht Castelfondo,
Äusserer, Adel dee Nonsbergs 84. Bopret von Salum besitzt das Gericht
in Cembra 1214 Dez. 9, Innsbruck St.-A., C. 61, Nr. 8.
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38
Nicht überall vollzog sich die Patrimonialisierang der
Landgerichte in gleichem Maße. In Bayern, Salzburg und
Deutschtirol gelang es den Territorialgewalten, die sich hier
entwickelten, frühzeitig die Grafschaften und deren Trümmer
in ihrer Hand zu vereinigen. Anfangs wurden sie noch in die
Hände von Ministerialgrafen gelegt, später durch landesfürst-
liche Richter verwaltet. Den Schloßherm wurde selten im
Burgfrieden Gerichtsbarkeit und dann vorwiegend nur die nie-
dere eingeräumt. Erst die finanzielle Not der Landesfürsten
führte auch hier seit dem 14. Jahrhundert zu Verpfandung und
Belehnung an Patrimonialherren. Anders in den Marken, wo
schon im 13. Jahrhundert die meisten Landgerichte patrimo-
niale sind,^ während Südtirol einer mittleren Entwicklung folgt.
Nirgends freilich haben alle Schlösser Burgfrieden besessen^
namentlich nicht auf altbayrischem Boden; nur ausnahmsweise
sicherlich die jüngeren Schlösser und kaum je die Gesäße der
Ritter. Nicht selten wird, wenn die Erlaubnis zur Errichtung
eines solchen gegeben wird, hinzugefügt, daß der Bau sine
praeiudicio der Nachbarn erfolgen solle.* Und nicht aus allen
Burgfrieden sind Landgerichte geworden. Auch in Südtirol
sind alte berühmte Schlösser nie Mittelpunkte von Gerichten
gewesen, wie Cles, Campo, Madrutz, Toblino usw. Am meisten
jedenfalls ist dies in den Marken der Fall gewesen, wo ja die
Schloßverfassung erhöhte Bedeutung besaß, und gerade deshalb
mag die Patrimonialisierung hier so früh im großen Maßstabe
zum Durchbruche gelangt sein. Und hier schritt der Prozeß
unaufhaltsam weiter. Vergeblich hatte der Landfnede König
Ottokars U. den Bau der Schlösser einzudämmen gesucht.'
Rudolf von Habsburg mußte ihn wieder freigeben. Die Er-
richtung von Burgen und Gesäßen schritt weiter und mit ihr
die Errichtung von Burgfrieden.* Im Interesse des Schloßherm,
* Luschin, Gerichtsverf. 118 f.
' 1308 Juli 13, Herzog Otto von Kärnten verleiht H. von Tauer das
Recht, im Vintschgau bei Malsperch «in Schloß zu bauen. Handschr.
389, f. 31, Wien St.-A.; 1334 Juli 5, Exkönig Heinrich für Nikolaus
und Bernhard von Arz auf dem Berge Dossalt, Pfarre Arzo: sine pau-
perum hominum aggravacione, Handschr. 108, f. 14' — 15, Innsbruck St.-A.
' HasenOhrl, österr. Landrecht 44 f.; Dopsch, Archiv fttr Osterr. Geschichte
79, 48 f.; Adler 130.
^ Vgl. die Ausführungen Mells über den comitatus Liutpoldi in Mitteil, des
Inst. 21, 400 f.; Adler 167.
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39
der vielfach auch Grundherr war, lag es, auch die Gerichts-
barkeit, zunächst die niedere, aber wenn möglich auch die
hohe im Burgfrieden zu erwerben, und zuletzt zählte die Aus-
übung der Gerichtsbarkeit zu jenen Rechten, die eine adelige
FamiUe schon um als vollwertig zu gelten anstrebte. So kam es
in den Marken zu immer weiterer Zersplitterung, zu Zuständen,
die uns Kindern einer moderneren Zeit als völlig barocke er-
scheinen müssen.^ Auf altbayrischem Boden dagegen wahrten
die Gerichtsbezirke im wesentlichen den Umfang, den sie im
13. Jahrhundert erlangt hatten. Im Herzogtum Bayern mußten
sich die Stände im wesentlichen mit der Übung der niederen
Gerichtsbarkeit begnügen. Und selbst wo landesfürstliche Ge-
richte in der Folge patrimonial wurden, wie vielfach in Deutsch-
tirol, trat keine weitere Zersplitterung ein, da sich die Grenzen
der Bezirke schon festgestellt hatten.
So haben mannigfaltige Ursachen persönlicher und wirt-
schaftlicher Natur zur Aufteilung der alten Grafschaften ge-
führt. Die neuen Gebilde knüpften an Immunitäten und Exem-
tionen, vor allem aber an Burgfrieden an. Alle Landgerichts-
barkeit jedoch, mag sie auch auf grundherrlichem Boden oder
selbst auf älterer leibherrUcher Gerichtsbarkeit erwachsen sein,
ist öffentrechdichen Ursprungs, ist nur durch Übertragung oder
Usarpation der Grafschaftsgerichtsbarkeit erwachsen.
' Vgl Lnschin, Gerichtsverf. 115 f.
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Inhalt
Seite
Die Entstehung der Landgerichte ein noch nicht gelöstes Problem . . 3
Entstehung aus Hundertschaften 4
„ „ Immunitäten 7
Entwicklung im Bistum Trient 8
Landgerichte Stücke der alten Grafschaften 12
Ursachen der Zerstücklung. Fortschreitende Besiedlung 14
Teilungen der Grafschaften als Lohen 16
Immunitäten und Exemtionen 17
Leib- und gutsherrliche Gerichtsbarkeit 20
Burgenverfassung 26
Anlage der Burgen 26
Zusammenhang der Burgen mit der Gerichtsverfassung 27
Burgbann und Burgfrieden 29
Der Burghauptmann als Landrichter 31
Exemtionen und Burgfrieden 34
Landesfttrstliche und patrimoniale Landgerichte aus Burgfrieden ent-
standen 36
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II.
IMMUNITÄT, LANDESHOHEIT
UND
WALDSCHENKUNGEN.
VON
EDUARD RICHTER,
WEIL. WlRKLICHBll MITQUBDB DBB KAIS. AKADBMIB DBB WlSSBNSCUAmM.
ArchiT. XCIV. Band.
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Vor vielen Jahren machte der Verfasser bei Unter-
anchuDg des Besitzstandes der Salzburger Kirche im Mittel-
alter die Bemerkung, daß der Umfang des späteren salzburg-
8chen KirclienstaateB, wie er bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts
beatanden bat, aus den alten Landschenkungen und Immuni-
tatsprivilegien nicht erklärt werden könne.* Die in sehr alter
Zeit — dem 8. Jahrhundert — beginnenden Aufzeichnungen
Über die ersten Schenkungen an die Salzburger Elirche und
Über ihre späteren reichlichen Erwerbungen zeigen uns das
Erzbistum im Besitz einer großen Anzahl einzelner Güter von
sehr verschiedener Ausdehnung, die sich massenhaft im süd-
östlichen Bayern, etwas spärlicher in den Gebirgsgauen und in
Kärnten, vereinzelt bis weit nach Ungarn, Niederösterreich und
Steiermark zerstreut finden. Man kann sagen, die Mehrzahl
dieser Güter liegt außerhalb des späteren Territorialstaates.
Damit war eine rechtsgeschichtlich höchst merkwürdige
Frage gegeben. Das Erzbistum hatte schon von Karl dem
Großen Jmmunität' erhalten und diese Verleihung war von
zwei späteren karolingischen Regenten 816 und 837, dann von
Otto I. (DO. I. 68) im Jahre 945 erneuert worden. Die Karo-
lingische Formel enthält das Verbot des ,introitus' für den
index publicus und die Zuweisung der Strafgelder an die
Kirche; die ottonische fügt hinzu, niemand von den Kirchen-
leuten soll genötigt werden, zum ,placitum publicum' zu kom-
men, sondern diese mögen in der Gewalt des Erzbischofes
und seines Vogtes verbleiben. Damals, anfangs der Achtziger-
jahre war die Meinung allgemein verbreitet, in der Immunität
liege der Ursprung der geistlichen Territorien begründet. Da-
' UDtersacbaugen zar historischen Geographie des ehemaligen Hochstiftes
Salzboig. Mitteil, des Inst, für österr. Geschichtsf. I. Ergänzungsbd. S. 590
bis 73S,
4»
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44
durch, daß alle Reichsbistümer und die ältesten und größten
Klöster Befreiung vom Qrafenbann erhalten hatten, seien ihre
Besitzungen aus dem System der Grafschaften herausgenommen
und selbständig gestellt worden; das sei der Anfang der spä-
teren geistlichen Staaten.
Nun zeigten aber meine Untersuchungen, daß davon in
dem vorliegenden Einzelfalle gar keine Rede sein konnte. Der
Umfang des späteren salzburgischen Kirchenstaates hat — von
einer unten zu besprechenden Ausnalmie abgesehen — mit
dem alteo. Guterbestand schon aus dem Grunde nichts zu tun,
weil er ein geschlossenes, sogar sehr gut von natürlichen
Grenzen abgerundetes Gebiet umzieht, während der mit Immu-
nität begnadete Kirchenbesitz, über den wir durch alte Güter-
verzeichnisse und Vergabungsbücher sehr genau untemchtet
sind, ein Streubeaitz ist Über mindestens 20 — 30 bayrische
Grafschaften und sämtliche heutige österreichische Kronländer
rechts der Donau, Vorarlberg ausgenommen, ist er verteilt. In
den ,Untersuchuiigen' ist das alles genauer dargestellt worden.
Mit Recht, hat ein junger Forscher (E. Stengel, Grundherr-
schaft, und Immunität, Zeitschr. der Savignystiftung XXV,
S. 319) behauptet, der eigentliche Zweck der neuesten Unter-
suchungen (besonders Seeligers) sowie der meinigen vor
20 Jahren sei, den , Widerspruch zwischen den späteren Zustän-
den und den Urkunden des 10. Jahrhunderts zu versöhnen'.
So habq ich damals das Problem erkannt und gestellt und,
wie ich glaube, insofern auch für den salzburgschen Fall ge-
löst, als ich nachweisen konnte, daß dieser Kirchenstaat der
Hauptmasse nach eben nicht aus immunen Kirchengütem, son-
dern aus erworbenen Grafschaftsteilen, ,Landgerichten' zusam-
mengefügt worden ist. Ich habe damals allerdings zwei Seiten
der Saphe ungelöst lassen müssen: einmal die Frage, ob denn
die Immunität, ihr Wesen verändert, und ihre Bedeutung ver-
loren habe, da sie die ihr nach dem Wortlaut der Privilegien
zukommende Wirkung nicht erreichte, oder ob man am Ende
ihre Bedeutung mißverstanden, überschätzt habe? Die zweite
Frage ist. die nach jener oben erwähnten Ausnahme. In einem
Teile des späteren Stiftslandes wissen wir nichts von angekauf-
ten Grafschaftsrechten und gerade dieser Teil ist ein alter
Waldbesitz des Erzstiftes. Mit beiden Fragen soll sich die vor-
liegende Abhandlung beschäftigen.
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45
Stengel hat anch Recht; wenn er sagt; ich hätte den
Widerspruch zwischen dem großartigen Wortlaut der Immii-
nitätsurkunden und den späteren Zuständen durch ;Uber-
brückung' hinwegzudeuten versucht. Für die richtige Auf-
&ssang des Wesens der Immunität ist nämlich die negative
Seite der späteren Entwicklung besonders wichtig. Das Terri-
torium um&ßt Grafschaften, in denen zahlreiche Immunitäts-
guter lagen; schon deshalb, weil der Erzbischof vor allem
oich jenen ^Gerichten' trachtete, die seinem Sitze nahe waren
imd in denen er Gäter besaß. Durch die Erwerbung der Graf-
schaft, des Blut- oder Landgerichtes, waren alle etwaigen
,Eompetenzkonflikte' zwischen Graf und Immunitätsherren be-
seitigt, das war eine gründliche Lösung; allerdings erfahren
wir aus diesen Gebieten am wenigsten über die schließliche
Ausgestaltung der Immunität. Ganz anders dort, wo der Immu-
nitätsherr die Grafschaft nicht erwarb; hier können wir sehen,
wie sieh die Immunität vom 10. bis zum 13. Jahrhundert aus-
gestaltet hatte, oder wir sehen wenigstens das Endergebnis.
Im Isengau und Umgebung — in Oberbayem — besaß die
Salzhurger Kirche noch am Beginne des 16. Jahrhunderts über
1500 ,Iteine', d. h. Güter und Gülten. Im Vertrag von 1275
zwischen Bayern und Salzburg sagt der Herzog von Bayern:
in pago Ysehkeu et super Eslerwalde conservabimus eccle*
sie Salzbufgensi iura sua in iudicio et iudicabimus omnia
pespieientia. comiciam^ — ,8ecundum antiquam consuetudinem',
wie es in einem anderen Vertrage heißt.* Vorsichtig, wie ich
damals der herrschenden Meinung gegenüberstand, drückte ich
mich zurückhaltend aus: ,Man wird also annehmen müssen,
daß die ottonischen Privilegien vielleicht dem Ziele nach, kaum
aber deuL Erfolge nach den Grafschaftsschenkungen gleich-
zustellen sind^ Ich würde jetzt, angesichts der neueren
Untersuchungen, besonders SeeUgers, diesen Satz nicht mehr
niederschreiben. Niemals kann eine Immunität, die fUr zer-
streiten Grundbesitz gilt, einer Grafischaftserwerbung gleich zu
stellen sein, die sich auf ein geschlossenes Gebiet bezieht. Da-
mals schon schrieb ich: ,E8 scheint, als ob die räumliche Aus«
dehnung der Immunitätsgebiete nicht selten unrichtig beurteilt
wurde', eine ,Abrundung^ zu einem Lande von der Ausdehnung
' Untersachangeii, 8. 616.
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46
Salzburgs bloß durch Häufung von Besitzungen in Streulage
scheine ganz ausgeschlossen. Die Verhältnisse im 9. und
10. Jahrhundert lassen sich wie folgt kennzeichnen: Die Graf-
schaftsverfassung ist überall durchgeführt oder noch erhalten,
allenthalben treffen wir in den Traditionscodices die Grafen
nicht bloß als ZeugeU; sondern es wird in der Regel ange-
geben, in welcher Grafschaft das Kirchengut liegt, über welches
gehandelt wird; ebenso regelmäßig erscheint der erzbischöfliche
Vogt als Vertreter seines Herrn, der das Geschäft abschließt,
gewissermaßen als sein weltlicher Sachwalter. Halten wir uns
gegenwäii;ig, daß man gleichzeitig die Immunitätsprivilegien
sich bei Regierungswechsel erneuern läßt — in Salzburg zum
letzten Male 945 — so sehen wir einen Zustand vor uns, in
dem Gesetzgebung und Ausübung, Urkunden und Praxis sich
in voller Übereinstimmung befinden. Ohne Zweifel amtiert der
Vogt überall im Grafengericht als Vertreter der Kirchenleute
und er wird innerhalb gewisser Kompetenzen sein Vogtgericht
abhalten. Die Immunität ist der gesetzgeberische Akt, der den
besonderen Gerichtsstand der Kirchenleute schaffit und regelt;
die Vogtei und insbesondere das Vogtgericht ist die Institution,
die seine Ausfiihrung besorgt. Darüber gibt es wohl keine
Meinungsverschiedenheit, mögen auch die Quellen sich wider-
sprechen, wie die Zuständigkeiten des Vogtgerichtes und des
Grafengerichtes abgegrenzt sind. Die Ausführungen Seeligers
scheinen mir recht überzeugend und ich stimme ihnen gerne
zu, wenn er darauf hinarbeitet, in die Immunitätsformeln nicht
mehr hineinzulegen, als der Wortlaut unbedingt verlangt. Denn
je weniger die Immunität eigentlich bedeutete und je weniger
sie die öffientliche Gewalt zerstört, aufgesaugt oder sonst hin-
fällig gemacht hat, desto leichter verständlich ist die spätere
Entwicklung.
Ist also der Rechtszustand des 10. Jahrhunderts verständ-
lich und sichergestellt, so scheint für die weitere Entwicklung
folgendes besonders bezeichnend. Seit dem 11. Jahrhundert
werden die kaiserlichen Immunitätsprivilegien nicht mehr er^
neuert; diese Übung schläft ein.* Die Immunitätverleihung hat
offenbar ihre Bedeutung allmählich verloren, das, was sie an-
ordnet, ist kein Gegenstand eines Kampfes mehr. Die Ein-
* Was auch Seeliger hervorhebt.
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47
richtangen, zwischen denen sie eine Eompetenzentscheidnng
feststellte: Grafschaft nnd Vogtei, bestehen aber fort. Wir
wissen von Grafen nnd Vögten ans den Urkunden des II. nnd
12. Jahrhunderts noch mehr als von denen des 10. Wir erfahren
freilich anf diese Weise auch einmal, daß die Grafen nnd die
Vögte nach wie vor dieselben Personen sind, daß die Graf-
schaften nnd die Vogteien erblich werden nnd sich feudali-
sieren; endlich daß die Kirchen die Vogtei nicht mehr als ein
Privileginm, einen Vorzug, einen Schutz und eine Stütze be-
trachten, sondern als eine Last und eine Gefahr. Feierlich ver-
kündet Erzbischof Eberhard 11., daß in seinen Tagen die Salz-
burger Kirche aufgehört habe, einen Vogt zu besitzen,* xmd
die geistlichen Fürsten behaupten mit Genugtuung, daß sie
keinen Vogt mehr zu haben brauchen, so wie sie einstens die
merowingischen und karolingischen Könige angefleht hatten, sie
von der Grafengewalt zu befreien und ihnen zu gestatten, daß sie
und ihre Familie ruhig unter dem Schutze ihres Vogtes lebten.
Da nun die Vogtei nichts anderes als die ,Korrelation^ der
Immunität ist, die dem Immunitätsprivilegium entsprechende
Einrichtung, so teilt offenbar die Immunität das Schicksal der
Vogtei, sie verändert mit ihr ihr Wesen, verliert mit ihr ihre
Bedeutung. Darum versteht man schon im 12. und 13. Jahr-
hundert unter Immunität die Freiheit vom Vogt; ein Zeichen
daß der ursprüngliche Sinn der alten Privilegien damals bereits
ganz vergessen war.
Ans dieser keineswegs ganz neuen Erörterung ergibt
sich aber nun weiter: Die Abschließung der ,Territorien' er-
folgt erst im 13. Jahrhundert, also zu einer Zeit, als man von
den alten Immunitäten, ihrem Wesen und ihrer Bedeutung
nichts mehr wußte. Es ist also von vornherein vergeblich, einen
direkten Zusammenhang zwischen dem umfang der geistlichen
Territorien und dem der Immunitäten zu suchen oder voraus-
zusetzen. Im Gegenteile: die erblich gewordene, durch die alte
Immunität erzeugte Vogtei war eine Gefahr für den Besitz der
Kirchen nnd hat oft genug die Entstehung geistlicher Terri-
torien verhindert. Viele weltliche Territorien sind aus Vogteien
über geistliche Güter entstanden. Was wäre die ,geftirstete^
Grafschaft Tirol, später und jetzt noch ein so gut geschlossenes
« Meiller, Reg. Nr. 297 von 1226.
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^Territorium' ohne die Vogtei über die Reichsbisttimer Brixen
und Trient gewesen. Wo es aber den Kirchen gelang, beim
Aussterben der Grafengeschlechter oder sonstwie die Vogtei
aufzuheben und vogtlos weiter zu bestehen, da mußte man
das als eine Rettung des alten bedrohten Besitzes betrachten,
nicht als eine neue Erwerbung. Und die Grafschaft oder
das Blutgericht über alle Eingesessenen war damit noch nicht
erlangt, denn es hatten ja bis dahin auch Grafschaft und
Vogtei nebeneinander bestanden, wenn auch manchmal die
Träger eine Person gewesen sind. Übrigens ist das gewiß nicht
die Regel gewesen; die Vogtei war in einer Grafenfamilie
erblich, die Güter lagen aber in vielen Grafschaften zerstreut.
Jedenfalls war es immer ein zuftlUiges und vorübergehendes
Verhältnis, wenn es einmal bestanden hat.
Die Ausdehnung der Immunitätsgüter hat räumlich einen
Zusammenhang mit dem späteren Territorium vielleicht nur in
den bischöflichen Städten, wo schon in früher Zeit Burggrafen,
dann Stadtrichter an Stelle der Grafen traten, obwohl man ge-
rade hier vielleicht am ehesten auch daran denken könnte,
daß die Ausschließung der Grafengewalt auf grundherrlicher
Basis beruht. Die Stadt Salzburg z. B. stand auf dem Fundus
des Erzbistums; der Bischof war hier Grundherr. Aber außer-
halb der Städte, da mußte der Erzbischof die ,Cometia^, das
Landgericht erwerben, wenn er ein geschlossenes Territorium
haben und auch über die Hintersassen anderer Grundherren
richten und herrschen wollte. Das ist mir jetzt nach den For-
schungen der letzten zwei Dezennien und nach abermaliger
Durcharbeitung des salzburgschen Materiales noch viel sicherer
als zur Zeit, da ich es zum ersten Maie aussprach.
Die Bedeutung der alten Immunitätsprivilegien liegt also
gewiß nicht darin, daß sie den Umfang der kirchlichen Terri-
torien bestimmt haben; sie beruht vielmehr darauf, daß sie
dazu mitgeholfen hat den Spitzen der Hierarchie eine fürstliche
Stellung zu erringen. Dazu gehörte ja noch vieles andere, was
ich hier nicht aufzuzählen brauche: die Belehnung durch das
Reich, die verschiedenen Regalien usw. Wer alles das hatte,
in dessen Hand wurde ein Gericht, eine Cometie zum Reichs-
fürstentum, wer das nicht besaß, dem half der Besitz von ,Ge-
richten und Herrschaften' nichts. Wie z. B. den Bisthümem
von Gurk, Seckau, Lavant und Ohiemsee, die, im 11. und
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49
13. Jahrhundert von Salzburg gegründet, trotz reichen Besitzes
doch niemals Reichsfürstenrang errangen, während das kleine
Berchtesgaden^ obwohl nur Propstei, Anerkennung seiner Reichs-
umnittelbarkeit durchsetzte — auch ohne Immunität!
In diesem Zusammenhang muß ich mich auch aussprechen
über die Frage nach der Bedeutung xmd Entstehxmg der ersten
direkten Steuer, über welche L. Bittner jtlngst gehandelt hat.*
Im 14. Jahrhundert besteht in Salzburg eine Steuer, die überall
dort, wo der Erzbischof Landesherr geworden ist, von allen
bäuerlichen und bürgerlichen Bewohnern, auch den Hinter-
sassen anderer Grundherren eingehoben wurde, in den übrigen
Besitzungen aber, die in den bayrischen und österreichischen
Landen zerstreut lagen, nur von den erzbischöflichen Hinter-
sassen und den Städtern. Daraus scheint mit Sicherheit her-
vorgehoben, daß die Steuer ein Ausfluß der landesherrlichen
Stellung ist und auch erst seit deren Bestand entstanden sein
kann. Gerade der Umstand, daß man in den bayrischen und
österreichisch-steirischen Gütern sich auf die eigenen Unter-
tanen beschränken mußte, ist bezeichnend für die Stellung,
die der Erzbischof schon im 14., nicht erst im 15. Jahrhundert
in jenen Ländern einnahm. Er besaß eben hier keine Herr-
schaft über fremde Hintersassen. Die Steuer wurde überall
von den Urbarämtem eingehoben. Daraus möchte ich aber
keine besonderen Schlüsse auf ihre Entstehung usw. zu ziehen
wagen. Man bediente sich zur Durchführung einer fiskalischen
Haßregel eben der dazu geeigneten und bestinmiten Organe.
Sie durch die Gerichte einheben zu lassen, wäre im 14. Jahr-
hundert, da die Gerichtsbarkeit noch vielfach lehensweise in
den Ebüiden von ,Ministerialgrafen' war, etwas unsicher ge-
wesen.
Wie erwähnt, haben die Erzbischöfe algo den größten Teil
des späteren Staatsgebietes nachweislich dadurch erworben,
daß sie sich an die Stelle der Grafengeschlechter des 12. xmd
13. Jahrhunderts zu setzen wußten und deren Gerechtsame er-
warben. Daraus hat sich hier die Landeshoheit entwickelt.
* Sitznngsber. der Wiener Akad., 92 Bd. Der Aufsatz ist von H. B. Meyer
in der Histor. Yierteljahrschrift mit einer nicht gerechtfertigten Heftig-
keit angegriffen worden. Dagegen hat schon v. Below seine Verdienste
herrorgehoben (Mitteil, des Inst., 26 Bd.).
ircUr. XCIT. BMid. 6
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50
Aber dieser Nachweis läßt sich nur fUr einen Teil des Stifts-
landes erbringen. Es bleibt ein Rest, für den er nicht möglich
war; ans diesem Gebiet wissen wir weder von Grafengeschlech-
tem, noch daß deren Besitz aof irgend eine Weise an das Erz-
bistum tibergegangen wäre. Hingegen ist die höchst merkwür-
dige Tatsache festzustellen, daß gerade dieser letztbezeichnete
,grafenlose' Teil des Kirchenstaates in den kaiserlichen Bestä-
tigungsurkunden seit Otto II. ausdrücklich, und zwar in der
Form eines Waldbesitzes, erwähnt wird, während die übrigen
Besitzungen der Kirche nur insoweit namentlich angeflihrt
werden, als sie in den östlichen Grenzländem liegen. So bleiben
gerade die ältesten und wohl auch wichtigsten und ertragreich-
sten Klirchengüter auf altbayrischem Gebiet unerwähnt.
Der Verfasser hat diese Frage schon einmal in den mehr-
erwähnten ,Untersuchungen zur histor. Geographie des Erzstiftes
Salzburg' (Mitteil, des Inst, für österr. Geschichtsf., I. Ergän-
zungsbd.) behandelt; bei der Herstellung der Landgerichts-
karte für den Historischen Atlas mußte er aber wieder darauf
zurückkommen. Denn es galt einen Entschluß darüber zu
fassen, ob man diesen Teil des Stiftslandes als ein Gebiet be-
sonderer Erwerbsart bezeichnen solle. Es schien daher nötige
den Tatbestand nochmals ausführlich darzulegen. Dazu for-
derte auch die Herausgabe der ottonischen Diplome in den
Monumenten, dann die Neubearbeitung der Karolinger Regesten
durch Mühlbacher und das Erscheinen einer Spezialarbeit
(Erben, Die gefälschte Urkunde Arnolfs für Salzburg, Mitteil,
des Inst. X, 607, 1889) auf.
Schon der gelehrte Verfasser der ,Juvavia' hat die Ver-
mutung aufgestellt, der östliche Teil des salzburgschen Terri-
toriums, der die Gerichte Hüttenstein (St. Gilgen), Wartenfels
(Talgau), Abtenau und Radstadt umfaßt, sei durch die großen
Waldschenkungen der agilolfingischen Herzoge an das Erzstift
gekommen: d. h. aus dem Grundbesitz habe sich hier die Ge-
richtshoheit und die Landeshoheit entwickelt. Obwohl Thaddäus
von Kleimayrn sich einer unübertroffenen Kenntnis der salz-
burgschen Geschichte und ihrer Quellen erfreute und in seinen
Tagen noch die lebhaftesten Beziehungen zum Mittelalter be-
standen, die er vollkommen überblickte, so war doch gerade
jener Ansicht gegenüber Mißtrauen gerechtfertigt, da Kleimayrn
im allgemeinen der Meinung war, die Territorialhoheit seines
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Kirchenstaates beruhe direkt auf den kaiserlichen Immunitäts-
verleihungen. Er mußte also die Ausdehnung des späteren
Landesftirstentums über ein Gebiet, welches in den Kaiser-
Urkunden erwähnt war, von dem man keine Grafen kannte
und auch keine Erwerbung der Grafengewalt wußte, als den
eigentlichen normalen, rechtmäßigen Fall betrachten. Dem ge-
genüber war die Erwerbung eines Gebietes durch Beerbung
eines Grafengeschlechtes, durch Kauf oder gar durch ein ein-
Jaches Übereinkommen mit einem Nachbar seiner Ansicht nach
ein Ausnahmsfall. Denn was einmal der Kirche geschenkt war,
hatte an ihrer Immunität Anteil und sollte daher auch zu ihrem
Staate gehören. Den Umstand, daß das bei so vielen einst von
Königen und Kaisem geschenkten Gütern nicht stimmte, war
Kleimaym geneigt, durch die Raubsucht und gewissenlose Hab-
gier der Nachbarn zu erklären.
Aber damit kam man nicht durch. Im Gegenteil, es
schien als eine wertvolle Erkenntnis, daß der bloße Grund-
besitz allein nicht entscheidend war flir öffentlich-rechtliche
Verhältnisse, auch selbst wenn er einer mit Immunität ausge-
statteten Reichskirche gehörte, und nur ungern entschloß sich
der Verfasser, f&r die oben genannten Gerichte in den ,Unter-
snchungen' die Elleimaymsche Auffassung gelten zu lassen. Spä-
tere Autoren (Erben, 1. c.) haben das zwar entschuldbar gefon-
den, aber der Verfasser mochte sich nur ungern dabei beruhigen.
Gehen wir also nochmals in die Einzelheiten ein, so ist
vor allem festzustellen, daß wir nicht bloß von den Gerichten
Hüttenstein, Wartenfels, Abtenau und Radstadt, sondern
auch vom Pongau (mit Ausnahme von Gastein), von Großarl,
Wagrein und dem Lungau nicht wissen, wie sie unter den
Blutbann der Erzbischöfe gelangt sind.
Oder genauer ausgedrückt, wir haben von keinem dieser
Gerichte eine Nachricht überliefert, daß die Erzbischöfe durch
irgend einen Akt die Blutgerichtsbarkeit erworben hätten, wie
sie etwa 1297 das Gericht in Gastein von den Herzogen von
Bayern gekauft haben, oder 1228 mit den Grafschafken Ober-
nnd Unterpinzgau vom König belehnt worden sind usw. Hin-
gegen erscheint dieses Gebiet, wie erwähnt, in den Konfir-
mationsurkunden seit Otto n. als ein Waldbesitz der Kirche.
Die Geschichte seiner Erwerbung und Beurkundung ist also
die wichtigste Seite des vorliegenden Problems.
6»
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Den nächsüiegenden Gedanken, es sei die Überlieferung
mangelhaft;, wird man, ohne ihn ganz auszuschließen, doch nur
mit Vorsicht aufgreifen dürfen. Einmal ist die Überlieferung
des salzburgschen Urkundenschatzes im ganzen nicht schlecht.
Von Ludwig dem Frommen an ist eine stattliche Anzahl von
Kaiser- und Königsurkunden erhalten und von einigen ver-
lorenen bieten die Kammerbücher Abschriften; jene unschätz-
baren Kammerbücher, deren reicher Inhalt doch von der
Menge der erhaltenen Originalurkunden fast noch übertroffen
wird. Es ist ja nicht unmöglich, aber doch wenig wahrschein-
lich, daß politisch wichtige Stücke des 12. oder 13. Jahrhun-
derts spurlos verloren gegangen sind.
Es kommen zunächst in Betracht die Diplome: 1. Ottos II.
Mon. Genn., Dipl. O. 11. 165, Juvav. Dipl. Anhang Nr. 75
von 977. 2. Ottos IH. Dipl 0. IH. 1, Juvav. Nr. 76 von 984;
ersteres im Original, das zweite in der Abschrift der Kammer-
bticher erhalten. Die für uns wichtigen Stellen beider Urkunden
sind wörtlich gleichlautend. Ihr Text wurde die Grundlage
für eine Reihe kaiserlicher Konfirmationen, nämlich Heinrich IH.
1051, Juvav. Nr. 99, Heinrich IV. 1057, Juvav. Nr. 104, Fried-
richs I. von 1178, Meiller Reg. S. 131, Nr. 18 und Philipps von
1199, Meiller Reg. S. 168, Nr. 133. Da sich aus ihnen nichts
Neues ergibt, können sie unerörtert bleiben. Der maßgebende
Wortlaut ist der von 0. H. 165 aus 977; hier tritt der in vieler
Beziehung merkwürdige Text zum ersten Male in einem un-
zweifelhaft echten Stücke auf.
Er stellt sich dar als eine sehr umfangreiche Zusammen-
stellung der Besitzungen des Erzstiftes vorwiegend in den öst-
lichen Gegenden. Außer der hier genauer zu besprechenden
Waldkonfirmation betrifft der ganze Inhalt der Urkunde nur
Besitzungen in Ober- und Niederösterreich, Steiermark, Kärn-
ten und Ungarn. Für den größten Teil der Angaben lassen
sich die Quellen nachweisen, es sind die bekannten Güterver-
zeichnisse des Erzbischofs Arno: Indiculus (Notitia) Amonis
und Breves notitiae, dann Urkunden der späteren Karolinger,
besonders ein Diplom König Ludwigs des Deutschen von 860,
aber auch einige Akte des 10. Jahrhunderts.
Das Diplom Kaiser Ottos H. von 977 (DO. 11. 165), das
die Reihe dieser Konfirmationen eröffnet, hat aber, wie be-
kannt, gefälschte Vorgänger. Es liegt heute noch ein Diplom
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Kaiser Amolfa vom 20. November 890 vor (gedr. Juvav. Dipl.
Anh. Nr. 54, Mtthlbacher, Reg. 2. Anfl. Nr. 1801), welches als
eine Fälschung des 10. Jahrhmiderts erwiesen ist. Es bildet
offenbar die Grundlage flir DO. 11. 165, welches zwar die
Amolfsche Urkunde nicht transsumirt; ihr aber — mit sach-
gemäßen Änderungen und einer Kürzung, gleich ist. Die Fäl-
schung betrifft aber nicht bloß die heutige FonU; sondern auch
den Inhalt der Urkunde; es sind Erwerbungen darin aufge-
ftthrt, welche erst dem 10. Jahrhundert angehören. Wenn viel-
leicht doch ein echter Amolf vorhanden gewesen ist, so müßte
dieser das letzte Drittel der Urkunde von ,ad Pettoviam eccle-
siam', (Dipl. 11, S. 186, Z. 34) enthalten haben. Dieses ist näm-
Kch von Otto im Jahre 982 (DO. ü. 275) ausdrücklich, mit
Nennung der Amolfschen Vorurkunde konfirmiert worden; der
Kontext ruft den Eindruck hervor, als ob diese nicht mehr als
jene Stelle enthalten habe.
Endlich ist noch anzuführen, daß auch eine Konfirmation
Ottos m. von 984 vorliegt (DO. III. 1, Juvav. Nr. 76), welche
der Hauptsache nach 0. 11. 165 wiederholt, jedoch auch den
hier fehlenden Schluß des falschen Amolf enthält.
Gegen die Existenz eines echten Amolf spricht aber der
Umstand, daß der Verfertiger des falschen die Formalien der
Urkunde, Datierung und Subskription einer Urkunde Ludwigs
des Deutschen von 860 (Mühlbacher, Reg. 1444, Juvav. Nr. 38)
entnommen hat; aber, wie Mühlbacher bemerkt, nicht dem
Original, sondern einer Kopie des 10. Jahrhunderts.
Mit dem falschen Amolf steht endlich noch in Beziehung
eine weitere gefälschte Urkunde (Mühlbacher 2041) angeblich
von 906 Nov. 20 von Ludwig d. K. (Juvav. Nr. 42 zu 875),
die uns nur in der Abschrift der Kammerbücher erhalten ist.
Es gibt aber noch eine weitere Verwicklung, die in dieser
Fälschungsangelegenheit flir uns den interessantesten Punkt
enthält Der gefälschte Amolf zeigt Rasuren. Eine betrifft die
Datierung; es scheint zuerst die Datierung der Urkunde von
860 geschrieben worden zu sein, die man dann mit dem an-
geblichen Aussteller in Übereinstimmung zu bringen suchte;
die andere betrifft ein Stück der Disposition, und zwar gerade
jene Waldschenkung. Es ist eine Stelle von 91 Buchstaben
radiert — wir können sie aus dem Wortlaut der Ottonischen
Urkunde leicht ergänzen — und dafür ein Satz mit 133 Buch-
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Stäben eingesetzt^ welcher eine Grenzbestimmang des Pongans
nach Osten, gegen das Ennstal hin enthält; also eine Stelle
von großer sachlicher Wichtigkeit.
Diese Radierung wurde aber auf dem falschen Amolf
erst vorgenommen, nachdem sein Inhalt bereits in das Diplom
Ottos n. übergegangen war, denn wie erwähnt, diese Urkunde
und die folgenden enthält den auf der Rasur stehenden Satz
nicht, sondern einen kürzeren, dem auch der Raum der ur-
sprünglichen Worte entspricht.
Es war notwendig, diese Geschichte der Überlieferung
hier ausführlich mitzuteilen, doch kann man feststellen, daß
für unsere Frage eigentlich nur diese nachträgliche Änderung
am gefälschten Amolf wichtig ist. Maßgebend ist vielmehr fol-
gendes: Die erzbischöfliche Kanzlei legte im Jahre 977 der
kaiserlichen Kanzlei den Text einer Konfirmationsurkunde vor,
welche die Waldschenkung in der für uns entscheidenden
Form enthielt, und dieser wurde der kaiserlichen Genehmigung
teilhaftig. Ob der gefälschte Amolf damals mit vorgelegt wurde
und aus welchen Elementen er zusammengestellt war, ist dem
gegenüber eine Sache von untergeordneter Bedeutung.
Es soll also vorerst genau untersucht werden, aus welchen
Bestandteilen jener Wortlaut besteht. Im folgenden ist mit
größerer Schrift der Text von 0. 11. 165, soweit er hier in
Betracht kommt, wörtlich und ohne Auslassung abgedruckt;
nach jedem einzelnen Satz die Stellen aus älteren uns über-
lieferten Quellen, welche dem Verfasser des Diplomes als
Vorlage gedient haben können, oder welche doch unseres
Wissens die rechtliche Grundlage des Kirchenbesitzes bilden;
dazu die Erläuterungen:
Ideoque firmanus ad predictum monasterium Sancti Petri
sanctique Rodberti primitus
I. Castellum sanctae Erindrudis cum omnibus juste
ac legaliter ad idem castellum pertinentibus,
Notitia Arnonis I, 1. primum quidem tradidit Theodo
dnx predictum oppidum (Salzburg) simulque et castrum su-
periorem domno Hrodberto cum terminis denominatis et
confinibuB . . .
Breves Notit. II, 3. Theodo dux dedit domno S. Rud-
berto eundem locum ad episcopii sedem cum finalibus locis
ibidem adjacentibus, castrum superius cum montibus ex
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utraqiie parte flnmixiis iUins et nsque fagum stantem in medio
campo in australi parte ipsonun, quod Tulgo dicitur Hagen-
paba cum aqnis ibi circnmquaque correntibus.
Dies ist die Schenkung des erzbischöflichen Sitzes
mit seinem Hanptschloß. Siehe dazn
n. cum curtibus, venationibus, piscationibus, id est
ab aecclesia sancti Martini, que respiclt contra mon-
ticulum, qui vulgo Nochstein nuncupatur, sursum
ex utraque parte fluminis luaris nominati usque
in rivolum Quartinesbach
Not. Am. YII, 8 ... et venationem in silva, que ad-
jacet inter alpes a Gaizlobercb usque ad pontes, que nunc
▼ocantur Stega, et alpes in eodem pago IUI ita yocantur Cun-
dlcus et Cuculana, Alpicula et Lacuana monte, seu etiam ter-
dam partem de Abiiani lacu piscationem.
B. N. VII, 1, Z. 5. Item de isto flumine, quod vocatur
Salzaha, de illa petra que respicit contra ecclesiam sancti
fiiartini, que sita est in castro luuauensi, nulli liceret sine li-
cencia buius sedis episcopi piscacionem babere, vel castores
apprebendere sive ullam ezercere venacionem, nisi tan tum
uno piscatori dominico. Item de loco qui vocatur Scratinpacb
ex utraque parte supradicti fluminis in forste pleniter fieri
ad istam sanctam dei ecclesiam sursum, ubi Swarzaba exo-
ritur, et sie usque ad illum locum qui vocatur Purcb, et ita
fieri a potestativis viris ad istam sedem definitum est.
Dem Hanptschloß Hohensalzburg werden in der Ur-
kunde Höfe, Jagd- und Fischrechte zugeschrieben ,bi8
zum Quartinesbach', der allgemein als die B. N. 1 erwähnte
Schwarzaha (gleich dem Schwarzbach, der den Gollinger-
£EdI bildet) aufgefaßt wird. Man sieht aber aus derselben
Stelle der B. N., daß der Satz in der Urkunde aus zwei
getrennten Verleihungsakten zusammengezogen worden ist;
im ersten wird das Fischrecht in der Salzach von Schloß-
berg (der Martinskirche gegenüber dem Nockstein) fluß-
aufwärts geschenkt — bis wie weit aufwärts wird nicht
gesagt — im zweiten der Wald auf beiden Flußufem
vom Schranbach (bei Hallein) bis zum Schwarzbach. Das
Stück am rechten Ufer heißt heute noch der Abtswald
und war ununterbrochen im Besitz des Stiftes St. Peter.
Von dem Stücke am rechten Ufer wissen wir nichts Qe-
wisses. Am rechten Ufer liegen auch die vier Alpen, die
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in Not. Arn. VII, 8 erwähnt werden. (Deutung der Namen
im Salzburger Urkundenbuch.)
Die Frage, ob die hier erwähnten Gebiete etwas mit
dem ftliher besprochenen Landstrich ,ohne Grafen^ zu
tun haben, ist aber zu verneinen. Der Abtswald sowie
die vier Alpen liegen in der Grafschaft Küchel (Landge-
richt Golling, der Gaisberg im Landgericht Glaneck); diese
Grafschaft hatte aber Grafen (S. Untersuchungen S. 679.)
TTT. insuper etiam de ipso rivolo (Quartinespach) ve-
nationem piscationemque ex utraque parte pre-
notati fluminis ad sanctum MaximiKanum usque
dum Tuontina ex aquilonali parte fluit in praedic-
tum flxunen atque rivolus Gastuna ex australi parte
Not. Arn. VIII, 4. Theodo dux tradidit ipsum locum
[qui dicitur Pongauui] ad s. Petrum ad Salzpurch monaste-
rium et ex omni parti miliarios III.
B. N. III, 10. Tunc quoque dux Theodebertus dedit ibi-
dem de forste suo tria miliaria in omnem quacunque partem.
B. N. IX, 8. Dedit quoque idem dux Otilo ad ean-
dem cellam s. Maximilian! sursum et versum per Salzaba flu-
men ex utraque ripa ipsius fluminis saltum ad venacionem
atque ad pascua pecorum alpes et silvam a loco, qui dicitur
Strupe et ad Furch et illas alpes ubi Swarzaha oritur, et sie
in occidentem et aquilonem, ad orientem et austrum usque
Stegen.
B. N. IX, 2 (trad. Odilo) sancto Maximiliane ... ad
Pongo commanentes XXX cum silya et venatione et omni
appendicio suo.
Das Diplom umschreibt ganz deutlich die Grenzen
des Pongaus. Er beginnt am Schwarzenbach außerhalb
des Passes Lueg und reicht bis zu der später immer wieder
angeführten und bis zum heutigen Tage geltenden Grenze
zwischen Pongau und Pinzgau — Mündung der Gasteinerache
am rechten, des Dientenbaches am linken Ufer. Das sind
die Grenzen im Salzachtale; der Dientenbach bildete dann
noch auf eine große Strecke seines Laufes stromaufwärts
bis 1830 (Einführung der Steuergemeinden) die Grenze
zwischen den pongauischen und Pinzgauer Landgerichten
(s. Erläuterungen zum H. A. Landgericht Taxenbach).
Die Gasteinerache aber diente stets, soviel wir wissen,
nur eine ganz kurze Strecke aufwärts, bis zum sogenann-
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ten Stinkofen in der Elamni; als Grenze; diese sprang
von da über die ,Drei Waller' auf den Kamm^ der Ga-
steiner- nnd Kanrisertal scheidet
Es ist nicht zu zweifeln, daß auch die obige Stelle
der B, N. ,ad orientem et anstrum usque Stegen', nn-
ge&hr dasselbe meint. Für dieses ,Stegen' haben wir
Stegenwacht am Eingange in das Großarltal zur Ver-
fügung (so Salzb. Urkb.), ein guter Abschluß für den
Pongau nach Süden; aber auch bei Schwarzach findet
sich ein Steg. Freilich liegt dies im Südwesten; nicht im
Südosten. Doch kann über den südlichen Abschluß des
Pongaus überhaupt nicht viel Zweifel sein; dies unwirt-
Uche Stück des Salzachtales von Taxenbach bis gegen
Schwarzach, wo Gasteineraohe und Dientenbach münden,
gab einen fast ebenso natürlichen Abschluß als die Berg-
kämme, die sonst den Gau umgrenzen.
Die Nordgrenze wird im Diplom und in den B. N.
ebenfalls übereinstimmend angegeben, dort als Quartines-
pach, hier als Swarzaha. Strup (Strubberg an der Lammer),
Purch (bei Golling) deuten ebenso wie der Schwarzbach
an, daß Tennen- und Hagengebirg bis zum Göll zum Pon-
gau gerechnet wurden.
Die drei Meilen entsprechen nur sehr oberflächlich
den wirklichen Entfernungen. Von Stegenwacht bis zur
Lammer sind in der Luftlinie über 30 fem; von der Dien-
tenmünduDg noch um 12 mehr; das eigentliche Pongauer
Becken von Werfen bis Schwarzach ist 20 km lang. Noch
schlechter stimmt es mit der Breite.
Immerhin ist der Pongau sowohl im Diplom als in
den B. N. unzweideutig umschrieben.
An dieser Stelle ist nun die Rasur auf dem gefälsch-
ten Amolf zu besprechen. Hier ist die oben unter HI.
angeführte Stelle vom Beginne bis usque dum Tuontina . . .
wegradiert und auf der Rasur steht: et Retilinstein et
majorem Meddicham fluviumque Uuitozzam et usque ad
rupem Wizzinchogal; insuper tradimus atque firmamus
sancto Maximiliane ab luuare fluvio. Die erste Hälfte bis
, Wizzinchogal' ist Einschub, das übrige eine verkürzte
Form der wegradierten Phrase, um wieder den Anschluß
an den Text zu gewinnen. Dieser Einschub enthält nun
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die Grenze des Gerichtes Radstadt gegen die Grafschaft
Ennstal; das ist die noch heute geltende Landesgrenze
zwischen Salzburg und Steiermark yom Dachsteingebirge
bis auf den E^amm der Niederen Tauem. Darüber ist gar
kein Zweifel (Erben, Mitteil, des Inst. X, 609).
Daraus geht nun zunächst hervor, daß der Einschub
an einer falschen Stelle steht, denn es handelt sich hier
um eine Abgrenzung des Pongaues gegen Osten, nicht um
eine Abgrenzung der zum Erentrudskastell (Hohensalz-
bürg) gehörigen Fisch- und Jagdrechte, wie es im Text
des falschen Amolf den Anschein hat. Es schließt sich
nämlich hier der Text zu der Phrase zusammen ,Castel-
lum s. Erentrudis . . . cum pertinentibus, . . . id est . . .
piscationibus . . . usque in rivolum Quartinesbach et Reti-
linstein et Meddicham usw. Der Einschub gehört vielmehr
nach ,Gastuna in australi parte' und sollte hier etwa durch
ein ,in orientali parte autem usque ad' (Retilinstein usf.)
angeschlossen sein.
Nach dem paläographischen Befund stammt der Ein-
schub aus dem 11. Jahrhundert.
IV, Ad haec etiam firmamus ad prefatum monaste-
rium luuauense forestem a termino qui in Pison-
cia incipit hoc est de rivolo Erilipach usque ad
acutum montem, qui Diutisce vocatur Vuassin-
perch, prope Iscalam in illo loco, ubi terminus
forestis Ratpotoni comitis sc de isto disjungit,
Cod. trad. Friderici Nr. 7, ürkb. S. 173 (=Juvav. Anh.
S. 197, cap. 17): Tradidit . . . nobilis femina Rosmuot . . .
(archiep. Frid.) unamhobam adTassinpah cum tali nemore . . .
id est de Erilipah usque ad Tuontina et ex altera parte fluvii,
qui dicitur Salzaha, de Uusca usque ubi Gastuna intrat in
eundem fluvium, et cum piscatione ac omnibus adiacentibus,
que Bui iuris essent.
Mit dieser Urkunde (von 963 zirka) des cod. Frid.
ist die erste Hälfte der obigen Stelle des Diplomes bis
jErilipach' vollkommen erklärt. Im vorigen Absatz war
der Pongau durch Dientenbach und Gasteinerache nach
Westen abgegrenzt, jetzt folgt das anschließende Gebiet,
vom Erlbach, der in den Zellersee mündet ostwärts, wie-
der bis an die beiden Bäche.
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Das dadurch abgegrenzte Gebiet entspricht den Ge-
riditen Taxenbach und Ranris. Ebenso lange wie der
Dientenbach; nämlich bis 1830, war anch die Fnscherache
Gerichtsgrenze y und zwar zwischen Taxenbacher- und
Zellergericht. Dieser Umstand scheint dafbr zu sprechen,
daß der Wald, der zu der ,hoba' in Taxenbach gehörte,
die nördlichen und südlichen Seitentäler mitum£eJ}t habe;
trotzdem ist es unwahrscheinlich, daß ein so ausgedehntes
Gkbiet im 10. Jahrhundert noch als unbewohntes Wald-
revier ein ,appendicium' eines Hofes gewesen sei, selbst
wenn wir die Hoba, als Herrenhof oder ,Herrschaft^ statt-
lichster Art uns vorstellen wollen.
Wenn übrigens der Erzbischof Friedrich die Absicht
verfolgt haben sollte, durch Einbeziehung dieses im Tausch-
wege von einer Privatperson erworbenen Gebietes in die
Reihe der herzoglichen Waldschenkungen aus der Agilol-
fingerzeit auch hier die Grafengewalt auszuschließen, so
ist ihm dieser Vorsatz mißlungen, denn wir finden den-
selben Landstrich im Jahre 1228 als Teil der Grafschaft
im unteren Pinzgau. (Meiller, Reg. S. 242) ,inferiorem
(comitatum) autem a loco Walherainode per longxmi et
planum, sicut dicta aqua Salza decurrit, donec ipsi torrens,
qui dicitur Tuonta, influit iuxta Bongov'.
Hier greift also die Waldkonfirmation über das ,gra-
fenlose' Gebiet hinaus. Da nun dieser Taxenbacher Wald
erst 14 Jahre vor der Ausstellung des kaiserlichen Di-
plomes von 977 erworben worden ist, so mußte man in
der erzbischöflichen Eotnzlei noch wissen, welcher Art
dieser Besitz war. Es konnte im 10. Jahrhundert das
,Landgericht' nicht mitvertauscht worden sein wie im
14. oder 15. Jahrhundert; die Ausschließung der Grafen-
gewalt scheint damals nur denkbar in der öfter bezeich-
neten Weise, daß auf dem ganzen Gebiet nur Stiftsunter-
tanen sich befanden, die in bezug auf die niedere Ge-
richtsbarkeit dem Urbarrichter, auf den Blutbann dem
erzbischöflichen Vogt unterstanden.
Wenn wir voraussetzen, die Zusammenstellung der
Disposition in dem Diplom von 977 sei von rechtskun-
digen Leuten mit Überlegung und nach gewissen Absich-
ten m der erzbischöflichen Kanzlei gemacht worden, so
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werden wir annehmen müssen^ daß über die rechtliche
Natur dieses Taxenbacher Waldbesitzes verschiedene Auf-
fassungen möglich wareU; oder daß wir heute der damals
unternommenen Zusammenstellung eine übertriebene Be-
deutung beizulegen geneigt sind. Denn wozu sonst gerade
ihn in die Konfirmation einbeziehen^ wo doch hunderte
von anscheinend ebenso bedeutenden Erwerbungen in
den erzbischöflichen Traditionsbüchem verzeichnet waren,
die man hier nicht au&ahm?
Von den Grenzen des Taxenbacher Waldes am Zeller-
see springt nun die Grenzbeschreibung mit einer seltenen
Kühnheit eine Strecke von 70 km weit über Berg und
Tal bis in den nördlichen Teil des Salzkammergutes^ zum
,Wassinperch' nahe der Ischl. Diesen Wassinperch wird
man, seitdem A. Prinzinger am Fusse des ,Sparber^ am
Wolfgangsee ein Wassengut aufgefunden hat, als den
Sparber betrachten dürfen, da diese Annahme auch der
Gesamtlage der Nachrichten am besten entspricht. Aus
diesem letzteren Grunde kam der Verfasser (in den Un-
tersuchungen 714) dazu den Rettenkogel oder Rinnkogel
für den Wassinperch zu halten, die nur einige Elilometer
vom Sparber entfernt sind.
Vergegenwärtigen wir uns, welchen Umkreis die
,Montana omnia' (siehe unten) zwischen dem Pinzgauer
Zellersee und dem Abersee — denn so kann man jene
Angabe verständlicher fassen — eigentlich einnehmen, so
finden wir folgendes. Der Pongau ist ebenso wie der
Taxenbacherwald abermals seinem ganzen Umfange nach
mit einbegriffen, ja er ist der Hauptteil, der Kern des
ganzen; besonders wenn man beachtet, daß das Tennen-
und Hagengebirg samt dem GöU, also das ganze Grenz-
gebirg gegen Berchtesgaden ihm zugerechnet wurden.
Seine Grenzen gegen Süden bleiben unbestimmt. Reicht
er nur bis an den Fuß der Hohen Tauem (Stegenwacht)
oder bis an deren Hauptkamm? Gastein hat im 13. Jahr-
hundert ein eigenes Landgericht, wie Taxenbach und
Rauris, ebenso Kleinarl; die ,Fünf Stäbe in Pongau' um-
faßten später von den Tauerntälem nur Großarl (Taidinge
S. 181). Auch die Ortsgrenze bleibt unbestimmt und selbst
wenn man die Grenzen im Salzkammergut bis auf die
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Bei^ westlich vom Hallstädtersee sich vorgeschoben denkt^
die Qosan also einschließt^ wie es späteren Angaben ent-
spricht^ so bleibt das oberste Ennstal mit Badstadt and
dem Tauemtale noch immer außerhalb der Bestimmung
,die Berge zwischen Zeller und Abersee'. Kein Wunder,
wenn ein Späterer die Notwendigkeit flihlte hier die Mand-
linggrenze einzuschalten, wie es im feilschen Amolf ge-
schehen ist.
Mit der Nordgrenze beschäftigt sich der nächste
Absatz.
et in aquilonali parte de rivolo Tinnilinpach us-
que in summitatem montis Ciruencus nominati, et
de iam dicto monte Uuassinperch usque ad pre-
fatiun monticulum Nochstein, — illa montana
omnia, que in potestate antecessorum nostrorum
fuerant et nostra ad iam dictum monasterium fir-
Über dieses Stück wurde ausführlich gehandelt Un-
tersuchungen S. 710 bis 717, wo auch die betreffenden
Stellen aus den B. N. und Not. Am. abgedruckt sind,
so daß es wohl genügt, darauf zu verweisen. Der oben-
genannte Satz ist vornehmlich B. N. VlI, 1 entnommen;
der Anschluß an den Nockstein aber ist neu, wenn auch
vollkommen sachgemäß. Man erkennt aber aus dem Suchen
eines solchen Anschlusses das Streben des Verfassers, den
Bestand eines geschlossenen Gebietes zu erweisen.
Durch die Linie Wassenberg (Sparber), Dindlbach,
Zifanken, Nockstein ist die Nordgrenze der beiden Ge-
richte Hüttenstein und Wartenfels gegeben und damit
auch das zwischen ihnen und dem Pongau liegende Ge-
richt Abtenau unserem Bezirk zugeteilt.
Der Verfasser des ottonischen Diplomes hat also
mit seinem Texte die Gerichte Taxenbach und Rauris,
die fünf Stäbe des Pongaus, Abtenau, Hüttenstein und War-
tenfels umschrieben. Gastein ist zweifelhaft, Radstadt und
Kleinarl (Wagrein) bleiben außerhalb, ebenso der Lungau.
Grafenlos sind der Überlieferung nach aber nur:
Radstadt, Wagrein, Abtenau, Hüttenstein und Wartenfels;
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Pongau ist zweifelhaft, Taxenbach, Rauris und Gastein
hatten sicher Grafen, wahrscheinlich auch Lungau.
Daraus läßt sich vielleicht folgern: Auch im Jahre
977 hofiFte man in Salzburg durch Eonfirmierung eines
großen zusammenhängenden Landstriches, für den durch
die Immunität ein bevorzugter Rechtsstand gegeben war,
ein Gebiet unmittelbarer Beherrschung zu schaffen.
An eine vollkommene Ausschließung der Grafen-
gewalt dachte man aber im 10. Jahrhundert überhaupt
noch nicht, da die Grafen überall als stiftische Vögte ihr
Amt ausübten und die Vorstellung einer erzbischöflichen
Landeshoheit mit Ausschließung aller Grafen im 10. Jahr-
hundert noch gar nicht bestehen konnte. Sie fehlen auch
nur teilweise; wahrscheinlich nur in den menschenarmen
Waldgebieten der drei nördlichen Gerichte; von den übri-
gen wissen wir zu wenig; wenn wir sie später im Besitz
der Erzbischöfe finden, ohne daß wir von einem Erwerb
nach Abgang der Grafen wissen, so ist doch ein solcher
Vorgang für den Pongau z. B. sehr wahrscheinlich. Doch
ftlhlt man sich immer wieder angereizt, die eigentümliche
Arbeit des Verfassers von DO. 11. 165 zu prüfen und ihr
einen bestimmten Sinn und eine bestimmte Absicht zuzu-
schreiben. Und eine solche wird man unter allen Umstän-
den annehmen dürfen.
Immerhin kann also die alte Eleimaymsche Auffassung,
die spätere Landeshoheit beruhe auf den Gebieten geschlossenen
Grundbesitzes, auf der Immunität und nicht auf dem Erwerb
von Grafschaftsrechten, für den östlichen Teil des Salzburger
Stiftslandes so lange auft*echt bleiben, bis neue Untersuchungen
das Gegenteil bewiesen haben, wenn man sich auch wird hüten
müssen, die Bestrebungen des 13. Jahrhunderts schon in das
10. zu verlegen.^
* Meine schwere Erkrankung hindert mich leider diese interessante Frage
nach Wnnsch weiter aasznführen. 31. Jänner 1905. Richter.
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III.
GEMARKUNGEN
UND
STEUERGEMEINDEN
IM LANDE SALZBURG.
YON
EDUARD BICHTEB,
WEIL. WIKKUCHBM HITOUfDI DIR KAU. AKADEM» DIR WUSRNSCHATTIH.
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Ans mehr als einem Gnmde ist die Erforschung des Ur-
sprunges der Steuer- (oder Katastral-) Gemeinden in den öster-
reichischen Ländern fär die geschichtliche Geographie sehr
wichtig. Einmal sind die ^Eatastralmappen'^ d. h. die in dem
großen Maßstab 1:2880 (1 Zoll = 40 Klafter) * aufgenommenen
Karten der Feldfluren und Ortschaften die ältesten Bilder der
Landoherfläche in großem Maßstäbe^ welche überhaupt ge-
zeichnet wurden. Sie geben nicht bloß die Abgrenzungen der
einzelnen Grundstücke, sondern auch der damals begründeten
kleinsten Einbeiten der Verwaltung, eben der Steuergemeinden.
Die militärischen Aufnahmen in zehnmal kleinerem Maßstab
(l Zoll =400 Klafter oder 1:28800) sind in manchen österreichi-
Bchen Ländern älter als der Elataster, in anderen jünger. In
Salzburg stammen sie aus 1807 — 1808; der Kataster aus 1828
bis 1830; sie geben aber außer dem Landesumfang keine poli-
tischen Abgrenzungen.
Was sind nun diese Steuergemeinden? Wenn sie gleich-
bedeutend sind mit den alten Dorfgemarkungen, wenn sie einen
geschichtlichen Anhalt an früheren Verhältnissen haben, viel-
leicht nur die zeitgemäße Feststellung alt überlieferter Zu-
stände sind, dann werden wir sie als ein unschätzbares Denk-
mal filr die innere politische, und die Wirtschaftsgeschichte
betrachten müssen. Dann hat Professor v. Thudichum recht,
der auf die ,Gemarkungen^, wie sie jetzt durch die Steuer-
und Ortsgemarkungsgrenzen dargestellt werden, ein ganzes
System der geschichtlichen Geographie aufgebaut und eine leb-
hafte Bewegung hervorzurufen verstanden hat, überall auf dem
alten deutschen Reichsboden Karten mit diesen Grenzen her-
zustellen, die bekannten Grundkarten.
^ 1 Klafter alten Maßes hatte 6 Fuß, der Fuß 12 Zoll; eine Klafter also
72 Zoll; 72X40=2880 usf.
Aidäv. XCIY. Band. 6
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66
Es wird nicht schaden hier nochmals zu betonen: wenn
man wirklich der alten Dorfgemarkungen, wie sie noch im
18. Jahrhundert vielfach ungestört bestanden haben und viel-
leicht noch bestehen, habhaft werden könnte, so wäre das eine
recht wertvolle Sache. Aber die Annahme, die jetzt in den
Eatasteraufiiahmen der deutschen Staaten (im Sinne des alten
Reiches oder Bundes) uns vorliegenden Abgrenzungen der
Steuergemeinden oder Ortsgemeinden oder wie sie im ein-
zelnen heißen, seien uralt, diese Annahme war voreilig, wie
sich nun herausgestellt hat, und ich kann nur nochmals mein
Bedauern aussprechen, daß man so große Geldmittel an eine so
wenig ausgeprobte Sache verwendet hat, wo es doch so schwer
ist, für geschichtliche Studien nennenswerte Beträge aufzu-
bringen.
Die Einrichtung des Katasters, die Bildung von Steuer-
und Ortsgemeinden ist in jedem Staat anders erfolgt, und in den
größeren Staaten, wie Preußen und Osterreich auch noch nach
Provinzen verschieden, da ja die Rechtsverhältnisse, Einrich-
tungen und Überlieferungen, die man vorfand, sehr ungleich
waren. Auch konnten die Organisationen nicht von einem
Mittelpunkt allein aus ins Werk gesetzt werden, so sehr man
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch geneigt war zu
zentralisieren. Aber man kann es in den Akten verfolgen, wie
die gleichen allgemeinen Anordnungen in den Händen der
Landes- und Provinzialbehörden doch gewisse abweichende
Züge annahmen. Man muß also die Frage für die einzelnen
Gebiete, in Österreich nach den Ländern gesondert unter-
suchen.
Die vorliegenden Blätter sollen diese Untersuchung für
das Land Salzburg darbieten, das bis 1806 ein selbständiger
Staat mit eigener Entwicklung gewesen ist, von 1810 bis 1816
zu Bayern gehörte und erst in diesem Jahre dauernd Oster-
reich angegliedert wurde. Der Hauptteil der vorliegenden
Studie wird sich mit Entscheidungen beschäftigen die im Jahre
1828 getroffen wurden, als man daranging, in Salzburg die
sogenannte Franciscische Steuerreform durchzuftLhren. Schon
1817 hatte man sich entschlossen den ganzen Kaiserstaat län-
derweise in großem Maßstab aufnehmen zu lassen und die ein-
zelnen ,Parzellen' nach ihrem landwirtschaftlichen Erträgnis
einzuschätzen, um auf diese Weise eine gerechte und gleich-
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67
mäßige Verteilung der Grundsteuer vornehmen, und zugleich
anch das ganze Gelände ohne Ausnahme dazu heranziehen zu
können. Es schien hierbei unerläßlich das Land in kleine Be-
zirke, Katastral- oder Steuergemeinden genannt, einzuteilen;
man hat das überall so gehalten. Als richtiges Mittelmaß fiir
einen solchen Abschnitt setzte man 500 Joch an, das sind etwas
weniger als drei Quadratkilometer (2* 77 7 km^). Nun war in
den österreichischen Erblanden schon einmal ein ähnlicher
Versuch einer Qrundsteuerregulierung unternommen worden
unter Kaiser Josef 11. in den letzten Jahren seiner Regierung.
Der Hauptunterschied beider Unternehmungen, des ,Josephini-
sehen' und ,Franciscischen' Katasters liegt darin, daß man
sich bei dem ersteren mit einer sehr oberflächlichen Aufnahme
der einzelnen Parzellen durch die Gemeinden und Besitzer
begnügen wollte, ohne Anknüpfung an ein gemeinsames Dreieck-
netz oder auch nur an das Nachbargrundstück, während man
vierzig Jahre später eine große Triangulierung vornahm, wo-
durch das einzelne Grundstück erst wirklich seinen Platz auf
der Oberfläche des Erdballes zugewiesen erhielt; ein Unter-
schied, der wissenschaftlich allerdings noch bedeutender war
als praktisch. Denn an die Organisationen, die man das erste
Mal geschaffen hatte, konnte man sich auch später noch halten;
es läßt sich nachweisen, wie man in einzelnen Ländern sich
ganz ängstlich an die Josefinischen Steuergemeinden gehalten
hat, als man abermals daran ging solche zu schaffen.^ Der
Josefinischen Reform war nämlich keine lange Dauer beschie-
den gewesen; schon wenige Monate nach ihres Schöpfers Tod
wurde die ganze großartige Einrichtung wieder aufgehoben.
In Salzburg fehlte, wie sich versteht, diese Anlehnung,
denn in den Tagen Kaiser Josefs war es noch nicht österrei-
chisch.
Hier kann es sich also nur darum handeln, welche an-
dere verwandte Einrichtungen hier etwa bestanden haben. Der
nachfolgende Bericht über die Ereignisse von 1828, den ich
den Originalakten des Salzburger Airchives entnehme, wird
darüber Aufschluß geben. Es genüge hier festzustellen, daß
die Behauptungen des damaligen Salzburger Ereisamtes, es
* Siehe: Nene Erörterungen zum histor. Atlas. Mitteil, des Inst, flir österr.
Oeechichtaf. VI. ErgänBungsbd. S. 867.
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gäbe in Salzburg keine Gemeinden^ nicht bloß für die damalige
Zeit ganz richtig ist, sondern auch ftlr die letzten Jahrhun-
derte vorher gilt. In dem ganzen Zeitraum aus dem die Salz-
burger Taidinge stammen (also hauptsächlich im 16. und 17.
Jahrhundert) ist tatsächlich in den Rechtsdenkmälem nichts
von einer Gemeinde oder Gemeindeverwaltung, von einer Dorf-
obrigkeit u. dgl. zu entdecken. Es ist diese Frage keineswegs
noch genügend erschöpft. Dem Schreiber dieser Zeilen ist ja
im allgemeinen das Quellenmaterial der salzburgischen Rechts-
geschichte nicht unbekannt; er hat es aber niemals gerade auf
diese Frage hin untersucht. Im Salzburgischen gibt es Dörfer,
uralte Dörfer aus der Agilolfinger-, ja vielleicht aus der Römer-
zeit. Sie werden ihre gemeinsame Flur, ihre Gewannen und
ihre gemeine Weide gehabt haben, und nach Zillners Angabe
erkennt man noch jetzt die Spuren dieser Zustände in dem
Bilde der Flurverteilung (Mitteil. z. Salzb. Ldke., 32. Bd. S. 175).
Aber diese Dinge müßten erst einmal erschöpfend untersucht wer-
den; dann wird man vielleicht doch etwas von Dorfobrigkeiten
und deren Wirksamkeit erfahren. Noch dunkler liegt aber die
Sache im Gebiete der Einzelhöfe. Über ihre Zusammenordnung
zu gemeindeähnlichen Gruppen, über ihren gemeinsamen Wald
und ihre Weide wissen wir nichts. Man müßte einzelne Ge-
biete, von denen Urbare vorhanden sind, herausgreifen und
aus dem älteren Quellenmaterial in Verbindung mit den Bildern
der Flurverteilung in den Katastralmappen die Geschichte des
Besitzes und seiner Gruppierung verfolgen. Vielleicht kann
man auf diese Weise etwas erreichen. Das Thema mag dem
Nachwuchs empfohlen sein.
Hier folgt nun die Geschichte der Einführung der jetzt gel-
tenden und seither, wie die verschiedenen Auflagen der Über-
sichtskarte lehren, sehr wenig veränderten Steuergemeinden in
Salzburg. Es wird sich ergeben, daß diese ganz ausschließlich
ein Werk der Jahre 1828 und 1829 sind, das jeder Anknüp-
fung an alte Gemarkungen umsomehr entbehrt^ als es deren
damals überhaupt nicht mehr gegeben hat. Für Salzburg ist
abo die Thudichumsche Annahme vom Alter der Gemarkungen
durchaus unzulässig. Alt sind hier nur die Landgerichtsgrenzen,
wie wiederholt gezeigt worden ist. Daß die Grenzen der Steuer-
gemeinden zum Teile aber zur Festlegung jener benützt wer-
den konnten, verdanken wir einem Zufedle der Organisation
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D&mlich dem Umstand, daß die Landgerichte zugleich zu
Steuerbezirken gemacht wurden, woraus folgt, daß alle Land-
gerichtsgrenzen auf Katastralgemeindegrenzen laufen.
Die erste auffindbare Nachricht, daß sich die Behörden
mit der Frage der Bildung der Eatastralgemeinden im Lande
Salzburg beschäftigt haben, stammt aus dem Jahre 1827. Am
24. November berichtete das Kreisamt in Salzburg an die Lan-
desregierung in Linz, daß in Salzburg eine ganz neue Ge-
meinde-Arrondierung für den stabilen Kataster notwendig sei.
Darauf beauftragte die Regierung am 20. Februar 1828 das
Kreisamt, sich zu äußern, ob die Steuerdistrikte des Salzburger
Kreises nicht als solche Hauptgemeinden zu betrachten seien,
wie sie der § 154 der Vermessungsinstruktion bezeichnet.
Diese Steuerdistrikte stammten aus der bayrischen Zeit, sie
werden als ,bayrisches Steuerprovisorium' bezeichnet. Die Ver-
messungsinstruktion aber schreibt vor, daß in jenen Provinzen,
wo mehrere Gemeinden in eine Steuerhauptgemeinde vereinigt
sind, jede Untergemeinde als selbständige Gemeinde zu be-
handeln und aufzunehmen ist,^ ,weDn jede ftlr sich in einem
wirklichen Territorialzusammenhang stehe, einen eigenen Burg-
frieden und einen eigenen Gemeindevorstand habe^* ,Sollte da-
gegen in der bestehenden politischen Landeseinteilung der ftlr
die Blatastraloperationen unbedingt erforderliche Territorialzu-
sammenhang im allgemeinen nicht gefunden werden, so müßte
die Gemeinde-Grenzbeschreibung . . . zwar dem Grenzzuge der
Steuerdistrikte folgen', doch stünde es der Regierung zu, die-
jenigen Änderungen in dem bestehenden Umfange der Ge-
meinden oder Distrikte anzuordnen, die zum Behuf der wirk-
lichen Aufiaahme (die 1829 beginnen wird) unbedingt notwendig
erscheinen; damit die neuen Steuergemeinden die von der In-
struktion geforderten Eigenschaften an Größe und Gestalt
besitzen (nämlich zwischen 500 und 1500 Joch Flächeninhalt
und eine möglichst einfache, gut arrondierte Gestalt). Wenn
Bolche Änderungen nötig werden sollten, so wird der Geometer
in Verbindung mit einem pfleggerichtlichen Beamten einen
VoTscblsLg ausarbeiten. Aus der Art Bestellung solcher Beamter
^ Linden, Die Grundsteoerverfassang in den deutschen und italienischen
Provinzen der Osterreichischen Monarchie, Wien 1840, I, 284.
« 8o der oben zitierte Reg. Erl.
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als politischer Kommissäre geht hervor, daß das Geschäft der
Gemeindeeinteilung nach einzelnen Pfleggerichten vorgenommen
werden, daß also dabei die Grenzen der Pfleggerichte, wel-
che auch zugleich Steuerbezirke waren, eingehalten werden
sollten.
Darauf berichtet das Kreisamt am 25. März 1828, daß der
erste Fall — Vereinigung mehrerer Gemeinden zu einer Haupt-
gemeinde — im Lande nicht vorkomme, ,weil nach der königl.
bayerischen Instruktion zur Bildung der Steuerdistrikte auf die
Lage derselben und auf den Zusammenhang unter sich Rücksicht
getragen werden sollte, überhaupt keine großen Steuerdistrikte
gebildet wurden, da jede Quadratmeile wenigstens 4 Steuer-
distrikte haben mußte', wie z. B. das Pfleggericht Thalgau mit
4600 Einwohnern und 739 Häusern in 14 Steuerdistrikte zer-
teilt sei. Es wird daher derlei Steuerdistrikte zu verteilen und
mehrere Steuergemeinden hieraus zu formieren nirgends not-
wendig werden. Umgekehrt aber, wird sich wohl öfter der
Fall ergeben, daß die Steuerdistrikte unförmliche Körper bil-
den, und von zu geringem Umfang sind, daher es wohl am
zweckmäßigsten sein dürfte, daß die Gemeindegrenzbeschrei-
bung nach den dermalen bestehenden Steuerdistrikten vorge-
nommen' und darnach Arrondierungen in der obenerwähnten
Weise angeordnet werden; es scheine rätlich die in jedem
Steuerbezirk bestehenden und mit dessen Umfange genau be-
kannten ,Steuervorgeher' ebenfalls beizuziehen.
Darauf erfolgte eine ausführliche Verordnung der Linzer
Landesregierung vom 1. April 1828 (Z. 8731), wodurch das
Katastrierungsgeschäft in die Wege geleitet werden sollte. Es
wurde angeordnet, in der eben beginnenden Arbcitsperiode die
graphische Triangulierung und die Gemeindegrenzbeschreibung
im ganzen Lande mit Ausnahme der Bezirke Zell am See
und Mittersill durchzuführen ; es wurden die Arbeitskräfte und
deren Hauptquartiere bestimmt, die Pflichten der Gemein-
den und Pfleggerichte in Erinnerung gebracht usw. und end-
lich über die Bildung der Steuergemeinden folgendes vorge-
schrieben :
§ 8. Die Grenzbeschreibung zum Behufe des stabilen
Katasters wird nach Steuergemeinden vorgenommen.
§ 9. Als eine Steuergemeinde wird jener territoriale
Umfang anzunehmen sein, welcher gegenwärtig nach
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dem königl. bayerischen Stenerprovisorium einen
Steuerdistrikt bildet.
§ 10. In der Regd darf in dem bestehenden Umfange
dieser Steuerdistrikte, insofeme nämlich ihre Arrondierung
sich als zweckmäßig darstellt, keine Änderung vorgenommen
werden.
§ 11. Sollte jedoch ein solcher Steuerdistrikt, als selbst-
ständige Steuergemeinde fUr sich allein betrachtet, entweder
zu klein sein oder eine unförmliche Figur bilden, so wird
nach jenen Bestimmungen vorzugehen sein, welche die Ver-
messungsJnstruktion § 156 bis 166 vorzeichnet. Insbeson-
dere wird bei einer Arrondierung darauf zu sehen sein,
daß die Grenzen nicht über die einzelnen Grundbesitzun-
gen gezogen, und daß nicht Zusammenziehungen von Kör-
pern, die in verschiedene Pfleggerichtsbezirke fallen, bewirkt
werden.*
Weiters wurde der Leiter der Gemeindebegrenzung Ober-
leutnant Gampert beauftragt, wenn er irgendwo einen der
bayerischen Steuerdistrikte nicht geeignet ftlr Beibehaltung
als Steuergemeinde finde, sofort mit den Pfleggerich tsbeam-
ten eine ,Zusammentretung' abzuhalten und Bericht zu er-
statten.
Dieser Fall trat rasch ein. Gampert beging mit dem
Pfleger von Salzburg die drei Steuerdistrikte Elixhausen, Berg-
heim und Gnigl und man glaubte in Erfahrung zu bringen,
,daß hierlands wirklich eingefriedete Gemeinden und zwar in
geschlossenen Ortschaften vorhanden sind, die von altersher
schon politische Körper in jedem Sinn des Wortes gebildet
haben und daß die bayerischen Steuerdistrikte ganz willkürlich
ohne Zweck und Ursache diese in eigenem Verband stehenden
politischen Körper dergestalt trennen, daß die meisten Ort-
schaften durch Steuergrenzen geschnitten sind, und in ver-
schiedene Steuerdistrikte fallen. Es wurden dabei weder Ge-
richts- noch Besitzgrenze berücksichtigt, sondern sich lediglich
an natürliche Grenzen gehalten, und dort, wo deren keine vor-
handen waren, blieb es der Willkür der Pfleggerichte über-
lassen, nach eigenem Gutdünken zu verfahren.' Das Kreisamt
machte daher am 10. Mai 1828 folgende Vorschläge:
1. Nach dem Sinne der hohen Vermessungsinstruktion
§154 ist jede Untergemeinde als eine selbständige Gemeinde
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zu behandeln und aufzunehmen; und nach dem § 158 sind
solche Untergemeinden in eine Hauptgemeinde zwar so zu
arrondieren^ daß sie nicht aus dem dermaligen Bezirk gerissen
wird.
2. Wäre nach dem § 159 eine solche arrondierte Steuer-
gemeinde auf einer Mappe aufzunehmen^ jedoch jede ein-
zelne Untergemeinde als ein selbständiger Körper mit eigener
Grenzbeschreibung, Parzellierung und Protokollierung zu be-
handeln.
3. Da sich nun im Salzburger Kreis keine eigentlichen
Steuergemeinden befinden, in welchen so wie in den öster-
reichischen zum Teile schon vermessenen Provinzen dergleichen
kleine Ortschaften schon in der k. k. Josephinischen Steuer-
regulierung zusammengezogen und unter einem Ortsvorstand
zu Steuerhauptgemeinden gebildet wurden, so wäre es nötig
eine solche Konzentrierung der hierortigen kleinen Gemeinden,
welche hierländlich unter dem Provinzialausdruck Bieget be-
nennt werden, zu veranlassen, indem
4. nach dem § 159 eine Anzahl kleiner Gemeinden rtick-
sichtlich der Grenzbeschreibung, Parzellierung und Protokol-
lierung als selbständige Körper im Vorschein kämen, die,
obwohl sie teils in geschlossenen, teils in zerstreuten Häusern
bestehen, doch nicht einzeln mit einem Ortsvorstande vertreten
werden können, sondern auch gegenwärtig mehrere derselben
einem Richter oder Ausschuß zugewiesen sind, wie z. B. in
dem k. k. Pfleggerichte Salzburg 69 Untergemeinden, die aller-
dings ihre Grenzen nachweisen können, nur von 20 Ortsvor-
ständen übersehen werden.
5. Aus diesem Grunde wäre es rätlich, diese kleinen Ge-
meinden, ohne sie separat zu begrenzen, nach Lage und Größe
des Umfanges zusammenzuziehen und .unter einem Ortsvor-
stande eine Steuerhauptgemeinde zu bilden, diese Steuerhaupt-
gemeinde aber ordentlich zu begrenzen, fortlaufend jedoch ort-
schaftsweise zu parzellieren und zu protokollieren, femers den
Umfang einer solchen kleinen Gemeinde durch den Detailgeo-
meter mit Farbenstreifen sowohl in der Mappen als auch auf
dem Prulion ersichtlich zu machen, die Summe der enthalten-
den Parzellen einer jeden einzelnen Untergemeinde summarisch
in ihrem Flächeninhalt am Schlüsse des Indikationsprotokolles
nachzuweisen und auf diese Art die Hauptsumme aller Par-
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Zellen mit ihrem Flächeninhalt der ganzen Hauptgemeinde dar-
zustellen.
6. Dadnrch würde nun jede einzelne Untergemeinde eben-
so YoUständig sowohl der Anfnahme als auch der Schätzung
entsprechen nnd der Sinn des § 159 ganz rein erfüllt werden.
7. Um aber die beabsichtigte Arrondierung im Umfang
der Gemeinden nach den §§ 156 und 157 der hohen Ver-
messungsinstraktion zu bezwecken^ ist es in diesem Kreise
notwendige daß ein Vermessungsindividuum; welches mit dem
Sinn des Ganzen vertraut ist, noch vor dem Anfang der
Detailbegrenzung in jedem Pfleggericht mit Zuziehung des
Pflegers oder jener Beamten^ die die meiste Lokalkenntnis be-
sitzen, die einzelnen Gemeinden mit Beihilfe der General-
quartiermeisterstabskarte in ein Croquis entwerfe, die dies-
fiüligen Konzentrierungen in dem Umfang des ganzen Pfleg-
gerichtes ersichtlich mache und der hohen Regierung zur
weiteren Entscheidung vorlege. Der darauf folgende Detail-
grenzberichtiger beginnt nun nach diesem Hauptskelett mit
dem poUtischen Kommissär die Grenze ordentlich zu beschrei-
ben und das nunmehr durch graphische Punkte sichergestellte
Skelett dazuzugeben.
Es sollte also nach dem Antrage des Kreisamtes die An-
ordnung vom 1. April, wonach die neuen Steuergemeinden in
Salzburg gleich sein sollten den bayerischen Steuerdistrikten
aufgehoben werden, und anstatt dessen die Steuergemeinden
ans einem oder mehreren der alten Pfleggerichtsabteilungen,
Rotten, Rügete, Zechen, Kreuztrachten, Amter genannt, gebildet
werden. Aus der Handschrift der Konzepte sieht man, daß
die Anregung zu dieser Neuerung von Oberleutnant Gampert
ausging.
Die Oberbehörde in Linz ging überraschend schnell auf
diesen Vorschlag ein und erließ schon 7 Tage darauf eine An-
ordnung, welche wegen ihrer Wichtigkeit ihrem ganzen Umfange
nach mitgeteilt wird. Der Hauptpunkt ist der erste, wonach die
Steuergemeinden in Salzburg wirklich nicht nach den bayeri-
schen^ sondern der altgeschichtlichen Landeseinteilung gebildet
werden sollten. Der Erlaß, ausgestellt in Linz am 17. Mai 1828
Z. 13490 JÄUtet:
Über die untern 10. d. M. vorgelegten Beratungsresultate
wegen der Be«timmung der Steuergemeinden ftlr das stabile
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Kataster in dem untergeordneten Kreise findet die Regierung
mit Beziehung auf das Dekret vom 1. April 1. J., Z. 8731 an-
zuordnen:
1. Die Steuergemeinden für das stabile Kataster sind in
dem Umfange des Kreises Salzburg nach den faktisch beste-
henden politischen Ortschaften zu bilden.
2. Wenn eine solche politische Ortschaft fUr sich allein
genommen zu klein ist; so sind zwei oder mehrere nach dem
1. Absätze des § 157 der Vermessungsinstruktion zusammenzu-
ziehen; jene Ortschaften aber, welche für sich eine unförmliche
Figur bilden, dann einzelne von ihrer Gemeinde getrennt lie-
gende Grundstücke sind mit anderen Ortschaften, mit denen
sie sich nach ihrer topographischen Lage am besten airon-
dieren, nach dem 2. und 3. Absätze des § 157 der Vermessungs-
instruktion zu konzentrieren. Ebenso sind selbständige Be-
sitzungen und Waldungen, welche dem Territorio keiner Ge-
meinde angehören, nach den Bestimmungen der §§ 160 — 165
der Vermessungsinstruktion den angrenzenden Ortschaften zu-
zuweisen.
3. Bei diesen Zusammenziehungen sind die obwaltenden
politischen und örtlichen Verhältnisse soviel als möglich zu be-
rücksichtigen, vorzüglich aber darauf zu sehen, daß die Gestalt
der entstehenden Steuergemeinden nicht unförmlich werde, und
daß die zusammengezogenen Gemeindekörper nicht zu groß
werden.
4. Diese Konzentrierungen müssen immer innerhalb der
Grenzen der Pfleggerichtsbezirke in der Art vorgenommen
werden, daß bei jenen politischen Ortschaften, denen andere
aus den sub 2 angedeuteten Gründen zugewiesen sind, welche
jedoch für sich einen gut arrondierten, mehr als 500 Joch be-
tragenden Körper bilden, abgesonderte Grenzbeschreibungen,
Indikationsskizzen und Aufnahmsprotokolle verfaßt werden, bei
den übrigen aber wird der Geometer die Grenze in den Indi-
kationsskizzen deutlich ersichtlich machen und die Numerie-
rung der Bau- und Grundparzellen auf der Mappe und in den
Protokollen dergestalt bewirken, daß alle zu der nämlichen
politischen Ortschaft gehörigen Parzellen nacheinander in arith-
metischer Ordnung erscheinen. In Beziehung auf die weitere
Behandlung der einzelnen politischen Ortschaften in der Mappe
und in den AufiiahmsprotokoUen wird sich auf den § 159 der
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Vermessungsinstruktion mit dem Beisatze bezogen, daß die
Numerierung zwar in der oben bemerkten Art für jede Ort-
schaft fortlaufend und abgesondert zu bewirken sein wird,
ohne jedoch bei jeder Ortschaft mit l anzufangen, da dieses
Verfahren nur für die als Enklaven behandelten bereits selbst-
ständigen Steuergemeinden vorgeschrieben ist.
5. Um die Einteilung des Kreisgebietes nach diesen Be-
stimmungen zu sichern und die einzelnen Grenzbeschreibungs-
geometer in die Lage zu setzen, die Gemeindegrenzbeschrei-
bung ohne Aufenthalt bewirken zu können, wird gleichzeitig
die Einleitung getroffen, daß der provisorische Inspektor Herr
Oberleutnant Gampert die Einteilung der einzelnen Pflegge-
richtsbezirke nach Steuergemeinden vorläufig bewirke, darüber
ein Skelett, in dem einmal die Grenzen der projektierten
Steuergemeinden, dann die Grenzen der einzelnen poUtischen
Ortschaften ersichtlich zu machen sein werden, verfasse, das-
selbe gemeinschaftlich mit dem für den Pfleggerichtsbezirk
angestellten politischen Kommissär fertige und im Wege des
k. k. Kreisamtes, welches sein Gutachten beizuftlgen haben
wird, abgesondert zur Genehmigung hierher vorlege. In dem
von dem Herrn Oberleutnant Gampert gemeinschaftlich mit
dem politischen Kommissär zu fertigenden Berichte ist die pro-
ponierte Einteilung durch die obwaltenden Lokalverhältnisse
zu erläutern und zu rechtfertigen, der Grund jeder belassenen
Unförmlichkeit, insbesondere wenn schmale Streife (!) von
anderen Gemeindegebieten umschlossen sind, herauszuheben,
und im Falle, wo beide Berichterstatter nicht gleicher Meinung
sind, die differierenden Ansichten motiviert aufzuführen.
Es ist daftir zu sorgen, daß die Grenzen der künftigen
Steuergemeinden in der Art, wie sie proponiert worden sind,
sogleich bezeichnet werden, damit der Grenzbeschreibungs-
geometer die Detailgrenzbeschreibung sogleich darnach bewir-
ken kann. Dort, wo von der hohen Regierung Änderungen
werden angeordnet werden, wird der grenzbeschreibende Geo-
meter mit dem politischen Kommissär dieselben in Ausftihrung
zu bringen haben.
Nach diesen Bestimmungen, welche gleichzeitig im Wege
der Mappierungsdirektion dem provisorischen Inspektor Oberleut-
nant Gampert und den grenzbeschreibenden Geometern bekannt
gemacht werden, wird die Einteilung des Salzburger Kreis-
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76
gebietes in Steuergeraeinden für den stabilen Kataster^ sowie
die Detailvermessung zn bewirken sein, daher sie auch den
nachfolgenden Detailsgeometern von der Mappierungsdirektion zu
ihrem Benehmen werden vorgezeichnet werden. Insbesondere
wird sie das k. k. Kreisamt den Pfleggerichten und politischen
Kommissären, insoweit sie dieselben betreffen, zu eröffiien haben.
Im übrigen wird sich nach der untern 1. April 1. J.,
Z. 8731 erhaltenen Belehrung zu benehmen sein.
Die Sache sollte aber nicht so glatt verlaufen. Die Re-
gierung in Linz hatte die getroffene Abänderung des ursprüng-
lichen Programmes am 17. Mai nach Wien an die Hofkanzlei
gemeldet. Am 19. Juni genehmigte diese oberste Instanz das
Aufgeben der bayerischen Steuerdistrikte als Grundlage der
Steuergemeinden, schrieb aber vor, daß die politischen Ort-
schaften (Riegete, Gemeinden) jede fiir sich aufgenommen,
begrenzt und beschrieben werden sollte, später sollte dann über
die Zusammenlegung entschieden werden. Diese Anordnung
widersprach insofern den Anträgen des Kreisamtes, als dieses
vorgeschlagen hatte, man möge vor der eigentlichen Vermes-
sung schon feststellen, aus welchen Rotten und Riegeten eine
Steuergemeinde gebildet werden sollte. Das Kreisamt richtete
also eine sehr ausführliche Vorstellung an die Landesregierung,
der wir sehr wertvolle Nachrichten über das Wesen der alt-
salzburgischen Gemeindegliederung verdanken. Die wichtigen
Stellen jenes Kreisamtsberichtes vom 3. Juli 1828 lauten:
In Befolgung dieses hohen Auftrages hat man ehrer-
bietig zu bemerken, daß, wie man schon so oft in den dies-
ämtlichen Berichten angeführt hat, in dem Salzburger Kreise
nicht gleich wie in den anderen k. k. österreichischen Provin-
zen eine Josephinische Steuerregulierung vorausgegangen und
bleibende Gemeinden gebildet worden sind, sondern in Bezie-
hung auf Grund und Boden nur eine genaue Auszeigung oder
Vermerkung zwischen jenen kleinen Bezirken statt hätte,
welche lediglich behufs der politischen Verwaltung geschaffen
wurden und im Pfleggericht Neumarkt unter dem Namen Rü-
gate, in anderen Rotten, Obmannschaften, Viertel heissen und
deren jedem ein Mann als Vorstand vorgesetzt war. Diese
kleinen Bezirke haben, wie gesagt, nur der politischen Vei>
waltung wegen bestanden, sie haben von alten Zeiten her zur
Aufeicht und Geschäftsbesorgung ihre eigenen Riegmänner,
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77
Obmänner, Rottmänner, Viertelmänner oder Ortsvorstände, wie
sie yerschieden genannt wurden, gehabt, sind auch nach dem
Eonskriptionssysteme zusammen numeriert, ihre Grundfläche
aber, welche eigentlich das Katastralgeschäft in Anspruch nimmt,
ist gar nicht ansgezeigt oder vermerkt, sondern soweit die
Gründe der zu einem solchen Bezirk gehörigen Häuser gehen,
soweit gehet anch die Grenze des Bezirkes und insofern die
Gründe der benachbarten Bezirke dort herzureichen, fkngt
auch die Grenze derselben an. Auf diese Grenzen hat man
auch in dem diesämtlichen Berichte vom 10. Mai 1. J., Z. 8731
hingedeutet nnd gebeten, aus diesen Bezirken durch Eonzen-
trierung die Steuergemeinden zu bilden.
Zwischen diesen Bezirken liegen aber im ganzen Salz-
burgischen sogenannte selbständige Körper als k. k. ärarische
Waldxmgen, landesfllrstliche und herrschaftliche Schlösser und
Besitzungen, Alpen, Felsengebirg, Hutweiden etc. welche bis-
her nie, da auf Grenzen der Grundfläche keine Rücksicht ge-
nommen wurde, einem solchen Bezirk zugewiesen waren. Durch
die mit hohem Dekret vom 17. Mai 1. J., Z. 13490 genehmigte
Regulierung werden nun erst diese eingefriedeten Körper mit
den Grenzen ihrer Grundfläche aufgenommen, sogleich mit
sichtbaren Merkmalen bezeichnet und einer Steuergemeinde,
welche aus den konzentrierten Ortschaften gebildet werden,
zugeteilt.
Die §§ 153, 154, 155 der Vermessungsinstruktion können
ftir den Salzburger Kreis keine Anwendung finden, weil 1. im
Salzburger Kreise, wie schon vorne erwähnt, keine Josephini-
sche Steuerregulierung statt hatte und keine Steuergemeinden
mit einem bestimmten Umfange noch bestehen; 2. da also
keine Steuergemeinden noch bestehen, so kann auch von Un-
tergemeinden nnd Behandlung derselben als selbständige Ge-
meinde keine Rede sein; 3. die Gemeinden bestehen noch
nicht, haben daher noch keinen Umfang, folglich paßt die Vor-
schrift, daß an dem bestehenden Umfange einer Gemeinde
keine Änderung vorgenommen werden darf, ebenfalls nicht
hierher, weil das Objekt, welches in seinem Umfang so soll
au^enommen werden, wie es wirklich besteht, noch nicht vor-
ianden ißt, sondern erst geschaffen werden muß . . .
Durch die verschiedenen Regierungsveränderungen hat
sich auch die innere Einteilung, wie selbe in älteren Zeiten
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78
bestanden haben mag^ hierlands umgestaltet. Unter der königl.
bayerischen Regierungsperiode wurden die Steuerdistrikte kreiert,
die alle Verbindung der Pfarren und Ortschaften über den
Haufen warf, daher von den Landgerichten und nunmehrigen
Pfleggerichten zur politischen Verwaltung doch noch die alten
kleinen Bezirke sub nomine Rigaten, Rothen etc. beibehalten
wurden; allein selbst diese Rigaten, Rothen etc. wurden nach
den verschiedenen Ansichten der bestandenen Landrichter und
Pfleger nach Willkür abgeändert, vergrößert und verkleinert,
zur Erleichterung der Rigatmänner, Rothmänner längst einer
Straße oder Weges zugeteilt, damit er bequem zu den ihm
zugewiesenen Häusern gelangen könnte. Diese kleinen Bezirke
bestehen öfters aus zusammenhängenden Ortschaften, öfters
aus zerstreut zu einer Ortschaft gehörigen Häusern, bisweilen
nur aus 5, 6 Häusern, keine gemeinschaftlichen Besitzungen
und Rechte, wie z. B. Gemeindewaldungen, Weiden, Gemeinde-
kassen etc. haben sie nicht. Der ganze Pfleggerichtsbezirk
bildet überall eine Gerichtsgemeinde, welche eine Gemeinde-
kasse hat, woraus die Konkurrenzumlagen bestritten werden,
mit Ausnahme der landesfürstlichen Städte und Märkte, welche
ftir ihren Burgfrieden eine besondere Kommunkasse haben und
unter der Benennung ,städtische oder Marktgemeinde' zum
Unterschiede der Ruralgemeinde vorkommen.
Das Kreisamt hält es für seine Pflicht, wiederholt auf-
merksam zu machen, daß dasjenige, was eine hohe Stelle als
schon bestehend hierlands sucht und voraussetzet, nämlich
Steuergemeinden und Untergemeinden, nach der für die alt-
österreichischen Provinzen eingerichteten Vermessungsinstruk-
tion im Herzogtume Salzburg als einer neu erworbenen und
unter den verschiedenen Landeshoheiten nach ganz anderen
Gesetzen regierten Provinz noch gar nicht besteht, sondern
notwendig erst gebildet werden muß. Man kennt kein Hin-
dernis, warum nicht, wie es auf hohe Regierungsverordnung
vom 17. Mai 1. J., Z. 13490 bereits in mehreren Pfleggerichts-
bezirken geschehen ist, durch Zusammenziehung von einzelnen
solchen kleinen Bezirken die Einteilung von Steuergemeinden
in den einzelnen Pfleggerichtsbezirken bewirkt werden wolle,
wodurch ordentliche, der politischen Verwaltung angemessene
und dem Zusammenhange sich entsprechende Steuergemeinden
gebildet worden wären.
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Die Landesregierung in Linz war von dem abermaligen
Widerspruch des Kreisamtes nicht erbaut und sandte am
11. Juli 1828 eine ziemlich scharfe Note nach Salzburg, worin
das Kreisamt beschuldigt wurde durch unklare und wider-
sprechende Berichte und Anträge die nunmehr herrschende
Vcr¥mrrung hervorgerufen zu haben. Eine Stockung der Arbeit
war tatsächlich insofern eingetreten, als die Mappierungsdirek-
tion strenge nach dem Hofkanzleidekrete vorgehend die Ver-
messung der einzelnen 32 Rügate des Landgerichtes Neumarkt
Yomehmen lassen wollte, das Pfleggericht aber nur der 17
mit Oberleutnant Gampert vereinbarten neuen Katastralgemein-
den. Weiterhin untersagte das Kreisamt den Pfleggerichten die
Mitwirkung bei der Aufiiahme der Rügate tlberhaupt.
Li dieser Zeit erschien der Regierungspräsident Graf
Ugarte aus Linz persönlich in Salzburg und überzeugte sich
von der Richtigkeit der Ansichten des Kreisamtes. Auf seinen
Einfluß ist es wohl zurückzuführen, daß die Hofkanzlei dem
unangenehmen Zustande mit anerkennenswerter Raschheit ein
Ende machte, indem sie schon mit Dekret vom 26. Juli ihre
Anordnung vom 19. Juni, wonach jede Rotte u. dgl. eine Steuer-
gemeinde sein sollte, aufhob, und — im Sinne der Anträge
des Kreisamtes — befahl, ,daß im Salzburger Kreis erst eigene
Katastralgemeinden durch eine zweckmäßig arrondierte Zu-
sammenziehung ganzer politischer Ortschaften und Rügate ge-
bildet und dann erst diese eingebildeten Gemeinden nach der
Vorschrift der Vermessungsinstruktion in ihren Grenzen bestimmt
werden sollen'. Lispektor Oberleutnant Gampert wird mit der
Ausmittlung und Proponierung der neu zu bildenden Katastral-
gemeinden ftir den ganzen Salzburger Kreis beauftragt. Als
besondere Normen werden noch aufgestellt:
1. Jede politische Ortschaft ist für sich allein genommen,
wenn sie wenigstens 500 nieder-österreichische Joch Flächen-
maß hat, und für sich einen gut arrondierten Körper bildet,
auch selbständig zu behandeln, folglich als eine künftige selbst-
Btändige Steuergemeinde vorzuschlagen, dagegen sind
2. kleinere, unter 500 Joch enthaltende, oder für sich
allein genommen nicht zweckmäßig arrondierte Körper zu-
sammenzuziehen und ftlr solche konzentrierte Orte bei der
eigentlichen Grenzbeschreibung nur eine Grenzbeschreibung
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nnd bei der Detailanfnahme nur eine Indikationsskizze and ein
Aufnahmsprotokoll zu verfassen . . .
Bei den durch den Oberleutnant Gampert und den politi-
schen Kommissär vorzunehmenden Erhebungen zum Behufe
der Eonzentrierungen sind die bestehenden örtlichen und poli-
tischen Verhältnisse und insbesondere der Umstand zu berück-
sichtigeU; daß die Zusammenziehung immer nach ganzen poli-
tischen Ortschaften und Rügaten in ein und derselben Pfarre
geschehe, daß auf wohlarrondierte Körper hingewirkt und
daß dabei darauf gesehen werde, daß die künftigen Steuer-
gemeinden besonders in kultivierten Gegenden nicht zu groß
werden, und zwar niemals über 2500 niederösterreichische
Joche Flächeninhalt erhalten. Nur im Hochgebirge, wo öde
Strecken etc. den Gemeinden zugewiesen werden, darf die an-
gedeutete Größe überschritten werden.
3. Eine Ausnahme von den ad 1. und 2. angedeuteten
Grundsätzen hat bei Städten und Märkten einzutreten, da diese
bereits geschlossene Burgfrieden haben. Für diese Orte (Städte
und Märkte) sind einige Grenzbesohreibungen etc. zu verfassen
und in Fällen, wo ihr Inhalt unter 500 niederösterreichische
Joche steht, ist denselben eine anstoßende jedoch ebenfalls ab-
gesondert zu begrenzende Ortschaft zuzuweisen.
Von weiteren Bestimmungen ist hier nur noch hervorzu-
heben, daß weiterhin jede willkürliche Änderung der Rügaten,
Rotten, Viertel und Obmannschaften untersagt wurde, da diese
Änderung leicht auf den Bestand der einmal mit aller Vor-
sicht unter Beachtung der obwaltenden Verhältnisse gebildeten
Katastralgemeinden nachteilig einwirken könnte.
Nach diesen Anordnungen ist die Landesvermessung flir
den Kataster und die Bildung der Steuergemeinden in den
nächsten zwei Jahren 1829 und 1830 mit Aufwand eines großen
Personales (im Jahre 1829 waren gleichzeitig 64 ,Herren',
größtenteils Offiziere im Lande tätig) durchgeftihrt worden.
Schon 1830 müßen die lithographischen Kopien der Original-
Aufnahmsblätter wenigstens teilweise vollendet gewesen sein,
denn es erschien bereits am 2. Februar ein gedrucktes Zir-
kular über ihren Preis und die Art des Bezuges. 1832 begann
die Schätzung der Gründe auf der Basis der neuen Ver-
messung, aber erst 1835 wird das Erscheinen der ,Ubersicht8-
karte der Steuergemeinden und Bezirke^ (1:115200) angekündet.
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Dies ißt die Geschichte der Steuergemeinden im Lande
Salzburg. Man siebte daß eine ungemein wichtige Sache sehr
rasch, unter der Gefahr schwerer Mißgriffe doch schließlich
sinngemäß durchgeführt worden ist. Ein k. k. Oberleutnant,
ein junger Mann in wenig hervorragender Stellung hat das
Werk getan, das bis heute nicht bloß die territoriale Grund-
lage der Stenerverfassung sondern des ganzen Gemeindewesens
ist. Denn die politischen Gemeinden wurden bei ihrer Ein-
Mirung stets nach den damals gezogenen Grenzen umschrieben,
indem die politische Gemeinde stets gleich ist einer oder meh-
reren Steuergemeinden und niemals eine Steuergemeinde unter
zwei politische Gemeinden geteilt ist.
Für die Geschichte der Territorialeinteilung des Landes
Salzburg ergeben sich aber folgende Schlüsse.
1. Die Grenzen der einstigen Pfleggerichte fallen im all-
gemeinen stets mit Grenzen heutiger Steuergemeinden zusammen,
da man bei Errichtung der Steuergemeinden sich stets inner-
halb der Grenzen des betreffenden Pfleggerichtes gehalten hat.
2. Hie und da mögen allerdings erst durch die Grenz-
beschreibung des Katasters diese Grenzen vollkommen scharf
und genau festgestellt worden sein. Im allgemeinen aber be-
weisen die alten Gerichtsrügungen, daß man sich bei Gerichts-
grenzen nicht mit allgemeinen und ungenauen Bestimmungen
begnügt hat, wie das bei den Rotten nach Aussage des Salz-
burger Kreisamtes der Fall war. Die Gerichtsrügungen geben
auf den Meter genaue Grenzen, oft genug wird die rechte oder
linke Zauntorsäxde oder die Mitte des Bächleins mit aller Be-
stimmtheit angegeben. Der Grund dieser großen Genauigkeit
wird der Wunsch gewesen sein, Kompetenzstreitigkeiten zu ver-
meiden, da der Gerichtsstand von dem Orte des begangenen
Verbrechens und des Ergreifens des Verbrechers abhing.
3. Die Bestimmung der Grenzen der Pfleggerichte nach
den Grenzen der Steuergemeinden ist nur bei jenen altsalz-
buigischen Pfleggerichten nicht möglich, die in den Jahren
1828 — 1829 nicht mehr selbständig bestanden, das sind Neu-
haus, Glaneck, Oberplain und das Urbargericht an der Glan,
die mit Abtrennung Glaneckscher Gebiete an Hallein im Jahre
1811 zum Pfleggericht Salzburg vereinigt wurden; femer Straß-
walchen, das damals mit Neumarkt, und der Hofmark Koppel,
die mit Salzburg vereinigt war. Auch für die seit 1816 dauernd
ItcUt. ICIV. Bmnd. 7
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bayerisch gebliebenen altsalzburgischen Gebiete am linken Ufer
der Saale und Salzach gilt wie sich versteht die obige Erörte-
rong nicht.
4. Auch die alten Rotten, Rügete usw. wurden niemals durch
Landgerichtsgrenzen und in der Regel auch nicht durch Steuer-
gemeindegrenzen durchschnitten. Somit haben wir nicht nur die
Grenzen der alten Landgerichte, sondern auch die Lage der
Rotten etc., deren Namen wir aus der Juvavia genau kennen,
vollständig sicher und so genau abgegrenzt als sie es überhaupt
waren.
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IV.
DAS LAND
IM NORDEN DER DONAU.
MIT EINER HISTORISCHEN KARTE.
TON
JULIUS STRNADT.
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Yorw^ort.
Die Dorchforschimg der österreichischen und bayrischen
Arcliive für die Arbeiten zum historischen Atlas der öster-
rächlschen Alpenländer hat eine unerwartete Menge einschlä-
giger Urkunden und Akten zutage gebracht^ welche Staats-
rechtliche nnd andere Verhältnisse in ihrem wahren Wesen
erkennen ließen. So spärlich anfangs die Quellen flössen^ so
weit verstreut das Materiale und oft schwer auffindbar^ mit-
unter auch unzugänglich war, in vielen Fällen nur in einzelnen
Splittern zum Vorschein kam^ so fügte sich doch bei weiterem
Fortschreiten der Sammlungen Stein um Stein zu einem Auf-
bau zusammen; welcher^ wenn auch nicht in allen seinen Teilen
von gleicher Stärke, doch keine klaffenden Lücken aufweist;
denn jene^ welche Urkunden und Akten noch gelassen^ wurden
durch das günstige Ergebnis der Lustrierung der alten Grund-
bücher aus den Jahren 1793/94 ausgefüllt^ da dieselben häufig
eine wörtliche Übertragung aus den älteren herrschaftlichen
urbaren sind — soweit nicht die Gesetzgebung Kaiser Josefs 11.
Änderungen gebot — , die wirtschaftlichen Verhältnisse am
Ende des 18. Jahrhunderts darstellen und häufig die ältesten
topographischen Namensformen überliefern.
XJber die Quellen wurde in den Erläuterungen Rechen-
schaft abgelegt; es darf nicht übergangen werden; daß ohne
die ausgiebige Benützung der königL bayrischen Archive und
deren Bereitwilligkeit zur Akten Versendung — der 1902 ver-
storbene Direktor des allgemeinen Reichsarchives in München
Baron Dr. Eduard v. Oefele hat allein mehr als zwanzig Zu-
sendungen veranlaßt — * die Darstellung flir Oberösterreich eine
trümmerhafte geblieben wäre.
Die Erläuterungen zur Landgerichtskarte von Oberöster-
reich versuchen^ über den Werdegang des Gerichtswesens im
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Lande ob der Ena eine gedrängte Übersicht zu bieten; die
nähere Begründung der Angaben blieb den Abhandlungen zum
historischen Atlas vorbehalten. Grenzbeschreibungen, soweit
solche vorhMiden, wurden bequemerer Übersicht halber an den
entsprechenden Stellen anmerkungsweise eingeschaltet.
Die vorliegende Abhandlung über ,das Land im Norden
der Donau' hat die Aufgabe, auf Grund des seit dem Jahre
1900 beigeschaffiten archivalischen StoflFes nach Tunlichkeit fol-
gende Fragen zu beantworten:
1. Bestand und Umfang des sogenannten Schweinachgaues.
2. Westgrenze der karolingischen Ostmark am linken Donau-
ufer.
3. Art und Weise der Erschließung des Nordwaldes für die
Ktdtur und Wert der Schenkungsurkunde König Hein-
richs n. für Niedemburg zur Beantwortung dieser
Frage.
4. Aufklärung über das Auftreten der Witigonen auf ober-
österreichischem Boden und über ihre Abstammung.
5. Aufklärung über die Eigenschaft der Herrschaft Falken-
stein und ihr Verhältnis zu Passau und den Witigonen,
zumal zu Zawisch ^von Falkenstein^
6. Vormalige Grenzen zwischen Bayern und Osterreich einer-
seits und Böhmen andererseits; Zeitpunkt ihrer Sta-
bilisierung.
7. Zeitpunkt der Vereinigung Wachsenbergs und der Ried-
mark mit dem Lande ob der Ens.
8. Bloßlegung der Verhältnisse Passaus zu dem Mühelland
und Bestimmung des Zeitpunktes^ in welchem das-
selbe der österreichischen Landeshoheit unterworfen
wurde.
9. Klarlegung der Ausbreitung der österreichischen Territorial-
hoheit über Rannariedl in das Herz des Reichsfürsten-
tums Passau hinein.
Der Verfasser, kein Fachmann ex professo, aber auf dem
Gebiete der historischen Geographie seit einem halben Jahrhun-
derte tätig, darf versichern, daß er alle Zeit und Mühe auf-
gewendet hat, um die auf ihn gefallene Wahl eines Mitarbeiters
am historischen Atlas zu rechtfertigen. Was Neigung zum Ge-
genstande und Liebe zum engeren Vaterlande, was genaue
Kenntnis von Land und Leuten — zumal im Mühellande, in
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welchem er als Gerichtsadjunkt in Neufelden (1868—1870) und
als Bezirksrichter in Rohrbach (1877—1881) hierzu hinrei-
chende Gelegenheit hatte — , was umfangreiche Urkunden-
sammlungen, vor 55 Jahren begonnen und stets fortgesetzt,
zum Gelingen des Werkes beizutragen vermocht haben, dürfte
an der Arbeit zum sichtlichen Ausdrucke kommen. Von der
Ranna bis zur Isper, von der Moldau bis zur Donau hat er
das Land in allen Richtungen bereist und durchwandert; er
schreibt aus persönlicher Wahrnehmung.
Ein gütiges Geschick hat es ihm beschieden, nochmals
die Wege zu wandeln, die er — der 25 jährige Aktuar ohne
jegüche literarische Verbindung — im Jahre 1860 in seiner
Schrift über die passauische Herrschaft im Mühellande durch-
messen hat- Da dieselbe den Ausgangspunkt auch der folgen-
den Elrörterungen bildet und wegen der Zusammenstellung des
Urkundenmateriales auch in Zukunft nicht entbehrlich werden
dürfte, folgt im Anhange zur genauen Orientierung eine Be-
richtigung von topographischen Bestimmungen, die vor 45 Jahren
nur von der Landkarte aus gemacht wurden und deshalb teil-
weise niclit das Richtige trafen.
Der Neubau wurde mit reichem — wie manchem schei-
nen möchte, allzureichem — Materiale aufgefiihrt; bei einge-
hender Nachprüfung dürfte sich aber zeigen, daß eine Be-
schränkung nicht eintreten durfte, ohne die meist schwierige,
weil auf neuem Boden sich bewegende Beweisführung zum
Nachteile des Ganzen zu schwächen. Nebstbei mußten Ein-
bUcke in das Kriminalverfahren und in die zahlreichen Kon-
flikte gewährt werden, einerseits, weil hieraus besondere Fol-
gerungen abzuleiten waren, und andererseits, weil die Gelegen-
heit zu solchen Einblicken eine sehr seltene ist, da derlei
Akten meist schon zugrunde gegangen sind und auch gegen-
wärtig noch immer vernichtet oder veräußert werden.^
In OberOsterreich sind Prozesse wegen Zauberei und Hexerei fast nicht
auffindbar. Daß jedoch solche ebenso häufig wie anderwärts stattfanden,
dafür zeugt schon die Tatsache, daß im Jahre 1728 siebzehn Personen
beiderlei Geschlechtes aus den Pfarren Schwertberg, Tragein, Zell und
Grein eingefangen und von den betreffenden Landgerichten teils durch
Feuer teils durch Schwert hingerichtet wurden (Archiv für Kunde österr.
Gescbichtsqaellen XYII, 207). Hiervon finden sich noch vollständige
Akten gegen Magdalena Grillenberger 1729/30 im Greinburger Archive
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Die Kartenbeilage im Maßstabe 1:200.000 hat den Zweck,
die gewonnenen Ergebnisse der Untersuchung deutlich vor
Augen zu führen; sie wurde absichtlich nicht früher als nach
Vollendung des vierzehnten Abschnittes angefertigt, Flächen-
kolorit wurde vermieden, weil die Grenzlinien auch bei Fal-
kenstein nicht immer jedes einzelne Haus hätten einbeziehen
können.
Um die Abhandlung nicht noch mehr, als ohnehin nicht
vermieden werden konnte, mit Zitaten zu belasten, hat der
Verfasser es unterlassen, sich mit den verschiedenen entgegen-
gesetzten Meinungen zu befassen, und es dem Leser anheim-
gestellt, sich fiir oder gegen die vorgebrachten Beweise zu
entscheiden. Nur bezüglich der Äußerung Ottos von Freising
über die tres comitatus der Ostmark hat er eine Ausnahme
machen zu müssen geglaubt, weil in dem Exkurse Uhlirz in
den Jahrbüchern des Deutschen Reiches unter Otto II. und III.
eine neue Ansicht aufgetaucht ist, deren Anwendung auf das
Thema der Arbeit zu prüfen war.
Zum Schlüsse erlaubt sich der Verfasser allen Persönlich-
keiten, welche das Zustandekommen der vorliegenden Abhand-
lung ermöglicht haben, den gebührenden Dank abzustatten: Sr.
Durchlaucht Fürst Adolf Josef v. Schwarzenberg Herzog zu
Erummau, den hochgebomen Herren Graf Rudolf Kinsky,
Graf Konrad Ungnad v. Weißenwolff, Graf Ernst zu Sprinzen-
stein, Frau Baronin Schwiter zu Schwertberg für die gestattete
Benützung der Archive, den Herren Direktoren und Beamten
des k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchives, des k. u. k. gemein-
samen Finanzarchives und des niederösterreichischen Landes-
archives in Wien, des königl. bayrischen Reichsarchives und
des Kreisarchives, sowie der königl. Hof- und Staatsbibliothek
in München, des Ereisarchives in Landshut, den Herren fürstlich
Schwarzenbergschen Zentralarchivsdirektor Anton Mörath in
Erummau und Archivar Franz Mare§ in Wittingau, Herrn Regie-
Oerichtsakten Fasz. 74 wegen Hexerei, gegen Hans Grillenberger 1780/31
im Schwertberger Schloßarchive wegen Zauberei (von letzterem ein Aus-
zug in Nr. 49 der Unterhaltungsbeilage zur ,Linzer Tagespost* 1903),
Bruchstücke eines Hexenprozesses bei dem Landgericht Reichenstein
ex 1696 gegen Maria Eninkhl aus der Pfarre St. Leonhard und gegen
die Wetterhexe Maria Aistleitner im Schloßarchive f^eistadt, Fasz. 30,
Nr. 26 und 27.
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rnngsrat Universitätsprofessor Hans Lambel in Prag, Stiftskapi-
tular Dr. Adalbert Erichs in Göttweig, Herrn Viktor Baron Han-
dd-Mazzetti Archivar des Linzer Museums, k. u. k. Oberst, Herrn
Dt. Ferdinand Krackowizer oberösterreichischem Landesarchivar
i.R., Herrn Prälaten Eonrad Meindl zu Reichersberg, Herrn
SüftsbibUothekar Gottfried Vielhaber in Schlägl, Herrn Stifts-
kapitular Dr. Valentin Schmidt von Hohenfurt, Professor in
Budweis, der löblichen herzoglich Sachsen-Coburgschen Fidei-
kommißbehörde in Coburg und dem herzoglichen Rentmeister
Julius Kraemer in Greinburg für die in liberalster Weise ge-
währte Ausnutzung des Greinburger Archives, dem gräflich
Weißenwolffschen Sekretär Herrn Viktor PoUak, Herrn Ge-
meindesekretär Karl Haßleder in Neufelden, Herrn Verwalter
Fridwagner in Helfenberg. Herrn Sektionsrat Dr. Josef Kolo-
man Binder wird für die Eröffiiung des Archives des Justiz-
ministeriums, HeiTn Oberlandesgerichts- Vizepräsidenten Gustav
Ritter v. ScharflFen flir jene des Oberlandesgerichtsarchives,
Herrn Landesgerichtsrat Dr. Adolf Ritter v. Großer für die
gewährte Unterstützung, Herrn Professor Dr. Emil Werunsky
an der deutschen Universität in Prag, Herrn Stiftsbibliothekar
Professor Sebastian Mayr in Kremsmünster für die vielseitigen
Dienste der ergebenste Dank ausgesprochen.
Kremsmünster, 12. Mai 1905.
J. Stmadt.
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Erster Abschnitt.
Der große Nordwald. Das karolingische Rosdorf gleich-
bedeutend mit dem späteren Landshag. Die comitatus ex
antiquo ad marchiam pertinentes, quos tres dicunt des
Bischofs Otto von Freising; die neueste Deutung der-
selben nach ühlirz.
Der ganze Landstrich im Norden der Donau zwischen
der Hz im Westen und der Isper im Osten ist noch zur Zeit
des Einzuges der Bajuwaren in das ehemalige Norikum als
Waldgebiet aufzufassen; nur die Uferränder der Donau bis
hinab nach Sachsen waren in Kultur gezogen, hauptsächlich
von Wenden, welche sich bis Niederwaldkirchen hinauf und
über den Haselgraben festgesetzt hatten.^ Während jedoch der
Nordwald (unter der Benennung Passauerwald) noch im Be-
ginne des 10. Jahrhunderts an der Donau herab bis in die
Nähe von Landshag ^ reichte und im Gebiete des sogenannten
' A. Hackl, Die Besiedlungsverhältnisse des oberösterreichischen MCihl-
viertels, Stnttgai't 1902; Stmadt, Gebart des Landes ob der Ens,
S. 26 — 29. Vgl. hierzu ,Zur Kunde der österreichischen Ortsnamen', Mitteil,
des Inst, für Osterr. Geschichtsf. XIX, 620 — 534. Gelegentlich sei bemerkt,
daß der scheinbar deutsche Familienname Breslmaier, üblich im mitt-
leren Mühlkreise, entschieden slawischen Ursprungs ist und im 18. Jahr-
hunderte noch viel richtiger Preßlmaier geschrieben wurde, denn er
stammt von Bröselsdorf (recte Pfemysldorf, urkundlich Brumislaistorf,
1115, Oberösterreichisches Urkundenbuch 11, 151).
Zu dem Versuche der neueren Forschung, aus den Hausformen und
dem Dialekte eine Grundlage für die Vermutung fränkischer Mitbesiedlung
zu gewinnen, sei darauf hingewiesen, daß der Personenname Franco ein
einheimischer war, daher Frankenberg in der Riedmark mit Sicherheit
keineswegs auf fränkische Kolonisten zurückgeführt werden muß.
' Der aus der karolingischen Zollordnung 904 bekannte Handelsplatz
Rosdorf ist identisch mit dem heutigen Orte Landshag, wie nachstehende
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MtühSandes noch lange kein Name genannt wird, waren die
Anüedlnngen östlich Yon der Großen Mühel im Beginne des
13. Jahrhnnderts bereits an die Rauschemühel — so genannt
Yon dem tosenden Falle in ihrem steinigen Bette — vorgerückt
Belege aeigen: 853, 18. Jänner, KOnig Ludwig best&tigt die Schenkung
des Grafen Wilhelm, welcher allen seinen Besiti lu Bosdorf und über-
haupt auf dem linken Donauufer (,quicquid ad rosdorf habere uidebatur
omnia et ex omnibus rebus ex illa parte danubii, quicquid sibi perti-
nebant in mancipüs et aedificiis ac uineis cultis et incultis*) an das
Kloster St. Emmeram yergabt hatte (Mon. Boic. XXVIIIa, 46). In dem
durch die königlichen Sendboten (vgl. Krause in Mitteil, des Inst, für
Oeterr. Geschichtsf. XI, 193 ff.) 904 festgestellten Gewohnheitsrechte der
ZoUrätxe t&r die Ostmark (Mon. Germ. Leges III, 480) wird Rosdorf als
der erste Landungsplatz und als die erste Zollstfttte nach Passierung
des Passauerwaldes genannt (,postquam egresse sint siluam patayiam et
ad Bosdorf uel ubicunque sedere uoluerint et mercatum habere'). 1111,
23. August bestätigt Bischof Ulrich von Passau dem Kloster St. Florian
unter anderen Besitzungen ,Ad bercheim dimidius (mansus), ad rostorfh
dimidius' (OberOsterreichisches Urkundenbuch II, 140). Engelbert von
Blankenberg (an der Großen Mttbel) vergabt unter Bischof Chunrad von
Passau (1158—1164) an das Kloster St. Nikola bei Passau folgende
Güter: ,curia in Aigilsperge, curia in Windestige, curia ad Hirzman,
curia Chunradi ad portum contra Ahscha, curia In Berchaim, molendi-
num in riuo Rosbaoh*, wie eine Hand des 13. Jahrhunderts erster Hälfte
in den Traditionskodex eintrug (OberOsterreichisohes Urkundenbuch I,
593). 1258, 3. September erlaubt Bischof Otto dem Chunrad von Hart-
heim, die Besitzungen des Klosters Niedernburg in Lantzhabe und in
Awenden, welche Bischof Bertold (1250—1264) an Ulrich von Kapellen
verpfändet hatte, von diesem einzulösen (Mon. Boic. XXIX b, 122). Bosdorf
lag also gerade am Ausgang des Passauerwaldes an der Donau, in einer
Gegend mit Weingärten, in der Nähe von Bergheim; unter letzterem
kann nur die Ortschaft am Pesenbache in der Pfarre Feldkirchen ver-
standen werden, denn in dieser Pfarre befanden sich die durch alle
Jahrhunderte erwähnten vielen Weing^ärten, welche erst in den Jahren
1817, 1818 au%elas8en wurden, hier findet sich ein fast wasserloser Bach
des Namens Rosbach. Die Bachnamen wechsein übrigens häufig, ein Ros-
bach wird 1189 in der Pfarre Scbönhering erwähnt (Oberösterreichisches
Urkundenbuch II, 416), ein Rosgraben findet sich in der Pfarre Haibach
etwas weiter donauaufwärts. Der kleine Bach, welcher, wie aus der
Schützseben Karte zu sehen, noch vor 120 Jahren zwischen Ober- und
Unterlandshag in die Donau mündete, nun aber zuvor in den Wiesen
versickert, mag seinerzeit den Namen Rosbacb geführt haben, heute ist
er namenlos. In der Pfarre Feldkirchen waren die Wasserläufe nach-
weisbar vielfachen Veränderungen unterworfen.
Rosdorf wird seine Bezeichnung von dem altdeutschen Personen-
namen Hors oder Ros abzuleiten haben; der Ort behielt denselben bis in das
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92
und in rascher Folge bis an die Moldau vorgedrungen.^ Das
Babenbergische Urbar zeigt uns im 13. Jahrhunderte das
Waldland in das Quellengebiet der Aist zurückgedrängt,* wäh-
rend die Urbarmachung des Nordwaldes im mittleren Teile
noch im 11. Jahrhunderte große Fortschritte gemacht und über
das Lobenfeld (Hochebene von Leonfelden) zum Moldauufer
durchgebrochen war. Die noch im 12. Jahrhunderte vor-
handenen Slawenbestände sind im 13. verschwunden, die
Wenden zwischen der Großen Mühel und der Isper ent-
nationalisiert, im bayrischen Volke aufgegangen.^ über die
12. Jahrhundert, indessen zweiter Hälfte er schon als Landang^splatz
(portus) gegenüber von Aschach bezeichnet wird, und diese Bedeutung
hat auch der jetzige Ausdruck Landshag. Derselbe ist zusammengesetzt
aus Land = Landen, Landung, Lände und Hag = eingefriedeter Platz,
wozu Schmeller (Bayrisches Wörterbuch, 2. Aufl., I, 1067) bemerkt, daß
Gl. a. 369 hao sogar noch, dem englischen town entsprechend, fttr urbs,
ciyitas stehe. Laut Mitteilung der Direktion der kOnigl. Hof- und Staats-
bibliothek in München hat die zitierte Stelle in der Handschrift ,Glos-
saria vetera alphabetica* (Schmelleriaua), I. Bd., S. 369 folgenden Wort-
laut: c. S. urbs. civitas. oppidum
r. c. urbs hac.
r. c. ciuita burc.
r. c. bezeichnet den Beichenauer Kodex, c. S. den St. Galler Kodex 911,
auf des letzteren S. 287 muß die Stelle ursprünglich stehen.
Eosdorf hat demnach in der Mitte des 12. Jahrhunderts seinen
ursprünglichen Namen an die sachliche Bezeichnung Laudshag (Lände)
eingebüßt und ist diese letztere dem Orte fortan verblieben.
Wie das Kloster St. Emmeram seinen Besitz aus der Schenkung
Machelms in Eschenau (777 Ried cod. dipl. Ratisp. I, 3) schon 834 an
den Grafen Wilhelm vertauschte, so wird es mit dem Besitze Rosdorf
gegangen und selber an das Kloster Niedernburg hindangegebeu worden
sein; denn Landsbag, von welchem nur fünf Häuser zum ehemaligen
Passauischon Amte Geldwert gehörten, bildete bis zum Jahre 1803 ein
dem Kloster Niedernburg untertäniges Amt mit befreitem Burgfried. Die
Vogtei hierüber stand der iandesfärstlichen Herrschaft Wachsenberg zu,
bis 1510, 12. Mai, Kaiser Maximilian L dieselbe mit anderen Güten in
der Pfarre Feldkirchen an seinen Rat und Pfleger zu Wachsenberg Wolf-
gang JOrger zu Tollet verwechselte (Kopie im Fasz. 1, ToUeter Archiv
im Linzer Museum).
^ Siehe die Ausführung auf S. 113 ff.
' Dopscb, Die landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs im
13. und 14. Jahrhundert, 1904.
^ Vgl. M. Döberl, ,Kolonisierende und germanisierende Tätigkeit des bayri-
schen Stammes', in Beilagen Nr. 141, 142 zur ,Münchner Allg. Zeitung*
vom Jahre 1904.
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93
Große Mühel hinüber, wo noch ein Urwald das Land erfUllte,
sind die Wenden niemab gedrangen; dieser Fluß zeigt sich
ftr jeden, der ftlr solche Dinge ein offenes Auge hat, noch
heute scharf als vormalige Völkerscheide, worauf auch Körper-
gestalt und Charaktereigenschaften der Bewohner diesseits und
jenseits hinweisen.
An der Zugehörigkeit des linken Donauufers, soweit das-
ßelhe schon besiedelt war, zum Bajuwarenlande ist nicht zu
sweifeln; eine genaue Abgrenzung gegen die Awaren kann es
Bchon nach der Bodengestaltung nicht gegeben haben und nur
am andern Ufer galt, wie Einhards Annalen zum Jahre 791 ^
hervorheben, der Stromlauf der Enns als gewisse Grenze.
Keine urkundliche Nachricht sagt uns, zu welchem Gaue
der Kulturstreifen von Landshag abwärts gerechnet wurde,
wenngleich die Wahrscheinlichkeit daftlr spricht, daß seine
Anwohner die Malstätten des Traungaues suchten; sicher aber
ist, daß die von Karl dem Großen errichtete Grenzmark, der
limes Ayaricus, noch Landshag umfaßt und daher zweifellos
bis zur Großen Mühel gereicht hat. Die Ansicht, daß das Ge-
biet bis zur Einmündung der Rotel in die Donau bei Ottens-
heim zum Schweinachgau gehört habe, welche der Verfasser
als eine ziemlich sichere bezeichnet hatte,' kann nicht femer
aufirecht erhalten werden; denn in der Zollordnung von 904'
wird mit nicht mißzuverstehender Deutlichkeit der Passauer-
wald zwischen Passau und Rosdorf ab Grenze zwischen Bayern
(occidentales partes) und der Ostmark (orientales partes) her-
vorgehoben, Rosdorf ist, wie in Anm. 2 auf S. 90 dargetan,
das heutige Landshag und Puchenau zwischen Urfahr und
Ottensheim ist unbedingt innerhalb der Ostmark gelegen.^
Auch bei Wiedererrichtung der Ostmark nach der Schlacht
auf dem Lechfelde verblieb jener Bezirk, welcher zuerst im
^ certus daonim regnoram limes babebatur. Mon. Germ. Script. I, 177.
* In der »Gebort des Landes ob der uns', S. 29, 30.
* Leges III, 480. ,Naaes nero, qne ab occidentalibos partibns, postquam
egresse sint siluam pataviam et ad Rosdorf . . . sedere uoluerint . . .*
* Freisinger Urkunde 827, 21. Aogost im Kodex Kozroh Bl. 136 a, abge-
druckt im Archiy für Kunde Osterr. Geschichtsqaellen XXVII, 258; denn
der Graf der Ostmark Wilhelm bestimmt die Grenzen des Kircbengates
Yon Pachenaa (nicht, wie das Regest anrichtig sagt, die Greneen der
Pfarre; Puchenau war Filiale von Linz).
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94
Jahre 1115* unter der Bezeichnung Riedmark erscheint und
die Ortschaften stoigei (Steg)^ threbesse (Reut); brumizlaistorf
(Pröselsdorf, Pfemysldorf), willihartisdorf (Willersdorf), bege-
ringin (Bayring), threbinicha (Trefling) enthielt; bgi der Grenz-
mark^ jedoch nur innerhalb jener Grenzen, welche noch im Jahre
1498 das Landgericht Riedmark oder Freistadt gegen Westen
hatte; keinerlei Andeutung liegt vor, daß auch der^ Landstrich
zwischen dem Haselgraben und der Großen Mühel ein Bestand-
teil der Mark gewesen, im Gegenteile erscheint in dem Diplom
König Heinrichs V. 1 109, 4. November,* womit derselbe die
Schenkung Eppos am Windberg für das Kloster St. Florian
bestätigt, als Litervenient Herzog Weif von Bayern, während
unter den Grafen der damalige Markgraf Leopold HI. nicht
genannt ist, wie doch vorauszusetzen wäre, wenn der vergabte
Grund innerhalb seiner Grafschaft gelegen gewesen wäre.
Die Erörterung der Frage nach der tres comitatus Ottos
von Freising, die besonders in den letzten zwei Dezennien
nicht wenige gelehrte Federn in Bewegung gesetzt hat, kann
hier nicht übergangen werden, weil einerseits ein bedeutender
Teil des Landes nördlich von der Donau Markboden gewesen
ist, andererseits Uhlirz erst jüngst* ihr einen besonderen Ex-
kurs gewidmet hat und seine Polemik sich hauptsächlich gegen
die Auffassung des Verfassers in der ,Geburt des Landes ob
der Ens^ und in der Besprechung von Hasenöhrls ,Deutsch-
lands südöstliche Marken im 10., 11. und 12. Jahrhundert'^
richtet
Nach Erachten des Verfassers werden die Versuche zur
Lösung dieser Frage eine ganz veränderte Richtung einschlagen
und wird die Frage überhaupt ganz anders gestellt werden
müssen, wenn die Überzeugung, welche die gründlichen und
lichtvollen Erörterungen Lampeis ^ wenigstens dem Verfesser
dieser Abhandlung beigebracht haben, von den deutschen, zu-
^ Oberösterreichisches Urkundenbach ü, 149.
* Oberösterreichisches Urkundenbach ü, 127.
* Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Otto 11. und Otto m., 1902,
I. Bd., S. 232—286.
* Amtliche Linser Zeitung^ 1895, Nr. 278—284.
^ J. Lampel, ,Die babenbergische Ostmark und ihre tres comitatus' im
Jahrbuche des Vereines für Landeskunde yon NiederOsterreich 1902,
1903, 1904.
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95
mal den österreichischen Forschem aUgemein geteilt worden
Bön wird.
llach Liampels Darlegungen bleibt wohl kein Zweifel
ftbrig, daß die einfachste und auch natürliche Übersetzung des
Zwischensatzes ,quos tres dicunt^ bei Otto die einzig richtige
ist, nämlich ,von denen es heißt, daß sie drei sind^ oder ,deren
drei s^ sollend Es ist nicht anzunehmen, daß der haben-
bergische Fürstensohn zu Monmund völlig vergessen haben
sollte, welche Bestandteile sein eigenes Vaterland habe. Die
unsichere Fassimg seiner Äußerung hat das Bedenken, das ihr
vom An&nge an hätte entgegengebracht werden sollen, nur
deshalb nicht erregt, weil so lange die Eomitate außerhalb der
babenbergischen Ostmark gesucht worden sind. Heutzutage ist
aber so ziemlich allgemein anerkannt, daß eine territoriale Ver-
größerung des neuen Herzogtums Osterreich im Jahre 1156
ausgeschlossen ist, daher man sich endlich auch entschließen
muß, der Erzählung des Freisinger Bischofs die sachgemäße
Auslegung zu geben. Wenn derselbe sagt, der Kaiser habe die
Ostmark ,cum comitatibus ad eam ex antiquo pertinentibus'
an Heinrich Jasomirgott zurückgegeben, dann aus dieser Mark
,cum predictis comitatibus, quos tres dicunt^ ein Herzogtum
gemacht, so ist der Beisatz ,von altersher' nach allem nicht
von der Gegenwart, von dem Zeitalter Ottos zu verstehen,
sondern von der Vergangenheit; er schreibt nieder, was er ge-
hört oder gelesen hat, daß zur Ostmark von altersher drei
Grafschaften gehören, worunter der gelehrte Mann auf nichts
anders wird gedacht haben als auf jene drei Komitate,^ welche
bei Feststellung der Zollsätze 904 erwähnt werden. Daß er nicht
zwischen karolingischer und späterer Ostmark unterschied, lag
ganz im Geiste seiner Zeit, welche sich stets die Verhältnisse
der Vergangenheit gleich mit jenen der eigenen Zeit vorstellte.
Die so oft angezogene Stelle wird für die Frage, ob die Ost-
mark aus Grafschaften bestanden habe, und für die Frage nach
Entstehung der Landgerichte auf ostmärkischem Boden nicht
weiter beweiskräftig sein und die Schltlsse, welche Bnmner*
aus den Bestimmungen des- österreichischen Landrechtes auf
' in hÜB tribos comitatibtiB. Leges m, 480.
* ßa§ geriehiliehe Exemtionsrecht der Babenberger.' Sitzungsberichte der
Wiener Akademie XLYH, 356 ff.
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96
die Einteilnng der Mark in drei Gerichtssprengel gezogen hat,
werden solange nicht mehr als maßgebend angesehen werden
können, als nicht eine neuerliche Untersuchung über den Zeit-
punkt der Entstehung des österreichischen Landrechtes statt-
gefunden haben und die Ansicht M. Stiebers ^ bestätigt oder
widerlegt haben wird.
Die Ansicht Bachmanns, welcher in seiner Besprechung
der ,Geburt des Landes ob der Ens'* nicht nur an der terri-
torialen Vergrößerung des neuen Herzogtums festhielt, sondern
auch versuchte, die ,quosdam comitatus de Bavaria' Hermans
von Niederaltaich in dem Traungau, dem Schweinachgau und
der Riedmark nachzuweisen, ist von berufenen Kritikern zu-
rückgewiesen worden, daher sich der Verfasser begnügen kann^
auf seine kurze Entgegnung^ sich zu beziehen, zu welcher er
bloß nachzutragen hat, daß seine Behauptung, die Passauer
Urkunde 901, 19. Jänner sei eine Verunechtung, seither von
E. Mühlbacher (f 17. Juli 1903) in seiner letzten diplomatischen
Arbeit* gebilligt worden ist.
Aber auch der Erklärungsversuch Uhlirz', daß man ohne
Bedenken unter den im Privilegium minus erwähnten, von
Bayern rührenden Lehen des östlichen Markgrafen die Ried-
mark und das Machland begreifen dürfe, kann nicht als ein
zutreflFender angesehen werden und fordert zur Widerlegung
heraus, damit nicht die Forschung, im BegriflFe, von einem Irr-
wege sich zurückzufinden, einen neuen betrete.
Vor allem muß die unnatürliche, den Sprachregeln zu-
widerlaufende Übersetzung das Passus ,quo8 tres dicunt' bei
Otto von Freising als schlechthin ,die drei' entschieden abge-
lehnt werden. Unter diesem Ausdrucke will Uhlirz jenes von
der Ostmark verschiedene Gebiet verstanden wissen, welches
als Reichslehen, das durch den Verzicht des Bayemherzogs
^ Anhang: ,Wann ist die kürzere Fassung des österr. Landesrechtes ent-
standen?* zu ,K v^voji sprivy* in den Abhandl. der b($hm. Akad. der
Wissenschaften IX, Kl. I, 1901, S. 171—199. Besprochen in Mitteil, des
Inst, für Osterr. Geschichtsf. XXIV, 148 und Monatsblätter des Vereines
für Landeskunde von Nieder{$sterreich 11, 157.
« Zeitschr. für die österr. Gymnasien 1887, S. 661— ö61; 1888, S. 186.
» Das. 1888, S. 184—186.
* Zwei weitere Passauer Fähichungen Mitteil, des Inst, für Osterr. Geschichtsf.
XXIV, 424.
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97
firei geworden war, vom Elaiser an Heinrich Jasomirgott verliehen
wurde, f^ne solche Interpretation scheint nichts anderes als
eine Einzwängong von Ottos Bericht in seine neue Auffassung,
welche Methode doch Uhlirz selbst an Bachmann und Dopsch
getadelt hat.
Mit Recht geht dagegen Uhlirz auf die tres comitatus
der karolingischen Zollordnung zurück, verläßt jedoch sofort
den richtigen Pfad, weil er die Äußerung Ottos bezüglich der
Komitate auf das Jahr 1156 anstatt auf die graue Vergan-
genheit bezieht. Wenn er sagt: ,Der comitatus Arbonis ist
die Ostmark, ihr stehen hii tres comitatus zur Seite. Das De-
monstrativpronomen erklärt sich nur vom Standpunkt des Pro-
tokollführers, also vom Orte der Versammlung, Raffelstetten,
aus, das an der Donau nordwestlich von Asten, in dem von
Traun und Ens begrenzten Teile des Traungaues gelegen ist.
Diese Landschaft muß also mit zwei anderen die tres comitatus
gebildet haben^, so ist dieser Schluß kein stringenter. Nur des-
halb, weil Raffelstetten als Ort der Versammlung gewählt wurde,
muß noch keineswegs der Traungau, in welchem Raffelstetten
gelegen war, mit zwei anderen Landschaften die in der Zoll-
ordnung erwähnten drei Komitate gebildet haben; die Wahl
des Versammlungsortes erklärt sich ganz einfach dadurch, daß
in den damaligen Zeiten, wo täglich die Wiederholung der
Ein&lle der Ungarn zu besorgen war, die Versammlung schwer-
lich ruhig in der Ostmark hätte tagen können, und durch
die Lage des Ortes fast halbwegs in der Mitte der Zollinie
(Rosdorf— Eparesburg — Mautem), wo am bequemsten die Aus-
kundschafi;ung der üblichen Zollsätze erfolgen konnte. Die
Qrenzen der Ostmark selbst werden ganz deutlich durch die
Textstellen ,Naues uero . . . siluam pataviam et ad Rosdorf
sedere uoluerint^ und ,Carre autem Salinarie que per stratam
legitimam anesim fluuium transeunt' bezeichnet: der Passauer-
wald oberhalb Landshag am linken Donauufer im Westen, die
Donau im Süden, die Ens am rechten Donauufer im Westen.
Uhlirz bemerkt: ,Eine Stütze erhält diese Annahme (,die
drei^ mit den tres comitatus der Zollordnung in Zusammen-
hang zu bringen) durch die unzweifelhafte Tatsache, daß Mark-
graf Lintpold I- die Grafschaft im Traungau, in der die Ens-
burg lag, innehatte. Da nun die Amtswaltung der Babenberger
io Kiedmark nnd Machland außer Frage steht, so scheint es
ArcbiT. XCIV. Band. 8
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mir sicher, daß Markgraf Liutpold I. im Jahre 976 diese beiden
Landschaften mit dem Tranngau im engeren Sinne gleich seinen
Vorgängern zu seiner Mark erhielt/ Unzweifelhaft ist nur die
Tatsache, daß in der Königsurkunde Eirateshusa 977, 5. Okto-
ber,^ womit ,quoddam praedium Anesapurch nuncupatum in
pago trungouue' an die Kirche der Heiligen Stephan und Laurenz
zu Lorch mit weiteren 10 Königshuben vergabt wird, dieses als
,in comitatu Liutbaldi' gelegen bezeichnet ist. Aus dem einzigen
Umstände, daß einige Güter nahe dem Ensflusse, knapp an
der Grenze der Ostmark noch in der Grafengewalt des Baben-
bergers waren, auf die Innehabung des Traungaues (des größe-
ren Teiles des Traun- und des Hausruckviertels) zu schließen,
scheint völlig unzulässig und ist dabei übersehen, daß der
Traungau als Gau in der alten Bedeutung schon im ersten
Drittel des 10. Jahrhunderts zu bestehen aufgehört hatte und
nur mehr ein geographischer Begriff war, da schon 47 Jahre vor
Ausstellung der gedachten Königsurkunde (930, 29. März)* ein
Komitat Meginhards an der Fils bei Bachmanning im Haus-
ruckviertel nachweisbar ist und 29 Jahre nach dem Datum der
Urkunde Ottos II. (1006, 7. Dezember)^ Schlierbach im oberen
Kremstale zum Komitate des Grafen Rapoto gehörte. Der
Traungau war demnach zu jener Zeit schon in Grafschaften
aufgelöst und kann von einer Zugehörigkeit seines vormaligen
Gebietes weder in der Gänze noch dem überwiegenden Teile
nach zur babenbergischen Ostmark ernstlich nicht gesprochen
werden.
Ebensowenig ist die Folgerung richtig, daß es sicher
scheine, daß Markgraf Liutpold I. im Jahre 976 die Riedmark
und das Machland mit dem Traungau im engeren Sinne gleich
seinen Vorgängern zu seiner Mark erhielt. ,Dagegen — meint
Uhlirz — könnte sprechen, daß Riedmark und Machland als
integrierender Teil der Mark gelten sollen. Aber ein genügender
Beweis in dieser Richtung kann nicht erbracht werden. Aller-
dings ist das Verhältnis von Anfang an unklar, da Ein Fürst
über diese miteinander räumlich verbundenen Landschaften
' Mon. Germ. Dipl. II, 189. Sickel betrachtet dieselbe als gutgeheißenes
und von der Kanzlei durch Besieglung anerkanntes Diplom.
> Hauthaler, Salzb. Urkundenbuch I, 99 ex cod. Odalberti f. 25 ^ Vgl. Ge-
burt des Landes ob der Ens, S. 48.
* Mon. Germ. Dipl. IIT, 148. KOnigsnrkunde für Salzburg.
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gebot, nnd diese Unklarheit kommt auch in den Urkunden nm-
somehr zur Gkltnng, als die praktischen Bedürfnisse in ihnen
zum Ansdmck gelangen nnd diese sich nicht an Staatsrecht-
Üch-historisehe £rw&gnngen binden lassen. Trotzdem haben
Riedmark nnd Machland ihre selbständigen Bezeichnungen bei-
behalten und sich auch selbständig neben dem Lande unter
der Ens nnd Isper weiter entwickelt, noch Albrecht I. hat
das Machland als besondere Gra&chaft bezeichnet/ Uhlirz ver-
wediselt hier offenbar die Pflicht der Beweislast, er ignoriert
die Regel: ÜEictum aUeganti incumbit probatio. Wenn er zu-
geben muß, ' daß die Amtswaltung der Babenberger in Ried-
mark und Machland außer Frage steht, so tri£ft die Beweislast
denjenigen, welcher die Behauptung aufstellt, diese beiden Ge-
biete seien besondere, ein selbständiges Leben führende Graf-
schaften auCerhalb der Mark gewesen. Daß noch Herzog
Albrecht L das Machland eine Grafschaft nennt, wird keinem
Forscher Bedenken erregen; denn jede Herrschaft, in welcher
dem Inhaber die hohe Gerichtsbarkeit zustand, wurde damals
als Grafschaft angesehen und häufig auch so bezeichnet.
Die Zusammensetzung des Namens Riedmark mit der Be-
zeichnung Mark dtlrfte, wie auf Hasenöhrl,^ auch auf Uhlirz
irreführenden Eindruck ausgeübt haben.
Das Wort ,Mark' ist keineswegs stets als ein dem Grenz-
schutze gewidmetes Gebiet aufzufassen; es bedeutet nach dem
Sprachgebrauche des Mittelalters nur ein bestimmt abgegrenztes
Stück~!CancL Hierfür haben wir ein Analogon zu dem Aus-
drucke Riedmark genau aus demselben Zeitpunkte, in welchem
die Riedmark zuerst urkundlich genannt wird, und sogar aus
der anstoßenden Gegend. Um das Jahr 1130^ wird der ganze
Landstrich an der Rauschemühel, beginnend bei Engersdorf
(Pfarre St. Peter am Windberg), durch die Wälder hindurch
(per siluestria loca) bis an die böhmische Grenze reichend,
Waldmark genannt, welche Bezeichnung die an Ort und Stelle
übliche, also volkstümliche war (quod uulgo ibi nuncupatur
Waldmarch). Waldmarch war daher die gangbare Bezeichnung
fllr Waldland im Gegensatze zu Kulturland.
^ Dentscblands südOsUiche Marken im 10., 11. nnd 12. Jahrhundert. Ar-
chiv fOr 00terr. Oeschichte LXXXII, 419—662.
' SteiermArkisches Urkundenbuch I, 142, überliefert in dem ans dem An-
fange des 14. Jahrhunderts stammenden Kopialbuche des Stiftes Seckan.
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100
In demselben Sinne: ein bestimmtes^ wenig oder gar nicht
kultiviertes Stück Land wird anch öfters das Wort ,Lnß* ge-
braucht. Die Riedmark wird in den beiden Urkunden vom
Jahre 1287, 25. November^ diesem Ausdrucke sogar gleich-
gesetzt (,in dem Luzz in der Riedmarch^, ,in eodem Luzze'),
woraus sich die Bedeutung des letzteren: Gegend, welche ur-
sprünglich Wald gewesen und es teilweise noch ist, deutlich
erkennen läßt. Endlich nennt König Chunrad III. in seinem
Gabbriefe für das Kloster Garsten 1142* die Riedmark aus-
drücklich Wald (in silua nostra, que uocatur Ritmarch). Auch
die Urkunden, welche auf Rodungen Bezug nehmen, weisen auf
diese Bedeutung des Ausdruckes Mark in Verbindung mit dem
Worte Ried hin; Riedmark ist nichts anderes als ein großer
Rodungsbezirk.
Bis auf die Zeit der letzten Babenberger begriflf die Ried-
mark auch das Machland in. sich, was schon StUlz erkannt
hat,^ worüber nunmehr die neue Ausgabe der ältesten landes-
fürstlichen Urbare des 13. Jahrhunderts (Handschriften 655 des
Wiener Staatsarchives und 543 der Wiener Hofbibliothek) von
A. Dopsch sichere Nachweise liefert. Richter im Machland
werden zum ersten Male in der Urkunde Herzog Friedrichs II.
1240, 31. Jänner* für das Kloster Waldhausen erwähnt und
trotzdem werden noch 37 Jahre später in einem staatsrecht-
lichen Diplome 1277, 12. Mai^ der Mai-kt ZeU bei Zellhof,
Güter um Henberg (Honichperch) bei Trageun und Aisthofen
bei Schwertberg zu Riedmarchia gerechnet, ein sichtlicher Fin-
gerzeig, daß der Landstrich, welchen das Landgericht Mach-
land einnahm, ursprünglich ein Bestandteil der Riedmark ge-
wesen ist, deren Name sich gewohnheitsmäßig noch einige Zeit
forterhielt, obwohl, wie gegen Schluß dieser Abhandlung ge-
zeigt werden wird, noch vor dem Jahre 1240 die alte Ried-
mark in die zwei Gerichte Freistadt und Machland mit der
nassen Zwischengrenze der Aist und Waldaist auseinanderge-
fallen war.
* Oberösterreichisches Urkundenbuch IV, 76, 77.
« a. a. O. II, 204.
* Anmerkung zu Stmadt, ,Ge8ch. von Windeck and Schwertberg* im Ar-
chiv für Kunde Osterr. Qesehichtsquellen XVII, 206.
* Oberösterreichisches Urkundenbuch III, 78.
* a. a. O. III, 470.
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Da die Riedmark nur Eine GerichtseiDheit darstellte und ?
auch diese nicht vor dem Jahre 1230* nachweisbar ist, so
kann von zwei Landgerichten oder, was gleichbedeutend ist,*
Grafschaften Riedmark und Machland in der Mitte des 12. Jahr-
hunderts oder gar schon früher füglich keine Rede sein. Uhlirz
ist demnach ftlr seine Behauptung den Beweis schuldig ge-
blieben.
Wenn er schließlich bemerkt, daß man unter den im
Privilegium minus erwähnten, von Bayern rührenden Lehen
kaum im Herzogtum Bayern selbst gelegene Güter verstehen
dürfe, so ist ihm die Eönigsurkunde ddo. Pavia, 13. Februar
1160* entgangen, womach Kaiser Friedrich I. einen Tausch
zwischen dom Kloster Windberg und Herzog Heinrich von
Österreich genehmhält. Friedrich erklärt: ,quaedam bona im-
perialia, quae Patruus noster Heinricus illustris dux Austrie
et ab ipso Vasalli ejus ^ in beneficio possidebant, consensu
eorum illi Ecclesiae conferentes eisque vicissim, prout ratio
poscebat, congruenter commutationis jure bona praefatae Eccle-
siae resütuentes ordine supemotato. Prsenominatus equidem
Patruus Tioster resignauit nobis curtem Frukesdorf (Fruhstorf,
Pfarre Ittling, Amtsgericht Straubing), quam Engelschalcus de
Berendorf habebat in feodo, et duos mansos cohaerentes monti
Windperg (Windberg Amtsgericht Bogen) ad plagam occiden-
talem, quos Theodoricus de Adelgeresbach ab ipso Duce,
secundario autem ejus nomine Adelbertus et Gozpoldus de
Hofedorf feudal iter tenuerunt, ipsis consentientibus et collau-
dantibus'. Hierfür ,recepimus Imperio per manum Friderici
Palatini comitis bona haec: Mansum unum Ascha (im Amts-
gericht Mitterfels) et unum Wincere (Winzer an der Donau im
Amtsgericht Hengersberg) et unum Mukental (in der Pfarre
Seebach Amtsgericht Deggendorf) pro curte Frukesdorf, pro
raansis autem duobus unum mansum Regenoltisdorf et unum
Rodebuhele (zwei nicht mehr zu identifizierende Höfe) . . . con-
^ österreichisches Urknndenbach II, 684.
* Vg^l. in der KOnigsnrkunde für Niederaltaich 1215, 22. Juli, Mod. Boic.
XI, 186 die Textstellen: ,ComeB aut alias Judex aliquis illius prouincie%
,comiti sine Jadici prouinciali'.
» Mon. Boic. XIV, 28; Pez, Thes. Anecd. VI, P. I, 417.
* Der Hochfreie Dietrich von Algerisbach (Ollersbach) und dessen After-
lehenslente Adalbert und Gozbold von Hofedorf.
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102
cessimus in beneficium Dncis, quae de bonis Ecclesiae
receperamus^
Hier sind ausdrücklich Reichslehen genannt, welche
der österreichische Herzog nach dem Jahre 1156 im Umfange
des Herzogtums Bayerns innehatte. Daß die Babenberger im
10. und 11. Jahrhundert Grafschaften in Bayern, und zwar im
Donaugau und im sogenannten Schweinachgau ^ verwalteten,
ist allbekannt; die bayrischen Grafschaften gingen aber mit
geringen Ausnahmen, welche Riezler einer eingehenden Unter-
suchung unterzogen hat,* vom bayrischen Herzoge zu
Lehen. Das sind demnach die gesuchten ,beneficia, que
quondam marchio Livpoldus habebat a ducatu Bavarie', von
denen das Privilegium minus spricht und welche kraft des-
selben seit 1166 zu Reichslehen geworden sind.
Das Komitat Adalberts im Donaugau wird in der Königs-
urkunde 1051, 16. August für Kloster Meten' zuletzt erwähnt,
aber babenbergischer Besitz erscheint noch viel später in dieser
Gegend, da 1181, 23. Oktober* Herzog Liutpold V. bezeugt,
daß Eckibert von Techindorf (Deggendorf) mit seiner Zustim-
mung dem Kloster Meten einen Wald samt dabei gelegenem
Weingarten ,in monte qui dicitur Mulbach' (im Mtthlbogen-
tale bei Deggendorf), welchen derselbe von ihm dem Herzoge
zu Lehen trug, um 34 Regensburger €1 oder Pfund Pfennige
verkauft habe.
Erst nach dieser Zeit ist babenbergischer Besitz in Bayern
nicht mehr beurkundet,^ obwohl von einer Veräußerung des-
^ Des Verfassers Erörterungen in der Zeitschr. für österr« Gymnasien 1888»
S. 184.
'^ Das Herzogtam Bayern zar Zeit Heinrichs des Löwen und Ottos I. von
Witteisbach, 8. 216.
* Mon. Boic. XI, 440, ,in viila Methemen in comitatu Adelperti comitis
(worunter der Markgraf verstanden ist, wie sich aus der Königsurkunde
für 8t. Emmeram 1021, S.Juli, Mon. Boic XXVIIIb, 471 ergibt) et in
Tuenechgovve*.
* Mon. Boic. XI, 464.
^ Zwar hat noch König Rudolf I. mittels Urkunde ddo. Wien, 18. Dezem-
ber 1276 (Orig. im königl. allgem. Reichsarchive in München) alle öster-
reichischen Lehen der Edlen Meinhard und Gebhard Grafen v. Roten-
eke und des Heinrich v. Horbach auf deren Bitten dem Edlen Albert
V. Hals Übertragen ; da eine nähere Bezeichnung dieser Lehen sich jedoch
in der Urkunde nicht findet, läßt sich nicht entscheiden, ob die Lehen
in Bayern oder in Österreich gelegen waren.
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103
selben jede Nachricht mangelt. Dagegen ist die Wahrnehmung
za machen^ daß der Hochfreie Eckbert von Pemeck, dessen
Vater Ulrich schon tun 1135 um Deggendorf begütert war und
von diesem (Lehen-) Besitze sich auch von Deggendorf zu
nennen anfing, gerade um das Jahr 1180 den Grafentitel an-
genommen hat. Dieser Titel haftete auf dem bayrischen Be-
sitztum, nur ganz vereinzelt wird der Enkel Ulrich im 13. Jahr-
hundert in einer Göttweiger undatierten Originalurkunde auch
comes de Perneke genannt Es darf deshalb der Vermutung
Raum gegeben werden, daß Herzog Liutpold V. den westlichen
Babenberger Besitz samt den daran hftngenden Grafenrechten
an Eckbert v. Pemeck hindangegeben habe. Diese Vermutung
erhfilt Unterstützung durch einen weiteren Umstand. Nach dem
Landbuche von Österreich und Steier* hinterließ Graf Ulrich
,des graven Ekprehts sun von Pemekke' einen Sohn, ,der was
ein narre unt ein tore^^ deshalb unterwand sich Herzog Liut-
pold VI. seiner Eigen und zog sie an das Land. Was mit dem
Besitz in Bayern geschah^ läßt sich erraten; denn Deggendorf
erscheint bald als bayrische Stadt, Herzog Ludwig wird als
Landesherr die Grafschaft eingezogen haben, unbekUmmeii um
die Rechte der Babenberger als Lehenherren. Der Anspruch
auf Deggendorf wird eine Mitursache der Fehden zwischen
Herzog Otto und Herzog Friedrich gewesen sein und wurde
jedenfalls ernstlich geltend gemacht, als Piremysl Otakar in
Österreich zur Macht kam; von 1267 bis 1273 zogen sich die
kriegerischen Unternehmungen Herzog Heinrichs XHL von Nie-
derbayem und König Otakars gegeneinander hin, bis in letz-
terem Jahre letzterer seine Ansprüche auf die Grafschaften
Bogen und Deggendorf endgültig aufgab.* Es kann daher nicht
gesagt werden, daß Otakar unbegründete Ansprüche erhoben
hätte, und ist unter Voraussetzung der Richtigkeit der vor-
stehenden Annahme ganz wohl erklärlich, gegen welche Ent-
schädigung der bayrische Herzog Schüttenhofen und Ried an
Otakar überlassen hat.
^ Hon. Genn. deatsche Chroniken III, 2, S. 718. Über die Perneck-Tecken-
dorf siehe die Begesten von Wendrinsky in den Blättern des Vereins
für Landeskunde von NiederOsterreich 1879, 8. 144—152.
' mealer, Geschichte Bayerns II, 116, 186; Palacky, Geschichte von Böhmen
n, 228.
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104
Auch die viel kommentierte Stelle ,marchiam Austrie
cum omni iure suo' in dem Minus^ dürfte nunmehr ganz ein-
fach als das genommen werden^ was sie wirklich ist: die Mark
Österreich mit allen ihr anklebenden Rechten, insbeson-
dere der speziell zum Ausdruck gebrachten ausschließlichen
Gerichtsbarkeit. Die Formel ,cum omni iure suo' ist keine
außergewöhnliche, sondern eine stehende, welche aber nur be-
deutet: mit allen zugehörigen Rechten, wie sich deutlich aus
dem Diplome Heinrich Jasomirgotts fiir das BLloster Meten*
ergibt, mittels welchem derselbe dem Kloster ,possessionem in
hochenrein (Pfarre Plattling, Amtsgericht Deggendorf) cum
omni nostri iuris plenitudine' zusichert.
Indem der Verfasser die durch langjährige Beschäftigung
mit dem Gegenstände gewonnene Erkenntnis, in welcher er
durch Lampeis Arbeiten noch mehr bestärkt wurde, unum-
wunden ausspricht, ohne in vorsichtiger Fassung hinter dem
Berge zu halten, glaubt er nicht besorgen zu müssen, daß
gegen ihn nochmals der Vorwurf erhoben werde, daß er sich
Letzte Textausgabe bei Wilhelm Erben, Das Privilegium Friedrichs I.
für das Herzogtum Österreich* 1902, S. 137—140. Der Verfasser hat ver-
sucht, in dem Diplome verschiedene Interpolationen nachzuweisen und
selbe auf den letzten Babenberger zurückzuführen. Allein er muß selbst
(S. 68) zugeben, daß seine Erörterungen über die objektive Stelle mit
einem non liquet schließen und gegen seine sachlichen Einwendungen
hat H. Simonsfeld in der Deutschen Literaturzeitung 1904, Nr. 16 vom
23. April, Sp. 990 — 996 schwerwiegende Bedenken erhoben, welche die
Einschränkung der Teilnahme der neuen Herzoge an den Hoftagen und
an den Reichsbeerfahrten umsomehr erklärlich machen, als Heinrich
Jasomirgott auf das ungeschmälerte Herzogtum Bayern Verzicht leistete,
ohne eine Gebietserweiterung zu erlangen, welcher Verzicht daher durch
weitgehende Vorrechte wettgemacht werden mußte. Das Schweigen Ottos
V. Freising über die seinem Bruder gewährten Befreiungen, das Erben
so bedenklich scheint, ist bedeutungslos, da er manches aus der Erin-
nerung (ut recolo) schrieb und, wie mit seiner Deutung von Favianis,
mit der Erinnerung an die drei Komitate in alter Zeit so große Ver-
wirrung angerichtet hat. Ablehnend verhalten sich Tangl (Zeitschr. der
Savignystiftung für Rechtsgesch., Germ. Abt. XXV, 268—286), Uhlirz
(Hist. Zeitschr. XCIV, 147—150), Brandi (Göttinger Gelehrte Anzeigen
1904, S. 991—999), Stengel (Histor. Vierteljahrsschrift, N. F. VHI, 83).
Hierzu noch Tangl im Neuen Archiv XXX, 477 — 484, sowie Simonsfeld,
,Aventin und das Privilegium minus* in Forschungen zur Geschichte
Bayerns, Band XIH, Heft 1 und 2.
Mon. Boic. XI, 468.
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105
leicht und rasch über Schwierigkeiten der Forschung hinweg-
setze, welche ftür den geschulten Historiker unübersteiglich
bleiben; er ist vielmehr zufrieden, wenn ,mit der neuartigen
Betrachtung des Gegenstandes dem Forschenden der eine oder
andere neue Weg gewiesen wird'. Deshalb hält er sich an den
tapfem Ausspruch des verdienten K. Q. v. Lang:' ,Die Dunkel-
heit der ganz alten Zeiten gebietet entweder eine gewisse
Kühnheit oder außerdem eine gänzliche Vernachlässigung/
Zweiter Abschnitt.
Der Schweinachgau; dessen reeller Inhalt.
Der Schweinachgau wurde von Bachmann' als die dritte
der Grafschaften, von welchen Otto v. Freising spricht, in An-
spruch genommen, dieser Vorschlag aber von Uhlirz aus dem
Grunde abgelehnt, weil es fUr eine Herrschaft des Markgrafen
Ädalbert über das Gebiet zwischen Uz und Rotel an einem
sicheren Belege fehle und Bachmann die Namen Adalbero und
Ädalbert, die verschieden seien, einander gleichgestellt habe,
ebenso nichts berechtige, den Schweinachgau bis zur Rotel aus-
zudehnen.'
Über diesen Gau sucht man vergebens nach einer neueren
Schrift; denn seit dem Erscheinen der fleißigen, aber kritik-
losen Arbeit des Pfarrers Josef Klämpfl* hat sich niemand
mehr eingehend mit diesem Gebiete beschäftigt, wie auch Riez-
ler* nur kurz bemerkt: ,Nördlich der Donau stoßt an der
Quinzinggau der Schweinachgau, der die Striche um den
oberen Regen und die Hz umschließt und nach einem Fltißchen
* Bajerns alte Grafschaften und Gebiete, S. V.
» a. a. O. 567.
' Daß ans der sogenannten Schenkungsurkunde fQr Niedernburg 1010 über-
haupt keine Folgerungen abgeleitet werden können, wird im vierzehnten
Abschnitte erOrtert werden. Die babenbergische Grafschaft im Donau- und
Schweinachgau scheint nach dem Tode Liutpolds I. dem jüngeren Sohne
Ädalbert überlassen worden su sein, der sie auf seine Nachfolger in der
Markgrafschaft vererbte.
* Der ehemalige Schweinach- und Quinzingau, 2. Aufl., Passau 1866.
' Geschichte Bayerns I, 847.
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106
Schweinach genannt ist' und in der Anmerkung beifügt: ,Die
Form Sweinahgowe im Jahre 905, Mon. Boic. XXVIIIa, 139,
läßt daran nicht zweifeln. Vgl. Sweinaha im Jahre 857, Mon.
Boic. XI, 118^
Die kartographischen Darstellungen im historischen Atlas
von Spruner (Blatt 3, Deutschland unter den sächsischen und
fränkischen Kaisem) und von Menke (Blatt 36, Deutschlands
Gaue VI: Bayern, Österreich und Kärnten) stutzen sich noch
ganz auf die älteren Arbeiten von K. H. Lang^ und G. Th,
Rudhart.* Beide ziehen zu diesem Gau den oberen Lauf des
Schwarzen Regenflusses und lassen die Westgrenze über den
Greisinger- und Haussteinerwald zur Donau bei Seebach ober-
halb Niederaltaich reichen, welch letzteren Ort sie dem Quin-
zinggau tiber der Donau zuweisen. Menke läßt jenseits der
Erla die Ostgrenze offen und die Zugehörigkeit des Striches
zwischen der Ranna und der großen Mühel ganz in Frage,
während Spruner den Gau Grunzwiti bereits an den Quellen-
bächen der Hz beginnen und bis an die östlichen Höhen des
Haselgrabens reichen läßt.^
Der Umfang des Schweinachgaues kann nur durch eine
eingehende Untersuchung ermittelt werden.
Lang* bemerkt, daß zwar zur Zeit keine Urkunde be-
kannt sei, welche ausdrücklich einen Pagus Ilzgau benennt,
aber wohl einen Comitatum an der Hz, welches gleichwohl
auch schon das Chronicon Gottwicense bewogen, solchen als
einen Gau anzunehmen, von der linken Seite der Dz, die sich
bei Passau in die Donau ergießt, bis zum Nordwald und Regen-
bruck am Regen. Nach seiner Theorie (S. 60), daß man sich
bei Errichtung der geistlichen Bistümer und Erzbistümer haupt-
sächlich nach den schon bestandenen Grenzen der weltlichen
Gebiete gerichtet habe, würde der Gau vollkommen dem In-
begriff der beiden passauischen Kapitel Schönberg und Wald-
kirchen gleichgestellt mit einziger Ausnahme der Pfarreien
Windorf, Otterkirchen und Tiefenbach. Hiemach würden die
* Bayerns Gauen. Nürnberg 1880.
* Älteste Geschichte Bayerns. Hamburg 1841.
* Über der Grunzwitigau siehe nunmehr Vanesa, ,Die älteste Erwfihnung
Melks und nochmals der Grunzwitigau* in den Blättern des Vereins für
Landeskunde von NiederOsterreich 1900, S. 624.
* a. a. O. 132.
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107
Grenzen sein: südlich die Donau unterhalb Obernzeil bis an
die Ilzstadt Passau, diese ausgeschlossen; westlich an der Hz
und Regen aufwärts bis Regen^ an Bodenmais und dem Hohen
Arber nOrdlich vorbei, östlich der Böhmerwald. ,Der Schweinach-
gau, eigentlich Schwanengau, von Schwanenkirchen bei Win-
dorf benannt, — fidirt er S. 134 fort — zwischen der Donau
and Hz schließt sich, wenn man ihm das Kapitel Aichen vorm
Wald zum Umfang gibt, fortlaufend am linken Donauufer, von
dem gegenüberliegenden Deggendorf bis zu dem auch gegen-
überUegenden Vilshofen, beide ausgeschlossen, dem Ilzgau an
imd begreift noch oberhalb Fambach, Bischofmais etc. Ausdrück-
lich im Schweinachgau belegen werden in den Urkunden be-
nannt Flinsbach, Hofkirchen, Winzer, Hengersberg. Bei der
Frage, ob das Kloster Niederaltaich zum Schweinachgau oder
zum Kinzinggau gehört, ist wohl zu unterscheiden die Zeit von
der großen Abgrabung der Donau; vor dieser lag das Kloster
am rechten Donauufer, ungetrennt bei Taindorf und gehörte
zum Kinz^nggau; das heutige Kloster Niederaltaich am linken
Ufer und Taindorf ist gegenüber, befindet sich nunmehr im
Umfang des alten Schweinachgau.^ Die Urkunde vom Jahre
1040 Mon. Boic. XI, 148 beweist ihm nicht, daß Stift Rinchnach
im Nordwald im Schweinachgau gelegen war, weil nur von
Gütern desselben in Suenikgowe die Rede sei, nicht zu ge-
denken, daß die Abschrift in den Monumenten von einem nach-
gemachten und verfälschten Original genommen sei.
Zum Kinzinggau zwischen Donau, Isar und Yils zitiert
er (S. 137): Fridericus Rex tradit ad altare St, Petri in Baben-
berg Abbatiam Altaha in pago Chunzengowe in Comitatu Eg-
geberti per manum Pertolfi Comitis de Andeches anno 1154,
Mon. Boic. XI, 169.
Rudhart* erklärt:
,Dem Nordgan (der agilolfingischen Periode) im Südosten
zur Seite und gänzlich noch auf dem linken Donauufer befind-
lich waren die beiden Gauen Schweinachgau und Grunzwiti.
,Der Schweinachgau, dessen Westgrenze schon bezeichnet
wurde (von der Quelle des Weißen Regen gegen Süden zur
Donau in der Nähe von Deggendorf), hat zur Südgrenze, die
Umgebung Niederaltaichs ausgenommen, den Lauf der Donau
» a. a. O. 616, 617.
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108
östlich von Deggendorf (im Donangau belegen) bis zar Hz-
mündung; die Nordgrenze ist der Nord- oder Böhmerwald von
der Quelle des Weißen Regen bis zur Ilzquelle, die Ostgrenze
der untere Lauf der Hz. — Erstes urkundliches Vorkommen
des Gaues 903, 8. September, der seinen Namen vom Flüßchen
Suueinaha (857) geschöpft haben mag und folgende Orte ent-
hielt: Lauffina (Lauffen ober Rinchnachgemund 1009, 7. Juni),
Rinichnaha (Rinchnach 1040, 17. Januar), Leibflius (Leipfliz an
der Rinchnach 1009, 7. Juni), Urpah und Swarzaha (Aurbach
und Schwarzach), letztere Villa schon vom Herzoge Otilo an
das Kloster Niederaltaich vergabt. Längs dem Nordufer der
Donau Wincer (Winzer), Hofakirichun (Hofkirchen 1005, 5. No-
vember), Winidorf (Windorf 1010, 19. April), Flinsbach (1005,
5. November) u. a. m. — Eine Urkunde König Philipps vom
2. November 1207 beschreibt den Umfang eines Komitates,
nämlich: „von der Regenbrugge bis zur Ldse und von der
Donau bis zur Grenze Böhmens", welcher so ziemlich den Gren-
zen des Schweinachgaues entsprechen würde. Etwas spätere
Diplome nennen obige Grafschaft den Comitatus Ilsgowe oder
die Comitia in Ylskeu, erstrecken aber die Grenzen derselben
weit über jene des vormaligen Schweinachgaues, nämlich: „von
der Ylsa bis zur untern (großen) Muhela" (Mühel), eine Aus-
dehnung, die dem westlichen Teile des Grunzwiti gleichkäme.
Übrigens ist zwischen der Donau, der Ds und der Utel (Utel-
pach) bis zur Mitte der Brücke der Villa Regen und bis zum
Böhmerwald nach einem Diplome des Grafen Albert von Bogen
vom 1. März 1228 die spätere Grafschaft Windberge (Comitia
in Windberge) zu suchen, die auf diese Weise über ansehn-
liche Teile der beiden Nachbargauen, des Schweinachgaues
und Grunzwiti sich ausgedehnt. — An den Schweinachgau
stößt östlich der Grunzwiti, vom untern Ilzlauf anhebend bis
der Ensmündung gegenüber und vom West- und Südhang des
Nordwaldes bis an das linke Donauufer hinab, welches des
Gaues Südgrenze bildet.'
Zur Beleuchtung dieser Ansichten seien hier die Ur-
kunden zusammengestellt, in welcher der Schweinachgau er-
wähnt wird:
I. 903, 8. September, Passau. Chorbischof Madalwin emp&ngt
im Tausche vom Bischof Burchard von Passau zu
eigen auf Lebenslang Güter ,in quinzingowe, in
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109
sntmabgonae^ in rotahgoune^ in tningowue et ultra
montem Comagennm ad nominichha et ad medi-
lichha'.»
II. 905, 14. Februar. König Ludwig stellt ,re8 de Monasterio
S. Mauritii quod dicitur Altaha in loco Bucinbura
in Suueinahgouue constituto . . . abstractas' zu-
rück.*
in. 1005, 5. November, Werla. König Heinrich II. restituiert
dem Kloster Niederaltaich ,Villam Flinspach die-
tarn in pago Sueinihgouui et in comitatu Tiemo-
nis comitis^ und gibt dahin ,quicquid inter vvin-
cira et Hofchirchen videtur iacere^*
IV. 1009, 7. Juni, Merseburg. König Heinrich II. schenkt der
von dem Eremiten Gnnther im Nordwald gegrün-
deten Kirche ein Gebiet im Nordwald. Fälschung
aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts, angefertigt
nach Nr. VI als Vorlage.*
V. 1010, 19. April, Regensburg. König Heinrich II. schenkt
dem Kloster Niedernburg in Passau und der Äb-
tissin Eilika ein ihm durch Richterspruch zuge-
fallenes Gut ,situm in villa Vvinidorf in comitatu
Adalberti comitis in pago vero Suueinigovve'.*
VI. 1040, 17. Jänner, Augsburg. König Heinrich HI. verleiht
die Kirche Rinchna dem E^oster Niederaltaich
,bona vero ista in Svveincowa sunt sita in comi-
tatibus Adalberti Marchionis et Dietmari presidis
inclusa terminationibus istis . . J^
Urkunden mit der Ortlichkeit Sweinaha:
I. 857, 17. August, Regensburg. König Ludwig bestätigt dem
Kloster Niederaltaich eine Schenkung. ,Sunt autem
ipse res in coniacentibus terminis prope mo-
nasterium Altaha in pago quinzingewe situm
^ Mon. Bote. XXVmb, 202 ans dem Lonsdorfer Kodex. Satinahgonne ver-
schrieben fär sueinahgonue.
* Mon. Boic XXVffia, 139.
* Mon. Germ. Dipl. III, 128.
* a. a. O. 663.
» a. a. O. 262.
* Mon. Boic. XXVUIa, 148.
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110
in territorio qnod est inter Suneinaha et Mona-
sterium Altaha contiguum/^
IL 883, 2. April, Regensburg. König Karl III. verspricht dem
Mönche Richo vom Kloster Niederaltaich und dem
Priester Richart auf Lebenszeit Güter ,in villa
Winchilinga et Tovmtdorf et in Ottlinga et in
Schvveinaha^*
Die beiden Stellen zeigen, daß unter Sweinaha nicht ein
Bach, sondern eine Ortschaft, und zwar das heutige Schwanen-
kirchen, verstanden ist. Jener in der bayrischen Spezialkarte
(Blatt Osterhofen) nicht genannte Bach, welcher etwas nördlich
von Schwanenkirchen vorbeifließt und sich unterhalb Ecker-
ding in die Ohe ergießt, mag ehemals den Namen Sweinaha
geführt und dem Dorfe denselben geliehen haben, ist aber viel
zu unbedeutend, als daß angenommen werden könnte, es habe
von ihm ein ganzer Gau geheißen. Toumdorf ist das gegen-
über dem Kloster gelegene Taindorf, Winkling und Otling
werden ebenfalls nicht weit von Niederaltaich zu suchen sein.
Das Kloster selbst wird zur Zeit des Bestandes der Gau-
verfassung* ausdrücklich als im Quinzinggau gelegen be-
zeichnet, während nachweisbar die nächsten Orte des linken
Donauufers: Winzer und Flinsbach im Osten im Schweinach-
gau, Deggendorf und Meten im Westen im Donaugau be-
urkundet sind.
Wenn nun auch die alten Gaue mehrfach auf beiden
Seiten der Donau sich ausgebreitet haben, so mußte doch auf-
fallen, daß am linken Stromufer einzig und allein das Kloster
Niederaltaich dem Quinzinggau zugeteilt war. Lang suchte
deshalb nach einer Erklärung dieses Umstandes und glaubte
sie darin zu finden, daß das Kloster vor der großen Abgra-
bung der Donau am rechten Ufer bei Taindorf, ungetrennt
von diesem, gelegen war und erst durch die Regulierung des
Strombettes auf das linke Ufer geraten sei. Eine solche Strom-
regulierung, von welcher keine zeitgemäße oder glaubwürdige
Nachricht vorliegt, meinte Lang augenscheinlich aus dem Grunde
annehmen zu müssen, weil der Ohebach bei Lichtenwörth nächst
* Mon. Boic. XXVIII a, 118.
» a. a. O. 125.
» 857, 17. August, Mon. Boic. XXVIIIa, 118.
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111
Niedenltaicli die Bezeichnnng ,alte Donau^ f&hrt und an diesem
Wasserlanfe das Dorf Altenafer oder Altennrfahr gelegen ist,
woraus er schließen mochte, dieses Rinnsal sei ein altes Fluß-
bett der Donau und hier vormals die Überfuhr an das rechte
Süt)mufer gewesen. Diese Annahme könnte jedoch nur dann
einige Wahrscheinlichkeit in Anspruch nehmen, wenn nicht
eine Strecke nördlich von Niederaltaich sich ein ,totes Wasser'
befinde, welches gleichfdls ,alte Donau' geheißen wird, und
wenn dieses mit der Ohe alten Donau korrespondieren würde.
Das ist aber nicht der Fall, da die Seebacher alte Donau, in
wdche noch heute der von Norden kommende Seebach ein-
mündet, in halbmondförmiger Richtung eine breite Verbindung
mit dem Strome besitzt, wogegen das nordwestliche Ende
nächst dem Einlaufe des Seebaches vom Strome in geringer
Entfernung durch eine vorgelagerte Bodenschichte getrennt ist.
Die nicht viel hinter der Strombreite zurückbleibende Breite
dieses nördlichen Altwassers spricht dafUr, daß es einmal das
eigentliche Flußbett gewesen, bevor man den geraden -Durch-
stich vollzogen hat Ein Blick auf die im Jahre 1888 revidierte
bayrische Spezialkarte wird die vorstehenden Ausführungen
bestätigen. Die Langsche Hypothese, daß Niederaltaich einmal
am rechten Donauufer stand, ist daher fUr den Geschichtsfor-
scher unbrauchbar; es läßt sich nicht leugnen, daß das Kloster
zu allen Zeiten das linke Donauufer eingenommen hat.
Wir wollen uns nun, weiterschreitend, vergegenwärtigen,
welches Gebiet dem Schweinachgau im Beginne des 10. Jahr-
hunderts zugeteilt sein konnte.
Noch in den ersten Jahren des 11. Jahrhunderts (1006)
war Ranzing am Südabhange des Seiboldsriederwaldes (Pfarre
Lalling, Amtsgericht Hengersberg) in der Luftlinie etwa fünf
Stunden von Niederaltaich entfernt, eine Einöde, in welche sich
anftnglich der Einsiedler Günther zurückzog;^ jenseits des
Bergzuges, welcher das linke Donauufer in geringer Entfer-
nung begleitet, war nichts als tiefe Waldwildnis, in welche
Günther erst im Jahre 1008 eindrang und zu roden begann,
wie denn die von ihm gegründete kirchliche Stätte zu Rinchnach
* ,RAneingam a praefato coenobio nna ferme rasta distantom/ Arnold us
de Santo Emmerammo, Mon. Germ. Script. IV, 671. Vgl. Hirsch, Jahrb.
des Deatschen Reiches unter Heinrich dem Heiligen U, 85, A. 1.
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112
erst im Jahre 1019 eingeweiht worden ist. Von diesem Zeit-
punkte an begann die Eultar im oberen Tale des Schwarzen
Regen Fortschritte zu machen.
Aus dieser Tatsache erheilt; daß die Bezeichnung Schwei-
nachgau erst mit der Zunahme der Rodungen im Walde sich
auf das Hinterland übeiixagen hat und demnach die echte
Urkunde vom Jahre 1040 (Nr. VI vorne) zu einem Rück-
schlüsse auf den urspr anglichen Umfang des ,Gaues' nicht
verwendbar ist.
Wirklich finden wir auch den Beisatz ,im Schweinachgau^
nur auf Orte angewendet, welche von Niederaltaich donauab wärts
am Ufer des Stromes oder in kurzer Entfernung von demsel-
ben liegen; nämlich: Winzer, Flinsbach, Hofkirchen, Windorf.
Ziehen wir femer in Betracht, daß noch im Anfange des
10. Jahrhunderts an der Ilz der Nordwald bis nahe an Passau
herangereicht haben muß, weil aus diesem Zeiträume am linken
Ufer Ansiedlungen nur sehr spärlich erwähnt werden und das
Kolonisationswerk — wie später erörtert — erst im 11. Jahr-
hundert energischer einsetzte, so bliebe für einen Schweinach-
gau nur eine 4 bis 5 Stunden breite, in den höheren Lagen
noch dazu schwach bevölkerte Uferstrecke übrig, so daß eigent-
lich nur die Uferränder einige Bedeutung haben könnten. Dieser
auffallend kleine Umfang steht aber in krassem Qegensatze zu
den großen Beständen der benachbarten, wohlbebauten bayri-
schen Gaue Donaugau, Quinzinggau, Isengau, Rotgau.
Erwägen wir endlich, daß Niederaltaich bestimmt als Zu-
gehör des Quinzinggaues erklärt wird, daß dagegen die Be-
zeichnung Schweinachgau sich auf die verhältnismäßig kurze
Strecke Winzer — Windorf beschränkt, von dem Orte Sweinaha
d. i. Schwanenkirchen den Namen bezogen und erst im 11. Jahr-
hundert sich über das obere Regental ausgedehnt hat, und zwar
letzteres zu einer Zeit, in welcher die Gauverfassung längst
zerfallen war: so wird man nach der Erfahrung, welche mit
verschiedenen sogenannten Untergauen gemacht wurde, nicht
leicht zweifeln können, daß der ursprünglich kleine Bestand
des Schweinachgaues niemals einen Gau im alten politischen
Sinne gebildet hat, sondern nichts anderes als eine lokale Be-
zeichnung für einen Teil des linken Donauufers, daher tatsäch-
lich gleich Niederaltaich ein Bestandteil des Quinzinggaues ge-
wesen ist.
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113
Ans Grenzbeschreibungen von Eomitaten des 13. Jahr-
\iTmdert8 irgendwelche Schlüsse zu ziehen, ist unzulässig, da
die (Grafschaften sich häufig nicht an die alten Qaugrenzen
banden. Deshalb sind die Königsurkunden 1207, 2. November
(Komitat zwischen Regenbruck und Uz) und 1217, 24. Jänner
(Ilzgau, Herzogsurkunde 1220, 5. September Komitat zwischen
Dz und Großer Mühel) ftlr die Lösung der Frage nach dem
Um&nge des Schweinachgaues ohne alle Bedeutung.^ Da je-
doch Windorf, das schon niederhalb der Yilsmündung liegt,
noch zum Schweinachgau gezählt wird, während doch am
rechten Donauufer schon der Rotgau sich ausdehnte, so darf
die Vermutung ausgesprochen werden, daß auch der Strich bis
zur Großen Mühel als Zugehör des Quinzinggaues betrachtet
wurde, wenn er auch nicht als solcher bezeichnet ist, weil in
dem Zeiträume, in welchem er aus der Waldesnacht hervor-
zutreten begann, es längst keine Gaue mehr gegeben hat.
An der Großen Mühel grenzte die karolingische Ostmark
an, nach deren Verluste an die Ungarn (907) der Bezirk bis
zum Haselgraben, welcher der wiedererstandenen neuen Mark
nicht mehr zugeteilt wurde, wohl bei Bayern verblieben ist,
ohne in einen Gau eingegliedert zu werden, da die Umwand-
lung der Grafenämter in Gerichtslehen schon in vollem Zuge
sich befunden hat.
Dritter Abschnitt.
Gang der Kolonisation im Nordwalde. Ehemalige Grenze
zwischen Bayern, Böhmen und Oberösterreich. Die ,alti-
tado silvae Boemiam et Bavariam dividens' im Hohen-
forter Stiftbriefe.
Der unermeßliche Nordwald, donauwärts als Passauer-
wald im Westen, als Böhmerwald im Osten bezeichnet,* war
in dichten Beständen zwischen Böhmen und Bayern gelagert;
^ Auch die Beseichnnng Ilsg^aa, welche erst tun 1190 (Oberösterreichiaches
Urkundenbuch I, 684) aafUucht, ist bloß geographischer Natur.
' Silva pataria, silTa Boemica in der Zollordnnng 904, deatsch wohl Pa-
zonahard wie der Nenburgerwald 887, Mon. Bote. XXVIIIb, 71.
ArdÜT. ICiy. Band. 9
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114
nur einzelne »Sanmsti^aßen; hier Über das Lobenfeld; dort über
die Gegend von Freiatadt, vermittelten den Verkehr zwischen
den beiden Ländern. An eine feste Landesgrenze war nicht zu
denken. Jedes Land betrachtete den Forst auf seiner Seite als
Zugehör ohne irgend eine Beschränkung; diesseits von den Ein-
mündungen der Bäche in die Donau bis hinauf zur Vereinigung
der Quellenbäche und von diesen ,Zwiseln^ bis in den Nord-
wald^ in diesem aber weiter ohne Abschluß einer Markung. Die
Eönigsurkunde 853^ 18. Jänner^ fUr St. Emmeram zeigt uns
mit aller wünschenswerten Genauigkeit, wie weit damals der
Nordwald in der Richtung gegen die Donau reichte: der Zu-
sammenfluß der Feidaist und der Waldaist erfolgt zwischen
den Ortschaften Untertal (Pfarre Ried) und Hohensteg (Pfarre
Trageun), jener der Großen und der Kleinen Nam bei der
Steinbruckmühle zwischen den Pfarren Zell bei Zellhof und
Pierbach. Das sind nach den Worten der Urkunde die ^loca,
ubi (agasta et nardina) de venis in amnes derivantur^, hier
beginnt der Nordwald (,et ita in Nortwalt'). Alles, was im
Osten der Feidaist lag; in einer geraden Linie von Hohensteg
über Trageun zum Buchberg (östlich von Zellhof) und von
hier in einem Bogen über St. Thomas und Kreuzen zur Donau
bei Grein war Forst; denn die Pfarren Kreuzen, Pabneukirchen,
Königswiesen, Dimbach, St. Georgen am Walde und Wald-
hausen sind nach dem Zeugnisse Bischofs Reginbert* erst von
den Voreltern Ottos von Machland und von diesem selbst, also
im 11. und 12. Jahrhundert, gegründet und wohl nicht lange
vorher dem Walde abgewonnen worden.
Andererseits ersehen wir aus dem Gabbriefe König Chun-
rads ni. für das Kloster Garsten vom Jahre 1142,' daß die
^ Ried cod. dipl. Ratisp. I, 44. Die ganze Stelle lautet:
Infra dno flnmina, id est inter Agastam et Nardinam a locis yide-
licet, ubi de venis in amnes derivantur, et ita usqne in Nortwalt in
hano partem silve sine termini conclusione.
Den Abschluß der Regensbnrger Rodungen im Nordwalde be-
zeichnet das Aurolzlehnergut zu Straß Pfarre SchOnau südwestlich Yon
Unterweißenbachy das bis 1803 bischoflich Regensborgisches Lehen ge>
blieben ist.
' Urkunde 1147, 16. Mai fClr Säbnich (Waldhausen) Oberösterreichisches
Urkundenbuch II, 227.
^ a. a. O. n, 204. ,silTa nostra, que vocatur Ritmarch yidelicet a fluvio
Jowerniz usque ad fluvium Agast et inde usque ad terminum sclavorum.'
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115
nächste Umgebung von Freistadt: der Landstrich zwischen
dem Jaunizbaclie und der Feidaist und von da bis an die
Grenze der Slawen noch Waldbestand war. Über Lasberg
hinaus, wo schon früher der Hochfreie Adalber von Griesbach
eine Kirclie erbaut hatte/ lag der Nordwald,* in dessen Nähe
noch im Jahre 1171 ein halber Mansus im Walde (,in silva^
erwähnt wird; an dem Handelswege nach Böhmen drang die
Knltnr weiter in den Nordwald ein und bewirkte die Germa-
nisienmg der ursprünglichen Wendensiedelung Windischmarkt
an der Stelle der heutigen Freistadt.'
Viel schneller als vom Innern Böhmens aus wurden die
Grenzwälder von den bayrischen Volksgenossen angebrochen.
Vom Windberg aus, welchen die Wenden schon Jahrhun-
derte früher in Besitz genommen und den Wald ausgestockt
^ Urkunde Bischof Reginberto fOr St. FlorUn 1126 OberOsterreichischea
Urkundenbach II, 164.
' &. a. O. ,ultra Lozperch in silva qne dicitnr Nortwalt.'
> a. a. O. II, 346. Die Gründe für die Entstehung^ von Freistadt aus einer
Wendenansiedlung an dem StraßeDzug^e nach Böhmen sind in des Ver-
fassers Aufsätze ,Der Ursprung der landesfttrstlichen Stadt Freistadt* in
den Mitteil, des Inst, für (5sterr. Geschichtsf. XXIY, 650 ff. entwickelt. Es
ist hier noch nachzutragen, daß die Ausfertigung der Bündnisurkunde
KOnig Otakars mit Kapitel, Ministerialen und Bürgern yon Passau gegen
die Herzoge von Bajem vom 6. November 1265 (Mon. Boic. XXIX b,
463) von Freistadt aus (aput Liberam Civitatem) datiert, daher die Er-
teilung des Stadtrechtes an den Ort noch vor diesem Jahre zu setzen
ist Der Ansicht von Dopsch (,Die landesfürstlichen Urbare Nieder- und
Oberüsterreichs aus dem 13. und 14. Jahrhundert' S. 91, Anm. 20), daß
Windischmarkt ein abgekommener Ort sei, vermag der Verfasser nicht
beizupflichten, da ihm wenigstens in Oberüsterreich nicht ein einziger
verschollener Ort untergekommen ist und scheinbar verschwundene Ort-
schaften entweder Teile größerer Ansiedlungen geworden sind und ihren
Namen nur offiziell, nicht aber im Volke eingebüßt haben, wie Engers-
dorf Ortschaft Kasten, oder ihren speziellen Namen an die sachliche
Bezeichnung abgegeben haben, wie Bosdorf, das heutige Landshag. Eine
so bedeutende Ortschaft wie Windischmarkt, in welcher 30 Hofistätten
dem Herzoge dienten, konnte auch nicht spurlos verschwinden. Aus den
Erwähnungen derselben im babenbergischen und otakarischen Urbar
geht nach dem Erachten des Verfassers noch nicht hervor, daß Windisch-
markt südlicher gelegen sein mußte als Freistadt, denn die geographische
Ordnung wurde, wie in den passauischen urbarialen Au^iobnungen,
ebenso wenig in den Osterreichischen strenge eingehalten, weshalb einer-
seits Sprünge, andererseits Abweichungen von der geraden Linie zu be-
obachten sind.
9*
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116
hatten^^ rückte die Kultur weiter nordwärts. Um das Jahr 1130
finden wir Engiipoldisdorf auf der Anhöhe über der Rausche-
mühel an der Hochstraße von St. Peter am Windberg nach
Haslach als eine dem Anscheine nach schon länger bestehende
Siedlung.* Ihr Bestand weist uns die Richtung, in welcher
die Urbarmachung dieser Gegend fortschritt. Noch war damals
der ganze obere Flußlauf der ^steinernen' Mühel im Waldes-
schatten begraben, während im Seitentale über Dobring hinauf
auf die Höhen von St. Stephan am Riedl schon früher der Wald
vor der Axt zurückweichen mußte, was der Bau einer Kirche
in St. Stephan ,ultra Viczissenmuhelen' beweist, welche am zwei-
ten Tage des Jahres 1147 eingeweiht wurde.' Von hier leitete
die Bodengestaltung selbst hinüber nach Multerberg und Reiter-
^ Für ihre Kulturarbeit sprechen die Ortsnamen Windorf, Windischberg-
bei St. Martin, Windsteigergnt , Windpassingerg^t, Windorfergut sa
Bogendorf. 827 sind zahlreiche Slawen als ansässig in Pnchenau be-
zeugt Auf deutsche Ansiedler weisen die patronjmischen Ortsbenennun-
gen Walding, Waldhofer, Waldkirchen (ron Walto).
* Die Lokalbezeichnung, die sich in dem Nachtrage vom Jahre 1439 zum
Schaunberger Urbar 1371 (Original im Stiftsarchive St Florian) noch
im Vollaute »Engelpoltsdorf erhalten, im Urbar der Herrschaft Neuhaua
an der Donau vom Jahre 1666 (Original im Schloßarchive Sprinzenstein)
auf Enngeldorff verkürzt hat und jetzt ,£ngersdorf' gesprochen wird, be-
greift, wie vom Verfasser durch pers($nlichen Augenschein festgestellt
wurde, die folgenden, bei Einführung der Numerierung im 18. Jahrhun-
dert dem Dorfe Kasten (Pfarre St. Peter am Windberg) zugezählten
Häuser: 18 Häusel beim Engel weg, 22 Stadlerhäusl, 23 Stadlergut,
26 Wumauerhäusl, 27 Wurnauergut, 28 Qrubergut zu Einzing, 29 Gruber-
häusl, 30 Mairgut zu Engersdorf, 31 Hintergütl in Engersdorf, 32 Kain-
zengut in Engersdorf, 33 Kainzenhäusl und 46 Abstrizhäusl in Engers-
dorf. Dieselben waren um 1130 von Rudolf und Richinza von Perge ihrer
Tochter Richinza und deren Gatten Adalram von Feistriz- Waldeck über-
geben (Steiermärkisches Urkundenbuch I, 142) und von letzterem seiner
Stiftung Seokau zugewendet worden, welcher sie auch nach dem Fürsten-
gerichte (a. a. O. I, 290, 376) verblieb. Das steirische Stift entledigte
sich dieses entfernten Besitzes im 14. und 15. Jahrhundert teils an die
Ludmanstorfer, welche die Objekte wieder 1439 an die Schaunberger
veräußerten, teils an das Kloster St. Florian, welchem das Stadlergut,
das Wurnauergut, das Grubergut und das Mairgut bis zum Jahre 1849
untertänig blieben. Doch blieb auf dem Staudachhofe Pfarre Nieder-
waldkirchen noch im Jahre 1439 ein Dienst von 60 Pfeningen ,gen
Sekkaw' haften als Rest der einstigen Grundherrlichkeit dieses Stiftes.
' Stülz, Geschichte des Stiftes St. Florian, S. 265 ans einem Kodex des
14. Jahrhunderts.
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117
schlag auf den Boden des (nachmals sogenannten) ^deutschen
Qeridites* Witigenhausen einerseits/ andererseits durch das
&ucYitbare Tal der Großen Mühel über Haslach durch die
heutige Pfarre St. Oswald in die einladende Ebene am Schlägt^
wohin von Süden her das weite Tal vom Ramlergute über
Mühlöd, Kazing (Kazling) und Natschlag das offene Einfalls-
tor bildete. Die Urbarmachung bis Aigen und noch darüber
hinaus hat nach allen Anzeichen noch im 12. Jahrhundert sich
vollzogen^ denn diese Bewegung wird uns durch die erhaltenen
Urkunden beglaubigt. Erwähnt werden um 1108 Elleinzell
(juxta Muhele);* Feuchtenbach Pfarre Altenfelden um 1140,'
Blankenberg gegenüber von Neufelden 1173/ Apfersbaoh,
Aichingerhof; Bairach, Weiglstorf, St. Ulrich; Erdmansdorf,
Fischbach (westlich von Rohrbach), Pümstein; Liebenstein um
1180.* Der Markt Rohrbach, der im Jahre 1256 nebst Hof-
kirchen, Puzleinsdorf, Lembach und Sarleinsbach als bedeu-
tenderer Ort angeführt wird^ und von frühesten Zeiten her mit
Marktrechten begnadet war, muß schon nach diesen Anhalts-
punkten als eine alte Siedlung angesehen werden.
Im Westen muß das Dorf Yatersreut an den Abhängen
des Ameisberges spätestens im Beginne des 12. Jahrhunderts
entstanden sein, da mit diesem Zeitpunkte der Personenname
Fato oder Fater außer Gebrauch tritt. Dieselbe Annahme gilt
for Fattendorf bei Kellberg. Natürlich sollten die Namen,
welche vom Volke mit hohem a gesprochen werden, richtiger
Fitersreut und Fätendorf geschrieben sein. Gegen die Dz zu
saßen schon im Beginne des 12. Jahrhunderts die Herren von
Griesbach nächst der Donau; daß sie es waren, welche die
Kultur tief in den Nordwald hinein bis gegen Wolfstein ge-
tragen haben, werden die Ausführungen des vierzehnten Ab-
schnittes zur Kartenbeilage ergeben. Aus diesen erhellt, daß
die Kolonisierung des Landstriches zwischen Hz und Großer
^ Der Name des Dorfes Dobring im Westen von BOhmisch-Kapellen sagt
ans, daß Ansiedler aas Dobring Pfarre St. Stephan hier im Walde die Axt
geschwnngen haben.
* OberOsterreichisches Urkandenbach II, 128, 203.
» a. a. O. I, 653.
* Urkandenbach von Kremsmünster 44.
' Oberdsterreichisches Urkandenbach I, 594, 570.
•Mon.Boic. XXrXb, 224.
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118
Mühel vorerst und znm größeren Teile von den freien Adels-
geschlechtern aus Niederbayern durchgeführt worden ist und
das Hochstift Passau erst später in die Reihe der kolonisieren-
den Großgrundbesitzer getreten ist; am richtigen Orte wird
auch die angebliche Schenkung König Heinrichs H. an das
Kloster Niedemburg ihre Würdigung finden, da sie für den
eben behandelten Zeitraum nicht als beweiskräftig gelten kann.
Die an die Kulturen der Pfarren St. Oswald, Haslach und
St. Stephan sich eng anschließenden Siedelungen der Pfarre
Deutsch-Reichenau (bei Witigenhausen) fallen dem Wanderer
als naturgemäße Fortsetzung der ersteren ins Auge; sie er-
reichen ihr Ende im Nordwesten erst mit dem waldigen Ab-
hänge des St. Thomasberges. Im Osten bildete noch im Jahre
1259 die Waldhöhe, auf welcher nachmals Dorf und Kirche
(Böhmisch-) Kapellen erbaut worden ist, die östliche Grenze
von Bayern gegen Böhmen, welchem Lande jedoch der ganze
Strich von der heutigen oberösterreichischen Grenze bis gegen
Zartlesdorf erst nach dem Aussterben der Babenberger zuge-
wachsen sein kann, da der vorletzte Fürst dieses Geschlechtes,
Herzog Liutpold VI. in der Exemtionsurkunde für das Kloster
St. Florian 1208, 15. Oktober^ die Grenzen seiner Gerichts-
^ Die Exemtionsurkunde (Oberösterreichisches Urkundenbuch IT, 611) ist
nicht im Original vorhanden, sondern nur aus der Einschaltung in der
Bestätigung König Otakars 1258, 1. Februar bekannt. Die im Oberöster-
reichischen Urkundenbuche II, 660, 564, 563 abgedruckten Exemtions-
Urkunden für St. Florian leiden an verschiedenen, besonders aber an
chronologischen Gebrechen, in welche voraussichtlich die kritische Aus-
gabe der Babenberger Diplome durch Baron Oskar Mitis die wünschens-
werte Klarheit bringen wird. Auffallend ist, daß auch die Befreiungs-
urkunde vom 16. Juni 1213 einen Akt ,in prato iuxta Naerdaen* zur
Grundlage haben soll wie die Exemtion für den Windberg, da nicht
glaublich ist, daß Herzog Liutpold VI. sich zweimal (1208 und 1213) auf
der Wiese bei Nam gelagert habe. Die Unregelmäßigkeiten bei der Aus-
stellung der Urkunden 1212/13 glaubt B. Mitis damit erklären zu können,
daß die Ausfertigung der Urkunden lange nach dem Akte erfolgte und
daher dem Schreiber die chronologischen Fehler unterliefen, wie denn
auch der verstorbene Graf Otto von Klamm statt seines Sohnes Ulrich
unter die Zeugen aufgenommen wurde. Diese Ansicht scheint dem Ver-
fasser annehmbar, da gegen den meritorischen Inhalt der Urkunden kein
Bedenken obwaltet; sie wird noch durch die Betrachtung gestützt, daß
Liutpold schon 1208 die Klosteruntertanen am Windberg eximierte, was
er als Markherzog, der bei eigenen Hulden dingte, ohne Einholung der
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119
barkeit auf dem Windberg vom Donauufer (a ripa Danubii in
dem Tal) bis aufwärts an den Moldaufluß (usque sursum ad
fluvium qui Wolta) bezeichnete, worunter, ganz abgesehen von
der Notwendigkeit des prÄzisen Ausdruckes in einer staats-
rechtlichen Verfttgung, nicht die Höhen an der heutigen ober-
Osterreichischen Grenze, die noch einige Stunden von der
Moldau entfernt sind, sondern die Ufer der letzteren selbst,
und zwar von den Waldhöhen von Kapellen und Kienberg an
bis gegen ZarÜesdorf, wo die weit nach Böhmen ausbiegende
gegenwärtige oberösterreichische Grenze herzustoßt, zu ver-
stehen sind.
Für die Tatsache, daß noch im Jahre 1269 die Grenze
zwischen Böhmen und Bayern, oder was man so nannte und
jedenfalls noch nicht zu Böhmen rechnete, über die höchste
Erhebung des Bergzuges, auf welcher nun das weithin über
die Donau sichtbare P&rrdorf Böhmisch-Kapellen steht, 3000 Fuß
oder 950 m hoch, gebildet hat, haben wir ein unwiderlegbares
Zeugnis in der wörtlich überlieferten Äußerung des Herrn
Wok von Rosenberg, welche zuerst vom Bischof Johann von
Prag in der Bestätigung der Schenkungen des Stifters am
1. Juni 1259 1 urkundlich festgelegt, vom Stifter 1259 und 1261
sowie von seinen Blutsverwandten Budiwoy und Witigo von
Krummau 1259 völlig gleichlautend wiederholt worden ist.*
Wok sprach seinen Entschluß aus, auf seinen Gütern oberhalb
Rosenberg vor dem Forste (ultra Rosmberc sub nemore) ein
Zisterzienserkloster, insgemein Hohenftirt* genannt, zu gründen,
und bezeichnete in Anwesenheit des Bischofs und zahlreichen
Adels die Grenzen des diesem Zwecke gewidmeten Besitzes
,voce propria in hunc modum: Nemus ex altera parte Wlytaue
fluminis versus occidentem attingens viam illam que ducit
Helfenberk, Hohenvurt cenobio quod de novo fundavi faciat
königlichen Genehmigung tun konnte, während zur Exemtion auf dem
Boden des Herzogtums Steyr, beziehungsweise Bayerns im Landgerichte
zwischen Ens und Traun die königliche Zustimmung hinzuzutreten hatte,
diese aber in der Z^i nach Ermordung König Philipps nicht so bald zu
erlangen sein mochte.
* Fontes rer. austr. Dipl. XXm, 3.
« a. a. O. 7, 10, 6, 6.
' Wohl so genannt von der Lage des Marktes, heute Stadt bergauf-
wärts von der Moldau.
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120
metam unam; et in parte orientali alia meta transit rivum
quendam qui vocatur Wlitauich et ambit pratum Zbyadel, nt
idem pratum cum aliis bonis conclnsnm ipso termino ad dictum
cenobium pertineat integraliter pleno iure. Item alia meta in
rivo Mokri nomine terminetur, qui terminus incipiens a flumine
Wlitaua dirigitur ascendendo usque ad hortum (ortum) rivuli
iam predicti, et inde per montem Hradisch in minorem Wli-
tauich revertitur ex directo, et ascendit in illo rivo usque ad
altitudinem silve Boemiam et Bavariam dividentem. Item et alia
et ultima meta ex ista parte Wlitaue incipiens ab ipsa Wlitaua
ascendit per decursum cuiusdam ripe, que Poyn vocatur, usque
ad montem quendam Strasedelnik nominatum et ab eo ascendit
directe preteriens metas et terminos villarum que faerant Sua-
tomiri, usque ad metas domini Witkonis de Crumlow/
Die Grenzbestimmung ,usque altitudinem silve Boemiam
et Bavariam dividentem^ wurde von Pangerl, dem Herausgeber
des Hohenfurter Urkundenbuches, gegen Süden an den Stem-
stein, die jetzige oberösterreichische Grenze, gezogen, welche
Ansicht bisher herrschend geblieben ist. Infolge dieser Aus-
legung wurden auch manche Rinnsale und Berge anders ge-
deutet, als die wirklichen Verhältnisse gebieten. Um hierüber
vollständig ins Klare zu kommen, begab sich der Verfasser
am 2. Juli 1904 über Zartlesdorf — um auch die Bodenge-
staltung zwischen diesem Orte und Hohenfurt kennen zu lernen
— nach Hohenfurt, woselbst Herr Stiftsoberförster Leopold
Enslen die Güte hatte, ihm in die älteren Forstwirtschafts-
karten im größten Maßstabe aus dem Jahre 1812 Einsicht zu
gestatten und mit großem Interesse für die Sache seine gedie-
genen Ortskenntnisse zu Gebote zu stellen. Nach eingehenden
Erörterungen und beständiger Vergleichung der Forstkarten
mit den modernen Karten (älterer und neuerer Spezialkarte)
konnte die Identifizierung aller in Frage kommenden Bezeich-
nungen mit Ortlichkeiten der Gegenwart als außer Zweifel ge-
setzt betrachtet werden.
Wenn nun der Leser gebeten wird, den nachstehenden
Kommentar zu jeder bezüglichen Stelle der Stiftungsurkunden
auf den Blättern Hohenfurt — Rohrbach und Kaplitz — Freistadt
und zugleich auf dem Blatte 8 der älteren Spezialkarte von
dem Erzherzogtum Österreich (Freistadt), welche die Boden-
erhebungen und die Verästelungen der Gewässer mit besonderer
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121
Scliärfe und Feinheit hervortreten läßt; aufmerksam zu ver-
folgen: so muß nur nochmals betont werden, daß die nachfol-
genden Ausdrucke von Wok von ßosenberg wörtlich in Prag
gebraucht und deshalb auch Wort fiir Wort in den Urkunden-
text aufgenommen worden sind, daß außerdem bezüglich der
Grenze gegen Bayern jeder Irrtum seinerseits völlig aus-
geschlossen ist, da er seit der Ermordung des Landschreibers
Witigo^ als Hauptmann über den neuen Distrikt ob der Ens
gesetzt war' und demnach als oberster Verwaltungsbeamter
des Landes dessen Grenzen genau wissen mußte. Er konnte
daher klärlich dasselbe nicht als Bavaria bezeichnen, umso
weniger, als Otakar schon im Jahre 1256 von demselben als
einem ,districtus' gesprochen hat,' Daß Oberösterreich noch
im ältesten Seitenstettner Urbar mit dem Namen Bavaria be-
^ 6. Febniar 1255 (siehe die Erläatenmgen lar Sektion OberOsterreich
des histor. Atlas der Österreichischen Alpenländer.)
Im Codex Garstensis (Hofbibliothek in Wien 340 bist. prof. 52,
4 Pergamentblätter, s. Wattenbach in Pertz, Archiv X, 461) waren die
sämtlichen Jahreszahlen Yorgeschrieben. Zum Jahre 1255 ist der ver-
ffigbare Raum bis auf zwei Zeilen ausgefüllt, hätte nur mehr einem
kurzen Eintrage Unterkunft geboten. Dagegen ist der Raum zum Jahre
1256 bis ganz knapp oberhalb der Jahreszahl 1257 durch die Stelle
Ortolfus bis confiscatis eingenommen. Das Gedränge der Zeilen (das
letzte Jahr 1258 blieb leer) zeigt, daß die Notiz nachgetragen wurde;
sie gehörte zum vorangehenden Jahre 1255, wo jedoch der erforderliche
Platz mangelte, daher sie der Schreiber zu dem Jahre 1256, wo noch
Raum vorhanden war, eintrug.
Daß diese Folgerung eine richtige ist, geht daraus hervor, daß
schon 1255, 23. März (Urkunde Otakars für Seitenstetten Fontes XXII,
57) Magister Heinricus scriba Anasi erscheint, weshalb der Tod Witigos
vor diesem Tage erfolgt sein muß, womit der Eintrag Vm. Idus Febr.
Witigo scriba im Florianer Nekrolog sec 13 (Notizenblatt 1852, S. 291)
stimmt; jene drei Urkunden des Jahres 1255, in welchen Witigo noch
auftritt, sind demnach in die ersten fünf Wochen 1255 zu setzen.
' Siehe ,Geburt des Landes ob der Ens% S. 111—112. Zu dem Gerichts-
briefe Woks für Kloster Zwetl (Fontes III, 297), welchen vor Jahren
der Stiftsarchivar Herr P. Benedikt Hammerl dem Verfasser mitzuteilen
die Gfite hatte, ist zu bemerken, daß das Original der Urkunde un-
datiert ist; die Jahreszahl 1256 findet sich mit anderer Tinte auf dem
ebenfalls vorhandenen unbesiegelten Konzept. An dem Briefe hängt das
allerälteste Stadtsiegel von Linz, dessen sehr flach gegrabener Stempel
verschieden ist von jenem vom Jahre 1275, Oberösterreichisohes Urkun-
denbuch III, 422.
* Geburt des Landes ob der Ens, S. 120.
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legt wird; kann nicht irre machen; denn es ist keine offizielle
Persönlichkeit, die diesen Ausdruck gebraucht, und derselbe
kann aus einer älteren Vorlage herübergenommen sein.
Wok bezeichnete nun die Grenzen des neuen klöster-
lichen Besitzes folgendennassen:
,Den Forst auf der anderen Seite der Moldau (von Prag
aus gesehen, daher am südlichen Ufer des Flusses), gegen
Westen anstoßend an jenen Weg, welcher nach Helfenberg
führt/
Diese Berührung des Forstes mit der Helfenberger Straße
fand noch vor einem Jahrhundert zwischen den Dörfern Do-
bring und Stift an der äußersten westlichen Grenze des Gra-
sauholzes statt, das seit alten Zeiten und noch heute dem Erlöster
Hohenfurt zugehört; im Süden reicht der Wald nur an die
nördlichen Dorfgründe von Dobring und überschreitet einzig
auf eine kurze Strecke vor dem Dorfe Stift die Helfenberger
Straße, um sich dann westlich gegen die Rosenauer Waldhäuser
zur Straße von Friedberg herwärts und von da in einem nord-
ostwärtsgerichteten Bogen zur Moldau gegen Vorderheuraffl zu
ziehen.
Bei dieser Gelegenheit mag aufmerksam gemacht werden,
daß die in der Spezialkarte eingetragenen Berg- und Wald-
namen, wie so häufig auch anderswo, in der Umgebung von
Hohenfurt nicht im Volke wui*zeln, sondern demselben oft ganz
fremd sind.^
,ünd auf der Ostseite — fährt Wok fort — überschreitet
die zweite Grenze einen Bach, genannt die Kleine Wlitauich,
und geht um die Wiese Zbyadel herum, so daß diese Wiese
mit anderen Gütern, in der Begrenzung eingeschlossen, voll-
ständig mit allem Rechte dem besagten Kloster gehören soll.
Die dritte Markung wird begrenzt vom Bache Mokri, welche
Grenze beginnt am Flusse Moldau und aufwärts steigt bis zum
^ Die heutige Landesgrenze jenseits des Schiudlauerberges ist bloße Jagd-
grenze zwischen Schlag! und dem fürstlich Schwarzenbergschen Besitz-
tum; wenn vormals eine genaue Qrenzlinie bestand, so lief sie wohl auf
dem Kamme der Berge, weshalb sie auch in dieser Richtung in die
Kartenbcilage eingetragen wurde. Die Bezeichnung der Niederung am
Iglbache als ^Bayrische Au' scheint noch ein Nachklang aus jener Zeit
zu sein, in welcher Bayern bis zur Moldau sich vorgestreckt hat.
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123
ürspning des gedachten Baches^ von diesem dann über den
Berg Hradisch geradeaus (schlechthin) in die Kleine Wlitauich
zurückgeht und an diesem letzteren Bache hinaufsteigt bis zur
Höhe des Waldes, welche Böhmen und Bayern von-
einander scheidet/
Der Bach Wlitavich der Urkunde ist der sogenannte
Hammerleitnerbachy welcher gerade unterhalb des Klosterge-
bändes in die Moldau einströmt; er führt diesen Namen erst
von dem Zusammenflusse des Dimauerbaches, welcher aus
dem südUch gelegenen Stemwalde (Qerichtsbezirk Leonfelden)
kommt, und des Münichschlagerbaches, welcher von den Quellen
unterhalb des Berges von Kapellen gespeist wird, demnach von
der Weihmühle an. Als Hauptbach betrachtet die Urkunde den
in gerader Richtung von Süden nach Norden fließenden Dir-
nauerbach, als Seitenbach den links einmündenden Münich-
schlagerbach. Letzteren nennt sie deshalb ,die kleine^ Wulta-
wich. Diese Auslegung ergibt sich aus der Natur selbst. Der
Mokribach (Mugerauerbach) heißt jetzt Ziehbach, derselbe,
welcher unterhalb des Bauhofhölzls östlich von Hohenfurt
in die Moldau fällt; er entspringt im Westen des Kreuz-
berges oberhalb der Ortschaft Hohenfurt. Der Kreuzberg ist
daher ungezweifelt der mons Hradisch, denn von ihm gerade-
aus gegen Westen, also zurück, gehend triffl; man auf den
Münichschlagerbach gerade vor seiner Vereinigung mit dem
Dimauerbache. Steigt man dem Münichschlagerbache entlang
im Forste aufwärts, so gelangt man auf die höchste Erhebung
des Forstes im Westen, auf jene von Kapellen. Diese ist also
die altitudo silvae, welche Bayern und Böhmen trennte; zur
Zeit der Ausstellung der Stiftungsurkunde war sie noch un-
bewohnt, die Ortschaft Kapellen ist erst im 14. Jahrhundert be-
urkundet.
Die Lage der Wiese Zbyadel zu erörtern, ist überflüssig;
sie hat auf die Grenzfrage keine Beziehung.
War, wie nach allen Umständen anzunehmen, der Berg-
gipfel von Kapellen ein Grenzpunkt, dann dürfte die Grenze
wohl auf der Wasserscheide über den Kienberg zur Moldau
sich fortgesetzt haben; sie schied im Jahre 1259 die Besitzun-
gen der Witigonen in böhmische im Osten dieser Linie und
in bayrische im Westen, zu letzteren zählten die heutigen
Pfarren HeurafB und Deutsch-Reichenau (mit der Burg Witi-
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124
genhausen). Allerdings kann nicht mehr davon gesprochen
werden^ daß die Amtsgewalt des bayrischen Herzogs sich bis
an die Moldau erstreckt hätte^ weil der Bischof von Passaa
bereits den Reichsfürstenstand erlangt hatte und selbst landes-
fürstliche Rechte ansprach; sicher aber reichte der geographi-
sche Begriff Bayerns noch bis zur Moldau und hatte wenigstens
bis dahin noch keine Angliederung an Böhmen stattgefunden,
da in diesem Falle der Marschall von Böhmen nicht von einer
Landesgrenze gesprochen haben würde.
Die bayrisch-böhmische Grenze des Jahres 1259 war in-
sofeme keine sehr alte^ als sie erst mit dem Vorrücken der
bayrisch-österreichischen Ansiedlungen durch den Grenzwald
entstehen konnte; nach allem zu schließen^ sind jedenfalls die
deutschen Pioniere vor den böhmischen an den Ufern der
Moldau angelangt. Bis an die Moldau reichte die Herzogs-
gewalt des vorletzten Babenbergers und es ist folgerichtig an-
zunehmeU; daß an diesem Flusse die Grenze eine Strecke lang
fortlief; sonst wäre sie der Erwähnung gar nicht wert gewesen.
Bei dem Versuche, dieselbe ausfindig zu machen, wird wohl
jedermann der bei Wullewitz — Zartlesdorf tief in das heutige
böhmische Gebiet einschneidende oberösterreichische Gebiets-
ausläufer in die Augen fallen, welcher die Frage herausfordert,
wie er entstehen konnte, wenn der Landstrich vom Eien-
berg bis Wullewitz, von demselben Volksstamme wie die an-
stoßenden oberösterreichischen Gebietsteile bewohnt und in
keiner Art von selbem verschieden, stets zu Böhmen gehört
haben sollte. Ziehen wir südlich vom Zartlesdorfer Teiche eine
Linie bis zum Moldauknie oberhalb Rosenberg, wobei Eodet-
schlag und Bamberg zur Rechten ausgeschlossen bleiben, da-
gegen der Mauthof als Zugehör des Seifkentales und die nörd-
lichen Anhöhen desselben als Abschluß erscheinen, so dürfte
sich diese gemutmaßte Grenzlinie kaum viel von der Wirklich-
keit in der Vergangenheit entfernt haben. Auch die Bezeichnung
Mauthof ist zu beachten, sie deutet auf den vormaligen Bestand
einer Maut, wie denn Häuser mit dem Namen Mautner nach-
weislich Mautstätten entsprungen sind, hier noch dazu an einer
Stelle, wo die Handelsstraße von Krummau über Rosenberg
und Oberhaid nach Freistadt vorbeifUhrte.
Daß der Gang der allmählichen Erschließung des viele
Tagreisen tiefen Grenzwaldes, durch welchen nur Saumstraßen
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125
fthrten,^ anf die vorgeschilderte Weise vor sich ging, daAir
spricht bei der Pfarre Deutsoh-Reichenau auch der Anblick
der Kulturen, -welche mit jenen des vormaligen Mühlkreises
in ununterbrochenem Zusammenhange stehen, was von dem
mitunter ziemlich steil abfallenden linken Moldauufer nicht be-
hauptet werden kann. Daß das ,Gericht Witigenhausen' im
Mittelalter erst spät zu Böhmen gerechnet und zur Zeit, als es
die österreichischen Herren von Wallsee innehatten, von hier
aus Haslach, Klaffer und Freundorf verwaltet wurde, wird im
elften Abschnitte erörtert werden; daher wird es kommen, daß
das Landrecht des Gerichtes noch spät in Geltung ist.'
Hohenfurt wird schon bei Stiftung des Klosters 1259' als
Markt mit einer Pfarre erwähnt, war demnach ein beträcht-
licher Ort, dessen Entstehung, weil er zu seinem Wachstum
doch geraume Zeit bedurft haben wird, mindestens um ein
Jahrhundert, wenn nicht weit mehr, zurückzuversetzen ist; der
Ort wird von oberösterreichischen Ansiedlern, die, dem Saum-
wege folgend, vom Lobenfelde aus, das in der Mitte des
12. Jahrhunderts als großer Walddurchbruch gedacht ist,^ an
die Moldau gelangten, gegründet worden sein; die Ansiedlun-
gen diesseits und jenseits des Waldes flössen zusammen, ver-
anlaßt durch die Wechselbeziehungen der Holden der Witi-
gonen, deren gemeinsame Besitzungen sich von der Donau zur
Moldau und von dieser bis gegen Freistadt hin ausdehnten,
wovon im siebenten Abschnitte die Sprache sein wird. In glei-
chem Maße tritt diese Wahrnehmung an dem Straßenzuge
> Zollordnung 904, Lehenbrief für Gundaker von Steyr 1198. Die Be-
Eeichnnng ,Saain8traße' ist bis anf den beutigen Tag an einer kleinen
Ortschaft vor Zwetl hängen geblieben. Vgl. ^Handelswege und Handels-
zentren in SüdbOhmen' im Programme der Badweiser deutschen Ober-
realschnle 1901 von dem gelehrten Hohenfurter Kapitular Professor Dr.
Valentin Schmidt, dessen großer Gefälligkeit der Verfasser vieles zu
danken hat.
' Vgl. die Ton A. MOrath in den Mitteil, des Vereines fUr Geschichte der
Deutschen in Böhmen, Jahrgang XLI, S. 128 abgedruckte Urkunde 1381,
8. Jänner auB dem Krummauer Archive, womach für die Mühle in
Deutsch-Beichenau Gewähr geleistet wird «also lanczrecht ist in dem laut
da dy mnl in leyt^
* Fontes XXm, 4.
* Stelle ,mediam partem campi, qui wlgo Lowenwelt nuncupatur', Wil-
heringer Urkiuide 1154, Obertfsterreichiscbes Urkundenbuch II, 273.
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126
Rosenberg — Oberhaid — Rainbach — Freistadt zutage. Auch Ober-
haid (Merica superior) wird schon 1278, 13. Juli^ als forum im
Gegensatze zur viila Gerbrechtschlag aufgeftlhrt; auch dieser
Ort muß im 12. Jahrhundert von Ansiedlem der Riedmark an-
gelegt worden sein.
Selbstverständlich läßt sich nicht erschließen, welche Stücke
des rechten Moldauufers zur Riedmark und welche zu Wachsen-
berg gezählt haben werden.
Wenn für die intensivere Kulturarbeit der deutschen An-
siedler der Vorrang vor den böhmischen in Anspruch ge-
nommen wird, so wird damit nicht gegen den Fortgang der
Kolonisation auf böhmischer Seite verstoßen, weil letztere
die Grenzwälder eben in langsamerem Tempo in Angriff ge-
nommen hat.
Denn im Beginne des 13. Jahrhunderts war der bei weitem
größere Teil des oberen Moldaulaufes noch immer wüstes Wald-
und Sumpfland, in welchem vielleicht nur das heutige Ober-
plan einen Lichtpunkt bildete.* Als König Wenzel I. (f 1253)
dem Burggrafen Hirzo von Klingenberg für seine Verdienste
den Distrikt von Mugerau' verlieh, war dieser Landstrich in
seiner ganzen Länge von Poletic bis zur bayrischen Grenze
und zum Rotbache wohl großenteils noch Waldregion, in wel-
cher erst Herr Hirzo den Ort Nahirzowe (nachmals Unter-
Wuldau genannt) gegründet hat; an den Grenzen des großen
Poleticer und des schmalen Mugerauer Distriktes stießen tsche-
chische und beginnende deutsche Kulturarbeit zusammen; die
Fortführung der ersteren blieb auf das linke Moldauufer ge-
wiesen, woselbst in der Mitte des 13. Jahrhunderts die Gegen-
den um Krummau, Poletic, Stein, Kalsching, Elhenic und Ne-
tolic bereits kultiviert waren.
Auch im Osten ging die Urbarmachung erst von dem Zeit-
punkte an intensiver südwärts, als Ceö von Budweis nicht lange
vor dem Jahre 1266 in dem ihm vom König Otakar im Tausch-
wege überlassenen Gebiete von Welleschin sich die genannte
Burg über dem Ufer der Maltsch erbaute.* Es war, nach den
» Fontes XXIH, 28, 81.
' M. Pangerl im Goldenkroner Urkundenbuche Fontes XXVII, S. IX, 16,
84, 114.
' Daselbst Karte des Goldenkroner Dotations^tes.
* Elimesch, ,Die Herren vom Michelsberg als Besitzer von Welleschin* in
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127
urkundlichen Spuren zu schließen^ wenigstens im südlichen
Teile großenteils mit Wald bedeckt, der südliche Teil selbst
sicherlich von der Riedmark her von deutschen Ansiedlem
kultiviert, was denn auch die Mundart der dortigen Deutschen
und die deutschen Ortsnamen dartun. Im Gedächtnis der Zeit-
genossen ist übrigens, daß erst vor kaum 120 Jahren der
innerste Teil des Nord- und Freiwaldes urbar gemacht und da-
selbst, nach den Herrschaftsbesitzem Buquoi genannt, die Ort-
schaft Buchers angelegt worden ist.
Die Westgrenze an der Moldau kommt übrigens auch in
anderen Urkunden vor.
Die Bestätigung der Besitzungen des Klosters St. Florian
durch Bischof Ulrich 1111, 23. August^ spricht davon, daß die
von Eppo von Windiberg gestifteten Güter sich bis an die
Moldau erstrecken (que protenduntur usque ad fluvium qui
Wultha vocatur), jene 1113, 26. Juni Passau ^ bezeichnet aus-
drücklich die Moldau als Grenzfluß gegen Böhmen (que usque
ad terminos boemie protenduntur ad fluvium qui Wultha vo-
catur) und die Bestätigung Reginmars (hier Reinmar genannt)
1122, 18. März^ wiederholt den Passus aus der ersten Ur-
kunde des Bischofs Ulrich. Auch das nur in einer Kopie er-
haltene Diplom Bischofs Eberhard von Bamberg für Wilhering
vom Jahre 1154* läßt den Böhmerwald (silva boemitica), wel-
cher in der Richtxmg von Wachsenberg und Wildberg gegen
das heutige Hohenfurt zu zwischen den Herrschaften Wach-
senberg und Wildberg geteilt war,^ vom Felsen Bernstein in
gerader Linie bis zum Moldauflusse reichen (et ab illo scopulo
den Mitteil, des Vereins fUr Geschichte der Deutschen in Böhmen,
Band XXII, 186 ff. Karte hierzu in Band XjXTTT.
OberOsterreichisches Urkundenbuch II, 144.
a, a. O. 147.
a. a. O. 154.
a. a. O. 278.
BeEÜglich Wildberg Urkunde 1198, 80. Juni mit dem korrekten Texte
ans dem Transsumpte 1246, 81. Oktober im Linser Museumsbericht 1899,
8. 47. Der Vergleich beider Grundherrinnen (Elisabeth von Wachsenberg
und Alhait von Haunsberg) f&llt in die Zeit zwischen 1198 und 1206,
nicht, wie 8tüls, Geschichte von Wilhering, S. 880 meinte, um 1220, da
der zu Stegen geschlossene erste Vergleich nachhin (postmodum) zu
Wachsenberg (Wesen soll heißen Wessenberch) im königlichen Auftrage,
vom Bischof Eckbert vom Bamberg in dem Streite zwischen Bischof
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128
recta linea limitati usque ad fluvium Wlta ibi finiuntur), es
weist unmittelbar auf die Moldaustrecke von Heuraffl bis
Hohenfurt.
Wenn nun auch die Ausfertigungen der Florianer Urkun-
den Uli, 23. August, 1113, 26, Juni und 1122, 18. März Passan
wegen der gegen ihre Echtheit obwaltenden Bedenken* nicht
als beweismachend für die Zeit ihrer angeblichen Ausstellung
ins Feld geführt werden dürfen, so repräsentieren sie doch mit
Rücksicht auf ungezweifelt echte Urkunden wenigstens für den
Zeitpunkt ihrer Anfertigung, d. i. nach Erachten des Verfassers
die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts, den damaligen Stand
der Grenzverhältnisse.
Zu berücksichtigen kommt noch die Beschreibung der
Markung von Wildberg. Das Diplom 1198, 30. Juni zieht die-
selbe das Rotelufer aufwärts zu einer Tanne, die selbstverständ-
lich nicht mehr auffindbar und längst vom Erdboden ver-
schwunden ist, wo die Besitzungen an der Böhmergrenze enden
(ubi ad partem septemtrionalem dicte possessiones Boemorum
confinio terminantur), und setzt bei, daß der Stemstein (Mens
Stella), wie sich aus seiner Lage innerhalb der besagten Gren-
zen zeige, noch zu Wildberg gehörte. Bischof Manegold schließt
1212, 27. Jänner* den Wald um Wildberg und Wachsenberg
mit der Wielantstanne ab. Eine Aufschreibung aus der Mitte
des 13. Jahrhunderts (1254 — 1256)^ sagt: Von der Wielants-
tanne ,protrahitur usque ad montem quondam continebat castrum*
dictum Stellam, de Stella usque ad terminos Boemicales protra-
hitur et ibi denique tunc finitur.^ Aufschreibungen im Codex
trad. pat. tertio^ fassen sich noch kürzer: ,ab eodem loco (Wie-
lantstanne) ad montem vocatum Stellam et a Stella usque ad
confinium Boemie'. Diese Angaben haben augenscheinlich die
heutige Grenze zwischen Böhmen und Oberösterreich im Auge;
dieselbe scheint auch tatsächlich in jenem Zeitpunkte zu Gunsten
Böhmens festgestellt worden zu sein.
Gebhard von Passau (seit 1221) und Herzoge Liutpold VI. (f 1230) be-
stätigt worden ist. Mon. Boic. XXYIIIb, 471 ex cod. trad. pat. tertio.
1 Archivalische Zeitschr., N. F. VIII, 90—96.
« Mon. Boic. XXTXb, 71.
» a. a. O. 228.
* Keine historische Burg.
» Mon. Boic. XXVIUb, 471, 472.
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129
Es ist noch zu imtersncheii; wie die über den Berggipfel
von Kapellen sich spannende Grenze zwischen Bayern und
Österreich auf dem Boden des vormaligen Mühlkreises verlief.
Die Ghroße Mühel bildete, wie aus der Verzichtsurkunde
Herzog Ludwigs 1220, 5. September^ bekannt ist, die östliche
Qrenze der an das Hochstift Passau gediehenen Grafschaft im
Ilzgau und damit auch jene Bayerns gegen das Markherzogtum
Österreich. Sie machte dieselbe jedoch nur bis zum Einflüsse
der Rauschemühel bei Haslach. Dies ergibt sich aus dem Texte
des Vertrages des Bischofs Gebhard mit dem edlen Mann
Witigo 1231, 17. Dezember,* in welchem es ausdrücklich heißt,
daß Witigo das Gericht zwischen Rauschemühel und Donau
vom Herzoge von Osterreich zu Lehen habe, einerseits und
aus der vielfältig beurkundeten Tatsache, daß das sogenannte
obere Gericht von der Rauschemühel aufwärts ft'eies Eigen der
Witigonen war, andererseits.
Für den weiteren Grenzzug mangeln solche Belege, doch
gibt der Kompromißvertrag 1357, 20. Juni^ Anlaß zu einem
begründeten Schlüsse. Hiemach unterwarfen sich Bischof Gott-
fried von Passau und die Gebrüder Peter, Jost, Ulrich und
Jans von Rosenberg in ihrem Streite um die ,Tannberger Sleg^
einem Schiedsgerichte, welches zu Ottensheim zusammentreten
sollte. Es handelte sich um das Dorf Dambergschlag in der
P£sirre St. Stephan am Riedl, anstoßend an das Herrschaftsgebiet
von Wachsenberg. Die Urkunde erörtert nicht den Gegenstand
des Streites und wir wissen auch nicht seinen Ausgang. Da-
g^en ist durch das große Urbar der Herrschaft Marsbach vom
Jahre 1667* und durch das im Jahre 1793 angelegte alte
Grundbuch dieser Herrschaft bezeugt, daß die Ortschaften
Dambergschlag (mit den GHitem und Häusern 2 — 8, 10 — 12,
16 — 18), Hinterschlag (mit den Häusern 1 — 12) und Unter-
gmain (mit den Häusern 1 — 4) von fremder Landgerichtsbar-
keit exemt waren nnd ihnen selbst die freie Pirsch (das Reis-
geiaidt) auf den Dorfgründen zustand; bis zum Jahre 1850
^ Hon. Boic. XXVmb, 297.
* a. a. O. 334. ■ a. a. O. XXXb, 230.
* Im Besitze des f Fräuleins Mathilde Sigmund auf Schloß Marsbach,
welche dasselbe dem Verfasser sur Benützung auf einige Wochen zu-
gesandt hat; der hohe Wert des Urbars wird im vierzehnten Abschnitte
gewürdigt.
IreU?. XCIY. Band. 10
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130
übte in diesem ^freien Winkel^ die Herrschaft Marsbach die
Kriminalgerichtsbarkeit ans. Berücksichtigen wir^ daß in der
ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts das Hochstift Passan einige
Zeit im Besitze des Marktes Haslach war und denselben an
Peter von Rosenberg nur unter der Beschränkung zurück-
verkaufte^ daß er ihn von Passau zu Lehen nehme^ die im
Markte erbaute Feste niederlege und die Gräben einziehe^ auch
^in den Gemerkehen di zu Haslach gehorent^ und die er selbst
nach seinem Eide ausgezeigt hatte, keine Feste mehr erheben
oder bauen wolle, daß diese Gemerke aber erst ,ob der Hayd'
begannen/ welches Dorf westlich von Dambergschlag gelegen
ist: so sehen wir, daß Peter von Rosenberg damals den Tann-
bergschlag, welcher erst später zugleich mit dem Schlosse Tann-
berg durch Vermächtnis Chunrats von Tannberg* an das Hoch-
stift gelangt ist (1354), nicht als zu seinem Landgerichtsbezirke
gehörig betrachtet hat. Dagegen hat Tannbergschlag zweifellos
auch niemals zum Landgerichte Wachsenberg gehört; denn die
Grenze dieses Bezirkes lief nach den Urbaren aus den Jahren
1614 und 1640^ vom Guglbach an der böhmischen Grenze zu
des Reischleins Au, von dannen auf den Saumsteig, folgends
zum Thoman in Aigen und hindurch im Innern- und Außem-
schlag (Hermschlag) hinauf bis an die Raidenbauem nächst
der Rauschemühel an den Rain, welcher Haslacher und Wach-
senberger Landgericht scheidet, umgingen also völlig die Dorf-
gründe von Dambergschlag, Untergmain und Lmemschlag. Bis
1614 war die Herrschaft Wachsenberg landesfiirstlich, keine
Nachricht meldet uns, daß jemals ein Anspruch auf Ausübung
des Blutbannes über den Tannbergschlag erhoben worden wäre;
es darf daher gefolgert werden, daß die Exemtion Tannberg-
schlag auch in früheren Zeiten nicht einen Bestandteil des
Landgerichtes Wachsenberg gebildet habe. Ist dem so, so kann
dieser kleine Bezirk nur dem sogenannten ,oberen^ Gerichte
der Witigonen zuständig gewesen sein und wird der Bischof
von Passau schon bei dem Rückverkaufe von Haslach sich die
^ ,Es sind auch daz die Qemerkch', in der Urkunde 1341, 11. September
Mon. Boic. XXXb, 170—171.
' Derselbe erscheint in einer Urkunde 1341, 12. März (Allgem. Beichs-
archiy München) als ,Pfleg'er daz Haslach*.
' Handel-Mazzetti, ,Das Gemärke von Wildberg im Jahre 1198' (Linzer
Museumsbericht 1899, S. 12, 13).
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131
Exemtion desselbes bedangen haben. Der Streit im Jahre 1357
dürfte demnach davon den Ausgang genommen haben, daß die
Herren von Rosenberg landgerichtliche Akte ausüben wollten,
endete aber sicherlich damit, daß ihnen das Recht hierzu ab-
gesprochen worden sein wird.
Hiemach ist der Schluß gestattet, daß die im Marsbacher
Urbar verzeichneten Grenzen der Exemtion Tannbergschlag die
vormaligen Markungen des Witigonengerichtes und' damit auch
jene zwischen Osterreich und Bayern gewesen seien. Dieselben
fingen an beim Erieggattem, gingen von dannen an des Grei-
sen^ger Gründe in Hermschlag, dann an die Gründe des
Zimerauergutes, an die Gründe des von St Florian (des Ghi^b-
mergutes) und des Pfarrers von St Oswald, von dannen an den
Pirchhof, an die Gründe des Haslingergutes xmd sodann an
die Grenzen des Landgerichtes Haslach bei der Ortschaft Haid.
Der Krieggattem befand sich am Schiedbach bei Multerberg;
von hier aus dürften die Markungen bis gegen Kapellen iden-
tisch mit der heutigen oberösterreichisch-böhmischen Ghrenze
gewesen sein.
Tief im Innenlande in der Pfarre Reichenau ist eine späte
Kodung zu verzeichnen, auf welcher Ulrich von Lobenstein
zwischen 1230 und 1240 die Dorfschaft Ottenschlag gegrün-
det hat.^
Augenscheinlich haben die Handelswege es bewirkt, daß
der Nordwald zuerst in der Mitte flir die Kultur gewonnen
imd dadurch in zwei Hälften gespalten wurde, von welchen
die westliche noch längere Zeit zu Bayern zählte, wogegen
in der östlichen sowohl in Ober- als in Niederösterreich
sich unfknglicher Waldbestand bis auf unsere Tage erhalten
hat* Die äußerste Stelle, an welcher von der Riedmark
^ ^ viridi nemore*. Enndschaftsbrief 1277, OberOsterreichiflches Urkunden-
bnch m, 477.
' Koch 1376, 20. Joli bestätigte Hersog Albrecht III. nach erfolgter
Weisung, daß ,der Wald gelegen von Weitraoh gegen der Freystatt,
and haisset der Freywald, daran Ulrich von Dachsperg gemeret
hat, daß der Wald je und je ein freyer Wald gewesen sei' nach
Rat der Landherren, Bitter und Knechte, daß ,unser Burger zu Wey-
tra und alle Lenth die gemeiniglich in unserer Grafschaft und dem
Landgericht daselbst sizent, fÜrbas ewiglich in dem Wald freylich ohn
allem Zinß and Hindemiß fahren und den nuzen sollen und mfig^n ohn
des Torgenanten von Tazperg und menigclich Widerrede und Irung
10*
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132
ans eine Landnahme erfolgte^ zeigt die nördliche Znnge des
Amtes Leopoldschlag der landesfürstlichen Herrschaft Freistadt
an, welche mit den Dorfgründen von Eisenhnt, Hültschen^
Lentmannsdorf, Wullewitz nnd Stigersdorf sich ziemlich tief in
das Böhmerland vorstreckt. Die Landesgrenze in ihrem Zage
von Wullewitz in Oberösterreich bis Bachers in Böhmen scheint
die letzten sechs Jahrhanderte hindarch keine Veränderang
erfahren zn haben. Zwar wird in dem Teilangsbriefe der
Brüder Reinprecht, Friedrich, Wolfgang and Heinrich von
Wallsee-Ens 1356, 29. Jani^ die Ortschaft Zetwing am rechten
Ufer der Maltsch als Bestandteil des Amtes and Gerichtes
Leopoldschlag aafgeftihrt, allein diese Einverleibnng in das
Herrschaftsgebiet von Freistadt war vorübergehender Natar,
früher and später finden wir Zetwing in der Linehabang der
Herren von Rosenberg. So versetzte 1325, 21. Dezember* Peter
von Rosenberg die zwei Dörfer ,datz Zetbünne vnd ze dem
Nicolts' (Zetwing and Böhmdorf) an den erbem nnd getreaen
Ritter Bohank von Harach, wogegen im Jahre 1379 die villa
Czetwin mit IP/j Lehen, 8 Hofstätten nnd 3 Mühlen wieder
im Registram bonornm Rosenbergicoram* erscheint.
UDgeyerlich'. (Begl. Kopie 1613, 22. Juni im Freistädter Sohloßarchive.)
Dennoch bemächtigten sich, wie das Verzeichnis der Hanpt-Priyilegia
im Freistädter Stadtarchive c. 1618 klagt, die benachbarten Qmndherr-
schaften dieses Waldes, indem sie nicht allein den Wildbann, sondern
aach das Grundeigentum ansprachen, über Vieheintrieb, HolzschlSge-
rung, Ausrodung, Erbauung neuer Häuser unbeschränkt verfügten. End-
lich verschrieb Kaiser Ferdinand U. 1627, 10. Juni den Freiwald pfand-
weise an Graf Leonhard Helfried v. Meggau zu der demselben schon
1622, 22. Juni für dargestreckte 165.670 fl. übergebenen Herrschaft Frei-
stadt auch noch den Freiwald (Fasz. 26 Nr. 44, Fasz. 29 Nr. 9 im Sohloß-
archive Freistadt).
^ OberOsterreichisches Urkundenbuch VU, 461.
Fontes rer. Austr. XXm, 71.
S. 6, herausgegeben von Josef Truhlai? 1880.
Im Nachfolgenden einige richtiggestellte Ortsbestimmungen hier-
zu: S. 24 Nr. 200 Villa Sub Monte (Unternberg) sind die zwei Höfe
unterhalb des geschlossenen Dorfes HOrleinsöd. S. 26 Nr. 205 curia pre-
conis circa Weiden ist die Schergenhub (Kleinzell) bei Velden. 8. 25
Nr. 220 sollte es statt Jawgenpergeri heißen Hugenpergeri. S. 26 Nr. 213
Villa Stroitslag ist der Strathof bei HademUl. S. 26 Nr. 216 in Gallo
unus mansus ist der Hanhof. S. 26 Nr. 216 Fuchslag ist das große Dorf
Linden, so genannt von dem einschichtigen Fuchshofe. 8. 28 Nr. 235
Stadiin und S. 29 Nr. 241 Starlin curia Stadl (Ort) Bauer in Itosenau.
9
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133
Es dürfte daher wohl nur der Pfandbesits von den Har-
nchem an die Herren von Wallsee weitergegeben und schließ-
lich die Rüeklösung dnreh die Rosenberger erfolgt sein. Von
einer Yerftnderten Landesgrenze; wie sie die Karte des Gutes
Welleschin von Klimesch^ darstellt^ kann daher nicht wohl die
Rede sein, wenn es auch wahrscheinlich ist, daß Zetwing von
Benesch dem Siteren von Michelsberg frühzeitig an die Rosen-
berger veräußert worden ist.*
Vierter Abschnitt.
Ober den Zeitpunkt der Änderung der vormaligen Gren-
zen zwischen Böhmen nnd Oberösterreich nnd der An-
gliedemng des Crebietes im Norden der Donau an das
Land ob der Ens.
Weder das k. n. k. Haus- Hof- und Staatsarchiv in Wien,
noch das Statthaltereiarchiv und das böhmische Landesarohiv
in Prag, die Alrstlich Schwarzenbergschen Archive in Krummau
und Wittingau oder das gräflich Buquoische Archiv in Gratzen
enthalten Urkunden oder Akten, welche über Änderungen der
Landesgrenzen zwischen Oberösterreich und Böhmen Auskunft
geben würden. Es wird daher aus den Zeitverhältnissen zu
erschließen sein, in welcher Periode die Änderung stattfinden
konnte.
Im Jahre 1208 reichte das Herzogtum Österreich bis an
das Moldauufer; kein Umstand macht es glaublich, daß eine
8. 28 Nr. 287 villa Temreuth ist Damreut. 8. 28 Nr. 238 vilU inferior
Umuch ist Unter-Ürasch. S. 28 Nr. 289 in Hoohhansen duo bona Banem-
^t in Hochhausen, Nr. 240 yilla Nuspanm Noßbanmergut in Hoch-
hausen, Nr. 240 Sarg villa Zarghof, molendinam Czwetla Zwetlmühle,
Nr. 241 sap. Urnsch Ober-Urasch. S. 29 Nr. 242 Czelle Kleinzell (Ponhalm
statt Ponhalin), Nr. 248 Staynach Steininger, Nr. 249 in Monte Berg-
hätiser, Nr. 260 Sweikerzreut Schwackerreut, Nr. 251 Saliern Satling
Pfarre Oswald, Nr. 261 Lejmpach Laimbaoh Pfarre Oswald, Nr. 246
Villa Zejf£ anf Pahel Ptthelbaner in Zeiß Pfarre Neumarkt bei Freistadtt
' Za 8. 106, Band XXni der Mitteil, des Vereines für Geschichte der
Deatschen in Böhmen.
' Zn dem Abschnitte zu vergleichen die gut orientierende neueste Schrift
Dr. Valentin Schmidts ,Die dentsche Besiedlung SttdbOhmens' in der
Monatsohrift deutsche Arbeit" (S:. Bellmann, Prag) IV, 571—574.
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134
Gebietsabtretong zur Zeit der Babenberger erfolgt wäre. Damit
wäre das Jahr 1246 als terminns a quo festgestellt.
Im Jahre 1259 gehörte Hohenfnrt und Umgebung bereits
zn Böhmen; denn der Berg von Kapellen war ein Grenzpunkt
gegen Bayern. Das Jahr 1259 ist also der terminos ad qnem.
Demnach wird innerhalb des Zeitraumes 1247 bis 1258
die Grenzverrückung stattgeftmden haben. Der eigentliche
Kampf um das Babenberger Erbe begann nach dem Tode des
Prätendenten Hermann von Baden (1250, 4. Oktober), in der
ersten Hälfte November 1251 rückte der böhmische Thronfolger
Pfemysl in Oberösterreich ein. Die folgenden Jahre brachten
die E^ämpfe um die Steiermark, die schließlich dem Könige
Bela von Ungarn überlassen werden mußte. Die Verwaltung
des Gebietes ob der Ens — zwischen Hausruck und Ens — ver-
blieb dem bisherigen Landsohreiber der Steiermark, nach dessen
baldigem Tode (9. Februar 1255) König Otakar Herrn Wok
von Rosenberg ab Hauptmann über den neuen Distrikt ob der
Ens bestellte, was schon dadurch außer Zweifel gestellt ist^
weil derselbe im Jahre 1256 dem Landtaidinge in Linz vor-
saß, vor welchem Abt Bohuslaus von Zwetl die Mautfreiheit
des Salzbedarfes seines Klosters erwies. Nach Beendigung des
Kampfes mit Ungarn begann die organisatorische Tätigkeit des
neuen Herrschers, er erläßt den neuen Landfrieden, setzt obere
Landrichter ein und ordnet die bisher von Witigo provisorisch
geführte Verwaltung des Distriktes ob der Ens durch Bestel-
lung Woks von Kosenberg als Hauptmann.^ Dieser Zeitpunkt
war der passende, den von der Steiermark verbliebenen Ge-
bietsrest zu einem lebensfähigen besonderen Verwaltungsbezirke
dadurch auszugestalten, daß die mit dem Markherzogtume
Österreich am linken Donauufer an Linz vorbei bis an die
Große und an die Rausche-Mühel reichenden westlichen Land-
striche (Machland, Biedmark, Wachsenberg), welche von dem
Hauptkörper des Herzogtums großenteils noch immer durch große
* Nicht früher, wie YAiicsa, Geschichte Nieder- and OberOsterreichs, 8. 506,
Anm. 2 za vermuten geneigt scheint. Denn Witigo füllte schon als Land-
schreiber von Steiermark die Stelle des Landrichters ans (siehe Gebart
des Landes ob der Ens, S. 118—119) und lag fUr KOnig Otakar kein
Anlaß vor, ihm dieselbe in dem übriggebliebenen Stücke des Steier-
landes in dem nur nenn Monate noch währenden Zeitraome bis zar
Ermordung Witigos zu entziehen..
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185
Waldungen geschieden waren nnd handgreiflich die Verwaltung
von (Nieder-) Osterreich ans erschwerten, von letzterem abgelöst
nnd mit dem Distrikte ob der Ehis zn einem homogenen Lande
verbünden wurden. Hierzu mag auch der Ratschlag Woks bei-
getragen haben, der diesseits und jenseits der Rausche-Mühel
begütert war xmd den wir 1258, 9. Februar^ in Schadlinz (der
heutigen Stadt ür£Ekhr gegentlber von Linz, damals zum Land-
gerichte Wachsenberg gehörig) antreffen. Das Jahr 1255 bot
auch den passendsten und sicherlich den einzigen Anlaß zur
Abtrennung dieser Landstriche und zur Abrundung des Di-
striktes ob der Ens ; denn als dem Herzoge Heinrich XTTT. von
Bayern vom Könige Rudolf das Land ob der Ens (,districtus
noster super Anasum' nennt es Heinrich in der Urkunde für
Kloster Meten 1277, 8. April)* verp&ndet wurde, muß es schon
das Gebiet im Norden der Donau in sich begriffen haben, weil
sonst doch nicht die Mitgift seiner Schwiegertochter, der
Schwester Herzog Albrechts, nachträglich (1283) neben Neu-
burg am In auf die Burgen Freistadt und Klingenberg und
auf Mauthausen angewiesen worden wäre.' In letzterem Orte
hat auch Herzog Heinrich noch zu Ostern 1280 dem Kloster
Baumgartenberg die Freiheiten bestätigt.^
Hand in Hand damit wird die Vonückung der böhmischen
Grenzen an die heutige Stelle gegangen sein; denn sicherlich
nicht ohne tiefgehenden Grund wurde dem Könige Otakar in
dem Friedensvertrage von Wien 1277, 6. Mai*^ auferlegt, die
' Urkunde Kopie im Allgem. Reichsarchive in München ex cod. tr^d. qnarto
pat. foL 22'; in Mon. Boic. XXIX b, 119 bloßes Regest. Wok sendet seine
Eigengüter in Ober- und Unter-Swant und in Yreudental (Riedmark)
per manom H. et W. junioris de Schovmbercb der Kircbe Passau auf.
Actnm in Schadlincz.
* Mon. Boie. XI, 446.
' Böhmer, Witteisbacher Regesten, S. 86. Kleine bayrische Annalen (Neues
Archiv XXIV, 689): Rudolfds rex fuit in discordia cum dnee Heinrioo
Bavarie, sed sunt concordati restitntis ipsi regi Lintza, Welsa, Styra et
aliis castris et filio suo duci Ottooi assignatis Castro Nuwenburg et
Frienstat et Riedmarche.
* Lebitsch, ,Thesaurns monasterii B. Y. M. de Monte Pomoerio*, p. 96 Hand-
schrift in der Studienbibliothek in Linz.
' Redlich, Regesta Imperii unter KOnig Rudolf, Nr. 762. Mon. Germ. Leges
n, 414 ,meti8 Bohemie, Morayie et Austrie in eo statu manentibus, quo
tempore clare memorie Leupoldi et Friderici ducum Austrie ab iisdem
dadbus poMesse'.
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136
Marken von Böhmen^ M&hren und Österreich wieder so her-
zustellen, wie sie zur Zeit der Herzoge Liutpold (VI.) und
Friedrich (IL) gewesen seien, mochte auch Otakar noch so eifrig
gegenteilige Versicherungen abgehen.^ Die bezüglichen An-
sprüche Herzogs Albrecht I., gestützt durch den Rechtspruch
der Reichs£Ürsten, Grafen, Freien und Dienstmannen 1288,
12. April,* werden nicht wenig dazu beigetragen haben, die
Zwietracht mit seinem Schwager König Wenzel U. zu nähren,
so daß König Rudolf noch vor seinem Tode (1291) zu inter-
venieren veranlaßt wurde. •
Unter dieser Voraussetzung erklärt sich denn auch, aus
welchem Grunde das österreichische Landbuch, dessen Hand-
schrift 2782 der Wiener Hofbibliothek aus diesem Zeiträume
(um 1290) stammt, in der Beschreibung der Grenzen Öster-
reichs bei dem Unctomberg plötzlich abbricht und, die ganze
Linie der oberösterreichisch- böhmischen Grenze übergehend,
erst wieder auf niederösterreichischem Boden einsetzt. Ist der
Unctomberg des Landbuches der sogenannte Güntherreuter
Berg an den vormaligen Gemerken der Landgerichte Schlägl
und Haslach,^ so war gerade diejenige Markung ausgelassen,
welche damals zwischen Böhmen und Osterreich strittig war.
Die bayrische Grenze scheint zu dieser Zeit schon von Ka-
pellen zurückgewichen, wenigstens von Albrecht nicht mehr
geachtet und der Anspruch der Landeshoheit auch über das
Obergericht der Witigonen ausgedehnt worden zu sein.
Die so lange schwebende Grenzfrage wird durch König
Rudolf bei der Zusammenkunft in Erfurt (April 1290) zugun-
sten Böhmens aus der Welt geschafft worden sein; denn da-
mals sandte Rudolf seinen Sohn Herzog Rudolf mit einem
Heere dem König Wenzel gegen die Witigonen zu Hilfe und
bestand noch nicht die hochgradige Erbitterung der Schwäger
gegeneinander. Wenzel war damals auch in der Lage, dem
österreichischen Herzog ein Äquivalent für den Verzicht auf
weitere Verfolgung der österreichischen Grenzansprüche anzu-
^ Redlich, Regesta Imperii nnter König Rudolf, Nr. 800.
» a. a. O. Nr. 2162. » a. a. O. Nr. 2416.
* Siehe den Aufsatz: I. der Unctomberg des Landbuches in Mitteil, des
Inst, für Osterr. Geschichtsf. XXIV, 647 ff. An den Berg swischen Rosenau
und Unter-Urasch ist nicht zu denken, derselbe liegt von der Großen
Mühel zurück und bat eine runde Kuppe.
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137
bieten; denn la verrnnten, daß Albreoht ohne entsprechende
Gegenleistung sich beruhigt hätte^ hieße das Wesen dessell^n
vollständig verkennen^ da er sich bei der Wiedererlangung
verloren gegangener Rechte oder Ansprüche keinerlei Rück-
sichten auferlegte, wie sein Vorgehen bei Elröfinung des Sala-
baues im Gosautale seigt (worüber die zweite Abhandlung be*
riditen wird), so daß er schon kurze Zeit nach Besteigung des
Fürstenstuhles von seinem Vat^r König Rudolf ernstlich er-
mahnt werden mußte, den Bischof Gottfried von Passau schon
um der Verdienste um seine Person selbst halber gebührlicher
zu behandeln.^
Dieses Äquivalent war die große Herrschaft Falkenstein
zwischen Ranna und Großer Mühel, gehörig dem Witigonen
Zawisch von Krummau, welche nun Herzog Albrecht gleichsam
als Achtvollstrecker des böhmischen Königs 1289 in seine Ge-
walt brachte und in derselben fortan behielt. Albrecht hätte
nicht der gewiegte Politiker sein dürfen, der er tatsächlich ge-
wesen ist, wenn er nicht sogleich erkannt hätte, daß dieser
Besitz ihm die Ausdehnung der Territorialhoheit bis an die
Ranna verbürge und das passauische Kirchengut unter seine
Herzogsgewalt beuge. Die rasche Entwicklung dieser Verhält-
nisse wird im zehnten Abschnitte auseinandergesetzt werden,
welcher überhaupt die quellenmäßige Ergänzung zu dem Ge-
sagten bildet.
Mit der Besitznahme von Falkenstein sind die Grenzen
des oberösterreichischen Territoriums gegen Westen endgültige
geworden; die Ausdehnung derselben hinein in das Herz des
Passauer geistlichen Fürstentums (von 1606 bis 1765) blieb
eine Episode.
Die Darstellung der Grenzfrage war eine äußerst schwie-
rige, da die Archive jede direkte Auskunft versagten. So sicher
es ist, daß die Grenzen zwischen Böhmen und Oberösterreich
andere als die heutigen waren, so gering waren die urkund-
lichen Spuren, aus welchen der frühere Grenzzug ermittelt
werden konnte. An Fleiß, solche ausfindig zu machen und aus
politischen Verhältnissen Rückschlüsse zu ziehen, hat es der
Ver&sser nicht fehlen lassen. Er glaubt daher, im vorstehen-
den keinen bloßen Hypothesenbau zu bieten, ist aber weit
* Redlich, Regesta Imperii unter K(}nig Rudolf, Nr. 1869.
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entfernt, den Anspruch zu erheben, mit seinen Aufstellongen
und Anregungen jedesmal das Richtige getroffen zu haben;
einem nachfolgenden Forscher mag es gelingen, sich reicheres
Material zu verschaffen, Verhältnisse, welche sich dem ersten
spähenden Blicke verborgen hielten, ganz klarzulegen und das,
was noch als Hypothese belassen werden mußte, zur histori-
schen Gewißheit zu erheben.
Fünfter Abschnitt.
Das 12. Jahrhundert Die großen freien Geschlechter
und der Eirchenbesitz.
Die neue Ostmark war bei ihrer Wiedererrichtung nach
der Schlacht am Lech auf die Einwanderung aus dem Stamm-
lande Bayern angewiesen, sowohl was Verteidigung, als auch
was die Kulturarbeit betraf. Den hochfreien Geschlechtem
überwies die Gunst der Könige umfangreiche Strecken herren-
losen oder verödeten Landes, zumal bedeutende Anteile des
Nordwaldes, der in dichten Beständen das linke Donauufer er-
füllte. Die alten Geschlechter sind längst dahingegangen, ihre
Güter an die Kirche vergabt oder vom Landesfürsten einge-
zogen, die Gabbriefe, soweit solche ausgefertigt wurden, bis
auf seltene Ausnahmen verloren. Ein solcher von König Otto DI.
zu Rom 998, 29. April * über das Gut Nöchling fllr seinen
NeflFen Herzog Heinrich von Bayern ausgestellt, ist erhalten
geblieben; er interessiert an dieser Stelle, weil er für die ur-
sprüngliche Zugehörigkeit der Riedmark zur neuen Ostmark
Zeugnis ablegt. Denn das predium Nochilinga wird bezeichnet
als gelegen in pago Osterriche vocitato ac comitatu heinrici
marchionis et inter fluvios Ispera et Sabinicha, also in der Ge-
gend westlich vom Isperbache, welcher in späterer Zeit wenig-
stens im Oberlaufe die Riedmark abschloß.
Von der Isper bis zur Hz hinauf finden wir im Beginne
des 12. Jahrhunderts sechs hochfreie Sippen angesessen: die
Herren von Machland und Perge, die Herren von Aist, die
Herren von Haunsperg, die Herren von Wilhering-Wachsen-
1 Mon. Germ. Dipl. n, 711.
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139
berg, die Herren von Schönhering-Blankenberg, die Herren von
Griesbach, dazwischen Besitz der Hochstifter Regensbnrg and
Passan.
Die Herren von Perge, welche sich erst um 1100 in die
beiden Zweige von Perge und von Machland teilten^ sind es
zweifellos gewesen, welche im 11. Jahrhundert dem rauhen
Forste große Stücke Kulturlandes abgerungen, im Flachlande
1141 des Zisterzienserkloster Baumgartenberg, am steilen Ufer-
rande 1147 das Chorherrenstift Sabnich (Waldhausen) gegrtLn-
det haben. Mit der Erbtochter Walchuns von Machland-Eüamm,
Adelheid, fiel der Besitz des Machländer Zweiges an die Grafen
von Velburg, von ihrem Enkel Graf Ulrich von Velburg-
Klamm 1218 vertragsmäßig an Herzog Liutpold VI., nachdem
das Eigen des Perger Zweiges, schon zu Lehen geworden, nach
dem Tode des letzten Namensträgers des Vogtes Friedrich be-
reits 1191 eingezogen worden war.
Der Besitz dieses großen Geschlechtes war weit und breit
zerstreut; auf oberösterreichischem Boden nördlich der Donau
reichte er vom Weidenbache bei Hirschenau herauf bis an die
Aist und Waldaist; aus den Urkunden, zumal jenen über die
Stiftung der Pfarre Pergkirchen, ist deutlich zu entnehmen,
daß die Güter der beiden Familienzweige durch den Falken-
auerbach (bei Dobra nächst Arbing) getrennt wurden, von wel-
chem die Scheidelinie über die Nam hinüber nach Ruprechts-
hofen zur Donau lief. Die Burg Perge, von welcher das öster-
reichische Landbuch spricht, dürfte kaum an der Stelle
gestanden sein, wohin sie die ältere Spezialkarte versetzt;
dieselbe hätte dem Augenscheine nach selbst ftir einen be-
scheidenen Burgstall nicht Raum geboten. Die Burg Machland
stand offenbar auf der Stätte des nachmaligen Klosters Baum-
gartenberg. ^
Zur Übersicht der Versippung dieses Geschlechtes mit
anderen Familien diene nachstehende Stammtafel nach Meiller,
Salzburger Regesten, S. 467, jedoch teilweise ergänzt und be-
richtigt:
^ Otto Yon Machland widmete »castrum Bunm' zu einem Kloster 1141,
OberOsterreichisches Urknndenbach II, 192. Die Urkunden von Baum-
gartenberg und Waldhansen bedärfeu einer eingehenden Untersuchung,
da sie manche Fälschungen enthalten.
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141
Über die Abstammung des Herrn Dietmar von Aist, der
in ansehnlicher Stellung auftritt^ sind wir durch eine Tradition
nach St. Peter ^ unterrichtet; als bereits verstorben wird er in
dem Diplome Herzog Heinrichs 1171* gemeldet.
Die Bnrg Aist erhob sich^ in kurzer Entfernung von
der Straße Mauthausen-Freistadt im Westen des Dorfes Alt-
aist auf einem kleinen Plateau der nordöstlichen Halde des
443 m hohen Altaistberges, Parzelle 320 des alten stabilen Ka-
tasters der Steuergemeinde Altaist, auf welcher wieder der
Hochwald aufgeschossen ist. Die Anlage weist auf eine früh-
mittelalterliche Entstehung hin. Die letzten Reste der Ruine
wurden 1778 zum Umbaue des Kneißlhofes in Altaist ver-
wendet.
Nach dem Tode Dietmars gedieh die Burg mit der Hand
seiner Schwester Sofie an Engelbert (H.) von Schönhering-
Blankenberg.^ Im 13. Jahrhundert finden wir die Ortschaft Alt-
aist mit der ganzen Umgebung^ die füglich als Herrschafts-
gebiet von Aist zu betrachten ist; im Urbar der Babenberger^
ohne daß im Landbuche eine Nachricht erhalten ist, auf welche
Weise sie an die Herzoge gelangt ist.
Lasberg und Umgebung*^ wurden nach dem Tode Hein-
richs von Griesbach vom LandesflLrsten eingezogen ^ jedoch
wieder zu Lehen ausgetan. Nirgends häufiger als in der P£uTe
Lasberg kommen noch in den letzten Jahrhunderten des Mittel-
alters landesftirstliche Lehen vor; die Feste Lasberg, welche
Hans der Lasperger als österreichisches Lehen besaß/ stand
nicht im Aigen Lasberg, sondern war gleichbedeutend mit der
Veste Domach, welche noch im Anfange des 15. Jahrhunderts
in der Lmehabung der Lasberger war.
^ Hattthaler, Salsb. Urknndenbach I, 376.
' OberOsterreichisches Urkandenbnch U, 846.
' KAch den technischen Erhebungen des Gntsverwalters a. D. Ludwig
Benesch in Lini, die er dem Verfasser vor Abdruck des Auftatses ,Ver*
•chwundene Burgen der Aistgegend' in der jLinser Tagespost' (Unter-
haltungsbeilage) mitauteilen die Güte hatte. Nun abgedruckt Nr. 84.
* Vgl. die Aldersbacher Au&ehreibung, Oberösterreichisohes Urkundenbnch
n, 843.
' Zirka 1160 vergabte Bichza Tidua domini Walchuni de Griespaoh ein
predium in Riedmark an Passau. Mon. Boic. XXEXb, 266.
^ Lehenbuch H. Albrecht VL 1896 im Wiener Haus-, Hof- und Staats-
aichiT, Sign. 39.
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142
Zwischen den Gebieten der Perge-Machland und jenen
der Aister and Griesbacher schob sich der Besitz der Kirche
Begensbnrg zwischen Aist und Waldaist einerseits and der
Nam andererseits ein; derselbe reichte von Aisthofen (südlich
Schwertberg) bis in die Pfarre Schönaa (stldwestlich ünter-
Weißenbach)^ wo er an die ehemals machländischen^ seit 1218
herzoglichen Eigen der Pflege Ratenstein stieß. Noch im Jahre
1793^ sind verschiedene Güter in den Pfarren Zell bei Zellhof
and Schönaa mit dem Lehenbande von Regensbarg behaftet,
obwohl der Markt Zell samt Gütern, Baaem and Holden and
den Beatellehen in den Pfarren Tragein, Zell, Schönaa, Schwert-
berg, Arbing, Pergkirchen and Wartberg vom Bistamsadmi-
nistrator von Regensbarg Johann bereits 1536, 1. Mai an Hille-
prand Jörger veräaßert* and 1605, 13. September • aach die
Feste and Herrschaft Windeck dem Herrn Georg Erasmas v.
Tschemembl freigemacht worden waren. Der Landstrich war
einer der drei Lasse des Bistams Regensbarg, von denen das
Landbach spricht. ,Der ein llz hevet sich an dem Peheimischen
gemerch zwischen der Narde ant der Agst den zwein wazzem
antz in die Tanowe.'* Nicht richtig ist aber die Behaaptang
des Landbaches, daß ,der herzöge von Österreich^ diesen Laß
von Regensbarg za Lehen hatte, erst König Otakar zog ihn
an sich and belehnte die Kaenringer von Steyregg mit der Feste
Windeck, welche wahrscheinlich bis 1235 ein Kirchenlehen der
Domvögte von Lengenbach war; König Radolf verfllgte 1277
die Rückstellang von Zell, Henberg and Aisthofen,^ Herzog
Albrecht 1287 die Wiederherstellang der Lehensherrlichkeit
des Hochstiftes über Windeck.^
^ Als Regensbnrger Lehen erscheinen im alten Gnmdbnche Zellhof: das
große Geroldslehnergut zn Zellhof, das Biglergnt zu Enollhof, das Banem-
und das Lngbichlergut zn Lanzendorf, das Wagenlehner-, das Kotriener-,
das Wilhelm- nnd das Fragnergnt zu Aich, das Rablgnt zn Hirtlhof, das
Fischl- nnd das Großschergengnt nnd das Kleinschergenhaas zn Wol&-
gmb, das Anrolzlehnergnt in Straß. Diese Lehen wurden 1803 landes-
fürstlich, waren mit dem Besitze der Herrschaft Zellhof verbunden. (Ver-
zeichnis vom Jahre 1818 im Archive Greinburg.)
' Kopie im Archive Greinburg (Abt. Prandegg).
• Registratur über die bei der Herrschaft Schwertbeig vorhandenen Brief-
schaften im Schloßarchive Schwertberg.
* Mon. Germ. Deutsche Chroniken ni/2, S. 714.
' Oberösterreichisches Urkundenbuch HI, 470. • a. a. O. IV, 76, 76.
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143
Was der codex, trad. pat. qnartu8 ans der Mitte des
13. Jahriiimderts von den Besitzungen zwischen Flemitz und
Feidaist, dann zwischen Waldaist und Feidaist behauptet,
welche der Domvogt von Regensburg von der EJrche Passau
za Lehen getragen haben soll/ findet keine urkundliche Be*
stfttigung. Dagegen war das Schloß Steyregg (Steyrheke
castnun), das vormals ^dominus de hagenowe^ innegehabt,
passauisches Lehen des Steiermärkers Liutold von Wildon ; die
Herrschaft dehnte sich schon um 1220 über die Donau um
Linz und den Kümberg herum bis in die Pfiirre Alkoven
ans, wo ein Holde in Raffelding bei Eferding erwähnt wird.'
Durch Liutolds Tochter Gertrud kam Steyregg 1241 an AI-
bero von Knenring,' 1280 an die Herren von Kapellen. Wenn
die Aufschreibung von 1254 — 1256 (nicht zirka 1150, wie die
Hon. Boic. und das oberösterreichische Urkundenbuch angeben)
behauptet, ,omnia ad castrum pertinentia^ seien hochstiftische
Lehen, so ist das nur von dem Besitzstande der gedachten
Zeit zu verstehen; denn die Hintersassen um Altaist (später
Amt Altenhaus mit eigenem Pantaiding^ wurden von denen
von Kapellen aus österreichischem Herzogsgute erworben.
Das Schloß Riedegg (castrum Riedekke), für welches
ein Besitztitel mangelt, dürfte das Hochstift von dem letzten
Haunsberger Gottschalk erworben haben; nach der Vermutung
Handel-Mazettis wird jener Gotschalcus de Riedekke, der in
zwei Urkunden des Jahres 1157 genannt wird,^ ein Hauns-
berger geweseji sein. Vom Bischof Rudiger vor 1250 an Ulrich
von Lobenstein verpfändet, jedoch 1256^ zurückgelöst, wurde
die Herrschaft mit dem Markte Gallneukirchen 1411 an die
Starhemberger veräußert.
Den Freien von Haunsperg,^ welche am linken Donau-
nfer gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts als Nachbarn von
Wilhering auftreten, gehörte der lange Landstrich, welcher
^ Mon. Boic. XXIXb, 216.
' OberOsteireichiBches Urkundenbuch n, 488.
» «. «. O. m, 97.
* Im SehloßarchiTe Steyregg. Vgl. das Lehenbach Jansen von Kapellen
im Elferdinger Archive, Abschrift im Linzer Mosenm.
» Mon. Boic. XXVHIb, 111, 237.
* OberOeterreichisches Urkundenbuch m, 230.
^ Stammtafel bei Handel-Mazzetti, ,Das Gemärke von Wildberg*, S. 51.
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östlich von der Saomstraße^ welche von Urfahr durch den
Haselgraben über Helmonsöd, Rudersbach, Sonnberg, Zwetl
und Leonfelden nach Böhmen f^rt und westlich von einer
Linie begrenzt wird, welche etwa über E^mmerschlag und
den Schefweg zur Rotel, dann jenseits derselben durch den
Brunnwald und Stemwald zu ziehen ist. Durch die domina
Adelheid von Haunsperg, wohl die Tochter des letzten Haun-
spergers, gelangte der ganze Komplex mit der Burg Wildberg,
dem Hochstifte zu Lehen aufgetragen, an den Dienstmann Gun-
dacker von Steyr, den Stammvater der Starhemberger (1198).
Wie aus den Grenzbeschreibungen hervorgeht,^ fielen die Herr-
schaftsgrenzen weder mit der alten Grenze der österreichischen
Mark und Bayerns (vor 1180), noch mit jenen der Gerichte
Freistadt und Wachsenberg zusammen.
Nach dem Gebiete der Haunsperger folgten im Westen
die Besitzungen der Herren von Wilhering, die nach der Klo-
stergründung sich von Wachsenberg nannten. Ihre Stamm-
sitze lagen in Niederbayem, doch wird das castellum Willehe-
ringen schon im Jahre 1122 genannt.* Ulrich der Altere und
seine Hausfrau Ottilia stifteten die Pfarre Grammastetten 1 110,'
der jüngere Ulrich, dessen Bruder Kolo und Schwester Eli-
sabeth wurden die Stifter des Klosters Wilhering. Mit Elisabeth^
ging Wachsenberg an die Herren von Griesbach über.
Auch letztere dürften ursprünglich am rechten Donauufer
ansässig gewesen sein, wenigstens hatten sie noch zirka 1165
Lehenbesitz zu Hellham in der Pfarre Aspach (Amtsgericht
Rottalmünster).^ Um Lasberg bei Freistadt gründeten sie die
Kirche aus grünem Walde. Zur Zeit, als sie in Urkunden auf-
treten, lag ihr Hauptbesitz am linken Donauufer zwischen Hz
und Ranna und tief landeinwärts in den Nordwald. Wir kennen
denselben ganz genau, weil eine urbariale Aufzeichnung davon
^ OberOsterreichisches Urkundenbach 11, 461; Mon. Boio. XXIX b, 471;
Hftndel-Mazzetti, a. a. O. S. 48.
» Mon. Boic. IV, 127.
' OberlJsterreichisches Urkundenbach H, 129.
* Da Elisabeth nach dem Jahre 1206 nicht weiter vorkommt und nicht,
wie Stilla irrig annahm, noch 1221 — 1280 lebte, besteht kein Hindernis,
die ,Stifterin* Elisabeth von Waohsenberg mit der Schwester der Stifter
zu identifizieren, um so weniger, als sie schon 1194 erwachsene SOhne
hatte.
» Mon. Boic. V, 20.
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146
aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhnnderts erhalten ist^
Dieselbe beginnt mit den Worten: ,Item iudiciom in onmibus
bonis Eberhard! de Wazeinsdorf ceperat yacare domino de
Wcsinberch*, zählt dann eine lange Reihe •von Gütern und Ort-
schaften auf, womach sie bemerkt: ,In hiis omnibas villis et
locis snpradiciis dominus H. de Waessenberch jurisdictionem
iadidi* habebat ad terminum vite sue^^ fkhrt dann fort: ,Pre-
terea in hiis vilUs', worauf eine weitere Besitzreihe folgt, und
schließt mit dem Absätze: ,Hec sunt ville in quibus Chunradus
de Valchinstein iudicium tenuit post obitum domini H. de
Waessenberch contra iusticiam. Nidemdorf iuxta Oriezpach.
Chranwit. Puchaehe. Grube. Wingozsdorf. Papensperge. Pfaffen-
riut Hezelsdorf. Gunthersperge. Schaibinge. Huntsrukke. Jaer-
dort Pouzinspei^e.*
Als freier Besitz werden folgende Ortlichkeiten benannt:
Schmiding Pfarre Tymau, Donauwezdorf und Kammer-
wezdorf (utrumque Wezeinsdorf) Pfarre Tymau, Kudolfing (zwi-
schen Griesbach und Eck), Gundachersperge, Wilhartsberg
Pfiure Straßkirchen, Jageröd (Jagemriute) Pf^r^e Straßkirchen,
Glozing (Glazinperge mit Ausnahme der Güter H. von Auf-
haus^i) Pfiurre Hauzenberg, Suenechinsdorf, Waming (utrum-
que Weminge) Pfarre Tymau, Katzendorf (utrumque Chazin-
zagil) Pfarre Huttum, Kamping Pfarre Straßkirchen, Schwieging
Pfarre Straßkirchen, Kriezing Pfarre Straßkirchen, StoUing
Pfarre Straßkirchen, Elranwitten Pfia.rre Straßkirchen, Grillinge,
Ghirtsowe, Wazinge, Hattingerhof Pfarre Hauzenberg, Germans-
berg Pfarre Huttum, Hertwigesprante, Krempelsberg Pfarre
Huttum, Gözendorf (Gezpach) Pfarre Straßkirchen, Heizing
Pfarre Tymau, Vocking (Wottinge) Pfarre Tymau, Bembach
Pfarre Huttum, Tragenreut Pfarre Huttum, Niederpretz (mit
Ausnahme der Güter der Söhne Heinrichs) Pfarre Kömbach,
Oberpretz Pfarre Huttum (mit Ausnahme von zwei Lehen, die
nach Pözerreut Pfarre Römbach gehörten), ganz Wilhelmsreut
^ Im Index reditnom ecclesiae pAtav. Mon. Boic. XXVUIb, 169 — 170,
464—465.
' Oleichbedeatend mit Judicium provinciale. Daß den Griesbachern Gra-
fenrechte snstanden, zei^ die Stelle ,cometie trans Danubium, quam
quidam Heinricoa nobilis de Waessenberch quandoque possedit* im Ver-
gleiche des Grafen Rapoto von Ortenberg mit Passau 1241, 19. Februar,
Mon. Boic. XXVIIIb, 841.
Arckiv. XCiy. B«id. 11
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146
Pfarre Rörnbach, Lueinsriute (Ulrichsreut?), Höberberg Pfarre
Römbach, Steinerlaimbach Pfarre Rörnbach, Mitter- und Ober-
laimbach Pfarre Waldkirchen (tria Leimbach), Gotschalchesrivte
(Goggereut), Ödhof und Landmansberg Pfarre Rörnbach, Praß-
reut Pfarre Rörnbach, Marchetsreut Pfarre Rörnbach, Emperts-
reut Pfarre Rörnbach, KoUberg Pfarre Rörnbach, Neureut
Pfarre Rörnbach, Reiteisberg (Reitleinsberg) Pfarre Rörnbach,
Mortperch (Marktberg), Nunnendobl (Munddobl) Pfarre Rörn-
bach, Cigilstadel, Falkenbach (Valchinberch) Pfarre Rörnbach,
Köppenreut Pfarre Rörnbach, Garham Pfarre Rörnbach, Eum-
reut (Chugenriute) Pfarre Rörnbach, Obemdorf nächst Rörn-
bach mit Ausnahme des Hofes Ludwigs, Rorenbach (Markt
Rörnbach), eine Mühle in Laimbach und eine in Kollberg,
Rumpelstadel Pfarre Rörnbach, Harsdorf (Haistolfsdorf) Pfarre
Rörnbach mit Ausnahme der Güter Imfrieds und H. von
Pocksruck, Rappmannsberg (Rachemannesperge) Pferre Rörn-
bach, Liebemannesriute (mit Ausnahme der Güter Raffolds)^
Grillenperge mit Ausnahme des Hofes Rafolds (Grillaberg Pfarre
Waldkirchen), 'Dwerhennowe mit Ausnahme des Hofes Rafolds^
Earlsbach Pfarre Waldkirchen, Wozmansreut Pfarre Wald-
kirchen, Raffelsberg Pfarre Waldkirchen, Höhenberg Pfarre
Waldkirchen, Libdorf, Rudolfinge, SoUing (Sellinge) Pfarre
Waldkirchen, ünholdenberg Pfarre Waldkirchen, Oberhöhen-
stetten (Oberhohenstegen) Pfarre Waldkirchen, Außerprünst
(Prunste) Pfarre Rörnbach, Deching Pfarre Rörnbach, Ernsting
Pfarre Rörnbach, Lenzingerberg Pfarre Huttum, Sldenrivte
(Saderreut Pfarre Huttum), Tungozinge, ein Hof in Pezenstadel
Pfarre Hauzenberg, der Hof Wingersdorf Pfarre Kellberg.
Außerdem in folgenden Orten (Preterea in hiis villis): in
Adelungaeriute, in Eberhartsriute,^ in Pühret (Pirchae) Pfarre
Rannariedl, in Grub (Grube) Pfarre Rannariedl, in Reinol-
desriute, in Eizendorf (Eizendorf) Pfarre Rannariedl, in Groß-
Mollesberg (in maiori Malensperge) Pfarre Rannariedl, in Kro-
tental Pfarre Gotsdorf, in Kinzesberg (Gunthersperge) Pfarre
Griesbach, Hastorf (Hezelsdorf) Pfarre Griesbach, Rackling
^ Diese beiden örtlichkeiten lassen sich nicht mit Bestimmtheit identifi-
zieren; sie dürften jedoch in der späteren Ortschaft Nenstift, welche im
Jahre 1509 bereits 32 Lehen zählte, enthalten sein; in Reinoldsrent,
welches im Dialekte Ranneried oder Rannaried lauten sollte, ist die
heutige Ortschaft Dorf Rannariedl zu vermuten.
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(Raekeleinsdorf) Pfarre Obemzell, in Houzinberge (Markt
Hauzenberg), in Grub bei Hanzenberg, in Od bei Jardorf,
in Schergendorf Pfarre Griesbach, in Mitterreut Pfarre Gries-
hach, in Hondsmek Pfarre Griesbach, in Ederlsdorf (Ederams-
dorf) Pfiure Obemzell, F^rsezing bei Hanzenberg, Garham bei
Hanzenberg, in Hnnaberg (Hnngerperge) Pfarre Hanzenberg
samt M&ble, in Fattendorf (Vatendorf ) samt Mühle, in Zwölfling
Pfarre Tyman, in Baßbach (Kispach) Pfarre Tyman, in Oberan
bis ünterau, in Pezenstadel Pfarre Hanzenberg, in Pfaffenrent
Pfarre Griesbach, in Widahe (Weidach oder Weiret), in Kndol-
fing zwischen Griesbach und Eck, in Leizesberg Pfarre Gries-
bach, in Banzing südwestlich Hanzenberg Gemeinde Wotzdorf,
in Chalptrage, in Eggersdorf bei Kellberg, in Kapfham bei
Kellberg, Leiten Pfarre Kellberg, Reut, Bnchsee Pfarre Kell-
berg, in Zwecking, in Sazbach Pfarre Tyman, in Pisling Pfarre
Kellberg, Eck, Anbach Pfarre Kellberg, Niederndorf Pfarre
Obemzell, Od (Ober- nnd unter-) Pfarre Griesbach, Kronawiten
Pfarre Obemzell, Widen, Tanbing (Donhinge) Pfarre Gries-
bach, Pabesperge, Unter-Ezdorf Pfarre Griesbach.
Von den Lehen Wemhers von Winsperch: 4^/, Güter in
Leizesberg, ein halbes Gnt zn Eck bei Griesbach, ein Hof in
Mazenberg, ein halbes Gnt in Wezendorf (ohne DiflFerenzie-
nmg), ein halbes Gnt in Erlazwisel, welche Bischof Otto nm
1255 dem Pilgrim von Tannberg verlieh,* dürfte wenigstens
ein Teil vormaliges Griesbachsches Eigen gewesen sein.
Was das Hochstift selbst nrsprünglich im Lande der Abtei
besaß, verzeichnet der Lonsdorfer Kodex nnter der Rubrik:
,Ista sunt nomina villamm et locornm in Abbatia, ad que per-
tingere debet Judicium et jurisdictio domini pataviensis epi-
scopi/* Sie werden zur Übersicht und zum Vergleiche gleich
hierher gesetzt:
,Termini qui vulgariter dicuntur Enzenwisen Ahan, atti-
nent episcopo', weiters die ürbaruntertanen der Kirche, gleich-
falls alle Güter, welche Pabo von Liebenstein besaß. Ferner
steht dem Bischof das Gericht zu auf allem Besitz der Edlen
von Hals in der Abtei, ebenso auf jenem Tiemos von Puchberg,
das ganze Gericht ,quod Pamse habuit', das Gericht Wemhers
* Mon. Boic. XXIX b, 232.
•a.a.O. XXVrab, 464.
11*
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148
von Altenhofen, dann auf den Obleigtttem der Nonnen (von
Niedemburg) und der Geistlichkeit in Passau^ die Güter Eberos
von Laimbach. ,Item bona cuiuscunque ftierint, que infira Walt-
kirchen et nemus Boemorum versantur. Item bona in ouchental
(Auggental bei Römbach, mit Ausnahme eines Hofes). Item
Sitesbach. Item Ortwinsperche. Item Cholberch. Item Hebelinge
(Ebersdorf am Osterbach) et Ochsenbach' (Exenbach Pferre
Waldkirchen).
Zwischen der Ranna und der Großen Mühel, dem Ge-
biete des nachmaligen Landgerichtes Velden finden wir in der
Innehabung der Herren von Griesbach ausdrücklich genannt
den Markt Velden,* als Lehenlaute (zugleich auch der Herren
von Blankenberg) in Feuchtenbach,* Haselbach, Liebenstein
(alle Pfarre Altenfelden), Winzberg (Pfarre Kirchberg), Fisch-
bach bei Rohrbach. Die aus urbarialen Aufzeichnungen abzu-
leitenden Markungen dieses Besitzes werden im vierzehnten
Abschnitte erörtert.
Alles war freies Eigen gewesen, erst der letzte Gries-
bacher Heinrich mußte sich, um nach dem Tode seines Bru-
ders das hochstiftische Lehen zu erlangen, welches sein Vater
(Wemher) genossen, verbindlich machen, das Schloß Griesbach,
den Markt Velden xmd anderes aufzusenden und als passaui-
sches Lehen zurückzuempfangen.* Zuletzt trug er auch die
Grafschaftsrechte (Judicium, comitia trans Danubium) nur mehr
vom Hochstifte zu Lehen;* nach seinem Tode sind sie erloschen.
Die Stammreihe der Herren von Griesbach ist folgende:^
* Mon. Boic. XXVIIIb, 295, 296. Die von den Herren yon Wachsenberg-
Griesbach 1208—1215 an Abt Eberhard von Wilhering vertauschten
Höfe in Herage und Stadeleri (OberOsterreichisches Urknndenbuch II,
480) sind nicht, wie der Verfasser im Nachtrag zu Penerbach (Linzer
Mnseumsbericht 1869, S. 15) meinte, Herhag und Stadling in der Pfarre
Altenfelden, sondern nach dem Wilheringer Urbar vom Jahre 1287
(Stülz, Geschichte von Wilhering 462, Linzer Museumsbericht 1896,
8. 134) das Herhagergut und das Stadlergut in Groß Amberg Pfarre
Gramastetten.
* Das Burgstall daselbst wurde erst 1291 von Eberhart von Feuchtenbach
an Chunrad von Kapellen verkauft. (Linzer Museumsbericht S. 112 aus
einer Steyregger Registratur.)
» Urkunde 1217, 2. Juli und 1220, 11. Febr. Mon. Boic. XXVHIb, 295, 296.
* Mon. Boic. XXVHIb, 170, 341.
* Nach Sttllz, Geschichte von VP^ilhering, S. 887, jedoch teilweise geändert.
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149
Adalbero 1100—1125.
Walchnn I. 1125—1148; ux. Riza, Witwe c. 1160.
Wember c 1160 — 1197; ux. Elisabeth Yon Wachsenberg, f nach 1206.
Walehnn II. Ton Qiies- Cholo von Griesbach- Heinrich von Griesbach-
bach-Wachsenberg Wachsenberg Wachsen berg f 1221 (nach
1191—1203. t 1216/17. 1220 11. Februar).
«
Hedwig von Wachsenberg f 1264, ux. Wemharts von
Schannberg, seit 1258^ im Besitze der Herrschaft Wachsenberg.
Nach dem Tode Heinrichs von Griesbach wurde Wach-
senberg w>in Herzog Liatpold VI. eingezogen; 1228, 22. Ok-
tober^ verlieh er dem dahin xmterttoigen Markte Ottensheim
gleiche Rechte mit den Bürgern von Ens und Linz in betreff
Maut and Zoll, zwischen 1230 und 1240 war am Windberg
ein herzoglicher Richter bestellt.'
Keiner der drei Brüder hatte Söhne hinterlassen; ob
Hedwig de Wesenberk* eine Tochter Cholos gewesen, wie
Stolz vermutete, steht dahin, sie kann jedem der Brüder an-
gehört haben. Sicher nicht im Erbgange ist Wachsenberg ftLr
einige Zeit an die Schaunberger gediehen, sondern höchst
wahrscheinlich nur durch Gunst König Otakars und Vermitt-
lung des damaligen Hauptmannes ob der Ens Wok von Rosen-
berg, dessen Hausfrau die Tochter Heinrichs von Schaunberg,
die Nichte Wemharts, geworden war. Eben deshalb konnte
sich der erste Habsburger Herzog Albrecht berechtigt fühlen,
die Verfügung Otakars als rechtsungültig anzusehen und die
,6ra&chaft' zum Herzogtume zurückzufordern.
Die Nachricht des Landbuches,^ Herzog Liutpold habe
von Otto von Sleunz Wachsenberg, Ottensheim, Gramastetten
um 600 £f gekauft, hat schon Stülz® als unglaubwürdig ver-
worfen und es ist seither kein Umstand zutage gefördert wor-
den, welche derselben eine Stütze verleihen würde. Die Stelle
ist ohne Zweifel verderbt überliefert.
* Stmadt, Nachtrag za Peuerbach. Linzer Moseumsbericht 1869, S. 10.
* OberOsterreichisches Urkandenbuch 11, 672.
' a. a. O. IV, 364 mit der unrichtigen Jahreszahl ISOO.
* a. a. O. in, 827.
■ Mon. Germ. Deutsche Chroniken iy/2, S. 721.
^ Geschichte von Wilhering, 8. 386.
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150
Sechster Abschnitt.
Eppo von Windberg und Bernhard an der Mühel. Die
Herren von Schönhering und Blankenberg. Übersicht ihres
Besitzes auf oberösterreichischem Boden. Ihr Aussterben.
Noch wurde des edlen Eppo nicht gedacht, welcher im
Beginne des 12. Jahrhunderts eine große Schenkung am Wind-
berg an das Kloster St. Florian gemacht hat. In den Königs-
urkunden 1109, 4. November und 1142^ sowie in den bischöf-
lichen Bestätigungen 1111, 23. August und 1113, 26. Juni* wird
er bloß der ,edle Eppo' genannt; das Prädikat von Wind-
berg gibt ihm außer dem Dokumente 1139 — 1141* erst der
um die Wende des 12. Jahrhunderts angelegte* Traditions-
kodex, von welchem sich die ersten zwei Blätter bis auf unsere
Zeiten erhalten haben.* Es ist daher nicht anzunehmen, daß
er diesen Geschlechtsnamen schon bei Lebzeiten geftihrt habe,
umso weniger als auf dem mons Windeberge auch die Herren
von Perge, zu welchen Eppo sicher nicht zugehörig war, zur
selben Zeit Besitztum von Ottensheim an bis zur böhmischen
Grenze hatten. Auch findet sich nicht die geringste urkund-
liche Spur, daß es in dieser Gegend jemals eine Burg Winde-
berge gegeben hätte; die seit 1187 auftretenden Dienstleute
von Winsperg gehören, wie Wirmsberger* richtig vermutet
hatte, schon aus sprachlichen Grttnden nach Winzberg Pfarre
Kirchberg a. D.
Das Diplom König Heinrichs V. 1109 bezeichnet das an
St. Florian vergabte Gebiet gelegen zwischen dem Pesenbach
und dem Ebresbach, und zwar vom Ursprung des letzteren
ununterbrochen bis zur böhmischen Grenze, jenes König Chun-
rads in. 1142 von der Quelle des Ebresbaches bis an die Gren-
zen BöhmenS; sowie vom Pesenbach bis an die Königsstraße
nächst der Kirche St. Nikola. Der Traditionskodex endlich
^ Oberösterreichisches Urkundenbuch II, 127, 202.
« a. a. O. 141, 147.
» a. a. O. 180.
* Gebort des Lande« ob der Ens, S. 35.
^ Abgedruckt bei StQlz, Qeschichte des Klosters St. Florian, S. 200 ff.
« Im Archiv für österr. Geschichte XXIV, S. 63, Anm. 1.
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161
nennt als Schenkungsobjekt Waldehofen und einen Forst in der
Länge und Breite von 70 Meßrnten von der Vereinigung des
Pesenbaches und des Tiefenbaches bis an die bayrische Grenze.
Eine Aufschreibung des 15. Jahrhunderts betreffend die
Vogtei des Hochstiftes Passau über die Gtlter des Klosters
St Florian am Windberg ^ zeigt, daß dieselben von der Az-
mühle an der Rauschemühel angefangen in dichter Reihe, aber
in einem nicht breiten Streifen zwischen der Königs- (Reichs-)
Straße und dem Pesenbache, südwärts bis St. Nikola und Wald-
hofen, östlich vom Pesenbach, westlich von der Ortschaft St. Ul-
rich begrenzt, gelegen waren und die Aigen St. Peter und
Niederwaldkirchen in sich begriffen.
Hieraus erhellt, daß die Objekte weder an Bayern (die
Große Mühel), noch auch an Böhmen anrainten, daher die ur-
kundUche Orenzbeschreibung nichts weniger als eine strenge,
vielmehr eine sehr allgemeine war, welche bloß die Richtungen
anzeigen wollte.
Als weiteres Schenkungsobjekt führen die beiden Königs.
Urkunden an ,predium quod dicitur cella ad movhile^, d. i.
Eleinzell zwischen Neuhaus und Neufelden, und fügt die spätere
bei: quod quidam nobiles viri Eppo et Bernhardus iuxta
Movhelle eidem tradiderunt ecclesie', woraus wir erfahren,
daß das Gut Celle in gemeinsamem Besitze Eppos und des
gedachten Bernhard gewesen und von ihnen gemeinsam an
St Florian vergabt worden ist.
Stülz^ hält diesen Bernhard für Bernhard von Aschach,
einen adeligen Vasallen Eberharts von Formbach, was nicht
stimmt; denn nach seiner Stellung in den Zeugenreihen der
Formbacher Traditionen* ist seine Heimat unbedingt nicht
Aschach an der Donau, woran SttÜz denkt, sondern eine Ort-
schaft in Bayern, wahrscheinlich Ascha nordwestlich von
Mitterfels.
Der Eigenname Eppo in dieser abgekürzten Form ist in
der Gegend nicht fremd; nicht bloß Epping bei Rohrbach
(heute Opping gesprochen und geschrieben), sondern auch zwei
große Dörfer in der Pfarre Peilstein und Kollerschlag, Vorder-
^ Notizenblatt 1863, 8. 200; Strnadt, »Landgericht Velden* im Linzer
Mnseamsbericht 1860, S. 116, Anm. 8.
' Geschichte des Klosters St. Florian, 8. 12, Anm. «).
* OberOsterreichischea Urknndenbach I, 627—630.
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152
und Hinter-Nebelberg haben von demselben die Benennung er-
halten. Sie hießen yormals nnd noch im 16. Jahrhunderte^ Vor-
dem- und Hintem-Eppenberg d. h. Heim des l^ppo^ die jetzige
verunstaltete Form Nebelberg hat sich erst seit dem 17. Jahr-
hundert durch Herüberziehen des n aus Vorder und Hinter zu
dem Ortschaftsnamen gebildet, so daß der Eppenberg nun ein
Nebelberg ist xmd auch bleiben wird.*
War aber Eleinzell gemeinsamer Besitz mit Bernhard bei
der MUhel; so muß notwendig Eppo mit diesem in sehr naher
Blutsfrexmdschaft gestanden sein und wohl auch dessen Ge-
schlechte angehört haben.
Wer ist nun dieser Bernhard an der Mühel gewesen?
Da in diesem Zeitalter die Taufhamen in einem und dem-
selben Geschlechte sich vererbten, wird es nicht zu schwer
fallen, seine Herkunft ausfindig zu machen, wenn es gelingt,
auch den Besitz festzustellen.
In dem Zeiträume von 1100 bis 1120 finden wir nun
einen Hochfireien Bernhard de Sconheringin, welcher Schen-
kungen an die Klöster Formbach und St. Nikola bei Passau
bezeugt: so noch vor 1100 die Übergabe aller Hörigen zwischen
In und Ens, welche der Gemahlin des Grafen Eckbert von
ihrem Oheim, dem Bischof Adalbero, erblich ange&llen waren,
an Formbach,' die durch Udalrichs von Windberg Witwe
Mathilde und ihren Sohn Chunrad um 1100 voUfUhrte Schen-
kung eines Teiles der Kirche St. Martin an Formbach,^ weiters
um 1120 die Übergabe des Anteiles Meginhards an der Kirche
zu Polheim an das Kloster St. Nikola.^ Aus der Urkunde König
Heinrichs V. fUr St. Nikola 1111, 25. Juli « er&hren wir, daß
ihm ein Teil der Schifimaut zu Passau gebührte, den er ad lu-
minaria gewidmet hatte. Anderweitiges Eigentum ist nicht be-
urkundet.
* Rannaridler urbar 1510, Falkensteiner Urbar 1670.
* Ein zweites Eppenberg ist gleichbedeutend mit dem Dorfe in der Pfarre
Grammastetten, welches heute Eidenberg heißt. Daselbst sowie in der
Ortschaft Grossamberg (ursprünglich Erbenperch, in Wilheringer Urbar
1287 Erinberge genannt) hatte das Kloster Seckau Besite (Steierm&rki-
sches Urkundenbuch I, 290, 292, 376); einen Hof in Eppenberge yer-
gabte auch Hartnid lY. von Ort (f c. 1228) an Wilhering (OberOster-
reichisches Urkundenbuch II, 479).
' OberOsterreichisches Urkundenbuch I, 627, 781.
* a. a. O. 628, 781. » a. a. O. I, Ö32. « a. a. O. n, 138.
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153
Um das Jahr 1130 tauscht E. sonhermgeiiBis yom Kloster
Nikola eine Au hei altheimen gegen einen halben Hof hei
mitichen ein.^
E. hedeutet EngilhertnS; es ist Engilbertns de Schönhe-
ringen, welcher znr selben Zeit unmittelbar nach dem Herzoge
Engelbert yon Kärnten (1124 — 1134) und dessen Sohn, dem
Markgrafen Engelbert, die Übergabe eines Hofes zu Grintdorf
bei Cham und von drei Haben in Hohenwart (Oberp&lz) durch
Liiukart, Gemahlin des Regensburger Domvogtes Grafen Fried-
rich (n., 1 1136), an St. Nikola bezeugt.* Die Altheimer Au ist
wohl an der Mündung des Alderbaches in die Vils oberhalb
SchönerdiDg an der Vils (Amtsgericht Vilshofen) zu suchen,
Mitich liegt am In.
Um 1140 gibt quedam matrona nomine Benedicta de Scon-
heringen mit Einwilligung ihres Sohnes Engelbert und ihrer
Tochter Chunigunde zum Seelenheile ihres Mannes Engelbert
nach St. Nikola zwei Hüben, die eine ad winchil, die andere
ad windiberge samt den Hintersassen. Zeugen waren Hecil de
fiuhtinpach, Egeno de posenpach, Heimo, Gerrich und dessen Sohn
Albrant, Ekkehart, Chunrad von Obemdorf, Helmwich, Ascwin.*
Der erwähnte Windberg kann schon wegen der Zeugen
Hezil von Feuchtenbach (Pfarre Altenfelden), Egeno von Posen-
bach (Pesenbäckgut Nr. 33 zu St. Johann am Windberg) und
Chunrad von Obemdorf (P&rre Feldkirchen) nichts anderes
sein als unser Windberg, wogegen Winkel eine der Ortschaften
dieses Namens in den PfEuren Harbach oder Reitern (Amts-
gericht Griesbach) betreffen dürfte.
Dieselbe nobiUs matrona nomine benedicta de Sconherin-
gen übergab weiters im eigenen Namen, daher wohl als elter-
Hches Erbgnt, ihr Eigen corinthi an der Kainach bei Lassels-
dorf (Pfarre St. Florian, Mittelsteiermark) nach St. Nikola. Den
Akt bezeugten Ekkehardus, Chunradus, Gebehardus hi tres
de sconheringen ministeriales eiusdem Benedicte.^
Die gedachten Dienstleute saßen um Schönerding an der
Vils (Pferre Aunkirchen Amtsgericht Vilshofen), nicht bei Schön-
hering im Donautale, woselbst der Besitz der Stifter von Wil-
hering vorherrschte.
* OberOsterreichisches Urknndenboch I, 545. ' a. a. O. I, 544.
* a. a. O. I, 533. * a. a. O. I, 565.
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154
Zwischen 1148 und 1164 übergab Engilbertus de Scone-
heringen auf erblosen Ablebensfall der Kirche Passan zu seinem
Seelenheiie vier Hörige samt Familie und Lehen zwischen
Donau und Rovdolfesbach gegen Verleihung des passauischen
Dienstmannenrechtes an dieselben.^
Engilbertus de Schouneheringen bezeugt 1159 den Ver-
gleich Cadoldö von Polheim mit dem Kloster St. Peter zu
Salzburg.*
Wie uns eine Notitia im codex traditionum des Klosters
Aldersbach (südwestlich von Schönerding) unterrichtet, hatte der
Edle Dietmar de Agist (f nach 1161) sein Gut Cirtenam (Zir-
king zwischen Ried und Schwertberg) dem Kloster Aldersbach
übergeben und seine Schwester Sophia sowie deren Sohn Adal-
bert allen Ansprüchen auf dasselbe entsagt. Engilbertus de
Sconheringin, welcher dieselbe Sophia späterhin als Hausfran
heimführte, setzte sein Gut zu Hertgeresdorf (Hörgersdorf
Pfarre Mauern nordwestlich von Mosburg) zu Händen Wernhers
von Griesbach ein, damit selber es den Klosterbrüdern be-
wahre, falls sein Sohn, den er bei genannter Sophia erzeugt
hatte, oder was immer für eines der Kinder, welche er etwa
noch mit ihr bekommen würde, das Kloster deshalb anfechten
sollte. Im Verlaufe der Zeit erhob ein gewisser Rehewin An-
spruch auf einen Teil des Gutes, wurde jedoch auf der Burg
Agist in Gegenwart Ottos von Rechberg (Lengenbach) zum
Verzichte bewogen. Als Zeugen sind angeführt Heinrich von
Schaunberg, Engilbertus de Blankinberg, Wemherus de Griz-
bach und viele andere. Sodann leisteten auch Rehewins Ehe-
gattin und Sohn zu Lasberg vor ihrem Herrn Wemher von
Griesbach Verzicht. Zeugen dieses zweiten Aktes waren Engil-
bertus de Sconheringin, Wemherus de Grizbach sowie Hin-
tersassen von und um Lasberg sowie in Harbach bei Alders-
bach. Schließlich wurden in einem dritten Akte vor Herzog
^ Oberösterreichisches Urkundenbach I, 517. Der Bach entzieht sich der
Bestimmung.
' a. a. O. II, 297. Endlich meldet noch eine Notitia in Diplomform, daß
Arnold von Meisching, qai fait de familia domini Adelberti de berge
yiri valde eminentis im Jahre 1161 dem Kloster Wilhering sein angeb-
lich freies Gnt per manus ... de Soohneringen libere oonditionis viri
übergeben habe, a. a. O. II, 315.
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155
Heiiirich von Osterreich und seinem Hofe noch zwei weitere
Ansprecher abgefunden.^
Die Yerzichtleistnng Rehewins vollzog sich sichtlich in
zwei getrennten, jedoch unmittelbar aufeinander folgenden
Akten: er selbst entsagte auf der Burg Aist, seine Gattin aber
in Lasberg, oflfenbar deshalb, weil sie nicht von dem zweiten
Kinde abkommen konnte, das noch in der Wiege lag (adhuc
in cunis positum). Die Zeugen Engelbert von Blankenberg auf
Aist und Engelbert von Schönhering in Lasberg sind augen-
fällig eine einzige Person.
Der Name Blankenberg taucht zuerst auf in der Ur-
kunde Bischofs Chunrad für das Kloster Osterhofen 1155,
24. November; unter den Zeugen ist Engelbertus de Plan-
chenburg.*
Unter demselben Bischof (also vor 1164) hatte Engel-
bertus vir nobiUs de Planchenberge zur Librücke zu Passau
einen Hof in Winnenberge (Wimberg Pfiarre Holzkirchen, Amts-
gericht Vilshofen) samt den darauf befindlichen Hörigen ge-
stiftet, welche Schenkung im Jahre 1173 Bischof Diepold unter
Mitzeugenschaft Engelberts verbriefte.'
Wie eine Aufschreibung des 13. Jahrhunderts im Tradi-
tionskodex von St. Nikola besagt, war dieser Engelbert von
Blankenberg, um die verlorne Gnade des Bischofs Chunrad
von Passau wieder zu gewinnen, genötigt, einen Teil seiner
fireieigenen Gikter dem Hochstifte aufzusenden und v^on dem-
selben als passauische Lehen zurückzunehmen.^
Ex nobiUbus Engelbertus de Blanchenberch, Albertus et
frater eins Alramus de Chamb bezeugen 1177, 26. Juni zu
Passau einen Tausch des Eüiosters Osterhofen mit dem Dom-
kapitel Passau,^ 1179 bezeugt Engelbertus de Blanchelberch die
Verleihung der Kirche St. Paul in Passau an das Domkapitel,^
1173, 26. August zu Passau die Einverleibung der Pfarre Kirch-
^ a. &. O. n, 343. Die Handlung fällt in die Zeit zwischen 1172 nnd 1177.
« Mon. Boic. XII, 337.
» Mon. Boic. XXVmb, 261.
* OberOsterreichisches Urkundenbach I, 693: ,cam per coUationem quo-
nindam prediomm Buonmi in proprietatem Patayiensis ecclesie sub certa
tarnen conditione rediret ad gratiam domni Chvnradi tnnc Pataviensis
episcopi, quem circa Ahscha graviter offenderat in conflictu/
» Mon. Boic XII, 360.
« a. a. O. XXVmb, 122.
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166
berg in die Abtei Kremsmünster,^ zwischen 1177 nnd 1182
neben Wemher von Griesbach Engelbertus de Blanchenberch
den Verzicht der Binder Heinrich und Gebhard von Schaun-
berg auf die Höfe am Leombach zugunsten des Klosters
Eremsmünster.^
Vor 1180 übergibt nobiiis vir Engilbertus de Planchen-
berch nach St. Nikola das von dem Konversen Marchward er-
kaufte Gut zu parschalchingin (Paschalling Pfarre Rainding,
Amtsgericht Vilshofen)* und den Verzicht Eckberts von Per-
neck-Deggendorf auf das Gut Pramerdorf zugunsten des Klo-
sters Reichersberg.*
Um 1180 bezeugen Engelbertus de Planchenberch, Wem-
her von Griesbach, Adalbert und dessen Bruder von Cham,
Rudiger von Holzhausen, Walchun von Schiedorf, Heinrich von
Spilberg, Siboto de Planchenberge (Burgsasse daselbst, Ahnherr
der SchaUenberger), Immo Bürger in Passau eine Schenkung der
Wiradis, Schwester des Pfarrers Albero von Wazenkirchen, nach
St. Nikola.«^
Um 1185 bezeugt Engelbertus de Planchenberg die Ver-
gabungen einer halben Hube in Domach (Amtsgericht Landau)
durch Bischof Diepold und des Gutes Englhalming (Engling)
durch den passauischen Ministerial Walther nach St. Nikola.^
Um dieselbe Zeit stiften nobiiis de Blanchenberg Engil-
bertus una cum uxore sua Chunigunda das Gut in Hörgers-
dorf (siehe S. 154) und eine Hube am Berge nach St. Nikola.'
Gleichfalls gibt domna Chunigunt de Planchenberge nach
St. Nikola das Gut in Agilsperge, auf welchem Herber und
Pemger sitzen. Zeugen: Vlricus de liubolvingen (Leiblfing
zwischen Straubing und Dingolfing), Otto de planchenberge
(Burghüter), Liutolt de berbingen (Perbing Pfarre Domach,
Amtsgericht Landau), Alram de birchenstaine (Pümstein an
der Großen Mühel), Pabo de libenstaine (Libenstein Pfarre
Altenfelden), Hildebrant, Albrant, Gerrich de planchberge (Burg-
mannen auf Blankenberg, der letzte vielleicht der Enkel des
um 1140 genannten Gerrich, Ministeriais der Frau Benedikta
von Schönhering), Chalhoch de walde (Wald Pfarre Oberberg-
* Urknndenbach yon KremsmünBter 44. * a. a. O. 47.
' OberOsterreichisches Urkandenbach I, 571.
* a. a. O. I, 378. » a. a. O. I, Ö78.
« a. a. O. I, 684, 690. ' a. a. O. I, 694.
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157
kirchen, Amtsgericht Vilshofen), Diether de sconering (Schön-
erding an der Yils).^ Das Gut kann fbglich kein anderes sein
als das Aigelsbergergnt zu Sicherstorf Pfarre St. Johann am
Windberg.
Um diese Zeit vergabt anch Engelbertus de Planchenberch
sem Gut gelegen in mattenheim (Mattenheim östlich von Schön-
erding an der Vils) znm Seelenheil seines Sohnes Dietmar nach
St Nikola. Zeugen: ^Ealhohns de Valchensteine^ MarqnardaS;
Udalricns filins ipsins Engelberti^ Siboto tobrizze (yielleicht
Dobrizhofen bei Sprinzenstein)^ dnrinch de schaltaren (Schal-
ding Pfarre Heining bei Passan^ Amtsgericht Passan)^ Herran-
dus, Walchunns civis, Einwicus de yischbach (Fischbach bei
Rohrbach), linthardus nrbanns, Pemhardus de iltesgaen, Wille-
halmns ab dem Steine, Fridericns, Udalricns de planchenberch,
Amoldns de eodem (beide Bnrgmannen auf der Blankenburg),
Gozoldus de Griezbach/*
Engilbertus de Planchenberc und Wemhart von Gries-
bach erscheinen als Zeugen des Vertrages auf dem Georgen-
berge bei Ens 1186, 17. August.'
Nicht lange darauf ist Engelbert bei St. Georgen in Oster-
reich aus dem Leben geschieden.^
Um 1186 bezeugt Vdalricus filius Engelberti de Planchen-
berc die Schenkung Udalschalks von Pazrichesdorf an St. Nikola.^
Um 1188 (jedenfalls vor dem Jahre 1189) erhält über
Intervention des Bischofs Diepold und des Herzogs Bertold
von Meran nobilis domna Chvnigunda uidua de Blanchin-
berc einige GHiter, welche domnus Engilbertus quondam ma-
ritus suus lange vor der Heirat mit ihr nach St. Nikola als
Seelgerät gestiftet hat, als Leibgeding gegen jährliche Rekogni-
tion von 30 Pfennigen vom Elosterkapitel zurück. '^
Schließlich erfahren wir aus der schon erwähnten Auf-
schreibxmg des 13. Jahrhunderts,*^ daß nobilis Über Engilbertus
de Blanchinberc für sein und seiner Eltern, seiner geliebten
Gemahlin Sophie und seines Sohnes Dietmar bei dem Leichen-
* OberMerreichisches Urkundenbuch I, 670.
• a. a. O. 684.
' SteiermfirkiBches Urknndenbach I, 663.
^ OberOsterreichisches Urkundenbuch I, 694.
» *. a. O. 686.
• «. a. O. 696. ' a. a. O. 694.
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158
Begängnisse der Frau Sophie, dann bei jenem Dietmars, end-
lich ,cum duceret quandam nobilem Chnnignndam in nxorem'
folgende Güter nach St. Nikola vergabt habe: curia in Aigils-
perge (siehe S. 157) und das ganze Gut, welches daselbst Siboto
der Blinde innehatte; curia in Windestige (Windsteigergut
Pfarre St. Martin), curia ad Hirzman (in derselben Gegend,
vielleicht Holzmanngut bei Hilkering), curia Chunradi ad por-
tum contra Ahscha (Landshag), curia in Bercheim (Bergheim
Pfarre Feldkirchen), molendinum in rivo Rosbach (in der Pfarre
Feldkirchen) et alia, welche er nicht an Passau zu Lehen auf-
gesandt hat. Zeugen der Schenkung waren: Udalricus et Engel-
bertus de Nordembach (oder Struben, d. h. Ober- und Unter-
Straubing Pfarre Steinkirchen bei Dorfen), Siboto de St. Ulrico
(St. Ulrich bei Neufelden), Wemhardus de awe (vielleicht Au
Pfarre Rainding, Amtsgericht Vilshofen) Rikerus de blanchin-
bach pater pillonis (Burgmann auf Blankenberg), Hiltprandus
et frater eins Albrandus (ebenso), Chunrat de apphilspach
(Apfersbach bei Kleinzell), Duringus de Aicha et frater eins
Iladmarus (Aicherhof), Marquardus gallus de Beura (Hanner
von Bairach östlich von Blankenberg), Amoldus der lader et
frater eins Timo et Albertus, Wemherus de Wiglinstorf (Weigl-
storf südlich Kleinzeil), Egeno de nuzpoume (Nußbaumergut
Pfarre St. Martin), Otto Ascholvinge, Eberwinus de Fiuhtinbach
et frater eins Robertus (Feuchtenbach Pfarre Altenfelden), Hezilo
de wensin, Hermfridus frater eins, Hainricus de St. Ulrico et
fratres eins Siboto et Ulricus (Söhne des älteren Siboto), Hein-
ricus de Winsperch (Winzberg Pfarre Kirchberg) et frater eins
Wernherus, Alber Germansperge (Pfarre Huttum), Einwicus de
Vischpach (westlich Rohrbach), Fridericus de Tahing (Taing
Pfarre Poigenberg, Amtsgericht Erding), Emfridus de Lintawe
(Pfarre Ruhstorf, Amtsgericht Griesbach), Siboto (de) Erman-
storf (Erdmannsdorfergut Nr. L zu Erdmannsdorf nächst Blan-
kenberg). Engelbert bestätigte die Schenkung testamentarisch,
als er bei St. Georgen auf dem Todbette lag, und wurde des-
halb auch in St. Nikola begraben.
Damit ist dargetan, daß Engelbert von Blankenberg zwei-
mal verehelicht war, daß seine erste Gattin Sophie hieß und
das Kind aus dieser Ehe, Namens Dietmar, frühzeitig mit Tod
abging. Da nach der Aldersbacher Beurkundung Engelbert von
Schönhering mit der Schwester Dietmars von Aist, namens
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159
Sophie, vermählt und dieser Ehe ein Sohn entsprossen war:
80 ist der letzte Zweifel daran, daß Engelbert von Blanken-
berg und Engelbert von Schönhering eine und dieselbe Per-
sönlichkeit war, beseitigt, der Sohn war nach dem mütterlichen
Oheim benannt.
Ein zweiter Sohn Udalrich erreichte mannbare Jahre, weil
er allen anderen Zeugen vorangesetzt ist. Derselbe dürfte, da
sein Vater nicht erwähnt wird, denselben überlebt und dann
noch in jugendlichem Alter unvermählt und kinderlos ge-
storben sein; vielleicht hat er sich dem dritten Kreuzzuge an-
geschlossen und ist auf demselben umgekommen. Seine Stief-
mutter Kunigunde erwähnt ihn nicht; es scheint daher, daß er
nicht anwesend war, als derselben von St. Nikola das Leib-
geding bewilligt wurde.
Überschauen wir die gewonnenen Resultate, so dürfte
folgendes feststehen:
1. Die]Schönhering-Blankenberger haben zu Ausgang des
11. Jahrhunderts noch ihren Stammsitz um Schönerding an der
Vils, nannten sich davon ausschließlich bis etwa 1145, dann
abwechselnd auch von Blankenberg bis zirka 1175, zuletzt aber
nur von Blankenberg.
2. Sie haben schon vor 1108 Besitz an der Großen Mühel,
da sie ihren Anteil an Kleinzell nach St. Florian vergabten. Die
Blankenburg wird zwar urkundlich erst 1155 genannt, wird
jedoch schon längere Zeit bestanden haben, da der erste
Schönheringer ausdrücklich Bemhardus iuxta Movhelle be-
zeichnet wird.
Die Burg erhob sich auf dem Blankenberge am linken
Ufer der Mühel gegenüber von Neufelden; die Hochwaldpar-
zelle 732 der Steuergemeinde Pümstein war Dominikalgrund
zur ehemaligen passauischen Herrschaft Pürnstein, welche im
Jahre 1865, 25. November von dem Geschäftsverbande Karl
Christian Müller und Franz Louis Oschotz aus Sachsen er-
worben wurde. Diese verkauften die Parzelle 732 ,Blanken-
berg^ im Flächenmaße von 5 Joch 750 Quadratklafter 1867,
9. Mai an den Bürger Anton Lindengrün am Hause Nr. 64 zu
Neufelden, wozu sie seither als Hausgrund gehört. Im Jahre
1887 wurde der südwestliche Teil des Schloßberges zur Ge-
winnung eines Raumes für die Station Neufelden der Mühl-
kreisbahn an der Großen Mühel abgegraben und gesprengt-
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160
Manertrümmer, die bei der Applaniemng des Grundes zum
Vorschein kamen, bewiesen die Bargstelle; die Bnrgstraße
zweigte von Bairach her ab.
3. Als Bnrgmannen von Blankenberg im 12. Jahrhunderte
kommen vor: Gerrich, Otto, Siboto (von St. Ulrich), Friedrich,
Udalrich, Arnold.
4. Lehen- und Dienstleute sassen diesseits der Mfihel in
Bocksruck-Igelbach,^ Pümstein, Bairach, Erdmannsdorf, St. Ul-
rich, Aicherhof, Apfelsbach, Weigelsdorf ; jenseits der Mühel in
Feuchtenbach, Haselbach, Liebenstein, Fischbach, Winzberg.
5. Unmittelbarer und mittelbarer Besitz ist nachgewiesen
von der Donau, beziehungsweise vom Dießenbache am linken
Mfihelufer aufwärts bis einschließlich Igelbach, anstoßend in
ziemlich gleich langem Streifen an die Güter Eppos; weiters
Streubesitz in den Pfarren St. Johann, Niederwaldkirchen,
St. Martin, Feldkirchen.
6. In der Mitte des 12. Jahrhunderts wurde ein Teil der
freieigenen Güter in passauische Lehen verwandelt.
7. Die Stammreihe ist folgende:
Bernhard von Schönhering 1096—1120, iden- Eppo (von Windberg),
tisch mit Bernhardus iuxta Moohele 1108. Bruder oder Vetter 1108.
Engelbert I. von Schönhering c. 1130; nx. Benedikta, Witwe c. 1145.
Engelbert II. von Schönhering 1145 — 1175, von Blankenberg Chunignnde
1155—1186, 1 1187; ux. 1. Sofie, Schwester Dietmars von Aist c. 1145.
c. 1172; 2. Chnnigonde nobilis mnlier c. 1185, Witwe 1188.
Dietmar f jung. Udalrich c. 1188, f 1190/1192?
Der Abgang der Blankenberger fUUt in eine Zeit, in
welcher sowohl Babenberger als Witteisbacher bereits erblose
Eigen an das Land zogen.
Wir hören jedoch nicht, daß auf dem Gebiete des nach-
mals sogenannten Untergerichtes Haslach, in welchem Blanken-
bergscher Besitz vorherrschend war, sich späterhin landesfürst-
licher Besitz befanden hätte. Es fragt sich demnach: Wer ist
den Blankenbergem in Eigen und in Lehen im Besitze nach-
gefolgt.
Mon. Boic. V, 336 Hermannas de Bocchesmkke im Verzichte Rehwins
auf Aist.
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161
Siebenter Abschnitt.
Auftreten der Witigonen am Ostnfer der Großen Müliel.
Nachweis ihrer Besitzungen auf heutigem oberösterrei-
chischen Boden. Die Siegellegende der Worliker Urkunde
vom Jahre 1220. Die Witigonen sind ein Seitenzweig der
Blankenberger.
Es vergehen etwa vierzig Jahre^ bis wir plötzlich hören,
daß das Hochstift Passau an der Ostseite der Großen Mühel
Lehen habe, welche sich von der Rauschemühel im Norden
bis zur Donan im Süden erstrecken. Mann der Passaner Kirche
war der Edle Witigo aus Böhmen (Witigo nobilis homo de
Boemia), der auf einem Tage zu Velden 1231, 17. Dezember^
sich verpflichtete, diese Lehen gegen Zahlung von 300 Mark
Silber dem Lehenherm Bischof Gebhard zurückzustellen; be-
merkt wird ausdrücklich, daß die Lehen in jenem Gerichte
liegen, das vom Herzoge von Osterreich zu Lehen rührt (in
iudicio illo, qnod in b(mis a nobis comparatis a duce austrie
habere dinoscitur).
Als solche werden in nicht lange nachher angelegten Ver-
zeichnissen^ folgende aufgezählt:
a) innerhalb des Gerichtes Witigos gelegen: 4 Lehen in
Hartmansdorf (Pfarre Haslach), 2 in Steinach, 1 in Chreppil
(Kreblbauer zu Lach), 2 in Chriuzam (Kreuzmair zu Lach),
ö im geschlossenen Dorfe Lohe (Lach), 1 super campum in
Lohe (Feldlbauer), 2 in Prantstetin (Brandstätter), 1 in Leim-
perge (Ober- und Unter-Lamberger), 3 in Owerperge (Auberg
Pfarre St. Peter), 1 Mühle in Prukke (Teufelsbruckmühle an
der Großen Mühel), 1 in Sasenhouen (Sachsenhofer bei Auberg),
1 in Ow (Auergut), 1 an der Leitten (Leitnergut), 5 in Hohen-
perge (Dorf Hohenberg), 4 in Marchbach (Dorf Marbach), 4 in
Sconenberg und 1 Mühle (die Schönbergmühle an der Mühel
und die anrainenden Güter, darunter das Schiezengut), 3 in
Rndolfspach (Rudersbäck und Lehnergut), 4 in Igilbach und
* Mon. Boic. XXVUIb, 834.
« a. a. O. XX Vm«, 465—467.
AidüT. ICIV. Bwd. 12
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162
1 Mühle (Iglmühle an der Mühel, Winkler, Weger, Reuter),
3 in Pokkesrukke und 1 Mühle (Bockmühle am Iglbach, Bocks-
rucker, Kriechbaumer), 1 apud heremitam (Harrafl), 3 in Hen-
gestslage (Pfarre Rohrbach?), 2 in Souslage (Sauschlag bei
Steinbruch), 2 in Pirchenstein (Pümstein) und 1 Mühle (Hof-
mtihle), 2 in Grube (Steingrub nächst Pümstein), 1 in Eicha
(Aichergut bei Erdmansdorf), 2 in Ehrtraannesdorf (Erdman-
storfergut bei Blankenberg), 2 in Paierache (Bayrach), 1 in
Liuzenchinde, 1 in Ezelsperge (Ezleinsberg), 2 Mühlen in
Planchenperge (Plankenmühle und Bruckmühle an der Mühel),
3 in Apphilspach (Apfersbach Pfarre Kleinzell), 1 in Rukers-
perge (Richetsbergergut auf der Mühelleiten), 2 in Puselinge
(Pislingergut), 2 an dem Wege (Wegerer), 1 in Seltelicheim
(Seltenhofer bei der Ruine Schallenberg), 1 in Chazzenwinchel,
1 in Wilchart, 1 an dem Houe (Bauer in Hof auf der Mühel-
leiten), 1 in Oede (Edergut), 4 in Weigelinsdorf ( Weigelsdorf ),
1 in cherspaum (Kerschbaumer am Diessenbach), 1 in Grube
(Grubergut), 1 in Westeloune, 1 in Muderinge (Midringer),
2 in Richmanesperge (Steinerberg Pfarre Kleinzell).
h) außerhalb Witigos Gericht gelegen: 3 Lehen und
1 Mühle in Eigelsperge (bei Steinbach Pfarre Niederwald-
kirchen), 1 apud Ekkhardum in Fossa, 1 in der Grube bei
Falkenbach Pfarre St. Martin, 2 in Winesteige (zwischen
Zeißendorf und Allerstorf), 1 in Perchheim (Bergheim Pfarre
Feldkirchen), 1 in Eiche, 1 in Steipphen, (Aichergut und
Stapfenedergut Pfarre St. Martin,) 2 und 1 Mühle in Prunst,
1 Lehen in Hezelinsperge.
Nach einer weiteren Aufschreibung* übergab Wok von
Rosenberg dem Hochstifte für 55 Mark Silber, welche er dem-
selben wegen des Gerichtes auf den Gütern ultra Mvhlam
schuldete, 2 Höfe in Percheim, 1 Meierhof in Lantshabe
(Landshag), 2 Höfe in Winsteige, 1 Lehen apud Wemhardum
an der Leiten, 4 behauste Lehen in hailmanstorph, 2 in wel-
ham, 1 in Grepelshove, 5 in loh, 1 Hof in der owe, 1 Mühle
in pruk, 1 behaustes Lehen ad Eberwinum in Campo, 1 in
prantsteten, 3 in awerperge, 1 ad Rudigerum an der leiten, 1 in
der Ovwe, 4 in hochenperge, 1 Hof in Schoenperge und
4 Lehen daselbst, 3 behauste Lehen in Marchpach.
Mon. Boic. XXIX b, 220.
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163
Wir finden demnach im Besitze Witigos fast durchge-
hends solche Ortlichkeiten^ welche die Blankenberger unmittel-
bar innegehabt oder weiter verliehen hatten. Es kann daher
als festgestellt erachtet werden:
1. daß die vorbezeichneten Güter ebendieselben sind, wel-
che — wohl noch mit anderen — Engelbert von Blankenberg
dem Bischof Chxinrad zu Lehen aufgetragen hat;
2. daß Witigos Vorfahren in diesen Lehen den Blanken-
bergem nachgefolgt sein müssen.
Mit der Abtretung der Lehen wich die Machtsphäre der
Witigonen nach Norden hinter die Rauschemühel zurück; von
dieser an bis zum Kloster Schlägl blieb alles freies Eigen der
Herren von Rosen berg, nur der Markt Haslach^ wurde mit
dem passauischen Lehenbande behaftet, als Herr Peter von
Rosenberg denselben 1341, 11. September* von Bischof Gott-
fried zurückkaufte. Das ,obere' Gericht war stets freies Eigen
der Rosenberger gewesen und blieb es auch fortan. In dem
Kaufverträge 1599, 29. November,* geschlossen zwischen Peter
Wok von Eosenberg und Erzherzog Leopold als Bischof von
Passau, wird als Vertragsobjekt bezeichnet ,Unser von höchst-
ermelter Seiner fürstlichen Durchlaucht Bistum und Hochstift
Passau belehnete Herrschaft und Markt Haslach sambt den
darzue gehörigen Unterthanen, Item daß darzue gehörige Land-
gericht, von den gemerkchen des Landgerichts Augen und
oben her von den Böheimbischen Gründtens anfohent und
neben der Grossen Mühel zwischen dem Wäxenbergerischen
Landgericht biß hinauß mitten in die Thonaw gehent, wie
' Peter hatte denselben früher (nach 1821) an Bischof Albrecht verkaaft,
als passauischer Pfleger erscheint 1341, 12. MÄns (Urkunde im allgem.
Reichsarchiye in München) Cbnnrat von Tannberch. Aus dem Reverse
des Rosenbergers geht mit aller Bestimmtheit hervor, daß die Lehen-
pflichten, die er übernahm, ganz neue waren; es sind deshalb die An-
gaben der passauischen Auskünften, daß Haslach schon 1257 passauisches
Lehen gewesen sei, einfach erfunden. Peter mußte sich verbindlich
machen, die Feste im Markte niederzulegen.
•Mon.Boic. XXX b, 170.
' Vidimus 1631, 24. Juli im fürstlich Schwarzenbergschen Zentralarchive
in Krummau II AI A», Nr. 3. Ältere Urbare von Haslach sind in Krumm-
an nicht vorhanden; im fürstlich Schwarzenbergschen Archive in Wit-
tingau (Akt Haslach H 92/a Fasz. U) nur zwei Anschläge, von welchen
der älteste c 1500.
12*
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164
dann daß Schloß Liechtenaw, Schloß Pürchenstain, Schloß Gneis-
senaw nnd Schloß Nenhanß in diesem Landgericht liegen/
Lehenbar von den Rosenbergem nnd ihren Rechtsnachfolgern
blieben bis auf die Neuzeit die Feste Liechtenau, der Burgstall
Haglau nächst dem Reisingergute in der Pfarre St. Stephan am
Riedl.*
Doch haben die Herren von Rosenberg auch im ,unteren'
Gerichte Eigengut bewahrt. Vier Hofstätten in der Cell (Klein-
zell) sind bezeugt 1370, 18. Juli und 1379, 17. August« als
Lehen der Rosenberger und sind solche geblieben bis zur
Durchführung der Lehenallodialisierung; im alten Grundbuche
Gneussenau (Abteilung Schwarzenbergsche Lehen) wurden im
Jahre 1794 als solche eingetragen: Nr. 3 das große Siegstein-
haus, Nr. 15 die Schmidhofstatt, Nr. 17 die Hafherhofstatt, über
welche vom Jahre 1527 fortlaufende Lehenbriefe im Krummauer
Archive aufbewahrt sind. Noch 1419, 24. April belehnte Ulrich
von Rosenberg seinen Burggrafen zu Witigenhausen Peter den
Harracher mit einem Gute in der Zell ,genant nydern Inn' in
der Pfarre Zell ,die da gehört gen Waldkyrchen' und 1527
belehnte Johann von Rosenberg seinen Untertan Siegmund mit
dem Gute zu ,Kerspaum in Zellerpfarr und unserm landgericht
Haslach gelegen^'
Nicht bloß Gneussenau, auch der Berg, auf welchem Neu-
haus ob der Donau aufgebaut ist, waren ursprünglich Blanken-
bergisches Eigen, daher nach ihrer Verwandlung in Passauische
Lehen beide Festen vom Hochstifte zu Lehen gingen.
Vor dem Weiterschreiten in der Untersuchung erscheint
es zur leichteren Nachprüfung geboten, jene vereinzelten und
weit von einander abstehenden
Markzeichen
sichtbar zu machen, welche für den Verfasser Leitpunkte ab-
* Laut Lehenreyerse der Elisabeth Anhangerin und ihres Sohnes Hans JOrger
1399, 7. Juli und des Hieronymus Schluchs 1578, 26. Februar im Zen-
tralarchiye Erummau.
' Oberösterreichisches ürkundenbuch VIII, 480, Velden 219. Die Hof-
stätten des Teurwangers in Kleinzeil, die Habe in Richetsberg, das Lehen
am Steinach werden, wie die spfiterhin zu Gneussenau gehörigen Häuser
in Kleinzell von St. Florian aus der Schenkung Eppos und Bernhards
erkauft worden sein.
' Harracher Urkunde in Wien; Lehenbrief Montag vor Elisabeth 1527 im
Krammauer Archive U A* Nr. 1 a, Lade 89.
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165
gaben, um bialier unbekannte Verhältnisse in ihrem Wesen zu
erkennen, die Zwischensteine aasfindig zn machen and za
Schlaßfolgemngen za gelangen, welche zwar überraschende,
hoflfentUch aber nicht anfolgerichtige genannt werden dürften.
Um 1130 empfangen Adalram v. Waldeck-Feistritz and
seine Gattin Richinza von Radolf and Richinza von Perge
Güter am Windberg.*
1140, 21. Oktober, za Wels zeagt in einer ürkande
Bischofs Reginbert ftlr das Kloster Kremsmünster in erster
Reihe der Hochfreien Adalram de Valchenstain.'
Um 1180 wird in zwei Traditionen des Klosters St. Nikola
ein Calhohas jadex, einmal mit dem Beisatze de valchenstein
aufgeführt.'
Um dieselbe Zeit erschemt einige Male ein Chalhoch von
Valchenstein in einer Reihang, welche anf dessen freien Stand
schließen läßt.
1171, 10. Febraar, nennt Papst Alexander IQ. anter den
Dotationsgütem des Klosters Seckan ,in Bawaria Waltenstein
com prediis et familia^^
1194, 27. Oktober, ist der edle Mann Witego de Boemia
in zahlreicher Adelsversammlang za Passaa anwesend.^
1209, 6. Jali, bezeagt za Gramastetten eine bischöflich-
passaaische Urkande Witigo de Planchinberc.^
1220. Witigo von Perchyc (Pfic) siegelt den Brief, mittels
dessen er das Dorf Cogetin (Kojetein) dem Kloster Mülhaasen
verkanft, mit einem Siegel, das die fünf blfttterige Rose and die
Umschrift Witko de Planchinperc aafweist.'
1231, 17. Dezember, za Velden veränßert der edle Herr
Witigo aas Böhmen an Bischof Gebhard seine passaoischen
Lehen zwischen Raaschemühel and der Donaa.^
^ SteiermXrkisches Urkandenbach I, 142.
' Urkandenbach Ton Kremsmfinster, S. 58.
' OberOsterreichiBcbes Urkandenbach IV, 581, 591.
* Steiermärkiflches Urkandenbach I, 502.
> Mon. Boic. XXVHIb, 261.
* Oberttoterreichisches Urkandenbach II, 524.
^ Abdrack bei Heinrich Sperl ,Die Grenzen zwischen Böhmen and dem
Mühllande und die Heimat der Witigonen' in Mitteil, des Vereines für
Geschichte der Deutschen in Böhmen, 1900 S. 894—404.
* Mon. Boic. XXVm b, 884.
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166
Der Bischof bemerkt in diesem Briefe, daß das Gericht
(die hohe Gerichtsbarkeit) über diese Güter, das dem Herrn
Witigo zustehe, von dem Herzoge von Osterreich lehenrührig sei.
1259 versucht Wok von Rosenberg das Schloß Haichen-
bach an der Donau an sich zu bringen.^
1264. Das Dorf Schindlau nordwestlich von Schlägl ist
Erbgut der Frau Berchta, Gemahlin Budiwoys von Erummau,
Mutter des Herrn Zawisch von Falkenstein. Bei der Schenkung
an Schlägl nehmen Budiwoy und Berchta von der Gerichtsbar-
keit die todeswürdigen Verbrecher aus.*
Erst vom Jahre 1268^ an ist der Turm Ranariegel in
Händen der passauischen Ministerialen von Falkenstein be-
zeugt; vor dem Jahre 1217 war der größere Teil der Pfarre
Rannarigel, sehr wahrscheinlich die ganze ^ freies Eigen der
Herren von Griesbach.*
Das Schloß Falkenstein wird niemals als passauisches
Lehen bezeichnet oder jemals als solches in Anspruch ge-
nommen.^
1272 ist Zawisch, Sohn des Budiwoy von Erummau, in
freiem Besitze der Feste Falkenstein.^
1274, 11. Dezember, ist in einer Urkunde König Otakars
als letzter Zeuge, welchem passauische Lehensleute vorangehen,
Zabissius Castellanus in valchenstain aufgeführt.''
1277. Die letztwillige Verfügung Witigos von Krummau
läßt auf den Bestand der Burg Witigenhausen, Pfarre Deutsch-
Reichenau, schließen.^
» Mon. Boic. XXIX b, 136.
* OberOsterreichisches Urknndenbach in, 828.
8 Mon. Boic. XXIX b, 482.
* Siehe das Besitzverzeichnis vorne S. 146—147.
6 Mon. Boic. XXIX b, 603.
0 a. a. O., 616.
' Der Verfasser der ,Enrzen Auskunft von dem Fürstentum Passau und
den darin entlegenen Herrschaften und Märkten' (1777 Cod. germ. 1744
der königl. Hof- und Staatsbibliothek in München) bemerkt auf Blatt 27':
,daß (im Gegensätze zu Rannariedl) von Falkenstein aber einiges vesti-
gium der Lehenschaft sich nicht findetS Buchinger, Fürstentum Passau 11,
39 hat zum Jahre 1346 Falkenstein ein lehenbares Schloß g^enannt, was
seinerseits ein Schreibversehen ist, da die Originalurkunde das Schloß
Rannarigel nennt. (Siehe S. 183.)
» Fontes rer. Austr. Dipl. XXIII, 29.
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167
1289 wird Falkenstein, das ^praedones^ innehatten^ vom
Herzog Albrecht von Österreich erobert.*
Wir beginnen die Untersuchung mit der Feststellung des
Besitzstandes der Witigonen auf dem Boden des vormaligen
Mühlkreises.
Bereits erwähnt wurde, daß Wok von Rosenberg im Jahre
1258 seinen freieigenen Besitz in Ober- und Unter-Schwandt
sowie in Freudental (jetzige Pfarre Waldburg) der Kirche
Passau zu Lehen auftrug, welcher Akt jedoch wieder rück-
gängig gemacht worden sein muß, da diese Güter in den näch-
sten Jahren wieder freieigen genannt werden.
In seinem Testamente, ddo. Graz 1262, 4. Juni,* be-
dachte Wok seine Gattin Hedwig für den Fall ihrer Wieder-
verehelichung unter anderem mit dem Hofe Ober-Swant. Dem
Albero von Rotenstein verlieh er zu Lehen ,dua8 maiores villas
supra Swant. Curiam autem et agros contra Sumerowe
(Sumerau bei Freistadt) et interiores agros contra Ybenstain
(Eibenstein, Pfarre Reichental) usque ad metas Boemie' (heutige
Grenzen Böhmens) vermachte er seiner Gattin. ,Item homini'
de Patavia pro viginti marcis argenti in Leimpach (Ober-
tmd Unter-Laimbach, Pfarre Leonfelden oder Laimbach, Pfarre
St Oswald) dentur due hübe, sed si gratiam mihi fecerit, tan-
tnm una.' Dem Schreiber Rudiger und dessen Erben gibt er
jKirspoum villam libere cum omni iure^* Den gelösten Satz in
Gunthersrevt (Güntherreut, Pfarre St Oswald) verleiht er
an Kaihoch ^ zu Lehen. Schinta (Schindlau oberhalb Aigen)
soll nach Schlägl zu seinem Seelgerät gegeben werden, wenn
' Mon. Germ. Script. IX, 716; Reimchronist Otakar a. a. O., Deutsche
Chron. V/I, 306—306.
» Fontes XXIH, 17, 18, 19.
' Pangerl a. a. O. emendiert domino.
* Sicherlich nicht das Dorf Kerschbaum in OberQsterreich, welches Lehen
von der Herrschaft Freistadt war, sondern Kerschbaum in der Pfarre
Bosental, wie denn auch das folgende Gutenbrunn jenes in der Pfarre
Strobniz ist.
^ Wahrscheinlich Kaihoch von Falkenstein, der Ende 1269 starb; denn in
Qünthersrent trug noch 1301 Otto v. Olafpach Zehente von Kaihoch Fried-
rich und Chuarad v. Falkenstein zu (After) Lehen. Pröll, Geschichte
des Klosters Schlägl, S. 37.
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168
er den Prozeß gegen seinen Vetter (patruus) Budiwoy gewinnt,
sonst läßt er das Dorf demselben auf sein Gewissen.^
Das Dorf Schindlau (Schintau), Erbgut der Bertha,
gaben diese und ihr Qemahl Budiwoy von Skalitz (Krummau)
im Jahre 1264 an das Kloster Schlägl. Die Dorfmarkungen
reichten bis an den Klafferbach (usque ad aquam, que dicitur
Chlaffiindez wazzer), jenseits welchem wahrscheinlich die Dörfer
Klaffer und Freindorf schon bestanden. Die Qeschenkgeber
reservierten, indem sie die niedere Gerichtsbarkeit dem Kloster
zugestanden, ausdrücklich die Auslieferung der todeswiirdigen
Verbrecher an den weltlichen Richter. Dieser Vorbehalt wäre
überflüssig gewesen, wenn die hohe Gerichtsbarkeit in anderen
Händen als in jenen der Witigonen gewesen wäre. Es darf daher
geschlossen werden, daß die Witigonenherrschafk, zu welcher da-
mals Schindlau gehört hat, im Besitze der Blutsgerichtsbarkeit war.
Im Jahre 1277 vermacht Witigo von Krummau auf dem
Sterbebette (positus in extremis) in Gegenwart der Pfarrer
Prebizlaus (Pfemysl) von Friedberg und Christan von St. Oswald
dem Kloster Hohenfurt drei Dörfer, darunter Xradowi (nunmehr
Witigenhof genannt).* Aus der Anwesenheit der Seelsorger der
beiden benachbarten Pfarren wurde mit Recht geschlossen, daß
die Urkunde auf der Burg Witigenhaus errichtet wurde. Dieselbe
wurde wohl nach der Zeit erbaut, als die exzentrische Lage der
Blankenburg, weitab von den Gütern an der Moldau, als lästig
empfunden und dieselbe samt den umliegenden passauischen Lehen
an das Hochstift hingegeben wurde, wahrscheinlich in dem-
selben Zeitpunkte, als Wok sich flir seinen Sonderbesitz an
der Moldau Rosenberg erkoren hat (zwischen 1241 und 1246).^
1315, 15. Mai, schenkte Peter von Rosenberg auf seinen
Todesfall dem Kloster Hohenfurt das Dorf Eybenstein mit den
nächsten drei Dörfern.*
1318, 26. September, schenkte Peter demselben Kloster
zum Seelenheile seiner Gemahlin Viola seine Dörfer Eyben-
^ Wohl aus dem Titel des gemeinsamen Besitzes wird Wok den Ansprach
erhoben haben.
« Fontes XXIH, 29.
* Palacky, Geschichte Ton Böhmen II, 101. Vgl. die Abhandlung ,Wit-
tingshausen' von Adolf Berger in den Mitteil, des Vereines fQr Ge>
schichte der Deutschen in Böhmen XIII, 105—126, XIV, 67—69.
* Pontes XXIII, 63.
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stein^ Styphtung^ Swarczenpach^ Freudental und die
Höfe ,qTie vnlgariter dacz den hoefen nuncupantnr* (Freudental
Pfarre Waldbnrg, Eibenstein, Stiftung, Schwarzenbach, Vierhof
in der Pfarre Reichental) ,excepto dumtaxat iure nostro feodali,
quo nobiles illius districti ab antiquo progenitoribus nostris et
nobis sunt astricti^^
Von dem Dorfe Wurmbrand in der Pfarre Aigen sagen
1356, 12. März, die Brüder Peter, Jodok, Ulrich und Johann
Yon Rosenberg, daß die Lehenabgaben ihnen und ihren Vor-
fahren bisher zugestanden sind. Sie freien diese ,yilla . . ab
. . onere pheodalibus, quibus per nos nostrosque praedecessores
hactenus possessa fuerunt^'
In Lyebintal (Liebental P£Eurre Reichental) befanden sich
drei Lehengiiter, welchen Peter von Rosenberg 1378, 11. April
die Lehenpflicht zugunsten des Klosters Hohenfurt erließ.'
1393, 9. März, verkaufen Ulrich Schneckenreuter und sein
Sohn Reindel drei von Heinrich von Rosenberg lehenbare Güter
zu Liebental in dem Dorfe Pfarre Reichental und das Holz
zunächst Liebental, 1395, 14. Februar, eben dieselben, Ulrichs
Hausfirau Elsbet und die Geschwister Hans und Katharina ihre
rittennäßigen Lehen von Heinrich von Rosenberg in der Herr-
schaft Freistadt zwei Güter zu Liebental und drei Güter in
der Stiftung Pfarre Rainbach, 1396, 29. Juni, eben dieselben
ein Gut im Dorfe zu Liebental Pfarre Reichental, Lehen
Heinrichs von Rosenberg, an Hansen den Zinespan. 1402,
4. Juli, eignen Heinrich von Rosenberg und dessen Sohn Peter
für geleistete Dienste dem Hans dem Zinespan zwei Güter zu
Liebental im Dorfe, zwei Güter in der Stiftung und ein
ödes Reut in der Pfarre Rainbach, eine Wiese zu Nieder-
Reichental bei der Swenczelmühle und zwei Hölzer, die an
des seligen Harracher Holz Stoffen.^
In der Großen Mühel stand das Fischereirecht, vom
Kloster Schlägl angefangen bis in die Gegend von Schwacker-
rent (Pfiwre St. Oswald) den Witigonen zu und wurde erst
^ Fontes XXm, 67. DieGüter kommen später alle Eor Herrschaft Waidenfels.
' OberOsterreichisohes Urknndenbach VII, 441. Auch Passau hatte dort
Lehenbesits (Pilgrim und Qundakker von Tannberg), a. a. O. 451,
472, 480.
» Fontes XXTH, 176.
* Archiv für (toterr. Qeschichte XXXI, 281, 282, 283, 289.
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170
im Juli 1389 von Johann von Rosenberg dem Kloster über-
lassen.^
Noch im Jahre 1410 waren Güter in Ober- und Nieder-
Schwant und in Reichental von Rosenberg lehenrührig, wie
aus der von Ulrich von Keuschach, Verweser des Landgerichts
Freistadt, 1410, 28. Oktober, erlassenen Ladung an Herrn Hein-
rich von Rosenberg vor das Landtaiding in Pregarten erhellt.*
1494, 7. April, fertigte Peter von Rosenberg einen Lehenbrief
aus auf Michl auf dem Püchl über dessen Lehen auf dem Püchl
zu Zeyß ,in Newnmarckhter pfarr vnd freinstetter Herrschaft
gelegen'; 1537, 19. März, belehnte damit Jobst von Rosenberg
den ,Edl und vesten Joachimb Marchschalch zu Reichenaw'.'
Ob die villa Winthersdorf, welche auf Veranlassung Woks
von Rosenberg von einem nicht genannten Stifter schon 1259*
nach Hohenfurt geschenkt worden ist, die Ortschaft Winters-
dorf in der Pfarre Reichenau ist, muß stark bezweifelt werden;
zum Besitzstande der Rosenberger gehörte sie jedenfalls nicht.
Übersehen wir nun den letzteren, so ergibt sich folgendes
Resultat:
1. Von der Einmündung des Dießenbaches in die Große
Mühel, eine kurze Strecke vor Neuhaus, angefangen bis zum
Einflüsse des KJafferbaches in die Mühel bei Salnau reichte
ununterbrochener Besitz der Witigonen, in der Breite, welche
das Landgericht Haslach einnahm.
2. In der Riedmark (Landgericht Freistadt) lagen un-
mittelbare Güter und Lehen in der Richtung von Freistadt
durch die Pfarren Waldburg und Reichental bis an die jetzige
oberösterreichisch-böhmische Grenze, ein Lehen selbst südlich
von Freistadt.
3. Unmittelbar an diese Güter schloß sich der kompakte
Besitz der Witigonen bis zur Moldau an, sowohl der gemein-
same als auch der Sonderbesitz der beiden Zweige Krummau
und Rosenberg.
Aus den Stiftungsurkunden von Hohenfurt (S. 119 f.) geht
hervor, daß das Gebiet südlich von der Moldau gemeinsames
^ PrOlI, Geschichte von Schlägl, S. 63, aus dem Original.
■ Harracher, Urkunde in Wien. Strnadt, Geschichte der Herrschaft Windeck
und Schwertberg im Archiv für österr. Geschichte XVII, 162.
' Fürstl. Schwarzenberg. Zentralarchiy Krummau II A* Nr. 1 a, Lade 89.
* Fontes XXIH, 4, 11.
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171
Eigentum der beiden Familienzweige von Krummaa und von
Rosenberg war; denn zur Schenkung des Klosterwaldes, ein-
schließlich der Anhöhe, auf welcher das Kloster erbaut wurde,
vom Ziehbache bis zum Waldgipfel von Kapellen mußte von
Wok die Zustimmung der beiden Agnaten Budiwoy und Witigo
von Emmmau eingeholt werden, welche ausdrücklich erklären,
daß ihr Vetter Woko das neue Kloster ,in communi nostra
possessione inchoavit, eam partem silve que nos iure here-
ditario contingebat . . in dedicatione eiusdem ecclesie de-
dimus'.*
Der ganze Landstrich war ako ungeteiltes Stammgut
und muß als solches schon bestanden haben, bevor die Familie
sich teilte, d. h. im Jahre 1194, also zu einer Zeit, in welcher
die Kulturen im Süden der Moldau noch geraume Zeit durch
dichte Wälder von den nördlicher gelegenen Gegenden Böhmens
geschieden wurden. Der Sonderbesitz der beiden Zweige be-
fand sich im Norden und im Osten der Moldau, dort wurde
Krammau, hier Rosenberg gegründet.
War, wie wohl anzunehmen ist, das große zusammen-
hängende Gebiet von der Moldau bis zur Großen Mühel und
bis zur Donaa Stammgut der Witigonen&milie im Jahre 1194,
so kann es füglich nicht erst in diesem Jahre erworben worden
sein, sondern muß es naturgemäß schon längere Zeit früher
dargestellt haben, da der Kolonisierungszug von Süden nach
Norden ging.
Wir gelangen daher zu dem Schlüsse, daß der erste
Witigo ein erbberechtigter Schwertmage der Blankenberger
gewesen ist, daß er dem Geschlechte Schönhering-Blankenberg
angehörte und nach Absterben des zuletzt auf der Blankenburg
seßhaften Astes um 1190/91 in die Besitzrechte desselben ein-
trat. Zum unabweisbaren Schlüsse aber führt folgende Be-
trachtung:
Bis vor einigen Jahren gähnte zwischen dem Absterben
der Blankenberger und der Rückgabe der Lehen Witigos an
der Mühel (1231) eine Lücke von vierzig Jahren, innerhalb
welcher es unmöglich schien, den Übergang der passauischen
Lehen von den Blankenbergem an die Witigonen, sonach die
Kontinuität dieses Lehenbesitzes nachzuweisen. Denn ohne
* Fontes XXHI, ö, 6.
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172
diesen Nachweis war die Möglichkeit, daß die Witigonen die
Lehen ans dritter Hand überkommen haben^ dorchans nicht
ausgeschlossen, sowie der Umstand, daß die Eigengüter der
Blankenberger nicht zum Lande heim&llig wnrden, schon des-
halb für sich allein nicht ausschlaggebend ist, weil das Land
im Norden der Ranschemühel, wo gerade kompaktes Herr-
schaftsgebiet der Blankenberger anzunehmen war, um 1190 und
lange darnach noch zu Bayern zählte und der Bischof von
Passau noch nicht Reichsflirstenrechte erlangt hatte.
Dem Rektor a. D. Heinrich Sperl in Amberg gebührt das
Verdienst, in seiner schon früher bezogenen Abhandlung Tsiehe
S. 165) die Siegellegende an der Worliker Urkunde vom Jahre
1220 richtig gelesen und in dem Witigo von Plankenberg der
Passauer Urkunde vom Jahre 1209 einen Witigonen erkannt
zu haben.
Daß der letztere bisher für einen Ministerialen angesehen
wurde, hat seinen Grund in der schlechten Überlieferung der
Urkunde, datiert Grimarstetin (Gramastetten) 1209, 6. Juli, wo-
mit Bischof Manigold von Passau einen Tausch zwischen dem
Kanoniker Tiemo und dem Ritter Ruedeger Biber bestätigt.'
Der sog. codex trad. pat. sextus aus dem 15. Jahrhunderte
schreibt nämlich die beiden ersten Zeugen Golo de Chuechen-
pach et frater eins heinricus anstatt, wie außer Zweifel steht,
Cholo de Waehssinperch et frater eins heinricus, auf welche
beide Witigo de planchiberc (so der Kodex), Albero gnesse
cum duobus filiis suis alberto et Albero (Gneuße, von welchem
der Sitz Gneußenau bei Kleinzeil benannt wurde), Amoldus de
Haselbach (Haselbach Pfarre Altenfelden), Heinricus de esil-
berch, Rudigerus pincerna, Otto de Munichen, Pabo Chehelrinc,
Engilgerus dispensator, wernherus de winisperch, Rubertus stal
(Ministerial der Schaunberger), Chunradus de hove, Chunradus
Marschalcus de Schoneberch, Heinricus de tobel et gener
eins Fridericus, Hehelo (Hecelo) de bochesrukke et filii sui
Hainricus et dyetmarus (Bocksrucker in Iglbach), Hainricus de
Rotenvelse cum filio suo leutoldo et dyetmarus (Rotenfelser bei
St. Veit), pillungus de planchenwerch (Burgmann auf Blan-
kenberg), Aurwicus (Ainwicus) de vischpach cum filio suo
chunrado (Fischbach bei Rohrbach), Hainricus de sancto udal-
1 Mon. Boic. XXIX b, 280.
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173
rico et frater eius Siboto (St. Ulrich bei Neufelden), Dyetricus
de sancto Johanne cum filio suo chanrado (Ludmanstorferhof
bei St. Johann) folgen. Der anmittelbare Anschluß bekannter
Dienstmannen hat auch den Verfasser im Jahre 1869 ^ bewogen,
in Witigo einen passanischen Lehenmann zn erblicken, während
infolge der richtigen Lesung der Worliker Siegellegende bei
dem Auftreten der bekannten Qriesbach - Blankenbergischen
Mannen kein Zweifel obwalten kann, daß Witigo von Planken-
berg gleich den Griesbachem, die sich gewöhnlich in Gesell-
schaft der Blankenberger befanden, als Hochfreier anzusehen ist.
Die Reproduktion des Siegels Witkos von Perchyc an der
Worliker Urkunde 1220 für Milewsk (Mühlhausen) in den ,Mit-
teilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen'
ist viel zu dunkel ausgefallen, als daß aus dieser alle Buch-
staben der Legende mit Sicherheit abgelesen werden könnten.
Der Verfasser hat durch die Güte des fftrstlich Schwarzen-
bergschen Zentralarchivs-Direktors A. Mörath in die ftlr das
Krummauer Archiv hergestellte Abbildung der Urkunde und
des Siegels, welche in lichtbraunem Tone gehalten ist, Einsicht
erlangt. Das Siegel ist mit Rücksicht auf sein hohes Alter
verhältnismäßig sehr gut erhalten. Mit aller wünschenswerten
Deutlichkeit sind folgende Buchstaben zu erkennen:
.-. WITKOS . DE . PL . N . . . N . . ERC.
Das S nach Witko ist schwächer, das D durchzieht ein
Riß des Siegelwachses, die Buchstaben E und PL sind ganz
deutlich, der Buchstabe an der Spitze des Siegels ist wegen
der am Fuße der Wappenfigur, welche im Schilde die fünf-
blätterige Rose zeigt, befindlichen Erhöhung undeutlich (^f) und
durch letztere nach rechts geschoben, kann aber ein A vor-
stellen. N ist vollständig sicher, darauf folgt ein für drei Buch-
staben ausreichender Raum bis zu dem zweiten, auch teilweise
abgewetzten N, hierauf ein Raum für zwei Buchstaben, von
denen der erste durch den gedachten Wachsriß ganz ver-
schwunden ist, dagegen der zweite, ein E, nur den obersten
Teil eingebtlßt hat, endlich ein R und C. Der Raum fiir drei
Buchstaben ist zu sehr verwischt, um auch nur einen mit
Sicherheit bestimmen zu können.
* Strntdt, Nachtrag zu Peaerbacb im Linzer Museamsbericbt 1869, S. t5,
Anm. 6..
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174
Daß die Umschrift ursprünglich lautete .X- Witkos . de .
Planchinperc kann keinem gegründeten Zweifel unterliegen.
Nun erst i^Ut das richtige Licht auf das erste Auftreten
eines Witigo in Passau. Am 27. Oktober 1194^ beurkundet
daselbst Bischof Wolfker, daß sein Blutsverwandter, der edle
Babo von Ellenbrechtskirchen, auf seinen Todesfall dem Hoch-
stifte alle seine Güter vermacht, er, der Bischof, dagegen ihm
die Burg Struben samt Zugehör, wie selbe Engelbert besessen,
und das Dorf Gergweis verliehen und zum Pfände das Dorf
Alnkoven und den Hof in Straß gesetzt habe. Nach den Sal-
männern Chunrad von Rota, Heinrich von Paumgarten und
Chrafto von Anzinsbach folgt als erster Zeuge Witego de
Boemia, hierauf Albert de Chambe, Wemher von Griesbach
und dessen Sohn Walchun, dann eine weitere Reihe von acht
freien Herren, endlich eine solche von 59 Ministerialen.
Man hat sich bisher vergeblich gefragt, was im Jahre
1194 der edle Witigo von Böhmen am bischöflichen Hofe zu
Passau zu tun gehabt habe. Nachdem seither zwei Blanken-
berger des Namens Witigo: 1209 in Gramastetten, 1220 ohne
Ortsbestimmung gesichert worden sind und wir, der Ver-
zweigung der Witigonen entsprechend, annehmen dürfen, daß
der Witigo de Boemia 1194 mit dem Witigo de planchinberc
1209 und mit dem Witko von Pfcic eine und dieselbe Person
ist, können wir die Frage direkt beantworten.
Sind die Witigonen, wie nun erwiesen, den Blankenbergem
im Genüsse der passauischen Lehen an der Ostseite der Großen
Mühel unmittelbar nachgefolgt und führen von den Eigen der
Blankenberger auch mitunter den Titel von Blankenberg, so
kann nichts anderes den Witigonen nach Passau geführt haben
als die Absicht, die Lehenerneuerung vom Hochstifte zu er-
langen.
Denn nach Lehenrecht wurde bei dem Aussterben des
einen Zweiges einer Familie das Lehen derselben sofort fiir
den ihm zunächststehenden Zweig ledig. Die Tatsache, daß
Witigonen in den Lehen der Blankenberger nachfolgten, zeigt
deutlich, daß sie Agnaten der letzteren waren; wäre dies nicht
der Fall gewesen, so entstünde die kaum zu beantwortende
Frage nach dem Grunde, aus welchem die Bischöfe von Passau
» Mon. Boic. XXVIII b, 261.
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175
Lehen, die sie so eifrig flir ihre Kirche erworben haben^ einem
mächtigen Baron aus einem fremden Lande neu verliehen
haben sollen. Ausnahmen sind streng zu beweisen; wer einen
solchen ungewöbnlichen Fall behauptet^ hat auch die Beweise
für die Ereignung desselben beizubringen.
Der edle Witigo kann demnach in Passau zu keinem
anderen Zwecke sich eingefanden haben als zur Erwirkung
der Lehenemeuerung für die Schwertmagen des alten Stammes.
Es war aber jedenfalls nicht der alte Witigo, weil der-
selbe nach der Marginalanmerkung des Zeitgenossen Gerlach,
Abt von Mtihlhausen,^ im selben Jahre, 1194, gestorben ist und,
wenn er noch über den 27. Oktober hinaus am Leben gewesen
sein sollte, gewiß nicht mehr wird haben daran denken können,
die Reise durch die Grenz wälder nach Passau zu unternehmen.
Der edle Mann Witigo von Böhmen ist demnach der
Sohn des Zupans (comes, castellanus) Witigo, der sich in der
Urkunde des Klosters Waldsassen, zirka 1182,* von Purschitz
nennt, also jener Witigo, Stammvater der nachmaligen Herren
von Rosenberg, welchen Pangerl den ,älteren' nennt.^
Darüber, daß der Name Witigo unbestreitbar ein deutscher
ist, der nur in Böhmen zu Witko verändert und zuletzt gar in
Witek tschechisiert worden ist, brauchen nicht viele Worte
verloren zu werden. Daß der Name Witigo gerade in Nieder-
bayem im 12. Jahrhunderte nicht selten war, dafür sei auf
folgende Belege verwiesen: zirka 1140 Witigo in der Schen-
kung Patos an Formbach, Witigo nobilis homo, der drei Joch in
Welingen nach St. Kikola vergabt, Witigo de Witerun (Wietraun
im Inviertel), c. 1150 Witego miles Richeri de Osternach (im
Inviertel), Witig de Furt (im Inviertel), c. 1170 Witigo de
Tobelheim im Rottale), Witigo de Griezpaeh (im ehemaligen
Fürstentum Passau).*
Von einem Witigo führen den Namen: das Wittichgut
(No. 10 neu, 14 alt) zu Steinbruch nächst Blankenberg und
' Mon. Germ. Script. XVII, 707.
' Erben, Reg. dipl. nee non epUtolaria Bohemiae et Moraviae, 167,
Nr. 374.
' ,Die Witigonen. Ihre Herkunft, ihre ersten Sitze und ihre älteste Genea-
logie.* Archiv fttr österr. Geschichte LI, 500 ff.
* Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 719, 568, 666, 307, 330, 741;
Mon. Boic. V, 120.
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176
das Wittichweberhaus daselbst, das Widersedergut (Wittichsöd)
in Winkel an der Großen Mtihel, das Wittichschlägergut zu
Saumstraß bei Zwetl, das Dorf Wittinghof an der Aist bei Pre-
garten, das Pfarrdorf Wittibreut Amtsgericht Pfarrkirchen, wie
auch schon um 1130 ein Ort im Rottale Witigowingin benannt
wurde.* Witigau heißt heute noch ein Dorf in der Pfarrei
Treubach im Inviertel. Träger des Familiennamens Witig-
schläger und Witibschläger leben heute noch in Leonfelden und
in Linz.
Es fragt sich noch, wie der Zupan Witigo, der sich von
Pfic nennt, nach Böhmen gekommen ist, wenn er aus Nieder-
bayem stammte.
Die Zeitverhältnisse erlauben diese Frage mit hoher Wahr-
scheinlichkeit zu beantworten.
Die böhmische Thronfolgeordnung hatte seit dem Tode
Königs Wratislaw (1092) zu wiederholtenmalen heftige Thron-
Streitigkeiten und das Einschreiten der deutschen Könige als
Lehenherren zur Folge gehabt. Wladislaw 11., der 1140 zum
Herzoge erhoben wurde, mußte sich gegen die Adelsaufstände
völlig auf die Gunst des deutschen Königs stützen, weshalb er
sich auch alsbald mit der Babenbergerin Gertrud, Schwester
Luitpolds des Herzogs von Bayern und Markgrafen von Öster-
reich, vermählte. Der deutsche König Chunrad HI. kam mit
einem Heere dem Halbschwager wider dessen Gegner zu Hilfe
und rückte am 7. Juni 1142 in der Hauptstadt Prag ein. Erst
1146 gelang es dem böhmischen Herrscher, seine Feinde ganz
zu Boden zu werfen, und nahm er nach seiner Erhebung zum
Könige (1156) in den Jahren 1157 und 1158 persönlich teil an
den italienischen Heerfahrten Kaiser Friedrichs.*
Li Böhmen fanden daher in jenen Zeiten mutige Ritter
willige Aufnahme und entsprechenden Lohn. Schon 1142 mag
König Chunrad HI. manche Ritter aus seinem Heere seinem
Schützlinge zurückgelassen haben, noch mehrere werden den
folgenden Thronkämpfen zugeströmt sein. In noch höherem
Maße bedurfte Wladislaw auswärtiger Krieger, als er sich be-
mühte, die Nachfolge seines Sohnes Friedrich durchzusetzen.
Gerade in diesem Zeitpunkte tritt in Böhmen ein Witko auf,
^ Oberösterreichisches Urkundenbach I, 547.
' Palacky, Geschichte von Böhmen I, 416 — 460; Alfons Huber, Geschichte
Österreichs I, 294—304.
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177
der in verschiedenen Stellungen erscheint: 1169 als Truchseß,
1177 Kastellan in Glatz, 1184 Kastellan in Prachin, wohl ein
and dieselbe Person^ schon durch ihren Namen kenntlich. Es
versteht sich von selbst, daß die böhmischen Herzoge ihre
Parteigänger für die geleisteten Dienste zunächst mit Besitz in
kultiviertem Lande bedachten, nicht mit dem Waldlande im
fernen Süden. So sehen wir denn auch Pfic (Bezirk Sedlec,
Kreis Beraun), Kojetein und Stankau bei Mtilhausen (Kreis
Tabor) in der Innehabung Witkos. Die großen Schenkungen
im südlichen herzoglichen Markwalde im Gaue der Doudleby
müssen in späteren Zeiten erfolgt sein, wofür auch der Um-
stand spricht, daß Krummau erst im zweiten Drittel des 13. Jahr-
hunderts auftaucht, zu einer Zeit, in welcher Städtegründungen
,aus grüner Wurzel' im Gange waren und die südliche Wald-
mark ausgenützt wurde, welche bis dahin Böhmen von den
österreichischen und bayrischen Kulturen getrennt hatte. Noch
in der Mitte des 13. Jahrhunderts äste an der Stelle von Unter-
Wuldau (Nahirzowe) das Hochwild. Die Herrschaft Krummau
hatte noch 1259 keinen bedeutenden Umfang, da im Südwesten
Schwarzbach, nach Mugerau gehörig, noch nicht lange dem
Walde entrissen, im Osten der Sonderbesitz des Rosenberger
Zweiges anstieß, der am nördlichen Moldauufer nur eine kurze
Strecke einnahm, welche in geringer Entfernung an den Küh-
berg und an die Dörfer Ober- und Unter-Schönhub, Sonder-
eigentum Witgos (Witigos) von Krummau, anrainte.^ Auch
dieser Umstand spricht ftlr die vormalige Moldaugrenze, wie
denn die deutschen Suffixe der Ortsnamen ,Schlag, Stift, Reut,
Hof, Berg, Dorf, Haid^ keinen Zweifel darüber aufkommen
lassen, daß der Wald am südlichen Moldauufer vom Boden des
oberösterreichischen Mühlkreises aus urbar gemacht und besiedelt
worden ist.*
Nach diesen allseitigen Darlegungen kann es nichts ver-
schlagen, wenn es nicht möglich ist, den edlen Witigo von
* PaDgerl, ,Zawi8ch von Falkenstein* in den Mitteil, des Vereine» für Ge-
schichte der Deutschen in Böhmen X, 160.
* VgL die Karte su Band I von Julias Lipperts ,Sozialgeschichte von
Böhmen bis zu den Hu8sitenkriegen\ Wenn er Witko für einen böhmi-
schen Großen erklärt (I, 258), so darf wohl nur bemerkt werden, daß
ihm kein Österreichisches Forschungsmaterial vorlag und die Frage von
Böhmen ana allein nicht au lOsen war.
IrehiT. XCl?. Band. 13
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178
Purschitz an bestimmter Stelle in den Stammbaum der Schön-
hering-Blankenberger einzufügen ; er mag ein Bruder oder Vetter
Engelberts I. gewesen sein und als jüngerer Sprößling sein
Glück in böhmischen Kriegsdiensten gesucht haben. Gerade
seine bayrische Abkunft wird den österreichischen Herzog
vermocht haben, auch ihm auf den Blankenberger Gütern
Grafenrechte zuzugestehen, was bei den oftmaligen Fehden
zwischen Böhmen und Osterreich einem böhmischen Baron
gegenüber ein grober politischer Fehler gewesen sein würde,
dessen ein Baben berger niemals fkhig gewesen wäre.
Achter Abschnitt.
Die Burg Falkenstein zu allen Zeiten im Besitze hoch-
freier Geschlechter. Adalram von Falkenstein 1140. Eal-
hoch von Falkenstein um 1180. Übergang an die Erumm-
auer Linie der Witigonen; Zawisch von Falkenstein. Die
ersten Stifter von Schlägl nicht Besitzer, sondern Burg-
mannen von Falkenstein. Stammtafel derselben; ihre
beurkundeten Besitzungen. Stiftung von Schlägl, Vogt-
recht der Herrschaft Falkenstein. Rannarigel auf ur-
sprünglich Griesbachschem Boden, Stammbesitz der
Ministerialen von Falkenstein.
Zur Lösung der Frage, wie Falkenstein in die Hände
des Witigonen Zawisch, des Gemahls der Witwe König Ota-
kars, gelangt ist, muß weit in die Vergangenheit, in den Be-
ginn des 12. Jahrhunderts zurückgegriffen werden. Die Ur-
kunden sprechen nicht über bekannte Verhältnisse, dieselben
müssen erst aus ihnen erschlossen werden.
PangerP hat die Vermutung geäußert, daß das Dorf
Schindlau, Erbstück der Berchta von Skalitz, aus dem Gute der
passauischen Ministerialen von Falkenstein herrühre, da selbe
in jenem Dorfe und überhaupt in jener Gegend begütert waren.
Er meint damit ,partem decimae in Schintelaw, quae me iure
hereditario respiciebat', welchen Kaihoch von Falkenstein 1269
als Schadenersatz nach Schlägl gab.^ Allein Zehentberech-
^ a. a. O., ZawiBch, S. 145—186.
' Oberösterreichisches Urkundenbach III, 861.
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179
tignngen standen dem hohen und dem niederen Adel aus ver-
schiedenen Titeln auch auf fremdem Herrschaftsgebiete zu, hier
ist gar nur von einem Teilzehent die Rede.^
Die Vermutung, daß Berchta aus dem Geschlechte der
Falkensteiner stamme, ist vorweg abzuweisen. Berchta kann
diesen Ministerialen nicht entsprossen sein: denn dann wäre
sie üntergenossin ihres Ehegatten gewesen, die Kinder aus
ihrer Ehe wären der ärgeren Hand gefolgt,* hätten also dem
Stande der Ministerialen angehören müssen. Nun war aber
dem nicht so, im Gegenteile zählten Zawisch und seine Brüder
zu dem böhmischen Hochadel, zu den Baronen.
Daß die Herrschaft Falkenstein niemals im Besitze der
passauischen Falkensteiner, Schindlau aber ursprünglicher Be-
standteil der Herrschaft Falkenstein war, wird im weiteren
Verlaufe dargetan werden.
Zawisch, der Sohn Budiwoys von Krummau und seiner
Hausfrau Berchta, war im Jahre 1272 im tatsächlichen Besitze
der Burg Falkenstein an der Ranna. Am 27. Juli desselben
Jahres ^ zu Velden unterwarf er sich bezüglich seiner Schaden-
ersatzansprüche an Bischof Peter von Passau einem Schieds-
gerichte, welches 14 Tage später im Markte Velden zusammen-
treten sollte; wären er oder der Bischof aus ehafter Not nicht im
Lande^ so soUte ein Ritter des verhinderten Streitteiles die Ab-
wesenheit seines Herrn mit einem Eide bekräftigen, der Ritter
Zawisch' vor dem Passauer Kapitel, der Ritter des Bischofs
aber in ,valchenstain^
Der Witigone nennt sich in der Urkunde Zawisius de
Valchenstain und behielt dieses Prädikat bis an sein Lebens-
ende (1290) bei; in dem Siegel, das noch an der Urkunde
hängt, führt er einen Falken, welchem in der rechten oberen
Ecke die Rose, der Stilisierung des Vogels entsprechend in
länglichte Blätter geteilt, beigefügt ist. Der Falke steht auf
dreispitzigem Hügel und hat, wie im Wappen der Grafen
von Falkenstein am In, geschlossenes Gefieder.*
^ Der Zehentbestand aus Erbrecht bestätigt die Annahme, daß Schindlau
schon lange Zeit vorher bestand.
* Sachsenspiegel I, 16, § 2.
* Mon. Boic. XXTX b, 503. Original im k. allgem. Reiohsarchiv in München.
* Abbildung in der Monographie Pangerls.
13*
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180
Jener Zabissins Castellanus de ValchenBtain, welcher als
letzter Zeuge in dem Reverse König Otakars 1274, 11. De-
zember/ dem Bischöfe Peter von Passau die für die Verleihung
der Kirchenlehen vereinbarten 1500 Mark Silber in bestimmten
Fristen zu berichtigen, auftritt, ist nichts anderes als der Burg-
graf des Witigonen, nicht der letztere selbst; denn die drei
diesem Zawisch vorangehenden Zeugen Pilgrim von Tannen-
berg, Siboto von Lonstorf und Chunrad von Hartheim sind
passauische Ministerialen, welchen der böhmische Baron, wäre
er unter dem castellanus verstanden, unbedingt vorangehen
müßte.«
Zu dem Wappentier zurückkehrend, mag bemerkt sein,
daß der Gemahl der Frau Berchta, Budiwoy, schon 1259, 1. Juni,
in den Ecken seines Siegels je einen Vogel aufgenommen hat,
von denen jener rechts oben noch die meiste Ähnlichkeit (ge-
bogenen Schnabel) mit dem Vogel Zawisch' hat, während die
beiden anderen Sumpfvögeln ähneln. Den Vogel unten sieht
Pangerl* für einen Schwan an. Möglicherweise sind die Miß-
gestalten der Vögel überhaupt nur dem Ungeschick des Siegel-
stechers zuzuschreiben. Der Umstand scheint aber gesichert
zu sein, daß die vormaligen Eigentümer von Falkenstein den
Falken mit geschlossenem Gefieder im Wappen geführt haben.
Die Ministerialen, welche sich von Falkenstein nannten,
führten dagegen einen Falken mit zum Fluge ausgebreiteten
Flügeln im Wappen; in dem ältesten Siegel an der Urkunde
1268, 3. Mai,* steht dieser Falke auf einem von runden
Steinen gebildeten Hügel, der sich dann nachmals in einen
dreispitzigen verwandelt hat. Diese unfreien Falkensteiner
werden im 12. Jahrhunderte von ihrem ersten Erscheinen im
Jahre 1163 an nur ganz allgemein als Ministerialen bezeichnet
und begegnen uns in Urkunden der verschiedensten Herren,
während die Tannberger, Wesner, Marsbacher, Haichenbacher
ständig in Passauer Urkunden auftreten. In der Abmachung
^ Mon. Boio. XXIX b, 516.
' Daß der Tanfname Zawisch auch jenseits der Donau gebräuchlich war,
zeigt die Benennung des Hofes Zawischeugut bei Pregarten.
' Im Urkundenbach von Hohenfurt, Fontes XXin6. Die Abbildung des
Siegels verdankt der Verfasser der Güte des Herrn Professors Dr. Valentin
Schmidt, der auch sonstige AufklKrangen gegeben hat.
* Im k. allgem. Reichsarchiv in München.
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181
Bischofs Wolfker mit Babo von Ellenbrechtskirchen vermissen
wir unter den 59 Ministerialen den Kaihoch von Falkenstein,
während seine Nachbarn Richker von Wesen, Friedrich von
Wesenberg, Heinrich von Marsbach in erster Reihe stehen.
Ausdrücklich als Ministerial der Kirche Passan bekennt sich
der Stifter von Schlägl erst im Jahre 1218, obwohl er und
vielleicht auch seine Vorfahren schon früher Lehen von Passan
innehatten, da seit der Mitte des 12. Jahrhunderts Ministerialen
nicht bloß Dienstlehen von ihren Herren, sondern auch rechte
Lehen von anderen Herren empfangen konnten. Das zweite
Mal wurde das KUoster Schlägl in kultivierter Gegend im Witi-
gonengebiete gegründet, welche Tatsache vermuten läßt, daß
schon damals die Witigonen beigetragen haben dürften, weil —
wie gezeigt * werden wird — die Mittel der Falkensteiner noch
sehr unzureichende waren.
Der umstand, daß des Stifters Sohn es unternehmen
konnte, gegen den Willen des Hochstiftes auf einigen Gütern
desselben^ die Gerichtsbarkeit auszuüben,* führt zu der wei-
teren Vermutung, daß Chunrad um das Jahr 1221 wahrschein-
lich noch Burgvogt auf Falkenstein gewesen sein wird. Erst
gegen 1240 dürfte er den Burgsitz auf Falkenstein verloren
haben und trat dann zu Weihnachten 1240 in ein bindendes
Verhältnis zu Passau. Er hatte damals noch keine Burg, weil
in dem Reverse 1240, 25. Dezember,* der vom Bischof Rudiger
zu seinen Räten erwählten Ministerialen Hadmar von Wesen,
Chunrad von Valchenstein, Ortolf von Waldeck und Pilgrim
von Tannberg ausdrücklich unterschieden wird zwischen denen,
die eigene Burgen haben, und denen ,qui non habent castra',
der erste und die zwei letzten zu Wesen, Einburg und Waldeck,
und zu Tannberg angesessen waren, demnach nur der Falken-
steiner als burgenlos gedeutet werden kann. Von dieser Zeit
' Darunter Hamet und Niederndorf, in welchen Orten noch im Jahre 1474
sich von Österreich, d. i. von der Herrschaft Falkenstein lehenbare Güter
befanden. Siehe Chmel, Mon. Habsburg HI, 702. Meister Siegmund
(1504 Pfarrer zu Altenfelden) und Qeorg Qebr. die Herleinsperger senden
dem Kaiser Friedrich lehenbare Güter zu Nydemdorf und Hämad, Pf.
Griesbach im Landgerichte St. Georgenberg ob Passau zugunsten ihres
Vetters Ulrich des Herleinsperger auf.
» Vgl. vorne S. 146.
' Mon. Boic. XXIX b, 865.
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182
an waren die Falkensteiner ausschließend hochstiftische Dienst-
lente, weshalb nunmehr auch an Chunrad ein Teil der Gries-
bachschen Güter zu Lehen verliehen und die Erlaubnis erteilt
worden sein wird, auf dem Plateau ober der Rannamündung
im Angesichte der Feste Falkenstein zum Schirme für den all-
seitig befehdeten Bischof Rudeger einen Wehrbau, den Turm
aufzurichten , welcher nach seiner Anlage auf dem Riedel
,RannarigeP genannt wurde. Am 8. November 1268^ versetzte
Chalhoh von Valchenstein als Unterpfand seiner Treue dem
Bischof Peter auf drei Jahre von kommenden Pfingsten (1269)
an gerechnet seinen Turm in Rannarigel (turrim meam in
Raennarigel), welchen der Bischof mit Wächtern aus seinen
Leuten (de familia ecclesie) besetzen kann, und verpflichtete
sich, dem Hochstifte oder den Nachbarn weder selbst, noch
durch seine Leute Schaden zuzufligen, jeden Schaden aber
binnen Monatsfrist gutzumachen. Der späte Anschluß an den hoch-
stiftischen Ministerialverband erklärt auch, weshalb die Falken-
steiner kein passauisches Hofamt bekleideten, während die von
Wesen das Schenken-, die von Haichenbach das Marschalken- und
die Tannberger das Truchsessenamt verwalteten. Erst nim treten
die Falkensteiner mehr in den Vordergrund, nachdem sie vorher
in den Zeugenreihen eine ziemlich bescheidene Stelle ein-
genommen hatten.
Im Jahre 1281 war der Turm Rannarigel zur stattlichen
Burg ausgebaut, um in dem Jahre 1357 von den uneinigen
Brüdern an das Hochstift veräußert zu werden.* Aus dem
Vergleiche der Brüder Ealhoch und Heinrich von Falkenstein
mit Ulrich von Hauzenberg 1258, 29. Jänner,* ist zu schließen,
daß Rannarigel schon vor diesem Jahre gestanden ist, weil die
Lehen in Razing (östlich von Waldkirchen in der Abtei) nach
den Verzeichnissen 1488 und dem Urbar 1510 zur Herrschaft
Rannarigel gehörten und eben diese den Falkensteinem, Reh-
berg (Rehweinsperg, nordwestlich von Fürholz), dem Hauzen-
berger zugefallen waren.
Zum Beweise, daß von Heinrich von Falkenstein nicht
Falkenstein, sondern Rannarigel bedingungsweise dem Hochstifte
^ a. a. O. 482 bloßes Regest, hier aus dem Originale im k. allgem. Reichs-
archiv in München.
* Stmadt, Velden im Linzer Mnsenmsberichte 1860, 8. 164, 206—208.
» Mon. Boic. XXIXb, 114.
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183
vermacht worden ist, folgt hier der Inhalt der im k. allgemei-
nen Reichsarchive zu München aufbewahrten Originalurkunde,
ddo. 3. August 1345 (,an sant Stephanstag als er fanden wart^:
Heinrich von Falkenstein bestimmt, daß nach seinem Tode
sich seiner ,Vest ze Rannarigel, die mein rechtes Lehen
ist von meinem genedigen hem Bischof Gotfrid zu pazzau
und von seinem gozhaus' der Bischof unterwinden und seinen
Töchtern Agnes und Dorothe jeder 400 Pfund Pfennige, sowie
seine Hausfrau ,vron Annen' 200 Pfand, wovon sie über 100
frei verfiigen kann, 100 aber nach ihrem Ableben seinen Brü-
dern Chalhoch, Ulrich und Hang zu hinterlassen hat, aus-
richten soll. Den Brüdern, die jajmer Insigel nicht enhaben',
steht die Wiederlösung der Feste um 1000 Pfand Pfennige offen.
Nachstehend die urkundlichen Angaben über den Besitz
der Falkensteiner im Mühellande.
I. 1236. Bischof Rudiger von Passau übergibt das Kloster
Slage dem 'Propst Orthold von Osterhofen und
bestätigt, daß Chunrad von Valchenstein die Stif-
tung seines Vaters Chalhoh erneuert, dem Vogt-
rechte entsagt und ,partem decimationis, quam in
illis locis habuit' fUr das Kloster übergeben habe.*
Wohl in Kazling. (Siehe S. 185.)
11. 1258, 29. Jänner. Lehen in Razing in der Abtei, siehe
vorstehend S. 182.
in. 1259, 23. Jänner. Bischof Otto verpfändet seinem Ge-
treuen Heinrich von Valchenstein für das Heirats-
gut seiner Nichte Adelheid von Radeck zwei Höfe,
zur Hofinark Ebelsberg gehörig.*
rV. 1268, 3. Mai. Chalhoch von Falkenstein verpftlndet seinen
Turm Rannarigel an Bischof Peter. Siehe vor-
stehend S. 182.
V. 1269, 13. Jänner. Chalhoch von Valchenstein übergibt als
Schadenersatz dem Kloster Schlägl ,omnia predia
mea in Strazze, que mihi iure hereditario con-
petebant'.' Straß Pfarre St. Peter am Windberg.
* Oberöeterreichisches Urkundenbach m, 44. Hier nach dem Vidimus
1306, 1. März im Hofkammerarchiv, Fasz. F 1.
' Mon. Boic. XXIX b, 180.
' OberOflterreichiBches Urkunden buch HI, 860.
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186
wieder an Herzog Albrecht verkaufte. Die Brüder Friedrich
UDd Chunrad hatten sich schon anfangs des 14. Jahrhunderts
in bayrische Dienste begeben, Friedrichs Enkel war Peter
Pfleger zu Schärding, der noch vor Heinrich dem Letzten des
Stammes mit Tod abging. Der Lehenbrief der Herzoge Otto
und Albrecht über das Gericht zu Falkenstein, welchen Wis-
grilP anführt, konnte weder im Hofkammer- noch im k. k.
Haus-, Hof- und Staatsarchiv, auch nicht unter den Regesten
Birks aufgefunden werden, es ist wohl ein unrichtiges Zitat;
auf die Falkensteiner kann er nicht lauten, weil die Herrschaft,
längst landesfürstliches Eigentum, im selben Jahre pfandweise
an Eberhard von Wallsee übergegangen ist.
Es ist somit wohl zur Gewißheit erhoben, daß die Familie
der Stifter von Schlägl niemals Falkeu stein besessen, vielmehr
Rannarigel ihren Stammsitz und auch einzigen Schloßbesitz
gebildet hat.
Die von dem Verfasser in den Linzer Museumsberichten *
gelieferte Stammreihe dieser Falkensteiner, seither ergänzt und
berichtigt, stellt sich wie auf S. 187 ersichtlich dar.
Das früheste Vorkommen der unfreien Falkensteiner fUUt
nicht vor das Jahr 1163;* der erste Vertreter, Kaihoch, kommt
weiter vor 1173, 1177, zirka 1180, zirka 1188.^ Um 1188
treffen wir einen Wernherus de valchensteine, dann wieder
1204, 29. Juli;^ wie sein Vorgänger wird auch er Burgsasse
auf dem Falkenstein gewesen sein und von diesem die Be-
zeichnung erhalten haben. Der Stifter von Kloster Schlägl,
wieder ein Kaihoch, kann nicht leicht mit dem ersten identifi-
ziert werden, wenn anders sein Grabstein, der erst aus dem
15. Jahrhunderte herrührt,^ die Wahrheit sagt, daß er im Jahre
1238 das Zeitliche verlassen hat; denn dann müßte er nahezu
hundert Jahre alt geworden sein. Ob der passauische Dom-
herr Chalhohus de Valchensteine in den Jahren 1198 — 1222^
' Schauplatz des niederOsterreichischen Adels III, 18.
« 1860 S. 112 und 1868 S. 360.
' Oberösterreicbisches Urkundenbuch II, 324.
* Mon. Boic. XII, 350; XXVIIIb, 98, 252; OberOsterreichisches Urkunden-
buch I, 509, 586; II, 413.
* Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 687; 11, 496.
« Pröll, Geschichte von Schlägl, S. 25, Anm. 3.
^ Linzer Museumsbericht 1899, S. 49; Mon. Boic. VI, 362; OberOsterrei-
chisches Urkundenbuch II, 496, 524, 592, 603, 611, 619, 635.
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188
mit den letzteren verwandt, allenfalls der Bruder des 1198,
30. Juni vorkommenden Chunrad von Valchenstein, dieser letz-
tere aber sein Vater gewesen, läßt sich nicht entscheiden; aller-
dings sind die Namen Kaihoch und Chunrad in der Familie
erblich und hieß auch der Sohn des Klosterstifters Chunrad.
Kaihoch von Falkenstein, den wir den zweiten nennen,
gründete nach dem zweiten Stiftbriefe ^ noch unter Bischof
Wolfker, daher längstens im Jahre 1204, an dem Orte, der
Slage genannt wurde, ein geringies Kloster (Coenobium exile),
das er den Zisterziensern zu Langheim Diözese Bamberg über-
gab. Nachdem sie innerhalb 7^/, Jahren einen Abt und einen
Mönch durch Hunger und Kälte eingebüßt hatten, verließen
sie die unwirtliche Einöde (locum solitarium) und waren nicht
mehr zur Rückkehr zu bewegen. Aus dieser Schilderung geht
zweifellos hervor, daß die erste Stiftung nicht, wie die soge-
nannte Tradition aus späterer Zeit haben will, an der Stelle
der Kirche Maria Anger in der schon längere Zeit kultivierten
Ebene an der Großen Mühel stattfand, sondern in einer abseits
gelegenen Neurodung im Walde. Erst die zweite Stiftung er-
folgte an dem wohnlicheren Orte, auf dem sich noch das Kloster
befindet; daß die eine oder die andere Stelle Kirchenlehen von
Passau gewesen sei, künden die Urkunden nicht. Die Neu-
gründung wurde dem Prämonstratenserstifte Milewsk, das die
Witigonen zu Nachbarn hatte, übergeben; auf dieses lautet
auch der Verzicht des Klosters Langheim.* Und das hat in
unserem Falle eine besondere Bedeutung. Das Kloster Schlägt
wurde, wie die weitere Folge lehren wird, im ursprünglichen
Umfange der Herrschaft Falkenstein an den Markungen der
Witigonen erbaut, und schon in der Widmung zeigt sich der
Einfluß der Herren von der roten Rose auf den Stifter. Erst
im Jahre 1236^ focht Bischof Rudiger diese Übergabe an und
überwies Schlägl dem Propste Orthold von Osterhofen (dilecto
> OberOsterreichisches Urkandenbach II, 597. Der erste findet sich nicht
anter den Urkunden des Klosters Langheim im k. allgem. Reichsarchiv
München und ebenso wenig unter jenen des Klosters Mühlhausen im
Stifte Strahow zu Prag.
* Oberösterreichisches Urkundenbuch II, 696. Die von Pröll, a. a. O. 28,
Anm. 1 hervorgehobene Rasur hat keine Bedeutung, da sie nicht das
verlorene Original oder das Kopialbuch betrifft.
' Der Druck im Oberösterreichischen Urkundenbuch III, 44 hat den
Namen Orthold nicht.
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189
in Christo fratii nostro Ortholdo Preposito in Osterhouen).
Wenn die ^Tradition' den ersten Propst von Schlägl Orthold
nennt, so steht sie im Widerspruche mit der Bulle des Papstes
Honorius HI. 1221, 2. April/ welche den Rektor des Klosters
der heiligen Maria in Slag mit dem Anfangsbuchstaben G. be-
zeichnet. Es zeigt sich hier wiederum, daß die Vorsteherlisten
in den späteren Zeiten ohne Gründlichkeit und häufig will-
kOrlich zusammengestellt wurden.* Osterhofen war auch schwer-
lich in der Lage, die Rolle eines Mutterklosters zu spielen,
denn das Kloster befand sich schon im Jahre 1240 keineswegs
in guter Verfassung, wie die vielfachen Resignationen und
Absetzungen der dortigen Pröpste im 13. Jahrhundert' mit
Orund schließen lassen.
Die im Schlägler Kopialbuche von 1593 enthaltene Nach-
richt, daß Herzog Friedrich 11. von Österreich im Jahre 1242
dem Erlöster erlaubt habe, ,ain ort des walds außreiten und
auf 21 lehen wait ein dorf anfangen zu lassen',* ist, wie der
Verfitöser bereits in den Mitteil, des Inst, für österr. Geschichtsf.
bemerkte,^ nichts anderes als eine Erfindung des Schlägler
Chronisten, welcher die ganz ähnliche Bewilligung Herzog Ottos
1325, 28. Februar® ins 13. Jahrhundert zurttcktibertrug; um
auch ffSiY die Entstehung von Aigen ein Datum zu haben, das
sich im Archive nicht vorfand. Die Nachricht, die genug Ver-
wirrung angerichtet hat, beweist die gänzliche Unkenntnis der
staatsrechtlichen Verhältnisse auf Seiten des Annalisten, da zur
gedachten Zeit die Gegend um Schlägl noch zu Bayern zählte
und erst seit 1290 die österreichischen Herzoge sich als Landes-
fllrsten und Vögte des Klosters zu benehmen anfingen. Außer-
dem hätte Schlägl noch gar nichts zu roden gehabt; denn bis
1264 gehörte die ganze Umgebung noch den Witigonen, welche
sich als die eigentlichen Stifter und Förderer des kümmerlich
dotierten Klösterchens bewiesen, indem dieselben vor 1258 die
P&rre Kirchschlag (Lichten werd) in Böhmen und 1264 die
große Dorfgemarkung Schindlau dem Erlöster überließen.
^ OberOfiterreichisches Urknndenbüch n, 629.
' Die Äbtereihe von Mondsee im früheren Mittelalter ist nach den Be-
weisen Konrad Meindls großenteils erfunden.
' Mon. Boic. XU, 826.
* Pröll, a. a. O. 26, Anm. 1. » a. a. O. XXIV, 648.
• OberOsterreichisches Urknndenbach V, 414.
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190
Schlägl würde daher mit größerem Rechte den Falken
mit geschlossenem Gefieder oder die fünfblätterige Rose im
Wappen führen; ganz nnhistorisch aber ist das moderne. Denn
der Falke der Rannarigler Falkensteiner steht in allen noch
vorhandenen Siegeln nicht auf drei Würfeln, sondern auf einem
Hügel; die drei fünfblätterigen Rosen sind unscheinbar und
gleichen Rosetten. Die beiden Holzschlägel endlich zeigen, daß
im 15. Jahrhundert, als die Stiftungssage aufkam, der Ausdruck
Slage oder Slaglein = Waldöffhung durch Rodung gar nicht
mehr verstanden wurde; sie gehen auf eine Reimerei statt auf
eine wirkliche Tatsache zurück. Das Mittelalter kennt dieses
Wappen nicht; in den Jahren 1343, 1466* zeigt das Kloster-
siegel Maria mit dem Jesukinde.
An die Schenkung von Schindlau knüpft sich fttr Schlägl
eine Verpflichtung, welche einen sicheren Rückschluß gestattet.
Bei der Bereitung der kaiserlichen Pfandherrschaften in
Oberösterreich im Jahre 1570 fand sich in einem älteren Ur-
bare von Falkenstein aus der Zeit zwischen 1520 und 1530 in
der Rubrik ,Geistliche Vogteien' folgender Eintrag:
,Da8 Gotßhaus zum Schlägl ist der Herrschaft Valgken-
stain mit der Vogt Obrigkait underworfen, wie dann gemelts
Gotshauß Jarlichen zu Vogtrecht 48 Mezen Habern, 2 Kelber
und 2 Kiz raicht^, was auch in das ,New Vrbar der Herr-
schafft Valckhenstein ob der Enns^ vom Jahre 1570* überging.
Die Verwalter des Gotteshauses Schlägl (nach Abgang
des Propstes Paul Marchesini) berichteten über Auftrag der
kaiserl. Kommissarien 1578, 13. Jänner,^ daß wenigstens seit
Menschengedenken die Entrichtung eines Possessionsgeldes nicht
üblich gewesen sei, und Propst Wenzeslaus Zypser stellte 1603,
10. Oktober* überhaupt in Abrede, daß der Herrschaft FaJken-
stein ein Vogteirecht zustehe, indem nur der allerhöchste Lan-
desflirst Vogt des Klosters sei, die 48 Metzen Vogthaber würden
durch des Gotteshauses Untertanen vom Dorfe Schindlau und
nicht vom Gotteshause gereicht. Die Kälber und Blitze erklärte
Wenzel als eine Leistung für einen — nicht genannten — ver-
wechselten Dienst, wie auch zur Herrschaft Rannarigel 2 Kälber
und 2 Kitze gereicht würden, so auch eine Königsteuer von
1 Fontes XXm, 87, 314.
* Kodex Nr. 4 der Urbare, Bl. 180 im Hofkammerarchiv.
8 Faszikel F 1 daselbst. * Ebenda.
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191
ScUägl aiis nach Pürnstein entrichtet werde, außerdem habe
ja laut Briefes des Bischofs Rudiger im Jahre 1236 Chunrad
von Falkenstein jeder Vogtei entsagt.
Propst Wenzel, der eifrige Verfechter der Rechte und
Ansprüche seines Hauses, hat hier Richtiges und Falsches,
Passendes und unpassendes durcheinander geworfen; zu letz-
terem gehört die Anftihrung der Königsteuer, die aus einem
ganz anderen Titel zu entrichten war (siehe Abschnitt XIV);
zu dem Unwahren sicherlich die Behauptung, daß die Kälber
und Kitze eine Leistung flir einen verwechselten Dienst waren.
Denn wir sehen aus dem Berichte des Propstes Matthias
Schueman 1578, 12. Juli^ und aus dem demselben beigelegten
Auszuge aus dem Urbar des Gotteshauses Schlägl vom Jahre
1482 ,das bey etlichen deß Gottshaus unterthanen der kiz
Phening geraicht und geben, wellicher sich auf 11 ß 23 ^S ver-
laufen thuet, von wellichen Dienst Phening oder gelt nit allain
zu der Herrschaft Rännariedl, sondern auch der Herrschaft
Valckenstain zway kelber vnd zway khiz vor Jam darumben
erkauft worden, und das die ybermaß dem Ambtman ver-
bUben'. Es war daher dieser Dienst eine Rekognition flir ur-
sprüngliches Vogtrecht, weil er als solches nicht bloß im Urbar
von Falkenstein, sondern auch in jenem von Rannarigel vom
Jahre 1581* eingetragen war. Was die 48 Hetzen Hafer an-
belangt, so hat das Kloster dieselben auf die Dorfgenossen in
Schindlau umgelegt; sie waren um so sicherer ein Vogtrecht
aus der Schenkung vom Jahre 1264, weil der Hafer bis zum
Jahre 1849 nach Altenhof, dem Sitze der Herrschaft Falken-
stein, geleistet wurde und das Kloster die Vogthaferlieferung
dahin bei Anlegung der alten Grundbücher 1793/94 zu seinen
Gunsten bei den Häusern der- Untertanen grundbücherlich
sicherstellte.*
Aus dieser Tatsache ergibt sich der unabweisliche Schluß,
daß zur Zeit der Vergabung von Schindlau an Schlägl (1264)
^ Faszikel R 2 im Hofkammerarchiv.
* Original im k. allgem. Reicbsarchiv München, vidim. Abschrift im Ober-
Österreichischen Landesarchive in Linz.
' So ist z. B. im alten Qmndbache Schlägl bei dem Hause Nr. 12 im
Markte Aigen bei der Rubrik: ,an Naturalrobot' einverleibt: ,die Vogt-
haferlieferang nach Altenhof ist mit den übrigen ganzen und halben
Burgrechtsgründenbesitzem jedes vierte Jahr zu leisten.*
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192
diese Dorfgemarkung ein Bestandteil der Herrschaft Falken-
stein und Berchta von Eromman-Skalitz Inhaberin derselben
gewesen ist; es erklärt sich nun auch der ausdrtlckliche Vor-
behalt der Blutsgerichtsbarkeit auf diesen Grundstücken von
Seite der Geschenkgeber.
Aus den aktenmäßigen Tatsachen erhellt weiters, daß der
Propst von Schlägl mit der Ablehnung der Vogteiherrlichkeit
von Falkenstein im Irrtum war. Wenn Chunrad der Falken-
steiner auch auf das Vogteirecht verzichtet hatte, so hatte dieser
Verzicht nur für ihn und seine Nachkommen, nicht aber ftlr die
Eigentümer von Falkenstein Geltung, da diese Herrschaft den
Stiftern von Schlägl niemals gehört hatte. Aber die Tatsache, daß
einmal die Witigonen, die so reichliche Zustiftungen gemacht
hatten und aus diesen Vogteirechte beanspruchen konnten, Fal-
kenstein besessen haben, war damals dem Gedächtnisse jenes
Zeitalters völlig entschwunden, da die Herrschaft seit mehr als
300 Jahren in den Händen der österreichischen Landesfürsten
war. Doch hatte Falkenstein noch im 15. Jahrhundert Rechte
einer Vogtherrschaft von Schlägl wirklich geübt, da die Kloster-
holden ihre Güter im Vogttaiding des Pflegers von Falkenstein
zu veräußern hatten.^
Wiederholt wurde erwähnt, daß die Falkensteiner, die
bisher nur als Ministerialen des Hochstiftes Passau bekannt
waren, sich ursprünglich im Dienste der freien Herrschaft Fal-
kenstein befunden haben. Diese Aufstellung wird nunmehr
unter Beweis gestellt.
Um das Jahr 1185 bezeugt die Übergabe einer Hörigen
durch Udalrich von Polheim an das Kloster St. Nikola ,Chadel-
hous judex de valchenstein^^ Daß derselbe nach Falkenstein
an der Ranna gehört, wird durch die Anwesenheit des nach-
folgenden Zeugen Albrant von Fischbach (bei Rohrbach) außer
Zweifel gesetzt. Er ist dann identisch mit jenem Chadelhous
iudex (ohne weiteren Beisatz), welcher in Gesellschaft von
Richer und Wemhard von Wesen, Udalrich von Nordembach
^ Kaufbrief am das halbe Lehen in Kandleinschlag 1471 unter dem Siegel
des Propstes und des Falkensteiner Pflegers Simon Oberhaimer und
unter der Zeugenschaft des Wolfgang Auckhentaller Diener des Vogtes
und Anwalt des Taiding. Pröll, a. a. O. 50, Anm. 4.
^ Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 581.
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193
(Strnben), Friedrich von Schönpichl und Heinrich Farrire* die
Tradition des Gutes Hartheim um 1188 bestätigt.*
Der bayrische judex des 12. Jahrhunderts ist der Richter
des Inhabers der Grafschaftsrechte. War Kaihoch Richter von
Falkenstein, so muß damals an der Burg Falkenstein Grafen-
gewalt gehaftet haben, deren Inhaber selbstverständlich eine
von Kaihoch verschiedene Persönlichkeit war. Wie es gekommen
ist, daß in jenem Zeiträume der Herr auf Falkenstein mit gräf-
licher Gerichtsbarkeit ausgestattet wurde, ob durch königliche
Verleihung, durch Teilung oder im Erbgange, ist uns ver-
borgen; aber die Tatsache ist dargetan und mit ihr muß bei
der weiteren Forschung gerechnet werden.
Daran, daß der Herzog von Bayern die Grafschaft inne-
gehabt und den besagten Richter bestellt hätte, ist wohl nicht
zu denken, da nach dem Wortlaute der Urkunden erst Herzog
Otto, der am 16. September 1180 mit Bayern belehnt wurde, die
Grafschaft im Rzgau vom Reiche erhielt, außerdem die Vereini-
gung mehrerer Grafschaften in einer Hand noch ausgeschlossen
war, daher er die Grafschaft doch wieder hätte in dritte Hand
leihen müssen. Erst nachdem Ludwig das Komitat im Ilzgau statt
vom Reiche von der Kirche Passau zu Lehen trug d. i. seit 1217,
mag er dieselbe an den Grafen Bemger von Leonberg weiter
geliehen haben, weshalb er wohl auch 1220 dem Hochstifte
gegen die Ansprüche Bemgers Gewähr zu leisten versprach.*
Es handelt sich demnach darum, ausfindig zu machen,
wer damals und späterhin Falkenstein besessen hat und Inhaber
der gräflichen Rechte gewesen ist; selbstverständlich können
die Besitzer nur hochfreien Geschlechtem angehört haben. Bei
der Suche müssen wir uns notgedrungen auf die Bahn der
Vermutungen begeben und diese selbst aus den bekannten Ver-
hältnissen ableiten, da die Urkunden bis in die zweite Hälfte
' Derselbe, dessen EigenrnftchÜgkeiten gegen das Kloster Formbach bei
der Maut in Aschach 1196 Wernhard von Schaunberg abstellte. Ober-
(Ssterreichisches Urkandenbach II, 466. Er war eine untergeordnete Per-
son, wahrscheinlich Mautner zu Aschach, Dienstmann von Julbach. StUlz
(Die Herren und Grafen von Schaunberg) hielt ihn unrichtigerweise
für Heinrich von Julbach-Schaunberg und schloß aus dem Namen auf
ein unstetes Leben des Schaunbergers.
* OberOeterreiehisches Urkundenbuch I, 591.
* Vgl. Strnadt, Velden, 8. 124, 167.
ArduT. XCIT. Band. 14
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194
des 13. Jahrhunderts über unser Falkenstein hartnäckiges Still-
schweigen beobachten.
Wir finden nun zuerst, daß 1140, 21. Oktober zu Wels*
bezeugen die Erhebung der Kirche Martinsberg zur Pfarrkirche
Otacher marchio de Styre, Dietrich comes de Vichtenstain,
Adalram de Valchenstain, Albwin de Stein, Cholo de Wil-
lehering, Dietrich de Halsen, alle Hochfreie.
Adalram gehört, wie man sich leicht aus den Urkunden-
sammlungen überzeugen kann, weder nach Falkenstein in
Niederösterreich,* noch nach Falkenstein am In in Ober-
bayem, da weder bei der einen noch bei der andern Burg
dieser Taufname vorkommt, noch nach Falkenstein im Nord-
gau, welche Feste dem Hochstifte Regensburg zustand und
gerade damals ein Kirchenlehen des Domvogtes Friedrich (von
Bogen) war.*
Einen recht deutlichen Fingerzeig gibt uns dagegen die
bereits (S. 99) erwähnte Seckauer notitia zirka 1130, wornach
der Edle Rudolf von Perge mit^seiner Gattin Richinza ,omnia
predia sua inWindiberge sita, culta et inculta et quod vulgo
ibi nuncupatnr Waldmarch, incipiens ab Engilpoltesdorf . . .
usque ad Pehaim geschait, duas eciam vineas Ascah et tres
Bosenpach cum suis attinenciis^ mit Zustimmung der Söhne
Albert und Adalram ihrer Tochter Richinza und deren Gemahl
Adalram von Waldekk übergeben. Letzterer war durch
diese Schenkung vom Donauufer bis nach Böhmen hin begütert
geworden, woraus allein sich schon schließen ließe, daß er der
Adalram von Falkenstein der Kremsmünsterer Urkunde ist.
Diese Deutung wird aber noch bekräftigt durch den
weiteren Umstand, daß einen Gütertausch zwischen den Brüdern
Adalram und Adalbert von Berge, also den Schwägern Adalrams
von Waldeck, und der Propstei Berchtesgaden innerhalb der
Jahre 1143 und 1146* ,dominus Adelramus de Waltenstein'
^ Urkandenbuch von Kremsmünster 38 aus dem Codex Frid., der einen
verläßlichen Text bietet.
' Vgl. M. A. Becker, Falkenstein und die Falkensteine in Niederösterreich,
1885.
» t 1148. Stammtafel in Fontes VIII, 287.
* Quellen Eur bayrischen und deutschen Geschichte I, 296, Nr. CI. Die
Tradition findet sich auf Blatt 26 des Berchtesgadner Traditionskodex
(Lit. 3 des Fürstl. Archives von Berchtesgaden), die Niederschrift darf den
ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts zugezählt werden.
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195
nach Otto und Walchun von Machland und vor Rapoto von
Falkenberg bezeugt Aus dem Berchtesgadner Kopialbuche ge-
winnen wir die Tatsache^ dkß die Verwechalung der Buchstaben
V und W, K und t wenigstens zur Zeit der Niederschrift keine
ungewöhnliche war, wie ja unser Falkenstein in einer zirka
1190 anzusetzenden Tradition auch Walchenstein geschrieben
wird.^ Irgend ein genügender Grund mangelt, der nötigen
würde, den vorstehenden Adelram nicht fiir den Schwager der
Brüder von Perge und das Prädikat nicht fUr ,Falkenstein' an-
zasehen.
Wir schreiten auf dem dunklen Pfade weiter, der uns
zur Stiftung des Chorherrenstiftes zu St. Marein in der Feistritz
(Seckau) geleitet (1140). Adalram von Feistritz Waldeck* hatte
seine Stiftung^ überaus freigebig ausgestattet, dabei jedoch auch
über das Heiratsgat seiner Gemahlin Richinza verftigt, welche
bei König Chunrad III., als derselbe auf der Rückkehr vom
Ereuzzuge die Stadt Friesach passierte, Klage darüber erhob,
daß ihr Mann durch gesetzwidrige Schenkungen sie des ganzen
Heiratsgutes beraubt habe. Da Adalram das Tatsächliche nicht
zu widersprechen vermochte, wurden durch Spruch der Fürsten
die in Beschwerde gezogenen Schenkungen für nichtig erklärt
und nur die mit Übereinstimmung beider Gattenteile erfolgten
ab rechtsgültig anerkannt.
Die Schenkangen sind aufgezählt in der angeblichen Aus-
fertigung der königlichen Entscheidung (vom Mai 1149) und
in jener Kaiser Friedrichs I. (vom 15. Jänner) 1158.* Darunter
kommen vor: ,castrum Waltenstein cum omnibus sibi atti-
nentibus, predia in monte Windiberge, tres vinee Ascaha, item
tres apud Besenbach, . . . curtis Otenshaim, curtis Lintheim
cum omnibus sibi consitis.' Während jedoch die erstere Ur-
* Mon. Boic. IV, 266.
* VgL die Stammtafel der Herren von Perge und jener von Freistritz-
Waldeck bei Meiller, Regesten der Salzburger ErzbiscbOfe, 8. 461, 467.
* Eine Übersicht gewSbrt der Aufsatz ,Die erste Gründung des ehemaligen
Chorherren- und jetzigen Benediktinerstiftes Seckau* in den »Studien und
Mitteilungen aus dem Benediktiner- und Zisterzienserorden* IX (1888),
8. 96 — 113 vom P. Ludger Leonard. Leider stützt derselbe seine Dar-
stellung auf den Chronisten Gauster im 17. Jahrhunderte und geht einer
UnteiBuchung über die Echtheit der bezüglichen Dokumente aus dem
Wege.
* Steiermarkisches Urkundenbuch I, 290, 376.
14»
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196
künde diese Güter als jene bezeichnet, welche dem Kloster
verblieben, sagt die zweite, daß die verzeichneten Güter teils
solche waren, die dem Kloster abei^annt wurden, teils solche,
welche ihm kraft einmütiger Schenkung verblieben.
Man wird nicht im Zweifel sein, dem Texte des letzteren
Dokumentes mehr Glauben zu schenken als jenem des ersteren,
da Kaiser Friedrich ausdrücklich betont, daß sein Vorfahr am
Reiche vom Tode überrascht worden sei, bevor er eine Bestäti-
gung des Fürstenspruches ausstellen konnte, wie denn auch
Stumpf* bemerkt hat, daß diese Ausfertigung in Form und
Besieglung höchst verdächtig sei, wenn ihr auch jedenfalls
echte Daten zugrunde gelegen sind. Zudem finden wir noch
1273* das Gut Purgwerd (Purwörth Pfarre Walding) nach
Seckau erbrechtpflichtig, wogegen von einem Besitze Falken-
steins an der Ranna oder Waltensteins in Steiermark nicht die
geringste Spur aufzufinden ist.
Das Schloß Wald stein im ehemaligen Grazerkreise zwi-
schen Übelbach und Deutsch- Feistritz, damals auf einem Berge
nordwestlich vom modernen Schlosse gelegen, war zur Zeit der
Stiftung von Seckau im Besitze Liutpolds I. von Dionysen-
Gutenberg,^ der sich 1145 von Waltstein nannte, und seines
Sohnes Liutold IL, der mit seiner Mutter Juta 1152 die Burgen
Weitz und Waldstein auf seinen erblosen Abgang dem Erzstifte
Salzburg zusicherte, jedoch, als er mit Herzog Liutpold V. ins
heilige Land zog, drei Töchter hinterließ, von welchen Ottilia
1188 Äbtissin in Goeß, Kunigunde und Gertrud aber (1188 —
1214) mit Graf Wilhelm von Heunburg und Herrand von Wil-
den vermählt waren. An Seckau ist Waldstein nie gefallen, es
kann daher unter dem Waltenstein der Seckauer Urkunden
nicht begriffen werden.
Es bliebe noch, da auch an Waltenstein (Gerichtsbezirk
Weitra) und Walkenstein (Gerichtsbezirk Eggenburg N.-Ö.)
nicht zu denken ist, nur noch Falkenstein bei Ober-Vellach
im MöUtale (Kärnten) übrig, das jedoch in jener Zeit den Grafen
von Görz gehörte und denselben auch bis zu ihrem Ausster-
ben (1500) verblieb.
* Reichskanzler, 8. 334, Nr. 3796.
" Oberösterreichisches Urkundenbnch IV, 402. Siehe auch S. 116, Anm. 2.
3 Vgl. den Stammbaum der Familie bei Meiller Salzburger Regesten, S. 466
und die bezilglichen Urkunden im Steiermärkischen Urkundenbuche.
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Was das Alter der Niederschrift der auf die Feistritz-
Seckaaer Gründangsgeschiclite bezüglichen Akte betriflft, so
hat über Anfrage die Direktion des k. u. k. Haus-, Hof- und
Staatsarchivs in Wien^ folgendes bemerkt:
Achtzehn aus den Jahren zirka 1075 bis zirka 1163
stammende Akte sind auf vier größere Pergamentstreifen ge-
schrieben, beziehungsweise abgeschrieben worden, und zwar
durchaus zweispaltig, aber nur auf einer Blattseite. Auf dem
ersten Bogen sind sechs, auf den drei anderen je vier Stücke
untergebracht. Sämtliche Niederschriften rühren von derselben
Hand her, sind also nicht vor zirka 1165 entstanden. Durch
zweifache Besiegelung meist im unteren Teile der Spalten —
in einem Falle sind die Siegel oben und unten in der ersten
Spalte angebracht — erhalten die Abschriften eine gewisse
Autorisation. Es sind nur zwei Siegelstempel verwendet, der
größere die Jungfrau mit dem Jesukinde, der kleinere mit der
Umschrift; Prepositus de domo sancte Marie Secowe ein männ-
liches Brustbild vorstellend ; die Siegel sind fast durchaus und
meist gut erhalten. Die einzelnen Stücke sind von einer etwas
späteren Hand durch Beisetzung der ZiflFem I bis XVIH be-
zeichnet. Auf der Rückseite tragen sämtliche vier Bogen, wie
es scheint von der Hand, welche den Stücken die Ziffern bei-
gesetzt hat, das Wort Secowe^ darunter von sehr später Hand
die arabischen Ziffern 1 bis 4. Abgesehen von den untrüglichen
Kennzeichen der Abschrift weisen diese zusammen eine Pan-
charte bildenden Abschriften so viele Initialen, Chrismen, Mono-
gramme u. dgl. mehr auf, daß man nur an unmittelbare Vor-
lage der betreffenden Originale denken kann.
Der Druck im Steiermärkischen Urkundenbuche I, 290,
Nr. 279 zeigt einige Abweichungen von der Vorlage: Zeile 15
voluntate, Vorlage voluntates; Zeile 11 von unten Hophingen,
Vorlage Hopphingen; Zeile 8 von unten Vorlage Ascha^a; Zeile
6 von xmten Otenshaim, Vorlage Oeteshaim (n über der Zeile).
Die unmittelbar folgende Einklammerung ist vielleicht über-
flüssig; cur steht in der Vorlage am Ende der Zeile. Zeile 4
von unten Hec, Vorlage H§c. Femer ist zu bemerken, daß das
m in comes (Druck S. 291 Z. 2) von dem Pergamentstreifen
verdeckt wird, der zur Befestigung des rückwärts eingehängten
' MitteiluDg 1903, 14. Dezember, Z. 746.
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Siegels dient, und endlich, daß im Druck das monogrammatisch
zusammengesetzte bene valete und das Königsmonogramm— Chun-
radus Romanorum rex in der Vorlage — unberücksichtigt ge-
blieben sind, die hier unmittelbar nacheinander auf ,plures'
folgen, mithin den eigentlichen Schluß der Urkunde bilden.
Obwohl die Seckauer Urkunden noch einer eindringlichen
Untersuchung bedürfen, genügt fiir die Zwecke der vorliegen-
den Abhandlung die Feststellung der Benennungen Waltenstein
und Valchenstein.
Ausschlaggebend für die Identität derselben scheint dem
Verfasser die Bulle ddo. Frascati (Tusculani) 1171, 10. Februar,^
mittels welcher Papst Alexander III. die Rechte und Freiheiten
des Klosters Seckau bestätigt. Die Urkunde, gegen deren Echt-
heit kein Bedenken obwaltet, nennt auch Waltenstein, be-
zeichnet es aber als gelegen in Bayern: ,in Bawaria Walten-
stein cum prediis et familia', der letztere Beisatz kenn-
zeichnet es als eine größere Grundherrschaft und sondert es
ausdrücklich von den Gütern am Windberg, welche darnach
einzeln angeführt sind.* Es darf nicht irremachen, daß der
Papst einen Besitz bestätigte, welchen das Kloster entweder
wieder abgeben mußte oder, falls Richinza wirklich dem ihr
^ Stei er märkisch es Urkundenbnch I, 502.
' Schon ans diesem Grande ginge es nicht an, die Barg Waltenstein in
die Pfarre Walding zu versetzen, nur weil Pillwein (Mühlkreis, S. 219)
schreibt: ,Im Dorfe Posting, eine starke halbe Stunde von Walding, war
das Waldsteinergut ein Schloß; man sieht noch Spuren davon. Auch in
der Schwarzgrub, eine Viertelstunde von Walding, stoßt man auf Schloß-
gräben/ Nach eingezogenen Erkundigungen liegt das Wallnsteinergut in
der Ebene; Spuren, welche auf das Bestehen eines Schlosses schließen
ließen, sind nicht sichtbar. Außerdem roilßte eine fachmännische Unter-
suchung erst klarlegen, ob solche Spuren aus prähistorischer oder histo-
rischer Zeit stammen. Freisitze, welche im Volksmunde ohne Unter-
scheidung als Schlosser galten, gab es im 15., 16. und 17. Jahrhunderte
in großer Anzahl, wie denn auch in Walding selbst die Taferne Haus
Nr. 8 im alten Grundbuche Ottensheim als ,Tafern und Edlmanssiz',
gpräflich Traunsches Lehen (von Eschlberg ans) vorgetragen ist.
Die Schreibweise Waltenstein kann nicht befremden, da wir den
Namen — mit Ausnahme der Bulle aus der päpstlichen Kanzlei — nur
durch Kopialbücher überliefert haben, derselbe aber auch bei Adalram
im Berchtesgadner Kopialbuche Waltenstein lautet, wogegen im Codex
Fridericianus in KremsmUnster (zirka 1300), welcher gute Texte enthält,
das Wort in einer im benachbarten Wels ausgestellten Urkunde Val-
chenstein geschrieben ist.
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199
EUgesprochenen Heiratsgate neuerdings entsagt haben sollte,
der weiten Entfernung halber vielleicht schon veräußert hatte;
weil immerhin in diesem Falle das Kloster^ wenn Richinza
nicht mehr am Leben gewesen sein sollte, ein Interesse daran
gehabt haben konnte, eine weitere Kräftigung des Besitztitels
für den Erwerber zur Abwehr fremder Ansprüche zu erlangen.
Denn nach urkundlichen Spuren müssen wir annehmen,
daß in den nächstfolgenden Jahren Falkenstein bereits in
Laien bänden gewesen ist.
Spätestens im Jahre 1180^ bezeugen nämlich die Ver-
zichdeistung Ekkeberts (von Teckendorf ) auf das Gut Pramer-
dorf im Inviertel in die Hände des Propstes von Reichersberg
Engelbertus de blanchenberg, Chadelhäh de valchenstein.
De ministerialibus ipsius (Eckberts) neun genannte de famila
eins in tekendorf quam in witenekke, hierauf sechs von den
Leuten des Klosters St. Nikola.*
Auf den ersten Anblick möchte man den Chadelhous von
Falkenstein mit dem vorhin erwähnten Chadelhous iudex für
eine und dieselbe Person halten; dieser Annahme steht jedoch
^ Der handelnde Propst Philipp von Beichersberg wurde 1175 erwählt,
resignierte 1181, 3. J&nner. Bertold von Andechs wird noch Markgraf
genannt
' Abgedruckt aus dem Beichersberger Traditionskodex Blatt 40 im Ober-
Österreichischen Urkundenbuche I, 378, im Kodex selbst stehen nach
Yersichening des hochw. Herrn Prälaten Konrad Meindl die Worte comes
(Zeile 2) über Ekkebertus, philippi über prepositi, sueuus (Zeile 7) über
Pertholdns zwar in kleinerer Schrift, aber von gleicher Hand und mit
gleicher Tinte. Die Ergänzung bei Eckbert erfolgte augenscheinlich zu
dem Zwecke, um ihn von anderen Eckberten zu unterscheiden, den
Grafentitel fing derselbe damals schon an zu führen. Nach gefälliger
Mitteilung Herrn Barons Oskar Mitis, der vor Jahren den Kodex zu
einer Arbeit in der Hand hatte, enthält derselbe die Traditionen in
jeweiliger Orig^naleintraguog, d. h. er stellt nicht wie so viele andere
ein redigiertes Kopialbuch von Einzelnnotizen dar. Es folgt (mit alleini-
ger Ausnahme der mehrmals ergänzten Tradition Nr. CXXIH, Ober-
Österreichisches Urkundenbuch I, 342 — 350) in streng chronologischer
Folge eine Originalnotiz der andern, wobei stets die Hände wechseln.
Eine Eigentümlichkeit der Traditionsnotizen ist, daß vielfach bei Per-
sonennamen die OrtszugehOrigkeit über der Zeile nachgetragen wurde;
es geschah dies entweder gleichzeitig oder auch später, fast ausschließ-
lich aber noch bei Lebzeiten der betreffenden Person, solange dieselbe
nämlich noch zur Zeugeuschaft herangezogen werden konnte. Es sind
daher sowohl die Originaleintragungen als auch die Zusätze gleichzeitig
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200
der Umstand entgegen, daß der letztere bestimmt dem Mini-
sterialengeschlochte angehört, während jener neben dem Hoch-
freien E. von Blankenberg gestellt und ausdrücklich von den
folgenden Dienstleuten geschieden wird.
Um dieselbe Zeit tritt nochmals ein Kaihoch von Falken-
stein auf, welchem wieder nach seiner Stellung unter den
Zeugen die Eigenschaft eines Freien zuzuerkennen sein dürfte.
Bischof Diepold von Passau (1172 — 1190) bekennt in einer
undatierten Urkunde,^ daß er auf Bitte des jüngeren Diepold
(von Vohburg) die Kirche in Ebenöde, die er den beiden Klö-
stern Reichenbach und Waldsassen übergab, eingeweiht habe.
Testes: Theodoricus comes de Viehtenstain. Kalhoh de Val-
kinstain. Ekkart de Kuntihof.
Da es sich um eine Kirche handelt, welche nördlich von
der Donau lag, möchte die Vermutung nahe liegen, dieser Kai-
hoch gehöre nach Falkenstein östlich von Regensburg. Diese
Feste befand sich damals in unmittelbarer Innehabung des
Bischofs, welcher darauf nur Burgmannen behaust hatte, die,
nach dem Beisatze ,de sobole et natione Valckensteinensium'
zu schließen, eine eigene Genossenschaft bildeten. Keiner der-
selben trug gerade in diesem Zeiträume den doch so ungemein
häufigen Taufhamen Kaihoch; erst 1240, 3. Februar* kommt
nach 22 Zeugen ein Kalhohus de Valkenstein vor einem Rech-
winus de Valkenstein vor. Bis Ende des 12. Jahrhunderts saßen
vielmehr auf dieser Burg folgende Burghüter: 1118 Ministe-
rialis Frideri Advocati Ratisp. (f 1136) Krof de Valkenstein,
zirka 1130 Waldo, Hertwicus de Valkinstein Ministeriales Fri-
derici Advocati, zirka 1140 Waldo et filius eins Waldo et Otto
de Valkinstein, 1162 Roudigerus de Valkinstein, zirka 1165 bis
1167 prefectus Mezil de Valchenstaine, zirka 1177 Waldo, Otto
de valkinstein, 1184, 2./4. Otto de Valchensteine, 1184—1194
Libhardus qui de sobole et natione Valchensteinensium, Domi-
nus Waltherus de Valchenstein und seine Brüder Otto et Walto
de Valchenstein, Nobilis et militaris Vir Waltherus nomine de
and sonach vollständig glaubwürdig. Der Abdruck in Mon. Boic. III,
493 ist mangelhaft.
* Mon. Boic. XXVII, 26—27, überliefert in einem Kopialbuche vom Jahre
1402. Kuntihof = Gunt oder Kindlhof A. G. Niltenau?
' Verhandlungen des historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg,
N. F. XV, 88.
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201
Valchenstein miiiisterialis ecclesie St. Petri Ratisponensis Epi-
scopatus^ Otto, Waldo, Waltherus de Valchenstain et eorum
miles Fridrich hecthvolk in dem Briefe Chnnos von Chezznach
,qai . . . se in Castro Valchenstain postmodum locavit', zirka
1190 Walther und Otto de Valchensteine, 1204 Waltherus de
Valchenstein.^
Nach Vorführung sämtlicher regensburgischer Dienst-
mannen auf Falkenstein und in Betracht der geringen Stellung
der Falkensteiner von Rannarigel zu dieser Zeit dürfte wohl
die Reihung der gedachten Ealhoche in die Klasse der freien
Herren gerechtfertigt erscheinen. Von den Grundherren, nicht
von den Ansiedlem dürften auch die beiden Ortschaften Koller-
schlag (Chalhohsslage) und Kollersberg (urkundlich 1258* Chal-
hohsperge) genannt worden sein, die erstere halbe Ortschaft
gehörte nach Falkenstein an der Ranna.
Der Umstand, daß Herr und Diener den gleichen Tauf-
namen Kaihoch tragen, ist nicht auffallend; denn im 12. Jahr-
hunderte und selbst noch im Beginne des 13. war kaum ein
anderer Name im bayrischen Lande gebräuchlicher als gerade
dieser, was keiner Beweisführung bedarf.
Die vorgeführten Verhältnisse und Tatsachen berech-
tigen zu der Annahme, daß die Grundherrschaft Falkenstein
an der Ranna, abgelöst von den Gütern am Windberg, in
den Siebzigerjahren des 12. Jahrhunderts vom Kloster Seckau
direkt oder durch die Witwe des Stifters an einen freien Herrn
des Namens Kaihoch übergegangen sei, der mitunter, wenn er
in dieser Gegend weilte, sich von der erworbenen Burg auch
genannt hat.
Falkenstein hatte ein Grafengericht; deshalb braucht je-
doch sein Eigentümer nicht den Grafentitel geführt zu haben,
da mit der Ausbildung der Erblichkeit der Lehen die Grafen-
gewalt mehr und mehr als Gegenstand privater Berechtigung
behandelt wurde, ^ sich an einzelne Burgen und Herrschaften
heftete, welche wiederum geteilt wurden und in diesen Teilen
* Mon. Boic. XIV, 408, 417, 420, 422; V, 166; XIV, 63, 24, 26; Ober-
Osterreichisches Urkundenbuch II, 388; Mon. Boic. XIV, 61, 57, 72;
XII, 57, 61 ; XIV, 46.
' Mon. Boic. XXVIII b, 234, 244.
* Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeachichto, 2. Aufl., S. 386.
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202
als Ausatattung selbst an Töchter kamen^ vorausgesetzt, daß
es gelang; den Zusammenhang mit dem Reiche zu erhalten.^
Es erhebt sich die Frage: Welchem Geschlechte hat dieser
Edle Kaihoch von Falkenstein angehört.
Bei der Nachforschung war im Auge zu behalten, daß
dieser Falkensteiner zur Zeit nicht den Grafen titel führt; das
Geschlecht, welchem er angehört, könnte daher denselben erst
späterhin erlangt haben.
Dieser Voraussetzung entspricht ein einziges gleichzeitiges
Geschlecht aus niederbayrischemStamme, jenes der Freien von
Kirchberg an der Kleinen Laber, dessen letzter Vertreter den
vom Reiche und vom Herzog anerkannten Grafentitel geführt hat.
Das Herkommen dieser Familie liegt im argen, seitdem
im 16. Jahrhundert die Excerpta Genealogiae Dominorum Comi-
tum de Kirch berg erfunden und selbst der codex traditionum
des Klosters Mallersdorf^ verunechtet worden ist, alles ad ma-
jorem gloriam der Stifter Heinrich und Emest, welche keine
Grafen von Kirchberg, sondern nach der Königsurkunde 1129,
1. Juni* Ministerialen des königlichen Klosters Niedermünster
in Regensburg gewesen sind.
In echten Urkunden treten auf:
zirka 1120—1130 Chadalhoch de chirchperch für St. Nikola,*
1171, 29. Jänner, Mosburg. Wernherus de Chirchperc für Ad-
mont,*
1186 Chalhohus de Kirchperch für Kloster Prüfling,«
zirka 1190 Chalochus de Chirchberch für Kloster Scheyem,''
1207 Dominus Kalhohus de Chyrperch für Kloster Niederaltaich,^
1209 Landshut. Chalhohus de Chirchperch für Kloster St. Florian,»
1213, 15. Februar, Comes Chalhohus de Chirchperc in dem
Schutzbriefe K. Friedrichs H. für Berchtesgaden,^®
^ Vgl. den Schloß des vierzehnten Abschnittes.
« Mon. Boic. IX, 427—430, 256 ff. Der Abschnitt ,Die Grafschaft Kirch-
berg-Mallersdorf in Schreiber, Otto der Erlauchte, S. 156 — 166 konnte
mangels von Quellenangaben nichts zur Aufhellung beitragen.
» Mon. Boic. IX, 263.
* a. a. O. IV, 219; Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 631.
» Pez, Thes. Anecd. UI p. UI, 781.
« Mon. Boic. XIII, 189, 122.
' a. a. O. X, 416. « a. a. O. XI, 178, 828.
* Obertfsterreichisches Urkundenbuch II, 626.
*® Meiller, Babenberger Regesten III, Nr. 106.
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203
Tor 1214 Dominus Kalhous comes de Kirchberg^,
1217 Calhoch de Chirchperch flir Kloster Waldsaßen,«
1219, 1. Juni, Nürnberg. Kalhous comes de Chirchperch ftlr
Kloster Obermünster,*
1209— 1220 Comes Chalous de Kirchberg in der Herzogs-
urkunde ftir Kloster Mallersdorf,*
1220, 5. September, Bozen. Chalhohus Comes de Chirichperch
flir Passau,^
1220 Kalhohus de Churchberg flir Kloster Prül,«
1223, 27. März, Straubing. Chalhohus comes de Chirichberg in
einem Gerichtsbriefe Herzogs Ludwig,^
1224, 6. März. Kalochus comes de Kirchberg in der Urkunde
Herzogs Ludwig flir Kloster Aldersbach,®
1225, 16. Juni, Straubing. Chalhoh comes de Kirchperch in dem
Briefe desselben Herzogs flir Spital am Pyhm.^
Im Jahre 1228 waren die Güter des Grafen schon an
das Land Bayern gefallen, wie aus der Urkunde^® hervorgeht,
mittels welcher Herzog Ludwig den Prämonstratensem zu
Neuzell bei Freising ,decimas de prediis Comitis Chalhohi de
Kireperc et decimas de prediis üolrici Cyphi de Burchrein ad
noB devolutis^ geschenkt hat. Kaihoch von Kirchberg ist dem-
nach als letzter Träger seines Namens in den Jahren 1226/27
gestorben, und zwar erblos, weil die Einziehung seiner Güter
erfolgte. Die Mallerstorfer Genealogie nennt einen Kaihoch von
Kirchberg zum Jahre 1165, einen andern zum Jahre 1195,
welche Angaben jedoch nicht kontrollierbar sind. Ein Siegel
bat sich nicht erhalten.
War Graf Kaihoch oder sein Vater identisch mit dem
edlen Kaihoch von Falkenstein, so muß der Übergang der Burg
• Mon. Boic XIV, 141.
• Lftnig, Corpus feud. 3, 613.
• Ried, Cod. dipl. Bat. I, 321.
• Mon. Boic. XV, 278.
» a.a.O. XXVnib, 297.
• a. a. O. XV, 166. ' a. a. O. XXVIII b, 380.
• Oefele, Script. II, 103 a.
• Obeiitoterreichisches Urkundenbuch II, 666.
'• Mon. Boic. IX, 677. Auch Abt Angelus Rumpier von Formbach erwähnt
Chalhohus comes de Kirichperg unter der Rubrik: Isti sunt, quorum
haereditates cum castris et praediis successu temporum ad duces Bava-
riae sunt devolutae; a. a. 0. XVI, 561.
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204
Falkenstein an der Ranna schon längere Zeit vor 1226 an ein
anderes Geschlecht sich vollzogen haben; denn sicherlich hätten
die Bischöfe von Passan, nachdem sie 1217 den ReichsfUrsten-
stand erlangt hatten, nicht gezögert, bei dem erblosen Abgange
Ealhochs die Hand auf Falkenstein zu legen. Keine Urkunde
und auch sonst nicht die geringste Spur ist auffindbar, daß
Passau die Herrschaft Falkenstein jemals innegehabt oder auch
nur angestrebt hätte.
Nachdem uns jetzt der letzte Schein entschwunden ist,
befinden wir uns in undurchdringlichem Dunkel und haben nur
noch Möglichkeiten zu erwägen- Hierzu regt besonders die
völlige UnWahrscheinlichkeit an, daß der Inhaber einer so be-
deutenden Grundherrschaft, wie Falkenstein war, in den nicht
gar wenigen Urkunden aus jener Gegend in den Jahren 1200
— 1220 und darüber hinaus gar keine Rolle gespielt hätte; trotz-
dem finden wir dort keine anderen freien Herren als jene von
Griesbach und die Witigonen.
Es müssen daher außergewöhnliche Verhältnisse obgewaltet
haben, welche erklärt werden könnten, wenn bei der Ver-
erbung von Falkenstein das sogenannte Fallrecht eingetreten
ist, wonach gemäß dem Grundsatze patema patemis, materna
maternis die Verwandten von väterlicher Seite das von der-
selben herrührende Vermögen, die Verwandten von mütter-
licher Seite das von dieser herrührende Vermögen erbten.
Schon ursprünglich wird Falkenstein gleich den Gütern am
Windberg das Heiratsgut der Richinza von Perge dargestellt
haben und ebenso ist es, wie wir aus dem Besitze von Schintau
schließen konnten, Erbgut und Heiratsgut der Frau Berchta
gewesen, sie wieder hat die Burg an ihren Sohn Zawisch über-
lassen, der von selber dauernd den Namen von Falkenstein an-
genommen hat. Man darf daher wohl in der Vermutung noch
weitergehen und annehmen, daß Falkenstein auch der Mutter
Berchtas mit in die Ehe gegeben worden ist. Dieselbe war
dann eine geborene Falkensteinerin und wäre als Schwester
Kaihochs von Kirchberg anzusehen, dem die bayrischen Güter
zufielen, wogegen er der Schwester die Feste an der Ranna
zu überlassen hatte.
Über den Vater der Frau Berchta könnte schon eine nicht
grundlose Vermutung geäußert werden. Ihrer Mutter blieb füglich
nur die Wahl eines Bräutigams aus den Freien von Hals oder aus
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205
jenen von Griesbach. Im ersteren Falle wäre jedoch zu erwarten
gewesen; daß unter den im Achtbriefe Königs Heinrich VII.,
1222, 13. März,^ unter den heimfällig erklärten Burgen neben
Hals, Viechtenatein, Marspach und Jochenstein auch Falkenstein
genannt wäre, während dem nicht so ist. Es bleibt daher nur
die Möglichkeit der Vermählung mit einem der beiden Brüder
Heinrichs von Griesbach- Wachsenberg, vielleicht mit Cholo, der
frühestens im Jahre 1216 gestorben ist. Da Berchta im Jahre
1264 in vorgerückten Jahren stand, wie daraus zu entnehmen
ist, daß ihr Sohn Zawisch zirka 1262, bestimmt 1269 selb-
ständig auftritt, so würde diese Verbindung den gewöhnlichen
Generationsvoraussetzungen nicht widersprechen ; freilich würde
dann eine lange Vormundschaft stattgefunden haben, welche
wieder erklären würde, weshalb so lange kein Besitzer von Falken-
stein in Urkunden und auch nach Eintritt der Großjährigkeit sicht-
bar wird. Führten die mit den Griesbachem befreundeten mäch-
tigen Witigonen die Obhut über die Erbin und ihre liegende
Habe, was möglich ist, da einer derselben (Budiwoj) wirklich
die Braut heimfUhrte, dann brauchten wir nicht länger nach
der Ursache zu fragen, aus welcher der Bischof von Passau
Falkenstein ganz aus dem Spiele gelassen hat; vielleicht war
als Gegenleistung auch die Rückauflassung der passauischen
Lehengüter jenseits der Großen Mühel bedungen.
Mögen die geäußerten Vermutungen gebilligt oder ab-
gelehnt werden, so steht mindestens sicher, daß um 1180 von
Falkenstein aus die hohe Gerichtsbarkeit geübt, die Burg und
Herrschaft 80 Jahre später den Witigonen zuständig und zumal
dem Herrn Zawisch von der Krummauer Linie als freie Herr-
schaft, unabhängig vom Hochstifte Passau, zugehörig gewesen ist.
Neunter Abschnitt.
Anwachsen des Besitzes des Hochstiftes Passau. Erwerb
der Grafschaftsrechte imilzgau. Passau Reichsfürstentum.
Mußten wir uns im Zentrum bei dem auffälligen Mangel
an Dokumenten in Vermutungen und Möglichkeiten ergehen,
* Mon. Boic. XXXI a, 610.
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206
so betreten wir auf dem Haaptschatiplatze in dem gleichen Zeit-
räume den festen Boden der Tatsachen^ treten aus dichtem
Nebelgewölk plötzlich in helles Sonnenlicht.
Der große Grundbesitz des Hochstiftes Passau wird ge-
meiniglich der frühzeitigen Einverleibung der königl. Frauen-
abtei Niedemburg zugeschrieben, welche wiederholt einzelnen
Bischöfen, zuerst durch E^iser Otto 11.,^ endgültig aber dem
Hochstifte selbst durch Kaiser Heinrich VI., 1193, 28. März,*
und zwar mit der noch von Kaiser Friedrich I.* vorbehaltenen
Vogtei und Königsteuer verliehen worden ist. Infolgedessen
hatten die Bischöfe den Besitz und den Genuß des Kloster-
gutes und konnten mit demselben frei schalten wie die Könige
mit dem Reichskirchengute,* dasselbe verpfänden oder sonst
zum Nutzen der Kirche Passau verwenden, sowie es wieder zu
Lehen austun. Was aus der angeblichen Schenkung Kaiser
Heinrichs H., deren Wesen im 14. Abschnitte klargelegt werden
wird, dem Kloster belassen oder später zurückerstattet wurde,
läßt sich nicht mehr unterscheiden.
Im Beginne des 13. Jahrhunderts war der Nordwald be-
reits meilenweit von der Donau zurückgedrängt, das Hochstift
an der Hz sowie längs den Ufern des Stromes zu ansehnlichem
Besitze gelangt, bezüglich dessen es jedoch dem Gerichtszwange
des Herzogs von Bayern unterworfen war; der erste Witteis-
bacher Otto (t 1183, 11. Juli) hatte ,comitatum prediorum ec-
clesie Pataviensis sitorum per loca Ylsgowe nuncupata' vom
Reiche inne und vererbte diese Rechte auf seinen Nachfolger.
Dieser, Herzog Ludwig, ließ dieses Fahnlehen im Jahre 1217
zugunsten der Kirche dem Könige auf, wonach Kaiser Fried-
rich n. am 21. Jänner 1217^ dasselbe dem Bischöfe Ulrich von
Passau verlieh, welcher es vorerst dem Herzoge als Kirchen-
lehen wiederverlieh. Drei Jahre später, 1220, 5. September,^
stellte Ludwig dieses Lehen, das er als die Comitia in ylskeu,
* Mon. Germ. Dipl. O. U, 163, Nr. 1367, 976, 22. Juli.
« Mon. Boic. XXIX a, 469.
» 1161, 29. Febr. und 3. Juni, a. a. O. XXIX a, 366.
* Vgl. Ficker, ,Über das Eigentum des Reiches am Reichskircheng^te*.
Sitzungsber. der phil.-hist. Klasse der Wiener Akademie LXXII, 65 — 381.
Die geistliche Herrschaft war fUr die unterworfenen Kirchen nicht minder
empfindlich als die weltliche. Beispiele a. a. O., 147.
** Mon. Boic. XXX a, 64.
* a. a. O. XXVmb, 297.
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207
cnins termini ab ylsa nsqne ad inferiorem Mahelam proten-
dontür^ bezeichnet; gegen Erlag von 500 Mark Silber dem
Bischof zurück.
Mit dem Jahre 1217 war demnach der Bischof von Passau
in den Reichsf^irstenstand eingerückt und hatte 1220 sein Für-
stentum in unmittelbare Verwaltung genommen. Die Unmittel-
hurkeit des über die Dz hinüber bis Windorf reichenden Ge-
bietsteiles wurde von Bayern erst nach langen Anfechtungen
anerkannt.
Oleich nach Erlangung des Fahnlehens begannen die Be-
strebungen der Bischöfe, im Bzgau ihr Territorium zu schließen.
Bischof Ulrich benutzte das gerade erfolgte Ableben Cholos
von Griesbach, um die Wiederverleihung der passauischen Lehen,
welche dessen Vater (Wemher) innehatte, von der Bedingung
abhängig zu machen, daß der hinterbliebene Bruder Heinrich
von seinem Eigengute 100 Hüben und 46 ritterbürtige Leute
sowie das Schloß Griesbach samt allen Zugehörungen bis 11. No-
vember 1217 der Kirche Passau aufsende, was er auch bezüg-
lich 6 Ritterbürtiger und der Herrschaft Griesbach alsbald voll-
zogen hat. Da er mit weiterer Lehenauftragung innehielt,
wurde ihm bei sonstigem Verluste von Griesbach und des
Marktes Velden 1220, 11. Febniar, ein letzter kurzer Termin
bis 8. März bestimmt,^ den Heinrich vielleicht gar nicht erlebte.
Da derselbe ohne Hinterlassung von Erben, wenigstens von
männlichen, mit Tod abging, wurden seine Lehen, d. i. der
ganze Griesbacher Besitz zwischen Hz und Großer Mühel ,ver-
mannt', dem Hochstifte ledig und nicht weiter verliehen, bis,
wie sich zeigen wird, Teile derselben wieder an Ministerialen
ausgegeben wurden.
Hiermit war ein bedeutender Schritt zur Konsolidirung
des Kirchenbesitzes in dem Territorium erfolgt, welches der
Bischof als sein weltliches Fürstentum zu betrachten befugt
war. Ulrichs Nachfolger ließen es an gleichem Eifer nicht
fehlen. Gebhard löste die Lehen der Witigonen an der Ost-
seite der Großen Mühel ein, welche anfänglich zu Velden ge-
zogen, im Laufe der Zeiten aber teils veräußert, teils der Herr-
schaft Pümstein (nach deren direkten Erwerbung durch Passau
1627) zugewiesen wurden; auf hochstiftischem Grunde erhoben
» Urkunden 1217, 2. Juli, 1220, 11. Febr. Mon. Boic. XXVm b, 296, 296.
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208
sich die Burg Schailenberg, der Sitz GneußenaU; das Schloß
Neuhaus ob der Donau, Pürnstein wurde den Kapellem verlehnt.^
Im Innern des Mühellandes wurde die Feste Sprinzen stein
erbaut, Siboto von Sprinzenstein (miles 1253, 1264) ist deut-
lich als passauischer Dienstmann zu erkennen.^
Der Versuch Woks von Rosenberg, des Hauptmannes ob
der Ens, im Mtihellande festen Fuß zu fassen, wurde von
Bischof Otto vereitelt. Wok hatte von dem passauischen
Ministerialen Rudiin von Haichenbach dessen Schloß erworben,
das, auf dem Berge über der großen Donaubeuge errichtet, den
ganzen Stromverkehr zu beherrschen geeignet war. Die Ver-
weigerung der Belehnung wird es vermocht haben, daß Wok
gegen Zahlung von 150 Pfund Pfennigen oder 20 Pfund Gülten
sich herbeiließ, an Rudiin die Burg zurückzustellen und zu
versprechen, in dem Gebiete (Comicia uel districtu) der Kirche
Passau nichts mehr zu erwerben.^
Dagegen gelang es dem Bischof Peter, von dem mit seinem
Sohne in Fehde liegenden Ortolf von Marspach dessen lehen-
bare Burg auf der Donauleiten samt Gülten im Betrage von
32 ^ 6 ß 22 ^ zu erkaufen.*
Bischof Otto übte bereits das Verbot des Burgenbaues ^
gegenüber Ulrich von Tannberg, welchem er den von Karl
von Kirchberg erworbenen Teil des castrum in chirchperch
samt Urbar zwischen den beiden Mühelflüssen nur gegen dem
zu Lehen verlieh, daß derselbe ohne bischöfliche Genehmigung
das castrum in Chirchperch niemals befestige.®
Von großem Interesse für die Erkenntnis der inneren Zu-
stände in der Abtei ist das Weistum, welches nach den eid-
' Chanrad von Kapellen, der 1291 Feuchtenbach kaufte (aiehe S. 148), war
Pfandinhaber von Velden (Mon. Boic. XXX b, 52); derselbe dürfte mit
den Trümmern des nahen Blankenberg den Sitz Pürnstein erst zur Burg
ausgebaut haben.
« Strnadt, Velden, 154, 165, 164.
8 Urkunde 1259, 16. April. Mon. Boic. XXIX b, 136.
* Urkunde 1269, 11. April, a. a. O., 492.
' Seit der confoederatio cum principibus ecciesiasticis, 1220 (Lcges II,
236) und dem statutum in favorem principum (Leges II, 282) durften
Befestigungen innerhalb der Territorien nur mit Bewilligung der Landcs-
fürsten errichtet werden.
* Orig. ddo. 1263, 4. September im allg. Reichsarchive München. In Mon.
Boic. XXIX b, 454 ungenügendes Regost.
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209
liehen Aussagen der Ministerialen auf dem Landtaiding (placito
generali) in der Ilzstadt über das von Alter (ex antiqno) im
Lande der Abtei geltende Recht 1256 verfaßt worden ist.^
Selbstverständlich darf der Aüsdmck ex antiqno nicht zu weit
züTückbezogen werden, es genügte zum Gebrauche desselben
schon ein Zeitraum von etlichen Dezennien, innerhalb welcher
eine Rechtsgewohnheit beobachtet wurde. Wie nun die Weis-
tümer (Pantaidinge, Ehafte) nur einseitige Aufschreibungen sind,
80 enthalten sie nicht selten auch nur die Ansprüche eines Teiles,
welche, wenn die Möglichkeit einer Kontrolle gegeben ist, oft-
mals von dem mitinteressierten Gegenteile bestritten werden. Sie
dürfen deshalb auch nur sehr vorsichtig zu Generalisierungen be-
nützt werden. So auch hier. Wenn es heißt: ,Item notandum,
quod dominus Episcopus personaliter habebit placita in hiislocis,
in Lengenpach, in hofkirchen, in puzlinstorf, in Serleinspach,
in Rorbach, in chapelle, sine dampno hominum' (der Hinter-
sassen),^ so entspricht diese Aufzeichnung nicht den Tatsachen.
^ Ori^al ddo. 1263, 4. September, im k. allgem. Beichsarchiye in Mfinchen.
In Mon. Boic. XXIX b, 464 nngenflgendes Regest.
' Überliefert im Codex pat. quart. (Mon. Boio. XXIX b, 224). In dem
Paasns Jn hijs vero judex domini episcopi et non in predictis in Alten-
walde, in Potenrevte, in rvonslage, in Haselpach' (alle in der Pfarre
Altenfelden) hat der Kopist den dritten Namen verschrieben, welcher
richtig yronslage heißen soll, denn in Fraonschlag wurde nach Buchinger
n, 158 (Anm.) im Jahre 1442 vom Landrichter zu Velden wirklich die
Landschranne gehegt. Dagegen scheint das Wort altenwalde richtig und der
ursprüngliche Name von Altenfelden zu sein ; denn links von der Straße,
die Ton Neufelden nach Altenfelden geht, unmittelbar vor der Ortschaft
Altenfelden bestand, wie der GemeindesekretKr Karl Haßleder von Neu-
felden den Verfasser aufmerksam machte, vormals das sogenannte Alten-
hols, die Flur heißt noch jetzt ,auf der Alten*, über welche der Fuß-
weg ,über die Alten' l&ufk. Die beiden Häusel Nr. 39 und 40 von
Altenfelden waren im alten Gruudbuche Pümstein, Amt Blumau unter
der Bezeichnung ,HSusel auf der Alten' eingetragen. Der letzte Rest
des Altenwaldes (Hochwaldparzelle 815 der Herrschaft Pümstein) wurde
ausgestockt, als die neuen Besitzer von Pümstein den Grand par-
zellierten und 1867^1869 zur Erbauung der neuen Häuser Nr. 45, 46,
47 von Altenfelden verkauften. Tatsächlich erscheint Altenfelden später
als Neufelden; es scheint, als ob Bischof Georg 1407 (Stmadt, Velden
242} absichtlich die Bezeichnung Obemfelden im Gegensatze zu Neu-
felden gebraucht habe. Es dürfte demnach der Name ,Altenfelden* nicht
im Sinne von ,alt' gedeutet werden und der Name ,Neu'felden erst
später aus Unverständnis sich eingebürgert haben.
AxtUT. XCnr. Band. 16
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210
Es ist nicht bekannt^ daß jemals der Biscliof selbst in den
genannten Orten zu Gericht gesessen wäre, was ihm in Hof-
kirchen und Rohrbach unbedingt, in Lembach und Putzleinsdorf,
wohl auch in Oberkapell, das zur Halbscheid nach Falkenstein
gehörte, nicht gestattet worden sein würde. Sicher aber wollte
durch diesen Passus die Gerichtshoheit gegenüber Falkenstein
festgestellt werden.
Daß eine solche papierene Schutzwehr dem Hochstifte
nicht den geringsten Nutzen gebracht hat, wird der nächste
Abschnitt lehren.
Zehnter Abschnitt.
übergreifen der Habsburger auf das passauische Terri-
torium. Begründung der österreichischen Landeshoheit
im Mühellande.
Der Reichskrieg des neuen deutschen Königs Rudolf gegen
König Otakar brachte in den Territorialverhältnissen des Mühel-
landes zunächst keine Veränderung hervor. Wenn wir lesen,*
daß nach dem Aufbruche Rudolfs von Ntii'nberg angesehene
steirische und kärtnerische Herren und Dienstmannen im Erlöster
Renn sich eidlich gelobten, als Vasallen des deutschen Reiches
dem erwählten Könige treuen Beistand zu leisten, so war
sicherlich der gleiche Standpunkt flir die Witigonen maßgebend,
als sie sich, mit Zawisch von Falkenstein an der Spitze, gegen
Otakar erhoben;* sie hatten die Lehentreue gegen den deut-
schen König, ihren obersten Lehenherm, umsomehr einzuhal-
ten, als die Linien von Krummau und Rosenberg im anderen
Falle den Verlust ihrer Güter auf deutschem Boden zu gewärti-
gen hatten. Es verstand sich deshalb von selbst, daß Rudolf im
Wiener Vertrage vom 6. Mai 1277 ^ alle seine Diener und Helfer
aus Böhmen und Mähren in den Friedensvertrag einschloß.
Als bekannt kommt nur kurz zu erwähnen, daß Zawisch,
nach seiner Vermählung mit der Königinwitwe Kunigunde tat-
* A. Huber, Geschichte Österreichs I, 601 nach Gerbert, Cod. epist. 199.
' Ann. Prägens, nnd Heinrich von Hainbnrg in Mon. Genn. Script. IX., 181,
XVn, 716. Die Abhandlung ,Zawisch von Falkenstein* in Öesky dasopis
histor. I, 246 war dem Verfasser nicht erreichbar.
' Redlich, Regesta Imperii unter Rudolf I., Nr. 753.
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211
s^hEcher Gebieter in Böhmen (1284), nach ihrem Tode auf
Befehl seines Stiefsohnes Königs Wenzel II. im Jahre 1288
ge&ngengesetzt und seiner Güter verlustig erklärt wurde. Die
königlichen Heere zogen vor seine Burgen, vor deren einer,
Frauenberg, er enthauptet wurde (1290, 24. August).^
Ein Jahr vorher (1289) war infolge Einwirkung König
Rudolfs die Zwietracht zwischen den Schwägern Wenzel und
Albrecht zu einem augenblicklichen Stillstande gekommen. Das
war der günstige Augenblick für Herzog Albrecht, sich zum
Achtvollstrecker gegen Zawisch auf deutschem Boden zu machen.
Denn daß Zawisch die Herrschaft Falkenstein, sein mütter-
liches Erbstück, nicht aus den Händen gelassen hatte, dafür
bürg^ schon der Umstand, daß er den Namen von derselben,
sogar ausschließlich, bis an den Tod fortgeführt hat.
Wir haben nun die bestimmte Nachricht, daß Albrecht im
Jahre 1289 die Burg [Falkenstein belagerte und durch Aus-
hungerung in seine Gewalt brachte. Die Continuatio Vindobo-
nensis, welche die Annalen der Jahre 1267 — 1302 von ver-
schiedenen gleichzeitigen Händen enthält,' hat folgende Nachricht:
,dux predictus (Albertus Austrie) missis exercitibus suis contra
quoddam castrum firmissimum et quasi inexpugnabile Falcstain
dictum in Bawaria situm, per quod a predonibus castri illius
homines sui et mercatores diversarum provinciarum tam in aquis
quam terris magnum patiebantur detrimentum per predas et
rapinas et hominum captivitates. Cum castrum diu faisset
obsessum, homines qui erant in eo fame et siti cruciati, cum
diucius durare non possent, castrum tradiderunt sicque abire
permissi, dux in eo posuit homines suos, et quod sui predecessores
nunquam expugnare potuerunt, hodie cum triumpho possidet'.^
Der Reimchronist Otakar meldet hierzu:* Der Herzog
sei persönlich zuerst vor die Burg Tannberg (Tanberc) an der
^ Palacky, Geschichte von Böhmen n, 349—362. Mit dem Erlöschen des
Kmmaner Astes (yor 1302) fiel dessen Besits an die Bosenberger Linie,
das Stammgnt, südlich yon der Moldau, bisher beiden Zweigen ungeteilt
zugehörig (8. 119, 171), ging in das Alleineigentum der letzteren über.
Vgl. Palacky II, 362; Pangerl in ,ZawischS S. 41, und im Archiy für
Osterr. Geschichte LI, 547, 662.
* Mon. Germ. Script. IX, 603. Uhlirz in Blätter des Vereines für Landes-
kunde Yon NiederOsterreich XXIX, 26, 53.
* a. a. O., 716.
* Vgl. 23130—23201 in Mon. Germ, deutsche Chroniken V/I, 306—306.
16^
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212
Kleinen Mühel gezogen and habe dieselbe mit Eriegsmascliinen
so geängstigt; daß die Besatzung sich ergab. Dann umlagerte
er Falkenstein (Valkensteine), vermochte jedoch die Feste nicht
einzunehmen, obwohl er ,an dem graben sie hiez verbuwen'
und Kriegsmaschinen gegen die Mauern trieb; denn — meint
der Chronist -- ,diu burc ist so guot, wand si ist der besten
ein, die man in den landen zwein nindert mohte vinden/ Er
mußte vielmehr ein Belagerungsheer unter Eberhart^ Heinrich
und Ulrich von Wallsee zurücklassen.
Kurz vor dieser Heerfahrt hatte König Rudolf die Burg
Marsbach wegen Landfriedenbruches als dem Reiche heimge-
fallen erklärt und, ungeachtet er sie fiiiher dem Bischof Wem-
hard zu Lehen gegeben, nunmehr seinem erstgebomen Sohne
Albrecht verliehen.^ Da jedoch die Ruhestörer Otto und Ortolf
von Marsbach, welche den Verkehr auf der Donau geschädigt
hatten, durch Schiedspruch Herzog Heinrichs XHI. von Bayern
mit Bischof Wemhard wieder ausgesöhnt wurden, infolgedessen
der letztere ,die Puorch zu Morspach' behielt,* hat Albrecht
angesichts eines winkenden höheren Gewinnes diese Ansprüche
nicht zur Geltung gebracht.
Die predones des Wiener Annalisten waren nichts an-
deres als die Besatzung, welche, außer aller Verbindung mit
ihrem Herrn, auf Fouragierung angewiesen war xmd alles, was
auf der Donau herabschwamm, auf die Burg' gebracht haben
^ Urkande 1288, 29. Oktober, OberfJsterreichlsches Urkondenbuch lY, 96.
* Mon. Boic. XXIX b, 564.
' Falkenstein ob der Ranna darf als eine der schönsten und interessante-
sten Ruinen im Bereiche der deutschen Zunge bezeichnet werden; nur
schade, daß so gar nichts mehr für notwendige Bedachung der Außen-
seite, in welcher noch vor ein paar Dezennien ein Jäg^r yon Altenhof
wohnte, vorgesorgt wird, so daß in kurser Zeit ein bloßer Trümmer-
haufen Yorhanden sein und der Berohfrit ins Rannatal hinabkollem
wird. Eingehende Beschreibung siehe in O. Piper, Österreichische Bur-
gen I, 86 — 97. Was den Wasserturm betrifft, so lautet die außen an-
gebrachte Jahreszahl 1488 und das Wappen der Oberhaimer begründet
die Vermutung, der ,Hungerturm' wie ihn das Landvolk nennt, sei von
dem Pfleger Hans Oberhaimer zum besseren Sohutse der Feste erbaut
worden, nachdem Herzog Georg von Bajem vom Hochstifte die g^egen-
über liegende Burg Rannariedl erworben hatte (1487). In der Bereitungs-
relation 1570, 28. Juni (Faszikel F 1 im Hofkammerarchiv) heißt es:
,So ist vor dem Schloß ungeuerlichen fünfzig Schritt weit von der
Schloß Pruggen hindan ain stargker runder gemaorter Thum, dreyer
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213
wird. Auch Tannberg dürfte von den Witigonen besetzt ge-
wesen sein.^
Tannbei^ wurde den Tannbergem wieder zurückgestellt,
doch mit der Verpflichtung, sie den herzoglichen Söldnern
jedesmal auf Verlangen zur Verfiigung zu stellen und nur nach
eingeholter herzoglicher Bewilligung zu veräußern oder zu
,andem'.* Herzog Rudolf m. nahm 1305* ohne weiters für die
Morgengabe der Gertrud von Tannberg ,daz haus ze Tann-
berch' an sich, Chunrad von Tannberg bekannte 1327 aus-
Gaden hoch und die Manr desselben Thuern drejer Clafter digk,
dar innen yier Qwelber and vier stainen Schnegkenstiegen, In dem-
selben entspringt der Pmnn so in Rorn in das Schloß rinndt, wel-
cher sa der WCr mit seinen Schieß vnd wnrflOchem zuegericht, aber
das Tachwerch daran Panfellig/ Die Schloßmauer war vom Grund
aus zwei Gaden hoch und auf halben Teil zwei Klafter dick, dann
immersu kleiner. Die Wehrgftnge und verschiedenen Lokal it&ten waren
▼on Hols, das äußere und das innere Schloß mit Ausnahme der Wohnung
des Pflegers — dessen enge und dunkle Stuben heute ein besser be-
zahlter Arbeiter nicht bewohnen mOchte — baufällig und die Dachung
reparaturbedfirftig, die Schloßbrücke in gutem Bau, jedoch das Schlagtor
in den Angeln alt und reparaturbedürftig. Der Schloßgraben vor dem
Tore war zweier Mannstief, der mehrer Teil trocken und allein daselbst
eine kleine Wassergrube, die von dem Schloßbrunnen gespeist wurde.
Das Schloß brannte am 12. April 1572 ab, wurde nach längeren Ver-
handlungen mit der Hofkammer wieder restauriert (Baukosten 1861 fl
1 ß 27 /^ rhein.). Im alten innern Schloß befand sich ,ain gefengknuß
so zwen gewelbt gemach aufeinander, yolgendt wider ein gefengknuß,
so ainer durch ain Loch hinabgelassen wirdet*.
Vom sogenannten ,yerlornen Reut* zwischen dem Meierhofe Falken-
stein und Altenhof, welches einen entzückenden Ausblick in das Wald-
tal der Ranna und durch dasselbe hindurch auf das hoch oben gelegene
Rannariedl und auf die freie Donau gewährt, erlangt man die Über-
zeugung, daß von den Türmen Falkensteins aus die Donau überwacht
werden konnte, an welcher beim Einfluß der Ranna das Dorf Nieder-
ranna, die Lastatt des Marktes Hofkirchen und die Donaumant für
Falkenstein, gelegen war. Das erklärt die Anlage der Hochburg abseits
vom Strome. Der Burgweg you Niederranna zur Ruine hinauf durch
den Wald heißt noch heute der Weinweg, weil auf diesem die auf der
Donau anlangenden Weinfösser durch die robotpflichtigen Bauern zur
Burg hinauf befördert werden mußten.
^ Ein Tannberger hielt noch 1277 Neuburg am In für Künig Otakar be-
setzt Redlich, Reg. Imp. Y, Nr. 781.
' Vgl. Rerers Chunrads von Tannenberch und Albers von Streitwisen
1327, 11. Juli, OberOsterreichisches Urkundenbuch Y, 484.
' Mon. Boic. XXX b, 25.
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214
drticklich, daß ihm die Herzoge von Österreich die Burg aus
Gnade wieder gelassen haben. Von der Eigenschaft des pas-
sauischen Lehens war gar keine Rede.
Falkenstein Burg und Herrschaft blieben unmittelbar im
Besitze des österreichischen Herzogs, welcher nun die Burghut
eigenen Burgmannen übergab. Solche waren Chunrad der
Magenhaus zu Falkenstein 1298 — 1307/ Otto von Krotendorf
1298—1316,« Purkel (Purchard) zu Falkenstein 1298-1316.»
Erst im Jahre 1331* wurden das Schloß Falkenstein mit
S2& ^ Gülten und das Schloß Ror (Unterror bei Kremsmünster)
mit 20 ^ ^ Gülten und jährlichen 200 ^ ^ an der Maut zu
Linz ftlr den Anteil der Linzer Linie an den schwäbischen
Stammgütem an Eberhard von Wallsee-Linz verpfändet, doch
schon im Jahre 1359^ von Herzog Rudolf IV. wieder einge-
löst. Wenn nicht Falkenstein nachmals an Eberhards Sohn,
Eberhard, jedenfalls auf kurze Zeit verpftlndet wurde, so ist
es irrig, wenn die Matseer Annalen im Jahre 1369^ Falken-
stein noch im Besitze Eberhards sein lassen, als der Rosen-
bergsche Lehenmann Ritter Leutwin Usel von Rownich die
Feste durch Überrumplung gewann.^ Erst 1384® wurde Fal-
kenstein mit Neuburg am In vom Herzog Albrecht III. wieder
an Reinprecht von Wallsee-Ens verpfändet.
Aus dem Spruche Herzogs Albrecht H. 1354, 26. Jänner®
ersehen wir, daß Eberhard von Wallsee als Pfandinhaber von
Falkenstein die Landgerichtsbarkeit in Anspruch nahm,
die ihm von Passau aus bestritten wurde. ,Dann — sagt
Albrecht — umb daz, daz man schedlich leut gen Valchen-
^ PröU, Geschichte von Schlägl 33, Anm. 2, OherOsterreichUches Urkun-
denbuch IV, 400, 407, 429, 431, 626.
■ a. a. O., dann Pröll 87, Anm. 5, Oberösterreichisches Urkundenbuch V, 165.
" a. a. O. Purgharts von Valchenstain Enkel, Christans Sohn: kommt vor
in einem Gerichtsbriefe der Tannberg. Lehenschranne 1349, 1. Jänner
(Passanisches Blechkastenarchiv Nr. 226, Fasz. 2).
* Chmel, Geschichtsforscher 11, 211 (Nr. 24).
* OberOsterreichisches Urkundenbnch VII, 681.
• Mon. Germ. Script. XI, 834. Strnadt, Velden 201.
' Über Usel vgl. Urkunde 1371 im Passauer Stadtarchiv und TruhlaP, Re-
gistrum bonorum Bosenberg., S. 28, Nr. 236. Rownich ist Buben oder
Rowny Pfarre Goyau bei Krummau.
• Urkunden 1384, 19. September und 1416, 12. April im Wiener k. u. k.
Haus-, Hof- und Staatsarchiv.
9 Mon. Boic. XXX b, 210.
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215
stain (vürt) und timb dief pezzert, sprechen wir, swez der von
Pazzow recht hat, da sol in Eberhart von Waise bei lazzen
beleiben, swes aber der von Waise gen Valchenstain recht hat,
da sol er oucb bei beleiben als es baidenthalben von alter ist
hercbonien/ Es behauptete also der Grundsatz beati possi-
dentes seine Geltung, weshalb auch zu allen Zeiten darauf
Gewicht gelegt wurde, sich im ,Posseß' zu erhalten.
In die Zeit Albrechts I. muß filr Kloster Schlägl die Er-
langung der Blutgerichtsbarkeit über das damalige Kloster-
gebiet am linken Ufer der Großen Mühel zwischen Klafferbach
und Wurmbrandbach zurückreichen, da Erzherzog Albrecht VI.
in seinem Privilegium für Schlägl ddo. Linz, 1459, Montag in
den Pfingstfeiertagen ^ erklärt: ,So hat auch weylent Herczog
Albrecht von Osterreich irem richter pan und echt verlihen
in irem gericht über das plut zu richten' und verleiht ,dem
selben gotzhaus den pan und echte in irem marckht am Aygen
in der masse als offi ain brobst zum Siegel ainen richter seczet
der sol dan denselben pan und echt von uns und unsem erben
oder wem wir das emphelhen der zu gebrauchen ordenlich
dieweil er dan da richter ist', wie auch Kaiser Friedrich HI.
in seiner Bestätigung 1493, 24. Juni bemerkt, ,daz Hertzog
Albrecht unser vorvoder von Osterreich irm richter pan
und echt in irem gericht über das plut zu richten verlihen'.
Zur Zeit Albrechts 11. war schon Streit zwischen Passau
und Schlägl entstanden ,umbe das gericht, daz der brobst zu
dem Siegel innhat*; der Herzog entschied (1354 wie oben),
daß der Streit vor ihm solle ausgetragen werden ,wan wir sein
(des Klosters) vogt sein'.
Albrechts I. Sohn, Herzog Otto, erklärt in dem Freibriefe
1325, 28. Februar,* daß er dem Gotteshause zu dem Siegel die
Gnad getan habe, ,daz si den walt, der zu dem chloster ge-
höret, reuten sullen und wer dar in chumt und da sizzen wil
und reuten, der sol von uns und unsern pruedern freyung
haben zwelf ganzzev Jar, wan es in unserm Land ist und
auch wir des Goczhauses Obrist vogt sein'.
Mit der Besitzergreifung von Falkenstein durch Albrecht I.
wurde das Schicksal der Territorialhoheit des Hochstiftes im
^ Begest Yielhabers aus dem Stiftsarchiv Schlägl.
' Oberösterreich iscb es Urku^denbuch V, 414.
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216
Mühellande mit einem Schlage entschieden^ die Osterreichische
Landeshoheit hat nicht erst nach und nach I^iß zu fassen ge-
sucht^ wie man bisher anzunehmen geneigt sein mußte. Albrecht
war eine zu machtvolle und wenig rücksichtsvolle Persönlich-
keit^ um bei halben Erfolgen stehen zu bleiben. Er benützte den
günstigen Augenblick, um von dem geistlichen Reichsflirstentum
die Oberhoheit in dem Landstriche zwischen Großer Mühel
einerseits^ Ranna, Osterwasser und Gegenbach andererseits
ohne den geringsten Widerstand des Bischofs selbst an sich
zu bringen. Auf dem bischöflichen Stuhle zu Passau saß da-
mals ein ihm ganz ergebener Mann, Bernhard von Prambach,^
vormals Pfarrer in der herzogUchen Residenz Wien und gewiß
nicht ohne Zutun Albrechts zum Bischof erwählt, der ihm ftlr
den Verzicht auf Marsbach verpflichtet und noch mehr seines
Schutzes wider die nach Selbständigkeit strebende Stadt Passan
bedürftig war. So lange Albrecht noch Herzog war, werden
sich dem Bischof die Folgen seiner Unterlassung nicht flihlbar
gemacht haben; anders wurde es unter den Söhnen Albrechts,
wie denn schon Herzog Rudolf ohne weiters der von Passan
lehenbaren Feste Tannberg sich unterwand. Nun war ein
Widerstand zu spät, denn gegen den römischen König aufzu-
treten war Bernhard viel zu schwach und abhängig.*
Otto und Albrecht H. schalten, wie oben erwähnt, als
Landesfürsten im Mühellande. Es ist daher nur eine Äußerung
fürstlichen Rechtes, wenn Albrecht HI. dem Andreas Gruber
den Bau der Feste Stein an der Kleinen Mühel erlaubt (1369)'
und dem Bischof Johann von Passau die vom Grafen Heinrich
von Schaunberg zurückgestellten hochstiftischen Festen Viechten-
stein. Ober- und Nieder-Wesen, Rannarigl, Haichenbach, Velden
und Riedeck nur mit der Beschränkung ausliefert, daß der
Bischof ihm mit selben gewärtig sei und sie nur an öster-
reichische Dienstleute vorsetze.* Ja, bezüglich Viechtenstein
und Rannarigl geschah damit ein weiterer Übergriff auf passaui-
sches unmittelbares Territorium.
^ Ihm teilte Albrecht sofort seinen Sieg über König Adolf mit 1298. Ober-
Csterreichisches Urkundenbuch FV, 285.
' Das Urteil Bnchingers I, 277 über Bernhard bedarf großer Korrektur.
» Hoheneck UI, 212.
* Urkunde 1393, 16. Oktober in Stmadt, Yelden 252.
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217
Für die Qebietseinbuße auf böhmischer Seite wurde von
Albrecht L 1289/90 Oberösterreich um das Mühelland ver-
größert
Elfter Abschnitt.
Das Landgericlit Velden, die Herrschaften Falkenstein
und RannarigeL
Erst nach dem ersten Viertel des 14. Jahrhunderts^ wurde,
viel zu spät, um die Landeshoheit des Hochstiftes wahren zu
können, ftLr das an Osterreich verlorne Gebiet das passauische
Landgericht zu Velden errichtet und der Wirkungskreis des
Landrichters der Abtei auf das westliche Land beschränkt.
Nach der Orenzbeschreibung vom Jahre 1593* reichte es im
1 In dem Verzeichnisse der Einkflnfte des Bischofr Ton Passan im ersten
Viertel des 14. Jahrhunderts ist die Stelle: ,Item ladicinm provinciale
(in Velden) circa 12 libras' ein späterer Zusats. Notisenblatt der Wiener
Akademie 1853, 8. 199.
' «Landes der Abbtej, Wie nit weniger der darin ligenter, und daran
stossenter herrsehaften und Landgerichte ordentliche Gränis- und Jaids>
beschreibnng, so durch die darsne verordnete fttrstl. Passan: Rät und
Commissaries Bemharten Treitwein der Rechten Doctom und Otto
Loschen an Stephans • Kürchen Jägermaister, auch iedes orts Pfleger
und Landrichter, nach vleißiger abgehung und genombeuen angen-
schein dieselben im iahr 1598 verrichtet und in diß Gränis Biechl zu
fürderlichen nachrichtung wie volgt gebracht worden.* Gleichzeitige
Slopie im kOnigl. bayrischen Reichsarchiv in Landshut (Trausnitz) Rl
Xm F 26 Nr. 4, S. 3, alte Signatur Nr. 57.
,Hebt sich an bey Neuhauß, mitten in der grossen Mühel, gränizt
also herauf gegen Partenstain, von dannen gen Velden, von Velden
gen Pfthmstain, mehr von dannen gen Haßlach mitten auf die Pru-
cken über die Mühel gehonte, von der Pruck auf mitten auf die Pru-
cken gen Schlegl, von derselben Prukchen bis an Finsterpach, von
dannen schaidt es der benant Finsterpach bis auf den Ursprung der
ciain Mühel, von dem Mühelhaubt gränizt das Landgericht an den
gmainen waldt Falckenstain und Rännaridl zuegehOrig, von dannen bis
an die Prucken genant am Haag (Hangern), von dannen bis an die
Wildränna, nachvolgent wehrt das Landgericht Velden nach der Wilden
Ränach hinab für Falckenstain bis in die Thonau, nach der Thonau
hinab bis widemmb in die grosse Mühel, hat also zum mehrem thail
sein lebendig marchwasser.*
Urkundlich vorkommende Landrichter zu Velden: 1387, 1344
Gundacher von Losenstein; 1356, 1358 Chadolt von Valchenstain; 1370
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218
Norden bis an die große Mühel, erst 1640 wich die Grenze
bis zum alten Schefweg zurück, bei welcher es bis zur Auf-
hebung der Patrimonialgerichtsbarkeit das Verbleiben hatte.
Anfangs des Jahres 1637 wendete sich nämlich Propst
Martin von Schlägl an Erzherzog Leopold Wilhelm als Bischof
von Passau mit der Bitte um Ausscheidung der 122 Kloster-
untertanen am rechten Mühelufer aus der Jurisdiktion des
Landgerichtes Velden und erbot sich dafür, die ^ruinierte heil.
Wolfgang Capellen zum Stain' (jetzt Wolfgangstein Pfarre
Aigen) zu restaurieren, über eingeholten Bericht des Pflegers
Johann Friedrich Moll zu Marsbach als Landgerichtsverwalters
erklärte sich der Erzherzog nicht abgeneigt, verlangte aber
eine Rekompens (1637, 23. März). Der Propst machte dawider
geltend, daß ihm eigentlich diese Obrigkeit über seine Unter-
tanen ohnehin zustünde; bei einer mündlichen Konferenz (1638,
24. November) bot er aber außer der Kapellenrestaurierung
als Rekompens vier Untertanen an: den Thoma Lang und den
Hans Schartner in Werbach (Pfarre Pfarrkirchen), die halbe
Fuchsmühle und den halben Haselhof (Pfarre Sarleinsbach).
Hiermit befriedigt, überließ der Erzherzog laut Vergleiches
1639, 12. Dezember (Ausfertigung Passau 1640, 10. Mai) an
Schlägl die völlige landgerichtliche Jurisdiktion über nach-
stehenden Bezirk:
,Nemblich vom Finsterbach, welcher auß des closters
forst in die grosse Mihel falt, auf den Schefweg ab und ab
biß auf der Khürchpacher hölzl, daß Bawer (Bauwerch) ge-
nant, von danen miten durch daß Bawer, auf den HöUpach,
von dem HöUpach der Zwerch nach so weit des Closters
grund und boden geraichet, biß auf den Schneidergraben:
von demselben auf daß Stöckelpächel, so auf der ober Neu-
dorfer Stock wisen entspringet und in Crünpachfeld; von und
am Crünpach (jetzt Krenbach genannt) abwerts biß wider an
den Finsterpach, in welchem gezierk obbesagte St. Wolfgangs
Capellen und andere 122 underthanen sambt acht darzue ge-
hörigen clainheußlein gelegen.' Ausgenommen wurden die
Ulrich der Pueger; 1388, 1391 Peter Scht^nauer; 1393 Andre Herleins-
berger; 1400, 1402, 1410, 1411, 1420 Eglof Neuenkircher; 1406 Wemhart
Scharf; 1425 Veit Liechtenecker; ca. 1430 Heinrich Kaplan ; 1436, 1439,
1440, 1441, 1444 Udung Liechtenecker; 1449, 1458 Andre Wiltperger;
1463 Niklafl Stettliuger; 1480, 1493, 1496 Paul HoUinger.
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219
8 Untertanen der passanischen Herrschaft Pümstem in Schwal-
ßödt, welche mit der landgerichtlichen Jurisdiktion unter Velden
blieben und sonach eine Enklave des letzteren Landgerichtes
in dem erweiterten Landgerichte Schlägl bildeten.^
Das Gericht des Propstes von Schlägl war schon ein
Jahrhundert früher bis an den böhmischen Gegenbach vor-
gerückt, als das Kloster 1522, 10. März* von dem Grafen Hans
von Hardeck den Klafferwald mit den Dörfern Klaffer und
Freindorf kaufte.'
^ Akt mit Karte im passanischen Blechkastenarchir Nr. 234 f. 157. MUn>
eben. Was Pröll, Schlägl, 8. 254 sagt, daß der UmsUnd, daß Passau über
8t. Wolfgang das Landgericht hatte, dem Neuban des verfallenen Kirch-
leins hinderlich war, ist unverständlich.
' fDen Clafferwald mit seinen wasserläofen und dem vischwasser . . .,
der sich anfängt bei dem Clafferpach und nach längs ab bis an die
Mflhel und von der Mühel auf bis zu dem Gegenpach und an dem Bach
auf bis an den Piekkenstein auf alle hOch, von dieser hOch geht die
march bis in das Puchat und den vorgenanten Clafferpach.' Femer ver-
kauft Graf Hans an Propst Siegmund die Dörfer Claffer und Freundorf,
die auf einer Seite des Waldes gelegen sind, mit aller ZugehOrung (20
und 1 1 Bauern). Das Recht, in der Großen Mtthel zu fischen, hatte halbs
(auf der linken Seite) der Graf und halbs (auf der rechten Seite) das
Kloster Schlägl bis an den Finsterpach, von diesem bis an den bayri-
schen Gegenbach auf derselben Seite hatten die von Wegscheid zu
fischen. ,Damach geet der (böhmische) gegenpach auf nach dem wald,
den haben wir (Graf Hans) halber zu vischen und den anderen halben
tail die herrschaft zum Rannarigel.' Auf der Hohe des Pleckensteins hatte
der Graf und halbs die Herrschaft zum Rannarigel zu fischen (Begesten
des verstorbenen Museumskustos G. Weishäupl und des Schlägler Stifts-
bibliothekars Vielhaber. Hierzu zu vergleichen PrOll, Geschichte von
Schlägl, S. 114-115).
' Aus Klaffer stammen nicht, wie in Velden S. 146 angegeben wurde, die
Klafpäcken, sondern hOchst wahrscheinlich vom Klaffenbäckgute bei
WitzenOd Pfarre St. Ägidi ab; der Zehent von zwei Häusern in Chlafel-
bach wird in der bischöflichen Urkunde über den Ausgleich zwischen
dem Pfarrer Albert Celler von Engelhartszell und den Brüdern Otto,
Heinrich, Ortolf und Meingot von Waldeck 1259, 29. April (Original im
allgem. Reichsarchiv München) erwähnt. Der Familienname Klaffenböck
ist noch heute in den Pfarren Ägidi, Neukirchen am Walde und Natern-
bach einheimisch.
Die Ortschaften Klaffer und Freindorf werden zuerst in einer
Eferdinger Urkunde 1896, 1. September (Strnadt, Velden 227) au%eführt;
da beide zehentpflichtig sind, während Neurisse durch eine Anzahl von
Jahren zehentfrei waren, so muß ihre Anlegung eine geraume Zeit,
vielleicht noch in das 13. Jahrhundert zurückreichen. Nicht deshalb.
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Dagegen gelang es den Herren von Sprinzenstein nicht^
weil der Zehent von Falkenstein lehenrührig war, sondern ans dem
Umstände, daß an einen zweiten Kaufbrief 1403, 17. Jali der Vertreter
der Grandherrschaft, Pfleger Hartlieb Herleinsperger zu Falkenstein, sein
Siegel anhängte, ist die Zugehörigkeit der DOrfer zu Falkenstein zu er-
schließen.
Es frSgt sich, auf welche Art die Grafen von Hardeck den Elaffer-
wald in ihre Gewalt brachten, wenn er zur landesfClrstlichen Herrschaft
Falkenstein gehOrt hat.
In dieser Richtung haben wir in die Vergangenheit zurückzu-
schreiten. Noch um das Jahr 1510 stand die Grundherrschaft flber Klaffer
und Freindorf den Herren von Rosenberg zu. Denn das älteste ,Urbar-
puech des Gsloß und Herrschaft Rännarigl* (vormals im landeshauptm.
Archiv, jetzt im OberOsterreichischen Landesarchiv), welches nach den
noch vorhandenen Stenerlisten des Jahres 1509 (,Vermerckht der Romi-
schen kayserlichen Mayesstat gsloß zum Rannarigl Steuer Anno etc. im
Neuntn Jar* im Hof kammerarchiv Fasz. R 2) in diese Zeit zu setzen
ist, sagt bei Aufzählung der Fischwässer in Wastleins Amt (später Amt
Heindlschlag genannt) : fier behemisch gegnpach . halber gein Rannarigl
und halber dem von Rosenberg . schaid die Wald vnd Wildpan . und ist
aitt Marich in die gproß Mühl'.
In der Tat bekennt auch zu Krummau ,am freitag sand Peters
stuelfeyr 1493* (Orig. Pap. im fttrstl. Schwarzenbergschen Zentralarchiv
Krummau c ad I 1 Aa Nr. 43) als Auskunftsperson, Thoman Wei(g)atz-
perger richter aufm Klaffer, ,das bey meiner gedachtnus so lang ich g^
denk das guet Klaffer mit seiner zugehorung hat alweg gehört gen
Wittinghausen und sind bey meiner gedachtnus zu Wittinghausen
pfleger gewesen der Gorig Grossauer (1456, 1457 Fontes XXIU, 285,
287), der alt Woitiech, der Knentz Grossauer und der Augustin Steger.
Dieselben pfleger haben daz guet Klaffer alweg zu dem Gealoß Witting-
hausen gebraucht, gesteurt und gewandelt, die Richter daselbs ab und
auf gesetzt und in allen nodtuefften gewejet und in undertenig und ge-
horsam gewesen.' Ein Anschlag der Herrschaft Haslach aus dem 16. Jahr-
hundert (im fttrstl. Schwarzenbergschen Archiv zu Wittingau Akt Has-
lach U 92/a f. H) führt unter der Anmerkung: ,Uemach beschriben und
verzeichnete Lehensteuer sein unrichtig und wierd demnach darubm
nichts geraicht* — an: ,Thoman wejgentsperger richter auf dem Klaffer
und Oßwald schuester zu Saldnau (Saulnau bei Klaffer) haben zu
lehen zweithail auf dem Klaffer.'*
Der Klafferwald gehörte demnach Ende des 15. und anfangs des
16. Jahrhunderts zur Rosenbergischen Herrschaft Witigenhausen, und
zwar schon im November 1488, wie sich aus der Nachricht Herm. Bi'e-
* Dieser Zehent, welchen noch 1425, Eritag nach St. Anton Reinprecht
von Walsee auf Bitte Ulrichs von Scharten dem örtlein Virneyser auf
18 Gütern zu Freindorf und auf dem Klaffer verlieh (PröU, a. a. O. 115
Anm. l)y wurde von dem Kloster Sohlägl an sich gebracht.
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221
ihren Wunsch auf Zngestehnng des Landgerichtes innerhalb
uns* ergibt, daß Herr Wok yon Roaenberg im November desselben
Jahres dem p&pstlichen Legaten bis aum Klafferwalde, also an der
Grense seines Gebietes, ein Geleite entgegengesandt hat. Diese Nach-
richt stimmt mit der Tatsache, daß Reinprecht von Walsee, welcher am
,montag nach sand urbanstag, 1464** seinem lieben Vetter dem edlen
Herrn Jan Yon Bosenberg (f 1472) Schloß und Herrschaft Witigen-
hansen nnd seinen Markt Haslach mit ZugehOr and Landgericht, wovon
,der markht allain von dem hochwirdigen Stift Passau sn lehen
rnref, aof seinen sOhnelosen Ablebensfall vermacht hatte, bereits am
26. April 1483 ans dem Leben geschieden war. Infolge des Verm&cht-
nisses fielen Haslach, welches mit Ausnahme des Obergerichtes Ulrich
von Bosenberg 1421, 27. April an den Hauptmann ob der Ens Bein-
precht von Walsee verkauft hatte, und die ,Vest zu Witigenhausen
und das obere Pehemisoh gerichf, welches mit aller ZngehOrung 1427,
9. August*** von Ulrich von Bosenberg an Beinprecht verkauft worden
war, ohne Wiederlosung an die Bosenberger iur11ck.t
Im Urbar von ,Wittinghausen' ddo. ,freitag nach dem heiling
pfingsttag Anno domini 1515' im Krummauer Zentralarchiv kommt das
Amt Kläffer nicht mehr vor. Es muß dasselbe demnach zwischen den
Jahren 1510 und 1615 an den Grafen Hans von Hardeck, welcher seinem
Yater Heinrich im Pfandbesitse von Falkenstein nachgefolgt war, durch
irgend eine Transaktion gelangt sein. Seine Mutter Elisabeth (geb. 1466,
gest. 1607) war eine Schwester jenes Peter von Bosenberg (f 1623), der
nachmals durch sein Testament su so großen Büßhelligkeiten Anlaß
gegeben hat. Während seiner Besitzperiode hat Graf Hans 1516,
20. Jinnerft der Witwe seines Bichters zu Klaffer des obgedachten
Thoman des Weigartsberger den halben Zehent zu Klaffer und Frein-
dorf überlassen. EIndlich entledigte sich der Graf im Jahre 1622 des
seit der Einlösung von Falkenstein in Isolirung geratenen Besitzes durch
Yer&ußemng desselben an SchlSgl; im Kaufbriefe bemerkt er ausdrück-
lich: ,Also das weder wir noch unser E^ben und nachkomen noch
jemandts andern von unseren unser Elrben und herrschaft wegen
weder von aigenschaft noch von lehenschaft weder landgericht
noch von kainerlay ander sach wegen darauf nichts mer gebieten.'
* Bosenberg. Chronik ed. Klimesch S. 163. ,Anno domini 1483 deß Monats
November ist auf Cromaw kommen der Joannes Cardinalis de Aragonia,
pabstlicher Legat, deme vorhero der Herr Wok bey 50 Pferdt endtgegen
abgefertigt biß zu dem Waldt, Klaffer genandt, gegen Passauer Strassen,
welche ihn dan biß auf Cromau beglaitet haben.'
** Fürstlich Schwarzenbergsches Zentralarcbiv in Krummau IIA« Nr. 43.
*** Daselbst I Aß Nr. 12. Notisenblatt 1862, S. 11.
t Schon 1465 hatte Beinprecht Witigenhausen und Haslach seinem Neffen
Jan von Bosenberg f&r ein Darlehen von 1000 Gulden eingesetzt Orig.
im Zentralarchiv Krummau b ad I Aee Nr. 48.
tt PröU, Ä. Ä. O. 116, Anm. 1.
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ihres Burgfriedens beim Bischof von Passau durchzusetzen
(1644).!
Die Pflege und das Landgericht Velden wurden 1393,
14. September,* die Feste Tannberg samt Urbar (worunter das
Gericht Peilstein) 1421, 13. August' an Andreas Herleinsberger
verpftlndet; erst im Jahre 1503 gelang dem Hochstifte die
Wiedereinlösung.* Die Pflege Tannberg wurde dem Achaz
Prembser^ anvertraut und ihm einige Jahre später auch Velden
dazu gegeben. Nach seinem Tode erhielt beide Pflegen samt
der Maut zu Peilstein Egidi^Tettenheimer 1516, der als Pfleger
im Dezember 1517 vorkommt, hierauf Wolf Elrechinger zu
Mamling 1520. Dem Nachfolger des letzteren, Hans Stadler
zu Emegk, wurde laut Reverses 1522, 6. Jänner, hierzu auch
noch das Schloß Marsbach in Bestand verlassen. 1525 (Montag
nach Erhardi) wurden dagegen an Hans Nusdorfer zu Tutling
nur mehr Tannberg und Velden tiberlassen, nachdem schon am
Freitag nach Pauli Bekehrung desselben Jahres die Pflege
Marsbach abgesondert dem Lamprecht Haunreiter verliehen
worden war. Auf den Nusdorfer, der zuletzt 1528, 11. Februar,
als Pfleger zu Tannberg erscheint,^ folgte in der Pflege Tannberg
noch Wolf Herleinsperger zu Altenhof (Urkunde 1529, 25. März,
bei Pröll a. a. 0., 117), wogegen Velden schon 1528 zur Pflege
Marsbach gezogen wurde ' und bei dieser fortan verblieb. End-
Daß unter ihm fQr das sogenannte Malefis in Elaffer ein eigenes
Halsgericht bestand, das wohl durch den Richter versehen wurde,
und daß selbes yom Propst Siegmund angelassen und nach Aigen ge-
zogen wurde, besagen die Beschwerden der Bürgerschaft zu Aigen aus
den Jahren 1585 uud 1592* Klaffer scheint bei der Einlösung der Pfand-
schaft Falkenstein (nach 1425) in den HJinden Reinprechts von Wallsee
zarückgeblieben zu sein, der es dann yon Witigenhaus aus verwalten ließ.
* Fasz. Sprinzenstein im Hofkammerarchiv.
• Mon. Boic. XXXb, 426.
a. a. O. XXXI b, 176.
Revers Wolfgang Herleinsbergers, 1609, 2. Februar, im allgem. Reichs-
archiv in München.
Als Pfleger zu Tannberg wird er im M%rz 1614 erwXhnt (Passauisohes
Blechkastenarchiv, Nr. 226 f, 8).
Archiv für österr. Geschichte XXIV, 184.
Reverse in Original und Kopie im k. allgem. Reichsarchiv in München.
Buchinger II, 289, Anm. ♦*.
8
• Pröll, a. a. O., 156, 166, 185.
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223
lieh wurde anch Tannberg, wohin 1503 der Sitz des Land-
gerichtes gewandert war, noch vor dem Jahre 1538 mit Mars-
bach vereinigt; denn in letzterem Jahre wird Christoph Lieben-
aner bereits Pfleger zu Marspacb, Tannberg und Velden ge-
nannt.^
Nun wurde Marsbach, das erst 1520 von dem Oberhaimer
zurückerobert worden war, der Sitz des Pflegers für die Herr-
schaften Marsbach, Tannberg, Velden und Partenstein; der je-
weilige Pfleger war zugleich Verwalter des Landgerichtes Velden,
das seinen alten Namen bis in das 18. Jahrhundert beibehielt.
Die Landgerichtsschrannen in Malefizsachen wurden auch fUr-
derhin im Gerichtshaus, dem vom Hoch stifte im Markte Neu-
felden erbauten Schlosse,* abgehalten, die Landgerichtsdiener
von Marsbach wohnten in Neufelden,' in dessen Schloßturm sich
die Gefängnisse befanden. Als Beisitzer der Schranne wurden
die Bürger von Neufelden und ,von Alters her' Untertanen des
Ho&mtes Tannberg und des Gerichtes Peilstein verwendet, das
Gerichtsschreiberamt versah schon 1493 der Bürger Jakob Bys-
mann zu Velden,* Vorsitzender war der jeweilige Marktrichter,
welcher deswegen den stolzen Titel ,Landrichter' führte; erst
der Marktrichter Abraham Oder (1586 — 1696), Sohn des vor-
maligen Markt- und »Land^richters Hans Oder (1525 — 1568),
ein Günstling der Pflegersgattin Tattenbäck zu Marsbach, der
Tau^tin seiner Kinder, entzog sich dieser Pflicht und besetzte
das Malefizrechten statt der ,kindi8chen' Bauern ausschließend
mit Bürgern des Marktes.* Diese Besetzung dauerte bis zu den
Reformen Kaiser Josefs H.;^ Richtstätte war der innere Galgen-
berg bei Neufelden ob der Großen Mühel, im 19. Jahrhunderte
der Kreuzweg auf der Donauleiten zwischen Hofkirchen und
Marsbach. Zur Unterhaltung des kaiserlichen Bannrichters in
Linz hatte das Landgericht Velden einen jährlichen Beitrag von
7 Gulden 40 Kj-euzem zu entrichten.^
1 Strnadt, Velden, 8. 210/282.
■ Der Familie Weillnböck gehörig.
* Erwihnt 1579 Georg Partner, 1602 Matheos Lang, 1638 Georg Pessl.
* PrölV a.a.O. 107.
' Die Yogtnntertanen von St. Florian wurden schon 1451 Yon der Schöffen-
pflieht entbanden. Strnadt, Velden, S. 254.
* PaMaaisches Blechkastenarchir, Nr. 280 f., 53, Nr. 231 f., 65, 66, 69,
74, 76, 97, Nr. 282 f., 124.
^ Quittung Tom Janner 1597 a. a. O., Nr. 231 f., 76.
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224
Die Herrschaft Falkenstein und deren O^eriehtsholielt.
Nach Ablauf der Pfandzeit, also 1435, war Falkenstein
— wohl mit Ausnahme des Amtes Klaffer — von Reinprecht
von Walsee zurtickgelöst worden. Als landesfürstliche Pfleger
treffen wir 1443^ und 1457* Cholman den Oberhaimer; 1470,
1471, 1478, 1479 3 Simon den Oberhaimer; 1483, 1485, 1488
Hans den Oberhaimer.*
Aber schon 1490, 3. Oktober, wurde Falkenstein mit der
Maut in (Nieder-) Ranna den Freiherren Siegmund und Hein-
rich Prtischenk verpfilndet und 1494 um 10.000 Gulden gegen
Wiederkauf verkauft.^ Des letzteren Sohn, Graf Hans von
Hardeck, hatte die Herrschaft bis 1515 inne; sein Pfleger war
Michael von Traun zu Eschlberg.^ Am 16. Oktober 1515 ver-
schrieb Eüiser Max I. Falkenstein seinem Rate und Schatz-
meister Jakob Villinger pfand- und pflegsweise, von welchem
sie mit Genehmigung Erzherzogs Ferdinand 1521, 21. Oktober,
Jobst von Oberweinmair (Oberweymar) übernahm. Nach dem
Tode des Letztgenannten verschrieb Kaiser Ferdinand die Herr-
schaft ,sambt dem Landgericht', wie das Diplom 1527,
21. Dezember ausdrücklich besagt, dem Herrn Jörg von Herber-
stein und dessen Erben.^
Die Gerichtshoheit über die eigenen Untertanen war
schon im 14. Jahrhunderte von Falkenstein festgehalten worden,
es blieb bei dem alten Herkommen; im 15. Jahrhunderte
scheinen jedoch die landesfürstlichen Pfleger sich damit be-
gnügt zu haben, daß sie keinen Eingriff des passauischen Land-
» Strnadt, Velden, S. 258.
' Urkunde Sonntag nach St. Andreastag 1457 im Fasz. F 1 im Hof kammer-
archiy.
» Hoheneck m, 285; PrOll 70; Chmel, Mon am. Habsborg. HI, 302, 699.
Passauisches Blechkastenarchiy, Nr. 226 f., 10.
^ 1483, 4. Dezember. Pflegrerers des Hans Oberhaimer überValchenstain,
wie es sein Vetter Simon innegehabt. Chmel, Begesten K. Friedrichs HI.,
, Nr. 7640; Strnadt, Velden, S. 269, 260.
" Streun man. gen., Band XH, im Stifte GOttweig; Wisgrill FV, 124;
Chmel, Regesten, Nr. 8594.
* Schreiben desselben, ddo. Valchenstain Phinztag nach dem Sonntag
Invocavit 1514 an. Bischof Wigileus. Passauisches Blechkastenarchiv»
Nr. 226 £; 8.
* Original und Kopien im Fass. F 1 im Hof kammerarchir.
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riohters von Velden anf herrschaftlichein Gnind nnd Boden
duldeten, die Malefizpersonen selbst in Falkenstein gefänglich
annahmen, im Schlosse yerwahrten, die Untersnchnng zu Ende
fährten xmd die Malefikanten erst dann, nachdem sie in der
Schranne im Markte Hofkirchen, woselbst der falkensteinische
Landgerichtadiener wohnte,^ überwiesen nnd des Todes schuldig
erkannt worden waren, zur Vollstreckung des Todesurteiles
tber den Bock- oder Wesenbach (gleich außerhalb des Marktes)
dem Landrichter von Velden überantworteten.
Dieses Bild zeigen wenigstens die ,Gerechtigkeit vnd alts
herkhomen des markts zu Hofkhirchen' aus dem Jahre 1485'
und das Ehaft der Bauern im Amte Eramel;' das Ehaft des
* PasMnisches Blechkastenarchiv, Nr. 231, f. 65.
* Lambelsche WeiBtümersammlang, Original in Hof kirchen.
Art 45. Jtem ist es anch von alter berkomen and der gebrauch, ob
ein schädliche person, es war fraa oder man in der berrschaft Yalcken-
stain mit malefizbandl befanden and betrOtten waerde, dieselben in fran-
fest gen Valckenstain gefiert and Überantwort, alda mit strenger frag
erkandet, darnach alhie im marggt Hof kirchen faer das recht gesteh and
wo sie beredt wirdet dem landgericht za Velden über den Mittempach
geantwortet werden, in ansem waltfeldt and derselben schotlichen person
güeter beleiben bei der berrschaft Valckenstain zwei theil, das drit theil
soll dem landrichter za theil werden, welcher sie daramben nach ge-
stalt der Sachen wie recht ist richten soll lassen,' Die alten Rechte von
Hofkirchen hatte Herzog Otto ddo. Stejr 1335, 26. März, bestätigt
(Preaenhaeber Ann. Styr. 50).
' Extrakt ,aaß der Paamen im Ambt Cräml Eehaft geschriben' som
Berichte des Pflegers Oswald Salbarger 1571, 7. März, im Hofkammer-
archive, Fasz. F. 1.
,0b angesessen leat kamen and Clag aafkamb, die nit mttssig wäre,
and kämb der Landrichter and wolt der betreden, and da solle sich
der Landrichter rerhüeten and sol das bringen an herm and an den
Haabtman, and sol den erfodem, den sol die Herrschaft and der Ambt-
man feßnen, in sein leib and gaet, and sollen fneren gen fronfest
gen Valckenstain, darnach vom fronfest zam Bechtn gen Hofkirchen,
zwej theill gaets behelt man bey der Herrschaft, den dritthail antwort
man mit im. Item ein diep kämb in das Ambt and in die Herrschaft
and er getrangen waert, and kämb anter die tachtropfen, so sol im der
Landrichter nichts than, noch nicht eingrif thaen, er sol ine erfordern.
Es sol aach ieder Man aaf sein and zaeg^eifen, die in der Herrschaft
sein, and sollen den za iren Händen nemen, damit man in bring in
fironfest gen Valckenstain. Und ob ainer anßkämb, dem Ambtman oder
der Herrschaft anß der Vänknnß, so sol man nachkomen naawerz an den
Haslpach and auf die Hz, and In an die walta, and anß an die
Ton an, wo man in begriff, den sol man an alleirrang herwider brin-
ArehiT. XCIY. BMid« 16
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226
Amtes Harnet; das nicht überliefert ist, dürfte gleichen Inhalts
gewesen sein. Der Markt Rohrbach, welcher nach Falkenstein
untertänig war, lieferte gefangengesetzte Malefizpersonen über
ein Bachl bei der Wasch am Ostende des Ortes dem Land-
gerichte ans.^ Im Markte Lembach, in welchem fidkensteinische
(28), pümsteinische (17) und passanische (32) Untertanen saßen,
wurde — wenigstens im 17. Jahrhunderte — die Vogteiobrig-
keit alternative ausgeübt; wenn die Reihe an der Herrschaft
Falkenstain war, sprach der Pfleger auch über die landgericht-
lichen Fälle die Gerichtsbarkeit an.*
Aber selbst diese Akte waren nur notdürftig zu beweisen,
als die kais. Pfandschaftenbereitungskommission am 5. Juni
1570 in Falkenstein eintraf und nach den landgerichtlichen
Rechten Nachfrage hielt. Der Vizedom Kosmas Gienger be-
richtete* an die niederösterreichische Kammer, daß vor guter
Zeit und vor 47 Jahren (1524, seither war kein Malefizfall vor-
gekommen) die Verbrecher, so auf der Herrschaft Falkenstein
Grund und Boden betreten xmd eingezogen worden, gefänglich
verwahrt, das Recht über dieselben durch den herrschaftlichen
Pfleger ergangen, hernach in das Landgericht Velden zu Voll-
ziehung der Exekution geantwortet worden; er wußte jedoch nur
vier Gedenkpersonen (Siegmund Moser, Salzbereiter im Mühl-
viertel, Wolf zu Kanzling, falkensteinischer Untertan, Katha-
rina Mayringer, Bürgerin zu Hofkirchen, Leopold Medtmüllner
am Höffl, rannarigelscher Untertan) aufzutreiben, weshalb er er-
achtete, daß es des Landgerichts halber, wie von Alter her-
kommen, verbleiben möge.
Indem jedoch der Pfleger Gottfried Salburger,* welcher
seinem anfangs 1572 an der im Schlosse Falkenstein ausge-
gen, und sol der dritthail gnets dort lassen und die zweithaill guets mit
ime bringen.'
^ Bericht des Marktrichters Sebastian Stadlpaur, t671, 12. Februar, Schreiben
des Herbersteiner Pflegers Bartlme Salbarger, 1561, 6. Juli, Fasz. F 1 im
Hofkammerarchiv.
' Extrakt aus dem Berichte über die Niedemkeßla. Passauisches Blech-
kammerarchiv, Nr. 101.
" 1671, 26. Mai. Fasz. F 1 im Hof kammerarchiv.
* Sohn' des Bartlme Salburger (f 1668), welcher 1632 zu Hofkirchen, wo
seine Familie noch 1570 ein Burgrecht innehatte, als ,ersamer Bürger*^
* Zu dieser Zeit war noch Ott der Oberheimer Pfleger zu Falkenstein
(1629 bei Prtfll, a. a. O. 117, Anm. 1).
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227
broohenen Infektion verstorbenen Bruder Oswald Salbnrger
in Pflege und Bestand der Herrschaft gefolgt war, sich bei
dem alten Herkommen zn erhalten snchte, kam es zn Zn-
sammenstößen mit dem passaoischen Pfleger Veit Tattenpeck
Yon Marsbach. Es wurden nun weitere acht Zeugen (Hans
Feyel, Mautner in der Wildenranna, E[ans Sprüzlmair, Hofwirt
zu Falkenstein, Leonhard Mikhtlsch im Eramel und fünf Bürger
zu Hofkirchen) daftlr aufgebracht, daß vor 43 Jahren (1528)
unter dem Pfleger Sebastian Inderseer einer aus dem Amte
Eramel in Falkenstein (gefänglich) einkommen und ebnermaßen
erst nach der Tortur und gehaltenen Kechten hinausgeantwortet
worden.^
Tatenpeck stellte sich auf den Standpunkt, daß die Amts-
liandlung gegen Übeltäter nach der Landgerichtsordnung allein
dem ordentlichen Landgerichte gebühre, weshalb er auch die
Yon Q-. Salburger (1575, 1. April) unter gleichzeitiger Protestation,
daß solches der Herrschaft Falkenstein künftig an ihren Recht-
und Gerechtigkeiten unvorgegriffen sein solle, angebotene Hin-
ausgabe des im Flecken Lembach aufgegriffenen Wolfgang von
Ruezersdorf vor dem Markt Hofkirchen und über den Mitter-
bach ablehnte. Er ließ vielmehr durch seinen Landgerichts-
diener vor offener Kirche in Altenfelden (1579, 19. Juli) allen
passauischen Untertanen verbieten, in den falkensteinischen
Märkten Kohrbach und Hofkirchen Oam einzukaufen, lehnte
die Einladung, nach Falkenstein zn einem gütigen Examen
daselbst rorkommt und in seiner Stellung als Salsbereiter eu Mitteln
kam, nahm etwa um 1540 die Herrschaft Falkenstein von den Pfand-
herren um eine jährliche Summe von 800 Qulden rechnnngsfrei in Be-
stand. Im Jahre 1542 war er jedenfalls schon Bestandinhaber, denn
damals ergriffen die Schiffleute in der Herrschaft Falkenstein die Be-
schwerde gegen ihn an die Landeshauptmannschaft, daß er sie wider
alt Herkommen mit An- und Abfahrt auch Freigeld belege, worauf er
sie ins Gefängnis legte; die Entscheidung ging jedoch laut Qerichts-
briefes des Landeshauptmanns Balthasar von PrOslng vom Jahre 1545
dahin, daß Pfleger sie nicht lu beschweren habe. Bartimes Voreltern
dflrften im Dorfe Salaberg Pfarre öpping gehaust haben, der ursprüng-
liche Name lautete Sallaberger oder Sallaburger, wie einmal (1574) Gott-
fried selbst sich fertigt, wie auch die Reformationskommission 1554 den
Bartlme einfach ,Salberger' nennt. — Zahlreiche Altenhofer Archiralien
hat das Linser Museum im Jahre 1905 vom Wiener Antiquar S. Kende
käuflich erworben.
Bericht 1571, 7. Mäns, Fast. F 1.
16^
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228
mit dem Totschläger Thoman von Mairing; einem passanischen
Untertan^ zu kommen^ ab, nnd machte endlich am ^Schall abent
vor dem heiligen Ostertag' 1580 mit 80 bewehrten Personen
einen Einfall in die falkensteinische Hofmark Niederranna^ wo-
selbst er eine kleine Hansmühle niederwerfen nnd verwüsten
ließ, bei welcher Gelegenheit der falkensteinische Untertan
Wolf Humbel durch Tattenpecks Landgerichtsdiener Wolfgang
Hienerpeck ^ erschossen wurde. Tattenpeck weigerte sich auch,
einen falkensteinischen Untertan Jakob Schneider, der über
Jahr und Tag gefangen gelegen und vom kaiserlichen Bann-
richter zum Tode durch das Schwert verurteilt worden, zur
Exekution zu übernehmen.
Heinrich Salburger dagegen veranstaltete 1582 von Land-
gerichts wegen eine Streifang, worauf Tattenpeck zwei Qewalts-
klagen bei dem landeshauptmannischen Gerichte einbringen
ließ. Nunmehr gebot Kaiser Rudolf 1582, 1. Juni, beiden Par-
teien Stillstand bis zur Entscheidung der Hauptsache.
Dennoch dauerten geringere Reibereien fort und selbst
nach dem 1605, 10. Dezember, erfolgten Verkaufe der Herr-
schaft Falkenstein an Heinrich Salburger' lesen wir noch von
einer Irrung zwischen Marsbach und Falkenstein wegen des
von Falkenstein aus nächst bei Winkel im Ranningerholze '
aufgerichteten Hochgerichtes.^ Später milderten sich die Gegen-
sätze, als die Landgerichtsherrschaften die Ausübung der Krimi-
nalgerichtsbarkeit als eine schwere Last anzusehen begannen, die
sie nach Tunlichkeit von sich auf andere abzuwälzen suchten.
Ein krasser Vorfall ist folgender: Im Jahre 1633 hatte sich
der taube Steffl, Knecht bei dem sprinzensteinischen Untertan
Adam Aigner zu Pfaflfenberg nächst Sarleinsbach, erhängt, wo-
von der sprinzensteinische Verwalter P. Diethmair von Morau
dem Pfleger Johann Friedrich Moll zu Marsbach Mitteilung
machte. Da der Selbstmörder vermögenslos war, sollte zur
Vermeidung der bedeutenden Vertilgungskosten der Feldmetzger
^ Er wurde lu Marsbach 1582, 24. Mars freigeeprochen. Altenhofer Kopie.
' Qegen Zahlung der Pfand-, Bau- und Darlehenssumme von 19281 fl.
6 ß 2 /^ an Qeorg Ruprecht von Herberstein und weiterer 18000 fl. an
die kaiserliche Kammer. (Altenhofer Kopie.)
' Gemeinwald von Niederranna, reichend bis zum Klingbach.
^ Extrakt aus dem Berichte über die Niederkeßla. Passauer Blechkasten-
archiv, Nr. 101.
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229
(Waseameister) den Leichnam wegbringen. Das erfahr der
kaiserliche Landrichter Johann Neurattinger in Linz^ trat für
seinen Freimann ein, welchem die Vertilgung gesetzlich zu-
stand, und erklärte, sich statt der ordentlichen Gebühr von
f&nf Gulden mit drei Talern zu begnügen. Als der Freimann
Stephan Hörmann hinaufreiste, konnte er weder von Mars-
bach noch von Sprinzenstein einen Auftrag erhalten, weU keine
der beiden Herrschaften die tarifmäßigen Kosten tragen wollte,
so daß die verwesende Leiche wochenlang am Baume hing und
die Umgebung verpestete. Erst über einen Gebotsbrief erhielt der
Freimann die Zahlung seiner Gebühren ; * Moll versuchte vergebens
den Ersatz von der Grundobrigkeit Sprinzenstein zu erlangen.
In das Marsbacher Urbarium vom Jahre 1667 wurde die
von Falkenstein angesprochene und festgehaltene Gepflogenheit
anstandslos eingetragen und nur bemerkt, daß sie eine öster-
reichische Eigentümlichkeit sei; noch später wurde Falkenstein
in der Ausübung der vollen Landgerichtsbarkeit auf eigenem
Grund und Boden überhaupt nicht mehr beanständet, * sie wurde
nicht nur über die herzuerworbenen Güter, als: Markt Puz-
leinsdorf, der vormals zum Kloster Niedemburg gehört hatte,'
die Sitze Altenhof und Hochhaus, welche die Herleinsberger
veräußerten,^ Tänleinsbach, das die Kaplan schon den Herren
von Herberstein hingegeben hatten,^ sondern auch über das
dem Kloster Niedemburg noch verbhebene Urbaramt Puzleins-
dorf ^ ausgeübt. Erst im 19. Jahrhunderte verlor das Land-
* Sie betrugen laut Quittung 1634, 31. März: für die Vertilgung 32 fl., für
die zweimalige Reise 4 fl. 4 kr., zwei Reisezehningen, einmal zu Velden
und einmal zu Wesenurfahr 8 fl. 48 kr. Passauisches Blechkasten-
arcbiv, Nr. 233, f. 149.
' Elriminalakten ,bey alhiesiger Landtgerichts-Herrschaft Falkenstain in
puncto homicidii et Spolii, dann in puncto furti* aus den Jahren 1733
und 1737 unter den Pflegern und Landgerichtsverwaltern Friedrich Simon
Doberschiz und Franz Michael Hauslab im Linzer Museum (Altenhofer
Akten).
» Schon 1232—1260. Stmadt, Velden, S. 133. 1670, 2. März, wurde der Markt
Ton der Äbtissin Kunigunde von Puchberg an Georg von Herberstein, 1699,
7. April, Yon Georg Ruprecht von Herberstein an Heinrich Salburger
Terkauft (Inventar nach Friedrich Siegmund von Salburg, 1653, 15. Juni).
* 16P6, 24. April. Wolf Emreich und Heinrich die Herleinsberger als Ver-
käufer (a- a. O.).
' Einlage im Falkensteiner Urbar, 1662 im Linzer Museum.
* Laut alter Grundbflcher 1793/94.
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230
gericht den alten Namen und ging unter dem neuen von
Altenhof.
Das Landgericht Rannarlgel.
Hatte die fürstliche Gewalt des Bischofs von Passan noch
vor Ausgang des 13. Jahrhunderts an die Ranna und das Oster-
wasser zurückweichen müssen^ so war doch der Kem^ des
KeichsfÜrstentums^ das Land der Abtei im engeren Sinne, im
Mittelalter unangetastet geblieben. Nun aber brachte die Riva-
lität des österreichischen und des bayrischen Einflusses bei
Besetzung des Bischofsstuhles den gänzlichen Verlust von
Rannarigel mit seinem damaligen Herrschaftsgebiete zuwege,
wodurch das Richteramt Wegscheid dauernd vom Hauptkörper
des Fürstentums abgeschnitten und zwischen fremdes Terri-
torium eingeklemmt wurde.
Mit Ausnützung der päpstlichen Kurie ^ hatte Kaiser Fried-
rich in. die Besetzung des Bischofsstuhles von Passau in seine
Gewalt gebracht, indem er von Papst Sixtus IV. 1479 die Er-
laubnis erwirkte, den Nachfolger ernennen zu dürfen.*
Nach dem Tode Bischofs Ulrich (1479, 1. September)
untersagte er dem Domkapitel die Wahl und ernannte den
Kardinalpriester Georg Hasler zum Bischof, wogegen das Dom-
kapitel den vom Herzog Georg von Bayern - Landshut emp-
fohlenen herzoglichen Kanzler Friedrich Mauerkircher erwählte.
Dem Kardinal gelang es zwar, unter Eskorte von 170 kaiser-
lichen Reitern in Passau einzuziehen, mußte jedoch die Stadt
wieder verlassen, als selbe unter bayrischer Unterstützung
von Oberhaus aus beschossen wurde. Auch der Schloßpfleger
von Rannarigel, Georg Nußdorfer ging zur Partei Mauerkirchers
über,' der nach dem Tode Haslers (1482, 21. September) auch
vom Papste bestätigt wurde, jedoch schon 1483, 22. November,
mit Tod abging. Nun wurde bereits nach zehn Tagen der vom
Herzog Georg empfohlene Laie Graf Friedrich von Ottingen
einhellig erwählt, der noch vor seinem Einzüge sich verpflich-
tete, dem Herzoge Georg die Stadt und die Schlösser Ober-
^ Srbik, Die Besiehungen Kwischen Staat and Kirche in Österreich während
des Mittelalters, S. 84, 202.
* a. a. O. S. 35, Buchinger II, 182.
' Buchinger II, 187.
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and Unterhaus sowie die hochstiftisohen Bnrgen überhaupt zu
Ofihen.^
Herzog Georg war damals höchst wahrscheinlich schon
im Besitze von Bnrg nnd Herrschaft Nenhans an der Donan^
welche dem Grafen Wolfgang von Schaunberg in der Teilung
mit seinen Brüdern zugefallen war; 1481, 31. Jänner,* war sie
noch des Grafen Eigen, 1484, 30. Juli, starb derselbe und 1495,
4. Mai,' erscheint Jörg Pembeck als des Herzogs Georg Pfleger
zu Neuhans. FüSor die Hingabe von Neuhaus hat vermutlich
der Herzog im Jahre 1483 dem Grafen eine jährliche Rente
Yon etwa 700 Gxdden und eine Pflege in seinem Lande ver-
sprochen.
Diese Position sollte nun verstärkt werden. Hierzu tat
Friedrich, ein verschwenderischer Fürst, der die geistlichen
Weihen nie empfing, in seiner völligen Abhängigkeit von Bayern
den verhängnisvollen Schritt.
Für eine Schuld des Hochstiftes an die Brüder Hans
Siegmund und Oswald Egker zu Oberpöring an Kapital und
Zinsen per 9486 Gulden rhein. und 70 Pfennigen, welche Herzog
Georg einlöste, verkaufte ihm der Erwählte mit Zustimmung
des Kapitels und später hinzutretender päpstlicher Bewilligung
jdas Sloß Rennarigel mit seiner zugehorung' — und, wie aus
der Urkunde 1490, 5. Jänner, erhellt, auch das Amt am Schar-
tenberg — gegen jährlichen Wiederkauf 1487, 15. November.*
Nach dem ,Be7gi8ter der lehenschaft auch vorstwald der ge-
reut der wisen, außerhalb der verlassung der wäld. Gelltingers-
beschreibung,* war der Bestand der Herrschaft in allen vier
Ämtern (ParÜens, Bastlens Amt Im Heindleinschlag, Kandlingers
Amt, Geiten Amt) derselbe, wie er in den Urbaren 1510 und
1581 ausgewiesen wird.
Vorläufig blieb Rannarigel nicht bei Bayern; Herzog Georg
verkaufte vielmehr schon nach zwei Jahren Rannarigel mit
Schartenberg an][Siegmund Prüschenk Freiherm zu Stettenberg.
Bischof Friedrich genehmigte diesen Verkauf, zu welchem der
» Buchinger 11, 193.
' Stfllx, ,Die Herren nnd Grafen von Schannberg* in den Denkschriften
der Wiener Akademie XII, 344. » Strnadt, Velden, S. 262.
* Reyers Herzogs Georg. Mon. Boic. XXXI b, 631. Der Kaufbrief ist nicht
abgedruckt.
^ Orig. Pap. in gelbem Perg. gebunden. Fasz. R 2 im Hofkammerarchiv.
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232
Herzog berechtigt war/ nnd bewilligte dem Käafer nnd dessen
Bruder Heinrich und allen ihren männlichen Erben des Namens
nnd Stammens Pmeschinkh, daß sie ^nnsers Stifts Schloß
Rannarigl mit allen Obrigkhaiten^ Herligkaiten^ gülten, dien-
sten, Nnznngen, Zinsen, vällen, Hochen nnd nidem ge-
richten' nnd gerechtigkaiten und allen andern Zuegehö-
rungen, auch mitsambt dem Ambt am Schärteuperg in Schär-
dinger Landgericht gelegen' innehaben, nuzen und gemessen;
erst nach Abgang des männlichen Stammes sollen die Erben
die Objekte um 8700 Gulden herauszugeben verpflichtet sein,
um welchen Betrag, doch nicht höher Schloß und Amt wieder
veräußert werden können.'
Nach sieben Jahren, am 23. Oktober 1497 verkaufte Hein-
rich Prüschenk ftir sich und seinen Bruder Siegmund Ranna-
rigel und die anderen Gülten um 24.000 Gulden an Kaiser
Maximilian I. und gab demselben ftir den Fall des Aussterbens
seines männlichen Stammes eine Verschreibung, womach die
gräflich Hardeckschen Erben verpflichtet wurden, ftlr den Ein-
lösungsfall von Seite des Hochstiftes um 8500 Gulden dem
Kaiser die übrigen 15.500 Gulden zu ersetzen. Am 13. De-
zember desselben Jahres verkaufte der Kaiser Rannarigel mit
Schartenberg um 32.000 Gulden an Herzog Georg von Bayern.*
Mit diesem Akte war Rannarigel an Bayern zurückge-
langt und würde bei diesem Lande wohl auch verblieben sein,
hätte nicht der Erbfolgekrieg nach Herzog Georgs Ableben
eine Veränderung zugunsten Österreichs herbeigeftlhrt. Für
seine Hilfe und als Kriegskostenentschädigung begehrte und
erhielt auch Kaiser Maximilian nebst anderen Schlössern und
Herrschaften auch Rannarigel, Neuburg am In und Neuhaus
an der Donau, welche am 15. Jänner 1506 von den bayrischen
Räten im Namen ihrer Herzoge in Linz an Osterreich über-
geben wurden.^
^ ,andeni yerkanfen, das wir zu thnn macht haben/ Revers H. Georgs.
• Rannarigel hatte nur einen befreiten Burgfried (»vreyung*). Vgl. Ur-
kunde 1357, 18. Oktober, Mon. Boic. XXX b, 233.
' BischCJfliche Urkunde 1490, 5. J&nner; Revers der PrUschenken 1490,
8. Jänner, Kopien im Fasz. R 2 im Hofkammerarchiv. EaiserUche Ge-
nehmigung 1490, 1. März Chmel, Regest Nr. 8534.
^ Fasz. R 2 im Hof kammerarchiv.
* Original im k. u. k. Hans-, Hof- und Staatsarchiv in Wien. Vorher
mußte noch Graf Eitel von ZoUem, dem Herzog Albrecht das Schloß
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233
Schon Herzog Qeoi^ von Bayern (f 1503, 1. Dezember)
hatte sich nach Lant des Kaufbriefes, der sicher auch den
Beisatz: ,mit hohen nnd niederen Gerichten' enthalten hat, der
Blutgerichtsbarkeit bedient; denn in einer passanischen Regi-
stratur vom Jahre 1762^ heißt es: ,Bischof Ulrich (soll heißen
Wigileus) hat sich gegen Bayern als Inhabern des Rännarigls
in güetiger handlung beschwOrdt mit dem anhang, das Ränna-
rigl kein sonder Hochgericht hat, sondern gehör one alles
mitl in das Land der Äbtey/
Die passanischen Chronisten,* auch noch Buchinger^ haben
sich vergeblich abgemtLht zu erkennen, wie es denn zuge-
gangen, daß die ganze Herrschaft Rannarigel unter öster-
reichische Botmäßigkeit geraten sei. Wie sich zeigt, haben sie
die Urkunden nicht genau gelesen oder es waren selbe ihnen
unzugänglich. Die Überlassung der hohen Gerichtsbarkeit war
dem Herzog Georg Anlaß genug, die Territorialhoheit zu be-
anspruchen, und diesem Vorgange ist Kaiser Max gefolgt.
Passau machte einen Versuch, die Hoheitsrechte wieder-
zuerlangen, als der bayrische Herzogssohn Ernst Administrator
des Hochstiftes war. Die Landschaft der Abtei hatte ihm eine
Steuer auf alle Untertanen in der Abtei bewilligt, die land-
schaftlichen Steuerherren Georg Trauner zu Fürsteneck und
Erasm Walsinger zu Eberhartsreut begerten nun von dem
P&ndinhaber Rannarigels, Haimeran von Kain, die Einsendung
der Register nach Perleinsreut, um auf die Rannarigler Unter-
tanen und Hintersassen im Land der Abtei den Anschlag
machen zu können. Der Verwalter zu Rannarigel berichtete
Rannarigel übergeben hatte, mit seinen Ansprüchen vom Kaiser befrie-
digt werden. Rerers 1504, 9. August. Kopie im k. allgem. Reichsarchiv in
München.
^ Hocbstift Passau Rep. Nr. 1707, Abt. 4, Fol. 65 im k. allgem. Reichsarchiv
in München.
Des Herzogs Georg Pfleger zu Rannarigel waren Moriz von Tann-
berg der Jüngere zu Aurolzmünster, der sich in einer Urkunde 1498,
21. Dezember (Archiv für Osterreichische Geschichte XXIV, 166) Pfleger
zu Rainarügl nennt, und Ritter Kraft Thuemajr zu Mülheim, welcher
in einer Kundschaft der Holden von Vordem- und Hintem-Eppenberg,
HubmerOd, TnschezOd und Mistlberg betreffend das alte Herkommen in
bezug auf Brand, Maß und Wag 1501, 21. Jänner (Kopie im k. allgem.
Reichsarchiv in München) als Pfleger zu Rannarigel vorkommt.
* Bericht und Auskunft 1692 Bl. 1, Kurze Auskunft 1777 Bl. 2\ 3.
» n, 197.
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an den Verweser des Vizedomamtes ob der Ens Erasm Hackl-
berger nnd dieser an die niederösterreichische Kammer mit
dem Antrage, darauf nicht einzugehen, ;Weil der genedige
Herr von Passaw gegen den berürten underthanen ze Ein-
pringung der Steum mit Phandtung oder in ander weg was
ftimemen, und wo sein f. gn. das ain mal erlangt, das sein
f. g. damit ain gerechtigkeit und also ainen Eingang zu
anderer Handlung, dardurch Ku. Mt. Ir. Mt. landfürst-
liche Obrigkait und der Herrschaft Raunarigl ir gerech-
tigkait, die sj auf denselben underthanen hat, entzogen
wuerdt, machen möcht' (Linz 11. Mai 1533). König Ferdinand
erließ nun ddo. Wien, 2. Juni 1533 ein Schreiben an den Ad-
ministrator folgenden Inhaltes: Er sei über diesen Vorgang
befremdet ,d7weil nit allain unser haus Osterreich sambt des-
selben zuegewandten underthanen und leuttn ftir solh und der-
gleichen Eingriff und anmuetung Privilegirt und gefreyt,
sonder wir auch in keinem weg konden gesteen, daß unser
herrschaft Rainarigl mit derselben obrigkait und Zuegehorung
in des Stifts Passau Gebiet liege, sonder on mitl unserm
ftlrstentum Österreich ob der Ens eingeleibt und von Alter (I)
4n deiner lieb (Liebden) vorfordem Bischofen zu Bassaw und
bisher deiner lieb selbst Irrung Verhinderung und widerspre-
chen also berueblich gehalten und dergleichen neu unzimlich
Auflag nie fürgenomen worden', weshalb der König sofortige
Einstellung begehrt und sich ftirderhin eine derartige Anmu-
tung verbietet.^ Auf diese ernste Zurechtweisung hin wurde
von Passau kein weiterer Versuch der Besteuerung unter-
nommen, wenn schon in den Jahren 1541, 1543, 1544 der
Pfleger von Rannarigel Einladungen zu den passauischen Land-
tagen erhielt, welchen er indes nicht nachkam.'
Ebensowenig wurde die Ausübung des Blutbannes be-
stritten, wie denn der passauische Landrichter in der Abtei
Bernhard Stör zu Limperg und Großenwiesen 1575, 6. April
freundnachbarlich dem Pfleger Achaz von Odt zu Rannarigel
dessen Ersuchen betreffend den wegen Diebstahls in Glazing
gefttoglich eingezogenen Jörgen Taubenschuster entsprochen hat.'
^ Original and Kopien im Fasz. R 2 im Hofkammerarchiv.
• Buchinger II, 297.
' In dem gütigen Bekenntnisse des letzteren 1675, 31. März werden Gallns
Gatringer an der Preinmähle nnd Andre Augustin von der Neustift als
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Nur gegen weitere unstatthafte Übergriffe anf passanisches
Territorinm wurde protestiert, wie z. B. von Seite des Pflegers
zn Wegscheid Urban Adam Trüebenpacher, als am 25. März
1609 der Rannariedlsche Amtmann am WoUaberg eine im
Heindlschlag gefangene Malefizperson — welche hinterher dnrch
den kais. Bannrichter zum Tode verurteilt und durch dessen
Freimann am 10. April mit dem Schwerte hingerichtet wurde
— unter Schergenbegleitung während der Kirchenzeit heimlich
durch den Markt Wegscheid auf den Rannarigel geführt wor-
den war.^
Die Herrschaft ging übrigens pfandweise von einer Hand
m die andere über. Schon am 10. Oktober 1506* überließ Kaiser
Maximilian Schloß und Pflege Rainarigl an Herrn Siegmund
von Rorbach auf Raittung, Jtem daz Landgericht sol be-
melter von Rorbach innenhaben auf Raitung und die Fell
und ander nuzung desselben landgerichts sollen im an
den vierhundert guidein Reinisch Burckhuet abgeen^ Siegmund
von Rorbach starb vor dem Jahre 1512; in letzterem Jahre
wurden zxu* Untersuchung der von den Untertanen gegen die
Witwe wegen Neuerungen erhobenen Beschwerden kaiserliche
Kommissarien (Achaz Premser^ Andre Pruckner, Valentin Pan-
dorfer) abgeordnet, worüber am 22. Oktober Verordnung der
niederösterreichischen Kammer an Frau von Rorbach erging.^
Nicht lange darnach kam das Schloß gegen ein Darlehen von
2000 Gulden an Marx Öder (f 1516).* Von den Erben des
letzteren löste es der kaiserliche Rat Haimeran von Rain Frei-
herr zu Sumereck noch bei Lebzeiten Kaiser Max' I. ein^ der es
Rechtsitzer der LandtBchrannen Rainarigl genannt. Die peinliche
Frage wurde 4. Jnni im Beisein des Benefiziaten Wolfgang Greissen
von Hofkirchen, Hofamtmann Hans Falkner ron Rainarigl und Wolf-
g^ang Laeg^r ron Neustift vorgenommen. Bemerkenswert ist, daß der
Pfleger in jedem Stadium der Untersuchung den Beschluß und die Wei-
sung der niederösterreichischen Regierung und Kammer einholen mußte.
1575, 17. Jnni hewilligte die Regierung ein neues ,bestandhaftes* Hoch-
gericht mit zwei gemauerten Säulen, das nicht nilchtlicher Weile ver-
wüstet werden kOnne, aufrichten zu lassen. Fasz. R 2 im Hofkammer-
archiv.
^ Passanisches Blechkastenarchiv Nr. 214, Fasz. 27.
' Original im Fasz. R 2 im Hofkammerarchiv.
' Original samt Beschwerden daselbst.
* Aktenauszug daselbst. Nach Hoheneck H, 12 noch im Jahre 1512.
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ihm auf eine nnbenannte Anzahl von Jahren nnverrait ver-
schrieb; welche Verschreibung Kaiser KArl V. ddo. Worms,
1521, 10. Februar bestätigte.^ Nach Ableben Haimerans ge-
stattete K. Ferdinand 1543, 24. Mai* seinem Rat und Sekretär
Hans Weisperger zu Biberspach die Herrschaft um 2000 Gulden
rhein. abzulösen und sein Lebenlang unentsetzt innezuhaben.
Von den Erben löste sie Hans Hofinann Freiherr von Grün-
ptLhel ein, der 1647, 5. Juli einen Anwartschaftsbrief darauf
erhalten hatte; die Übernahme von der Witwe Weispergers
und den Erben erfolgte 1550, 12. Juli, worauf ihm die Herr-
schaft um 4541 fl. 33 kr. IV, ^ am 10. Oktober 1550 auf einen
ewigen Wiederkauf verschrieben wurde.' Am 31. Dezember
1569* verschrieb K. Maximilian H. dem Achaz von Odt, wel-
cher den Pfandschilling eingelöst und auf 10.000 Gulden er-
höht hatte, die Pflege gegen Verraitung von Neujahr 1570 auf
ein Jahr lang und femer auf Wohlgefallen. Als Achaz von
Ödt, welcher den Untertanen ein gerechter und billiger Herr
war, Ende 1578 starb, meldete sich Hans Khevenhiller zu
Aichlberg, dessen Oheim Bernhard (f 1548) vom K. Ferdinand
1546 einen Anwartschaftsbrief erhalten hatte, zur Übernahme
von Rannarigel.^ Graf Julius von Salm und Leonhart der Altere
von Harrach wünschten die Herrschaft zu kaufen; letzterer
machte nur ein Anbot von 30.000 Gulden, während der An-
schlag auf 45.232 Gulden gegangen war.^ Auch Bischof Urban
von Passau kam vor; er bat (1580, 25. August) den Kaiser mit
Rücksicht auf das Einlösungsrecht des Hochstiftes um Ein-
stellung jeder Veränderung.' Der Hof ging auf alle diese An-
träge nicht ein, die Herrschaft Rainarigl wurde am 1. Juni 1581
dem Freiherrn Hans Khevenhiller um 40.000 Gulden und
200 Gulden Leitkauf erblich verschrieben. Da Khevenhiller
selbst Schulden zu tilgen hatte, bot er im September 1582 dem
Kaiser die Herrschaft um 42.000 Gulden zum Wiederkaufe an.
Der Kaiser, gleichfalls an Geldmangel leidend, suchte die Stände
^ Kopie sec. 16 im Fasz. R 2.
' Ans dem Reverse Weispergers Konzept daselbst.
' Aktenauszug.
^ Original im Fasz. R 2.
' Aktenauszug.
^ Fasz. R 2.
^ Eigenh. Schreiben Fasz. R 2.
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ob der Ena zu bewegen^ die Herrschaft zn kaufen; was diese
ablehnten; hierauf wurde mit den Brüdern Isaak und Jakob
Aspan eine Kaufsabrede geschlossen^ wegen des Kegreßrechtes
des Hochstiftes kam jedoch der Kauf nicht zustande. Nun
meldete sich im Jahre 1585 der passauische Pfleger Veit Tätten-
peck aU; ^deme sie aber darum an sich zu kaufen nicht be-
williget worden, weil er Tättenpeck ein Bayrischer Unterthan,
ein Schwager des Bischofs von Passau wäre, und selbe nur
dem Bischöfe vielmehr kaufen würde, weil sie eine Gräniz
Herrschaft seye, und weil er Tättenpeck ein widerwärtiger und
unverträglicher Mann seye, der den Kaiserlichen Oeneralen,
Mandaten etc. zuwiderhandelt^* Am 7. Februar 1590 endlich er-
bot sich Heinrich Salburger, Pfleger auf Falkenstein, die ganze
Kau&umme vorzustrecken und um die Verzinsung das Gut
inzuhaben und zu nutzen.' Die niederösterreichische Kammer
ersuchte nun Herrn Khevenhiller, dieser Kaufhandlung gutwillig
stattzugeben. Es wurde sonach 1591, 18. August,' die Herr-
schaft Bannarigel an Heinrich Salburger dergestalt überlassen,
daß er dieselbe um 40000 fl. genießen, die 6 ^/^ von den
übrigen 2000 fl. aber von dem Aufschlage zu Engelhartszell
erhalten solle.
Noch einen Versuch machte Bischof Urban von Passau,
dem Salburger die Herrschaft abzugewinnen, indem er sich 1592,
4. Februar,* direkt an Erzherzog Ernst wandte und denselben
um seine Intervention bat, damit ihm vom Kaiser ein Kauf-
kontrakt bewilligt werde, indem er anftlhrte, ,daß gedachter
Salburger alberaith an jezo im anfang die herrschaft mit stai-
gerung der underthanen und Zehent nit allain dermassen er-
staigert, das konfidger Zeit bei weitem dieselb nit so hoch
wierdt hingebracht werden, sonder auch das Corpus derselben
augenscheinlich unwiderbringlich deterioriert, indem er albe-
rait in die zway hundert Kaumbrecht von der herrschaft wälden
kheuflich vererbt und außgeben', um die ausgelegte Summe
aus der Herrschaft zu pressen.^ Die Vorstellung hatte keinen
^ Aktenaosiiig.
' Original, Fass. B 2.
' Aktenanssiig.
* Kopie Fasi. B 2.
^ In der Tat liegen im Fasz. B 2 die Beschwerden der Untertanen im
Beiffen- oder Eppenberger Amt 1592. Den AuBgleieh mit den Unter-
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238
anderen Erfolg , als daß, wie es schein t, Eommissarien zur
Untersuchung der Beschwerden der Untertanen abgeordnet
wurden, wenigstens sind jene vom Amte Eppenberg (heute in
Nebelberg verunstaltet) am 12. August 1592 verhört worden.
Im Gegenteile ging am 1. August 1620* Rannarigel durch Kauf
in das freie Eigentum des Hofkammerrates Gottfried von Sal-
bürg über.
Auf die geschilderte Weise hatte sich die österreichische
Territorialhoheit im Rücken des passauischen Richteramtes Weg-
scheid bis in die Nähe von Hauzenberg und Waldkirchen und
bis zum Dreisesselberge ausgedehnt und das Land der Abtei,'
dessen Landrichter schon im 14. Jahrhunderte unabhängig von
der Pflege Oberhaus bestellt wurden, war von einem großen
österreichischen Landgericht durchsetzt. Die österreichische
Landeshoheit über diesen Landstrich wurde vom Hochstifte
ausdrücklich anerkannt, indem bei der im Beisein des Land-
richters der Abtei im Jahre 1593 gepflogenen Begehung und
Beschreibung der passauischen Landesgrenzen als solche die
Grenzen gegen Rannarigel bezeichnet wurden.
Die (jlrenzreguliernng zwischen Passau und österreicli.
Anlaß liierzn.
Nach so vielen vergeblichen Anstrengungen, die Herr-
schaft Rannarigel wieder einzulösen, schien das Aussterben
des Hauses Habsburg im Mannesstamme mit Kaiser Karl VI.
(1740, 20. Oktober) eine Gelegenheit zur Hereinbringung des
tanen nach dem Baaernau&tand 1598 hat Buchinger ü, 237—240 ab-
gedruckt, aber mit der falschen Jahressahl 1498 nnd dem irrigen Namen
Heinrich Salchinger versehen.
Fasz. R. 3 im Hofkammerarcbiy.
Vgl. den Abschnitt ,Das geistliche Fürstentum Passau* in den Erl&nte-
rungen zum historischen Atlas der österreichischen Alpenländer. Es kommt
nur noch beizufügen, daß Georg Traun er schon 1506 über Pflege und
Landgericht Fürsteneck rerersiert (Buchinger II, 224). Was die
Passauer Chronik vom Jahre 1694 (bei Buchinger 11, 328) von der Tei-
lung des Landgerichtes der Abtei behauptet, ist ein Mißverständnis; die
einzelnen Landgerichte sind in der Grenzbeschreibung 1593 an%ezählt,
nur eine Zuteilung von Untertanen von Leoprechting zur Pflege Ober-
haus ist in diesem Jahre erfolgt. (Verzeichnis im Kreisarchive Lands-
hut, Rep. CXm., Vz. B 2, Fasz. 102, Nr. 39.)
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Verlustes zn bieten. Das Hochstift forderte anf Qrand des be-
kanDten Lehenbekenntnisses des letzten Babenbergers (Mon.
Boic. XX VI II b, 154) beim Wiener Hofe, ,daß der nene öster-
reichische Stamm ans dem Hause Lothringen diese Lehen de
novo requirieren nnd wegen dieser nenerlichen Kollation dem
Hochstifte einige Erkenntlichkeit zufließen lassen möge. Das
Hochstift Passau (unter dem Bischöfe Josef Dominik Graf von
Lamberg, vordem Bischof von Seckau) ließ aber aus beson-
deren Ursachen nach beiderseits gewechselten Hauptschriften
bis auf bequemere Zeiten die ganze Handlung beruhen. Bischof
Leopold Ernst (Graf Firmian) erneuerte gleich bei seinem Re-
gierungsantritte (1762) diese Lehenangelegenheit. Nach vielen
Beisen, Verdrießlichkeiten siegten hochdieselben in ihren ge-
rechtesten Anforderungen; sofort wurde anno 1765 zwischen
dem durchlauchtigsten Hause Osterreich und dem Hochstifte
Passau der Vertrag in Substantialibus dahin geschlossen^ daß
die Lehenforderung von nun auf ewig aufgehoben, alle hoch-
stiftbche Dokumente dieser Lehen halber^ sowohl, als wegen
Einlösung der ehemaligen, territorialiter zum Hochstifte ge-
hörigen Herrschaft Rannariedl zurückgegeben und ein gewisser
Anteil der Niederköstla, Pfleggericht Viechtenstein mit darinnen
gelegenen und bei der Vermarchung Obemzell (sie) in Oster-
reich hinausgefallenen etlich und sechzig Untertanen (welcher
Anteil der Niederköstla ohnehin seit anderthalb hundert Jahren
von Osterreich als ein vermeint dahin gehöriges Stück Land
angesprochen worden ist,* an Österreich territorialiter abge-
treten, dagegen aber dem Hochstifte die ,beede weitfilngige
Gerichter (Amter) Jändelsbrunn und Wildenränna' samt den im
Fürstentume Passau zerstreut vorhandenen Untertanen (welche
beide Gerichte und zerstreute Untertanen dreihundert etlich
und neunzig behauste Untertanen und über 1000 ledige Grund-
stücke in sich fassen) mit aller landesherrlichen Botmäßigkeit
auf ewig überlassen und dem Hochstifte freigestellt sein solle,
die Herrschaft Rännäriedl mit ihren Zugehörungen nach ihrem
damals innerlichen Werte, jedoch solchergestalten an sich zu
kaufen, daß solche Herrschaft bis auf obbenannte an das Hoch-
^ Seitdem dürfte dch das Lehenbekenntnis im Hans-, Hof- nnd Staats-
archive Wien befinden.
' Yg\, die Erllatemngen, deren Begründung die n&chstfolgende Abhand-
lung bringen wird.
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240
Stift mit der Landesherrlichkeit abgetretene beide Gerichte und
im Hochstifte zerstreute Untertanen eine österreichische Herr-
schaft sein und bleiben soU^ Das Hochstift kaufte sofort von
dem Grafen Johann Gottiieb von Eüamm ^ das Gericht Jandels-
brunn und die im Hochstifte zerstreuten rannariedlschen Unter-
tanen und gewann infolge Geltendmachung des landesfdrstlichen
Einstandsrechtes auch das falkensteinische Amt Wildenranna
durch Erlegung des Eaufschillings, als Graf Johann Reichard
von Salburg dasselbe an das Kloster Engelszell verkaufte.^
Zur Grenzregulierung im Mtihlviertel wurden 14 bisher
zum Territorium des Hochstiftes (Pflege Obemzell) gehörige
Untertanen an Österreich abgetreten^ und zwar 2 Gknzlehner
in Ober-Aschenberg, 3 Ganzlehner in Unter- Aschenberg, 3 Ganz-
lehner und 1 Halblehner in Haizendorf, 3 Halblehner in Elein-
Mollesberg, 1 Halblehner in Leithenmühl, 1 Häusler in Mühl-
eck, alles in der Pfarre Gottsdorf,* womit die heutige trockene
Grenze hergestellt wurde. Der Staatsvertrag ddo. 1. Dezember
1765* samt Vermarkungsmappe, welche auch die Darstellung
des ganzen abgetretenen rannariedlschen Distriktes enthält, be-
findet sich im k. bayr. geh. Staatsarchiv zu Manchen; das zweite
Exemplar der Mappe wird in der k. k. Familienfideikommiß-
Bibliothek zu Wien (Eartennummer 129) aufbewahrt.
Mit den anderen östlich von der neuen Landesgrenze be-
findlichen Untertanen verblieb Kannariedl, wie Falkenstein-
Altenhof, bis 1850 ein exemtes Landgericht. Eine Grenz-
beschreibung hat es nie gegeben, die Markungen der alten
Herrschaft sind jedoch in allen Einzelheiten aus der passauischen
Grenzbegehung vom Jahre 1593 zu entnehmen.*
Durch diese Grenzregulierung erst wurde das Reichs-
fUrstentum Passau zu einem geschlossenen Territorium, das
aber schon nach vier Dezennien wieder von der Karte ver-
^ Sein Großvater Hans Leopold Freiherr Ferger zn Klamm hatte durch
Verehelichung mit M. Franziska, Tochter des Grafen Ferdinand von Sal-
barg (t 27. Dezember 1723) Rannarigel erworben.
' ^nrze Auskunft von dem Fürstentum Passau', Blatt 12. Cod. germ. 1744
in der k. Hof- und Staatsbibliothek München.
' Höchst. Passau, Rep. Nr. 641 im k. allgem. Reichsarchiv in München.
* In Abschrift enthalten in der oberösterreichischen Landtafel Instru-
mentenbuch VIU, 138 — 156, in den Hauptpunkten bei Buehinger II, 465
bis 458.
^ Siehe S. 217, Anm. 2.
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241
schwanden war^ denn nach dem Reichsdeputationsschlusse vom
25. November 1802 und der Konvention vom 26. Dezember
1802 wurde das Hochstift zerteilt, indem die Pflegen zwischen
der Hz und den österreichischen Grenzen dem neuen Eur-
fUrsten von Salzburg, der westliche Teil des Fürstentums mit
der Stadt Passau dem Kurfürsten von Bayern zugewiesen
wurden. Die hochstiftischen mittelbaren Herrschaften in Oster-
reich fielen an diesen Staat; sie wurden längere Zeit als so-
genannte Kameralherrschaften verwaltet, dann nacheinander
zugunsten des Staatsschatzes an Private veräußert: so Püm-
stein 21. Oktober 1826 um 101000 Gulden C. M. an Freiherm
Johann von Bartenstein, Rannariedl 26.-30. November 1823
um 40500 Gulden C. M. an Anna Maria Prunner von Prun-
berg, die dem aufgehobenen Kloster Niedemburg gehörige Hof-
mark Landshag mit den Urbarbauem um Puzleinsdorf schon
29. August 1808 an Kajetan Hintringer.
Die Herrschaft Marsbach wurde vorerst 1811 um das
Gericht Peilstein, welches als eigenes Dominium am 19. No-
vember 1812 an den Hausbesitzer Josef Sengl zu Steyr ver-
äußert wurde, verkleinert, sodann am 15. August 1824 um 27000
Gulden an Johann Baptist Kaufmann und Anton Franz Led-
winka verkauft; des letzteren Enkelin, Fräulein Mathilde Sig-
mund, besaß Marsbach seit 1869 (f 1905, 4. Mai),^ nun besitzt
es deren Erbin, Frau Anna von Krenn, geb. Körbler.
Zwölfter Abschnitt.
Das Landgericht Haslaoh.
Die Grenzen desselben werden bestimmt im Nordwesten
durch jene des Landgerichtes Schlägl (Aigen), d. i. den Wurm-
braud-, auch Landgerichtsbach genannt, im Westen durch den
Lauf der Großen Mühel, im Süden durch die Donau bei Neu-
haus und im Osten durch die Markungen des Landgerichtes
Wachsenberg. Letztere von dem Rain zu Eaiden, der Has-
linger und Wachsenberger Landgerichte voneinander schied, an
* Daten aas der alten oberOsterreich Ischen Landtafel beim Landesgerichte
Linz.
ArehiT. XCIY. Buid. 17
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die Zaglaumühle, bis aufwärts an die Odt, au den Kholpöken-
hof bis Neudorf, mitten durch das Dorf der Länge und Straße
nach, dann zu dem oberen und unteren Kagerer, letzterem
mitten durch das Haus, zu dem Hollerbergerhof, dem Wisner
an der Wies, durch den Gattern zu dem Schuster in Marbach^
zu dem Stöckl gegen Iglbach, zum Kreuz so bei Steinbruch
bei der Kirche steht, auf die Schörgenhub, zum Sunzenauer^
schwarzen Zauner, Tutenmüller am Diessenbach, Pirchmtiller,
in die Mühle auf Neuhaus an der Donau.^ Im Landgerichte
Haslach lagen noch das Dorf Raiden (zwei Bauern, zwei Häus-
ler), Zaglaumühle, Feldlergut, die westliche Hälfte von Neu-
dorf, Dorf Auberg, Höhenberg, Marbach, Mairhofergut, Lachner-
gut, Rudersbäckgut, Wagnergut, Stöcklgut in Iglbach, Poks-
ruckergut, Kriebaumergut, Steinbruch, Schergenhumergut, Gra-
sergut, Mörlhofergut, Berghäuser, Reintalergut, Bauer im Zaun,
Zaunergut, Kerschbaumergut, Piermühle, Dorf Plöcking, Bauer
zu Hart, Weinzierl, Untermühel und Schloß Neuhaus über der
Donau; zum Landgerichte Wachsenberg gehörten noch ein Teil
des Dorfes Oberriedl, das Dorf Waldhäuseln, das Kohlbecken-
gut, die Osthälfte von Neudorf, das Oberkagerergut, Wiesmair,
Hollerberger, Freygut, Mödlgut bei Iglbach, Wurzinger, Turner;
Reingruber, Mödl, Sunzenauer, Haider, Tümler, Stadler, Tütten-
mühle, Diessenbäck, Aichinger, Reiterhofstatt, Dorf Falkenberg
und ein paar östlichste Häuser von Untermühel.^
Die Grenzen zwischen Wachsenberg und Haslach schließen
genau die passauischen Lehen der Witigonen vor 1231 ein.
Die Bezeichnung von Haslach führte das Landgericht
nicht früher als im 14. Jahrhunderte, wohl seit dem Zeit-
punkte der Abtrennung des Gerichtes Witigenhausen um
1290. Ursprünglich wird das Landgericht vom Igelbache,
welcher durch die sogenannte Bayrische Au und durch die
Igelau am Nordwestabhange des St. Thomas- (Witigenhauser)
berges der Moldau zufließt, der Moldau entlang bis zum Kien-
berg an der Moldau, von hier über Böhmisch -Kapellen und
Tannbergschlag bis Unterriedl an die Steinerne Mühel gereicht
haben. Die Grafschaft der Blankenberger war, wie in Bayern
* Urbarien von Wachsenberg 1614 und 1640 (Handel-Mazzetti, ,Gemärke
von Wildberg*, S. 12—14).
* Nach den alten Grandbttchern 1793--1794.
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243
allgemein^ Lehen vom Herzogtum; seit der Angliederung des
Gebietes zwischen Haselgraben und Großer Mühel an das
Herzogtum Österreich (1180/81) wurde der untere Teil zwischen
Donau und Rauschemühel lehenrührig vom Markherzoge. Der
obere Teil nördlich von der Rauschemühel dagegen wurde frei-
eigen, da die Machtsphäre der Witteisbacher niemals über die
Große Mühel sich erstreckt hatte und seit 1220 auch von ihren
Ufern verschwand; deshalb wurde dieses obere Gericht von
niemand anderem als vom Reiche lehenbar anerkannt^ auch
von Passau. Wenn noch 1259 der Berggipfel von Kapellen die
Grenze zwischen Bayern, d. i. dem Deutschen Reiche und Böhmen
darstellte, wie schon der Gang der Kolonisation am rechten
Moldauufer den frühesten Anschluß des letzteren an Bayern
und Osterreich kaum zweifelhaft läßt, so mußte das (später so
genannte) Gericht Witinghausen mit dem Gerichte Haslach
anfänglich ein Ganzes gebildet haben, wofür auch die völlig
gleiche Mundart der Bewohner beider Gebietsteile Zeugnis ab-
legt. Als dann bei der Grenzberichtigung Witinghausen mit
Umgebung an Böhmen fiel, unterschied man das böhmische
und das deutsche Gericht, womit man Witinghausen und
Haslach meinte, während vom böhmischen Standpunkte aus^
Witinghausen wieder das ,deutsche' Gericht genannt wurde.
Es darf nicht unbemerkt bleiben, daß der Hof zu Stad-
ling in dem Lehenbriefe Peters von Rosenberg 1541, 10. Jänner
auf die Zechmeister des Gotteshauses St. Thoman bei dem
Schloß Witinghausen ,in sand Oswolds pfarr und Haslinger
landgericht* gelegen bezeichnet wird.* Diesen ,Stadlbäurischen
Hof zu Roßenau' hatte das Kirchlein St. Thomas 1510 von
Jakob Krenauer, Bürger zu Haslach, käuflich erworben, wie
derselbe auch bereits 1478 und 1497 als in der Pfarre Oswald
und im Landgericht Haslach gelegen aufgeführt wird.'^ Es ist
dieser Hof, der westlichste der langgestreckten Ortschaft Ro-
senau jetzt Pfarre Deutsch-Reichenau, jenes Starling (Staerling),
von dem es in dem Reverse Peters von Rosenberg 1341 heißt,
daß das Gemärke geht , zwischen der Rosenawe und Starling,
' Vgl. Norbert Hermanns Rosenbergische Chronik ed. Klimesch 1897, S. 66,
zam Testamente Johanns von Rosenberg (f 1. September 1389).
* ,Specification der Lehenschafften Haßlach 1528* im fUrstl. Schwarzenberg-
schen Zentralarchiv Krummau.
* Lehen- and Zinsbücher von St. Thomas 1763 daselbst.
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und daselb ob Rosenawe in der Perch' (d. h. über den Berg,
auf welchem der Ober-Urascher Wald steht). Es gehörte dem-
nach dieses Gut noch im 16. Jahrhundert zum Miihlviertel,
ohne daß nachweisbar wäre^ wann und anf welche Weise das-
selbe dem Lande Böhmen einverleibt worden ist
Nach Abtrennung des Gebietes von Witinghausen wuchsen
das obere und das untere Gericht wieder zu einem einzigen
zusammen; so daß sogar die Leheneigenschaft des letzteren sich
verlor; es wurde, weil in Einer Hand befindlich, im ganzen
als freieigen angesehen. Mittels Kauf 1599, 29. November ge-
langte es an das Hochstift Passau und wieder durch Kauf
1663, 20. Dezember^ an das Kloster Schlägl, welches dasselbe
mit seinem eigenen Landgerichte vereinigte, das nunmehr von
den Gegenbächen bis zur Donau reichte. Passau reservierte
sich nur die Jurisdiktion über die Untertanen der Herrschaft
Pümstein, so daß letztere nunmehr ein exemtes Landgericht
innehatte, da für die Untertanen im Landgericht Wachsenberg
die Jurisdiktion bereits im Jahre 1617 erkauft worden war;
die Schallenbergsche Landgerichtsbarkeit über die Ruine Schal-
lenberg samt Zugehör, 1660 erworben, blieb seit 1675 bei
der Herrschaft Piberstein-Helfenberg und endete erst mit dem
Jahre 1850.«
Der Ursprung des Marktes Haslach geht sicher in das
12. Jahrhundert zurück, die benachbarte Ortschaft Jaukenberg
wird 1231, St. Oswald 1277 genannt, ein Richter von Haslach
(Jakob) erscheint aber erst 1303, 13. Dezember.'
Wie erst sehr spät die Grafen von Schaunberg taten,
scheinen die Herren von Rosenberg ganz geringe Leute zu
Richtern bestellt zu haben. ,Der erber chnecht Johan aus der
öd die zeit Lantrichter in dem Lantgericht ze Hässleich' siegelt
mit Albrecht den Staineperger den Brief 1396, 29. Juni,* wo-
mit Andre der Stainaperger ,d. Z. purger (Burgmann) zu Tan-
berk' seine Hofstatt zu ,Appel8pach' samt Zehent in Hasslinger
Gericht und in (Klein-) Zeller Pfarr, freies rittermäßiges Eigen,
an Steffiein den Smyd verkauft. Später wurde die Stelle auch
* Pröll, a. a. O. 266.
* Siehe die Erläaterangen zum hist. Atlas.
» Pröll, a. a. O. 87.
* Orig. im k. allgem. Reichsarchiv in München.
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den Marktrichtern übertragen; 1476 war Siegmund Voraner
Land- und Marktrichter zu Haslach.^
über die EIxemtion Tannbergschlag siehe den dritten Ab-
schnitt S. 129.
Dreizehnter Abschnitt.
Landgerichte Wachsenberg und Oberwallsee.
Der ursprüngliche Umfang der großen Herrschaft Wach-
senberg; somit der ganze Besitz der Herren von Wilhering-
Wachsenberg auf dem linken Donauufer spiegelt sich deutlich
wieder in dem Teilungsbriefe der Brüder und Vettern von
Wallsee-£ns 1356; 4. Juli;' denn Schloß Ottensheim mit Zuge-
hörung wurde erst 1527 ' abgetrennt und ein eigenes Dominium.
Die Urbarien 1614 und 1640^ dann das alte Grundbuch Wach-
senberg, das jenen hauptsächlich entnommen ist, treten er-
gänzend ein und zeigen xms, daß die Herrschaft von der Donau
bis an die heutige böhmische Grenze, wo Witigonenbesitz an-
fing, von Eammerschlag über den Pesenbach hinüber bis an
die Markungen des Landgerichtes Haslach reichte, und zwar
noch am Ende des 18. Jahrhunderts, nachdem der Bestand
schon vielftltig durch Hintersassen anderer Herren durchsetzt
war. Die Herren von Griesbach übten wahrscheinlich Grafen-
rechte in Lehenrührigkeit vom österreichischen Marktherzoge;
sicher ist, daß zwischen 1230 und 1240, vielleicht noch vor 1230,
ein herzoglicher Richter am Windberg, Ruger der Piber, auf-
tritt und in der Florianer Urkunde 1221, 11. Mai* ein Waldbote
(Heinricus preco) erscheint; da letztere ante castrum Wessen-
berch datiert ist, erregt sie die Vermutung, es habe damals
» PröU, a. a. O. 87.
' OberOsterreichiBcbes Urkundenbach VH, 462.
' 1527, 10. November belehnte K. Ferdinand seinen Rat und Kanzler der
niederOsterreichisohen Lande mit dem Schlosse Ottensheim und freite ihm
dasselbe und den Harkt. Letsterer hatte, wie sich ans dem Befehl des
Landeshauptmannes an Michael von Trann, Pfleger za Wachsenberg,
ergibt, einen Bargfried ,80 sich von demselben Markt hinanß für den
Hochgattem zu dem Creoz erstrecken sollS Urkunde 1501, 21. April.
Fasz. O 1 (17540) 17 im Hofkammerarchiv.
^ OberOsterreiehisches Urkundenbuch II, 630.
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der Herzog von der durch den Tod Heinrichs von Griesbach heim-
fUUig gewordenen Herrschaft Wachsenberg Besitz ergriffen und
sei, um irgend einen Zweck zu erreichen, daselbst Propst Alt-
mann von St. Florian zum Empfange des Landesftlrsten er-
schienen.
Die Vermutung, noch Herzog Liutpold (f 1230, 28. Juli)
sei es gewesen, der für Wachsenberg einen ständigen Richter
bestellt, erhält eine Verstärkung durch die Wahrnehmung, daß
schon zu seinen Lebzeiten^ auch in der Riedmark ein Richter
(Ebirgerus iudex in Riedmarchya) vorhanden war. Es ist dem-
nach schon der vorletzte Babenberger, wahrscheinlich gleich-
zeitig mit dem Anfalle von Wachsenberg, mit der Errichtung
eines Landgerichtes in der Riedmark vorgegangen, welches
sein Nachfolger Friedrich II. (1230 — 1246) nachmals teilte,
nachdem er die Lehen des Domvogtes überkommen und wohl
auch einen Teil des Regensburger Kirchengutes zwischen Wald-
aist und Nam an sich gezogen hatte.*
Die Besitzperiode der Herren von Schaunberg (siehe S. 149)
bildete nur eine kurze Episode; mit dem Jahre 1291 schließen
ihre Besitzhandlungen ab, 1300, 2. März,^ schreibt sich Hein-
rich von Wallsee Landrichter zu Wachsenberg. Die Schaun-
berger haben längstens 1292 die HeiTschaft verloren,* Wachsen-
berg ist jedenfalls das castrum, um dessen Abtretung an Herzog
Albrecht es sich in dem Briefwechsel handelt, welcher in einem
Kodex des Klosters Oberaltaich auf unsere Tage gekommen
ist;^ denn im allgemeinen stimmen die Verhältnisse, wenn es
auch nicht ganz richtig ist, daß, wie die Schaunberger be-
haupteten, das Schloß aus mütterlicher Erbschaft herrühre und
schon 50 Jahre in ihrer Gewalt sei. Vergeblich versuchte der
Bischof von Passau (Wemhard) den Herzog zu bewegen, das
Schloß den Schaunbergem zu Lehen zu verleihen, wenn sie auf
die freie Eigenschaft desselben verzichten und es ihm aufgeben
würden; der Herzog blieb unbeugsam und bestand auf bedingungs-
^ Urkunde 1230, 28. Februar, OberOsterreichisches Urkundenbuch II, 684.
' Denn sowohl Zoll als Hehnberg und Aisthofen sind ins Babenbergische
Urbar aufgenommen. S. Dopsch, a. a. O.
' Obertfsterreichisches Urkundenbuch IV, 332.
* Vgl. Strnadt, Nachtrag zu Peuerbach. Linzer Museumsbericht 1869,
8. 9—16.
* Pez Bcruard., Thes. Anecd. VI, p. U, Col. 167—163.
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loser Abtretung. Möglich, daß die Schaunberger, mit den
Witigonen verschwägert, gerade zuvor zur Unterstützung der-
selben beigetragen hatten; unmittelbar nach der Eroberung von
Falkenstein kehrte auch Wachsenberg an das Land zurück.
Die Herrschaft wurde 1331 den Söhnen Heinrichs von
Walsee-Ens (f 1326): Heinrich, Reinprecht und Friedrich
für ihren Anteil von 291672 Mark an dem Kaufschilling für
die schwäbischen Güter versetzt, kam 1407 als Pfand an die
Brüder Reinprecht und Friedrich von Walsee, 1463 als Satz
f&r 7332 ungarische Qoldgulden an Heinrich von Liechtenstein zu
Steyregg, fiel 1492 an Kaiser Friedrich UL zurück; nochmals
weiter verpftndet an Wolf Jörger 1504, an den niederöster-
reichischen Regierungskanzler Nikolaus Rabenhaupt von Suche
1523, an die Brüder von Gera 1553, gelangte Wachsenberg
1614, 29, September, als freies Eigentum an die Erben des
Hans Christoph von Gera, endlich 1640 an das Haus Star-
hemberg.
Die alte Feste Wachsenberg, auf welcher die Herren von
Wilhering und von Griesbach gehaust haben, erhob sich süd-
lich vom Rotelbache auf der nunmehrigen Hochwald parzelle
2436 der Katastralgemeinde Stammering, im Volksmunde ,Hoch-
hausholz^ geheißen; der Grund ist längst rustikalisiert und ge-
hört zu dem Bischofgute Nr. 13/14 zu Stammering. Wann sie
verlassen und die neue Burg — auch längst Ruine — weiter
nördlich, nächst dem Dorfe Wachsenberg erbaut worden ist,
darüber mangelt jede Andeutung.
Die Beisitzer des Malefizrechten ,die vrein, die zu Waes-
senberg gehörnt^, werden, wie ,die Vrein so z^ der Vrein-
stat gehörent^, in dem Teilungsbriefe der Brüder und Vettern
um die Herrschaft Freistadt 1356, 29. Juni genannt.^
1415 erfolgte die Errichtung des Landgerichtes Ober-
wallsee auf Kosten jenes von Wachsenberg. Am 3. Mai 1415*
verlieh nämlich Herzog Albrecht V. dem Herrn Reinprecht
von Walsee zu seinem Schlosse Oberwallsee, das nach dem
Briefe Herzog Rudolfs IV. flir Eberhart von Walsee-Linz ddo.
30. Oktober 1364^ nur eine ,Freyung' genossen hatte, ,die ge.
rieht was den tod anrueret', womit der Bezirk innerhalb der
^ OberOsterreichisches Urkundenbach YII, 460.
' Eferdinger Urkunde. Notizenblatt 1852, S. 308.
* OberösterreichiBches Urkundenbach YIII, 194.
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nachbeschriebenen Grenzen aus dem Landgerichte Wachsen-
berg ausschied. ,Fangt an erstlichen von Wallsee bis gen Lands-
haag mitten in die Donau; doch in das Aigen^ so den Frauen
von Niedemburg gehörig, darf man nicht greifen, man antwort
einen Übelthäter heraus bis zum Grattem. Nach der Donau
hinauf bis an Falkenspach bis gen Neuhaus aufs Hör [eine
Peunt unmittelbar vor dem Schlosse Neuhaus] und von Neu-
haus her am Prembs bis im Trättenbach und währt hin bis
zu St. Hörten zu des Haslingers Tafem mitten im Hufschlag,
weiter an des Pehamb Tafem, wie der Markstein steht; wie-
derumb von St. Morton bis zum steinern Steg, vom steinern
Steg bis gen Hayding an den Wanck, von dannen bis gen
Wolfstain, von Wolfstain am Klainpach am Steg, vom Steg
gen Hilkering, von Hilkering gen Holzman auf die Eohlstatt,
vom Holzman bis zum Reichgrueber herab bis in die kleine
Rodl, darauf sein zwo Mühlen: die ober- und niedere Reich-
mühl, gehört die obere Reichemühl in Wachsenberger Land-
gericht. Von dannen an bis gen Rotteneck und gar an die
Obermühl gen Rotteneck, von Rotteneck nach der Großen Rodel
bis an die Donau gen Höflein, von dannen hin nach der Donau
wiederumb auf nach dem Trättenbach ober Landshag und gar
auf Neuhaus zu.'^
Nach den alten Grundbüchern 1793/94 gehörten jedoch
zum Landgerichte Haslach die Ortschaft üntermühel — mit
einziger Ausnahme des Wadsteinerhäusels Nr. 13 — , das Schloß
Neuhaus mit Hofgründen, dann von der Ortschaft Plöcking
die Piermühle, das Pühringergut, das Pührethäusel, das Wein-
zierlhaus, das Bachmannhäusel und das Kaltenbrunner Robot-
häusel; dagegen das Robothäusel im Hör Ortschaft Neuhaus
Nr. 4 und das Wadsteinerhäusel in üntermühel, sowie das
Knoglergut, das Stadlergut und das Traböckgut auf der Donau-
leiten zum Landgericht Wachsenberg, woraus erhellt, daß der
Dreißbach, der beim Dreißergut in die Donau rinnt, die Grenze
zwischen Wachsenberg und Oberwallsee bildete und die Hinauf-
schiebung der Grenze bis Neuhaus ein nichtiger Anspruch war,
' Abschrift im Liuzer Moseam nach dem Orig. vom Jahre 1584 im Elfer-
dinger Archiv. Eine zweite Beschreibung aus der Zeit der Pfandschaft
der Neuhauser im Sammelbande 101 des Linzer Museums besagt, daß die
Grenze durch die Backofen des Geierspergergutes sowie des Ortner in
Hilkering gehe.
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wie denn auch die Wachsenberger Grenzbeschreibnng von
1640 — jene von 1614 springt von der Schergenhub bei Klein-
zell gleich auf St. Martin ttber — ansdrücklich sagt: ^vom
PürchmüUner in die Müll auf Neuhanß; von dannen nach
der Thonau herab biß zum Treyssterpächl, von dannen
zum Oemdorfer auf St. Mörthin ins aigen zu dem Marchstain^
welcher Oberwallsee: und Waxenberger Landgericht schaidt^^
Die alte östliche Grenze des Landgerichtes Wachsenberg
ist die westliche der alten Riedmark; sie folgte der Saumstraße
durch den Haselgraben bis Zwetl^ eine kurze Strecke der Rotl
und dem Elmeckerbache, bis sie östlich von Weinzierl bei
Leonfelden die Landesgrenze erreichte. Sie wurde verwischt
durch die Errichtung eines neuen Landgerichtes Wildberg im
17. Jahrhundert^ worüber das Nötige in den Erläuterungen ge-
sagt wurde.*
Im Landgerichte Oberwallsee war ein einziger ausgemark-
ter Burgfirieden, jener von Mühldorf, welcher 1697 zugestanden
worden war. ,Der Anfang dieses Burgfriedens ergibt sich beim
Qattem nächst dem Steg über den Pesenbach, nach diesem bis
in die Donau, der sogenannten alten Naufahrt allda abwärts
bis zu dem Geiringerhäusl am Eggenschadt, von dannen nach
dem Khagstatt im Ottenaufeld [so genannt von dem im 15. Jahr-
hunderte in der Donau versunkenen Dorfe Ottenau] gegen
Mühldorf bis an ein Eck, allwo sich ein groß Wasser oder
Feldgruben zeiget, nachgehends gerad über das benannte Otten-
^ Handel-Mazzetti, Das Gemärke yon Wildberg, S. 13—14.
* Den Mangel einer Grenzbeschreibung des Landgerichtes Wildberg möge
folgendes Verzeichnis der GrenzOrtlichkeiten ersetzen: Dorf Ober-Qeng
jenseits des Ecksteinerbaches, der Lauf der Rotl vom Ecksteinerbach
bis zum Elmeckerbach, Dörfer Glashütten und Ober-Dreiegg, Rittsteiger,
Stummer, Dorf Ober-Aigen, Schnabl, Hans, Eder, Danglmair in Hai-
bach, von hier den Gnsenbach abwärts bis Veitsdorf, Dorf Unter-Wei-
trag, Starzer, Weitrager, Holzmair, Zeilinger, Auf berger, Grabmer, Dorf
Zingießing (Tungaßing), Krois, Mühlberger in Elmberg, Auhof, Dornach,
Steg, halb Heilham nach Urfahr, donauaufwftrts bis zur Einmündung
des Diessenbaches, an dessen linker Seite aufwärts, Mülberger, Stadler-
gut, Gknbmühle, Aichberger, Giltenberger, Lierzberger, Außerweger,
Wirflingerhof, Zaun er, Eimer, Grübler, Ober- und Unter-Hametner, Asber-
ger, Kogler, Baumgartner, Kronaweter, Eronawitet Dorf, Dorf Rohrach,
Wol&ecker zum Ecksteinerbach; das Ecksteinergut blieb im Landge-
richte Wachsen berg.
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auerfeld bis zu dem Gattern bei der Tanzstatt; von dannen
aufwärts nach der ordinari Wöhrerfartstraßen neben Mübldorf
übers Feld wiederum zu obgemeldetem Gattern beim Pesen-
bach nächst dem Steg/^
Der Burgfried des passauischen Amtes Goldwört, das
1731 zur Starhembergschen Herrschaft Oberwallsee erworben
wurde,* schon frühzeitig von Passau angesprochen/ hatte ^seine
lebendige March, auf der Seiten des Wörths beschlossen mit
dem Wasser der Gang genannt [jetzt trocken liegend], auf der
herendigen Seitten [am rechten Donauufer, Pfarre Alkoven],
aber, alß im Gstocket und Hagenau thuet daß 0£Fenwasser
den Burckfrid einfangen^* Die Malefikanten wurden bei einem
Steg über den Gang an das Landgericht Oberwallsee ausge-
liefert.
Der Niedemburgsche Burgfried Landshag reichte nur bis
an die Gattern; die Täter wurden bei der Wasserrunsen aus-
geliefert. Jene von Eschelberg wurden beim Gattern zwischen
dem Eschelmüller und dem Oberstraßer landgerichtlich über-
nommen. Es bestanden drei Schrannen zu Rotel, Feldkirchen
und Mühllacken.^
Im Landgerichte Wachsenberg hatte das Schloß Piberstein
einen großen Burgfrieden, gleich dem Schlosse österreichisches
Lehen. ,hebt sich an bey der Planckenauer Hamber Werck-
statt in der Mühel und gehet darnach biß an das in die [Rau-
sche] Mühel fließende Somerpächl, von dannen in den Somer-
pach aufwärts biß an die Somermühl, von derselben dem
Kirchperg nach auf Helfenberg an die Mühel und wider nach
der Mühel biß an die Khüzmühl und den Viechtpach, dem
Viechtpach nach biß an die Khroißmühl, von dannen in den
Oedtlpach, da hinauf unzt an die Wält, und den Waiden nach
biß zu dem NimervoU an den Marchweg Wald, und also dem
Marchweg nach biß auf die Khaindlin: und auf die Wagnerin,
ferners dem Waxembergerischenpach nach biß wider ob der
^ Obige Eferdinger Beschreibang.
* Schwerdling, Geschichte des Hauses Starhemberg, S. 297.
' Stmadt, Velden, S. 98/26.
* ,Goldtwörtherischer BarckhfridtS ,im Urbar der Passauer Herrschaft Ebels-
berg TOD 1668, Bl. 22, im Schlosse Ebelsberg. Panthäding 1687, 4. Okt.,
das. Bl. 23«.
^ Pass. Blechkastenarchiv f. 229 No. 42.
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Planckenau in die Mühel/ Die Täter wurden am Ödlpachl
dem Landgerichte hinaosgeantwortet^
Helfenberg hatte zu dem alten Burgstall etwas unterhalb
des 1607 erbauten neuen Schlosses einen Burgfried; der sich
auf die HofgrOnde und das Aigen Helfenberg beschränkte^ je-
doch nicht ausgemarcht war.^
Das Aigen St Peter am Windberg unter dem Kloster
St. Florian war schon 1208 mit einem Burgfneden begabt;
sicherlich reichte er nur bis an die Gattern.
flxemt waren im Landgerichte Wachsenberg seit 1573 die
Untertanen der Herren von Starhemberg, seit 1617 die 109
Hintersassen der Herrschaft PUrnstein^ seit 1585 auch die
Klosterholden von St. Florian.
Der Burgfried des Starhembergschen Marktes Zwetl ,faht
sich an am ersten auf der Wimb an der Rotl^ wärt bis an das
Ortbaw anf der Straß bis in den Schauerschlag gegen den
Gapf; von dem 6upf bis hinab gegen den Grueber bis an des
Ortner perg in der langen Zwetl, von dem Perg bis zum
Hammerschmitt in die Rätl, darnach wird gemelter burgkfrid
geschaiden durch die Rätl bis widerumb auf obangezeigte
Wibm^^
Ein exemtes Landgericht Lobenstein/ zu welchem als ein-
zige kompakte Masse der vorbezeichnete Burgfried gehörte,
kommt noch im alten Grundbuche vor, wurde jedoch vom
Pfleger und Landgerichtsverwalter von Wildberg versehen.
Die seit 1527 bestehende Freiung des Schlosses Ottens-
heim, welche den Markt Ottensheim, die Häuser Nr. 1, 4, 11,
15 — 19 und 22 von Niederottensheim^ die Häuser Nr. 1 und 4
in Weingarten, die Häuser Nr. 3, 4 und 5 von Dümberg und
die Häuser Nr. 7—10, 13, 16—23 von Höflein umfaßte, wurde
von K. Ferdinand H. zugunsten der Jesuiten zum Landgerichte
erhoben und erlosch als solches gleichfalls erst im Jahre 1850.
Schließlich sei noch Erwähnung getan, daß infolge käuf-
licher Erwerbung von Gütern, auf welchen die landgericht-
' Urbar yon Piberstein 1675 im Schlosse Helfenberg.
* Urbar von Helfenberg 1680 daselbst
' Handel-Mazetti, a. a. O. 51, aas dem Wildberger Urbar 1598.
* Die zugehörigen Güter befanden sich in den Dörfern Lobenstein, Schauer-
leiten, Straß, Innemschlag, Perndorf, Hofing^ Stfttten, Reindlsed, Königs-
dorf^ Langen Zwetl.
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252
liehen Rechte hafteten^ die Herrschaften Helfenberg über die
Ejzmühle Nr. 6 in Anhäuser und das Häusel bei der Helmans-
bruck Nr. 55 in Helfenberg, dann Berg ob Rohrbach über das
Bauerngut Nr. 22 zu Unterriedl, über die Häusel Nr. 1 und 4
zu Preßleiten bei Helfenberg, über die Hofstatt Nr. 2 und die
Fauxmühle Nr. 15 zu Uttendorf, Pfarre Helfenberg, die Land-
gerichtsbarkeit ausübten.^
Vierzehnter Abschnitt.
Kartographische Darstellung des Bestandes der Grnnd-
herrschaften im Ilzgau vor Erwerbung der Grafschafts-
rechte durch die Kirche Passau. Rückschluß auf die Art
der Kolonisation infolge königlicher Schenkung oder durch
Landnahme. Das Diplom K. Heinrichs U. für Niedemburg.
Der Nordwald trennte Bayern und Böhmen; es gab in
demselben keine bestimmte Grenzen, wie Urkunden ausdrück-
lich bezeugen. Als herrenloses, unkultiviertes Land galt er als
Königsforst, von welchem große Strecken an die Kirche und
an weltliche Große verliehen wurden, die durch Kolonisten dem
dichten Walde nutzbares Land abgewannen. Das rasche An-
wachsen der großen Grundherrschaften in jenen Zeiten ist
hauptsächlich auf die Waldkolonisationen zurückzuführen.* Ur-
kunden über solche Vergabungen sind nur spärlich vorhanden ;
für weltliche Grundherrschaften mangeln sie in unserer Gegend
vollständig. Dagegen ist eine Schenkung König Heinrichs 11.
überliefert, welche derselbe durch Zuweisung eines Teiles des
Nordwaldes von den Quellen der Dz und der Rotel angefangen
bis zum Donauufer im Jahre 1010 an das Kloster Niedemburg
in Passau gemacht haben soll. Hiemach würde der Löwenanteil
an der Kolonisierung des Ilzgaues der Kirche zufallen, in wel-
chem Lichte bisher auch die Sache betrachtet worden ist.'
^ Nach den alten Grundbüchern Ottensheim, Helfenberg and Berg.
* Inama-Stemegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte I, 216.
' Die Polemik des seither verstorbenen Wilhering^r Stiftsarchivars P. Otto
Grillnberger gegen Hackl sowie den Verfasser (Velden, S. 92) im Archiv
für die Geschichte der Diözese Linz I, 168—171, dürfte nach den Aus-
führungen dieses Abschnittes wohl als hinfällig bezeichnet werden.
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253
Es wird daher eingehend zu untersuchen sein, wie weit
sich der Inhalt des gedachten Dokumentes mit den Tatsachen
deckt, daher vorerst von einer Verwertung desselben Abstand
genommen werden muß.
Wir haben deshalb den ursprünglichen Bestand der
großen Grundherrschaften zwischen Hz und großer Mühel zu
erheben, welche frühzeitig an Passau und an Osterreich fielen.
Bei der Dürftigkeit urbarialer Nachrichten aus diesem Zeit-
räume ist auch diese Erhebung nur durch Anwendung der
Methode der Rekonstruktion ermöglicht.
Um ein gesichertes Ergebnis zu erzielen, ist vor allem
auf den ältesten Besitzstand der weit ausgedehnten Herrschaft
Falkenstein an der Ranna zurückzugehen; denn nur diese war
stets in den Händen hochfreier Geschlechter und ist bei diesen
anch bis zum Übergänge an den österreichischen Landesfürsten
verblieben, während es der Kirche Passau gelang, alle übrigen
Güter im Laufe des 12. und zumal des 13. Jahrhunderts in
Eirchenlehen zu verwandeln. Bezüglich jener Stücke, welche
von Falkenstein abgetrennt wurden (Schindlau 1264, Klaffer),
sind Archivalien vorhanden und es versteht sich, daß die Eigen-
schaft eines landesfürstlichen Kammergutes dem Besitzstande
der Herrschaft eine besondere Beständigkeit bewahrt hat.
Von Falkenstein ist ein vollständiges^ Urbar aus dem
Jahre 1570^ auf unsere Tage gekommen, welches, nach Spuren
zu schließen, auf ein älteres aus der Zeit 1520 bis 1530 zurück-
geht and sämtliche Bestandteile der Herrschaft, nicht bloß die
einzelnen Güter, sondern auch die Waldungen und Fischweiden
in großer Ausführlichkeit aufzählt; wir wissen außerdem, daß
TOT Zustandebringung des Urbars alle Untertanen abgehört und
nur das eingetragen worden, was die Erhebungen als un-
zweifelhaftes Recht festgestellt hatten.^
Wir finden darin auch ein langes Verzeichnis jener Hol-
den, welche zwar unter fremden Herren saßen, jedoch der
Herrschaft Falkenstein Königsteuer zu entrichten hatten.
Solche Listen enthalten auch die Urbare von Marsbach 1667,
1 Ein nnvolUtändiges Hausnrbar vom Jahre 1662 hat das Ldnzer Museum
aus dem Altenhofer Archiy angekauft.
' Auszaglich von Chmel im Notizenblatt 1863, S. 37 ff.^ veröffentlicht. Der
Verfasser benützte das im Hofkammerarchiy verwahrte Exemplar.
* Einlage im Fasz. F 1 im Hofkammerarchiv.
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254
von Sprinzenstein 1550, von Rannarigel c 1510 und 1581; auch
diese Herrschaften, teils unmittelbares Eigentum, teils Lehen
des Hochstiftes, bezogen die Eönigsteuer nicht bloß von eigenen,
sondern auch von fremden Untertanen.
Hier war der Hebel anzusetzen; es galt daher, das
Wesen der Königsteuer und den Rechtsgrund zur Zahlungs-
verpflichtung zu erkennen und so eine zuverlässige Basis ftir
weitgreifende Folgerungen zu schaffen.
Zur Beurteilung folgen die zustande gebrachten Belege:
Die früheste urkundliche Erwähnung dieser Steuer finden
wir erst in dem Diplome König Heinrichs VI. 1193, 28. März,*
womit derselbe auf Bitte seines Fürsten Bischof Wolfger von
Passau dieser Kirche die Abtei Niedemburg mit aller Zu-
gehörung ,videlicet cum advocacia et servicio regio . subsidio
sive Supplemente . seu steura . quod in vulgari Kunigesture
dicitur' verleiht.
Die nächste Anführung der Steuer ist in der Aufzeichnung
über das Landtaiding in der Abtei 1256* enthalten. ,Item no-
tandum, quod in jltsgeu de modio tritici dantur ante festum
purificationis domino Episcopo pro chuniksteura V denarios.
Item circa Muhelam de duobus volgultigen lehen pro
chuniksteura V denarios.' Berichtigt der Dienstpflichtige nicht
binnen dreimal 14 Tagen, so zahlt er 6 /? ^ dem Bischof zu
Wandel und außerdem die Steuer; ist er dann noch säumig,
so unterwindet sich der Bischof des Gutes oder nimmt ein
Pfand, wenn es vorhanden ist.
1269, 19. November» überläßt Bischof Peter die (After-)
Lehengüter, welche Chunrad von Hartheim vor sieben Jahren
von den Brüdern Albert und Richker von Pernstein (A. 6.
Grafenau) erworben hatte, der Witwe Gertrud auf Lebenszeit;
nach ihrem Tode sollen sie an das Kloster Niedemburg fallen
,excepta steura regali^
1410 entscheidet die Landschranne von Velden,* daß das
Gut, welches Heinrich der Chaplan von Herrn Gundacker von
Tannberg geeignet, von aller Königsteuer frei sei.
^ Mon. Boic. XXIX a, 469. Gegen die Echtheit liegen keinerlei Bedenken vor.
« a. a. O. XXIX b, 224.
' Original im k. allgem. Reichsarchiv zu München.
^ Hoheneck III, 282 leider nnr in diesem kurzen Auszüge des Gerichts-
briefes.
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255
1443, 27. April. ^ Die Brüder Kaspar und Hans die Chraft
von Marsbach teilen Vogthafer und ,Chunigstewr' als Zuge-
hör Ton Marsbach.
1456, 10. Jänner verleiht König Lasla dem Rüdiger am
Perg* zwei Güter zu Rainprechtzreut (Kampetsreut, Pfarre
Peilstein) und ein Gut zum Odlein (£dlbauer bei Rampetsreut)
^unserer lehenschaft unseres Fürstentumbs Osterreich und ist
Kunigstewr zu unserer Herschaft Valkenstain^ Der-
selbe verleiht 1457, 21. Juli dem Oswald Perger am Perg fol-
gende Güter, welche ,zu unsrer herschaft Valkenstain
im Mnhelland dienen Kunigstewr': zwei Güter zu Weigarts-
berg (Weiksberg bei Aigen) dienen 4 /Ä, am Gut zu Hauczen-
perg (Hauzenberg bei Rohrbach) dient 2^/^ ^ und eine Hofstatt
daselbst dient 1 .Ä, ein Gut ,zu dem Dorf' (Dorf, Pfarre Sar-
leinsbach) dient 4 ^\ eine Mühle genannt die Kramphmühle
(Kampmühle in derselben Pfarre) dient 1 /iS, alles in Veldner
Landgericht gelegen.^
1483, 6. März^ verkaufen die Brüder Niklas und Thomas
Venediger 21 Güter und 5 Zehenthäuser in den Pfarren Tyrnau,
Huttum, Römbach, Waldkirchen, Griesbach, Otterskirchen und
Kellbergy alle Lehen vom Stift Passau, an Christoph Wazmans-
torfer zu Leoprechting. Mit Ausnahme der Zehenthäuser und
des Gutes in der Pfsure Otterskirchen sind alle königssteuer-
pflichtig, und zwar das Gut zu Hungerperg (Hunaberg, Pfarre
Hauzenberg^) mit 3 ^, die ,gibt man gein dem Rannerigl^
c. 1488. Das älteste ,Reygister der Lehenschaft auch vorst-
wäld der gereut der wisen, ausserhalb der verlassung, der
wald'* verzeichnet in den vier Ämtern der Herrschaft Ranna-
rigel zahlreiche Lehen, welche ,am andern jar Lehen und jär-
lich kunigstewr geben'.
c. 1510. Das jVrbarpuech des Gsloß und HerschaflFt Ranna-
rigl'^ hat die Rubrik: ,Vermerkt die ierlich kunigstewr
> Mon. Boic. XXXI b, 354.
' Der Sitz Berg ob Robrbach rührte halb von Falkenstein, halb von
Paasaa zu Leben.
* Notizenblatt 1854, S. 213.
« Mon. Boic. XXXI b, 606.
» Siehe S. 147.
^ Fasz. R 2 im Hof kammerarchiv.
* Im oberOsterreichischen Landesarchiv Linz.
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256
80 man zu den Weinachten an Wiener phening zum Gsloß
Rannarigl dint', 223 Pflichtige (wovon 4 ,Hem wolfgangen
Herleinsperger Hindersassen') und am Schlüsse die Bemerkung:
,Dise Ktinigstewr sol in alter swartzer Wienner münß^ dhainern
andern gelt und zwischn Weinacht tags und der heilign
drey kunig tag bey scheynunder Sunne gedint werdend
1550, 8. September. ,Ordinari Vrbar der leuth zum
Öprintzenstain mit darzue gehörigen vnd darin begriflFenen Le-
hen Stiflft; Vogt vnd andern Vndterthonen/^ Nach diesem hatten
— mit Ausnahme des Marktes Sarleinsbach — fast alle Holden
dieser passauischen Lehenherrschaft die Königsteuer zu ent-
richten. Eine Rubrik lautet: ,Rittermäßiger lehen Künigsteur
gen Sprintznstain ausserhalb desselben urbars als davon
zu Lehen rilerndt järlich daselbs hie dienent'^ und schließt
folgendermaßen: ,Item welche die Künigsteur zwy sehen Wey-
nachten und der heyligen drey khunig tag nit raichen und
geben, denen zeucht man ire Heyser mit zuegehörigen gründen
ein mit Span und Phallen, sagt der Ambtman sey Landrecht
und gebrauch.'
Das auf gründlichen Erhebungen' beruhende jüngere
,Grundpuech über das Schloß und Herrschaft Rainarigl' vom
Jahre 1581* zählt unter der Rubrik: ,Künigsteur, so die her-
nach beschribnen underthonen iarlichen zu den Weichnachten
... in Wiener oder füm ieden Zwen Weiß Phening zu rai-
chen und zu dienen schuldig' 197 Königsteuerpflichtige auf,
wovon 56 unter fremden Herren.*
^ Original im Schloßarchiv Sprinzenstein, hier nach Abschrift des Herrn
Grafen Ernst zu Sprinzenstein.
' 2 Holden za Kicking, 1 zn Wakolbing, 1 zu Ruzersdorf, 1 zn Oberlem-
bach, 1 zu Pehersdorf, Maier zu Ganthersberg, 1 zu Franndorf^ Zackl auf
der Öd hinder dem Perg ob Rorbach, Wolkersberger, Lehner Pfarre
Rorbach, Humel, Kazprener, Pock in Leiten Pfarre Pfarrkirchen, 2 in
Eiden berg, Hans Falkner Pfarre Wegscheid; 2 Holden der Brüder Her-
leinsberger in Kumering und Ödt Pfarre Griesbach; 2 in N. Komering
und ödt Pfarre Kellberg.
' Siehe die Akten im Fasz. R 2 im Hof kammerarchiv.
^ Original im k. allgem. Reichsarchiv zu München, Repertorium Hoch-
stift Passau 442, 290 Bl.
^ Die Zahlendifferenz mit dem älteren Urbar rührt daher, daß mehrere
,Gemeiner* nur als Eine Person gezählt sind.
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267
1570, 28. Juni. ,Der Herrschafffc Valckhenstain ob der
Ennß New Vrbar'* schreibt auf Blatt 135: ,Kunig8teur, so
die hernachbeschribnen underthonen jarlich zu den Weihenach-
ten alsbald der heilig tag verscheint^ darzue aber Niemand
erfordert wirdet in wiener oder für yeden drey weiß phening
zu raichen schuldig^ und welcher dieselb zwischen ernennten
und der heiligen drey Kunigen tag bey scheinender Sonn
nit geraicht dessen Haus oder grund von wem dann solche
Kunigsteur zu raichen gebürt, ist diser Herrschaft Valcken-
stain dn Mitl verfallen^ und so gedachter Herrschaft also ain
Haus oder Grund verfeit so werden auf desselben Haus Tach
drey Schintl und auf ainem Grund drey Wasen zu ainem
Zaichen solcher verfellung umbgelegt^ des von Alter Herko-
men.'* Verzeichnet sind von Holden der Herleinsberger (zu
Altenhof und Hochhaus) 50, des Odters zu Gözendorf und
Liechtenau 64, des Starhembergers zu Pümstein 5, des Hans
von Redem amBerg 10 (11) (darunter das Gut zuHauzenberg da
Wölfl sizt, Michl zum Dorf Gut und Hofstatt, die Kampmüll,
Sebast. Pein zu Bampertsreut s. oben S. 255), des Herrn von
Polheim 1, des Herrn von Herberstein vom Sitze Tänleinsbach
17, des Georg Neuhauser zu Blumau 2, der Frühmeßstiftung
Neufelden 5, der Kirche Sarleinsbach 1, der Herrschaft Leo-
prechting [in der Abtei] 1, der Kirche Pfarrkirchen 1, der
Salburger 2, des Pfarrhofes Haslach 1, der Herrschaft Sprin-
zenstein 2, der Herren Kaplan 4, des Toblhamer in Linz 1,
der Herrschaft Falkenstein 6.^
^ Kodex 4 der Urbare im Hofkammerarchiv.
* Gleichlaatend im Rannangler Urbar.
' Sie folgen hier vollständig; die Kontrolle bildet das Lebenbach K. Laslas.
1. Unter den Herleinsbergern zu Altenhof: vom Hof bau
daselbst, vom Hof beim Hochhaus, zu Karlesbach 6, zu Wemastorf 1 , zu
UnholnOd 4, zu Pemerstorf 5, zu Höfl 1 , zu Wehrbach 7, zu Wurzwal(d) 2,
in Gredenbach S, der Greinhof, ödenreut 1, Polmansdorf 5, Affenöd 1,
Grub bei Rohrbach 1, Ratberg 1, Weisgraben Pfarre Sarleinsbach 1,
Kelzberg (GOzenberger bei Lembach) 1, Dorf Pfarre Sarleinsbach 1,
Reut 1, Absang 1, Aiglstorf 1, Krien Pfarre Rohrbach 1, Weiksberg 1,
HOrleinsberg 1, Rampertsreut Pfarre Peilstein 1.
2. Unter denen von ödt zu GOzendorf und Lichtenau: zu
Grub Pfarre Rohrbach 1, Albenedergut, zu Hundprening 2, zu Ober-
Merzing 2, zu Unter-Merzing 1, zu Leiten 1, zu Stocket 1, zu krien 1,
zu Mairhof 1, zu Lemerstorf Pfarre Sarleinsbach 2, zu Bogendorf 1,
Rümpflergut bei Rohrbach 1, Lanzerstorf 6, Peilstein 2, Obernort bei
▲rehi?. ICIV. Band. 18
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258
Die Bereitungskommission der oberösterreichischen kais.
Pfandherrschaften erhob wirklich/ daß ,von versessner Ktinig-
steur wegen, so ain verzigkter dienst, ainem underthon, so
Lembach 1, Volkenstorf 1, Rampertsreat Pfarre PeiUtein 1, Wernastorf
bei Altenhof 1, Pachhof, Haidenbof, Albernberg 2, Kanzing 2, Razes-
berg 2, Fürbichgut, Tannet 1, Wesenbach 2, Gerastorf 2, Hözendorf 4,
aufm Berg 1, Harnet 1, Hinterleiten 2, Lnghof, ödt 2, Lehnergüter 2,
Steinet 1, Schachenhof, Scharten 1, Wizerstorf Pfarre Niederkapell 1,
Krenan Pfarre öpping 4.
Die übrigen Untertanen der öder waren passaaische Lehen (so-
genanntes Erbstammenamt), genau dieselben, welche von den Haichen-
bachern 1303 yerlehnt waren.
3. Unter Pürnstein: 1 Gut in SchOnberg Pfarre Rohrbach;
Azesberg Pfarre Sarleinsbach, 1 Gut.
4. Unter den Redern am Berg: Weiksberg 1, Hanzenberg 1,
zu Dorf Pfarre Sarleinsbach 3 und die Kampmühl, zu Rampertsreut 1,
zu Gerastorf 2, zu Pach 1, 1 Peunt zu Praztrum.
5. Unter dem Polheimer: Orell 1 Gut.
6. Unter (Kirche) Peil stein: zu Lemerstorf 2.
7. Unter Dan telsbach (vormals der Kaplan): zu Dantelsbach 3,
zu Steineck Pfarre Rohrbach 4, Pfeffermtihl, Kolonöd 1, Reut 1, Wa-
kolbingergut, Schiferlgut, Dorf 1, Ruezlastorf 1, Khagergut, Aiglstorf 1,
SchOnberg 1.
8. Unter Blum au: ödt bei Niederkapell 1, 1 Gut zu Kaplan
Leiten bei Dantelsbach.
9. Unter Frtihmeßstiftung Velden: Peilstein 2 Häuser, dann
die Pfarrhofgründe, Exenschlag 3.
10. Unter der Kirche Sarleinsbach: 1 zu Ober-Krenau.
11. Unter Leoprechting: 1 zu Vordorf Pfarre Peilstein.
12. Unter der Kirche Pfarrkirchen: AlbernOdergut am Pfarrwald.
13. Unter den Salburgern: Pergern 2 Güter.
14. Unter dem Pfarrhofe Haslach: Pfefferhof Pfarre Rohrbach.
16. Unter Sprinzenstein: 1 zu Dorf, dann der Ruezhof.
16. Unter den Kaplan: 2 zu Finsing a. d. Rauna, 1 zu Krams-
rent bei Puzleinsdorf, 1 zu Hueb.
17. Unter dem Toplhamer in Linz: 1 Gut zu Schönberg.
18. Unter Pürnstein noch 1 Gut in Azesberg, 1 in Khamberg
(Kainberger, Pfarre Altenfelden), 1 in Diendorf, Pfarre Peilstein.
19. Unter Falkenstein selbst (wohl zurückgelangte Lehen):
1 Gut in Etzlastorf, 2 Güter in Peilstein, 2 Güter in TannerOd bei
Peilstein.
Im 17. Jahrhundert wurden zwei kOnigsteuerpflichtige Güter in
Sweikerstorf und Mittereck zur Herrschaft Wachsenberg gezogen, wie
aus einem Urbar dieser Herrschaft im Hofkammerarchiv zu ersehen ist.
^ Relation der Kommissarien ddo. Valgkhenstain 1570, 28. Juni, im Fasz. F 1
im Hofkammerarchiv.
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Herrn v. Traun zuegehörig gewest, noch vor vierzig Jam (1530)
der Valgkenstorflfer Hof zu diser Herrschaft eingezogen und
bißher zu dem Schloß gebraucht worden/ Es war dies das
Mairgut zu Volkenstorf bei Lembach, welches ,mit dienst dem
Herrn v. Traun gehen Eschlberg gehörig gewest und allain
blößlich die Ktinigsteur auf die Herrschaft Valkchenstain ge-
raicht und noch vor etlich vill Jarn des grossen und hohen
diensts^ wegen ödt gelegen und von wegen der Kilnig
Steur zu der Herrschaft Valckenstain einzogen worden^* Der
Irei ledig heimgefallene Hof (bisher ein ,freystift') wurde vom
Kaiser Max H. 1572, 31. Dezember, dem Untertan Michael
Schlachinweidt gegen jährlichen Dienst von 4 Motzen Korn,
8 Motzen Hafer in Feldner Maß, in Geld 2 ß y^, auch mit ge-
bührlicher Landsteuer und Robot vererbrechtet und aus der
Herrschaft ins Vizedomamt gezogen.^
Im Jahre 1573 sollte gegen drei passauische Hintersassen
(Wolfgang Wemhardt zu Haunerstorf, Pankraz Kramer zu
Hapfiastorf, Andre Rot zu PfaflFenreut in der Abtei), von denen
ersterer ftlr die Jahre 1571 und 1572, die beiden anderen flir
1572 die Königsteuer nach Rannarigel ausständig geblieben,
mit der Einziehung der Güter vorgegangen werden, doch wurde
über eingeholtes Rechtsgutachten von der niederösterreichischen
Kammer über Fürbitte ihrer Obrigkeit allen dreien die Fällig-
keit ihrer Güter für dieses Mal nachgesehen, bloß eine Geld-
strafe auferlegt, im Wiederholungsfalle jedoch die Einziehung
der Güter ohne fernere Gnade angedroht.*
Die Bauern unter Ulrich Herleinsberger zu Altenhof
ftlhrten im Jahre 1525 unter andern auch diese Beschwerde
,Zum elftn sein ettlich groß beschwert mit der kunigstewr
oder wiener phening, welliche wir nit leichtlich mügen zu
wegen pringen'.^
^ Laut Einlage an ,GeU 3 0 3/^, Schwein 1, Khäß 8, Hennen 8, Ayr
4 Jg, Weihnachtbrod 1, Baumöl 4 Uy Schott Haar 2, Korn 16 Mezen,
Hafer 32 Mezen'.
' Bericht des Yizedoms Ginger 1683, 26. März, Fasz. F 1.
' Konzept im Fasz. F 1. Der Hof kommt im Urbar des Vizedomamtes
c. 1710 vor, oberOsterreichisches Landesarchiv.
* Bericht des Pflegers Achaz von ödt 1673, 16. Mörz, Gutachten Abraham
Lansers 1673, 21. April, Original; Kammerbeschluß 1673, 13. Mai, Kon-
zept, Fasz. R 2 im Hof kammerarchiv.
' Stmadt, Bauemaufrubr im Mühlviertel, Linzer Mus.-Ber. 1868, S. 2.
18»
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260
Hierzu kommt noch die Beobachtung, daß die Recht-
lehn er der Herrschaft Falkenstein in den Ämtern Hamet und
Kramel nicht dienen, sondern bloß die Königsteuer reichen.
Aus vorstehenden Darlegungen ist folgendes zu erschließen:
1. Die Königsteuer ist eine Lehensteuer; so genannt
von dem obersten Lehenherm, dem deutschen König.
2. Sie war von den Inhabern von Lehen an die Grund-
herrschaften zwischen der Hz und der Großen Mühel zu
entrichten; auf dieses Gebiet ist die Bezeichnung König-
steuer beschränkt.^
3. Der Natur einer Lehensteuer entsprechend, war sie ein
verztigter Dienst, d. h. wurde die Lehenpflicht nicht rechtzeitig
erfüllt, wozu es keiner Ansage wie bei der Stift bedurfte, so
wurde das Lehen dem Lehenherm heimfällig, daher dasselbe
eingezogen.
4. Der Umstand, daß viele Güter unter ft'emden Grund-
herrschaften zur Herrschaft Falkenstein königsteuerpflichtig
waren, ist einzig aus der Tatsache zu erklären, daß sämtliche
landesftürstliche Lehen im Mühellande, d. i. zwischen Ranna und
Großer Mühel, von Falkenstein ausgingen, woraus sich wei-
ters ergibt, daß
5. diese fremden Güter ursprünglich Bestandteile der
Herrschaft Falkenstein waren und von dieser an dritte Herren,
geistliche und weltliche, veräußert oder verliehen wurden, mit
Vorbehalt der Leistung der Königsteuer als Anerkennung des
falkensteinischen Lehenbandes.^
Es unterliegt daher wohl keinem gegründeten Bedenken,
alle jene Objekte, welche zwar anderen Grundobrigkeiten unter-
worfen waren, aber nach Falkenstein die Königsteuer reichten,
in den ursprünglichen Bestand dieser freien Herrschaft einzu-
beziehen und auf diese Weise ein Bild der vormaligen Aus-
* Wenn Roger von Haichenbach 1302, 2. Februar (Strnadt, Velden 180),
dem Kaihoch von Falkenstein und dessen Sohn Heinrich fttr Übernahme
einer Vogtei 10 Passauer Pfennige jährlicher ,Chnonig8teuer' auf zwei
Gütern bestellt, so ist der Ausdruck für diese Vergütung nur abusive
gebraucht, gänslich verfehlt aber, wenn in dem Verzeichnisse der Ein-
künfte des Bischöfe von Passau im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts
der Schreiber bei einem Gute in der Pfarre Waldkirchen am Wesen zu
minuta servitia den erklärenden Satz ,qui vulgariter Chunigsteur nun-
cupatnr* (Notizenblatt 1853, S. 193) beisetzen zu müssen vermeinte.
^ Vgl. die Urkunde Bischofs Peter 1269, 19. November, S. 264.
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261
dehnimg derselben herzustellen. Die Identifizierung der ein-
zelnen Liegenschaften ist ermöglicht durch den Vergleich der
alten Urbare mit den alten Grundbüchern.
Die Markungen der Herrschaft Falkenstein heben sich
genau ab von dem hochstiftischen Besitze durch die Waldun-
gen und Fischwässer. Nach den Urbaren von Rannarigl 1510
und 1581 und von Falkenstein 1570 gehörten zu Falkenstein:
L Waldungen.^
a) Allein: Der Eriegwald zwischen Finsterbach und
Trübbachl, die Leiten unterhalb Altenhof, das Mühlholz bei
Wemastorf, das Schreiberholz zwischen dem Schreiberödergute
und dem Holz der Spilleitner anstoßend an den Wald des
Pfarrers von Pfiarrkirchen.
b) Gemeinschaftlich mit Rannarigel: Der sogenannte
Gemeinwald, welcher an den Kriegwald im Süden anstoßt, und
der Pfiarrkirchner Wald.
c) Gemeinschaftlich mit Rannarigel und Sprinzen-
stein: Die kleinen Waldungen Hochholz und Dietrichstuben
Dächst dem Ameisberg.
IL FischwSsser.
a) Allein: Ein Stück bei der Obermühl bis zur Mündung
des sogenannten Stierbachs ins Mitterwasser (Exklave Wilden-
^ Der Kriegwald existiert nar mehr als Ortschaft, welche gans auf Falken-
steinschem Boden angelegt worden ist. Von dem Gemeinwalde besteht
noch ein bedeutendes Stück, so von den Ortschaften Heinrichsberg, Vor-
derschiff nnd Unterleiten in der Richtung gegen das k. bayrische Zoll-
amt Kohlstatt hin, worin die benachbarten Baaem der Pfarren Peilstein,
Kollerschlag, Julbach ihre HOlzer haben. Der Wald führt im Volksmnnde
die Beseichnang ,in der Lacken', dem Verfasser wohl bekannt, weil er
im Gerichtsbesirke Rohrbach in den Katastralgemeinden öpping, Nebelberg
(Eppenberg), SchOlling, St. Leonhard die neuen Grundbücher anlegte.
Die beiden Ortschaften Stift am Grenzbach, Heinrichsberg sowie Unter-
leiten sind erst seit dem 16. Jahrhunderte auf dem Waldboden entstan-
den. Ebenso die Häuser in Heinrich- und Mitterschlag am Ameisberg.
Vgl. ,Der 72 Hejsler im Mittern- und Hainrichschlag wie auch Hein-
richsberg, Stü£ft und Kleinleithen, so baiden Herrschafften Rännaridl
und Falkenstain mitteinander gehörig sein, Ordinarj Einkomben' 1677
in den Altenhofer Archivalien im Linser Museum. Die Rechnungen
1681/82 und 1688/84 weisen Vererbrechtungen von Raumrechten ans.
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262
ranna), der Tädlaspach von den Gründen der Hohenschlager
und Weberschlager bis zur Wehr des Bi*uckmüllers^ das Mos-
bachl (Kranawitbachl), der Lembach von seinem Ursprünge im
Holze bis an den Grund des Höflers in Höfl, der Wemaspach
(jetzt Wilramsbach).
b) Gemeinschaftlich mit Rannarigel: Das Schlechreit-
bachl und das Hallabachl bei Wildenranna,^ das Mitter wasser
(die Ranna) bis zum Eizendorfer Steg, der Gredenbach, der
Haselbach, der Aubach, der Leitenbach bei Albenöd, der Pla-
henbach (entspringt in der Schröckleiten), der Letmanstauf
(jetzt Kollerschlagerbach, entspringt bei Enzesreut, ftült ins
Osterwasser), das Flenklbaclil zwischen Lengau und Schröck,
der Imbach bei Lengau, das Kirchbachl (entspringt bei Schop-
per, rinnt in den Letmanstauf), die Kleine Mühel vom Ursprung
bis zu dem Punkte, wo die Hausgründe von Kramel aufhören,
der Pfeilbach bei der Pfeilmühle, der Hangernbach bei Han-
ging, der Mistelbach.
c) Gemeinschaftlich mit Rannarigel (VJ imd Weg.
scheid (^g), daher zu ^4^ Das Osterwasser (der jetzige Grenz-
bach).
d) Gemeinschaftlich mit Wegscheid: Vom Mitter-
wasser ein Ort vom Schlechreutbach bis zur Ranna (Wildenranna).
e) Gemeinschaftlich mit Marsbach: Der Viechbach
(Ebrastorferbachl) bei der Schreiberöd bis zum Einfall in den
Tädlasbach, der Lembach längs den Gründen des Höfler, die
Kleine Mühel vom Ende der Kramlergründe bis zur Gumpen-
mühle (Pfarre Öpping), der Krenauerbach bis zum Furt der
Unterkrenauer.
Die Märkte Hofkirchen mit 39 Burgrechten* und Rohr-
bach mit 43 Burgrechten, vom Aigen Lembach 18 Hofstätten
und eine Solde waren Falkenstein unterworfen; dieser Herr-
schaft stand die Vogtei über Pfarrkirchen, dessen Pfarrer zur
Entrichtung des Posseßgeldes gehalten war und die Briefe in
* Laut Bl. 182 des Falkensteinschen Urbare hatte Bischof Urban von
Passau von Falkenstein zwei Drittel der Öden Schlechreutt zu
Lehen.
' 1333, 1. September verlieh Herzog Albrecht IL ,den beschaiden leut zu
Hofkirchen' einen Wochenmarkt an jedem Erchtag und bewilligte, daß
sie jährlich 6 Pfand Salz ,klainer kueflen* verkaufen mögen. Kopie im
Hof kammerarchiv Fasz. H 11 17440/1 9.
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263
Falkenstein fertigen lassen mußte, und über das Benefiziom
St. Ulrich in Hofkirchen zu.
Über das Aigen Putzleinsdorf, welches bis 1570, und über
das Urbaramt, das bis 1803 zum Kloster Kiedemburg in Passau
gehörte, übte Falkenstein nicht allein die Vogtei, sondern auch
die Halsgerichtsbarkeit aus; eine auffidlende Tatsache, daß das
Hochstift, das selbst die entfernten Untertanen des Klosters
St Florian am Windberg von Velden aus bevogtete und selben
die Verpflichtung, das Malefizrechten daselbst zu besitzen, auf-
erlegte, bezüglich der im passauischen Landgerichte Velden
seßhaften Holden des dem Hochstifte inkorporierten Frauen-
klosters gar nicht in Anspruch nahm. Nach Falkenstein waren
sie robotpflichtig, dort hatten sie die Fertigung zu nehmen,
wenn auch die Verhöre durch Richter und Geschwome in
Putzleinsdorf geschahen. Der Richter reichte nach Falkenstein
zu Michaeli 3 S> /iS, zu Ostern S U 4 jS ^% Grunddienst, die
Urbarbauem überantworteten gen Falkenstein um Michaeli
30 Schott überhechelten Haar, zu Weihnachten ö Mut 1 Metzen
Hafer, 70 Hennen und 70 Käse.*
Als Herrlichkeiten von Falkenstein sind noch hervorzu-
heben die drei Mauten: in der Lastatt Nieder-Ranna von dem
Schmalz, das aus Böhmen dahin gebracht und dann weiter
nach Passau, Bayern und Tirol verführt wurde, in der großen
Hoftnark Wildenranna von allen möglichen Ai*tikeln und vom
Viehtrieb, in Klaffer von den Ochsen, welche aus Ungarn
durch den Klafferwald getrieben wurden. Bei der Maut in
Wildenranna wurde 1512 von Kaiser Max ein Aufschlag auf
das ft'emde Salz eingeführt; um die Maut zu umgehen, schlu-
gen die Kaufleute den Weg von Hauzenberg über Nereut
durch den Gemeinwald nach Seidlschlag, Salnau, Pfaffetschlag
über den Sperbichl nach Oberplan ein. Nach der Grenzregu-
lierung von 1765 ging die Maut ein. Die Maut in Klaffer ver-
^ Güter und Häuser 3, 4, 6 in Konradsdoi-f (Kaindlstorf ) ; 1, 4, 5, 47 in
Mairhof bei Lembach; 1—6 in Giotzing; 1, 2, 3, 4, 6, 7, 9, 10, 11, 12
in Pemerstorf; 1, 2, 4, 5, 6, 7, 8 (StOlzimOhle) in Egnastorf; NeumUhle
Nr. 46 von Putzleinsdorf; 1—6, 8, 9 in Mennersdorf; 1, 3, 6, 6 (Grund-
hof), 9 und 11 (erstes und zweites Gut zu Mos), 13 (Gut an der Wimm);
2, 3, 6, 6 (Gut am HOlzl), 7 (Gut am Riedleinsberg) und 9 zu Tagles-
bach.
* ,Des gerichts Putzistorf Ehehafft* in der Sammlung der oberOsterreichi-
scben Weistümer von Dr. Hans Lambel.
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264
blieb bei Falkenstein, nachdem der Herrschaft schon längst
das Amt Klaffer abhanden gekommen war.^
Der eingangs aufgestellte Satz, daß die königsteuer-
pflichtigen fremden Güter von Falkenstein zu Lehen
ausgetan worden waren, wird dadurch bewiesen, daß sich
bei Vergleichung der einzelnen Güter mit den vorhandenen
Lehenbriefen über dieselben, besonders mit dem Lehenbuche
König Laslas, die Tatsache herausstellt, daß sie sämtlich landes-
fürstliche Lehen sind, welche, wie bei einigen ausdrücklich er-
wähnt ist, von Falkenstein rühren. Einen ziendich vollständigen
Nachweis derselben enthält des Verfassers Abhandlung über
das Landgericht Velden.*
Eine zweite große, mit Grafenrechten ausgestattete Grund-
herrschaft war jene der Herren von Griesbach, welche durch
die Herrschaft Falkenstein in einen westlichen Teil in der Abtei
und in einen östlichen an der Großen Mühel gespalten wurde.
Den Umfang des ersteren kennen wir genau, weil die Bischöfe
von Passau es für zweckmäßig ansahen, denselben nicht lange
nach dem Heimfalle zu verzeichnen (s. S. 145 — 147 dieser Ab-
handlung).
Bei dieser Gelegenheit sei festgestellt, daß Jochenstein
mit seiner nächsten Umgebung nicht zum Herrschaftsgebiete
der Griesbacher gehört hat, wie aus folgender Betrachtung er-
hellt. Am 13. März 1222 » erklärte König Heinrich wegen Be-
fehdung des Hochstiftes Passau außer den Edlen Alram und
Albert von Hals und deren Dienstleuten noch verschiedene
andere ritterliche Leute, in welchen wir unzweifelhafte Vasallen
der Grafen von Viechtenstein erkennen, in die Reichsacht und
nennt unter den Burgen derselben neben Hals und Viechten-
stein auch Johenstain. In diesem Zeitpunkte waren die vor-
maligen Griesbacher Eigen allen Umständen nach schon vom
Hochstifte eingezogen; passauische Lehenleute von Jochenstein
tauchen erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auf,
können daher ftiglich nicht 1222 das Schloß innegehabt haben.
Der Umstand, daß unter den Burgen ausdrücklich Viechten-
^ Akten im Fasz. F 1 im Hofkammerarchiv. Im Jahre 1569 trag die Maut
in Wildenranna 61 fl. 3 ^ 2 /^, die Schmalzmant in Nieder-Ranna 40 fl.
2 / 20 4.
* Linzer Musenmsbericht 1860, S. 257—259/185—186.
» Mon. Boic. XXXIa, 510.
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stein genannt ist^ läßt keinen Zweifel übrige daß die Achterklä-
nmg in der Fehde des Grafen Chunrad von Viechtenstein mit
dem Bischof G^bhard von Passaa ausgesprochen wnrde;^ Jo-
chenstein muß demnach im Besitze des ersteren gewesen und
wohl auch bereits seinen Vor&hren zugestanden sein.
Aus der Tatsache, daß Groß-Mollesberg noch zum Herr-
schaftsgebiete von Griesbach gehörte (s. den fünften Abschnitt,
S. 146), Klein-MoUesberg aber zum Schlosse Jochenstein, wel-
ches nach der Wiedererwerbung von Eberwin dem Jochen-
steiner (1300) als Amt der Pflege Oberhaus, nachmals Obern-
zell einverleibt worden ist, zugeteilt war, läßt sich die Grenze
des Viechtensteiner Gebietes am linken Donauufer genau be-
stimmen. Nach dem Urbar des Landgerichtes der Abtei vom
Jahre 1545* begriff das ,Ambt Johenstain' die 6 Bauern am
Riedl bei Jochenstein, die Leitenmühle, die 2 halben Höfe, den
Fischer und die Seide zu Jochenstein, die Tafern, die 7 Lehen
und 2 Seiden zu Gotsdorf (Götzenstorff), den Geberzhof, die
Schlatlmühle, die 2 Gütlein zu Höhenberg, die 2 Lehen zu
Wesseslinden, den SchweinhöUerhof, die 2 Lehen zu Wüsten-
berg, 4 Lehen zu Linden, 1 Lehen zu Ramesberg, die 2 Lehen
zu Ober- Aschenberg, der Kranwithof, 2 Lehen zu Haizendorf
und die 3 Lehen zu Klein-MoUesberg.' Das Rannarigler Urbar
vom Jahre 1510 bestätigt, daß nach Jochenstein alle 4 Güter
in Linden, die 2 Güter in Vetzeslinden, die 2 Güter in Höhen-
berg und von den 4 Gütern in Ramesberg eines gehörten (die
übrigen 3 in letzterem Orte dienten den Nonnen in Niedem-
burg). Diese Zugehörigkeit nach Jochenstein muß eine ur-
sprüngliche sein, weil gerade die genannten örtlichkeiten im Ver-
zeichnisse des 13. Jahrhunderts (S. 146) fehlen. Groß-Mollesberg
wird noch als Griesbacher Eigen aufgeführt, dagegen Elein-
Hollesberg nicht mehr; hiemach muß das Schloßgebiet Jochen-
stein Heizendorf, Forstedt und Klein-MoUesberg noch einge-
^ Strnadt, Velden 128, Sonderabdrack 55.
* BUtt 186. Siehe darüber 8. 273.
* KOnigstener reichten nur der Holde von Ramesberg, der Kranwithof, die
2 Lehen sn üaisendorf nnd die 3 zu Klein -Mollesberg, dann folgende
Holden, die unter anderen Herren saßen : 3 in Nieder-Aschenberg, 2 in
Haizendorf, 2 in Eidenberg [Wegscheid], 1 in Loizesberg. Letztere sind
daher als orsprüngliche Eigenleute von Jochenstein, d. i. Viechtenstein
anzusehen.
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schlössen und die Markang zwischen Klein- und Groß-MoUes-
berg die Donauleiten — in der Nähe des sogenannten Frauen-
steiges — hinab den Strom gegenüber von Engelhartszell er-
reicht haben.
Über den Besitz der Griesbacher an der Großen Mtihel
mangeln eingehende Angaben; derselbe läßt sich jedoch nach
anderen Anhaltspunkten mit großer Wahrscheinlichkeit bestim-
men. Die Große Milhel bildete die Ostgrenze, jenseits dieses
Flusses lag Blankenbergergut (s. S. 151 — 160); wir wissen
dagegen, daß der Markt Velden* ihnen gehörte. Wir kennen
das Urbar von Marsbach aus dem Zeitpunkte, in welchem
dieses Schloß vom Hochstifte erworben wurde, es war, wie
aus der Anmerkung^ ersichtlich ist, ziemlich unbedeutend.
Noch weniger bedeutend war der Lehenbesitz der Haichen-
bacher in der unmittelbaren Umgebung der Burg Haichenbach:
2 Güter in Kaindlstorf, 2 in Wizerstorf, 3 Güter und 4 Hof-
stätten in Dorf bei Haichenbach, das Ramesedergut, 3 Puch-
brunnergüter, alles in der Pfarre Niederkapell, 2 Mühlen in
Taglesbach und der Wegerhof zu Wögerstorf Pfarre Putzleins-
dorf, 2 Güter und 4 Hofstätten zu Harau und 2 Güter zu
Obernberg Pfarre Pfarrkirchen.' Ob die unmittelbaren Lehen:
das Burgstall Haunstein und der Wald bis an den Finsterbach,
die 18 öden Hofstätten in Ödenkirchen, 11 in Mitterreut (Name
einiger Häuser zwischen Ödenkirchen und Breitenstein), 26 in
Oberneudorf, 3 Lehen in Perlesreut, 21 Hofstätten in Natschlag
samt Mühle, 4 öde Hofstätten und 7 Lehen in Geiselreut,
2 Lehen und 6 Hofstätten zu Öpping, Stadlingergut und Fleck,
* Oberösterreichisches Urkundenbuch II, 480.
* In Ezenberg vor dem Schlosse: 1 Hof, eine große Wiese in Wiesen,
2 Lehen und 1 Mtthle in HontsfÜlUng, 2 Lehen in Hag, 1 Lehen in
Stifting (Stüfirn), 2 Lehen in Mairing, 2 Lehen in Mairhof bei Sarleins-
bach, 8 Lehen und 1 Mühle (Schaflmahle) in Mtthel Pfarre Sarleius-
bach, 3 Lehen in Sechsling bei Rohrbach, 2 Lehen im Winkel Pfarre
Aigen, 1 Lehen in öd unter Peilstein, 1 Lehen und 1 Mühle in Ripa
bei Mairing, 4 Lehen in Schrateutobel, 2 in Reicholmsöd, 2 ad jocula-
tores, 1 Hof in Harnet bei Griesbach, 6 Lehen in Englmausdorf, 2 in
Obernberg (Ahomperg), 1 Lehen in den Rosen (Rosenauer), die Kling-
mühle. Einige andere Güter waren hierzu erworben worden, nicht ur-
sprüngliches Urbar. Verzeichnis Mon. Boic. XX VIII b, 466; vgl. Stmadt,
Velden 159—160.
' Kaufbrief vom Jahre 1337 im k. allgem. Reichsarchiv München; Buchinger
II, 20.
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2 öde Lehen in Ktimerding und die Mühle in Peherstorf, sowie
die verlehnten Güten in Schtirfenöd, Hangsberg, Fischbach^
Hehenberg, Obennairhof, Pütersberg, Scherergut in Salaberg,
Auerbach; Qötzendorf, Azesberg, Ober-Gahleiten, Arbesberg,
Kilmerding; Gollner, Marbach^ Krondorf, Tierberg, Erlet,
Grillperg, Kickingeröd, Steining, Herhag, Wald, Schwand,
Wolf, Kanden, Krenau, Ramlergut, WoUerstorf, Diepoltsberg,
Weger, Zaglau, wie selbe in dem Kaufbriefe 1303, 30. Juni^
aufgezählt werden, in ihrer Gesamtheit ursprünglich dem Hoch-
stifte zuständig waren, läßt sich nicht entscheiden. Auch die
Tannberger an der Kleinen Mühel wurden erst nach und nach
mit Lehen ausgestattet, die früher Griesbacher Eigen waren,
wie dies sicher der Fall ist bei den zwei Lehen ,ex opposito
fori in Chapell prope Raenna^, welche der ältere Walter von
Tannberg 1259 dem Bischof Otto für Heinrich von Hartheim auf-
sandte ;^ denn gegenüber von Oberkapell liegt Grubberg in der
jetzigen Pfarre Rannariedl, welche unter den Grafen von Viechten-
stein und den Herren von Griesbach geteilt war; erst im weiteren
Verlaufe des 14. Jahrhunderts vergrößerten die Tannberger
durch zahlreiche Ankäufe, über welche wir urkundliche Nach-
weise besitzen,* ihr Urbar, wie schon Ulrich von Tannberg von
Karl von Kirchberg dessen passauisches Lehen zwischen der
Großen und der Kleinen Mühel erworben und den Grund zu
dem Amte Kirchberg gelegt hat, das schließlich bei der Herr-
schaft Pümstein verblieb. Es ist daher aus der späteren Inne-
habung passauischer Lehen noch nicht der Rückschluß auf ur-
sprünglich unmittelbaren Besitz des Hochstiftes gestattet. Zu-
dem ist bekannt, daß der Markt Rohrbach, weit gegen Osten
und Norden gelegen, Falkenstein als Grundherrschaft aner-
kannte. Gerade dieser letztere Umstand verbietet, die Pfarre
Altenfelden als passauisches Kolonisationsgebiet aufzufassen;
denn da namhaftes Griesbachsches Eigen, wie der Markt Vel-
den es schon 1217 war, hier nachgewiesen ist, kann nicht an-
* Mon. Boic. XXX b, 207; vgl. Velden 173—176 und Anhang der vor-
liegenden Abhandlang.
» a. a. O. XXIX b, 246.
' F. Wirmsberger, ,Die Dynasten von Tannberg* im Archiv für ößterr.
Qeschichtsquellen, Bd. 24 ; Weiß-Starkenfels, »OberOsterreichischer AdeV
im neuen Siebmacher Art. Tannberg; endlich S. 271 der vorliegenden
Abhandlung.
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genommen werden, daß zwei weltliche Grundherrschaften und
eine geistliche, unter einander vermischt, die Kulturarbeit ver-
richtet hätten. Anders steht es mit der Annahme der Koloni-
sation durch Falkenstein und Griesbach, wohl auch durch die
ßlankenberger, die wir in allen Urkunden in engem Verkehr
mit den Herren von Griesbach treffen; deren Dienstleute sind
auch ihre Lehenleute.
Nördlich von Rohrbach wird daher auch die Grenze des
Besitzes und der Kulturtätigkeit von Griesbach und
Falkenstein gesucht werden müssen.
Bei der Auffindung derselben leitet uns die König-
steuerpflichtigkeit falkensteinischer Lehen, d. i. ur-
sprünglicher Bestandteile der Grundherrschaft Falkenstein. Als
solche unter fremden Herren sind im Urbar in dieser Gegend
folgende bezeichnet: in Hautzenberg, Hörleinsberg, Schönberg,
Steineck mit der Pfeffermtihle, Kolonöd, Weiksberg, Hund-
prening, Ober-Merzing, Unter-Merzing, Leiten, Stocket, Rümpf-
lergut, Lanzersdorf bei Rohrbach, Pfefferhof, Reut, Krien.
Hierzu tritt die Wahrnehmung, daß nach den Urbaren von
Falkenstein und von Marsbach Falkenstein den sogenannten
Krenauer- oder Krennbach von Oberkrenau angefangen bis zur
Neumühle hinab gemeinsam mit Marsbach (1570 und 1667
gleichbedeutend mit Passau) zu fischen hatte ;^ der Bach stellte
demnach eine vormalige Markung vor.
Für die Bestimmung der weiteren Grenze bietet das
große Marsbacher Urbar vom Jahre 1667 dienliche Anhalts-
punkte. Die Vorlagen derselben bildeten, wie verschiedene
Textstellen verraten, noch die Einzelnurbare der größeren und
kleineren Dominien, welche nach dem Jahre 1529 zur einzigen
Pflege Marsbach vereinigt worden sind, nämlich Velden, Par-
tenstein, Haichenbach, Tannberg mit dem Gerichte Peilstein,
Marsbach. Der Bestand eines jeden ist abgesondert vorgetragen;
voran Marsbach, zu dessen Urbar die wenigen Untertanen von
Haichenbach (8 in Dorf, der Mairhof zu Haichenbach, 1 in Puch-
^ Wortlaut des Falkensteiner Urbare s. S. 118; jener des Marsbacher Ur-
bars lautet: ,Mehr der Krenbach erhebt sich zu Krenau und wehrt an
Steg oberhalb der NeumQll*. Rubrik: Gemeinbftche von Tannberg und
Falkenstein im Gericht Peilstein. Auch die vereinzelnten passauischen
Lehen zu Wurmbrand unter Witigoneng^t (siehe S. 169, Anm. 2) sind
füglich als ursprünglich Griesbachscher Besitz zu deuten.
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bnmn, 2 in Au, 1 in Ort, 1 in Prodi, 2 in Kaindlstorf, 2 in
Witzerstorf, 6 in Haran, Rameseder, Weger, Puchbrunner, 2 in
Obemberg)^ einbezogen waren 5 hierauf folgt die Herrschaft
Tannberg mit dem Hofamt, dem Gericht Peilstein und dem
Amt Lembach, sowie dem Amt Tanbergschlag, dann die Herr-
schaft Velden, der Sitz Partenstein und die Herrschaft Wesen,
ganz zuletzt auf Bl. 848 ,die Ktinigsteur von anderer Herr-
schaften Underthonen^ nach Marsbach zu reichen und von
BL 921 an der Vogthafer, welchen 2 Untertanen von Sprinzen-
stein, 3 von Altenhof, 14 des Klosters Niedernburg (in den Ort-
schaften Mairhof, MennerstorfundAzgerstorf) abzuliefern hatten.
Die Herrschaft Velden xxmtsßte den Markt Velden (mit
48 Burgrechten), Untemberg (mit 4 Häuseln) und 1 Häusel in
Altenfelden, dann noch 17 Häusel. Als Untertanen ,der Pfleg
Velden' sind speziell aufgeführt Stephan Weeß zu Diendorf Pfarre
Peilstein, Matthias Wegerbauer zu Kanden, Thoman Ebner zu
Eckartsberg, Michael Leidner und Georg Glax zu Krenau,
Gregor Pfoser am Ramlerhof, Georg Heuraffel auf der Parschled,
Philipp Ott zu Haselbach, Marx Kleebauer zu Reut. ,Volgt die
Königsteuer — heißt es — , welche am tag Stephani in
heyl. Weinnacht bey dem Marcktgericht Neufelden ein-
genohmen und zur Herrschaft verraith würdt';* es sind 165
Untertanen von Ptlmstein, Lichtenau, Berg, Helfenberg, Götzen-
dorf, Sprinzenstein (1), Blumau, Partenstein, Tannberg, der
Gotteshäuser Pfarrkirchen und Haslach, des Pfarrhofes Rohr-
bach und des Hochstiftes Passau (1 zu Neundling bei Lem-
bach). Dieselben befanden sich zum allergrößten Teile in den
P&rren Rohrbach und Altenfelden, aber auch nicht wenige in
den Pfarren Peilstein, Sarleinsbach, Niederkapell, Lembach,
von denen, da sie teilweise sogar nach Marsbach näher als
nach Neufelden zu gehen hatten, zu vermuten ist, daß ein histo-
rischer Zusammenhang mit Velden bestanden habe, der auch
unter den nachfolgenden Herren wirksam blieb. In früheren
Zeiten war — - ganz im Gegensatze zu den schnell wechselnden
Einrichtungen der Neuzeit — das Beharren bei den alten Ge-
wohnheiten ein ungemein zähes, man hielt an dem fest, ,was
von Alter herkommend Velden war schon 1217, 1220 die be-
^ Gilt und Kleindienst betrag 1596 nur 6 fl. 2 ^ 2 ^. Passauer Blech-
kaatenarchiv Nr. 231, Fasz. 76.
' Urbar von Marsbach, Bl. 444.
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deutendste, wenigstens hervorragendste Ortschaft des Land-
striches an der Großen Mtihel, hier saßen seit dem 14. Jahr-
hunderte die Pfleger und Landrichter, hier blieb die Land-
gerichtsschranne, der Fronbote und die Richtstatt auch dann,
als der Pfleger und Landgerichtsverwalter nach Marsbach ge-
wandert war. Der Marktrichter führte in der Schranne den
Vorsitz, war mit den minderen landgerichtlichen Verrichtungen,
öfters auch mit der Verwaltung der Pflegen Velden und Parten -
stein betraut, ihm verblieb daher auch die Einhebung und Ver-
rechnung der nach Velden gehörigen Königsteuer. Es darf
deshalb aus denselben Gründen, die bei Falkenstein ausschlag-
gebend waren, der Schluß gezogen werden, daß die fremden
königsteuerpflichtigen Güter einst Lehen, von Velden ausgehend,
gewesen sind, entweder noch von den Herren von Griesbach
oder nachhin von Passau verliehen, wornach sie dem Bestände
der Herrschaft der Griesbacher zuzurechnen kommen.
Ziehen wir ferner in Betracht, daß die passauische Lehen-
herrschaft Sprinzenstein nach dem Urbar 1548/1550 kein ein-
ziges freies Eigen in sich begriff und alle Untertanen derselben
königsteuerpflichtig waren, so ist nicht zu zweifeln, daß ihre
Markungen auch ihren ältesten Bestand anzeigen. Hiemach er-
hielten wir für das Gebiet der weltlichen Grundherrschaften
Falkenstein und Velden (Griesbach) am rechten Ufer der Großen
Mühel gegen den hochstiftischen Besitz gegen Westen und
Norden folgende Abgrenzung:
Im großen und ganzen ab Obermtihel die Kleine Mühel
bis Hühnergeschrei, von hier durch Stierberg, Mairhof bei
Altenfelden, Rumersdorf, östlich vom Grübler, Unter-Fischbach,
Pitretsberg, Kümerding, Ober-Krenau, längs dem rechten Ufer
des Krennbaches bis zu dessen Einmündung in die Große Mühel
zwischen Weichsberg und Natschlag etwas unterhalb von
Schlägl.
Unter dieser Voraussetzung erklärt sich auch viel besser
die Durchsetzung der Pfarre Rohrbach mit Falkensteiner Besitz,
es blieb dann die Kolonisationsarbeit der Griesbacher nicht auf
ganz unerklärliche Weise schon eine Strecke vor Rohrbach
stehen, vielmehr drang sie vereint mit jener von Falkenstein
bis zur Großen Mühel gegenüber von Schlägl vor, auf welchen
Gang auch das Vorkommen der Griesbach-Blankenberger Va-
sallen auf dem rechten Mühelufer hinweist. Die Urbarmachung
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271
von Seite Passaus ging dann den geraden natürlichen Weg
vom Donaustrande aus durch die Pfarre Sarleinsbach hindurch
ebenfalls nach Norden an das rechte Ufer der Großen Mühel.
Die vorgetragene Anschauung wird durch die Wahrneh-
mung unterstützt, daß verschiedene Güter im späten Mittelalter
halb von Osterreich (als Innehabung von Falkenstein) und halb
vom Hochstifte Passau zu Lehen rührten: so 1380 und 1396
,das halbe gesezz auf dem Perg' ob Rohrbach (1542 bereits
allodialisiert; vgl. Stmadt, Velden 147/75), 1350 der halbe Hof
zu ,Herleinsperg' bei Rohrbach (,den leicht halben der von
pazzau^, 1396 der halbe Hof Gundackers von Tannberg zu
Ort (Obernort bei Lembach ,halbe von meinem hem zu lehn
und von dem von passau halbe') ;^ 1675 werden der halbe Hof,
dann die halbe Urbans- und die halbe Wölfl-Hofstatt zu Grub
als passauische Lehen bezeichnet,^ die zweiten Hälften gingen
nach den im Eingange dieses Abschnittes angeführten Urkunden
von Osterreich zu Lehen.
Die Urbare von Rannarigel dürfen zur Feststellung des
älteren Besitzstandes der Kirche Passau nur in beschränktem
Maße herangezogen werden; denn schon der bedeutende Um-
feng dieser Lehenherrschafk erregt die Vermutung, es seien im
Laufe der Zeiten an Rannarigel bedeutende Zuweisungen aus
unmittelbarem Kirchengut erfolgt, um dieses Schloß für die
Gläubiger des Hochstiftes zu einem annehmbaren Pfände und
Nutzgenusse auszugestalten. Daß der östliche Teil der heutigen
Pfarre Rannarigel, daher auch die Stelle, auf welcher der ,Turm'
Rannarigel erbaut worden ist, noch im Jahre 1220 Griesbach-
sches Gebiet war, was auch mit den Untertanen von Ranna-
rigel in den Pfarren Gotsdorf und Griesbach der Fall war, ist
aus dem Verzeichnisse S. 145 — 147 zu ersehen. Außer den Hol-
den im Osten, vermischt mit den falkensteinischen Untertanen,
wird vonseite Passaus zur ersten Verleihung an die ,Falken-
steiner' nur das große Waldgebiet des unteren und oberen
Forstwaldes von Tumreut (,Tuttenreut') Pfarre Wegscheid bis
zum Pleckenstein und Dreisesselberg im Norden und bis gegen
Fürholz im Westen verwendet worden sein.
^ Lehenbücher der Herzoge Albrecht III. und Albrecht IV. 1380 und 1396
im k. und k. HanB-, Hof- und 8taat8archiy in Wien, Handschr. 421, 39.
' Urbar Ton Piberstein im Archiv zu Helfenberg.
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272
Am Forstwald, als dessen Anfang noch im Jahre 1578^
die Umgebung von Turnreut angegeben wird, scheint die Ur-
barmachung lange Zeit Halt gemacht zu haben; die letzte Ko-
lonie, von Falkenstein aus vorgeschoben, blieb die große Dorf-
markung Wilden-Ranna an der Ranna mit ihrem Gemeinwald.
Über den Griesbachschen Besitz hinaus läßt sich in dem Ge-
biete nördlich von Röhmbach kein Kirchengut von Passau vor
dem Jahre 1220 nachweisen; viele Ortschaften verraten schon
durch ihre Namen, daß sie in der Neuzeit entstanden sind, wie
Annatal Pfarre Maut, Ludwigsreut Pfarre Grainet, Theresien-
reut Pfarre Grainet. Herzogreut dürfte in die Regierungszeit
des Administrators Herzog Ernst von Bayern (1517 — 1554) ge-
hören, während Bischofreut und Auerspergreut Pfarre Grainet
unter Bischof Josef Franz von Auersperg (1783 — 1803) ange-
legt wurden. Nachweislich entstanden Leopoldsreut Pfarre Grainet
unter Erzherzog Leopold (1598 — 1623), Philippsreut unter Bischof
Johann Philipp von Lamberg (1690 — 1712), Raimundsreut Pfarre
Hohenau unter Bischof Raimund Ferdinand Graf Rabatta (1713
bis 1722), Vorder-, Mitter- und Hinter-Firmianreut unter Bischof
Leopold Ernst Graf Firmian (1763—1783). Um das Jahr 1260
werden Hz (Ilzstadt), Huttum, Kellberg, Griesbach — das 1223
noch Filiale von Östemberg [Estemberg im Inviertel] war — ,
Hauzenberg, Wegscheid, Waldkirchen, Freyung, Perlesreut und
Röhrnbach als Pfarren aufgeführt.* Während den Bürgern von
Ober- und Nieder-Griesbach schon Bischof Otto (1254—1265)
ihre Rechte bestätigt hatte, wurden den Orten Hauzenberg und
Wegscheid erst 1359/1360 vom Bischof Gottfried Marktrechte
verliehen.* Das Aigen Röhmbach, welches ursprünglich den
Herren von Griesbach zuständig gewesen, nachmals an die
Puchberger zu Wildenstein gediehen war und bis 1592 den
Herren von Schwarzenberg gehörte, die es wieder mit der
^ Anschlag und Schätzung der Herrschaft Rannarigel 1578, 25. Juni,
Fasz. R 2 im Hofkammerarchiy. ,8ein guetter 2 meill wegs hinein und
von Tuttenreidt biß an den Plekkenstein, nach der leng, das ist Ton
mittag gegen mitternachtwerdts drej grosser Teutscher meill wegs lang
und die praitten bej Tuttenreidt ain viertl meill im mitl ain meill, und
vom Pleckenstain biß geen Fürholz zwo grosser meill wegs/
« Mon. Boic. XXVIH b, 488.
' Bischof Leonhards Kopialbuch Hochstift Passau 14 Cod. germ. 209 im
k. allgem. Reichsarchiv zu München.
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273
Erbtochter des letzten Puchbergers (Jakob) erheiratet hatten,
wurde gar erst 1624 zum Markte erhoben.*
Von Wegscheid bemerkt die ,kurze Auskunft' (BI. 11),
daß über die Entstehung dieser Ortschaft gar keine Nachricht
vorhanden sei, daß Wenzelreut erst unter Bischof Wenzel
(1664 — 1673) gegründet und die Pfarre Breitenberg sogar erst
unter Bischof Raimund Ferdinand (1713—1722) errichtet wor-
den sei. Der Ort, abseits vom Verkehre, wird in dem Ilzstädter
Weistum nicht erwähnt, er mag lange eine kleine Ansiedlung
im Forste geblieben sein; das von Lamprecht (in der topogr.
Matrikel) dem Cod. trad. von Suben (Oberösterreichisches Ur-
kundenbuch I, 427) entnommene Zitat c. 1130 bezieht sich auf
ein Wegscheid in der Richtung gegen die Vils, nicht auf den
heutigen Markt Wegscheid, der allem Anscheine nach kaum
vor dem Eintritte des 13. Jahrhunderts besiedelt worden ist;
bis dahin möchte dieser Teil des Forstwaldes noch unter die
Herren von Griesbach gehört haben. Erst nach dem Anfalle
ihres Gebietes an Passau dürfte die Urbarmachung von Osten
her über das Osterwasser herüber in Angriff genommen und
auch diese, selbst heute noch rauhe und wenig wirtliche Berg-
gegend fllr die Kultur gewonnen worden sein.
Auch in dieser Beziehung gestattet die Verpflichtung zur
Reichung der Königsteuer eine nicht unwichtige Fol-
gerung.
Nach dem ,Vrbar oder Stüfft Buch des Landgerichts der
Abtey' vom Jahre 1545* ist die weitaus größte Mehrzahl der
Güter dieser Steuer unterworfen. Ausgenommen waren nur
1 Lehen in Prasreut [Huttum], 3 Seiden in Rörnbach, 2 Lehen
in Grub [Griesbach], 3 Lehen in Haberstorf [Griesbach],
1 Lehen in Haunerstorf [Griesbach], 1 Lehen in Gotting [Gries-
bach], die Knittlmühle [Griesbach], 2 Lehen in Scherleinsöd
[Griesbach], 1 Lehen in Niederndorf [Obemzell], 7 Lehen in
Loifing [Hautzenberg], 3 Lehen in Donauwetzdorf (Tymau),
2 Lehen in Hamet [Obemzell], 2 Halblehen in Niederhofen
* Bericht und Ansk. von der Stadt und dem Hochstifl Passan, Bl. 185—
159, Cod. germ. 1742 in der k. Hof- and Staatsbibliothek in Mfinchen.
* Im k. allgem. Reichsarchiv in München Rep. Hochstift Passau 143.
Unter dem Landgericht der Abtei wurden damals die Ämter ROmbach,
Hautzenberg, Ffirsteneck, Hacklberg, Windberg mit Ratzmansdorf unter
Ausschluß des Pfleggerichtes Wolfttein verstanden.
Archiy. XCIV. Band. 19
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274
[Obernzell], 1 Lehen in Orzstadl, 2 Lehen in Nazberg,
1 Lehen in Hetzmansöd, die Kaindlmtihle [Kellberg], 1 Hof
und das Wirtshaus in Kellberg, 1 Hof in Kapfham [Kell-
berg], 1 Gut in Schergendorf [Kellberg], 1 Gut in Püechl,
3 Güter in Spechting [Griesbach], die Mühle in Stollberg
[Griesbach], 1 Lehen zu Eck, 1 Lehen zu Niedemdorf [Obern-
zell], 2 Lehen zu Loizeradorf [Tittling], die Wiesmühle [Per-
leinsreut], der Markt Perleinsreut [darunter 10 unbehauste
Lehen], 6 Güter am Riedl [Gottsdorf], 2 halbe Höfe und
2 Häuser in Jochenstein, die Leitenmühle bei Jochenstein,
10 Lehen und Häuser in Gottsdorf, der Schweinheldenhof,
2 Güter in Höhenberg, 2 Lehen in Wesseslinden, 2 Lehen in
Wüstenberg, 1 Lehen in Ober-Aschenberg [Rannariedl], der
Gebrechtshof [Griesbach], die Schlattmühle [bei Wilden-Ranna];
dann in den vier Ämtern des Klosters Niedemburg Straß-
kirchen, Waldkirchen, Huttum und Kellberg: die Tafeme in
Würmeck [Straßkirchen], 4 Lehen in Klein-Tungaßing, 2 Höfe
in Kräbling, 1 Hof und 2 Halbhöfe in Lenzersdorf [Huttum],
2 Höfe in Landim [Huttum], 4 Höfe in Lebersberg [Huttum],
10 Lehen in Auretstorf [Huttum], 13 Lehen in München [Huttum],
6 Lehen in Auberg [Huttum], 13 Lehen in Willasreut, 6 Höfe in
Ulrichsreut [Römbach], 10 Lehen in Ensmansreut [Waldkirchen],
15 Lehen in Schefweg [Innemzell], 2 Höfe in Wimperstadl [bei
Germansberg], 15 Lehen in Groß-Tungaßing, 10 Lehen in
Kringel [Huttum], 2 Höfe in Brennschinken [Huttum], 4 Höfe
und 4 Lehen in Huttum, 2 Höfe in Hetzendorf [Hutturn], die
Mühle in Satzbach [bei Hgstadt], 2 Lehen zu Gießhübl,
6 Lehen in Ruhmansreut, 2 Lehen in Hermanstorf [Hautzen-
berg], 3 Lehen in Penzenstadl [Hautzenberg], 1 Gut in Pfaffen-
reut [Griesbach], 1 Gut in Erlau [Obemzell], dann noch 1 Gut
in Katztobl.
Von diesen Gutem lagen die allermeisten in der Nähe des
Donaustromes oder der Hz, nur einzelne nord- und waldwärts.
Sie repräsentieren augenscheinlich die ältesten Siedelungen
im Gegensatze zu den jüngeren, welche den Boden erst dem
Walde abgewinnen mußten und für die Gestattung der Rodung
mit der Königsteuer belegt wurden.
Die Kirche Passau hatte in den früheren Jahrhunderten
hauptsächlich in den ebenen, fruchtbaren Gegenden Nieder-
bayems Besitz erworben ; die Bestrebungen der Bischöfe waren
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276
geraume Zeit darauf gerichtet, die Herrschaft über die Stadt
zu gewinnen,^ die Waidrodungen ließen sie lange außer
acht. Für letztere Angabe legt Zeugnis ab das sehr späte
Erscheinen passauischer Ministerialen auf dem linken
Donauufer, erst nach dem Jahre 1160 treten die Tann-
berger und die Marsbacher, die ursprünglich im nachmaligen
Inviertel ihre Stammsitze und dort auch bisher gehaust hatten,
und noch etwas später die Haichenbacher auf; erst von diesem
Zeitpunkte an werden sie im Mühellande seßhaft, ohne ihren
Besitz zwischen In und Donau völlig aufzugeben.*)
Aus allen diesen Darlegungen erhellt, daß die Kolonisation
des Landes der Abtei im weiteren Sinne, d. i. zwischen Ilz
und Großer Mühel in der Hauptsache von den großen freien
Geschlechtem ausgegangen ist und die Kirche Passau erst spät
und in verhältnismäßig geringem Maße an der Urbarmachung
des Nordwaldes teilgenommen hat; bloß die linken Uferränder
der Hz bleiben für die kulturelle Tätigkeit des Hochstiftes
übrig und selbst hier wäre erst noch das Wirken der Herren
von Hals besonders in Anschlag zu bringen^; denn über jene
Stellen, an welchen noch in den Tagen der Griesbacher das
Feld in den Wald vorgerückt war, ist auch das Hochstift
geraume Zeit nicht hinausgelangt.
^ Siehe hierüber: Strauß, Die Begründung der Stadtherrschaft der Bischöfe
von Passau und die Urkundenfälschung des 10. Jahrhunderts. Mitteil,
des Inst. f. Osterr. Geschichtsf. XXVI, 128—135, und Dopsch, a. a. O.
330—336.
■ Siehe die eingehenden Erörterungen in Velden, S. 106—109, 34—37,
und in Peuerbach, 8. 172, 360, woselbst auch die Stammtafeln zu
finden sind.
' Oennansdorf Pfarre Hauzenberg, eignete 1258 den Herren von Hals,
von welchen die 14 Lehen daselbst die Brüder Albero und Ricbker von
Pemstein zu Lehen trugen (Mon. Boic. XXIX b, 234). Außerhalb der
Kultursphäre der Halser gelegen, scheint Germanstorph ebenso wie die
9 Güter in Buhmanstorf (Rudmarstorph), 8 in Kollersberg (Chalhoh-
perge), 4 in der öd bei Penzenstadel, 2 in Kinatöd (Ghinitege), der öd-
hof und die Kropfinühle, 3 in Pfaffenreut, 4 in Sachsing, 3 in Backling,
der Kühbachhof ursprünglich den Herren von Griesbach zuständig und
erst 1220 aus griesbachischen zu passauischen Lehen geworden zu sein.
Unter dieser Voraussetzung dürfte Griesbacher Besitz noch östlicher bis
an den KtUiberg, den Renftingberg, den Ruhmansberg, den Frauenwald
und den Sausberg gereicht haben. Mit Ausnahme von 2 Lehen gehörte
ganz Germanstorf nachmals unter Rannarigel.
19*
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276
Nach den in diesem Abschnitte entwickelten Grundsätzen
und Gesichtspunkten wurde die Kartenbeilage* entworfen, welche
einerseits den Gang der Kolonisation in dem gedachten ehe-
maligen Waldgebiete, andererseits den ursprünglichen Besitz-
stand der weltlichen Grundherrschaften sowohl als auch der
Kirche Passau zur Anschauung bringen soll; sichere Ergeb-
nisse wurden mit Flächenkolorit, wahrscheinliche oder bloß
mutmaßliche mit Randkolorit ausgezeigt, das Gebiet der Kirche
Passau, um dasselbe gegen die fremden Grundherrschaften
besser sich abheben zu lassen, gar nicht mit Farbe versehen.
Ebenso wurde das Amt Jochenstein nicht koloriert. Der Streu-
besitz von Falkenstein im Westen reichte mit Wingersdorf bis
über die Erlau, wenn die Ortschaften in Betracht gezogen
werden, in welchen Chunrad von Falkenstein das Gericht
hegte (S. 145); er durchsetzte die Stammgüter der Herren von
Griesbach in gleicher Weise wie im Osten. Da jedoch die vor-
malige Zugehörigkeit zu Falkenstein zwar wahrscheinlich, jedoch
nicht völlig gesichert erscheint, wurde ihre farbige Auszeigung
in der Kartenbeilage unterlassen. Das Kartenbild bringt eine
große Überraschung, weil es im Widerspruch steht mit der
Anschauung, welche bisher über die zivilisatorische Tätigkeit
der Kirche Passau im sogenannten Ilzgau die heiTschende war
und sich auf die vielgenannte Schenkung Kaiser Heinrichs II.
an das Kloster Niedemburg stützte.
Diese Urkunde ist nunmehr textkritisch veröffentlicht in
den Kaiserurkunden der Monuments Germaniae*. Diese, datiert
Regensburg, April 1010, ist nach dem paläographischen Befunde
die Nachzeichnung eines Originaldiploms aus dem Ende des 11.
oder Anfang des 12. Jahrhunderts. Das Diktat entspricht
dem Schreiber der Schenkung an Bamberg 1007, 1. November
(Dipl. III, 198). Ein dux Hezelinus (Heinrich von Bayern)
kann so kurze Zeit nach seinem Sturze nicht Intervenient sein,
aber Passau mochte ein Interesse daran haben, die Verleihung
unter Zustimmung des Herzogs erfolgt darzustellen. ,Daß der
verbriefte Besitz in diesen Grenzen auf eine Schenkung Hein-
richs zurückgehe, ist daher nicht sicher. An der Urkunde
^ Für die große Sorgfalt "bei Herstellung derselben sei hier Herrn Re-
giemngsrat Karl HOdlmoser schuldiger Dank gesagt.
^ Dipl. O. ni, 253. Diplom im k. allgera. Reichsarchiy in München.
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277
sind kleine Bruchstücke des Siegels übrig, dessen Echtheit
sich nicht bestimmen läßt/
So die Herausgeber der Diplomata. Es kommen noch
andere gewichtige Verdachtsgründe hinzu.
In dem Landstriche zwischen Rotel und Großer Mühel
hatte Passau vor Ende des Jahres 1231 überhaupt nicht den
geringsten Besitz; die Niedemburgische Hofinark Landshag war
ursprünglich dem Kloster St. Emmeram zu eigen und von diesem
geistlichen Hause zweifellos an die Frauenabtei gediehen. Auch
im Mühellande ist noch im 12. Jahrhunderte das Kirchengut
nicht bedeutend, im Zentrum erstreckt sich die freie Herrschaft
Falkenstein, rechts und links von derselben der gleichfalls freie,
allem Anscheine nach ziemlich geschlossene Griesbacher Besitz,
beide mehr oder weniger tief in den Nordwald eindringend. Die
Eigenleute von Niedemburg befiEtnden sich — mit Ausnahme
von 15 in der Pfarre Waldkirchen, 4 in der Pfarre Perlesreut
und 2 in der Pfarre Wegscheid — in den ebeneren Gegenden
donauwärts, in den Pfarren Ilzstadt, Tymau, Straßkirchen,
Tittling, Tiefenbach, Hauzenberg, Huttum, Kellberg ;^ eingeteilt
in sieben Amter in der Abtei und eines in Oberösterreich.
Daß die Abtei von den Bischöfen des großen Besitzes beraubt
worden sei, widerspricht der Wahrnehmung, daß dieselben sich
häufig freigebig gegen das Kloster bewiesen haben ;^ richtig
ist nur, daß das Kloster zur Herstellung der verfallenen Zucht
dem Hochstifte inkorporiert worden ist.
Ganz unbeantwortbar bleibt die Frage: Wo wäre denn
die portio silvae ausfindig zu machen, welche von den Quellen
der Hz und der Rotel bis an die Donau reichte? Denn
in den angegebenen Grenzen schalteten und walteten die freien
Herren von Wilhering -Wachsenberg, von Schönhering-Blanken-
berg und Eppo, von Griesbach und von Falkenstein. Es ist
daher entweder überhaupt keine Waldschenkung an Niedem-
burg erfolgt oder dieselbe hat sich — wie nach den Dar-
^ Nach dem ,TabelUri8chen Konspekt aller Ortschaften, worin das ehem.
Hochstift nnd Domkapitel Passan and das Kloster Niedembargf Gerichts-
oder Qmnd-Unterthanen hatten.' 1815 von Joh. Nep. Buchinger im k.
allgem. RelchsarchiT in Mfinchen. Hochstift Passau Rep. 118.
* Vgl. Mon. Boic. XXIX b, 188, 284/244, 288/286; Buchinger I, 242, 253,
269, 270, n. 27, 28, 41, 67, 68, 108, betreffend die Erwerbungen Ober-
haupt und solche von Seiten der Bischöfe.
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278
legangen in diesem Abschnitte zn erachten — höchstens auf
den schmalen Waldstrich am linken Ilzofer beschränkt^ anf
welchem allein eine passanische Rodungstätigkeit wahrnehmbar
ist^ und etwa noch auf einen Teil der Donaxdeiten. Es müßte
auch wirklich wundernehmen, wenn das Hochstift eine Land-
nahme durch die freien Geschlechter gedxddet hätte, falls es
auf das Gebiet durch königliche Schenkung einen Anspruch
besessen hätte, während doch erst nach der Mitte des 12. Jahr-
hunderts die Donauleiten von passauischen Vasallen besetzt
wurde. Die passauischen Prätensionen waren jedoch zurzeit
der Anfertigung der Fälschung — denn eine solche ist sie
nach den erhobenen Umständen außer allem Zweifel — ins
Ungemessene gewachsen, so daß es vielleicht zweckdienlich
schien, das Objekt der Schenkung möglichst weit auszudehnen.
Die Fälschung erfolgte im bequemen Anschlüsse an die beiden
echten Schenkungen Heinrichs H. an Niedemburg 1010,
19. April (Dipl. IH. 251, 252), besonders an letztere, wodurch
der König dem Ehester ein ihm durch Richterspruch zuge-
fallenes Gut ;Situm in villa Winidorf in comitatu Adalberti co-
mitis in pago vero Sweinigowe' vergabte. Der Graf Adalbert
und sein Komitat zwischen Hz und Rotel ^ werden in Zukunft
bei Forschungen keine Rolle mehr spielen ; an Stelle der doku-
mentierten ,Gewißheit' wird bloß die Vermutung zu treten
haben, daß des Babenbergers Adalbert Komitat sich, wenigstens
nominell, bis zur Großen Mühel erstreckte.
Das Originaldiplom oder vielmehr die Ausfertigung der
erweiterten oder ganz edundenen Schenkung fällt in die
Regierungsperiode Bischofs Ulrich (1092—1121),* aus welcher
^ Als Hypothese angesetzt in den Erlftuternngen S. 8 (Stammtafel), S. 12
(Fürstentum Passau).
' Ulrich war im Investiturstreite der eiMge, zugleich einzige Anh&nger
seines Metropoliten, des Erzbischofs Chunrad yon Salzburg, welcher
am heftigsten dem Abkommen von Sutri (9. Februar 1111) zwischen
K. Heinrich V. und Papst Paschalis II. widerstrebt hat. Es ist daher
nicht obneweiters die Vermutung abzuweisen, daß gerade Ulrich es
gewesen ist, welcher zurzeit der Romfahrt des KOnigs die Ausfertigung
des Falsifikates veraulaßte, um für alle Fälle dem Besitze seiner
Kirche jenseits der Donau eine breite Unterlage bu verleihen; hierzu
stimmt, daß als Intervenient Herzog Hezilo genannt ist, was erforder-
lich schien, da der damalige Herzog Weif (der Dicke) auf Seite des
Königs stand.
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279
ein anderer bedenklicher Qabbrief fiir Niedemburg^ vorhanden
ist Die Kirche Passan suchte wohl, als die Exdtorarbeit schon
große Dimensionen angenommen hatte^ durch Fingierung einer
ausgedehnten Waldschenkung sich einen älteren Rechtstitel zu
verschaffen, um gegebenenfalls auf den ganzen Landstrich die
Hand legen zu können.
Mit der Bezeichnung ^Abbatia' oder ^Land der Abtei^
wurde das hochstiftische Gebiet zwischen Qz und Großer Mühel
offiziell zum ersten Male in der Aufschreibung über das Hz-
stätter Weistum 1256,* also fast dritthalbhundert Jahre nach
der angeblichen Schenkung K. Heinrichs des Heiligen, zu-
sammengefaßt, obwohl auch damals die ältere Benennung
^iltsgeu' fiir den größeren westlichen Teil noch Geltung behielt.
Für die Gegend an der Mühel (circa Muhelam) hatte man
keinen eigenen Ausdruck.
Die rekonstruierte Herrschaft Falkenstein zeigt eine weitere
Auffälligkeit: nur das ziemlich spät der Kultur eröfinete Wald-
gebiet zwischen dem böhmischen Gegenbach und dem Wurm-
brandbach hat eine kompakte Geschlossenheit, wogegen der
übrige Körper von der Donau an nach Norden immer schmäler
wird und zahlreiche größere imd kleinere Stücke über den
ganzen Landstrich bis zur Großen Mühel im Norden und Osten
und bis zur Donau im Süden verstreut sind. Außerdem sind
im Westen viele Ortschaften ziemlich gleich zwischen Passau
und Falkenstein geteilt.'
* Bachinger 1, 139.
» Mon. Boic. XXIX b, 224. Vgl. Urkunde 1269 a. a. O. 492.
' Nach den Urbarien von Rannarigel 1510 and von Falkenstein 1662/1670
gehorten in
Grafenau
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Niederkapell
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Rannarigel
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280
Eine ähnliche Teilung, wenn auch in geringerem Maße,
ist auch im Osten zu beobachten, wo der ganze Markt Rohr-
bach und 19 Häuser des Fleckens Lembach der Herrschaft
Falkenstein unterworfen waren. Daß noch gegen Ausgang des
Mittelalters falkensteinische Lehen auf vormals Griesbachschem
Boden (zu Harnet und Niedemdorf Pfarre Obemzell) nachweis-
bar sind, wurde auf S. 181 Anm. 1 gezeigt.
Diese Feststellung, zumal die Tatsache, daß so viele
falkensteinische Exklaven von ehemaligem Griesbachschem Ge-
biete umschlossen waren, führt zu dem Schlüsse, daß diese
beiden weltlichen Grundherrschaften in enger Verbindung und
ohne bestimmte Abgrenzung das große Kolonisationswerk im
Nordwalde gemeinsam in Angriff genommen und zu einem be-
deutenden Teile auch vollbracht haben, daß daher die Aus-
einandersetzung des bisher gemeinsamen und die Entstehung
des falkensteinischen Brockenbesitzes erst nach dem Jahre 1 220
erfolgt ist.
Die erhobenen Verhältnisse erlauben in den Folgerungen
noch weiter zu gehen. Auf S. 263 wurde als auffallende Tat-
sache hervorgehoben, daß Falkenstein über die Güter des
Klosters in und um Puzleinsdorf völlig unangefochten vom Hoch-
stifte, welchem doch die Abtei inkorporiert war, Vogteirechte
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Die 72 Häuser in Mitterschlag, Heinricbschlag, Heinrichsberg, Stift und
Unterleiten je zur HHlfte.
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Vordernebel berg „ Peilstein 6
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Hinterschiffl
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Ensmansreut
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Sagberg
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281
und selbst den Blutbann ausübte. Eine Dingvogtei ist aus dem
Grande nicht anzunehmen^ weil die Herren auf Falkenstein
dieses Amt niemals aus den Händen des Bischofs empfingen^
sondern ihr Recht im eigenen Namen übten. Stand aber die
Wahl des Vogtes weder dem König noch dem Kloster oder
dem Bischof zu, so erübrigt nur, den Ursprung dieser Vogtei
in dem Rechte der Stifter, sich die Erbvogtei vorzubehalten,
zu suchen, demnach zu folgern, daß das an das Herrschafts-
gebiet anstoßende EUostergut aus einer Schenkung der Herren
auf Falken stein herrühre und ursprünglich einen Bestandteil
ihres freien Dominiums gebildet habe. In der Tat mangelt im
passauischen Archive — mit Ausnahme der Schenkung einer
Güte von V2ß ^ von burgrechtpflichtigen Häusern in Putz-
leinsdorf durch Bischof Rudeger — jede Nachricht über den
Erwerb Niedemburgs.
Nach den vorausgegangenen Erörterungen ist es wohl nicht
mehr gewagt, eine Vermutung darüber auszusprechen, auf
welche Weise die Grafengewalt sich an die Burgen
Griesbach und Falkenstein heften konnte. Daß das
Grafengericht durch Teilung einer Grafschaft oder durch Kauf
von Stücken einer solchen erworben worden wäre, muß schon
deshalb ausgeschlossen werden, weil der ganze Landstrich, noch
im 10. Jahrhunderte vom Walde erfüllt, nichts anderes als ein
ungeheurer Forst gewesen ist; erst vom folgenden Jahrhunderte
ab wurde derselbe von den Hörigen und Vogtleuten der großen
Grundherrschaften (von Gemeinfreien findet sich keine Spur)
gelichtet Als herrenloses Land gehörte der forst ausschließlich
dem Könige; für die Riedmark spricht das K. Chunrad HI.
ausdrücklich aus (siehe S. 100). Erst durch die Rodungsbe-
willigung ging Grund und Boden in Privateigentum über.
Was ist natürlicher als die Verleihung des Grafenamtes
durch den König an die Grundherrschaften zugleich
mit der Bewilligung der Urbarmachung des Königs-
forstes? Die freien Herren hatten dann den Blutbann vom
König einzuholen imd diese unmittelbare Bannleihe an dieselben
vom Reichsoberhaupte selbst wird um so leichter fortgedauert
haben, als Bischof Ulrich von Passau 1217, 24. Jänner^ von
K. Friedrich H. nur über die hochstiftischen Güter im Ilzgau
Mon. Boic. XXX a, 56.
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282
die Grafenrechte (Comitatum prediorum ecclesie Pataviensis
sitorum per loca Ylsgowe) erhielt und auch diese wieder dem
Herzoge Ludwig von Bayern zu Afterlehen weiterlieh. Das
Bedenken wegen Eintretens der Irregularität infolge Übertragung
des Blutbannes scheint jedoch bei Bischof Ulrich nicht lange
angehalten zu habeU; weil er schon nach drei Jahren (1220^
5. September)^ den Herzog bewog, ihm die Grafschaft wieder
aufzulassen. Von diesem Zeitpunkte an machte aber Ulrich
alle ihm als Reichsftlrsten (infolge Verleihung des Fahnlehens
1217^ 21. Jänner)^ zustehenden Rechte geltend. Die gräflichen
Rechte des letzten Herrn von Griesbach, Heinrich, wurden
Afterlehen vom Hochstifte. Von den Herren auf Falkenstein
dagegen vermochten die Bischöfe eine solche Unterordnung
nicht zu erlangen, wahrscheinlich deshalb, weil die Herrschaft
in die Innehabung der mächtigen Witigonen übergegangen war,
in welcher sie blieb, bis der erste Habsburger darnach gegriffen
und den Ftirstenrechten von Passau zwischen Ranna und Dz
ein geräuschloses, aber dauerndes Ende bereitet hat. Die Witi-
gonen mögen anfangs noch den Bann vom Reiche empfangen
haben, zurzeit der Eroberung Falkensteins durch Herzog
Albrecht I. (1289) verliehen schon lange die Laienftlrsten selbst
ihren Richtern die Gerichtsgewalt.*
Fünfzehnter Abschnitt.
Die Riedmark. I. Das alte Landgericht Freistadt
und seine Zweige.
Der Nordwald war im Laufe des 13. Jahrhunderts bis in
den nordöstlichen Winkel zurückgewichen, der noch heute den
Namen ,im Freiwald' fiihrt; die Rodungen gingen von dem
Regensburger Lehen Prandegg, in besonders intensiver Weise
aber von der landesfUrstlichen Lehenherrschaft Reichenstein
aus, zu welchem lange die sogenannten Waldämter an den
* Mon. Boic. XXVUIb, 297.
• a. a. O. XXX a, 54.
' Für die vielfache Uuterstatzung der Arbeit erstattet der Verfasser an
dieser Stelle Herrn Hofrat Dr. Qustay Winter und Herrn Sektionsrat
Franz Kreyczi in Wien den gebührenden Dank.
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283
Quellenbächen der Aist hoch oben um Weidersfelden gehörten.
Zwischen den Jahren 1235 und 1240 muß; wie Dopsch^ fest-
zustellen in der Lage war^ eine Revision der landesftLrstlichen
Urbare stattgefunden haben^ um den geänderten Besitzverhält-
nissen Rechnung zu tragen; gerade im äußersten Westen hatte
der herzogliche Besitz außerordentlichen Zuwachs erhalten:
1191 die in Lehen verwandelten Eigen des Vogtes Friedrich
von Perge, 1217/18 die Eigengüter des Grafen Ulrich von
Klamm,« 1220/21 die große Herrschaft Wachsenberg, 1235 die
passauischen Lehen des Regensburger Domvogtes Otto von
Lengenbach zwischen Flanitz, Feld- und Waldaist.
Diese Revision wird den näheren Anlaß zur Abtrennung
der östlichen Hälfte der Riedmark unter der Bezeichnung eines
Landgerichtes Machland gegeben haben; denn die allererste
Kunde von dem Bestehen eines eigenen Distriktes Machland
erhalten wir nicht früher als durch die Verftlgung Herzogs
Friedrich V. 1240, 31. Jänner,' wodurch er die Klostergüter
von Waldhausen von der Gerichtsbarkeit und den Vogtrechten
des Richters im Machland befreit. Die Bezeichnung Machland
haftete ursprünglich nur an den Donauniederungen und wurde
erst nach der Abteilung auch auf die Berggegenden übei*tragen.^
^ Die öeterr. landesfürstl. Urbare im 13. und 14. Jahrhunderte. Einleitung
8. XLVU.
* Die Burgen Klamm, Klingenberg und Blasenstein. Rntenstein, zuerst
1265 erw&bnt (OberOsterreichisches Urkundenbnch III, 343), kennt der
1254 — 1256 geschriebene Eintrag im Cod. trad. pat. quart. (Mon. Boic.
XXIX b, 214) noch nicht; es dürfte wohl erst nachmals erbaut worden
sein, obwohl die Ansledlungen längst über Unter- Weißenbach hinaus-
reichten. Klamm kommt im Babenberger Urbar nicht vor, weil es schon
an die Holzer und Hauser weiter geliehen war (Oberüsterreichisches
Urkundenbnch III, 28, 170). Der Machländer Besitz hat überhaupt nur
eine sehr summarische Verzeichnung erfahren : das Officium Grein bildete
die landesfürstliche Herrschaft Werfenstein, wozu nebst dem Markte Qrein
Hintersassen in den Pfarren Grein und S. Nikola, dann die Ortschaften
Struden diesseits und Heßgang jenseits der Donau gehörten, sie ging
1498 in der Herrschaft Greinburg auf. Das Boinstein in der Schenkung
Engildeos an Passau 1037 (Zibermair in den Mitteil, des Inst. f. österr.
Geschichtsf. XXYI, 889, 412) ist wohl die Burg Pahin (S. Nikola in
Struden) an der Stelle des später genannten mptum castrum domine Helchin.
' OberOsterreichisches Urkundenbnch IH, 78.
^ Die Tradition eines Gutes ,quod situm est machlant' an Garsten (Ober-
Osterreichisches Urkundenbnch I, 164) trug eine Hand des 13. Jahr-
hunderts auf Blatt 34 des Garstner Kodex ein.
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284
Das Landgericht Kiedmark^ wie es noch bis in die Mitte
des 14. Jahrhunderts genannt worden ist, wurde von dem Mach-
lande nunmehr durch die Aist geschieden, und zwar von deren
Einmündung in die Donau bei Obersebing durch die vereinigte
Aist, von Hohensteg an durch die Waldaist oder sogenannte
Schwarze Aist bis zur Hammermühle unterhalb Weidersfelden,
von hier ab durch die Weiße Aist bis Monegg, von da durch
den Mückenbach über den Bauemberg hinüber zur Schwarzen
Aist, welche daselbst die Grenze gegen Niederösterreich macht. ^
Die erste Verkleinerung des Landgerichtes Freistadt fand
durch Ausscheidung der Umgebung von Mauthausen als
besonderes Landgericht und durch Bewilligung eines Hals-
gerichtes an den Markt selbst noch in der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts statt (siehe Erläuterungen). Das älteste Urbar
,Mäthausn' ddo. 1489, 31. Jänner* und jenes 1558, 15. Mai'
verzeichnen die Grenzen wie folgt: ,Das Landgericht hebt
sich an in der Thonau zu Sebam bey der Prugken, gehet nach
der Aist biß an die Zwißlmühle, von dannen gen Obenberg
der Landtstraß nach an den Lindenstamm zu der Aichen, von
demselben zwischen dem Schloß und Mayrhof zu Obenberg in
Marchbach, volgendts gestracks wider in die Thonau wie von
alter herkomen. Markts-Burgkfrid reicht vom undem Ort bis
zu der Capellen, von derselben gegen dem Mauthaußperg zu
der Pfarrkirchen, von dannen an das ober Ort deß Markts
biß zu der stainen Stigl mitten an die Stainwand.' Späterhin
wenigstens machte der Marbach nicht mehr durchwegs die
Grenze. Die 13 (ursprünglich 12) Freieigner, welche das Male-
fizrecht zu besitzen und die ,laitter zum [hoch] gericht^ zu
liefern hatten, hausten um Zirking, Loizenberg, Furt, Hinter-
holz, Haid. Malefizsachen, Rumor und andere strafinäßige
Handlungen gehörten nicht in das Markt-, sondern in das Land-
gericht und waren die Strafen, Wandel und Bußen dem Landes-
fUrsten zu verrechnen; die von Mauthausen hatten sich außer
ihres Burgfriedens keines Gerichtszwanges zu unterstehen. Das
* Vgl. die Orenzbeschreibungen in den Erlftateningen. Für die Aistgrenze
siehe noch den Lehenbrief K. Laslas 1465, 25. April (Notisenbl. 1854«
S. 832): Hof nnd Hofetatt za Weinzierl (zwischen Schwertberg und Perg)
in der Pfarre Nam und im Landgericht Machland gelegen.
' Orig. im Hofkammerarchiy.
' Vide Abschrift im Schloßarchiv Schwertberg.
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286
Schloß Pragstein, welches K. Friedrich III. 1491, 6. Dezember^
dem Ritter Lasla Prager zu erbauen gestattet hatte, löste
K. Max I. 1501, 6. März* wieder ein. Infolge Teillibells der
gräflich Meggauschen Erben 1644, 23. Oktober* wurde das
ohnehin kleine Landgericht dadurch eingeschränkt, daß der
Herrschaft Schwertberg die landgerichtliche Jurisdiktion auf
ihrem eigenen Boden und auf jenem ihrer Untertanen einge-
räumt wurde. Das Schloß Pragstein, 1644 den Cavriani zuge-
teilt, wurde vom Grafen Guido Max Cavriani 1770, 15. September
an Graf Gundacker Josef von Ttirheim auf Weinberg und Schwert-
berg, von Graf Andreas von Ttirheim 1894, 29. November an
die Ehegatten Leopold und Eugenie Heindl veräußert, welche es
1 901, 25. November dem Markte Mauthausen zu Gemeindezwecken
käuflich überließen. Bis 1850 gehörten zum Landgericht Pragstein
nur mehr die in der Anmerkung* aufgeführten Häuser. Der Markt
bildete das von ihm selbst verwaltete Landgericht Mauthausen.
Die Erteilung der Blutgerichtsbarkeit über die eigenen
Untertanen an Georg von Liechtenstein zu Steyregg 1517,
an Veit von Zelking zu Weinberg 1545 und an Heinrich
von Starhemberij zu Wildberg, Riedeck und Lobenstein sowie
auf den drei Ämtern hinter der Freistadt (Lichtenau, Grün-
bach, Windhag) '^ durchbrachen das feste Gefüge des Land-
^ Lichnowsky, a. a. O. Reg. 1662.
' Original von Windhag im Linzer Maseum.
* Urbar yon Schwertberg 1680, 29. Jänner, im Schloßarchiy Schwertberg.
* Vom Markte die HInser 107 Eräußlh&asl im Berg, 108 Schasterhänsl
im VogelhäuBl, 109 Seppenhänsl in der Schwalbengstetten ; vom Ver-
markte 6 Bergerhäns], 7 Franzlhäusl im Riendlgraben, 8 Schusterhäusl
im Riendlgraben, 9 Hansjörglhaas im Holz; yon der Ortschaft Brann-
graben 1 Seppenh&nsl (früher Nr. 143 Maathansen), 2 Aamttllerhflasl,
3 Seppenhäosel, 7 Hieselhänsel, 12 Hofstatt beim Freiholz; yon der Ort-
schaft Urfahr 7 Marbachmühle, 8 Blessergütl, 18 Kraftenhäasel ; yon der
Ortschaft Reisendorf 1 Warschnegergütl, 2 Häusel, 4 Spitallehengütl,
5 Simandl Erb.
^ RaahenOd gehörte schon 1286 (OberOsterreichisches Urknndenbach IV,
40) den Brüdern Sighard, Otaker, Albert and Peter von Lobenstein,
wohl ebenso wie der Besitz der Reichensteiner am Weidersfelden aas
herzoglicher Verleihang. Laat Lehenbaches Herzogs Albrecht IH. 1380
(im k. a. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien) hatte Rager yon Star-
hemberg ,aa leben die yest Lobenstain and den Markcht ze Zwetling . .
das Dorf Ottenslag, item 'alles . . in Grunpekcher pharre, in Würnthager
pharre . . und alle die recht an dem walde (Freiwald) daselb enhalb der
fireynstat gelegen als ez ze Lobenstain gehöret*. Das Landgericht und
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286
gerichtes Freistadt, wozn noch kam, daß Hans Haim Freiherr
zu Reichenstein^ 1583 ebenfalls die Ausübung der hohen Ge-
richtsbarkeitüberseine Untertanen zur gerichtlichen Anerkennung
brachte.
Das schon arg geschwächte Landgericht Freistadt wurde
im Jahre 1644 unter den Erben des Grafen Leonhard Helfried
von Meggau geteilt und in die zwei Landgerichte Schloß Frei-
stadt und Schloß Haus* geteilt 5 das erstere um das 1665 er-
den Blutbann über diese landesfttntlichen Lehen verkaufte Reichard Ton
Starhemberg 1569, 1. Jänner, an Joachim Stangl zu Reichenau (Reper-
toriam des Riedegger Archivs, Urkunde Nr. 1705); von Reichenau hießen
nunmehr diese drei Ämter ,Landgericht Reichenau' und wurden von
dort aus verwaltet.
^ Bis dahin war nur die Freiung unbestritten gewesen.
,Item von erst die freyung zu Reichenstain hebt sich an beim Hogerdl
[Högerl] gattem, Pennschickhen, vom Schicken ab geen Pachzelten, vom
Pachzelten geen gemainern in dem gatern, von dem gatem zu dem
Pfarrhof, und wer darein komb umb erbar sach, der hat rechte gefÜrste
freyung iar und tag. Derselben freyung soll er besteen von ainem
pfleger oder vor das hauß und geschloß zu Reichenstain gwaltsam ist,
mit zwayen pfeningen, und so ainer gejagt wierd, dem notturft geschech,
so soll er nuer ain messer in die freyung werfen, so hat ers schon
erlangt. Item so steedt die päd stuben zu Pregarten in derselben
freyung, und ob ainem derselben freyung not geschäch, der stedt in
allermassen und artickhlen als der freyung zu Reichenstain recht ist,
und ob ainer darein khum, der hat freyung uncz am dritten tag in der
zeit, so soll er ain podtschafft geen Reichenstain thuen, das man in
behuet. und die freyung recht beiengen mug, von ainem pfleger oder von
ainem anwaldt daselbst. Ob aber des nicht geschech, so mag er drey
dritt heraus tretten, und dritt er drey dritt wider hinein, so hat er aber
drey tag fridt und freidt, und mag das thuen als o£Ft und vill ine des
not und durfft beschiecht, unzt das man in behueten mag von Vrid-
stain. Item es solle auch kain freyinger kain waffen, noch werr mer
tragen, dann ain messer^ das ain pann auf der klingen hat.' (,Hierinnen
vermerckht der Herrschaft Reichenstain Rechten und Pannthftding ge-
schriben 1662', 11 Seiten, Fasz. 33 Nr. 30 im gräfl. Kinskyschen Archive
zu Freistadt.)
' ,Nachweiß des Kais. Urbarii de a6 1690 fol. 1 erhebet sich dieses Land-
gericht in dem sogenannten Aigen Obenberg an einem breiten Stein
der Lindenstein benamset, woran einerseits das Mauthauserische Land-
gericht stosset, von da aus lauft das Mark oder Gränze zwischen dem
Schloß und Mayrhof zu Obenberg und dem Marbach, an diesem in die
Donau, an selber aber gegenwärts bis zu dem unter die Herrschaft
Steyregg gehörigen Willingerhof, von solchem auf den Haasenberg,
Grüblbauern, Pannagl [in Hof], Stadler [Nr. 12 zu Götzelsdorf] und dem
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287
richtete Partikularlandgericht Waldenfels/ 1770 durch die Er-
Teßler, von dannen rechter Hand dnrch den Wald auf den Reichenbach
nnd an diesem anf die Mühle za Reichenbach, weiters von da aus nach
dem Rinnsal des Bachs bis zum Doppler, von dortaus rechter Hand auf
den äussern Fehlner, Moser und von diesem durch das Holz auf die
Salzstrassen gegenüber des Pflrchstumer, femers an besagter Salzstrassen
[Freistädter Poststraße] rückwärts gegen Linz bis zum Esserbach], am
Esserbachl bis in die Donau, auf dieser mehrmalen gegen wärts bis zur
Linzer Brükke, aldort am Fahrtweg zwischen dem Kapuziner Kloster
und Färber Haus in Urfahr Linz (vorhin das Postgaßl genannt) wiederum
zurück an das Dorf Steeg, wo die Landstrasse einfallet, an der Land-
strasse sodann bis Domach, und von dort aus am Poststeig nächst dem Hab-
lauer bis Gallneukirchen zum Baader am Steeg, alsdann zum sogenannten
Fletscher (alwo der Herrschaft Riedegg'sche Burgfried und zugleich das
Landgericht anstosset), von da aus an den Fidlbach nach denen Markt
Gallneukirchner Gründen bis zum Schweinbach Steeg, von diesem zum
Simlinger Gattern, vom Sirolinger Gattern bis zum Tnmbacher Gattern
und von diesem aufwärts zur Herrschaft Hauser: Wahlmühle, von selber
an der Gusen abermal aufwärts bis zu dem unter die Herrschaft
Reichenau gehörigen Walchschmid, alwo ein kleines Bachl herunter
rinnet, von dannen bis zum sogenannten Sohnabi hinaus und für dessen
Gründe hinunter, von die Reicbenauerische Hofhalt bis in den Pram-
berg, woselbst ein grosser mit dem gräflich Starhemberg : und Marschalk:
Wappen (als welche Herren Marschalken die Herrschaft Reichenau am
lezten besessen haben) gezeichneter Markstein stehet. Von gedachtem
Pramberg gehet der Herrschaft Reich enanische Wildbahn und mit selber
die diesseitige Landgerichtsscheidung denen Richtsteigerischen Gründen
nach bis in den Herrschaft Wildbergischen Dreyeck Wald, allwo gleich-
falls zwein solche Marksteine wie jener am Pramberg befindlich sind,
alsdann gehet diese Scheidung in den Rodlfluß, woselbst das Landgericht
Waxenberg anrainet, an der Rodel fort, bis der Händlbach einfallet, und
am Händlbach bis zu Anfang der Schenkenfeldner Pfarr, welche im
Herrschaft Reichenauerischen Landgericht liegt, ferners an den Grenzen
dieser Pfarre fort bis zum Hansstainhäusl, woselbst die Pfarre Hirsch-
bach und das Landgericht Waldenfels anstoßet, von dem Hansstainhäusl
nach denen Gründen der DOrfer Hofreith, Gassenreith, Vorwald, Ober-
hirschgraben, Tischberg, Dümberg; Häuser auf der Leithen. Raidhof,
Hanruck und Kirchberg, daselbst die Pfarr Neumarkt anfängt, außer
selber aber das Herrschaft freistädtische Landgericht herzu gränzet. Von
^ Grenzörtlichkeiten des geschlossenen Landgerichtes Waidenfels waren
zuletzt Stiftung mit Krawiz und NiBlmühle, Eibenstein, NierhOf, Freuden-
tal, Oberschwand^ Unterschwand, der Jaunizbach, Bodenmühle, Wald-
burg, Pirchetgut, Groißenbauer, Harruck (Anteil), Gutenbrunn, Puchinger-
gut, Tierberg, Kamplmühle, Hinter Königschlag, Miesenbach. Die Holz-
mühle und Süßmühle gehörten zum Landgericht Freistadt; ebendahir
die Brandlmühle bis zum Gebietsaustausch mit Reichenau.
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288
hebung der Herrschaft Harrachstal und Freiwald ^ zu einem
Kirchberg weiters an den Kroissenhof, Pirkelhof bis an den Jaucbuitz-
bach, auf selbem in die Feidaist bis sum steinernen Brück], zunächst
dessen ehemals das Stadt freystädtische Hochgericht stunde, und vom
steinernen BrUckl bis in Kefermarkt, von welchem das sogenannte Wies-
häusl in das diesseitige Landgericht gehöret. Femers von Kefermarkt
bis zur Leedermühle, alda wendet sich die Scheidung von dem Aistfluß
gegen der Neustadt, und von selber auf den Gusenbauern, hernach über
die Gutauer Straße in das Pasteinerbachl in die schwarze Aist, auf
letzterer bis zum hochen Steeg, von dort aus am Bachl über den Arn-
berg auf den Käßl, Holzgassen und endlich wieder zum Lindenstain in
Obenberg.
Femers hat die Herrschaft Haus und respective Freistadt einen
besonderen Landgerichtsdistrikt in der ganzen Pfarr S. Leonhard, von
welchem sich die Gränz bey der Ledermühl am StampflQuß hebet, als-
dann am besagten Fluß bis zum Steghammer und weiters in die schwarze
Aist lauft. Am Aistfluß hernach über die Haßlmühl, Pfartlmühl bis zur
Groißbrucken [oberhalb der Pfartlmühle und unterhalb der Neomühle
und Haidmühle], dann weiters über Land nächst Oberaschlag, Ensöd an
denen Gränzen der Leonhardter Pfarr bis wieder zur Ledermühl.*
Konzept des Landgerichtes Haus vom 9. April 1804 im Sohloß-
archiv Steyregg.
Zur Orientierung über die Zugehörigkeit der einzelnen Häuser
auf der Strecke über den Linzer Berg zwischen Gallneuklrchen
und Urfahr mögen folgende Angaben aus den Grundbüchern 1794
dienen :
Zum Landgericht Haus gehörten von Innertreffling 1 Steininger-
gut, 5 Tmttenbergerhof; von AußertreflFling 4 Mülleitnergut, 9 Walkets-
edergpit, 6 Asangergut; von Mittertreffling 12 Lacknergut, 22 Haidergut,
27 Puohnergnt; von Kazbach 1 Hofistatt auf dem Anger, 4 Zweokl-
lehnergut, 13 Stöttnerhof, 15 Häusl am Steg, 19 Kleissenhänsl, 21 Binder-
hofistatt, 22 Starzergpit; von Dornach 7 Wirtshaus; von Heilham
1 Fischer- oder Zawischhäusl, 4 Gusnerhofstatt, 5 Gleisenhofstatt,
^ Die Grenzörtlichkeiten des Landgerichts Harrachstal waren gegen das Land-
gericht Reichenau: Unterwald (Schmid, Jungbaur), Plochwald (Pils, Reuter,
Jagl), Hacklbrunn (Reithaus, Bergmaurer), Hnndsberg (Lucken, GM^ttner,
Lehner), Eben (Nastand, Wieshaus), Viehberg (Reiterhäusl, Gütl am
Viehberg, Steinriedl, Holzer, Kronawiter, Hollerstauder, Geigerringl,
Hainzl), Weinviertl (Straßenhans), gegen das Landgericht Weinberg
Weinviertl (Inleuthaus), Pürstling (Meiselbauer, Kollreit, Steinbichl),
Steinwald (Anger), Neuhof (Fruhwirt), Schwingenden Brack, Strobsack,
Haidhäusl, Amesreut, der Stampfbach; gegen das Landgericht Haus:
Schraflfenberg, Markt St. Leonhard, Promenöd, Kitzleder, Hohen reut; gegen
das Landgericht Rutenstein die Schwarze und die Weiße Aist, der
Mückenbach und der Baueraberg.
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289
eigenen Landgerichte nochmals verkleinert, wie auch schon
1702 der Stadt Freistadt das Halsgericht für ihren Burgfrieden
verkauft worden war.^
7 SiöttnerhofsUtt, 10 Mühle, 12 Klänerhäasl; von Furt gememsam mit
Wildberg die Häuser 1 Artnerhofstatt, 2 Rottenbichlerhofstatt, 4 Maurer-
hoüstatt, ö Mairho&tatt, 6 Bäckerhofstatt, 7 Schützenbergerhofstatt,
8 Reschenhofetatt.
Zum Landgericht Wildberg gehtJrten außerdem die Häuser 15,
16, 17 Wolfenhäusl, Häusl am Gries, Fischerauerhäusl zu Furt; von
Außertreff Ung 10 Schützenbergerhub, 15 Pirchstnmergut, 16 Straßergut;
die Ortschaften Pflaster, Steg und Grindberg ganz; von Domach 1 Lehner-
hofstatt, 2 Obermair, 4 Häusl, 5 Niedermair; von Kazbach 15 Ortner-
häusl, dann das Grabmergut 4 zu Windpassing, das Zebnthofergut bei
der Linzerstraße, 5 zu Zingißing.
Zum Landgericht Steyr egg gehörten von Furt die zwei Häusel
15 und 16 halb, von Linzerberg 3 Häusl in Rotenbichl.
Zum Landgericht Ried egg von Linzerberg 1 Aichingerhof^
2 Schneiderhäusl in Rotenbichl, 4 Fidelsbäckgut, 7 Flatschergnt, 9 Häusl,
10 Hobelauergut.
^ Im Stadtarchive Freistadt: ,Mappa specialissima. Durch selbe allein
vorstellend die landsfirstliche Stadt Freistadt, dessen zugehörigen Burg-
friedt und Landgerichts Graniz Mit Allen So Wohl frembt als auch
aigentlichen vmbligenten Vnterthanen, Haußgärtten, Feldter, Acker,
Wisen, Vüechwaydten, Mihlbach, Teucht, Holzgründt, Weeg und landt-
straß, Alles accurat Geometrice abgemessen und vorfaßet durch Joseph
Antoni Pemlahner Ing. Anno 1743.*
,Der Stadt Freistadt Burgfridt vud Laudtgerichts
Gezüerk. Burgfrid und Landgricht fangt sich an, all wo die Jauniz
in die Feldtaist rindt deutet Num. 31. Von danuen aufwerts dem
Jaunizbach nach zu der stainern Brücken an die Linzer Straß zaiget
Num. 32, Weiter disem Bach nach bis zu dem obern Schernpaum
Steeg an den sogenandten Schenchenfelder weeg Num. 33, Volgendt
rechter Handt diesem Weg nach durch des Brandtlpaurn Holzgründ
bis zum Krempel Hof in der Jauniz genant Num. 34. Von dort auf
den Weg nach zu den Stainkellerpaurn linker Hand stehet zaigot
Num. 35. Dan dem Farthweg nach auf St. Petter linker band durch das
Dorf bis zum Wimbpaurn weiset Num. 36. allda lincker Hand nach
den Wimbhof vorbey über dasigen Perg hinunter bis zu der Greiz
Saullen Num. 37. Von alldortten lincker Hand durch den ausgemarchten
Holzgrund in der Pockau genandt, weiters nach den 30.«'" (Dreißgener)
Holz bis an die Vierzech ner Grund deitet Num. 38. Von danen nach
dem staintischen Holz in Graben hinunter bis an das Pockaubächl
Nom. 39. weiters nach dasigem bachel und statt Holzgrund zu der
Dreissiger Wisen all wo zwey kleine Bach zusamen rinnen Num. 40.
Sodann nach dem Viertzehner Brunbächl nauf wort über die Dreisiger
▲rchir. XCIY. Band. 20
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290
Das Landgericht Haus wurde nicht lange^ nachdem es
ins Leben getreten, schon wieder verkleinert durch Abgabe
von Distrikten in die ursprünglich exemten Landgerichte
Wildberg und Riedegg ^ sowie durch die Ausgestaltung des
Wisen bis an die LandstraB allda stehendten Greiz Saallen Num. 41.
Von diser SauUen nach dem Holzweg durch die Hammerleüthen und
abwerte derselben bis zu dem Feidaistbach ober der Schifferischen Dradt-
ziech das die selbe mit aller Jurisdiction unter die Stadt Freystatt
gehörig deittet Num. 42. Dan nach demselben Aistbach und Schlager-
leiten zu dem einen großen Marchstain, welcher negst dem Bach stehet
und mit 3 f gemorgt worden, alwo 3 Landtgrichter zu samen
gränzen nemblich die Herrschaft Windhag, Schloß Freystatt und Statt
Freystadt bey Num. 43. Weiters nach dasigem Feidaistbach bis an die
Aichelstain Mihi zu dasiger Brück Num. 44. Von diser Brücken nach
dem Bach zu der unteren Schifferischen Drahtziech und Nigerinischen
bis zu der Wüsmihl Num. 46. Von der Wismihl zu dem [Stattfeldt auf
dasige Leuthen und nach dieser Leiten bis an des Mansenreidter Feldt
Num. 46. Von danen nach dasigem Feld bis negst der Mansenreidter
Greiz saullen Num. 47. Von diser Saullen nach dem Gangsteig auf
den Berg herunter zu den Kudtlerfleischhackerheisel an den Feldtaistbach
zeiget Num. 48. Weiters nach dem emandteu Bach bis hinter die Scharr-
mihi bey dem Gapuciner Garten Num. 49. Von danen nach dem Bach
der Altbach genandt bis zu der Kellerpaurn Brücken Num. 50. Von
diser Brücken nach dem Feidaistbach und Spittal Gründen bis zu der
Knebrischen Wisen Num. 61. Weiters nach dem Bach bis auf die große
Reichenauerwisen zaiget Num. 62. Leztlich nach abermaligem Bach zu
der untern Gästringer Leuten alwo der Feidaistbach in den Jaunizbach
rindt alda zusamenfließen und so weiters die Feidaist genenet wird
Num. 63. Alda ist der Anfang und Endte des freystädtischen Burgfrid
und Landgerichts Gräniz. Der umb Greiß dasigen Landgricht beträgt
über die 21000 Schrieth, welche 4 Meil weegs ausmachen. Die Lenge
diser Herrschaft Freystatt 6600 Schriet, nach der Praüdte 7600 Schrieth.*
Das alte Schloß wurde 1702, 1. Jänner, vom Grafen Bonaventura
von Harrach, das neue Schloß (vormaliges Kapuzinerkloster) 1896,
1./4. Dezember vom Grafen Rudolf Kinsky an die Stadt verkauft (Ur-
kunden in der Stadtkanzlei Freistadt).
^ Eine Grenzbeschreibung ist nicht vorhanden; nach den alten Grund-
büchern gehörten zum Landgericht Riedegg der Markt Gallneukircheu
und die Dörfer Almesberg, Spatendorf, Veitsdorf, Garlesberg, Linzer-
berg, Inuertreffling, Gries, Simling, Holzwiesen, Schweinbach, Enger-
wizdorf, Halmansdorf, Punzenberg, Dumbach und Oberndorf ganz oder
teilweise und übte auch exemte Gerichtsbarkeit über zerstreute Unter-
tanen aus. Grenzhäuser waren Leimetshofer und Zwicklbauer in Inner-
treffling, Sailler in Garlesberg.
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291
exemten Landgerichtes Steyregg zn einem geschlossenen/ dann
* Grenzhfiufier des Landgerichtes Steyregg waren der Willingerhof, im
Hof, Pannagl, Stadler, Deselgut, Kramesberger, Ratsclienberger, Enzeu-
pühringer, Reisinger, Gaßner, Reichenbachmühle, Laschen, Dor&traße
von Algen, Faist, Dopler, Neideg^er, Pfeningb erger. (Siehe auch Anm.
auf S. 288, 289.)
Zu dem Landgerichte Steyregg gehörten einst die Burgfrieden
von Luftenberg und Au, welche jedoch später von den Landgerichten
Haus und Greinburg an sich geiogen wurden, was auch mit dem Burg-
frieden Langenstein geschah, der vormab einen Teil des Schlosses
Spielberg [worüber im Traunkreise gesprochen werden wird] gebildet
hatte. Nach dem Paanthädting der Herrschaft Luftenberg (See. XVH
im Schloßarchive Steyregg) nahm der Burgfiried den Anfang ,am
Reichenbach nächst dem Kloster Bnlgam an der LandstraB und gehet
neben und an dem Kloster hinauf der Straß nach zu dem Dämsprun,
von danen widerumen solcher Straß nach an den Hochgattem und
gerad nach dem Zaun an das Dorf Stäzing, sodan durch die Gassen
oder Straß bemeltes Dorf hindurch nächst an die Haßlach häuser, so
beede im Burgfrid ligen, von dannen auß nach oftgemelter Straß hinum
zum Reschen am Feld, vor dessen ThUr der Burgfrid gehet, von
welchem dem Gangsteig nach über die Felder hinab an das Süetbrückhl
und nach derer Abwündter Gründt, sodan durch gedachter Abwünder
und Staininger Gründt hindurch dem Zaun nach bis an die Donau,
und gerad hinüber durch die Auen in die unterhändl gassen bis an die
Danzstatt nacber Räffelstetten, von dar aus der Altau nach an die
Gledtfischeran bis an die Angerwüß, und denselben Zaun hinauf bis
an die Angerwüß Palchen, von selben durch die Auen hinüber schär-
werts hinauf biß mitten in die Nanfart, von mitten derselben widerumen
schärwerts herdan an den Noiwißzaun und nach selben hinum an
des Nöfischers Grund und Zaun, demselben Zaun nach ober der Teufl-
auwüs herum an den Reichenbach gen Bulgarn an die Landstraß, als
des Burgfirids Anfang.*
Hier wird berichtigt, daß das Lehenbuch Jansens von Chapell
nicht, wie S. 143, Anm. 4 bemerkt, sich in Eferding, sondern im k. und
k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien (Handschr. 37) befindet.
Im ,Vrbary der Herrschafft, Schloß und Vesten Spilberg, von
Osterreich zu Lehen rührend* ddo. 1. Oktober 1610 (vid. Abschrift 1754,
3. Juli im Schloßarchiv Steyregg) und in dem Berichte des Landgerichtes
Steyregg 1804, 26. April (daselbst) sind die Burgfrieden von Langeu-
stein Pfarre S. Georgen a. d. Gusen, und von Au Pfarre Narn be-
schrieben.
,Der Herrschaft landgerichtliche Burgfrid um das Dorf Langen-
stein hebt sich an bey dem Kößelbach [bei Gusen], stost bis an den
Marbach [jetzt Riederbach] und von dannen an den Planzenbach/ *
* Die iltMte BMo1ir«ibiuig ist im Paateidiof nnd Urbftrbftcbl Ton Spilberg (vor 1475, im
Linser Mnseiim) enthalten nnd Untet : Jtem Ton Erst die frejumb sn der Herrscbafft hebt
sieh M bey dem kesselbsch Tnd stdst Tntz an den morbach Tod von der Tonaw bis an den
zweinsenbaeh.'
20*
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292
durch die Verleihung des Halsgerichtes an die Jesuiten zu
Pulgarn. ^
Im Umfange des Landgerichtes lagen noch die Burg-
frieden von Reichenau^ und Neumarkt.*
Die Grenzen des Burgfriedens des Marktes Au sind folgende:
yVon der steinernen Stiegel am Kramer — der sogenannte Arm der
Donan — nach des Haindlbauern, Weinbergischen Untertans, Grund
aufwärts bis zu dessen Gatterl, von diesem nach dessen Gründen auf-
wärts bis zum Schinder oder Bäckergattem. Von da auf der alten Geer-
straße immer aufwärts nach den Obersebingergründen bis zu dem Punkt,
wo ehemals das Anerkreuz gestanden ist. Von da nach dem Ober-
sebingeranger an den Ausfluß der Aist in die Donau. Von da nach
den Gründen der Auer, so weit sie Tor der Weg^chwemmung gereicht
haben, in der Donau abwärts bis zum Kramer und über denselben hin-
über und abwärts nach des Bauern und Gusenbauem in der Au Herr-
schaft Erlaischen Gründen bis auf die Untersebinger Wiesen und nach
derselben landeinwärts und sodann aufwärts nach des Derntl zu Nam
Gründen, sodann nach dem Nameranger auf des Bäckers im Teucht
Karlingerhofs Gründen, wieder nach denselben aufwärts bis auf den
Wieselbauernhaufen [Au], welcher im Kramer liegt Durch diesen
Haufen gehet die Grenze bis an die eingangs erwähnte steinerne
Stiegel/
^ Außer dem Kloster nur die Häuser 2 Mühle, 3 Fleischhacker, 4 Schuster-
häusl, 6 Binderhaus, 14 Sebaldhofistatt; die übrigen Häuser unterstanden
dem Landgericht Stejregg.
' Urbarbuch der ,yesten Reichenaw, so man zalt 1379 am tag nach gots-
leichnambstag*, erneuert 1495 von Eberhart Marschalh zw Reichenaw
,al8 der elter meiner gepruder Georgen und Ruedorfen^ im Linzer
Museum. ,Da8 frey aigen zw Reich ennau' gewährt fürstliche Freiung
* Tättingburch von Neumarkt See. XVH im Schloßarcliiv Freistadt
Fasz. 29, Nr. 20. »Erstlich hebt sich der purkfrid an der Strapimühl in
den Wührgraben und geth auf in den Seusenbach auf bis zu dem
steincreuz bey des Pürchinger wißen unt nach des Pürchinger wißen
dem khag nach auf gen Pürach zu dem gattern bei des Bürchinger
stadl unt von dem gattern in des Pürchinger schluechten auf unt her
über das velt bei Hanges leben zu dem Prandtstattholz auf die wög-
schait unt get in dem Prandstattholz ab in den Süenpach unt get in
den Siehepach nach auf unt herüber die Siehewiß zu dem Süencreuz,
von dem Süehencreuz mitten durch den Mayrweg berg hinüber in des
Hagers schluechten unt get in des Hagers schluechten ab durch des
Hagers wißen in die Greullackhen unt get von der Greullackhen ab
in den Greulgraben unt get vom Greulgraben in die Greulwiß unt get
in der Greulwiß in den obem Khaag nach unt widerumb in die Strapi-
mühl in den Wührgraben, da sich der Burgfrid erstlich enthabt hat.*
Schädliche Leute wurden dem Landrichter auf das Frangärtl gestellt.
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293
Sechzehnter Abschnitt.
n. Das Landgericht Machland und die Abteilungen
desselben.
Das Landgericht war seit 1281^ an die Herren von Ka-
pellen und nach deren Aussterben (1407) an die Herren von
Liechtenstein verpfändet Jans von Kapellen wird im 14. Jahr-
hundert obrister Landrichter im Machland genannt^ ^ woraus
hervorzugehen scheint^ daß den Pfandherren der alten Ried-
mark (auch Heinrich von Walsee nennt sich obr. Landrichter
in der Riedmark) die Stellung oberer Landrichter im Sinne
des österreichischen Landesrechtes eingeräumt worden ist.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts war Christoph von Zel-
king auf Weinberg Pfandinhaber des Landgerichtes^ welcher es
durch seinen Pfleger zu Mitterberg Christoph Gruber verwalten
ließ. Aus dem Schiedspruche Gottharts von Starhemberg 1486,
biB an den dritten Tag; Verbrecher werden überantwortet in dem obern
Fort im Grasbach. Auch die Tafern in Traberg genoß Freiung, Aus-
lieferung bei der Mtthle in dem Furt.
Nach dem Instanzkalender pro 1846 übte die Herrschaft Reichenau
die Landgerichtsbarkeit aus über die Pfarre Schenkenfelden mit Aus-
nahme des Dorfes Königschlag, nach jenem pro 1824 über die ganzen
Pfarren Reichenau und Schenkenfelden, im Jahre 1808 gehörte erstere
noch zum Landgericht Haus, letztere aber schon zu Reichenau. Der
Auswechsel der Landgerichtsbarkeit mit dem Landgericht Schloß Frei-
stadt muß demnach zwischen 1794 (Abschluß der alten Grundbücher)
und 1808 (Grenzbeschreibung des Landgerichtes Haus) erfolgt sein.
Die Grenzörtlichkeiten des vormaligen Landgerichtes Reichenau hinter
der Freistadt waren im Jahre 1794 folgende: Steinhüblberg, Ober und
Unter Paßberg, die Feidaist (mit Ausschluß des weinbergischen Burg-
friedens Hilbetschlag mit Dorn- und Neumühle), Graben bei Freistadt,
Sinbauer, Schlag, Schwaighofer, Ober Rauhenöd, S. Michael, Mitterbach,
Spörbichl, Pölzgut, Oberschlag, Kühau, Aufreiter, Seiberl, Predertschlag,
Mairspind, Freienschlaghammer und Rößlhammer gegenüber von Zetwing
an der Maltsch.
Oberösterreichisches Urkundenbuch Hl, 529.
a. a. O. V, 134, 136, 146, 209, 280. Urkunden 1314, 1316, 1318, 1321.
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294
14. Oktober^ erfahren wir, daß die landesfürstliche Herrschaft
Werfenstein eine Exemtion vorstellte.*
Als das Landgericht Machland endgültig an Heinrich
Prüschenk überging (1495, 31. Jänner), hatte es nicht
mehr den alten Umfang. Nicht nur daß der Kaiser für seine
Herrschaft Rutenstein ein eigenes Landgericht errichtete (siehe
Erläuterungen)/ hatte er schon 1491 dem Lasla Prager für
* Kopie im Stadtarcliiv Grein.
' ,nach altem herkomen^ wurde bei der Herrschaft Werfenstein die Uater-
suchung gegen Verbrecher geführt und nur da« ,Recht über das pluet'
war mit dem Landrichter und den ,freien^ aus dem Machland zu be-
setzen, welche sodann samt dem Waltpoten vom Landgerichte zu er-
fordern waren. Es bestand somit das Verbot des introitus und nur die
Vollstreckung des TodesurteUes, aber auch diese auf dem Boden der
Exemtion (das Hochgericht befand sich links der Haudererstraße vor der
Mündung des Dießenbaches in die Donau) stand dem Landgerichte zu.
Deshalb hieß auch das Aigen Struden, welches mit der Ortschaft Hößgang
jenseits der Donau von Einem Marktrichter verwaltet wurde,* das ,Freige-
richt* Struden. Mit Hößgang reichte das Landgericht Machland nach Nieder-
österreich hinüber, woselbst die 26 Häuser von Hößgang (incl. Unter-
und Ober-Neustift), die Häuser 7 und 11 (Schweighof und Hochwand-
statt) Vorderleiten, 2 bis 6 (Ober-, 2 und 3 Hofstatt und Mittergut) in
Wiesen zu dieser Exklave gehörten, die schon im 16. Jahrhundert doku-
mentiert ist, da ,das Urtl und Erkhandtnus* der Landgerichtsschranne
Greinburg ddo. 20. Dezember 1581 (begl. Kopie im Fasz. Fl im Hof-
kammerarchiv) auf Verweisung der Gebrüder Sännglmülner aus dem
Lande ob der Ens auch auf Ausweisung lautete, soweit sich ,die Herr-
schafft und Landgericht Greinburg in Osterreich under der Ennß er-
streckt'. Die Exemtion verschwand, als K. Friedrich IH. 1489,
7. Jänner (Chmel Reg. K. F. 8364) den Markt Grein und 1493 auch
Werfenstein, Mitterberg und Struden mit dem Landgerichte im Mach-
land veräußerte (Wisgrill IV, 122). Nur das Schloß Werfenstein ,im
Gemäuer* und die neue Maut verblieben dem Kaiser, die Wassermaut
in Struden dauerte bis 1. Juli 1852, von welchem Zeitpunkte an die-
selbe in Gemäßheit des Schiffahrtsvertrages mit Bayern aufgelassen
wurde. Das Mauthaus wurde 1857 zur Unterbringung der Bauleitung
der Korrektionsarbeiten im Struden und Wirbel bestimmt, zuletzt an
einen Privaten verkauft (Nr. 34 in Struden).
' Nach dem Urbar der kais. Herrschaft Rutenstein ddo. 28. Mai 1571 (im
Archive zu Greinburg) ,wehrt (das Landgericht) als weit der Wildtpahn
und Gejaider sambt den Gründen und Mannschaften, so gen Königs-
wisen, Weissenbach und derselben zugehörungen gehört, in das bemelt
Landgericht bis auf die Land strass so auf Pierbach undt Münichdorf
* Urbar des Aygens Im Struden and Ilöflgang See. XTI und Richter Raittung pro 1667 im
Ortsarchire Stmden; dann im Oreinbarger Urbar 1658.
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295
dessen Herrschaft ein ziemlich weites Landgericht verliehen^
g^het, bis auf den Burckfried des Markts Königswiesen and
neben dem Burckfiried hin wieder auf der Strassen, bis mitten an den
Königswiser wald zu einem steinern Greuz* (Bl. 5). Der Wüdbann der
Herrschaft ,hebt sich an bei dem Prucklpach und get heraus zu Höfing
durch das Dorf auf die Straß und abdann gen Schenau, auf derselben
Straß nach gen Mauretperg, auf den Creuzperg, von dannen auf gen
Haymau, und verrer auf der Straß hin gen Tanndorf, derselben Straß
nach gen Kopenhof, und hin unzt auf den Elhenperg, durch denselben
Perg hindurch auf Pichler Khag bis auf dio Straß da man gen Zell
get, von derselben Straß hin unzt an den fürt under dem Fragner auf
der Straß, und von demselben fürt bis an den Rottengraben, von dannen
hin unzt an die Stain Pruckmttll und dannen von beeden Nären bis
an den Rinsal, von dem Rinsal hin gestraks an den Khragen, von dannen
bis an den Pämer, und verrer an den Stainrickhl, volgundt hin an den
Fuchsen, alßdann bis an den Fürholz, und bis auf die Au, von dannen
unzt in den Arsch, auch verrer auf die Straß, in der Langgrueb, bis
zu dem Schäzler und auf die Fürstenedt, alsdann hindurch das Leüten-
holz zu der Khalten Rinlen, von diesem ort verrer auf die Uaubtmansödt,
derselben straß nach ab in Luechpach, demselben Pach nach under die
AchleÜten, von dannen unzt gen hernschlechen, daselbst gestracks über
bis zu dem Pämerswaldt zu dem Khalten Rindl, darnach ab in den
Pechpach, und weiter ab unzt in die Groß Näm, in der Näm auf unzt
gen CapellmtUl, under den zeug. Yolgundts unzt ins Teufels Au, auch
bis an den Khogl, von dannen gen Pronpem, alsdann zwischen baiden
Näm als weit die vischwaid wern' (Bl. 10).
Nach dem Urbar des kais. ,Marckht Weissenpach* ddo. 14. Juli
1571 (im Greinburger Archiv) ,hebt sich (des Markhts Weissenpach
Landgerichts gezürk) erstlichen an der Lehelmiil bey des Fruewierdts
Wuer in Arbaspacher Pfarr an, geet dem Khaag nach, so der Khom-
maur ist, über das Khlain Kämpl, dem Kämpl nach auf bis auf den
grossen Dräperg, darnach über auf das Khriegort, durch den Waldt
in den Rainpach, in die Neu Näm, der Närn nach ab für die Dieslmül
bis in den Schneckenpach, von dannen auf zum Pämer, von dem Pämer
ab in den Idndenpach, dem Lindenpach nach ab in die Ciain Närnn,
der Glain Nären nach ab in den Prugglpach, dem Prugglpach nach
auf die Straß die von dem Weissenpach auf Schenau geet, und der
Straß nach auf Höfling und Schenau durch baide Dörfer, und von
Schenau geen Mauerberg, von dannen auf den Greuzperg, von dannen
in die Lacken, die auf der Straß ist, von derselben Lacken dem Steig
nach bis zum Guggenperg, von dannen auf die Straß, die durch die
Viech tau geet, an die Aschmül, von dannen ab bis in die Viech tau, von
der Viechtau ab an die Aschmül in den Gölsenpach, von dem Gölsen-
pach über an den KufQperg, und von dem Kufflperg ab in den Hinder-
pach auf bis an der Ebenorter Gründt an die Landstrassen, der Land-
strassen nach an die Pelzmül in den Schilt, dem Schilt nach in die
Weißaist, volgundt auch für den Ruebmair über auf den Pauraperg,
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296
in welchem der bisherige Burgfrieden aufging.^
von dem Paurnperg über in den Rottenpach, von demselben Rotten-
pach über in die Praitenhaid, von der Praitenhaid ab an den Totten-
raan, von dem Tottenman ab da der Kamp entspringt, bis wider an die
Lehelmül an des Fraewirdts wuer, da sich dann das Landgericht an-
gefangen. Von dannen geet das Landgericht verrer so weit sich die
Pfarre Weissenpach erstreckt und wert. Was aber in yetzgemelten
Landgerichtsgeztirck für Malefizische Personen einkomen, sein die von
Weissenpach der Herrschaft Ruttenstain zw anntwurten schuldig.*
Für den Burg Med Königs wiesen ist keine eigene Beschreibung
vorhanden, die Westgrenze lief vom Lindenbach zur Großen Narn,
Mötlas und Mötlasberg lagen im Burgfried; die zu demselben gehörigen
229 Häuser sind alle in dem Anschlage von Rutenstein vom Jahre 1581
(Original im Linzer Museum) bei der Rubrik Landgericht Königswiesen
namentlich aufgezählt, was auch für das Landgericht Weißenbach der
Fall ist: das Amt und Gericht Pierbach bildete den Körper des Land-
gerichtes Rutenstein im engeren Sinne.
Grenzhäuser gegen das Landgericht Prandegg waren im Jahre 1794:
die Neumühle an der Schwarzen Aist, Kreuzeder, Narhamer, Stummer,
Berger, Scherzer, Strobl, Mörwald, Gr. Hainmann, Fischl, Marwald, die
Dörfer Kaining und Wolfegrub, Ellerberg, Kopier, Köpperl, hierauf die
Große Narn bis gegenüber der Rabmühle.
^ Nach dem ,Täding Buech der Herrschafft Windthag im Erzh. ö. o. d. E.
Machlandt Viertls* ddo. 16. Jänner 1653 (im Linzer Museum) hob sich
der alte Burgfried und Wildbann des Schlosses Windhag ,an an der
äussern mühl und gehet dem weg nach und zwischen dem Oassten und
Schreinsperg durchs öedtholz nach dem wasser pächlein und der Tabra
nach gen Altenburg, dem kirchsteig nach gen Paumgarten und über
den Schnappenberger Grund, über die Stainbruck gen Hochthor, beym
mühlweg nach zu dem Gänglein in der Närn, und wider nach der Närn
auf die Aschermühl, Alß endet sich der Wildtpann und alt Purckhfridt,
so von alter gen Windthag gehört hat.*
Aus der Urkunde 1491, 19. Dezember ,Volgt hernach das Land-
gericht und Wildpan von Kayser Friderich Gegeben. Nemblich von
demselben gscliloß Windthag unzt an die Tobatschmtil, von derselben
Mühl an den Güssibl, von demselben Güssübl an das Orth, von dem-
selben Orth unzt an den Schaursperg, von demselben Schaursberg unzt
an den Spaten, von demselben Spatten an den weg, von demselben
Weg an Paumgarten, vom Paumgartten unzt an die Widen, von der-
selben Widen unzt in die winckl, von derselben winckl unzt an das
Puochelstainach, auß dem selben Puechel Steinach auf den hof ob
Rechberg und dem weg nach ab zu dem Ebenbrechten, von dem
Planckenberg bis auf die weg schaidt, da das Creuz stehet, bey dem
Vorsehen, von dem Vorsehen zu dem Meißl, von demselben Meißl unzt
an den Keller, von dem selben Keller bis an den Gattern, von dem-
selben Gattern bis an den Prunn, von demselben Prunn unzt an den
Wäntschen, von demselben Wäntschen bis in die Eben unzt zu dem
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297
Das Landgericht Machland blieb jedoch nicht lange in
den Händen der neuen Grafen von Hardeck; als einen Ersatz
fär Rannarigel kaufte das Hochstift Passau dem Qrafen Julius
von Hardeck Herrschaft und Landgericht ab, doch hob Kaiser
Ferdinand diesen ihm nicht gelegenen Kauf 1533, 11. November,
ausdrücklich auf, genehmigte dagegen den nachderhand mit
Hans Leble geschlossenen Kauf und begabte das 1489/90 er-
baute Schloß Heinrichsburg mit dem Namen Greinburg. ^
Mit dieser Verfügung erlosch für das Landgericht die alte
Bezeichnung von Machland, es hieß fortan das Landgericht
Greinburg.
Die weitere Zerstücklung desselben durch die Löbl, wie
die Leble ihren schwäbischen Namen umformten, ist in den
Erläuterungen dargelegt. Vom Landgericht Greinburg ist nur
eine Grenzbeschreibung aus dem Zeitpunkte vorhanden, in
welchem die Abtrennungen längst vollzogen waren.*
Cuerzen, aUes in Rechberger pfarr: von demselben Cuerzen an die
Prandtstatt, von derselben Prandtstatt bis in die Kemathen, von der-
selben Kemathen bis aaf den Ebenhof, von demselben Ebenhof in
Altenborger Pfarr in den Wasenberg^, von demselben Wasenberg bis gen
Walckenstorf, von demselben Walckenstorf unzt gen Fuerrichten, von
demselben Fuerrichten in die Widen auf die Cappelstatt, von derselben
Capelstat fOr das Tannach, von demselben Tannach gen Molnegg, von
demselben Molnegg zu dem Gressing, von demselben Gressing bis zu
dem Nening in Münzbecker Pfarr, von demselben Nening bis an die
Kropfinühl unzt an den Preschnizhoff, von demselben Preschnizhoff gen
Pergkirchen bis hinaus auf die land straß, so gen Perg gehet, von
dannen der land straß nach hinaus in das außer Krottenthal bis zu
dem Stefan gen Oedt, von demselben Oedt dem weg nach an die
Kuchelmühl, von derselben mUhl hinauswerts gegen dem wasser bis an
die drey mühl, von derselben drey mühlen bis an die Überwax [Felsen
im Flußbette der Nam], von derselben Überwax unzt an die Ascher-
mahl in Altenbnrger Pfarr, von derselben mühl bis an die Tobatsch-
mtthl, alles dishalb der Nftrn gelegen.*
Die Ortlichkeiten finden sich alle auf der Souvent- und Schütz-
schen Karte, sie lagen noch im Landgericht. Tobatschmühle ist die
Toitschmühle an der Narn.
* Registratur vom Jahre 1689 im Schloßarchiv zu Greinburg.
' Im Herrschaftsurbarium vom 81. Dezember 1658 (im Schloßarchiv Grein-
burg Bl. 52 — 57) lautet die Grenzbeschreibung folgendermaßen: ,Er8t-
lichen fangt sich ermelter Herrschaft Greinburg Landgericht an zu Grein
mitten auf der Tonau und gehet derselben nach hinauf bis auf Ober
Seebem, wo die Aysst in die Tonau rint, Aisdan mitten der Ayssi
nach auf die Furthmühl, welche an der Gränniz: aber noch im Land-
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298
Das Bild, mit welchem die Darstellung schließt, ist ein
unerfreuliches, mag es mit den Augen des Historikers oder
gericht ligund, von daauen der StrasB hinaus nach ins Feld zum stainen
Creuz, von selbigem Creuz alBdann mitten dem weg nach auf Perg zu
dem Stain ausBer deß Spittals, wo der Perger Burgfiid angehet Item
mitten auf der stainnen Prucken zu Perg, so über die Näm gepauet,
fangt sich das Greinburgersche Landgericht wider an und gehet mitten
der Näm nach bis an die Straß underhalb der Kuchlmühl, derselben
8traß nach hinaus und neben des Edthofer Gründen an der LandstraB,
derselben StraB nach in das AusBer Krothenthal unczt auf Lebprun in
Pergkircher Pfarr, von dannen auf den Preschnizhoff, durch die stuben
übern Tisch hinauß in den Garten auf einen Stain, welcher ein March
sein soll, von dannen hinab an die Kropfmühl auf den Nening, zue
Nening übern Tisch, hernach auf den Grösßing bis zum obem Mollen-
eckh, von dar auf die Kopistatt ausserhalb Münßpach freystetterischen
Unterthan, hinaus zum Gattern auf die Straß, alwo die Überantwortung
der Maleiiz Personen von der Herrschaft Windhag aus beschieht, von
demselben Gattern hinab auf die Wibm flußhartischen Underthan durch
den Pachofen, von dannen zum Fierrichten bey der Wagenhitten, Über
den halben hof, durch ein fenster in die stuben und über das Tischeck
im Winkl wider zu einem Fenster hinaus, über das feld zum Gattern,
an die straß, derselben Straß nach gen Walckstorf auf den Waißenperg
auf den Ebmer, auf Prandtstatt zum Kurzen heißer, an die Ebm, der
StraB nach zum Wäntschen, bis an Prunn, zum Khellner, zum Fasschen
auf die Weegschaid, wo das Stainene Creuz stehet, hernach dem steig
nach, über den Plenckenperg zu der Linden, alwo drey Straßen zu-
samben gehen, so dann zum Eprechten, auf den Kienzlhof ob Bech-
berg, in das Khnebl Stainach, von dar zue dem Spätten, unzt auf die
Teutsch Mühl, vor dißem Tobatschmühl genant, von dannen mitten der
Näm nach an die Raabmühl, alwo das Ruttenstainische Landgericht
herzue raint, alsdann nach dem Rinsal neben des Puechperg Walt
gestracks hinauf zum Kragen Windhaagerischen Underthan, hernach
zum Pämber, dem steig nach zum Stainrucker bis mitten auf den Tisch,
von dannen zue dem Fuxen oder Fuchslueg, alsdann zu dem Fierholzer,
neben dem fenster fier, der straß nach zue des Fierholzersteg in den
Aupach, dem Pächel nach zue des Ärschers Gattern, von dannen bis in
die Langgrueb der Straß nach zum Schäzler, von dannen auf die
Fierstened, hemach auf die Haubtmans Edt in des Leitner Holz, zu
dem Kalten Printl, von dannen demselben Rinsal nach ab, hin bis in
Luegpach, demselben Pach hinauf under die Achleithen, ins Achleithner
Fürth, von denselben Fuerth hinauf in die Riglwis und in derselben
Waaßerspil hinauf bis in des Geringer Puechwis, zwischen dem Eyßner-
hof und Geringer Guet auf die Kalt gwandten, von dannen auf die
Straß so von [Pab] Neukirchen auf Minichdorf zuegehet, zue dem Gmain
Gattern hinauf, neben dem Koglperg fier, über die Eyßneredt in den
Haydgraben, hinab in Pechpach, demselben Pach nach in die groß
Näm, der großen Närn nach hinauf au die Kapplmühl bis mitten auf
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299
des Juristen betrachtet werden. Es waren tiberlebte Verhält-
nisse^ deren rechtzeitige Beseitigung Kaiser Josef 11. mit dem
die Pruckn, von dannen neben der Ehöni^wiser Pfarr hin auf den
Kaltenperg, auf Ebened, ins Creuzreith, in das Hirschenreith, von
dannen in das Ecklreith, bis in Nußpach, demselben Fach nach an
das Salspächl, demselben Pächel nach bis auf den Zägerl, auf den
Wezlsperg, von dannen auf Rempistorf, von daraus über den Nußpach,
an die Permühl, bis an Pernedt, zum Weixlpämber, von dannen alles
neben der Khönigwiser Pfarr auf Helmanschlag, volgents in die Grien
Näm, von der Grin Näm in Schwarzenpach an die under österr.
Gränizen, denselben Gränizen nach ab und ab bis an die Schanz bey
der Geigen, volgents der Gräniz nach ab neben des Geiger holz und
überlend in die Waßerspill unzt in den Sarmingbach an die Endles-
mühl, dem Pach nach an die Angermühl, bis an den Schmidt bei dem
Mihlperg, von dannen auf den Edthof, sodann über den Dipl hin in
den KOnigspach, demselben Pach nach an die Schreinmühl, unzt hin
in den Diesßenpach nach ab bis in die Tonau, mitten der Tonau
nach hinauf bis wider auf Grein.*
Das Landgericht Prandegg (nachmals Zellhof genannt, als Prand-
egg nach dem oberdsterreichischen Bauernkriege verlassen wurde) hat
keine eigene Grenzbeschreibung. Die Grenzörtlichkeiten waren: gegen
die Landgerichte Haus und Freistadt die Waldaist, gegen die Land-
gerichte Reichenstein und Schwertberg- Windeck Feibimühle, Stecken-
bacher, Vor und Hinter Dorfer, Holzer, Vorder und Hinter Binder, Hinter
Eder, Vorder Ebner, Steininger, Ober Danner, Leupoldslehner, Scherer,
Nußbaumer, Salomon, Schlappermilhle, Daxebner, Bart, Wachenbauer,
Puchner, Erler, Fischeder; gegen die Landgerichte Greinburg und
Rutenstein die Nam, Narnleitner, Roteneder, Gleichetseder, Fichner,
Hengstberger, Frag^er, Gruber, Ober und Unter Panbalm, Dandorfer,
Wol&ecker, Ober und Unter Dorminger, Galleder, Lackner, Enixlehner,
Lindeneder, Dorf Kolned, Unter Kolneder, Buchinger.
Ebensowenig ist eine Grenzbeschreibung von dem geschlossenen
Landgerichtsbezirk erhalten, welchen in der Pfarre Tragein Reichen-
stein aus dem Landgericht Greinburg erkauft hatte. Nach den alten
Grundbüchern waren in demselben Grenzpunkte gegen das Land-
gericht Windeck, Schwab, Ober und Unter Halmer, Narhamer,
Nußbaumer, Hochöllinger, Eder, Moser, Hinterberger, Gatterbauer;
Lehner, Knechtleitner, Dorf Erdleiten [fast ganz] gehörten nach
Windeck.
Das Landgericht Windeck begriff den Landstrich zwischen der
Aist — Waldaist und der Narn, von der Haudererstraße bei der Furt-
mühle an einschließlich der linken Seite des Dorfes Zeiling und des
Burgfriedens des nach Freistadt untertänigen Marktes Perg bis hinauf
nach Feiblmühl — mit Ausnahme des an Reichenstein gelangten Di-
striktes; gegen letzteren waren nach den alten Grundbüchern Grenz-
örtlichkeiten: Riegler, Grabner, Stadibauer, Ober und Unter Schmierreut,
Feistlinger, Danner, Lehner, Erdleiten, Knechtleitner. Im Jahre 1644
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300
Patente vom 20. August 1787 angestrebt hat. Nach der ktinftigen
Verwaltung der Kriminalgerichtsbarkeit sollten die vielen Land-
wurde kraft der Meggaoschen Erben Teillibell der Herrschaft Schwert-
berg das völlige Landgericht auf ihrem eigenen und ihrer Untertanen
Boden im Landgericht MauthauBen eingeräumt und vom Landgericht
Windeck der südliche Teil dazngeschlagen. Nach dem Schwertberger Urbar
vom Jahre 1680 (im Schloßarchiv Schwertberg) ,thuet selbes landgericht
oberhalb der Hamerschmiden und Mühl in der Clauß bey dem Windter
Wiß Gattern sich anfangen und von dorten rechte hand dem fahrtweg
nach hinauf zum Edtpauem gehen, von dorten aber der landtstraß
nach hinumb und der ordinaij Straß nach durch das Dorf zu Winden,
von dorten besagter ordinaij Straß hinab zum Pfleger Pächel, von
dorten hinauf zum Eissapaurn, von dannen hinauf zum Gattern, von
dorten hinumb zum Lettner, von dannen hinab zur Söllinger Straß bis
an die Weegschaidt, von dannen rechte Hand hinumb zum Hans
Grueber in die Au, von dorten zum Weber an der leuthen, von dannen
zum Mittermillner an der Näm und sodann nach der Närn abwerts bis
an den Markt Perg (massen denn solcher Marckt Perg sambt seinem
ganzen burgfirid zue solchem landgericht gehörig ist) und vonn dem
Markt Perg der landstraß nach herauf bis zu dem Stegmühluer an die
Aist, sodann der Aist nach aufwerts bis wider zum Winder wißgattem,
alwo dieser District sich angefangen*.
Beide Landgerichte wurden vom Pfleger zu Schwertberg verwaltet,
sie gingen schließlich unter der Bezeichnung Landgericht Schwertberg.
Die kleine enge Feste Windeck ist schon im 18. Jahrhundert zur Ruine
geworden, die an alte Tage gemahnend über die Berge hereinblickt;
auch von ihr werden bald die letzten Trümmer verschwunden sein.
Die Grenzen des Landgerichtes Waldhausen sind gegeben
durch die niederösterreichische Landesgrenze und die Markungen des
Landgerichtes Greinburg.
Das Landgericht Baumgartenberg war nur in der nächsten
Umgebung des Klosters geschlossen, reichte aber mit seiner Exemtion
tief in das Landgericht Rutenstein hinein, wo die ganzen Dörfer Mönich-
dorf und Mönichwald ihm untertänig und daher sicherlich auf Dotations-
boden gegründet waren.
Das Landgericht Arbing übte nur über das geschlossene Dorf
Arbing (1 — 56), in welchem das alte Schulhaus Nr. 22 erst durch
Vergleich 1821, 29. Dezember unter seine Jurisdiktion kam, dann über
das Wirtshaus 10 in Puchberg, die Häuser 12, 16, 17 in Obergaisberg,
20 in Gaisberg, 21 in Molleneck, 5 in Humelberg, 4 in Priehetsberg und
1 (Urtlmühle) in Eroising die hohe Gerichtsbarkeit aus. Das alte
Schloß, vormals Lehen der Herren von Kapellen und von Liechten-
stein, wurde 1905 vom Grafen Heinrich von Klamm-Martinitz an den
Wirt Joh. Schwaiger in Arbing veräußert.
Auch das Landgericht Kreuzen entbehrte einer Grenzbeschrei-
bung; nach dem Urbar über die ,Graffschafft Creuzen* ddo. 31. De-
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gerichte aufgehoben und flir jeden Kreis ein eigenes Kriminal-
gericht bestellt, mit dem Tage, an welchem die neuen Gerichts-
zember 1681 (im Schloßarchiv Greinburg) hat 1641, 21. Juni Graf Leon-
hard HelMd von Meggau für seine Grafschaft Creusen, welche in das
Landgericht Greinbarg gehörte, ein eigenes Landgericht bestimmt, ,docli
allein sovill und soweit als deroselben Burgfrid, Item dero zugehörigen
Grund-, Vogt- und Lehensunderthanen zu Hauß, Holtz, Feld und
Wasser berührt*; die Schranne wurde aus den Märkten Kreuzen und
Pabneukirchen besetzt. Das geschlossene Gebiet wurde nach Ausweis
des alten Grundbuches dargestellt, darüber hinaus nur exemte Kriminal-
gerichtsbarkeit ausgeübt
An Burgfrieden bestanden:
a) jener des Marktes Perg, welcher aber die heutige Katastral-
gemeinde Perg nicht ausfüllte. Im ältesten Marktbuche (See. XV im
schön geordneten Marktarchiv) findet sich über selben nur folgender
Vermerk: ,So melden wir auch unser purckfrid das höbt sich au an dem
strich vor dem Aichach an dem selbigen Rain und get auf unczt an
den Haidgraben an den selbigen rain und hebt sich an der schern an
den rain, und get heraus an Machlanter Wiß.* Mit Hilfe des Bürgers
U. Michael Frieß ließen sich jedoch die Markuugen in der Natur be-
stimmen.
b) Jener des Schlosses Kliugeuberg (nun Ruine).
Nach dem Urbar über die Herrschaft Klingenberg 1627, 24. De-
zember (im Linzer Museum): ,Nun ist zumerken der zierkl und umb-
schwaif so unser gerechtigkait und freyhayt antzaigt und hebt sich von
ersten an in dem Holler Pach und geet im pach hinauf untz an die Riglmul,
vonderRiglmul im pach hinauf bis in dieSachssn, von der Sachssn der straß
nach hinauf bis geen Masldorf, von demselben Masldorf der straß nach
hinauf untz auf die Haubtmans Odt, von der Haubtmans Ot der straß
nach bis in die Langgrueb, von der Langgrueb untz an das Waldkhag,
dem khag nach so der waldt umbfangen ist, untz an die Holler weydt,
von der Holler weydt widerumb untz in den Hollerpach so es sich an-
gefangen hat da endet es sich widerumb.*
e) Jener des Marktes Au (im fünfzehnten Abschnitte).
dj Jener des Marktes Hütting, gehörig zur Herrschaft Nieder-
wallsee, im Pantäding des Richters Friedrich Scheffman vom Jahre 1613
erwähnt, aber nicht beschrieben (Original im Linzer Museum). Der
kleine Markt hatte noch im Zeitalter des ersten Habsburgers eine
größere Bedeutung, denn im Habsburger Urbar (Dopsch, a. a. O. 235,
Nr. 26) wird das Marktgericht (Judicium in Hitting) neben dem Land-
gericht im Machland verzeichnet. Bürger (eiusdem loci concives) der
villa que vocatur Hitingen werden in einer Wilheriuger Urkunde vom
Jahre 1155 (Oberösterreichisches Urkundenbuch II, 276) genannt. Das
Strombett der Donau war einst ein ganz anderes als heute, nur durch
genaue technische Erhebungen könnte festgestellt werden, wo früher
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302
höfe ihre Tätigkeit beginnen, alle in dem betreffenden Kreise
bestehenden Landgerichtsherrlichkeiten erlöschen. Für das
Mühl- und Machlandviertel war der Magistrat zu Freistadt, für
die Landeshauptstadt und für die Staatsverbrechen der Magistrat
zu Linz als Kriminalgericht in Aussicht genommen.^
Bekanntlich scheiterte die ganze Reform; im Jahre 1788
sah sich der Kaiser veranlaßt, zu verfügen, daß mit der wirk-
lichen Errichtung der Kreiskriminalgerichte bis zur hergestellten
Ruhe zuzuwarten sei,* und nach seinem Hinscheiden (1790,
20. Februar) erging das Hofdekret 1790, 30. Juli, womach es
von der Bestellung von Kreiskriminalgerichten abzukommen
und es bei der alten Gerichtsverfassung das Verbleiben hatte.*
Die Landgerichte lebten wieder auf, doch ohne die Burg-
frieden, der kaiserliche Bannrichter zu Linz setzte seine Tätig-
keit fort.*
Allein die alten Gerichte setzten das Scheinleben nur zur
eigenen Qual fort, unwillig und in zunehmendem Maße von
der Regierung beaufsichtigt. Im März 1818 baten achtzehn
Landgerichte ob der Ens um Erleichterung ihrer so ungleich
verteilten Last der beträchtlichen Kosten; sie führten an, daß
ihre früheren Einkünfte aus Geldstrafen, Zwangsarbeit, erb-
losen Verlassenschaften durch die neuen Gesetze entfallen seien,
wogegen der Beitrag zum Provinzialstrafhause per Haus von
7 und 15 Kreuzern schon auf 45 Kreuzer gestiegen sei und
die Naufahrt gewesen, an welcher Hütting lag, bevor seine Häuser in
den Fluten der Donau verschwanden, soweit sie nicht zurückgesetzt
wurden. Es ist nicht zu kühn zu vermuten, daß Hütting in karolin-
gischer Zeit ein besuchter Landungsplatz war.
Der Ort gehörte unter die Herrschaft Freistadt, bis Herzog Al-
brecht 1396, 14. November (Ödtsches Handbuch, S. 33) dem Heinrich von
Walsee erlaubte, die Güter zu Hütting, die zur landesfürstlichen Herr-
schaft der Freistadt gehörten, zu seinem neuerbauten Schlosse Nieder-
w^allsoe an sich zu lösen.
* Fasz. 1 Nr. 90 ex 1786 im Archiv des Justizministeriums.
' Note der vereinigten Hof kanzlei 1788, 26. Febmar, Fasz. 17 Kriminal-
gerichte 1788 daselbst.
' Fasz. 1790, Nr. 1 im obergerichtlichen Archiv in Wien.
* Interessante Instruktion 1782, 7. November für den letzten kaiserlichen
Bannrichter, den Advokaten Dr. Josef Pflügl in Linz, im Fasz. 1, Nr. 26
ex 1782 daselbst.
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303
sie außerdem die Kosten für den Strafvollzug unter einem Jahre
Kerker oder einem halben Jahre schweren Kerker selbst zu
tragen hätten. Die oberösterreichischen Stände, hierüber ein-
vernommen, sprachen sich für eine möglichst gleichmäßige Ver-
teilung der Strafhausbeiträge und uneinbringlichen Unter-
suchungskosten unter alle Untertanen und Obrigkeiten aus.
Mit Allerhöchster Entschließung 1819, 3. März wurden nun die
Kosten der Erhaltung des Provinzialstrafhauses auf das Kon-
kretum der ganzen Provinz und die Kosten für jene Verbrecher,
welche an einem anderen Orte ihre Strafe zu verbüßen hätten,
wegen Raummangels an bestimmten Orten aber im Linzer
Strafhause vorderhand verbleiben müßten, auf das Arar über-
nommen. ^
Über die Exemtionen berichtete Appellationsrat Enderle
nach der im Jahre 1818 gepflogenen Untersuchung der Land-
gerichte im Mühl- und im Traunviertel und in dem unter
österreichischer Landeshoheit gebliebenen Teile des Hausruck-
viertels. Er bemerkte, daß durch dieselben eine Verwirrung
in den Grenzen der Kriminaljurisdiktion entstehe, deren nach-
teiligen Folgen durch die Distriktskommissariate nur teilweise
abgeholfen werden könne. Die ordentlichen Kriminalgerichte
würden die Jurisdiktion über die exemten Untertanen nicht
übernehmen wollen, weil die Beiträge zur Erhaltung des Straf-
hauses in Linz nach der Anzahl der jedem Kriminalgerichte
zugewiesenen Häuser verteilt werden, mithin die ordentlichen
Landgerichte mit der Kriminalgerichtsbarkeit über die Exi-
mierten auch einen größeren Kostenbeitrag übernehmen müßten.
Er beantragte gleichmäßige Verteilung auf alle Obrigkeiten des
Landes, wodurch die große Schwierigkeit in der Aufhebung
der Exemtionen gehoben werden möge.* Daß letztere nicht
durchging, wurde in den Erläuterungen gesagt.
Endlich brachte die Organisation des Jahres 1849 die
Aufhebung der altersschwachen Patrimonialgerichtsbarkeit, die
Bestellung landesftirstlicher Organe und die Trennung der
* Jostizministerialarchiv I, Fasz. Kriminalgerichte ob und unter der
Eng 30, Nr. 8, Jahrgang 1818.
' A. a. O. Als Kuriosum mag angeführt sein, daß die letzte Justifi-
kation (Henken einer Mörderin) im Jahre 1848 auf der Donanteiten
durch das Landgericht Marsbach vollzogen wurde.
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304
Verwaltung von der Rechtspflege zuwege, zu welcher auch
nach dem Rückschritte des Jahres 1854 der Staat im Jahre 1868
zurückgekehrt ist.
Die nachstehende kurze Übersicht verbindet die Vergan-
genheit mit der Gegenwart.
Die mit Ministerialverordnung vom 9. August 1849 (kais.
Entschließung vom 26. Juni 1849) verfügte Organisierung der
landesfürstlichen Behörden hob die 1749 — 1753 eingeführten
Kreisämter auf; das sogenannte Mühlkreisamt, 1779 fUr die ver-
einigten Viertel im Norden der Donau zuerst in Freistadt, dann
in Urfahr, sonach in Linz amtierend, schloß seine Tätigkeit mit
Ausgang des Jahres 1849. Die Verwaltungsgeschäfte wurden
den neu errichteten Bezirkshauptmannschaften Rohrbach (ftir die
Bezirksgerichte Rohrbach, Aigen, Lembach, Haslach und Neu-
felden), Freistadt (für die Bezirksgerichte Freistadt, Leon-
felden, Unter- Weißenbach) und Grein (für die Bezirksgerichte
Grein, Perg, Pregarten und Mauthausen) zugewiesen und die
Sprengel der Bezirksgerichte Urfahr und Ottensheim der Be-
zirkshauptmannschaft [Umgebung] Linz zugeteilt.
Die neuen staatlichen Gerichte nahmen ihre Tätigkeit mit
Ende Mai 1850 auf, mit welchem Zeitpunkte die Patrimonial-
gerichtsbarkeit eingestellt wurde. Für geringere Verbrechen
und Vergehen funktionierten die Bezirksgerichte Rohrbach und
Freistadt für die betreffenden politischen Bezirke als Spruch-
strafgerichte (Kollegialbezirksgerichte).
Die mit Ministerialverordnung vom 19. Jänner 1853 (kais.
Entschließung vom 14. September 1852) beschlossene Rück-
bildung der Behördenorganisation führte mit Ende September
1854 sogenannte gemischte Bezirksämter, welche zugleich Ver-
waltung und Rechtspflege besorgten und teilweise (Rohrbach,
Aigen, Leonfelden, Freistadt, Grein) Kriminaluntersuchungs-
gerichte waren, sowie als Aufsichtsbehörde und Zwischeninstanz
wieder Kreisbehörden ein. Letztere (in Linz) wurde gleich
jenen in Steyr, Wels, Ried infolge Ministerialverordnung vom
19. Dezember 1859 mit 30. April 1860 wieder aufgelassen.
Territoriale Grenzänderungen waren nur bei den Gerichten
Rohrbach und Neufelden eingetreten; ersteres hatte die Katastral-
gemeinde Oberkapell an Lembach, letzteres die Katastral-
gemeinde Stamering an Ottensheim abzugeben.
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305
Gemäß dem Gesetze vom 19. Mai 1868 verschwanden mit
Ende August 1868 wieder die gemischten Behörden und traten
die Bezirkshauptmannschaften und die Bezirksgerichte^ nicht
mehr aber die Bezirkskollegialgerichte wieder ins Leben; der
Sitz der Bezirkshauptmannschaft Grein wurde nach Perg ver-
legt. Im Jahre 1904 endlich wurde aus den Gerichtsbezirken
Lfeonfelden, Ottensheim und Urfahr die neue Bezirkshaupt-
mannschaft Urfahr gebildet. Der Gerichtsbezirk Pregarten
wurde nunmehr dem Verwaltungsbezirke Freistadt zugeteilt.
Nachträge.
Zu S. 263 des vierzehnten Abschnittes.
Die Verpflichtung der Florianer Holden von S. Peter, bei
der Landschranne zu Velden ,als Sybmer auf dem Pänkl zu
sizen', welche erst im Jahre 1461 erlassen wurde (Velden
254/182), bedarf der Aufklärung, da dieselben außerhalb der
,Graf8chaft^ saßen, das Gericht aber aus den Dingpflichtigen
zu besetzen war. Diese besondere Last kann nur aus dem
Vogtrechte abgeleitet werden, welches das Hochstift Passau
über das Kloster Amt am Windberg ausübte (Urbar von Mars-
bach 1667, Bl. 534) und schon Herzog Albrecht H. in dem
Streite der Brüder Reinprecht und Friedrich von Walsee-Ens
als Pfandherren von Wachsenberg 1346, 20. August anerkannte
(Oberösterreichisches ürkundenbuch VI, 559). Aus letzterer Tat-
sache ist zu folgern^ daß das in der Regel dem Landgerichts-
herm zukommende Vogteirecht auf die Zeit vor dem Jahre 1 220
zurückgeht, von Heinrich von Griesbach -Wachsenberg dem
Hochstifte ebenfalls als Lehen aufgetragen und mit seinem Tode
heimf&llig wurde. Die Übung, die Florianer Holden als Schöffen
(Beisitzer des Rechten) in der Dingstätte zu Velden zu ge-
brauchen, dürfte aus dem Zeitpunkte stammen, in welchem die
Herren von Griesbach den Besitz östlich und westlich von der
Großen Mühel, jeden mit Grafenrechten ausgestattet, vereinigten;
in dieser Periode mag Velden die gemeinsame Malstätte gebildet
haben, welches Verhältnis mit dem Übergänge von Wachsen-
berg an die Babenberger aufhörte, wogegen die Schöffenpflicht
verblieb.
▲rchiT. XCIY. Bud. 21
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306
Zu S. 288 des fünfzehnten Äbsohnittes.
Das Franenkloster Nonnberg in Salzbarg genoß fdr seine
Eigenlente in Steg und Grindberg bei Urfahr-Linz keine
Exemtion. Über ihre Erwerbung ist keine Urkunde erhalten
gebheben; sie werden als Amt zu Linz ,enhalb der Donau'
schon im Urbar vom Jahre 1312 verzeichnet und in jenem
von 1405 (Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landes-
kunde XXIII, 72) und im alten Grundbuche Nonnberg (Bezirks-
gericht Urfahr) spezifiziert. Nach der Lage der Güter auf
altem Wildberger Boden und der vom Schlosse in Linz (vgl.
Geburt des Landes ob der Ens S. 99) ausgeübten (Erb-) Vogtei
ist kaum zu zweifeln, daß sie eine Schenkung der Freien von
Haunsperg aus dem 12. Jahrhundert sind.
Berichtigungen.
Die auf S. 101 Anmerkung 2 angeführte Urkunde K. Friedrichs II.
fällt in das Jahr 1218, nicht 1215.
Zu Seite 203. Vorausgesetzt, daß die Zahl der Indiktion in einer
Urkunde des Klosters Obermünster (Reg. Boic, II. 168) richtig ist, tritt
Kalhohus comes de Kirchperc noch im Jahre 1227 als Zeuge auf und wäre
er dann in diesem Jahre oder anfangs des nächsten aus dem Leben ge-
schieden.
Zu Seite 209. So eingewurzelt die Schreibweise II zst ad t seit Jahr-
hunderten ist, so wenig ist sie richtig. Sie bedeutet weder eine Stätte
noch eine Stadt an der Uz, sondern das Gestade der Ilz bei deren Mün-
dung. So sprach und schrieb man noch im Beginne des 15. Jahrhundertes
„am Dzstad« (Lang, Regesta Boic, VL 108, XIL 197).
Zu Seite 258» Anmerkung Punkt 18 hinzuzufügen: sowie der Höfer-
hof zwischen Neufelden und Altenfelden.
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ANHANG.
Berichtigang von Ortsbestimmungen in der Abhandlung:
^Versuch einer Geschichte der passauischen Herrschaft
im oberen Mühlviertel, namentlich des Landgerichtes
Velden bis zum Ausgang des Büttelalters' 1860.
S. 134 Enczenmannesrawte nicht: Ensmansreut Pfarre Peilstein,
sondern: Ensmansreut Pfarre Waldkirchen in der
Abtei.
„135 Chranabiten nicht: bei Pntzleinsdorf, sondern: Krana-
witen Pfarre Griesbach.
„ 138 Chwzam (Chriuzam) = Kreuzmair.
„ 144 alten walde, potenrevte, Wuslage, Haselpach nicht: in
der Abtei, sondern: Pfarre Altenfelden.
„ 146 Chlafpach nicht: Klaffer, sondern: Klaffenbäckgut Pfarre
St. Ägidi.
„ 170 mayrhoph nicht: Pfarre Rohrbach, sondern: Pfarre Lem-
bach.
„ 174 Neundorf nicht: Unter-Neudorf Pfarre Aigen, sondern:
Ober-Neudorf Pfarre Opping.
„174 vischbach nicht: Ober-Fischbach, sondern: Unter-Fisch-
bach.
„174 mairhof nicht: Mairhof, sondern: Ober-Mairhof.
„ 174 Schererseodel: Scherer in Stubbach zu Salaberg.
„ 174 Aczelsperger nicht: Atzleinsberg Pfarre Neufelden,
sondern: Azesberg Pfarre Sarleinsbach.
„ 154 wantschaben nicht: Wandschamel Pfarre Rohrbach,
sondern: Wandschamel Pfarre Lembach.
„154 Horowe nicht: Harau Pfarre Rohrbach, sondern: Harau
Pfarre Lembach.
„182 Stirberch nicht: Stierberg Pfarre Altenfelden oder
Opping, sondern: Pfarre Peilstein.
2l»
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308
S. 182 chirslach nicht: in Böhmen, sondern: Kirchbach Pfarre
Peilstein.
„ 182 Marchslag nicht: in Böhmen, sondern: Markschlag bei
Kirchbach.
„ 182 niundorf nicht: Unter-Neudorf Pfarre Aigen, sondern:
Ober-Neudorf, Pfarre Opping.
„183 Newndorf nicht: Unter-Neudorf Pfarre Aigen, sondern:
Ober-Neudorf Pfarre Opping.
„189 Hof von Veucht nicht: Pfarre Lembach, sondern:
Feuchtner in Bayrach bei Neufelden.
„189 Rudmansdorf soll heißen: Erdmansdorf Pfarre St. Peter.
„ 198 Lädnicz nicht: Mülbach, sondern: Lanizbach.
„ 202 Aerlaspach nicht: in der Abtei, sondern Saerlaspach =
Sarleinspach.
„ 332 Engelmanstorf nicht: Erdmanstorf, sondern: Emerstorf
Pfarre Pfarrkirchen.
„ 109 ist bei Hodansreut die Erklärung: ,(Ozerreut an der
südlichen Grenze der P&rre Rohrbach)' zu streichen.
Diese Auslegung hatte zuerst Pillwein (Mtihlkreis 11,
201) und nach ihm der Verfasser und schließlich PröU
(Schlägl S. 35, Anm. 3) gegeben; allein der Haibach
und der Zagelbach, zwischen welchen zwei Bächen
Hodansreut gelegen war, befinden sich nicht bei Ozer-
reut. Ersterer entspringt vielmehr unterhalb Breiten-
stein, fließt östlich am Brandl- und am Haiberger-
gute vorbei und fällt gegenüber der Bemdlmühle in
die Große Mühel; letzterer hat seine Quelle am Hoch-
buchet, rinnt in nordöstlich gerichtetem Laufe in der
Tiefe unter dem Dorfe Zaglau vorbei und mündet
bei der Brücke, welche der Verbindungsweg von der
Straße Schindlau-Rudolfing nach Zaglau überschreitet,
gleichfalls in die Große Mühel. Zwischen diesen
beiden Bächen erhebt sich das Dorf Kerschbaum, in
welchem Hodansreut zu erblicken ist; mit dieser An-
nahme stimmt auch die Tatsache, daß noch bis zum
Jahre 1303 der ganze Längenstrich vom £[rennbach
bis an den Finsterbach in der Innehabung der
Haichenbacher gewesen ist.
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Inhaltsverzeichnis.
Vorwort 86
Erster Abschnitt 90
Der große Nordwald. Das karoling^he Rosdorf gleich-
bedeutend mit dem späteren Landshag. Die comitatus ex antiqao
ad marchiam pertinentes, quo« tres dicunt, des Bischofs Otto von
Freising; die neueste Deutung derselben nach Uhlins.
Zweiter Abschnitt 106
Der Schweinachgau; dessen reeller Inhalt
Dritter Abschnitt 113
Gang der Kolonisation im Nordwalde. Ehemalige Grense
zwischen Bayern, Böhmen und OberOsterreich. Die ,altitudo
silvae Boemiam et Bavariam dividens* im Hohenfurter Stiftbriefe.
Vierter Abschnitt 133
Über den Zeitpunkt der Änderung der vormaligen Grenzen
zwischen Böhmen und Oberösterreich und der Angliederung des
Gebietes im Norden der Donau an das Land ob der Ens.
Fünfter Abschnitt 188
Das 12. Jahrhundert. Die großen freien Geschlechter und
der Kirchenbesitz.
Sechster Abschnitt 150
Eppo von Windberg und Bernhard an der Mühel. Die Herren
von Schönhering und Blankenberg. Übersicht ihres Besitzes auf
oberösterreichischem Boden. Ihr Aussterben.
Siebenter Abschnitt 161
Auftreten der Witigonen am Ostufer der Großen Mtthel.
Nachweis ihrer Besitzungen auf heutigem oberösterreichischen
Boden. Die Siegellegende der Worliker Urkunde vom Jahre 1220.
Die Witigonen sind ein Seitenzweig der Blankenberger.
Achter Abschnitt 178
Die Burg Falkenstein zu allen Zeiten im Besitze hochfreier
Geschlechter. Adalram von Falkenstein 1140. Kaihoch von
Falkenstein um 1180. Übergang an die Krummauer Linie der
Witigonen; Zawisch von Falkenstein. Die ersten Stifter von
Schllgl nicht Besitzer, sondern Burgmannen von Falkenstein.
Stammtafel derselben; ihre beurkundeten Besitzungen. Stiftung
von Schlftgl, Vogtrecht der Herrschaft Falkenstein. Rannarigel
auf ursprünglich Griesbachschem Boden Stammbesitz der Mi-
nisterialen von Falkenstein.
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310
Seite
Neunter Abschnitt 206
Anwachsen des Besitzes des Hochstiftes Passan. Erwerb der
Grafischaftsrechte im Uzgau. Passan Beichsfürstentnm.
Zehnter Abschnitt 210
Übergreifen der Habsburger auf das passauische Territorium.
Begründung der österreichischen Landeshoheit im Mühellande.
Elfter Abschnitt 217
Das Landgericht Velden, die Herrschaften Falkenstein und
Bannarigel.
Zwölfter Abschnitt 241
Das Landgericht Haslach.
Dreizehnter Abschnitt 245
Landgerichte Wachsenberg und Oberwallsee.
Vierzehnter Abschnitt 252
Kartographische Darstellung des Bestandes der Grundherr-
schaften im Ilzgau vor Erwerbung der Grafschaftsrechte durch
die Kirche Passau. Bückschluß auf die Art der Kolonisation in-
folge königlicher Schenkung oder durch Landnahme. Das Diplom
K. Heinrichs H. für Niedemburg.
Fünfzehnter Abschnitt 282
Die Riedmark. L Das alte Landgericht Freistadt und seine
Zweige.
Sechzehnter Abschnitt ^ 293
n. Das Landgericht Machland und die Abteilungen desselben.
Nachträge 305
Anhang 307
Topographische Berichtigungen zur Abhandlung vom Jahre 1860.
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für
österreichische Geschichte.
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Herausgegeben
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Historisclien Kommission
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kaiserlichen Akademie der Wissenflchaften.
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Zweite HiAlfte.
Mit 1 Kartö und 1 KarteUÄki'ÄKe im Ttaxtö,
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Wien, 1907.
In K 0 in m i 8 8 i o D bei Alfred H ü 1 d e r
k. u. 1e. flof' und Uiil^erMtäis-JtticihbliLtidLfir
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IV
für
österreichische Qeschichte.
Herausgegeben
TOD der
Historischen Kommission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Vierundneunzigster Band.
Zweite Hälfte,
liit 1 Karte und 1 Kartenskizze im Texte.
Wien, 1907.
In Kommission bei Alfred Holder
k. n. k. Hof- und UniTersitftts-Bncbh&ndler
Bnebh&ndler der kaiMrlichen Akademie der Wissensehftften
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V.
IMMUNITÄT,
GRUND- UND LEIBHERRLICHE
GERICHTSBARKEIT
IlSJ StTDTIROL.
TON
D" HANS VON VOLTELINI.
ArdiW. 94. Baii4, II. Hillt«. 22
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Immunität und grundherrliche Gkrichtsgewalt stehen ge-
genwärtig wieder im Mittelpunkte lebhafter Erörterung. Noch
immer sind die Meinungen über die Bedeutung der Immunität
und Grundherrschaft für das Verfassungs-, Wirtschafts- und
Kulturleben der deutschen Nation geteilt. War es das Ver-
dienst Th. y. Sickels^ den Inhalt der karolingischen Immunität
klargelegt zu haben^ so hat Brunner den Ursprung der Immuni-
tät und grundherrlichen Gerichtsgewalt aufgedeckt. Manche
Forscher, wie G. L. Maurer, Nitzsch, in neuerer Zeit Th. v.
Inama-Stemegg und namentlich Lamprecht haben die Bedeu-
tung der Grundherrschaft sehr hoch angeschlagen, aus Immuni-
tät und Grundherrschaft geradezu den deutschen Territorial-
staat hervorgehen lassen. Dem ist längst widersprochen worden,
es sei nur an Waitz, Heusler und v. Below erinnert. Das
große Verdienst Richters war es, an einem bestimmten Bei-
spiele nachgewiesen zu haben, daß nicht einmal fUr die geist-
lichen Fürstentümer die Immunität, sondern daß die Erwerbung
der Grafengewalt zur Bildung des Territoriums geführt hat
In neuester Zeit hat Seeliger den Inhalt der Immunität, ihr
Verhältnis zur Grafengewalt wieder in Diskussion gestellt, die
noch nicht abgeschlossen ist. Seine Ansichten haben in der
Mehrzahl geteilte Aufnahme gefunden. Man hat sie nicht für
so neu angesehen als sie der Verfasser selber hielt, und man
hat sie nicht durchweg gebilligt. Aber man ist fern davon,
in jene Überschätzung zurückzufallen, die der Grundherrschaft
früher vielfach zuteil geworden ist. Auch hier muß die Detail-
forschung einsetzen. Ek wird sich namentlich verlohnen, nach-
zuforschen, was im einzelnen Falle aus Immunitäten und Grund-
herrschaften geworden ist. Aus den Ergebnissen wird sich
mancher Rückschluß auf die früheren Zeiten ziehen lassen und
22*
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314
die Bedeutung der Immunität für die Weiterentwicklung von
selber ergeben. Es dürfte sich zeigen^ daß die Immunität in
einzelnen beschränkten Fällen allerdings die Grundlage fiir die
Ausbildung der Landeshoheit geboten hat, wie dies Eduard
Richter in seinem Aufsatze: Immunität, Landeshoheit und Wald-
schenkungen, der leider der letzte des hochbedeutenden Ge-
lehrten bleiben sollte, ausgeführt hat, daß in anderen Fällen
hohe und niedere Gerichte aus ihr erwachsen sind, daß endlich
manchmal eine hochentwickelte Immunität spurlos verschwun-
den ist.
Wenn der Verfasser dieses Aufsatzes nun daran geht,
sein im ersten Beitrage dieses Archivbandes • gegebenes Ver-
sprechen einzulösen und die Resultate seiner Forschung über
Immunität, leib- und grundherrliche Gerichtsbarkeit vorzulegen,
so geschieht dies doch nicht in dem Umfange, wie er früher
beabsichtigt hatte. Damals dachte er daran, diese Verhältnisse
auch für Deutschtirol zu verfolgen. Nach dem Tode Josef
Eggers konnte Deutschtirol für den historischen Atlas ab ver-
waist gelten. Seitdem ist jedoch für diesen Teil ein neuer Mit-
arbeiter gewonnen worden, dem mit Fug und Recht diese Arbeit
überlassen werden konnte. Beschränkt sich somit der Verfasser
auf das Bistum Trient, so hat damit seine Arbeit freilich sehr
an Wert eingebüßt. Denn keineswegs spielt die Immunität in
Südtirol die gleiche Rolle wie im Bistum Brixen und im churi-
schen Teile des Landes. Für Trient liegt nicht wie für Brixen,
zum Teile auch für Chur eine fast ununterbrochene Reihe von
Immunitätsverleihungen und Bestätigungen vor, vielmehr fehlen
solche gänzlich. Auch die Weiterentwicklung der Immunität
wird sich in Deutschtirol als viel interessanter und wichtiger
darstellen, aber auch schwieriger zu verfolgen sein. In diesem
Zusammenhange wird sich wohl auch die Frage lösen lassen,
wie jenes bescheidene Gebiet entstanden ist, in dem der Bischof
von Brixen eine landesfürstliche Gewalt behauptet hat, es wer-
den die eigentümlichen Verhältnisse des Vintschgaus, die sich
vielfach kreuzenden Rechte und Ansprüche der Bischöfe von
Chur und der Grafen von Tirol zu verfolgen sein, es wird die
Ausbildung der landsässigen Exemtionen um so zu sagen fest-
zustellen sein, die für Sonnenburg und Wilten angeblich noch
in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts, also weiter als die
landesfürstlichen Exemtionen in Niederösterreich zurückreichen,
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315
eine Frage, die indes erst nach kritischer Untersuchung der
Verleihungsnrkunden, die höchstwahrscheinlich Fälschungen sind,
gelöst werden kann.
Was somit fbr diese Arbeit übrig bleibt, ist dürftig genug.
Das Hochstift Trient hat, wie gesagt, fast alle seine älteren
Kaiserurkunden, insbesonders alle seine Immunitätsprivilegien,
wenn es solche besaß, verloren. Dagegen haben wir sehr ein-
gehende Kunde über die Zustände einer Immunität in Südtirol,
die sich im Besitze des Domkapitels von Verona befand. Frei-
lich kann diese Grundherrschaft mit der des Klosters Monte-
cassino an Bedeutung keinen Vergleich aushalten,^ doch walten
zwischen der Entwicklung Nord- und Süditaliens derartige Unter-
schiede, daß Verona immerhin als Typus einer norditalienischen'
Immunität sein Interesse zu behaupten vermag. Aber auch fbr
Trient werden sich in diesem Zusammenhange Fragen aufdrän-
gen, die ihre volle Beantwortung noch nicht gefunden haben,
über die Gastaldenverfassung und vor allem über die Bedeutung
der Vogtei, Fragen, deren Lösung nicht nur für die Geschichte
der Gerichtsverfassung von großer Bedeutung ist. Dann wer-
den die vorhandenen gerichtlichen Exemtionen f\ir andere geist-
liche Stiftungen zu betrachten sein. Wichtiger wird es dann sein,
die Zeugnisse über die grund- und leibherrliche Gerichtsbarkeit,
die dem Adel zukam, zu verfolgen. Sind wir für Deutschtirol
in diesem Punkte nur auf dürftige Angaben beschränkt, wissen
wir, daß im allgemeinen diese Gerichtsbarkeit nur geringe Be-
deutung hatte, die öffentlichen Landgerichte sich vielmehr auch
die niedere Gerichtsbarkeit über alle Insassen bewahrten, so
hat im Gegenteile diese Gerichtsbarkeit in Südtirol allgemein
bestanden und sich in eigentümlicher Weise fortgebildet und
auf die spätere Gestaltung Einfluß geübt, bis sie in den letzten
Jahrhunderten des Mittelalters mehr und mehr an Bedeutung
verlor. Was der Verfasser in seiner früheren Arbeit: ,Über
die Entstehung der Landgerichte im bayrisch-österreichischen
Rechtsgebiete' nur knapp andeuten konnte, das weiter auszu-
^ Deren eingehende Schilderang bei Salvioli, Atti e memorie della Depnt.
di Storia patria delle provincie Modenese e Parmese, Ser. HI, Bd. 6,
1061
' Im rechtshistoriflcheu Sinne, wenn auch nicht der politischen Zugehörig-
keit nach.
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316
führen fühlt er sich umsomehr verpflichtet, als er glaubt, daß
dieser Gegenstand doch ein mehr als lokales Interesse besitze,
daß sich aus seinen Quellen wichtige Auskünfte von allgemeiner
Bedeutung ergeben. Und so möge diese Arbeit als beschei-
dener Baustein zur Geschichte der deutschen Gerichtsverfassung
freundlich aufgenommen werden.
L Die Tnunnnität des Domkapitels von Verona
in Südtirol.^
Ein glücklicher Zufall gestattet uns einen Einblick in die
Verwaltung eines Immunitätsgebietes in Südtirol zu Ende des
12. und Beginn des 13. Jahrhunderts, wie uns ein solcher nicht
oft ermöglicht sein wird. Wir sind ja für die Frage nach
Umfang und Inhalt der Immunität in der Regel auf die Immuni-
tätsverleihungen angewiesen, die, selber formelhaft und häufig
Vorurkunden nachgebildet, der Erklärung bedürfen und der
subjektiven Aufi^assung mehr oder weniger freien Spielraum
lassen. Hier liegt uns eine beträchtliche Anzahl von Urkun-
den vor, die über die Verwaltung und Rechtsverhältnisse der
Immunität, über die Rechte und Gerichtsbarkeit des Grund-
herrn, über die Beziehungen der Grundholden zueinander, die
Art, wie hier Gericht gehalten wird, aber auch über die An-
feindungen, welche die Immunität von seite des Inhabers der
Grafengewalt und benachbarter Großer findet, ein ziemlich
deutliches Bild geben. Der Vergleich mit einer zweiten Im-
munität in Südtirol, von der wir nähere Kunde haben, wird
uns das Stehende in diesen Verhältnissen umsomehr erkennen
lassen. Schon Julius v. Ficker hat auf diese interessanten Ver-
^ Es erübrigt dem Verfasser die angenehme Pflicht, bei diesem Anlasse
dem hochwürdigen Herrn Bibliothekar des Domkapitels yon Verona,
Don Antonio Spagnolo, der ihm bei seinen Stadien im Archive des Dom-
kapitels Herbst 1901 die mühevollste und weitgehendste Förderung «u-
teil werden Heß, den ergebensten und wärmsten Dank auszudrücken.
Möge das Domkapitel sich entschließen, den Schatz seiner Urkunden,
der bei der großen Etschüberschwemmung des Jahres 1882 in eiliger
Flacht gerettet werden mußte und seitdem in Unordnung geraten ist,
wieder zu ordnen, und möge der Herr Bibliothekar, seinen Vorsatz aus-
führend, zur Veröffentlichung eines Veroneser Urkundenbuches schreiten,
beziehungsweise in die Lage versetzt werden, ein so kostspieliges Unter-
nehmen in Angriff nehmen zu können.
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317
hältnisse hingewiesen' nnd eine Anzahl von Urkunden^ die
sich auf die Immunität beziehen, im vierten Bande seiner iFor-
schnngen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens zum Ab-
drucke gebracht.
Die Besitzungen des Domkapitels von Verona umfaßten
im Gebiete der Grafschaft Trient die vier Dörfer in Judikarien
BondOy Bolvene^ Zuclo und Breguzzo, sämtliche in der Bezirks-
faauptmannschaft und im Bezirksgerichte Tione gelegen, in
einem Halbkreise südlich bis östUch an die Gemeinde Tione gren-
zend^ dann den Hof Badabiones, von dem die Quellen melden,
daß er sich im Lagertale befand, ohne daß sich seine Lage
näher bestimmen ließe.*
Der Besitz der drei Dörfer in Judikarien wird in einem
Diplom Kaiser Berengars I. von angeblich 916' auf eine
Schenkung des Bischofs Notker an das Domkapitel zurückge-
führt. Wäre diese Urkunde echt, dann würde bereits auf ihr
die Immunität des Domkapitels beruhen. Denn Berengar ord-
net nicht nur an^ daß das Fodrum in Berguzzo, Bolbeno und
Bondo nicht mehr an den Fiskus, sondern ans Kapitel gezahlt
werden solle, er überträgt auch die placita und districtus, Ge-
richte und Banne dem Domkapitel. Indes die Echtheit der
Urkunde ist bezweifelt; schon der erste Herausgeber De Dio-
nisiis* hat sie bestritten. Doch manches der formalen Gebrechen,
die er rügt, wie die Nennung der Kaiserin Bertiila, die zur
Zeit der angeblichen Ausstellung des Diploms bereits tot war,
als Intervenientin ließe sich zur Not erklären, wie denn auch
CipoUa in den Mitteilungen des Instituts, Bd. 2, 95 n. 1 in der
Tat nach Beseitigung dieser und ähnlicher Schwierigkeiten eine
Rettung der Urkunde versucht hat.
^ Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens 3, 406, Nach-
trag zu § 126.
• Bonelli, Notizie intorno al heato Adelprete 2, 45 f., identifiziert ihn mit
V6 hei Avio; Tartarotti, Memorie antiche di Rovereto 22, suchte ihn in
Yadaione in Rendena; doch sagt das Testament des Bischofis Notker von
927, Not. 16, De Dionysiis, De duohus episcopis Aldone et Notingo 103:
Curte mea .... in Lagarense, ubi dicitur Badabiones; vgl. Christian
Schneller, Tirolische Namensforschung 6 f. Durig vermutet (Bemerkung
zur Kopie der Urkunde) Patone, Bezirk Nogaredo, und dürfte damit
wohl das Richtige getroffen haben.
• Schiaparelli, Fonti di storia dltalia, Diplomi di Berengario I, Nr. 113•
* a. a. O. 30 f.
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318
Bedenklicher ist es, daß Notker, den das Diplom als
Scheoker bezeichnet, wenige Jahre hernach neuerdings als
Eigentümer der drei Dörfer erscheint und über sie nunmehr
in anderem Sinne verfügt, indem er sie als Ausstattung einem
Siechenhause (xenodochium) zuweist.^
Freilich ist hier von decaniae die Rede, dort von villae.
Beide Ausdrücke sind jedoch zweifelsohne hier als gleichwertig
anzusehen und bezeichnen denselben räumlichen Bezirk.' Doch
auch diese Schwierigkeit ließe sich lösen, wie dies Don Antonio
Spagnolo in der Tat mit Glück versucht hat;' denn der Bischof
konnte irgendwie neuerdings in den Besitz der Dörfer durch
Tausch oder Kauf vom Domkapitel gelangt sein. Dann hat
Notker seine Stiftung der Aufsicht des Domkapitels unterstellt,
so daß ihr Vermögen sehr wohl im weiteren Sinne zum Besitze
des Domkapitels gezählt werden konnte. Die Wiedererwerbung
kann aber umsoweniger auffallen, als auch der Hof Badabiones
den Notker ebenfalls seinem Xenodochium zugewendet hatte,
bereits im Jahre 983 wieder im Besitze des Kapitels sich befand.^
Schon Otto I. hat im Jahre 951 dem Domkapitel den Besitz
zweier Xenodochien bestätigt, von denen eines durch Notker
im Jahre 921 gestiftet worden war,* freilich sich nicht mit dem
927 bedachten deckte. Trotz dieser Rettungsversuche hat Schia-
parelli in der Anmerkung zur Ausgabe des Diploms die Echt-
heit^ die er früher anzunehmen geneigt war, bezweifelt und die
Urkunde für eine Fälschung nach dem Diplome Heinrichs UI.
(Stumpf 2338) erklärt. Schon früher hatte Breslau ebenfalls
Fälschung angenommen, die er nach 1027 setzte.^ Darüber
nun, daß eine Fälschung vorliegt, lassen die Formeln keinen
Zweifel und auch der Zweck der Fälschung wird sich ohne
Schwierigkeit feststellen lassen.
Die Diplome, mit welchen das Domkapitel von Verona
von den deutschen Königen und Kaisem bedacht wurde, lie-
gen in ziemlich vollständiger Reihenfolge seit 951 vor
* 927, November 16, De Dionysiia 108, Ughelli, Italia Sacra 6, 788.
' Über decania vgl. im folgenden § 2.
^^ Un diploma di Berengario I., Separatabdruck auB Atti della R. Accade-
mia delle scienze di Torino, Bd. 37, 13 f.
* Diplom Ottos U. MM DO. II. 806.
> DO. I. 137. Die Gründungsarkunde bei Ugbelli, Italia Sacra 6, 727.
* Bemerkung zu MM DH. U. 310.
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319
nnd lassen uns das Anwachsen der Besitzungen und
Rechte des Kapitels deutlich verfolgen. . Noch sehr be-
scheiden ist das erste Diplom von 951^ nachgebildet offenbar
einem älteren verschollenen karolingischen^ dessen Formeln hier
wiederkehren.^ Kaiser Otto I. nimmt das Kapitel unter seine
Mund mit all dessen Besitzungen und Eigenleuten, bestätigt
zwei Xenodochien und verleiht Immunität, indem den öffent-
lichen Beamten die Vornahme von Rechtsakten in den Dörfern
und Schlössern und über die Hintersassen (libellarii) des Ka-
pitels untersagt wird.^ Hier fehlt jede Berührung mit dem
Diplome Berengars, weder durch ausdrückliche Erwähnung,
noch durch Benützung, noch durch Gemeinsamkeit, weder der
Formeln, noch auch des Besitzstandes.
Ganz anderen Wortlautes und Inhaltes ist das nächste
Diplom ftir das Kapitel Ottos IL von 983.' Es bestätigt eine
Reihe von Höfen, darunter Badabiones, das Bischof Notker ge-
Bchenkt habe, mit einer Eigenkapelle und anderen Besitzungen.
Daran knüpft sich der Verzicht auf das Fodrum der Einwohner
von acht genannten Castra und die Gewährung der Zollfreiheit
in Verona. Zu den Castra gehören die drei aufgezählten Höfe
Dicht. Auffallend bleibt die Konstruktion der Urkunde, das
Nebeneinander der beiden Besitzgruppen, der Höfe einerseits,
bei denen sorgsam der Besitztitel vermerkt ist, und der Castra,
von denen das Fodrum erlassen wird, immerhin. Auch die
Castra sind Eigentum des Domkapitels, sie werden im Diplom
als Castra ipsorum canonicorum bezeichnet; das Eigentum des
Domkapitels ergibt sich für spätere Zeiten aus den Pachturkun-
den und anderen Aufzeichnungen des Kapitelarchivs. Wollte
man das Fodrum nur von den Castra erlassen, so konnte dies
in anderer Weise korrekter und deutlicher gesagt werden. Die
Konstruktion der Urkunde läßt sich nur erklären, wenn eine
Vomrkunde mit neuen Verfügungen in ungeschickter Weise
verknüpft wurde. Man hatte wohl ein älteres Diplom, in wel-
chem das Fodrum in den Castra und die Zollfreiheit verliehen
wurde, man wünschte aber eine Bestätigung auch der neu-
^ über die Mundialformeln in italienischen Diplomen Salyioli, Atti III,
Bd. 5, 102; vgl. im allgemeinen Sickel, Sitzongsber. der Wiener Akad.
der Wissensch., phil.-hist Klasse 47, 259 f., 263.
» DO. L 137. » DO. n. 305.
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320
erworbenen Besitzungen, deren Besitztitel noch bekannt war.
Die Kanzlei kam dem Wunsche nach^ indem sie die Bestätigung
der Höfe voranstellte, den Inhalt der älteren Urkunde daran-
fügte. So hat es nach dem Wortlaut den Anschein, als ob
der Besitz lediglich der Höfe^ nicht aber der Castra, das Fodrum
nur von den Castra, nicht von den Höfen überlassen würde.
Die Urkunde schließt mit einem Verbote flir alle öffentlichen
Beamten und sonst jedermann, Klagen gegen das Kapitel wegen
seiner Besitzungen und Hintersassen anderswo als vor dem Ka-
pitel zu erheben, mit anderen Worten, es wird eine grundherr-
liche Gerichtsbarkeit des Kapitels über seine Besitzungen und
Hintersassen anerkannt.
Mehr schon enthält das Privileg Heinrichs H. von 1014
Mai 21.^ Nun werden zum ersten Male auch die drei Villen
in Judikarien Breguzzo, Bolbeno und Bondo bestätigt nebst
anderen Besitzungen, die neu an das Kapitel gekommen waren.
Dabei scheint es nun allerdings, daß auch die drei Villen als
von Bischof Notker geschenkt bezeichnet werden. Die Bestim-
mung von DO. n. 305 über den Erlaß des Fodrums in den
acht Castra, zu denen einige neu hinzugekommen sind, wird
wiederholt, nunmehr aber das Fodrum mit klaren Worten dem
Kapitel zugesprochen. Ebenso wird die Immunitätsverleihung
klarer gefaßt. Placita und districtus werden nicht nur in den
Castra, sondern in allen genannten Villae und Curtes dem Dom-
kapitel zugesprochen. Es wird zuletzt verboten, die Domherren
im Besitze ihrer bestätigten Güter und ihrer Hintersassen zu
stören ohne richterliches Urteil. Das war ein bedeutender
Fortschritt. War bisher nur die Amtshandlung der öffentlichen
Beamten auf den Gütern des Kapitels untersagt, so wird nun-
mehr Gerichts- und Banngewalt nebst allen Einkünften dem
Kapitel übertragen. Wesentlich in demselben Rahmen hält sich
das Privileg Konrads H. von 1027 Mai 25.*
Eine Erweiterung der Besitzungen und Rechte des Ka-
pitels bedeutet wieder das Diplom Heinrichs HI. von 1047
Mai 8,^ das allerdings zunächst auf Stumpf 1949 beruht. Nicht
nur ist die Zahl der Höfe gewachsen, nunmehr wird das Fo-
drum nicht mehr von den Castra, sondern, wie in einem ein-
geschobenen Satze gesagt wird, in allen Castra und Villen und
» DH. n. 310. « Stumpf 1949. » Stumpf 2338.
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321
allen Orten, die dem Kapitel irgendwie gehören^ geschenkt.
In demselben Umfange werden auch Gericht and Bann und
alle öffentlichen E^inkilnfle saerkannt. Noch ein Satz fiült als
nen anf: dem Erzpriester und Erzdiakon wird, allerdings mit
Zostimmung der Domherren freies Verfiigungsrecht über die
Besitznngen des Kapitels eingeräumt. Offenbar richtet sich
diese Bestimmung gegen den Bischof, dessen Eünfloß anf die
Verwaltung des Vermögens abgeschnitten werden soll. Hein-
rich III. von 1047 ist Grundlage geblieben für die folgenden
Bestätigungen Heinrichs IV. von 1084 Juni 18,^ Lothar II.
1136 September 25,« Konrad III. 1147 Februar 8—10« und
Friedrich I. 1154 Oktober 26.* Nur die Besitzungen wachsen,
der Umkreis der verliehenen Rechte bleibt im wesentlichen
derselbe.
Kehren wir nun zu Berengar I. 113 zurück. Bei einer
Vergleichung der Urkunde mit den aufgezählten Diplomen er-
gibt sich, daß der angebliche Berengar sich am nächsten mit
DH. II. 310, Stumpf 1949 (Konrad II.) und Heinrich IIL Stumpf
2339 berührt. Auf DO. IL 305 gehen nur wenige Sätze zu-
rück, die ersichtlich nicht direkt aus dieser Urkunde, sondern
durch Vermittlung von DH. II, 310 oder Stumpf 1949 übernommen
sind, da alle Zusätze wiederkehren, die sich in diesen späteren
Diplomen finden. Berengar I. 113 enthält jedoch noch ein
Mehr. In der Bestätigungsformel der genannten Diplome wird
die Bestätigung noch nicht auf alles, was die Domherren er-
worben haben oder erwerben werden, ausgedehnt, es fehlt na-
mentlich der Hinweis auf die Xenodochien und Zehnten.^ Es
fehlen weiters jene Worte, die Nachlaß des Fodrums in den
ViUen in Judikarien veriUgen, es fehlt der kleine Nachsatz,
welcher das Fodrum und alle anderen öffentlichen Leistungen
dem Kapitel überläßt.^ £s fehlt dann weiter der Satz, der die
Verftigungsfreiheit des EJrzpriesters und Erzdiakons über das
» Stumpf 2861. • stumpf 8331.
' Stumpf 8533; Druck Stumpf, Acta imperii Nr. 383, nicht, wie Stumpf
meint, interpoliert, sondern Nachbildung yon Stumpf 3831 . und stellen-
weise verderbt.
^ Stumpf 8694.
' sive omnia que aliquo adquisitionis munimine — eiusdem civitatis. Schia-
parelli a, a. O. 298, Z. 10—12.
• Schiaparelli 293, Z. 22—24: set omnia — habeant.
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322
Kapitelgut festsetzt.^ Das Fehlende findet sich nun wörtlich
in dem Diplom Heinrichs III. St. 2338, wie schon Schiaparelli
bemerkt, der Berengar I. 113 nach dieser Urkunde entstanden
sein läßt. Indes wird man dieser Behauptung nicht beistimmen
können. Denn unter solcher Voraussetzung sind die Motive der
Fälschung nicht einzusehen, man würde denn mit Schiaparelli
annehmen wollen, das Kapitel habe lediglich die Schenkung
der Höfe durch Bischof Notker, die ohnehin schon aus Stumpf
1949 und 2338 ersichtlich war, um ein paar Jahre zurück-
schrauben wollen hinter das sogenannte Testament des Bischofs.
Niemand wird dies glaublich finden. Eitelkeit spielt bei den
Fälschern des Mittelalters die geringste Rolle; materielle Inter-
essen waren es, die da bestimmend wirkten. Kehren wir das
Verhältnis um, so sehen wir sehr bald, welche diese Interessen
waren. Vor allem das Fodrum, das man nicht nur von den
bisher in den Diplomen namentlich aufgezählten Kastellen, son-
dern von allen Besitzungen und insbesondere von den drei Dör-
fern in Judikarien beziehen wollte, die Bestätigung einiger Spi-
täler und Zehnten und die volle vermögensrechtliche Unabhän-
gigkeit vom Bischöfe. Dieselbe Beschränkung bischöflicher
Eingriffe,^ zugleich die Bindung des Erzpriesters und Erzdiakons
bei ihrer Verwaltung an die Zustimmung der Domherren treffen
wir fast gleichzeitig in der Bulle Leos IX. für das Kapitel,
Jaff6 — Löwenfeld 4166. Das waren Ziele, die zur Fälschung
greifen ließen. Man entnahm einer echten Urkunde Berengars
Titel und Rekognoszierungszeile, vielleicht auch das uns nicht
mehr überlieferte Datum, einer anderen die Interventin Bertiila,
die zur Zeit der Kaiserkrönung Berengars schon tot war,' er-
fand eine Promulgatio* und entnahm den Großteil den vor-
^ Ita tarnen — predictorum fratrum, Schiaparelli, S. 293, Z. 29 — S. 294,
Z. 1.
• Diese Bestrebungen richteten sich wohl gegen Versuche, die Verfassung
des Kapitels im Sinne der Reform umzugestalten, wie eine solche unter
anderen auch in Mailand versucht wurde; Tgl. Hinschius, System des
Kirchenrechtes 2, 57 f.
' Möglich, daß man selber im Besitze einer solchen Urkunde war, die
als Vorlage zu DO. IL 305 diente, wie Breslau in seinen Bemerkungen
zu DH. II, 310 annimmt.
* Quibus der heutigen Lesung — die Urkunde ist nur in Kopien, deren
älteste aus dem 13. Jahrhunderte stammt, erhalten — ist wohl verlesen
für Omnibus.
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323
handenen Diplomen Heinrichs II. und Eonrads 11.^ die man an
den entscheidenden Stellen umänderte und ergänzte. Die Ver-
stösse der Fassung: antecessoribus atque precessoribus, bis ter-
ritoriis — seu Bundo können durch ungeschickte Benützung
von Stumpf 2338 nicht erklärt werden. Sie sind hier gerade
so sinnstörend wie bei Berengar I. 113. Viel eher können
sie dem Fälscher in die Schuhe geschoben werden^ der seinen
Zweck durch möglichst unauffällige Veränderungen seiner Vor-
lage zu erreichen suchte und dabei in Härten der Konstruktion
verfiel, die der Verfasser von Stumpf 2338, der freie Hand
hatte, vermeiden konnte. Wohl möglich, daß ein Versuch der
Bischöfe von Trient als Herren der Grafschaft Trient die Qra-
fenrechte in den drei Dörfern Judikariens in vollem Umfange
in Anspruch zu nehmen, die Veranlassung bot. Das Ziel er-
reichte man völlig. Heinrich III. hat alles Gewünschte gewährt
und seinem Diplome einverleibt.
Für die Schenkung der drei Dörfer durch Bischof Notker
kann nach dem Gesagten nicht mehr Berengar I. 113, sondern
nur mehr DH. II. 310 ak älteste Quelle angeführt werden, eine
Quelle, die freilich um 100 Jahre jünger ist als das behauptete
Ereignis.
Fassen wir nun die Entwicklung der Immunität ins
Auge. Schon das sogenannte Testament des Bischofs Notker
lehrt uns die Lage kennen, in der sich die Hintersassen be-
fanden, die er zur Ausstattung seines Xenodochiums verwandte,
und die in der Folge ans Domkapitel gekommen sind.^ Er
schenkt dem Bischof Bernhard von Trient einige Unfreie, ver-
fügt^ daß sie nach dessen Tode frei sein sollen (fulfreales et
amunt). Es ist also die volle Freiheit, die er ihnen schenkte.*
Sie sollen niemandem Dienste leisten außer Gott, dem Herrscher
über alle, sie sollen frei von aller Knechtschaft sein, fulfreales
et amxmt. So wiederholt der Bischof, als ob er sich in der
Zusage der vollen Freiheit nicht genug tun könnte. Er schenkt
ihnen die Grundstücke zu Sacco, die sie bisher bebaut haben,
zu eigen, er schenkt ihnen ihre Fahrhabe (scarpola vel privi-
^ De Dionysiifl 104.
• Über fiilfreal Branner, Deutsche Eechtsgeschichte', 1, 144 n. 50; Schrö-
der, Rechtflge8chichto^ 61 n.29, 223; über amunt Branner* 1, 144 n. 51;
Schröder*, 225.
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324
tarium). Sie dürfen diese Grundstücke wohl untereinander^
nicht aber an Fremde veräußern. Sie sind nur zu Fronden
für die bischöflichen Weinberge in Badabiones verpflichtet. Be-
trachten wir diese Bestimmungen, so finden wir gewisse Qegen-
sätze: Vollfreiheit, Eigentum, aber gebunden in der VerfUgangs-
freiheit, Verpflichtung zu Fronden. Erinnern wir uns, daß im
10. Jahrhunderte Volifreiheit vereint mit einer gewissen Ge-
bundenheit in der bäuerlichen Klasse schon etwas sehr 0^-
wohnliches geworden ist, daß weite Klassen der freien bäuer-
lichen Bevölkerung, Freigelassene und Freie als Hintersassen
und Mundmannen in ein Abhängigkeitsverhältnis zu Großen
getreten sind.^ Dem entsprechen nun auch die Bestimmungen^
welche über den Gerichtsstand dieser Leute getroffen werden.
Wenn sie in Streit mit einem Dritten geraten, dürfen sie im
öffentlichen Gerichte, in placito publice, nicht klagen oder ge-
klagt werden, ohne Beistand des Vogtes: set semper sub iudi-
ciaria de predicto xenodochio legaliter (sint) sicut liberi homi-
nes. Sie stehen also unter der Gerichtsbarkeit der
geistlichen Stiftung; wenn auch persönlich frei, werden sie
behandelt wie Grundholden der Stiftung. Nachdem sie des
Veräußerungsrechtes außerhalb ihres Kreises darben, unter-
stehen Streitigkeiten über ihre Grundstücke dem Gerichte des
Grundherrn. Sein Vogt wird alle Händel unter ihnen ge-
schlichtet haben, wenn sie nicht an das Blut gingen; werden
sie von dritten geklagt oder treten sie als Kläger auf, so wer-
den sie vor dem öffentlichen Gerichte von dem Vogte vertreten.*
Wenn sie auch in der Urkunde als fulfreal und amunt erklärt
werden, sind sie nicht amunt im vollen Sinne, sie verbleiben
unter der Mund ihres ehemaligen Herrn, wenn auch die Mund
nunmehr in ihren Wirkungen abgeschwächt erscheint im Ver-
gleiche zu jenen, die sie bei Freilassungen zu minderem Rechte
nach den Volksrechten nach sich zog. Die Fronden, die diese
Leute leisteten, waren doch noch ein Entgelt der Mund. Durch
* Waitz, Yerfassungsgeschichte*, 2, 232 und 4, 334 f.; Branner, Rechts-
geschichte* 1, 254; Pertüe, Storia del diritto Italiano*, 3, 117 f.
' Branner, Rechtsgeschichte' 1, 351. Waitz, Yerfassangsgeschichte*, 4,
459 ; Seeliger, Die soziale and politische Bedeutung der Grundherrschaft,
Abhandlungen der phil.-hist. Klasse der k. sächs. Gesellschaft der Wissen-
schaften 22, Nr. 1, 64 f.
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325
die Beschränkmig der VeräußeruDgsbefagnis waren aach die
Grundstücke noch immer an den Grundherrn geknüpft.
Das war noch, bevor diese Leute und ihre Besitzungen
Teile einer kirchlichen Immunität geworden waren. Die Im-
munitfttsprivilegien ordnen, wie bereits erwähnt, zunächst den
Gerichtsstand der Hbellarii und coloni, der Hintersassen des
Kapitels in Klagen Auswärtiger vor dem Kapitel an.^ Dann
werden die placita und die districtus den Domherren zugespro-
chen,' und zwar seit Heinrich IH. auf allen Besitzungen des
Kapitels.' Eine gewisse Erweiterung erfährt die Immunität
erst im Privileg Friedrichs I. von 1154.* Nicht nur die libel-
larii und Colonen, sondern alle: ad eorundem canonicorum
redditum residentes, oder wie es später heißt: . . . residentes
ad eosdem canonicos redditum prestantes, also nicht
nur diejenigen, die in einem Leiheverhältnisse zum Kapitel stehen,
sondern auch solche^ die nur auf den Besitzungen des Dom-
kapitels wohnen, und alle, die, auf eigenem Gute sitzend, dem
Kapitel Leistungen schulden; sind der Gerichtsbarkeit des Ka-
pitels untergeben. Wir werden später den Sinn und die Be-
deutung der Klausel versteh en lernen.
Auch die jüngeren Diplome knüpfen an die ältere
Reihe an, auch sie bieten im wesentlichen den alten Kern nebst
den zugewachsenen Erweiterungen. Ein neues Moment ist
es, das nunmehr die Immunität bedroht und zu Erweiterung
der Privilegien führt. Es ist der Geist der Autonomie, der seit
100 Jahren in den Gemeinden Italiens keimt und wächst, der
den Immunitätsherrn zugunsten der Kommune seiner Hoheits-
rechte zu entkleiden sucht, eines nach dem anderen abbröckeln
läßt. Auch auf den Besitzungen des Domkapitels war dieser
Geist eingezogen; die Gemeinde Porcile suchte sich geradezu
der Gerichtsbarkeit des Kapitels zu entziehen;* auch in den
Dörfern Judikariens machte sich nur zu oft der Geist der
Widersetzlichkeit geltend und ähnliches wird sich in den ande-
^ DO. n. 305: nifli ante illorum presentiam, in den späteren Bestätigun-
gen: sine leg^ iudicio.
* Zuerst Stumpf 1625.
* Wiederholt Stumpf 2861, 3331, 3533 und 3694.
* Stumpf 3694.
* Ficker, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens 4, Nr. 187;
ein ähnlicher Fall auch a. a. O. Nr. 257.
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326
ren Besitzungen des Kapitels ereignet haben. Solchen Bestre-
bungen gegenüber suchten die Privilegien jede Entwick-
lung der Gemeindeautonomie zu unterbinden oder in
Schranken zu halten. Mag der Anstoß dazu auch vom
Kapitel ausgegangen sein, zweifelsohne sind die Kaiser aus dem
Hause der Hohenstaufen in ihrer den Städten feindlichen Poli-
tik allen Wünschen des Kapitels bereitwillig entgegengekommen,
indem sie seit Stumpf 4337 von 1182 den Bewohnern der dem
Kapitel gehörigen Ortschaften die Wahl von Konsuln und Po-
testaten zur Besorgung der Gerichtsbarkeit, femer das Anlegen
von Befestigungen und die Verfügung über die Gemeindegüter
ohne Zustimmung des Kapitels verbieten; die Gerichtsbarkeit
wird vielmehr ausdrücklich dem Kapitel zuerkannt.^ Diesem
Zugeständnisse an das Kapitel tritt freilich der Vorbehalt der
kaiserlichen Rechte in jenem Teile der Disposition, welcher die
öffentlichen Einkünfte dem Kapitel überläßt, entgegen.^ Mit
diesen Zusätzen werden die Bestimmungen der älteren Privi-
legien von Heinrich VI.' und Otto IV.* wiederholt, zugleich nur
die Fassung des Teiles der Disposition, in der placita und di-
strictus überlassen werden, genauer auf placita generaUa et spe-
cialia und districtus generalia et specialia bestimmt. Damit
hat die Reihe der Immunitätsdiplome des Kapitels ihr Ende
erreicht. Denn Friedrich II. nimmt nur mehr in allgemeinen
Ausdrücken das Kapitel und seine Besitzungen in seinen Schutz.^
Eine neue Zeit mit neuen Ideen und Formeln bricht mit der
Tradition. Der Untergang der Staufer, der Umschwung der
politischen Verhältnisse in Italien läßt mit dieser Urkunde die
Reihe der Kaiserdiplome für das Veroneser Domkapitel schließen.
Den Bestimmungen, welche in den Diplomen das Über-
greifen der Gemeinden in die Gerichtsbarkeit des Ka-
pitels verhindern sollten, entsprach es, wenn nun Otto IV.
dem Kapitel das Recht verbrieft, in seinen Dörfern und
Burgflecken Konsuln und Vizegrafen einzusetzen und
^ Noch insbesondere bestätigt durch Friedrich I. Stampf 4401.
* Über die Klausel: salva imperiali iusticia MtLhlbacher, Mitteil, des Inst.,
Erg.-Bd. 4, 611. Sie stammt, wie die verwandte Klausel : non obstante,
wenn auch durch Vermittlung der Papsturkunde, aus dem römischen
Rechte.
* Stumpf 4337. « Böhmer-Ficker 294. ^ B(5hmer-Ficker 2442.
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327
durch seine Mitglieder oder andere die Gerichtsbarkeit auszu-
üben,^ ein Becht, das vom Domkapitel bereits früher in An-
spruch genommen worden war.
Dem Oebrauche der Zeit gemäß hatte man sich auch
an den Papst gewendet und von Alexander III. eine Bestäti-
gung des Besitzstandes erlangt.'
Wenden wir uns nun dem Immun itätsgebiete des Kapitels
in Südtirol zu, so werden uns nur die Dörfer in Judikarien,
nicht aber der Hof Badabiones zu beschäftigen haben; denn,
so wie man nicht mit Sicherheit seine Lage bestimmen kann,
so wissen wir nichts außer den wenigen Angaben der Kaiser-
urkunden und der Papstbulle über seine Schicksale. Die Bulle
Alexanders III. von 1177 nennt ihn noch, das Privileg Fried-
richs I. von 1182,* welches den Besitzstand der bestätigten
Hofe allef'dings in einer sehr verkürzten Beihe bietet, nicht
mehr und gleicherweise fehlt er in den folgenden Urkunden.
Der Schluß dürfte nicht zu gewagt sein, daß er zwischen 1177
und 1182 dem Kapitel verloren ging.
Der Immunitätsbezirk des Kapitels umfaßte in Judi-
karien die drei Dörfer Breguzzo, Bondo und Bolbeno,
die im Testamente Notkers, in den Kaiser- und dem Papstprivileg
genannt sind, und das Dorf Zuclo, das sich im Laufe der Zeit
wohl von Bolbeno abgesondert haben und eine eigene Gemeinde
geworden sein wird.* Wir erfahren aus einem Weistum von
1238^ genau die Grenzen des Immunitätsgebietes: a rivulo
Riuerio usque in summa acie montis in montibus et planitiis et
inde usque ad aquam rio Closam et inde usque ad Closam laci
Ronconi et inde in summo Copedelli, d. i. vom Bache Ridever,
der sich östlich von Zuclo in die Sarca stürzt, in die Höhe bis
zur Schneide der Gebirge, welche das Arnotal vom Val Mazza,
Gemeinde Bleggio, dann weiter vom Val dei Concei, Gemeinde
Lenzumo im Val di Ledro scheiden, dann hinab bis zum nörd-
lichsten Nebenflüßchen des Chiese (rio Closam) und zum Bäch-
lein, das aus dem See von Roncone fließt (Closa laci Ronconi),
endlich das Tal von Breguzzo umfassend bis zu den Bergen,
welche dieses Tal von dem des Chiese scheiden, bis zum summo
' Böhmer-Ficker 425. • Jaff^-Löwenfeld 2823. « Stumpf 4837.
* Zucio genannt Beilage 8, 11 usw. * Beilage 11.
ArehiT. M. Band, II. Hftifte. 23
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Copedelli; d. i. der cima Cop di Bregnzzo. So bleibt nur die
Grenze gegen Tione anbestimmt.
Dieses Gebiet nun galt nach aaßen hin als Eigentum des
Domkapitels von Verona. Im Jahre 1193 erklären Leute aus
den Gemeinden, daß das ganze Gebiet der Dörfer mit Weide,
Wald und Wasser in Berg und Tal dem Domkapitel gehöre.^
Bischof Konrad von Trient erkennt, als er gebeten wurde,
gegen die Herren von Campo einzuschreiten, dieses fligentum
des Kapitels an,^ sowie ja auch die Diplome die Dörfer als
Besitz des Domkapitels bestätigt hatten. Anders gestalteten
sich die Verhältnisse innerhalb der Immunität. Das Weistum
von 1238 gibt auch hier genügenden Bescheid. Die Bewohner
der Immunität sind freie Leute. Die Grundstücke innerhalb
dieses Gebietes können frei veräußert werden, ohne daß von
einer Zustimmung des Kapitels die Rede wäre. Damit ist
nicht gesagt, ob die Veräußerungsfreiheit auch nach außen gilt
oder auf die Genossen der Herrschaft beschränkt ist. Sicher ist,
daß die Grundstücke im Eigen der Immunitätsleute, nicht aber
in einem Leihverhältnisse stehen. Nie ist von einem solchen
die Rede; unter all den Urkunden des Domkapitelarchivs zu
Verona, die sich in der Anzahl von etwa 60 mit den Dörfern
beschäftigen, befindet sich auch nicht eine Leihurkunde. Den
Leuten steht selbst das Recht zu, letztwillig über ihre Güter
zu verfügen. Sterben sie ohne Erben, so erhält das Domkapitel
20 Schilling aus der Erbschaft, doch auch diese sind zum Besten
der Gemeinde zu verwenden.^ Freilich scheint diese Geldgabe
an Stelle eines älteren Besthauptes getreten zu sein; denn einer
der vernommenen Männer hat von seinen Vorfahren gehört,
' totam territorium et paacaa et silya et aquas in montibas et planiciü
pertinentes Burgusio, Bundo et Bolbeno et iarisdictionem (hominum)
flupraacriptorum locorum canonicis Yeronensibas in omnibos et per omnia
pertinere 1193 Dezember 14, Verona Kapiteiarchiv BG. 89 m. 5, Nr. 1.
* episcopufl dixit et confessos fuit, quod bene sciebat proprietatem iUarum
terrarum esse canonice Veronensis, Ficker, Forschungen zur Reichs- und
Rechtsgeschichte 4, Nr. 183, angefahrt von Salvioli, Atti Serie III, 6,
27 n. 8 irrig, als ob es sich um einen Streit zwischen dem Bischof und
seinem Domkapitel von Trient handeln würde.
' So schon in dem n. 1 angeführten Weistum von 1193 Dezember 14: et
si aliquis obierit non relicto berede, vilicus suprascripte ecclesie debet
habere XX solides et ipse vilicus debet dare illos XX solidos ad utili-
tatem nniversitatis predictorum hominum.
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329
daß die Domherren vom erblosen Gute eine Kuh nahmen. So
sehen wir nach außen Gebundenheit, Freiheit nach innen, Ver-
hältnisse, die uns in anderem Zusammenhange in den Immuni-
täten des Domkapitels von Trient, besonders im Weistum von
Sover wieder begegnen werden.
Das ganze Gebiet und alle Leute, die darauf sitzen, unter-
stehen der Gerichtsbarkeit des Domkapitels. AileEinwohner
der drei Dörfer unterliegen der vollen Gerichtsgewalt,
dem Banne und Twing des Domkapitels, sagt das Weis-
tum von 1193 Dezember 14,^ und dieser Rechtssatz kehrt
im Weistum von 1238* und öfter wieder. Die Immunität des
Domkapitels war somit eine territoriale, keineswegs auf seine
Hörigen beschränkt. Das Domkapitel war nicht allein Besitzer
in diesen Orten. Gewisse Rechte und Güter standen in Bre-
guzzo und Bondo den Grafen von Eppan zu, welche sie im
Jahre 1185 an das Bistum Trient verkauften.' Vielleicht gaben
sie den Anlaß zu den Reibungen, die zwischen dem Domkapitel
von Verona, den Bischöfen von Trient und den Herren von
Campo als Lehensträgern Trients ausbrachen. Worin diese
Rechte und Besitzungen bestanden, ob die in der Urkunde von
1185 genannten Silbergruben und Eigenleute in unseren Dör-
fern lagen oder außerhalb derselben, läßt sich nach der Fassung
der Urkunde nicht sagen. Die Weistümer und Urkunden des
Domkapitelarchivs sprechen durchwegs den Domherren den
Alleinbesitz der Dörfer zu. Vielleicht, daß diese Rechte be-
stritten und vom Domkapitel nicht anerkannt waren.
Die Immunitätsleute waren dem Kapitel zu bestimmten
Leistungen verhalten, Leistungen, die sich fast in all diesen
kirchlichen Immunitäten wiederholen. Wohl von der Kommen-
dation,^ durch welche vielfach die Abhängigkeit bäuerlicher
^ Fährt fort an der S. 329 n. 1 angefahrten SteUe: et quod snprascripta
canonica habet plenam inrisdictionem suorum locorum et quod omnes
homines habitantes in Ulis locis debent sese distringere pro canonica
Yeronensi et rationem facere et wadia banni dare archipresbytero et
canoniciB ecclesie Yeronensis et sao nuntio bannum Y solidorum et non
debent seae distringere pro .... (Lücke) nee racionem dare nee wadia
banni dare nisi pro canonica Yeronensi.
• Beilage 11. » Kink, Fontes rer. Austr., ü. Serie, Bd. 6, Nr. 24.
* Beispiel einer solchen Ficker, Forschangen 4, Nr. 100: Ein Arimanne
investiert den Erzpriester mit seinem AHod, verspricht, den Domherren
Fodrum zu zahlen und nur zu verftußern dem Kapitel und seineu Ari-
28*
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330
Hintersassen begründet worden war und, wie wir in der Folge
sehen werden, noch im 13. Jahrhundert begründet wurde, waren
die Immunitätsleute und Hintersassen, ob freien oder unfreien
Standes, an vielen Orten verpflichtet, ihrem Herrn einen Treu-
eid zu leisten.^ Wir werden diesem Eide auf den Besitzungen
des Domkapitels von Trient nochmals begegnen. Auch auf den
Besitzungen des Domkapitels von Verona wurde er geleistet.'
Einmal wird der Eid als fidelitas terreria bezeichnet und genau
von einem Lehenseide geschieden.' Der Eid ging dahin, den
Domherren gegen jedermann, außer dem Kaiser, treu zu sein,
ihnen beizustehen, um ihre Besitzungen zu erhalten, und wenn
sie verloren gegangen wären, sie auf Kosten der Domherren
wieder zu erwerben.* Wie oft der Eid abgenommen wurde,
läßt sich nicht bestimmen. Zur Vereidigung wurden Boten des
Kapitels, aber auch der Beamte des Kapitels in den Dörfern
bevollmächtigt. Leute, die den Eid verweigern, werden am
kaiserlichen Hofe verklagt, über kaiserlichen Auftrag von einem
kaiserlichen Delegaten vorgeladen, der diejenigen aus ihnen,
welche der Ladung ungehorsam nicht erschienen waren, ab>
mannen. VgL Waitz, Verfassungsgesch.', 4, 247, der freilich den Eid nur
auf die vasalitische Kommendation einschränken möchte; Ehrenberg, Kom-
mendation und Huldigung 127 und 132; Roth, Geschichte des Benefizial-
wesens 380. Das Kapitulare von Diedenhofen, BOf. Gap. 1, Nr. 44, c 9,
welches den Eidschwur zugunsten des Seniors gestattet, dürfte nicht auf
Vasallen allein einzuschränken sein.
* Pertile*, 1, 326, schränkt irrig diesen Treueid auf die Bistümer ein;
vgl. Salvioli, Atti m, 6, 119.
' Urkunde von 1193 Dezember 14, Verona K.-A. BC. 39 m. 6, Nr. 1 ;
1203 Oktober 16, Aussage: quod omnes homines suprascriptarum terrarum
debent facere fidelitatem canonice Veronensis ecclesie et capitulo, eben-
dort AC. 10 m. 2, Nr. 13; 1210 Mai 29, ebendortAC. 13 m. 10, Nr. 3 usw.
» Urkunde von 1218 Juni 28, ebendort BC. 32 m. 6, Nr. 6: Der Erzpriester
belehnt einen Ribald mit seinem Lehen. Ribald iuravit fidelitatem
canonice ... et capitulo . . . contra omnes homines excepto contra im-
peratorem tamquam vasallus domino. Et insuper iuravit fidelitatem
terreriam in omnibus et per omnia, ut in predicto sacramento fidelitatis
continetur. Ebenso 1218 März 26, ebendort AG. 10 m. 4, Nr. 2.
* Urkunde von 1239 Jänner 21: Qui Venceiolus et Ottolinus .... iura-
verunt .... fidelitatem d^ Stephano archipresbiterio absenti et supra-
scriptis canonicis .... contra omnes personas anteposito imperatore et
suis anterioribus dominis si quos habent, et quod adiuvabunt archi-
presbyterum canonicos et capitulum roanutenere predictas terras, et si
eas amitterent, quod eos adiuvabunt eas recuperare non tameu proprüs
expensis. Ebenso 1239 Februar 17 ebendort.
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331
wesend verurteilt und das Domkapitel in den Besitz ihrer Güter
einweist.^ Der Podestä von Trient wird angewiesen, das Urteil
auszuführen.' Nun bequemen sich die Verklagten zum Gehor-
sam. Sie wählen einen Vertreter, um ihre mit Beschlag be-
legten Güter zu lösen,* erkennen die Gerichtsbarkeit des Ka-
pitels an und leisten den gewünschten £id.^ Freilich schon
wenige Jahre hernach erhebt einer von ihnen Einsprache gegen
die dem Kapitel geschuldete Steuer in heftigster Weise.*
Außer dem Treueid haben die Immunitätsleute Abgaben
zu leisten. Welcher Natur diese Leistungen waren, ist schwer
zu sagen. In den Urkunden werden sie als fictus oder census
bezeichnet.^ Aber als einfachen Grundzins werden wir sie
nicht zu fassen haben. Vielmehr erscheinen sie in den Urkun-
den als Ausfluß der Herrschaft und der Gerichtsbarkeit, sie
werden pro iurisdictione, pro dominio et segnoratico^ geleistet.
So werden wir sie als Steuer zu betrachten haben, die ja
auch mit der hohen Gerichtsbarkeit zusammenhängt. Wie die
Steuer werden diese Leistungen nicht von den einzelnen Höfen
entrichtet, sondern von den Gemeinden. Die Gemeinden sind
dem Kapitel gegenüber die Steuersubjekte, die Aufteilung der
Steuer ist innere Angelegenheit der Gemeinden. Die Steuer
beträgt jährlich 18 Schilling für Bondo und Breguzzo, 6 für
Bolbeno und Zuclo und muß in Verona geleistet werden.^ Da-
* Ucker, Forschangen 4, Nr. 362, 368. * a. a. O. Nr. 364.
» Urkunde von 1288 Desember 81, Verona K.-A. BC. 24 m. 6. Nr. 14 und
Ficker, a. a. O. Nr. 866.
^ Urkunde von 1239 Jftnner 21 und Februar 17: vgl. S. 330 n. 4
* Urkunde von 1248 April 19, Verona K.-A. Aldriginus, Vizecomes ver-
langt in comuni vicinitate Bondi et Bregu^ii fictum d*»"*™ canonicorum
von 18 Schilling. Darauf antwortete Venceiolus, Sohn des ser Wamard
von Breguzzo, sua auctoritate et non pro consilio diote comunitatis, daß
den Domherren kein Recht auf den Zins zukomme: nee dimissit re-
spondere dictam comunitatem peticioni dicti Aldrigini vicecomitis pro
(sie!) multa mala verba, que ibi dixit et habuit pro dicta peticione et
pro iurisdictione predicte ecdesie contra dictum Aldriginum et contra
eum qui dicebat predicta pro dicto Aldrigino.
« Urkunde von 1214 Oktober 26, Verona K.-A. A 13 m. 10, Nr. 14; 1220
Februar 26, ebendort AG. 9 m, Nr. 12.
' Urkunde von 1207 April 21, ebendort BG. 14 m. p. Nr. 15; 1239 Jänner
19 pro racione und in Signum iurisdictionis, ebendort BG. 28 ra 5, Nr. 18.
^ Beilage 11. Quittungen über die Zahlung der Steuer 1207 April
21, Verona K.-A. BG. 14m. p. Nr. 15; 1217 Mai 13 ist allerdings von
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332
mit verband sich nicht selten eine freiwillige Leistung an den
Erzpriester.^ Allerdings findet auch diese Forderung des Ka-
pitels schon Widerstand in den Gemeinden. Die Entstehung
der Steuer wird sich nicht unschwer erklären lassen. Wir
hörten schon, wie das Fodrum dem Domkapitel überlassen
wurde. Außer dem Fodrum mögen noch andere Abgaben
öflFentlicher und privatrechtlicher Natur bestanden haben, die
mit Ausnahme der Gastungspflicht im 13. Jahrhundert nicht
mehr genannt werden. Es mag da zuletzt eine gewisse Ver-
einfachung der Abgaben stattgefunden haben, wie dies aus dem
Bistum Trient in mehreren Fällen bezeugt ist. So vor allem
in Fleims, wo an Stelle aller der bunten Abgaben und Leistun-
gen (colta, dacium, scufium, forza, d. i. die an manchen Orten
erwähnte malatotta und Mautzahlung) 24 Arimannien treten.'
Ahnlich werden auch die placita in Ledro und Rendena' in
fixe Abgaben verwandelt.
Ferner waren die Immunitätsleute dem Erzpriester und
den Domherren, wenn sie in die Dörfer kamen, zur G astung
verpflichtet.* Wer sich weigert, kann unter Bannstrafe dazu
verhalten werden. Besonders ist diese Pflicht zugunsten jener
Mitglieder des Kapitels begründet, welche erscheinen, um das
Placitum generale abzuhalten. Nach dem Weistum von 1238*
sind die einzelnen Häuser verpflichtet, einen gewissen Beitrag
zu leisten; außerdem müssen Heu und Lebensmittel geleistet
12 Pfand die Rede, deren Zahlung anter Bannboße Yon 100 Pfund
anbefohlen wird. Vielleicht war wegen Bteuerversäumnis schon eine
Erhöhung der Summe eingetreten, Quittung über 18 Schilling 1220
Februar 26, a. a. O. AC. 9*m. Nr. 12; 1239 Jänner 19, a. a. O. BC. 28m.
ö, Nr. 13. 6 Pfand, 6 Schilling werden 1263 Jänner 18 verlangt, eben-
dort AC. 63 m. 3, Nr. 3.
» 1214 Oktober 26, ebendort AC.lSm. 10, Nr. 14.
• Schwind und Dopsch, Ausgewählte Urkunden »ur Verfassungsgeschichte
der deutsch-Osterr. Erblande Nr. 3. Beide Urkunden, deren Datum teil-
weiBe verderbt ist und sich nicht mehr mit Sicherheit verbessern läßt,
sind gleichseitig, die zweite angeblich von 1112 ist Voraussetzung der
ersten von 1111; vgl. auch Sartori, Zeitschr. des Ferd., HI. Serie, 36, 3.
» Kink, Fontes H, ö, Nr. 6 und 111.
* Beilage 11. 1214 Mai 13, der Erzpriester befiehlt den Leuten von Bol-
beno und Zuclo, ihn aufzunehmen: quia ipse ibi venerat pro iurisdic-
tione et honore .... exercendo et pro placito generali et pro fidelita-
tibus ab eorumdem locorum hominibus recipiendis. Beilage 12.
^ Beilage 11.
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333
werden, sowie die Kosten des Aufenthaltes ersetzt werden. Daß
diese nicht gering waren, ersehen wir aus der Forderung, die
in derselben Urkunde enthalten ist. Denn fUr einen Tag wer-
den 6 Pfund und 7 ^j Schilling, also im ganzen 127 */, Schilling^
verlangt, unverhältnismäßig viel gegenüber der Steuer, die nur
24 Schilling beträgt. Auch da treffen wir Widerspruch. Die
Ungehorsamen werden nach Beilage 12 mit dreimal sich stei-
gernder Banndrohung zur Leistung angehalten und, als sie un-
gehorsam bleiben, in die Bannbuße verurteilt.'
Diese Leistungen unterwerfen die Immunitäts-
leute der Gerichtsbarkeit des Kapitels, sie gehören zu
jenen Inwohnern, welche nach den Diplomen Friedrichs I. und
seiner Nachfolger zu den ad canonicos redditum prestantibus,^
zu den dem Kapitel steuernden Leuten gerechnet werden. Wel-
chen Inhalt nun die Gerichtsbarkeit hatte, ob die placita nur
die zivile oder die niedere, oder auch die kriminale und die
hohe umfassen sollten, das ist den Diplomen des Domkapitels
nicht zu entnehmen, wenn auch die Art, wie ohne Einschrän-
kung von der Gerichtsbarkeit und dem Ausschluß der öffent-
lichen Beamten gesprochen wird, für die volle Gerichtsgewalt
des Kapitels spricht. Zunächst kann über die Banngewalt
des Kapitels keine Frage sein. In der Öffnung von 1238
Februar 17^ wird anerkannt, daß die Immunitätsleute alle Be-
fehle des Kapitels unter Strafe von 100 Pfund zu vollziehen
haben. Und wir sahen bereits, wie die Leistung des Treueides
und der Gastung bei sich steigernder Bannbuße befohlen wird.^
Dem Bannrecht entspringt ein Verordnungsrecht in Strafsachen.
Das Kapitel kann die Bannbußen »feststellen, mit denen die
Verbrechen gesühnt werden sollen.^ Es ist ein sehr einfaches
Recht, das uns hier entgegentritt. Alle Verbrechen werden mit
Geld gesühnt, Leib- und Lebensstrafen scheinen zu fehlen, wie
so vielfach in ähnlichen Satzungen gerade aus geistliclien Im-
* Die Höhe der Kosten war vielfach durch die sahireiche Begleitung der
zur Abhaltung des placitum generale erscheinenden Richter verursacht;
vgl. den Streit des Kapitels mit Porcile, Ficker, Forschungen 4, Nr. 199.
Auch in Rendena wurde die Zahl der Richter beschränkt, Kink, Fontes
n, 5, Nr. 111.
* Über daB weitere Verfahren vgl. S. 331.
» Vgl. oben S. 326. * Orig. Verona K.-A. AC. 12 m. 6, Nr. 15.
> Beilage 12. * Beilage 8.
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334
manitäten Italiens.^ Gewohnheitsrecht, Erinnerungen an das
Edictam Langobardorum haben mehr oder weniger durch die
Reichsfriedensgesetze, namentlich den Frieden von Roncalia
Friedrichs I. beeinflußt, den Grundstock dieser Bannsätze ab-
gegeben. Unsere Aufzeichnung erinnert in ihrer Einfachheit an
ähnliche Erzeugnisse Südtirols, Strafsätze, wie sie die bekann-
ten Fleimser Privilegien des Bischofs Gebhard* oder das Pri-
vileg des Bischofs Altmann für Riva von 1124' enthalten. Be-
rücksichtigt waren hier nur Mord, Verwundung, Lähmung,
Brandlegung, Diebstahl, schwere Sachbeschädigung, namentlich
Beschädigung von Fruchtbäumen. An Ausführlichkeit wird
unsere Aufzeichnung weit übertroffen von einer etwas jüngeren,
die aus Poliano stammt, das ebenfalls zum Immunitätsgebiete
des Kapitels gehörte,^ und ein sehr ins einzelne gehendes ka-
suistisches Strafgesetz darstellt.
Schon diese Strafsatzung läßt erkennen, daß die Gerichts-
barkeit des Domkapitels die Verbrechen, und zwar
auch die schwersten umfaßte. Die bereits erwähnten
Offnungen von 1238 Februar 17 nennen die Gerichtsbarkeit
des Kapitels eine plena iurisdictio.^ Dem italienischen Rechte
ist infolge der Gerichtsreform Karls des Großen der Unter-
schied der hohen und niederen Gerichtsbarkeit bekannt gewor-
den.^ Die Quellen sprechen von einer iurisdictioj alta und
bassa,' wollen sie beide zusammenfassen von einer iurisdictio
plena,® oder in späterer Zeit, wo mit der häufigeren Verwendung
der Leibes- und Lebensstrafen die Blutsgerichtsbarkeit an Be-
deutung gewinnt, von merum et mixtum Imperium.* Somit hat dem
» SalvioU, Atti IH, 6, 162 f., 177 f.
• Schwind-Dopsch, Urkunden zur Verfagsungsgesch., Nr. 3.
' Bonelli, Notizie intorno al beato Adelprete 2, 8b2.
• Urkunde von 1246 Ficker, Forschungen 4, Nr. 401. Eine ähnliche Bann-
satzung ebendort Nr. 193; vgl. SalvioU HI, 6, 177 f.
'^ item quod suprascripta canonica habet plenam iurisdictionem suorum
locorum, und: quod plena iurisdictio Bondi et Bergu^i pertinet et spectat
canonice et capitulo ecclesie Yeronensis.
• Pertile« 1, 266. » Pertüe* 1, 266 n. 6.
• Ficker, Forschungen 1, 247.
• Ficker, a. a. O. 247; Pertile, a. a. O. 267 und n. 9. Über merum Im-
perium Zallinger, Mitteil, des Inst, fttr österr. Gesch. 10, 238 n. 2. Der
Ausdruck stammt aus 1. 3 Dig. De iurisdictione 2, 1 ; ebendorther mix-
tum imperium. Dazu die Glosse mixtum est, die unter merum imperium
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335
Domkapitel die gesamte Zivil- und Eriminalgerichtsbarkeit zu-
gestanden. Daher wird von dem Erzpriester oder Vertretern
des Kapitels das placitam generale, das echte Ding abgehalten,
das einige Male in unseren Urkunden erwähnt wird.^ Wir wer-
den im echten Dinge auch hier jene Gerichtsversammlung zu
sehen haben, welche an Stelle des Grafengerichtes getreten ist.
Die Kompetenz des echten Dings ist nicht im ganzen Umfange
aufrecht geblieben. Hier in publica vicinia werden nach dem
Ausweise der Urkunden Prozesse um Liegenschaften entschie-
den, werden die Rechte des Domkapitels geöffnet, werden Bann-
sätze vom Stellvertreter des Kapitels verkündet und Treueide
entgegengenommen; wird die Gastung verlangt, die für den
Vorsitzenden im echten Dinge geschuldet wird.' Daß Straf-
sachen hier zur Entscheidung gelangten, ist nicht überliefert,
ebensowenig läßt sich die Kompetenz des placitum generale
gegenüber der Gerichtsbarkeit, welche der Erzpriester des Ka-
pitels in Verona und die Beamten des Kapitels in den Dörfern
ausüben, scheiden. Denn schon ist das echte Ding im Ab-
sterben begriffen, verdrängt vom Gerichte des Einzelnrichters
des römischen Rechtes. Gerade aus den Besitzungen des Ka-
pitels liegt ein frühes Beispiel vor, wie das echte Ding abge-
schafft und an Stelle der Gaben, die dem Richter bei seiner
Haltung dargebracht werden, eine Abgabe, das placitum tritt.
Bei der Ausübung der Gerichtsbarkeit spielt nun ein Be-
amter keine Rolle, der sonst in Deutschland wenigstens als
der eigentliche Richter auf Immunitätsboden insbesonders in den
die Gerichtsbarkeit über Leben, Freiheit and Staatsbürgerschaft nach
den drei capita des römischen Rechtes, anter mixtum imperiam alle
übrige streitige Gerichtsbarkeit versteht und von iurisdictio, der frei-
willigen Gerichtsbarkeit, and coercitio, Polizeigerichtsbarkeit unter-
scheidet.
» Urkunde von 1214 Mai 13, Verona K.-A. BC. 38 m. 8, Nr. 15, erklärt
der Erzpriester, er sei gekommen: pro iurisdictione et honore . . . exer-
cendo et pro placito generali et pro fidelitatibus ab eorundem locorum
hominibus exercendis; 1238 Februar 17, a. a. O. AG. 12 m. 6, Nr. 15)
werden Vertreter des Kapitels erwähnt: constituti ad tenendum placi-
tum generale in suprascriptis terris, ebenso 1239 Jänner 21 und Februar
17, a. a. O.
* Besonders deutlich tritt diese Beziehung hervor Ficker, Forschungen 4,
Nr. 199; Klage der Gemeinde Porcile gegen die Domherren: qui occa»
sione receptionis placiti generalis dictum commune Forcilis honorant et
agravant.
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336
Fällen der Blutsgerichtsbarkeit erscheint, der Vogt. Wir werden
im nächsten Kapitel mit der Stellung und Aufgabe des Vogts
in den italienischen Immunitäten uns etwas näher zu beschäfti-
gen haben. Auch das Domkapitel von Verona hat einen Vogt
gehabt, der in den Urkunden des 11. und der ersten Hälfte
des 12. Jahrhunderts erscheint,^ seitdem aber verschwindet.
Wenn seiner Erwähnung geschieht, ist es als Beistand und Ver-
treter des Kapitels vor Gericht, nicht aber als Immunitätsrichter.
Begreiflich. Wo die Strafgerichtsbarkeit eine unblutige war, wie
in dieser geistlichen Immunität, fehlte das Bedürfnis, den Vogt
als Blutrichter zu bestellen. In der Tat liegt noch eine Urkunde,
zwar nicht aus Judikarien, wohl aber aus Verona vor, in der
der Erzpriester wegen schwerer Verwundung als Richter tätig
ist.* Der Fall des Zweikampfes freilich bleibt dunkel, doch
deutet nichts darauf hin, daß dem Kapitel die besondere Ge-
walt zu seiner Abhaltung zugestanden hätte.
So ist es vor allem der Erzpriester oder ein Stellver-
treter desselben, der in erster Linie mit der Ausübung der Ge-
richtsbarkeit betraut ist. Er hält das placitum generale ab,
wenn er nicht dazu bevollmächtigte Boten sendet. Er ent-
scheidet aber auch in Verona Rechtsstreitigkeiten aus den Im-
munitäten, die vor ihn gebracht werden.' Ein Verfahren, das
* Adelardus 1066 Mai 6, Hübner, Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit
II, Nr. 1379; Johannes iudex 1078 Mai 4, Hübner 1471; Amizo 1120
Jänner 28, Hübner 1578; ders. 1139 Jänner 11, Ficker, Forschungen
4, Nr. 110.
* Ficker, Forschungen 4, Nr. 185.
* 1193 Februar 16, Breguzzo, Urteil des Erzpriesters Adrian in einein
Rechtsstreit um liegendes Gut (hereditas) zwischen Leuten von Bondo,
Verona K.-A. AC. 12 m. 6, Nr. 16, zweifelhaft, ob im echten Dinge ent-
schieden. 1193 Dezember 14, Breguzzo Yor Erzpriester Adrian, Ofibung
der Rechte des Domkapitels, BC. 39 m. 5, Nr. 1; 1213 Juli 27 bis Ok-
tober 14, wird ein Prozeß zwischen den Gemeinden Bondo und Bre-
guzzo und genannten Leuten um ein Grundstück vor dem Erzpriester
in Verona durchgeführt, a. a. O. AC. 12 m. 2, Nr. 5 und AC. 18 m. 3,
Nr. 12; dazu Zeugenverhöre AC. 18 m. 8, Nr. 10 und AC. 24 m. 3, Nr. 1
ebendort, Positionen AC. 14 m. 4, Nr. 9; 1214 Mai 11, Breguzzo vor
dem Erzpriester Albert : exercendo iurisdictionem Rechtsstreit um einen
Weg, ein zweiter um Grundstücke usw., AC. 16 m. 10, Nr. 4; wohl im
echten Dinge 1214 Mai 13, Öffnung über die Rechte des Kapitels in
Bondo und Breguzzo vor demselben, BC. 33 m. 3, Nr. 16; 1214 Mai 26,
Erzpriester Albert fällt in Verona: pro iurisdictione honore et districtu ad
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vor ihm in Bregozzo eingeleitet ist, wird in Verona zn Ende
gebracht. In der Ansübung der Gerichtsbarkeit wird er von
seinem Assessor unterstützt. Aach Akte der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit nimmt der Erzpriester vor. So bestellt er einmal
eine Matter zar tatrix ihres Sohnes.^
In älterer Zeit mag der Erzpriester, indem er die placita
generalia besachte, dort Unvollendetes oder was anter der Zeit
an Rechtshändeln entstand, in Verona entschied, den richter-
lichen Geschäften genügt haben. Aach Verpachtang der Ge-
richtsbarkeit ist schon früh vorgekommen. So war Schloß and
Hof Cereda mit Gericht and Bann aaf 29 Jahre verpachtet
worden. Aber das konnte za Verlusten führen, wie sich gerade
in diesem Falle zeigte. Der Pächter hatte Gericht and Schloß
dem Markgrafen Bonifaz von Tascien weiter verpachtet, von
ihm fielen beide im Erbgange an seine Tochter, die Großgräfin
Mathilde. Diese hatte beides za Lehen aasgetan, allerdings anter
der Bedingung, daß das Lehen nach dem Tode des Lehens-
trägers an das Kapitel heimfalle. Nun nahmen Abkömmlinge
eines Vetters des Lehensträgers Schloß und Gericht in An-
spruch.* Wenn diese, vom Kapitel verklagt, auch im Gerichte
unterlagen, so mochte das doch nur einer günstigen Fügung
zuzuschreiben sein. Das Streben, das sich in einzelnen Orten
des Immanitätsgebietes kundgab, Konsuln selber zu setzen,
die die Gerichtsbarkeit verwalten sollten, wie wir dies in Por-
cile fanden, mag als tauglichstes Gegenmittel, die Einsetzung
ständiger Beamter zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in den
canonicam pertinente, du Endarteü in einem Rechtsstreit zwischen der
Gemeinde Bondo und Bregozzo mit genannten Leuten um ein Grund-
stück; Breg^zo, 12. Mai desselhen Jahres entscheidet vor dem Erz-
priester dessen Assessor einen Rechtsstreit iim ein Grundstück, a. a. O.
AG. 17m. 2, Nr. 15 usw.; 1238 Juli 10, Erzpriester und Kapitel bestellen
zwei Domherren zu nuncios et procuratores vicarios sindicos et actores
ad ezercendum inrisdictionem illam, quam canonica Yeronensis habet in
Bergucio et Bundo, Bolbeno et Desuculo de comitatu Tridenti et ad
omnia ea ezercenda et facienda et inquirenda in dictis terris et locis
et supra homines habitantes in ipsis terris, que archipresbiter et capi-
tulum facere possunt, Verona K.-A. AC. 10 m. 4, Nr. 6. Vor diesen Ver-
tretern wird das Weistum, Beilage 11, erteilt; vor ihnen wird ein Rechts-
streit zwischen einem Johannes regularius von Bolbeno und Leuten
von Zuclo wegen Besitzstörung durchgeführt, 1238 Juli 19 ebendort
^ 1214 Mai 11, ebendort AG. 16m. 10, Nr. 21.
' Ficker, Forschungen 4, 116,
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einzelnen Immunitäten empfohlen haben. So ganz Neues schuf
Otto IV., indem er diesem Wunsche des Kapitels nachkam,
ohnehin nicht. Denn schon vorher war von Nuntien, Stellver-
tretern des Kapitels, zu ähnlichen Zwecken die Rede.^
Sehr bald haben die Domherren von der durch Otto IV.
erteilten Bewilligung, ständige Beamte, Konsuln, Podestaten
oder Vizecomites als Richter einzusetzen, Gebrauch gemacht.
Schon aus dem Jahre 1213 liegt die Ernennung eines Vize-
comes für die Dörfer in Judikarien vor.* Schon hier zeigt sich,
daß dieses Amt mit einem anderen, dem des Oastalden
vereinigt wurde. Von den beiden Amtern dürfte das zweite
zweifelsohne das ältere sein.* Im nächsten Abschnitte werden
wir die Bedeutung des Gastalden zu erkunden haben. Er ist
in erster Linie und in älterer Zeit Wirtschaftsbeamter. Seine
Aufgabe war es, die wirtschaftlichen Rechte des Grundherrn
zu wahren, die Bewirtschaftung des Gutes zu leiten, die Zinse
und Giebigkeiten einzuheben und dem Herrn abzuftihren.
Häufig ist ihm zugleich das Amt des Vizecomes tibertragen wor-
den,* wie ja auch in den deutschen Landgerichten das Amt
des Pflegers richterliche und wirtschaftliche Befugnisse vereinen
kann. Der richterliche ünterbeamte war auf den geistlichen
Immunitäten Italiens in der Regel der Vizecomes.^ Dieses Amt
war dem Domkapitel von Verona durch das Privileg Ottos IV.
(Böhmer-Ficker V, 1, 425) nahegelegt, das neben dem Vize-
comes allerdings auch von Konsuln und . Potestaten sprach.^
* Urkunde von 1193 Dezember 14, Verona K.-A. BC. 39 m. 5, Nr. 1.
" Urkunde von 1218 Juni 28, Verona K.-A. BC. 32 m. 6, Nr. 6. Erzpriester
Albert ernennt den Petrus, Sohn des Ribald von Bondo, zum Gastalden
von Bondo, Breguzzo, Bolbeno und Zuclo und zum Vizecomes. Der Eid
entspricht Ficker, Forschungen 4, Nr. 264. Wenn gleichzeitig der
Bruder des Peter Ribald mit dem bannum questionis belehnt wird, so
werden wir die Bedeutung einer solchen Belehnung später kennen ler-
nen. Hier genügt zu bemerken, daß es sich dabei um kein Amt han-
delte.
• Ein Gastalde wird schon 1210 Juni 13, Verona K.-A. AC. 12 m. 9, Nr. 14
erwähnt; ein Villicus, der nach späteren Zeugnissen mit dem Gastalden
identisch ist, 1193 Dezember 14. Er empfängt die geschuldete Leistung
von der Erbschaft der ohne Erben Verstorbenen.
* Ficker, Forschungen 2, 36. * Ficker, a. a. O. 35 f.
• Auch zu Poliano hatte das Kapitel einen Vizecomes, Ficker, Forschun-
gen 4, Nr. 401.
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339
Die Ernennung zum Vizecomes erfolgte auf beliebigen
Widerruf.* Zunächst allerdings wird 1213 der Sohn des ersten
uns bekannten Vizecomes Petrus, Boninsigna, mit beiden Am-
tern belehnt' Neben ihm erscheint sein Vater noch als 6a-
stalde,' dessen Bruder Ribald fUr sich und seine Brüder mit
der Gastaldie belehnt worden war.^ Vielleicht hat man damals
an eine Trennung beider Amter gedacht und die Gastaldie als
Lehen vergeben. Doch schon 1217 wird ein neuer Gastalde
und Vizecomes ernannt,* wieder auf beliebige Frist. Mög-
lich, daß Boninsigna Ansprüche auf das Amt erhob und eine
dauernde, feste Investitur behauptete. Wenige Monate nachher
legte er dem Kapitel eine Urkunde vor, die der Erzpriester als
verdächtig erklärte. Wir erfahren nur, daß es sich dabei um
eine Belehnung gehandelt hat.^ Indes bleibt der 1217 ernannte
Aldrighet Vizecomes und nimmt 1221 und 1222 Amtshandlun-
gen vor,' das erste Mal als villicus et vicecomes bezeichnet, denn
der Villicus war, wie wir im nächsten Abschnitte sehen wer-
den, mit dem Gastalden identisch. Später, 1242, wird ein Sohn
des Aldrighet, Aldrigin, zum Gastalden und Vizecomes oder
Rektor ebenfalls auf beliebigen Widerruf ernannt.^ Es scheint
also bis dahin eine gewisse tatsächliche Erblichkeit bestanden
zu haben. Doch schon 1249 wird einem Fremden, Antonius
^ 1213 Juni 28, allerdings nur für die Investitur mit der Gastaldie. Daß
das Gleiche auch für den Vizecomitat galt, ergibt der häufige Wechsel
der Beamten.
» 1213 November 16, Verona K.-A. AC. 10 m. 4, Nr. 2.
" 1216 Juni 25, ebendort AC. 12 m. 6, Nr. 10.
♦ Urkunde 1213 Juni 28, Verona K.-A. AC. 9 m. 9, Nr. 3: Ribaldus frater
Petri de Bunde per se et per suos fratres pedit d° magistro Alberto
.... archipresbitero investituram de suo recto feudo quod habet in Bundo,
quod feudum dixit esse castaldiam dicte curie dicte canonice Veronen-
sis de Bundo et de Bergucio et bannum questionis, si reclamacio vide-
licet de eis in suprascripto loco in curia canonicorum facta fuerit.
' Aldrighet, Sohn des Atto de Vencello von Breguzzo, Ficker, Forschun-
gen 4, Nr. 264.
• 1218 März 26, Verona K.-A. AC. 10 m. 4, Nr. 2. Ein Zeuge, der Bruder
des B. wird gefragt: si tunc quando fuit investitus de suo recto feudo
ut dielt et quando iuravit fidelitatem ut vassallus, si ibi ea vice iuravit
fidelitatem terreriam.
* 1221 März 22, ebendort AC. 12 m. 7, Nr. 2. 1222 Mai 15, ebendort AC.
13 m. ö, Nr. 2.
■^Ficker, Forschungen 4, Nr. 378.
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340
von Zuclo, das gleiche Amt auf ein Jahr verlängert.* Noch
später müssen die Inhaber des Amtes rasch gewechselt haben.
Im Jahre 1263 wird Armanin, Sohn des Friedrich von Campo,
vom Kapitel zum nuncius und procurator fUr die Dörfer er-
nannt; der in einer etwas älteren Urkunde als gastaldio et
vicecomes bezeichnet wird.* Im Jahre 1271 wurde Berthola-
meus von Breguzzo zum Vizecomes, Vikar, Rektor und Nun-
tius bestellt, der im nächsten Jahre noch im Amte steht,' aber
schon 1275 von einem ser Nicolaus vicarius, villicus et gastal-
dius abgelöst erscheint.^ Mit ihm schließt die Reihe der be-
kannten Vizecomites und Gastalden der vier Dörfer.
Daß dem Vizecomes die Ausübung der Gerichtsbarkeit
zukommt, sagt schon sein Name und die Analogie seiner Stel-
lung mit Beamten gleichen Titels auf anderen geistlichen Im-
munitäten; die Ausübung der Gerichtsbarkeit wird auch im
Privileg Ottos IV. und in den Amtseiden und Ernennungsde-
kreten als seine Hauptaufgabe bezeichnet. Es liegen denn auch
Fälle genug vor, die von seiner richterlichen Tätigkeit Zeugnis
geben. Ob aber diese Gerichtsgewalt eine unbeschränkte oder
eine beschränkte war, und wie sie sich insbesondere zum Ge-
richte des Erzpriesters verhielt, darüber geben die Quellen
keine Auskunft. Doch ist kein Zweifel, daß der Elrzpriester
eine übergeordnete Stellung einnahm, daß der Erzpriester den
Vizecomes als sein Organ bei Ausübung der Gerichtsbarkeit
ansieht und ihn mit der Vornahme einzelner prozessualer Akte
beauftragt.^ Daneben findet auch der Vizecomes rechtskräftige
Urteile, von welchen Berufung an den Erzpriester eingelegt
werden kann. So hatte der Vizecomes eine Klage entschieden
gegen einen, der die Haustüre eines anderen durch einen vor-
gewälzten Stein verrammelt hatte, und bei einer Bannbuße von
" a. a. O. Nr. 413.
" 1263 Oktober 18 und Jänner 18, Verona K.-A. AC. 63 m. 3, Nr. 3.
» 1271 Dezember 14 und 1272 Februar 6, a. a. O.
* 1275 Jänner 13, quittiert den geschuldeten Zins, a. a. O.
* Urkunde 1216 Juni 25, Verona K.-A. AC. 12m. 6, Nr. 10. Der Erz-
priester beauftragt den Vizecomes, die Miola im Besitze eines Hauses
und Grundstückes in Bondo bei einer Bannbuße von 60 Schilling fUr
jeden, der den Besitz stört, zu schützen und in der Eigentumsklage,
die gegen sie Bobulcus erhebt, Zeugen zu vernehmen: et mittendnm
clausos et sigilatos dictos testes domino archipresbitero.
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341
10 Schilling die Entfernung des Steines anbefohlen.^ Es muß
dagegen Berufung stattgefunden haben, denn einen Monat später
wird das Urteil vom Erzpriester bestätigt, unter erheblicher Er-
höhung der Bannbuße von 10 auf 60 Schilling.*
Noch ist das Verhältnis der Immunität zur Graf-
schaft zu besprechen. Vieles bleibt hier dunkel; wir sehen
Ansprüche erhoben, die vom Kapitel abgewehrt werden, An-
sprüche, deren Begründung nicht klar ist. Vor allem wissen
wir nicht, wem auf den Immunitäten des Domkapitels das Recht
zustand, jene Handlungen vorzunehmen, die vom Anfange an
oder im Laufe der Zeit zur besonderen Befugnis der königlichen
Missi gehörten;^ vor allem, ob das Domkapitel befugt war, den
Zweikampf abzuhalten, der als Beweismittel bis zum Durch-
dringen des römischen Rechtes in Italien die größte Bedeutung
genoß. Da die Privilegien darüber schweigen, werden wir eher
das Gegenteil anzunehmen haben. Mußte nun der Zweikampf
vor das Grafengericht, in unserem Falle vor das Gericht des
Bischofs von Trient gebracht werden, dem solche missatische
Gewalt unzweifelhaft zustand? Immer werden in den Kaiser-
privilegien und anderen Urkunden unsere Orte als in der Graf-
schaft Trient gelegen genannt. War dies nur eine geographi-
sche Bezeichnung oder lag darin auch ein rechtlicher Sinn?*
Die öffentlichen Einkünfte freilich waren schon durch die Pri-
vilegien dem Domkapitel zugesprochen worden, und in einem
anderen Falle waren dem Grafen Albert Ansprüche auf fodrum,
albergaria, porcum et multonem, placitum et districtum et col-
tum, also Abgaben aus dem Titel der Militär-, Steuer- und Ge-
richtshoheit abgesprochen worden.^ Aber an Versuchen, solche
Ansprüche durchzusetzen, hat es auch in Südtirol nicht gefehlt.
Schon die Bezeichnung der Ortschaften in comitatu Tridentino
maßte die Handhabe dazu bieten.
» Urkunde 1221 M8rz 22, Verona K.-A. AC. 12 m. 7, Nr. 2. Das Vergehen
muß häufiger vorgekommen sein, da es auch in den Bannsätzen für
Poliano, Ficker, Forschungen 4, Nr. 401 mit Buße bedroht wird.
* Beilage 9. " Ficker, Forschungen z. R. R. 2, 62 f.
* Wie Seeliger, Grundherrschaft 99 f. den fortdauernden Zusammenhang
wenigstens vieler Immunitäten mit der Grafschaft betont hat Dagegen
Stengel in Zeitschr. der Savigny- Stiftung für Rechtsgesch. Germ. A. 26,
S13 f.
» Picker, a. a. O. 4, Nr. 97.
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342
Dazu kam noch ein zweites. Es ist bereits oben erwähnt
worden/ daß auch die Grafen von Eppan nnd nach ihnen das
Bistum Trient Vasallen und Besitzungen in Breguzzo hatten.
Wenn nun die Privilegien, die Weistümer und Oflfhungen der
Immunitätsleute alle Bewohner des genau umgrenzten Immuni-
tätsbezirkes ohne Einschränkung der Gerichts- und Steuerhoheit
des Kapitels zusprachen, so konnte es nicht fehlen, daß von
Seite des Bistums Trient und seiner Lehensträger die Aus-
dehnung der Gerichtshoheit über die eigenen 'Vasallen und zu-
letzt die Gerichtsbarkeit des Kapitels überhaupt bestritten
wurde.* Als Lehensträger des Bistums erscheinen die Herren
Yon Campo in Judikarien, und sie sind es in erster Linie, die
mit dem Domkapitel den Strauß beginnen. Schwer genug mag
ihre Hand auf den Immunitätsleuten gelastet haben, denn wieder-
holt versprechen diese dem Erzpriester namhafte Summen, wenn
er sie von den Herren von Campo, und ihren Ansprüchen be-
freie.* Auch die Bischöfe von Trient nahmen sich ihrer Va-
sallen, der Herren von Campo an und suchten die Immunitäts-
rechte des Kapitels zu beseitigen. Folgten sie doch darin nur
dem Beispiele so vieler anderer Fürsten, welche die Immuni-
täten ihrer Landeshoheit zu unterwerfen suchten.
» Vgl, S. 329.
' Unklar bleibt der Streit des Domkapitels mit Zenellus und Luscos um
die Qerichtsbarkeit in Bogosio (Ficker, Forschungen 4, Nr. 180),
zweifelhaft vor allem, ob unter Bogosio Breguzzo zu verstehen ist. Was
in dieser Urkunde über die Rechtsverhältnisse in Bog^sio verlautet,
stimmt nicht mit Breguzzo; auch wäre die Verhandlung vor einem Kon-
sul in Verona gegen Leute von Breguzzo kaum denkbar.
» Urkunde 1210 Juni 13, Verona K.-A. AC. 12 m. 9, Nr. 14. Vertreter der
Leute von Breguzzo und Bondo : per stipulationem promiserunt magistro
Alberto archipresbytero maioris ecclesie Veronensis vice canonice dare et
solvere ei domino archipresbitero et canonicis centum libras den. Ver. de
hinc ad festum sancti Michaelis, si canonici deliberarent eos ab Ulis de
Campo a domino Riprando et ab eins fratribus; 1223 Juni 24, ebendort
AC. 10 m. p., Nr. 10. Leute von Bondo bestellen einen Stellvertreter: in
eundo coram presentia domini magistri Alberti . . . archipresbyteri et ha-
bere consilium hab eo domino, qualiter suprascripti homines et infra-
scripti possent exire de sub dominacione dominorum de Campo, und um
ihm Sicherheit für alle dabei verwendeten Kosten zu gewähren. Die
Campo müssen indes auch Anhänger gezählt haben, denn Bischof Hein-
rich von Mantua ermahnt 1210 die Leute von Bolbeno, sich der Herr-
schaft des Domkapitels nicht zu entziehen.
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343
Der erste Streit, von dem uns Kunde erhalten ist, ftlllt
ins letzte Dezenium des 12. Jahrhunderts. Die Domherren
klagten vor dem Bischöfe von Trient gegen die Herren von
Campo wegen Besitzstörung.^ Der Bischof nahm die Klage
nicht an; er anerkannte wohl das Eigentum des Kapitels, aber
er erklärte, daß ihm selber Gericht und Bann als Grafen der
Grafschaft Trient zustehe, nachdem die Orte zur Grafschaft
gehörten. Er deckte die Herren von Campo als ihr Gewährs-
mann. Nun wandten sich die Domherren an den Papst. Co-
lestin UI. beauftragte den Bischof Johann von Brescia, die
Campo unter Androhung der Exkommunikation von der Besitz-
störung abzuhalten.^ Die Zensur wurde verhängt, da die Campo
auf die Vorladung nicht erschienen.* Damit war der Streit
noch nicht zu Ende. Das Vorgehen des Bischofs Johann scheint
fruchtlos geblieben zu sein. Wieder wandten sich die Dom-
herren an den Papst. Innozenz Hl. erneuerte das Mandat Cö-
lestins HI. an den gleichnamigen Nachfolger des inzwischen
verstorbenen Bischofs Johann,^ er erteilte indes noch ein zwei-
tes, das sich gegen den Bischof von Trient wandte und den
Bischof von Brescia ermächtigte, über die Rechtsansprüche, die
dieser gegen das Kapitel erheben würde, zu entscheiden.^ Die
Campo wurden infolgedessen neuerdings mit der Exkommuni-
kation belegt, und der Bischof von Trient wurde aufgefordert,
die E^xkommanikation zu verkündigen, selber aber von aller Be-
sitzstörung abzustehen und in petitorio seine Rechtsansprüche
darzulegen. Bischof Kourad wich zunächst diesem Verlangen
aus, indem er die Vollmacht seines Kollegen von Brescia be-
zweifelte.^ Später änderte er seine Haltung; er ließ sich her-
bei, Stellvertreter zu ernennen, die seine Sache vor dem Bischof
von Brescia führen sollten.'' Diese ei^annten im Namen des
Bischofs neuerdings das Eigentum des Kapitels an, über die
Grafschaftsrechte aber hüllten sie sich in ein dunkles Schwei-
gen.® Praktisch wichtiger war es für das Domkapitel, daß sich
Bischof Konrad von Trient jetzt herbeiließ, gegen die Campo
die Exkommunikation zu verkündigen.^ Doch schon nach
^ Ficker, Forachongen 4, Nr. 183. * BeUage 1.
* Beilage 2. * BeUage 4. ^ Beilage 3. * Beilage 5.
' Trient, 1199 Dezember 16. Die Domherren von Brescia Wigelm und
Manfred von Sale; Verona K.-A.
' BeUage 6. * Beilage 7.
ArchiT. 9i. Band, II. U&lfto. 24
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344
wenigen Jahren ftlUte Konrad wohl in derselben Sache ein dem
Kapitel ungünstiges Urteil, von dem der Vertreter des Kapitels
an den Papst appellierte.^ Wir wissen nicht; ob über die be-
strittene Gerichtsbarkeit weiter zwischen Bischof Konrad und
dem Kapitel verhandelt worden ist. Der Streit mit den Campo
währte fort und wurde in der Folge vor das kaiserliche Hof-
gericht gebracht. Im Jahre 1210 sprachen vier Hofrichter dem
Domkapitel den Besitz der streitigen Orte und Gerichtsbarkeiten
zu, nachdem die Campo den Vorladungen des kaiserlichen Hof-
vikars, Bischofs Heinrich von Mantua, nicht gefolgt waren.*
Damit war indes wenig geholfen. Zehn Jahre hernach noch fand
Friedrich II. es für notwendig, für dieses Urteil einen Exekutor
zu bestellen.* Später wurde neuerdings Klage vor dem päpst-
lichen Stuhle erhoben, und Papst Gregor IX. beauftragte den
Prior von Allerheiligen in Verona mit der endgültigen Ent-
scheidung.^ Damit scheint dieser Streit endlich sein unbe-
kanntes Ende erreicht zu haben.
Nochmals kam das Bistum Trient in die Lage, sich mit
der Immunität des Kapitels von Verona zu befassen, als dem
Podestk Sodegher, der es damals im Namen des Reiches ver-
waltete, der Auftrag zuteil wurde, ein Urteil des Reichshofge-
richtes gegen widerspenstige Untertanen des Kapitels zu voll-
strecken und das Kapitel in den Besitz der Güter der Verur-
teilten zu setzen.^ Damit aus dieser Amtshandlung kein Nachteil
für das Kapitel erwachse, fand es dieses für gut, den Podestk
auf seine Rechte aufmerksam zu machen und auf alle Fälle an
den Kaiser zu appellieren.^ Als das Domkapitel im Jahre
* 1204 August 4, Trient; Verona K.-A. Musetus, Notar, Vertreter des Ka-
pitels von Verona, überreicht dem Bischof Konrad eine Appellation fol-
genden Inhalts: Domine Conrade dei gratia Tridentine ecclesie epis-
cope. Ego Musetus notarius procurator domin i Guidonis Veronensis eccle-
sie archipresbyteri et capituli, si tos dedistis sententiam contra ipsum
vel contra canonicam Veronensem, ex quo a Yobis appellavi et vos tan-
quam .... (Lücke) recusavi .... (Lücke), salva prima et secunda ap-
pellatione a vobis ad dominum papam in scriptis appello, vel si eum
excommunicastis, et apostolos instanter peto.
' Ficker, Forschungen 4, Nr. 238. Die Vorladung ebendort Nr. 281.
» Ficker, a. a. O. Nr. 274.
* Beilage 10.
'^ 1238 Dezember 7, Ficker, Forschungen 4, Nr. 364.
* 1238 Dezember 9, Ficker, a. a. O. Nr. 365.
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345
hernach einen Schutzbrief von Kaiser Friedrich II. erlangte,^
yerschaffte es sich gleichzeitig noch ein besonderes kaiserliches
Mandat an den Podestä Sodegher, in dem ihm der bestimmteste
Auftrag gegeben war, die in seinem Amtssprengel gelegenen
Besitzungen des Kapitels zu schlitzen.^ Mag Sodegher aus
diesem Mandate, nach dessen Wortlaut die vier Dörfer als in
seiner Jurisdiktion gelegen gedeutet werden konnten, dem Ka-
pitel unangenehme Folgerungen gezogen oder sonst Ansprüche
erhoben haben, in seinem Auftrage sicherlich war es geschehen,
daß der Vizecomes des Kapitels wegen der Ausübung der Ge-
richtsbarkeit vom Hauptmanne von Stenico gefangen gesetzt
worden war. Nun beeilte sich das Kapitel allerdings, dem Po-
destk seine Privilegien und Rechtstitel auf die vier Dörfer und
die Gerichtsbarkeit, welche es dort in Anspruch nahm, vorzu-
legen. Und jetzt erkannte der Podestk in der Tat die Gerichts-
hoheit des Kapitels an und beauftragte den Hauptmann von
Stenico, sie nicht weiter zu irren.'
Wie lange die Herrschaft des Kapitels in den vier
Dörfern bestanden hat, läßt sich nicht sagen. Mit 1284
liegt das letzte Zeugnis für sie vor.* Wie und wann sie ge-
endet hat, ist unbekannt; das Kapitelarchiv von Verona gibt
darüber keine Auskunft. 64 Jahre später ist das Schloß Bre-
guzzo im Besitze des Hochstiftes Trient.^ Doch werden wir
den Verlust fUr das Kapitel wegen des Versiegens der urkund-
lichen Nachrichten im Domkapitelarchiv erheblich früher, wahr-
scheinlich bald nach 1284 setzen müssen. Die vier Dör-
fer und ihr Gerichtssprengel sind in das Gericht Judikarien
und die Hauptmannschaft Stenico aufgegangen, ohne Spuren
ihrer früheren Sonderstellung zu bewahren.
1 Böhmer-Ficker, Nr. 2442. * Beilage 18.
• Ficker, Forschungen 4, Nr. 383.
* 12S4 Juli 21, Verona K.-A. AG. 13 m. 5, Nr. 8: die Gemeinden Bre-
gozzo und Bondo bestellen einen Vertreter, um dem Domkapitel die
geschuldete Steuer zu zahlen.
^ 1349 Jfinner 9. Dionjsius de Gardellis, Hauptmann des Kapitels von
Trient, sede vacante, gibt die rocca de Bragutio dem Generalvikar des
Bischofs Johann heraus, Innsbruck, Ferdinandeum, Handschr. Dipaul.
822, S. 51—53. 1385 Mai 13, Innsbruck, Ferdinandeum, Handschr. Di-
paul. 614 (Primisser), f. 153 : Bischof Albrecht von Trient verleiht die
Hut des Schlosses dem Friedrich Gesiecht, nachdem der bisherige Haupt
mann Georg Gesiecht wegen Krankheit dienstunfähig geworden ist.
24*
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346
So sehen wir hier eine Immunität aus einer Grundherr-
schaft erwachsen, in welcher der Immunitätsherr volle Gerichts-
barkeit, Steuer- und Bannrechte ausübt, und in mannigfaltigen
Beziehungen zu der Grafschaft treten, die am Ende den Im-
munitätsherm verdrängt und das Immunitätsgebiet ihrer Ge-
richtsverfassung einverleibt.
n. Das Hochstift Trient.
Fast möchte es unangebracht scheinen, über die Immuni-
tät des Bistums Trient zu handeln. Sind uns doch keine Im-
munitätsverleihungen erhalten, und haben die Bischöfe seit der
Erwerbung der Grafschaftsrechte die öffentliche Gewalt und
insbesondere die hohe Gerichtsbarkeit als Grafen, Markgrafen
und Herzoge ihres Gebietes ausgeübt. Kaum noch dürfte die An-
sicht Jägers auf Beifall rechnen können,^ der aus der Immunität
den Erwerb der Grafschaftsrechte durch das Bistum, insbesondere
in Bozen ableiten zu können glaubte.' Indes dürfte es trotz-
dem nicht überflüssig sein, gewissen Instituten näherzutreten,
die an einstige Immunität anknüpfen, vor allem der Gastalden-
verfassung und der Vogtei, von denen die erste bei der Ent-
wicklung der Landgerichte eine gewisse, vielfach überschätzte
Rolle gespielt, die zweite wie kein anderes Institut für die Bil-
dung des heutigen Landes Tirol Bedeutung gehabt hat, ihrem
Rechtsinhalte nach jedoch bisher keineswegs richtig erkannt ist.
Beim Mangel fast aller urkundlichen Nachrichten ftir die
Geschichte des Hochstiftes Trient vor dem 12. Jahrhundert läßt
sich das Anwachsen und die Bedeutung der Immunität nur aus
späteren Zuständen mutmaßen, ganz anders als in den benach-
barten Bistümern Sähen -Brixen und Chur mit ihren seit dem
9. Jahrhunderte fast ununterbrochenen Reihen von Königsur-
kunden. Die Urkunde Konrads H. von 1027, in welcher die
Grafschaft Trient geschenkt wird,' ist das einzige, wie durch ein
^ Geschichte der landstäud. Verf. Tirols 1, 243.
' Vgl. Durig, Die staatsrechtlichen Beziehungen des italienischen Landes-
teiles von Tirol zu Deutschland und Tirol, Jahresber. der Oberrealschule
Innsbruck 1864, 8; ders., Beiträge zur Geschichte Tirols, Zeitschr. des
Ferd., III., Bd. 9, lö; Jäger, Geschichte der landständ. Verf. Tirols 1,
223 f.; Egger, Gesch. Tirols 1, 181 usw.
» Stumpf 1954.
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347
Wander erhaltene Original^ das aus dem 11. Jahrhunderte yor-
liegt. Älteres ist überhaupt nicht yorhanden. Schon die yiel-
bezweifelte Schenkung der Grafschaften Bozen und Vintschgau *
liegt nur in einem späteren Transumte yor^ wenn dayon ein
Original oder angebliches Original überhaupt je yorhanden war.
Erst von Kaiser Friedrich I. besitzen wir wieder ein Ori-
ginaldiplom vom Jahre 1161.' Doch auch die^e Urkunde ent-
hält keine Immunitätsformel, sondern eine Bestätigung der Schen-
kung der Grafschaft Trient durch einen König Heinrich.* Und
ebensowenig die folgenden Kaiserdiplome: Stumpf 4082, (Ver-
leihung der Grafschaft Garda), Stumpf 4335, 4512 und 4669,
die besondere Verfügungen treffen. Aus dem 13. Jahrhundert
liegen überhaupt keine allgemeinen Bestätigungen der Rechte
des Bistums bis auf Adolf yon Nassau^ vor. Doch aus dieser
Urkunde läßt sich so wenig wie aus dem jüngeren, umfang-
reicheren Priyileg Karls IV.* etwas für unsere Frage gewinnen,
da dem Gebrauche dieser späteren Zeit gemäß Immunitäts-
formeln aus älteren Diplomen nicht mehr wiederholt werden.
Doch dürfte die Vermutung nicht abzuweisen sein, daß
auch für Trient wie für alle anderen Hochstifte Immunitäts-
priyilegien erteilt worden sind. Eine Trienter Grundherr-
schaft wenigstens gab es, außerhalb der Grenzen der
Grafschaften Trient, Bozen und Vintschgau, auf der
dem Bischof unzweifelhaft die hohe Gerichtsbarkeit zustand,
Castellaro, neuestens auf Grund einer sehr fragwürdigen Ety-
mologie als Castel d'Ario umgetauft, nordöstlich yon Mantua
am Kanäle Molinella, an der Grenze der alten Territorien von
' Stumpf 1966. • stumpf 3919.
• Welcher Heinrich damit gemeint ist, ist schwer zu sagen ; am nächsten
würde es liegen, an Heinrich y. zu denken, dem Bischof Gehhard, der,
vom König 1106 eingesetzt, hei der Stadt Trient und einem Teile des
Adels heftigen Widerstand fand, hesonders nahe stand. Egger, Gesch.
Tirols 1, 191. Freilich könnte dann nicht eigentlich von einer Schen-
kung, sondern nur von der Bestätigung der Schenkung Konrads II. die
Rede sein ; oder an Heinrich H., wofQr sprechen würde, daß Konrad U.
in Stumpf 1964 die Grafschaft eigentlich bestätigt: damus, tradimus atque
conlirmamus. yielleicht bringt eine diplomatische Untersuchung, die
von Breßlau zu erhoffen ist, Licht in die Sache.
* Frankfurt, 1296 November 13, Böhmer, Regesta imperii ab anno 1246
usque ad 1813, Nr. 382.
» Huber, Regesta Imperii VHI, Nr. 328.
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348
Mantua und Verona gelegen. Kaiser Heinrich IV. hat im Jahre
1082 den Bischof Heinrich von Trient mit der curtis Castellaro
investiert,^ ob aus Anlaß eines Rechtsstreites oder weil sich der
Bischof im Besitze derselben durch den Königsbann sichern
wollte, muß dahingestellt bleiben.' Jedenfalls war das Bistum
schon vorher im Besitze des Hofes, dessen Erwerbung nicht
bekannt ist. Wir wissen zunächst wenig über die Schicksale
der Besitzung.' Es ist aber Willkür, wenn Ambrosi aus dem
Mangel an Nachrichten ohneweiters schließen will, daß das Bis-
tum nicht in den Besitz der Herrschaft gekommen sei, die von
den Mantuanern vorenthalten worden wäre. Kaum würde das
Bistum in solchem Falle die Klage beim kaiserlichen Hofe
unterlassen haben. Wenn Ezelin von Bomano im Jahre 1238
im Besitze von Castellaro erscheint,* so ftlllt dies in die Zeit,
in der das Bistum von Trient durch das Reich verwaltet und
in engere Abhängigkeit von der Mark Treviso gebracht wurde.^
Kein Wunder auch, wenn in der Folgezeit die Herrschaft dem
Bistume entfremdet wurde. Doch ließ sich 1276 der neue Herr
von Mantua Pinamonte Bonaccolsi von Bischof Heinrich II. mit
Castellaro belehnen/ und seitdem wurde die Investitur zugun-
sten der Herren von Mantua regelmäßig erneuert; es wurde
namentlich nach dem Sturze der Bonaccolsi Ludovico Gonzaga
belehnt und seitdem die Herren und Herzoge von Mantua aus
diesem Geschlechte bis zu seinem Aussterben 1708.^ Damals
wurde es als heimgefallenes Lehen unter die unmittelbare Ver-
waltung des Bistums Trient genommen und verblieb darin bis
zur Vereinigung mit der Zisalpinischen Republik von Napoleons
Gnaden.
Nach den späteren Investituren umfaßte die Herrschaft
das Schloß Castellaro, die Dörfer Susano, Cavalieri, Grossa und
> Kink, Fontes U, 6, Nr. 2.
• Vgl Ficker, Forschungen 1, 48 n. 2.
• Einige Notizen sind zusammengestellt von Ambrosi in Archivio per
Trieste, Istria ed il Trentino 1, 375 f. Was Ambrosi von der Veran-
lassung der Reinvestitur zu berichten weiß, beruht auf Phantasie, da
es sich ja nicht um eine Neuverleihung gehandelt hat
• Ambrosi, a. a. O. 376.
• Ficker, Forschungen 2, 608.
• Ambrosi, Commentari della Storia Trentina 2, 226.
' Ambrosi, Arch. per Trieste usw. 1, 378.
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349
Pampurio.* Sie werden vergeben cum iurisdictionibas et hono-
riis nniversis et mero et mixto imperio^ also mit der hohen Qe-
richtsbarkeit, die dem Bischof hier kraft der Immunität des
Hochstiftes zugestanden haben muß; wenn sie ihm nicht viel-
leicht besonders verliehen worden ist.
Aus grundherrlichen Wurzeln ist auch die Ga-
staldie erwachsen^ die unstreitig eine bedeutende Rolle in
der Geschichte der Verwaltung und Gerichtsverfassung Süd-
tirols bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts spielt. Wer sind
die Gastalden und was war ihre Aufgabe und Bedeutung?
Elgger sieht in den Gastalden ohneweiters richterliche Beamte, in
den Gastaldien die Vorläufer der späteren Landgerichte;' Sar-
tori und Pertile nehmen an, daß das Bistum in Gastaldien zer-
fallen sei, die Pertile wieder aus Dekanien zusammengesetzt
sein läßt. Aufgabe der Gastalden sei es gewesen, in den De-
kanien Recht zu sprechen.' Diese Anschauung entspricht nicht
ganz den Tatsachen. Weder gab es eine Einteilung in Gastal-
dien und Dekanien^ die das ganze Bistum umfaßte, noch kamen
den Gastalden durchwegs oder auch nur von altersher richter-
liche Funktionen zu. Werfen wir vorerst einen Blick auf
dieses Amt und die Beamtungen des Bistums überhaupt in
der älteren Zeit.
Der bischöfliche Gastalde stammt von dem langobardischen
Beamten dieses Namens, der als Verwalter der königlichen Do-
mänen bekanntlich bereits in den langobardischen Edikten ge-
nannt wird.* Als Gutsverwalter, Wirtschaftsbeamte finden wir
Gastalden auch bei den Alamannen und Bayern.^ Nicht anders
war die Stellung der langobardischen Gastalden, wenn sie auch
mit den Herzogen zu den iudices gezählt wurden. Sie teilen
dieses Schicksal mit den fränkischen Domanialbeamten, den
actores. Beiden standen in der Tat richterliche Funktionen zu.
^ So nach den Inrestituren von 1398 März 2, Innsbruck St.-A. Lehenbuch
Bischof Georg», Capsa 22, Nr. 3, f. 91—91'; 1467 April 26, a. a. O. Le-
henbuch Bischof Georgs IL, Capsa 22, Nr. 6, f. 196-198.
« Gesch. TiroU 1, 263; Zeitschr. des Ferd. HI, 41, 243.
' Sartori, Zeitschr. des Ferd. lU, 36, 7 f.; Pertile", 1, 336; ebenso Sal-
violi, Atti m, 6, 100 f.
^ Brunner, Bechtsgesch. 2, 124; Schupfer, Delle Istituzioni politiche Lan-
gobardiche 311 f.; Pertile*, 1, 108; Schröder, Bechtsgesch.*, 129.
* Brunner, Bechtsgesch. 2, 124; Grimm, Deutsche Bechtsaltertümer*, 2,
364.
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350
doch nar auf den königlichen Domänen, die der Verwaltung
der Grafen und Herzoge entzogen waren. Im übrigen über-
wachten sie die Verwaltung und Bewirtschaftung der Fisci; sie
waren Wirtschaftsbeamte, die auf den exemten Domänen zu-
gleich die Ausübung der Gerichtsbarkeit besorgten. In der
Folge treflfen wir Gastalden als herrschaftliche Verwalter. Ob
dies bei den Langobarden schon vom Anfange an der Fall war,
wie bei den Bayern und Alamannen^ muß dahingestellt bleiben^
dürfte jedoch in Anbetracht der späteren Verbreitung des Amtes
nicht so unwahrscheinlich sein, denn schon seit dem 10. Jahr-
hunderte finden sich Gastalden, besonders in den geistlichen
Herrschaften Oberitaliens in großer ZahP und sehr verschie-
dener Stellung; immer aber tritt die wirtschaftliche und ver-
waltende Tätigkeit besonders hervor. Noch heute hat der italieni-
sche Dialekt im Veronesischen, auch in Welschtirol das Wort
im Sinne von Schaffner oder Oberknecht bewahrt.
Auch im Bistume Trient war es nicht anders. Der Ga-
stalde war ein Wirtschaftsbeamter, von Haus aus nur
betraut mit der hof- und leibherrlichen Gerichtsbarkeit über die
Hörigen, die zum Hofe gehören. Übt er die öffentliche Ge-
richtsbarkeit, so ist es nur, weil ihm diese insbesondere noch
übertragen ist zu den Befugnissen seines Amtes, weil eine der
im Mittelalter so beliebten Amterkumulationen vorliegt, welche
der modernen Forschung vielfach so verwickelte Rätsel auf-
geben und nur zu leicht zu irrigen Ansichten verlocken.*
Gastalden gibt es in Südtirol genug. Vor allem als bi-
schöfliche Beamte; den Beamten entsprechen Amtssprengel, die
sich allerdings über den größten Teil des Bistums ausdehnen.
Die folgende Aufzählung soll nicht den Anspruch auf Vollstän-
digkeit beanspruchen, sie soll nur ein Bild von der Verbreitung
der Institution gewähren. Gastalden finden wir vor allem in
Trient selber. Hier wird namentlich ein Gastalde Ambrosius
in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts erwähnt,^ eine
> Vgl. Pertile« 1, 335; Salvioli, Atti III, 6, 98 f.
• Es ist das Verdienst Siegfried Rietschels, in seinem Buche über das
Burggrafenamt auf diese Ämterkumulationen mit Energie hingewiesen
und für sein Thema die reinliche Scheidung der verschiedenen Amts-
befugnisse durchgeführt zu haben.
" Kink, Fontes H, 5, Nr. 73, 237; Hormayr, Gesch. Tirols 1, H, Nr. 120
(1226); Urkunde 1234 August 17, Wien St.-A. Liber iurium vallis La-
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Gastaldie wird anter Bischof Friedrich yon Wangen genannt.
Zar Gastaldie Trient gehörten anzweifelhaft aach Povo and
Sopramonte, das allerdings einen eigenen Gerichtsbezirk bildete,
aber keinen eigenen Gastalden besaß.^ Gastalden standen dann
dem Silberbergwerke am Calisberge nordöstlich von Trient vor,
deren Sprengel zeitweise wenigstens aach Civezzano amfaßte.'
Die Gastaldie Trient verschwindet in der Folge; an Stelle der
Gastalden treten Massare and Caniparii.^ Wenden wir ans
nach Süden in den Umkreis der alten Jndiciaria summa lacaen-
sis/ so treffen wir eine Reihe von Gastaldien, die mit den ein-
zelnen Pfarren zasammenfallen, keineswegs aber stets anter
einem eigenen Gastalden stehen, sondern in banter Weise grup-
piert erscheinen. So sind die Gastaldien Arco, Ledro, Tignale,
Lomaso and Bleggio 1272 and 1279 im Besitze der Herren
von Arco,^ so werden Bono, Ledro and Tignale als eine Ga-
staldie bezeichnet,^ so stehen 1262 Lomaso and Bleggio anter
einem Gastalden,^ so werden 1272 die Gastaldien in den Pfar-
ren Banale, Preore, Tione and Uendena einem einzigen Richter
gari f. S*; in Acta Tirol. 2 b&nfig als bereits verstorben erwähnt, Nr. 10,
357, 383 usw.
^ In einem Urbar des 13. Jahrhunderts ist die Rede von Ausgaben des
Dekans von Oveno: quando ipse gastaldius venit ad racionem facere in
predicta villa Oveni, Chr. Schneller, Tridentinische Urbare 199; vgl.
Reich in Zeitschr. Tridentum 6, 152. In einer anderen Au&eichnung
vom Beginne des 13. Jahrhunderts Kink, Fontes II, 6, Nr. 284 werden
die Gastaldien Povo und Sopramonte erwähnt.
* Kink, Fontes II, 6, Nr. 236 (1186), 237, 239, 241 ; 1214 Jänner 7, Bi-
schof Friedrich verpfändet die Gastaldie an Albert von Seiano, Ripran-
din Ottonis Richi und Odolricus Rambaldi, Wien St.-A. (Dominez, Re-
gesto Cronologico 15&); 1272 Juni 16, Bischof "Egno verleiht die gastal-
dia montis argentarie et Ciuezani an Ropret von Cognola und Peter,
Bonelli, Memorie intomo al beato Adelprete 2, 600.
" Der caniparius ist älter, Kink, Fontes H, 6, Nr. 28 (1188), 119, 273 usw.
Der Massarius wird erwähnt zuerst 1256 Dezember 9 (Dominez 397)
als oberster Finanzbeamter des Bischofs. Später steht ihm und dem
Massariatsamte die politische und wirtschaftliche Verwaltung der so-
genannten äußeren Prätur Trient zu.
* Vgl. S. 10 dieses Bandes.
» Urkunde 1272 März 7, Wien St.-A. (Dominez 488); 1279 November 20,
Bonelli 2, 610.
* Urkunde 1226 April 18 (Dominez 260) und Kink, Fontes II, 6, Nr. 284.
* 1262 April 3, Wien St.-A. (Dominez 425).
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352
verliehen.* Wir sehen daraus^ daß hier weder der Bezirk der
Gastaldie feststeht, noch daß jeder Qastaldie ein Qastalde vor-
steht, mit anderen Worten, daß der Umfang der Qastaldie ein
schwankender und fließender ist. Außer diesen Gastaldien
werden hier noch erwähnt: Stenico,* Riva,* Tenno.* Im Lager-
tale treffen wir Gastalden nnd Qastaldien za Beseno,^ Lizzana,^
Prataglia,^ Ala.® In der Nähe von Trient werden genannt Ga-
stalden und Gastaldien von Calaveno,® Civezzano,*^ später ver-
einigt mit der Gastaldie des Silberbergwerkes, Fornace,** das
wohl auch zu Civezzano gehörte, Vigolo Vattaro,** Pergine,"
Levico, das ursprünglich zu Pergine gerechnet wird und eine
Unterabteilung dieser Gastaldie bildet,** Tenna.*^ Nördlich von
Trient im Etschtale aufwärts finden sich Gastaldien in Königsberg,**
1 1272 März 28, Imbreviatur des Notar Zacheus f. 18, Wien St.-A.
« Ein Gasteide Bokognolus 1223, Wien St.-A.
« Urkunde 1218 Juni 17, Wien St.-A. (Dominez 196); 1220 Juli 6 (Samm-
lung Durig) usw.
* Kink, Fontes II, 6, Nr. 100; Urkunde 1216 September 26, Innsbruck
St.-A. Parteibriefe: Albertus gastaudio.
* Kink, Fontes II, B, Nr. 132; 1216 April 6, Hormayr, Gesch. Tirols 1,
II, Nr. 94.
« Urkunde 1270 April 4, Innsbruck St.-A., Trient Capsa 33, Nr. 36.
' Kink, Fontes II, 6, Nr. 166; Urkunde 1202 April 80, Wien St-A. (Do-
minez 66).
■ Urkunde 1171 Dezember 7, Wien St.-A. (Dominez 11).
* Urkunde 1260 Juli 28, Wien St.-A. (Dominez 421).
" Urkunde 1242 Juni 13, Wien St.-A. (Dominez 832 mit unrichtiger In-
haltsangabe, vgl. Zeitschr. des Ferd. III, 33, 42).
" Urkunde 1196 Jänner 16, Wien St.- A. (Dominez 49, unrichtiges Regest).
" Kink, Fontes U, 6, Nr. 120.
1' Urkunden 1213 August 18, Innsbruck St.-A. Parteibriefe; 1290 Mai 22,
Wien St.-A.; 1308 Dezember 5, Hormayr, Sämtliche Werke 2, Nr. 63,
wo auch der Umfang der Gastaldie angegeben ist.
^* Urkunde 1213 August 18, Innsbruck St.-A. Parteibriefe, richtet ein Con-
tolinus gastaldio als Vertreter des Gastalden von Pergine ; Bischof Egno
Mandat an capitaneo, gastaldio vel subgastaldioni .... Levigi, Hor-
mayr, Sämtliche Werke 2, Nr. 34 (1268).
*^ Hormayr, a. a. O. Nr. 36.
^" 1260, Wien St.-A. Bischof Egno verleiht dem Liabard von ^ovo castrum
custodiam gastaldiam von Königsberg.
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Cembra,^ Salnrn,* Enn,' Margreid,* Tramin,^ Bozen/ Ritten ^ und
endlich Firmian, dessen Gastalde zeitweise richterliche Befugnisse
in Bozen und Fleims ausübt/ die beide als eigene Gastaldien
bezeichnet werden. Zuletzt finden sich Qastaldien auch im
Nons- und Sulzberg/ zu Cles und Romeno/*^ zu Ossana^ Livo
und Mal^^^ und endlich Metz^ das ebenfalls verwaltungsreoht-
lieh bis ins 13. Jahrhundert zum Nonsberg gerechnet wurde.
Nicht nur der Bischof, auch andere Qrundherren haben
ihre Gastalden, so der Bischof von Feltre/* Ezelin von Enn,"
' Tirolisohe Raitbflcher, München R.-A. Nr. 9, f. 28: Arnold de Uedan,
Arnold und Petrus, Gastalden von Gembra, 1299 Februar 18; ebendort
Nr. 10, f. 96 Julian, Notar, gastaldio, 1802 Juni 27; ebendortH.de
Faedo legi Rechnung de fictis culta officio gastaldie in Zimbria.
' 1293 März 14, Wien St.-A. : Concilin, Sohn des c. d. Egeno de Salumo,
gastaldio.
» Kink, Fontes II, 6, Nr. 86, 149; Urkunde 1242 Juni 13, Wien StA.
(Dominez 332); Ladurner, Zeitschr. des Ferd. III., Bd. 13, 162: Tri-
dentinus de Aura gastaldio (1291) usw. noch im 14. Jahrhundert.
^ Urkunde 1289 Juni 24 : Otto de Ungna capitaneus castri de Linteclaro
et gastaldio Margredi, Wien St.-A.
^ Kink, Fontes II, 5, Nr. 126; Urkunde 1213 September 8, Innsbruck
St.-A. Trient Capsa 61, Nr. 5; 1224 Juni 29 ebendort Gapsa 61, Nr. 17.
* Kink, Fontes U, 6, Nr. 53 ; Montebello, Notizie storiche della Valsugana
Nr. 8 (1216 Aprü 2); Hormayr, Gesch. Tirols 1, U, 831 (1238 August 3)
usw.
' Hormayr, a. a. O. 333 (1238 August 9).
* Kink, Fontes II, 6, Nr. 7, 72 usw. Über Fleims Schwind-Dopsch, Urk.
z. Verf. Nr. 8; Gastaldie heißt Fleims 1242 Juni 13, Wien St.-A. (Do-
minez 332); Chmel, Fontes II, 1, Nr. 74 (1266) usw.; vereinigt mit Fi r-
mian erscheint Fleims Kink, Fontes 11, 5, Nr. 284; dasselbe läßt wohl
auch Kink, a. a. O. Nr. 28 schließen.
* Über diese vgl. Yig^lio Inama, Archiyio Trentino 10, 76 f. ; Reich, eben-
dort 17, 86; Inama, Storia delle Yalli di Non e dl Sole 96 f.
" Der Umfang der Gastaldie Romeno ergibt sich aus Urkunde 1263 Juli
3, Wien St.-A. (Dominez 485), vgl. Reich, Una congiura a Caldaro.
Progamm des Staatsgymnasiums Trient 1901, 8.
" Reich leugnet den Bestand einer Gastaldie Mal^, doch wird eine solche
bei Kink, Fontes n, 5, Nr. 286 und Urkunde 1217 Juli 4, Wien St.-A.
(Dominez 189), hier ausdrücklich von Livo geschieden, erwähnt. Reichs
Annahme würde dann richtig sein, wenn die Gastaldien für immer fest-
stehende Bezirke gewesen wären, von denen jeder einen Gastalden an
der Spitze hatte.
" Urkunde 1196 Jänner 16, Wien St-A. (Dominez 49).
^ Urkunde 1280 Juni 16, Innsbruck St-A. Parteibriefe.
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354
die Herren von Castelbarco.^ Schon heißen die Vorsteher der
Schiflferzunft Gastaldionen.*
So ist Gastalde also ein vieldeutiger Titel, der an sich
über seinen Begriff and Rechtsinhalt keine Anskanft gibt. Be-
schränken wir uns im folgenden auf die bischöflichen Gastalden.
Seit Einks AnsfUhrangen ist man gewohnt, in diesen Gastalden
Beamte der wirtschaftlichen Verwaltung zu sehen, und mit
vollem Rechte. Den Mittelpunkt der Gastaldie bildet ein bi-
schöflicher Hof oder ein Schloß, durchaus aber ein bedeuten-
deres Besitztum. Dort, wo die Gastaldie sich am meisten in
ihrer Reinheit, in ihrem ursprünglichen Charakter erhalten hat,
wie namentlich im Nonsberg, hat der Gastalde seinen
Sitz an einer bischöflichen Kurie. Sehr häufig werden
gerade in diesem Gebiete die bischöflichen Kurien oder Her-
renhöfe erwähnt. Es gab dergleichen in Ossana, Livo, des,
Malh, Romeno.' An sie gliedert sich das zur Leihe gegebene
Land an, an sie sind Fronden, Leistungen und Zinse zu er-
bringen. Sie wieder tibernehmen es, den bischöflichen Haus-
halt während des Jahres der Reihe nach zu bestreiten. Ossana
leistet drei Wochen, anderthalb im Sommer und ebensoviel im
Winter. Wie viel Getreide und Tiere von jedem Hofe geleistet
werden sollen, ist genau bestimmt. Die Höfe von Cles und
Romeno leisten je eine Woche im Sommer und im Winter und
mUssen zusammen mit Ossana und anderen Höfen für die Fest-
tage des heil. Vigil aufkommen. Auch andere Orte, wo Ga-
stalden bischöfliche Herrschaften beaufsichtigen, Bozen, Trient,
Ala, Arco, Ledro, Magnano (santa Massenza), wo ebenfalls ein
großer Herrenhof stand,* haben gleichfalls ihre bestimmten Wo-
chen, in denen sie den bischöflichen Hof ernähren sollen. Jeder
Gastalde hat dann eine bestimmte Quantität Leinentuch und
für den Römerzug ein ausgestattetes Saumroß und anderes zu
liefern.* Den Höfen stehen die Gastalden vor, sie sind
für die richtige Lieferung haftbar. Sie stehen an der Spitze
der bischöflichen Ministerialen, die auf diesen Höfen waltend
* Cipolla, Archivio per Trieste, Istria ed il Trentino 4, 81.
« Archiv für österr. Gesch. 92, 139.
» Kink, Fontes U, 6, Nr. 245, 247, 268, 259, 262, 264, 279, 286. Bonelli
2, 94, Yg\. Inama, Valli di Non e di Sole 101 n. 4.
* Kink, Fontes U, 6, Nr. 94, 186.
* Kink, a. a. O. Nr. 286.
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355
erwähnt werden. Sie sammeln die Leistungen, Zinse and
Steuern^ die von den untertänigen Bauern geschuldet werden. Als
Bischof Friedrich von Wangen dem Kloster San Tomaso bei
Romeno einen Eigenmann (homo) schenkt, wird verfügt, daß
kein bischöflicher Ministeriale oder Qastalde von diesem Eigen-
manne Steuer, Bann und Malatolta einnehmen dürfe, sondern
daß diese Leistungen dem Ehester bleiben sollen.^ Ihnen unter-
stehen die Eigenieute der Höfe,^ an sie sind die Leistungen
zu richten.' Häufig weisen sie die Rechte des Bistums, ihrem
Spruche bleibt wohl auch die Bestimmung der Höhe des Zin-
ses der Leihegüter vorbehalten,^ denn sie sitzen dem grund-
herrlichen Gerichte vor. Wie sie in den eben erwähnten Fällen
über die Höhe des Zinses erkennen, also in Leihesachen ent-
scheiden, so unterstehen die Eigenleute des Bistums überhaupt
ihrem Gerichte. Wir werden wiederholt darauf zurückkommen.
Hier möge genügen, auf die eben erwähnte Schenkung von
1214 zu verweisen. Der Bischof ordnet an, daß der Geschenkte
von nun an nicht mehr: de aliquo subiacere nee se distringere
debeat .... gastaldioni neque alicui ministeriali seu alicui alie
persone, nisi tantum monacho und er solle fortan vor dem Bi-
schof und seinem Vizedom Recht geben. Alles Funktionen, wie
sie einem Wirtschaftsbeamten, einem Actor, Propste oder Meier
zukommen. Auch der Titel Gastalde wechselt mit Benennun-
gen, die Wirtschaftsbeamte tragen. In einer älteren Urkunde
wird der Gastalde von Prataglia als villicus bezeichnet.^ Haben
wir doch auf den Dörfern des Domkapitels von Verona die
gleiche Erscheinung wahrgenommen.^ Wir werden sehen, wie
auch dort, wo dem Gastalden weitergehende richterliche Funk-
tionen zustehen, die Titel schwanken. In den deutschen Teilen
^ Bonelli 4, 47: ut de cetero colectam datiam bannom aliquod seu all-
quod maltoletum ei vel eioB heredibns non aufferatur per aliquem mini-
sterialem vel gastaldum domini episcopi, sed tantum ipse Dominicus
PerrelloB .... ad seryicium monachi permaueat.
' Eänk, Fontes 11, Ö, Nr. 274, zwei Eigenieute gehören zur curia von Os-
sana und: episcopo eiusque gastaldioni de Vulsana debent subiecti esse.
* Kink, Fontes H, 6, Nr. 244, 246, 246, 247, 250 usw.
* Kink, Fontes 11, 6, Nr. 270, 273 usw.
* Hormayr, Gesch. Tirols 1, II, Nr. 41 (1188), als Zolleinnehmer genannt,
w&hrend nach späteren Urkunden der Gastalde mit derselben Funktion
betraut ist.
« Vgl. oben S. 889.
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356
des Bistums wird der Gastaldentitel durch den des Propstes
verdrängt, der für Bozen schon 1237 in der Imbreviatur des
Notars Jakob der gewöhnliche ist^ und bleibt. Auch in Tra-
min wird die Gastaldie von der Propstei abgelöst.*
Nun ist es allerdings richtig und schon wiederholt bemerkt
worden, daß die Gastalden vielfach noch andere Geschäfte be-
sorgen, daß sie militärische und richterliche Befugnisse
hatten. Stellen wir auch hier die Angaben der Quellen zu-
sammen. Im Jahre 1234' wird ein Gastalde fUr Beseno er-
nannt. Er erhält den Auftrag, Recht zu sprechen inter homines
episcopi, jedoch nur in bürgerlichen Sachen; die Eriminalge-
richtsbarkeit behält sich der Bischof vor. Zugleich werden ihm
militärische Befugnisse eingeräumt, indem ihm die Wacht (warda)
des Schlosses Beseno tibertragen wird. Er war also zugleich
Hauptmann der Burg Beseno. Die richterlichen Befugnisse
dieses Gastalden sind freilich unklar. Wenn in dieser Bestal-
lungsurkunde die homines episcopi im technischen Sinne zu
nehmen sind, wie es von vornherein naheliegt, so könnten dar-
unter nur die Gotteshausleute von Trient verstanden sein und
die Gerichtsbarkeit des Gastalden wäre lediglich eine hofrecht-
liche gewesen, hätte sich in keiner Weise über die den Gastal-
den von Haus aus zukommende erhoben. Eine zweite Bestal-
lung vom folgenden Jahre macht die Sache nicht klarer, da
sie nur auf die Stellung anderer Gastalden hinweist.* Andere
Fälle aber lassen keinen Zweifel, daß Gastalden vielfach tat-
sächlich eine weitergehende Gerichtsbarkeit ausgeübt haben.
Der Gastalde von Neumarkt ist geradezu als der Richter in
der neuen Marktansiedlang gedacht; er hat nicht nur über
Marktsachen, sondern auch über Verbrechen, ja sogar Tot-
schläge zu entscheiden.^ Ebenso sind die Gastalden, welche
in Fleims und Rendena Gericht zu halten haben, Eriminal-
richter ohne Unterschied über Freie und Gotteshausleute.* Die
Gastaldie Königsberg wird 1260 vergeben mit der Wacht des
A Acta Tirol. 2, Nr. 672, 686, 712 usw.
^ Ladurner, Zeitschr. des Ferd. III, 13, 163 (1344) und sonst häufig.
» Kink, Fontes U, 5, Nr. 169. Ebenso 1236 a. a. O. Nr. 171.
* Prout alii gastaldiones facere consueverunt, Kink, a. a. O. Nr. 171.
« Kink, a. a. O. Nr. 36, 122.
« Schwind-Dopsch, Urk. z. Verf. Nr. :i; Kink, a. a. O. Nr. 111.
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367
Schlosses und der inrisdictio.^ Ahnlich wird es sich mit Levico
verhalten, wo ebenfalls 1258^ von der iorisdictio gastaidie
die Rede ist, übrigens eine Urkunde von 1213' erhalten ist,
die den Subgastalden in richterlicher Tätigkeit zeigt. Aach
hier war wenigstens später der Vikar zugleich Hauptmann des
Schlosses Selva. Die Qastalden des Silberbergwerkes haben
Gerichtsbarkeit in Bergwerksachen und über alle die zum Berg-
werke in Beziehung stehen,* später auch über die Leute von
Civezzano. Ein Gastalde, den der Bischof 1234 für Prataglia
ernennt, hat Gerichtsbarkeit in bürgerlichen und Kriminal-
sachen über alle Leute, die in der Gastaidie wohnen.^ Auch
hier war das Kommando über die Burg mit der Gastaidie ver-
bunden. Der Gastalde von Riva ist als Vorläufer der späteren
Podestaten schon 1218 mit der Vornahme eines gerichtlichen
Aktes betraut.^ Auch bei Riva befand sich eine Hauptburg
des Bistums, deren Bewachung später dem Podestä obliegt.
Im nahen Tenno, wo sich 1211 die Bevölkerung eidlich zur
Treue gegen die vom Bistume damals neuerworbene Burg und
zur Haltung des Wachdienstes auf der Burg verpflichtet, kommt
dem Gastalden, den der Bischof auf die Burg entsenden will,
die Übung des Burgbannes zu.'' Später wenigstens ist Tenno
ein eigener Qerichtsbezirk geworden, der von dem Hauptmanne
des Schlosses verwaltet wird. Im weitesten Umfange überträgt
Bischof Egno 1272 die Gastaldien Banale, Preore, Tione und
Rendena mit aller Gerichtsbarkeit, die dem Bischof selber zu-
kommt.^ Dagegen bleibt die Gerichtsbarkeit des Gastalden
von Metz zweifelhaft, die sich nach einer Urkunde von 1264
nur über quosdam et super quosdam homines von Vervö^ Pri6,
Meano in Spormaggiore, Toß, Deutsch- und Welschmetz er-
* an liiabard de f^vo, Orig. Wien St-A.
« Urkunde 1268 Mai 12 (Konzept), Wien St.-A. Biachof Egno verpfändet
alle Einkünfte und iurisdictiones gastaidie dem Wilhelm und seinen
Brüdern von Levico.
* Urkunde 1213 August 18, Innsbruck St.-A. Parteibriefe.
* Kink, Fontes H, 5, Nr. 286, 287, 241 ; Bonelli 2, Nr. 96.
* Urkunde 1234 Juli 14, Wien St.-A. Liber iurium in valle Lagari, f. 3;
Bischof Aldrich verleiht die Gkistaldie dem Olderious de Rambaldo mit
der Gerichtsbarkeit personarum existencium et pertinentium et habitan-
üum in ipsa gastaldia.
* Urkunde 1218 Juni 17, Wien St.-A. (Dominez 196).
' Kink, a. a. O. Nr. 100. « Oben S. 362 n. 1.
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358
streckt.* Da dürften wohl eher nur die Gotteshansleute dem
Gerichte des Gastalden nnterstanden, sein Gericht ein hofrecht-
liches gewesen sein. Die Gastalden endlich von Margreid,
Cembra, in späterer Zeit die von Enn, die tirolischen von
Gries,* von Castello,® Salurn, die zum Teile erst gegen Aus-
gang des 13. oder zu Beginn des 14. Jahrhunderts erwähnt
werden, sind nichts anderes als Landrichter, wie sie denn häufig
gleichzeitig den Titel eines iusticiarius oder iudex führen. In
diesen deutschen Teilen des Etschtales, die sämtliche tirolisch
geworden waren^ ist der Gastaldentitel einfach auf den Land-
richter übertragen worden und hat sich in dieser Bedeutung
sogar länger als an den meisten Orten Welschtirols erhalten.
Somit ergibt sich, daß die Kompetenz der Gastalden
eine verschiedene war, der eine öffentliche Gerichts-
barkeit verwaltete, der andere nicht; der eine ist nur
für bürgerliche Sachen zuständig, die meisten auch für Krimi-
nalfäUe. Noch ein zweites läßt sich bemerken. Jene Gastal-
den, die richterliche Tätigkeit üben, sind zugleich fast aus-
nahmslos Burghauptleute, mit der Bewachung einer Burg be-
traut. Es hat auch hier eine Vereinigung mehrerer Kompetenzen,
mehrerer Amter in einer Hand stattgefunden.
Doch nicht überall ist es zur Vereinigung gekommen,
nicht alle Gastalden sind Burghauptleute und Richter
geworden. Besonders lehrreich sind die Verhältnisse in
Bozen und im Nonstale. Die Grafschaft Bozen war nach
dem Aussterben der Grafen von Morit-Greifenstein um 1170
an das Bistum heimgefallen ^ und nur zu einem Teile den Grafen
von Tirol verliehen worden. Den anderen, wahrscheinlich ein
Drittel, hatten sich die Bischöfe vorbehalten. Dieser bischöf-
liche Anteil fand darin seinen Ausdruck, daß ein bischöflicher
Beamter zugleich mit einem tirolischen dem echten Dinge, dem
Ealichtaidung oder ,Landgerichte' vorsaß und einen Teil der
Bannbußen für den Bischof erhob.^ Im übrigen scheint eine
^ Urkunde 1264 Jänner 9, Wien St.-A. (Dominez 438).
* 1288 November 24, Geroldus gaataldius, Wien St.-A.; Dezember 4, Ge-
roldus iudex a. a. O.; 1293 Dezember 1, Geroldus gastaldio usw.
' 1325 Juli 12, Gotschalcus de Bozano gastaldio piebis Enne et comitatus
Castelli et Cavriane.
* Huber, Gesch. Österreichs 1, 50ö.
* Schwind-Dopsch, Urk. z. Verf. Nr. 22.
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räamliche Teilang stattgefanden zu haben; dem Grafen von
Tirol stand das Gericht Gries, dem Bischof das Stadtgericht in
Bozen zu. Mit der Wahrung der bischöflichen Gerichtsbarkeit
war 1208 der Gastalde von Firmian betraut^ der zugleich Schuld-
heiß des Grafen von Tirol sein sollte. Firmian, bekanntlich das
heutige Sigmundskron bei Bozen^ war eine Hauptburg des Bis-
tumS; zugleich der Mittelpunkt der bischöflichen Verwaltung
für die umliegenden Gebiete. Vor allem erscheint der Gastalde
in gewissen Beziehungen zu Fleims,^ scheint dort auch zeitweise
Gericht gehalten zu haben. Begreiflich; als man den Fleimsern
einen eigenen Gerichtsbezirk zugestand, das Versprechen gab,
jährlich zweimal einen Gastalden ins Tal zu senden, der das
Gericht abhalten sollte, wie dies Uli oder 1112 geschah,* wies
man dazu den nächsten an, der zur Verfügung stand, und das
war damals wohl der von Firmian, denn Neumarkt ist erst viel
später, Tramin als Weinort gar erst um Beginn des 13. Jahr-
hunderts angelegt worden. Kein Wunder, wenn derselbe Be-
amte nun auch mit der bischöflichen Gerichtsbarkeit in Bozen
betraut wurde. Auf einen verfassungsmäßigen Zusammenhang
namentlich des Fleimsertales mit der Gastaldie Firmian, wie
£^ger denkt,' kann daraus kaum geschlossen werden. Mit Bo-
zen bestand ein solcher gewiß nicht. Wir wissen wenigstens,
daß Bozen seit der bayrischen Einwanderung zum Herzogtum
Bayern und damit im 10. Jahrhundert zum ostfränkischen König-
reiche gehörte, Firmian jedoch die erste italienische Burg war,
welche König Berengar H., von Schwaben aus über den Vintsch-
gau nach Italien ziehend, durch die Leute des Erzbischofs Ma-
nasse von Ärles, der die Mark Trient nebst Verona und Mantua
kraft einer Schenkung König Hugos innehatte, besetzt fand.^
Es muß also, worauf schon Huber hingewiesen hat, Firmian
zur Grafschaft Trient gehört haben ^ und erst später zum Ge-
richte Bozen geschlagen worden sein. Übrigens hat sich die
Verbindung Firmians mit Fleims nicht auf die Dauer erhalten.
1 Kink, Fontes II, 6, Nr. 28.
• Schwind-Dopsch, a. a. O. Nr. 8.
* Mitteil, des Inst. Ergb. 4, 413.
^ Liadprand, Antapodosis lib. V, c. 26, SS. RR. Germ, in usum scolarum
113.
^ Mitteil, des Instit 2, 871.
ArchiT. 94. Band, U. H&lfto. 25
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360
Auch nicht die mit Bozen. Schon 1211 und 1212* werden ein
Adelpret und Konrad als Justiziare erwähnt. Ein genaues Bild
der Gerichtsverfassung von Bozen gewähren die Imbreviaturen
des Notars Jakob von 1237 und 1242. Darnach sitzen dem
echten Ding in Bozen als Justiziare vor der Landrichter von
Gries namens des Grafen von Tirol und ein oder auch mehrere
bischöfliche Justiziare, die bischöflichen Ministerialengeschlech-
tern aus der Umgebung von Bozen entnommen sind. Das Stadtge-
richt liegt in den Händen des bischöflichen Justiziars, der es durch
einen von ihm gesetzten Assessor verwalten läßt. Das echte Ding
ist indes auf Bußfälle, Eigen- und Schuldsachen beschränkt, die
Blutsgerichtsbarkeit liegt in den Händen des Grafen von Tirol und
seines Schuldheißen.* Neben diesen richtenden Gastalden und Ju-
stiziaren erscheint schon früh, zuerst 1192, ein anderer Gastalde,
der ebenfalls bischöflicher Beamter ist.' Beide Amter werden
auf das schärfste geschieden. In der Bestallungsurkunde zweier
Justiziare vom Jahre 1238 werden die beiden zwar investiert
de iusticia Bozani oder, wie es im weiteren Wortlaute der Ur-
kunde heißt, mit der: gastaldia sive iusticiaria, jedoch: salvo
iure gastaldie Ernesti. Dieser Ernst wird in den Imbreviaturen
von 1237 und 1242 und anderen Urkunden oft genannt,* zu-
meist als Propst. Er hat die Verwaltung der umfassenden bi-
schöflichen Güter zu führen und darüber Rechnung zu legen.*
Seine Aufgabe ist es, die Zinse und Giebigkeiten, die dem
» Kink, a. a, O. Nr. 94, Urkunde 1212 Jänner 30, Innsbruck St.-A., Trient
C. 2, Nr. 11.
« Acta Tirol. 2, Einl. 204 f.
* Kink, a. a. O. Nr. 63; Federicus de Vgna, Montebello, Notizie storiche
della Valsugana Nr. 8 (1216).
* Z. B. Acta Tirol. 1, Nr. 663.
* Acta Tirol. 2, Nr. 686: der Podesta von Trient beauftragt ihn, ihm allein
zu gehorchen: et racionem sibi faciat de suo officio, quam habet et tenet
a d? episcopo et computet cum eo de bonis episcopatus et ei rationem
faciet in omnibus et per omnia, Urkunde 1237 Dezember 4, Wien St.-A.
(Dominez Nr. 315 unvollständig): Der Bischof erklärt sich befriedigt de
omnibus redditibus sue gastaldie et de omni eo, quod episcopus ei Er-
nesto umquam ad obsorvandum dederat et insuper de toto eo, quod Er-
nestus de bonis episcopatus usque in illum diem quoquo modo habuerat;
et facta ratione erklärt der Bischof ihm noch 120 Pfund zu schulden,
von denen sich Ernst ex frugibus gastaldie venturi anni bezalilt machen
soll.
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361
Gotteshaose zukommen; einzusammeln.^ Er nimmt namens des
Bischofs Pachtungen vor;^ er vertritt die Interessen des Gottes-
hauses vor Gericht,* gibt seine Zustimmung bei Verfügungen
über Grund und Boden, der dem Gotteshause zinst/ er inter-
veniert bei Austausch oder Teilung Unfreier;^ er ist endlich
Richter über die Gotteshausleute® und hält das bischöfliche
Lehensgericht in Bozen. Hier ist also ein Gastalde, der
nicht öffentlicher Richter ist; er ist wohl älter als der
richtende Gastalde, höchstwahrscheinlich geht er vor 1170 zu-
rück und mag neben dem Grafen von alters her als Verwalter
der bischöflichen Güter und Rechte bestanden haben. Schon
in der Beurkundung der Fleimser Privilegien von 1111 wird
zu Bozen ein prepositus unter den boni homines genannt.*^ Es
dürfte nicht zu kühn sein, schon in diesem Manne den bischöf-
hchen Gastalden und Propst zu sehen. Warum nicht diesem
Gastalden von Bozen, sondern dem von Firmian nach 1170 die
Besorgung der neuerworbenen Gerichtsbarkeit überlassen wurde,
darauf freilich geben die Quellen keine Antwort und es wäre
mttßig, sich in Vermutungen zu ergehen.
Das zweite ^Gebiet, in dem die Gastalden keine
öffentliche Gerichtsbarkeit ausüben, ist der Nonsberg.
Frühzeitig, wohl schon von alters her, bildet das Tal des Noce
einen eigenen Gerichtsbezirk. Doch nicht die Gastalden sind
es, die hier Gericht halten, sondern ein eigener bischöflicher
Beamter, der Vizedom, den wir in Quellen aus der zweiten
Hälfte des 12. und der ersten des 13. Jahrhunderts treffen.
Doch ist das Amt gewiß auch hier uralt.^ Die Quellen lassen
zweierlei Vizedome unterscheiden. Die vicedomini curie oder
Tridentini episcopatus^ sind hohe Geistliche, meist Mitglieder
des Domkapitels, vielfach gerade diejenigen, welche nach dem
Tode des Bischofs auf den bischöflichen Stuhl erhoben worden
sind, die ersten Beamten des Bischofs, seine Stellvertreter in der
» Acta Tirol. 2, Nr. 712. « a. a. O. Nr. 740.
» a. a. O. Nr. 798, 853. * a. a. O. Nr. 847, 848.
» Acta Tirol. 1, Nr. 563; 2, Nr. 866.
• Acta Tirol. 2, Einl. 207. ' Schwind-Dopsch Nr. 3.
• Vgl. Waitz, Deutsche Verfeflsungsgesch.' 2, II, 19; Salvioli m, 6, 96;
Pertile' 1, 326; Brunner, Bechtsgesch. 2, 307 f.
» Dieser Titel findet sich z. B. Urkunde 1217 April 16, Wien St.-A. (Do-
minez 188) und Aprü 26, ebendort, usw.
26*
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362
geistlichen und weitlichen Verwaltung, namentlich bei Abwesen-
heit oder Verhinderung ihres Auftraggebers.*
Neben ihnen erscheinen mit weit beschränkterer Befugnis
und in tieferer sozialer Stellung andere Vizedome. Eine Urkunde
von 1159* weist die Beurteilung schwerer Verbrechen, Mord,
Ehebruch, Incest, dem Vizedom und Archidiakon zu. Werden
diesem die beiden letztgenannten Fälle vorbehalten sein, so
würde dem Vizedom der erste zugestanden haben. Näheres
wissen wir über den Vizedom im Nonsberg.* Zu dieser Art
von Beamten zählen wohl schon die Vizedome Bertold, Warim-
bert von Cagnö und sicherer Bertold von Cles,* der gleichzeitig
mit Konrad von Beseno, Domdekan und vicedominus Triden-
tinus, genannt wird, also nicht Vizedom des ganzen Bistums
gewesen sein kann. Mehr wissen wir von Peter von Malosco,
der als Vizedominus Ananie im zweiten Dezennium des 13. Jahr-
hunderts ungemein häufig in den Urkunden erscheint.^ Er ist
Laie^ entstammt einem kleinen Ministerialengeschlechte des
Nonsbergs. Er wird als iurisperitus bezeichnet, ist also unzwei-
felhaft ein Rechtskundiger gewesen und gehört dem EoUeg der
ludices an, deren Aufgabe es war, als Sachwalter den Par-
teien beizustehen, vor allem aber die Rechtsgutachten zu er-
teilen, welche die Parteien im Prozesse von ihnen forderten,^
und die vielfach auch als Assessoren und sonst als Richter ver-
wendet wurden. Auch Peter ist als vicegerens des Grafen Al-
brecht von Tirol während seiner Podestarie in Trient nachweis-
bar.'' Scharf scheidet sich seine Tätigkeit von der des gleich-
zeitigen Vizedoms Bertold von Neiflfen, des späteren Bischofs
von Brixen. Auch Peter befaßt sich mit der wirtschaftlichen
Verwaltung des bischöflichen Gutes. Er nimmt dabei eine den
Gastalden übergeordnete Stellung ein. Von seiner richterlichen
Tätigkeit sind freilich nur geringe Spuren vorhanden, vorwie-
gend Inquisitionen über die bischöflichen Besitzungen und Ge-
1 Vgl. Zeitschr. des Ferd. m, 38, 128.
« Kink, Fontes H, 6, Nr. 6.
* Über diesen Inama, Archivio Trentino 14, 181 f. und Storia delle VaUi
di Non e Sole 104 f.; Beich, I luogotenenti, assessori e massari 8 f.
* Kink, a. a. O. Nr. 21, 29, 47, 60 usw.
» Seit 1208 Kink, a. a. O. Nr. 244.
* Ficker, Forschungen 8, 17 f.
» Urkunde 1206 Mai 27, Wien St.-A.
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363
rechtsame.^ Er erläßt Befehle unter einem Banne von 60 Schil-
ling. Häufig aber wird der Gerichtsbarkeit des Vizedome Erwäh-
nung getan in Urkunden, in denen Hörigen die Freiheit gewährt
oder bäuerliche Leute in den Adelsstand erhoben werden. Hier
wird das Gericht des Vizedoms dem bischöflichen gleichgestellt,
vom Gerichte des Gastalden, Kellners oder Scarius auf das be-
stimmteste geschieden.' Das kann nur soviel bedeuten, daß
das Gericht des Vizedoms im Gegensatze zu dem des Gastal-
den ab ein öffentliches, dem bischöflichen gleichgeordnetes gilt.
Im Nonsberge sind die Gastalden nie öffentliche Richter ge-
worden; sie sind stets Wirtschaftsbeamte geblieben. Die öffent-
liche Gerichtsbarkeit aber ist seit dem Verschwinden der Vize-
dome an die Hauptleute oder Vikare gekommen, deren anfangs
je einer ftlr den Nons- und Sulzberg, später ein einziger ftlr
das ganze Tal ernannt worden ist.^
Wo aber die ursprüngliche Bedeutung der Gastaldie zu
suchen ist, das dürfte nicht zweifelhaft sein. Eher in Bozen
und im Nonsberge, wo das Amt beim Vorhandensein eines
öffentlichen Richters auf seine wirtschaftlichen Befugnisse be-
schränkt bleibt^ als dort, wo es eine bunte Menge anderer mili-
tärischer und richterlicher Befugnisse aufweist. Im übrigen
kein Wunder, wenn der Wirtschaftsbeamte mit ausgedehnterem
Wirkungskreise betraut wird. Sehen wir das gleiche doch auch
anderwärts. Auch auf den Dörfern des Domkapitels von Ve-
» Kink, a.a.O. Nr. 272 (1218); Urkunde 1217 JuH 4, Wien St-A. (Do-
mines 189).
* Kink, a. a. O. Nr. 277.
* Kink, Fontes n, 6, Nr. 251, ein Mann, der mit Bann und Abgaben be-
lehnt wird : noUis miniBterialibas subiaceat, tantum pro episcopo et vice-
domino racionem faciat; Urkunde 1208 April 80, Wien St-A.: neque
facere racionem non debent sab gastaldis suis, nisi coram episcopo vel
snom vicedominum (handelt sich um Nonsberger, Eigenleute des Fede-
ricus von Gagn6); Kink, a. a. O. Nr. 96 (1211); Urkunde 1216 Juli 12,
Wien St-A. (Dominez 181): et non teneantur facere racionem pro ali-
quo gastaldione nee canlpario seu scarione nee pro aliquo alio, nisi
tantum pro episcopo et eins vicedomino usw.; vgl. unten Abschnitt 4.
* Vgl. Inama, Archivio Trentino 14, 188. Älteste Nachrichten von 1271,
Hormajr, Geschichte Tirols 1, II, 441, Otto capit Annanie und 1272
Juni 25, wo ein Hauptmann mit richterlichen Befugnissen für den Sulz-
berg ernannt wird, Imbreviaturbuch des Zacheus 144, Wien St-A.; seit
1280 vereinigt, so wenigstens gefordert von Bischof Heinrich, Dominez,
Begesto cronologico 161.
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rona trafen wir einen Gastalden, der später das Amt eines
Vizecomes und damit gerichtliche Befugnisse öffentlich recht-
licher Natur erwirbt. Und Jakob von Lizzana bestellt einen
villicus^ also ebenfalls einen Wirtschafbsbeamten in einer viel
berufenen Urkunde, um den Leuten der Pfarre Lizzana^ in der
ihm Grafschaftsgewalt übertragen ist^ am Berg und im Tal,
Deutschen und Welschen Recht zu sprechen.^ Erklärlich^ daß
diese Gutsbeamten mit der Bewachung der in ihrem Amtsbe-
zirk gelegenen Burgen und in der Folge, als sich die Notwen-
digkeit ergab, die Gerichtsbezirke zu vermehren, vielfach mit
der Gerichtsbarkeit betraut wurden, daß sie beauftragt wurden,
in jenen Tälern die Gerichtstage abzuhalten, welchen das Recht
besonderer Gerichtsbarkeit zugestanden wurde wie Fleims und
Rendena, ohne daß ein eigener Gastalde in ihrem Tale ständig
seinen Wohnsitz aufschlagen durfte.
Diese weitgehende Verwendung wirtschaftlicher Beamter
zu öffentlich rechtlichen Funktionen setzt voraus, daß vor Er-
werb der Grafschaftsrechte durch das Bistum bereits eine wohl-
organisierte Grundherrschaft bestanden hat. Und daran dürfte
nicht zu zweifeln sein. Gewiß nicht aller Grundbesitz, der
später bischöflich war, ist es vor Erwerb der Grafenrechte ge-
wesen. Vieles wird Grafschaftsgut gewesen sein, das erst mit
der Grafschaft an das Bistum überging, die Schlösser vor allem.
Denn sicher war schon das langobardische Herzogtum, das eine
bedeutende Rolle spielt — man denke nur an die Stellung des
Herzogs Euin, der mit einer bayrischen Herzogstochter ver-
mählt war,^ oder an den Aufstand des Herzogs Alahis — reich
mit Grundbesitz ausgestattet.' Immerhin muß die /^tliederung
des bischöflichen Grundbesitzes in Gastaldien, die Verwendung
von Gastalden als Wirtschaftsbeamte, auch wohl als Immunitäts-
richter schon vor Erwerb der Grafschaftsrechte vorhanden ge-
wesen sein, da man gerade an sie anknüpfte, als neue Bedürf-
nisse die Ausgestaltung eines Beamtenorganismus in dem neuen
Territorium notwendig machte. Denn so sehr die Versorgung
des bischöflichen Hofes auf Naturalwirtschaft und damit auf
dem Feudalwesen aufgebaut war, so sind doch im Bistum Trient
gewisse militärische Hoheitsrechte, namentlich die Wacht der
1 Zotti, Storia della Valle Lagarina 1, 467 (1226).
■ Paulus Diac., Hiat Langob. Hb. 3 c. 10. MM. SS. Rerum Langobard. 97.
» a. a. O. 5, c. 36 f.; a. a. O. 166.
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bischöflichen Bargen and der Bargbann nur zam Teile^ das
Gerichtswesen sogar nar zum kleineren Teile feadalisiert wor-
den, sind diese Hoheitsrechte in der Mehrzahl von bischöflichen
Beamten verwaltet worden, die man eben den Reihen der alten
Wirtschaftsbeamten entnahm.
Als die Immnnitätsbeamten auch Grafschaftsbe-
amte geworden waren, war die Scheidung zwischen Immuni-
täts- und Grafschaftsgebiet bedeutungslos geworden, da wur-
den die Immunitätsleute den öffentlichen Gerichten
unterstellt. Nur dort, wo die Immunitätsbeamten und Graf-
schaftsbeamten nicht zusammenfielen, ist die Scheidung aufrecht
erhalten worden wie in Bozen und im Nonsberge, wo übrigens
auch nur die unfreien Gotteshausleute unter der gutsherrlicheu
Gerichtsbarkeit der Gastalden verbleiben, die freien dem öffent-
lichen Gerichte untergeordnet werden, das in der Folge das
Gastaldengericht ganz verdrängt hat.
Dieses Amt der Gastalden verschwindet um die Mitte des
13. Jahrhunderts. Im deutschen Etschland tritt der Landrichter,
der freilich noch länger ab und zu als Gastalde bezeichnet wird,
im italienischen Teile des Bistums der Hauptmann an seine
Stelle. Jedoch nicht völlig. Dem Hauptmann kommt lediglich
das Kommando in der Burg, die den Mittelpunkt seines Ver-
waltungsbezirkes bildet, der Burgbann und der Gerichtsbann
zu; die wirtschaftlichen Seiten des Gastaldenamtes übernehmen
Massare, Kellner usw. Was den Anlaß zu dieser Änderung
gegeben hat, ist nicht ganz klar. Sie setzt mit der Reichsver-
waltung des Bistums ein und ist in den ersten Dezennien der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, den Zeiten des Bischofs
Egno und Grafen Meinhards II. durchgeführt.^ Vermutlich steht
sie im Zusammenhange mit der verstärkten Aufmerksamkeit,
die von nun der Instandhaltung der Burgen zugewendet wird.
Die Kämpfe Friedrichs H. gegen die benachbarten guelfischen
Städte Oberitaliens, dann der Bestrebungen Ezelins von Ro-
mano^ sich die Kräfte des Bistums nutzbar zu erhalten, andrer-
seits das Bemühen des Bischofs Egno, Ezelin zu verdrängen
und das Bistum im vollen Umfange zu behaupten, in der Folge
die Wirren zwischen den Grafen von Tirol und den Bischöfen
hatten die militärische Bedeutung des Bistums und seiner festen
Hauptmann in Stenico, Fickeri Forschungen Nr. 383 (1242).
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Plätze erhöht. Kleine Besatzungen werden in die wichtigeren
Bargen gelegt.^ Damit tritt die militärische Seite des Amtes
mehr hervor nnd von ihr erhält es nan den Namen. Auch
der Beamte ist ein anderer geworden, militärische Tüchtigkeit
entscheidet nunmehr; er wird den ritterlichen Klassen entnom-
men. Später hat dann Meinhard II. während seiner Okkupa-
tion des Bistums diese Amter meistens an seine deutschtiroli-
schen Ministerialen verliehen. Als Bischof Egno im Jahre 1259*
allen Gastalden und Hauptleuten die Gerichtsbarkeit entzog^
konnte er zwar nicht damit durchdringen, wie ja auch sein Ge-
setz jene Gerichtsbarkeiten beließ, die von alters her gekommen
waren; aber dennoch dürfte es auf diese Bestimmung zurück-
gehen, wenn so manche Gastaldien, die selbständige Gerichts-
bezirke geworden waren, wie Sopramonte, Rendena später nicht
mehr als solche erscheinen.
Fragen wir nun nach dem Umfange und der Gliederung
der Gastaldien. Der Umfang der Gastaldien, das ist jenes Ter-
ritorium, das der Amtsgewalt des Gastalden unterstand, bt ein
sehr verschiedener. Es umfaßt bald nur eine Pfarre, bald
mehrere; eine Pfarre vielfach dort, wo die Gastalden Richter
sind. Dann unterliegen in der Regel die Pfarrleute gleichzeitig
dem Burgbanne des Gastalden.' Denselben Umfang weisen
Gastaldien auf wie Fleims, Sopramonte, die vermutlich aus
Kolonistensiedlungen erwachsen sind. Dagegen sind die Gastal-
dien im Nons- und Sulzberg viel größer, umfassen mehrere Pfar-
ren. Nicht jede Gastaldie hat ihren Gastalden. In Judikarien,
in Fleims, in Sopramonte wird die Gastaldie von einem Ga-
stalden versehen, der zugleich noch anderen Gastaldien vor-
steht.* Das Wort Gastaldie wird dann für einen besonderen
Gerichts- und Verwaltungssprengel gebraucht, der auch von
einem auswärtigen Beamten versorgt werden kann. Auf die
territoriale Ausbildung der späteren Gerichtssprengel sind die
Gastaldien in der Regel nur dort von Bedeutung geworden, wo
die Burg den Mittelpunkt der Gastaldie bildet, der Gastalde
Burgbann übt, nicht aber, wo er Wirtschaftsbeamter geblieben
ist wie im Nonsberg.
* Vgl. den Brief Ezelins an Sodegher de Tito von 1240 Febrnar 16, Wien
St-A. (Dominez 323).
« 1269 November 11. Imbreviatur des Notars Zacheos f.2^ Wien Si-A.
' Vgl. S. 31 dieses Bandes. « Vgl. oben S. 350 f.
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Als Unterabteilang der Gastaldien treffen wir De-
kanien^ aber nicht so durchgängig als man wohl gemeint hat.^
Schon Egger hat die Dekanien zusammengestellt^ die er in
Südtirol fand.' Es sind die drei jadikarischen Dörfer Bregazzo^
Bolbeno und Bondo^ femer werden genannt Dekanien in Ren-
dena, Banale, Storo, Cimego, Primione, Comano in Judikarien,
wozu noch Bleggio zu zählen ist;' im Nons- and Salzberg Os-
sana, Vermiglio, Monclassico, daza noch Romeno;^ in der Um-
gebung von Trient Vigolo Vattaro, Fomace, Pergine, Pini, Le-
vicoy dazu noch Oveno in Sopramonte,^ Viarago;^ nördlich von
Trient Sover and Lisignago, Cembra, dazu noch Metz^ und
Fleims;^ seltener im Lagertale, wo nur in Folgareit Dekane nach-
gewiesen sind. So finden sich Dekane und Dekanien aller-
dings im größten Teile des Bistums, abgesehen vom Lagertale.
Dabei bleibt es zweifelhaft, ob jedem Dekane eine Dekanie
entsprach, ob also die Dekanie^ durchaus lokale Bedeutung ge-
wonnen hat. Sicher ist dies in Judikarien und in der Umge-
bung von Pergine der Fall gewesen. Die drei Dörfer des Dom-
kapitels von Verona in Judikarien werden als Dekanie bezeich-
net,^ Rendena zerfällt in Dekanien.^^ Zur Dekanie Fomace
gehören Albiano, Vigo, Miola, Tressilla, Mazzanigo, San Mauro,
also eine Reihe von Ortschaften. Soviel sich erkennen läßt,
sind die Dekane herrschaftliche Beamte gewesen;^^ öffent-
liche Beamte wie die altlangobardischen Dekane^' sind sie nicht,
Qerichtsbarkeit kommt ihnen nicht zu. Die Aufgabe des De-
kans ist es, die bischöflichen Einkünfte zu sammeln. So ist
> z. B. Pertile* 1, 336; Salvioli, Atti IH, 6, 100 f.
* Zeitschr. des Ferd. m, 41, 240.
* 1234 AuguBt 14, Innsbrnck St-A. G. 62, Nr. 12: Pelegrinos decanuB de
Bleggio.
^ Warimbeiias de Sio deganus de snprascripta gaataldia de Bomeno, Ur-
kunde 1263 Jali 3, Wien St-A. (Dominez,435).
B Reich, Tridentom 6, 152.
* Gerola, Tridentom 5, 393.
^ Urkunde 1264 Jänner 9, Wien St-A. (Dominez 438), der Dekan hat
eine Rimannia zn Lehen.
' Um 1242 Delaydos decanuB, Wien St-A.; auch der Vorsteher von Ga-
stello hieß im Yolksmund Dekan, Egger, Zeitschr. des Ferd. III, 41, 241.
* Vgl. oben S. 818. " Kink, a. a. O. Nr. 111.
" Vgl. Waitz, Verfassungsgesch.» 1, 486; 2, n, 18.
^ Vgl. PertUe» 1, 107.
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der Dekan von Fornace beauftragt, die Abgaben der Äriman-
nen in Empfang zn nehmen und bei Handänderung eines mit
der Rimania belasteten Hofes zu intervenieren.^ Der Dekan
ist dem Gastalden untergeordnet und sein Hilfsorgan, wo eine
Gastaldie besteht. Warimbert von Sio wird 1263 geradezu als
Dekan der Gastaldie Romeno bezeichnet. Die Dekanien haben
keinen Einfluß auf die Entwicklung der Landgerichte genom-
men, sie sind nie Gerichtssprengel gewesen. Orts Vorsteher ist
der Dekan nie gewesen. Manches legt die Vermutung nahe,
daß die Pfarren, die häufig die territoriale Grundlage fi^r die
Landgerichte und Burgwardeien bildeten, in älterer Zeit auch
als wirtschaftliche Einheiten, als Markgenossenschaften galten.
Aus den Pfarren heraus lösen sich als selbständige wirtschaft-
liche Genossenschaften, die auch gewisse militärische und poli-
tische Befugnisse Üben, die einzelnen Gemeinden, Villa, Kom-
munen, die ab und zu noch eine gemeinsame wirtschaftliche
Organisation als Columnelli, Viertel, Gastaldien* der Pfarre be-
wahrten. Aus ihnen setzen sich die Gerichte zusammen. An
ihrer Spitze stehen Syndiker und Geschworne oder Konsuln,
wie sie in einigen Gegenden hießen.
Schon Egger ist die Verbindung aufgefallen, in der die
Dekanie in den Urkunden häufig mit der Scaria erscheint,
derart, daß beide geradezu als gleichwertig genommen werden.*
Scaria und dazugehörige Scarii oder Scariones werden in den
Urkunden ungemein häufig genannt. Nicht nur bischöfliche
Scaria, auch die anderer Grundherren werden namhaft gemacht;
so besitzt der Abt von San Lorenzo eine Scaria,* die Grafen
von Eppan,* das Domkapitel,^ die Herren von Enn,' einzelne
" Urkunde 1195 Jänner 16, Wien St.-A. (Dominez 49). Ein Dekan Ri<fo
von Fornace sagt aus, daB ein Arimanne seine Steuer episcopo et mihi
qui eram decanus zahlte. Dieser kaufte einen Hof per meum consilium.
An die Dekanie von Monklassico wird ein Käsezins gezahlt, Urkunde
1216 August 3 (Dominez 186).
' So in Pergine; Egger, a. a. O. 243.
* Egger, a. a. O. 242.
* Acta Tirol. 2, Nr. 71, 86 usw.
* Kink, Fontes H, 5, Nr. 66.
^ Kink, a. a. O. Nr. 126 zu Brentonico, 1242 Juni 13, Wien St.-A. zu Povo,
im Nonsberg; zu Eppan, Civezzano, Zivignago, Croviana, Telve usw.
nach dem Urbar von 1220, vgl. Schneller, Tridentinische Urbare 156 f.
' Urkunde 1282 Mai 11, Wien St.-A. (Dominez 584).
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Borger von Trient.* Egger faßt die scaria als örtlichen Be-
zirk. Das Wort hängt anzweifelhaft mit althochdeutsch skara
= Schar zusammen, das in den langobardischen Rechts-
quellen zumeist im Sinne einer bewaffneten Schar genommen
wird.* Der Scario wird nach einer Glosse des 7. Jahrhunderts
dem centurius gleichgestellt;' er ist nach Kluge der Hauptmann^
der Scharmeister. In seinen Zusammensetzungen wird dann
das Wort vielfach von Unfreien gebracht. Scaram facere ist
die Fronde, welche die scharweise aufgebotenen Unfreien zu
erbringen haben.^ Die Scaria erscheint in Südtirol als ein Ver-
mögensobjekt; sie wird verpfändet,* verpachtet,^ als Lehen ge-
geben.' Öfter wird ein Hof, mansus oder curia scarie genannt.^
Zur scaria de Domo (bei Neuhaus) gehört ein Wald,* zu einer
anderen gehören Eigenleute;^^ in sie fließen Zinse und Abga-
ben.^^ Nach all dem wird es nicht schwer sein, die Stellung
des scario zu bestimmen, er ist ein Meier, die scaria das Meier-
amt mit dem dazugehörigen Hofe. In Bozen und auch sonst
treffen wir villi ci in ähnlicher Stellung,^^ der mansus scarie
aput fossatum, der 1226 vergeben wird, ist offenbar derselbe,
der 1233 und öfter als mansus villicarie domini episcopi de
' 1267 September 11, Verzeichnis bischöflicher Einkünfte, darunter Ge-
treidegilten: de scaria Concii Sonci^, ebenso de scaria üliorum condam
Mademi, Wien St-A.
* Radelgisi et Siginnlfi divisio c 3 M. M. LI. 4, 221; vgl. auch Kluge, Ety-
mologisches Wörterbuch unter Schar und Scherge.
■ Branner, Rechtsgesch. 2, 181 n. 16.
^ Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer^, 1, 439; 2, 255.
* Kink, Fontes II, 5, Nr. 7.
« Urkunde 1226 Oktober 26, Wien St.-A. (Dominez 262) : Bischof Gerhard
gibt in Erbpacht: suam scariam et mansum illius scarie in Bozen.
' Urkunde 1276 April 20, Wien St.-A.: Die Söhne des Sicher von Metz
haben die scaria von Romeno inne, welche Bischof Egno demselben zu
Lehen gegeben hatte.
• Vgl. n. 6; Egger, a. a. O. 242.
• Kink, a. a. O. Nr. 98. »<> a. a. O. Nr. 111.
** a. a. O. Nr. 243, die scaria von Romeno ist nach der in n. 7 erwähnten
Urkunde verlehnt cum fictis et reditibus.
»» Ledro, Kink, a. a. O. Nr. 5; Ala Urkunde 1180 August 7, Wien St.-A.
(Dominea 19); Eppan, 1196 Juli 1, a. a. O. (Dominez 55); Bozen, Kink,
a. a. O. Nr. 80 usw. häufig in Acta Tirol. 2, Nr. 593, 596a, 603—605 usw.;
es gab deren mehrere. Auch andere Grundherren, wie das Domstift
Augsburg, hatten solche.
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370
Anteporta genannt wird;^ an diesen Hof sind Zinse^ Zehnten
und andere Abgaben abztdiefern.' Auch die deutsche Bezeich-
nung mayer findet sich.* Der Scario steht unter dem Gastal-
den,* der villicus in Bozen wird vom Gastalden (Propste) zur
Vornahme gewisser Funktionen befohlen.^ Wenn 1282 die De-
kanie und scaria gleichgesetzt werden, so ergibt sich umsomehr
die wirtschaftliche Bedeutung der beiden Amter, als sie wieder
in einem Atem mit gafarum (Scheune, Keller) genannt werden.^
Darnach ist der Scario nicht, wie Eink gemeint hat, ein Ge-
meindevorsteher gewesen^ und die scaria nicht eigentlich ein
ländlicher Bezirk. Der Scario ist vielmehr der bischöfliche
Meier gewesen, der mit der Bewirtschaftung seines Meierhofes
und der Einhebung jener Leistungen betraut ist, die an den
Meierhof gewiesen sind. Als bischöflicher Meier, Villicus,
hat er auch Gerichtsbarkeit über die Gotteshausleute, die in
einem Atem mit der des Gastalden dann genannt wird, wenn
Freigelassene oder in den Adelstand Erhobene von dieser Ge-
richtsbarkeit gelöst werden.
Und nun wird das ganze System der Gastaldien, De-
kanien, Skarien klar. Es ist ein durchaus wirtschaftliches
und entspricht dem, was die Wirtschaftsgeschichte als Villen-
verfassung bezeichnet. Der ganze bischöfliche Besitz ist in
Gastaldien gegliedert, deren Mittelpunkt die Herrenhöfe (curiae)
bilden; unter den Gastalden stehen die Dekane und Scarionen,
welche die Herrenhöfe selber oder die einzelnen Meierhöfe be-
bauen, dort die Abgaben und Zinse von den zu Leihe gege-
benen Höfen, später auch wohl die Zehnten und Steuern der
» Urkunde 1238 September 8, Wien St.-A. (Dominez 290); 1246 Oktober
29, a. a. O. (Dominez 338).
» Urkunde 1233 September 8.
» Kink, a. a. O. Nr. 80.
* Kink, a. a. O. Nr. 72, Urkunden 1217 Jänner 4, 1281 Jänner 21, Wien
St-A. (Dominez 279): wenn die Leute in Brentonico regula (Märker-
ding) halten wollen, müssen sie es anzeigen dem scarius des Bischo£s,
dieser dem Gastalden, der den Vorsitz zu führen hat
» Acta Tirol. 2, Nr. 866.
* Urkunde 1282 Mai 11, Wien St.-A. (Dominez 684): scaria degania seu
gafarum de Bomeno.
^ a. a. O. Einl. 13; dagegen schon Sartori, Zeitschr. des Ferd. m, 36, 118,
der bereits den wirtschaftlichen Charakter des Amtes richtig erkannt
hat.
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371
freien Beyölkerang einsammeln und an den Gastalden abführen.
Lokale Bedeutung kommt diesen Amtern nur so weit zu^ als
die unfreien und freien Hintersassen mit ihren Leistungen und
Fronden^ wohl auch die Freien mit ihren Steuern an einen be-
stimmten Herren- oder Meierhof gewiesen sind. Später als der
Bischof Immunität, dann die Grafschaftsrechte erlangt, als zum
Teile wenigstens, wie dies für die Gastalden ausgeführt wurde,
diese Beamten öffentlich rechtlichen Charakter erlangen, auch
auf dem neuerworbenen Grafschaftslande nachahmend eingeführt
nun zum Teile richterliche Befugnisse gewinnen, wird auch der
Scario, allerdings nur in gewissen Bezirken, richterliches Hilfs-
organ, wie in Bozen, wo er im Auftrage des Gastalden und
der Jnstiziare Bannbußen eintreibt,^ Ladungen und andere ge-
richtliche Akte ausführt,* und in Fleims, wo er im Laufe der
Zeit an die Spitze der Talgemeinde tritt.' Die Villenverfassung
treffen wir bereits im 13. Jahrhundert in voller Auflösung; die
freie Erbpacht, die immer mehr und mehr an Verbreitung ge-
winnt, löst den Hofverband auf, vor allem auch dadurch, daß
Fronden seltener werden, das Einsammeln der Zinse nicht mehr
den bischöflichen Meiern überlassen wird und das öffentliche
Gericht die Beurteilung der Erbpachtverhältnisse und der sich
daraus ergebenden Streithändel übernimmt. Dadurch sinkt die
Bedeutung dieser Wirtschaftsämter; mit dem Gastalden ver-
schwindet auch der Scario und Dekan, oder sie verlieren ihre
alte Bedeutung. Noch ziemlich spät wird in .Deutschmetz die
scaria zu Erbpacht verliehen,* sie ist ein einfacher Hof gewor-
den, freilich wohl von größerem Umfange als die benachbarten
und hat noch Ansprüche auf gewisse Leistungen, die von den
umliegenden Höfen erbracht werden müssen.
Wenden wir uns nun der zweiten Frage zu, die mit der
Immunität in Zusammenhang steht, der um die Stellung des
Vogtes. Mit Recht wird gerade in Tirol der Vogtei für die
Bildung der Landeseinheit entscheidende Bedeutung zugeschrie-
ben. Für Deutschtirol vielleicht nicht ganz mit Recht, insofern,
als hier doch der Erwerb der Grafschaftsrechte durch die Grafen
» Schwind-DopBch Nr. 22.
» Acta Tirol. 2, Nr. 762, 840, 841, 961.
' Sartori, Zeitschr. des Ferd. DI, 86, 118 f., 143 f.
^ An Friedrich von Greifenstein 1885 April 27, Innsbruck St.-A. Lehen-
buch des Bischofs Albrecht C. 22, Nr. 2 f., 29—31.
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372
von Tirol als das ausschlaggebende Moment betrachtet werden
muß; wenn auch die Vogtei half; die aus der Grafschaft aus-
geschiedenen Immunitätsbezirke wieder mit dem Grafschafts-
lande zu vereinigen. Unstreitig aber beruhte die Machtstellung
der Tiroler Grafen im Bistum Trient und damit die allmähliche
Angliederung dieses Gebietes zum größten Teile auf ihrer Stel-
lung als Vögte des Gotteshauses Trient. Und doch ist die Ent-
wicklung der Vogtei noch nicht näher untersucht^ ist die Quelle
dieser bedeutenden Machtentfaltung des Landesherrn als Vogt
noch nicht aufgedeckt worden, und wenn gelegentlich Ver-
mutungen geäußert worden sind, können sie nicht als befriedi-
gend, ja kaum als richtig bezeichnet werden.
Nur wenig ist über die Vogtei des Bistums Trient und
ihre Träger aus älterer Zeit bekannt. Die Urkunden versagen
fast gänzlich; aber das wenige, was sie melden^ genügt doch;
um das Wesen der Vogtei zu erkennen. Ehevor wir darauf
eingehen, müssen wir uns der rechtlichen Stellung der Vogtei
in Italien zuwenden. So viel über die Vogtei in Deutschland
gehandelt worden ist, so wenig eingehend ist sie und ihre Ent-
wicklung in Italien für die einzelnen Landschaften und geist-
lichen Institute untersucht worden. Waitz und ihm sich an-
schließend Pertile, Salvioli^ und andere fassen die Stellung
des Vogtes in Italien nicht anders als in Deutschland, sie sehen
in ihm vorwiegend den Richter in der Immunität, und zwar
den Blutrichter. Dagegen hat Ficker darauf aufmerksam ge-
macht;* daß dies nur für einzelne Gebiete der Mark Verona
und insbesonders das Patriarchat Aquileia geltO; daß im übri-
gen der Vogt nicht berufen ist; Gericht zu halten; sondern die
geistliche Anstalt und die Vogteileute vor Gericht zu vertreten
und bei Rechtshandlungen des Kirchenvorstehers die Interessen
der Anstalt zu wahren. Daher ist er in der Regel ein Rechts-
kundiger; kein großer Vasall. Die Ansicht Fickers hat ihre
Berechtigung, wenn auch sicherlich nicht in dem territorialen
UmfangC; wie er sie gemeint hat. Wir finden auch außerhalb
der Mark Verona und des Patriarchats VögtC; die richten, zu
Modena, Bergamo, Reggio, Novarra usw. Aber zweifelsohne
» Waitz, Deutsche Verfassungsgescli.« 4, 465; PertUe* 1, 327 f.; Salvioli,
Atti m, 6, 86 f.
* Ficker, Forschungen 2, 20 f.; 3, Nachträge 420.
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373
war die Sache nicht in allen italienischen Stiften gleich geordnet
und gab es Vögte von sehr verschiedener sozialer Stellung.
Erinnern wir uns an das, was im vorigen Abschnitte über die
Entwicklung des italienischen Strafrechtes gesagt worden ist.^
Wo das Strafrecht ein unblutiges war, wie vielfach hier, da
fehlte das Bedürfnis nach einem besonderen Blutrichter. Nur
der Zweikampf wurde vielfach nicht vor dem geistlichen In-
haber der Grafschaftsrechte, sondern vor dem Vogte abgehalten.
Wenn Ficker Trient als eines der Hochstifte be-
zeichnet, in dem die Stellung der Vögte nach deutschem
Maßstabe zu messen sei,' so ist dies ganz richtig für die
Zeit, in der die Tiroler Grafen die Vogtei erlangt hat-
ten, nicht aber für die frühere. Der erste Vogt, der für
Trient urkundlich erwähnt wird, ist ein Jakob; über ihn ist
uns weiter nichts bekannt. Er trat namens seines Bischofs als
Kläger gegen das Hochstift Freising um Weinberge bei Bozen
auf, ein Streit, der vor König Ludwig dem Deutschen 855 zu
Aibling entschieden wurde.* Bei der Gründung des Klosters
Sonnenburg, die in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts er-
folgte, also erst nach fast 200 Jahren erfahren wir wieder den
Namen eines Trienter Vogtes, Ronzo.* Wenn auch diese Grün-
dungsgeschichte noch einer gründlichen kritischen Untersuchung
bedarf, so wird sie doch dort, wo urkundliche Vorlagen erkennt-
lich sind, Glauben beanspruchen können. Spätere Nachrichten
lassen über die engen Beziehungen Sonnenburgs zu Trient
keinen Zweifel;^ und so liegt kein Grund vor, die Mitwirkung
Bischof Ulrichs (I. oder II.) von Trient an der Gründung sowie
eine Schenkung, die der Bischof dem Nonnenstifte ausstellte,
zu bestreiten. Gerade die Schenkung aber wird cum manu ad-
vocati sui Ronzonis vollzogen. Den nächsten Vogt treffen wir
1082 vor Kaiser Heinrich IV.^ wo er mit dem Bischof Heinrich
die Investitur mit der Herrschaft Castellaro empfingt,^ die der
Kaiser durch den Bann sichert, welchen er über Bischof und
Vogt legt. Hier ist also der Vogt als Rechtsbeistand des Bi-
> Vgl. oben S. 334. « Ficker, Forschungen 2, 20.
* Hübner, Qerichtsurkunden der fränkischen Zeit, Nr. 347.
* Hormayr, Beiträge zur Gesch. Tirols I, 2, Nr. 13 und Sinnacher, Bei-
träge zu der bischöfl. Kirche Sähen und Brixen 2, 239 f.
* Vgl. Jäger, Landständische Verfassung 1, 354.
* Kink, Fontes H, 5, Nr. 2.
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374
schofs tätig. Der Bann, den der Vogt mit dem Bischof zugleich
empfingt, ist nicht etwa der Blut- oder der Gerichtsbann, er
soll vielmehr nur ein Schutzmittel sein gegen alle, welche die
Rechte des Bistums an diesem Hofe verletzen. Die Persön-
lichkeit des Vogtes läßt zugleich seine Stellung erkennen; er
ist ein iudex Gotefredus, also ein Rechtskundiger.
In ganz anderer gesellschaftlicher Stellung befindet sich
der nächste Vogt, der uns begegnet, der 1111 oder 1112 er-
wähnte Graf Adelpret,^ mit dessen Zustimmung der Bischof die
Abgaben und Rechtsstellung der Fleimser ordnet. Er ist
wohl derselbe, der 1124 im Verein mit einem Grafen Arpo als
Vogt sich an einer Vergünstigung beteiligt, welche Bischof Alt-
mann der Stadt Riva zuteil werden läßt, indem er den Bür-
gern gestattet, ein Schloß zu bauen.' Man hat in diesen Vög-
ten die Stammväter der Grafen von Tirol sehen wollen.' La-
durner, dem die meisten späteren gefolgt sind, hält sie für
Grafen von Flavon.^ Sehr wahrscheinlich, daß der Vogt Adal-
pert mit jenem Grafen gleichen Namens sich deckt, der nach
der Erzählung Ekkehards 1106 die Gesandten Heinrichs V.
an Papst Paschal U. gefangen nahm.^ Jedenfalls zeigt sich
eine Neuerung darin, daß die Vogtei nicht mehr in der Hand
von iudices liegt, sondern in der hochgestellter Vasallen.
^ Schwind-Dopsch, Urkunden z. Verfassangsgesch. Nr. 3.
* BoneUi 2, 382.
* So Hormayr, Sämtliche Werke 1, 345.
* Archiv fär Geschichte nnd Altertamskunde von Tirol 5, 143 f.; Jäger,
Landfltändische Verfassung 1, 116; Egger, Archiv ffir Osterr. Gesch. 83,
466 und 467; ebenso, wenn auch mit Zweifel, M. Mayr, Zeitschr. des
Ferd. HI, 43, 233. Das gewichtigste Argument fOr die Zuzählung der
Grafen zur Familie der Flavoner bildet das Vorkommen des Vornamens
Arpo im Flavonschen Geschlechte, ein Name, der bei den Tiroler und
Eppaner Grafen fehlt
^ Chronicon universale MM. SS. 6, 234. Ladurner spricht sich a. a. O. da-
gegen aus, weil man nicht wisse, daB dieser Adalpert VaaaU des Bi-
schöfe von Bamberg gewesen sei, wie das Chronic, univ. meldet In-
des ist diese Möglichkeit gewiß nicht ausgeschlossen, besonders bei der
Knappheit unserer Quellen. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kai-
serzeit 3, 761 läßt die Persönlichkeit des Grafen unbestimmt Meyer
von Knonau, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich IV. und
V., 6, 294 n. 24 nähert sich der Ansicht Sinnachers und Burgklehners,
er sei aus der Familie der Tiroler Grafen gewesen.
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375
Die nächste Urkunde, in welcher der Vogt auftritt; der
mit Domkapitel, Klerus, dem Adel und Volk seine Zustimmung
zur Reform des Klosters San Lorenzo erteilt, nennt den Namen
des Vogtes nieht.^ Bald nachher aber, während der Regierung
des Bischofs Eberhard, die von 1154 bis 1156 währte, erscheint
der Graf Berthold von Tirol als Vogt des Bistums. Wir kennen
diese Tatsache aus zwei Urkunden von 1177, auf die bereits
Bonelli hingewiesen hat, einer Bulle Alexanders III.' und einem
Diplome Friedrichs I.,* beide ftlr das Kloster Biburg. In bei-
den wird eine Zollfreiheit erwähnt, welche das Kloster zu Trient
und Riva genießen solle, die dem Kloster durch Bischof Eber-
hard per manus Berchtoldi advocati, wie der Papst sagt, oder
wie sich der Kaiser ausdrückt: tradita est a venerabili Triden-
tine ecclesie episcopo Eberharde et ab eiusdem loci advocato
comite Qertoldo de Tirol. In einer Tradition für Scheftlarn
wird derselbe Graf Berthold von Tirol als comes et advocatus
angeführt* Obwohl hier nicht gesagt wird, von welchem Stifte
der Vogteititel genommen ist, werden wir auch hier auf Trient
schließen dürfen. Nach einer Eintragung im Calendarium Udal*
ricianam wissen wir weiter, daß in der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts ein Graf Heinrich Vogt von Trient war;^ ihn
dttrfen wir zweifelsohne mit dem gleichnamigen Grafen von
Tirol identifizieren, umsomehr, als wir diesen in der Tat in
einer Urkunde Friedrichs I. von 1182^ als Vogt von Trient
treffen. Erst Graf Albrecht III., der letzte Tiroler, föhrt den
Vogttitel häufiger. Die Vogt ei ist seitBerthold dauernd an
das Hans der Grafen von Tirol gebunden. Sie ist wohl
schon damals Lehen, wie sicher im 13. Jahrhundert;^ schon
Graf Albrecht III. hatte sie als Lehen inne und wurde, nach-
dem er sie dem Bischof aufgelassen hatte, damit erblich auch
in der weiblichen Nachkommenschaft belehnt.^ Später hat man
diese Vogtei und ebenso die über die Stifte Brixen und Aqui-
* Predelli, Archivio per Trieste, Istria ed il Trentino 8, 48.
• Jaff^-Löwenfeld 12816. • Stumpf 4196.
* MM. boica 8, 418. » Bonelli 2, 217. « Stumpf 4336.
' Belehnung Meinhard« I. von Görz -Tirol, 1266 Mai 2, Wien St.-A. (Do-
minez 890); Meinhards II. 1269 Februar 19, Schwind-Dopsch, Urkunde
zur Verfassungsgesch. Nr. 44.
• Ergibt sich auB dem Protest des Domkapitels von 1256 Mai 2, Hormayr»
a. a. O. 1, n, Nr. 166.
ArebiT. 94. BsDd« II. Hilft«. 26
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376
leia als Reichslehen betrachtet, als die Grafschaft Tirol reichs-
lehnbar geworden war.^ Zur Vogtei gehörten reiche Lehen^
deren Umfang sich freilich nicht mehr feststellen läßt. Wenn
Graf Albrecht III. von Tirol behauptet hat, daß ihm jeder dritte
Hof im Hochstifte Trient gehöre, eine Angabe, die allerdings
sich nicht überprüfen läßt, so mögen diese Besitzungen im we-
sentlichen Vogteigut gewesen sein.
Aus den urkundlichen Nachrichten läßt sich, so dürftig
sie immerhin sind, der Wirkungskreis der gräflichen
Vögte wenigstens annähernd erkennen. Der Vogt gibt seine
Zustimmung zur Reformation des Klosters San Lorenzo, zum
Vertrage des Bischofs Gebhard mit den Fleimsern, zu einer
Zollbefreiung, endlich nach dem Diplome Friedrichs I. (Stumpf
4335) zur Errichtung von Türmen und Burgen in Trient durch
einen Unfreien oder nicht Ministerialen. Daraus wird man
wohl auf das Recht des Vogtes schließen dürfen, zu allen weiter-
gehenden Veräußerungen von Kirchengut oder Maßregeln, die
wie der Turm- und Burgenbau die Rechte des Bischofs ver-
kürzen konnten, seine Zustimmung zu geben. In der Folge
wird aber dieses Recht mehr und mehr in den Hintergrund
gedrängt. Die Bischöfe haben zwar kein absolutes Regiment
geführt. Wie andere ihrer geistlichen Genossen pflegen sie
bei wichtigeren Regierungshandlungen den Rat verschiedener
Bevölkerungsklassen heranzuziehen. Zunächst den ihrer Bürger
bei Verfügungen, welche die Stadt Trient treffen. So erläßt
Bischof Friedrich Anordnungen über die Gewerken und ihre
Rechte 1208:* habito consilio wercorum et aliorum sapientum
et bonorum hominum civitatis Tridenti; im Jahre 1224 wird
vom Bischof Gerhard eine Fleischbank vergeben in pleno con-
silio;' das Kloster San Lorenzo wird 1235 in conscilio Triden-
tino more solito congregato den Dominikanern überwiesen, in-
dem der Bischof den Rat um seine Meinung angeht und die
Versammelten durch Zuruf: Sia, Sia ihre Zustimmung aus-
drücken.* In diesen und anderen späteren Fällen tritt die Voll-
versammlung oder auch ein Ausschuß von Bürgern beratend
> Haber, Regesten Karls IV. 1228.
• Kink, Fontes II, 6, Nr. 287—289.
■ Urkunde 1224 November 25 bis Dezember 7, Wien St.-A. (Dominez
247).
* Bonelli 2, 674.
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dem Bischof an die Seite, es liegen die Keime vor^ aas denen
sich der städtische Rat entwickelte. Andere Kreise sind es^ die
den Bischof in anßerstädtischen Angelegenheiten beraten, vor
allem das Domkapitel, dem schon nach kirchlichem Rechte eine
gewisse Mitwirkung bei der Verwaltung der Diözese zukam,
zunächst in geistlichen Angelegenheiten, dann aber bei Ver-
äußerung und Belastung von Kirchengut; und nachdem zum
Kirchengut auch die Temporalien gerechnet werden, zum guten
Teile auch in weltlichen Angelegenheiten.^ Dem Domkapitel
treten die Stiftsvasallen und Ministerialen, endlich ein Aus-
schuß der Bürgerschaft Trients an die Seite. Kapitel, Vasal-
len und Bürger finden wir bereits 1205 vereinigt bei der Aktion
gegen Bischof Konrad, als er seinen Rücktritt widerrufen hatte
und neuerdings das Bistum zu erlangen suchte.' Friedrich von
Wangen löst 1210 die aufständischen Trienter vom Banne: ha-
bito et deliberato consilio dominorum canonicorum, comitum, ca-
pitaneorum, macinate sancti Vigilii et aUorum militum ... et
civium Tridenti,' Bischof Aldrighet belehnt in pleno conscilio
einen Hegeno von Bozen mit Twing und Bann.^ In solchem
Rate wird 1240 ein Brief Ezelins von Romano über die Be-
wachung von Burgen im Lagertale verlesen.* Im Jahre 1258
wird eine Verpfandung vorgenommen mit Rat des Erzdiakons
und anderer Domherren: et etiam de consciho bonorum homi-
num de conscilio Tridenti ad hoc specialiter convocatorum et
etiam de conscilio capitanei et sindicorum comunis Tridenti. Wie
sich dieser Rat zusammensetzte, ergeben am besten die Um-
stände, unter denen sich die Belehnung Meinhards I. abspielte.
Als die Belehnung angesucht worden war, erklärt der Bischof
noch den Rat und Willen des Kapitels, der Edlen, Bürger, Mi-
nisterialen und Vasallen einholen zu wollen.^ Um den Rat zu
erteilen, wählen die Domherren vier aus ihrer Mitte, die Bür-
ger und die extrinseci diöcesis, der nicht in der Stadt woh-
nende Adel je sechs Ratmannen, die nach gepflogener Beratung
* Zeitflchr. des Ferd. III, 83, 59 f.
» Vigilio Zanolini, La rinonBia di Corrado di Beseno, Gymnasialprogramm
des Ginn, yescovile von Trient 1902, 38 f.
» Kink, Fontes ü, 5, Nr. 86.
* BoneUi 2, Nr. 79.
» 1240 Februar 16, Wien St-A. (Dominez 321—323).
* Hormayr, Geschichte Tirols 1, II, 359.
26»
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378
ihr Gutachten abgeben. Dabei tritt nun der Vogt nirgends
hervor. Ist er von dem Rate, wie im Falle der Belehnung Mein-
hards L; wo es sich um seinen eigenen Vorteil handelt, nicht
schon von vornherein ausdrücklich ausgeschlossen, so nimmt er,
den Fall von 1205, auf den wir noch zurückkommen werden,
ausgenommen, höchstens wie andere Stiftsvasallen teil. Dagegen
liegen nun eine Menge von Verfügungen in den Acta Tirol. II
und im Kodex Wangianus vor, in denen der Bischof ohne je-
den Beirat als höchstens den des Kapitels tätig erscheint.
Wenn also gegen die ältere Zeit die Bedeutung des Vogtes
als Beirat des Bischofs zurücktritt, so dürfte der Grund
gerade der sein, daß die Vogtei in die Hände eines Adelsge-
schlechtes gekommen war, das fern von der bischöflichen Re-
sidenz wohnte, den Rechtsgeschäften der Bischöfe nicht mehr
regelmäßig zugezogen werden konnte. So mögen die Vögte
mehr und mehr an Einfluß auf die laufende Verwaltung ver-
loren haben, umsomehr, als sie keine Untervögte hielten, wel-
che ihre Stelle am bischöflichen Hofe vertreten hätten. Auch
in der Folge ist es ganz vereinzelt, wenn Exkönig Heinrich
1328 als Vogt seine Zustimmung zu einem Burgenbau, den Bi-
schof Heinrich gewährt hat, erteilt.*
Aus Stumpf 4335 könnte man auf militärische Befug-
nisse des Vogtes schließen, könnte annehmen, daß der Vogt
etwa die Stellung eines Burggrafen von Trient besessen habe,
zu dessen Befugnissen in deutschen Bischofstädten vielfach das
Recht gehörte, gegen Überbauten in den Straßen einzuschreiten.*
Doch auch dies ist nicht der Fall, für die ältere Zeit, als noch
iudices Vögte waren, von vornherein ausgeschlossen. Auch ftkr
später geben die Urkunden keinen weiteren Halt zu solcher
Annahme. Militärischer Kommandant in Trient ist viel-
mehr der Hauptmann, der erst sehr viel später infolge der
Kompaktaten des Bistums mit Tirol in Abhängigkeit vom Vogte
geraten ist. Das Amt des Hauptmanns ist alt und wird schon
im 12. Jahrhunderte erwähnt.* Weil es damals ein Domherr
bekleidete, dürfte seine militärische Bedeutung kaum eine weit-
» Urkunde 1328 Juli, Wien St.-A., Handachr. 392, f. 18, Nr. 66.
• Rietflchel, Das Burggrafenamt 24.
• 1166 August 30, Bonelli 2, 438: der Hauptmann Odelricus ist stugleich
Domherr; derselbe 1182 Juni 6. Orig., Innsbruck St.-A. und 1168 Juli
16, Orig., Innsbruck Ferdinandeura.
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gehende gewesen sein. Erst mit der Mitte des 13. Jahrhun-
derts wird dies anders. Sicher hängt dies mit der Geschichte
der Befestigung der Stadt zusammen. Die alte Burg von Trient,
die Veruca, das heutige Doß Trento^ auf dem rechten Etsch-
ufer, die einst der Ostgotenkönig Theoderich hatte wieder in-
stand setzen lassen und deren Paulus Diaconus Erwähnung
tut, war im 12. und 13. Jahrhundert zerfallen oder spielte we-
nigstens keine Rolle mehr. Die bischöfliche Residenz befand
sich in der Stadt neben der Kathedrale und dem Stadtturme.
Wohl wird das Schloß Trient in den Urkunden noch erwähnt,
doch zumeist nur als Dossum^ als BurghUgel.^ Wenn unter
dem castrum Trentum, das die Veroneser 1279 besetzt hielten,
wirklich, wie es in der Tat wahrscheinlich ist, das Doß Trento
gemeint ist,* so braucht nicht auf den Fortbestand wirklicher
Festangswerke geschlossen zu werden, denn die Veroneser
können sich ja auch einfach hier verschanzt haben. Die Stadt
selber war mit Mauern umgeben, ist eine civitas im technischen
Sinne des Wortes schon im 9. Jahrhundert,^ und Stadtmauern
werden auch im 13. Jahrhundert erwähnt.^ Doch wissen wir
nicht, wem in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts das Kom-
mando in der Stadt zustand. Als der Podestk Sodegher 1252
auf dem Dossum Malconsil ein neues Schloß, das spätere Buon-
consil, erbaute, erhielt Trient erhöhte militärische Bedeutung.*
Der Podestk ließ sich damit von der Stadt belehnen, auf deren
Grund es stand.® Allerdings mußte Bischof Egno im Friedens-
schlüsse das Schloß dem Podestk zu Lehen geben ;^ aus der
Verlassenschaft Sodeghers ging es an Meinhard II. von Tirol
über® und bildete nun eines der Streitobjekte zwischen Mein-
hard und den Bischöfen von Trient, in deren Hand es endlich
» Acta Tirol. 2, Nr. 10, 89, 125 usw.
* So Ceaarini-Sforza, Archivio Trent. 13, 101.
' 8o im placitam yon 845, Hübner Nr. 740, im Gegensatze zur „urbs*'
Freising.
* Acta Tirol. 2, Nr. 474; Hormayr, Geschichte Tirols 1, II, Nr. 161 : dossum
positom iuzta mumm civitatis (1254).
* Urkunde 1262 Februar 18, Wien 8t.-A. (Dominez 372): in domo novo
di Sodegherii; vgl. Cesarini-Sforza, Archivio Trent. 18, 20 f.
« Hormayr, Geschichte Tirols 1, H, Nr. 161.
' Verci, Marca Trevigiana 2, Nr. 91.
■ Urkunde 1267 April 7, Wien St.-A. und Hormayr, Geschichte Tirols 1,
U, 389 (mit falschem Datum 1264).
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verblieb. Die Angriffe, denen sich Egno von Seite Ezelins von
Romano ausgesetzt sah, veranlaßten die Anlage neuer Festungs-
werke. E^ wird ein castrum des Bischofs f^o erwähnt/ von
der Anlage von Befestigungen gesprochen.* Seitdem erscheint
in Trient wieder ein Hauptmann; zuerst 1258* genannt, bleibt
er nun eine ständige Einrichtung.
So bekannt die von nun an ununterbrochen fortlaufende
Reihe der Hauptleute ist^ so wenig wissen wir Genaueres über
ihre Amtsbefugnisse, denn sie erscheinen in den Urkunden fast
nur als Zeugen. JedenfaUs nimmt der Hauptmann unter den
bischöflichen Beamten den ersten Rang ein. Sicher ist er Be-
fehlshaber des Schlosses Buonconsil gewesen, ob auch der Stadt
oder gar aller bischöflichen Kriegsmacht, wie dies später wohl
der Fall war, muß dahingestellt bleiben. Noch im Jahre 1339
ist es nicht der Hauptmann, sondern der Vikar, der im Rate
von Trient Maßregeln tlber die Rüstung von Pferden zu Kriegs-
zwecken durch die Bürger von Trient veranlaßt.* Während
der tirolischen Okkupation erlangt der Hauptmann weiterge-
hende Bedeutung. Als Stellvertreter der Grafen von Tirol tritt
er an die Spitze der gesamten Verwaltung der Stadt, zum Teile
des ganzen Bistums. Dasselbe ist der Fall, wenn der Bischof
abwesend ist.^ Aber auch wenn der Bischof regiert, tritt der
Hauptmann an die Spitze des bischöflichen Rates und gewinnt
damit eine gewisse richterliche ^ und verwaltende Tätigkeit. Mit
den Kompaktaten gerät er dann in Abhängigkeit vom Landes-
fürsten von Tirol, kraft deren er eine eigentümliche Zwitter-
stellung einnimmt, die ihn wie einen vom Bischöfe besoldeten
1 Urkunde 1255 Dezember 14, Innsbruck St.-A. G. 62, Nr. 27.
• Hormayr, SämtL Werke 2, Nr. 86.
• BoneUi 2, 147.
• Urkunde 1339 Jänner 3, Innsbruck St.-A. C. 4, Nr. 218.
'^ Urkunde 1348 Jänner 4, Wien St-A. (Dominez 883): Nikolaus Alraim
von Brunn wird Hauptmann von Trient und aller Schlösser, Dörfer
und Länder des Bischofs mit Gewalt, alle Gerichtsbarkeit auszuüben,
Hauptleute und Beamte zu setzen, Steuern und andere Umlagen ein-
zunehmen, äaa Au^ebot zu erlassen und in den Krieg zu fuhren.
^ Vgl. Durig, Ober die staatsrechtlichen Beziehungen des italienischen
Landesteiles von Tirol zu Deutschland und Tirol, Separatabdruck aus
dem Jahresberichte der Oberrealschule Innsbruck 1864, 24 f. und die
Kompaktaten von 1368 bei Sohwind-Dopsch, Urkunden zur Yerfassungs-
gesch. Nr. 112.
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Wächter der tirolischen Interessen gegenüber dem Bischöfe er-
scheinen läßt.^ Für den Vogt sind militärische Befugnisse aus
älterer Zeit nicht überliefert^ neben dem Hauptmanne findet er
keinen Platz. Die Militärhoheit, die der Landesftlrst in der
Folge im Bistume ausübt^ hat er erst durch die Eompaktaten
erworben.
Kommen dem Vogte richterliche Befugnisse zu?
Manche nehmen^ indem sie an die Stellung der Vögte in ande-
ren deutschen Hochstiften denken^ dies unbedenklich an.* Doch
gilt dies nur sehr mit Einschränkung, und muß die Grafschaft
Bozen von der Grafschaft Trient unterschieden werden. In
BozeU; das im gemeinsamen Besitze der Bischöfe und der Gra-
fen von Tirol steht, kommt dem Grafen allein die Ge-
richtsbarkeit über die Räuber (latrones) zu.^ Das echte
Ding, in dem ein bischöflicher und tirolischer Amtmann zugleich
den Vorsitz führen, ist nach den Imbreviaturen von 1237 und
1242 f)lr Kriminakachen nicht mehr zuständig. Kein einziger
Fall ist hier gebucht, obwohl der Landfriede gewiß nicht so
gefestigt war, daß keine Räubereien sich hätten ereignen sollen.
Vielmehr müssen wir annehmen, daß die Blutgerichtsbarkeit in
einem anderen Gerichte, eben dem der tirolischen Landrichter
von Gries, ausgeübt wurde. Da liegt es nun nahe, diese Ge-
richtsbarkeit der Tiroler Grafen mit der Vogteigewalt in Zu-
sammenhang zu bringen, obwohl sie ebenso der Grafengewalt
des Tiroler Grafen in Bozen entsprang. Wenigstens derselbe
Gedanke, der den Vogt zum Blutrichter in den deutschen Im-
munitäten machte, kam zur Geltung, wenn dem Tiroler Grafen
bei der Teilung der Grafschaftsrechte in Bozen die Blutgerichts-
barkeit vorbehalten wurde, der bekannte Gedanke nämlich, daß
der Geistliche nicht Blutrichter sein dürfe, weil sich dies mit
dem Charakter seines Amtes nicht vertrage, weil die Blutge-
richtsbarkeit für ihn den defectus perpetuae lenitatis zur Folge
habe, die ihn zur Ausübung seines Amtes ujitauglich machte.
DaB dem deutschen Burggprafeu richterliche Befugnisse nicht zustanden,
wenn er nicht zugleich Vogt war, hat Siegfried Rietschel in seinem
Buche üher das Burggrafenamt gezeigt. Darnach ist S. 29 des ersten
Aufsatzes dieses Heftes zu berichtigen.
So M. Mayr, Die politischen Beziehungen Deutschtirols zum italieni-
schen Landesteile 16.
Schwind-Dopsch, Urkunden zur Verfassungsgesch. Nr. 22.
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382
Anders aber war es in der Grafschaft Trient. Hier finden
wir im 12. und 13. Jahrhundert, außer im Falle besonderen Auf-
trages und der gewaltsamen Besetzung sede plena den Tiro-
ler Grafen nie als Richter; vor allem nicht als Kriminal-
richter. Die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen
übt der Bischof selber oder durch Delegaten und Assessoren
aus. Die Imbreviatur von 1236 zeigt ihn und seinen Podestk,
in der Folge die kaiserlichen Podestaten, als Richter zweiter
Instanz, außerdem sind ihm gewisse Fälle der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit, dann der Akt der Immobiliarexekution vorbehal-
ten, durch welchen das Eigentum des gefrondeten Gutes über-
wiesen wird, die Kriminalgerichtsbarkeit aber ist an
eine Familie von ludices zu Lehen gegeben. Wir er-
fahren davon aus zwei Urkunden des 13. Jahrhunderts. Im
Jahre 1200^ klagt vor dem bischöflichen Lehenshofe Adamin
de la Bella um die Hälfte des Lehens, mit dem sein Vater und
Großvater belehnt waren und das nun sein Bruder Gerard
verwalte. Gerard antwortet der Klage, indem er seinem Bru-
der die Fähigkeit zu diesem Lehen abstreitet^ weil dieses Lehen
nur: ad iudicem pertineret et non ad laicum, das heißt den
Nichtjuristen, was Adamin offenbar war, und heimfalle, wenn
kein Iudex in der Familie vorhanden sei. Was für ein Lehen
aber gemeint war, erfahren wir aus dem Lehensbekenntnis des
Heinrich, eines Sohnes des Gerard,* das Lehen bestehe: ad co-
gnoscendum tantum de causis criminalibus, videlicet que ad
puniendum personas hominum spectant et pertinent, scilicet de
illis que ad laudamentum vassallorum non pertinent; sonst stehe
ihm nur Gerichtsbarkeit zu, wenn ihm der Bischof solche de-
legiere. In der Tat finden wir die della Bella schon im 12. Jahr-
hundert in richterlicher Tätigkeit. Zuerst 1163' einen Henri-
cus, seit 1183* und später wiederholt einen Gerard, zuletzt
dann den Henricus, der im Jahre 1225 das letzte Mal genannt
wird.^ Mit ihm muß die Familie ausgestorben sein. E^ war
somit die Kriminalgerichtsbarkeit an eine Familie als Lehen
vergeben, deren Mitglieder sie verwalteten, wenn sie ludices
waren. Damit war derselbe Zweck erreicht, dem anderswo
* Kink, Fontes U, 6, Nr. 66. » Kink, a. a. O. Nr. 144.
» Kink, a. a. O. Nr. 10. * Ebendort Nr. 16.
* Urkunde 1226 November 19, Kopie Innsbruck, Ferdinandeum, Dipaul.
1306 f. 30.
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383
die Belehnung des Vogtes mit dem Blutbanne diente, der Bi-
schof kam nicht in die Lage, als Eriminalrichter tätig zu sein.
Daß vom Anfange an ähnliches bestand^ ist nicht anzunehmen.
Eher wird auch die Kriminalgerichtsbarkeit wie in den deut-
schen Hochstiftern und in den benachbarten Bistümern der
Mark Verona den Vögten zugestanden sein. Freilich dürften
auch in Trient erst im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts die
Leib- und Lebensstrafen an Bedeutung gewonnen haben. Hat
aber einmal den Vögten die Blatgerichtsbarkeit zugestanden,
so muß sie in der Folge von dem Amte des Vogtes abgezweigt
worden sein, als sie als Lehen an die della Bella verliehen
wurde. Wann dies geschehen ist, ist uns nicht bekannt; denk-
bar allerdings wäre es, daß eine Beschränkung des Amtes ein-
trat, als die Vogtei an den Grafen Adalpert, oder später, als sie
an die Tiroler kam. Kehren wir zur Angabe des Gerard von
1200 zurück, wonach sein Großvater und Vater mit der Kri-
minalgerichtsbarkeit belehnt waren, so führt uns das, nachdem
Gerards Vater, Heinrich, bereits um 1163 nachweisbar ist, auf
die Zeit vor 1150, also jene Zeit, in der die Tiroler Grafen in
den Besitz der Vogtei gelangt sind.
Mag dem sein, wie ihm wolle, in der zweiten Hälfte des
12. Jahrhunderts und in den ersten Dezennien des 13. Jahr-
hunderts sind nicht die Vögte, sondern die della Bella im Be-
sitze der Kriminalgerichtsbarkeit in Trient. Nach deren Aus-
sterben üben diese Gerichtsbarkeit die bischöflichen Beamten,
Assessoren, später seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
der Vikar, der im Namen des Bischofs die gesamte Gerichts-
barkeit versieht.^ Auf dem Lande üben die Kriminaljustiz ein-
zelne Gastalden und Hauptleute als Beamte des Bischofs in
ihren Sprengein. An anderen Orten lag die hohe Gerichtsbar-
keit, der comitatus, in den Händen einzelner Grafengeschlechter,
vor allem der Eppaner und Flavon und einzelner Dinasten^
die seit dem 13. Jahrhundert zahlreicher als Patrimonialgerichts-
herren auftreten.* Der Adel aber war von dieser Gerichts-
barkeit befreit und unterstand direkt dem Bischöfe. Wir
werden später noch auf die sehr interessanten Privilegien zu-
rückkommen, mit welchen diejenigen bedacht wurden, die in den
* Archiv für österr. Geschichte 92, 169.
* Vgl. den ersten Aufsatz dieses Bandes & 34.
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384
Adelsstand erhoben wurden. Darunter kehrt die Verleihung
des Gerichtsstandes vor dem Bischöfe oder seinem Vizedom
regelmäßig wieder.^ Wir haben schon im vorangehenden da-
von gesprochen. Wird der neugeadelte Unfreie damit dem Hof-
gerichte des Gastalden entzogen^ so wird besonders seit dem
Verschwinden des Vizedoms auch die Gerichtsbarkeit vor dem
Landrichter ausgeschaltet und der Gerichtsstand vor dem Bischof
betont. Der Bischof ist nunmehr allein der ordentliche Richter für
alle Adeligen.' Als 1260 ein Mann den Beweis erbringen soll,
daß er ein edler Vasall sei, erhärtet er durch Urkunden: se . . . .
non facere racionem nee stare ad racionem sub aliquo gastaldione
ipsius domini episcopi, nisi tantum modo sub ipso domino episcopo
et eins iudicibus in curia Tridentina, und der Bischof verbietet
den Gastalden von Calaveno, ihn femer vor ihr Gericht zu ziehen.'
Auch andere Personen, namentlich Geistlichen, wird dieser Ge-
richtsstand gewährt. Kaiser Friedrich I. ordnet an, daß der Propst
von Au wegen der Besitzungen seines Klosters nur vor dem
Bischöfe zu Rechte zu stehen hat.^ Bischof Konrad erteilt
dieses Recht dem deutschen Orden in Bozen,* Bischof Friedrich
dem Kloster San Tomaso.^
Diese bischöfliche Gerichtsbarkeit wird nun zum
Teile in der Lehenskurie geübt, jener Versammlung der
Vasallen, die als Lehenshof in Lehenssachen entscheidet. Das
Lehensrecht freilich kennt als Folge der Infidelität nur die eine
Strafe, den Verlust des Lehens. Es müssen jedoch vor diesem
Gerichtshofe noch andere als reine Lehenssachen zur Entschei-
dung gekommen sein. Wir hören, daß in diesem Gerichte der
Bann, die Friedloslegung, verhängt und von dem Banne wieder
gelöst wird; so werden im Jahre 1210 Odorich von Beseno^
" Kink, Fontes H, 6, Nr. 96, 251; Urkunde 1217 April 26, Wien St.-A.
usw. ; vgl. oben S. 363.
• Urkunde 1269 Juni 26, Wien St.-A. Bischof Egno und der Hauptmann
des Grafen Meinhard» Nikolaus, befehlen dem Ricard, Qrafen von Fla-
von, den Qrafen Friedrich im Besitze gewisser Güter nicht zu stören,
sondern, wenn sie klagen wollen, coram episcopo et Nicoiao zu klagen.
Ebenso Bonelli, 2, Nr. 46; Kink, Fontes 11, 5, Nr. 55 usw.
» Urkunde 1260 Juli 28, Wien St.-A. (Dominez 421).
♦ Stumpf 4520.
* Urkunde 1202 April 9, Innsbruck, Ferd. Dipaul. Handschr. 918.
• Bonelli 4, 47.
» Kink, Fontes II, ö, Nr. 84.
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385
und ebenso mehrere Ministerialen und Bürger von Trient, die
früher: per yasallos et pares eurie ihrer Lehen und Allode ver-
Instig erklärt und mit dem Banne belegt worden waren,^ wie-
der vom Banne gelöst. Im Jahre 1221 werden durch Urteil
der Lehenskurie die Strafen für diejenigen festgestellt, welche
in ihren Schlössern gebannte Übeltäter und Straßenräuber auf-
nehmen;* es wird festgestellt, daß solche Schlösser verbrannt
und zerstört werden sollten.' Auch Heinrich della Bella hatte
in seinem Lehensbekenntnisse von Fällen der Kriminaljustiz
gesprochen, die durch Spruch der Vasallenkurie beurteilt wer-
den sollten. Es werden vermutlich jene gewesen sein, die mit
der Treupflicht zusammenhingen, Infidelitätsakte betrafen. An-
dere entscheidet der Bischof allein. Als 1240 Jakob von Liz-
zana vor dem Richter des Podestk Sodegher von den Leuten
von Rovereto verklagt wird, weigert er sich. Recht zu geben:
quia dicit, quod debet ire illam causam^ per lodum curie, quia
est feodum, nee aliquam causam cum eis vult contestare; set
si ille iudex vult cognoscere de aliquo maleficio facto inter eos,
cognoscat et sibi placet, und als der Richter erklärt, daß er
nnr de maleficio et de iniuria facta illis de Rouereto erkennen
wolle, da läßt sich Jakob auf den Rechtsstreit ein.^ Schon Kö-
nig Otto IV. spricht von der Verhängung des Bannes durch
den Bischof, * und in der Tat wird 1234 Friedrich von Castel-
nuovo vom Bischöfe ohne Zuziehung der Lehenskurie wegen
Raub, Todschlag, Verbrennung und Beraubung von Kirchen
mit dem Banne belegt, die Wüstung seiner Güter verfügt.'
Auch das Bannbuch des Notars Obert enthält Beispiele, wo-
nach der bischöfliche und der kaiserliche Podestk und ihre Be-
amten ohneweiters auch den Bann über Adelige verhängen,^
und zwar als Strafe prozessualen Ungehorsams. Sie haben also
auch in KrimiBalfUIen gegen Adelige vorgehen können.
• Kink, a. a. O. Nr. 86.
» Durig, Mitteil, des Inst., Ergb. 4, 438, Nr. 12.
• a. a. O., in der letzten Zeile von Nr. 12 auf S. 439 ist statt aber© abo-
lire zu emendieren (im Transumt aboire).
< sie!
^ Urkunde 1240 Oktober 19, Wien 8t.-A. (Dominez 327 unvollständig).
« Böhmer-Ficker, Reg. Imp, VI, 1, 264.
' Kink, Fontes U, 6, Nr. 168.
• Acte Tirol 2, Nr. 1, 6, 7, 12 usw.
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386
Fassen wir die AasiUhmngen über die Gerichtsverfassung
des Bistums zusammen^ so bleibt kein Platz für die Ge-
richtsbarkeit des Vogtes und keine Urkunde gedenkt ihrer.
Selbst der Zweikampf, ursprünglich dem Pfalzgrafen und den kö-
niglichen Missi vorbehalten/ dann vielfach nach Erwerbung der
missatischen Rechte durch die Kirchenvorsteher Sache des bischöf-
lichen Vogtes, weil ein blutiges Geschäft* wird in Trient über
Urteil des Iudex Endricus, der wohl mit dem Kriminalrichter
Henricus della Bella identisch ist, vor dem Bischöfe abgehalten.^
Ein anderes Recht des Vogtes war es, an das die Weiter-
entwicklung anknüpfte, das dem Vogte die MögUchkeit gewährte,
die Rechte zu erwerben, welche ihn zuletzt als den Herrn des
Bistums erscheinen ließen, ein Recht, das den deutschen Vög-
ten gefehlt zu haben scheint, in italienischen und französischen
Landen indes nicht unbekannt war.
Ficker hat darauf hingewiesen, daß schon im Franken-
reiche der König die Nutzung der erledigten Reichs-
kirchen in Anspruch nahm> In der Folge galt diese Nutzung
als feststehendes Recht des deutschen Königs, der sie bis ins
13. Jahrhundert behauptete.^ Andere Herrscher, die Könige
von Frankreich, der König von Ungarn, haben das Regalien-
recht noch viel länger, bis zur französischen Revolution, ja bis
zur Jetztzeit behauptet. Stutz hat das Regalienrecht aus der
Idee der Eigenkirche erklärt, welche die hohen Reichsstifter er-
griff und wie Eigenkirchen des Herrschers erscheinen ließ.^ Wer
im Namen des deutschen Königs die Verwaltung des vakanten
Hochstiftes führte, ist für die Zeit des früheren und hohen Mittel-
alters nicht bekannt, insbesonders nicht die Stellung des Vogtes
in der vakanten Kirche. War er Rechtsbeistand des regieren-
den Kirchenvorstehers, so war er gewiß vor allen anderen zum
* Sohm, Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung 503; Ficker, For-
schungen 2, 16, 63 f.; 3, 424; Salvioli, Atti m, 6, 66.
' z. B. in Aquileia, wo sich die Parteien zwar vor dem Patriarchen durch
wadia zum Zweikampfe verpflichten, der Kampf aber vor dem Vogte
oder seinem Stellvertreter stattfindet; vgl. Rubeis, Monumenta ecclesiae
Aquileiensis 647 f.
' Paolo Orsi, Archivio per Trieste, Istria ed il Trentino 3, 89.
* Über das Eigentum des Reiches am Reichskirchengut, Sitzungsber. der
Wiener Akad. der Wissensch., phil.-hist. Kl. 72, 382 f.
* Scheffer-Boichorst, Kaiser Friedrich L letzter Streit mit der Kurie, 189 f.
" Stutz, Die Eigenkirche 26.
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387
Schutze des Eirchengntes während der Sedisvakanz, wo es des
Schatzes doppelt bedurfte, berufen. Ebenso wie das Mundium
des Königs, seine oberste Schutzgewalt Über alle Kirchen zur
Ausbildung des Regalienrechtes beigetragen hat,^ so mochte
auch die Schutzgewalt dem Vogte ein Regalienrecht schaffen.
En Obereigentum über das Kirchengut haben die Vögte frei-
lich nie in Anspruch genommen, aber sie haben sich in vielen
Gegenden als domini, als Herren der Kirchenoberen, die ihrer
Vogtei unterworfen waren, betrachtet. In Frankreich haben
neben dem Könige auch einzelne Vögte das Regalienrecht von
Bistümern in der Tat in Anspruch genommen.* Auch in Ita-
lien stehen den Vögten in einer Anzahl von Hochstiftem be-
sondere Wirksamkeit und mit ihr besondere Rechte im Falle
der Sedisvakanz zu.' In Padua hat der Vogt nach einem Weis-
tum von 1283 bei Erledigung des Bistums den bischöflichen
Palast zu hüten, die Kirchengüter zu verzeichnen und zu ver-
wahren, den neuen Bischof in den Besitz der Kirche einzu-
führen und ihm die Kirchengüter zu übergeben. Ahnliche
Rechte übten zu Belluno die Herren von Collalto, desgleichen
die Porcia zu Ceneda. Sie übten die Jurisdiktionsrechte wäh-
rend der Sedisvakanz, ja sie zogen sogar den Nachlaß des ver-
storbenen Kirchenfürsten ein, machten ein Spolienrecht geltend.^
Die Grafen von Savoyen übten das Regalien- und Spolienrecht
in einer Reihe burgundischer Bistümer, in Tarentaise, Belley,
Aosta^ Sitten und Maurienne.^ Freilich galten diese Bistümer
nicht mehr als Reichsstifter, sondern standen unter der Ober-
hoheit von Savoyen, von dem sie die Investitur empfingen.^ Die
Kirche widerstrebte zwar der Nutzung der Regalien durch die
Vögte, durch Laien überhaupt.' Doch nur dem deutschen Könige
gegenüber blieb sie siegreich. Sie mußte sich im übrigen schließ-
* Ficker, a. a. O. 101, Stutz, a. a. O. 36, Heusler, Institutionen de» deut-
schen PrivatrechtB 1, 322, Schröder*, Rechtsgesch. 418 f. Verfehlt ist
die Ansicht von Georg Phillips, Das Regalienrecht in Frankreich 28 f.,
der dieses Recht aus dem Lehensrechte ableitet, wenn auch das Leheus-
angefälle auf demselben Rechtsgrundsatze beruht.
» Georg Phillips, a. a. O. 34 f., 44 f.
» SalvioU, Atti IH, 6, 90; Pertile» 1, 330.
* Verd, Marca Trevigiana 2, 96 und Nr. 307.
* Hellmanu, Die Grafen von Savoyen und das Reich 7 ; Manteyer, Les origi-
ues de la maison de Savoie, Melanges d^Archeologie et d*Histoire 19, 4Ut2 f.
« Ficker, ReichsfOrstenstaud 295. ^ Phillips 41.
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388
lieh bequemen, das Regalienrecht anzuerkennen, wo es ein alt-
hergebrachtes war. Nur Übergriffe wurden verboten. Das
zweite Lyoner Konzil bedrohte jene mit dem Banne, die unter
dem Verwände der Vogtei die Güter der Kirchen und Klöster
während der Sedisvakanz in Besitz nahmen, aber es begnügte
sich, jene, welche das Regalienrecht seit der Gründung des
Kirchenamtes oder kraft alter Gewohnheit in Anspruch nehmen,
zu ermahnen, ihr Recht nicht zu mißbrauchen, sich mit den
Früchten zu begnügen, das Vermögen der Kirche jedoch nicht
zu verschleudern.^ Damit hatte das Regalienrecht kirchliche
Anerkennung gefunden.
Ein solches Recht muß auch den Vögten von Trient
zugestanden haben. Meinhard IL hat es auf das bestimm-
teste in Anspruch genommen. Im Jahre 1290 überreichte ein
Vertreter des Herzogs in dessen Streit mit dem neuen Bischof
von Trient, Philipp Buonacolsi, dem Bischof von Padua als päpst-
lichen Delegaten eine Appellation, in der ausgeführt war, daß
dem Grafen von Tirol als Vogt das Recht zustehe, die Welt-
lichkeiten der Kirche von Trient zu verwalten und zu ver-
wahren, bis der kanonisch gewählte Bischof um ihre Heraus-
gabe ansuche. Dieses Recht wird als ein althergebrachtes be-
zeichnet.^ Läßt sich nun diese Behauptung bei den dürftigen
Angaben unserer Quellen nicht auf ihre Wahrheit überprüfen,
soviel ergibt sich immerhin, daß die Vögte während der Se-
disvakanz wiederholt eine hervorragende Rolle gespielt haben.
Schon das Auftreten des Grafen Adalpert gegen die Gesandten
Heinrichs V. im Jahre 1106' wird darauf hindeuten. Nach
dem Tode Bischof Adalperos hatte Heinrich V. das Bistum
Trient seinem Kaplan Gebhard verliehen. Die Bürger von
Trient und wohl auch die Vasallen des Bistums hielten dem
alten Kaiser die Treue und wollten den Günstling des aufrüh-
rerischen Sohnes nicht in ihre Mauern aufnehmen.* Sicherlich
hing auch die Gefangennahme der Gesandten, die Ekkehard in
einem Atem erzählt, mit dieser Haltung der Bürger zusammen
und wird der Graf Adalpert die Seele der ganzen Bewegung
> c. 13 in YLo 1, 6. « Beilage 17. ' Vgl oben S. 374.
* Ekkehard, Chonic. anivers. MM. SS. 6, 284; Egger, Geschichte Tirols 1,
191 ; Meyer y. Knonau, Jahrbücher des Deutschen Reichs anter Hein-
rich IV. und Heinrich V. 6, 294.
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\
389
gewesen sein. Nur als Vogt kann ihm diese überragende Stel-
lung zugekommen sein.
Die dürftigen Nachrichten, die ans dem 12. Jahrhundert
über Sedisvakanzen vorliegen, gestatten keinen weiteren Auf-
schluß. Erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts sind wir besser
unterrichtet. Als Bischof Konrad 1205 seine Abdankung wider-
rief und mit Hilfe des Staufers Philipp von Schwaben, der ihn
mit den Weltlichkeiten investierte, die Verwaltung des Bistums
neuerdings zu erlangen suchte, da trat der Graf von Tirol, der
vielleicht ein unmittelbares Interesse daran hatte, daß sich die
staufische Macht in Südtirol nicht weiter ausdehne,^ als Vogt
in ganz besonderer Weise hervor. Domherren, Adel und Bür-
gerschaft schwören, keinen Frieden mit dem Bischof zu machen
ohne Wissen des Grafen, wie auch der Graf ohne Wissen der
anderen Verschworenen.* Bei den Beratungen, ob Konrad zum
Bistnme wieder zuzulassen sei, kommt dem Grafen eine ge-
wichtige Stimme zu. War dieses Gewicht schon durch die Macht
des Grafen gegeben, so wird doch immer seine Stellung als
Vogt betont. Im folgenden Jahre 1206 erscheint der Graf von
Tirol geradezu als Podestä von Trient, ist also mit der Ver-
waltung des Bistums betraut.' In der Folge bekleidet Graf
Albrecht das gleiche Amt wiederholt unter den Nachfolgern Bi-
schof Friedrichs von Wangen 1222,* 1223«^ und 1235« und
1236^ allerdings zunächst sede plena und als Beamter des Bi-
schofs, 1223 freilich bei Abwesenheit des Bischofs, der den
Kaiser Friedrich IL nach Italien begleitete. Ob er es auch sede
vacante verwaltete, dafür fehlen freilich die Nachrichten, aber
es liegt auch nichts vor, um das Gegenteil zu behaupten. Daß
der Vogt beim Tode des Bischofs Aldrich nicht hervortritt, be-
greift sich, da ja die Verwaltung des Bistums vorläufig von
dem kaiserlichen Statthalter geführt wurde.^ Bei Egnos Tode
1 Vgl. Zeitschr. des Ferd. m, 48, 354.
* YigUio Slanoliui, Programm des Qinnasio vescovile von Trient 1902,
88 f.
> Urkonde 1206 Mai 27, Wien St-A.
« Bonelli 2, 488.
* Durig, Mitteil, des Inst, Ergb. 4, 441.
* Acta Tirol. 2, Nr. 1, 3, 6, 6—9 usw.
^ Dafi der Kaiser die Vogteirechte bei Einsetzung des Statthalters auf-
gehoben habe, wie M. Mayr, Die politischen Beziehungen Deutschtirols
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390
befand sich das Bistum ohnehin schon vertragsmäßig in den
Händen Meinhards. Der Zusammenstoß des Vogtes mit dem
neuen Bischöfe Heinrich H. dürfte sich unter diesem Gesichts-
punkte auch nicht als reiner Gewaltakt darstellen, sondern in
der Weigerung Heinrichs^ die Herausgabe der Temporalien vom
Vogte zu verlangen, seinen Grund gehabt haben.'
Auch die Nachfolger Meinhards U. haben an die-
sem Rechte festgehalten. Sie haben die Verwaltung des
Bistums nach dem Tode des Bischofs Bartolomeo Querini über-
nommen.* Ebenso führte Herzog Johann von Kärnten und in
seinem Namen, da er noch unmündig war^ Markgraf Karl von
Mähren, der spätere Kaiser Karl IV., nach dem Tode des Bi-
schofs Heinrich HL die Verwaltung: auctoritate nobis pro dicto
fratre nostro concessa per capitulum Tridentinum sede vacante
ecclesie Tridentine;' nach der Wahl des neuen Bischofs Niko-
laus wurde vom Domkapitel diese Verwaltung bis zur Bestäti-
gung des Erwählten verlängert.* Was das Kapitel hier gut-
20 meint, ist gänzlich aus der Luft gegriffen; sie ruhten nur natur-
gemäß während der Reichsverwaltung.
^ Kaum wird man diesen Grund im Schlosse Buonconsil sehen können,
wie Wilhelm, Mitteil, des Inst. 23, 436; das Schloß war keineswegs ein
altes Streitobjekt zwischen Bischof und Grafen, der Bischof hatte auch
kaum gegründete Ansprüche darauf, da es durch Sodegher auf Gemeinde-
grund gebaut worden und aus dessen Nachlaß auf den Grafen von Tirol
gekommen war.
* 1308 April 1, Herzog Otto verleiht Pfand leihanstalt im Nonsberg, Wien
St.-A., Handschr. 384 f. 6 ; 1309 Juni 30 Hauptleute des Herzogs Otto
in Trient und Judikarien: Heinrich von Rottenburg und Odorich von
Ragonia und Odorich von Corredo, Innsbruck St.-A. C. 40, Nr. 22; 1309
März 1 verleiht Herzog Otto dem Sieghard und H. von Trazberg die
Podestarie Riva und das Schloß Tignale, Wien St.-A., Handschr. 383,
f. 42; März 17 derselbe verleiht Pfandleihanstalt in Trient, ebendort;
1310 Jänner 15 Herzog Otto verleiht den Fleimsem die Freiheit, daß
nie ein Schloß in ihrem Tale gebaut werden dürfe, Wien St-A., Hand-
schr. 389, f. 62, und beauftragt den Hauptmann, das bestehende Schloß
zu brechen. Später verspricht Exkönig Heinrich dem Aldrighet von Ca-
stelbarco die Hauptmannschaft im Lagertale im Falle einer Sedisvakanz :
advocacie, que ad . . d™ regem et suos heredes racione episcopatus et
ecclesie Tridentine de iure spectat seu spectabit, .... donec alius epi-
scopus ibidem fuerit confirmatus für die Zeit seines Lebens; 1320 Jänner
26, Wien St.-A. (Dominez 762).
» 1336 Oktober 14, Wien St.-A. (Dominez 822, Huber-Böhmer, Reg. Imp.
VIII, 34).
* Huber-Böhmer, a. a. O. 36 a.
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391
willig gewährte, ist vonseite des Herzogs gewiß als volles Recht
beanspnicht worden; daraufweist schon die Klansei am Schlnsse
der ürknnde, die beiden Teilen ihr Recht vorbehält. Die volle
Verwaltung und Gerichtsbarkeit wird hier dem Vogte zuge-
sprochen. Fast ein Jahr lang hat diese Verwaltung bestanden.^
Nikolaus ist dann bekanntlich wegen seiner Parteinahme fUr
die Luxemburger vom Markgrafen Ludwig von Brandenburg
verjagt worden, und seine Nachfolger konnten nur sehr vor-
übergehend und teilweise in den Besitz des Bistums gelangen,
dessen Verwaltung vielmehr Ludwig an sich nahm. In diesen
Jahren des Widerstreites zwischen dem exkommunizierten Lau*
desftlrsten, dem E^pitel und den Bischöfen ist das Regalien-
recht des Vogtes nicht mehr anerkannt. Jetzt erscheinen aller-
dings Beamte des Kapitels sede vacante.^ Indes verschwinden
sie nach dem Siege des Markgrafen wieder und Ludwig setzt
1354 den Pfarrer Heinrich von Tirol zum Verweser des Bis-
tums, vicarius und protector generalis oder vicegerens ein,^ der
nun eine Reihe von Jahren verwaltet.
Stand aber dem Vogte ein Regalienrecht zu, was war
natürlicher, als daß er die Herausgabe der Temporalien
an Bedingungen knüpfte, die ihn davor sichern sollten,
daß der Bischof seine Macht feindlich gegen den Lan-
desherrn wende. Daher konnte bereits Bischof Philipp, als
über eine Aussöhnung mit ihm verhandelt wurde, die Heraus-
gabe der Regalien nur unter besonderen Bedingungen erlangen,
die der Bischof nachher ablehnte. Bartholomäus Querini wurde
vor Herausgabe der Temporalien verpflichtet, die Absolution
der Herzoge vom päpstlichen Stuhle zu verlangen.* Bischof
Heinrich HL wurde 1314 zu einem engen Bündnisse mit Ex-
könig Heinrich verhalten gegen jedermann.^ Weiter schon
» Urkunde 13S7 September, Wien St.-A.
* Ein Belens&nis als Hauptmann von Tenno, Innsbruck St.-A., Reperto-
rium des Domkapitelarchivs G. 60, Nr. 111; 1849 Jänner 2: Dyonisius
von Gardellis, Hauptmann des Schlosses Buonconsil fOrs Kapitel, gibt
das Schloß dem Erzdiakon und Generalvikar des Bischofs Johann her-
aus ; ebenso Schloß Stenico und die rocca de Breguzzo mit dem Yikariat
Judikarien, Innsbruck, Ferd. Dipaul. Handschr. 822, S. 51—63.
* 1364 April 19, Huber, Geschichte der Vereinigung Tirols mit Österreich,
Regest 161.
* Urkunde 1306 Juli 22, Wien St.-A. (Domiuez 686).
* Urkunde 1314 Juni 8, Wien 8t.-A. (Dominez 728).
Arehir. 94. Band, U. HUfke. 27
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392
ging Markgraf Ludwig, als er den Pfarrer von Tirol zum
Pfleger des Bistums setzte. Es wurde nämlich gleichzeitig
der Fall ins Auge gefaßt, daß sich der Pfarrer beim Papste
um das Bistum bewerben werde. Für diesen Fall mußte der
Pfarrer dem Markgrafen geloben, ihm und seinen Erben mit
dem Bistume zu warten und zu helfen, wie es ein Bischof sei-
nem Herrn und Vogte schuldig sei.^ Das klang kaum anders,
als das Versprechen, das Albrecht von Ortenburg dem Herzog
Albrecht von Österreich für den gleichen Fall gegeben hat*
Man sieht, die vielberufenen Kompaktaten Rudolfs IV. mit
dem Bischof Albrecht von Ortenburg sind ebensowenig
etwas ganz neues gewesen, als sie vereinzelt dastehen.^
Freilich ging Rudolf IV. weiter als Markgraf Ludwig gegangen
war.* Der Markgraf begnügte sich, den Bischof allein sich zu
verpflichten, er ließ ihm freie Hand bei der Einsetzung seiner
Beamten, namentlich der Hauptleute. Rudolf verlangte nicht
nur das Gelöbnis des Bischofs, sondern auch das des Kapitels
und der bischöflichen Hauptleute und Vikare, die nur mit
Wissen und Willen des Herzogs von Osterreich eingesetzt wer-
den sollen; ja der oberste Hauptmann sollte geradezu Untertan
des Landesfürsten sein. Auch das Regalienrecht wird neuer-
* Urkunde 1S54 April 19, Wien St.-A. (Dominez 901).
* Huber, Vereinigung Tirols, Reg. Nr. 200.
' Die Forschungen Sfbiks, Die Beziehungen von Staat und Kirche in
Österreich während des Mittelalters, haben dargetan, daß ähnliche Ver-
träge von einer Reihe von Kirchenftirsten mit den Habsburgern einge-
gangen worden sind .36 f. Aber auch die habsburgische Politik ist nur
ein Glied in dem Streben der weltlichen Landesherren, ihrer Macht die
geistlichen Territorien dienstbar zu machen. Ganz ähnliche Zusagen
hatte auch Bischof Matthäus von Brixen 1S48 März 17, Wien St.-A.,
Ludwig dem Brandenburger machen müssen. Hier findet sich schon
die Zusage der Hilfe gegen jedermann und der Entfernung von Haupt-
leuten, die dem Landesherm nicht genehm sind. Auch haben die Burg-
mannen, Dienstleute, Bürger und die „gemainhait" zu schwören, wenn
der Bischof feindlich gegen den Landesherrn vorgeht, diesem und nicht
dem Bischof zu folgen. Dieser Vertrag mit Brixen dürfte geradezu für
die Trienter Kompaktaten vorbildlich gewesen sein.
* Vgl. die Kompaktaten von 1363 bei Schwind-Dopsch, Urk. z. Verfassungs-
gesch. Nr. 1 12 ; dazu Huber, Vereinigung Tirols mit Osterreich 96 f. und
Rudolf IV., 98; Durig, Die Staatsrecht!. Beziehungen 20 f. ; Bidermann,
Die Italiäner im tirolischen Pro vinzial -Verbände 119 f.; Hirn, Archiv
für österr. Gesch. 63, 357 f.
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393
dings festgestellt. Die bischöflichen Hauptleute und Beamten
dürfen im Falle der Sedisvakanz dem Nachfolger oder dem
Kapitel nicht gehorchen^ noch auch die Einkünfte abliefern oder
in ihrem Kamen Akte der Jurisdiktion ausüben ohne Erlaubnis
des Herzogs, oder wie es in den folgenden Kompaktaten hieß,
sie sollten die Schlösser und Städte für den Herzog von Oster-
reich inne haben, bis der neue Bischof die Kompaktaten be-
schworen hat.
So führte das Regalienrecht des Vogtes zur ewigen
Eidgenossenschaft, die durch die Kompaktaten zwischen
dem Hochstifte Trient und der Grafschaft Tirol ge-
gründet worden ist, aus ihm sind die Rechte erwachsen, welche
dem Landesftirsten in der Folge im Bistum zustanden. Damit
war der Inhalt und Sinn der Vogtei allerdings sehr. geändert.
Nicht mehr der Schutz, den die Kirche empfingt, ist das we-
sentliche; die Vogtei ist Herrschaft, der Vogt Herr des Bischofs
und des Bistums geworden. Nicht nur ist der Bischof zu ewi-
ger Hilfeleistung mit allen Kräften des Bistums verpflichtet, es
ist auch dafür gesorgt, daß er dieser Verpflichtung nicht untreu
werden kann. Denn wenn er feindlich gegen den Landes-
ftlrsten auftritt, sind seine Untertanen verpflichtet, ihn zu ver-
lassen und dem Landesfürsten gegen ihren Bischof Hilfe zu
bringen. Ja die Pflicht des Bischofs besteht unabhängig da-
von, ob der Landesfürst seine Schutzpflicht erfüllt oder nicht.*
Damit kommt dem Landesherrn schon durchaus eine herr-
schende Stellung gegenüber dem Bischöfe zu, die Kompaktaten
bedeuten, wie Alfons Huber mit Recht gesagt hat, eine halbe
Säkularisation des Bistums, sie stellen seine militärischen und
Steuerkräfte dem Landesherrn zur Verfügung.* Die reichs-
unmittelbare Stellung des Bischofs ist freilich durch die Kom-
paktaten, so wenig wie durch das Regalienrecht berührt wor-
den; noch immer wird der Bischof durch den Kaiser mit den
Regalien investiert, aber die Investitur vermag ihm den Besitz
der Weltlichkeiten nicht zu verschaffen, er muß in diesen Besitz
vom Vogte und Landesherm eingeführt werden, und die Ein-
führung erfolgte erst, wenn die Bischöfe in den für manchen
^ So nach den Kompaktaten von 1365 Februar 5, BrandU, Tirol unter
Friedrich von Osterreich 217.
• Huber, Vereinigung Tirols 96.
27*
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394
von ihnen gewiß saueren Apfel gebissen nnd die Kompaktaten
beschworen hatten. Begreiflich^ wenn die Landesfiirsten die
fter sie günstige Gelegenheit ausbeuteten, um die Abhängigkeit
zu verschärfen. Freilich war diese ewige Eidgenossenschaft
schließlich auch die geeignetste Form, in der die Schutz-
vogtei in den späten Jahrhunderten des Mittelalters
und in der Neuzeit geltend gemacht werden konnte. Ohne
die Kompaktaten und die Mithilfe Tirols wäre das Hochstift
nicht erst im Jahre 1803 säkularisiert worden, sondern schon
im 15. Jahrhundert dem siegreichen Banner des heil. Markus
erlegen, und wer weiß, ob die Republik der Dogenstadt an den
Grenzen des Bistums halt gemacht, ob sie sich nicht der Brenner-
straße, die für ihren Handel nach Süddeutschland von so großer
Bedeutung war, bemächtigt hätte, und so ein Keil welschen Lan-
des weit nach Süddeutschland hineingetrieben worden wäre. So
ist es richtig, daß die Vogtei des Grafen von Tirol von der größten
Bedeutung für die Ausbildung des Landes geworden ist, ja erhöhte
Bedeutung darüber hinaus gewonnen hat, wenn auch der Aus-
gangspunkt der Macht des Vogtes nicht die Gerichtsbarkeit gewe-
sen ist. Auch Gerichtsbarkeit hat der Vogt in der Folge gewonnen
über den alten Adel des Bistums, zeitweise durch seinen Haupt-
mann über die Deutschen in Trient, endlich als Schiedsrichter
zwischen dem Bischof und seinen Untertanen. Es ist hier nicht
der Ort, darauf und auf die weitere Entwicklung näher einzu-
gehen, da diese Gerichtsbarkeit mit der Vogtei des früheren
Mittelalters nicht direkt zusammenhängt.
m Andere geistliche Immunitäten.
Von den geistlichen Stiften der Diözese Trient hat
so viel wir wissen, nur das Chorherrenstift Au bei Bozen
durch königliche Verleihung Immunitätsgerichtsbarkeit erlangt.
Die anderen Exemtionen sind nur landesherrliche gewesen,
durch den Bischof erteilt worden.
Mehrfach haben die Bischöfe geistlichen Anstalten die
Steuern und andere Abgaben erlassen, zumeist in Verbindung
mit der Verleihung des Gerichtsstandes vor dem Bischöfe.*
' Für das Spital zu Lengmoos, Kink, Fontes 11, 6, Nr. 122 und 124; Sau
Tomaso bei Romeno, Zeitschr. des Ferd. III, 33, 87 usw.
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395
Hier sollen nur die gerichtlichen Exemtionen betrachtet werden,
die eine mehr oder weniger weitgehende Ausschaltung des
Klostergutes aus dem Landgerichte bedeuten. Außer dem Chor-
herrenstifte Au kommen nur noch das Chorherrenstift St. Michel
an der Etsch und das Domkapitel von Trient in Betracht.
Das Chorherrenstift Au, gegründet durch den Grafen Ar-
nold von Greifenstein und Morit und seine Gemahlin Mathilde,
hat vom Anfange an keine Immunität besessen; das Diplom
Kaiser Friedrichs I. von 1166^ begnügt sich damit, die Stiftung
und die Anordnung der Stifter in betreff der Vogtei zu bestäti-
gen. Immunität aber erwähnt der Patriarch Uodalrich von
Aquileia im Privileg, das er bei der Weihe der Stiftskirche
ausgestellt hat.^ Da dem Patriarchen keine Exemtionsgewalt
in fremdem Sprengel zustand, wird, wenn überhaupt die Formel
einen Rechtsinhalt hatte und nicht das Schwergewicht auf dem
indebite lag, eine bischöfliche Exemtion vorangegangen sein.
Bestimmter spricht ürban III. von Immunität.* Hier wird nach
Art ähnlicher päpstlicher Privilegien ein immuner Klosterbezirk
anerkannt, innerhalb dessen kein weltliches Gericht gehalten
werden soll. Kaiser Friedrich I. hat dann in einem zweiten
Diplome von 1189^ verftigt, daß die Kolonnen, das sind die
Hintersassen des Stiftes, nur vor dem Propste zu Rechte zu
stehen haben, außer in Kriminalsachen: que viris ecclesiasticis
prohibentur. Ob in Kriminalsachen der Vogt oder der Land-
richter Richter sein sollte, ist nicht gesagt. Seitdem die Grafen
von Tirol die Vogtei erlangt hatten, fielen ohnehin die Vögte
und Inhaber der Grafengewalt zusammen. Dadurch wohl wurde
die dauernde Ausscheidung eines Immunitätsgebietes verhindert,
und da die Besitzungen des Klosters nirgends einen großen
zusammenhängenden Bezirk bildeten, hat sich auch für die
niedere Gerichtsbarkeit kein exemter Sprengel gebildet. Wir
wissen über das Schicksal dieser Immunität nichts anderes, als
daß Kaiser Friedrich II. sie bestätigte.^
Hat es das Stift Au somit nicht zur Ausbildung eines
geschlossenen Gerichtsbezirkes gebracht, so war das Kloster
» Stampf 4078.
* 1179 November 21, Bonelli 8 a, 173: NuUi preterea faa sit familiam pre-
fate ecclesie per synodxim vel per placita indebite fatigare.
» Jaff6-Löwenfeld 15682. * Stumpf 4620.
* Böhmer-Ficker 2260.
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396
St. Michel an der Etsch glücklicher. Dieses Stift hatte
wenigstens ein, wenn auch an Umfang nicht großes, zusammen-
hängendes Gebiet zur Ausstattung erhalten, Ünter-Fennberg.
In der Stiftungsurkunde von 1145 September 29^ heißt es:
traditus est mons Faone a principatu Tridentinensi prefato loco.
Die Nachricht ist kurz, doch dürfte in dem a principatu die
Exemtion enthalten sein.* Papst Alexander III. bestätigte in
seiner Bulle von 1177 den Bestand eines Immunitätsgebietes
durch das Verbot, weltliches Gericht innerhalb des geschlosse-
nen Gebietes der Kirche abzuhalten.^ Der Fennberg stand
freilich nicht ganz im Eigentume des Stiftes. Auch die Grafen
von Eppan machten Rechte auf Höfe in Fennberg geltend.* So
ist es auch nur ein Teil des Fennberg, Unter-Fennberg, ge-
wesen, in dem das Stift Gerichtsherr wurde. Das ganze Gebiet
war zweifelsohne Rodung des Stiftes; die Höfe waren zu freien
Zinsleihen ausgegeben ad usum domorum mercatus Tridenti
et capelle Tremeni et bone memorie condam d* Federici epi-
scopi Tridentini .... ad rectum cislehan, quod vulgariter teo-
tonice dicitur.^ Die Bewohner waren Deutsche. Das Stift übte
die Gerichtsbarkeit durch einen Vikar oder Richter aus; aus
dem 14. Jahrhundert sind einige Ernennungen solcher Richter
bekannt.® Nach einer Zeugenaussage von 1322^ sollten dem
Richter alle Banne unter 5 Schilling bleiben, von den höheren
aber nur ein Drittel; zwei Drittel waren an das Stift abzufah-
ren. Die Gerichtsbarkeit des Stiftes umfaßte nach dieser Aus-
sage und einer anderen von 1316^ nur die bürgerlichen Sachen.
In der Folge soll allerdings auch die hohe Gerichtsbarkeit ge-
übt worden sein, bis das Gericht mit dem Landgerichte Salurn
vereinigt wurde.* Geschieden davon übte das Stift eine gewisse
Urbarialgerichtsbarkeit, konnte insbesondere gegen säumige Bau-
^ Bonelli 2, 392.
' 8o auch Jäger, Geschichte der landständ. Verfassung ] , 404.
' Jaffe-Löwenfeld 12914. Vgl. über ähnliche Exemtionen Rietschel, Mit-
teU. des Inst. 27, 415.
* Hormayr, Geschichte Tirols 1, II, Nr. 120 (1226).
^ Urkunde 1326 Februar 10 und März 1 und viele ähnliche, Innsbruck
St.-A.
• Zeitschr. des Ferd. HI, 33, 76 n. 6.
* Urkunde 1322 März 7, Wien St.-A.
• Urkunde 1316 August 1, Innsbruck St.-A.
' Egger, Mitteil, des Inst., Ergb. 4, 420.
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397
leute ohne Dazwischentreten des Landrichters mit Exekution
vorgehen. Dieses Recht wurde dem Stifte vom Exkönig Hein-
rich von Böhmen 1326 verliehen/ es ist zum letzten Male von
Kaiser Franz IL 1795 bestätigt worden.*
Bedeutender als diese Exemtion war die des Dom-
kapitels von Trient. Wir sehen hier ab von der Exemtion
gewisser Geistlicher, welche der Gerichtsbarkeit des De-
kans und Kapitels unterstanden. Diese Gerichtsbarkeit umfaßte
die hohe und niedere; ihr unterstanden die Mitglieder des Ka-
pitels, die Domgeistlichkeit und die Kapläne, die auf den Pfar-
ren des Kapitels die Seelsorge versahen.' Außer dieser dem
klerikalen Privilegium Fori entsprungenen Gerichtsgewalt, ge-
wann es aber auch Gerichtsbarkeit auf einigen Besitzungen.
Freilich nicht auf allen.
Die Güter des Domkapitels lagen weit zerstreut in der gan-
zen Diözese. Sie waren durchwegs zu Zins ausgegeben in sehr
verschiedener rechtlicher und wirtschaftlicher Lage.* Sie befan-
den sich fast durchwegs in der Streulage, bildeten keine zusam-
menhängenden Gebiete. Solche fanden sich nur auf den Bergen
zwischen Avisio und Fersina und in Valsugana, meist Ortschaften,
die wahrscheinlich erst vom Kapitel angelegt und besiedelt wor-
den waren. In dreien dieser Ortschaften, die wieder unterein-
ander nicht zusammenhingen, hat das Kapitel die Gerichts-
barkeit, und zwar die hohe wie die niedere bis zur Säku-
larisation behauptet, in Sover, Sevignano und Montagna.
* Zeitschr. des Ferd. III, 33, 76.
' Urkunde 1795 Mai 15, Innsbruck St.-A.: das recht eines probsteilichen
urbarsaktuars zur betreibung der zinsschulden und errichtung der ur-
barialkontrakte. Abschriften dieser Kontrakte mußten an die Gerichts-
kanzlei abgeliefert werden.
* Ausführung des Kapitels von 1524, Innsbruck St.-A. C. 44, Nr. 130;
Zeugnis des Bischofs Dominicus Anton von Thun von 1760 März 21,
Innsbruck, Ferd. Dipaul. 819, S. 59. Das Kapitel besitzt: plenariam
iurisdictionem exercendi in capellanos beneficiatos ecclesiarum tarn in
civilibus quam in criminalibus independenter ab ordinaria iurisdictione ;
imo etiam in ipsos canonicos in civilibus et quibuscunque ecclesiasticis
causis, in criminalibus enim tempore nostro nullus evenit casus. An-
ders in früherer Zeit, wo dem Bischöfe diese Gerichtsbarkeit zugespro-
chen wird; Urkunde um 1220, Innsbruck St.-A. Notariatsurkundeu.
* Vgl. das von Ch. Schneller in den tridentinischen Urbaren veröffent-
lichte Urbar von 1 220 und die Aufzeichnung über die Teilung des Ka-
pitelvermögens nach Columnelli von 1242 Juni 13, Wien St.-A.
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398
Am besten sind wir über die Verhältnisse in Sover unter-
richtet, über die uns ein Weistum von 1243 Auskunft gibt.*
Darnach reichte das Gebiet von Sover vom Avisio bis zum
rivus longuS; den wir im Bache von Brusago wieder zu erkennen
haben, von dort zum rivus montis Pelosi, das ist Monpeloso bei
Brusago, dann wohl durch das vall Mattio der Generalstabs-
karte bis zum Berge Fregasoga, von dort zur Pale de le Buse
und senkte sich von hier zum Bache von val Floriana und hinab
zum Avisio, der gegen Cembra die Grenze bildet. Alles, was
innerhalb dieser Grenzen liegt, gehört dem Domkapitel^ Wiesen,
Berge und Ackerland. Später haben sich die Grenzen ver-
engt. Schon 1336 wurde ein Streit mit den Leuten von Albiano
und Vallfloriana um einen angrenzenden Berg zugunsten des
Domkapitels entschieden.* Doch in der Folge entstanden neue
Grenzirrungen. Die Leute von Vallfloriana nahmen den Berg in
Pacht vom Domkapitel. Mit der Zeit entstanden Zweifel über
die Zugehörigkeit dieses Gebietes. Es wurde 1522 neuerdings
dem Domkapitel zugesprochen, freilich auch dem Gerichte Ca-
stello, das mit Enn vereinigt war, seine Rechte vorbehalten.'
Die heutigen Gemeindegrenzen deuten darauf hin, daß wenig-
stens ein Teil des Gebietes dem Kapitel verloren gegangen sein
muß. Nach dem Weistum von 1243 haben die Leute von Sover
das ganze Gebiet in Leihe vom Domkapitel gegen gewisse Ab-
gaben inne. Der Zins besteht in Getreide, Tieren, Schultern
und Schinken (scamaridae). Ganz wie dem Domkapitel von
Verona steht auch dem von Trient das Recht zu, seine Unter-
tanen von Sover zu besteuern: es wird hier zwischen einer
ordentlichen und einer außerordentlichen Steuer unterschieden.
Jene wird regelmäßig geschuldet, ausgenommen nur, wenn die
außerordentliche gefordert wird. Ebenso wie die Untertanen
des Kapitels in Verona sind auch die von Sover verpflichtet,
die Domherren und ihre Beamten zu gasten. Daß sie freie
Leute sind, ergibt ein Verbot^ das an demselben Tage vom
Domdekan erlassen wird, wonach sie Sover nicht, bevor die
^ Beilage 14.
« Urkunde 1886, Innsbruck, Ferd. Dipaul. Handuchr. 824, S. 216—217. Der
Berg Lauina rubea, angrenzend der Ayisio et de supra sumitates mon-
tium et ab alia parte homines et universitas ville Soueri, umfoßt doch
wohl die linke Berglehne von Vallfloriana.
* August 13, Innflbruck, Ferd. Dipaul. Handschr. 823, S. 218—220.
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399
geschuldeten Leistungen an die Domherren erbracht sind, ver-
lassen, noch auch sich einem fremden Herrn kommandieren
dürfen. Ebenso ist ihnen, damit sie nicht in fremde Abhängig-
keit geraten^ die Ehe mit der Hörigen eines anderen Herr-
schaftsbezirkes verboten. Das alles erinnert anfs lebhafteste
an die Lage der Leute auf der Immunität des Domkapitels von
Verona. Ebenso wie diese sind auch die von Sover, wie alle
anderen freien und unfreien Untertanen des Kapitels, dem Ka-
pitel eidlich verpflichtet.^
Auch in den übrigen Gemeinden, in denen das Kapitel
die hohe Gerichtsbarkeit übte, war es Grundherr. Die Hinter-
sassen waren jedoch hier vielfach unfrei, so die von Villa Mon-
tagna, die nach einem Urteile von 1238 nicht frei sind, wie sie
selber behaupteten, sondern unfrei,* und bei einer neuen Ver-
eidigung im Jahre 1264 wieder als homines de familia schwö-
ren,' ebenso wie die Leute von Gabiolo und Graffiano 1233.*
Auch der mons Florucii, über den das Kapitel gleichfalls Ge-
richtsbarkeit beansprucht, ist Eigentum des Kapitels und von
diesem der Gemeinde Povo und anderen verpachtet.^
Beilage 15. Eine spätere Ofihung über die Rechte des Kapitels in So-
ver von 1317 ist dem Verfasser nur aus einem knnen Regest im Re-
pertorinm des Eapitelarchivs Gapsa 49, Nr. 6 bekannt.
1288 Februar 5. Urteil des Albertus Mozardus de Pontremulo, Vikar
des kaiserlichen Statthalters Lazarus von Lucca; sie hatten behauptet,
daß das Domkapitel sie genötigt habe, Treue zu schwören pro suis fa-
mnlis, jedoch seien sie frei. Das Kapitel behauptete, daß sie: ut famuli
serviverunt et serviUa ministeria prestiterunt. Es wird entschieden,
daß sie nicht im Besitze der Freiheit seien; Innsbruck, Ferd. Dipaul.
Handschr. 824, S. 27—28.
1264 Jänner 21, a. a. O. 178.
1233 Juni 11, a. a. O. 217. Sie schwören pro homines de familia "et
quod de cetero iura dictae ecdesiae manutenebunt et honorem capituli
et iura ecclesiae manifestabunt. Auch anderwärts schwören die Eigen-
leute des Kapitels nach Urkunde 1241 Jänner 16, Innsbruck St-A.,
Notariatsurkunden: zu Portolo, Zivignago, darunter einer salvojeo quod
si posset ostendere se liberum, quod non tenetur de hao fidelitate, Eichleit
(Roured), Ganale, Eppan, darunter einige: tamquam vasalus etliberhomo.
Pachtverträge von 1270 Jänner 15, 1286 Februar 11, 1300, 1868 März
20 im Repertorium des Domkapitelarchivs, Innsbruck St-A. Capsa 32,
Nr. 8— 18. Calapin von Flaveo, Vikar des Herzogs Meinhard, urteilt
in einer Klage des Domkapitels gegen die Leute von (bereut wegen Be-
sitzstörung, 1298 Oktober 26, a. a. O. Capsa 25, Nr. 6; ähnliches Urteil
1318 a. a. O. Gapsa 23, Nr. 32.
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400
In diesen Gebieten hat das Kapitel nicht nur die niedere,
sondern auch die hohe Gerichtsbarkeit in Ansprach genommen.
Von Sover ist dies im Weistum von 1243 gesagt, indem die
Gerichtsbarkeit ohne Beschränkung dem Kapitel zuerkannt
wird, von Villa Montagna und Sevignano wissen wir dies aus
der Folgezeit, für Gabiolo und Graffiano scheinen noch im
16. Jahrhundert Ansprüche erhoben oder Beweise gesammelt
worden zu sein.^ Aus einer Aufzeichnung, die unge&hr um
1360 entstanden ist,' ergibt sich, daß dem Domkapitel einst auch
auf dem Berge von Floruz die iurisdictio meri et mixti imperii
zustand, die es jedoch an Rampert von Schönna verliehen hatte;
von ihm kam sie an Konrad Wramberger, der sie nicht mehr
im Namen des Kapitels, sondern des Landesfürsten ausübte.
Jener Reimprecht von Schönna war Hauptmann des Schlosses
Persen gewesen, als die Feste 1347 von Jakob von Carrara
erobert wurde.' Wir sehen also, daß hier dem Kapitel die
Gerichtsbarkeit verloren ging, indem sie an den Hauptmann
des landesfürstlichen Gerichtes kam, der sie mit seinem Spren-
gel verband. Im Jahre 1375 ist die hohe Gerichtsbarkeit des
Kapitels schon auf die drei Orte Sover, Sevignano und Villa
Montagna beschränkt, als das Kapitel mit dem Bischof Albrecht
einen Vertrag schloß, wonach Übeltäter, darunter auch Mörder,
gegenseitig ausgeliefert werden sollten.* In diesem Vertrage
wurde die volle Gerichtsbarkeit des Kapitels ausdrücklich an-
erkannt. In Sover hielt das Kapitel später einen Vikar, dem
jedoch nur eine sehr beschränkte Gerichtsbarkeit in Bagatell-
sachen, die bis zum Werte von zehn, seit 1583 fünfzehn Me-
raner Pfund gingen, zustand.^ Im übrigen wurden die Urteile
in Trient gesprochen und vollzogen, wobei indes das Kapitel
dem Bischöfe in jedem Falle einen Revers auszustellen hatte,
in welchem es die Zulassung der Jurisdiktionsakte in Trient
* Kurze Notiz über ein Verzeichnis verschiedener Beweisurkunden für
diese Gerichtsbarkeit, Repertorium des Domkapitelarchivs, Innsbruck
St.-A. C. 39, Nr. 94.
* Innsbruck, Ferd. Handschr. 263, f. 24.
* Urkunde 1347 Dezember 7, Markgraf Ludwig begnadigt R. von Seh.,
München, Reichsarchiv, Fürstenselekt Fase. 239.
* Innsbruck, Ferd. Dipaul. Handschr. 820, S. 151.
* Innsbruck, Ferd. Dipaul. Handschr. 823, S. 221—223.
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401
als freies Zugeständnis des Bischofs anerkannte.* Seit 1737
waren im Domkapitelarchiv Gerichtsbticher vorhanden.
Nach allem^ was uns sonst über die grandherrliche Ge-
richtsbarkeit bekannt ist^ ist es nicht denkbar, daß dieses
Gericht des Domkapitels der grandherrlichen Gewalt
allein entsprangen sei, umsomehr, als neben dieser hohen
Gerichtsbarkeit auch eine grand- und leibherrliche vom
Kapitel geübt wurde. Im Jahre 1254 erkannte der Podesta
Sodegher die Gerichtsbarkeit der Domherren an über ihre ho-
mines de omnibus causis preter quam in criminalibus, und zwar
in Pergine und im Distrikte des Herrn Morandin, nicht aber in
Judikarien.^ Der Distrikt des Morandin umfaßte nach einer
Urkunde von 1253 die Dekanien Pergine, Pinfe und Fomace.*
Diese Gerichtsbarkeit erscheint auch bei der Aufteilung des
Kapitelvermögens in die Columnelli als Zubehör der Grund-
herrschaft.* Das Kapitel hat sie auch in der Folge im gewissen
Umfange behauptet. Noch im Jahre 1689 fand man es für
nötig, Beweismaterial zu sammeln,^ daß das Kapitel im Besitze
der Gerichtsbarkeit über die Leihen sich befinde, welche zu
seiner Mensa, ebenso wie den Präbenden der Domherren, den
Jahrtagstiftungen, Benefizien und der Kirchenfabrik der Kathe-
drale gehörten. Die dort aufgeführten Fälle reichen bis 1589
zurück und umfassen zumeist Exekutionen wegen versäumten
Zinses. Solche Fälle wurden vor dem offitium sindicale des
Kapitels entschieden. Von ihm konnte an das Kapitel appelliert
werden, das die Entscheidung dem Dekan oder einem Dom-
herrn überließ. Diese Gerichtsbarkeit war von den bischöf-
lichen Behörden angefochten worden, wurde jedoch auf Grund
der vorgelegten Fälle vom Bischöfe anerkannt.
Um so schärfer hebt sich die hohe Gerichtsbarkeit
des Domkapitels in den drei Dörfern ab. Ihr Ursprung ist
* Revers 1693 März 10, Verurteilung zur Galeere, Innsbruck St.-A. C. 44,
Nr. 43; 1709 Juni 18, Verkündigung und Ausführung eines Todesurteils
a. a. O. C. 44, Nr. 87. " BeUage 16.
* Urkunde 1268 Mai 26, Innsbruck St.-A., Parteibriefe: Contolin und Bar-
tolomeus de sancto Petro verkaufen ihre Rechte an den genannten
Dekanien dem Morand de Fossalto.
* Urkunde 1242 Juni 13: fictibus hominibus et hominum iurisdictionibus
omnibus servitutibus condicionibus districtibus fructibus proventibus usw.
Vgl. Zeitschrift des Ferd. Ol, 38, 62.
» Innsbruck St.-A. 1689 Jänner 7. C. 44, Nr. 110.
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402
unbekannt. Eaiserprivilegien für das Domkapitel sind nicht
erhalten. Während die Urkunden des Kapitels^ darunter Papst-
bullen, nach dem Repertorium des Kapitelarchivs zur Zeit der
Säkularisation bis ins 12. Jahrhundert zurückgingen,^ wies es
keine ältere Eaiserurkunde auf, als die Salvaguardia, welche
Karl V. 1521 verliehen hat.* In dieser Urkunde werden nur
im allgemeinen alle Rechte bestätigt, welche die Kaiser Fried-
rieh II., Karl IV. und Sigismund dem deutschen Klerus ver-
liehen hatten, ein deutlicher Beweis, daß schon damals ältere
Kaiserurkunden für das Kapitel nicht vorhanden waren. Das
schUeßt natürlich nicht aus, daß nicht doch Immunitätsprivi-
legien verloren gegangen sind, legt aber andererseits die Ver-
mutung nahe, daß die Gerichtsbarkeit des Kapitels auf eine
bischöfliche Exemtion zurückgeht. Immerhin hat sie nur
dort sich voll entwickeln und erhalten können, wo das Kapitel
geschlossenen Grundbesitz, wenn auch nur im Ausmaße
des Umfanges von einzelnen Dorfmarken besessen hat. So
zeigt sich auch hier das Durchdringen des Territorialprinzips,
auf das Seeliger aufmerksam gemacht hat.'
IV. Die grund- und leibherrliche Gerichtsbarkeit.
Schon haben wir die grundherrliche Gerichtsbarkeit
berührt. Wir verstehen darunter jene, die demGrund-und
Leibherrn vermöge seiner grund- und leibherrlichen
Rechte zukommt, ohne daß es einer besonderen Verlei-
hung der Gerichtsgewalt bedurfte. Damit betreten wir ein
schwieriges und bestrittenes Gebiet. Für Südtirol hegen indes
die Dinge so klar, daß an dem Bestände einer solchen Gerichts-
gewalt, seitdem uns urkundUche Nachrichten vorliegen, kein
Zweifel sein kann ; ja wir sind über den Umfang und den In-
halt dieser Gerichtsbarkeit besser unterrichtet als in den mei-
sten deutschen Territorien, Deutschtirol inbegriffen, für die
gleiche Zeit.
^ Das Archiv des Domkapitels ist zerrissen, ein Teil liegt im Statthalterei-
archiv in Innsbruck, anderes befindet sich noch im Besitse des Kapitels,
manches wird verloren sein.
* 1521 Februar 21, Kopie Innsbruck St.-A. C. 44, Nr. 86.
' Abhandlungen der königl. sächs. Gesellschaft 22, 168 f.
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403
Als Ausgangspunkt der Untersuchung wird ein Weistum
dienen können, das Ezelin von Romano im Jahre 1258 über
die Rechte des Bistums im Lagertale von den Edlen des Lager-
tales schöpfen ließ, als er dieses Gebiet nach dem Übergange
der Stadt Trient an den guelfisch gewordenen Bischof Egno
in Besitz nahm. Die Edlen erklärten, daß die Grafschaftsge-
walt und Gerichtsbarkeit im ganzen Lagertale dem Bistum zu-
stehe, nur gebühre es den Ritterlichen, über ihre Masnada und
die grundhörigen Knechte in bürgerlichen Sachen Recht zu
sprechen.* Binnen 30 Tagen muß der Herr in der Klage gegen
seine lEigenleute Recht gewähren, sonst kann der Rechtsstreit
vor den Bischof oder seine Beamten gebracht werden.
Was in diesem Weistum in aller nur wünschenswerter
Deutlichkeit geöffnet wird, wird durch andere Zeugnisse be-
stätigt. Schon das, was am Schlüsse des vorigen Abschnittes
von der Gerichtsbarkeit des Domkapitels über seine homines
gesagt worden ist, gehört hierher. Der Podestk Sodegher hat
sie anerkannt, aber nur als Gerichtsbarkeit in Zivilsachen. Der
Ausdruck homo ist der gewöhnliche, der in diesem Zusammen-
hange gebraucht wird. Um 1232 heißt es, daß Bertold von
Caldonazzo Gerichtsbarkeit in Caldonazzo in Zivilsachen über
seine homines et liberi et macinate besitze,' doch nicht wegen
Übeltaten. Als 1210 Odolrich von Arco sich dem Bischof
Friedrich unterwirft und auf angemaßte Hoheitsrechte, vor
allem die hohe Gerichtsbarkeit verzichtet, die Galgen, die er
zum Zeichen dieser Gerichtsbarkeit errichtet hat, niederzureißen
verspricht und zugesteht, daß er de maleficiis seu contractibus
in der Pfarre Arco keine Gerichtsbarkeit habe, behält er sich
vor: racionem facere de suis hominibus, sicut alii milites Tri-
dentini.' Als Henrighet von Bosco mit dem Baugrunde eines
Schlosses belehnt wird,* gelobt er, daß jeder, der im Schlosse
wohne: sive fuerit de macinata sive Über de maleficiis et offen-
* Wien St-A. (Dominez 411): comittatos et iurisdictio tota de valle La-
garina est episcopatus Tridenti, set quantum est in iure civili milites
faciont rationem de masnata sua et de suis serris glebe et istud faciunt
hoc modo, scilicet qnod si quis posuerit qaerimoniam coram ipsis mili-
tibns de masnata ipsornm militum vel de suis serTis glebe, ipsi milites
debent ihc&re rationem postulanti ac eam complere hinc ad XXX dies,
sin antem questio revertitur sab episcopo Tridentino yel gastaldione suo.
* Innsbruck 8t-A. C. 86, Nr. 3. » Kink, Fontes U, 6, Nr. 88.
* Urkunde 1200 Februar 28, Innsbruck St-A. C. 69, Nr. 7.
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404
sionibus vor dem Bischöfe oder seinen Beamten Recht geben
soll, ein Versprechen, das bei einer späteren Belehnung erneuert
wird.^ Und doch wird im Jahre 1238 und in allen folgenden
Lehensurkunden von einer Jurisdiktion als Zubehör des Schlosses
gesprochen.* Es kann nur die niedere über die zum Schlosse
gehörigen Leute gewesen sein. Als Bischof Heinrich 1277 den
Herren von Pergine das Schloß Persen übergibt,' behält er
ausdrücklich die Gerichtsbarkeit des Bistums vor über die
freien Leute, dann die über die homines der Domherren und
der übrigen Edlen; nur über ihre propra homines dürfen die
Herren von Pergine Recht sprechen: secundum quod alii nobi-
les viri episcopatus facere rationabiliter consuescunt; Streitig-
keiten über die Zubehör zu ihrer Gerichtsbarkeit werden vor
dem Gerichte des Bischofs entschieden. Interessant ist der
Inhalt eines Zeugenverhörs von 1195* über die Zuständigkeit
eines gewissen Jobannes Piolus von Fornace unter die bischöf-
liche Gerichtsbarkeit. Ein Zeuge weiß, daß dieser Mann ein
riraannus des Herrn Roland von Povo gewesen war: cum pla-
cito et banno et districto et rimania, das ist, unter demTwing
und Banne des Roland stand. Nach dem Tode dieses Roland
war er nebst den übrigen Lehen an den Bischof heimgefallen
und unterstand von nun an dem Twing und Banne des Bi-
schofs. Später kaufte er eine rimania, die dem Herrn Ezelin
von Enn gehörte und wurde damit diesem zinspflichtig. Des-
wegen erhob Ezelin Ansprüche und forderte ihn unter seinen
Twing und Bann. Wir werden auf diese hochinteressante Ur-
kunde noch später zurückkommen müssen. Die Herren von
Gardumo bekennen 1314 als Lehen vom Bistum inne zu haben
eine Zahl von Eigenleuten mit iurisdictio rerum et personarum
und einzelne Höfe: cum iurisdictione dicto manso pertinenti.^
Aus all diesen Urkunden geht hervor, daß den Ritter-
lichen Gerichtsbarkeit, und zwar in der Regel die nie-
dere, welche man in deutschen Quellen als Twing und Bann
bezeichnet, über ihre Leute und Höfe zustand. Der Aus-
^ Des Rodulf von Se^onzano, 1216 Februar 18, Kink, Fontes II, 5, Nr. 131.
* Urkunde 1238 April 9, Innsbruck St.-A. Parteibriefe! cum iurisdictioni-
bus personarum et districtu.
» Kink, Fontes II, 6, Nr. 206.
* Urkunde 1195 Jänner 16, Wien St.-A. (Dominez 49).
» Urkunde 1314 September 30, Wien St.-A. (Dominez 732).
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405
druck Twing und Bann kehrt in diesem Zusammenhange regel-
mäßig wieder, iurisdictio und districtus personarum werden ge-
wöhnlich in einem Atem genannt. Weil Twing und Bann jedem
Grundherrn zustanden, werden sie bei Veräußerungen herr-
schaftlicher Güter als Zubehör angeführt. Einige Beispiele
mögen genügen. Im Jahre 1257 läßt Beral von Wanga dem
Bischof Egno zwei Höfe in Tramin ^ auf mit Weide, Jagd, Fi-
scherei: cum omni honore iurisdictione et districtu personarum
et rerum, cum coltis biscoltis daciis bannis serviciis schufis
albergariis amiseris fictis et drictis. Als Ezelin von Romano
1253 den Podestk Sodegher mit der Hälfte des Schlosses Arco
belehnt, erscheinen als Zubehör des Schlosses Jagd, Wasser-
rechte und Leitungen, Fischfang, Weide, Wald- und Wies-
nutzuug, honores et iurisdictiones.^ Und Nikolaus von Brenta
erhält vom Bischof Egno das Schloß Brenta, das Anhängern
Ezelins von Romano abgesprochen worden war, mit Weide,
Jagd, Fischerei, esaticum hostaticum consorciis (Geleitrecht) et
iurisdictione et districtu personarum in den Dörfern Levico und
Brenta und in der ganzen Pfarre Caldonazzo; zugleich werden
ihm alle Einkünfte und Güter, ,rimanni et famuli^ in Vigolo-
Vattaro, Mugazone und Bosentino ebenfalls: cum omni honore
et iurisdictione et deganie et districtu personarum verpfUndet.*
Ebenso wie die Edlen, übt der Bischof eine hofrechtliche
Gerichtsbarkeit über seine Leute, die nicht immer von den-
selben Beamten geübt wird, wie die öffentliche. Wir haben
oben ausgeführt, wie es die Gastalden gewesen sind, die mit
der Ausübung dieser Gerichtsbarkeit betraut waren, und daß
dort, wo die Gastalden Wirtschaftsbeamte geblieben sind und
die öffentliche Gerichtsbarkeit in anderen Händen lag, die Ge-
richtsbarkeiten streng geschieden blieben. Das war, wie wir
gesehen haben,^ vor allem im Nonsberg und in Bozen der Fall.
Wenn Leute, die mit dem Banne und den Leistungen der
bäuerlichen Klassen belehnt und damit in den ritterlichen Stand
erhoben oder gar freigelassen werden, von der Gerichtsbarkeit
der Gastalden und Ministerialen (Wirtschaftsbeamten) des Bi-
schofs befreit und dem Gerichte des Bischofs und seines Vize-
' Urkunde 1267 Juni 2, Innsbruck St.-A. C. 61, Nr. 20.
' Urkunde 1253 Mai 16, Innsbruck St.-A. Parteibriefe.
» Hormayr, Sämtliche Werke 2, Nr. 34.
* Vgl. oben 8. 368.
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406
dorne nnterstellt werden, so kann dies nur dann einen Sinn
haben, wenn die Gastalden und ihre Untergebenen über die
Hörigen des Bistums gerichtet haben. Aus Bozen sind uns
Fälle genug überliefert, in denen wir den Propst Gericht über
die Gotteshausleute halten sehen.^
Somit kann über das Bestehen einer grund- und leibherr-
lichen Gerichtsbarkeit kein Zweifel sein. Fragen wir, welche
Leute dieser Gerichtsbarkeit unterstanden, so nennen uns die
Quellen: homines de macinata, seryi,8eryi glebe, homines, homines
liberi et macinate, rimanni. Um klarer zu sehen, müssen wir
einen Blick auf die soziale Gliederung der Bevölkerung
Südtirols werfen, eine Frage, die wohl gestreift, zur Befrie-
digung jedoch noch nicht gelöst ist. Auch hier soll nur soviel
erörtert werden, als für das Verständnis des uns zunächst be-
schäftigenden Gegenstandes nötig ist.
Wie überall in deutschen und welschen Landen bieten
auch hier die ständischen Verhältnisse im hohen Mittelalter ein
sehr buntes Bild. Der Stand der Freien ist in voller Zersetzung
begriffen, ihm steht eine beträchtliche Zahl von Unfreien ent-
gegen, die sich in der verschiedensten sozialen Lage befinden.
Uns interessieren zunächst die bäuerlichen Verhältnisse.
Da unterscheiden die Urkunden liberi und servi* oder in voll-
ständiger Aufzählung Leute de macinata, famuli, rimanni, servi,
ancillae* oder servi franki et de macinata.* Wir sehen daraus,
daß ein Teil dieser Bauern als freien Standes (liberi, franki)
den unfreien gegenübergestellt wird. Zu den Freien gehören
die rimanni oder arimanni. Schon das Wort weist auf die
Gemeinireien der langobardischen Zeit zurück,^ die den exer-
citales der langobardischen und anderer Rechtsquellen entspre-
chen. Und Freie sind auch die Rimannen des 13. Jahrhunderts
gewesen, aber ihre Freiheit ist vielfach eine sehr geminderte,
die ihre Lage von der unfreier Bauern nicht sehr verschieden
» Acta Tirol. 2, Einl. 207.
« Hormayr, Gesch. Tirols 1, 11, Nr. 71; Kink, Fontes II, 6, Nr. 131.
» Hormayr, Gesch. Tirols 1, II, Nr. 169.
* Urkunde 1214 Oktober 29 und November 16, Innsbruck St.-A. Partei-
briefe.
* Vgl. Pertile* 3, 112; Waitz, Verfassungsgesch.» 2, I, 274 n. 6; Hegel,
Geschichte der Städte Verfassung von Italien 1, 429; Schröder, Rechts-
gesch.^ 16 n. 2; Savigny, Gesch. des rOmischen Rechtes 1, 161; S, 97.
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407
erscheinen läßt. Vor allem sind sie zu gewissen Leistungen
yerpflichtet; die wie eine Steuer auf ihnen ruhen und als ari-
mannia zusammengefaßt werden. Kaiser Friedrich II. fand im
Jahre 1236 Anlaß, die Lage der Leute von Sopramonte bei
Trient zu regeln, die vom Bischof und seinen Gastalden gegen
das Recht; das ihnen zur Zeit ihrer Ansiedlung (tempore dele-
gationis sue)^ verliehen worden ist, mit Steuern und Abgaben
belastet werden. Der Kaiser verfügt, daß sie nur eine feste
Abgabe zu leisten haben, die rimannia heißt.^ Auch aus dem
Privileg des Bischofs Qebhard, in welchem den Fleimsern die
Zahlung aller ihrer verschiedenen Abgaben umgewandelt wird
in die Leistung von 24 Arimannien cum suis fodris et placitis,
ergibt sich, daß die Leistung der rimannia ein bestimmtes Maß
betrug. Andererseits ist arimannia der Hof, auf dem die Lei-
stung ruht.* Welcher rechtlichen Art die Leistung war und
wie sie erwuchs, ist nicht aufgeklärt. Wohl wird man sie mit
der alten Heersteuer, dem Orafenschatz, in Zusammenhang
bringen dürfen; darauf weist schon der Name und deshalb galt
sie als Regal, als welches sie Friedrich I. in der Constitutio de
regalibus in Anspruch nahm.^ Daß die arimannia dann auf
dem Grundstücke haftete, ergibt das Schicksal des oben bereits
erwähnten Johannes Piolus. Er wohnt auf einer arimannia des
Bischofs und zahlt ihm rimannia; er kauft in der Folge eine
halbe arimannia des Herrn von Enn und leistet auch diesem.
Sind die Arimannen Freie, so die servi, famuli, ancil-
lae Unfreie. Auch das liegt schon im Wort. Seltsamer ist
der Ausdruck homo de macinata oder in jüngerer Form
masnada, der sich gerade in Südtirol, aber auch in ganz Ober-
italien ungemein häufig findet.^ Wohl möglich, daß das Wort
^ So übersetzt mit YoUem Beeilte Chr. Schneller, Tridentiiiische Urbare
192; er verweist auf eine terra Ar^uge, deren Namen er von herizogo,
lang. *harizugo ableitet. Auch Roncodonego, eine andere Ortlichkeit
dortselbsty ist roncum dominicum, der auf Gra&chafts- oder Herzogsgrund
angelegte Neubruch. Daraus wird man jedenfalls auf eine noch in her-
zoglicher Zeit angelegte Neusiedlung schlieBen dürfen, umsomehr, als
ja auch die deutsche Bevölkerung im Yeronesischen und Vicentinischen,
wohl auch in Lavarone und Yalsugana in diese frühe Zeit zurUckreicht.
* Böhmer-Ficker 2160.
» Muratori, Antiquitates 1, 741 f.; Pertile», 1, 363, 369.
* MM. LL. Sect. IV. 1, 244.
* Vgl. Pertile» 8, 105 f.
ArehiT. 94. Band, IL Eftlft«. 28
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408
von mansus abzuleiten ist,^ als bomines de macinata die zum
Hofe gehörigen Leute bezeichnet werden, ähnlich wie als cu-
riales die Leute der curia. Darüber, daß die homines de ma-
cinata Unireie sind, besteht nicht der geringste Zweifel. Sehr
häufig werden sie in Beziehung zu einem Herrn gebracht. So
hat die Casadei, das Qotteshaus Trient, seine macinata, so an-
dere Herren.* Den Freien werden die homines de macinata
auf das bestimmteste gegenübergestellt. So heißt es in den
Fleimser Privilegien, daß die Arimannen geleistet werden sollen
von Klerikern und Laien, liberi et famuli et de macinata.* In Ur-
kunden von 1194 und 1197 wird unterschieden zwischen Leuten
de masnata und Uberi, oder, wie es in der zweiten Urkunde
heißt: servi, liberi et de macinata.* Beim Treuschwur des
Odorich von Arco wird bemerkt, es sei dabei nichts entschie-
den worden de libertate desselben oder: utrum esset de maci-
nata casedei sancti Vigilii.^
Der homo de macinata und der servus werden gleich-
gestellt. Wilhelm von Velthums belehnt 1191 zwei Männer
von Trient mit einem Hofe auf dem Ritten und einer Frau
Genana und ihren Kindern,^ die den Hof bebauen: quos et
quas dicebat esse suos de masnata. Daher findet sich die
Wendung servus de macinata,^ daher wird eine femina de ma-
cinata als Bestand einer Mitgift übertragen, und der Ehefrau
das Recht eingeräumt, beliebig über sie zu verfügen: vellud
sua femina macinate.® Daher auch werden 1259 homo de ma-
cinata und servus gleichgestellt.' Das Recht des Herrn an der
Masnata wird in einer Deutschtiroler Urkunde geradezu als
^ Perüle, a. a. O. denkt au mansio = domuB, doch ist mansio für Haus
im Mittellatein zu selten, um an solche Ableitung zu denken.
• Kink, Fontes II, 6, Nr. 16, Maria von Prataglia; Nr. 29, Arpo von Cles;
Nr. 34, die Leute von Storo; Nr. 36, die Herren von Enn; Nr. 66, die
Grafen von Eppan usw.
' Schwind-Dopsch, Urk. zur Verfassungsgesch. Nr. 3.
• Urkunde 1194 Mai 10, Wien St-A. (Dominez 46) und Hormayr, Gesch.
Tirols 1, n, Nr. 71 (1197 Mai 1).
^ Urkunde 1198 November 2, Wien St.-A. (Dominez 60).
• 1191 Juni 6, Wien St.-A. (Dominez 38).
' Acta Tirol. 2, Nr. 466.
• Urkunde 1261 Oktober 10—16, Wien St.-A. (Dominez 371 unvollständig).
» Hormayr, Sämtl. Werke 2, Nr. 37.
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409
Eigen tum bezeichnet.^ In einzelnen Urkunden werden Leute
de masnata gleichgestellt den deutschen Ministerialen^ so na-
mentlich in Tauschverträgen mit Brixen.^ Die Leute de maci-
nata werden veräußert, verkauft, verschenkt, verpfändet,' ge-
teilt.* Mit ihnen geht ihr Vermögen über, das bezeichnender-
weise peculium genannt wird.^ Sie werden freigelassen zu cives
Romani.® Noch häufiger ist die Freilassung von einer privaten
Macinata zur bischöflichen. "^
Fassen wir das alles zusammen, so ergibt sich, daß die
Leut^ de macinata unfrei und gleichgestellt waren der familia,
unter der ebenfalls die Unfreien eines Herrn zusammen-
gefaßt werden. Denn dieser in Deutschland und in Italien
verbreitete Sammelname für die Unfreien findet sich auch in
Südtirol.® Darüber ist die Literatur im ganzen einig,® nachdem
schon Muratori das Richtige gefunden hat.^^ Nur im einzelnen
^ Urkunde 1320 April 20: Exkönig Heinrich schenkt dem Ritter Jakob
von St. Michelsberg eine Frau mit ihren Kindern: cum omni iure pro-
prietatis seu masnate; München Reichsarchiv, Abteil. Brixen, Fasz. 6.
* BonelU 2, 483 (1185).
* Kink, Fontes n, 6, Nr. 16, 29, 84; Acta Tirol. 2, Nr. 198, 466.
* BonelU 8, 342.
* a. a. O., Kink, Fontes II, 6, Nr. 110; Hormayr, Beitr. 2, Nr. 163.
* Urkunde 1261 Dezember 12, Innsbruck St.-A. C. 29, Nr. 9; Hormayr,
Gesch. Tirols 1, H, 610, Testament des Wilhelm von Caldonazzo läßt
14 genannte de masnata .... seu de quacumque alia servili condicione
zu cives Romani frei von allem Band der Knechtschaft; ihre Peculien
soUen sie behalten.
' Urkunde 1*208 November 9, Wien St.-A. (Dominez 83 ungenau): Odol-
ricus c. Rambaldi läßt den Warimbert de Porta frei : ita quod exinde
sit de macinata casedei sancti Vigilii; Urkunde 1214 März 31 bei Rapp,
Beiträge zur Geschichte, Statistik usw. von Tirol 3, 99: Enzeler von
Livo läßt einen homo de macinata Wilhelm, einen famulus Romedius
und einen servus Wilhelm dem Bistum auf, den letzten zum Rechte der
Leute de gentili macinata sancti Yigilii usw.
» Hormayr, Gesch. Tirols 1, II, Nr. 24 (1180): familia sancti Vigilii; 1264
Jänner 25 schwört ein Mann aus Villa Montagna dem Domkapitel:
tamquam homo famillie sancti Vigilii prestare servicia famulatus capi-
tullo, Innsbruck St.-A. Notariatsurkunden. Doch ist hier der Ausdruck
bei weitem nicht so häufig wie im benachbarten Brixen; vgl. Acta
Tirol. 1, Register unter familia.
* Kink, Fontes H, 6, 125 n. 3 faßt macinata allerdings als Gefolge, vgl.
Jäger, Landständische Verfassungsgesch. 1, 450 f.; Suster, Tridentum 3,
63 f.
»<» Anüquitates 1, 756 f.
28*
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410
herrscht Unklarheit. Man hat sich gescheut, die vollen Kon-
sequenzen zu ziehen und den Begriff der Unfreiheit auch den
höher stehenden Schichten der macinata gegenüber festzuhalten.
Unter den Leuten der macinata treten besonders hervor
die homines de nobili oder gentili macinata^ die Edlen.
Obwohl schon Jäger auch diese Leute als unfreien Ursprungs
gefaßt^ und Egger stets an derselben Ansicht festgehalten
hat,* werden doch noch immer Stimmen laut, welche die ho-
mines de nobili macinata nur als Vasallen ansehen.' Indes wie
anderwärts die edlen freien Geschlechter im Laufe der. Zeit
zusammengeschmolzen sind, und der spätere Adel überwiegend
aus unfreien Familien hervorgegangen ist, so war es auch im
Hochstifte Trient. Durch Zallingers Forschungen namentlich
haben wir die Stellung würdigen gelernt, welche die Ministe-
rialen in Österreich und Steiermark, ja in ganz Deutschland im
13. Jahrhundert gewonnen haben, einen Glanz und eine Bedeu-
tung, welche die der edlen Freien überstrahlt, und die Freien
vermocht hat, scharenweise in den Stand der Ministerialen über-
zutreten. Wir haben gelernt, daß die Unfreiheit der Mini-
sterialen schon im 13. Jahrhundert eine sehr lose war, daß die
Ministerialen des Eigentums, des Lehenrechts und der öffent-
lichen Gerichtsbarkeit teilhaftig geworden sind.
Die Quellen lassen in der Regel zwei Klassen des Adels
in Südtirol unterscheiden, die capitanei und die homines de
nobili macinata. Eine Urkunde von 1210 teilt den Adel in
Grafen, capitanei, macinate sancti Vigilii et alii milites;^ früher
im Jahre 1205 werden capitanei^ macinata episcopatus, vavas-
sores et comunitas Tridenti^ als politisch tätig nebeneinander
aufgezählt. Das ist die Anordnung des Adels, welche italieni-
sche Quellen, vor allem die Quellen des langobardischen Lehen-
rechts kennen.^ Die capitanei sind die freien Adeligen, die
sonst als vassalli oder liberi nobiles et gentiles bezeichnet wer-
den. Am schärfsten werden die freien Adeligen den unfreien
^ Landständ. Yerfusangsgesch. 1, 460 f.
» Gesch. Tirols 1, 266; Die Tiroler und Vorarlberger 96.
' Äusserer, Der Adel des Nonsberges 22 und zuletzt Zeitschr. des Ferd.
in, 49, 475.
* Kink, Fontes H, 6, Nr. 86.
* Vig. Zanolini, Programm des bischöfl. Gymnasiums Trient 1902, 39.
« Savigny, Gesch. des röm. Rechtes 8, 92; Schröder, Rechtsgesch.* 400.
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411
gegenübergestellt in der Urkunde von 1231, in welcher Graf
Ulrich von Ulten dem Bistum Trient alle seine Besitzungen
und Rechte im Bistum verkauft.^ Wir müssen bei dieser öfter
verwerteten Urkunde etwas verweilen. Hier werden drei Klas-
sen von Leuten unterschieden, an denen dem Qrafen Rechte
zustanden: die nobiles de nobili macinata, die homines alterius
condicionis macinate, quam ministerarii und endlich die vassalli
de allodio. Fassen wir die letzten zuerst ins Auge, so finden
wir unter ihnen die Suppane, die Taranten, die Maiser, die
Lana, Firmian, Weineck, Valwenstein, Giovo, Castelbarco,
Leute teils freien^ teils unfreien Standes. Zu den edlen Freien
zählen unstreitig die Castelbarker, andere wie die Suppane,
Taranten, Maiser usw. sind Ministerialen der Grafen von Tirol,
die Firmian, Weinecker des Bistums von Trient. Dem Grafen
von Ulten gegenüber stehen alle im Verhältnisse der Vasallität,
sie sind seine Vasallen, teils edle Freie, teils Ministerialen an-
derer Herren. Die erstgenannten nobiles de nobili macinata
oder ministerarii sind die Ministerialen des Grafen. Schon der
erste unter ihnen ist ein Seneschalk, also einem Hausamte zu-
geteilt. Und wenn in der Folge öfter erwähnt vrird, daß Söhne
von einzelnen zur Hälfte oder zu einem anderen Bruchteile
anderen Herren gehören, so folgt daraus, daß der Rest dem
Grafen von Ulten zusteht. Die alterius condicionis macinate
sind nicht adelige Unfreie, wie man wohl gemeint hat, sondern
unfreie Bauern. Schon der erste unter ihnen ist ein massarius,
ein Schaffer oder Meier; unfreie Bauern sind also auch Vbertin
und Ottonellus und die übrigen hier aufgezählten von Thun.
Sie haben mit der adeligen Familie Thun, soviel wir wissen,
nichts zu schaffen.
Freilich werden wir deswegen den Thun noch keineswegs
ireien Ursprung zuschreiben dürfen. Denn die Zahl der
freien edlen Familien ist im 12. und 13. Jahrhundert eine
geringe. Die Wangen, die Enn, die Herren von Salurn,
Brenta, die Castelbarker zählen zu diesen edlen Familien. Aber
selbst Geschlechter, die schon im 13. Jahrhundert eine so maß-
gebende Rolle spielten und solche Bedeutung gewannen wie die
Arco, sind unfreien Ursprungs, bischöfliche Ministerialen ge-
wesen, oder wenigstens durch die Unfreiheit durchgeschritten.
* Hormayr, Beitr. 2, 168 (allerdings ungenügend).
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412
trotz aller Ansprüche auf eine freie Stellung^ die sie früh
schon erhoben. Eine Urkunde von 1186 zwar berichtet, daß
Friedrich und Odalrich von Arco dem Bischof Albert Hulde
leisteten nobiliter et libere.^ In der Folge aber, im Jahre 1198,
ist die Freiheit der Arco bestritten gewesen, der Verfasser der
Urkunde über die Belehnung von 1198 bemerkt ausdrücklich,
daß dabei die Standesfrage nicht erwähnt worden sei.* In der
Folge müssen die Arco alle instrumenta libertatis herausgeben,
die null und nichtig sein sollen,' und Adalpert von Arco schwört
1216 dem Bischof Friedrich den Treueid als homo de nobili
macinata.^ Daß die Leute de nobili macinata unfrei sind,
ergeben die Urkunden zur Genüge. Graf Ulrich von
Eppan schenkt 1224 eine Sophie, Tochter des Swicker von
Eppan, dem Hochstift Trient, damit sie den Friedrich von Fir-
mian gentilis macinate sancti Vigilii heiraten kann. Die Kin-
der der Ehe sollen gemeinsam sein oder, wenn der Bischof
will, geteilt werden.^ Später, im Jahre 1234, wird unterschie-
den zwischen Leuten, die pro gentili macinata und anderen,
die pro libero belehnt sind.^ Ein andermal wird 1214 ein Un-
freier de macinata freigelassen zu einem Manne de gentili ma-
cinata.'^ Er sollte ad manus et servitium des Bistums bleiben:
per macinatam. Natürlich ist die Unfreiheit dieser Leute keine
drückende, besonders, wenn ihnen das häufig erteilte Privileg
verliehen wird, nie vom Bistum veräußert zu werden. Dann
mochten sie bereits im Laufe des 13. Jahrhunderts eine Stel-
lung erreicht haben, die jener der freien Untertanen und Va-
sallen des Bistums in nichts nachstand. Andere sind ireilich
noch in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts veräußert
worden.® Die ritterlichen Unfreien standen überwiegend im
Eigentum des Gotteshauses, waren Ministerialen der Kirche.
Doch auch Grafen und edle Freie, ja auch Ministerialen be-
sitzen Unfreie ritterlichen Standes. Die ritterlichen Unfreien
» Auszug Bonelli 2, 89. " Vgl. oben S. 408 n. 5.
■ Kink, Fontes n, 5, Nr. 88.
* a. a. O. Nr. 117; ebenso die Herren Friedrieb und Riprand von Arco
1233 als bomines casedei und de nobili macinata, a. a. O. Nr. 162.
» Bonelli 3, 342.
• "Wien St-A. Liber inrium vallis Lagari f. 2\
^ Rapp, Beitrüge usw. 3, 99.
« 1265 Dezember 1, Wien St.-A. (Dominez 461).
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413
des Grafen Ulrich von Ulten nennt die angeführte Urkunde
von 1231. Zahlreich sind die Ministerialen der Grafen von
Tirol gewesen; Eppaner Ministerialen werden öfter genannt;^
die Herren von Castelbarco, von Enn besitzen solche Leute,*
aber auch die Herren von Arco, die selber unfreien Stan-
des sind.'
Fragen wir nun, welche von diesen Klassen der Gerichts-
barkeit des Grund- und Leibherrn unterstanden, so müssen wir
die bänerlichen und die ritterlichen unterscheiden. Darüber,
daß die unfreien Bauern der Gerichtsbarkeit ihrer Leib-
herren unterstanden, lassen die schon oben angeführten Aussagen
der Quellen* keinen Zweifel. Es fragt sich nur, ob sie allein
unter den homines zu verstehen sind, von welchen die Quellen
reden, ob also das leibherrliche Verhältnis allein die Gerichts-
barkeit begründet oder, ob auch andere Entstehungsgründe für
diese Gerichtsbarkeit vorhanden sind. Schon nach den oben
mitgeteilten Stellen — es sei nur verwiesen auf die Aussagen
über den Gerichtsstand des Johannes Piolus — kann kein Zwei-
fel bestehen, daß auch freie Rimannen in einem Verhält-
nisse zu ritterlichen Freien und Unfreien oder zu einem
Gotteshause stehen können, welches sie der Gerichtsbar-
keit ihrer Herren unterordnet. Die Verzeichnisse von
homines des Bistums, des Kapitels, einzelner Großer wie der
Herren von Arco zählen neben den servi oder famuli auch Ari-
mannen auf. Es ist die arimannia, die Freisteuer, welche diese
Einreihung veranlaßt hat. Schon in der fränkischen Zeit haben
die Könige einzelne Untertanen mit ihren öffentlich rechtlichen
Leistungen an Private gewiesen.^ Wie schon damals diese Zu-
weisung ein Abhängigkeitsverhältnis begründete, so auch in der
Folge. Denn die Veräußerungen schritten fort. Vergeblich
suchte das Reich dagegen Stellung zu nehmen, wenn z. B.
1 E. B. BonelU 3, 342 (1224).
' Urkunde 1190 April 19, Gonradin von Auer de masnada fiUorum Enrici
de Engna läßt dem Bischof Konrad ein Lehen auf, Kink, Fontes II,
5, 38.
^ Urkunde 1253 März 11, Innsbruck, Parteibriefe. Unter den Eigenleuten
des Riprand Ton Arco, an denen Ezelin von Romano Besitz eingewiesen
wird, auch d. Bertoldus de Terlago.
* Vgl. oben S. 402 f.
* Waitz, Deutsche Verfassungsgesch. 2, I, 250.
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414
König Koorad IV. verbot, im Bistum Feltre Rimannenland zu
kaufen oder mit Gewalt wegzunehmen, damit der Bischof die
Arimannia nicht verliere,^ oder Friedrich I. die Arimannia als
Regal erklärt. Auch in Trient sind Veräußerungen von Ari-
mannien vorgekommen; so wird 1182 eine solche verpfÄndet;*
häufig erscheinen sie als Lehensobjekte.' Ja noch 1307 wird
eine Belehnung mit einer Arimannia, die Ulrich von Matsch
als Hauptmann der Herzoge von Kärnten vorgenommen hat,
ebenso wie der Verkauf einer Arimannia bestätigt.* Oder sie
werden einem Beamten zugewiesen, der sich aus ihren Leistun-
gen für die Mühen des Amtes bezahlt machen soll.^ Auch
hier blieb die Abhängigkeit nicht aus. Sie war eine solche,
daß die Lage dieser Leute den Unfreien ziemlich nahestand.
Daher werden die Arimannen, die von Haus aus Freie waren,
freigelassen.^ Freilich waren nicht alle, die Arimannia zahlten,
freien Ursprungs. Man denke an die Fleimser Privilegien, in
denen alle Abgaben für Geistliche und Weltliche, Freie und
Unfreie auf Arimannien reduziert wurden. Aber das war Aus-
nahme, eine Menge Freier ist sicher durch Zuweisung ihrer
Arimannia an einen Großen in eine Art von Abhängigkeit ge-
raten. Der Herr des Arimannen gewinnt dann, als die Ari-
mannien auf Grund und Boden gelegt werden, eine Gewere am
Grundstück, erscheint als sein ObereigenttLmer und erwirbt
Gerichtsbarkeit über den Arimannen, der wie ein Zensuale oder
vogtbarer Mann betrachtet wird. Es sei nur nochmals ver-
wiesen auf die interessanten Aussagen über den Gerichtsstand
des Johannes Piolus. Er war Rimanne des Roland von Povo:
cum placito, banno et districtu, steht unter dessen Twing und
Bann. Mit den anderen Lehen fällt auch er nach dem Tode
^ Stumpf 8436.
* Bonelli 2, 84, Urkunde, Innsbruck St-A. C. 2, Nr. 10.
^ Urkunde 1216 August 1, Innsbruck St.-A. G. 63, Nr. 12; Montebello,
Notizie 21 (1242); Urkunde 1264 Oktober 3, Wien St-A. (Dominez
444) usw.
* Innsbruck St-A. C. 22, Nr. 4 f. 27 und 29.
» Kink, Fontes II, 6, Nr. 28 (1188).
* Bischof Bartholomäus bestätigt 1307 März 27 die manumissio eines Ari-
mannen cum tota possessione proprietate ficto et redditu, welche 1290
erfolgt war, ebenso am 16. März die Freilassung eines Arimannen von
1266 August 30 usw., Innsbruck St-A. 0. 22, Nr. 4, f. 22, f. 88; andere
ähnliche ebendort f. 24 und f. 27.
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415
des Roland dem Bistum heim. Als er aber die halbe Rimannia
kauft, die dem Ezelin von Enn gehört^ beanspracht dieser Twing
and Bann über ihn. Diese Gerichtsbarkeit ist anzweifelhaft auf
das Grondstück gegründet. Wer es erwirbt, unterliegt dem
Gerichte des Grundherrn. Interessante Aufschlüsse über die
Rimannen gewährt ein Zeugenverhör von 1313* über die Ge-
richtsbarkeit, welche die Herren von Enn als Vorgänger der
Tiroler Grafen in Fleims übten. Das Gericht Fleims war aller-
dings zeitweise im 13. Jahrhundert an die Herren von Enn
verpftndet,^ wurde indes bald zurückgelöst und kam mit dem
übrigen Bistum in tirolische Verwaltung. In unserem Verhöre
wird genau geschieden die Zeit^ in der der Gastalde des Herrn
Ezelin von Egna in Cavalese Gericht hielte von jener, in der
das Gericht Fleims unter tirolischer Verwaltung stand, und der
tirolische Hauptmann von Castello die placita christianitatis, die
echten Dinge^ in Fleims abhielt. Aber auch in dieser Zeit
übten die Herren von Enn Gerichtsbarkeit, und zwar nicht
nur die zivile, auch die kriminale, über ihre ,vasalli, rimani et
fictalini^, wie die Urkunde sagt, in Moena, Forno, Predazzo,
Tesero und Cavalese, und wo sie immer saßen. Erst nach Ab-
gang des Ezelin fiel diese Gerichtsbarkeit an die Grafen von
Tirol, die sie nebst allen anderen Besitzungen der Enn von
seinen Erben kauften.' Wir werden auf die späteren Schick-
sale dieser Gerichtsbarkeit noch zurückkommen. Wenn dar-
nach den Herren von Enn das merum et mixtum imperium
über ihre Rimannen zustand, so werden wir darin wohl eine
Ausnahme sehen müssen. Es mag hier eine Exemtion zugun-
sten dieser Familie vorliegen, die besonders verliehen war; denn
im übrigen ist im 13. Jahrhundert nur von der bürgerlichen
Gerichtsbarkeit der Leib- und Grundherren die Rede.
Um unfreie Hintersassen mag es sich handeln, wenn 1225
Bischof Gerard den Adalbert von Wangen mit einem Hofe zu
Tramin, den Nikolaus bebaut, und mit diesem Nikolaus selber
belehnt.^ Kaum dasselbe ist anzunehmen, wenn Bischof Egno
1266 dem Heinrich von Greifenstein ein Haus in Bozen ver-
' Raitbuch, München St-A. 1, f. 31.
* 1266 Chmel, Fontes U, 1, Nr. 74, zurückgelöst 1269, Hormayr, Gesch.
Tirols 1, n, Nr. 199.
■ Ladurner, Zeitschr. des Perd. HI, Bd. 13, 113 und 114.
^ Urkunde 1225 November 23, Wien St-A. (Dominez 264 unToUständig).
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416
leiht and ihn mit dem bannam civile habitatoris dicte domus
belehnt.^ Hier bedurfte es freilich einer besonderen Verleihung,
denn ein freies Leiheverhältnis^ und das lag bei einer städti-
schen Leihe vor, ließ die Freiheit und den Qerichtsstand des
Beliehenen ungekrftnkt.
Aber auch unfreie Leihen sind vorgekommen, Leihen,
die den Beliehenen dem Twing und Banne des Grundherrn
unterstellten.^ Es ist bezeichnend, daß solche Leihen gerade
aus jenen Teilen des Bistums vorliegen, wo die Hofverfassung
sich am zähesten erhalten hat, aus dem Nons- und Sulzberg.
So verleiht Bischof Adalpert (1184 — 1188) in einer undatierten
Urkunde zweien Brüdern Grundstücke in Bozzana, so daß sie
und ihre Erben: semper subditi sint curie Vulsane, gegen einen
jährlichen Zins pro famulatu.' Indem der Bischof verzichtet,
sie zu veräußern und anderen zu verleihen, sind sie immer an
den Hof von Ossana gebunden.* Wir hören freilich nicht mehr
viel von solchen unfreien Leihen, denn die freie Erbleihe ist
in raschem und siegreichem Vordringen begriJOTen.
Auch freie Leute unterstellen sich der Gerichts-
barkeit eines Herrn, zu dem sie in ein Mundverhältnis
treten, ohne daß von einer Leihe die Rede wäre. Die Urkun-
den bezeichnen dieses Verhältnis mit commendatio oder com-
mendaria.^ So wurde es den Untertanen des Trienter Dom-
kapitels in Sover verboten, sich einem Ritter oder Herrn zu
kommendieren.® Was darunter zu verstehen sei, lernen wir
aus einer Urkunde von 1249 kennen, wo ein Mann sich und
seine Güter dem Nikolaus von Brenta aufläßt und verspricht:
facere coram eo rationem et petere rationem tamquam homo
liber dicti domini.'' So hat also die alte Kommendation noch
^ Urkunde 1266 Dezember 7, Wien St.-A. (Dominez 396).
• Vgl. Wopfner, Freie und unfreie Leihen im späteren Mittelalter, 8e-
paratabdr. aus Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgescb. 3, 5 f.
gegen Seeliger, der die Scheidung von freien und unfreien Leihen ver-
wirft. Vgl. auch Rietschel, Mitteil. d. Inst. 27, 391 f.
3 Kink, Fontes H, 6, Nr. 247.
* Ähnlicher Fall wohl auch a. a. O. Nr. 95. Die Leute, die frtther frei-
lich in ähnlichem Verhältnisse zum Hofe von Livo standen, werden in
Nr. 247 an den von Ossana geknüpft.
» Kink, Fontes O, ö, Nr. 96, 246, 247.
« Beilage 14.
' Urkunde 1249 April 23, Innsbruck St.-A., Farteibriefe.
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417
fortbestanden, es haben sich Freie einem Herrn ergeben, sich
seiner Gerichtsbarkeit unterstellt, ohne ihren freien Stand im
übrigen aufzugeben. In unserem Falle tritt nun freilich zur
Eommendation sofort ein Lehensverhältnis, so daß nicht ersicht-
lich ist, ob die Kommendation als solche mit Eid und Hulde
verbunden war. Wenn wir aber hören, daß die Leute des
Domkapitels von Verona in Judikarien, die doch ausdrücklich
als Freie bezeichnet werden, daß die Leute des Kapitels von
Trient in Sover, die sich der Freizügigkeit erfreuen, daß um
1250 in Pergine und Eppan einige Leute als liberi vassalli den
Eid leisten, so hat man wohl das zweite anzunehmen. Auch
der Bischof besitzt solche Vasallen, die den homines de familia
gleich zu einem Hofe gehören, nicht veräußert werden sollen
und versprechen, sich nicht aus dem Bistum wegzubegeben,
nicht wegzuheiraten.^ Leute in dieser Rechtslage haben wir
wohl unter den Vogtleuten, homines advocatales zu verstehen,
welche eine Urkunde von 1313 neben Freien und Unfreien als
Hintersassen der Herren von Schönna im Bistum Trient nennt.*
Fassen wir das Gesagte zusammen, so sehen wir, wie sich
die homines bäuerlichen Standes, die der Gerichtsbar-
keit ihres Leib- und Grundherrn unterstehen, aus ver-
schiedenen Klassen zusammensetzen. Wir trafen zunächst
die Eigenleute, dann Freie, die durch Eingehung einer un-
freien Leihe unter das Hofrecht kommen und unfrei werden;
Freie, die sich unter die Mund eines Ritterlichen be-
geben, sich seiner Gerichtsbarkeit unterwerfen, aber ihre Frei-
heit bewahren, endlich Arimannen, die mit ihren Leistun-
gen einem Herrn zugewiesen sind und damit mit ihrer
Person, aber auch mit ihrem Gute unter die Gerichtsbarkeit
ihres Herrn geraten oder auf einer Arimannia sitzen, ja selbst
einzelne, die in freier Erbleihe angesiedelt sind. Es sind, wenn
wir von den weniger beachteten Arimannen absehen, jene
1 z. B. Handschr. Innsbruck St.-A. G. 9, Nr. 131 von 1281 Mai 29: Qua-
temus fictorum et redditxim et possessioniim et hominnm de familia
et vasalomm episcopatus Tridenti im Nons- und Sulzberg werden über-
all hominea de casadei und vasalli unterschieden, die zu einem Hofe
gehören; z. B. homines de familia et vasalli de Me^na, qui pertinent
casedei; Kink, Fontes TL, 6, Nr. 133.
' Urkunde 1313 November 6: omnes homines .... sive liberi sive pro-
prii sive advocatales residentes in bonis ipsorum. Wien St.-A.
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418
Klassen, die nach der bestehenden herrsehenden Ansicht unter
das Hofrecht fallen. Persönliche Abhängigkeit sowohl als ding-
liche kann Twing und Bann des Feudalherrn begründen.
Wenden wir uns nun den adeligen Kreisen und ihrer
Stellung zum Hofrechte zu; gerade aus ihrer Rechtslage
werden wir auch das Wesen des Hofrechtes näher erkennen.
Die Lage der adeligen Unfreien ist nicht für alle die gleiche.
Wir werden zwischen den Qotteshausleuten und den un-
freien Rittern, die im Besitze eines anderen Adeligen
stehen, scheiden müssen. Die Gotteshausleute haben gleich
den freien Edlen ihren Gerichtsstand vor dem Bischöfe oder
seinem Vizedom, Assessor oder Vikar, nicht aber wie die bäuer-
liche Bevölkerung vor dem Gastalden oder Hauptmann. Die
Zeugnisse dafür sind ungemein häufig, besonders in den Ur-
kunden, welche die Erhebung eines bäuerlichen Mannes in den
Adelsstand bezeugen, Erhebungen, die recht häufig vorgekom-
men sind. Es ist schon oben wiederholt darauf hingewiesen
worden. Immer wird verfügt, daß solche Leute von nun an:
non debent facere racionem sub aliquo gastaldioni, nisi coram
episcopo;^ neben dem Gastalden werden auch die anderen Mi-
nisterialen und namentlich der caniparius und scarius ausge-
schlossen.^ Nicht selten wird der Bischof als der ordentliche
Richter für den Adel dtirch den Zusatz bezeichnet: sicut alii
gentiles vasalli faciunt.^ Ja dieser Gerichtsstand gilt geradezu
als Kennzeichen für den Ritterlichen^ wie bereits oben dargetan
wurde.*
Nicht so die unfreien Ritter anderer Herren. Sie ver-
mochten nicht wie die österreichischen Milites auch nur teil-
weise den Gerichtsstand vor dem Bischöfe zu erlangen. Die
Herren von Castelbarco erhoben ebenfalls 1246 Bauern, und
zwar Rimannen, also Freie in den Ritterstand; aber diese: sem-
1 Urkunde 1206 Mära 6, Wien St.-A. (Dominez 68 ungenau); Kink, Fon-
tes U, 6, Nr. 95.
• Kink, a. a. O. Nr. 95; Urkunde 1216 Juli 12, Wien St-A. (Domines 179).
» Urkunde 1217 April 26, Wien St.-A.; ähnlich Urkunde 1208 April 80,
Innsbruck St.-A. C. 60, Nr. 2; Bonelli 2, Nr. 79 (1283) usw. Neben dem
Bischöfe wird häufig der Vizedom genannt, namentlich im Nons- und
Sulzberg, vgl. oben S. 868 ; in späteren Urkunden der Assessor, z. B.
1263 Mai 4, Bonelli 2, 152.
* Vgl. oben S. 383 f.
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419
per facere dobeant racionem libere coram dictis dominis.^ Blie-
ben diese freien Vasallen der Gerichtsbarkeit ihres Herrn unter-
worfen, nmsomehr gewiß die unfreien. Auch Graf Ulrich von
Eppan behält sich die Gerichtsbarkeit über Eigenleute vor, die
er zu Vasallen erhoben, also in den ritterlichen Stand aufge-
nommen hat.* Sollen sie unter die Gerichtsbarkeit des Bistums
gelangen, so müssen solche Leute noch besonders dem Bischöfe
aufgelassen werden. So überläßt Nikolaus von Beseno dem
Podestk Sodegher das vasalaticum (Lebensverhältnis) einer
Anzahl genannter Vasallen : cum omni districtu et iurisdiccione
personamm und alles Recht an Twing und Bann, das ihm zu-
stand, derart, daß sie damit belehnt sein sollen und Recht
geben: sub rectore Tridenti et non sub aliis personis, dem sie
als Freie (libere persone) unveräußerlich untergeben sind.' Wohl
werden auch solche Ritterliche dem Gerichte ihres Herrn und
nicht dem eines Gastalden oder Meiers, wenn der Herr einen
solchen hatte, unterstellt gewesen sein.^
Sicher ergibt sich somit das eine: der Bauer, gleichviel
ob frei (Rimanne) oder unfrei, der in den ritterlichen Stand
eintritt, tauscht seinen Gerichtsstand, gibt sein Hof-
gericht auf, um das Gericht seines Herrn zu gewinnen. Suchen
wir eine Erklärung dieser Erscheinung, so ist früher auf den
Burgbann hingewiesen worden, dem der Adelige nicht, wohl aber
der Bauer unterstand.^ Jedoch nicht nur diese Leistung, eine
Anzahl verwandter werden dem Ritterlichen erlassen, die auf
dem Bauern ruhen und den Bauern mit dem Gastalden in enge
Beziehung bringen. Es sind zum großen Teile Leistungen
öffentlich rechtlichen Ursprungs; sie werden bei Erhebung in
den ritterlichen Stand alle samt und sonders nachgelassen. Die
Erhebung erfolgt nämlich in der Weise, daß dem bisherigen
Urkunde 1246 Jänner 29, Wien St.-A. (Dominez 339 unrichtig).
Urkunde 1220 August 29, Innsbruck St.-A.
Urkunde 1262 Februar 18, Wien St.-A. (Dominez 872 mit unrichtigem
Datum).
So war es auch im Pustertale. Als im Jahre 1306 März 2, Orig. Wien
St-A., Ulrich von Taufers mit seinem Ohm Hugo teilt, wird bestimmt,
dafi ietweder richten und richter haben (solle) über sein guet und leute,
und swaz gegen edelen leuten und umb pluet ze richten waere, daz
schol der eltiste richten.
' Vgl. die erste Arbeit dieses Bandes, 33.
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420
Bauern diese Leistungen zu Lehen gegeben und damit nachge-
sehen werden. Für dieses Lehen wird der neue Adelige Va-
sall seines Herrn und leistet ihm den Treueid, untersteht damit
dem Dienst- und Lehensgericht des Herrn. Die nachgelassenen
Leistungen werden mehr oder minder voUzählig in den Ur-
kunden angegeben. Immer erscheint das bannum persone und
districtus, Twing und Bann. Zu ihnen treten dann colta, pla-
citum, fodrum seu daderia, arimannia, albergaria usw. Die
zweite Gruppe können wir als Steuern und andere ihnen ver-
wandte öffentliche Leistungen bezeichnen. Wenn Bittner für
das Erzstifb Salzburg aus späterer Zeit nachgewiesen hat,^ daß
die Steuer in die Hände der Grundherren gekommen ist, so ist
ähnliches schon sehr früh, offenbar durch Überweisung der
Steuer in Südtirol der Fall gewesen. Wir haben bereits die
Steuern kennen gelernt, welche die Domkapitel von Verona
und Trient aus ihren Grundherrschaften bezogen.* Uns inter-
essieren hier diese Steuern nicht näher, wir wenden uns dem
bannum persone und districtus, Twing und Bann zu, die mit
der Gerichtsbarkeit im Zusammenhange stehen. Vielleicht ver-
mögen gerade unsere Nachrichten die Bedeutung von Twing
und Bann und ihren Ursprung in etwas aufzuklären.
Die Urkunden ergeben, daß dieser Bann mit dem Pro-
zesse im Zusammenhange steht. Schon die älteste noch
dem 12. Jahrhundert angehörige Aufzeichnung über eine solche
Belehnung läßt daran keinen Zweifel. Hier wird bestimmt: si
de banno cadiderint, cum una manu debent dare wadiam et
cum alia sua manu habere finem excepto de incendio et homi-
cidio et tradimento.' Spätere Nachrichten bieten Erklärung
und Ergänzung. So werden 1209 ein Mann und seine Erben
mit ihrer Dienstpflicht, die in der Herrichtung des Daches der
Domkirche besteht: et de banno suarum personarum exceptis
* Archiv für östenr. Gesch. 92, 636 f.
• Aber auch hier ist die ordentliche Steuer öffentlich rechtlichen Ursprungs
und hing mit der Gerichtshoheit zusammen. Die außerordentliche Steuer
bezieht der Bischof nicht nur von seinen Leuten, sondern auch den
Eigenleuten der Edlen; Bischof Bartholomäus schreibt eine generalis col-
lecta von 40 Schilling für den Feuerherd aus: tarn a subditis suis, quam
hominibus nobilium episcopatus, 1307 März 81, Innsbruck St.-A. C. 22,
Nr. 4, f. 36^
■ Bonelli 2, 394.
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421
bannis de maleficiis belehnt.^ Eine spätere Urkunde von 1229
fägt zum Vorbehalte des bannnm maleficii noch hinzu: quod
nulli indulgetur.* Aus diesen Angaben, die oft wiederholt wer-
den^ ergibt sich; daß der Bann, von dem die Urkunden spre-
eben, ein Bann ist, der im Prozesse verhängt und gezahlt wird^
und zwar nicht im Kriminalverfahren , sondern in Rechtsstrei-
ten um bürgerliche Sachen, wohl auch um Frevel. Auf diesen
prozessualen Charakter weist die Angabe in einer Belehnungs-
Urkunde von 1213, in der ein Vasall des Domkapitels von Ve-
rona als sein Lehen angibt: bannum questionis, si reclamacio
videlicet in curia canonicorum de eo facta fuerit.^ Aus dem
Weistum von 1238* erfahren wir, daß dieser Bann für die Im-
munitätsleute von Verona 5 Schilling beträgt. Der gleiche Be-
trag wird von den Leuten von Sover geschuldet,^ und die 5 Schil-
ling werden auch sonst im Bistum Trient erwähnt, indem sie
als Höchstgrenze des erlassenen Bannes angegeben werden.
So wird 1217 erlassen der Bann: usque in V solides et de V so-
lidis infra et preter de maleficiis.^ Aus dem Weistum von
Sover ergibt sich klar die Natur des Bannes: cum lis fuerit con-
testata, müssen die 5 Schilling gezahlt werden durch den: qui
fuerit reus; bei Klagen um iniuria aber wird die Höhe des
Bannes in das Belieben des Kapitels gestellt. Der Bann ist
also jene Abgabe, die an den Richter durch die unterlie-
gende Partei gezahlt werden muß, nicht eine Bannbuße im
technischen Sinne des Wortes, nicht die Buße, die auf Ver-
letzung eines richterlichen Gebotes gesetzt wird, sondern das
alte Fred US, das Gewette, das in Kriminalsachen mit dem
alten Bußensystem zu den Bannbußen verwachsen war, im
Verfahren um Schuld und Frevel sich hier im Land- und
Hofgerichte gehalten hat, im bischöflichen verschwunden war.
Wohl möglich, daß auch die Bannbußen, die gegen den im Pro-
zesse ungehorsamen Teil verhängt wurden, damit verschmolzen
sind.' Ob diese Bedeutung von Bann nur eine singulare war,
* Urkunde 1209 August 12, Wien St.-A. pominezSS); ähnlich 1216 Juli
12, ebendort (Dominez 181); 1217 April 26, ebendort u«w.
" Urkunde 1229 Oktober 8, Wien St.-A. (Dominez 270).
» Urkunde 1213 Juni 3, Verona K.-A. BC. 82 m. 6, n« 6.
* Beilage 11. « Beilage 14.
* Urkunde 1217 September 14, Innsbruck St.-A., Pestarchiv; ähnlich 1230
November 2, Innsbruck St.-A. C. 62, Nr. 11.
' Vgl. Pertile*, 6, II, 47; Ficker, Forschungen 3, 383.
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422
oder^ ob es allgemein so zu verstehen ist, wenn der Herrschaft
Twing und Bann zugeschrieben werden, bedürfte freilich noch
der Untersuchung; doch ist die Sache nicht unwahrscheinlich,
denn sehr lebhaft erinnern die Dinge in Südtirol an die Ver-
hältnisse, wie sie uns in den habsburgischen Urbaren der Schweiz
entgegentreten, Verhältnisse, die schon Wyß vor 50 Jahren be-
sprochen und auf die Stutz neuerdings wieder hingewiesen hat;
hier wie dort die Gerichtsbarkeit über unfreie und freie Leute,
ursprünglich auf dem Grund- und sagen wir auch Leibeigentum
ruhend, später auch über Freie und Hörige anderer Herren in
vielfach geschlossenen Distrikten ausgedehnt. Dem deutschen
Twing entspricht das lateinische Discrictus unserer Urkun-
den. Schon im Worte liegt das Zwingende, das Recht, Gebote
und Verbote zu erlassen und unter eine Bannbuße zu stellen.^
Wie das gemeint ist, ergeben ebenfalls unsere Urkunden. Ea
sei nur erinnert, wie der Erzpriester von Verona Bannsätze
feststellt, der Domdekan von Trient den Leuten von Sover ver-
bietet, fremde Frauen zur Ehe zu nehmen und sich einem
Ritter zu kommandieren.^ Wirtschaftlichen Ursprungs sind diese
Banngewalten kaum gewesen, wie Wyß und Stutz meinen,' mit
der Flurgerichtsbarkeit und dem Flurzwang haben sie wenigstens
in Südtirol nichts zu tun,^ sie gehören dem Gebiete der niede-
ren Gerichtsbarkeit an, haben sich in den Hofgerichten in Nach-
ahmung der öffentlichen Gerichtsverfassung ausgebildet, sind
auch wohl den Grundbesitzern ausdrücklich verliehen worden.
Twing und Bann sind jedenfalls öffentlich rechtlichen
Ursprungs, haben sich im Landgerichte gehalten, und im
Hofgerichte in Analogie zur öffentlichen Bann- und Ge-
richtsgewalt ausgebildet. Sie sind also nicht eigentlich
Recht des grund- und leibherrlichen Richters allein, sie stehen
auch dem öffentlichen Landrichter zu, sofern er die niedere
Gerichtsbarkeit nicht verloren hat.
^ Vgl. auch Ulrich Stutz, Zeitschr. d. Sav.-Stiftung für Rechtsgesch. Germ.
Abt. 25, 207 f.; Habsburg. Urbar (Quellen zur Schweizer Gesch. 15, II), 547 f.
* Beilage 8 und 14.
* Wyß, in Abhandlungen zur Gesch. des schweizerischen öffentl. Rechtes
53 und 812 und Stutz, Zeitschr. der Sav.-Ges. fUr Rechtsgesch. 25,
Germ. Abt. 208.
* Die Flurgerichtsbarkeit, die in den Regula ausgeübt wird, ist aUerdings
auch vielfach feudalisiert worden, fäUt aber nur ausnahmsweise und
dann zufällig mit Twing und Bann zusammen.
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423
Kein Zweifel, daß die Belehnung der Eigenlente mit
Twing und Bann, also der Erlaß dieser Rechte in den rit-
terlichen Stand erhebt. Die also Bevorzugten sind, wie die
Urkunden sagen^ nunmehr liberi et gentiles yassalli, freie Edle
geworden, und das besonders, wenn Rimannen mit Twing und
Bann belehnt werden, oder sie treten in die gentiles macinata
ein. Diese so häufigen Erhebungen bezwecken, den kriegeri-
schen Adel zu vermehren und zugleich sich Geld zu verschaffen;
denn der Erlaß von Twing und Bann mußte abgekauft werden.
So wird einmal bestimmt, daß der neue Vasall aufgerufen: cum
equo cum domino episcopo equitare debet, ein andermal^ daß
er einen Beitrag zum Römerzug zu leisten hat.^ Häufig wird
die Ablösungssumme genannt,' oder es wird auch statt der
nachgelassenen Giebigkeiten und Leistungen eine ewige Rente
bestellt.' Die starke Beteiligung der Bischöfe an der Reichs-
politik von der Mitte des 12. bis in die Mitte des 13. Jahrhun-
derts mochte es erwünscht erscheinen lassen, das kriegerische
Gefolge des Bischofs, aber auch zugleich die finanziellen Hilfs-
kräfte zu vermehren. Solche Erhebungen sind nicht auf Süd-
tirol beschränkt geblieben, mögen sie auch anderwärts nicht
immer beurkundet worden sein. Das starke Anwachsen be-
sonders des niedersten ritterlichen Adels, der milites, macht
das ohnehin schon zweifellos. Indes sind uns ähnliche Fälle
doch auch anderwärts überliefert, wie in Brixen und Chur; es
sei hier nur hingewiesen auf einen solchen in Qurk, der in
ähnlicher Weise durch Belehnung mit den Diensten erfolgt.*
Sie sind in Trient auch noch später vorgekommen, jetzt in Ver-
bindung mit einer Wappenverleihung, und gehen somit in regel-
rechte Adelsbriefe über.^ Aus diesen kleinen Adeligen, die
1 z. B. Kink, Fontes II, 6, Nr. 92 oder 1246 Jäuuer 29, Wien St.-A. Die
Herren von Gastelbarco erlassen Bimannen fictum, bannum, coltam, ser-
▼icia, die sie von einer arimannia zu leisten hatten, und belehnen sie
damit als freie Vasallen (gentiliter) ; sie sollen Recht geben vor den
Gastelbarco: libere .... sine omni banno, und: si contigerit, qnod rex
iret ad coronam recipiendam et dicti domini cum rege irent, quod ra>
cione ostatici nee occasione dicti itineris ad (sie!) dictis firatribus ....
ultra quinque solides .... petere [non] posint.
' So schon Bonelli 2, 894. » Hormayr, Gesch.; Tirols 1, II, Nr. 40.
^ Jacksch, Monumenta ducatus Carinthiae 2, Nr. 554.
* Die ältesten Adelsbriefe aus Südtirol stammen von Bischof Georg II.,
Hack 1447 Oktober 20, Innsbruck St.-A. C. 22, Nr. 6, f. 128— 129: in
▲rehir. 94. Band, U. Hilfte. 29
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424
Freiheit von Steuer und Wachtdienst beanspruchen, im übri-
gen aber ihrem bäuerlichen Berufe nachgehen, sich im Nons-
berg und in Judikarien zu Korporationen zusammenschließen und
Bestätigungen ihrer Freiheiten erhalten, erwuchs in der Folge
der Bauernadel, die nobili rurali, auf deren Verhältnisse zuletzt
Äusserer aufmerksam gemacht hat.^
Noch gilt es, die weiteren Schicksale der grund- und leib-
herrlichen Gerichtsbarkeit zu verfolgen, soweit diese sich auf
Grund des nui' zum Teile durchforschten Materials zeichnen
lassen. Soviel ist erkenntlich^ daß mit dem 13. Jahrhunderte
ein Wendepunkt eintritt. Vielleicht war die Wendung schon
früher angebahnt, wenigstens im bischöflichen Gebiete. Dort,
wo die Gastalden die öffentliche Gerichtsbarkeit erlangten, ver-
schwand eine gesonderte Gerichtsbarkeit für die Gotteshaus-
leute. Der Sieg der freien Leihe bedeutete auch hier wie in
Deutsch tirol* ein Zurückdrängen des Hofrechtes.
Über bischöflichen Boden und über bischöfliche
Eigenleute läßt sich seit dem 14. Jahrhundert keine be-
sondere grund- oder leibherrliche bischöfliche Gerichts-
barkeit feststellen. Aber die anderen Grundherren ha-
ben solche Rechte allerdings behauptet. Wo die Grund-
herren auch Gerichtsherren geworden sind, wie z. B. die Castel-
barco, ist, soviel wir wissen, allerdings auch bei ihnen von einer
besonderen grund- und leibherrlichen Gerichtsbarkeit neben der
öffentlichen keine Rede mehr. Manchmal ist es zu Ausgleichungen
gekommen. Es ist schon in der ersten Abhandlung dieses Bandes
darauf hingewiesen worden,^ wie die Herren von Arco, welche
dieser späten Zeit werden erlassen collectae, angariae, salaria; vom
Banne ist keine Rede mehr. An Stelle der erlassenen Steuern wird
regelmäßig eine ewige Rente bestellt. Ähnlich 1451 Juli 13, a. a. O.
f. 286—287'; 1460 a. a. O. f. 337'— 348 usw. Solche Freiungen waren
auch lokal: 1457 August 11 verleiht Bischof C^rg dem Gothard Cam-
punner, Pfleger zu Gastelman, einen Turm zu Altmetz: ,gen der Vis
über gelegen*, der dem Bistum besondere Hofdienste leistet, indem der
Inhaber: wan wir oder unser nachkomen sy zu uns oder in unsem
diensten erfordern, uns mit zwai pferden ze dyenen, als ander edlleut
unsers bistums, doch an sold. Dafür ist der Inhaber von: ,steuern, col-
lecten oder robaten* befreit, außer einer Fronde zum Archenbau am
Noce; Innsbruck St.-A. C. 26, Nr. 6, f. 339'— 340.
^ Der Adel des Nonsberges 202 f.
* Wopfher, Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe 81 f.
' S. 24 dieses Bandes.
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425
die Gerichtsbarkeit über ihre sehr zahlreichen Eigenleute in
ganz Jadikarien ausübten; gezwungen wurden^ sich zunächst
mit der niederen Gerichtsbarkeit; dem Twing und Banne in
der Pfarre Arco zu begnügen, die Gerichtsbarkeit über ihre
anderwärts angesiedelten Leute und gelegenen Höfe aufzugeben.
In Arco haben sie im Laufe der Zeit die volle Landgerichts-
barkeit erworben. Anderswo ist es freilich bei einer räumlich
zersplitterten Gerichtsbarkeit verblieben. Selbst dort findet sich
ähnliches, wo die Herrschaft die Landgerichtsbarkeit erwarb
und im großen und ganzen ein Zusammenfallen beider Gerichts-
barkeiten erfolgte. Bei Teilungen, wie sie vorzukommen pfleg-
ten, konnte sich auch da ein Zweig der Familie die Ge-
richtsbarkeit über Höfe und Leute im Anteile der anderen
vorbehalten. So die Castelbarker. Bei einer Teilung zwischen
Marcabrun und Wilhelm^ und seinen Brüdern behielt Marca-
brun die Gerichtsbarkeit über zwei Unfreie aus dem Sprengel
des Wilhelm,* und ebenso stand dem Zweige der Castelbarker
von Lizzana die hohe Gerichtsbarkeit zu über einen Hof in
Folas im Anteile der Castelbarker von Castelnuovo.'
Wenn nun solche Höfe und Eigenleute einem be-
nachbarten Gerichtsherrn gehörten, ergab sich der Fall,
daß diese zerstreuten Höfe und Leute wie ein Anhängsel
zu seinem Gerichte im Boden anderer Gerichte erschie-
nen, wie exemte Enklaven aus diesen Gerichten. Es war schon
die Rede von der Gerichtsbarkeit der Herren von Enn über
ihre Rimannen in Fleims. Durch Kauf ging sie auf den Grafen
von Tirol über. Als Exkönig Heinrich das Tal Fleims dem
Bischof Heinrich von Trient zurückgab,* behielt er sich die
Gerichtsbarkeit in der Grafschaft Castello und über die homi-
nes residentes in aliis villis spectantes ad ipsum comitatum . . .,
über die homines quondam d^""* E^elini et Nicolai de Enna
und die homines der Herren von Denno vor, das sind die Leute,
welche einst den Grafen von Eppan gehörten und mit der Graf-
schaft Castello an Tirol gekommen waren, und die Leute, die
» Urkunde 1368 Dezember 2, Innsbruck St.-A. C. 35>, Nr. 41.
' Die Gerichtsbarkeit über deren Häuser aber stand dem Wilhelm zu.
» Urkunde 1436 August 13, Innsbruck 8t.-A. C. 33, Nr. 7. Eigenleute der
Castelbarker erwähnt in der Belehnung des Azzo Franziskus mit dem
Schlosse Avio, 1391 April 9, Innsbruck St.-A. C. 33, Nr. 7.
* BonelU 2, 647, Nr. 114.
29*
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426
von den Herren von Enn und Denno erworben worden waren.
Alle diese Leute galten in der Folge als Leute des Gerichts
Castello, zu dem außerhalb seines eigentlichen, die Ortschaften
Castello, Stramentizzo und Capriana umfassenden Bezirkes eine
Reihe von Höfen in ganz Fleims gehörten, die den Fleimsern
drei Tage lang als Asyl offen standen. Als Bischof Bernhard
von Cles im Jahre 1536 das Gericht Castello gegen Truden
eintauschen wollte, sprachen sich die Fleimser gegen den Tausch
aus, unter anderen Gründen besonders, weil dann dieses Asyl-
recht verloren ginge.^
Ähnliche Verhältnisse bestanden auch im Nonsberg zu-
nächst zwischen der Grafschaft Flavon und dem angrenzenden
bischöflichen Gebiete. Die Gerichtsherrschaft im tirolischen
Flavon beanspruchte die Gerichtsbarkeit über eine Reihe von
Häusern in Caldes, Campo, Samoclevo, Cavizzana und Rabbi,
aber auch in Segonzano und Sover.* Ein Teil davon mag schon
aus dem Besitze der Grafen von Flavon an die Tiroler über-
gegangen sein, anderes mögen die Herren von Spaur als Ge-
richtsinhaber, wie wenigstens die Leute vom Nonsberg in einer
Eingabe von 1505 behaupteten, usurpiert haben. Die Spauer
beanspruchten die hohe Gerichtsbarkeit. Es mögen hier wohl
einst verwandte Verhältnisse geherrscht haben, wie wir sie in
Fleims getroffen haben; es mag sich um Arimannen gehandelt
haben, die den Grafen von Flavon zugewiesen worden waren.
Denn wie in Fleims ist die Exemtion eine lokale. Der Um-
fang der flavonschen Gerichtsbarkeit war freilich streitig. Die
Spauer beanspruchten die Gerichtsbarkeit über alle Besitzungen,
die zu diesen Häusern gehörten, die Nonsberger wollten diese
Gerichtsbarkeit auf die Häuser selber beschränken.' Noch
später 1527 erhob sich ein Streit, ob die zu Flavon gehörigen
Leute von Caldes, die sich am Bauernaufstände beteiligt hatten,
von dem flavonischen Gerichte oder vom bischöflichen bestraft
werden sollten.* Wie Flavon beanspruchte auch das Gericht
1 Innsbruck St.-A. C. 12, Nr. 80.
» a. a. O. C. 9, Nr. 65 (1505); C. 9, Nr. 9 um 1520 ebendort.
• a, a. O. predicti d' comitatus Flauon extra muros sive mura (sie!) ipsa-
rum domorum nullam habuerunt nee habent iurisdictionem et solum et
dumtaxat intra mura domorum ipsarum habent comittere et mandare
habitantibus in tempore, quo in eis stant et habitent et non ultra.
* Innsbruck St-A. C. 9, Nr. 98.
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421
Castelfondo Gerichtsbarkeit im bischöflichen Gebiete in einzel-
nen Häusern in Romeno^ CIoz, Fmz^ doch auch hier nur in
den Häusern; so daß; wenn ein Neubau dem Hause angefügt
wurdc; dieser Bau dem bischöflichen Gerichte unterstand.^ Ganz
ähnliche Verhältnisse schwebten zwischen Nomi und Castel-
nuovo. Die Herren von Lodron als Gerichtsherren von Castel-
nuovo beanspruchten die Gerichtsbarkeit über Leute in Nomi,
Aldeno und Pomarolo, die von den Inhabern des Gerichtes
Nomi bestritten wurde. Aus einem Zeugenverhöre von 1512*
geht hervor, daß auch diese Gerichtsbarkeit die hohe war;
doch war sie auch hier, wie es scheint, auf die Häuser be-
schränkt In allen diesen Fällen werden wir auf Arimannien
schließen dürfen, die der Gerichtsherrschaft oder dem Schlosse,
um das sich das Gericht bildet, zugewiesen wurden. Das glei-
che wird man auch von den Höfen annehmen dürfen, die zum
Schlosse St. Peter in Welschmetz gehörten und einen kleinen
Gerichtsbezirk bildeten, der im 14. Jahrhundert an die Herren
von Spaur gekommen ist. Der Schloßherr besaß auch in die-
sem Falle die hohe Gerichtsbarkeit.' In allen diesen Fällen
haben die Rimannen oder die hörigen Bauern den Ge-
richtsstand vor dem öffentlichen Richter ihrer Ge-
richtsherrschaft erlangt.
Daneben retten sich aber auch noch in spätere Zeit Trüm-
mer der grund- und leibherrlichen Gerichtsbarkeit, frei-
lich nur Trümmer. Die grundherrliche Gerichtsbarkeit in An-
gelegenheit von freien Leihen haben nur mehr wenige Grund-
herren zu behaupten vermocht wie das Domkapitel von Trient.*
Die leibherrliche hat schon deswegen an Bedeutung verloren,
weil die Zahl der £igenleute sehr zusammengeschmol-
zen ist. Werden noch im 13. Jahrhundert Scharen von Un-
freien genannt, so ist dies in der Folge nicht mehr der Fall.
Die bedeutendsten Familien aus dem Feudaladel, die Arco und
Castelbarco, haben Landgerichtsbarkeit erlangt, die Arco die
Gerichtsbarkeit über alle außerhalb der Pfarre Arco sitzenden
Eigenleute verloren, andere Familien sind ausgestorben oder
* a. a. O. C. 9, Nr. 79.
» a, a. O. C. 31, Nr. 81.
' Vgl. die erste Arbeit dieses Bandes S. 24.
* Vgl. oben S. 401.
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428
weggewandert; neue Leute sind emporgekommen^ die anfangs
in bescheidenen Verhältnissen stehend^ erst allmählich ihr Ver-
mögen vermehren. Diese neuen Familien waren nicht mehr
in der günstigen Lage^ abhängige Rimannen und Eigenleute
zu erwerben wie die älteren Geschlechter; denn Zuweisungen
von solchen Leuten durch die Staatsgewalt sind nicht mehr
vorgekommen. Die Freilassungen oder Auflassungen Höriger
an den Bischof^ ebenso die Erhebungen in den Ritterstand
kamen auch in der Folge, im 14. Jahrhundert noch ziemlich
häufig, dann allerdings seltener vor und haben die Zahl der
hörigen Bauern noch mehr gelichtet.^ Werden diese Leute
vor dem Bischöfe aufgelassen, so verspricht er jedesmal, sie
nicht mehr zu veräußern. Der Verzicht auf die Leistungen
und die Auflassung an den Bischof werden geradezu als manu-
missio oder libertatis datio bezeichnet, bedeuten also Freilassung,
auch wenn die älteren Formen der Freilassung jetzt in der
Regel nicht mehr wiederholt werden, weil die Gotteshausleute
alle nunmehr als Freie gelten. Noch im 15. Jahrhundert lassen
die Herren von Thun vier Leute: de servili condicione homines
vulgariter de macinata nuncupati frei, und der Bischof Alexan-
der erläßt ihnen Steuern und öffentliche Leistungen, wogegen
sie zu Kriegsdienst verpflichtet werden.*
^ Urkunde 1307 März 8, Iniuibrack St.-A. G. 22, Nr. 4, f. 25: Rampret
von Cagno läßt dem Bischof einen Eigenmann auf; Xonus von Runo
fUnf Kinder eines Eigenmannes, ebendort 1306 November 27 beide:
cum iurisdictione reali et personali ; 1307 März 8, a. a. O. f. 25 : Bertold
von Segonzano verzichtet zu Gunsten eines Mannes und seiner Brttder: de
omni iure et actione reali personali corporali incorporali utili et directo
an sie: tamquam homines et personae de familia. Der Bischof nimmt
sie unter seinen Schutz und verspricht, sie nie zu veräuBem. Die Be-
lehnung mit den Leistungen findet hier und in ähnlichen Fällen nicht
mehr statt. Ähnliche Verzichte sind in dem sehr bruchstücksweise über-
lieferten Lehenbuche des Bischofs Bartholomäus sehr häufig. Ebenso
werden ältere bestätigt, denn, da diese Eigenleute von ihren Herren
als Lehen vom Gotteshause innegehalten werden, bedarf der Verzicht
als eine Minderung des Lehens der Bestätigung des Lehensherm, z. B.
1307 März 27, a. a. O. f. 27, Bestätigung eines Verzichtes von 1284;
Verzicht auf zehn Eigenleute 1307 März 27, a. a, O. f. 27—27'. Verzicht
(manumisit) eines Arimannen von 1290, bestätigt an demselben Tage,
a. a. O. f. 27 usw.
• 1432 September 10, Innsbruck St.-A. C. 22, Nr. 5.
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429
Abhängige Arimannen und Eigenlente können allerdings
nach wie vor veräußert werden.^ Und die edlen Familien su-
chen gegen Ende des Mittelalters die Zahl der Hörigen zu be-
wahren, ja mit Recht, öfter allerdings mit List und Gewalt zu
vermehren. Die Belehnungsurkunden pflegen vielfach die ein-
zelnen Leibeigenen, die mit den übrigen Lehen bestätigt wer-
den, aufzuzählen und ermöglichen dadurch eine statistisch ge-
naue Feststellung der Zahl der Eigenleute. Mit Vasallen wer-
den die Lodron belehnt.' Die Herren von Campo besitzen
Vasallen, macinatae, rimanii.^
Vor allem war es der Nonsberg, in dem neue Familien
emporgekommen sind, die Spaur, die Cles, die Thun, die Ma-
druzzo, die ja auch nonsbergischen Ursprungs waren, und an-
dere. Auch sie besitzen Eigenleute, aber nur in beschränkter
Zahl.^ E^ne, höchstens zwei hörige Personen mit ihren Familien
' Bischof B&rtholomäuB bestätigt den Verkauf eines Eigenmannes von
1296, 1307 März 28, Innsbruck St.-A. C. 22, Nr. 4, f. 29, und einer ari-
mannia, 1307 März 29, a. a. O.
' Die in Storo, Lodron, Bondone und im übrigen Judikarien saBen, z. B.
1386 November 7, Innsbruck St.-A. C. 22, Nr. 1, f. 96^; 1391 Aprü 11,
a.a.O. C. 22, Nr. 3, f. 66; 1399 November 24, Wien St-A. (Dominez
946) usw.
* 1336 Dezember 30, Bekenntnis der bomines, über welche die Campo
consueti erant .... rationem facere in castro Gampi, Wien St.-A. (Do-
minez 824); 1389 November 11, Belehnung mit vassaliciis masinatis ri-
maniis, Innsbruck St.-A. C. 22, Nr. 1, f. 110— 110*; 1391 Juni 8 mit
homines et vassalli in Breguzzo, Bondo, in consilio Merlini, in Bono,
Tione, Saone, Bleggio, Favrio, Cure, Gavajone, Lomaso, Dolaso, a. a. O.
C. 22, Nr. 3, f. 76^—77; 1392 Dezember 5 werden die Töchter des Ezelin
von Campo belehnt mit zwölf Vasallen in Tione und Breguzzo und je vier
in Bono und Banale, a. a. O. f. 57; 1400 Jänner 18 die Erben derselben
mit 19 Vasallen, a. a. O. f. 36—36* usw.; 1454 März 10 Galassus, Sohn des
Franziskus de Campo, belehnt mit der castellancia Merlini und hohen
Gerichtsbarkeit und vassaliciis, masinatis, rimanis, a. a. O. C. 22, Nr. 6,
f. 83' —84; 1460 Hartmann Hack nach dem Tode des Graciadeus de
Campo mit dessen Lehen, darunter: lehensleuten, a. a. O. f. 239—240.
* 1391 August 26, a. a. O. C. 22, Nr. 3, f. 21. Bischof Georg H. belehnt
Pretl von Caldes mit einer Familie von Eigenleuten, o. Datum. Inns-
bruck St.-A. C. 22, Nr. 6, f. 42— 44; Belehnung des Jakob Poltner (de
HippolytiB) mit einem Teile von Cles und zwei homines et servi de
macinata und ihren Familien um 1424, a. a. O. C. 22, Nr. 5, f. 34»— 36.
Die Finnian sind mit zwei Familien von Eigenleuten belehnt, 1470
April 26, a, a, O. C. 22, Nr. 7, f. 62—63'. Die Madruzzo mit Vasallen
belehnt, 1468 Juli 30, a. a. O. C. 22, Nr. 7, f. 30—31.
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430
werden da aufgezählt. Nur die Thun, die an Reichtum und
Macht alle Nonsberger Familien bald überstrahlen, machen eine
Ausnahme. Aber auch ihr Lehenbesitz umfaßt zu Ende des
14. Jahrhunderts nicht mehr als zwölf Familien/ die sich im
15. Jahrhundert etwas vermehren.^ Wie nun in der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts die Thun in den Pfandbesitz des
Gerichtes Castelfondo kamen, erlangten ihre Bestrebungen,
Macht und Besitz auszudehnen, einen festen Stützpunkt^ umso-
mehr, als sie gleichzeitig auch das Schloß Samoclevo mit dem
Gerichte Rabbi erwarben. Schon beanspruchten die Thun die
Gerichtsbarkeit in Häusern, die sie in Croviana und Samoclevo
gekauft,^ in San Zeuo neu gebaut, in Denno, Bresimo, Baselga
erworben hatten, und anderen Orte». Schon forderten sie jetzt
die hohe Gerichtsbarkeit über ihre Eigenleute (servi).* Ihrem
Beispiele folgten andere Edle; sie begannen sich ebenfalls die
Gerichtsbarkeit in neu gekauften oder gebauten Häusern an-
zueignen.^ Ein weiterer Streitgegenstand war ferner die Be-
wachung der Kirch weihen und Jahrmärkte; auch diese, die
zum Teile an einzelne Große verliehen war und wegen der
Gerichtsbarkeit über Frevel und Marktgeschäfte, die den be-
wachenden Herren zustand, Erkleckliches eintrug, suchten die
Edlen an sich zu reißen. So beanspruchten die Thun die Be-
wachung der Kirch weihen in Preghena, Baselga (Bresimo) und
Solasna für das Schloß Altaguarda, in Caldes für das Schloß
Samoclevo, in Sarnonico für Castelfondo, in Castelletto.^ Ahn-
liche Rechte behaupteten auch die Cles und die Lodron bei
Kirchweihfesten im Nonsberg und in Judikarien.
» 1391 Mai 4, Innsbruck St.-A. C. 22, Nr. 3, f. 69—60.
» Dreizehn, 1424 Oktober 16, ebendort 0. 22, Nr. 6, f. 129— 130\
' Auficeichnung Nota ex parte vallis Rabi, 1491 März 28, Innsbruck St.-A.
C. 9, Nr. 61 ; Beschwerden der Nonsberger C. 9, Nr. 9.
* Innsbruck St-A. C. 9, Nr. 80, Zusatz zu den Beschwerden der Nons-
berger.
* Innsbruck St.-A. C, 9, Nr. 84, Beschwerden der Nonsberger um 1680 ;
ältere Beschwerden um 1606, a. a. O. G. 9, Nr. 60.
* Um 1530, Innsbruck St-A. C. 9, Nr. 94; C. 9, Nr. 81, Balthasar von Cles
an Bischof Bernhard übersendet Gutachten über die Frage, ob ein bei
einer Eirchweihe in Gastelleto Yorg^fallener Mord unter die Gerichts-
barkeit der das Fest bewachenden Herren von Thun gehOre. Das von
den sechs ältesten Notaren erteilte Gutachten spricht sich dagegen
aus.
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431
Gegen diese Ausdehnang der Gerichtsbarkeit machten die
Bischöfe vor allem den Grundsatz geltend, daß jede Exemtion
vom Landgerichte; die behauptet wurde, bewiesen werden
müsse. ^ Auch wollte man nur die zivile Gerichtsbarkeit über
die Eigenleute, nicht aber die kriminale anerkennen.' Aber
die Thun suchten die Zahl der Eigenleute zu vermehren. Eine
bischöfliche Visitationskommission stellte fest, daß sie die Päch-
ter ihrer Häuser und Güter alle samt und sonders als Servi
beanspruchten, ja auch diese Leute dazu brachten, sich als
solche zu bezeichnen, was sie dann, auf die Bedeutung des
Wortes aufmerksam gemacht, allerdings widerriefen. Beson-
ders soll Bernardin von Thun eine Erneuerung der Investituren
im Jahre 1524 benützt haben, um seine Pächter zu bewegen,
sich als seine servi zu bekennen und ihm einen Eid: de fide-
litate et Servitute servanda zu leisten, obwohl sie Pächter freier
Leihen waren und ihre Eltern wie Freie lebten, Testamente
errichteten und sich frei verheirateten.' Das waren Tendenzen,
wie sie in dieser Zeit in Ost- und Norddeutschland, in Öster-
reich, Böhmen und Ungarn zur Wiedererrichtung der Guts-
herrschaft, zur Herabdrückung der Bauerschaft in die Leib-
eigenschaft geführt hatten. Da sich diese Tendenzen zugleich
gegen die Gewalt des Bischofs richteten, eine Verminderung
seiner Einkünfte und Rechte bedeuteten, trat er ihnen entgegen.
Nach längeren Verhandlungen kam es zu einem Vergleiche,
der die Jurisdiktionsrechte der Herren von Thun genau regelte,*
diese auf die Häuser jener servi, die in den Lehensbriefen auf-
gezählt waren, sowie einen Meierhof bei Caldes beschränkte.
Untertanen des Bistums, die in diesen Häusern wohnten, soll-
ten nur für die Zeit ihres Wohnsitzes unter die Gerichtsbar-
keit der Thun gelangen, dem Bistum aber nicht verloren
^ Innsbruck G. 9, Nr. 116, Replik des Bischöfe auf die Beschwerden der
Thun.
' Der bbchOfliche Hauptmann im Nonsberg meint in einem Gutachten,
aber die bürgerliche Gerichtsbarkeit brauche man nicht zu verhandeln:
perch^ ogni modo de reson non ö dubio, che intra li snbditi suoi esso
(Bernardin Ton Thun) ha iurisditione tra li subditi suoi tarn in reali-
bus quam in personalibus respectu subiectionis personarum; Innsbruck
St-A. C. 9, Nr. 87 um 1630.
' Summarium visitationis vallium Ananie et Solls, Innsbruck St.-A. G. 9,
Nr. 190.
♦ Beilage l8.
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432
gehen, sie sollten nicht zu Eigenlenten, sondern nur zu Unter-
tanen der Thun werden. Ebenso sollten Eigenleute der Thun,
die sich im bischöflichen Gebiete niederlassen, Untertanen des
Bistums werden. Als Eigenleute sollten nur gelten diejenigen,
welche in den Lehenbriefen namentlich genannt waren und bei
Abschluß dieses Vertrages nochmals aufgezeichnet wurden.
Über sie steht den Thun volle Gerichtsbarkeit zu, nur daß die
bischöflichen Beamten gegen sie einschreiten können, wenn sie
todeswürdige Verbrechen im bischöflichen Gebiete begehen;
doch steht es den Thun frei, ihre Herausgabe zu verlangen.
Die Vollziehung der Strafe wird in diesem Falle zugesagt. Wei-
tere Bestimmungen des Vertrages sichern die Entfremdung von
Grund und Boden, der dem Bischof steuerpflichtig ist. Die
Steuerpflicht bleibt bestehen, auch wenn der Grund an Thun-
sche Leute übergeht und umgekehrt. Die Gerichtsbarkeit auf
den Eirchweihen soll bischöfliches Lehen sein und sich nicht
über Todschlag erstrecken.
Wenn dieser Vertrag die Verknechtung freier Leute
ausschloß, so erkannte er doch eine doppelte Exemtion,
eine lokale der Thunschen Häuser und eine personale der
Thunschen Eigenleute an und deutet damit auf die doppelte
Wurzel dieser Gerichtsbarkeit, die grund- und leibherrliche Ge*
walt hin.
Trotz dieser Bestimmungen fehlte es auch in der Folge
nicht an Reibungen; zu nahe lag es, daß der Grund- und Leib-
herr die Grenzen, die der Vertrag seiner Gerichtsbarkeit steckte,
zu überschreiten suchte, daß namentlich die Gerichtsbarkeit über
die Eigenleute auf alle Bewohner der Häuser, die im Eigentume
des Feudalherrn standen, ausgedehnt wurde, auf der anderen
Seite sicher auch die ausgedehntere Gerichtsbarkeit bezweifelt
wurde.*
So hat sich in Süd- geradeso wie in Nordtirol diese private
Gerichtsbarkeit nur in kümmerlichen Resten bis zu den großen
^ Bericht des Gioyanni Battista Alberti-Sardagna, Assessor, wegen eines
Diebstahls, den ein Mann aus den zwölf Häusern in Vigo, welche den
Thun: senza per6 palmo di terreno giuridicionale gehören, außerhalb
des Hauses begangen hat Der Mann wurde yom Grafen Franz Augu-
stin inquiriert und vom bischöflichen Territorium, wo er Zuflucht ge-
sucht hatte, hinweg ins Gefängnis geschleppt, 1648 November 28, Inns-
bruck St.-A. C. 9, Nr. 92.
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433
Umgestaltungen der Gerichtsverfassung im 19. Jahrhundert fort-
gefristet, während sie dort, wo sich geschlossene Grundherr-
schaften ausgebildet haben wie im Erzherzogtume Österreich,
sich in voller Bedeutung erhalten hat. Reicher an wissenschaft-
lichem Interesse ist die Entwicklung in Sudtirol, praktisch ver-
läuft sie zuletzt im Sande. Teilt der Bauer in Sudtirol heute
zum Teile wenigstens wirtschaftlich die Lage seines Berufsge-
nossen in Italien, ist er der Helote des Geldgebers und Grund-
eigentümers geworden, dessen Feld er mit kaigem Ertrage be-
baut, die Hofverfassung des Mittelalters, die grund- und leibheiT-
liche Gewalt haben daran keine Schuld. Aus der freien Leihe,
aus dem Rentenkauf, der weitgehenden GrundzerstUckelung
sind jene drückenden Verhältnisse hervorgegangen, die den
Bauer zum Opfer der Pellagra werden ließen, zu jener morali-
schen und physischen Degeneration führten^ die wenigstens an
einzelnen Orten, in einzelnen besonders unglücklichen Tälern
Südtirols nur zu sehr zutage tritt.
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BEILAGEN.
1.
Fapst Cölestin IlL beauftragt den Bischof Johann von Brescia,
den Bijprand und seine Brüder von Campo aufzufordern, von
der Störung der Bechte des DomJcapitels von Verona in Bondo,
Breguzeo und Bolbeno abzustehen oder ihre Bechte darzulegen.
Born, 1193 Mai 1.
Gleichzeitiges Transumt, Perg. Schrift teilweise zerstört, Rand oben und
unten eingerissen. Verona K.-A, AC. 1, 2 m. 9, Nr. lÖ. Fehlt bei Jaffe-
Löwenfeld, Regesta Pontiiicum.
Colestinus episcopns servus servorum doi yenerabili fratri. . Brixi-
ensi episcopo salatom et apostolicam benedictionem. Ex parte dilectoram
filiorum canonicorum YeronenBis ecclesie^ [falt nostris] auribus indica-
tum, quod cum Bundam et Bergusinm et Belbenum yillas in Tridentina
parochia ex imperatornm et regum liberalitate debeant possidere, Eipran-
dns miles de Camnobono parochie Tridentinensis cum suis fratribus et
qoldam alii eiusdem parochie, qui tibi nominabnntur expresse, sine Yolon-
tate Tridentini episcopi homines predictarum yillarum ininste afiigere et
eorum bona ipsis violenter auferre presumunt. Unde fraternitati tue* per
apostolica scripta precipiendo mandamus, qnatinns predictos yiros, at ab
hominum predictarum yillarum molestatione omnino desistant yel super
hÜB^ .... cognoBcendis^ coram te iustitie non differant plenitudinem
exhibere, studiose admoneas et appellacione remota ecclesiastica seyeri-
tate compellas^ Datum Laterani, kalendis madii; pontificatus nostri
anno tercio.
^ Schrift abgehrocken in Länge von 1 cm, ' fraternitati tue Über
der Zeile nachgetragen. * Schrift abgebrocJien in Länge von 1 cm, der
erste Buchstabe des folgenden unleserlichen Wortes scheint m. * Lesung
zweifelhafl, fast sicher ndis.
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435
2.
Bischof Johann von Brescia belegt Biprand und seine Brüder
von Campo mit der Exkommunikation für den Fall, als sie sich
eu bestimmtem Termine nicht zur Verantwortung stellen gegen
eine Klage des Domkapitels von Verona, Brescia, 1193 Ok-
tober 15.
Orig. Pergf. Verona K.-A. AC. 12 m. 5, Nr. 7, gedruckt Simeoni, Tridentum
9, 340 n. 3.
S. In Christi nomine. Die veneria XY. intrante mensis octubris, in
ecclesia sancte Marie de dorn civitatis Brixie, presentia d^ Pedaceti etTeutaldi
archipresbiteri et d^ Premartini capellani d^ episcopi et alioram plarinm.
D. Johannes dei gracia Briziensis episcopns anctoritate d^ Celestini pape
et de mandato eins ezcomanicavit Ariprandinam de Calmaldono et omnos
snos fratres cum candelis accensis preter clerico, si non venerint in festi-
vitate omniom sanctomm per totam diem pro querimonia quam canonici
Yeronenses faciant de predictis per d°* Aldi'icnm^ confratrem snam in hac
parte procuratorem, tali modo si predicti silicet' Ariprandinus et fratres
et* non venerint ad predictum diem ante presentia suprascripti d* epi-
scopi per pignas vel per sacramentum stare mandato prefati d^ episcopi
de iustitia facienda suprascriptis canonicis Veronensibas. Et hec ezco-
mnnicatio facta fait solempniter in pulpito saprascripte ecclesie.
Actnm est hoc anno domini MCLXXXXm, indictione XI, inter-
fuere d. Johannes archidiaconus et d. Pelegrinus de Ello canonicus Bri-
xiensiSy d. Albertus de Palatio et d. Girardus Scocatus et d. Obizo deVgo-
nibns et d. Albertus de Conceso et alii plnres.
Ego Bertrammus Tassus notarius sacri pallatii interfui et scripsi.
^ Sicher Ali und um. * A.
Papst Innozenz HL beauftragt den Bischof Johann von Brescia,
den Bischof Konrad von Trient von der Störung des Domkapitels
von Verona im Besitze der Dörfer Bondo, Breguzzo und Bolbeno
abzuhalten oder zur Verteidigung seiner Ansprüche vorzuladen.
Rom, 1198 Mai 27.
Inseriert im Originalinstrument über die Überreichung der Bulle von 1199
Oktober 26. Verona K.-A. AC. 13 m. po, Nr. 3.
Innocentius episcopus servus servorum dei venerabili fratri . . Bri-
xiensi episcopo salutem et apostolicam benedictionem. Significarunt no-
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436
bis dilecti filii . . archipresbiter et canonici Yeronenses, quod yenerabilis
frater noster . . Tridentinns episcopus eos super villis de Bundo, Bra-
guncio et Belbano multipliciter inquietat, licet easdem villas ad ipsos
non Sit dabium pertinere. Ideoque fraternitati tue per apostolica scripta
mandamuSy quatenus dictum episcopum moneas diligencius et inducas, ut
ab indebiter eorundem archipresbiteri et canonicorum molestacione desi-
stat. Si quid vero fuerit questionis, partibus convocatis audias, que fnerint
hinc inde ^ proposita et quod iustum fuerit statuas et facias inviolabiliter
observari. Datum Bomae^ apud sanctum Petrum VI. kalendas iunii,
pontificatuB nostri anno primo.
1 C. Roman. " Cin
4.
Papst Innozenz IIL beauftragt den Bischof Johann von Brescia,
ein von seinem Vorgänger Bischof Johann gefälltes Urteil im
Streite Zivilehen dem DomJcapitel von Verona und dem Biprand
und seinen Brüdern von Campo um die Dörfer Bondo, Breguzzo
und Bolbeno zur Au^fülirung zu bringen,. Rom, 1198 Juni 4.
Inseriert im Originalinstrument über die Überreichung der Bulle an Bischof
Johann, 1199 Oktober 26. Verona K.-A. AC. 13 m. p«, Nr. 3. Fehlt bei
Potthast, Regesta pontificam.
Innocentius episcopus servus servorum dei yenerabili fratri . . Bri-
ziensi episcopo salutem et apostolicam benedictionem. Cum felicis recor-
dationis C(elestinus) papa predecessor noster bone memorie Jo(hanni)
predecessori tuo dederit firmiter in mandatis, ut sentenciam ezcomunica-
tionis, quam ipse auctoritate apostolica in nobiles viros Riprandum de
Cammandono et fratres eins Tridentine diocesis pro causa que vertebatur
inter ipsos ex una parte et A. quondam archipresbiterum et capitulum
maioris ecclesie Yeronensis super ^ quibusdam villis Bundo videlicet, Bra-
guncio et Belbeno ex altera rationabiliter tulerat, faceret infrefragabiliter'
observari, ipse quia interim sublatus est de medio, apostolicum non po-
tuit adimplere mandatum. Ideoque fraternitati tue per apostolica scripta
mandamus, quatinus eandem sentenciam, sicut rationabiliter lata est,
facias auctoritate nostra non obstante contradictione vel appellacione cu-
iuslibet usque ad congruam satisfactionem inviolabiliter observari. Datum
Rome apud sanctum Petrum, II. nonas iunii, pontificatus nostri anno primo.
* korr, auB sab. ' C.
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437
5.
Ein genannter Bote des Bischofs Johann von Brescia überreicht
dem Bischof Konrad von Trient ein Mandat des Bischofs Johann,
über den Biprand von Campo und seine Brüder die Exkommuni-
kation zu verhängen und das Domkapitel im Besitze seiner Dör-
fer nicht zu stören oder seine Eechte daran nachzuweisen. Bi-
schof Konrad bezweifelt die Echtheit des Mandats und des ihm
zugrunde liegenden päpstlicJten Auftrages. Trient, 1199 Novem-
ber 10.
Orig. Perg. Verona K.-A. AC. 13 m. 10, Nr. 2.
S. Die yeneris X. intrante novembre, in camera d* episcopi Triden-
tini, in presentia d' Adelpreti filii d* Arnaldi de Me90, d* Ceti militis d^
episcopi, d* Hengelpreti filii fratris iam dicti episcopi, Bertramini notarii,
Albergeti de Porta Oriola. Ibiqae Tebaldinus filius condam Proti ex
parte d* episcopi Brixiensis presentavit et dedit litteras d° Co(nrado) Tri-
dentino episcopo suo sigillo clausas, in quibus continebatur idem, quod
in quodam libello aperto continebatnr a magistro B. eiusdem d* episcopi
capellano scripto ut dicebatnr, cuius tenore^ talis est, ut inferins legitar:
Yenerabili in Christo patri C(onrado) dei gratia Tridentine ecclesie epi-
scopo Jo(hannes) Brixiensis ecclesie episcopus licet indignus salutem et
universos ad vota successus. Litteras ex parte d^ pape nudins tercias
yideor recepisse» in qnibas continetnr, ut nobilem yirum Biprandam Tri-
dentinnm militem cum fratribus suis yinculo excommunicationis inno-
datos esse denunciem, eo quod per bone memorie predecesssorem meum
J(ohannem) Brixiensem episcopnm felicis recordacionis in quadam causa
que inter canonicos Ueronensis matricis ecclesie ex una parte et prefatos
milites ex altera sub occasione quarundam yillarum yertebatur legitime
fuerint citati et quia se contumaciter absentAyerint, a prefacto ^ episcopo
yinculo fuerint excommunicacionis astricti. Ea propter caritati yestre
auctoritato qua fungimur licet inyiti districte precipiendo mandamus, qua-
tenus eosdem milites excommunicacioni subiectos denuncietis et usque
ad dignam de tanto contentu ^ satisfacionem sicut excomunicatos ab Om-
nibus caucius eyitari faciatis. Cetenim quia in manibus apostolicis iura
Tridentine ecclesie nulatenus^ deperire debent, cum constet dignitatem
yestram asserere prefactas yillas nescio quo iure ad yos pertinere et ego
illud in mandatis yideor recepisse, caritatem yestram diligenter admonere
curayi, quatinus aut ab infestacione dictorum canonicorum super predictis
yilüs penitus cessetis, aut tercia die post octayam sancti Martini per yos
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aut per certam responsalem pro eadem causa meo vos conspectui presen-
tetis. Cui predictas C(onradn8) episcopns: Non credo istam literam^ bo-
nam et yeracem, nee credo causam comissam per d^ papam predicto epi-
scopo, qoia non video sigillnm apostolici scilicetbuUam. ündenullaracione
yeniam ad terminnm. Anno domini millesimo C nonagesimo nono, indic-
tione secanda.
S. Ego Jacobinus sacri palacii notarios rogatns interfui et scripsi.
> A.
Genannte Verketer des Bischofs Konrad von Trient erkennen
vor Bischof Johann von Brescia das Eigentum des Domkapitels
von Verona an Bondo und Breguzzo an. Brescia, 1200 Jänner 14.
Orig. Perg. auf einem Stücke geschrieben mit der folgenden Urkunde und
Transumt der Urkunde von 1199 Dezember 15. In dorso von Hand des
13. Jahrhunderts: Exemplentur per ser Uliuerium pro capitulo. Verona K.>A.
AC. 13 m. 4, Nr. 14.
S. In Christi nomine. Die yeneris XIUI. intrante ienoario,^ in pal-
latio sancti Martini episcopatns Brizie, presentia testium subscriptorum.
D. Manfredns de Salis canonicas Briziensis et d. Wigelmus de Salis frater
eins constituti procnratores a d® Conrado Tridentino episcopo super causa
quam habet cum canonicis de dorn Uer(on8ibus) coram d® Jobanne Brizi-
ensi episcopo presente d® Uiuiano canonico et procuratore matricis eccle-
sie Yeronensis yice et nomine suprascripti d^ episcopi Tridentini confessi
sunt protestati ac manifesti proprietatem teiTarum istorum duorum loco-
rum silicet Bundi et Bergusii esse canonice yer(on6nsis) et bene crede-
bant et quod suprascriptus d. episcopns Tridentinus nolebat impedire
prefatam canonicam Veronensem de suis racionibus, quas habet in pre-
fatis locis predicta ecclesia Ueronensis.
Actum est hoc coram d° Johanne yenerabili Briziensi episcopo de-
legato super predicta causa a d^ Innocentio papa tercio, ut d. episcopus
confessus est, anno domini MCC, indictione tercia. Interfuerunt d. Al-
bertus canonicus Briziensis et archipresbiter de PonteuicO; d. Oddo de
Capriolo et d. Girardus ügonum et magister Pedafetus canonici Brizien-
ses et d. Lafrancus Testa de Portecalo testes rogati.
Ego de Flumicello Paz auctoritate F(ederici) imperatoris notarius
interfui et rogatus scripsi.
» A.
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439
7.
Bischof Johann von Brescia läßt einen Brief transumieren, in
dem er dem Erzimester und dem Bomhapiiel von Verona mit-
teilt, daß Bischof Konrad von Trient den Riprand und seine
Brüder von Campo exkommuniziert habe und den Besitz des
Dmnhapitels nicht stören wolle. Er erstreckt zugleich die Vor-
ladung. Brescia, 1200 Jänner 14.
Orig. Perg. Zusammengeschrieben mit der Urkunde von 1200 Jftnner 14 und
Transnmt der Urkunde von 1199 Dezember 15. Verona K.-A. AC. 13 m. 4,
Nr. 14.
S. In Christi nomine. Die veneris XIIII. intrante ienuario/ in pal-
latio sancti Martini episcopatns Brixie, presentia magistri Girardi de Pon-
tecarlo et d^ Alberti de Flumicello et d^ archipresbiterl de Ponteaico et
d* Girardi Ugonam et aliorum plurinm testium rogatorum. D. Johannes
di?ina dignatione BrizieDsis episcopus delegatns ut confessns est a d^
Innocentio papa tercio super causa, que vertitur inter d" Conradum Tri-
dentinum episcopum ex una parte et canonicos matricis Yeronensis eccle-
sie ex altera, dedit mihi Paci notario autenticum harum litterarnm suo si-
gillo signatnm ad exeplandum^ et perpetuandum et confessus est se eas
misisse.^ Earum tenor talis est: Jo(hannes) dei gracia Brixiensis episco-
pus karissimis^ amicis et fratribus d° Gui(lielmo) archipresbitero matricis
Yeronensis ecclesie ac ceteris fratribus eius salutem et omne bonum. Ex
parte d^ C(onradi) episcopi Tridentini proxima die lune litteras accepi, ex
quarum tenore percepi, quod ad mandatum nostrum milites illos Triden-
tinos Biprandum et fratres eius denuntiayit excommunicatos et si opor-
tuerit, iterum denuntiabit. Molestiam quoque nullam Yobis aut colonis
yestris per se vel per alium super eisdem yillis nunquam intulit. Quia
yero nee per se nee per idoneum responsalem citra festum natlyitatis co-
mode poterit negotio intercsse, quod ei mandayimus, yobis quoque duxi-
mus insinuandum, ut silicet^ in octaya epiphanie pro eodem negotio nostro
yos conspectui presentetis.
Actum est hoc anno domini MCC, indictione tercia.
Ego de Flumicello Pax auctoritate P(ederici) imperatoris notarius
interfui exeplayi et perpetuayi et me subscrlpsi.
» A.
8.
Erzpriester Albert vom Domkapitel von Verona erläßt Bannsätze
für die Bewohner von Bondo, Breguzzo, Bolbeno und Zuclo.
Bondo, 1214 Mai 12.
ArebiT. M. Band, 11. U&lft«. 30
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440
Aus einem Notariatsinstrumente von 1214 Mai 10 — 13 über verschiedene
Rechtshandlungen des Erzpriesters Albert. Orig. Perg., teilweise sehr zer-
stört. Verona K.-A. BC. 33 n. 3, Nr. 15.
Die XII. iütrante madio, sab porticu domns Gotefredi de Bundo,
[in]^ presentia d^ Bartholomei de Broilo cansidici, Delaidii notarii, d^
Petri de Gaueale, Steüanini de Bundo et aliorum pluriom.
Ibiqae nominatus d. archipresbiter' in plubica' vicinia Bundi et
Bergücii aactoritate canonice et saa talia banna et statuta in predictis
locis fecit atqae ordinavit, nt hie inferius legitnr: Nos magister Albertus
maioris Veronensis ecclesie archipresbiter pro ipsa ecclesia auctoritate
iurisdicionis qua fungimur in Bundo et Bergucio et in Bolbeno et Desu-
culo talia statuta et banna facimus et statuimus atque ordinamus: Si quis
de predictis locis aliquem premedietate^ interfecerit, ponimus bannum
XXV librarum. Item si quis aliquem Yulneraverit, ponimus X libramm.
Item si quis aliquem in dictis curtibus et pertinenciis percusserit vel
culpa yencum fecerit, ponimus bannum X solidorum. Item si quis^ [ig-
nem] posuerit in dictis villis vel domum combusserit, ponimus bannum
X librarum. Item si quis furtum in dictis villis fecerit, ponimus C soli-
des. Item si quis arborem diyellerit vel inciderit vel scor9averit, ponimus
bannum LX solidorum Veronensium. Et hec banna ponimus yel plus yel
minus ad nostram voluntatem.
* Schrift zerstört in Länge von 0-5 cm. * Albert. * A. * Schrift
abgebrochen in Länge von 1 cm, et scheinen vier bis ftknf Buchetaben zu fehlen.
9.
Magister Albert, Erzpriester des DomJcapitels von Verona, bestä-
tigt ein Urteil des Villicm des Kapitels in Breguzzo in einem
Rechtsstreite zwischen zwei Oetiannten von Breguzzo wegen Ver-
rammelung der Haustür. Verona, 1221 April 21.
Orig. Perg. Verona K.-A. AC. 13 m. 5, Nr. 6.
S. Die X. exeunte aprili, in Ver(ona) sub porticalia sancti Georgii
de domo, in presentia d^ Viuiani canonici, Bonawise notarii, Bonomi gal-
ten de Bondo ad hoc testibus et aliis. Ibique coram d° magistro Albeiix)
maioris Veronensis ecclesie archipresbitero^ de Ute unius lapidis, que yer-
tebatur inter Conradum de Brugu90 ex' una pai*te et Bonomum de Bo-
uolca de Brugu90 et Bibaldum eins procuratorem ex alia, dictus d. archi-
presbiter talem sentenciam dedit sie dicens: De illa questione que fuit
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441
coram' Aldrigeto de Bregu^o vilico canonice Yeronensis inter^ dictum
Gonradum ex nna parte et Bonomum de Bonolca ex alia de facto nnins
lapidis, quem dictus Bonomus ficavit ante ianuam dicti Conradi, vice ac
nomine canonice Yeronensis et mea confirmo totnm illnd, quod precepit
dictus Aldrigetus yilicus canonice dicto Bonomo de facto lapidis, quod pre-
ceperat dicto Bonomo ut deberet aufferre eam petram de ante ianuam dicti
Conradi. Et precepit dictus d. archipresbiter dicto Bibaldo procuratori dicti
Bonomi sub pena LX solidorum yer(onen8ium) yice ac nomine dicti Bo-
nomi, ut debeat auffere eam petram de ante ianuam dicti Conradi et pre-
cepit dictus d. archipresbiter dicto Bibaldo procuratori dicti Bonomi sub
pena LX solidorum Yeronensium yice ac nomine dicti Bonomi, ut debeat
aufferre illum de ante ianuam dicti Conradi salyis omnibus racionibus
dicti Bonomi.
MUlesimo CCXXI, indictione YIIU.
Ego Relcins Federici regis notarius interfui rogatus scripsi.
* Über der ZeUe nachgetrageru • ex ~ parte über der Zeile nach-
getragen. ' Folgt getUgt vilico canonice Yer. * inter dictum wie-
derhoU.
10.
Tapst Gregor IX. trägt dem Bonafides, Prior von Allerheiligen
in Verona, auf, einen Streit zwischen Ärmann von Campo und
dem Domkapitel von Verona um die GerichtsbarTceit in Breguzzo
zu entscheiden. Anagni, 1227 August 26.
Inseriert in einer ZuBchrift des Priors an Armann von Campo, in der er auf
den zehnten Tag nach geschehener Vorladung vorgeladen wird, transumiert
im Notariatsinstrumente über die Überreichung dieser Vorladung von 1228
März 30. Verona K.-A. BC. 40 m. 6, Nr. 12. Fehlt bei Potthast, Regesta
ponüficnm und Auvray, Les registres de Gr^goire IX. Druck: Simeoni Tri-
dentum 9, 356. Der Name des Priors ergibt sich aus Ughelli, Italia sacra
5, 836, Urkunde 1224 September 21.
Gregorius episcopns servus servorum dei dilecto filio . . priori om-
nium sanctorum Yerone salutem et apostolicam benedictionem. Dilecti
filii archipresbiter et capitulum Yeronense suam ad nos querimoniam
destinarunt, quod Ar(mannus) de Campo et quidem alii clerici et laici ci-
vitatis et diocesis Tridenti super iurisdictioni temporali, quam habent in
Bregucio et quibusdam aliis villis in Tridentina diocesi constitutis, red-
ditibns et rebus aliis iniuriuntur eisdem. Ideoque discretioni tue per
apostolica scripta mandamus, quatinus partibus convocatis andias causam
et apellacione^ remota debito fine decidas, faciens quod decreveris per
30*
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censuram ecclesiasticam firmiter observari. Testes autem qni faerint no-
minati, si se gratia odio yel timore snbtrazerint, censnra simili apelia-
cione cessante compellas ?ei*itati testimonium perhibere. Datum Anagnie,
YII. kalendas septembris, pontificatus nostri anno primo.
1 C.
11.
Auf Befehl der Domherren Isnard und Johannes von Verona
fallen genannte Leute von Zuclo und Bolheno ein Weistum über
die Gerechtsame des Domkapitels in Bolheno und Zuclo. Zuclo^
1238 Juli 18.
Orig. Perg. in Verona K.-A. AC. 71 m. 8, Nr. 14. Druck: Simeoni, Tridentum
9, 357.
Die Inne terciodecimo exennte inlio, in villa Desncnli Tridentine
diocesis, snb porticalia ecclesie sancti Martini, presentibns d*" Bonaven-
tura de Broilo indice, presbitero Omnebono plebis de Teiono atqneTren-
tino clerico ipsias plebis et aliis. Ibiqne cum d^ Isnardns et Johannes
canonici Yeronenses essent ibidem pro canonica et capitnlo Veronensi
pro exercenda iurisdictione Desuculi et Bolbeni de volnntate et mandato
archipresbiteri et capitnli Yeronensis et vicinia illarum terraimm Desn-
cnli et Bolbeni esset ex precepto ipsornm d^""" ibidem congregata coram
eis more solito, Lafrancns Baraterius, Aimericus Sina et Magnus filius
quondam Rainerii de Bolbeno et Octo Asinellus de Desuculo de mandato
suprascriptorum d^'**"^ Isnardi et Johannis canonicoiiim iuraverunt ad
sancta dei evangelia fidelitatem suprascripto d^ Stephane predicte maioris
Yeronensis ecclesie archipresbitero absenti et predictis d'" Isnardo et
Johanni recipientibus pro canonica et capitulo contra omnes personas
anteposito imperatore et suis anterioribus dominis, si quos haberent, et
quod adiuvabunt archipresbiterum et capitulum Yeronensem manutenere
eas terras, et si eas admitterent,^ qaod eos adiuvabunt eas recuperare, ta-
men non expensis ipsoram hominum, et insuper dicere et manifestare
veritatem de tota illa ratione, quam canonicam^ et capitulum habet et
debet habere in ipsis terris Bolbeni et Desuculi^ et ea omnia, que cano-
nicis et capitulo licita et inlicita sunt facere in eius terris, et dicere veri-
tatem ex parte canonicorum et capituli, quam communium et singulario-
rum hominum illaram terrarum. Qui vero Lafrancns Baraterius, Aime-
ricus Sina et Magnus filias quondam Rainerii de Bolbeno et Oto Asinellus
de Desuculo interogati a me Enrigacio notario dixerunt: Nos dicimus per
nostra sacramenta, quod sicut trahit a rivulo Riverio usque in summo
acie montis in montibus et planitiis et deinde usque ad aquam rio Clo-
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sam et inde usqne ad Closam lad Bonconi et inde usque in summo Gopedelli,
sicnti possident illi de Bondo et de Bergucio et illi de Bolbeno et de De-
suculo et omnes, qni habitant in istis confinibns, debent se distringere va-
diam et rationem facere pro canonica maioris ecciesie YeroDensis et dare
bannum et wadiam quinqne soldorum predictis canonicis Yeronensibus
Tel eorum vilico. Item dixerant, quod ipsi intellexerunt per eorum maio-
res et antecessores, qnod illi de Bundo et de Bergncio debent annnatim
solvero suprascripte canonice decem et octo soldos denariornm Yeronen-
siam, et illi de Bolbeno et de Desuclo similiter debent solvere snprascripte
canonice annnatim sex soldos, qnos sex soldos illi de Bolbeno et de De-
SQcnlo debent dare illis de Bergacio, et illi de Bergacio debent eos dena-
rios simal cam suis denariis defferre ad canonicam Yeronensem. Set di-
xerant, quod omnes terre, que sunt infra predictos confines, possnnt
vendi, donari, pro anima iadicari per illos homines, quorum sunt ipse
terre, et quod homines, qui habitant in illis terris, sunt liberi homines.
Et etiam dixemnt, qnod canonici debebant hospitari et recipi per homines
illamm terrarnm, sicut continebator in quodam instrumento confecto per
quondam Marcium Hostiarinm notarinm ibidem perlecto, in quo contine-
bator, quod debent hospitare canonicos et dare f^num et anonam pro ca-
samento antiquo et novello: Bonumtempns debet dare duos denarios,
übertus cum Johanne et Lafranchino et Arcatore et übertino filioJohan-
nis firatris Uberti suprascripti et cum Lencio et cum Scudacolo filio Enge-
cete debent dare quinque denarios de ficto. Ubertinus et Johannes Bur-
donus filii quondam Martini Beside cum Bocasavia solvunt octo denarios,
Widrisius et Barucius solvunt in uno anno sex denarios et in alio Septem,
Ferrus Stephanum unum denarium, Franconus unum denarium, Andreas
nnum denarium, Amicinus quinque denarios, Ubertinus et ^uaninus 6t
Beniaminus dant duos denarios, Becla et d. Johannes fratres unum de-
narium, Girlancius cum Lafranchino Pancaldo et cum Literio et Yergeclo
et Magno et Wigelmo tres denarios, Albericus Berletus unum denarium,
filius presbiteri Johannis cum suis sociis qnatuor denarios. Isti sunt de
Bolbeno. Et ita solvunt de ficto Malanox et ^Qfado filius Balduini et ^ua-
nellns et Brilotus fratres tres denarios, Johannes de Fano nepos Bai-
mundi cum suis sociis unum denarium, filii Molini quinque denarios, do-
mus Bainerii et eins fratris Martini quinque denarios, domus Domi-
nici quinque denarios, Adam de Supravia cum omnibus suis sociis
quinque denarios, Bonumtempns cum uno suo nepote Johanne tres
denarios, Martinus et Horabona fratres tres denarios, Lafrancus nnum
denarium, Axerbns cum duobus fratribus unum denarium, Maurinus cum
una sua nepote unum denarium, Maii;inus cum nepotibus et cosinis^ suis
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444
medium denarinm, übertinus de Gomadino et Malaopera ei Madins unam
denariam, Tardianus et Walpertus et Johannes de Nogarole com suis so-
ciis unam denarinm. Et dixerunt etiam, quod si aliqms illaram terrarum
decederet sine berede, quod canonici Tel eorum gastaldio debet habere
viginti soldos Yeronensium, qui denarii debent poni in ntilitatem illarum
comunium. Et suprascriptus Otto Asinellus tantum addidit dicens, quod
a suis maioribus intellezit, quod canonici debebant habere de bonis illius,
qui decederet sine berede, unam vacham. Quibus peractis in predicta vi-
cinia omnes isti inferius scripti de Desuculo et Bolbeno iuraverunt fide-
litatem suprascripto d® Stephano Yeronensi arcbipresbitero absentis^ et
prenominatis d^' Isnardo et Jobanni canonicis recipientibus vice et no-
mine canonice et capituli in omnibus et per omnia, prout suprascripti La-
francus Baraterius, Aimericus Sina et Magnus filius quondam Sainerii de
Bolbeno et Otto Asinellus de Desuculo fecerant. Quorum nomina ista
sunt: 9&mbonus de Petro . . . .^
Item predicto die, in platbea Desuculi, presentibus suprascriptis
d*' Bonaventura de Broilo iudice, presbitero Omnebono plebis Tejoni
atque Trentino clerico ipsius plebis et aliis. Ibique cum vicinia illius
terre Desuculi et eciam Bolbeni esset ibidem coram predictis d*' Isnardo
et Jobanne more solito coadunata, et ipsi d* vellent se de ipsa terra se-
parare, preceperunt ipsi vicinie et bominibus illarum terraimm, ut debe-
rent solvere expensas, quas ipsi ibidem fecerant ipsa die. Que expense
capiebant in summa sex libras et Septem soldos et dimidium ; qui vero
denarii debebant Pasqualo de Desuculo, qui eas expensas fecerat. Ad que
Aimerius Sina respondit dicens: D* itote in nomine domini, quiaego bene
solvam illas expensas. Et ipsi d* dixerunt: Nos nolumus, ut solvas de tuo
proprio imo tantum de comunibus Bolbeni et Desuculi, sicut fieri debet.
Et sie ipse Aimericus Sina existens in yicinia illarum terrarum fecit su-
prascriptum Pascalem esse contentum et clamare se solutum de expensis
predictis. Millesimo ducentesimo trigesimo octavo, indictione undecima.
Ego Enrigacius quondam Bonzenelli de Osbeco d^ Frederici regis
notarius interfui rogatus et scripsi.
* A. ' Im Originale folgen noch 55 Namen.
12.
Veri/reter des Erzpriesters und Domkapitels von Verona verur-
teilen Genannte von Bolbeno zu einer Geldstrafe, nachdem diese
sich geweigert hatten, den Treueid zu schwören und den Vertre-
tern des Domkapitels Gastung zu gewähren, Zuclo, 1238 Juli 19.
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445
Orig. Perg. Verona K.-A. AC. 10 m. p, Nr. 16.
S. Die lune terciodecimo eieunte inlio, in comitatu Tridenti, in
villa DesQCuli snb porticalia ecclesie sancti Martini, presentibus d*'
Bonaoentora de Broilo iadice, presbitero Omnebono plebano Teioni atque
Trentino clerico ipsias plebis. Ibiqne cum mnlti ex convicinis Bolbeni
et Desucnli iarayissent fidelitatem d^' Isnardo et Jobanni canonicis Vero-
nensibus yice archipresbiteri et capitali ecclesie Yeronensis in Ticinia
illarum terrarnm ad sonrnn campane more solito congregata, ipsi d^ Is-
nardns et Yinianus precepernnt Pelegrino Oestario et Delanancio eins
filio de Bolbeno in banno sexaginta solidorum Yeronensiom, ut inrarent
eis vice arcbipresbiteri et capitali maioris ecclesie Yeronensis fidelitatem
et fiacerent eis receptum, providendo eis in expensis secnndnm quod alii
eorum convicini fecerant et ut debebant. Qui Pelegrinus et Delauancius
respondenint: Nos nolumus boc facero nee debemus. Item precepernnt
eis in banno decem librarum, nt iurarent et facerent eis receptum ut su-
pra dictum est. Qui responderunt dicentes: Nos nolumus hoc facere, quia
non debemus. Item precepernnt eis in banno viginti quinque librarum,
ut iurarent et facerent receptum ut supra dictum est. Qui responderunt
dicentes: Nos nolumus illud facere nee debemus. Quibus peractis supra-
scripti d^ Isnardus et Johannes canonici Yeronenses in vicinia illarum
terrarnm existentes more solito ad sonum campane congregata talem sen-
tenciam tulerunt sie dicentes: Nos Isnftrdus et Johannes canonici Yero-
nenses auctoritate archipresbiteri et capituli Yeronensis maioris ecclesie
nobis concessa sive data Pelegrinum Cestarium de Bolbeno et eins filium
Delanancium pro eo, quod recusaverunt atendere precepta nostra vice
archipresbiteri et capituli Yeronensis nolentes nobis iurare fideli-
tatem nee nobis providere in expensis simul cum aliis eorum convicinis
et secundum quod eorum convicini fecerant et prout tenentur, in vi-
ginti quinque libras den. Yer. pro uno quoque dandis et solvendis archi-
presbitero et capitulo maioris ecclesie Yeronensis hine ad oeto dies con-
dempnamus.
Millesimo ducentesimo trigesimo oetavo, indictione undeeima.
Ego Enrigacius eondam Bon9enelli de Osbeco d' Pederici regis no-
tarius interfui rogatus et seripsi.
13.
Kaiser Friedrich IL beauftragt den Sodegher de Tyto, Podestä
von Trient, das Domkapitel von Verona in seinen Rechten und Be-
sitzungen im Tridentinischen zu schützen. Verona, 1239 Juni 13.
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446
Inseriert im Instrumente über die Überreichung^ dieses Mandates an den
Podesti Sodegher von 1239 Dezember 21, Orig. Perg., Verona K.-A. BC. 33
m. 5, Nr. 3. Fehlt bei Böhmer-Ficker, Regesta imperii V, 1. Die Anwesen-
heit des Kaisers in Verona ist bezeug^ durch Böhmer-Ficker 2444. Mit Tor-
liegpendem Mandate häng^ eng zusammen Böhmer-Ficker 2442, das die Vor-
aussetzung des Mandates bildet
Fr(idericu8) dei gratia Romanorum Imperator semper aagnstus Je-
rusalem et Sicilie rex Sedeg(erio) de Tyto capitaneo Tridenti fideli 8uo
gratiam suam et bonam volnntatem. Cum S(tephanum) venerabilem ar-
chipresbiterum canonicos et capitulum maioris ecclesie Veronensis fideles
nostros nee non ecclesiam ipsam cum omnibus bonis suis sub nostra et
imperii proteccione et defensione recepimus speciali, fidelitati tue preci-
piendo mandamus, quatenus dictos archipresbiterum capitulum et cano-
nicos aut ecclesiam ipsam in hominibus familiis eorum possessionibus et
aliis bonis suis que in iurisdictione tua iuste tenent et possident contra
patentis scripti protectionis nostre tenorem molestari ab aliquibus inde-
bite non permittas, nisi nobis inventi fuerint verbo et opere adversati.
Datum Verone, XIIP iunii, XII. indictione.
14.
Genannte Leute von Sover erteilen auf Befragen des Domdekans
Friedrich von Trient ein Weistum über die Hechte und Gerichts-
harJceit des Trietiter Domkapitels in Sover (1). Der Domdekan
verbietet den Leuten eine fremde Leibeigene eu lievraten oder sich
einem Herrn zu kommendieren (2). Sover, 1243 Juni 18.
Orig. Perg., Innsbruck St.-A., Trient Notariatsurkunden, vielfach beschädigt.
1. [In]^ nomine Christi. Die iovis terciodecimo exeunte iunio,
in Sovero in Pedra^olo supra domum Pasqualis filii condam Waldemani,
in presentia domini Bodegerii [presbiteri de Flemo, Benvenuti]^ Scolaris
de Tridento, Otobeli de Oivefano, Bonaventure notarii et Avancli de
Barbaniga et aliorum testium rogatorum. Ibique cum d. Federicus de-
canus ecclesie et capituli Tridentine se[dis pro se et] ^ d° Tridentino et
d® Aycardo et d* Petro canonicis Tridentinis presentibus et aliis cano-
nicis de suo columpnelo Perceni absentibus convocatis et coadunatis
cunctis^ . . . videlicet Cncarelo, Donato de Raynero, ^^nino de Cucarelo,
Donato de Canipa, Dodo de Grilo, Donato de Toscana, Johanne de ^ano,
Blanco, Donato de Dodo, Ordano* .... de Plorenfo, Martine de Vilana,
Donato de Lavales, Martino de Paganelo, Adelpreto de Maso, Johanne
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447
eias generOy Martino de Bianco, Mauro de Blanco, Laurencio eins fratre,
Enrico de Paganelo, Sabadino de Feie, Fei, Martino de Feie, Johanne de
^aspo, Persona filio Avisii, Martino de Waldo, Blanco fabro, Pasqnale
eins fratre, Pasqnalino filio Waldemani, Martino eins fratre, Waldo de
[Dodo],^ Enrico de Wera, Pugneto de Maso, Weio genere Adelpreti, Jo-
hanne suo fratre, Pasqnalino filio (}2Lm inter suprascriptos homines So-
veri proponeret dicere, qaod pro ntilitate dicte ecclesie^ .... ntilltate
etiam soprascriptorum hominnm scire volebat et cognoscere redditus,
ficta, rationes, inrisdictiones, teretorinm et confines teretorii et montium
et omnia inra ecclesie et capituli Tridentini, [qne]^ dicta ecciesia et ca-
pitulnm habent et habere debent in dicta tera Soveri et hominibns supra-
dictis, et quicqnid ipsi homines dare et facere tenentur tarn in rebus
quam in personis, ita quod nnla^ posit^ esse deceptio et defraudatio [ver*
sns]® homines supradictos ^el hominnm snpradictomm versns dictam ec-
clesiam et capitulnm Tridenti, qui homines omnes supradicti de Sovero
universaliter et generaliter et quilibet singniariter comuniter et concor-
diter respondemnt, quod bene volebant et illud sibi placebat. ünde om-
nes snprascripti homines comuniter et concorditer et cum voluntate pre-
dicti domini decani eligemnt Pasqualnm filium condam Waldemani et Do-
natum de Palota, Pasqualum de Fabro et Donatum de Dodo et Adel-
pretum filium condam Masi et Weium de Floren^o, qui iurare debe-
rent manifestare et dicere redditus et ficta rationes inrisdictiones
teretorium^ et confines teretorii et moncium et omnia iura, que yel
quas dicta ecciesia et capitulum habent et canonici habere debent tam
in personis predictorum hominum quam in rebus et teretorium et confines
teretorii et moncium canonicorum capituli Tridenti in Sovero et in illis
pertinentiis. Qui predicti Pasqualus Waldemani, Donatus de Palota, Pas-
qualis de Fabro, Donatus de Dodo, Adelpretus filius condam Masi et Weius
de Florenfo omnes ad sancta dei ewangelia iuraverunt sie manifestare et
dicere per omnia, ut superius dictum est, et predicto modo. Qui iurati
per sacramentum manifestaverunt et dixerunt omnes concorditer presen-
tibuB Omnibus suprascriptis hominibns Soveri et ipsis consentientibus et
de ipsorum voluntate, quod hü sunt redditus ficta rationes inrisdictiones
iura teratorium et confines teretorii et moncium ecclesie et capituli Tri-
denti videlicet, ^® [quod hoc est] teretorium ecclesie beati Vigilii et capi-
tuli Tridenti, quod snprascripti homines et omnes homines de Sovero te-
nent ad fictum a predicta ecciesia etcapituloTridentino: ab ^^ Aviso citra
sicut . . . .^^ aqua rii Longi usque ad rium montis Pelosi usque in Fre-
gasogam, secundum quod terminatum est, et vadit a monte de Fregasoga
per valem de la fine usque ad rium de val Fliana^ et a rio de val Fliana
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448
citra ?er8us So?erum asqae in Avisium. Hec omnia, qne sunt inter dictos
confines, videlicet prata, montes et alias teras^tenentdictihominesdeSo-
vero ad fictum a dicta ecclesia et capitulo Tridenti et canonicis pro viginti
modus siliginis de canipa et eam conducere Tridentam ad domam cane-
parii canonicoram capituli Tridenti ad sacram sanctiVigilii sicam etbene
vasam et mnndam et peco[ra]s . . .^' tres in mense madii et duas pecoras
in sancto Laurentio et quatuor modia boni casei de canipa ad staderam ca-
noniconim omni anno, et quilibet focus siye masarius Soveri debet omni
anno dare et solvere unam spalam^ de porco et unam scamaridam et debent
portare dictas spalas et scamaridas ad domam gastaldionis canonicoram,
et illi qai portat spalas ad gastaldionem, debet habere tres de predictis
spalis et in se debet suam tenere spalam ultra illas tres. Item debent
predicti homines de Sovero solvere dnodecim libras Yeronensinm paryu-
lomm in feste sancti Micaelis yel ad octayam omni anno predicte ecclesie
et capitnlo Tridenti et canonicis Tridenti, qaas solvunt nominatim pro
colta, qnam caneparins canonicorum et capitnli Tridenti solitus erat po-
nere in Sovero, eo salvo qaod si dictum capitulum et canonici Tridenti
ponerent comnnem coltam snpra alios suos homines, quod ipsi debent et
posunt^ ibi in Sovero ponere coltam et eam Inere et recipere ad snam vo-
Inntatem, secundum qnod ipsi ponerent et facerent poni aliis snis homi-
nibns, ita quod tunc predicte dnodecim librae Yeronensium moriuntnr et
dicti homines Soveri illo anno illas dnodecim libras Yeronensium solvere
non tenentur nee debent. Item quod de omni questione Hte causa et con-
troversia et accusatione, que fuerit inter predictos homines Soveri vel
inter ipsos et alias homines, cum lis faerit contestata, debet solvere quin-
que solides pro banno ille homo Soveri, qni fuerit reus, nisi fuerit de in-
iuria, quia tunc, si fuerit de iniuria, debet solvere bannum ad voluntatem
capituli et d®"" canonicorum Tridenti. Item quod homines de Sovero
sunt omnes de iurisdictione et districtu ecclesie et capituli canonicorum
Tridenti et sub eis tenentur et debent facere rationem sicut liberi homines
tam in civilibus quam in criminalibus et non per^ aliqnam aliam personam.
Et propter iurisdictionem tere,^ quam habent ecclesia et capitulum et ca-
nonici Tridenti pro dicta ecclesia et capitulo in Sovero, homines de Sovero
tenentur et debent ipsos canonicos et caneparium et gastaldionem et allios^
nuntios canonicorum cum illis, qui fuerint secum, honorifice recipere
cum potu et cibo et alliis necesariis rebus tam personis quam equis eorum.
ünde predictus d. Federicus decanus Tridentinus pro dicta ecclesia et ca-
pitulo et canonicis omnes homines suprascriptos universaliter et singula-
riter quemlibet verbotenus, si ita erat rei veritas, ut predicti iuratores
ellecti per ipsos homines dixerunt et manifestaverunt in omnibus et per
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449
omnia et itasiabant content! confesi^ et manifest! esse [interrogav!t].^^ Qu!
omnes homines uniyersaliter et qnilibet singnlariter interogatas^ omnes et
qnilibet singnlariter dixernnt et responderont, qnod bene erat ita rei re-
ritas in omnibns et per omnia, ut snprascripti iuratores ellecti dizerant
et manifestaverant ut superius dictum est, et sie in omnibus et per om-
nia stabant contenti confesi et manifest!, et qnod ita facere debebant et
tenebantor et perpetuo atendere^ et observare volebant et promiserunt et
Yolont. Landaverunt insnper et dixernnt d. Federicus decanus Triden-
tinns prefatns et omnes homines snprascripti concorditer et nnanimiter
nniyersaliter et singnlariter et me rogaTemnt, ut de omnibus supradictis
inde in uno tenore duo conscriberem instrumenta. £t insuper omnes
suprascripti homines de Sorero generaliter et singnlariter ad cautelam
stipulatione promiserunt per se suosque heredes prefato d® decano pre-
senti et stipulanti ac recipienti pro se et capitulo Tridentino et specialiter
pro colompnelo Percen! sie perpetuo atendere et observare sub obligatione
suorum bonorum. Actum est hoc anno domin! millesimo ducentesimo qua-
dragesimotercio, indictione prima.
Ego Delayantius sacri pallacii notarius interfu! rogatus et scripsi.
2. In nomine Christi. Die jovis terciodecimo exeunte iunio, in So-
vero, inPedre9olo supra domum Pasqualis filii condam Waldemani, in pre-
sentia d* Bodegerii presbiteri de Flemo, Benvenuti Scolaris de Tridento,
Otebeli, Bonarenture notari! de ^i^e^ano, Ayancii de Barbaniga et alio-
rum testium rogatorum. Ibiqae d. Federicus decanus Tridentinus pro se
et d^ Tridentino et d® Aycardo et d® Petro canonicis Tridentinis presen-
tibus et pro omnibus aliis de columpnelo et capitulo Percen! absentibus
et pro ipso columpnelo Trident! cum omnibus infrascriptis hominibns
Soveri et de eorum Toluntate et ad eorum postulationem TidelicetCucareio,
Donato de Baynero, ^anino de Gucarelo, Donato de Ganipa, Dodo de Grilo,
Donato de Toscana, Johanne de ^^^o, Pasqualino filio ^^ni» Blanco, Do-
nato de Dodo, Ordano, Donato de Subvia, Martino Coia, Weio de Floren90,
Martine de Yilana, Donato, Martino de Paganelo, Adelpreto de Maso, Jo-
hanne eins genero, Martino de Blanco, Mauro de Blanco, Laurencio eius
fratre, Enrico de Paganelo, Sabadino de Feie, Fei, Martino de Feie, Jo-
hanne de ^ftspo, Persona filio Auisii, Martino de Waldo, Blanco fabro,
Pasqualo eius fratre, Pasqualino filio condam Waldemani, Martino eius
fratre, Waldo de Dodo, Enrico de Wera, Pngneto de Maso, Weio genero
Adelpreti, Johanne suo fratre tale fecit statutum et ordinamentum, quod
aliquis homo de Sorero non debeat accipere feminam de macinata nee de
familia alicuias militis nee alicuius domini, et si quis predictorum homi-
nnm yel suorum heredum acciperet feminam de macinata yel de familia,
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450
quod ipse vel ipsi amitant totnm snum podere, quod habent in Soaero, et
per?6nire debeat dictum podere in dictos d"*" canonicos et capitnlnm Tri-
denti de columpnelo Percini, et canonici debent dare illnd podere ricinis
et hominibne Soreri ad tale fictum, nt solitnm est^^ solvere dictum podere.
Item qaod si aliqnis homo exiret de tera Soreri et non solveret ficta et
rationes canonicomm et servicia et honores eomm, quod ipse amitat si-
militer et eodem modo dictum podere suum. Item quod aliquis homo de
Sovero non debeat esse comandus nee se commandare nee aliquo modo se
subponere alicui militi nee alicui domino sub pena XXY librarum Yero-
nensium pro quolibet, pena soluta et postea atendere promiserunt omnes
8npi*ascripti homines predicto d® decano suisque confratribus de colum-
pnelo Per9eni et per omnia ut supra legitur, attendere omnes supradicti
homines universaliter et singulariter et quilibet per se omnia sua bona
presentia et que aqnistayerit dicto d® decano Tridentino recipienti pro se
et capitulo Tridentino pignori obligavit^^ et obligaverunt et pro eo et
dicto capitulo manifestavit et manifestaverunt possidere. Actum est hoc
anno domini millesimo ducentesimo quadragesimo tercio, indictione prima.
Ego Delauantius sacri pallacii notarius interfni rogatus et scripsi.
* Perff, weggelesen in Länge von 2 cm. * Ebenso, ergänzt nach dem
Folgenden. • Pcrg,, auf beiden Bändern weggerissen in Länge von 3 und
2 cm; ergänzt wie oben* * Schrift zerstört in Länge von 4 cm; am Anfange
der Zeile ebenso 2 cm, ^ Schrift zerstört in Länge von 1 cm; tu Beginn
der Zeile ebenso von 3 cm, ^ Scfirift zerstört in Länge von 1 cm-, ergänzt
wie oben. ^ Schrift zu Ende und Anfang der Zeile zerstört in Länge von
je 1 cm. • Loch im Perg. oon 1 cm Länge. • A. *® Schrift am Ende der
Zeile und zu Beginn der nächsten zerstört in Länge von 0'6 cm. *' von ab
bis confines videlicet mit derselben Tinte unterstrichen. *• Schrift zu Be-
ginn der Zeile zerstört in Länge von 1 cm, ^* Ebenso in Länge von 0*6 cm.
** Fehlt A. ** A ut.' *• obligayit et obligaverunt unter dem Kon-
texte nachgetragen,
15.
Genannte Leute von Sover fällen, befragt vom Domdekan Fried-
richy ein Weistum, daß eine verheiratete Frau keinen Anspruch
auf das Erbe ihrer Brüder und Neffen habe, Sover, l^M Mai 18.
Orig. Perg. Schrift teilweise ahgebrochen; Innsbruck St.-A., Trient Notariats-
urkunden.
S. [Anno domini]^ millesimo CGXLIIII, indictione secunda, die Xmi.
exeunte madio, in Tilla Soueri ante^ .... Laurentii in presentia Bertaldi
de Salurno, Paxeti viatoris, Walengi de Pinedo et aliorum testium. Ibi-
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461
qae Donadellns Pascalis atque Weius degani et iurati d®"°' canonicoram
Tridenti in Souero de mandato d' Federici decani et totins capituli et ex
ipsorum comissione, ut dixenmt, preceperunt omnibns infrascriptis per-
Bonis, silicet Donato de Canipa et Martino de Uillana et ^oanino filio Do-
nati et Donato genero Blanche et Blanco S. . .^ dino et Johann! Gacarello
et Persona et Blanco de Grillo et Dominico filio Donati et Mauro et Mar-
tino de Waldo, et Pascali de Waldemano et (^vkno de Grillo et Dodo et
Ordano et Martinacio et Weio et Martino filio Waldemani et Donato
Strambo et Henrico de Wera et Henrico de Paganella et Waldo et Donato
fratri 9&ni et Weio et Adelpreto de Plafa et Johanni et Martino de Pa-
ganella et Pngneto et Donato de Yale et Fello et Johanni de 9^po et
Pascali de Swario et Sabadino et Martino de Blanco et ^oanacio et Jo-
hanni, qui dicitnr Andreas, et Johanni filio 9&ni sacramento fidelitatis,
quo d*' canonicis tenentnr et capitnlo Tridentino, qaod debeant facere
rectum laudamentnm, si aliqna mnlier nnpta est extra domum patris vel
fratmm, si ipsa mnlier postea potest petere fratribns 7el nepotibus here-
ditatem vel partem hereditatis fratribus vel nepotibns. Qui omnes sapra-
scripti concorditer dixemnt: Non, dicendo, qnod talis consnetndo obtenta
est m yilla Soneri per XL per LX annos et plus et per tantnm tempus,
coius non est ad memoriam.
Ego Stephanns, qui dicor Auinantus, notarius domini Henrici regis
interfui et rogatns scripsi.
^ Schrift ahgehrochen in Länge von 2 cm. * Loch im Pergamente
von derselben Länge, • Schrift ahgehrochen in Länge von 0'6 cm.
16.
Sodegher^ Podestä von IVient, erkennt die Gerichtsbarkeit des Dom-
kapitels von Trient in Zivilsachen über die Eigenleute des Ka-
pitels außer in Judikarien an. Trient, 1264 Juli 8.
Orig. Perg. In dorso von Hand des 13. Jahrhunderts: Carta qua spectat ad
homines de familia; von Hand des 16. Jahrhunderts: continet, quod homines
Pergini debent iudicari a iudice capituli in civilibus sed non in criminalibus.
Innsbruck St.-A., Trient Notariatsurkunden.
S. Anno domini millesimo CCL quarto, indictione XII, die mercurii
YIII. intrante iulio, Tndenti in ponte castri d^ Sedegerii de Tjto pote-
statis Tridenti, presentibus d'^Vlrico dei gratiaXridentine ecclesie electo,
d^ Odolrico archidiacono Tridenti, magistro Odolrico scolastico, magistro
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452
Bonomo, d*'* Petro, Henrico et Omnebono canonicis Tridentinis, d* Jo-
hanne iadice, d^ Calapino indice, d® Pandnlfo, d® Sjmone capitaneo de
Valsana, d® Odolrico Ma^orento et aliis. Ibique cum ex parte d^'°" ca-
nonicorum Tridenti coram d* Sedegerio de Tyto potestate Tridenti pro-
positum et petitnm fuisset, quod idem d. potestas ordinäre deberet, quod
homines ipsomm in Per^ino et districtn d^ Morandi commorantes eisdem
serrire et snbiacere et pro eis rationem facere deberent, prent actenus
facere consneverant, pronominatus d. potestas dixit, qnod bene sibi placet
et Tult, qnod homines d^'**"* canonicomm in Perfino et illis pertinentiis
et alibi in districtn d^ Morandi commorantes et alibi preter quam in Jn-
dicaria illis servire et snbiacere et pro eisdem d^' canonicis racionem
facere debeant de omnibns cansis preter qnam in criminalibns, secundnm
qnod actenns facere consneverant, et quod non Tult qnod aliquis officialis
seu capitaneus suus ipsos d®" canonicos yel eomm nuncios super hiis
debeat inpedire.' Et dedit eisdem capitaneis et officialibus in mandatis,
quod ipsos d*" canonicos de cetero non inpediant^ in predictis.
Ego Otto sacri palacii notarius interfui et iussn predicti d^ po-
testatis hec scripsi.
* Korr, aus domino. * A.
17.
Vor Bischof Bernhard von Padua, als vom Papste delegierten
Richter im Streite zwischen Bischof Philipp von Trient und Her-
zog Meinhard von Kärnten, appelliert ein genannter Vertreter des
Herzogs an den Papst, wobei das Recht des Vogtes von Trient,
nach dem Tode des Bischofs die Regalien zu verwalten, angeführt
tvvrd, St. Lucia hei Verona, 1290 März 1.
Orig., Wien St.-A., Rep. 7. Auszug bei Bonelli, Memorie 2, 666 n. d.
S. In Christi nomine. Anno nativitatis eiusdem millesimo ducente-
simo nonagesimo, indictione tercia, dieprimo marcii, incampaneaVerone
iuzta locum sancte Lucio, presentibus presbitero Gerardo sancti Andree
de Padua, magistro Petro Andree et Bernardo Michaelis clericis et capel-
lanis, Jacobe Baynardi et Bernardo Sauignani domicellis infrascripti d'
episcopi Paduani et Antonio Yeronensi canonico Mantuano et aliis.
Cum Tuanus de Verona asserens se procuratorem substitutum a magistro
Conrado de Schrouenstain procuratore magnifici viri d* Maynardi ducis
Carintbie et comitis Tyrolensis nomine procuratorio pro eodem d° duce
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453
coram venerabili patre d** Bemardo dei gi*atia episcopo Paduano consti-
tntns appellationem quandam cains tenor infra de verbo ad verbam po-
nitur interposuisset et eidem d"* episcopo in quadam cedula porrexisset,
idem d. episcopus cednla^ appellacionis coram ipso perlecta Yuano pre-
dicto qui cedulam Ipsam porrexerat respondens dixit, quod super propo-
sitis coram eo et appellatione interiecta deliberare volebat, ntram vide-
licet esset appellationi huiusmodi deferendam necne, et ei super hoc de-
liberacione habita respondere, petens et reqnirens ab ipso Yuano, ut faciat
sibi fidem de procuratione predicti Gonradi, a quo se asserit substitutum,
et de substitutione sua et ad faciendum ipsi d^ episcopo fidem de dictis pro-
curationibus et comparendum coram eo in civitate Brixiensi ad audiendnm
responssionem' suam super appellatione premissa idem d. episcopus supra-
dicto Yuano ad diem sabbati proximum venturnm terminum peremptorium
assignavit. Tenor autem cedule appellationis per prefatumYuahum inter-
posite de qua premittitur talis est: Coram vobis venerabili d^ Bemardo
episcopo Paduano delegato sedis apostolice prout asseritis in causa que
vertitur seu verti speratur inter magnificum principem et illustrem d""
Maynardum ducem Earinthie comitem Tyrolis adrocatum ecclesiarum
AquilegensisTridentine et Biixinensis ex parte una et d'^fratrem Phjlip-
pum de Mantua ordinis fratrum minorum qui se gerit pro episcopo Tri-
dentino ex parte altera Yuanus de Verona substitutus per Chunradum de
Schrouenstain procuratorem predicti ducis procuratorio nomine pro eodem
duce et pro omnibus sibi adherentibus et adherere volentibus excipiendo
proponit et dicit, quod quia tos familiaris estis predicto fratri Phjlippo,
item quia cum adiutorio predicti fratris Phylippi promotus estis ad epi-
scopatum Paduanum, item quia vos fuistis et estis procurator et negocio-
rum gestor eiusdem fratris Phylippi contra dictum d*" ducem, item quia
estis Latinus sicut et ipse frater Phy(lippu8), propter hec nimis favetis
eidem, item quia Paduani sunt adversarii et inimici predicti ducis Earin-
thie, utpote qui homines memorati d* ducis capiunt incarcerant et spo-
liant eos pecunia sua, et tos sicut episcopus Paduanus sitis tamquam
unum corpus cum eisdem et snb districtu ipsoimm Paduanorum existitis,
ex promissis causis ac etiam aliis predictus d. dux et predictus eins pro-
curator procuratorio nomine pro ipso duce et pro omnibus sibi adheren-
tibus et adherere volentibus recusat vos ut suspectum et protestatur, quod
non obligat se ad probandum singula supradicta, set solum ad ea que
sufficiunt ad probandum suam intentionem, petens ne aliquid attentetis
in preiudicium ipsius ducis, donec predicta suspitionis causa fuerit termi-
nata, et predictus procurator procuratorio nomine pro ipso duce et pro
omnibus sibi adherentibus et adherere volentibus paratus est compromittere
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454
in arbitroB et ex parte sua elegit abbaten) de Stams ordinis Gisterciensis
diocesis Brizinensis. Item coram yobis d® Bernardo venerabili episcopo
Padoano predictns procnrator procaratorio nomine pro predicto dace et
pro omnibns sibi adherentibns et adherere Tolentibns protestatnr, qaod per
omnia et singnla qae infra ponet et dicet non intendit in yos consentire
tamquam in säum indicem, set ex premissis cansis vos expresse recusat
et excipiendo proponit et dicit, quod etiam cessantibns premissis causis
snspitionnm vos in predicto negocio procedere non debeatis iuxta formam
in litteris sedis apostolice expressam, cum predicte littere tacita veritate
et snggesta falsitate sint inpetrate.^ Est enim expressa falsitas in ipsis
litteris nbi dicitur, qnod predictas dux Earinthie comes Tirolis ac ofßcia-
les sai civitatem Tndenti et nonnulla castra villas loca valles burgos
possessiones redditas iura iurisdictiones bonores et alia bona quam plu-
rima ad eandem ecclesiam Tridentinam et ipsum episcopum spectancia
contra iusticiam occuparunt et ea detinent per yiolenciam occupata, cum
predictns dominus dux posito sine preiudicio, quod predictam civitatem
Tridentinam et alia que narrata sunt teneat, quod non credit, non
tamen ea tenet per Tiolentam occupationem aut contra institiam, set
iusto titulo utpote advocatus defenssor^ ac conser?ator bonorum rerum
seu possessionum ecclesie Tridentine. Sane impetrator tacuit veritatem
in predictis litteris impetrandis, quia tacuit quod predictns comes Tyrolis
et progenitores sui de antiqua et approbata consuetndine consuererunt
tamquam advocati et defenssores bonorum rerum possessionum civitatum
castrorum villarum locorum vallium burgorum iurisdictionum et aliorum
temporalium ad predictam ecclesiam Tridentinam spectancium conservare
et manutenere post mortem episcoporum, ne ab extraneis aut inimicis
predicta civitas castra et alia bona ad predictam ecclesiam pertinencia
raperentur, donee canonice episcopus crearetur in ecclesia Tridentina, et
tunc ad presenciam et requisitionem predicti episcopi et ecclesie Triden-
tine predicti advocati consueverunt assignare et dimittere civitatem castra
et alia supradicta pertinencia ad predictam ecclesiam Tridentinam epi-
scopo et ecclesie Tridentine. Cum igitur requisitio predictarum rerum
facta Sit per predictum fratrem Phylippum aut eins procuratorem nee ipse
frater Pbylippus personaliter se presentaverit et ita impetrator premissa
tacuerit, predicte littere tacita veritate sunt penitus impetrate. Propter
dictus procurator procuratorio nomine pro ipso duce et pro omnibus sibi
adberentibus et adberere volentibus proponit et dicit, quod non procedatur
per vos in memorato negocio iuxta formam in litteris ipsis expressam.
Item dictus procurator procuratorio nomine pro ipso duce et pro omnibus
sibi adberentibus et adherere volentibus offert se a^ probandum supradicta.
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protestando qnod non offert se ad probandum omnia et singula predicta,
sei tantammodo ad ea quo probata debebant legittima reputari ad snam
et ipsins d^ dncis intentionem fandandam. Item si dicatar ex adverso,
qnod ante mortem venerabilis in Christo patris d* Henrici bone
memorie episcopi Tridentini dictus dux tenuerit per Tiolenciam ciyitatem
caetra et alia bona temporalia ad predictam ecclesiam Tridentinam perti-
nencia, ad hoc iamdictns procnrator respondit et proposuit et dizit, qnod
viyente predicto d° H(enrico) episcopo Tridentino dictus d. daz tenuit de
bona volantate et consenssu^ predicti d^ H(enrici) episcopi et ecclesie Tri-
dentine titulo locationis seu condnctionis civitatem castra et ad alia pre-
dicta pertinencia ad ipsam ecclesiam Tridentinam, sicut in instrumentis
saper hoc confectis plenius continetnr, et propter hoc expresse negat se
predicta tenere ant tennisse per violenciam occnpata offerens se probatu-
rnm tantummodo ea qne ad snam intentionem fandandam sufficere yide-
antar. Item predictos procurator procuratorio nomine pro ipso dace et
pro omnibas sibi adherentibas et adherere volentibas cam predicta prote-
stacione excipiendo proponit et dicit predictas litteras non yalere, ex eo
qaod in ipsis litteris non fit mentio de qaadam appellacione per ipsam
ducem seu eins procaratores interposita contra dictum d^ H(enncum) epi-
scopnm Tridentinam sicut hoc probare poterit evidenter per instrumenta
confecta super appellatione memorata, et licet littere super predicta appel-
lacione prosequenda fuissent a sede apostolica impetrate, tarnen quia cum
propter mortem predicti H(enrici) episcopi Tridentini, tum quia per vene-
rabilem in Christo patrem d"^ P(etrum) de Meodiolano^ tituli sancti Marci
presbiterum cardinalem predictas litteras occupantem stabat, quominus in
prosecutione dicte cause appellationis sit processum, qui cardinalis licet
sepias requisitus predictas litteras appellationuai reddere recnsavit, sicut
in instrumentis protestationum super hec confectis lucidius est expressum,
propter hoc non obstante lapsu temporis de predicta appellacione in lit-
teris iam premissis maxime, cum in eodem negocio appellatum extiterit,
mentio fieri debuisset, quod cum non sit factum, dicit predictas litteras
non valere et vos non debere procedere per litteras memoratas, set revo-
care quod factum est per easdem. Item dictus procurator procuratorio
nomine pro ipso duce et pro omnibus sibi adherentibus et adherere volen-
tibus cum premissa protestatione excipiendo proponit et dicit admonitio-
nem primam per tos factam d° duci predicto esse nullam, cum vos solum
non potuistis ammonitionem facere supradictam, quia causa tribus iudi-
cibus est commissa sicut apparet evidenter in litteris impetratis, propter
hoc dicit ammonitionem revocari debere de facto quatenus de facto pro-
cesit,' protestando quod per omnia et singula supradicta ac etiam per ea
ArohiT. 94. Band, II. HUfte. 31
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qne infra dictnrns est non intendit in tos st in alios coniudices yestros
tamqnam in snos indices consentire, sei expresse vos recusat nt saspec-
tnm et suspectos ex cansis prins memoratis ac etiam adhnc proponendis.
Ex premissis igitur omnibns et singnlis predictns procurator procnratorio
nomine pro ipso duce et pro omnibns sibi adherentibus et adherere Tolen-
tibns salva protestatione sepins premissa proponit petit et dicit, qnod
principaliter cognoscatnr per arbitros de cansis snspitionnm premissis.
Item dictns procurator procnratorio nomine pro ipso dnce et pro omnibns
sibi adherentibus et adherere volentibns salvis semper protestationibns
premissis dicit, qnod non procedere debeatis in presenti negocio secnn-
dnm formam in ipsis litteris papalibns expressam ex causis prins memo-
ratis. Item dicit ex premissis causis, quod vos admonitionem primam fac-
tam per tos revocare debeatis, et quia predicta admonicio facta est in grave
preiudicium et gravamen predicti domini ducis et sibi adherencinm et ad-
herere Yolencium ex cansis memoratis, ex hoc et aliis gravaminibns et
causis premissis sentieus dictus procurator procnratoiio nomine pro ipso
duce et omnibns sibi adherentibus et adherere Yolentibus se g^mvatum ac
etiam, ne ulterins auctoritate predictarum litterarum procedatis in prefato
negocio» ex causis omnibns et singulis supradictis sedem apostolicam ap-
pellat in hiis scriptis et apostolos cum instancia petit, supponens dictum
ducem et sibi adherentes et adherere yolentes sub protectione sedis apo-
stolice speciali.
Ego Bartholomeus filius d^ Federici a Lectis d^ Roffini comitis de
Lomello auctoritate notarius et supradicti d^ episcopi Padnani officialis
et scriba predictis interfui et de mandato ipsius d^ episcopi hec scripsi.
* cedala zweimal ge«chrieben. * A. • A; Pelrtu Peregrottn»,
Kardinal V(m San Marco.
18.
Kardinal Bernhard von dies und Bemhardin und Siegmund von
Thun schließen ein Abkommen über die Ausübung der Gerichts-
barkeit durch die Herren von Thun. Trient, 1531 November 6.
Orig. Perg. Sekretsiegel des Bischöfe Bernhard an roter Seidenschnor; swei
andere Siegel, die an noch vorhandenen Pergamentstreifen hingen, fehlen.
In dorso: C. 9, Nr. 47, Innsbruck St.-A. Ebendort eine zweite, nicht ausge-
fertigte Reinschrift, der das Datum fehlt.
Nos Bernardus miseratione divina tituli sancti Stephani in Coelio
monte S. B. E. presbiter cardinalis et episcopus Tridentinus, ac sacrae
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Bomanomm regiae maiestatis coDsilii seereti pr^idens et cancellarins sn-
premns etc. et Bernardinus de Thono faciens pro me nee non ego Sigis-
mandns de Thono faciens pro me et reliqnorom fratmm meorum ac ne-
potnm meomm ex qnondam d° Qaspare fratre meo nominibns, pro
qnibus de rato et ratihabitione promitto omninm et singalomm infrascrip-
tomm in Yalida, ampla et consneta forma, notum facimns tenore presen-
tinm qnibas expedit nniversis presentes nostras lectnris vel andituris,
qnod iamdin et antiquissimis temporibns fnemnt mnlt§ et vari^ differen-
tiae et contentiones inter nos Bernardnm cardinalem et episcopnm Tri-
dentinnm ac predecessores nostros ex una, et nos Bemardinnm ac Sigis-
mundom de Thono ac fratres et maiores nostros ex altera maxime occa-
sione et cansa remm infrascriptamm:
Pnmo qnoniam nos cardinalis antedictus pretendebamus ipsos no-
biles de Thono sibi vendicare inrisdictionem Tillarum Breseni et Baselgae
pro iaribns castri Alteguarde, quum tarnen antiqnitus homines in illis
habitantes fecerint obedientiam episcopis Tridentinis et eorum officialibns.
Secundo pretendebamus prefatos nobiles contendere a iurisdictione nostra
et ecclesiae nostrae eximere quandam domnm sitam in valle nostra Solis
in Croniana et aliam domum sitam in villa Caldesii dictae nostrae vallis Solis
nolentes pati, qnod in eis aliqua execntio fieri debeat per yiatores offitii
nostri in yalle Annani^, et idem pretendebamus fieri per ipsos de Thono
de alia domo in villa Samocleni et de qaodam molendino in pertinentiis
YÜlae Caldesii et alibi in plerisque villis ubi domos habent, yolentes iidem
nobiles de Thono, qnod inhabitatores earum sibi sabsint et non offitialibus
nostris, ut sunt, qaas habent in villa Thay in domo dicta Dymarochi et
in villa Portuli, quas et inhabitatores earum etiam in iurisdictione nostra
delinquentes defendere nitebantur tanquam servos suos, quominus a ius
dicentibus nostris in dicta valle puniri possent. Pr^terea quod prefati
nobiles pretendebant custodire festa infrascripta, videlicet festum sanctae
Margarethae prope Castelletum, sancti Bartholomei de Caldesio^ sancti
Jacobi de Solasina, sancti Anthonii de Pragena, sanctae Mariae de Basi-
lica et habere ius puniendi, si que delicta in illis fiunt et perpetrantur,
cum tarnen nos cardinalis antedictus pretenderemus pr^dicta illis non li-
cere nee fieri per ipsos posse nee debere in preiuditium iurisdictionis no-
strae non ostenso titulo et iure, quod id facere possint. Ad que omnia
nos prefati de Thono respondebamus in primis quantum ad villas Preseni
et BaselgQ, quod nos in illarum iurisdictione non impedivimus nee impe-
dimus. Quantum ad domum in Croniana dicebamus illam fuisse quondam
d' Symeonis de Thono, ex post cessam capitaneo castri Bragerii et
nescire, quod respectu illius domus fieret aliqua novitas contra prefatum
81»
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458
j.mam ^m cardiiialem et in preiuditium sn^ dominationis. Similiter de ce-
teris domibus, quas habemns in Oaldesio, Samocleuio et alibi nnllam nos
pretendere exemptionem, preterquam in illis domibus in nostris investi-
tnris expressis, quas ab ecclesiaTridentina habemns, habitatis perserros
nostros, de qnibus in eisdem investitnris continetur, in quibus domibus
et personis servorum semper obseryatnm fuit et observatur tarn bic qnam
alibi, quod nemo iurisdictionem habeat contra servos, nisi ipsi qni domini
sunt eorundem et peculii sni, et similiter preterqaam in domo in Caldesio
valgariter dicta el mas del Stabel alias Majrhof, que tanqnam membram
et pars castri Caldesii debet eandem inmunitatem habere, qnam habet ip-
snm castram per nos habitatum. De festis Yero predictis nos de Thono
dicebamus fuisse consuetos antiquis temporibus illa custodire et ea fuisse
a nobis et nostris predecessoribus esse castodita cum emolumentis et one-
ribus suis. Propterea putabamus nos in iis omnibus minime impediri de-
bere, quum ea faciamus, que per elapsum fecimus. Super quibus omnibus
et singulis, cum diu fuisset contentio et controversia hinc inde inter nos
partes suprascriptas, Yisum fuit utrisque pro bono pacis et concordiae
super bis grayaminibus et quesiionibus tam nobis cardinali pr^fato quam
etiam nobis Bernardino et Sigismundo pro nobis et reliquis nostris de
Thono absentibus facientibus facere et inire compositionem, concordiam
et transactionem huiusmodi, ad quam nos prefati animo deliberato et ex
certa nostra scientia concorditer devenimus: Primo transegimus et con-
venimus, quod nos de Thono nullam in futurum exerceamus iurisdictionem,
prout nee oxercuisse dicimus per elapsum in villis Breseni et Baselg^ nee
in aliqua domo nostra ipsarum villarum aut aliarum villarum vallis An-
nanie et Solis, quas iam habemus aut in futurum habebimus, nisi in do-
mibus servorum nostrorum. Et idera sit in predicta domo in Crouiana et
alibi in aliis domibus nostrum de Thono, si fieret aliqua novitas vel ali-
quid aliud in preiuditium iurisdictionis et superioritatis episcopatus, quod
illud amoTeatur et tollatur, exceptis domibus servorum nostrorum, de qui-
bus in investitnris nostris continetur et quas inhabitant servi nostri in
villis vallis Annani^ vel Solis, illis scilicet que sunt expresse in eisdem
investitnris, quas habemus ab ipsa ecclesia Tridentina, et idem esse de-
beat, si eedem domus in nostris investituris expresse non a servis nostris
habitarentur, sed eas contingeret habitari ab hominibus episcopatus solis
vel simul cum servis nostris, quod tunc tales homines episcopatus easdem
domos habitantes esse debeant subditi nostrum de Thono non tarnen servi,
et hoc quam diu easdem domos habitaverint; et econtra similiter idem
servetur in nostris servis vel alias subditis nostris et descendentibus ex
eis, ut efficiantur subditi episcopatus, si relictis domibus de quibus in
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459
nostris investitaris contnlerint so habitatum in domibus episcopalibns, et
excepta illa domo de Caldesio dicta Mayrhof sive del Stabel, que debeat
esse exempta hoc modo, qnod intra eam sive in ea per viatores offitii epi-
scopatus nnlla execntio fieri possit in negotiis tantum civilibns; in crimi-
nalibns vero in qnibus poena sangainis imponenda Yenit nnlla exemptione
gandeat nee frnatnr. Et hec exemptio in ciyilibns procedat, qnamdin
dicta domns a inribns castri Galdesii non faerit separata. Quantnm yero
est de ipsis servis in inYestitnris expressis sive de familiis in eisdem con-
tentis tam presentibns quam bis, qni in futurum ex eisdem perpetuo de-
scendenty in hunc modum convenimus et transegimus, quod si in territorio
episcopatus nostri deliquerint, quod esse inielllgatur ubicumque locorum
delinqnerint extra domos per ipsos serros habitatas, et tale delictum per-
petrantes propter quod privari vita mereantur, tunc capi possint sie delin-
quentes ab officialibus episcopatus nostri et puniri ab eisdem ofBtialibus
secundum qualitatem demeritorum capitaliter, nisi per nos de Thono po-
stulentur, quo casu si capti fuerint postulati per nos infra decem dies a
captura numerandas, quod nobis tradi debeant pnniendi, solutis tarnen
Omnibus expensis occasione ipsius captur§ secntis, quod si eos servos pro
demeritis ipsorum secundum iura et statuta Tridentina non puniverimus^
quod eodem casu in p^nam negligentia nostrae iidem seryi possint ab ofQ-
tialibus episcopatus puniri. In cseteris autem omnibus casibus criminali-
bus, pecuniariis vel corporalibus, quod nos de Thono habeamns in dictos
serros et peculia ipsomm potestatem et omnimodam iurisdictionem, cum
hoc tamen, quod si nos reqnisiti neglexerimus in eisdem casibus iusticiam
admin istrare, quod castigatio contra tales servos de delicto convictosdumtaxat
ad offitiales episcopatus transferatnr et condemnationes contra eosdem
servos ferenda sive per nos de Thono sive per offitiales episcopatus in
casu negligentia nostr^ executioni mandari possint super fructibus peculii
et bonorum, que tunc possidebunt servi.
Hoc etiam ultra predicta addito, quod in futurum subditi episco-
patus non possint alienare vel alio quocnmque titulo oneroso vel lucrativo
aliquid stabile in ipsos servos et descendentes ex eis transferre vel con-
ferre, nisi prefati servi, in quos bona erunt ab hominibus episcopatus ali-
quo titnlo universali vel particnlari conferenda, voluerint eadem acceptare
cum onere solvendi collectas ordinarias et extraordinarias cum hominibus
episcopatus et eadem effectualiter solvant et nos cardinalis antedictus
et snccessores nostri, qui pro tempore erunt, in hninsmodi alienationes
supradictas specialiter consenserimus; et alioquin si contrafiat, quod
talia bona ipsis servis anfferantur et chamer§ episcopali applicentur,
quod tamen onus solvendi collectas ut supra prefati servi non possint
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velle acceptard nee acceptent, nisi de liceniia et consensu nostrnm de
Thono; sed respectn temporis pr^teriti et pro bonis per serros acquisitis,
si pro Ulis bonis contribuernnt cam hominibas episcopatas, qnod etiam
in fatnmm cum iisdem contribuant sine nlla contradictione nostrom de
Thono et snceessomm nostronim. De qnibns vero non contribuernnt, nee
in fatnmm ad eadem constringi possint; et qnod de serris pnniendis dic-
tum est, etiam cautum intelligatur de hominibus episcopatus nostri,
quando delinquerent in domibus serrorum predictorum, quod tunc tantum
pnniantur ab ofQtialibus episcopatus nostri. Domns autem servorum et
confinia earum ac nomina servorum sint et esse tantum intelligantur, si-
cut in fine presentis instrumenti subscribentur facta iustificatione eomn-
dem, ad quam legitime faciendam nos de Tbono terminum habeamns duo-
rum mensium, et simiiiter confinia Mayrhof de quo supra illa sint et esse
intelligantur, que in dicto termino legitime iustificaverimus et subscri-
benda nt supra presentayerimus. Circa vero custodiam festorum predic-
torum quinque couTenimus et transegimus in hunc modum, quod nos de
Thono eadem per in?estituram recognoscamus in titulum ab ecclesia Tri-
dentina instar aliorum que iure feudi ab eadem recognoYimus, et pro illo
die, quo celebrabitur festum, in loco festi ins puniendi et delinquentes
castigandi in festo spectet ad nos de Thono, ita tamen ut in exigendis
poenis statuta civitatis Tridentine minime excedamus, ne subditi episco-
patus graventur, exceptis semper homicidiis, quorum punitio sive erit
corporalis sive pecuniaria spectet pleno iure ad offitiales episcopatus tarn
in futurum quam in preteritum, quin etiam proclamata fienda quanti-
tates poenarum, de quibus in ipsis statutis, non excedant, sed ad eadem
redigantur. Locus autem festi, in quo iurisdictio predicta nobis de Thono
competere debet, et extra quem in poenis infligendis iurisdictio nosti'a
episcopi et offitialium nostrorum est et esse debet, sit et esse intelligatur,
sicut ex fine presentis instrumenti constabit vel in ipsis investituris et
recognitione festorum dedarabitur. De vulneribus vero inferendis eo casu,
quo Yulnera sint dubia et certitudo non habeatur, quod exinde vel mors
timenda vel liberatio et evasio sit speranda, quod tunc occasione talium
Yulnerum processus differatur usque ad dies quadraginta, quibus elapsis,
si mors erit secuta, procedatur secundum presentis transactionis teuerem
ab offitialibus episcopatus, si yero vulneratus evaserit Tel sit spes certa
evasionis, tunc procedatur per nos de Thono. Et casu quo reliqua festa
in yallibus Annani^ et Solls in futurum generaliter removeantur, quod
simiiiter prefata festa nostrum de Thono remota penitus esse intelligan-
tur. Et predicta omnia et singula nos Bernardus cardinalis antedictus
pro nobis et successoribus nostris et simiiiter nos prefati de Thono pro
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nobis et reliqnis absentibus et pro successoribus et beredibas nostris pro-
mittimas tenore presentium habere et tenere firma grata et rata et aliqno tem-
pore contra predicta vel aliqaodpredictorum non contrafacere Tel venire, sed
fideliter obseryare et adimplere, dolo et fraude remotis. In quorom omninm
et singolonun confirmationem et approbationem, nos partes snpranominatae
aigilla nostra presentibns litteris appendi fecimns. Datum Tridenti, die
sexta mensis noyembris, anno domini millesimo quingentesimo trigesimo
primo.
Nachtrag.
Die ersten drei Bogen dieses Aufsatzes waren schon ge-
druckt, als in der Zeitschrift ,Tridentum', Bd. 9^ eine Arbeit von
Luigi Simeoni: I comuni di Bondo, Breguzzo e Bolbeno nei secoli
XII e XIII erschien^ die ebenfalls das urkundliche Material des
Domkapitelarchivs in Verona benützt hat. Indes hoffit der Ver-
fasser, daß seine Ausführungen schon wegen der Verschieden-
heit des Gesichtspunktes auch neben der fleißigen Arbeit von
Simeoni nicht ohne Wert bleiben werden. Die von Simeoni
auf S. 338 n. 4 gedruckte Urkunde aus der Mitte des 12. Jahr-
hunderts ist dem Verfasser unbekannt geblieben; aus ihr erhellt
in Bestätigung der vom Verfasser S. 338 geäußerten Vermutung^
daß das Amt des viilicus (Gastalden) älter war als das des
Vizecomes. Richterliche Befugnisse werden ihm damals nicht
zugestanden haben, wenigstens ist in der Urkunde davon keine
Rede. Neben dem viilicus von Breguzzo und Bondo wird dort
ein Dekan ftlr Zuclo und Bolbeno erwähnt.
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Inhalt
Seite
EinleituDg. Immunität und Grundherrschaft 313. — Ziel der Arbeit 315
I. Die Immunität des Domkapitels von Verona in Südtirol 316
Besitzungen des Domkapitels in Südtirol 317. — Diplom Be-
rengars I., Nr. 113, 317. — DO. U, Nr. 305, 319. — Folgende Privi-
legien 320. — Diplom Berengars Fälschung und Zweck der Fäl-
schung 321. — Entwicklung der Immunität 323. — Gerichtsstand
der Immunitätsleute 324. — Bestimmungen gegen die autonomen
Bestrebungen der Gemeinden 325. — Immunitätsbezirk in Judi-
karien 327. — Besitzverhältnisse in der Immunität 328. — Lei-
stung des Treueides durch die Immunitätsleute 330. — Steuerpflicht
331. — Gastungspflicht 332. — Banngewalt des Kapitels 333. —
Umfang der Gerichtsbarkeit des Kapitels 334. — Fehlen der Yogtei
335. — Gerichtsbarkeit des Erzpriesters 336. — Yizecomes, Ga-
stalde 338. — Verhältnis zur Grafiichaft, Streit mit den Bisclft$fen
von Trient und den Herren von Gampo 341. — Ende dieser Im-
munität 345.
II. Das Hochstift Trient 346
Fehlen von Immunitätsurkunden 346. — Herrschaft Gastel-
laro 347. — Gastalden und Gastaldien 349. — Der Gastalde Wirt-
schaftsbeamter 350. — Militärische und richterliche Befugnisse der
Gastalden 3ö6. — Gastalden in Bozen 358. — Nonsberg 861. —
Verwendung der Wirtschaftsbeamten als Burghauptleute und Rich-
ter 363. — Verschwinden der Gastalden 366. — Umfang der Ga-
staldien 366. — Dekanien und Dekane 367. — Scaria 368. —
Villenverfassung 370. — Bedeutung der Vogtei 371. — Vogtei in
Italien 372. — Die älteren Vögte von Trient 373. — Die Grafen
von Tirol als Vögte 375. — Befugnisse der Vögte, Zustimmungs-
recht 376. — Keine militärischen Befugnisse des Vogtes 878. —
Richterliche Befugnisse des Vogtes in der Grafschaft Bozen 381.
— Gerichtsordnung in Trient 382. — Gerichtsstand des Adels 383.
— Lehenskurie 384. — Regalienrecht 386. — Regalienrecht der
Grafen von Tirol im Hochstifte Trient 388. — Das Regalienrecht
und die Kompaktaten 391.
ni. Andere geistliche Immunitäten 894
Au 394. — St. Michel an der Etsch 396. — Domkapitel von
Trient, Gerichtsbarkeit über Geistliche 397. — Exemte Gebiete
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S«ite
397. — Sover 398. — Hohe Gerichtsbarkeit des Kapitels in Sover,
Sevignano und Montagna 399. — Grandherrliche Gerichtsbarkeit,
Ursprung dieser hohen Gerichtsbarkeit 401.
lY. Die grund- und leibherrliche Gerichtsbarkeit .... 402
Grund- und leibherrliche Gerichtsbarkeit 402. — Nachweise
dieser Gerichtsbarkeit 403. — Ständeverhältnisse, Bauern, Rimanni
406. — Unfreie, macinata 407. — Ritterliche Unfreie (nobilis ma-
cinata) 410. — Umfang der leib- und grundherrlichen Gerichts-
barkeit 413. — Arimannen in Abh&ngigkeit von Feudalherren 414.
— Grundherrliche Gerichtsbarkeit über zu Leihe ausgegebenen
Grund 416. — Unfreie Leihen; Kommendation Freier 416. —- Ge-
richtsstand der adeligen Unfreien 419. — Leistungen der Bauern,
Twing und Bann 420. — Spätere Schicksale der grund- und leib-
herrlichen Gerichtsbarkeit Ihr Verschwinden in den bischöflichen
Gerichten 424. — Zerstreute Exemtionen 425. — Trümmer der
grund- und leibherrlichen Gewalt in späterer Zeit, Verminderung
der Zahl der eigenen Leute 427. — Bestreben, die Zahl der Höri-
gen zu yermehren 429. — Vertrag mit den Thun über die leib-
und g^ndherrliche Gerichtsbarkeit 431. — Ausgang 432.
Beilagen 434
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VI.
DAS aEBIET
ZWISCHEN DER TRAUN
UND DER ENS.
Von
JULIUS STRNADT.
MIT 1 TAFEL UND 1 KARTENSKIZZE Di TEXTE.
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Vorwort.
JDie zweite Abhandlung zur Sektion Oberösterreich des
historischen Atlas der österreichischen Alpenländer behandelt
das Qebiet zwischen der Trann and der Ens, den Tormaligen
Trannkreis.
Bei den engen Beziehangen dieses Landstriches zur heu-
tigen Steiermark mußte der Versuch unternommen werden, die
längst brennend gewordene Frage nach der ursprünglichen
Heimat der Otakare und nach der Kontinuität ihrer Verwaltung
der Kärntnermark der Lösung zuzuführen. Der Verfasser glaubt,
nach langem Zuwarten mit dem genügenden Rüstzeuge an die
schwierige Untersuchung herangetreten zu sein. Dieselbe nimmt
den breitesten Raum in der Abhandlung ein; diesesmal war
umständlichere Polemik nicht zu vermeiden, sowohl gegen die
vor neun Jahren erschienene Schrift von Krones als auch gegen
die jüngste Hypothese Lampeis über die Vergrößerung der Ost-
mark im Jahre 1156.
Die Ergebnisse der Untersuchung ermöglichen auch, die
Grafschaften in dem behandelten Gebiete zu bestimmen, die
Entstehung der Frenz- und Laussagrenze und die Umwandlung
der Benennung der Kärntnermark in hoffentlich befriedigender
Weise zu erklären.
Zur Geschichte der späteren Landgerichte war verhältnis-
mäßig Weniges nachzutragen, dagegen für Unterbringung der
Grenzbeschreibungen zu sorgen, wenn nicht die Forschung ge-
nötigt sein sollte, immer wieder mit Zeit- und Kostenaufwand
an die Türen der Archive zu klopfen, ohne versichert zu sein,
daß selbe sich öffnen.
Der letzte Abschnitt über die Exemtionen zeigt das bunt-
scheckige Bild der £j*iminaljurisdiktion in einem Landgerichts-
bezirke im letzten Stadium der Patrimonialgerichtsbarkeit.
Auch die vorliegende Arbeit hat viele verständnisvolle
Förderung genossen.
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468
Für Gestattung der Archivbenützung oder Mitteilung von
Archivalien gebührt außer den im Voijahre genannten Persön-
lichkeiten, Behörden und Anstalten besonderer Dank Sr. Durch-
laucht Johann IL, regierenden Fürsten von Liechtenstein, Her-
zog zu Jägerndorf, Sr. Exzellenz Herrn Michael Freiherrn von
Käst zu Ebelsberg, Minister a. D., Herrn Ferdinand &bgrafen
von Trautmansdorff, Herrn Ludwig Grafen von Thürheim zu
Weinberg, den h. Herren Prälaten Willibald Hauthaler von
St. Peter zu Salzburg, Leander Czemy von Kremsmünster
und Gerhard Hasiroither von Schlierbach, den Direktionen
des Regierungsarchivs zu Salzburg und des großherzoglich
Badischen Gesamtarchivs zu Karlsruhe, den landgräflich Für-
stenbergschen und gräflich Lambergschen Güterdirektionen zn
Weitra und Steyr, der Forst- und Domänendirektion zu Gmun-
den, den Forst- und Domänenverwaltungen zu Ebensee, Offen-
see, Goisem, Gosau und Spital am Pyhrn, den Salinen Verwal-
tungen zu Ischl und Hallstatt, den Gemeindevorstehungen von
Steyr, Ens und Bad Hall, dem fürstlich Auerspergschen Guts-
verwalter Herrn Heinrich Raab zu Losensteinleiten.
Für sachliche Auskünfte und anderweitige Unterstützung
fühlt sich der Verfasser persönlich zu großem Danke verpflich-
tet den Herren Universitätsprofessoren Dr. Harry Breßlau zu
Straßburg, Dr. Hermann Bloch zu Rostock, Hofrat Dr. Anton
Schönbach zu Graz und Dr. Anton Meli, Landesarchivsdirektor
zu Graz, Herrn Landesarchivar Dr. August Ritter v. Jaksch zu
Klagenfurt, den h. Herren Sebastian Mayer, Gymnasialdirektor
zu Kremsmünster, J. Friedrich Koch und Gustav Friedrich No-
v4k^ evang. Pfarrern zu Gmunden und Gosau, Herrn Oberberg-
verwalter Karl Blaschke zu Hallstatt, den Herren Dr. Heinrich
Stuchlik, königl. bayr. Salinendirektor zu Traunstein, Med. Dr.
Ferdinand Krackowizer in Gmunden, Professor Dr. Hans Wid-
mann in Salzburg, Landesgerichtsrat E. Schmiedel in Steyr,
Dr. Max Vaacsa, Kustos am n.-ö. Landesarchiv, Freiherrn Oskar
Mitis am Staatsarchive, Dr. Hans Hirsch in Wien und seinem
lieben Landsmann Dr. Max Doblinger, Landesarchivsadjunkten
zu Graz.
Graz, am 31. Oktober 1906.
Julius Stmadt.
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L)er Traungau ist jener Landstrich, ans welchem im Laufe
der Zeiten das Land ob der Ens erwuchs, er war der ursprüng-
liche Kern desselben. Wie aus den zahlreichen Landschen-
kungen, welche uns durch die Archivalien der Hochstifter Salz-
burg, Passau und Freising sowie der Klöster St. Emmeram
und Mondsee überliefert sind, hervorgeht, war der Gau schon
im 8. Jahrhunderte zum größten Teile besiedeltes Kulturland.
Nur von Passau herab bis an die Höhen oberhalb Aschach be-
gleitete noch dichter Forst (der eigentliche Passauer ,Hart*) den
Nordwald jenseits der Donau; der Name des Pfarrdorfes Hart-
kirchen nächst Aschach ^ bezeichnet die vor dem ,Hart^ erbaute
Kirche. Noch im Jahre 776/777 war ein Höriger mit seiner
Familie der einzige Bewohner des unteren Waldteiles, in wel-
chem jedoch schon nach einem halben Jahrhunderte verschie-
dene Kulturoasen eingestreut lagen.' Derselbe erlauchte (illu-
stris) Machelm, welcher Eschenau (Askituna) der Kirche des
heil. Emmeram übergab, wird es gewesen sein, der — vielleicht
gleichzeitig mit der Schenkung seines Gutes in Poiasing 776'
— dem Bistum Freising jenes Stück des Keßlawaldes zuwandte,
auf dessen Boden nachmals die Ortschaften Geibing, Gigering,
Prag, Ried, Razing, Altendorf, Jetzingerdorf, Wimetsdorf, Lehen,
Raizelsdorf, Ranzensteinach, Gschwendt, Leiten, Raffelsdorf,
Kopfing, Gözendorf, Starzengrub, Wolmansdorf, Neukirchen,
^ Nicht idenÜBch mit jenem Hartkirchen, in welchem K. Arnulf c. 898
dem Kleriker Kithard NutzgenuB verleiht Mon. Boic XXXI a, 154.
' Stmadt, ,PeaerbachS 8. 88—89. Als solche Orte werden im Jahre 834
genannt Eschenau und Wesen (Waldkirchen am Wesen). B. Pei anec-
dot. thes. noY. I/m, G. 244.
* Meichelbeck, Hist Frising. 1/2, 57, Nr. 51 ; Archiv fUr österr. Geschichte
XXXI, Nr. 4.
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470
Praztrum, Paulsdorf, Feicht, Kalberg, Hantolföd, Lenzenberg,
Mitteröd, Schneeberg und Freindorf in den heutigen Pfarren
Münzkirchen, St. Roman und Kopfing sich erhoben haben. ^
^ Nach dem Notizbuche Bischofs Konrad III. von Freising (Fontes rer.
Austr. II, XXXYI, 66—67) waren diese ,bona sita auf dem Ghezs-
laerwalde* an den Ritter Pilgrim von Puchheim verlehnt, der sie im
Jahre 1331 von dem gedachten Bischof in Passau zu Lehen empfing.
Es waren folgende: 4 Lehen in Geibing (Geubli), 1 in Kigering (Qug-
ring), 2 in Prag (Praech), 3 in Ried (Ryed), 3 in Ratzing (Retzing),
2 in Altendorf nächst St Roman, 4 in Jetzingerdorf (Vczingerdorf), 1 in
Ranzenberg (Raenczenperg), 2 in Wienetsdorf (Winhartstorf ), 2 in Le-
hen (Lochen), 1 in Raitzelstorf (Rayczeinsdorf ), 2 in Brackenberg (Pre-
chenperg), 2 in Stein (Ranczenstainech), 1 in Gschwendt (Swent), 3 in
Leiten, 2 in Raffelsdorf (Raffoltstorf), 3 in Kopfing (Ghophing), 2 in
Götzendorf (Gezendorf), 2 in Starzengrub (Sterzengrub), 1 in Wolman-
storf (Wolmfttstorf ), 7 in Neukirchendorf (Nevnkirchen), 1 in Pratztrum
(Pratesdrum), 1 in Paulsdorf (Paeulstorf), 1 in Feicht (Vaeuht) bei
Hackendorf, 2 in Kallberg (Ghalperg), 2 in Hantolföd, 2 an dem Leu-
czenperg, 2 in Mittered (Mitteroed), 2 in Schneberg, 1 in Freundorf.
Sie kamen mit der Herrschaft Puchheim, als Herzog Albrecht U. selbe
1348, 15. Oktober (O.-ö. U.-B. VH, 74) gegen die Festen Litschau und
Heidenreichstein von Albrecht von Puchheim eintauschte, an die öster-
reichischen Landesfttrsten und von diesen 1462 (am Erchtag U. L. f.
Schiedung) mit der Herrschaft Puchheim durch Kauf an den Ritter Ul-
rich Röhlinger. Nach einer in einem Yidimus erhaltenen Urkunde vom
28. Juli 1477 (im Archive zu St. Martin a. d. Antiesen) verkaufte letz-
terer dieselben (den Amthof und die Amtmannswiese zu Präckenperg,
2 Güter in Raytzeinstorff, eine Wiese in der Zwischlau, 2 Güter zu
Schwendt, 4 Zum Rantzen, 1 zu Freyndorf, 1 zu Gugring, 4 zu Rftt-
zing, 5 zu Grossenpeyperg, 3 zu Kallperg, 2 zu Veicht, die Wiese zu
Teuflau, 2 Güter zu Protstrum, 1 zu Wolmanstorf, 7 zu Neunkirchen,
2 zu Getzendorf, 4 zu Kopfingerdorf, 3 zu Leyten, 2 zu Raflasdorf, 1 zu
Grub, 2 Vogtgüter zu Gugring [Gigering s. von Kopfing] und Land-
hartzperg [Landertsberg, Pf. Enzenkirchen], den Amansperg, den Wald
genannt die Gemain, alles freies Eigen und gelegen in den Pfarren
Münzkirchen [St. Roman], Kopfing und Enzenkirchen in der Herrschaft
Schärding, so wie er es [um 14753 ungar. Goldgulden] vom Hause Oster-
reich erkauft hat) seinem lieben Freunde dem Ritter Hansen Pirchin-
ger zu Sigharting. Das Dominium Sigharting bildete hieraus sein Wald-
amt, welches bis 1850 bestand; einzelne Stücke dürften auch zum
Schlosse Viechtenstein und dem Kloster Formbach hindangegeben wor-
den sein. Wie später bei den Bambergischen Lehen zu beobachten
sein wird, ist die Freisingsche Leheneigenschaft dieses Besitzes
während der Inhabung durch die österreichischen Herzog^ verloren
gegangen, welche die Güter als Bestandteil von Puchheim fttr freies
Eigen veräußerten.
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471
Die Waldtäler im Südosten waren nur spärlich von Sla-
wen bevölkert * und bajuwarische Ansiedler drangen erst rascher
vor, als Herzog Tassilo hauptsächlich zum Zwecke der Christia-
nisierung und Germanisierung der Wenden* im Jahre 777
^ Strnadt, Geburt des Landes ob der Ena, S. 16—20.
' Diese von mir im sogenannten Kronprinzenwerke (^Österreich in Wort
und Bild*, Sektion Oberösterreich ,Zur Geschichte Oberösterreichs*) be-
tonte Auffassung teilt auch M. Fastlinger in seiner Schrift über die wirt-
schaftliche Bedeutung der bayrischen Klöster in der Zeit der Agilul-
finger (in ,Studien und Darstellungen aus dem Gebiete der Geschichte*,
im Auftrage der Görres-Gesellschaft herausgegeben von H. Grauert,
Bd. II, S. 128). Doch sind in dem Abschnitte ,Kremsmttnster ein Grenz-
kloster g^gen die Ensslawen* verschiedene Irrungen richtigzustellen. Für
die größere Saline ,Hallstatt* konnte Tassilo nicht einen besonderen
Pfanneuknecht hinzufügen, weil der Salzberg von Hallstatt erst unter
Albrocht I. eröffnet wurde (s. S. 478). Die Rotel bei Ottensheim heißt
nicht Rötel. Der Satz (S. 129): ,Dort (am Sipbach) verkündet die für
die Mark eines alten Klosters so charakteristische Ortschaft Heiligen-
kreuz noch heute den Platz, wo Abt Fater, das erste Klosterkreuz auf-
richtend, von Mark und Münster an der Krems Besitz ergriff,* ist eine
phantasievolle, aber mit den Tatsachen nicht im Einklang stehende
Phrase; denn die Ortschaft Heiligenkreuz ist keineswegs alten Ursprungs,
da die Kirche erst 1687 erbaut wurde (Rolleder, Heimatkunde von Steyr,
S. 237), womach erst die nächstgelegenen Einschichten der Ortschaften
Imdorf und Mairdorf unter dem Begriffe Heiligenkreuz zusammengefaßt
wurden. Fastlinger wandelt überhaupt, wenn auch mit Geschick und
wissenschaftlicher Schulung, in den Geleisen Alois Hubers (,Einf(ihrung
des Christentums im südöstlichen Deutschland*), dessen künstliches (ein
namhafter Historiker sagte: verrücktes), aber der Nachprüfung nicht
standhaltendes System der Zellen und Missionsbezirke er erneuert hat
und in sicherem Ausdruck und in gehobener Sprache, die ihre Wirkung
auf Uneingeweihte oder der Sache Femerstehende nicht verfehlt, aus
schwanken oder gar nicht ftindierten Voraussetzungen die gewagtesten
Schlüsse zieht. Es genügt, einiges herauszugreifen. Daß ihm Gunskir-
chen Günzkirchen, Schwans Schwansee ist, mag seine Unbekanntheit
mit der oberösterreichischen Topographie entschuldigen. Der Ausdruck
4m Hademmarkt* bei Kloster Raitenhaslach (S. 89) zeigt, daß ihm die
Bedeutung dieses Wortes (Haderichesmark) verborgen blieb. Die un-
echte Urkunde betreffend Rab und Zell (Oberösterreichisches Urkun-
denbuch II, 60) verwendet er unbedenklich für sein System. Daß In-
Eell oberhalb Aschach eine Zelle des Klosters St. Emmeram war, steht
ftir ihn trotz dem Mangel aller älteren Nachrichten fest. Nach dem
Vorgange von Huber -Vogl weiß Fastlinger von der Abtei Traunsee, die
durch eine einzige Urkunde von 909 bezeugt ist, S. 184 eine große
Kolonisationstätigkeit zu berichten und behauptet schlankweg, daß der
von ihm konstruierte Frauenkonvent den Männerkonvent Überdauert
ArchiT. 9i. Band, II. H&lfte. 32
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472
das Benediktinerkloster Kremsmünster in geringer Entfernung
von den Orenzen Karantaniens gegründet hatte.
Vor dem allzu frühen Zerfalle, wie sich derselbe in den
westlichen Gauen kundgibt, wurde der Traungau dadurch be-
wahrt, daß seine Verwaltung den östlichen Markgrafen über-
tragen war. Von 976 an * hatte ihn der letzte derselben, Aribo,
inne; noch 903, 26. September* bezeichnet K. Ludwig das Tal
und in beschränktem Umfange die Aufgabe des Vollklosters fortgesetzt
habe; von der verdienstlichen Monographie Frieß* scheint er keine
Kenntnis zu haben, wenigstens zitiert er sie nicht. Aus der Nennung
eines Bischöfe Audachar in einer Urkunde von 831 zugunsten des Frei-
singer Bischofklosters weiß er sofort, daß derselbe dem Adelsgeschlechte
der Fagana angehörte; indem er ihn mit dem Chorbischof Otkar iden-
tifiziert, kann er ihm Passau als Bischo&itz anweisen. Die so lange
strittige Frage, welchem Wirkungskreise die episcopi vocati Erchanfrid
und Otkar angehörten, löst er mit wunderbarer Leichtigkeit von dem
Standpunkte aus, daß sie nicht etwa für die Lorcher Kirche, sondern
fUr das Bischofkloster St. Stephan in Passau Schenkungen entgegenneh-
men (S. 127); daß schon vorher in der Archival. Zeitschrift und im
Neuen Archiv dieser Gegenstand absolviert wurde, übergeht er mit Still-
schweigen. Die Behauptung B. Sepps, das Kloster St. Florian müsse aus
dem Grunde, weil Karl der Große sich in Bayern mit Klosterstiftungen
nicht abgab (S. 125), eine agilulfing^sche Stiftung sein, nimmt er bereit-
willig an; selbstverständlich ist ihm die kürzere Fassung der angeb-
lichen Urkunde Ludwigs des Frommen vom Jahre 823 auf Grundlage
der zitierten Schrift Sepps ,Über das Alter des Florianskultus* vollstän-
dig beweiskräftig. Die späte Entstehung der passio s. Floriani gibt er
zu, sucht sie jedoch ohne irgendwelche Belege anf eine Translation
der Reliquien zurückzuführen. Den Sagen räumt er breitesten Spiel-
raum ein. Auf diese Weise gelangt er dann allerdings zu dem ge-
wünschten Schlüsse: ,Ja, man kann mit Recht sagen: der Geist der
Benediktusregel hatte das Angesicht der bajuwarischen Erde erneuert!*
Das Buch enthält manche gute, aber einseitig benützte Anregung; eine
wirklich historische Arbeit ist es aber nicht. Deshalb darf es der un-
voreingenommene Forscher in einzelnen Fällen nur mit großer Vorsicht
zu Rate ziehen.
* Mon. Boic. XXVnia, 61.
' Jaksch, Monum. bist. duc. Garinthie I, 49, Nr. 6. Von den genannten
drei Ortlichkeiten Starcholvesdorf, Adalpoldesdorf und Wichartesdorf
kann nur die letztere (Ober- und Unter -Weigerstorfergut bei Schlier-
bach) bestimmt werden. Die Ortlichkeiten kommen noch vor in der
Bestätigung des Gesamtbesitzes der Kirche Gurk durch K. Lothar IISO,
18. Oktober (a. a. O. 94), aber nicht mehr in jener durch K. Ohnnrad
1140, 1. Mai (a. a. O. 128). Sie wurden jedenfalls in der Zwischenzeit
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473
Ouliupespurch (um Kirchdorf) als einen Bestandteil seines Ko-
initates; 909, 19. Februar wird ihm (comiti Arbo, die Ostmark
war nach der Niederlage von 907 verloren gegangen) und dem
Erzbischof Pilgrim von Salzburg auf Lebenszeit die königliche
Abtei Traunsee als Präbende verliehen.
Nach dem Tode AriboS; dessen Zeitpunkt nicht bekannt
ist, muß sich die Auflösung der Gauverfassung auch in unse-
rem Gau vollzogen haben; denn aus einer complacitatio im
salzburgischen Kodex Odalberti vom Jahre 930^ ersehen wir,
daß die Gelände des Filsbaches unweit Breitenau ,in comitatu
Meginhardi' lagen. Es läßt sich darüber streiten, ob sich seine
Amtswirksamkeit noch über den ganzen Gau erstreckte oder
bereits die eine Komitatsbildung im Traungau anzunehmen ist.
Nach den Vorgängen in den anstoßenden bayrischen Gauen aber
ist der erstere Fall kaum zu begründen.
Die Grenzen des alten Traungaus sind zuerst in ,Peuer'
bach', S. 51 — 58 festgestellt, in der ,Geburt des Landes ob der
Ens', S. 42 ff. durch Zuweisung des unteren Ens- sowie des
Molnertales an den Enstalgau berichtigt und in den ,Erläute-
rungen' zur Sektion Oberösterreich des historischen Atlas der
österreichischen Alpenländer hinsichtlich der Markungen gegen
den Atergau vervollständigt worden, daher zur Vermeidung
von Wiederholungen auf diese Erörterungen verwiesen wird.
Auch für das sogenannte Salzkammergut, das noch in
,Geburt des Landes ob der Ens^ herrenlos gelassen werden
mußte, ist nunmehr der Herr gefunden worden, nämlich jener
Graf Rapoto, auf welchen die von König Otto II. im Jahre
977* dem Erzbischof Friedrich erteilte Bestätigung des Salz-
burgischen Besitzes Bezug nimmt: ,de rivolo Erilipach usque
ad acutum montem, qui Diutisce vocatur Wassinperch prope
Iscalam in illo loco, ubi terminus foresti Rapotonis comitis se
de isto disjungit.'
Dieser Wassenberg ist als der vorspringendste Berg in
dem schroffen großen Sparber südlich von Strobl am Abersee
umsomehr zu erkennen, als A. Prinzinger (senior) am Fuße
an Bamberg abgegeben, da Weigersdorf im Jahre 1315 als bambergi-
sches Baaemlehen bezeichnet ist; s. S. 495, Anm. 3.
^ Salsborgisches Urkundenbuch I, 99.
> Mon. Germ. Dipl. 0. 11» 165. Richter, »Immunität, Landeshoheit und Wald-
schenkungen* im Archiv für österr. Gesch. XC£V, 41.
32*
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474
desselben ein Wassengut ^ aufgefunden hat und auch der Wei-
ßenbach an der Ostseite des Berges zweifellos ursprünglich den
Namen Wassenbach geführt haben wird.* Allerdings wird hier
nur von dem anstoßenden Forste des Grafen Rapoto gesprochen,
aber es ist doch an die Komitatsgrenze zu denken, da ja der
Privatbesitz der Grafen im eigenen Eomitate gewöhnlich der
überwiegende war und zur Übertragung des Grafenamtes oder
Gerichtslehens geführt hat, in diesem Falle aber für diese An-
nahme noch zwei andere, meines Erachtens entscheidende Um-
stände eintreten: der eine, daß wir in der Eönigsurkunde von
1006, T.Dezember,' vermöge welcher König Heinrich V.der Kir-
che Salzburg das predium Slierbach in pago Ovliupestale verlieh,
einen Grafen Rapoto finden, in welchem wir bei dem geringen
zeitlichen Abstände den Rapoto von 979 erblicken dürfen, und
der andere, daß — wie im weiteren Verlaufe der Abhandlung
nachgewiesen werden wird — das noch ungeteilte große Land-
gericht der Herren von Ort noch in der ersten Hälfte des
13. Jahrhunderts das Tal von Kirchdorf umfaßte und demnach
die alten Landgerichte Schlierbach und Ort ausfüllte.
Es dürfte daher wohl kaum zweifelhaft sein, daß im ehe-
maligen Traungau in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts
zwei räumlich ausgedehnte Grafschaften vorhanden
waren.
Die eine ist jene der Arnolde, welche ihren Sitz auf der
Burg zu Lambach über der Traun aufgeschlagen hatten. Nach
unbedenklichen Urkunden* und dem Verzeichnisse der an die
* ,Gut am Holz oder Hinterholz, auch Waasengut* im alten Grundbache
St. Peter, f. 30, als Nummer 78 zur Ortschaft Strobl gehörig.
' Erfahrungsgemäß wandelte sich in Ortsnamen das a in ei oder ai. YgL
die Orte Wasgram = Weißg^äben und Wasegriming = Waizgreiming.
' Mon. Qetm. Dipl. O. IH, 148. Zu dem praedium gehörte als Hofmark
der heutige Markt Kirchdorf.
* 1103, 23. April und 1160 (Oberösterreichisches Urkundenbuch II, 124,
306), 1207 (a. a. O. 609), dann notitia (im Urkundenbuch von Krems-
mtinster 27, Nr. 18) zwischen 991 und 1012 Imming und Stroheim,
Schwaig, Bergheim, Dorf, Schergendorf, Schüzing, Harrem, Glazing in
der Richtung Schwanenstadt, Tann, Warnung, Rehberg am Aiterbach,
in der Grünau der Wald gegen die Steyrling, der Almsee, der Kasberg,
Sizenheim, Egenstein, Pf. Petenbach, Teurwang bei Vorchdorf^ die Wäl-
der an der Quelle des Sipbaches und zwischen Leombach und Sipbach-
Zell, dann Pichl. Die Au&chreibung im Cod. Frideric. f. 77* ist jeden-
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475
Kirche Wirzburg gediehenen Güter im Otakarischen Urbare*
lag ihr Gut im Hausmckviertel um Lambach hinauf gegen
Schwanenstadt nnd Azbach, gegen Grieskirchen nnd Pichl, im
Traanviertel bis an das Ufer der Krems und darüber hinaus
in das Steyrtal (Kniewas und Gschwendt in der Pfarre Pan-
kraz) und in der Ramsau (Pfarre Moln) am östlichen Ufer der
Steyr; die letztgenannten erscheinen bereits im Beginne des
14. Jahrhunderts der Herrschaft Steyr zugewiesen,* bezüglich
ihrer sowie der Umgebung von Kerbach ist die detaillierte Auf-
zählung unterlassen. Die ehemals Wirzburgschen Güter wur-
den schon von Pfemysl Otakar' in dem Komplex der sogenann-
ten Burg vogtei Wels [bis 1652 ein beliebtes landesfürstliches
Pfandobjekt] zusammengefaßt/
Man sieht, daß der Anteil des Bischofs Adalbero an dem
Stammgute des Hauses ziemlich das Zentrum desselben ein-
nahm, ohne jedoch einen geschlossenen Bezirk zu bilden; auch
der Flecken Wels gehörte dazu.
Die zweite Grafschaft war jene Rapotos, von welcher
der heutige Gerichtsbezirk Ischl mit Ausschluß von St. Wolf-
gang — das zum Mondseelande gehörte — und des
C^osantales
falls die ursprüngliche, nach welcher das Diplom (Oberösterreichisches
Urknndenbach U, 69) 'mit eingeschalteten genaaen Grenzbeschreibungen,
wie es auf der Königsnrkunde für Lambach 1061, 18. Februar kopiert
ist, angefertigt wurde.
* Dopsch, Die 1. f. Urbare Nieder- und Oberösterreichs aus dem 18. und
U.Jahrhunderte S. 211—223.
» Dopsch, a. a. O. 305—310.
* Hermann Vogt von Wels erscheint schon 1260/1261. 8. die Urkunde
wegen des Gosachwaldes S. 474, A. 3.
* Die BurgYOgtei Wels war nach den Urbaren im Hofkammerarchive
W 17, 18, 19 — das Originalurbar ddo. 28. Mai 1614 im fürstlich Auers-
pergschen Archive zu Losensteinleiten war nicht erreichbar — in sechs
Ämter geteilt, von welchen vier (Straß, Eberstalzell, Harmanstorf und
Jägeramt) östUch, zwei (Kerbach und Piesing) westlich der Traun ge-
legen waren. Zum Amte Kerbach gehörten die Holden und sogenann-
ten ,Herzogische Aigne Güter* [diese dienten nicht, reichten nur Steuer,
Anlait und Ablait und roboteten] in den Pfarren Kalham, Pöting, Tauf-
kirchen, Grieskirchen, Michelnbach, St. Marienkirchen, Krenglbach, Pichl,
Weibern, Aichkirchen, Niedertalheim, Gaspoldshofen, Hag, Pram und
Wendung; zum Amte Piesing jene in den Pfarren Schwans, Azbach,
Regau, Olstorf und Altmünster.
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476
ein Bestandteil war. Über die Zugehörigkeit des letzteren zum
Erzstifte Salzburg während des ganzen Mittelalters wurden
die urkundlichen Nachweise schon in den Erläuterungen bei-
gebracht; dieselben können nach einer neu hervorgekommenen
Urkunde noch vervollständigt werden.
In dem Gabbriefe vom 5. April 1231* beschreibt Erz-
bischof Eberhard II. die Markungen des Waldes im folgenden:
^Termini silvae sunt in longum a Gosaerse usque ad locum qui
dicitur hirzuurt in utroque latere fluminis gosah. Termini in
latum a cacumine montis heidekke usque ad limites ducis Sti-
riae et usque ad montem ubi oritur torrens riezze et decurrit
in gurgites fluvii gosah qui gurges dicitur hirzuurt/' Die Schen-
kung wurde auch vollzogen, das Kloster St. Peter gelangte in
den wirklichen Besitz des großen Forstes Zeuge einer nicht
datierten Urkunde Königs Premysl Otakar ,herrn des kunig-
reiches ze Behaim, herczog ze Osterreich und ze Steyr, marg-
graf ze Merchen', mittels welcher er dem Hermann Vogt von
Wels und Heinrich dem Salzamtmann [zu Gmunden] verkün-
det, daß er dem Kloster ,zu sand Peter ze Salczburg an vogtey
stat vor sein* wolle, und ihnen befiehlt, daß sie sich als ,ver-
hoerer und beschirmer an dem wald genant Gosa* erzeigen
und nicht anders tun sollen als ,nach dem als die hantvest des
abptes zu sand Peter gezeugent und aufweisent'.*
Hiernach hat König Otakar auf Anrufen des Klosters die
Vogtei über dasselbe übernommen. Es fragt sich, zu welcher
Zeit? Hierüber läßt sich aus der Titulatur des Königs und
den Zeitverhältnissen genügende Auskunft erholen.
^ Zwei Ausfertigungen, wovon eine erweiterte zugunsten der Mutterkirche
Abtenau mit dem Beisatze: ,Nobilis autem quidam Karolus nomine
(wohl Yon Gutrat) donationem nostram impedire cupiens, dicebat, se
eandem silvam a nobis in feudum, reconpensationem ei faceremus. Post-
modum in usus saniori consilio pure sine omni condicione nobis libere
resignavit*, sowie im Chartular Bl. 29, Nr. 49, dann 8. 30, Nr. 60 und
S. 37, Nr. 66 im Stiftsarchive St Peter in Salzburg.
' Die klare Bestimmung der Weltgegenden (in longum südwärts, in la-
tum von Westen nach Osten) wurde der alten Anschauung zuliebe
ebenso angefochten wie die westliche Lage der Karintscheide.
' Die Urkunde ist nur in einer ungefügen Übersetzung des 15. Jahrhun-
derts — der Ausdruck ,Salzamtmann* ist in ,Salzmarer* verändert —
in den Salzburger Kammerbüchern III, Nr. 213 überliefert. Abdruck in
den Mitteilungen der Gesellschaft für Landeskunde in Salzburg 1906,
S. 432—433.
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477
Otakar nannte- sich seit dem Tode seines Vaters König
Wenzel (22. September 1253) bis zu seiner Krönung am 25. De-
zember 1261 ^dominus regni Bohemiae^* dux Stiriae zuletzt am
1. Mai 1254 (Steiermärkisches Urkundenbnch III, 211), dann
erst wieder am 24. Mai 1260 (a. a. O. 384). Die Urkunde kann
daher nur in einen der beiden Zeiträume vom 23. September
1253 bis Mai 1254 und vom Mai 1260 bis 25. Dezember 1261
fallen.
In der ersteren Periode war für den Abt von St. Peter,
der zu den beharrlichsten Anhängern des Erwählten von Salz-
burg gehörte,^ kein Anlaß gegeben, sich an einen auswärtigen
Fürsten um Hilfe zu wenden: anders lagen die Verhältnisse
im zweiten Zeiträume, in welchem der Kirchenstreit zwischen
Philipp und Ulrich wütete und letzterer für kurze Zeit die
Oberhand erhielt. Da mochte der Abt, gegen den Kirchen-
zensuren angedroht waren, für den Besitz seines Klosters be-
sorgt werden.
Beiläufig läßt sich auch vermuten, wann St. Peter diesen
Besitz zugunsten des Erzstiftes wieder aufgegeben hat. Der
Wald kommt selbstverständlich nicht in dem ältesten Urbar
des Klosters vor, weil dasselbe schon zwischen den Jahren
1215 und 1234 angelegt worden war, aber auch in dem Zweit-
ältesten ,Custodia^ von 1374 erscheint im officium Aptenaw
keinerlei Beziehung auf Forst oder Tal von Gosau.* Qosau fiel
daher schon früher an das Erzstift zurück, welches das Tal nach
den Erfahrungen, die es in der Fehde mit Herzog Albrecht I.
gemacht hatte, gerne in eigener Hand behalten haben wird.
Der Zeitpunkt, in welchem Gosau endlich an Osterreich
gelangte und mit dem Ischllande vereinigt wurde, ftlUt ziemlich
zweifellos in die Regierungsperiode des Erzbischofs Friedrich V.
(20. Dezember 1489 bis 4. Oktober 1494). Dieser, aus dem
Hause der Grafen von Schaunberg, ein ungelehrter, nur sinn-
lichen Vergnügungen ergebener Herr,' konnte von Kaiser Fried-
rich III. die Belehnung nicht erhalten, weil von Friedrich der
• Lorenz, ,Ottokar II. von Böhmen und das Erzbistum Salzburg 1246—
1260* im Archiv für österr. Gesch. XXXIII, 607.
• Die beiden Urbare im Stiftsarchive St. Peter tragen die Signaturen ad
Gistam Q Lib. 2 Urb. alt, 11 Sa neu, dann ad Cistam G VU alt, II
3 f neu.
• Zauner, Geschichte der Erzbischöfe von Salzburg IV, 216—229.
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478
erzbischöfliche Stuhl bereits dem Bischof Siegmund von Fünf-
kirchen verheißen war, wenn durch dessen Bemühung die Wahl
König Maximilians zum König von Ungarn zustande käme.
Dieser Oewinn schien natürlich dem Kaiser ein höherer als der-
jenige, welchen ihm Friedrich (V.) und dessen Bruder Graf
Georg von Schaunberg schon vier Tage vor dem Ableben des
Erzbischofs Johann III. (Beckenslaher) in Aussicht gestellt hat-
ten. Mit Revers vom 11. Dezember 1489^ hatten sie sich näm-
lich für den Fall, als Friedrich durch die ihm zugesagte kaiser-
liche Unterstützung auf den erzbischöflichen Stuhl erhoben wer-
den würde, verpflichtet, jene Städte und Schlösser, welche
Erzbischof Johann vom Kaiser pfandweise innehabe, demselben
ohne Berichtigung der Pfandsumme zurückzustellen und auf
Rückzahlung aller anderweitigen Darlehen zu verzichten; sie
versprachen weiters dem Kaiser 26.000 ungarische Goldgulden
in vier Jahresraten zu entrichten oder auf Wunsch die um
diesen Betrag dem Grafen Georg verpfändeten Herrschaften
Frankenburg und Kogl wieder zu überlassen, außerdem wegen
der Vogtei dem Kaiser die gleiche Verschreibung, wie dieser
sie vom Erzbischof Johann in Händen habe, auszustellen. Ver-
geblich hielt sich Friedrich im Jahre 1492 einen ganzen Mo-
nat in Linz am Hofe des Kaisers auf, der seine Unwissenheit
verspottete, dennoch aber die ihm — wie es nach allem scheint
— angebotene Abtretung der Gosach annahm, die ihm wegen
der Forste für die Hallstätter Saline wertvoll sein mußte; denn
bereits am 22. Oktober 1492* bewilUgte der Kaiser seinen Leu-
ten und Holden in der Gosa gesessen, so zu dem Schlosse Wil-
denstein gehören, um ihrer Arbeit willen, die sie mit Holz zum
Hall in der Hallstatt tun, die Befreiung von Steuern und Ab-
gaben. Nach dem Tode des Kaisers erlangte der Erzbischof
auch wirklich von Kaiser Maximilian gegen Erlag von 18.600 Gul-
den und Verzicht auf Gmünd, Pettau und Rain die Belehnung.
Auf diesen Zeitpunkt als Übergang der Gosach an Öster-
reich weist auch die Fürsorge, welche König Max für das
Seelenheil der neuen Untertanen entwickelte, in seinem Befehle
^ Original im städÜBohen Museum Carolino-Augusteum zu Salzburg, wel-
ches Professor Leopold Becker im Jahre 1903 auffand. An der Urkunde
hängen noch die Siegel der Mitsiegler Siegmund Prueschink Freih. v.
Stettenberg und Ulrich Reschauer.
' S. Erläuterungen.
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479
ddo. Straßburg 1507, 20. März an Sebastian Hofer, Pfleger
zu Wildenstein und Salzamtmann zu Gmanden, Sebastian Öder
and Jörg Pasch, die Verlassenschaft des ohne Leibeserben ver-
storbenen Siegmund Walfing, Bargmanns za Hallstatt gesessen,
einzuziehen and zu veräußern und die ewige Messe, so der-
selbe an seinem letzten Ende in U. L. f. Kirchen zu St. Seba-
stian in der Gosa (,so wir zu pauen angefangen haben', setzt der
König hinzu) gestiftet, von demselben nachgelassenen Gut zu
stiften und auszurichten. Es verzog sich aber die Sache. Erst
über neuerliche Bitte der armen Holzmeister und Holzknechte
in der Gosa, die Messe durch einen Priester von Hallstatt lesen
zu lassen und ihnen einen Friedhof zum Begräbnisse ihrer
Toten zu gewähren (15. Jänner 1540), wurde die Stiftung aus-
gerichtet (1543), nachdem die an den Pfarrer zu Hallstatt zu
entrichtenden Reichnisse bestimmt worden waren.^ Inzwischen
hatte die neue Lehre bereits Anhänger im Älpentale gefunden.
Das (in den Erläuterungen erwähnte) Vorhandensein öster-
reichischer Lehen im Gosachtale' lange vor dessen Angliede-
rung berührt selbstverständlich nicht die Zagehörigkeit des
Tales zu dem Erzstifte Salzburg; denn auch im salzburgischen
Gerichte Liechtentann bei Neamarkt gab es in dem gleichen
Zeiträume österreichische Lehen,' obwohl das genannte Gericht
ein unbestrittenes Gebiet der Salzburger Kirche gewesen ist.
Eine Vermarkung des Gosautales gegen das Pfleggericht
Abtenau fand erst im Jahre 1535 statt.^
1 Hofkammerarchiv, Faszikel G 8 (17417), 13.
' Dieee Lehen waren so ziemlich die obersten Häuser des Tales: Nr. 6
Qütl am mittem Kirchschlag, Nr. 6 Gütl am kleinen Kirchschlag, Nr. 7
KoUmanngtttl, Nr. 8 Rieplgütl nnd Nr. 9 Gütl am großen Kirchschlag.
Sie wurden durch den Salzamtroann Hans Wucherer mit seinem Sitze
Mülgrub verbunden (Mitte des 16. Jahrhunderts) und kamen von seinen
Nachkommen allodialisiert mit Mühlgrub an das Kloster Schlierbach.
• 1458, 8. November, Linz verleiht Erzherzog Albrecht VI. dem Thomas
Alt den Meierhof im Liechtentanner Gerichte, das dabei gelegene Gut
Witweng [von dem im 17. Jahrhunderte die Geislitzer den Adelstitel
erhielten] und den Zehent zu Weng in Kessendorfer Pfarre (Lichnowskj-
Birk Vn, Reg. 126).
^ Vgl. den Rezeß vom 25. Oktober 1535 bei Zauner, Sammlung der wich-
tigsten die Staatsverfassung des Erzstiftes Salzburg betreffenden Urkun-
den, S. 64 — 80, dann im Landesregierungsarchive Salzburg, geh. Archiv,
Rubrik IH, Nr. 4. Verträge das Pfleggericht Hüttenstein und Abtenau
betreffend ans den Jahren 1564 und 1565.
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480
Es erübrigt noch, sich auf Grund des geschilderten Tat-
bestandes über die Rechtmäßigkeit des Salzsiedens in
der Gosach vonseiten Herzogs Albrecht I. von Osterreich
klar zu werden; bisher hat die Annalistik den Erzbischof Chun-
rad von Salzburg als Friedensstörer hingestellt. Nach Erfor-
schung der vormaligen Salzburg-österreichischen Grenzen in der
Gosach schien es möglich, die Stelle ausfindig zu machen. Da
das Hallstätter Salzlager, wie aus Schuhes' Reisen hervorging,
sich in der Richtung von Osten nach Westen zieht, so schien
in dem Falle, als der Salzstock auf österreichischem Gebiete
angefahren wurde, nur möglich, daß dies von der Gosachschlucht
aus erfolgt sei, wogegen der Mangel an Platz und die nicht
unbedeutende Entfernung des Hallstätter Salzberges vom An-
griffspunkte sprachen. Um sich hierüber zu unterrichten und
ein sachliches Gutachten zu erlangen, begab sich der Verfasser
am 25. August 1902 zu dem Herrn k. k. Oberbergverwalter
Karl Blaschke auf den Rudolfsturra bei Hallstatt, woselbst eine
eingehende Besprechung und Durchsicht der Bergwirtschafts-
karten das Ergebnis lieferte, daß ein Anfahren von der Go-
sachschlucht aus untunlich und in Anbetracht der geringen
Technik des Zeitalters kaum möglich sei, daß jedoch nach den
Aussagen von Bergleuten am Sulzkogel rückwärts des großen
Plassen saure Wässer aufgehen und die Möglichkeit vorhanden
sei, daß sich der Salzstock unter dem Plassen durch in die
Gosach erstrecke. Herr Oberbergverwalter Blaschke hat seiner
Zusage gemäß im Oktober die Angelegenheit an Ort und Stelle
studiert und folgende, dem Verfasser amtlich zugestellte^ fach-
männische Äußerung ddo. 5. November 1902 erstattet:
Die Frage, an welchem Punkte der Salzbergbau in der Gosau am
Ende des 13. Jahrhunderts vom Herzoge Albrecht von Österreich be-
trieben worden sei, läßt sich mit Bezug auf die hierüber vorhandenen ge-
schichtlichen Daten vom geologischen und bergmännischen Standpunkte
mit annähernder Gewißheit beantworten.
Die geologische Karte des Plassengebietes zeigt außer dem Hall-
stätter Salzlager ein solches am Lauterbach südlich des Plassen, das ver-
mutlich mit dem Hallstätter Salzstock zusammenhängt und daher nur
einen Teil desselben bildet, ein zweites oberhalb der Boßalpe östlich von
Schreiben der k. k. Salinenverwaltung Hallstatt vom 8. November 1902,
G.-Z. 2616.
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481
dieser, ein drittes unterhalb der Boßalpe westlich vom Sulzkogel und ein
Tiertes in der Nähe der Sattelalpe nordöstlich Yom Plassen.
Daß der Gosauer Bergbau nur an einem dieser genannten Punkte
fiberhaupt betrieben worden sein kann, ist klar und kommen fflr die wei-
tere Beantwortung der in Diskussion stehenden Frage die SalzTorkommen
in Hallstatt und am Lauterbach vorweg nicht in Betracht, weil diese auf
der Hallstätter Seite des Plassen liegen und unter diesen somit unmöglich
der Gosauer Bergbau gemeint sein kann, abgesehen von der geschichtlich
unzweifelhaft festgestellten Tatsache, daß der Hallstätter Salzberg erst
nach Auflassung des Gosauer Salzbergbaues eröffnet nnd betrieben wurde.
Bezäglich des Salzvorkommens bei der Sattelalpe ist zu erwähnen,
daß der Zugang zu demselben vom Gosaubache aus, von wo aus derselbe
wohl nur hätte betrieben werden können, sehr steil und beschwerlich ist;
zugleich ist dieser Punkt von der damaligen Landesgrenze zwischen Öster-
reich und Salzburg, wenn sie nach der Linie Brielgraben—Modereck-Kalte
Mandling verlief, ziemlich weit entfernt und stünde somit diese Tatsache
im Widerspruche mit der historischen Angabe, wonach sich der fiagliche
Bergbau in nächster Nähe der Salzburger Grenze befand. Ferner sind
die Terrain- und Raumverhältnisse im Gosaubachgraben an der Ausmün-
dung des von der Sattelalpe herabführenden Grabens für die Anlage der
Sudpfannen, welche behufs Yersiedung der im Bergbau gewonnenen Sole
hätten hier placiert werden müssen, sehr ungünstig, und daß man die
Soole bis nach Gosaumühle herausgeleitet hätte, wo genügend Baum für
die Sudanlage gewesen wäre, ist ganz und gar unwahrscheinlich.
Alle diese Tatsachen sprechen dafür, daß nicht das Salzvorkommen
bei der Sattelalpe, sondern einer der in der Nähe der Boßalpe gelegenen
Salzstöcke bergmännisch abgebaut und ausgebeutet wurde ; ob es das ober-
oder jenes unterhalb der Boßalpe gelegene Salzlager war, läßt sich heute
mit annähernder Gewißheit wohl nicht mehr angeben.
Allem Anscheine nach — und hiefür sprechen insbesondere die
verhältnismäßig günstigen Terrainverhältnisse — dürfte es das unter der
Boßalpe, westlich des Sulzkogols gelegene Salzvorkommen sein, das vom
Herzog Albrecht von Österreich abgebaut wurde.
Dasselbe liegt beim sogenannten Saueren Wasserl, einer das ganze
Jahr fließenden Quelle, welche an der in der Karte mit einem Stollen
(mit roter Tinte) bezeichneten Stelle haii; am Boßalpengrabenbach, west-
lich des Sulzkogels, an dem gegen Yorder-Gosau abfallenden Gehänge
zutage tritt und reines Trinkwasser führt, an dem man mit dem Gaumen
etwas Salziges nicht zu erkennen vermag.
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482
Daß aber ein Salzlager hier wirklich existiert und der Name Saueres
Wasserl, der gewiß schon uralt ist, eine Berechtigung hat, zeigen die
knapp rechts und links neben dieser Quelle anstehenden Gesteinsarten,
als Zlambachmergel, Ton, Gips und Anhydrit. Hier sammelt sich auch
massenhaft das Wild, wie man an den Spuren deutlich erkennen kann,
um an dem saueren Ton zu lecken. Die Örtlichkeit liegt etwa 200 m
über dem vorderen Gosaut>ale, zirka 1 Stunde von Yorder-Gosau (Ressen-
bacher) und eine gute Viertelstunde vom Brielgraben entfernt, ist auf
einem bequemen Wege, der am rechten Ufer des Brielbaches in einiger
Entfernung von demselben führt und zum größten Teile fahrbar ist, zu
erreichen; Holz und Wasser sind in genügender Menge vorbanden und
somit waren alle Bedingungen für einen Bergbau, welcher entsprechend
den geschichtlichen Angaben in nächster Nähe der Salzburger Grenze
gelegen war, gegeben.
Zehn Minuten oberhalb der Boßalpe, östlich von dieser befindet sich
am westlichen Abhänge des Plassen das bereits vorhin erwähnte zweite
für den fraglichen Bergbau in Betracht kommende Salzlager, welches von
dem beim Saueren Wasserl etwa eine ^/j Stunde entfernt und auf den
ersten Bück als solches erkennbar ist. Dasselbe wird von einem kleinen
Wasserrinnsal durchschnitten, welches eine tiefe Furche in den Salzstock
gegraben hat, an deren Bändern das entblößte, den Einwirkungen der
Atmosphäre ausgesetzte Haselgebirge beständig hereinbricht und durch
die Niederschlagswässer ausgelaugt wird; nach Entführung des Salzes
bleibt dann der unserem Werkslaist täuschend ähnlich sehende taube
Letten, in welchem sich Gips (Fraueneis) und Anhydrit in mitunter gro-
ßen Blöcken vorfindet, zurück. Auch hier sammelt sich das Wild, durch
die in dem Letten noch enthaltene Säure angelockt, um an demselben zu
lecken. Ein in dieses Salzlager eingetriebener Stollen würde aller Vor-
aussicht nach in höchstens 30 — 40 m das Vorhandensein von Salz kon-
statieren.
Auch hier liegen für einen Bergbau die Verhältnisse recht günstig,
das Tagterrain ist nicht zu stark abfallend, Holz und Wasser sind ge-
nügend vorhanden, weshalb es durchaus nicht ausgeschlossen erscheint,
daß der vom Herzog Albrecht von Österreich betriebene Salzberg in der
Gosau auf dieser Lagerstätte umging.
Ein Umstand jedoch, weicher bei Begehung dieses Terrains sofort
in die Erscheinung tritt, ist es, welcher diese Annahme unwahrschein-
licher macht und das ist der, daß der Zugang zu diesem oberen Salzlager
durch den Boßalpengi*aben ziemlich steil und beschwerlich ist und nach-
dem dieser Weg unmittelbar beim Saueren Wasserl, also bei der tiefer
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483
und bequemer gelegenen unteren Lagerstätte YorbeifQhrt, ist wohl anzu-
nehmen, daß unsere Yorfahi'en diese und nicht die ungünstiger situiei-te
Lagerstätte oberhalb der Boßalpe, deren Abbau mit mehr Beschwerlich-
keiten und Kosten verbunden gewesen wäre, ausgebeutet haben.
Ob es nun das oberhalb oder jenes unterhalb der Boßalpe gelegene
Salzlager war, welches unsere Vorfahren bergmännisch abgebaut haben,
läßt sich heute mit yoller Gewißheit nicht mehr angeben, daß es aber
eines dieser beiden Salzvorkommen war, welches vordem ausgebeutet
wurde, steht nach den geologischen Verhältnissen wohl außer allem Zwei-
fel. Halden, Pingen, Stollenmundlöcher oder sonstige selbst geringfügige
Anzeichen und Überbleibsel eines einstigen Bergbaues konnten bei der
Begehung und Untersuchung dieses Terrains nirgends entdeckt werden
und es muß sich somit die Ermittelung jenes Punktes, an welchem der
in Bede stehende Salzbergbau in der Gosau seinerzeit betrieben wurde,
auf die vorstehenden Erwägungen und Tatsachen stützen, aus denen mit
ziemlicher Sicherheit hervorgeht, daß dieser Bergbau an der Stelle, wo
sich heute das sogenannte Sauere Wasserl befindet, gelegen war. Von
hier aus wurde die im Berge gewonnene Sole oder Sulzen, höchstwahr-
scheinlich in hölzernen Bohren, möglicherweise auch in Holzrinnen nach
dem zirka 1 Stunde entfernten Vorder-Gosautale geleitet, was absolut keine
Schwierigkeiten geboten haben kann, und in den hier befindlichen Sud-
häusern versotten. Der Aufschluß des Salzlagers erfolgte unzweifelhaft
mittels eines Stollens, von welchem dann im Salzstocke selbst wieder
Strecken, vermutlich unter einem spitzen Winkel, abzweigten. Längs
des Hauptstollens, soweit er sich im Salzlager befand und längs der Aus-
richtungsstrecken waren vermutlich sogenannte Schöpfgebäude angelegt,
d. s. unter der Streckensohle befindliche Hohlräume von größerer oder
geringerer Ausdehnung und verhältnismäßig geringer Höhe, in welchen
sich das in Holzröhren eingelassene Wasser vollständig mit Salz sättigte.
Die 80 erzeugte Sulzen warde dann in vertikalen Schächten, sogenannten
Putten, mittels am oberen Teile derselben aufgestellten Haspeln in Holz-
kübeln oder Eimern aus dem etwa 8 bis 10 m tief gelegenen Schöpf bau
aufgehaspelt, in die unmittelbar neben dem Haspel liegenden Holzröhren,
welche die Sole in die am Tage befindlichen Beservoire aus gezimmer-
tem Holze, sogenannte Sulzenstuben leiteten, entleert. Von diesen Sul-
zenstnben, in denen die Sole auf ihren Kubikinhalt gemessen wurde,
floß dieselbe in hölzernen Böhrenleitungen zur Sudanlage und wurde da-
selbst auf Salz versotten.
Hat nun hiernach Albrecht I. am Sulzkogel nächst der
Roßalpe den Bergbau eröffnet, so virar er, vorausgesetzt, daß
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484
die im historischen Atlas verzeichnete Landesgrenze schon be-
stand und nicht erst im Friedensschiasse 1297 festgesetzt warde^
unbedingt genötigt, sowohl für das Salzsieden, als auch für die
von ihm gegründete Niederlassung/ die nicht stundenweit, etwa
bei Steg am Ausflusse der Traun aus dem See angelegt sein
konnte, salzburgischen Grund und Boden in Anspruch zu neh-
men. Es begreift sich daher, daß der Erzbischof nicht zum
Nachteile des Halleiner Salzes auf eigenem Qebiete einen frem-
den Salzbau dulden wollte und, da der Nachbar übermächtig
war, den Augenblick, in welchem derselbe krank damiederlag,
benützte, um die zwei Salzpfannen und die neue Ansiedlung
zu zerstören.
Hätte sein Beginnen zu Recht bestanden, so würde Al-
brecht den Salzbau, an welchem ihm gelegen war, sicherlich
nicht im Friedensschlüsse' aufgegeben haben, denn die Ent-
schädigungssumme, die er erhielt, stand in keinem Vergleiche
zu dem Verzicht.*
Die Frage nach der Zugehörigkeit
des Gebietes von Aassee
wurde oftmals behandelt, bisher jedoch stets zugunsten des
Traungaus beantwortet, hauptsächlich aus dem Grunde, weil
Aussee ursprünglich zu der Pfarre Traunkirchen gehört habe.
Die Theorie Längs von der Koinzidenz kirchlicher und poli-
tischer Grenzen hat aber längst Fiasko gemacht. In der ^Ge-
burt des Landes ob der Ens* (S. 14) habe ich mich auch gegen
diese Ansicht ausgesprochen und glaube, an diesem Wider-
spruche auch fernerhin festhalten zu müssen, weil das Aussee-
land ein geographisch vom Traungau vollständig abgeschlossenes
' Die Oontinuatio Vindobonensis nennt sie, wahrscheinlich verunstaltet,
Trohneawe. Mon. Germ. Script. IX, G98— 699.
• Albrecht stand ab ,von dem Sieden des prunne in der Qoza für uns
und fUr unsere Erben und für unser Nachkommen also, daz von unsem
wegen auf demselben Prunne fürbaz iht gesotten werd. Und darum
geit uns unser Herre von Salzburch 3000 March Silber Wiener Ge-
wichts^ Juvavia, S. 388, A. g. Jm Oberösterreichischen Urkundenbuch
steht die Urkunde nicht.
• Zur Orientierung werden empfohlen Frey tags Touristen -Wanderkarten
VIII und IX, die Reliefkarte des Salzkammergutes von Pelikan, süd-
liche Hälfte und Pelikans Dachsteinreliefkarte, welche die Bodenge-
staltung am Sulzkogel besonders plastisch darstellt
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485
Gebiet ist^ welches^ da die Eoppenschlacht; darcli die sich
unter mannigfachen Störungen die Eisenbahn bohrt, zur An-
lage eines Verkehrsweges angeeignet war, die Verbindung nach
Westen über den Pötschenberg suchen mußte, während das-
selbe nach Osten über Mitterndorf seinen natürlichen Anschluß
an das Enstal findet, mit welchem es, soweit Urkunden zurück-
reichen, verbunden war, wie denn der Bezirk Pflindsberg erst
im 15. Jahrhunderte von dem Landgerichte Enstal (Wolken-
stein) ausgeschieden worden ist. Gegen die Vermutung, daß
Philipp, der Erwählte von Salzburg, es gewesen sei, welcher
bei der Besetzung des Enstales 1249 Aussee vom ehemaligen
Traungau losgerissen habe, streitet die viel wahrscheinlichere
Vermutung, daß Pfemysl Otakar den Bau der Burg Pflinds-
berg in keinem Falle geduldet hätte, wäre nicht im Aussee-
lande der Erzbischof Lehensherr gewesen.
Hier ist wohl auch der Ort, mich über
die Auslegung des Friedensvertrages von 1254
zwischen König Bela von Ungarn und König Pfemysl Otakar
zu äußern, da sich bisher keine passende Gelegenheit gefunden
hat, auf Lampeis Ausführungen in seiner Gegenschrift ,Die
Landesgrenze von 1254 und das steirische Enstal^ zu erwidern.^
Daß das castrum Suarchumpah in dem Berichte der un-
garischen Friedensunterhändler nicht die offene Ortschaft Seh war-
zenbach im Paltentale, sondern die in der Pütner ,Mark^ ge-
legene Feste Schwarzenbach, die nochmals 1362 Gegenstand
eines Übereinkommens zwischen Herzog Rudolf IV. und König
Ludwig von Ungarn gewesen ist, bedeutet hat, ist von Lampel
aus den Urkunden des k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchivs
vollständig erwiesen und damit eine bedeutende Schwierigkeit
der Auslegung beseitigt worden, die vorhanden war, so lange
die Örtlichkeit im Paltentale gesucht wurde.
Schwarzenbach ist endgültig ausgeschaltet, damit jedoch
die Hauptfrage bezüglich der damals vereinbarten Grenzlinie
keineswegs gelöst.
Es ist keine ,sklavische Anhänglichkeit an die schwer-
fälligsten Ausdrücke, die man denken kann, sich fWr die Tauern-
kette zu entscheiden', wie Lampel (S. 299, Vorwort) sich aus-
1 Archiv für ÖBterr. Gesch. LXXI, 299—462.
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drückt; und ganz unberechtigt ist der Schlußsatz:
daraus eine ganze Reihe von Schlüssen zu ziehen^ die gewissen
anderen Zwecken dienen sollen*. Mir ist die historische Wahr-
heit stets Selbstzweck gewesen und bei dem Streben, sie auf-
zufinden, habe ich weder Empfindlichkeiten noch offene An-
feindungen gescheut.
Das Karintgescheid.
Bevor ich jedoch auf die Ausführungen Lampeis näher
eingehe, bin ich genötigt, der Beweisführung, welche erst in
dem Abschnitte ,Die Otakare in der Kärntnermark' zum Ab-
schlüsse kommen kann, vorzugreifen und zu bemerken, daß
Lampel und jene, die sich seiner Anschauung anschlössen,
trotz der auffälligen Lücke im Landbuche über die Grenze
zwischen St. Gallen und der großen Sallet sich von der Vor-
stellung, die Frenz- und Laussagrenze müsse von allem Anbe-
ginne die Grenze zwischen Enstal und Tranngau gebildet haben,
nicht zu befreien vermocht haben.
Daß dem nicht so war, habe ich in ,Gebnrt des Landes ob
der Ens* (S. 17) hervorgehoben und zum Belege eine meines Er-
achtens entscheidende Stelle aus der Stiftungsurkunde vom Jahre
111&* für Seitenstetten beigebracht. Die Benediktiner erhalten
vom Bischof Ulrich ,decimationes etiam novalium, que vel in
presenti vel deinceps exculta fuerint ex utraque parte flnminis
ybese, et ad occidentem usque Earintscheide', also sämt-
liche Neureute auf beiden Seiten der Ibs, und zwar gegen
Westen bestimmt bis an das Karintscheide.
Über das Wort Karintscheide waltet kein Zweifel ob: das
Götweiger Salbuch hat den Ausdruck ,versus Carinthiam^ ohne
Beisetzung der Weltgegend,* das Wort sceit gebraucht es im
Jahre 1083 für die Grenze der Pfarre Kilb.' Karintscheide
ist demnach gleichzusetzen der Grenze von Kärnten, in diesem
Falle, da die Ibs, von Osten herkommend, bei Groß -Hollen-
stein umbiegt und ihren Lauf gegen Norden und Nordwesten
nimmt, der Bergreihe vom Wasserkopf (nördlich vom Frenz-
berg) bis zum Redtenberg (nördlich von Gaflenz), welche auch
* Fontes rer. Auatr. H, Bd. XXHI, 3, 17.
« Fontes VUI, 251, 265, 266. • a. a. O. 250.
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487
heute noch eine Grenzseheide^ nunmehr zwischen Ober- und
Niederösterreich, bildet, sie ist die Wasserscheide zwischen
Ibs und Ens; vom Sattel bei Oberland rinnt zur Ibs der Waid-
hofnerbach, zur Ens der Gaflenzbach, und ebenso der Sattel
am Gmerkl, Umstände^ welche bisher in ihrer geographischen
Bedeutung noch gar nicht gewürdigt worden sind. Nach-
stehende Skizze veranschaulicht den Flußlauf der Ibs:
*
%
Der Bergzug ist eine natürliche Landmarke/ deshalb
blieb auch der Name an der Bergkette hangen.
Wenn daher Lampel* sagt: ,0b aber jene Ausdrücke auf
eine Landesgrenze zu deuten sind, will mir ebensowenig sicher
erscheinen, als die Benennung der Himmelsgegenden im Mittel-
* B. Sieger, ,Die Grenzen Niederößterreichs*, Separatabdruck 8. 86, aus
dem Jahrbuch des Vereines für Landeskunde yon Niederösterreich.
' G^märke des Landbuches, S. 238. Ihm schließt sich Hasenöhrl, ,Deut8ch-
lands südöstliche Marken' (Archiv für österr. Gesch. LXXXII, 481) an, der
meinen Schluß deshalb für unzulässig hält, weil in früherer Zeit und
auch noch im 12. Jahrhunderte die Grenze Bayerns und der Ostmark
einerseits und Kärntens andererseits hier mit der Diözesangrenze zu-
ArebiT. M. Band, II. H&lfto. 33
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488
alter eine sehr gewissenhafte genannt werden kann', so verstoßt
er mit Hasenöhrl (Die südöstlichen Marken des deutschen Rei-
ches im 10. und 1 1 . Jahrhunderte) gegen den klaren Wortlaut
der Beurkundung, den er sich, weil von der Vorstellung der
modernen Grenze befangen, nicht erklären kann und deshalb
die Richtigkeit desselben anzweifelt. Allerdings sind Ver-
wechslungen der Weltgegenden vorgekommen, wie z. B. im
hohen Norden, in Grönland, die Eystribigd unrichtig bezeichnet
wurde, die nicht im Osten, sondern im Süden gelegen war;
aber daß man in Seitenstetten, auf dessen Wunsch doch das
Diplom ausgefertigt wurde, auf eine so kurze Entfernung sich
in der Orientierung geirrt haben sollte, ist einfach undenkbar,
umsomehr, als dem Kloster daran gelegen sein mußte, gerade
in dieser Richtung ganz genau zu wissen, wie weit seine Zehent-
berechtigung gehe. Übrigens ist der Hof Gmerkl am Sattel
auf der Straße von Weyer nach Hollenstein ein lebendiger
Zeuge für das Alter und die Stabilität der Wasserscheiden-
grenze; ,daz aigen, daz da haizzet auf dem Gemerche' wird
schon vor 600 Jahren (1331)^ als Grenzort genannt, was Lam-
pel und Hasenöhrl im Eifer der Polemik ganz außer acht ge-
lassen haben. Auch hier hätten sie sich vor Augen halten
sollen, daß eine Behauptung nicht ihren Charakter verliert,
wenn sie auch in die Form eines Widerspruches gekleidet wird,
und daher eines Gegenbeweises nicht bedarf, solange nicht ihre
Richtigkeit selbst dargetan ist. In welchem Zeitpunkte aber
die Täler und Bäche der Frenz und der oberen Laussa zur
Grenze geworden sind, wird die Erörterung des Bruderkampfes
im Hause der Chiemgauer zeigen.*
,Der Vorsprung der Eärntnermark in bayrisches Gebiet^
war in der Natur keineswegs ein so auflEklliger, weil er nicht
nur die Gräben des linken Ensufers, sondern auch die weite
Pfarre Mölln in sich begriff und das Hochsengsengebirge mit
seinen Schroffen im Südwesten die Landmarke gegen das Bayer-
land gebildet hat. Denn das ganze Gebiet herwärts von der
niederösterreichischen Grenze wurde vollständig von der Herr-
schaft Steyr und deren Amtern: Hof- oder Kastenamt, Jager-
sammengefallen sei, letztere aber zweifebohne am Frensbache su
suchen sei.
^ Oberösterreichisches Urkundenbuch VI, 10. * V^l. den Abschnitt:
Der Qegenmarkgraf Otakar in den bayrischen OrafSschaften.
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berg, Mülbach, Steinbach, Raming, Eberseck, Neustift, Ober-
Laussa, Mitter nberg (Trattenbach), Ternberg, Molin, Ramsau,
Arzberg und vor der Vergabung der provincia Avelenze an
das Kloster Garsten* auch dem sogenannten Urbaramte Weyer
ausgefällt. Jene Holden, welche im Garstentale und um Knie-
was zerstreut saßen,' kommen nicht in Betracht, da sie aus
den Wirzburgischen Gütern oflFenbar erst nachderhand der Herr-
schaft Steyr zugewiesen worden sind.
Der Steyrfluß schloß gegen Westen und Norden Kärnten
(Karintrichi) von Bayern ab; die Tatsache, daß nach dem Stift-
briefe von Kremsmünster (777) Slawen nordwärts der Steyr
zwischen Dietach und Sierning* siedelten, weist allein schon
darauf hin, daß die Grenze Karantaniens nicht ferne sein konnte.
Es ist anzunehmen, daß der schmale Landstrich am linken Ufer
der Steyr von der Einmündung des Steyrleitnerbaches bis hin-
auf zum tiefen Graben — nachmals das Dominium und Land-
gericht Leonstein — herübergehörte, weil Leonstein noch im
15. Jahrhunderte auslieferungspflichtig nach Steyr gewesen und
nur durch unredliche Ausübung der Halsgerichtsbarkeit selb-
ständig geworden ist.^
Nach diesen Erörterungen kehren wir zum Präliminar-
frieden von Ofen zurück.
Vor allem ist hervorzuheben, daß in jenen Zeitläufen das
Enstal von salzburgischen Söldnern besetzt war, daß demnach
König Otakar über dasselbe nicht verfügen konnte, selbst wenn
er den Willen dazu gehabt hätte, was bei seinem freundschaft-
lichen Verhältnisse zu dem Erwählten Philipp entschieden zu
* Codex trad. Garst, f. 7'; Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 125.
» Dopsch, Die 1. f. Urbare im 13. und 14. Jahrhunderte 210, 222, 255; Ur-
bar der Herrschaft Stejr von 1632 (nicht 1424) im Herrschaftsarchive
Steyr.
' Grienberger glaubt den Ortsnamen Sierning aus der deutschen Sprache
herleiten zu können; allein seine Erklärung ,hinsiechend, absterbend,
steht im Widerspruche mit den örtlichen Verhältnissen und ist wohl
auch zu kunstvoll, als daß er aus dem Volksmunde hervorgegangen sein
sollte; im Gegenteile ist das Sierningbächlein ein in der Ebene ruhig
dahinfließender ,Weidenbach*, wofür ihn Kämmel nach Miklosich erklärt
hat. Aus diesem rein sachlichen Grunde ist die Ableitung aus dem
Slawischen vorzuziehen.
•* S. Erläuterungen.
33»
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bezweifeln ist. Schon hieraus ließe sich vermuten, daß eine
Grenzlinie zu finden war, welche nicht in Freundesbesitz eingriff.
Die Urkunde vom 24. Mai 1257,* welcher Lampel großes
Gewicht beilegt, beweist nach meinem Erachten nichts weiter,
als daß das Spital am Pim in diesen Kriegswirren sich beeilte,
sich den Schutz des neuen Machthabers jenseits der Berge,
des Herzogs Stephan von Slawonien, zu sichern und daß letz-
terer die ihm angebotene Vogtei über das Kirchengut innerhalb
des Machtbereiches König Belas übernahm. Zu dieser Eile hatte
das Hospital auch allen Anlaß, da gerade in diesem Zeitpunkte
das Salzburger Kapitel sich zu einem entscheidenden Schritte
gegen Philipp entschlossen, den Bischof Ulrich von Sekkau
zum Erzbischof postuliert und denselben zur Betreibung der
Sache nach Rom gesandt hatte, während der ungarische König,
auf dessen Beistand Ulrich rechnete und sich mit ihm 1258
offen verband, den Kirchenstreit ausnützte, um seine Macht auf
Kosten des Erzstiftes auszubreiten.'
Was die andere Urkunde vom 21. Juni 1257 betrifft, so
kann aus derselben auch nach den von Wichner erteilten Aus-
künften nur die Folgerung gezogen werden, daß sich zur Zeit
der Ausstellung der Urkunde das Paltental und wahrscheinlich
auch Admont in der Gewalt der Ungarn befunden habe, was
bei den Zuständen, welche infolge des Zwistes zwischen dem
Erwählten und seinem Kapitel herrschten, nicht zu verwundern
ist; eine dauernde Besitznahme des Enstales, zumal des lang-
gedehnten oberen, durch die Ungarn ist weder wahrscheinlich
noch beglaubigt, im Gegenteile entbehren die Vermutungen
Lampeis urkundlicher und annalistischer Bekräftigung.
Wenn Lampel (Die Landesgrenze, S. 306) meint, das Pitt-
ner Ländchen sei eigentlich der Hauptgegenstand der Friedens-
unterhandlungen gewesen, so hat er nicht den Wortlaut der-
selben für sich, der vielmehr zeigt, daß die Verteilung des
Herzogtums Steyr unter die kriegführenden Mächte die Haupt-
sache und die Abmachung wegen des Schlosses Schwarzenbaoh
nur ein Nebenpunkt (hoc adjecto) gewesen sei. Die in Frage
stehenden Stellen lauten:
* Oberösterreichisches Urkundenbuch III, 242.
* Vgl. O. Lorenz, ,Ottokar yon Böhmen und das Erzstift Salzburg in den
Jahren 1246 — 1260* in den Sitzungsber. der hist.-phil. Kl. der Akademie
XXXIII, 472 ff.
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,dominu8 noster rex Hungarie et sni heredes ducatum Sti-
rie . . possidebunt et tenebnnt usqne ad termiDos infra scrip-
tos^ scilicet a Bommitate mootis, qai dicitar Semernyk, secun-
dum quod eadem montana pro diversitate locoram adiacentiam
diversis nominibus nuncupata ab Hungaria in Bawariam
protenduntur et in Bawaria terminantur^ cursu aquarum
rersüsHaraiii ab eadem snmmitate moncinm decnrrenciam
terminos distinguente . . /
und nachfolgend:
^ab eadem autem summitate moncinm secundumcursum
aquarum rersus Danabiam fluencium illam porcionem
Stirie cum toto Ducatu Austrie predictus P. dominus . . . pos-
sidebit eciam et tenebit . . /
Lampel (S. 304 f.) hat sich dafUr entschieden, daß die
nach Bayern streichenden und dort endenden Gebirge der
heutigen oberösterreichisch-steiermärkischen Landesgrenze ent-
lang verliefen. Denn — bemerkt er — daß man damals das
Enstal zu Bayern gerechnet, von Steiermark losgetrennt habe,
sei eben erst zu beweisen, vorläufig müsse unter Bavaria das
Hauptland Bayern verstanden bleiben, wenn nicht überhaupt
damit nur ^Westen^ sowie unter Hungaria ganz einfach ,Osten'
gemeint sein solle.
Obwohl diese Ansicht, daß ganz Steiermark mit Ausnahme
des Pittnerlandes an Ungarn gefallen sei, wirklich allgemein
angenommen wurde, so glaube ich doch, daß die von mir in
,Geburt des Landes ob der Ens', S. 109 vorgetragene Auf-
fassung dem Wortlaute sowohl als der Sachlage vollkommen
entspreche.
Unrichtig ist jedenfalls, daß unter Bawaria nur das Haupt-
land Bayern zu verstehen sei, denn die Territorien der Bis-
tümer Passau und Salzburg werden in verschiedenen Urkunden
des 13. Jahrhunderts als in Bawaria gelegen bezeichnet. Die
Haupttauernkette endet nach dieser Sprachweise in der Tat ,in
Bawaria^
Entscheidend in der Sache scheint mir aber der Wort-
laut des Berichtes. Derselbe ist keineswegs ,schwerftlllig', er
bestimmt klipp und klar, daß die Wasserscheide zwischen
Mur und Donau fürderhin die Grenzscheide des beiderseitigen
Besitzes sein soll. Wo die Gewässer abwärts der Donau zu-
eilen, dieses Gebiet verbleibt dem König Otakar, jenes, in wel-
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chem die Wässer in die Mur rinnen, wird König Bela beherr-
schen. Durch diese klare Bestimmung wird das Enstal dem
ungarischen Könige entzogen, denn alle seine Bäche rinnen in
die Ens und diese ergießt sich in die Donau. Die moderne
oberösterreichisch-steiermärkische Grenze hat auch keine ge-
schlossene Bergkette, sie wird bei Altenmarkt durch die Ens
gespalten, und das Tal der oberen Laussa, nicht die nördlichen
oder südlichen Berge desselben war, so weit Nachrichten zu-
rückreichen, die Qrenzmarkung der Grafschaft Steyr. Die
Tauernkette dagegen ist ein geschlossener Gebirgszug, der
nur bei dem Schoberpasse im Paltentale einen Sattel zeigt, jen-
seits dessen, bei Wald, der in den Liesingbach rinnende Sulz-
bach, alle beide zum Flußgebiete der Mur gehörig, entspringt,
während nordwärts in geringer Entfernung sich die Quelle des
Paltenbaches befindet, welcher nordwärts der Ens und mit ihr
vereinigt der Donau zueilt. Ein ganz deutliches Bild dieser
oro- und hydrographischen Verhältnisse gewähren die Blätter
II, IV, VI der Touristen -Wanderkarten von G. Freytag. Es
spricht zu deutlich, als daß über den richtigen Sinn des Ofner
Abkommens ein weiterer Zweifel zurückbleiben könnte.
Daß König Otakar die zeitweilige Besetzung des Palten-
tales durch die Ungarn nicht hinderte, ist erklärlich; einerseits
war das Gebiet von dem Erwählten von Salzburg beansprucht,
andererseits noch nicht der Zeitpunkt gekommen, mit den Un-
garn anzubinden und Steiermark zurückzugewinnen.
In betreflF der zeitweisen Zugehörigkeit der Ensburg zur
Ostmark habe ich keinen Anlaßt von dem abzugehen, was ich
in der ,Geburt des Landes ob der Ens^ S. 35 f. vorgebracht
habe, und bemerke nur für die Anhänger der Ansicht, daß das
Kloster St. Florian vor seiner Besetzung mit Augustiner -Chor-
herren wirtschaftlich selbständig gewesen sei, daß hierzu
nicht stimme, wie dann Bischof Adalbert von Passau das pre-
dium Anesapurch an Herzog Heinrich I. von Bayern zu ver-
tauschen in der Lage gewesen sein soll.
Entwicklung der Graischaiten zu Landgerichten.
Im Wege der vorsichtigen Rekonstruktion läßt sich der
Umfang der beiden Grafschaften der Arnolde von Lambach
und des Rapoto mit ziemHcher Sicherheit feststellen.
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a) Die Orafsehaft im Oebirge.
Das Landgericht Hartnids von Ort; Marschalls in Steyr,
umfaßte noch im Jahre 1217 das Tal von Kirchdorf: ,in illo
iudicio; qnod a me semper in illis partibus habere noscebatur^,
sagt er in seinem Gunstbriefe für Kloster Garsten,^ in welchem
er auch seinen Richter Hiltepold nennt. Es stand ihm also
ebenda, wo im Jahre 1006 noch Graf Rapoto waltete, die Ge-
richtsbarkeit zu, denn Schlierbach ist nur eine Stunde von
Kirchdorf entlegen; Zeugen der Urkunde sind Udelschalk von
Klans an der oberen Steyr, Otacher von Schlierbach, Rudolf
von Lauterbach nächst Kirchdorf.
Hartnids gleichnamiger Sohn verzichtete 1241, 18. Fe-
bruar unter Hinzutritt der herzoglichen Genehmigung* auf Ge-
richtsbarkeit und Sportein gegenüber den Hintersassen des
Klosters Kremsmünster, nur die todeswürdigen Verbrecher sind
ihm oder seinem Richter (mihi vel per me iudici instituto) aus-
zuliefern. Die Eigenleute von Kremsmünster waren in den
(späteren) Landgerichten Ort und Schlierbach bis gegen den
Pirn zerstreut.
E^ bestand daher das Landgericht der Herren von Ort
oder die vormalige Grafschaft im Gebirge aus dem alten Ouliu-
pestal bis zum Pirn, dem Salzkammergut und dem dazwischen
liegenden Tale von Viechtwang und Grünau. Die alten Gren-
zen sind im Westen die Markungen der nachmaligen Land-
gerichte Ort und Wildenstein, im Osten jene der späteren Land-
gerichte Pemstein und Spital, im Süden im großen und ganzen
die heutige Landesgrenze. Gegen die Grafschaft Steyr wird
ursprünglich das Hochsengsengebirge die natürliche Scheide-
wand gewesen, die Vorrückung der Grenze der Steyrer Herr-
schaft an den inneren Rettenbach wohl erst im 15. Jahrhunderte
erfolgt sein. Die nördliche Abgrenzung gegen die Grafschaft
zwischen Traun und Ens wird bei dieser besprochen.
^ Oberösterreichiflohes Urkundenbuch II, 594. Von den elf Eigenleuten
Garstens im Tale von Kirchdorf wird 1305 (OberösterreichischeB Urkun-
denbuch rV, 481) das Qut Rudieins und seiner Söhne zu Otstorf (OsEin-
dorf c 1125 im Garstner Traditionsbuche a. a. O. I, 150, 154) genannt
* Urkundenbuch von Kremsmünster Nr. 70, 71.
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Das Landgericht war koin freies, sondern ein herzogliches
Lehen, wie sich von selbst versteht und durch die zweite Ur-
kunde von 1241 dokumentiert ist. Wie es kam, daß die Ge-
richtsgewalt von den steyrischen Markgrafen aus der Hand ge-
geben wurde, wird in dem Abschnitte über die Otakare gezeigt
werden.
Die Herren von Ort, Dienstleute der Otakare, welche mit
der Burg Wachseneck auch das Landgericht an der Rab in
ihre Hand bekamen,^ führten diesen Namen wohl erst seit Er-
bauung des Seeschlosses auf einer künstlichen Insel des Traun-
sees. Besitz ist nachzuweisen zu Berndorf bei Rottenmann, zu
Lainbach bei Wolkenstein im Enstale, im Mürztale, an der
Rab.* Der Letzte des Geschlechtes, Hartnid, verlor sein Lehen
Wachseneck wegen Gewalttaten gegen die bischöfliche Kirche
Sekkau und endete 1244 in der Haft Herzogs Friedrich H.*
Seiner Leiche wurde die kirchliche Beerdigung versagt, bis
seine Schwester und Erbin Gisela 1270, 25. Oktober* dem
Bistum Sekkau zur Gutmachung des Schadens 5 ritterbürtige
Unfreie samt allen ihren Söhnen und Töchtern sowie 10 Mark
übergab. Die Herrschaft Ort, wahrscheinlich Freieigen, fiel
an Gisela, welche mit Albero von Feldsberg (f vor dem 5. Juli
1270) vermählt war, das Gerichtslehen aber wurde dem Herzog
ledig. Bevor dieser es weiterlieh, bemächtigten sich wohl in
den Wirren des Zwischenreiches die Herren von Truchsen aus
Kärnten,* an welche nach dem Tode Heinrichs von Grafenstein*
^ Rationariura Stiriae bei Rauch, Script. II, 115: ,Item iudicium iuxta Ra-
bam, quod vacare cepit ab iUo de Orte.*
» Steiennärkiflches Urkundenbuch I, 317, 641, 610.
* Mon. Germ. Script (Continuatio Garst) XI, 697.
* Urkunde bei Aquilinus Julius Caesar, Annales Duc. Styriae II, 546,
Nr. 156.
^ Die Truchsner besaßen Pernstein schon 1255 (Urkunde Ulrichs von
Truchsen für Garsten. Actum in Pernstein. Oberösterreichisches Urkun-
denbuch III, 223) und veräußerten es 1337, 23. Februar (a. a. O. VI,
227) an den Hauptmann ob der Ens Eberhart von Walsee.
* Der Kärntner Heinrich von Grafenstein, welcher 1240, 24. Jänner (Ur-
kundenbuch von Kremsmünster Nr. 68, Aufschrift der Urkunde aus der
Zeit nach 1300: Privilegium de redempcione aduocacie quam Perstaei-
narius sibi usurpaverat) allen Yogtansprüchen zugunsten des Klosters
Kremsmünster entsagte, erscheint in den Jahren 1222, 1224, 1229, 1281,
1240. Aquilinus U, 728 hält ihn für einen Stiefbruder der Geschwister
Ulrich, Cholo und Gottfried von Truchsen. Er hatte Pernstein wohl
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495
die Feste Pernstein^ die im 14. Jahrhunderte ansdrilcklich als
rechtes Eigen beurkundet ist,^ gefallen war, des Landgerichtes
und nahmen als Inhaber desselben die Vogtei über die Pfarren
Kremsmünster, Herzogenhall (Pfarrkirchen), Ried, Wartberg,
Kirchdorf, Petenbach, Vorchdorf, Steinerkirchen, Wimsbach, La-
kirchen, Olstorf, Viechtwang und Windischgarsten in Anspruch.*
In den Erläuterungen wurde bereits erwähnt, daß wahr-
scheinlich König Rudolf als Gegenleistung fUr die seinen Söh-
nen verliehenen Kirchenlehen den Bischöfen von Bamberg als
den bedeutendsten Grundherren dieser Gegend um 1279 die
Örafenrechte eingeräumt haben wird. Dieser östliche Teil des
alten Landgerichts Ort wurde nunmehr das Landgericht Schlier-
bach genannt von dem Schlosse, welches zuerst Wernher von
Schlierbach, der für einen . Zelkinger angesehen wird, nach
seinem Tode aber sein Neffe Liebaun von Truchsen von Bam-
berg zu Lehen trug.'
nach dem Abgange Pillungs von Pernstein (1179, 1189, 1206, Ober-
österreichisches U/kundenbuch II, S67, 414, 502) erworben.
^ Oberösterreichisches Urkundenbuch in, 514.
' Oberösterreichisches Urkundenbuch VI, 227, 228.
' Kopialbuch Nr. 4 im königl. bayr. Ereisarchiy zu Bamberg. ,An dem
Sun tag als man zehen tage gevastet hat* 1315 zu Atersee (f. 36^) stellte
Liebaun von Truchsen dem Bischof Wulfing über die ihm verliehene
,halbe purg Slierbach* samt Urbar und yerlehenten Gütern den Lehen-
revers aus. Die yerlehenten Qüter waren: ,Das ist zu Dorf ain gut
da des Haydens kind aufsizen, ein gut daselbs, da Hadmar auf-
sitzet, ain gut zu Haslach vnd ain gut zu Prenöd, ain gut zu Alprantöd
ynd ain gut zu Grillenporiz die Gotschalk ynn hat, ain hüben zu De-
lenspach [Ellesbach] die Tmel von Thanschach hat, in demselben dorf
ain hofetat die des forster kind haben, ze Thauwenstorf [Dauersdorf]
aine hub die Gundacher hat, ze awe ain gut das Alber vnd sein prüder
haben, auf dem Ghögelein ain gut, das Ulreich von Od hat, zu Entzingen
ain gut daz Hans von Od hat, auf dem weinperg ain gut das der Eren-
thaler hat und ain gut daselbs daz Amolt der Perz hat, ain wyse auf
der awe die der Aicher pecke hat und ain wyse auf der awe dye Ott
von Yoytstorf hat' Zum Urbar gehörten der halbe Hof bei der Burg,
4 Wiesen auf der (Wartberger) Au, 1 Hube zu Dorf, 1 Hube zu De-
lenspach, 3 Hüben zu Wyntperg, zu Oberndorf 1 Hube, zu Prelitz
1 Hube, zu Chogel 1 Hube, zu dem Zehenthof 1 Hube, an dem purg-
stal da Gerunch aufgesessen was 1 Gut, ze dem Zwiselperge 2 Güter,
vnder der lejten 1 Gut, ze Wejgelstorf 1 Gut, ze dem Thuczler in
der Awe 1 Gut, auf dem Durrenpod 1 Gut, der halbe forst in der Awe,
der halbe forst in dem Elmecke ,mit dem vor und dem panschach
halbes*.
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496
Die Reihenfolge der Orter, die unter diesem Namen in
einer Reichersberger Urkunde vom Jahre 1141^ zuerst auftreten,
ist folgende:
Hartnid I., bereits als verstorben bezeichnet 1147, 22. August
Hartnid IL 1147, Ortolf 1147—1159 Tochter ux. N.
S.Juni bis c. 1160. ♦ ''~^
. ,^ Otto
TT . ., ZZ Albero
Hartnid III.
ux. Gertnid v. Trübenbach 1188.
Hartnid IV. 1201—1227, 17. Februar, f vor 17. Sep-
tember 1229, ux. Gisela von Eranichberg.
Hartnid V. 1229, f 8. Dezember 1244; Gisela
ux. Tochter des Budger von Anschau. ux. Alberos von Feldsberg.
Hoffentlich findet die Geschichte dieses gewaltigen Oe-
schlechtes bald einen Bearbeiter.
h) Die Grafschaft zwischen der Traun und der Ens.
Die Bezeichnung ,Iudicium provinciale infra flumen Tru-
nam et flumen Anasum* taucht zwar erst im Jahre 1262* auf,
um von da an in den Lehenbriefen für die Volkenstorfer und
Losensteiner nicht mehr zu verschwinden, ist jedoch wahr-
scheinlich eine alte.
Dieses Gebiet wurde von den Anhängern der sogenannten
Tradition für die Otakare mit um so größerer Hartnäckigkeit
in Anspruch genommen, je weniger sich hieftir urkundliche
Belege aufbringen lassen wollten; dagegen machten sie nicht
einmal einen Versuch, für die älteste Zeit die Grundherren
Des Haiden Kinder waren Buger, der aU letzter Zeuge der
Qarstner Urkunde 1327, 30. November (OberösterreicliiBcheB Urkunden-
buch y, 497) vorkommt, und Niklas, welchen beiden Herzog Albrecht
1336, 10. August (a.a.O. VI, 212) den Hof zu Moln leiht, ein inter-
essantes Beispiel des Aufsteigens aus dem Bauernstande in den
landsässigen Adel. Betreffend Weigerstorf s. S. 472, A. 2.
* Oberösterreichisches Urkundenbuch U, 194.
' Freibrief König Kemysl Otakars für Erlakloster. Oberösterreiohisches
Urkundenbuch lU, 262.
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497
dieser Gegend zneammenzustellen. Dieses Versänmnis wollen
wir jetzt gutmachen.
Daß die bedeutendsten Qrundherren die Grafen von Lam-
bach waren; ist schon aas dem großen Stücke Eigengutes zu
schließen, welches Bischof Adalbero bei der Erbteilung sich
gerade ans dem Zentrum herausschneiden ließ. Daß die Al-
lode im Westen der Traun an Graf Eckbert I. von Formbach
fielen, wird auf den nächsten Seiten glaubwürdig dargetan
werden ; über den Besitz ostwärts vom Schleißheimerbache und
von der Krems mangeln urkundliche Nachrichten überhaupt.
Überblicken wir die spärlichen Urkunden, so finden wir
an Kirchengut jenes des Klosters Kremsmünster in Keuhofen
a. d. Krems,^ Nesselbach, Oberndorf bei St. Marien und die
Güter zwischen dem Samareiner- und dem Ipfbache, jenes des
Klosters Mondsee zu Rorbach und Niederfraunleiten in der
heutigen Pfarre St. Florian, endlich des Bistums Passau, wel-
chem Zelle und Kloster St. Florian mit geringem Besitze in
nächster Umgebung einverleibt war.' Südwärts muß das prae-
dium Slierbach mit seinem ganzen bis auf den Pirn reichenden
Zugehör* noch vor dem Tode König Heinrichs (1025) an das
Hochstift Bamberg gelangt sein, da dasselbe diesen Besitz durch
das Gut der Kirche Gurk im oberen Kremstale zwischen den
Jahren 1130 und 1140* arrondiert hat; die Urkunde des Kai-
sers über die Verleihung kennen wir allerdings nicht, sie ist,
wie so manches andere Zeugnis über die ältesten Besitztitel
seiner Stiftung, verloren gegangen.^
Übrigens sind die Kulturen jenseits der Steyr und auf-
wärts der Ens noch gegen Ende des 10. Jahrhunderts auf die
^ Die weitere Fassung^ der Schenkungsarkunde E. Arnulfs 888, 3. Jänner
(Urkundenbach von Eremsmünster Nr. 16), welche mit dem Einschub
,nt nullus judex publicus* für Neuhofen Immunität schaffen wollte, ist
eine Fälschung, s. Mühlbacher, Reg. der Earolinger, Nr. 1723.
« Archival. Zeitschrift, N. F. VUI, 69, 62; Mitteilungen I. ö. G.-F. XXIV,
424.
' Die Ausdrücke: praedium, res waren stehende Formeln für ganze Güter-
komplexe.
* 8. 8. 472, A. 2.
^ Alfred Altmann, ,Der Staat der Bischöfe von Bamberg* im Eorrespon-
denzblatt des Gesamtrereines der deutschen Geschichts- und Altertums-
yereine 1906. Sonderabdruck S. 4.
Vgl. auch das auf S. 474 Gesagte.
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498
allernächste Umgebung der Stirabnrg: Saming, Qarsten, Rent-
nergüter bei Christkindl, Ttinsting, Schwaming, Wolfschwenger-
gut beschränkt; Moln und seine Seitentäler nur schwach^ das
Hinterland um Gaflenz wahrscheinlich noch gar nicht besiedelt,
daher auch dieser Landstrich hier gar nicht in Beti-acht kom-
men kann.
Auf einen Umstand, welcher bisher weniger beachtet wor-
den ist^ glaube ich aber aufmerksam machen zu sollen. Oraf
Arnold I. verfügte über den Kasberg;* derselbe gehörte zu
seinem Machtbereich. Nachweislich war der Kasberg später ein
Bestandteil der Herrschaft Klaus^ welche, soweit wir zurück-
sehen und zurückschließen können, stets den Landesfbrsten zu-
ständig war und daher sicherlich durch die Babenberger bereits
von den Otakaren übernommen worden ist. Da die Otakare
erst in der Mitte des 11. Jahrhunderts aus dem Chiemgau her-
überkamen, so ist wohl zu vermuten, daß vor ihnen die Lam-
bacher Klaus, dessen Urbar in der Steyr hinauf sich bis in
das Stodertal erstreckte,* innegehabt haben werden. Erwägen
wir weiters, daß kein anderer weltlicher Grundherr in dem
fraglichen Gebiete ausfindig zu machen ist, das Kirchengut
aber genau bestimmt werden konnte, so ist die Folgerung nahe-
liegend, dasselbe sei in der Gewalt der Lambacher gewesen,
welche damals die anstoßende Kärntnermark verwalteten und
von derselben füglich nicht durch eine dazwischenliegende
fremde Herrschaft werden getrennt gewesen sein.
Wenn Krones in seinem Versuche, das Vorauer Fragment
wieder zu Ehren zu bringen, seine Ausführungen über die von
ihm behauptete Bodenständigkeit der Otakare im Traungau
mit den Worten schließt: ,So deckt sich somit eine alte, wohl-
berechtigte Überlieferung, die schon dem Großvater OczisOta-
kars das Prädikat von Steier beilegt, mit dem Ergebnisse einer
unbefangenen Forschung und läßt schon für die Schlußhälfte
des 10. Jahrhunderts die Otakare als Burgherren von Steier
annehmen^ so ist er für diese auf späte Skribenten und das
Vorauer Fragment aufgebaute Behauptung jeglichen urkund-
lichen Nachweis schuldig geblieben. Mag auch die Erbauung
^ Urkundenbuch von Eremsmünster, S. 27, Nr. 18.
• Urbar von Klaus 1498 im Archive zu Spital am Pim.
■ Die Markgrafen von Steier im Archiv für österr. Gesch. LXXXIV, 249.
Die Ziffer 16 ist ein Druckfehler für 10.
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499
der Steierburg noch im 10. oder erst im 11. Jahrhunderte vor
sich gegangen sein, mag dieselbe den Lambachern zufallen oder
ihr Urheber unbekannt bleiben: unbedingt ausgeschlossen ist
nach der Sachlage — die im weiteren Verlaufe noch eingehen-
der erörtert werden wird — , daß die Otakare sie errichtet
haben, weil sie damals noch landfremd, dagegen im Chiemgau
in Amt und Würden waren.
Wie nun der überwiegende Grundbesitz gewöhnlich zur
Erlangung des Grafenamtes führte, wie Arnold und Gottfried
aus dieser Rücksicht die Verwaltung der angrenzenden Eärnt-
nermark erlangten^ so wird der gleiche Vorgang bei ihrem Be-
sitznachfolger Otakar eingetreten sein.
Die Lambacher starben in der Mitte des 11. Jahrhunderts
mit Arnold II. aus, dem nicht lange vorher (Weihnachten 1049
oder anfangs 1050) Gottfried vorangegangen war.* Ihre Komi-
tate östlich und westlich der Traun wurden geteilt, diese fielen
an die Grafen von Formbach, jene an die Otakare aus dem
Chiemgau. Die Aufstellung ist in jeder Richtung unter Beweis
zu stellen; während bezüglich der Otakare die Nach Weisung der
weiteren Folge vorbehalten werden muß, wird selbe bezüglich
der Formbacher sofort geliefert.
Die Sohaunbergsohen Landgerichte zwischen Hausmck
und Traun.
In den Erläuterungen wurde bereits bemerkt, daß die
Grafengewalt nach dem Absterben der Lambacher (ohne Rück-
sicht auf den als Mitglied des Klerus nicht in Betracht kom-
menden Bischof Adalbero) an die Formbacher gelangt sein
müsse, da durch diese Annahme allein verständlich wird, daß
die hohe Gerichtsbarkeit in der ganzen Gegend den Schaun-
bergern zusteht und von ihnen in der oberen Gruppe weiter-
geliehen wird.
Ebenda wurde wiederholt,' daß nach dem nicht wohl
anzuzweifelnden Berichte des Abtes Heinrich von Formbach
1196' die Maut zu Aschach a. d. Donau im Besitze der Grafen
^ Ann. Altah. mi^oreB. M. G. Script. XX, 804.
' ans »Peuerbach*, S. 202.
' OberOsterreichisches Urkundenbuch n, 456; Mon. Boic. lY, 146.
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500
von Formbach gewesen ist, da der Abt anläßlich des Rechts-
spruches Herrn ^ Wernharts von Schannberg gegen Heinrich
Fahrirre ausdrücklich erklärt, das Kloster habe seine Gerech-
tigkeit (Mautbefreiung) in Aschach von seinen Stiftern (a ve-
nerabilibus fundatoribus), also von den Eckberten erhalten, was
deren Besitz vonseiten der Stifter notwendig voraussetzt.
Entscheidend fUr die Annahme ist meines Erachtens eine
Stelle in der lateinischen Aufschreibung über den Umfang der
Grafschaft Neuburg am In aus der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts (Hec sunt bona attinentia castro Niunburch),* welche
auch die Vorlage für den Abschnitt des Landbuches ,Hie heft
sich an die herschaft von Niunburch ob Pazzowe unde allez
daz ze der selben purge hat gehöret') abgegeben hat.
Nach Aufzählung der Burgen, Ortschaften und Höfe,
welche die Grafschaft Neuburg selbst darstellen, heißt es: ,Item
I Septem iudicia que dicuntur lantgeriht inter Danubium et
. Enum'
Die Forschung wußte bisher mit der Stelle nichts anzu-
fangen, verzichtete ganz mit Unrecht auf ein tieferes Eingehen
und begnügte sich mit folgender allgemeiner Deutung: ,Gemeint
sind damit die Untergerichte, in welche die Grafschaft zei-fiel.*'
Was für Üntergerichte sollten das sein? Urbargerichte? Da-
gegen streitet die bestimmt lautende Erklärung: iudicia que
dicuntur lantgeriht. Im 12. und 13. Jahrhunderte war man über
den Begriff Landgericht nicht im Zweifel, weshalb auch das
Landbuch übersetzt: ,Es gehorent euch dar zu siben lantgericht
zwischen der Tunowe unt dem In.'
Sieben Landgerichte können aber in dem engen Umfange
der Grafschaft Neuburg, die sich von der Donau bei Dietbruck,
unterhalb der heutigen Eisenbahnstation Sandbach, über die Rot
oberhalb Griesbach bis zum Prienbach, der unterhalb Braunau
in den In fällt, erstreckte, nur die Größe eines mäßigen bayri-
schen Landgerichtes hatte und außerdem zum Teile von dem
* Die Urkunde, deren Kopie auf der ersten Seite des Vorsetzblattes des
Traditionskodex von Formbach von einer Hand des 14. Jahrhunderts
geschrieben ist, gibt ihm den damals im Gebrauche stehenden Titel
comes. Das Wort wird eine Glosse der Urkunde gewesen sein.
* Mon. Boic. XXVIII, 6, 189; Oefele, Geschichte der Grafen von Andechs,
S. 68—59.
' Oefele, Lampel.
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501
großen Neuburger Forste erfüllt war, in keinem Falle unter-
gebracht werden.
Der Fehler liegt vielmehr darin, daß man die Landgerichte
innerhalb der Grafschaft zwischen In und Donau suchte statt
außerhalb desselben, am linken Ufer des In statt am rechten
Inufer. Der Wortlaut gestattet diese Auslegung, der Sinn for-
dert sie: ,Hec sunt bona attinentia castro Neunburch. Item
Septem . . lantgeriht inter Danubium et Enum/
Sieben Landgerichte waren es auch, welche zwischen In
und Donau die Erben der Formbacher: Meraner und Schaun-
berger, innehatten, nämlich: 1. Schärding, aus welchem erst
im 14. Jahrhunderte das Gericht Ried ausgeschieden wurde ;^
2. Aschachwinkel, in welchem sich die Donäumaut Aschach mit
den Burgen Schaunberg und Stauf befand; 3. Donautal mit
Linz; 4. Peuerbach; 6. Erlach, von welchem Tegembach erst
im 14. Jahrhunderte ausgebrochen wurde; 6. Starb emberg;
7. Schwans.
Unter dieser Annahme wird erst begreiflich, wie Graf
Eckbert I. von Formbach dem Könige Heinrich IV. einen län-
geren hartnäckigen Widerstand entgegensetzen konnte, bis er
nach Verlust von drei Burgen zur Flucht nach Ungarn ge-
zwungen wurde. Bei der großen Ausdehnung seines kompakten
Amtsgebietes war der Annalist' vollständig befugt, ihn ,non
parvae valentiae comitem' zu nennen.
Für die Tatsache, daß Macht und Besitz der Grafen von
Lambach bis gegen die Ens reichte, spricht auch noch eine Stelle
im Formbacher Traditionsbuche, nach welcher Graf Eckbert I.
um das Jahr 1100 ,quidquid inter enum et enesim fluvios
inveniri potest illorum mancipiorum, que coniugi sue in par-
tem ceciderunt de familia patrui sui Adalberonis episcopi^^
Wir finden nun nach dem Tode Eckberts III. sofort den
Julbacher Heinrich im Donautale: in einer Wilheringer Urkunde
vom Jahre 1161* heißt Heinricus de Scovenberg nobilis et po-
tens vir, sein Enkel Wernhard verfügt 1196 über die Maut-
befreiung in Aschach. Von nun an sind die Julbacher un-
unterbrochen im Donautale beglaubigt.
^ 8. Erläaterungen.
* BertholduB. M. G. Script. Y, 802.
» Mon. Boic IV, 11, Nr. 1.
* OberÖBterreichiflches Urkundenbuch II, 314
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502
Während den Grafen von Andechs die Formbachschen
Eigen jenseits des Hausruck waldes zufielen, kamen an die Hoch-
freien von Julbach jene diesseits des Hausruck zugleich mit
der denselben anhaftenden Grafenberechtigung. Eis ist daher
nicht wohl zu zweifeln, daß Erbrecht den Julbachern zu dem
ansehnlichen Erwerbe verhelfen hat, wenn auch der Verwandt-
schaftsgrad nicht bestimmt werden kann, in welchem ihre
Mutter Benedikta zu dem Erblasser Eckbert HI. gestanden ist.
Es scheint, daß die Erbschaft vorerst der ältere Bruder
Heinrich allein übernahm und der jüngere Gebhard die väter-
liche Herrschaft Julbach verwaltete, von welcher er bei Lebzeiten
Heinrichs den Titel fortführte. Die Burgen Schaunberg und
Stauf scheinen ziemlich gleichzeitig erbaut worden zu sein;
denn nach allen Umständen ist es zweifellos, daß der nach
1158 mehrfach genannte Heinrich de Steife oder Stuof kein
anderer ist als Heinrich von Schaunberg. So der Heinricus de
stoitfe (steife), welcher nebst vielen bayrischen Großen auf
dem Hoftage Herzogs Heinrich von Bayern zu Karpfham im
Rottale anwesend war und im Reichersberger Kodex ^ unmittel-
bar auf Chuno von Megling folgt; so der Hainricus de Stoufe,
welcher um 1170* die Tradition des Gutes Lutingen durch den
Reichsdienstmann Herrand von Hausruck an Ranshofen bezeugt;
so der Henricus de steife, welcher auf dem Gerichtstage Herzogs
Heinrich von Bayern zu Ens am 14. März 1176* nach dem
Grafen Heinrich von Plaien und vor Erchenpert von Hagenau
verzeichnet ist; endlich der Hainricus de Stuof, der auf dem
Gerichtstage des Herzogs Otto (1180 — 1183) von Bayern in der
Elagsache des Propstes Liutold von Ranshofen gegen den Hall-
grafen Dietrich anwesend war und nach dem Landgrafen Otto,
jedoch vor Chunrad von Dornberg, Erchenbert von Hagenau
und Gebhard von Julbach gereiht ist.*
Nach dem Tode Heinrichs, welcher auch den vom Herzog
Heinrich im Jahre 1162^ zu Regensburg abgehaltenen Hoftag
(in generali curia ducis Heinrici) besucht hat,^ nannte sich
* Oberösterreichisches Urkundenbach I, 343.
« a. a. O. I, 237. » a. a. O. I, 349. * a. a. O. I, 259.
* im Herbst. Vgl. Riezler, Gesch. Bayerns I, 685.
* Steiermärkisches Urkundenbuch I, 431. Gereiht ist Heinricus de Sco-
wenburch wieder nach Chuno de Megelingen und dieser nach dem
Grafen Chunrad von Vallei.
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503
Gebhard von Schauenberg.^ Wernhard verschmähte es nicht^ zu
den Herzogen von Heran ins Verhältnis der Vasallität zu treten,
da er von ihnen 1194 die Maut zu Neuburg zu Lehen trug;'
die ÖO Hüben bei Münsteuer, gleichfalls Lehen^ scheinen darauf
hinzuweisen, daß schon der ältere Wernhard von Julbach von
den Formbachern mit der Gerichtsbarkeit östlich vom Hausruck
belehnt war.*
Zur Zeit, als die Kärntnermark dem Grafen Otakar aus
dem Chiemgau anvertraut wurde, war die Grafschaft Rapotos
(979 — 1006) jedenfalls schon mit jener der Lambacher ver-
eini^^ sie dürfte wohl schon lange vor dem Jahre 1036 den-
selben verliehen worden sein.
Bevor zur Erörterung der bisher nicht gelösten Frage
nach der Heimat der Otakare und nach der steyrischen Mark-
grafenreihe geschritten werden kann, sind noch die neuesten
Elinwürfe gegen die vorstehend geschilderte Entwicklung der
öffentlich-rechtlichen Verhältnisse in Betracht zu ziehen.
Die angebliche Ängliederung des Traungaues an das
Markherzogtnm Österreich im Jahre 1156.
Im Schlüsse seiner eingehenden Abhandlung ,Die baben-
bergische Ostmark und ihre tres comitatus^ (im Jahrbuche des
Vereines für Landeskunde von Niederösterreich 1905 und 1906)
ist Dr. Josef Lampel^ mit einer völlig neuen Auffassung des
Ereignisses von 1156 hervorgetreten, indem er den frühen Zer-
fall der Qauverfassung im Traungau in Abrede stellt, auf Her-
mann von Niederaltaich und die Aufstellungen Prof. Bachmanns^
zurückgreift und die Ängliederung des Traungaus an das neue
Herzogtum im Jahre 1156 zu beweisen unternimmt.
So sehr ich die Vielseitigkeit und Gründlichkeit der Unter-
suchungen des Herrn Sektionsrates schätze und dieser Wert-
schätzung auch öffentlichen Ausdruck verliehen habe/ so ver-
* Tradition des halben Hofes zu Schnellham bei Hartkirchen am In an
Kl. Formbach. Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 688.
« Mon. Boic. HI, 118; IV, 424.
» Mon. Boic. XXVHI, b, 189. * a. a. O. S. 411 flf.
» Zeitschr. für die österr. Gymnasien 1887, S. 661—661.
• Arclüv für österr. Gesch. XCIV, 94, 104.
Arehir. 94. Band, II. H&lfte. 34
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504
mag ich doch nicht; mich seinen hieraus abgeleiteten Folgeran-
gen anzuschließen.
Meine Anschauung über diese Fragen glaube ich in den
vorangehenden Erörterungen, in der ,Geburt des Landes ob der
Ens^ und in ^Peuerbach^ so umständlich dargestellt und quellen-
mäßig begründet zu haben, daß es überflüssig wäre, die ohne-
hin durch unausweichliche Polemiken anschwellende Abhandlung
noch weiter zu belasten. Nur die Admonter Urkunden, welche
Lampel zugunsten seiner These ausnützen zu können glaubt,
darf icii nicht übergehen, weil ich sie nach zwei Dezennien
noch genauer kenne, weil ich zur Erklärung derselben neuen
Stofif beibringen kann, endlich aber auch deshalb, weil ich
wiederholt die Erfahrung gemacht habe, daß Fernerstehenden
ein richtiges Urteil erst dann möglich gemacht ist, wenn sie
über keinen scheinbar entscheidenden Punkt im Zweifel ge-
lassen werden.
In der ,Geburt des Landes ob der Ens' [S. 105—107]
habe ich jene Admonter Urkunden behandelt, in welchen ein-
zelne Textstellen gegen die Zugehörigkeit des Traungaues zu
Bayern nach dem Jahre 1156 und zum Herzogtume Steyr nach
dem Jahre 1180 gedeutet werden könnten, hierbei im beson-
deren bemerkt, daß in die nunmehr von Lampel als wertvoll
erachtete notitia c. 1160* sich eine Glosse eingeschlichen habe
oder aber das eine oder andere Wort ausgefallen sein müsse,
außerdem noch darauf hingewiesen, daß die Ortschaft Hezi-
mannisdorf nichts anderes als Hetzmannsdorf in der Pfarre Wul-
lersdorf, Bezirk Oberhollabrunn, Niederösterreich sei. Nebst-
bei habe ich in der Anmerkung 285 ausdrücklich hervorge-
hoben — was Lampel entgangen ist — , daß die Admonter ür-
barien aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts (s. Wichner
in den Beiträgen zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen
XIII, 55, 75) kein Hetzmannsdorf bei Kirchdorf im Elremstale
kennen.
Lampel erklärt nun nach dem Vorgange Zahns* Hezi-
manisdorf für Etzelsdorf bei Wartberg (sollte heißen : Etzelstorf
unterhalb des Schlosses Seisenburg, Pfarre Petenbach, eine
große Ortschaft, deren sämtliche Häuser den Herrschaften
^ Steiermärkiflches Urkandenbuch I, 401, Nr. 414.
» a. a. O. I, 813, 840.
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505
Pernstein and Scharnstein nnterworfen waren. Ein partieller
Verkauf der Klostergttter nm Kirchdorf hat kaum stattgefun-
den^ die Admonter Urkunden^ deren aus dem späteren Mittel-
alter genug vorhanden sind,^ würden ihn ausweisen; vielmehr
wurden dieselben in ihrer Gesamtheit* laut ,Vrbar Register der
Gült und Einkommen, so das Gottshaus Admont in den Amb-
tern bei und umb Kirchdorf in Österreich ob der Ens,
auch zu Sant Peter in der Auen unter der Ens gelegen gehabt^,^
erst am 14. Mai 1571 an Herrn Georg Achaz zu Losenstein
und Weißenberg verkauft. Ein Etzlstorf, Hezelstorf ocfer Hez-
mansdorf kommt darunter nicht vor. Hierzu kommt noch zu
bedenken, daß die Schenkung von Schlierbach an das Erzstift
Salzburg durch König Heinrich II. allen Umständen zufolge
nicht realisiert worden ist/ daher es im Tale von Kirchdorf
im 12. Jahrhunderte keine salzburgischen Ministerialen gab, von
welchen der steyrische Dienstmann Volkold das praedium in
Hezmansdorf hätte an sich bringen können, wogegen in Nieder-
österreich Traismauer salzburgischer; Wilhelmsburg stejrrischer
^ 8. Jakob Wichner, Geschichte des Benediktineratiftes Admont.
' Im Amte Kirchdorf werden folgende Hintersassen verzeichnet:
Hans des Schwäntzlperger Sun in der Reath, Lienhardt daselbst
in der Reuth Naßbacher Pfarr (irrig geschrieben: Nußdorfer Pfarr);
Lienhardt Schauesperger auf dem Frölichgut im Petenpach, Pangraa zu
Pergem daselbst im Petenpach, Wolfgang Leiter er zu Intzersdorf in
Kirchdorfer Pfarr, Wolfgang Schilher derzeit Ambtman von einer halben
Hüben daselbst (vgl. Steiermärkisches Urkundenbuch I, 148), Wolfgang
Mandlhueber auf der Schezglhueben zu Lauterpach Kirchdorfer Pfarr,
Sigmundt am Schmidtlehen zu Lauterpach, Wolfgang Weymair vom
halben Hof zu Nidem Krems der Oberhof, Hans Saldmair vom andern
halben Hof daselbst (Steiermärkisches Urkundenbuch I, 411), Hans am
Armansperg bei [Bad] Hall von einer halben Hüben, Hansl auf der
Muntznprucken an der Strassen Pfarr Gunskirchen, Sigmund daselbst
von der andern halben Hub, Hans Schwarzleitner von der Moswisen
an der Straßen bei der Müntzenprucken (vgl. Steiermärkisches Urkun-
denbuch I, 146), Hans Hohenfurter zu St. Gilgen von der Müntzen-
prucken, der Edlinger bei der ireyen statt.
Im Amte St. Peter 1 Holde in der Pf. Alhartsberg, 1 in der Pf.
Seitenstetten, 1 in der Pf. St. Peter, 1 in der Pf. Weistrach (vgl. Steier-
märkisches Urkundenbuch I, 344), 4 in der Pf. Wolfsbach, 4 in der
Pf. Aschbach, 1 in der Pf. Kolmiz, 1 in der Pf. Kransperg, 2 in der Pf.
Losenstein.
' Noch am 8. Juni 1901 im Archive zu Losensteinleiten vorhanden.
* Vgl. S. 474, A. 3 und S. 4i)3, A. 3.
84»
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506
Besitz war, welch letztere Tatsache die Anwesenheit steyrischer
Ministerialen bei dem Kaufgeschäfte erklärlich macht. ^
Es kann daher wohl von einer Beweiskraft der fraglichen
Salbuchsstelle für die Hypothese Lampeis keine Rede sein.*
Ich halte einen Augenblick inne zn einer persönlichen
Bemerkung. Aus den Polemiken klingt es zuweilen heraus,
als ob ich die Quellen einseitig zugunsten meiner Anschauung
ausbeuten würde. Gegen solch bösen Schein glaube ich be*
rechtigt zu sein, Einspruch zu erheben, hätte es vielleicht schon
längst tun sollen. Ich erfülle nur eine Pflicht, welche die Ge-
schichtsforschung ihren Jüngern auferlegt, wenn ich alle Be-
denken, die sich gegen eine neue Ansicht erheben lassen,
im vorhinein zu widerlegen suche, sobald ich erkannt habe,
daß sie nicht stichhältig sind. Schon durch meinen richter-
lichen Lebensberuf daran gewöhnt, das Für und Wider gegen-
einander strenge abzuwägen, pflege ich meine Aufstellungen
nicht willkürlich zu fassen, sondern erst aus den Tatsachen
nach genauer Prüfung der Quellen zu gewinnen, andererseits
Irrwege sofort zu verlassen, sobald ich sie als solche erkannt
zu haben glaube, wie ich dies im Vorjahre mit der Äußerung
^ Der Clericus Otakars Wezilo, der sein Out in Wezeisberg bei Pabneu-
kirchen nach St. Veit an der Gdlsen stiftete, war wohl der Burgkaplan
Otakars von Steyr.
* Aus demselben Orunde und weil es um Wartberg und Kirchdorf weder
ein Oerersdorf, noch eine Ezechinge auch nur entfernt ähnlich lautende
Ortlichkeit gibt, ist das Oeroltesdorf des Steiermärkischen Urkunden-
buches I, 364 in eine andere Gegend zu verweisen. Ortlichkeiten mit
der Bezeichnung Wartberg werden in Niederösterreich mehrfach gefun-
den, so bei Krems (1310, Oberösterreichisches Urkundenbuch V, 30),
zwischen Gumpoldskirchen und Guntramsdorf (1318 Oberösterreichisches
Urkundenbuch V, 200, 207).
Gedersdorf, Pfarre Brunn im Felde östlich von Krems, liegt in
der Ebene; ein Geroltstorf cum vineis wird in den Sekkauer Urkunden
1146, 1171, 1197 (Steiermärkisches Urkundenbuch I, 253, 602; II, 47)
angeführt; es ist das heutige Gerasdorf, Gerichtsbezirk Neunkirchen,
wobei Austria (I, 502) nur ,im Osten* bezeichnen kann. Gleichwohl
spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, daß unter Oeroltesdorf Gedersdorf
bei Brunn im Felde zu verstehen ist, denn in der Aggsbacher Urkunde
1376, 2. März (Fontes LIX, 34) wird ein Weingarten am Gerrestor-
fer perg erwähnt, also an der Htigelreihe nächst dem Dorfe.
Der Beisatz Ulstal in der Admonter Tradition ist zweifellos ver-
derbt oder verlesen.
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507
Ottos von fVeising über die tres comitatns der Ostmark tat;
weil aus derselben meines Erachtens keine gesicherten Ergeb-
nisse mehr zu erwarten sind. Würde ich bei meinen Arbeiten
anders zu Werke gehen^ so würden dieselben unfähig sein^ einer
ernsten Kritik standzuhalten^ und ich müßte dann selbst jenem
geistlichen Fachmanne zustimmen^ der sich in seinem Unwillen
über die nicht endende Aufdeckung von Geschichtslügen so
weit vergaß; mich voreilig der Unbescheidenheit zu zeihen,
weil ich in dieser Abhandlung versuche^ die noch immer in
Schwebe befindliche Otakarefrage einer endgültigen Lösung zu-
zuführen und der sogenannten Vorauer Tradition den ^Garaus^
zu bereiten.
Ich fahre bei den Admonter Urkunden fort.
Die Ortlichkeit Warte ^ mit Wartberg bei Kremsmünster
zu identifizieren, wie Lampel tut, ist eine Willkür; dieser letz-
tere Ort wird, wie aus dem Urkundenbuche von Kremsmünster
zu entnehmen ist, bereits im 11. Jahrhunderte Wartberg ge-
nannt und hat seinen Namen auch später nicht geändert. Des-
halb hat auch Zahn dieses Warte auf Wart bei Ardacker ge-
deutet.*
Lampel bemängelt weiters meine Interpretation der Ur-
kunden Kaiser Friedrichs I. vom Jahre 1184, Herzogs Otakar
vom Jahre 1185 und des Papstes Urban III. vom 26. Mai 1189
und meint,' bei dem Textpassus Stadele et ubicumque in Austria
circa Ense et Oulispurch et Husrukke et Wels possidetis: ,Hier
müßte unbedingt zwischen Austria und circa Ense eine Kon-
junktion stehen, wenn man nicht Ens und alles Folgende in
Austria suchen will.' Er hätte auch Recht, wenn nicht diese
von ihm geforderte Konjunktion sich nicht ohnehin in der
päpstlichen Bulle fände, was er nur übersehen hat. Die
iragliche Stelle^ lautet:
,Quecunque apud Chremse^ Aspach, Stadele et
ubicunque in Austria et circa Ense et Olspurch et
Husruk et Uvels possidetis/
Die Konjunktion kann daher, wie vernünftigerweise nicht
zu zweifeln ist, in den beiden anderen Urkunden, welche eben-
^ Steiermkrkischefl Urkundenbuch I, 627.
« a. a. O. 460, 926.
> Im Jahrbache 1906/1906, S. 429.
* SteiermkrkiBchefl Urknndenbach I, 663.
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508
falls nicht mehr im Originale vorhanden, sondern in einem Ko-
pialbnche überliefert sind, nur dnrch Ungenauigkeit des Kopisten
ausgeblieben sein.
Daß Chremse den oberösterreichischen Kremsbach bei
Kremsmünster und Kirchdorf bedeute, ist unerweisbar; gerade
die Stelle ^vineta apud Chremse cum molendino et quecunque
inibi et apud Pielach (bei Melk) et ubicunque in Äustria^ in
der Bestätigung Kaiser Friedrichs ^ läßt keinen Zweifel darüber
aufkommen, daß das niederösterreichische Krems gemeint ist.
An der Krems im Traun viertel wurde kein Weinbau getrieben,
wogegen Vergabungen und Käufe von Weingärten bei Krems
im 12. Jahrhunderte in den Aufzeichnungen von Admont* zur
Genüge vorkommen und der Ankauf einer Mühle bei der Stadt
Krems (molendinum unum apud Chremese ad urbis iusticiam)
im Jahre 1174, daher wohl jene in der Urkunde Friedrichs
ausdrücklich bezeugt ist.*
Übrigens sind die Örtlichkeiten in jeder der drei Urkun-
den etwas anders und überhaupt nicht in streng geographischer
Anordnung gereiht, woraus allein schon folgt, daß sich hieraus
in geographischer Beziehung keine sicheren Schlüsse ziehen
lassen.
Lampel baut seine Annahme, der Traungau sei — trotz
dem bedenklichen Schweigen des Privilegium minus über diese
Vergrößerung — 1156 dem neuen Herzogtum Osterreich zu-
gewiesen worden, unter anderem auch auf die von ihm be-
hauptete Lehrenrührigkeit der Schaunbergschen Gerichte von
den Babenbergern auf. Er folgert in Kürze so:
Nach der von mir selbst (,Geburt des Landes ob der Bus',
S. 91) angezogenen Admonter Urkunde vom Jahre 1179,* also
nach dem Jahre 1156 und vor dem Jahre 1192, sei Heinrich von
Schaunberg der Mann (fidelis) Herzogs Liupold V. von Oster-
reich gewesen. Da nicht nachzuweisen sei, daß die Schaunberger
damals schon Besitz in Niederösterreich hatten, müsse angenom-
men werden, daß sich die Mannschaft auf die Gerichte Heinrichs
von Schaunberg im Lande ob der Ens beziehe. Seien aber die Ge-
richte desselben lehenrührig vom österreichischen Herzoge gewesen,
so müsse sich die Herzogsgewalt des letzteren über den Traun-
» a. a. O. I, 696. » a. a. O. I, 303, 321, 328, 487.
^ Steiermärkisches Urkundenbucb I, 535.
* a. a. O. I, 568.
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509
gan erstreckt haben, mitbin letzterer schon zu jener Zeit ein
integrierender Bestandteil von Osterreich gewesen sein.^
Schon der erste Schluß hinkt: es war gar nicht nötig,
daß die Schaunberger Besitz in Niederösterreich hatten. Nicht
allein Grund und Boden, auch einzelne Hörige und selbst Ze-
hente wurden zu Lehen verliehen und eine solche geringfügige
Verleihung konnte das Vasallitätsverhältnis begründen. Übri-
gens war ja gar nicht ausgeschlossen^ daß das babenbergische
Lehen, welches Liutpold berechtigte, den Schaunberger seinen
fidelem zu nennen, außerhalb Österreich lag.
Die beiden anderen Folgerungen sind zwar kühn, aber
ganz unzulässig; denn auQt Otakar, der Herzog von Steyr, war
Mann der Bischöfe von Passau und Bamberg, weil er von ihnen
Lehen trug^ ohne daß deshalb seine Gerichte vojx den Kirchen-
fürsten lehenrührig gewesen wäxen.
Den direkten Gegenbeweis, daß Heinrich yqu Schaun-
berg die Hoftage Heinrichs des Löwen besuchte, also dem Her-
zog von Bayern hoflfehrtpflichtig war, habe ich auf S. 502 schon
geführt: der Beweis, daß er auch die Hoftage der österreichi-
schen Herzoge zwischen 1156 und 1192 suchte, liegt Lampel
ob und steht noch aus. Damit fällt aber meines Erachtens
seine Hypothese von selbst zusammen.*
Auch Markgraf Otakar war vor 1180 nach Bayern hof-
tagpflichtig wegen der bayrischen Grafschaften diesseits des
Pim, was ich in den nächsten Abschnitten dartun zu können
erachte.
Lampel, a. a. O. 454 findet f&r seine Annahme, daß die Schaunberger
für die Formbachsthe Lehenschaft ihrer Gerichte jene der Babenberger
eingetauscht haben, ein beachtenswertes Moment, daß sie das Land-
richteramt im Traungau und Donautale mit dem österreichischen Dienst-
mann Ernst von Traun besetzten. Es läge ihm der Beweis ob, daß
Ernst außer seinem herzoglichen Dienstlehen nicht auch Schaunberg-
sehe Lehen innegehabt hätte.
Hierzu sei gleich bemerkt, daß das Vorhandensein der großen Maut zu
Aschach von vornherein den frühzeitigen Bestand einer Burg in der
Nähe voraussetzt, von welcher die Berechtigung ausging und dieselbe
auch geschtltzt werden konnte; die Innehabung der Maut vonseiten der
Grafen von Formbach aber begründet die Vermutung, daß sie die Er-
bauer von Schaunburg und Stauf gewesen sind und die ,Schaunburg*
eines der drei Kastelle war, welche (nach Bertholdi Ann. Mon. Germ.
Script y, 302) KOnig Heinrich IV. gegen Ende 1077 belagerte und
dem Grafen Eckbert I. abnahm. Die Folgerung des Wilheringer Ghro-
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510
Die übrigen Ausführungen Lampeis werden in der fol-
genden Abhandlung über das Hausruckviertel ihre Beantwortung
finden^ wohin dieselbe gehört.
Die Heimat der Otakare.
Im 14. Jahrhunderte schrieb ein Unbekannter auf der
letzten Seite eines Kodex des steiermärkischen Cborherrenstiftes
Voran ^ nieder, was er über die Vorfahren der Gründer des Gottes-
hauses, die steyrischen Markgrafen wußte oder wissen wollte; die
Aufschreibung hat in der Geschichtsforschung den Namen ,Vor-
auer Fragment' * erhalten und deshalb, weil man annehmen zu
dürfen glaubte, daß sie in dem Kloster fortgepflanzt wurde und
eine alte Kunde enthalte, späterhin als ,Tradition^ Geltung
erlangt.
Sie bringt zuerst für den langlebigen Otakar den Namen
Ozy, nennt ihn den Sohn des Markgrafen Otachyr und den
Enkel eines Markgrafen Otacher, sagt, er sei in den Zeiten
Heinrichs IV. und V. berühmt gewesen und den Erzbischöfen
Gebhard, Tymo und Konrad ,iam senex' männlich beigestanden.
Da sie beisetzt, Ozy habe mit seinem Bruder Adylbero Fehde
geführt, so versteht sie unter ihm den Gründer des Klosters
Garsten.
Noch Ebendorfer von Haselbach (f 1463) hatte von dem
Inhalt des ,Fragmentes' keine Kenntnis, da er die Brüder
Otakar und Adalbero als Söhne des Markgrafen Markward be-
zeichnet. Lazius (t 1565) dagegen muß damit bekannt gewesen
sein, weil er hieraus die Nachricht geschöpft hat, Adalbero sei
von seinen Hofleuten bei Leoben — wie er das Julben des
Unbekannten deutet — erschlagen worden; aus eigener Erfin-
dung setzt er bei, daß der erste Otakar ein Graf von Anasi-
perc (Ensburg) zur Zeit Kaiser Konrads H. gewesen sei. Spä-
tere Schriftsteller wußten als den Zeitpunkt der Verleihung das
nisten (Oberösterreichisches Urkundenbuch II, 483), beide Festen könn-
ten in der Mitte des 12. Jahrhunderts nicht gestanden sein, ist schon
deshalb hinfällig, weil im Dorfe Hilkering das Kloster nicht der ein-
zige Grundherr war, übrigens sowohl die Schaunburg als auch Stauf
erwiesenermaßen auf Passauischem Boden aufgeführt waren.
^ Beschrieben im Archiv für ältere deutsche Geschichtskunde X, 529.
* Abdruck in Mon. Germ. Script. XXIV, 72.
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511
Jahr 1038 zu melden^ natürlich ohne einen urkundlichen Nach-
weis. Die ,Alte österreichische Chronik über die Fürsten, Gra-
fen und Ritter Österreichs^ SteiermarkS; Kärntens^ Krains^ von
Hans Pichl aus der Mitte des 16. Jahrhunderts^ konnte schließ-
lich den Abschnitt ,Kunig und LandfÜrsten des Fürstentum
Steir* mit Otakar L, Markgrafen in Steyr Anno 990 eröflfhen.
Das 15. Jahrhundert, in welchem man mit Vorliebe Grab-
steine mit fingierten Jahreszahlen setzte, und das 16. waren
hauptsächlich die Zeit genealogischer Erfindungen, teils um das
Alter geistlicher Häuser besser zu beglaubigen, teils um die,
Sucht des Adels nach möglichst langgliedrigen Ahnenreihen zu
befriedigen. Was man nicht wußte, kombinierte man; wo auch
die Kombination versagte, half die Phantasie aus.
Das Höchste in dieser Richtung leistete Valentin Freuen-
hueber,* der, so weit Urkunden und Akten zurückreichten, in
der Stadtgeschichte Steyr ein ehrlicher und zuverlässiger Führer
ist; er unternahm eS; den Stammbaum der Otakare auf einen
Heerführer Alarichs, Winulf, im Jahre 408 zurückzuführen,
dem er zu Enkeln den König Odowakar von Italien und dessen
Bruder Arnulf gab. Die Stammreihe stattete er noch aus mit
Biterolf aus der deutschen Heldensage, mit dem erfundenen
Erzbischof Otokar von Lorch 624 und mit den von Pipin
747 zu Markgrafen an der Ens bestellten Brüdern Albert und
Otokar HL, bis er auf Aribo 907 kam, als dessen Sohn er
den Markgrafen Rüdiger von Pechlarn, die Heldengestalt aus
der Nibelungennot, proklamierte und mit der Jahreszahl 920
versah.
Der Florianer Chorherr Franz X. Pritz stieß zwar in
seiner Geschichte der Otakare und des Landes ob der Ens die
unhistorischen Glieder aus, schuf jedoch eine Genealogie von
acht Otakaren, welche trotz dem auffälligen Mangel an urkund-
lichen Belegen in der Hauptsache auch von der Forschung bei-
behalten wurde; ihm und der ,Vorauer Tradition' ist es zuzu-
schreiben, daß dieses Geschlecht als Begründer der Steyrburg
galt und den Namen ,Traungauer' noch heute führt.
' 8. KroneS) Die Markgrafen von Steier im Archiv fttr österr. Geschichte
LXXXIV, 147.
' Ännales Styrenses, S. 398. Er leitete auch suerst die Starhemberger
von den Otakaren ab, eine Fabel, die sogar in einer neuesten Schrift
Tom Jahre 1899 nicht gänzlich abgelehnt worden ist.
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512
Den ersten Schlag gegen die Pritzsche Kombination führte
S. Hirsch,* indem er hervorhob, daß weder Pritz noch ein
Alterer für die Tradition, darnach Otakar die Burg Steyr ge-
gründet habe, einen Beleg von auch nur relativem Wert beizu-
bringen imstande war und das erste Vorkommen von Stirapurc
in einem Akte Bischof Pilgrims von Passau gebe ihn noch nicht,
wie auch die Angabe Pritz', daß dessen Otakar IV. von Kaiser
Konrad IL Ens zu Lehen erhalten habe, auf sehr schwanken
Füßen stehe. Unstreitig sei jener Otakar, den das Garstner
Traditionsbuch als verstorben zu Rom bezeichne, der erste
Markgraf und identisch mit dem Otakar in dem Komitate des
Chiemgaus in der Urkunde von 1048.
Unabhängig von Hirsch, dessen Werk mir in meinem
weltabgeschiedenen Aufenthalte Peuerbach unbekannt und bei
meinem dürftigen Jahresgehalte von 420 fl. auch unzugänglich
geblieben — kam ich im Jahre 1867 zu dem gleichen Ergeb-
nisse in der Schrift ,Peuerbach' (S. 85): ,Die Otakare dagegen
hatten im 10. Jahrhunderte und noch im 11. ihre Komitate im
Chiemgau, erst in diesem erwarben sie Besitztümer im Ens- und
Baltentale und nachderhand, hauptsächlich durch Beerbung der
Grafen von Lambach, auch diesseits des Karintgescheides im
Traungau. Es ist weder erwiesen noch wahrscheinlich, daß
der um das Jahr 906 auftretende königliche Sendbote Graf
Otachar Arbos Sohn und Graf im Traungau gewesen ist. Daß
die schon um 985 urkundlich erscheinende Stiraburg von den
Otakaren gegründet worden sei, muß als unerwiesene, wenn-
gleich stets gläubig nachgeschriebene Sage verworfen werden/
Wie weit die Lust zu fabulieren ging, zeigt das Horoskop,
welches der Humanist und kaiserliche Historiograph Josef Grün-
peck (t nach 1532) der Stadt Steyr stellte. Aus der Konjunk-
tur der Planeten zur Zeit der angeblichen Erbauung der Stadt,
,deren Datum für ihn allein kein Geheimnis war', weist er die
Eigenschaften der Bewohner nach* und berichtet, daß Steyr
,den 24. Tag des Monats Augusti 980 in der zwölften stund zu
bauen angefangen worden.*'
^ Jahrbücher des deatschen Reiches unter Kaiser Heinrich II., I, 87, A. 2.
' Csemy, , Josef OrünpecV im Archiv für österr. Gesch. LXXXIII, 341.
' Abgedruckt bei Prits, Gesch. der Stadt Steyr, S. 894. Auf diese Angabe
hin hat wirklich die Stadt Steyr das Jubiläum ihres 900j&hrigen Be-
standes im Hochsommer 1880 feierlich begangen.
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513
Im ersten Bande seiner Geschichte Österreichs* stimmte
Alfons Hnber der Auschauung Hirsch' zn^ bezeichnete die
Ableitung des Markgrafengeschlechtes von Aribo als ganz nn-
wahrscheinlichy von dem Grafen Otacher im Leobengau als
wenigstens unsicher, die Znrttckflihrang des Hauses bis zu
einem Grafen Otakar, der 959 als Mitbesitzer der Grafschaften
im bayrischen Sandergau und Chiemgau aber als einigermaßen
wahrscheinlich, denn noch der spätere Markgraf Otakar, wahr-
scheinlich ein Enkel des Letztgenannten, besitze 1048 die Graf-
schaft und Güter im Chiemgau. Von der Stiraburg hätten sich
diese Markgrafen genannt, die auch die Grafschaft im Traun-
gau innehatten; doch könne er die Zeit der Erwerbung der-
selben nicht nachweisen.* An der Echtheit des Gabbriefes des
östlichen Markgrafen für Melk (mit der ersten Erwähnung Ozos
= Otakar als Markgrafen von Stire) zweifelt Huber nicht.
Einige Monate nach Erscheinen dieses ersten Bandes, näm-
lich am 3. Dezember 1885, wurde meine ,Geburt des Landes
ob der Ens' ausgegeben, in welcher ich (S. öOflf.) auf meine
Äußerung vom Jahre 1867 zurückkam, die Melker Urkunde
als höchstwahrscheinlich unecht bezeichnete und diese Behaup-
tung auch (in A. 130) kurz begründete, das Vorauer Fragment
als eine späte und außerdem trübe Quelle verwarf, dagegen
die Vermutung Zahns, daß nach Otakar I. die Mark wieder
an die Eppensteiner gediehen,' aufgriff und die Ansicht auf-
stellte, daß Otakar IL vom Gegenkönige Rudolf den Eppen-
steinem entgegengestellt worden sei.
Dieser Ansicht sind in der Hauptsache Steindorff* und
Frieß* beigetreten.
Nach Ausgabe der ,Geburt des Landes ob der Ena' er-
schien im Jahre 1886 der erste Band der Acta Tirolensia mit
den von Prof. O. Redlich bearbeiteten Traditionsbüchern des
Hochstiftes Brixen. Zwei Traditionen, welche zwischen die
Jahre 1065 und 1080 fallen, dokumentieren die Amtstätigkeit
des Sohnes Otakars I.> Adalbero, als Markgrafen in der Kärntner
» 1885, S. 216. « a. a. O. 217, A. 4.
' In der Festschrift zur Erinnerung^ an die Feier der Erhebung der Steier-
mark zum Herzogtum. 1880, S. 1 — 18.
* Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich IV. und V., I, 209.
* G^chichte des ehemaligen Nonnenklosters Traunkirchen im Archiv fUr
österr. Gesch. LXXXH.
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514
Mark^ wodurch die Hypothese Zahns ins Schwanken geriet und
von ihm nicht weiter verfolgt wurde.
Die Publikation verschaffte Prof. Krones, welcher schon
in seiner Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Steier-
mark (1897) zur älteren ^Überlieferung' zurückgekehrt war,
den näheren Anlaß, diese letztere in einer weitausgreifenden
Abhandlung^ retten zu wollen.
Da er noch immer das Melker Diplom zu einem Stütz-
punkt seiner Ausführungen machte, so habe ich in einem be-
sonderen Aufsatze die Unechtheit des Gabbriefes des Mark-
grafen Ernst für Melk* aus inneren Merkmalen nachzuweisen
unternommen. Auf die Sache sogleich weiter einzugehen, ver-
hinderten mich die von 1897 auf 1898 vor sich gegangene Um-
wälzung im Streitverfahren, eine hartnäckige Polemik nnd von
1900 die Arbeiten für den historischen Atlas der österreichi-
schen Alpenländer, die alle meine Kräfte und noch mehr als diese
in Anspruch nahmen. Bei den Abhandlungen zum Atlas ist
die ersehnte, übrigens auch unausweichliche Gelegenheit ge-
geben, einer Streitfrage der Forschung, die trotz vielfachen
Lösungsversuchen eine endgültige Beantwortung auszuschließen
schien, hart an den Leib zu rücken.
Indem ich mich hierzu anschicke, bin ich mir bewußt,
nur die Pflicht, dem Gegner standzuhalten und die histori-
sche Wahrheit zu ergründen, zu erfüllen.
Auch bei der nun folgenden Untersuchung war für mich
die Methode maßgebend, welche mein Gönner, der Florianer
Chorherr Josef Chmel (in den Sitzungsber. der phil.-hist. Klasse
XI, 192 A.) den Forschern empfohlen hat: vorurteilsfreie Prü-
fung unbedenklicher Urkunden, welche in erster Linie das
historische Bild herzustellen haben, unter steter Rücksichtnahme
auf die jeweiligen politischen Zustände des Reiches und der
Länder, und erst in zweiter Linie die Benützung der gleich-
zeitigen Annalistik, in allerletzter aber späterer Quellen. Auch
hier habe ich sogenannte Tradition, die sich so häufig als Kunst-
produkt zeigt, unbezweifelt echten Urkunden gegenüber ver-
worfen.
1 Im Archiv für österr. Gesch. LXXXTV, 137—282.
' Blätter des Vereines für Landeskande von Niederösterreich XXXI (1897),
S. 461—472.
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515
Ich beginne mit dem
C^abbrlefe des Markgrafen Ernst fttr Helk,^
weil gerade dieser mit seinem Zeugen Oezo marchio de Stire
die Hauptstütze für die sogenannte traditionelle Genealogie der
Otakare abgegeben hat.
Derselbe ist nicht datiert; Meiller' setzte ihn nm das Jahr
1074 (jedenfalls längere Zeit vor dem 9. Juni 1075) an. Auf-
fallend ist vor allem, daß das Gut Weickendorf im Marchfelde«
das Ernst den Kanonikern verlieh, in dem echten Stiftbriefe
1113, 13. Oktober wieder in der Reihe ganz neuer Schenkun-
gen vorkommt, ohne daß eine vorangegangene Vergabung er-
wähnt wird. Bezüglich der Zeugen hatte schon Waitz (Deut-
sche Verfassungsgeschichte V, 312, A. 4) auf den bedenklichen
Umstand aufmerksam gemacht, daß Ministerialen der Mark
vorkommen und für eine so frühe urkundliche Erwähnung von
Dienstleuten des Landes kein analoger Fall spreche. Und
ebenso auffällig ist, daß sämtliche Zeugen mit Geschlechtsnamen
versehen sind. In meiner Abhandlung zeigte ich, daß die auf-
geführten Zeugen erst im 12. Jahrhundert nachweisbar, oft ein
halbes Jahrhundert voneinander abstehend, einzelne, ein Otto
Mosehengist, Pemhart von Rurippe überhaupt erfunden sind.
Das nur mehr in Bruchstücken vorhandene Reitersiegel scheint
die Nachbildung eines solchen des Markgrafen Liupold III.
zu sein.
Nach dem Ausspruche eines Germanisten von Ruf kommt
das lange e nach o im 11. Jahrhundert noch nicht vor, wie
das Marienlied von Melk zeigt, das um 1130 niedergeschrieben
ist;^ die Schreibung des Namens Oezo statt Ozo vor dem Jahre
1075 ist demnach anachronistisch und müßte zur Rettung ein
Schreibversehen angenommen werden, was gegenüber den an-
deren Bedenken unzulässig ist.
Ich kam daher zur Folgerung, daß das Schriftstück
ein Fabrikat aus späterer Zeit sei, angefertigt zu dem Zwecke,
' AbbUdang in Mon. graph. med. aevi, Faszikel V, tab. III.
' Regesten der Babenberger, S. 202, 204, A. 68, 70.
' Im Kodex G 7 Nr. 486 Melk, der auch die 1122 angelegten Annalen
enth<
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616
dem tatsächlichen Besitze des Klosters einen Rechtstitel aus
früherer Zeit zu verschaflFen.*
Da seinerzeit auf meine Anfrage von fachmännischer Seite
keine Bedenken gegen die Echtheit der Urkunde erhoben wor-
den waren, habe ich damals von den Äußerlichkeiten abgesehen.
Diese Unterlassung wurde jedoch im Neuen Archiv (1898) von
Prof. H. Bloch gerügt, der mir auf meine Anfrage folgendes
von Prof. Breßlau in Straßburg gebilligte paläographische Gut-
achten zukommen ließ:^
,Wenn Sie etwa in den Kaiserurkunden in Abbildungen
Lief. X, Tafel 7 a' vergleichen können, wo der Text von einem
Privatschreiber herrührt, so werden Sie nicht daran zweifeln,
daß die Schrift dieser Urkunde ungefähr in die gleiche Zeit,
also etwa in die Mitte des 12. Jahrhunderts gehört. Die
wenig unter die Linie gehenden, leicht gebogenen Schäfte von
s und f, die Ligaturen st und et in ihrer engen Zusammen-
drängung, das unciale M, das große F, das häufige, am Ende
übergeschriebene s in es, os — das wären einige Erscheinun-
gen, die in Hinsicht des Schriftcharakters für das 1 2. Jahr-
hundert sprechen. Dazu kommt aber Wichtigeres: Die unter-
brochene Ligatur et in Zeile 3 (dictum), die nach Art der Li-
gaturen vorgenommene Verbindung sb (Zeile 6: adelmannes-
brunne) und sh (Zeile 8: Gosheime und Zeile 11: Anshalm),
das überaus häufige de [oben an d angesetztes e]; vielleicht
mag eine einzelne dieser Erscheinungen gelegentlich schon im
11. Jahrhunderte vorkommen, in ihrer Verbindung und Häufig-
keit (insbesondere die Regelmäßigkeit von de ist zu beachten),
sind sie im 11. Jahrhunderte (geschweige denn um 1065) nicht
zu belegen. — Ich übergehe anderes, um nur noch die beiden
wichtigsten Momente hervorzuheben^ die für sich allein die
^ Vielleicht auch, um die Wallfahrt zam Grabe des heil. Koloman älter
erscheinen zu lassen, dessen passio Abt Erchenfirid 1121 — 1163 verfaßt
haben soll, in dessen Zeit auch der Schriftbefund passen würde. (Yg^l.
Mon. Germ. Script. IV, 504).
« Brief ddo. Straßburg, 21. Jänner 1899.
' Urkunde König Ghunrads III. ,data nU E. aprU. apud Gonstantiam' 1142
für Kloster Salmansweiler. Die persönliche Yergleichung gelang mir
erst heuer; denn Kremsmünster, Linz und Graz besitzen nicht das Ma-
terial hiezu.
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517
EntstehuDg der Urkunde des Markgrafen Ernst im 12. Jahr-
hundert entscheidend beweisen: in Zeile 8 finden Sie filii mit
den beiden i-Strichen, die in Deutschland nicht Tor dem
12. Jahrhundert (zuerst etwa 1110) nachweisbar sind. Und
endlich finden Sie unter den Abkürzungen, die gleichfalls
durch ihre Häufigkeit und die Art ihrer Verwendung (z. B.
flir coU; das häufige ' für us usw.) mehr dem 12. Jahrhun-
dert entsprechen, die Formen oi für omni,^ dann aligatiöe,'
inpressiöe,' dictiöe* mit dem elidierten n (also statt . . ione),
die ein gänzlich unzweideutiges Kennzeichen des 12. Jahr-
hunderts sind. Ich glaube, Ihnen damit, wenn auch nicht
alle, so doch die wichtigsten meiner Gründe dargelegt zu
haben; ich halte es für vöUig sicher, daß die Urkunde nach
den äußeren Merkmalen in das 12. Jahrhundert, am besten
wohl etwa in dessen Mitte, gesetzt werden muß. Eine spätere
Entstehung anzunehmen (etwa im 13. Jahrhunderte), dazu fehlt
es an jedem Anhaltspunkte; höchstens etwa müßte ein sehr
geschickter Fälscher eine Urkunde des 12. Jahrhunderts nach-
gezeichnet haben. Eis wird Ihnen von Wert sein zu erfahren,
daß Herr Prof. Breßlau meiner Meinung über die Entstehungs-
zeit der Urkunde, wie sie oben dargelegt ist, völlig zustimmt
und ihre Anfertigung im 11. Jahrhunderte für völlig ausge-
schlossen erachtet.'
Das Benediktinerstift Melk hat denn auch sine ira et stu-
dio dieses Ergebnis in seiner jüngsten Stiftsgeschichte (durch
Dr. E. Katschthaler)* zur Kenntnis genommen und das bisher
als älteste Babenberger Urkunde geschätzte Schriftstück aus
der Reihe seiner echten Urkunden gestrichen. Die angeblich
bezeugte Namensform Oezo kann nicht mehr zum Beweise der
Identität der Personennamen Ozi und Otakar dienen.
Die ganze Form auf i statt auf o (Nominativ) ist eigen-
tümlich und völlig unerforscht.
Diese Bemerkung leitet uns über auf die Untersuchung
des Vorkommens beider Namensformen, deren Ergebnis dahin
führen wird, daß der Chorus verstummen wird, welcher bisher
mit Krones* mir zurief: ,Auf die Bemerkung von Stmadt, daß
^ Zeüe 2: öiü. * ZeUe 5. * Zeile 5.
* ZeUe 5: contradictiöe.
* Topographie für NiederOsterreich VI, 373. • a. a. O. Iü6, A. 1.
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518
sich der Name Oczo keineswegs mit Otakar identifisieren Iftßt,
muß ihm entgegnet werden: Oozo ist ebenso gut Koseform Ton
Udalrich wie Oczi, Ozo die von Otto und Ottokar/
Diese Gleichstellong, aufgebaut auf das oben erörterte
Falsum und die Vorauer Aufschreibung, die später ihre Wür-
digung erfahren wird, ist ohne allen sprachlichen und urkund-
lichen Beleg: weder Förstemann,^ noch Stark* wagen es, den
Namen Ozi zu erklären, und der vorhin erwähnte Qermanist
ließ sich hierüber folgendermaßen vernehmen: ,Ich kann einen
sicheren Entscheid nicht geben, weil von den Bildungsge-
setzen der Kurzformen noch zu wenig bekannt ist.
An sich wäre es ganz möglich, daß aus Audovachar über Ota-
kar sich Ozi entwickelt (davon dann Ozilo). Das O müßte
lang sein, obzwar aus Audofredus auch Ötfrid geworden ist.
Es fragt sich nur, wie sich damit das i in Ozi verträgt.
J. Grimm, Gramm. 3, 692 und nach ihm andere, wie Socin halten
Ozi für eine Kurzform von Otfrid, wahrscheinlich weil i dabei
aus dem zweiten Kompositionsteil übernommen wäre. Ein posi-
tives Hindernis sehe ich nicht für das Verhältnis Otakar: Ozi,
freilich wäre Ozo aus Otakar näherliegend. Förstemann läßt
natürlich auch in der zweiten Auflage vollkommen im Stiche.
Daß Ouzo und Ozo, Ozi auseinanderzuhalten sind, ergibt sich
aus der verschiedenen Qualität der Wurzel. Solange man nicht
mehr über die Bildung der Kurzformen weiß, als Stark ermittelt
hat, wird man immer auf die wenigen glückUchen Zufälle an-
gewiesen sein, wo die Urkunden Identifikation der Langform
und Kurzform erlauben. Ich wiederhole: Das Verhältnis Ota-
kar : Ozi scheint mir an sich nicht unmöglich, historische oder
genealogische Schlüsse möchte ich aber nicht darauf bauen.^
Um ein Versäumnis der Forschung nachzuholen und sich
die Überzeugung zu verschaffen, ob nicht doch aus den Ur-
kunden sich eine Gleichstellung der Namensformen Otakar und
Ozi ermitteln lasse, habe ich den großen Aufwand an Zeit und
Muhe nicht gescheut, die gesamten Nekrologien der Erzdiözese
Salzburg, alle Traditionen in dem des Registers noch entbehren-
den Salzburger Urkundenbuche, die Traditionsbücher des Hoch-
stiftes Brixen und des Klosters Götweig, das Oberösterreichische
^ Die deutschen Personennamen, 1 . und 2. Auflage
' Die Kosenamen der Germanen.
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519
und Steiermärkische Urkundenbuch, die Ottonischen Urkunden
in der Diplomata-Ausgabe^ die Mon. Boica durchzustudieren,
die bezüglichen urkundlichen Aufschreibungen mit den Zeugen
zu exzerpieren und die Namen Ozi, Ozie, Ozy, Oze, Ozilo,
Ouzo, Ouze, Uza, Oziman, Ozinus, Otker,^ Otfrid, Otachar
herauszusuchen.^
* Auch diese Form wurde im Salzburgischen Urkundenbuche von Hau-
thaler zum Teile mit Otachar identifiziert; sprachlich ist diese Iden-
tifikation aber wegen des langen e im Korapositionsteile ker unmög-
lich.
' Anderen zur Nachforschung seien die Zitate hergesetzt:
Mon. Germ. Necrolog. H, 217, 222, 230, 233, 66, 16 (36, 1), 16
(36, 9), 18 (41, 26), 21 (49, 4), 26 (61, 13), 31 (76, 33), 33 (83, 30), 42,
34 (86, 33), 323, 23 (25, 6), 66 (37, 4), 56 (37, 30), 66 (38, 3), 67 (I 6,
6, 11, 38, U 30, 49), 99, 110, 126, 140, 148, 160, 161, 193, 80 (16),
446, 30 (75, 32), 68 (62), 16 (36, 23), 346. Ein Oezo findet sich S. 150.
— Salzburgisches Urkundenbuch I, 70, 74, 76, 80, 82, 84, 88, 90, 91, 93—
97, 99, 100, 102, 104, 106, 113, 119, 121, 124, 126, 127, 128, 130, 131,
182, 137, 139, 140, 160, 162, 163, 166, 167, 169, 164, 168, 170, 174,
178, 194, 197, 208, 219, 232, 266, 267, 268, 266, 266, 275, 278, 281,
282, 283, 286, 286, 288, 290, 291, 293, 294, 296, 297, 298, 302, 303,
306, 306, 307, 308, 312, 313, 316—322, 324, 327, 328, 333, 334, 336,
337, 339, 346, 366, 366, 366, 367, 375, 379, 386, 387, 393. — Acta
Tirolensia I, Nr. 12, 13, 14, 16, 22, 23, 26, 48, 60, 62, 64, 89, 99, 116,
120, 126, 128, 136, 162, 176, 191, 229, 249, 362, 399. — Fontes rer.
Austr., Abt. U, Vlfl, 34, 47, 193 (Nr. 129, 193, 357). XXXIX. — Ober-
österreichisches Urkundenbuch I, 89, 126, 134, 137, 144, 148, 160, 162,
153, 164, 160, 173, 429, 430, 474, 632, 633, 636, 539, 691, 661, 681,
717, 724, 727, 728, 736. II, 15, 61, 134, 136, 141, 146, 160, 210, 580,
600 (ein Oez), 629, 719. — Steiermärkisches Urkundenbuch I, 18, 21,
22, 23, 26, 26, 96, 109, 111, 118, 141, 479. — Mon. Germ. Dipl. O. I,
695, in, 406 a, 607 b (Odo de Liuurno, Ozo de Liuumo). — Codex
Kozroh, Bl. 136 (Archiv fttr österr. Gesch. XXVII, 258 der 16. baju wari-
sche Zeuge Uzo). — Mon. Boic. VI, 3, 169, 172, 174, 187, 189, 195 (Te-
gemsee;, XXVIII, b, 200; XIV, 186, 188. — In den Traditionen von
Bnxen findet sich die Form Ozinus in Nr. 116 und 126, der Name Ot-
frid in Nr. 82. Das Personenverzeichnis setzt (S. 324) zu dem Namen
Ozi, Oci, Ovzi bei: ,8ieh auch Ovdalscalh.*
Da auch bei Ozi mehrfach das u übergeschrieben ist, müßte in
jedem Falle die Gepflogenheit des jeweiligen Schreibers ausfindig ge-
macht werden, um sprachUche Schlüsse ziehen zu können.
Vorstehender Nachweis reicht vom 8. (Indiculus, Notitia, Ver-
brüderungsbuch von St. Peter) bis in die zweite Hälfte des 12. Jahr-
hunderts.
ArehiT. 94. Band, 11. H&lfte. 35
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520
Aus dieser Sammlung von Hunderten im Laute ähnlicher
Personennamen ergibt sieh folgende Beobachtung: Der Name
Ozi, Oczi, Ozie, Oze kommt hauptsächlich im Norden der
Alpen^ am häufigsten in dem Striche zwischen dem In und der
Ens, besonders im Chiemgau und im oberösterreichischen oberen
Kremstale,^ verstreut, aber im ganzen Gebiete des bajuwari-
schen Stammes vor. Daß er im Tale von Kirchdorf häufiger
erst im 12. Jahrhunderte bezeugt ist, hängt mit dem Umstände
zusammen, daß die Aufschreibungen des Klosters Garsten nicht
früher einsetzen, aber als hier einheimisch ist er schon mehr
als ein Jahrhundert früher nachgewiesen.* Die Gleichstellung
der Namen Ozi und Otakar ermöglicht keine einzige Urkunde,
im Gegenteile treten in der gleichen Urkunde Otker und Ota-
char,^ Ozi und Otachar,* also gleichzeitig, als Zeugen auf. Die
latinisierte Form Ozinus ist jenseits der Alpen häufiger, taucht
aber vereinzelt auch nördlich von den Bergen auf. Ein Ozinus
comes findet sich in den Nekrologen nicht; ein späterer Nach-
trag in dem zwischen 1025 und 1041 angelegten Totenbuche
von St. Peter in Salzburg A hat zum 5. März (ob.) einen Ozie
comes, welcher für den Stifter des Klosters Ossiach gilt, wel-
ches jedoch den Jahrtag des Ozzius comes am 23. Oktober
feierte.^ Auch ein Graf Ouzo kommt nicht vor, dagegen hat
eine Hand des 11. Jahrhunderts im gedachten Toten buche von
St. Peter zum 10. Jänner Oudalrich com. ob. und zum 12. März
Oudalricus comes eingetragen.*
Der Personenname Otakar ist von altersher in der Um-
gebung von Salzburg gebräuchlich. Die breves notitiae er-
wähnen,^ daß Rudker, Otaker, Gotschalk und Eberger ,nobiles
viri^ ihr Eigen zu Weng am Walersee und bei Straß, dann
* Von einem Ozi führt die heutige Ortschaft Otstorf bei Kirchdorf den
Namen (c. 1125, Ozindorf, Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 160,
154).
* Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 70; Urkundenbuch von Krems-
münster 27.
^ Salzburger Urkundenbuch I, 105, 113, c. 924; Oberösterreichisches Ur-
kundenbuch I, 86; II, 15, J. 843.
* a. a. 0. 1, 137, J. 930. » Necr. Ossiac, a. a. O. 446.
« a. a. O. 94, 114.
' Salzburgisches Urkundenbuch I, 37, 39. In der Nähe des Weitmoses
haben den Namen Helmo die Dörfer Helming und Helmansdorf be-
wahrt.
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521
Helmo und Otaker ,viri nobiles' zwei Höfe zu Teisendorf der
Kirche Salzburg übergaben. Von hier aus scheint sich der
Name auch in die östlichen und südlichen Berge verpflanzt zu
haben, jedoch nur, um noch lange vor Ablauf des 10. Jahr-
hunderts wieder von da zu verschwinden. Im Chiemgau ist
er noch in der Mitte des 10. Jahrhunderts nicht selten und
wird nach Übertragung des Markgrafenamtes in Kärnten an
Otakar in den östlichen Gegenden wieder häufiger; sein Ge-
brauch vermindert sich nach dem 13. Jahrhunderte und hört
im 15. völlig auf. In dieser späten Zeit lautet die Koseform
Akkerl.^ Im Verhältnisse zu der ganz überwältigenden Masse
des Namens Ozi ist der Name Otakar fast ein seltener zu
nennen.
Träger der Namen Othwin und Othfrid sind ganz aus-
nahmsweise vor 1110^ ein einziges Mal im Tale von Kirchdorf
bei Hausmaning und Micheldorf nachweisbar.
Forschen wir dem urkundlichen Auftauchen der
Otakare nach, so steht in erster Reihe die Urkunde 904,
10. März,^ mit welcher König Ludwig dem Sohne eines Grafen
Otachar, namens Arpo, ,in valle quae dicitur Liupinatal in
comitatu eiusdem Otacharii' 20 Hüben zu Schlatten bei Goeß
schenkt. Dieser Graf mag derselbe Otacharius comes sein,
welcher nebst dem Bischof Burchard von Passau um 904* zur
Feststellung der Zollsätze in die Ostmark als königlicher Send-
bote verordnet wurde. Im Leobengau war die Familie kaum
ansässig, sonst dürfte unter den damaligen Zeitverhältnissen das
Grafenamt in ihren Händen verblieben sein, was nicht geschah,
da im Jahre 1023 ^ der Gau Liubental als Komitat eines Grafen
Gebhard bezeichnet wird.
Seine Heimat ist wahrscheinlich der Chiemgau gewesen,
in welchem um den Chiemsee herum gerade im 10. Jahrhun-
* 1350, 1352, 1366 Oberöaterreichisches Urkundenbuch VII, 199, 276;
Vin, 236, 281. Die Ortschaftsnamen Ackersberg in Bayern und Ober-
österreich dürften von dieser Kurzform abzuleiten sein.
* Oberösterreichisches Urkundenbuch l, 134, 135, 210.
* Steiermärkisches Urkundenbuch l, 16.
* Mon. Germ. Leges in, 380.
* Steiermärkisches Urkundenbuch I, 51. Im Jahre 926 bei einer Com-
placitatio um Liegenschaften in Liupintale wird Otachar nicht genannt
a. a. O. 18.
85*
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622
derte der Name Otakar in den Salzburger Traditionsbtichern
häufig begegnet.^ Schon in der complacitatio des Edlen Epar-
hard mit Erzbischof Pilgrim (907—923) treffen wir als ersten
Zeugen Otachar comes.^ Es liegt nahe, in diesem den Grafen
des Leobengaues zu erkennen. Otachar comes bezeugt nach
seinem Nachbar, dem Grafen Hartwig (im Salzburggau) das
Geschäft der edlen Frau Willa c. 963 und vor dem Grafen
Nortprecht (im Salzburggau) jenes des Ministerialen Dietrich.*
Am 25. April 976* bezeugt nach dem Grafen Sighart Otachar
comes die Übergabe von Eigen im Chiemgau (wahrscheinlich
in Kieming, Kematen, Englham) an das Erzstift. Kaum zu
zweifeln ist, daß er derselbe Otachar comes ist, welcher in
erster Reihe eine nach dem Jahre 972 fallende complacitatio
des Bischofs Wolfgang von Regensburg als Nutznießers der
Abtei Mondsee mit dem edlen Manne Einhart eingeht,** wornach
derselbe seinen Hof in loco qui dicitur Riwtun dem Bischof
tiberließ gegen lebenslänglichen Bezug des Zehents der Kirche
Irstorf (nördlich vom Irsee, Straß walchen zu).
Dieser mansus ist der jetzige Hof in Roit bei Vordern-
Au südwestlich von Zell am Mos; in der Rubrik ,villa Aw' des
Mondseer Urbars von 1416® wird ausdrücklich der Hof in der
Reut verzeichnet.
Der Ort des Tauschgeschäftes ist nicht angegeben; die
Tauschobjekte befanden sich aber knapp an der Salzburger
Grenze, daher wohl nicht auffällig ist, wenn ein Chiemgauer
Graf, dessen Komitat, wie wir sehen werden, bis einige Stun-
den vor Salzburg reicht, die Handlung bezeugt. Wenn Krones'
selbst meint, er werde nicht stark fehlgreifen, wenn er diesen
Otakar mit jenem der Urkunde von 959 in Zusammenhang
bringe, dann ist, wie manche andere Behauptung, seine nach-
folgende Bemerkung ganz unerklärlich. ^Wahrscheinlich ist
nur eines: daß alle diese Zeugenschaftsfunde unsere Otakare
> Salzburgisches Urkundenbuch I, 70, 72, 90, 94, 121, 126, 197, 128, 139,
140, 161, 168.
» a. a. O. 160.
3 a. a. O. 170, 174.
* a. a. O. 178.
^ Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 87, Nr. 149.
^ Im fürstlich Wredeschen Besitze zu Mondsee.
' a. a. O. 176, 177.
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523
[d. i. jeno; welche die sogenannte ^Überlieferung' und er in den
Traungau versetzen und ihnen daselbst die Grafschaft zuer-
kennen] betreffen und wir im Rechte sind, wenn wir ihrer Be-
schränkung auf den Chiemgau entgegentreten*, eine bei dem
vollständigen Mangel urkundlicher Nachrichten mehr als sonder-
bare Folgerung I
Endlich erscheinen in den beiden Königsurkunden vom
8. Juni 959 für die Kanoniker der Salzburger Kirche^ und
vom 9. Juni 959 für das Kloster St. Emmeram* die Güter Gra-
benstatt und Reut (Vogtareut) zum Teile in dem Komitate Ota-
kars gelegen.
Der Flankenangriff, welchen Krones zugunsten seiner
These unternahm, indem er sich die zweite Urkunde, wie er
sie in den Regesta Imperii' vorfand, zunutzen machte, aller-
dings, wie es scheint, ohne den Text einzusehen und in die
Sache näher einzugehen, zeigt die Notwendigkeit, die beiden
Diplome gründlich zu interpretieren, weil Vermutungen ebenso
leicht zerstört als aufgestellt sind und die Komitate der Chiem-
gaugrafen in anderer Weise nicht fixiert werden können.
Wir beginnen die Untersuchung mit den
quaedam res in loeo Orabanastat vocitato.
Am 8. Juni 959 zu Ror hatte König Otto I. den Kanoni-
kern der Kirche Salzburg ,quasdam res quas iam antea qui-
dam comes nomine Hartuuic de manu Vuarmunti comitis
acceptas Ulis supra annonam sibi deputatam pro requie animae
tradiderat in loco Grabanastat vocitato in pago Chiemicho-
vve in comitatibus Otacharii, Sighardi ac Willihalmi
comitum cum omnibus rebus eidem loco recte adiacentibus
i. e. ... cum foresto ad flumen Truna . . .' verliehen.*
Der Vergaber war derselbe Graf Warmund, welcher ,quas-
dam res in loco Riut', der später Vogtareut genannten Hof-
mark, zu seinem Seelgerät dem Kloster St. Emmeram übergab.
1 Mon. Genn. DO. I, 281, Nr. 202.
» a. a. O. 282, Nr. 263.
» Unter Otto I. von Ottenthai 8. 135 (9 ist ein Lapsus), Nr. 271.
* Mon. Germ. Dipl. I, 281, Nr. 202. Original im königl. allg. Reichsarchive
zu München. Die Saline, in welcher Salzpfannen vergaht werden, ist
zweifellos Reichenhall.
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524
das ihm im 15. Jahrhunderte einen Grabstein mit der unrichti-
gen Inschrift: ,Anno D. MX. in die S. Leonis PP. dnus War-
mundus nobilis comes de Wasserburg, qui huic Monasterio de-
dit Hofmarchiam in Vogterreut Hie sepultus' errichtet hat.^
Der Ausdruck quaedam res ist in jener Zeit eine stehende
Kanzleiformel, aus welcher über den Umfang der Schenkung
kein irgendwie sicherer Schluß gefolgert werden kann; aus der
Angabe, daß die Liegenschaften zu drei Grafschaften gehörten
und der Forst an der Traun zu ihnen zählte, ergibt sich jedoch
wenigstens, daß das Schenkungsobjekt einen größeren Flächen-
raum eingenommen haben muß. Damit haben aber die Folge-
rungen ein Ende; aus dem Urkundentexte können wir nicht
entnehmen, wo der Forst gelegen war, ob an der roten Traun,
an der weißen oder See -Traun oder an der vereinigten Traun
abwärts von Siegsdorf, und ebensowenig wissen wir, wo die
Güter sich befanden, die unter der Bezeichnung Grabenstätt
begriffen sind.
Zur Erläuterung die Fälschung (Erweiterung) dieser Ur-
kunde, welche die Kanoniker zu Ende des 11. Jahrhunderts
anfertigten, wahrscheinlich um ihrem faktischen Besitze einen
Rechtstitel gegen die Schenkung König Heinrichs III. an Erz-
bischof Baldwin 1048 zu verschaffen,* heranzuziehen, halte ich
für völlig unzulässig, weil dieselbe ja doch nur zur Begründung
von weitergehenden Besitzansprüchen ins Leben gerufen wurde
und daher für den ursprünglichen Besitzstand kein sicheres
Zeugnis abgeben kann und sich außerdem zeigen wird, daß
jene Grenzen, welche identifiziert werden könnten, mit den
Angaben der unbedenklichen Kaiserurkunde von 1048 im Wi-
derspruche stehen. Außer der Kirche St. Johann an der roten
Traun, dem Wolfsberg und dem — mehrfach vorhandenen —
Kaltenbach sind übrigens die anderen Markungen, zumal der
Morenstein, heute völlig unbekannt.
* Historischer Entwurf der Rechte von St. Emmeram auf das Propstge-
richt Vogteyreut. Handschrift 539 Kl. (Kloekeliana) in der königl. Hof-
und Staatsbibliothek in München.
* Mon. Germ. Dipl. I, 595, Nr. 441: Ausfertigung in Diplomform im k. u.
k. Haus-, Hof- und Staatsarchive in Wien. Der ,Morenstein* dürfte mit
dem Sitze der Mornsteiner gleichbedeutend sein. Salzburgisches Ur-
kundenbuch I, 722, 756, 758.
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525
Richter hat geglaubt,* zur Erläuterung sich der Urkunde
Kaiser Heinrichs III. vom 9. April 1048 * bedienen zu können,
zu welchem Zwecke jedoch dieselbe nicht tauglich ist, einer-
seits, weil der Geschenknehmer eine ganz andere Persönlich-
keit, nämlich der Erzbischof Baldwin, war, andererseits, weil
auch das Schenkungsobjekt: forestum in comitatu Otachari si-
tum' ein ganz anderes und bestimmt auf der Ostseite der ver-
einigten und der weißen Traun gelegen war.
Die Feststellung der Ortlichkeiten hat daher auf anderem
Wege zu geschehen.
Die Grenzen des Traunwaldes, den 1048 das Erzstift aus
kaiserlicher Huld gewann, hat Richter' mit aller Genauigkeit
gezogen. Daß sie richtig sind, zeigt ein Urbar des Hochstiftes
Salzburg aus der Zeit um das Jahr 1300 im allg. Reichsarchive
in München ;* dasselbe enthält die beiden Rubriken Nemora und
de inferiori Nemore. Unter ersterem werden die Holden im
ehemaligen Traunforste, unter letzterem jene an der Mörn und
bei Oting um den Forst Heit verzeichnet.
Das Urbar des Domkapitels Salzburg aus dem Jahre 1392,
das alle Amter, ausgenommen Mauterndorf, begreift,^ zählt in
der Rubrik: officium Grabenstat (auf Bl. IT bis Bl. 16') folgende
Eigenleute der Kanoniker auf:
In Grabenstat 15, in Pernhauppen (Bernhaupten) 12
(inbegriffen 3 in Ental = Endtal, 2 in Humhausen, 1 in Gei-
selprechting, 2 in Hörring = Hertwepging, 1 in Büehling), in
Mulpach (Mühlbach, Pf. Vachendorf) 7 (inbegriffen 2 in Win-
kel), in Würgelham 2, in Spielwang 3, in Dingrating
(Tinnerting) 4, in Achsdorf 8, in Wimpßzing (Wimpassing)
7, in Einhaym (Einham) 6, in Erlstätt 11, in Wolkers-
torf 13, in Schmidham 10, in Ruethering (Riedering) 3,
in Herprechting (Höpperding) 6, in Kotzing 2, in Geysing
2, in Traun st orf 6. Villici: vlricus et chunradus de hoch-
^ Untersuchungen zur historischen Geographie des ehemaligen Hochstiftes
Salzburg und seiner Nachbargebiete im ersten Ergänzungsbande zu den
Mitteil, des Inst. fUr österr. Geschichtsforschung, S. 641 ff.
« Juvavia Dipl., Anh. S. 233.
3 a. a. O. Hierzu seine Karte. Nur die Folgerungen, die er irrigerweise
zog, sind abzulehnen.
* Litteralien des Erzstiftes Salzburg Nr. 883.
^ Daselbst Nr. 834.
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stet (Hochstätt zwischen Grabenstatt und Kieming), Otto filios
hainrici et christanus de heinrichsdorflF, Zachar. et Weynmarus
de Newnling (bei Haslach), Christanus et hr. et chnr. de Rei-
chenhausen (bei Bernhaupten), Michahel de vahendorff, idem
Michel de prato Schultaizwiz, vh*. lanchmair, Otto an der prun-
leyten, Rupertus officialis de Grabnstat, fridr. filius lang-
taler, Idem de putzenlach, vir. virtayler, Chnr. wider de ar-
garten.
3 Holden dienten je 200, zusammen 600 Reynanken.
Das officium myesenpach verzeichnet (Bl. 17'):
34 ohne Bezeichnung der Ortschaften, in Voglarn (Vog-
ling bei St. Johann am rechten Ufer der roten Traun) 9, in
Miesenpach^ 15, in Vohenau (Vachenau am linken Ufer der
weißen Traun) 13, in Vadern Myesenpach^ 6, in Schon-
rain (Schönram am linken Ufer der weißen Traun) 5, in Al-
zing (bei Adelholzen an der Straße nach Bergen westlich der
weißen Traun) 8, in Pattenperch (südwestlich von Bergen
auf der Berghöhe von Pattenberg) 18, in Schelnperg (Schel-
lenberg westlich von Bergen) 1, in Schlehing, Pf. Grassau im
Achentale südwestlich von Marquartstein 8,
Wein-Saumdienste wurden geleistet 3, der Käsedienst in
Miesenbach betrug 1300 Laibe, Neubrüche aus jüngster Zeit
51 (Novalia ex novo instituta).
Dieser Besitzstand erfährt eine willkommene Beleuchtung
durch das Verzeichnis aller in Bayern ansässigen Untertanen
des Domkapitels vom Jahre 1783.^
Dieses letztere führt vor:
Im Voglwald zwischen roter und weißer Traun 55, Mie-
senpacher 42, in Alzing 5, Neureute im Miesenpach 67.
Im Amte Grabenstatt ohne Bezeichnung der Ortschaft
13, in Mülpach 4, zu Grabenstatt im Dorf 13, inWürgl-
ham 6, in Dingrating 4, in Achstorf 9, in Wimpassing
8, in Einham 4, in Erlstetten 11, in Wolkerstorf 11, in
Schmidham 9, in Riedering 3, in Heprechting 3, in Ko-
zing 2, in Geißing 2, in Traunstorf 6, dann ,Villici Hof-
* Zwei Dörfer Unter- und Vorder- (Ober-) Miesenbach mit 12 und 20 Ge-
bäuden, Pf. Rupoldingf am Ostufer der weißen Traun.
' Litteralien des Erzstiftes Salzburg Nr. 352. Urbarische Beschreibung
über die in denen Churbayrischen Pfleg Gerichten befindlichen Dom-
kapitl. Salzburg. Untertanen 1783.
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527
stett' 14, zwei halbe Höfe Stift oder Mairhof genannt zu Qra-
benstatt, einige ledige Stücke.
Im Amte Hörzing: 2 halbe Güter zu Feilenreut, Pf.
Siegsdorf, westlich der weißen Traun, der Voglhof zu Siegsdorf
(an der weißen Traun, das obere Dorf östlich, das untere west-
lich), Nußdorf (westlich der Traun bei Herbsdorf), in Herbs-
dorf (westlich der Traun) 2, in Pering (Bergen bei Elrlstätt) 4,
in Hörzing am östlichen Traunufer 3, dann weitere 7 Güter
am Surberg östlich der Traun (zwei Hälften der Altenhub, Fron-
wies vier Viertel, Buchmühle, Kirchtorgütl, Puchengut, Ober-
göttenbachergut, Gassenlehen), 3 Güter zu Selberting, Pf. Oting,
schließlich das Gut am Wollsperg, Anderlochnergut oder Hell-
gut am Hochberg, Gut am Graben, alle in der Pfarre Haslach,
zwei halbe Güter zu Wiem, Pichlergut, Hinterpichlergut, zwei
halbe Güter am Unterberg, das Gut aufm Reut, alle in der
Pfarre Siegsdorf.
Im Landgerichte Marquartstein gehörten zum Amte Mie-
senbach die 2 Güter zu Höpfling und die 6 zu Schönram sowie
die 7 zu Alzing, alle westlich von der weißen Traun, am Pat-
tenberg 26 Holden, in Achleiching 12, im Berger Winkel 6
sowie 5 Ausbrüche, im Grassauertale 5 Neureute; zum Amte
Grabenstatt 13 und zum Amte Hörzing 4 ledige Gründe.
Die bezeichneten drei Amter umfaßten 465 Untertanen,
das Amt Obing 32, das Urbaramt Pintling im Pfleggerichte
Wald 63; zum Domkapitelschen St. Erhard Spital gehörten 6,
in den Pfleggerichten Rosenheim, Mermosen, Kraiburg und
Trostberg saßen noch 27 Holden.
Selbstverständlich bildeten nicht alle diese Güter das ur-
sprüngliche Zugehör von Grabenstatt; es erfolgten im Laufe
des 11., 12. und 13. Jahrhunderts noch viele Stiftungen an die
Kanoniker, wie ihr codex traditionum ausweist, auch in der
Umgebung von Grabenstatt und in die Wälder hinein. Wir
haben in dieser Beziehung Nachricht von Voglerwald (zwischen
den beiden Traunbächen), vom Sulzberg (daselbst), von Rupol-
ding, von Vachendorf, von Herbsdorf, von Schlipfing, von
Schwarzenberg, vom Surberg.* Verschiedene Güter wurden ge-
teilt, manche auch vertauscht.
1 Salzburgfwches Urkundenbuch I, 603, 665, 662, 657/676, 697, 681/741,
667, 654/666, 662/722.
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528
Immerhin aber darf angenommen werden, daß der Kern
der Besitzungen des Domkapitels, demnach die Eigenlente in
Grabenstatt am Chiemsee und die Umgebung vom See bis an
die Traun und südwärts in das Tal der Seetraun hinein aus
der Schenkung vom Jahre 959 stammt.
Es handelt sich nunmehr darum, wo der Forst an der
Traun sich befunden haben mag. Ostwärts von derselben in
keinem Falle; denn der Traunwald, welchen Klpiig Hein-
rich III. 1048 dem Erzbischof Baldwin übergab, war vor die-
sem Zeitpunkte königliches oder herzogliches ^ Gut und reichte
vom Rottenbach {6 km unterhalb Traunstein) am rechten Ufer
der vereinigten Traun, diese und die weiße Traun hinauf bis
zum Rauschenberg und von diesem über den Falkenstein zum
Kachelstein zur Achtaler Ache, zur großen Sur und dem Wa-
gingersee bei Peting und längs dem Weidachbache wieder zur
großen Traun.*
Der Qrabenstätter Forst muß daher in westlicher und süd-
licher Richtung gesucht werden und in diese Richtung weist
auch der Gutsbestand des Domkapitelschen Amtes Miesenbach.
Es beirrt dabei nicht, daß hier oben auch zwischen den beiden
Quellbächen der Traun und vereinzelt über die rote Traun
hinüber Eigenleute des Domkapitels sitzen; denn einerseits
stammen selbe aus späteren Erwerbungen und andererseits wird
wohl auch die Fälschung eine Rolle gespielt und die Erzbischöfe
bewogen haben, sich mit dem Kapitel abzufinden und dem-
selben in Güte die angestrebte Ausdehnung seines Besitzes über
den Wolfsberg zur Kirche St. Johann an der roten Traun zu-
zugestehen.
Grabenstatt, am östlichen Atme des Mündungsdeltas der
Achen, eine Hofmark, welche im Jahre 1865 100 Gebäude mit
434 Einwohnern zählte, ist mit zwei Zukirchen der Pfarre Has-
lach bei Traunstein versehen; die Hofmark mit Schloß gehörte
im Jahre 1724 dem Baron von Eching, der Verwalter über die
Untertanen des Domkapitels wohnte zu Traunstein.^
1 Heinrich III. behielt Bayern vom U. Oktober 1047 bis 2. Februar 1049
in seiner Hand.
' Selbstverständlich zeigen diese Markungen nur aus, in welchem Um-
fange die verschiedenen Waldungen als ZugehÖr des einstigen Forstes
betrachtet wurden; denn schon geraume Zeit war der Forst von An-
siedhingen durchsetzt.
' Litteralien des Erzstiftes Salzburg Nr. 342.
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529
Die Spezialkarte lehrt, daß noch heutzutage an der West-
seite der weißen Traun ein großes Waldgebiet vorhanden ist,
welches bei Maria-Eck (südlich von Adelholzen, südöstlich von
Bergen) beginnt und sich bis an die Grenze von Tirol fort-
setzt; es bildet den bayrischen Staatsforst, welcher von könig-
Uchen Forstämtern (Bergen, Reut im Winkel) bewirtschaftet
wird. In denselben wurden nach der Säkularisation des geist-
lichen Fürstentums Salzburg auch die dem Domkapitel gehöri-
gen \\'aldungen einbezogen. Die Waldungen am Pattenberg
gehören zum Teile den dortigen Bauern, und zwar erst seit 1800.
Nach der vorausgegangenen Darstellung des Domkapitel-
schen Besitzes von Grabenstatt darf wohl angenommen werden,
daß der mitvergab te Forst an der Traun, der flußaufwärts bald
der Kultur zugeführt wurde, wie die Ortsnamen Bärengschwend,
Brand, Dickengschwend bezeugen, ursprünglich bei Maria-Eck
begonnen hat und von Norden nach Süden von Pattenberg,
Bairerschneid, Hochfelln, Hochgern, im Süden von Rechenberg,
Eisenberg und ünternberg eingeschlossen war, möglicherweise
vielleicht noch weiter hinein in die inneren, unbewohnten, von
brausenden Wasserfällen erfüllten Gebirgstäler reichte.
Im Osten der Traun wird der große Forst, welcher 1048
dem Erzstifte zugewendet wurde, nicht viele eingesprengte Sied-
lungen enthalten haben, wie denn heute noch dieses Gebiet
von ehemaligen oder noch bestehenden Mosen (Demelfilz, Weit-
mos, Helminger Filz, Surberg Mos, Mos bei Niederachen-
Schwarzenberg, Torfmos zwischen den beiden Eschenforsten),
größeren Forsten (Eschenwald, oberer und unterer Eschenforst
Forst Pechschnaitberg, Burgstallerforst, Zeller Forst, Höhen-
wald) und kleineren Gehölzen durchzogen ist.
Wir wenden uns nunmehr zur Erklärung der
quaedain res in loco Bint iuxta Enum in Sandargonae.
Am nächsten Tage nach der Ausstellung des Diploms für
das Domstift Salzburg, den 9. Juni 959 zu Rore bestätigte Kö-
nig Otto I. auf Intervention des Bischofs Michael von Regens-
burg den Mönchen von St. Emmeram ,qua8dam res quas iam
antea quidam comes nomine Uuarmunt ilHs supra annonam
sibi deputatam pro requic suae animae tradiderat in loco Riut
iuxta Enum fluvium in pago Sundargouue in comitatibus
Ratolfi, Chadalhohi, Otocarii et Sigihardi comitum cum omni-
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530
bus rebus eidem loco aspicientibns vel attinentibus id est terris
cnitis et incaltis curtilibus et edificiis pratis pascnis silvis sagi-
nationibns venationibus piscationibus portibns aquis aqaammqae
decursibns molis et molendini locis maneipiis utrinsqae sexas
parscalcbis cidalariis vectigalibus cunctisqae utensilibos ad eun-
dem locum Riut iure assignatis viis et inviis intrinsecus forinsecns
quesitis et inquirendis/^
Bei Erläuterung dieser Urkunde sind wir in noch günsti-
gerer Lage als bei jener für die Kanoniker von Salzburg^ da
einander näherstehende urbariale Aufzeichnungen über das
Objekt erhalten geblieben sind. Die Formel, das Zugehör be-
treffend, ist hier von Belang; denn zu dem Gute gehörten viele
Hüben, Wälder, Jagdbarkeiten, Fischereirechte, Urfahr, Hörige,
insbesondere Parschalken, auch Honigbezüge, wie wir sogleich
sehen werden.
Denn schon 72 Jahre später, im Jahre 1031, verfügte Abt
Burchard von St. Emmeram (1030 — 1037), derselbe, welcher
,cum manu advocati sui Eadalhohi comitis excellentissimi' mit
seinen Eigenleuten (familia quae ad Ruit pertinet), im beson-
deren mit den Hiltiscalchi,* über deren Verpflichtungen ein
Übereinkommen traf,' durch den Propst Arnold eine allgemeine
Aufnahme des Klosterbesitzes, deren vollständiger Inhalt in
einem Traditionskodex des Stiftes überliefert worden ist.*
Nach dieser Beschreibung bestanden in Reut zwei Sal-
landswirtschaften, die eine in Riuti selbst mit vier Hufen, die
andere in Könparn (Chefinpurun) mit fünf Hufen Salland; dazu
gehörten die Zehente in der ganzen Hofmark und von 20 an-
deren Hüben. Die Parschalken besaßen 76 Hüben und eine
halbe; Scafuuar^ eine Hube, der Scherge (praeco) eine, die
2 Förster (forstarii) eine, die Fischer drei Hüben. Von den
Reitern (Equites) dient jeder einen ganzen Saum (Fuhr) Wein,
6 Mut^ Hafer, 1 Mut Korn (sigalis) und ein Mut Fastmus (cu-
muli)^ von 16 Parschalken leistet jeder einen Saum Wein, 6 Mut
» Mon. Germ. DO. I, 282, Nr. 263. Original im königl. allg. Reichsarchiv
in München.
^ S. Über diese Quellen und Erörterungen I, 16, A. 4, dann 21.
* B. Pez, Anecd. nov. Thesaurus I, III, C. 77.
* a. a. O. 67—77, die Rubrik Ruiti C. 71—72.
* Quellen und Erörterungen I, 96, Emmeramer Trad. Nr. 200.
" modius minor ist wohl ein Mutl (= 5 Motzen), dann modius ein Mut
(= 30 Metzen).
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531
Hafer, 1 Mut Korn, 1 Mutl Weizen, */, MutI Lein, eine Hand-
voll Honig, ein Geschirr voll Bohnen nnd eines voll Lein, auch
haben sie Reitpferde beizustellen (et parafredos dant); von 50
ebenderselben dient jeder einen Saum Wein, 6 Mut Hafer, ein
Schaf. Zu Söchtenau (ad Sechtaha) dient eine Hufe ein Mutl
Korn und ein Mutl Weizen. Zu Buch (Pf. Prutting, ad Puoch)
reicht eine Hube ein Mut Korn. Zu Könpam haben die Eigen-
leute des Herrenhofes (servi salici) eine halbe Hufe, die leib-
eigenen Zinsbauern (mansi) 28 Hufen und eine halbe; jeder
dient einen Saum Wein, 6 Mut Hafer, 2 Mut Fastmuß, ein
Schaf, 2 Hühner, 12 Eier. Weiters gehören zum Gute sechs
Mühlen mit zwölf Gängen (rotis) und zwei mit vier Gängen.
Der Mair (villicus) hat zwei Hüben und eine halbe, der Welt-
geistliche (Clericus) eine Hube, Adalhart 2 Hüben, Baze eine
halbe. Die Leibeigenen vom Herrenhofe (servi salici) haben
eine Hube und 2 Jauchert. Summe der Haferleistung im Orte
34, sämtliche nach Ruit Zugehörige leisten 94 Weinfuhren
(Saum Wein).
Zu dem Herrenhofe Reut (erst vom 14. Jahrhunderte an
von der Bevogtxmg, welcher derselbe zuerst vonseiten der Gra-
fen, dann der Bischöfe von Regensburg und seit 1243 der Her-
zoge von Bayern unterlag, Vogtei Reut, endlich im Dialekte
Vogtareut genannt) gehörten also außer dem Sallande im Eigen-
betriebe des Klosters sicher hundert Hüben. An Ortlichkeiten
sind außer Reut genannt Buch, Pf. Prutting, Könparn, Pf. Vog-
tareut, Wollincheim.
Die zeitlich nächste Auskunft über Vogtareut gibt uns
das lateinisch und deutsch niedergeschriebene ,Recht Buech von
Vogteyreut' aus dem Jahre 1326.* Hiernach befand sich in
der Hofmark ein Amthaus ,quod vulgo dicitur Dinchause',
in welchem der Propst oder Amtmann des Abtes alle Fälle
»exceptio tribus casibus, videlicet homicidio, forto et coitu vio-
lento^ zu entscheiden hatte; dingen konnte man nur an den
Abt In allen Wäldern und auf allen Gründen stand die Jagd,
im Puchsee (Hofstätter See) und im Runsee die Fischerei dem
1 Enthalten im »Histor. Entwurf* Gb. Kl. 539 der Hof- nnd Staatsbibliothek
in München. »Vermerkt der Brobstei zu Vog^ewt Herlikait vnd ge-
schriben Becht', auch im Salbuch sec. XV, Nr. 30 der Litteralien von
St. Emmeram.
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532
Abte zu, in dessen Alleineigentum der Lüzelsee (bei Lang-
hausen) stand. An den beiden Forsten, quae vulgo der Puch-
forst et Sunderforst dieuntur, hatte der Vogt keinen Anteil;
Holzfrevel straft der Propst allein. ,Der Vogt hat ze pezzem
nach des Fürsten [Abtes] Rat, sines Probstes oder siner Ampt-
läut, doch sol der Vogt an den Vorsten darumbe dhein Recht
oder dheinen Nutz haben;' der Vogt hält zwei Taidinge: eines
bei dem ,Graz' (doch wohl im Mai), das andere bei dem ,Hae'
(Heu). Für Nachtseide gibt man ihm 9 Zarg (etwa Schäffel)
Roggen, 4 Frischling, 50 Käse und 24 /Ä für Fische; für die
Taidinge gebühren ihm als Vogtrecht zu dem Maien und im
Herbst jedesmal 15 Äf Münchner Pfennige, 105 Lämmer, 105 Zarg
Roggen und 58 Zarg Habern.
Noch im Jahre 1437 gehörten unter Vogtareut Güter in
Wiechs, Pfarre Au und in Kirchdorf, Landgericht Aibling jen-
seits des In; damals wurde die Klage eines Bürgers von Aib-
ling hierum an das Vogteigericht zu Vogtareut gewiesen.^
I>as nächste Urbar von Vogtareut stammt aus dem 15. Jahr-
hunderte und steht in dem ,alt Salpuch in Voittarreitt'.^ , Her-
nach stendt geschriben dy Rändt vnd gült der Hofmarch Vog-
tareut gehorundt zu der kirchen sand Haimeron zu Regens-
purgk^ Im ,officium interius das Innerambt' sind verzeichnet
der Mairhof oder Ambthof zu Rewt, 7 ,Watschar^ daselbst, ein
Urfar über den In, 2 Hofstätten und 6 ^/^ Hüben ebenda, dann
Hüben zu Winkel und Spulenswinkel, zu Ried und Hinter-
winkel, zu Pening, zu Forst, zu Od, zu Weichering, zu Ecken-
heim; weiters an kleinen ,aigen' oder Gütern 3 zu Eckenheim,
1 zu Weichering, das Leygebin Aigen und ,die kobler enhalb
des In^ Item der Hof zu Wiechs, der Hof zu Kirchdorf, der
Hof Zaissering, der Hof zu Rot, der Hof zu Niderwinchering,
die halbe Hub zu Weichselbaum, die 8 Mühlen (zu Au, zu
Müldorf, Enhaftzmül, Putzmül, Furtmül, Simsmül, Mül zu Zai-
ßering, Schurfens Mül), Bauer zu Stainpuech. Zwo Swaig en-
halb des Ins ,die her Fridreich von Hawtzendorf gemacht hat'.
Eine Swaig zu Weichselbaum. Der Hof zu Kemparn, wozu
folgende 10 Hüben gehören: 2 zu Viehausen, 2 zu Oberwinche-
* ,Hist. Entwurf* wie oben.
^ Litteralien von St. Emmeram Nr. 28, die ersten 18 Blätter aus dem 14.,
ab Blatt 19 aus dem 15. Jahrhunderte.
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533
ring, 3 zu Perg, 1 zu Tal, 2 zu Eck. Endlich noch V* i» Pir-
chach, ^4 2U Kemparn, ^/^ zu Wietring, 1 Watschar zu
Obemtal.
Zu jRewt dem Ausserambt' gehörten Hüben:
Zu Sulmering (Pf. Vogtareut) 2, zuPuech 2, zu Niedern-
puech und Höfstett ^g» zu Spulenstetten ^/^^ zu Graben Hohen-
steig Entleiten 1, zu Gehering, Pf. Riedering 1 7^? zu Westen-
dorf, Pf. Frasdorf Vs» z^ Walkerting, Pf. Frasdorf 2 V,, zu
Kleinholzen, Pf. Riedering 7»> zu Füßen, Pf. Riedering V^, zu
Wolkering, Pf. Prutting 2 V^, zu Ried, Pf. Prutting Vj, zu Son-
nen, Pf. Prutting 1, zu Bamham, Pf. Prutting 3 Vs» zu Prutting
3, zu Qebhartsberg 1, zu Irlach, Pf. Prutting 1, Forst am See,
Pf. Prutting 1, zu Nendlberg, Pf. Prutting 2, zu Reischach, Pf.
Prutting 2, zu Rottenstetten (Ratoltsteten), Pf. Prutting 1, zu
Langhausen, Pf. Prutting 1, zu Haidham, Pf. Prutting 2, zu
Inzenham, Pf. Prutting 1, zu Salmering, Pf. Prutting 2, zu Alt-
stein (Alchstain), Pf. Prutting ^j^, zu Schwabering (Schweibra-
ching) 2 ^l^f zu Osterfing (Otolfing) 2, zu Hasendorf, Pf. Prut-
ting 2, zu Lanting, Pf. Endorf ^s? zu Lienzing, Pf. Eggstätt
nördlich vom Chiemeee %, zu Reichheim 2 ^/^ zu Racherting.
Pf. Höslwang 1, zu Haslach, Pf. Höslwang 1, zu Rundorf (Ru-
gendorf), Pf. Höslwang V«? zu Müldorf, Pf. Höslwang 2, zu
Holzheim, Pf. Höslwang 2, zu Wölkham, Pf. Höslwang ^a» zu
Gunzenham, Pf. Höslwang 2, zu Sonnendorf (Sunderdorf), Pf.
Höslwang ^a» zu Lungham, Pf. Höslwang 1, zu Eck, Pf. Hösl-
wang 1, zu Wochlug ^2? zu Dingbüch, Pf. Söchtenau 1, zu
Stetten, Pf. Söchtenau 1, zu Söchtenau (Sechtnach) 4, zu Wil-
perting, Pf. Söchtenau 2, zu Straß, Pf. Söchtenau 1, zu Aschau,
Pf. Söchtenau 1 ^/g, zu Lampersberg, Pf. Söchtenau 3, zu Speck,
Pf. Söchtenau ^/j, zu Aichpühel, Pf. Prutting ^/g, zu Seeleiten,
Pf. Prutting Vä; zu Entberg, Pf. Prutting V,, zu Farmach, Pf.
SöUhuben V*? zu üntersee, Pf. Prutting 1, zu Leiten, Pf. Prut-
ting V«> zu Entmos, Pf. Prutting V^, zu Wall, Pf. Söllhuben 1,
zu Reipersberg, Pf. Prutting 2, zu Hölking, Pf. Prutting 2, zu
Rachelsberg, Pf. Söchtenau 2, zu Tal, Pf. Eggstätt 1, zu Knogel,
Pf. Prutting 7s- Endlich geben ,allein pfenninggilt und nichtz
von getraid' folgende Hüben: zu See, Pf. Söllhuben 1, zuPuech,
Pf. Prutting 7«; Vogleiten Vs; Holzleiten 1, Kalkgrub 1, Zais-
sering Zeentangers ^/j, zu Dobl 7«? zu Rauch im Holz 7*? alles
Pf. Prutting, zu ,Geraut' (BLreith, Pf. Riedering) 1, zu Western-
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534
dorf = Filz (Pf. Riedering) ^s» zu Prntting 7»? zu Haing ^j^,
zu Lochen ein halbes Viertel, zu Schwabering 1 Aigen, alles
Pf. Prutting, zu Kurf, Pf. Endorf 1 Aigen, zu Lanting, Pf. En-
dorf ^2 Hub, zu Goldenhausen ^j, zu Qebhartsberg 1 Gereut,
zu Prutting 1 Aigen, zu Lanting Osterman von 1 Aigen, Stocker
von 1 Aigen.
In Grölking, Pf. Prutting und in Westemdorf gab je eine
Hub ,Werchpfenning' zu St. Emmerams Tag. Folgende Hüben
gaben allein Münchner Pfenning: zu Rögling, Pf. SöUhub 1, zu
Wurmsdorf, Pf. SöUhuben 7«; zu Högering, Pf. Riedering 1 Aigen,
zu Lanting 1 Lehen, zu ,Rewchhaim' ein Acker, zu Weisham,
Pf. Eggstätt ein Viertellehen, zu Prutting ein halbes Lehen, zu
Höhensteig, Gehering und Rosenheim (Schloßberg), alles Pf.
Riedering je ein Acker. Folgende Hüben gaben Münchner
Pfenning ,dy do haisen Eysenpfenning': zu Sonnen (Sunden),
Pf. Prutting 1, zu Gragling, Pf. Riedering, zu Graben Höhen-
steig Entleiten, Pf. Riedering 1, zu Öden daselbst ^/j, zu Spieln,
Pf. Prutting Vi-
Unveränderte Bilder zeigen das Rent- und Giltbueh von
Vogtareut sec. XV,^ das Zins- und Giltregister vom Jahre 1482*
und das Salbuch, verfaßt vom Propst Georg Labermayr im
Jahre 1545.»
Die Propstei konnte ziemlich geschlossen genannt werden;
denn man darf nicht übersehen, daß, wie in Oberösterreich, so
auch in Bayern größere Dörfer nicht häufig und das Land mit
Einöden (Einschichten) und Weilern übersät ist, welch letztere
als Ortschaften angesehen werden, sobald sie auch nur aus zwei
selbständigen Wirtschaften bestehen. Viele solcher Weiler
waren in ihrer Gänze der Klosterherrschaft unterworfen. Ihr
Gebiet reichte von der Mündung der Murn, nahezu gegenüber
dem vormaligen Kloster Rott, am rechten Ufer des In hinauf
bis zur Einmündung des aus dem Simmsee kommenden Sims-
baches, diesen aufwärts mit einer Biegung um Reigering und
Waidering nach Langhausen, den sumpfartigen Lüzelsee ein-
schließend, an den Höhen, welche den Simmsee im Norden be-
gleiten, durch die Pfarren Prutting und Schwabering gegen
* Litteralien Nr. 32. " Litteralien Nr. 33.
' Litieralien Nr. 28. Es sei angemerkt, daß laut Verzeichnisses (Littera-
lien Nr. 34) im Jahre 1641 im Vogteigerichte noch 415 leibeigene Per-
sonen waren, darunter 26 in der Hofinark.
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535
Endorf, dieses umkreisend, und Eggstätt zu, während nord-
wärts der westliche Teil der Pfarre Höslwang den Abschluß
bildete. Weisham und Linzing bei Gellenshausen (nicht weit
vom nördlichen Chiemseeufer) in der Pfarre Eggstätt waren die
östlichsten Punkte.
Das südlich in der Pfarre Rordorf gelegene Lauterbach
gehörte nicht nach St. Emmeram; die Klostervogtei Lauterbach
war Ober-Lauterbach, Landgericht Schrobenhausen, deren größ-
ten Teil schon 821 Abt Sigifrid nach St. Emmeram vergabt
hatte.^
Nur einen einzigen späteren Zuwachs, jenseits des In,
hebt das Urbar des 15. Jahrhunderts hervor, daher es wohl
kein Wagnis ist, den ganzen übrigen Bestand auf die ursprüng-
liche Stiftung des Grafen Warmund zurückzudatieren.
Bevor wir versuchen, die Grafschaft Otakars ausfindig zu
machen und deren Umfang zu konstruieren, hat
eine Darstellung der Bildung der Orafsehaften
im Chiemgau
vorauszugehen; denn die einzelnen Grafschaften sind entstan-
den und wieder geschwunden, wurden geteilt oder vereinigt,
das Bild wechselt in den einzelnen Zeiträumen.
Krones* glaubt, aus dem Umstände, daß König Otto im
Jahre 959 die quaedam res in Riute als im Sundergau gelegen
bezeichnet, schließen zu dürfen, daß Graf Otakar auch eine
Grafschaft im Sundergau besessen habe, und meint, daß der
Einwand, man dürfe in jener Urkunde beim Sundergau auch
an den benachbarten Chiemgau als hier einbezogenes Glied
eines größeren landschaftlichen Ganzen denken, umso gewagter
wäre, da in der Urkunde die Grafen Otakar und Sigihard in
Gesellschaft ganz anderer Ranggenossen, eines Ratolf und Cha-
dalhoch, auftreten. Diese seine Bemerkung soll sofort sachlich
beantwortet werden, während seine weitere Äußerung: ,und
ebenso unberechtigt wäre die Ansicht, daß die Otakare nicht
* Mit den Kirchen Pöbenhausen und Rokkolding. B. Pez, Anecd. Thes. I,
in, C. 8. Die beiden anderen Yogteigerichte Emmerams waren Forst
Inning nnd Lüzellohe in den Landgerichten Ebersberg and Kastl. Vgl.
den über feudalis der Äbte Erasmos und Ambrosius sec. 15./ 16.
^ Die Markgrafen von Steier a. a. O. 175, 176.
ArchiT. M. Band. U. B&lfte. 36
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536
schon 959 an der oberen Traun im Traungau denkbar seien,
daß man somit sehe, die Behauptung, der Cbiemgau sei aus-
schließlich Heimat und Ursitz der Otakare, leide mindestens
an Einseitigkeit, und man dürfte gut tun, jener alten und
gewiß nicht aus der Luft gegriffenen Tradition, welche die
Stiraburg und das Gebiet an der Steier mit den Anfängen
unserer Otakare verknüpft, unbefangen nachzugehen', ihre Wider-
legung durch die weiteren Erörterungen findet. Daß die Wider-
legung so spät erfolgt, daran ist eben der Mangel an Unbe-
fangenheit und Voraussetzungslosigkeit schuld gewesen.
Der Begriff Chiemgau reichte bis an den In, wie aus dem
Indiculus Arnonis hervorgeht, welcher unter den in Salzburgave
et Chimingave pagibus gelegenen Kirchen Kußdorf, Roßholzen
südöstlich von Neubeuern, Beuern, Rohrdorf, Lauterbach, Höhen-
mos, Riedering, Sims am In, gegenüber von Rosenheim auf-
zählt;^ ,die beste und, wie es scheint, auch formell möglichst
getreue* Handschrift B des Congestum aus der Mitte des
12. Jahrhunderts* hat ,in pago Sundergov villa nuncupante
Opinga',* also ©hing, welches in gerader Richtung zwischen
dem nördlichen Chiemseestrande und dem Pfarrdorfe Schnaitsee,
das 950, 16. Juli,* im Eomitate Sighards liegt, welches Eomitat
nach der Königsurkunde 946, 21. Juli, ,in pago Chiemihgovae'
begriffen wird,^ wogegen im Codex Odalberti 931, 6. Februar,
die Zugehörigkeit des Mörntales nächst dem Forste Heit (Eigel-
wald) in der Pfarre Engelsberg zum Chiemgau bezeugt ist.^
Krones hat in seiner Befriedigung über die ihm für sein
Unternehmen dienlich scheinende Gaubezeichnung nicht nur die
voraufgeführten Belege übersehen, sondern überhaupt den schon
von Riezler' betonten Umstand, daß Bayern ursprünglich nur aus
wenigen großen Gauen bestand, aus welchen wieder die kleineren
durch Teilung abgezweigt wurden. Der alte Sundergau begriff
den Chiemgau in sich und deshalb konnte, was der Chiemgau
^ Salzburgisches Urkundenbuch I, 11, 12.
» a. a. O. I, 3.
• a. a. O. I, 6, Anm. f.
* M. G. D. O. I, 126.
» a. a. O. I, 168.
^ Salzburgisches Urkundenbach I, 146. Als erste Zeugen Sigihart et frater
eius Nordperht (die Grafen).
' Geschichte Bayerns I, 842.
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537
enthielt, auch dem Sundergau zugerechnet werden, zumal in
der Gegend am In.*
Zur Gewinnung einer
Übersieht der im Cliiemgau entstandenen Orafsehaften
beginnen wir am zweckmäßigsten mit den urkundlichen Daten,
welche uns hauptsächlich die salzburgischen TraditionsbUcher
bieten.
Im Eomitate Folkrads lagen 92ö die Dörfer Roitham
und Ischl der Pfarre Seon, 933 die Ortschaft Reichertsheim der
Pfarre Schnaitsee (Landgericht Wasserburg);* im Eomitate
Gerhochs 923 Mosham, Pfarre Palling (gegen Heiligenkreuz
bei Trostberg zu), ca. 928 Holzhausen Pfarrei Kay (südlich
von Kay, nordösthch von Törring), 933 Megling Pfarrei Trost-
berg (südwestlich von Trostberg).*
Da Schnaitsee nordöstlich von Reichertsheim liegt und
950 zum Komitate Sighards gerechnet wird, so muß die Graf-
schaft Folkrads späterhin in jener Sighards aufgegangen sein.
Die Grafschaft Sighards reichte im Westen in der
Richtung von Vogtareut, dessen Besitz zum Teile zur Graf-
schaft gehörte. 907* gehörte Salzburghofen ,in pago Salz-
purkgovve dicto^ zum Komitate Sighards, des mutmaßlichen
Großvaters des erwähnten Sighard.
Dagegen zählte 925 die nächste Umgebung von Salzburg-
hofen: Perach, Lohen, Aumühle an der Salach zum Komitate
Engelberts, welchen Richter* für den Sohn Sighards I. hält;
in diesem Komitate lagen auch: 927 Schügen an der Sur, 930
Lengfelden und Puch am östlichen Salzachufer.®
948, 8. Juni,' befindet sich aber der dem Erzbischof
Herold verliehene Königshof zu Salzburghofen ,in comitatu
Reginberti^, dessen Grafschaft 927® auch Hörbsdorf (Heri-
gozesdorf, das nicht mit Molberting identifiziert werden kann),
^ Die KalBerurkunde 1021 (s. S. 544) rechnet auch Reut zum Chiemgau.
' Salzburgisches Urkundenbuch I, 72, 136.
' a.a.0.111, 117, 156. Bezüglich Holzhausen Differenz mit Richter, der
es bei Teisendorf sucht
* JuYavia Dipl. Anhang Nr. 59.
* Untersuchungen a. a. O. 630.
* Salzburgisches Urkundenbuch I, 121, 104, 141.
' M. G. D. O. I, 118.
^ Salzburgisches Urkundenbuch I, 104, 110, 111.
36*
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538
Neunling, Oiging, Erlstätt, Hamhansen^ Mühlen, Achsdorf, Buch-
ung, alle westlich von der Traun, dann Sigiperhtingon sowie
Nordperhtesdorf^ umfaßte. Sollten die Identifikationen der
beiden letztgenannten Orte mit Selberting, Pfarre Otting, und
mit Molberting an der roten Traun Pfarrei Siegsdorf, richtig
sein, dann würde sich die Grafschaft Reginberts vom linken
Ufer der Salzach ununterbrochen an das östliche Gestade des
Chiemsees erstreckt und als breiter Riegel zwischen dem Komi-
tate Sighards im Norden und dem südlicher gelegenen Komi-
tate vorgeschoben haben.
Graf Sighard (comes Sizo) erwarb sich vom Erzbischof
Dietmar (1025 — 1041) gegen Hingabe von Besitz in Trundorf
(Traundorf, südlich von Traunstein) das Gut Langbürgen an
dem kleinen See gleichen Namens (Gemeinde Breitbrunn, Pfarre
Eggstätt) mit Fischereirecht und SchiflFstation. Er hatte den
Tausch angestrebt, augenscheinlich deshalb, weil das einge-
tauschte Objekt innerhalb seines Komitates lag.^
Die Grafschaft Wilhelms begriff in sich: 963 Schönram
an der großen Sur, Pfarre Peting,^ 973 eine Saline ,quod vulgo
Hai vocant in pago Salzburggeuue et in comitatu Vuillihelmi
comitis sitam', demnach das heutige Reichenhall,^ dann ca. 976
Teisendorf.^
Zur Grafschaft Hartwichs gehörten 963 Wintermoning
Pfarre Otting, Meggental, dann Holzhausen in der Pfarre Kay
bei Titmoning.^ Tettenhausen am Wagingersee wird ca. 976
dem Komitate ad Torringun, d. i. Törring, zwischen Tengling
und Titmoning zugewiesen,^ unter welchem nichts anderes als
die Grafschaft Hartwichs verstanden werden kann, wogegen
^ Salzburgisches Urkundenbuch I, 104. Das in der St. Emmeramer Tra-
ditionsnotiz ca. 1185 (Quellen und Erörterungen zur deutschen und
bayrischen Geschichte I, 323) vorkommende Nortprehtingen ist das
heutige Noppling; daher die Verwandlung des Anlautes Nord in Mol
doch starkem Bedenken unterliegt.
* Salzburgisches Urkundenbuch I, 211.
. ^ a. a. O. 170. Identifikation nach Richter, Untersuchungen 641 gegen
Hauthaler, dessen Schaubern yiel zu weit im Osten liegt und sicherlich
der Grafschaft Hartwigs zuständig war.
* M. G. D. O. I, 684.
* Salzburgisches Urkundenbuch I, 179.
* a. a. O. 168.
' a. a. O. 179.
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539
zu gleicher Zeit das benachbarte Dorf Eünhaasen (Chindahasa)
schon dem comitatns Crapnastat^ also jenem Eomitate, in wel-
chem Grabenstatt gelegen war, zugerechnet wird.
Zur Ergänzung wird beigefügt, daß ein Otachar als erster
Zeuge, daher wahrscheinlich der Graf, um das Jahr 925 zu
Taur (westlich von Niederaschau, wie Hauthaler sicherlich
richtig vermutet) ein Tauschgeschäft des edlen Francho bezeugt,
welcher fUr Eingabe eines Eigens in Haselbach sein Lehen in
PfÜnzen am In lebenslang zu eigen erhält,^ bekräftigt, weiters
daß 976, 25. April,* Sigihart comes, Otachar comes die Tradi-
tion der Eigengüter des Archidiakons Rihheri in den Orten
Himminga, Cheminata, Engilhartesheima (von Eoch-Sternfeld,
Zillner, Egger — wie mir scheint, richtig — auf Chieming am
Oststrande des Chiemsees, Eemating Pfarre Salzburghofen, und
Engertsham bei Trostberg gedeutet) bezeugen.
Nachdem Graf Sizo^ seinen Grundbesitz in Traundorf
aufgegeben hatte, finden wir doch noch in der Schenkungs-
urkunde Kaiser Heinrichs IV. vom 9. April 1048 fftr das Erz-
stift Salzburg die Familie der Sigharde am Rande oder in-
mitten des großen Traunforstes begütert; denn die Vergabung
erfolgte — wie es in dem Diplome heißt — unter Zustimmung
der Anrainer, und zwar des Grafen Otachar selbst, der Frau
Pilhilde, Witwe des Grafen Sizo, und ihrer zwei Söhne Sig-
hard und Friedrich, dann der Frau Judit und ihrer Söhne
Sighard, Engelbert, Marchward und Meginhard.*
Die Otakare hielten noch lange ererbtes Gut in Zeidlarn
in der Pfarre Halsbach an der Grenze des Chiemgaues fest,
von welchem noch Markgraf Otakar (f 31. Dezember 1164),
der vorletzte seines Stammes, einen Hof (,de patrimonio nostro
Cidelarn dictum') dem Domkapitel Salzburg übergab.
Schon früher hatte die Markgräfin Chunegund auf ihren
und ihres Gatten unbeerbten Todesfall einen Hof ,in loco qui
vocatur Cidelarn' dahin vermacht.^
* a. a. O. 127.
« a. a. O. 177.
' t ^- Juli 1044 in der Schlacht gegen die Ungarn?
* Vor 1041 bezeugt Sigihart comes den Tausch Erzbischofs Dietmar mit
dem Kleriker Gerhoh (a. a. O. I, 227). Die duo comites Sizo kommen
um dieselbe Zeit vor.
' Urkunden (1161, 24. Dezember) und 1162, 25. August, dann notitia im
Steiermärkischen Urkundenbuch I, 418, 429, 434; Salzbur^isches Ur-
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540
Erst nach allen diesen Erörterungen sind wir in die Lage
versetzt; die Grafschaft der Otakare im Chiemgau, deren Um-
fang und beiläufige Markungen ausfindig zu machen.
Die Grafschaft der Sigharde dehnte sich im Norden des
jbayrischen Meeres^ aus, unbestritten mindestens von der Alz
bis über Schnaitsee im Norden und dem Langbürgner See im
Südwesten. Im Südosten stieß sie noch gegen Ende des ersten
Drittels des 10. Jahrhunderts an das Eomitat des Grafen
Reginbert, das sich von der Salzachmündung über Hörbsdorf
an der Traun zum Ostufer des Chiemsees erstreckte und die
allernächste Umgebung von Grabenstätt umfaßte; der große
Forst des Jahres 1048, soweit er zwischen dem Weidachbache,
dem Wagingersee und dem Surberg bestanden war, muß einen
Teil dieses Komitates gebildet haben.
Im Jahre 959 ist dieses letztere verschwunden, denn
es wird in dem Diplome König Ottos nicht erwähnt, obwohl
die quaedam res in loco Grabenstat gerade mit dem bedeutend-
sten Flächenraume ihm angehört haben müßten; statt Regin-
berts erscheinen die Grafen Otakar, Sighard und Wilhelm. Es
ist daher nicht zu zweifeln, daß die Grafschaft Reginberts in
der Zwischenzeit aufgelöst und unter den gedachten drei Grafen
aufgeteilt wurde ; das gemeinsame Auftreten der Grafen Sighard
und Otakar in der Tradition Rihnis im Jahre 976,* die Kie-
ming und Kematen betraf, ist ein deutlicher Fingerzeig, daß
nunmehr ihre Komitate zwischen Traun und Chiemsee unmittel-
bar aneinander grenzten. Die gegenseitige Markung mag sich
beiläufig von der Einmündung des Rettenbaches in die Traun •
hinüber nach Kieming gestreckt haben ; denn der ganze große
Forst östlich der Traun in den Grenzen des Jahres 1048 hat
zweifellos schon damals zur Grafschaft Otakars (mit dem
Gerichtssitze in Grabenstatt) gehört, weil sonst nicht um 976
Künhausen am Südostufer des Wagingersees zum comitatus
Crapnastat hätte gezählt werden können.^
kundenbnch I, 636. Hauthaler meint Gidelarn auf Zeidlarn bei Leibnitz
in Steiermark denten zu sollen, jedoch ohne genüg^enden Grund. Zu
Zeidlarn hatten auch der Vogt Friedrich von Perge und seine Gattin Agnes
Besitz; sie überließen Gapellam Zeidlarn samt dem Berge 1181 an das
Kloster Raitenhaslach. Mon. Boic III) 115.
^ Vgl. S. 639.
' Siehe die Richtersche historische Karte in den Untersuchungen.
» Vgl. S. 639.
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541
Graf Reginbert und seine Familie sind plötzlich ver-
schwunden ; da er Vogt des Erzstiftes in allen Gauen war^ darf
wohl angenommen werden^ daß er treuer Anhänger des Salz-
burger Metropoliten Herold gewesen ist und sich an dem Auf-
stande desselben beteiligt hat. Das erklärt dann alles. Wurde
der Ik*zbiscbof geblendet^ so wird Herzog Heinrich mit Regin-
bert, falls derselbe nicht auf dem Schlachtfelde blieb, noch
weniger Umstände gemacht und seine Grafschaft treugebliebenen
Grafen, als welche wir uns die drei zu denken haben, zuge-
wendet haben (956).^
War der Traunforst im Jahre 959 bereits dem Komitate
Otakars zuständig, dann verbleibt fUr das Komitat Wilhelms
nur der Forst westlich der weißen oder Seetraun, über
welchen auf Seite 528 gehandelt worden ist.
Festzustellen kommt nun die Westgrenze der Otakarischen
Grafschaft.
Das Propstgericht Vogtareut lag in seiner Hauptmasse —
denn die paar vereinzelten und bedeutungslosen Stücke in den
Pfarren SöUhuben und Frasdorf können nicht in Betracht
kommen — längs des rechten Inufers zwischen der Murn und
dem Simsbache und streckte sich ostwärts hinüber in die Pfarren
Söchtenau, Höslwang und Eggstätt. Die Güter in den beiden
letztgenannten Pfarren sind allem VorangefUhrten nach der
Grafschaft Sighards zuzuweisen, während Vogtareut, die Hof-
mark selbst und die anstoßende östliche Gegend aller Wahr-
scheinlichkeit nach dem Komitate des Grafen Kadalhoch zu-
gehörte. •
Für diese letztere Annahme spricht die Tatsache, daß im
Jahre 1031 ein Graf Kadalhoch als Vogt des Abtes Burchard
von St. Emmeram (1030 — 1037) bei seiner Vereinbarung
mit den Eigenleuten von Vogtareut auftritt (vgl. S. 530).
Wie dieser Kadalhoch kaum ein anderer ist als jener Graf
Kadalhoch, dessen Komitat im Forste Heit durch den Mörn-
bach im Jahre 1027 von jenem des vielgenannten Grafen
jOzinus' geschieden wird, daher im Westen der Mörn sich aus-
dehnt, so darf der Kadalhoch unserer Urkunde mit dem Grafen
gleichen Namens im südlichen Isengau* identifiziert werden.
^ Vgl. Riezler, Geschichte Bayerns I, 348 ff. Hierzu stimmt, daß Schönram
bereits 963 zur Grafschaft Wilhelms gezählt wird.
« M. G. D. O. I, 207.
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542
Die Vogtei übte er wohl als Nachkomme des Stifters Grafen
Warmund in männlicher oder weiblicher Linie, wie denn das
Totenbuch des Klosters St. Emmeram denselben als comes de
Raeut,^ der Grabstein gar als Grafen von Wasserburg be-
zeichnet, immerhin aber in jene Gegend verweist, über welche
die nachmaligen Hallgrafen geboten.
Über einen Teil von Vogtareut reichte die Grafschaft
Otakars. Es wird zutreffen, wenn wir hierfür den Landstrich
zwischen dem Simsbach, dem Simmsee einerseits, dann dem
Hofstätter- und dem Runsee andererseits annehmen; östlich in
der Pfarre Endorf dürften die Komitate Otakars und Sighards
zusammengestoßen haben.
Selbstverständlich können alle diese Grenzbestimmnngen
nur ungefähre sein; sie dürften gleichwohl nicht unbefriedi-
gend lauten, wenn berücksichtigt wird, daß seit Ausstellung der
Urkunden neun Jahrhunderte und noch ein halbes dazu ver-
laufen sind und der Urkundentext nicht den geringsten An-
haltspunkt geboten hat.
Dem Komitate Ratolts müssen die Besitzungen jenseits
des In, Aibling zu, angehört haben. Eine Vermutung über die
Zugehörigkeit dieses Grafen zu äußern, wäre verfrüht; dazu
ist die Zeit gekommen, wenn der historische Atlas von Bayern
in den Zusammenhang der Geschlechter und ihren Zug nach
Osten voraussichtlich wird Licht gebracht haben.*
Der Graf Otakar der Königsurkunden des Jahres 959
übte demnach Grafengewalt im ganzen südlichen Chiem-
gau, von Künhausen am Ostufer des Wagingersees an-
gefangen bis hinüber an das rechte Stromufer des
reißenden In, vom Hofstätter- und Runsee und von
dem Chiemseestrande bei Rimsting und Kieming bis
an die ragenden Tirolerberge.
Otakar hat bald nach dem Jahre 976 das Leben ver-
lassen, denn er wird in der Bestätigung, welche Kaiser Otto H.
auf Bitte des Bischofs Wolfgang und des Abtes Ramwold am
IL Oktober 980 zu Tribur den Mönchen von St. Emmeram
» Mon. Boic. XIV, 386.
' Deshalb hat auch J. Egg^er in seiner Schrift ^Das Aribonenhauü* (Archiv
für österr. Gesch. LXXXIII, 886 ff.), deren hoher Wert erst noch richtig
einzuschätzen ist, die Au&tellung von Stammbäumen unterlassen.
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543
über die quasdam res in loco Riut iuxta Enum flavinm in pago
Sandargonae ausstellte/ nicht mehr genannt. Vogtarent liegt
nach diesem Diplom ,in comitatibus Arnnlfi, Hartwici,
Sigihardiy item Arnulfi comitom^
Aach Graf Kadalhoch ist verschwunden;* seine Stelle
nimmt offenbar Hartwich ein. Dieser hat eine Grafschaft im
südlichen Isengau und westlich vom In^ in welcher Richtung
auch das Amtsgebiet des älteren Kadalhoch von 959 zu ver-
muten und jenes des jüngeren von 1027 sich befand.'
Graf Sighard und sein Eomitat sind uns bekannt. Der
an letzter Stelle, wohl wegen der geringen Bedeutung des in
seinem Eomitate befindlichen Elosterbesitzes genannte zweite
Graf Arnulf ist kaum ein anderer als der Amtsnachfolger des
Ratolt jenseits des In um Bosenheim und Aibling.
In dem erstgenannten Arnulf dagegen haben wir zweifel-
los den Nachfolger Otakars im Grafenamte, und zwar
sicherlich seinen Sohn zu erkennen.
Jenen, welche das Geleise des Vorauer Fragmentes und
der genealogischen Skribenten innehielten, wird es auffallen,
daß im Hause der Otakare plötzlich ein anderer Name ein-
dringt; der Name Arnulf war in jener Zeit nicht selten und
wird durch eine Versippung, die ich wenigstens im Augenblicke
nicht nachweisen kann, in die Familie gelangt sein und die
gewohnte Reihenfolge der Träger des Namens Otakar zum
ersten Male durchbrochen haben.
Graf Arnulf kommt kein zweitesmal vor, daher die Ver-
mutung gerechtfertigt ist, daß er bei seinem frühzeitigen Hin-
scheiden seinen Sohn als unmündiges Kind hinterlassen habe;
denn nicht eher als im Jahre 1048 kommt dieser letzte chiem-
gauische Graf Otakar vor, welcher damals bereits in vorge-
rückterem Alter stand, weil er, wie wir sehen werden, bei
seinem Tode zwei Söhne zurückgelassen hat, von denen mindestens
der eine, der ihm in der Markgrafschaft nachfolgte, volljährig
gewesen sein muß. Während der Minderjährigkeit Otakars trat an
der Westgrenze der Grafschaft eine Veränderung ein; denn Kaiser
1 M. G. D. O. I, 268, Nr. 230.
* Er war schon ca. 976 tot (^beatissime memorie*). Salzburgüches Ur-
kundenbach I, 180.
' Egger, a. a. O. 408, 426, auf dessen genealogische Ausführungen einzu-
gehen yerfrüht ist.
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544
Heinrich II. bezeichnet in seiner Bestätigung, ddo. Köln, 1021,
3. Jali,^ die curtis Rnitte in pago Chimengonne' in comi-
tatu Paponis comitis sitam. Hiernach maß die Markang
mindestens über den Simsee zurückgewichen sein, zugleich
aber auch das Komitat der Sigharde nördlich vom Chiemsee
Einbuße erlitten haben, und zwar nicht vorübergehend, sondern
dauernd, da König Heinrich IV. die Abtei Chiemsee zu dem
Komitate Babos zählt.^ E^ ist die Vermutung erlaubt, daß
Pabo vielleicht durch Heirat mit einer Tochter Arnulfs eine
Abteilung des Komitats erlangt hat, die er mit seiner eigenen
Grafschaft im Norden des Chiemsees vereinigte; Egger zählt
die beiden Pabo der Familie der Stifter des Klosters Rot zu.*
Ein solcher Übergang kann nicht befremden, da nach bayri-
schem Rechte von jeher Töchter mit Grundbesitz ausgestattet,
größere Grafschaften in kleinere zerteilt, diese aber wieder
aufgeerbt oder an andere Geschlechter hindangegeben wurden.^
Dann wäre der Übergang mancher Teilgrafschaften er-
klärt, so im besonderen an Kuno von Megling-Frontenhausen,
den Vater der Stifterin des Klosters Baumburg, Adelheid,
nacheinander Gemahlin Markwards IL von Markwartstein, des
jvielreichcn' Grafen Ulrich von Passau und des Grafen Berengar
von Sulzbach. Durch Uta, die Tochter Adelheids aus zweiter
Ehe, welche mit dem kärtnerischen Grafen Engelbert vermählt
war, gelangte die Herrschaft Marquartstein an die Spanheimer,
welche von den großmütterlichen Erbgütern sich von Kraiburg
und Marquartstein nannten.^
» M. G. D. O. in, 563.
' Statt des Mheren AuBdruckes: im Sunder^au.
• 1062, 12. Dezember, Eegensburg. König Heinrich verleiht dem Erz-
bischof Gebhard von Salzburg ,quandam nostri iuris abbatiam Kiemisse
dictam, in pago autem EiemigoYwe et in comitatu Babonis comitis
sitam'. Mon. Boic. XXX, a, 163.
* a. a. O. 428.
' Der jüngere Babo ist vielleicht jener Pabo com es in Cidlaresgoue,
welchen mit seinen zwei Hausfrauen Juta und Irmingart das ziemlich
konfuse Sepulturen Verzeichnis des Klosters Raitenshaslach zum Jahre
1155 anmerkt. Mon. Boic. lU, 216.
' Vgl. die historia fundationis monasterii Baumburgensis ex cod. sec XH,
in Mon. Boic. H, 173—179. Witte in Mitt des Inst, für österr. Geschichts-
forschung, Ergänz.-Bd. V, 374, Anm. 1, glaubt nicht an diese Identität,
weil die Stellung des Marquartsteiners eine zu wenig angesehene ge-
wesen sei ; allein einerseits wird Marquard fast nie erwähnt und ein ,ab-
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545
Marqnartstein war das Mittel- und Hauptstttck der
Grafschaft der Otakare; kurz nach ihrem Verschwinden ans
dem Chiemgan (nach 1050) treffen wir in der Innehabnng
dieser Herrschaft den älteren Markward, in welchem wir wohl
ohne Wagnis den in der Urkunde 1048 erwähnten Sohn des
verstorbenen Grafen Sighard und seiner Gattin Judit erkennen
dürfen;^ sie kann an ihn füglich nur durch eine Transaktion
mit den Otakaren gelangt sein^ gleichwie die Grafschaft Babos
im Norden des Sees eine Vergrößerung auf Kosten der Nach-
kommen des anderen Grafen Sighard erfahren hat. Die come-
tissa Adelheid konnte um das Jahr 1095' für das Seelenheil
ihres Mannes Marquard in Hörgering, Pfarre Siegsdorf^ im
Osten, dann prope lacum Sinse im äußersten Westen Liegen-
schaften an die Kirche Baumburg vergaben.^
In welcher Art die Ostseite des Komitates der Otakare
und die Grafschaft Wilhelms und seines Sohnes Liutolt ' an die
Plaien gediehen ist, entzieht sich noch immer völlig unserer
Kenntnis. Was Frieß in seiner im übrigen gediegenen Geschichte
des Nonnenklosters Traunkirchen^ über das angebliche Komitat
der Liutolde im Salzkammergute und die Stiftung des Klosters
durch sie bloß auf Grund eines erst im 15. Jahrhunderte an-
gelegten Totenbuches, das noch dazu nicht im Original, son-
dern in einer unbeglaubigten modernen Abschrift vorliegt, kon-
jekturiert hat, muß als eine phantastische Verirrung bezeichnet
werden, die keiner auch nur oberflächlichen Kritik standhält,
weil sie jeder urkundlichen Stütze entbehrt.
Die beigegebene Kartenskizze hat den Zweck, die voran-
gegangene Darstellung der Grafschaftsgebiete zwischen dem In
und der Salzach zu veranschaulichen, soweit dies möglich ist.
geteilter' Qrafensohn mit drei Brüdern konnte wohl nur durch eine
entsprechende yerBchwägemng> zu einiger Macht gelangen. Daa Haus
der Sigharde hatte eine zu zahlreiche Nachkommenschaft, als daß es
möglich gewesen wäre, alle Söhne gleichmäßig auszustatten.
^ Diese Gräfin Judit ist wohl dieselbe, welche mit ihrem Gemahl (qui-
dam comes Sizo) die Kirche zu Baumburg erbaut hatte (Mon. Boic. ni, 3)
und dahin ihren Besitz ,in predicto loco* vergabte. Markward (II.) er-
scheint auch im Nekrolog von Baumburg (Marcward de Marquardstein
fundator. Non. Dez. Mon. Boic. II, 268, M. G. Necr. II, 254).
« Mon. Boic. II, 4.
' Salzburgisches Urkundenbuch I, 168.
* Archiv für österr. Gesch. LXXXU, 187—203.
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546
ohne Grenzen; die ja in den meisten Fällen auf willkürlichen
Annahmen berahen würden^ eingezeichnet zu haben, und zu-
gleich zur Erläuterung der nun folgenden AusftLhrungen über
den vielgenannten
Grafen Ozinus
und dessen Eomitat zu dienen.
Der letzte Otakar, welchen die Kaiserurkunde vom
9. April 1048 den Grafen des Forstgebietes zwischen der
Traun, der Sur und dem Wagingersee nennt, wurde bisher mit
jenem Grafen Ozinus identifiziert, in dessen Komitate zum
Teile der Forst Heit lag, welchen Kaiser Chxmrad 1027,
5. Juli,^ dem Erzstifte Salzburg verlieh, welche Schenkung sein
Sohn Kaiser Heinrich III. 1049, 13. Februar* bestätigte.
Die Stelle hat in beiden Urkunden gleichen Wortlaut:
,forestum Heit nominatum ubi aqua merina idem forestum per-
fluit ac sie in sursum per eandem aquam in comitatu autem
Chadalhohi et Ozini situm^
Die Merina ist der Mömbach, welcher heutzutage bei
Osternberg (im Bezirke des Amtsgerichtes Altöting) aufgeht
und bei Neuöting in den In fließt, in früheren Zeiten aber
wohl gegen Maisenberg (Pfarre Engelsdorf, Amtsgericht Mtihl-
dorf) zu den Ursprung genommen haben dürfte. Der Eigel-
wald zwischen Ober-Neukirchen und Maisenberg stellt wahr-
scheinlich den Rest des Forstes dar. Der Eigelwald unserer
Tage lag schon im Komitate Kadalhochs im Isengau, da die
Mörn, welche etwas östlicher läuft, sicherlich die Grafschaften-
grenze gebildet hat und auch bis in das vergangene Jahr-
hundert die Grenze des Landgerichtes Mermosen geblieben ist.**
Ozinus ist nur die latinisierte Form des Namens Ozi,
weshalb sämtliche Forscher, welche bisher die steirischen Ota-
kare zum Gegenstande ihrer Betrachtung gemacht haben, in
dem Ozinus von 1027 und 1049 den Otakar von 1048 be-
* Juvavia dipl., Anhang S. 218; Mon. Boic. XXIXa, 22.
« a. a. O. 234.
• Apian, Topographie im Oberbayrischen Archiv IV, 283 — 284 : ,prefectiira
Mermosensis . . reliquis lateribus amne Mörna dicto a Trostbergensi et
Otingensi prefecturia separatar'. Peterskirchen und Moem yiUa, cir-
cum quam fontes amnis Meme scaturiunt waren die südlichsten Orte
des Gerichtes.
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547
grüßten, and zwar nmso williger, als dnrch diese Annahme der
letztere Otakar durch 22 Jahre hindurch urkundlich beglaubigt
erschien. Selbst Egger ^ schloß sich dieser Meinung ohne-
weiters an und glaubte sogar, den Grafen Otakar im Jahre
1051 unter dem Namen Ouzzo als Grafen im Zeidlargau wieder
zu treffen, obwohl jeder deutsche Sprachforscher ihm hätte sagen
können, daß Ouzo unbedingt die Kurzform für Udalrich sei.^
Auf Seite 517 — 521 wurde der Nachweis geführt, daß eine
urkundliche Gleichstellung der Namen Ozi und Otakar nicht
ermöglicht, ja nach einigen Aufschreibungen sogar ausgeschlossen
sei nnd daß die gegenwärtig der Sprachforschung zu Gebote
stehenden Erfahrungen die Ableitung des Namens Ozi von
Otachar nicht erkennen lassen, endlich daß die eigentliche
Namensform Ozi in ebenso früher Zeit wie die Formen Audo-
wachar und Otachar beglaubigt seien.
An dem Wahne, der Graf Ozi sei ein Graf Otachar, wird
nunmehr auch der hartnäckigste Anhänger der Vorauer Tradi-
tion fiirderhin nicht mehr festhalten können.
Wer ist aber dann dieser Graf Ozi gewesen, der unfrei-
willig in der Geschichte so viele Verwirrung angestiftet hat?
Wir werden daher versuchen, sein Visier zu öffnen und ihm
in das Gesicht zu blicken. Vorerst kommt zu bemerken, daß
die beiden Urkunden von 1027 und 1049 zwar in den Salz-
burger Kammerbüchern (Band I, Fol. 80—81' und 84'— 85)»
eingetragen sind, jedoch nur das Original der ersten im k. bayr.
allgem. Reichsarchive in München erhalten ist. Sowohl in den
Kammerbüchern als anch im erhaltenen Originale ist ,Ozini^
geschrieben. Da die erste Urkunde der zweiten zur Vorlage
diente nnd letztere den gleichen Wortlaut zeigt, so ist nicht
zu zweifeln, daß in dem verlorenen zweiten Originale auch
,Ozini' stand.
Die Grafschaft Ozis stieß also im Westen an das Komitat
Kadalhochs, von welchem sie die Mörn trennte; im Süden
grenzte sie unbedingt an die Grafschaft der beiden Sigharde
oder Sizo, deren Wirksamkeit bis gegen 1040 und vielleicht
noch später beurkundet ist. Welches war die Grenze gegen
* a. a. O. 397.
' Den annalistische Nachweis in den casus mon. Petrihusensis, s. in ,Q«bart
des Landes ob der £ns*, S. 52, Anm. 130.
• Im k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiye in Wien.
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548
Osten? MaD sollte glauben die Salzach. Dem ist aber nicht
so. Da finden wir gleich zwei Jahre später (10. Februar 1051)
einen Grafen Azzo und vielmehr Ouzo.
Diese Urkunde, ebenfalls nicht im Original erhalten,
erscheint in einem Raitenhaslacher Kopialbuche sec. XIII*
mit der Überschrift VIII De Sconenberch et de communione
foresti und von späterer Hand mit dem Zusatz ao 1051. In
dem Klosterlitterale Nr. 6, gleichfalls einem Kopialbuche des
13. Jahrhunderts ist von späterer Hand (14./15. Jahrhundert)
am oberen Rande das Datum geschrieben: , Datum IUI Idns
Februarii anno Dominice incarnacionis M^LI indictione 1111*»
Anno autem Domini Hainrici tercii regis imperatoris secundi
ordinacionis eins XXII, regni eins XII, imperii autem V. in
nomine Domini. Datum Augusta in Dei nomine feliciter amen/
Der Druck in den Mon. Boic. (III, 103) hat ,in comitatu
Azzonis', die beiden Kopialbücher zeigen jedoch ,in pago Zida-
elargowe in comitatu Ozzonis^, der Kopist für die Mon. Boic.
hat daher das 0 mit darüber gesetztem v für A verlesen.
Nach dieser Urkunde verlieh Kaiser Heinrich seinem Diener
dem Reichsministerialen Raffold, zwei königliche Hüben ,in
Nathstall in pago Zidalaregowe in comitatu Ozonis comitis sitos^
Eine spätere undatierte Königsurkunde, ca. 1150,* bestätigt die
Schenkung ,in villa Schenperch, que prius vulgo dicebatur
Matstatt [Nahstall] sitos in pago Cidelaregeuue', sowie die eines
Edelhofes in Waltendorf. Schönberg ist ein Weiler in der Ge-
meinde Guffelham Pfarre Burgkirchen an der Alz, Walten-
dorf das Dorf Wald (Hinterberg und Obernberg) an der Alz
Amtsgericht Burghausen.
,In villa Walde in pago Isinigowe' in comitatu Udalrici'
ist auch die Königshube belegen, welche König Heinrich IV.
1079, 24. Oktober,* demselben seinem Diener Raffold schenkte.
Der Landstrich zwischen der Alz und der Salzach war
demnach in den Jahren 1051 und 1079 ein Bestandteil des
Komitates eines Grafen Ouzo oder Udalrich; demnach würde
für die Grafschaft des 1027 und 1049 genannten Grafen Ozi
^ Raitenhaslacher Litterale Nr. 3 (S. 16) im allg^em. Reichsarchiye in
München.
• Mon. Boic. IH, 109.
' Für Elinigowe schon von Stumpf, Reichskanzler Nr. 2819 emendiert.
* Mon. Boic. Ul, 104.
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549
Dar der schmale Kaum zwischen dem Mörnbache and dem Alz-
flösse verbleiben^ ^ was bei dem gewöhnlichen Umfange der
gleichzeitigen Grafschaften nicht gut denkbar ist. Ganz anders
stellt sich die Sache^ wenn wir annehmen^ die Mörn sei die
Grenze der Grafschaft Ulrichs, in welcher nicht lange nachher
die Grafen von Borghaosen walteten, gewesen und der Ozinus
nichts anderes als ein Oozo, und zwar jener der Urkunde von
1049 identisch mit dem Oazo der Urkunde 1051, der ältere
von 1027 aber sein Vorfahre. Diese Vermutung ist weder
eine willkürliche noch unbegründete, denn wir finden, daß
Verwechslangen der beiden Namen Ouzo und Ozi in der Tat
vorgekommen sind, ganz abgesehen davon, daß sehr häufig die
Schreiber in letzterem Namen dem O ein v übersetzen, den-
selben daher — und zwar in der gleichen Urkunde — zu
einem Ouzi, sonach dem Ouzo ganz ähnlich machen. So hat
die Handschrift N. sec. XIII. des Traditionskodex von St. Peter
statt Ozino Ozo' und der Name selbst wird dekliniert wie Ozo,
so im selben Kodex Ozone.'
Nicht einmal in der Heimat konsequent angewendet,
konnte daher die Namensform Ozi, die auf den Bajuwaren-
stamm beschränkt war, mit jenem Ouzo in der königlichen
Ejinzlei leicht verwechselt werden.
Auf die Vermutungen, welche Krones bezüglich der Ver-
wandtschaft dieses Grafen im Zeidlergau mit dem Grafen
Ozinus in Friaul^ ausspricht, näher einzugehen, lohnt sich nach
den vorangeführten eingehenden Erörterungen nicht der Mühe;
zur Sippe der Otakare gehört dieser Graf, mag man ihm
den Namen Ozi lassen oder nicht, in gar keinem Falle.*
^ Selbst dieser kleine Landstrich ist heute noch im Osten eingeengft
durch den Otinger Forst.
* Salzburgisches Urkundenbuch I, 181, Anm. e.
» a. a. O. I, 393.
^ Über denselben yergleiche Zahn in ^Friaulische Studien' im Archiv für
österr. Geschichte LVU, 306, 306; über die Namensform äußerte er sich
Torsichtig: ,Der Name Ozi wird regelmäßig als Koseform von Otakar
angesehen.* — Der Kuriosität halber mag angemerkt werden, daß im
Totenbuch des steiermärkischen Klosters Beun (Necrolog. Germ. II, 346)
zum 10. Mai ein Ozinus sacerdos et monachus Ton einer Hand des
14. Jahrhunderts eingetragen ist.
' Um auch die allerj unguten Deutungen und Vermutungen, die sich an
unsem Grafen Ozinus angehängt haben, nicht unerwidert zu lassen,
muß am Schlüsse noch nachstehendes bemerkt werden:
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550
Über das Jahr 1049 hinaus finden wir keine Tätigkeit
der Otakare im Chiemgan weiter beurkundet, sie verschwinden
urplötzlich aus dieser Gegend und nur einmal noch tritt in
einer Vergabung, deren Objekt an den Grenzen des Chiem-
gaues zu vermuten ist, der Markgraf Adalbero der Kämtner-
mark als Zeuge auf.
Über das Verbleiben und die ferneren Geschicke des Hauses ^
gibt der nächste Abschnitt auf Grund teilweise neuen Materials,
jedenfalls aber der eingehendsten Durchforschung des alten
hoffentlich zuverlässige Kunde.
Hftuthaler identifiziert den im Codex Baldwini (1041—1660) erwähn-
ten ^ Vogt des Elosteni St. Peter Ozinos mit ,Ozi, dem Inhaber von Graf-
schaffcsrechten sowohl im Chiemgan als auch im Zeidler-, beziehungsweise
IsengaUy dem Otakar U. nach der Zählung von Erones/ F. Martin* hält
ihn, da der Klosterrogt Graf Sighart erst 1044 den Tod gefunden habe,
,für den Grafen Ottokar III., der 1049 Grafschaftsrechte im Chiemgan
besitzt und ca. 1060 stirbt*. Ganz abgesehen davon, daß — wie im Tor-
stehenden dargetan wurde, nach dem heutigen Stande der Personennamen-
forschung die Gleichung Ozi — Otachar völlig unerwiesen, außerdem
aber auch nicht wahrscheinlich ist, steht wohl im vorliegenden Falle
außer allem Zweifel, daß dieser ganz vereinzelt erscheinende Kloster-
vogt nichts anderes als der Partikular- oder Lokalvogt über das der
Tauschhandlung unterzogene Klostergut und nicht der Hauptvogt des
Klosters St. Peter ist. Bei dem häufigen Vorkommen des Namens Ozi in
unserem Zeiträume' ist an eine einwandfreie Identifikation dieses
Vogtes mit dem Grafen Ozinus am rechten Ufer der Mörn umsoweniger
zu denken, als der Beisatz comes mangelt.
Die Reihenfolge der Otakare im Chiemgaue ist diese:
Otakar comes I, zw. 907 und 923, dann 925.
^111
Otakar comes II. 959, 968, 976.
Arnulf comes 980.
Otakar comes m. 1048.
Die Otakare I. und 11. kommen außerdem mehrfach in den Traditionen
ohne den Beisatz comes vor, welchen die Schreiber der Notorietät oder
Bequemlichkeit halber weglassen.
* Salzburger Urkundenbuch I, 840, Nr. 20. Der Klosterholde Ricbolf empflLngt gegen Über-
gabe einer Mflhlstatt an der Oichfcen und seines Eigenbesitzes in Eemeting sein Lehen
auf Lebensseit zn eigen.
* «Die kirchliche Yogtei im Erzstifte Salzburg* in den Mitteilungen der Gesellschaft fftr
Landeskunde Ton Salzburg, Bd. 46, S. 371.
> Salzburger Urkundenbuch 1, 194, 197, 800, 808 cod. Hartwici Nr. 10, 14, 20, S6; 819 cod.
Tietmari Nr. 15; 238 Nr. 4; 856, 857, 858, 265, 267, 876, 878 cod. trad. s. Petri Nr. 4, 5,
7, 10, 88, 29, 45, 46, 51.
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551
Die Otakare in der Eämtnermark.
Es hieße klaren Tatsachen gegenüber die Augen zu A^er-
schließen, wollte geleugnet werden, der in dem Schenkungs-
briefe Kaiser Heinrichs III., 1056/ 21. Februar, genannte marchio
Otacharius, in dessen marchia et comitatu das der Kirche
Brixen verliehene Gut Oisnitz in Mittelsteiermark lag, sei ein
anderer als der noch im Jahre 1048 im Chiemgau amtende
Graf Otakar. Für diese Identität spricht auch der Umstand,
daß der neue Markgraf der Kärntnermark schon nach einigen
Jahren aas unserem Gesichtskreise entschwindet. An diesem
Verschwinden hat auch nicht die geringe Anzahl von Urkunden
schuld, welche wir aus diesem Zeiträume über die Kärntner-
mark haben; denn es hätte längst durch eine vor einem Jahr-
hundert abgedruckte
Traditionsnotiz des Frauenklosters Oelsenfeld*
dargetan werden können, daß unmittelbar auf Otakar sein
Sohn Adalbero im Markgrafenamte gefolgt und dieser der
ältere der beiden Söhne gewesen ist, wenn nicht die Forschung
unentwegt an den Angaben der Annalistik und des Vorauer
Fragments festgehalten hätte.
Groß war die Überraschung, als ich auf die Notiz stieß,
noch größer aber die Bedenken, welche sich gegen die Glaub-
würdigkeit der Überlieferung erhoben, als ich nach dem Drucke
in den Mon. Boic. annehmen mußte, der Traditionskodex sei
nur in einem Vidimus des 15. Jahrhunderts auf unsere Tage
gekommen. Das letztere Bedenken wurde zwar auf eine An-
frage in München behoben, jedoch zugleich das neue beigefügt,
daß der Abdruck nicht genau und nicht vollständig sei und
in der Anordnung vom Traditionsbuche abweiche.
Schon bei Wahnschaffe* hatte der Kodex denselben be-
denklichen Eindruck hervorgebracht, weshalb er glaubte, so-
lange nicht eine kritische Ausgabe desselben vorliege, den
* Steiermärkisches Urknndenbuch I, 71.
• Nächst Vohburg, gegründet vom Grafen Eberhard n. von Ebersberg
(t vor 1046).
' ,Da8 Herzogtom Kärnten und seine Marken im 11. Jahrhunderte* 54, 66
Anm. 162.
▲rekir. 94. Buid, IL H&lfk«. 37
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552
Geisenfelder Notizen nur eine verhältnismäßig geringe Glaub-
würdigkeit beimessen zu dürfen. Selbst eingesehen hat er aber
die Handschrift nicht.
Der Benützung desselben mußte daher eine genaue
Untersuchung vorausgehen, wenn der Fund eine Verwendung
finden durfte; sie war umso notwendiger, als die gleichfalls
abgedruckte Stiftungsurkunde vom Jahre 1037 (deutscher
Sprache)^ unter die Zeugen anachronistisch den Markgrafen
Adalbero und dessen Bruder Otakar eingereiht hatte.
Die Untersuchung hat denn auch das erwünschte Licht
gebracht.
Der Kodex, im königl. allgemeinen Reichsarchive in
München unter der Signatur 71 verwahrt, in einem Einbände
aus rotem Leder, der durch zwei Riemen verschließbar ist —
Vorder- und Rückdecke mit je fünf Metallbuckeln versehen —
enthält nach alter Foliierung 56 Pergamentblätter^ ungezählt
das mit B bezeichnete Vorsetzblatt, welches auf der Rückseite
die erste Tradition ,Omnes sancte* beginnt und mit den Worten
,Eadem lege' abbricht. Alle Überschriften in roter Tinte sind
in die Zeilen einbezogen. Schrift und Pergament sind im
ganzen wohl erhalten, Folium 54 ist ein unregelmäßig beschrie-
bener Zettel, Folium 17' ist unbeschrieben, von Folium 56 nur
das erste Drittel der Vorderseite ausgefüllt. Die Zeit der Ein-
träge reicht von der Gründung des Klosters bis zum Jahre
1309; angelegt wurde das Buch im Jahre 128 L* Die ersten
17 Blätter nehmen die Traditionen von Liegenschaften ein, die
Blätter 18 bis 30 ein Urbar,» auf Blatt 30' die Obleigilten,* auf
Blatt 31 die Baugerichte der Amthöfe und Schwaigen,^ auf
^ Dieselbe ist als plumpes Machwerk des 15. Jahrhunderts erkennbar und
zur Täuschung ganz untauglich.
• Nach der datierten Tradition des Wochners (dominus ebedomedarius)
»Acta sunt hec Gertrude abbatissa. Anno düi millesimo CC^ Ixisi*»* folgt
der rubrizierte Eintrag: »Iste über renouatus est et conscriptum prece
et mercede Alheidis sacriste dicte de waintigen, que ipsum conscribere
iussit propter in ydoneitatem veteris libri dicti Salp^ch. Acta sunt hec
presidente abbatissa Gertrude conpilante hunc librnm Chvnrado Notario
et Rectore. Anno dni m'*. cc«». Ixxx^. primo* auf Fol. 16, wonach Nach-
träge von anderen Händen auf Fol. 16 und 17 folgen.
' Hie notantur redditus Gisenueldensis ecclesie per omnes possessiones.
* Hie notantur denarii oblaiales.
^ Hie intjtulantur instrumenta que dicuntur geriht attinencia curüs et
Swaigis huius Ecclesie.
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553
Blatt 32 von anderer Hand die Tradition der Gräfin Richild
von Bogen und ein Nachtrag zum Urbar, von Blatt 33 an von
der Hand des Jahres 1281 die Übergaben zu Leihzins (Inci-
piunt donationes mancipiorum obligatorum ad censum S. Marie,
Seto Zenoni, qui hie notati sunt cum donationibus eorumdem).
Erst von Blatt 49 an sind am Kande die zeitlichen Abtissinen
rot angemerkt.
Die Aufschriften des Druckes: ,sub abbatissa . / kommen
in der Handschrift gar nicht vor, wurden daher von der Re-
daktion des 14. Bandes der Mon. Boic. selbständig beigefügt,
ja die von WahnschaflFe beanständete Datierung der Tradi-
tion XXHI: Facta sunt hec anno millesimo sexagesimo quinto
regnante rege Haeinrico et presente comite Heberhardo'
fehlt im Kodex; die ganze Stelle ist dem Kopisten der Mon.
Boic. wahrscheinlich aus einem andern Schriftstück in die Feder
geflossen und so in den Satz geraten. Die Schenkung der
Engelrad steht übrigens gar nicht unter den Traditionen der
Liegenschaften, sondern unter jenen der Leibzinspflichtigen auf
Blatt 37.
Mit dieser Beobachtung wäre das schwere Bedenken
Wahnschaffes beseitigt, wenn man in dem Grafen Eberhard der
Tradition den Grafen von Ebersberg sehen will, wozu aber
kein Umstand nötigt, da Graf Eberhard als Vogt des Klosters
handelt und ein solcher zur Zeit der Grafen Chunrad und
Arnulf von Dachau und Ernsts von Hohenburg, ca. 1060 bis
1090, auftritt.!
Die Herausgeber der Mon. Boic. haben die Reihenfolge
der Traditionen nach ihrem Gutdünken vielfach geändert; aus
Blatt 32 allein wurde die Tradition der comitissa Richilt de
Pogen, welche die Reihe der donationes manciporum eröffnet,
als Nummer CXV, die folgende Liutolds de Ronewege dagegen
als Nummer LX, jene Zakkos als Nummer LXXXIX, jene
Pabos von Vulenbach als Nummer XC, jene Hiltas von Haeize-
choven als Nummer LXXXVII eingerückt. Durch diese Willkür
in der Anordnung wurde die Ausgabe der Monumenta zur kriti-
schen Benützung gänzlich untauglich gemacht und der stärkste
Zweifel an die Glaubwürdigkeit des Salbuches herausgefordert.
^ Er ist der Sohn der nobilifi matrona Mahthilt de Baecenhoyen und
ihres f Gatten Heberhard (trad. XXIX im Drucke der Mon. Boic,
vgl. daselbst XTV, 196, 197, 199, 200, 203).
87*
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554
Zur Vergleichung nachstehend die Reihenfolge
der Tradi-
tionen in den ersten
17 Blättern <
les Kodex und i
m Drucke
der Monumenta:
im Kodex ]
im Drucke
im Kodex
im Drucke
1 yilla Geisenfeld . .
IV
25
Sigbrantsdorf . .
XXVII
2 comitissaWillibirch
III
26
Telenwang . . .
XX
3 Solari
IV
27
Trad. Bihperts .
XXI
4 Hadprehstorf . . .
V
28
Hard
XXVIII
ö Silva in Mospach .
vn
29
Swarzolfesdorf .
XXX
6 item de Mospach .
VIII
30
Sigbrantsdorf . .
. XXXIV
7 Bernchoven ....
IX
31
Mangoltsdorf . .
XXXV
8. Tradition des Wolf.
32
Winden
xxxni
trigil
XXII
33
1
XCIX
9 Aersingen ....
X
34
> Prun
c
10 Mangoltstorf . . .
fehlt«
35
1
ci
11 Murbach villa . . .
XI
36
Bnchenhofen . .
CII
12 Tausch derselben .
XIII
37
Qiebstorf ....
CCLXIX
13 Asleishusen ....
XII
38
Laber
cm
14 Owese und Aenzen-
39
Bonegen . . .
UiV
ried
XXXI
40 Huttenhofen . .
cv
15 Lera
XIV
41
Haid, Haride . .
. CLXIV
16 Tausch dieses Gutes
XV
42 Eschlkofen . . .
CLxm
17 Oudiloltisdorf . . .
XVI
43
Perapach ....
CLXV
18 Baltheim
XVII
44
Perhthersdorf,
19 Herinhusen ....
XVIII
Grunoltshofen .
CLXVI
20 Winden
XXXII a
45
Pnchen
XXXVII
21 Gundramsried . . .
XXXIIb
46 Leutenhusen . . .
XXXVI
22 Peheim
XIX
47
Hausen
XXXVIII
23 Wolfpuch
XXV
48
Frimundsdorf . .
XXXIX
24 Tausch dieses Gutes
XXVI 3
49
Heimbrechtshofen
XL
* Nr. I ist das Vidimus des Abtes von Weltenburg 1434, 1. August
* Der Eintrag auf Blatt 3 lautet:
De traditione predij in mangoltsdorf (rot).
Quidam nobilis vir Engelmar. Pallenda filia sua. dedit ad altare
sancte marie predium quod dicitur Mangoltstorf. et adtracti sunt testes.
AdAlbero de Pergen. et filij eins haertwich. Huchbolt. Archo.
' Am Schlüsse der Notiz steht im Kodex: Facta sunt hec anno domini
incamacionis 1087 indictione X regnante quarto Heinrico imperatore,
tempore Yodalrici sancte Eihstetensis ecciesie XYIIII episcopi et Ernesti
advocati. Das Datum ist wohl Zutat des Redaktors, der genau in die
Mitte der Regierungszeit des Bischofs (1076—1099) griff.
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555
im Kodex
im Drucke
im Kodex
im Drucke
50 Langwat ....
XLI
des ebedomeda-
51 Gamoltstorf . . .
XLII
rius
—
52 Freinperg ....
XLIII
59 Haelica Olsen vel-
53 Hattenhusen . .
XLIV
densis cnstos . .
—
54 Umbelsdorf . . .
XLV
60 Infra scripta sunt
55 Brunnen ....
XLVI
quondamreposita
56 Schmntshausen .
LXII
in sacrario . . .
—
57 de familia Vdalric
h T.XTII
61 Verzeichnis der Or-
58 Jahrtagsstiftung
nate
—
Nach Angabe des Notars ist das auf uns gekommene
Salbuch die zweite Redaktion des älteren^ welches wegen seiner
Unhandsamkeit anßer Gebrauch gesetzt wurde. Wir wissen
nicht, ob es protokollarisch angelegt war, dürfen es aber
vermuten, weil es offenbar eben deshalb unbequem und aller
Übersicht entbehrend erschien, wenn die Traditionsnotizen
nur chronologisch ohne Unterschied des Gegenstandes einge-
tragen waren. Hierauf weist die jüngere Anlage hin, in wel-
cher — mit Ausnahme eines einzigen Nachtrages — die Tradi-
tionen in die Rubriken der Liegenschaften und der Leibleute
geordnet sind und zur Übersicht der ersteren zwischen beide
der damalige Besitzstand des Gotteshauses eingeschoben wurde.
Da im Kloster Ebersberg, zu welchem Geisenfeld in einem
gewissen Abhängigkeitsverhältnisse stand,* bereits im IL Jahr-
hundert die Gepflogenheit heimisch war, den Namen der Zeugen
ihren Wohnsitz beizufügen, so werden auch im Geisenfelder
Kodex die Ortsbezeichnungen gleichzeitig oder kurz nachher
beigesetzt worden sein. Eine Überarbeitung oder Erweiterung
der Notizen ist nirgends erkennbar und so dürfen wir wohl
versichert sein, daß die Notizen in der Urform in das neue
Salbuch übernommen worden sind. Auch die zweite Redaktion
hat an der chronologischen Reihung der Traditionen von Liegen-
schaften nur ganz ausnahmsweise^ etwas geändert, sonst aber
dieselbe, soweit ersichtlich, nicht angetastet. Auch wenn man
an dem Vorkommen von Ortsbezeichnungen der Zeugen Anstoß
nehmen sollte, kann behauptet werden, daß von den ältesten
* Vgl. Chron. Ebersperg. in M. G. Script. XX, 9—15.
* Wie bei der trad. 14, woselbst ein Geschäft der Äbtissin Fridernna
mitten in die Traditionen der Yorgeherin Gerbirg eingeschaltet wurde,
offenbar der bequemeren Übersicht halber.
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556
Aufschreibungen die größte Anzahl von allfUIIigen Glossen ver-
schont geblieben ist und alle Merkmale des hohen Alters^ das
sie beanspruchen, aufweist; es sind dies die Notitien 2 (III);
3 (IV), 5 (VID, 6 a (VIII), 7 (IX), 9 (X), 11 (XI), 12 (XIII),
13 (XII), 15 (XIV), 16 (XV), 17 (XVI), 18 (XVII), 19 (XVIII),
21 (XXXIIb), 22 (XIX), 23 (XXV), 25 (XXVII), 26 (XX).
Die beiden ersten Abtissinen Gerbirg und Wichbirg
(nicht ,Willibirg^ werden erwähnt in den Traditionen 2, 5, 13,
15, 16, dann 21. Der Katalog der Abtissinen ^ läßt erstere bis
1061, letztere bis 1064 dem Konvente vorstehen. Obwohl wir
wissen, was von solchen erst in später Zeit kombinierten Zahlen
zu halten ist, so dürfte doch — wenn man von der Behaup-
tung absieht, daß die Äbtissin Wichbirg die Mutter der Äbtissin
Gerbirg gewesen — die Zeit beiläufig stimmen; denn das
Kloster Geisenfeld wurde um das Jahr 1040 herum gestiftet
und 20 Vergabungen von Liegenschaften allein an dasselbe sind
ftir die ersten fünf Lustren nicht zu viele.
Wir finden nun in der soeben beschriebenen zweiten
Rezension des Geisenfelder Traditionsbuches auf Blatt 4* und 5
folgende Eintragung (die 17. der Reihenfolge):
,Predium de Vdiloltisdorf (rot).
Quidam nobilis Wasigrim pro prebenda filie sue dedit ad
altare sancte Marie predium quod dicitur Vdiloltisdorf cum
mancipiis tribus et silua et pascuis eo iure, quod ipse possidebat.
Huius rei testes sunt. Adalbero marchlo et frater eins
Otaker. Pabo. Engildio. Aerbo. Magonus. Huch. Ortolf.'
Da die notitia originäre Form zeigt und auch sonst zu
keinerlei Bedenken Anlaß gibt, so erscheint durch diese Nach-
richt, welche wir für eine gleichzeitige anzusehen berechtigt
sind, nunmehr außer allen Streit gesetzt, daß Adalbero^
der ältere Sohn Otakars, diesem im Markgrafenamte un-
mittelbar nachgefolgt ist, während sein Bruder Otakar,
welcher von der Geschichtschreibung als legitimer Nachfolger
seines Vaters angesehen wurde, im Gefolge Adalberos und
sogar ohne Grafentitel auftritt.
Die Traditionsnotiz ist wie alle alten undatiert; wäre sie
datiert, so müßte sie Bedenken erregen. Dessenungeachtet
» Mon. Boic. XIV, 177—178 nach Hundt
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557
haben wir Anhaltspunkte, die Zeit der Handlung doch
annähernd zu bestimmen. Die fünfte Notiz stammt aus
der Periode vor dem Jahre 1053, da in derselben Adalbero,
der Bruder Markwards von Eppenstein und Sohn des früheren
Herzogs Adalbero, noch ^Clericus^ genannt wird, die siebente
Tradition aber, in welcher derselbe als Bischof von Bamberg
aufgeführt ist, spätestens in das Jahr 1057 fallen muß.^ Wir
beobachten weiters, daß die erste Äbtissin Gerbirg in den
Traditionen 3, 4, 5, 13, 15 und 16 vorkommt, dazwischen
jedoch in Tradition 8 eine Äbtissin Wichbirg. Die Widmung
des edlen Mannes Wolftrigel für die Pfründe seiner Töchter be-
stand in zwei Mühlen und sieben Leibeigenen; sie gab sicher-
lich keinen Anlaß, ihrethalben von der Ordnung des alten Sal-
buches abzuweichen, daher zu vermuten ist, daß Wichbirg nur
kurze Zeit dem Kloster vorstand und Gerbirg, wenn sie devo-
tionshalber resigniert haben sollte, abermals an die Spitze trat
oder daß Wichbirg überhaupt nur ein Schreibversehen für Ger-
birg ist.
Wird der ersten Äbtissin eine Regierungszeit von 20 bis
25 Jahren zugebilligt, so wird die uns interessierende Tradi-
tion, da sie unmittelbar nach jener eingetragen ist, welche ein
,per manus abbatisse Qerbirge' vollzogenes Tauschgeschäft be-
handelt,* schwerlich weit über das Jahr 1060 hinaus anzu-
setzen sein.'
^ Mon. Boic. XIV, 183, 184.
« a. a. O. 186.
' Oudiloltistorf yerma^ ich mit Bestimmtheit nicht festzuBtellexi ; dürfte
man ea mit Othkersdorf im Falkensteiner Kodex, Fol. 12 (drei bayrische
Traditionsbücher S. 13), identifizieren, so wäre es eine Ortschaft, in der
nachmaligen Herrschaft Hadmarsberg im westlichen Chiemgau gelegen.
Es würde sich dann auch vermuten lassen, daß die Otakare um 1067
bis 1070 noch ihren Besitz in der Seegegend festhielten, und wäre die
Zeugenschaft der Brüder Adalbero und Otakar in einer Traditionsnotiz,
welche eine chiemgauische Liegenschaft betrifft, vollauf erklärt. Von
dem ziemlich häufigen Personennamen hat übrigens eine an der Grenze
des Chieragaus gelegene Ortschaft Watzgreiming in der Pfarre Ober-
Burgkirchen, Amtsgericht Altöting, den Namen gezogen; sie kommt als
Wasegrimingen schon im Beginne des 12. Jahrhunderts vor; das Erz-
stift Salzburg hatte daselbst Holden bis zum Zeitpunkte seiner Seku-
larisation. Die geäußerte Vermutung verliert nicht an Boden, wenn
Oudiloltisdorf auf das westlich der Eisenbahnstation Aßling (Route
Rosenheim— München) in der Pfarre Holzen gelegene Kirchdorf Loi-
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658
Hiermit darf die Reihe der Erwägungen noch nicht ab-
geschlossen werden; die nun folgenden bringen uns meines Er-
achtens der Erkenntnis des wirklichen Zeitpunktes, in welchem
Adalbero seinem Vater in der Mark gefolgt ist, in erhebliche Nähe.
Schon Zahn hat in der Festschrift als auffällig hervor-
gehoben, daß in der St. Lambrechter Urkunde,* welche um das
Jahr 1066 angesetzt wird, wohl die Mark j(Marcha), aber kein
Markgraf derselben erwähnt wird. Hieraus wurde* gefolgert, daß
die Kärntnermark entweder mit dem Herzogtum vereinigt oder in
nicht legitimer Innehabung gewesen sei. Mit Rücksicht auf
die Geisenfelder Notiz können wir heute die richtige Erklärung
dahin geben, daß zu jener Zeit die Eärntnermark wirklich er-
ledigt und noch nicht mit einem neuen Markgrafen besetzt
war. Die Erledigung erfolgte durch das Ableben Otakars, welcher
zu Rom mit Tod abging und daselbst auch bestattet wurde,
wie aus dem Briefe des jüngeren Otakar an Abt Berthold
hervorgeht, in welchem er von seinem Vater Otacher Marchio
bemerkt: ,qui Rome defunctus dormit'.' Es fragt sich um den
Anlaß, welcher den alten Markgrafen nach Rom gebracht hat;
in keinem Falle ein Römerzug, denn der deutsche König
Heinrich IV. war noch ein Kind und geistliche Würdenträger
befehdeten sich um Vormundschaft und Reichsregiment. Man
könnte vermuten, Otakar habe nach der Stiftung des Kollegiates
Garsten eine Wallfahrt ad limina apostolorum unternommen;
allein die Zeitverhältnisse legen einen anderen Anlaß seines
Aufenthaltes in Rom viel näher. Seine Wanderung und sein Tod
auf derselben kann nicht früher fallen als nach dem Zeit-
punkte, in welchem der ungarische Thronstreit zwischen Salo-
mon und Geisa beendet schien, also erst nach dem Vergleiche
vom 20. Jänner 1064; erst dann war es Otakar möglich,
seine Grenzmark auf einige Zeit zu verlassen.
tersdorf g^edeutet wird, was sprachlich zulässig erscheint, da das Volk
lange Bezeichnungen nicht duldet, die Abstoßung der ersten Silben
häufig vorkommt und das 1 sich gewöhnlich in ein i verwandelt hat.
* Steiermärkisches Urkundenbuch I, 77.
* Geburt des Landes ob der Ens 56.
* Traditionsbuch von Garsten, angelegt von einer Hand des ausgehenden
12. oder beginnenden 13. Jahrhunderts, Fol. 6 (trad. X im Oberöster-
reichischen Urkundenbuch I, 122). In der notitia CXXL des Urkunden -
buches S. 160 macht der Schreiber zur Bezeichnung des tradierenden
Otacher marchio gleichfalls den Beisatz: ,qui Rome situs est^
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559
Gerade im Jahre 1064 war es, in welchem der groß-
artige Zug deutscher Pilger unter Führung des Erz-
bischofs Sigfrid von Mainz und des Bischofs Günter von Bam-
berg nach dem heiligen Lande vor sich ging. ,Der Drangt
das Land zu schauen, in welchem der Herr wandelte und litt,
am heiligen Grabe zu beten, im Jordan zu baden und im
Garten Abrahams Palmzweige zu brechen, hatte den Höhe-
punkt erreicht. Vornehme und Geringe, Geistliche und Laien
zogen einzeln und scharenweise hinüber in das Land ihrer
Sehnsucht.^ Auch In Kärnten schlug diese Bewegung ihre
Wellen; aus dem Lavanttale zog der Spanheimer Graf Sig-
frid, der Vater des Stifters des Klosters St. Paul, nach Palästina
und fand auf der Rückreise den Tod in Bulgarien.* So wird
auch der Kärntner Markgraf Otakar, wenn auch nicht
schon 1064, so doch 1065 nach Rom gezogen sein, um dort
den Segen des Papstes zu empfangen und sich nach Syrien
einzuschiffen; aber ohne an sein Ziel gelangt zu sein, wurde
er ,ln peregrlnatlone HlerosoUmltana^ in Rom vom
Tode hinweggerafft.
So konnte es wirklich kommen, daß es um 1065/1066'
in der Kärntnermark keinen Markgrafen gab, umso leich-
ter, als der scheinbar tiefe Friede mit Ungarn nicht eine augen-
blickliche Besetzung des erledigten Amtes gebot. Daß jedoch
nachmals die Mark dem älteren Sohne Adalbero übertragen
worden ist, dafür gibt die Geisenfelder Traditionsnotiz ein erst-
klassiges Zeugnis ab.
Von den Fragmentisten, d. h. den Anhängern der Vorauer
Tradition, Krones* voran, wird in Abrede gestellt, daß zwi-
schen dem ersten Markgrafen aus dem Hause der Chiemgauer
und den Grafen von Lambach eine Blutsverwandtschaft be-
standen habe, da hiervon einzig und allein die gefälschte
^ Sybel, Geschichte des ersten Kreuzzuges, 1 . Aufl., S. 202, 203 ; Wilken,
Geschichte der Kreuzzüge I, 39 ; Röhricht, Geschichte der Kreuzzüge im
Umriß, S. 10.
• ,Hunc (Sigfridum) in reditu ab ierusalem defunctum et in uulgaria
sepultum.' Kap. VII des Traditionsbuches von St. Paul 1205 in Fontes
rer. Austr., Diplom. XXXIX, 39. Daß er dorn großen Pilgerzuge sich ange-
schlossen habe, wiU die gelehrte Haustradition (Ankershofen, Geschichte
von Kärnten II, 910), ist jedoch nicht belegt.
' Steiermärkisches Urkundenbuch I, 77.
* ,Die Markgrafen von Steier*, S. 178.
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560
Gleunker Urkunde von 1088^ Meldung mache. Allein der
Taufname Adalbero, des Sohnes Otakars, der unvermittelt in
der chiemgauischen Familie auftaucht und gleichzeitig im
Hause der Lambacher vorkommt, scheint darauf hinzudeuten,
daß zwischen beiden Geschlechtern eine Verschwägerung
stattgefunden habe; denn der letzte Sprößling dieses Grafen-
stammes ist Bischof Adalbero von Wirzburg, der wohl seinen
Namensbruder um ein paar Jahre überlebte, aber zweifellos
älter war als dieser. Aus diesem Grunde hat wohl auch
Muchar* die Ansicht vertreten, Otakar sei der Sohn einer
Schwester des jüngeren Arnold, demnach einer Tochter des
älteren gewesen und habe aus diesem Titel einen bedeutenden
Teil Lambacher AUods überkommen, wogegen ich es für plau-
sibler hielte, anzunehmen, es sei die Schwester des Markgrafen
Gottfrid gewesen, mit welcher Otakar den Ehebund schloß, er
habe dem Erstling aus demselben den Namen seines Schwagers,
dem nachfolgenden Sprößling aber den gangbaren Familien-
namen beigelegt. Daß seine Gattin Willibirg hieß, hat uns das
Garstner Salbuch* überliefert; auch die Enkelin, Hausfrau des
Grafen Ekbert II. von Formbach, wurde so getauft. Ist diese
Vermutung richtig, dann wäre doch eine verworrene Kunde
bis in das 13. Jahrhundert durchgesickert und die Teilung
der Lambacher Erbschaftsmasse in drei Stücke hinlänglich
erklärt.
Wir wissen nicht, daß die Otakare, solange sie im Chiem-
gau weilten, sich freigebig gegen Kirchen erzeigt hätten: nach
Erlangung der Kärntnermark aber begannen zwar nicht in
dieser, wohl aber auf dem Boden der bayrischen Grafschaften
diesseits des Pyrn, also auf Lambacher Erbe, die Kirchen-
stiftungen. Es ist; nicht ^ausgeschlossen, daß der Erwerber
der Markgrafschaft jener Otachar comes ist, welchen Herzog
Otakar einen seiner Voreltern nennt, denjenigen, der dem
Kloster Traunkirchen Vogtfreiheit zugestanden,* es vielleicht
sogar gegründet hat; denn weiter zurück als in die Mitte des
11. Jahrhunderts die Anfänge von Traunkirchen zurückzuver-
* Oberösterreichiflches Urkundenbuch n, 117.
' Geschichte des Herzogtums Steiermark IV, 293.
» Blatt 32' (Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 161).
* Oberösterreichisches Urkundenbuch ü, 427.
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561
setzen, gestattet gewissenhafte Forschung nicht. ^ Sicher ist,
daß Otakar I. nach Angabe seines Sohnes Otakar auf seinem
Grund und Boden in Garsten bei Steyr Kleriker eingeführt
hat, deren erster Propst Eberhard hieß, und der Kirche Garsten
den Wald jenseits der Ens zwischen Dambach und Frenz ver-
lieh.* Mit dieser Stiftung, die er vor seiner Pilgerfahrt voll-
führte, trat er in die Fußstapfen seines Schwähers oder Oheims,
der noch vor dem Tode seine Stammburg in ein Kollegiatstift
verwandelte.
Nun erst kann einer wiederholt ins Treffen geführten
Ranshofner notitia volle Glaubwürdigkeit zuerkannt werden, ob-
wohl sie anachronistisch abgefaßt ist' und der Abdruck ein
Zeugenmanko* und einen nicht existierenden Zeugen^ aufweist.
Nach dieser Tradition,^ welche mit Wahrscheinlichkeit in den
November oder Dezember 1074, zu welcher Zeit Heinrich IV.
in Bayern weilte, anzusetzen ist, übergab Heinricus Imperator
der Kirche Ranshofen eine Hörige zum Leibzinse von fünf
Denaren; als Zeugen sind angeführt: Ernest Marchio (f 10. Juni
1075). Adalpero Marchio . . .
Markgraf Adalbero kommt in zwei weiteren Aufschreibungen
der Traditionsbücher von Brixen vor. Vermöge der ersten über-
läßt Bischof Altwin an den erlauchten Heinrich (nobilis pro-
sapie) flir die Hingabe verschiedener Güter einen Hof zu Lind
,ac quicquid in comitatu marchionis Adalperonis visus est habere^'
Die Tradition wird von dem Bearbeiter zwischen 1065 und
1075 gesetzt, was stimmen wird, da der in der Tradition vor-
^ Vgl. Frieß, Geachichte von Traunkirchen. Der Name der angeblichen
ersten Äbtissin Ata (Nekrolog zum 15. November, S. 315), wohl richtiger
Alta kommt im Chiemgau vor. Salzburger Urkundenbuch I, 130.
' Garstner Kodex Fol. 5; Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 121, Nr. X.
Vgl. Geburt des Landes ob der Ens 66 — 57. Fast unglaublich ist es,
daß in kritischen Schriften noch auf Grabsteine Gewicht gelegt wird,
die erst in später Zeit angefertigt wurden. Das Höchste in diesem
Genre leistete die Inschrift im Kloster Au, welche die Mon. Boica der
staunenden Nachwelt überlieferten.
' Heinrich lY. wurde erst 1084, 31. März, zum Kaiser gekrönt.
* S. Hundt, Bayr. Stammenbuch, S. 126.
' Sarchilo comes de Mosepach. S. Sttllz, Bemerkung zur Abhandlung
Koch-Stemfelds über die Sarhili.
• Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 213, Nr. XXXH.
^ Redlich, Die Traditionsbücher des Hochstiftes Brixen vom 10. bis in das
14. Jahrhundert, S. 81.
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562
kommende Brixner Vogt öundachar auch in einer datierten
Urkunde vom Jahre 1070 genannt wird.*
Nach der zweiten, welche zwischen 1070 und 1080 gesetzt
wird, schenkt ,nobilis prosapie matrona Chuniza^ der Kirche
Brixen Qüter ,in his tribus ad presens titulatis locis videiicet
ad Grazlup (Gegend um Neumarkt in Obersteiermark) et
Hengist (Wildon) ac Runa (Renn) in comitatu Adalperonis
marchionis'.*
Hiermit haben wir den Markgrafen Adalbero bis an die
Schwelle des Investiturstreites begleitet. Er stand, wie
aus der vor 1180 verfaßten vita Gebehardi archiep. Salisb.* zu
entnehmen ist, in diesem Kampfe auf Seite seines Königs;
von seinem MetropoHten deshalb mit dem Kirchenbanne belegt,
tiberließ er für die Lösung von demselben dem Erzbischof das
Dorf Ardning im Enstale — heute an der Pyrnbahn gelegen
— und das Dorf Hauzenbüchel. Sicherlich tat er dies erst
auf dem Sterbebette; denn die Anhänger des Kaisers wurden
zwar von gregorianischer Seite als Feinde der Kirche betrachtet
und von deren Gemeinschaft ausgeschlossen, waren aber gläu-
bige Christen. ,Auch sie fühlten sich vom Geiste der Zeit er-
griflFen und sahen in geistlichen Stiftungen gottgeftlllige Werke,
ein Zeichen, daß sie nicht gegen die Kirche kämpften, sondern
gegen die Neuerungen der höchsten Kirchengewalt.'*
Die Nachricht des Vorauer Fragments, daß Adalbero von
seinen Dienstleuten ^ erschlagen worden sei, ist sichtlich frei er-
funden ; sie sollte wohl das Strafgericht Gottes über den Wider-
sacher der kirchlichen Partei vorstellen und erinnert lebhaft an
den Ausgang Belsazars von Babylon.® Da Gebhard erst in der
Mitte Juni 1086 nach Salzburg zurückkehren konnte und be-
reits am 15. Juni 1088 starb, so fällt das Hinscheiden Adal-
beros in die Zwischenzeit.'^
» Fontes rer. Austr. Diplom. XXXI, Nr. 84, S. 86.
• Redlich, a. a. O. 101. ■ Mon. Genn. Script. XI, 36.
* F. M. Mayer, ,Die östlichen Alpenländer im Investiturstreite*, 8. 109, ein
treffliches Werk, das seinen hohen "Wert noch lange behaupten wird.
•* ,Bei Julben*, was die Fragmentisten mit Leoben übersetzen zu müssen
glaubten, obgleich dieser Ort niemals so geheißen hat
® jBelsazar ward aber in selbiger Nacht von seinen Knechten umgebracht*
^ Wenn der Eintrag im Traunkirchner Nekrolog zum 22. November: Vdal-
bertus marchio wirklich auf Adalbero zu deuten ist, so fällt sein Ab-
leben in eines der beiden Jahre 108G oder 1087.
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563
Wie der Kampf der Kirche gegen die Reichsgewalt die
Söhne des Kaisers zum Aufstande gegen den Vater aufrief, so
brachte er auch Bruderkrieg in das Haus der Otakare. Der
ehrgeizige jüngere Bruder Otakar, nicht zufrieden mit der Ver-
waltung der Qrafschaften diesseits der Pyrn, die ihm wahr-
scheinlich zugewiesen war, ließ sich durch den Einfluß des
Bischofs von Passau und des Markgrafen Liupold II. der Ost-
mark verleiten, sich von einem deutschen Gegenkönige, viel-
leicht noch von Rudolf (1080),^ seinem Bruder als Markgraf in
der Kärntnermark entgegenstellen zu lassen. Die Hand der
Tochter Liupolds, EUisabet, mit einer reichen Ausstattung in
der Ostmark war der Lohn seiner Haltung; denn zumal im
Mittelalter mußte kirchliche Gesinnung materiell entschädigt
werden.
Die kirchliche Partei gibt dem jüngeren Otakar den Mark-
grafentitel; die gregorianische Geschichtschreibung geht aber
viel weitet, sie unterdrückt die Tatsache, daß Adalbero der
rechtmäßige, vom legitimen König belehnte Markgraf gewesen
ist, vollständig und stellt ihn als einen Rebellen hin, der seinem
Bruder, ,dem Markgrafen^, das Enstal vorenthalten und sich
räuberisch am Kirchengute vergriflFen habe.* Aber selbst aus
der Entstellung der Tatsachen ist noch deutlich zu erkennen,
daß es dem ungetreuen Bruder nicht gelang, in die Mark ein-
zudringen; er blieb auf seinen bayrischen Besitz beschränkt
und bemüssigt, zeitlebens in der Stiraburg zu verbleiben, ge-
schützt von dem Herzog Weif von Bayern und den Markgrafen
Liupold II. und III., zu welchen er im Verhältnisse von
Schwiegersohn und Schwager stand, und als Weif 1096 seinen
Frieden mit dem Kaiser geschlossen, durch die gedachten
Familienverbindungen, in welche zuletzt auch der alte Herzog
Heinrich von Kärnten eintrat, als sich derselbe zur Erhellung
* Für das Jahr 1080 spricht die Vermutung, denn ohne Rückendeckung
hätte sich Liupold nicht 1081 an die Belagenmg Augsburgs wagen können.
' Vita Gebehardi, Mon. Germ. Script. XI, 35: ,Adilbero etiam germanus
eiusdem marchionis, qui diutinam cum fratre guerram habuit, pro ab-
solutione banni et multimodis iniuriis coenobio in persecutione Hein-
rici im. imperatoris illatis tradidit per manus itidem archipresulis
super altare s. Blasii villas duas Adarnich cum omnibus suis pertinen-
tüs et predium Huzenpuhel.^ Annales s. Budberti a. a. O. IX, 766
ad. 1122: ,Otachir marchio obiit, qui fratrem habuit Alberonem cuius
comitatus ab Enswald usque Geizaerwald.^
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564
seiner letzten Lebenstage Sophie, die jüngste Schwester des
Markgrafen Liupoid III. als Gattin geholt hatte. ^
Ton dem Zeitpunkte des Abfalls Otakars von der
königlichen Partei datiert aach die Abzweigung jenes O^e-
bietes, welches später den Namen Grafseliaft Steyr er-
hielt, TOn der Grafschaft des Enstales, ron dessen Mitte
es noch durch bedeutende Forste geschieden wurde.'
Bezeichnend für das tatsächliche Verhältnis, in welchem
Otakar stand, ist die Wahrnehmung, daß er in unzweifelhaft
echten Urkunden einfach Marchio, niemals aber von der
Kärntnermark genannt wird; denn die Benennung E^mtner-
mark dauerte fort, wie die notitia CXXII des Garstner Tradi-
tionsbuches' zeigt, welche Stutern bei Gröbming im Enstale
nach Karinthia verlegt, ebenso Feistritz, östlich von Seckau.*
Auch in dem Schreiben an Abt Berthold von Garsten bezeichnet
er selbst sich als marchio schlechtweg^ und nur seinen Vater
führt er als ,Otacher styrensis' ohne den Markgrafentitel an.
Alle Urkunden, welche ihm im 11. Jahrhunderte den Titel
marchio de Styre geben, sind Fälschungen.^ Bezüglich der
Melker Urkunde wurde auf S. 515 bereits der Nachweis geliefert.
Die sogenannte Admonter Stiftungsurkunde' ist ein im Laufe
des 12. Jahrhunderts angefertigtes Verzeichnis der Dotations-
gtiter und Zustiftungen ohne Beweiskraft flir die zurückliegende
* Nur darin lag die Möglichkeit, daß Otakar in Verfügungen über seinen
einzelnen Besitz im Enstale nicht mehr behindert war. Vgl. Oberöster-
reichisches Urkundenbuch I, 142.
' Es ist stets zu beachten, daß in jenem Zeiträume der Verkehr nach der
Ens hinauf bis Altenmarkt, von hier aber über den Fluß durch das Tal
des Buchauerbaches, über den Sattel hinüber nach Admont ging, wäh-
rend das Mürztal nur über Trofaiach, Vordernberg, Eisenerz, Hieflau
mit dem Enstale in Verbindung stand. Von Hieflau führte der Weg an
der Ens abwärts nach Altenmarkt und weiter; der Frenzgraben und das
unwegsame Gesäuse blieben ganz abseits. Die Kirche zu St. Gallen
wurde erst Mitte des 12. Jahrhunderts gegründet (ecclesia s. Galli in
Silva, Steiermärkisches Urkundenbuch I, 303, 334).
' Fol. 32*. Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 161. Original im Linzer
Diözesanarchiy.
* Fol. 19*, a. a. O. 142.
ß Fol. 5, a. a, O. 121. Auch den Traditionen für St Veit a. d. Gölsen
(Mitt. des Inst, für österr. Geschichtsforschung XXV, 692) ist er ,marchio*.
* Nach eigenen Wahrnehmungen und dem Befunde der Herren Baron
Mitis und Viktor Melzer (f), welche die Originalien einsahen.
^ Steiermärkisches Urkundenbuch I, 95.
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565
Zeit bezüglich der für die Zeit der AnfertigUDg gebrauchten
Ausdrücke. Eine Fälschung ist der von ,nobili8 vir Otakar
marchio styrensis^ mit Bischof Altmann eingegangene Tausch
der Kirchen Behamberg und Garsten vom Jahre 1082 — wenn
auch das Faktum des Tausches richtig ist — ^ zusammengestellt
aus Nr. 5 des Traditionsbuches * und der päpstlichen Bulle vom
5. April 1179.' Unecht ist auch die Urkunde Bischof Altmanns
vom 19. August 1088' über die mit ,marchio Stirie (!) Otak-
kerio' vereinbarte Verwechslung des Kirchengutes Dietach
gegen dessen Güter am Hausruck. Ein Falsifikat ist endlich
die Urkunde/ womit Otacher Stirensis marchio die auf seine
Bitte vom Bischof Ulrich von Passau von der Mutterpfarre
(Tafersheim) eximierte Elapelle Haselbach (St. Magdalena bei
Linz) mit ihrem Widem in Niederwinkel und zwei Höfen dem
Kloster Garsten übergibt; sie besteht aus der notitiaNr. CLXVIH
des Garstner Kodex* über die von dem vorletzten Otakar um
1160 erfolgte Übergabe dieser Kapelle (ohne Exemtion), die
Zeugen wurden der Tradition V,® welche wieder zur Anferti-
gung der Fälschung vom Jahre 1088 (siehe oben) benützt wurde,
entnommen.
Die urkundlichen Stützen der sogenannten , Über-
lieferung^ (sit venia verbo) sind demnach lauter Fäl-
schungen.^
Auch nach dem Hintritte seines Bruders, des rechtmäßigen
Markgrafen^ meldet keine urkundliche Nachricht irgendeine
Tatsache, welche auf eine Anwesenheit Otakars in der Mark
oder auf die Ausübung öffentlicher Gewalt in derselben schließen
ließe; Otakar bleibt in Steyr und reformiert dort die Stiftung
seines Vaters, Garsten. Über die Härte seines Wesens unter-
richtet uns die Vita s. Berchtoldi abb. Garstensis:^ Da die
^ Fol. 3, Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 118.
• Oberösterreichisches Urkundenbuch II, 359.
• a. a. O. n, 117. * a. a. O. U, 123.
• Pol. 40', Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 172.
« Fol. 3, a. a.0. 118, 119.
"^ Auch die Urkunde Oberösterreichisches Urkundenbuch II, 169, wonach
Otakerius dei gT&ü& marchio Stirensis im Jahre 1125 Gleunk gestiftet
und diesem Kloster Exemtion von dem Landgerichte der Volkenstorfer
verliehen hätte, ist eine mit Zuhilfenahme der Urkunden II, 169, 382
angefertigte Fälschung.
• Pez, Script. Austr. H, C. 88— 1>0.
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666
Kanoniker sich weigerten, Mönche zu werden, und erklärten,
sie hätten nicht den Sinn dafür, hierzu könne niemand ge-
zwungen und müsse die Eingebung Gottes abgewartet werden,
versetzte er, sie seien in seiner Gewalt und hätten zu ge-
horchen, widrigens er sie zum Gehorsam zwingen werde. Er
wußte sich auch Gehorsam zu verschaffen: den widerspenstigen
Kanoniker Eberhard ließ er anbinden und so lange peitschen,
bis auch dieser sich fügte. Dieser Zug der Roheit bei äußer-
licher Frömmigkeit genügt, sich von OtÄkar ein Charakterbild
zu machen. Durch alle Wechselfälle des Investiturstreites blieb
er auf Seite der Päpste und der Gegenkönige; noch im vor-
letzten Jahre seines Lebens ließ er den schärfsten Gegner des
Kaisers, Erzbischof Konrad, der ihn vor seiner Flucht nach
Tuscien (1112) zum Vogt des Klosters Nonnberg bestellt hatte,
durch seinen Sohn Liupold nach Salzburg geleiten,* denselben
Kirchenfürsten, der kurz hierauf mit Herzog Heinrich von
Kärnten in erbitterte Fehde geriet.* Von kirchHcher Seite
wurde ihm daher auch volles Lob gespendet: ,Erat enim egre-
gius ille Fundator vir valde memorabilis: et licet Princeps secu-
laris, tamen aliis potentibus multam dissimilis, cultor pacis,
amator justitiae et contra iramanitatem persecutionum Turris
Ecclesiae inexpugnabilis.''
In den Zuständen des deutschen Reiches wäre
auch gar kein Anlaß vorhanden gewesen, dem starren
Vertreter der päpstlichen Interessen nach dem Tode
Adalberos H. die wichtige Kärntnermark einzuräumen
und den getreuesten Anhänger des Kaisers, Herzog Liutold von
Kärnten, auf der Ostseite zu umklammern; im Gegenteile, sie
mußte in Freundeshänden verbleiben. Damals war der Stern
Heinrichs IV. wieder im Steigen, der Gegenkönig Hermann
legte die Krone zurück, der Bürgerkrieg in Sachsen nahm ein
Ende, der kaiserliche Erzbischof von Salzburg, Bertold von
Mosburg, gelangte zum Besitz des Stiftes. Auf Herzog Liutold
folgte in Kärnten (1090) dessen nicht minder kaisertreuer
Bruder Heinrich ; in seinem Machtbereiche sucht später während
* Admonter Annalen, Mon. Germ. Script. XI, 577, XIII, 41.
' Mon. Germ. Script. XI, 71—72. Der Bericht kann nicht ganz aas der
Luft gegrififen sein, wenn auch Übertreibungen unverkennbar unter-
laufen.
» Vita Berchtoldi, a. a. O. 86.
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567
des Aafstandes seines Sohnes Eonrad der Kaiser Zuäacht.
Ebenso wenig konnte Kaiser Heinrich V. daran denken, die
Mark dem an seiner Seite bleibenden Eppensteiner abzunehmen
and dem Bandesgenossen des feindlichen Metropoliten za über-
geben. Ein wieder za Gnaden Aufgenommener hätte
auch nicht die oppositionelle Stellung bis an sein
Ende behauptet.
Zahn hat daher richtig gesehen, wenn er die Wieder-
erlangung der Mark durch die Otakare erst nach dem Jahre
1122 vermutete; bei der kirchlichen Richtung der Markgrafen
würden die Klosterstiftungen auf märkischem Boden viel
früher begonnen haben, wenn sie desselben mächtig gewesen
wären.
Wenn auch zuletzt mit dem Zustandekommen des Wormser
Konkordats^ der Hauptgrund der Gegnerschaft Otakars wider
das Reichsoberhaupt wegfiel, so waren in dem langen Zeiträume
Otakar und der Herzog alt nnd gebrechlich geworden: ihr
Lebensfaden lief schon nach zwei Monaten ab. Otakar ging
am 28. November desselben Jahres zu Grabe und schon nach
sechs Tagen folgte ihm Heinrich im Tode nach.
Das Landbuch von Österreich und Steier meldet,*
der Herzog habe ,dem Markgrafen Otakar von Steyr* all sein
Eigen gedingt. In dieser Form ist die Nachricht jedenfalls nicht
richtig, denn der alte Otakar starb noch früher und lang-
jährige Gegner können sich zwar versöhnen, aber in
Liebe werden ihre Herzen nicht für einander schlagen.
Der Kompilator hat sicherlich die Tatsache des Überganges
der Allode der Eppensteiner an das Haus der Chiemgauer in
der Anschauung seines Zeitalters überliefert, ihm war der wahre
Sachverhalt bereits verschleiert^ Otakar galt ihm schon als fak-
tischer und legitimer Inhaber der Mark.
Wir sehen tiefer. Wie so oft in alter und neuer Zeit
wird auch hier Frauenhand in Völkergeschicke eingegriflFen
haben. Herzog Heinrich hatte am späten Lebensabend sich
die dritte Gemahlin aus dem — damals sozusagen politisch
neutralen — Hause der Babenberger geholt. Seine Wahl
war auf Sophie, die jüngste Tochter des ostmärkischen Mark-
^ 23. September 1122; bestätig auf der Lateransjnode 1123.
* Deutsche Chroniken UI, Abt n, S. 706—707.
ArehiT. 94. Band, II. H&lfU. 38
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568
grafen Liupold 11.,^ gefallen. Als eine Jungfrau von kaum
20 Jahren wurde sie dem dreimal älteren Herzog angetraut.
Wer einigermaßen die Menschennatur kennt, kann sich lebhaft
vorstellen, welche Macht die jugendliche Frau, besonders wenn
sie nicht häßlich war, über ihren alten Gatten gewonnen haben
wird. Es wird ihr daher nicht schwer gefallen sein, denselben
in seiner Todeskrankheit zubewegen, sein Gut ihrem Neffen
Liupold, dem Sohne ihrer vor Jahren verstorbenen leiblichen
Schwester Elisabet aus der Ehe mit Otakar von Steyr, ver-
mächtnisweise zuzuwenden und damit den Weg zur Nach-
folge in der Mark zu bahnen. Diese letztere ist, nach allem
zu schließen, wieder durch Frauenhand bewirkt worden.
Anhänger der alten Theorie werden bezweifeln, daß die
junge Fürstin so bedeutende Willenskraft und auch Selbstlosig-
keit besessen habe, wie sie der erwähnte Akt voraussetzt; sie
vergessen dabei, wer hinter ihr stand und die eigentlich
treibende Kraft war. Damals verwaltete ihr Bruder Liu-
pold lU. die Ostmark, der zwar beraten von Anhängern der
strengeren kirchlichen Richtung und dieser persönlich zugetan,
zugleich jedoch der Meister in der ,SchaukelpoHtik^ war, die
es verstand, im Investiturstreite an der Seite des Kaisers zu
bleiben, ohne es mit Rom zu verderben ; eine klug berechnende
Persönlichkeit, die sich rechtzeitig von der untergehenden Sache
des Vaters abwandte und dem aufständischen Sohne zuneigte, um
mit dem Kaiserhause sich verschwägern zu können. Wenn daher
Liupold seine junge Schwester dem alten Herzog Heinrich zusagte,
hat er zweifellos einen Vorteil für sein Haus im Auge gehabt.
Kinder waren aus dieser späten Ehe nicht zu gewärtigen, der
Vorteil mußte daher anderswo liegen. Es zeigte sich auch nach
dem Ableben des Eppensteiners, welche Mission Sophie, ,das
grüne Reis am kahlen Baum^, zu erfüllen gehabt hatte: in dem
Gewinne der großen Erbschaft für ihren und ihres Bruders
Neffen. Wir dürfen aber Liupold auch zutrauen, daß seinem
weitschauenden Blicke die iMöglichkeit einer Vereinigung der
* Nach Meiller, Genealog. Tabelle der Babenberg'or, war sie ca. 1095 ge-
boren; sie starb am L*. Mai 1154 als Witwe des Grafen Sighard von
Schala.
Daß Sophie die dritte Hausfrau des Eppensteiners war, sagt
Kaiser Friedrich 1. 1170, 3. März (Steiormärkisches Urkundenbuch I,
47H): ,8t>pliia uxor ipsius ducis tercia.*
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569
Kärntner- mit der Ostmark nicht entgangen ist, da das Hans
der Chiemgauer keine Seitenzweige trieb und seit dem Tode
des Markgrafen Adalbero auf zwei Augen stand.
Selbstverständlich ist es, daß Liupold dafür gesorgt haben
wird, seiner Schwester von ihrem alten Bräutigam ein ent-
sprechendes Wittum zusichern zu lassen, wie er dann nach
dem Tode ihres Gemahls, als sie zur zweiten Ehe mit dem
Grafensohne Sighard von Burghausen schritt, ihre frühere
Selbstverleugnung mit einer stattlichen Mitgift belohnte.
In der Tat sprach die junge Witwe das Tal von Aäenz,
das Kainachtal, die Weingärten in Oternitz und zwei Herren-
höfe im Mürztale an, welche ihr Gemahl schon vor Jahren dem
Kloster St. Lambrecht verstiftet hatte. Sicherlich hatte eine
Abmachung mit ihrem Neffen Liupold stattgefunden^ weil, un-
geachtet aller kirchlichen Gesinnung, weder dieser als Vogt des
Klosters, noch dessen Witwe als Vormünderin des jungen Otakar
ihr hindernd in den Weg traten, als sie sich dieser Güter be-
mächtigte. Das KJoster mußte seine Zuflucht zum Papste
nehmen, um den Vergleich vom 19. März 1151 zu erzielen,
wonach sich Sophie, die abermals Witwe geworden war, mit
einer Entschädigung von 120 Mark Silber und mit vier Höfen
abfinden ließ.^
Indem ich auf diese Weise die wirklichen Beweggründe
zu dem bisher ganz unmotivierten Vermächtnisse des Eppen-
steiners herauszufinden mich bemüht habe, besorge ich nicht,
bei einsichtigen Kritikern dem Vorwurfe zu begegnen, ich hätte
modernes Fühlen in alte Geschichten hineingetragen oder die
Phantasie zu frei walten lassen. Im Gegenteile habe ich bei
Berücksichtigung aller Verhältnisse und Familienbeziehungen
nur auch das rein Menschliche nicht aus den Augen ver-
loren; die menschliche Natur bleibt sich immerdar gleich und
der juristische Satz: do, ut des, facio, ut facias hat im Mittel-
alter nicht geringere Geltung gehabt als in der Gegenwart.
Freilich gab es damals keine Memoiren, welche uns nicht
schriftUch fixierte geheime Abmachungen überliefert hätten; den
wahren Tatbestand aus formelhaften Urkunden herauszulesen
und aus den begleitenden Umständen zu erschließen, ist eben
die schöne Aufgabe der historischen Forschung.
1 SteiermErkisches Urkundenbuch I, 111, 117, 326, 478.
38*
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570
Für die Fortdauer der Vereinigung der Mark uiit
dem Herzogtume unter Heinrich IIL bis zu dessen Hingange
zeugt auch der Titel, welchen derselbe in der Gerichtsurkunde
ddo. Padua, 18. März 1116^ führt. Kaiser Heinrich V. nennt
ihn jCharentanae totiusque Marchiae dux*. Wahnschaffe'
meint zwar, daß unter totius Marchiae die mit dem Dukate
bisher verbundene Mark Verona mit dem Friauler Komitate
verstanden sei. Allein Friaul war schon seit einem Jahr-
hunderte nur eine der vielen Grafschaften der Mark Verona
und daher ein integrierender Bestandteil derselben, die Mark
Krain in der Innehabung des Patriarchen von Aquileja, die Mark
Istrien in jener des Markgrafen Engelbert. Der Ausdruck tota
Marchia wäre demnach ein überflüssiger, wenn darunter nicht
die gesamte Mark Kärntens, die südwestliche und die nordöst-
liche, begriffen wären.
Diese Deutung gebietet schon die Auslegungsregel, sie
wird aber auch durch Parallelstellen gestützt. Adalbero L,
Herzog in Kärnten von 1012 bis 1035, vereinigte die Verwal-
tung der beiden Marken mit jener des Herzogtums. In zwei
Urkunden des Frauenkonvents S. Zaccaria in Venedig aus den
Jahren 1013 und 1017,' welche die Verhandlung und Entschei-
dung eines Rechtsstreites der Nonnen mit dem Kloster St. Giu-
stina zu Padua und ein Placitum zugunsten der ersteren be-
treffen, heißt der Herzog ,domnu8 Adalpero dux istius marchiae',
d. h. der Mark Verona, in welcher er zu Gericht saß; das ist
doch der Gegensatz der Stilisierung totius marchiae.
Dessenungeachtet schien zum Schlüsse doch eine Ur-
kunde allen entwickelten Folgerungen direkt zu wider-
sprechen.
Es ist die von Meiller* angeführte Urkunde Kaiser Hein-
richs V. ddo, Mainz 1112, 16. Juli, für das Kloster St. Georgen
an der Brigach im Schwarzwalde ausgestellt ,ob interventum
Moguntinensis archiepiscopi Adilberti, Coloniensis archiepiscopi
Friderici, Trevirensis archiepiscopi Brunonis, Spirensis episcopi
^ Boehmer, Acta imperii selecta, S. 73, Nr. 79.
' a. a. O. 80, Anm. 241.
' Muratori, Antichit^ Estensi I, 85; Antiquitates Italicae I, 169.
* Regesten der Babenberger, S. 12, Nr. 8, nach Schöpflin, Alsatia illustrata.
Das Kloster stand unter Abt Theoger, dem geistigen Haupte der Hire-
auer Kongregation.
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571
Brnnonis et alioram qnorundam nostri Regni principum, scilicet
Linpoldi, Odachori et Hermanni de Badun marchionum.
comitum quoque Willihelmi de Lnozzelinburc, Gotefridi de Cal-
win, Bertoldi de Nneringis.' In dieser Textierung wäre zweifel-
los Otakar vom Elaiser als Markgraf anerkannt.
Diplom und Überlieferung forderten gründliche Unter-
suchung.
Die von Stumpf* und Dümge* erhobenen formellen Be-
denken wurden von Herrn Prof. Breßlau, dessen Gutachten ich
mir erbat, beseitigt. Die Wiederholung einer in der Königszeit
ausgestellten Urkunde nach der Kaiserkrönung ist eine ganz
gewöhnliche Erscheinung, der annus regni steht wie in allen Ur-
kunden des Jahres 1112; der annus imperii steht richtig II (v II).
Auch die Intervenienten geben zu keinen Bedenken Anlaß.
Das großherzoglich badische Landesarchiv in Karlsruhe, an
das ich mich über Anraten wandte, hatte die Güte, den ganzen
ürkundenbetreflF (3 Stücke) zu meiner Einsicht nach Graz zu
senden.
Das Chartular von St. Georgen besteht in dem Reste von
zwei Blättern, die als Einband eines Buches gedient hatten,^
enthält:
a) den Schluß der in Frage stehenden Urkunde von 1112*
von [comjmonitus si in satisfactione congrua bis zu Ende; der
übrig gebliebene Raum der zweiten Spalte ist in kleinerer
Schrift mit der Tradition der Freien heilwidis ausgefüllt.
b) Das erste Privilegium König Heinrichs V. ddo. Mainz,
1108, 28. Jänner, ausgestellt ob interuentum Mogunsciensis
archiepiscopi Rödhardi, Coloniensis archiepiscopi Friderici, Treue-
rensis archiepiscopi Brunonis, Monasteriensis Burchardi et aliorum
quorundam nostri regni principum, im ganzen gleichlautend mit
der Urkunde von 1112, nur folgt nach dem Schlußwort noch
ein die Klostergründung in Lukesham betreffender Passus, dann
ein verschiedenes EschatokoU.
c) Die Urkunde vom Jahre 1163 (s. 1.), womit Kaiser
Friedrich I. bestätigt, daß von Folmaro Metensi aduocato das
* Reichskanzler 3026. • Regesta Badensia, S. 30.
* Archivssignatur: Karlsruhe, Selekt der ältesten Urkunden bis 1200,
Heinrich V., Kopie Nr, A 16.
* Abgedruckt bei Huillard-BrehoUes, Eist. dipl. Friderici secundi Via, 381,
jedoch nicht völlig genau.
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572
von selbem gegründete Lncense cenobinm in episcopatu Metensi
dem Kloster St. Georgen in nigra silna ins Eigentum über-
geben worden sei.*
Das Vidimus Kaiser Friedrichs II. ddo. Grosseto, Dezem-
ber 1245,* im Original mit Einschnitten für das fehlende
Siegel.
Die Nachbildung der Urkunde von 1112 aus dem 14. Jahr-
hunderte endlich hat: ,Lupoldi, Odachorj, Hermanni de Badin
marchionum, comitum quoque Willehelmi de luozzelinburC;
Godefridj decalwen, Bertoldi de Nueringis.' Augenscheinlich
hat der Zeichner nicht ein Original, sondern nur das Vidimus
Friedrichs II. vor Augen gehabt; aus dem Chartularfragmente
selbst war nichts zu erfahren.
Von der italienischen Kanzlei des Kaisers war entschieden
verlesen der Name des Zeugen Bertold de Nueringis, hinter
dem, wie Herr Dr. Hans Hirsch, Mitarbeiter der Monumenta
Germaniae, vermutet, der junge Bertold von Zähringen (f 1122)
verborgen ist, welcher um diese Zeit in Urkunden von St. Bla-
sien wiederholt als dominus (nicht dux) de Zaeringen vor-
kommt. Was die italienische kaiserliche Kanzlei au Namens-
verunstaltungen verbrechen konnte, zeigt das Vidimus 1233,
1. März,' der angeblichen Bestätigung der Stiftung des Klosters
St. Lambrecht durch Kaiser Heinrich IV. vom Jahre 1096, die
Kaiser Friedrich II. im guten Glauben als echtes Original be-
glaubigte.
So wird auch die Namensform Odachori für einen guten
deutschen Namen verlesen worden sein, worauf schon allein
die damalige politische Lage schließen läßt. Kaiser Heinrich V.
hatte im Vorjahre vom Papste Paschal II. die Anerkennung des
königlichen Investiturrechtes erzwungen. Die kirchliche Partei
erhob sich jedoch gegen den Vertrag von Ponte Mammolo
(11. April 1111); auf dem Laterankonzil (18.— 23. März 1112)
wurde das ,pravilegium' verworfen. Der Kaiser mußte schon da-
mals gewärtig sein, daß der Kampf wieder entbrennen und seine
alten Gegner sich wieder zusammenschließen werden; es ist
gegen alle Wahrscheinlichkeit, daß der kraftvolle Herrscher, um
1 Auf Blatt 2\
' Signatur: Selekt der Kaiser- und Königsnrkunden Friedrichs II., Nr. 37.
' Steiermärkisches Urkundenbnch I, 101—102.
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573
hartnäckige Gegner für sieh zu gewinnen, in diesem kritischen
Augenblicke so kurzsichtig gewesen wäre, dadurch bewährte
Freunde von sich abzustoßen. Da er zu investieren fortfuhr, wurde
er schon am 12. September 1112 von der gallischen Synode von
Vienne in den Bann getan, Lothar von Sachsen und Rudolf
von der Nordmark erhoben die Waflfen, auch der von Heinrich
aus dem Staube erhobene Erzbischof Adalbert von Mainz trat
zu den Gegnern über.
Da die intervenierenden Markgrafen zum größeren Teile
(Liutpold III. von Österreich, Hermann von Baden) Süddeutsch-
land angehörten, ist in dieser Richtung wohl auch der dritte
ausfindig zu machen. Dieser dürfte nun aller Wahrscheinlich-
keit nach Tietbald H. von Vohburg (f 1146) gewesen sein,
welcher die Erhebung Heinrichs V. zum König so eifrig be-
trieben hat, daher ihn Riezler (Geschichte Bayerns I, 611)
einen der Königsmacher von 1105 genannt hat, und gemeinsam
mit dem Grafen Berengar von Sulzbach für den Kaiser den
Schwur, welchen dieser am 9. Februar Uli zu Sutri geleistet
hatte, in Rom wiederholte.^ Diese drei Markgrafen (Hermann,
Liutpold, Tietbald) waren es auch, die in gleicher Gemein-
schaft die ,in presentia et nutu et auctoritate Hainrici impera-
toris quarti augusti^ zu Mainz im Jahre 1114 errichtete Ur-
kunde Herzogs Heinrich von Kärnten für St. Lambrecht* be-
zeugten.
Ungeachtet aller Umstände, welche geradezu auszuschließen
scheinen, daß Otakar von öteyr fast unmittelbar nach der Ge-
fangennahme des Papstes sich dem Kaiser Heinrich V. so enge
angeschlossen haben sollte, daß er schon im Sommer 1112 als
angesehener Intervenient bei demselben auftreten konnte, würde
die Kritik immer noch das Fehlen eines Gliedes in der ganzen
Beweiskette zu bemängeln haben und sicherlich die Frage auf-
werfen: Auch angenommen, es sei von der italienischen Kanzlei
Friedrichs II. ebenso wie von Berthold von Zubringen der vor
* Riezler, Geschichte Bayerns I, 575, 680.
* Steiermärkisches Urkundenbuch I, 118: ,8ub testimonio . . . ducum qiio-
que Welfonis de Bawaria, Lotharii ducis de Saxonia, Friderici ducis de
Swevia, comitum quoque Gotfridi palatini comitis (der Gotfrid von Kalw
der Urkunde 1112, der nach Stalin, Geschichte Wirtembergs I, 256,
1113 rheinischer Pfalzgraf geworden war), Hermanni marchionis,
Liytpoldi, Tietbaldi marchionis, Berengarii comitis/
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574
diesem stehende Zengenname der Originalurkunde verlesen
worden, wie soll dann dieselbe dazu gekommen sein, für den
ihr nicht verständlichen Namen einen ebenso wenig geläufigen,
wie Odachor es ist, in das Vidimus einzusetzen?
Ich glaube, durch eingehende Nachforschungen in die
Lage versetzt zu sein^ auch hierfür eine ausreichende Erklärung
zu geben.
Vor allem haben wir ganz genau den Zeitpunkt ins Auge
zu fassen, in welchem das Transsumt ausgestellt wurde. Es
war im Dezember 1245 im kaiserlichen Winterquartier zu Gros-
seto in Tuscien. Seit 1239 stand dem Kaiser als Mitstreiter
gegen die lombardischen Städte sowie gegen die weltlichen und
geistlichen WaflFen des Papstes sein natürlicher Sohn Enzio zur
Seite, den er zum König von Sardinien erhoben und zu seinem
Legaten in Italien bestellt hatte. Dies führt uns auf eine kurze
Betrachtung der Vergangenheit Sardiniens.^
Die Insel Sardinien, über welche der römische Stuhl seit
den Tagen Gregors VII. entschieden die Oberhoheit ansprach,
blieb während des Investiturstreites notgedrungen außer dem
Machtbereiche der deutschen Könige und Kaiser; die Sachlage
änderte sich aber, als die Staufer den deutschen Thron bestiegen.
Schon vor seiner Wahl wird Kaiser Friedrich I. die Insel dem
Bruder des Herzogs Heinrich von Sachsen, Weif VI., zuge-
sichert haben; denn wenige Wochen später trägt Weif schon
die Titel: Herzog von Spoleto, Markgraf von Tuscien und Fürst
von Sardinien,* in einem Qunstbriefe für Pisa vom 9. Februar
1156^ nennt er sich ,divina favente dementia princeps S ar-
din ie, dux Spoleti, marchio Tuscie ac dominus domus Matilde^
Kaiser Friedrich betrachtete demnach vom Anbeginn seiner Herr-
schaft Sardinien als Reichslehen, weshalb er sich auch für
berechtigt hielt, dem Richter Barison von Arborea im Jahre
1164 den Königstitel zu verleihen,* im nächsten Jahre aber^
1 A. Dove, ,De Sardinia insula' 1866; H. Blasius, ,E5nig Ensio' 1884;
Jaff^, Bibliotheca rer. Germ. II; die Regesta Pontificom Romanomm
von Jaffe und Potthast; Codex dipl. Sard. in Monum. bist patriae,
t. X. Tarin 1861. In geographischer Beziehung Neigebaur, ,Die Insel
Sardinien* 1853.
' Riezler, Geschichte Bayerns I, 664.
» Codex dipl. Sard. I, 876. ♦ a. a. O. I, 228, 234, 240.
«^ a. a. O. 232.
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575
die ganze Insel mit ihren vier Fürstentümern Torre, Gallura,
Arborea und Cagliare der reichs- and kaisertreuen Stadt Pisa
unter Widerruf des Lehenbriefes für Weif zu Lehen zu geben.
Während'der Thronkämpfe nach dem Tode Heinrichs VL und
während der Minderjährigkeit Friedrichs IL erstarkte wieder
die päpstliche Gewalt, bis Kaiser Friedrich die Gelegenheit
ersah; im Jahre 1238 seinen Enzio, einen ausnehmend schönen,
hochherzigen^ mit allen Rittertugenden gezierten Jüngling, mit
der verwitweten Herrin der Judikate Turris und Gallura,
Ädelasia, zu vermählen. Zwar wurde über letztere ,wegen
Bruches des Treueides gegen den päpstlichen Lehensherrn^ der
Kirchenbann verhängt, aber Enzio kam mit ritterlichem Gefolge
auf die Insel und nannte sich fortan König von Torres und
Gallura^ wenig später König von Sardinien. Die beiden Fürsten-
tümer wurden für ihn jahrelang verwaltet und noch im Jahre
1248 schreibt Papst Innocenz IV., daß der Bischof von Ploaghe
von den Amtleuten und Helfern Enzios von seinem Sitze ver-
jagt worden sei.^
Die res Sardoae waren demnach damals am Kaiser-
hofe aktuell; sardinische Namen, zumal jene der Magnaten
und der Fürsten, außer allem Zweifel der Kanzlei sehr wohl
bekannt und mundgerecht.
Auch sprachliche Gründe streiten gegen die Gleichung
Odachor— Otacher. Der von mir in der Kaiserurkunde bean-
ständete Eigenname Odachor — in welcher Form der Name
Otachar niemals nachzuweisen ist — zeigt den Auslaut chor,
welcher im 11. und 12. Jahrhunderte an sardinischen Namen
beobachtet wird, welche nicht etwa vereinzelt, sondern ziem-
hch häufig bezeugt sind, daher im gewöhnlichen Gebrauch ge-
wesen sein müssen ; selbst die Varianten Orthocor und Othocor
(im modernen Italienischen Ottocore lautend) kommen vor. Die
Anmerkung* zählt diese Namen und auch die anklingenden
* a. a. O. 360.
" 1073 Orzocco (a. a. O. 166), 1074 Orzocor (157), 1086 Orzocco (157),
ca. 1100 Orzoccor (166), 1108 Orthocor (182), 1112 Yttochor (182),
ca. 1112 Ithocor de atheu, Ithocor de cerci (184), 1113 iudex Othocor
de GaUara (186), 1113 Ithocor de Laccon, Ithocor de athon (186),
1113 Izzocor de Laccon, Izzocor de Bosoba, Izzocor de Cerci (188),
1113 Izzoccor de Lacon, Izzoccor Laccon, Uzzacor de Bosobe, Iz-
zocor de Ceni (189), Ithocor de Athen, Ithocor (190), 1114/1115
Orthoccor Gallurensis rex (191), 1115/1116 Iudex Ithocor de Galluri,
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576
auf, die zum weitaus größten Teile dem Reiche Enzios,
zumal dem Judikate Turris, angehören.
Nach dieser Darlegung glaube ich, ohne begründeten
Widerspruch besorgen zu müssen, mit der bestimmten Er-
klärung schließen zu dürfen: Odachor ist ein sardinischer
Name, welchen die kaiserliche Kanzlei für den ihr un-
verständlichen richtigen Zeugennamen im Vidimus ein-
gesetzt hat.
Die Wiedererwerbung der Eärntnermark durch das
Chiemgauische Haus
ist auf ganz andere Weise vor sich gegangen.
Die Weifen standen seit dem Jahre 1096 auf kaiserlicher
Seite; dem Herzoge Weif II. war in Bayern 1120 sein nicht
minder gut kaiserlich gesinnter Bruder Heinrich IX. (der
Schwarze) gefolgt. Von den Töchtern des letzteren war Judit
mit Herzog Friedrich (dem Staufer) von Schwaben, Sophie mit
dem jungen Herzog Berthold III. von Zähringen vermählt,
Mathilde heiratete später Tietbald, den Sohn des gleichnamigen
Grafen im Nordgau (Vohburg) und nach dessen Tode den
Ithocor de Flamen (192), 1117 Thocor de Gunale, Ithocor de Serra,
Ithocor de Flumen (196), 1120 Ithocor de Azzen (200), 1131 Itho-
cor de Marthi, Ithocor quondam Coinita(e) de Lacco, Ithocor de
Calcafarre (207), 1130 Izzochor de Athen, Izzochor Secce ('210),
1153 Ithocor de Lacon, Ithocor de Bagnos (219), 1182 Orzocho de
Lacon, Orzocor de Lacon Arboriscus Curator de Barbaria de Meana
(252), 1182/1183 donnigellu Itochor et Itoicor de Lacon (253), 1185
Orzocor de Lacon Sabin curadore de parte d'Usellos (264), 1187
Orthocco Arbis, Ithocoro de Varre (261), 1188 Orzocor de Lacon
Cnrator de Barberia Dagusti (262), 1195 Orzocor sakellu maiore de
buiachesos (278), 1210 Ithocor de Navithan (318), 1233 Arzocho de
Serra (343), 1204 Ytochor de Thorum (Potthaat Regest 230u).
Die vorstehenden Namen finden sich hauptsächlich in Original-
urkunden und Ghartularien der Domkirchen von Genua und Pisa sowie
der Klöster Camaloli in Tuscien (auch Yallumbrosa hatte auf Sardinien
Besitz) und Monte Cassino, wohin die Fürsten und Magnaten der Insel
stifteten; denn Sardinien lag im 12. und 13. Jahrhunderte keineswegs
außerhalb des Weltverkehres, war vielmehr durch die rivalisierenden
Machtbestrebungen der Päpste, der Freistaaten Pisa und Genua, zuletzt
auch des Kaisertums mit dem westlichen Festlande Italiens enge ver-
bunden.
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577
Qrafen Gebhard von Sulzbach, Wulfhilde endlich den Grafen
Rudolf von Bregenz. Als Berthold (juvenis egregius, impera-
tori fidelissimus^)^ noch im Jahre 1122 einen gewaltsamen Tod
fand, reichte Sophie dem Sohne Otakars von Steyr, Liupold,
die Hand zum Ehebunde.^
In diesem Zeitpunkte (1123) war die Sachlage
eine völlig veränderte. Wenige Tage nach dem Hinscheiden
des alten Otakar (28. November 1122) war auch Heinrich von
Kärnten in das Grab gesunken (4. Dezember 1122), das Her-
zogtum und die Mark waren gleichzeitig erledigt. Es
unterliegt wohl keinem begründeten Zweifel, daß der bei dem
Kaiser hochangesehene Herzog von Bayern seinen Einfluß bei
Hof geltend gemacht hat, daß dem Bräutigam seiner Toch-
ter, welcher durch das Vermächtnis seines Oheims ohnehin der
bedeutendste Grundherr in der Mark geworden war, die er-
ledigte Kärntnermark übertragen wurde; das Herzogtum
Kärnten trug Engelbert der Spanheimer davon. Für die
bayrischen Grafschaften diesseits des Pirn blieb Liupold
Mann des bayrischen Herzogs; eine fernere Abhängigkeit
der Mark von Kärnten ist nicht beurkundet.*
Jetzt erst — nicht vor Sommer 1123 — hielt das Chiem-
gauer Haus seinen Wiedereinzug in die Mark; der bisherige
Sitz zu Steyr wurde verlassen, Liupold schlug seine Residenz
zu Graz auf. Getreu der kirchlichen Richtung seines Vaters
schritt der neue Markgraf sofort zu einer Klostergründung,
Reun, welche nach seinem frühzeitigen Tode (1129, 26. Oktober)
die Witwe vollendete.* Diese wurde auch die Vormünderin seines
Sohnes Otakar;* in der Zeit ihrer Regentschaft (1129 — 1138)
^ Ann. Patherbr. ad 1122. Er hatte noch am 23. September da« Wormser
Konkordat bezeugt.
• Noch am 30. April 1123 (Oberösterreichiaches Urkundeubuch II, 159)
weilte der marchio Styrensis Liutpold zu Steyr, woselbst er dem
Kloster Garsten die demselben von seinem Vater Otakar erteilten Dona-
tionen und Freiheiten bestätigte, welcher Umstand für die Vermutung
spricht, daß ihm die Verwaltung der Mark erst nach diesem Zeitpunkte
übertragen worden ist.
• Interessant ist die Übersicht der bajuvarisch-karentanischen Panther-
wappen bei Anthony von Siegenfeld, ,Daa Landeswappen der Steiermark*,
8. 362.
^ Steiermärkisches Urkundeubuch I, 136, 174, 175.
^ Derselbe kann firühestens im Jahre 1124 geboren sein.
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wird sie die Verwaltung der beiden Grafschaften zwi-
schen der Traun und der Ens und im Gebirge aus der
Hand gegeben haben. In letzterer erscheint schon 1141*
Hartnid von Ort durch diese Bezeichnung selbst als Inhaber
der Gerichtsgewalt ausgewiesen; die erstere wurde wahrschein-
lich schon damals den Freien von Lengenbach zu Lehen
gegeben. Zwar ist erst in den Exemtionsurkunden für St. Flo-
rian und Kremsmünster 1212, 1213, 1219* das Gerichtslehen
des Domvogtes Otto von Regensburg in dieser Gegend aus-
drücklich bezeugt; allein auf die Innehabung desselben schon
im Laufe des 12. Jahrhunderts weist der Umstand hin, daß um
das Jahr 1185* der Ausgleich des Klosters Admont mit dem
Ritter Friedrich um eine Liegenschaft zu Stadelkirchen, also
im Distrikte des Landgerichtes zwischen Traun und Ens,
,mediante Ottone nobili viro de Lengenbach' zustande kam,
daher anzunehmen ist, die Streitsache um das liegende Gut sei
vor die Landschranne gebracht und von ihm, dem Richter,
verglichen worden. Nachhin trugen von den Herren von Leng-
bach das Gericht die Dienstleute von Gleunk, die sich nach
der Umwandlung ihres Sitzes in ein Kloster die Burg Volken-
storf bei St. Florian erbaut hatten, zu Afterlehen und nach
dem Aussterben der Domvögte* unmittelbar vom Landesfürsten
zu Lehen. Die enge Verbindung der HeiTcn von Lengbach
mit dem Chiemgauer Hause geht aus der Erzählung des Land-
buches ^ hervor, wonach Herzog Otakar vor dem Gedinge am
St. Georgenberg um den Domvogt Otto (III.) sandte und ihm
Rapotenkirchen, Kelch berg und Sitzenberg überließ.
Es folgten noch in der Mark die Stiftungen von Spital
am Semmering (1160), von Voran (1163), von Seitz (1165).^
Am 9. Mai 1192 ging der letzte Chiemgauer zu seinen Vätern
ein, die Kärntner mark, nun Land Steyr genannt, fiel nach
dem Erbvertrage von 1186 und der Belehnung vom Kaiser an
die Babenberger.
* Oberösterreichiflches Urkundenbuch II, 194; Mon. Boic FV, 408.
^ Oberösterreichisches Urkundenbuch II, ö47, 660, 664, 668; Urkunden-
buch von Kremsmünster S. 74, Nr. 67.
' Steiermärkisches Urkandenbuch I, 619.
* Stammtafel bei Meiller, Reg. der Erzb. von Salzburg, S. 538.
* Mon. Germ., Deutsche Chroniken lü, Abt. II, 710.
^ Steiermärkisches Urkundenbuch I, 396, 446, 46S.
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Wir stehen am Schlüsse der Untersuchung und fassen
ihre Ergebnisse zusammen:
1. Die Vorfahren der steiermärkischen Markgra-
fen stammen aus dem ChiemgaU; in welchem sie im 10.
und 11. Jahrhunderte eine Grafschaft im Süden des
Chiemsees verwaltet haben.
2. Die Gleichstellung der Namensformen Ozi und
Otakar läßt sich weder urkundlich noch sprachlich
begründen; sie ist von älteren Schriftstellern in An-
lehnung an die Melker Urkunde und an die Urkunden
von 1027 und 1049 erfunden.
3. Das Haus der sogenannten Otakare hatte sein
Stammgut im Chiemgau und kann Besitz und Grafen-
rechte im vormaligen Traungau erst aus der Erb-
schaftsmasse der Lambacher erworben haben.
4. Der erste Kärntner Markgraf aus dem neuen
Hause^ Otakar^ ist spätestens 1066 aus dem Leben ge-
schieden und hat seinen älteren Sohn Adalbero als
unmittelbaren Nachfolger in der Mark gehabt.
5. Zwischen Adalbero und den Eppensteinern in
Kärnten hat kein Kriegszustand geherrscht, wohl aber
zwischen ihm und seinem jüngeren Bruder Otakar,
der sich von einem Gegenkönig als Markgraf aufstel-
len ließ.
6. Nach dem Tode Adalberos fiel die Mark an Kärn-
ten und blieb mit diesem Herzogtume bis zum Er-
löschen des Hauses Eppenstein vereinigt.
7. Erst nach Eintritt dieses Ereignisses wurde
die Mark an den Neffen Adalberos, Liupold^ verliehen^
welcher, um die rechtliche Eigenschaft des von seinem
Vater geführten Titels und beanspruchten Amtes eines
Markgrafen nicht in Frage zu stellen, den Titel von
Steyr beibehielt.
8. Die ursprüngliche Bezeichnung der Mark (Kärn-
ten, Kärntnermark) erhielt sich gegen die nun auf-
kommende offizielle ,Steyr' noch längere Zeit im Volks-
munde,^ bis derselbe der neuen Benennung das fest-
gehaltene Suffix jMark' anhängte und so die Bezeich-
* Belege im Steiermärkischen Urkundenbuch.
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580
nung ^Steiermark' schuf, welche seit einem Jahrhun-
derte auch die offizielle geworden ist.^
9. Otakar ist niemals im faktischen Besitze der
Mark gewesen; er blieb Usurpator des Titels, ein Mark-
graf ohne Mark, weshalb er auch nur von seinem Sitze
Steyr de Styra oder Stirensis genannt wurde. Er ist
aus der Markgrafenreihe zu streichen.
Die geschlossene Reihe der Markgrafen ist demnach
folgende :
1. Otakar I., Graf des Komitates ,Grabenstatt* im Chiem-
gau, wahrscheinlich schon seit 1050, gestorben auf der Pilger-
fahrt zu Rom 1065/1066.»
2. Adalbero IL, seit 1066, gestorben (22. November) 1086
oder 1087.
3. Herzog Liutold von Kärnten, seit 1087, gestorben 1090.
4. Heinrich UI. von Kärnten, seit 1090, gestorben 4. De-
zember 1122.
5. Liupold, Neffe Adalberos H., seit 1123, gestorben 26. Ok-
tober 1129.
6. Otakar H., seit 1129 (unmündig bis 1138), gestorben
auf der Pilgerfahrt 31. Dezember 1164.
7. Otakar III., seit 1165 (unmündig bis 1177), gestorben
als Herzog 9. Mai 1192.
Das letzte, nunmehr das leichteste Stück Arbeit ist die
Würdigung der
Vorauer Tradition.
Nicht sehr lange Zeit ist es her, daß die sogenannte Über-
lieferung ein besonderes Ansehen genossen hat. Ausschlag-
gebend sogar wurde sie häufig, wenn urkundliche Nachrichten
nicht aufzubringen waren. Man übersah, wie kurz das Ge-
dächtnis der Menschen selbst in der Gegenwart ist, und be-
dachte nicht, daß es in der Vergangenheit ein noch kürzeres
war. Tatsachen, schon anfänglich einseitig aufgefaßt, wurden
verdunkelt, bald ganz unterdrückt. Dem Vorauer Fragment
»
^ Außer im großen Titel des Monarchen.
' Die Deutung seines Todestages aus den Nekrologen wurde nicht ver-
sucht, ihr müßte ein gpründliches Studium derselben in Hinsicht der
Zuverlässigkeit und des Alters der Niederschriften vorangehen.
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581
brachte man unbedingten Glauben schon deshalb entgegen, weil
die Darstellung nicht über die Zeit der Otakare hinausreichte
und aus einem von dem vorletzten Otakar gestifteten Kloster
stammte. Die zuverlässigste Nachricht über die Otakare wäre
naturgemäß aus ihrem Hauskloster Garsten zu erwarten ge-
wesen; allein das Interesse der dortigen Mönche ging nicht
über den Begründer des Benediktinerkonvents hinaus, ihre
Annalistik setzte erst später ein und als sie endlich nach Jahr-
hunderten daran dachten, die Stiftung in Stein zu verewigen,
waren ihnen nur Falsifikate geblieben, die ihnen fingierte An-
gaben boten. Wie sollte dann in dem ein Jahrhundert später
ins Leben gerufenen Kloster Voran sich eine treue Erinnerung
an die Vergangenheit bewahrt haben ? Wie die Steinschrift von
Garsten ist nunmehr auch das Vorauer Fragment als eine
Mischung von vielem Unwahren oder Entstellten mit einigen
wirklichen Tatsachen erkannt. »Verlorene' Nachrichten hat
der Mann nicht benutzt, es müßten denn ebenfalls FäL
schungen gewesen sein; wir kennen alle seine Quellen. Es
waren die Annalen von Salzburg und Admont und die gleich-
falls in Admont verfaßte Lebensbeschreibung des Erzbischofs
Gebhard von Salzburg, sämtlich dem 12. Jahrhunderte an-
gehörig; er hatte Kenntnis von der Salzburger Urkunde vom
Jahre 1049, kaum von der Melker. Alles, was darüber hinaus-
ging, ist seiner Phantasie oder der einseitigen Richtung, welche
sich die Vergangenheit nur im Lichte der Gegenwart vorstellen
konnte, entsprungen. Den Stammbaum der Chiemgauer mit
durchaus gleichen Namen verlängerte er auf das Geratewohl,
Markgrafen waren ihm alle; den Widersacher der Kirche muß
nach seiner Überzeugung die Strafe des Himmels ereilen,^ des-
^ Jeder Widerstand gegen materielles Interesse einer Kirche schien die
Strafe des Himmels herauszufordern, selbst wenn derselbe, wie in
dem zweiten der folgenden Beispiele, rechtlich begründet war. So
ist dem Traditionsbuche von Berchtesgaden der freie Herr Wernhard
von Jolbach (Stammvater der Schaunberger) ,quidam tyrannus animae
suae inimiciis*, weil er eine Seelgerätstiftung Meginhards von Rotenhof
anfocht, bis Propst Eberwin ca. 1130 ,iramensam maliciam atque in-
saciabilem avariciam eiusdem praedonis* mit einer Geldsumme abfand;
der Titel dominus wird ihm erst bei Ausstellung der Verzichtsurkunde
zuteil. (Quellen und Erörterungen I, 26*2, 307.) In welch falschem
Lichte würde uns dieser angesehene Mann erscheinen, wäre uns nur
die Schilderung des Berchtesgadener Kanonikers erhalten geblieben?
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halb läßt er Adalbero erschlagen und erfindet zur besseren Be-
glaubigung seiner Erzählung einen Ort ,Julben*. So bestimmt
er dieses gewaltsame Ende weiß^ so lückenhaft und unsicher
ist seine Kenntnis der Erwerbungen der Chiemgauer.
Die Schreiblibung der unbekannten Hand von Voran, die so
großes Wirrsal angerichtet und noch zuletzt mit so vielem Eifer
verteidigt wurde, hat einer auf den Grund gehenden Unter-
suchung nicht standzuhalten vermocht. Ich glaube keinem
Widerspruche zu begegnen, wenn ich das Rösumö mit den
Worten schließe:
Der Vorauer ,Tradition' ist das Requiem gesungen,
sie wird nimmermehr zum Leben erwachen.
Die abschließende Darstellung des Besitzes der Otakare
westlich von der Traun und im Norden der Donau, des ein-
gehaltenen Modus bei der Teilung des Lambachschen Nach-
lasses unter die Erbsinteressenten,- der Rechtsnachfolge der
Schaunberger im Lambachschen Eigen zwischen Hausruck und
Traun muß der nächsten Abhandlung ,Hausruck und Atergau'
vorbehalten bleiben, da dieselbe von Folgerungen aus der Ent-
wicklung des Besitzstandes im 11. und 12. Jahrhunderte ab-
hängig gemacht ist, für welche hier Anlaß und Raum nicht
gegeben sind.
Die Klarstellung der Geschicke der Kärntnermark wäh-
rend des Investiturstreites bringt noch einen weiteren Ge-
winn: den Schlüssel zur Beantwortung der immer wieder
gestellten Frage nach der Entstehung der Frenz- und
Laussagrenze zwischen dem heutigen Lande ob der Ens und
Steiermark. Zuerst Herrschaftsgrenzen zwischen den Gütern
Steyr und Admont^ sind Bäche und Täler zuletzt Landesgrenzen
Nicht viel besser würde es dem ,Yir valde eminens* Adalbert von
Perge ergangen sein, hätte er nicht doch noch seinen Widerspruch
gegen die Überlassung eines Gutes zu Meisching, welche das Kloster
Wilhering von dem Eigenmann Adalberts in allodialer Eigenschaft be-
gehrt und erhalten hatte, zurückgezogen, ungeachtet das Geschäft vor
Herzog und Landrecht für ungültig erklärt worden war. Denn selbst
dann noch spricht der Aussteller der besiegelten Traditionsnotiz Abt
Gebhard davon, daß Adalbert ,futurara divini examinis discussionem* zu
fürchten hatte und aus dieser Rücksicht Gott und seiner Mutter Ge-
rechtigkeit widerfahren ließ (1161, Oberösterreichisches Urkunden-
buch II, 316).
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geworden.^ Diese Herrschaftsgrenzen hat denn auch der Er-
wählte von Salzburg; Philipp, sorgfUltig eingehalten, als er zur
Besetzung des Enstales schritt.
Die Landgerichte.
Die Entwicklung der alten großen Landgerichte und deren
allmähliche Zersplitterung in kleinere und kleinste Sprengel ist
in den Erläuterungen nahezu erschöpfend zur Darstellung ge-
langt. Hier wird daher nur das nachgetragen, was dort von
der Erörterung ausgeschlossen wurde, weil es den Zusammen-
hang und die Übersicht zu gefährden drohte.
I. Die Herrschaft Steyr
war in seiner ältesten Begrenzung der untere Enstalgau, wel-
chen der Gegenmarkgraf allein gegen seinen Bruder Adalbero
behauptet hat. Das Urbar stieß im Westen an jenes des Hoch-
stiftes Wirzburg, an welches es durch Bischof Adalbero gelangt
war. Die Grafschaftsrechte scheinen jedoch durch den Lauf
des Steyrflusses begrenzt gewesen zu sein und nur bei Leon-
stein über denselben hinausgereicht zu haben, einerseits weil
das Landgericht zwischen der Traun und der Ens mit jenem
Anteile, welcher nachhin das Landgericht Losensteinleiten
bildete, bis zur Landstraße zwischen (Bad) Hall und Steyr
heranreichte, so daß die Landgerichte Hall und Steyr nur
mittels eines schmalen Straßenstreifens zusammenhingen und
andererseits noch im Jahre 1621* von der Herrschaft Gschwendt
der Anspruch auf die Ausdehnung ihres Landgerichtes bis an
den Burgfrieden der Stadt Steyr aufrecht erhalten wurde. Daß
vor Zeiten Steyrdorf und Aichet, also der am linken Ufer der
Steyr belegene Teil des Stadtburgfriedens, zum Landgerichte
zwischen der Traun und der Ens gehört haben werden, darauf
deutet auch die längere Jahre eingehaltene Gepflogenheit der
* Noch 1675 war die Grenze an der Mündung der Laussa unsicher, erst
durch Vergleich vom 13. September 1709 wurde das Bachbett als
Grenze zwischen Steyr und Admont festgestellt (Konfinstreit 1563—1770
72
Signatur Bbb — - im Stiftsarchive Admont).
* Urbar von Gschwendt vom Jahre 1621 im fürstlich Auerspergschen
Archive zu Losensteinleiten.
ArehiT. 94. Band, II. H&Ifto. 39
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Stadt Steyr hin, in Bjriminalfällen den Waldboten (praeco) von
den Herren von Volkenstorf und Losenstein zur Besetzung des
Malefizrechten zu erfordern.^
Für die Vermutung, daß der Bezirk des nachmaligen
Landgerichtes Hall ursprünglich der Grafschaft zwischen der
Traun und der Ens' zuständig gewesen, spricht auch der Um-
stand, daß der Herrschaft Qschwendt der Wildbann innerhalb der
Haller Markungen (von der Krems und Ahrmühle zu ünterrohr
längs der Schamstraße [alten Steyrer Straße] bis zum oberen
Kaumberger zu Hilbern, bis zum Koppen in Oberhamet Ort-
schaft Pesendorf über die Kamerhub bei Gunersdorf bis zur
Steyr, diese ab und ab bis zum Parschallernberg und Grind-
berg* zustand, doch wohl als ehemaliger Landgerichtsobrigkeit.
In den Erläuterungen wurde bereits ausgeführt, daß ein
Richter zu Hall nicht vor dem Jahre 1292 nachweisbar ist, was
mit der Annahme stimmt, daß sowohl die Abtrennung des
Gerichtsbezirkes Hall als auch die Erweiterung des Land-
gerichtes der Herrschaft Steyr erst aus dem Zeiträume stammt,
in welchem die Landgerichtsbarkeit den Volkenstorfern verloren
gegangen war, also zwischen den Jahren 1255 und 1282,* sei es,
daß dieselbe schon von König Otakar gelegentlich seiner Organi-
sierungsakte oder erst nachmals von Albrecht verftlgt worden ist.
Von dieser Zeit an zerfiel das Herrschaftsgebiet von
Steyr in zwei Landgerichte: jenes von Hall* und jenes von
^ Preuenhueber, Ann. Styrenses, S. 167. Urfehde Hansen, Stefan des
Oreuzlein Sohn von Eremsmünster, vom Jahre 1404 auf Barbara, Haus-
frau des Pflegers zu Steyr Wilhelm von Ror . . Hans z. d. z. Waldbot
zwischen der Ens und Traun, Richter und Rat zu Steyr.
* Urbar Gbchwendt.
Und nach dem Urbar der Herrschaft Steyr von 1658, das auf die
Zeit Ferdinand Hofmanns (f 1573) zurückgeht, stand auf der Steyr von
der spritzenden Mühle (am Steyrleitnerbach) an dem Lenggraben
bis unterhalb der Scharmühle das Fischereirecht der Herrschaft Steyr
gemeinschaftlich mit Losensteinleiten und Kloster Garsten zu,
was vermuten läßt, der Sprengel des ersteren habe vormals bis an die
Steyr gereicht
^ Oberösterreichisches Urkundenbuch HI, 548.
* Die Grenzen beschreibt ein Blatt einfacher Abschrift im Archive Spital
am Pyrn (Bd. 135, neu Bd. 693) soc. XVII unter der Aufechrift: ,Halle-
rischer Landgerichts Gezierk folgendermaßen:
Das Hallerische Landgericht, welches durchgehends eines
freien aigenthombs und von alters hero negst der Statt Steyr auf dem
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Steyr.^ Letzteres wurde von Hans aus (d. h. von Steyr aus)
verwaltet, wie das Urbar der kaiserlichen Herrschaft Steyr vom
Jahre 1658* bemerkt, jedoch wurde der Landrichter von Hall
im Bedarfsfalle auch im Landgerichte Steyr verwendet.* Der
Landrichter hatte zu Hall in der Hofmarch, wie von alter
Stainfeld bey der steinern gattem Seylln oberhalb der Statt Steyr Hoch-
gericht sich anfanget und gehet neben der Steyr hinauf auf Sieming-
hofen, Neuzeug, Pichlern hinein in Stainpach an die Steyrleithen Mühl
(wo das Leonstainische und der Herrschaft Steyr Landgericht sich
schaydet), alsdann auf den Grabmayrhof in der Pemzell neben dem
Fach hin bis auf den Krankhopelhueber (Krampenhuber), hinumb auf
die Kappenreuth, von dannen auf den Löblpaum (Loibl) des Herrn
Pfarrers zu Gmundt unterthan, sodann auf das Jägerhaus (im Brand),
wo das Pemstainerische und der Herrschaft Steyr (d. i. Hall) Land-
gericht sich schaydet Alsdann auf den Nußbach herunter auf Wartberg,
neben der Orembs hinunter bis auf die Grembsmünsterische halbe
Prucken und halben Steg unterhalb Crembsmttnster bei der Schiedlmühl,
von dannen wider nach der Grembs hinab auf die Pruckmühl, auf den
Schiedlperg, von dem Schiedlperg hinab auf ober Prunnem wie die
Welser StraB yon obbenanter Pruckmühl hergehet und das Halleri-
sche wie auch Losenstainleith- und Gschwenderische Landgericht sich
schaiden thuet, also daß herwerths gegen Steyr nach ernanter Weiser-
straßen an der linken band liget Losenstain und Gschwendtnerisch,
das andere aber auf der rechten seithen gegen Haal der herrschaft
Steyr gehören thuet, wiewohlen die Herrschaft Gschwendt und Losen-
steinleithen der herrschaft Steyr disen gezirk in etwas strittig gemacht
und dannenhero dises ganz Negotium auf vortsezung der noch yor-
lengst heryber von hof aus angeord tuet Khay: Comen beruhet, von ob-
berüehrten Prunern bis auf den Pach (soll heißen Berg) Schallaberg
(^Parschallem) und gar hinunter bis auf das Stainfeld zu anfangs ge-
sezter Gatterseylln, welcher gezierck sich wenigist auf 10 bis 12 Meyll
wegs erstreckt, worinen gar keine Stett, sondern von Steyr aus die
obbenanten Dörfer Sieming, Sieminghofen, Neuenzeug, Holz bei Stain-
bach (Grünburg), in der Mitte der Marckt Haal, wie auch die adelichen
Süz Müllgrueb, Feyregg, Hehenberg und Crembsegg, die unterthanen
aber Sieming, Waldtneukhirchen , Grienperg, Khirchdorf, Khematen
und Pfarrkhirchen Pfarm gelegen sein, und ist beinebens die herrschaft
Haal kheinem frembden Landgerichtsherrn auf ihren aigenthomblichen
vndterthanen grundt oderPoden ainiches Landgerichtliches Jus bestendtig.
^ Grenzbeschreibung im Anhang, Beilage Nr. XVU.
Vom Urbaramt Weyer des Klosters Garsten findet sich in dessen
Akten im Diözesanarchive keine Grenzbeschreibung vor.
' Blatt 650, 651 im gräflich Lambergschen Archive im Schlosse Steyr,
M. S. m, 268.
• Georg Plattl nennt sich 1677, 1. September, Landrichter zu Hall und
der Herrschaft Steyr (Hofkammerarchiv, S. 26/2).
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herkomen zu hausen und zu wohnen, auch bei einer Burger-
schaft daselbst und andern zum] Landgericht gehörigen Unter-
tanen sowol als auch in der Herrschaft Steyr Landgericht ob
guter Mannzucht zu halten^^ Eine förmliche Exemtion von
dem Landgerichte, wie andere Städte und Märkte, genoß der
Markt Hall nicht, obwohl demselben einige Untertanen in Wald-
neukirchen und besondere Befreiuungen zustanden.*
Das kaiserliche Schloß und ,Burckgepeu' zu Steyr bildete
eine Enklave im Burgfrieden der Stadt und war von der
Gerichtsbarkeit derselben ,in allen Zivil- und Kriminalsachen
ganz völlig separiert, abgesondert und befreyet^* Ausgeschieden
vom Burgfrieden waren laut Vergleiches vom 21. Oktober 1606
das Schloß, der Hofgarten mit dem Mairhäusl und die Hof-
gasse vom Schloßtore bis zu dem unteren Tore.*
Die Freiheiten der Stadt Steyr reichen sicherlich ins
12. Jahrhundert zurück,^ sie waren jedoch nicht verbrieft. Erst
^ Bestallungsbrief Kaiser Rudolfe IL für Hieronymus Pruner ,Landrichter
unsers Landgerichts bei unserer Herrschaft Steyr und Hall in der Hof-
march*. 1579. a. a. O.
' Als Landrichter ist zuerst Heinrich von Rappach, Burggraf datz Ror
und Richter daz Hall in der Hofmarche 1303, 27. Dezember (Urkunden-
buch von Kremsmünster, S. 162, 163, Nr. 146, 147), aufzufassen. Der
Albertus judex in Hall 1278, 1. Juni (Archiv für österr. Geschichte
LXXII, 228), der auch 1292, im Juli (Oberösterreichisches Urkunden-
buch IV, 170) vorkommt, ist sicherlich nur der Marktrichter.
Der ,gevogte* Markt Hall, wie selben Kaiser Max I. in dem Frei-
briefe 1498, 21. Juli, nennt, hatte nur Vogtrecht zu leisten 6 ^, die
Marktkämmerer 2 ^, die Marktholden in Waldneukirchen 6 ß 10 /^
(Dopsch, a. a. O. 181, Nr. 60). Graf Maximilian von Trauttmansdorff,
welchem Kaiser Ferdinand HI. laut Diplom vom 1. Juni 1644 den ge-
vogten Markt Hall mit den drei Ämtern Ober-Hofmarch (mit 178),
untere Hofmarch (mit 281) und Nieder-Rohr (mit 19 Untertanen) für
ein Darlehen von 125.000 Gulden rhein. verpfändete, schuf daraus 1650
ein Fideikommiß, das jetzt auf eine Wiese reduziert ist; das Schloß
(Haus Nr. 1) zu Hall wurde bei der freiwilligen Versteigerung am
21. Mai 1860 mit Grundstücken im Ausmaße von 9 Joch 804 Quadrat-
klafter von den Ehegatten Karl und Anna Masarei erstanden.
« Urbar vom 8. Juli 1667, Blatt 3, M. S. HI, 270 im Schloßarchive Steyr.
* a. a. O., Streitakt Kasten H, Lade 28, im Stadtarchive in Steyr. Erläute-
rung des Vergleiches ddo. 19. November 1613, genehmigt von der nieder
österreichischen Kammer 22. Mai 1614 daselbst. Vgl. Prenenhueber, S. 338.
* Um 1187 wird im Garstner Kodex, Fol. 60, Olricus iudex de Styre an-
geführt. Oberösterroicliisches Urkundenbuch I, l85.
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Herzog Albrecht I. bestätigte dieselben am 23. August 1287:^
yPrimo quod nullus Judex provincialis infra terminos Hof-
marchie in casu quocumque vel causa Judicium sibi yendicet
seu judicare presumat causis sanguinis, que mortem continent,
tumtaxat exceptis, que si emerserint, ad easdem iudicandas per
judicem civitatis ipsius, qui pro tempore fuerit, preco provin-
cialis qui vulgo waltpot dicitur est vocandus.' Die erste Ver-
leihung des Blutbannes an einen Stadtrichter erfolgte 1495,*
die älteste Beschreibung der Markungen des Burgfriedens
stammt aus dem 15. Jahrhunderte.' Die Grenzen des städtischen
* OberOsterreichisches ürkundenbuch IV, 66, 69.
' Preuenhueber, 167.
' AuBzvLg aus dem alten Stadtbache im Streitakte (S. 686, Anm. 4) Blatt
184' bis 186*.
fies Ersten yor St. Gilgenthor hebt sich der Burgfridt an von
der Enß underhalb des Porchholz (Pruckholz rad.), auf der rechten
band in den üartweg zwischen den hensem durch das Krechsental
genant (Kraxental yor Garsten) unzt in das Samingdorf (Saming) auf
Garstner StraB gegen der Statt, unzt zu der Stigl am hof bei der
Linden genant, nochmaln von derselben Stigl auf der denken Hand
neben des genanten hofis Leithen hinumb unzt in den Driebswinckl
genant, über die wisen und den pach hinauf unzt in die Straß und in
derselben StraB gegen der Statt unzt wider zu demselben Pach (an
welchem noch ein paar Marksteine stehen geblieben sind), und nach
dem Pach (sog. Tenfelsbach) hinab zu dem wasserfahl unzt in die Steyr
und dan durch die Duen unzt an die stainen Gatter Seiln enhalb
der Stejr, und was also Ton der Ens unzt an die Steyr, die voran-
gezaigten Straß und weg, heuser und grün dt auf der rechten selten be-
greift, ist im Burkfridt. Item enhalb der Steyr hebt sich der Burkfridt
an auf dem Stainfeldt bei der stainen Gatterseilen herauf von der
Steyr wasserfluß, nochmalln von derselben Gatterseiln gerechen auf der
dencken selten nach dem Graben unzt auf halbe Leuthen und nach
derselben halben Leuthen gegen der Statt unzt an den Oelgraben und
in den graben der halben Leuthen hinab, oberhalb des Stadihof und
under dem holz daselbs, und darnach unzt an der Stainer (Dorf Stein)
grundt und Acker zum Graben, nach demselben Graben hinab auf der
Gleinker und Stainer straß unzt zu der Marter Seylen bei der Linden,
weiter über die Stainer Straß neben dem graben des Stadihofs gründt
unzt an die Prehofe Leuthen, von dannen an des Schlüßlhofs grundt
unzt hinab an die Ens, und was also von der stainen Gatterseulen
gegen der Statt auf der rechten band unzt an die Steyr Gründt sein,
ist alles im Burkfridt.
Item so hebt sich der Buridridt an underhalb des Ensdorf an der
Ens bei dem Saichgraben genant, von demselben Graben herauf an die
Leuthen underhalb des Lochs bis an den Staingraben oberhalb des
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Burgfriedens und die Ausübung der Halsgerichtsbarkeit gaben
vielfach Anlaß zu Mißhelligkeiten zwischen der Herrschaft und
den Pfandherren einerseits und der Stadt andererseits, wovon
noch Annalen und Akten weitwendig zu erzählen wissen.
Die Herrschaftsämter Neustift, Pfnurreut, Eberseck und
Windhag genossen von altersher^ manche Befreiungen und
hatten eine alte gemeinsame Dingstatt in der Raming (Klein-
Topfenhoft, nach dem Püchel hinauf zwischen der Fischhueb gründt und
der Oammerhofs gründt, an der hohen Leuthen hinauf oberhalb des
Khuepergs unzt an des Schwarzhofs gründt hinab auf die Ens, alles auf
der rechten band das ist im Burkfridt.*
Die Grenzen des Burgfrieds gegen die Hofmark des Klosters
Garsten sind in dem Vertrage vom 13. März 1584^ in allen Einzelheiten
beschrieben.
Die RichtstStte der Stadt befand sich am Föhrerschacher (Dachs-
berg) rechts von der Straße nach Hall (Ecke der Katastralgemeinde
Steyr außerhalb Aichet). Die Herrschaft verlangte, daß sich die Stadt
des Hochgerichts allein mit ihrem Konsens bediene.' Hinrichtungen
von Verbrechern fanden statt in den Jahren 1878, 1495, 1534, 1677.'
Der Burgfried des Schlosses Losenstein ging nach dem
Pantäding von Losenstein vom Jahre 1543^ ^Schloß aus hinunder zur Ens
und hinein nach der Ens bis zu des Pocken an der Gstetten Steyrischen,
vnderthans wisl, von danen in des Pruner graben auf und auf bis zum
hangenden Stain an der Wassersaig. Von disem Stain nach des Langen
Wegers Holz oder waidt so mit gehägern eingefridt ist, bis zu des
Flickers Wassergraben, in selbem Graben fort unzt auf die Prandstatt,
von danen auf die Hueb, von der Hueb im Graben hinauf bis zur
obem Staingrueb und hinauf zum Creuz, vom Grenz herab in Döller-
graben, in disem Graben hinaus in den Laussabach, welcher ein Rain-
pach ist; in demselben hinaus an die Ens und nach der Ens wider-
umben zum Schloß.* Die Freiung außerhalb der Dachtropfen wurde jedoch
mangels Ausübung nicht behauptet, da die Herren von Losenstein noch
im 14. Jahrhundert sich nach dem Schlosse Leiten (Losensteinleiten) zogen,
das Schloß Losenstein zur Ruine '^ verfiel, welche seit einem Dezennium
unter der Obhut des Landes Oberösterreich steht, nachdem ein Privatverein
dieselbe von dem rustikalen Eigentümer aus eigenen Mitteln käuflich
erworben hatte.
Urkundliche Nachweise in Mitt. des Inst, für österr. Geschichtsforschumg
1 Orig. Perg. mit fQnf H&ngesiegeln im StadtarduTe Steyr.
» Streitakt, Pol. 7, wie Tor.
* Preaenhneber, 61, 215, 254, 294.
* Urbar von Losenstein vom Jahre 1665, Blatt 2, im ArchiTe za Losensteinleiten.
> Im Haaptrepertohnm Losensteinleiten, II. Teil, Blatt 703 (im Linzer Mnseum) findet
sich die Anmerkung, dafi das Schloß seit dem letzten Burggrafen Yinzenz Ammetsberger
in die dreihundert Jahre (von 1760 znrüekgerechnet) unbewohnt und ohne Dach ge-
wesen sei.
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raming), jedoch keine Freiung von dem Landgerichte;^ dagegen
hatte ,der Freithof in Steinbach an der Steyr Freiung, der
Landrichter von Hall durfte nicht weiter greifen ;dan an die
pruck im Stainpach^*
Mit dem Amte Pfrinnreut — wie der Name jetzt ge-
schrieben wird — Pfarre Neustift, lauter einschichtigen Häusern,
welche zwischen dem Landgerichte Behamberg — Kirnberg
und dem südöstlichen Teile des Landgerichtes Ens lagen, griff
das Landgericht der Herrschaft Steyr nach Niederösterreich
über, ohne daß sich zu .irgendeiner Zeit eine Änderung der
heutigen Landesgrenzen nachweisen läßt.
Exemt waren die Untertanen von Steyr in allen Land-
gerichten.
Die Landgerichtsmarken von Leonstein werden von Hans
Wilhelm Herrn von Zelking in dem Doppelurbar, aufgerichtet
am 1. Juli 1591,' im folgenden beschrieben: .Als nach der
Steyr hinein hebt sichs an bei der sprüzenden Müll an der
Steyrleuthen Im Pemzellerpach mitten aufm Stegen und gehört
am ganzen Wasserstromb der Steyr als Leonstainischer Visch-
waidt, so weit das Wasser braidt ist, aufwerts bis an die
Rambsau Pruggen, darnach heraußerhalb von der Teufengraben
Pruggen an aufwerts ins geschröf (sog. Planwipfel) gen Stein-
müllen, von dannen ab zum Reingrueb, nachn wasser (Riener-
bergerbach) in Rinnerperg und aufm Podingstain nach der
Wienzn (Winznergut) aus übern Jungwierthsberg hin aufn
ungerpüchel, darnach von dannen in der Pernzell abwerts und
nach den Leonstainerischen Vrbarsgründten bis wider zur vor-
bemelten sprüzeten Müll in die Steyr/
Diese Markungen waren, bevor die Zelkinger in den
Posseß des Halsgerichtes gelangten, jene der Herrschaft Steyr
und mutmaßlich die Westgrenze des einstigen Enstalgaues.
II. Das Landgericht zwischen der Traun und der Ens.
Die ursprüngliche Ausdehnung dieses Gerichtes gegen
Süden wurde bereits in den Erläuterungen angedeutet ; Südost,
lieh reichte es wahrscheinlich von dem Zusammenflusse der
^ Rügbüchlein der vier Ämter, sec. XYI, in der Lambelschen Weistümer-
sammlnng.
' Rügbüchlein des Amtes Steinbach daselbst.
' Im gräflich Thürheimsehen Archive zu Weinberg.
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Steyr und der Ens die erstere aufwärts bis zum Einfalle des
Steyrleitner oder Pernzeller Baches über die Berge zum ^Brand^
dem Nußbach entlang bis zur MtLndung des letzteren in die
Krems oberhalb Wartberg.
Von diesem Punkte aus haben wir keine ältere Land-
gerichtsgrenze; doch kommt uns jene von Ort zu Hilfe, deren
nördlicher Verlauf, soweit Urkunden und Akten zurückreichen,
keiner Veränderung unterworfen war und daher wohl als alte
Grafschaftsgrenze erkannt werden darf. Sie endet bei Falken-
oren an der westlichen Laudach, nachdem sie vom Traunfalle
herwärts einen schwachen Bogen beschrieben hat. Die ur-
sprüngliche Markung der beiden Grafschaften: im Flachlande
inter amnes und jener in den Bergen wird sich demnach von dem
bezeichneten westlichen Fixpunkte bis an die Krems im Osten
erstreckt haben. Selbstverständlich kann sie nicht mit völliger
Genauigkeit bestimmt werden. Da jedoch die Vermutung nahe-
liegt, daß man bei der Abteilung des Landgerichtes Scharn-
stein im vorletzten Dezennium des 16. Jahrhunderts älteren
ehemaligen Grenzen nachgegangen ist, so dürfte sie von Fal-
kenoren aus südlich von Vorchdorf zur Alm gelaufen sein und
von dieser an die Markungen der nachmaligen Landgerichte
Wimsbach und Kremsmünster eingehalten haben, also über
Teuerwang, Spildorf, Rürendorf und Voitsdorf bei dem Kalch-
mairgute* zu Penzendorf (das noch vor hundert Jahren zu
Voitsdorf gezählt wurde) die Krems erreicht haben, welche
dann bei Wartberg vorbei bis zum Nußbach den Abschluß ge-
bildet haben mag.
Bis hierher ungefUhr, anderthalb Stunden südlich von
Krerasmünster, muß die alte Zent sich erstreckt haben, weil
noch im Jahre 1217 das Kloster Kremsmünster mit dem
größeren Teile seiner Eigenleute ihr angehörte und schon des-
halb die im Jahre 1394* bezeugte Ausdehnung des Land-
gerichtes Schlierbach bis zur Traunbrücke zu Wels erst nach
dem genannten Zeitpunkte herbeigeführt worden sein kann.
Das im Laufe des 13. Jahrhunderts durch Gebietsabtre-
tungen an das Landgericht der Herrschaft Steyr um Gleunk
und Hall sowie au das Landgericht Schlierbach verkleinerte
^ Im Volkflmunde »Kalimair*, demnach Calhoh villicua.
' Urkundenbuch von Kremamünster, S. 346, Nr. 326.
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Landgericht wurde von seinen Inhabern, den Dienstherren von
Voikenstorf, noch vor Ablauf des zweiten Dezenniums des
14. Jahrhunderts unter sich geteilt. Noch im Jahre 1317 ver-
walteten sie es zur ungeteilten Hand; denn in dem Satzbriefe
Ortolfs des Aspech und seiner Hausfrau Ofmey um ihren
Sedelhof in der Tenn auf das Kloster St. Florian vom 4. Mai
1317^ heißt es, daß die Urkunde siegelten ;her Hainrich der
elter von Volchenstorf und her Alber und her Hadmar von
Chreutzen und her Hainrich der jung von Volchenstorf, in
der(en) gericht derselb hof leit^ Dagegen sagt Hainricus
senior de Volchenstorf, wie er am 24. April 1318 die Stiftung
eines Jahrtages durch Albert von Wald auf der Hube auf der
Straß bestätigt: ,et quoniam sepedicta huba in districtu
mei iudicij extat sita', haben er und sein Sohn Heinrich
ihre Siegel angehängt. Ebenso hängt am 4. Juli 1318 an den
Satzbrief um den Hof in dem Hag Pfarre Wolfem ,der edle
Herr Her Heinrich von Volchenstorf der alte, in des land-
gericht der vorgeschriben Hof leit* sein Siegel.
Der Wechselbrief Hertweichs des Gugenpergers um seine
Hub Mousnest vom 12. März 1332 ist versehen mit dem Siegel
,mines herren hern Albern von Volchenstorf, in des lant-
geriht iz leit^* Der Kaufbrief um das Fischlehen in der
Zistel gelegen bei der Traun hat das Siegel ,herren hainreichs
von Volkchenstorf, in des gericht dieselb vischwaid ge-
legen ist'; ddo. 27. April 1343.^ Mit derselben Begründung
hängt Heinrich von Volkenstorf sein Siegel an den Kaufbrief
um die Mühle an der Krems und ein Lehen und eine Hofstatt
in Rapeswinkl (bei Weißenberg), ddo. 31. März 1348, um ein
Gehölz aus dem Sulzhof, ddo. 27. Oktober 1343 und den Hof
an der Wies Pfarre (Nieder-) Neukirchen. ^
Entgegen siegelten den Satzbrief Ortolfs des Aspechen um
den Hof ,datz Tenne*: ,her Otte von Chreuzen und her Hain-
rich von Volkenstorf, in der gericht der selb hof leit.* Ur-
kunde vom 24. April 1301.''
Oberösterreichisches Urkundenbach V, 185.
a. a. O. 208. « a. a. O. 220.
Oberösterreichisches Urkondenbuch Y, 54.
a. a. O. 449.
a. a. O. VI, 456, 525, VH, 61.
a. a. O. 388.
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592
Alber der Volkenstorfer zu Kreuzen und sein Sohn Otto
versetzten jedoch im Jahre 1338 ihren Anteil^ das nachmalige
Landgericht Losensteinleiten, den Dienstherren von Losenstein,
wozu (,das Gericht ob der Ens') Herzog Albrecht II. als Lehen-
herr am 22. Dezember 1338^ die Zustimmung erteilte. Mit
diesem Satz, der nie mehr eingelöst wurde, traten die Losen-
steiner in die Gemeinschaft der Verwaltung der Land-
gerichte zwischen der Traun und der Ens ein; das versetzte
Drittel — sagt Otto von Volkenstorf am 24. April 1347* — ,ist
ir gancz und gar*. Während noch im Jahre 1333 (6. Mai)'
Herzog Albrecht II. einen Streit des Klosters Garsten der
Gerichtsbarkeit wegen gegen die Volkenstorfer (Albrecht und
Heinrich) allein entschied, hatte es der Abt im Jahre 1358
schon mit jenen ,von Losenstein und von VolchenstorP in der-
selben Sache zu tun,^ und nachmals am 29. September 1381^
erklärte Herzog Albrecht um die ,chrieg und stözz' zwischen
Abt Niklas von Garsten und Hertneid dem Losensteiner und
Jörg, Ortolf und Hans von Kreuzen (zu Gschwendt) den Volken-
storfern, welche die Gerichtsbarkeit auf den Kiostergütern
beanspruchten, daß es bei dem Ausspruche seines Vaters
Albrecht (II.) das Verbleiben habe.
Bei der (ideellen) Abteilung des Landgerichtes 1317/1318
war schon vereinbart worden, daß die Untertanen des einen
Teiles von der Landgerichtsbarkeit des andern ausgenommen
seien, wenn sie in dessen Distrikte rücksässig waren, wie fol-
gende zwei Urkundenauszüge vom Jahre 1325 dartun: ,Ich
Seybolt von Volkenstorf bechenn als ich meinem prueder Hain-
reich von Volkenstorf mein tail landgerichtz zwischen Ens
und Traun verkauft han^ darin er mein Holden gerichts
frey gelassen hat' und ,Ich Albrecht von Volkenstorf ver-
gich das ich verkauft hab das drittail an dem landgericht
zwischen der Traun und der Ens herrn Seybolten von
volkenstorf ausgenomen mein holden dy suUen ungericht-
messig sein'.^ Diese gegenseitige Exemtion der einzelnen
^ a. a. O, VI, 285. • a. a. O. VH, 12. » a. a. O. VI, 93.
* Gerichtsbrief Herzogs Albrecht vom 16. Mai 1368 a. a. O. 678.
'^ Urkundenregesten in dem fleissigen Werke Ferdinands Wirmsberger
(t 19. Mai 1863): Die Dynasten von Volkenstorf. Wels 1863.
• Register aller Lehnpuecher, Lehenzetl, Erbbrief, Kaufbrief, Geltschuld-
brief oder was Brief und Zetl nach dem Tode Wolfgangs von Volkenstorf
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593
Herrschaften von der Jurisdiktion der anderen Qerichtsteilhaber^
blieb bis zum Jahre 1850 bestehen.
Daß das Landgericht zwischen der Traun und der Ens
fortwährend als ein Ganzes betrachtet wurde, zeigen nicht bloß
die landesflirstlichen Lehenbriefe,* sondern auch die Kund-
schaft des langjährigen Landrichters Sixtus Ziegler aus der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, ein Unikum, welches über
das Wesen des Gerichtes und dessen Rechtsgewohnheiten klare
Auskunft erteilt und deshalb in der Beilage I vollständig ab-
gedruckt ist.* Die Grenzbeschreibungen der Teilgerichte
Gschwendt und Losensteinleiten sind aus den Urbaren dieser
Herrschaften von 1621 und 1662,* jene der Teilgerichte Tillys-
burg, Weißenberg und Stein aus dem oberösterreichischen Amts-
schematismus vom Jahre 1827^ in den Beilagen IH — VII ab-
gedruckt.
Die Herrschaft Tillysburg mit dem Landgerichte kaufte
das Stift St. Florian am 28. Mai 1764 von Ludovika Freiin
von Weichs, welche dieselbe durch Vergleich mit den Gläubi-
gern ihres verstorbenen Gemahls erlangt hatte. Nach einem
nur 77jährigen Besitze verkaufte das Stift an Karl Grafen
Ohegerty und dessen Gemahlin Franziska, geborene Gräfin
Sternberg-Manderscheid am 15. Juli 1841 das Schloß, den Meier-
hof, das Gartenhaus und das ehemalige Dienerhaus mit einem
Grundkomplex von 51 Joch 205 Quadratklafter, dann am
S.August 1844 weitere 77 Joch 244 Quadratklafter Gründe;
den Vettern und Brüdern Wigoleis, Jörig und Hadmar von Volkenstorf
eingeantwortet wurden, im Faszikel I der Verwaltungsakten von Nieder-
walsee im Archiv zu Greinburg. In selbem Register ein Lehenbrief
Herzogs Albrecht V. auf Christoph den Volkenstorfer über ,das gericht
zu Kurenperg und Pehaymperger pfarr*. 1424.
' Sie war im Jahre 1634 erneuert worden (Archiv Losensteinleiten, Lade
59, Nr. 24).
' Sie lauteten stets auf ein Dritteil oder zwei Dritteil des Landgerichtes
zwischen der Traun und der Ens.
' Archiv Losensteinleiten, Lade 62, Faszikel 1, Nr. 5.
^ Ebendaselbst; im Urbar von Gschwendt fehlt der Anfang mit einem
Teile der Beschreibunng. 1418, 19. Mai, kommt Hans von Ryczenwinkchl,
Richter in der Gschwendt, vor.
' Die Schematismen enthalten auch alle Distriktskommissariate, Lei-
tungsobrigkeiten, Herrschaften, Landgüter und Freisitze sowie die ge-
schlossenen und exemten Kriminalgerichte.
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594
der Rest, die Untertanen und die Landgerichtsbarkeit ver-
blieben dem Stifte.^
Die Herrschaft Weißenberg brachte 1758 das Kloster
Kremsmünster durch Kauf an sich; die hohe Gerichtsbarkeit
ging mit dem Jahre 1850 unter , das Schloß wurde am
29. April/ 1. Mai 1906 an den Fabrikanten Richard Porik ver-
äußert.*
Der Markt Neuhofe n genoß dem Landgerichte Gschwendt
gegenüber insofeme Freiung, als streichende Diebe im Markte
einzuziehen und nach altem Herkommen am dritten Tage in
die Herrschaft zu antworten waren.*
Das Aigen zu Alhaming hatte einen befreiten Burgfried;
jeder, der in die ^Freiheit' floh, hatte drei Tage Schutz, war
aber nach Verlauf dieser Frist ,gen Erlagattem' auf Erfordern
der Herrschaft zu überantworten.*
Die Freiung zu Otstorf ging ,von dem Talpach uncz in
den Tutenpach in Talhaimer pharr gelegen^^
Über das Wesen dieser Freiung enthält der Abschnitt
,Frau Benedikta von Julbach' in der nächstfolgenden Abhand-
lung: Hausruck und Atergau — vollständige Aufklärung; sie
gehörte ursprünglich hinüber zu der Grafschaft westlich der
Traun.
Nach dem Briefe des Bischofs Wigileus von Passau, ddo.
7. August 1516,^ womit er die aus dem Jahre 1439 beglaubigten
Freiheiten der Bürger von Ebelsberg bestätigte, ging ,der Purg-
frid von Ebelsperg dem Markt bis gen Urfar und außerhalb
^ Instrumentenbach der alten Landtafel in Linz.
' Neue oberösterreichische Landtafel.
' Pantäding von Neuhofen im Urbar von GJschwendt.
^ Pantäding von Alhaming daselbst. Die Eigengüter, Zinse, Gülten
und Lehen zu Alhaming verkaufte das Domkapitel Bamberg 1S98,
25. Juli, an Reinprecht von Walsee; Alhaming dürfte einen Bestandteil
des predium Slierbach gebildet haben.
* Lehenbrief des Grafen Johanns von Schaunberg vom Jahre 1427 im
Schaunberger Lehenbuche, sec. XV.
^ Pantäding von Ebelsberg. Perg. 10 Folien in Holzdeckel, Kopie im
allgemeinen Reichsarchive in München, Repert. Hochstift Passaa 362,
Fol. 8\
Wörtlich enthalten in dem Urbar der Herrschaft Ebelsberg vom
Jahre 1668, Fol. 20, woselbst sich auch ein Grundriß von G. Beatler
findet.
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595
von Urfar in graben zn den Siechen, von den Siechen auf im
graben bis an das Ensholz^ vom Ensholz an das Schlüsslholz^ vom
Schlüsselholz gen Paumgarten, von Paumgarten in das Vischdorf,
von Vischdorf an dy Traun, von der Traun herab gen Ebelsperg
und mitten in der Traun in die Naufart^ Die Landgerichte Weißeu-
berg und Tillysburg erkannten jedoch diesen Umfang nicht an,
weshalb mit diesen beständige Streitigkeiten obschwebten. Wegen
des Anspruches der Herrschaft Ebelsberg auf eine Freiung von
Goldwöi*t im Landgerichte Hartheim entspann sich zwischen ihr
und dieser Landgerichtsobrigkeit ein weitwendiger Prozeß, wel-
cher in der Abhandlung über das Hausruckviertel zur Sprache
kommen wird.
Zum Landgerichte der Stadt Ens wird nachgetragen, daß
von den Akten, welche 1862 vom Gemeindeausschusse ver-
kauft wurden, ein Teil von dem Archivar des Deutschen Ordens
Beckh -Widmanstetter erworben wurde, aber nach dessen Ab-
leben wieder in andere Hände geriet, so daß Enser Archivalien
jetzt allerorten werden aufgesucht werden müssen, wenn es
einmal zur Ausarbeitung einer Geschichte dieses wichtigen Ge-
meinwesens kommen sollte.^
Das Schloß Spllberg, auf einer felsigen Donauau erbaut,
war ursprünglich nur mit den beiden kleinen Burgfrieden von
Langenstein und Au am linken Stromufer versehen,^ dehnte
aber seinen Anspruch auch auf eine Freiung am rechten
Donaugestade aus, auf welchem Häuser zu Lorch, Ainsiedl,
Eristein, Enghagen und Kronau dahin unterworfen waren.
Schließlich nahm der Schloßherr Helmhart Christoph Graf von
Weißenwolf das volle Blutgericht in Anspruch, ließ einen
Pupillen namens Veit Gruber wegen Verbrechens der Bestialität
in Langenstein ausheben, nach Spilberg führen, daselbst hin-
richten und dessen Leichnam zu Staub und Asche verbrennen.
Darüber wurde von dem Landgerichtsherrn Ferdinand Lorenz
Franz X. Grafen von Tilly zu Tillysburg 1692 bei der Landes-
* Das Stadtarchiv zu Ena bestand, als ich dasselbe am 19. Juni 1902 be-
suchte, aus den in 14 Kartons verwahrten Urkunden, von welchen
manche sowie das Repertorium selbst abgängige waren, aus dem Urbar
des Spitals, aus dem pergamentenen Kopialbuche vom Jahre 1397, aus
dem Kopialbuche vom Jahre 1572 und einigen Bänden Stadt- oder Ur-
kundenbuch aus dem 16. und 17. Jahrhundert. S. Beilage II.
« Vgl. Archiv für österr. Geschichte CXCIV, 291, 292.
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596
hauptmannschaft in Linz die Gewaltklage eingebracht. Da der
Kläger mit einer Keihe von Fällen aas den Jahren 1600^ 1627^
1646; 1657, 1668, 1692 die Ausübung der Kriminalgerichts-
barkeit auf Spilbergschem Herrschaftsboden nachweisen und
durch einen Auszug aus dem (inzwischen leider verloren ge-
gangenen) Volkenstorfer Haupturbar ^ dartun konnte, daß Spil-
berg nicht zum Machlandviertel gehöre, und die Einwendung
des Geklagten, daß die Naufart der Donau vormals zwischen
Spilberg und dem rechten Stromufer gewesen sei, keinen
Glauben verdiene, so erging das am 9. April 1699 eröffnete
rechtliche Urteil der Landeshauptmannschaft: Dem Beklagten
habe nicht gebührt, gegen Veit Gruber die landgerichtliche
Verfahrung alda zu Spilberg vorzunemben und selben auf der
Insul durch den Scharfrichter hinrichten zu lassen» der Beklagte
habe 60 Taler Urteilstaxe und die Kosten der Rechtsflihrung
zu zahlen.
Es blieb sonach dabei, die Herrschaft Spilberg habe
die Malefikanten an das Landgericht Tillysburg zur Über-
nahme auf dem Johannsanger, gegenüber dem Schlosse, aus-
zuliefern.
Endlich im Jahre 1783 wurde Spilberg durch Überein-
kommen mit dem Stifte St. Florian als Inhaber des Land-
gerichtes Tyllisburg ein eigenes Landgericht, in welchem aber
nur 17 eigene untertänige Häuser sich befanden.*
* Die Stelle lautete : ,Das Landgericht hebt »ich an bey der Steyrer Straß,
da das Pächl bey Schleißhaimb enthalb des Schloßbergs, das in die
Thraun rinnt, darnach mitten in die Traun, wehret mitten in die
Donau, von dannen bis fUr Lorch bey Enns, bis mitten in das Spital
und Pächl, das hinaus in die Thonau rinnt, von dannen bis an des
Espanmayrs Wismath, von demselbigen mitten bis nach Kronstorf hinab
bis in die Enns/
* Streitakt und Beschreibung im gräflich Weißenwolfischen Archive zu
Steyregg. Die Beschreibung ddo. 26. April 1804 wurde infolge all-
gemeinen Auftrages des Mühlkreisamtes vom 9. März 1804, genaue
Landgerichtsbeschreibungen zur Verfassung einer Landgerichtsmappe
vorzulegen, angefertigt. Sie lautet: ,Auf dem festen Lande greift die
Grenze einen festen Fuß im Traunkreise beim Kerschberger, floriani-
schen Unterthan im Eselgraben, und zwar bei dem dasigen Ur-
sprung der Eühwampen, welche ursprünglich ein brunnartiger Wasser-
lauf ist, wo das Landgericht Tillysburg herzustosset, und ist die Küh-
wampen abwärts die Grenze zwischen Tillysburg und Spielberg, so
zwar, daß die KUhwampen ganz nach Spielberg gehOrt. Nach der
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597
Das E^oster Glennk beanspruchte nach seinen Pantai-
dingen aus dem 16. und 17. Jahrhundert^ die Gerichtsbarkeit
Kühwampen hinab zieht sich die Grenze mit TiUjsborg bis auf den
Johannes Auger zum neuen Markstein von 1783, welcher die beiden
Landgerichte und Jagd Wildbahnen scheidet Dieser Markstein bleibt
links stehen und man tritt auf den Salzersteig, welcher £ns zu führt
und durch den Johannes Anger als Grenze läuft, bis an die Feldlacken
im Johannesanger, die dem Innsbauer in der Kronau gehört und gäuz-
lich links im Spielbergischen Landgericht liegt. Dieser Salzer oder
Gangsteig ist weiters dieselbe Grenze bis zum TeuchtenhausmüUer zu
Einsiedel, welche Mühle im Landgerichte Spilberg liegt; von da weitors
auf diesem Gangsteig bis zur Mühle zu Lorch, welche Mühle im
Spilbergischen , das sogenannte Inleuthäusel derselben aber, dermal
das Gstettenhäusel genannt, Haus Nr. 11 im Tillysburgischen Land-
gerichte liegt. Unterhalb diesem Gstettenhäusel rinnt das Blaich-
bachel in den Mühlbach, über welchen Bach Spilberg nicht schreiten
darf, wo die Grenze mit TiUysburg endet und die Stadt Ens mit ihrem
Landgericht^ oder vor alten auch Burgfrid genannt, herzugrenzt. Von
hier aus gehet die hiesige Grenze mit der Stadt Ens den Mühlbach ab-
wärts, bis sich dieser Bach in die Kühwampen ergießt. Von hier
läuft die Grenze mit Ens (welches Landgericht bis an die Kühwampe
greift, die Kühwampe aber ganz hieher gehört), an der Kühwampo
abwärts bis in den Enghagen an den Salz- oder Arbeitstadl, wo die
Kühwampen sich in das Enghagen Donauwasaer ergießt.'
Der kleine Landstrich war ein Ausschnitt aus dem Landgerichte
TiUysburg und gehörte vorher nicht nach Spilberg, was schon daraus
erhellt, daß in demselben die Stelle zur Überantwortung der Malefikanten
sich befand; der älteste im 15. Jahrhunderte nachweisbare* Burgfirid
war jener um das Dorf Langenstein am linken Donauufer. Dieser ,fängt
an bei dem Ursprung des Köstlbaches in den sogenannten Köstlbacher-
feldern, läuft zwischen dem Dorfe Gusen und Langenstein neben des
Esel zu Gusen Inleuthäusel beim Steinbruch mitten durch die sogenannte
Hauderstraße in gerader Linie in die Donau, bis da nauwärts, bis der
Marbach zwischen dem Untemfallner zu Langenstein und dem Plesser
im U(r)fer ebenfalls in die Donau fließet, nach dem Marbach aufwärts
* Abgedruckt bei RoUeder, Heimatkunde von Steyr (S. 381), einem viel
zu wenig bekannten trefflichen Quellenwerke.
^ Yenchieden hiervon war jenes Landgericht, welches sich nrsprflnglich zwischen der Ens
nnd der Erlaf ausdehnte, sp&terhin jedoch durch Abtrennung der neuen Landgerichte Be-
hamberg-Kürnberg, Niederwalsee und Salaberg ganz unförmlich gestaltet wurde. Es wurde
im 13. Jahrhundert das Judicium provinciale inferior ultra Amsteden (Oberösterrcichisches
ürknndenbuch 111, 892), im 14. das Landgericht ob der Erlaf, im 15. das Landgericht
niederhalb der Ens (Niklas der Haslacher derzeit Verweser des Landgerichtes ,nyderhalb
der Enns* siegelte die Urfehde Thoman des Firchenwanger ddo. 28. November 1441 im
Stadtarchive Ens), endlich schlechthin «Landgericht Ens* genannt.
« Archiv fttr österr. Geschichte XCIY, 291, Anm. 1.
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598
in allen landgerichtlichen Fällen, doch ,die wirkliche Lebens-
straf ausgenommen^
Wie im Mühl-, Machland- und Hausruckviertel, hießen
auch in den Teilgerichten der Zent zwischen der Traun und
der Ens die Beisitzer der Landschranne (,des Malefizrechten^)
die Freien, über deren Verpflichtungen die Beilage Nr. I
genaue Auskunft gibt. In den Gerichten der vormaligen großen
Landgerichte Schlierbach, Schamstein und Ort hatte sich dafür
die Bezeichnung Landhuber (d. i. zum Landgerichte verpflich-
tete Bauern) eingebürgert. Während die Zahl der ,Freien^ eine
geringe war, ist jene der Landhuber, die den Holden aller
Herrschaften entnommen wurden, eine sehr beträchtliche und
bis an den Zweyzenbach, welch letzterer ober dem Marbachmüller in
den Marbach rinnt, dann von dort aufwärts bis zum Zweyzenberger
und Michael dortselbst (welche beide im Landgerichte Haus liegen)
und von dort etwas links hinüber bis zu dessen Ursprung neben dem
Köstlbach. Ringhernm bis zur Donau grenzt das Landgericht Haus an^
Auch in der Donau und in den benachbarten Auen sprach Spil-
berg die Landgerichtsherrlichkeit an, ohne hierfür eine Grenzlinie zu
haben oder die Anerkennung der benachbarten Landgerichtsobrigkeiten
erlangen zu können.
Das castrum Spilberch cum adiacentiis soU^ Lehen des Regens-
burger Domvogtes Otto (f 1235) von Passau gewesen sein. Im Otaka-
rischen Urbar* erscheint das Schloß in landesfürstlicher Gewalt und
ein Amtmann auf der Insel. An Reinprecht (I.) von Walsee, dem
Hauptmanne zu Ens, 1329' zu Leibgeding verliehen, wurde die Feste
samt ihrem kleinen Urbar 1366 von Herzog Rudolf IV. dem Kloster
St. Florian als Ersatz für erlittene Kriegsschäden überlassen.^ Das
letztere hatte Spilberg noch 1383 inne, wie eine Urkunde im Enser
Stadtarchive vom 9. Jänner desselben Jahres ausweist. Hierauf gelangte
das Schloß an Hans von Liechtenstein, 1395 nahm es Herzog Albrecht HI.
an sich, 1397 wurde es an Reinprecht von Walsee verliehen. Die
Herren von Scherfenberg waren die letzten, welche noch im Anfange
des 17. Jahrhunderts selbst die Burg bewohnten. Eine ausführliche
Beschreibung derselben ist in Piper, ,österreichi8che Burgen* IV, 220 ff.
enthalten, schade, daß der Verfasser fast durchgehends veraltete
historische Nachrichten beibringt, die nun wieder in den Kreisen, für
welche das schöne Werk in erster Linie bestimmt ist, Weiterverbreitung
finden.
« Mon. Boic. XXIX b, 217.
' Dopsch, &. s. 0. 144, 165.
» Hoheneck HF, 817.
« Archival. Zeitschrift, N. F. VUI, 107.
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599
war diese Verpflichtang im Landgerichte EremBmünster über-
haupt allen Elosteruntertanen auferlegt. Im Landgerichte Losen-
steinleiten waren im 17. Jahrhunderte^ die Bauern zu Leyman-
storf nächst dem Schlosse auf erfolgte Ansage schuldig, ^also-
bald zur Herrschaft^ es sei nun Tag oder Nacht; bewehrt zu
erscheinen und überall sich hinzubegeben, wohin sie begehrt
werdend
Losenstein befindet sich noch im Besitze der Fürsten von
Auersperg als Erben der Grafen von Losenstein: dagegen
wurden die Hofgründe von Q ach wen dt zerstückt und das
Schloß samt einem Grundkomplex von 16 Joch 1535 Quadrat-
klafter vom Fürsten Karl Wilhelm an die Ehegatten Franz und
Klara Leik in Neuhof en veräußert (15. Dezember 1862), von
deren Erben es im Jahre 1894 an das Land Oberösterreich zur
Errichtung einer Irrenbewahranstalt übergegangen ist.
III. Das alte Landgericht Schllerbacli.
Auf S. 493 wurde es als wahrscheinlich bezeichnet, daß
König Rudolf I. es gewesen ist, welcher den Bischöfen von
Bamberg die Blutgerichtsbarkeit verliehen hat. Nach dem
Kaufbriefe um die Feste Pernstein, welche der Verkäufer Jörg
von Walsee sein Eigen nennt,* war das Landgericht, zu wel-
chem das Gerichtshaus auf dem Mos gehörte, Lehen von Bischof
und Gotteshaus Bamberg, ,das da geeth mitten auf dem Piern,
durch die Klauß* für Krembsmünster und gehen Wels au die
Stainpruck, und auf nach der Traun für Lambach an den
Stadl unzt an die thuerren Lautach und auf gehen Kirchhaimb
und in den Viechtwang und in den Gruennach und über den
zittwerch (Ziehberg bei Steinbach) wieder gehen Clauß/
Die allmähliche Zerstücklung in kleinere Landgerichte
erörtern die Erläuterungen,* die Grenzbeschreibungen geben die
* Urbar von Losensteinleiten, Bl. 104, Rubrik: , Angebot im Landtgericht/
* 1394, 26. Juni, in vidimierter Abschrift vom Jahre 1690 im Urkundenbuch
von Kremsmfinster, S. 846, Nr. 325.
' Die beiden Tttrme, welche in den Erläuterungen als Burgfiriedsgrenzen
von KlauB bezeichnet wurden, sind der Turm am Pim und der Turm
Klaus selbst
* Das Kloster Schlierbach war in der letzten Periode der Patri-
monialgerichtsbarkeit Landgericht über die Hofmark Schlierbach
(Grenzbeschreibung im Stiftsarchive nicht vorfindig) und über 99 exemte
ArehiT. 94. B«nd, II. Hilft«. 40
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600
Beilagen Nr. X bis XVI im Anhange, jene des Burgfrieds des
Marktes Kirchdorf folgt in der Anmerkung* aus der Lambel-
sehen Weistümersammlung.
Untertanen im Traun- und Hausruckviertel. Die Verleihung der hohen
Gerichtsbarkeit dürfte unter Kaiser Ferdinand 11. erfolgt sein.
* Aus der Bestätigung des Bischofs Ernst von Bamberg, ddo. 16. Dezem-
ber 1586:
,Zum vierdten unsern der orten zu Kirchdorf Burgfrid wie
weit sich der erstrecht betreffent facht er sich erstlich an bei der
der großen wiesen zu Hannfeldt und geet ab und ab mit sambt dem
Maibach nach den gebogen unz in die under Tatzgerin und von der
Tatzgerin hindurch nach der zwerch über die gründ wie die aus-
gemerkt und hinumb durch das wißmath gehn Hausmaining an die
linden, von der linden hinumb bis an den Schwehrn gattem in den
Metzleßgraben, von solchem graben auf und auf bis an der firauen land
von Schlierbach und under der frauen land hindurch an die Stampf-
hueben und under der Stampf hueben durch bis an das Rindl, von dem
Rindl hinwiderumben durch hin bis an die wiesen gehn Hanfelt.
Belangent zum fünften wie weit unsere [Bamberger] bietmerkt
zu bemeltem Kirchdorf ausweisen, facht er sich an bei dem Rindl, gehet
hinauf zwischen der Stampf hueben und der Hannfeldt-leiden bis an des
Luegerpaum grund uud nach dem Haag herumb zwischen des Lueger-
paurn gründen und der Stampf hueben hinauf bis an gattem, nach dem fart-
weg hinauf bis an den Lueger und von dem Lueger hinumb auf die Rodatt
zum creuz und vom creuz hinauf auf alle hoch auf die Erdbriest unz an
des Hametner grund, was das regen wasser also schaidet: was herüber feit
gehört der grundherrschaft [Bamberg] und gemainem Markt Kirchdorf
und unhalb gehört der Herrschaft Bemstain: mehr facht es sich an
zwischen des Hametner gprund und des Habich und geet ab und ab in
den Grubenbach bis an den Spitz, wie das Bächel von dem Habich herab-
fleust, und geet herwider mitten in sunft an den Habich durcher, under
der Oberndorfer und Derfinger beeder felder herdurch bis an die Wursch-
leiten hinauf auf alle hoch des Hämets, vor dem Hämet durch unter
der Schmiecking bis an das Ehentholer holz, von dem holz herab unzt
an die leüten gehn Haußmainung.'
Der Burgfiried war dem Markte 1584 von Kaiser Rudolf H. ver-
liehen worden; der Freiheitsbrief lag in der 1877 verbrannten Burger
Lad Nr. 1.
Zwischen dem Markte, welcher bei bevorstehenden Hinrichtungen
die Schranne zu errichten hatte, und dem Landgerichte Pemstein
schwebten wegen der Burgfriedsfireiheit beständige Händel, welche die
aus dem Brande gerettete Markt Kirchdorferische Registratur vom Jahre
1777 verzeichnet hat; 1611 errichteten Soldaten im Markte selbst einen
Galgen.
Der Markt unterstand dem Bambergischen Yizedom zu Wolfisberg
in Kärnten, dem auch die Bestätigung der Marktrichterwahlen zukam,
und verwaltete die hochstiftischen Untertanen in Hausmaning. Als
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601
Das Kloster Kremsmünster hatte von HelmhardJörger
am 24. September 1584 vorerst das Landgericht in den Pfarren
Sipbachzell^ Kremsmünster and Ried^ dann am 27. November
1586 in dem nach dem Landgerichtsverkanfe an die Stadt
Wels übriggebliebenen Anteile der heutigen Pfarren Steinhaus
und Talheim zur Abrundung des neuen Landgerichtsdistriktes
erkauft.^
Die Ausübung der exemten Halsgerichtsbarkeit wurde
wiederholt angefochten^ so 1424 von der landesfürstlichen Herr-
schaft Steyr und noch im 16. Jahrhundert von der Herrschaft
Qschwendt, gegen welche 1581 mit Urtl und Recht erkannt
wurde^ daß das Kloster im ruhigen Posseß des Rechtes^ durch
den Hofrichter über alle seine Grunduntertanen in Malefiz- und
Gejaidsachen zu richten, sich befinde.*
Das Stift Spital bestritt noch 1756 die Befugnis von
Kremsmünster, wegen eines Kandsmordes, welcher in dem
Reitergute zu Kniewas, einem Uberländ des exemten Pfarr-
hofes Steinerkirchen, verübt worden, landgerichtlich zu ver-
fahren, doch wurde 1758 vonseiten Spitals die Exemtion mit
Vorbehalt der Exekution eines Todesurteiles und der Verschar-
rung von Selbstmördern unter dem Hochgericht anerkannt,
wogegen Kremsmünster zugab, daß offenkundige Täter ohne-
weiters von Spital eingezogen werden können.' Doch erhielt
Bamberg den Markt mit Hausmaning an das Kloster Kremsmünster
yeräußerte und dieses Stift die sogenannte Anwaltschaft (eben Uaus-
maning) yerSußerte, erhob die Bürgerschaft Beschwerde bei Kaiser Leo-
pold I. und verweigerte die Ablegung des Untertanengelübdes. Auch
mit dem im Besitze des Marktes nachfolgenden Kloster Schlierbach
dauerten die MiBhelligkeiten fort, bis der Markt denselben dadurch ein
Ende machte, daß er im Jahre 1810 das Untertänigkeitsband ablöste
und sich fortan selbst verwaltete.
Im königl. bayr. Kreisarchive zu Bamberg finden sich noch jetzt
geflickt, zerfetzt und durchlöchert, mit Siegel, Gerichtssatzungen und
Privilegien für Kirchdorf, ddo. 27. Dezember 1636, auch umfängliche
Prozeßakten zwischen dem Markte und den Klöstern Kremsmünster
und Schlierbach. Kirchdorf blieb bambergisches Lehen bis zur Seku-
larisiemng des Hochstifts.
* Benedikt Finsterwalders Registratur 1679, Blatt 359, im Stiftsarchive
Kremsmünster. Nach Blatt 360 hatte die Stadt Wels ihren Land-
gerichtsbezirk am linken Traunufer mit Kaufvertrag vom 28. November
1584 erworben.
• Pinsterwalder Registratur, Blatt 819, 324.
' Streitakt im Archive zu Spital.
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602
sich Kremsmünster in steter Ausübung des Blutgerichtes: Schon
vor Erwerbung des geschlossenen Landgerichtsbezirkes sind
in den Jahren 1575, 1576, 1580, 1581, 1583* Hinrichtungen
verzeichnet. Richtstätten waren im Schacherforste, hinter dem
Hospital und vor dem Aichertore bei der Linde.
Noch ist darzutun, wie sich die Leheneigenschaft des
Gerichtes Schlierbach verloren hat.
Dasselbe war am 25. Juli 1343' vom Bischof Leopold von
Bamberg an Eberhard von Walsee zu Erblehen verliehen wor-
den ; noch 1394 bezeichnet es der herzogliche Hofmeister Hans
von Liechtenstein als Lehen vom Gotteshause Bamberg. Als
jedoch bald darauf Herzog Albrecht IH. Pernstein mit dem
Landgerichte an sich nahm, war — wie wir dies auch bei den
Herrschaften Atersee (Kogl) und Frankenburg sehen werden
— von der Lehenrührigkeit keine Rede mehr; 1398 an Rein-
precht (H.) von Walsee verpfändet, fiel es an Kaiser Fried-
rich in. zurück,' als freies Eigen kam es 1581 und 1583 mit
den Schlössern Pernstein und Scharnstein an Helmhart Jörger.
Das Lehenband des Hauses Schlierbach, aber nicht der hierzu
gehörigen Mannschaft, wird zu gunsten des Frauenklosters ge-
löst worden sein.
Wie der bambergische Lehenpropst Wolf Niklas von
Grüntal im Jahre 1607 berichtete,* waren viele Lehen jahre-
lang verschwiegen, für freie Ewigen verkauft oder von Oster-
reich zu Lehen empfangen worden und die schlechte Erhaltung
der Lehenbücher der Bischöfe Albrecht vom Jahre 1403 und
Friedrich vom Jahre 1421, aus welchen viele Blätter heraus-
geschnitten waren oder fehlten, gestatteten keine Verfolgung der
rechtlichen Ansprüche des Hochstiftes. Nur Herr Nimrod Khöln-
peck und Herr Gundacker von Polheim empfingen 1604 wieder
die Herrschaft Salaberg, beziehungsweise die Vogtei zu Alhaming
* Ingedenk-Protokoll über alle Criminal- Handlangen bei dem Hof- und
Landgericht Kremsmünster de anno 1570 bis 1771 im Stiftsarchive
Kremsmtinster.
^ öberösterreichisches ürkundenbuch VH, 321.
* Vgl. ,Die Herren von Walsee* von M. Doblinger im Archiv für öster-
reichische Geschichte XCV, 236 ff., die erste Österreichische Adels-
geschichte im großen Stile.
* Informatio sive ProthocoUum der Bambergischen Lehen in Osterreich
unter und ob der Ens gelegen — im königl. bayr. Kreisarchive Bamberg.
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603
von Bamberg zu Lehen; als jedoch Helmhart Hayden zu Dorf
und Lindach aufgefordert wurde, ,die Vesten und Qeschloß
DorflF cum pertinentijs sambt ainer Hueb zu Ellesbach, wie vor
Jahren geschehen, vom Fürstentum und Bistum Bamberg zu
empfahen/ erwiderte derselbe am 3. Februar 1607, er habe
Dorf cum pertinentijs von dem löblichen Haus Osterreich ,ain
lange Zeit hero'^ zu Lehen ersucht und ordentlich empfangen,
könne sich daher in keine Traktation einlassen.
Das Schloß Scham stein wurde wahrscheinUch von
den Grafen von Fingen in der ersten Hälfte des 12. Jahr-
hunderts erbaut; denn die allernächste Umgebung von Alt-
Schamstein gehörte dem Grafen Adalbert von Rebgau, wie
sich aus der besiegelten Traditionsnotiz* ergibt, wonach der-
selbe um 1135 — 1140 als Seelgerät und gegen Zahlung von
6 Talenten einen Gutskomplex von 6 Hüben zwischen dem
obem und dem untern Diessenbach dem Abte Udalrich von
Kremsmünster übergab und nach seiner Verehelichung auf An-
dringen seiner Gattin Gertrad noch 2 Hüben in Viechtwang
zur Elrbauung einer Kirche widmete, deren Einweihung nach
Befriedigung der Ansprüche seiner Söhne Adalbert und Geb-
hard am 27. Dezember 1157 erfolgte. Als diese zum Erben
ihrer um Regau und Viechtwang gelegenen Güter den Herzog
Liupold V. von Osterreich einsetzten, nahmen sie sich 12 Höfe
aus, welche sie Seelgerätstiftungen widmeten und zum Teile
an Kremsmünster vergabten: Hiervon wird 1189* ausdrücklich
ein Forsthof, gelegen in der Ebene in silva inter Viehtwanch
et Gravinge a rivulo usque ad montem vicinum, hervorgehoben.
Eine Durchsicht der zum Amte Viechtwang gehörigen Holden
im ältesten Urbar des Stiftes Ba-emsmünster aus den Jahren
1299 — 1304* zeigt, daß dieselben sich in den Ortschaften
> Wirklich hatte schon Kaiser Friedrich m. am Mitich vor Martini 1484
den Brüdern Lienhart und Bernhard Haiden die Güter und Stück, die
Yon denen vonWalsee mit Lehenschaft an kaiserliche Majestät ge-
kommen, einen Lehenbrief ausgestellt, darunter über den Sitz zu Dorf
mit 7 Hofstätten und eine Hub zu Elleinspach (Lehenbuch 120 im
k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchive Wien).
* Urkundenbuch von Kremsmünster Nr. 83, S. 41.
» a. a. O. Nr. 46, S. 69
* Leonard Achleuthner, »Das älteste ürbarium von Kremsmünster*, S. 107
bis 111. Des gelehrten Abtes (f 16. Februar 1905) und der gleichfalls
abgeschiedenen Stiftsbibliothekare P. Hugo Schmid (f 1900) undP. Odilo
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604
Viechtwang, Diessenbach, Scharnstein, Dorf und Mtildorf be-
fanden^ sich südwärts bis zum Gumsenbach, westlich bis zum
Drambach, nördlich bis gegen den Rehkogel erstreckten, nur
das Steinfeldergat zählte znr östlichen Ortschaft Steinfelden.
Über weitere Zustiftungen in dieser Gegend bis zur Anlegung
des Urbars sind wenigstens keine Urkunden vorhanden ; daher
wohl der Schluß zulässig ist, daß der ganze urbariale Bestand
des Amtes Viechtwang von den Grafen von Rebgau herrührt.
Daß die Gelände am Kasberg und am Almsee den soge-
nannten Grafen von Lambach zustanden, ist urkundlich ge-
sichert (vgl. S. 496); der Besitz der Grafen von Piugen-
Rebgau kann daher füglich nur aus dem Erbe der Lam-
bacher stammen, da eine Versippung mit den Otakaren weder
belegt noch auch wahrscheinlich ist. Eine sowohl von Wen-
drinsky* als auch teilweise von meiner vormaligen Ansicht'
abweichende Hypothese über den Übergang dieses Besitzes an
die PiugenRebgauer wird bei Behandlung des Hausruck und
Atergaues zu begründen versucht werden ; hier kann jedoch
schon bemerkt werden, daß aus der Streulage des Anteiles
Bischofs Adalberos an dem elterlichen Stammgute sich schließen
läßt, es sei schon bei der Teilung der Lambachschen Erbschaft
ebenso vorgegangen worden wie im späteren Mittelalter, d. h.
es seien alle Einkünfte und Rechte zu Geld angeschlagen
worden und die Zuteilung an die Erbsinteressenten ohne Rück-
sicht auf Geschlossenheit des Besitzes erfolgt, wenn nur die
ausgemittelte Giltenquote erreicht wurde. Diese Absicht mag
auch der Teilung der Grafschaften im Erbgange zugrunde ge-
legen sein.
Scharnstein mit seinem ganzen Zugehör fiel, ebenso wie
der Besitz um Regau nach dem Hinscheiden des Grafen Geb-
hard zwischen den Jahren 1183* und 1188' an Herzog Liu-
Dickinger (f 1903) sowie des Stiftsarchivars Dr. Altmann Altinger (f 1906),
welche die Forschungen für den historischen Atlas unermüdlich unter-
stützten, sei an diesem Orte in schuldiger Pietät gedacht.
* ,Die Grafen von Rebegau-Piugen*, Blätter des Vereines für Landeskunde
von Niederösterreich XIV, 181-— 194.
^ ,PeuerbachS S. 103—116. « a. a. O. Nr. 46, S. 59.
* Das Traditionsdatum 26. Dezember 1182, dessen Sicherheit Lampel
(,Die Babenbergische Ostmark und ihre tres Gomitatus' im Jahrbuche
dos Vereines für Landeskunde von Niederösterreich 1906, S. 440) be-
zweifelt, findet sich im Original-Traditionskodex von Aspach aus dem
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605
pold V., nicht als Landesherrn, sondern als testamentarischen
Erben, also ans einem Priratrechtstitel, wie er selbst sagt:
^dum (comites de Rebego we) me her e dem sibi constitne-
bant*. Als dem künftigen Rechtsnachfolger hatte Abt Ulrich
dem Herzog die Anzeige von der nachgefolgten Schenkung
gemacht und dieser dagegen keine Einwendung erhoben, gleich-
wohl nach Antritt der Erbschaft die Tradition angefochten, so
daß das Kloster die Hilfe seines Vogtes, des Herzogs Otakar,
anrufen und den Rechtsweg betreten mußte; erst nachdem es
einen Spruch zu seinen Gunsten erwirkt hatte, bequemte sich
der Herzog (cogente iudiciaria sententia), die Tradition anzu-
erkennen.
Der Tenor der Urkunde vom 4. Jänner 1189 zeigt ganz
deutlich den Herzog als Privatperson, daher es ganz gleich-
gültig ist, ob der Abgang des letzten Regauers vor dem Tage
am St. Qeorgenberg erfolgte oder erst nach demselben; übrigens
war ja auch schon längere Zeit vor dem Erbvertrage von 1186
die Nachfolge des Babenbergers in die Allode des Chiemgauers
nicht zweifelhaft, weshalb wohl auch die Rebgauer lieber gleich
den zukünftigen Landesherrn zum Erben berufen haben werden.
Für die Hypothese Lampeis bezüglich des ehemaligen Traun-
gaues ergibt sich aus dieser Dingung keinerlei Vorteil, wie er
wohl selbst erkannt hat.
Der Burgfried von Seisenburg ist in dem ältesten
Urbar vom Jahre 1518^ noch nicht verzeichnet; er scheint nur
durch Posseß erworben worden zu sein. Zur Herrschaft ge-
hörten ursprünglich nur 31 Holden (darunter 2 Rechtlehner),
ihr Haupteinkommen floß aus dem Forsthafer und den Forst-
pfennigen der in den Seisenburger Waldungen eingeforsteten
Bauern. Das Forsttäding vom Jahre 1584 zeigt in Urtel 22
deutlich den Bestand eines Märkerdings; bei Ermittlung des
Umfanges der ehemaligen Markgenossenschaft wird jedoch
14. Jahrhundert, Blatt 29; derselbe ist eine Abschrift des alten Tradi-
tionsbnches, gegen welche nach inneren und äußeren Merkmalen kein
gegründetes Bedenken obwaltet. Der Abdruck der Tradition in Mon.
Boic V, 132 ist nicht völlig korrekt. Rebgenowe sollte Rebgnowe,
Untingen sollte uncingen heißen, Wolsha aber Wolf ha.
* Zum Diplom Kaiser Max L vom 10. Jänner 1518, womit er seinem in
den Ritterstand erhobenen Kammerdiener Georg Vogl flir ein Darlehen
von 2200 Gulden rhein. das Burgstall Seisenburg freieigen verkauft, im
Sammelkodex 101 des Linzer Museums,
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606
nicht außer acht zu lassen sein^ daß seit dem Jahre 1556 Fin-
forstungen auch kaufweise erlangt wurden. Über die Mark-
genossenschaften Oberösterreichs werden seinerzeit die Weistümer
bedeutsames^ wenngleich nur mit Umsicht benutzbares Mate-
rial darbieten.
IT. Das alte Landgericlit Ort.
Grenzbeschreibungen der Landgerichte Ort und Wilden-
stein im Anhange, Beilagen Nr. VIII, IX.
Den Burgfried von Traunkirchen beschreibt das Urbar
vom Jahre 1679 : ^ ,Erstlichen hat das Stuft und Residenz Traun-
kirchen einen befreydten Burgfridt, welcher vom Toiffenstain
gegen dem Creuz herauf rechter Hand, dem Qehesteig nach
in das Mössl zum Premb- und Mandimanns kreith neben des
Kirchberg, abwerts aber auf dem steinigen Graben bis in See
gehet, auf dem Land herab gegen Badtstain zu, alwo das
Creuz den Burgfridt schliesset.
Allermassen auch die Ausliferung einer Malefizperson,
wie solche mit Gürtl umbfangen, dem Landtgericht bei dem
Creuz vom hiesigen Gerichtsdiener ausgehendtiget und dieses
observiert werden muß, daß der Seidensfaden vom hiesigen
Gerichtsdiener in Händen behalten und vom Ortnerischen
Landtgericht kein Tridt in Burgfridt, das ist flir das Creuz
herein zuegelassen oder verstattet werden sollet*
^ Im Besitze des Seniors J. Friedrich Koch in Gmunden. Der Burgfried
erlosch durch Konsolidation, als nach Aufhebung des Jesuitenordens
1774 die Herrschaft Traunkirchen an den Staat fiel.
' Der Ausschluß des Bannforstes, welcher dem Kloster allein eigentümlich
war, am rechten Traunufer vom Seeberg zum Heinrichsgraben, Rindbaohtal
und den östlichen Bergkogeln (liber historiarum rerum Traunkirchen-
sium, S. 618, im Linzer Museum) von der Grenzbeschreibung des Land-
gerichtes Wildenstein (Beilage IX im Anhange; Codex sec. XV bei der
Forstdirektion Gmunden) kann nur in der Exemtion seinen Grund haben.
Das Kloster hatte in Langbath 32 Untertanen, welche es 1690
um 2000 Gulden an den Kaiser abtrat, wornach dieselben vom Sudver-
weser in Ebensee verwaltet wurden und die Exemtion gegenstandslos
wurde. Dennoch ergab sich zwischen dem kaiserlichen Landgerichte
Ort und dem kaiserlichen Verweseramte zu Ebensee am 3. Jänner 1729
ein Konflikt, indem bei der im Zuge befindlichen Überantwortung einer
Delinquentin der Ebenseer Gegenschreiber behauptete, das Verweseramt
habe das Recht, die Delinquentin (in pcto adulterii) auf dem See zu
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607
Nach der Urkunde Kaiser Friedrichs III. vom 25. März
1446, womit das Dorf Ischl zu einem Markt erhoben und
derselbe vom Eingriffe des Landrichters befreit wurde/ ,sind
das die pimerkht- von erst vahen sich die an bey dem kreutz
enhalb der Traun daselbs bey Yschl under der Odleiten und
weret von dann verrer zu der Astach über die Traun zu dem
Ploderbrunn über die Strassen unz an die Eglmosleiten und
nach demselben weg hinumb an die yschelprugken und nach
demselben wasser ab in die Traun da der plnbstain steet und
nach der Traun auf widerumb zu dem obberürten kreutz.^
Als Grenzen des Burgfrieds von Hallstatt nennt der
Freibrief Erzherzogs Ferdinand vom 10. Jänner 1524* bloß
die beiden Kreuze (,den Purkfrid zwischen baiden kreutzen*),
wie es nach der Lage des Ortes zwischen dem Berge und dem
See nicht anders denkbitr ist.
Der Gnadenbrief Herzogs Albrecht II. ddo. Mitichen vor
dem Sonntag Laetare zu Mitterfasten, erneuert von Erzherzog
Albrecht VI. am Samstag vor dem Palmtage 1460 enthält keine
Grenzbeschreibung des Burgfrieds von Laufen,'^ aber in der
Natur ist derselbe noch ausgezeigt durch zwei Säulen, von
denen die untere am linken Traunufer beim Hause des Josef
Hocker^ gegenüber dem Friedhofe^ anstoßend an die Sulzbacher
Gründe, keine Bezeichnung hat, wogegen die obere am rechten
Traunufer, unterhalb des Hauses des Johann Zeppezauer das
Marktwappen und die Buchstaben G. M. L. zeigt.
Das Urbar von Wildenstein vom Jahre 1700,* Fol. 15',
anerkennt die Burgfrieden von Ischl, Hallstatt und Laufen,
nicht aber jenen von Geisern. Als Schrannen galten Ischl,
Goisem und Gosau. ,Perichtolt von Ysper, diezeit Richter
in dem Ischellant', siegelte den Gehorsambrief ,der Purger
und der Kueffer, der Beslacher und Chlauzer und auch der
übergreben, die Ortischen Landhuber nun, um sich bei der kalten Wit-
terung zu erquicken, die Taferne betreten wollten, wo auch die Wöch-
nerin gespeist werden sollte, was wieder der Gegenschreiber nicht zu-
gab. (Archiv der Salinenverwaltung Ischl.)
' Vidimufl ddo. 10. Juni 1466 im Marktarchive Ischl.
* Im Marktmuseum zu Hallstatt. Original im Schaukasten.
' Original in der Marktlade in Laufen.
* Im Archive der k. k. Forst- und Domänendirektion Gmunden. Das Schloß
war damals schon lange Jahre her nicht bewohnt und stark reparatur-
bedürftig.
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608
Scheflent paid gemain zne Hallstat nnd an dem Lanffen m
dem Yschellant* ddo. 25. Oktober 1392; i nnd am 27. Juli 1396«
gelobte Friedrich der Kraft, oberster Amtmann der Herzoge
Wilhelm und Albrecht, welchem diese ihre Feste Wilden-
stein nebst dem dazn gehörigen Landgerichte zum Leib-
geding verschrieben haben, von dieser das Salzsieden zu
schirmen und damit gehorsam zu sein.
Die Burgfrieden von Egenberg, Hochhaus und Messen-
bach, welche beide letztere erst ,bei Separierung der Herr-
schaften Egenberg und Hochhaus' aus ersterem ,ex8cindiert wor-
den',' sind beschrieben in der Urkunde König Ferdinands L
vom 1. September 1530,* in dem ,Anschlag über das Schloß oder
Vesten Hochhauß von Leopold t Khemetter, Besitzer', ca. 1652,^
^ Original im k. u. k. Hans-, Hof- und Staatsarchive in Wien.
* Lichnowsky-Birk, Qeschichte des Haosee Habsborg V, Reg. 81.
* ^Spezifikation deren in der HochhauBerischen Liadt befindlichen Schriften*
Nr. 61 im Stiftsar chive Schlierbach.
* ,Der geztterk und die gemerkt, die anfahen nemblich am Kolpachgraben
nnd gehet für den gattern des Panm am Riedl am Ortlsperg nnd von
danen an das Pnechegg und darnach an die Inner Laudach, von danen
hinauf iber die Inner Laudach an Rehkogl, von danen den grftssing
Weg auf den Hänperg, von demselben Perg ab und ab den Glasberg
hinumb zu der Glazmühl bis an die ausser Laudach, die Laudach ab bis
an den Planken in der Au, darnach an dem Wasser der Alben hinauf
bis wider an den Kolgraben.* Die ÜbeltKter, sofeme selbe nach den
Indizien am Leben oder Leib peinlich zu strafen wSren, sind dem
Landrichter von Schamstein ,Uber das Wasser der Albm sonegst dem
Steg, der darüber gehet' zu überantworten. Der R($nig behält sich zu
seinem Landgerichte Schamstein die Landhueber, die in dem Burgfried
seßhaft sind, und das ,Landtfueter*, auch alle Obrigkeit mit Besetzung
des Rechtens (der Schranne) zu Yorchdorf bevor.
^ Im Stiftsarchive Schlierbach.
,Burokfiridt und Dorf Obrigkeit zu Yorchdorf. So hat es zu disem
Schloß Hochhauß einen ansehnlichen hoch befreyten Burgkfridt, in
welchem man in allen bürgerlichen und auch maleficischen Sachen,
ungehindert des Landtgerichts Scharnstein, die gebttr zu handien und
nach Gelegenheit eines ieden Yerprechens die Schuldigen zu strafen,
auch alle Handlung wie in einem Landtgericht fürzunehmen befuegt,
ausser was vom Leben zum Todt, das mueß das Landtgericht Scham-
stain annemben und ohne derlaß verrichten lassen, wie solches die
Kays. Special Burgfrids fireyheit mit mehrem ausweist, welcher Purk-
firidt auch einen grossen gezürck in sich begreift, dan selbiger hat bis
in die ausser Laudach beym Planken in der Au, und ist umbfangen auf
einer seiten mit der Alm.'
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609
and in dem ,Urbarinm des adeligen Sitzes Messenbach' aus
der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.^
Die Exemtionen.
Wie in den übrigen Vierteln waren auch im Traunviertel
die geschlossenen Landgerichtsbezirke von Exemtionen mehr
oder weniger durchsetzt.
Die Klöster St. Florian, Kremsmünster, Garsten übtön auf
eigenem Grund und Boden das Blutgericht aus, im allernäch-
sten Umkreise brachte ihnen die Geschlossenheit des Besitzes
einen faktischen Landgerichtsbezirk zuwege, wie die Land-
gerichtskarte bezüglich der Hofmarken von St. Florian und
Garsten ausweist.
Im Landgerichte zwischen der Traun und Ens waren die
Holden der Inhaber der einzelnen Teilgerichte, gegenseitig
exemt, weiters die Eigenleute von St. Florian und Krems-
mUnster; im Landgerichte der Herrschaft Steyr jene des Klo-
sters Garsten; im Landgerichte Hall jene von Kremsmünster
und Feyregg; im Landgerichte Kremsmünster jene der Herr-
schaft Burg Wels und der Herrschaften Pernstein, Scharn-
stein und Feyregg; im Landgerichte Pernstein jene von Krems-
münster, ebenso im Landgerichte Scharnstein ; im Landgerichte
Hochhaus jene von Scharnstein und Kremsmünster; im Land-
gerichte Ort die meisten der Herrschaft Puchheim.
Die Vizedomschen Untertanen im Traunviertel, in die
zwei Amter Pausweckenamt und Wartbergamt (zuletzt Amt
Lauterbach geheißen) abgeteilt, mit der hohen Gerichtsbarkeit
^ Im Stiftsarchive Kremsmünster.
,Bargfiridt So hat es auch za dißem Schloß (Mössenbach) ein
absonderlichen ausgezaig^en Burgfiidt, welcher im umbkraiB eine guete
Meill Wegs in sich begreift und ist solcher laut nachvolgendter benenten
Märchen nemblichen und erstlichen von Wierth am Steg hinüber über
den FluB der Albm zum Lederer an der Hütten, von da aufwerts am
Höllenperg, von dort aus an Yeichtenperg nacher an Hauffen zue, von
demselben an Asang» alßdan abwerts in die Inner Laudach zur
SchüzenmüU zue, von derselben durch den Wexlberg, am Beißlberg,
Hochkogl und Heüssesperg, von dannen aufs Fraunholz, dasselbe ab bis
in die ausser Laudach, da ein Marchstain gesezt, und solches alles
was über dise March aufwerts in Pergen gegen Schämstein bis auf die
March, so disen Burgfridt und das Schärnstainische Landtgericht schaidet,
in sich begreift und sein auch das die March, erstlichen von Wierth am
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610
dem landesfürstlichen Vizedom zu Linz unterworfen, saßen zer-
streut in den Landgerichten Tillysburg, Stein, Weißenberg,
Gschwendt, Losensteinleiten, Hall, Steyr, Pernstein, Scharn-
stein, Kremsmiinster, Ort und Wimsbach.^
Wären nicht die Kanzleiakten nach dem Jahre 1850 in
den meisten Archiven dem Moder überliefert oder geradezu
vernichtet worden, so würden die statistischen Berichte, welche
nach der vom Appellationsgerichtsrate Enderle gepflogenen Unter-
suchung der Landgerichte denselben abgefordert wurden, ein
anschauliches Bild der sich durchkreuzenden Zuständigkeit der
einzelnen patrimonialen Obrigkeiten gewähren; allein selbst im
Archive des Oberlandesgerichtes Wien fehlen die bezüglichen
Akten, in Kremsmünster konnten die seiner Landgerichte
Kremsmünster, Weißenberg, Pernstein und Scharnstein wenig-
stens bisher nicht aufgefunden werden. Es ist deshalb als eine
glückliche Fügung zu preisen, daß wenigstens ein Archiv, das
des ehemaligen Kollegiatstiftes Spital amPirn, fast vollständig
erhalten blieb und in den letzten Jahren eine musterhafte Neu-
ordnung erfuhr.*
In diesem Archive blieben die bezüglichen Akten des
Jahres 1818 unversehrt, aas welchen wir außer der Qrenz-
beschreibung des Landgerichtes* folgende interessante
Daten zur Darstellung bringen können:
Steg in die Alben hinauf bis an Kolbachgraben und gehet für den
Gattern des Paurn am Riedl, am Orthsperg und von dannen an das
Purchegg, und darnach an die Inner Laudach, von dannen hinauf über
die Inner Laudach an Rech Kogl, von dannen den Kraising weg auf den
Hayberg, von demselben Perg ab und ab, den Glazperg hinumb zu der
GlazmüU bis in die außer Laudach, die Laudach ab bis zu dem vor-
gemelten Marchstain.*
^ Urbare im oberösterreichischen Landesarchiv.
* Ich würde es für grenzenlosen Undank erachten, an diesem Orte nicht
mit herzlichem Danke des Mannes zu gedenken, welcher beim Beginne
der Arbeiten für den historischen Atlas dem über das Hinscheiden
seiner teuren Lebensgefährtin Tiefbetrübten ermutigend die Hand
reichte und ihm durch die ganzen Jahre unermüdlich zur Seite stand,
des Mannes, der die Neuordnung des Archivs besorgt hat und mit
seinen vielseitigen gründlichen Kenntnissen überall am rechten Platze
steht, des nunmehrigen Direktors des Gymnasiums zu Kremsmünster
Herrn P. Sebastian Mayr.
' Im Berichte vom 31. Juli 1818, Nr. 83, an das Traunkreisamt heißt es:
,Dieser Landgerichtsbezirk erstreckt sich nicht nur in Oberöster-
reich, sondern auch in die angrenzende Steiermark. In Osterreich ob
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611
Zum Landgerichte Spital gehörten folgende Ortschaften :
Spital am Firn mit 148 Häusern 1119 Einwohnern.
Oberweng „ 55
n
369
Windischgarsten „ 133
*»
944
Mairwinkel „ 29
»
188
Bading „ 35
M
208
Pichl „ 39
n
241
Piesling „ 23
»
175
Walchegg „ 13
1»
90
BoBleiten „ 38
n
270
der Ens auf 6 Meilen Länge und 5 Meilen in der Breite, und
grenzet vom Bcheiblingstein über den Falsing nach Tal an die Lagl-
mauer, von der Laglmauer an nach der Herrschaft Steyrischen Unter-
tansgemeinden bis zum Tiefengraben jenseits des Steyrflußes mit der
Herrschaft Stejr. Vom tiefen Graben nächst Leonstein nach diesem
fort bis in die Steinmühlen, einen hohen Berg mit der Herrschaft
Leonstein; auf den Rücken dieses Berges und sodann nach Tal zur
Kirche am Georgenberg bei Michldorf, von dieser Kirche bis zur an
der Landstraße stehenden Landgerichtssäule, und von dieser zum Hum-
senbauem durch den Backofen, dann weiters bergauf bis an den Pfann-
stein, wo Spital mit dem Landgerichte Pernstein und Scharnstein zu-
sammenstoßt; von da über den kleinen Keibling bis zur Törlmauer,
von dieser an nach der Herrschaft Scharnstein Grenze bis an das Kreuz
im hohen Priel, weiter von da fort über das hohe Gamsgebirg bis zum
Salzsteig, wo die steiermärkische Herrschaft Wolkenstein anstoßt, vom
Salzsteig an nach der Land Steiermärkischen Grenze auf die Schnoßlitz,
Hirscheck und Türken Haag, sodann auf die große Scheibe durch die
Lacken, Schaal, Dietlscharten auf das hohe Kreuz, Schränk an hohen
Eiben, Reingruben, Mitterberg zwischen die Wände, weiters auf die
Höhe des Warschenecks und von da nach Tal auf das Haidische Burg-
stall, Angererkogel, Gaisfeld, Kuhfeld und Rabenstein (,Schazstein').
Vom Rabenstein über den Rücken nach Tal im Graben und wieder
bergauf zum Turnberg auf die Schanze im Hassegg, von da bergauf-
wärts das StaUegg auf den Poßruck, wo sich das Wolkensteinische
Landgericht endet und das Admontische anfängt und über den Poßruck
weiter fort auf die Arling und über dessen Schneid fort bis zur Pachner
Mauer und Yirgiel-Törl. Von da weiters über den Ameisrigl-Berg auf-
wärts bis zur Höhe des großen Pirgas, von da weiters über die Sau-
wiel herab und wieder hinauf auf den Scheiblingstein, wo die Herr-
schaften Spital, StejT und Admont mit den Landgerichten zusammen-
stoßen/
Im ältesten ,Lanndtäding betr. Lantgericht am Moß* vom Jahre
1531 ,y ermerkt die Ruegung des Lanndtädings so man Järlich phligt
zuhalten In meiner Herrn von Spital Landgericht* lautet die Responsio
(ürtl) auf die erste Frage: ,Wie verr der Landrichter nach altem löb-
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612
Schweinzedt^
mit
34 Häusern 201 Einwohnern.
Seebach
»
22
»
139
ff
Gleunkerau
n
22
n
171
ff
Pahrnberg
»
15
n
77
ff
Bosenau
»
55
»
288
ff
Dambach
n
52
n
68
ff
Edlbach
n
58
n
394
ff
Yorderstoder
»
51
ff
298
ff
Gaisrigl
n
19
ff
123
ff
Yordertamberg
n
51
ff
381
ff
Hinterstoder
n
63
ff
487
ff
Mittelstoder
n
49
ff
281
ff
Hintertamberg
T>
13
ff
82
ff
St. Fankraz
n
55
ff
322
ff
Scbalchg
n
23
ff
98
ff
Kniewas
^
28
ff
140
ff
Klaus
ti
59
ff
417
ff
Michldorf am Kienberg
n
22
ff
136
ff
Michldorf zum Teil
n
124
ff
734
ff
Firn in Steiermark z. Teil
n
13
ff
133
ff
Gesamtzahl:
1469 Häuser 9654 Einwohnern.
Hiervon waren folgende Untertanen fremder Dominien
exemt:
1. Der Herrschaft Steyr 96 (in Mairwinkel 11, in Bosenau 18,
in Dambach 26, in St. Fankraz 15, in Klaus 4, in Michldorf am Kien-
berg 9, in Mühldorf 9 mit 4 Haarstuben) mit 487 Einwohnern.
liehen herkomen die Strassen vnd landgericht zu beschirmen hab* fol-
gend: ,Yom Schazstain am Piem bis heraus an des stainen kreato
vnder sand Georgenperg, daselbs vber vntzt an den Planwipfl, und
nach dem schaidgraben ab hin an den Göritzstain, vom Göritzstain auf
dürr Falten, von der dürrn Falten an Hopfing, und wie das Regen-
wasser also von der Ferghöch herein in das tal fleußt, hat der land-
richter allenthalben alle unpild wie sich gehurt zu strafen, auch auf
den leutn und guetem zu Michldorf im Dorf gelegen, so dem gotshans
Spital zuegehörundt geleicher weiß.* Es gab 14 Landhuber: bemerkt ist
auf dem Fergamentumschlage, daß am 6. September 1611 und am
28. August 1613 der Hofrichter Ludwig Flengg das Landtäding beim
Georgen zu (Ober-) Hilbem gehalten und den Dienst von den Land-
hubem empfangen habe. Das älteste Täding ist vom Erchtag tof
Ffingsten 1546 verzeichnet.
* Entstellt aus Schweikertsed = Swikkersoed.
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613
2. Der Herrschaft Gleunk 77 (inMichldorf 13 mit 4 Haarstnben,
in Seebach 15, in Spital 16, in BoBleiten 13, in Gleunkeran 3) mit
89 Einwohnern.
3. Der Herrschaft Leonstein 4 in Michldorf mit 12 Einwohnern..
4. Der Herrschaft Feyregg in Michldorf 10, in Michldorf am Eien-
berg 1, in Klaus 1, zusammen 12 mit 90 Einwohnern.
5. Der Herrschaft Burg Wels 1 in Michldorf und 1 in Michldorf
am Kienberg mit 7 Einwohnern.
6. Des Klosters Kremsmünster 35 (in Seebach 6, in Pichl 9,
in Piesling 5, in Bading 7, in Edelbach 5, in Mairwinkel 1, in Schwein-
zesberg 2) mit 186 Einwohnern.
7. Des Klosters Lambach 4 (in Steyrling 1, in Klaus 3) mit
41 Einwohnern.
8. Der Herrschaft Lauterbach (Vizedomamt, laut Kaufvertrages
Tom 1. August 1758 an Josef Mayr übergegangen) 5 (in Klaus 1, in
Steyrling 4) mit 88 Einwohnern.
9. Der Herrschaft Fern stein 50 (in Michldorf 28 mit 4 Haar-
stuben, in Michldorf am Kienberg 4, in Klaus 2, in Kniewas 12) mit
333 Einwohnern.
Im Gesamten 284 Häuser mit 1735 Einwohnern.
Verblieben sonach landgerichtlich 1185 Häuser und 7919
Köpfe.
Nicht exemt waren die Untertanenhäuser von Klaus, von
Windem, von Achleiten und von Schlierbach.
Der Pfleger der Religionsfondsherrschaft Spital mußte, um
den Bericht erstatten zu können, erst Umfrage bei allen Domi-
nien halten, von welchen untertänige Häuser im Landgerichts-
bezirke sich befanden, ob sie einen Exemtionsanspruch erheben,
ein Fingerzeig, daß die Exemtion wenig mehr wird geachtet
worden sein, wenn der Landrichter über dieselbe keine Über-
sicht hatte.
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ANHANG.
GrenzbeschreibungeiL
Nr. I.
Landgericht Volkenstorf .
(Landgericht zwischen der Traun und Ena.)
jGefertigte Urchund weilend Sixten Zieglers, welcher
über vierzig Jahr lang der Herrn von Volckenstorff
Landrichter gewest, gerichtliches anzaigen wolge-
dachter Herrn Landgericht und auch was demselben
in ainem und dem andern angehörig betreffende
Libell in einer Abschrift XVII. sec.
1574, Pfinztag nach Sontag Invocavit in der Vasten,
Garsten. Hanns EhQnnmann der Zeit Hofrichter zu Garsten vidimirt
die Abschrift eines Libells^ welches die Herren Wilhelm und Hanns Ge-
brüder von Volkenstorf auf Weißenberg und zum Stain ihm vorgezaigt
haben, und berichtet selbst, daß er dieses Libell, welches der vor ihm
geweste Hofschreiber in Weißenberg der Edlvest Georg Fyhringer zum
Weingarthof Böm. Kay. Mt. diener geschrieben hatte, im Jahre 1552, als
er bei der gedachten Brüder seligen Vater Herrn Wolf von Volkenstorf
aufs Schloß Weißenberg in Diensten gekommen^ bereits vorgefunden und
der Landrichter Sixt Ziegler als Ton ihm dem Hofschreiber dictirt be-
stätiget habe.
Das Register lautet:
Hierin begriffen, wie weit der Wohlgebornen Herren von
Volckhenstorf Landgericht wertt undt wo man die Bichtstatt
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615
und Schrannen zum Malefiz rechten besizt, Item auch wo ain
Landrichter das Standgeld bey der kirchen abzunemen hat.
Zu mercken, Nachdem Ich Sixt Ziegler des Alters über Siebenzig
Jahr und nunmalln der wolgebornen Herren Herrn Casparn von Yolcken-
storf seligen und Herrn Wolfen ?on Yolckenstorf seines Sohns auch seli-
gen beeder meiner genedigen Herren und nun nach Abgang erst gemelds
Herrn Wolfen von Yolckenstorf seligen gelassene SöneWilhalbm und Hanß
Casparn Herren von Yolckenstorf auch meiner genedigen Herren in die
45 Jahr Landtrichter gewesen und noch bin, zaig ich hiemit warhaftig an
auf geschwornen Ayd, so mir hernach yolgent Adelspersohnen fürgehal-
ten haben, Souill mir bewußt und also bisher meines gedenckens, wie weit
Irer Gnaden Landtgericht wertt, darin Ir Gnad die zwen thail haben,
und darnach die herrn von Losenstain in der Gschwend den
dritten thail, von demselben dritten thail die in der Gschwend die
zway thail und die Ton Losenstain auf der Leuten den dritten thail,
und wenn ain herr von Yolckenstorf in das Gericht oder zum Rechten
schicken mueB, schickht er Tier knecht und die in Gschwend zwen und
auf der Leuthen ainen, und hat kainer dem andern seine underthanen
noch die ime zuversprechen steen, zu fahen und zu strafen und auch
nach Tolgend an was orten bey den Kirchen des von Yolkenstorf Land-
richter des Standgeld allein abgenomen hat, auch an den orten die herren
Ton Yolckenstorf von Halefiz wegen derselben ort und freyhait zu er-
fordern haben, wie das alles hernach Tolgt.
Erstlich wie weit das Landgericht wert. Hebt sich an bey
Steyrerstraß, da das Pächl bei Schlaißhaimb enthalb des Schloßperg das
in die Traun rynd, darnach mitten in die Traun, werth mitten in die
Thnenau, von danen bis gehn Lorch bei Ennß. Bis mitten in des Spittal
uad Pächl, das hinab in die Thuenau rindt, ?on danen bis an des Esch-
pan Mayr Wißmath, ?on dem selbigen mitten hinumb bis in die Ennß,
Also hinauf gehn Ernsthofen, darnach hinüber auf Dietach auf der
Steyrer holz bis mitten zu der grossen Eggllacken, Ton derselbigen Eggl-
lacken bis zu ainem guet under dem Herrn von Yolckenstorf genant die
Ottstorfhueb, von der Ottstorf hueb werts bis auf das Stainfeld zu dem
stainen Chreutz, das bey der straß steet; von demselbigen Chreutz wei*ts
bis gen Parschalch. Yon der Steyrer Straß bis hinauf gen Pmnern, von
Prunern aus nach der Müttern straß bis auf die faulwiß, von danen hin
aufPußlwang, von danen bis mitten in dieErembs bey dem Zellhof, Ynd
was man zu Haal ain thäter gefangen wierd, was Tad er an das
Schwerdt zu recht füergestelldt solle wem, ist man in das
ArcMT. 94. Band, U. H&lfte. 41
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616
Landgericht bis mitten in die Erembs bey Zellhof schaldig
zu antworten. Vom Zellhof bis geen Eematten mitten auf die Steyrer
stras. Von der Straß wert es witer in das Pächl geen St. Gilgen kirchen
geen Schlaißhaim.
Zum andern. Wo durch die heiTSchaft Ebersperg in dem
Marckt oder denselben Furckfrid zuegehörig ain übelthäter von Malefiz
wegen durch ainen Pfleger oder Richter betreten und gefangen wird, so
ist der Verwalter schuldig auf Erfordern der Herren von Volckenstorf
Landtrichter zu dreyen, vierzehen tagen mit allem dem wie er mit fanck-
nus betreten und bey im gehabt, nach Vermögen der Herren von Volcken-
storf herkomen und der herrschaft Ebersperg frey halten schuldig zu
antworten, nemblich zu den nach benenten orten des Purckfrid hinaus
auf das Ennßholz zu dem stainen Creuz, darnach auf das Schüsslholz
geen St. Florian werts, stet auch ain Creutz, von demselbigen Chreutz bis
zu der Pruggen in Wanpach, darnach bis hinab gen Au zu dem Creuz
bis mit in die Traun.
Item zu Ans fei dt hat man unerfodert was er enhalb des Pachs
in das dorf von Landgericht wegen weder in die Heuser noch auf den
gassen zu greifen, sondern was Maleflz bedriflft mueß man an den Ver-
walter der herrschaft Ebersperg in dreyen Vierzehen tag vodern. was
aber ausser des dorff, so über das Pächl bey dem alten Meßnerhauß rindt,
ist, hat der Landtrichter umb alle verprechung darein zu greifen.
Zum dritten vermögung der Herren von Volckenstorf und aines
jeden Probst zu sandt Florian freyhaiten, wann des von sandt Florian
hofrichter ainen streichunden Malefizischen oder seine (sie) seßhafft in
dem Marckt daselbs war, so durch obgemelden hofrichter oder Verwalter
Ambts alda der thäter zu fanckhnnß kombt, soll man desselben thäter
des Herrn Yon Volckenstorf Landrichter albeg in Vierzehen tagen er-
fordern biß so lang drey vierzehen tag aus sein, Alßdann soll man der
Herren von Volkhenstorf Landtrichter solchen thäter heraus für das Closter
antwortten Und der hofrichter soll bey der Ersten frag sein, darnach
soll geschehen weiter was recht ist.
Im gleichen Faal, wo der Landrichter ainen Malefizischen under
dem Probst im Landgericht seßhafft von Malefiz wegen erfordert, soll er
in gleichem Fall wie vorgemeld überanwort werden.
ZumViertten Waß des von Volckenstorf Landrichter bey den
Nachvolgenten Pfarkirchen und derselben Zuekirchen das Standgeld allein
einzenemben.
Erstlich zu Weiskirchen haben des von Volkenstorf und der
Herr von Losenstain in der Gschwendt beede Landrichter das Standtgeld
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617
dasselbs miteinander anznnemben/allweegen des Sonntags nach St. Yeits-
tag, aber des von Erembsmünster Leuth seindt vor dem Standtgeldt
gefreit.
In Packhing Sambt der großen Zuekirchen sandt Lienhardt
und Zeidlhaim Nimbt des von Yolckenstorf Landtrichter allein ab , zu
Puckhing des Sontags nach sand Michaelstag, zu sand Leonhard zu Mitter-
fasten vnd an sand Johanstag, zu Zeidlham an sand Larentzentag vnd
an sand Maria Magdalena Tag, aber des Ton Losenstain leüt sein
gefreit.
Bei der Pfarrkirchen'zu Ansfeldt hat des von Yolckenstorf Landt-
richter daselbs nit abzunemen, aber bei derselben Zuekirchen auf sandt
Petersperg zu sandt Peterstag, zu Neßlpach an sand Pangrazen tag und zu
unser frauen gebuert und zu sandt Yeith an sandt Yeitstag. Alda hat
der Ton Yolckenstorf Landtrichter das Standtgeldt ohn Irrung der ab-
zenemen, doch ausserhalb des von Losenstain Leuth.
Item zu Rorbach, so ain Zuekirch geen sand Florian ist, hat des
von Yolckenstorf Landrichter und des von sand Florian Marktrichter
albegen an sandt Stephanstag baidt auf gleiche Thailung das Standgeld
abzenembem.
Item bei der Pfarrkirchen sand Lorentzen bey Enß hat des von
Yolckenstoif Landrichter an sand Lorentzentag das Standgeld allein ab-
zenemen, heraussen des freythofs und Innen auf dem Freythof bis an die
Kirchthier und Niemands anderer.
Item zu sandt Ylrich bey Yolkenstorfain Zuekirch geen sand
Florian hat des von Yolckenstorf Landrichter daß Standgeld allein ab-
zenemben.
Item bey der Kirchen zu Cronstorf hat des von Yolckenstorf
Landrichter das Standtgeld abzunemben, ist aber bißher nit beschechen,
sondern man läßt der kirchen aus guetem Willen.
Item zu Hef kirchen zu Mitfasten hat des von Yolckenstorf und
des von Losenstain auf der Leithen Landti'ichter baid das Standgeld da-
selbs mit einander abzenemben.
Item zu Neukirchen hat des von Yolckenstorf Landtrichter und
der Herr von Losenstain in der Gschwend und Losenstainleuthen das
Standgeld all mit einander abzenemben an sandt Margareth tag vnd an
sand Gilgentag, auch am Sontag Exaudi im Jar.
Item bey der Pfarrkirche zu Samerein hat des von Yolckenstorf
Landtrichter und des von Losenstain Landtrichter in der Gschwend das
Standtgeldt abzenemen.
41»
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^ ^^xi die Sohrannen fber das Male-
rn vermerckeD, ^^^^^ ^,^ ^.^j^f^stet sind wie hernach volgt.
ErstiicDen ^"'^'^^^ ^ die Freithofmaur auf dem Anger, darnach
j^ircben ^^^^^""^^^ Galgen zn Asten,
d/e ßic ^nderSchran zu Elckhaim auf der Rechwiß, von dannen
I fei*"«"*" j;^
fit beBi ^^^ schrannen zu sand Lorentzen Pfarr-
rstlichen seit m*
Item die
zu yorl
..bemalter Bichtefcat zu füehren.
* die dritt zu Neukirchen auf dem Platz an die Prcidhof-
Von dannen an die Eschen, da das Oreutz stett sezt man die
^ annen, und die stat zu enthaubten ausen auf dem Chreuzholz, da stet
ain Chreuz.
Item die viertt Schrann setzt man zu sand Marein auf dem Anger
Qr des Sulzmair söldt und die Enthaubtung vor der Schrann zu füehren
hinaus auf Samareiner holz, da es sich anfecht, da stet ain Chreutz.
Item die fünfift besizt man zu Eematen vor des Georg PQechler
}iau6 und der andern Tafern auf dem Platz und die Richtstatt aussn vor
dem dorf neben das Eematschachen bei der Welser straß auf der lincken
bandt.
Item die Sechste Schran besizt man zu hasen ürfar auf dem
Platz vor der Tafern enhalb der Straß, daselbst mag man in der Schrann
enthaubten. Was aber mit dem Rath undt Prand richten will, mag man
auf dem haidlein bey dem Ohreuz, wie die stras hinein zum urfar an die
Traun gehet, richten lassen.
Item die Siben und Letzte Schran ist zu Freindorf neben Ans-
felden, daselbs besizt maus auf ainem Anger neben der Freygätter, Was
man aber richten will, soll man zu der Richstat gen Asten füehren.
Vermerkt, was die freyen in der Herrschaft Volckenstorf
ainem Landricht dienstpar, So Sixt Ziegler Landrichter f ber
viertzig Jahr in gehabt und dermassen Järlichen einge-
nomen. Actum den 3. Juli 1558.^
Pf. St. Florian: Schober zu Raflstetten von seinem behausten freygnt,
so er zu überlend hat, dient Järlichen faschang hennen zwo.
Pf. St. Marien: Stadlaigner vom Stadlaigen, ainem behausten freigut,
1 Faschanghenne; Caspar Sulzmair (sonst haimbl genant) zu
Sumarein von ainem behausten freigut zu Pircha 1 faschang-
henne.
' Eine zweite Abschrift ist bestätig 1643 von Georg Engelshaimber d. z.
Hofrichter zu St. Florian, Vellrich Baidt vnd Zacliarias Neidthardt.
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619
Pf. Ansfelden: Das GQetl an der Stigl, behaustes freigut, 1 faschang-
henne; Michl am Fleck, ein behaustes freigütl, 2 faschang-
hennen.
Pf. Pncking: Oberpanrngatl, behaustes freigut, 1 Henne (Überlend
des Wirts in Hasenurfar); Sailler daselbs, behaustes freigut,
1 Henne; Neuhauser daselbs, behaustes freigut, 1 Henne;
Eamptner daselbs, behaustes freigut, 1 Henne; Lehner auf der
Haydt, behaustes freigut, 1 Henne.
Pf. Stadikirchen: Tafern zu Stayning, behaustes freigut, 1 Henne;
alt Mertlmair TonPirhat, behaustes freigut, 1 Henne; Stefl
Hauser, behaustes freigut, 1 Henne; mehr ain freigut daselbs,
1 Henne.
Yolgen die ledigen Acker. Christi Püchler zu Nöttingstorf hat yezt
zu Tberlendt etlich Äcker, so vormals darauf ain behaust guet
gestanden und das Puechlguet genandt gewest, dient järlichen
1 faschanghenne.
Schober zu Bafelstetten Pf. Florian, Fuxpaum zu Baydt
Ff. Enns haben ledige Gründe, Puxbaum zu Borbach Ff. St. Flo-
rian hat ainen ledigen Grund, heußl zu Dettling hat etlich ledig
Gründt.
Wietzenmüilner Pf. Sumarein hat etlich ledig grQndt.
Michl am Fleck Pf. Ansfeldt hat auch ain ledigen grundt,
Scharmüllner hat etlich ledig grflndt.
Thoml des Mayr zu Döttling Son Ff. Florian hat ain Acker.
Diso vermelden TJnderthanen müessen auf ervodern die Schran be-
sizen. Wann ain Verwandlung beschiecht under den behausten oder ledigen
Gründen, gibt der abfardt drey kreuzer und der aufifert drey kreuzer
ainem Landrichter, darzue hat ain Landrichter die Yerttigung über die
Tormelten stuck und g^üeter.
Pf. St. Florian: Waldtpothueber dient Järlichen, so vers ain Landt-
richter nit selbs besizt, 12 /^ ^.
Pf. Ansfeld; Stiglpaur dient Eom 15 Mezen, habern 15 Mezen, herbst-
bannen 2.
Von den zwayen güetern Waldtpothueb und Stiglpaurnguet mueß
ain Waldpoth oder Landtrichter dasjening, so an der strengen frag auf
ainen Zichtiger gehet, darzue was man aim Fluetrichter zu thuen ist,
zalln und sein die freyen darein nichts ze geben schuldig. Was aber
aines Zichtinger und Fluetrichter Zehrung betrifft, sein die freyen zu
bezalen schuldig, was auf ain Pluetschreiber gehet, sein die freyen aus-
zerichten schuldig. Der Stiglpaur ist schuldig die armen Leuth zum ge-
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620
rieht zu füehren, der waltpothueber ist schuldig, die Schrannen und was
zum Gericht gehört darzue ze fflehren. Die freyen mflessen die Schrannen
aufrichten. Ain Waldtpothueber ist schuldig das holz zum Galgen ze
geben und die freyen müessen in aufrichten. Wann man ain mit dem
Bath urtlt oder rechtferttigt, sein schuldig die freyen dasselb zu bestellen
und bezalen. Ain Waldpothueber und Stiglpaur dürfen die Schrann
mitbesezen. Wann man ain enthaubt, sein die freyen schuldig das Grab
zu machen und denselben einzegraben. Wann aber ain Weibs Person
under ain Galgen vergraben werden solle, mueß der Zichtinger selbs zu
verrichten.
Zur klaren Auslegung vorstehender Kundschaft gehört folgende
noch ungedruckte Urkunde: 1347, 24. April.
Ich Gundakcher vnd ich Berichtold, wir paid prueder von
Losenstayn, vnd all vnser Eriben veriechen offenbar [an] dem prief
vnd tuen chunt allen den di in sehent oder horent lesen, dl nu sind oder
hernach chunftig werdent. Daz vns vnser lieber Ocheim Her Ott
von Yolchenstorf geben hat nach seines vater Hern Albers seligen
Weisung vnd rat von volchenstarf daz ain drittail an dem Lant-
gericht. daz er gehabt hat ob der Ens. vnd daz ander drittail
dez selben Lantgerichtes. daz stet vnsern Pruedern Hern Dye-
treichen vnd Buedolfen von Losenstayn. daz schol er vns herwider
losen vmb Hundert phunt alter wienner phenning an all Widerrede, vnd
denselben tail schol unser vorgenanter öcheim Herr Ott von Vol-
chenstarf mit vns, mit vnsern Eriben inn haben vncz an seinen
tot, vnd nach seinem tot, ist daz er Leib eriben gewint. Da schol der
selb tail auf genauen. Ist awer, daz er an Leiberiben verschaid, so schol
der selb tail zesampt dem unsern Ledigleich vnser vnd vnserr eriben
sein, vnd schullen wir dann di vorgenanten zway Drittail an dem
Lantgericht gancz vnd gar Jnn haben vnd niezzen mit allen den rech-
ten vnd nuczen als da zu gehoi*t versuecht vnd vnuersuecht. wi das ge-
nant ist. ze alle dem rechten, alz ez vnser Ocheim Her Alber seliger
vnd sein Svn Her Ott in ir nucz vnd gewer gehabt haben, vnd dazselb
Lantgericht habent si vns emaln gemacht vnd haben ez auch enphangen
vnd genomen von vnserm genedigen Hern von Österreich. Er hat vns
vnd vnsern Eriben auch geben das Hous in der Geswent vnd waz
da zu gehört, daz Lehen ist von meinem Herrn von Pazzaw also, daz wir
den halben tail dez selben Hous in der Geswent losen schullen von seiner
wirtinn vrown Chunigunden vmb Hundert Phund vnd Sibenzik Phund
alter wienner phenning, wenn wir wellen oder mugen vnd schol denn
daz obgenant Hous in der Geswent mit allen rechten und nuczen Ledig-
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621
leich vnser ynd vnserr Eriben sein, ze alle dem recht als ez Her Albers
seligen vnd Hern Otten seins Sans gewesen ist. ynd daz selb Hous
habent si vns emaln gemacht vnd geben, vnd haben ez auch mit sampt
in enphangen vnd genommen von ynserm lieben Hern von Fazzaw. Er
hat yns vnd vnsern eriben auch geben vnd gemacht den Ma rieht ze
Newnhofen ynd swaz da zu gehört wi daz genant ist. Der Lochen
ist von ynserm Hern dem Herczogen von Österreich, vnd den obem
Hoff ze Schirmstarf. der Lochen ist von Ohremsmflnster, also ob er
an Leib eriben verschaid. so scholl der vorgenant Maricht ze Newnhofen
vnd der Hoff ze Schirmstarff mit allen rechten vnd nueczen vnd da zue
gehört. Ledichleich auf vns vnd vnser eriben geuallen. Ist awer. daz
er den Haricht vnd den Hoff indert verchumbern wil. da schallen wir
in nicht an irren, awer der maricht vnd der Hoff schol furbaz anders wo
nindert mit chainem gemocht vermacht werden. Vnd di vorgenanten Guet
alle, wi di genant sind, hat vns vnd vnsern eriben vnser lieber Ocheim
Her Ott von Yolkchenstorf recht vnd redleich geben für vnsern Eribtail.
der vns von im vnd seinen vodern werten schuld sein. Ist aber daz er
an Leiberiben verschaid. waz vns denn durich recht angeuallen schol.
da schol vns niempt an irren weder wenich noch vil. vnd der Gueter
alle wi di genant sind, schol er vnser Gewer vnd scherm sein für alle
ansprach, wo vns dez not geschieht, alz Landez recht vnd gewonhait ist
in dem Land ze Österreich, vnd daz di sach vnd di Wandlung furbaz stet
Tnd vnzeprochen beleih. Dar vber geh wir Ich Gundakcher vnd ich Be-
richtold. wir Prueder von Losenstayn. disen offen brief versigelt mit
vnsern paiden anhangunden Insigeln. und sind der Tajding zeug Her
Hainreich von Volchenstorf vnd Her Fridereich von Waltse von Ens mit
Jren anhangunden Insigeln. Der prief ist geben nach Christi gepurd
drewzehen Hundert Jar vnd darnach in dem Siben vnd vierczkistem Jar
an sand Görigen tag.
Die Siegel der Aussteller hängen, jene der Mitsiegler sind verloren.
Orig. Perg. im herzogl. Sachsen-Koburgschen Schloßarchive Greinburg.
Nr. II.
Landgericht der Stadt Ens.
Grenzbeschreibung aus dem oberösterreichischen Instanzen-
kalender 1827.
Die Grenze läuft südlich von der am Ensflusse, eine halbe Viertel-
stunde von der Stadt entlegenen Lichten scheinmühle und dem daselbst
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622
befindlichen Hanptmarksteine gerade der Höhe bei der Forstbergsplanke
vorüber bis zu dem Eingangstürchen des Freisitzes Forstberg, Ton da
auf den an dem eine kleine Viertelstunde von der Stadt entlegenen
Biezlmayrfelde liegenden Bain hinab auf den Mosergangsteig und Yon
diesem bis an das Espelmayr- oder Blaicherbächlein; westlich nach
diesem eine Viertelstunde Yon der Stadt entlegenen Espelmayr- oder
Bleicherbächlein rechter Hand fort bis zur Spitalkirche und über die
Straße bis zum Lederer nächst des Bürgerspitals unter dem Schmiedberge;
nördlich von diesem Ledererhause nach dem Bächlein bis zum Qur-
hofe; Yon da bis zu der eine Viertelstunde von der Stadt entlegenen
Luckenederstiegel bei Lorch über den Fahrtweg und fort bis zur Wasser-
hütte in Enghagen, von dieser aber nach dem Donauarme und dem
Taborhause fort, wo die Ens in die Donau fließt; östlich dann von
diesem Ausflusse der Ens in die Donau herauf bis auf die halbe Naufahrt
beim Ealkofen in der Vorstadt ünterreintal, endlich von der Enser
Jochbrücke weg, durch den Hausgarten des Pichlbauers im Lerchentale
auf der Steyrer Landstraße fort bis zu dem obengenannten Hauptmark-
steine.
Vgl. auch Grenze gegen Landgericht Spilberg S. 596, Anm. 1.
Nr. III.
Volkenstorf (Tillysburg).
Grenzbeschreibung nach dem oberösterreichischen Instanzen-
kalender 1827.
Der Landgerichtsbezirk zieht sich von der Pfarr und Ortschaft
KroDstorf nach dem Ensflusse bis zur Lichtenscheinmühle bei Ens, von
dort nach dem Burgfried der Stadt Ens und dem Blaicherbächlein zur
Donau, längs der Donau aufwärts zur Traun, nach diesem Flusse bis zur
Wambachbrücke, von dieser über den Stättinger auf den Borbacher Fahrt-
weg, durch Bohrbach zum weißen Kreuz bei Hohenbrunn und yon diesem
nach dem Fahrtwege nach Niederfraunleiten. Von da erstreckt sich die
Grenze nach dem Fußsteige vom Giiiber zu Grub bis zum Lughamer,
von welchem Gute die Eommerzialstraße die Grenze bei Niederneukirchen
ist, und wovon sich die Landgerichtsgrenze auf den Fußsteig gegen das
Norbergut auf das Mairgut in der Wies, von dort über das Schlattholz,
über den Distlberg nach Winkling auf die Kraußmühle und von da über
Hausmaning, Pirchhorn nach Kronstorf zieht.
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623
Nr. IV.
Landgericht Weißenberg.
Grenzbeschreibung nach dem Instanzenkalender vom Jahre
1827.
Der Weißenbergische geschlossene Landgerichtsbezirk erstreckt sich
von der Schwarzmühle oberhalb Schleißheim des Talweges und des Traunflus-
ses entlang bis zur Einmündung des Eremsflusses in denselben, dann nach
diesem Talwege herauf bis Eremsdorf, und von da noch über die Krems
nach einer durch die Oi*tschaften Grub, Nöstelbach und Fachersdorf bis
zur dasigen Eremsmühle reichenden Linie ; von dieser Mühle wieder nach
einer Linie durch die Ortschaft Lining zurück über die Erems, und wei-
ters durch die Ortschaften Lindach, Laimgräben, Bergern, Samersdoif,
Sinnersdorf, Weißkirchen und Dietach nebst Schleißheim ; endlich nach
einer von dieser Linie bei Schleißheim abspringenden und bis zur obigen
Schwarzmühle wieder abschließenden Linie.
Nr. V.
Landgericht Stein.
Grenzbeschreibnng nach dem k. k. Instanzenkalender vom
Jahre 1827.
Von der Wambachgrenze bis Niederneukirchen dient die Grenze
des Landgerichtes Tillysburg auch für den Landgerichtsbezirk Stein als
Absonderung beider Bezirke. Von Niederneukirchen läuft die Grenze über
Buprechtshofen auf den Babengattern beim Dörflbauer bis zum Schmiede
beim Bach zu St. Marien; von St. Marien nach dem Gangsteige auf die
zwei Hauschen beim Holz, weiter zum Huber zu Fiebert, zum Plazer zu
Pacherstorf, zum Nöstlbach und Zierberg und nach der Erems zur Wam-
bachbrücke.^
* Der Sitz zum Stain wurde 1698, 20. August von Wolf Wilhelm von
Volkenstorf von Kaiser Rudolf H. zu Lehen empfangen (Blätter des
Vereines fOr Landeskunde von Niederösterreich XXXV, 497). Stein
bildete ein Amt der Herrschaft Weißenberg, bis M. Ludowika Freiin
von Weichs dasselbe sowie Tillysburg aus der Konkursmasse ihres Gemahls
Joh. Josef Clemens von Weichs an sich brachte und dann später beide
dem Stifte St. Florian verkaufte. Die letzte Tilly Gräfin M. A. Fran-
ziska von Montfort hatte selbe 1730 an Freihern von Weichs veräußert,
mit Stein auch den östlichen Teil des Landgerichtes Weißenberg. Das
Schloß war nach dem Anschlage der Herrschaft Stein vom Jahre 1745
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Nr. VI.
LosensteinleiteiL
Grenzbeschreibung aus dem Urbar vom Jahre 1662.^
Erstlichen fanget sich das Landgericht zue Ober Prunern, allda
die Landstraß mitten im Dorf durchgehet, von dannen anf die rechte
Hand hinumb zum Stromayr, zwischen beeder Häuser durch, alsdann
über die Hech herein, ausser- oder oberhalb der Thaller Pauin, auf die
Hundtsedt, allda zway Heuser, aus welchen das innerhalb des Wegs im
Losenstainerischen, das ander im Gschwendtnerischen Landgericht ligent
ist, Yon dannen in die Haydter gassen und Haydt, so ein Jnfang, darin
ein Leimbäm und alhero gehörig, alsdann auf Haußbach ausserhalb Weich-
stötten, und ausserhalb des Gänssterer am feit im thall herumb, in wel-
chem thall oder Läan auf dem feit zwergs über den Gschwendtnerischen
Fardtweg ain Binnsal binüber gegen den Haußpöcken, auf Haußbach und
also fort für Erlafing und Driehueb im thall hinab, alda in Weich-
stötterpach kommen und fliessen thuet, welcher pach und völliger Binn-
sal das Landgericht fort bis zu der Mühl gen Bueprechtshoven und gar
auf (Nieder) Neukirchen schaiden thuet. Von Neukirchen schaidet es der
Kirch oder gehweg zwischen der Mösen und Schmidten durch zum Nörber,
von dannen der fardtweg zum Mayr an der Wiß, welcher beede ausser-
halb hieigen Landgerichtsgezirk ligent, von dannen fort aufs Schladtbolz
zum Pinderheusl bey der Linden, von dannen über den weg im holz, am
fartweg durch auf der Linzerstrassen, und in holz am fartweg durch und
neben des Dierstlbergers Jnfang am fartweg hinumb in der gassen, und
bei des Edlinger feld durch den Gattern auf die rechte Hand in dem feld
hinab zu denen Dierstlberger Heusern am Weg neben der Boßschwemb
oder Lacken hinumb beim Haydterer am feldt neben den grabn hinab
über den Berg zu desPraunmayrHanifstuben, von dannen hinab nach den
Graben zu der Straußmühl, alda über den Berg in der Strassen hinab auf
(Schlüsselberger Archly) im Jahre 1715 ^costbarist^ erbaut, zur Herr-
schaft gehörten 65 Holden, zum freien (im 17. Jahrhundert allodiali-
sierten) Landgerichte 355 Häuser.
Dasselbe war von dem Pfleger und Landgerichtsverwalter Abraham
Bohner (1640—1651) aus der alten Herrschaft Urbariis und Begistem
zusammengetragen worden.
Das Fischwasser auf der Traun zwischen dem Gschwendt-
nerischen und dem Florianischen, dann auf der Krems unter dem
Wühr bei der Kreuzmühl bis an die Brücke zu Wartberg, femers auf
der Steyr bei Pichlern, Landgericht Hall, war nach Losensteinleiten
dienstbar.
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Hanßmaningy daselbst im weg durch und an der Straß hinaus auf das
feld, wo das helzerne Kreiz unterhalb des Häglsperg steht, von dannen
an der Strassen fort zum Erueghof auf Plrchen (welche Heuser zu
Pirchen alle in Losenstainerischen Landgericht ligen), daselbsten über
das feld hinab zu des Edtmayrs Gattern, und von demselben fort zu des
Aggermayrs Gattern, hinfüro gleich mitten übers feit hinein am Bidl,
alda ain ordentliche seillen, darauf auf ieder selten beeder herrn Oraven
angebornes Wappen eingemacht , aufgericht , und von derselben Seillen
über den Ridl hinab zu mitten der beeden Tafernen durch und hin zu der
Linden, sozuEronstorf mitten am Platz stehet, volgents in den fart-
weg über den Berg für die Kirchen hinab, und denselben nach gleich bis
mitten in die Enß hinein gehet, daß also die Köglstatt, Kirchen und was
auf der linken Hand ligt, in das Tillyspurg: und auf der rechten Hand
in das Losensteinleithnerische Landgericht gehörig ist. Von dannen
gehet es hinauf neben der Enß bis zu den Steinwendtner Gleinkerischen
Unterthan, alda das Landgericht oder Gezirk mitten durch den Hof gehet,
und ist der Hausstock desselben Hauß in Losenstainleithnerischen und
der Stadl in Steyrerischen Landgericht ligent. Von dannen gehet das
Losenstainleithnerische Landgericht heraufwerts zum Forster, von dannen
in der Eben an den Heyberg herumb zum Grüftner, volgents heroberhalb
Dietach von thall über ein feld herauf auf Edt, alda auch zwey Heuser,
80 auch auf Gleink gehören, von dannen ausserhalb Judendorf nach den
graben am feit hinumb zum Gattern und fort im thall negst dem Steyrer-
holz, da es ein Rinnsal hinauf mitten zu der Egl Lacken und PrückI, und
neben derselben Lacken am Graben hinüber durchs holz zu der Langen
gassen, in derselben gassen hin zum Stadler, alda zwischen der Schmidten
hin und umb des Stadlers hauß hinumb zu des Drizenmayrs hauß, und
daselbsten im mittern feit hinab zum Grattern zum Purchholz, und nach
denselben graben hinab zum Scheichenpalk oberhalb der Stainern Gatter-
seillen, und nach der Straß hindurch gen Sierninghoven bis zu der
Walckmühl, von dannen auf Ober-Prunern mitten durchs Dorf, da es die
Straß schaiden thuet. Damit ist also der ganze gezürk des Landgerichts
und zugleich des Wiltpans hieiger Herrschaft Losenstainleithen von Ort
zu Ort ordentlich verzeichnet und beschriebner.
In disem Lantgericht seint nach dem Anno 613 den 15. Augusti
aufgerichten Inventario und gemachten Anschlag bey 2000 feyrstött, aus
welchen aber die Clöster eximiert sein wollen. Dieß Landgericht ist von
dem Hochlöbl. Erzhauß von Österreich Lehen (Zusatz: gewesen, aber alle
durch etc. etc. wie im Modell begriffen, freygemacht worden).
Blatt 97.
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626
Nr. Vll.
Gschwendt.
Grenzbeschreibung aus dem Urbar dieser Herrschaft vom
Jahre 1621 im Archiv zu Losensteinleiten; der Anfang fehlt,
sie beginnt:*
ybis zur stainer Gaterseillen an der von Steyr Bnrckfridt (was nun
also von der Haibertmüll und der Crembs an bis an bemelte Gaterseillen
obhalb der beschribnen alten Welserstrassen und dem obern Stainfeld
ligt, gehört in das Landgericht Haal zur Eayl. Herrschaft Steyr). von der
stainen Gaterseillen aber geht es wider zurück hinder der Trixenmair Leiten,
alda nit weit davon ein bochgespizeter Stain neben den zwayen Heisel
iigt, darein ein vieregget fensterl gehauen und im selben das Losen-
stainerisch wapen gemalt worden, dann under der Leithen aus und aus
bis an Parschalcheperg, von Parschalchen an der neuen Welserstrassen
abers felti hinab zum gatern, von dannen übers Hämet bis zum Pruner
feldt, alda bei beeden gätern ein stainen Creuz gestanden, alsdann durch
den gatern auf der rechten Hand und übers feit zum Gnedinger, so in-
halb ligt, durch die gaterlncken und auf der Strassen fort bis ins
feldel zur Wegschaid auf Mäzlstorf. Von diser wegschaidt geht es
gleich übern Luß gegen Mitten der wisen, in welcher sich bald ain pächl
erhebt, das Goldtperger pächl genannt, das schaidt bis an die Gold-
pergermühl in fartweg, an dem geht es für den Stephan Scheindel so in-
halb, und den Erener so ausserhalb ligt, an der straß nach des Ausser-
mair zu Pesendorf graben und bis zum hauß, so als ausserhalb ligt, von
dann fürn Innermair, und dort übers feld zum Kolben und Yeicht zu
Trischlriedt ausserhalb ligent. Von dann übers feld zum gatern gen
Weichstetten, alda durch den gatern für die kirchen auf, so ausserhalb
ligt, bis zum oberngatern, von dannen übere feld zum Dierstlinger, so
von der Straßen ein zwo Akcher lang inhalb ligt, bei der gatterlukchen
durch ein Hölzl auf ein Ackerleng zum Dierstlingerschneiderheißl, alda
geht auf der rechten Hand ein Straß zwischen den Bättem durch und
in den Osterperger Infangln aus und aus bis ans eck und gatern der
Neukircher Straß, alda das Losenstainloitner und Weisenberge-
risch Landgericht aneinander stost, vom gatern nach dem graben so
inhalb ligt zu den drey felbern, so ausserhalb, und an der Straß vort
1
Der fehlende Anfang ist zu ergänzen aus den Grenzbeschreibungen der
Landgerichte Schamstein und Kremsmünster, dann Losensteinleiten
und Hall.
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627
übers feld zum giaben auf der rechten Hand ausserhalb, nach dem
graben auf der Straß vort bis zum schmit im pach, so auch ausserhalb,
von der schmitn ?ort bis gen Sammerein, vom feldt im Gäßl neben des
Hämet wfierth, so inhalb, alda zu mit der Straß neben der Kirchen, so
ausserhalb ligt, aber bei der Kirchen durchs Gässl durch fibersfelt auf,
an der Straßen zur Bichtstatt und hilzen Creuz alda, so ausserhalb
ligt, auf diser ebern Strassen ab und ab bis zu dem Weisenbergerischen
Wasenmaisterheißl, so noch ausserhalb, alda aber geht es wider zurück
auf der Straßen zur rechten Hand neben des graben und dem feldel zum
gQetl im Firchet das auch ausserhalb, von dann zwischen des felts und
wisen in des heristlechner Jnfängl, durch selb durch bis zum hauß, so
ausserhalb, alsdann vom selben hauß übers feld zum Plazer zu Passei-
storf so inhalb ligt, an derselben gassen und fartweg zum Crembsmüllner,
vom Crembsmüllner aber geht es über die felder und wisen auf alle
grehen hinder des Puchmair hauß im graben hinauf an die Linzerstraß,
Yon dannen zurück an das Orabmer Jnfang, nach dem Jnfanggraben
hinab am innem Linda(ch) zur Schitgrueb so ausserhalb der straß ligt,
und als fort aus ans ausser Linda, alsdann neben des Obernhueber holz
durchs Weisenbergerisch holz durch, auf der rechten Strassen fort an
Puckinger perg im tiefen fartweg bis nach Pucking für die Tafern so
inhalb ligt, alsdann zwischen der Kirchen und Pfarrhof durch auf dem
rechten Gangsteig füm Oenspach so inhalb ligt hinaus zum ürfer der
Traun, alsdann von mitten der Traun auf und auf bis an Tallpächl
und Mitten des Tallprückl, von dannen an die rechte Steirer und Welser
Straß vort nach Leubenpach, alda zwischen des Schloß und der Tafern
durch, Ist also die rechte Schaidung fortan bis zur eisernen Hand am
Kemetschacher, ober der eisen Hand geht es der alten Strassen nach auf
der rechten Hand durch den gattern über den Jenfelder feit hinab bis
wider zum hilzern Creuz bei der Linden beim Creuz ausser Kemeten, wo
es den Anfang genommen.
NB. Schaidt also erstlich die Schadenstraß von der Halbertmil bis
zur stainern Gatterseillen am Stainfeld an der Steirer Burgfridt
Gschwendt und Herrschaft Steyr Landgericht, von der stainern gater-
seilln bis zu Endt des Osterperger Jnfang bei der Neukircher straß
Gschwendt und Losenstainleithner Landgericht, von der Osterperger Jn-
fang und bemelter Neukircher Straß bis zum Ufer der Traun ausser
Pucking Gschwendt und Weisenberger Landgericht, vom Ufer und Mitten
der Traun auf und auf bis an Tallpach und Prückl und an der Steirer
und Welser Straß schaid es Gschwendt und das Khayl. Landgericht, so-
wohl Wels bis an Crembsmünster Landgericht, die Steirer und Welser
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628
Straß aber vom Tallprflckl aas bis gen Halbwärting an die Crembsscbaidt
das Gschwendt und Crembsmünsterisch Landgericbt.
Laut Vergleiches vom 24. Juli 1636 wurden die Grenzen am 1. bis
3. Mai neu vermarkt: in der Urkunde werden genannt:
Zum Landgericht Volkenstorf (Tillysburg): Das Schul- oder
Meßnerhaus zu N.-Neukirchen, Mair an der Wiß, die untere Tafern zu
Kronstorf, die Kirche daselbst.
Zum Landgericht Losensteinleiten: Das Totengräberhänsl zu
N. -Neukirchen, das ganze Dorf Winklern, das ganze Dorf Pürchen, die
obere Tafern in Kronstoif.
Zum Landgericht Weißenberg: Schmid im Fach, die Kirche zu
Samarein, Schuchhartgut, Hans Leithner, das Bockenmacherhäusl, des
Wezeis Haus, die beiden Häusel zu düiTn Lindach, Kremsmair und
Kremsmüller, die Falzmühl.
Zum Landgericht Gschwendt: Hametwirt und Kegelstatt zu
Samarein, Maurergut, Georg Helferstorferhäusl, Fuechmaingut, Batten-
häusl, Dorf Schleistheim.
Die neue Grenze zwischen den Landgerichten Gschwendt und
Weißenberg wurde von der Falzmühl, welche Mühlwerchstatt im Weißen-
bergischen Landgericht bleibt, folgendermaßen festgesetzt: ,gen Lang-
acker mitten durchs Dorf, da ausser des dorfs am Egg ein Marchstain
gesezt worden, alsdann gleich auf der Gispel und von der Gispel auf die
Welser Straßen, daselbst auch ein Marchstain gesezt worden, yon selbem
nach und durch Weißkirchen, yolgents nach Schlaißhamb undterhalb des
Dorfs hin, das es in dem Gschwendtnerischen Landgericht verbleibt, bis
ans Thallprückel.* Sie wurde, wenn überhaupt durchgeführt, von Weißen-
berg wieder aufgegeben, denn das alte Grundbuch 1793/94 zeigt die
ältere Grenze.
VIIL
Ort im Traunsee.
GrenzbeschreibuDg aus dem Urbar vom 1. Jänner 1699 im
Archiv der Forst- und Domänendirektion Gmunden.
Die Grafschaft Ort hebt sich an ob der Langbath, alwo das Ortisch
nnd Wildenstainische Landgericht zusamben stosset, dessen pach beede
Landgerichter von einander schaidet, und gehet hinein nach dem Lambat-
pach in den Euematsgraben. Vom Buematsgraben in den Diernpach, alle
Wassersaig herzue. Vom Diernpach hinauf alle hoch des Cronabeth-
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629
Sattl/ dasselb gebürg hinffir nuzt auf der Schilt oder auf die Schilt Albm.
Vom Schilt ans Lackhen gebürg, allwo sich daß Wildenstainische Land-
gericht endet und das Oammerische anfanget, durch das Aurach Chor auf
den Schlag, alle Waßersaig herzue. Vom Schlag über gen Stellen. Von
Stellen yher gen Maisterschwandt. Von Maisterschwandt auf den hindern
Stainingegg, alle Wassersaig herzue. Vom Stainingegg yber den Bicht-
berg in die Schaidtgräben auf den Gäberg in ein Prun genandt die
Yeichtingwisen. Vom Prun auf den Prändtenberg zu einer Puchen, so
gemarcht, allwo auch noch ein Marchstain stehet. Von danen ab in den
Kriechpach, allwo auch ein Marchstain. Aus dem Eriechpach zum Pil-
lichprun, alda eben ain Marchstain, ynd drei Landgerichter als Ort,
Cammer und Puchhaimb zusamben stossen, auch das Camerische abgehet
und das Puechhaimbische anfanget. Und gehen diese Puechhaimbische
und Ortische Landgerichtsgränizen so fort in der Gmundner Strassen für
Bittsteig neben dem Tiefenweg allwo ein Marchstain stehet. Der Strassen
nach gegen Mairhof durch einen gattern, allwo auch ein Marchstain. Von
dem daselbstigen Marchstain nach dem Langen graben thalwerts für
Edengrueb ins Ofenpuech, allwo ein Marchstain stehet. Yolgendts gegen
Babenstain yber die Aurach in die Kößlpodenauer wisen zu dem fast
mitten in der wisen auf einem higl stehenden Marchstain bis zum weg
negst der Leithen, daselbst abeimal ein Marchstain stehet. Von dar auf
selbigen tiefen gangsteig yber ermelte Leithen aufwerts zum Schachen-
gattem, in selbiger Strassen fort zu einem Marchstain auf Hundtpaum-
bedt, und gehört solche bchausung ins Puechhaimbische Landtgericht.
Volgendts durch des Vöttinger Gattern ybers feldt auf Parz, allwo ein
Marchstain stehet. Von Parz auf Aichlham mitten durch das dorf auf
den Schwanenstetter weg nacher Pernestorf, einem Paurn daselbst der
Planck genant durch den ofen. Von Pernestorf für Stärckling linker
handt denen sechs Marchstainen nach ybern Dumblplaz zum Kalchofen
bis mitten der Traun Naufarth. Nun ist hiebey zu merken, daß von dem
daselbst stehenden lezten Marchstain ob des ersagten Kalchofens an der
Grafschaft Ort in dem Puechhaimbischen gegen den (Traun) Fall hinab
gehenden Landtgericht ein gerechtweg bis auf erstgehörten Fall blos und
allein zu dem ende zuegelassen und bedingt seyn, damit sie Grafschaft
dero Landtgericht diss- und jenseits des Traunflußes uno tractu oder
ohne absaz bereithen und besuechen möge.
* Im Kodex sec. XV (s. bei Wildenstein) heißt der Berg noch Chreim-
hiltsattel. Der Name Krimhilde hängt noch an verschiedenen Ort-
lichkeiten Bayerns.
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630
Vom fall, allwo das Wibmspachische Landtgericht anfangt
und mit dem Ortischen bis an die Laudtach fortgehet, hinauf zur Wild-
pans Saulln, welche den Kay: und Lambachischen Wildpan von einander
schaidet, die Sontaggassen des Pangrabens bei Hueb, so Boithamb- und
Lohkircher Pfar schaidet, auf Mitterpuech. Von Mitterpuech auf Fahrn-
puecb. Von Yahrnpuech auf Wanckhamb. Von Wankhamb hinauf den
Haßigraben gen Beittern, allwo wie oben ein Wildpans SauUen. Von
Reittern gen Dorf. Von Dorf in Engenthal durch die Wolfsincken. Von
der Wolfslucken auf das hinder aign, dem Lenzenpaurn durch den Ofen.
Vom Aign gen Weidach auf der Strassen alda mehr ein Wildpans Saulln,
im Dorf durch zum Wasser der Laudach, so weit das wasser gehet, und
fangt sich aldorten enthalb der Laudtach der Yorchdorfische ynd nach
solchem der Egnbergische Burgfridt an, wo hiernach das Schärn-
stainische Landtgericht ihren anfang hat und mit der Grafschaft Ort
Landtgericht weiters fortgehet.
Yon ermelter Laudach Ursprung beymSee hinauf den innern
Schrättenstain. Yom Schrättenstain nach aller Hoch hinfflran zu Wein-
garten auf den Kiesenberg. Yom Kiesenberg an Hochkogl. Vom Hoch-
kogl yber an den Laugsperg. Vom Laugsperg auf das Fellschloß. Vom
Fellschloßegg hin bis auf den äussern Thenn. Yom äussern Thenn auf
den Rindtpach. Vom Rindtpach auf das Zwirchegg. Vom Zwirchegg
heraus in den Rindtpach unzt in Traunsee. Vom selben Rindtpach wider
in die Lambath. Und mag das Gericht von dem See ainem schedlichen
Mann auf dem Land nachgreifen, als verr ainer mit ain Stegraiff Armb-
prost beschiessen mag.
(S. 1394 bis 1399.)
Der Grafschaft Ort Landtgericht oder merum Imperium thuet in
seinem Vmbkreis bey vierzechen Meill begreifen und ist hierinnen ausser
der Landsfurstl. Statt Gmunden einig ausgezaigter Burgfridt nit zu
finden, gleichwollen aber seint die hierin ligende Landsfürstliche vice-
dombische, Burg Welsisch und Residenz Traunkirchische, wie
auch herrschaft Puechhaimbische Gründt und poden sowol als die
darauf wohnende Underthanen und Holden von dem Landtgericht der-
gestalten exempt, daß nit allein das Ortische Landtgericht daselbsten
nit eingreifen mag, sondern auch soviel die Vizdomb- und Burg Welsische
Vnderthanen betrifft, die Grafschaft Ort hiemit im geringsten nichts
vorzunemben hat, belangent aber die Traunkirchisch und Puechhaim-
bische Vnderthanen und Inwohner, möessen solche auf den Fall, da
einer das Leben verwürcht, dem Ortischen Landtgericht zur execution
und Vollziehung des ürtls ausgeantwortet und übergeben werden.
(S. 19 bis 20.)
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631
Nr. IX.
WildensteiiL
I. Grenzbeschreibnng aus Faszikel 388 (1600—1699) des
Archivs der Salinenverwaltung in Ischl.
Biegung des Landgerichtes Wildenstein.
Erstlichen bebt sich das Pidmerk an am Tbiempach und gehet
über die Iscbl an den Markpach auf den Walcbeskogl und von dem
Walcheskogel auf den Lenzenkogl oder perg, auf die Tratten hinab auf
den Störrer, von dem Störrer auf den vordem Haußegg, auf den Stigeck*
gegen der Höll vom Foecheck hinab gegen Franztball, vom Franzthall
in den Kaltenpach in die Clausen und von der Clausen hinab in den
vordem Lambathsee, nach dem Lambath:^ heraus in den Traunsee und
so weit ein gewappneter Mann hinein reiten mag, mag man ain schäd-
lichen Man heraus nemben, nach dem Traunsee herüber an den See-
perg, von dem Seeperg an den Innern Weissenpach y auf den undter
Heinrichsgraben, von Heinrichsgraben auf den Wildenkogl auf den
Schwarzenberg, von dem Schwarzenberg auf den Prunkogl, von dem
Prunkogl in den Pluderbach auf den Sändling, von dem Sändling auf
den Michel kolpach, in die Pötschen und auf den Sarstain und oben über
den Sarstein gegen Obertraun an das Mfilwerch, da der Steinhaufen
liegt und sich die Weg theilen, vom Mülwerch auf den Landtfridt, von dem
Landtfridt auf den Erüppenstain, an den Moderegg, vom Moderegg in den
Camersee [Gk)sau8ee] und vom Camersee auf Zwiselperg, vom Zwiselperg
an den Bueßegg, vom Bueßegg an den Schödtegg, vom Schidtegg an die
Binderwand, in die Trauchwand, von der Trauchwand in den Salzgraben
und vom Salzgraben auf den Lueger und herab in den Türnpach.
Anno 1570 den Ersten Januaij. Jobst Schmidtauer (sollte heißen:
Andreas Schmidtauer, der bis 1595 Pfleger zu Wildenstein war).
IL Qränizbeschreibung der Kay. Herrschaft j Wildenstain
Landgericht aus dem Urbar von Wildenstein, Blatt 18', im
Archiv der Forst- und Domänendirektion Gmunden.
Erstlichen hebt sich das Pidmerk an am Diembach und gehet
über die Ischl an den Märekenbach auf den Walckeskogl und von dem
* Nach einer dritten Abschrift im Landesarchive zu Graz (,y ermerkt
unsers allergenedigisten hern der Kay. Mt. Pügmerk der Herrschaft
Wildenstain, darin und soweit ain jeder pflegper daselbst zu richten, zu
gepieten und zu verpieten, zu thain und zu lassen, jagen, fachen un-
geverlich hat und mag') 8uch egg. ' Daselbst Lambatpach.
ArehiT. 94. Baoa. U. H&lfto. 42
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632
Walkeskogl auf den Lenzkogl oder Ferg, auf die Tratten, wie und wo
die Wassersaig herein gebet, Ton Tratten hinüber anf den Sterer, yon
dem Sterer auf den vordem Haußegg, auf den Stigegg gegen der Höll,
Yon Fnrchthal in dem Waltenpach in die Clanßen, von der Olaußen hinab
in den fordern Lambathsee, nach dem Lambathsee hinaus in den Traun-
See und soweit hinein, als ain gewaffneter Mann hineinreiten kann, alda
man einen schädlichen Mann herausnemben mag, nach dem Traunsee
herüber an den Seeberg, von dem Seeberg in den untern Weißenbach,
auf den Heinrichsgraben, anf den Wildenkogl, von dem Wildenkogl auf
den Schwarzenberg, auf den Fninkogl, vom Prunkogl in Flnederpach,
auf den Sändling, vom S&ndling auf den Haalbach, in die Fötschen-
wandt, auf den Sarstain und oben yber den Sarstain gegen Obertraun in
das Mühlwerch, da der Steinhaufen ligt und sich die Weg theilen, von
dem Mühlwerch auf den Lahnfridt, von dem Lähnfridt auf den Erippen-
stain, an den Moderegg, von dem Moderegg in den Cammersee, vom
Cammersee auf den Zwischlberg, an den Bueßegg, auf den Schittegg an
die Bindterwandt; in die Traunwandt, von der Traunwandt an den Salz-
graben herüber auf den Lauger und herüber in den Diernpach.
Zur Erläuterung.
Die Örtlichkeiten sind aus den Forstbezirkskarten Ebensee, Offen-
see, Goisern, Hallstatt und Gosau zu ersehen. Die Orenzbeschreibung
ist, wie jene der Landgerichte Ort, Scharnstein, Pflindsberg und Abtenau
zeigen, nicht vollständig, denn es sind die südlichen Anhöhen hinauf
gegen den Dachstein und das ganze Forstgebiet von Traunkirchen über-
gangen.
Die alte Bügung der Herrschaft Wildenstein, welche noch das In-
ventar vom 29. April 1600 (in Ischl, Faszikel 200) als vorhanden regi-
striert, ging im Laufe des 17. Jahrhunderts verloren, die Hofkammer
konnte trotz Nachschlagens ,mit allem vleiß' am 24. Mai 1664 nur die
Beschreibung I dem Salzamte Gmunden schicken, die dann in das neue
Urbar eingetragen wurde. Sie ist aber, wie sich aus den ärarischen
Waldbüchem ergab, nichts anderes als die Grenze der ärarischen Wal-
dungen, weshalb das kahle Gebirge und auch der Traunkirchner Forst
in der Feder blieb. Erst mit Vertrag vom 17. März 1666 hat die Besi-
denz Traunkirchen alle Waldungen im Eammergut Ihro K. E. Majestät
zum Salzwesen gegen jährliche 800 Gulden überlassen und sich nur die
Ebenseer Au vorbehalten (Extrakt aus dem Traunkirchner Urbar 1712
bei dem Forstamte Goisern).
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633
Das älteste Urbar des Klosters aus der Mitte des 14. Jahrhunderts
(ArchiY der Forst- und Domänendirektion Omunden) beanspruchte ge-
meinschaftliches Eigentum aller Forste ,mit der herschaft des landes, yon
dem is gestifl is warden' und ein Kodex des 15. Jahrhunderts enthält
folgenden Eintrag:
^ota die pAnfÖrst, So dem Gotshaws ze Trawnkirichen besunder
zwe gehöret. Item von erst am Seeperig fueß vnd get vom Seeperg fueß
ynczt an lewntswabegk, vom lewntschwabegk an puechegk, vom puech-
egk vncz jn Byntpach, vom Eynpach vncz jn Twerichenegk, vom Twe-
ridenegk auff . . .^ allwo wassersaig, die dar zue geet jn den walden, ist
alles des Gk)tzhauß besunder forst. Item vom Stainperg yncz jn hellgra-
ben, vom hellgraben das pirig vncz jn lerhingekg, vom lerhyngekg das
pirig an Seeperigfueß, das sind alles des Gozhawß besunder först.'
In den ,Gotzhaws Rechten ze Trawnkirichen' heißt es Frage 22:
,Item ob icht lewt auf meiner frawn Giiintten s&ssen, es weren ynholden
oder diepp, wie man die ab «meiner frawn grftntten antwurtten sull.'
Vgl. hierzu das Privilegium Kaiser Friedrichs III. vom 11. Jänner 1463
in Chmel Materialien 11, 41, und mein ,Peuerbdch*, S. 76. Über ,Pfarr-
mening vnd Burgfridt Nußdorf' am Atersee sollte nach der Deklaration
Kaiser Ferdinands II. vom 7. September 1628 (im Liber rerum seu
historiarum Traunkirchensium im Museum zu Linz) ,da8 GottshaußTraun-
kürchen allein Vogt- Grundt- und Landtgrichts-Obrigkait* sein.
Zu den Erläuterungen ist berichtigend nachzutragen, daß das ,zur
Feste Wildenstein an dem Lauffen' gehörige Landgericht zuerst in dem
Beverse des Salzamtmanns Friedrich des Kraft vom 27. Juli 1396 (Lich-
nowsky-Birk V, Beg. 81) genannt wird: noch frdher, als erster Siegler
des Gehorsambriefes der Gemeinden Hallstatt und Laufen vom 25. Ok-
^ Die weiteren Stellen sind abgerieben und unleserlich, sie lauteten aber
nach dem oben zitierten Liber, S. 618 folgend: ,yom Zwerchenegg unzt
an das P&chlegg, nach dem Bindpach hinein an die Beiterstuben, von
der Beiterstuben unzt an das Bindpachtal, vom Bindpachtal unzt auf den
Stainpergthenn, yom Stainperg^enn in den Tonnerstrall unzt auf das
Aurachfeld samt allen Wassersaigen. Item von dem Aurachfeld unzt auf
das Gschieregg und auf dem Gschieregg herein auf den Hochengschieregg
in die prttnen, von der prünen auf den Himelkogl bis auf das Binach, vom
Binach bis auf den Prandkogl, yom Prandkogl unzt in die Grienperg Alm.
Item von der Grienperg Ahn unzt wider auf den Prandkogl, yon dem-
selbigen Prandkogl unzt auf die Schrembkögl, von den SchrembkÖgl
unzt auf die Prachberg Alm, von derselbigen Alm unst in den Hein-
richsgraben, vom Heinrichsgraben unzt in den Seepergfueß. Item was
die Wassersaig herumb ist alles des Gotshaus besondere först.*
48*
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634
tober 1392 (Orig. im k. u. k. Hans-, Hof- und Staatsarchive) erscheint
,Perichtolt yon ysper die zeit Bichter in dem Ischellant^
Das Schloß mit dem dazu gehörigen Urbar ^ wnrde von den Landes-
fürsten häufig verpQüidet. 1896 erhielt es Friedrich der Kraft za Leib-
geding mit der Verpflichtung, von der Feste aus das Salzsieden zu schir-
men. Gegen Mitte des 15. Jahrhunderts war es im Besitze Bein-
prechts lY. Ton Walsee, als dessen Pfleger im Ischeilande wohl der in
einer Urkunde Yom 25. Juli 1443 auftretende Wolfgang der Oberhaimer
anzusehen ist; in der Gfiterteilung vom 20. August 1456 (Kopie Yon der
Hand des Job Hartmann Enenkel im oberösterreichischen Landesarchiye) fiel
Wildenstein dem Sohne Wolfgang von Walsee zu.* 1498 wurde die Pflege
von Kaiser Max I. um 12.000 Gulden den Brfldem Sigmund und Hein-
rich Prueschenk yei*pfändet (Streun man. gen. XIII, 10 im Stiftsarchive
Götweig). In der Mitte des 16. Jahrhunderts war Hans Hofmann
Pfandinhaber, bis 1657 der Salzamtmann Georg Prugglacher, sodann der
Salzamtmann Jobann Ignaz Spindler. %
Nr. X.
Schamstein.
Grenzbeschreibung aus dem Urbar ddo. 1. Oktober 1583
im Stiftsarchive Kremsmünster.
Erstlichen hebt sich das Schärnstainerisch Landgericht an inmitten
der Albm beim Steger oder Seyrgraben negst oberhalb der Schafferleüten,
welcher grabm GrQennacher und Pettenpacher Pfarr yon ainander schai-
det, daran auch der herrschaft Pernstain Landgericht in Pettnpacher
Das Urbar, in welchem 147 Untertanen des Klosters Traunkirchen ein-
gestreut waren (Urbar von Traunkirchen sec XIV., Über rerum seu
historiarum Traunk. sec. XYII), zerfiel in folgende 12 Ämter oder
Riedlen: 1. Dorf oder Geisern, worin die ,Goisembnrg* des Georg Leon-
hard Hieber von Greifenfels (f 1691), einfacher adeliger Sitz; 2. Ober-
Wasserriedl; 3. Pergerriedl; 4. Ramsau; 5. Lahner Biedl; 6. Obertrauner
Riedl; 7. Gosariedl; 8. Riedl zwischen den Wassern; 9. Riedl enhalb Ischl;
20. Riedl enhalb der Traun; 11. Ischl; 12. Ebensee oder Plankauer Riedl.
Der Gosauerriedl erstreckte sich an der Gosach zwischen der Falkenwand
und dem Gosauhals heraus bis zum Gosauzwang nahe vor der Gosau-
mühle; er begriff noch das ReBenbachergut östlich der Mündung des
Prielbaches in die Gosach in sich. Mit Ausnahme des östlichen Gosau-
grabens decken sich die Grenzen der heutigen Katastralgemeinde Gosau
gegen Osten vollständig mit jenen vor dem Jahre 1492.
Das Amt Klaffer wurde Reinprecht V. zugeteilt Durch diese Urkunde ist
demnach die von mir im Archiv XCIY, 224 geäußerte Vermutung, daß
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635
Pfarr Btosst, und gehet von der Albm in Seyr Grabm hinauf an den
Entznperg, wie das Begenwasser sagt, volgent hinüber auf die Hoch ob
der Wolfswisen, nach demselben Bigl hin an den Mittagstain, von dem
Mittagstain hinüber den Yorstgemerken nach, so die Scharnstainerischen
und Seisenburgerischen Yerst von ainander marchen, an Ffannstain
neben der Pfannwisen, weiter der Hoch nach über den Schwärtznperg.
bis daher gehen die Schärnstain und Pernstainerischen
Landgerichtsgemerk neben ainander, und stöst verrer das
Spitälerisch Landgericht auf der lingkenhand herzue, vom
Schwärtznperg yerrer an glatzeten Eölbling ober des Weisenperg und
hinauf an die Falkenmaur an Potting Bigl und Stainwandort, so man
auch Stainwandegg nennt, von denen yon aller Hoch hinab zu die Eal-
tenau, auch in Fadnpodn genannt, bis zum Fierweg, welcher aus den
Claußnerischen Yörsten über die Kaltenau heraus zum Schwärzenpach
geet, weiter vom Fierweg hinüber auf den Eogl genannt der Gruebrigl,
Yon dannen hinein in den Gruebhalß, vom Gruebhalß auf einen Bigl
Hinter Bisach genannt, ?on Hinder Bisach hinauf aufs Edlach untzt auf
die Hoch, alsdann auf gemelter Hoch auf der Ebm hinumb, daran Chri-
stofen Storchen zu Clauß Bissach Albm stöst, an die yorstmarch, von
dannen schrembs ins Thal hinab gegen der Hochenleütten und über die
Hochleütten hinab ins Thal auf die Gschait auf den Fierwög der aus
den Claußnerischen Yörsten heraus in die Thier Grüenau undern Holn-
stain geet, von dannen an Salcheggkogl, vom Salchegkkogl auf den
Grössenperg, vom Grössenperg hinauf bis an die Lanna Albm, welche Albm
alle im Scharnstainerischen Landgericht, vom yorgeschribnen Mittagstain
bis auf gemelte Lanna Albm gehen die Landgerichtsgemerk alle nach den
angeschlagnen vorstmarchen. yerrer hinter diser albm auf lingker Hand
hindurch und durch an den Claußnerischen Eäßperg, welcher auch sambt
der Boßalbm daselb alter im Scharnstainerischen Landtgericht ligt,
verrer außerhalb nach dem Käßperg und Boßalbm hinumb bis an Mai-
senpergegk oder Waldpergegk genannt, alda sich wider die vorstmarch
anfangen und die Landgerichtsgemerk denselben nachgeen, weiter vom
Maisenpergegk hinein in das Thal auf die Haßlau, so man auch Län
Gschait genent, bis zum Fierwög, welcher aus den Claußnerischen v5r-
sten über die Haßlau heraus gegen den Straichnigg Fach geet, von
dannen übernweg auf der Haßlau gegen Babnstain, den man auch
Klaffer 1435 in den Händen Beinprechta IV. zurückgeblieben sei, be-
stätigt und erklärt sich die von Auskunftspersonen (a. a. O. 220) be-
zeugte Verwaltung dieses Amtes von dem (1427—1483) Waiseeschen
Schlosse Witigenhausen aus.
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Schluecht nennt, bis auf alle Hoch desselben, den yorstmarchen yerrer
nach auf den Schärnstainerischen Prunperg, den man auch In Gründten
nennt, von dannen den angeschlagnen yorstmarchen nach auf den Sant-
perg, den man auch Präntl-Sattl nennt, übern Holzweg hinüber gegen der
Fluttsau, welche die Glaußnerischen Santperg nennen, yon dannen der
Schörff und der Wassersag nach auf den Zöbl, yon den Zöbln hinein an
Prüell, yom Prüell hinauf zue höchst auf den Gradt desselben Stain-
gepürgs, dem gemelten Grat nach, wie das Begenwasser schait, auf die
Hötzau, yon der Hötzau auf die Sprintperg, yon Sprintpergen auf den
Buechschachen, yon dannen auf den Paungarten, yerrer auf gemeltemgrat
des gepürks hinumb aufs Grießkar, yolgents aufs Oolm Kai-, yom Colm Gar
auf den Tannschachen, yon Tannschachen aufs Neßlthal , yom Neßlthal auf die
Weiseneck, yon der Weiseneck an Himelkogl, yom Himelkogl der Hohen-
want herein aufs Hochpfatt übern Fuerweg, welcher alda aus den Traun-
kircherischen yorsten heraus in die Weißenegg geet, yerrer auf den
hohen Gschierkogl oder Gschieregg genannt, yom Gschierkogl über die
Hoch aufs hinder Pruntal, yom hindern Frunthal auf die Hohenau, yon
der Hohenau in die Mosau und Prun daselbst, so man auch Aurachfelt
nennt, yon dan an Stainperg, yom Stainperg zum Ortnerprun, yom
Ortnerprun aufs Aurachfelt, so man auch Stainpergeck und Beitteregg
nennt, yon yezt negstgemelten Aurachfeldt übern Fierweg, welcher yom
Beitterthal aus der Herrschaft Ort gehülzen in Schärnstainerischen Aur-
bach geet, yon gemeltem Fuerweg auf den Thenn, yerrer zum Hohen
Thenn, alda es auch noch am Aurachfelt genennt wird, weiter auf den
Hörlang und Hinter Bintpach, das man auch Zwißlegg, item Hinterm
Thenn am Eck nennt, hinauf auf die Au daselbst, alsdann auf den
Schüeller zue Beiterßlagken, yon dannen auf der Herrschaft Ort Ozen
Albm genannt Earbach albm, auf alle Hoch derselben, yon der Hoch
hinab aufm Bigl am Fölschloßegk und Hinter der Earbachalbm genannt,
yon dannen gegen der Hol oder Ahornau, über die HöU auf die Aschlag-
stadt, yon dannen übern Fierwög so aus der Herrschaft Ort gehülz und
yon derselben Earbachalbm heraus in den Schärnstainerischen Müel-
grabm geet, yon dannen nach dem Egk auf der HöU hinauf aufs Jfiger-
thal, Ort nennts yort auf der Höll, yon dannen übern Fuerw^, welcher
aus der Höll in yordern Bintpach herein geet, aufs Egk gegen dem Hoch-
kogl, welches Ort gegen dem Lauxperg nennt, und zu höchst über ge-
melten Hochkogl und Lauxperg, wie das Begenwasser sagt, auf den Laux-
perg, welchen Perg die Herrschaffc Ort Hochkogl nennt, übern Lauxperg
auf den Nadterkogl, so ain hoher plosser Stain und die Herrschaft Ort
beim Wändin nennt, yon dannen übern Nadterkogl zu dem negsten
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637
grossen Stain, welchen Ort das nnder Wändl, die Herrschaft Schärn-
stain aher auch am Nadterkogl nennt, yon diesem Stain auf die recht
Hand hinab gegen Schwärzenpach, Ort nennts zur lingken Seiten daselb
Lainau, weiter auf das Hoch Gteoll, vom Hoch Gsoll auf den Eiesenperg,
Yom Eiesenperg auf Weingarten, so die Herrschaft Ort Graß nennt, von
dannen auf den Hohenweingart und Oroßwenten hinumb bis zur ab-
schlagstat zum Durchgang, von dannen zu höchst auf der Hohenwandt
und auf dem Grat hinumb, alda es von der Herrschaft Scharnstain das
Graß genennt wird, auf den Staineck, so man auch den innern Schratten-
stain nennt, die Herrschaft Ort aber nennt ine den äussern Schrätten-
stain. Yom yorgemelten Maisenpergegg bis her an Schr&ttenstain, wie
das Begenwasser sagt und die yorstmarch gehen. Yerrer yom Schrätten-
stain bis an die Lau tt ach und yerrer auf halbe Lauttach, alsdann auf
der Lauttach hin bis geen Falkenorn neben des (Gattern, und über die
Lauttach hin für den Schuester zue Hueb an den Faal, daselbst in-
mitten die Traun, yon dannen inmitten der Traun ab und ab für Weiß,
ob Schlaißhamb, wo das Thalpächl in die Traun rinnt, daran das
Volkenstorferisch und Losenstainerisch Landgericht [Weißen-
berg und Gschwendt] stOst, geet yerrer demselben Pächl oder Binnsal
nach, hinaus aus der Traun bis mitten in Fuert oberhalb der
Eumpfmül, da die Straßen yon Weiß auf Stejr durch gemelts thalp&chl
geet, yerrer yom Thalpächl gemelter Stejrerstraßen nach auf Bdtholz
und durchs Edtholz, der neuen Strassen nach zwischen des Guts und
der Mül am Z all ach hin aufs Judenholz, durchs Judnholz und übers
yeldt auf Leobmpach, daselbst zwischen des Schloßs so sambt dem
Mayrhof im Yolkenstorferischen und Losenstainerischen, dann der Tafern,
welche sambt dem Padt und Mül im Sch&rnstainerischen Landgericht
ligt, über die Hoch auf den Ehötterhof [jetzt EettersOlde in Leombach],
alda zwischen beeder Heuser durch übers yeld zu dem Gattern heraußer
Waitzndorf, dann zwischen Waitzndorf und Schnärndorf über die
Yelder hin bis geen Weitterßdorf, über den Sippach, yon dannen
zwischen der Heuser zu Ärnperg [Loibingdorf] durch und hin übers
Pöllach in die Hörstrassen, yon der Hörstrassen aufs Hart zum stainen
weissen creutz, darinnen ain eisene handt und sich alda die alt und
neu Steyrer Strassen schaiden, bis her aufs Creutz alles der Steyrer
neuen Straßen nach, yom weissen Creutz nach der Steyrer alten Straß
durch Ennfelt, yonEnnfelt hinab zum roten Creutz, so herausser Eema-
ten bey der Strassen steet, yom rotn Creutz hin übern Peitlpach, yom
Peutlpach auf Grueb, yon Grueb auf Holwärtting, daselb durchs
Dorf bey der müell, so auch im Schärnstainerischen Landgericht ligt.
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mitten durch die Erembs, daran das Haller Landgericht gränizt, in-
mitten der Krembs auf und auf, für Erembemtinster, bis an das
Pernstainerisch Landgericht, so bej Ehalchmüel, welche im selben
Landgericht und in Wartperger Pfarr ligt, heran stoßt. Yerrer aus Mitten
der Krembs bey der Kalchmüll zum Ealchhof, vom Kalchhof auf Graven-
perg, von Gravenperg zum Sperrnpaurn, vom Sperrpaum der straßen
nach zum Bögnpaum, vom Bögnpaurn in die Eränzlgrueb, weiter auf die
Bömerhaidt, dann zu dem Mayr zu Edt, von der ödt geen Yoitßdorf. dise
vorgemelte Gtieter und Dörfer so von der Kalchmüel her beschriben ligen
alle im Pemstainerischen Landgericht und stöst auf rechter Hand im
Sch&rnstainerischen Landgericht Bieder Pfarr daran, weiter von Yoitß-
dorf der Strassen nach so auf Weiß von Kirchdorf geet bis zum Hoch-
gattern ^ darbej auf der lingken Hand ain gestutzte Linten, von dem
Hocbgattern hineinwerts der Gmundtner Strassen nach in den Aiter-
pach, alda sich Wartperger pfarr endt und auf der lingken selten Pettn-
pacher Pharr anhebt. Yom Aiterpach mitter der Strassen nach zum
Gissibl Gattern, yom Gissibl Gattern auf der rechten band dem Gissibl-
grabm nach an den Wilfingshaitgrabm, von dannen zue dem Gut an der
Wilfingshait, welchs in Bieder Phan* und im Schärnstainerischen Land-
gericht ligt, alda sich auch solche Pharrn endt und die Zeller Pharr bey
Haidt Gattern anhebt, von den Haidt Gattern an den Bätgrabm, dem-
selben nach in das Batb so zway heüser und beede im Pemstainerischen
Landgericht und in Pettnpacher Pharr liegen, und die Zeller Pharr zu
der rechten band gar daran stost, von Bath dem Graben und Bätner Holz
nach wider auf die Gmundtner Strassen, derselben hin nach zue dem
Thanrprun so auf der lingken band der Strassen und in Pettnpacher
Pharr ligt, weiter nach der Strassen durch das Akamphueber Holtz, vom
Akamphueberholtz auf die Schallaun, so in Vorchdorfer Pfarr, von der
Schallaun zwischen des Krameß- und Zeitlhueber guet durch auf den
Feldern, von dannen durch das Zeitlhueber Holtz dem Weg oder Birm
nach über die Felder an die Egenstainer, so Ainlf hauß und in Pettn-
pacher Pharr, auch im Pemstainerischen Landgericht ligen, von Egen-
stain an das Teirwanger holz und an das Heüßl am Spernegk, so in
Vorchdorfer Pharr, weiter gerad mitten in die Albm das wasser, so gar
bey dem Heüßl für rinnt, yon dannen inmitten der Albm neben der
Herrschaft Pernstain Landgericht auf und auf bis zum Stöger oder Seyr
Grabm oberhalb der Schafferleüthen , alda sich der Herrschaft Schärn-
stain Gezierk zum ersten angefangen hat.
Der BurgfriedSeisenburg begriff nach dem alten Gmndbuche
außer den Schlosse Seisenburg das Dorf Nieder-Seisenburg oder die Num-
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mem der Ortschaft Etzelstorf 1 — 17, 20, 21, 23—27, 29 — 33, 35, 86,
41, 42, 44, 45, 51, 61, 66.
Zum Burgfried Egenberg gehörten die Nammern 1, 2, 8, 11
biß 18; von Aichham 8, 9, 11 ; von Seyrkam 3, 7; von Vorchdorf 61;
von Papperleiten 1 — 4, 7, 9, 10, 12 — 17; von Einsiedling 5, 6, 12, 14
biß 16, 18; von Lederau 1, 2, 6, 9, 10, 12, 13, 15—19, 21—24, 28
bis 31, 33, 84, 86; von Banzlau 2 — 4, 9, 10; 13, 14; von Eampesberg
1, 3, 7—9, 11, 20, 21, 30, 81, 86, 50, 51, 53; von Wahl (Wald) 10;
von Mo8 8, 4, 7, 12; von Weidach 4 und 5 [2 gehörte zu Ort, 6 zu
Scharnstein]; von Falkenorn 12, 13 [2, 6, 8, 9, 11 gehörten zu Ort].
Der Burgfried Messenbach umfaßte von Messenbach die Num-
mern 43, 56 — 60, 66; von Vorchdorf 21, 62 — 65, 69; von Kogl 10,
33; von Ealtenmarkt 1, 17 — 20, 22; von Feichtenberg 27.
Der Burgfried Hochhaus umfaßte von Vorchdorf die Nummern
1—3, 6, 8, 9, 12, 14, 20, 21, 28, 25, 27—30, 32, 33, 35—38, 42
bis 45, 47 — 53, 55; von Bergern 1, 3, 4, 6, 9, 10, 12, 15; von Fisch-
bäckau 1, 3; von Au 26, 27, 31, 32; von Feldham 4; von Mos 33; von
Kogl 42; von Feichtenberg 6, 12, 13, 15, 18; von Wahl 5, 8, 14 — 17,
19, 24, 25.
Die fehlenden Nummern waren entweder exemt (Scharnstein,
Kremsmünster) oder gehörten zu den Landgerichten Scharnstain, Wims-
bach, Ort.
Nr. XI.
Pemstein.
Grenzbeschreibung aus dem Urbar vom 1. September 1581
im Stiftsarchive Kremsmünster.
Erstlichen in Kirchdorfer Pfarr höbt sich das Landgericht zu
Michelndorf beim Oreuz, daran das Spitalerisch Landgericht stöst an,
dann geet es vom Creuz auf die Humbsenhueb mitten durch den Pachofen,
von dannen in den Humbsen Pühel, vom Humpsen Pühel über alle Hoch in
den Ebm Sattl, von dannen auf den Schwärznperg, vom Schwärznperg auf
der Hoch hin in die Phannwisen, von derselben in die Wolfswisen, so schon
in Pettenpacher Pfarr ligt, von der Wolfswisen und Mittagstein an den
Steger oder Seyrgraben, von da in Pettenpacher Pfarr schaidts die
Albm ab und ab bis an das Häusl genannt das Spemegk und Thejr-
wang Holz. Vom Theyrwangholz bis geen Gumpendorf, so in Vorch-
dorfer Pfarr ligt, darnach auf die Omundtner Straßen her bis an den
Daurnprun und von dem Daurnprun bis in das Bäth, so an Zeller Pfarr
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steBBti Yom Bäth der Landstrassen nach bis an Aiterpacb, so an Bieder
Pfarr stesst, gehet in die Wazlhneb, stesset hernach an Bieder Pfarr,
Frenntßdorf [Voitsdorf], Bennerhait, Mayr zu Odt, £[räntzlgnieb, Begen-
panrn, Spempanm, Grafenperg, Ealichhof, Ealichmüll an der Erembs.
Nach der Grembs auf und auf an den Nuspach, nach dem Nuspach bis zu
dem Müllner am Graben, von dannen nach dem pach hinein für den
Prannt bis zu der Schaidl Bienn, daran die Kirchdorfer Pfarr stöst. Von
dem Schaitlrien mitten ober den Eckesperg, vom Eckesperg in die Bien
auf den Aichenstock, von demselben in den Haßlgraben, vom Haßlgraben
bis auf den Mullpühel hinaus nach der Wienzen, auf die Kxautting Ebm,
bis in den Pottingstain, alda sich das Hallerisch Gericht schait und die
Zelkingerischen Gitint [Landgericht Leonstain] anfahen, vom Pottingstain
an den vordem Bindersperg, volgent an den Schwärzenpach bis in die
Beingrueb, Yon der Beingrueb bis geen Steinmüln zu den Lacken, yon
dannen durch das Hollerthal hinaus an die Teuffenpruck, yolgunt hinauf
auf den Plan Wipfel, yon demselben über alle H6ch her bis wider zum
Greuz gegen Michlndorf.
Anmerkung. Nach Wiederyereinigung der Pfarre Petenbach
mit dem Landgerichte Scharnstain lief die Westgrenze des Landgerichtes
Pemstein gegen das letztere ,yon der Wolfswisen hinab an die Sagmüll,
so in Kirchdörfer Pfarr ligend ist, und yon der Sagmüll hindurch nach
dem Kunzer Bidlpach, durch das Seisenburger Holz und über den
Tächlesperg hinab gen Bäth, so zwaj Heuser sein und ligt das ain hauß
in Pettenpacher Pfarr und das ain in Kirchdorfer Pfarr, darnach auf Sant
Magdalena Perg und yom Perg hinab zu dem Pocken an die Straß, yon
der Straß bis an das Mößl Lehen, da sich nimbt der Ursprung des Aiter-
pachs. Den Aiterpach ab und ab bis an die Gmundnerstrasse in der
Fuchsleiten und bis gen Yoitsdorf.
Diese jüngere Westgrenze ist im Atlas dargestellt.
Nr. XIL
Pemau.
Grenzbeschreibung aus dem Kaufbriefe ddo. 1. Jänner 1612.
Kopie im Stiftsarchive Lambach.
,Und erstreckt sich solcher iezt berierter yerkaufter Landgerichts
gezierk mit dessen ordenlichen Märchen folgenter gestalt. Nemblich und
fürs erst faht sich dieser landtgerichts gezierck an mitten in der Albm
bey dem IJrfar zunegst Häfeldt, dann in Fahrtweg, welcher yon Lambach
durch ermelte Albm hinyber nach Stainachkirchen, aus und aus zwischen
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641
herrn Aspans von Haag angehörigen gutem zu Hacbing, welche beede
güeter in Wibmspacherischon landtgericht sambt ihren darzue gehöri-
gen grundt und boden verbleiben, dann yerrer solcher ordentlich land-
Straß nach auf Stainachkirchen werts, oberhalb dem Dorf Ohrnharting
weiter dieselb landstrassen forthin bis auf die stainer Säulen, welche auf
der Höche, ehe man gen Stainachkirefaen khombt, stehet, von dieser
stainen Sejlen an gestracks hinyber iber die felder und wisen bis auf die
ander stainene seylen oberhalb Stainachkirchen beym Gattern stehet, wo
sich des Pfarrhofs garten endet, und ein hilzen sejlen aldort, als auf die
granizen bis wider in die landstraßen nach Krembsmünster geent, wel-
ches dorf Stainachkirchen wie oben specificiert in dem Pernaurischen
landtgericht verbleibt. Yon iezt bemelten Stainachkirchen bis auf Ober-
Heyspach, alda siben heiser und ebnermassen in disem gezierck sein,
von dannen grad hinyber aufin Schickmayrhof so ausserhalb St. Georg
auf der H(k;he ligt, und yerrer in Fartweg, welcher neben iezt bemelten
Schickmairhof zur rechten band hingehet, stracks abwerts in die Traun
und in Mitten derselben Traun widerumb aufwerts in mitten der Albm
zu obgedachten Urfar und Strassen, so von Lambach gehet, alda sich
diser landtgerichtsgezirck anfahen und enden thuet.'
Außerdem wird dem Käufer Wolf Christof Jagenreuter die Land-
gerichtsbarkeit auf Grund und Boden seiner im Landgerichte Wimsbach
gelegenen 5 Untertanen: Leitenbauernhof und Solde amPühret Pf. Fischl-
ham, Solde zu Bächling und Hof zu Aurthal (Austall) Pf. Steinerkirchen
und das Gütl auf der ZacherlOdt in Eberstalzeller Pfarre eingeräumt;
doch behält sich der Verkäufer das landgerichtliche Jus gegen fremde
Personen in diesen Gütern bevor.
Im ganzen gab es 104 Häuser in dem neuen Landgericht.
Nr. XIIL
Landgericht der Stadt Wels rechts der Traun,
welches Helmhart Jörger im Jahre 1584 aus seinem Scharnsteiner Land-
gerichte verkauft hat. Die Grenzen ergeben sich aus der Beschreibung
der Landgerichtsgrenzen von Scharnstein vom Jahre 1583 und aus der
nachstehenden Eferdinger Urkunde ddo. 15. Mai 1585 (Montag nach
Sonntag Jubilate).
Nr. XIV.
Landgericht Wimsbach.
Helmhart Jörger zu Tollet, Ehöppach und Zägging Freiherr auf
Kreußpach, Herr zu Pernstain, Scharnstain und Walperstorff Oberst
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ErblandhofmeiBter in Österreich ob der Ens, Sr. kais. Maj. Bath and
Präsident der N.-Ö. Kammer, verkauft dem Gnndacker Herrn y. Starbem-
berg auf Penerbach und Lutzen yon Landaw Freiherrn zum Haus
und Bappottenstain Kais. Maj. Rath als Gerhaben über weiland Hannsen
Äschpanns yon dem Hag selig nachgelassenen Sohn David zn dessen
Herrschaft Wimbspach an? seinem freieigentümlichen zur
Herrschaft Scharnstein gehörigen Landgericht um 2300 fl.
rhein. und 50 Ducaten Leihkauf
folgenden Landgerichts Gezirk:
yZu Lambach mitten auf der prucken angefangen, mitten in der
Traun ab und ab bis zum Graben, welcher nächst herober halb der Kir-
chen am Schaui-perg, die im Weiserischen Gezirk liegt, auf die
Traun herabgeht, daran das Welserisch Landgericht, so ich ihnen
neulich auch von dem Schärnstainschen Landgericht ver-
kauft, stößt, in demselben Graben von der Traun hinauf f&r gemelte
Kirchen am Schauersperg und das Yischerhäusl daselbst zum Gäßl so
zwischen dem Majrhof und der Kirchen hinein zum Steg, dem daselbst
über Aiterpach geht, im selben Gäßl hinein inmitten des Aiterpachs, von
dannen im Aiterpach hinauf bis an den furth herunterhalb der Cantzl-
müU, dadurch die Gmundtnerstrasse geht und zur linken Hand der
Herrschaft Pernstain Landgericht daran stoßt, verrer auf der
rechten Hand Bieder und zur linken Hand Pettenpacher Pfarr, derselben
Gmundtner Strassen nach auf die rechte Seiten auf den Oissiblgraben,
weiter hinumb auf den Gissibl Bain, darnach auf die WUfingshaidt in
Bieder Pfarr, so im Pemstainischen Landgericht bleibt, von dannen zum
Spitzgraben auf der SOgnstat, allda sich obberührte Bieder Pfarr endet
und Zeller Pfarr anhebt, nach dem Spitzgraben aus an Koglomer graben
und selben Graben nach an den Hörberstorfer Graben, von Hörberstorf
auf der rechten Hand herumb um das Dorf darin 4 Häuser und in Pem-
stainer Landgericht auch Zeller Pfarr liegen, weiter nach dem Graben
hinauf auf die Bauchenödt allda zwei Häuser in Zeller Pfarr, welche in
diesem Gezirk verbleiben, von dannen dem Weg nach an die Spildorf-
leutten durchs Holtz und dem farthweg nach gen Spildorf, darinnen
13 Häuser sein, die ringsherum im Pemstainischen Landgericht bleiben,
ferner auf dem farthweg zu dem obern Perrschait Gattern, dann dem
farthweg nach auf der linken Hand zu dem Gut am Krämaß und auf
die Gmundtner Strasse, derselben Gmundtner Strasse nach auf die Kogl-
ödt, welche man Pellngrub nennt, so ein behaustes Gut und auf der
rechten Hand liegt, von der Koglödt sunst Pöilngrueb und der Strassen
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643
nach zu der Schächlhueb, so auf der linken Hand liegt, weiter nach der
Gmundtner Straß fürn Mair am Theirwang, so im Pernstainer Landgericht
liegt) ferner in die Albm mitten in die Albm herab bis wie die Lauttach
in die Albm rinnt, und mitten in dem Grieß der Lauttach hinauf bis für
des Plankchen in der Au Behausung, so enhalb der Lauttach und mit
Grundobrigkeit unter Lambach liegt, bis in des Planken Wismatzipf, da
die Lauttach an rinnt, und des Wenczles am Aigen Leitten, so unter
Xremsmünster gehörig, ansteht, von diesem Ort dann verrer unter der
Leitten im Wismat nach dem Hag hinumb bis an Aigner prun und unter
der Leitten hinumb bis an die Stigl und Teufenweg, im Teufenweg auf
und auf bis an Aigner Grabmegg, so auf der rechten Hand an Sallinger
gründt anliest (?), von selbem Grabmegg hinauf in Winckl an Sallinger
Graben enhalb und auf demselben Sallinger Gi*aben hinauf und in den
feldern gar herumb bis an die Marchengassen und das Grabmegg daselbst,
allda sich Mitter Bäther gründt und Holtz endten und niedem Räther
Gründt anfahen, zwischen solcher Mittem und Nieder Räther Gründt
hindurch, wie es die Hager, fridt und Bain von einander schaiden bis an
der Herrschaft Neidharting Hofgründt, genannt die Bäthleitten, yon
dannen auf der rechten Handt nach dem Zaun bis an solcher Nieder
Bather Gatern am weg, so auf Neidharting hinabgeht, von solchem
Gattern auf der rechten Hand über die Leiten, nach dem Zaun hinab an
die Stigl beim Wibmspacherischen Teichl allda sich auf der linken Hand
Neidhartinger Gründt enden und Wibmspacher Gründt anfahent, feiTer
zwischen dem auf der linken Hand gelegenen Lambacherischen Wislen
und Wibmspacher Gründt hinab, der gerechner (sie) nach an pach, da
die zwischliß groß Ödl stehet, von dannen mitten im Wasser und Pach
hinab bis an das Grabmegg enhalb des Paches, welcher Graben Neidt-
hartinger und Wibmspacher Gründt schaidet, yon dannen auf über die
Leiten an die Landt Strasse, übers Feld auf dem Bain zwischen Neidhar-
tinger und Wibmspacher Äcker hinüber und bis an die zween Marchsteine,
die im Sunck liegen, yon selben auf dem Bain auf der rechten Hand im
Sunck zwischen Mittem Pächeloher und Wibmspacher Äcker hinab
wieder auf dem Bain der mitter und unter Pächeloher Äcker scheidet, auf
solchem Bain auf gegen die Staingrueben auf dem Bain übers feld hinauf
nahet nächst des Grabens über, mehr auf dem Bain und gar bis hinan
an Graben straks über den Graben und im andern feld auch auf dem
Bain zwischen Mittern und niedem Pächeloher Acker hinab, bis auf die
Leiten, über die Leiten hinab, mehr auf dem Bain gerade über auf dem-
selben Bain im Thal hinaus ans Gehag oder Graben am Hart, yon dem
gerath hinden (sie) mitten auf die Strasse, die yon Wibmspach an Stadl
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übers Hart hinüber geht bis mitten in die Gmundtner Straß nächst an
Stadl gelegen, mitten in solcher Gmundtner Strasse hinein bis mitten
auf die Traun und Pruck zu Lambach, allda sich solcher Landgerichts
Gezürk angefangen hat, mit allen darin gelegenen Häusern, Gehültzen,
Wassern, Mannschaften und allen andern Gründten.'
zur Ausübung von landtgerichtlichem Pan und Acht auf ewige Zeit.
Doch behält er sich vor, das Landgericht auf allen seinen in
diesem Gezirk befindlichen Untertanen, nämlich in Talhaimer Pf. den
Seifridsöder , in Bieder Pf. den Püechlpaur unter Pernstain, in Zeller
Pf. Halbe Hub im Unter Eberstall, Faschanggut genannt, das Fröschlgut
zu Albersdorf, Gut zu Albersdorf auch das Faschanggut genannt bei der
stainen Saillen, die anderhalb Hub zu Albersdorf, die mitter halb Hueb
daselbs, Gütl zu Lütering so man nennt das Schneiderpaurngut, das
Herrngut, das Wagnergütl am Lahen, HanBengut zu Herbersdorf zu-
nächst der ödt, das Teningergütl zu Herbersdorf, das Bittergütl daselbst,
das Sebastiangütl daselbst, Gütl an der Häßlödt, das andere Gütl daselbst
Sebastian, Halbe Hueb zu Streining, Gut beim Steeg im unteren Ebers-
tall, die Prunnmüll, das Herrngut zu Lütering, die Mitterhalbhube zu
Lütering, das Gestlingergut daselbst, das Gut im Ort daselbs, den Schmidt-
hof, die ober halb Praitenhueb, die under halb Praitenhub; Mehr so zum
beneficio gen Schärnstain gehört: Sölden zu Oberhartleiten und Mair zu
Bechprunn, Thoman Bauchenödter so gegen Schärnstain gehört. Mehr
gegen Pernstain gehören in Steinakircher Pfarr ain Hub so auf dem
Ealluß zwischen der ödt und Gründt der Gröbminger Grabstat geseczt
worden. Häusl auf dem halben Holtz auf der ödt bei Griexheimb, Häusl
auf dem andern halben ödtholtz auf der ödt bei Griexheimb, Häusl so
auf das Drittel Ödt Holtz am Griexheimber ödt genant Schnetholz.
Ledige Stuck das Oedtholtz, soviel gegen Pernstain gehört, der Kalluß, das
Eirchlandt, das Schnetholtz an Griexheimber Oedt bei dem Gattern, in
VorchdorferPf. zuHumblpininnHansGrinndthamer. Mehr das Wassen*echt
auf Wasser und Land wie es von Alters her zurHerrschaft Schärnstain gehört.
Von solchem Landgericht sollen die Herren Käufer zu jährlicher
Mithilf in das Landgericht Geld geben 3 fl., jedoch selbe nicht gegen
Schärastein, sondern zu gemainer Landschaft raichen, so der Herrschaft
Schärnstein an ihrem Lndgt. gelt aufzuheben ist.
Mitsiegler: Der Landeshauptmann Ferdinand Helffrich von Meggau
Freiherr auf Creutzen, Wolf Jörger der Ältere zu ToUeth, Eöppach und
Stejereck Freiherr auf Eaeuspach und Inhaber der Herrschaft Starhem-
berg, Burgvogt zu Wels.
Orig. auf Perg. Drittes Siegel hängt Im fürstlich Starhembergschen
Archive in Eferding.
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Nr. XV.
Ländgericht Neidharting.
1591, 20. März, Wien. Helmhart Jörger zu ToUeth, Eöppach and
Zagging Freiherr auf Erenspach, Herr zn Pernstain, Scbärnstain nnd
Walperstorf, Oberster Erblandhofmeister ob der Ens, Sr. kais. Maj. Bath
und Präsident der N. 0. Kammer, verkauft seinem Vetter Joachim von
Lanndaw Freihen'n zum Haus und Bappottenstain zn dessen Herr-
schaft Neidtharting aus seinem freieigentümlichen, zur Herr-
schaft Sch&rnstein gehörigen Landgericht um eine Summe Geldes
nachfolgenden Landgerichtsgezirk
mit den spezifizierten Landhuebern und ihren Diensten, insonderheit
auch einen Orund zu Theising zwischen Hannsen Stockhammer Schärn-
steinschen Unterthan und Wolf Castperger auf dem Dopfergütl beider
daselbst Garten gelegen, darauf man von Scbärnstain aus denen Landt-
huebern in Wibmspacher und Boithamer Pfarren die Bechte und Ehe-
hafttaidinge järlich besessen und der Frejgrundt genannt ist, der
auch hinfür ferner frey gelaßen werden soll, ferner das Standgelt so man
zu Kirchtagszeiten auf dem Platz yor dem Frejthof zu Beutham reicht.
Nämlich angefangen mitten in der Traun auf der Pruggen zu
Lambach, von dannen er mitten in der Traun hinauf bis unter den neuen
Fall allda das Wasser in die Traun herausföllt, von dann auf die linke
Hand gleich über die Leiten hinauf, zuhöchst auf die Gstötten ans faal-
holz, yerrer auf derselben Gstötten nach dem fall hinauf bis zu dem
farthweg, der von der faalprucken heraus ins faalholz geht, von dann
durch das faalholz im Thal hinaus zu dem Schiedtgraben, so ausser des
Sonntags Hof und Hub gegen Gmundten zu liegt, ferrer auf den ödthof
und Lebenedt die alle in disem Gezirk gehörig, folgendts auf Farnpuech
und Wankhamb auf den Haslgraben hinauf Beitern, yon Beitern durch
die Aichen hinein ins Engenthall, ins Eggenthall hinauf zum Praitten-
rain, auf demselben Bain hinauf bis zum graben, so man die Wolfslucken
nennt, neben dem Graben hinauf durchs Fällhölzl hin übers feld aufs
Aigen, so ein behaustes Gut, mitten durch dasselbig Haus durch hinaus
zu dem Garten so außer des Dorfes zu Falckenorn und derselben feld
steht, von gattern gleich über die Leiten hinab in den farthweg, mitten
im farthweg, so zwischen der Häuser zu Ober Weidach hinaus durch
Lauttach geht, von denen in mitten solcher Lauttach hinab bis neben des
Plancken in der Au Wismatzipf da die Lauttach an rinnt und des Wencz-
lens im Aigen Leiten so unter Cremsmünster gehörig auf das Wibm-
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spacherisch Landgericht anstoßt, von diesem Ort an ferrer zwi-
schen Wibmspacher und diesem Oezirk unter die Leiten im Wis-
matb, nach dem Haag hinumb bis zum Aigner prun und unter der Leiten
hinumb bis an die Stigl und Teuffenweg auf und auf an aigner Grab-
meck, so auf der rechten Hand an Sallinger Grund an liegt, von solchem
Grabmeck hinauf im Winkl am Sallinger Graben enthalb und auf dem-
selben Sallinger Graben hinauf und in den Feldern hinumb bis an die
Merchengassen und das Grabmeck daselbst, allda sich Mittern Eadter
Gründt und Holtz enden und Nidern Bäther Gründt anfahen. Zwischen
solchen Mittern und Niedern Räther gründt hindurch, wie es die Hager,
Fridt und Rain von einander scheiden bis an die Herrschaft Neitharting
Hofgründt genannt die Räthleiten , von dannen auf der rechten Hand
nach dem Zaun bis an solcher Nieder Bäther Gatter im Weg so auf
Neydtharting hinabgeht, von solchem Gattern auf der rechten Hand über
die Leiten nach dem Zaun hinab an die Stigl beim Wibmspacherischen
Teichtl, allda sich auf der anken Hand Neidthartinger Gründt und
Wibmspacher Gründt anfahent, ferner zwischen dem auf der linken
Hand gelegenen Lambacherischen Wiesl und Wibmspacher Gründt hinab
der Gerathen nach am Fach wo die die zwischlich groß ödl steht, von
dannen mitten im Wasser und Fach hinab bis ans Grabmeck enthalb
des Fachs, welcher Graben Neidthartinger und Wibmspacher Gründt
schaidet, von dannen auf über die Leiten an die Landstraß übers Feld
auf dem Rain zwischen Neydthartinger und Wibmspacher Äcker und ab
bis an die zwen Marchstaine die im Sunck liegen, von solchem auf dem
Rain auf der rechten Hand im Sunck , zwischen Mittern Fächellacher
und Wibmspacher Äcker hinab wieder auf dem Rain, der mitter und
niedern Fächelacher Äcker scheidet, auf solchem Rain auf gegen den
Staingrueben, auf dem Rain übers feld nachet nagst des Grabens über,
mehr auf dem Rain und gar hinan am Graben, straks über den Graben
über und am andern feld auch auf dem Rain zwischen Niedern und Mit-
tern Fächelacher Äckern hinab, bis auf die Leithen, über die Leithen
hinab, mehr auf dem Rain, grad auf denselben Rain im Thall hinaus ans
Schlag oder graben am hardt, von dem grad hintan mitten auf die Straß
80 von Wimbspach am Stadl übers Hardt hinüber geht bis mitten in die
Gmundtner Straß negst an Stadl gelegen, mitten in solcher Gmundtner
Straß hinein bis mitten auf die Traun und Frucken zu Lambach allda
sich solcher Gezirk angefangen.
Item dieLandhuebnerin Reuthamer und Wimbspacher Ffarren
(alle mit ihren Diensten genannt): Lienhart Linßpoder zu Fesenrach
unterm Spital zu Gmunden, Jacob Miliner auf der Leuten genant das
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Obergütl zu Pesenrach unter Polhamb in Wels, Merth daselbst zn Pesen-
rach unter Polham in Wels, Sigmund Linspoder zu Obernpirach vom
Obergütl unter Oberweiß, Lienbart Waiczing daselbst unterm Haiden zu
Dorf, Sebastian Leeb vom Gut an der Löbwardt unterm kais. Schloß
Linz, Hanß vom Out auf der Obernödt unter Dietach, Sigmund Hueber
vom Out zu Hueb unter Polhamb in Wels, Lienbart Schintl zu Obern-
pnech Yon seinem Auszugb&usl daselbst unterm Pfarrer zu Prugg, Oilg
Starl Bürger zu Omundten vom Sonntaghof unter Neidtharting, Wolf-
gang Kasperger zu Nieder Teising vom Topfengütl daselbst unter Feier-
eck, Wolf Gramer unterm Arch zu Seuthan, Sebastian von der Teiß-
mühl unter Neidtharting in Widemspacher pfarr. Leonhart Prauner zu
Perckhamb unter Wimbspach vom Pernergut, Hans Humplberger vom
Gut zu Haag unter Christoph Pleitl, Georg Hager daselbst unterm Pleidl,
Andre daselbs vom Straußengütl unterm Pleidl, Sigmund Leblpaur zu
Vorchdorf vom Haigglgut underm Pruggamt Weiß, Wolfgang vom Lebl-
paurn gut daselbst unter Wimbspach, Peter auf der leithen zu Dorf ham
unter Stift Passau, Sigmund Töplpauer vom Gütl auf dem Anger zu
Dorf ham unter Yogtey Wels, Merth Eoglberger von seiner Sölden beim
Gattern zu Dorf ham unter Wibmspach, Christoph Grabmperger am
untern Kistlwang unter Albmegg, die ZaglsOlden in ündem Eistlwang
unter Neidtharting, Thoman Viechtpauer vom Lindmhof zu TJndem Eistl-
wang unter Neitharting, Wolf Wißhofer am Wißhof zu Eistlwang unter
Neidtharting, Leonhart Gaußrabmajr vom Hof in Eistlwang unter Leobm-
pach, Wolf Goltinger vom Goltingergut im Eistlwang unter Wirting,
Leonhart Goltinger vom Sontaggütl unter Wierting, ürban Eöblpauer
vom Gütl auf dem Pächl unter Neidharting, Leonhart Murer vom Winkl-
gütl im Eistlwang unter Neydtharting, Wolf Erenpauer vom Krenpauer-
gut im Kistlwang genant im Winkl unter Neydtharting, Sigmund
Hochen Wächter von seiner Sölden beim Gattern im Eistlwang unter Neydt-
harting, Hanns Stainmayr von der Teufelmühle im Eistlwang unter
Oberweiß, Yeit Weber von seiner Sölden beim Pach in Eistlwang unter
Paul Merten von Polham.
Ferrer die Landthueber Ehehafft täding so in einem sonder Büchl
beschrieben.
Doch behält er sich bevor: das Landgericht, Landhueberdienst,
all Becht Gerechtigkeit Yogteyen und Lehenschaft erstlich auf der Eir-
cben und dem freithof zu Boitham, den Pfarrhof zur selben Kirche ge-
hörig, so außerhalb des Dorfes liegt, zweitens auf seinen eigenthüm-
lichen Unterthanen Häusern und Gründten: das Harrichter Gut zu Nider
Teising so Andre Teisinger besitzt, das größere Gut beim Gattern da-
AreUT. M. Band, IL H&lfU. 43
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648
selbst des Leonhart, das Elienergut beim Gattern auch des Leonhart,
das Gut nächst dem Garten im obern Paumgarten daselbst, des Mathias
Stokhambergnt zu Teising besitzt Hans Scheitl, zwei Gütl zu Pesenrach
das Sebastian Linspoder und Andre Staudtinger so mit allen Rechten
von Alters her zur Herrschaft Schärnstain gehörig. Dagegen soll der
Käufer von solch Landgerichtsgezirk 3 fl., nicht gegen Schärnstein son-
dern zu gemeiner Landschaft reichen, welche der Herrschaft Schärnstein
an ihrem Landgerichtgelt abzuziehen sind.
Mitsiegler sein Vetter Balthasar Christoph Tonrad zu Ternberg
und Bechtberg B. kais. Maj. N. Ost. Eammerrath.
Ein&che P&pier&bBchrift im forstlich Stariiembergschen Archive %u
Eferding.
Nr. XVI.
Eremsmünster.
Grenzbeschreibung aus: ,Ordnnng der Vogttaiding beschri-
ben und aufgericht durch den Hofschreiber Michaeln Räminger
im Monat Jannarj Anno 1587' im Stiflsarchive Kremsmünster.
In Sippachzeller Pfarr geet der von der Herrschaft Sch&rnstain
kaufte Landgerichtsgezirk oben aus Bieder pfarr mitt im Aiterpach herab
für die Felbermüll, und gar hinab in Talhaimer Pfarr auf das Steuber-
müllner Wüer, damit er das Wasser aus dem Aiterpach auf die Steuber-
müU erhebt, von solcher Wier geen die gemerck zwischen der Statt Wels
und disem Krembsmünsterischen Landgerichts Zirck herein durch ain
clains Ferhatl [Gföhret], so dem Beif- und Gänglmüllner zuegehörig,
zum Fai'tweg, demselben Fartweg nach herauf fibers feld, über ainen
andern Fartweg zur Lyndon, so vast mitten im feld steet, darbey zwen
Fartweg zusamben komben, von solcher Lyndon dem Fartweg der linken
band nach hinumb widerrumben zu der grossen Lyndon, so bei dem
Gangsteig an der obern Yeichten steet. Von dannen abermals dem Fart-
weg nach, hinauf über die Welser Straß geen Pergern zum Gatern, dann
hinab über das Talpachl zwischen des Hofs und Müll, durch den teufen
Fartweg, zwerchs hinauf über den Gangsteig an die Miechten, zu der
Lyndon, von der Lynden gegen der Herrn von Losenstain und Yolken-
storf Landgericht dem Fartweg nach, hindurch durch das Edtholz zu dem
Judenholz und des Helbml Gattern, der Steyrer Strassen nach, abermals
für Leobmpach herein und dann herober Kematen unter des Zehethof
geen Hailberting zu der Krembs.
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649
Der Yon Schämstain kaufte Landgerichtsgezirgk in Bieder Pfarr
facht sich an von der Erembs im Kalchpächl, herauf an das khag zwi-
schen des Benmayrs und Begnpaom wisen ügent, demselben nach, durch
den tiefen Graben, wie den das Wasser schaidt, über des Benmairs Waid
an die stainen Oatterseiln beim Zaunegk, derselben Strassen nach, herein
ober des Mayrs zu Edt Graben im feld, dann zwerchs Qbers Talpachl und
Wismadt zu der Kränzlhaid neben des Hauß zum Gattern, darbey ain
Pierpaumb steet, von solchem Pierpaumb umb der Voitstorfer Gründt,
80 weit dieselben sich hinauf erstrecken und an den Aiterpach hinzue
ligen mitten in Fürth, yon dannen an im Aiterpach dem rechten Binnsal
nach hinab und ab an die Felbermflll, wie dann das Gemerck weiter in
Talhamer Pfarr unterschiedlich gemelt ist.
Anmerkung. In dem vom Hofirichter JUDr. Benedikt Finsterwalder
am 24. Februar 1708 abgeschlossenen ,Haubt Urbar und Grundbuch ttber
das löbl. Stift und Closter Crembsmünster*, Blatt 26—28, ist die Beschreibung
zusammengefaßt und durch die Grenzbezeichnungen des ehemaligen Land-
gerichtes Schamstein gegen das Landgericht Gschwendt erweitert
Nr. XVII.
Landgericht der Herrschaft Steyr.
Erste Grensibeschreibang aus der Zeit vor dem 8. Sep-
tember 1573 (Todestag des Herrn Adam Hofmann) aus dem
Urbar vom Jahre 1658, Bl. 650—651. Arch. Sign. M. S. HI, 268.
Gezirck der Herrschaft Stejr Landtgerieht, wie solches Herr
Adam Hofman (f 8. September 1593) frejherr seliger seinem
Anzaigen nach In zeit seiner Inhabung in rnehigem gebrauch
gewest ist.
Das Landtgericht Stejr hebt sich an unterhalb der Stat Steyr
und des Schlösslmairs grundt, wert nach der Enns hinab auf Stäning bis
zum Asang in das Yolckenstorferisch landtgericht. Von dannen in der
Ebm herauf an den Heyperg. Verrer hinumb auf Tiedach. Gleingk.
Stain. bis zum Stadihof. Item von Oleingk aus ober die H6ch auf die
Neusift. Weinzierl. Ezengarn und hinaus bis geen Parschalhen auf die
Welser StraB. Diß ort wierdet von Hauß aus verwalten.
Yolgendts facht es sich an im Aichach, wo sich die Sierninger Pfarr
anhebt und wert hinaus auf der Ebm über das Stainveldt biß geen Par-
schalchen. oben am Parschalhenperg schaidt die Landstrassen, so auf
Wels geet, das Losenstainerisch und Hallisch Landtgericht bis gen
Eematen an die Krembs. Also was auf der rechten handt hinüber ligt,
48»
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650
gehört denen yon Losenstain zne, das ander auf der lingken handt geen
Hall, und yon der Welser Strafi auf nach der Erembs bis fftr Wartberg
hin auf dem Nnßpach an das Schämstainerisch landgericht und dann
durch die Pernzell hindurch an die Steyr und Leonstainerisch landgericht.
Diser gezirck wierdet durch ain Bichter zu Hall verwalten.
und von dannen nach der Steyr heraus bis wieder in das Aichach.
Yon der Stat Steyr. nach der Steyr hinein bis an das Spithalerisch
Landgericht zu Windischgärsten, daselbst hinüber durch das gebürg auf
die ober laussa an das Gallenstainerisch landgericht und Steyrmärchisch
gränizen. Von dannen nach der Enns heraus bis wider zu der Stat Steyr.
In disem gezürck ligt das Closter Steyergarsten. Das will mit seinen
unterthanen für die landgerichtlich Obrigkait befreit sein, ist aber der-
selben freyhait schlechtlich im gebrauch dises Ort wirt auch von Hauß
aus verwalten.
Enhalb der Enns facht es sich an unterhalb der Stat Steyr am
Bämingpach, werth neben des yon Yolckenstorff landgericht ^ nach
der Bämming hinein bis an das Weidthoferisch landgericht, yon dannen
hinein durch die Neustift yber die Haunoltstangen bis an des yom Gar-
sten landtgericht (Im Weyer vnd Gafflenz spät. Zusatz), und nach
desselben gräniz herab zum Merchenfell, auf der Enns. yon demselben
nach der Enns heraus bis zu der Stat Stadt Steyr. In disem gezürck ligt
die Herrschaft Losenstain, in dero sich die herrn yon Losenstain der
landtgerichtlichen Obrigkait anmassen. Man besteet inen aber ausser-
halb der Tachtropfen kainer landtgerichtlicher Obrigkait. Dises ort
wierdet auch yon Haus aus verwalten.
Landgericht Gefell gebüren zum dritten Teil dem Landrichter
zu Hall (Bl. 676').
Zyyeite Grenzbeschreibung aus dem in den Jahren 1647,
1648 und 1655 zusammengetragenen Urbar, Bl. 11 — 14. Arch.
Sign. M. S. III, 270.
Erstlichen hat die Herrschaft; Steyr das Landgericht jenseits
der Steyr und Enß, welches noch Anno 1634 Unserm Hochgeehrti-
sten Anherrn und Yorfahrer am Reich weyland Ferdinande diß Nahmens
dem Anderen Römischen Kayser Ghristmildesten angedenckens , auch
weylend Werner Graf yonTilly und gegen freymachung etlicher
bei erkaufung der Volckenstorferischen, Herrschaften Landsfürstlichen
* D. h. das Landgericht in Kttrnberger und Behamberger Pftmr in Nieder-
österreich.
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651
Lehen der Herrschaft cedirt, abgetreten und würklich einantworten
lassen.
Fangt an enthalb der Ennß, heroberhalb Haidershofen bej der
Gatterseullen, gehet hin anf den Teufels Graben geen Sonnendorf, von
dort gerad hin neben dem Pach hinauf zu der adelichen Yesten Stain-
pach, sodann unterhalb gedachter Yesten neben dem Stainpachgraben
hinauf auf den Eiernperg bey der Kirchen (und ligt das WüertshauB in
der Herrschaft Steyr, der Garten aber in dem Burck Ennßerischen Land-
gericht), gehet sodann neben dem Graben hinunter bis zum Weißensteg,
mitten auf die Bämbing und von der Bämbing und Bämbingsteg heraus
bis mitten auf die EnnB, da niemandts einzugreifen allein die Herrschaft
Steyr. Li dlsem Gezierk eigen die adelichen Sütz und Yesten Bämbing-
dorff und Stainpach.
Der Andere Landgerichts Gezürck fangt an undterhalb der
Statt Steyr, alwo die B&mbing in den Ennßfluß rinnet, gehet rechte handt
nach dem R&mbingpach und Torbeschribenen von der Herrschaft Tilly-
spnrg der Herrschaft Steyr eingeraumbten Behambergerischen Land-
gerichts Gezierck hinein bis zum Weißensteg, von demselben linckhe
band hinauf zum Hochreuth Gattern ans Theberholz zur Herrschaft
St. Peter gehörig, nach dem Theberholz an der Yel, nach dem Pach
hinein zum Molterlehner , vom Molterlehen nach dem Graben an das
Bauchegg, von dannen auf den Prief berg, hin an das ort^ nachmahlen
an das Waydhoferische Landgericht am Puechreuth, von dannen hinein
durch die Neustift fiber die Haunoldstangen bis an des von Garsten Land-
gericht im Weyer ynnd Gaflentz und nach denselben Gränitzen herab
zum Merchenfahl oberhalb der Diepolzau an die Landstraß, alwo ain
praiter grosser Grundstain mit ainem eingebauten Creutz, welcher der
Herrschaft und des Glosters Garsten Landgericht zum Weyer schaiden
thuet, Yon dißem Stain der Gerathen nach abwerts in den Ennß fluß, nach
demselben hinauß zu der Statt Steur und zwischen derselben und des Ennß-
dorfs wider an das ort, alwo der Bämbingpach in besagten fluß Ennß
einlauft. In disem Gezürck ligt die Herrschaft Losenstain, in der sich
die herm yon Losenstain der Landgerichtlichen Obrigkeit anmassen.
Man bestehet ihnen aber außer der Tachtropfen kainer Landgerichtlichen
Obrigkait. Item ligt in diesem Gezürck negst der Statt Steyr das Ennß-
dorf und ein ort sowohl ober- als vnterhalb der Statt von dessen Burgfridt.
Der dritte Gezürck fangt an bey der Statt Steyr Burgfridt,
gehet nach oftbesagtem Fluß der Ennß rechte band am Wasser und
Land hinein ober der EhOßlpruggen, alwo der Laussa Pach, welcher die
Herrschaft Steyr und das Closter Admont von ainander raint, rechte
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652
Hand ein und ein in das Eampachthal nnd vom Eampachthal lincke hand
hinauf zum Prindl im Bathai an die Creutz Maur negst des Hochgeßuechs,
Yon der Creuzmaur rechte hand nach aller H6ch der Lägl Alm hinüber
bis auf die L&glmaur in den Steig am Pürgas, alwo das Spitalerische
Landgericht hinzue granizet ynd allerst Ao 1655 in beysein der Herr-
schaft Steyr und besagten Stüfts Spital Abgeordneten in ainen praithen
glatten Stain ein Creuz mit zwen fingern eingebaut worden. Yon dannen
nach denenselben Gemercken, wie selbig mit beederseits Vergnügung
bedeuten 655i8ten Jahre gemacht worden, durchgehends hinaus in den
Bättenpach, nach demselben in die Teichl, nach diser in den Steyrfluß,
nach derselben hinaus wider an der Statt Steyr Burgfridt. In disem
Gezürck ligt das Closter Garsten mit einem gueten thail dahin gehöriger
ünderthanen, welches auf denenselben wie auch deren Grund und poden
die geistliche cxemption bis auf das Bluet hat» die Malefiz Personen
abermueß das Closter wie alters herkommen bey dem gattern negst der
stainenen Creuz Seillen der Herrschaft Steyr ins Landgericht Ufern
laßen; dabey zu mercken, obwohlen das Closter sich des Landgerichts
zum Marckt Weyer und Gaflentz Erstlich von obgemelten March-
stain am Marchfahl nach der Straß hinein unzt auf mitten der Frentz
Pruggen zu aignen beginet, ist man ihme dasselbige gleichwol nicht
weiter, bis an einen Krumppen Pierpaumb ein wenig undterhalb be-
sagter Pruggen und des WQehrts in der frentz kleinen heußels an der
Straß, weil der Yorst Gaflentz daselbst anstosset, geständig gewest; wie
dann auch ein andern, obschon das Closter Garsten in dem Thal oder
prouinciola Gaflentz das Hoch und Nidere Gericht, was die Waßersaig
von allenthalben der Perge und Thälern in den Gaflentz Pach saigert, so
hat gleichwol die Herrschaft Steyr nicht allein auf beeden Yorsthueben
Obs Weyr und beeden Hueben ob Gaflentz und allen deroselben aigen-
thumblich angehörigen Grund und Poden und auch allen und jeden der
Herrschaft im bedeuten Gaflentz Thal und einrinnenten Waßersaig ge-
hörigen Waldungen, Wayden und Pergen, Grundt und Poden das hoche
und Nider Gericht in allen Criminal und Civil Sachen, auch hochen und
Nidern Wildtpan bishero innen gehabt, genutzet und genossen, gestüftet
und gesteret, sondern ist auch weiters in deme zwischen der Herrschaft
Steyr und dem Closter Garsten wegen zweyer forsthueben und etlicher
strittigen Waldung sub dato 1. Dezembris 1665 aufgerichten Yergleich
also reservirt und vorbehalten worden.
Der viertte Gezürck^ hebt sich an unterhalb der Statt und des
* Ygl. die Grenzbeschreibungen der Landgerichte Losensteinleiten und
Gschwendt aus dem Archive in Losenateinleiten.
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653
SchliBlmayrs Grundt, der Zeit denen P. Societatis J. zu Stejr gehörig,
wehrt nach der EnnB hinah auf Stämbing bis zum Asang^ in das Yol-
ckenBtorferische Landgericht, von dannen in der Ebene herauf an den
Heyberg , verrers hinomb auf Dietach, ober der Kirchen hin über die
Hoch an den Landgraben, nach demselben hin und hin durch den Gattern
oberhalb des Wisers zu Judendorf, von dannen lincke handt in den Egl-
lackhen Fach, nach diesem durch die Egllacken aufwerts über den Graben
an den fahrt- und Gehweeg, nach demselben der gerade nach zu der
Wolfs Firchen, so zwar abgehackt, die stock aber noch sichtig, von
dannen lincke band hinumb nach der Thanner gassen auf Faschallem
anf die Welser Straß. In disem district ist die Herrschaft Steyr mit den
Graven von Losenstain zu der Herrschaft Loßenstainleüthen an zweyen
Orten, als am Heyberg und von dem Früggl bey der Egllackhen bis gegen
Faschallem strittig und beruhet die sach auf einer Commission.
Item im Yorbeschribenen Gezürck ligt das Closter Gleinck, hat
zwar die Exemption wie alle Closter, miessen aber die Malefliz Fersonen,
wann sye ainige haben, der Herrschaft Steyr außer des Olosters bey dem
Creuz oder Martterseullen negst der Straß in das Landgericht Ufern.
Darbey weiters zumercken, daß die Herrschaft Steyr nicht allein
über ihre aigene Gründt, urbars und forst ünderthanen, sondern auch
allen andern dahin gevoggten ünderthanen, deroselben Grundt
und Foden, dero angehörigen Fupillen, dienentes Gesündt, ob sye in
einiger andern Herrschaft Landgericht seßhaft wären, selbst in allen
Criminal und Civil Sachen das hoche und Nidere Gericht, auch solches
bis anhero in ruehigem Gebrauch und possess vel quasi hergebracht,
dahero keine andere frembde Herrschaft ainige Jurisdiction sowohl über
ihre aigene als der gevoggten IJndeiihanen Grundt und Foden, Leib und
Gnet, Künder und Gesund nicht beständig, darbey es dann auch sein
richtiges Verbleiben füertters zu allen Zeiten annoch haben solle.
Dritte Grenzbeßchreibung aus den Landgerichtsgemerken
des Amtes Mölln gegen Steiermark und im besonderen gegen
das Landgericht Spital im Haupt- und Grundurbar sec. XVII,
Bl. 850—854. Arch. Sign. M. S. lU, 269.
Nach der Tainfarth hin auch auf alle Hoch auf das Kampach,
von dannen abwerts der Geraden nach auf den Schaipfenbach, nach
demselben hinein bis in den Schlaipfen prun, von dannen hin auf alle
Hoch, durch das Schlaipfen kor auf die Oreuzmaur, von der Oreuzmaur
nach aller Hoch der Lagl Albm hinumb bis auf die Läglmaur in dem
Steig (alwo sich die den 21, 22. und 23. Juny des 1655i8ten Jahrs
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654
zwischen der Herrschaft Steyr und dem Löbl. Stuft Spital am Piern für-
gangene vermarchung anfangen thnet nnd in besagter Laglmanr nndten
auf ainem praiden gladten Stein ain Creuz eingehauet worden, darbej zu
besserer Gedechtnuß 2 finger formirt, deren ainer lincke Handt hinumb
gegen der Fahrenberger Wayd under Spital, der andere rechte Hand
gegen der Lägl Albm under die Herrschaft Steyr gehörig zaigen thuet),
von disem Creuz der Geraden nach abwerts über den Scharpfen Biedi
Yom auf das Egg oder Spiz an ain Thannen mit zweyen Grenzen, das
aine aufwerts an den Stain, das andere der geraden nach abwerts in den
See, alwo der Sossenauer Fach entspringt, zaigent, nach disem Fach
hinaus und gegen des Fuetters Reuthühtten (so under Spital gehörig)
über die Geschaidtgassen, nach derselben auf alle Hoch auf den Boßen-
stain, und seind yon der Geschaid Gassen bis an den Boßenstain an
3 Yeichten und einer Puechen 7, dan in aller Hoch an den Boßenstain
ain Oreuz geschlagen und eingebaut worden. Yon disem Bosenstain
nach dem hochen Biedl und Gehag hindurch bis an den Boßenleithen
Gattern, von disem Gattern hin zu der alten Hüttstatt auf der hindern
Distl Eben, alda ain praider Grundstain, darauf ain Creuz gehauet wor-
den, Yon danen hin auf den Lamberg an ainen grossen Stain im Egg,
darein 2 Creuz gehauet sein, von disem hinab in den Lettenprun, von
danen abwerts an ain Yeichten, waran undten werts ein Creuz ge-
schlagen, Yon diser Yeichten ab und ab zum Zeitschen Gattern, alwo der
Zeitschen- und Krautgärtl Fach zusamben rinnen, von disem Gattern auf-
werts an ainen Grundstain ob des Windthagers, under die Herrschaft
Steyr gehörigen Beith Hütten negst des Wegs und des Zauns lincke
Handt ligent, darauf ain Creuz gehauet, von disem hin an den Stain
Eogl am Pietschstain, an welchem auch 2 Creuz gebauet, das aine zu-
rück abwerts, das ander hinauswerts in den Eottgraben zaigent, nach
dem Kottgraben auf und auf in des Kottgraben Prunnens Ursprung,
alwo oberhalb negst under des Gattern beim Weg an ein Lerchen zway
Creuz gemacht, yon dannen hinauf an den Yordern Stainkogl, an welchen
under sich ain Creuz eingehauet, von disem aufwerts nach dem Stainigen
Eidl und Wuraenprandt hin an ein Yeichten, alwo des Wurzenprandt
und Augustin Beuth zusamben stossen, von diser Yeichten nach dem
Gehag ab und ab bis an ain Puechen, die'negst oberhalb des Ehroissen:
und Weissenstainers Beitwißen, mit zwayen Grenzen gemarcht, deren
aines aufwerts, das andere gerad hinüber an ain Yeichten, so negst an
des Khroißen Hag in der Wißen stehet, auch mit zwayen Grenzen zaigen
thuet, nach disem Gehag hindurch an einen Pierpanmb mit zweyen
Grenzen in des Khroißen Beuth oberhalb des Gehags, von disem Pier-
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655
paumb lincke Handt über das Gehag in daß Grab! in des Eliroissen
Beuthwißen, nach dem Gräbl ab und ab bis in die Muetling zu dem Prunn
und an des Mnetling Panrn Gebag, nach disem Gehag hindurch bis zu
der Clamb und nach des Clambpanrn Gehag hindurch an des Bieplsper-
gers Waydt, nach derselben aufwerts an den Olambgattem, nach diesem
Gattern der Geraden nach auf alle hoch des Glein Wipfls, von dem Glein-
wipfel Lincke band nach der Hech hinab zu- und mitten durch die Glein-
hütten, nachmahlen der Wassersaig nach auf den blossen Kogl, von
disem herab durch die Schadtige Büß über den Salzabach in den Weiß-
rißprun, von disem an einen Stain, so mit einem Creuz an der heruntern
Platten negst oberhalb des Wegs in Anfang der Bißen gemerckht, nach-
mahlen in der Weissenriß hinauf auf alle Hoch in den Henpaumb, von
disem der Wassersaig nach über die Stainwand hinaus auf den Lerchen
Kogl von dannen in den Lerchen Biedl, nach dem Biedl hinab auf den
Clambstain, lincke Hand herab in des Gräbel, von demselben herab in den
Bettenpachy nach dem Bettenpach hinaus und rechte Hand über in den
AUrißstain zu dem Creuz in der Maur, Nachmalen nach dem Weg durch
die Kolleiten oben am Egg, am undern Weg an ainen Grundstein mit
einem Creuz, nach disem undern Weg auf den Büßkamp, alwo abermalen
auf der Hoch beim Weg zway Creuz in einen Stain eingebaut, von disem
Stain lincke Hand hinab in die Kandl, alwo die zwen Eandl Gräben zu-
samben gehen, alda auch in ein Maur ein Creuz gehauet, von disem
Creuz der Geraden nach über sich auf alle Hoch des Bostains, vom
Bostain der Wassersaig nach und dem Biedl hinaus in das große Sattl-
thal, von dannen dem Biedl und Weg nach ab und ab in Ciain Sattlthal
an die Maur, alwo ein Creuz, über diese Maur hin in die Dürrenaustückl,
alda auch ein Creuz in die Mauer gebaut worden, nachmahlen in den
dürren Graben, nach demselben hinaus in den äußern Bettenpach,
nach dem Bettenpach hinaus an das Mühlprüggel, von demselben auf-
werts nach denen Claußerischen Gemercken hin an die Prindl Yeichten,
von danen nach dem Graben abwerts in den äussern Bettenpach, nach
demselben hinaus in die Stejr, nach der Steyr auß und auß.
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NACHTRÄGE
zur Abhandlung
,Das Land im Norden der Donau*
in diesem Bande.
Zu Seite 114, Anill. 1. 1281, 17. Juni (oberösterreichi-
sches Urkundenbuch III, 531), verlieh Bischof Heinrich von
Begensburg das Dorf Eaining (chüning) bei Schönau dem
Ulrich von Kapellen und seinen Kindern zu Lehen.
Zu Seite 158, 160. Um 1130 übergab Engelbert von
Schönhering zum Seelenheile seines Bruders Pernhard dem
Kloster St. Nikola eine Hube zu Künzen und Windberg, wor-
über meine Ausführung in den Mitteilungen des Inst, für
österr. Geschichtsforschung XXVII, 326 Näheres enthält.
Engelbert H. von Blankenberg übergab dem Kloster Al-
dersbach ein Gut in Dachslarn (Pfarre Pleinting, Amtsgericht
Vilshofen. Mon. Boic. V, 312).
Ungeachtet des im Jahre 1291 erfolgten Verkaufes des
Burgstalls Feuchtenbach an Chunrad von Kapellen zu Püm-
stein (siehe in diesem Bande S. 148, Anm. 2) scheinen späte
Sprößlinge des Stammes der Feuchtenbacher auf demselben
weiter gehaust zu haben; denn nach einer Wildberger Regi-
stratur haben Hans und Heinrich die Feuchtenpecken im Jahre
1379 ihren Hof zu Feuchtenbach und das Burgstall darunter
an den letzten Falkensteiner, Herrn Heinrich, verkauft (Ober-
österreichisches Urkundenbuch IX, 915).
Auch der Sitz zu Fischbach blieb bewohnt; erst 1376,
11. November (Oberösterreichisches Urkundenbuch IX, 158)
verkaufte Philipp der Staufenberger den Hof zu Fischbach in
der Pfarre Rorbach, Lehen von Passau, samt den Rechten an
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dem ^Pnrckcbstal daselbs' an Udung den Herleinsberger Häns-
lein der Qruber di zeit Lantrichter ze Velden hat an
den Brief sein Siegel gehängt.
Za Seite 187 (Falkensteiner). Eberwein der Falken-
Bteiner (1337 — 1364) fertigte den Bnndbrief des Adels und der
Städte zur Erhaltung ihrer Rechte und Freiheiten ddo. Lands-
hnt, 1347, 4. November (Erörterungen und Quellen zur bayri-
schen und deutschen Geschichte VI, 376).
Peter der Falkensteiner zu Falkenfels hatte einen vor
ihm verstorbenen Bruder; HanS; der in die Stammtafel ein-
zufügen ist. — Den Söhnen der Tochter desselben (Barbara
Hausfrau des Jörg Fraunberger) vermachte er in seinem Testa-
mente ddo. 3. April 1422 (Lang, Reg. Boic. XII, 388) seine
Festen Zaitzchofen und Falkenfels. Er starb bald darnach^ am
29. Mai 1424 (a. a. O. XIII, 37) nennt ihn Wigeleys der Degen-
berger Pfleger zu Mitterfels bereits seinen Vetter ,selig^
Kaihoch IV. tritt zuletzt 1324, 9. Jänner, Heinrich II.
1346, 1. Oktober auf (a. a. 0. VI, 123, VII, 85).
Die von mir (,Peuerbach', S. 357 — 359) vertretene Ver-
mutung, daß die Haichenbacher ein Seitenzweig der Falken-
steiner gewesen seien, läßt sich bei eindringlicher Nachforschung
nicht aufrechthalten. Otto frater Wernheri de Eichenpach er-
scheint in einer Passauer Urkunde des Jahres 1173 (Mon. Boic.
XXVIIIb, 251) und nicht wieder unter dieser Bezeichnung;
die nächsten Sprossen sind die Brüder Otto und Chunrad,
welche im Jahre 1206 auftreten. Die Haichenbacher werden
daher in der Zwischenzeit unter einer andern Benennung ge-
gangen sein und da fUUt auf, daß in dem Briefe, mit welchem
Bischof Theobald von Passau dem Walchun von Stein die
Lehennachfolge in die Gilter Reginberts von EUsarn zusichert
(ca. 1187, Mon. Boic. XXVIII, H, 259) unter den Zeugen Richerus
de Wesen et frater eins Wernherus aufgeführt sind. Nun hatten
aber sowohl Richer der Ältere als auch Richer der Jüngere von
Wesen einen Bruder des Namens Wernhard, welcher, wie die
gerade angezogene Urkunde zeigt, auch als Wemher vor-
kommt; dieser Wernhard nannte sich abwechselnd von Oster-
nach, Wesen und Marsbach und hatte einen Sohn Otto (1180
bis 1218), der wieder von Wesen und Marsbach den Titel
führt (Stammtafel in ,Peuerbach^ S. 172). Nun steht das
Schloß Marsbach über der Donau gerade gegenüber von Wesen
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658
und das Borgstall Haichenbach (als Ruine ;Kerschbanmerschloß^
geheißen) war in .geringer Entfernung stromabwärts auf der
Donauleiten erbaut. Es spricht daher die Wahrscheinlichkeit
dafUr^ daß wie die Marsbacher so auch die Haichenbacher von
Wesen ausgegangen und Seitenzweige der Wesner gewesen
sind. In der Tat war auch der Besitz der letzteren in der
Umgebung ihres Schlosses ein geringfügiger (siehe S. 268,
269), größere Lehen weiter im Lande drinnen (vgl. Velden,
S. 173/101) haben sie erst nach dem Aussterben der Herren
von Griesbach erlangt. Jener Wernherus de valchensteine,
welcher in der Urkunde 1204, 29. Juli (Mon. Boic. XXVHIb,
269) vorkommt, war augenscheinlich nur ein Burgmann von
Falkenstain und nicht eine und dieselbe Person mit dem Wern-
herus de Heichenpach der Schlägler Stiftungsurkunde (Ober-
österreichisches Urkundenbuch II, 598), auch nicht mit dem
Wernherus de valchenstein der St. Nikolaer Traditionsnotiz
ca. 1187 (Oberösterreichisches Urkundenbuch I, 587), denn
dieser letztere war ein BUrger (urbanus) von Passau, der so
hieß, weil er wahrscheinlich aus dem Markte Falkenstein bei
Begensburg stammte.
Zu Seite 198, Anm. 2. Das Wallensteinergut in Posting
(predium in Waidenstein) war den Pibem zu Piberau dienst-
pflichtig, von welchen es 1242, 1. März (Oberösterreichisches Ur-
kundenbuch III, 109) an das Kloster Wilhering hingegeben wurde.
Zu Seite 223, Anm. 3 von Seite 219. Die daselbst
ausgesprochene Vermutung, daß bei Ablösung der Pfandschaft
Palkenstein das Amt Klaffer in den Händen der Walseer zu-
rückgeblieben und zu ihrer Herrschaft Witigenhausen gezogen
worden ist, findet ihre Bestätigung in dem Teilungsbriefe der
Brüder von Walsee vom 20. August 1456.
Zu Seite 254. 1264, 21. November, verlieh Bischof Otto
die Lehen, vormals der Brüder von Pernstein und nachmals
Heinrichs von Harchheim, durch Ableben des letzteren der
Kirche Passau ledig geworden, nämlich 9 in Rudmansdorf,
8 in Chalhosperg, 4 in der Oede iuxta Penzenstadel, 2 in
Chrimingen, den Hof und die Mühle in Oede, 3 in Pfaffenreut,
4 in Laesingen, 3 in Recklingen und den Hof in Chubach dem
Kloster Niedernburg ,excepta tamen steura regali' (Lang,
Reg. Boic. lU, 234).
Es sind dies die S. 275, Anm. 3 angeführten G-üter.
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659
Zu Seite 369, 370. Die von mir aufgestellte Vermutnng,
daß jene Holdengüter fremder Grundherren, welche nach dem
Marsbacher Urbar des Jahres 1669 die Königssteaer nach Neu-
felden za entrichten hatten, ursprünglich Lehen, von Velden
ausgehend, gewesen seien, erhält eine Bestätigung durch den
Nachtrag vom Jahre 1439 im Schaunberger Urbar. In diesem
heißt es bei den zur Herrschaft Neuhaus auf der Donau er-
worbenen Gütern, (damals) Lehen von Passau: ,Zu Giedling.
dint 3 phunt phening für allen dinst und nichts mer. Dann
der paur geit gen Velden die kttnigsteur 5 helbling/ Das
ist der einzige nach Velden königsteuerpflichtige Untertan von
Neuhaus, von welchem das Marsbacher Urbar meldet: ,Balthasar
Lindorfer zu Güelling (Gierling Pfarre Altenteiden) reicht am
tag Stephani in heyl. Weinacht feyrtagen Khönigsteuer bey
dem Marktgericht Neufelden 77» Pfening/
Zu Seite 375, 379. Die Eartenbeilage ist nicht anachroni-
stisch, wenn auch der Besitzstand der Herrschaft Falkenstein sich
auf den Urbaren der Jahre 1562 und 1570 aufbaut, weil der
ursprüngliche ohne Willkür nicht zu gewinnen war; gerade
der urbariale, der ersichtlich auf einer nachträglichen Aus-
einandersetzung mit dem Hochstifte Passau beruht, zeigt deut>
lieh die Gemeinsamkeit der Kolonisation mit den Griesbachern
und Blankenbergern.
Zu Seite 379. Die Seite 275 erwähnte Tatsache des
späten Erscheinens passauischer Lehenleute auf , dem linken
Donauufer ist meines Erachtens geradezu entscheidend für
die Unechtheit der Niedernburger Schenkungsurkunde. Nicht
früher als unter Bischof Chunrad(l 151 — 1164) erhalten wir Kunde
von Passauer Lehen im Mühellande; er nötigte den Blanken-
berger, seiner Kirche einen Teil seiner Allode zu Lehen auf-
zugeben. Daß ein Teil am linken Ufer der großen Mühel sich
befand, steht urkundlich fest; der andere Teil lag wohl am
rechten Mühelufer und wurde nach dem Abgange der Blanken-
berger wohl den Griesbachern verliehen, die um diesen Preis
den andern Besitz in der Umgebung mögen zu Lehen genom-
men haben. Denn die Lehen, deren Belehnung Bischof Ulrich
dem letzten Griesbacher weigerte, müssen von größerer Be-
deutung gewesen sein, weil sich andernfalls Heinrich von Gries-
bach nicht zur Auftragung seines Stammbesitzes herbeigelassen
haben würde. Bei dem Eifer, welchen der Babenberger für
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660
seine Kirche entwickelte; und bei der ihm eigenen Energie,
welche in seinem Eingreifen in der Erbschaftsangelegenheit
nach Otto von Machland zum Ausdrucke kam und die Mönche
von Baumgartenberg bis zur skandalösen Beschuldigung des
Bischofs, derselbe habe gegen sie falsche Zeugen gedungen,
reizte (Oberösterreichisches Urkundenbuch II, 253), ist auch
nicht ausgeschlossen, daß das Niedernbnrger Diplom bei der
Verwandlung von Alloden der reichsunmittelbaren* Herren in
hochstiftische Lehen eine einflußnehmende Bolle gespielt hat.
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Inhaltsübersicht.
Seit«
Der Traungau 469
Seine ältesten Grafiichaften 473
Das Qosachtal and sein Anfall an Osterreich. Der Bergbau Albrechts I. 475
Zugehörigkeit des Ausseelandes 484
Älteste Grenze von Kärnten: Das Earintscheide 486
Die Auslegung des Friedensvertrages von Ofen 489
Die Entwicklung der Grafschaften zu Landgerichten:
aj Die Grafschaft im Gebirge 493
hj Die Grafschaft zwischen der Traun und der Ens 496
Die Schaunbergschen Landgerichte zwischen Hausruok und Traun 499
Die angebliche Angliederung des Traungaues an das Markherzogtum
Osterreich im Jahre 1156 (Auffassung Lampeis) 503
Die Heimat der Otakare 510
Untersuchung des Gabbriefes des Markgrafen Ernst für Melk . 515
Untersuchung der angeblichen Koseform Ozi 517
Die res quaedam in loco Grabenstat vocitato 523
Die quaedam res in loco Riut iuxta Enum in Sundargouue . . 529
Die Grafschaften des Ghiemgaues im lO./ll. Jahrhunderte . . . 535
Der Graf Ozinus und sein Komitat. — Kartenskizze 546
Die Otakare in der Kämtnermark 551
Untersuchung des Traditionsbuches des Klosters Geisenfeld . . 551
Die Geisenfelder Traditionsnotiz und ihre Beweiskraft .... 556
Markgraf Adalbero II. und der Investiturstreit 561
Der Gegenmarkgraf Otakar in den bayrischen Graftchaften . . 563
Derselbe ist als solcher der marchio de Stjre 564
Wiedervereinigung der Kämtnermark mit Kärnten 1087—1123 566
Die Wiedererwerbung der Kärntnermark durch das Haus der Ghiemgauer 576
Ergebnisse der Gesamtuntersuchung; geschlossene Reihe der Markgrafen 579
Würdigung der sogenannten Vorauer ^Tradition* 580
Weiterentwicklung der Landgerichte:
I. Die Herrschaft Steyr 583
n. Das Landgericht zwischen der Traun und der En8(Volkenstorf) 589
HL Das alte Landgericht Schlierbach 599
IV. Da« alte Landgericht Ort 606
Die Exemtionen 609
Anhang (Grenzbeschreibungen) Nr. I — XVU 614
Nachträge zur Abhandlung ,Das Land im Norden der Donau* .... 656
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Archiv
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österreichische Geschichte.
Herausgegeben
▼on der
Historischen Kommission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Fünfundneunzigster Band.
Mit 6 Stammtafeln.
Wien, 1906.
In Kommission bei Alfred Holder
k. Q. k. Hof- and UniTersitftte-Bachh&Ddler
Bucbh&sdler der kaiierlieben Akademie der Wissensohaften.
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Druck von Adolf Holzhaasen,
k. und k. Bof- and VniTer«itiU>Bnehdzuok«r in Wl«n.
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Inhalt des fanfündneanzigsten Bandes.
Seite
Die Nontiatarberichte des Petrus Vidoni über den ersten nordischen
Elrieg aas den Jahren 1655 — 1658. Von Dr. Artur Leyinson . 1
Radetzky in den Tagen seiner ärgsten Bedrängnis. Amtlicher Bericht
des Feldmarschalls vom 18. bis zam 30. März 1848. Von Freih.
V. Helfert 145
Beiträge zur Geschichte des deutschen Rechtes in Galizien. Von Prof.
Dr. Baimund Friedrich Kaindl. I. und II 163
Die Herren von Walsee. Ein Beitrag zur österreichischen Adels-
geschichte. Von Dr. Max Doblinger. (Mit 6 Stammtafeln) . . 235
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Archiv
für
/ Österreichische Geschichte.
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Wien, 1906.
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Archiv
für
österreiohisclie Gesohiolite.
Herausgegeben
TOD der
Historischen Kommission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Fünfundneunzigster Band.
Ente Hälfte.
Wien, 1906.
In Kommission bei Alfred Holder
k. a. k. Hof- und Unirersit&te-Biiohli&ndler
Bncbb&ndler der kaiserlieben Akademie der WiwenickafteD.
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als durch die Entfesselung der Leidenschaften von selten der
Kriegführenden und die diplomatische Einmischung des dama-
ligen gesamten Europas die Ereignisse ein getreues Abbild des
kaum ausgetragenen großen Glaubenskrieges zu werden drohten,
hat die Kurie dann auch vom konfessionellen Standpunkte aus,
eine entschiedene Stellung in ihrer Politik einnehmen müssen.
Ein Aufenthalt in Rom, Forschungen im vatikanischen
Archive, verschafften mir vor einigen Jahren die erwünschte
Gelegenheit, diesem Arbeitsgebiete näherzutreten, dessen Quel-
len zu erkunden. Es sind die Berichte des apostolischen
Nuntius am polnischen Hofe, Vidoni, an seine Vorgesetzten in
Rom, den Kardinalstaatssekretär Rospigliosi und den Kardinal
Chigi. Da sowohl die zeitgenössischen Quellen, als auch, ihnen
folgend, die moderne Darstellung, nur versprengt und kurz an-
gedeutet einige Züge von der Tätigkeit dieses gewandtem und
befähigten Vertreters der Kurie gebracht haben,^ so dürfte eine
Veröffentlichung des vorliegenden stattlichen Materials gerecht-
fertigt erscheinen und eine nicht unwillkommene Ergänzung zu
den Ergebnissen der bisherigen Forschung gewähren. Äußere
Gründe, persönlicher Natur, gestatteten mir leider nur die Akten
für die Jahre 1655 bis einschließlich 1658 einzusehen, in Ab-
schrifiken und Regesten den Stoff festzuhalten.
Das Material selbst befindet sich unter den Nuntiatur-
berichten des Vatikans' in einzelnen Bänden der großen Ab-
teilung ,Polonia' und enthält außer den eigentUohen Berichten
des Nuntius anonyme Schreiben polnischer Großer, Berichte
polnischer Abgesandter von europäischen Höfen, Schreiben ein-
flußreicher Persönlichkeiten aus der Umgebung des polnischen
Herrschers, so des Sekretärs Masini und des Beichtvaters Carlo
Soll, Berichte hinwiederum einzelner Bischöfe des Landes an
den Nuntius über kirchliche und weltliche Verhältnisse in ihren
^ Namentlich erwähnt finde ich Vidoni nur in dem bekannten Buche von
Sforza Pallavicino ,Vita di Alessandro VII* (Prato 1889), 8.228, woselbst
von seinen Bestrebungen, die griechisch-katholischen Kosaken mit Born
SU vereinigen, gesprochen wird.
' Bei Eorzeniowski, ,Scriptores remm Polonicarum', T. XV, Analecta
Romana, finden sich bei der Inventarauhiahme aus dem vatikanischen
Archive auch zahlreiche Stücke aufgeführt, welche Schreiben und In-
struktionen, den Nuntius Petrus Vidoni angehend, entiialten, p. XXV,
XXVI, xxvn.
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Gebieten und endlich einige Gegenschreiben des Kardinalstaats-
Sekretärs Rospigliosi und Kardinals Chigi. Schon aus der Tat-
sache^ daß der päpstliche Qesandte ein ständiger Begleiter des
polnischen Königs gewesen ist — er folgte ihm in die frei-
willige Verbannung nach Schlesien^ später^ in dem Feldlager
vor Warschau, hat er, keinem seiner Vorgänger vergleichlich,
wie ein einfacher Soldat die Schrecken des Krieges miterlebt
— dürfte wohl zur Genüge hervorgehen, welche wichtige Quelle
uns durch seine Berichte erschlossen ist! Durch seinen unbe-
grenzten Einfluß auf den schwachen JesuitenzOgling Johann
Kasimir, seine überlegene Stellung gegenüber den Gesandten
der anderen Mächte muß uns Vidoni als der eigentliche Vertraute
des Königs und damit auch der Bestunterrichtetste über die
Stimmung am polnischen Hofe erscheinen. Übrigens wird uns
diese ganz einzig dastehende, glänzende Machtstellung des
Nuntius am Warschauer Hofe verständlich, wenn wir mit
Ranke (,Die römischen Päpste', Bd. 2) einen kurzen Rück-
blick auf das gewaltige Anwachsen und allmähliche Überwiegen
des Katholizismus in Polen zur Zeit der Gegenreformation wer-
fen. Hatten doch damals bereits, nach diesem klassischen Qe-
währsmanne, ,die päpstlichen Nuntien von allen fremden Gesand-
ten in Polen allein das Recht, sich mit dem König ohne An-
wesenheit eines Senators zu unterreden' (S. 365). Ranke hat
dann gezeigt, wie die Vorgänger unseres Nuntius es vortrefflich
verstanden, ihr vertrauliches, persönliches Verhältnis zu den
polnischen Herrschern, im Sinne Roms zu benutzen. Ihre Er-
folge, welche sie in dieser für die katholische Sache so bedeu-
tungsvollen Epoche erzielten, waren abhängig von der mehr
oder weniger kirchlichen Gesinnung der Könige und bestanden
hauptsächlich in der Verdrängung der Protestanten aus dem
politischen Leben, ihrer bisherigen Machtstellung im Staate.
Bereits unter Sigismund HI., diesem der Kirche so ergebenen
Sohne, konnte der damalige Nuntius triumphierend nach Rom
berichten, ,daß der Katholizismus in Polen die Ketzerei zu
Grabe trägt' (S. 372).
Dem zielbewußten, erfolgreichen Handeln seiner Vorgän-
ger, dem überraschenden Siegeszuge des Katholizismus in Polen
hatte also Vidoni seinen vorhin angedeuteten Einfluß zu ver^
danken! Nicht oft genug weiß er in seinen Berichten an die
Kurie die Ehrungen gebührend hervorzuheben, welche Johann
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6
Kasimir seiner Persönlichkeit und hiermit in recht eigentlicher
Weise seinem Herrn und Meister^ dem Papste Alexander VIL,
hat zuteil werden lassen. In den zahlreichen, oft stundenlangen
Unterredungen des Königs mit ihm finden wir das unbegrenzte
Vertrauen in die hohen Fähigkeiten des Gesandten zum Aus-
drucke gebracht. Auch in rein äußerlicher Form hat Johann
Kasimir seine persönliche Verehrung dem Nuntius einmal da-
durch zu erkennen gegeben — ein nie dagewesenes Abweichen
von den üblichen höfischen Gewohnheiten der polnischen Könige
— daß er zu seiner Begrüßung vom Pferde stieg. Von an-
derer Seite, den fremden Gesandten, polnischen Großen, wird
uns dieses mächtige Einwirken des Nuntius auf die schwache
Persönlichkeit Johann Kasimirs bestätigt, so daß wir in ihm
seinen bevorzugten Berater erkennen müssen. Geradezu aus-
gesprochen hat dies einmal der österreichische General de Souches^
als er bittere Klagen gegen die Königin Marie Luise bei dem
Nuntius vorbrachte und sein Anliegen damit begründete: ,er
habe sich absichtlich an ihn gewendet, weil er wisse, daß
Johann Kasimir ihn gerne höre^
Von einem solchen Gewährsmanne dürften wohl nach
alledem, Stimmungsberichte aus der nächsten Umgebung des
Königs, welche bei Vidonis regen Beziehungen zu den Großen
der Kurie auch die Aufnahme der kriegerischen Ereignisse im
Lande widerspiegeln, hochwillkommen sein! Um so mehr, da
bisher noch immer eine solche intime, zeitgenössische Schilde-
rung gefehlt hat, wie vor geraumer Zeit bereits von anderer
Seite der Forschung, so dem Danziger Damus (Damus,
,Der erste nordische Krieg bis zur Schlacht bei Warschau^ in
der Zeitschr. d. westpreußischen Geschichtsvereines, Heft XII,
1884, S. 5 u. 6), mit Bedauern bemerkt worden ist.
Wichtiger noch als der tiefe Einblick in die Gemütszu-
stände des polnischen Herrschers und zugleich gewissermaßen
in die polnische Volkesseele, welcher uns hier geboten wird,
muß eine nähere Beobachtung der diplomatischen Tätigkeit des
Nuntius sein, da aus dem Verhalten ihres Vertreters die da-
maligen Bestrebungen der Kurie in der schwedisch-polnischen
Frage erkenntlich werden. Aus den vielen, inhaltsreichen
Unterredungen, welche Vidoni mit den Gesandten der katholi-
schen Mächte am polnischen Hofe, dem kaiserlichen, Lisola,
und den verschiedenen Sendungen Mazarins hatte, lernen wir
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diese Tätigkeit und zugleich ihr festes^ unbeirrtes Ziel; nämlich
den Abschluß des österreichisch-brandenburgischen Bündnisses
gegen Schweden^ kennen. Als nächster Zuschauer bei der
ELaiastrophe, welche durch den siegreichen Ansturm Karl
Gustavs über das morsche Polenreich hereingebrochen war,
hatte der Nuntius eine klare Erkenntnis von der gänzlichen
Unzulänglichkeit der eigenen Kräfte dieses Landes gewonnen
und den staatserhaltenden Gedanken^ das Heil aus diesem Zu-
sammenbruche in dem Anschlüsse an Osterreich und die junge,
militärisch Achtung gebietende Macht Brandenburgs, richtig
erfaßt. Aber die Annahme dürfte wohl begründet erscheinen,
daß es neben dem Interesse ftir die Krone Polen noch andere
Beweg^ünde waren, welche dem Vertreter des Papstes die
Hilfe Österreichs und einen Bund mit dem Hause Habsburg
besonders begehrenswert machten I Er folgte mit diesen Be-
strebungen nur den Pfaden einer Politik, welche man in Rom
bereits seit langem eingehalten hatte. Der Chigi Alexander VII.
hat, wie Ranke dargelegt (,Römische Päpste^, Bd. 3, S. 155
u. 459), in noch höherem Grade als seine Vorgänger, was die
äußere Politik der Kurie anlangt, spanisch-österreichischem Ein-
flüsse sich günstig gezeigt und im Gegensatze dazu dem früher
in Rom vorherrschenden Frankreich mit seinem allmächtigen
Mazarin eine immer feindseligere Haltung bewiesen. Seit
Pribrams Veröffentlichung der Gesandtschaftsberichte Lisolas
wissen wir, daß es das Verdienst dieses kaiserUchen Ge-
sandten gewesen ist, die Rettung Polens durch den Abschluß
des oben erwähnten Bündnisses erwirkt zu haben. Aus den
Blättern unseres Nuntius nun wird es ersichtlich, welchen treuen
und wirksamen Genossen bei seinem ungemein schwierigen
Werke Lisola an ihm geftmden hatte! An Vidoni, dessen
unbegrenzter Einfluß auf den König nicht nur dem kaiser-
lichen Gesandten, sondern auch den Vertretern der gegneri-
schen Bestrebungen, den Franzosen, sehr wohl bekannt war,
wendeten sich beide Parteien mit ihren AnUegen und Klagen.
Oft genug hat der kühne und unermüdliche Vertreter der
habsburgischen Interessen, wenn die Wogen des Kampfes ihn
zu stark umbrandeten, der Einfluß der Franzosen dank ihrer
mächtigen Gönnerin Marie Luise ihm den Boden am Hofe zu
entziehen drohte, seine letzte Hilfe bei dem Nuntius gesucht
und gefunden. Andererseits hat Vidoni es wohl verstanden.
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den Abgesandten des allerchristlichsten Königs^ trotzdem er
ihre wahren Absichten scharf darchschaute^ manche bittere
Pille, welche ihnen am polnischen Hofe gereicht wurde, zu
überzuckern. Auf diese Weise, durch die vertraulichen Mit-
teilungen aus der Diplomatenwelt, überreich eingeweiht in alle
Fäden des großen Intriguenspieles, welches für und wider das
Wohl Polens aufgeftlhrt wurde, hat dann der Nuntius die
heißen Bemühungen Lisolas bis zu ihrem befriedigenden Ende
aufs wirksamste unterstützt.
Einen wichtigen Bundesgenossen fttr seine Bestrebungen
hatte er am Wiener Hofe, wie wir nunmehr erfahren, in seinem
dortigen Kollegen Karl Caraffa. Von ihm erhielt der polnische
Nuntius nicht nur die zuverlässigsten Angaben über die stets
wechselnden Strömungen, welche sich im Rate des Kaisers
gegen eine militärische Unterstützung Polens geltend machten,
sondern Caraffa hatte die eminent wichtige Aufgabe, die kaiser-
liche R^ierung aus ihrer furchtsam abwaoiienden Zurückhaltung
zu einer energischen militärischen Hilfsaktion für Polen zu be-
wegen. Seinerseits hat Vidoni immer SLufs neue den Kollegen
in Wien ermuntert seine bewährte Tätigkeit im Dienste dieser
Sache nicht erlahmen zu lassen; ja, er hat ihm sogar einmal
von allerhöchster Stelle aus, durch die Kurie, einen Mahnruf
zu erhöhterem Eifer zukommen lassen! Die neueste Veröflfent-
lichung Pribrams: ,Venezianische Depeschen vom Kaiserhofe'
bringt unter anderem eine Bestätigung fftr das soeben ange-
deutete Zusammenwirken dieser beiden Vertreter Roms in der
polnischen Frage.
Nicht minder als das politische Verhalten des Nuntius
gegenüber den Vertretern der katholischen Mächte muß seine
Stellungnahme zu der Politik des Kurfürsten Friedrich Wilhelm,
wobei hauptsächlich die ermländische Frage in Betracht kommt,
unser Interesse erregen.
Auch auf diesem Gebiete bringen die Berichte reiches
Material herbei. Solange der Kurfürst durch Karl Gustavs
Macht militärisch und politisch gefesselt war, verfolgte auch der
Nuntius, gleich der öffentlichen Meinung in Polen, die wechsel-
reich tiefrerschlungenen Pfade der Politik des Kurfürsten mit
nicht unberechtigtem Mißtrauen. Dann aber gelangte Vidoni,
wohl als einer der ersten, zu der Einsicht, daß der polnische
König zur Erhaltung seiner Krone des abtrünnigen Lehns*
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9
mannes sis Bundesgenosse dringend bedürfte, und hat zur Er-
reichung dieses gemeinsamen Zieles seinen Mitarbeiter Lisola
aufs kräftigste unterstützt. Neben dieser Frage der groß-
europJüschen Politik, der Gewinnung des brandenburgisohen
Bundesgenossen, hat dann den Vertreter Roms, als den be-
rufenen Verfechter der Kirohenrechte, eine andere, damit staats-
rechtlich aufs innigste verknüpfte Frage beschäftigt, nämlich
die emiländische. Sie ist ein stetes Schmerzenskind seiner Für-
^orgo geblieben und nicht oft genug konnte er dem Könige,
fremden Gesandten und den Großen des Reiches eine für den
Papst und die Kirche günstige Lösimg dieser Frage ans Herz
legen; mit der ungleich wichtigeren Angelegenheit von der
höchsten politischen Tragweite, der Souveränität in Preußen,
hat sich dagegen der päpstliche Gesandte wenig oder gar nicht
beschäftigt Als pikantes Novum möge hier noch in diesem
Zusammenhange erwähnt sein, daß Friedrich Wilhelm selbst es
war, der zu Beginn des Jahres 1656 gegenüber einem der
polnischen Abgesandten, Martianus Vituski, den Wunsch aus-
sprach, mit dem einflußreichen Nuntius in schriftlichen Verkehr
zu treten. Leider erfahren wir aus den Akten nicht, ob dann
wirkUch zwischen dem EetzerfUrsten und dem Gesandten des
Papstes eine politische Korrespondenz stattgefunden habe; viel-
leicht hätte sich dann eine neue, ungeahnte Entwicklung der
Dinge aus der hergestellten Verbindung zwischen Rom und der
jungen protestantischen Macht ergeben! Uns ist nur aus einem
Gegenschreiben des Eardinalstaatssekretärs die Instruktion fUr
Vidoni erhalten, welcher in Rom angefragt hatte, wie er sich
dem Verlangen des Kurfürsten gegenüber zu verhalten habe?
Der Inhalt des Schreibens, welches die persönliche Ansicht des
Papstes wiedergibt, ist folgender: ,Der Papst selber habe zwar
niemals an einen protestantischen Fürsten ein Antwortschreiben
gerichtet, gestatte aber seinem Nuntius in Polen, gegebenenfalls
an den Kurfürsten zu schreiben, allerdings nur in ganz allge-
meinen Ausdrücken und nachdem er vorher den König ver-
ständigt habe/
Bevor ich nun zu den Berichten selbst übergehe, möge
es mir gestattet sein, die wenigen Notizen über das Leben des
Nuntius, und zwar aus dem historischen Kirchenlexikon von
Moroni wiederzugeben. Pietro Vidoni stammte aus cremonen-
sbchem Adel. Er studierte auf den italienischen Universitäten,
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errang den Doktorgrad und kam ganz jung nach Rom. Von
Urban VIII. wurde er in der Verwaltung der Städte Rimmi^
Tivoli^ Sabina; Orvieto und Spoleto beschäftigty sodann in der
Vizelegation der Romagna^ in der Vizepräfektur von Fermo
und in dem Präsidium der Marken. 1644 wtirde er mit 34 Jahren
unter Urban VIII. Bischof von Lodi; 1652 von Innocenz X.
nach Rom zurückberufen und als Nuntius nach Polen zu Johann
Kasinur geschickt^ wo er acht Jahre lang die Kirche verteidigte
und sich den Dank Alexanders VU. verdiente. Die großen
Schwierigkeiten; welche sich in Polen erhoben^ drohten ihn um
sein hohes Ansehen zu bringen^ welches er sich daselbst erworben
hatte. Mit wunderbarer Geschicklichkeit jedoch verstand er es^
sich seine Stellung zu bewahren^ indem er sich die Gunst des
Königs erwarb. Auf dessen Empfehlung^ erhob ihn Alexan-
der VII. am 5. April 1660 zum Kardinalpriester von S. Calisto,
Beschützer des Königreiches Polen und des Kamaldulenser-
ordens. Er nahm an Konklaven von Klemens IX.^ Klemens X«
und Innocenz XI. teil. Er starb im Rom 1681^ 71 Jahre alt^
und wurde in der ELirche S. Maria della Vittoria begraben
neben dem Kardinal Girolamo^ seinem OnkeL
Auch an dieser Stelle möge es mir gestattet sein, den
Beamten des vatikanischen Archives sowie dem damaligen
Leiter des königl. preußischen historischen Institutes in Rom,
Herrn Geheimrat Dr. Friedensburg, und Herrn Dr. Kupke
von demselben Institute meinen innigsten Dank für die För-
derung meiner Arbeit auszusprechen.
^ Dieses Empfehlungsschreiben Johann Kasimirs an den Papst, dat. War-
schau, 7. Juni 1659, befindet sich in der Bibliothek Chigi in Rom (S. 70
des Kataloges, unter Cifre scritte a diversi Nunzi e legati dall* anno 1657
al 1660) und lautet: ,Con stlma et applauso ö accompagnata dalla mia
Real Corte e da tutti questi miei popoU la benevolenza, che porto k
Monsig' Vidoni vescovo di Lodi nuncio di V. Beat°« perche come le con-
tingense degV affari di questi miei Regni li hanno dato largo campo nello
spatio di sette anni d* esercitare trli continui desagi una costante tote-
ranza, e irk tanti ardui negotii una singolar prudenza, cosi non ö alcuno,
che volentieri non contribuisca k di lui eccidenti meriti publiche lodi. Etc.'
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J-)ie ersten Nachrichten Vidonis besagen von Vorboten
des Sturmes^ welcher über das polnische Reich hereinbrechen
sollte: dem Hilfegesuche der Danziger angesichts der schwe-
dischen Rüstungen und der Mission des schwedischen Agenten
Koch in Danzig — Ereignisse^ welche aus der oben erwähnten
Darstellung von Damus bereits bekannt sind^ jedoch teilweise
eine willkommene Ergänzung uns bieten. Neben diesen poli-
tischen Angelegenheiten^ zu welchen noch die Anfänge der
diplomatischen Tätigkeit in Polen hinzukommen^ nämlich die
Abreise des Palatins Joh. v. Lesczynski nach Schweden, erregten
unliebsame Vorkommnisse rein kirchUchen Charakters die Auf-
merksamkeit unseres Berichterstatters: Anfechtungen^ welche
die Jesuiten im Herzogtume Preußen zu erleiden hatten^ und
das Erscheinen einer Schmähschrifk gegen die Jesuiten^ verfaßt
von dem ermländischen Kanonikus Markiewicz. Über beide
Fälle findet sich ein Schriftenaustausch des Nuntius mit Rom
vor. Entsprechend dem schnellen^ fUr Polen unheilvollen Ver-
laufe der Ereignisse^ werden nun auch die Nachrichten wichtiger
und beredter fUr uns. Da taucht sogleich die ermländische
Frage und mit ihr die Erscheinung Friedrich Wilhelms vor
uns auf. Gelegentlich des Antrages^ welchen der KurfUrst
dem ermländischen Bischöfe machte^ sein Bistum gegen die
Schweden zu schützen, lernen wir das persönliche Mißtrauen
des polnischen Königs gegen den Brandenburger kennen, dem
man auf polnischer Seite geheimes Einverständnis mit Schweden
und eigene Annexionsgelüste auf Ermland zumutete. Hier ein-
gestreut findet sich eine politische Anschauung des Nuntius
über die Zukunft des Reiches, welche in klarer, pessimistischer
Erkenntnis dessen Zusammenbruch voraussieht. Als dann die
Katastrophe über das polnische Reich hereingebrochen ist, er-
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erhalten wir Stimmungsbilder vom Königshofe in Warschau,
welche durch die Tatsache, daß ihr Verfasser der ständige Ver-
traute des Königspaares war und durch seine weitverzweigten
Verbindungen unter den Großen des Reiches wohl wie kein
anderer die panikartige Erregung im Lande zu verfolgen wußte,
an intimem Reize der Ausflihrung weit den Wert der bisherigen
Quellen überragen. Da wird in anschaulicher Weise der ver-
zweifelte Seelenzustand des schwachen Johann Kasimir, der
sich von allen verlassen sieht, geschildert; daneben schon jetzt
die energische Tätigkeit seiner kraftvollen^ ehrgeizigen Gemahlin
Marie Ludovika gebührend hervorgehoben. Fluchtgedanken
bewegten den König, die entsprechend seiner uns nun be-
kannten pessimistischen Auffassung von der Lage des Reiches
auch sogleich von dem Nuntius gebilligt wurden. Sich ver-
loren dünkend im eigenen Reiche, erblickte der polnische
Herrscher sein ganzes Heil in Rom ; dorthin wollte er gegebenen-
falls den päpstlichen Vertreter selbst oder einen uns unbekannten
Abt Makoski senden. Und in der Tat, nach dem schimpflichen,
verräterischen Verhalten und der mißtrauisch- feindseligen Stim-
mung des polnischen Adels gegen Johann Kasimir, wie sie der
Nuntius in folgendem schildert, lag alle Veranlassung für den
unglücklichen Herrscher vor, seine hilfesuchenden Blicke nach
dem Auslande zu werfen! Maß man doch ihm, dem Könige
allein, die Schuld an diesem unseligen Kriege bei, weil er gegen
den Rat der Senatoren, in törichter, politischer Verblendung,
dem Schwedenkönige niemals den Titel ,König von Schweden*
zuerkannt habe! Und diesen Krieg, so murrten die erbitterten
Adeligen, habe er nur unternommen, um sie selbst, die er nie
geliebt, deren Freiheiten er bereits geraubt, in Armut und
Elend zu stürzen. Vidonis Vertraute, der Großmarschall und
der Unterstaatssekretär, wußten von einer so gewaltigen Er-
bitterung in den Kreisen des unzufriedenen Adels zu berichten,
daß er selbst, sein Urteil über die Lage zusammenfassend, zu
dem Schlüsse gelangte : ,Man müsse sich mehr vor dem Feinde
im Innern, als vor den äußeren Gegnern fürchten.'
Als neu hinzutretend zu den zahlreichen Fällen, welche
andere Quellen über den feigen Verrat des Adels anführen,
spricht unser Gewährsmann von den Verdachtsmomenten,
welche darauf hinzudeuten scheinen, daß auch der Primas des
Reiches, der Erzbischof von Gnesen, Andreas Lesczynski, sich
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in hochverräterische Beziehungen mit den Schweden eingelassen
hatte. Ans den Akten ergeben sich uns da die folgenden
Tatsachen^ deren Schauplatz die dem Erzbischofe zugehörige
Stadt Loviz war. Durch das falsche Gerücht von dem An-
rücken der Schweden hatte der Erzbischof den Abzug Johann
Kasimirs mit seinem Heere aus dieser Stadt erwirkt und danach
die willkommene Gelegenheit geftmden, mit den Feinden un-
gestört zu unterhandeln. Dies geschah zunächst in der Form
eines Schriftenaustausches mit dem General der Schweden^
später schickte er jedoch sogar einen kalvinistischen Ver-
wandten in das Lager Karl Gustavs^ um mit dem Schweden-
könige selbst in Friedensunterhandlungen zu treten. Nicht
genug damity hatte er nach der Einnahme der Stadt dem
Könige xmd seinem Vertrauten, dem Hochverräter Radziejowski^
ein Festmahl gegeben und das Schloß an die Feinde übergeben.
Leider ergeben die Akten nicht^ ob das fortgesetzte Mißtrauen
des polnischen Königspaares gegen den Erzbischof infolge
dieser stark belastenden Verdachtsmomente gerechtfertigt ge-
wesen sei und er in Wirklichkeit Hochverrat ausgeübt habe?
Wir erfahren nur noch, daß der Nuntius zunächst den höchsten
Kirchenftlrsten des Landes gegen solche furchtbare Verdächti-
gungen in Schutz nahm, dann aber selbst zweifelhaft werdend
und im eigensten Interesse des Erzbischofe, mit ihm eine Aus-
sprache hatte. Zu seiner Ehitlastung führte hier Lesczynski
an: Der Wunsch, mit ihm zu verhandeln, sei von dem
Schwedenkönig ausgegangen und er habe sich dazu bereit
erklärt, wenn sein König und die Republik ihre Einwilligung
erteilt hätten.
Die nächsten Blätter des Nuntius stammen bereits aus
Schlesien, wohin er dem polnischen Könige, der inzwischen
seinen Fluchtgedanken verwirklicht hatte, gefolgt war. Aus
den Unterredungen, welche hier Roms Vertreter mit dem pol-
nischen Abgesandten zum Kaiserhofe, Johann v. Lesczynski,
dem dortigen Residenten Visconti sowie dem kaiserlichen
Residenten am Warschauer Hofe, Girardin, hatte, erfahren wir
die Gründe ftb* den ersten Mißerfolg der polnischen Diplomatie
in ihrem Bestreben, den Kaiser zu kriegerischem Vorgehen
gegen Karl Gustav zu bewegen. Es tritt uns da das tiefe
Mißtrauen und die Abneigung, welche man in Wien sowohl
gegen das polnische Königspaar als auch gegen die Nation
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hegte, entgegen. Der Kaiser wollte weder an die Wahrhaftig-
keit der Versprechungen Johann Kasimirs, noch an die An-
erbietung der Polen glauben, welche ihm die Krone fbr seine
Hilfe in Aussicht stellten, denn ihm war die nationale Ab-
neigung der Polen gegen eine Herrschaft des Hauses Habsburg
zu sehr bekannt. Hinzu kam, daß die Königin Marie Luise
in Wien höchst unbeliebt war wegen ihrer ausgesprochenen
Franzosenfreundlichkeit und weil sie sich dem Kaiserhofe gegen-
über verschiedene Formfehler hatte zuschulden kommen lassen.
Eines dieser Gespräche, nämlich mit dem kaiserlichen Residenten
Girardin, muß uns als das wichtigste erscheinen, da es zum
erstenmale eine Kritik des Nuntius selbst über die damalige
schwächliche und verfehlte Politik des Kaisers enthält Vidoni
gab hier seinem Erstaunen darüber Ausdruck, daß der Elaiser
die polnischen Anerbietungen nicht angenommen hatte, und ließ
zugleich durchblicken, daß die Polen nun notgedrungen sich
nach anderer Hilfe umsehen müßten, was wiederum dem
Kaiser vielleicht nicht lieb sein dürfte. Vor aUem aber ver-
urteilte er die Unentschlossenheit in der kaiserlichen Politik:
Durch einen Krieg von wenigen Monaten hätte der Kaiser den
Frieden der katholischen Kirche sichern können, während er
jetzt einem ewigen Kriege mit ungewissem Ausgange gegen-
überstünde. Auch den £^wand, die Scheu vor einem Bruche
des Friedens zu Münster gebiete dem Kaiser, den Frieden mit
Schweden zu halten, wollte der Nuntius nicht gelten lassen,
da ja gerade die Schweden diesen Frieden durch ihren kriege-
rischen Einfall verletzt hätten und andererseits für den Kaiser
eine Veranlassung zum Eingreifen durch das Hilfegesuch der
Polen gegeben wäre. Diese Ausführungen des Nuntius fanden
bei dem kaiserlichen Residenten nicht nur die vollste Billigung^
sondern Girardin konnte ihm auch mitteilen, daß er in gleichem
Sinne, allerdings erfolglos, nach Wien berichtet habe.
Gegen Ende dieses ersten Kriegsjahres werden wir wieder
zu den Ereignissen in Preußen zurückgeführt. Die Nach-
richten, welche der Nuntius aus Danzig erhielt, beschäftigen
sich sowohl mit der Persönlichkeit Friedrich Wilhelms, als auch
den kriegerischen Unternehmungen der Schweden gegen
Danzig und andere Städte in Polnisch-Preußen. Friedrich
Wilhelms festliche Aufnahme in der alten Hansestadt Danzig
und die schwedische Gesandtschaft mit den bekannten drei
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Forderungen in Gestalt eines Ultimatums an den EurfUrsten
werden erwähnt. Für die wichtigste Tatsache aus dem mili-
tärischen und politischen Vorgehen des EurfUrsten in dieser
Zeit, nämlich sein Schutzbündnis mit den Ständen Preußens
zu Rinsk am 12. November, erfahren wir als Novum, daß der
Nuntius es fUr nötig erachtete^ eine zweite Redaktion dieser
Urkunde nach Rom zu senden. Der Absender glaubte näm-
lich dem Papste dadurch eine besondere Freude zu bereiten,
da diese Fassung des Rinsker Vertrages Randbemerkungen
des Eönigs, des Erzbischofs und der preußischen Stände ent-
hielt, aus welchen die besondere Rücksichtnahme auf das
Earchengut und den Bischof von Ermland hervorging. — Leider
habe ich dieses interessante Blatt bei den Akten in Rom nicht
finden können. — Am anziehendsten jedoch aus diesem Teile
der Berichte wird für jeden Geschichtsireund eine Schilderung
der Persönlichkeit des nordischen Alexander sein, wie die
damalige Zeit bereits den Schwedenkönig Earl Gustav genannt
hat. Der polnische Abgesandte Adam Brochowski, Eastellan
von Sochoczowia hat den merkwtU'digen Helden des Erieges
kennen gelernt, als er Ende September 1655 mit Friedensvor-
schlägen sich in das schwedische Lager vor Erakau begab«
und unserem Nuntius seine daselbst empfangenen Eindrücke
mitgeteilt. — Noch am Ende des Jahres begleitete der Nuntius
den landflüchtigen Eönig in sein Reich zurück.
Ein völliger Umschwung der Verhältnisse, welcher in-
zwischen in Polen eingetreten war, hatte ermutigend zu diesem
Schritte gewirkt. Das Erwachen der nationalen Begeisterung
des Volkes gegen die schwedischen Eindringlinge, von einer
fanatischen katholischen Geistlichkeit zum Glaubenskriege gegen
die verhaßten Eetzer geschürt, hatten diese günstige Wendung
herbeigeführt So traten Johann Easimir und sein getreuer
Begleiter die lange und durch die Unbilden der Witterung
gefährliche Reise an. Am 18. Dezember 1655, wie wir aus
dem Itinerar des Nuntius entnehmen, brach man von Glogau
auf und kam unter unsäglichen Strapazen, der Weg führte
über die unwirtlichen Bei^gegenden Galiziens, endlich wohl-
behalten in Polen an. Politische oder gar Waffenerfolge sollten
jedoch Johann Easimir aus seiner Rückkehr in das angestammte
Reich nicht erwachsen. Eläglich genug lauteten die Berichte,
welche der Nuntius von den Vertretern Polens in Wien, Visconti
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und Lesczynski, erhielt. Sie ergaben die traurige Gewißheit,
daß zurzeit auf Hilfe von dieser Seite nicht zu rechnen sei.
An dieser Tatsache vermochten auch die heißen Bemühungen
seines Kollegen am Kaiserhofe, Karl Caraffa, den Vidoni durch
Weisungen aus Rom zu immer erneutem Eifer anfeuern ließ,
nichts zu ändern. — In Polen selbst wollte man sich diese
kurzsichtige,, untätige Politik des Kaisers in einer zweifachen
Weise erklären: einmal durch das zunehmende Leiden des
alternden Herrschers, sodann durch Gründe der äußeren
Politik, welche ihn bei dem noch fortbestehenden spanisch-
französischen Konflikte in die Zwangslage versetzten, Hilfs-
truppen nach Flandern und Mailand zu senden, sodaß seine
Macht fUr einen Feldzug in Polen nicht mehr ausreichte.
Dieser unseligen Enttäuschung, welche die polnische
Diplomatie in Wien erlitt, schlössen sich Hiobsposten vom
Kriegsschauplatze in Preußen an, welche erst jetzt zur Kenntnis
des Nuntius gelangten : der Fall des wichtigen Thorn und bald
darauf Elbings. Über das bedeutungsvollste Ereignis dieser
Tage, den Königsberger Vertrag vom 17. Jänner 1656, bheb
man lange am polnischen Hofe in Ungewißheit. Man wollte
nicht an ein Offensivbündnis des Kurfürsten mit Karl Gustav
gegen Polen glauben, sondern sprach nur Ton einem Waffen-
stillstände, welcher zwischen den beiden Fürsten bis Pfingsten
des laufenden Jahres geschlossen sei, und gab sich zugleich
der Hoffnung hin, daß nach einigen Erfolgen der polnischen
Waffen Friedrich Wilhelm zu seinem alten Lehnsherrn zurück-
kehren würde. Tritt uns doch eine solche Auffassung der längst
erfolgten Tatsache noch in einem Berichte des Nuntius, datiert
Lemberg, 20. Februar 1656 entgegen. Erst viel später lernen
wir auch die Aufnahme, welche jener folgenschwere Entschluß
des Kurfürsten bei den Polen fand, kennen. Da kam unver-
hüllt der Grimm über den Abfall des ungetreuen Lehnsmannes
zum Ausdrucke, wenn wir die Ansicht hören, daß seit Beginn
des Krieges bereits eine Verbindung zwischen ihm und Karl
Gustav bestanden habe und der Schutzvertrag mit den preu-
ßischen Ständen zu Rinsk auch nur ein abgekartetes Spiel
gewesen sei.
Unter den Bestimmungen des Königsberger Vertrages,
welche die besondere Auftnerksamkeit des Vertreters der Kurie
erregen mußten, war unstreitig an erster Stelle diejenige, welche
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das bisherige Bistum Ermland anlangte. Danach war das Bis-
tum als schwedisches Lehen, mit dem Herzogtume Preußen
verbunden, an den Kurfllrsten gefallen. Nur aus persönlichen
Rücksichten hatte der Kurfürst dem greisen Bischöfe Wenzel
Lesczynski auf Lebenszeit seine Einkünfte belassen, mit der
ausdrücklichen Erklärung jedoch, daß diese Einkünfte nicht aus
dem Bistume stammten, es war ja säkularisiert, sondern aus
seinem eigenen kurfürstlichen Schatze. — •' Wir werden noch
in den folgenden Kriegsjahren sehen, daß diese ermländische
Frage ein stetes Schmerzenskind für den Nuntius bHeb. Mit
heißem Begehren waren seine Blicke auf dieses der Kirche
geraubte Kleinod gerichtet, um es den Händen des Usurpators
zu entreißen und seinem rechtmäßigen Besitzer, dem Bischöfe,
wieder zuzuführen. — Damals nun, in der ersten Entwicklungs-
phase dieser Frage, mußte es seine höchste Besorgnis erregen,
welche Stellung der Bischof dem Kurfürsten gegenüber ein-
nehmen würde. Wohl wegen der unsicheren Kriegszeit blieb
Vidoni lange ohne jede Nachricht von dem Bischöfe, hoflfte
jedoch das beste von dessen bewährter Gesinnungstreue und
zumal, wie wir erfahren, der Bischof oder ein von ihm ab-
gesandter Prälat dem Könige von Polen durch einen besonderen
Eid verpflichtet war. Selbst die erste Kunde, welche Vidoni
durch den uns bereits von seiner Sendung nach Wien be-
kannten Bruder des ermländischen Bischofs, den Bischof von
Kulm, erhielt, sollte ihm keine Aufklärung über das Verhalten
Lesczynskis bringen. Er meinte, daß gleich ihm auch sein
Bruder den Vertrag nicht anerkennen würde, und versprach
auf ihn einzuwirken, daß er heimlich aus seinem augenblick-
lichen Aufenthaltsorte Königsberg entweiche, um sich in den
Schutz des Königs von Polen zu begeben.
Die inzwischen gänzlich veränderte Lage auf dem Kriegs-
schauplatze, sowie die hierdurch bedingte Umgestaltung in der
Politik der interessierten Mächte zogen naturgemäß die Auf-
merksamkeit unseres Nuntius von der ermländischen Frage ab.
Karl Gustav hatte durch einen Winterfeldzug dem Kriege in
Polen ein rasches Ende machen wollen. Seine Unternehmungen
mißlangen jedoch fast völlig und nur mit Mühe gelang es ihm,
sich mit dem Reste seines tapferen Heeres nach Warschau
durchzuschlagen. So war durch das plötzliche Versagen des
bisherigen Kriegsglückes seine Lage eine gänzlich veränderte,
Archir. XCY. Band. I. Hilft«. 2
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höchst schwierige geworden, seine durch Hunger und Kälte
fast aufgeriebenen Truppen waren schwer bedi*ängt von den
siegesübermütigen Polen, welche von allen Seiten zur Be-
lagerung Warschaus heranrückten. Karl Oustav selbst eilte
nun nach Preußen, um den Kurfürsten zu festerem, tat-
kräftigerem Bunde in dieser Not zu bewegen; in Warschau
Heß er den General Wittenberg zur Verteidigung zurück. In
dem polnischen Lager vor dieser Stadt fanden sich bald die
Vertreter der damaligen Großmächte ein, um Johann Kasimir
unter diesen günstigen Verhältnissen ihre Vermittlung zwischen
den kriegführenden Parteien anzubieten. Da lernen wir aus
den von hier stammenden Blättern des Nuntius den kaiserlichen
Gesandten Franz v. Lisola kennen, dessen Gesandtschafts-
berichte zurzeit von Pribram herausgegeben sind. Wir wissen
seitdem, daß, wäre es nach den Bestrebungen dieses kräftigen
Vertreters habsburgischer Hauspolitik gegangen, der Kaiser
sich längst zum offenen Bunde mit Polen und dem Branden-
burger gegen Schweden hätte entschließen müssen. Bereits
die erste, kurze Begegnung unseres Nuntius mit Lisola ergab,
wie völlig die poHtischen Ansichten dieser beiden Männer
übereinstimmten. Auch der Nuntius machte auf die Notwendig-
keit und zugleich den Vorteil aufmerksam, welche dem Kaiser
aus einer Unterstützung Polens erwachsen würden, was natür-
lich Lisola rückhaltlos anerkannte, zumal, wie er betonte, die
eigentlichen Absichten der Schweden ja gegen das Reich ge-
richtet seien. Hatten sich so die Vertreter Roms und des
Hauses Habsburg zu natürlicher Bundesgenossenschaft gegen
den Schweden schnell geftinden, so zeigt es anderseits von dem
scharfen, staatsmännischen Blicke Vidonis, daß er auch die
gegnerischen Bestrebungen, welche von dem Abgesandten
Frankreichs, de Lumbres, ausgingen, richtig zu erfassen wußte.
Es erregte sein höchstes Mißtrauen, so berichtete er nach Rom,
daß erst jetzt, da die Dinge für Schweden einen so ungünstigen
Verlauf genommen, Frankreich auf der politischen Bühne
erschien, während der Kaiser bereits früher seine Vermittlung
angeboten hatte. Diese auffallende Erscheinung ftihrte ihn zu
dem Schlüsse, daß Frankreich nur im eigensten Interesse
Schweden stützen wollte, an die Sache Polens aber dabei gar
nicht denke. Der kaiserliche Gesandte hat diese Mißstimmung
des Nuntius gegen das französische Ränkespiel wohl zu benutzen
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verstanden, indem er bei Johann Kasimir fortgesetzt auf Ein-
stellung der Verhandlungen mit de Lumbres drang, da durch
dessen Anwesenheit am polnischen Hofe die Stimmung des
Kaisers gegen Polen eine fortdauernd erregte bleiben müßte.
Während dieser diplomatischen Züge und Gegenzüge
nahmen die Operationen gegen Warschau einen trägen, lang-
samen Verlauf. Man machte dafür den König verantwortlich,
der allerdings dem Nuntius seine geringe Neigung zur Be-
lagerung Warschaus anvertraut und ihm zu verstehen gegeben
hatte, daß er sich viel mehr Erfolg von einer Reise nach
Preußen verspräche, um den KurftLrsten zum Anschlüsse zu
bewegen. Viel mehr jedoch als diese geringe Anteilnahme
des Königs an den kriegerischen Vorgängen vor Warschau
hat die Mißstimmung im polnischen Lager selbst den Fort-
gang der Belagerung gehemmt. Nach einer vertraulichen Mit-
teilung, welche der polnische Großkanzler unserem Gewährsmanne
machte, hatte sich eine gefährliche Fronde der im Lager be-
findlichen Senatoren gegen Johann Kasimir gebildet, um den
König dem übermächtigen Einflüsse seiner Günstlinge zu ent-
ziehen und ihren eigenen Ratschlägen geneigter zu machen. —
Nach diesen Bildern aus dem Lager werden uns wieder die
Ereignisse in Preußen vorgefllhrt. Die Pfingstunruhen in
Königsberg werden erwähnt, woselbst der Pöbel die katholische
Kirche gestürmt und sich Ausschreitungen gegen die Polen
gestattet hatte. Der Nuntius verlangte vom Könige energische
Bestrafung des Frevels und unterließ es bei dieser Gelegenheit
nicht; dem polnischen Herrscher die Wiederherstellung des
Status quo ante im Ermlande ans Herz zu legen. Johann
Kasimir meinte jedoch, daß nur mit Gewalt, oder falls besonders
gtLnstige Verhältnisse die Usurpatoren zum Abzüge nötigten,
dieser Wunsch erfüllt werden könnte.
Über das wichtigste Ereignis, den neuen Bund, welchen
der Kurfürst mit den Schweden am 25. Juni geschlossen hatte,
erhalten wir den Bericht des polnischen Abgesandten, des
Jägermeisters Maidel. Seine Bemühungen, den Kurfürsten zur
Rückkehr zu seinem Lehnsherrn zu bewegen, waren erfolglos
gewesen. Der Kurfürst hatte sich bei ihm über den König
und den Kaiser beklagt. Dem Könige machte er feindselige
Einfälle polnischer Truppen in sein Gebiet zum Vorwurfe, dem
ELaiser, weil er ihm, auf die Kunde vom Tode Karl Gustavs,
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seine Lehen im Reiche zur Strafe habe nehmen wollen. Be-
stimmend jedoch für seinen Bund mit Schweden habe auf ihn
die Tatsache eingewirkt^ daß jetzt der Krieg in sein Land ge-
tragen sei und die Aussicht, größere Vorteile beim Frieden zu
erlangen. — Über die dreitägige Schlacht von Warschau, vom
28. bis 30. Juli, in welcher die junge schwedisch-branden-
burgische Waffenbrüderschaft ihre glänzende Probe bestand,
schweigen die Berichte des Nuntius auffallenderweise gänzlich.
Sie beschäftigen sich vielmehr um diese Zeit angelegentlichst
mit der Person des ermländischen Bischofs Lesczynski. Vidoni
hegte die Befürchtung, daß der Bischof in seiner ihm vom
Kurfürsten angewiesenen Residenz Heilsberg strenge behandelt
würde. Erkundigungen, welche er daraufhin durch den firan-
zösischen Gesandten einziehen ließ, ergaben jedoch das Un-
berechtigte dieser Annahme. Friedrich Wilhelm hat den greisen
Kirchenfürsten stets mit Wohlwollen behandelt, ihm seine volle
Freiheit gelassen, wie dies auch in der neuesten Veröffent-
lichung über die Ermländische Frage von Kolberg ,Ermland
als kurbrandenburgisches Fürstentum in den Jahren 1656 und
1657^ vollinhaltlich sich bestätigt findet.
Dem schweren Schlage von Warschau folgte eine andere
Niederlage auf politischem Gebiete, welche den Nuntius mit
nicht geringer Sorge erfUllte. Am 11. September wurde zu
Elbing zwischen den Schweden und Holländern ein Vertrag
handelspolitischer Natur geschlossen und es ging das Gerücht,
daß auch Danzig demselben beigetreten sei. Erst als Bark-
mann, der Vertreter dieser Stadt, die Tatsache in Abrede
stellte und die unwandelbare Treue der Danziger versicherte,
atmete man am polnischen Hofe erleichtert auf. Ein Lichtblick
für Polen in dieser Zeiten Schwere war die Niederlage, welche
Gonsiewski am 8. Oktober bei Prostken am Lyckflusse den
AUiirten, Schweden und Brandenburgern, beibrachte. In der
Tatsache, daß dieses glückliche Gefecht an demselben Orte
stattgefunden hatte, an welchem einst zwischen König Sigismund
von Polen und Herzog Albrecht von Preußen Frieden und
unwandelbares Bündnis abgeschlossen war, sah man auf pol-
nischer Seite eine geschichtliche Vergeltung. Die glückUchen
Ereignisse, welche die folgenden Depeschen des Nuntius ent-
halten, die Einnahme von Konitz, Johann Kasimirs triumphieren-
der Einzug in Danzig und die Gefangennahme des bekannten
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Qenerals Eönigsmark, welcher dem Schwedenkönige die sehn-
süchtig erwarteten Hilfstruppen zuführen wollte, bedeuteten für
Polens Sache bessere Zeiten. Pikant und bezeichnend genug
muß es wirken, wenn Roms Vertreter dem Könige noch vor
seinem Einzüge in die Ketzerstadt Danzig durch seine Gemahlin
den warnenden Wink zukommen ließ, vor den Umtrieben
seiner Feinde auf der Hut zu sein und besonders bei den
Mahlzeiten sich vor Vergiftung in acht zu nehmen! — Und
wiederum trafen hier, in der alten Hansestadt, die Gesandten
der Mächte zusammen, um den Frieden zwischen Schweden
und Polen herbeizuführen. Alles sehnte sich darnach. Auch die
Danziger stellten Johann Kasimir vor, daß ihre Stadt nicht länger
mehr die Kriegskosten erschwingen könnte. Nur der Kurfürst
hatte noch keinen Vertreter gesendet. Durch seinen letzten
Vertrag zu Labiau, 20. November, welcher ihm die Souveränität
in Preußen eingebracht hatte, den Schweden verbunden, ver-
sprach er sich keinen Erfolg von den Verhandlungen. Die wider-
sprechendsten Gerüchte welche über sein damaliges politisches
Verhalten umgingen, teilt der Nuntius mit. In Königsberg habe
er öffentlich verkünden lassen, daß seine Soldaten keine Feind-
seligkeiten mehr auf polnischem Gebiete verüben dürften;
einige Tage darauf habe er jedoch den Schweden beträchdiche
Hilfe gesendet. Übrigens, so hieß es, erwarte man die An-
kunft seines Gesandten Hoverbeck, der sein Verhalten von dem
mehr oder weniger günstigen Fortgange der Verhandlungen
zwischen Schweden und Polen abhängig machen wollte.
Das Jahr 1657 ist der Schauplatz heißer diplomatischer
Kämpfe geworden. Zunächst galt es für Polen, den Kurfürsten
aus der festen Umklammerung des Bundes mit den Schweden
zu lösen und den Kaiser zu einer energischen AktionspoHtik
zu bewegen. Das Verdienst, diese beiden mächtigen und für
Polen staatserhaltenden Fördernisse durchgesetzt zu haben, ge-
bührt dem kaiserlichen Gesandten Lisola. Mit ihm, aber auch
zugleich mit den Gegnern seiner Bestrebungen, den Vertretern
Frankreichs, sehen wir den Nuntius in eifrigem Verkehre und
lernen so Züge und Gegenzüge, welche auf dem diplomatischen
Schachbrette geführt wurden, kennen. Auch jenes Ereignis,
welches mit seinen unberechenbaren Folgen neue ungeahnte
politische Perspektiven für die interessierten Mächte hätte er-
geben können, nämlich der am 2. April 1657 erfolgte Tod des
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Kaisers Ferdinand III., findet in den Blättern des Nuntius ge-
bührende Beachtung. Mitteilungen, welche ihm der französische
Gesandte de Lumbres machte, verrieten die Absichten Karl
Gustavs, anknüpfend an den Tod des Kaisers und flir die be-
vorstehende Kaiserwahl. Danach wollte der Schwedenkönig,
einer Unterstützung durch die protestantischen Fürsten in
Deutschland sicher, den Kriegsschauplatz in das Reich verlegen
und zugleich den Ansprüchen des Hauses Habsburg bei der
Kaiserwahl entgegentreten. Von den Schweden aufgefangene
Briefe sprachen die Hoffnung aus, daß der König von Frank-
reich die Kaiserkrone erhalten würde. Diese für das Haus
Habsburg höchst beunruhigenden Nachrichten teilte der Nuntius
seinem Kollegen Caraffa in Wien mit und es mag neben den
heißen Bemühungen Lisolas diesem Mahnrufe Vidonis zu ver-
danken gewesen sein, daß endlich die dortige Regierung aus
ihrer bisherigen Zurückhaltung heraustrat und sich zur Hilfs-
aktion für Polen entschloß. Freudig konnten nach so schwerem
und langem Ringen Lisola und sein getreuer Mitarbeiter, der
Nuntius, die Kunde vom Abschlüsse des Bundes zwischen Oster-
reich und Polen, der am 27. Mai 1657 erfolgt war, begrüßen.
Gleichzeitig begannen die lebhaften Werbungen Lisolas
um den KurfUrsten. Als besondere Hindernisse, welche sich
diesen Bemühungen entgegenstellten, führte der Nuntius an:
das Auftreten eines neuen Bundesgenossen für Schweden in
der Person des Siebenbürger Fürsten Rakoczy und dann das
fortgesetzte Mißtrauen des Kurftirsten in die Anerbietungen von
polnischer Seite. Bezeichnenderweise für den Vertreter der
Kurie finden wir, daß während dieser Verhandlungen mit dem
Kurfiirsten sogleich sein Hauptinteresse sich wieder der erm-
ländischen Frage zuwendet. Allen maßgebenden Persönlich-
keiten, dem Könige, d'Avaugour, einem der Vertreter Frank-
reichs, und nicht zuletzt Lisola, legte Vidoni es ans Herz,
darüber zu wachen, daß dem Ermlande im Falle eines Ver-
trages mit dem KuriUrsten weder im ganzen noch im Teile
ein Präjudiz daraus entstünde. Auffallend genug flir die Tat-
sache, daß der Nuntius sein Hauptaugenmerk auf das Wohl
und Wehe dieses Bistums gerichtet hielt, dürfte auch folgendes
erscheinen: Als ihm Lisola noch vor seiner Abreise an den
Hof des Kurfürsten in Königsberg dessen Forderung mitteilte,
in Braunsberg und einem anderen Orte des Ermlandes eine
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Besatzung zu halten, dann aber auf die Hauptforderung, die
Souveränität in Preußen, zu sprechen kam, ging der Nuntius
über diesen Kernpunkt der brandenburgischen Politik mit Still-
schweigen hinweg und bat hingegen den kaiserlichen Gesandten,
alles aufzubieten, damit er den Kurfürsten von jener ersten For-
derung, wodurch die Freiheit der Kirche geschädigt würde, abbringe.
Über das heiße Ringen der Diplomaten, welches sich nun
in Königsberg um die Person des Kurfürsten erhob, bringen
die Akten meist Bekanntes: Die Bemühungen Lisolas, seinen
Rivalen d'Avaugour vom Hofe zu entfernen, den Schriftwechsel
zwischen der polnischen Königin und der Kurfiirstin-Mutter,
um ihren Sohn von den Schweden zu befreien. Interessanter
sind die Unterredungen des Nuntius mit d'Avaugour. Wir
lernen daraus die ganze Erbitterung der Franzosen über die
Einmischung des Hauses Habsburg kennen. So machte d'Avau-
gour kein Hehl daraus, daß Frankreich sich sofort mit Schweden
verbinden und die Waffen gegen den König von Ungarn er-
heben würde, sobald er Polen unterstützte, ja daß sogar aus
einem solchen Vorgehen des zukünftigen Kaisers ein euro-
päischer Krieg entstehen könnte. Auch über seine eifrigen
Werbungen bei dem Kurfürsten äußerte sich der französische
Gesandte in gleicher, unverhüllter Weise. Sie verfolgten nur
den Zweck, bei der Kaiserwahl dem Hause Habsburg die
brandenburgische Kurstimme zu entziehen, da dies nur zum
Schaden Frankreichs geschehen könnte und auf alle Weise
verhindert werden müßte. Auf Vidonis Einwendung, daß der
Kurfürst doch wie bisher in bester Freundschaft mit Frankreich
und Osterreich leben könnte und man ihm freie Wahl über
seine Kurstimme geben sollte, erklärte dies d'Avaugour für un-
mögUch, indem er einmal auf den verderblichen Einfluß Lisolas
auf den Kurfürsten hinwies, sodann aber an die Verpflichtung
Friedrich Wilhelms durch die französisch-brandenburgische
DefensivalUanz vom 24. Februar 1656 erinnerte, wonach er
seine Kurstimme nur mit Einwilligung Frankreichs abgeben
dürfte. Wohl nur ein Ausdruck der Höflichkeit gegen Roms
Vertreter war es, wenn am Schlüsse dieses inhaltreichen Ge-
spräches der geschmeidige Franzose meinte, daß die augen-
blickhchen und noch kommenden größeren Verwicklungen nur
durch den Papst gelöst werden könnten. — Dennoch mußte
d'Avaugour weichen. Am 22. August erfolgte der erste Schritt
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zur Annäherung zwischen Brandenburg und Polen, indem mit
Gonsiewski; dem Anführer der Httauisch-polnischen Armee, ein
Waffenstillstand abgeschlossen wurde. Einige Tage darauf zog
der Vertreter des allerchristlichsten Königs ärgerlich ab. — Viel
schwieriger als dieses Vorspiel, gestalteten sich die eigentlichen
politischen Verhandlungen am Hofe des Kurfürsten zu Königs-
berg und dann zu Wehlau, welche zum festen Bunde mit
Polen fuhren sollten. Die allgemeine Stimmung in Polen, wie
der Nuntius mitteilt, war für den Frieden mit Brandenburg,
da eine solche militärische Hilfe bei dem derzeitigen Stande
des Reiches nicht zu verachten sei. Auch für die freie Ge-
währung der Souveränität an den Kurfürsten sprachen sich
die meisten aus und nur der Großkanzler Korycinski hielt an-
fangs die Zustimmung des Volkes fUr erforderlich, dann gab
auch er nach. Große Sorge bereiteten dem Nuntius besonders
die zwei Forderungen der brandenburgischen Diplomatie,
welche die Abtretung Braunsbergs und Elbings aussprachen.
Sobald er von der ersten Forderung, Braunsberg anlangend,
Kunde erhalten hatte, setzte er alles in Bewegung, um sie zu
hintertreiben. Dem Erzbischofe von Gnesen, der ihm mitteilte,
daß Hoverbeck einen Vergleich dafiir angeboten habe, bemerkte
er, daß der heilige Stuhl niemals mit Ketzern Vergleiche schlösse.
Und nur um Gewißheit in dieser Frage zu erlangen, wendete
er sich noch an andere Persönlichkeiten, den Vizekanzler und
den Beichtvater des Königs, Carlo Soll. Auch die Abtretung
Elbings, welche der Kurfürst zum Ersätze für die Rückgabe
des Ermlandes erhalten sollte, befürchtete er. In Wirklichkeit
erfolgte dieselbe nicht. Die Ketzerstadt, wie der Gnesener Erz-
bischof zu Vidoni sich äußerte, welche von jeher der Krone
wenig ergeben gewesen, deren Wiedergewinnung viel Blut und
Geld kosten und auch zweifelhaft sein würde, sollte noch 40 Jahre,
bis 1698, Polen erhalten bleiben.
Über die Verträge von Wehlau und den darauffolgenden
von Bromberg erfahren wir nichts mehr von Belang. Die
Blätter des Nuntius beschäftigen sich in dieser wichtigen Zeit
mit der Person des französischen Gesandten Blondel, sein Vor-
gänger d'Avaugour war am 6. September 1657 gestorben, welcher
auf Drängen Lisolas und bei der gänzlich veränderten Stim-
mung am polnischen Hofe seine Pässe erhielt. Wir erfahren,
daß dies in besonders harten Ausdrücken vom Kronrate be-
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schlössen war, vornehmlich auf Anraten desErzbischofs von Ghiesen,
vom Könige selbst jedoch die Fassung abgeschwächt wurde.
Die Königin hatte dem Gesandten als Grund für diese Maß-
regel offen angegeben^ man wolle dadurch verhindern^ daß er
dem Kurfürsten Vorwürfe über seine jüngste Handlungsweise
machen könnte. Blondel beklagte sich bitter bei dem Nuntius
über seine Verabschiedung und man erkennt die ganze Sym-
pathie Vidonis für die Sache Frankreichs aus seiner Bitte, der
Gesandte möge nur ja nicht darüber nach Hause berichten
oder, wenn dies unumgänglich, in schonendster Weise. Blondel
meinte darauf, daß dies schon von anderer Seite erfolgen würde,
und stellte, seiner grollenden Stimmung entsprechend, der
nächsten politischen Zukunft ein recht trübes Prognostiken.
Es würde nicht leicht sein, meinte er, den König von Ungarn
in den Frieden einzuschließen, und ebenso würde Schweden
dem Kurfürsten große Schwierigkeiten bereiten. Wie weit
übrigens das Mißtrauen am polnischen Hofe gegen den fran-
zösischen Ränkeschmied ging, wird aus folgender Mitteilung
des Nuntius erkenntlich. Da Blondel selbst nach seiner Ver-
abschiedung Warschau nicht verließ, erblickte man in ihm
nur mehr einen Kundschafter für die Schweden und Johann
Kasimir bat den Nuntius, ihn zu beobachten. Vidoni verstand
es jedoch, unter einem Verwände sich diesem peinlichen Auf-
trage zu entziehen. Kurz darauf wird uns nochmals der unheilvolle
französische Einfluß, und zwar anläßlich der bevorstehenden
Kaiserwahl, vorgeführt. Der Kurfürst hatte noch keine Erklärung
über seine Stimme abgegeben, obwohl seine Neigung flir das
Haus Habsburg aus seinen vertraulichen Mitteilungen zu dem
polnischen Königspaare ersichtlich wurde. Danach wollte Friedrich
Wilhelm dem Könige von Ungarn seine Stimme geben, wenn
eine bestimmte Zusicherung der erbetenen Hilfe erfolgen würde,
und meinte auch, es wäre nicht gut, wenn ein Pensionär Frank-
reichs gewählt würde. Demgegenüber wußte jedoch Lisola
unserem Nuntius zu berichten, wie es noch seinerzeit d' Avaugour
gelungen war, den Kurfürsten zu überrumpeln. Er hatte ihm
nämlich die Versicherung abgerungen, keinem Feinde Frank-
reichs seine Stimme abzugeben und gleich darauf, zur größten
Verwirrung des Kurfürsten, der sich deshalb bei Lisola ent-
schuldigte, die Erklärung abgegeben, daß Frankreichs Feind
der König von Ungarn wäre.
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Hatte man also id Polen, wie aus alledem ersichtlich,
Frankreichs gefllhrliche Interessenpolitik richtig erkannt und
deren Vertreter endgültig abgewiesen, so war man andererseits,
besonders in den Kreisen des polnischen Adels, den beiden neuen
Verbündeten, den Österreichern und Brandenburgern, ebenso-
wenig zugetan. Die allezeit rührige Fronde, welche von jeher eifer-
süchtig über ihre ,Libertät' wachte, war mit der übergroßen Hin-
neigung des Königs zum deutschen Elemente nach den Tagen von
Wehlau und Bromberg durchaus nicht einverstanden. Diese
Unzufriedenheit kommt in einem Gespräche des Marschalls
Lubomirski mit dem Nuntius unverhüllt zum Ausdrucke. Der
Marschall beklagte sich, daß der König es zu sehr mit den
Deutschen und besonders dem Kurfürsten halte, und sprach
die Befürchtung aus, er ginge mit Ideen um, welche ihm von
den Jesuiten eingegeben seien und durch die ihre ,Libertät'
gefährdet würde. Nur mit Mühe gelang es Vidoni, den Führer
der Adelspartei ^von den guten Absichten Johann Kasimirs zu
überzeugen. Ebenso trübe ist das Stimmungsbild aus dem Ge-
biete Posen, welches uns der Nuntius über das Einvernehmen
mit den Österreichern gibt. Dort klagte der Adel bitter über
die geringe Unternehmungslust der kaiserlichen Truppen, welche
weder Thorn belagern wollten, noch zu einem anderen kriege-
rischen Vorgehen zu bewegen seien. — So schUeßen die Be-
richte aus dem Jahre 1657, trotz der großen Errungenschaften
dieses Jahres für die polnische Sache, mit einem grellen Miß-
klange ab.
Die Berichte aus dem folgenden Jahre verschaffen uns
besonders eingehende Aufklärung über dieses soeben angedeutete
unliebsame, gespannte Verhältnis zwischen Polen und dem
mächtigsten seiner neuen Bundesgenossen, den Österreichern.
Die inzwischen gänzlich veränderte politische Lage, hervor-
gerufen durch das nochmalige unerhörte Kriegsglück ihres ge-
meinsamen Gegners Karl Gustav, gibt zugleich eine Erklärung
für diese'^immerhin befremdende Tatsache. Noch im Sommer
des Jahres 1657 war der Schwedenkönig durch die Kriegs-
erklärung^ seines dänischen Nachbarn vom fernen polnischen
Schauplatze in seine nordische Heimat abberufen worden. Wie
vorhin Polen, so hatte er jetzt bald den neuen Gegner in
schnellem Siegeszuge niedergeworfen und stand nun wieder in
ungeschwächtem Glänze seiner Erfolge, als der alte Günstling
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der neidischen Fortuna^ vor den erstaunten Augen der damaligen
Welt da.
Während uns also hier der Schwedenkönig, wie auch bei
jeder anderen Gelegenheit, als der Held des kühnen Handelns
entgegentritt, verharrten die drei verbündeten Mächte, Polen,
Osterreich und Brandenburg, in tatenlosem Zuschauen, Erst
der Gedanke des KurfUrsten, den vormaligen schwedischen
Bundesgenossen, zu dem ja in der Tat das Bundesverhältnis
gelöst war, in Pommern anzugreifen, um ihm bei dieser Gelegen-
heit die seit dem Frieden von Münster verloren gegangene
Provinz wieder zu entreißen, machte das Verlangen nach einem
gemeinsamen kriegerischen Vorgehen gegen Karl Gustav rege.
Die Beteiligung Polens an diesem Unternehmen mußte im
eigensten Interesse Johann Kasimirs als gewiß gelten, wäre
doch dadurch der Schauplatz des Krieges aus seinem Lande
auf fremden Boden übertragen worden. Viel wichtiger und
geradezu unentbehrlich mußte jedoch die militärische Hilfe des
mächtigen Österreich erscheinen. In jene Schwierigkeiten nun,
welche auf polnischer und österreichischer Seite erwuchsen,
bevor der Wiener Hof aus seiner abwartenden Stellung zu
energischem Vortreten heraustrat, flihren uns die Blätter des
Nuntius ein. Aus einem der häufigen Gespräche Vidonis mit
der Königin entnehmen wir, wie weit am polnischen Hofe das
Mißtrauen gegen Österreich emporgewachsen war. Man nahm
da einfach an, Österreich und Brandenburg wollten sich mit
Schweden einigen, um eine Teilung Polens vorzunehmen, wobei
die Krone des Reiches an den König von Ungarn fallen sollte.
Andererseits sprach der österreichische General de Souches
unserem Gewährsmanne seinen Unwillen über die Machen-
schaften der Königin aus, welche ganz von den Franzosen ge-
wonnen sei. Auch in Wien, wo man ihr Treiben wohl erkannt
habe, sei die Königin sehr unbeliebt und Lisola sei nur deshalb
in Ungnade bei Hofe gefallen, weil er ihre Gesinnung als eine
dem Kaiserhofe sehr ergebene hingestellt habe. Mit diesen
beiden bedeutenden Persönlichkeiten, der ehrgeizigen polnischen
Königin, welche an der Seite ihres schwachen, unbedeutenden
Gemahls in Wirklichkeit das Reich regierte, und dem unermüd-
lich tätigen, hochbefähigten kaiserlichen Gesandten beschäftigen
sich recht eigentlich unsere Blätter. Wir werden in die Kämpfe
eingeweiht, welche Lisola gegen die Vertreter Frankreichs zu
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bestehen hatte^ deren Einfluß am polnischen Hofe, hauptsächlich
durch die Begünstigung der Königin und ihres Anhanges,
wieder erstarkt war. Luise Marie hatte sich gänzlich den Inter-
essen einer österreichischen Politik entfremdet, die Königin und
mit ihr der polnische Adel wünschten vielmehr die Entfernung
des verhaßten deutschen Bundesgenossen aus dem Lande und
durch Frankreichs Vermittlung den Frieden mit Schweden.
Hauptsächlich gegen diese alte, uns wohlbekannte Vermittler-
idee durch den gefährlichen Nebenbuhler erhob sich Lisola und
erklärte, das ganze Friedensgeschäft werde durch Frankreichs
Vermittlung gestört und schon aus diesem Grunde könne man
nicht die deutschen Truppen, wie es die Polen wünschten, aus
ihrem Lande entfernen.
An dieser Forderung, Frankreich aus dem Spiele zu lassen,
hielt derGesandte fest, andererseits stellte er sogleich 10.000 Mann
österreichischer Truppen flir den Marsch nach Pommern in
Aussicht, sobald die ausbedungene Summe von 100.000 Talern
dafür gezahlt worden sei. Vidoni teilt uns die Erregung mit,
welche diese offene Erklärung des kühnen Mannes bei dem
polnischen Königspaare und seiner Umgebung erweckte. Der
Schwächling Johann Kasimir geriet darüber in kindische Ent-
rüstung, gab Lisola zu verstehen, daß er es nicht mit einem
Knaben zu tun habe, die Vermittlung Frankreichs sei bereits
angenommen, die 100.000 Taler wolle er nicht zahlen^ viel-
mehr den Österreichern die Quartiere entziehen. Dem Nuntius
gegenüber sprach er sich noch in schärferer Tonart, den
törichsten Drohungen aus: man solle ihn nicht zum äußersten
reizen, von Warschau bis Wien sei kein weiter Weg und er
werde gegen Schlesien die Tataren und Kosaken loslassen!
Weit geftlhrlicher als diese ohnmächtigen Zomesausbrüche ihres
Gemahls waren die Umtriebe, welche die Königin selbst zu-
gunsten Frankreichs, gegen Lisola und die Deutschen ins
Werk setzte. In Wort und Schrift wirkte die ränkesüchtige
Frau in diesem Sinne auf die Großen des Reiches, Laien und
Geistliche, ein, so daß das Gerücht sich verbreitete, entweder
müsse die Königin von den Deutschen großen Verdruß erlitten
oder von den Franzosen große Versprechungen erhalten haben.
An der Spitze ihres Anhanges finden wir Lubomirski, den
Marschall des Reiches. Selbstsüchtige Zwecke verbanden ihn
mit der Königin, hegten beide doch die Hoffnung, nach dem
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Abzüge der Deutschen den schwachen Johann Kasimir nach
Willkür beherrschen zu können^ und in dieser Absicht ver-
breiteten sie auch die abenteuerlichsten Qerttchte über die
Deutschen: daß sie die Krone erstrebten, sich mit Gewalt der
festen Plätze des Landes bemächtigen wollten u. a. m. Wie
gewöhnlich trat Lisola energisch diesen offenen Feindseligkeiten
entgegen. In einer vertraulichen Unterredung mit dem Nuntius
drohte er mit seiner Abreise, da es nicht in Österreichs Inter-
esse liegen könnte, für jemanden zu kämpfen, der sich seinen
Feinden in die Arme geworfen hätte. Die Vermittlung Frank-
reichs ziele darauf hinaus, daß die Franzosen den Schweden
das Qeld für den Verlust Preußens geben und Frankreich durch
Mitwirken der Königin einige feste Plätze erhalte. Aus dem-
selben Berichte, welcher diese bedeutsame Unterredung enthält,
lernen wir noch einen zweiten Gegner der Königin und ihrer
Bestrebungen kennen, den Erzbischof von Gnesen. Lesczynski
war Air ein Festhalten an dem Bunde mit Österreich und dem
Kurfürsten und erklärte dementsprechend Frankreichs Vermitt-
lung für unannehmbar. Jedoch dürfte er der Königin diese
Meinung nicht offen bekennen und es sei jede Mühe vergeblich,
da in Wirklichkeit nur sie im Reiche regiere. — Lisolas Dro-
hungen hatten den gewünschten Erfolg. Der Nuntius stellte
dem Königspaare die Gefahr eines Bruches mit Österreich vor
und wurde infolgedessen nochmals zu dem kaiserlichen Ge-
sandten geschickt, um ihn zum Verbleiben zu bewegen. Mit
Mühe gelang diese Mission, ja, Vidoni konnte sogar dem Er-
ztLrnten einen neuen Vertragsentwurf abringen; wahrscheinlich
mtlssen wir darunter jene Idee Lisolas verstehen, wonach man
die Kurfürsten des Reiches auffordern sollte, die Vermittlung
bei den Verhandlungen zu übernehmen.
Noch lange jedoch, bis zum August des Jahres 1658,
sollte es währen, bevor die mühsame Errungenschaft Lisolas, auch
von dem gewünschten Erfolge, einem gemeinsamen kriegerischen
Vorgehen der Verbündeten gegen Schweden, begleitet wurde.
Die Demütigung Dänemarks, besiegelt durch den Rothschilder
Frieden, 27. Februar 1658, hatte Karl Gustavs Macht und ün-
überwindlichkeit von neuem so drohend erstehen lassen, daß
alle feindlichen Unternehmungen gegen ihn gelähmt wurden.
Der niederschmetternde Eindruck dieses Ereignisses mit seinen
voraussichtlichen Folgen tritt uns auch in den Berichten ent-
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gegen. Lisola teilte dem Nuntius seine Besorgnis mit, daß nun
wohl der Kurfürst wieder den Schweden sich anschließen würde,
zumal der französische Gesandte an dessen Hof zurückgekehrt
wäre und dann sein eigener Herr, der König von Ungarn,
ganz verlassen dastehen würde. Er bat daher den Nuntius,
in gutem Sinne auf den König einzuwirken, damit solches
Unheil verhindert werde. Es ist lehrreich, bei dieser und
anderer Gelegenheit zu erfahren, wie wohl bekannt Vidoni der
mächtige, oft unheilvolle Einfluß der Königin auf Johann Kasimir
war. So äußerte er auch jetzt, daß der König wohl nichts
ohne den König von Ungarn unternehmen würde, aber niemand
bürge ihm dafür, daß nicht etwa dennoch die Königin, wie es
fast immer geschehen, ihren Gemahl für die Vorschläge Frank-
reichs gewinnen könnte. Auch über die eigentlichen Absichten
der Schweden und ihrer Helfershelfer, der Franzosen, dachte
der Nuntius nicht weniger scharf und pessimistisch als sein
politischer Vertrauter Lisola. In seinen Berichten an die Kurie
hat er daraus kein Hehl gemacht. So schrieb er über die
angeblichen Friedensbestrebungen dieser beiden Mächte etwa
folgendes: Er fürchte, daß die Franzosen und Schweden nur
deshalb die Polen zum Frieden bewegen wollen, damit sie so-
dann den König von Ungarn durch einen Angriff auf Deutschland
zur Rückberufung seiner Truppen nötigen könnten, so daß schließ-
lich auf diese Art Polen zum Frieden gezwungen sein würde.
Es sind dies die letzten Nachrichten von größerem poli-
tischen Interesse. Die Berichte des Jahres 1659 beschäftigen
sich fast ausschließlich mit dem Ermlande, und zwar dem
äußeren Zustande dieses Bistums. Wir erhalten eine lebhaft ge-
färbte Schilderung von dem materiellen Elende, welches über
das unglückliche Land durch die Last der unausgesetzten Ein-
quartierung fremder Truppen, der Brandenburger und Oster-
reicher, hereingebrochen war; kurze, interessante RückbUcke
werden auch auf die vorausgegangene kurfürstliche Verwaltung
des kirchlichen Gebietes geworfen, welche bei unserem Bericht-
erstatter sich keiner sehr anerkennenden Kritik zu erfreuen hat.
Im ganzen können wir sagen, daß sich auch in diesem letzten
Teile der Berichte manche neue und wertvolle Angaben über
das Ermland finden, wodurch selbst die vorhin erwähnte umfang-
reiche Monographie Kolbergs über die Zustände des Landes
in dieser Zeit, eine erfreuliche Ergänzung finden dürfte.
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Was die äußere Form der Veröffentlichung anlangt^ so habe
ich mich vöUig an das bewährte Muster ähnUcher Arbeiten auf dem
gleichen Gebiete der Herausgabe von Qesandtschaftsberichten
gehalten. Als vorbildlich maßgebend sind mir da besonders die
beiden mehrfach erwähnten, umfangreichen Werke von Pribram
,Die Gesandtschaftsberichte Lisolas' und , Venetianische Depeschen
vom Kaiserhofe' erschienen. Dementsprechend habe auch ich
den eigentlichen Berichten des Nuntius ein kurzes Regest vor-
ausgeschickt und dann die Akten in meist unverkürzter Form
folgen lassen. Ebenso habe ich an der veralteten^ zeitgemäßen
Orthographie des Berichterstatters die übUchen Veränderungen
vorgenommen und besonders seine oft sinnentstellende Interpunk-
tion nach den Anforderungen des modernen Satzbaues umge-
schaltet. Die wenig zahlreichen Gegenschreiben, abgefaßt vom
Kardinal Staatssekretär Rospigliosi und seit dem 22. April 1657
wie ein Kanzleivermerk besagt, von dem Kardinal Chigi, habe
ich geglaubt, in die Anmerkungen verweisen zu dürfen, da sie
meist nur belanglose Antworten auf Anfragen des Nuntius und
kurz gefaßte Instruktionen für ihn enthalten.
Die Berichterstattung Vidonis ist ruhig und maßvoll^ sein
Stil im ganzen klar und deutlich, jedoch muß zur Beurteilung
seiner Sprache hervorgehoben werden, daß gerade bei den
prägnantesten Gelegenheiten, im Zwiegespräch mit den Gesandten,
einer wahren Fundgrube seiner politischen Anschauungen, seine
Worte ebenso gedankentief wie schwer verständUch für uns
sind. Einen eifrigeren und gewissenhafteren Berichterstatter
als diesen päpstlichen Vertreter konnte man sich kaum wünschen.
Hat er doch selbst zu verschiedenenmalen, wenn es sich in
seinen Depeschen um nebensächUche Dinge oder seine eigene
Persönlichkeit handelte, in Rom geradezu um Entschuldigung
gebeten, da er es sich zur Aufgabe gemacht habe, nichts, was
die hiesigen, das heißt polnischen Dinge angehe, zu verschweigen.
Und wahrUch, diesen Grundsatz, über alles, was bei diesem
Welthandel für das Wohl und Wehe Polens und die Machtfrage
der katholischen Kirche in Betracht kam, die Kurie zu unter-
richten, hat er in glänzender Weise durchgeführt. In gleicher
Weise hat dieser emsige und scharfe Beobachter seine Auf-
merksamkeit den beiden kriegführenden Mächten und dem
ganzen damaUgen Europa, welches so reich an dem neuen
Weltenbrande beteiligt war, zugewendet Vidonis Blätter geben
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über die kriegerischen Ereignisse und die Diplomatenhändel
den genauesten Aufschluß^ hinter dem polnischen Eönigspaare,
dem Kurfürsten, den Gesandten sehen wir aber auch mit nicht
geringerem Interesse die Gestalt des gewaltigen Protektors von
England vor uns auftauchen, vernehmen wir von dem kräftigen
Echo, welches der schwedisch-polnische Zweikampf bei den
Holländern, Russen, Dänen, ja dem Türken erweckte. Aber
auch Fragen, welche erst im Rahmen einer großeuropäischen
Politik ihre Wichtigkeit erlangten, so die Stimmung der Fürsten
im Reiche und die Nachfolge in Polen, fanden bei Vidoni die
gleiche volle Berücksichtigung, wie alle Angriffe, welchen die
katholische Kirche in dem Gebiete seiner Nuntiatur ausgesetzt war.
Über die Ereignisse selbst, soweit sie kriegerischer Natur
waren, berichtet unser Gewährsmann in knapper und schlichter
Form. Zweifel an der Glaubwürdigkeit seiner Nachrichten,
welche ihm oft aus Danzig überbracht waren, pflegt er durch
Wendungen wie ,vogliono molti^, ,se fusse vero' oder ,bei ihrer
Wichtigkeit müßte man noch nähere Kunde abwarten', zum
Ausdrucke zu bringen. Erst im Gespräche mit den fremden
Gesandten, bei Wiedergabe der Stimmung im Lande und bei
Hofe lernen wir in ihm den gewandten Diplomaten aus der
ersten Schule Europas, Rom, und den scharfen Kenner von
Menschen und Verhältnissen schätzen. Seine Rolle ist stets die
des beschwichtigenden Vermittlers zwischen den Parteien, doch
mit äußerster Vorsicht gespielt, um nur ja nicht die eigene
Persönlichkeit und mit ihr die päpstliche Sache dem öffentlichen
Urteile preiszugeben. So hat er, um nur einige Beispiele an-
zufiihren, bei dem fortgesetzten nationalen Hader zwischen
Polen und Österreichern gehandelt und nicht anders suchte er
auch die stürmischen Angriffe und Beschuldigungen der ehr-
geizigen polnischen Großen gegen ihren Herrscher zu beschwich-
tigen. Dem schwachen, als die Katastrophe hereingebrochen,
von allen verlassenen Johann Kasimir gehören seine ganzen
Sympathien an und er führt dessen Sache, da man den König
allein ftlr den Zusammenbruch des Reiches verantwortlich
machen möchte. Als es dann später galt, die Österreicher zu
Verbündeten für Polen zu gewinnen, ist der endliche Erfolg
wohl nur dem vermittelnden Einflüsse eines so feinen Menschen-
kenners wie Vidoni zu verdanken, der am besten mit den
beiden hervorstechenden Charaktereigenschaften des Königs,
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seiner Schwäche und den jähzornigen Ausbrüchen eines heiß-
blütigen Temperamentes, zu rechnen wußte. Nur seiner weisen
Mäßigung im Gegensatze zu dem leidenschaftlichen Toben des
Königs gelang es ja, wie wir gesehen haben, Lisola zum Ver-
harren auf seinem schwierigen Posten zu bewegen und dann
vereint mit ihm zum Ziele ihrer Wünsche, zum Abschlüsse
des Bundes zu schreiten.
Wie ihm die guten Eigenschaften und die Schwächen des
polnischen Herrschers wohl bekannt waren, so hatte er sich
auch ein richtiges Bild von der ganz anders gearteten, kraft-
vollen Persönlichkeit seiner ehrgeizigen Gemahlin gemacht.
Ihre unermüdliche Tätigkeit, die hohe politische BefUhigung
dieser geborenen Herrschematur, welche sich ihm in ihren langen
Unterredungen genügend oflfenbart, hebt er gebührend hervor
und weist auch manche Beschuldigungen gegen sie als nicht
gerechte oder nicht erwiesene Tatsachen zurück, so besonders
den Vorwurf ihrer zu großen Franzosenfreundlichkeit. Anderer-
seits unterläßt er es bei keiner Gelegenheit, auf den übermäch-
tigen, oft verderblichen Einfluß hinzuweisen, welchen diese
eigentliche Herrscherin auf dem polnischen Throne über Johann
Kasimir auszuüben wußte, und gerade in den letzten Partien
der Berichte, als die politische deutschfeindliche Wandlung der
Königin sich vollzogen hatte, wollen die Klagen des päpstlichen
Vertreters über ihr unberechenbares, zerstörendes Vorgehen
gar kein Ende nehmen.
An anderer Stelle schon ist daraufhingewiesen, mit welchem
nicht unberechtigtem Mißtrauen Vidoni die hin- und herschwan-
kende PoHtik des Kurfürsten Friedrich Wilhelm verfolgt hat.
Im ganzen kann man auch hier sagen, daß sein Urteil über
ihn, dem ganzen Charakter seiner Berichterstattung entsprechend,
ein maßvolles und besonnenes ist. Er bekundet oft seine
Zweifel, ob die Absichten des Kurfürsten ehrlich gemeint sind,
doch tritt er andererseits als wahrheitsliebender Chronist Nach-
richten, welche ihm zu unverbürgt erscheinen, mit offenbarer
Kritik entgegen. Bei einem Vertreter der Kurie wird es uns
auch nicht besonders befremden, daß Vidoni seine Befriedigung
darüber ausspricht, ein persönliches Zusammentreffen mit dem
Ketzerftirsten, welches wohl auf der bekannten Zusammenkunft
Friedrich Wilhelms mit Johann Kasimir in Bromberg unver-
meidlich gewesen wäre, durch sein Fernbleiben vermieden zu
ArchiT. XCY. Band. I. H&lfl«. 3
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haben. — Viel schlimmer als über den Kurfürsten ist an ver-
einzelten Stellen seine Meinung über die Bewohner der Ketzer-
stadt Danzig. Da mutet er den Danzigern nicht nur zu^ daß
sie die Anwesenheit des Polenkönigs, ihres Herrschers in den
Mauern ihrer Stadt, dazu benützen könnten, von ihm Vorteile
für sich zu ertrotzen, sondern er glaubt sogar Johann Kasimir
durch seine Gemahlin wai'nen zu müssen, daß sein Leben von
den Danzigern bedroht sei. Diese Verdächtigungen des Nuntius
gegen die alte Hansestadt wird man als unbegründete zurück-
weisen müssen. Hat doch im Gegenteile die Forschung nach-
gewiesen, daß gleich ihren Vorfahren, auch bei diesem mäch-
tigen Anstürme gegen das Polenreich die Danziger sich als
getreue Untertanen des Königs von Polen bewährt haben,
allerdings nicht, wie wohl bekannt, aus idealen Gründen der
Hingebung für die polnische Sache, sondern weil sie als kluge
Realpolitiker längst erkannt hatten, daß unter diesem schwachen
Zepter ihr mächtig aufblühendes Gemeinwesen die größten Vor-
teile zu gewinnen hatte. — Hingegen verdient Vidonis scharfes,
abfälliges Urteil über die Nation, zu welcher Rom ihn entsendet
hatte, nämlich die polnische, anerkannt zu werden. Oft genug
klagt er über die politische Unfähigkeit der dortigen Diplo-
maten, welche so manche günstige Gelegenheit zur Förderung
der polnischen Sache ungenützt vorübergehen ließen und nie-
mals seinem Rate gefolgt seien, und von den militärischen Eigen-
schaften der Polen denkt er so gering, daß er einmal meint;
sie wären weder imstande Krieg zu führen, noch den Frieden
zu machen. Nur ein notwendiges Ergebnis, dieser geringen
Wertschätzung der eigenen Kräfte, welche das Land zur Ver-
fügung hatte, entsprechend, ist denn auch die politische Auf-
fassung des Nuntius über die Lage des Reiches eine durchaus
pessimistische und zu verschiedenen Malen finden wir die Be-
fürchtung eines allgemeinen Zusammenbruches bei ihm aus-
gesprochen. Ebenso entspricht es nur dem Geiste der Zeit,
wenn der Nuntius in den ersten Kriegsjahren, da die glänzenden
Waffenerfolge der Schweden bei den Polen den alten Glauben
wieder aufkommen ließen, daß ihre Gegner mit dem Teufel im
Bunde kämpften, allen Ernstes in Rom anfragte, ob er zur
Bannung des bösen Dämons vor der Feldschlacht dem Ein-
zelnen oder dem ganzen polnischen Heere den päpstlichen
Segen erteilen dürfe.
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Wie er sich hier von der Macht seines Glaubens und des
Oberhauptes der katholischen Kirche überzeugt ausspricht, so
hat er sich auch als ein stets wachsamer Anwalt Roms bewährt,
wenn es galt, die Güter der Kirche vor Ansprüchen der Ketzer
zu schützen oder irgendwelche Erfolge der Glaubensfeinde zu
verhindern. Bei zahlreichen Fällen, welchen wir an anderer
Stelle nähergetreten sind, so in der ermländischen Frage, den
Vorgängen in der Stadt Posen u. a. m., hat Vidoni gezeigt, daß
die Kurie in ihm den richtigen Vertreter für jene schweren,
kriegerischen Zeiten nach Polen gesendet hatte, einen Rufer
im Streite, einen Führer der Ecclesia militans. — Hier möchte
ich nur noch zum Schlüsse zwei Gelegenheiten anfUhren, bei
welchen die Stellungnahme des Nuntius in Machtfragen der
Kirche so recht zum Ausdrucke kommt. Anläßlich des Todes
des Erzbischofs von Gnesen, der ihm eine unersetzliche Stütze
war, kommt er auf den einen der Kandidaten für die Nach-
folge auf diesem höchsten Kirchenstuhle in Polen zu sprechen,
nämlich den Bruder des Verstorbenen, den Bischof von Erm-
land. Er erkennt in ihm die gute Gesinnung an, vermißt aber,
nnd das ist für ims das Wesentliche, bei ihm diejenigen Eigen-
schaften, welche ein so hoher Kirchenfürst in den bewegten,
schweren Zeiten seiner Meinung nach haben müßte: ,fe certo,
che h un buono Sig'®, e che le di lui parentele lö renderanno
molto stimato, mk non vedo poi in lui quei spiriti, che si richie-
derebbono in questi tempi e per gl' accidenti che potessero darsi,
e per conoscere gl* artifitii de laici, e contrastare la mira, che
hanno in teuer bassi gV ecclesiastici/ Der andere Fall gehört
der ermländischen Frage an. Vidoni hatte von dem Gnesener
Erzbischofe vernommen, daß der Kurfürst durch seinen Unter-
händler Hoverbeck für die Abtretung Braunsbergs einen Ver-
gleich angeboten habe, worauf der Nuntius bezeichnend genug
bemerkte: ,daß der heilige Stuhl niemals mit Ketzern Ver-
gleiche schlösse'.
3»
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1. Warschau^ 1655 Mai 9.
Ankunft eines Danziger Abgesandten, welcher den König
um Hilfe bittet gegen die von Schweden drohende Gefahr.
Sono giä alcuni giorni, ch' h qua giunto un sindico della cittk
di Danzica per rappresentar & S. M. i sospetti, che s' hanno
in quella cittk dell'armi Suezzesi, e discorrere il modo della
diffesa^ chiedendo perciö licenza di potere dimandar aiuti alle
cittk Ansiatiche, al rä di Danimarca^ et k gl' Olandesi^ e la
M. S. r hk benignamente compiacciuto per questa volta sola, e
per la detta occasionC; anzi paremi d' udire, che si sia da S. M.
stessa scritto in qnesta conformitk alli due ultimi; et a V. S. Hl"*
per fine faccio riv**.
2. Warschau, 1655 Mai 15.
Störung und Überfall einer Jesuitenmission zu Villamova
im Herzogtume Preußen während der Osterzeit durch die dor-
tigen Lutheraner, Der Nuntius wird den König hei der
nächsten Audienz ersuchen, an den Kurfürsten von Branden-
burg zu schreiben, damit die Schuldigen strenge bestraft wer-
den, was umsomehr erforderlich sei, da nach dem Lehensver-
trage des Herzogtums der katholischen Kirche freie Religions-
ausübung verbürgt sei.
3. Rom, 1656 Juni 19.
Gegenschreiben des Staatssekretärs Rospigliosi^ an den
Nuntius. Der Papst sei über den bedauerlichen Vorfall in
Villamova betrübt, zugleich aber durch das Versprechen des
polnischen Königs, die Schuldigen zu bestrafen, getröstet.
4. Warschau, 1655 Juni 13.
Aufbruch des Woiwoden von Lenczica, polnischen Ge-
sandten, zum Schwedenkönige. Friedensversicherungen des
' Der spätere Nachfolger Alexanders YII. unter dem Namen Riemens IX.
In dieser Zeit flihrte er die auswärtigen Geschäfte der Kurie. Vgl.
Bänke, Die römischen Päpste, 8. Buch, S. 37 ff.
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schwedischen Gesandten Koch in Danzig. Trotzdem Rüstungen
der Danziger.
H & Palatino di Lancicia ^ destinato per li trattati di Sve-
zia se n'h partito alla volta di Danzica con nobile comitiva
per portarsi poi k queUa parte, dove le sark fatto intendere,
che si sia incamminato quel rh. Scrivono frk tanto di detta
cittk, eh' il Kochi agente, ö ministro di Svezia ivi faavesse fatto
sapere k quel magistrato, ' che Y armi del suo rh non fussero
per voltarsi ne contro quella cittk, ne contro il regno, e ch' il
medesimo fuss' anco stato scritto k grelettori deirimperio: mk
ciö non ostante conti nuava la stessa cittk con gran sollecitu-
dine le fortificationi dentro e faori, et oltre k certo buon nu-
mero di militia pagata, havevano descritto 50™ persone per
valersene in caso d' attacco, e speravano di potersi difendere.
6. Rom, 1655 Mai 16,
Schreiben des Staatssekretärs Rospigliosi an den Nuntius^
betreffend die Schmähschrift des ermländischen Kanonikus
Johannes Markiewicz, betitelt: Scandalum expurgatum in lau-
dem instituti societatis Jesu.' Der Papst hat dem Nuntius be-
fohlen, die Verbreitung dieses Buches gegen die Jesuiten zu
verhindern.
6. Warschau, 1655 Juni 20.
Empfangsbestätigung dieses Schreibens vom 15. Mai. Hat
dem Könige darüber Bericht erstattet und zugleich die Erz-
bischöfe und Bischöfe seiner Nuntiatur aufgefordert, die Ver-
breitung dieses in Danzig gedruckten Buches zu verhindern.
7. Warschau, 1655 Juni 20.
Nachricht aus Danzig über Rüstungen in der Stadt und
in ganz Preußen gegen die Schweden: e che anche li abbati
* Johann von Lesczynski. Die Abreise der Gesandtschaft aus Weichsel-
münde, erfolgte nach Damus am 24. Juni.
" Vgl. über diese Mission Kochs an den Rat der Stadt Danzig Damus, Der
erste nordische Krieg bis zur Schlacht bei Warschau, in der Zeitschrift
des westpreußischen Geschichtsvereins 1884, Heft YII, S. 23. Damus,
1. c, S. 25.
» Gedruckt zu Danzig im Jahre 1664. Vgl. Lukaszowicz, Historisch-stati-
stisches Bild der Stadt Posen, Bd. 2, S. 155.
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d' Oliva, e di Peplino ^ Cisterciensi havessero in ordine piü di
500 fanti per guardar la spiaggia del mare in confine de loro
beni; e che si stava pure con incertezza & quäl parte fussero
per incaminarsi^ e qualch' ano diceva, che potessero andar
contro il principe di Neuburg* e di Ik regolar poi le risolu-
tioni conformi & i successi.
8. Warschau, 1655 Juni 27.
Aufregung in Danzig über das Nahen von 16 fremden
Schiffen, Es stellte sich jedoch heraus, daß es französische,
auf der Fahrt nach Königsberg begriffene, waren,
9. Warschau, 1655 Juli 9.
Fortgesetzte Rüstungen der Danziger, trotz der erneuten
Friedensversicherung Kochs,
10. Warschau, 1655 Juli 26,
Kochs Bitte um Neutralität an die Danziger, Schreiben
des Königs an die Stadt Friedensversicherungen Kochs,
Nel principio della settimana passata comparvero lettere
del magistrato di Danzica dirette al lor secretario qui resi-
dente, * che gli significavano, come il Coqui (sie!) ministro di
Svezia le havesse k nome di quel rh fatto istanza della neutralitk,
e ch' essi havevan risposto, c' haverebbero fatta consideratione
sopra la di lui dimanda, la quäle havendola participata quk, et
essende stati esortati da S. M^ di rimaner costanti nella difesa,
ch' essi gli havessero poi data risposta di non poter compiacerlo
per haverne ricevuti di quk ordini in contrario di che egli moströ
qualche senso, e massime, c' havessero participato il fatto con
S. M. Doppo s' fe detto ch' il medesimo Coqui sia stato ad assi-
* Pelplin.
' Philipp Wilhelm Herzog von Pfalz-Neuburg, der bekannte Gegner des
Kurfürsten von Brandenbarg Schwager Johann Kasimirs.
• Zu dieser Zeit wirkten nach Damus, 1. c, S. 24, Anm. 4 die bei-
den Sekretäre der Danziger, Barkmann und Schlakow, am Hofe; des-
halb ist nicht ersichtlich, an wen das Schreiben des Rates gerichtet
war, wahrscheinlich aber, wie Damus S. 25 mitteilt, an die beiden Ge-
schäftsträger. Barkmann werden wir noch öfters begegnen.
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curarli, che non sark in alcun modo molestata quella cittk, ne
impedito il trafico del mare.
11. Warschau, 1665 Juli 26.
Angelegenheit des ermländischen Kanonikus Markiewicz.^
Der Papst hat nach reiflicher Erwägung den Markiewicz be-
gnadigt, der König hat sich jedoch gegen die Rückkehr des
Kanonikus nach Preußen ausgesprochen.
12. Krakau, 1655 August 29.
Persönliches. Große Ergebenheit des Königs gegen den
Papst, ersichtlich aus der Ehrung des Nuntius.
Mk non dovo gik tacere k V. S. 111™* V honore che S. M. si
degnö fare alla S** di N. S^® nella mia persona, mentre uscit' io
di carrozza per riverirlo, com*h6 detto, egli sbalzö da cavallo
per sentirmi attione che ffi da tutti quei S. S" ministri ammirata,
come non mai piü pratticata ne da rh suoi antecessori, ne
da lui stesso con altri nuntii, e che tutto confennerk la sua
gran riverenza verso di S. B.; che spero n' udirk con gusto
Tawiso, mentr'io etc.
13. Eom, 1655 August 28.
Gegenschreiben, betreffend Angelegenheit des Kanonikus
Markiewicz.
II canonico Markiervirkz(^«ic.9 non potrk per adesso ritor-
nare in Polonia, e N. S''® provederk opportunamente k gl' in-
convenienti, de come accenna V. S. Jll™* da ciö facilmente ri-
sulterebbero.
14. Warschau, 1655 August 16.
Politik des Kurfürsten von Brandenburg. Anerbieten an
den Bischof von Ermland. Beurteilung desselben durch den
König. Ansicht des Nuntius über die Lage des Reiches.
Die Sache ist sehr wichtig, welche der Bischof von Ermland^
geschrieben, wegen des Einverständnisses zwischen Schweden und
* Siehe die Nummern 5 und 6. Vgl. über Markiewicz und seinen er-
bitterten Streit gegen die Jesuiten Lukaszewicz, 1. c, S. 147 — 166.
* Wenzel Lesczynski.
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dem Kurfürsten e per il passo concessoli (dem Kurfürsten)
con tanta facilitk, e perch^ ricevendosi da Monsig' quelle piazze
non se ne impadronissero, e non si potessero cacciare und um-
somehr, da man meint, das Bistum ist ihm von Schweden zu-
gesagt. Es ist zweifelhaft, ob dies Angehot ehrlich ist. Der
Nuntius wird mit dem König sprechen. Der König hat ihm sein
Mißtrauen gegen den Kurfürsten ausgesprochen, der unter dem
Vorwande, daß das Bistum nicht von Schweden besetzt werde, es
selbst willy^ mk si stimano d'accordo, e vedrk la congionta di
un canonico di Varmia. lo dubbito che si perda tutto il regno.
15. Heilsbergy 1655 August 1,
Schreiben des Bischofs von Ermland an den Nuntius.*
Teilt das Anerbieten des Kurfürsten mit, Ermland unter seinen
Schutz zu nehmen, in Braunsberg und anderen Orten Besatzung
zu legen. Will darauf keine Antwort erteilen, bevor er nicht
des Königs Ansicht kennt. Bitte um Schutz. Eigenhändige
Unterschrift Venceslaus de Lesnfe.
16. Warschau, 1655 August 16.
Stimmung des Königs, Fluchtgedanken. Vertrauen zum
Papste. Sendung des Abtes Makoski nach Rom? Der König miß-
traut seinen Polen, da Vertraute ihm gesagt, es sei unmöglich,
Geld zu schaffen. Viddi il rfe molto abattuto, h piü travagliato,
e parlando dell' ambasciatore percosü, disse, forsi converrk fug-
gire, et andare io k Roma. Der König setzt sein ganzes Ver-
trauen in den Papst und hat den Nuntius gefragt, ob die Sen-
dung des Abbate Makoski Erfolg haben würdef^ Der Nuntius
antwortet, der Papst betrachte die Sache wie seine eigene,
17. Krakau, 1655 August 29.
Der Großmarschall * mißt die Schuld dem Könige am Kriege
bei. Warnung vor dem Adel. Gestern legte der Nuntius dem Groß-
* Vgl. Urkunden nnd Akten 7, S. 377 und die Verhandlungen zwischen
Brandenburg und Schweden bis zum Abbruche der Stettiner Traktaten
S. 878—395.
" Siehe die Nr. 14.
* Aus den Akten ist nicht ersichtlich, ob diese Sendung wirklich er-
folgt ist.
* Georg Lubomiraki. Vgl Damus, 1. c, S. 19 über den Anspruch Johann
Kasimirs auf den Titel , König von Schweden*.
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marschall die Sache ans Herz und bat, daß er mit seinen
Leuten den König unterstütze. Dieser antwortet: di haver ii
regno questa guerra per causa del rh, il quale non hk mai vo-
luto fare a modo del conseglio de senatori con lasciare il titolo
di rh di Suetia, e che hk trovato nelle diete piccole grand' ad-
herenza k Suetesi, hk perö detto alla regina, che il rfe si pro-
veda di soldatesca pagata perche puo dubbitar molto della
nobiltk.
18. KrakaUy 1655 August 29.
Nachrichten über den König und die Königin,
Der König, aus Furcht verlassen zu werden, will flüchten.
Der Nuntius billigt den Entschluß, da nach dem Verluste
des schwachen Heeres König und Reich geliefert seien. Die
Königin ist sehr tätig, mi tenne quattr' höre seco und vertraut
auf den Papst.
19. Krakau, 1655 September 4,
Aufbruch des Königs von Lowitz, Verdacht des Hochver-
rates gegen den Erzbischof von Gnesen.^ Bitte, diese Ange-
legenheit in Rom geheimzuhalten.
Der König ist von Lowitz aufgebrochen, nachdem ein
parente des Erzbischofs von Gnesen hier mitteilt, daß der
König von Schweden komme. Als sich dies nicht bestätigte,
hatte der König Verdacht, daß der Erzbischof dies absichtlich
getan, damit die Soldaten aus seiner Stadt ziehen, oder daß
er mit den Schweden geheim verhandle. Man erzählt, er habe
an ihren General sehr höflich geschrieben: e che non si saria
combattuto, senon con anni de vassalli e cortesia, e tutto
qaesto vien scritto da un segretario confidente del rh al gran
maresciallOy e V awisa ancora come si era fatta speditione di
persona per trattare con il vk di Suetia con lettere di S. M*^;
che ne mandö copia, e dice essersi pur scritto all' elettore di
Brandenburgh. Der Nuntius will nicht an den Verrat glauben
und bittet die Königin, dies Mißtrauen aufzugeben, da man
sonst dadurch dem Reiche den letzten Stoß versetzen würde.
Supplico V. S. 111°»*, che N. Sig'® nel discorso col Sig^ cardinale
* Andreas Lesczynski. Über die Vorgänge in Lowitz vgl. Damus, 1. c,
S. 28.
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Orsino e ministri di S. M** non mostri di havere quei avisi
che non piacessero k S. M*^ che si sapessero. La lettere con
il nome tagliato h del confessore di S. M*^.*
20. Bielau, 1655 August 28.
Heillose Vertvirrung in und um Lowitz, Schwache Hoff-
nung^ daß ein Heer zusammenkommen werde.
21. Krakau, 1655 September 4.
Fernbleiben des Adels vom Heere. Gerüchte über den
König und Mißstimmung gegen ihn. Politik des Kurfürsten
von Brandenburg.
Der Adel kommt nicht zum Heere, weil die Kunde verbreitet
ward, daß der König tot e che era scassato qui il tesoro, e
levate molte gioie und der Erzbischof von Gnesen komme, um
einen andern König zu krönen. Auch hätte man das Reich ohne
ihr Wissen dem Kaiser angetragen, al che non incUnavano molti,
e che erano gik privi della Hbertä. Si dolgono molti che il
r& non l'ami e stimi, e che non curi di perdere se stesso per
perderli loro, e che habbia sempre nudrita la guerra per im-
poverirli. Mormorano, e pochi si mostrano affettionati al ri,
in modo che deve guardarsi piü da nemici interni, che dalli
esterni e per questo si puö sempre dubbitare di peggio. Aus
Warschau hört man, der Kurfürst wolle una certa provisione
dem Bischof und Kapitel von Ermland gehen, das Bistum an
sich nehmen, aber die katholische Religion freilassen.
22. Krakau, 1655 September 11.
Neuer Verdacht gegen den Erzbischof von Gnesen. Der
Nuntius wird an ihn schreiben.
Die Königin erzählt dem Nuntius, daß, als die Schweden
nach Lowitz wollten, begab sich ein kalvinischer Verwandter des
Erzbischofs per ottenere salvaguardia, mk fu persuaso di andare
dal vh di Suetia il quäle gli domandö dove fosse, e che havria
desiderato di havere trattato seco la pace. Dadurch Mißtrauen
bei den Majestäten und auch der Nuntius findet es seltsam,
* Carlo Soll, dessen Schreiben uns noch öfter begeben werden.
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daß ein Prälat mit Ketzern verhandeln will. Der Nuntius wird
ihm schreiben^ damit der Erzbischof erfährt^ xoas er wissen muß,
23. Krakau, 1656 September 11.
Unzuverlässigkeit des Adels. Verdacht gegen den Erzbischof
von Gnesen.
Der sotto segretario des Königs hat erzählt^ daß man be-
fürchten kann^ der unzufriedene Adel liefere den König dem
Feinde aus oder setze ihn selbst gefangen. Jemand, der Diens-
tag av^ dem Lager kam, teilt mit, man müsse dem Erzbischof
von Onesen sehr mißtrauen. Der König von Schweden und
Ragioschi^ fossero banchettati in Loviz in seinem Namen und
das Kastell ihm übergeben.
24. Krakau, 1655 September 18.
Verhalten des Adels im Palatinate Krakau, Anklagen
gegen den König,
Der Adel des Palatinats Krakau hat sich beim Nahen des
Feindes zuriickgezogerij unter dem Vorwande, Krakau zu schützen.
Für die gesamten letzten Vorfälle macht man den König verant-
wo^*tlich, da er nicht angreife und sich als erster zurück-
ziehe. Wenn dies wahr wäre, sei es nur aus Mißtrauen gegen
den Adel geschehen, der die Gelegenheit benütze, ihn zu verlassen.
25. Krakau, 1655 September 18.
Unterredung zwischen dem Erzbischof von Gnesen und dem
Nuntius, Mißtrauen der Königin und vieler gegen den Erz-
bischof Der Erzbischof von Gnesen habe ihm erzählt, was
zwischen seinem Verwandten und dem König von Schweden sich
ereignet. Er habe nur dem Wunsche des Königs entsprochen,
mit ihm zu verhandeln, und sei jederzeit bereit, wenn sein König
und die Republik damit einverstanden wären. Der Erzbischof
ist sehr erregt durch die Zweifel des Königs und die Gerüchte
über ihn. Der Nuntius sagt: che questo era il bersaglio, al
quale erano sottoposti i grandi della sua positione. Viele miß-
trauen ihm, da er hergekommen, um sich der hier befindlichen
^ HieronymoB Radziejowski, ehemaliger polnischer Unterkanzler, zu Karl
Gustav übergetreten, an dessen Hofe er eine große Rolle spielte.
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Krone zu bemächtigen. Zwischen der Königin und dem Erz-
hischof besteht immer mehr Mißtrauen; der Nuntius bemüht
sichy es zu bekämpfen.^
26. Nissa, 1655 Oktober 12.
Anfrage der Königin in Wien. Unbeliebtheit der Königin
daselbst.
Die Königin hat um Gemächer für sich und ihren hiesigen
Hofstaat gebeten. Man hat darüber in Wien angefragt, wo
man ungehalten ist über die vielen Franzosen^ die hierher vor-
ausgekommen. Die Königin, da sie in Frankreich geboren, sei
imbevuta delle massime di Richelieu et hanno sin detto^ che
per il fatto di Arras* facesse la regina cantare il Te Deum k
Varsavia nella sua cappella mk non credo fosse vero.
27. Nissa, 1655 Oktober 14.
Rückkehr und Bericht des polnischen Unterhändlers am
Kaiserhofe. Persönliche Gefahr des Nuntius. Der Unter-
^ Das vorliegende Material ergibt keine genügende Klarheit darüber, ob
in Wirklichkeit ein Treubruch des höchsten Kirchenfürsten im polni-
schen Reiche stattgefunden hat Verschieden beurteilt wird allerdings
bezeichnenderweise die Gesinnung Lesczynskis gegen sein angestammtes
Herrscherhaus bereits in der zeitgenössischen Literatur; so hebt Ko-
chowski, I. c, S. 61 Lesczynskis Treue gegen Johann Kasimir besonders
hervor, als er von dem schmählichen Abfalle der polnischen Großen
von ihrem Könige nach der Einnahme Krakaus im Jahre 1655 spricht:
,Primas Regni Andreas Lesczynski Nyssae aut Glogoviae agebat;
Casimiro consiliis et fortuna indivulsus/ Rudawski dagegen meint an-
läßlich des Ablebens des Erzbischofe, 1. c, S. 415: ,er sei dem Könige
und der Königin feindlich gesinnt gewesen, wie sich dies am besten
zur Zeit des polnischen Interregnums gezeigt habe. Lesczynski, da-
mals Vizekanzler des Reiches, sei ein Anhänger des österreichischen
Thronbewerbers Karl Ferdinand gewesen und habe dringend die Ge-
fangennehmung Johann Kasimirs verlangt, was auch sicher geschehen
wäre, wenn Karl Ferdinand erwählt worden wäre*.
* Wahrscheinlich ist die Schlappe gemeint, welche im französisch-spani-
schen Kriege am 25. August 1654 Turenne bei Arras den belagernden
Spaniern unter Erzherzog Leopold Wilhelm und Cond6 beibrachte. Vgl.
Heeren und Ukert, Sammlung; Schmidt, »Frankreich* 4, S. 170 und
Cheruel, ,La France sous Mazarin* H, Cap. V. Über die Persönlichkeit
und die politischen Bestrebungen der Königin Louise Marie vgl. Ur-
kunden und Akten 8, S. 267 ff., Einleitung.
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händler^ beim Kaiser ist zurückgekehrt und berichtet: Che S. M*^
Cesarea non si fidi del rfe, come che dubbiti non tratti sinceramente,
e molto meno delle Offerte de Polacchi^ sapendo molto bene, che
gran parte di essi sono avversi dal suo dominio e che perciö
habbi caro di vederli affatto destituti per potere poi meglio sog-
gettarli con V armi. Auf dem Wege nach Wisnitz haben die
Soldaten des Königs ihn in die Hände der Schweden bringen
wollen^ aber er habe Gott sei Dank eine andere Straße gewählt.
28. Glogau, 1655 Oktober 26,
Der Kurfürst von Brandenburg in Danzig. Schwedische
Gesandtschaft an ihn. Militärische Pläne des Kurfürsten. Ab-
sichten der Schweden gegen Thom.
Per via di Danzica s' fe inteso ch' il S. elettore di Brande-
burgo haveva chiesto il passo k quella eittk* per portara dal
suo marchesato nella Prussia ducale cod Tarmata ad effette di
difender non solo questa, mk anche la provincia reale, e che
sebene da principio fh difficoltato, che dopoi gli fusse stato
concesso, anziehe fasse stato nella medesima cittk di Danzica
lautissimamente banchettato da quel magistrato, e che vi fusse
comparso un' ambasciatore del rfe di Suezia * con tri punti, ciofe
per intender ciö che designasse di far S. A. del suo esercito, che
dovesse andar k prendere V investitura dellä Prussia ducale da
quella M*^, e che gU consegnasse due fortezze sul mare Baltico,*
onde che ne rimanesse grandemente sdegnato, et havesse subito
spedito alla M*^ Ces» sopra le dette propositioni, e che anche S. A.
^ Johannes Lesczynski Graf von Leszno. Über die Verhandlungen der
Polen am Kaiserhofe vgl. Radawski, Historiamm Poloniae ab excessu
Poloniae Vladislai IV, lib. IX, ib. lib. VI, S. 206 und Pribram, Die Be-
richte des kaiserlichen Gesandten Franz von Lisola aus den Jahren
1665—1660, Einleitung, 8. 18 und 110.
* Vgl. über diese Verhandlungen des Kurfürsten mit Danzig und seinen
Aufenthalt dortselbst Damus, l. c, S. 38, .89.
' Die Nachricht, daß ein schwedischer Gesandter zur Zeit der Anwesen-
heit des Kurfürsten in Danzig, nach Damus am 23. September 1655, er-
schienen sei, findet sich in keiner andern Quelle.
^ Pillau und Memel. Bereits die Verhandlungen zu Stettin im August
dieses Jahres waren durch das Versagen dieser beiden wichtigen Plätze
von Seiten des Kurfürsten gescheitert. Siehe Erdmannsdörfer, 1. c,
S. 230.
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havesse chiesto k Mons' Vescovo di Varmia di poter passare per
quel suo vescovato, e ch' k tal effetto fasse ordinato, ehe s' accom-
modassero i ponti, e che quaodo gli fasse negato, non poteva
di meno di non pigliarselo. — Altre lettere di Danzica portano
che 1' elettore di Brandeburg gik campeggiasse per la Prnssia
reale, offerendo k quelle cittk il suo presidio/ che veniva
rifiutato, mentre si retrovavano ben proviste, mk ch' in Brusberga
cittk del vescovato di Varmia ve V havesse messo per forza. —
Sono State intercette alcune lettere d' officiali Suedesi, dalle quali
s' fe raccolto c' habbino mira di sorprender la piazza di Turonia
in Prussia, dove perö s'fe spedito avviso che stijno vigilanti.
29. Glogau, 1655 Oktober 27.
Der Beichtvater des Königs sagt, dessen Flucht habe den
schlechtesten Eindruck gemacht. Ein Gesetz bestimmt, wenn der
König das Reich verläßt, sind die Vasallen des Eides ledig;
also die Folgen dieses Schrittes bedenklich, denn der König von
Schweden wird schon die Gelegenheit benutzen.
30. Glogau, 1655 Oktober 27.
Unterredung des Nuntius mit dem kaiserlichen Residenten. *
Essendomi veduto con il S. residente di S. M. Ces», non
hö potuto dimeno di non stendermi seco, per quanto il tempo
m' hk concessO) nel significarle cosi generalmente, che ben mi
maravigliamo come S. M. C. non havesse preso risolutione sopra
le propositioni portatele, e che doveva haver per indubitatO;
c' hormai era forzoso k questi S. S" di pensar k casi loro, e che
riccorrendo ad altri, potessi darsi caso, che b non fusse, ö non
divenisse suo poco amico, e dove con la guerra d'un paro di
mesi havria potuto assicurare la religione catolica, se stesso, e
r altri con tanto suo vantaggio, gli converria far una guerra
perpetua con incertezza di quelle gli possa succedere, e che
non sapevo vedere com* adducesse il timore di non rompere
* über die Verhandlungen mit den westpreußischen Ständen siehe be-
sonders Damus, 1. c, S. 40; Lengnich, Geschichte des polnischen Preußens
Vn, 140 ff. und Urkunden und Akten VH, 395 ff.
2 Nach Pribram, »Lisola*, S. 104, 1. c, Johann Morando Girardin, Resident
am Warschauer Hofe.
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la pace con la Suezia, ^ mentr' essa non hk havuto rispetto
d' invader il regno senza sua saputa, e d' entrarvi non chiamato,
che perö molto piü poteva entrarvi S. M. C, ch' era chiamata
e pregata. Non ha potuto non approvare il mio discorso, anzi
m'ha detto d'haver quasi scritto il medesimo, e pur di non ne
ricevere risposta; il che hö voluto riferire a V. S. 111°** perche
riconosca di non pretermetter io tutto cio che stimo possa con-
ferir al ben pubUco etc.
31. Glogau, 1655 Oktober 27,
Bericht des Kastellans von Sochoczowia * über Karl Oustav,
seine Stellung zur katholischen Kirche, sein Heer^ Charakteristik,
Verhalten zu den Polen. ^
II castellano di Sochoczowia tomato ultimamente dal rh di
Suezia, e del quäle havrk V. S. 111™* congiunto il discorso fat-
tole* m' ha riferito V avversione grande ch' egH habbi non solo
alla religione catolica, mk ad ogn^ altra setta fuori che alla sua
luterana^ che niuna cosa maggiormente desideri^ che di veder
in alcuno delli ecclesiastici piü conspicui qualche notabil errore,
perche da questo si indegno esempio ne succedessero quei
scandali^ che si prometterebbe dall' indulgenze delle disolutezze.
Confido nella M*^ di Dio, che non sia mai per riuscirle, e me
n' assicura la pietk loro, e V esser tutto fiiori del regno. Non
innoverk egli per hora in materia di chiese e monasteri cos' al-
cuna per quanto si dice, mk vacando, ne distribuerk Y entrate k
8U0 piacere, e che non sia per permettere, che si vestano in
avvenire monachi. La militia sua h poca e mal in ordine, mk
tanto ubbidiente per il rigor militare, che ben spesso molti,
benche per cosa leggiera, vengono condannati alla morte, et
egli nelle quereile dell' insolenze che usano risponde, non ve-
* Frieden zu Münster.
' Adam Brochowski, Kastellan von Sochoczowia, wurde als Abgesandter
mit FriedensYorschlägen zu Karl Gustav geschickt, als die Schweden
Ende September 1655 vor Krakau lagen. Vgl. Kochowski in seinem
^Annalium Poloniae climacter Wy S. 58.
' Vgl. die Charakteristik des Schwedenkönigs bei Pribram, ^Lisola',
S. 120 ff.
* Diese Ansprache des polnischen Unterhändlers an Karl Gustav findet
sich bei Kochowski, 1. c, S. 58.
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dete quant' io ne procuri il rimedio nelle giustitie, che s' ese-
quiscono, benche la vera cagione non proceda da questo, mk
dalle trasgressioni militari, che punisce con ogni maggiore ri-
gore; ch'il r& aspiri e mediti gran cose, come che speri di non
incontrare chi se le opponga, esser avidissimo della gloria^ mk
altre tanto inimico del fasto e della pompa, ne haver egli la-
sciato di tentar la sua fede, come fk con grand' arte, e pro-
messe con tutf i Polacchi che trattano seco, k quaU usa ogni
Sorte di cortesia e di confidenza per renderseli benevoli, ben
conoscendo, che V acquisto del regno non consista nel spatio
materiale del paese, mk neirafFetto de sudditi etc.
32. Glogau, 1655 November 2.
Erklärungen Viscontis ^ über die Stimmung am Kaiserhofe.
Visconti sagt, der Kaiser wolle Hilfe leisteUj aber zuvor
die Kurfürsten fragen. Er mißtraut den Polen und wünscht,
daß sie nichts von der Hilfe wissen. Im Vertrauen sagt er dem
Nuntius: che vi sia io quella corte poco concetto del re, che
non applichi, e che piü toste inclini k Francia. Die Königin
ist unbeliebt und die Kaiserin^ habe ihr übelgenommen, daß
sie nicht geschrieben, als sie in ihr Reich kam.
33. Glogau^ 1655 November 8.
Visconti in Ungnade.
Der König hält Visconti troppo partiale di casa d' Austria,
wird deshalb nach Frankfurt gesendet
34. Oppeln, 1655 November 15.
Stimmung am Kaiserhofe gegen Polen. Furcht vor Schwe-
den. Üble Lage des Königs.
* Visconti, polnischer Resident in Wien.
' Im Widerspruche zu dieser Angabe, daß die Kaiserin gegen die Königin
während ihres Aufenthaltes in Glogau verstimmt gewesen sei, findet
sich bei Kochowski, Annalium Poloniae climacter n, S, 37 die Nachricht,
daß Marie Louise von allen Seiten Trost zugesprochen wurde, zuerst
von Seiten des Kaisers, dann aber auch ,Eleonora imperatrix Ludovicam
Reginam ex Gonzagarum stirpe affinem sibi, similiter in eo infortunio
solabatur'.
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Von einem österreichischen Offizier, der viele Beziehungen
ZV/m Kaiserhofe habe, hat der Nuntius erfahren, daß man nicht
nv/r nicht an Hilfe für Polen denkt, sondern auch den König
ungern im Reiche sieht, aus Furcht^ die Schweden könnten
herkommen, ihn zu fangen, oder es könnte Krieg daraus dem
Kaiser entstehen, ^ Der Nuntius hat den König gebeten, in sein
Reich zurückzukehren^ doch fürchtet er sich, von neuem ver-
raten zu werden, und würde nach Preußen gehen, wenn er des
Kurfürsten sicher wäre.
35. Oppeln, 1655 November 22.
Mißstimmung gegen den König. Schreiben des Kurfürsten
von Brandenburg,
Der Qrofikanzler berichtet über die schlechte Stimmung
gegen den König, Alle wollen ihn verlassen, falls er mit den
Schweden abschließt. Auch herrscht Unwillen, da er nichts den
Offizieren zahlt. Schreiben des Kurfürsten an den König, er
sei sein Freund, wünsche, daß er mit dem Kaiser verhandle,
au^h seien noch die Engländer als Hilfe zu hoffen.
36. Oppeln, 1655 November 25.
Intriguen der österreichischen Befehlshaber in Schlesien
gegen den König. Klagen des Königs darüber. Die Komman-
danten der Österreicher verbreiten das Gerücht, daß schwedische
Reiter anrücken, damit der König das Land verlasse, und
machen ihm auch sonst Unannehmlichkeiten. Der König ist
darüber empört, er beklagt sich bei dem Nuntius über den
Kaiser. Der Nuntius beschwichtigt ihn und glaubt, daß es nur
Übereifer der Offiziere sei, fürchtet aber, daß schlechte Berater
ihn beeinflussen, indem sie ihn zu überreden versuchen, ins Reich
zurückzukehren, woher er mit so viel Schaden geflüchtet.
37. Ologau, 1655 Dezember 4.
Klagen des Königs über den Kommandanten von Oppeln.
^ Vgl. Über die Beweggründe, von welchen der Kaiser sich in seiner
Politik den Polen gegenüber leiten ließ, anter anderem die Einleitung
bei Pribrams ,Lisola' and über die Stimmnng in Wien nach der Flacht
Johann Kasimirs auf schlesisches Gebiet vgl. Urkunden und Akten 7,
S. 421 £E:
ArohiT. XCV. Band. I. H&lfte. 4
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Der General Spose hat dem Klhitge einen Brief des Kaisers
gezeigt, worin in gewisser Art befohlen wird, den König nicht
in Oppeln zu lassen. Alles dies ist aus Furcht geschehen, mit
Schweden zu brechen.
38. Glogau^ 1655 Dezember 4.
Verhaftwng des Profossen(f) von Weichsdmünde wegen Hoch-
verrates,
Era stato fatto prigione in Danzica il provosto della lan-
terna^ per intelligenze con rVrangel,* onde da quello si cre-
deva di scoprir mold altri affettionati al partito Suedere, e pro-
vedere all'intiera sicurezza di qaeUa cittk.
39. Ologau, 1655 Dezember 13.
Abzug Wrangeis von Danzig. Bestätigung der Nachricht,
betreffend den Hochverrat in Weichselmünde. Schreiben Danzigs
an den polnischen König.
40. Glogau, 1655 Dezember 18.
Scrivono di Danzica la ritirata da quel mare del general
Vrangel senz' alcun fi'utto, e che si fusse lasciato intendere di
tornar in prima vera con maggiori forze, e confermano la car-
ceratione di quel prevosto con due altri, uno de quali di qual-
che conditioni, perche havessero corrispondenze pregiudiciali
^ Die ^Laterne* war nach Hobarg, ^Geschichte der Festungswerke Danzigs',
8. 121 ein gemauerter runder Turm, dessen oberer Teil als Leuchtturm
eingerichtet war, und daher erhielt dieser stark befestigte Punkt des
alten Blockhauses Weichselmünde die obige Bezeichnung. Ob nun unter
dem ,Provo8to della Lantema* einer jener Kommandanten der Festung,
welche Hoburg, ib. S. 120 für unsere Zeit aufführt, angenommen wer-
den dürfte, läßt sich schwer sagen. Pierre des Nojers, Sekretär der polni-
schen Königin, spricht einmal in seinen ,Lettres* S. 198 von dem ,fort de
la Lanteme*, in welchem die Danziger den schwedischen General Steen-
bock gefangenhielten. Über diesen Hochverrat ,dans le fort de Meinde*
berichtet er S. 36. Vgl. auch Rudawski, Hist. Poloniae. Lib. VI, 8. 226.
' Karl Gustav Wrangel, schwedischer General, blockierte mit der Flotte
den Hafen von Danzig seit Anfang September des Jahres 1666. Vgl.
Damus, 1. c, 8. 39.
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col Sttdetto generale,^ che seguitarano tuttavia le fortificationi
con li qnali si rendeva hormai inespugnabile la piazza. B ma-
gistrato die quella cittk hk scritto k 8. M. lettere di grandissimo
ossequio^ dichiarandosi ohe se le conservark fidelissimo per
sempre.
41. Glogauy 1655 Dezember 13.
Das Defensivbündnis in Rinsk mit den westpreußischen
Ständen und nochmals die Forderungen Karl Gustavs an den
Kurßirsteii.
Se bene sotto li 22 passato inviai k V. S. 111°^ le con-
ventioni ßtabilite fra il Ser"® di Brandeburg e li SS" stati di
Pmssia* tuttavia essendo stati rimessi qui per la confermatione
di S. M*' in miglior forma, lo stimato bene di rimetterli di
nuovo, havendomene favorito Mons'^ arcivescovo ' e S. M'^ col
parere de senatori s' h compiasciuta confermarli con aggiunta
per6 d'alcuna cosa come s'annota in margine. Da essi vedrk
y. S. 111°^ quanto in questa occasione si siano mostrati quei
SS" palatini zelanti della religione catolica della preservatione
de beni ecclesiastici e del rispetto dovnto k Mons' Vescovo di
Varmia: onde stimo che S. B. se ne rallegrerk molto nella con-
tinuatione de travagli, che per tant' altri infelici successi di
queste parti lo molestano, et essendomi anche capitate le di-
mande, che si dissero gik fatte dal r^ di Suezia all' elettore
sudetto, e per le quali ne rimase tanto alterato le ne mando
pur copia, perche N. S" resti intieramente informato di tutte
quelle occorrenze, che ooncemono la notitia di questi affari.
42. Krosno, 1656 Januar 9.
Kriegsnachrichten, Gerücht von dem bevo^'stehenden Bunde
zwischen dem Kurßlrsten und Schweden. Polnische Gesandt-
Schaft an den Kurfürsten, Itinerar des Nuntius.
^ Eine Bestätigung dieser Nachricht findet sich auch ^ei Noyers, 1. c,
S. 55. Dat. Glogau, 17. Janaar 1656. Noyers selbst hatte die Danziger
darüber verständigt, zur Zeit, als er in Paris war.
' Das Bündnis wurde zwischen dem Kurfürsten und den Ständen am
12. November 1656 zu Rinsk geschlossen.
* Der Erzbischof von Gnesen, Primas des Reiches. Der Inhalt des Ver-
trages bei V. Mömer, Kurbrandenburgische Staatsverträge, S. 192 ff.
4*
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Doppo Timpresa fatta da Saezzesi della cittä di Tiironia
in Prussia senz' alcun spargimento, di sangae delle parti ^ s' era
qael r^ * incaminato verso Eibinga, mk dubitando^ che V ac-
quisto gli potesse riuscir dif&ciley procurava per via d'accordo
la resa et intanto il palatino di Marienburgo' s'era messe in
buena difesa con haver presidiato la cittk^ e fortezza di 4000
persene, risoluto in caso d' attaeco di difendersi sin' all' ultimo
spirito. — Alcune lettere di Prussia portano come il Ser"** di
Brandeburg pensasse all' aggiustamento con i Suezzesi, onde di
qua se le spedisse k rappresentarle il stato presente delle cose,
e per divertirlo da simile risolutione tanto pregiudiciale k se
stesso, et k tutti.* Der Nuntius hat am 18. Dezember 1655 in
Begleitung des Königs Glogau verlassen^ um sich über Ungarn
wieder nach Polen zu begeben. Sehr gefährliche Reise wegen
der angeschwollenen Flüsse, des Schnees und der räuberischen
Bewohner der Berge Ungarns.^
43. Krosno, 1656 Januar 9.
Berichte Viscontis und des päpstlichen Nuntius aus Wien.
Ansichten Vidonis über die Hoffnung für Polen, vom Kaiserhofe
Hilfe zu erhalten, Bitte, den Nuntius in Wien zur Beharrlich-
keit anzufeuern,
Le lettere deUi 15. passato di Vienna dels' residente
Visconti avvisano d' haver egli ricevuto da S. M. Ces» una lunga
audienza e d' haverle rappresentato in conformitk delle instrut-
tioni ricevute, tutti i mottivi, e ragioni, che meglio poterano
persuaderlo k porgerci i sospirati aiuti, e che S. M*' Ces* si
havesse fatto gran riflesso^ e dettole che informasse i suoi mi-
nistri^ e ne dasse scrittura^ e fk sperare che finalmente S. M.
Ces* sia per disporsi k consolarci^ mk ritenend'io lettere da
* Die Einnahme Thoms erfolg^ am 4. Dezember 1666. Siehe Erdmanns-
dörfer, L c, S. 240.
■ Karl GußUy.
' Graf Jakob Weiher, Woiwode von Marienborg.
* Über diese Yerhandlnng^n zwischen Brandenburg und Schweden, welche
am 17. Januar 1666 zum Abschlüsse des EOnigsberger Vertrages führten.
Siehe unter anderen bei Pribram, ,LisolaS 1. c, S. 130 ff.
' Vgl. die Reiseschilderung des Danzigers Barkmann durch dasselbe
Gebiet bei Damus, L c, S. 60 &
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quel Mons'® nuntio^ delli 13 che mi significano come prima di
prender altra deliberatione si volevano aspettare le risposte
del rh di Suezia sopra la mediatione proposta non sapevaperö
che frutto potessero portare i nnovi ufBcii da passarsi dals^ Pa-
latino di Laneicia che sperava la prima audienza k 20 del
passato^ il che stimo piü probabile, anzi lo dissi gik k S. M.
perchfe non vorrk S. M. Ces* nello stesso tempo esser media-
tore e collegato delle parti. La tardanza per6 ci rende sempre
maggiori pregindicii^ e senza V aiuti forastieri, dabito ch' alla
fine non sark possibile V awanzarsi k gran cose^ tanto piü se
si yerificasse che Telettore di Brandeburgo sia per aggiustarsi
con li Suezzesi. II secretario del detto S' palatino che h stato
da Mona' nnnzio e ch' haveva gik introdotto qualche negotiato
m' awisa scoprirsi rilevanti oppositioni k nostri desiderii, e perö
snpplioo V. S. 111"* continuare al stesso Mons' nunzio li ordini
per non desistere dalle sae rigorose istanze, gik che li aiuti
di S. M. Ces^ possono assicurar meglio la religione catolica di
quelli d' ogn' altro principe per i rispetti che saran noti all' in-
finita prudenza di V. S. Hl"».
44. Lancut (Lamuta), 1656 Januar 17,
Der Kwrßirst verbündet sich nicht mit Schweden. Elbing
hält sich. Damig versichert seine Treue und rüstet fort,
Le lettere di Prussia portano come il Seren"** di Brande-
burg non si fusse poi aggiustato con li Suedesi^ che Elbinga
si difendesse tuttavia bravamente, sebene il r^ di Suezia ha-
veva Ordinate k tutti li suoi capi, che per li 12 del corrente
tutti si ritrovassero con le loro truppe sotto quella piazza. La
cittk di Danzica intanto oontinuava il suo armamento^^ e fk
assicurare S. M. col mezzo del suo secretario residente della
costanza della sua fedeltk^ e divotione.
45. Lancuty 1656 Januar 17,
Letzter Bericht des Palatins von Laneicia aus Wien: Die
Aussichten auf Hilf e sind nicht größer geworden; er verzweifelt
^ Karl Cara£fa, päpstlicher Nuntias in Wien.
' Ober die umfassenden Verteidigungsanstalten in Danzig zu dieser Zeit
vgl. Damus, 1. c, S. 58 ff.
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dennoch nicht, sondern wartet heisere Gelegenheit ab. Vorschlag,
Frieden mit dem Moskounter zu machen, um ihn gegen Schweden
auszuspielen, ^
46. Lancut, 1656 Januar 24.
Einnahme Elhings. Schlappe der Schweden durch die
Brandenburger. Bauernaufstand in Samogitien und Livland.
Die Absendung seiner Post hat sich verzögert • . ., et essendo
comparsi awisi di Prussia dal magistrato di Danzica della resa
d' Eibinga k Suedesi,* e che questi doppo fussero stati grava-
mente battuti d'airarmi dell' elettore di Brandeburgo, ne porto
k V. S. 111™* r avviso, che se si confermerk, sara considerabile.
Der Aufstand der Bauern in Samogitia und Livonia^ gegen
die Schweden und gegen ihre eigenen Herren, die salvagardie Sue*
tesi besitzen.
47. Lancut, 1656 Januar 24.
Berichte des Nuntius in Wien und des Palatins von Lan-
cicia über die geringen Aussichten auf Hilfe. Ansichten bei
den Polen darüber.
Verwunderung darüber, daß trotz der Audienz am ver-
gangenen Freitag beim Könige auf Befehl des Papstes noch
keine Antwort erfolgt sei. Daraus ist Unschlüssigkeit zu ent-
nehmen. Der Nuntius in Deutschland^ teilt am 5. mit, daß
kein Erfolg trotz der erneuten Verhandlungen mit dem Gesandten
von Spanien ^ und dem Fürsten von Ausperg * zu verzeichnen ist.
B S^ Palatino di Lancicia, che per s' affatica con 1' aso della
sna prudenza^ et applicatione^ scrive di sperar tanto poco^ che
^ Der Gzar Alexei Michailo witsch hatte bereits im April 1664 den Krieg
gegen Polen begonnen. Als natürlicher Nebenbuhler Schwedens in
der Angriffspolitik gegen das schwache polnische Reich lag fQr die
polnischen Diplomaten der Gedanke sehr nahe, mit dem einen der
Gegner Frieden zu schließen und dadurch einen Verbündeten gegen
Schweden zu gewinnen.
' Elbing ergab sich am 20. Dezember 1655.
' Vgl. unter anderen Damus, 1. c, S. 62.
* Karl Caraffa.
^ Der Marchese von Gastel Rodrigo.
• Job. Weikhard, Fürst von Auersperg. Vgl. über ihn Pribrams »LisolaS
Einleitung, S. 30.
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non se ne possa far alcun capitale, onde V. S. BI"^ puol bene
considerare il grave sentimento col quäle qui se ne rimane ve-
dendosi abbandonati da quella parte dove piü si confidava, e
che si stimava la piü interessata in qaesta causa commune. Li
discorre qui, che possa attribuirsi alla poca salute in che si
trova S. M. C, e che per ogni accidente non vorria lasciar la
8ua casa con simil imbarazzo, et altri, che convenga, che pensi
k i soccorsi di Fiandra e di Milano,^ in modo che minute le
sue piazze de frontiera, non possa haver gente k bastanza di
por in campagna, con tutto ciö pare ch' il debellare questo com-
muDe nemico potesse esser piü vantaggio di quell' August"** casa,
e ch'appunto adesso se ne dovesse assicurare, e quanto all'in-
Yiar i detti aiuti, che questo saria un facilitar V acquisto de
suoi stati al nemico, il quäle V intraprenderk maggiormente per
divortirlo del disegno, e per corrispondere k suoi confederati,
e non voglia Dio se ne vedano presto averati i pronostici.
48. Lancut, 1656 Januar 24,
Ältere Damiger Nachrichten über Vorgänge hei der Ein-
schließung Elbings durch die Schweden.
Di Prussia non vi sono lottere, che assai vecchie, le quali
riferiscono, come havendo la cittk d' Eibinga inviati due suoi
deputati al vh di Suezia, li teneva egli come arestati, non vo-
lendoli rilasciare, se prima non ricevevano il di lui presidio, la
cittk di Danzica perö non solo li haveva esortati alla difesa,
mk gli haveva anche esebito aiuti per farlo maggiormente, che
perö s'attende con desiderio il seguito.
49. Lammtj 1656 Januar 24,
Klagen des Königs über den Kaiser, In Glogau sei eine
Schrift, worin eine Einladung des Adels enthalten, daß der
König zurückkehre^ im Hause des Druckers mit Beschlag be-
legt worden. Der König hat mit Senatoren über die eoentuelle
Ankunft der Königin gesprochen. Diese haben geraten, sie zu
verschieben, da die Straßen unsicher sind. Der Nuntius glaubt.
^ Es sind die Trappen gemeint, welche der Kaiser znr YerfQgang auf
dem Kriegsschauplatze des noch immer fortgehenden Kampfes gegen
Frankreich haben mußte.
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weil sie befürchten, daß der König mehr auf den Rat der
Königin als auf den ihrigen hören würde.
50. Laneut, 1666 Januar 28.
Gesandtschaften an den Kurfürsten, damit er sich nicht
mit Schweden verbünde, Besorgnis^ daß der Kurfürst sich an
Schweden anschließe, da ihm in Wien die Hilfe verweigert
XDurde.
AI Seren™'* elettore di Braüdeburg si sono fatte varie spe-
ditioni per rimoverlo dai peDsieri, ^ che potesse havere d' aggiun-
tarsi con la Suezia, e se le fk sperare la congiuntione di quest' armi
alle sue. — Sfe inteso di Vienna eh' il Seren"** di Brandeborg
havesse chiesti 6000 fanti k S. M. C. per aiuto delle sue trappe,
e che gli fussero stati negati,* il che tanto piü fk temere, ch'elli
non prenda partito d' aggiustarsi con la Snezia.
51. Samhor, 1656 Februar 8.
Kunde von dem Königsberger Vertrage,
Einzelheiten fehlen. Man hört, daß der Kurfürst den
Schweden seine beste Mannschaft zu Fuß und Reiter zur Ver-
fügung stellt,^ dafür ihm Ermland abgetreten wird. Doch
wartet man auf sichere Kunde,
52. Sambor, 1656 Februar 8.
Abreise des Palatins von Lancicia aus Wien unverrich-
teter Sache. Schilderung der verzicei feiten Stimmung hier in-
folgedessen, besonders da durch den Bund des Kurfürsten mit
Schweden die Feinde noch mächtiger sind,
53. Sambor, 1656 Februar 8.
Klagen des Königs über den Kaiser und Ansicht des
Nuntius über die Gefahr einer polnisch- schwedischen Annähe-
rung gegen den Kaiser,
^ Vgl. über die Gesandtschaft Johann Kasimirs an den Kurfürsten za
dieser Zeit bei Droysen, Geschichte der preußischen Politik O j, S. 246
und Urkunden und Akten 2, S. 75.
* Ober die Versuche des Kurfürsten, den Kaiser zur Hilfe gegen Schweden
zu bewegen. Vgl Urkunden und Akten VII, 440 ff.
» 1500 Mann. Mörner, l. c, S. 196 ff.
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Unwillen gegen den Kaiser, da er keine Hilfe sendet und
die Polen schlecht behandelt werden. So wurden einige in
Schlesien an die Schweden ausgeliefert und enthauptet; dem
Bischöfe von Kulm,^ der sich in Oppeln aufhielt, sei gesagt
worden, daß er wenn er nicht abreise, ausgeliefert würde. Der
Nuntius solle sofort an den Nuntius in Wien schreiben und,
wenn keine Genugtuung erfolgt, conosco S. M*^ pronta alla Ven-
detta; der König hat nämlich gesagt, wenn er Tataren haben
würde, würde er dv/rch Schlesien nach Pommern ziehen und
sich mit den Schweden gegen den Kaiser verbinden. Der Nun-
tius bittet ihn, die öffentliche Ruhe zu wahren. Auch wundert
sich der König seit lange, daß der Resident Visconti in Wien
gar nicht mehr schreibt. Als er dann geschrieben hat, bleibt
das Mißtrauen des Königs gegen ihn bestehen.
54. Lemberg, 1656 Februar 15,
Urkunde der Senatoren Littauens und darauf des Königs,
worin bestätigt wird, die Summe von 33.000 Talern, ein Ge-
schenk des Papstes,^ von den Wiener Kaufleuten Cäsar und
Johann Lesczynski.
' Eine genaue Darstellung der Teilnahme und Tätigkeit, welche Papst
Alexander VU. für da^ gefährdete Polenreich hewies, findet sich in der
Lehensgeschichte dieses Papstes von Sforza Pallavicino ,yita di Ales-
sandro YII' (Prato 1839). Dort heißt es S. 326 ff.: ,Auf die Kunde
von den Erfolgen Karls in Polen, Ende Juli 1655, und nach den Ge-
sandtschaften Johann Kasimirs an den Kaiser und Papst war Alezander
erschüttert. Seine Meinung: „Vielleicht als Strafe Gottes oder wegen
der Menschen Ruchlosigkeit könnte dieses groBe südliche Bollwerk der
katholischen Religion zugrunde gehen, jedoch Sache des heil. Stuhles
sei es, dies zu verhindern. Er sei hereit, zur Rettung Polens alles
Silber der Kirche zu verkaufen. Dann aber sandte er zwei Boten an
Johann Kasimir und den Kaiser. Den Polen zeigte er, vor welchem
Abgrunde das Land und die Christenheit stünden, wenn die Ketzer es
erwerben. Die Versprechen Karl Gustavs auf Religionsfreiheit würden
entweder oft; verletzt, oder selbst wenn sie gehalten, würden die Ka-
tholiken mit MiBtrauen behandelt und keinen Anteil an öffentlichen
Ämtern haben. Sie sollten nur nach England, Schottland, Irland, den
Niederlanden und Ländern, wo Ketzer herrschen, sehen, wie elend dort
die Katholiken leben und welchen Anfeindungen sie ausgesetzt sind. Als
Unterstützung schickte er dem Könige 30.000 Scudi, eine Summe, die in
jenen geldarmen Landen mehr als 90.000 Wert hatte, außerdem die
Erlaubnis, daa Kirchengeräte anzugreifen, mit der Verpflichtung, es bei
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Octavio Pestalozzi durch den Gregor Berkman, Secretarius Qe-
danensisy erhalten zu haben.^
55. Lemberg (Leopoli), 1656 Februar 16.
Verbindung des Nuntius mit dem Kurfürsten durch den
Kanonikus Vituski,
Premend' io come devo, d' haver tntte le corrispondenze,
che ponno farmi havere cognitione di tutti graflFari, che cor-
rono, non meno per incontrar pienamente la mente di S. B.,
che per poter meglio adempir le mie parti, pregai il S. ca-
nico Martiano Vituski mio amorevole, che fii gik spedito
al Ser™® di Brandeburg, di volermi far parte de suoi negotiati,
e vedo dal tenor della sua, che V hä fatto, mk non m' fe sin
hora capitata altra sua lettera, fuorche la congiunta, che ri-
metto k V. S. 111™*,* dalle quäle si scuopre qualche particolare.
besseren Zeiten wieder zu ersetzen. Durch seinen Nuntius ließ er den
Bischöfen und katholischen Palatinen Breve zukommen, worin sie auf
die Vernichtung ihrer geistlichen und weltlichen Stellung aufmerksam
gemacht wurden, so lange ein Feind des Glaubens im Lande herrsche,
der außerdem der alte Feind des Staates sei.* Wie wir aus einem
Gegenschreiben, datiert Rom, 1655 September 20, erfahren, hatte sich
der Papst damals trotz des schlechten Zustandes seiner Finanzen zu
dieser Schenkung entschlossen. In einem Gespräche mit seinem Se-
kretär Doni sagte der Papst, daß es manchmal sich ereignet, wegen
Mangel an Geld ,8i siano perdute ottime cogiunture' und er beschloß,
an den Nuntius ,una polizza di credita per la somma di trentamila
scudi* zu senden.
Barkmann hat mit dem Nuntius zu verschiedenen Malen Finaniopera-
tionen erledigt Vgl. darüber Damus, 1. c, S. 45 und 58.
Dieses Schreiben des Kanonikus Vituski, datiert Regiomonto, 14. Januar
1656, bringt die Wünsche des Kurfürsten zum Ausdrucke und hat fol-
genden Wortlaut: ,A i 21 Novembre h6 scritto k V. S. Dl"»» Sig* e
Padrone mio S'^, quanto L^ elettore era restato pronto k dar effettivi
soccorsi k Sua Real Maesta, et informatosi egli medesimo della qualiti
della persona di V. S. Hl"» m* haveva richiesto di scriver k V. S. 111"*
accio per mezzo dell* autorita della Santita di Nostro Sig^ operasse
V. S. 111°** che non solamente gl' elettori spirituali ma anche li ves-
covi maggiori d'Alemagna come quello di Saltzburg, Paderborna
et altri simili concedessero le levate di gente ne i loro dominii e
trattandomi molto confedentemente moströ nna gran stima e contro
che faceva di Sua Santita dicendo che si doyeva far fonda-
mento della sua persona, dichiarendo anche che voleya haver un
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59
che non le riuscirk forsi discaro; e perch' egli accenna, che
S. A. voleva haver meco corrispondenza, la supplico de senti-
menti di N. S" in ordine k ci6, da quali non deviarö; e se in-
tanto sin capitasse qualche lettera (che non crederci) non usciro
nelle risposte da i termini generali di complimento^ sin che non
riceva i comandi di S. B.;^ come debba regolarmi.
56. Lemherg, 1656 Februar 16,
Nachricht über den Klmigsberger Vertrag. Gesandtschaften
der Danziger nach Dänemark und Holland, Bestimmungen
des Klhiigsberger Vertrages. Rüstungen in Damig.
Nachricht aus Preußen, daß der Bund zwischen Schweden
und Preußen nur ein Waffenstillstand bis zu den nächsten
Pfingsten sei, * Von Damig kommt Kunde, daß einer der Sindici
introduttione alla corrispondenza con V. S. Bl™*.* Entschuldig^ sich,
daß dann bei dem Kriegte seine Berichte ausgeblieben sind.
^ Diese Antwort erhielt der Nuntius in einem Gegenschreiben des Kar-
dinalstaatssekretärs, datiert 1656 April 1, ohne Angabe des Ortes,
welches die Instruktion für sein Verhalten gegenüber dem Kurfürsten
bringt: ,Intomo alla corrispondenza con V elettore di Brandenburgh
motivata k V. S. Dl™» dal canonico Martiano Vituschi, dice N«> Sig~,
che egli non hk voluto rispondere mai ad alcun prencipe heretico, ha-
vendo sempre sfuggito d* impegnare la penna con essi, con i quali
nelle occasioni precise hk complito indirettamente con mezo di altri
in Toce, ne per tal causa hk incontrato disgusto, k mala sodisfattione
di alcuna sorte.' Dennoch soll der Nuntius, wenn die Verhältnisse es
gebieten, an den Kurfürsten schreiben, aber in ganz allgemeinen Aus-
drücken, und vorher den König davon verständigen.
* Wie unsicher die Nachrichten am polnischen Hofe über den Vertrag
waren, darüber sprechen sich auch in gleichlautender Weise die
Briefe Barkmanns aus diesen Tagen aus. Vgl. Damus, l. c, S. 56
und ib. Anm. 2. Das interessante Schreiben eines Anonymus Giorgio
drückt das Bedauern aus, daB man nicht schon lange vor dem Ab-
schlüsse des Vertrages seinem Rate gefolgt ist, den Kurfürsten zu
gewinnen. Femer wird darin auf die Bedeutung Rakoczjs für die
Sache Polens hingewiesen: ,Lancut, 1656 Februar 11. L* accordi di
Brandeburgo con li Suetesi füi dk mh molto prima previsto, et io
proposi piii d^ una volta, che si mandasse k quel principe, per con-
fermarlo nella nostra amicitia. Mä il mio consiglio non fh eseguito,
e la legatione in quel tempo fh stimata superflua. Hora che si e
voltato al partito Suetese, risolvono di soUicitarlo con nuovi et in-
tempestivi ofücii, li quali daranno materia di ridere k nemici della
poca accertezza e prudenza, con che si govemano qul le cose, mentre
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der Stadt nach Dänemark als Gesandter gekommen ist und da-
selbst die Versicherung erhalten hat, daß die Dänen der Stadt
günstig sind; zu gleichem Zwecke geht jetzt derselbe nach Hol-
land.^ Obgleich die Briefe aus Wien vom 26, Januar keine
Erwähnung des Bundes zvoischen Schweden und dem Kur-
fürsten tun, weiß man durch den Palatin von Marienburg die
Bestimmungen, die noch nicht beschworen: concesso il Vescovato
di Varmia; toltone il luogo dov' h situata la Cattedrale, e Brons-
berga residenza episcopale, che alF in contro di detti luoghi gli
era stata data ana Btarostia in Polonia maggiore & confini di
Pomerania, e ch' era stato esentato dal tributo solito per la Prussia
ducale, e di non dover andar per se stesso & pigliarne Y in-
vestitura^ m& incambio dasse in tempo di guerra certo namero
di militia k sue spese, con molt'altri capitoli. — Li Danzicani
hanno fatto nuovo giuramento reciproco frä la cittadinanza,'
e popolo di volersi difendere, et k tal effetto havevano levati
tutti li borghi della cittk.
67. Lemberg, 1656 Februar 20.
Nachricht über den Königsberger Vertrag. Hoffnv/ng, daß
kein Offensivbündnis gegen Polen bestehe.
Non si h verificato ch'il Seren™* di Brandebnrg habbia
dato soldateBche k Suetesi, ma si bene che non sia stato ac-
cordo formatOy mk solo armistitio, in modo che si crede che
vedendo risorgere le forze di S. M^ possa poi ripigliar 1' armi
per avantagiar le sue cose.'
si lasciano scappare dalle mani li vantaggi, per andarli poi cercando
infrattuoBamente con discapito di repatatione. Adesso anche, che sono
riuBcite vani gl* aiuti dell* imperatore et h mancato 1* appoggio di
Brandeburgo, si comincia k conoscere, che nion Principe faceva tanto
al nostro bisogno, qoanto il Rakozzi (Bikoczj, Georg IL Fürst yon
Siebenbürgen, Bundesgenosse Karl Gustavs) e la necessiti al presente
ik parer vero quelle, che prima non si yolsero lasciar persuadere dalle
mie ragioni/
^ Nach dem Haag wurde der Subsyndikus Schröder entsendet. Vgl.
Damus, 1. c, S. 81 ff.
* Vgl. über diese Erneuerung des Treueides bei den Dansigem Damus,
1. c, S. 60 und Anm. 4 ib.
' Über die Aufnahme des Vertrages am polnischen Hofe zu dieser Zeit
ygL Damus, L c.> S. 56.
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68. Lemherg, 1656 Februar 25.
Inttruktion des Nuntius an die Erzbischöfe von Ghiesen
und Lemberg und den Bischof von Luceoria^ über die Ein-
Schmelzung der goldenen und silbernen Kirchengeräte^ durch
ein Breve des Papstes gestattet.^
69. Lemberg, 1656 März 6.
Bitte um Erteilung des päpstlichen Segens für das pol-
nische Heer.
Bedenken und Anfragen des Nuntius, ob er privat, ein-
zelnen oder dem Heere den Segen erteilen kann, sarebbe k mio
credere di gran consolatione e rieevuta eon uguale veneratione,
e gli leverebbe facilmente dalla mente qualche concetto, che
hanno^ che le fortane de nemici succedono per arte diabolica^
havendomi detto un senatore di molta stima e pietk, che si
trovö nell' ultima fattione che segcd^ che i nostri si portamo
valorosamente al principio, mk doppo, che viddero nn cavatlo^
che gli girava attomo^ che furono astretti di fuggire. lo gli
risposi c' havessero indubitata fede, ch' il Demonio non potesse
nocergli e combattessero pure k difesa della religione catolica
e della patria, che niuna cosa havria potuto vincerli^ onde si
parü assai consolato.
60. Lemberg, 1656 März 6.
ühglücksnachrichten vom Berliner Hofe des Kurfürsten.
Auffassung dieser Vorgänge im Volke.
Doppo seguito V aggiustamento di Brandeburg con la
Suezia s' amalö gravemente la moglie * di quel Seren"*** elettore,
che alcuni scrivono morta^ e ch'in Berlino sua residenza se le
fusse abmggiato il suo superbo palazzo, e ch' k pena si fusse
potuto salvare il prencipino suo figlio dalle flamme^ onde da
questi avvenimenti ne formarce il popolo cattivissimo augurio.
* ,Lack' oder Jjutzk', Stadt in Polen.
* In dem Gegenschreiben ans Rom, 4. September 1665 wird die Erlaubnis
hiersn erteilt Erwähnt unter anderen auch bei Damus, 1. c, S. 46 und
Pallavicino.
' Louise Henriette. Über ihre damalige Erkrankung vgl. Droysen, 1. c,
8, 1, S. 181.
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61. Lemberg, 1656 März 10.
Nachricht, daß der Kurfürst wieder gegen Schweden ist.
Da diese Kunde so wichtig, muß man erst größere Sicherheit
abwarten.
62. Lemberg, 1666 März 26.
Übergabe Marienburgs an die Schweden.^ Sie ist durch
die Bürger so schnell erfolgt y daß der Palatin und sein Bruder ,
Palatin von Pomerellen, sich auf das Schloß zurückziehen
mußten. Man weiß nicht, ob dessen Verteidigung gelingt, da
es von der Stadt aus bedroht ist und die nötigen Mittel fehlen. '
63. Lemberg, 1656 März 28.
Unsichere Nachricht von der Gefangennahme des Land-
grafen von Hessen.
Non si verificö poi la prigionia accennata col passato di
quel Langravio d'Assia, che fü scritta di Danzica. '
64. Lemberg, 1666 April 6.
Ermländische Frage. Ungewißheit über die Stellwngnahme
des ermländischen Bischofs zum Königsberger Vertrage.
Nella capitolatione seguita fra Suezzesi e V elettore di
Brandeburg vien scritto di Danzica^ che sia rimasto fr& V altre
cose stabilite, ch' il vescovato di Varmia rimanga k qaesto^ mk
che perö Mon' vescovo presente lo possa godere in vita sua.
lo non s6 come il medesimo prelato si sark regolato in questa
occasione, gik che non vi sono lettere sue da molti mesi in
quk: tuttavia voglio sperare si sark conformato con Tuso della
sua solita pietk e fedeltk verso S. M.^ tanto piü che n' hk anco
maggior legame per il giuramento^ che gik da molt'anni saole
prestar quel vescovo al rfe proprio, ö qualche prelato da lui
deputato. Con la venuta del S' palatino di Lancicia suo fratello,
* Vgl. Lengnich, 1. c, p. 162/163.
' Die Übergabe des Schlosses erfolgte am 16. M&rz. Vgl. Damos, 1. c, S. 67.
• Bei Pierre de Noyers, 1. c, S. 98 findet sich eine Danziger Nachricht,
datiert 2. März 1 656, womach der Kommandant von Patzig gefangen-
nehmen ließ ,un landgrave d* Alberstadt' nebst seiner Eskorte, die auf
Rekognoszierung begriffen war.
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vedrö se potrö ritrader cosa di certo per usar nel rimanente
di quella circospettione, che richiede la gravitk dell' affare, e
ch' h tanto k cuore & S. B.
65. Lemberg, 1656 April 5.
BegleiUchreihen des Nuntius zu dem Gelübde, ^ in welchem
Johann Kasimir seine Reiche der heil. Jungfrau übergibt
Riusci di grand' edificatione la funtione, che fece il rh
sabbato con tanta divotione, che trassa le lagrime dal cuore
di molti. Inviö perö k V. S. Hl"" coogiunta la copia del voto
fatto, dove si legge anco di procurar 11 rimedio all' oppressioni
de poveri, che veramente era piü che necessario, et io credo,
che le loro strida habbino contribuito k provocar V ira Divina
8opra di questi S. S**. Ci conceda Dio, che come hora lo co-
nosconO; cosi in awenire se riastenghino^ e con migliori tratta-
menti compischino alla promessa fattane. Si compiacerk S. B.
d' adir qnesto naovo atto di pietk esemplare di S. M^, accom-
pagnato da quello della Republica^ et insomma si vede, ch^e
si riccordiamo piü di Dio, quando ci percuote, che quando ci
prospera, ne fe meraviglia se, non riconoscendo da lui il bene,
ci mandi del male, mentre si scordiamo del debito, c' habbiamo
di ringratiarlo di quello.
66. Lemberg, 1656 April 5.
I Cosacchi dissero che il Turco era pagano, II Sig' di
Moscovia ebreo, II rh di Suetia frattor di fede e questo vh chia-
morono orfanello, cosi mi hk raccontato S. M** istessa. Schlimme
Lage in Preußen, Le cose di Prussia danno che pensare
mentre non vi resta che Dancica che alla fine si potria accor-
dare, e si intende, che il rfe di Suetia habbia dato 120 (ver-
stUmmelt) patenti per levate in varie parti, e Y elettore di
Brandenbnrgh si crede si sia dato in braccio k Suetesi.
67. Lemberg, 1656 April 10.
Bericht des Starosten Podlodoski,^ der vom polnischen
Könige aus Lancut smm Kurfürsten gesendet war, über die
^ Abgedruckt bei Rndawski, l. c, S. 241.
* Podlochowski, Staroat von Radom. Vgl. Über seine erfolglose Mission
am kurfürstlichen Hofe Pribram, »LisolaS 1. c, S. 157, 168, 174.
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Politik des Kv/rßlrsten und das Verhalten des schwedischen
Kanzlers Oxenstjema. Meinung über die Bestimmungen des
Königsberger Vertrages. Si credeva perö che vi fussero altri
articoli piü segreti, e ch' il tempo solo li possi palesare: con
tutto ci6 6 opinione di molti, che tutto sia stato aiidficio; e che
fra essi ve ne fasse anche prima della mossa dell'armi il con-
certo, e che la confederatione, che fece con i stati di Prussia
fasse mera fintione,* e che procurasse di mettere i suoi pre-
sidii nelle cittk principali per guadagnarle con inganno. II gran
cancelliere di Suezia Occisteme ingelosito di questa missione
scrisse subito all' elettore^ perche non fasse sentito^ anzi licen-
tiato:^ con tutto ci6 fix egli banchettato da S. A., e se ne parti
per Danzica per rincorrar quella cittadinanza & conservarsi nella
dovuta fede^ mentre veniva non mententata e lusingata da
promesse^ che minacciata con V armi^ quando non accetti le
prime.
68. Lemberg, 1656 April 19.
Unterredung mit dem Palatin von Lancicia über seine
Mission in Wien und die ermländische Frage.
E mi dice ch' il Ser™* elettore, occupato il di lui vesco-
vatO; come fix scritto^ gli habbi detto, che gli dark in sua vita
provisione bastante alle sue conditioni, con pretesta perö di
farlo non de frutti del vescovato, mk del suo proprio erario.
Non consente il S' palatino k ciö, come non crede consenta
Mons' vescovo, mk Y esser questo in Regiomonte nelle sue mani;
r obliga d' andar cauto, e pensa di fargli penetrare, che petendo,
si absenti di Ik in der Hoffnung^ daß der König ihm zur Be-
lohnung seiner Verdienste eine Abtei oder andere kirchliche
Stelle schenken wird.
^ Vgl. auch die Abhandlung von Kolberg: ,Ermland als kurbrandenbnr-
giflches Fürstentum in den Jahren 1656 und 1657', in der Ermländischen
Zeitschrift 1899, 12. Bd., S. 455. Die militärischen Operationen des
Kurfürsten gegen Schweden, nach dem Vertrage von Rinsk, wurden
auf polnischer Seite für abgekartetes Spiel gehalten. So lauteten auch
die Berichte der in Danzig weilenden Domherren Demuth und Ja-
cobelli.
* Über die Bemühungen Oxenstjemas, die Audienz zu verhindern, vgl.
Urkunden und Akten 2, S. 88/89.
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65
69. Zamocz (Zamosci), 1666 Mai 12.
Der holländische Gesandte in Danzig. Der BchwediBche
Gesandte Koch muß diese Stadt verlassen. Militärisches vom
Kurfürsten und Bericht Vituskis über dessen Verbindung mit
den Schweden.
Sono giunti in Danzica alcuni ambasciatori Olandesi/ di-
cono con ordine dei loro stati d' informarsi delF essere delle
cose presenti della Polonia, e riferirlo subito colk per ricever
pol gl' ordini di ciö, che dovrano esequire, e quel magistrato
haveva fatto intendere al Coqui ministro di Suezia, che si par-
tisse da quella cittk sicome era seguito. A 24 del passato
spinse V elettore di Brandeburgo dalla Prussia nel regno mille
fanti e 500 cavalli in aiuto de Suezzesi. II S^ canonico Mar-
tiano Vituski, che gik passö dal Ser°* di Brandeburg per or-
dine di S. M. hk fatto ritorno da quelle parti, e riferito avanti
S. M. e senatori presenti il stato di quelli affari, da quali si
raccoglie d' haver S. A. grand' unione con i Suezzesi.
70. Zamocz, 1656 Mai 12.
Politische Betrachtungen des Nuntius über die Ankunft
des französischen Gesandten, * welche sehr verdächtig ei*scheint,
da jetzt die Schweden so im Nachteile sind.
Sark da riflettere ancora, che S. M** Cesarea sin da De-
cembre offerse la sua interpositione, che le cose erano per qui
disperate^ e fix accettata, ne si come potrk gradire^ che la
Francia si mescoli in quest' affare perche se bene questa potria
dire, che lo fk come mediatrice, si pu6 rispondere, che quei
trattati sono spirati per la innovatione fatta da Suetesi^ in
modo che se h stato lecito k questi di rompere Tindutie senza
riguardo k mediatori, che molto piü puo la Polonia prettendere
di essere libera da quell' impegno^ mentre la Suetia vi hk cosi
^ über diese holländische Oesandtschaft, welche am 24. April in Dansig
eintraf, Tgl. Damos, 1. c, S. 87.
• Graf Charles d'Avaugour. Vgl. Pribram, jLisola*, 1. c, 8. 173, die An-
sichten Lisolas über die eigentlichen Interessen, welche Frankreich bei
seiner Vermittlungspolitik verfolgte, und vgl. über die grausame Be-
handlang der polnischen Flüchtlinge in Schlesien bei des Noyers, 1. c,
I, 8. 74, wo es heißt: ,le duc de Brieg en livra 60, que les Su^dois egor-
g^rent*.
Archiv. XCV. Band. I. H&lfte. 6
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66
rinunziato, e V assistervi 1' uno e Y altro non so come potrebbono
accordarsiy mentre il fine loro saria tanto diverso, quanto sono
gl' interessi, che vi li muove. Non si deve lasciare senza ri-
flessione, che S. M^ Cesarea, oltre V havere alle mani la pace
con i Moscoviti, la sua interpositione con i Suetesi si stima non
con altro fine, che della quiete e de confinanti mk di quella di
Francia e da dubitare piü per sostenere la Suetia per il loro
interesse che per la Polonia.
71. Lublin, 1656 Mai 19.
Sicherheit üher militärisches Zusammengehen des Kur-
fürsten mit den Schweden^ die auf Hilfe von Cromwell hoffen.
Schwedische Umtriebe.
Non si lascia di dubitare, che V elettore di Brandeburg
non unisca le sue forze alle Suezzesi, quali publicano anche
d' attender rinforzi dal Cromvel, ne lasciano nella diminutione
delle forze d' usare ogni sorte de i loro artificii per rimovere
la nobiltk dal seguito di S. M., et introdur diffidenze, mk
essendo gik conosciuta la loro natura, si crede che faranno
poco effetto.
72. Lager vor Warschau, 1656 Mai 28,
Karl Gustav in Elbing. Ungewißheit^ ob der Kurfürst
seiner Bitte um Hilfe nachkommt? Sendung Podlodowskis zur
Informierung,^ Treue der Danziger; sie erobern Dirschau wieder.
Hoffnung auf ihre Streitkräfte. La cittk di Danzica continua
nella dovuta fedeltk, e si sente che ultimamente havessero le
sue militie ricuperato Dersavia,* e si spera, che giungeranno
le loro armi alle regie per esser k parte dei felici successi di
S. M. Die Königin von Schweden in Elbing; Karl Gustav be-
sucht sie. Bericht des aus Königsberg zurückgekehrten Podlo-
dowski, daß Karl Gustav xcieder den Kurfürsten um Hilfe
bittet. Die kaiserlichen Gesandten Graf Poettingen und Lisola
verlassen Warschau, um nach Thorn zu gehen. Vorhergehende
Audienz Pöttingens beim Schwedenkönige, deren Ergebnis jedoch
nichts besagt, da die Pläne Karl Gustavs unbekannt sind.
* Vgl. Pribram, »Lisola*, 1. c, S. 174.
* Vgl. Urkunden und Akten VII, 8. 588, wonach dieses Unternehmen
der Danziger einen weniger gUnstigen Verlauf nahm.
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73. Lager vor Warschau^ 1656 Mai 28,
Pläne Johann Kasimirs.
Der König hat wenig Lusty Warschau zu erobern; er ver-
spricht sich viel mehr Erfolg, wenn er nach Preußen geht, um
den Kurfürsten zum Anschlüsse zu bewegen,
74. Lager vor Warschau, 1656 Juni 10.
Oefährliches Anschwellen der Weichsel, so daß der Nun-
titts nicht zum Könige gelangen kann. Kurze Unterredung mit
Lisola, Übereinstimmung ihrer Ansichten, die Vorteile einer
kaiserlichen Hilfsaktion für Polen anlangend, und Lisolas
Meinung über die Pläne der Schweden,
Hebbi occasione di vedermi alla sfuggita col S' resi-
dente deir Isola, il quäle professa gran riverenza k S. B., di-
cendo haverle resi i suoi ossequi al congresso della pace ^ e
raccolsi, ch' anch' esso conosce il vantaggio, che risulteria ä
S. M. Ces*, se adesso si valesse della congiuntara di soecorerei,
tenendo egli per fermo, ch' i dissegni de Suedesi sian volti
ancho contro V imperio, et il S' conte di Pettin ^ esser stato
poco ben trattato.
75. Lager vor Warschau, 1666 Juni 10.
Persönliches des Nuntius. Nachforschungen der Schweden
über den Aufenthalt des Nuntius beim Könige.
76. Lager vor Warschau, 1656 Juni 10.
Hö qui da molti religiosi e da altri inteso, che li Suedesi
per mezo del S' Ragiewski* facevano gran diligenze, per in-
tender s' io mi ritrovassi veramente apresso S. M., e particolar-
mente ne chiese questo al P. Provinziale delle schole pie, il
* KongpreB zu Münster. Über die Bestrebungen des kaiserl. Gesandten
Lisola in dieser Zeit vgl. ,Lisola* bei Pribram, 1. c, S. 174 ib. Er-
wähnung des apostolischen Nuntius u. ff. In einem Gegenschreiben,
datiert Rom, 8. Juli 1666, wird die Freude des Papstes über den
günstigen obigen Bericht des Nuntius ausgesprochen und zugleich dessen
Hochachtung, welche er der Persönlichkeit des ,deir Isola*, den er auf
dem Kongresse zu Münster kennen gelernt hat, entgegenbringt.
' Poettingen.
* Radziejowski.
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quäle benche le mostrasse le mie lettere di Leopoli^ tuttavia si
rendeva difficile & creder, ch' lo vi fussi. Der Nuntius sagt
zum Schlüsse, er wollte dies nicht verschweigen^ wie alles, was
die hiesigen Sachen angeht.
11, Lager vor Warschau, 1656 Juni 10.
Unterredung mit Lisola.
Dell' Isela hat ihn gebeten, beim Könige dahin zu wirken,
daß er nochmals zum Kaiser um Hilfe sende. Risposi^ che
r esperienza del passato haveva fatto perdere la speranza k
S. M^ di spuntarli, mk egli disse^ che non haveva lasciato di
dare k S. M** et al prencipe d' Auspergh motivi tali da poteme
sperar frutto.
78. Lager vor Warschau, 1656 Juni 15.
Persönliches. Beziehungen des Nuntius zu dem Danziger
Residenten Barkmann.
n secretario della cittk di Danzica, che risiede appresso
S. M., benche heretico h solito talvolta capitar da me anco per
comando di S. M. conforme alle occorrenze; e stato perö ulti-
mamente k trovarmi; e pregarmi insieme^ c' havendo quantitk
di lettere intercette k Suedesi, le quali per esser in quella
lingua non si sono potute per anco spiegare^ che desiderava con-
segnarle k me per maggior sicurezza ne pericoli^ che potriano
correre, se succedesse qualche battaglia. lo risposi, c' havevo
maggior occasione di temere di quelle poteva far lui, ch'era
della stessa loro religione, con tutto ciö persistette, ch' io gli
facessi questo piacere, ne mi parve di poter glielo negare, di-
cendole, c' havrian scorsa la stessa fortuna delle mie scritture.
Non hö potuto pero senza gusto riflettere esser pur assai, che
chi non hk vera fede, confidi di ritrovarla piü nel ministro di
S. B., che in altri. A questo soggetto, che h di molto spirito
non lascio di dar spesso cenno di corresponder alle gratie, che
Dio gli hk fatte di molti buoni talenti, ne lo vedo mal incli-
nato, anzi spesso mi dice di voler ritomar costi, dov' fe stato
altre volte, ne despero, ch' un giorno non sia per abbracciar la
nostra santa fede, della veritk della quäle mi persuado habbia
gran conoscimento, sicome io lo porto grandissimo delle mie
obligazioni verso di V. S. 111™*.
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79. Lager vor Warschau, 1656 Juni 15.
Abreise Poettingens und Lisolas am verflossenen Sonntage
zum Könige von Schweden nach Preußen^ der in Marienburg
sein soll. Absicht der Schweden ist, Danzig zu belagern. Des-
halb das Hilfegesuch Barkmanns.
n fioe et applicatione principale hora del vh di Suezia si
crede che sia V impresa di Danzica^ onde quel magistrato hk
fatto qui per mezzo del suo secretario residente esporre la ne-
cessitä,^ che hanno di esser presto soccorsi^ e vien creduto che
saranno compiacciuti in riguardo alle consequenze^ che porta
seco un posto di tanta importanza.
80. Lager vor Warschau, 1656 Juni 16.
Unterredung mit Johann Kasimir. Klagen des Königs
über das Ausbleiben der Hilfe an den Kaiser. Persönliches des
Nuntius.
Con tal occasione ritocö qualche cosa della durezza di
S. M. Ces* in non volerle somministrare alcun aiuto^ e che pure
da tanti riscontri, c' ha havuti potria hormai chiarirsi^ che
r oggetto principale dell' armi nemiche tende contro la sua
Aagustissima casa. Zum Schlüsse drückt der Nuntius seine
Befriedigung auSy daß er im Feldlager als Soldat weilen kann,
worauf der König erwidert, daß noch niemals ein Nuntius dies
getan. Auch hieraus also, sagt der Nuntius zum Könige, könne
er den Eifer und die Liebe des Papstes erkennen, auf dessen
Befehl er in jeder Gefahr dem Könige zur Seite stehen soll.
81. Lager vor Warschau, 1656 Juni 20.
Die Angelegenheit mit Barkmann.^
Barkmann war beim Nuntius, um einige der ihm Uber-
gebenen Briefe zu sehen. Nochmals macht ihn der Nuntius auf
die Oefahr aufmerksam, wenn die Briefe in seinen Händen
In der Tat fand die EinBchließung der Stadt durch Karl Gustav, so-
dann nach dessen Abzüge durch den schwedischen General Steenbock
statt. Vgl. Damus, 1. c, S. 76. Von einem Hilfegesuche Barkmanns für
seine bedrohte Vaterstadt finden wir jedoch in den Danziger Quellen
keine Erwähnung.
Vgl. den Bericht unter Nr. 78.
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70
seien^ und gibt ihm den Rat, sie an die Königin nach Schlesien
zu senden^ da dort Sicherheit ist. Es waren Schreiben aus Eng-
landy vom Haag (dalF Haia) und Frankfurt in Chiffren an
den König von Schweden und Private, Barkmann geht darauf
ein und der Nuntius ist frohj die Briefe los zu sein.
82. Lager vor Warschau, 1656 Juni 20.
Nachricht von der Belagerung Danzigs,
Le ultime di Danzica^ se bene assai vecchie, confermano
d' easer soccorsi, mass® che per qualche strettezza di viveri quel
popolo si cominciava ä render impatiente^ e che dal r^ di
Suezia gli fasse stato trasmesso an trombetta con doglianze
d* haver commessi contro di lui atti d' hostilitk, e d' haver
sparsa la sua morte,^ e che temessero che non fussero attac-
cate alcune nuove fortificationi fatte sul monte * perö havevano
ordinato, che tutti stassero pronti per accorrere ad an tal segno
alla difesa d' esso.
83. Lager vor Warschau, 1656 Juni 20.
Mißstimmung der Senatoren gegen den König. Hofkamarilla.
Viddi giovedi il rfe molto sbigottito sicome i senatori e
S. M*^ mi disse che stassi pronto per seguirlo, et il gran can-
celliere mi si accosti, e disse Monsig'® questo rfe non vuole ab-
bracciare i consigli, non so che si faremo, e sento gran dispa-
reri frk S. M*^ et i senatori alcuni de quali fanno conferenze
separate, e si fe stabilita una unione frk certi, che prima non vi
era che mi dk sospetto, et in somma si dolgono che S. M*^ fac-
cia tutto quelle, che vogliono quelli, che pratticano in camera
e non li senatori.
84. Lager vor Warschau (ne Borghi), 1656 Juni 27.
Pfingstunruhen gegen die Katholiken in Königsberg.^ An-
sicht über deren Entstehung. Man sagt, auf Anstiften des
' Dieses Schreiben Karl Gustavs mit den obigen Beschwerden gegen die
Danziger findet sich abgedruckt bei Rudawski, 1. c, S. 267.
^ Nach Damus, 1. c, S. 75 hatten die Danziger ara Bischofs- und Hagels-
berge Palissadenwerke angelegt.
' Vgl. die Berichte darüber bei Droysen, 1. c, S. 267 und Urkunden und
Akten II, S. 98.
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71
schwedischen Residenten,^ Der Kurfürst hat die Schuldigen
bestrafen lassen, e vien creduto, che ci6 sia stato fatto perche
r elettore si stringa maggiormente con Suezzesi mentre gl' in-
sinuano, ch* il rh di Polonia sark per vendicar onninamente in-
giuria si grande contro li patti della di lui investitura.
85. Lager vor Warschau^ 1666 Juni 27.
Der König war immer gegen die Belagerung Warschaus.
Deshalb macht man ihm die Langsamkeit der Operationen zum
Vorwurfe.
86. Lager vor Warschau, 1656 Juli 2.
Ermländische Frage, Gespräch mit Lisola über die Ein-
mischung Frankreichs.
Im Gespräche über das Ermland sagt der König, der
Bischof wäre durch Gewalt gezwungen worden; er hätte nicht
den Vertrag mit dem Kurfürsten eingehen dürfen. Sein Bruder,
der Palatin, übermittelt Briefe von ihm, man solle schleunigst
jemand zur Verhandlung mit dem Kurfürsten senden, aber der
Nuntius glaubt nur dann an einen Erfolg, xoenn der König mit
den Waffen eingreifen würde oder Sieg über Schweden erfochten
sei. Der Resident des Kaisers sei bei ihm gewesen und hat ge-
meint, die Anwesenheit des französischen Sekretärs ^ könnte den
Unwillen des Kaisers erregen. Der Nuntius beschwichtigt und
meint, der König werde schon einen klugen Entschluß fassen, da-
mit das Einvernehmen zwischen Kaiser und König, das der Papst
so freudig sähe, nicht gestört werde, aber der Kaiser solle Polen
helfen, so daß es Frankreich nicht nötig habe, e mi hk risposto, clie
E 1 1 i rappresenti la massitk, che ve n' fe, e non mi hk disperato.
87. Lager vor Warschau, 1656 Juki 2.
Unterredung mit dem Könige über dii Bestrafung der
Königsberger Pßngstunruhen ^ und die Wiederherstellung der
* Christoph Karl Graf Schlippenbach ; ob dieser Verdacht gegen Schlippen-
bach berechtigt war, läßt sich bei dem Versagen der Quellen nicht
entscheiden.
* De Lumbres. Vgl. über die Bestrebungen der französischen Diplomatie
zu dieser Zeit unter anderen Pribram, ^LisolaS 1. c, S. 187 und Ur-
kunden und Akten II, S. 104.
' Tatsächlich hat der Kurfürst die Schuldigen strenge bestrafen lassen.
Vgl. Droysen, 1. c, S. 267 und Kolberg, 1. c, S. 487. In den Beilagen
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72
ermländischen Kirche, Zuerst Bestrafung der so großen Be-
leidigung, ne trascurai con quest* occasione di rinovar k S. M.
Y istanza per pensar ai mezzi opportuni co quali si potessero
ricuperar i beni della chiesa di Vaiinia, e restituir nell' esser
primiero non solo la libertk d' essi e di quelli del Capitolo, mk
anco la ginrisditione, mk la M. Sna non vede altro rimedio^ che
quello della forza^ b di congiunture tali, che necessitan gl* nsur-
patori al rilasso^ ne riusco in dubio che S. M. non sia per star
attentissimo d' abbracciar tutte le opportunitk per ottenere
quest' importantissimo intento, e le mie parti s' eserciteranno
nel tenerglielo ricordato sempre mk particolarmente, quando ne
vedrö il tempo e V occasione piü propria.
88. Lager vor Warschau^ 1656 Juli 2.
Nach Bericht aus Danzig erwartet man daselbst bald die
Ankunß einer holländischen Flotte und ein Schreiben des Dan-
ziger Residenten im Haag^ läßt auf Hilfe von dieser Seite
hoffen.
89. Lager vor Warschau ^ 1656 Juli 11,
Beurteilung der Politik des Kurfürsten.
Dk meraviglia che Brandenbnrgh proponga di essere me-
diatore, mentre h aperto nemico, e si crede si proporrk qualche
tregna con fine^ che questo essercito si diminuischi.
90. Lager vor Warschau, 1666 Juli 11.
Bericht Maidels aus Preußen,^ Politik des Kurfürsten.
Klagen über Polen und den Kaiser; sein Bund mit Schwedefi.
Maidel hatte mit Mühe Audienz beim Kurfürsten, der sich über
von Lehmann, Preußen und die katholische Kirche I, S. 317 findet sich
eine Urkunde, datiert Königsberg, 8. Juni 1666, worin dieser Skandal
als eine ,erschreckliche hochstrafbare Unordnung* scharf verurteilt und
zugleich eine Strafandrohung erlassen wird.
' Der uns bereits bekannte Snbsyndikus Schröder. Am 18. Juli kam es
zu einem Vertragsentwürfe zwischen den Holländern und diesem Ver-
treter Danzigs. Vgl. Damus, 1. c, S. 88.
' Maidel, Jägermeister von Lithauen, der Abgesandte Johann Kasimirs,
erschien 18. Juni in Königsberg, um den Kurfürsten zum Anschlüsse
an Polen zu bewegen. Vgl. Droysen, 1. c, S. 268 ; Urkunden und Akten
Vn, S. 616 ff.
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73
Polen beklagt und die Notwendigkeit betont^ mit den Schweden
zu gehen, denen er sich mit ganzer Macht, zirka 15,000 Mann,
verbinde. Der Adel Preußens will nicht gegen Polen fechten,^
Klage des Kurfürsten über den König, daß er Czarneski^ in
seine Staaten einfallen läßt, und auch über den Kaiser, per-
che quando si disse ch' il rh di Suezia fusse morto^ pensasse
che fusse citato per levargli li feudi, che gode neir imperio,
dando motivo di Vendetta. Ursache für seinen Bund mit Schwe-
den, weil der Krieg jetzt in sein Land getragen ist und nun
größere Voi^teile beim Frieden zu haben sind,
91. Lager vor Warschau, 1656 Juli 28,
Barkmann teilt die Ankunft von 1800 Mann der hollän-
dischen Flotte in Danzig mit,^
92. Lancut, 1656 August 12.
Behandlung des Bischofs von Ermland in Heilsberg, Rück-
sprache mit de Lumbres über diesen Punkt,
Essendomi penetrato, che Mons^ vescovo di Varmia * fusse
in Heilsperg tenuto con qualche strettezza, e che se le impe-
disse lo scrivere, pregai il S' di Lombre nel giorno appunto
della sua partenza de 28 passato di procurar appresso il Ser"^®
elettore perche ricevesse ogni buon trattamento, senza perö
esprimersi, ch' io ne V havressi pregato, e mi rispose che vera-
mente T elettore non era mal inclinato verso di quel prelato/
mk che alcuni de suoi consiglieri non lasciavano di porlo sem-
pre in maggior difidenza appresso di S. A.
* Von einer Unzufriedenheit der preußischen Stände mit der Regierung
des Kurfürsten, allerdings aus anderen Gründen, findet sich eine Nach-
richt in Urkunden und Akten ET, S. 102.
* Stephan Gzarnecki, polnischer Feldherr. Über Feindseligkeiten, welche
die Polen vor dem Abschlüsse des Marienburger Bündnisses in ver-
schiedenen Gebieten des Kurfürsten verübten, vgl. Droysen, S. 26ö.
' Die Ankunft erfolgte nach Damus, S. 89, am 27. Juli.
* Wenzel Lesczynski.
^ Aus dem bei Kolberg beigebrachten Materiale (S. 475) geht hervor, daß
der Bischof sich stets der besten Behandlung vonseiten des Kurfürsten
zu erfreuen hatte.
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74
93. Lancuty 1656 August 31,
In Damig sind 8000 Holländer angekommen.
94. Lublin, 1656 September 13,
De Lumbres erzählt, daß der Bischof von Ermland ganz
frei sei;^ in seiner Umgebung sei ein Kanonikus dieser Kirche,
95. Wolbor, 1656 Oktober 7.
Kriegsnachrichten, Neutralitätsvertrag der Schweden mit
Holland und Damig.
Übergabe der brandenburgischen Besatzung von Lancicia
nach kräftigem Widerstände.^ Der Nuntius glaubt y daß der
König an ihnen ein Exempel statuieren werde. Questo felice
avenimento viene amareggiato da altro di pessima consegaenza^
che gl' Olandesi, la (fj cittk di Danzica babbino aecordato la
neutralitk con i Suedesi* e perche sento differita la partenza
della posta sin' adhora.
96. Wolbor, 1656 Oktober 11.
Barkmann hat in einem Schreiben an die Königin in Ab-
rede gestellt, daß die Danziger dem Vertrage, welcher zwischen
Schweden und Holland zu Marienburg geschlossen ist, in der
Tat beigetreten sind.
^ In einem späteren Gegenschreiben, datiert Rom, 21. Oktober 1656, wird
sowohl dem Bischöfe von Ermland als auch dessen Bruder Johann von
Lesczjnski, dem Palatin von Posen, wegen ihres Verhaltens das höchste
Lob ausgesprochen: ,Sono i cattivi trattamenti, che Monsig' Veacovo
di Yarmia h^ ricevuto da gli heretici elettorali securo inditio della
molta costanza, con che V istesso prelato conformandosi k sensi deUa
propria piet& e al singolar zelo del Sig*" palatino, suo fratello, h&
intrepidamente difeso la dignit^ della patria e le prerogative di quella
nobilissima chiesa.*
' Lenczyc wurde von Czarnecky nach fünftägigem Bombardement am
4. Oktober zur Übergabe gezwungen. Vgl. Droysen, S. 311, und auch
des Noyers, 8. 252 ff., wonach Johann Kasimir der brandenburgiachen
Besatzung daselbst das Leben schenkte.
^ In dem Elbinger Vertrage vom 11. September. Vgl. Damus, S. 88.
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75
97. Bormein, 1656 Oktober 13.
Kopie des Schreibens des Sig' N. N. an den Nuntius, Be-
richt über das Treffen bei Prosthi zwischen 6 schwedischen und
10 brandenburgischen Regimentern und den Polen unter Gor-
czewski. Herzog Boguslaus Radziwil und Waldeck gefangen,^
98. Wolbor, 1656 Oktober 14.
Nochmals der Vertrag über die Freiheit des Handels.
Kriegsnachrichten, Hoffnung auf Anschluß des Kurfürsten,
Die Holländer hatten Danzig in dem Vertrage mit aufge-
nommen salva fide Regi Poloniae^ aber Barkmann hatte es in
Abrede gestellt und die Königin der unwandelbaren Treue der
Danziger versichert.^ Questo buon avvenimento puö migliorar
le cose, e gik si vede, che Brandeburg mostra inclinatione
all* aggiustamento. Es war das für die Polen glückliche Ge-
fecht bei Protzko am Lyck vom 8, Oktober vorausgegangen^^ in
welchem der polnische General Gonsiewski gegen 16 feindliche
Regimenter Brandenburger und den Herzog Boguslaus gesiegt
hatte, wie es in seinem Berichte vom 8, Oktober an den
König heißt.
99. Wolbor, 1656 Oktober 27.
Friedensbestrebungen des Kurfürsten durch den Bischof
von Ermland. Das Treffen bei Prosthi eine historische Ver-
geltung. Ergebniß der Annäherungsversuche des Kurfürsten
an Polen.
Mons. vescovo di Vannia, che si ritrovava indisposto^ era
stato visitato dal Ser™** di Brandeburgo, il quäle havria desi-
derato, che fosse passato da S. M. per persuaderlo alla pace
con i Suedesi^ stanti le buone congiunture presenti, mk non
havendolo potuto effettuare per se, haveva inviata persona k
^ Gemeint sind der Fürst Boguslaus Radziwili und Graf Georg Friedrich
Waideck, der bekannte Staatsmann und Heerführer des Kurfürsten.
Vgl. auch die Einzelheiten über dieses Gefecht von Prostken am Lyck-
flusse bei Pierre des Noyers, 1. c, S. 260/61; Droysen, Preußische
Politik, Bd. in, S. 226, und besonders v. Rauchbar, Leben und Taten
des Fürsten Georg Friedrich von Waldeck I, S. 140 ff.
• Vgl. Damus, 8. 90, Anm. 1 u. 3.
• Vgl. Droysen, 8. 309.
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76
S. M. per rappresentarle i medesimi affari^ e intanto per altra
parte si sente, ch' il rfe Carlo si contenteria di restitair tutto
r ocenpatO; perebe potesse ritener qualche piazza della Prassia
per suo honore. — E stato osservato che non senza giusto giu-
dicio di Dio la rotta data k Suedesi, e Brandeburgesi k confini
della Prussia ducale sia successo nel luogo appunto dove nel
tempo del rfe Sigismondo primo e Y elettore Alberto fEi inalzata
una colonna con inscrittione in marmo in memoria della pace
et unione inviolabile frk di loro. * Der König hat den Gesandten
des Bischofs von Ermland 14 Meilen von Danzig empfangen
und ihm geantwortet: ^obgleich der Kurfürst der Verzeihung
unwilrdigy wolle er sie ihm dennoch gewähren^ wenn er die
Schweden verlassen^ sich mit dem Könige verbinden und den
Treueid aufs neue schioören würde.^
100. Conitz, 1656 Oktober 30.
Kopie eines Schreibens des Cristoforo Masini' aus dem
Lager vor Conitz.
Kriegsnachrichten. Einnahme von Conitz.^ Wegnahme
eines Schiffes durch die Danziger bei Puski,^ auf welchem sich
unter anderem das Silbergeräte aus den Kirchen von Grnesen
und Krakau befand.
101. Wolbor, 1656 November 4.
Warnung an den König, während seiner Anwesenheit in
Danzig seine Person in acht zu nehmen.
La fierezza de nemici del rh h tale, ebe ei puö ragione-
volmente far temere, ebe non lascino strada intentata, e ch'or-
disebino ogni trama per V esecutione de loro pemiciosissimi
' P. des Noyers, 1. c, 8. 261 spricht von einer Mannors&ule, die an dieser
Stelle Kurfürst Georg Wilhelm zur Erinnerung an den Akt seines
Lehenseides, welchen er dem Könige von Polen geschworen, er-
richten ließ.
» Diese Nachricht findet sich bei des Noyers, S. 263, der Gesandte des
Bischofs war der ermländische Kanonikus Nowieyski. Nur der Ort
fehlt bei des Noyers.
' Sekretär des Königs von Polen.
« Am 29. Oktober. Vgl. Lengnich, 1. c, S. 173.
* Putzig bei Danzig. Vgl. auch diese Nachricht bei des Noyers, 1. c, II,
S. 266.
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77
disegni; ond' hö supplicato la Ser"* regina degnarsi di riflettere,
che passando S. M. in Danzica, cittk quasi tutta heretica, e
dove non mancano corrispondenze e fautori de stessi nemici,
d' avvertirlo d' haver in particolare cura la sua reale persona^
anco per quelle che tocca alle vivande. Der König wird den
Rat befolgen.
102. Wolbor, 1656 November IL
Empfang des Königs in Danzig, Danziger Nachrichten,
Am 6. Ankunft des Königs, Das ganze Fupüolk der Stadt
ging ihm 5 leghe weit entgegen^ teils der Ehre wegen, teils um
einen Handstreich der Schweden zu verhindern, ^ Die Danziger
haben die Absicht, zwei Plätze, welche die Schweden in der Um-
gebung halten, zu nehmen. Gefangennahme des Generals vecchio
Konismark * famoso per le guerre di Germania, der von Bremen
aus mit 2000 Scozzesi und einer Quantität Waffen und Muni-
tion nach Pillau wollte; durch den Sturm wurde ein Schiff in
den Danziger Hafen verschlagen, ebenso ein anderes, auf welchem
der General sich befand; er wird als Gefangener in die Festung
della Lantema geschafft.
103. Wolbor, 1656 November 18,
Berichte Miaskowskis, Morstins und anderer. Gfute Av>s-
sichten auf Hilfe vom Kaiser.
Miaskoski, ' der soeben vom kaiserlichen Hofe zurückge-
kehrt ist, bringt gute Hoffnung auf Hilfe für Polen mit. Das-
selbe bestätigt der Sekretär Morstini* con dubio pero, che non
se ne differisca Y effetto sin' k primo tempo per goder il bene-
^ Oenaae Beschreibung der Empfangsfeierlichkeiten bei Lengnich, S. 1 73.
* Graf Königsmark der Ältere, der aus dem 30jährigen Kriege bekannte
schwedische General und Statthalter in Bremen. Über seine Gefangen-
nehmung Tgl. Lengnich, S. 173, und Droysen, S. 318, doch wird in
diesen beiden Quellen im Gegensatze zu unseren Nachrichten als Ort
der Einschiffung Wismar genannt. Vgl. auch noch des Noyers, 1. c, ü,
8. 271 ff.
' Andreas Miaskowski, Vertreter Polens in Wien.
* Johann Andreas Morstein, polnischer Gesandter in Wien, Sekretär
Johann Kasimirs. Über die Verhandlungen der Polen in Wien, welche
zum österreichisch-polnischen Allianzvertrage vom 1. Dezember führten,
▼gl. Pribram, ,Li8olaS 1. c, S. 31 ff.
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78
ficio di questo. Der Jesuitenpater, Provinciale di Littuania^
Cisewski, der am dortigen Hofe sehr beliebt war,^ schreibt der
Königin: der General Azfelt* sagte ihm: che no si controver-
teva piü, che non si dovessero dare gl' aiuti alla Polonia e
Mons^ arcivescovo* m' hk pur riferito, ch' il S' palatino di Pos-
nania * gliele 1' av visa quasi per certo. Übrigens wird inzwischen
der Nuntius^ sichere Kunde über alles nach Italien gebracht
haben.
104. Wolbor, 1656 Dezember L
Die Gesandten der Mächte sind mit Ausnahme des Kur-
fürsten in Damig, Auch die Danziger verlangen nach Frieden,
Gerücht über die Politik des Kurfürsten, Ankunft Avaugours,
Frankreich und Holland^ haben Gesandte geschickt, der
Kurfürst jedoch noch nicht, da er auf keinen friedlichen Er-
folg rechnet. II magistrato di Danzica pure haveva supplicato
S. M. k degnarsi di dar orecchie k trattati della pace^ gik che
le spese della guerra erano cosi grande che longamente non
havrian potuto sostenerle. Vogliono molti, che V elettore di
Brandeburg abbandoneria il partito Suedese, quando fusse vera-
mente sicuro della gratia del rfe, k cui non voleva mandar
publicamente per non rendersi sospetto k Suedesi.^ Ankunft
eines Edelmannes, des Herrn d'Awoncur^fnc/j in Damig, der
im Auftrage der Schweden das Verlangen nach Frieden aus-
drückte.
105. Wolbor, 1656 Dezember 1,
Die Nachrichten aus Wien von dem dortigen polnischen
Gesandten lauten wenig hoffnungsvoll.
* Der Jesuitenpater Gzeciscewski. Vgl. über ihn Pribram, ^Lisola^ S. 892
und 528.
* Graf Melchior Hatzfeld, kaiserl. General.
' Der Erzbischof von Gnesen, Andreas Lesczjnski.
* Johann Lesczynski.
'^ Karl Garaffa, päpstlicher Nuntius in Wien.
* Über die Verhandlungen der Holländer mit Polen in dieser Zeit vgl.
Urkunden und Akten III, S. 102, und Pribram, ,Lisola*, S. 227.
^ Vgl. besonders die Unterredung des KurfUrsten mit Lisola bei Pribram,
,Li8olaS S. 223.
" Charles Graf d^Avaugour, französischer Gesandter am polnischen Hofe.
Vgl. über seine Verhandlungen in Danzig Urkunden und Akten II, S. 124.
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79
Die Hoffnungen^ welche der Fürst von Ausperg* dem
Nuntius dl Qermania dort gemacht hat^ sind noch ersichtlich
aus dem Berichte dieses Nuntius an Vidoni vom 15. des ver-
flossenen Monates; sie scheinen nicht mit dem Berichte, den ich
von unserem dortigen Gesandten erhalten, zu stimmen. Dieser
versichert: che la propositioni siano tali, che non moderate, ö
non fatte alineno reciproche, vi rimanga poca speranza di con-
clusione, onde mi sono fatto lecito di darne cenno k Mons^
nunzio, affinche con V uso della sua solita sollecitudine replicbi
con r efficaccia de suoi ufficii le convenienze che vi sono per
ogni rispetto di riportar qualche frutto in questa materia, per-
che alla fin fine le ultime necessitk non facessero abbracciar
da questa banda quei consegli, che potessero riguardar piü
alla propria quiete, ch' alla commune, mentre questa vien ne-
gletta con la nostra particolare.
106. Wolhor, 1656 Dezember 3.
Bemühungen des Gesandten, um Frieden zwischen dem
Kurfürsten und Polen zu stiften. Schwierigkeiten.
Er kann unter den jetzigen Verhältnissen nicht Kopien
senden, il piü sostantiale fe ch' il duca Boguslao * procurava sbri-
garsi da Suedesi, e cosi il Radziewski * per ritornare da S. M. e
facevano ogn' opera di staccar Brandeburg da Suedesi, e li S. S"
ambasciatori di Francia s' affatticavano per la pace, facendo
apparire speranza della restitutione della Prussia, mk s' incon-
trarano le solite difficoltä per i mediatori, onde proponevano
di nuovo, che S. M. si degnasse di lasciar venire il conte Bene-
detto Oxensterne,* almeno per sentirlo.
107. Wolhor, 1656 Dezember 7.
Verhalten des Kurfürsten gegen Polen.
Seine gute Gesinnung erhellt aus einem Briefe des Königs
an die Königin, come havesse fatto publicar in Regiomonte k
^ Fürst Auersperg leitete gemeinsam mit Ottingen für den Kaiser die
Verhandlungen mit den Polen in Wien. Vgl. Pribram, ^Lisola*, S. 30.
* Radziwill.
' Radziejowski.
* Benedikt Oxenstjerna, Graf, schwedischer Reichsrat.
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80
suono di trombe^ che alcuno delle sue militie ardisca di dan-
neggiar^ ne usar alcun atto d' hostilitk ne stati di S. M^.
108. Wolbor, 1666 Dezember 10.
Politik des Kurfürsten gegenüber Schweden. Itinerar des
Nuntius.
Briefe vom 3. aus Danzig melden^ daßj während man
meinte^ daß der Kurfürst keine Hilfe den Schweden senden
würde, er zwei Tage vorher ihnen eine beträchtliche Truppen-
zahl zu Hilfe gesandt hat: che tuttavia s' attendesse Y Ower-
bek k nome di S. A., il qaale se vedrk; che S. M. inclini alla
pace col Suedese^ non tratterk alcuna cosa, mk attenderk
d' esser compreso nel trattato generale, mk se S. M. sark lon-
tano dalla pace con la Suezia, che trattare particolarmente. Ab-
reise des Nuntius von Wolbor am 11. nach Lasko und Kalis,
am 31, Dezember Berichte aus Chonice.^
109. Kalis, 1667 Januar 27.
Rückkehr Morstinis vom Frankfurter Reichstage. Stim-
mung in Deutschland.
Hk ritrovato ils' secretario Marstini molta dispositione verso
g* interessi di questo regno massime nell' Emin™^ di Magonza *
anzi li heretici medesimi desiderar che le cose della Polonia
succedan prosperamente perche temono della guerra in Ger-
mania.
110. Hagis, k 6 Febr. usque ad 13 Martii 1657.
Aufzug aus dem Schreiben Nicolaus de Bye,* Residenten
des polnischen Königs bei den Holländern. Etwa drei Seiten lang.
111. Czenstochan (Czestokowa), 1667 Februar 9.
Unterredung mit Mor stein. Stimmen vom Reichstage.
» Conitz.
* Johann Philipp von Schönborn, Kurfürst von Mainz. Über den Reicbs-
deputationstag zu Frankfurt und die Stimmung daselbst in der pol-
nischen Frage vgl. Urkunden und Akten VII, S. 681.
" Nikolaus de Bie.
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81
Dieser schreibt den größten Teil seines Erfolges den Be-
mühungen des Nuntius von Germania^ zu. Die Minister der
Fürsten in Frankfurt sagten, im Falle die Franzosen nach
Deutschland kommen, würden sie neutral bleiben. Davon hat
er auch dem Fürsten Ausperg Mitteilung gemacht, der die
Nachricht begründet fand; e m' aggiunse, che tutti quei S. S'*
si meravigliano de nostri disordini, e che no sappiamo valersi
di tante buone congiuntare, c' habbiamo havute, che fe quello,
ch' io pur spesso hö qui accenato^ se ben senza profitto, al-
meno lo caggionasse per Y avvenire.
112. Czenstochau, 1657 März 2.
Abreise Lisolas vom Schwedenkönige,
S' 6 penetrato, ch' il S' dell' Isola fingendo d' accompagnar
la moglie per qualche lega per ritornar in Germania,* si sia
poi licentiato con lettere dalla residenza del rh Carlo, il che gli
porta moltu gelosia.
113. Czenstochau, 1657 März 8.
Nochmals der schwedisch-holländische Vertrag und die
Danziger.
Non si lascia di temere che la cittk di Danzica doppo la
partenza di S. M. pensi di ratificar il trattato,^ che fü stabilito
dalli Olandesi con la Snezia per la parte di essa, e si teme di
qualch' altra novitk, se bene si sente, che non siano quei citta-
dini d' accordo nelle risolutioni.
114. Czenstochau, 1657 März 8.
Ansicht des Königs über den Bischof von Ermland und
sein Kapitel. Johann Kasimir beurteilt die Ergebenheit der
ermländischen Domherren gegenüber dem Kurfürsten abfällig.^
^ Karl Garaffa.
' Liflola reiste auf Wunsch der Polen nach Wien ab. Vgl. Pribrami ,LiBola*,
S. 242.
' Der Elbinger Handelsvertrag vom 12. September 1666. Über Einzel-
heiten des Vertrages siehe Lengnich, 1. c, S. 171 ff.
^ Über das Verhalten des Bischöfe und seines Kapitels gegenüber dem
Kurfürsten in dieser Zeit vgl. Kolberg, ^Ermland als kurbrandenbur-
ArehiY. XCY. Band. I. H&lfU. 6
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82
115. Czenstochau, 1657 März 8,
Gespräch mit Lisola, Politik des Kurfürsten^ Dänemark,
Hilfe vom Kaiser,
Deir Isola hat alles getan, per staccare Brandenborgh da
Suetesi^ e ne riceve speranza^ mk nel trattato seguito ultima-
mente con il rfe di Suetia in Holand * quello V assicura della
venuta del Transilvano,* e cosi si raffredö, e dabita che i Po-
lacchi non gli osservino quello gli prometessero, mk replicft, che
r imperatore lo fark mantenere. Lisola sagt, Dänemark rüstet,
mk non si impegnark con Polacchi;' wenn es auch der Kaiser
tut, al quäle qui si pensa di dare ogni sodisfattione per tirarlo
dal poco al molto, giache con quello si dichiara per noi, i
converii per suo interesse, che faccia piü, mk prevedo difficoltk
nel concerto, mentre siamo senza denari. Isola meint, che si
procurasse la venuta della regina di Suezia* e 16 proporrk k
S. M*^ Ces* e dice, che non accade, che speri alcun danaro
per li suoi assegnamenti.
116. Czenstochau, 1657 März 26.
Verlust der katholischen Kirche in Elhing, welche von
den Lutheranern in Besitz genommen wird.
117. Ex Hagis, k 27 Martii, 10 et 17 ApriUs 1657.
Einzelheiten des Elbinger Vertrages und die Damiger.
Die Schweden und der Kurfürst zur See.
gisches Fürstentum in den Jahren 1656 und 1657' in der Zeitschrift
für die Geschieh ts- und Altertumskunde Ermlands, Bd. XII, Jahrgang
1897, S. 466 ff.
* Zusammenkunft in Preußisch-Holland, 25. Januar; siehe Droysen, 1. c,
S. 329.
' Rakoczy.
' Über die kriegerischen Pläne Dänemarks, welche mehr auf einen Ein-
fall in Schweden als ein Bündnis mit Polen gerichtet waren, vgl. Pri-
bram, ,LisolaS S. 284; ib. auch S. 232 Lisolas Ansichten über die Hilfe
vom Kaiser.
* Hedwig; vgl. Kochowski, ,Annalium Poloniae Glimacteris* H, Lib. Uly
p. 186.
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HoUaudi sancte promiserunt tractatus Elbingenses nondum
ratificariy sed militem suum Dantisci permanere debere. ^ Le-
gatus Hollandicus Dorp* urget apud Dantiscanos punctum non
augendi thelonii; qui omnia ad deliberandum cum ordinibus
civitatis et ad regi Poloniae referendum supersunt promittentes
brevi responsum dare. Pillaviam venere 6 naves classicae Sue-
corum, et ipse elector tres actuarias naves tormentis munitas
in Buos usus coemit.
118. Czenstochau, 1657 April 1.
Unternehmen der Schweden gegen Danzig, ihre Kriegs-
machty Pläne Karl Gustavs, Politik Dänemarks und Rußlands,
Con lettere di Danzica di 19 passato si sono ricevnti varii
avvisi, et in particolare che li Suedesi con disegno di allagar
quella cittk, havessero rotto non s6 che argine,' ma che non
haveva profittato il loro intento, che 1* essercito di questi non
eccedesse il numero di 4. in 5000 computata la gente dell' elet-
tore,* e ch* il rfe Carlo stasse in gran dubio, se dovesse por-
tarsi in Pomerania e nel ducato di Bremen b pure venirsi k
congiungere col Ragozzi.^
L' ambasciatore di Danimarca, ® che si ritrovava in Dan-
zica, haveva ricevuto ordine di passar k ritrovar Y elettore di
Brandeburg et essortarlo k recedere dair amicitia de Suedesi,
altrimente di dichiararseli nemico et il medesimo andava fa-
cendo un ambasciatore del Moscovita, che si trovava in Regio-
monte. "^
^ Vgl. Lengnich, S. 171.
' Frederik von Dorp, holländiflcher Gesandter.
* Karl Gustav ließ die Weichseldämme durchstechen, so daß der Danziger
Werder überschwemmt wurde. Vgl. Urkunden und Akten 8, S. 159.
* Garlson, 1. c, 8. 189, gibt die Truppenmacht Karl Gustavs um diese Zeit
nach der Vereinigung mit Waldecks 3000 Mann auf 7000 Mann an,
annähernd gleich auch Drojsen, 1. c, S. 331.
^ Die Vereinigung mit Rakoczy erfolgte bei Sendomir, 11. April; siehe
Erdmannsdörffer, 1. c, 8. 271.
* Über die Verhandlungen des dänischen Gesandten Rosenvinge in Königs-
berg vgl. Urkunden und Akten 8, 8. 186 ff.
' Der rassische Gesandte Fedor Petrowitsch Obemebessow. Vgl. Urkunden
und Akten 8, 8. 37.
6*
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119. Oppeln, 1657 April 6.
Unbestimmte Nachricht über bevorstehende Hilfe vom
Kaiser,
Dienstag Mittag langt in Czestokowa der Kurier aus
Wien mit Briefen vom 30. an, der Kaiser werde bald Polen
beträchtliche Hilfe senden. Da diese Schreiben noch nicht ent-
ziffert sind, weiß man nicht ihren Inhalt, hört aber von anderer
Seite, daß diese Hilfstruppe 12.000 Mann stark und unter
General Azfelt sein werde. *
120. Oppeln, 1657 April 12.
Tod des Kaisers, Frage der Hilfeleistung für Polen unter
seinem Nachfolger. Waffenstillstand zwischen Gonziewski und
den Brandenburgern, Ansicht darüber.
Nachricht vom Tode des Kaisers,^ Betrachtungen dar-
über, wie sich sein Nachfolger zur Frage der Unterstützung
Polens stellen wird. In jedem Falle wird die Unterstützung
schwächer, da die Verteidigung der eigenen Staaten zu sehr
die Kräfte Österreichs in Anspruch nimmt, Si vocifera che di
nuovo il Qoncewski generale campestre di Littuania habbi con-
cluso un armistitio con Brandebnrg,' che non saria niente pro-
fittevole^ mentre non fasse accompagnato da qualche vantaggio
et il disgusto che moströ S. M. dell' altro che concluse, lo dovria
haver reso piü cauto nel maneggio d' affare si rilevante.
121. Dankow, 1667 April 16,
Schreiben an den Erzherzog Leopold Wilhelm,^ Brief des
Königs von Polen an den Nuntius, enthaltend die Enthüllungen
de Lumbres über die Pläne Karl Gustavs, sich Hilfe bei den
protestantischen Fürsten Deutschlands gegen Polen und die
Kaiserwahl zu holen.
* Erst am 27. Mai 1657 durch das österreichiBch-polnische Bündnis wurden
12.000 Mann unter Hatzfeld fUr Polen bestimmt.
• Ferdinand m. f 2. April.
' Über die Verhandlungen mit Gonziewski zu dieser Zeit vgl. UriEunden
und Akten 8, S. 202.
^ Der Oheim des Königs von Ungarn, Leopold.
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Hs. dell' Hombres ambaBciatore Francese ci dice,* che
essendosi il rfe Carlo Gustavo altre volte vantato di voler in
ogni modo dare nna scorsa in Germania per la sicnrezza, che
teneva di dover esser assistito dai principi protestanti in . . . (ge-
tilgt) formare un esercito e condurlo in Polonia, senza che al-
cuno lo potesse impedire^ tanto maggiormente in questa con-
giuntura possa applicare di essegnire il pensierO; mk col fine
di sconcertare ancora gli affari della regia casa d'Austria nella
futura elettione delP imperatore dei Romani. Der König bittet
den Nuntius, daß er schleunigst diese Kunde dem apostolischen
Nuntius in Wien mitteilt, um die Entschlüsse des dortigen Hofes
zu beschleunigen.
122. Krepicz, 1657 April 18,
Schwedische Nachricht^ Zustand in Österreich nach dem
Tode des Kaisers, Aussichten für Polen, Hoffnungen der Schwe-
den für die Kaiserwahl.
In einem aufgefangenen Schreiben, bestimmt für einen
schwedischen Obersten in Krakau, befindet sich folgender In-
halt: Gli accenna la confusione delli affari doppo la morte
dell' imperatore e che non crede siano per somministrarsi
aiuti della Polonia e che sperano d* haver per imperatore e rfe
di Boemia il rfe di Francia.*
123. Krepicz, 1667 April 22,
Unterredungen mit dem Könige, dem französischen Ge-
sandten und dem Großkanzler über die ermländische Frage,
In der Audienz bittet der Nuntius den König, niemals in
einem Vertrage mit dem Kurfürsten oder anderen, weder im
ganzen noch im Teile ein Präjudiz für das Ermland zu schaffen.
Der König verspricht dies. Dieselbe Bitte trägt der Nuntius
dt'm französischen Gesandten vor. Der Gesandte antwortet,
daß ihm stets von seinem Könige die katholische Religion ans
^ Vgl. die fast gleichlautenden ^nthttllnngen de Lnmbres in einem
Schreiben Johann Kasimirs an den Erzherzog Leopold Wilhelm bei
Pribram, »Lisola*, S. 268, Anm.
• Über den Plan Mazarins, die Wahl Lndwigs XIV. zum Kaiser durch-
zusetzen, Tgl. Erdmannsdörfer, 1. c, S. 302, Anm.
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86
Herz gelegt sei, und gesteht ihm dann, daß der Kurfürst ihm
davon gesprochen habe: mk ch' egli gli haveva risposto, che non
vedeva come se ne potesse disporre mentre era patrimonio di
Dio immediamente sottoposto alla S** Sede, mk che subito S. A.
addnsse V esempio di quei di Germania, ^ onde gli replicasse,
ch' il negotio fusse molto diverso, per che quelli erano gik pezzo
f k aboliti, e che nondimeno la S** Sede App<* V haveva con-
tradetta,* e che molto piü lo faria adesso, e che mai posse-
deria legitimamente quei beni, e che Y elettore Boggiungesse,
che gli era gik stato offerto, mk gli replicö, che conveniva ve-
dere in quäl tempo, e con quei conditioni, e che poteva esser,
che fusse stato quando le cose erano in precipitio, e che per
non perdere tutte Y altre chiese della Polonia si fusse forsi con-
desceso k questo, et havendo di tutto ciö dato parte in Francia,
ch' erano State lodate le risposte. Der Nuntius dankt dem Ge-
sandten für das Interesse, welches er und der König von Frank-
reich für Polen an den Tag gelegt: et havendolo pregato, che
nelle congiunture c' havesse con Y elettore, procurasse di fargli
perdere le speranze di ciö, e che di questo non potria mai
esser mezano, m' hk risposto che non gli pareva di potersene
spiegar chiaramente per non renderlo diffidente, mk si bene,
che rappresenterk le difficoltk per distorlo da simile proponi-
mento. Auch mit dem Oroßkanzler^ hat der Nuntius deshalb
gesprochen und dieser hat zu seiner Befriedigung erklärt: che
mai egli sia per consentire alF ingiustitia di questa pretensione.
' YgL diese Ausführungen de Lumbres in seinem Gespräche mit dem
Kurfürsten vom 5. Oktober 1B56 in Urkunden und Akten 2, S. 109, und
in einem Gegenschreiben, datiert Rom, 19. Mai 1667, wird der Nuntius
ausdrücklich für dieses obige Gespräch mit dem französischen Gesandten
über die Indemnität Ermlands und anderer Kirchen gelobt. Es ist dieses
eines der ersten Gegenschreiben des Kardinals Ghigi, welche laut Akten-
vermerk vom 22. April 1657 beginnen, während die früheren Gegen-
schreiben von dem Staatssekretär Rospigliosi, an den auch die Berichte
Yidonis abgingen, herrührten.
* Gemeint ist die Protestbulle Innozenz X. vom 26. November 1648 gegen
den" Abschluß des Friedens von Münster. Vgl. Zwiedinek- Südenhorst,
Deutsche Geschichte, Bd. 1, S. 67.
• Stephan Koriczynski de Pilcza.
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87
124. Krepiczy 1657 ApHl 22.
Gespräch mit dem französischen Gesandten über die Friedens-
aussichten.
Der Gesandte: Es ist wohl Hoffnung, daß König Karl
an den Frieden denke, aber man kann es nicht versichern.
Der Nuntius: Wie lange aber vMrden die Präliminarien nur
dauernd Wohl ein Jahrf Bestimmung des Ortes, der Sicherheits-
pässe von Seiten Polens, Österreichs und des Königs von Däne-
mark, von Seiten Schwedens, Rakozzi und der Kosaken. Die
Verhandlungen selbst, bei den verschiedenen Interessen und An-
sprüchen dauern wohl so lange wie jene zu Münster, Der Ge-
sandte: Sieht dies ein und gesteht^ daß es ein großes Hinder-
nis für den Frieden sei. Frankreichs Interesse sei für die
katholische Religion und er befürchte, daß dieser Krieg, der
bisher nur ein Staatenkrieg war, jetzt noch ein Religionskrieg
icürde und nach Deutschland hineingetragen werde,^
125. Krepicz, 1657 April 22.
Hoffnv/ng auf Hilfe vom Kaiser. Ansicht des polnischen
Adels darüber.
Se bene da Vienna si conferma, che verranno i soccorsi
et in nnmero competente^ ad ogni modo se ne protu? la mar-
ciata^ e vien credato, che aspetti quella corte qualche risposta
di fiiori, e forsi da Danimarca,* riesce perö qui molto pregiu-
diciale, mentre la nobiltk fondata sü detti aiuti non comparisee
con pretesto, che subito verranno all' arrivo de detti aiuti.
126. Krepicz, 1657 Mai 23.
Unterredung mit Lisola vor dessen Reise zum Kurfürsten
über die ermländische Frage,
Der Nuntius legt ihm das Frmland an Herz. Dieser ant-
wortet: che quando s' aboccö seco poco avanti che partisse con
* Vgl. zu diesen Erklärungen de Lumbres die Auffassungf welche Lisola
über die Ziele der französischen Politik bei diesem Kriege hatte. Pri-
bram, »Lisola*, 8. 264, und Chernel in dem ,Recueil des instmctions
donnees aux ambassadeurs et ministres de France* T. IV, Pologne, 8. 19 ff.
• Vgl. Pribram, ,LisolaS 8. 279. In Dänemark wartete man die Ent-
schließungen des Wiener Hofes in dieser Zeit ab.
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88
S. M. da Danzica^ ch' egli medesimo conosceva le difficoltk, che
poteva incontrar la sna pretensione, la quäle per questo conto
si riduceva poi k poter tener presidio in Brunsberga et in un
altro luogho del vescovato/ mk che la maggior premura sua
h d* haver la Prussia dacale in sovranitk^ onde gli rappresentai
i pregiudicii, che ne deriyavano da tal presidio alla libertk dl
quella insigne chiesa, e che perö lo pregavo di distorlo onnina-
mente da simil disegno, come mi promise d' eseguire con ogni
prontezza, ne trascurerö alcuna congiuntura, ch' io habbia
d' adempir le mie parti per la preservatione et indemnitk di
essa; e gik che Dio vole^ ch' k me tocchi e pur troppo io
yeda le ruine e Tincendii de tutte queste chiese^ almeno lo
supplicO; che non permetta, che rimangan preda de suoi nemici.
127. Krepicz, 1667 Mai 23,
Gespräch mit Lisola. Seine Instruktion ßlr den Kur-
fürsten. Sendung an den Papst um Oeld.
Lisola hat sehr strenge Instruktion, mit dem Kurfürsten*
im Falle dieser nicht die Schweden verläßt^ mk credo sark dif-
ficile, quando non si veda vicino qualche armata. Mi disse
anchora il medesimo Isola, che si spediva persona k N'^. Sig^
per procurare qualche denaro per dare alcuna paga alla solda-
tesca, che verrk in nostro aiuto, ne trascura di dirle le strettezze
della Camera apostoUca, e le spese immense tanto note fatie
per il contagio.^
128. Krepicz, 1667 Mai 23.
Klage des Königs über das Ausbleiben der österreichischen
Hilfe. Nachricht vom Abschlüsse des österreichisch-polnischen
Bündnisses.
^ Dieser andere Ort war Allenatein. Vgl. Pribram, ^Lisola*, S. 261.
• Vgl. Pribram, »Ligola*, 8. 264.
* Der Nuntius erinnert an die Pest, welche im Jahre 1656, von Nei^el
ausgehend, auch in Rom von April bis Mitte August wütete. Vgl. dar-
über und besonders die Maßnahmen, welche Papst Alexander gegen
die furchtbare Seuche ergriff, indem er schwere finanzielle Opfer su
diesem Zwecke aus der päpstlichen Kasse bringen mußte, bei Novae»,
,Storia dei Sommi Pontefici*, Bd. X, S. 104 ff.
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89
Der König hat sich bitter darüber beklagt, daß durch
Verzögerung der Hilfe von Österreich großer Schaden entstehe,
da man nicht die Festungen zurückerobern könne, zumal im
September hier schon kaltes Wetter eintrete, Isola hat aber
dem Nuntius gesagt, er bedauere das sehr, sei aber überzeugt,
daß bald Hilfe komme. Während er schreibt, trifft die Bot-
schaft vom Abschlüsse des Vertrages ein, ^ Der König und Lisola
freuen sich mit ihm darüber. Man kann jetzt also bessere Zeiten
hoffen und es würde dem Hause Österreich sehr zuträglich sein,
u>enn vor der Kaiserwahl der Schwede geschlagen wäre.
129. Krepicz, 1657 Juni 6.
Bemühungen Lisolas, die Abreise des französischen Ge-
sandten zu erreichen. Seine politischen Chründe für diese
Absicht,
Lisola arbeitet daraufhin, daß der französische Gesandte
abreise, e gik si vk maturando la risposta da darsele, della
quäle spero che havrö copia, e la mandarö. Dice essere ne-
cessario di farlo perchfe Danimarca si risolverk meglio di en-
trare in lega, quando vedrk disciolto ogni trattato, e cosi che
possa stringerßi piä Brandenburgh, mentre perderk la speranza
della pace. '
130. Krepicz, 1667 Juni 6.
Kriegsnachrichten und anderes aus Danzig,
Scrivono di Danzica che alcune navi con V insegne della
Polonia n' havessero prese nna Suedese carica di ferri e di
12.000 taleri contanti e ch' il comandante gli havesse fatto la
riceyata e che gli sariano rimborsati in detta cittk. Essendosi
nella medesima scoperto che alcuni vascelli, che si trovavano
verso la bocca di quel portO; havessero intelligenza con alcuna
delle guardie, che custodivano il generale Chinismarck^(^«tc.9
per farlo fuggire^ sono perö State giustitiate alcune di esse, et
ordinato da quel magistrato, che si tenga piü ristretto.
* Am 17. Mai. Vgl. Pribram, »Lisola*, S. 280.
* Diese Erkl&rangen Lisolas bei Pribram, ,LisolaS 8. 280.
' Der schwedische General Königsmark, der 1666 von den Danzigern ge-
fangen war. Vgl. Lengnich, L c, S. 176.
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90
131. Czenstochau^ 1657 Juni 17.
Sendung der polnischen Königin an die Kurfürstin-Mutter.
Antwortschreiben auf diese Sendung,
Die Königin sendet einen französischen Kapellan des
Königs an die Kurfürstin-Mutter^ in der Mark, damit sie
ihren Sohn beeinflusse, die Schweden zu verlassen, indem m^in
ihm die Gefahren schildert, welche ihm aus dem Bunde so
vieler Fürsten gegen Schweden erwachsen würden. Gerade zu
dieser Zeit teilte ihr der Kurfürst mit, daß die Verträge zwischen
Dänemark und Schweden gebrochen seien, disse (sc. die Kur-
fürstin) che tutto procedeva da consiglieri cattivi, e maBsime
dal Valdech,* che nondimeno farrk quanto potria per servire
S. M*^ tanto piü che 16 conosceva beneficio del figlio, e che
gF aggiunse nel sentirsi dire i prencipi^ che entravano in lega,
che sapeva quanto N" Sig" ancora facesse per beneficio di
Polonia e per mezo del nunzio con gl' f^cclesiastici^ e senatori
che molti haveriano adherito k Suezia^ se non fosse stata intro-
posta r auttoritk di S. B«.
132. Czenstochau, 1657 Juni 17.
Die schwedische Politik des Kurfürsten. Unzufriedenheit
seines preußischen Adels,
Con quelle di Regio Monte di 29 si sente, che quell' elet-
tore^si mostrasse sempre piü dedito k seguitar la fortuna delli
Suetesi;^ che k nome di quella nobiltk gli fusse stato rapresen-
tato il loro pessimo stato e che non vorriano essere violentati k
qualche rissolutione pregiudiciale; che molti di quei officiali s'an-
daran licentiando, e ch' egli insospettito d' altri li mntava, e
rimaneva con gran dubio dei sensi della medesima nobiltk.
^ Es ist die Sendung des Abtes von Paradeis an Elisabeth Charlotte ge-
meint. Vgl. Urkunden und Akten 8, 8. 208 ff.
' Graf Waldeck, Führer der Schwedenpartei am kurfttrstlichen Hofe.
• Vgl. über Karl Gustavs damalige schwankende ünentschlossenheit Pri-
bram, »Lisola*, S. 284 ff., und Carlson, 1. c, 8. 204. Erklärungen d'Avau-
gours siehe Urkunden und Akten 2, S. 127.
* Über das damalige Verhalten Brandenburgs zu Schweden vgl. Urkunden
und Akten 8, S. 168.
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91
133. Czenstochau, 1657 Juni 27.
Oerüchte über Pläne und Bewegungen Karl Crustavs.
König Karl läßt am 18. in Thorn Schiffe bereiten, um
das Geschütz^ wie man sagt, nach Marienburg zu schaffen.
Andere Gerüchte, daß er durch Großpolen nach Schlesien oder
auch nach Pommern zieht, vorher aber vom Kurfürsten Truppen
verlangt, um ihn fester an sich zu ziehen.
134. Czenstochau, 1657 Juni 27.
Unterredung mit dem Großschatzmeister nach seiner Rück-
kehr aus Wien, Österreich will seine ganze Macht nur für die
Hilfe Polens verwenden.
H medesimo S' gran tesoriere ^ m' hk pur raccontato, ch' il
S' ambasciatore di Spagna ' n' habbia grandemente contribuito
(zum Eifolge seiner Sendung) '^^ anziehe gli facesse vedere let-
tere di S. M. Cat**,* con lequali gli diceva d' haver scritto al
S' D. Giovanni d'Austria* et al Governatore di Milano,^ che
qoando le bisognasse militia, si provedessero altrove, per che
desiderava, ch' onninamente si soccorresse la Polonia; il che hk
confermato in queste M. M^ il concetto^ che portano della molta
pietk di S. M** et affetto verso le medesime.
135. Czenstochau, 1657 Juli 4.
Gerüchte von der Absicht Karl Gustavs, nach Schweden
zurückzukehren. Schwedische Kriegskontribution in Thorn und
zukünftiges Schicksal dieser Festung.
Con lettere di Prussia si vk tuttavia confermando, ch' il
r^ Carlo disegnasse di passar in Pomerania al soccorso de suoi
' Bogufllaw Lescsynski.
' Der MarquiB La Fnente.
> Das österreichisch-polnische Bündnis vom 27. Mai 1657. Bestimmte
Angaben über eine derartige Unterstüünuig des polnischen Glesandten
durch den spanischen am Wiener Hofe finden sich leider nirgends. Vgl.
auch über Fuente bei Pribram, »Venet. Dep.*, 1. c, S. 12, 82 etc.
* Philipp IV., König von Spanien.
^ Don Juan d^Austria, Statthalter in den spanischen Niederlanden.
• Alonso Perez de Vivero, Graf von Fuensaldagna. VgL Pribram, ,Venet.
Dep.*, S. 677.
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stati, * e ch' in Turonia fiisse giunto da Stocolmo un borgo-
mastro di quella cittk per rappresentar al detto il mal Btato di
quei popoli et il timor grande, che v' era di qualche solleva-
tione, e che molti desiderassero il ritorno della regina Chri-
stina.* II rfe Carlo chiede gran somma di denaro alla cittk di
Turonia,^ e credono alcuni, che per valersi anche di quel pre-
sidio sia per consegnar quella piazza all' elettore.
136. Czenstochau, 1657 Juli 4,
Unterredung mit dem französischen Gesandten über die
Pläne Karl Gustavs und die Friedensaussichten,
Non crede cosi facilmente il Sig' ambasciatore di Francia
che il Th di Suezia sia per portarsi in Pomerania, per che Bran-
denburgh fark quanto potrk per trattenerlo, mentre solo, saria
difficile k resistere k Polacchi e Tedeschi, et havendole detto,
che vedevo le cose disposte in modo, che si poteva sperare la
pace, mi hk risposto, che k volere, che prima si restituisca
tatto, che raai lasciark introdurre trattato, mk gl' \xh soggiunto,
che k questo pure si saria potuto trovar ripiego, dando il rfe di
Suezia parola k S. M'^ christianiss™* di farlo seguito il trattato,
mk dice, che saria difficile di inducerlo, e con questo salvaria
r honor suo. Crede il Sig' ambasciatore, che egli onninamente
pensark^ di comporsi con alcuno di suoi nemici, e che non
vede, che lo possa fare con altri con meno danno, che con la
Polonia, perche con questa.^non perderk del proprio, come le
converrk di fare h col Moscovita, 6 con Danimarca.
* Vgl. die Ungewißheit über die damaligen Pläne Karl GuBtavs bei Carl-
son, 1. c, S. 240, und die Gründe, welche Lisola für ein yoranssicht^
liches Verlassen des Kriegsschauplatzes in Polen anführt, bei Pribram,
»LisolaS 8. 285.
' Christine von Schweden.
* Die Höhe der Kontribution für Thorn findet sich angegeben bei ,Lii0olaS
S.' 285; jedoch findet sich weder hier noch an anderer Stelle, so bei
Lengnich oder Carlson, wo man es hätte erwarten können, eine Nach-
richt über die Mission des Stockholmer Bürgermeisters an Karl Gostav
nach Thoin.
* Vgl. über Karl Gustavs damalige Unentschlossenheit Pribram, ,Liso]aS
S. 284 ff., und Carlson, 1. c, S. 204; Erklärungen d*Avaugours siehe Ur-
kunden und Akten 2, 127.
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137. Pieakowctschala^ 1667 Juli 17.
Abzug Karl Gustavs gegen Dänemark. Nachrichten aus
Thom.
König Karl hat der Stadt Thom noch 2000 fiorini ab-
verlangt^ und ist dann fo^'t gegen Dänemark. Jetzt soll in
Thom der Kurfürst eingezogen sein,
138. Korzkiew, 1657 Juli 26.
Unterhandlungen mit dem Kurfürsten sind im Gange. Die
ermländische Kirche.
Der Nutius hat erfahren, daß dem Generale Campestre
in Litthavsn^ Vollmacht erteilt sei, unter größter Diskretion
mit dem Kurfürsten zu verhandeln, bei dem auch schon zu
gleichem Zwecke die Herzogin- Schwester von Kurland^ einge-
troffen sei. Bei dieser Gelegenheit hat er wieder dem Könige
das Wohl der ermländischen Kirche ans Herz gelegt.
139. Korzkiew, 1657 Juli 26.
Klage des Königs über die Unfähigkeit des österreichischen
Generals Hatzfeld, Wünsche für dessen Ersatz.
Der König beklagt sich über den General Azfelt,* der
schon ganz das Gedächtnis verloren und keinen Rat annehme.
Neulich hat er in des Königs Gegenwart Befehl erteilt, die
Artillerie auf einen günstigen Platz zu schaffen. Als er dann
sah, wie man die Geschütze dorthin führte, fragte er, wer dazu
den Befehl erteilt f Auf die Antwort, er selbst, verneinte er dies
und ließ sie wieder zurückbringen. Der König hat den Nuntius
ei*sucht, daß er nach Wien an den Nuntius schreibe, damit er
abberufen werde und das Kommando entweder an Montecucoli
^ Pribram, ^LAboW, S. 285, nennt als Kriegskontribution 7 Tonnen Goldes.
Karl Gostavs Anf brach von Thom erfolgte am 22. Juni 1657.
' Gonziewski; vgl. über die Verhandlungen mit ihm zu dieser Zeit Ur-
kunden und Akten 8, S. 200 fiP.
' Louise Charlotte; über ihr Einwirken auf den Kurfürsten im Interesse
Polens Tgl. Pribram, ,LisolaS S. 303.
^ Vgl. über die militärische Unfähigkeit des altersschwachen Hatzfeld
auch Pribram, ,yenet. Dep.*, S. 29.
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übertragen oder ein Kriegsrat gebildet werde, in dem die Mehr-
heit siege,
140. Korzkiew, 1657 Juli 26.
Die Kaiserwahl, die Stimme des Kurfürsten und Liaola.
H6 qualche dubiO; che L' Isola non condescenda ad al-
cuna cosa di piü per guadagnare il voto deir elettore e sopra
ciö staremo k vedere. *
141. Korzkiew, 1657 August 1.
Das Erscheinen des Königs von Dänemark mit Schiffen
vor Danzig. Ghründe hierfür, Ankunft der Diplomaten in
Königsberg, ihre Absichten und eine Erklärung der Herzogin
von Kurland. Die Angelegenheit Demut. Aufsicht auf einen
Bund mit dem Kurfürsten,
Aus Danzig kommt die Kunde, daß der König von Däne-
mark mit 10 Kriegsschiffen angelangt sei.^ Orund: Er habe
gehört, die Schweden wollten die Stadt belagern und daher die
Hilfe, oder er habe gehört, daß Karl nach Schweden wollte und
er beabsichtigte, ihn abzufangen. Da Karl beides nicht getan,
zog sich auch der Däne wieder zurück. Aus Königsberg wird
die Ankunft Isolas^ Awoncurs und Slipenbaks gemeldet. Ob-
gleich man noch nicht ihre Absichten kennt, meint man, sie
wollen den Kurfürsten im Bunde mit Schweden halten,^ e ciö
anco si raccoglieva dal discorso c'haveva fatto la duchessa di
Curlandia Borella del Seren"® elettore,* la quäle s* era spiegata
seco, che tutte qaei, che persuadevano il fratello di continuar
il partito Snedese, gli erano poco amici. Hk fatto V elettore di
Brandeburg carcerare un tal ofEciale Demut/ che suppone le-
* Vgl. über die Bemühungen Lisolas beim Kurfürsten in der Wahlange-
legenheit Pribram, ,LisolaS S. 306 ff.
' Friedrich DI., König von Dänemark. Er kam auf der Bhede von
Danzig am 8. Juli mit 20 Schiffen an, wie Lengnich, 1. c, 8. ISO, be-
richtet.
' Vgl. Urkunden und Akten 8, S. 230. Die Korrespondenz Schlippen-
bachs mit dem Kurfürsten.
* Vgl. Pribram, jLisola*, S. 309. Die derbe Abfertigung, welche Louise
Charlotte einem der französischen Gesandten zuteil werden ließ.
* Vgl. über ihn Kolberg, 1. c, 8. 453, 465.
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vasse gente ne suoi stati in servitio della Polonia, e che gli
soUevasse il popolo, mk il S' deU'Isola sperava di farlo rilas-
ciare, et intanto s' andava nel medesimo elettore seuoprendo
buona dispositione all' agginstamento.^
142. Korzkiewj 1657 August 6,
Enthüllungen des französischen Gesandten, Pläne der
Franzosen, falls Österreich die Polen unterstützen sollte,
H6 scoperto in discorso con TAmbasciatore di Francia
probabile^ che ßi muovino 1' armi Francese contro il vh d' Un-
gheria, k cui caso che assistesse la Polonia; che loro assisteranno
k Suetesi e minaccia^ che sconvolgera tutta V Europa^ e vedo^
che confidono molto negF aiuti del Cromvel. *
143. Korzkiew, 1667 August 6.
Bemühungen des Nuntius für seine Kirche.
Bei der Souveränitätsfrage des Kurfürsten hat der Nuntius
wieder mit dem Könige gesprochen, daß die Rechte der Katho-
liken gewahrt bleiben, und in gleichem Sinne hat er auch an
Lisola geschrieben.
144. Korzkiew, 1657 August 12.
Die Bemühungen Avaucours, den Kurfürsten bei Schweden
zu erhalten. Gespräch mit Avaucour über den Kv^rfürsten,
seine Stimme bei der Kaiserwahl und seine Stellung zu Öster-
reich und Frankreich. Hoffnungen auf den Papst. Bund
zwischen Österreich und Dänemark.
Die Verhandlungen mit dem Kurfürsten scheinen einen
guten Fortgang zu nehmen, sie waren aber fast zerstört durch
das Vorgehen des Avoncur, der ihn durch Versprechungen und
Geld zu bewegen sucht, nicht von Schweden zu lassen.^ Der
* Vgl. Pribram, ,Li8olaS 8. 310.
* Die Politik Gromwelk in dieser Zeit siehe Urkunden nnd Akten 7,
S. 706 ff.
* VgL die Anerbietangen d^Avaucoors, bei Pribram, ,LisolaS 8. 806 ff.,
ebenso ib. die politische Tätigkeit Lisolas gegen die Bestrebungen der
Franzosen.
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König ist verstimmt dadurch] er bittet den Nuntius, dabei zu
sein, sobald der Sekretär Lisolas die Briefe des französischen
Gesandten entziffert. Der französische Gesandte sagt ihm, daß
die Versprechungen an den Kurfürsten nicht diesen Zweck
haben, sondern nur, daß er nicht mit dem Könige von Ungarn
zusammengehe, während er mit Frankreich gebunden ist, e che
Tandata dell'Isola h stata importuna, perche mentre vaol pro-
curare quel voto, non puo seguire che con pregiuditio della Fran-
cia, dandolo al detto r^, e perö, che col negotio impedirk quanto
poträ la elettione spiegandosi in an certo modo^ che non lo fark
con Tarmi, se non vi sark sforzato; hö replicato che poteva
Stare insieme V amicida deir elettore con la Francia e con il rh
d' Ungheria, come era stato sin' hora e lasciarlo in libertä dei
suo YOtO; mk mi replicö^ che l'Isola 16 minacciava; senon si
dichiarava del suo voto, e che in vigore della lega seco,* non
puö darlo, che d' accordo con la Francia. Zum Schlüsse meinte
der Gesandte, daß die jetzigen und noch kommenden größeren
Verwicklungen nur durch den Papst gelöst werden könnten^
worauf der Nuntius sagte, daß der Papst niemals seine Be-
mühungen aufgeben uMrde, Per quanto sento la lega nostra
col xh d' Ungheria h Danimarca non h, che sin' hora in parola.
145. Korzkiew, 1657 August 12.
Kriegsnachrichten aus dem königlichen Preußen, Bestre-
bungen und Gegenbestrebungen der Diplomaten in Königsberg.
Schreiben aus Danzig vom 27. melden den Rückzug der Schwe-
den aus Dirschau,^ Zerstörung der Befestigung, ihre Absicht,
in Elbing, Marienburg und Thorn sich zu halten, und zu diesem
Zwecke sei Adolf Johann, ^ des Königs Bruder, mit 2000 Mann
geblieben. Die Bestrebungen Lisolas beim Kurfürsten, Wider-
stand von Seiten des Awoncur, so daß der Ausgang zweifel-
haft sei.
^ d^Avaaconr erinnert an die französisch-brandenbar^ische Defensivallians
vom 24. Februar 1656.
• Vgl. Lengnich, 1. c, 8. 180.
' Adolf Johann, Pfalzgraf von Zweibrttcken.
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Ö7
146. KorzkieWy 1657 August 19,
Abschluß des Vertrages zwischen Polen und dem Kur-
fürsten. Abreise Avaugours, Verschiedene Nachrichten.
Ein Schreiben Lisolas meldet den Abschluß des Vertrages
dv/rch ihn und den Bischof von Ermland mit dem Kurßirsten.^
Infolgedessen zieht Avaugour ärgerlich am 29. ab. Aus Danzig
wird vom Ende Juli gemeldet: Kriegsnachrichten, die Geburt des
Kurprinzen,^ der Ausbruch der Pest am diesseitigen Ufer der
Weichsel.
147. Korzkiew, 1657 August 25.
Gerüchte über die Politik des Kurfürsien; seine Verhand-
lungen zwischen Dänemark und Schweden.
Si sente di Danzica che V elettore tratta con poca since-
ritk^ e che ardentamente procuri la pace frk Danimarca et
Suezia,' oflFerendo k nome di questo alFaltro ogni sodisfattione,
e frapone sempre nuovi induggi per veder k che si mettano
le cose tanto da questa parte, come da Danimarca.
148. Krakau, 1657 September 1.
Das Schreiben der Kurfürstin-Mutter an die Königin.
Die Entschlüsse Karl Gustavs, Preußen anlangend. Der Kur-
fürst als Frieden svermittler zwischen Schweden und Rußland.
Die Korrespondenz zwischen Avaugour und de TMmbres.
La madre elettrice scrive alla regina, che V elettore di
Brandenburgh suo figlio tiene avviso che ii rfc di Suezia si
contentark di restituire le piazze di Prussia per denari, e che
1' ambasciatore* mandato da suo figlio al Moscovita era ritor-
nato con nuova, che quelle accettaria la sua mediatione per la
pace con Suetesi, mk non si crede si facilmente. Auch hat sie
* Der polniflch-braudenburgiflche Waffenstillstand von Wierzbolowa er-
folgfte jedoch erst am 22. August Vgl. Urkunden und Akten 8, 215.
' Der spätere erste König von Preußen Friedrich I.
* Vgl. die Vermittlungsbestrebungen des Kurfürsten zwischen Schweden
und Dänemark. Urkunden und Akten 8, S. 180 ff.
* Eulenburg für die russisch-brandenburgischen Beziehungen. Vgl. Ur-
kunden und Akten 8, S. 42 ff.
Archir. ICV. Band. I. Hälfte. 7
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an den König ein Paket Briefe von Avaucur an Delumbre
geschickt, aber da alles in Chiffren war, hat er es zurückgesendet.
149. Krakau, 1657 September 7.
Der Vertrag mit dem Kurfürsten. Seine erhöhten Ansprüche.
Der Einspruch Danzigs gegen die Überlassung Elbings,
Der Kurfürst fordert nämlich außer dem bisher Be-
kannten: Che mancando tutta la linea mascolina^ se diano
300.000 taleri alle femine, e vuol comprendere nel trattato il
duca Boguslao,* e se le restituisca tutto il sao e se le conce-
dano le facoltk del defonto generale Radzivil, e qualche sta-
rostia. Zweifel, ob die Polen auf alles eingehen werden. Danzig
wünscht zwar defii Friedensabschluß mit dem Kurfürsten, aber
nicht, daß er Elbing erhalte,^ che come vicina al Baltico po-
tria darsi caso d' introdurvi traffico in pregiudicio di quelle
della loro cittä.
150. Dembrowa, 1657 September 12.
Schreiben des Großmarschalls ^ an den Nuntius. Miß-
stimmung gegen Österreich,
Partii da Moghila all' improviso, perche non mi dava il
euere d' entrare in Cracovia^ alla discretione della militia
* Im Wehlauer Vertrage wurde bestimmt, daß im Herzogtume Preußen
nur für den Fall des Aussterbens der männlichen Nachkommenschaft
des Kurfürsten der polnische Lehensanspruch wieder erhoben werden
dürfte. Vgl. Erdmannsdörffer, 1. c, S. 279.
* Boguslaus Radziwill. Vgl. Lengnich, 1. c, S. 184.
» Vgl. Lengnich, 1. c, S. 185 ff.
* Lubomirski.
" Am 30. August war Krakau nach langer Belagerung von den Oster-
reichem erobert, welche schon damals nicht gewillt waren, die Stadt
wieder an Polen abzutreten. Daher entstand aus anderen, später
folgenden Ursachen, so wegen der Frage der Winterquartiere für die
deutschen Hilfstruppen, bei den Polen eine erbitterte Stimmung gegen
ihre Bundesgenossen. Vgl. Urkunden und Akten 8, S. 347, und Pri-
bram, ,Lisola*, S. 340, Anm. 2; und die Streitigkeiten wegen der Be-
satzung Krakaus siehe Rudawski, 1. c, S. 350. Auch des Noyers, 1. c,
2, S. 357, hat eine drastische Schilderung von dem nationalen Hasse
der Polen gegen die Österreicher gegeben: ,il y a une si grande auti-
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9Ö
Austriaca^ et che vedere la M*^ del rfe trionfare d' una cosa,
che non restava intieramente sua. La congiontione deir armi
deve sapponere qaella delFanimi e de voleri, mk questa e im-
possibile che ci possa essere, mentre H S. S" Tedeschi ci trat-
tano in questo modo. lo credo, che V. S. 111™* sii molto ben
persuasa che non vi b cavaliero in Polonia, che per publici et
privati respetti sia piü di me osseguioso deirAugustiss"* casa
d'Anstria, et per questo piü d' ogn' altro k me dispiace il modo
che tengono H ministri di essa, che puö essere egualmente pre-
giaditiale k noi et k loro. Hö voluto sfogar il disgusto, che sento
de procederi de nostri amici con V. S. III™* con quella intiera conli-
denza^ che mi hk concesao la di lei benignitk^ mentre col ratifi-
carle ogni mia parte totalmente dedicata alle dispositioni di
V. S. Ill™* le bacio devotamente le mani.
151. KrakaUy 1657 September 15,
Die Antwort, des Nuntius auf dieses Schreiben.
Der Marschall solle sich gedulden, er hat die nötigen
Schritte getan und billigt ganz seine Ansicht, Sobald er ihn
sehen oder mit S' Cefali^ sprechen kann, wird er sich xoeiter
auslassen,
152. Krakau, 1657 September 15.
Klage über die Ketzer in Posen. Vertrag mit dem Kur-
fürsten, die Souveränität, die pommer ellischen Starostien und
die Elbinger Frage.
Im Vertrage mit dem Kurfürsten waren viele für die freie
Gewährung der Souveränität, aber der Qroßkanzler^ * der zuerst
dafür war, daß die Zustimmung des Volkes erforderlich sei,
gibt dann auch nach. E ch' i capitanati Bittovense e Le-
durghense in Pomerella' se le diano solo con le rendite loro^
pathie entre les Polonais et les Allemands, que je puls vous assurer
qu' eile snrpasse celle des Fran^ais et des E8pagnol8^
* Sebastiano Cefali, Sekretär des Großmarschalls Lubomirski. Vgl. des
Noyers, 1. c, 8. 421.
* Stephan Korycinski.
* Die beiden pommerischen Ämter Lanenburg und Btltow. Vgl. Erd-
mannsdöHfer, 1. c, S. 280, und Urkunden und Akten 8, S. 216.
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salve le ragioni e giurisdittioni della nobiltk, e qiianto a Ei-
binga/ che se ne debba pigliar il consenso della nobiltä della
Prussia regale^ benche altri propongono che fusse ineglio dargli
danaro in cambio di detta cittk.
153. Krakau, 1657 September 22.
Die Zügellosigkeit der Soldaten des kaiserlichen Hilfs-
korps in Polen,
Die Klagen des Nuntius darüber. Er fürchtet ^ daß dive-
ranno un giorno (che Dio non voglia) schiavi de Barbari. Er
hat deshalb schon mit dem deutschen Nuntius^ verhandelt.^
Nicht nur gegen die Bauern^ sondern auch dem Adel gegenüber
sind sie sehr frech und deshalb verhaßt,^ Der König verspricht
Abhilfe,
154. Krakau^ 1657 September 22.
Das Treffen bei Dirschau,
Aus Danzig langen Sonntag Briefe ein, welche melden,
daß bei Dirschau ein Gefecht zwischen den Schioeden und dieser
Stadt stattgefunden. Die Schweden verloren ca. 300 Mann, als
aber die Kurfürstlichen zu Hilfe kamen^ mußten sich die von
Dirschau mit Verlust eines kleinen Feldgeschützes zurückziehen.
Waldeck, der die Brandenburger führt, wurde vervmndeU^
155. Krakau, 1657 September 22.
Gespräch mit dem Könige über den Frieden mit Branden-
burg. Allgemeine Stimmung hiefür.
» Vgl. Erdraannsdörffer, 1. c, S. 280.
* Karl Caraffa.
' Aus einem Gegenschreiben, datiert Rom, 25. August 1657, geht hervor,
daß Caraffa nach Rom über die Unzufriedenheit der österreichischen
Generäle in Polen ,come anche per la scarsezza, con la quäle si pro-
cede verso le soldatesche comandate da loro* berichtet hatte, und daß,
,da der König nicht energisch hilft, große Unannehmlichkeiten ent-
stehen könnten*. Auf diesen Bericht Carafias war Vidoni vom Papste
aufgefordert, sich der Sache anzunehmen.
* Über die feindliche Stimmung der Polen gegen die Österreicher vgl.
Pribram, ,Lisola*, 1. c, S. 340, Anm., und Pribram, ,Venet. Dep.*, S. 57.
* Über da« Gefecht bei Dirschau, welches am 2. September 1657 statt-
fand, vgl. Lengnich, I. c, S. 180, und Droysen, 1. c, S. 349.
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101
Der König teilt mit, wie Isola geschrieben, daß die Sache
vorgeschritten,^ Auch der König von Ungarn und der größte
Teil der Senatoren sei für den Frieden, die Hilfe sei bei dem
jetzigen Stande des Reiches nicht zu verachten,^
156. Warschau, 1657 Oktober 6.
Avaugour als Kundschafter für die Schweden. Der Nun-
tius soll ihn beobachten. Weshalb sich der Kurfürst bei War-
schau nicht mit den Polen verbunden hat.
' Lisola hatte auch in gleichlauteudem Sinne an den Nuntius geschrieben,
dabei jedoch auf die Schwierigkeiten in der religiösen Frage besonders
hingewiesen (datiert Königsberg, 1657 August 31). Er hat vorher nicht
den Mut gehabt zu schreiben. Jetzt scheinen aber die Geschäfte einen
befriedigenden Ausgang zu nehmen. Dennoch . . . (folgen Ghiffiren, die
am Rande so aufgelöst zu sein scheinen) ,r elettore vole che gli con-
cediamo la libertA del Calvinismo — diese Forderung des Kurfürsten,
aber nur für Pommern, findet sich bei Pribram, ,Li8olaS S. 317; viel-
leicht ist es aber gerade diese dechiffrierte Stelle, deren Auflösung Pribram
noch nicht kannte, in welcher die Forderung der freien kalvinistischen
Religionsausübung für das ganze Land ausgesprochen ist — e questa
e una delle maggiore difficoltü anzi quasi luuica, che ei resta, per la
quäle hoggi haveremo una dura bataglia, ma in questo saremo inesso-
rabili qnalsivoglia effetto ne possa seguire. Humilissimo e devotissimo
Ser«^« F. Delisola.
^ Einen lehrreichen Einblick in die Beurteilung der Politik des Kur-
fürsten durch den Papst und zugleich Ratschläge für die Verhandlungen
mit dem Kurfürsten gewährt ein Gegenschreiben, datiert Rom, 25. August
1657: Anläßlich der Annäherung des Kurfürsten an den König von
Polen meint der Papst, daß der König da mit aller Klugheit vorgehen
müsse, ,che richiedono ugualmente il zelo della gloria di Dio e le con-
venienze della Corona, verso di cui si kt mostrato quel principe cosi
fiero et implacabil nemico, non con altro motivo, che di avanzare la
propria conditione con V esterminio della santa fede e del regno. Mi
ha con tutto ci6 comandato S. B« di significare k V. S., ch' ella insista
opportunamente, affinche non si condesceuda per cotesta parte alle
sodisfationi di S. A., la quäle inducendosi hora k procurarle per via di
pace, con il solo stimolo di non poter continuare piu lungamente la
guerra, e molto verisimile, che quando ne havesse il modo, tomasse
nuovamente i gli atti di hostilitii e di rebellione, mentre hora non le
ne venga preclusa ogni speranza, median te una generusa resolutione
di vendicare le ingiurie, che hi fatto k S. D. M^ et alla Repub<»*. In
gleichem Sinne wird er heute abends an den Nuntius di Germania
schreiben, mit dem sodann Vidoni darüber verhandeln kann.
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102
Der König erzählt, daß der französische Gesandte nur hiei'
bleibe, um den Schweden zu berichten, und bittet den Nuntius,
ihn zu beobachten. Der Nuntius aber ersucht, ihn davon zu
entbinden, da er das QeiHcht habe verbreiten lassen, daß er
wegen Unpäßlichkeit dem Könige nicht folgen könne. Der König
versteht ihn und der Nuntius kann Sr, Eminem nicht genu^
rühmen, wie er zwei Stunden lang mit ihm gesprochen hat. Aus
einem Briefe, den der General in Litauen^ an den Rat ge-
richtet, geht hervor, daß der Kurfürst im vorigen Jahre sich
mit dem Könige bei Warschau habe verbindest wollen, wenn
nicht di Lumbre gesagt hätte, das sei unmöglich und die Re-
publik würde es nie zugeben.
157. Warschau, 1657 Oktober 6.
Schreiben Lisolas über die politischen Folgen des Ver-
trages mit dem Kurfürsten, Bericht des Nuntius aus Wien übei'
die Aufnahme des Bündnisses daselbst, Ungnade Lisolas in
Wien, Unzufriedenheit des Königs von Ungarn, sein Verlangen,
in Krakau eine österreichische Besatzung zu halten.
Der König hat ihm den Brief Lisolas über den Vertrag
mit dem Kurfürsten gezeigt,^ Lisola zeigt darin con potenti
ragioni die günstigen Folgen für Polen und Deutschland ' e che
cosi si conferma nel paiiito di Danimarca e molto piü^ che i
Francesi e Suetesi gli replicavano le promesse et assistenze.
Stä pero perplesso V elettore di portare armi contro Suetesi in
Germania se non 16 fk ancora il vh di Ungheria, che pare
vada circospetto per non mostrare di rompere la pace con V im-
perio. — Der Nuntius von Germania schreibt ihm, daß man
dort das Bündnis wünschte, aber mit Lisola nicht zufrieden ist,
^ Gonsiewski. Vgl. über die Vermittlungsversuche de Lumbres am pol-
nischen Hofe kurz vor der Schlacht bei Warschau Urkunden und
Akten 2, S. 104 ff., und Droysen, 1. c, S. 274 ff. Damach hatte im
Gegensatze zu obiger Nachricht de Lumbres den Antrag des Kurfürsten
überbracht, daß der König von Polen sich mit ihm und den Schweden
verbttnde und Polen in eine erbliche Monarchie verwandle. Bei der
Siegesgewißheit und kriegerischen Stimmung jedoch, welche in Warschau
herrschten, wurde dieser letzte Versuch des französischen Gesandten,
eine Einigung zu erzielen, mit Verachtung zurückgewiesen.
' Der Vertrag von Welau, 19. September 1667.
^ Diese Ausführungen Lisolas bei Pribram, I. c, S. 822 ff.
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103
da er mehr bewilligte^ als seine Instruktion enthielt, mk fii gran
danno^ che all' arrivo suo colk trovö, che lo elettore ne haveva
havuto copia, in modo che sapendo Y elettore quello se gli vo-
leva dare^ pretese di piü. S. M** poi disse che con questo ac-
cordo si mettevano gV eretici alle mani frk di loro. Risposi, che
conveniva vedere, sc S. Alt" fosse poi stata salda e non ritor-
nasse al partito contrario, del che pure doppo moströ meco di
dubitare il generale Montecucoli il quäle mi disse, che il rh
d* Ungheria sentiva molto, che si fosse negato di mettere il suo
presidio nel castello di Craccovia. * Dasselbe hat ihm der
Nuntius geschrieben und er hat mit dem Könige gesprochen,
der ihm dafür Genugtuung geben möchte. Dagegen aber sind der
Marschall,^ der Oroßkanzler^ und andere; anzi vorriano, che
si levasse quello della cittk.
158. Warschau, 1657 Oktober 6.
Die Verhandlungen mit dem Kurfürsten. Die Frage der
Abtretung von Braunsberg und Elbing,
Der Nuntius hat gehört, daß Overbeck außer anderem auch
Braunsberg fordert.^ Sogleich begibt sich der Nuntius zum
Erzbischofe von Onesen, damit er beim Könige dies nicht zu-
lasse. Der Erzbischof verspricht es natürlich, sagt aber, daß
Overbeck einen Vergleich dafür angeboten habe, worauf der
Nuntius bemei'kt, daß der heil. Stuhl niemals mit Ketzern Ver-
gleiche schließe. Bemühungen des Nuntius und Besorgnis, daß
auch Elbing abgetreten werde.
159. Posen, 1657 Oktober 6.
Schreiben des Bischofs Albertus von Posen^ an den Nuntius
(vgl. Nr. 167).
* über Streitigkeiten zwischen den Deutschen und Polen in der Be-
satzangsfrage von Krakau vgl. Pribram, ,Venet. Dep.*, S. 67.
* Lubomirski.
* Koricsynski. Vgl. Lengnich 7, 1. c, S. 89.
« Vgl. Urkunden und Akten 8, 8. 417.
^ BiBchof Adalbert Tholibowski. Vgl. über die Geschichte der Stadt Posen
in dieser Zeit Lukaszewicz, ^Historisch-statistisches Bild der Stadt PosenS
Bd. II, S. 264.
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104
160. Warschau, 1657 Oktober 12,
Verabschiedung des französischen Gesandten. Gründe für
diese Thatsache.
Die Verabschiedung des französischen Gesandten^^ und
zwar in harten Ausdrücken^ umrde vom Rate beschlossen. Be-
sonders dafür war der Erzbischof von Gnesen,^ doch der König
schwächte die Fassung ab. Die Königin erzählt, sie habe dem
Gesandten offen gesagt, sie wollten ihn nicht seco, perche non
potesse dire all' elettore^ che habbia fatto male nelle risoluzioni
prese. *
161. Warschau, 1657 Oktober 13.
Die Frage der Abtretung Braunsbergs.
Der Beichtvater^ des Königs sagt ihm, daß allerdings
Overbeck diese Forderung gestellt, der König sie aber rundweg
abgeschlagen habe,^
162. Wai^chau, 1657 Oktober 20.
Persönliches des Nuntius. Sein Zusammentreffen mit dem
Kurfürsten wird vermieden.
Non fe forsi stato male^ ch' io sia rimasto qnk in riguardo
alle oecasioni; che haverei havuto di vedermi con V elettore,
massime al banchetto, che le fark S. M*^.*
^ Blondel. Vgl. seine Berichte aus dieser Zeit in Urkunden und Akten 2,
8. 142 ff.
* Andreas Lesczynski.
* Gemeint ist der Wehlauer Vertrag. Vgl. Pierre des Noyers, S. 349.
* Carlo Soll.
^ Im allgemeinen und zur ermländischen Frage, betreffend den Stand-
punkt des Papstes gegenüber Versprechungen protestantischer Fürsten,
ist ein Gegenschreiben, datiert Rom, 9. September 1657, interessant
Der Nuntius soll die Sache der ermländischen Kirche und des Herzog-
tums Preufien dem Könige ans Herz legen: ,1a quäle (sc. V. 111°*% der
Nuntius) doverk con ogni maggior vivezza rappresentare alla M** S. et
i cotesti S. S'* quei motivi che devono dissuadere un trattato ugual-
mente pemitioso k gr interessi della religione e della Corona atteso
principalmente, che le promesse intentionate in tal materia da prote-
stanti rare volte si osservano, h solo per breve spatio di tempo*.
* Die Feste anläßlich der Zusammenkunft des Kurfürsten mit Johann
Kasimir in Bromberg, beginnend am 30. Oktober. Vgl. Erdmannsdörffer,
1. c, S. 280, und Droysen, 1. c, S. 354.
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105
163. Warschau, J657 November ö.
Unzufriedenheit des Marschalls über den König. Beruhi-
gung durch den Nuntius,
Der Marschall ^ ist unzufrieden, daß der König es so sehr
mit den Deutschen hält, e molto piü dcir abboccamento con
r elettore, che non mediti cose grande e pregiuditiali alla libertk
e che gli siano suggeriti pensieri torbidi dalli Giesuiti. Der
Nuntius beschwichtigt ihn, der König wolle nur den Frieden
und das Glück des Reiches,
164. Bromberg, 1657 November 6.
Schreiben des Carlo Soll, Beichtvater des Königs, über den
Friedensabschluß mit dem Kurfürsten. Kriegsnachrichten.
Zuerst genaue Beschreibung des Banketts vom 1. November,'^
Am Vormittage des 6, sollte der Kurfürst abreisen. Vorher aber
lasen die Senatoren in Gegenwart des Königs die einzelnen Ar-
tikel des Vertrages. Bei der Stelle, daß der Kurfürst das Jus
Patronatus in den Kirchen des Territoriums von Lauenburg und
Bittovia^ haben soll, protestierte dagegen der Monsignor von
Cuiavia * (am Rande von gleicher Hand findet sich Vladialavia.
Die ganze wichtige Stelle ist durch Striche am Rande mit
gleicher Tinte bezeichnet, teilweise auch im Texte unterstrichen).
Es entstand ein Disput von mehreren Stunden, aber da er nichts
ausrichtete, begab er sich zum Kurfürsten selbst und machte
ihn auf das Unrecht aufmerksam. Der Kurfürst jedoch, unter-
stützt von Overbeck, setzte harten Widerstand entgegen und da
der Bischof nichts ausrichten konnte, so bat er, daß ihm er-
' laubt sein solle, di raccommandare il soggetto, che dovea pre-
sentarsi dall* elettore, come k chi fosse piü d* ogni altro la qua-
litk e sufficienza de soggetti nella sua diocesi. Der Kurßirst
gestand dem Bischöfe aus Achtung vor seiner Person dieses
* Lubomirski.
* Die Festlichkeiten bei der Zusammenkunft des Kurfürsten mit Johann
Kasimir in Bromberg.
* Die pommerschen Ämter Lauenburg und BUtow.
* Richtig ist ,Cujavia*, also der cujavische Bischof, da zu dessen Diözese
die beiden Orte gehörten und nicht zu der des Bischöfe von Leslau.
Über die Verhandlungen, betreffend diese Religionsfragen für diese
Ämter vgl. besonders Lengnich, 1. c, S. 187.
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106
Recht zu, und zwar vita durante. Aber da der Bischof damit
nicht zufrieden war und auch für seine Nachfolger dasselbe
forderte^ gab der Kurfürst nach, da die beiden Räte nichts da-
gegen hatten. So wurde folgender Tenor festgesetzt: Ser"°'
elector habeat ius praesentandi commendatam ab epi-
scopo, instituendum ab eodem episcopo, riservandosi
perö che puotesse per giuste raggioni ributtare qualclie-
duno raccomandato dal vescovo. — Beschreibung des Über-
ganges Czarneski^ am 30. über die Oder bei Frankfurt, wo
die Soldaten schwimmen mußten. Die Brandenburger machten
ihnen den Übergang streitig, doch nahm Czarnecki den Kampf
nicht an, da er ihm nur Schein dünkte.
165. Warschau, 1657 November 12.
Aus den Verhandlungen mit dem Kurfürsten, Klage des
französischen Gesandten und seine Ansicht über die poli-
tische Lage.
Der Kurfürst ist sehr hartnäckig in den Verhandlungen,
so daß bald alles zu Ende gewesen wäre.^ Die Königin war
für seine Neutralität, der König nicht, doch ließ er sich etwas
bestimmen. Der französische Gesandte hat sich bitter bei ihm
über seine Verabschiedung beklagt Der Nuntius bittet ihn, ent-
weder gar nicht oder schonend nach Frankreich zu schreiben. Der
Gesandte meint, daß dies schon von anderen geschehen würde
und daß es nicht leicht sein würde, den König von Ungarn in
den Frieden einzuschließen, ebenso würde Schweden dem Kur-
fürsten große Schwierigkeiten bereiten.
166. Warschau, 1657 November 12.
Die Danziger in der Frage der Abtretung Elbings.
Li Danzicani Hanno strepitato assai perche non fasse con-
cessa Eibinga all' elettore, * mk poi si sono radolciti con la spe-
* Der polnische Feldherr Czarnecki. Über sein damaliges Vordringen in
Pommern vgl. Rudawski, 1. c, S. 373.
" Vgl. Pribram, »Lisola*, S. 828 ff., den Bericht Lisolas über die Verhand-
lungen mit dem Kurfürsten in Bromberg und auch Droysen, 8. 364 ff.
' Elbing sollte im Vertrage von Wehlau, 19. September 1667, dem Kur-
fürsten als Ersatz für das zurückzugebende Ermland abgetreten werden.
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107
ranza dello sborso efFettivo del danaro per la ricupera di essa,
che dovrk farsele di 4000 talari^ oltre le starostie di Lemburgo e
Bitom/ anzi alcuno scrive, che possano i Danzicani medesimi
pensar allo sborso della sudetta somma e ritener intanto loro
inpegno Eibinga.
167. Warschau, 1667 November 12.
Klage über die Ketzer in Posen, Lutheraner und Calvi-
nisten, Veranlassung dazu hatte ein Schreiben des Bischofs
Albertus von Posen an den Nuntius gegeben.
168. Posen, 1657 Dezember 5.
Ei'klärungen des Nuntius über die mißliche militärische
Lage und die diplomatischen Schwierigkeiten für den Frieden.
Er hat die Verhältnisse hier schlecht vorgefunden. Klagen des
Adels über die kaiserlichen Truppen^ die weder Thorn belagern
wollten, * noch zu einer andern Operation zu bewegen seien. Sie
icollten nach Pommern, um den Feind zu benachrichtigen. Der
König müsse sich entscheiden für Krieg oder Frieden oder
wenigstens 4000 Mann Fußvolk dem Kurfürsten geben, der von
den Schweden angegriffen zu werden fürchtet Wenn man ihn
nicht unterstützt, sei Gefahr, daß er sich mit Schweden ver-
bünde, da er keine Hilfe erhalten. Lisola hat seinen Sekretär
nach Prag gesendet^ mit einem Berichte über diesen Zustand
und schreibt, daß er Erfolg hoffe. lo ne hö scritto k Monsig'
nuntio; e temo che fatte le lore diligenze da questi Sig" non
si accordino poi senza il rh di Ungheria, tanto piü, che il Mi-
nistro di Danimarca protesta, che il suo rfe fark la pace, senon
fe aiutato dal detto vh, et i Francesi fanno le parti loro perche
si accordiano senza di esso^ benche non se gli presti intiera
In Wirklichkeit kam es jedoch nicht dazu. Vgl. Erdmannsdörffer, 1. c,
S. 280. Über den Einspruch, welchen die Danziger gegen diese Ab-
tretung Elbings erhoben, da ihr Handel dadurch schwer geschädigt
wurde, vgl. besonders Lengnich, 1. c, S. 186 ff., und Pribram, ,Venet.
Dep.S S. 64.
* Die pommerschen Ämter Lauenburg und Bütow; vgl. Erdmannsdörffer, ib.
* Vgl. Pribram, ,Lisola*, S. 333.
' Wahrscheinlich ist die Sendung des Obersten Garnier durch Lisola ge-
meint. Vgl. Pribram, ,Lißola*, S. 839.
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108
fede, hormai palesi i loro fini. Der König hat ihm befohlen^
mit den Ministem und Offizieren des Königs von Ungarn zu
sprechen, was er auch tun wird,
169. Posen, 1657 Dezember 6.
Schritte des Nuntius zur Bekämpfung der Ketzerei in Posen
und konfessionellen Umgestaltung des dortigen Offizierskorps.
170. Posen, 1657 Dezember 16.
Klagen über die Einquartierungen österreichischer und
anderer Truppen im Ermlande, Verarmung der dortigen Kirche^
erfolglose Bemühungen des Nuntius in dieser Angelegenheit und
seine Hoffnung auf den polnischen Reichstag.
171. Posen, 1657 Dezember 16.
Der Kurfürst und die Kaiserwahl, Lisolas Auffassung
der politischen Lage. Lisola verhindert den Abzug Hatzfelds.
Der Kurfürst hat sich noch nicht erklärt, wem er seine
Stimme bei der Wahl geben wird, obgleich er der Königin ge-
sagt hat, daß, wenn der König von Ungarn ihm die erbetene Hilfe
gibt, stimme er für ihn, und dem Könige sagte er, es wäre nicht
gutj wenn einer gewählt würde, der Pensionär Frankreichs sei,^
et il Sig^ deir Isola mi dice, che D'Avoncur * fece istanza all' elet-
tore di non dare il suo voto ad alcun nemico della Francia alche
consenti, et il di segaente gli dichiarö per nemico il rfc d' Un-
gheria, onde S. Alt" se ne comincio poi k scusare. — Isola
verurteilt die Langsamkeit seines Hofes; dadurch könnte Däne-
mark zum Bunde mit Schweden zurückkehren. Es gebe keinen
besseren Augenblick, um jetzt vereint den Schweden zu unter-
drücken, und man sollte nicht so viele Bedenken haben, den
Frieden von Münster zu brechen, da die Schweden ja zuerst das
in Deutschland und Polen getan hätten.^ Azfelt* war nahe
* Vgl. die Haltung des Kurfürsten in der Frage der Eaiserwahl in Ur-
kunden und Akten 8, S. 350 flf.
' Eine ähnlich lautende Erklärung des Kurfürsten zu d'Avaugour war
am 3. August 1657 bereits erfolgt; siehe Urkunden und Akten 2, 8. 129.
d'Avaugour f 6- September d. J. Sein Nachfolger wurde Blondel.
' Diese Erklärungen Lisolas bei Pribram, »Lisola*, 8. 328 — 333.
* Graf Melchior Hatzfeld, Oberbefehlshaber der österreichischen Hilfstruppen.
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daraUy das Heer an die schlesische Grenze abrücken zu lassen,
aus irgend einem Verdrusse, aber Isola erhob Einspruch, man
müsse die Entscheidung des Königs von Ungarn abwarten,
172. Posen, 1657 Dezember 27.
Unterredung mit dem Palatin von Posen über die Ketzer,
Der Palatino erzählt, daß er schon vor der Übergabe der
Stadt mit Overbeck wegen dieser Angelegenheit einen harten
Stand gehabt habe. Nach der Übergabe habe er es geschickt
durchgesetzt, daß die Ketzer von selbst den Ort ihrer essercitii
verließen, um nicht Konflikt mit den Katholiken e ch' egli
r introducesse da S. M*^ k Bidgocez* con esibitione di lasciar
il luogo und später, als er um einen andern Ort bat, habe der
König geantwortet, daß es zu große Schwierigkeiten macht wegen
der Katholiken, Später versuchten sie in Posen aufgenommen
zu werden, aber es ging nicht wegen der Dekrete Sigismunds III,
und Vladislaus\ Die Ansicht des Palatins ist, die Angelegen-
heit bis zum Friedensschlüsse ruhen zu lassen, denn jetzt könnten
die Ketzer Hilfe bei den ihnen günstig gesinnten Fürsten suchen,
173. Posen, 1658 Januar 2.
Die Frage der Abtretung Braunsbergs im Hinblicke auf
den Papst,
Der König hat ihm neulich im Zimmer der Königin im
tiefsten Vertrauen gesagt (mi si accostö all' orecchio) e mi disse,
che dair elettore veniva come astretto di scrivere k N^^ Sig'®,
perche permettesse quäl che cambio di Brunsberga con altro
luogo, che dasse S. Alt" per la chiesa di Varmia, ma che S. San*^
facesse quelle, che gli paresse inostrando perö che Tistanza le
sia stata fatta e che cio rimanga segreto. Sentii con mera-
viglia r avviso datomi all' hora e non nelle udienze private che
pure sono freguenti, mk foi'si non se ne sark ricordato 6 pure
sapendosi quanto io habbia premuto incontrario non si sark cosi
facilmente risoluto k parteciparmelo. Ist aber sehr erfreut über
die Ergebenheit des Königs gegen den Papst und hat ihm ge-
sagt, er glaube, der Papst werde es nie bewilligen.
^ Johann Lescsynski.
' Bromberg.
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174. Posen, 1658 Januar 4.
Unterredung mit der Königin, Gefahr für Polen durch die
anderen Mächte, Unzufriedenheit der österreichischen Offiziei'e,
Ein Bund mit dem Kurfürsten ist die einzige Rettung.
Gestern sagte ihm die Königin in langem Gespräche: Che
il rfe di Ungheria ci vuol dare ad intendere, che sia stato ri-
chiesto dal rfe di Suetia per mediatore, e lui fc quello, che gli
Ik fk offerire per mezo deir elettore, e non lascia di dubitare,
che il rfe di Ungheria, Suetia e Brandembargh possino accor-
darsi per dividersi la Polonia. Die höheren deutschen Offiziere
beklagten sich über schlechte Quartiere in diesem Palatinate
. . . e che se si fosse licentiato V ambasciatore di Francia, come
volevano, che non haveressiano chi trattasse per noi. Che se
il rfe di Suetia si accostark, i Polacchi se le uniranno con en-
trare ai danni di Slesia. Der Nuntius erwiderte^ man dürfe
nicht alles glauben^ die Dinge lägen gut und man müsse sie
erhalten. Aber die Königin erwiderte hierauf: Die Offiziere
hätten offen gesagt^ sie gingen nicht nach Pommern^ weil sie
nach ihrer Kapitulation nicht dazu verpflichtet seien^ und sie
ersuchte den Nuntius^ daß er an den Palatin von Posen schreibe,
che dove puö abbracci i partiti di pace e che 1' elettore non
ci scappi. Dei* Nuntius hat dies getan, denn er sieht ein, daß
es unmöglich ist^ länger den Krieg zu führen ohne diese Hilfe.
175. Berlin, 1658 Januar 17,
Anonymes Schreiben Lisolas an den Vizekanzler über den
Stand der diplomatischen Verhandlungen zu Berlin. Teilweise
in Chiffren, die aber alle von derselben Hand aufgelöst sind.
Lisola bedauert, keinen erwünschten Bericht senden zu können,
da die Verhandlungen langsam und mit vielen Schwierigkeiten ge-
führt sind und schließlich Ei*klärungen abgegeben vmrden, die
verschieden von den vorher in Posen und anderen Orten abge-
gebenen sindy so daß er schleunigst einen Kurier nach Prag
entsendet, um Instruktionen zu erbitten. Doch wird man Erfolg
haben, se Y elettore caminera da dovero in questo negotio di
che dubito un poco. Graf Slipenbac^ wünscht eine Unter-
* Vgl. über diese Erklärungen Schlippenbachs und ihre Aufoahme bei den
kaiserlichen Gesandton Montecucoli und Lisola Pribram, ^Lisola*, S. 366,
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redung, verspricht viel für Österreich und Polen^ er traut ihm
wenig. Man darf zwar nichts verachten, aber die Sache gefällt
ihm nicht Seitdem Akakia ^ hier ist, glaubt er eine Veränderung
am hiesigen Hofe zu bemerken: li discorsi impertinenti che vk
facendo e le prattiche nelle quali si mischia indovntamente
mi fanno congietturare che li Francesi cercano piu tosto d' im-
brogliare le cose, che di portarle al desiderato fine. Er sieht
vorher, daß, so lange die Geschäfte in den Händen der Fran-
zosen sich befinden,^ an ein Verhandeln mit Vertrauen nicht zu
denken sei, und hofft, daß nichts geschehen wird ohne die Teil-
nahme Österreichs, Letzteres sei bereit, mit Waffen und Ver-
handlungen unter ehrlichen Mitteln e che non venghino in esso
adoprati quelli che non hanno maggiore mira che la nostra
ruina. Nachtrag: lo s6 anche da bnona parte, che non sark
contrario, k trattare senza massime senza la Dancia ogni volta
che dalla nostra parte verrk cosi desiderato. V. S. saprk fare
sopra di ciö le dovate riflessioni. Am Schlüsse des Schreibens
als Vermerk: Questa fe stata scritta dal Sig' deir Isola k Mons"^
V. Cancelliere.
176. Posen, 1658 Januar 18.
Gespräch mit dem 'österreichischen General Susa. Miß-
stimmung in Wien gegen die Königin. Ungnade Lisolas. Er-
klärungen der Königin und des Vizekanzlers über die Gründe
der Verstimmung in Wien,
Der General Susa, ' Befehlshaber der deutschen Infanterie,
hat sich bei ihm über die Königin beklagt und daß die Ttmppen
von den Polen insultiert werden. Die Königin sei von den Fran-
zosen gewonnen^ und er sowohl als der König von Ungarn,
Anm. 1, und die Verhandlungen zwischen Schlippenbach und Schwerin
in Urkunden und Akten 8, S. 238 ff.
* Vgl. über die Wirksamkeit des französischen Agenten Akakia am Ber-
liner Hofe um diese Zeit Urkunden und Akten 2, S. 149 ff.
' Vgl. die Korrespondenz Lisolas mit dem polnischen Vizekanzler Trze-
bicki über die Frage der französischen Friedensvermittlung bei Pri-
bram, »LisoiaS S. 366, Anm. 2.
" Ludwig Ratwic de Souches.
* Vgl. Urkunden und Akten 8, 8. 276. Vgl. über die Beschwerden der
österreichischen Truppen gegen ihre Quartiergeber, die Polen, Pribram,
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112
dem er dies in Gegenwart der Minister berichten werde, hätte
dies nie geglaubt. Sie seien unter ganz anderen Übereinkünften
in das Reich gekommen. Als ich Zeichen des Mißfallens gab
und betonte, daß ich bei jeder Gelegenheit mich bemüht hätte,
zu seiner Zufriedenheit zu handeln^ antwortete er, daß er ab-
sichtlich sich an mich gewendet habe, da er wohl toisse, daß
der König mich gern anhöre. Als ich hinzufügte^ daß ich nur
ein Bestreben habe, daß etwas in dieser Sache geschehen sollte,
wurde er etwas ungeduldig und sagte, er wolle an die Minister
nach Prag schreiben. Ich bat ihn, dies nicht zu tun oder
wenigstens in einer Weise, daß nicht neues Mißtrauen daraus
entstehe, e mi hk scoperto, che il Sig' deir Isola ha . . . (aus-
gestrichen) perto il credito k quella corte per havere assicurato
colk i buoni sensi della regina e poi toccano con mano il con-
trario. Der General sprach sich ferner lobend über die Geist-
lichkeit, den Erzbischof von Gnesen ^ und den Vizekanzler * aus.
Der Nuntius meinte dazu: diese hätten nur das Interesse der
Religion und des Königs im Sinne. Dafür habe auch der
König von Ungarn Hilfe gesendet. Der Nuntius sprach darauf
mit der Königin, die nicht ableugnet, ganz offen mit Susa ge-
sprochen zu haben. Sie wundert sich aber, daß sie nichts unter-
nehmen und dem Könige nicht gehorchen, der doch diese T^*uppen
bezahlt habe, und beklagt sich darüber, daß man von Prag her
keine Mitteilung gemacht habe über das, was dort der Schwede
gesagt hat.^ Der Vizekanzler dagegen hat mir im Vertrauen
gesagt, die Königin wünsche nicht, daß man dem Könige von
Ungarn die Präliminarien mitteile, welche man mit dem Könige
von Schweden führe, was bei diesem Hofe sehr übel aufgenommen
werden würde, und ohne diese Hilfe könnten die Polen nichts
machen. Dissi giache bisognava fare la pace, perche non sape-
vano fare la guen*a, nik dubito, che non sapremo fare ne meno
quella.
jVenet. Dep.*, 1. c, S. 87, und besonders die gemeinsame Expedition
der Österreicher mit Polen und Brandenburg gegen Pommern.
^ Andreas Lesczynski.
' Andreas Trzebicki.
• Wahrscheinlich ist die geheime Sendung des schwedischen Agenten
Habbaeus an den österreichischen Hof nach Prag gemeint Vgl. Ur-
kunden und Akten 8, S. 353.
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177. Posen, 1658 Januar 26,
Die Braunsberger Frage wird von der Entscheidung des
Papstes abhängig gemacht.
Non h ancora uscito il presidio di Brandemburgh da Bruns-
berga,^ ne qui facendosi istanza per non havere soldatesca da
mettervi, V elettore stark quieto et attenderk quello riponderk
Jjw Sig'® al rfe sopra il cambio.
178. Warschau, 1658 Februar 16.
Verlangen Lisolas, die Vermittlerrolle Frankreichs abzu-
lehnen und Geld für die Hilfstruppen zu zahlen. Zwist zwischen
ihm und dem Könige,
Der Sekretär Lisolas war bei ihm mit einem Schreiben
von diesem aus Berlin vom 3, Februar, Hierin betonte er die
Unmöglichkeit^ die Vermittlung Frankreichs anzunehmen.^ Das
ganze Friedensgeschäft werde hierdurch gestört und auch aus
diesem Grrunde könne man die deutschen Truppen nicht aus
Polen entfernen. Ihm fehlen nicht die Mittel, den Frieden auch
ohne Vermittler zu betreiben, und zwar leichter und er bittet,
die Beratung bis zu seiner Rückkehr aufzuschieben, 10,000 Mann
würden nach Pommern rücken, wenn 100.000 Taler bezahlt würden,
wie es zu Beginn ihnen versprochen worden sei. Der König aber
hat dem Nuntius gesagt, es werde sehr schwierig sein und
nur noch die Quartierfrage erschweren. Der Sekretär hat alles
dies dem Könige auseinandergesetzt, la quäle (S. M^) mi suppone
gli rispondesse altamente e che non credesse V Isola di havere
che fare con un pntto^ che gia haveva accettata la mediatione
di Francia,' e che non voleva dare li centomila tallari^ anzi
levargli li quartieri^ di che si mostra molto disgustato. Ql'hö
detto che non si smarrlschi per questo e tenga in se ogni cosa,
che la venuta deir Isola rimediaria tutto. Monsig^ vicecancel-
* Vgl. Kolberg, 1. c, 8. 644, wo sich genaue Einzelheiten über diese An-
gelegenheit der brandenborgischen Besatzung in Braunsberg und Über-
haupt im Ermlande finden.
' Vgl. das Schreiben Lisolas an den polnischen Vizekanzler bei Pribram,
,Lisola*, S. 366, Anm.
' Vgl. über diese Bestrebungen Lisolas und seinen damaligen Mißerfolg
Urkunden und Akten 8, S. 282.
▲nUt. XCY. Band. I. HUfU. 8
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114
liere mi hk detto, che nella risposta data all' ambasciatore di
Francia circa la mediatione mise quelle parole ambigae, ben-
che S. M*^ gli disse espressamente, che gl' accettava per non
esacerbare il rfc d' Ungheria e per lasciare apertura di rece-
deme se occorrerk.
179. Warschau, 1658 Februar 23.
Steigende Erbitterung des Königs und seiner Umgebung
gegen Lisola und die Österreicher, Die Folge hievon ist viel-
leicht FHeden zurischen Polen und Schweden zum Schaden Öster-
reichs. Frage der Besatzung in Braunsberg.
Aus seinem Schreiben wird der Kardinal ersehen haben,
wie mißfällig man hier das Vorgehen der Minister des Königs
von Ungarn beurteilt und den Verdacht hegt, sie streben mit
Gewalt nach der Krone und wollen nicht die Truppen aus dem
Reiche herausziehen.^ Infolgedessen sind die Majestäten molto
inaspite und auch die Herren, wie der Marschall^ dem die
Königin erzählte, was der General Susa ihr gesagt: che si do-
veva tagliare la testa k quattro frä quali k lui. Die üble Ge-
sinnung hat noch zugenommen, da neulich Lisola zu viel dem
Palatin von Posen mitgeteilt hat: dicendole, che non si levaria
r armata se non si lascia la mediatione di Francia^ e di volere
altre somme di denari oltre quelle dei patti,* diche S. M*^ si
k offesa grandemente^ e mi disse, se mi metterano in necessitk
di qualche stravagante risoluzione, e da qui k Vienna non vi
essere grande ostacolo. Der Nuntius unterließ nichts, um die
Gemüter zu beruhigen, und war sehr vorsichtig^ um nicht selbst
in Verdacht zu kommen. Sobald Lisola zurückkehrt, unrd dei'
Nuntius auch seine Pflicht tun, jnk h certo, che non si vede
altro procedere, che qui faranno la pace con Suetesi^ e si uni-
ranno seco ai danni dei rfe d' Ungheria. H6 accennato k S. M**,
che non lo supphcano di mettere il presidio di Alemanni in
Brunsberga in cambio di quelli deir elettore per le difficultk
de vi erano per parte di S. M*^ e per quella dell' elettore, mk
che havesse memoria di farlo quanto prima.
^ über die immer zunehmende Erbitterung der Polen gegen die Öster-
reicher vgl. Pribram, ,Lisola*, S. 386.
' Beschwerden der Polen über unrechtmäßiges Vorgehen der Österreicher
siehe bei Pribram, ,LisolaS S. 386.
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115
180. Warschau, 165S März 4.
Umtriebe der Königin fUr die Vermittlung Frankreichs
und gegen Österreich. Meinung über ihre Beweggründe. Unter-
stützung durch den Marschall und dessen Absichten, Folgen
/ür Polen, wenn eine Trennung von Österreich stattfinden sollte.
La regina hk procurato di guadagnare molti senatori ancfae
ecclesiastici per che concorrano nella mediatione anche di Fran-
cia, et ad alcuni hk date ragioni in scritto risponsive alle ad-
dotte in contrario dal Sig^ Isola, e vk incitando pablicamente
tutti contro i Tedeschi. Onde si discorre, che 6 habbia ricevuto
da qnesti qualche gran disgusto, 6 qualche gran promessa da
Francesi, se qui si divideranno da loro. II Sig^ maresciallo ^
gF adherisce perche eschino dal regno per dominare il rfe, k cui
obbedirk in quello gli parerk stando tutto adombrato, che non
mirino i Tedeschi alla corona ' anche con violenza per V occu-
pazione delle piazze e per non uscire ha? dal regno in Pom-
merania, e persona dependente da lui disse, che se S. M*^
conduceva seco, come pensassa gaardia de Tedeschi^ che non
saria venuto. Soweit der Nuntius gehört, sind die Stimmen
für eine Vermittlung durch Frankreich geteilt, aber der König
erklärt, sein Wort dafür gegeben zu haben. Es ist nicht zweifel-
haft, daß man viel Grund hat, sich über die Deutschen zu be-
klagen, aber viele meinen, daß, wenn Dänemark besiegt, wie es
heißt, und toir uns vom Könige von Ungarn trennen, wir entweder
in große Gefahr geraten oder Frieden nach dem Willen der
Feinde machen müssen, denn sie sägen, daß die Franzosen immer
mehr das Interesse Schwedens als das unserige wahrnehmen
werden. Da der Nuntius sieht, daß der Bund mit dem Könige
von Ungarn gefährdet sei, geht er zum Könige, um ihn zum
Einlenken zu bewegen. Dieser ist sehr aufgeregt. Isola habe
gedacht, die deutschen Truppen würden nicht das Reich ver-
lassen, wenn man nicht auf Frankreichs Vermittlung verzichte,
e che non erano termini di amici^ che chiamaria i Tartan e
Cosacchi in Slesia, e spedirk al Moscovita per fargli sapere che
* Lubomirski.
* Über das Verhalten der Königin Luise Marie ge^en die Österreicher
zu dieser Zeit und im besonderen in der polnischen Thronfolgefrage
Tgl. die Ausführungen Lisolas bei Pribram, ,LisolaS S. 387.
8*
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116
il rfe di Ungheria vorria impadronirsi del regno dopö che hk
saputo r inclinatione della Polonia verso di lui, e scriverk al
rfe di Suetia che trattark solo. Onde consideri V. Em" come
io rimansi. Der Nuntius bemüht sich, den König zu beschwich-
tigen, und dieser sowohl als die Königin beauftragen ihn, zu
Isola zu gehen, ^ Dieser erklärt: che di trattare la mediatione
non occorreva parlarne, mk che pensasse k qualche ripiego e
dopo molte doglianze contro la Regina ottenni che stese in
carta due repieghi. Diese trug der Nuntius zu den Majestäten^
die Kopien wollten, um den Senatoren davon mitzuteilen. Der
Nuntius will es einigen mitteilen, weil er glaubt, daß manche
es auf den Bruch absehen, um den König der Hilfe zu be-
rauben und damit sie ihn in Händen haben, mk questo non
16 devo dire al rh, per che forsi gli venia detto con pericolo
di molti sconcerti, e volesse Dio m' inganassi.
181. Warschau, 1658 März 4.
Die Frage der Abtretung Braunsbergs an den Kurfürsten,
Gespräch mit dem Könige über diese Angelegenheit,
Der Kanonikus Fantoni von Ermland hat ihm mitgeteilt,
daß der Kurfürst Braunsberg wolle. Fantoni hat ihn gebeten^
beim Könige vorstellig zu werden. Der König antwortet, daß
bei der Zusammenkunft mit dem Kurfürsten in Bidgosc* dieser
Frage wegen beinahe der Friedensabschluß gescheitert wäre. Er
habe in die Abtretung Elbings getoilligt, damit Braunsberg er-
halten bliebe,^
• Vgl. Pribram, ^Lisola*, S. 390, wornach Lisola durch die Senatoren und
den päpstlichen Nuntius auf das polnische Herrscherpaar einzuwirken
suchte.
• Bromberg. Vgl. über die Einzelheiten in der Braunsberger Frage, auf
welche der Kurfürst so ungemeines Gewicht legte, Kolberg, 1. c,
S. 649 ff.
• In einem Gegenschreiben, datiert Rom, 6. April 1658, wird der Nuntius
für seine Wachsamkeit gelobt, mit welcher er sorgte, daB nicht ,1a citti
di Braunsberga* in die Hände der Ketzer falle. Er soll sich mit dem
Könige, Bischof von Ermland und dessen Bruder, dem Palatin von
Posen, für seine Bestrebungen verbinden.
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117
182. Warschau, 1658 März 11.
Lisola droht mit seiner Abreise. ^ Der Nuntivs beschwichtigt
ihn. Die Meinung Lisolas über Frankreichs Absichten bei der
Vermittlung, Lisola wünscht den Marschall zu gemnnen und
klagt über das Mißtrauen gegen den Gesandten Dänemarks.
Der Erzbischof von Grnesen ist ein Gegner der französischen
Vermittlung; seine Klagen über die Königin.
Lisola ist bei ihm gewesen und war sehr ungehalten über
die Neuigkeiten, besonders die Vermittlung Frankreichs e che
converrk, che il vh d' Ungheria pensi al fatto suo. Che vedrk
quelle puö fare in brevi giorni e poi dark parte al suo ri di
tutto quelle passa e pensark alla partenza perche non h dovere,
che spingano le loro armi in Pomerania per difesa di chi si fe
buttato in braccio k suoi nemici. Der Nuntius hat ihn be-
schwichtigt und hofft, daß es seiner Klugheit gelingen werde,
auf den König einzuwirken. Hk doppo dettO; che sapeva dove
mirava la mediatione; che la Francia daria forsi i denari che
pretende il r^ di Suetia per la compensa della Prussia mk con
qualche simulatione si consegnark qualche piazza k Francesi
sotto apparenza della regina. H6 risposto^ che non credevo si
volesse V uscita de Suetesi di Ik, senon perche ritornasse Ubera-
mente k S. M*^. Im Vertrauen hat Lisola ihm gesagt, daß er
den Marschall zu gewinnen wünsche, damit er ihm Krakau
übergebe, auch habe er sehr liebenswürdige Schreiben des Kö7iigs
von Ungarn an ihn mit. Zum Schlüsse beklagt er sich, daß
man Mißtrauten in den Residenten von Dänemark setze, anstatt
alles aufzubieten, um den Bund zu erhalten. Der Erzbischof
von Grnesen hat sein Bedenken ausgedrückt,^ welcher Schaden
aus dieser Trennung entstehen würde, und er verstehe nicht, wie
man den Bund mit dem Könige von Ungarn und den erneuerten
mit dem Kurfürsten erhalten wolle, wenn man Frankreich als
Vermittler annehme. Aber wenn er der Königin offen seine
Meinung sage, loürde er ihren Zorn auf sich laden. Der Nun-
' Vgl. über dieses heiße Ringen Lisolas am polnischen Hofe gegen den
Einfluß Frankreichs Pribram, ,LisolaS S. 385 ff.
' Vgl. Budawskif 1. c, S. 399. Die Rede des Erzbischofs Andreas Les-
czynski auf dem Reichstage zu Warschau, 11. Februar 1658, worin er
zum Ausharren bei Osterreich ermahnte und ibid. die ganze Stimmung
der Versammlung wiedergegeben ut.
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118
tiiLS hat ihn gebeten, nicht an der Sache zu verzweifeln, aher
er erwiderte, es sei jede Mühe vergeblich, da die Königin in
Wirklichkeit regiere, ^
183. Warschau, 1658 März 11,
Gipfelpunkt der Gefahr und des Bruches mit Österreich.
Der Nuntius wird zu Lisola geschickt und erwirkt von ihm ein
beruhigendes Schriftstück. Die Hofkamarilla,
184. Warschau, 1658 März 11,
Klagen über die Übergriffe der Österreicher im Bistume
Posen. Schritte dagegen,
Sonnabend vormittags erhielt der Bischof von Posen Nach-
richty daß die Übergriffe der Deutschen in seinem Bistume und
Palatinate auch gegen den Adel nicht mehr zu ertragen seien.
Der Bischof wendete sich an den König, der mir anempfahl,
mit Lisola darüber zu sprechen, Lisola verspricht, sogleich an
den General Montecucoli^ zu schreiben.
186. Warschau, 1658 März 19.
Kriegsnachrichten, Schlappe der Schweden vor Thom und
Graudenz,
Die Besatzungen der Schweden in Preußen glaubten^ die
Polen nel Carnevale passato spensierati, und versüßten in Thom
am Montage einen Überfall, Über 300 zogen aus, gegen sie
Giovanni Sapieha, * notaro dell' esercito del regno, mit wenig
Leuten und tat so, als ob er fliehen würde, während er eine
große Zahl Soldaten versteckt hielt. Die meisten Schweden
wurden getötet oder gefangen. Dasselbe geschah in Grraudenz
am Kamevalstage,
^ In drastischer Weise hat Radawski, 1. c, S. 398 ff., dies aasg^esprochen:
,regina, quae tunc maritom regehat, ut parvus Aethiops elephantum*.
' Der kaiserliche General Graf Baimand Montecuccoli.
' Nach Lengnich, 1. c, S. 218, der Eronfeldschreiher Johann Sapieha,
doch fehlt hei ihm jede Nachricht über die oben erw&hnte glückliche
Waffentat der Polen zu dieser Zeit. Dagegen findet sich eine ent-
sprechende Nachricht von dem gelungenen Überfalle der schwedischen
Garnisonen durch die Polen bei des Noyers, 1. c, S. 390, Noyers nennt
aber als zweite Garnison Strasburg.
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119
186. Warschau, 1658 März 19,
Verlangen, daß die österreichischen Truppen Polen ver-
lassen, Ultimatum an Lisola.
Die Königin wünscht dringend, daß der König nach Posen
zurückkehre per accalorare V uscita delP armata Tedesca e de
nostri per tenere infede V elettore. Der König aber ist gegen
diese Reise^ dicendo^ che non stima bene di impegnarsi colk,
e che non uscendo i Tedeschi si trovasse in qualche impegno
cosi fatto con pericolo di alcun disordine e della sua riputa-
zione. Er will vielmehr den Sekretär Masini zu Montecuccoli
senden, damit er ihn zum Abzüge bewege. Sollte dies nicht ge-
lingen, so möge er ihm sagen, daß er mit seinem Heere lieber
nach Schlesien zurückkehre, anstatt in Polen zu bleiben und
das Land zu verunlsten. Der Nuntius ßirchtet aber, daß die
Königin dennoch nach und nach den König zu dieser Reise
bewegt. AI Sig' Isola si h detto per ultimo^ ^ che entrande le
militie in Pomerania S. M** tirark in lango quanto potrk il trat-
tato^ ne 16 concluderk senza il rh di Ungheria^ tanto piü che
il Sig' ambasciatore di Francia si fe dichiarato piü volte, che
il rfe di Suetia non trattaria quando le armate entrassero nella
Pomerania.
187. Warschau, 1658 März 19.
Aufhören der päpstlichen Unterstützung. Klage darüber
in Polen.
Doni hat geschrieben, daß der Papst keine Unterstützung
mehr geben könne. Darauf haben sich einige Senatoren beklagt:
che questa guerra sia di uguale importanza per la christianitk,
che quella del Turco. Darauf erwidert der Nuntius: Der
Papst hätte getan, was er konnte; außer den 30.000 scudi, die
er gesendet,^ noch 100.000 tallari aus dem Kirchensilber; die
Geistlichen täten mehr als sie selbst.
* über die Verhandlung^en mit Lisola vgl. Pribram, »Lisola*, S. 386 ff.
' Diese Geldsendung des Papstes Alexander VII. war bereits im Jahre
1655 erfolgt.
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120
188. Warschau, 1668 März 25.
Frieden mit Dänemark. Besorgnis Lisolas vor Entschlüssen
des Königs, welche Österreich nachteilig wären. Hilfe vom
Nuntius wird erbeten, der jedoch den Einfluß der Königin he-
ßlrchtet.
Von Berlin aus wird der Abschluß des Friedens mit Däne-
mark ^ berichtet, dies gibt Isola zwr Besorgnis Veranlassung, be-
sonders da der französische Gesandte zuiHlckgekehrt ist, und er
fürchtet, daß der Kurfürst dem Bunde beitreten werde,^ so daß
dann der König von Ungarn verlassen bliebe. Isola hat den
Nuntius gebeten, bei dem Könige Grutes zu erwirken. Soweit
nun der Nuntius des Königs Gesinnung kennt^ wird er nichts
ohne den König von Ungarn unternehmen, aber niemand bürgt
ihm dafür, daß er nicht vernünftige Vorschläge Frankreichs
annehme, da die Königin ihn wohl gewinnen dürfte, wie es fast
immer geschieht und wie es auch jetzt mit seiner Abreise geschah.
189. War schau j 1658 April 3.
Schreiben Morsteins * aus Kopenhagen an seinen Bruder. *
Warnung vor den Franzosen, Schweden und Cromwell. Sein
Batschlag: schleuniger Bund mit den Holländern. Gründe für
diesen Bund.
Masini hat das Schreiben in Gegenwart des Morstein de-
chiffriert und schickt es an den Nuntius. Fuggite per Dio
buono i consigli Francesi e li intercessioni per il Suetese piü
che la peste. Lo Suetese non dimanda sinceramente la pace,
mk uccellatore vi vuole ingannare. — In tutti gF awisi si ride
del generale campestre di Lituania^ e della conyocatione di
' Friede yon Rothschild zwischen Schweden und Dänemark am 27. Fe-
bruar 1658. Vgl. Erdmannsdörflfer, 1. c, S. 289,
* Vgl. Pribram, »Lisola*, S. 398.
' Tobias Morstein, polnischer Gesandter in Dänemark. Über seine Ver-
handlungen am dänischen Hofe im Jahre 1667 vgl. Urkunden und
Akten 8, S. 181 u. 185.
* Joh. Andreas Morstein, polnischer Gesandter in Wien nnd Sekretär
Johann Kasimirs.
* Gonziewski.
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121
Varsavia.* — CromveP lo spinge e prega di promovere e prin-
cipiare la gnerra di religione in Germania e gli promette un' ar-
mata navale per ottenere il dominio del mare Baltico anzi di
Danzica in questa primavera. Questo assolntamente ^ vero.
State cauti, e fate lega quanto prima con gPOlandesi^ acciö
avanti di maggio, 6 nel principio di esso soccorrino Danzica^
cosi il rh di Danimarca k voi et k gl' Olandesi renderk gratie.
Fate seriamente e non disprezzate il consiglio. Li Francesi
Btimulano il Turco^ al qnale Cromvel o£ferisce armata navale.
— I Danesi temono gl' Olandesi, e pure la parte piii conside-
rabile desidera, che questi li liberano dalli Suetesi. Danque
concladete presto con gl' Olandesi e prima che i Suetesi si
muovino contro Danzica. — II Cromvel hk man dato 4 vasselli
yerso Markvico e la stanno sopra 1' ancore. Non h dubio che
la maggior parte serrerk il Baltico. Li Suetesi dimandano k
Danesi alcune navi e ciö del arto contro Danzica etc. Guai
k voi tutti.
190. Posen, 1658 April 18.
Anonymes Schreiben an den Nuntivs.
Gestern sind General Spahar^ und Owerbek* hier ange-
kommen. Der Kurfürst denkt an Neutralität und beklagt sieh
über die Langsamkeit der Polen und Österreicher^ die es nicht
zum Kriege kommen lassen. Die letzteren scheinen jedem Marsche
nach Pommern abgeneigt. * Der Anfang des Übels und was alle
Operationen aufhält, sei der ch' il duca elettore non si possa
distaccare dal conseglio della Francia/ che si farebbe con uno
* Der Reichstag in Warschau, 11. Februar 1668. Vgl. Rudawski, 1. c,
8. 398 ff.
* Über die Politik Cromwells vgl. Urkunden und Akten 7, S. 789, und
besonders ersichtlich aus der Sendung des Generalmajors Jephson an
den Kurfürsten, ib., S. 793 ff.
' Der brandenburgische Qeneral Otto Christoph Sparr.
^ Johann Hoverbeck, der bekannte Staatsmann und Gesandter des Kur-
fürsten in Polen.
* Über die militärischen Pläne der Österreicher vgl. die Erklärungen
Lisolas in dem Kriegsrate zu Posen. Pribram, ,Lisola', S. 401.
* Wie richtig die Ansicht des obigen Anonymus ttber die starke Beein-
flussung des Kurfürsten durch die Franzosen um diese Zeit gewesen
ist, geht unter anderem aus dem Gespräche des französischen Ge-
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122
il quäle non volendo combattere, abbnndarebbe di pretesti^ al-
meno non del tutto nudi di apparenti ragioni per sfiiggir V in-
contro e mettersi in pugno V arbitrio della pace? E qnando
minacciasse. (il che concedono non haver del verisimile, mk
non YOgliono che si dica impossibile) di ritirarsi alla parte de
Saezzesi^ dolce partito alFhora ci parerebbe di lasciarlo nella
neutralitk. Die brandenburgischen Minister dagegen toünschen
den Marsch auf Pommern und zeigen^ wie überlegen unsere
Macht der schwedischen sei^ sotvohl ata militärischen als aus
politischen Gründen.^ Der Kurfürst aber fürchtet, daß die
Schweden, welche jetzt nach dem Siege über die Dänen durch
die Versprechungen Cromwells so stark sind, sein Land über-
schwemmen. Che se si aspettava la potenza Suezzese questa
haverebbe invitato i nostri k fnggire; onde con la nostra pro-
pria gente haveressimo accresciute le forze al nemico^ che S. A.
non poteva trovarsi con noi et k diffender il sao^ ch' in tal caso
si saressimo tutti trovati in necessitk di prender nuovi partiti.
Finisco col voltar k mio capricio quel concetto tanto noto de
tutt' i comici e poeti^ siamo la farfalla^ che tanto s' ageriamo
intorno al nostro bei lume, che finalmente s' abbruggiaremo
r ali, andiamo quk e Ik^ mk sempre torniamo k quel bellissimo
lume di pace^ vi potrebbe esser questa differenza cio& che ci
siamo destramente condotti. Li S. S" Austriaci parlano di Po-
merania^ mk son innamorati dclla Prussia, e se qualche buon
pretesto potesse trovarsi da qualche bell' ingegno^ parmi che
si contentariano di voltar altrove la marciata. V. S. Hl"" costk
m' hk predetto quest' imbroglii^ et k me tocca il sentirli quk e
faccio.
191. Warschau, 1658 April 22.
Tod des Erzbischofs von Gnesen,^ Ansicht des Nuntius
über ihn und die bevorstehende Neubesetzung dieses Kirchen-
Stuhles.
sandten Blondel mit Friedrich Wilhelm hervor. Vgl. Urkunden und
Akten 2, 8. 162/63.
* Vgl. Urkunden und Akten 8, 8. 356, wo au« dem militSrischen Gut-
achten des Kurfürsten ttber den Zustand des schwedischen Heeres seine
ganze Aktionslust ersichtlich wird.
* Andreas Lesczynski. Vgl. seine Charakteristik bei Rudawski, L c,
S. 415, und bei Kochowski, 1. c, 8. 277.
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123
Sein Tod ist für die Kirche und für den Nuntius ein
großer Verlust, che se bene conveniva trattar seco molto destra-
mente, tuttavia operava poi bene. Sollte die Wahl auf den
Bischof von Ermland ^ fallen, wie es heißt, h certo, che h un
buono Sig'®, e che le di lui parentele 16 renderanno molto
stimato. Mk non vedo poi in lui quei spiriti, che si richiede-
rebbono in questi tempi e per gl' accidenti che potessero darsi
e per conoscere gl' artifitii de laici e contrastare la mira^ che
hanno in tener bassi gl' ecclesiastici. '
192. Warschau, 1658 April 22.
Lisolas fortgesetzte Bestrebungen gegen die Vermittlung
Frankreichs; seine Gründe hiefür. Befürchtungen des Nuntius,
Pläne der Franzosen und Schweden anlangend.
Isola hat seine Bemühungen, damit die Vermittlung Frank-
reichs zurückgewiesen wird, heim Könige erneuert.^ Sein König
würde dieselbe niemals annehmen aus vielen Gründen, von
denen der Nuntius durch den Sekretär Masini die folgenden
erfahren hat: V havere rifuitato gik quella del defonto impera-
tore, r haver fatto la Francia dichiarazioni tanto aperte contro
il rfe di Ungheria. GF aiuti dati da Francesi alli Suetesi e le
doglianze publiche per gl' aiuti somministrati alla Polonia. lo
dubito che i Francesi e Suetesi vorranno impegnarci al trattato
e poi entrando i primi in Germania contro il rh di Ungheria
necessitarlo k richiamare la sua gente con supposta all' hora
che la Polonia ferk la pace quasi per forza, e voglia Dio che
m' inganni.
193. Posen, 1668 April 24.
Zwei anonyme Briefe Masinis an den Nuntius. Das po-
litische und militärische Verhalten zwischen dem Kurfürsten
^ Wenzel Lesczynski wurde in der Tat sein Nachfolg^er. Vg^l. Rudawski,
1. c, S. 415.
' Vgl. mit diesem Urteile des Nantius über Lesczynski auch den Vor-
wurf, welchen er seinerzeit dem Bischöfe und einem Teile der erm-
ländischen Chorherren und ihrem Verhalten gegenüber dem Kurfürsten
gemacht hat, bei Kolberg, 1. c, S. 566.
« Vgl. Pribram, »Lisola*, S. 395 ff.
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124
und Österreich, Ansicht des Nuntiibs über die politische allge-
meine Lage,
Im zweiten Briefe kann er schon Tatsachen berichten. Es
heißt da: Hb scritto, che gl' elettorali consigliarano di impie-
gare la gente Austriaca in Pmssia e che per essere stato ris-
posto secondo quel piü^ che si richiedeva ad nna propositione
in forma di a£fettuoso parere, si era da loro passato ad una
meza e poi ad nna totale dichiaratione di non volere andare
contro il rfe Carlo Gustavo ^ e di non volere cimentare in modo
alcuno la sua fortuna in una battaglia. — Pure h vero, che
doppo tante difficoltk superate k costo del pretioso tempo, che
si h produtO; finalmente, vedendo gV elettorali^ che sotto la
forma di consiglio non si poteva distomare la marchiata con
loro^ anzi da loro^ e si puo dire per loro concertata smasche-
rano li pretesti e si dichiarano^ che le lentezze della corte di
Ungheria hanno causato, che nelF imperio le prattiche Suetese
si siano ridotte all' evento da loro desiderato, perche li Stati '
scrivono k S. A., che se egli unira Y armi sue alle Polacche
b ad altri prencipi per attaccare alcun dominio, spettante al
sacro Romano imperio^ si crederanno in necessitk di assistere
al rfe Carlo Gustave* Onde TAU** Sua haveya mandato k
rappresentare k S. M** et k S. S'^ ministri Austriaci, che quelle
mani^ le quali altre volte si mostrorono piü pronte dell' altre,
adesso venivano legate con cosi potente minaccie. — Hebbe
campo il Sig' generale Montecucoli di dare un saggio dell' elo-
quenza e facondia sua^ mentre col fondamento di molte et
efficaci raggioni potfe senza eccedere i termini della modestia
^ Vgl. bei Pribram, ^Lisola', S. 401, die Erklärungen der brandenburgi-
schen Abgesandten Spaar und Hoverbeck, womach sie, dem Zwange
der Verhältnisse entsprechend, damals die gemeinsam geplante Expe-
dition nach Pommern glaubten ablehnen zu müssen.
' Die veränderte Politik der Staaten den Schweden gegenüber nach dem
Frieden von Rothschild, ihre Furcht vor Karl Gustav und femer die
hier angegebene politische Abhängigkeit des Kurfürsten von den Staaten,
wird ersichtlich aus dem ausführlichen Exposä Lisolas bei Pribram,
,Lisola', S. 418.
' Dieses drohende Verhalten der Staaten gegen den Kurfürsten wird aus
den trockenen holländischen Gesandtschaffcsberichten in Urkunden und
Akten 3, S. 118 ff., nicht ersichtlich, sondern nur ib., S. 122, die Ver-
sicherung des Kurfürsten, daB Brandenburg im deutschen Reiche nichts
Offensives beginnen werde.
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125
sfogare le sue doglienze contro il procedere delli elettorali. Mk
che bell' incontrO; perche tanto freddamente si riduceva ad' una
tale risolutione e che bei campo per fare magnifica pompa di
una buona volontk. Prima Y elettore si hebbe k suiscerare per
la Polonia; quando sollicitö questa risolutione et offeri di con-
dürre gl' eserciti. Adesso sono pronti gl'Austriaci ^ e S. Alt"
si duole di non potersi muovere. Adunque abbandano sempre
le obligationi di ringratiare questo e quelle per le dimostrazioni
di buona volontk. Unsere Lage ist jetzt sehr veiivickelt und
die Königin hat ihm gesagt, man wisse nicht, wo der Hof bleibt;
die Anwesenheit des Nuntivs hier wäre sehr erwünscht. Se li
Stati deir imperio assicurano la M** del rfe di Ungheria, che se
fatta la pace in Polonia lo Suetese si rivoltasse contro de suoi
stati, essi assisteranno contro di questo, dunque si pu6 accettare
la mediatione di Francia, e non si deve dubitare che sia per
restare escluso dalli trattati e dalla pace il vh di Ungheria.*
Accetta la mediatione Francese il duca elettore,* il quäle piü
di tutti sospira il modo di saltar fuori di questa guerra con
quelle che k lui e stato promesso senza che si affatichi in
meritarlo.
194. Warschau, 1658 April 29.
Versuch der Schweden, mit Österreich zu verhandeln, Er-
klärungen des Mainzer Kurfürsten, welche dagegen sprechen,
Auffassung des Nuntius von der politischen Lage,
Der Vizekanzler*^ sagt ihm, man wolle nicht in Verhand-
lungen mit den Schweden treten, da man sehe, daß sie es nicht
ernst meinen et intanto di andare indugiando con i Francesi
sin che s' inducano k trattare da vero con la forza. Auf An-
trag Lisolas, die Vermittlung Frankreichs zu unterlassen, hat
der König abgelehnt, mk che mentre li Suetesi hanno fatta
* Vgl. die Korrespondenz Montecuccolis mit dem Kurfürsten in Urkunden
und Akten 8, S. 358.
' Vgl. über die Stimmung der Reichsfürsten zu Osterreich und Frankreich
Urkunden und Akten 8, S. 490 ff.
' YgL die damalige schwankende Haltung des Kurfürsten den Einflüssen
Blondels gegenüber in Urkunden und Akten 2, S. 162/63.
* Trzebicky.
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126
istanza al rfe di üngheria perraezo dell' elettore di Magonza ^
per la pace che il medesimo elettore motivi da se k Suetesi
che r ostacolo k conseguirla e la mediatione di Francia^ che
non pu6 accettare il r^ di Üngheria e che se vogliono schietta-
mente la pace, si dichiarino che tratteranno senza mediatori,
come fecero due anni sono. Onde V. Em** vede le cose di
quk pericolare^ et io godo di non esservi stato presente perche
qui ho predetto quelle, che fe avvenuto, ne haverei potnto con-
tenermi di non darne cenno.
195. Warschau, 1658 Mai 6.
Mitteilungen Masinia über die politische Lage des Kur-
fürsten,
Masini hat ihm mitgeteilt, che crescono i sospetti dell' elet-
tore se persisterk con noi 6 nö e si credeva, che il rh di Suezia
non assaltaria i snoi stati per non necessitarlo k stare unito con
noi, credendo li Suetesi, che Sua Altezza non si vorrk disgustare
e discostarsi molto da suoi dominii, il che stimo gli basterk.
196. Warschau, 1658 Mai 6.
Die Braunsherger Frage und das Verhalten des Kurfürsten.
Ihm lag stets daran, daß in Braunsberg nichts geändert
werde, besonders daß die Besatzung dem Könige zu gehorchen
hat,^ und er glaubt, daß der König darüber toacht,^ non di-
meno le procedure del Ser™** elettore devono sempre piü farci
aprir gV occhi massime se fusse vero quelle, che mi viene ri-
* Johann Philipp Schönborn, Kurfürst von Mainz. Über diesen Vorschlag
Karl Gustavs, zum Friedenswerke ohne Vermittler zu schreiten, vgl.
Pribram, ,Lisola*, S. 399 flF.
^ Die brandenburgische Besatzung in Braunsberg hatte in Wirklichkeit
auf Verfügung des Kurfürsten, datiert 6. November 1667, sowohl dem
Könige von Polen als auch dem Bischöfe des Ermlandes Treue schwören
müssen. Vgl. Kolberg, 1. c, S. 649 ff.
' In einem Gegenschreiben, datiert Rom, 8. Juni 1668, wird für die In-
demnität des Bistums Ermland als besonders wichtig hingestellt, daß
Braunsberg nicht in die Hand der Ketzer falle. Da nun der Bischof
von Ermland zum Erzbischofe von Gnesen ernannt ist, könnten die
Protestanten diese Gelegenheit benützen und es wird deshalb dem
Nuntius die größte Wachsamkeit eingeschärft.
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127
ferto^ ch' egli^ senz' attender i comissarii Regii habbia preso il
possesso de i due capitanati; ^ che gli fnrono aduti nell' accordo
seguitO; come awisai.
197. Warschau, 1668 Mai 30,
Die Langsamkeit der Friedensverhandlungen mit Schweden,
Gründe hieflir. Die Ansichten in Frankfurt und Warschau über
die Vermittlung Frankreichs.
Obgleich der Conte di Colovrato * angekommen ist, schreiten
die Friedensverhandlungen mit Schweden nicht fort, perche i
parti proposti gik dal Sig' ambasciatore di Francia^ che dava
per facili di essere abbracciati da Saetesi^ questi non li con-
sentono. Onde dk occasione di rinovare le diffidenze di fidarsi
da Francesi in questo negotio, e di conoscere sempre piü, che
il rh di Suetia non voglia la pace, che k suo modo. — La re-
gina mi disse scrivere V elettore, che il conte Cnrtio * havesse
detto in Francfort, che non si cnrano, che la Francia fosse
mediatrice per la Polonia, mk qui il Sig' dell' Isola hora dice
altrimenti e scopro che la regina diffida che si possa venire al
trattato, dicendo, che i Francesi non possono quello, che altri
credono col rh di Suetia.
198. Sierakow, 1658 Juni 11.
Klagen des Bischofs von Finnland über die deutschen Sol-
daten. Verwendung des Nuntius Sanfelice für ihn.
Hk ben Y applicatione di Mons' nuntio Sanfelice * adem-
pite tatte le sue parti k soglievo del vescovati di Varmia, si
come anche V. E. si degna awisarmi con una delle sue, mk
non han gik sortito i suoi ufficii il desiderato frutto.
^ Gemeint sind wohl die beiden Ämter Laaenburg und Bütow, welche
nach dem Vertrage von Wehlau an den Kurfürsten abgetreten wurden.
' Graf Kolowrat, der mit Lisola zum kaiserlichen Bevollmächtigten bei
den Friedensverhandlungen ernannt worden war. Vgl. Pribram, ^Lisola*,
S. 899 u. 407.
' Graf Ferdinand Kurtz, Reichsvizekanzler.
* Aus einem Gegenschreiben, datiert Bom, 13. April 1658, geht hervor,
daß der Kardinal Ghigi im Auftrage des Papstes sich an den Nuntius
Sanfelice gewendet hatte, damit die Übergriffe der österreichischen
Soldaten unterdrückt würden.
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128
199. Sierakow, 1658 Juni 11.
Reys Mission in Frankfurt^ die Vermittlung Frankreichs
betreffend.
Rey,^ der nach Frankfurt gesandt tcurde, um die Kur-
fürsten zu bewegen, daß der Kaiser die Vermittlung Frankreichs
annehme, schreibt: ,Der Mainzer wolle noch mit Sachsen sprechen^
doch einige meinen, der Frieden sei nur durch Vermittlung
Frankreichs möglich/
200. Sierakow, 1658 Juni 18.
Die Klageschrift des Bischofs^ und Klerus von Posen
gegen die österreichischen Soldaten. Auffassung Johann Kasimirs
darüber und sein Verhalten gegen den mutmaßlichen Verfasser
Andreas Olszewski,
Die österreichischen Minister sind beleidigt durch die
Überschrift: Super barbara Austriaci militis insolentia.' In
Frankfurt ist diese Klageschrift erschienen. Der König von
Polen nimmt an, daß Olszewski,^ der die Bittschrift überreicht
hat, sie niemals in dieser Form abgefaßt hat, was um so glaub-
würdiger ist, als dieselbe erst nach seiner Abreise von dort er-
schienen ist Der König meint auch, daß dieser Titel von Übel-
gesinnten gemacht sei, ben che il memoriale sia vero, onde penso,
ch' il sentimento con che ne rimane S. M. sia per render capaei
i medesimi ministri della rettitudine delle sue intendoni.
P. S. Olszewski befindet sich in der Nähe und bestreitet,
dies haben drucken zu lassen: nondimeno S. M. non lo vuol
ammettere alla sua presenza se prima non si giustifica. — Folgt
die Bittschrift, welche an den König von ünga^m gerichtet ist,
versehen mit den Unterschriften des Bischofs und seines Klerus,
^ Wladislaw Bey, SekretJU* der polnischen Königen. Ober seine Be-
mühungen bei dem KorfOrsten, g^gen den ausdrücklichen Wunsch
Österreichs die französische Yermittlung anzunehmen, vgl. unter anderem
besonders Rudawski, 1. c, S. 412, und Pribram, ^Lisola*, 8.484.
« Albert Tolibowski.
' Dieses Libell findet sich abgedruckt bei Rudawski, 1. c, 8. 404 ff.
^ Andreas Olszewski, Kanonikus von Krakau, polnischer Vertreter in
Frankfurt. Über seine Tätigkeit daselbst ygl. auch Rudawski, 8. 404 ff.
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201. Sierakow, 1658 Juni 18.
Gespräch mit dem Könige über die Gefahr in Posen, wo
durch das gemischte Bekenntnis der Offiziere im Falle eines
Angriffes eine Katastrophe entstehen könnte. Der König ver-
spricht Abhilfe.
202. Sierakow, 1668 Juni 18.
Die Besatzungsfrage in Braunsberg zwischen Polen und
Brandenburg.
Bitte beim Könige, die Besatzung in Braunsberg zu ändern.
Der König erwidert, daß bei der Zusammenkunft mit dem Kur-
ßlrsten^ beinahe der ganze Vertrag gescheitert wäre, weil der
Kurfürst diesen Platz behalten wollte.
203. Posen, 1658 Juni 24.
Abreise der Königin nach Berlin. Empfehlung der Brauns-
berger Frage bei dieser Gelegenheit.
Havendo dubitato, che con V andata della regina a Ber-
lino, * non rinnovi 1* elettore 1' istanza per il cambio di Bruns-
berga del vescovato di Varmia con tirare S. M*^ k qualche im-
pegno, ne parlai al rh, perche ne awertisse la regina etc.
204. Warschau, 1658 Juli 8.
Kriegsnachrichten aus Preußen vom Frischen Haff.
Einige schwedische Schiffe, etwa zehn, sind in der Ostsee
gesehen worden^ und haben begonnen, Leute auszuschiffen zwischen
Danzig und Elbing, un certo posto dirimpetto all' Haff. Darauf
will Czameski * mit Soldaten hin, um sich mit dem Kurfürsten
gegen sie zu vereinigen.
^ Die Znsammenkanft in Bromberg, 30. Oktober. Vgl. über die obige
Frage unter anderen besonders Kolberg, 1. c, S. 549 ff.
* Der Aufenthalt der Königin in Berlin w&hrte vom 28. Juni bis 3. Juli.
Urkunden und Akten 2, S. 172.
* Vgl. Urkunden und Akten 8, S. 366. Wahrscheinlich sind die Schiffe
gemeint, welche den aus Schweden erwarteten Truppenersatz nach
Preufien brachten. Vgl. Lengnich, 1. c, S. 212, und auch Kolberg, S. 548.
^ Der oft erwähnte polnische Feldherr Czarnecki.
ArebiT. XCV. B»od. I. Hälfte. 9
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205. Warschau, 1658 Juli 8.
Ausschreitungen der Österreicher beim Verlcasen des Erm-
landes, Störung und gotteslästerliche Handlungen bei einer Pro-
zession. ^
Der Fall wurde dein General Szusa * berichtet, der sehr er-
grimmt ist und die Schuldigen bestrafen wird.
206. Warschau, 1658 Juli 15.
Abberufung Reys aus Frankfurt. Gespräch mit Kolourrat.
Rey ist aus Frankfurt als unfähig auf Verlangen der
dortigen östen'eichischen Minister abberufen worden. Es soll
schnell geschehen, damit bei Ankunft der Königin, da cui de-
pende il Rey, nicht toieder der Entschluß geändert werde. —
Colowrat hat den Nuntius gebeten, sobald er etwas gegen seinen
König oder das Heer vernehme, ihn zu benachrichtigen. Der
Nuntius hat ihm seine Ergebenheit gegen seinen König ausge-
drückt. Mi scordava, che il medesimo Sig' eonte mi aggiuDse
ehe il Rey, partito dalia sudetta conferenza andasse subito
dalli ambasciatori Francesi.
207. Warschau, 1658 August 6.
Gespräch mit Kolowrat über Rey und den Gesandten
Cromwells.
Hk scoperto il Sig' conte di Kolovrat come mi hk detto,
che si sia spedito ordine al Sig' Rey segretamente di complire
in nome delle Maestk con S. M*^ Cesarea,* e che si fosse par-
tito, come le fix ordinato, che se ne ritorni^ il che hk grande-
mente sentito, perche havendo procurato di farlo richiamare
per comando di S. M*^ Cesarea se lo deve poi veder compa-
rire avanti per simile funtione, e tanto gli preme perche si sia
^ Der Abzug der gesamten österreichischen Truppen aus dem Ermlande
erfolgte nach Kolberg, 1. c, S. 547, Ende Mai oder Anfang Juni 1658.
• De Souches.
' Vgl. Pribram, ^Lisola^ S. 440, wonach die kaiserlichen Gesandten sich
bei Johann Kasimir beklagten, daß er Rey nicht abberufe und ihn
sogar zum Überbringer seiner Glückwünsche an den Kaiser lu dessen
Wahl auaersehen habe.
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fatto senza farlene sapere niente^ perche haveria insinuato^ che
si fosse fatto per Bcansare le spese.^ Sente ancora male^ ehe
si voglia ricevere 1' ambasciatore del Cromvel;' mk questo pas-
seria. II piü b, che si ode, che sia per offerire la sua mediatione
con Suetia^ e pure si sk; che gl' hk dati ainti^ e se bene S. M^
gl'hk detto, che quanto alla mediatione^ dirk di riportarsene k
suoi collegati; tuttavia temo^ che per opera dalla regina^ non
segua, come fe seguita quella di Francia et io dubito, che
mandi Y ambasciatore con intelligenza di questi heretici, nelche
haverei caro di ingannarmi.
208. Warschau, 1658 August 13.
Mißstimmung der Polen gegen die kaiserlichen IVuppen,
besonders in Großpolen. Folgen^ welche aus einem Bruche mit
Österreich entstehen könnten.
Klagen der polnischen Deputierten in der Kammer über
die deutschen Truppen^ die nichts tun und das Land aussaugen.
Besonders die von Großpolen haben dies dargestellt und es wächst
die Unzufriedenheit mehr und mehr^ che introdacono del con-
tinuo nuova gente sotto pretesto di recluse, e si fk conto^ che
dove, conformo k patti devono essere 12.000, che sono passa
venti.' Der Marschall und andere haben ihm dargestellt^ wie
es unmöglich seiy sie länger zu ei*nähren; das Reich und das
Gran Dncato seien vo7i 100.000 Soldaten verheert, die nichts
tun, und die Folgen, die daraus entstehen könnten seien un-
absehbar: dabito di stravaganze, come pure mi hk discorso la
regina, e rompendosi noi con S. M** Cesarea, V elettore si se-
parark da noi, e tornaramo da capo, se pure non ci sostenesse
li Moscoviti,* quando perö si faccia la pace con loro.
' Vgl. Pribram, JjisolaS S. 440, die Entschuldigung des polnischen Königs,
er lasse Bey in Frankfurt nur, da es ihm an Geld fehle, jemand eigens
dorthin zu schicken.
* Erwähnung dieser von Oromwell beabsichtigften Vermittlung bei Pri-
bram, ,Li8olaS 8. 439.
' Vgl. über diese Mißstimmung der Polen, besonders in Qroßpolen, gegen
die Österreicher Pribram, ,LisolaS S. 440 ff.
* Über die damaligen gespannten Beziehungen zwischen Rußland und
Polen Tgl. Urkunden und Akten 8, S. 288 ff., und des Noyers, S. 434.
9*
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209. Warschau, 1658 August 20,
Gespräch mit dem zum Erzbischof von Chieseii ernannten
Bischof von Ermland ^ über den Kurfürsten und die Besatzungs-
frage in Braunsberg.
Der Bischof liegt krank im Bette. Passö poi k raccon-
tarmi le angastie nelle quali si h molte volte ritrovato per le
molestie dell' elettore, e ch' alla dimanda che gli fece fare di
riconoscerlo per suo diretto padrone, rispondesse francamente,
che piütosto si saria esposto alla morte, onde chi gli fece
r ambasciata, se ne parti lagrimando. Was die Änderung der
Besatzung in Braunsberg anlangt, so hält er sie für nötig. Jedoch
müsse man mit den Bedenken des Kurfürsten wegen der Wich-
tigkeit des Platzes und cW i Polacchi non siano bnoni k difen-
derle rechnen und schließlich muß man die Ereignisse bei Thom
abwarten, * bevor die Braunsberger Frage erledigt werden könne.
210. Warschau, 1658 September 10.
Anfrage des Nuntius, ob er einer eventuellen Einladung
der Danziger folgen dürftet
Es könnte sein, daß nach der Erob&rung Thoms der König
sich zur Belagerung von Marienburg oder von einem anderen
Orte aus nach Danzig begibt, wohin er ihm zu folgen hätte.
Et essendo solito quel magistrato di pasteggiar, come si dice
nna volta il niintio; supplico V. C. farmi sapere se in questo
caso dovessi accettare, se bene se andassi con le M** loro, forsi
m' iDviteriano al convitto, che gli facessero^ al quäle non farei
difficoltk come che sarei k servire le M*^ etc.
211. Warschau, 1658 September 10.
Schwierigkeiten im Hinblicke auf die Friedensverhand-
lungen mit Schweden, besonders die Besatzungsfrage Brauns-
bergs durch Brandenburg anlangend.
^ Wenzel Lesczynski wurde nach dem Tode Andreas Lesczynskis ernannt.
Vgl. Lengnich, 1. c, S. 192, und Rudawski, 1. c, S. 416 flf.
" Nämlich die Belagerung dieser Stadt, welche bereits im Juli 1668 be-
gonnen hatte. Der GroÖmarschall Lubomirski rückte im September
mit seiner Heeresabteil nng vor die Stadt Vgl. Lengnich, 1. c, S. 213.
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133
Fra le difficoltk, che si frapongono al congresso per la
pace con Suetia, una fe che quel rfe vuole, che i luoghi depu-
tati siano liberi dal presidio; onde dovrk uscire da Brunsberga
quelle dell' elettore; il che sente male TOverbec, come mi hk
detto il Sig'^ conte di Kolovrat con il quäle se v' h dichiarato,
dicendo; che mentre non vi hanno da essere i plenipotentiarii
Suetesi, che non gli deve importare^ che speri in qualche
modo gli debba restare quella piazza^ 6 almeno con dar cam-
biOy e che sin da quando si fece il trattato dell'accordo con
r elettore^ * che disse al Sig' dell' Isola, che se il rh di Ungheria
air hora non gli faceva dare detta piazza^ che non gli dai*ia il
8U0 voto per Telettione, mk che gli rispondesse che S. Altezza
era ben padrone del suo voto, mk S. M** non gik della volontk
del ri di Polonia, k cui spettava.
212. Warschau, 1658 September 14.
Reise in das Lager vor Thorn, Rückblick auf seine ver-
ßossene Amtstätigkeit,
Fuggo dalla peste scopertasi affatto et avvanzatasi nel
plenilunio passato, e vado incontro alla guerra et alla fame;
mute continuamente stanza, e non miglioro la sortc. Passano
gr anni, mk non variano gl' accidenti. Incomincio ii settimo di
quest' impiego,* e non h diverse dal principio del primo, ch'ap-
punto neir ingresso vi ritrovai la peste etc.
213. Lager bei Thorn, 1668 September 28,
Schreiben des Masini an den Nuntius im Auftrage des
Königs, um die vorzeitige Abreise des Grafen Kolowrat zu hinter-
treiben.
^ über die Verhandlaugen der kaiserlichen Gesandten, Hoverbecks and
der Polen zum Friedens werke vgl. Pribram, ,Liflola*, S. 449 flf. Lisola
betont da die Notwendigkeit des guten Einvernehmens mit den Branden-
burgern. Eine Erwähnung der Braunsberger Frage zwischen diesen
Diplomaten, wie oben, findet sich jedoch nirgends.
' Vidoni wurde im Jahre 1 652 vom Papste Innozenz X. als Nuntius nach
Polen geschickt. Vgl. die Angaben Über Vidonis Leben in Moronis ,Di-
zionario storico ecclesiastico*.
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Vorgestern eröffnete Kolowrat^ ganz unerwartet dem Könige,
daß er nach Posen gehen solle, bis der Kongreß beginne. Der
König, in der Voraussicht, daß die Abreise des ersten Ministers
auf die Polen Eindruck machen werde, bittet ihn, zu bleiben.
Da er sich nicht überreden läßt, soll nun der Nuntius zu ihm
gehen und ihm vorstellen, che questa sna partenza fark dire^
che per la parte delli Austriaci altro non si studia^ che di al-
longare ogni strada di entrare nei trattati k fine; che la Po-
lonia sia sempre il teatro della guerra. La M*^ S. mi disse,
che k V. S. Ill"* non bisognava lungo discorso sopra di questo,
essende Ella informatissima quante attioni di minor rilievo di
questa habbino indotti li S. Sig' Polacchi alla medesima sospit-
tione. Wenn er wenigstens den Grafen bis zur Einnahme Thoms
halten könnte, hätte er schon die Hälftre des Begehrten erreicht.^
214. Lager bei Thorn, 1658 Oktober 3.
Unterredung des Nuntius mit Kolowrat, Eifersucht der
Österreicher auf die Bevorzugung des Kurfürsten durch Johann
Kasimir, Zwist zwischen de Souches und dem Könige.
In der Unterredung mit Colovratt (sie!) hat er gemerkt,
daß zu den Befürchtungen des Königs kein Grund vorliegt,
wohl aber hat sich Kolowrat bei ihm über die Königin beklagt,
ueil sie dem Palatin von Prussia' geheim befohlen, kein Ein-
verständnis mit Montecuccoli, sondern nur mit dem Kurfürsten
zu halten,^ Er beklagt sich, daß man größeres Vertrauen haben
will, con un' heretico amico reconcigliato e che hk voluto tante
sodisfattioni, piü che con S. M*^ Ces% che gl' hk aiutati senza
interesse, e che gl' fe parente. Auch ist neuer Verdruß zwischen
^ Vgl. Pribram, ^Lisola*, S. 452/54, ttber diese Angelegenheit ,Kolowrat
and das Mißtrauen der Polen in die Absichten der Österreicher*.
' Die Bemühungen Masinis und des Nuntius waren vergeblich; Kolowrat
reiste am 5. Oktober nach Posen ab ; siehe Pribram, ^Lisola*, S. 454.
' Czamecky, der 1657 zum Palatin von Russia ernannt worden war.
Vgl. Rudawskii 1. c, S. 829. Dieser geheime Auftrag der Königin an
ihn findet sich bei Pribram, ,Lisola*, S. 453.
^ Die tiefe Abneigung der Königin gegen die Österreicher um diese Zeit
wird am besten ersichtlich aus dem Schreiben ihres Sekretärs des Noyers,
1. c, S. 441 ; andererseits die Begünstigung und das Vertrauen, welches
sie der brandenburgischen Politik entgegenbrachte, aus Urkunden und
Akten 8, S. 292 ff.
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dem Könige und General Szusa ^ ausgebrochen, der neue Kaval-
l&i'ie ins Reich bringen wollte. Vielleicht hat er der Botschaft
des Königs zu übermütig geantwortet oder man hat nicht der
Wahrheit gemäß berichtet, genug, der König proruppe in grande
escandescenza. Der Nuntius hat den Grafen gebeten, er solle
dem General raten, mehr an sich zu halten, besonders da er
auch mit dem Marschall schlecht steht.
215. Niessova, 1658 November 29.
Klagen des Nuntius über den Sekretär der Königin des
Noyers.
Oft schon hat der Nuntius über die falschen Nachrichten
geschrieben, die von Frankreich aus über die hiesigen Verhält-
nisse und den Papst verbreitet werden. Besonders geht dies von
dem Sekretär der Königin Noiers* av^. Solange der Beicht-
vater der Königin * lebte, hatte er an ihm eine Stütze, jetzt aber
weiß er nicht, wie er die Königin über diese Gerüchte, welche
ungeheuer viel Schaden bei Ketzern und Katholiken anrichten,
aufklären kann.
216. Lager bei Thom, 1668 Dezember 7.
Schreiben des Kurfürsten an die Königin und ihre Ant-
wort darauf.
Die Königin teilt dem Nuntius mit, daß der Kurfürst an
sie geschrieben:^ man erzähle, daß sie geheim mit den Fran-
zosen Frieden mit Schweden erstrebe, che ben sapeva, che i
coUegati non si erano mossi, che per beneficio della Polonia^
Der mehrfach erwähnte österreichische General de Souches.
' Der oft als Autor zitierte Pierre des Noyers erhielt nach seinem eigenen
Berichte, 1. c, 2, S. 392, Nachrichten aus Rom über die Unbeliebtheit
der Nepoten des Papstes beim Volke, die Geschenke empfangen, so vom
Kardinal Antonio. In Rom war deshalb eine Untersuchung, wer die
Nachrichten nach Polen gesendet hat? Auch der Nuntius wollte es
gern wissen, jedoch des Noyers meint: ,mais je ne la lui ai pas voulu
laisser yoir'.
Der Jesuitenpater Rosa nach Dittrich, ,Geschichte des Katholizismus in
Altpreuden', in Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde des
Ermlandes, Bd. 13, 1900/01.
Abgedruckt in Urkunden und Akten 8, S. 293.
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che egli nondimeno non lö credeva; S. M^^gUhk risposto,^ che
i collegati hanno havuto riguardo ai propra interessi^ dicen-
domi; che gli sia costata molto cara Tamicitia dell' elettore^ e
questo vorria ancora, che si richiamasse il palatino di Russia,*
nelche dissi; che conveniva stare molto avertito.
217. Niessova, 1658 Dezember 14,
Schreiben des Kurfürsten anläßlich der Nachricht, d(iß
Polen ohne die Verbündeten Frieden mit Schweden machen wolle. '
Warnung vor Schweden, Bitte, auf ihn zu vertrauen.
Der Großkanzler hat ihm ein Schreiben des Kurfürsten
vom 5. mitgeteilt, in dem der Kurfürst gehört zu haben vorgibt :
come si vogh'a trattar dalla Polonia la pace con Suedesi senza
participacione de collegati, mostrandone molto sentimento e met-
tendole in consideracione i gravissimi danni, che ne ponno se-
guire, maravigliandosi, che questo si pensi di fare, quando si
pu5 sperare la loro depressione, aggiunge e detesta le frodi et
inganni loro, de quali alP hora dice che piü e da temere, quando
ofFeriscono migliori partiti, et esser unico ogetto loro divider i
collegati, in fine dice di confidar in lui, come d'un ministro k
cui deve esser k cuore non meno il proprio bene, che quelle
de tutti gr interessati, c'han postposti i propra vantagii per
difFesa della Polonia etc.
218. Lager bei Thom, 1658 Dezember 21,
Befürchtung des Nuntius wegen der Besatzungsfrage in
Braunsberg. Annahme, daß ein geheimes Einverständnis zwischen
dem Kaiser und dem Kurfürsten bestehen könnte,
Nei disgusti, che prevedo potersi accrescere frk la Polonia
e S. M** Cesarea, e nascere con Y elettore per Y operarsi senza
* Dieses Antwortschreiben der Königrin in Urkunden und Akten 8, S. 296.
'Über die Forderung des Kurfürsten, den Czarnecky vom dänischen
Kriegsschauplätze abzuberufen, seine Gründe hierfür und die Ent-
gegnung der Königin vgl. Urkunden und Akten 8, S. 293 ff.
• Vgl. Urkunden und Akten 8, S. 293 ff. Die Korrespondenz des Kur-
fürsten mit der polnischen Königin über dieses Gerücht eines Separat-
friedens zwischen Polen und Schweden und die beruhigenden Er-
klärungen der Königin.
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loro consenso, fe da temere, che la piazza di Brunsberga peri-
coli^ perche non gli mancheranno prima le scuse e pretesti di
non fare uscire il presidio/ e poi di pretendere somme di de-
nari per le spese, e qui non si riflette, perche non si pensa ad
altro, che alla pace. lo lo suggerirö k S. M** et altrove, mk
vogHa Dio, che giovi, e sento da qualche parte^ che gik frk
S. M** Cesarea e Y elettore * sia qualche trattato segreto, e re-
stando uniti^ facilmente conseguirk questo il suo intento.
219. Posen, 1658 Dezember 22.
Schwedische Vorschläge^ betreffend die Rückgabe Preußens,
und die Ansicht des Nuntius, Die Vermittlungsfrage im Urteile
der Polen und des Nuntius,
Si riduce la proposta deU'Akakia,* che trattark il vh di
Saetia con tatti i collegati e che restituirk tntta la Prnssia con
qualche ricompensa, * spingendosi di denari. lo hö detto, che
questa promessa non serve k niente^ mentre non h libera^ per-
che pretendere cosa impossibile h il medesimo^ che non pro-
mettere. Die Königin sagt, im Rate habe jemand nicht die
Vermittlung Frankreichs gewollt, aber der König wünsche es, da
Frankreich schon in den anderen Verhandlungen mit Schweden
begriffen war. Andere Senatoren wollen den Papst zum Ver-
mittler, was wohl der Ketzer wegen nicht möglich ist; so solle
er nur mit den Katholiken verhandeln. Prevego una difficoltk^
e Taccenno k Monsig' nuntio k Praga, che non so, se il rh
d'Ungheria vorrk la Francia per mediatrice con pericolo di
dividerci, che h il copo del rh di Snetia e forsi di altri, perche
^ Vgl. die Einzelheiten über die oft erwähnte Frage der brandenburgi-
sehen Beaatznng in Braunsberg bei Kolberg, 1. c, S. 549 ff.
' Das Mißtrauen der Polen, betreffend geheime Abmachungen zwischen
Osterreich und Brandenburg in dieser Zeit, wird am besten ersichtlich
aus dem Schreiben der Königin an den Kurfürsten in Urkunden und
Akten 8, S. 295.
' Akakia weilte damals in den Niederlanden. Ober seine Verhandlungen
daselbst siehe Urkunden und Akten 7, S. 166 ff.
^ Mit welchem berechtigen Mißtrauen diese Anträge Karl GustaTs, mit
allen Verbündeten verhandeln und Preußen zurückgeben zu wollen,
auf polnischer und brandenburgischer Seite aufgefaßt wurden, geht aus
der Korrespondenz des Kurfürsten mit der Königin hervor, in Urkunden
und Akten 8, S. 298 ff.
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86 noi trattaremo senza lui, i Suetesi alzaranno le pretensioni
e si difficultark la pace^ e 6 si concluderk con disavantaggio,
h non concludendosi, haveremo perso il tempo e gl' aiuti del rfe
di Uogheria, che sono i piü fondamentati.
220. Niessova^ 1658 Dezember 29.
Hochverräterische Bestrebungen in Königsberg,^ die Stadt
den Schweden zu überliefern. Vorausgegangen ist der Bericht
über die Übergahe Thoms und die Bedingungen vom 23. Dezember.
Le lettere di Danzica di 21. riferiscono tener di Regio-
monte essersi scoperto tradimento^ come aicuni di quei cittadini
volessero dar in mano de Suedesi quella cittk, perche doven-
dosi approssimare 3000 cavalli raccolti da varie piazze della
Prussia, aicuni d' essi cittadini dovevano accender il fuoco in
piü luoghi; e mentre le genti erano intente ad estinguirlO; quelli
dovevano occupare la cittk^ et il tutto si h chiarito da lettere
intercette, e se ne faceva rigorosa inquisitione.
221. Niessova, 1658 Dezember 29.
Klagen des Generals de Souches über Intrigen des Mar-
schalls und der Königin mit den Franzosen gegen die Öster-
reicher. Mitteilungen Masinis über de Souches und Gefährdung
Polens durch die Franzosen,
General Sczusa beklagt sich bei dem Nuntius über den
Marschall j* der die Deutschen aus dem Reiche heraus haben
möchte^ unter dem Vortcande, sie strebten nach der Krone, in
Wahrheit aber, um den König in seiner Gewalt zu haben, e che
i Francesi col mezo della regina spuntavano tutto, e che tuttavia
le cose non erano in stato, che non si havesse ancora di ha-
vere bisogno di S. M** Cesarea, che sapeva, che volevano i Po-
lacchi far la pace con Suetesi senza loro e che k quest' eflfetto,
' Allgemeine Angaben über die Mißstimmnng gegen die Hemehaft des
Korflirsten im Heraogtume und auch Anseichen eines Einrentänd-
nisses mit den Schweden in Königsberg finden sicli bei Droysen, 1. c,
S. 426.
' Zwistigkeiten zwischen dem Marschall Lubomirski und dem Gsterreichi-
Bchen General de Souches, erwähnt bei Pribram, ^Lisola*, 8. 459 ff.
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139
si voleva fare la tregua accenata ultimamente. * Der Sekretär
Masini teilt ihm mit, die Härte des Generals Szusa erbittere
ungemein und es entstünden unvermeidliche Konflikte mit den
Deutschen, e che da Francesi siamo precipitati aflfatto, se i
vero quello, che si scrive d'Olanda.*
222. Thorn, 1659 Januar 8,
Brief des Beichtvaters des Königs, Carlo Soll, an den
Nuntius unter anderem über die Braunsberger Besatzungsfrage.
Del presidio di Brunsberga non si puole per adesso dis-
porre, ne innovare cosa alcuna, essendoni pure necessario e
non puotendo essere snpplito della nostra gente. Non si manca
perö di prevenire ogni disegno che vi puotrebbe havere Y elettore
oltre i termini gik accordati e si procurerk in ogni nianiera di
evitare ogni pregiudicio della Corona e della chiesa.
223. Warschau, 1659 Februar 1.
Schreiben des Königs an Lisola über den Termin für den
Abzug der Österreicher aus Polen und Abhaltung des Friedens-
kongresses in Thorn,
Lisola, der in den Salinen bei Krakau weilt, hat ein
Schreiben vom Könige erhalten, nel quäle se le notifica come
astretta S. M^ dalF istanze della nobiltk con dubio di solleva-
tione, deliberava, che le soldatesche di S. M. Ces* debban esser
uscite dal regno per tutto marzo prossimo^ che altrove si potran
adoprar piü utilmente e che non per questo lasciasse di tro-
varsi al congresso (diese Stelle ist am Rande, wie es scheint,
* Der Vertrag, welcher bei der Übergabe Thorns, am 33. Dezember 1658,
zwischen Polen und Schweden ohne eine Verständigung Österreichs er-
folgte. Abgedruckt bei Rudawski, 1. c, S. 420 ff. Diesem Vertrage schloß
sich noch ein Waffenstillstand, geltend für Preußen bis zum 15. Februar,
an. Vgl. des Noyers, S. 479.
' Wahrscheinlich ist die Nachricht ans Holland gemeint, welche sich bei
des Nojers, S. 479, findet und ib., S. 483, eine weitere Erklärung dafür.
Danach arbeiteten Frankreich und England im Interesse Schwedens
darauf hin, einen Separatfrieden für Dänemark und Polen zu erlangen,
während die Polen wünschten, beide Kriege, den dänischen und den
schwedischen, durch einen einzigen Friedensschluß beendet zu sehen.
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140
mit gleicher Tinte unterstrichen), gik da me accennato da tenersi
in Turonia per il primo detto con avvisarne ils^ conte de Col-
lowratt.
224. Heilsberg, 1659 Februar 8.
Schreiben des Bischofs von Ermland, woi^in die elende
Lage des Bistums geschildert wird,
225. Warschau, 1659 Februar 22.
Nochmals dieses Schreiben des Bischofs und dessen Erfolg
beim Könige,
Die Bitten des Bischofs von Ermland für seine Untertanen
haben beim Könige den Erfolg gehabt, daß sie für die nächste
Zeit von allen Abgaben befreit wurden.
226. Warschau, 1659 März 1.
Gespräch des Nuntius mit dem Könige über das Ermland
und die Besatzung in Braunsberg.
Der Nuntius hat dem Könige für die Hilfe im Ermlande
gedankt und zugleich über die Besatzung in Braunsberg ge-
sprochen, die ganz ketzerisch sei und deren Erhaltung per Monat
15.000 fiorini koste. Es sei doch besser, wenn dieses Geld die
Soldaten des Königs erhielten und außerdem hat er ihn auf
die Gefahr aufmerksam gemacht, welche darin liege. Der König
erwidert, man könne jetzt nichts an diesem Zustande ändern.
227. Warschau, 1659 Mai 8.
Rede Lisolas im Reichstage zu Warschau.
228. Warschau, 1659 Mai 10.
Unterredung des Nuntius mit Overbeck und Lisola über
den kommenden Friedenskongreß in Thom.^
Overbeck meint, die kaiserlichen Minister würden den
Schweden Schwierigkeiten hinsichtlich der Pässe zum Friedens-
' Vgl. Pribram, ,LiflolaS S. 604, Nr. 130.
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141
kongresse machen. Der Nuntius hofft, daß man darüber hin-
wegkommen werde, befürchtet aber zwei andere Hindernisse:
YvLJio, che le plenipotenze de Suetesi si supponevano vitiose^
Taltro, ch'egli volesse^ non si trattasse e concludesse senza
di loro, il che hebbe per molto ragionevole, e in conformitk
m'attestö. Bei Lisola incontrai andere Schwierigkeiten^ e le
attestai^ ch' i suoi desiderii sariano stati spalleggiati da pleni-
potentiarii di S. A., mk non havrei voluto, che nella dilatione
de suoi passaporti s' apprendesse da collegati; che non cammino
di buon piede alla pace e fussero necessitati di trattar soli.
Che si ricordasse^ che gik da S. S" Polacchi fü mottivato non
esser necessarii i loro passaporti k Suedesi, come che non pas-
sarono per i stati di 8. M. Ces% e che se gli fusse convenuto
farlo frk Y armate Alemane^ che come subordinate al comando
di questa M*^, non potevano nocergli, in modo che col darli
venivano k guadagnarC; e conobbe, ch' il riflesso fusse loro
favorevole.
229. Warschau, 1659 Juni 7.
Intervention des Nuntius für die katholischen Geistlichen
in Bütow und Lauenburg. Die Braunsberger Angelegenheit.
Vidoni bittet den König um Schutz für die Priester de
Capitanati di Bitow e Lemberg,* welche wegen schlechter Be-
handlung alle geflüchtet seien. Der Kurfürst sei nach des
Königs Meinung verpflichtet, Braunsberg zurückzugeben, und es
wird auch geschehen.*
230. Warschau, 1659 Juli 12.
Gespräch mit dem Könige über Braunsberg und die Amter
Bütow und Lauenburg.
Der König meint, es sei sehr schwer, die Abtretung Brauns-
bergs anlangend, bevor nicht Frieden mit Schweden sei, da diese
* Die Ämter Bütow und Lauenburg, welche nach dem Wehlauer Vertrage
an den Kurfürsten gefallen waren. Eine Klage wider den Kurfürsten,
da6 er ,die ihm abgetretenen Lande Lauenburg und Bütow in ihren
geistlichen und weltlichen Rechtsamen kränke*, findet sich bei Lengnich,
1. c, S. 264, in der Instruktion für den polnischen Reichstag 1661.
• Vgl. die Einzelheiten bei Kolberg, 1. c, S. 649 flF.
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142
Braunsberg angreifen würden, sobald sie hörten, daß Polen
darin seien: perche Tesperienza ci fk veder ogni giomo, che
b sono facilissimi alla resa, ö air abbandono della difesa^ aber
sehr schwer sei es zurückzuerobern. Auf die Frage des Nun-
tius, ob es nicht dasselbe mit dem Kurßlrsten seif antwortet
der König ,nein', ch' i patti erano chiari. Über die Entschä-
digung der Priester in Bitom und Lemberg habe er schon mit
den Ministem des Kurfürsten gesprochen.
231. Warschau, 1659 August 16.
Schreiben des Bischofs von Kiovia^ über die Zustände
im Ermlande. Antwort des Nuntius und Unterredung mit dem
Könige über diese und die Braunsberger Frage,
Der Bischof hatte ihm die Brandschatzung des Ermlandes
durch brandenburgische Truppen geschildert. Ghroßer Schaden
sei auch durch die Flucht von 4000 Untertanen in das Herzog-
tum Preußen entstanden, abgesehen von der Gefahr, daß die-
selben Ketzer würden. Der Nuntius lobt den Bischof wegen
seiner Fürsorge für diese Kirche und fordert ihn auf die
Flüchtlinge zurückzurufen. Auch hat er in dieser Sache und
wegen Braunsberg mit dem Könige gesprochen und dieser hat
ihm Hoffnung gemacht, sobald der Frieden mit Schweden zu-
stande komme.
232. Warschau, 1659 Oktober 11.
Befürchtungen und Bemühungen des Nuntius, betreffend
Braunsberg im Falle des Friedens.
Havendo sempre maggior ragione di temere della resti-
tutione di Brunsberga, come che sia nelle mani di che fk ugual-
mente capitale di quel d' altri, che del proprio^ bittet deshalb
den König, er möge beim Abschlüsse des FHedens seinem Be-
vollmächtigten einschärfen, daß Braunsberg an das Ermland
zurückkomme. Der König sagt, er habe es schon getan und
hofft auf Erfolg.
^ Thomas Ujejski, Bischof von Kiovia, Administrator des Ermlandes,
hatte an den Kurfürsten ein Klageschreiben Über Ausschreitungen der
brandenburgischen Soldaten im Bistume gerichtet, datiert Warschau,
14. Juni 1669; siehe Kolberg, 1. c, 8. 651.
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143
233. Warschau, 1659 Oktober 17.
Ungehörigkeiten der Danziger gegen die katholische Kirche,^
Schritte des Nuntius infolgedessen und nochmals Braunsberg,
Oestei^n hat der Nuntius mit dem Könige über diese Dan-
ziger Sache gesprochen und er hat ihm versprochen, sobald er
in diese Landesteile komme, würde er seine Autorität einsetzen.
Braunsberg anlangend, wiederholte der König ihm seine früher
mitgeteilte Meinung: che V elettore h obligato alla restitutione
ogni volta che S. M. vi vorrk introdurre il suo presidio. *
234. Warschau, 1659 Dezember 8.
Das Elend im Bistume Eiland, Anfrage des dortigen
Kapitels, ob mit Genehmigung des Papstes Abhilfe geschaffen
werden dürftet
Durch die Einquartierungen und Kontributionen der Sol-
daten sind sowohl die Bewohner als auch das Kapitel des Erm-
landes derartig arm, daß das Kapitel daran gedacht hat, ob
man nicht mit Genehmigung des Papstes ,das Kirchensilber zu
Geld machen könnest Bericht des Fantoni ^ darüber. Der
Nuntius wird an den Papst schreiben,
235. Warschau, 1659 Dezember 8.
Berichte über Ermland und Braunsberg durch Fantoni,
Bemühungen des Nuntius,
Vidoni kann nicht genügend das Elend des Ermlandes
schildern, wie es Fantoni ihm getan hat. Infolgedessen fliehen
die Untertanen in die Staaten des Kurfürsten, was für ihre
Seelen und die Güter der Kirche eine Gefahr ist. Wenn der
König nella prossima distributione de quartieri Don havrk ri-
guardo alla loro desolatione; verliert man die Hoffnung, daß
^ Vgl. über diese Angelegenheit Lengnich, 1. c, S. 204, 224 u. 244.
' Vgl. Kolberg, S. 650. Die Auffaasnng des Königs über die branden-
burgische Besatzong daselbst ging dahin, daß der Abzug dieser Truppe
aus Braunsberg von seinem Befehle abhänge. Vgl. besonders die ib.
mitgeteilten Schreiben des Königs darüber.
' Abt vom ermländischen Kapitel.
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jemals wieder gute Zustände eintreten könnten. Fantoni hat
auch erzählt^ daß die Kurfürstlichen Braunsberg befestigen,
also nicht an die ZuiHlckgabe dieser Stadt denken. Wegen
dieser beiden Fragen ist Fantoni vom Kapitel an den Hof
gesendet. Vidoni wird ihn unterstützen, er hat schon an den
Beichtvater des Königs geschrieben und wird sich später an
Masini, den Sekretär des Königs, wenden.
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BADETZKY
IN DEN TAGEN
SEINER ÄRGSTEN BEDRÄNGNIS.
AMTLICHER BERICHT DES FELDMARSCHALLS
VOM 18. BIS ZUM 30. MÄRZ 1848.
VON
FREIH. V. BELFERT,
KORRISP. MITGLIEOI DER EAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
▲r«biT. IG?. Bftnd. I. H&lfte. 10
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fechönhals in seinen klassischen ,Erinnerungen' macht die
Bemerkung, Radetzky sei mehr zu bewundern gewesen in der
Zeit der ihm aufgedrungenen Ruhe, wo er bei seinem Taten-
drange mit seiner vergleichsweise niederen Truppenzahl zu
Verona dem ganzen piemontesischen Heere gegenüber zähne-
knirschend an sich halten mußte, als in jener, wo er, sich
seinem Gegner gewachsen fühlend, zum Angriflfe hervorbrechend
den Stier bei den Hörnern packen konnte. Allein wohl in
noch höherem Grade zwingt Radetzky uns Epigonen staunende
Bewunderung ab, als er einer großen volkreichen insurgierten
Stadt gegenüber, deren meist enge, von zahllosen Barrikaden
abgesperrte Gassen sie wie zu einer Festung machten, täglich
von Nachrichten über den sich mehr und mehr über das ganze
Land verbreitenden Aufstand, über den Abfall aller großen
Städte, über den Verlust der meisten landesangehörigen Truppen-
körper in die Enge getrieben, den Einfall des jenseits des
Ticino in Bereitschaft stehenden äußern Feindes besorgend,
dabei von der der Revolution verfallenen Reichshauptstadt
im Stiche gelassen, also in einer Lage, wo andere an Jahren
viel jüngere Führer schier der Verzweiflung erlegen wären,
den moralischen Mut nicht verlor und mitten in der been-
gendsten Klemme den künftigen rettenden Ausgang fest im
Auge hielt.
Radetzky hat Tag für Tag den Hauptinhalt der vorge-
fallenen Ereignisse und seiner eigenen Lage ftlr dienstliche
Zwecke zu Papier gebracht und bis hart vor seinem Eintreffen
in Verona fortgeführt. Dieser Bericht befindet sich im kaiser-
lichen Kriegsarchiv in zwei Exemplaren, einmal als Original-
konzept mit dem ,exp.' Radetzky 's auf der ersten Spalte; dann
als Mundum mit Radetzky 's Unterschrift für den amtlichen Ge-
brauch ,praes. 7./4. 1848^ Im Konzepte sind zweifelsohne auf
Radetzky's Befehl manche Stellen teils ganz gestrichen, teils
gekürzt oder durch eine andere Fassung ersetzt. Das Mundum
10*
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148
wurde im amtlichen Teile der ,Wiener Zeitung' vom 8. April.
Nr. 99, fUr einen ausnihrlichen Auszug stellenweise mit den
eigenen Worten des Berichtes benützt. Der volle Wortlaut
des interessanten Schriftstückes ist bisher nicht veröffentlicht
worden.
Es existiert aber noch ein drittes Exemplar dieses Berichtes,
richtiger der bis zum 21. März, nachmittags 2 Uhr reichenden
ersten Hälfte desselben, abgedruckt in italienischer Übersetzung
und im deutschen Originale im ,Archivio triennale delle cose
d' Italia' (Capolago tip. elvetica 1851) II p. 472—486. Daß die
italienische Übertragung von zahlreichen kritisierenden und
opponierenden Anmerkungen begleitet ist, braucht wohl eben-
sowenig hervorgehoben zu werden, als daß diese Anmerkungen
hier, wo es sich nicht um Sicherung des Tatbestandes, sondern
einzig um Feststellung des Textes handelt, von keinem weitern
Belange sind.
Im Archivio findet sich die Angabe: ,11 documento origi-
nale tedesco si conserva nel deposito Bellazzi, pacco 1^, filza 12*/
Da kein Grund vorhanden ist, an der Richtigkeit dieser An-
gabe zu zweifeln, so ist nur anzunehmen:
erstens daß Radetzky nach dem Besuche der aus-
wärtigen Konsuln am 21. und bei dem zu erwartenden
Erfolge der vorgeschlagenen Waffenruhe seinen bis dahin
zu Papier gebrachten Text hat abschreiben und mit
seiner Unterschrift versehen lassen, um ihn nach Wien
an Ficquelmont einzuschicken, und daß
zweitens bei dem Aufbruche in der Nacht des 22.
dieses Mundum, das sich behufs Absendung an seinen
Bestimmungsort nicht bei den anderen Papieren, vielleicht
schon in postalischer Verwahrung befand, aus Versehen
im Kastell zurückgeblieben und dort von der siegenden
Partei in Empfang genommen wurde.
Diese Mailänder Kopie, wie wir sie nennen wollen, ist in
doppelter Richtung von Wert. Sie gibt, soweit sie eben reicht,
den vollen Wortlaut des ursprünglichen Konzeptes ohne die
Auslassungen oder Änderungen, die später daran vorgenommen
wurden, und sie enthält überdies an einer Stelle einen Beisatz,
der von großer Bedeutung ist. Es • heißt nämlich vor der
Wiederaufnahme des Berichtes am 21. morgens 10 Uhr:
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,Der Feldmarschall ruht einen Augenblick. Wall-
moden' —
was ein sprechender Beweis ist, daß der Text des Konzeptes
von Radetzky selbst dem Schreiber, als den wir uns einen
Jüngern Herrn seiner Suite, einen Ordonnanzoffizier oder
,Kibitz* zu denken haben, in die Feder diktiert worden ist.
Auf welche Art übrigens jener Zusatz von Wallmoden's Hand
in die Mailänder Reinschrift hineingeraten ist, bleibt unaufge-
klärt, im Konzepte findet sich keine Spur davon, in der Wiener
Reinschrift selbstverständlich noch weniger.
Das Originalkonzept setzt, wie gesagt, ohne wahrnehm-
bare Unterbrechung unter dem Datum des 21. fort, bis es
Bogen 3 S. 4 mit einer durchstrichenen Stelle mitten im Satze
abbricht. Es folgt sodann Bogen 4, auf welchem der Kontext
mit einem neuen Satze und mit den Schriftzügen einer andern
Hand beginnt und auf Bogen 7 S. 4 mit einer Stelle schließt,
die wieder die Hand des ersten Abschreibers aufweist. Die
Weiterftihrung des Konzeptes auf Bogen 4 bis 8 enthält Mar-
ginaldatierungen: ,am 22*', ,Melignano den 23**"', ,24* März',
,25*'; diese Tagesangaben beziehen sich aber nicht auf die
Niederschreibung des Konzeptes, die vielmehr im Hauptquartier
von Orzinovi am 27., wo der Feldmarschall sich und seinen
Truppen einige Ruhe gönnte, stattfand, sondern auf die Zeit-
folge der geschilderten Ereignisse. Der Abschluß des Be-
richtes erfolgte im Hauptquartier von Montechiaro am 30. März.
In dem Gang der diese Niederschreibungen verfolgenden
Anmerkungen sollen zitiert werden: a) das Originalkonzept;
b) die in das Archivio triennale aufgenommene Mailänder teil-
weise Abschrift: c) die am 4. April in die Hände des Grafen
Ficquelmont gelangte vollständige Abschrift.
Wien, Mai 1905.
Prh. V. Helfert.
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150
An Seine Exzellenz den Herrn Wirklichen Oeheimen Rath, Staats-
nnd Conferenz-Minister, General der Cavallerie, Hofkriegsraths-
Präsidenten etc. etc. etc.
Grafen von Ficquelmont.
Castel von Mailand,
Nachts 2 Uhr vom 18. auf den 19. März 1848.
Schon seit einigen Tagen waren mir Nachrichten von ver-
schiedenen Seiten zugegangen, wonach man am 18. einen Auf-
stands-Versuch hier in Mailand machen wollte. Am 17. Abends
traf die telegraphische Nachricht ddo. Wien 15. März hier ein,
nach welcher von Seiner Majestät große Concessionen gemacht
wurden. Schon am heutigen Morgen wurden die Bekannt-
machungen an allen Straßenecken angeschlagen. Man glaubte,
diese würden das Volk Mailands beruhigen, und der Herr
Vice-Präsident Graf 0*donel richtete an mich das Ansuchen,
keinenfalls Militair-Macht zu entwickeln, im Falle man etwas
unternehmen würde, außer wenn ich dazu durch die Civil-
Behörden aufgefordert würde. Gegen Mittag liefen bei mir
beunruhigende Gerüchte ein, wonach Volk sich hier und da
sammele und die Kinder von ihren Angehörigen aus den
Schulen abgeholt würden. Die Truppen waren in die Kasernen
consignirt, der Ausbruch einer allgemeinen Verschwörung war
mir jedoch auch nicht wahrscheinlich. Ich befand mich in
meinem Bureau, als der Sturm losbrach, so daß ich genöthigt
war, ins Castel zu flüchten, um nicht durch einen Volkshaufen
umwickelt zu werden.^
Von Augenblick zu Augenblick wurden die Meldungen
beunruhigender, man benachrichtigte mich, daß Barricaden in
* A. tr. 481: ,und so begab ich mich gegen Mittag aus meiner Kanzlei
in das nahe gelegene Castell, um daselbst die Ereignisse abzuwarteii.^
Diese Stelle ist im Konzepte durchstrichen und durch die Worte: ,Der
Ausbruch . . . umwickelt zu werden* ersetzt.
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151
allen Hauptstraßen errichtet seien, ich ließ die Truppen allar-
miren. Keine Aufforderung einzuschreiten erging an mich,
endlich erschien der Ober-Polizei-Comissair de Betta, dessen
besondere Thätigkeit ich anerkennend erwähnen muß, und so
erfuhr ich, daß die geringe Wache des Gouvernement-Gebäudes
größtentheils getödtet, oder doch schwer verwundet und ent-
waffnet sei. Das Gouvernement-Gebäude war von den Rebellen
geplündert, ein großer Theil des Archives vernichtet und der
Vice-Präsident Graf O'donel gefangen abgeführt. Durch General
Wohlgemuth, der die Truppen jenes Rayons kommandirte,
wurde, nachdem die Barricaden mit stürmender Hand ge-
nommen, wobei auch Geschütz mitwirken mußte, dieses Ge-
bäude wieder besetzt. Gräfin Spaur hatte unter dem Dache
in einem kleinen Zimmer Schutz gefunden. Während dieser
Zeit war auf allen Punkten der Stadt der Kampf angesponnen,
man feuerte aus den Fenstern auf jeden Soldaten und schleu-
derte von den Dächern alle Arten von Projectilen herab.
Mancher brave Soldat verlor schon hier das Leben. Als GM.
Rath sich mit seinen Truppen in das Innere der Stadt begab,
um den Domplatz, die Burg und die Haupt-Regierungs-Gebäude
zu besetzen, entspann sich in den Straßen ein hartnäckiger
Kampf, doch gelangten die Truppen trotz aller ihnen entgegen
stehenden Barricaden an die ihnen bestimmten Plätze. Jetzt
wurden mir Proclamationen von einer provisorischen Regierung,
deren Sitz im Municipalitäts-Gebäude aufgeschlagen war, zu-
gesandt, ich erhielt ein dem Grafen O'donel wahrscheinlich mit
Gewalt abgedrungenes Schreiben, wonach man National-Garden
und viele derartige Concessionen decretirte. An der Spitze
dieser improvisirten Regierung stand der Name des Delegaten
Belatti, der sich als General-Polizei-Direktor unterschrieben.
Der Abend war herangekommen, das Gefecht in den Straßen,
besser gesagt, das Feuern auf unsere Truppen hatte bereits
6 Stunden gedauert, als ich mich entschloß, unter jeder Be-
dingung das Municipalitäts-Gebäude zu nehmen, und durch
Aufhebung der dort versammelten provisorischen Regierung
den Hauptnerv der Revolte durchzuschneiden. Vier Stunden
dauerte der Kampf, der von Seite der Rebellen mit Hart-
näckigkeit geführt ward. Endlich, nachdem die meisten Zimmer-
leute, die zum Einschlagen der Thore verwendet waren, ver-
wundet, gelang es, mit 12 # Geschütz, das nur schwer in der
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152
engen Straße verwendet werden konnte, das Thor zu zer-
stören und Herr dieses Gebäudes zu werden. Über 250 wur-
den zu Gefangenen gemacht, unter ihnen viele Leute von aus-
gezeichneten Namen. Eben so fiel ein bedeutendes Waffen-
Depot in unsere Hände; Personen wie Waffen wurden in das
Castel abgeführt.
Mailand ist in Belagerungs-Zustand erklärt. Gubernial-
rath Graf Pachta, der vollkommen ausgeplündert war und dem
es mit genauer Noth gelungen sein Leben zu retten, kam gegen
Abend unter Bedeckung in das Castel. Ich habe ihm vor-
läufig die Leitung der etwaigen gouvemativen Geschäfte über-
tragen.
Meinen Verlust an Todten und Verwundeten kann ich
noch nicht angeben, doch kann er nicht unbedeutend ge-
wesen sein.
Für den Augenblick ist es ruhig, doch wäre es möglich,
daß mit Anbruch des Tages der Kampf von neuem beginnt.
Ich bin entschloßen, unter jeder Bedingung Herr von
Mailand zu bleiben. Läßt man vom Kampfe nicht ab, so
werde ich die Stadt bombardiren laßen.
19. März Nachmittags 5 Uhr.
Wie ich Euer Exzellenz zu melden die Ehre hatte, war
Feldmarschall-Lieutenant von Weigelsperg zum schleunigen Ab-
gang nach Ferrara von mir beordert; derselbe konnte aber
gestern nicht abreisen, da der Poststall verbarricadirt war, und
daher Postpferde durchaus nicht zu bekommen; ich hoffe, dem
Feldmarschall- Lieutenant wird es geHngen, morgen früh aus
Mailand zu kommen; ich werde demselben meinen Bericht
übergeben, damit er von Verona dann mit Staffette weiter be-
fördert werden könne.
In der Lage Mailands hat sich bis jetzt nichts geändert,
schon in der Früh begann erst einzeln, dann auf allen Punkten
der Stadt das Feuer. Die Truppen sind trotz der furchtbaren
Fatiquen unermüdlich und von einem bewunderungswürdigen
Geiste beseelt. Ich habe die mir zunächst liegenden Bataillons
an mich gezogen, um meine Streitkräfte zu vermehren und
den Truppen wo möglich einige Ruhe zu verschaffen. AUe
Straßen sind durch Barricaden gesperrt, die aber für den Muth
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153
des Soldaten kein Hindernis sind. Leider war das Haupt der Re-
bellen Podestk Conte Cassati nicht unter den gestern im Muni-
zipalitätsGebäude Gefangenen^ und so war das leitende Comitä
bald wieder organisirt. Es scheint, als sei jetzt der Sitz der
improvisirten Regierung in den Palast des Grafen Borromeo
verlegt. Ich gedenke in einer späteren Stunde das Haus nehmen
zu lassen, um durch Aufhebung der Leiter die befindlichen
Combinationen theils zu lähmen, theils aber auch in den vor-
nehmsten Personen Mailands Geißeln für die Ruhe der Stadt
in die Hände zu bekommen.
Aus den Provinzen sind mir bis jetzt wenig Nachrichten
zugekommen, in Monza und Como waren die National-Garden
angeordnet, doch war es dem umsichtigen Benehmen der Mi-
litair-Autoritäten gelungen, einem Revoluzions-Ausbruch zu be-
gegnen.
Leider ist die Thätigkeit der Polizei vollkommen gelähmt,
der Herr General-Polizei-Director ist bis jetzt trotz mehrfacher
Aufforderung noch nicht im Castel erschienen, um sich mit mir
mündlich zu bereden; es ist keine Möglichkeit^ die an das Volk
von mir gerichteten Proclamationen bekannt zu machen. Mai-
lands Straßen sind wie ausgestorben, kein Gewölbe, keine Thür
war während des ganzen Tages geöffnet und ich sah mich ge-
zwungen, den Bedarf an Fleisch für meine Truppen mit großen
Abtheilungen herbeischaffen zu lassen. Glücklicher Weise ward
mir noch zu rechter Zeit die Anzeige erstattet, daß das Fleisch
vergiftet sei, sonst wäre ein unabsehbares Unglück über uns
hereingebrochen, denn es fand sich in der That, daß mehreres
Fleisch vergiftet war. Das Wetter ist heute gut, während
gestern sowohl wie diese Nacht ein wolkenbruchartiger Regen
vom Himmel herabströmte.
Noch hatte ich eine Hoffnung, die Stadt ohne Bombar-
dement zum Gehorsam zurückzuführen, und habe diese extreme
Maßregel daher heute noch nicht angewandt, sondern das
Geschütz nur gegen Barricaden und die gefUhrlichsten Punkte
spielen lassen, ich fürchte aber immer, daß mir kein anderer
Ausweg übrig bleibt. Ich werde in dieser Nacht die meisten
Truppen-Abtheilungen in ihre Kasernen zurückziehen, und nur
die Haupt-Regierungs- Gebäude besetzt lassen. Sehe ich aber,
daß man morgen den Kampf von neuem anfUngt, dann werde
ich thun, was mir die Pflicht gebiethet.
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154
Ich werde die Ehre haben, meinen Rapport nach Beendi-
gung des heutigen Gefechtes fortzusetzen.
Mir sind heute um 7i3 Uhr aus Verona Nachrichten zu-
gekommen, wonach man Seine Kaiserliche Hoheit den Erz-
herzog-Vicekönig zwingen wollte, die von Seiner Majestät AUer-
gnädigst ertheilten Concessionen allsogleich in Leben zu rufen,
doch ist es daselbst gelungen, die Ordnung ohne bedeutende
Ruhestörungen wieder herzustellen. Euer Exzellenz dürften
darüber bereits directe die Meldung erhalten haben.
Auf der piemontesischen Grenze war bis jetzt noch alles
ruhig. Es dürfte meine Verlegenheit sich bedeutend vermehren,
wenn die so häufig angekündigten Freischaarenzüge den jetzigen
Moment benützten. Dasselbe gilt von der Schweizer Grenze.
Feldmarschall-Lieutenant d'Aspre erstattet mir aus Padua
beunruhigende Nachrichten über diese Stadt, noch mehr aber
über Venedig.
So eben bringe ich in Erfahrung, daß an der piemon-
tesischen Grenze Batterien aufgeworfen werden. In Como er-
wartet man einen Aufstand, dem vielleicht Schweizer Zuzüge
zu Hilfe eilen könnten; man hat mir wenigstens mitgetheilt,
daß im Canton Ticino 4 Bataillons aufgehoben wurden. Doch
ist Como angemeßen besetzt, in Magenta steht General Maurer
und in Pavia das Regiment Gyulai, allenthalben mit ange-
meßenem Geschütze versehen. Ich werde daher die Grenze
Piemonts in seiner jetzigen Stärke besetzt laßen, zugleich ziehe
ich aber 5 frische Bataillons an mich, mit denen ich morgen
früh den Kampf aufs neue gegen Mailand beginnen und
hoflfentlich zu einem glücklichen Ende führen werde. ^
Mailand, 21. März Morgens 10 Uhr.
Es war keine Möglichkeit, meine Depesche abzusenden,
da jede Communication nach außen derart abgeschnitten ist,
daß nur mit größeren Abtheilungen eine Nachricht zu mir ge-
langt, oder von mir abgehen kann.
Gestern ist mit großer Wuth der Kampf fortgeführt, es
müßen von beiden Seiten viele Opfer gefallen sein, meinen
* Hier steht im A. tr. 478 und 485 die Stelle: ,Der Feldmarschall ruht
einen Augenblick. Wallmoden.* mit der Bemerkung: ,Questa postilla e
scritta di pugno di Wallmoden.*
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155
Verlust kann ich noch immer nicht angeben, da mir darüber
noch alle Angaben fehlen. Die Stadt Mailand ist in ihren Grund-
festen aufgewühlt und es wird schwer sein, sich einen Begriflf
davon zu machen. Nicht hunderte sondern tausende von Barri-
caden sperren die Straßen, und die Parthei entwickelt in der
Durchführung ihrer Maßregeln eine Umsicht und eine Kühn-
heit, die klar an den Tag legt, daß dem Auslande entlehnte
militairische Lenker an der Spitze stehen. Der Charakter
dieses Volkes scheint wie mit einem Zauberschlage umge-
wandelt, der Fanatismus hat jedes Alter, jeden Rang und jedes
Geschlecht ergriflfen. Ich hatte gestern in der Frühe alle
Truppen aus dem Innern der Stadt in das Castel gezogen,
nur die Kasernen, mit denen eine Verbindung zu erhalten
möglich ist, bleiben besetzt. Ebenso sind alle Thore in meiner
Gewalt und die Generäle Wohlgemuth und Clam haben nach
wie vor ihre Stellung beibehalten, wodurch die Communication
zu den Thoren oflfen bleibt. Es war nicht möglich, die inneren
Posten länger zu halten, ihre Verproviantierung, ihre Ablösung
ist stets mit Kampf und Verlust verbunden.^ Einzelheiten des
Kampfes fehlen mir zum Theil, andemtheils würde es mich zu
weit führen, sie zu erzählen. Eines aber muß ich anführen,
dazu drängen mich alle meine Gefühle, das ist, meine Truppen
sind wahrhaft bewundernswerth, sie leisten über die Möglich-
keit und bleiben guten Muthes, obgleich sie nun seit 4 Tagen
unter dem furchtbarsten Wetter noch keine Ruhe genoßen. Es
könnte mir das Herz brechen, daß solcher Muth nicht gegen
einen offenen ehrlichen* Feind verwendet werden kann.
Gestern erhielt ich eine Zuschrift von den in Mailand an-
wesenden Consuln, worin sie mich beschwören, das Bombarde-
ment der Stadt nicht zu beginnen. Ich habe ihnen darauf
erwiedert, daß es ganz allein von der Stadt abhinge, eine solch
extreme Maßregel zu verhüthen, wenn sie aufhörte, mich an-
zugreifen.' Darauf erhielt ich am Abend die Bitte der Consuln,
^ Die SteHe: ,E8 war . . . verbunden* fehlt im A. tr. 485; sie ist im Kon-
zepte ein späterer Zusatz von der Hand des zweiten Abschreibers.
■ Das ^ehrlichen* kommt im Konzepte nicht vor, vom A. tr. ist es gewiß
nicht beigefügt; es bleibt folglich nur die Erklärung, daß es nach An-
gabe Radctzkys in die Mailänder Abschrift eingefügt wurde.
^ A. tr.: jDoch habe ich denselben zur Sicherung des Eigen thums ihrer
Schutzbefohlenen eine 24 stündige Frist gewährt, sie zugleich auch er-
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156
ihnen eine Unterredung zu gewähren^ die heute früh im Castel
stattfand.* Während dieser Zeit lief die Nachricht ein, ein
Theil der piemontesischen Armee werde am gestrigen Tage
die Grenze tiberschreiten, was auch der König ftlr Befehle er-
laßen möge, um auf dem kürzesten Wege nach Mailand zu
eilen. Meine Maßregeln für diesen Fall werden durch die Um-
stände bestimmt werden.*
Mit den Consuln ist heute ein Stägiger Waffenstillstand
verabredet, meine Truppen bedürfen bei der übermenschlichen
Anstrengung der Ruhe, und ich werde dadurch in den Stand
gesetzt, Mailand mehr zu zemiren.
Meine Nachrichten aus den Provinzen, so wenig es auch
sind, lauten betrübend, es ist das ganze Land insurgirt und
selbst das Landvolk bewaffnet.^ Der Waffenstillstand ward
Bucht, ihren etwaigen Einfluß auf die Häupter der Reyolution anzu-
wenden, um sie zur Unterwerfung zu bewegen und so dem Blutver-
gießen und der Zerstörung ein Ende zu machen.* Im Konzepte später
durchstrichen.
A. tr.: ,Die Nacht war ziemlich ruhig, wenigstens ward das Feuer nur
schwach unterhalten.* Im Konzepte durchstrichen.
Dieser letzte Satz ist nachträglich statt der früheren ausführlicheren,
aber nachderhand durchstrichenen Stelle beigefügt worden : ,Tritt dieser
Fall ein, dann bin ich genötigt, Mailand aufisugeben und mich hinter
die Adda zurückzuziehen, da eine Stellung zwischen Mailand und einer
andern Armee unhaltbar wird. Ich habe daher für diesen Fall die
nothwendigen Dispositionen getroffen. Mir war daher die Ankunft der
Consuln in so weit angenehm, als ich aus ihrer Haltung glaubte ent-
nehmen zu können, ob diese Nachricht mehr als bloßes Gerücht sei.
Ich bin etwas mehr beruhigt und daher sicher, Herr Mailands zu
bleiben, so lange eine solche Eventualität nicht eintritt.* Diese Even-
tualität ist aber bekanntlich bald darauf eingetreten und deshalb ist
die ganze Stelle vom Feldmarschall gestrichen und durch die bezeich-
nete kürzere Bemerkung ersetzt worden, was sehr bezeichnend ist
Die Bemerkung trägt die Züge des ersten Abschreibers und ist folglich
die Eliminierung der Stelle, die sich im A. tr. nicht findet, vorge-
nommen worden, bevor Radetzky jene Abschrift anfertigen ließ, die
dann in die Hände seiner Feinde fallen mußte.
A. tr. 486: ,Nachmittag8 2 Uhr ist der Waffenstillstand noch nicht ab-
geschloßen ; denn bis zu dieser Stunde hat sich niemand aus der Stadt
bei mir gezeigt. Radetzky, FM.* Mit diesem Satze und dieser Unter-
zeichnung schließt die Mailänder Abschrift. Der Satz wurde später im
Konzepte durchstrichen und durch den andern: ,Der Waffenstilbtand
. . . fort*, von der Hand des zweiten Abschreibers ersetzt Es folgt
nun im Konzepte: ,Die Ereignisse eilen schon und haben so ganz
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nicht angenommen^ und der Kampf dauert mit ungeschwächter
Wuth fort.
Ich hatte den Entschluß gefaßt; alle meine detachirten
Qarnisonen an mich zu ziehen^ und so Mailand von allen Seiten
anzugreifen. Die Ausführung dieses Entschlusses hätte der
Empörung ein Ende machen müßen, aber alle Verbindungen
sind unterbrochen, vereinzelte Ordonnanzen werden erschoßen
oder aufgefangen, größere Abtheilungen finden unüberwind-
lichen Widerstand auf den barricadirten Straßen und in den
Ortschaften. An Kundschafter ist nicht zu denken, an der
Unterbrechung aller Verbindungen scheitert jede Combination.
Brod habe ich noch auf einige Tage, obgleich die Bäckerei
unter beständigem Kampfe behauptet werden muß. Aus der
Stadt ist nichts mehr zu erhalten, alle gegen das Castel ein-
mündenden Straßen sind barricadirt, die ich zwar von Zeit zu
Zeit zerstören laße, die aber immer wieder erbaut werden.
Fleisch und Salz verschaffe ich mir durch Requisitions- Com-
manden, aber auch diese Resourcen sind bereits erschöpft. Zu
dem außer der Stadt an der Circumvallation ^ gelegenen Fourage-
Magazin muß sich jedesmal der Zugang erkämpft werden. Ob-
gleich Sieger auf allen Punkten, befinde ich mich in der trau-
rigen Lage, dem Hiuger weichen zu müßen.
Am 21. lief die Nachricht ein, daß die piemontesischen
Streitkräfte sich am Ticino vermehren, Freischaaren-Abthei-
lungen hier und da den Fluß paßiert hätten.
Von der Schweizer Grenze, besonders wie es scheint aus
dem Valtelin, ergießen sich bewaffnete Bauern-Haufen über die
Ebene, man gibt ihre Zahl auf 10.000 Mann an. In Monza
überfielen sie ein Battaillon Geppert (das andere hatte ich
schon an mich gezogen), es verlor mehrere hundert Mann und
seine Kasse und Bagage. Das gleiche Schicksal scheinen das
meine Zeit in Anspruch genommen, daß ich erst heute^ — in Margine
steht: ^Hauptquartier Orzinovi, am 27. März 1848* — ,meine Meldung
fortzusetzen im Stande hin. Bis 2 Uhr nachmittags des 21. ging die
Erzählung der Ereignisse, und ich knüpfe an dieser Stunde wieder an.
Der Kampf war von Stunde zu Stunde hartnäckiger, der vordere Castel-
platz war kaum mehr zu betreten, so sehr* . . . Hier bricht der Satz
unvollendet ab und beginnt auf dem nächsten Bogen ein neuer.
* Diese letzten drei Worte in Margine von der Hand des ersten Ab-
schreibers.
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Bataillon Warasdiner Kreutzer und zwei Compagnien Prohaska
in Como erlitten zu haben; ich habe noch keine bestimmte
Nachricht über das Schicksal dieser Truppen.
So standen die Dinge^ als ich die Unmöglichkeit erkannte,
meine Stellung in Mailand länger halten zu können.
Ich befahl nun der Brigade Maurer, welche in Magenta, und
der Brigade Strasoldo, welche in Saronno stand, und mit welchen
meine Verbindungen noch offen waren, sich mit mir in Mailand
zu vereinigen, während welcher Zeit ich den Kampf in Mailand
mit erneuerter Wuth fortsetzen muß.
Meine Verbindungen finden allein nur noch über den
Rerapart statt, die aber der Feind auf alle mögliche Weise zu
stören und zu unterbrechen sucht. General Wohlgemuth und
Graf Clam schützen diese Verbindungen, ich habe ihnen den
Befehl gegeben, alle an den Wall stoßenden Gebäude durch
ihre Artillerie zu zerstören. Viele derselben mußten mit Sturm
genommen werden. Da ich noch Meister der Thore bin, so
habe ich der Stadt die Zufuhr abgeschnitten, in der Stadt zahlt
man bereits einen Gulden für ein Pfund Rindfleisch. Hätte ich
nur noch Lebensmittel auf einige Tage, so müßte sich Mailand
unterwerfen, aber es wird länger aushalten als ich. Unsere
allerseitige Ermüdung hat den höchsten Grad erreicht, und doch
ist der Geist der Truppen noch ungebeugt.
Am 22. März 1848.
Es ist der fürchterlichste Entschluß meines Lebens, aber
ich kann Mailand länger nicht mehr halten. Das ganze Land
ist in Empörung. Ich bin in meinem Rücken durch Piemont
bedroht. Man kann alle Brücken in meinem Rücken ab-
brechen, ich habe keine Balken, um sie wieder herzustellen,
ebenso wenig Transport-Mittel. Ich weiß nichts von dem, was
hinter mir vorgeht. — Ich werde meinen Rückzug über Lodi
nehmen, um die großen Städte zu vermeiden, und weil das
Land, das diese Straße durchzieht, offen ist. Mein Rückzug
über die Stadtwälle wird schwierig sein, denn mein Troß ist
sehr groß, denn viele Civil- und Militair-Beamte, die sich unter
meinen Schutz geflüchtet haben, kann ich der Wuth eines fana-
tischen Pöbels nicht überlassen.
Mein Rückzug findet heute Nacht in fünf Colonnen statt,
die Generale Clam und Wohlgemuth, welche alles zerstört
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haben^ was an den Wall stößt, decken ihn. Die Brigaden
Maurer und Strasoldo haben sich mit mir vereinigt. In der
Nähe von Porta Tosa und Romana steht alles in Flammen.
Melegnano, 23. März 1848.
Mein Rückzug ist vollkommen geglückt. Er ist eines jener
traurigen Meisterstücke der Kriegskunst.
Alle meine Truppen waren auf dem Waffenplatze, sobald
es dunkel ward, in gedrängten Colonnen aufgestellt. Das Castel
blieb besetzt, die Flanken waren durch zahlreiche Tiralleurs
gedeckt. Trotz des großen Trains ging der Marsch durch das
lange Defilee der Wälle rasch und fließend vonstatten. Bei Porta
Comasina besonders suchte man ihn zu hindern, allein unsere
Truppen überwanden jeden Widerstand; der dabei eriittene
Verlust war im Verhältnis zu der schwierigen Aufgabe gering.
Nach Mittemacht räumte unsere Arriire-Garde ihre Stellung
auf den Wällen, in welcher sie meinen Rückzug protegirt
hatte. Auf der Straße nach Lodi hatte man hier und da Ver-
haue angelegt und Abgrabungen der Straße gemacht, die
Avantgarde hatte dem Gros den Weg gebahnt. Vor Melegnano
angekommen, hatte der Ort die Frechheit, von mir die Nieder-
legung der Waffen zu verlangen. Der diesfalls mit den Orts-
behörden parlamentirende Oberst Graf Wratislaw ward festge-
nommen und mit dem Tode bedroht, man sperrte ihn in das
Castel ein. Hiervon benachrichtigt, ließ ich mehrere Batterien
auffahren, in kurzem stand der Ort im Brande, jetzt ließ ich
ihn mit Sturm nehmen. Die Zei-störung der Brücke war, da
sie aus massiven Quadern besteht, nicht gelungen, dagegen
hatte man sie auf eine außerordentliche Art verbarricadirt. Der
Schrecken, den das Schicksal Melegnanos vor mir her ver-
breitete, hatte die heilsamsten Folgen, man setzte mir keinen
Widerstand mehr entgegen.
Am 24. März 1848.
Es war dem Erzherzog Ernst gelungen, Lodi in Unter-
würfigkeit zu halten, so daß ich ohne Anstand die Adda pas-
sierte. Ich machte hier Rasttag, um meinen äußerst ermüdeten
Truppen eine Ruhe zu gönnen.
Mein Plan war, mich hinter der Adda aufzustellen, alle
meine disponiblen Truppen an mich zu ziehen, meine Verbin-
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duDgen mit den rückwärtigen Festungen zu eröffnen^ meine
Armee zu organisiren und dann Mailand wieder anzugreifen.
Allein durch ein Suplement der Venez.-Zeitung erfuhr ich den
Umsturz der Dinge in Venedig^ die Räumung Brescias^ den Ab-
fall der Garnison von Cremona. Über den Zustand in Wien
waren die schwärzesten QerUchte verbreitet. Ich mußte meinen
Plan; mich an der Adda zu halten, aufgeben.
Am 25. MSra 1848.
In Crema empfing ich die Nachricht vom wohlgeordneten
Rückzuge des Oberst Benedek aus Pavia. Da das ohnehin
fast verfallene Castel von Piacenza sich kaum einige Tage
hätte halten können, so befahl ich die Räumung dieses Platzes,
die beiden ungarischen Battaillons, welche die Besatzung dieses
Platzes bilden, waren mir in meiner Lage zu kostbar, als daß
ich sie einer Capitulation hätte aussetzen können. Diese Bri-
gade ist mit drei Batterien zu mir gestoßen, eine davon ist mit
Vorspann bespannt.
Montechiari, 30. März 1848.
Mein Marsch bis hieher, wo ich gestern einrückte, biethet
nichts besonders bemerkenswertes dar. Die vereinzelten Re-
lationen über die Ereigniße von Como, Bergamo, Brescia, Cre-
mona werde ich in separaten Relationen nachtragen. Noch bin
ich nicht in der Lage, ein vollkommenes zusammenhängendes
Bild dieser Ereigniße geben zu können.
Zur Rettung Mantuas war bereits die Brigade Wohlge-
muth entsendet. Hier erfuhr ich zum ersten Male gestern
durch einen Offizier von Windischgrätz-Chevauxlegers, daß
Feldmarschall-Lieutenant d' Aspro mit concentrierter Kraft bei
Verona stehe und unsere Festungen gerettet seien.
Ich lasse nun das 1. Corps am Mincio stehen, und schiebe
starke Avantgarden bis in die Höhe von Lonato vor, für meine
Person eile ich nach Verona, um meine Armee wieder zu
ordnen. Bei meinem Abmärsche aus Mailand konnte ich noch
die in der Zecca befindliche Kaße retten, ohne sie wäre ich
ohne alles Geld gewesen. Die Central-Caße im Marino zu
retten, war nicht möglich. Ich hatte eine Brigade dazu be-
stimmt, allein dieses maßive Gebäude war verrammelt, man
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IGl
konnte keinen Beamten finden, ich konnte eine Brigade nicht
dem Feuer der umgebenden Häuser aussetzen, ich mußte also
meine Expedition unverrichteter Sache aufgeben. Auch hatte
ich einen solchen Mangel an Fuhrwerken, daß ich Munitions-
karren leeren lassen mußte, um das wenige Geld, das ich ge-
rettet, mit fortbidngen zu können.
Ich und ein großer Theil meiner Officiere und viele Regi-
menter sind am Bettelstabe. Unsere Wohnungen wurden, nach-
dem sie verlassen, geplündert und zerstört; überfallen, konnten
wir nur retten, was wir auf dem Leibe trugen.
Bis jetzt hat unter den italienischen Truppen unter meinen
unmittelbaren Befehlen keine Desertion stattgefunden. Während
des Kampfes in Mailand wetteiferten sie mit den anderen. In
Cremona ging das Regiment Albrecht und das dritte Bataillon
Ceccopieri zum Feinde über, und veranlaßten dadurch die
Catastrophe dieser Garnison; in Brescia ging ein Theil des
3. Bataillons Haugwitz über, der andere Theil feuerte auf die-
selben; die beiden in Pizzighettone gelegenen Compagnien
Geppert lösten sich auf, mehrere Officiere schlössen sich an
die Compagnien an. Die drei in Cremona befindlichen Schwa-
dronen Uhlanen wurden durch eine Convention gerettet, und
sind mit der Armee wieder vereinigt. General Schönhals,
Oberst Wimpflfen nebst den anderen Officieren des Regimentes
und 40 Officiere, welche zu Folge Convention von Desenzano
nach Riva gebracht werden sollten, hat man das Wort ge-
brochen; sie befinden sich gegenwärtig gefangen in Brescia.
Ich habe eine bedeutende Anzahl Geißeln in meinen
Händen; ich werde sie benützen, um die noch in Mailand
und den übrigen Garnisonen zurückgehaltenen Geißeln zu be-
freien.
Ich werde mich genöthigt sehen, die Gnade Seiner Ma-
jestät fUr mehrere Herren Generäle, Officiere und Soldaten in
Anspruch zu nehmen. Es gibt lange Kriege, die nicht so viele
Beweise von Selbstaufopferung und Tapferkeit aufzuweisen haben,
wie dieser Kampf.
Ein Trost bleibt mir, Wien, nicht Mailand, hat mich
besiegt. Ich war Sieger bis zum letzten Augenblicke auf allen
Punkten, hätte ich noch einige Tage Lebensmittel gehabt, um
ausharren zu können, so wäre Mailand in meiner Hand ge-
wesen, und mit ihm wäre die ganze Revolution zerfallen.
iUcliiv. XCY. Band. I. Uäifte. 11
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162
In Mailand muß der Verlust an Menschenleben sehr he-
deutend gewesen sein, in einzelnen Häusern, die mit Sturm
genommen werden mußten, sind bis hundert Menschen getödtet
worden; meinen eigenen Verlust anzugeben, bin ich noch außer
Stande, doch erwarte ich jetzt die betreffenden Angaben ; un-
bedeutend kann er nicht gewesen sein, besonders im Verhältnis
an Officieren. ^
Radetzky.
' Das letzte Alinea von der Hand des ersten Abschreibers.
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BEITRAGE ZUR GESCHICHTE
DES
DEUTSCHEN RECHTES
IN GALIZIEN.
VON
PROF. D^ RAIMUND FRIEDRICH KAINDL
IN CZERNOWITZ.
I. UND n.
(VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 1. MÄRZ 1906. >
11*
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Jciine Durchsicht der bekannten deutschen Rechtsgeschich-
ten lehrt, daß dieselben über die Geschichte des deutschen
Rechtes in Polen und speziell in Galizien überaus wenig bieten,
und doch hat dasselbe hier bis ins 18. Jahrhundert eine über-
aus große Verbreitung erreicht und war besonders für die Ent-
wicklung des städtischen Lebens von hervorragender Bedeutung.
Für die Verbreitung des deutschen Rechtes in diesen Gebieten
wird gewöhnlich die längst veraltete Arbeit von Roepell* an-
geführt; daneben noch jene von Bobrzyriski* über den deut-
schen Oberhof in Erakau; sonst wird höchstens noch die eine
oder andere kleine Schrift genannt. Verdienstliche polnische
Arbeiten,' die freilich gegenwärtig auch schon zum Teile ver-
altet sind, und noch viel weniger das in den letzten Jahrzehnten
in reichlicher Fülle veröffentlichte Urkundenmaterial* sind bis-
her Ton der deutschen Wissenschaft fast gar nicht ausgenützt
worden. Es dürften daher die folgenden Beiträge nicht ganz
unwillkommen sein, wiewohl sie sich durchaus nicht die Auf-
^ R. Roepell, Über die Verbreitung des Magdeburger Stadtrechtes. Abb.
der hist-phil. Gesellschaft in Breslau I (1858), S. 243 ff.
' M. Bobrzyuski, Über die Entstehung des deutschen Oberhofs in Krakau.
Zeitschr. f. Eechtsgeschichte Xu (1876), S. 219 ff. (unvollendet).
' So vor allem die Originalarbeit von M. Bobrzydski, O zalo^eniu
wy£szego i najwytszego s^du prawa niemieckiego na zamkn krakowskim.
jEozprawy* der Krakauer Akademie der Wissenschaften IV (1875), S. 1 ff
Femer: Fr. Piekosidski, O s^dach wyÄszych prawa niemieckiego w
Polsce wiek6w firednich. Ebenda XVIII (1885), S. 1 ff . Fr. Pieko-
siiiski, S^ownictwo w Polsce wiek6w firednich. Ebenda IL Serie,
X (1898), S. 353 ff. Andere werden unten genannt.
* Die wichtigsten Urkundenwerke sind folgende. Die für dieselben ge-
brauchten Abkürzungen sind fett gedruckt. Codex Diplomaticus Poloniae
vonL. Rzyszczewski und A. Muczkowski, I— III (Warschau 1847 ff.)
CDPol. — Codex Diplomaticus Poloniae Minoris von F. Piekosii^ski,
I— ni (Krakau 1876 ff.) CDPM. — Libri Antiquissimi Civitatis Craco-
viensis 1300—1400 von F. PiekosiÄski und J. Szujski (Krakau 1878)
LACrae* — Codex Diplomaticus Civitatis Cracoviensis I— IV von
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166
gäbe stellen, ihren Gegenstand erschöpfend zu behandeln.* Wenn
aber die folgenden Ausführungen den Juristen nicht völlig be-
friedigen werden, so möge zur Entschuldigung dienen, daß der
Verfasser seine Studien zu historischen Zwecken angestellt hat.
Der Zweck der Beiträge dürfte schon erreicht sein, wenn sie
deutschen Rechtshistorikern Veranlassung bieten, auf diese Fragen
näher einzugehen.
F. PiekosiÄski (Krakau 1879 ff.) CBCrac. — Leges, Privilegia et
Statuta Civitatis Graco viensis 1 1 , 1 2, I1 1 , n 2 von F. Piekosiuski (Krakau
1885 ff.) LPStCrae« — Cathedralis ad 8. Venceslaum Ecclesiao Craco-
viensiß Codex Diplomaticus I und II von F. Piekosiuski (Krakau
1874 ff.) CathCraeCB« — Akta Grodzkie i Ziemskie z Czasöw Rzeczy-
pospolitej Polskiej I— XVIII (Lemberg 1868 ff.) AGZ. — Pomniki Dzie-
jowe Lwowa z Archiwum Miasta I und II von A. Czolowski (Lem-
berg 1892) Pomniki Lwowa. — Kodeks djplomatjczny klaütorn
Tynieckiego, hgb. von W. K^trzyiiski (Lemberg 1875) Kod* TjB. —
Volumina legum (Petersburger Ausgabe von 1859/60), 8 BSe. Vol. Leg.
— Starodawne prawa polskiego pomniki, Bd. I — IX (Warschau 1856 ff.)
Star. Pom. — Andere Urkundenwerke werden gelegentlich genannt
werden.
^ Eine der nächsten Studien wird Über die Verbreitung des deutschen
Rechtes in Galizien handeln.
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L
Das Gerichtswesen.
1. Einleitung.
JJie Verleihung des deutschen Rechtes war stets mit der
Befreiung von der landesüblichen Gerichtsbarkeit verbunden,
mag es sich um eine Neuansiedlung oder um Übertragung des
deutschen Rechtes an einen bereits bestehenden Ort handeln.
So wird in der Bestiftungsurkunde von Bochnia (1253) be-
stimmt^ daß über die Bürger dieser Stadt kein Kastellan, kein
Paiatin (Woiwode) und kein anderer polnischer Richter ein
Urteil schöpfen dürfe.* Im Privileg von Wieliczka (1290) wird
die Befreiung der Stadt und ihrer Bewohner von allen Ver-
pflielitungen nach polnischem Rechte , darunter insbesondere
auch von der ,Citation auf die Burg* ausgesprochen;* hier
hatte nämlich das Kastellanei-, Burg- oder Grodgericht seinen
Sitz^ das für die dem landesüblichen Rechte untergeordneten
Einwohner des betreffenden Burgbezirkes das ordentliche öffent-
liche Gericht war, insofern die UrteilsfkUung über die Gerichts-
barkeit des Grundherrn, also über die Befugnisse des Patrimo-
nialgerichtes, hinausging oder nicht bereits im Kreise des
fürstlichen Gerichtes lag. Ahnlich lauten die Bestimmungen in
zahlreichen anderen Urkunden. So befreit Kazimierz der Große
in der Begründungsurkunde des Dorfes Ci§4kowice (1348) das-
selbe von allen Machtbefugnissen der Kastellane, Palatine,
Richter, Unterrichter und Ministerialen;* und die Stadt Dem-
bowiec wird von demselben Könige, als er deren Vogtei an
Nikolaus von Bakow verlieh (1349), für alle Zeiten von allen
polnischen Rechten und Gewohnheiten befreit, welche das
* CDPM.n,Nr.439: neque castellanufl, neque palatinus vel quivis alius iudex.
' ib. Nr. 515: ab omnibus angariis et perangariis iuris Polonici ... a ca-
stri citacione . . . inmunes permaneant.
^ ib. Nr. 688: ab omnibus iuribus et potestatibus omnium castellanorum,
paiatin orum, iudicum, subiudicum universorumque rainisterialium.
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deutsche Recht zu stören pflegen; weder der Vogt und dessen
Nachfolger, noch die Bürger der Stadt sollen, von einem der
polnischen Beamten vorgeladen, zum Erscheinen verpflichtet
sein.^ Zu demselben Zwecke wurde in den Gegenden, wo das
ruthenische Recht verbreitet war, also in den von Kazimierz
dem Großen gewonnenen Teilen Ostgaliziens, die Aufhebung
dieses Rechtes ausgesprochen.* Auch wurde, weil an Stelle
des ruthenischen Rechtes allmählich das polnische zur Geltung
gelangte, die Ungültigkeit beider festgesetzt.' Für Ansiedlungen
auf den Gütern des Adels und der Geistlichkeit verliehen die
Landesflirsten ausdrücklich oder stillschweigend dieselben Frei-
heiten, so daß das deutsche Gerichtswesen auch auf adeligen,
bischöflichen und klösterlichen Gebieten um sich greifen konnte.
Von Zeit zu Zeit wurde die Freiheit der mit deutschem
Recht bestifteten Orte von den landesüblichen Gerichten den
polnischen Beamten durch besondere Urkunden ins Gedächtnis
zurückgerufen. So befiehlt z. B. Kazimierz der Große im Jahre
1348, daß die Bürger von Alt-Sandec, welche deutsches Recht
besitzen, nicht vor die polnischen Gerichte gezogen werden
sollten.* Derselbe Befehl wurde im Jahre 1358 wiederholt*
Ebenso trug im Jahre 1448 Kazimierz Jagiello den Beamten
auf, die Bürger von Neu-Sandec nicht zu richten, sondern sie ans
städtische Gericht zu weisen.^ Diesen Befehl hat König Johann
Albrecht im Jahre 1499 wiederholt.'' Kam es vor, daß Insassen
eines mit deutschem Rechte ausgestatteten Ortes vor einem pol-
nischen Gerichte angeklagt wurden, so mußte dieses die Rechts-
sprechung verweigern, wenn es sich von der eximierten Stel-
lung des Angeklagten überzeugt hatte.® Zu demselben Zwecke
ist den Bürgern von Bochnia in ihrem Bestiftungsprivileg von
* CDPM. II, Nr. 690: eximimus et liberamus perpetuo ab omnibns iuribus
et consuetudinibus Polonicalibus , que ius theutonicum consueverunt
perturbare; . . . citati . . . minime teneantur respondere.
* AGZ. III, Nr. 5, Urkunde des Königs Kazimierz des Großen für Lemberg
vom Jahre 1356: removentes ibidem omnia iura ruthenicalia et con-
suetudines ruthenicales universas.
8 AGZ. m, Nr. 89, Urkunde des Königs Wladyslaw n. für die Schulzeien
in Äuk(5w und Drzyszczöw vom Jahre 1420: de iure polonico, ruthenico
et quo vis alio in ius thewtunicum, quod 8redense dicitur, transferimus.
Vgl. ib. UI, Nr. 93; V, Nr. 80; H, Nr. 24 u. 74.
* CDPol. m, Nr. 119. ^ AGZ. IV, Nr. 2. « AGZ. IX, Nr. 50.
' AGZ. IX, Nr. 126. • Vgl. CDPol. IH, Nr. 171.
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1253 auch zugestanden worden, daß niemand sie richten dürfe,
in welche Teile des Herzogtums sie auch mit ihren Waren
kommen würden, und daß niemand ihre Waren mit Beschlag
belegen solle ohne besondere landesfürstliche Erlaubnis; auch
vor dem fürstlichen Gericht sollten sie dann nur nach deut-
schem Recht gerichtet werden.^ Den Krakauern ist im Jahre
1306 ihr Gerichtstand in jedem Falle nur vor ihrem Richter
angewiesen worden; auch wenn sie außerhalb der Stadt sich
befanden, durften sie nur nach deutschem Recht gerichtet wer-
den, wie sie auch jeden überall nach deutschem Recht be-
langen konnten.* Für die Dauer konnte freilich weder Krakau
noch eine andere Stadt diese volle Fülle des Rechtes behaupten.
Betont muß ferner werden, daß diese Befreiung und Unab-
hängigkeit von allen gewöhnlichen allgemeinen Gerichten im
Gegensatze zu Deutschland in Polen nicht nur den Städten,
sondern auch den Dörfern zuteil wurde. Es war dies eine
notwendige Folge des Umstandes, daß keine allgemeinen deut-
schen Landgerichte niederer Instanz vorhanden waren. So er-
hielten die Dörfer hier eine Freiheit, die in Deutschland ein
charakteristisches Merkmal der Städte war, und deshalb wies
das gesamte deutsche Gerichtswesen in Polen einen ausge-
prägten städtischen Charakter auf. Daher ist es erklärlich,
daß alle mit deutschem Recht bestifteten Orte in Polen, auch
die dörflichen, nach Magdeburger Stadtrecht oder einem ver-
wandten Weichbildrechte lebten, hingegen das Landrecht, den
Sachsenspiegel, welcher die Rechte der freien l^andbewohner ent-
hält, nur nebenbei benützten. Wenn aber auch in gewissen Be-
ziehungen die deutsche Gerichtsverfassung in Polen, entspre-
chend den Verhältnissen des Landes, eine zum Teil andere
Form annahm, so muß andererseits doch wieder mit Nach-
druck auf die engsten Beziehungen hingewiesen werden. In
keiner Bestiftungsurkunde werden z. B. Strafbestimmungen,
Handelsgesetze, erbrechtliche Normen o. dgl. angeführt, son-
dern man begnügt sich mit der Verleihung eines deutschen
Stadtrechtes, wobei in dem Privileg von Krakau der ausdrück-
liche Zusatz gemacht wird, daß in zweifelhaften Fällen das
geschriebene Magdeburger Recht eingesehen werden soll.'
^ CDPM. II, Nr. 439. » CDCrac. I, Nr. 3.
' CDCrac. I, Nr. 1 : ut si quando de hoc dubitatum fuerit, ad ius scriptum
a dubitantibus recurratur.
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Deshalb werden die deutschen RechtsbUcher von den deutschen
Gerichten in Polen verwendet; daher hatten hier Schöflfen-
Sprüche^ die von Stadtgerichten in Deutschland ausgingen,
Geltung; ja es wurden dieselben Tennine, welche das Magde-
burger Recht von 1261 für die Burggraf engerichte feststellt (in
sante Agcthen tage, in sante Johannes tage des Hechten, in
dem achtenden tage sente Martenes) f\ir die höheren Orts-
gerichte beibehalten.^
Erwähnt sei noch, daß das deutsche Gerichtsverfahren in
Polen wie überhaupt die ganze Rechtsstellung der mit deut-
schem Recht bestifteten Orte daselbst keinen Unterschied auf-
wies, mag nun dem Orte nach dem Wortlaute seiner Be-
stiftungsurkunde kurzwegs deutsches Recht oder eines der
Stadtrechte von Magdeburg, Breslau, Neumarkt -Szroda usw.
verliehen worden sein.* Ferner mag noch hervorgehoben wer-
den, daß das deutsche Gerichtsverfahren den innersten, den
Wandlungen am wenigsten ausgesetzten Kern der auf deut-
schem Recht beruhenden Freiheiten polnischer Orte ausmachte.
So hat der Gutsbesitzer von Ryczychow im Jahre 1487 von
seinen Bauern nach Landesgewolinheit wohl ,tloki' (unentgelt-
liche Arbeitstage) u. dgl. gefordert, aber er beließ ihnen das
,iudicium alias prawo Theutonicum^'
3. Niedere Ortsgerichte.
Die Gerichtsbarkeit erster Instanz war in den mit deut-
schem Recht bestifteten Orten dem Schulzen (scultetus) oder
Vogt (advocatus, voyt) und den Schöffen, die auch Geschworene
genannt wurden (scabini, iurati, scheppen) tiberlassen.* Besaß
' Vgl, weiter unten 180.
' Für diese Gleichwertigkeit von ins Theutonicum und ius Ma^ebur-
gense bietet z. B. folgende Stelle aus dem Privileg vom Jahre 1375
filr Freistadt-Frysztak ein Beispiel: ipsi advocati cum scabinis suis in
prodicta ci vi täte prout ius Maydeburgense postulat et requirit,
ipsum iure Theutonico habeant iudicare, et iuxta penam, quam me-
ruerit, secundum ius Maydeburgense habeant punire ... advocati
vero coram septem scultetis in civitate Fristath non aliter, nisi iure
Theutonico Maydeburgensi respondere sint astricti (CDPM. III,
Nr. 869).
3 AGZ. IX, Nr. 96. Vgl. X, Nr. 160.
* Der Ausdruck iuratus kommt selten vor; so in der Urkunde filr Wietrs-
nicÄ vom Jahre 1317: scabini seu iurati (CDPM. II, p. L, Nr. 630);
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171
ein Ort mehrere Vögte, so wurde zuweilen nur einem von
ihnen die Gerichtsbarkeit anvertraut So bestimmte Boleslaw
der Schamhafte in der bereits zitierten Urkunde flir Bochnia
vom Jahre 1253 den Nikolaus, Sohn des Volkmar, einen der
vier Lokatoren der Stadt, wegen seiner ganz besonderen Ver-
dienste zum erblichen Richter und Vogt (iudicem et advocatum
constituimus hereditarie), ,weil alle Rechtsgeschäfte schneller
und besser durch einen als durch mehrere geschUchtet zu wer-
den pflegen*.* Die Zahl der Schöffen wird nur in vereinzelten
Fällen besonders festgesetzt. Unzweifelhaft war die Siebenzahl
Regel; daher auch zumeist keine Bestimmung getroffen wurde.
In seltenen Fällen war ihre Zahl kleiner oder größer. So
mußten in Opalana (1338) neben dem Schulzen sechs Ge-
schworene der Gerichtssitzung zugegen sein.* In Krakau gab
es anfangs sieben Schöffen; aber im letzten Viertel des 14. Jahr-
hunderts stieg die Zahl auf zehn, sodann auf elf.* In Lemberg
finden wir im Jahre 1413 zwölf Schöffen.* Mitunter scheint
besonders in neugegründeten Orten die Aufbringung der nöti-
gen Anzahl von Schöffen Schwierigkeit bereitet zu haben. Nur
so hat es einen Sinn, wenn das Kloster Tyniec als Gutsherr-
schaft von Okulice fUr die daselbst neubegründete Schulzei
folgende Bestimmung trifft: ,Auch werden wir zu den Gerichts-
sitzungen, wenn es nötig sein wird, drei Schöffen aus unserem
Dorfe Esi^nica bestimmen; die anderen hat der Schulz aus
dem genannten Dorfe Okulice zu stellen.'^
Vögten und Schulzen kam, wie im deutschen Rechte über-
haupt, nur der Vorsitz, nicht aber die Entscheidung zu; diese
wurde vielmehr durch die Schöffen getroffen. Ihre richterlichen
Befugnisse erhielten Vögte, Schulzen und Schöffen entweder
unmittelbar vom Landesflirsten oder von den weltlichen und
für Ciechorzyn vom Jahro 1320: scultetus median tibus suis iuratis
(ib. II, Nr. 579); für Przekop vom Jahre 1323: scultetus cum suis iura-
tis (ib. n, Nr. 684); für die Schulzei im Walde bei Gaben vom Jahre
1333: scolteti . . . mediantibus suis scabinis seu iuratis (ib. Nr. 632);
für Opalana vom Jahre 1338: scultetus . . . mediantibus sex iuratis
(ib. m, Nr. 663).
» CDPM. n, Nr. 439. » Siehe S. 170, Anm. 4.
' S. Szujski und F. Piekosidski, Stary Krakow, 2. Aufl. (Krakau 1901),
8. 126.
* AGZ. IV, Nr. 30. * CDPol. UI, Nr. 176.
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172
geistlichen Gntsherren, welche die ihnen zustehende oder vom
Fürsten übertragene grundherrliche patrimoniale Gerichtsbar-
keit auf sie übertrugen. Ausdrücklich sei erwähnt, daß die
weiblichen Rechtsnachfolger von Schulzen nicht nur in den
Besitz ihrer verschiedenen Freiheiten und Genüsse traten, son-
dern auch zur Ausübung der Gerichtsbarkeit berechtigt werden
konnten.^ So heißt es in dem Privileg für Olszana vom Jahre
1317: ,Und niemand soll die Bewohner dieses Ortes richten,
außer die Schulzen und deren gesetzliche Nachfolger beiderlei
Geschlechtes/ Vogtei- und Schulzeirecht waren in männlicher
und weiblicher Linie vererbliche Lehen; ihre Inhaber waren
nicht nur dem Landesfürsten und Gutsherrn zur Heerfolge
verpflichtet, sondern es bestanden für sie auch besondere
Gerichte, welche ausdrücklich als Lehensgerichte bezeichnet
werden.*
Dem Ortsgerichte wurde oft nur die niedere Gerichtsbar-
keit anvertraut, während der LandesfUrst oder Grundherr sich
die höhere vorbehielt. So hat Herzog Heinrich von Schlesien,
der auch über das Krakauer Gebiet eine Zeitlang herrschte,
im Jahre 1234 dem Krakauer Palatin Theodorus und seinen
Schulzen die Gerichtsbarkeit nach deutschem Rechte über
seine Ansiedler übertragen, nur die Erkenntnis auf Todesstrafe
und Verstümmlung der Glieder behielt er sich als Herzogrecht
vor.* Im Jahre 1292 verfügte die Herzogin Griphina für die
Ansiedlung Na L§kach, daß der Schulz Bratcho über alle Ver-
gehen urteilen solle, mit Ausnahme der schweren Fälle, als hand-
greiflichen Diebstahl, Raub, Blutvergießen und ähnliche; über
diese behielt sich die Fürstin die Entscheidung vor.* Ahnlich
lautete die Verfügung vom Jahre 1293^ für Olszana und ebenso
jene von 1299 für Mogilno.^ In der Urkunde für den letzteren
Ort wird hervorgehoben, daß die Herzogin sich und dem durch
sie vertretenen Klarissinnenkloster in Sandec jene Rechtsfölle
vorbehalte, ,über welche nach Magdeburger Recht das Dorf nicht
* Man vergleiche z. B. die Bestimmung für Olszana vom Jahre 1317
(CDPM. II, Nr. 568): noc aliqnis babeat eodem iudicare, nisi prefati
sculteti ac ipsorum utriusque sexus legitimi successoren.
* Vgl. weiter unten.
^ CDPM. I, Nr. 15: excepto iure ducali, quod est decisio capitis vel mem-
brorum mutilacio.
* CDPM. II, Nr. 518. ^ ib. U, Nr. 524. « ib. I, Nr. 132.
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173
richten kann, also die größten und schwersten Verbrechend
Auch auf anderen Stiftsgütern wurden ähnliche Verfügungen
getroflfen. So bestimmte z. B. der Abt des Zisterzienserklosters
Szczyrzyc im Jahre 1333, daß der Schulz des Dorfes Ludzimirz
über alle Verbrechen richten solle, nur die Verstümmlung der
Glieder und die Todesstrafe behielt sich das Kloster vor.^
Genau so lautete auch die Bestimmung, welche der Abt Hein-
rich dieses Klosters im Jahre 1382 für den mit der Schulzei
in Krauszöw betrauten Krakauer Bürger Stephan gab.* End-
lich haben auch adelige Grundbesitzer ähnliche Verfügungen
getroflfen. So bestimmte Pribko, Grundherr von GaboÄ, als er
im Jahre 1325 eine Siedlung mit deutschem Rechte begründete,
daß die Ansiedler nirgends anders als in ihrem Dorfe vor
ihrem Richter nach deutschem, und zwar Magdeburger Recht
gerichtet werden durften, außer es würde der Rechtsfall die
Befugnisse des Richters übersteigen, dann sollte er vom Grund-
herrn untersucht werden.' Und als Nikolaus Werzing, Truch-
seß von Sandomir, im Jahre 1359 mit Rücksicht auf die Dienste
seines getreuen Henzelin Werzing und in der Absicht, auch
andere treue Diener zu gewinnen, seine Schulzei im Dorfe
Skrynka diesem Henzelin verlieh, behielt er sich die Rechts-
sprechung über Mord, Vergewaltigung von Jungfrauen und
nächtlichen Einbruch verbunden mit Raub und Mord vor; doch
blieb dem Richter das Recht gewahrt, gegen auf handfester
Tat ergriflfene Mörder und sonstige Verbrecher auf Galgen,
Köpfung, Abhauen von Händen und Füßen, endlich auf das
Herausreißen der Augen zu erkennen.*
In vielen Fällen ist jedoch Vögten und Schulzen auch
das Urteil über schwere Vergehen ohne jede Einschränkung
erteilt worden. So hatte nach der Bestimmung des Herzogs
Boleslaw vom Jahre 1253 der zum Vogt von Bochnia eingesetzte
Nikolaus Volkmar über alle Kriminal- und Zivilprozesse zu
richten, mögen sie klein oder schwer sein, und zwar waren
seinen richterlichen Befugnissen nicht nur die Bürger der Stadt
unterworfen, sondern auch die Bewohner der benachbarten
Dörfer, alle Fremden, Kauf- und Geschäftsleute, überhaupt alle,
die zufällig oder vorsätzlich aus einem beliebigen Orte kamen,
» CDPM. I, Nr. 194. » ib. I, Nr. 366. » ib. n, Nr. 590.
* AGZ. UI, Nr. 8.
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174
mögen sie welchem Berufe und welcher Nation auch immer
angehören, ritterliche oder landesftirstliche Mannen sein, wenn
sie nur dem weltlichen Gerichte unterstanden. Ausdrücklich
wird auch erwähnt, daß die Knappen der Ritter und jene des
Bergwerks in Bochnia vom Vogt zu richten seien. Nur die
Adeligen selbst, ferner die landesfUrstlichen Verwalter und Be-
amten des Salzwerkes gehörten vor den Richterstuhl des Für-
sten, der sich überhaupt bei persönlicher Anwesenheit in der
Stadt die richterliche Gewalt vorbehält. Auch unterstanden
Verbrechen, welche im Bereiche des Salzwerkes selbst, in den
Bergen oder Schächten (intra montes seu sachtas) und in den
Gewerkshäusem geschahen, nicht dem Vogte.* Für Podolin,
wo der von Boleslaw dem Schamhaften und seiner GemahUn
überaus begünstigte getreue Heidenrich Schulz war, traf Her-
zogin Eunigunde im Jahre 1289 die Bestimmung, daß er über
alle Rechtsfalle zu richten habe.* Ebenso überließ im Jahre
1319 der Grundherr von Eamie^ seinem Schulz Hulmann,
einem Krakauer Bürger, die volle Gerichtsbarkeit in diesem
Dorfe, wobei ausdrücklich Mord, Diebstahl, Raub, Brand-
stiftung u. dgl. als Verbrechen genannt werden, die dem Schulzen-
gericht unterstehen und zu deren Sühne dasselbe die Todes-
strafe verhängen konnte.' Diese Verfügung findet sich beson-
ders seit der Zeit Kazimierz' des Großen überaus häufig. Der
König ging mit dem Zugeständnisse dieser weitgehenden Ge-
richtsbarkeit bei seinen Gründungen voraus. So bestimmte er
im Jahre 1342 in der Stiftungsurkunde für Myölenice, daß
kein polnischer Richter über die Verbrechen und Vergehen
daselbst urteilen dürfe, nur die beiden Schulzen Heinko, Sohn
des Wilhelm, und Heinko genannt Pauli, und zwar nur nach
deutschem, nämlich Magdeburger Recht. Außerdem wurde
noch die Bestimmung getroffen, daß jeder Bauer und Fremde,
welcher mit Umgehung des Ortsgerichtes sich an den Hof des
Königs mit einer Rechtssache wenden wolle, zunächst im Dorf-
gericht ftlnf Vierdung, also I74 Mark Silber, erlegen mußte.*
In der Urkunde von 1348, mit welcher Johann Tyznar zur
1 CDPM. n, Nr. 439. « ib. H, Nr. 612.
° ib. II, Nr. 158. Vgl. auch die Urkunde der Gutsbesitzerin Margarete fär
den Wald bei Gabon (ib. HI, Nr. 632).
* ib. ra, Nr. 671.
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175
Gründung von Osobnica befugt wird, hebt Kazimierz alle pol-
nischen Rechte auf, so daß die Bewohner des genannten Dorfes
vor keinem polnischen Gerichte Rede zu stehen haben, son-
dern nur vor ihren Schulzen nach deutschem Recht. ^ Ahnlich
lauten die Bestimmungen für Ci§ikowice (1348), Dembowiec
(1349), Dzierzaniny (1351), Sietnica (1351), Kobyle (1352),
Mrowla (1352), Pilzno (1354), :^ukowice (1354) usw.« In allen
diesen Urkunden wird immer wieder die Bestimmung wieder-
holt, daß die Bauern nur vor ihren Schulzen, die Bürger aber
vor ihrem Vogt Rede zu stehen haben,' und zwar nach dem
ihnen verliehenen deutschen Recht. Und diese Bestimmung
findet sich dann oft auch in nicht landesfUrstlichen Urkunden.
So lesen wir z. B. in der Urkunde, welche die Äbtissin vom
Elarissinnenkloster in Sandec fUr Zabrzez ausstellt:^ ,Wir
wollen, daß niemand die Bauern und Bewohner dieser Dörfer
zu richten wage, außer der Schulz und seine gesetzlichen Nach-
folger nach Magdeburger Recht, mag es sich um schwere oder
leichte Fälle handeln; die Verbrecher sollen innerhalb der
Ortsgrenze, wie es das Magdeburger Recht bestimmt, ihre
Strafe erleiden.^
Entsprechend diesen Bestimmungen durften Rechtssachen,
welche dem Ortsgerichte unterstanden, in erster Instanz bei
keinem anderen anhängig gemacht werden. Über Bewohner
von Orten, die mit deutschem Recht ausgestattet waren, durften
also weder polnische Gerichte urteilen, noch durfte überhaupt
das Ortsgericht umgangen werden. Auch vor den König durfte
eine Rechtssache nicht gebracht werden, bevor sie nicht von
dem ordentlichen Ortsgerichte behandelt worden war. Darauf
deutet schon die oben erwähnte Verfügung des Königs in dem
Privileg von Myilenice vom Jahre 1342. Aber es sind auch
besondere Fälle bekannt^ in denen Klagen vom königlichen
Gerichte auf das ordentliche Ortsgericht zurückgewiesen wur-
den. Dies geschah besonders, wenn Bürger von Adeligen
direkt vor dem königlichen Gerichte geklagt wurden. So wurde
z. B. am 12. Juni 1521 der Rechts8ti*eit, welchen die edle
1 CDPM. in, Nr. 686.
» ib. m, Nr. 688, 690, 698, 694, 696, 697, 706, 708.
^ Villani (kmethones) non alias nisi coram sno sculteto . . . cives et iu-
cole civitatis coram advocato ipsorum.
* CDPM. II, Nr. 719.
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176
Elisabeth Slyraakowa gegen den Bürgermeister und die Räte
von Bochnia anhängig gemacht hatte, ad ins eivile Magdebor-
gense Bochnense, also an das städtische Magdeburger Gericht
in Bochnia zurückgewiesen.^ An solche Entscheidungen konnte
allerdings die Bemerkung geknüpft werden, daß bei Rechts-
verweigerung der Fall vor dem königlichen Gerichte zur Ver-
handlung kommen sollte. So wurde am 26. August 1518 der
Prozeß, den die Edelleute Paul Dluszki und Stanislaw Wy-
narszki gegen die Räte und Bürger von Ropczyce vor dem
königUchen Gerichte anhängig gemacht hatten, gemäß dem
Privileg des Vogts von Ropczyce an diesen gewiesen; zugleich
wurde aber ein Gerichtstermin vor dem königlichen Gerichte
bestimmt, wenn den Klägern das Recht verweigert werden
sollte.* Mitunter wurde auch mit dem Verweise auf das deutsche
Ortsgericht, auch auf den weiteren Rechtszug von demselben
an ein höheres deutsches Gericht hingedeutet.*
Für die von dem Ortsrichter abgehaltene Gerichtssitzung
kommen in den deutsch geschriebenen Stadtbüchem und Ur-
kunden die Bezeichnungen ding, voitding, gehegtes (gehegetes,
geheytes) ding vor; in den lateinischen findet sich gewöhnlich
die Bezeichnung iudicium bannitum.*
Zahlreiche Akten dieser Gerichte in deutscher und latei-
nischer Sprache sind uns besonders aus Erakau und Lemberg
bekannt.^
Von den Gerichtseinkünften, Bußgeldern u. dgl. kam fast
ausnahmslos ein Drittel dem Vogte oder Schulzen zu, während
der Rest dem Lehensherrn, also dem Fürsten oder Gutsherrn,
zufiel. ^
* Star. Pom. VI, Nr. 194. Man vergleiche ebenda auch Nr. 37, 82, 191, 247.
« ib. Nr. 146. Vgl. auch Nr. 189. » ib. Nr. 288.
^ Dafür findet man in den zitierten Urkundenwerken zahlreiche Belege.
So kommt der Ausdruck ding und voitding häufig in dem deutsch ge-
schriebenen Teile der LACrac. I, S. 4 ff . vor; gehegtes ding ebenda und
AGZ. IV, Nr. 41, 43, 44, 46, 48; iudicium bannitum in LACrac. I, S. 48 ff.
und AGZ. IV, Nr. 62, 78 usw.; Pomniki Lwowa I, S. 2 ff.
^ Man vergleiche die in vorhergehender Anmerkung genannten Quellen.
Jetzt vor allem noch St. Krzy2anowski, Ksi^gi lawnicze krakowskie
1365—1376 und 1390—1397, Acta scabinalia Cracovien. (Krakau 1904),
welches Werk mir noch nicht zugänglich war.
^ Diese Bestimmung findet man fast in allen von uns zitierten Urkunden,
besonders seit dem 14. Jahrhundert.
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3. Die „großen*' Ortsgeriehte.
Wie wir sahen, behielten sich die Lehensherren, mögen es
nun die LandesfUrsten oder weltliche und geistliche Gutsherren
gewesen sein, in einzelnen Orten einen Teil der Gerichtsbar-
keit vor. über diese Fälle konnte aber der Lehensherr nicht
etwa willkürlich urteilen. Er war vielmehr auch an das deutsche
Recht gebunden und daher konnte die Urteilsßlllung nicht durch
ihn selbst erfolgen, sondern mußte durch die Schöffen im zu-
ständigen Ortsgerichte geschehen. Daher behielten sich die
Lehensherren selbst in denjenigen Fällen, wo sie dem Vogt
oder Schulzen die ganze Gerichtsbarkeit überließen, in der
Regel das Recht vor, in eigener Person oder durch besonders
bestimmte Vertreter dem Ortsgerichte zu gewissen Zeiten vor-
zusitzen.
Das scheint schon zur Zeit Bolesiaws des Schamhaften
der Fall gewesen zu sein. Li seinem Freibriefe für Krakau
vom Jahre 1257 gewährt er nämlich den Vögten und Bürgern
der Stadt die besondere Freiheit, daß er ihnen niemals einen
,advocatum generalem' vorsetzen werde, sondern zur Schlich-
tung wichtiger Angelegenheiten entweder persönlich erscheinen
oder einen besonderen Stellvertreter senden werde. ^ Der ,ad-
vocatus generalis' kann niemand anderer sein als der oben er-
wähnte gewöhnliche Vertreter des Landesfllrsten in den Orts-
gerichten. Sobald Krakau durch den Aufstand von 1311/12
seine hohen Vorrechte zum Teile verloren hatte, erscheinen
auch hier die gewöhnlichen Vertreter des Königs bei gewissen
Gerichtssitzungen. So wird hier in den Jahren 1317, 1318
und 1321 Vilhelmus provincialis advocatus genannt. Damit hat
in Krakau das ,iudicium magnum', das ist das höhere außer-
ordentliche Ortsgericht neben dem gewöhnlichen ,iudicium ci-
vitatis', dem Stadtgericht des Vogtes, Eingang gefunden. Schon
am 18. November 1312 fand ein iudicium magnum statt, bei
dem sich der Einfluß des Herzogs in besonderer Weise be-
merkbar macht, und seit dieser Zeit verzeichnet das Stadtbuch
oft seine Abhaltung.* Wenn es zum Jahre 1324 in den Stadt-
' CDCrac. I, Nr. 1.
« LACrac. I, Nr. 262, 404, 494, 632—633, 635. Gleich beim ersten iudi-
cium magnum zeigt sich der große EinfluB des Herzogs. Mit dieser
ArcMT. XCY.Band. I. H&lfte. 12
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178
büchern heißt, daß der Vogt Geras beide Gerichte (utrumque
iudicium) auf Befehl des Königs hielt, so geht aus weiteren
Aufzeichnungen hervor, daß es sich um die Abhaltung des iu-
dicium civitatis Cracovie und des iudicium provinciale handelte,
welches letztere wieder dem iudicium magnum entspricht^ Im
Jahre 1336 wurde in Krakau dieses iudicium provinciale durch
den advocatum provincialem videlicet Henricum Schere abge-
halten, neben dem der Vogt Hanko und sieben Schüjffen saßen.^
In einem undatierten Spruche der ,scheppen der stat Crokaw^
wird neben dem ,hegetim dinge', in welchem ,der foyt rechtis
pflegit', von ,den dreyen grossin dingen', ,so der bor^roffe das
ding siezet' gesprochen.* Es sind dies also die ,di-ü bötding'
des Magdeburger-Breslauer Rechtes, denen der ,burchgrave'
vorsitzt und die zu denselben Terminen stattfinden/
Auch in Dörfern ist dieses höhere Ortsgericht unter der
Leitung eines fürstlichen Boten schon im 13. Jahrhunderte
nachweisbar. So bestimmt Herzogin Kunigunde im Jahre 1268
für das Gebiet von Sandec, daß ihr Richter (iudex noster)
dreimal jährlich in dieses kommen und über die schweren
Rechtssachen zu Gerichte sitzen werde. ^ Im Jahre 1337 er-
scheint ein ,Petrmannus provincialis (advooatus oder iudex) iu-
diciorum villarum in terra Cracoviensi in iure Thewtunico',
also der Provinzialvogt für die Gerichte der Dörfer mit deut-
schem Rechte im Krakauer Gebiete.^ Der deutsche Titel dieses
Beamten war Landvogt (lantwojt, polonisiert landwöjt), der
schon im 14. Jahrhunderte bezeugt ist und noch Jahrhunderte
später in Polen vorkommt.'' Oben haben wir schon die Be-
Eintragung beginnt auch der lateinische Text de« Krakauer Stadtbuches,
bis dahin ist er deutsch. Ob dieser Wechsel der Sprache in einer Be-
ziehung zur Niederdrückung des Aufstandes steht, möge dahingestellt
bleiben. Er wird von polnischen Gelehrten angenommen.
1 LACrac. I, Nr. 703—704 und 70G. « ib. Nr. 1194.
" E. Kalu2niaki, Die polnische Rezension der Magdeburger Urteile und
die einschlHgigen deutschen, lateinischen und czechischen Sammlungen.
Wiener Sitzungsberichte CXI (1886), S. 90. Ähnlich in dem yon Stobbe
mitgeteilten Schöffenspruch ( Zeitsclirift f. Rechtsgeschichte X [1872] 8. 86 f.).
* Vgl. oben S. 170 und unten. ^ CDPM. II, Nr. 474. • ib. III, Nr. 650.
' CDPM. III, Nr. 668 aus dem Jahre 1342: provincialis, qui landwoyt
dicitur, . . . nun plus nisi tribus vicibus. — Ib. Nr. 967 aus dem Jahre
1370: advocjitus provincialis, qui lanthwoyth dicitur. — Aus dem
16. Jahrhundert bieten eine Fülle Belege die Font Hist Ukraino-russ.,
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Zeichnung Burggraf kennen gelernt. Andere Bezeichnungen
sind: provincialis iudex/ assessor,* nuncius,^ nuncius vel pro-
curator.* Die Mannigfaltigkeit dieser Titel erklärt sich aus
dem Umstände, daß zu diesem Geschäfte durchaus nicht immer
ein eigener hierzu bestimmter Beamter benützt wurde; vielmehr
konnte dazu entweder der Hofrichter entsendet werden, über
welchen noch weiter unten die Rede sein wird, oder eine an-
dere Vertrauensperson des Lehensherrn oder der Bürger. Na-
türlich Heß sich durch solche Stellvertreter in der Regel nur
der Landesfterst oder ein über viele Güter und Dörfer gebie-
tendes Stift vertreten; der kleinere Gutsbesitzer besorgt selbst
den Vorsitz in den ohnehin nur selten wiederkehrenden Ge-
richtssitzungen über wichtigere Angelegenheiten.
Diese Gerichtstage wurden zum Unterschiede von den ge-
wohnlichen, große Gerichte (magna iudicia), ,grose ding', ,ehliche
odir echte ding', ,grose ehliche ding* oder Provinzialgerichte (iu-
dicia provincialia) genannt.^ Letztere Bezeichnung ist nicht
so aufzufassen, als ob sich diese Gerichte auf eine ganze Pro-
vinz erstreckten;^ vielmehr waren es auch nur Ortsgerichte,
die diesen Namen nur deshalb führten, weil ihnen der pro-
vincialis iudex vorsaß, der eben der Vorsitzende in allen diesen
Gerichten desselben Gebietes war. Auch die Bezeichnung
,iudicium provinciale et magnum' war üblich.' Ebenso kommt
die Bezeichnung ,feierliches Gericht' (solemniora iudicia) vor.®
Mitunter wird dieses Gericht auch iudicium (oder coUoquium)
generale genannt, weil der iudex provincialis auch generalis
hieß. »
Im Gegensatze zu den gewöhnlichen nach Bedarf vom
Ortsrichter abgehaltenen Dingen fanden die höheren nur
dreimal jährlich an regelmäßig wiederkehrenden Terminen statt.
(hrgb. von M. Hruszewskyj, Lemberg), Bd. I — III und VII (vgl. den
Index EU III und VII). — Aus dem 17. Jahrhunderte siehe AGZ. X,
Nr. 4693 und 6343 (au» dem Jahre 1699).
> CDPM. n, Nr. 648, Jahr 1336. « ib. H, Nr. 630, Jahr 1317.
» ib. U, Nr. 660, Jahr 1313 und HI, Nr. 686, Jahr 1348.
* ib. m, Nr. 869, Jahr 1376. * Belegstellen im Texte und bei Stobbe a.a.O.
^ Es gab, wie schon oben bemerkt wurde, in Polen keine allgemeinen
deutschen Landesgerichte niederer Instanz.
' LACrac. I, Nr. 768 und 868. » Siehe unten im Texte.
» CDPM.n, Nr. 598; HI, Nr. 816,869; Cath. Crac. CD. I, Nr. 173, 179, 180.
12*
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180
ohne daß sie besonders erst angekündigt werden mußten. Als
Termine werden genannt: der Tag der heil. Agathe (5. Februar);
am dritten Tage nach Johannes dem Täufer, was nach mittel-
alterlicher Zählung den 26. Juni bedeutet, also das Fest Jo-
hannes und Paulus, das als Termin dieser Gerichte z. B. in
Krakau genannt wird;^ endlich in der Oktav des heil. Martin
(18. November).
Der Schulz oder Vogt hatte gewöhnlich die Verpflichtung,
den zu diesen Gerichtssitzungen erschienenen Vorsitzenden zu
einem der drei Gerichtstermine zu verpflegen, während den
anderen Bewohnern diese Pflicht an den zwei übrigen oblag.'
Im 14. Jahrhundert waren die geschilderten Einrichtungen
ganz allgemein verbreitet. So bestinmit Kazimierz der Große in
der bereits zitierten Urkunde für Myölenice vom Jahre 1342, daß
der Kastellan von Krakau ,seinen besonderen Mann' (hominem
suum specialem) zum ,großen Gericht' entsenden werde, welches
die Schulzen nach der Gewohnheit dreimal jährlich zu halten
verpflichtet sind; die Bauern sollen demselben für zwei Mahl-
zeiten (pro duobus prandiis) bloß eine Mark zahlen, die Schulzen
für die dritte eine halbe Mark, doch erst nach Ablauf ihrer
Freijahre.* Nach der Urkunde für Osobnica vom Jahre 1348
entsendet der König zu den großen Gerichten einen ,nuntius',
« LACrac, Nr. 440, 636, 706, 768, 1011, il94. Auch die anderen Ter-
mine kommen in den Krakauer Gerichtsbüchem vor, so der Agathen-
tag, a. a. 0., Nr. 868 und die Oktav des Martinstages ebenda Nr. 986
und 1124. Daß das magnum iudicium in Krakau an drei Terminen
stattfand, bezeugt auch die Urkunde des Abtes von Tyuiec vom Jahre
1327 (CDPM I, Nr. 176). Höchst interessante Belehrung über diese
Gerichte und die bei denselben in Krakau üblichen Taxen bietet fol-
gender Schöffenspruch, der leider nicht datiert ist (Kaluiniacki,
a. a. O., S. 90 des Separatdruckes): Doruff spreche wir scheppen der
stat Crokaw eyn recht: wenne der foyt rechtis pflegit in hegetim dinge
adir sust, alle, dy ym bussevellig werdin, dy wettin ym nicht wenne
VIII Schillinge holler, dy do genge (gangbar) sint. Sundir in den dreyen
groRsin dingen, dy sint eynis am sinte Johannistag vnd an sinte Paulus-
tag, das andere ding das ist noch sinte Martintag an dem achtin tage,
das dritte ding an sinte Agathentag, so der borggroffe das ding siezet
vnd alzolange, alz her siezet, so ist dy busse XXX Schillinge hellir.
Wenne aber der borggroffe uffgestet, so ist dy busse nicht mir denne
VIII Schillinge heller, dy geng^ synt, von rechtis wegen.
^ Siehe die folgenden Belegstellen im Texte.
» CDPM. m, Nr. 671.
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dem flir jede Mahlzeit sechs Skot, also eine Viertelmark zu
zahlen sind.^ Ebenso lautet die Bestimmung von Cieikowice
von demselben Jahre (1348).* In der Urkunde für die Stadt Dem-
bowiec (1349) verspricht der König, die iudicia magna entweder
selbst zu leiten oder seinen procurator zu schicken ; hier wurden
flir jede Mahlzeit acht Skot oder eine Drittelmark gezahlt.^
In der Urkunde flir Sietnica (1351) wird freigestellt, dem nun-
cius entweder die drei Mahlzeiten zu geben oder flir jede als
Ablösung sechs Skot zu entrichten.* Ebenso lautet die Be-
stimmung flir Kobyle (1352).^ In der Urkunde flir Mrowla
(1352) wird ausdrücklich bestimmt, daß der Schulz und die
Dörfler erst nach Ablauf der Freijahre den königlichen Mann
und Bevollmächtigten (hominem nostrum seu procuratorem) zur
Veranstaltung der großen Gerichte dreimal im Jahre aufzunehmen
haben.* Ahnlich lauten die Bestimmungen in vielen anderen
Urkunden der Landesflirsten, wobei noch ausdrücklich daran
erinnert werden möge, daß in allen aufgezählten Fällen der
Fürst sonst die ganze Gerichtsbarkeit dem Vogte oder Schulzen
überließ.
Ebensolche Verfllgungen treffen auch z. B. die Äbtissinnen
des flirstlich ausgestatteten Klarisserinnenklosters in Sandec. So
bestimmt die Äbtissin Katharina im Jahre 1313 flir Mokra Dq-
browa, daß alle Bewohner in diesem Dorfe durch ihren Schulzen
und die Schöffen gerichtet werden. Doch sollen dreimal jähr-
lich iudicia provincialia unter dem Vorsitze des klösterlichen
nuncius stattfinden, vor denen alle großen und kleinen Rechts-
fiQle nach Magdeburger Recht geschlichtet werden sollen. Den
Boten hatte am ersten Gerichtstage in der Oktav des heil.
Martin der Schulz zu verpflegen; an beiden anderen, am Tage
der heil. Agathe und am dritten Tage nach Johannes dem
Täufer, hatten die Dörfler diese Pflicht.'' In ihrer Urkunde
flir Wietrznica vom Jahre 1317 nennt Katharina diese Gerichte
iudicia magna und ihren Vertreter bei denselben assessor. ® Die-
selbe Äbtissin bestimmt flir Olszana im Jahre 1317, daß die
zwei Schulzen des Dorfes die drei feierlichen Gerichtssitzungen
(iudicia solempniora) ohne ihren Boten (nostro nuncio) nicht
> CDPM. m, Nr. 686. • ib. Nr. 688. • ib. Nr. 690.
* ib. Nr. 694. » ib. Nr. 696. • ib. Nr. 697. ' ib. II, Nr. 560.
• ib. Nr. 630.
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182
abzuhalten wagen; die schwersten Verbrechen wurden übrigens
in diesem Dorfe ausdrücklich dem Hofgerichte vorbehalten.^
Dagegen überließ die Äbtissin Budislawa im Jahre 1323 dem
Schulzen von Przekop auch die Aburteilung der schweren Ver-
brechen; die Verfügungen über die ,großen' Gerichtssitzungen
werden aber ebenso getroffen, doch mit dem ausdrücklichen
Zusätze, daß dieselben erst nach Ablauf der Freijahre zu halten
sind. * Schließlich mag nur noch die Bestimmung der Äbtissin
Katharina vom Jahre 1330 für das Dorf Kamienica ausführ-
licher angeführt werden.' Darnach durften die schweren Ver-
brechen ohne den klösterlichen nuntius nicht gerichtet werden ;
die feierlichen Gerichte (solemniora ludicia) wurden von den
provinciales iudices oder eben den nuncii geleitet; die Ver-
fügung über die drei Termine und über die Verpflegung der
Boten bleiben immer dieselben. Ahnliche Bestimmungen ent-
halten auch die Urkunden für Tylmanowa (1336), Dlugol^ka
(1357) und Zabrzez (1358).* Auch andere Klöster trafen ähn-
liche Verfügungen. So bestimmt Abt Konrad des Zisterzienser-
klosters Koprzywnica für die Vogtei in Freistadt (Frysztak) im
Jahre 1375, daß er seinen nuncius vel procurator dreimal im
Jahre senden werde, damit er die generalia vel magna iudicia
halte; auch hier hatten die Vögte fiir die Verpflegung der Send-
boten an einem Termine, die Bürger an zwei Terminen zu
sorgen.*» Im Jahre 1378 trifft derselbe Abt für das Dorf Wie-
trznowa wola die gleiche VerfUgung.^ Bemerkt sei, daß in
beiden Fällen sonst dem Vogte und Schulzen auch die Ge-
richtsbarkeit über schwere Verbrechen nach Magdeburger Recht
eingerämt war.
Endlich trafen auch adelige Grundbesitzer dieselben Be-
stimmungen über die höheren Ortsgerichte. So bestimmt Pribko
von Gaboö, der sich die oberste Gerichtsbarkeit vorbehalten
hatte, im Jahre 1325, daß er selbst, wie das deutsche Recht
fordert, dreimal im Jahre dem Gerichte Vorsitzen werde; zwei-
mal sollte ihm der Schulz zusammen mit den Bauern die Ver-
pflegung reichen, während das drittemal ihnen diese Ver-
* CDPM. n, Nr. 568. « ib. Nr. 684.
• ib. Nr. 601. Vgl. dazu die Urkunden für Ciechorzyn vom Jahre 1320,
ib. Nr. 579.
» ib. m, Nr. 648, 714, 719. » ib. Nr. 869. « ib. Nr. 904.
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183
pflichtung nachgesehen werden sollte.* Acht Jahre später
(1333) gestand die Mutter dieses Grundherrn bei der Be-
siedlung eines benachbarten Waldes dem Schulzen Nikolaus
und seinem Sohne Werner die volle Gerichtsbarkeit zu; über
die drei großen Gerichtstage und deren Termine wurden aber
dieselben Bestimmungen getroffen.* Auch die Grundherren von
Opalana ordneten die drei großen Gerichtstermine an, nur daß
statt der Oktav des heil. Martin jene des heil. Franz (11. Ok-
tober) genannt wird,* Schließlich sei nur noch auf die Ur-
kunde des Erbvogtes Paul von Sandec vom Jahre 1464 fiir
seine Dörfer Mszalnica und Cienawa hingewiesen.* Auch er
bestimmt, daß die Bauern und alle Bewohner dieser Ort-
schaften nur in denselben von ihren Schulzen und nur nach
Magdeburger Kecht gerichtet werden dürfen. Die drei großen
Gerichtssitzungen sollten gewohnheitsgemäß stattfinden ; der
Schulz habe dem Grundherrn und seinen Nachfolgern für die
Verpflegung eine Vierdung (eine Viertelmark), die Bauern
aber zwei Vierdung zu reichen. Bemerkt sei noch, daß dieses
Privileg später in den Jahren 1530 und 1611 bestätigt wurde.*
Am Schlüsse dieser Ausführungen über die großen Ge-
richtstage, die übrigens samt ihren Terminen sich an deutsche
Einrichtungen anlehnen, sei noch folgendes bemerkt Es sind
schon oben Urkunden angeführt worden, welche bestimmten,
daß diese feierlichen Gerichtssitzungen erst nach dem Ablaufe
der den einzelnen Orten bei ihrer Bestiftung gewährten Frei-
jahre stattfinden sollen. Da die Ansiedler während der Frei-
jahre von allen Lasten enthoben waren, so konnten sie auch
nicht zur- Verpflegung des Sendboten verhalten werden. So
bestimmt z. B. auch König Eazimierz in der Urkunde flir
Borek vom Jahre 1350, daß in diesem Orte kein Bote oder
Richter (nuncius sive iudex) des Königs einem Gerichte bei-
zuwohnen habe, solange die Freijahre währen.^ Ebenso be-
stimmt im Jahre 1343 der Krakauer Bischof Johann Groto,
daß der Schulz Heinmann von Chelm, dem er zwanzig Frei-
jahre bewilligt hatte, in den ersten zehn Jahren allein dem
Gerichte versitzen und alle Strafgelder in Empfang nehmen
sollte; erst nach Verlauf dieser ^ehn Jahre hatte er den bischöf-
» CDPM. n, Nr. 590. » ib. HI, Nr. 632. • ib. Nr. 652.
* CDPol. UI, Nr. 220. » ib. in der Anm. « CDPM. I, Nr. 229.
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184
liehen procurator dreimal im Jahre zu den generalia iudicia
aufzunehmen und gebührend zu verpflegen.^
Schriftliche Aufzeichnungen dieser Gerichte sind nur in
verhältnismäßig geringer Zahl bekannt; die meisten rühren aus
den älteren Stadtbüchern von Krakau her.*
i. Die Hofgerichte (sogenannte Lehensgerlehte und
Obergerichte).
Das Ortsgericht, welches wir bisher kennen gelernt haben,
genügte aber, mag es vom Vogte oder Schulzen oder auch
vom Lehensherrn und dessen Stellvertreter geleitet worden
sein, nicht für alle Rechtsfalle. Abgesehen davon, daß der
Grundherr sich die höhere Gerichtsbarkeit auch über das
,große Gericht' hinaus vorbehielt — man vergleiche z. B. die
oben angeführte Bestimmung für Olszana vom Jahre 1317 * —
haben noch verschiedene andere Umstände das lehensherrliche
Hofgericht notwendig gemacht. So haben vor allem Rechts-
fklle, welche zwischen den Bewohnern eines mit deutschem
Rechte bestifteten Ortes und anderen Leuten vorfielen, Schwierig-
keiten bereitet, denen man unter anderem auf die Weise vorzu-
beugen suchte, daß sie vom Lehensherm entschieden werden
sollten. Es bestimmte z. B. im Jahre 1289 die Herzogin -Witwe
Kunigunde, damals bereits Nonne in Sandec, bei einem im
Orte Podgrodzie zwischen ihr und dem Magister und Medikus
Radslaw verabredeten Tauschgeschäfte, daß bei Streitigkeiten
zwischen ihren und seinen Bauern dieselben schriftlich vor die
Richter des Klosters geladen und nach deutschem Rechte ge-
richtet werden sollen.* Ebenso erforderten Rechtsfälle, bei
denen Adelige beteiligt waren, besondere Bestimmungen. So
wurde schon im Freibriefe von Bochnia vom Jahre 1253 ver-
ordnet, daß der Fürst sich die Gerichtsbarkeit über die Rechts-
streitigkeiten mit Adeligen vorbehalte. Die Krakauer verloren
ihr im Jahre 1306 erworbenes außerordentliches Privileg,^ selbst
Adelige, welche in der Stadt Schulden gemacht hatten oder
» CathCracCD. I, Nr. 173.
• LAOrac. I. Ferner die Urkunden vom 19. Jänner 1403, welche Michael,
iudex provincialis, und die sieben Schöffen von Krosno in dieser Stadt
ausstellten. AGZ. HI, Nr. 78.
» Siehe oben S. 181 f. * CDPM. H, Nr. 613.
« CDCrac. I, Nr. 3,
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185
bei einem Verbrechen ertappt worden waren, vor ihren Richter-
stuhl zu ziehen, und bei der Erneuerung ihres Stadtrechtes im
Jahre 1358 wurde bestimmt/ daß jeder einheimische Pole für
einen in der Stadt verursachten Schaden oder Todschlag nur
von seinem Gerichte oder dem Fürsten nach polnischem Rechte
belangt werden konnte; ferner sollte der Bürger, welcher einen
Ritter oder Adeligen verwundete oder tötete, von dem Herzoge
oder dessen Stellvertreter unter Beiziehung von mindestens
zwei Ratsherren oder Bürgern der Stadt nach deren Recht ge-
richtet werden. König Wladyslaw 11. erteilte im Jahre 1420
der Stadt Krosno, um sie gegen Schäden durch Adelige und
deren Anhänger zu schützen, die Freiheit, in allen RechtsfUllen
alle Personen zu richten; das Urteil über eine Verwundung
oder Tötung eines Adeligen im Stadtgebiete behielt er aber
sich und seinem Gerichte vor.* Diese Bestimmung wurde auch
vom Könige Siegmund August im Jahre 1562 bestätigt.' Das
grundherrliche Gericht mußte femer in allen Fällen einschreiten,
wenn das Ortsgericht lässig war und sich Rechtsverweigerungen
zuschulden kommen ließ, und der Landesfürst mußte über-
dies in allen Fällen seine richterliche Befugnis als Oberlehens-
herr geltend machen, wenn auch der Grundherr seinen Pflichten
nicht nachkam oder der Fürst diesem überhaupt nicht die
ganze Gerichtsbarkeit überlassen hatte. So traf im Jahre 1308
der Herzog Wladyslaw Lokietek für die Besitzungen des
Klosters Szczyrzyc die Bestimmung, daß die Bewohner dieser
Orte auf schriftliche Ladung vor dem Hofrichter zu erscheinen
haben, wenn die Schulzen und die Mönche in der Erfüllung
ihrer Pflicht lässig sein sollten.* Derselbe Fürst bestimmt in
einer Urkunde vom Jahre 1329 für Luslawice, daß die Schulzen
über alle Bewohner in allen RechtsfUllen zu urteilen hätten;
sollten sie aber jemandem, der über Bewohner ihres Ortes
Klage führt, Recht zu schafi*en versäumen, dann hatten sich
die Beklagten vor dem Fürsten (coram nobis) auf dessen schrift-
lichen Befehl einzufinden und waren von diesem nach deutschem
Rechte zu richten. ^ Ebenso überließ der König Kazimierz der
* CDCrac I, Nr. 32. Vgl. auch die Bestimmungen des Bestiftungsprivilegs
vom Jahre 1267 (ib. Nr. 1).
« AGZ. m, Nr. 88. • ib. Nr. 174.
* CDPM. n, N. 646. » ib. I, Nr. 182.
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Große im Jahre 1357 der Stadt Czchöw die ganze Gerichts-
barkeit; wenn jedoch der Vogt und die Schö£fen nachlässig
und ungerecht sein würden und das Urteil der Schöffen ange-
fochten werden sollte, dann würden die Bürger vor das könig-
lich deutsche Gericht in Krakau (iudicium nostrum theutoni-
cum Cracoviense) gerufen werden.* Denselben Zweck verfolgt
Königin Elisabeth, wenn sie der Bestimmung, daß den Vögten
und Schulzen die ganze Gerichtsbarkeit über ihre Ortssassen
überlassen sei, die Bemerkung hinzuftigt: ,nach des polnischen
Reiches Gewohnheit und mit demselben Rechtsvorbehalte, wie
es zur Zeit des Königs Kazimierz üblich gewesen^ * Und König
Wladyslaw IL fügt bei ähnlichen Veranlassungen hinzu, daß er
sich alle seine königlichen Rechte wahre.*
Vor allem mußten sämtliche die Vögte und Schulzen selbst
betreffenden Rechtssachen vor dem Lehensherm abgewickelt
werden, mag nun dieser der Landesfürst oder ein weltlicher
oder geistlicher Gutsbesitzer gewesen sein. So bestimmt der
Herzog Boleslaw im Jahre 1253 für Bochnia, daß der Vogt
und seine Nachfolger mit ihren Gehilfen (ministri) sich nur
vor ihm nach deutschem Rechte und auf seine schriftliche
Ladung zu verantworten haben, und zwar imter Beiziehung
von Beisitzern oder Schöffen (assessores seu scabini), welche
des deutschen Rechtes kundig sind. Im Streite mit Adeligen
wird dem Vogte vor dem fürstlichen Richterstuhle gleiches
Recht zugesichert.* Im Jahre 1306 verfügte Lokietek, daß
über Klagen gegen einen der Krakauer Vögte nur der von
ihm entsandte Richter (iudex noster) in der Stadt nach deren
Rechte zu richten habe.* In den zahlreichen Urkunden des
Königs Kazimierz des Großen findet man regelmäßig neben
der Verfügung, daß die Bewohner der landesfürstlichen Orte
vor dem Vogte oder Schulzen ihren Gerichtsstand haben, die
weitere Anordnung, daß die Vögte und Schulzen nur vor dem
1 CDPM. I, Nr. 249.
' ib. m, Nr. 909: secundum regni Polonie consuetudinem alias Serenis-
simi . . . Kazimiri . . . conservatam. Vgl. auch Nr. 910 u. 912. Alle
zitierten Urkunden sind aus dem Jahre 1379.
* AGZ. n, Nr. 24, vom Jahre 1397: iuribos tarnen nostris regalibus in
Omnibus semper salvis.
* CDPM. n, Nr. 439.
5 CDCrac. Nr. 3.
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187
Könige/ ßeinem Richter,^ seinem Generalprokurator, ^ dem dazu
bestimmten Starosten (capitaneus)* oder endlich dem könig-
lichen deutschen Gerichte^ nach ihrem deutschen Rechte sich
zu verantworten haben, und zwar stets nur über schriftliche,
mit dem königlichen Siegel versehene Ladung. Ahnlich lauten
die Bestimmungen anderer Landesfürsten. ^ Aber nicht nur
über die landesfürstlichen Vögte und Schulzen, sondern auch
über diejenigen auf adeligen und geistlichen Gutem nahmen
die Könige die oberrichterliche Macht in Anspruch, wie auch
über die Gutsherren selbst. So bestimmte Leszek der Schwarze
im Jahre 1288 für die Dörfer des Klosters Tyniec, daß die
Schulzen derselben vor dem Könige nach deutschem Rechte
sich zu verantworten haben.'' Auch Herzogin Griphina ver-
ftigte im Jahre 1299 für Mogilno, daß die von allen polnischen
Beamten befreiten Bewohner des Ortes nur von ihrem Erbherrn
und dessen Schulzen gerichtet werden sollten, die Herren und
Schulzen aber vor ihr über schriftliche Ladung sich zu ver-
antworten hätten.^ Ebenso bestimmte König Kazimierz der
Große, ^ als er auf Bitten der Grundherren von Gorzyce, Wielo-
^ Coram nobis. Urkunde für Myillenice vom Jahre 1342 CDPM. III,
Nr. 671; Cieikowice vom Jahre 134S, ib. Nr. 688; Dzierianiny vom
Jahre 1361, ib. Nr. 993.
' Coram nostro iudice. Urkunde fUr Osobnica vom Jahre 1348 CDPM.
III, Nr. 686; Kobyle vom Jahre 1352, ib. Nr. 696.
• Procurator generali». Urkunde für 2ukowice vom Jahre 1368 CDPM
m, Nr. 811.
• Coram capitaneo nostro. Urkunden für Tyczyn vom Jahre 1368. CDPM.
I, Nr. 294. Vgl. Piekosiiiski, O s^dach wyiszych, S. 29. Auch AGZ.
XI, Nr. 1311/12 vom Jahre 1440.
• Judicium nostrum Theutonicale. tfrkunden für Dembowiec vom Jahre
1349 CDPM. m, Nr. 690; für Sietnica vom Jahre 1351 ib. Nr. 694.
— - Judicium nostrum generale. Urkunden für Tyczyn vom Jahre 1368
ib. I, Nr. 294; für Bystra vom Jahre 1369 ib. III, Nr. 827. — ludicium
nostrum superius Theutonicale. Urkunde für Äukowice vom Jahre
1368 ib. in, Nr. 811.
• Über eine beim königlichen Gerichte vorgebrachte Klage konnte der
König mit seinen Bäten und Beisitzern (cum consiliariis et iudicio
protunc eidem assidentibus) entweder endgültig entscheiden, oder er
machte die Richter namhaft, welchen er das Urteil überließ. Star. Pom.
VI, Nr. 297, gegenüber Nr. 46 u. 308.
' Kod. Tyn. Nr. 36. Diese Bestimmung in dem sonst angezweifelten
Dokumente ist sicher unverdächtig.
• CDPM. I, Nr. 132. » AGZ. V, Nr. 4.
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188
pole und U6cie, diese Dörfer auf deutsches Recht setzte, daß
deren Schulz über schriftliche Ladung des Königs seinen An-
klägern am königlichen Hofe nach deutschem Rechte werde
Rede stehen müssen (1359). Und für das grundherrliche Dorf
Brzozowa bestimmte derselbe König (1366), daß der Schulz
vor ihm oder seinem Prokurator sich zu verantworten haben
werde. ^ In der Regel wurde den grundherrlichen Vögten und
Schulzen ihr ordentlicher Gerichtsstand vor ihren Grundherren
angewiesen und erst in zweiter Instanz kam das Gericht des
Landesfürsten als Oberlehensherm in Betracht. So wurden im
Jahre 1366 das Dorf Boleslaw und drei andere Orte über Bitten
ihrer EIrbherren durch König Kazimierz vom polnischen auf
deutsches, nämlich Szroder Recht gesetzt und dabei ausdrück-
lich bestimmt, daß die Bauern vor ihren Schulzen, diese aber
vor ihren Grundherren oder vor dem Könige und seinem Ge-
richte sich zu verantworten haben. * Nach der Verordnung der
Königin Elisabeth vom Jahre 1373 hatten die Schulzen von
Zassona und Niecew sich vor ihrem Grundbesitzer oder vor
der Fürstin zu verantworten, wenn sie in ihrem Amte nach-
lässig sein würden.' In demselben Jahre bestimmte dieselbe
Königin für alle Ortschaften der Klarisserinnen von Sandec,
daß die Schulzen derselben vor dem procurator der Nonnen
oder vor der Fürstin oder deren Gericht sich zu verantworten
hätten.^ Dieselbe Bestimmung traf EHsabeth im Jahre 1379
für die Güter des Johannes von Tarnöw; der Gutsherr soll
über die Schulzen richten, aber die Fürstin behält auch sich
und ihrem Gerichte dieses Recht vor. ^ Dabei wird aber immer
wieder betont, daß die angeklagten Schulzen vor dem könig-
lichen Richterstuhle nur über schriftliche Ladung zu erscheinen
haben imd nur nach ihrem deutschen Rechte gerichtet werden
sollen. Ebenso bestimmte König Wladyslaw II. im Jahre 1415
ftir das Dorf Swoszowice, das den Augustinern in Kazimierz ge-
hörte, daß der Schulz von dem Abte Konrad oder von dem Kö-
nige oder dessen Gericht zu richten sei; aber auch dem Abte wird
der Prozeß nach Neumarkter Recht in Aussicht gestellt, wenn
* CDPM. I, Nr. 283.
* ib. III, Nr. 791. Vgl. auch die Urkunde für Wojiücowa wola vom Jahre
1363 ib. Nr. 766.
* ib. in, Nr. 852. * ib. Nr. 856. » ib. Nr. 909.
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189
er und der Schulz ungerecht sein würden.^ Derselbe König
bestimmte im Jahi'e 1430 auch für alle Städte und Dörfer des
Erzbistums Lemberg, daß die Insassen derselben von ihren
Vögten und Schulzen zu richten seien, diese aber von den
Richtern und Beamten (iudicibus et officialibus) des Erzbischofs
oder von dem Könige, wenn sie ihren Pflichten nicht genügen
würden.*
Aus dem Mitgeteilten ist zu ersehen^ daß die Einrichtung
von deutschen Gerichten an den Höfen des LandesRirsten und
der Gutsherren, welche mit deutschem Rechte bestiftete Orte
besaßen, notwendig war, denn in allen in den angeführten
Urkunden erwähnten Fällen konnte das Urteil nur nach
deutschem Rechte geschöpft werden; daher konnte es nicht
etwa vom Lehensherrn allein gefällt werden. Es konnte auch
nicht, insofern Rechtsgeschäfte der Vögte und Schulzen zu er-
ledigen waren oder gegen sie ein Strafprozeß zu verhandeln
war, das betreffende Ortsgericht, selbst nicht in der Form des
,großen Gerichtes', in Anspruch genommen werden, weil die
Vögte und Schulzen eine bevorzugte Stellung einnahmen, über
der anderen Bevölkerung standen und daher auch nur in einem
besonders zusammengesetzten Gerichte gerichtet werden konnten,
dem andere rechtskundige Vögte und Schulzen als Schöffen
beigezogen wurden ' und dem der Lehensherr oder dessen Ver-
treter als Hofrichter voratand. Li zahlreichen Fällen wird dieser
Stellvertreter dieselbe Persönlichkeit gewesen sein, welche auch
in den höheren Ortsgerichten den Vorsitz führte. Als Vorsteher
dieses für mehrere Ansiedlungen, filr eine ganze Provinz be-
stimmten Gerichtes fühi'en sie ihren Titel Provinz- oder Land-
vogt im eigentlichen Sinne.* Doch werden diese Vorsitzenden
auch kurzwegs als advocatus, viceadvocatus, iudex u. dgl.
bezeichnet.* Betraut wurden mit diesem Amte nicht selten
rechtskundige Vögte und andere Bürger.^ Auch die Namen
für diese Gerichte sind schwankend. Außer den Bezeichnungen
Provinz- oder Landgericht (iudicium provinciale, iudicium iuris
» CathCracCD. U, Nr. 668. • AQZ. U, Nr. 51.
* Vgl. unten im Texte die Urkunden vom Jahre 1379 für Neu-Sandec.
* Belege weiter unten im Texte.
^ Auch dazu die Belege unten im Texte.
* Dies gilt auch von den Provinzialvögten. Belege findet man S. 178,
191, 194, 196 und 208. Vgl. auch CDCrac. I, S. XL.
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190
provincialis) und Hofgericht (iudicium curie) fUfaren sie vor
allem die bezeichnenden Namen: feodale iudiciam^ ius linski,
lenske^ lincaie, lincum^ also Lehensgericht; ^ es kommt darin
klar zum Ausdrucke^ daß die vor dieses Gericht gehörenden
Vögte und Schulzen zum Gerichtsherm im Lehensverhältnisse
standen. Ferner kommt die Bezeichnung iudicium scultetorum
oder auch iudicium provinciale scultetorum vor, also ein Ge-
richt, das von Schulzen als Schöffen zusammengesetzt war und
über Schulzen richtet.* Wenn diese Gerichte als iudicium ge-
nerale, iudicium supremum, ius supremum bezeichnet wurden,'
so deuten diese Benennungen auf die zweite Seite der Tätig-
keit dieser Gerichte; sie haben sich nämlich auch zu Gerichten
höherer Instanz gegenüber den Ortsgerichten in allen Rechts-
angelegenheiten entwickelt.
Es ist leicht begreiflich, daß ständige Lehensgerichte nur
dort entstanden, wo eine größere Anzahl von Orten mit deutschem
Rechte vorhanden waren, welche demselben Besitzer gehörten.
Vor allem begegnen uns daher landesfUrstliche Lehensgerichte;
fei-ner finden wir beständige Lehensgerichte auf den Gütern
der reichen Stifte. Kleinere Lehensherren konnten nur von
Fall zu Fall ein solches Gericht zusammensetzen.
a) LandesfUrstliche „Lehenihöfe^*.
Wie wir wissen, haben die Landesfllrsten nicht nur die
höhere Gerichtsbarkeit über die Vögte und Schulzen landes-
fürstlicher Orte in Anspruch genommen, sondern sie waren
als Oberlehensherren auch oberste Gerichtsherren über alle
adeligen und geistlichen Vögte und Schulzen. Es ist leicht be-
greiflich, daß für die zahlreichen Geschäfte der landesherr-
lichen Gerichtsbarkeit über die mit deutschem Rechte bestifteten
Orte das Hofgericht nicht genügte, besonders seit die Teil-
fürstentümer zu einem Gesamtreich vereinigt wurden und die
* Piokoainski, O s^dach wyiszych, S. 21, und AGZ. XI, Nr. 466 (secun-
diim formam iuris feodalis alias linske). Vgl. auch 8. 200.
* Kromor, Polonia a 1578 (od. V. Czermak, Krakau 1901, S. 120: sculte-
torum iudicia.
® Man beachte den Umstand, daß diese Namen nicht nur den landes-
flirstlichon, nondern auch den geistlichen Liehensgerichten zukamen. So
heißt schon im Jaltre 1307 das Lehensgericht am Hofe der Nonnen
von Alt-Sandoc generale iudicium und das Kloster Tjmiec beieichnet
später sein Lehensgericht als ius supremum (Belege unten im Texte).
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191
Zahl der deutschen Ansiedlungen immer mehr wuchs. So kam
es^ ^aß allmählich mehrere Provinzialgerichte eDtstanden.
Vor allem war natürlich die fürstliche Burg am Wawel
in Krakau der Sitz eines Lehenshofes. Wir haben schon oben
erfahren,^ daß seit der Oktav des Martinstages 1312 (18. No-
yember) sich die Abhaltung der iudicia magna in Krakau neben
dem Stadtgerichte (iudicium civitatis) nachweisen lasse. Nun
heißt es im ältesten Gerichtsbuche von Krakau zum Jahre 1317:
,Am dritten Tage nach Johannes (26. Juni) fand das iudicium
magnum nicht statt, sondern Peter, Sohn des Moritz, fing an
mit der Abhaltung des herzoglichen Qerichtes, nämlich dem
dritten Pfennig.* Unter dem herzogUchen Gerichte, das im
Gegensatze zum großen Ortsgerichte genannt wird, kann nur
das Hof- und Lehensgericht gedacht sein. Dieses hatte also
in Elrakau ebenso wie das große Gericht nach der Nieder-
werfung des Krakauer Aufstandes von 1311/12 bestimmtere
Formen angenommen. Die Bemerkung ,dem dritten Pfennig'
bezieht sich offenbar auf die Gerichtseinkünfte; wahrscheinlich
beanspruchte der Vorsitzende den dritten Teil der Bußen.*
Aus einer Urkunde vom Jahre 1337 erfahren wir,* daß dieses
Gericht den Namen lus Thentunicum in Castro Cracoviensi
führt; ein Krakauer Bürger sitzt ihm als Vogt vor; ihm zur
Seite werden sieben Schöffen genannt, zumeist Schulzen von
verschiedenen Orten. Gegenstand der Verhandlung waren
Streitigkeiten über Schulzeirechte. Im Jahre 1357 erscheint
dieses Gericht unter dem Namen iudicium nostrum Theutoni-
cum Cracoviense^ und 1358 begegnet uns Helmannas Edlingi
summus iudex et advocatus provincialis iuris Theutunici in Castro
Cracoviensi, dem zur Seite sieben Vögte und Schulzen als
Schöffen stehen.* Aus diesem Gerichte entwickelte sich gerade
» Siehe S. 177.
• LACrac. I, Nr. 440: Item tercio die post Johannis (26. Juni) iudicium
magnum non fuit, sed Petrus Moricii incepit teuere iudicium ducale,
yidelicet denarium tercium.
' Die StadtY($gte und Schulzen hatten ein Drittel der Gerichtseinkünfte,
während die zwei anderen Drittel dem Herzoge zufielen. Es würde
daher ganz entsprechend sein, daß der Fürst auch dem Vorsitzenden
des Lehensgerichtes ein Drittel der Taxen überließ. Vgl. dagegen die
Deutung dieser Stelle in der Einleitung zum CDCrac. I, S. XLI.
• CDPM. III, Nr. 660. «^ ib. I, Nr. 249.
• ib. I, Nr. 253. Vgl. auch Nr. 266 (Jahr 1362).
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192
damals das oberste deutsche Gerieht in diesen Teilen Polens
überhaupt. Darüber wird weiter unten das Nähere gesagt
werden. Erwähnenswert ist noch folgender Umstand. Während
unstreitig dem Lehensgerichte auf der Krakauer Burg die
Vögte und Schulzen aller landesfilrstlichen Orte im Krakauer
Gebiete unmittelbar unterstanden, nahm die Stadt Krakau selbst
seit dem Ende des 14. Jahrhunderts eine Ausnahmsstellung ein.
Im Jahre 1399 bestimmte nämlich König Wladislaw IL, daß
die Bürger von Krakau sich zu verantworten haben vor ihrem
Vogte und den SchöflFen, diese vor den Ratsherren, die Rats-
herren endlich vor dem Könige, wenn er in Krakau oder der
Krakauer Burg sich aufhalten werde, oder vor dessen be-
sonderen Bevollmächtigten auf der Krakauer Burg, und zwar
nur auf schriftlichen Befehl des Königs und unter Wahrung
ihrer Rechte.^ Hier war somit der Rat die unmittelbar höhere
Instanz gegenüber dem Vogte und den Schöffen. So hat auch
z. B. am 5. Mai 1525 das königliche Gericht entschieden, daß
die von einem Auswärtigen gegen den Vogt und die Schöffen
von Krakau vorgebrachte Klage vom Bürgermeister und Rat
der Stadt zu untersuchen sei.* Es entspricht dem übrigens
auch der Umstand, daß Vogt und Schöffen von Krakau sich in
zweifelhaften Fällen an den Rat zu wenden pflegten.'
Ein zweiter landesfürstlicher Lehenshof entstand in San-
domir, zu dessen Bezirk auch der benachbarte Teil von Ga-
lizien gehörte. Im Jahre 1336 befahl König Kazimierz,* daß
die mit deutschem Rechte bestifketen Stadt- und Dorfbewohner
dieses Gebietes, die durch Ladungen nach Krakau und anderen
Orten geschädigt wurden, fortan nur von ihren Vögten und
Schulzen gerichtet werden sollten. Bei sehr schweren Fällen
und über schriftliche Ladung des Königs sollten sie durch den
» CDPol. I, Nr. 160. « Star. Pom. VI, Nr. 314.
■ Siehe unten im Texte.
* CDPM. I, Nr. 204 1 duximus decernendumf videlicet quod omnes cives
et eorum singuli dicte civitatis Sandomirensis et inhabitantes villas,
castra oppida iure Theutonico collocata in districtu et temtorio Sando-
mirensi . . . nullatenus evocari, trahi et citari debent, sed tantummodo
. . . coram ipsomm advocato vel sculteto loci ipsios et non aUas re-
spondere tenebuntur; in cansis gravibus et magnis, vel que tales emer-
serint, et eciam si qui per nostram literam citati et evocati fuerint, per
advocatum Sandomirensem et per illos, qui addeputandi fuerint, iure
8U0 teutonico in Castro nostro Sandomirensi iudicabuntur.
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193
Sandomirer Vogt und besonders bestimmte Beisitzer nach
deutschem Rechte in der Burg Sandomir gerichtet werden. Es
handelt sich hier also auch um ein besonderes in der Burg,
nicht in der Stadt, zusammentretendes höheres königliches Ge-
richt, zu dessen Vorsitzenden der rechtskundige Vogt der Stadt
bestimmt wurde, dem aber zu diesem Zwecke besondere, nicht
die gewönlichen Schöflfen der Stadt, zur Seite gestellt werden.
Im Jahre 1381 erscheint Ulrich Bohemus als iudex supremus
Theutonici iuris in der Burg Sandomir, der mit Zustimmung
des Sandomirer Wojwoden und Starosten die zu diesem Ge-
richte gehörigen sieben Schulzen entbietet.^
Ein drittes Lehensgericht des Landesfürsten bildete sich
allmählich in Sandec heraus, und zwar zunächst in AltSandec,
dem Mittelpunkte der ausgedehnten WitwengUter der polnischen
Fürstinnen und jener des von ihnen geförderten Elarisserinnen-
klosters zu Alt-Sandec. Schon im Jahre 1292 bestimmte die
Herzogin Griphina für Na L§kach: Wenn jemand die Ein-
wohner oder den Schulzen dieses Dorfes klagen wollte, so
sollen dieselben durch ein von der Fürstin besiegeltes Schreiben
vorgeladen und nach deutschem Rechte gerichtet werden.*
Deutlicher lautet die Verfügung in der Urkunde derselben
Fürstin vom Jahre 1293 für Olszana, daß die angeklagten Erb-
herren des Dorfes vor die Fürstin (ad nostram presenciam) in
der vorgeschriebenen Weise zu laden seien. ^ In der Urkunde
dieser Fürstin von demselben Jahre (1293) für GaboÄ wird
hinzugefügt, daß der über schriftHche Ladung erschienene
Schulz sich vor dem Hofrichter (coram iudice nostre curie)
verantworten werde.* Die weitere Ausbildung dieses Lehensge-
richtes hängt eng mit dem Kloster der Klarisserinnen in Alt-Sandec
zusammen, denen schon Herzogin Kunigunde im Jahre 1280
die Stadt und zahlreiche Dörfer geschenkt hatte ^ und auf die
gewissermaßen die Hoheitsrechte der Herzoginnen übergingen.
Jedenfalls wird in den folgenden Jahrzehnten das Lehensge-
richt zu Alt-Sandec stets nur im engsten Zusammenhange mit
dem Kloster genannt, worüber weiter unten das Nähere gesagt
werden wird. Erst im Jahre 1357 findet sich in Alt-Sandec
die Spur eines dem Klostergerichte übergeordneten Gerichtes,
» CDPM. I, Nr. 356. » ib. H, Nr. 618. » ib. Nr. 524.
* ib. Nr. 523. ^ ib. Nr. 487 u. 521.
ArehiT. XCV. Band. I. UälfU. 18
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194
also wahrscheinlich eines landesftirstlichen Lehenshofes. In der
Urkunde der Äbtissin Konstantia von dem genannten Jahre
für Dlugoleka wird nämlich bestimmt,^ daß alle schweren
Rechtsfälle vor dem Hofgerichte des Klosters nach deutschem
Rechte gerichtet werden sollen, in zweifelhaften Fällen sollte
aber ,in Alt-Sandec Einsprache erhoben werden'. Weitere Nach-
richten über dieses Gericht, das doch kaum das gewöhnliche
städtische sein dürfte,* fehlen. Später erscheint das königliche
Lehensgericht in Neu-Sandec, an welche landesfürstliche Stadt
seit dem Ende des 13. Jahrhunderts allmählich das ältere Sandec
seine Bedeutung verloren hat. Die früheste bestimmte Nach-
richt von dem fürstlichen Lehenshofe in Neu-Sandec rührt aus
dem Jahre 1379 her. In einer Urkunde aus diesem Jahre
wird das iudicium provinciale in (Neu-)Sandec genannt, dem
der Fleischhauer Nikolaus als iudex provincialis vorsitzt und
zu dem noch als SchöflFen sieben Schulzen von Dörfern des
Sandecer-Distrikts gehören, nämlich jene von Dtugol^ka, Eiezna,
Gtostwica, Milkowa, Siedice, Eunina und Fryczowa. • In einer
Urkunde der Königin Hedwig von 1384 wird dieses Gericht
nostrum iudicium Theutonicale supremi iudicii curie nostre San-
decensis genannt; vor ihm hat sich der Gutsherr von Janu-
szowa oder Sonnenschyn, wenn er in der Ausübung der Ge-
rechtigkeit lässig sein sollte, auf schriftliche Ladung nach
deutschem Rechte zu verantworten.* Nach einer Urkunde vom
Jahre 1389 besteht dieses Gericht ebenfalls aus dem Vogte und
sieben Schöffen, darunter wieder die Schulzen von Kunina,
Fryczowa, Siedice und Gostwica erscheinen. In dieser Urkunde
führt das Gericht den bezeichnenden Namen feudale iudicium
curie regis Felonie in Nowa Sandec, also Lehensgericht am
Hofe des Königs von Polen in Neu-Sandec.^ Im Jahre 1402
wird in Neu-Sandec Joannes Froling als advocatus feudalis
erwähnt. ^ Endlich bestimmt im Jahre 1464 der Erbvogt Paulus
» CDPM. m, Nr. 714.
* Man vergleiche jedoch das weiter unten Ober die Bedeutung des Lem-
berger Stadtgerichtes Gesagte.
3 CDPM. I, Nr. 346.
* ib. Nr. 369 (Urkunde aus dem Archive von Neu-Sandec).
» AGZ. IX, Nr. 4.
^ Fr. Behrend, Die Magdeburger Fragen (Berlin 1865), S. XXI, Anm. 40,
u. S. 242.
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195
von Neu-Sandec^ daß der Schulz seiner Dörfer Mszalnica und
Cienawa sich nur ,in iudicio scoltetorum Curiae Sandecensis^
nach Magdeburger Recht zu verantworten hat, also vor dem
Schulzengerichte auf dem Hofe in Sandec. ^
Ein ebensolches Gericht ist in B i e c z nachweisbar. * Seine
Akten beginnen mit dem Jahre 1383. Als Bezeichnungen für
dieses Gericht finden wir: supremum ius theutonicum terre Bey-
censiS; supremum iudicium iuris provincialis terre Beycensis,
iudicium supremum scultetorum terre Beycensis. Auch diesem
Gerichte stand ein Vogt vor, dem sieben Schulzen als SchöfiFen
beisitzen. Im Jahre 1473 erscheint ein Laurentius scultetus et
advocatus iuris Theutunici Magdeburgensis supremi in Castro
Biecz una Septem cum scabinis eiusdem iuris et iudicii. Diese
SchöfiFen sind durchaus Schulzen verschiedener Orte, welche
der König besonders dazu bestimmt hat (ad hoc speciaHter de-
putatis). Ihr Gericht nennen die Richter ein ,iudicium banni-
tum', weil es nicht zu bestimmten Zeiten stattfand, sondern
seine Abhaltung von Fall zu Fall anbefohlen wurde. ^
Auf dem Gebiete des alten Rntheniens (Rotrußland, Ost-
galizien) finden wir ein ausdrücklich ausgebildetes Lehens-
gericht in Sanok.* Es dürfte zwischen 1403 und 1425 ent-
standen sein. Die ersten Akten desselben rühren aus dem
Jahre 1425 her. Dann sind Reste aus den Jahren 1435, 1446 und
1449 erhalten; von 1457 sind die Akten mit einigen Lücken
bis 1553 auf uns gekommen. Von den zahlreichen Bezeich-
nungen für diesen Lehenshof seien angeführt: supremum Theu-
tonicale iuris Magdeburgensis castri Sanocensis, ius supremum
feodale Sanocense, ius sculteticum in Sanok, ius supremum et
scultetorum terre Sanocensis; letztere Benennung ist besonders
bezeichnend für die doppelte Aufgabe dieser Höfe als Appel-
lationsgerichte gegenüber den Ortsgerichten und als Lehens-
gerichte. An der Spitze des Gerichtes stand der iudex, ad-
vocatus, viceadvocatus oder iuratus; ihm zur Seite saßen sieben
SchöfiFen (scabini, iurati), welche wenigstens zum Teile Schulzen
» CDPol. in, Nr. 220.
* Vgl. Piekosiiiski, O s%dach wyiszych, S. 26.
' Roepell, a. a. O., S. 290 fl
* J. Samolewicz, Sijd wyiszy prawa niemieckiego na zamku sanockim
1426—1553 (Lemberg 1903). Die Akten dieses Gerichtes sind ver-
öflfentlicht AGZ. XI u. XVI.
13*
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196
von den Dörfern des Sanoker Gebietes waren. Übrigens waren
auch die meisten bekannten Vögte dieses Gerichtes nachweis-
lich Schulzen derselben Dörfer. Unter ihnen erscheinen Peter
Kynel (1425), Nikolaus Zeywirth (1435), Thomas Kuncza oder
schon polonisiert Kuncowicz (1446 — 1467), Laurentius oder
Lorincz FoflF (1469—1490) und Johann Wilam oder Wilhelmus
(1502—1505).
Nur beschränkte örtliche Bedeutung scheint dagegen das
Schulzengericht in T y c z y n gehabt zu haben. Dieser nördlich
von Sanok gelegene Ort war auch eine landesfürstliche Stadt,
die im Jahre 1368 von Eazimierz mit deutschem Rechte be-
stiftet worden war. Auch hier fanden Gerichtssitzungen statt,
an denen außer dem Vogte der Stadt sieben Schulzen benach-
barter Orte Anteil nahmen.^ Im Jahre 1425 hatten dieselben
über einen Rechtsstreit zwischen dem Schulzen Wilhelm von
Wulka pod lasem und dem Schulzen von Lutory4 zu ent-
scheiden. Da Wilhelm sich durch ihr Urteil benachteiligt
glaubte, legte er in Sanok Berufung ein. Dort wurde über
den Rechtsfall im iudicium bannitum vom 8. Oktober 1425
unter dem Vorsitze des Vogtstellvertreters Peter Kynel von den
SchöfiFen Martin, Mathias Schindler, Friedrich, Laurenz, Paul
Arnold und zwei anderen entschieden. Wir finden hier also
das deutsche Gericht in Sanok in seiner Eigenschaft als ins
supremum in Tätigkeit.
Wie das Schulzengericht in Tyczyn hatte auch wohl jenes
in Krosno (westÜch von Sanok) nur beschränkte Bedeutung.
Eine Spur seiner Tätigkeit hat uns eine Urkunde vom Jahre
1403 aufbewahrt.^ In derselben wird von Michael, dem iudex
provincialis, und den sieben SchöfiFen Peter Regeler, Johann
Klause, Franz Kensteyn dem Weber, Paul dem Krämer, Stephan
Furman, Peter Hone und Johann Peszer bestätigt, daß zwischen
dem Erbvogte Peter von Krosno und dem Bürger Jakob Zirler
aus Biecz ein dieVogtei von Krosno betrefifendes Geschäft ab-
geschlossen wurde. Merkwürdigerweise werden die Beisitzer
dieses Gerichtes als SchöfiFen der Stadt Krosno bezeichnet;
während in der Regel die SchöfiTen der Lehensgerichte, wie
wir wissen, die Schulzen anderer Orte waren. Trotzdem kann
man dieses Gericht nicht etwa als ein bloßes iudicium magnum
» AGZ. XI, Nr. 173a. « ib. lU, Nr. 78.
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auffassen, weil es ausdrücklich als iudicium bannitum bezeichnet
wurde und am 19. Jänner stattfand^ welche Kennzeichen nicht
auf die höheren Ortsgerichte passen. Auch betraf der Gegen-
stand der Verhandlung die Vogteirechte, und diese gehörten vor
das Lehensgericht. Der Umstand, daß der Vorsitzende als
iudex provincialis erscheint, spricht durchaus nicht ftlr ein
magnum iudicium und gegen ein Lehensgericht, denn auch der
Vorsitzende des Krakauer Lehensgerichtes war iudex et ad-
vocatus provincialis, und es ist schon oben bemerkt worden,
daß wahrscheinlich in vielen Fällen dieselbe Persönlichkeit den
höheren Ortsgerichten und den Lehensgerichten vorsaß. Übrigens
konnten sich auch Ortsgerichte zu Gerichten höherer Instanz
entwickeln, wie dies gleich näher erörtert werden soll.
Für die anderen Teile Galiziens ist ein fürstlicher deutscher
Lehenshof mit festem Sitze nicht nachweisbar. Wohl erscheint
in verschiedenen Urkunden,^ welche den Osten des Landes
betreffen, ein iudicium generale (1405, 1448) oder ein iudex
generalis (1423, 1458), vor dem wie vor dem Könige sich nach-
lässige Schulzen und Vögte auf schriftliche Ladung nach
deutschem Rechte zu verantworten haben werden; aber ob
es sich um ein bestimmtes Gericht handelt, ob dasselbe, wie
zu vermuten wäre, in Lemberg seinen Sitz hatte, oder ob man
an das oberste deutsche Gericht in Krakau zu denken habe,
ist nicht klar.* Der Bestand eines ständigen königlichen Ge-
richtes mit deutschem Rechte in Lemberg wird wenigstens für
das 14. und 15. Jahrhundert durch folgende Umstände sehr
zweifelhaft gemacht. Im Jahre 1389 traf König Wladyslaw
Jagiello bei der Bestifkung der Stadt Tr^bowla mit deutschem
Rechte folgende Bestimmung:' ,Wenn aber irgend welche
schwierigen Rechtssachen sich ergeben würden, welche Vogt
und Räte der Stadt nicht entscheiden könnten, dann sollen sie
sich, so oft es nötig wäre, um eine Belehrung, nämlich um
ein „Ortel", an die Bürger von Lemberg wenden.' Und sein
Nachfolger Wladyslaw HI. gab im Jahre 1444 der Stadt Lera-
' AGZ. II, Nr. 33 u. 74; ferner ebenda TL, Nr. 42, und VI, Nr. 28.
' Der AuBdrack iudicium generale bezeichnet sowohl die ^oBen Orts-
gerichte (Tgl. oben 8. 179), als die Lehensgerichte (siehe S. 190) und
endlich auch den aus dem königlichen Lehensgerichte in Krakau ent-
standenen Oberhof.
• M. BaliÄski, Staroiytna Polska H, 2 (Warschau 1846), S. 726.
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berg geradezu das Vorrecht, daß alle Städte, Märkte und
Dörfer Rutheniens sich mit ihren Rechtsstreitigkeiten an diese
Stadt wenden und daselbst ,orthele' einholen. Anch sollten die
Lemberger das Recht haben, alle in diesem Gebiete ge-
fangenen Übeltäter, Räuber und Diebe in ihre Stadt zu führen
und daselbst zu richten. ^ Es hat also durchaus den Anschein,
daß in jener Zeit das Lemberger Stadtgericht wenigstens alle
Geschäfte ausübte, die den bereits genannten Gerichtshöfen als
iura suprema zustanden, daß es also damals hier keinen be-
sonderen königUchen Lehenshof gab. Im 16. Jahrhundert scheint
aber doch ein besonderes königliches Obergericht dort bestan-
den zu haben. Aus einer Urkunde vom Jahre 1610 geht zu-
nächst hervor, daß aus Lemberg an ein höheres deutsches
Gericht (ad ius Teutonicum superius) Berufungen gerichtet zu
werden pflegten. Ob dieses Gericht in Lemberg selbst seinen
Sitz hatte, bleibt aber unklar.* Als der Kanzler Johann Za-
mojskie im Jahre 1580 die Stadt Zamo&6 mit deutschem Rechte
ausstattete, verordnete er, daß in zweifelhaften Fällen nicht an
die Grundherrschaft, sondern an das höchste Magdeburger Ge-
richt in Lemberg (do s%du najwyzszego Magdeb. w Lwowie)
Berufung eingelegt werde. * Und drei Jahre später (28. Jänner
1583) bestimmte König Stephan nach einer Bemerkung in den
Lemberger Burggerichtsakten den 18. April als Termin flir Ver-
handlungen, welche nach Magdeburger und Chelmer Recht
stattfinden sollen.^ Wie es scheint, fanden also damals auf der
Lemberger Burg ähnlich wie in jener zu Krakau und ander-
wärts deutsche Gerichtssitzungen statt. Wahrscheinlich wurde
dort auch über Lehenssachen gerichtet.
b) „Lehenshöfe*' auf geistlichen Gutem.
Auch auf geistlichen Gütern entwickelten sich unter gün-
stigen Verhältnissen Lehensgerichte.
* AGZ. V, Nr. 106. Ähnlich die Urkunde für Krakau au« demselben
Jahre in CDCrac. I, Nr. 143.
* F. Bischoff, Osterreichische Stadtrechte und Privilegien (Wien 1867),
S. 77 : volumns, quod in causis praedictis Armenos concernentibus, quae
in praetorio iudicabuntur, appellationes ad ius Theutonicum superius,
ad quod ex ipsa civitate appellari consuevit, appellatur.
« BaliÄski, a. a. O., U, 2, S. 794. * AGZ. X, Nr. 2214.
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Ein solches finden wir vor allem auf den Besitzungen des
Klarisserinnenklosters in Sandec, das von den hier herrschen-
den LandesfUrstinnen besonders gefördert wurde. Schon aus
der Urkunde der Äbtissin Katharina für Mokra D^browa vom
Jahre 1313 geht deutlich hervor, daß dieses Kloster einen Hof-
richter hatte, der im Kloster seines Amtes waltet; es heißt
nämlich in der Urkunde, daß der Schulz oder seine Ange-
hörigen ,vor den Hofrichter an unsern Hof* zu rufen seien. ^
Interessant ist, daß dieser Richter auch im Besitze eines Siegels
ist, mit dem er die Vorladung zu bezeichnen hat. Im Jahre
1315 erscheint Graf Paulus, Sohn des Trebe, als Hofrichter
des Klosters,^ und im Jahre 1317 bezeichnet die Äbtissin Ka-
tharina den Grafen Martin als ihren Richter.' In der Urkunde
derselben Äbtissin für Wietrznica vom Jahre 1317 soll die
Ladung des Schulzen und seiner Nachkommen an den Hof
durch ein Schreiben geschehen, das mit dem Siegel des klöster-
lichen Amtes (nostri officii sigillo) gezeichnet ist.^ In der Ur-
kunde der Äbtissin Stronislawa flir Ciechorzyn vom Jahre 1320
wird wieder vom Siegel des Richters gesprochen, mit dem an
den Schulzen gerichtete Vorladungen zu versehen sind.^ Ahn-
liche Bestimmungen findet man^ für Kamienica (1330), für
DlugoI§ka (1357) und Zabrei (1358). SelbstverständHch konnte
auch hier der Hofrichter nicht selbst entscheiden. Vielmehr
mußten ihm Beisitzer zugesellt werden. So finden wir^ schon
im Jahre 1307 in Alt-Sandec ein generale iudicium, an dem
die Räte und der Vogt der Stadt teilnehmen. Neben letzterem
werden sieben Beisitzer namentlich angeführt, darunter mehrere
Schulzen anderer Ortschaften, die wenigstens zum Teile ebenso
wie die Stadt selbst klösterlich waren.* Vor ihnen findet der
Verkauf eines Schulzeianteiles des Klosterdorfes Biegunice statt.
Als Stätte der Verhandlung wird der Hof der Nonnen in Alt-
Sandec genannt (in curia dominarum in Antiqua Sandecz). Es
weist also dieses Gericht alle Kennzeichen eines Lehensge-
richtes auf. Aus dem Jahre 1315 ist uns eine Urkunde er-
halten, welche den Verkauf eines Vogteirechtes des Klosters
» CDPM. n, Nr. 560. • ib. H, Nr. 662. » ib. Nr. 668.
* ib. Nr. 630. » ib. Nr. 679. • ib. Nr. 601 ; m, Nr. 714, 719.
' ib. n, Nr. 643.
• So Mokra D^browa und Olszana. Vgl. ib. Nr. 621 u. 668.
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200
betrifft* Dieses unbedingt vor ein Lehensgericht gehörende
Rechtsgeschäft wird von dem Vogte und den Schöffen der Stadt
Alt-Sandec, dem Hofrichter und dem Schulzen des klösteriichen *
Dorfes PodoHn in einem bannitum iudicium abgewickelt. Ist
in diesen Urkunden die Ausübung der klösterlichen Gerichts-
barkeit in Alt-Sandec bezeugt^ so wird in dem Privileg der
Äbtissin Katharina für Olszana vom Jahre 1317 die Tätigkeit
dieses Lehenshofes auch als eines höheren Gerichtes überhaupt
gekennzeichnet.^ Es wird nämlich in dieser Urkunde festge-
setzt, daß die schweren RechtsfUlle im Kloster selbst (in curia
nostra) nach deutschem Rechte von Beisitzern, welche die Äb-
tissin mit dem Rate der Schwestern bestimmen wird, zu richten
sind. Als Zeuge wird in dieser Urkunde der bereits genannte
klösterliche Hofrichter Graf Martin genannt. Im Jahre 1373
erscheint als Vorsitzender des Gerichtes, vor dem sich die
klösterlichen Schulzen zu verantworten hatten, der procurator
des Klosters genannt; als zweite Instanz bestimmte die Königin
Elisabeth das königliche Gericht.*
Das berühmte Kloster Tyniec, westlich von Krakau,
hatte schon im Jahre 1349 ein iudicium provinciale scultetorum,
dessen Sitz jedoch nicht festgestellt ist.* Im Jahre 1382 be-
stimmt der Abt Johann desselben Klosters, daß der Schulz von
Moderöwka sich nur am Hofe des Abtes in Kolaczyce vor ihm
und sieben Schulzen nach deutschem Rechte zu verantworten
habe, wenn er durch ein vom Abte besiegeltes Schreiben ge-
laden werde. • Vom Jahre 1405 an besitzen wir die Akten
dieses Gerichtes.' Es wurde nach der Burg Golesz oder dem
bereits genannten benachbarten Kolaczyce genannt und führt
unter anderem die Titel: ius supremum Theutonicum oder
Magdeburgense in Castro Golesz, ius superius dictum lenske
(lincale, lincum) in Colaczice, ius feodale castri Golesz, iudi-
cium scultetorum supremi iuris Theutonicalis in Colaczice. Dieses
* CDPM' II, Nr. 662. » Vgl. ib. Nr. 487 u. 521.
■ ib. Nr. 568: exceptie causis enormibus et difficilibus, quos in curia
nostra iure ipsomm cum assessoribus, quos domina abbatissa de con-
silio ponet sororum, sine debito terminabunt.
* ib. ni, Nr. 855. » Kod. Tyn. I, Nr. 67.
« Kod. Tyn. I, Nr. 108, und ODPol. in, Nr. 165.
' F. PiekosiAski, Akta s^du ledskiego wyiszego w gfr<5dku Goleskim
U06— 1546 (Star. Pom. IX). Krakau 1889.
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201
Hofgericht führt also alle fUr seine doppelte Tätigkeit als Lehens-
hof und Oberhof bezeichnenden Namen. Als Sitz eines zweiten
Lehensgerichtes dieses Klosters wird in den Jahren 1386 und
1394 Tyniec selbst genannt.^ Im Jahre 1431 führt dieses Ge-
richt den Titel: ,ius supremum Theutonicum Magdeburgense in
Thynyecz^; in ihm sitzen sieben Schulzen als Schöffen.* An
diesen Oberhof in Tyniec konnte von dem Lehensgerichte in
Kolaczyce appelliert werden.*
Im Jahre 1375 bestimmte Abt Konrad von Koprzy wnica
flir die klösteriiche Stadt ,Fristath' (Freistadt, Frysztak), daß
die Vögte derselben nur vor sieben Schulzen in der genannten
Stadt selbst nach Magdeburger Recht gerichtet werden sollten.
Diese Bestimmung ist insofern bemerkenswert, als das Lehens-
gericht am Sitze des Belehnten stattfand.^ Derselbe Abt gab
im Jahre 1378 auch seinem Schulzen Oberwin von Wietrznowa
wola die Freiheit, daß derselbe nur vor dem Abte, und zwar
in der Ansiedlung selbst gerichtet werden könnte.^ Dieses
Klloster scheint also sein Lehensgericht nicht an einem be-
stimmten Orte errichtet zu haben, sondern hielt die entspre-
chenden Verhandlungen in seinen verschiedenen Besitzungen,
die mit deutschem Rechte bestiftet waren, nach Bedarf ab.
Auch das Nonnenkloster in Zwierzyniec, ebenfalls im
Krakauer Gebiete gelegen, hatte sein magnum iudicium Theu-
thunicale, als dessen Vogt Nikolaus Szaffiar erscheint; als Schöffen
sind sieben Schulzen genannt (1401 und 1402).*
Weiter im Osten finden wir ein deutsches Lehensgericht
im Bistume PrzemySl. Schon in einer Urkunde vom Jahre
1386 bestimmt Bischof Erich, daß der Schulz von Biskopes-
walt (Jasionka) nur von ihm und seinem iudicium Theutonicum
gerichtet werden sollte. ' Im Jahre 1441 bestimmt der Bischof
von Przemyfil, daß der Vogt von Radymno vor dem Bischof
oder dessen Nachfolger und sieben Vögten gerichtet werden
* Kod. Tyn. I, Nr. 109 (Jahr 1386): coram nobis et coram iudicio nostro-
rum Bcultetorum in Tincia. — Ib. I. Nr. 119 (Jahr 1394): coram nobis
et succesfloribuB nostris seu iudicio claustri Tineciensis.
• ib. I, Nr. 167.
• Vgl. die Einleitung, S. XXXI, zu den von Piekosiiiski in Star. Pom.
herausgegebenen Akten.
* CDPM. m, Nr. 969. » ib. Nr. 904.
« CDCrac. I, Nr. 94 u. 101. ' AGZ. Vm, Nr. 18.
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202
sollte.^ Drei Jahre später (1444) erscheint ein supremum ius
Theutunicum Magdeburgense episcopatus Prernyslensis, das
außer einem iudex noch sieben Beisitzer zählt und in Brzozow
seinen Sitz hatte. ^
Für das Lemberger Bistum ist der Bestand eines eigent-
lichen deutschen Lehensgerichtes noch nicht nachgewiesen. Doch
herrschte auch hier sonst der gleiche Rechtsbrauch. So ist für
die Stadt, welche Bischof Johann an Stelle von Bartholds Wirts-
haus errichten sollte, im Jahre 1442 von König Wtadyslaw die
Bestimmung getroffen worden, daß der Vogt sich nur vor dem
Erzbischofe auf dessen schriftHche Ladung nach Magdeburger
Recht zu verantworten habe.' Natürlich mußte der Bischof
zu diesem Zwecke ein Lehensgericht zusammentreten lassen.^
c) LehenBgerichtBbarkeit der adeligen OrundbeBitzer.
Schheßlich ist noch einiges über die Gerichtsbarkeit zu
sagen, welche adelige Grundbesitzer als Lehensherren ausübten.
So bestimmte z. B. Margareta P^czek, als sie einen Wald bei
GaboA einem gewissen Nikolaus und seinem Sohne Werner zur
Besiedlung übergab (1333), daß die Schulzen nur vor ihr über
schriftliche Ladung zu erscheinen und sich nach deutschem
Rechte zu verantworten hätten.^ Die Grundherren von Opa-
l^na treffen im Jahre 1338 für ihren Schulzen dieselbe Be-
stimmung, nur daß es in der Urkunde heißt, sie würden sich
vor dem Richter des Gutsherrn oder vor diesem selbst zu ver-
antworten haben. • Aus dieser Bemerkung geht hervor, daß
auch Privatgrundherren Richter bestellten. Nach dem zuge-
sicherten deutschen Rechte richteten aber weder die Gutsherren
noch ihre Richter selbst, sondern es mußte ebenfalls ein Lehens-
» AGZ. Vm, Nr. 66. • ib. Nr. 72. Vgl. ib. XI, Nr. 2420 (Jahr 1447).
» ib. n, Nr. 66.
* Über ähnliche Gerichte außerhalb Galiziens vgl. man Piekosii&ski,
O s^ach wjissych, 8. 31 ff. Dazu noch die Urkunden Nr. 941 u. 942
vom Jahre 1386 in CDPM. III. In der ersten Urkunde wird genannt
Pesco adrocatus Biiechovienflis necnon iudex supremi iudicii curie Mie-
choyiensis iuris Thentonici. In der zweiten erscheint Pesco advocatus
Miechoviensis necnon iudex curie Miechoviensis generalis et iurati iam
dicte curie Miechoviensis. Die Zahl der Schöffen beträgt sieben.
» CDPM. m, Nr. 632.
^ ib. Nr. 662: coram iudice nostro et coram nobis.
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203
gericht zusammengesetzt werden. Die Beisitzer desselben wur-
den von Fall zu Fall bestimmt. Wahrscheinlich wurden zu
diesem Zwecke auch Schulzen anderer Gutsbesitzer herbei-
gezogen, wenn ein Grundherr nicht über die entsprechende
Anzahl von rechtskundigen Schöffen verfügte. Zur Ausbil-
dung ständiger Lehensgerichte ist es begreiflicherweise auf
solchen Gutsherrschaften von beschränktem Umfange nicht ge-
kommen.
5. Der königliche dentsebe Oberhof anf der Bnrg
zu Erakau. Kecbtszug nach Magdeburg.
Von allen bekannten Lehensgerichten hatten begreiflicher-
weise die landesfiirstlichen das größte Ansehen und den wei-
testen Wirkungskreis. Da der Landesfttrst nicht nur über seine
Vögte und Schulzen richtete, sondern auch die Gerichtsbarkeit
über die gutsherrHchen beanspruchte, so konnten seine deutschen
Gerichte den grundherrlichen Charakter abstreifen und zu öffent-
lichen werden. Das Lehensgericht des Königs konnte über
andere Orts- und Lehensgerichte gestellt werden, ihnen als
höhere Instanz übergeordnet werden und über Vögte und
Schulzen des Adels und der Geistlichkeit richten. Es entsprach
ganz dem deutschen Rechte, daß bei einer Rechtsverweigerung
die Partei sich an den übergeordneten Richter wende; ,der
König ist aber allgemeiner Richter über alle^, heißt es im
Sachsenspiegel.* Somit ging der Rechtszug vom Ortsgerichte
an das Lehensgericht, von diesem aber an den Fürsten, das
ist an dessen deutsches Gericht, wobei natürlich jenes auf
der Krakauer Burg in erster Linie in Betracht kam. So lag
in diesem Gerichte von allem Anfange an der Keim, zum
höchsten deutschen Gerichte in diesen Teilen Polens, zum
,Oberhof^ zu werden.
Aber nicht nur Klagen gegen Vögte und Schulzen gaben
Anlaß, sich an ein anderes Gericht zu wenden. Eis konnte
vorkommen, daß die Schöffen über die Behandlung einer Rechts-
sache nicht im Klaren waren, oder daß sich für ein vorge-
schlagenes Urteil nicht die nötige Stimmenmehrheit der Schöffen
fand, und man daher um eine Weisung oder Öffnung andere
^ Die koning Ib gemene richtere oyer al.
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204
Richter angehen mußte. Auch konnte das Urteil von einer
Partei gescholten werden, weil es nach ihrer Ansicht nicht
dem Recht entsprach. Nun gab es zwar urspiünglich nach
deutschem Rechte keine eigentliche Berufung oder Appellation
in unserem Sinne, womach ein höheres Gericht das Urteil des
niederen aufheben konnte; wohl aber konnte man unverbind-
liche Urteile holen, das heißt in zweifelhaften Fällen Rechts-
mitteilungen erbitten. Dieser gemein-deutsche Rechtsbrauch
fand auch in Polen Eingang, und er spielte hier eine umso
wichtigere Rolle, weil das deutsche Recht, als es hierher ge-
bracht wurde, noch wenig ausgebildet war. Es zählte nämlich
das älteste Magdeburger Recht vom Jahre 1188 nur 9 Artikel;
der Magdeburger Rechtsbrief für Herzog Heinrich I. von Schle-
sien aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts hatte nur 18 Ar-
tikel; das Hallesche Recht für Neumarkt vom Jahre 1235 um-
faßte 46 Artikel; das Magdeburg-Breslauer Recht vom Jahre
1261 schon 79 Artikel, wozu im Jahre 1295 noch 23 weitere
Artikel von den Magdeburger SchöflFen als Nachtrag nach
Breslau gesandt wurden. Im Jahre 1304 erteilten die Magde-
burger den Görlitzern bereits ein 140 Artikel umfassendes
Recht. Und das Rechtsbuch, welches Eazimierz der Große
auf Grundlage des Sachsenspiegels und des Magdeburger
Rechtes für sein deutsches Gericht auf der Krakauer Burg
herstellen ließ, weist schon 502 Artikel auf. Die ursprüngliche
Lückenhaftigkeit des deutschen Rechtes wurde in Polen umso
fühlbarer, als hier die Verhältnisse vielfach anders als in der
Heimat waren, auch in den Orten mit gemischter Bevölkerung
viele mit dem deutschen Rechtsverfahren überhaupt nicht ver-
traut waren; es erhielten aber auch Einheimische Schulzen-
ämter. Dazu kommt, daß in den Bestiftungsurkunden niemals
die Rechtsbestimmungen im einzelnen angeführt wurden, viel-
mehr man sich mit dem bloßen Verweise auf das deutsche Recht
oder irgend ein Stadtrecht begnügte. Aufzeichnungen dieser
Rechte waren aber gewiß in vielen Orten nicht vorhanden, kam
es doch noch im 15. Jahrhundert vor, daß man die Appellation
an ein höheres Gericht als Rekurs an das geschriebene Recht
bezeichnete (ad ins supremum, videlicet ad scriptum).^ So kam
es, daß von allem Anfange an die Notwendigkeit vorhanden
^ Star. Pom. IX, Nr. 185 aus dem Jahre 1418.
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206
war, in zweifelhaften oder strittigen Fällen eine Rechtsbelehrung
bei besser unterrichteten Richtern einzuholen.
Dieser Notwendigkeit hat schon Boleslaw der Schamhafte
Rechnung getragen, als er im Jahre 1257 im Freibriefe von
Krakau bestimmte, daß diese Stadt das Breslauer Recht mit
Beobachtung jenes von Magdeburg erhalten solle, damit in
zweifelhaften Fällen zum geschriebenen Rechte ,rekurriert
werdet ^ Ebenso hat Wenzel II. von Böhmen in seinem Frei-
briefe ftlr Neu-Sandec vom Jahre 1292 bestimmt, daß diese
Stadt das Magdeburger Recht, wie es in Krakau gilt, besitzen
solle, damit man zu diesem Rechte ,rekurriere', wenn ein
Zweifel entstehen wtlrde.* In anderen Fällen wird nur kurz
bemerkt, daß einem Orte das Recht nach dem Muster dieses
oder jenes älteren verliehen werde; so hatte Podolin im Jahre
1244 das Magdeburger Recht erhalten, wie es Krakau und
Sandomir besaßen.^ In allen diesen Fällen darf man an-
nehmen, daß die Tochterstadt sich in zweifelhaften Rechts-
sachen an die Mutterstadt wandte. In zahlreichen anderen
stand eine Anfrage beim Grundherrn oder dessen deutschem
Gerichte umso näher, als der Lehensherr sich die Entscheidung
über die schweren RechtsfkUe vorbehalten hatte. In einzelnen
großen Orten, z. B. in Krakau, kam es vor, daß die Schöffen
in zweifelhaften Fragen die Anschauung der Ratsherren ein-
zogen; dies geschah hier schon am Anfange des 14. Jahr-
hunderts* und am Ende desselben hatte König Wladyslaw II.
dieses Verfahren noch befestigt.^ Ein anderer Ausweg bestand
darin, daß man sich an einen anderen Ort, besonders an eine
größere Stadt wandte. Da nun das Verlangen oft vorhanden
war, sich direkt an der Quelle des deutschen Rechtes zu unter-
richten, so wurden derartige Rechtsanft*agen häufig nach Deutsch-
land, besonders nach Magdeburg, gerichtet.
Dieses ungeregelte Appellationsverfahren war, wie leicht
zu ersehen ist, mit zahlreichen Unzukömmlichkeiten und nicht
' CDCrac. I, Nr. 1 : ad iue scriptum a dubitantibus recurratur.
^ GDPol. in, Nr. 67 : ut ad ius ibidem praescriptum recurrant, si de aliquo
faerit dubitatum.
» CDPM. n, Nr. 426.
* LACrac. I, Nr. 706: scabini dictam causam disposuerunt ad consules
Cracovienses (Jahr 1324). Dazu auch Piekosiiiski, O wyiszych 8%-
dach, S. 62 f. » Siehe oben, 8. 192.
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206
geringen Ausgaben verbunden. Alle ,Urteile' von anderen
Orten in Polen und Deutschland mußten ^gekauft' werden, und
trotzdem erlangte man auf diese Weise nicht rechtskräftige Ent-
scheidungen, sondern bloß unverbindliche Weisungen. Dazu
kam, daß die Herrscher sowohl das Erkaufen von Urteilen
bei deutschen Gerichten polnischer Orte, die nur für ihr Weich-
bild richterliche Gewalt erhalten hatten, als auch in Deutsch-
land als Eingriff in ihre Rechte ansahen. Man hielt eine allzu
enge Verbindung zwischen Orten mit deutschem Rechte in Polen
für ebenso gefährlich wie mit dem Auslande. ^ Alle diese Um-
stände, femer das Begehren, seine Gerichtseinkünfte zu ver-
größern, endlich gewiß auch die Absicht, die einen bevorzugten
Stand bildenden Vögte und Schulzen der Gerichtsbarkeit ihrer
Gutsherren zu entziehen und sie zum Vorteile des Fürsten von
diesem abhängig zu machen, bewog Kazimierz den Großen
umsomehr einen deutschen Oberhof zu schaffen^ als unter ihm
die Ausbreitung des deutschen Rechtes in Polen einen überaus
großen Aufschwung genommen hatte.*
Die Durchführung dieses Planes war nicht ohne Schwierig-
keiten, denn es mußten zum Teile Verhältnisse, deren Entwick-
lung die Landesfürsten selbst herbeigeführt haben, rückgängig
gemacht werden. So hatte z. B. Kazimierz selbst am Anfange
seiner Regierung noch so wenig an die Zentralisation des
obersten deutschen Gerichtswesens in seinem Reiche gedacht,
daß er im Jahre 1336 in Sandomir ein dem Krakauer gleich-
gestelltes Gericht für wichtige und schwierige Rechtsangelegen-
heiten errichtete.' Vor allem haben alle Landesfürsten zum
großen Teile auf die Gerichtsbarkeit zu Gunsten der Orts-
und Lehensgerichte verzichtet. Bevor daher das deutsche Ge-
richt auf der Krakauer Burg mit Erfolg zu einem allgemeinen
Oberhof für alle deutschen Orts- und Lehensgerichte, also auch
für jene auf geistlichen und adeligen Gütern, erklärt werden
konnte, mußten mit den geistlichen und adeligen Grundbesitzern^
ferner den Vertretern der Stadt- und Dorfgemeinden, den Rats-
herren, Vögten, Schulzen und Schöffen Verhandlungen gepflogen
^ Darüber werde ich an einem anderen Orte handeln.
• Über die Beweggründe gibt König Kazimierz zumeist selbst Auskunft
in seinem Stiftbriefe des Oberhofes. Dazu Piekosii&ski, O wjtszych
s^ach, S. 48 ff.
» Siehe oben, S. 192 f.
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207
werden, wie dies der König selbst in der Errichtungsurkunde
des Oberhofes erklärt.^ Dieselbe ist in ihrer ältesten Fassung
vom Jahre 1366 datiert und wurde in den Jahren 1361 und
1368 erneuert; es f^llt also die Errichtung und Reorganisierung
des Krakauer Oberhofes in die Zeit der reichen gesetzgebe-
rischen Tätigkeit unter Kazimierz, deren Ergebnisse in dem
sogenannten WiSlicer Statute vereinigt sind.
Von 1357 angefangen finden wir auch schon deutliche
Beweise des Bestandes des Oberhofes. So traf in diesem Jahre
König Kazimierz die Bestimmung, daß bei Rechtsverweigerung
durch Vogt und Schöffen von Czchöw oder bei Scheltung des
Urteiles derselben der Prozeß beim königlichen deutschen Ge-
richte in Krakau (iudicium nostrum Theutonicum Cracoviense)
geführt werden sollte und der Rekurs zum ,Buche des deutschen
Rechtes zu Krakau' ergriflfen werden könne.* Unter diesem
Buche ist natürlich das Rechtsbuch des Königs zu verstehen,
welches in der Gründungsurkunde des Oberhofes erwähnt wird.
Aus dem folgenden Jahre (28. September 1358) ist uns eine
Urkunde erhalten, in welcher Helmann Edlingi als summus
iudex et advocatus provincialis iuris Theutonici in Castro Cra-
coviensi erscheint; ihm zur Seite sitzen als Schöffen sieben
Vögte und Schulzen. • Bezeichnend ist, daß diese nicht nur von
königlichen, sondern auch von geistlichen Gütern berufen wur-
den; es war somit dem Gerichte eine Zusammensetzung ge-
geben worden, die es als einen allgemeinen Oberhof kenn-
zeichnet, vor dem nicht nur königliche Mannen zu richten
waren. Bemerkenswert ist auch, daß der zitierte Akt dieses
Gerichtes den Verkauf einer klösterlichen Schulzei betrifft, also
ein Geschäft, das sonst vor das Lehensgericht des Klosters ge-
hört hätte. Somit hatte bereits damals dieses Kloster, St. An-
dreas in Krakau, das königliche deutsche Gericht auf der
* Dazu iflt jetzt vor allem zu vergleichen: F. PiekoaiAski, Przywilej
kröla Kazimierza Wielkiego w przedmiocie zalo2enia s^du wyiszego
prawa niemieckiego na zamka Krakowskim. Rozprawy der Krakauer
Akad., hiflt phil. Serie U, Bd. X (1898), S. 290 ff. Hier und bei Bo-
brzjÄski, O zatoieniu wyiszego i najwyiszego s^du, findet man auch
den Stiftbrief abgedruckt.
* CDPM. I, Nr. 249; recunus poterit baberi ad librum iuris Theutonici
Cracovie.
» ib. Nr. 263.
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208
Krakauer Burg als allgemeines Obergericht nach deutschem
Rechte anerkannt. Wenige Monate später, am 7. Dezember
1358, ist in dem neuen Freiheitsbrief der Krakauer bereits
deren Unterordnung unter diesen Oberhof zum Ausdrucke ge-
bracht/ ganz im Gegensatze zu ihren früheren Vorrechten,
wornach sie keinem advocatus generalis, also keinem ordent-
lichen höheren Richter des Fürsten, unterstehen sollten, viel-
mehr in schwierigen Fällen der König oder ein besonderer
Abgeordneter desselben die Untersuchung leiten sollte. Jetzt,
im Dezember 1358, wurde ausdrücklich verfügt, daß gegen
ein ,orteyl' des Stadtgerichtes gestattet sei, ,beim höheren Ge-
richte des Königs Berufung einzulegen' (ad maius nostrum
iudicium appellare), und daß vor diesem über die Beschwerde
nach deutschem Rechte zu entscheiden sei. Seit dem Jahre
1359 finden wir für dieses hohe königliche Gericht den Namen
iudicium nostrum generale; doch muß bemerkt werden, daß
diese Bezeichnung oft auf andere Gerichte angewendet wird.*
In der Gründungsurkunde des Oberhofes wird derselbe Jus
supremum Theutonicale provinciale oder auch Judicium supre-
mum provinciale Theutonicale castri nostri Cracoviensis genannt.
Endlich erscheinen in Urkunden seit 1365 für dasselbe Gericht
die Bezeichnungen:' ins Theutonicum castri Cracoviensis, supre-
mum iudicium (pro vin Cialis) iuris Theutonici in Castro Craco-
viensi oder supremum ins Theutonicum in Castro Cracoviensi.
Der Vorsitzende hieß advocatus, iudex seu advocatus oder iudex
provincialis. In dieser Eigenschaft erscheinen wiederholt Krakauer
Bürger. Im Jahre 1464 ist Nikolaus Rezinger, im Jahre 1516
Jakob Maysnar Vorsitzender.* Die sieben Schöflfen (scabini)
sind teils Krakauer Bürger, zumeist aber Schulzen verschie-
dener Ortschaften. Alles dies entspricht den Bestimmungen
der Errichtungsurkunde des Königs Kazimierz. In dieser spricht
er sich übrigens ausdrücklich über die Beweggründe seiner
» CDCrac. I, Nr. 32.
" Vgl. die bei Piekosiiiski, O wjtszych s^dach, 8. 47, Anm. 1, ge-
nannten Urkunden; ferner CDPM. III, Nr. 865 u. 909; CathCracCD. U,
Nr. 658. Dazu die Bemerkungen oben, S. 197, Anm. 2.
« CDPM. I, Nr. 279, 326, 338, 362; UI, Nr. 889, 892, 916.
* Fr. Bujak, Materyaly do historyl miasto Biecsa, Teil I (1368—1674).
Spraw. kom. bist, sztuki VII (1904), Urkunden Nr. 40 u. 96. In beiden
Urkunden handelt es sich um Geschäfte, welche Vogteien betreffen.
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209
Gründung aus ; er erwähnt der Verhandlungen zu diesem Zwecke
und kündigt die Niederlegung des für dieses Gericht bestimmten
Rechtsbuches in dem Schatze seiner Krakauer Burg an. Die
Urkunde enthält auch die Bestimmungen über die Einkünfte
und Rechte des Vogtes^ der Schöffen und des Notars^ der mit
der Ausfertigung der Schriftstücke betraut war. Von allen
Gerichtstaxen fiel dem königlichen Fiskus die Hälfte zu; von
den Geldstrafen nahm der König vier Fünftel in Anspruch;
den Rest erhielten die Schöffen.
So umsichtig aber die Gründung des Oberhofes in Krakau
eingeleitet und durchgeführt wurde, es gelang doch nicht, für
die Dauer ausschUeßlich ihm den Charakter eines obersten
deutschen Gerichtes zu sichern. Schwerlich wird die Ansicht
richtig sein, daß König Kazimierz in Krakau überhaupt nur
einen Oberhof für das Krakauer Gebiet habe errichten wollen,
und daß ihm daher keine andere Stellung als anderen in Polen
bestandenen Oberhöfen einzuräumen sei. ^ Begründeter er-
scheint wohl die Anschauung, daß der frühe Tod des Königs ihn
an der völligen Durchführung seiner umfassenden Pläne ver-
hindert habe. Die Ereignisse der folgenden Jahre nach dem
Aussterben der Piasten erleichterten einzelnen mächtigen
Lehensherren die Ausbildung ihrer eigenen Hofgerichte zu
obersten deutschen Gerichtshöfen zu fördern; und zugleich
haben neben dem Krakauer andere königUche Lehensgerichte
den Titel von Oberhöfen angenommen. So kam es, daß die
einzelnen Lehensgerichte, wie bereits oben ausgeführt wurde,
sich als iudicia suprema u. dgl. bezeichnen konnten. Bemerkt
muß jedoch werden, daß der Krakauer Oberhof trotzdem einen
gewissen Vorrang behielt, und daß Prozesse auch von den
anderen mit dem Titel eines Oberhofes ausgezeichneten Lehens-
höfen an ihn geleitet wurden. So wurde in den Jahren 1461/62
ein Rechtsstreit zwischen den Vögten Johannes und Peter von
Krosno vor dem ins supremum in Sanok verhandelt; von dort
ging er an das ius supremum castri Cracoviensis. Das Urteil
des letzteren bestätigte Kazimierz JagiHo am 6. Juni 1463.*
* Boepell, Über die Verbreitung usw., S. 286, und F. Bischof, Bei-
trJlge zur Geschichte des Mageburger Bechtes. Wiener Sitzungsberichte
der phil.-hist. Klasse, Bd. L (1865), S. 368.
» AQZ. XI, Nr. 3640 ff. u. 3719 ff.; ib. HI, Nr. 118 u. 119.
Archiv. XCV. Band. I. Hilfta. 1*
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210
Auch angesehene städtische Gerichte sind wie schon vor der
Gründung des Krakauer Oberhofes auch nachher um Rechtsmit-
teilungen angegangen worden. So ist uns z. B. ein Spruch der
,scheppin der stat Crawko* für die Stadt Biecz erhalten,^ die
erst im Jahre 1363 Magdeburger Recht erhielt,* und ebenso
kennen wir zwei interessante Urteile der Schöffen von Lem-
berg, welche über Anfrage der Schöffen von Krotoszyn er-
folgten/ das erst nach 1397 deutsches Recht erhalten haben
kann.* Aber noch mehr: die Könige haben auch selbst wieder
einzelnen Städten geradezu das Recht erteilt, anderen Orten
Urteile zu geben. Wir haben schon oben gesehen, wie das
Lemberger Stadtgericht auf diese Weise geradezu ein Oberhof
wurde (1444).^
Auch den Rechtszug nach Magdeburg haben die könig-
lichen Verfügungen nicht zu unterdrücken vermocht. In den
verschiedenen Sammlungen von Schöffensprüchen finden sich
nicht nur Magdeburger Urteile, die vor 1356 eingeholt wurden,
sondern auch solche aus späterer Zeit. So ist uns ein Schöffen-
spruch erhalten,^ in welchem sich die Bemerkung findet: ,Dis
was der erste brif, der czu Medeburg durch den Crocawischen
statscrebir geholit wart . . . vnde wurdyn geholit in der ior-
czal herregotis 1376.' Natürlich war dieses Urteil nicht das
erste überhaupt aus Magdeburg nach Krakau gebrachte, viel-
mehr muß sich das ,erste' auf eine bestimmte Gruppe von Ur-
teilen beziehen. Sehr interessant ist eine Gruppe von Schöffen-
sprüchen, die sich geradezu auf den Widerstreit zwischen der
königlichen Gewalt und der Berufung nach Magdeburg be-
ziehen.^ In einem ist von Ratmannen die Rede, welche ,sich
^ Ka}u2niacki, a. a. O., S. 108. Ein anderes Urteü fOr Biecz ebenda,
S. 106 f.
• CDPM. m, Nr. 765.
' Ea}u2niacki, a. a. O., S. 97 ff. Andere Urteile der Krakauer sind
S. 90 u. 92 mitgeteilt. Vgl. auch die Bemerkungen S. 46, 161, 165.
* AGZ. II, Nr. 24.
» Siehe oben, S. 197 i Vgl. auch Kromers Polonia, S. 119.
® W. Wislocki, Kodex pilinieÄski ortylöw Magdeburskich. Rozprawy
der Krakauer Akademie, hist.-phil. Klasse, n (1874), S. 174. F. Bischoff,
Über eine Sammlung deutscher Schöffensprüche in einer Krakauer
Handschrift. Archiv für Österreichische Geschichte XXXVm (1867), S. 4.
' H. Bohl au. Die ,Summa der rechte Weg genannt*. Zeitschrift für
Rechtsgeschichte VOl (1869), S. 183.
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211
zu Hofe lieben' und mit deren Hilfe der König das Stadtrecht
bricht. In einem anderen wird bemerkt, daß auch wenn der
König dem Stadtgerichte in einem Weichbilde vorsitzt, der Zug
von dem dort gefundenen Urteile an die Mutterstadt geht. In
einem dritten wird gelehrt, daß königlich bestätigte Willküren,
wenn sie gegen das gemeine Recht sind, die Schöffen nicht
binden. SchließUch ist in einem Spruche die Rede von einem
Verbote des Königs, ,dorvmb schreybe wir vmb solch vorbot
iczundt keyn recht vnd senden euch ewer gelt widder'; Richter
und Schöffen mögen sich selbst zurechtfinden. Mit großer Ge-
wißheit darf man vermuten, daß all diese Sprüche mit der Ein-
schränkung des freien Rechtes der Berufung zusammenhängen,
welche seit der Gründung des Kj-akauer Oberhofes eintrat; sie
sind also wohl alle nach 1356 gegeben worden. Diese Schöffen-
sprüche sind aber auch deshalb interessant, weil ihre scharfe
Sprache gegen die königliche Gewalt uns die Abneigung der
Könige gegen den Zug nach Deutschland erklären hilft. In
einem Magdeburger Schöffenspruch ^ wird der Rechtsfall be-
handelt, wie der Mann zu behandeln sei, ,der syn elich wijp
ijn czome czu tode geslagen hat, vnd her von gnodin des hey-
ligin stulis czu Rome losunge irworbin hat, vnd dij konijgijnne
und der konig czu genadin genomen habin^ Gemeint sind
in diesem Urteile offenbar die regierende Königin Hedwig und
ihr Gemahl Jagiello; somit gehört es in das Ende des 14. Jahr-
hunderts und wurde von einem Gerichte in Polen geholt. Die
Schöffen von Magdeburg entscheiden, daß der Angeklagte
unter den angeführten Umständen ,alle sijn recht vnd wirde-
keijt^ wieder erhalten soll. Für Neu-Sandec ist uns ein Magde-
burger Spruch erhalten, der ungefähr um 1400 geholt sein
dürfte.* SchließUch sei nur noch ein Magdeburger Schöffen-
spruch für Krakau aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts be-
sprochen.' Er ist über Anfrage der verklagten Partei, der
Ratmannen von Krakau, ergangen, die sich um Rechtsbelehrung
nach Magdeburg gewendet hatten. Die Anfrage wirft auf die
Zeitverhältnisse ein interessantes Streiflicht. Ein vornehmer
» Behrend, a. a. O., S. 143, und Wislocki, a. a. O., S. 190. Vgl. auch
Ealuiniacki, a. a. O., S. 37.
• Behrend, a. a. O., S. 242, und dazu S. XXI, Anm. 40.
" V. Stobbe, Ein Magdeburger Schöflfenbrief für Krakau. Zeitschrift für
Rechtsgeschichte X (1872), S. 84 ff.
14*
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Mann, der zugleich Ratsherr war, wurde vom Krakauer Stadt-
gerichte wegen Diebstahles auf handfester Tat zum Tode ver-
urteilt und, ohne daß man ihn hatte beichten lassen, hinge-
richtet. Dafür wurde der Rat von den Verwandten des Ver-
urteilten vor dem königlichen Gerichte angeklagt; es wurde
vor allem der Vorwurf erhoben, daß dem Gerichte nicht der
eigentliche Richter sondern ein von diesem eingesetzter Unter-
richter vorsaß, welcher vom Könige nicht den Gerichtsbann
erhalten hatte Über diese Streitfrage wurde die Ansicht der
Magdeburger Schöflfen erbeten. Der Brief ist im Originale er-
halten und schon wegen seiner Form bemerkenswert. Die An-
frage der Krakauer zerfällt in zwei Teile; zwischen denselben
hat ihr Schreiber einen Raum freigelassen. Auf diesem Räume
haben die Magdeburger die Antwort auf die erste Frage ein-
getragen, während sie die Antwort auf die zweite ihr am
Schlüsse folgen lassen. Anfragen und Antworten sind in
deutscher Sprache. Zahlreiche andere Magdebui^er Sprüche
filr Krakau und wohl auch andere galizische Orte sind nicht
datiert und ihre Entstehungszeit auch sonst schwer bestimmbar.
Aber es gibt noch eine andere Quelle für die Erkenntnis, daß
auch nach 1356 die Städte Galiziens sich nach Magdeburg um
Rechtsbelehrungen wandten. So finden wir in den alten
Rechenbüchern von Krakau unter den Einnahmen des Jahres
1395 ein halbes Schock Groschen eingetragen, die für ein nach
Magdeburg zur Begutachtung geschicktes Urteil eingezahlt
worden waren; ^ zum Jahre 1397 finden wir unter den Aus-
gaben drei Mark für solche nach Magdeburg gesandte Anfragen
eingetragen.* Zur Erklärung mögen folgende Mitteilungen eines
Schöffenspruches über das zu Krakau übliche Verfahren bei
der Einholung von Urteilen aus Magdeburg dienen:' Wußten
die Schöffen, um das Recht befragt, keinen Aufschluß zu geben,
so hatten beide Parteien das Geld für die Einholung des Urteils
zu erlegen. Kamen hierauf die Schöffen auf die entsprechende
Entscheidung, bevor das Recht geholt wurde, so mußte den
Parteien ihr Geld zurückgegeben werden. Wurde jedoch das
Urteil geholt, so ging der sachfölUge Teil seines Geldes ver-
» LACrac. U, S. 307. « ib. S. 317.
" B ehrend, a. a. O., S. 24. Vgl. übrigens auch für Sanok AGZ. XI,
8. 466 u. 486 (Nr. 3725).
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lustig^ während ,der gerecht wirt' seines zurückerhielt. Schließ-
lich sei noch erwähnt^ daß nach einer Eintragung in den Kra-
kauer Stadtbiichem zum Jahre 1399 bei einem Prozesse das
,orteyl der scheppen von Meydburg' berücksichtigt wurde.*
Aber auch Jahrzehnte später war das Holen von Urteilen aus
Deutschland üblich und erregte den Zorn der Führer der natio-
nalen adeligen Partei. Um das Jahr 1477 läßt sich Ostrorog
in seinem Monumentum pro rei publicae ordinatione wie folgt
vernehmen:* ,0 Verblendung und Schwäche, o Schmach und
Schande, daß man sich in unserem ruhmreichen freien König-
reiche über den König hinwegsetzend und die Großen miß-
achtend, nach Magdeburg begibt, um Recht zu finden. Gibt
es denn in diesem freien Königreiche keine gerechten Richter,
keine weisen, bedächtigen und gelehrten Männer, daß man sich
Rat erholt bei unsauberen, schmutzstarrenden Handwerkern
und Menschen des niedersten Standes, die nicht zu den ge-
lehrten Männern, sondern zur ärgsten Hefe des Volkes gehören.
0 wachet endlich auf und weiset zurück diese schändliche
Schmach, daß wir nicht mehr durch ihren Unflat beschmutzt
werden!'
6. Das oberste Gerieht der sechs Städte.
Außer dem Oberhofe in Krakau hatte König Kazimierz
mit derselben Urkunde ein noch höheres Gericht eingesetzt,
das von Fall zu Fall zusammentreten sollte. Der König ver-
ordnete nämlich, daß im Falle jemand von dem Oberhofe in
Krakau an den König Berufung einlegen würde, ein Gericht,
bestehend aus zwölf Kommissären, über diese Appellation zu
beraten hätte, und zwar sollten zu der Kommission je zwei
Ratsherren von folgenden Städten durch die Parteien selbst
(wahrscheinlich von jeder zu gleicher Zahl) gewählt werden:
Klrakau, Sandec, Bochnia, Wielicka, Kazimierz und Ilkusz;
nur letzterer Ort liegt außerhalb Galiziens. Im Jahre 1399 hat
König Wladyslaw H. nur die vier ersteren Städte als jene
bezeichnet,* von denen Kommissäre gewählt werden sollten,
» LACrac. II, S. 191 f.
« Star. Pom. V, 8. 126.
» CDPol. I, Nr. 160.
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und zwar aus jeder drei oder zwei; sie sollten im deutschen
Rechte wohl erfahren sein und über Betreiben des appellieren-
den Teiles vom Krakauer Starosten auf eine bestimmte Zeit
nach Erakau berufen werden. In der genannten Urkunde^
welche speziell die Rechtsverhältnisse Krakaus ordnet^ wird
als gewöhnlicher Rechtszug bestimmt: das Gericht der Stadt
Krakau (iudicium civitatis Cracoviensis); sodann der Oberhof
auf der Krakauer Burg (supremum ins Theutonicum Magde-
burgense, quod et provinciale dicitur, castri nostri Cracoviensis);
endlich der König; welcher den Rechtsstreit durch das Kom-
missionsgericht entscheiden läßt. Von diesem durfte nicht weiter
appelliert werden (non erit neque esse debet facultas cuiquam
ulterius appellandi). Im Jahre 1421 bestätigt sodann JagieUo
das Privileg des Königs Kazimierz ohne Änderungen und setzte
hiermit wieder die früher übergangenen zwei Städte in ihr
Recht. ^ So erscheinen auch z. B. im Privilegium des Königs
Kazimierz Jagiello vom Jahre 1455 alle sechs Städte genannt. *
Mit dieser Urkunde hat der König das Verbot, vom Kommissions-
gerichte weiter zu appellieren, so verschärft, daß auf die
Nichtbeachtung dieses Gebotes geradezu der Verlust der Habe
und des Lebens gesetzt wurde. Ganz offenbar ist diese harte
Maßregel unter dem Einflüsse jener Partei erfolgt, welche das
Urteilholen aus Deutschland als Unheil und Schmach ftir Polen
erachtete. Wie weit sich die Jurisdiktion dieses Kommissions-
gerichtes erstreckte, ist nicht festgestellt; insbesonders ist nicht
bekannt, daß es auch über Prozesse aus Ostgalizien entschieden
hätte, weil leider die Zahl der bisher bekannt gewordenen Ur-
teile desselben überhaupt sehr gering ist. Unter anderem sind
uns die Akten eines Prozesses des Dytrich Weynrich bekannt,
der 1432 zunächst vor dem ,ffoyt vnd sepphen der stat Ka-
zimer', dann infolge einer Berufung ,an dez konigs buch' vor
dem ,voyth und sepphen dez abirstyn gerichtes dewtschis Magde-
burger rechtes czu Crakaw vff dem hawse (der Burg)' behan-
delt wurde und mit einem ,orteyl der VI stetin' schloß.'
^ Siehe den Abdruck der Urkunde bei Bobrzyiiski, O zaloiyniu
wyiszego usw., und bei Piekosidski, S^downictwo w Polsce.
• CDCrac. I, Nr. 168.
' Die Akten bei Piekosiiislci, O wyiszych s^dach, S. 66 ff. Ebenda
S. 63 ein Urteil des Kommissionsgerichtes fQr Großpolen. Ein anderes
Urteil des kleinpolnischen Kommissionsgerichtes aus dem Jahre 1462
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Wie übrigens andere Lehensgerichte dem königlichen auf
der Krakauer Burg im Range gleichzukommen suchten, so
haben auch einzelne Lehensherren nach dem Beispiele des
Königs Kommissionsgerichte zusammengesetzt, so z. B. das
lüoster Tyniec in den Jahren 1479 und 1482. ^
7. Deutsche Bechtsbflcher und Sammlangen Ton SeMffen-
sprKehen in Galizion. Bemerkungen zur Charakteristik
der OerichtsTerfassung und des Crerichtsyerfahrens.
Es ist leicht begreiflich, daß man in Krakau frühzeitig
deutsche Rechtsbüchor sich zu verschaffen suchte.
Schon das Rechtsbuch Konrads von Oppeln, welches im
Jahre 1306 geschrieben wurde, ist uns auch in einer Krakauer
Handschrift erhalten, in welcher der Text des sächsischen Land-
rechtes (Sachsenspiegel) 308 Artikel zählt, während das fol-
gende Weichbildrecht (Stadtrecht) 112 Artikel aufweist.* Diese
Rechtssammlung ist in deutscher Sprache geschrieben; sie
hatte keinen offiziellen Charakter, sondern erscheint als eine
Privatarbeit, die zumeist auf Grundlage eines in einer Breslauer
Handschrift enthaltenen Schöffenrechtes, ferner des Magdeburger
Rechtes vom Jahre 1261 durch Zusätze aus dem Rechte vom
Jahre 1295 hergestellt wurde. Auf ihr beruht wieder jenes
deutsche Rechtsbuch, welches Kazimierz der Große für seinen
deutschen Oberhof auf der Krakauer Burg herstellen ließ und
das schon 502 Artikel aufweist. '
(consules sex civitatum) im CDPol. HI, Nr. 218, betrifft Pilzno. Dem
König blieb übrigens auch über das Gericht der sechs Städte eine ge-
wisse oberste Qerichtsbarkeit gewahrt. Kromer, Polonia, S. 119 f.
» Kod. Tyn. Nr. 269 u. 276.
• F. Bisch off, Über einen Rech tokodex der Krakauer Universitätsbiblio-
thek (Kodex Nr. 169). Wiener Sitzungsberichte, phil.-hist. Klasse, XLVUI
(1864), S. 269 ff. Dazu P. Lab and, Magdeburger Rechtsquellen (Königs-
berg 1869), S. 98 ff.
' Es enthält das sächsische Landrecht in 390 Kapiteln und das Magde-
burger Weichbildrecht in 112 Kapiteln. Diese Handschrift erliegt auf
der Krakauer Universitätsbibliothek unter Nr. 168. Dazu und zum
folgenden vgl. Bisch off, Beiträge zur Geschichte des Magdeburger
Rechtes, a. a. O.; Lab and, a. a. O., endlich besonders A. Halb an, Zur
Geschichte des deutschen Rechtes in Podolien, Wolhynien und der
Ukraine (Berlin 1896).
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Andererseits wnrde die Rechtssammlung aus dem Anfange
des 14. Jahrhunderts auch als Grundlage flir lateinische Über-
setzungen dieser Stadtrechte benützt, die später durch Zusätze
erweitert in die von König Alexander im Jahre 1505 bestätigte
und im Jahre 1506 zuerst in Erakau gedruckte Sammlung von
Gesetzen und Rechten des polnischen Reiches von Johannes
Laski aufgenommen wurde (Commune incliti Polen, regni Pri-
vilegium). Im Jahre 1535 veranlaßte König Siegmund eine
neue lateinische Übersetzung der deutschen Rechtsbücher durch
Nikolaus Jaskier, die auch in Krakau erschien. In diesem
Werke erscheinen ebenfalls Sachsenspiegel und Weichbildrecht
vereinigt; über beide ist ein ausführliches alphabetisches Re-
gister beigefügt. Es ist leicht erklärlich, daß diese lateini-
schen Ausgaben oft benützt wurden, seitdem immer mehr pol-
nische Elemente auch in die früher reindeutschen Gemein-
wesen eindrangen. So wurden z. B. zufolge einer Notiz in
den Rechenbüchern von Krakau im Jahre 1586 für einen
Sachsenspiegel in lateinischer Sprache, der für den Gebrauch
der Stadtobrigkeit angeschafft worden war, fünf Mark be-
zahlt. *
Seit dem Jahre 1581 erschienen auch polnische Über-
setzungen; seit 1735 endlich im Auftrage der russischen Re-
gierung Übersetzungen ins Russische. Dazu kamen seit dem
16. Jahrhundert allerlei Bearbeitungen und Erklärungsschrifteo,
die zum Teile die Rechtsquellen selbst verdrängten. Mit dein
Schwinden des deutschen Bevölkerungselementes und des Zu-
sammenhanges mit Deutschland verlor sich die Fähigkeit, das
deutsche Recht zeitgemäß fortzubilden. Zu gemeinsamer Ord-
nung ihres Rechtes und ihrer Angelegenheiten kamen die Orte
mit deutschem Rechte nicht^ weil jeder Zusammenhang ihnen
fehlte. So griff die staatliche Gesetzgebung mit ihrem fremden
Geiste immer mehr ein, besonders wo es sich um die Ordnung
der allen Städten gemeinsamen Angelegenheiten handelte. Auch
die Grundherren änderten, was ihnen unbequem schien. Daher
drangen immer mehr fremde Elemente ins deutsche Recht ein.
Doch wurden noch im 18. Jahrhundert Ausgaben des deutschen
Rechtes veranstaltet, so im Jahre 1760 in PrzemySl. Damals
stand auf der Krakauer Burg auch noch der Kodex des Königs
» LPStCrac. I, 2, 8. 1142.
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217
Kazimierz in Verwendung.^ Bald darauf aber schwand mit
dem Falle des deutschen Rechtes auch die Bedeutung dieser
Rechtsbücher und sie sind als bloße historische Denkmale
von den Bibliotheken und Archiven in Verwahrung genommen
worden.
Neben den genannten Rechtsbüchern wurden als Er-
gänzung derselben die Seh offen Sprüche gesammelt. Auch
solche Sammlungen sind in GaUzien verbreitet gewesen, ein
Beweis, daß man derselben ebenso wie des Weichbildrechtes
und des Sachsenspiegels bei der Rechtssprechung nicht ent-
behren konnte. Wahrscheinlich in Krakau selbst ist jene
Sammlung von 306 SchöflFensprüchen in deutscher Sprache an-
gelegt worden, welche der Kodex Nr. 399 der Krakauer Uni-
versitätsbibliothek enthält.' Er rilhrt aus dem Ende des 14. Jahr-
hunderts her. Einige von den in dieser Sammlung enthaltenen
Sprüchen sind nachweislich aus Magdeburg für Krakau geholt
worden. So außer dem schon oben (S. 210) besprochenen aus
dem Jahre 1376 vor allem das Urteil Nr. 40, dessen Über-
schrift lautet: ,domoch senten dy scheppen y czu Crokaw ge-
meinicliche dese froge ken Maydeburg'. In Krakau sind wahr-
scheinlich auch zwei andere Sammlungen um 1400 entstanden,
die viele auf Krakau bezügliche Stücke enthalten und jetzt zu
Dresden und Thom erUegen.' Andere Sammlungen^ solcher
* Der Kodex 168 der Krakauer Uuiversitätsbibliothek, also Königs Kazi-
mierz Rechtsbach, war zufolge der Angabe auf dem (modernen) Titel-
blatte non interrnptim usque modernum Serenissimum Stanislaum Augu-
stum regem Pol. et Magniducatus Lithaviae feliciter regnantem in Anno
Domini 1765 adprobatum. Bischoff, Beiträge, S. 336.
* Bisch off, Über eine Sammlung deutscher Schöffensprttche, a. a. O. Da-
zu auch seine Bemerkungen in Beiträge zur Geschichte des Magde-
burger Rechtes, a. a. O., S. 369 f.
» Über dieselben vgl. B ehrend, a. a. O., S. XIII flf. u. XIX ff.
^ Zum folgenden vgl. man vor allem Kaluiuiacki, a. a. O. Derselbe
yerzeichnet die deutschen Sammlungen im Kap. UI, die polnischen im
Kap. I, die lateinischen im Kap. lY. Über Stücke galizischen Ursprungs
TgL daselbst S. 36 f., 84 ff., 152 ff., 171 f. Dazu auch A. Brückner,
^e Magdeburger Urteile.* Ein Denkmal deutschen Rechtes in pol-
nischer Sprache aus der Mitte des 15. Jahrhunders. Archiv für sla-
▼isohe PhUologie VI, 319 ff. u. VII, 625 ff. (1883/84). A. Kaiina, Arty-
kuly Prawa Magdeburskiego z r^kopismu okolo roku 1500 (polnische
Übersetzung der Urteile aus einer Petersburger Handschrift). Rozprawy
der Krakauer Akademie, hist-phil. Klasse, VII (1880), S. 227 ff.; die
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218
Sprüche in deutscher Sprache rühren aus Pilzno und Sanok
her; eine weitere, ebenfalls in deutscher Sprache, erliegt in der
Ossolinskischen Bibliothek zu Lemberg. Beide letztgenannte
rühren aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts her, ein Zeichen,
daß man damals sich noch der deutsch geschriebenen Bücher
vollauf bediente. Doch hat man schon um die Mitte des
15. Jahrhunderts Samminngen von Schöflfensprüchen ins Pol-
nische übersetzt und von diesen polnischen sind ebenfalls eine
größere Anzahl bekannt, von denen einige in galizischen Biblio-
theken und Archiven erliegen. Auch in lateinischen Über-
setzungen waren die SchöflFensprüche verbreitet. Im Przemyfiler
Stadtarchiv sind zwei Übersetzungen aus dem Ende des 15. Jahr-
hunderts erhalten. In der Überschrift einer derselben ist aus-
drücklich bemerkt, daß die Sammlung durch einen Notar der
Stadt PrzemyW aus dem Deutschen ins Lateinische übertragen
wurde. Erwähnt sei, daß alle diese Sammlungen zahlreiche
Stücke galizischen Ursprungs enthalten, sei es, daß bloß die
Anfrage oder auch die Antwort von einem galizischen Orte
ausging.
Bei den vielfachen Beziehungen der mit deutschem Rechte
bestifteten Orte zum übrigen Lande ist es begreiflich, daß die
deutschen Ortsobrigkeiten auch frühzeitig die polnische Gesetz-
gebung nicht aus dem Auge ließen. So finden wir schon im
Jahre 1397 in den Rechenbüchern von Krakau Ausgaben fUr
das Abschreiben des ius Polonicum verzeichnet.^
Am Schlüsse mögen noch einige Bemerkungen zur Cha-
rakteristik der Gerichtsverfassung und des Gerichtsverfahrens
folgen.
Die deutschen Ortsgerichte gewannen mitunter dadurch
an Bedeutung, daß ihre Befugnisse auch auf Personen ausge-
dehnt wurden, die nicht zur Gemeinde des Gerichtsortes ge-
hörten. Es ist z. B. schon erwähnt worden, wie weitläufig der
Machtkreis des Stadtgerichtes von Bochnia nach der Urkunde
vom Jahre 1253 war.* Auch in Wielicka unterstanden nach
der Urkunde vom Jahre 1290 die Salzhauer und Salzsieder
des königlichen Bergwerkes dem Stadtgerichte.* Erzählt wurde
Überschrift des § 20 lautet ,Gerada y czo knyey nalyezy* und die des
§ 21 ,Czo to Gerada xowya*.
» LACrac. II, S. 316, Nr. 39, und Anm. dazu S. 317.
» Siehe oben S. 173 f. CDPM. H, Nr. ölö.
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219
auch schon^ daß das Krakauer Stadtgericht am Anfange des
14. Jahrhunderts selbst über Adeh'ge urteilen konnte. ^ Dem
Lern berger Gerichte ist im Jahre 1444 nicht nur der Charakter
eines Oberhofes fUr die Städte und Dörfer Ostgaliziens ver-
liehen worden, sondern es erhielt auch Gewalt über alle in
diesem Gebiete gefangenen Verbrecher und ebenso stand ihm
die Aburteilung aller in Lemberg weilenden Kaufleute nach
Magdeburger Recht zu, sie mögen Griechen, Armenier, Sara-
zenen und Juden, Christen oder Heiden, polnische oder fremde
Untertanen sein.* In demselben Jahre erhielt auch Krakau
das Recht, Verbrecher außerhalb der Stadt zu fangen und sie
nach seinem Rechte zu behandehi.' Im Jahre 1458 wurden die
Ratsherren von KoJomea mit dem Rechte ausgestattet, über die
gewaltsamen ViehpfUndungen auf dem Wege zwischen Kolaczyn
(an der moldauischen Grenze) und Äukow zu entscheiden. Auf
diesem Wege wurden nämlich häufig den Kaufleuten, welche
zwischen der Moldau und Lemberg Viehhandel trieben, Rinder
und Pferde unter dem Verwände, daß sie gestohlen seien,
weggenommen.*
Eifersüchtig wachten die städtischen Gerichte darüber,
daß sich niemand widerrechtlich ihrer Gerichtsbarkeit entziehe.
Verboten wurde daher auch, sich vor ein geistliches Gericht
zu ziehen. So wurde im Jahre 1397 Hano Hesse vom Krakauer
Stadtgerichte mit 5 Mark bestraft, weil er einen anderen Mit-
bürger vor das ,geistlich gericht' belangt hatte. ^ Deshalb
setzten die Krakauer im Jahre 1393 auch durch, daß Geist-
liche nicht zu Vormündern und zu Verwaltern von Waisen-
gütem bestellt werden durften.^ Die Krakauer ,wilk6r vnd
satczungen' vom Jahre 1468 enthalten die Bestimmung:^ , Welch
Borger adder Burgerynne zu hoffe loffen clagen nicht kö-
rnende vor dy hern, der verbust den hern V margk. Item is
ist gewilkort, ab yrkeyne Rotfrawe addir sust eyne Burgerynne
zu hoffe worden gehen bittende vor bosze lewte man addir
weip, dy obirtreten vnde gebrochen wedir der stat recht, ane
der herren willen; dyselben gebussit werden noch der herren
derkenthnisse.'
^ Siehe oben S. 184. » AGZ. V, Nr. 104.
• CDCrac. Nr. 143. * AGZ. VI, Nr. 26.
» LACrac. H, S. 816. • CDCrac. I, Nr. 77.
» ib. U, 8. 468.
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220
Bemerkt muß ferner werden, daß in den Städten^ z. B.
in Krakau, allmählich zahlreiche richterUche Geschäfte von dem
Vogte und den Schöflfen auf die Ratsherren tibergingen. Schon
Kazimierz der Große hatte in seinem Privileg von 1336 be-
stimmt/ daß die Ratsherren über Meineidige und über Ver-
banntC; welche die Rückkehr in die Stadt wagen würden^ zu
richten haben. Es war auch üblich^ daß das Stadtgericht in
zweifelhaften Fällen sich an den Rat um Belehrung wandte.'
Bekannt ist uns schon die Tatsache, daß im Jahre 1399 die
Ratsherren von Krakau zu Richtern über Vögte und Schöffen
der Stadt gesetzt wurden.* Noch mehr wuchs der Einfluß der
Räte gegenüber dem Stadtgerichte, nachdem die Vogtei im
Jahre 1475 in den Besitz der Stadt gelangt war,* Beweis
dafür ist die Bemerkung in einem Einkonmienregister von
Krakau aus dem Jahre 1542, daß der Vogt früher der Stadt
für sein Amt 40 Mark gezahlt habe, jetzt aber nur 30 Mark
entrichte, und dies aus dem Grunde, weil viele aus Scheu vor
den Kosten das Stadtgericht meiden und ein guter Teil der
bürgerlichen Rechtsgeschäfte durch die Ratsherren entschieden
werde.*
Selbstverständlich wies das Gerichtsverfahren alle mittel-
alterlichen Härten auf. Henken, Köpfen, Abhauen von Händen
und Füßen, Herausreißen der Augen, Pfkhlen, Verbrennen
waren nicht außergewöhnliche Strafen.® Von den leichteren
Strafen war auch das Tragen des Schandsteines für zanksüchtige
Weiber bekannt. So wurde diese Strafe im Jahre 1399 in Krakau
der Höckerin Elisabeth Strebekatze angedroht.^ In den alten
Stadtrechnungen finden wir Jahr für Jahr Eintragungen für den
tortor oder suspensor und für Bedürfnisse seines traurigen Hand-
werks verzeichnet. Bald werden Ketten zum Galgen ange-
schafft,* bald wird das Schwert repariert,® bald wieder Aus-
* CDCrac. I, Nr. 21. • Vgl. oben S. 205. « Vgl. oben S. 192.
* Kutrzeba, Finansy Krakowa w wiekach i^rednich (Rocsnik Krakowski
m), S. 48.
» CDCrac. IV, 8. 729.
* AGZ. n, Nr. 8; LACrac. U, S. 47, 313, 326. Dasu auch K. B^kowski,
Sadownictwo karne w Krakowie w wieku XIV (Krakau 1901).
' LACrac. II, S. 198. Diese Strafe war auch den deutschen Stadtrechten
in Ungarn allgemein bekannt Näheres darüber in meiner »Geschichte
der Deutschen in den Karpathenländern*.
" ib. S. 309, Anm. zu 25. * ib. S. 313, Anm. zu 23.
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221
gaben fUr Brennmaterialien zu Scheiterhaufen verzeichnet. ^
Mit dem Tode durch Verbrennen bestrafte man z. B. in Lern-
berg im Jahre 1518 einen Armenier und seine kathoHsche
Magd^ mit der er Umgang gepflogen hatte. Man legte nämlich
die Verbindung des eutychianischen Armeniers mit einer katho-
lischen Christin als ein Sakrilegium aus, das durch den Feuer-
tod gesühnt werden müsse.' Erwähnt sei auch, daß Gottesurteile
ausnahmsweise üblich waren. So gewährte König Eazimierz der
Stadt Pilzno im Jahre 1354 aus besonderer Gnade die Freiheit,
den gerichtlichen Zweikampf anwenden zu dürfen, ,auch wenn
der König abwesend sein wtlrde^ ' Sehr häufig wurde auch fUr
schwere Verbrechen die Proskription, abo die Verbannung aus
der Stadt, verhängt.* So wurde z. B. im Jahre 1383, da Petrus
Wirsing Krakauer Vogt war, Peter Feginhemil für vier Wunden
und drei ,blutrunst^ verbannt, und im Jahre 1384 wurde unter
dem Vogte Nikolaus Morder der Bleischhauer Hans wegen
jfoUeist' (d. h. Mithilfe bei einer verbrecherischen Handlung)
und ,wegelogunge' (Wegelagerung) proskribiert.* In letzterem
Jahre wurde auch der Pedell Johann Lichtenberg wegen der
Ermordung seiner Frau und im Jahre 1395 der Kürschner
Nikolaus Hicke wegen ,reraup' (Leichenraub) verbannt. Die
Proskription erscheint oft als eine Handlung der Begnadigung,
deren man sich bediente, um die harten Maßregeln des Magde-
burger Rechtes nicht anwenden zu müssen. Diese Begnadigung
wird entweder infolge besonderer Gunst der Ratsherren geübt*
oder sie geschah über Fürbitte hervorragender Persönlichkeiten.'
Entziehen konnte man sich der Verurteilung auch durch eine
Pilgerfahrt nach Rom (romfart).® Daneben wird auch die
,ochfart', also die Sühnfahrt nach Aachen, genannt.* Diese
^ LAGrac. II, S. 313, Anm. su 23 and S. 326, Anm. zu 22.
* Zabrzycki, Elronika miasta Lwowa (Lemberg 1844), S. 140 f.
» CDPM. I, Nr. 238 und lU, Nr. 706.
* Vgl. LACrac II, S. 1 ff.
» ib. S. 64 n. 67.
* Sznjski und Piekosiiiski, Stary Krakow, S. 121 f.
* LAGrac n, S. 60, 67, 69 ff. and unten im Texte.
* ib. 8. 86; vgl. auch S. 14, X16, 212 u. 217. Vgl. auch oben im Texte,
S. 211, wo Ton ,des heyligin stulis czu Rome losnnge' die Rede ist.
* ib. 8. 86: ,umben di romfart und ochfart, di Guncze yor synne brudir
tun gal.* 8.217; ,Ich Andris Melczer, ich bevele usczurichten ejn fus-
gengir czu eynir Romfart und eyn czu eynir och£urt.*
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222
übrigens anderwärts ebenfalls vorkommenden Bußfahrten ^ sind
auch in Oberungarn bekannt gewesen, deren Ansiedler und
Rechtsgewohnheiten mit denjenigen in Galizien eng verwandt
waren.* Damit nicht die aus einer Stadt Verbannten in deren
Nähe sich aufhalten^ wurde z. B. im Jahre 1358 die Bestim-
mung getroffen, daß die aus Krakau Verbannten nicht in
Kazimierz und Florencia (jetzt Kleparz) sich aufhalten durften
und die in diesen Orten Proskribierten nicht in Krakau ge-
duldet werden.'
Nach dem auch anderwärts in deutschen Ländern üblichen
Brauche konnten Verbrecher über Fürbitte des Fürsten oder
einer anderen einflußreichen Persönlichkeit, die gerade einen
Ort besuchte, in dessen Gefängnisse Verurteilte saßen, be-
gnadigt werden. So hat ein milder Akt der Barmherzigkeit,
den Hedwig von Ungarn im Jahre 1384 in Erakau geübt hat,
uns die älteste Kunde ihres Aufenthaltes in dieser deutschen
Stadt erhalten.* Sie erbat für einen Verbannten die Rück-
kehr. Auch in den folgenden Monaten finden sich ähnliche
Gnadenakte der Königin verzeichnet. So rettete die dreizehn-
jährige Königin kurz nachdem sie im Oktober 1384 gekrönt
worden war, am Vorabende des Martinstages dem Henirer
Snirsinder, der einen Mord begangen hatte, das Leben.^ Ebenso
erbat sie am Fronleichnamstage des folgenden Jahres, an
welchem sie an dem feierlichen Umgange teilgenommen hatte,
für mehrere Verbrecher Gnade. ^ Auch der in romantisches
Licht gehüllte, vielfach bezweifelte Ehebund zwischen Hed-
wig und dem Habsburger Wilhelm hat in den Krakauer Stadt-
büchern eine bemerkenswerte, dem milden Sinne Hedwigs
entsprechende Spur hinterlassen. Am 15. August 1385 hätte
nach den Verfügungen der ungarischen Königin Elisabeth das
Beilager stattfinden sollen. Man bezweifelt, daß es damals
vollzogen wurde. In den Krakauer Stadtbüchern heißt es aber,
^ Vgl. E. F. Rößler, Deutsche Rechtsdenkmäler aus Böhmen und Mähreu
II, S. 170 (Brünner Schöffenbuch, Kap. 376). J. A. Tomaschek,
Deutsches Recht in Osterreich, S. 83. Über denselben Rechtsbrauch
in den Niederlanden L. A. Warnkönig, Flandrische Staats- und Rechts-
geschichte bis zum Jahre 1305 III, 1, S. 172 f.
• Darüber werde ich Näheres in einer besonderen Arbeit mitteilen.
» CDCrac. I, Nr. 32. * LACrac. H, S. 46.
» ib. S. 60. • ib. S. 61.
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223
daß am Vortage des heil. Bartholomäus (24. August) die Kö-
nigin nach ihrer vollzogenen Vermählung gebeten habe^ daß
alle Gefangenen^ welche damals im städtischen Kerker sich
befanden; befreit werden sollen. Tatsächlich wurde eine An-
zahl derselben, die namentlich angefUhrt werden^ begnadigt. ^
In diesen Jahren (1381 — 1385) sind andere Verbrecher auf die
Fürbitte des Markgrafen Siegmund von Brandenburg-Böhmen
und des Herzogs Wladyslaw von Oppeln, femer des Krakauer
Bischofs und des Gnesener Erzbischofs begnadigt werden.*
Wie oft derartige Bitten um Nachsicht der Strafen damals vor-
gebracht wurden, beweist der Umstand, daß die Lemberger
schon im Jahre 1360 in einer von König Kazimierz bestätigten
Willkür bestimmten, daß jeder, welcher fllr einen Verurteilten
den Vogt, die Ratsherren oder eine andere Person um Gnade
und Nachsicht der Strafe bitten würde, mit derselben Strafe
belegt werden sollte.' Ähnlich lagen die Verhältnisse in Krakau,
wie die oben angeführte Willkür aus dem Jahre 1468 dartut,
welche Ratsfrauen und Bürgerinnen die Anbringung von Gnaden-
gesuchen bei Hofe verbot.* Erwähnt sei auch, daß in den mit
deutschem Rechte bestifteten Städten und Dörfern noch ein
ganz besonders interessanter Brauch sich geltend machte. Ein
zum Tode Verurteilter konnte dadurch gerettet werden, daß
ein Mädchen sich erbot^ ihn als Mann heimzuführen. Diese in
Polen und insbesondere in Galizien bis ins 18. Jahrhundert
nachgewiesene Sitte ist gewiß erst durch die deutschen An*
Siedler dahin gebracht worden. Dem polnischen Rechte ist sie
ebenso fremd wie den slawischen Völkern, bei denen deutscher
Rechtsbrauch keine Verbreitung gefunden hatte. ^ Schließlich
mag noch bemerkt werden, daß mitunter auch das Asylrecht
Beachtung fand. Als im Jahre 1319 Wojwode Navogius von
Sandomir, um den Stand seiner Güter zu verbessern, in seinen
Wäldern die Ansiedlung T^czynek errichtete und sie mit Neu-
markter Recht ausstattete, traf er in dem Freibriefe folgende
Bestimmung: ,Wenn irgend jemand wegen eines Vergehens in
» LACrac. H, S. 63.
• ib. 8. 49, 60, 57, 69 f., 62.
» AGZ. in, Nr. 10.
* Vgl. oben S. 219.
^ St. Estereicher, Wypraszanie od kary j^mierci w obyczaju ua«zego
ludu. Lw6w (Lemberg) X, 241 ff.
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224
jenes Dorf fliehen würde, soll er durch zwei Wochen vom
Herzoge und vom Gutsherrn im Frieden gelassen werden/*
Wie reich die Fülle der Straf- und Zivilprozesse (,peynlich
und borgerlich Sachen')* war, welche die deutschen Gerichte zu
überwältigen hatten, daftLr legen die erhaltenen Stadtbücher, be-
sonders jene von Krakau und Lemberg, ein beredtes Zeugnis ab.'
Außer den verschiedenartigen Strafprozeßakten enthalten sie Auf-
zeichnungen über die verschiedenartigsten Fälle der freiwilligen
Gerichtsbarkeit, Verträge, Käufe, Verkäufe, Testamente, Ver-
mögensinventare, allerlei kaufmännische Geschäfte u. dgl. m.
Viele von diesen Rechtssachen sind nicht vor dem Stadtgerichte,
also dem Vogte und den Schöffen, sondern von den Rats-
heri'en abgewickelt worden und wurden von ihnen bestätigt
So sind uns Testamente erhalten, welche Schwerkranke in
ihrer Wohnung vor Ratsherren niederschreiben ließen.* In der
Krakauer Aufzeichnung^ vom Jahre 1435 über die Taxen,
die an den ,statschreiber' zu entrichten waren, lesen wir: ,§ 8.
Wenn man geet czu Testamente VI gr. (Groschen).' In ver-
hältnismäßig geringer Zahl sind schriftliche Aufzeichnungen
über die von den Dorfgerichten besorgen Rechtsgeschäfte
bisher bekannt. Als ein Beispiel kann eine Urkunde vom
Jahre 1402 dienen, mit welcher der Schulz Johann von Pr%dnik
bei Krakau mit seinen sieben Schöffen unter Beihängung ihrer
Siegel bestätigt, daß vor ihrem gehegten Gerichte der Priester
Johann Kranz mit einem Krakauer Bürger desselben Namens
ihre Gründe in Pr^dnik tauschten.^
8. Lehenswesen und eigentliche Lehensgeriehte
im Haliezer €^eblete.
Wie aus dem bisher Gesagten zu ersehen ist, wurden in
Polen in der Regel deutsche Stadtrechte verliehen, und zwar
an Dörfer und Städte. Gemeines deutsches Landrecht kam
als solches nicht zur Anwendung, doch findet man dasselbe in
den Stadtrechtsbüchern auch in Polen berücksichtigt, wie man
» CDPM. n, Nr. Ö75. « Schöffenspruch bei Stob be, a. a. O., S. 87.
' Man vergleiche die verschiedenen oben S. 165 f. genannten Quellen.
* z. B. LACrac. H, S. 179.
^ CDCrac. U, Nr. 313.
« CathCracCD. H, Nr. 467.
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225
auch mit Landrecht zuweilen überhaupt deutsches Recht be-
zeichnet.^ Es erübrigt hier noch, einiges über das deutsche
Lehensrecht zu sagen.^
Es ist unzweifelhaft, daß man in Polen neben dem
deutschen Stadt- und Landrechte auch das deutsche Lehens-
recht imterschied. Eine Urkunde vom Jahre 1356 betont aus-
drücklich diese Dreiteilung des deutschen Rechtes und nennt
das ius municipale, ius provinciale und ius feodale.* Aber
deutsches Lehensrecht ist auch praktisch geübt worden. Ob
die deutschen Dienstmannen imd Ritter, welche schon im 12.
und 13. Jahrhundert nach Polen kamen und sich insbesondere
auch in Westgalizien niederließen, zu den Landesfürsten und
anderen polnischen Großen ins Lehensverhältnis traten, ist un-
bekannt, aber sehr wahrscheinlich. Bestimmt wissen wir, daß
die Verleihung von Vogteien und Schulzeien in Städten und
Dörfern nach Art der deutschen Lehen geschah, daß Vögte
und Schulzen zum Landesfiirsten oder ihren weltUchen und
geistlichen Grundherren in das Verhältnis von Lehensleuten
traten und daher auch zu Kriegsdiensten verpflichtet waren;
schon dadurch ist in gewissem Sinne deutsches Lehensrecht
auf polnischem Boden heimisch geworden. Es sind daher auch
Lehensgerichte notwendig gewesen, vor denen Vögte und
Schulzen ihre Rechtsgeschäfte zu schlichten hatten; für diese
Gerichtsbarkeit kommt auch der Name feodale iudicium,
also Lehensgericht, vor. Aber deutsches Lehensrecht ist auch
noch im strengeren Sinne in einem Teile unseres Gebietes,
und zwar auf dem Boden des einstigen ruthenischen Fürsten-
tums, also in Ostgalizien, geltend gewesen.
Schwache Andeutungen weisen darauf hin, daß schon
zur Zeit der ruthenischen Fürsten hier das Lehenswesen nach
westeuropäischem Muster Eingang gefunden hatte. Nach der
Erwerbung dieses Gebietes durch Kazimierz den Großen von
Polen hat dieser König hier Landgüter in einer Form an seine
* CDPM. I, Nr. 293, Urkunde für Nowa wieÄ narodowa: . . . quam iure
teutonico, dicto wul^ariter lantrecht . . . loco recepunus.
' Zum folgenden vgl. Piekosiiiski in der Einleitung zu Star. Pom. IX
und vor aUem A. Prochaska, Lenna i mai&Btwa na Rnsi i na Podolu.
Rozprawy der Krakauer Akademie, hist-phil. Kl., II. Serie, Bd. XVII
(1902), S. 1 ff.
» CDPM. I, Nr. 247. Vgl. AGZ. XVH, Nr. 1718 (ius feodale vel municipale).
ArchiT. XCV.fiand. I. Hilft«. 15
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226
Getreuen überlassen, die von der sonst in Polen üblichen ab-
wich. Insbesondere wird in jedem dieser Privilegien der Kriegs-
dienst des Beschenkten in einer vom polnischen Gebrauche
abweichenden Weise betont.^ Schon dies gleicht sehr einem
Lehensverhältnisse. Als sodann nach dem Tode des Königs
Kazimierz im Namen seines Erben, des ungarischen Königs
Ludwig des Großen, Wladyslaw von Oppeln Galizien ver-
waltete, hat er seit 1373 ausdrücklich bei seinen Güterver-
leihungen das Lehensrecht eingeführt. So wird z. B. am 15. De-
zember 1373 das Dorf Gwoidiec (bei Kolomea) an Chodko Loyo-
wicz filr dessen treue Dienste ,erblich mit jenem Lehensrechte
(iure foedali), jenen Freiheiten und Gewohnheiten verliehen, mit
welchen die anderen Lehensleute (vasalli) ihre Güter erhalten
haben*.* Mit einer Urkunde vom Jahre 1375 verlieh Wla-
dislaw das Dorf ByWo (bei Rohatyn) und die Schulzei in
Dobrowody (bei Podhajce) dem Juschko de Scomicz ,als Lehen
oder nach Lehensrecht' (in feudum sive iure feodali).' Und
mit einer Urkunde von demselben Jahre wird dem getreuen
Jasko das Dorf Doroszöw (bei Sambor) mit derselben Frei-
heit verliehen, mit der die anderen Vasallen ihre Güter be-
sitzen.* Ahnliche Verleihungen sind aus dieser Zeit noch in
größerer Zahl bekannt,^ darunter solche an offenbar deutsche
Männer wie Lymbirdus, * Nitschko Slancz, ^ Denhart® und
Regnold.^ Bei diesen Belehnungen wurde die Verpflichtung
des Bestifteten zum Kriegsdienste genau festgestellt und die
Art der Bewaffnung angegeben.^® Mitunter wird der Vasall
zur Teilnahme ,an jedem beliebigen Kriegszuge' und zur
Stellung eines zweiten Kriegers verpflichtet.^^ Erwähnt sei
» CDPM. I, Nr. 662 (Jahr 1868); AGZ. n, Nr. 2 (Jahr 1364). Vgl. Pro-
chaska, a. a. O., S. 6.
' AGZ. y, Nr. 8: ,hereditarie eo iure feodali, ea libertate et consaetudine,
qua ceteri vassali nostri possident 8ua bona.'
» ib. n, Nr. 4.
* ib. Vn, Nr. 11: ,ceteri vassali nostri bona sua possident.'
» ib. n, Nr. 6, 6 u. 14; V, Nr. 10 u. 11; VH, Nr. 9 u. 10; Vin, Nr. 9 usw.
• ib. II, Nr. 6. ' ib. Nr. 6. • ib. Nr. 14. • ib. V, Nr. 11.
*° ib. V, Nr. 8: ,cum una hasta et uno sagitario, cum armis bene prepa-
ratis in equis valentibus.' ib. VII, Nr. 11: ,cum una hasta et uno
sagittario.*
** ib. 11, Nr. 4: ,cum una hasta et uno sagittario ad quamlibet expe-
dicionem.' Ferner unter S. 228.
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227
femer, daß öfters die ausdrückliche Bestimmung getroffen wird,
daß der Belehnte nur mit der Erlaubnis des Lehensherrn sein
Gut verpßinden, vertauschen oder verkaufen dürfe,* eine Be-
stimmung, die auch bei Verleihung von Vogteien und Schulzeien
allgemein üblich war.* Das Erbrecht der Kinder wurde in
der Regel betont. Ferner verheißt oft in den Urkunden der
Lehensherr seinem Vasallen, daß er ihn aus der Kriegsgefangen-
schaft auslösen und ihm sonstigen Schaden, den er auf den
Kriegszügen erleiden würde, vergüten werde. Diese Bestim-
mungen sind z. B. in den Lehenbriefen fiir den erwähnten
Nitschko Slancz und ftlr Denhart enthalten; insbesondere wird
auch in beiden der Ersatz gefallener Rosse in Aussicht gestellt.
Auch haben wir Beweise, daß derartige Versprechen wirklich
erfüllt wurden. ' In einzelnen Urkunden wird der Zweck, dem
menschenleeren Lande neue Bevölkerungselemente zuzuführen,
ausdrücklich betont und daher dem Belehnten zur Pflicht ge-
macht, in demselben seinen Sitz zu nehmen. So heißt es
z. B. in der Urkunde für Lymbirdus, daß mit Rücksicht auf
die Entvölkerung des Landes er mit Frau und Kindern wie
die anderen Barone daselbst seinen Wohnsitz zu nehmen habe.^
Und der oben genannte Regnold und seine Brüder mußten
sich zur ErfüUung dieser Bedingung ausdrücklich verpflichten.*
Als Wladyslaw II. Jagiello von Litauen in Polen zur
Herrschaft kam, zeigte er sich umsomehr als eifriger Förderer
des Lehenswesens, als dasselbe in Lithauen im 14. Jahrhundert
eine sehr große Ausdehnung gefunden hatte. So hat dieser
» AGZ. n, Nr. 4, 6, 6; V, Nr. 11; VUI, Nr. 9.
* Diese Bedingung bat man auch noch im Jahre 1564 als sicheres Zeichen
betrachtet, daß man es mit einem Lehen zu tun habe. Prochaska,
a. a. O., S. 10.
' AGZ. Vni, Nr. 13 (Jahr 1378). Wladyslaw von Oppeln verleiht einem
Jesko eine Schulzei, damit er sie verkaufe und mit dem Erlöse sich
aus der litauischen Gefangenschaft befreie.
* ib. II, Nr. ö : ,Consideratisque defectibus gentis, qua in dicta terra Russi
caremus, quod idem Lymbirdus cum sua uxore et pueris suis sicut
ceteri barones ipsam inhabitant, inhabitabit et residenciam in ipsa faciet
personalem.*
* ib. Nr. 6: ,taliter eciam quod dicti fratri unaoum uxoribus et pueris
ipsorum in dicta nostra terra Russie residenciam faciant personalem,
prout se adhuc specialiter obligaverunt.*
16*
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228
König nicht nur ganze Landschaften, wie Podolien und die
Moldau, in ein lehenrechtliches Verhältnis zu Polen gestellt,
sondern auch kleine Gebiete, und zwar vor allem in Ostgalizien,
nach Lehensrecht verliehen.^ Wir haben von diesem Könige
eine Reihe von Urkunden, in denen Güter unter Bedingungen
vergeben werden, die den wenn auch nicht immer ganz reinen
lehensrechtlichen Charakter dieser Bestiftungen beweisen. Immer
wieder wird hiebei der Kriegsdienst betont, der in dem stets
bedrohten Gebiete besonderen Wert hatte. So hat im Jahre
1412 Nikolaus Frejstetter oder Frauwensteter, Vogt von Kolo-
mea, das Dorf Berezöw erhalten, woftir er verpflichtet wurde,
zu den Feldzügen des Königs zwei Lanzenträger zu steUen,
zur Verteidigung des Landes aber mit allen Leuten herbeizu-
ziehen. Vielleicht um sich dieses im Grenzgebiete lästigen
Dienstes zu entziehen hat Frauenstetter schon 1419 sein Lehen
veräußert. Auch die Absicht, die Bevölkerung zu vermehren,
und daher die Forderung der persönlichen Niederlassung wird
von Wladyslaw betont, ebenso wie die Erlaubnis des Lehens-
herrn bei Verkauf, Tausch und Verpftlndung. * Nach ähnlichem
Grundsatze hat auch sein Sohn Kazimierz derartige Beleh-
nungen vollzogen. * Ja noch 1596 ist von König Siegmund lU.
bei einer besonderen Veranlassung anerkannt worden, daß Be-
sitzer von Lehensgütern dem Adel gleichzuhalten seien, weil
sie seit Jahrhunderten zu keinen Diensten verhalten wurden,
welche adeligen Rechten widersprochen hätten.*
Aber nicht nur die Landesfürsten haben Lehen vergeben.
Es sind vielmehr auch eine Reihe von Zeugnissen erhalten,
daß landesfürstliche Vasallen Afterlehen verliehen haben. So
ist z. B. die Verleihung von Byszöw bei Sokal durch Ziemowit
von Masowien im Jahre 1408 aufzufassen, wobei über die Ver-
äußerung des Gutes und den Kriegsdienst des Belehnten die
uns bereits bekannten Bestimmungen getroffen wurden.^ Über
den Bestand solcher kleiner Hinterlehen in der Gegend von
Jaroslaw und PrzemySl sind zahlreiche Nachrichten aus dem
15. Jahrhundert erhalten. Es kommt vor, daß sich die Lehens-
leute um beträchtliche Summen von ihrer gutsherrlichen Lehens-
* Zum folgenden die Belegte bei Prochaska, 8. 3—13.
* Vgl. z. B. AGZ. IV, Nr. 16. » ib. V, Nr. 126 (Jahr 1448).
* Prochaska, a. a. O., S. 21. * AGZ. III, Nr. 83.
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229
pflicht loskauften und so unter die unmittelbare landesfUrstliche
Herrschaft traten. Auch Prozesse wegen verweigerter Dienst-
pflicht kamen vor.^
Das Lehenswesen fand überhaupt unter den Polen keinen
Anklang. Schon von der Zeit Jagieüos macht sich der Wider-
stand bemerkbar. Man betrachtete die Einführung des Lehens-
rechtes als im Widerspruche stehend mit dem polnischen Rechte.
Im Interesse des Adels stand es^ daß ihm die Güter in unbe-
schränktes Eigentum übergeben werden und die Kriegspflicht
die gewöhnliche bleibe, welche jeder Gutsbesitzer nur fllr seine
Person und zur Verteidigung des Landes zu leisten hatte. Daher
versuchten schon zur Zeit JagieUos sich einzelne Lehensmannen
freizumachen. Er selbst vollzieht' z. B. eine solche Befreiung
im Jahre 1416 und der obengenannte Ziemowit 1435.^ Um
dieselbe Zeit kamen, wie bereits oben bemerkt wurde, Los-
käufe von der Lehenspflicht gegenüber privaten Gutsbesitzern
vor. Im Jahre 1519 hat König Siegmund eine solche Be-
freiung ausgesprochen. Bei diesen Befreiungen ist ausdrücklich
betont worden, daß der Lehensmann und seine Elrben vom
Lehens- oder Dienstrechte befreit und auf den Stand der
anderen Landsassen gesetzt werde. So wird in der erwähnten
Urkunde des Königs JagieHo vom Jahre 1416 ausdrücklich die
Befreiung vom Lehensrechte oder vom Dienstrechte (de iure
feodali alias szluskiego) und von der Lehensgerichtsbarkeit (ab
omni iurisdiccione feodaU) bestimmt^ und in der Urkunde Zie-
mowits vom Jahre 1435 die Freiheit von allen Hofdiensten (ab
Omnibus serviciis curiensibus) und dem Dienstrecht (de iure ser-
viU) ausgesprochen.^ In beiden Fällen wird zugleich bestimmt,
daß die Befreiten fortan der gewöhnlichen landesüblichen Rechte
teilhaft sein sollten. Seit in Ostgalizien das ruthenische Recht
durch das polnische verdrängt wurde, machte sich im 15. und
16. Jahrhundert immer mehr das Bestreben des Adels daselbst
geltend, das Lehensrecht überhaupt zu beseitigen. Im 15. Jahr-
hundert ist dieses Ziel von den damals entstandenen Bündnissen
des Adels verfolgt worden und in den Jahren 1562 und 1576
haben tatsächlich die Adeligen gesetzliche Bestimmungen durch-
gesetzt, welche das Lehensrecht des Königs fast aufhoben
> Prochaska, S. 14—31. • AGZ. V, Nr. 30. » ib. ffl, Nr. 107.
* ib. V, Nr. 30. » ib. IH, Nr. 107.
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230
Daher hören auch mit dem Ende des 16. Jahrhunderts alle
Nachrichten über das Lehenswesen in Polen auf. Die Krone
verlor auf diese Weise viele Ländereien und die ihr zustehen-
den Kriegsdienste. Auch darin hat der selbstsüchtige Adel
einen Sieg über das schwache Königtum zu Ungunsten des
allgemeinen Besten gewonnen.
Für die nach Lehensrecht bestifteten Gutsbesitzer muß
auch ein eigenes Gericht bestanden haben^ denn es ist nicht
annehmbar, daß sie vor den gewöhnlichen polnischen Richter
gezogen wurden, während schon die Besitzer eines Schulzen-
amtes vor ein besonderes deutsches Gericht gehörten. Viel-
leicht war der in Lehensurkunden unter Wladyslaw IL auf-
tretende ,iudex provincialis terre Russie* Peter Braun Vor-
sitzender dieses Lehensgerichtes. ^ Auf einen besonderen Ge-
richtsstand weisen vor allem die oben angefahrten Urkunden
von 1416 und 1435. Eigentliche Akten dieser Gerichte sind
aber bisher nicht gefunden worden. Erwähnt sei auch, daß
schon Wladyslaw von Oppeln bei Vergabungen nach Lehens-
recht nach dem reiflichen Rate seiner Vasallen verfilhrt, was
voraussetzt, daß Versammlungen und Beratungen derselben
üblich waren.* Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieselben mit
Gerichtssitzungen verbunden waren.
Aus dem Gesagten geht hervor, daß wir mit Einrich-
tungen zu tun haben, die überaus dem westeuropäischen
Lehenswesen gleichen. Daß hiebei aber deutsche Einflüsse
sich geltend machten, geht aus dem Umstände hervor, daß
deutsche Bezeichnungen fUr diese lehensrechtlichen Einrich-
tungen gebraucht wurden. Gewöhnlich hießen sie ius feudale;
aber auch die Ausdrücke ius lenske, linske, lincale, lincum,
die auf das deutsche ,Lehen' zurückgehen, sind wiederholt
belegt.^ Auch die bereits angeführte polnische Bezeichnung
szluskie = servicium curiense* weist auf das deutsche ,Dienst-
recht'. Femer wird aber auch Dienst- oder Lehensmann als
omagialis perpetuus alias man und servicium omagiale als
» AGZ. n, Nr. 4, 6, 6; V, Nr. 10 u. 11. Vgl. auch AGZ. VII, Nr. 23, und
dazu die Bemerkungen von Piekosidski in Star. Pom., a. a. O.
' AGZ. V, Nr. 13 vom Jahre 1378: ^maturo nostrorum yassalorum prehabito
consUio.*
» Siehe oben S. 190.
* AGZ. V, Nr. 30 und m, Nr. 107.
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231
manysthvo bezeichnet* Hervorzuheben ist übrigens auch^
daß der schlesische Fürst Wladyslaw von Oppeln zuerst deut-
lich dieses Recht in Galizien eingeführt hat.
IL
Identität des ^deutschen Rechtes* und deutscher
Stadtrechte in Polen.
Bekanntlich hat Stenzel für Schlesien die Behauptung
aufgestellt,^ daß ^deutsches Recht nichts als die Verhältnisse
der Städte und Dörfer nach deutscher Art^ bedeute. ,Es drückt
dasselbe demnach die in Schlesien neuen, nach deutscher Art
gebildeten Verhältnisse aus, in welche jetzt die Bewohner der
Dörfer und Städte zu einander, zu ihrer Gerichts-, Grund- und
Landesherrschaft kamen, die Verhältnisse, durch welche freie
und geschlossene, der Last des polnischen Rechtes größtenteils
oder ganz enthobene Körperschaften in Städten und Dörfern
gebildet wurden, mit Teilnahme an der Verwaltung des Gemein-
wesens (unter dem Stadtrate) und der Gerichte (als Schöffen),
unter ihren Schulzen und Vögten in Fällen der niederen, unter
dem Fürsten oder dessen Bevollmächtigten in Sachen der höheren
Gerichtsbarkeit, endlich als Urheber der durch Rechtssprüche
und Willküren neugebildeten Rechtsverhältnisse.' Daß diese
Auffassung im allgemeinen auch flir Polen zutreffe, hat Roe-
pell bereits vor mehr als 60 Jahren festgestellt:* ,Der Aus-
druck ins teutonicum (deutsches Recht) ist der ganz allgemeine;
er wird sehr häufig allein in Urkunden gebraucht und be-
deutet allerdings auch hier (in Polen) zunächst nichts weiter
als die Anlegung von Dörfern nach deutscher Art und Ge-
meindeverfassung/ Wenn aber aus Stenzels sonstigen Aus-
flihrungen hervorzugehen scheint, daß deutsches Recht von
speziellen Stadtrechten, insbesondere vom Magdeburger Rechte
zu unterscheiden sei, wenn er bemerkt, daß ,keine Stadt Magde-
burger Recht erhalten hat, welche nicht vorher deutsches Recht
» Prochaska, Beilage 8.28 u.S. 16, Anm. AGZ. XVIU, Nr. 2916, 2970 u.4019.
• G. A. Tzschoppe und G. A. Stenzel, Urkundensammlung zur Ge-
schichte des Ursprunges der StHdte in Schlesien und der Oberlausitz
(Hamburg 1832), S. 99.
» A. Roepell, Geschichte Polens I, S. 576, Anm. 19.
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232
gehabt hätte', so ist dies für Polen auch schon für das 13. Jahr-
hundert; nicht aber erst, wie Stenzel zugeben möchte,^
fUr spätere Zeit (14. Jahrhundert) nicht zutreffend. Hier besteht
kein Unterschied zwischen dem deutschen Rechte als solchem
und dem Magdeburger Rechte sowie den anderen von diesem
abgeleiteten Rechten. Das deutsche Recht umfaßt gewisser-
maßen alle diese und ist nicht eine bloße Vorstufe derselben.
Neben dem deutschen Rechte ab solchem wird das besondere
oft nur so nebenbei als näher erklärender, aber ziemlich gleich-
gültiger Zusatz hinzugefügt. Zwischen Orten, die mit deutschem
Rechte kurzwegs bestiftet wurden, und solchen, die mit Magde-
burger Recht begabt wurden, ist kein weiterer Unterschied
vorhanden, wenn nicht besondere Privilegien dies festsetzen.
Das Magdeburger Recht oder ein anderes Weichbildrecht kann
hier ebenso wie das deutsche Recht sofort neubegründeten An-
siedlungen, gleichviel ob es Dörfer oder Städte sind, verliehen
werden. Es muß also nicht erst eine Bestiftung mit deutschem
Rechte vorangegangen sein und die Verleihung des Magde-
burger oder eines anderen Stadtrechtes folgen. Aber es ist auch
durch die Verleihung eines dieser letzteren Rechte durchaus
nicht der Ort sofort zur Stadt geworden, vielmehr konnte er
trotz des Magdeburger Rechtes eine dörfliche Siedlung bleiben
und einem Schulzen unterstehen, und es bedurfte erst eines
besonderen Privilegs, welches den Ort zur Stadt erhob und
ihm den Vogt gab. Denn auch in Polen ist regelmäßig der
Vogt Richter der Stadt und der Schulz Richter des Dorfes wie
in Schlesien.
Zur Begründung und Erhärtung dieser Bemerkungen
mögen einige Belege aus Urkunden angeftlhrt werden.
In einer Urkunde vom Jahre 1276 sagt Herzogin Kune-
gunde: ,villam nostram Golgowicz nuncupatam iure teutoni-
cali ordinandam duximus et locandam^; und gleich darauf
heißt es in derselben Urkunde, daß die Bewohner des Ortes
(incole et coloni) ,iure Magdeburgensi vivere^ sollen und
,secundum quod ius Magdeburgense exigit et requirit' ihre dem
Walde abgerungenen Gründe benützen sollen.*
Nach einer Urkunde vom Jahre 1293 soll der Kapellan
Matthias den ihm geschenkten Wald am Flusse Olszana ,quo-
» a. a. O., S. 106. . « CDPM. H, Nr. 482.
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233
cunque iure theutonico^ Magdeburgensi vel Noviforensi'
besiedeln dürfen; und dann beißt es gleich: ^nos ipsius heredi-
tatis incolas et scultetos facimus gaudere privilegio sui iuris
tbeutonicalis^; und weiter wird zugesichert, daß jeder Insasse
vor dem fürstlichen Ricbterstuhle ^suo iure theutonico respon-
debit^i
Im Jahre 1295 erhielt das Kloster Miechow die Freiheit,
seine Dörfer (viUas), femer die in Wäldern anzulegenden An-
siedlungen im Gebiete von Krakau und Sandomir mit belie-
bigem deutschen Rechte (iure quo maluerint theutonico) zu
bestiften.*
Ahnlich erhält das Kloster Szczyrzyc im Jahre 1308 von
Wladyslaw Lokietek die Bewilligung, ,iure quo voluerint theu-
tonico' Dörfer, Güter und Wälder zu besiedeln. '
Im Freibriefe von Kamieii vom Jahre 1319 heißt es:
,villam Kamieri iure theutonico, quo civitas utitur, que No-
vum forum in Slezia nuncupatur, collocandam/*
Im Freibriefe von T§czynek vom Jahre 1319 wird genau
dieselbe Bestimmung getroffen.^
Slowikowa wird im Jahre 1334 begründet ,iure theutonico
sub forma iuris Magdeburgensis'.®
Bartholdowa karczma = Bartatöw (Jahr 1442): ,et ut
ipsius civitatis condicionem faci&mus meUorem, ipsam de iure
polonico in ius tbeutunicum, quod Magdeburgense dicitur, trans-
ferimus.' '
Kamienica dolna (Jahr 1345): ,villam ibidem iure theu-
tonico Magdeburgensi/®
Dzierianiny (Jahr 1351): ,locare iure theutonico Novifori
quod Sredske vulgariter dicitur/ •
Nowawiefi narodowa bei Lobzow (Jahr 1367): ,iure theuto-
nico, dicto vulgariter Lantrecht/^^
Diese Stellen gentigen, um die Gleichwertigkeit aller ge-
nannten Rechte darzutun und zugleich den Umstand, daß auch
neu entstehende dörfliche Ansiedlungen mit Magdeburger oder
einem anderen abgeleiteten Rechte bestiflet werden konnten.
Dazu kommt, daß alle genannten Siedlungen stets unter einen
» CDPM. II, Nr. 624. • ib. Nr. 580. » ib. HI, Nr. 656.
* ib. I, Nr. 158. » ib. H, Nr. 575. « AGZ. Vn, Nr. 5.
' ib. n, Nr. 66. • CDPM. m, Nr. 677.
• ib. UI, Nr. 693. *° ib. I, Nr. 293. Vgl. auch oben S. 170, Anm. 2.
Archiv. XCY. Band. I. Hälfte. 16
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234
Schulzen gestellt erscheinen, auch wenn sie Magdeburger und
Neumarkter ,Stadtrecht^ erhielten. Zur Stadt wurde ein Ort,
trotz des bereits früher verliehenen Stadtrechtes, erst durch
weitere besondere Vorrechte, indem ihm ausdrücklich der Titel
Stadt (civitas) und ein Vogt, femer verschiedene dem ent-
wickelten städtischen Leben entsprechende Freiheiten im Handel,
Verkehr usw. gewährt wurden.
Inhaltsübersicht.
Saito
I. Das Gerichtswesen 167
1. Einleitung 167
2. Niedere Ortsgerichte 170
3. Die ,großen* Ortsgerichte 177
4. Die Hofgerichte (sogenannte Lehens- und Obergerichte) . . 184
aj LandesfUrstliche ^Lehenshöfe' 190
bj ,Lehenshöfe* auf geistlichen Gütern 198
c) Lehensgerichtsbarkeit der adeligen Grundbesitzer . . 202
5. Der königlich deutsche Oberhof auf der Burg zu Krakau,
Rechtszug nach Magdeburg 203
6. Das oberste Gericht der sechs Städte 218
7. Deutsche Rechtsbücher und Sammlungen von Schöffensprüchen
in Galizien. Bemerkungen zur Charakteristik der Gerichts-
verfassung und des Gerichtsverfahrens 215
8. Lehenswesen und eigentliche Lehensgerichte im Haliczer
Gebiete 224
n. Identität des ^deutschen Rechtes* und deutscher Stadt-
rechte in Polen 231
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D r u € It von A *1 o l f H o 1 ic li a 11 « eli ,
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-^»^ c^l
Archiv
r österreichisclie Geschichte.
Heraasgegebeu
Historischen Kommission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
i
Filiifandneaiixtgster Band,
Zweite Hälfte.
Mit 6 Stamint afelu.
Wien, 1906.
In KommiBsioD bei Alfred Höldet
Baehliifidler äet kus&rlkbeji Akademk dar WifrMDXili&fieii«
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Archiv
für
österreichische Qeschichte.
Herausgegeben
▼on der
Historischen Kommission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Fünfundneunzigster Band.
Zweite Hälfte.
Mit 6 Stammtafeln.
Wien, 1906.
In Kommission bei Alfred Holder
k. Q. k. Hof- und UniTersit&ts-Bnctahindler
Bnebh&ndler der kaiserlichen Akademie der Wissenechaften
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DIE HERREN VON WALSEE.
EIN BEITR^a
ZUE
ÖSTERREICHISCHEN ADELSGESCHICHTE.
TON
D" MAX DOBLINGER.
VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 8. NOVEMBER 1905.
AkUt. XCV.Band. II. Hüft«. 17
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Vorwort.
Jcirst jüngst wieder ist von berufener Seite auf den Wert
kritisch gesichteter Adelsgeschichte hingewiesen worden. Wenn
irgendwo, so mögen die Worte, welche Prof J. Loserth seinen
,Genealogischen Studien zur Geschichte des steir. üradels'
(Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der
Steiermark, Bd. VI*, Graz 1905) voranschickt, fUr die Geschichte
des Hauses Walsee gelten, die hier dargestellt ist.
Längst besitzen wir über die beiden bekanntesten Adels-
geschlechter unserer Heimat, die Grafen von Schaunberg und
von Cilli, eine Anzahl brauchbarer Arbeiten. Die Herren von
Walsee, die sich den vorgenannten Geschlechtern getrost an
die Seite stellen lassen, entbehrten bisher einer ausreichenden
historischen Darstellung. Allerdings war ihre Geschichte be-
reits mehrfach Gegenstand der Erörterung. Aber schon der
alte Wolfgang Laz (De migratione gentium, Frankfurt 1600,
S. 464) brachte eine derartige Verwirrung in die umfangreiche
Genealogie des Hauses, daß weder Steyerer (Commentarii pro
historia Alberti H., Wien 1725, Anh. col. 18 ff.), noch der fleißige
Hoheneck (Genealogie des obderensischen Adels IH, 888 ff.)
damit zurechtkamen. Überdies fügte nun auch hier der be-
kannte Chr. Hanthaler (Recensus diplom. gen. arch. Campilil.)
seine Fälschungen hinzu; noch Hopf (Genealogischer Atlas,
S. 374) gab seine Tabelle darnach.
Es war der verdiente Chmel, der die Bedeutung des
Hauses erkannt und dazu (Notizenblatt der kaiserl. Akad. der
17*
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238
Wissensch., Bd. IV) bedeutendes urkundliches Material ver-
öffentlicht hat. Alfons Huber (Geschichte des Herzogs Rudolf IV.,
Exkurs II) stellte sodann die Genealogie desselben auf sichere
Grundlagen und Krones (Allgemeine deutsche Biographie,
XLI. Bd.) sowie Weiß-Starkenfels (Wappenbuch des obderen-
sischen Adels, S. 579 — 604) haben daran weitergesichtet.
Immerhin bheb auch hier noch vieles zu tun übrig: eine
umfangreiche Literatur war oft schwierig zu beschaffen und
vor allem waren die bisher noch ungenügend ausgebeuteten
Urkundenschätze zu heben. Allen den zahlreichen Persönlich-
keiten, die dem Verfasser besonders nach dieser Richtung ihre
Unterstützung zuteil werden Ueßen, sei dafUr der ergebenste
Dank gesagt, insbesondere aber Freiherm Viktor von Handel-
Mazzetti, Archivar des Museums Francisco-Carolinum in Linz,
der für die vorliegende Arbeit eine reichhaltige Sammlung von
ürkundenauszügen zur Verfügung stellte.
Graz, im Dezember 1905.
Dr. Max Doblinger.
Abkfirzangen.
AÖG = Archiv für österreichische Geschichte.
FRA = Fontes Rerum Austriacamm.
HHStA. . . = K. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien.
JBMFC. . . = Jahresbericht des Museums Francisco-Carolinum in Linz.
LB = Lichnowsky (-Birk), Geschichte des Hauses Habsburg.
NB = Notizenblatt zum Archiv für Kunde österreichischer Geschichts-
quellen.
StLA. . . . = Steiennärkisches Landesarchiv in Graz.
StAEferding = Fürstlich Starhemberg^ches Archiv in Eferding.
UBoE. . . . = Urkundenbuch des Landes ob der Ens.
WSt = Weiß-Starkenfels, Wappenbuch des obderensischen Adels.
Inventar. . . = Archivinventar von Nieder -Walsee, 1646 Okt. 26, Niederösterr.
Herrschaftsakten, Fasz. 17684 Wl, 6d, Archiv des k. u. k.
gem. Beichffinanzminiflteriums in Wien.
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Eiiileitung.
Mit den Habsburgem kam unter Albrecht I. auch eine
Anzahl von Adelsgeschlechtern aus der schwäbischen Heimat
in die österreichischen Lande. Weitaus die bedeutendste dieser
Familien und eine der hervorragendsten überhaupt^ die der
österreichische Adel des späteren Mittelalters in seinen Reihen
zählte, waren die Herren von Walsee.
Sie hatten bereits ein Jahrhundert nicht eben bedeutender
Vergangenheit als weifische und staufische Ministerialen in dem
Städtchen Walsee hinter sich, als sie auf dem Boden Österreichs
heimisch wurden. Hier breiten sie sich in vier Linien aus, ge-
langen unter dem Hochadel zur Geltung und bringen einen
weitausgedehnten Besitz an Eigengut, meist aber an herzog-
lichen Lehen und Pfandschaften an sich. Als Lehensträger der
Kirchen von Salzburg und Passau, Bamberg, Regensburg und
Freising, ja selbst Brixen und Pola, sowie als Widerpart der
Grafen von Schaunberg in Oberösterreich sind auch sie mit
tätig bei der Ausgestaltung der habsburgischen Landeshoheit.
Eine Anzahl bedeutender, tüchtiger Männer des Hauses leistet
wiederholt den Habsburgem in Krieg und Frieden die wich-
tigsten Dienste und der Reichtum, den sie durch sorgsame
Wirtschaft zu mehren verstanden, stellt den hilfsbedürftigen
herzoglichen Finanzen oft beträchtliche Summen zur Verfügung.
Reinprecht H. von Walsee (f 1422), der eine Machtfülle
in seiner Hand vereinte, wie sie nach ihm wenigen Dienern
des Hauses Habsburg zuteil geworden ist, wnrde überdies mit
seinem Bruder Friedrich V. der Schöpfer jener für die inner-
poHtische Geschichte Österreichs hochbedeutsamen Stellung der
Stände, welche dieselben durch volle zwei Jahrhunderte, bis
zum Siege der Gegenreformation, innehatten. Stets in enger
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240
Verbindung mit den Geschicken ihres Herrscherhauses, enden
die Herren von Walsee mit Reinprecht V. (f 1483) an der
Schwelle einer neuen Zeit, mit der so viele Geschlechter des
österreichischen Adels von der Bildfläche verschwinden, und
rasch ist mit der Zerstückelung des walseeischen Erbes ihre
Spur verflogen.
Der Verfasser behandelt nach einem Abschnitte über die
schwäbische Vorgeschichte des Geschlechtes dessen Geschicke
auf dem Boden Österreichs. Trotz mancher Bedenken schien
es vorteilhafter, die Schicksale der vier Linien des Hauses, von
Linz, Ens, Graz und Drosendorf getrennt darzustellen. Anderer-
seits war es auch geboten, dem Wirkungskreise der wichtigsten
Amter nachzugehen, welche die Walseer als Hofmeister, Land-
marschälle und Hauptleute ob der Ens und in der Steiermark
vielfach innehatten; Abschnitte über die sozialen Verhältnisse
und das Wirtschaftsleben sowie über die Genealogie des Ge-
schlechtes bilden den Schluß.
Übersehen wir den gesamten Wirkungsbereich des Hauses
Walsee, so wird sich die Erkenntnis ergeben, daß wir in dem-
selben für das 14. und 15. Jahrhundert einen politischen und
wirtschaftlich in sich geschlossenen Machtfaktor zu erblicken
haben, dessen Bedeutung fUr das damalige habsburgische Oster-
reich bisher unterschätzt worden ist.
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I. Abschnitt.
Die Walseer in Schwaben.
xlitwa halben Weges zwischen Donau und Bodensee liegt
in anmutiger Moränenlandschaft Waldsee, die Heimat des nun
schon seit mehr denn 400 Jahren abgestorbenen gleichnamigen
Geschlechtes, heute eine württembergische Oberamtsstadt.
Schon der Name, in seiner ältesten Schreibweise walahse
= Walchsee lautend, läßt auf einen Bestand des Ortes bereits
in Römerzeiten schließen. Zahlreiche Römerfunde sind denn
auch in der Umgebung von Waldsee zutage gefördert worden.
Als dann das Christentum Eingang gefunden hatte, er-
stand in der Nähe Heisterkirch, die Leutkirche des Heister-
gaues, als eine der ältesten Kultstätten des neuen Glaubens, der
sich von hier in der ganzen Umgegend verbreitete.
Seinen Ursprung mag Waldsee den karolingischen Schen-
kungen an das bekannte elsässische Kloster Weißenburg ver-
danken, welches zu Waldsee, wo sich auch die Weißenburger
Kirchenheiligen wiederfinden, und in mehreren Orten der Um-
gebung, so zu Heisterkirch, Groß- und Klein-Laubheim, Holz-
kirch u. a. bedeutende Güter besaß. Zum ersten Male wird
Waldsee im Traditionskodex von Weißenburg (10. Jahrhundert)
genannt.^ Die Eintragung daselbst: ,Ad Walahse est curtis
dominica a paganis desolata' gibt uns zugleich Kunde, daß die
Ungarn (pagani) Waldsee zerstörten, als sie beim Einfalle von
926 nach der Belagerung des durch Bischof Ulrich verteidigten
Augsburg Alemannien verwüsteten und bis St. Gallen verheerend
vordrangen. Im Heistergaue war dabei die Bevölkerung ge-
radezu vernichtet worden. Weiters führt der Weißenburger
1 Württemberg. Geschichtsquellen U (1895), 279.
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242
Liber possessionum Edelini abbatis an:* ,Beneficium Bezzelini
comitis; ad Walahse et Heistinikirche totum comitiserum preter
ministeriales et eorum praedia et beneficia^ que abbatem soltun
respiciunt/ Dieser Graf Bezzelin, identisch mit dem Grafen
Berthold von Breisgau oder dessen Sohne, dem 1024 verstor-
benen Ahnherrn der Zähringer, Berthold von VilUngen, erscheint
als Lehensträger des Klosters Weißenbnrg zu Waldsee, läßt
sich indes als Graf im Heistergaue nicht nachweisen.
Von da ab vergehen volle 140 Jahre ohne Nachricht über
den Fortbestand Waldsees. Während dieses langen Zeitraumes
hat sich die Ansiedlung von den Schäden des üngarneinfalles
erholt und zu einem Pfarrorte weiterentwickelt, in welchem be-
reits um 1165 ein Kloster bestand.
In der Urkunde von 1171 März 31* nun, worin Herzog
Heinrich von Baiem und Sachsen zu Tiuringen* bekundet, daß
sein Dienstmann Otto de Hasenwillare die Prädien zu Swain-
dorf und Richenbach dem KUoster Salem* geschenkt habe,
finden sich neben anderen Zeugen, unmittelbar nach Fridericus
de Dahsperc, der als Dienstmann des Grafen Otto von Kirch-
berg sichergestellt ist, die ersten Walseer genannt: Gebehardus
et Chonradus de Walchse. Gleich anderen Ministerialen er-
scheinen die Waldseer dann seit dem Übergänge der weifischen
Hausgüter in Schwaben von Herzog Weif VI. an die Staufer
unter den Dienstleuten der letzteren.
1179 Dezember 25* verbriefte Herzog Friedrich V. von
Schwaben zu Altdorf den Übergang der Vogtei über Besitzun-
gen des Klosters Kreuzungen auf ihn und genehmigte zugleich
die Übergabe mehrerer Dienstleute samt deren Habe an das
Kloster. Unter den Zeugen befanden sich: Fridericus de Wald-
burch, dann Eberhardus de Walhse, Eberhardus de Tanne et
frater suus Bertolfus sowie Bertolfus de Walhse u. a.
Auf dem ülmer Reichstage wurde ferners 1181 Mai 5^
die feierliche Tauschhandlung vollzogen, wodurch das Kloster
Roth von Berthold von Laubheim bei Memmingen, einem Dienst-
» Württemberg. Geschichtsquellen n (1896), 282.
' Weech, Cod. diplom. Salemitanns I, 25.
' Thenringen bei Überlingen.
* Salmannsweiler bei Überlingen.
* Wirtemberg. Urk.-B. II, 205. « Ebenda, 214.
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243
manne des Grafen Otto von Hohenberg (= Kirchberg), die Kirche
in Stainbach, einen kirchbergischen Besitz an der Hier, dieser
hingegen vom Stifte das Gut zu Hard sowie 17 Talente als
Ausgleichssumme erhielt. In der Zeugenreihe dieser Urkunde
sind nun als kirchbergische Ministerialen abermals dominus
£berhardus et filius eins Bertoldus et patruus ipsius dominus
Chunrathus de Walechse genannt. Dieselben bezeugen auch
noch neben denen von Tanne, Winterstetten u. a. die von
K. Friedrich I. auf demselben Ulmer Reichstage 1181 Mai 12*
ausgestellte Urkunde, worin die zu Zeiten des Bischofs Her-
mann I. von Konstanz (1152 — 1165) erfolgte Umwandlung der
Pfarrkirche Walhse in ein Augustiner-ChorheiTenstifl mit der
ausdrücklichen Klausel bestätigt wird, daß die Ministeriales de
Waltse zum Herzogtume Schwaben gehören und nur der Ge-
richtsbarkeit ihres Herzogs unterstehen sollen.
Die genannten drei Waldseer sind die ersten nachweis-
baren Angehörigen des Geschlechtes, der 1171 bezeugte Geb-
hard (I.) wohl ein Bruder Konrads (L), welcher 1171 — 1181
auftritt. Auch das Weißenauer* Totenbuch gedenkt zu Mai 15
,Cuonradi de Waise militis et Eberhardi de Tanne, et paren-
tum suorum, quorum annivers. solemniter celebramiis',* und das
Stiftungsbuch desselben Klosters mit der Bemerkung,* daß
Konrad von Waise bedeutende Summen von Kirchengeldem
ihrem Zwecke entfremdet und sein Unrecht durch eine Schen-
kung von 15 Mark Silber an das Kloster gesühnt habe. Seit
1181 wird Konrads (I.) Bruder Eberhard (I.) nicht mehr er-
wähnt, wohl aber sein Sohn Berthold, der im Frühlinge 1187*
als Dienstmann Hartmanns d. J. von Karchberg zugegen war,
als Herzog Friedrich V. von Schwaben den Verkauf von Gütern
zu ,Graggenhoven, Wiare, Iberch und Maizilstein' durch die
Brüder von Hohenburg an den Grafen Hartmann von Kirch-
berg bestätigte. Daraus geht wohl hervor, daß die Waldseer
als staufische Ministerialen natürlich für den Kaiser gegen die
* Wirtemberg. Urk.-B. U, 216.
* Weißenau, Angia minor bei Ravensburg.
" M. G. Necrol. I, 169.
* Banmann, Acta 8. Petri in Angia» Zeitochrift fQr Gesch. des Oberrheins
XXIX, 113.
' Banmann, Gesch. des Allgäus I, 206.
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244
kirchliche Partei auftraten; nun fehlen aber alle Nachrichten
über sie auf vierzig Jahre hinaus.
Für die BVage nach der Abstammung der Waldseer
scheinen sich darnach Anhaltspunkte nach zwei Richtungen zu
ergeben.
Einerseits begegnen wir ihnen, ebenso noch im 13. Jahrhun-
dert, in den Zeugenreihen der Urkunden wie nahen Vettern neben
denen von Tann, Waldburg und Winterstetten, Ministerialen-
geschlechtern in der Umgebung Waldsees, deren Verwandtschaft
untereinander noch keineswegs geklärt ist.^ Auch die auf-
fallende Gleichheit der Taufnamen, die sich bei den genannten
Familien wiederfinden, läßt sich ebensogut wie durch etwaige
gemeinsame Abstammung auch durch Verschwägerung erklären,
wie wir sie mit denen von Waldburg und Winterstetten nach-
weisen, bei denen von Tanne vermuten können. Zudem waren
ja Eberhard, Konrad, Heinrich, Berthold, Ulrich und Friedrich
damals gerade die häufigsten Taufnamen im Schwabenlande.
Es läßt sich durchaus nicht erweisen oder auch nur ver-
muten, daß die Besitzungen der Waldseer ganz oder teilweise
von denen von Waldburg, Winterstetten oder Tanne — oder um-
gekehrt hergekommen wären. Auch ihr Wappen,* ein schwarzer
Schild mit weißem Querbalken, wie ihn heute noch das Städt-
chen Waldsee,* doch nun mit den württembergischen Hirsch-
geweihen als Helmzier fuhrt — das allerdings gegenwärtig erst
von der im königl. württembergischen Staatsarchive aufbewahr-
ten Urkunde von 1275 Juli 21 an, und zwar in einem Drei-
eckssiegel erhalten ist — weist keinerlei Ähnlichkeit mit den
Wappen der vorerwähnten Geschlechter auf.* So mag die
mehrfache Beziehung dieser Familien zu einander lediglich in
Verschwägerung, in der Zugehörigkeit unter dem gemeinsamen
Lehensherrn und gewiß nicht zuletzt in der nachbarlichen Lage
ihrer Besitzungen — die Tanne grenzten an Waldsee, die Winter-
> Vgl. Stalin, Wirtemberg. Gesch. II, 610—639 und Hauthalcr, AbstammnDg
des Erzbischofs Eberhard II. von Salzbarg, Salzburg. Gymnas.-Programm
(Borromäum) 1877.
> Vgl. darüber WSt., 669—670.
' Ein Siegel des 16. Jahrhunderts (doch hier irrig einem Osterreichischen
Walsee beigelegt) s. Mitt. der Zentralkommission, Neue Folge, HI. Bd.,
8. CLIV.
* Vgl. Stalin, Wirtemberg. Gesch. II, 616.
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245
statten hausten nördlich; die von Waldhurg nahe südlich davon
bei Ravensburg — ihre Ursachen gehabt haben. Andererseits
scheinen — wie Weiß-Starkenfels vermutet* — flir eine solche
Urverwandtschaft die in den angeflihrten Urkunden gleichfalls
auftretenden Daxberger in Betracht zu kommen.
Neben dem kirchbergischen Ministerialen Friedrich von
Daxberg, der nach 1171 nicht mehr urkundet, erscheint um
1173 im Stiftungsbriefe des Ruegerüs de Pforzheim* für das
Kloster Fölling* unter den Zeugen Heinricus de Dahsperc, wohl
Friedrichs Bruder. Auch dieser Henricus, der gleichfalls nur
einmal genannt wird, gehört als Ministeriale des Grafen Gott-
fried von Ronsberg hierher; die Ronsbergische Gebietsgrenze
reichte mit der noch innerhalb derselben gelegenen Ortschaft
Sontheim bis unmittelbar vor Memmingen, nahe gegen Erkheim
und Daxberg hin. Zu Augsburg verzichteten weiters 1227
März 20* die Brüder Heinrich und Friedrich von Dahsperc
vor K. Heinrich VI. für ein Entgelt von 70 Mark Silber auf die
Lehenschaft zweier Mausen ,in villa Widergeltingen^, mit denen
sich der 1191 f Herzog Weif ein Seelgeräte im Kloster Stein-
gaden am Lech gestiftet hatte.
Daß auch diese beiden Brüder, wohl Söhne Friedrichs
oder Heinrichs von Dahsperc, zu den Daxbergern bei Memmingen
gehören, steht außer Zweifel. Mit den beiden Gütern zu Wider-
geltingen ^ waren sie mindestens schon 1191 im Todesjahre
Herzog Welfs belehnt. Mit ihnen schließt die Reihe der Dax-
berger, von denen auch das Nekrolog von Ottobeuren eine
1 (aica) Hiltrut zu April 2^ und den Waltherus puer de Dahs-
perc zu August 6^ sowie das Totenbuch von Löwenthal zu
Juli 9® eine Wilibera und endlich eine Elisabeth von Dachs-
perg zu November 15® anführt. Die von Weiß-Starkenfels an-
genommene Möglichkeit, daß die stammverwandten Vettern von
Waldsee bei diesem frühzeitigen Erlöschen der Daxberger noch
erfolgreich Erbansprttche in Hinsicht auf eine drei bis vier
* WSt., 670-— 572; mangeU zwingender Beweise muß Weiß -Starkenfels*
Ansicht wohl Hypothese bleiben.
* Pforzheim = Pforzen, Ostlich von Ronsberg.
' Bei Weilheim, östlich vom Lech.
* WSt., 571. » östlich von Mindelheim.
« M. G. Nekrol. I, 106. ' Ebenda, 113.
* Ebenda, 199.
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246
Generationen erfolgte Abzweigung geltend machen konnten^ ist
allerdings nur eine vage zu nennen.
Von 1187 an verlautet nichts mehr über Berthold von
Waldsee, der indes damals noch nicht bejahrt sein konnte^ da
sein Vater noch sechs Jahre vorher am Leben gewesen war.
So mag Berthold erst in späteren Jahren dem Vater ins Grab
gefolgt sein, wenn nun auch der Zeitraum bis 1228 durch
keinerlei Urkunden oder Nachrichten ausgefüllt wird. Eber-
hard II., der daher ganz wohl als sein Sohn bezeichnet werden
kann, zumal er nach damaliger Sitte des Großvaters Taufnamen
führt, tritt zum ersten Male zu Ulm neben dem Truchsessen
Eberhard von Waldburg, Chunrat von Winterstetten u. a. als
Zeuge in der Urkunde auf, worin K. Heinrich VI. 1228 Fe-
bruar 23^ das Kloster Thurthal von der Vogtei des Grafen
Diethelm von Toggenburg befreite.
Dann zog Eberhard 11. mit K. Friedrich 11. gegen den
letzten Babenberger zu Felde, nach Österreich, wo seinem
Hause dereinst eine so große Zukunft erblühen sollte; zu Wels
bezeugt Eberhard H. im Juni 1235* die Bestätigung von Pri-
vilegien des Klosters Kremsmünster durch K. Friedrich ü. In
die Heimat zurückgekehrt, war der Waldseer zugegen, als Graf
Konrad von Freiburg i. B. 1238 August 30' das Freiburger
Predigerkloster von allem Zehent auf seinen Hufen befreite.
Auch befand er sich unter den Zeugen, als Konrad von Schma-
lenek 1241* in der Burghalle zu Winterstetten das Dorf
Theuringen dem Kloster Weißenau versetzte, ebenso als K. Kon-
rad IV. im Oktober dieses Jahres zu Baindt^ dieses Kloster von
jeder Vogtei befreite.
Zweimal noch tritt Eberhard ü. als Zeuge auf; so im
April 1245^ zu Ittendorf, wo Graf Berthold von Heiligenberg
auf Bitten Konrads von Schmalenek dem Kloster Baindt sein
Eigentum an Gütern zu Eggenreut schenkte, und leztlich be-
zeugt er neben denen von Waldburg, Winterstetten, Warthausen
» Wartmann, Urk.-B. von St. Gallen lU, 76.
* Hagn, Urk.-B. von Kremsmünster, 81—83.
* Schreiber, Urk.-B. von Freibarg i. B. I, 60.
* Wirtemberg. Urk.-B. IV, 7.
' Bei Ravensburg; Wirtemberg. Urk.-B. IV, 89.
« Ebenda.
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247
und Ravensburg 1248 Mai 5* zu Augsburg K. Konrads IV. Be-
stätigung der Freiheiten des Klosters Weingarten.
Seither wird Eberhard EL., auf dem das Geschlecht der
Waldseer offenbar allein beruht hatte^ nicht mehr genannt. Als
seine Gemahlin mag jene Mechtildis gelten, deren Name sich als
etwa gleichzeitige Eintragung im neu aufgefundenen Toten-
buche des Klosters Salem zu Januar 14 findet:* ,ob. Mechtildis
uxor dicti de Waise, de qua datur pitancia.' Sie entstammte
sicherlich einem der so oft mit den Waldseem genannten Adels-
geschlechter der Umgebung.
Daß die nächstfolgenden Waldseer, Eberhard III. und Wolf-
gang I., Söhne dieses Ehepaares waren, unterliegt schwerlich
einem Zweifel. Bereits drei Jahre später hören wir von Eber-
hard III., dem älteren der Brüder. 1251 Februar 11' er-
teilte Papst Innozenz IV. zu Lyon Adelheid,* der Nichte des
Bischofs von Konstanz, Eberhard von Waldburg, die päpstliche
Dispens, sich mit Eberhard de Waldse^ ,fautore quondam Fri-
derici 11.^, zu vermählen, der mit ihr im vierten Grade verwandt
war, in der Erwartung, daß Eberhard von Waldburg dafür die
Adeligen Walther und Qozwin von Hohen vels, die er vordem
im Dienste K. Friedrichs IL gefangengenommen hatte und
seither in sicherem Gewahrsam hielt, freilassen werde. Als stau-
fische Ministerialen nahmen die Waldseer an den Kämpfen
dieser Jahre natürUch auf der Seite ihrer Lehensherren teil und
so erklärt sich der Mangel von Nachrichten über das Geschlecht
für die nächsten acht Jahre durch die Wirren, welche das ge-
rade in Schwaben so fühlbare Erlöschen der Staufer mit sich
brachte. Seinen Frieden mit der kirchlichen Partei hat Eber-
hard m. offenbar bald nach K. Friedrichs 11. Tode gemacht.
Später hören wir wieder von ihm, als derselbe Bischof Eber-
hard von Konstanz 1259 September 12^ dem miles Wernher
Geistinc de Raderach das Kirchenpatronat zu Toggenhausen
vertauschte, wofür er die von letzterem dem Grafen Berthold
von Heiligenberg aufgesagten und zur Hälfte verkauften Güter
zu Marcdorf erhielt, deren restliche Hälfte der miles Eberhart
* Wirtemberg. Urk.-B. IV, 176.
* Zeitochr. f. Ge«ch. d. Oberrh., Neue Folge XIV, 516.
* M. 6. Epistol. Saec. Xm, Bd. m, 43.
* Vgl. die Genealogie.
' Ladewig, Reg. episcop. Constant. 228.
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248
de Waise auf Lebenszeit innehatte, für die ein eventueller
Eaufschilling von 650 Mark Silber vereinbart wurde. Im Juni
1262^ hängte Eberhardus senior de Waise neben denen von
Winterstetten, Warthausen u. a. zu Waldsee sein Siegel an die
Urkunde, worin Prior und Konvent von Ochsenhausen dem
Heinrich von Seldenhoven eine Mark Silber jährlich aus der
Vogtei über das Dorf Furamoos zu Lehen gaben.
Der bereits um 1250 vermählte Eberhard IIL und sein
Bruder Wolfgang I. standen damals im besten Mannesalter und
hatten bereits erwachsene Söhne und Töchter. So war 1264
Oktober 21* Eberhard (IV.) iunior de Waldse volljährig als
Zeuge bei der Beurkundung des Tausches zugegen, womit
Konrad, Schenk von Winterstetten den Besitz zu Auigg dem
Kloster Waldsee überließ und seiner Tochter Elisabeth schenkte
Eberhard (in.) 1266 August 28» zu Zell bei ihrem Eintritte
in das Kloster Baindt seinen Besitz zu Gunenhus.^
Da Eberhard IV. nach 1264 erst 1280 wieder auftritt, mag
er 1267 an dem Zuge Konradins nach Italien teilgenommen
haben, der mit dem tragischen Tode des letzten Staufers en-
dete. Wenige Jahre nach seiner Rückkehr schloß er sich dann
dem neuen Könige Rudolf von Habsburg an und zog nach und
nach alle seine Brüder mit sich in die neue Heimat nach Oster-
reich; seit 1264 treflFen wir ihn nicht mehr in Schwaben an.
Dort urkundet zunächst sein Vater Eberhard HI. allein
weiter. 1268 Dezember 2,* also während sich zu Neapel
das Schicksal des unglücklichen Staufers erflillte, bezeugt der
alte Eberhard HI. daheim zu Waldsee den Verzicht Heinrichs
von Ingoldingen gegen das Erlöster Baindt auf den Besitz zu
Littebach und Marcdorf, und demselben Kloster eignete er im
folgenden Jahre 1269 September 24^ zu Waldsee im eigenen,
sowie im Namen seines Bruders (Wolfgang I.), der ihn daflir
mit Geld entschädigt hatte, den von seinen Vorfahren ererbten
Hof zu Harlanden samt Zugehör, den Wald ausgenommen, zu.
Eine weitere Stiftung Walthers von Tann flir Baindt be-
zeugten 1271 März 18 "^ zu Waldsee der sonst nicht genannte
» Wirtemberg. Urk.-B. VI, 61. • Ebenda, 157. » Ebenda, 266.
* = Kofeld bei Bodnegg?
* Wirtemberg. Urk.-B. VI, 426/6. • Ebenda VU, 50.
' Ebenda, 132.
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249
dominus Alber miles de Waise ^ und Wolfgangus (I.) de Cella
als Lehensherren. Wie Eberhard IIL war auch sein Bruder
Wol%ang I. mit einer Schwester des Truchsessen Eberhard
von Waldburg vermählt, der 1275 Juli 21* mit Einwilligung
seiner Schwester zu Zell, Waldsee und Marcdorf dem Kloster
Weingarten benannte Güter schenkte. Die Urkunde darüber
besiegelten der miles Eberhardus de Waldse; fllr dessen
avunculus de Cella Wolfgang (EL.) hing der gleichnamige Vater
sein Siegel daran, das gleichfalls den Balkenschild der Walseer
mit der Legende zeigt. Zweifellos sind somit Wolfgang I. von
Zell und der schon 1269 erwähnte Bruder Eberhards III. eine
Person; in der Urkunde von 1281 Mai 23,* laut welcher Her-
mann Ronemann dem Kloster Weingarten mehrere Güter ver-
kaufte, wird Wolfgangs I. ausdrücklich als Eberhard III. Bruder
bezeichnet. Daß Wolfgang I. Sohn Wolfgang II. von dem
Truchsessen Eberhard von Waldburg avunculus genannt wird,
braucht uns daran nicht irre zu machen, da diese Bezeichnung
damals auch vom Oheime dem Neffen zurückgegeben wurde.
Schon seit 1271 saß also Wolfgang I. und 1275 sein gleich-
namiger Sohn östlich von Waldsee zu Zell, dem später und
noch gegenwärtig Eberhardszeil genannten PfaiTdorfe; vorher
war nur der Name Cella gebräuchlich gewesen und noch 1353
hieß es die Cella Wolfgangi, über welche die Habsburger als
Käufer das Patronatsrecht ausübten. Während Wolfgang I. seit
1281 nicht mehr erwähnt wird, tritt sein Sohn noch mehrfach
in Urkunden auf. So erhielt Wolfgang 11. von Waldsee vom
Abte Albrecht von Reichenau 1282 November 24* die Erlaub-
nis, alle Güter, die er von diesem Kloster zu Leben trug, dem
Eberhard von Junging und Johann von Ruckenburg zu über-
geben. Weiters schenkte Wolfgang II. 1286 April 16* dem
Kloster Baindt Güter in Gaisbeuren; er wird unter Zeugen ge-
nannt, als fünf Schiedsrichter 1290 Oktober 18* zu Salem
einen Streit zwischen diesem Kloster und Dietrich von Neufrach
um einen Hof zu Neufrach entschieden. Ebenso bezeugt er
Oktober 23^ gleichen Jahres die Verkaufsurkunde des Ritters
* Vgl. über ihn die Qenealogie.
« Wirtemberg. Urk.-U. VO, 361/2.
» WSt, 673.
* Weech, Cod. dipl. Salemit. II, 397.
» W8t., 673.
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250
Friedrich von Ryeth gegen das Kloster Weingarten. Leztlich
beurkundet Wolfgang IL 1291 Oktober 16^ gemeinschafUich
mit dem Schenken Konrad d. A. von Winterstetten, daß ihr ge-
treuer Konrad Bothunc seinen Hof zu Olzreute mit ihrer Ein-
willigung dem Kloster Schussenried verkauft habe. Wolfgang 11.
scheint später nach Osterreich gekommen und in Beziehungen
zu seinen Vettern getreten zu sein. Nach einer Stelle im
Zwettler Stiftungsbuche war er um 1311 bereits tot* Die
weiteren Nachrichten über diese walseeische Seitenlinie sind
dürftig genug. Zell verblieb derselben nicht^ sondern befand
sich 1325 bereits wieder, gleich den übrigen in Schwaben ge-
legenen Qütern, im Besitze des walseeischen Hauptstammes^ ohne
daß wir weiteres über diese Besitzveränderungen erfahren.
Wir hören von den Dachsbergem erst wieder im Jahre
1328, • wo Heinrich von Dachsberg in den Verzicht seiner
Gattin Klara, einer geborenen Schenkin von Winterstetten, auf
ein Gut zu Rüti und Onolzreute zugunsten des Klosters Schufen-
ried einwilligt. Sein Siegel (der walseeische Balkenschild)
sowie die Anführung seiner Gattin stellen die Identität dieses
Heinrich mit jenem Heinrich (IV.), dem Alten von Waltse, ge-
nannt von Daxberg, außer Frage, dem wir als bejahrtem Manne
1341 nochmals begegnen. Mit gutem Grunde hält ihn Weiß-
Starkenfels* für Wolfgangs IL Sohn und führt das Fehlen
weiteren Urkundenmateriales über die Dachsberger Linie auf
den Verlust der Archive des Klosters Kempten zurück. Der
erwähnte Heinrich (IV.) veräußerte 1341 verschiedene Lehen
um Memmingen und Kempten an Heinrich von Eisenberg, den
Herzog Albrecht damit 1341 Januar 31* zu Wien belehnte. Am
22. Oktober dieses Jahres * verzichtete Heinrich IV. in Linz zu-
gunsten seiner längst nach Osterreich ausgewanderten Vettern
von Waltsee auf alle Ansprüche hinsichtlich ihrer Besitzungen
in Schwaben, Waldsee oder anderswo. Heinrich IV. starb wohl
bald darauf; seine Witwe Klara von Winterstätten verkaufte im
Jahre 1362' ihre Güter zu Daxberg, Erkheim und Fricken-
» WSt., 573.
• Vgl. die Genealogie.
' Alberti, Württemberg. Adels- und Wappenbach I, 116.
• 8. 574. » Regesta Boica VU, 296.
• UBoE. VI, 395. * Baomann, Gesch. des Allgäus II, 585.
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251
hausen^ an Berthold von Königsegg, was bereits andeutet, daß
ein männlicher Sproß weltlichen Standes in dieser Linie nicht
vorhanden war. Heinrich IV. scheint bloß einen Sohn gleichen
Namens (IX.) hinterlassen zu haben, der im Jahre 1368 Chor-
herr des Züricher Frauenmiinsters war, dem er wohl zur Ver-
sehung des Gottesdienstes beigegeben war; er soll 1369 No-
vember 22* gestorben sein. Noch Mai 27 und Juli 21 13733
aber gedenken seiner zwei Züricher Urkunden, laut welcher
Johann von Lichtenwörth, thesaurarius zu Brixen, namens des
Helias de Vedrovia, Kantors zu Xanten und Kollektors des
päpstlichen Zehents, beurkundet, es seien ihm von der Abtei
Zürich und dortigen Pfarren 50 Qoldgulden durch den Presbyter
Henricus de Waise canonicus gesammelt worden; dieses Geldes
habe ihn der Knecht Peter von Spiegelberg auf der Konstanzer
Straße von Zürich nach Winterthur beraubt. Dies ist unsere
letzte Kunde über den Daxbergischen Nebenzweig des Hauses
Walsee.
Wenden wir uns wieder dem Hauptstamme, Eberhard HI.
und seinen Nachkommen zu. Jener urkundet nach 1281, wo
wir seiner zuletzt gedachten, in seiner schwäbischen Heimat
weiter. Zunächst war er unter den Zeugen gewesen, als Truch-
seß Eberhard von Waldburg 1277 März 11* dem Kloster Wein-
garten gewisse Zehente übertrug und 1280 April 1 Höfe und
eine Mühle zu Altdorf verkaufte. Im Jahre 1283 schenkte
Eberhard III. dem Stifte Waldsee, das durch die Erbauung der
Mauern von Waldsee Schaden gelitten, sein Gut zu Gaisbeuren
und übei^pab 1286 September 8* dem Kloster Baindt Güter in
Reut, Lehen des Grafen von Merkenberg. 1293 Januar 5*
siegelt Eberhard HI. als Vogt des Klosters Waldsee die Urkunde,
laut welcher Bischof Rudolf von Konstanz einen Gütertausch
zwischen dem Kanonikus Berthold als Prokurator des Klosters
Waldsee und dem Kloster Weingarten genehmigte, und gab am
gleichen Tage seine Zustimmung, daß ersteres Kloster dem
Stifte Weingarten Zehente zu Ankenreut übergebe. Letztlich
siegelte Eberhard HI. 1293 März 18^ die Schenkungsurkunde
der Brüder Heinrich und Hartmann die Romanenser an das
Kloster St. Elisabeth zu Memmingen als der ,älteste von Wald-
1 Bei Dazberg. > M. G. Necrol. I, 614.
^ WSt., 674. * Ebenda, flF.
^ M. Feyerabend, Jahrbücher des Stiftes Ottobeuren.
ArcbiT. XCY. Band. II. Hälfte. 18
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252
see^, da er von seinem ältesten Sohne Eberhard IV. einen ebenso
genannten Enkel hatte; dies die letzte Nachricht über Eber-
hard in., der wohl in den nächsten Jahren aus dem Leben schied.
So sehen wir Eberhard HI. bis an sein Lebensende die
schwäbischen Güter seines Hauses bewahren und verwalten,
während seine Söhne an K. Rudolfs Zügen nach Osterreich
teilnahmen und unter K. Albrecht I. immer mehr mit den dor-
tigen Verhältnissen verknüpft und schließlich sämtlich in Öster-
reich seßhaft wurden.
Eberhard HL, der sich also nie dauernd in Osterreich
aufhielt/ war mit einer zahlreichen Nachkommenschaft, sechs
Söhnen und drei Töchtern gesegnet. Von der ältesten Tochter
Elsbeth abgesehen, welche frühzeitig in das schwäbische Kloster
Baindt eintrat, wurden sie alle in Osterreich heimisch. Die
beiden jüngeren Schwestern verheirateten sich dort und von
den Brüdern gründeten Eberhard IV., Heinrich I., Ulrich I.
und Friedrich I. die österreichischen Linien des Hauses Walsee
zu Linz, Ens, Graz (oder ob der Steiermark) und Drosendorf,
in denen sich das Geschlecht bis zu seinem Erlöschen fort-
pflanzte; Gebhard (II.) und Eonrad (H.) erlangten in Osterreich
als Geistliche einkömmHche Stellungen.
In dem Maße nun, als die Walseer in der neuen Heimat
durch ihre hohen Amter und Würden an Einfluß und durch
ihre daselbst sich rasch vergrößernden Besitzungen an An-
sehen und Reichtum gewannen, trat natürlich die Bedeutung
und Wichtigkeit der mehr und mehr vernachlässigten schwä-
bischen Stammgüter schon binnen weniger Jahrzehente zurück.
Der Schwerpunkt ihrer Macht verlegte sich immer mehr nach
Osterreich, bis es schließlich, als eine natürliche Folge dieser
Entwicklung, 1331 zum Verkaufe ihres sämtlichen schwäbi-
schen Besitzes an die Habsburger kam.
Seit dem Tode Eberhards III. standen die walseeischen
Burgen in Schwaben verlassen von ihren Herren, die sich be-
reits fast alle in Osterreich aufhielten, und wurden von Burg-
grafen und Amtleuten verwaltet.* Nur ab und zu noch er-
streckte sich die Tätigkeit der Söhne Eberhards HL auf ihren
* Vgl. die Genealogie.
* Genannt werden: Manegold, Amtmann 1295; Eberhard von Rosenawe,
Vogt 1306; Burkard von Jangingen, Barggraf 1326.
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253
gemeinschaftlichen schwäbischen Stammbesitz. Sie betraf, von
unbedeutenden Besitzveränderungen abgesehen^ zumeist das von
ihnen begünstigte Städtchen Waldsee oder das Kloster daselbst^
dessen Vogtei K. Rudolf den beiden älteren Söhnen Eberhards III.,
Eberhard IV. und Heinrich I. 1282 Mai 21 ^ für 20 Mark Silber
versetzt und die Verpfändung ungeachtet der früheren 1286
Februar 4* an Eberhard IV. und seine Brüder für 30 Mark
Silber erneuert hatte. Für Waldsee erwirkten die Brüder eine
Erweiterung des Stadtrechtes bei K. Albrecht I., der auf Bitten
der ^nobilium virorum fratrum de Walsee dilectorum nostrorum
fidelium^ der Stadt Waldsee 1298 September 13' zu Holzkirchen
die Rechte und Freiheiten verlieh, wie sie die benachbarten
Ravensbui^er besaßen. Nach K. Albrechts Ableben bestätigte
K. Heinrich VH. den Brüdern 1311 Juni 5* zu Brescia die Ver-
leihung der Klostervogtei durch die Habsbuiger. Zu Lichtmeß
1313^ schlössen die Brüder von Waldsee einen Gütertausch mit
dem Kloster daselbst und überließen demselben im gleichen
Jahre den großen und kleinen Korn- und Heuzehent zu Steinach.
1317 November 12* hatte Ulrich I. von Walsee-Graz ein Gut
zu Burgstall mit dem Kirchensatze um 290 ÄT^^ vom Frauen-
kloster zu Weiler erworben, dagegen 1322 Juni 7^ zu Marbach
sein Schloß Wolfsölden, das sein Sohn durch Heirat an sich
gebracht hatte — da es vom übrigen Besitze in Schwaben zu
sehr abgelegen war'' — dem Grafen Eberhard von Württemberg
verkauft. Im Jahre 1330 verzichtete Heinrich II. von Walsee-
Ens auf die Lehensgerechtigkeit über das Gut auf dem Baindlin,
die hohe Baind genannt, zugunsten des Klosters Waldsee, wel-
ches dieses Gut erkauft hatte.
1331 Februar 7® kam schließlich zu Wien jener ansehn-
liche Güterkauf zustande, durch welche die Walseer den Her-
zogen Albrecht II. und Otto von Österreich ihre sämtlichen Be-
sitzungen in Schwaben, nämlich Burg und Stadt Waldsee mit
der Vogtei des Klosters daselbst, sowie ^ Warthausen, Schwein-
hausen, ^® Laubheim," Zelle und Schwarzach ^* nebst der ihnen
> Bdbmer-Redlich, Reg. Imp., n. 1659. * Ebenda, n. 1990.
» NB. n, 210.
* WSt, 674. » Ebenda, ö75. • Ebenda, 579; vgl. die Genealogie.
' Bei Marbach gelegen. • UBoE. VI, 1—2.
» Bei Biberach. »« Bei Waldsee. " Südlich von Ulm.
^ Unter-Schwarzacb, (totlich von Waldsee.
18»
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254
von den Herzogen für 500 Mark Silber verpftlndeten F^te
Winterstetten um 11.000 Mark Silber verkauften; anstatt dieser
Barsumme wurde ihnen eine Anzahl österreichischer Pfand-
schaften tiberantwortet.
Noch sei der Herkunft dieser schwäbischen Be-
sitzungen gedacht.^ Die alte gleichnamige Stanunfeste der
Waldseer — das nun waldburgische Schloß kommt nicht in
Betracht — stand an der Nordseite der Stadt, wo sich die
Straßen nach Biberach und nach dem Saulgau gabeln, auf
einem noch gegenwärtig die Buchhalde genannten Htigel.
Weder davon, noch von dem eine Stunde stidhch gelegenen
Sitze Neuwaldsee, dessen Erbauung in die Wende des 13. und
14. Jahrhunderts, also wohl in die letzten Lebensjahre Eber-
hards HI. von Waldsee fallen soll, ist ein Überbleibsel und nur
noch der Name des alten Gemäuers geblieben. Mit Waldsee
dürften Eberhards HI. Söhne auch Schwarzach und Laubheim
ererbt haben, von denen ersteres ein Geschlecht gleichen
Namens als Soldlehen von den Waldseem innehatte, letzteres
nach 1280 von der Witwe Ottos von Laubheim, des letzten
dieses Geschlechtes, an die Waldseer gekommen war. Hierzu
war (Eberhards-)Zell von der Wolfgangisch-Dachspergischen
Linie etwa im Tauschwege oder durch Erbschaft an sie ge-
langt. Warthausen und Schweinhausen waren den um 1321
erloschenen Truchsessen von Warthausen, einem Zweige derer
von Waldburg, zugestanden; schon zu Lichtmeß 1325 erscheinen
die von Waldsee im Besitze dieser Güter, die sie wohl durch
Kauf an sich gebracht hatten. Winterstetten war, wie die
gleiche Urkunde besagt, walseeische Pfandschaft von den Habs-
burgern, an welche es durch die Schenken von Winterstetten
gekommen war.*
Diese waren also die keineswegs imansehnlichen Stamm-
güter der HeiTcn von Walsee, die somit dem Neide und der
Mißgunst gegenüber, die sie in Osterreich alsbald erfuhren, auf
ein Jahrhundert ehrenhafter Vergangenheit und einen Besitz
hinweisen konnten, der weder klein noch von geringem Er-
trage war. Betrugen doch die Einkünfte aus der Herrschaft
Waldsee drei Jahre nach der Übergabe — und vorher dürften
* Vgl. Memminger, Beschreibung des Oberamtes Waldsee.
« WSt., 674.
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sie wohl die gleichen gewesen sein — jährlich 1680 Malter
Getreide und 588 & 6 jS sin Geld, ^ ein stattliches Einkommen !
Auf österreichischem Boden werden die schwäbischen
Ministeriales, beziehungsweise milites sofort zu einer der ersten
Familien des höchsten habsburgischen Dienstadels; auch kam
den Walseern dort zugute, daß sich eben an der Wende des
13. ins 14. Jahrhundert der neue Herrenstand entwickelte, zu
dessen hervorragendsten Mitgliedern sie nun zählen.
Damit schwinden die Walseer aus Schwaben; auch einige
niedere Dienstmannengeschlechter folgten ihnen nach Oster-
reich,* so vor allem die Aulendorfer (Alindorfer) — die spä-
teren Seiseneker, die Humbrechtsrieder, die von Jungingen und
von Rosenau.
Anstatt des früheren Waldsee, wie das wtirttembergische
Städtchen heute noch heißt, wurde in Österreich immer mehr
und seit der Mitte des 14. Jahrhunderts so gut wie ausschließ-
lich die Form Walsee gebräuchlich, der auch wir uns bedienen
wollen.
n. Abschnitt.
Die Anfiiiige der Walseer in Österreich.
Gleich vielen schwäbischen Adeligen kamen auch Eber-
hards in. von Waldsee Söhne auf K. Rudolfs Zligen gegen
Ottokar II. von Böhmen nach Osterreich, das bereits ihr Groß-
vater im Jahre 1235 bei K. Friedrichs II. Heerfahrt gegen den
letzten Babenberger betreten hatte.
Dem ältesten der Brüder, Eberhard IV., der sich 1280*
am Hofe K. Rudolfs aufhielt, folgte zunächst Heinrich I. von
Waldsee dahin und der König verpfilndete diesen beiden 1282
Mai 21* die Vogtei des heimatlichen Klosters Waldsee um
20 Mark Silber. Nochmals wurde dieselbe 1286 » Eberhard IV.
und seinen Brüdern für ihre Dienste um weitere 30 Mark
Silber versetzt. Von den Verdiensten und Taten, durch die
sich die Brüder unter K. Rudolf auszeichneten, wird uns nichts
^ Chmel, Österreichischer Geschichtsforscher II, 253.
« Vgl. 8. 446—447.
' Urk. 1280 Aügnst 17; Winkelmann, Acta imperii inedita ü, 103.
* Böhmer-Redlich, Regesta Imperii, n. 1669. * Ebenda, n. 1990.
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256
berichtet; sie waren indes jedenfalls besonders geeignet, das
Vertrauen des Königs zu erwecken.
So kam es, daß die mit den österreichischen Verhältnissen
bereits vertrauten Brüder nach dem Augsburger Reichstage,
auf dem E. Rudolf seinen Sohn Albrecht gemeinsam mit dessen
Bruder Rudolf im Dezember 1282 mit den österreichischen
Herzogtümern belehnte, nebst dem Landenberger Mitglieder
des einflußreichen heimlichen Rates wurden,* neben welchem
der aus 16 Österreichern bestehende weitere Rat, den der
König seinem Sohne mitgegeben hatte, immer mehr zurücktrat.
Damit werden die Waldseer auf österreichischem Boden
heimisch und hier gewinnt das Geschlecht, das sich in dieser
neuen Heimat ausleben sollte, eine unvergleichUch größere
Bedeutung. War in Schwaben der Besitz des Hauses, wenn
auch nicht unbedeutend, so doch auf einen eng umgrenzten
Raum beschränkt, reichten die Beziehungen und Kreise,
in denen sich dort das Leben des Stammes abspielte,
nicht über die Landschaft zwischen Donau und Bodensee
hinaus, so wird ihnen nun ein weites Feld geöffnet, auf dem
sie sich in reichem Maße zur Geltung bringen. Die treuen
,Schwaben', die Waldseer und Hermann von Landenberg sowie
Hang von Taufers werden jetzt an der Seite Herzog Albrechts
die besten Stützen der habsburgischen Herrschaft. Dienst-
mannentreue und die gemeinsame schwäbische Abkunft, dazu
die Dankbarkeit banden sie an das neue Herrscherhaus, wie
nicht minder die Abneigung, mit der ihnen der eifersüchtige
Adel Österreichs anfangs begegnete. So war das Geschick ihres
Geschlechtes an das Interesse der Habsburger geknüpft, das
sie auch jederzeit und in den schwierigsten Lagen auf das
nachdrücklichste verteidigten. Und fürwahr, das tat zunächst
umsomehr not, als es langwieriger innerer Kämpfe und einer
Anzahl auswärtiger Feldzüge gegen eine geschlossene Reihe
feindlicher Nachbarn bedurft;e, um die habsburgische Herrschaft
in den neugewonnenen Gebieten sicherzustellen.
Herzog Albrecht sah sich in Österreich schwierigen Pro-
blemen der inneren wie äußeren Politik gegenüber. Wollte er
im Lande festen Fuß fassen, seine Landeshoheit allenthalben
^ Matthias v. Neaenbarg, Böhmer, Fontes Rerum Germanicarnm IV, 191,
zählt sie irrig dem 16gliedrigen Rate bei.
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257
zur Geltung briDgen, so mußte er alsbald gerade mit denselben
Faktoren in Gegnerschaft geraten^ die sich dem Könige ange-
schlossen hatten^ um Ottokar IL, der ein strenges Regiment als
Landesherr geführt hatte, zu Falle zu bringen. Sie alle, der
Adel, die Kirche und das Bürgertum fanden sich enttäuscht
angesichts der Tatsache, fUr eine feste Hand eine andere
eingetauscht zu haben, und waren nicht gewillt, sich die Zu-
geständnisse, die ihnen der König gewährt hatte, um sie gegen
Ottokar zu gewinnen, leichten Kampfes entwinden zu lassen.
Da sein weiterer Rat von 16 Mitgliedern nur aus Österreichern
bestand, welche weniger als sichere Verfechter des landesherr-
lichen als vielmehr des ständischen Interesses gelten konnten,
nahm er demselben alle Bedeutung und verlegte sie in seinen
,geheimen Rat', ^ unter dessen Schwaben die Walseer die wich-
tigsten MitgUeder wurden. Die höchsten Amter besetzte er
gleichfalls mit Schwaben; Eberhard IV. wurde Landrichter ob
der Ens, Hermann von Landenberg Marschall in (Nieder-)
Osterreich. In der Steiermark erhob er Ulrich I. von Walsee
nach dem Tode des treuen Landschreibers Heinrich von Ad-
mont (t 1297) 1299 zum Hauptmanne.
Überdies kam gerade unter Herzog Albrecht jene Um-
bildung des Adels mehr und mehr zum Abschlüsse, aus welcher
der Herren- und der Ritterstand hervorgingen.* Im Herren-
Stande, der den hohen Adel — Grafen, Freie und Dienst-
mannen (Ministerialen) umfassend — bildete, bewegen sich nun
auch die neuen schwäbischen Geschlechter, unter ihnen die
Walseer, und sie wirkten durch Verbindungen und Beziehungen
auch auf diesem Boden fUr die Aussöhnung mit den neuen Ver-
hältnissen. ^
Immerhin war die Lage Herzog Albrechts trotz aller Un-
zufriedenheit im Innern und des Neides der Nachbarn, welche
die neue Hausmacht mit scheelen BUcken betrachteten, gewiß
* Vgl. Krones, Landesfarstliche Behörden and Stände des Herzogtnms
Steiermark. Forschungen zur steirischen Verfassungs- und Verwaltungs-
gesch. IV, 190—194.
* Vgl. Nikoladoni, Zur Verfassung und Verwaltung der österreichischen
Herzogtümer, JBMFC. LXI, 104—106.
* Vgl. Siegel, Die rechtliche Stellung der Dienstmannen in Österreich.
Sitzungsherichte der Wiener Akademie der Wissensch., phil.-hist. Kl. CII,
236—286.
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258
keine gefährliche zu nennen, so lange K. Rudolf, der Träger
der Reichsgewalt, am Leben war und dieselbe für sein Haus
in die Wagschale werfen konnte. Nach dessen Ableben aber
stand denn auch alles auf dem Spiele.
Bereits im Winter 1287/88 gab Herzog Albrecht Eber-
hard IV. von Walsee einen selbständigen Wirkungskreis, in-
dem er ihn zum Nachfolger Ulrichs von Kapellen in dem
wichtigen Amte des Landrichters^ (des späteren [Landes-]
Hauptmannes) ob der Enns machte, welches seitdem zwei
Jahrhunderte hindurch fast ununterbrochen in den Händen des
Hauses Walsee verblieb. Eberhard IV. schlug damit seinen
Wohnsitz auf dem herzoglichen Schlosse in Linz auf, wonach
sich nun die von ihm begründete Linie seines Geschlechtes
nannte. Daselbst bezeugt er auch 1288 Januar 29' einen Linzer
Ratsspruch zum ersten Male in seiner Eigenschaft als ,Land-
richter ob Ens^ Im Frühlinge dieses Jahres befand er sich
auf dem Kriegsschauplatze zu Neuburg am Inn,' als Herzog
Albrecht gegen Baiern ins Feld zog. Eine Waffentat Eber-
hardts steht mit diesen Ereignissen in engem Zusammenhange.
Die Leute des Witigonen Zawisch, der sich nach seiner Bui^
Falkenstein *■ im oberen Mühlviertel nannte, hatten sich an dem
Kriege als bairische Parteigänger beteiligt. Nach Zawisch' Sturze
verständigte sich nun K. Wenzel, dem an der abgelegenen Feste
wenig lag, mit Herzog Albrecht, für den sie als vorgeschobener
Posten gegen Passau von Wert war. Der Herzog brachte sie
gegen eine Grenzkompensation an sich und ließ dem Unwesen
auf der Feste durch Eberhard IV. von Walsee ^ ein Ende
machen, der dieselbe nach längerer Belagerung einnahm. Auch
an der erfolgreichen Heerfahrt gegen Ungarn im Sommer 1289
nahmen die Walseer teil und zeichneten sich bei der Belagerung
von Deutsch-Altenburg aus.® Zu den Friedensverhandlungen
entsandte Herzog Albrecht auch Eberhard IV. von Walsee
nach Hainburg,'' wo am 28. August 1289 ein Vertrag mit dem
Ungarkönige zustande kam.
* Vgl. S. 456 — 467 und Nikoladoni, Zur Verfassung und Verwaltung der
österreichischen Herzogtümer LXI, JBMFC. 135 £f.
* UBoE. IV, 82. » Urk. 1288 Februar 20, ebenda 83.
* An der Mündung der Ranna in die Donau; vgl. Stmadt, Das Land im
Norden der Donau. AÖG. XCIV, 129—131.
^ Reimchronik, V. 23160 flf. « Ebenda, V. 30704. ' Ebenda, V. 43719.
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259
Zur Bestreitung der Kosten dieses Krieges vermochten
Eberhard IV. und Heinrich I. von Walsee für den Herzog
die bedeutende Summe von 2000^.^ auszulegen, wofür ihnen
dieser Freistadt und die Riedmark samt dem Landgerichte
und das Machland verpfändete und dadurch in sichere Hut
vor bairischen Aspirationen brachte. Auf diesem Satze, der
einzigen größeren Erwerbung aus dieser Periode, wies Eber-
hard IV. mit Zustimmung seines Bruders 1290 Januar 2* die
Mitgift Marias vonKuenring an, mit der er sich nach seiner
Rückkehr aus dem letzten Feldzuge vermählte — eine Verbin-
dung, welche die Walseer in die Kreise des österreichischen
Hochadels einführte, dessen vorzüglichste Mitglieder an der
Hochzeitsfeier teilnahmen.* Auch Heinrich I. vermählte sich
bald darauf mit Elsbet aus dem Hause der Starhemberger,
welchem die Walseer fortan bis zu ihrem Aussterben befreun-
det blieben.
Nun aber nahten kritische Jahre. Mit Herzog Albrecht,
der seinen Besitz erst nach einem Jahrzehent wenig unterbro-
chener Kämpfe, nicht zum wenigsten durch die Hilfe seiner
treuen Schwaben gesichert sah, war auch die ganze Stellung
gefährdet, welche die Walseer nun in Osterreich einnahmen.
Bereits 1288 mußte Herzog Albrecht einen Aufstand der
Wiener niederwerfen, die sich erhoben, als der Herzog die
ihnen von K. Rudolf gemachten Konzessionen zugunsten seiner
Landesherrlichkeit rückgängig machte. Während des Einfalles,
den K. Andreas von Ungarn im Sommer 1291 in die Gegend
westlich der Leitha unternahm, traten neuerlich Anzeichen von
Mißstimmung gegen den Herzog zutage. Der österreichische
Adel tat nichts, um dem Wüten der magyarischen Horden im
Vereine mit den Truppen des Herzogs Einhalt zu gebieten,
sondern verharrte in murrender Untätigkeit.* Ohne Zweifel
hatte der Adel bereits seit Jahren dem Herzoge gegrollt, nun
gab er seiner Gesinnung gegen Herzog Albrecht sofort in dem
AugenbUcke Ausdruck, als dem Landesherm durch den Tod
K. Rudolfs (t 1291 Juli 15) jener starke Rückhalt genommen
war, den er durch seinen Vater an der Reichsgewalt gehabt
hatte. Zusehends gewann die Bewegung gegen die Habsburger
* üBoE. IV, 120. « Vgl. die Genealogie.
» Cont. Zwetl. M. G. SS. IX, 665.
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260
an Bedeutung und Ausdehnung.* Und wie in Osterreich und
in der Steiermark^ so stand der unbotmäßige Adel aus ähn-
lichen Gründen auch in Kärnten gegen Meinhard von Görz
auf; den einzigen Helfer^ der Herzog Albrecht zur Seite stand^
als sich ein ganzer Bund mächtiger Fürsten, K. Wenzel von
Böhmen, die niederbairischen Herzoge sowie die Kirchenfiirsten
von Salzburg und Aquileja mit den mißvergnügten Adeligen
gegen ihn vereinte. Zudem entwickelten sich auch die Verhält-
nisse im Reiche zu seinen Ungunsten. Allenthalben sah sich der
einheimische Adel aus seiner Stellung verdrängt: die wichtigsten
Amter waren in den Händen der Schwaben, derselben, die
auch im heimlichen Kate des Herzogs maßgebenden Einfluß
auf Kosten des bedeutungslosen 16gUedrigen Rates erlangten,
in welchem die österreichischen und steirischen Adeligen ver-
treten waren. Überall nahm der Herzog seine Rechte als
Landesherr nachdrücklich wahr, insbesondere hinsichtlich der
landesfUrstUchen Güter; dies sowie die schlechte Münze ver-
spürten zumal die Finanzen der adeligen Herren. Vergeblich
verlangte man vom Herzoge die Bestätigung der ,alten Land-
rechtet Zeitgenössische Dichter, wie der Reimchronist und der
kleine Lucidarius geben in beredten Worten dem Groll gegen
das Schalten des Herzogs und seine ,Schwaben^ Ausdruck,
unter denen die Walseer und der Landenberger am besten ge-
haßt waren.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1291 wurde die Bewe-
gung zum Ausbruche reif. In Niederösterreich kam es indes
zu keinen bedeutenderen Ereignissen. Um Neujahr 1292 aber
schlug der steunsche Adel endUch los und sammelte seine
Streitkräfte; schon zogen auch die Bundesgenossen heran. Aber
rasch rückte Herzog Albrecht noch vor Ende Februar über
den Semmering ein, schlug die durch sein Erscheinen über-
raschten Aufständischen in mehreren Gefechten in Obersteier-
mark und zwang dadurch auch die eingedrungenen bairischen
und salzburgischen Truppen zum Rückzuge. Gerade jetzt zeigte
sich nun der Herzog nachgiebig und bestätigte, dem weisen
^ Vgl. Frieß, Herzog Albrecht und die Dienstherren in Österreich. Blätter
des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich XXII, 600 ß. und
Dopsch, Ein antihabsburgischer Fürstenbund im Jahre 1292. Mitt des
Inst, für österr. Gesch. XVI, 379 flf.
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261
Rate Eberhards IV. von Walsee folgend/ den Steirern ihre
Liandrechte^ — der einzig richtige Schritt, den der Herzog
angesichts der bedrohlichen Lage tun konnte. Während der
Kampf in Kärnten noch bis Ende 1292 fortdauerte, eilte Herzog
Albrecht ins Reich und huldigte, nachdem er vergeblich um
die deutsche Krone geworben, dem neuen Könige Adolf von
Nassau, der ihn mit seinen Herzogtümern belehnte.
Als er hierdurch eine sichere Stellung gewonnen, wandte
sich Herzog Albrecht nach der Schweiz, wo sich gleichfalls ein
starker Bund gegen ihn gebildet hatte. Da auch die Brüder
von Walsee sich auf diesem Zuge befanden, tritt in diesem
Jahre Weichard von Polheim anstatt Eberhards IV. von Wal-
see als Landrichter ob der Ens auf.* Im Hochsommer 1293
belagerte der Herzog die dem Abte von St. Gallen gehörige
Stadt Wil und übergab sie nach ihrer Einnahme der Obhut
Heinrichs von Klingenberg und eines der Brüder von Walsee. ^
Die Kosten dieses Feldzuges und die Vorftllle des Jahres 1292
nahmen allerdings ihre Mittel so in Anspruch, daß Eberhard IV.
sich zu Lichtmeß 1294* mit seinem Bruder über die Tilgung
einer beträchtUchen Schuldensumme einigen mußte.
Bei der Rückkehr Herzog Albrechts nach Osterreich kam
anfangs 1294 auch der dritte der Brüder von Walsee, Ulrich I.,
ins Land. Im gleichen Jahre schloß derselbe einen Ehebund
mit einer Elisabeth unbekannter Abkunft, wohl einer Steier-
märkerin, die ihm indes schwerlich großen Reichtum zubrachte.
Der Herzog stattete das junge Ehepaar* 1294 Oktober 8 mit
der ansehnlichen Summe von 600 ü^ aus, wofür er die Dörfer
Frannach, Mitter-Labill, Grasdorf bei Straden, Zehensdorf bei
Weinburg, Mettersdorf (bei St. Nikolai) und Gabersdorf ® zum
Pfände anwies.
Die politische Lage wurde neuerdings für Herzog Albrecht
gefahrdrohend. In Wien tobte 1294 abermals der Aufruhr und
weder der grollende Adel, noch die benachbarten feindlichen
Fürsten ließen von ihren Plänen ab, die Habsburger aus den
neuerworbenen Gebieten zu verdrängen. Dazu waren die Be-
* Reimchronik, V. 66039—65046.
» Urk. 1293 April 9; UBoE. IV, 186.
' Nlewe Casus St. Galli., Mitt. zur yaterl&ndischen Gesch. XVIII, 249.
* NB. I, 316. » ÜBoE. IV, 233.
* Sämtlich bei Leibnitz, Mittelsteiermark.
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262
Ziehungen Herzog Albrechts zu Adolf von Nassau im Frühling
1295 äußerst gespannte geworden. Damals entsandte der Her-
zog Eberhard IV. von Walsee zu König Adolf mit den zwei
Abordnungen, welche in dem zu Ende 1298 an den päpstlichen
Stuhl gerichteten Schreiben K. Albrechts erwähnt werden. ^
Der letzte Mißerfolg hinderte die unzufriedenen Land-
herren nicht, die Beziehungen zu Herzog Albrechts Gegnern,
dem K. Adolf, Erzbischof Konrad IV. von Salzburg, K. Wenzel
von Böhmen und dem Ungarn Iwan von Güssing aufrecht zu
erhalten. Zumal richtete sich ihr Haß gegen die schwäbischen
Räte des Herzogs, die gerade durch die letzte Empörung an
Einfluß und Macht gewonnen hatten; insbesondere den Wal-
seern warf man voll Neid ganz mit Unrecht vor, sie wären
ohne Pfennig ins Land gekommen und hätten sich durch ihre
Heiraten mit vermögenden Osterreicherinnen bereichert* Als
sich der Adel auswärtiger Hilfe sicher glaubte, suchte er nur
noch nach einer Gelegenheit zur Erhebung. Diesmal war es
der österreichische Adel, von dem die Bewegung ausging,
während jener der Steiermark, bereits durch seine Niederlage
von 1292 gewitzigt, bei derselben nicht hervortritt.
Anfangs November 1295 erkrankte Herzog Albrecht und
nun verbreitete sich das Gerücht, er sei am Martinstage (No-
vember 11) an Vergiftung gestorben. Sofort fiel der Adel über
die verhaßten Schwaben her und hatte bereits walseeisches Be-
sitztum verwüstet, als man erfuhr, jenes Gerücht sei falsch ge-
wesen, der Herzog genese. In ihrer Verlegenheit beriefen die
Empörer, deren Führer Leutold von Kuenring, Konrad von
Sumerau und Alber von Puchheim waren, eine Versammlung
nach Stockerau ein. Von dort wurde eine Abordnung an
K. Wenzel nach Böhmen entsandt, eine andere zum Herzoge
nach Wien, um ihm die Beschwerden des Adels vorzulegen,
welche Herzog Albrecht denn auch zu prüfen verhieß. Da
dieser Bescheid nicht den gewünschten Bruch mit dem Her-
zoge herbeiführte, war er den Absichten der Aufständischen
entgegen, die nun einen Tag nach Triebensee (Dorf, Tulln
gegenüber) einberiefen. Dort trafen günstige Zusagen aus
Böhmen ein;* zugleich erfuhr man den Einfall des Erzbischofs
* LB. II, 291.
« Reimchronik, V. 66801—66803. » Ebenda, V. 68470.
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263
von Salzburg ins Salzkammergut. In einem zweiten schrift-
lichen Begehren forderte man vom Herzoge die Bestätigung
aller Landrechte und die Entfernung der verhaßten Schwaben.
Seiner bedenklichen Lage bewußt, zeigte sich Herzog Albrecht
zur Nachgiebigkeit bereit und wollte nur Hermann von Landen-
berg und die drei Brüder von Walsee bei sich behalten.* Als
jedoch die in Triebensee Versammelten diesen Wunsch des
Herzogs schroff abwiesen, brach dieser die Verhandlungen mit
den Aufrührern ab; er hatte bereits Zeit gewonnen. Aus
Schwaben waren Hilfstruppen im Anzüge, auch von Böhmen
kein Angriff mehr zu besorgen und die Hoffnungen der Auf-
ständischen dadurch so herabgestimmt, daß sie sich nur noch
mühsam beisammenhalten Ueßen. Mit dem Eintreffen des Heeres
aus Schwaben war der Widerstand vollends gebrochen; Konrad
von Sumerau wurde landflüchtig, die meisten Landherren unter-
warfen sich.
So endete auch diese Erhebung des Adels mit einem Er-
folge Herzog Albrechts, der nun auch den angefeindeten
,Schwaben' zugute kam. Mehrfach gelangten jetzt Besitzungen
der Aufständischen in die Hände der verläßlichen Walseer. Als
Leutold von Kuenring am Sonnwendtage 1296* dem Herzog
Treue gelobte, überantwortete er als Unterpfand derselben dem
ihm verschwägerten Eberhard IV. von Walsee die Burgen Spitz
und Wolfstein in der Wachau auf fünf Jahre und setzte die
Schlösser Windeck * und Zistersdorf, sowie seinen Besitz auf dem
Marchfelde ebendemselben zum Pfände für die Rückgabe von
Weitra und WöUersdorf bis nächsten 2. Juli. Auch Güter der
Sumerauer gingen in der Folge an die Walseer über.
Noch standen indes andere Gegner Herzog Albrechts im
Felde, zunächst Erzbischof Konrad IV. von Salzburg, gegen
welchen der Herzog Ende Juni von Wien aufbrach. Salz-
burgisches Gebiet ward verwüstet und im JuU 1296* lagen
mit dem herzogUchen Heere auch Heinrich I. und Ulrich I. von
Walsee vor Radstadt. Nach der Rottenmanner Zusammenkunft
wurde ein Waffenstillstand vereinbart; der Herzog wünschte
» Reimchronik, V. 66790—66803.
* Fließ, Die Herren von Kuenring, S. 471, 472.
* Bei Schwertberg, Oberösterreich.
* Urk. 1296 Juli 29; Muchar, Gesch. der Steiermark VI, 109.
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264
indes jetzt den Frieden so wenig, daß er noch im Angnst 1296
von Judenburg aus an Heinrich I. von Walsee die Weisung er-
gehen ließ/ den Krieg nach Ablauf der Waffenruhe kräftig
fortzusetzen und 200 Mann Verstärkung an ihn absandte. Mit
diesen fiel Heinrich I. dann in Kärnten ein und verwüstete es
gi'ausam, unter anderem St. Andrä im Lavanttale, worauf er
Ende 1296 an den Hof des Herzogs nach Wien zurückkehrte.
Im Frühjahre 1297 vereinigte sich Heinrich I. auf steirischem
Boden mit seinem Bruder Ulrich L;* gemeinsam rückten sie
vor Leibnitz, wo der salzburgische Vizedom Ulrich — seit an-
fangs März Bischof von Seckau — seinen Sitz hatte, der durch
geschicktes Unterhandeln die Zerstörung von Leibnitz abwandte
und Verhandlungen anbahnte, die in Anwesenheit der drei
Brüder von Walsee am 24. September 1297* zu Wien ihren Ab-
schluß in einem endgültigen Frieden fanden. Als er dadurch
freie Hand erhalten, zog Herzog Albrecht noch im Herbste 1297
auch gegen Herzog Otto von Nieder-Baiern zu Felde; im
Passauer Frieden von 1297 Dezember 27* wurden österreichi-
scherseits Eberhard IV. und Heinrich I. von Walsee zu Schieds-
richtern über einige strittige Vertragspunkte erwählt.
Zugleich aber hatte sich Herzog Albrechts Verhältnis zu
K. Adolf so weit verschlimmert, daß schon um die Jahreswende
1297/98 die Bewerbung des Habsburgers um die deutsche
Krone und ein Zug gegen K. Adolf beschlossene Sache waren.
Überdies sicherte sich der Habsburger die Unterstützung der
Könige von Böhmen und Ungarn. Anfangs März 1298 zogen
die Truppen von Wien donauaufwärts und verstärkten sich
während des Marsches. Zu Wels befanden sich 1298 März 16^
bereits Eberhard IV. und Heinrich I. von Walsee bei Herzog
Albrechts Heere, dem sich auch deren Bruder Ulrich I. an-
schloß.® Durch die Landschaften an der oberen Donau und
am Oberrhein kam Herzog Albrecht in die Gegend von Straß-
burg, wo er Alzei belagerte. Von dort aus berief der Herzog
Ulrich I. von Walsee zurück,' der mit einem Grafen von Lich-
tenberg zum Entsätze des von K. Adolf berannten Städtchens
» Reimchronik, V. 69760 flf. « Ebenda, V. 69772 ff.
• Kurz, Österreich unter Albrecht I., Bd. II, 222.
* UBoE. IV, 278. » FRA. XXXI, 463.
« Reimchronik, V. 70 626. ' Ebenda, V. 71844-71347, 72268.
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265
Rufach ausgerückt war. In der darauffolgenden Schlacht bei
Göllheim waren die von Ulrich I. befehligten Steiermärker dem
Herzog Heinrich von Kärnten unterstellt.* Besonders Ulrich I.
,der voUechome degen' zeichnete sich in diesem Treffen aus;*
auch seine Brüder taten ihr Bestes.
Diese Verdienste wurden denn auch vom Herzog gewür-
digt. Auf ihre Bitten verlieh er auf seinem Rückmarsche zu
Holzkirchen bei Nördlingen der Stadt Waldsee 1298 Septem-
ber 13' alle Rechte und Freiheiten, wie sie das benachbarte
Ravensburg besaß. Bei der Belehnung der Söhne K. Albrechts
mit Osterreich auf dem Reichstage zu Nürnberg waren auch
die getreuen Walseer zugegen. Neben Eberhard IV. und Hein-
rich I. von Walsee wird im Lehenbriefe darüber von 1298
November 20* zum ersten Male als Zeuge ihr jüngerer Bruder
Friedrich I, von Walsee genannt, der nun nach dem Tode
seines Vaters Eberhard HI. mit seinen Schwestern den Brüdern
nach Osterreich folgte.
Damit, daß K. Albrecht die Reichsgewalt an sich gebracht
hatte, war die Stellung der Habsburger in Osterreich und da-
durch auch die ihrer Getreuen daselbst gesichert. Mochte ab
und zu noch die Abneigung gegen die ,Schwaben', so auf dem
Turniere, das man 1303 zu Graz abhielt, zum Aasdrucke
kommen, allmählich schwanden diese Symptome. Ein übriges
tat dabei vor allem der Umstand, daß die Walseer sich
mit mehreren wichtigen Ministerialengeschlechtem, so den
Kuenringem, Kapellem, Starhembergern und anderen ver-
schwägerten.
Nicht weniger aber mußte es den Walseern die Achtung
und Wertschätzung ihrer adeligen Standesgenossen erwerben,
daß sie jetzt, wo ihr Verbleiben im Lande gesichert war, in
rascher Folge bedeutenden Besitz an sich brachten und durch
ausgezeichnete Wirtschaft binnen wenigen Jahrzehnten auch zu
einer der reichsten Familien des österreichischen Adels wurden.
Die Ereignisse des letzten Jahrzehntes hatten insbesondere die
drei ältesten Brüder von Walsee, Eberhard IV., Heinrich I. und
» Beimchronik, V. 72609.
' Hirzelin, Böhmer, Fontes Rernm Qermanicaruin II, 486; Reimchronik,
V. 72669.
» NB. n, 10. * UBoE. IV, 287.
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266
Ulrich I., im Dienste des Herzogs aufs engste vereint. Nun
lockerte sich dieses Band in den folgenden Jahren einigermaßen
und zumal die Besitzentwicklung ließ mehr und mehr das Auf-
gehen des Hauses in seine vier Linien hervortreten^ die sich
nun auf dem Boden des gesamten damals habsburgischen Oster-
reich ausbreiteten.
Auch wir folgen diesem Zuge und gehen den Schicksalen
der einzelnen Zweige des Geschlechtes nach.
ni. Abschnitt.
Die Walseer za Linz.
1. Eberhard IV. 0280—1826.)
Als der älteste der eingewanderten Brüder von Walsee
hatte es Eberhard IV. zuerst zu einem Amte gebracht. Er
stand bereits im besten Mannesalter^ als ihm Herzog Albrecht
1287/88 das Landrichteramt ob der Ens übergab. Seitdem
er damit seinen Sitz auf dem Schlosse zu Linz genonmien hatte,
nannten er und die Seinen von demselben ihre Linie. Fast
durch zwei Jahrhunderte bUeben sie im Besitze dieses wichtigen
Amtes^ der nachmaligen Hauptmannschaft ob der Ens; dazu
kam noch bedeutender Grundbesitz in Osterreich ob und unter
der Ens, der die Bedeutung dieser Linie erhöhte.
Wir haben Eberhards IV. Wirken bereits bis zur QöU-
heimer Schlacht verfolgt; bei seiner Heimkunft von dem Nürn-
berger Reichstage hatte er zunächst im Auftrage K. Albrechts
Schadenerhebungen ^ wegen der Streitigkeiten zwischen Bischof
und Bürgerschaft in Passau zu pflegen, ffierauf begegnen wir
ihm seit Ende 1299 auf den Taidingen,* die er als Landrichter
ob der Ens abzuhalten hatte.
Im Frühling des Jahres 1300 begleitete der Walseer Her-
zog Rudolf, den ältesten Sohn K. Albrechts, auf seiner Hoch-
zeitsfahrt.' In Paris fand die Vermählung des fUrstlichen
Paares unter großen Festlichkeiten statt, bis der ti'cue Begleiter
^ Monumenta Boica XXYIII*, 248.
> UBoE. IV, 303 und MonumenU Boica IV, 160.
» Reimchronik, V. 75206 ff.
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267
schließlich zur Heimkehr mahnen mußte. Bis an die Grenze
folgte K. Philipp dem Zuge, der in den Rheingegenden von
K. Albrecht erwartet wurde und im Herbste in Wien anlangte.
Dort wurden abermals glänzende Feste gefeiert, bei denen sämt-
liche Walseer zugegen waren.
Auch in die Feldzüge, die nun K. Albrechts Reichspolitik
erheischten, ritt Eberhard IV. aus. So befand er sich bei dem
stattlichen Hilfsheere, das Herzog Rudolf im Sommer 1301
seinem Vater gegen die feindlichen rheinischen Kurfürsten zu-
führte. Mitte Juli 1301 ^ nahm er mit seinen Brüdern Ulrich I.
und Heinrich I. von Walsee an der Belagerung von Bensheim
an der Bergstraße teil. Nach Beendigung dieser Heerfahrt ge-
leiteten die Brüder die Herzoge Rudolf und Friedrich nach
Passau, wo am 17. Februar 1302* ein Bündnis mit den Her-
zogen Otto und Stefan von Baiern gegen den Pfalzgrafen zu-
stande kam.
Ende April 1304* besuchte Eberhard IV. mit seinen Brü-
dern das große Taiding, das Herzog Rudolf in Judenburg ab-
hielt, und folgte mit denselben dem Herzoge nach Osterreich,
als dessen Anwesenheit angesichts des Eingreifens K. Wenzels
in die ungarische Thronfrage erforderlich war. Nach der Flucht
des Böhmenkönigs erlangte die Partei K. Roberts in Ungarn
die Oberhand und mit diesem führten auch die Walseer als
österreichische Bevollmächtigte Verhandlungen über ein Schutz-
und Trutzbündnis, welches Herzog Rudolf dann am 24. August
1304 in ihrer Gegenwart einging.* Ebenso waren die Brüder
beim Abschlüsse des Friedens zu Nürnberg am 15. August
1305^ mit Herzog Otto von Baiem, dem einflußreichen Ratgeber
K. Wenzels IH. von Böhmen, erfolgreich tätig.
Der Tod des Habsburgers Rudolfs III. (f 1307 Juli 3)
brachte dessen Haus wieder um die kaum erst erworbene
Krone Böhmens. Vergeblich suchte es K. Albrecht zu ver-
hindern, daß dort der Görzer Heinrich zum Könige gewählt
wurde; Herzog Friedrich, der von Süden über Mähren vor-
rückte, vermochte ebenfalls keine nachhaltigen Erfolge zu er-
* Vgl. ürk. 1301 Juli 12; Böhmer, Reg. Imp., n. 348.
* Kurz, Österreich unter Ottokar und Albrecht I., Bd. II, 238.
' Muchar, Gesch. der Steiermark VI, 150.
* Reimchronik, V. 84174. » Ebenda, V, 86667.
ArehiT. XCY. Band. U. Hüfte. 19
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268
zielen, und auch der günstige Verlauf der Kämpfe in dem
Stammbesitze des Görzers, in Kärnten, konnte daran nichts
ändern. Eben traf Herzog Friedrich im Frühling 1308 An-
stalten, den Kampf um Böhmen zu erneuern, als K. Albrecht
am 1. Mai 1308 in seinen Stammlanden ein blutiges Ende
fand — ein bedeutungsvolles Ereignis, das den Habsborgem
die deutsche Königskrone wieder entwand und abermals alle
die feindseligen Kräfte in Osterreich entfesselte, die K. Albrecht
in den letzten Jahrzehnten mit starker Hand erfolgreich nieder-
gehalten hatte. Unter diesen Verhältnissen vermochten die
Habsburger mit ihren geschwächten Machtmitteln ihre Ab-
sichten auf Böhmen nicht durchzusetzen; der neuerliche Feld-
zug endete im Herbste 1308 mit dem Znaimer Vertrage, in
welchem Böhmen aufgegeben wurde. Dazu wurde Ende 1308
Heinrich von Luxemburg zum deutschen König gewählt und
so mußte Herzog Friedrich der Schöne bei der allgemein feind-
seligen Stimmung gegen sein Haus darauf bedacht sein, vor
allem von dem neuen Reichsoberhaupte die Belehnung mit
Osterreich und Steiermark zu erhalten, wozu er anfangs 1309
ins Reich auszog.
Zum letzten Male trat nun abermals die antihabsburgische
Partei in Osterreich auf; K. Albrechts Tod, die den Habsbur-
gern mißgünstige Stimmung so vieler Reichflirsten und vor
allem die wichtige Frage, ob wohl Herzog Friedrich die Be-
lehnung erreichen werde, nährten die Hoffiiungen der Unzufrie-
denen. Auch diesmal fanden dieselben Unterstützung bei den
bairischen Herzogen, welche gegen Neuburg am Inn zogen;
unter bairischen Fahnen sammelte sich aufständischer Adel in
Niederösterreich, auf dessen Boden die bald niedergeworfene
Bewegung sich abspielte. Wir erfahren nichts über Eberhards IV.
Tätigkeit bei diesen Ereignissen in seinem Wirkungskreise
Oberösterreich, ebensowenig aus dem folgenden Jahre, wo
Herzog Friedrich den erfolglosen Kampf gegen die bairischen
Herzoge eröffnete und mit seinem Hauptheere aus der Traun-
gegend in das Inn viertel vordrang.
Im Frühjahr 1311 zog Eberhard IV. von Walsee-Linz mit
Dietrich von Pillichdorf als Abgesandter Herzog Friedrichs
nach Oberitalien zu K. Heinrich VII., der beide wohlwollend
aufnahm. Bei diesem Anlasse bestätigte der König 1311 Juni 5^
> WSt., 674.
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269
den Walseern die Verpfändung der Vogtei des Klosters Wald-
see im Lager zu Brescia, wo Verhandlungen^ betreffs der Ent-
schädigung, welche K. Johann fUr den Verzicht der Habsburger
auf Böhmen zahlen sollte, sowie über die geplante Vermählung
der Schwester des Königs mit Herzog Friedrich gepflogen
wurden. Nur schwer vermochten die Habsburger den Verlust
Böhmens zu verschmerzen, das nun nach der Vertreibung Hein-
richs von Görz die Luxemburger fiir sich gewonnen hatten. In
dem darauffolgenden Znaimer Vertrage (1312 August 18*)
machte Herzog Friedrich dem Böhmenkönige als Vertragsbürgen
auch Eberhard IV. von Walsee-Linz namhaft, welcher an den
habsburgischen Beziehungen zum Adel zumal Südböhmens An-
teil hatte, wie der Revers des Benesch von Michelsberg von
Lichtmeß 1312» dartut.
Während dieser Friedensjahre konnten sich die Walseer
der Verwaltung ihrer Güter widmen und auch dem schwäbischen
Stammbesitze einige Aufmerksamkeit schenken.* Als damals Her-
zog Friedrichs Heiratsplan mit Elsbet von Aragonien reifte,
fand sich auch Eberhard IV. mit seinen Brüdern bei den Stän-
den Österreichs ein, welche am 4. Mai 1313^ die Ehepakten
des Herzogs gegen K. Jakob von Aragonien in Klostemeubnrg
beschworen; Mitte Jänner 1314 wohnten sämtliche Walseer der
Hochzeit des Herzogspaares in Wien bei.^
Zugleich fielen aber in diese Jahre Ereignisse, welche die
Treue und Ergebenheit der Walseer an das Haus Habsburg
auf keine geringe Probe stellten.
Mit seinen übrigen Brüdern war auch Gebhard II. von
Walsee nach Osterreich gekommen, der den geistlichen Stand
erwählt hatte und anfangs zum Pfarrer von Weitra vorgeschla-
gen war. Da jedoch Herzog Albrecht 1291 November 20'
anderweitig über diese Pfarre verfügte, ging Gebhard zur Voll-
endung seiner Studien nach Italien; 1295® erscheint er in den
^ Vg^l. das Schreiben 1311 Jani 15; Wilrdtwein, Subsidia Diplomat. I, 412.
* Regesta Reram Bohem. et Morav. III, 4.
» UBoE. V, 66.
* Vgl. Urk. 1313 Februar 2; WSt. 576.
* Sitzungsberichte der Wiener Akademie derWissensch. CXXXVU, 169—171.
* Vgl. Urk. 1314 Januar 18; NB. IV, 81.
' LB. n, r. 7.
" Blätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich XV, 250.
19*
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270
Universitätsmatrikeln von Bologna. Nach seiner Rückkehr war
er im Jahre 1300^ bereits Domherr zu Passau und unterhielt
von dort aus lebhafte Beziehungen zu seinen Brüdern, insbe-
sondere zu Eberhard IV. SchUeßlich wurde er 1312* auch
Vizedom des Stiftes und vom Bischöfe Wernhard, der in ihm
wohl seinen Nachfolger sah, in dessen letzten Willen zum Testa-
mentsvollstrecker ernannt.* Die große Mehrheit der Stimmen
erhob ihn denn auch nach dem Tode Bischofs Wernhard
(f 1313 Juli 28) auf den Passauer Bischofsstuhl; eine
Minderheit aber wählte Albrecht (II.) von Habsburg, den nach-
maligen Herzog, trotz kanonischer Mängel an Alter und Weihen.*
Während der Walseer nicht einmal auf den Beistand seiner
Brüder rechnen konnte, die den Habsburgern alles verdankten
und nicht daran denken durften, sich deren Willen zu wider-
setzen, standen Albrecht alle Hilfs- und Machtmittel sowie der
Einfluß seines Hauses zu Gebote; er war der Stärkere un^ setzte
sich in den Besitz des Bistums. Gebhard zog daher in die
Fremde; er wandte sich nach Avignon behufs Erlangung einer
päpstlichen Entscheidung an Klemens V., während Albrecht
seine Sache daselbst bloß durch einen Abgesandten vertreten
ließ.* Als der Papst den Bischof Bernhard von Tusculum mit
der Prüfung der Sache betraut hatte, starb Gebhard H. von
Walsee im Jahre 1315 noch vor der Entscheidung nach
l^sjährigem Aufenthalte zu Avignon.^
Als nun der große Kampf entbrannte, den das Doppel-
königtum Ludwigs von Witteisbach und Friedrichs von Habs-
burg hervorrief, war Eberhard IV. bereits zu bejahrt, um an
demselben hervorragenden Anteil zu nehmen.
Schon im vorangegangenen Wafl*engange von 1313 tritt
er nicht hervor und nach der Krönungsfahrt K. Friedrichs
scheint er mit seinen Brüdern nur noch im Sommer 1315 an
der Seite seines Herrn geweilt zu haben, ^ der sich damals am
* Urk. 1300 Januar 16; NB. I, 817.
' Urk. 1312 Dezember 7; RegesU Boica V, 239.
» Urk. 1313 Juli 26; Regesta Boica VI, 344.
* Calend. Zwetl. M. G. SS. IX, 666; Ann. Matts, ebenda 816.
^ Riezler, Vatik. Akten zur Gesch. Ludwigs des Baiem I, 47.
* Vgl. die Genealogie und Sitzungsberichte der Wiener Akademie der
Wissensch. CXL, 66.
' ürkundenlücke 1316 Februar 10 bis August 10.
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271
Oberrhein aufhielt. Dafür wurde er mit seinem Bruder Hein-
rich I. mehrfach dazu herangezogen, in dem durch die über-
großen Kriegslasten zerrütteten Finanzwesen des Königs seine
Hilfe zu leihen. So verpflichteten sich die beiden 1318* fiir
den König gegen den Passauer Vizedom hinsichtlich der Lösung
von Neuburg am Inn und waren in den folgenden Jahren des
Königs Bürgen* für hohe Summen gegen Herzog Leopold und
den Grafen Eberhard von Württemberg. Als 1322 der große
Entscheidungskampf zwischen den Gegenkönigen ausgefochten
wurde, genoß Eberhard IV. schon die Ruhe des Alters; 1321®
hatte er bereits die Verwaltung seiner sämtlichen Güter seinem
gleichnamigen Sohne Eberhard V. übergeben, das Amt des
Landrichters ob der Ens jedoch noch behalten.
Dabei verstand es Eberhard IV., trotz der wechselvollen
Zeiten ausgezeichnet zu wirtschaften und durch weise Spar-
samkeit und geschickte Benützung der Verhältnisse sich einen
rasch in Ober- und Niederösterreich sich bildenden Besitzstand
zu schaffen, zu welchem die herzogliche Pfandschaft Freistadt
mit der Riedmark und dem Machlande den ersten Grund legte.
In Niederösterreich gelang es ihm, zwei größere Güter-
komplexe zu erwerben, die er dann fortwährend vergrößerte.
Im Jänner 1297 war Eberhard IV. mit Ulrich von Rukhen-
dorf und den Seinen in Verhandlungen getreten, welche zur
Erwerbung des Schlosses Guntersdorf,* eines herzoglichen
Lehens, führten. Zu diesem erkaufte er nun in den Jahren^
1297 — 1301 eine ganze Reihe von Gütern, Liegenschaften und
Gülten daselbst sowie von den Starhembergem 1309^ Lehen
und GlQten in einem weiteren Umkreise und 1312 — 1314' aber-
mals mehrere Lehen und Eigen. Auf sein Betreiben wurde
Guntersdorf auch 1312® vom Bischof Wemhard von Passau zur
* Urk. 1318 Oktober 28; Mitt. des histor. Vereins für Niederbayern XI, 82.
> Urk. 1319 August 21, Böhmer, Reg. Imp. 173 und Urk. 1320 Oktober 26,
Böhmer, Acta Imp. Selecta 477/8.
3 Urk. 1321 Juli 16; LB. IH, r. 672.
* Bei Ober-Hollabrunn.
* Vgl. das Inventar f. 7'— 8; Urk. 1300 Februar 21, Topographie von Nieder-
österreich IV, 767 ; Urk. 1800 Februar 28, Wretschko, Österreichs Mar-
schallamt 212; Urk. 1300. NB. III, 79.
* Urk. 1309 Juni 24; NB. lU, 8.
' Vgl, AÖG. n, 637; NB. IV, 81 ; LB. in, r. 296.
' Inventar f. 45.
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272
selbständigen Pfarre erhoben, während es bis dahin nach
WuUersdorf gehört hatte.
Noch bedeutender war das ansehnliche E>be, das seinem
jugendlichen Sohne Eberhard V. dessen Braut Elsbet von
Gutrat durch die 1304 August 17* mit Walter von Tauf kirchen
abgeschlossene Guterteilung zubrachte. Dasselbe umfaßte das
freieigene Schloß Straneck (nordöstlich von Oberhollabrunn)
samt dem nahen Markte Stronsdorf, den Markt Wulzeshofen
(nördlich davon), das halbe Dorf Reintal (bei Feldsberg), Wein-
gärten zu Grinzing und Nußdorf sowie die Pfarrpatronate von
Stronsdorf, Murstetten,' das in einem Streite gegen das Wiener
Frauenkloster St. Maria Magdalena glücklich behauptet wurde, '
und St. Lorenzen an der Ips. Die Maut und das Urfahr zu
Mautern,* womit der Walseer 1306* vom Burggrafen Friedrich
von Zollern belehnt wurde, ging freilich bald, als Eberhard
darauf seiner Tochter Kunigund 500ä<>ä Mitgift verschrieb,*
an die Kapeller über; dafür erkaufte er wieder 1307 und 1309
von den Starhembergern deren Gülten ob- und niederhalb des
Kampflusses' gelegen, überdies trat ihm nun 1314® Walter
von Taufkirchen seine Hälfte des Gutratischen Erbes, das freie
Eigen Burg und Dorf Senftenberg und wohl auch das Dorf
Zebing und die übrigen Stücke,* sowie die Kirchenpatronate
von Senftenberg, Zebing und KuiFarn gegen eine Summe von
2250 ^/Ä ab. Der kleinere Teil dieses Gutratischen Erbes lag
in der Nähe von Guntersdorf, der größere in ansehnlichem
Umfange in der Umgebung von Krems.
In dem Gebiete zwischen Donau, Ens und Ips erhielt
Eberhard IV. von Walsee 1302^® vom Grafen Ulrich von Pfann-
berg dessen daselbst gelegene Mannslehen, Reste ehedem Peil-
steinischer Besitzungen, die wohl später an die Linie Walsee-Ens
übergingen, welche hier ihren Hauptbesitz hatte; in der Nähe
» UBoE. IV, 465. " Bei Sieghartskirchen.
» Vgl. das Inventar f. 36. * Bei Krems.
» Urk. 1306 April 19; Monum. Zollerana II, 289.
• Urk. 1309 Juni 16; ebenda, 300.
' Urkk. 1807 Januar 8, UBoE. IV, 518; 1309 Juni 24, NB. III, 8.
^ Verzeichnis von Urkunden über das Marscballamt in Österreich und
Steiermark, c. 1545; Schloß Losensteinleiten, Oberösterreich.
» Vgl. Urk. 1304 August 17; s. oben.
" Urk. 1302 Ostern; AÖG. XVUI, 213.
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273
hatte Eberhard 1315^ auch die Vogtei des Stiftes Ärdagger
inne. Einer Gepflogenheit des österreichischen Adels folgend,
hatte sich Eberhard bereits 1304* ein Haus zu Wien auf dem
Witmarkte erkauft.
In Oberösterreich faßte Eberhard IV. erst später festen
Fuß. Die Belehnung mit der Feste Wildberg erhielten er und
Ulrich von Kapellen 1297 ' vom Bischof Wemhard von Passau
lediglich als Gerhaben der Kinder Hadmars von Starhemberg.
Sonst stand ihm abgesehen von der Freistädter Pfandschaft
vorläufig nur (1297*) die Klostervogtei von St. Florian zu.
Später kam dazu die Vogtei des Klosters Lambach, welche ihm
Herzog Friedrich 1313^ fiir 200Äf/Ä, seine Hochzeitsgabe zur
Vermählung Kunigundens, Eberhards IV. Tochter, mit Jans
von Kapellen verpfändete. Von Bedeutung war es indes allein,
daß ihm K. Friedrich in seiner Geldnot — spätestens 1322*
— das wichtige Neuburg am Inn versetzte, welches nun fast
ununterbrochen mehr denn ein Jahrhundert als Pfandschaft den
Walseern verblieb.
Wie wir seinerzeit erwähnt, hatte Eberhard IV. 1290
Maria, eine Tochter Heinrichs II. von Khuenring-Weitra-See-
feld (f 1293), heimgeführt. Alsbald war der Tochter auch ihre
Mutter, die vielgeprüfte Kunigunde, in die neue Heimat ge-
folgt, welche 1303 auf dem Schlosse zu Linz ihre Tage be-
schloß.' Eberhards IV. Ehe war mit einem einzigen Stamm-
halter, dem wohl noch 1290 zur Welt gekommenen Eberhard V.
und zwei Töchtern gesegnet. Von diesen wurde Kunigunde
noch als Kind 1303 mit Jans von Kapellen verlobt, doch erst
1313 vermählt; sie war als dessen Hausfrau noch 1342 am
Leben.®
Die zweite Tochter, Dorothea, soll sich mit Reinprecht H.
von Ebersdorf verheiratet haben, als dessen Hausfrau sie von
1330—1342 genannt wird.»
» Urk. 1316 Januar 21; AÖG. XL VI, 496.
* Urk. 1304 November 29; NB. I, 319.
3 JBMFC. LVn, 4.
* Urk. 1297 April 24; UBoE. IV, 269.
* Urk. 1313 März 3; UBoE. V, 99.
* Vgl. Urk. 1323 Juni 15; Begesta Boica VI, 100.
' Vgl. Frieß, Die Herren von Kuenring 183—184.
* Vgl. die Genealogie.
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Bereits 1320 war Maria von Kuenring ihrem Gatten im
Tode vorangegangen und in der Stiftung ihres Elternhauses^ im
Kloster Zwettl beigesetzt worden.^ In vorgeschrittenem Alter
starb Eberhard IV. von Walsee-Linz — der getreue Diener
und Vertraute dreier deutscher Könige — am 10. Oktober 1325.
Weise im Rate, hatte er sich insbesondere auf diplomatischem
Gebiete große Verdienste erworben. Auf seinem gesamten Be-
sitze sowie im Amte des Landrichters ob der Ens folgte ihm
sein einziger Sohn Eberhard V.
2. Eberhard V. (1804—1371).
Eberhard V. war bereits erwachsen und schon zum zweiten
Male verheiratet, als er das Erbe seines Vaters antrat Wie zu
Lebzeiten desselben nahm er auch jetzt keinen hervorragenden
Anteil an den Kämpfen dieser Jahre, in welchen seine Vettern
ihre Tapferkeit bewährten. So hatte er auch bei Mühldorf
nicht mitgefochten und deshalb war ihm das Schicksal der
anderen erspart geblieben; auch in der Folge hat er sich nicht
zu häufig kriegerische Lorbeeren geholt. Jetzt folgte er seinem
Vater im Amte des Landrichters ob der Ens,* das er getreulich
versah und durch 45 Jahre innebehielt. Große Aufmerksam-
keit schenkte er der Verwaltung seiner sich stets mehrenden
Güter. Mehrfach nimmt er Gelegenheit, seiner kirchlich-
frommen Gesinnung Ausdruck zu geben, ist er doch der Grün-
der von zwei Klöstern.
Immerhin war auch er mehrmals genötigt, an den krie-
gerischen Ereignissen teilzunehmen, die sich während seiner
langen Lebensdauer zutrugen. Zunächst hatten die Teilungs-
pläne Herzog Ottos zur Folge, daß sich sowohl K. Johann von
Böhmen als auch K. Karl von Ungarn gegen die Habsburger
wandten und darüber ein verheerender Bj-ieg an den Gemar-
kungen Österreichs und Mährens entbrannte. Die Walseer
führten im Juni 1327' ihre Fähnlein gegen den Landesfeind
heran und tummelten sich mit dem Feinde herum. Beim
Friedensschlüsse mit Ungarn zu Brück an der Leitha (1328
September 21*) war Eberhard V. von Walsee-Linz zugegen. Der
» Vgl. die Genealogie. • Vgl. Urk. 1326 November 11 ; UBoE. V, 436.
» Vgl. FRA. XX VIII, 212.
* Monum. Hungar. hi«t. acU extera 1, n. 289, S. 269—276.
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Friede mit Böhmen war indes nicht von langer Dauer; in der
Zwischenzeit kam der Verkauf der schwäbischen Stammgüter
der Walseer zustande, von welchen sie im Sommer 1330 Ab-
schied nahmen.^ Infolge der Übergehung des Luxemburger in
der 1335 aufgerollten Kärntner Frage griff K. Johann abermals
zu den Waffen. Im Frühjahre 1336 wurde Osterreich nördlich der
Donau von ihm furchtbar verheert und einige feste Plätze gingen
an ihn verloren. Auch Eberhard V. von Walsee-Linz vermochte
ihm in seinem Schlosse Guntersdorf, in das er sich geworfen
hatte, nicht zu widerstehen' und geriet mit zehn anderen Mini-
sterialen bei der Eroberung der Feste in Gefangenschaft, die
indes nur bis in den Herbst dieses Jahres währte, wo Eber-
hard V. seine guten Dienste als Bürge der Geldverpflichtungen
leistete, die Herzog Albrecht H. im Enser Vertrage (1336
Oktober 11 ^) gegen den Böhmerkönig eingieng.
Dem Brauche ihrer Zeit gemäß erwiesen auch die Wal-
seer zu Linz mehreren Klöstern Wohltaten, insbesondere den
Minderbrüdern zu Linz.* Infolge der Vermählung Eberhards IV.
von Walsee-Linz mit einer Kuenringerin hatten sie auch der
Stiftung dieses Hauses, dem Kloster Zwettl, mehrfach ihr Wohl-
wollen geschenkt. Als nun Eberhard V. in diesen Jahren daran
ging, ein Kloster, das zweite bereits, das sein Haus geschaffen,
zu gründen und dasselbe auf dem Erbgute seiner ersten Gattin
zu Sensenstein an der Donau errichtete,^ überwies er es denn
auch den Mönchen von Zwettl, ^ nachdem Verhandlungen mit
den Augustiner-Eremiten zu keinem Ergebnisse geführt hatten.
Zwei Jahre hindurch hatten die Zwettler Mönche Sensenstein
inne, das 1335' auch das Pfarrpatronat von Guntersdorf erhielt,
welches bisher der Stifter innegehabt hatte. Wir wissen nicht,
wodurch sich derselbe veranlaßt sah, seine Gründung ihrem
^ Mitte Jani ziehen sie durch Augsburg; ygl. Zeitschr. des histor. Vereins
für Schwaben und Neuburg V, 17.
» Ann. Zwetl., M. G. SS. IX, 682.
» LB. III, r. 1087.
* Daß er Gründer desselben war (1236!), ist unrichtig; vgl. AÖG. LXIV,
102. Der Grabstein Eberhard V. von 1288 (I) stammt aus dem 15. Jahr-
hundert; vgl. die Genealogie.
^ Vgl. Erdinger, Gesch. des Klosters Sensenstein; Blätter des Vereines fUr
Landeskunde von Niederüsterreich X, 28 — 31.
• Calend. Zwetl. M. G. SS. IX, 690.
' Hanthaler, Fast! Capililienses II, 13.
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276
Mutterkloster wieder zu entziehen und sie dem oberösterreichi-
schen Stifte Wilhering zu überweisen, wozu Eberhard V. auch
die Genehmigung des Ordenskapitels erhielt. Am 19. August 1336^
übergab er im Beisein seiner ganzen Familie dem Abte Her-
mann von Wilhering Sensenstein samt 80 Äf /Ä Gülten daselbst
Eine ganze Reihe von Taidingen sah Eberhard V. Ton
Walsee-Linz seines Amtes als Hauptmann ob der Ens^ während
dieser Friedensjahre walten, in denen sich OsteiTeich unter
Herzog Albrechts H. weiser Regierung wirtschaftlich allenthal-
ben kräftigte. Eberhards V. Haus, das nun hier allein heimisch
war, trat immer mehr ein in den Kreis der Beziehungen und
Interessen seiner Standesgenossen im Lande, wozu die neuen
Verschwägerungen mit den Grafen von Pemstein, den Losen-
steinern, Volkenstorfern, Taufkirchen, dann jene der anderen
walseeischen Linien nicht wenig beitrugen.
Dagegen unterhielt das Haus Walsee aus begreiflichen
Gründen mit den Grafen von Schaunberg, dem vornehmsten
Geschlechte im Lande ob der Ens, keine näheren Beziehungen.
Wie sollten auch die gerade in den Zeiten Friedrichs des
Schönen zu Macht gekommenen Schaunberger, die stolz auf
die emporgekommenen Ministerialen herabsahen, deren Freund-
schaft gesucht haben, zumal die Walseer gerade ihnen gegen-
über die Pläne Herzog Albrechts zur Ausführung brachten, die
darauf abzielten, mehr und mehr jede Abrundung des zer-
stückelten Schaunberger Ländchens zu verhindern und schaun-
bergische Lehen in seine Hand zu bringen.* So war es eben
Eberhard V. von Walsee-Linz, der den Schaunbergem die Aus-
» UBoE. VI, 215.
' Statt Landrichter ob der Ens werden seit 1330 die Bezeichnangpen
Pfleger ob der Ens, Landvogt, Hauptmann zu Linz (Analogie zu Graz!)
und — seit 1337 ausschließlich — Hauptmann ob der Ens üblich; nur
der Name ändert sich, das Amt bleibt mit gleichen Kompetenzen
in derselben Hand. Den Hauptleuten ob der Ens unterstanden als-
bald eigene Landrichter ob der Ens. Als solche werden genannt: 1336
Chunrat von Götzleinsdorf; 1344, 1349 Chunrad der (EQezlinger; 1348
Hertneid von Haunsperg; 1360 Lienhart der Ecker; 1364 Hans der
Mftwrl; 1367 Ludwig ob dem Steine; 1384—1392 Ludwig der Neundlinger;
1396—1403 Walter von Seuseneck — zumeist walseeische Lehensleute.
Sie nehmen dem Hauptmanne ob der Ens die weniger bedeutenden
richterlichen Funktionen ab.
» Vgl. Strnadt, Peuerbach JBMFC. XXVH, 391 flf.
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277
breitung nach Süden über das Trattnachtal wehrte; der Lehens-
revers, den Dietmar der Lerbüler 1331 April 4^ auf ihn aus-
stellte, diente diesem Zwecke. Auch gegen Norden schlössen
walseeische Besitzungen das schaunbergische Gebiet immer mehr
ab. Falkenstein, an der Grenze gegen Passau gelegen, war
£berhard V., zugleich Wachsenberg und Ottensheim den Wal-
seern zu Ens von den Habsburgern seit 1331 verpfändet. Auch
das Eigen Freudenstein, das Eberhard V. von den Pruschenken,
schaunbergischen Lehensleuten, 1333 nach längeren Verhand-
lungen erkauft hatte, behauptete er gegen die Ansprüche des
Grafen Heinrich von Schaunberg. Als sich derselbe weigerte,
in der Landschranne zu erscheinen, fühlte Eberhard im Taiding
zu Perg (1340 November 25') ein abweisendes Urteil gegen
ihn. Zum oflFenen Ausbruch sollte der Kampf mit den Schaun-
bergern um die Anerkennung der habsburgischen Landeshoheit
indes erst in späteren Jahrzehnten kommen.
Wichtiger und gefahrdrohender waren für die Walseer zu
Linz und Ens vorläufig die fortwährenden Streitigkeiten mit
dem Adel Südböhmens, die volle zehn Jahre hindurch selten
zur Ruhe kamen und mehrmals bedenklichen Umfang annahmen.
Bereits 1335 hatten Grenzstreitigkeiten der Brüder Rein-
precht I. und Friedrich II. von Walsee-Ens als Pfandinhaber
der Steiermark mit dem Besitzer des Amtes Weitersfelden,'
Jans von Kapellen, dem Gatten Kunigundens von Walsee, um
die Wälder bei Freistadt stattgefunden und eines Schiedsspruches
Eberhards V. von Walsee-Linz geharrt,* bis schließlich der Herzog
selbst die Sache 1341* beilegte. Die gleichen Ursachen, der
Mangel an sicheren Grenzen gegen Böhmen hin führten 1345^
zu einer Fehde derselben Waldseer mit den Herren von Rosen-
berg und rasch schloß sich beiderseits der benachbarte Adel
den Kämpfenden an. Angesichts dieser Sachlage wandte sich
Herzog Albrecht H. an den Markgrafen Karl von Mähren, der
die Angelegenheit binnen kurzem einer friedlichen Lösung zu-
führte. Am 22. Juni 1346^ erklärte Peter von Rosenberg seine
» UBoE. VI, 6. • UBoE. VI, 356. » Östlich von Freistadt.
* Urk. 1386 Juli 16; UBoE. VI, 173.
» Urk. 1341 Oktober 29; LB. III, r. 1292.
* Johann ▼. Viktring. Böhmer, Fontes Rerum Germanicarum I, 449, aber
zum Jahre 1343; Contin. Zwetl. M. Q. SS. IX, 691.
' NB. IV, 129.
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278
Fehde mit den beiden Walseern fUr beendet und verpflichtete
sich, dem Schiedssprüche Ulrichs 11. von Walsee-Graz und Ber-
tholds von der Leippe einzuhalten, bei 100 Mark Silber Strsle
an die Brüder von Walsee.
Wenn in den nächsten drei Jahren auf diesem Boden
Ruhe herrschte, so liegt die Ursache hievon in den politischen
Verhältnissen. Markgraf Karl von Mähren war mittlerweile
von der päpstlichen Partei zum Gegenkönig Ludwig des Baiern
gewählt worden und trachtete nach dessen plötzlichem Tode
nun insbesondere Herzog Albrecht von Osterreich zu gewinnen;
deshalb war er ohne Zweifel bemüht, hier Ordnung zu schaffen.
Auch gegen die einflußreichen Walseer, wie Eberhard V. von
Walsee-Linz oder Ulrich ü. von Walsee-Graz war man in jenen
Tagen zuvorkommend und suchte von Passau wie von Avignon
aus in diesem Sinne zu wirken.^
Als aber sowohl der Herzog als K. Karl IV. im Sommer
1351 ferne von ihren Landen weilten, brach an den Grenzen
Österreichs gegen Böhmen und Mähren eine noch heftigere
Fehde aus.* Gegen die Raubzüge Heinrichs von Neuhaus,
Johanns II. von Michelsberg und der Brüder Stephan und Peter
von Sternberg, denen sich trotz seiner Verschwägerung mit den
Walseern zu Ens auch Jost von Sternberg anschloß, setzte sich
vor allem der Hauptmann ob der Ens, Eberhard V. zur Wehr;
seine Verschwägerung mit denen von Neuhaus hatte im Vor-
jahre durch den Tod Annas, der Gattin Eberhards VII., ' seines
Erstgeborenen, ihre Bedeutung verloren. In Niederösterreich
rüsteten sich Heinrich IH. von Walsee-Drosendorf und die Seinen
mit ihrem Bundesgenossen Alber von Puchheim zum Wider-
stände. Außerdem ergriff der böhmische Oberstburggraf Wil-
helm von Landstein ihre Partei, dessen Gattin, eine Kuenringerin,
mit den Walseern verwandt war.
Mit 70 Helmen zog Heinrich von Neuhaus ins Feld und
drang unter großen Verwüstungen bis gegen Ottensheim (bei
Linz) vor, das am Bricciustage (13. November) geplündert und
> Vgl. S. 286 und Urk. 1387 August 26; Riezler, Vatik. Akten »ur Gewh.
Ludwigs des Baiern I, 847.
' Vgl. Klimesch, Die Herren von Michelsberg. Mitt. des Vereines für Geseh.
der Deutschen in Böhmen XXII, 339—342.
' Vgl. die Genealogie.
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279
niedergebrannt wurde. ^ Als er beutebeladen den Rückweg
antrat, brachte ihm Eberhard IV. von Walsee-Linz zwischen
Hellmonsöd und Freistadt eine Schlappe bei, die ihn zu
schleuniger Flucht zwang; der Sieger ließ die Gefangenen am
Galgen enden. Die Walseer folgten dem Gegner in die Nähe
von Frauen berg bei Budweis und schlugen ihn dort, trotzdem
Peter von Sternberg im entscheidenden Augenblicke mit einer
Verstärkung von 30 Helmen eintraf, mit Hilfe Wilhelms von
Landstein entscheidend am 16. November 1351.' Heinrich von
Neuhaus und Peter von Stemberg wurden gefangengenommen
und erst gegen hohes Lösegeld aus ihrer Haft in Wien und
Pottenstein entlassen. Nach seiner Heimkehr suchte sich Hein-
rich von Neuhaus an seinen Gegnern zu rächen. Darüber nahm
die Fehde einen solchen Umfang an, daß sich viele öster-
reichische Adelige, wie Jans von Traun*, ja selbst Graf Ulrich
von Cilli* dem Kampfe gegen die Böhmen anschlössen und den
befreundeten Walseem hilfreichen Beistand leisteten. K.KarllV.
selbst zog gegen die Unruhestifter in der Fasten 1352 aus und
füllte am 2. Mai dieses Jahres** einen Schiedspruch, der die
Fehde beendigte. Zwar standen sich bald darauf abermals die
Rosenberger, Jans von Michelsberg und die Walseer Heinrich
von Neuhaus imd Wilhelm von Landstein gegenüber, doch ge-
nügte K. Karls IV. Rückkehr aus Deutschland, um zuerst die
letzteren, sodann Eberhard V. von Walsee-Linz und Jost von
Rosenberg am 10. August 1352 auszusöhnen.
Der Verlust seiner beiden bereits erwachsenen Söhne
Eberhards VII. und Heinrichs V., welcher in diese Jahre fUllt,*^
traf den alternden Vater umso härter, als Eberhard V. von seiner
zweiten Gattin Anna von Losenstein, die ihm schon 1321 an-
getraut war, keinen Erben mehr erwarten konnte; so schien
es, als sollte mit ihm die Linzer Linie erlöschen. In dieser
traurigen Voraussicht ging Eberhard V. damals daran, eine
zweite Klostergründung ins Werk zu setzen. Er räumte
* Vgl. Wilheringer Annalen, Archiv fQr Qesch. der Diözese Linz II, 249.
« Ann. nna Calend. Zwetl. M. G. SS. IX, 691—692."
» Vgl. Primiaier, P. Suchenwirt, XVI, V. 62, XVHI, V. 371.
* Vgl. Qubo, Graf Friedrich II. von Cilli. Cillier Gymnasial-Programm
1888, S. 4.
' Lndewig, Reliquiae Manuscr. IV, 279.
* Vgl. die Genealogie.
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280
dafür das erst vor kurzem erkaufte Schloß Schlierbach im
Kremstale ein, behielt aber die gleichnamige Herrschaft mit
dem Landgerichte in seiner Hand. Am 22. Februar 1355^
übergaben Eberhard V. und sein Ehegemahl die Stiftung, ein
neues Denkmal der kirchlichen Gesinnung des Hauses Walsee,
und Zisterzienserinnen, herbeigerufen aus der schwäbischen
Stammheimat, dem Erlöster Baindt,' zogen in dieselbe ein. Am
folgenden Tage gab auch der Diözesanbischof Gottfried von
Passau seine Einwilligung zur Errichtung des Klosters,' der
LandesfUrst nahm es in seinen Schutz und Schirm. Eberhard V.
stattete es mit 200 H ^ auf gestiftetem Gute nördlich der Donau
in Niederösterreich aus und wies dafür vorläufig die Einkünfte
seiner Herrschaft Pemstein an; 1357* fügte Eberhard mit Be-
willigung seines Herzogs die Hälfte seines Satzes auf Falken-
sein und 100 tiJ^ auf der Maut zu Linz hinzu. Dazu verleibte
Bischof Gottfried von Passau 1359** die Pfarrkirche zu Schlier-
bach dem Kloster daselbst auf Ansuchen Eberhards ein, der
auch wenige Tage vorher^ das Kirchenpatronat von Wartberg
im Krerastale für das von Zwettl, in der Herrschaft Wachsen-
berg gelegen, zugunsten seiner Stiftung eintauschte.
Die Mattseer Chronik berichtet uns^ aus dem Stiftungs-
jähre von Schlierbach über einen sonst unbekannten Einfall
Eberhards V. auf salzburgisches Gebiet, der vermutlich mit
jenen Streitigkeiten in Zusammenhang stand, die aus dem Er-
löschen einer Linie des salzburgischen Ministerialengeschlechtes
der Tanne entsprangen. Mit bedeutenden Streitkräften tiber-
schritt Eberhard V. am St. Franziskustage (Oktober 5) 1355 die
Grenze, verheerte die Umgebung von Straßwalchen und Neu-
markt und ftihrte 700 Stück Vieh und 300 Pferde auf dem
Rückzuge nach Veckhelstorf (Vöcklamarkt) davon. Der salz-
burgische Kastellan zu Mattsee, Konrad der Chuechler, der sich
keiner Feindseligkeiten versehen hatte, vermochte ihm keinen
» UBoE. VII, 403.
' Vgl. Stadien und Mitteilungen «us dem Benediktiner- and Zi«tenienser-
orden XXIV, 377."
• Urkk. 1366 Febraar 23 and April 29; ÜBoE. VH, 405 and 411.
< Urk. 1367 Juli 26; UBoE. VH, 619.
» Urk. 1369 September 10; UBoE. VII, 657.
• Urk. 1369 September 7; UBoE. VII, 656.
' FRA. XLIX, 91.
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281
Widerstand zu leisten. Die Absicht Dietrichs des Lerbüchler,
eines walseeischen Lehensmannes^ der die Scharen Eberhards V.
anführte, das benachbarte reiche Stift Mattsee heimzusuchen,
fand wohl nicht die Billigung Eberhards und so blieb das
Kloster verschont.
Wenn der antihabsburgisch gesinnte Chronist Mattseer ein
wenig unparteiisches Urteil über den Stifter von Sensenstein und
Schlierbach fUllt und ihn der Feindseligkeit gegen die Passauer
Kirche anklagt, so bezieht sich dies wohl auf die vorüber-
gehenden Streitigkeiten um Falkenstein (1352 — 1354).^
Wenige Wochen darnach weilte Eberhard V. gleich seinen
Vettern bei Hofe, als Herzog Albrecht 1355 November 25'
seine Hausordnung veröffentlichte, die sie im Kreise der öster-
reichischen und steirischen Landherren beschworen. Gerade
die Walseer hatten wie nicht leicht ein anderes Geschlecht
ihrer Standesgenossen ein besonderes Interesse daran, daß
ihrem Herrscherhause Einheit und Einigkeit gewahrt blieben;
wie leicht konnten bei ihren über die ganzen habsburgischen
Länder verbreiteten Besitzungen Streitigkeiten und Teilungen
unter den Habsburgern sie einem bedenklichen Dilemma zu-
fUhren.
Unter Herzog Albrechts II. Nachfolger, dem hochbegabten
Rudolf IV. wußte sich Eberhard V. in seinem Amte als Haupt-
mann ob der Ens zu behaupten; er weilte häufig am Hofe dieses
prunkliebenden Fürsten. Den großen Plänen desselben, welchen
die gefälschten Freiheitsbriefe dienten, kam hinsichtlich der
Grafen von Schaunberg im Lande ob der Ens das freundschaft-
liche Verhältnis zugute, in welchem der Herzog zu den Grafen
Heinrich und Ulrich stand. Den Walseern, die in Oberösterreich
mit denselben in einem stillen Wettstreite um Reichtum und
Ansehen lagen, mochte es eine innerliche Befriedigung ge-
währen, als Eberhard V. mit drei Vettern auf dem für ihn be-
sonders als Hauptmann ob der Ens wichtigen Tage von Weitra
1361 Juni 16* zugegen war, an dem die Unabhängigkeit der
Schaunberger den ersten Stoß erhielt.
» Vgl. S. 286 und 287.
• Schwind-Dopsch, Ausg. Urk, zur Verfassangsgesch. Österreichs 189 — 191.
" UBoE. Vni, 27; vgl. Edlbacher, Das Verhältnis der Grafen von Schaun-
berg zu Herzog Rudolf IV. und Albrecht Ol. Zeitschr. für österreichische
Gymnasien, Jahrgang 1872.
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282
Daß Eberhard V. Ende 136 P sein Amt als Hauptmann
ob der Ens verlor und Jans von Traun an seine Stelle trat,
hat nicht viel zu besagen; Herzog Rudolf IV. liebte häufig
solche Verschiebungen selbst in den höchsten Ämtern. Eber-
hard V. geleitete sogar den Herzog in der letzten Woche dieses
Jahres nach Preßburg, wo am Silvestertage 1361* mit den
Königen von Ungarn und Polen ein gegen den Kaiser gerich-
teteff BUndnis abgeschlossen wurde. Eberhard V. erhielt über-
dies sein Amt zurück, als der Herzog im Jänner 1363 nach
Tirol eilte, um nach Herzog Meinhards Tode dort den Witteis-
bachern zuvorzukommen. Während nun Herzog Rudolf den
bairischen Einfall in Tirol abwehrte, setzten sich an der Öster-
reich isch-bairischen Grenze Erzbischof Ortolf von Salzbui^,
Eberhard V.,* der das wichtige Neuburg am Inn als Pfand-
schaft besaß, und Graf Ulrich von Schaunberg gegen die Baiem
in Bewegung, erlitten indes bei Otting am Inn eine verlustreiche
Schlappe. Eberhard V. gab sodann seinem Herzog das Geleite
nach Brunn und wohnte daselbst der 1364 Februar 8* durch
den Kaiser erfolgten Belehnung mit Tirol bei, welche die neue
Erwerbung sicherte. Noch war indes der Kampf um dieselbe
nicht beendet. Im Sommer dieses Jahres zog Eberhard I. mit
seinen jugendlichen Vettern, den Söhnen Reinprechts I. von
Walsee-Ens und Heinrichs IH. von Walsee-Drosendorf abermals
mit dem Herzoge von Oberösterreich aus gegen die Witteis-
bacher zu Felde. ^ Nach kurzer Belagerung ergab sich Ried,
worauf alsbald ein weiterhin mehrfach verlängerter WaflFenstill-
stand abgeschlossen wurde. Den ganzen Frühling 1365 hin-
durch weilte Eberhard am herzoghchen Hofe zu Wien und war
dort Zeuge der rastlosen Tätigkeit seines jugendlichen Herr-
schers, die sich insbesondere in der Gründung der Universität
und jener der Dompropstei St. Stephan kundtat.* Er sah den
Herzog zum letzten Male, als dieser im Mai 1365 von Wien
nach Mailand eilte, um dort Hilfe gegen Aquileja und die
' Vgl. die Genealogie.
• Ladewig, Reliqu. Mantucr. IV, 294.
» ChroD. SalUburg. M. G. SS. IX, 831.
• Stejerer, Comment. p. bist. Alberti II., col. 880.
» Vgl. Urk. 1364 August 26, Senkenberg, Sei. Jurii IV, 465 und ürk. 1364
August 28, Hormayr, Gesch. Wiens V, A. 46.
• Urk. 1365 März 12 und 16; Hormayr, Gesch. Wiens V, A. 66 und 98.
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283
Carraresen zu suchen; am 27. Juli 1365 machte dort ein böses
Fieber dessen Leben jäh ein Ende.
Für den Walseer blieb sein Ableben ohne Folgen; er be-
hielt sein Amt und die Herzoge Albrecht III. und Leopold III.
gaben ihm neue Beweise von Huld und Vertrauen. Als sie
nun daran gingen, der Freisinger Kirche die Pfandschaften
zurückzugeben, welche Herzog Rudolf auf Freisinger Gütern
mehreren vom Adel angewiesen hatte, teilte sich Eberhard V.
mit fünf anderen 1365 Oktober 28^ in das Amt der Schieds-
leute, welche den Vergleich über die dieser Kirche zugefügten
Schäden zuwege brachten. Dieselbe Funktion hatte er zwei
Jahre später in einer nicht minder wichtigen Frage, als der
Aufstand der Passauer Bürger gegen ihren Bischof mit öster-
reichischer Hilfe unter Jans von Traun niedergeschlagen wor-
den war. Der Schiedsspruch der Herzoge, 1367 Dezember 18'
zwischen Bischof und Stadt gefüllt, betraute Eberhard in Ge-
meinschaft mit dem Grafen Ulrich von Schaunberg mit der
Schlichtung mehrerer Vergleichspunkte an Ort und Stelle.
Der Kampf, in welchen die Habsburger 1368 mit den
Venezianern um Triest gerieten, rief auch den gealterten Eber-
hard V. noch einmal ins Feld.* In der Folge wurde dieser
Zug nach dem Süden für sein Haus von weittragender Bedeu-
tung durch Beziehungen, die damals mit den Tibeinern* an-
geknüpft wurden, weitaus dem wichtigsten Adelsgeschlechte im
Hinterlande von Triest und bis an den Quamero hinüber.
Von hier mußte Eberhard V. indes alsbald einem anderen
Kriegsschauplatze zueilen, um seine Kräfte dem ihm als Haupt-
mann ob der Ens näher liegenden Kampfe gegen Baiem zu
leihen,** der von den Habsburgem 1369 nach Ablauf des WaflFen-
stillstandes erneuert wurde. In dieser Fehde wurde die an
Eberhard verpfändete Grenzfeste Falkenstein von einem ge-
wissen Leutwin üsel überrumpelt;* vergeblich versuchte Eber-
hard sie zurückzuerobern. Usel verpfändete sie dem Grafen
von Hals, von diesem ward sie durch einen Stubenberger für
> PRA. XXXVI, 342. » UBoE. VIH, 361.
» Vgl. Urk. 1369; HHStA. Kod. Suppl. 408, f. 8'.
* Über dieselben vgl. Pichler, II castello di Duino, Trient 1882.
» Vgl. Urk. 1869 Juni 6; UBoE. VIH, 418.
• Ann. MatseenB., M. Q. SS. IX, 884; vgl. Strnadt, Das Land im Norden der
Donau, AÖG. XCIV, 214.
▲rehiT. XCY.Band. U. HilfU. 20
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284
die Herzoge zurückgelöst und so kam sie vorläufig Eberhard V.
aus der Hand. Den Abschluß des Kampfes gegen Baiem bil-
dete der Schärdinger Friede von Michaeli 1369/ der Tirol
endgiltig den Habsburgem beließ. Eberhard V., der bei den
Verhandlungen desselben noch zugegen war, schloß damit seine
Laufbahn^ auf welcher er sich durch ein halbes Jahrhundert
im Dienste der Habsburger bewährt hatte; der 70jährige Greis
bedurfte der Rast flir seinen Lebensabend — sie war ihm nur
kurz beschieden.
Das Erbe seines Vaters hat Eberhard V. als dessen ein-
ziger Sohn ungeschmälert überkommen; seine Schwester Kuni-
gund und deren Gatte Jans von Kapellen ließen sich* mit ihren
Erbansprüchen gegen eine Summe von 400 Äf'^ abfinden.
Sein ganzes Leben hindurch hat Eberhard V. den er-
erbten Besitzstand durch fortwährende Ankäufe, die zuzeiten
fast über seine Kräfte gingen, vermehrt und dieses Ergebnis
zustande gebracht, obwohl ihm durch die allmähliche Gesun-
dung der landesherrlichen Finanzen unter Herzog Albrecht U.
wieder ein gut Teil der herzoglichen Pfandschaften durch Ab-
lösung entzogen wurde. Wie unter seinem Vater geht auch
die Entwicklung des Besitzes Eberhards V. lediglich auf dem
Boden Ober- und Niederösterreichs vor sich.
Im Lande ob der Ens schuf sich Eberhard V. besonders
einen bedeutenden Güterbestand im Alm- und Kremstale sowie,
hier weniger geschlossen, nördlich der Donau; kleinere Be-
sitzungen im Trattnachtale waren der Schaunberger wegen von
Wichtigkeit.
Zuerst hatte Eberhard 1329* von Werner und Gottfried
den Polheimern deren Viertel am Schlosse zu Seisenburg* um
500ä(.ä erkauft, doch kam dieser Anteil alsbald an die Volken-
storfer — durch die Ehe der Tochter Eberhards V., Margret,
mit Alber v. Volkenstorf — und durch letzteren an den Herzog.*
Im Jahre 1331 brachte Eberhard V. sodann zwei Pfandschaften
im Kremstale an sich. Von demselben Volkenstorfer wurde
ihm® das Haus zu Forchtenberg um 250 ^.Ä überlassen. An-
* Qaellen und Erörterungen z. bair. u. deutsch. Qesch. VI, 499.
* Urk. 1328 Dezember 21; NB. I, 330.
» Urk. 1329 Februar 19; ÜBoE. V, 631.
* Westlich von Kirchdorf, OberOsterreich.
» WSt. 587. « Urk. 1331 Mai 19; UBoE. VI, 20.
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285
dererseits befand sich die Feste Rohr^ mit 20^^ Gülten
unter den Sätzen, die auf Eberhard V. durch Verkauf der
schwäbischen Stammgüter von den Herzogen für sein Teil ver-
schrieben wurden; Rohr war 1357* von Eberhard V. wieder
gelöst. 1337 war der Walseer trotz der Kriegsläufte des
Vorjahres abermals in der Lage, einen bedeutenden Kauf zu
machen. Er erwarb Februar 23* das wichtige Schloß Fern-
st ein, herzogliches Lehen, fUr 4500 ^/Ä von Lybaun und
Hertnid den Truchsen und überHeß ihnen bis zur Tilgung dieser
Summe Schloß Senftenberg nebst Zebing als Bürgschaft.
Allerdings überstiegen diese großen Ankäufe fast Eber-
hards V.Kräfte; um die Mittel hiefÜr und die Mitgift* seiner
Tochter Agnes, die sich 1343 mit dem Grafen Johann von
Pemstein vermählte, aufzubringen, war er in diesen Jahren ge-
zwungen, vorübergehend kleine Besitzungen und Gülten^ zu
verpfänden und selbst größere Anleihen, so bei seinem Schwager
Jans dem Alten von Kapellen,* aufzunehmen. Ein Jahrzehent
wirtschaftlicher Sparsamkeit, und Eberhard hatte diese Schwierig-
keiten überwunden.
Für die Lösung von Neuburg am Inn erhielt er 1363^
die Herrschaft Seisenburg und die Vogtei zu Wels ver-
piUndet; auf diesen Satz schlug ihm Herzog Albrecht 1369
Juni 6® weiters eine Schuld von 2000 Äf^, die aus dem letzten
Kriege gegen Baiem stammte.
Von größerer Bedeutung aber waren die bambergischen
Lehen im Kremstale, die nun an Eberhard und damit auf ein
Jahrhundert an sein* Haus kamen. Die Stellung der Walseer
in Osterreich, insbesondere als Inhaber der höchsten Amter,
brachte es dabei mit sich, daß bei allen diesen Besitzungen,
die sie von den Bischöfen von Bamberg, Regensburg, Passau,
* Bei Kremsmünster; 1331 Januar 7 (UBoE. VI, 1) erhielt Eberhard V. für
seinen Anteil ron 2250 H, ^ daran die Herrschaften Rohr und Falken-
stein versetzt und 200 ü ^ auf der Maut zu Linz angewiesen.
• Vgl. Urk. 1357 November 11; LB. III r. 1977. » UBoE. VI, 229.
* Da der Graf derselben 1343 November 15 (NB. IV, 127) 1000 i^ ^
Morgengabe verschreibt, dürfte ihr Heiratsgut eine ähnliche Summe be-
tragen haben.
» Vgl. Urk. 1339 März 17, UBoE. VI, 291 und Urk. 1344 Dezember 6,
UBoE. VI, 499.
• Urk. 1341 Juni 7; NB. IV, 107.
' Urk. 1362 April 6; UBoE. VHI, 73. • Ebenda 418.
20»
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286
Freising u. a. zu Lehen trugen, immer mehr das Moment der
habsburgischen Landeshoheit auf Kosten der Lehensherren zur
Geltung kam. So wirkten die Walseer auch nach dieser Seite
an der territorialen Ausgestaltung der österreichischen Länder
mit, ein Faktor, der nicht zu übersehen ist Zuerst ging das
Schloß Schlierbach samt dem Landgerichte (,auf dem Moos^
von den Kapellem kaufweise an Eberhard V. über, der vom
Bischof Leopold von Bamberg 1353 Juli 25 ^ darüber die Be-
lehnung erhielt. Das Landgericht behielt er in seiner Hand,
das Schloß dagegen räumte er dem von ihm 1355 begründeten
Zisterzienserinnenkloster ein. Dem Stifter von Sensenstein und
Schlierbach konnte die Gunst der Kirche nicht fehlen. So
übergab ihm Bischof Friedrich von Bamberg die Vogtei über
den Markt Kirchdorf, die Hofmark Windischgarsten und
das Garstener Tal, worüber Eberhard seinen Pflegrevers 1363
Dezember 1 ausstellte.*
Auch mit den Passauer Bischöfen stand Eberhard auf
bestem Fuße, ebenso seine Vettern von Walsee-Ens. So er-
warb Eberhard V. von Ruger von Starhemberg 1327* die Vogtei
über ein Gut des Klosters St. Nikola bei Passau, später erhielt
er die wichtige Pflegschaft auf St. Georgenberg* und
blieb trotz mancher Weitungen ** dem Bischöfe befreundet; auch
bei den Ereignissen von 1367 lieh er demselben seine Dienste.*
Diese Beziehungen entsprachen zweifelsohne den Absichten der
Habsburger, die ja bereits seit K. Albrechts I. Zeiten ihren
Einfluß in diesem Bistume zu mehren trachteten.
Ebenso ließ sich Eberhard V. vom Irfndesfürstlichen Inter-
esse bei den Besitzerwerbungen im Trattnachtale leiten, die der
Schaunberger wegen wichtig waren, da sie die Absicht der
letzteren,^ zwischen ihrem Hauptbesitze und jenen im Atter-
gaue eine Verbindung herzustellen, vereitelten. Zuerst brachte
der Walseer Schloß Gallspach bei Grieskirchen an sich;
1 Als Erblehen für Söhne und Töchter; UBoE. VII, 821.
« UBoE. Vm, 169. » Urk. 1327 November 26; UBoE. V, 496.
* Vgl. Urk. 1346 Oktober 1 ; Regesta Boica VIII, 56.
* Vgl. Urk. 1352 Juli 4, 1364 Januar 27, Dezember 29; Orig. Reichsarchiv
München; vgl. S. 281.
* Bischof Albert stammte aus dem den Walseern von Ens verschwSgerten
Geschlechte derer von Winkel.
' Vgl. S. 277.
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1343 ^ erhielt er die Kapelle daselbst von dem Kapitel St. Ni-
kola bei Passau gegen Entschädigung abgetreten, woraus er
Pfarrkirche und Pfarre Gallspach stiftete. Schloß Gallspach
verkaufte er 1354* an Heinrich Geuman, dessen Geschlecht nun
durch ein Jahrhundert Gallspach als Afterlehen innehatte. Von
dem Welser Bürger Chunrad dem Schreiber erkaufte Eberhard
135P um 330 «f^ das Schloß Trattenek und erhielt 1353*
vom Herzoge die Belehnung darüber. Dazu kamen Waldungen
zu Polheim,* die der Walseer in letzterem Jahre nach längeren
Verhandlungen erwarb, und Güter zu Kirchberg,* von Welser
Bürgern 1358 erkauft.
Bei Eberhards Gütern, die er nördlich der Donau besaß,
machte sich dieselbe habsburgische Interessenpolitik geltend.
In seine sichere Hut gaben die Herzoge anläßlich des Ankaufes
der walseeischen Stammgüter in Schwaben 1331^ die Herr-
schaft Falkenstein mit 32^^ Gülten als Pfandschaft — den
äußersten österreichischen Vorposten an der oberen Donau,
gegen das Hochstift Passau, die bairischen Herzoge und die
Schaunberger in gleicher Weise ein wichtiger Stützpunkt. Nach-
dem hier in den Jahren 1352 — 1354® Grenzstreitigkeiten mit
dem Bischöfe von Passau vorgefallen waren, wurde die Herr-
schaft 1359» von Erzherzog Rudolf IV. eingelöst. In Eber-
hards letzten Lebensjahren befand sie sich nach der Episode
von 1369 nochmals auf mehrere Jahre ^® im Besitze der Linzer
Walseer. Ein unverkennbarer Schachzug gegen die Grafen
von Schaunberg war femer die Erwerbung des freieigenen
» Urk. 1343 August 19; UBoE. VI, 452.
• Strnadt, Peuerbach, IBMFC. XXVII, 393.
« Urk. 1361 September 16; UBoE. VIII, 264; Trattenek südlich von Gries-
kirohen.
• Urk. 1353 April 20; Orig. StAEferding.
• Nördlich von Gricskirchen ; Urk. 1853 August 19; UBoE. VU, 326.
« Nördlich von Wels; Urk. 1368 Februar 22; UBoO. VII, 556.
' Urk. 1831 Januar 7; UBoE. VI, 1; vgl. Strnadt, Das Land im Norden
der Donau, AÖG. XCIV, 132—133,
• Urk. 1352 Juni 1, 1354 Januar 26; UBoE. VII, 281, 345.
• Vgl. UBoE. VU, 681.
^^ Gleich Neuburg a. Inn muß sie nach der Lösung von 1359 abermals an
Eberhard V. verpfändet oder durch diesen von dem Stubenberger abge-
löst worden sein, da sie nach Urk. 1879 April 1 (HHStA. Kod. Suppl.
407, f. 109') wieder durch Heinrich von Zelking um 5000 U. ^ von Jörg
V. Walsee-Linz gelöst wurden, der erst wenige Jahre gevogt war.
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Schlosses Freudenstein bei Ottensheim; das Eberhard 1333^
von Fridrich und Ulrich den Prueschinken um 1000 </.Ä er-
kaufte und gegen den Grafen Heinrich von Schaunberg be-
hauptete. Auf diesem ehedem prueschinkischen Boden erbaute
Eberhard V. einen neuen Halt gegen die Schaunberger. Als
dem ältesten des Hauses Walsee erwies ihm Herzog Rudolf
1364 Oktober 30* die Gnade, eine neue Feste namens Wal-
see' auf dem Klausberge oberhalb der Klausmühle am Pösen-
bache erbauen zu dürfen, ,auf daß dieser ehrwürdige Name
des berühmten Geschlechtes erhalten bleibe'-, vor Jahres-
schluß* erwarb der Walseer mehrere um die neue Burg ge-
legene Güter hinzu. Noch heute, nachdem vor mehr als vier
Jahrhunderten der letzte Walseer zu Grabe getragen wurde,
erzählen die Trümmer des Schlosses Ober- Walsee von längst-
vergangenen Zeiten und schauen trutzig hernieder auf das
sonnige Aschacher Becken. Seinen Besitz in der Riedmark,
an den sich weiter keine Interessen knüpften, hat Eberhard
gänzlich aufgegeben. Er trat seinen Anteil an der Freistädter
Pfandschaft an die Vettern von Walsee-Ens ab;^ an Dietrich
und Wohunk von Harrach verkaufte er 1330 * die an der böh-
mischen Grenze gelegenen Dörfer ' in der Stiftung, EÜbenstein,
Freudental und Schwarzenbach um 820 Äf^ und veräußerte
1352® auch die Herrschaft Reichenstein* in der Riedmark
um 3600 Ä(.Ä an Ulrich von Kapellen. Weitere Einbußen er-
litt Eberhard V. durch die um 1357, beziehungsweise 1359 und
1362^® erfolgte Einlösung seiner Pfandschaften Rohr, Falken-
stein und Neuburg am Inn; flir letzteres erhielt er wenigstens
Ersatz.
Auf dem Boden Niederösterreichs blieb es zumeist bei
dem Besitze, den Eberhard V. von seinem Vater überkommen
und durch seine erste Gattin erheiratet hatte. Schloß Aspers-
hofen," das er von Ludwig von Zelking 1326" um 700^^
* Urk. 1338 Mai 1, UBoE. VI, 91; vgl. S. 277.
> UBoE. Vm, 194. » Jetzt Ober-Walsee bei Landahaag.
< Urk. 1364 November 8; UBoE. Vm, 196.
» Zwischen ca. 1330—1340. « Urk. 1330, Februar 1; UBoE. Vffl, 664.
' Nördlich von Freistadt, nicht in Niederösterreich.
« Urk. 1362 Juni 8; UBoE. VII, 286.
• Bei Pregarten, südlich von Freistadt.
" Vgl. Urk. 1362 April 6; UBoE. VIU, 73.
" Bei Sieghartskirchen, VUWW. " Urk, 1326 April 30; NB. I, 83.
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289
erstanden hatte, war schwerlich lange in seinem Besitze, da es
in der Folge außer Sicht gerät. Zu Neujahr 1332^ brachte Eber-
hard von Andre dem Sunnberger um 1950 Mark Silber dessen
freies Eigen Schloß Allentsteig* samt dem Landgerichte an
sich; er trat es 1367^ an Seitz von Kuenring wieder fiir die
Ansprüche und Forderungen ab, die derselbe von Eberhards V.
Gerhabschaft her über ihn geltend machte. Für geleistete
Kriegsdienste verp&ndete ihm der Herzog im Jahre 1369* den
Markt Wöllersdorf, in der Nähe von Guntersdorf gelegen,
um 4000 Äf/Ä und schHeßlich im gleichen Jahre die von Fried-
rich n. von Walsee -Ens abgelöste Feste Freienstein* mit
verschiedenen Gütern zu Neumarkt a. d. Ips und Kornspach
sowie dem Marchfutter zu Ips und Ardagger fllr eine gleiche
Schuld von 20477,^^, die bereits 1370 mit Erlaubnis der
Herzoge durch den bekannten Hofmeister Hans v. Liechten-
stein-Nikolsburg zurückgelöst wurde. Durch die allzu großen
Darlehen geriet Eberhard in jenen Jahren selbst beinahe in
Geldverlegenheiten, so daß er z, B. 1367^ genötigt war, seinem
Burggrafen auf Senftenberg Ekhard von Seldenhofen den Sitz
zu Draß bei Senftenberg zu verpftlnden.
Lassen wir an uns nun auch Eberhards V. Familienleben '
vorüberziehen, das sich so wechselvoll gestaltete. Wohl durch
die Beziehungen seiner Mutter, der Kuenringerin Maria, war
1304 die erste Heirat des eben gevogten Eberhard V. mit Elsbet
von Gutrat zustande gekommen, deren Erbe ihm auch ver-
blieb, als Elsbet bald nach 1314 hinwegstarb, ohne daß dieser
ersten Ehe Kinder entsprossen wären. Noch vor dem Tode
seines Vaters schloß Eberhard V., spätestens 1321, mit Anna
aus dem angesehenen Ministerialengeschlechte der Losensteiner
einen zweiten Ehebund, welchem zwei Söhne und eine Tochter
entsprangen.
In jenen Jahren aber verheirateten sich auch noch zwei
Schwestern Eberhards V., Margret, die seit 1329 als Gattin
Albers von Volkenstorf, und Dorothea, welche etwa von 1330
an als Reinprechts H. von Ebersdorf Hausfrau genannt wird.
» UBoE. VI, 42. » Nordöstlich von Zwettl.
» Urk. 1367 Mai 4; UBoE. Vin, 318. * HHStA. Kod. Suppl. 407, f. 8'.
* An der Donau, südöstlich von Grein. • Urk. 1367 Juni 7; NB. IV, 388.
' Vgl. die Genealogie.
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290
Seit 1335, beziehungsweise 1336 treten Eberhards V. beide
Söhne Eberhard VII. und Heinrich V. bereits als gevogt auf;
seine Tochter Agnes wurde 1343 dem Gh'afen Johann von Pem-
stein angetraut, dessen angesehene FamiUe an der ungarischen
Grenze reich begütert war. Etwa 1335 erscheint auch Eber-
hard Vn. mit Anna von Neuhaus bereits vermählt/ die um
1350 mit Tod abging. Dem mehr als 50jährigen Eberhard V.
war es aber beschieden, die beiden Söhne zu verlieren, von
welchen Eberhard VII. nach 1351, Heinrich V. seit Ende 1352
nicht mehr genannt wird; ein schmerzlicher Verlust, der den
alternden Vater umso härter traf, als er von seiner ihm nun
vor mehr als 30 Jahren angetrauten Gemahlin keine Nach-
kommenschaft mehr erhoffen konnte. So schien zuerst der
Mannsstamm der Linzer Linie des Hauses Walsee zu er-
löschen.
Aber das Schicksal hatte es anders bestimmt. Bald nach
1355 starb Anna von Losenstein, der erst im Vorjahre ein Erbe
von 150 Ä^ ^ von ihren Großeltern her zugefallen war.* Elin
dritter Ehebund, den Eberhard V. dann um 1360 noch im
Alter von 70 Jahren mit einer Pettauerin einging, brachte ihm
die ersehnte Nachkommenschaft: einen Sohn Georg und zwei
Töchter.
So sah Eberhard V. wenigstens seinen Stamm erhalten,
als er, 1371 April 21, aus dem Leben schied. Seit den Tagen
Friedrichs des Schönen hatte er durch ein halbes Jahrhundert
dem Hause Habsburg als Hauptmann ob der Ens in Ehren
und Treuen bis zu seinem Tode gedient.
Zwei fromme Stiftungen, Sensenstein und Schlierbach,
verdankten ihm ihre Entstehung. Von diesen wollte anfangs
Schlierbach nicht recht gedeihen. Doch half auf seine Bitten
Abt Bertold von Salmannsweiler der Not der Nonnen ab, als
er das Kloster 1368^ visitierte, und Eberhard selbst gewährte
seine Unterstützung und verzichtete zugunsten desselben auf
die Lehenschaft vieler Besitzungen. Vor seinem Tode bedachte
er es noch 1371 Februar 2* mit zahlreichen Gütern und Giebig-
keiten in den Pfarren Wartberg und Kirchdorf und befreite
es auch von aller fremden Vogtei und Gerichtsbarkeit.
1 Vgl. die Genealogie. « Urk. 1354 Märe 16; FRA. LI, 479.
» Urk. 1368 Februar 28 j UBoE. VUI, 365. < Ebenda 610.
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291
Seinen Besitz hatte Eberhard V. stetig gemehrt und wohl
verwaltet. Nun waren eben durch die Darlehen, die der Wal-
seer für den Baiernkrieg von 1369 gewährt hatte, größere
finanzielle Operationen nötig geworden, deren Abwicklung den
Qerhaben zufiel, welche der junge Georg zunächst erhielt.
3. Georg a365— 1400).
Mit dem Tode Eberhards V. war die Bedeutung der Linie
Walsee-Linz für die Geschichte des Hauses vorbei; sie ging
an die Walseer zu Ens über. Mit Persönlichkeiten wie Eber-
hard IV. und V. kann Georg von Walsee-Linz einen Vergleich
nicht aushalten. Beim Tode seines Vaters war Georg noch
ungevogt und so wurden die Vettern Rudolf I., Reinprecht II.
und Friedrich V. von Walsee-Ens seine Gerhaben, die dieses
Amt wenig befriedigend versahen. Lag darin schon ein wirt-
schaftlicher Nachteil, so war der Entgang der obderensischen
Hauptmannschaft es in mancherlei Hinsicht nicht minder —
volle 80 Jahre hindurch hatten Vater und Großvater dieselbe
innegehabt. Bei Georgs Jugend mußte sie natürlich ^ in andere
Hände kommen und so erhielt sie Graf Ulrich von Schaun-
berg, ein treuer und verläßlicher Freund der Habsburger, der
den gealterten Eberhard V. bereits während des letzten Feld-
zuges gegen die Baiern in diesem Amte unterstützt hatte.
Auch späterhin hat Georg es dazu nicht gebracht; ohne
bedeutsame Ereignisse floß sein Leben dahin, dem Wirken im
Kreise der Seinen gewidmet. Von seinen beiden Schwestern*
wurde Katharina 1374 die Gattin Albers von Puchheim, wäh-
rend sich die zweite mit Heinrich III. von Liechtenstein-Nikols-
burg vermählte, aber nach kurzer Ehe 1378 bereits verstor-
ben war.
Georg erbte den gesamten väterlichen Besitz. Seine Schwe-
ster Katharina erhielt 1374^ eine Heimsteuer von 900Ä^/Ä, Chri-
stoph, der Sohn der zweiten Schwester Georgs von Heinrich III.
von Liechtenstein-Nikolsburg, wurde 1378* mit 1100 Äf^ ab-
gefunden, während die Söhne der Tochter zweiter Ehe Eber-
^ Georg hatte infolge dessen anch nie seinen Wohnsitz dauernd in Linz.
« Vgl. die Genealogie. • Urk. 1374 Mai 6; NB. IV, 634.
« Urk. 1378 März 21; NB. IV, 656.
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292
hards V., Agnes, die Grafen Ulrich und Peter von Pernstein,
1377* auf jeden Erbanspruch zugunsten Georgs verzichteten.
Aus der Gerhabschaft entlassen, ging Georg alsbald gegen
seine Vettern vor, von denen er sich übervorteilt fühlte. Tat-
sächlich scheinen sie sich an den Geldgeschäften, welche die
Ausstände sowie die Legate Eberhards V. nötig machten, be-
reichert zu haben, denn der Schiedsspruch 1378 November 5'
erkannte Georgs Klagen als begründet an. Von der bedeu-
tenden, in den wenigen Jahren der Vormundschaft erwachsenen
Schuldensumme von 8650 Äf^ an Juden, blOö& 4ß 5ä an
Christen ward die Hälfte den gewinnsüchtigen Vormündern zur
Tilgung überwiesen, die auch von den 2700 Äf/Ä, welche Georg
seinen Verwandten an Erbteil auszuzahlen hatte, 675 Äf /Ä über-
nehmen, überdies alle seit Eberhards V. Tode hereingebrachten
Schuldbriefe zurückstellen mußten, ebenso, was sie an fahren-
der Habe von der Pettauerin (Eberhards V. Wittib) zu sich
genommen.
Auch in der Folge hat sich Georg z. B. an den Kämpfen
gegen die Grafen von Schaunberg oder an der Niederwerfung
der Kohrer in Oberösterreich wenig beteiligt. Er schaltete auf
seinen Gütern und war eifrig bemüht, die auf denselben über-
kommenen Schulden abzutragen, was umso leichter gelang, als
ihm 1379 Neuburg am Inn und Falkenstein um 4000 Ä^^
abgelöst wurden.' Zunächst löste Georg die Herrschaft Allent-
steig 1376* um 1000 Äf^ wieder ein; doch mußte er damals
noch zur Aufbringung dieser Summe verschiedene kleine Güter
an Chadolt von Wehingen verpfonden. Darüber hinaus brachte
er es freilich nur zu unbedeutenden Erwerbungen,^ welche
seine niederösterreichischen Besitzungen abrunden halfen.
Der Heirat Georgs mit Margret,® der Tochter des Grafen
Jörg von Curbaw wird noch in anderem Zusammenhange ge-
dacht werden. Er widerlegte 1385 September 30' die Heim-
» Urk. 1377 M»rz 1; Orig. StAEferdiug. « NB. I, 374.
• Vgl. 8. 287, Anm. u. 324.
* Urk. 1376 Juni 28; NB. IV, 549.
» So 1388 ein Zehent zu Chelichdorf (Urk. 1388 August 18; NB. VI, 699);
Gülten zu Wulzeshofen (Urk. 1388 September 24; ebenda 600): ein Gut
zu Groß-Wulzesdorf bei Poisdorf VUMB. (Urk. 1390 April 10; Orig.
StLA., Nr. 3695.
« Vgl. die Genealogie. » NB. IV, 694.
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293
Steuer seiner Gattin von llOOÄf /Ä auf der Feste Guntersdorf
und Gülten daselbst zu Immendorf ^ und Schöngrabern sowie
dem salzburgischen Zehente zu Guntersdorf und versetzte ihr
1386» filr geliehene 3000 0^ seine Herrschaft Straneck. Da
Georg 1390« flir 3000^^ dieselbe gegen Rückkauf seinem
Vetter Friedrich V. von Walsee-Ens tiberließ, der sie zu seinem
neuen Besitze Aspem an der Zaya* zu erwerben wünschte,
gab er an deren Stelle seiner Gattin noch im gleichen Jahre ^
die Herrschaft Pern stein zum Pfände. Eben diese hat aber
Georg samt dem Pernsteiner Kapellenlehen^ dem Hause ,auf
dem Moos' samt dem Landgerichte dabei, Bamberger Lehen,
den Vogteien über das Kloster Schlierbach, dem Markt und
der Kirche zu Kirchdorf und der Pfarre Wartberg an der
Krems 1394 Juni 26* an den einflußreichen Hofmeister Her-
zog Albrechts HI., Hans von Liechtenstein- Nikolsburg, um
7200 Äf/Ä verkauft. Dafür verpfändete Jörg nun im gleichen
Jahre ' seiner Hausirau den Satz auf WöUersdorf mit herzog-
licher Elrlaubnis.
In Niederösterreich kam Georg in den Besitz von Drosen-
dorf (ob als Pfandschaft, Pflege oder Lehen?), das der dor-
tigen Linie der Walseer abgelöst worden und bereits 1383 in
anderen Händen gewesen war. Als Georg 1393® mit den öster-
reichischen Hilfstruppen nach Mähren zog, um dort dem Mark-
grafen Jost und den Rosenbergern zu Hilfe zu eilen, deren
Güter König Wenzel verwüstete, dürfte er bereits im Besitze
von Drosendorf gewesen sein. Durch die Grenzfehden mit
dem südmährischen Adel erlitt Georg in den nächsten Jahren
einen solchen Schaden, daß ihm die Herzoge 1396* ft\r seine
Kosten am Schlosse und für die Schäden, welche die Seinen
im Kriege genommen, 500 Äf^ anwiesen.
So war Georg auf seinen Gütern mit wechselnden Er-
folgen tätig. Daneben ließ er es sich angelegen sein, die
frommen Stiftungen seines Vaters in Stand zu halten. Er er-
» Bei Guntersdorf. « ürk. 1386 Oktober 8; NB. IV, 697.
• Urk. 1390 April 8; ebenda 601. * Bei Mistelbach, VUMB.
» Urk. 1890 April 8; NB. IV, 602.
• Hagn, Urk.-B. von KremsmOnster 346.
' Urk. 1394 Juli 26; LB. IV, r. 2426.
• Vgl. Urk. 1398 August 14; Krones, Urk. r. 361.
•'Urk. 1396 Februar 14; HHStA. Kod. 16, f. 26'.
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294
neuerte 1394* dessen Stiftung eines Benefiziums bei der Ka-
pelle zu Altpernstein und dotierte dieselbe mit mehreren in den
Pfarren Kirchdorf und Wartberg gelegenen Gütern. Dem Kloster
Sehlierbach wies er im gleichen Jahre* die von seinem Vater
gestifteten jährlichen 64 Äf /Ä auf Freudenstein anstatt auf dem
verkauften Pernstein an und widmete demselben neuerlich
200 «f^ und Uüf^ jährlicher Gülten. Diese Stiftung gestal-
tete er 1395* weiter aus, übergab ihr anstatt der von seinem
Vater gestifteten jährUchen 214äf/tS Grundzinse sowie die Pfarr-
kirchen Wartberg und Kirchdorf und löste andere 64 ff^ jähr-
liche Grundzinse filr 1280 Äf^ ab. Auch dem niederöster-
reichischen Stifte Altenburg* erwies Georg manche Wohltat
Georg wird im Testamente seines Vetters Ulrichs IV. von
Walsee-Dr. 1400, Jänner 28, zum letztenmal am Leben er-
wähnt.* Er dürfte noch in diesem Jahre oder anfangs 1401
gestorben sein, seine Gattin war ihm wohl im Tode vorange-
gangen. Da ihm aber kurz vorher sein einziges Söhnlein Eber-
hard X. hinweggestorben war, schloß er die Reihe der Wal-
seer zu Linz, von denen er es am wenigsten zu persönlicher
Bedeutung gebracht hat.
Der Besitz Georgs lag fast ausschließlich in Ober- und
Niederösterreich. Nach dem Aussterben der Grazer Linie der
Walseer hatten auch die Walseer zu Linz einen Anteil am
Erbe derselben in der Steiermark, und zwar scheint hierzu die
Herrschaft Schmirnberg ausersehen gewesen zu sein. Die-
selbe sollte^ aber, gleich anderen Lehen des Klosters St. Paul,
an den Herzog Albrecht III. fallen; sie kam dann gegen eine
Entschädigung von 2000 &^ fiir Jörg von Walsee-Linz an die
Grafen von Cilh. "^ Der sonstige daran sich knüpfende Verkehr
an kleinen Gütern® war ohne alle Bedeutung,
* ürk. 1894 März 3; Hagn, Urk.-B. von Kremsmünster 340.
« Urk. 1394 Mai 8; NB. I, 379.
' Urk. 1396 Mai 1; Kop. Linzer Mnsealarchiv.
* Vgl. Urk. 1397 Dezember 16; AÖG. XXIV, 287.
* Vgl. die Genealogie.
* Vgl. ürk. 1363 April 6; AÖG. XXXIX, 242.
■^ WSt 584.
^ 1365 (Urk. 1365 Jannar 21; Orig. HHStA.) Verleihung eines seckanischen
Zebents bei Lentschacb; 1395 (Orig. StLA. Nr. 3844) Ankauf von Glllten
bei Windisch-Landsberg.
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Fast die gesamten Besitzungen Jörgs in Ober- und Nieder-
österreieh, das Lehen Ober-Walsee, Freudenstein, ein freies
Eigen, das herzogliche Lehen Trattenek sowie das an die
Geuman verlehnte Schloß Gallspach, die Vogtei im nahen Neu-
markt, sodann die Pfandschaft Seusenburg mit der Vogtei zu
Wels — sämtlich im Lande ob der Ens gelegen — Senftenberg
mit Zebing und Draß — Eigengut — sowie das Lehen Gun-
tersdorf und eine bedeutende Anzahl kleinerer Güter fielen den
drei Brüdern Rudolf I., Reinprecht II. und Friedrich V. aus der
jetzt allein noch übrigen Linie Walsee-Ens anheim, zu deren
Gunsten Heinrich von Puchheim auf sein mütterliches Erbteil
als Sohn Katharinas, der Schwester Jörgs von Walsee-Linz,
1402^ verzichtete. Sonstige herzogliche Lehen, die Jörg inne-
gehabt hatte, wurden vom Herzoge 1401* anderweitig vergeben;
in fremde Hände kam auch Drosendorf, welches 1403 Zacharias
Haderer pfandweise innehatte.'
rV. Abschnitt.
Die Linie Walsee-Ens bis zum Schlüsse des 14. Jahr-
hunderts.
1. Heinrich L a280— 1326).
Eine zweite Linie des Hauses Walsee hat Eberhards HI.
Zweitältester Sohn, Heinrich I., gegründet. Derselbe war be-
reits 30 Jahre im Lande, bevor er in den Besitz von Ens kam,
nach welchem seine Linie sich benannte. In dieser haben es
die Herren von Walsee zu ihrer größten Bedeutung gebracht
und mit ihr ist auch das Haus erloschen.
Nach seiner Rückkehr vom Nürnberger Reichstage von
1298, bis zu welchem wir sein Wirken auf österreichischem
Boden bereits verfolgt haben, blieb Heinrich I. zunächst neben
» Vgl. Urk. 1402 Oktober 26; Orig. StAEferding.
« Urk. 1401 Juli 31; LB. V, r. 470.
' Nach Urk. 1405 Dezember 1 (Blätter des Vereines für Landeskunde von
NiederOsterreich XXXV, 140) hatte dieser bereits den Satz von Jörg dem
Dressidler gelöst
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296
seinem Bnider in Oberösterreich, wo wir ihn Ende 1299'
neben demselben auf den dortigen Taidingen treffen.
Im Winter 1300 zog er an K. Albrechts Hof nach
Ulm und wohnte daselbst den Staatsakten' bei^ durch welche
Morgengabe und Sukzessionsrechte fllr die Ehe Herzog Ru-
dolfs III., des ältesten Sohnes E. Albrechts, mit Blanka, Tochter
K. Philipps IV. von Frankreich, festgesetzt wurden. Von dort
kam Heinrich I. abermals nach Oberösterreich zurück und
wurde nun Landrichter zu Wachsenberg,' welche Herrschaft
K. Albrecht erst vor wenigen Jahren dem Grafen von Schaun-
berg wieder abgenommen hatte.* Sodann leistete Heinrich
gleich seinen Brüdern dem Könige Heeresfolge im Feldzuge
gegen die rheinischen Kurfürsten, von welchem er im BVühjahre
1302 heimkehrte. Im Auftrage seines Herrn begab er sich im
Sommer 1303 nach Köln, um den dortigen Erzbischof als Bun-
desgenossen gegen K. Wenzel zu gewinnen, wie wir aus seinem
vor diesem Unternehmen 1303 August 15^ abgefaßten letzten
Willen erfahren.
Ende April 1304^ fand sich Heinrich auf dem starkbe-
suchten Taidinge wieder ein, das Herzog Rudolf zu Judenburg
abhielt, folgte diesem sodann nach Wien und war beim Ab-
schluß des Bündnisses mit K. Karl Robert von Ungarn tätig,'
ebenso im folgenden Jahre bei den Friedensverhandlungen mit
Herzog Otto von Baiem. Der Feldzug gegen die Luxembur-
ger führte ihn 1308 nach Böhmen. Nun tritt Heinrich I. flir
einige Jahre, so auch beim Aufstande von 1309, in den Hinter-
grund. Wir begegnen ihm wieder, als er 1313 Mai 4^ zu
Klosterneuburg, wo sich die Stände Österreichs versammelt
hatten, die Ehepakten Herzog Friedrichs des Schönen gegen
K. Jakob von Aragonien mitbeschwor. Im Sommer 1313' zog
er an der Spitze einer glänzenden Gesandtschaft nach Spanien
und warb dort um K. Jakobs Tochter Elisabeth. Die Braut
» UBoE. IV, 303 ond Monumenta Boic* IV, 160.
* Urkk. 1800 Februar 6; Böhmer, Reg. Imp., n. 266.
3 Vgl. Urk. 1300 Febroar 3; UBoE. IV, 331.
* Vgl. Strnadt, Peuerbach, JBMFC. XXVU, 316 und ebenda XXVIH, 213.
» NB. II, 374.
* Muchar, Gesch. der Steiermark VI, 160.
» Vgl. 8. 267 flf. • Vgl. 8. 269.
* Johann v. Viktring, Böhmer, Fontes Rerum Germ. I, 378,
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297
ward über Südfrankreich und den Oberrhein heimwärts ge-
leitet; Herzog Friedrich eilte dem Zuge bis nach Kärnten ent-
gegen. Mitte Jänner 1314 weilte Heinrich in Wien bei den
Hochzeitsfestlichkeiten des Herzogpaares.
Der große Kampf der Gegenkönige Friedrichs des Schönen
und Ludwigs von Oberbaiem rief nun auch Heinrich zu den
Waffen, welcher in den Jahren 1314 und 1315^ mit seinem
Herrn ins Reich zog. Später ging er mit seinem älteren Bru-
der hohe Bürgschaften für den Habsburger ein, dessen Finanzen
völlig erschöpft waren. Der 1322 unternommene Feldzug sollte
den Kampf entscheiden. Im Sommer drang K. Friedrichs Heer
bis an den Inn vorwärts, um dem von Westen herbeieilenden
Herzog Leopold die Hand zu reichen. Um den 20. September
langten die Streitkräfte K. Friedrichs in der Gegend von Mühl-
dorf am Inn an. Ihm gegenüber traf K. Ludwig am* 24. mit
den Seinen ein. Vergeblich wartete K. Friedrich auf Herzog
Leopolds Ankunft und ließ schließlich vor derselben schlagen
wider den wohlmeinenden Rat Heinrichs I. und Ulrichs I. von
Walsee und Dietrichs von Pillichdorf, sich noch zu gedulden.
So kam es September 28 zur Schlacht. * K. Friedrich gliederte
sein Heer in vier Abteilungen; im dritten Heerhaufen befestigten
Heinrich I. und Ulrich I. von Walsee das Banner der Steier-
märker, denen sich die Ungarn und Kumanen anschlössen. An-
fangs war K. Friedrich wohl im Vorteil, aber ein unerwarteter
Flankenangriff des Burggrafen von Nürnberg entschied den
Ausgang des Tages. K. Friedrich selbst sowie Herzog Heinrich
wurden gefangen und ihr Los teilten viele von Österreichs
Adel, darunter auch die Walseer.' Heinrich I. geriet gleich
seinem Bruder in die Hände der Feinde. Sie wurden mit dem
gefangenen Könige zunächst nach Schloß Domberg, sodann
nach Ottingen gebracht und kamen schließlich mit Herzog
Heinrich nach Prag in die Gewalt K. Johanns von Böhmen,
der sie in strengem Gewahrsam hielt; erst im Oktober 1323
wurden sie daraus entlassen.
* Vgl. 8.270 flf.
* Vgl. Dobeneckor, Mitt. des Inst, für öaterr. Geschichtaforschung, Erg.-Bd. I,
165 ff.
* Vgl. Zeibig, ,Der strit ze Müldorf . AÖG. IX, 368 und Cmogar, Ann. Ducat.
Stir. II, 436.
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298
Heinrichs I. Lebenswerk war damit abgeschlossen; die
Haft hatte seine Kräfte erschöpft. Er war nicht mehr imstande^
sich weiter am Kampfe gegen den Witteisbacher zu beteiligen^
dessen Sache Herzog Leopold^ der unermtLdliche Streiter Habs-
burgS; diplomatisch wie strategisch bedeutenden Abbruch tat
Der Herzog schloß die alten Getreuen seines Hauses fest an
sich. Zu Brück im Aargau gelobten ihm Heinrichs L Söhne
Reinprecht I. und Friedrich H. sowie Ulrich H. von Walsee am
Lichtmeßtage 1325^ mit 100 Helmen zu dienen und alle ihre
Burgen in Schwaben offen zu halten. Heinrich I. zog in diesem
Jahre nicht mehr ins Feld — es war der letzte Sommer^ den
er erleben sollte.
Heinrich I. hat seinen Nachkommen einen schönen Be-
sitzstand hinterlassen, der sich während seines Wirkens in
Osterreich stetig vermehrt hatte.
Im Lande ob der Ens lagen davon nur mehrere bedeu-
tende Pfandschaften, Sätze, die ihm die Geldnot der Habsbur-
ger zugespielt hatte. Die Riedmark mit Freistadt war ihm
1290, wie bereits* erwähnt, zuerst mit Eberhard IV. von Wal-
see-Linz gemeinsam verpfändet, ging aber später durch
Ablösung an ihn allein über. Nach dieser ersten Pfandschafl
wurden ihm — vor 1309 Juli 25* — Burghut, Gericht und
Maut zu Ens versetzt; von da ab versah Heinrich I. die Haupt-
mannschaft zu Ens,^ hielt sich häufig in dieser Stadt auf und
nannte sich und die Seinen darnach. Gleichfalls von Friedrich
dem Schönen wurden ihm 1314^ die Mauten zu Gmunden und
Mauthausen um 750 Ä(^ verpfändet Außer diesen Pfand-
schaften hatte Heinrich I. im Lande ob der Ens fast keinen
Besitz. ®
In Niederösterreich bildet sich rasch ein immer mehr ab-
gerundeter Güterkomplex zwischen Donau, Ens und Ips,
dem fortwährend kleine Güter zugeführt wurden; diese Güter-
gruppe reichte bis südlich und westlich von Melk. Anderer
» LB. in, r. 671. « Vgl. 8. 269 und 288.
• Vgl. UBoE. V, 25 und AÖG. II, 626.
^ In der Stadt; mehrfach mit der (LandeB)hanptmann8chaft ob der Ens
verwechselt, mit welcher sie nichts zu tun hat.
^ Urk. 1314 April 6; AÖG. H, 642.
* Der Ankauf einer Hube zu Gumpolting, Pfarre Kirchberg bei Web,
Urk. 1301 Mai 19 (ÜBoE. IV, 376), steht vereinzelt da.
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und gleichfalls nicht unbedeutender Besitz lag nördlich der
Donau, hier mehr zerstreut.
Bereits 1297 ^ war Heinrich I. die Klostervogtei von Erla-
kloster* übertragen, wie wir aus einem Vergleiche mit seinem
Bruder Eberhard IV. erfahren. Im Jahre 1303* erkaufte
Heinrich Gülten herzoglicher Lehenschaft zu Au, Hebatendorf
u. a., um BUndenmarkt gelegen, sodann 1303 April 24* von
Konrad dem Sumerauer, K. Albrechts einstigem Gegner, den
freieigenen Burgstall zu Seuseneck bei Amstetten imd noch
im selben Frühjahre* die Feste Seuseneck selbst nebst Höfen
und Gülten zu Alramstorf, Amoldsdorf, Hehenberg und einem
Zehente im Vesnitztale von den Paygern. Es steht außer
Frage, daß das landesherrliche Interesse den Übergang dieser
Güter von dem antihabsburgisch gesinnten Sumerauer, den
Schenken von Dobra (Sebarn), den Paygern und zumal den
Kuenringem nicht ungern sah. Dazu versetzte Herzog Fried-
rich dem Wabeer gleichzeitig das Gericht zu Strengberg^
um 800Äf/Ä. Leutold von Kuenring verkaufte an Heinrich I.
femer 1310 Februar 24' die Vogtei zu Eisdornach bei Amstetten,
die er vom Herzoge zu Lehen trug, um ^0<t(^, Kleinere
Güterkäufe® Heinrichs I. in dieser Gegend wiederholten sich
weiterhin fast Jahr fUr Jahr.
Da ihm außerdem Ulrich Schenk von Sebarn (früher von
Dobra) gegen eine Ablösung von 760^^ das obere Gericht
zu Peilstein,* herzogliche Pfandschaft, im Jahre 1319^® über-
ließ und wohl auch die von den Pfannbergern an Eberhard IV.
von Walsee-Linz ^^ gekommenen Lehen an Heinrich I. und die
Seinen kamen, so war damit ein Großteil der ehedem Plaien-
* Urk. 1297 April 24; UBoE. IV, 269. « östlich der Ensmündung.
' Urk. 1303 Januar 24; UBoE. IV, 430. * UBoE. IV, 437.
» Urkk. 1303 März 27, April 24, Mai 1; UBoE. IV, 436 ff.
« Östlich von Ens; AÖG. II, 526. ' UBoE. V, 27.
* Ein freieigener Hof zu Salveterre 1306 Dezember 19 (UBoE. IV, 496);
ein halber Hof dort als Pfandschaft, 1306 Dezember 6 (ebenda 612);
ein halber freieigener Hof zu Chelbersberg (ebenda 606); ein Gut zu
Öd 1311 (Inventar, f.84); ein Gut zu Praunsbach 1312 (WSt. 590); Güter
zu Prasdorf und Medling 1322, Januar 6 und 20 (UBoE. V, 307).
* Pfarre St. Leonhard im Forst, südlich von Melk.
*° Urk. 1319 April 6; Hoheneck, Genealogie HI, 817.
'* Vgl. S. 272; sie sind nicht weiter im Besitze der Walseer zu Linz nach-
weisbar.
ArehiT. XCY. Band. II. Hälfte. 21
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300
Peilsteinischen Besitzungen im Viertel ob dem Wienerwalde
in walseeischen Händen.
Nördlich von Krems und in der Wachau hatte Heinrich L
gleichfalls ganz ansehnlichen Besitz. Von Dietmar von Loben-
stein verkaufte er 1300 April 24^ die eine Hälfte des Schlosses
Hartenstein, freies Eigen, am Znsammenflusse der Großen und
Kleinen Krems gelegen, und erwarb auch die restliche Hälfte
von dessen Bruder Alber hinzu. Aus Heinrichs Testament
1303 August 15* erfahren wir femer von Gülten zu Mühlbach,
welche Feste gleichfalls dem Walseer gehörte, Ekendorf, Wei-
kersdorf usw., sämtlich bei Meissau gelegen, dann von Berg-
rechten (Weingärten) zu (KJo8ter-)Neuburg, Nußdorf und Krot-
tendorf. Einen Teil dieser Besitzungen wird ihm wobi seine
Gattin, die Starhembergerin Elsbet, zugebracht haben, von deren
Angehörigen er 1301* auch einen Weingarten in der Wachau
angekauft hatte.
Noch weiter gegen Norden soll ihm an der mährischen
Grenze die Feste Kolmans bereits 1293 zugestanden haben. ^
In der Nähe davon erwarb er 1300^ an Bügengut von der
Gräfin Hedwig von Schaunberg die Dörfer Japons, Ludweis,
(Klein) Ulreichsschlag und Seebs im Drosendorfer Gerichte
und die Mannschaft zu Prosmareut.^ Diese Besitzungen wur-
den 1314' durch den Ankauf zahlreicher Lehen zu Gezweins
und Barperg bei Waidhofen an der Thaya vergrößert.
Diesen großen Besitz, von welchem K. Friedrich die
Schlösser Kolmans und Hartenstein 1319 zu Weiberlehen
machte,® erbten Heinrichs I. drei Söhne, Heinrich H., Rein-
precht I. und Friedrich H. — alle drei bereits 1318 gevogt —
die er neben zwei Töchtern hinterließ. •
Heinrich I. von Walsee -Ens schloß 1326 März 1 sein
tatenreiches Leben, wenige Tage nach ihm auch seine Gattin.
In der Enser Stadtpfarrkirche, an welcher sie eine eigene
Kapelle gestiftet hatten, sind ihre Grabsteine noch erhalten.
» UBoE. IV, 838. • Vgl. S. 296. » UBoE. IV, 390.
* Vgl. Schweickhardt v. Sickingen, VOMB. IV, 62.
» Urk. 1300 September 25; UBoE. IV, 860.
' Ist abgekommen, lag bei Zettlitz, Pfarre Raabs.
' Urk. 1314 Januar 17; NB. IV, 81.
» Vgl. Schweickhardt, a. a. O., 8. 68.
• Vgl. die Genealogie.
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301
Die Minderbiiider zu Ens^ verloren an ihnen ihre größten
Gönner.
2. Heinriohg I. Söhne Heinrich IL (11334), Beinprecht I. (11360/61)
und Friedrich II. (f 1355).
Heinrichs I. Söhne, die sich binnen wenigen Monaten ver-
waist sahen, traten nun das Erbe ihrer Eltern an; als der
älteste überkam Heinrich H. die Hauptmannschaft zu Ens,* der
Besitz blieb gemeinsam verwaltet. Sie zogen im folgenden
Jahre gegen die Ungarn ins Feld und waren 1328 Septem-
ber 21 zu Brück a. d. Leitha zugegen,' als daselbst der Friede
mit K. Karl von Ungarn abgeschlossen wurde.
Von den drei Brüdern starb Heinrich II.,* der 1330 be-
reits mit Alheid, einer Tochter Bertolds von Aichheim — aus
niederbairischem Qeschlechte — vermählt war, schon 1334 Juli 26
hinweg, ohne Nachkommen zu hinterlassen. 1340 Juni 16^
traten seine Brüder Reinprecht I. und Friedrich H. die Feste
Mtihlbach als Pfandschaft flir Wittum und Heimsteuer an seine
Witwe ab, die sich damals bereits wieder mit Rudolf dem
Jungen von Liechtenstein- Murau vermählt hatte.
Nach Heinrichs II. Tode ging die Hauptmannschaft zu
Ens an Reinprecht I., den älteren der Brüder, über; ihre Güter
blieben auch weiterhin gemeinsam. In der Folge treten die
Brüder nicht bedeutend hervor. Ihrer Streitigkeiten als In-
haber der Freistädter Pfandschaft insbesondere gegen Böhmen
haben wir bereits an anderer Stelle gedacht; an der großen
Fehde von 1351 dürften indes weder Reinprecht I. noch Fried-
rich n. teilgenommen haben, da sich eben erst, spätestens im
Frühlinge 1351, Reinprechts I. älteste Tochter Agnes * mit Jost
von Rosenberg vermählt hatte. Andere Mißhelligkeiten, die
sich mit dem Abte Wolfgang I. von Göttweih ergaben, fanden
1342® durch die Entscheidung des Herzogs ihr Ende.
* Vgl. ürk. 1843 Juli 7; UBoE. VI, 460. Daß sie deren 1309 zum ersten
Male genanntes Kloster gegründet, ist nicht wahrscheinlich. Vgl.
JBMFC. XXX, 48 flf. und AÖG. LXIV, 103.
' Erst seit 1334 nennt sich Reinprecht I. Hauptmann zu Ens; vgl. die
Qenealogie.
• Vgl. 8. 274. * Vgl. die Genealogie. » UBoE. VI, 336.
« Urk. 1342 Mai 30; FRA. LI, 397.
21*
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302
Reinprecht I.,^ der die Hauptmannschaft zu Ens im Jahre
1345 infolge der Ablösung dieser Pfandsehaft verloren faatte^
schaltete seit 1350 und noch 1356 als herzoglicher Verweser
zu Krems. Dann findet er sich 1358 unter den Räten Herzog
Rudolfs IV., ist weiter — wohl nebenher — 1359 Pfleger und
Verweser der Güter der Burggrafen von Nürnberg in Oster-
reich und beschließt 1360/61 sein Leben als Hauptmann und
Burggraf der Stadt Steier (seit 1359 daselbst).
Sein jüngerer Bruder Friedrich IL hat kein Amt bekleidet.
In Gesellschaft seiner Vettern von Walsee-Graz zog er 1354
mit Herzog Albrecht und K. Karl IV. gegen das unbotmäßige
Zürich aus. Zu Brück im Aargau (Oktober 31) und zu Win-
terthur (November 11) wurden Friedrich II. und sein Vetter
gleichen Namens (IH.) von Walsee-Graz des Herzogs Bürgen
für bedeutende Soldforderungen.* Von dieser Heerfahrt heim-
gekehrt, schied er^ bereits um die Mitte des Jahres 1355 aus
dem Leben.
Von den beiden Töchtern Heinrichs I. vermählte sich
Gueta mit Hertneid von Stadeck, die andere mit einem Rauhen-
steiner.^ Die Erbansprüche zweier Enkel Heinrichs I. aus
diesen Ehen, Albers des Rauhensteiners und Leutolds von
Stadeck, wurden im Spruche von 1349 März 29' anerkannt
und ihnen Anteile am Heiratsgute ihrer Großmutter Elsbet,
Heinrichs I. von Walsee-Ens Gattin, sowie dem Rauhensteiner
die Heimsteuer seiner Mutter von 500 ^/Ä, falls sie nicht aus-
bezahlt worden, zugesprochen.
Reinprecht I. war zweimal vermählt gewesen.^ Um 1333
hatte er seinen Ehebund mit Elsbet, der reichen Erbtochter des
Truchsessen Christian von Lengenbach, geschlossen, der durch
Elsbets Tod um 1344 gelöst wurde. Die beiden Töchter aus
dieser ersten Ehe vermählten sich noch bei Lebzeiten ihres
Vaters, spätestens 1351, Elsbet mit Konrad von Pottendorf, die
erst 1402 verstorbene Agnes mit Jost von Rosenberg. Von
letzterer stammt das noch gegenwärtig im Stifte Hohenfurt in
Südböhmen aufbewahrte prachtvolle Antependium. *
* Vgl. die Genealogie.
« LB. m, r. 1717, 1718.
' NB. n, 815; noch nach schwäbischem Rechte!
* Mittcil. d. Zentral-Kommission, XVI. Bd., XXV— XXVII.
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303
Bereits 1350 hatte Reinprecht I. ^ eine zweite Gattin heim-
geführt, eine Starhembergerin, gleichfalls namens Elsbet. Diese
wird bis 1358 erwähnt und hat ihren Gatten mindestens nicht
lange überlebt. Ihrer Ehe entsprossen fünf Kinder: die Söhne
Rudolf I., Reinprecht 11. und Friedrich V., die Töchter Anna
und Dorothea.
Friedrich II. hatte spätestens 1346 Kunigund, eine Tochter
Rudolfs von Liechtenstein-Murau, zur Gattin genommen, mit wel-
chem Hause er ja auch durch die Witwe Heinrichs II. verschwä-
gert war. Sie hat ihren Gatten überlebt; derselbe hinterließ
gleich Reinprecht I. drei Söhne und vier Töchter: Anna, Agnes,
Friedrich VI., Wolfgang III., Heinrich VI., Elsbet und Ursula.
Davon heirateten noch vor dem Ableben ihres Vaters Anna
1345/6 Johann II. von Kuenring-Seefeld, Agnes 1351 Niklas von
Chiaw. Mit beiden Häusern, insbesondere mit dem der Kuen-
ringer waren die Walseer durch Wechselheiraten verbunden.
Die Besitzentwicklung der Linie geht auch weiterhin auf
ober- und niederösterreichischem Boden vor sich und zeigt ein
stetes Anwachsen des Güterbestandes.
Im Lande ob der Ens kam nördlich der Donau, wo auch
die Walseer zu Linz festen Fuß gefaßt hatten,* 1331 die große
Pfandschaft Wachsenberg' mit Ottensheim durch die Her-
zoge anläßUch des Verkaufes der schwäbischen Stammgüter
für 2916 Mark Silber an die Enser Linie, der dadurch wich-
tige habsburgische Interessen im Abteilande anvertraut wurden.
Zwar wurde die Donaufeste Spielberg (nördlich von
Ens) 1329* durch Herzog Albrecht an Reinprecht I. für seine
Dienste als Leibgedinge verliehen, die Pfandschaft Ens aber
— vor 1345 Oktober 2^ — durch Herzog Albrecht H. von
Reinprecht I. und Friedrich II. mit Hilfe der Bürger dieser
Stadt eingelöst. Doch blieben in und um Ens noch zahlreiche
walseeische Liegenschaften und Güter, zumeist an Enser Bürger
verlehnt, deren Abgaben Gegenstand langwieriger Streitigkeiten
zwischen den Walseem und den Bürgern waren. Unter diesen
Besitzungen befanden sich auch Eigen und Lehen zwischen
Ens und Traun, welche die Enser Walseer 1339 « von Dietrich
dem Alteren von Weißenperg erkauft hatten.
» Vgl. die Genealogie. « Vgl. S. 287.
3 Urk. 1331 Februar 7; UBoE. VI, 1; Wachsenberg bei St. Veit.
* Hohenek, Genealogie HI, 817. » UBoE. VI, 528. • Inventar, f. 82'.
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304
Weitere Ankäufe brachten Reinprecht I. und Friedrich ü.
reichen Besitz im Vorlande des Traunsees und im Almtale. Seit
1333 ^ hatten Reinprecht I. und Friedrich H. auf der Herrschaft
Ort am Traunsee eine Pfandsumme von 600 Äf^ stehen. Ihre
bereits 1342* durch den Ankauf einer Hube zu Straß, bei
Lankirchen in dieser Herrschaft gelegen, bekundete Absicht^
dieselbe ganz zu erwerben, wurde bald darauf verwirklicht
Sie ging als Eigengut mit dem Landgerichte zur Hälfte 1344
April 24 • von Alber und Hertnid von Rauhenstein an die bis-
herigen Pfandinhaber über, welche die Kaufsumme von 2250Äf^
in mehreren Beträgen bis 1348* erlegten und dem neuen Be-
sitze auch die zweite Hälfte der Herrschaft von denen von
Winkel^ sowie kleinere Ankäufe von Höfen bei Gmunden und
in der Viechtau* hinzuftLgten. Die gleichzeitigen Erwerbungen im
benachbarten Almtale stehen damit gewiß in engster Verbindung.
Dort brachten die Brüder Reinprecht I. und Friedrich II. die
bedeutende Lehensherrschaft Scharnstein von den Polheimen
1335^ gleichfalls kaufweise an sich und vergrößerten dieselbe
1341® durch den Kauf mehrerer Güter in den Pfarren Viech t-
wang und Pettenbach von Konrad von Polheim, sowie des
Zehents zu Viechtwang, den sie 1348* von Dietrich dem
Schenken von Dobra um 110 Ä(^ erwarben. Die Mittel zu
diesen beträchtlichen Ankäufen fanden sich einigermaßen leich-
ter, da der Gattin Friedrichs H., Kunigund, 1346 ^^ eine Summe
von 1200 Äf^ als Erbteil nach ihrem Vater, Rudolf dem Alten
von Liechtenstein-Murau, zugesprochen wurde.
In Niederösterreich ergab sich gleichfalls ein namhafter
Güterzuwachs, der indes zum geringeren Teile beiden Brüdern
noch gemeinsam zugute kam.
Sie hatten ihren großen Besitz auf dem Ipsfelde^^ bald
nach dem Tode ihres Vaters durch die Vogtei über Güter des
» Urk. 1333 Juni 20; UBoE. VI, 97.
« Urk. 1312 MÄra 28; ÜBoE. VI, 406. • UBoE. VI, 475.
* Urk. 1348 Juni 27; FRA. LI, 441. 1348 November 24; UBoE. VH, 82.
» Nach Urk. 1360 Januar 26; UBoE. VH, 164.
« Urk. 1348 November 1; UBoE. VI, 558.
' Inventar f. 7'. « Ebenda, f. 60, 68', 69'.
» Urk. 1348 November 1; UBoE. VI, 668.
1« Urk. 1346, März 22; UBoE. VI, 646.
" Vgl. Urk. 1326 März 20; FKA. LI, 320.
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305
Stiftes Göttweih daselbst sowie 1348^ durch die Vogtei über
die bambergischen Untertanen in der Hofmark Haag abge-
rundet und auch ihren Besitzungen nördlich der Donau 1326/7 *
(passauische) Lehen zu Eisneinsdorf hinzugefügt. Dagegen ging
die Feste Mühlbach hier 1340 in andere Hände über.
Seit der Vermählung Reinprechts I. mit Elsbet, der Erb-
tochter Christians des Truchsessen von Lengenbach (Alt-Leng-
bach), war die bisher bestandene Gütergemeinschaft zwischen
den Brüdern auf die Dauer nicht mehr wohl auft*echt zu er-
halten,' und so teilten dieselben 1350 Januar 25 vorerst ihren
Eigen- und Lehenbesitz;* die Pfandschaften Wachsenberg mit
Ottensheim sowie Freistadt mit dem Marchlande bUeben noch ge-
meinsam. An Reinprecht L fielen darnach Schloß Scharnstein
mit der Fisch weide auf der Lautach,* die Feste Seuseneck
samt Zugehör, alles Gut zu Ens und bei Ens, ein ,Gütel zwi-
schen den Wassern', das Gut zu Helfenberg und jenes zu
Übensee. Friedrichs IL Teil bestand aus der Herrschaft Ort,
dem von den Rorem erworbenen Zehente zu Laakirchen, dem
Hofe zu Straß, einem Gute zu Gasteig und den beiden Festen
Sumerau und Hartenstein mit allem Zugehör. Am 29. Juni
1356^ schritt man auch zur Teilung der Freistädter Pfand-
schaft zwischen Reinprecht I. und den Söhnen Friedrichs H.,
doch wurde dieselbe binnen kurzer Frist von dem bekannten
Jans von Traun abgelöst,^ nachdem sie seit 1290 in den
Händen der Walseer gewesen war. 1356 JuU 4® ward auch
Wachsenberg mit Ottensheim geteilt: an Reinprecht L fielen
Wachsenberg und der größte Teil seines Urbars mit Ottens-
heim, dessen Feste gemeinschaftlich blieb. Friedrichs IL Söhnen
Friedrich VI., Wolfgang HL und Heinrich VI. wurde der Rest
des Wachsenberger Urbars sowie Markt, Maut und Gericht zu
Leonfelden zugesprochen. Von den sonstigen Besitzungen
findet sich die Pfandschaft Peil st ein® späterliin im Besitze
Reinprechts I. und der Seinen, ebenso die Klostervogtei von
' Urk. 1348 November 2; HHStA. Kod. 1049, f. 65'.
» Urk. 1326 Januar 6; NB. IV, 82; Urk. 1327 April 9; Orig. StAEferding.
' Umsoweniger als Reinprecht I. und Friedrich EL. einen Kindersegen von
je drei Söhnen und vier Tüchtem heranwachsen sahen.
* UBoE. VII, 164. » Nebenfluß der Alm. • UBoE. VII, 460.
' Vor 1368 April 20; UBoE. VII, 572. • Ebenda 463.
» Vgl. WSt. 697.
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306
Seitenstetten. ^ Diese Teilung des Besitzes der Linie Walsee-
Ens währte bis zu dem 1398 erfolgten Tode Heinrichs VL,
mit welchem die Nachkommenschaft Friedrichs ü. von Walsee-
Ens erlosch.
Reinprcchts I. Gattin Elsbet von Lengenbach brachte ihrem
Ehewirte die Herrschaft Viehofen,* ein Passauer Lehen, tu
und auch die Feste Purkersdorf, welche das Ehepaar 1333^
an Herzog Albrecht filr 1000 Äf /Ä veräußerte, stammte wohl
aus lengenbachischem Besitze. Durch seine bald nach 1344
verstorbene erste Hausfrau fielen Reinprecht I. weiters ansehn-
liche Güter, darunter die Herrschaften Heinsberg und Brneck,*
bischöflich regensburgische Lehen von Elsbets Vater, Truch-
sessen Christian von Lengenbach, dem Letzten seines Stammes,
zu. Aus diesem Erbe nun, welchem Reinprecht 1344^ cid
regensburgisches Lehen zu Stetten, dann die Vogtei über den
Göttweiher Stiftsbesitz ® um Viehofen und 1354 ' durch Kauf
von Marquard von Tiernstain filr 312 Äf /Ä Gülten im Lengen-
bacher Gerichte hinzugefiigt hatte, vermachte er seinen beiden
Töchtern erster Ehe, Elsbet, der Hausfrau Eonrads von Potten-
dorf, und Agnes, Josts von Rosenberg Gemahlin, vorerst* die
Feste Viehofen und schließlich in einem späteren Testamente*
auch Em eck und Reinsberg, welche alsbald an die Zelkin-
ger kamen, das Gut zu Kritzendorf,^® bOif^ Geldes auf der
Maut zu Stein und alle Habe, die Christian von Lengenbach
hinterlassen, mit Ausnahme des Marktes Weißenbach und der
Lehen.
Nach der Besitzteilung von 1350 arrondierte Reinprecht I.
durch Ankauf von Gütern zu Blumau und Talern *^ sowie zu
St. Georgen auf dem Ipsfelde^' seine Herrschaft Seusenek,
während er andererseits das von seinem Besitz abgelegene Gut
» Vgl. Urk. 1359 August 18; FRA. XXXIU, 238.
* Nördlich von St. Polten. » Urk. 1333 Dezember 12; LB. III, r. 963.
* Südlich von Wieselburg a. d. Erlaf. » WSt. 696.
« Urk. 1350 April 24; FRA. LI, 446.
' Urk. 1364 Oktober 18; UBoE. VH, 378.
« Urk. 1351 Mai 26; UBoE. VU, 209.
» Urk. 1357 März 29; NB. IV, 337.
*® Nordwestlich von Klöstern eu bürg.
" Bei Amstetten; Urk. 1351 Juli 26; UBoE. VII, 267.
" Bei Amstetten; Urk. 1358 März 15; UBoE. VU, 565.
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307
zu Eizendorf im Machlande/ jenseits der Donau^ 13Ö8 dem
dortigen EJoster Baumgartenberg verkaufte. Für eine Schuld
A^on 1000 ^„S wurde er am Georgitage 1355^ vom Herzoge
auf das Gericht zu Krems gewiesen, wo sich Reinprecht eben
als herzoglicher Verweser befand, und auf die Maut zu Stein.
Bald darauf erkaufte derselbe Walseer 1358 * von Leutold von
Pottendorf die Feste Hohen eck/ herzogliches Lehen, samt
dem passauischen Zehente daselbst, westlich von Viehofen
gelegen.
Auch Friedrich U, von Walsee-Ens hat sein in der Tei-
lung von 1350 erhaltenes Gut noch gemehrt. Er erkaufte in
letzterem Jahre ^ von denen von Walde den Getreide- und
Weinzehent zu Rossatz in der Wachau, Lehen des Bistums
Passau. Später stand er wegen der Pfandschaft Traismauer^
in Verhandlungen mit dem Bischof Albrecht von Freising, der
ihm schließlich 1355 die Feste Ulmerfeld' samt dem Land-
gerichte und bald nach Friedrichs H. Tode 1356 ® dessen älte-
stem Sohne Friedrich VI. die nach Merlin dem Haesib frei-
gewordenen Lehen übergab.
Eine Jahrtagstiftung, welche sich die beiden Brüder Rein-
precht I. und Friedrich IE. in der Kirche zu Sindelburg, nächst
ihrer Feste Sumerau, im Jahre 1336* mit der ansehnlichen
Summe von 300 Mark Silber errichteten, erhielt ihr Andenken.
3. Der Zweig von Senseneok: Beinprechts I. Söhne
Budolf I., Beinpreoht II. und Friedrich V. bis zur Wende des
14. Jahrhunderts.
Aus den drei Söhnen, welche Reinprecht I. hinterließ,
gingen die größten Männer ihres Hauses hervor: neben Ru-
dolf I. Reinprecht 11., ein Mann, der mächtig in die Schick-
sale des habsburgischen Osterreich jener Zeit eingriff, und der
kaum minder bedeutende Friedrich V., den ein widriges Ge-
schick in der Blüte seiner Manneskraft dahinraffte.
» Bei Saxen; Urk. 1868 Februar 24; UBoE. VU, 5ö7.
« LB. m, r. 1772. • Inventar, f. 62.
* Nicht mit der steirischen Pfandschaft gleichen Namens zu verwechseln.
» Urk. 1360 Mai 27; NB. IV, 132. • Vgl. FRA. XXXVI, 300.
T Urk. 1355 März 12, ebenda 292; bei Wieselburg.
« Urk. 1356 Januar 7; Orig. HHStA.
» Vgl. Stadl, Ehrensp. d. Hzj. Steierm., StLA. Hs. 28, III, 308.
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308
Da Reinprecht I. in den Jahren^ wo er aus seiner zweiten
Ehe noch die genannten drei Söhne und zwei Töchter erhielt,
nach der Lösung von Ens dann als herzoglicher Verweser in
Krems tätig war, dürfen wir dieselben wohl als geborene
(Nieder-) Österreicher ansehen. Möglich, daß sie dem Vater
nach Wien folgten, als dieser 1358 Rat Rudolfs IV. wurde.
Eine Kinderverlobung des etwa zehnjährigen Rudolf I. mit
Anna, Dietrichs von Hohenberg Tochter, wurde durch Rudolfe
Vater 1357^ wieder rückgängig gemacht; die Hohenbergerin
wurde nachmals die Gattin Heinrichs VT. von Walsee-Ens. Als
die Söhne ca. 1361 ihren Vater, zuletzt Burggrafen in Steier,
verloren, waren Rudolf I. und Reinprecht II. schon ihrer Mün-
digkeit nahe.
Im Jahre 1364 begleiteten sie ihren Vetter Eberhard V.
von Walsee- Linz, den Hauptmann ob der Enns, auf dem Feld-
zuge gegen Baiern.' Mit letzterem Walseer zog Rudolf I. 1368
abermals aus, der Adria zu; mit seinen Dienstleuten Otaker
dem Wolfstein und Simon dem Venk lag er damals mit
34 Hauben für die Habsburger gegen die Venezianer im Felde.'
Das freundschaftliche Verhältnis, welches sich damals mit
Haug VI. von Tibein entwickelte,* dem mächtigsten Adeligen
im äußersten Süden des habsburgischen Machtbereiches, fand
seinen Ausdruck in der bald darauf erfolgten Vermählung des
Tibeiners mit Rudolfs I. von Walsee-Ens Schwester Anna.
Zwar blieb die durch Annas Tod früh gelöste Ehe ohne Nach-
kommen; 1373 Juni 6^ bewilligten die Herzoge dem Tibeiner
die Widerlegung der 600 ti ^ Heimsteuer seiner bereits ver-
storbenen Gattin für deren Brüder auf der Pfandschaft Karls-
berg.^ Das Testament Haugs VI. vom Jahre 1374^ brachte
indes den Walseern bereits die Anwartschaft auf einen beträcht-
lichen Teil des tibeinischen Erbes und die engen Beziehungen
zwischen den Häusern Walsee und Tibein dauerten auch an,
als Haug VI. eine zweite Ehe mit Anna von Wildhaus einging.
Insbesondere war es Rudolf I. von Walsee-Ens, der dieselben
aufrecht erhielt. Zwar gerieten Rudolf I. und seine Brüder,
von denen nun auch Friedrich V. um 1368 vogtbar geworden
» Urk. 1357 Juni 25; NB. IV, 338. « Vgl. 8. 282.
3 Urk. 1368 April 22; UBoE. VIU, 375; vgl. 8. 283.
* Vgl. 8. 292 und 317. » LB. IV^ r. 1123.
ö Bei St. Veit in Kärnten. ' Pichler, II cutello di Duino, 22i.
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309
war, mit Georg von Walsee-Linz über Geldansprtiche aus der
Gerhabschaft, welche sie über denselben seit 1371 geführt
hatten,* in Differenzen, die erst 1378 ihre Regelung erfuhren;
der Ehebund, welchen Georg späterhin schloß, war indes ohne
Zweifel durch Rudolf I. und dessen Brüder zustande gebracht,
die sich auch hier wieder von den Beziehungen zum Hause
Tibein leiten ließen.
In jenen Jahren weilte Reinprecht II. selten in der Heimat;
er oblag wohl zumeist dem Waffenhandwerke. Von diesen
Zügen heimgekehrt, führte er Katharina, die Tochter des ein-
flußreichen Hans von Liechtenstein-Nikolsburg, als Gemahlin
heim, der er 1370 Juni 23* zu Wien 900 Äf^ als Morgengabe
verschrieb; wir verlieren ihn dann wieder auf längere Zeit aus
den Augen.
Im Frühjahre 1372* zog Rudolf I. im Dienste der Habs-
burger nach Schwaben und erhielt dort einen nicht unbedeu-
tenden Wirkungskreis; es wurde ihm die (kaiserliche und die
habsburgische) Landvogtei im Elsaß und in Schwaben auf
P/j Jahre übertragen. Eifrig wachte Rudolf daselbst über die
Sicherheit des Handels im Interesse der einheimischen Bürger
sowohl als der fremden, meist italienischen* Kaufleute. Damals
machte besonders der Ritter Johann Erbe den Straßburgern
zu schaffen.^ Auf zehn Jahre aus der Stadt verwiesen, weil
er sich 1372 weigerte, den verlangten Bürgereid zu schwören,
begann er mit den Straßburgern einen Streit um die Fähre zu
Grafenstaden, den Rudolf I. von Walsee-Ens und Bichof Lam-
brecht von Straßburg vergeblich beizulegen suchten.^ Schließ-
lich widersagte Erbe der Stadt und tat ihr mit anderen aus-
gewiesenen Edlen und sonstigem gesammelten Gelichter großen
» Vgl. S. 292. « NB. IV, 437.
» Vgl. Steyerer, Comm. pro hißt. Alb. II, Anh. col. 20 und Urk. 1372 Mai 12;
Urk. B. d. St. Straßburg V, 781. Daß Rudolf I. die Landvogtei bereits
1366 verwaltet hätte (Kurz, Albrecht III., I, 202), ist bei seinen Jahren
damals ein Unding; offenbar ist das Datum dieser einzigen fraglichen
Urkunde korrumpiert.
* Vgl. Urk. 1372 August 17; Thommen, Urk. z. Schweiz. Gesch. 11, 23.
» Vgl. Ann. hospit. Argent., M. G. SS. XVII, 104; Chron. d. Jak. Twinger
Y. Königshoven, Chron. deutsch. Städte IX, 802; Chron. d. Rektor Mülich,
ebenda XXII, 15; Chron. d. Gerhard v. Appenweiler, Basler Chroniken
IV, 377; Kleine Basler Chronik, ebenda V, 61.
« Urk. 1372 Juli 8; Urk.-B. d. St. Straßburg V, 784.
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310
Schaden. In der Neujahrsnacht 1373 erstieg er mit seinen
Helfern die Burg Herlisheim bei Kolmar^ nahm Herrn Eppe
von Hadestat; einen reichen Straßburger Bürger, der darauf
saß, gefangen und hielt das Städtchen besetzt. Sofort aber
legte sich Rudolfs Untervogt Johann Miirlin ^ mit den Kolmarem
und Schlettstädtem davor und ließ niemand entwischen. Nach
wenigen Tagen zog Rudolf selbst mit den Straßburgem und
anderen Städtern gegen Herlisheim, eroberte es am 8. Januar
und ließ die darin gefangenen 56 Bösewichte, meist Edelleute,
fast sämtlich hinrichten; Johann Erbe hatte sich bei Zeiten ge-
flüchtet. Zur Verteidigung seines Vorgehens schloß Rudolf 1373
Februar 24* zu Breisach mit denen von Straßburg, Basel und
elf anderen Städten ein Bündnis ab; auch vom Kaiser und von
den Habsburgern ergingen Schreiben, so an den Pfalzgrafen
Ruprecht den Alteren ' und den Grafen Eberhard von Württem-
berg,* die verjagten Edelleute nicht zu unterstützen. Dadurch
ward mit den adeligen Wegelagerern im Elsaß gründlich auf-
geräumt, zur großen Freude der Städter. Als sich Rudolf so
durch sein rasches Handeln den Dank der Bürger erworben
hatte, zog er im Sommer 1373 wieder heimwärts und war mit
seinem Vetter Heinrich VI. von Walsee-Ens in Wien bereits
wieder zugegen, als dort 1373 Juli 25^ eine Teilung der habs-
burgischen Lande zwischen den Herzogen Albrecht UI. und
Leopold HI. vereinbart wurde.
Die Hauptmannschaft in der Steiermark wurde Rudolfe
Lohn ftlr seine Tätigkeit in Schwaben, doch kam sie nicht
mehr dauernd an die Walseer zurück. Er erhielt sie sofort
nach seiner Rückkehr im Sommer 1373® und ließ sich, da er
oft von der Steiermark abwesend war, in seinem Amte durch
Verweser' vertreten, als welche nacheinander die walseeischen
Dienstleute Albrecht der Qefeller, sein Burggraf auf der Rie-
gersburg, der Niederösterreicher Otaker der Wolfstain und
* Mit Rudolf I. von Walsee-Ens ins Elsaß gekommen; identisch mit Hans
dem Mäurl, der 1364 Landrichter ob der Ens war; vgl. Anm. S. 276.
3 Urk.-B. d. St. Straßburg V, 808. » Urk. 1373 Mai 0; ebenda V, 816.
* Urk. 1373 April 12; ebenda V, 817. » UBoE. Vm, 6ö4.
* Vgl. Krones, Landesfürst, Behörden und Stände des Herzogtums Steier-
mark, Forschungen zur steirischen Verfassungs- und Yerwaltungsgesch .
IV>, 162.
' Vgl. ebenda 167—168.
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311
Peter Hinterholzer auftreten, letzterer vordem Burggraf zu Steier,
das Rudolf und seine Brüder seit 1374 als herzogliche Pfand-
schafib innehatten. Ende 1374^ erhielt Rudolf mit seinen Brü-
dern auch das steirische Erbtruchsessenamt nach dem
Ableben Cholos von Seldenhofen, der es nach Friedrichs lU.
von Walsee-Graz Tode überkommen hatte; Wilhelm von Glaneck
ließ sich mit seinen Ansprüchen darauf mit 100^^ abfinden.*
Im gleichen Jahre verheiratete sich Rudolf I. auch mit Agnes
aus dem Hause derer von der Leippe,* welches den Walseern
bereits verschwägert war. Nun wurden auch die walseeischen
Verbindungen mit dem steirischen Adel wieder aufgefrischt,
insbesondere aber durch die im Jahre 1376' erfolgte Vermäh-
lung der jüngsten Schwester Rudolfs, Dorothea, mit Wulfing
von Stubenberg. Im Frühlinge 1379 ritt Rudolf I. mit einem
seiner Brüder abermals zu Felde, gegen Venedig, als Partei-
gänger K. Ludwigs von Ungarn, auf dessen Seite Herzog Al-
brecht HI. stand, der den beiden Walseern darüber einen
Schadlosbrief^ ausstellte.
Da trat Rudolfs I. Bruder Reinprecht IL plötzKch an
leitender Stelle in den Vordergrund der Ereignisse,*^ die sich
nun zwischen Herzog Albrecht IH. und dem Grafen Heinrich
von Schaunberg abspielten. In letzter Stunde vor der Er-
öffnung des Kampfes mit demselben setzte der Herzog nämlich
an die Stelle Heinrichs VI. von Walsee-Ens dessen energischen
und ohne Zweifel bereits kriegserprobten Vetter Reinprecht IL
von Walsee-Ens, der 1379 Oktober 28^ zum ersten Male als
Hauptmann ob der Ens erscheint. Der Herzog brachte die
zum Kriege nötigen Summen auf und verschaffte Reinprecht H.
auch Zahlungsfrist' für seine dem Juden David dem Stenzz
schuldigen IbOOfi^. Von Wien aus ließ der Herzog im Winter
1379/80 seine Befehle an Reinprecht H. ergehen,® Söldner an-
werben und die Bürger der Städte ob der Ens aufbieten. 1380
^ ürk. 1374 November 12; Hoheneck IH, 819.
* Urk. 1377 März 7; NB. I, 374.
' Vgl. die Genealogie.
* ürk. 1379 Mai 25; LB. IV, r. 1424. » Vgl. S. 837 ff.
* Orig. HHStA.
' Urk. 1380 Januar 2; LB. IV, r. 1480.
^ Vgl. Urk. 1379 November 7; Kop. Linzer Mnsealarchiv ; 1380 Febmar 18,
LB. IV, r. 1497; 1380 Mai 31; Kop. Linzer Musealarchiv.
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312
März 17^ ernannte er ihn zum Anftlhrer seiner Truppen^ be-
traute ihn mit der Führung des Krieges gegen den Schaon-
berger und sicherte ihm Ersatz fttr alle Ausgaben zu.
Im Frühlinge 1380 eröffnete Reinprecht H. den Kampf
und errang rasch bedeutende Erfolge. Die Feste Kammer und
damit der Besitz im Attergau fiel den Herzoglichen in die
Hände, im Mühlviertel ward Schloß Velden* belagert, das mit
den Donaufesten um 1373 vom Bistume Passau den Schaun-
bergem verpfUndet worden war, auch das ganze offene schaun-
berger Ländchen vom Trattnachtale aus besetzt Um Sonn-
wenden 1380 wurde Peuerbach vom Herzoge, der jetzt selbst
auf dem Kriegsschauplatze erschien, belagert und trotz seiner
vom Grafen Heinrich aufgeführten festen Mauern eingenom-
men. Wenn auch die Festen Donau aufwärts noch Widerstand
leisteten, war doch fast das ganze schaunbergische Gebiet vom
Gegner besetzt und Graf Heinrich auf die Stammburg seines
Hauses beschränkt. Auch die Rosenberge mußten Eferding
den Herzoglichen räumen und mit dem Bischöfe von Passau,
Konrad von Schärffenberg, hatte der Herzog schon 1380
April 17* ein Bündnis abgeschlossen. So blieb dem Grafen
nur mehr Schloß Schaunberg, dessen Belagerung Herzog Al-
brecht seit August 1380 persönlich leitete,* und konnte auch
diese sehr starke Feste nicht genommen werden, so sah sich
Graf Heinrich doch genötigt, mit dem Herzoge 1381 Janaar 21
einen in der Folge mehrmals verlängerten Waffenstillstand ab-
zuschließen.
Reinprecht H. entließ daher den größten Teil der gegen
den Schaunberger verwendeten Söldner — 1381 April 1® quit-
tieren ihm Ulrich Fraß und dessen Brüder über erhaltenen
Sold — und erhielt 1381 April 4' vom Herzoge für 1500 «T^S,
die er ihm für die Söldner von Eferding und Velden schuldete,
jährlich 150Äf.Ä Gülten zu Steier angewiesen. Auch weiter-
hin hatte Reinprecht die feindseligen Absichten des Grafen zu
vereiteln, der den Waffenstillstand brach und herzogliche Trup-
pen überfiel, die vor Schaunberg zurückgeblieben waren. Die
' Kur«, Albrecht IH., Bd. II, 211.
• Vgl. Strn*dt, Peuerbach, JBMFC. XXVO, 398 ff.
• Bei Neufelden. * MouumenU Boica XXX *, 350.
» Vgl. JBMFC. XXVn, 400. • NB. U, 154.
' HHStA. Kod. Suppl. 407, f. 109.
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313
Lage des Grafen verschlimmerte sich dadurch nur; der Nürn
berger Schiedsspruch 1383 Februar 28 machte seiner Unab-
hängigkeit ein Ende.
Nach Beendigung des Krieges entfaltete Reinprecht II.
eine rege Tätigkeit, um im Lande ob der Ens Ordnung zu
schaffen^ wie aus zahlreichen auf ihn ausgestellten Urfehde-
briefen* hervorgeht. Weniger günstig gestaltete sich sein Ver-
hältnis zu den Bürgern, insbesondere der Städte Ens und Wels,
die wie zu seines Vaters Zeiten ihr Recht geltend machten,
von ihren Herrenlehen nur dem Herzoge zu zinsen. Herzog-
liche Befehle, welche darüber an Reinprecht H. ergingen,*
schafften den Bürgern so wenig Abhilfe wie Beschwerden gegen
andere Übergriffe des Adels im Handel und Wandel, die sich
gleichfalls gegen die Walseer richteten. Sie vermochten Rein-
precht n. wenig anzuhaben, der seine obderensische Haupt-
mannschaft trefftich versah und die Gunst des Herzogs
durch seine Tätigkeit in der Schaunbergerfehde wahrlich ver-
dient hatte.
Auch andere Angehörige des Hauses gewannen ihren
Vorteil davon. Rudolf I. ward spätestens 1384* als Hauptmann
in der Steiermark durch seinen Vetter Ulrich IV. von Walsee-
Drosendorf ersetzt und dafür mit dem österreichischen Land-
marschallamte betraut. In dieser Eigenschaft hatte er sich
mit dem Abgesandten K. Wenzels wegen der Streitigkeiten
zwischen den Bürgern von Wien und Prag zu vergleichen,*
was durch seinen 1385 Dezember 4^ mit Bischof Berthold von
Freising gefeilten Schiedsspruch geschah.
Da kam im Juli 1386 die Unglücksbotschaft von Sem-
pach nach Wien. Der niederschmetternde Eindruck derselben,
die nicht zu verkennende Tatsache, daß die Teilung von 1379
die Macht der Habsburger geschwächt hatte, die Mißerfolge in
der äußeren Politik wie der ungünstige Stand der Finanzen,
dies alles einte die getreuen Berater des Herrscherhauses in
dem Verlangen, daß den habsburgischen Landen wieder ein
» 1381—1386, 11 Stück!
« Vgl. ürk. 1384 Mai 8; AÖG. XXVII, 87.
* Vgl. die Qenealogie and Krones, Landesf. etc., a. a. O. 162.
* Vgl. die ürkk. Herzog Albrechts 1386 Oktober 10, Orig., HHStA. und
•K. Weneels 1385 November 6; Peleel, K. Wenael, Urk. 47.
«^ Orig., HHStA.
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314
gemeinsames Oberhaupt gegeben werde, umsomehr als Herzog
Leopolds Sohn Herzog Wilhelm der ernsten Lage schwerlicb
gewachsen war. In Gegenwart der Geistlichkeit und vieler
vom Adel, darunter Rudolfs I., Reinprechts H. und ihres Vetters
Heinrichs VI. von Walsee-Ens, wurde 1386 Oktober 10* in
Wien die bisherige Besitzteilung aufgehoben und Herzog Al-
brecht übernahm im Einverständnisse mit den Leopoldinem
wieder allein die Regierung aller habsburgischen Länder.
Nach drei Jahren der Ruhe war Reinprecht II. genötigt,
abermals gegen Grafen Heinrich von Schaunberg einzuschrei-
ten, der seine Unabhängigkeit wieder erlangen wollte. Aber
bereits sein erster Versuch, sich gegen Herzog Albrecht aufsn-
lehnen, schlug fehl. Als Graf Heinrich seiner Feste Neuhaus*
an der Donau gegenüber eine Befestigung erbaute und von dort
aus durch erhöhte Mautabgaben die freie Schiffahrt störte,* bot
Reinprecht H. rasch herzogliche Truppen und die Bürger von
Linz, Ens und Wels auf,* vereinigte sich mit Mannschaften des
Bischofes von Passau und zog mit dem berühmten Kriegsmanne
Zacharias Haderer bald nach Neujahr 1386 gegen den Schaxm-
berger aus. Am 20. Febniar begann die Belagerung von Neu-
haus, das Bollwerk diesem Schlosse gegenüber wurde zerstört,
und schon am 25. März^ kam es durch Johann von Abensperg
und Herzog Albrechts Hofmeister Hans von Liechtenstein-Ni-
kolsburg, Reinprechts H. Schwiegervater, in Linz zu einer Ver-
einbarung. Die freie Schiffahrt auf der Donau wurde wieder
hergestellt, Schloß Neuhaus vorläufig der Obhut des Liechten-
steiners übergeben und Graf Heinrich verpflichtet, den Burg-
stall Neuhaus gegenüber nicht wieder aufzubauen® — ein Er
folg, der zweifelsohne dem energischen Eingreifen Reinprechts II.
zu danken war. Herzog Albrecht traf jetzt weitere Vorkehrun-
gen zur Überwachung des Grafen. Wenn dieser auch noch
weiterhin seine Pläne verfolgte und sich den Herzogen von
Baiem zu nähern suchte, so schloß sein 1390 erfolgtes Ableben
alle derartigen Bestrebungen für immer ab.
1 Rauch, SS. R. A. m, 400. * NGrdlich Yon Aschach an der Donau.
3 Vgl. Kurz, Albrecht HI., Bd. II, 47 und 242; Urk. 1888 Oktober 13.
* Hagens Chron., Append.; Pes, SS. Rer. Austr. I, col. 1162 und Contin.
Monach. St. Petri, M. G. SS. IX, 840.
ö Kurz, Albrecht IH., Bd. U, 248. « Ebenda 61.
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315
Alsbald mußte Roinprecht II. als Hauptmann ob der Ens
sein Augenmerk auf das benachbarte Pas sau richten/ wo ein
Einschreiten von habsburgischer Seite durch eine zwiespältige
Bischofswahl notwendig wurde. Gegen den österreichisch ge-
sinnten Hermann^ nach dem Tode Bischof Johanns von Schär-
fenberg (f 1387) rechtmäßig zum Bischöfe erwählt, erhob Papst
Urban VI. den Grafen Ruprecht von Berg auf den Passauer
Bischofsstuhl, und als Hermann darauf verzichtete, wählte das
Domkapitel Georg von Hohenlohe zum Bischöfe. Gegen diesen
fand Ruprecht Unterstützung bei denen von Berg, bei K. Wenzel
und den Bürgern der Bischofsstadt Passau selbst.^
Auf habsburgischer Seite stand man dem Gegenbischofe
hilfreich bei; waren doch durch Ruprechts Partei die öster-
reichischen Interessen im Abteilande' so gut wie im Donautale,
zumal bei der zweifelhaften Haltung des Schaunbergers, ernst-
lich bedroht Für den abwesenden Herzog traf Reinprecht H.
die geeigneten Maßnahmen; überdies war er als Pfandinhaber
der bei Passau gelegenen Festen Neuhaus und Wemstein auch
in seinem eigenen Besitze beunruhigt. Er ließ dem Bischof
Georg von Hohenlohe alle Hilfe angedeihen und sandte ihm
Söldner zu.
Von Michaeli bis Martini 1388^ lag Reinprecht II. mit
herzoglichen Truppen in der Ilzstadt vor Passau, indes ver-
gebens, da die Bürger von K. Wenzel Söldner zugeführt er-
hielten. Nach Neujahr 1389 kam auch Herzog Albrecht nach
Osterreich und überzeugte sich von der Sachlage. Im nächsten
Frühling nahm der Krieg seinen Fortgang. Am Ostermontag
1389 überfielen die Bürger Passaus Reinprechts H. von Walsee
Schloß Neuhaus am Inn und brannten es nieder^ wobei auch
die dorthin geflüchteten Bücherschätze des Klosters St. Nikola
in Flammen aufgingen.^ Dagegen rückten an demselben Tage
der erprobte Kriegsmann Zacharias Haderer und der Söldner-
fUhrer Michael Haypekh in die Passauer Ilzstadt ein und hiel-
ten selbe einen Monat hindurch gegen die Bürger besetzt.^
» Ebend* 119 ff.; vgl. LB. IV, r. 2087.
« Vgl. JBMFC. XXVn, 896.
' =: das obere Mflhlyiertel westlich der Großen Mühl.
^ Chron. Mellic; Pez, SS. R. A., I, col. 249.
» Kurz, Albrecht lU., Bd. n, 128.
• Vgl. Urkk. 1389 Mai 29 und SO; LB. IV, r. 2168, 2169.
ArehiT. XCT. Band. II. H&lfl«. 22
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316
Die kriegerischen Ereignisse vor Passau fanden damit ihr
Ende.
Nach längeren Verhandlungen kam Georg von Hohenlohe
1393 endgiltig in den Besitz seines Bistums. Allezeit blieb er
ein treuer Anhänger der habsburgischen Albrechtiner. Nie hat
er die Hilfe vergessen, welche ihm Herzog Albrecht geleistet,
insbesondere Reinprecht H. von Walsee-Ens fand an ihm stets
einen dankbaren Freund und verläßlichen Bundesgenossen.
Obwolil Reinprecht H. im Lande ob der Ens nach Kräf-
ten* für die Sicherheit sorgte und zahlreiche Missetäter* durch
seinen Richter' in festem Gewahrsam halten ließ, nahm doch
das Unwesen keineswegs ab. Auch einzelne vom Adel, zonial
niedere Vasallen der Schaunberger machten sich mancher Ver-
gehen schuldig. Wilhelm der Rorer, der mit fünf Brüdern auf
dem festen Schlosse Leonstein bei Steier saß, vermaß sich,
zwei Gesandte des Erzbischofs von Salzburg,* die mit sicherem
Geleite Herzog Albrechts heimwärts zogen, aufzuheben und
auf Leonstein gefangen zu setzen. Herzog Albrecht und mit
ihm wohl auch ^ sein Hauptmann ob der Ens belagerten hierauf
seit August 1390 die Burg, deren Besatzung sich nach Aller-
heiligen ergab, als Zacharias Haderer einen die Feste beherr-
schenden Punkt besetzt hatte.* Mit der Zerstörung des er-
oberten Leonstein war die Fehde jedoch nicht beendet. Wil-
helm der Rorer, der aus dem Schlosse entkommen war, leistete
mit seinen Brüdern weiteren Widerstand; Besitzungen der treue-
sten Diener des Herzogs, so der Walseer,' Bischof Bertholds
von Freising und der Kapeller wurden verheert und dem Bis-
tume Bamberg Güter entrissen. Auf die Bitten Bischofs Lam-
prechts von Bamberg erging 1392 August 17» an Reinprecht II.
der herzogliche Befehl zur Rückgabe der Bambergischen Güter,
die der Pfleger zu Steier den Rorem abgenommen hatte. Der
^ 1887 — 1393 finden sich 16 Urfehden auf Reinprecht von Walsee ansgestellt.
' Meist anf den Festen Starhemberg nnd Sinzing.
' Als solche erscheinen die walseeischen Lehenslente Ludwig Neundlio^r
1384—1392 nnd Walter von Seuseneck 1396—1402.
* Vgl. Hagens Chron., Appendix; Pe», SS. R. A. I, col. 1162.
' Was sich von Reinpreohts Itinerar feststellen l&ßt, spricht dafür.
*^ Vgl. Chron. Mellic. M. G. SS. IX, 614; Pritz, Gesch. des Landes ob der Eos
n, 74; Kurz, Albrecht HI., Bd. U, 18.
' Nicht näher genannt; vgl. Kurz, a. a. O. 274.
• HHStA. Kod. 1049, f. 67'.
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317
Schiedsspruch von 1392 November 27 verpflichtete indes zum
Schadenersatze gegen alle Geschädigten; er brachte den Rorern
zwar die Verzeihung des Herzogs, aber den Verlust von Leon-
stein. Damit war die Reihe von Fehden beendigt, welche
Reinprecht im Dienste des Herzogs auf oberösterreichischem
Boden auszufechten hatte.
Noch während des Kampfes mit den Rorern war jedoch
ein fiir die ganze Zukunft des Hauses Walsee bedeutungsvolles
Ereignis eingetreten.
Auch nach Haugs VI. von Tibein zweiter Heirat hatten
sich dessen Beziehungen zu den Walseern von Ens fortgespon-
nen. Sie waren 1385 wieder zutage getreten/ als Rudolfs I.
ehemaliges Mündel Georg von Walsee-Linz sich mit der Witwe
Ulrichs des Weißeneckers — ein den Tibeinem eng ver-
wandtes Haus — Margret, einer Tochter des Grafen Gregor
von Kurbaw, vermählte. Haugs VI. zweites Testament von
1385 August 30* hatte die drei Brüder von Walsee-Ens bereits
zu Gerhaben der beiden Söhne des Erblassers bestimmt, die
sie im Falle kinderlosen Ablebens beerben sollten. Haugs VI.
letzter Wille von 1390 November 11* gab den beiden Söhnlein
Rudolf I. von Walsee-Ens zum Vormunde und überwies den
Walseern auch die Gerhabschaft über die jungen Pettauer, die
Hang VI. innegehabt hatte. Als letzterer noch im gleichen
Jahre starb, kam die Verwaltung des ganzen reichen tibeini-
schen Besitzes, der sich von Tibein* bis St. Veit am Pflaumb
(Fiume) erstreckte, an Rudolf I. von Walsee-Ens und dessen
Haus. Die bedeutende Rolle, welche die Tibeiner als das
mächtigste und reichste Geschlecht in diesem südlichsten Teile
der habsburgischen Länder, als die wichtigsten Anhänger der
Habsburger unter dem Adel im Süden gespielt hatten, ging
jetzt an die Herren von Walsee über; denn das Schicksal
wollte es, daß Hang VI. Söhne ihre Volljährigkeit nicht erleben
sollten.
So zog Rudolf I. von Walsee-Ens denn an die Adria und
ordnete dort die tibeinischen Erbschaftsangelegenheiten. Über-
dies erhielt er 1394 Mai 1 * vom Herzoge die Hauptmannschaft
von Triest, mit dessen Bürgern Rudolf alsbald in MißhelHg-
^ Vgl. S. 292, 308 and die Genealogie.
* Pichler, II cattello di Daino 226. ' Ebenda 227.
* Duino, nordweBtlich von Triest. * LB. VUI, r. 2403»».«.
22*
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keiten geriet, und gleichzeitig* wurde er auch mit der Ent-
scheidung aller Streitigkeiten in Stadt und Grebiet des nahen
habsburgischen Portenau (Pordenone) betraut Rudolfs häufige
Abwesenheit machte die Bestellung eines Stellvertreters ftlr die
Tibeiner Angelegenheiten notwendig, als welcher ein Jörg Rais-
perger ab 1394 erscheint.* Durch Herzog Albrechts Bewilli-
gungen wußte Rudolf I. seinen Mündeln sowohl die herzoglichen
Lehen als die Mitterburger Pfandschaft zu erhalten,* doch
wurde ihr Erbe durch mehrere Verpßlndungen, so vor allem
der Kastelle Piemont und Frayn (Vragna) und des Dorfes
Briest in Istrien an den herzoglichen Pfleger zu Triest* sowie
mehrerer kleinerer Güter ^ geschmälert. Infolge von Rudolfe
Vorgehen bei der Besetzung des Pfarrbenefiziums zu Domegg
(Ternova)^ begannen 1395 seine Streitigkeiten mit dem Dom-
kapitel zu Triest, die sich späterhin wiederholten. Händel an
der venezianischen Grenze wurden 1397' durch ein Überein-
kommen mit dem venezianischen Hauptmanne auf Schloß Raspe
beigelegt. Der Erbschaftsstreit, welchen Rudolf I. mit Haugs VI.
Wittib Anna auszutragen hatte, wurde durch ein Schiedsgericht
vom höchsten Adel und schließlich durch Herzog Albrecht
selbst 1393 Januar 21 und 23^ dahin entschieden, daß Anna
über die vier Schlösser Gonobitz, Freudenberg,* Statten-
berg^® und Eibiswald zugunsten ihrer beiden Töchter ver-
fügen dürfe. Das 1396 erfolgte Ableben Annas machte dem
Streite ein Ende. Durch alle diese Angelegenheiten blieb
Rudolf I. meist in der Steiermark und im Süden festgehalten.
Mittlerweile war auch Friedrich V. von Walsee-Ens zum
Manne herangewachsen; er hatte sich mit Anna aus dem nieder-
österreichischen Hause derer von Winkel vermählt,*^ die ihm
bald nach 1390 hinwegstarb. Nun gelangte auch er zu hohen
Ehren am Hofe Herzog Leopolds. Als dessen Hofmeister
weilte er bereits im Frühling 1391 ^* mit mehreren anderen
» Urk. 1394 Mai 1; Orig. HHStA. * Pichler, a. a. O., Anhang.
• LB. IV, r. 2367. * Urk. 1392 April 11; NB. I, 378.
«^ Urk. 1396; Inventar f. 32. « An der Reka.
' Urk. 1397 November 25; I libri commemoriali d. r. di Yenezia III, 248.
8 Pichler, II castello di Dnino 232. • Nördlich von Gonobite.
" Südwestlich von Pettau, im Dranntale.
** Vgl. die Genealogie.
" Vgl. Plancher, Histoire de Bourgogne III, Nr. CL.
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herzoglichen Räten am Hofe Herzog Philipps von Burgund,
um dort die Vermählung der Tochter desselben, Katharina, mit
seinem Herzoge zu betreiben; an der Spitze einer glänzenden
Gesandtschaft brachte er dann im Frühjahre 1392^ seine Wer-
bung an und unterfertigte 1392 Mai 5^ zu Dijon als Bürge die
Ehepakten des fürstlichen Paares. Friedrich blieb in seinem
Amte bis in den Sommer 1395 in den Vorlanden tätig' und
führte von dort seine zweite Hausfrau Ita, die Tochter des
habsburgischen Landvogtes Engelhard von Weinsberg, nach
Osterreich heim, mit der er sich im Juli 1395 zu Baden bei
Wien vermählte.
In Oberösterreich geriet Reinprecht H. neuerUch wegen
der Steuern von den Herrenlehen mit Welser Bürgern* in
Streit, als Herzog Albrecht in seiner Finanznot neue Steuern
ausschrieb.^ Über Betreiben des Herzogs traf Reinprecht H.
nun als (Landes-) Hauptmann mehrere Anordnungen, den Salz-
handel und dessen Handelswege betreffend. Den bambergischen
Untertanen im Krems- und Garstentale ward die Salzeinfuhr
von Aussee über den Pyhrn weiterhin gestattet.^ Dagegen
wurde der Salz- und sonstige Handel durch den Haselgraben
nach Böhmen verboten und die Einhaltung der alten Straße
angeordnet.'' Gundaker von Starhemberg, auf der Feste Wild-
berg® im Haselgraben gesessen, gegen den sich dieses Verbot
richtete, hatte alle Ursache, demselben Folge zu leisten.
Qegen E. Wenzel hatte sich ein Bund mächtiger Edel-
leute Böhmens, darunter die den Walseem befreundeten Rosen-
berge, mit Herzog Albrecht von Osterreich und anderen Fürsten
vereint; österreichische Hilfstruppen gingen nach Mähren gegen
die Königlichen ab. Dem Erzbischof Pilgrim von Salzburg,
der sich auf die Seite K. Wenzels schlug,^ ließ der Herzog den
steirischen Markt Leibnitz plündern, ^* in Oberösterreich nahm
Reinprecht H. von Walsee-Ens salzbui^che Untertanen und
» Vgl. Urk. 1892 Febni*r 3; LB. VI, r. 2274»>. « Orig. HHStA.
' Vgl. die Genealogie.
* Urk. 1391 Febniar 20; Honnayr, Hist. Taschenbuch 1837, 365.
» Chron. Mellic, M. G. SS. IX, 614.
* Urk. 1393 Augnßt 17; HHStA. Kod. 1049, f. 68.
' Urk. 1393 Oktober 7; LB. IV, r. 2358. • Nördlich von Linz.
* Vgl. Pichler, Salzburg. Landesgesch. 226.
" Contin. Monach. St. Petri, M. G. SS. IX, 841.
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320
Vasallen gefangen und tat dem Erzbistume dadurch allein einen
Schaden von 800 AT /Ä. Die Fehde mit Salzburg ward indes
bald beigelegt und der durch Reinprecht und in der Steiermark
entstandene Schaden auf Befehl Herzog Albrechts * durch seine
und salzbui^ische Räte abgeschätzt. Mittlerweile hatten böhmi-
sche Adelige K. Wenzel gefangen imd schließlich auf Schloß
Wildberg gebracht, wo er den Sommer 1394 zubrachte. Herzog
Albrecht mißbilligte zwar das Verhalten der Starhemberger
gegen den König, ließ ihnen aber doch bereits 1395 seine Ver-
zeihung zukommen.
Schlimmer erging es Reinprechts H. Schwiegervater Hans
von Liechtenstein-Nikolsburg, dem einflußreichen Hofineister
Herzog Albrechts, der auf Befehl des Herzogs gefangen ge-
setzt wurde. Die Liechtensteiner und sämtliche Walseer von
Ens, wie auch Reinprechts IL Gattin Katharina, die Tochter
des Unglücklichen, unterwarfen sich dem 1395 Februar 7 * ge-
füllten Urteile der Schiedsrichter. Damach verlor der Liech-
tensteiner die meisten Besitzungen an den Herzog; andere wur-
den veräußert. Ein gebrochener Mann, überlebte der ehemaUge
Hofmeister seinen Sturz nicht lange imd starb um 1398. Noch
vor ihm schied seine Tochter, Reinprechts II. Gattin, ca. 1397
aus dem Leben ;^ sie vermochte das Unglück der Ihrigen nicht
zu verwinden. Übte der Fall des Liechtensteiners auch sicht-
lich keinen Einfluß auf das Verhältnis der Walseer zum Herzog
aus, so mag doch bei ihrem mit den Meissauern 1395 April 22 *
abgeschlossenen Bündnisse das Bedürfnis nach wechselseitigem
Schutze mitgespielt haben, wenn sich dieses auch in erster
Linie gegen die Einfälle der Leuchtenburger u. a. aus Süd-
mähren richtete.^
Von Wien aus zog Reinprecht H. von Wabee-Ens Ende
April dieses Jahres mit dem Herzoge nach Obernberg am Inn *
und beteihgte sich dort am Abschlüsse des Bündnisses von
1395 Mai 6 mit den Herzogen Johann und Ernst von Baiem
gegen die von K. Wenzel unterstützten Herzoge Stephan und
Ludwig von Baiem. Mehrere bairische Untertanen, die bei
früheren österreichischen Streifzügen gegen Obemberg gefangen
» 1394 Juni 19; Krones, ürk. r. 355.
* Kurz, Albrecht m., Bd. II, 306—313. » Vgl. die Genealogie.
* Orig. HHStA. » Vgl. Urk. 1397 April 15; LB. IV, r. 2478.
* Vgl. Kurz, a. a. O. 194.
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321
genommen wurden/ erhielten dabei ihre Freiheit znrttck und
stellten ihre Urfehden auf Reinpreeht II. von Walsee-£ns als
Hauptmann ob der Ens und den Herzog aus.'
Herzog Albrecht IH. schied 1395 August 29 aus dem
Leben, aufrichtig betrauert von seinen Untertanen. Sein ein-
ziger Sohn Albrecht IV. war bereits großjährig und stand im
18. Lebensjahre. Ihm gegenüber strebte Herzog Wilhelm, der
älteste der Leopoldiner, als Senior des Hauses die Vorherr-
schaft auch über Ober- und Niederösterreich an und berief
sich dabei auf den Hausvertrag von 1386, Forderungen, denen
Herzog Albrecht IV. begreiflicherweise widerstrebte. In Zwie-
tracht und Parteiungen verbreitete sich der Zwist der Herzoge
über alle habsburgischen Länder. Herzog Albrecht fand insbe-
sondere bei dem österreichischen Adel Unterstützung. Von den
ihm ergebenen Walseem behielt Rudolf I. von Walsee-Ens das
österreichische Marschallamt,' Reinpreeht H. die Hauptmann-
schaft ob der Ens; er wurde überdies des Herzogs Hofmeister.
Der Hollenburger Vertrag von 1395 November 10* wahrte
schließlich den inneren Frieden auf das Zutun der treuen Diener
des Hauses, unter welchen sich Rudolf I. und Reinpreeht IL so
wie Heinrich VI. von Walsee-Ens befanden. In demselben ver-
glichen sich die Herzoge dahin, daß fortab alle Länder gemein-
sam regiert werden sollten, wodurch Herzog Wilhelm auch
Mitregent in Osterreich wurde; doch sollten die Lande nach
dem Wiener Vertrage von 1396 März 30 ungeteilt bleiben,
aber getrennt verwaltet werden. Schließlich verglichen sich
die Herzoge auch^ über die von Albrecht HI. hinterlassene
Habe und Hauskleinodien, die sie nur unter gegenseitiger Über-
einstimmung und unter Aufsicht des Bischofs Berthold von
Freising, Rudolfs I. und Reinprechts IL von Walsee-Ens, Ul-
richs IV. von Walsee-Drosendorf und vier weiterer Edelleute
im äußersten Notfalle angreifen sollten.
Der Ausgleich zwischen den Herzogen brachte den Wal-
seem weitere Würden und Ehrenstellen.* So wurde Fried-
rich V. von Walsee-Ens, vordem Herzog Leopolds Hofmeister,
^ Vgl. Bachinger, Geschichte yon Passaa 11, 64.
« LB. IV, r. 2480, 2484, 2486.
' Vgl. die Geneidogie.
* Raach, 88. Rernm Anstriacaram III, 411.
» ürk. 1396 Mai 4; Ku«, Albrecht IV., Bd. I, 172.
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322
nun dessen Rat, und da jetzt überdies Heinrich VI. von Walsee-
Ens Rat der Herzoge Wilhelm und Albrecht sowie Ulrich IV.
von Walsee-Drosendorf Hofmeister Herzog Wilhelms wurde,
hatten nun fUnf Walseer gleichzeitig wichtige Amter am Hofe
der Habsburger inne. 1397 wurde Rudolf I. von Walsee-Ens
als österreichischer Landmarschall durch Eonrad von Meissau
ersetzt und dafür Herzog Wilhelms Hofmeister, als Ulrich IV.
von Walsee-Drosendorf aus diesem Amte schied. Der Einfluß,
den das Haus Walsee dadurch innehatte, wurde überdies durch
seinen Reichtum verstärkt, der es in Stand setzte, den Her-
zogen in ihrer Geldnot bedeutende Summen vorzustrecken und
fUr sie hohe Bürgschaften zu leisten.^
Insbesondere aber verursachten die endlosen Grenzfehden
gegen Böhmen und Mähren schwere wirtschaftHche Schäden,
da mit E. Wenzel noch immer kein endgiltiger Friede zu-
stande kam. Auch der Schiedsspruch, den Rudolf I. von Wal-
see-Ens und andere Schiedsrichter 1395 ' zwischen Herzog Al-
brecht und den Vettauem filUten, brachte keine Abhilfe und
ein WaffenstiUstand zwischen Osterreich und Mähren schuf im
Dezember 1396 nur vorübergehend Ruhe. Fiel es selbst tüchtigen
Landeshauptleuten, wie jenem von Kärnten, oder Reinprecht H.
von Walsee-Ens in Oberösterreich schwer, Ordnung und Sicher-
heit im Inneren aufrecht zu erhalten und dem Wegelagerer-
tume ein Ende zu machen,' so stand es in den Nachbarländern
darum noch schlimmer. Besonders Niederösterreich nördlich
der Donau litt schwer durch die böhmischen Adeligen von
Neuhaus und von der Leippe, die von Eunsladt auf Jaispitz
und den Bandenftlhrer SokoL* (Trotz aller Verträge und BtLnd-
nisse wiederholten sich 1399 die Einfälle auf österreichischen
Boden, wodurch die Walseer, Meissauer, Kuenringe und Puch-
heimer bedroht waren. Bereits im März dieses Jahres^ unter-
handelte Reinprecht H. in Freistadt mit Gesandten E. Wenzels
und die Übereinkunft im Felde vor Hard von 1399* August 4
» Vgl. Urk. 1396 August 3, HHStA. Kod. 17, f. 26'; Urk. 1396 Septem-
ber 29, Hoheneck, Genealogie III, 814.
« Urk. 1396 April 17; LB. IV, r. 2478.
' 1396—1399 werden abermals 10 Urfehden auf Reinprecht ausgestellt.
* Kurz, Albrecht IV., Bd. I, 44; Krones, Gesch. Österreichs II, 219.
» Urk. 1399 März 11; HHStA. Kod. 16, fol. 46.
« Urk. 1399 August 4; Cod. dipl. epist. Mor. XII, 482.
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323
tibertrug die Entscheidung des Streites mit denen von Neuhaus
sechs Schiedsrichtern, darunter Rudolf I. und Reinprecht U.
von Walsee-Ens. In den nächsten Tagen ^ folgten auch die von
Kunstadt auf Jaispitz und die von der Leippe ihrem Beispiele.
Die Schiedsleute füllten im September 1399 * ihre Sprüche, wo-
mit die Sache vorläufig ihren Abschluß fand.
Die Bedeutung dieses Zeitabschnittes lag indes in wich-
tigen familiengeschichtlichen Ereignissen und Veränderungen,
die sich in den Jahren 1390 — 1400 vollzogen; am Schlüsse der-
selben sind es die drei Brüder Rudolf I., Reinprecht II. und
Friedrich V. von Walsee-Ens, welche das Erbe der Tib einer
und den gesamten Besitz des Hauses Walsee in ihrer
Hand vereinen.
In fortwährendem, sich immer rascher steigerndem An-
wachsen bewegt sich zugleich die Gütergeschichte dieser Linie
des Geschlechtes, bis sie in den Erbschaften der Jahre 1398, 1399
und 1400 und damit in der Hauptsache die Besitzentwicklung
der Herren von Walsee überhaupt ihren Höhepunkt erreicht.
Bald nach dem Tode Reinprechts I. fiel seinen Söhnen
aus dem Erbe der 1363 erloschenen Walseer zu Graz die große
Herrschaft Riegersburg zu, welche der gesamten Enser Linie
in ihren beiden Zweigen gemeinsam verblieb.^ Die Klage,
welche Herzog Rudolf IV. 1365 März 20* vor Leutold von
Stadeck, Landmarschall in Osterreich, gegen sie wegen der
niederen Feste zu Riegersburg vorbrachte, die einst Satz Fried-
richs HI. von Walsee-Graz von Herzog Albrecht IH., dann
Eberhards VIII. von Walsee-Graz Erblehen geworden war,
wurde zugunsten der Enser Walseer entschieden. Weiterhin
kam an Ankäufen in der Steiennark lediglich 1379 ^ der eines
Hauses in der Bürgerstraße zu Graz hinzu, dessen Erwerbung
den Brüdern wohl wegen Rudolfs I. Stellung als Hauptmann
in der Steiermark wünschenswert schien.
Zwischen den drei Brüdern Rudolf I., Reinprecht II. und
Friedrich V. scheint eine förmliche Teilung ihrer in der Folge
1 Urk. 1399 August 12 und 15; Kurz, Albrecht IV., Bd. I, 187.
' Ebenda 191. Urk. 1399 September 9; Orig. Gr.Oeminsches Arohiy Neuhaus.
' Vgl. die gemeinsam ausgestellten Lehenbriefe 1364 Dezember 21; 1369
Dezember 18; Brandl, Urk.-B. d. Teuffenbach 45, 81.
* Schwind-Dopsch, Urkunden zur Verfassungsgeschichte Österreichs, 243.
* Urk. 1379 August 26; NB. I, 374.
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234
Schulzen gestellt erscheinen, auch wenn sie Magdeburger und
Neumarkter ,8tadtrecht' erhielten. Zur Stadt wurde ein Ort,
trotz des bereits früher verliehenen Stadtrechtes, erst durch
weitere besondere Vorrechte, indem ihm ausdrücklich der Titel
Stadt (civitas) und ein Vogt, femer verschiedene dem ent-
wickelten städtischen Leben entsprechende Freiheiten im Handel,
Verkehr usw. gewährt wurden.
Inhaltsabersiolit.
Saite
Das Gerichtswesen 167
1. Einleitung 167
2. Niedere Ortsgerichte 170
3. Die jgroßen* Ortsgerichte 177
4. Die Hofgerichte (sogenannte Lehens- und Obergerichte) . . 184
a) Landesfürstliche ^Lehensböfe* 190
b) ,Lehenshöfe' auf geistlichen Gütern 198
c) Lehensgerichtsbarkeit der adeligen Grundbesitzer . . 202
5. Der königlich deutsche Oberhof auf der Burg zu Krakan,
Rechtszng nach Magdeburg 203
6. Das oberste Gericht der sechs Städte , 213
7. Deutsche Rechtsbflcher und Sammlungen von SchGffensprüchen
in Galizien. Bemerkungen zur Charakteristik der Gerichts-
verfassung und des Gerich tsyerfahrens 215
8. Lehenswesen und eigentliche Lehensgerichte im Haliczer
Gebiete .224
Identität des ^deutschen Rechtes* und deutscher Stadt-
rechte in Polen 231
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Wlfr^BT, 1906.
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Archi\
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für
österreichische Geschichte.
Herattagegeben
TOü der
Historischen KommissioD
der
kaiserlichen Akademie der Wisseuschaften,
Filufondneuiizigster Band.
Zweite Hälfte.
Mit 0 StaiamtafelQ.
Wien, 1906.
In Kommission bei Alfred Holder
k. n* lt. Hof- qnd trai¥ersit&t»-l!achhifidlet
Badibäadl^r der kUMrlüclieix Akwicm],« d«r Wiesäutobciftftii.
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Archiv
für
österreichische Geschichte.
Herausgegeben
Ton der
Historischen Kommission
der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Fünfundneunzigster Band.
Zweite Hälfte.
Mit 6 Stammtafeln.
Wien, 1906.
In Kommission bei Alfred Holder
k, n. k. Hof- und Unirersit&ts-Baohh&ndler
Buchhändler der kaiserlichen Akademie der Wisienschaflen
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DIE HERREN VON WALSEE.
EIN BEITR^a
ZUR
ÖSTERREICHISCHEN ADELSGESCHICHTE.
VON
D" MAX DOBLINGER.
VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 8. NOVEMBER 1905.
AickiT. XCV.Band. U. Hüfte. 17
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Vorwort.
Jcirst jüngst wieder ist von berufener Seite auf den Wert
kritisch gesichteter Adelsgeschichte hingewiesen worden. Wenn
irgendwo, so mögen die Worte, welche Prof. J. Loserth seinen
jGenealogischen Studien zur Geschichte des steir. Uradels'
(Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der
Steiermark, Bd. VI*, Graz 1905) voranschickt, für die Geschichte
des Hauses Walsee gelten, die hier dargestellt ist.
Längst besitzen wir über die beiden bekanntesten Adels-
geschlechter unserer Heimat, die Grafen von Schaunberg und
von Cilli, eine Anzahl brauchbarer Arbeiten. Die Herren von
Walsee, die sich den vorgenannten Geschlechtern getrost an
die Seite stellen lassen, entbehrten bisher einer ausreichenden
historischen Darstellung. Allerdings war ihre Geschichte be-
reits mehrfach Gegenstand der Erörterung. Aber schon der
alte Wolfgang Laz (De migratione gentium, Frankfurt 1600,
S. 464) brachte eine derartige Verwirrung in die umfangreiche
Genealogie des Hauses, daß weder Steyerer (Commentarii pro
historia Alberti H., Wien 1725, Anh. col. 18 ff.), noch der fleißige
Hoheneck (Genealogie des obderensischen Adels IH, 888 ff.)
damit zurechtkamen. Überdies fügte nun auch hier der be-
kannte Chr. Hanthaler (Recensus diplom. gen. arch. Campilil.)
seine Fälschungen hinzu; noch Hopf (Genealogischer Atlas,
S. 374) gab seine Tabelle darnach.
Es war der verdiente Chmel, der die Bedeutung des
Hauses erkannt und dazu (Notizenblatt der kaiserl. Akad. der
17»
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238
Wissensch., Bd. IV) bedeutendes urkundliches Material ver-
öffentlicht hat. Alfons Huber (Geschichte des Herzogs Rudolf IV.,
Exkurs II) stellte sodann die Genealogie desselben auf sichere
Grundlagen und Krones (Allgemeine deutsche Biographie,
XLI. Bd.) sowie Weiß-Starkenfels (Wappenbuch des obderen-
sischen Adels, S. 579 — 604) haben daran weitergesichtet.
Immerhin blieb auch hier noch vieles zu tun übrig: eine
umfangreiche Literatur war oft schwierig zu beschaffen und
vor allem waren die bisher noch ungenügend ausgebeuteten
Urkundenschätze zu heben. Allen den zahlreichen Persönlich-
keiten, die dem Verfasser besonders nach dieser Richtung ihre
Unterstützung zuteil werden ließen, sei dafür der ergebenste
Dank gesagt, insbesondere aber Freiherrn Viktor von Handel-
Mazzetti, Archivar des Museums Francisco-Carolinum in Linz,
der für die vorliegende Arbeit eine reichhaltige Sammlung von
Urkundenauszügen zur Verfügung stellte.
Graz, im Dezember 1905.
Dr. Max Soblinger.
Abkürzungen.
AÖG = Archiv für österreichische Geschichte.
FRA = Fontes Kerum Austriacamm.
HHStA. . . = K. u. k. Hans-, Hof- und Staatsarchiv in Wien.
JBMFC. . . = Jahresbericht des Mnseams Francisco-Carolinam in Lins.
LB = Lichnowskj (-Birk), Geschichte des Hauses Habsburg.
NB = Notizenblatt zum Archiv für Kunde Österreichischer Geschichts-
quellen.
StLA. . . . = Steiermärkisches Landesarchiv in Graz.
StAEferding = Fürstlich Starhembergisches Archiv in Eferding.
UBoE. . . . = Urkundenbuch des Landes ob der Ens.
WSt . . . . = Weiß-Starkenfels, Wappenbuch des obderensischen Adels.
Inventar. . . = Archivinventar von Nieder -Walsee, 1545 Okt. 26, NiederOsterr.
Herrschaftsakten, Fasz. 17684 Wl, Öd, Archiv des k. u. k.
gem. Reicbsfinansministerioms in Wien.
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Einleitung.
Mit den Habsbnrgern kam unter Albrecht I. auch eine
Anzahl von Adelsgeschlechtern aus der schwäbischen Heimat
in die österreichischen Lande. Weitaus die bedeutendste dieser
Familien und eine der hervorragendsten überhaupt^ die der
österreichische Adel des späteren Mittelalters in seinen Reihen
zählte^ waren die Herren von Walsee.
Sie hatten bereits ein Jahrhundert nicht eben bedeutender
Vergangenheit als weifische und staufische Ministerialen in dem
Städtchen Walsee hinter sich, als sie auf dem Boden Österreichs
heimisch wurden. Hier breiten sie sich in vier Linien aus, ge-
langen unter dem Hochadel zur Geltung und bringen einen
weitausgedehnten Besitz an Eigengut, meist aber an herzog-
lichen Lehen und Pfandschaften an sich. Als Lehensträger der
Kirchen von Salzburg und Passau^ Bamberg, Regensburg und
Freising, ja selbst Brixen und Pola, sowie als Widerpart der
Grafen von Schaunberg in Oberösterreich sind auch sie mit
tätig bei der Ausgestaltung der habsburgischen Landeshoheit.
Eine Anzahl bedeutender, tüchtiger Männer des Hauses leistet
wiederholt den Habsburgern in Krieg und Frieden die wich-
tigsten Dienste und der Reichtum, den sie durch sorgsame
Wirtschaft zu mehren verstanden, stellt den hilfsbedürftigen
herzoglichen Finanzen oft beträchtliche Summen zur Verfügung.
Reinprecht H. von Walsee (f 1422), der eine MachtfUlle
in seiner Hand vereinte, wie sie nach ihm wenigen Dienern
des Hauses Habsburg zuteil geworden ist, wurde überdies mit
seinem Bruder Friedrich V. der Schöpfer jener für die inner-
politische Geschichte Österreichs hochbedeutsamen Stellung der
Stände, welche dieselben durch volle zwei Jahrhunderte, bis
zum Siege der Gegenreformation, innehatten. Stets in enger
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240
Verbindung mit den Geschicken ihres Herrscherhauses, enden
die Herren von Walsee mit Reinprecht V. (f 1483) an der
Schwelle einer neuen Zeit, mit der so viele Geschlechter des
österreichischen Adels von der Bildfläche verschwinden, und
rasch ist mit der Zerstückelung des walseeischen Erbes ihre
Spur verflogen.
Der Verfasser behandelt nach einem Abschnitte über die
schwäbische Vorgeschichte des Geschlechtes dessen Geschicke
auf dem Boden Österreichs. Trotz mancher Bedenken schien
es vorteilhafter, die Schicksale der vier Linien des Hauses, von
Linz, Ens, Graz und Drosendorf getrennt darzustellen. Anderer-
seits war es auch geboten, dem Wirkungskreise der wichtigsten
Amter nachzugehen, welche die Walseer als Hofmeister, Land-
marschälle und Hauptleute ob der Ens und in der Steiermark
vielfach innehatten; Abschnitte über die sozialen Verhältnisse
und das Wirtschaftsleben sowie über die Genealogie des Ge-
schlechtes bilden den Schluß.
Übensehen wir den gesamten Wirkungsbereich des Hauses
Walsee, so wird sich die Erkenntnis ergeben, daß wir in dem-
selben fUr das 14. und 15. Jahrhundert einen politischen und
wirtschaftlich in sich geschlossenen Machtfaktor zu erblicken
haben, dessen Bedeutung ftlr das damalige habsburgische Öster-
reich bisher unterschätzt worden ist.
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I. Abschnitt.
Die Walseer In Sehwaben.
XJitwa halben Weges zwischen Donau und Bodensee liegt
in anmutiger Moränenlandscbaft Waldsee, die Heimat des nun
schon seit mehr denn 400 Jahren abgestorbenen gleichnamigen
Geschlechtes, heute eine wtirttembergische Oberamtsstadt.
Schon der Name, in seiner ältesten Schreibweise walahse
= Walchsee lautend, läßt auf einen Bestand des Ortes bereits
in Römerzeiten schließen. Zahlreiche Römerfunde sind denn
auch in der Umgebung von Waldsee zutage gefördert worden.
Als dann das Christentum Eingang gefunden hatte, er-
stand in der Nähe Heisterkirch, die Leutkirche des Heister-
gaues, als eine der ältesten Eultstätten des neuen Glaubens, der
sich von hier in der ganzen Umgegend verbreitete.
Seinen Ursprung mag Waldsee den karohngischen Schen-
kungen an das bekannte elsässische Kloster Weißenburg ver-
danken, welches zu Waldsee, wo sich auch die Weißenburger
Kirchenheiligen wiederfinden, und in mehreren Orten der Um-
gebung, so zu Heisterkirch, Groß- und Klein-Laubheim, Holz-
kirch u. a. bedeutende Güter besaß. Zum ersten Male wird
Waldsee im Traditionskodex von Weißenburg (10. Jahrhundert)
genannt.^ Die Eintragung daselbst: ,Ad Walahse est curtis
dominica a paganis desolata^ gibt uns zugleich Kunde, daß die
Ungarn (pagani) Waldsee zerstörten, als sie beim Einfalle von
926 nach der Belagerung des durch Bischof Ulrich verteidigten
Augsburg Alemannien verwüsteten und bis St. Gallen verheerend
vordrangen. Im Heistergaue war dabei die Bevölkerung ge-
radezu vernichtet worden. Weiters führt der Weißenburger
^ WQrttemberg. Geschichtsquellen II (1896), 279.
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242
Liber possessionum Edelini abbatis an:^ ,Beneficmm Bezzelini
comitis; ad Walahse et Heistinikirche totum comitiserum preter
ministeriales et eorum praedia et beneficia, que abbatem solnm
respiciunt' Dieser Graf Bezzelin, identisch mit dem Grafen
Berthold von Breisgaa oder dessen Sohne, dem 1024 verstor-
benen Ahnherrn der Zähringer, Berthold von Villingen, erscheint
als Lehensträger des Klosters Weißenburg zu Waldsee, läßt
sich indes als Graf im Heistergaue nicht nachweisen.
Von da ab vergehen volle 140 Jahre ohne Nachricht über
den Fortbestand Waldsees. Während dieses langen Zeitraumes
hat sich die Ansiedlung von den Schäden des Ungarneinfalles
erholt und zu einem Pfarrorte weiterentwickelt, in welchem be-
reits um 1165 ein Kloster bestand.
In der Urkunde von 1171 März 31* nun, worin Herzog
Heinrich von Baiem und Sachsen zu Tiuringen* bekundet, daß
sein Dienstmann Otto de Hasenwillare die Prädien zu Swain-
dorf und Richenbach dem Kloster Salem* geschenkt habe,
finden sich neben anderen Zeugen, unmittelbar nach Fridericus
de Dahsporc, der ab Dienstmann des Grafen Otto von Kirch-
berg sichergestellt ist, die ersten Walseer genannt: Gebehardus
et Chonradus de Walchse. Gleich anderen Ministerialen er-
scheinen die Waldseer dann seit dem Übergänge der weifischen
Hausgüter in Schwaben von Herzog Weif VI. an die Staufer
unter den Dienstleuten der letzteren.
1179 Dezember 25^ verbriefte Herzog Friedrich V. von
Schwaben zu Altdorf den Übergang der Vogtei über Besitzun-
gen des Klosters Kreuzlingen auf ihn und genehmigte zugleich
die Übergabe mehrerer Dienstleute samt deren Habe an das
Kloster. Unter den Zeugen befanden sich: Fridericus de Wald-
burch, dann Eberhardus de Walhse, Eberhardus de Tanne et
frater suus Bertolfus sowie Bertolfus de Walhse u. a.
Auf dem Ulmer Reichstage wurde ferners 1181 Mai 5*
die feierliche Tauschhandlung vollzogen, wodurch das Kloster
Roth von Berthold von Laubheim bei Memmingen, einem Dienst-
» Württemberg. Geschichtsquellen H (1895), 282.
■ Weech, Cod. diplom. Salemitanns I, 25.
^ Thenringen bei Überlingen.
^ Salmannsweiler bei Überlingen.
» Wirtemberg. Urk.-B. II, 205. « Ebenda, 214.
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243
manne des Grafen Otto von Hohenberg (= Kirchberg), die Kirche
in Stainbach, einen kirchbergischen Besitz an der Hier, dieser
hingegen vom Stifte das Gut zu Hard sowie 17 Talente als
Ausgleichssumme erhielt. In der Zeugenreihe dieser Urkunde
sind nun als kirchbergische Ministerialen abermals dominus
Eberhardus et fiUus eins Bertoldus et patruus ipsius dominus
Chunrathus de Walechse genannt. Dieselben bezeugen auch
noch neben denen von Tanne, Winterstetten u. a. die von
K. Friedrich I. auf demselben Ulmer Reichstage 1181 Mai 12^
ausgestellte Urkunde, worin die zu Zeiten des Bischofs Her-
mann I. von Konstanz (1152 — 1165) erfolgte Umwandlung der
Pfarrkirche Walhse in ein Augustiner-Chorherrenstift mit der
ausdrückUchen Klausel bestätigt wird, daß die Ministeriales de
Waltse zum Herzogtume Schwaben gehören und nur der Ge-
richtsbarkeit ihres Herzogs unterstehen sollen.
Die genannten drei Waldseer sind die ersten nachweis-
baren Angehörigen des Geschlechtes, der 1171 bezeugte Geb-
hard (I.) wohl ein Bruder Konrads (I.), welcher 1171 — 1181
auftritt. Auch das Weißenauer* Totenbuch gedenkt zu Mai 15
,Cuonradi de Waise militis et Eberhardi de Tanne, et paren-
tum suorum, quorum annivers. solemniter celebramiis',* und das
Stiftungsbuch desselben Klosters mit der Bemerkung,* daß
Konrad von Waise bedeutende Summen von Kirchengeldern
ihrem Zwecke entfremdet und sein Unrecht durch eine Schen-
kung von 15 Mark Silber an das Kloster gesühnt habe. Seit
1181 wird Konrads (I.) Bruder Eberhard (I.) nicht mehr er-
wähnt, wohl aber sein Sohn Berthold, der im Frühlinge 1187^
als Dienstmann Hartmanns d. J. von Kirchberg zugegen war,
als Herzog Friedrich V. von Schwaben den Verkauf von Gütern
zu ,Graggenhoven, Wiare, Iberch und Maizilstein' durch die
Brüder von Hohenburg an den Grafen Hartmann von Kii*ch-
berg bestätigte. Daraus geht wohl hervor, daß die Waldseer
als staufische Ministerialen natürlich für den Kaiser gegen die
» Wirtemberg. Urk.-B. II, 216.
* Weißenau, AngU nünor bei Ravensburg.
» M. G. Necrol. I, 169.
* Baamann, Acta S. Petri in Angia, Zeitschrift fflr Gesch. des Oberrheins
XXIX, 113.
^ Banmann, Gesch. des Allgäus I, 206.
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244
kirchliche Partei auftraten; nun fehlen aber alle Nachrichten
über Bie auf vierzig Jahre hinaus.
Für die Frage nach der Abstammung der Waldseer
scheinen sich darnach Anhaltspunkte nach zwei Richtungen zu
ergeben.
Einerseits begegnen wir ihnen^ ebenso noch im 13. Jahrhun-
dert, in den Zeugenreihen der Urkunden wie nahen Vettern neben
denen von Tann, Waldburg und Winterstetten, Ministerialen-
geschlechtem in der Umgebung Waldsees, deren Verwandtschaft
untereinander noch keineswegs geklärt ist.^ Auch die auf-
fallende Gleichheit der Taufnamen, die sich bei den genannten
Familien wiederfinden, läßt sich ebensogut wie durch etwaige
gemeinsame Abstammung auch durch Verschwägerung erklären,
wie wir sie mit denen von Waldburg und Winterstetten nach-
weisen, bei denen von Tanne vermuten können. Zudem waren
ja Eberhard, Konrad, Heinrich, Berthold, Ulrich und Friedrich
damals gerade die häufigsten Taufnamen im Schwabenlande.
Es läßt sich durchaus nicht erweisen oder auch nur ver-
muten, daß die Besitzungen der Waldseer ganz oder teilweise
von denen von Waldburg, Winterstetten oder Tanne — oder um-
gekehrt hergekommen wären. Auch ihr Wappen,* ein schwarzer
Schild mit weißem Querbalken, wie ihn heute noch das Städt-
chen Waldsee,' doch nun mit den württembergischen Hirsch-
geweihen als Helmzier flihrt — das allerdings gegenwärtig erst
von der im königl. württembergischen Staatsarchive aufbewahr-
ten Urkunde von 1275 Juli 21 an, und zwar in einem Drei-
eckssiegel erhalten ist — weist keinerlei Ähnlichkeit mit den
Wappen der vorerwähnten Geschlechter auf.* So mag die
mehrfache Beziehung dieser Familien zu einander lediglich in
Verschwägerung, in der Zugehörigkeit unter dem gemeinsamen
Lehensherrn und gewiß nicht zuletzt in der nachbarlichen Lage
ihrer Besitzungen — die Tanne grenzten an Waldsee, die Winter-
* Vgl. Stalin, Wirtemberg. Gesch. II, 610—639 und Hauthaler, Abstammaog
des Erzbischofs Eberhard II. von Salzburg, Salzburg. Gymnas.-Programm
(Borromäum) 1877.
« Vgl. darüber WSt., 669—670.
* Ein Siegel des 16. Jahrhunderts (doch hier irrig einem österreichischen
Walsee beigelegt) s. Mitt. der Zentralkommission, Neue Folge, HI. Bd.,
S. CLIV.
* Vgl. Stalin, Wirtemberg. Gesch. II, 616.
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245
stetten hausten nördlich, die von Waldburg nahe südlich davon
bei Ravensburg — ihre Ursachen gehabt haben. Andererseits
scheinen — wie Weiß-Starkenfels vermutet^ — fUr eine solche
Urverwandtschaft die in den angeführten Urkunden gleichfalls
auftretenden Daxberger in Betracht zu kommen.
Neben dem kirchbergischen Ministerialen Friedrich von
Daxberg, der nach 1171 nicht mehr urkundet, erscheint um
1173 im Stiftungsbriefe des Ruegerus de Pforzheim* f&r das
Kloster Fölling* unter den Zeugen Heinricus de Dahsperc, wohl
Friedrichs Bruder. Auch dieser Henricus, der gleichfalls nur
einmal genannt wird, gehört als Ministeriale des Grafen Gott-
fried von Ronsberg hierher; die Ronsbergische Gebietsgrenze
reichte mit der noch innerhalb derselben gelegenen Ortschaft
Sontheim bis unmittelbar vor Memmingen, nahe gegen Erkheim
und Daxberg hin. Zu Augsburg verzichteten weiters 1227
März 20* die Brüder Heinrich und Friedrich von Dahsperc
vor K. Heinrich VI. für ein Entgelt von 70 Mark Silber auf die
Lehenschaft zweier Mausen ,in villa Widergeltingen^, mit denen
sich der 1191 f Herzog Weif ein Seelgeräte im Kloster Stein-
gaden am Lech gestiftet hatte.
Daß auch diese beiden Brüder, wohl Söhne Friedrichs
oder Heinrichs von Dahsperc, zu den Daxbergern bei Memmingen
gehören, steht außer Zweifel. Mit den beiden Gütern zu Wider-
geltingen ^ waren sie mindestens schon 1191 im Todesjahre
Herzog Welfs belehnt. Mit ihnen schließt die Reihe der Dax-
berger, von denen auch das Nekrolog von Ottobeuren eine
1 (aica) Hiltrut zu April 2^ and den Waltherus puer de Dahs-
perc zu August 6' sowie das Totenbuch von Löwenthal zu
Juli 9® eine Wilibera und endlich eine Elisabeth von Dachs-
perg zu November 15® anführt. Die von Weiß-Starkenfels an-
genommene Möglichkeit, daß die stammverwandten Vettern von
Waldsee bei diesem frühzeitigen Erlöschen der Daxberger noch
erfolgreich Erbansprüche in Bünsicht auf eine drei bis vier
* WSt., 670—572; mangels zwingender Beweise muß Weiß -Starkenfels'
Ansicht wohl Hypothese bleiben.
* Pforzheim = Pforzen, Ostlich von Ronsberg.
' Bei Weilheim, Ostlich vom Lech.
* WSt., 671. * östlich von Mindelheim.
« M. G. Nekrol. I, 106. ' Ebenda, 118.
' Ebenda, 199.
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246
Generationen erfolgte Abzweigung geltend machen konnten^ ist
allerdings nur eine vage zu nennen.
Von 1187 an verlautet nichts mehr über Berthold von
Waldsee, der indes damals noch nicht bejahrt sein konnte, da
sein Vater noch sechs Jahre vorher am Leben gewesen war.
So mag Berthold erst in späteren Jahren dem Vater ins Grab
gefolgt sein, wenn nun auch der Zeitraum bis 1228 durch
keinerlei Urkunden oder Nachrichten ausgefüllt wird. Eber-
hard II., der daher ganz wohl als sein Sohn bezeichnet werden
kann, zumal er nach damaliger Sitte des Großvaters Taufhamen
führt, tritt zum ersten Male zu Ulm neben dem Truchsessen
Eberhard von Waldburg, Chunrat von Winterstetten u. a. als
Zeuge in der Urkunde auf, worin K. Heinrich VI. 1228 Fe-
bruar 23^ das Kloster Thurthal von der Vogtei des Grafen
Diethelm von Toggenburg befreite.
Dann zog Eberhard 11. mit K. Friedrich 11. gegen den
letzten Babenberger zu Felde, nach Osterreich, wo seinem
Hause dereinst eine so große Zukunft erblühen sollte; zu Wels
bezeugt Eberhard 11. im Juni 1235* die Bestätigung von Pri-
vilegien des Klosters Kremsmünster durch K. Friedrich 11. In
die Heimat zurückgekehrt, war der Waldseer zugegen, als Graf
Konrad von Freiburg i. B. 1238 August 30* das Freiburger
Predigerkloster von allem Zehent auf seinen Hufen befreite.
Auch befand er sich unter den Zeugen, als Konrad von Schma-
lenek 1241* in der Burghalle zu Winterstetten das Dorf
Theuringen dem Kloster Weißenau versetzte, ebenso als K. Kon-
rad IV. im Oktober dieses Jahres zu Baindt^ dieses Kloster von
jeder Vogtei befreite.
Zweimal noch tritt Eberhard 11. als Zeuge auf; so im
April 1245® zu Ittendorf, wo Graf Berthold von Heiligenberg
auf Bitten Konrads von Schmalenek dem Kloster Baindt sein
Eigentum an Gütern zu Eggenreut schenkte, und leztlich be-
zeugt er neben denen von Waldburg, Winterstetten, Warthausen
* Wartmann, Urk.-B. von St. Gallen HI, 76.
* Hagn, ürk.-B. von Kremsmünster, 81—88.
Schreiber, Ürk.-B. von Freibnrg^ i. B. I. 50.
Wirtemberg. Urk.-B. IV, 7.
Bei Ravensburg; Wirtemberg. Urk.-B. IV, 89.
* Ebenda.
t
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247
und Ravensburg 1248 Mai 5* zu Augsburg K. Konrads IV. Be-
stätigung der Freiheiten des Klosters Weingarten.
Seither wird Eberhard II., auf dem das Geschlecht der
Waldseer oflFenbar allein beruht hatte, nicht mehr genannt. Als
seine Gemahlin mag jene Mechtildis gelten, deren Name sich als
etwa gleichzeitige Eintragung im neu aufgefundenen Toten-
buche des Klosters Salem zu Januar 14 findet:' ,ob. Mechtildis
uxor dicti de Waise, de qua datur pitancia.' Sie entstammte
sicherlich einem der so oft mit den Waldseem genannten Adels-
geschlechter der Umgebung.
Daß die nächstfolgenden Waldseer, Eberhard III. und Wolf-
gang I., Söhne dieses Ehepaares waren, unterliegt schwerlich
einem Zweifel. Bereits drei Jahre später hören wir von Eber-
hard III., dem älteren der Brüder. 1251 Februar 11' er-
teilte Papst Innozenz IV. zu Lyon Adelheid,* der Nichte des
Bischofs von Konstanz, Eberhard von Waldburg, die päpstliche
Dispens, sich mit Eberhard de Waldse^ ,fautore quondam Fri-
derici 11.^, zu vermählen, der mit ihr im vierten Grade verwandt
war, in der Erwartung, daß Eberhard von Waldburg dafür die
Adeligen Walther und Gozwin von Hohenvels, die er vordem
im Dienste K. Friedrichs IL gefangengenommen hatte und
seither in sicherem Gewahrsam hielt, freilassen werde. Als stau-
fische Ministerialen nahmen die Waldseer an den Kämpfen
dieser Jahre natürlich auf der Seite ihrer Lehensherren teil und
so erklärt sich der Mangel von Nachrichten über das Geschlecht
für die nächsten acht Jahre durch die Wirren, welche das ge-
rade in Schwaben so fUhlbare Erlöschen der Staufer mit sich
brachte. Seinen Frieden mit der kirchlichen Partei hat Eber-
hard in. offenbar bald nach K. Friedrichs 11. Tode gemacht.
Später hören wir wieder von ihm, als derselbe Bischof Eber-
hard von Konstanz 1259 September 12^ dem miles Wernher
Geistinc de Raderach das Kirchenpatronat zu Toggenhausen
vertauschte, wofür er die von letzterem dem Grafen Berthold
von Heiligenberg aufgesagten und zur Hälfte verkauften Güter
zu Marcdorf erhielt, deren restliche Hälfte der miles Eberhart
* Wirtembergr. Ürk.-B. IV, 176.
" Zeitachr. f. Gesch. d. Oberrh., Neue Folge XIV, 616.
» M. G. Epistol. Saec. XHI, Bd. III, 43.
* Vgl. die Genealogie.
^ Ladewig, Reg. episcop. Constant. 228.
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248
de Waise auf Lebenszeit innehatte, ftir die ein eventueller
Eaufschilling von 650 Mark Silber vereinbart wurde. Im Juni
1262^ hängte Eberhardus senior de Waise neben denen von
Winterstetten, Warthausen u. a. zu Waldsee sein Siegel an die
Urkunde, worin Prior und Konvent von Ochsenhausen dem
Heinrich von Seldenhoven eine Mark Silber jährlich aus der
Vogtei über das Dorf Furamoos zu Lehen gaben.
Der bereits um 1250 vermählte Eberhard III. und sein
Bruder Wolfgang I. standen damals im besten Mannesalter und
hatten bereits erwachsene Söhne und Töchter. So war 1264
Oktober 21* Eberhard (IV.) iunior de Waldse volljährig als
Zeuge bei der Beurkundung des Tausches zugegen, womit
Konrad, Schenk von Winterstetten den Besitz zu Auigg dem
Kloster Waldsee überließ und seiner Tochter Elisabeth schenkte
Eberhard (III.) 1266 August 28» zu Zell bei ihrem Eintritte
in das Kloster Baindt seinen Besitz zu Cunenhus.*
Da Eberhard IV. nach 1264 erst 1280 wieder auftritt, mag
er 1267 an dem Zuge Konradins nach Italien teilgenommen
haben, der mit dem tragischen Tode des letzten Staufers en-
dete. Wenige Jahre nach seiner Rückkehr schloß er sich dann
dem neuen Könige Rudolf von Habsburg an und zog nach und
nach alle seine Brüder mit sich in die neue Heimat nach Öster-
reich; seit 1264 treffen wir ihn nicht mehr in Schwaben an.
Dort urkundet zunächst sein Vater Eberhard HL allein
weiter. 1268 Dezember 2/ also während sich zu Neapel
das Schicksal des unglücklichen Staufers erfüllte, bezeugt der
alte Eberhard HI. daheim zu Waldsee den Verzicht Heinrichs
von Ingoldingen gegen das Kloster Baindt auf den Besitz zu
Littebach und Marcdorf, und demselben Kloster eignete er im
folgenden Jahre 1269 September 24® zu Waldsee im eigenen,
sowie im Namen seines Bruders (Wolfgang I.), der ihn dafür
mit Geld entschädigt hatte, den von seinen Vorfahren ererbten
Hof zu Harlanden samt Zugehör, den Wald ausgenommen, zu.
Eine weitere Stiftung Walthers von Tann für Baindt be-
zeugten 1271 März 18^ zu Waldsee der sonst nicht genannte
» Wirtcmberg. Urk.-B. VI, 61. • Ebenda, 157. » Ebenda, 266.
* = Kofeld bei Bodnegg?
» Wirtemberg. Urk.-B. VI, 425/6. • Ebenda VII, 50.
^ Ebenda, 132.
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249
dominus Alber miles de Waise ^ und Wolfgangus (I.) de Cella
als Lehensherren. Wie Eberhard III. war auch sein Bruder
Wolfgang I. mit einer Schwester des Truchsessen Eberhard
von Waldburg yermählt, der 1275 Juli 21* mit Einwilligung
seiner Schwester zu Zell, Waldsee und Marcdorf dem Kloster
Weingarten benannte Güter schenkte. Die Urkunde darüber
besiegelten der miles Eberhardus de Waldse; ftir dessen
avunculus de Cella Wolfgang (II.) hing der gleichnamige Vater
sein Siegel daran, das gleichfalls den Balkenschild der Walseer
mit der Legende zeigt. Zweifellos sind somit Wolfgang L von
Zell und der schon 1269 erwähnte Bruder Eberhards HI. eine
Person; in der Urkunde von 1281 Mai 23,* laut welcher Her-
mann Ronemann dem Kloster Weingarten mehrere Güter ver-
kaufte, wird Wolfgangs I. ausdrücklich als Eberhard III. Bruder
bezeichnet. Daß Wolfgang I. Sohn Wolfgang II. von dem
Truchsessen Eberhard von Waldburg avunculus genannt wird,
braucht uns daran nicht irre zu machen, da diese Bezeichnung
damals auch vom Oheime dem Neffen zurückgegeben wurde.
Schon seit 1271 saß also Wolfgang I. und 1275 sein gleich-
namiger Sohn östhch von Waldsee zu Zell, dem später und
noch gegenwärtig Eberhardszeil genannten PfaiTdorfe; vorher
war nur der Name Cella gebräuchlich gewesen und noch 1353
hieß es die Cella Wolfgangi, über welche die Habsburger als
Käufer das Patronatsrecht ausübten. Während Wolfgang I. seit
1281 nicht mehr erwähnt wird, tritt sein Sohn noch mehrfach
in Urkunden auf. So erhielt Wolfgang TL, von Waldsee vom
Abte Albrecht von Reichenau 1282 November 24' die Erlaub-
nis, alle Güter, die er von diesem Kloster zu Lehen trug, dem
Eberhard von Junging und Johann von Ruckenburg zu über-
geben. Weiters schenkte Wolfgang H. 1286 April 16' dem
Erlöster Baindt Güter in Gaisbeuren; er wird unter Zeugen ge-
nannt, als fünf Schiedsrichter 1290 Oktober 18* zu Salem
einen Streit zwischen diesem Kloster und Dietrich von Neufrach
um einen Hof zu Neufrach entschieden. Ebenso bezeugt er
Oktober 23^ gleichen Jahres die Verkaufsurkunde des Ritters
* Vgl. über ihn die Genealogie.
« Wirtemberg. Urk.-U. VH, 361/2.
» WSt, 578.
* Weech, Cod. dipl. Salemit. II, 897.
* WSt., 673.
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250
Friedrich von Ryeth gegen das Kloster Weingarten. Leztlich
beurkundet Wolfgang IL 1291 Oktober 16^ gemeinschaftlich
mit dem Schenken Konrad d. A. von Winterstetten, daß ihr ge-
treuer Konrad Bothunc seinen Hof zu Olzreute mit ihrer Ein-
willigung dem Kloster Schussenried verkauft habe. Wolfgang 11.
scheint später nach Osterreich gekommen und in Beziehungen
zu seinen Vettern getreten zu sein. Nach einer Stelle im
Zwettler Stiftungsbuche war er um 1311 bereits tot.* Die
weiteren Nachrichten über diese walseeische Seitenlinie sind
dürftig genug. Zell verblieb derselben nicht, sondern befand
sich 1325 bereits wieder, gleich den übrigen in Schwaben ge-
legenen Gütern, im Besitze des walseeischen Hauptstammes, ohne
daß wir weiteres über diese Besitzveränderungen erfahren.
Wir hören von den Dachsbergem erat wieder im Jahre
1328,' wo Heinrich von Dachsberg in den Verzicht seiner
Gattin Klara, einer geborenen Schenkin von Winterstetten, auf
ein Gut zu Rüti und Onolzreute zugunsten des Klosters Schussen-
ried einwilligt. Sein Siegel (der walseeische Balkenschild)
sowie die Anführung seiner Gattin stellen die Identität dieses
Heinrich mit jenem Heinrich (IV.), dem Alten von Waltse, ge-
nannt von Daxberg, außer Frage, dem wir als bejahrtem Manne
1341 nochmals begegnen. Mit gutem Grunde hält ihn Weiß-
Starkenfels* ftir Wolfgangs II. Sohn und führt das Fehlen
weiteren Urkundenmateriales über die Dachsberger Linie auf
den Verlust der Archive des Klosters Kempten zurück. Der
erwähnte Heinrich (IV.) veräußerte 1341 verschiedene Lehen
um Memmingen und Kempten an Heinrich von Eisenberg, den
Herzog Albrecht damit 1341 Januar 31 ^ zu Wien belehnte. Am
22. Oktober dieses Jahres* verzichtete Heinrich IV. in Linz zu-
gunsten seiner längst nach Osterreich ausgewanderten Vettern
von Waltsee auf alle Ansprüche hinsichtlich ihrer Besitzungen
in Schwaben, Waldsee oder anderswo. Heinrich IV. starb wohl
bald darauf; seine Witwe Klara von Winterstätten verkaufte im
Jahre 1362^ ihre Güter zu Daxberg, Erkheim und Fricken-
» WSt., 573.
• Vgl. die Genealogie.
• Alberti, Württemberg. Adels- und Wappenbach I, 116.
• S. 574. 6 Regesta Boica VU, 296.
• UBoE. VI, 395. » Baumann, Gesch. des Allgäus II, 586.
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251
hausen ^ an Berthold von Königsegg, was bereits andeutet, daß
ein männlicher Sproß weltUchen Standes in dieser Linie nicht
vorhanden war. Heinrich IV. scheint bloß einen Sohn gleichen
Namens (IX.) hinterlassen zu haben, der im Jahre 1368 Chor-
herr des Züricher Frauenmünsters war, dem er wohl zur Ver-
sehung des Gottesdienstes beigegeben war; er soll 1369 No-
vember 22* gestorben sein. Noch Mai 27 und Juli 21 13733
aber gedenken seiner zwei Züricher Urkunden, laut welcher
Johann von Lichten wörth, thesaurarius zu Brixen, namens des
Helias de Vedrovia, Kantors zu Xanten und Kollektors des
päpstUchen Zehents, beurkundet, es seien ihm von der Abtei
Zürich und dortigen Pfarren 50 Goldgulden durch den Presbyter
Henricus de Waise canonicus gesammelt worden; dieses Geldes
habe ihn der Knecht Peter von Spiegelberg auf der Konstanzer
Straße von Zürich nach Winterthur beraubt. Dies ist unsere
letzte Kunde über den Daxbergischen Nebenzweig des Hauses
Walsee.
Wenden wir uns wieder dem Hauptstamme, Eberhard HI.
und seinen Nachkommen zu. Jener urkundet nach 1281, wo
wir seiner zuletzt gedachten, in seiner schwäbischen Heimat
weiter. Zunächst war er unter den Zeugen gewesen, als Truch-
seß Eberhard von Waldburg 1277 März 11* dem Kloster Wein-
garten gewisse Zehente übertrug und 1280 April 1 Höfe und
eine Mühle zu Altdorf verkaufte. Im Jahre 1283 schenkte
Eberhard III. dem Stifte Waldsee, das durch die Erbauung der
Mauern vorl Waldsee Schaden gelitten, sein Gut zu Gaisbeuren
und übei^ab 1286 September 8* dem Kloster Baindt Güter in
Reut, Lehen des Grafen von Merkenberg. 1293 Januar 5*
siegelt Eberhard HI. als Vogt des Klosters Waldsee die Urkunde,
laut welcher Bischof Rudolf von Konstanz einen Gütertausch
zwischen dem Kanonikus Berthold als Prokurator des Klosters
Waldsee und dem Kloster Weingarten genehmigte, und gab am
gleichen Tage seine Zustimmung, daß ersteres Kloster dem
Stifte Weingarten Zehente zu Ankenreut übergebe. Letztlich
siegelte Eberhard HI. 1293 März 18*^ die Schenkungsurkunde
der Brüder Heinrich und Hartmann die Romanenser an das
Kloster St. EUsabeth zu Memmingen als der ,älteste von Wald-
^ Bei Daxberg. « M. G. Necrol. I, 614.
» W8t., 674. * Ebenda, ff.
* M. Peyerabend, Jahrbücher des Stiftes Ottobeuren.
ArcbiT. XCY. Band. II. H&lfte. 18
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252
see', da er von seinem ältesten Sohne Eberhard IV. einen ebenso
genannten Enkel hatte; dies die letzte Nachricht über Eber-
hard in., der wohl in den nächsten Jahren aus dem Leben schied.
So sehen wir Eberhard HI. bis an sein Lebensende die
schwäbischen Güter seines Hauses bewahren und verwalten,
während seine Söhne an K. Rudolfs Zügen nach Osterreich
teilnahmen und unter K. Albrecht I. immer mehr mit den dor-
tigen Verhältnissen verknüpft und schließlich sämtlich in Oster-
reich seßhaft wurden.
Eberhard HL, der sich also nie dauernd in Osterreich
aufhielt,^ war mit einer zahlreichen Nachkommenschaft, sechs
Söhnen und drei Töchtern gesegnet. Von der ältesten Tochter
Elsbeth abgesehen, welche frühzeitig in das schwäbische Kloster
Baindt eintrat, wurden sie alle in Osterreich heimisch. Die
beiden jüngeren Schwestern verheirateten sich dort und von
den Brüdern gründeten Eberhard IV., Heinrich L, Ulrich I.
und Friedrich I. die österreichischen Linien des Hauses Walsee
zu Linz, Ens, Graz (oder ob der Steiermark) und Drosendorf,
in denen sich das Geschlecht bis zu seinem Erlöschen fort-
pflanzte; Gebhard (II.) und Eonrad (H.) erlangten in Osterreich
als Geistliche einkömmliche Stellungen.
In dem Maße nun, als die Walseer in der neuen Heimat
durch ihre hohen Amter und Würden an Einfluß und durch
ihre daselbst sich rasch vergrößernden Besitzungen an An-
sehen und Reichtum gewannen, trat natürlich die Bedeutung
und Wichtigkeit der mehr und mehr vernachlässigten schwä-
bischen Stammgüter schon binnen weniger Jahrzehente zurück.
Der Schwerpunkt ihrer Macht verlegte sich immer mehr nach
Osterreich, bis es schließlich, als eine natürliche Folge dieser
Entwicklung, 1331 zum Verkaufe ihres sämtlichen schwäbi-
schen Besitzes an die Habsburger kam.
Seit dem Tode Eberhards HL standen die walseeischen
Burgen in Schwaben verlassen von ihren Herren, die sich be-
reits fast alle in Osterreich aufhielten, und wurden von Burg-
grafen und Amtleuten verwaltet.* Nur ab und zu noch er-
streckte sich die Tätigkeit der Söhne Eberhards HL auf ihren
* Vgl. die Genealogie.
• GenanDt werden: Manegold, Amtmann 1296; Eberhard von Rosenawe,
Vogt 1306; Burkard von Jnngingen, Burggraf 1326.
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263
gemeinschaftlichen schwäbischen Stammbesitz. Sie betraf, von
unbedeutenden Besitzveränderungen abgesehen^ zumeist das von
ihnen begünstigte Städtchen Waldsee oder das Kloster daselbst^
dessen Vogtei K.Rudolf den beiden älteren Söhnen Eberhards III.,
Eberhard IV. und Heinrich I. 1282 Mai 21 1 für 20 Mark Silber
versetzt und die Verpßlndung ungeachtet der früheren 1286
Februar 4* an Eberhard IV. und seine Brüder für 30 Mark
Silber erneuert hatte. Für Waldsee erwirkten die Brüder eine
Erweiterung des Stadtrechtes bei K. Albrecht I., der auf Bitten
der ,nobilium virorum fratnim de Walsee dilectorum nostrorum
fidelium' der Stadt Waldsee 1298 September 13' zu Holzkirchen
die Rechte und Freiheiten verlieh, wie sie die benachbarten
Ravensburger besaßen. Nach K. Albrechts Ableben bestätigte
K. Heinrich VH. den Brüdern 1311 Juni 5* zu Brescia die Ver-
leihung der Klostervogtei durch die Habsburger. Zu Lichtmeß
1313* schlössen die Brüder von Waldsee einen Gütertausch mit
dem Kloster daselbst und überließen demselben im gleichen
Jahre den großen und kleinen Korn- und Heuzehent zu Steinach.
1317 November 12^ hatte Ulrich I. von Walsee-Graz ein Gut
zu Burgstall mit dem Kirchensatze um 290 Äf^^ vom Frauen-
kloster zu Weiler erworben, dagegen 1322 Juni 7 ® zu Marbach
sein Schloß Wolfsölden, das sein Sohn durch Heirat an sich
gebracht hatte — da es vom übrigen Besitze in Schwaben zu
sehr abgelegen war' — dem Grafen Eberhard von Württemberg
verkauft. Im Jahre 1330 verzichtete Heinrich IL von Walsee-
Ens auf die Lehensgerechtigkeit über das Gut auf dem Baindlin,
die hohe Baind genannt, zugunsten des Klosters Waldsee, wel-
ches dieses Gut erkauft hatte.
1331 Februar 7® kam schließlich zu Wien jener ansehn-
liche Güterkauf zustande, durch welche die Walseer den Her-
zogen Albrecht II. und Otto von Osterreich ihre sämtlichen Be-
sitzungen in Schwaben, nämlich Burg und Stadt Waldsee mit
der Vogtei des Klosters daselbst, sowie ^ Warthausen, Schwein-
hausen, *® Laubheim, ^* Zelle und Schwarzach ^^ nebst der ihnen
* Böhmer-Redlich, Reg. Imp., n. 1659. * Ebenda, n. 1990.
» NB. n, 210.
* WSt., 574. * Ebenda, 576. • Ebenda, 579; vgl. die Genealogie.
' Bei Marbach gelegen. « UBoE. VI, 1—2.
* Bei Biberach. ^^ Bei Waldsee. " Südlich von Ulm.
'• Unter-Schwarzach, östlich von Waldsee.
IS»
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254
von den Herzogen für 500 Mark Silber verpfUndeten F^te
Winterstetten um 11.000 Mark Silber verkauften; anstatt dieser
Barsumme wurde ihnen eine Anzahl österreichischer Pfand-
schaften überantwortet.
Noch sei der Herkunft dieser schwäbischen Be-
sitzungen gedacht.^ Die alte gleichnamige Stammfeste der
Waldseer — das nun waldburgische Schloß kommt nicht in
Betracht — stand an der Nordseite der Stadt, wo sich die
Straßen nach Biberach und nach dem Saulgau gabeln, auf
einem noch gegenwärtig die Buchhalde genannten Hügel.
Weder davon, noch von dem eine Stunde südlich gelegenen
Sitze Neuwaldsee, dessen Erbauung in die Wende des 13. und
14. Jahrhunderts, also wohl in die letzten Lebensjahre Eber-
hards HI. von Waldsee fallen soll, ist ein Überbleibsel und nur
noch der Name des alten Gemäuers geblieben. Mit Waldsee
dürften Eberhards HI. Söhne auch Schwarzach und Laubheim
ererbt haben, von denen ersteres ein Geschlecht gleichen
Namens als Soldlehen von den Waldseern innehatte, letzteres
nach 1280 von der Witwe Ottos von Laubheim, des letzten
dieses Geschlechtes, an die Waldseer gekommen war. Hierzu
war (Eberhards-)Zell von der Wolfgangisch-Dachspergischen
Linie etwa im Tauschwege oder durch Erbschaft an sie ge-
langt. Warthausen und Schweinhausen waren den um 1321
erloschenen Truchsessen von Warthausen, einem Zweige derer
von Waldburg, zugestanden; schon zu Lichtmeß 1325 erscheinen
die von Waldsee im Besitze dieser Güter, die sie wohl durch
Kauf an sich gebracht hatten. Winterstetten war, wie die
gleiche Urkunde besagt, walseeische Pfandschaft von den Habs-
burgem, an welche es durch die Schenken von Winterstetten
gekommen war.*
Diese waren also die keineswegs unansehnlichen Stamm-
guter der Herren von Walsee, die somit dem Neide und der
Mißgunst gegenüber, die sie in Osterreich alsbald erfuhren, auf
ein Jahrhundert ehrenhafter Vergangenheit und einen Besitz
hinweisen konnten, der weder klein noch von geringem Er-
trage war. Betrugen doch die Einkünfte aus der Herrschaft
Waldsee drei Jahre nach der Übergabe — und vorher dürften
* Vgl. Memminger, Beschreibung des Oberamtes Waldsee.
• WSt., 674.
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255
sie wohl die gleichen gewesen sein — jährlich 1680 Malter
Getreide und 588 Äf 6 jS sm Geld,^ ein stattliches Einkommen!
Anf österreichischem Boden werden die schwäbischen
MinisterialeS; beziehungsweise milites sofort zu einer der ersten
Familien des höchsten habsburgischen Dienstadels; auch kam
den Walseern dort zugute, daß sich eben an der Wende des
13. ins 14. Jahrhundert der neue Herrenstand entwickelte, zu
dessen hervorragendsten Mitgliedern sie nun zählen.
Damit schwinden die Walseer aus Schwaben; auch einige
niedere Dienstmannengeschlechter folgten ihnen nach Öster-
reich,* so vor allem die Aulendorfer (AHndorfer) — die spä-
teren Seiseneker, die Humbrechtsrieder, die von Jungingen und
von Rosenau.
Anstatt des früheren Waldsee, wie das wtirttembergische
Städtchen heute noch heißt, wurde in Osterreich immer mehr
und seit der Mitte des 14. Jahrhunderts so gut wie ausschließ-
lich die Form Walsee gebräuchlich, der auch wir uns bedienen
wollen.
n. Abschnitt.
Die Anfönge der Walseer in Österreich •
Gleich vielen schwäbischen Adeligen kamen auch Eber-
hards ni. von Waldsee Söhne auf K. Rudolfs Zügen gegen
Ottokar II. von Böhmen nach Osterreich, das bereits ihr Groß-
vater im Jahre 1235 bei K. Friedrichs IL Heerfahrt gegen den
letzten Babenberger betreten hatte.
Dem ältesten der Brüder, Eberhard IV., der sich 1280*
am Hofe K. Rudolfs aufhielt, folgte zunächst Heinrich I. von
Waldsee dahin und der König verpftlndete diesen beiden 1282
Mai 21* die Vogtei des heimatlichen Klosters Waldsee um
20 Mark Silber. Nochmals wurde dieselbe 1286 '^ Eberhard IV.
und seinen Brüdern für ihre Dienste um weitere 30 Mark
Silber versetzt. Von den Verdiensten und Taten, durch die
sich die Brüder unter K. Rudolf auszeichneten, wird uns nichts
^ Chmel, österreichischer Geschichtsforscher ü, 263.
» Vgl. 8. 446—447.
* Urk. 1280 August 17; Winkelmann, Acta imperii inedita Uy 103.
* Böhmer-Redlich, Regesta Imperii, n. 1659. * Ebenda, n. 1990.
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256
berichtet; sie waren indes jedenfalls besonders geeignet, das
Vertrauen des Königs zu erwecken.
So kam es, daß die mit den österreichischen Verhältnissen
bereits vertrauten Brüder nach dem Augsbui^er Reichstage,
auf dem E. Rudolf seinen Sohn Albrecht gemeinsam mit dessen
Bruder Rudolf im Dezember 1282 mit den österreichischen
Herzogtümern belehnte, nebst dem Landenberger Mitglieder
des einflußreichen heimlichen Rates wurden,* neben welchem
der aus 16 Österreichern bestehende weitere Rat, den der
König seinem Sohne mitgegeben hatte, immer mehr zurücktrat.
Damit werden die Waldseer auf österreichischem Boden
heimisch und hier gewinnt das Geschlecht, das sich in dieser
neuen Heimat ausleben sollte, eine unvergleichUch größere
Bedeutung. War in Schwaben der Besitz dos Hauses, wenn
auch nicht unbedeutend, so doch auf einen eng umgrenzten
Raum beschränkt, reichten die Beziehungen und Kreise,
in denen sich dort das Leben des Stammes abspielte,
nicht über die Landschaft zwischen Donau und Bodensee
hinaus, so wird ihnen nun ein weites Feld geöffnet, auf dem
sie sich in reichem Maße zur Geltung bringen. Die treuen
,Schwaben^, die Waldseer und Hermann von Landenberg sowie
Hang von Taufers werden jetzt an der Seite Herzog Albrechts
die besten Stützen der habsburgischen Herrschaft Dienst-
mannentreue und die gemeinsame schwäbische Abkunft, dazu
die Dankbarkeit banden sie an das neue Herrscherhaus, wie
nicht minder die Abneigung, mit der ihnen der eifersüchtige
Adel Österreichs anfangs begegnete. So war das Geschick ihres
Geschlechtes an das Interesse der Habsburger geknüpft, das
sie auch jederzeit und in den schwierigsten Lagen auf das
nachdrücklichste verteidigten. Und fürwahr, das tat zunächst
umsomehr not, als es langwieriger innerer Kämpfe und einer
Anzahl auswärtiger Feldzüge gegen eine geschlossene Reihe
feindlicher Nachbarn bedurfte, um die habsburgische Herrschaft
in den neugewonnenen Gebieten sicherzustellen.
Herzog Albrecht sah sich in Österreich schwierigen Pro-
blemen der inneren wie äußeren Politik gegenüber. Wollte er
im Lande festen Fuß fassen, seine Landeshoheit allenthalben
* Matthias v. Neaenburg, Böhmer, Fontes Rerum Germanicamm IV, 191,
zählt sie irrig dem 16gliedrigen Bäte bei.
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257
zur Geltung bringen; so mußte er alsbald gerade mit denselben
Faktoren in Gegnerschaft geraten, die sich dem Könige ange-
schlossen hatten, um Ottokar IL, der ein strenges Regiment als
Landesherr geführt hatte, zu Falle zu bringen. Sie alle, der
Adel, die Kirche und das BUrgertum fanden sich enttäuscht
angesichts der Tatsache, flir eine feste Hand eine andere
eingetauscht zu haben, und waren nicht gewillt, sich die Zu-
geständnisse, die ihnen der König gewährt hatte, um sie gegen
Ottokar zu gewinnen, leichten Kampfes entwinden zu lassen.
Da sein weiterer Rat von 16 Mitgliedern nur aus Österreichern
bestand, welche weniger als sichere Verfechter des landesherr-
lichen als vielmehr des ständischen Interesses gelten konnten,
nahm er demselben alle Bedeutung und verlegte sie in seinen
,geheimen Rat^, ^ unter dessen Schwaben die Walseer die wich-
tigsten Mitglieder wurden. Die höchsten Amter besetzte er
gleichfalls mit Schwaben; Eberhard IV. wurde Landrichter ob
der Ens, Hermann von Landenberg Marschall in (Nieder-)
Osterreich. In der Steiermark erhob er Ulrich I. von Walsee
nach dem Tode des treuen Landschreibers Heinrich von Ad-
mont (t 1297) 1299 zum Hauptmanne.
Überdies kam gerade unter Herzog Albrecht jene Um-
bildung des Adels mehr und mehr zum Abschlüsse, aus welcher
der Herren- und der Ritterstand hervorgingen.* Im Herren-
stande, der den hohen Adel — Grafen, Freie und Dienst-
mannen (Ministerialen) umfassend — bildete, bewegen sich nun
auch die neuen schwäbischen Geschlechter, unter ihnen die
Walseer, und sie wirkten durch Verbindungen und Beziehungen
auch auf diesem Boden für die Aussöhnung mit den neuen Ver-
hältnissen.'
Immerhin war die Lage Herzog Albrechts trotz aller Un-
zufriedenheit im Innern und des Neides der Nachbarn, welche
die neue Hausmacht mit scheelen Blicken betrachteten, gewiß
* Vgl. Krones, Landesfürstliche Behörden and Stände des Herzogtums
Steiermark. Forschungen zur steirischen Verfassungs- und Yerwaltungs-
gesch. IV, 190—194.
' Vgl. Nikoladoni, Zur Verfassung und Verwaltung der österreichischen
Herzogtümer, JBMFC. LXI, 104—106.
' Vgl. Siegel, Die rechtliche Stellung der Dienstmannen in Österreich.
Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissensch., phil.-hist. Kl. CXI,
236—286.
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keine geftlhrliche zu nennen, so lange K. Rudolf, der Träger
der Reichsgewalt, am Leben war und dieselbe für sein Haus
in die Wagschale werfen konnte. Nach dessen Ableben aber
stand denn auch alles auf dem Spiele.
Bereits im Winter 1287/88 gab Herzog Albrecht Eber-
hard IV. von Walsee einen selbständigen Wirkungskreis, in-
dem er ihn zum Nachfolger Ulrichs von Kapellen in dem
wichtigen Amte des Landrichters^ (des späteren [Landes-]
Hauptmannes) ob der Enns machte, welches seitdem zwei
Jahrhunderte hindurch fast ununterbrochen in den Händen des
Hauses Walsee verblieb. Eberhard IV. schlug damit seinen
Wohnsitz auf dem herzoglichen Schlosse in Linz auf, wonach
sich nun die von ihm begründete Linie seines Geschlechtes
nannte. Daselbst bezeugt er auch 1288 Januar 29* einen Linzer
Ratsspruch zum ersten Male in seiner Eigenschaft als ,Land-
richter ob Ens^ Im Frühlinge dieses Jahres befand er sich
auf dem Kriegsschauplatze zu Neuburg am Inn,' als Herzog
Albrecht gegen Baiern ins Feld zog. Eine Waffentat Eber-
hardts steht mit diesen Ereignissen in engem Zusammenhange.
Die Leute des Witigonen Zawisch, der sich nach seiner Burg
Falkenstein* im oberen Mühlviertel nannte, hatten sich an dem
Kriege als bairische Parteigänger beteiligt. Nach Zawisch' Sturze
verständigte sich nun K. Wenzel, dem an der abgelegenen Feste
wenig lag, mit Herzog Albrecht, flir den sie als vorgeschobener
Posten gegen Passau von Wert war. Der Herzog brachte sie
gegen eine Grenzkompensation an sich und ließ dem Unwesen
auf der Feste durch Eberhard IV. von Walsee ^ ein Ende
machen, der dieselbe nach längerer Belagerung einnahm. Auch
an der erfolgreichen Heerfahrt gegen Ungarn im Sommer 1289
nahmen die Walseer teil und zeichneten sich bei der Belagerung
von Deutsch- Altenburg aus.* Zu den Friedensverhandlungen
entsandte Herzog Albrecht auch Eberhard IV. von Walsee
nach Hainburg,' wo am 28. August 1289 ein Vertrag mit dem
Ungarkönige zustande kam.
* Vgl. S. 456 — 467 und NikoUdoni, Zur Verfaasung und Verwaltung der
Osterreichischen Herzogtümer LXI, JBMFC. 136 ff.
« UBoE. rV, 82. > ürk. 1288 Februar 20, ebenda 83.
* An der Mündung der Ranna in die Donau; ygl. Stmadt, Das Land im
Norden der Donau. AÖG. XCIV, 129—131.
» Reimchronik, V. 23160 ff. • Ebenda, V. 30704. ' Ebenda, V. 43719.
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259
Zur Bestreitung der Kosten dieses Krieges vermochten
Eberhard IV. und Heinrich I. von Walsee für den Herzog
die bedeutende Summe von 2000^/^ auszulegen, wofür ihnen
dieser Freistadt und die Riedmark samt dem Landgerichte
und das Machland verpfändete und dadurch in sichere Hut
vor bairischen Aspirationen brachte. Auf diesem Satze, der
einzigen größeren Erwerbung aus dieser Periode, wies Eber-
hard IV. mit Zustimmung seines Bruders 1290 Januar 2* die
Mitgift Marias von Kuenring an, mit der er sich nach seiner
Rückkehr aus dem letzten Feldzuge vermählte — eine Verbin-
dung, welche die Walseer in die Kreise des österreichischen
Hochadels einflihrte, dessen vorzüglichste Mitglieder an der
Hochzeitsfeier teilnahmen.* Auch Heinrich I. vermählte sich
bald darauf mit Elsbet aus dem Hause der Starhemberger,
welchem die Walseer fortan bis zu ihrem Aussterben befreun-
det blieben.
Nun aber nahten kritische Jahre. Mit Herzog Albrecht,
der seinen Besitz erst nach einem Jahrzehent wenig unterbro-
chener Kämpfe, nicht zum wenigsten durch die Hilfe seiner
treuen Schwaben gesichert sah, war auch die ganze Stellung
gefährdet, welche die Walseer nun in Österreich einnahmen.
Bereits 1288 mußte Herzog Albrecht einen Aufstand der
Wiener niederwerfen, die sich erhoben, als der Herzog die
ihnen von K. Rudolf gemachten Konzessionen zugunsten seiner
Landesherrlichkeit rückgängig machte. Während des Einfalles,
den K. Andreas von Ungarn im Sommer 1291 in die Gegend
westlich der Leitha unternahm, traten neuerlich Anzeichen von
Mißstimmung gegen den Herzog zutage. Der österreichische
Adel tat nichts, um dem Wüten der magyarischen Horden im
Vereine mit den Truppen des Herzogs Einhalt zu gebieten,
sondern verharrte in murrender Untätigkeit.' Ohne Zweifel
hatte der Adel bereits seit Jahren dem Herzoge gegrollt, nun
gab er seiner Gesinnung gegen Herzog Albrecht sofort in dem
AugenbUcke Ausdruck, als dem Landesherm durch den Tod
K. Rudolfs (t 1291 Juli 15) jener starke Rückhalt genommen
war, den er durch seinen Vater an der Reichsgewalt gehabt
hatte. Zusehends gewann die Bewegung gegen die Habsburger
* UBoE. IV, 120. » Vgl. die Genealogie.
• Cent. Zwetl. M. G. SS. IX, 665.
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260
an Bedeutung und Ausdehnung.^ und wie in Osterreich und
in der Steiermark^ so stand der unbotmäßige Adel aus ähn-
lichen Gründen auch in Kärnten gegen Meinhard von Görz
auf; den einzigen Helfer, der Herzog Albrecht zur Seite stand,
als sich ein ganzer Bund mächtiger Ftlrsten, K. Wenzel von
Böhmen, die niederbairischen Herzoge sowie die Eirchenfiirsten
von Salzburg und Aquileja mit den mißvergnügten Adeligen
gegen ihn vereinte. Zudem entwickelten sich auch die Verhält-
nisse im Reiche zu seinen Ungunsten. Allenthalben sah sich der
einheimische Adel aus seiner Stellung verdrängt: die wichtigsten
Amter waren in den Händen der Schwaben, derselben, die
auch im heimlichen Kate des Herzogs maßgebenden Einfluß
auf Kosten des bedeutungslosen 16gliedrigen Rates erlangten,
in welchem die österreichischen und steirischen Adeligen ver-
treten waren. Überall nahm der Herzog seine Rechte als
Landesherr nachdrücklich wahr, insbesondere hinsichtlich der
landesfUrsthchen Güter; dies sowie die schlechte Münze ver-
spürten zumal die Finanzen der adeligen Herren. VergebUch
verlangte man vom Herzoge die Bestätigung der ,alten Land-
rechte^ Zeitgenössische Dichter, wie der Reimchronist und der
kleine Lucidarius geben in beredten Worten dem Groll gegen
das Schalten des Herzogs und seine ,Schwaben^ Ausdruck,
unter denen die Walseer und der Landenberger am besten ge-
haßt waren.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1291 wurde die Bewe-
gung zum Ausbruche reif. In Niederösterreich kam es indes
zu keinen bedeutenderen Ereignissen. Um Neujahr 1292 aber
schlug der steirische Adel endlich los und sammelte seine
Streitkräfte; schon zogen auch die Bundesgenossen heran. Aber
rasch rückte Herzog Albrecht noch vor Ende Februar über
den Semmering ein, schlug die durch sein Erscheinen über-
raschten Aufständischen in mehreren Gefechten in Obersteier-
mark und zwang dadurch auch die eingedrungenen bairischen
und salzburgischen Truppen zum Rückzuge. Gerade jetzt zeigte
sich nun der Herzog nachgiebig und bestätigte, dem weisen
1 Vgl. Frieß, Herzog Albrecht und die Dienstherren in Österreich. BUtter
des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich XXU, 600 ff. und
Dopsch, Ein antihabsburgischer Fürstenbund im Jahre 1292. Mit! des
Inst, für österr. Gesch. XVI, 379 ff.
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261
Rate Eberhards IV. von Walsee folgend/ den Steirern ihre
Landrechte^ — der einzig richtige Schritt, den der Herzog
angesichts der bedrohlichen Lage tun konnte. Während der
Kampf in Kärnten noch bis Ende 1292 fortdauerte, eilte Herzog
Albrecht ins Reich und huldigte, nachdem er vergeblich um
die deutsche Krone geworben, dem neuen Könige Adolf von
Nassau, der ihn mit seinen Herzogtümern belehnte.
Als er hierdurch eine sichere Stellung gewonnen, wandte
sich Herzog Albrecht nach der Schweiz, wo sich gleichfalls ein
starker Bund gegen ihn gebildet hatte. Da auch die Brüder
von Walsee sich auf diesem Zuge befanden, tritt in diesem
Jahre Weichard von Polheim anstatt Eberhards IV. von Wal-
see als Landrichter ob der Ens auf.* Im Hochsommer 1293
belagerte der Herzog die dem Abte von St. Gallen gehörige
Stadt Wil und übergab sie nach ihrer Einnahme der Obhut
Heinrichs von Klingenberg und eines der Brüder von Walsee. ^
Die Kosten dieses Feldzuges und die Vorftllle des Jahres 1292
nahmen allerdings ihre Mittel so in Anspruch, daß Eberhard IV.
sich zu Lichtmeß 1294* mit seinem Bruder über die Tilgung
einer beträchtUchen Schuldensumme einigen mußte.
Bei der Rückkehr Herzog Albrechts nach Osterreich kam
anfangs 1294 auch der dritte der Brüder von Walsee, Ulrich I.,
ins Land. Im gleichen Jahre schloß derselbe einen Ehebund
mit einer Elisabeth unbekannter Abkunft, wohl einer Steier-
märkerin, die ihm indes schwerlich großen Reichtum zubrachte.
Der Herzog stattete das junge Ehepaar^ 1294 Oktober 8 mit
der ansehnlichen Summe von 600 €1^ aus, wofür er die Dörfer
Frannach, Mitter-Labill, Grasdorf bei Straden, Zehensdorf bei
Weinburg, Mettersdorf (bei St. Nikolai) und Gabersdorf * zum
Pfände anwies.
Die politische Lage wurde neuerdings für Herzog Albrecht
gefahrdrohend. In Wien tobte 1294 abermals der Aufruhr und
weder der grollende Adel, noch die benachbarten feindlichen
Fürsten ließen von ihren Plänen ab, die Habsburger aus den
neuerworbenen Gebieten zu verdrängen. Dazu waren die Be-
* Reimchronik, V. 56039—55046.
« Urk. 1293 April 9; UBoE. IV, 186.
» Niewe Casua St. Galli., Mitt. zur vaterländischen Gesch. XVIII, 249.
* NB. I, 316. » UBoE. IV, 233.
^ Sämtlich bei Leibnitz, Mittelsteiermark.
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262
Ziehungen Herzog Albrechts zu Adolf von Nassau im Frühling
1295 äußerst gespannte geworden. Damals entsandte der Her-
zog Eberhard IV. von Walsee zu König Adolf mit den zwei
Abordnungen, welche in dem zu Ende 1298 an den päpstlichen
Stuhl gerichteten Schreiben K. Albrechts erwähnt werden. ^
Der letzte Mißerfolg hinderte die unzufriedenen Land-
herren nicht, die Beziehungen zu Herzog Albrechts Gegnern,
dem K. Adolf, Erzbischof Konrad IV. von Salzburg, K. Wenzel
von Böhmen und dem Ungarn Iwan von Güssing aufrecht zu
erhalten. Zumal richtete sich ihr Haß gegen die schwäbischen
Räte des Herzogs, die gerade durch die letzte Empörung an
Einfluß und Macht gewonnen hatten; insbesondere den Wal-
seern warf man voll Neid ganz mit Unrecht vor, sie wären
ohne Pfennig ins Land gekommen und hätten sich durch ihre
Heiraten mit vermögenden Osterreicherinnen bereichert." Als
sich der Adel auswärtiger Hilfe sicher glaubte, suchte er nur
noch nach einer Gelegenheit zur Erhebung. Diesmal war es
der österreichische Adel, von dem die Bewegung ausging,
während jener der Steiermark, bereits durch seine Niederlage
von 1292 gewitzigt, bei derselben nicht hervortritt.
Anfangs November 1295 erkrankte Herzog Albrecht und
nun verbreitete sich das Gerlicht, er sei am Martinstage (No-
vember 11) an Vergiftung gestorben. Sofort fiel der Adel über
die verhaßten Schwaben her und hatte bereits walseeisches Be-
sitztum verwüstet, als man erfuhr, jenes Gerücht sei falsch ge-
wesen, der Herzog genese. In ihrer Verlegenheit beriefen die
Empörer, deren Führer Leutold von Kuenring, Konrad von
Sumerau und Alber von Puchheim waren, eine Versammlung
nach Stockerau ein. Von dort wurde eine Abordnung an
K. Wenzel nach Böhmen entsandt, eine andere zum Herzoge
nach Wien, um ihm die Beschwerden des Adels vorzulegen,
welche Herzog Albrecht denn auch zu prüfen verhieß. Da
dieser Bescheid nicht den gewünschten Bruch mit dem Her-
zoge herbeiführte, war er den Absichten der Aufständischen
entgegen, die nun einen Tag nach Triebensee (Dorf, Tulln
gegenüber) einberiefen. Dort trafen günstige Zusagen aus
Böhmen ein;' zugleich erfuhr man den Einfall des Erzbischofs
» LB. II, 291.
« Reimchronik, V. 66801—66803. » Ebenda, V. 68470.
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263
von Salzburg ins Salzkammergut. In einem zweiten schrift-
lichen Begehren forderte man vom Herzoge die Bestätigung
aller Landrechte und die Entfernung der verhaßten Schwaben.
Seiner bedenklichen Lage bewußt, zeigte sich Herzog Albrecht
zur Nachgiebigkeit bereit und wollte nur Hermann von Landen-
berg und die drei Brüder von Walsee bei sich behalten. * Als
jedoch die in Triebensee Versammelten diesen Wunsch des
Herzogs schroflF abwiesen, brach dieser die Verhandlungen mit
den Aufrührern ab; er hatte bereits Zeit gewonnen. Aus
Schwaben waren Hilfstruppen im Anzüge, auch von Böhmen
kein Angriff mehr zu besorgen und die Hoffnungen der Auf-
ständischen dadurch so herabgestimmt, daß sie sich nur noch
mühsam beisammenhalten ließen. Mit dem Eintreffen des Heeres
aus Schwaben war der Widerstand vollends gebrochen; Eonrad
von Sumerau wurde landflüchtig, die meisten Landherren unter-
warfen sich.
So endete auch diese Erhebung des Adels mit einem Er-
folge Herzog Albrechts, der nun auch den angefeindeten
,Schwaben^ zugute kam. Mehrfach gelangten jetzt Besitzungen
der Aufständischen in die Hände der verläßlichen Walseer. Als
Leutold von Kuenring am Sonnwendtage 1296* dem Herzog
Treue gelobte, überantwortete er als Unterpfand derselben dem
ihm verschwägerten Eberhard IV. von Walsee die Burgen Spitz
und Wolfstein in der Wachau auf fünf Jahre und setzte die
Schlösser Windeck * und Zistersdorf, sowie seinen Besitz auf dem
Marchfelde ebendemselben zum Pfände für die Rückgabe von
Weitra und Wöllersdorf bis nächsten 2. Juli. Auch Güter der
Sumerauer gingen in der Folge an die Walseer über.
Noch standen indes andere Gegner Herzog Albrechts im
Felde, zunächst Erzbischof Konrad IV. von Salzburg, gegen
welchen der Herzog Ende Juni von Wien aufbrach. Salz-
burgisches Gebiet ward verwüstet und im JuH 1296* lagen
mit dem herzoghchen Heere auch Heinrich I. und Ulrich I. von
Walsee vor Radstadt. Nach der Rottenmanner Zusammenkunft
wurde ein Waffenstillstand vereinbart; der Herzog wünschte
» Reimchronik, V. 66790—66803.
» Frieß, Die Herren von Kuenring, S. 471, 472.
• Bei Schwertberg, Oberöaterreich.
* ürk. 1296 Juli 29; Muchar, Gesch. der Steiermark VI, 109.
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264
indes jetzt den Frieden so wenig, daß er noch im Aagnst 1296
von Judenburg aus an Heinrich I. von Walsee die Weisung er-
gehen ließ/ den Krieg nach Ablauf der Waffenruhe kräftig
fortzusetzen und 200 Mann Verstärkung an ihn absandte. Mit
diesen fiel Heinrich I. dann in Kärnten ein und verwüstete es
grausam, unter anderem St. Andrä im Lavanttale, worauf er
Ende 1296 an den Hof des Herzogs nach Wien zurückkehrte.
Im Frühjahre 1297 vereinigte sich Heinrich I. auf steirischem
Boden mit seinem Bruder Ulrich I.;* gemeinsam rückten sie
vor LeibnitZ; wo der salzburgische Vizedom Ulrich — seit an-
fangs März Bischof von Seckau — seinen Sitz hatte, der durch
geschicktes Unterhandeln die Zerstörung von Leibnitz abwandte
und Verhandlungen anbahnte, die in Anwesenheit der drei
Brüder von Walsee am 24. September 1297 • zu Wien ihren Ab-
schluß in einem endgültigen Frieden fanden. Als er dadurch
freie Hand erhalten, zog Herzog Albrecht noch im Herbste 1297
auch gegen Herzog Otto von Nieder-Baiem zu Felde; im
Passauer Frieden von 1297 Dezember 27* wurden österreichi-
scherseits Eberhard IV. und Heinrich I. von Walsee zu Schieds-
richtern über einige strittige Vertragspunkte erwählt.
Zugleich aber hatte sich Herzog Albrechts Verhältnis zu
K. Adolf so weit verschlimmert, daß schon um die Jahreswende
1297/98 die Bewerbung des Habsburgers um die deutsche
Krone und ein Zug gegen K. Adolf beschlossene Sache waren,
überdies sicherte sich der Habsburger die Unterstützung der
Könige von Böhmen und Ungarn. Anfangs März 1298 zogen
die Truppen von Wien donauaufwärts und verstärkten sich
während des Marsches. Zu Wels befanden sich 1298 März 16*
bereits Eberhard IV. und Heinrich I. von Walsee bei Herzog
Albrechts Heere, dem sich auch deren Bruder Ulrich I. an-
schloß.^ Durch die Landschaften an der oberen Donau und
am Oberrhein kam Herzog Albrecht in die Gegend von Straß-
burg, wo er Alzei belagerte. Von dort aus berief der Herzog
Ulrich I. von Walsee zurück,' der mit einem Grafen von Lich-
tenberg zum Entsätze des von K. Adolf berannten Städtchens
» Reimchronik, V. 69760 S. « Ebenda, V. 69772 ff.
» Kurz, Österreich unter Albrecht I., Bd. 11, 222.
* UBoE. IV, 278. » FRA. XXXI, 463.
« Reimchronik, V. 70 626. » Ebenda, V. 71344—71847, 72268.
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265
Rufach ausgerückt war. In der darauffolgenden Schlacht bei
GöUheim waren die von Ulrich I. befehligten Steiermärker dem
Herzog Heinrich von Kärnten unterstellt.^ Besonders Ulrich I.
,der voUechome degen' zeichnete sich in diesem Treffen aus;*
auch seine Brüder taten ihr Bestes.
Diese Verdienste wurden denn auch vom Herzog gewür-
digt. Auf ihre Bitten verlieh er auf seinem Rückmarsche zu
Holzkirchen bei Nördlingen der Stadt Waldsee 1298 Septem-
ber 13' alle Rechte und Freiheiten, wie sie das benachbarte
Ravensburg besaß. Bei der Belehnung der Söhne K. Albrechts
mit Osterreich auf dem Reichstage zu Nürnberg waren auch
die getreuen Walseer zugegen. Neben Eberhard IV. und Hein-
rich I. von Walsee wird im Lehenbriefe darüber von 1298
November 20* zum ereten Male als Zeuge ihr jüngerer Bruder
Friedrich I, von Walsee genannt, der nun nach dem Tode
seines Vaters Eberhard HI. mit seinen Schwestern den Brüdern
nach Osterreich folgte.
Damit, daß K. Albrecht die Reichsgewalt an sich gebracht
hatte, war die Stellung der Habsburger in Osterreich und da-
durch auch die ihrer Getreuen daselbst gesichert. Mochte ab
und zu noch die Abneigung gegen die ,Schwaben', so auf dem
Turniere, das man 1303 zu Graz abhielt, zum Ausdrucke
kommen, allmählich schwanden diese Symptome. Ein übriges
tat dabei vor allem der Umstand, daß die Walseer sich
mit mehreren wichtigen Ministerialengeschlechtem, so den
Kuenringem, Kapellem, Starhembergern und anderen ver-
schwägerten.
Nicht weniger aber mußte es den Walseern die Achtung
und Wertschätzung ihrer adeligen Standesgenossen erwerben,
daß sie jetzt, wo ihr Verbleiben im Lande gesichert war, in
rascher Folge bedeutenden Besitz an sich brachten und durch
ausgezeichnete Wirtschaft binnen wenigen Jahrzehnten auch zu
einer der reichsten Familien des österreichischen Adels wurden.
Die Ereignisse des letzten Jahrzehntes hatten insbesondere die
drei ältesten Brüder von Walsee, Eberhard IV., Heinrich I. und
» Beimchronik, V. 72609.
' Hirzelin, Böhmer, Fontes Rernm Qermanicarum II, 486; Beimchronik,
V. 72669.
• NB. n, 10. * UBoE. IV, 287.
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266
Ulrich I., im Dienste des Herzogs aufs engste vereint. Nun
lockerte sich dieses Band in den folgenden Jahren einigermaßen
und zumal die Besitzentwicklung ließ mehr und mehr das Auf-
gehen des Hauses in seine vier Linien hervortreten, die sich
nun auf dem Boden des gesamten damals habsburgischen Oster-
reich ausbreiteten.
Auch wir folgen diesem Zuge und gehen den Schicksalen
der einzelnen Zweige des Geschlechtes nach.
ni. Abschnitt.
Die Walseer zu Linz.
1. Eberhard IV. a280— 1825.)
Als der älteste der eingewanderten Brüder von Walsee
hatte es Eberhard IV. zuerst zu einem Amte gebracht. Er
stand bereits im besten Mannesalter, als ihm Herzog Albrecht
1287/88 das Landrichteramt ob der Ens übergab. Seitdem
er damit seinen Sitz auf dem Schlosse zu Linz genommen hatte,
nannten er und die Seinen von demselben ihre Linie. Fast
durch zwei Jahrhunderte bUeben sie im Besitze dieses wichtigen
Amtes^ der nachmaUgen Hauptmannschaft ob der Ens; dazu
kam noch bedeutender Grundbesitz in Osterreich ob und unter
der Ens, der die Bedeutung dieser Linie erhöhte.
Wii' haben Eberhards IV. Wirken bereits bis zur Göll-
heimer Schlacht verfolgt; bei seiner Heimkunft von dem Nürn-
berger Reichstage hatte er zunächst im Auftrage K. Albrechts
Schadenerhebungen ^ wegen der Streitigkeiten zwischen Bischof
und Bürgerschaft in Passau zu pflegen. BQerauf begegnen wir
ihm seit Ende 1299 auf den Taidingen,* die er als Landrichter
ob der Ens abzuhalten hatte.
Im Frühling des Jahres 1300 begleitete der Walseer Her-
zog Rudolf, den ältesten Sohn K. Albrechts, auf seiner Hoch-
zeitsfahrt.* In Paris fand die Vermählung des fürsth'chen
Paares unter großen Festlichkeiten statt, bis der treue Begleiter
> MonamenU Boica XXVIII*, 248.
« UBoE. IV, 303 und Monumenta Boica IV, 160.
» Reimchronik, V. 75206 ff.
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267
schließlich zur Heimkehr mahnen mußte. Bis an die Grenze
folgte K. Philipp dem Zuge, der in den Rheingegenden von
K. Albrecht erwartet wurde und im Herbste in Wien anlangte.
Dort wurden abermab glänzende Feste gefeiert, bei denen sämt-
liche Walseer zugegen waren.
Auch in die Feldzüge, die nun K. Albrechts Reichspolitik
erheischten, ritt Eberhard IV. aus. So befand er sich bei dem
stattlichen Hilfsheere, das Herzog Rudolf im Sommer 1301
seinem Vater gegen die feindlichen rheinischen Kurfürsten zu-
führte. Mitte JuH 1301 ^ nahm er mit seinen Brüdern Ulrich I.
und Heinrich I. von Wabee an der Belagerung von Bensheim
an der Bergstraße teil. Nach Beendigung dieser Heerfahrt ge-
leiteten die Brüder die Herzoge Rudolf und Friedrich nach
Passau, wo am 17. Februar 1302* ein Bündnis mit den Her-
zogen Otto und Stefan von Baiern gegen den Pfalzgrafen zu-
stande kam.
Ende April 1304* besuchte Eberhard IV. mit seinen Brü-
dern das große Taiding, das Herzog Rudolf in Judenburg ab-
hielt, und folgte mit denselben dem Herzoge nach Osterreich,
als dessen Anwesenheit angesichts des Eingreifens K. Wenzels
in die ungarische Thronfrage erforderlich war. Nach der Flucht
des Böhmenkönigs erlangte die Partei K. Roberts in Ungarn
die Oberhand und mit diesem führten auch die Walseer als
österreichische Bevollmächtigte Verhandlungen über ein Schutz-
und Trutzbündnis, welches Herzog Rudolf dann am 24. August
1304 in ihrer Gegenwart einging.* Ebenso waren die Brüder
beim Abschlüsse des Friedens zu Nürnberg am 15. August
1305* mit Herzog Otto von Baiem, dem einflußreichen Ratgeber
K. Wenzels DI. von Böhmen, erfolgreich tätig.
Der Tod des Habsburgers Rudolfs HI. (f 1307 Juli 3)
brachte dessen Haus wieder um die kaum erst erworbene
Krone Böhmens. Vergeblich suchte es K. Albrecht zu ver-
hindern, daß dort der Görzer Heinrich zum Könige gewählt
wurde; Herzog Friedrich, der von Süden über Mähren vor-
rückte, vermochte ebenfalls keine nachhaltigen Erfolge zu er-
* Vgl. ürk. 1301 Juli 12; Böhmer, Reg. Imp., n. 348.
• Kurz, Österreich unter Ottokar und Albrecht I., Bd. II, 238.
• Muchar, Qescb. der Steiermark VI, 150.
* Reimchronik, V. 84174. » Ebenda, V, 86667.
Arehir. XCY. Band. U. Hilfte. 19
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268
zielen^ und auch der günstige Verlauf der Kämpfe in dem
Stammbesitze des Görzers, in Kärnten, konnte daran nichts
ändern. Eben traf Herzog Friedrich im Frühling 1308 An-
stalten, den Kampf um Böhmen zu erneuem, als K. Albrecht
am 1. Mai 1308 in seinen Stammlanden ein blutiges Ende
fand — ein bedeutungsvolles Ereignis, das den Habsbui-gem
die deutsche Königskrone wieder entwand und abermals alle
die feindseligen Kräfte in Osterreich entfesselte, die K. Albrecht
in den letzten Jahrzehnten mit starker Hand erfolgreich nieder-
gehalten hatte. Unter diesen Verhältnissen vermochten die
Habsburger mit ihren geschwächten Machtmitteln ihre Ab-
sichten auf Böhmen nicht durchzusetzen; der neuerliche Feld-
zug endete im Herbste 1308 mit dem Znaimer Vertrage, in
welchem Böhmen aufgegeben wurde. Dazu wurde Ende 1308
Heinrich von Luxemburg zum deutschen König gewählt und
so mußte Herzog Friedrich der Schöne bei der allgemein feind-
seligen Stimmung gegen sein Haus darauf bedacht sein, vor
allem von dem neuen Reichsoberhaupte die Belehnung mit
Osterreich und Steiermark zu erhalten, wozu er anfangs 1309
ins Reich auszog.
Zum letzten Male trat nun abermals die antihabsburgische
Partei in Osterreich auf; K. Albrechts Tod, die den Habsbur-
gern mißgünstige Stimmung so vieler Reichfürsten und vor
allem die wichtige Frage, ob wohl Herzog Friedrich die Be-
lehnung erreichen werde, nährten die Hoflfhungen der Unzufrie-
denen. Auch diesmal fanden dieselben Unterstützung bei den
bairischen Herzogen, welche gegen Neuburg am Inn zogen;
unter bairischen Fahnen sammelte sich aufständischer Adel in
Niederösterreich, auf dessen Boden die bald niedergeworfene
Bewegung sich abspielte. Wir erfahren nichts über Eberhards IV.
Tätigkeit bei diesen Ereignissen in seinem Wirkungskreise
Oberösterreich, ebensowenig aus dem folgenden Jahre, wo
Herzog Friedrich den erfolglosen Kampf gegen die bairischen
Herzoge eröffnete und mit seinem Hauptheere aus der Traun-
gegend in das Inn viertel vordrang.
Im Frühjahr 1311 zog Eberhard IV. von Walsee-Linz mit
Dietrich von Pillichdorf als Abgesandter Herzog Friedrichs
nach Oberitalien zu K. Heinrich VH., der beide wohlwollend
aufnahm. Bei diesem Anlasse bestätigte der König 1311 Juni 5*
» WSt., 574.
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269
den Walseern die Verpfändung der Vogtei des Klosters Wald-
see im Lager zu Brescia, wo Verhandlungen^ betreffs der Ent-
schädigung, welche K. Johann fUr den Verzicht der Habsburger
auf Böhmen zahlen sollte, sowie über die geplante Vermählung
der Schwester des Königs mit Herzog Friedrich gepflogen
wurden. Nur schwer vermochten die Habsburger den Verlust
Böhmens zu verschmerzen, das nun nach der Vertreibung Hein-
richs von Görz die Luxemburger für sich gewonnen hatten. In
dem darauffolgenden Znaimer Vertrage (1312 August 18*)
machte Herzog Friedrich dem Böhmenkönige als Vertragsblirgen
auch Eberhard IV. von Walsee-Linz namhaft, welcher an den
habsburgischen Beziehungen zum Adel zumal Südböhmens An-
teil hatte, wie der Revers des Benesch von Michelsberg von
Lichtmeß 1312» dartut.
Während dieser Friedensjahre konnten sich die Walseer
der Verwaltung ihrer Güter widmen und auch dem schwäbischen
Stammbesitze einige Aufmerksamkeit schenken.* Als damals Her-
zog Friedrichs Heiratsplan mit Elsbet von Aragonien reifle,
fand sich auch Eberhard IV. mit seinen Brüdern bei den Stän-
den Österreichs ein, welche am 4. Mai 1313^ die Ehepakten
des Herzogs gegen K. Jakob von Aragonien in Klostemeuburg
beschworen; Mitte Jänner 1314 wohnten sämtliche Walseer der
Hochzeit des Herzogspaares in Wien bei.*
Zugleich fielen aber in diese Jahre Ereignisse, welche die
Treue und Ergebenheit der Walseer an das Haus Habsburg
auf keine geringe Probe stellten.
Mit seinen übrigen Brüdern war auch Gebhard IL von
Walsee nach Österreich gekommen, der den geistlichen Staud
erwählt hatte und anfangs zum Pfarrer von Weitra vorgeschla-
gen war. Da jedoch Herzog Albrecht 1291 November 20'
anderweitig über diese Pfarre verfügte, ging Gebhard zur Voll-
endung seiner Studien nach Italien; 1295® erscheint er in den
> Vgl. das Schreiben 1311 Juni 15; Würdtwein, Subsidi* Diplomat. I, 412.
* Regesta Reram Bohem. et Morav. III, 4.
» UBoE. V, 66.
* Vgl. ürk. 1313 Februar 2; WSt. 576.
'^ Sitzungsberichte der Wiener Akademie derWissensch. CXXXVII, 169—171.
* Vgl. Urk. 1314 Januar 18; NB. IV, 81.
' LB. n, r. 7.
^ Blätter des Vereines für Landeskunde yon Niederösterreich XV, 250.
19*
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270
Universitätsmatrikeln von Bologna. Nach seiner Rückkehr war
er im Jahre 1300^ bereits Domherr zu Passau und unterhielt
von dort aus lebhafte Beziehungen zu seinen Brüdern, insbe-
sondere zu Eberhard IV. SchHeßlich wurde er 1312* auch
Vizedom des Stiftes und vom Bischöfe Wemhard, der in ihm
wohl seinen Nachfolger sah, in dessen letzten Willen zum Testa-
mentsvollstrecker ernannt.* Die große Mehrheit der Stimmen
erhob ihn denn auch nach dem Tode Bischofs Wemhard
(f 1313 Juli 28) auf den Passauer Bischofsstuhl; eine
Minderheit aber wählte Albrecht (IL) von Habsbui^, den nach-
maligen Herzog, trotz kanonischer Mängel an Alter und Weihen.*
Während der Walseer nicht einmal auf den Beistand seiner
Brüder rechnen konnte, die den Habsburgern alles verdankten
und nicht daran denken durften, sich deren Willen zu wider-
setzen, standen Albrecht alle Hilfs- und Machtmittel sowie der
Einfluß seines Hauses zu Gebote; er war der Stärkere un^ setzte
sich in den Besitz des Bistums. Gebhard zog daher in die
Fremde; er wandte sich nach Avignon behufs Erlangung einer
päpstlichen Entscheidung an Klemens V., während Albrecht
seine Sache daselbst bloß durch einen Abgesandten vertreten
ließ.** Als der Papst den Bischof Bernhard von Tusculum mit
der Prüfung der Sache betraut hatte, starb Gebhard 11. von
Walsee im Jahre 1315 noch vor der Entscheidung nach
P/,jährigem Aufenthalte zu Avignon.^
Als nun der große Kampf entbrannte, den das Doppel-
königtum Ludwigs von Witteisbach und Friedrichs von Habs-
burg hervorrief, war Eberhard IV. bereits zu bejahrt, um an
demselben hervorragenden Anteil zu nehmen.
Schon im vorangegangenen WaflTengange von 1313 tritt
er nicht hervor und nach der Krönungsfahrt K. Friedrichs
scheint er mit seinen Brüdern nur noch im Sommer 1315 an
der Seite seines Herrn geweilt zu haben, ^ der sich damals am
^ Urk. 1300 Januar 16; NB. I, 817.
« Urk. 1312 Dezember 7; RegesU Boica V, 239.
» Urk. 1313 Juli 26; RegesU Boica VI, 344.
« Calend. Zwetl. M. G. SS. IX, 665; Ann. Matts, ebenda 815.
" Riezler, Vatik. Akten zur Gesch. Ludwigs des Baiem I, 47.
• Vgl. die Genealogie und Sitzungsberichte der Wiener Akademie der
Wissensch. CXL, 56.
' ürkundenlücke 1315 Februar 10 bis August 10.
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271
Oberrhein aufhielt. Dafür wurde er mit seinem Bruder Hein-
rich I. mehrfach dazu herangezogen, in dem durch die über-
großen Kriegslasten zerrütteten Finanzwesen des Königs seine
Hilfe zu leihen. So verpflichteten sich die beiden 1318^ fUr
den König gegen den Passauer Vizedom hinsichtlich der Lösung
von Neuburg am Inn und waren in den folgenden Jahren des
Königs Bürgen* für hohe Summen gegen Herzog Leopold und
den Grafen Eberhard von Württemberg. Als 1322 der große
Entscheidungskampf zwischen den öegenkönigen ausgefochten
wurde, genoß Eberhard IV. schon die Ruhe des Alters; 1321^
hatte er bereits die Verwaltung seiner sämtlichen Güter seinem
gleichnamigen Sohne Eberhard V. übergeben, das Amt des
Landrichters ob der Ens jedoch noch behalten.
Dabei verstand es Eberhard IV., trotz der wechselvollen
Zeiten ausgezeichnet zu wirtschaften und durch weise Spar-
samkeit und geschickte Benützung der Verhältnisse sich einen
rasch in Ober- und Niederösterreich sich bildenden Besitzstand
zu schaffen, zu welchem die herzogliche Pfandschaft Freistadt
mit der Riedmark und dem Machlande den ersten Grund legte.
In Niederösterreich gelang es ihm, zwei größere Güter-
komplexe zu erwerben, die er dann fortwährend vergrößerte.
Im Jänner 1297 war Eberhard IV. mit Ulrich von Rukhen-
dorf und den Seinen in Verhandlungen geti'eten, welche zur
Erwerbung des Schlosses Guntersdorf,* eines herzoglichen
Lehens, fUhrten. Zu diesem erkaufte er nun in den Jahren^
1297 — 1301 eine ganze Reihe von Gütern, Liegenschaften und
Gülten daselbst sowie von den Starhembergem 1309^ Lehen
und Gülten in einem weiteren Umkreise und 1312 — 1314' aber-
mals mehrere Lehen und Eigen. Auf sein Betreiben wurde
Guntersdorf auch 1312® vom Bischof Wemhard von Passau zur
* Urk. 1318 Oktober 28; Mitt. des histor. Vereins für Niederbayern XI, 82.
« Urk. 1319 August 21, Böhmer, Reg. Imp. 173 und Urk. 1320 Oktober 26,
Böhmer, Acta Imp. Selecta 477/8.
3 Urk. 1321 Juli 16; LB. IH, r. 672.
* Bei Ober-HoUabrunn.
* Vgl. das Inventar f. 7'— 8; Urk. 1300 Februar 21, Topographie von Nieder-
österreich IV, 767 ; Urk. 1800 Februar 28, Wretschko, Österreichs Mar-
schallamt 212; Urk. 1300. NB. III, 79.
* Urk. 1309 Juni 24; NB. IH, 8.
' Vgl. AÖG. n, 637; NB. IV, 81 ; LB. in, r. 296.
' Inventar f. 45.
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272
selbständigen Pfarre erhoben, während es bis dabin nach
WuUersdorf gehört hatte.
Noch bedeutender war das ansehnliche Erbe, das seinem
jugendlichen Sohne Eberhard V. dessen Braut Elsbet von
Gutrat durch die 1304 August 17^ mit Walter von Tauf kirchen
abgeschlossene Qüterteilung zubrachte. Dasselbe umfaßte das
freieigene Schloß Straneck (nordöstlich von Oberhollabrunn)
samt dem nahen Markte Stronsdorf, den Markt Wulzeshofen
(nördlich davon), das halbe Dorf Reintal (bei Feldsberg), Wein-
gärten zu Grinzing und Nußdorf sowie die Pfarrpatronate von
Stronsdorf, Murstetten, ' das in einem Streite gegen das Wiener
Frauenkloster St. Maria Magdalena glücklich behauptet wurde, '
und St. Lorenzen an der Ips. Die Maut und das Urfahr zu
Mautern,* womit der Walseer 1306* vom Burggrafen Friedrich
von Zollern belehnt wurde, ging freilich bald, als Eberhard
darauf seiner Tochter Kunigund 500Ä(/Ä Mitgift verschrieb,®
an die Kapeller über; dafür erkaufte er wieder 1307 und 1309
von den Starhembergern deren Gülten ob- und niederhalb des
Kampflusses' gelegen. Überdies trat ihm nun 1314® Walter
von Taufkirchen seine Hälfte des Gutratischen Erbes, das freie
Eigen Burg und Dorf Senftenberg und wohl auch das Dorf
Zebing und die übrigen Stücke, • sowie die Kirchenpatronate
von Senftenberg, Zebing und Kuflfam gegen eine Summe von
2250^^ ab. Der kleinere Teil dieses Gutratischen Erbes lag
in der Nähe von Guntersdorf, der größere in ansehnlichem
Umfange in der Umgebung von Krems.
In dem Gebiete zwischen Donau, Ens und Ips erhielt
Eberhard IV. von Walsee 1302^^ vom Grafen Ulrich von Pfann-
berg dessen daselbst gelegene Mannslehen, Reste ehedem Peil-
steinischer Besitzungen, die wohl später an die Linie Walsee-Ens
übergingen, welche hier ihren Hauptbesitz hatte; in der Nähe
1 UBoE. IV, 465. « Bei Sieghartskirchen.
• Vgl. das Inventar f. 36. * Bei Krems.
<^ Urk. 1306 April 19; Monnm. Zollerana II, 289.
• Urk. 1309 Juni 15; ebenda, 300.
' ürkk. 1807 Januar 8, UBoE. IV, 518; 1309 Juni 24, NB. III, 8.
^ Verzeichnis yon Urkunden über das Marscballamt in Österreich und
Steiermark, c. 1545; Schloß Losensteinleiten, Oberösterreich.
• Vgl. Urk. 1304 August 17; s. oben.
10 Urk. 1302 Ostern; AÖG. XVUI, 213.
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273
hatte Eberhard 1315^ auch die Vogtei des Stiftes Ardagger
inne. Einer Gepflogenheit des österreichischen Adels folgend,
hatte sich Eberhard bereits 1304^ ein Hans zu Wien auf dem
Witmarkte erkauft.
In Oberösterreich faßte Eberhard IV. erst später festen
Fuß. Die Belehnung mit der Feste Wildberg erhielten er und
Ulrich von Kapellen 1297 * vom Bischof Wernhard von Passau
lediglich als Gerhaben der Kinder Hadmars von Starhemberg.
Sonst stand ihm abgesehen von der Freistädter Pfandschaft
vorläufig nur (1297*) die Kloster vogtei von St. Florian zu.
Später kam dazu die Vogtei des Klosters Lambach, welche ihm
Herzog Friedrich 1313* für 200Äf/Ä, seine Hochzeitsgabe zur
Vermählung Kunigundens, Eberhards IV. Tochter, mit Jans
von Kapellen verpfändete. Von Bedeutung war es indes allein,
daß ihm K. Friedrich in seiner Geldnot — spätestens 1322^
— das wichtige Neuburg am Inn versetzte, welches nun fast
ununterbrochen mehr denn ein Jahrhundert als Pfandschaft den
Walseern verblieb.
Wie wir seinerzeit erwähnt, hatte Eberhard IV. 1290
Maria, eine Tochter Heinrichs II. von Khuenring-Weitra-See-
feld (f 1293), heimgeführt. Alsbald war der Tochter auch ihre
Mutter, die vielgeprüfte Kunigunde, in die neue Heimat ge-
folgt, welche 1303 auf dem Schlosse zu Linz ihre Tage be-
schloß.' Eberhards IV. Ehe war mit einem einzigen Stamm-
halter, dem wohl noch 1290 zur Welt gekommenen Eberhard V.
und zwei Töchtern gesegnet. Von diesen wurde Kunigunde
noch als Kind 1303 mit Jans von Kapellen verlobt, doch erst
1313 vermählt; sie war als dessen Hausfrau noch 1342 am
Leben.®
Die zweite Tochter, Dorothea, soll sich mit Reinprecht II.
von Ebersdorf verheiratet haben, als dessen Hausfrau sie von
1330—1342 genannt wird.»
> Urk. 1316 Januar 21; AÖG. XL VI, 495.
« Urk. 1304 November 29; NB. I, 319.
» JBMFC. LVn, 4.
* Urk. 1297 April 24; UBoE. IV, 269.
* Urk. 1313 März 3; UBoE. V, 99.
• Vgl. Urk. 1323 Juni 15; Eegesta Boica VI, 100.
' Vgl. Prieß, Die Herren von Kuenring 183—184.
• Vgl. die Genealogie.
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274
Bereits 1320 war Maria von Kuenring ihrem Gatten im
Tode vorangegangen und in der Stiftung ihres Elternhauses^ im
Kloster Zwettl beigesetzt worden.^ In vorgeschrittenem Alter
starb Eberhard IV. von Wakee-Linz — der getreue Diener
und Vertraute dreier deutscher Könige — am 10. Oktober 1325.
Weise im Rate, hatte er sich insbesondere auf diplomatischem
Gebiete große Verdienste erworben. Auf seinem gesamten Be-
sitze sowie im Amte des Landrichters ob der Ens folgte ihm
sein einziger Sohn Eberhard V.
2. Eberhard V. (1804—1371).
Eberhard V. war bereits erwachsen und schon zum zweiten
Male verheiratet, als er das Erbe seines Vaters antrat. Wie zu
Lebzeiten desselben nahm er auch jetzt keinen hervorragenden
Anteil an den Kämpfen dieser Jahre, in welchen seine Vettern
ihre Tapferkeit bewährten. So hatte er auch bei MUhldorf
nicht mitgefochten und deshalb war ihm das Schicksal der
anderen erspart geblieben; auch in der Folge hat er sich nicht
zu häufig kriegerische Lorbeeren geholt. Jetzt folgte er seinem
Vater im Amte des Landrichters ob der Ens,' das er getreulich
versah und durch 45 Jahre innebehielt. Große Aufmerksam-
keit schenkte er der Verwaltung seiner sich stets mehrenden
Güter. Mehrfach nimmt er Gelegenheit, seiner kirchlich-
frommen Gesinnung Ausdruck zu geben, ist er doch der Grün-
der von zwei Klöstern.
Immerhin war auch er mehrmals genötigt, an den krie-
gerischen Ereignissen teilzunehmen, die sich während seiner
langen Lebensdauer zutrugen. Zunächst hatten die Teilungs-
pläne Herzog Ottos zur Folge, daß sich sowohl K. Johann von
Böhmen als auch K. Karl von Ungarn gegen die Habsburger
wandten und darüber ein verheerender Krieg an den Gemar-
kungen Österreichs und Mährens entbrannte. Die Walseer
führten im Juni 1327* ihre Fähnlein gegen den Landesfeind
heran und tummelten sich mit dem Feinde herum. Beim
Friedensschlüsse mit Ungarn zu Brück an der Leitha (1328
September 21*) war Eberhard V. von Walsee-Linz zugegen. Der
» Vgl. die Genealogie. « Vgl. Urk. 1326 November 11 ; UBoE. V, 435.
• Vgl. FBA. XXVIII, 212.
* Monum. Hungar. bist. acU extera I, n. 289, S. 269—276.
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275
Friede mit Böhmen war indes nicht von langer Dauer; in der
Zwischenzeit kam der Verkauf der schwäbischen Stammgüter
der Walseer zustande, von welchen sie im Sommer 1330 Ab-
schied nahmen.^ Infolge der Übergebung des Luxemburger in
der 1335 aufgerollten Kärntner Frage griflf K. Johann abermals
zu den Waffen. Im Frühjahre 1336 wurde Osterreich nördlich der
Donau von ihm furchtbar verheert und einige feste Plätze gingen
an ihn verloren. Auch Eberhard V. von Walsee-Linz vermochte
ihm in seinem Schlosse Quntersdorf, in das er sich geworfen
hatte, nicht zu widerstehen' und geriet mit zehn anderen Mini-
sterialen bei der Eroberung der Feste in Gefangenschaft, die
indes nur bis in den Herbst dieses Jahres währte, wo Eber-
hard V. seine guten Dienste als Bürge der Geldverpflichtungen
leistete, die Herzog Albrecht H. im Enser Vertrage (1336
Oktober IP) gegen den Böhmerkönig eingieng.
Dem Brauche ihrer Zeit gemäß erwiesen auch die Wal-
seer zu Linz mehreren Klöstern Wohltaten, insbesondere den
Minderbrüdern zu Linz.* Infolge der Vermählung Eberhards IV.
von Walsee-Linz mit einer Kuenringerin hatten sie auch der
Stiftung dieses Hauses, dem Kloster Zwettl, mehrfach ihr Wohl-
wollen geschenkt. Als nun Eberhard V. in diesen Jahren daran
ging, ein Kloster, das zweite bereits, das sein Haus geschaffen,
zu gründen und dasselbe auf dem Erbgute seiner ersten Gattin
zu Sensenstein an der Donau errichtete,* überwies er es denn
auch den Mönchen von Zwettl, ® nachdem Verhandlungen mit
den Augustiner-Eremiten zu keinem Ergebnisse geführt hatten.
Zwei Jahre hindurch hatten die Z wettler Mönche Sensenstein
inne, das 1335' auch das Pfarrpatronat von Guntersdorf erhielt,
welches bisher der Stifter innegehabt hatte. Wir wissen nicht,
wodurch sich derselbe veranlaßt sah, seine Gründung ihrem
^ Mitte Juni ziehen sie durch Aagsburg; vgl. Zeitschr. des histor. Vereins
für Schwaben und Neuburg V, 17.
> Ann. Zwetl., M. G. SS. IX, 682.
• LB. III, r. 1087.
* Daß er Gründer desselben war (1236!), ist unrichtig; vgl. AÖG. LXIV,
102. Der Grabstein Eberhard V. von 1288 (!) stammt aus dem 15. Jahr-
hundert; vgl. die Genealogie.
* Vgl. Erdinger, Gesch. des Klosters Sensenstein; Blätter des Vereines für
Landeskunde von Niederttsterreich X, 28 — 31.
• Calend. Zwetl. M. G. SS. IX, 690.
' Hanthaler, Fasti Capililienses II, 13.
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276
Mutterkloster wieder zu entziehen und sie dem oberösterreichi-
schen Stifte Wilhering zu überweisen, wozu Eberhard V. auch
die Genehmigung des Ordenskapitels erhielt. Am 19. August 1336^
übergab er im Beisein seiner ganzen Familie dem Abte Her-
mann von Wilhering Sensenstein samt 80 ü^ Gülten daselbst
Eine ganze Reihe von Taidingen sah Eberhard V. von
Walsee-Linz seines Amtes als Hauptmann ob der Ens* während
dieser Friedensjahre walten, in denen sich Österreich unter
Herzog Albrechts H. weiser Regierung wirtschaftlich allenthal-
ben kräftigte. Eberhards V. Haus, das nun hier allein heimisch
war, trat immer mehr ein in den Kreis der Beziehungen und
Interessen seiner Standesgenossen im Lande, wozu die neuen
Verschwägerungen mit den Grafen von Pemstein, den Losen-
steinern, Volkenstorfern, Taufkirchen, dann jene der anderen
walseeischen Linien nicht wenig beitrugen.
Dagegen unterhielt das Haus Walsee aus begreiflichen
Gründen mit den Grafen vonSchaunberg, dem vornehmsten
Geschlechte im Lande ob der Ens, keine näheren Beziehungen.
Wie sollten auch die gerade in den Zeiten Friedrichs des
Schönen zu Macht gekommenen Schaunberger, die stolz auf
die emporgekommenen Ministerialen herabsahen, deren Freund-
schaft gesucht haben, zumal die Walseer gerade ihnen gegen-
über die Pläne Herzog Albrechts zur Ausführung brachten, die
darauf abzielten, mehr und mehr jede Abrundung des zer-
stückelten Schaunberger Ländchens zu verhindern und schaun-
bergische Lehen in seine Hand zu bringen.* So war es eben
Eberhard V. von Walsee-Linz, der den Schaunbergem die Aus-
^ UBoE. VI, 215.
' Statt Landrichter ob der Ens werden seit 1330 die Bezeichnungen
Pfleger ob der Ens, Landyogt, Hauptmann zu Linz (Analogie su Graz!)
und — seit 1337 ausschließlich — Hauptmann ob der Ens üblich; nur
der Name ändert sich, das Amt bleibt mit gleichen Kompetenzen
in derselben Hand. Den Hauptleuten ob der Ens unterstanden als-
bald eigene Landrichter ob der Ens. Als solche werden genannt: 1336
Chunrat von Götzleinsdorf; 1344, 1349 Chunrad der (H)ezlinger; 1348
Hertneid von Haunsperg; 1360 Lienhart der Ecker; 1364 Hans der
Mäwrl; 1367 Ludwig ob dem Steine; 1384—1392 Ludwig der Neundlinger;
1396—1403 Walter von Seuseneck — zumeist walseeische Lehensleute.
Sie nehmen dem Hauptmanne ob der Ens die weniger bedeutenden
richterlichen Funktionen ab.
8 Vgl. Strnadt, Peuerbach JBMFC. XXVH, 391 flf.
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277
breitung nach Süden über das Trattnachtal wehrte; der Lehens-
revers, den Dietmar der Lerbüler 1331 April 4^ auf ihn aus-
stellte, diente diesem Zwecke. Auch gegen Norden schlössen
walseeische Besitzungen das schaunbergische Gebiet immer mehr
ab. Falkenstein, an der Grenze gegen Passau gelegen, war
Eberhard V., zugleich Wachsenberg und Ottensheim den Wal-
seern zu Ens von den Habsburgern seit 1331 verpfändet. Auch
das Eigen Freudenstein, das Eberhard V. von den Pruschenken,
schaunbergischen Lehensleuten, 1333 nach längeren Verhand-
lungen erkauft hatte, behauptete er gegen die Ansprüche des
Grafen Heinrich von Schaunberg. Als sich derselbe weigerte,
in der Landschranne zu erscheinen, fühlte Eberhard im Taiding
zu Perg (1340 November 25*) ein abweisendes Urteil gegen
ihn. Zum oflfenen Ausbruch sollte der Kampf mit den Schaun-
bergern um die Anerkennung der habsburgischen Landeshoheit
indes erst in späteren Jahrzehnten kommen.
Wichtiger und gefahrdrohender waren für die Walseer zu
Linz und Ens vorläufig die fortwährenden Streitigkeiten mit
dem Adel Südböhmens, die volle zehn Jahre hindurch selten
zur Ruhe kamen und mehrmals bedenklichen Umfang annahmen.
Bereits 1335 hatten Grenzstreitigkeiten der Brüder Rein-
precht I. und Friedrich IL von Walsee-Ens als Pfandinhaber
der Steiermark mit dem Besitzer des Amtes Weitersfelden,'
Jans von Kapellen, dem Gatten Kunigundens von Walsee, um
die Wälder bei Freistadt stattgefunden und eines Schiedsspruches
Eberhards V. von Walsee-Linz geharrt,* bis schUeßlich der Herzog
selbst die Sache 1341^ beilegte. Die gleichen Ursachen, der
Mangel an sicheren Grenzen gegen Böhmen hin führten 1345^
zu einer Fehde derselben Waldseer mit den Herren von Rosen-
berg und rasch schloß sich beiderseits der benachbarte Adel
den Kämpfenden an. Angesichts dieser Sachlage wandte sich
Herzog Albrecht H. an den Markgrafen Karl von Mähren, der
die Angelegenheit binnen kurzem einer friedlichen Lösung zu-
führte. Am 22, Juni 1346' erklärte Peter von Rosenberg seine
» UBoE. VI, 6. « UBoE. VI, 356. • Östlich von FreisUdt.
* ürk. 1335 Juli 16; UBoE. VI, 173.
^ Urk. 1341 Oktober 29; LB. III, r. 1292.
^ Johann v. Viktring. Böhmer, Fontes Berum Germanicarum I, 449, aber
zum Jahre 1843; Contin. Zwetl. M. G. SS. IX, 691.
' NB. IV, 129.
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278
Fehde mit den beiden Walseern fiir beendet und verpflichtete
sich, dem Schiedssprüche Ulrichs 11. von Walsee-Graz und Ber-
tholds von der Leippe einzuhalten, bei 100 Mark Silber Strafe
an die Brüder von Walsee.
Wenn in den nächsten drei Jahren auf diesem Boden
Ruhe herrschte, so liegt die Ursache hievon in den politischen
Verhältnissen. Markgraf Karl von Mähren war mittlerweile
von der päpstlichen Partei zum Gegenkönig Ludwig des Baiem
gewählt worden und trachtete nach dessen plötzlichem Tode
nun insbesondere Herzog Albrecht von Osterreich zu gewinnen;
deshalb war er ohne Zweifel bemüht, hier Ordnung zu schaffen.
Auch gegen die einflußreichen Walseer, wie Eberhard V. von
Walsee-Linz oder Ulrich 11. von Walsee-Graz war man in jenen
Tagen zuvorkommend und suchte von Passau wie von Avignon
aus in diesem Sinne zu wirken.*
Als aber sowohl der Herzog ab K. Karl IV. im Sommer
1351 ferne von ihren Landen weilten, brach an den Grenzen
Österreichs gegen Böhmen und Mähren eine noch heftigere
Fehde aus.* Gegen die Raubzüge Heinrichs von Neuhaus,
Johanns H. von Michelsberg und der Brüder Stephan und Peter
von Stemberg, denen sich trotz seiner Verschwägerung mit den
Walseern zu £ns auch Jost von Stemberg anschloß, setzte sich
vor allem der Hauptmann ob der Ens, Eberhard V. zur Wehr;
seine Verschwägerung mit denen von Neuhaus hatte im Vor-
jahre durch den Tod Annas, der Gattin Eberhards VII., ' seines
Erstgeborenen, ihre Bedeutung verloren. In Niederösterreich
rüsteten sich Heinrich HI. von Walsee-Drosendorf und die Seinen
mit ihrem Bundesgenossen Alber von Puchheim zum Wider-
stände. Außerdem ergriff der böhmische Oberstburggraf Wil-
helm von Landstein ihre Partei, dessen Gattin, eine Kuenringerin,
mit den Walseern verwandt war.
Mit 70 Helmen zog Heinrich von Neuhaus ins Feld und
drang unter großen Verwüstungen bis gegen Ottensheim (bei
Linz) vor, das am Bricciustage (13. November) geplündert und
» Vgl. 8. 286 und Urk. 1337 August 26; Riczler, Vatik. Akten lur Gesch.
Ludwigs des Baiern I, 847.
' Vgl. Klimesch, Die Herren von Michelsberg. Mitt. des Vereines für Gesch.
der Deutschen in Böhmen XXII, 339—342.
• Vgl. die Genealogie.
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279
niedergebrannt wurde.* Als er beutebeladen den Rückweg
antrat, brachte ihm Eberhard IV. von Walsee-Linz zwischen
Hellmonsöd und Freistadt eine Schlappe bei, die ihn zu
schleuniger Flucht zwang; der Sieger ließ die Gefangenen am
Galgen enden. Die Walseer folgten dem Gegner in die Nähe
von Frauenberg bei Budweis und schlugen ihn dort, trotzdem
Peter von Sternberg im entscheidenden Augenblicke mit einer
Verstärkung von 30 Helmen eintraf, mit Hilfe Wilhelms von
Landstein entscheidend am 16. November 1351.* Heinrich von
Neuhaus und Peter von Sternberg wurden gefangengenommen
und erst gegen hohes Lösegeld aus ihrer Haft in Wien und
Pottenstein entlassen. Nach seiner Heimkehr suchte sich Hein-
rich von Neuhaus an seinen Gegnern zu rächen. Darüber nahm
die Fehde einen solchen Umfang an, daß sich viele öster-
reichische Adelige, wie Jans von Traun*, ja selbst Graf Ulrich
von Cilli* dem Kampfe gegen die Böhmen anschlössen und den
befreundeten Walseem hilfreichen Beistand leisteten. K. Karl IV.
selbst zog gegen die Unruhestifter in der Fasten 1352 aus und
föUte am 2. Mai dieses Jahres^ einen Schiedspruch, der die
Fehde beendigte. Zwar standen sich bald darauf abermals die
Rosenberger, Jans von Michelsberg und die Walseer Heinrich
von Neuhaus imd Wilhelm von Landstein gegenüber, doch ge-
nügte K. Karls IV. Rückkehr aus Deutschland, um zuerst die
letzteren, sodann Eberhard V. von Walsee-Linz und Jost von
Rosenberg am 10. August 1352 auszusöhnen.
Der Verlust seiner beiden bereits erwachsenen Söhne
Eberhards VII. und Heinrichs V., welcher in diese Jahre fUllt, ®
traf den alternden Vater umso härter, als Eberhard V. von seiner
zweiten Gattin Anna von Losenstein, die ihm schon 1321 an-
getraut war, keinen Erben mehr erwarten konnte; so schien
es, als sollte mit ihm die Linzer Linie erlöschen. In dieser
traurigen Voraussicht ging Eberhard V. damals daran, eine
zweite Klostergründung ins Werk zu setzen. Er räumte
^ Vgl. Wilheriuger Annalen, Archiv für Qesch. der Diözese Linz II, 249.
« Ann. und Calend. Zwetl. M. G. SS. IX, 691—692."
» Vgl. Primiaser, P. Suchenwirt, XVI, V. 62, XVHI, V. 371.
* Vgl. Gubo, Graf Friedrich II. von Cilli. Cillier Gymnasial-Programm
1888, S. 4.
* Ludewig, Beliquiae Manuscr. IV, 279.
' Vgl. die Genealogie.
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280
dafür das erst vor kurzem erkaufte Schloß Schlierbach im
Kremstale ein, behielt aber die gleichnamige Herrschaft mit
dem Landgerichte in seiner Hand. Am 22. Februar 1353^
tibergaben Eberhard V. und sein Ehegemahl die Stiftung, ein
neues Denkmal der kirchlichen Gesinnung des Hauses Walsee,
und Zisterzienserinnen, herbeigerufen aus der schwäbischen
Stammheimat, dem Kloster Baindt,* zogen in dieselbe ein. Am
folgenden Tage gab auch der Diözesanbischof Gottfried von
Passau seine Einwilligung zur Errichtung des Klosters,' der
Landesfürst nahm es in seinen Schutz und Schirm. Eberhard V.
stattete es mit 200 <fi ^ auf gestiftetem Gute nördlich der Donau
in Niederösterreich aus und wies dafür vorläufig die Einkünfte
seiner Herrschaft Pemstein an; 1357* fügte Eberhard mit Be-
willigung seines Herzogs die Hälfte seines Satzes auf Falken-
sein und 100 ^/Ä auf der Maut zu Linz hinzu. Dazu verleibte
Bischof Gottfried von Passau 1359* die Pfarrkirche zu Schlier-
bach dem Kloster daselbst auf Ansuchen Eberhards ein, der
auch wenige Tage vorher® das Kirchenpatronat von Wartberg
im Kremstale für das von Zwettl, in der Herrschaft Wachsen-
berg gelegen, zugunsten seiner Stiftung eintauschte.
Die Mattseer Chronik berichtet uns' aus dem Stiftungs-
jahre von Schlierbach über einen sonst unbekannten Einfall
Eberhards V. auf salzburgisches Gebiet, der vermutlich mit
jenen Streitigkeiten in Zusammenhang stand, die aus dem Er-
löschen einer Linie des salzburgischen Ministerialengeschlechtes
der Tanne entsprangen. Mit bedeutenden Streitkräften über-
schritt Eberhard V. am St. Franziskustage (Oktober 5) 1355 die
Grenze, verheerte die Umgebung von Straßwalchen und Neu-
markt und ftlhrte 700 Stück Vieh und 300 Pferde auf dem
Rückzuge nach Veckhelstorf (Vöcklamarkt) davon. Der salz-
burgische Kastellan zu Mattsee, Konrad der Chuechler, der sich
keiner Feindseligkeiten versehen hatte, vermochte ihm keinen
» UBoE. Vn, 403.
' Vgl. Stadien und Mitteilangen aus dem Benediktiner- und ZiBtenienser-
Orden XXIV, 377."
8 Urkk. 1365 Februar 23 und April 29; UBoE. VH, 405 und 411.
* Urk. 1357 Juli 26; UBoE. VH, 519.
^ Urk. 1359 September 10; UBoE. VII, 657.
« Urk. 1859 September 7; UBoE. VII, 656.
' FRA. XLIX, 91.
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281
Widerstand zu leisten. Die Absicht Dietrichs des Lerbüchler,
eines walseeischen Lehensmannes, der die Scharen Eberhards V.
anführte^ das benachbarte reiche Stift Mattsee heimzusuchen,
fand wohl nicht die Billigung Eberhards und so blieb das
Kloster verschont.
Wenn der antihabsburgisch gesinnte Chronist Mattseer ein
wenig unparteiisches Urteil über den Stifter von Seusenstein und
Schlierbach fällt und ihn der Feindseligkeit gegen die Passauer
Kirche anklagt, so bezieht sich dies wohl auf die vorüber-
gehenden Streitigkeiten um Palkenstein (1352 — 1354).^
Wenige Wochen darnach weilte Eberhard V. gleich seinen
Vettern bei Hofe, als Herzog Albrecht 1355 November 25'
seine Hausordnung veröflfentlichte, die sie im Kreise der öster-
reichischen und steirischen Landherren beschworen. Gerade
die Walseer hatten wie nicht leicht ein anderes Geschlecht
ihrer Standesgenossen ein besonderes Interesse daran, daß
ihrem Herrscherhause Einheit und Einigkeit gewahrt blieben;
wie leicht konnten bei ihren über die ganzen habsburgischen
Länder verbreiteten Besitzungen Streitigkeiten und Teilungen
unter den Habsburgem sie einem bedenklichen Dilemma zu-
führen.
Unter Herzog Albrechts H. Nachfolger, dem hochbegabten
Rudolf IV. wußte sich Eberhard V. in seinem Amte als Haupt-
mann ob der Ens zu behaupten; er weilte häufig am Hofe dieses
prunkliebenden Fürsten. Den großen Plänen desselben, welchen
die geiUlschten Freiheitsbriefe dienten, kam hinsichtlich der
Grafen von Schaunberg im Lande ob der Ens das freundschaft-
liche Verhältnis zugute, in welchem der Herzog zu den Grafen
Heinrich und Ulrich stand. Den Walseern, die in Oberösterreich
mit denselben in einem stillen Wettstreite um Reichtum und
Ansehen lagen, mochte es eine innerliche Befriedigung ge-
währen, als Eberhard V. mit drei Vettern auf dem für ihn be-
sonders als Hauptmann ob der Ens wichtigen Tage von Weitra
1361 Juni 16* zugegen war, an dem die Unabhängigkeit der
Schaunberger den ersten Stoß erhielt.
» Vgl. 8. 286 und 287.
' Schwind-Dopsch, Ausg. Urk. zur VerfassungsgeBcb. Österreichs 189—191.
• UBoE. Vni, 27; vgl. Edlbacher, Das Verhältnis der Grafen von Schaun-
berg zu Herzog Rudolf IV. und Albrecht III. Zeitschr. für OsterreichiBche
Gymnasien, Jahrgang 1872.
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282
Daß Eberhard V. Ende 1361^ sein Amt als Hauptmann
ob der Ens verlor und Jans von Traun an seine Stelle trat,
hat nicht viel zu besagen; Herzog Rudolf IV. liebte häufig
solche Verschiebungen selbst in den höchsten Amtern- Eber-
hard V. geleitete sogar den Herzog in der letzten Woche dieses
Jahres nach Preßburg, wo am Silvestertage 1361* mit den
Königen von Ungarn und Polen ein gegen den Kaiser gerich-
tetes Bündnis abgeschlossen wurde. Eberhard V. erhielt über-
dies sein Amt zurück, als der Herzog im Jänner 1363 nach
Tirol eilte, um nach Herzog Meinhards Tode dort den Witteis-
bachern zuvorzukommen. Während nun Herzog Rudolf den
bairischen Einfall in Tirol abwehrte, setzten sich an der öster-
reichisch-bairischen Grenze Erzbischof Ortolf von Salzburg,
Eberhard V.,* der das wichtige Neuburg am Inn als Pfand-
schaft besaß, und Graf Ulrich von Schaunberg gegen die Baiem
in Bewegung, erlitten indes bei Otting am Inn eine verlustreiche
Schlappe. Eberhard V. gab sodann seinem Herzog das Geleite
nach Brunn und wohnte daselbst der 1364 Februar 8* durch
den Kaiser erfolgten Belehnung mit Tirol bei, welche die neue
Erwerbung sicherte. Noch war indes der Kampf um dieselbe
nicht beendet. Im Sommer dieses Jahres zog Eberhard I. mit
seinen jugendlichen Vettern, den Söhnen Reinprechts I. von
Walsee-Ens und Heinrichs IH. von Walsee-Drosendorf abermals
mit dem Herzoge von Oberösterreich aus gegen die Witteis-
bacher zu Felde. ^ Nach kurzer Belagerung ergab sich Ried,
worauf alsbald ein weiterhin mehrfach verlängerter WafiFenstill-
stand abgeschlossen wurde. Den ganzen Frühling 1365 hin-
durch weilte Eberhard am herzoglichen Hofe zu Wien und war
dort Zeuge der rastlosen Tätigkeit seines jugendlichen Herr-
schers, die sich insbesondere in der Gründung der Universität
und jener der Dompropstei St. Stephan kundtat* Er sah den
Herzog zum letzten Male, als dieser im Mai 1365 von Wien
nach Mailand eilte, um dort Hilfe gegen Aquileja und die
^ Vgl. die Qenealogie.
" Ludewig, Beliqu. Manoscr. IV, 294.
» Chron. SalUburg. M. G. SS. IX, 831.
* Steyerer, Comment. p. bist. Alberti II., col. 380.
^ Vgl. Urk. 1364 August 26, Senkenberg, Sei. Juris IV, 465 und Urk. 1364
August 28, Hormayr, Gesch. Wiens V, A. 46.
• Urk. 1365 Mära 12 und 16; Hormayr, Gesch. Wiens V, A. 66 und 98.
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283
Carraresen zu suchen; am 27. Juli 1365 machte dort ein böses
Fieber dessen Leben jäh ein Ende.
Für den Walseer blieb sein Ableben ohne Folgen; er be-
hielt sein Amt und die Herzoge Albrecht III. und Leopold III.
gaben ihm neue Beweise von Huld und Vertrauen. Als sie
nun daran gingen, der Freisinger Kirche die Pfandschaften
zurückzugeben, welche Herzog Rudolf auf Freisinger Gütern
mehreren vom Adel angewiesen hatte, teilte sich Eberhard V.
mit fünf anderen 1365 Oktober 28^ in das Amt der Schieds-
leute, welche den Vergleich über die dieser Kirche zugefligten
Schäden zuwege brachten. Dieselbe Funktion hatte er zwei
Jahre später in einer nicht minder wichtigen Frage, als der
Aufstand der Passauer Bürger gegen ihren Bischof mit öster-
reichischer Hilfe unter Jans von Traun niedergeschlagen wor-
den war. Der Schiedsspruch der Herzoge, 1367 Dezember 18*
zwischen Bischof nnd Stadt gefUllt, betraute Eberhard in Ge-
meinschaft mit dem Grafen Ulrich von Schaunberg mit der
Schlichtung mehrerer Vergleichspunkte an Ort und Stelle.
Der Kampf, in welchen die Habsburger 1368 mit den
Venezianern um Triest gerieten, rief auch den gealterten Eber-
hard V. noch einmal ins Feld.* In der Folge wurde dieser
Zug nach dem Süden für sein Haus von weittragender Bedeu-
tung durch Beziehungen, die damals mit den Tibeinern* an-
geknüpft wurden, weitaus dem wichtigsten Adelsgeschlechte im
Hinterlande von Triest und bis an den Quarnero hinüber.
Von hier mußte Eberhard V. indes alsbald einem anderen
Kriegsschauplatze zueilen, um seine Kräfte dem ihm als Haupt-
mann ob der Ens näher liegenden Kampfe gegen Baiern zu
leihen,^ der von den Habsburgem 1369 nach Ablauf des Waffen-
stillstandes erneuert wurde. In dieser Fehde wurde die an
Eberhard verpfändete Grenzfeste Falkenstein von einem ge-
wissen Leutwin Usel überrumpelt;* vergeblich versuchte Eber-
hard sie zurückzuerobern. Usel verpfändete sie dem Grafen
von Hals, von diesem ward sie durch einen Stubenberger für
» PEA. XXXVI, 842. « UBoE. Vin, 361.
» Vgl. Urk. 1369; HHStA. Kod. Suppl. 408, f. 8'.
* Über dieselben vgl. Pichler, II castello di Duino, Tricnt 1882.
» Vgl. Urk. 1369 Juni 6; UBoE. Vm, 418.
* Ann. Matseens., M. O. SS. IX, 834; vgl. Strnadt, Das Land im Norden der
Donau, AÖG. XCTV, 214.
Archir. XCY. Band. U. HftlfU. 20
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284
die Herzoge zurückgelöst und so kam sie vorläufig Eberhard V.
aus der Hand. Den Abschluß des Kampfes gegen Baiem bil-
dete der Schärdinger Friede von Michaeli 1369,* der Tirol
endgiltig den Habsburgem beließ. Eberhard V., der bei den
Verhandlungen desselben noch zugegen war, schloß damit seine
Laufbahn, auf welcher er sich durch ein halbes Jahrhundert
im Dienste der Habsburger bewährt hatte; der 70jährige Greis
bedurfte der Rast für seinen Lebensabend — sie war ihm nur
kurz beschieden.
Das Erbe seines Vaters hat Eberhard V. als dessen ein-
ziger Sohn ungeschmälert überkommen; seine Schwester Kuni-
gund und deren Gatte Jans von Kapellen ließen sich * mit ihren
Erbansprüchen gegen eine Summe von 400 Äf'^ abfinden.
Sein ganzes Leben hindurch hat Eberhard V. den er-
erbten Besitzstand durch fortwährende Ankäufe, die zuzeiten
fast über seine Kräfte gingen, vermehrt und dieses Ergebnis
zustande gebracht, obwohl ihm durch die allmähliche Gesun-
dung der landesherrlichen Finanzen unter Herzog Albrecht H.
wieder ein gut Teil der herzoglichen Pfandschaften durch Ab-
lösung entzogen wurde. Wie unter seinem Vater geht auch
die Entwicklung des Besitzes Eberhards V. lediglich auf dem
Boden Ober- und Niederösterreichs vor sich.
Im Lande ob der Ens schuf sich Eberhard V. besonders
einen bedeutenden Güterbestand im Alm- und Kremstale sowie,
hier weniger geschlossen, nördUch der Donau; kleinere Be-
sitzungen im Trattnachtale waren der Schaunberger wegen von
Wichtigkeit.
Zuerst hatte Eberhard 1329' von Werner und Gottfried
den Polheimem deren Viertel am Schlosse zu Seisenburg* um
500Äf.Ä erkauft;, doch kam dieser Anteil alsbald an die Volken-
storfer — durch die Ehe der Tochter Eberhards V., Margret,
mit Alber v. Volkenstorf — und durch letzteren an den Herzog.*
Im Jahre 1331 brachte Eberhard V. sodann zwei Pfandschaften
im Kremstale an sich. Von demselben Volkenstorfer wurde
ihm® das Haus zu Forchtenberg um 250Äf/Ä überlassen. An-
^ Quellen und ErtJrterungen s. bair. a. deutsch. Gesch. VI, 499.
« Urk. 1328 Dezember 21; NB. I, 330.
» Urk. 1329 Februar 19; ÜBoE. V, 631.
* Westlich yon Kirchdorf, OberOsterreich.
» WSt. 587. • Urk. 1331 Mai 19; UBoE. VI, 20.
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285
dererseits befand sich die Feste Rohr^ mit 20Äf/Ä Gülten
unter den Sätzen, die auf Eberhard V. durch Verkauf der
schwäbischen Stammgüter von den Herzogen für sein Teil ver-
schrieben wurden; Rohr war 1357* von Eberhard V. wieder
gelöst. 1337 war der Walseer trotz der Kriegsläufie des
Vorjahres abermals in der Lage, einen bedeutenden Kauf zu
machen. Er erwarb Februar 23' das wichtige Schloß Pern-
stein, herzogliches Lehen, für 4500 Äf^ von Lybaun und
Hertnid den Truchsen und überUeß ihnen bis zur Tilgung dieser
Summe Schloß Senftenberg nebst Zebing als Bürgschaft.
Allerdings überstiegen diese großen Ankäufe fast Eber-
hards V.Kräfte; um die Mittel hiefÜr und die Mitgift* seiner
Tochter Agnes, die sich 1343 mit dem Grafen Johann von
Pemstein vermählte, aufzubringen, war er in diesen Jahren ge-
zwungen, vorübergehend kleine Besitzungen und Gülten^ zu
verpfänden und selbst größere Anleihen, so bei seinem Schwager
Jans dem Alten von Kapellen,^ aufzunehmen. Ein Jahrzehent
wirtschaftlicher Sparsamkeit, und Eberhard hatte diese Schwierig-
keiten überwunden.
Für die Lösung von Neuburg am Inn erhielt er 1363^
die Herrschaft Seisenburg und die Vogtei zu Wels ver-
pfändet; auf diesen Satz schlug ihm Herzog Albrecht 1369
Juni 6^ weiters eine Schuld von 2000 Ä^, die aus dem letzten
Kriege gegen Baiem stammte.
Von gi'ößerer Bedeutung aber waren die bambergischen
Lehen im Kremstale, die nun an Eberhard und damit auf ein
Jahrhundert an sein» Haus kamen. Die Stellung der Walseer
•• ••
in Osterreich, insbesondere als Inhaber der höchsten Amter,
brachte es dabei mit sich, daß bei allen diesen Besitzungen,
die sie von den Bischöfen von Bamberg, Regensburg, Passau,
" Bei Kremsmünster; 1881 Januar 7 (UBoE. VI, 1) erhielt Eberhard V. für
seinen Anteil ron 2260^.^ daran die Herrschaften Rohr und Falken-
stein versetzt and 200 ^ ^ auf der Maut zu Linz angewiesen.
« Vgl. Urk. 1367 November 11; LB. UI r. 1977. » UBoE. VI, 229.
* Da der Graf derselben 1343 November 15 (NB. IV, 127) 1000 ü ^
Morgengabe verschreibt, dürfte ihr Heiratsgut eine ähnliche Summe be-
tragen haben.
« Vgl. Urk. 1339 März 17, UBoE. VI, 291 und Urk. 1344 Dezember 6,
UBoE. VI, 499.
• Urk. 1841 Juni 7; NB. IV, 107.
' Urk. 1362 April 6; UBoE. VOI, 73. ■ Ebenda 418.
20*
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286
Freising u. a. zu Lehen trugen, immer mehr das Moment der
habsburgischen Landeshoheit auf Kosten der Lehensherren zur
Geltung kam. So wirkten die Walseer auch nach dieser Seite
an der territorialen Ausgestaltung der österreichischen Länder
mit, ein Faktor, der nicht zu übersehen ist Zuerst ging das
Schloß Schlierbach samt dem Landgerichte (,auf dem Moos')
von den Kapellem kaufweise an Eberhard V. über, der vom
Bischof Leopold von Bamberg 1353 Juli 25 ^ darüber die Be-
lehnung erhielt. Das Landgericht behielt er in seiner Hand,
das Schloß dagegen räumte er dem von ihm 1355 begründeten
ZLsterzienserinnenkloster ein. Dem Stifter von Sensenstein und
Schlierbach konnte die Gunst der Kirche nicht fehlen. So
übergab ihm Bischof Friedrich von Bamberg die Vogtei über
den Markt Kirchdorf, die Hofmark Windischgarsten und
das Garstener Tal, worüber Eberhard seinen Pflegrevers 1363
Dezember 1 ausstellte.*
Auch mit den Passauer Bischöfen stand Eberhard auf
bestem Fuße, ebenso seine Vettern von Walsee-Ens. So er-
warb Eberhard V. von Ruger von Starhemberg 1327' die Vogtei
über ein Gut des Klosters St. Nikola bei Passau^ später erhielt
er die wichtige Pflegschaft auf St. Georgenberg* und
blieb trotz mancher Weitungen * dem Bischöfe befreundet; auch
bei den Ereignissen von 1367 lieh er demselben seine Dienste.^
Diese Beziehungen entsprachen zweifelsohne den Absichten der
Habsburger, die ja bereits seit K. Albrechts I. Zeiten ihren
Einfluß in diesem Bistume zu mehren trachteten.
Ebenso ließ sich Eberhard V. vom IrfndesfÜrstlichen Inter-
esse bei den Besitzerwerbungen im Trattnachtale leiten, die der
Schaunberger wegen wichtig waren, da sie die Absicht der
letzteren,' zwischen ihrem Hauptbesitze und jenen im Atter-
gaue eine Verbindung herzustellen, vereitelten. Zuerst brachte
der Walseer Schloß Gallspach bei Grieskirchen an sich;
» Als Erblehen für Söhne und Töchter; UBoE. VII, 321.
« UBoE. Vm, 169. » Urk. 1327 November 25; UBoE. V, 495.
* Vgl. Urk. 1346 Oktober 1; Regesta Boic« VIU, 55.
» Vgl. Urk. 1352 Jali 4, 1354 Januar 27, Dezember 29; Orig. Reichsarchir
Mttnchen; ygl. S. 2S1.
* Bischof Albert stammte aus dem den Walseem von Bns verschwigerten
Geschlechte derer ron Winkel.
» Vgl. S. 277.
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287
1343 ^ erhielt er die Kapelle daselbst von dem Kapitel St. Ni-
kola bei Passau gegen Entschädigung abgetreten, woraus er
Pfarrkirche und Pfarre Gallspach stiftete. Schloß Gallspach
verkaufte er 1354* an Heinrich Geuman, dessen Geschlecht nun
durch ein Jahrhundert Gallspach als Afterlehen innehatte. Von
dem Welser Bürger Chunrad dem Schreiber erkaufte Eberhard
135P um 330 «f^ das Schloß Trattenek und erhielt 1353*
vom Herzoge die Belehnung darüber. Dazu kamen Waldungen
zu Polheim,^ die der Walseer in letzterem Jahre nach längeren
Verhandlungen erwarb, und Güter zu Kirchberg, ^ von Welser
Bürgern 1358 erkauft.
Bei Eberhards Gütern, die er nördlich der Donau besaß,
machte sich dieselbe habsburgische Interessenpolitik geltend.
In seine sichere Hut gaben die Herzoge anläßlich des Ankaufes
der walseeischen Stammgüter in Schwaben 1331' die Herr-
schaft Falkenstein mit i2&^ Gülten als Pfandschaft — den
äußersten österreichischen Vorposten an der oberen Donau,
gegen das Hochstift Passau, die bairischen Herzoge und die
Schaunberger in gleicher Weise ein wichtiger Stützpunkt. Nach-
dem hier in den Jahren 1352 — 1354® Grenzstreitigkeiten mit
dem Bischöfe von Passau vorgefallen waren, wurde die Herr-
schaft 1359* von Erzherzog Rudolf IV. eingelöst. In Eber-
hards letzten Lebensjahren befand sie sich nach der Episode
von 1369 nochmals auf mehrere Jahre *® im Besitze der Linzer
Walseer. Ein unverkennbarer Schachzug gegen die Grafen
von Schaunberg war femer die Erwerbung des freieigenen
» Urk. 1343 August 19; UBoE. VI, 452.
» Struadt, Peuerbach, IBMFC. XXVII, 393.
» Urk. 1351 September 16; UBoE. VIII, 264; Trattenek BÜdlich von Griea-
kirchen.
« Urk. 1353 April 20; Orig. StAEferding.
» Nördlich von Gricskirchen ; Urk. 1363 August 19; UBoE. VII, 326.
« Nördlich von Wels; Urk. 1358 Februar 22; UBoO. VII, 556.
' Urk. 1331 Januar 7 ; UBoE. VI, 1 ; vgl. Stmadt, Das Land im Norden
der Donau, AÖG. XCIV, 182—133.
• Urk. 1352 Juni 1, 1354 Januar 26; UBoE. VH, 281, 345.
• Vgl. UBoE. VII, 681.
^*^ Gleich Neuburg a. Inn muß sie nach der Lösung von 1359 abermals an
Eberhard V. verpfändet oder durch diesen von dem Stuben berger abge-
löst worden sein, da sie nach Urk. 1379 April 1 (HHStA. Kod. Suppl.
407, f. 109') wieder durch Heinrich von Zelking um 5000 ü. ^ von Jörg
V. Walsee-Linz gelöst wurden, der erst wenige Jahre gevogt war.
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Schlosses Freudenstein bei Ottensheim, das Eberhard 1333*
von Fridrich und Uhich den Prueschinken um 1000 Äf^Ä er-
kaufte und gegen den Grafen Heinrich von Schaunberg be-
hauptete. Auf diesem ehedem prueschinkischen Boden erbaute
Eberhard V. einen neuen Halt gegen die Schaunberger. Als
dem ältesten des Hauses Walsee erwies ihm Herzog Rudolf
1364 Oktober 30* die Gnade, eine neue Feste namens Wal-
see* auf dem Klausberge oberhalb der Klausmtihle am Pösen-
bache erbauen zu dürfen, ,auf daß dieser ehrwürdige Name
des berühmten Geschlechtes erhalten bleibe'; vor Jahres-
schluß* erwarb der Walseer mehrere um die neue Bui^ ge-
legene Güter hinzu. Noch heute, nachdem vor mehr als vier
Jahrhunderten der letzte Walseer zu Grabe getragen wurde,
erzählen die Trümmer des Schlosses Ober- Walsee von längst-
vergangenen Zeiten und schauen trutzig hernieder auf das
sonnige Aschacher Becken. Seinen Besitz in der Riedmark,
an den sich weiter keine Interessen knüpften, hat Eberhard
gänzUch aufgegeben. Er trat seinen Anteil an der Freistädter
Pfandschaft an die Vettern von Walsee-Ens ab;* an Dietrich
und Wohunk von Harrach verkaufte er 1330 ^ die an der böh-
mischen Grenze gelegenen Dörfer ' in der Stiftung, Eibenstein,
Freudental und Schwarzenbach um 820^/^ und veräußerte
1352^ auch die Herrschaft Reichenstein^ in der Riedmark
um 3600 Äf^ an Ulrich von Kapellen. Weitere Einbußen er-
litt Eberhard V. durch die um 1357, beziehungsweise 1359 und
1362^® erfolgte Einlösung seiner Pfandschaftien Rohr, Falken-
stein und Neuburg am Inn; fiir letzteres erhielt er wenigstens
Ersatz.
Auf dem Boden Niederösterreichs blieb es zumeist bei
dem Besitze, den Eberhard V. von seinem Vater überkommen
und durch seine erste Gattin erheiratet hatte. Schloß Aspers-
hofen,^^ das er von Ludwig von Zelking 1326^* um 100 &^
» Urk. 1333 Mai 1, UBoE. VI, 91 ; vgl. 8. 277.
« UBoE. Vra, 194. • Jetzt Ober-WaUee bei Landshaag.
* Urk. 1364 November 8; UBoE. VIII, 196.
ß Zwischen ca. 1330—1340. « Urk. 1330, Februar 1; UBoE. VIII, 664.
' Nördlich von Freistadt, nicht in NiederOsterreich.
» Urk. 1852 Juni 8; UBoE. VII, 286.
• Bei Pregarten, südlich von Freistadt.
»« Vgl. Urk. 1362 April 6; UBoE. Vin, 73.
" Bei Sieghartskirchen, VUWW. " Urk. 1326 April 80; NB. I, 83,
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289
erstanden hatte, war schwerlich lange in seinem Besitze, da es
in der Folge außer Sicht gerät. Zu Neujahi* 1332^ brachte Eber-
hard von Andre dem Sunnberger um 1950 Mark Silber dessen
freies Eigen Schloß Allentsteig* samt dem Landgerichte an
sich; er trat es 1367' an Seitz von Kuenring wieder für die
Ansprüche und Forderungen ab, die derselbe von Eberhards V.
Oerhabschaft her über ihn geltend machte. Für geleistete
Kriegsdienste verpfändete ihm der Herzog im Jahre 1369 * den
Markt Wöllersdorf, in der Nähe von Guntersdorf gelegen,
um 4000 Äf^ und schließlich im gleichen Jahre die von Fried-
rich n. von Walsee-Ens abgelöste Feste Freienstein^ mit
verschiedenen Gütern zu Neumarkt a. d. Ips und Kornspach
sowie dem Marchfutter zu Ips und Ardagger ftlr eine gleiche
Schuld von 2047^,^^, die bereits 1370 mit Erlaubnis der
Herzoge durch den bekannten Hofmeister Hans v. Liechten-
stein-Nikolsburg zurückgelöst wurde. Durch die allzu großen
Darlehen geriet Eberhard in jenen Jahren selbst beinahe in
Geldverlegenheiten, so daß er z, B. 1367® genötigt war, seinem
Burggrafen auf Senftenberg Ekhard von Seldenhofen den Sitz
zu Draß bei Senftenberg zu verpfänden.
Lassen wir an uns nun auch Eberhards V. Familienleben '
vorüberziehen, das sich so wechselvoll gestaltete. Wohl durch
die Beziehungen seiner Mutter, der Kuenringerin Maria, war
1304 die erste Heirat des eben gevogten Eberhard V. mit Elsbet
von Qutrat zustande gekommen, deren Erbe ihm auch ver-
blieb, als Elsbet bald nach 1314 hinwegstarb, ohne daß dieser
ersten Ehe Kinder entsprossen wären. Noch vor dem Tode
seines Vaters schloß Eberhard V., spätestens 1321, mit Anna
aus dem angesehenen Ministerialengeschlechte der Losensteiner
einen zweiten Ehebund, welchem zwei Söhne und eine Tochter
entsprangen.
In jenen Jahren aber verheirateten sich auch noch zwei
Schwestern Eberhards V., Margret, die seit 1329 als Gattin
Albers von Volkenstorf, und Dorothea, welche etwa von 1330
an als Reinprechts H. von Ebersdorf Hausfrau genannt wird.
* UBoE. VI, 42. • Nordöstlich von Zwettl.
» Urk. 1367 Mai 4; UBoE. VIH, 318. * HHStA. Kod. Suppl. 407, f. 8'.
* An der Donau, südöstlich von Grein. • Urk. 1367 Juni 7; NB. IV, 388.
^ Vgl. die Genealogie.
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290
Seit 1335, beziehungsweise 1336 treten Eberhards V. beide
Söhne Eberhard VII. und Heinrich V. bereits als gevogt auf;
seine Tochter Agnes wurde 1343 dem Grafen Johann von Pem-
stein angetraut, dessen angesehene FamiUe an der angarischen
Grenze reich begütert war. Etwa 1335 erscheint auch Eber-
hard Vn. mit Anna von Neuhaus bereits vermählt,^ die um
1350 mit Tod abging. Dem mehr ab 50 jährigen Eberhard V.
war es aber beschieden, die beiden Söhne zu verlieren, von
welchen Eberhard VII. nach 1351, Heinrich V. seit Ende 1352
nicht mehr genannt wird; ein schmerzlicher Verlust, der den
alternden Vater umso härter traf, als er von seiner ihm nun
vor mehr als 30 Jahren angetrauten Gemahlin keine Nach-
kommenschaft mehr erhoffen konnte. So schien zuerst der
Mannsstamm der Linzer Linie des Hauses Walsee zu er-
löschen.
Aber das Schicksal hatte es anders bestimmt. Bald nach
1355 starb Anna von Losenstein, der erst im Vorjahre ein Erbe
von 150 ^/Ä von ihren Großeltern her zugefallen war.* Ein
dritter Ehebund, den Eberhard V. dann um 1360 noch im
Alter von 70 Jahren mit einer Pettauerin einging, brachte ihm
die ersehnte Nachkommenschaft: einen Sohn Georg und zwei
Töchter.
So sah Eberhard V. wenigstens seinen Stamm erhalten,
als er, 1371 April 21, aus dem Leben schied. Seit den Tagen
Friedrichs des Schönen hatte er durch ein halbes Jahrhundert
dem Hause Habsburg als Hauptmann ob der Ens in Ehren
und Treuen bis zu seinem Tode gedient.
Zwei fromme Stiftungen, Sensenstein und Schlierbach,
verdankten ihm ihre Entstehung. Von diesen wollte anfangs
SchHerbach nicht recht gedeihen. Doch half auf seine Bitten
Abt Bertold von Salmannsweiler der Not der Nonnen ab, als
er das Kloster 1368^ visitierte, und Eberhard selbst gewährte
seine Unterstützung und verzichtete zugunsten desselben auf
die Lehenschaft vieler Besitzungen. Vor seinem Tode bedachte
er es noch 1371 Februar 2* mit zahlreichen Gütern und Giebig-
keiten in den Pfarren Wartberg und Kirchdorf imd befreite
es auch von aller fremden Vogtei und Gerichtsbarkeit.
1 Vgl. die Genealogie. » Urk. 1854 Märe 15; FRA. LI, 479.
• Urk. 1368 Februar 28; UBoE. VUI, 365. * Ebenda 610.
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291
Seinen Besitz hatte Eberhard V. stetig gemehrt und wohl
verwaltet. Nun waren eben durch die Darlehen, die der Wal-
seer für den Baiernkrieg von 1369 gewährt hatte, größere
finanzielle Operationen nötig geworden, deren Abwicklung den
Gerhaben zufiel, welche der junge Georg zunächst erhielt.
8. Georg 0365—1400).
Mit dem Tode Eberhards V. war die Bedeutung der Linie
Walsee-Linz für die Geschichte des Hauses vorbei; sie ging
an die Walseer zu Ens über. Mit Persönlichkeiten wie Eber-
hard IV. und V. kann Georg von Walsee-Linz einen Vergleich
nicht aushalten. Beim Tode seines Vaters war Georg noch
ungevogt und so wurden die Vettern Rudolf I., Reinprecht II.
und Friedrich V. von Walsee-Ens seine Gerhaben, die dieses
Amt wenig befriedigend versahen. Lag darin schon ein wirt-
schaftlicher Nachteil, so war der Entgang der obderensischen
Hauptmannschaft es in mancherlei Hinsicht nicht minder —
volle 80 Jahre hindurch hatten Vater und Großvater dieselbe
innegehabt. Bei Georgs Jugend mußte sie natürlich^ in andere
Hände kommen und so erhielt sie Graf Ulrich von Schaun-
berg, ein treuer und verläßlicher Freund der Habsburger, der
den gealterten Eberhard V. bereits während des letzten Feld-
zuges gegen die Baiern in diesem Amte unterstützt hatte.
Auch späterhin hat Georg es dazu nicht gebracht; ohne
bedeutsame Ereignisse floß sein Leben dahin, dem Wirken im
Kreise der Seinen gewidmet. Von seinen beiden Schwestern*
wurde Katharina 1374 die Gattin Albers von Puchheim, wäh-
rend sich die zweite mit Heinrich III. von Liechtenstein-Nikols-
burg vermählte, aber nach kurzer Ehe 1378 bereits verstor-
ben war.
Georg erbte den gesamten väterlichen Besitz. Seine Schwe-
ster Katharina erhielt 1374^ eine Heimsteuer von 900^^, Chri-
stoph, der Sohn der zweiten Schwester Georgs von Heinrich III.
von Liechtenstein-Nikolsburg, wurde 1378* mit llOOÄf^ ab-
gefunden, während die Söhne der Tochter zweiter Ehe Eber-
^ Georg hatte infolge dessen auch nie seinen Wohnsitz dauernd in Linz.
» Vgl. die Genealogie. • Urk. 1374 Mai 5; NB. IV, 634.
* Urk. 1378 März 21; NB. IV, 666.
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hards V., Agnes, die Grafen Ulrich und Peter von Pernstein,
1377^ auf jeden Erbanspruch zugunsten Georgs verzichteten.
Aus der Gerhabschaft entlassen, ging Georg alsbald gegen
seine Vettern vor, von denen er sich übervorteilt fühlte. Tat-
sächlich scheinen sie sich an den Geldgeschäften, welche die
Ausstände sowie die Legate Eberhards V. nötig machten, be-
reichert zu haben, denn der Schiedsspruch 1378 November 5'
erkannte Georgs Klagen als begründet an. Von der bedeu-
tenden, in den wenigen Jahren der Vormundschaft erwachsenen
Schuldensumme von 8650 Ü^ an Juden, 5105 & A ß b ^ an
Christen ward die Hälfte den gewinnsüchtigen Vormündern zur
Tilgung überwiesen, die auch von den 2700 Ö/Ä, welche Georg
seinen Verwandten an Erbteil auszuzahlen hatte, 675 Äf ^ über-
nehmen, überdies alle seit Eberhards V. Tode hereingebrachten
Schuldbriefe zurückstellen mußten, ebenso, was sie an fahren-
der Habe von der Pettauerin (Eberhards V. Wittib) zu sich
genommen.
Auch in der Folge hat sich Georg z. B. an den Kämpfen
gegen die Grafen von Schaunberg oder an der Niederwerfung
der Rohrer in Oberösterreich wenig beteihgt. Er schaltete auf
seinen Gütern und war eifrig bemüht, die auf denselben über-
kommenen Schulden abzutragen, was umso leichter gelang, als
ihm 1379 Neuburg am Inn und Falkenstein um 4000 Äf/Ä
abgelöst wurden.' Zunächst löste Georg die Herrschaft Allent-
steig 1376* um 1000 Ä(/Ä wieder ein; doch mußte er damals
noch zur Aufbringung dieser Summe verschiedene kleine Güter
an Chadolt von Wehingen verpfänden. Darüber hinaus brachte
er es freiUch nur zu unbedeutenden Erwerbungen,^ welche
seine niederösterreichischen Besitzungen abrunden halfen.
Der Heirat Georgs mit Margret,^ der Tochter des Grafen
Jörg von Curbaw wird noch in anderem Zusammenhange ge-
dacht werden. Er widerlegte 1385 September 30^ die Heim-
» Urk. 1377 MÄra 1; Orig. StAEferdiug. « NB. I, 374.
* Vgl. 8. 287, Anm. u. 324.
* Urk. 1376 Juni 28; NB. IV, 549.
» So 1388 ein Zebent zu Chelichdorf (Urk. 1388 August 18; NB. VI, 599);
Gülten zu Wulzeshofen (Urk. 1388 September 24; ebenda 600): ein Gut
BU Groß-Wulzesdorf bei Poisdorf VUMB. (Urk. 1390 April 10; Orig.
StLA., Nr. 3695.
* Vgl. die Genealogie. » NB. IV, 594.
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293
Steuer seiner Gattin von llOOÄf /i?i auf der Feste Guntersdorf
und Gülten daselbst zu Immendorf^ und Schöngrabern sowie
dem salzburgischen Zehente zu Guntersdorf und versetzte ihr
1386* für geliehene 3000«^ seine Herrschaft Straneck. Da
Georg 1390* flir 3000 Ä(.Ä dieselbe gegen Rückkauf seinem
Vetter Friedrich V. von Walsee-Ens überiieß, der sie zu seinem
neuen Besitze Aspem an der Zaya* zu erwerben wünschte,
gab er an deren Stelle seiner Gattin noch im gleichen Jahre ^
die Herrschaft Pern stein zum Pfände. Eben diese hat aber
Georg samt dem Pernsteiner Kapellenlehen; dem Hause ,auf
dem Moos' samt dem Landgerichte dabei^ Bamberger Lehen,
den Vogteien über das Kloster Schlierbach, dem Markt und
der Kirche zu Kirchdorf und der Pfarre Wartberg an der
Krems 1394 Juni 26^ an den einflußreichen Hofmeister Her-
zog Albrechts HI., Hans von Liechtenstein-Nikolsburg, um
7200 Äf/Ä verkauft. Dafür verpfändete Jörg nun im gleichen
Jahre' seiner Hausfrau den Satz auf WöUersdorf mit herzog-
licher Elrlaubnis.
In Niederösterreich kam Georg in den Besitz von Drosen-
dorf (ob als Pfandschaft, Pflege oder Lehen?), das der dor-
tigen Linie der Walseer abgelöst worden und bereits 1383 in
anderen Händen gewesen war. Als Georg 1393® mit den öster-
reichischen Hilfstruppen nach Mähren zog, um dort dem Mark-
grafen Jost und den Rosenbergern zu Hilfe zu eilen, deren
Güter König Wenzel verwüstete, dürfte er bereits im Besitze
von Drosendorf gewesen sein. Durch die Grenzfehden mit
dem südmährischen Adel erlitt Georg in den nächsten Jahren
einen solchen Schaden, daß ihm die Herzoge 1396* für seine
Kosten am Schlosse und für die Schäden, welche die Seinen
im Kriege genommen, 500 Äf^ anwiesen.
So war Georg auf seinen Gütern mit wechselnden Er-
folgen tätig. Daneben ließ er es sich angelegen sein, die
frommen Stiftungen seines Vaters in Stand zu halten. Er er-
» Bei Gunteredorf. » Urk. 1386 Oktober 8; NB. IV, 697.
» Urk. 1390 April 8; ebenda 601. * Bei Mistelbach, VUMB.
» Urk. 1890 April 8; NB. IV, 602.
* Uagn, Urk.-B. von Kremsmtinster 346.
' Urk. 1394 Juli 25; LB. IV, r. 2426.
• Vgl. Urk. 1398 August 14; Kronea, Urk. r. 351.
•'Urk. 1396 Februar 14; HHStA. Kod. 16, f. 26'.
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294
neuerte 1394^ dessen Stiftung eines Benefiziums bei der Ka-
pelle zu Altpernstein und dotierte dieselbe mit mehreren in den
Pfarren Kirchdorf und Wartberg gelegenen Gütern. Dem Kloster
Schlierbach wies er im gleichen Jahre* die von seinem Vater
gestifteten jährlichen 64 ^ /Ä auf Freudenstein anstatt auf dem
verkauften Pernstein an und widmete demselben neuerlich
200 «f^ und U&^ jährlicher Gülten. Diese Stiftung gestal-
tete er 1395' weiter aus, übergab ihr anstatt der von seinem
Vater gestifteten jährlichen 214 Äf^ Grundzinse sowie die Pfarr-
kirchen Wartberg und Kirchdorf und löste andere 64//^ jähr-
liche Grundzinse flir 1280 AT /Ä ab. Auch dem niederöster-
reichischen Stifte Altenburg* erwies Georg manche Wohltat.
Georg wird im Testamente seines Vetters Ulrichs IV. von
Walsee-Dr. 1400, Jänner 28, zum letztenmal am Leben er-
wähnt.* Er dürfte noch in diesem Jahre oder anfangs 1401
gestorben sein, seine Gattin war ihm wohl im Tode vorange-
gangen. Da ihm aber kurz vorher sein einziges Söhnlein Eber-
hard X. hinweggestorben war, schloß er die Reihe der Wal-
seer zu Linz, von denen er es am wenigsten zu persönlicher
Bedeutung gebracht hat.
Der Besitz Georgs lag fast ausschließlich in Ober- und
Niederösterreich. Nach dem Aussterben der Grazer Linie der
Walseer hatten auch die Walseer zu Linz einen Anteil am
Erbe derselben in der Steiermark, und zwar scheint hierzu die
Herrschaft Schmirnberg ausersehen gewesen zu sein. Die-
selbe sollte^ aber, gleich anderen Lehen des Klosters St. Paul,
an den Herzog Albrecht IlL fallen; sie kam dann gegen eine
Entschädigung von 2000 &y^ filr Jörg von Walsee-Linz an die
Grafen von Cilli. ' Der sonstige daran sich knüpfende Verkehr
an kleinen Gütern® war ohne alle Bedeutung.
» Urk. 1394 März 3; Hagn, Urk.-B. von Kremsmünster 340.
> Urk. 1394 Mai 8; NB. I, 379.
* Urk. 1395 Mai 1; Kop. Linser Museal archiv.
* Vgl. Urk. 1397 Dezember 16; AÖG. XXIV, 287.
* Vgl. die Genealogie.
« Vgl. Urk. 1363 April 6; AÖG. XXXIX, 242.
' WSt 684.
^ 1365 (Urk. 1366 Janaar 21; Orig. HHStA.) Verleihnng eines seckauischen
Zehents bei Lentschach; 1396 (Orig. StLA. Nr. 3844) Ankauf von Gülten
bei Windisck-Landsberg.
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295
Fast die gesamten Besitzungen Jörgs in Ober- und Nieder-
österreich, das Lehen Ober-Walsee, Freudenstein, ein freies
Eigen, das herzogliche Lehen Trattenek sowie das an die
Geuman verlehnte Schloß Gallspach, die Vogtei im nahen Neu-
markt, sodann die Pfandschaft Seusenburg mit der Vogtei zu
Wels — sämtlich im Lande ob der Ens gelegen — Senftenberg
mit Zebing und Draß — Eigengut — sowie das Lehen Gun-
tersdorf und eine bedeutende Anzahl kleinerer Güter fielen den
drei Brüdern Rudolf I., Reinprecht II. und Friedrich V. aus der
jetzt allein noch übrigen Linie Walsee-Ens anheim, zu deren
Gunsten Heinrich von Puchheim auf sein mütterliches Erbteil
ab Sohn Katharinas, der Schwester Jörgs von Walsee-Linz,
1402^ verzichtete. Sonstige herzogliche Lehen, die Jörg inne-
gehabt hatte, wurden vom Herzoge 1401* anderweitig vergeben;
in fremde Hände kam auch Drosendorf, welches 1403 Zacharias
Haderer pfandweise innehatte.'
IV. Abschnitt.
Die Linie Walsee-£ns bis zum Schlüsse des 14. Jahr-
hunderts.
1. Heinrich I. a280— 1S26).
Eine zweite Linie des Hauses Walsee hat Eberhards HL
Zweitältester Sohn, Heinrich I., gegründet. Derselbe war be-
reits 30 Jahre im Lande, bevor er in den Besitz von Ens kam,
nach welchem seine Linie sich benannte. In dieser haben es
die Herren von Walsee zu ihrer größten Bedeutung gebracht
und mit ihr ist auch das Haus erloschen.
Nach seiner Rückkehr vom Nürnberger Reichstage von
1298, bis zu welchem wir sein Wirken auf österreichischem
Boden bereits verfolgt haben, blieb Heinrich I. zunächst neben
> Vgl. Utk. 1402 Oktober 26; Orig. StAEferding.
> ürk. 1401 Juli 31; LB. V, r. 470.
' Nach Urk. 1405 Dezember 1 (Blätter des Vereines für Landeskunde von
NiederOflterreich XXXV, 140) hatte dieser bereits den Satz von Jörg dem
Dressidler gel($st
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296
seinem Bruder in Oberösterreich, wo wir ihn Ende 1299^
neben demselben auf den dortigen Taidingen treffen.
Im Winter 1300 zog er an K. Albrechts Hof nach
Ulm und wohnte daselbst den Staatsakten' bei, durch welche
Morgengabe und Sukzessionsrechte für die Ehe Herzog Ru-
dolfs III., des ältesten Sohnes K. Albrechts, mit Blanka, Tochter
K. Philipps IV. von Frankreich, festgesetzt wurden. Von dort
kam Heinrich I. abermals nach Oberösterreich zurück und
wurde nun Landrichter zu Wachsenberg,' welche Herrschaft
K. Albrecht erst vor wenigen Jahren dem Grafen von Schaon-
berg wieder abgenommen hatte.* Sodann leistete Heinrich
gleich seinen Brüdern dem Könige Heeresfolge im Feldzuge
gegen die rheinischen Kurfürsten, von welchem er im Frühjahre
1302 heimkehrte. Im Auftrage seines Herrn begab er sich im
Sommer 1303 nach Köln, um den dortigen Erzbischof als Bun-
desgenossen gegen K. Wenzel zu gewinnen, wie wir aus seinem
vor diesem Unternehmen 1303 August 15^ abgefaßten letzten
Willen erfahren.
Ende April 1304* fand sich Heinrich auf dem starkbe-
suchten Taidinge wieder ein, das Herzog Rudolf zu Judenbui^
abhielt, folgte diesem sodann nach Wien und war beim Ab-
schluß des Bündnisses mit K. Karl Robert von Ungarn tätig, ^
ebenso im folgenden Jahre bei den Friedensverhandlungen mit
Herzog Otto von Baiem. Der Feldzug gegen die Luxembur-
ger führte ihn 1308 nach Böhmen. Nun tritt Heinrich I. f&r
einige Jahre, so auch beim Aufstande von 1309, in den Hinter-
grund. Wir begegnen ihm wieder, als er 1313 Mai 4* zu
Klostemeuburg, wo sich die Stände Österreichs versammelt
hatten, die Ehepakten Herzog Friedrichs des Schönen gegen
K. Jakob von Aragonien mitbeschwor. Im Sommer 1313^ zog
er an der Spitze einer glänzenden Gesandtschaft nach Spanien
und warb dort um K. Jakobs Tochter Elisabeth. Die Braut
1 UBoE. ly, 303 and MonoinenU Boica IV, 160.
' Urkk. 1800 Februar 6; Böhmer, Reg. Imp., n. 266.
5 Vgl. Urk. 1300 Februar 3; UBoE. IV, 331.
* Vgl. Strnadt, Peuerbach, JBMFC. XX VU, 315 und ebenda XX Vm, 213.
» NB. n, 374.
• Muchar, Gesch. der Steiermark VI, 160.
' Vgl. S. 267 ff. • Vgl. S. 269.
' Johann v. Viktring, Böhmer, Fontes Rerum (}erm. I, 878.
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297
ward über SUdfrankreich und den Oberrhein heimwärts ge-
leitet; Herzog Friedrich eilte dem Zuge bis nach Kärnten ent-
gegen. Mitte Jänner 1314 weilte Heinrich in Wien bei den
Hochzeitsfestlichkeiten des Herzogpaares.
Der große Kampf der Qegenkönige Friedrichs des Schönen
und Ludwigs von Oberbaiem rief nun auch Heinrich zu den
WaflFen, welcher in den Jahren 1314 und 1315^ mit seinem
Herrn ins Reich zog. Später ging er mit seinem älteren Bru-
der hohe Bürgschaften für den Habsburger ein, dessen Finanzen
völlig erschöpft waren. Der 1322 unternommene Feldzug sollte
den Kampf entscheiden. Im Sommer drang K. Friedrichs Heer
bis an den Inn vorwärts, um dem von Westen herbeieilenden
Herzog Leopold die Hand zu reichen. Um den 20. September
langten die Streitkräfte K. Friedrichs in der Gegend von Mühl-
dorf am Inn an. Ihm gegenüber traf K. Ludwig am* 24. mit
den Seinen ein. Vergeblich wartete K. Friedrich auf Herzog
Leopolds Ankunft und ließ schUeßlich vor derselben schlagen
wider den wohlmeinenden Rat Heinrichs I. und Ulrichs I. von
Walsee und Dietrichs von Pillichdorf, sich noch zu gedulden.
So kam es September 28 zur Schlacht. * K. Friedrich gliederte
sein Heer in vier Abteilungen; im dritten Heerhaufen befestigten
Heinrich I. und Ulrich I. von Walsee das Banner der Steier-
märker, denen sich die Ungarn und Kumanen anschlössen. An-
fangs war K. Friedrich wohl im Vorteil, aber ein unerwarteter
Flankenangriff des Burggrafen von Nürnberg entschied den
Ausgang des Tages. K. Friedrich selbst sowie Herzog Heinrich
wurden gefangen und ihr Los teilten viele von Österreichs
Adel, darunter auch die Walseer.* Heinrich I. geriet gleich
seinem Bruder in die Hände der Feinde. Sie wurden mit dem
gefangenen Könige zunächst nach Schloß Domberg, sodann
nach Ottingen gebracht und kamen schließlich mit Herzog
Heinrich nach Prag in die Gewalt K. Johanns von Böhmen,
der sie in strengem Gewahrsam hielt 5 erst im Oktober 1323
wurden sie daraus entlassen.
» Vgl. 8.270 flf.
* Vgl. Dobenecker, Mitt. des Inst, für österr. Geschichtsforschung, Erg.-Bd. I,
166 ff.
■ Vgl. Zeibig, ,Der strit ze Müldorf . AÖG. IX, 368 und Caesar, Ann. Dncat.
Stir. U, 436.
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298
Heinrichs I. Lebenswerk war damit abgeschlossen; die
Haft hatte seine Kräfte erschöpft. Er war nicht mehr imstande,
sich weiter am Kampfe gegen den Witteisbacher zu beteiligen,
dessen Sache Herzog Leopold, der unermttdUche Streiter Habs-
burgs, diplomatisch wie strategisch bedeutenden Abbruch tat
Der Herzog schloß die alten Getreuen seines Hauses fest an
sich. Zu Brück im Aargau gelobten ihm Heinrichs I. Sohne
Reinprecht I. und Friedrich H. sowie Ulrich H. von Walsee am
Lichtmeßtage 1325^ mit 100 Helmen zu dienen und alle ihre
Burgen in Schwaben oflFen zu halten. Heinrich L zog in diesem
Jahre nicht mehr ins Feld — es war der letzte Sommer, den
er erleben sollte.
Heinrich I. hat seinen Nachkommen einen schönen Be-
sitzstand hinterlassen, der sich während seines Wirkens in
Osterreich stetig vermehrt hatte.
Im Lande ob der Ens lagen davon nur mehrere bedeu-
tende Pfandschaften, Sätze, die ihm die Geldnot der Habsbur-
ger zugespielt hatte. Die Riedmark mit Freistadt war ihm
1290, wie bereits* erwähnt, zuerst mit Eberhard IV. von Wal-
see-Linz gemeinsam verpfändet, ging aber später durch
Ablösung an ihn allein über. Nach dieser ersten Pfandschafi
wurden ihm — vor 1309 Juli 25' — Burghut, Gericht und
Maut zu Ens versetzt; von da ab versah Heinrich I. die Haupt-
mannschaft zu Ens,^ hielt sich häufig in dieser Stadt auf und
nannte sich und die Seinen darnach. Gleichfalls von Friedrich
dem Schönen wurden ihm 1314^ die Mauten zu Gmunden und
Mauthausen um 750 U J^ verpfändet. Außer diesen Pfand-
schaften hatte Heinrich I. im Lande ob der Ens fast keinen
In Niederösterreich bildet sich rasch ein immer mehr ab-
gerundeter Güterkomplex zwischen Donau, Ens und Ips,
dem fortwährend kleine Güter zugeführt wurden; diese Gtiter-
gruppe reichte bis südlich und westlich von Melk. Anderer
* LB. in, r. 671. « Vgl. 8. 259 und 288.
• Vgl. UBoE. V, 26 und AÖG. II, 626.
^ In der Stadt; mehrfach mit der (Lande8)hauptmann8cha£t ob der Ena
verwechselt, mit welcher sie nichts zu tun hat.
« Urk. 1314 April 6; AÖG. H, 642.
^ Der Ankauf einer Hube zu Gumpolting, Pfarre Kirchfoerg bei Weli,
Urk. 1301 Mai 19 (ÜBoE. IV, 375), steht vereinzelt da.
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299
und gleichfalls nicht unbedeutender Besitz lag nördlich der
Donau, hier mehr zerstreut.
Bereits 1297 ^ war Heinrich I. die Klostervogtei von Erla-
kloster* übertragen, wie wir aus einem Vergleiche mit seinem
Bruder Eberhard IV. erfahren. Im Jahre 1303* erkaufte
Heinrich Gülten herzoglicher Lehenschaft zu Au, Hebatendorf
u. a., um Blindenmarkt gelegen, sodann 1303 April 24* von
Konrad dem Sumerauer, K. Albrechts einstigem Gegner, den
freieigenen Burgstall zu Seuseneck bei Amstetten und noch
im selben Frühjahre^ die Feste Seuseneck selbst nebst Höfen
und Gülten zu Alramstorf, Amoldsdorf, Hehenberg und einem
Zehente im Vesnitztale von den Paygern. Es steht außer
Frage, daß das landesherrliche Interesse den Übergang dieser
Güter von dem antihabsburgisch gesinnten Sumerauer, den
Schenken von Dobra (Sebarn), den Paygern und zumal den
Kuenringern nicht ungern sah. Dazu versetzte Herzog Fried-
rich dem Walseer gleichzeitig das Gericht zu Strengberg*
um 800 ^/Ä. Leutold von Kuenring verkaufte an Heinrich I.
ferner 1310 Februar 24' die Vogtei zu Eisdornach bei Amstetten,
die er vom Herzoge zu Lehen trug, um 80 ^.Ä. Kleinere
Güterkäufe® Heinrichs I. in dieser Gegend wiederholten sich
weiterhin fast Jahr für Jahr.
Da ihm außerdem Ulrich Schenk von Sebarn (früher von
Dobra) gegen eine Ablösung von 760Äf/Ä das obere Gericht
zu Peilstein,* herzogliche Pfandschaft, im Jahre 1319^® über-
ließ und wohl auch die von den Pfannbergem an Eberhard IV.
von Walsee-Linz ^^ gekommenen Lehen an Heinrich I. und die
Seinen kamen, so war damit ein Großteil der ehedem Plaien-
• ürk. 1297 April 24; UBoE. IV, 269. " östlich der Ensmündung.
^ Urk. 1303 Januar 24; UBoE. IV, 430. * UBoE. IV, 437.
« Urkk. 1303 März 27, April 24, Mai 1; UBoE. IV, 436 ff.
« Östlich von Ens; AÖG. II, 626. ' UBoE. V, 27.
• Ein freieigener Hof zu Salveterre 1306 Dezember 19 (UBoE. IV, 496);
ein halber Hof dort als Pfandschaft, 1306 Dezember 6 (ebenda 612);
ein halber freieigener Hof zu Chelbersberg (ebenda 606); ein Gut zu
Öd 1311 (Inventar, f. 84); ein Gut zu Praunsbach 1312 (WSt. 690); Güter
zu Prasdorf und Medling 1822, Januar 6 und 20 (UBoE. V, 307).
• Pfarre St. Leonhard im Forst, südlich von Melk.
><> Urk. 1319 April 6; Hoheneck, Genealogie HI, 817.
" Vgl. S. 272; sie sind nicht weiter im Besitze der Walseer zu Linz nach-
weisbar.
ArchiT. XCV. Band. n. ll&lfle. 21
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300
Peilsteinischen Besitzungen im Viertel ob dem Wienerwalde
in walseeischen Händen.
Nördlich von Krems und in der Wachau hatte Heinrich L
gleichfalls ganz ansehnlichen Besitz. Von Dietmar von Loben-
stein verkaufte er 1300 April 24^ die eine Hälfte des Schlosses
Hartenstein, freies Eigen, am Zusammenflusse der Großen und
Kleinen Krems gelegen, und erwarb auch die restliche HlÜfte
von dessen Bruder Alber hinzu. Aus Heinrichs Testament
1303 August 15* erfahren wir femer von Gälten zu Mühlbach,
welche Feste gleichfalls dem Walseer gehörte, Ekendorf, Wei-
kersdorf usw., sämtlich bei Meissau gelegen, dann von Berg-
rechten (Weingärten) zu (BLlo8ter-)Neuburg, Nußdorf und Krot-
tendorf. Einen Teil dieser Besitzungen wird ihm wohl seine
Gattin, die Starhembergerin Elsbet, zugebracht haben, von deren
Angehörigen er 1301 ' auch einen Weingarten in der Wachau
angekauft hatte.
Noch weiter gegen Norden soll ihm an der mährischen
Grenze die Feste Kolmans bereits 1293 zugestanden haben. ^
In der Nähe davon erwarb er 1300^ an Eigengut von der
Gräfin Hedwig von Schaunberg die Dörfer Japons, Ludweis,
(Klein) Ulreichsschlag und Seebs im Drosendorfer Gerichte
und die Mannschaft zu Prosmareut.^ Diese Besitzungen wur-
den 1314^ durch den Ankauf zahlreicher Lehen zu Q^zweins
und Barperg bei Waidhofen an der Thaya vergrößert.
Diesen großen Besitz, von welchem K. Friedrich die
Schlösser Kolmans und Hartenstein 1319 zu Weiberlehen
machte,® erbten Heinrichs I. drei Söhne, Heinrich H., Rein-
precht I. und Friedrich H. — alle drei bereits 1318 gevogt —
die er neben zwei Töchtern hinterließ. •
Heinrich I. von Walsee -Ens schloß 1326 März 1 sein
tatenreiches Leben, wenige Tage nach ihm auch seine Gattin.
In der Enser Stadtpfarrkirche, an welcher sie eine eigene
Kapelle gestiftet hatten, sind ihre Grabsteine noch erhalten.
» UBoE. IV, 338. « Vgl. S. 296. • UBoE. IV, 390.
• Vgl. SchweickhÄTdt y. Sickingen, VOMB. IV, 62.
^ Urk. 1300 September 25; UBoE. IV, 350.
' Ist abgekommen, lag bei Zettlits, Pfarre Raabs.
' Urk. 1314 Januar 17; NB. IV, 81.
• Vgl. Schweickhardt, a. a. O., S. 63.
• Vgl. die Genealogie.
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301
Die Minderbrüder zu Ens^ verloren an ihnen ihre größten
Gönner.
2. Heinrichs I. Söhne Heinrich IL (f 1334), Eeinprecht I. (11360/61)
und Friedrich 11. (f 1355).
Heinrichs I. Söhne, die sich binnen wenigen Monaten ver-
waist sahen, traten nun das Erbe ihrer Eltern an; als der
älteste überkam Heinrich H. die Haaptmannschaft zu Ens,* der
Besitz blieb gemeinsam verwaltet. Sie zogen im folgenden
Jahre gegen die Ungarn ins Feld und waren 1328 Septem-
ber 21 zu Brück a. d. Leitha zugegen,' als daselbst der Friede
mit K. Karl von Ungarn abgeschlossen wurde.
Von den drei Brüdern starb Heinrich H.,* der 1330 be-
reits mit Alheid, einer Tochter Bertolds von Aichheim — aus
niederbairischem Geschlechte — vermählt war, schon 1334 Juli 26
hinweg, ohne Nachkommen zu hinterlassen. 1340 Juni 16^
traten seine Brüder Reinprecht I. und Friedrich H. die Feste
Mühlbach als Pfandschaft fllr Wittum und Heimsteuer an seine
Witwe ab, die sich damals bereits wieder mit Rudolf dem
Jungen von Liechtenstein- Murau vermählt hatte.
Nach Heinrichs IL Tode ging die Hauptmannschaft zu
Ens an Reinprecht I., den älteren der Brüder, über; ihre Güter
blieben auch weiterhin gemeinsam. In der Folge treten die
Brüder nicht bedeutend hervor. Ihrer Streitigkeiten als In-
haber der Freistädter Pfandschaft insbesondere gegen Böhmen
haben wir bereits an anderer Stelle gedacht; an der großen
Fehde von 1351 dürften indes weder Reinprecht I. noch Fried-
rich n. teilgenommen haben, da sich eben erst, spätestens im
Frühlinge 1351, Reinprechts I. älteste Tochter Agnes * mit Jost
von Rosenberg vermählt hatte. Andere Mißhelligkeiten, die
sich mit dem Abte Wolfgang I. von Göttweih ergaben, fanden
1342^ durch die Entscheidung des Herzogs ihr Ende.
* Vgl. ürk. 1343 Juli 7; UBoE. VI, 460. Daß sie deren 1309 zum ersten
Male genanntes Kloster gegründet, ist nicht wahrscheinlich. Vgl.
JBMFC. XXX, 48 ff. und AÖG. LXIV, 103.
* Erst seit 1334 nennt sich Reinprecht I. Hauptmann zu Ens; vgl. die
Genealogie.
• Vgl. S. 274. * Vgl. die Genealogie. * UBoE. VI, 336.
• Urk. 1342 Mai 30; FRA. U, 397.
21*
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302
Reinprecht I.,^ der die Hauptmannschaft zu Ens im Jahre
1345 infolge der Ablösung dieser Pfandschaft verloren hatte,
schaltete seit 1350 und noch 1356 als herzoglicher Verweser
zu Krems. Dann findet er sich 1358 unter den Räten Herzog
Rudolfs IV., ist weiter — wohl nebenher — 1359 Pfleger und
Verweser der Güter der Burggrafen von Nürnberg in Oster-
reich und beschließt 1360/61 sein Leben als Hauptmann und
Burggraf der Stadt Steier (seit 1359 daselbst).
Sein jüngerer Bruder Friedrich H. hat kein Amt bekleidet.
In Gesellschaft seiner Vettern von Walsee-Graz zog er 1354
mit Herzog Albrecht und K. Karl IV. gegen das unbotmäßige
Zürich aus. Zu Brück im Aargau (Oktober 31) und zu Win-
terthur (November 11) wurden Friedrich H. und sein Vetter
gleichen Namens (IH.) von Walsee-Graz des Herzogs Bürgen
filr bedeutende Soldforderungen.* Von dieser Heerfahrt heim-
gekehrt, schied er^ bereits um die Mitte des Jahres 1355 aus
dem Leben.
Von den beiden Töchtern Heinrichs I. vermählte sich
Gueta mit Hertneid von Stadeck, die andere mit einem Rauhen-
Steiner.^ Die Erbansprüche zweier Enkel Heinrichs L aus
diesen Ehen, Albers des Rauhensteiners und Leutolds von
Stadeck, wurden im Spruche von 1349 März 29' anerkannt
und ihnen Anteile am Heiratsgute ihrer Großmutter Elsbet,
Heinrichs I. von Walsee-Ens Gattin, sowie dem Rauhensteiner
die Heimsteuer seiner Mutter von 500^^, falls sie nicht aus-
bezahlt worden, zugesprochen.
Reinprecht I. war zweimal vermählt gewesen.^ Um 1333
hatte er seinen Ehebund mit Elsbet, der reichen Erbtochter des
Truchsessen Christian von Lengenbach, geschlossen, der durch
Elsbets Tod um 1344 gelöst wurde. Die beiden Töchter aus
dieser ersten Ehe vermählten sich noch bei Lebzeiten ihres
Vaters, spätestens 1351, Elsbet mit Konrad von Pottendorf, die
erst 1402 verstorbene Agnes mit Jost von Rosenberg. Von
letzterer stammt das noch gegenwärtig im Stifte Hohenfurt in
Südböhmen aufbewahrte prachtvolle Antependium. *
* Vgl. die Genealogie.
« LB. ni, r. 1717, 1718.
* NB. II, 315; noch nach schwäbischem Rechte!
* Mitteil. d. Zentral-Kommission, XVI. Bd., XXV— XXVII.
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303
Bereits 1350 hatte Reinprecht I. ^ eine zweite Gattin heim-
geführt, eine Starhembergerin, gleichfalls namens Elsbet. Diese
wird bis 1358 erwähnt und hat ihren Gatten mindestens nicht
lange überlebt. Ihrer Ehe entsprossen fünf Kinder: die Söhne
Rudolf I., Reinprecht 11. und Friedrich V., die Töchter Anna
und Dorothea.
Friedrich II. hatte spätestens 1346 Kunigund, eine Tochter
Rudolfs von Liechtenstein-Murau, zur Gattin genommen, mit wel-
chem Hause er ja auch durch die Witwe Heinrichs II. verschwä-
gert war. Sie hat ihren Gatten überlebt; derselbe hinterließ
gleich Reinprecht I. drei Söhne und vier Töchter: Anna, Agnes,
Friedrich VI., Wolfgang III., Heinrich VI., Elsbet und Ursula.
Davon heirateten noch vor dem Ableben ihres Vaters Anna
1345/6 Johann IL von Kuenring-Seefeld, Agnes 1351 Niklas von
Chiaw. Mit beiden Häusern, insbesondere mit dem der Kuen-
ringer waren die Walseer durch Wechselheiraten verbunden.
Die Besitzentwicklung der Linie geht auch weiterhin auf
ober- und niederösterreichischem Boden vor sich und zeigt ein
stetes Anwachsen des Güterbestandes.
Im Lande ob der Ens kam nördhch der Donau, wo auch
die Walseer zu Linz festen Fuß gefaßt hatten,* 1331 die große
Pfandschaft Wachsenberg* mit Ottensheim durch die Her-
zoge anläßUch des Verkaufes der schwäbischen Stammgüter
für 2916 Mark Silber an die Enser Linie, der dadurch wich-
tige habsburgische Interessen im Abteilande anvertraut wurden.
Zwar wurde die Donaufeste Spielberg (nördhch von
Ens) 1329* durch Herzog Albrecht an Reinprecht I. für seine
Dienste als Leibgedinge verheben, die Pfandschaft Ens aber
— vor 1345 Oktober 2^ — durch Herzog Albrecht II. von
Reinprecht I. und Friedrich II. mit Hilfe der Bürger dieser
Stadt eingelöst. Doch blieben in und um Ens noch zahlreiche
walseeische Liegenschaften und Güter, zumeist an Enser Bürger
verlehnt, deren Abgaben Gegenstand langwieriger Streitigkeiten
zwischen den Walseern und den Bürgern waren. Unter diesen
Besitzungen befanden sich auch Eigen und Lehen zwischen
Ens und Traun, welche die Enser Walseer 1339 ^ von Dietrich
dem Alteren von Weißenperg erkauft hatten.
» Vgl. die Genealogie. « Vgl. S. 287.
» Urk. 1331 Februar 7; UBoE. VI, 1; Wachsenberg bei St. Veit.
* Hohenek, Genealogie UI, 817. » UBoE. VI, 528. • Inventar, f. 82'.
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304
Weitere Ankäufe brachten Reinprecht I. und Friedrieh 11.
reichen Besitz im Vorlande des Traunsees und im Almtale. Seit
1333 ^ hatten Reinprecht I. und Friedrich II. auf der Herrschaft
Ort am Traunsee eine Pfandsumme von 600 Ä( Ä stehen. Ihre
bereits 1342' durch den Ankauf einer Hube zu Straß, bei
Lankirchen in dieser Herrschaft gelegen, bekundete Absicht^
dieselbe ganz zu erwerben, wurde bald darauf verwirklicht
Sie ging als Eigengut mit dem Landgerichte zur Hälfte 1344
April 24* von Alber und Hertnid von Rauhenstein an die bis-
herigen Pfandinhaber über, welche die Kaufsumme von 22b0€( ^
in mehreren Beträgen bis 1348* erlegten und dem neuen Be-
sitze auch die zweite Hälfte der Herrschaft von denen von
Winkel^ sowie kleinere Ankäufe von Höfen bei Gmunden und
in der Viechtau* hinzuftigten. Die gleichzeitigen Erwerbungen im
benachbarten Almtale stehen damit gewiß in engster Verbindung.
Dort brachten die Brüder Reinprecht I. und Friedrich II. die
bedeutende Lehensherrschaft Scharnstein von den Polheimen
1335^ gleichfalls kaufweise an sich und vergrößerten dieselbe
1341® durch den Kauf mehrerer Güter in den Pfarren Viecht-
wang und Pettenbach von Konrad von Polheim, sowie des
Zehents zu Viechtwang, den sie 1348* von Dietrich dem
Schenken von Dobra um 110 Äf /Ä erwarben. Die Mittel zu
diesen beträchtlichen Ankäufen fanden sich einigermaßen leich-
ter, da der Gattin Friedrichs H., Kunigund, 1346 ^® eine Summe
von 1200 ^/Ä als Erbteil nach ihrem Vater, Rudolf dem Alten
von Liechtenstein-Murau, zugesprochen wurde.
In Niederösterreich ergab sich gleichfalls ein namhafter
Güterzuwachs, der indes zum geringeren Teile beiden Brüdern
noch gemeinsam zugute kam.
Sie hatten ihren großen Besitz auf dem Ipsfelde*^ bald
nach dem Tode ihres Vaters durch die Vogtei über Güter des
> Urk. 1333 Juni 20; UBoE. VI, 97.
« Urk. 1342 März 28; ÜBoE. VI, 406. » ÜBoE. VI, 475.
• Urk. 1348 Juni 27; PRA. LI, 441. 1348 November 24; UBoE. VE, 82.
» Nach Urk. 1850 Januar 25; UBoE. VU, 164.
• Urk. 1348 November 1 ; UBoE. VI, 558.
' Inventar f. 7'. « Ebenda, f. 60, 68', 69'.
• Urk. 1348 November 1; UBoE. VI, 668.
»0 Urk. 1346, März 22; UBoE. VI, 545.
»^ Vgl. Urk. 1326 März 20; FEA. LI, 320.
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305
Stiftes Göttweih daselbst sowie 1348^ durch die Vogtei über
die bambergischen Untertanen in der Hofmark Haag abge-
rundet und auch ihren Besitzungen nördlich der Donau 1326/7 *
(passauische) Lehen zu Eisneinsdorf hinzugefügt. Dagegen ging
die Feste Mühlbach hier 1340 in andere Hände über.
Seit der Vermählung Reinprechts I. mit Elsbet, der Erb-
tochter Christians des Truchsessen von Lengenbach (Alt-Leng-
bach), war die bisher bestandene Gütergemeinschaft zwischen
den Brüdern auf die Dauer nicht mehr wohl aufi'echt zu er-
halten,' und so teilten dieselben 1350 Januar 25 vorerst ihren
Eigen- und Lehenbesitz;* die Pfandschaften Wachsenberg mit
Ottensheim sowie Freistadt mit dem Marchlande bUeben noch ge-
meinsam. An Reinprecht I. fielen darnach Schloß Schar nstein
mit der Fisch weide auf der Lautach,^ die Feste Seuseneck
samt Zugehör, alles Gut zu Ens und bei Ens, ein ,Gütel zwi-
schen den Wassern', das Gut zu Helfenberg und jenes zu
Übensee. Friedrichs II. Teil bestand aus der Herrschaft Ort,
dem von den Rorem erworbenen Zehente zu Laakirchen, dem
Hofe zu Straß, einem Gute zu Gasteig und den beiden Festen
Sumerau und Hartenstein mit allem Zugehör. Am 29. Juni
1356^ schritt man auch zur Teilung der Freistädter Pfand-
schaft zwischen Reinprecht I. und den Söhnen Friedrichs H.,
doch wurde dieselbe binnen kurzer Frist von dem bekannten
Jans von Traun abgelöst,^ nachdem sie seit 1290 in den
Händen der Walseer gewesen war. 1356 Juh 4® ward auch
Wachsenberg mit Ottensheim geteilt: an Reinprecht L fielen
Wachsenberg und der größte Teil seines Urbars mit Ottens-
heim, dessen Feste gemeinschafiJich blieb. Friedrichs H. Söhnen
Friedrich VI., Wolfgang HL und Heinrich VI. wurde der Rest
des Wachsenberger Urbars sowie Markt, Maut und Gericht zu
Leonfelden zugesprochen. Von den sonstigen Besitzungen
findet sich die Pfandschaft Peilstein* späterhin im Besitze
Reinprechts I. und der Seinen, ebenso die Klostervogtei von
» Urk. 1348 November 2; HHStA. Kod. 1049, f. 55'.
« Urk. 1326 Januar 6; NB. IV, 82; Urk. 1327 April 9; Orig. StAEferding.
' Umsoweniger als Reinprecht I. und Friedrich II. einen Kindersegen von
je drei Söhnen und vier Töchtern heranwachsen sahen.
* UBoE. VII, 164. «^ Nebenfluß der Alm. • UBoE. VII, 460.
' Vor 1358 April 20; UBoE. VH, 572. • Ebenda 463.
» Vgl. WSt. 597.
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306
Seitenstetten. ^ Diese Teilung des Besitzes der Linie Walsee-
Ens währte bis zu dem 1398 erfolgten Tode Heinrichs VL,
mit welchem die Nachkommenschaft Friedrichs II. von Walsee-
Ens erlosch.
Reinprechts I. Gattin Elsbet von Lengenbach brachte ihrem
Ehewirte die Herrschaft Viehofen,* ein Passauer Lehen, zu
und auch die Feste Purkersdorf, welche das Ehepaar 1333^
an Herzog Albrecht für 1000 Ü ^ veräußerte, stammte wohl
aus lengenbachischem Besitze. Durch seine bald nach 1344
verstorbene erste Hausfrau fielen Reinprecht I. weiters ansehn-
liche Güter, darunter die Herrschaften Reinsberg und Erneck,*
bischöflich regen sburgische Lehen von Elsbets Vater, Truch-
sessen Christian von Lengenbach, dem Letzten seines Stammes,
zu. Aus diesem Erbe nun, welchem Reinprecht 1344^ eio
regensburgisches Lehen zu Stetten, dann die Vogtei über den
Göttweiher Stiftsbesitz ^ um Viehofen und 1354' durch Kauf
von Marquard von Tiernstain ftlr 312 Äf /Ä Gülten im Lengen-
bacher Gerichte hinzugeftigt hatte, vermachte er seinen beiden
Töchtern erster Ehe, Elsbet, der Hausfrau Konrads von Potten-
dorf, und Agnes, Josts von Rosenberg Gemahlin, vorerst* die
Feste Viehofen und schließlich in einem späteren Testamente*
auch Erneck und Reinsberg, welche alsbald an die Zelkin-
ger kamen, das Gut zu Kritzendorf,^® 50Äf/Ä Geldes auf der
Maut zu Stein und alle Habe, die Christian von Lengenbach
hinterlassen, mit Ausnahme des Marktes Weißenbach und der
Lehen.
Nach der Besitzteilung von 1350 arrondierte Reinprecht I.
durch Ankauf von Gutem zu Blumau und Talern ^^ sowie zu
St. Georgen auf dem Ipsfelde^* seine Herrschaft Seusenek,
während er anderei*seits das von seinem Besitz abgelegene Gut
» Vgl. Urk. 1359 August 18; FRA. XXXHI, 238.
» Nördlich von St. Polten. « Urk. 1333 Dezember 12; LB. III, r. 963.
♦ Südlich von Wieselburg a. d. ErUf. * WSt. 695.
« Urk. 1350 April 24; FRA. LI, 446.
' Urk. 1364 Oktober 18; UBoE. VH, 378.
« Urk. 1351 Mai 26; UBoE. VU, 209.
«» Urk. 1357 März 29; NB. IV, 337.
^^ Nordwestlich von Klöstern euburg.
" Bei Arastetten; Urk. 1351 Juli 26; UBoE. VH, 257.
»'^ Bei Arastetten; Urk. 1358 März 15; UBoE. VU, 565.
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307
zu Eizendorf im Machlande,^ jenseits der Donau^ 1358 dem
dortigen Booster Baumgartenberg verkaufte. Für eine Schuld
von 1000 ^/Ä wurde er am Georgitage 1355* vom Herzoge
auf das Gericht zu Krems gewiesen, wo sich Reinprecht eben
als herzoglicher Verweser befand, und auf die Maut zu Stein.
Bald darauf erkaufte derselbe Walseer 1358 * von Leutold von
Pottendorf die Feste Hoheneck,* herzogliches Lehen, samt
dem passauischen Zehente daselbst, westlich von Viehofen
gelegen.
Auch Friedrich 11. von Walsee-Ens hat sein in der Tei-
lung von 1350 erhaltenes Gut noch gemehrt. Er erkaufte in
letzterem Jahre ^ von denen von Walde den Getreide- und
Weinzehent zu Rossatz in der Wachau, Lehen des Bistums
Passau. Später stand er wegen der Pfandschaft Traismauer^
in Verhandlungen mit dem Bischof Albrecht von Freising, der
ihm schließlich 1355 die Feste Ulmerfeld' samt dem Land-
gerichte und bald nach Friedrichs 11. Tode 1356® dessen älte-
stem Sohne Friedrich VI. die nach Merlin dem Haesib frei-
gewordenen Lehen übergab.
Eine Jahrtagstiftung, welche sich die beiden Brüder Rem-
precht I. und Friedrich 11. in der Kirche zu Sindelburg, nächst
ihrer Feste Sumerau, im Jahre 1336* mit der ansehnlichen
Summe von 300 Mark Silber errichteten, erhielt ihr Andenken.
3. Der Zweig von Seuseneck: Eeinpreohts L Söhne
Eudolf I., Eeinprecht IL und Friedrich V. bis zur Wende des
14. Jahrhunderts.
Aus den drei Söhnen, welche Reinprecht I. hinterließ,
gingen die größten Männer ihres Hauses hervor: neben Ru-
dolf I. Reinprecht IL, ein Mann, der mächtig in die Schick-
sale des habsburgischen Osterreich jener Zeit eingriff, und der
kaum minder bedeutende Friedrich V., den ein widriges Ge-
schick in der Blüte seiner Manneskraft dahinraffte.
* Bei Saxen; Urk. 1368 Februar 24; UBoE. VU, 567.
« LB. m, r. 1772. « Inventar, f. 62.
* Nicht mit der steirischen Pfandschaft gleichen Namens zu verwechseln.
» Urk. 1360 Mai 27; NB. IV, 132. « Vgl. FRA. XXXVI, 300.
^ Urk. 1366 März 12, ebenda 292; bei Wieselburg.
- Urk. 1356 Januar 7; Orig. HHStA.
» Vgl. SUdl, Ehrensp. d. Hz. Steierm., StLA. Hs. 28, UI, 308.
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308
Da Reinprecht I. in den Jahren, wo er aus seiner zweiten
Ehe noch die genannten drei Söhne und zwei Töchter erhielt,
nach der Lösung von Ens dann als herzoglicher Verweser in
Krems tätig war, dürfen wir dieselben wohl als geborene
(Nieder-) Österreicher ansehen. Möglich, daß sie dem Vater
nach Wien folgten, als dieser 1358 Rat Rudolfs IV. wurde.
Eine Kinder Verlobung des etwa zehnjährigen Rudolf I. mit
Anna, Dietrichs von Hohenberg Tochter, wurde durch Rudolfe
Vater 1357^ wieder rückgängig gemacht; die Hohenbergerin
wurde nachmals die Gattin Heinrichs VI. von Walsee-Ens. Als
die Söhne ca. 1361 ihren Vater, zuletzt Burggrafen in Steier,
verloren, waren Rudolf I. und Reinprecht II. schon ihrer Mün-
digkeit nahe.
Im Jahre 1364 begleiteten sie ihren Vetter Eberhard V.
von Walsee-Linz, den Hauptmann ob der Enns, auf dem Feld-
zuge gegen Baiern.* Mit letzterem Walseer zog Rudolf I. 1368
abermals aus, der Adria zu; mit seinen Dienstleuten Otaker
dem Wolfstein und Simon dem Venk lag er damals mit
34 Hauben flir die Habsburger gegen die Venezianer im Felde.'
Das freundschaftliche Verhältnis, welches sich damals mit
HaugVI. von Tibein entwickelte,* dem mächtigsten Adeligen
im äußersten Süden des habsburgischen Machtbereiches, fand
seinen Ausdruck in der bald darauf erfolgten Vermählung des
Tibeiners mit Rudolfs I. von Walsee-Ens Schwester Amia.
Zwar blieb die durch Annas Tod früh gelöste Ehe ohne Nach-
kommen; 1373 Juni 6^ bewilligten die Herzoge dem Tibeiner
die Widerlegung der 600 U /Ä Heimsteuer seiner bereits ver-
storbenen Gattin für deren Brüder auf der Pfandschaft Karls-
berg.^ Das Testament Haugs VI. vom Jahre 1374^ brachte
indes den Walseern bereits die Anwartschaft auf einen beträcht-
lichen Teil des tibeinischen Erbes und die engen Beziehungen
zwischen den Häusern Walsee und Tibein dauerten auch an,
als Hang VI. eine zweite Ehe mit Anna von Wildhaus einging.
Insbesondere war es Rudolf I. von Walsee-Ens, der dieselben
aufrecht erhielt. Zwar gerieten Rudolf I. und seine Brüder,
von denen nun auch Friedrich V. um 1368 vogtbar geworden
» Urk. 1357 Juni 25; NB. IV, 338. « Vgl. 8. 282.
3 Urk. 1368 April 22; UBoE. VIU, 375; vgl. S. 283.
* Vgl. 8. 292 und 317. ^ LB. IV^ r. 1123.
« Bei St. Veit in Kärnten. ' Pichler, II castello di Duino, 224.
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309
war, mit Georg von Walsee-Linz über Geldansprüche aus der
Gerhabschaft, welche sie über denselben seit 1371 geführt
hatten,^ in Diflferenzen, die erst 1378 ihre Regelung erfuhren;
der Ehebund, welchen Georg späterhin schloß, war indes ohne
Zweifel durch Rudolf I. und dessen Brüder zustande gebracht,
die sich auch hier wieder von den Beziehungen zum Hause
Tibein leiten ließen.
In jenen Jahren weilte Reinprecht II. selten in der Heimat;
er oblag wohl zumeist dem Waffenhandwerke. Von diesen
Zügen heimgekehrt, führte er Katharina, die Tochter des ein-
flußreichen Hans von Liechtenstein-Nikolsburg, als Gemahlin
heim, der er 1370 Juni 23* zu Wien 900Äf/Ä als Morgengabe
verschrieb; wir verlieren ihn dann wieder auf längere Zeit aus
den Augen.
Im Frühjahre 1372» zog Rudolf I. im Dienste der Habs-
burger nach Schwaben und erhielt dort einen nicht unbedeu-
tenden Wirkungskreis; es wurde ihm die (kaiserliche und die
habsburgische) Landvogtei im Elsaß und in Schwaben auf
17« Jahre übertragen. Eifrig wachte Rudolf daselbst über die
Sicherheit des Handels im Interesse der einheimischen Bürger
sowohl als der fremden, meist italienischen* Kaufleute. Damals
machte besonders der Ritter Johann Erbe den Straßburgern
zu schaffen.^ Auf zehn Jahre aus der Stadt verwiesen, weil
er sich 1372 weigerte, den verlangten Bürgereid zu schwören,
begann er mit den Straßburgern einen Streit um die Fähre zu
Grafenstaden, den Rudolf I. von Walsee-Ens und Bichof Lam-
brecht von Straßburg vergeblich beizulegen suchten.^ Schließ-
lich widersagte Erbe der Stadt und tat ihr mit anderen aus-
gewiesenen Edlen und sonstigem gesammelten Gelichter großen
» Vgl. S. 292. « NB. IV, 437.
« Vgl. Steyerer, Comm. pro hißt. Alb. II, Anh. col. 20 und Urk. 1372 Mai 12;
Urk. B. d. St. Straßburg V, 781. Daß Rudolf I. die Landvogtei bereits
1366 yerwaltet hätte (Kurz, Albrecht III., I, 202), ist bei seinen Jahren
damals ein Unding; offenbar ist das Datam dieser einzigen fraglichen
Urkunde korrumpiert.
* Vgl. Urk. 1372 August 17; Thommen, Urk. z. Schweiz. Qesch. II, 23.
» Vgl. Ann. hospit. Argent., M. G. SS. XVII, 104; Chron. d. Jak. Twinger
V. Königshoven, Chron. deutsch. Städte IX, 802; Chron. d. Hektor Mülich,
ebenda XXII, 15; Chron. d. Gerhard v. Appenweiler, Basler Chroniken
IV, 377; Kleine Basler Chronik, ebenda V, 61.
« Urk. 1872 Juli 8; Urk.-B. d. St. Straßburg V, 784.
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310
Schaden. In der Neujahrsnacht 1373 erstieg er mit seinen
Helfern die Burg Herlisheim bei Kolmar, nahm Herrn Eppe
von Hadestat, einen reichen Straßburger Bürger, der darauf
saß, gefangen und hielt das Städtchen besetzt. Sofort aber
legte sich Rudolfs Untervogt Johann Mürlin ^ mit den Kolmarem
und Schlettstädtern davor und Heß niemand entwischen. Nach
wenigen Tagen zog Rudolf selbst mit den Straßburgem und
anderen Städtern gegen Herlisheim, eroberte es am 8. Januar
und ließ die darin gefangenen 56 Bösewichte, meist Edelleute,
fast sämtlich hinrichten; Johann Erbe hatte sich bei Zeiten ge-
flüchtet. Zur Verteidigung seines Vorgehens schloß Rudolf 1373
Februar 24* zu Breisach mit denen von Straßburg, Basel und
elf anderen Städten ein Bündnis ab; auch vom Kaiser und von
den Habsburgern ergingen Schreiben, so an den Pfalzgrafen
Ruprecht den Alteren* und den Grafen Eberhard von Württem-
berg,* die verjagten Edelleute nicht zu unterstützen. Dadurch
ward mit den adeligen Wegelagerern im Elsaß gründlich auf-
geräumt, zur großen Freude der Städter. Als sich Rudolf so
durch sein rasches Handeln den Dank der Bürger erworben
hatte, zog er im Sommer 1373 wieder heimwärts und war mit
seinem Vetter Heinrich VI. von Walsee-Ens in Wien bereits
wieder zugegen, als dort 1373 Juli 25^ eine Teilung der habs-
burgischen Lande zwischen den Herzogen Albrecht UI. und
Leopold ni. vereinbart wurde.
Die Hauptmannschaft in der Steiermark wurde Rudolfe
Lohn ftlr seine Tätigkeit in Schwaben, doch kam sie nicht
mehr dauernd an die Walseer zurück. Er erhielt sie sofort
nach seiner Rückkehr im Sommer 1373* und ließ sich, da er
oft von der Steiermark abwesend war, in seinem Amte durch
Verweser^ vertreten, als welche nacheinander die walseeischen
Dienstleute Albrecht der Gefeller, sein Burggraf auf der Rie-
gersburg, der Niederösterreicher Otaker der Wolfstain und
^ Mit Rudolf I. von Walsee-Ens ins Elsaß g^ekommen; identisch mit Hans
dem MSurl, der 1364 Landrichter ob der Ens war; vgl. Anm. S. 276.
« Urk.-B. d. St. Straßburg V, 808. « Urk. 1373 Mai 6; ebenda V, 816.
* Urk. 1373 April 12; ebenda V, 817. » UBoE. VHI, 654.
'^ Vgl. Krones, Landesfürst, Behörden und Stände des Herzogtums Steier-
mark, Forschungen zur steirischen Verfassungs- und Verwaltungsgesch.
IV», 162.
' Vgl. ebenda 167—168.
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311
Peter Hinterholzer auftreten, letzterer vordem Burggraf zu Steier,
das Rudolf und seine Brüder seit 1374 als herzogliche Pfand-
scfaaft innehatten. Ende 1374* erhielt Rudolf mit seinen Brü-
dern auch das steirische Erbtruchsessenamt nach dem
Ableben Cholos von Seldenhofen, der es nach Friedrichs III.
von Walsee-Graz Tode überkommen hatte; Wilhelm von Glaneck
ließ sich mit seinen Ansprüchen darauf mit 100 ^/Ä abfinden.*
Im gleichen Jahre verheiratete sich Rudolf I. auch mit Agnes
aus dem Hause derer von der Leippe,* welches den Walseem
bereits verschwägert war. Nun wurden auch die walseeischen
Verbindungen mit dem steirischen Adel wieder aufgefrischt,
insbesondere aber durch die im Jahre 1376* erfolgte Vermäh-
lung der jüngsten Schwester Rudolfs, Dorothea, mit Wulfing
von Stubenberg. Im Frühlinge 1379 ritt Rudolf I. mit einem
seiner Brüder abermals zu Felde, gegen Venedig, als Partei-
gänger K. Ludwigs von Ungarn, auf dessen Seite Herzog Al-
brecht HI. stand, der den beiden Walseem darüber einen
Schadlosbrief* ausstellte.
Da trat Rudolfs I. Bruder Reinprecht IL plötzlich an
leitender Stelle in den Vordergrund der Ereignisse,^ die sich
nun zwischen Herzog Albrecht HI. und dem Grafen Heinrich
von Schaunberg abspielten. In letzter Stunde vor der Er-
öfihung des Kampfes mit demselben setzte der Herzog nämlich
an die Stelle Heinrichs VI. von Walsee-Ens dessen energischen
und ohne Zweifel bereits kriegserprobten Vetter Reinprecht II.
von Walsee-Ens, der 1379 Oktober 28^ zum ersten Male als
Hauptmann ob der Ens erscheint. Der Herzog brachte die
zum Kriege nötigen Summen auf und verschaffte Reinprecht U.
auch Zahlungsfrist' für seine dem Juden David dem Stenzz
schuldigen 1500 ^.Ä. Von Wien aus Heß der Herzog im Winter
1379/80 seine Befehle an Reinprecht II. ergehen,® Söldner an-
werben und die Bürger der Städte ob der Ens aufbieten. 1380
^ Urk. 1374 November 12; Hoheneck HI, 819.
« Urk. 1377 März 7; NB. I, 374.
' Vgl. die Genealogie.
* Urk. 1379 Mai 26; LB. IV, r. 1424. » Vgl. S. 337 flf.
« Orig. HHStA.
' Urk. 1380 Januar 2; LB. IV, r. 1480.
® Vgl. Urk. 1379 November 7; Kop. Linzer Musealarchiv; 1380 Februar 18,
LB. IV, r. 1497; 1380 Mai 31; Kop. Linzer Musealarchiv.
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312
März 17* ernannte er ihn zum Anfilhrer seiner Truppen, be-
traute ihn mit der Führung des Krieges gegen den Schaan-
berger und sicherte ihm Ersatz für alle Ausgaben zu.
Im Frühlinge 1380 eröffnete Reinprecht 11. den Kampf*
und errang rasch bedeutende Erfolge. Die Feste Kammer und
damit der Besitz im Attergau fiel den Herzoglichen in die
Hände, im Mühlviertel ward Schloß Velden* belagert, das mit
den Donaufesten um 1373 vom Bistume Passau den Schaun-
bergem verpfUndet worden war, auch das ganze offene schaan-
berger Ländchen vom Trattnachtale aus besetzt. Um Sonn-
wenden 1380 wurde Peuerbach vom Herzoge, der jetzt selbst
auf dem Kriegsschauplatze erschien, belagert und trotz seiner
vom Grafen Heinrich aufgeführten festen Mauern eingenom-
men. Wenn auch die Festen Donau aufwärts noch Widerstand
leisteten, war doch fast das ganze schaunbergische Gebiet vom
Gegner besetzt und Graf Heinrich auf die Stammburg seines
Hauses beschränkt. Auch die Rosenberge mußten Eferding
den Herzoglichen räumen und mit dem Bischöfe von Passau,
Konrad von Schärffenberg, hatte der Herzog schon 1380
April 17* ein Bündnis abgeschlossen. So blieb dem Grafen
nur mehr Schloß Schaunberg, dessen Belagerung Herzog Al-
brecht seit August 1380 persönlich leitete,^ und konnte auch
diese sehr starke Feste nicht genommen werden, so sah sieh
Graf Heinrich doch genötigt, mit dem Herzoge 1381 Januar 21
einen in der Folge mehrmals verlängerten WaffenstiUstand ab-
zuschließen.
Reinprecht H. entließ daher den größten Teil der gegen
den Schaunberger verwendeten Söldner — 1381 Apiil 1^ quit-
tieren ihm Ulrich Fraß und dessen Brüder über erhaltenen
Sold — und erhielt 1381 April 4' vom Herzoge für 1500« A
die er ihm fllr die Söldner von Eferding und Velden schuldete,
jährlich 150 Äf^ Gülten zu Steier angewiesen. Auch weiter-
hin hatte Reinprecht die feindseligen Absichten des Grafen zu
vereiteln, der den Waffenstillstand brach und herzogliche Trup-
pen überfiel, die vor Schaunberg zurückgeblieben waren. Die
» Kurz, Albrecht HL, Bd. II, 211.
• Vgl. Strnadt, Peuerbach, JBMFC. XXVII, 398 ff.
» Bei Neufelden. * MouumenU Boica XXX S 350.
* Vgl. JBMFC. XXVn, 400. • NB. U, 164.
' HHStA. Kod. Suppl. 407, f. 109.
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313
Lage des Grafen verschlimmerte sich dadurch nur; der Nürn
berger Schiedsspruch 1383 Februar 28 machte seiner Unab-
hängigkeit ein Ende.
Nach Beendigung des Krieges entfaltete Reinprecht II.
eine rege Tätigkeit, um im Lande ob der Ens Ordnung zu
schaffen^ wie aus zahlreichen auf ihn ausgestellten Urfehde-
briefen ^ hervorgeht. Weniger günstig gestaltete sich sein Ver-
hältnis zu den Bürgern, insbesondere der Städte Ens und Wels,
die wie zu seines Vaters Zeiten ihr Recht geltend machten,
von ihren Herrenlehen nur dem Herzoge zu zinsen. Herzog-
liche Befehle, welche darüber an Reinprecht H. ergingen,*
schafften den Bürgern so wenig Abhilfe wie Beschwerden gegen
andere Übergriffe des Adels im Handel und Wandel, die sich
gleichfalls gegen die Walseer richteten. Sie vermochten Rein-
precht n. wenig anzuhaben, der seine obderensische Haupt-
mannschaft trefflich versah und die Gunst des Herzogs
durch seine Tätigkeit in der Schaunbergerfehde wahrlich ver-
dient hatte.
Auch andere Angehörige des Hauses gewannen ihren
Vorteil davon. Rudolf I. ward spätestens 1384* als Hauptmann
in der Steiermark durch seinen Vetter Ulrich IV. von Walsee-
Drosendorf ersetzt und dafür mit dem österreichischen Land-
marschallamte betraut. In dieser Eigenschaft hatte er sich
mit dem Abgesandten K. Wenzels wegen der Streitigkeiten
zwischen den Bürgern von Wien und Prag zu vergleichen,*
was durch seinen 1385 Dezember 4^ mit Bischof Berthold von
Freising gefällten Schiedsspruch geschah.
Da kam im Juli 1386 die Unglücksbotschaft von Sem-
pach nach Wien. Der niederschmetternde Eindruck derselben,
die nicht zu verkennende Tatsache, daß die Teilung von 1379
die Macht der Habsburger geschwächt hatte, die Mißerfolge in
der äußeren Politik wie der ungünstige Stand der Finanzen,
dies alles einte die getreuen Berater des Herrscherhauses in
dem Verlangen, daß den habsburgischen Landen wieder ein
» 1381—1386, 11 Stück!
« Vgl. Urk. 1384 Mai 8; AÖG. XXVII, 87.
" Vgl. die Genealogie und Erones, Landesf. etc., a. a. O. 162.
* Vgl. die Urkk. Herzog Albrechta 1886 Oktober 10, Orig., HHStA. und
•K. Wenzels 1385 November 6; Pelzel, K. Wenzel, Urk. 47.
** Orig., HHStA.
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314
gemeinsames Oberhaupt gegeben werde, umsomehr als Herzog
Leopolds Sohn Herzog Wilhelm der ernsten Lage schwerlich
gewachsen war. In Gegenwart der Geistlichkeit und vieler
vom Adel, darunter Rudolfs I., Reinprechts H. und ihres Vetters
Heinrichs VI. von Walsee-Ens, wurde 1386 Oktober 10^ in
Wien die bisherige Besitzteilung aufgehoben und Herzog Al-
brecht übernahm im Einverständnisse mit den Leopoldinem
wieder allein die Regierung aller habsburgischen Länder.
Nach drei Jahren der Ruhe war Reinprecht H. genötigt,
abermals gegen Grafen Heinrich von Schaunberg einznschrei-
ten, der seine Unabhängigkeit wieder erlangen wollte. Aber
bereits sein erster Versuch, sich gegen Herzog Albrecht au&o-
lehnen, schlug fehl. Als Graf Heinrich seiner Feste Neuhaus*
an der Donau gegenüber eine Befestigung erbaute und von dort
aus durch erhöhte Mautabgaben die freie Schiffahrt störte, * bot
Reinprecht H. rasch herzogliche Truppen und die Bürger von
Linz, Ens und Wels auf,* vereinigte sich mit Mannschaften des
Bischofes von Passau und zog mit dem berühmten Kriegsmanne
Zacharias Haderer bald nach Neujahr 1386 gegen den Schann-
berger aus. Am 20. Februar begann die Belagerung von Neu-
haus, das Bollwerk diesem Schlosse gegenüber wurde zerstört,
und schon am 25. März^ kam es durch Johann von Abensperg
und Herzog Albrechts Hofmeister Hans von Liechtenstein-Ni-
kolsburg, Reinprechts H. Schwiegervater, in Linz zu einer Ver-
einbarung. Die freie Schiffahrt auf der Donau wurde wieder
hergestellt, Schloß Neuhaus vorläufig der Obhut des Liechten-
steiners übergeben und Graf Heinrich verpflichtet, den Burg-
stall Neuhaus gegenüber nicht wieder aufzubauen^ — ein Er-
folg, der zweifelsohne dem energischen Eingreifen Reinprechts H.
zu danken war. Herzog Albrecht traf jetzt weitere Vorkehrun-
gen zur Überwachung des Grafen. Wenn dieser auch noch
weiterhin seine Pläne verfolgte und sich den Herzogen von
Baiem zu nähern suchte, so schloß sein 1390 erfolgtes Ableben
alle derartigen Bestrebungen für immer ab.
1 Rauch, SS. R. A. m, 400. * Nördlich Ton Aschach an der Donau.
3 Vgl. Kurz, Albrecht m., Bd. H, 47 und 242; Urk. 1388 Oktober 18.
* Hagens Chron., Append.; Pez, SS. Rer. Austr. I, col. 1162 and Contin.
Monach. St. Petri, M. G. SS. IX, 840.
ß Kurz, Albrecht lU., Bd. II, 248. « Ebenda 61.
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315
Alsbald mußte Reinprecht 11. als Hauptmann ob der Ens
sein Augenmerk auf das benachbarte Pas sau richten/ wo ein
Einschreiten von habsburgischer Seite durch eine zwiespältige
Bischofswahl notwendig wurde. Gegen den österreichisch ge-
sinnten Hermann, nach dem Tode Bischof Johanns von Schär-
fenberg (t 1387) rechtmäßig zum Bischöfe erwählt, erhob Papst
Urban VI. den Grafen Ruprecht von Berg auf den Passauer
Bischofsstuhl, und als Hermann darauf verzichtete, wählte das
Domkapitel Georg von Hohenlohe zum Bischöfe. Gegen diesen
fand Ruprecht Unterstützung bei denen von Berg, bei K. Wenzel
und den Bürgern der Bischofestadt Passau selbst.'
Auf habsburgischer Seite stand man dem Gegenbischofe
hilfreich bei; waren doch durch Ruprechts Partei die öster-
reichischen Interessen im Abteilande '^ so gut wie im Donautale,
zumal bei der zweifelhaften Haltung des Schaunbergers, ernst-
lich bedroht. Für den abwesenden Herzog traf Reinprecht H.
die geeigneten Maßnahmen; überdies war er als Pfandinhaber
der bei Passau gelegenen Festen Neuhaus und Wemstein auch
in seinem eigenen Besitze beunruhigt. Er ließ dem Bischof
Georg von Hohenlohe alle Hilfe angedeihen und sandte ihm
Söldner zu.
Von Michaeli bis Martini 1388* lag Reinprecht II. mit
herzoglichen Truppen in der Ilzstadt vor Passau, indes ver-
gebens, da die Bürger von K. Wenzel Söldner zugeführt er-
hielten. Nach Neujahr 1389 kam auch Herzog Albrecht nach
Osterreich und überzeugte sich von der Sachlage. Im nächsten
Frühling nahm der Krieg seinen Fortgang. Am Ostermontag
1389 überfielen die Bürger Passaus Reinprechts II. von Walsee
Schloß Neuhaus am Inn und brannten es nieder, wobei auch
die dorthin geflüchteten Bücherschätze des Klosters St. Nikola
in Flammen aufgingen.^ Dagegen rückten an demselben Tage
der erprobte Kriegsmann Zacharias Haderer und der Söldner-
führer Michael Haypekh in die Passauer Ilzstadt ein und hiel-
ten selbe einen Monat hindurch gegen die Bürger besetzt.®
• Ebend« 119 ff.; vgl. LB. IV, r. 2087.
• Vgl. JBMFC. XXVn, 896.
• = das obere Mühlviertel westlich der Großen Mtthl.
^ Chron. Mellic; Pez, SS. R. A., I, col. 249.
^ Kurz, Albrecht IH., Bd. II, 128.
• Vgl. Urkk. 1389 Mai 29 and 30; LB. IV, r. 2168, 2169.
AreluT. XCY. Band. II. Hilfte. 22
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316
Die kriegerischen Ereignisse vor Passau fanden damit ihr
Ende.
Nach längeren Verhandlungen kam Georg von Hohenlohe
1393 endgiltig in den Besitz seines Bistums. Allezeit blieb er
ein treuer Anhänger der habsburgischen Albrechtiner. Nie hat
er die Hilfe vergessen, welche ihm Herzog Albrecht geleistet,
insbesondere Reinprecht H. von Walsee-Ens fand an ihm stets
einen dankbaren Freund und verläßlichen Bundesgenossen.
Obwohl Reinprecht H. im Lande ob der Ens nach Kräf-
ten^ Ar die Sicherheit sorgte und zahlreiche Missetäter' durch
seinen Richter' in festem Gewahrsam halten ließ, nahm doch
das Unwesen keineswegs ab. Auch einzelne vom Adel, zumal
niedere Vasallen der Schaunberger machten sich mancher Ver-
gehen schuldig. Wilhelm der Rorer, der mit fünf Brüdern auf
dem festen Schlosse Leonstein bei Steier saß, vermaß sich,
zwei Gesandte des Erzbischofs von Salzburg,* die mit sicherem
Geleite Herzog Albrechts heimwärts zogen, aufzuheben und
auf Leonstein gefangen zu setzen. Herzog Albrecht und mit
ihm wohl auch * sein Hauptmann ob der Ens belagerten hierauf
seit August 1390 die Burg, deren Besatzung sich nach Aller-
heiligen ergab, als Zacharias Haderer einen die Feste beherr-
schenden Punkt besetzt hatte.** Mit der Zerstörung des er-
oberten Leonstein war die Fehde jedoch nicht beendet. Wil-
helm der Rorer, der aus dem Schlosse entkommen war, leistete
mit seinen Brüdern weiteren Widerstand; Besitzungen der treue-
sten Diener des Herzogs, so der Walseer,^ Bischof Bertholds
von Freising und der Kapeller wurden verheert und dem Bis-
tume Bamberg Güter entrissen. Auf die Bitten Bischofs Lam-
prechts von Bamberg erging 1392 August 17« an Reinprecht U.
der herzogliche Befehl zur Rückgabe der Bambergischen Güter,
die der Pfleger zu Steier den Rorem abgenommen hatte. Der
^ 1387-1398 finden sich 16 Urfehden auf Reinprecht von Walsee ausgestellt.
' Meist auf den Festen Starhemberg und Sinzing.
' Als solche erscheinen die walseeischen Lehensleute Ludwig Neundlinger
1384—1392 und Walter von Seuseneck 1396—1402.
* Vgl. Hagens Chron., Appendix; Fez, 8S. R. A. I, col. 1162.
* Was sich yon Reinpreehts Itlnerar feststellen läßt, spricht dafOr.
* Vgl. Chron. Mellic. M. G. SS. IX, 614; Pritz, Gesch. des Landes ob der Ens
n, 74; Kurz, Albrecht HI., Bd. H, 18.
' Nicht näher genannt; vgl. Kurz, a. a. O. 274.
* HHStA. Kod. 1049, f. 67'.
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317
Schiedsspruch von 1392 November 27 verpflichtete indes zum
Schadenersatze gegen alle Geschädigten; er brachte den Rorern
zwar die Verzeihung des Herzogs, aber den Verlust von Leon-
stein. Damit war die Reihe von Fehden beendigt, welche
Reinprecht im Dienste des Herzogs auf oberösterreichischem
Boden auszufechten hatte.
Noch während des Kampfes mit den Rorern war jedoch
ein für die ganze Zukunft des Hauses Walsee bedeutungsvolles
Ereignis eingetreten.
Auch nach Haugs VI. von Tibein zweiter Heirat hatten
sich dessen Beziehungen zu den Walseern von Ens fortgespon-
nen. Sie waren 1385 wieder zutage getreten/ als Rudolfs I.
ehemaliges Mündel Georg von Walsee-Linz sich mit der Witwe
Ulrichs des Weißeneckers — ein den Tibeinern eng ver-
wandtes Haus — Margret, einer Tochter des Grafen Gregor
von Kurbaw, vermählte. Haugs VL zweites Testament von
1385 August 30' hatte die drei Brüder von Walsee-Ens bereits
zu Gerhaben der beiden Söhne des Erblassers bestimmt, die
sie im Falle kinderlosen Ablebens beerben sollten. Haugs VI.
letzter Wille von 1390 November 11' gab den beiden Söhnlein
Rudolf I. von Walsee-Ens zum Vormunde und überwies den
Walseern auch die Gerhabschaft über die jungen Pettauer, die
Hang VI. innegehabt hatte. Als letzterer noch im gleichen
Jahre starb, kam die Verwaltung des ganzen reichen tibeini-
schen Besitzes, der sich von Tibein* bis St. Veit am Pflaumb
(Fiume) erstreckte, an Rudolf I. von Walsee-Ens und dessen
Haus. Die bedeutende Rolle, welche die Tibeiner als das
mächtigste und reichste Geschlecht in diesem südlichsten Teile
der habsburgischen Länder, als die wichtigsten Anhänger der
Habsburger unter dem Adel im Süden gespielt hatten, ging
jetzt an die Herren von Walsee über; denn das Schicksal
wollte es, daß Hang VI. Söhne ihre Volljährigkeit nicht erleben
sollten.
So zog Rudolf I. von Walsee-Ens denn an die Adria und
ordnete dort die tibeinischen Erbschaftsangelegenheiten. Über-
dies erhielt er 1394 Mai 1 * vom Herzoge die Hauptmannschaft
von Triest, mit dessen Bürgern Rudolf alsbald in Mißhellig-
^ Vgl. S. 292, 308 und die Genealogie.
• Pichler, II castello di Duino 226. » Ebenda 227.
* Duino, nordwestlich von Triest. » LB. VIII, r. 2403»»'«.
22*
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keiten geriet, und gleichzeitig* wurde er auch mit der Ent-
scheidung aller Streitigkeiten in Stadt und Grebiet des nahen
habsburgischen Portenau (Pordenone) betraut Rudolfs häufige
Abwesenheit machte die Bestellung eines Stellvertreters ftir die
Tibeiner Angelegenheiten notwendig, als welcher ein Jörg Rais-
perger ab 1394 erscheint.' Durch Herzog Albrechts Bewilli-
gungen wußte Rudolf I. seinen Mündeln sowohl die herzoglichen
Lehen als die Mitterburger Pfandschaft zu erhalten,* doch
wurde ihr Erbe durch mehrere Verpfändungen, so vor allem
der Kastelle Piemont und Frayn (Vragna) und des Dorfes
Briest in Istrien an den herzoglichen Pfleger zu Triest* sowie
mehrerer kleinerer Güter ^ geschmälert. Infolge von Rudolfs
Vorgehen bei der Besetzung des Pfarrbenefiziums zu Domegg
(Temova)^ begannen 1395 seine Streitigkeiten mit dem Dom-
kapitel zu Triest, die sich späterhin wiederholten. Händel an
der venezianischen Grenze wurden 1397^ durch ein Überein-
kommen mit dem venezianischen Hauptmanne auf Schloß Raspo
beigelegt. Der Erbschaflsstreit, welchen Rudolf I. mit Haugs VI.
Wittib Anna auszutragen hatte, wurde durch ein Schiedsgericht
vom höchsten Adel und schließlich durch Herzog Albrecht
selbst 1393 Januar 21 und 23^ dahin entschieden, daß Anna
über die vier Schlösser Gonobitz, Freudenberg,* Statten-
berg^® und Eibiswald zugunsten ihrer beiden Töchter ver-
fügen dürfe. Das 1396 erfolgte Ableben Annas machte dem
Streite ein Ende. Durch alle diese Angelegenheiten blieb
Rudolf I. meist in der Steiermark und im Süden festgehalten.
Mittlerweile war auch Friedrich V. von Walsee-Ens zum
Manne herangewachsen; er hatte sich mit Anna aus dem nieder-
österreichischen Hause derer von Winkel vermählt, ^^ die ihm
bald nach 1390 hin wegstarb. Nun gelangte auch er zu hohen
Ehren am Hofe Herzog Leopolds. Als dessen Hofmeister
weilte er bereits im Frühling 1391 ^* mit mehreren anderen
» Urk. 1894 Mai 1 ; Orig. HHStA. • Pichler, a. a. O., Anhang.
» LB. IV, r. 2867. * Urk. 1392 April 11; NB. I, 378.
» Urk. 1396; Inventar f. 32. • An der Reka.
' Urk. 1397 November 25; I libri commemoriali d. r. di Yenesia III, 248.
« Pichler, II castello di Dnino 232. » Nördlich von Gonobits.
'^ Südwestlich von Pettau, im Dranntale.
" Vgl. die Genealogie.
" Vgl. Plancher, Histoire de Bourgogne HI, Nr. CL.
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herzoglichen Räten am Hofe Herzog Philipps von Burgnnd,
um dort die Vermählung der Tochter desselben, Katharina, mit
seinem Herzoge zu betreiben; an der Spitze einer glänzenden
Gesandtschaft brachte er dann im Frühjahre 1392^ seine Wer-
bung an und unterfertigte 1392 Mai 5^ zu Dijon als Bürge die
Ehepakten des fürstlichen Paares. Friedrich blieb in seinem
Amte bis in den Sommer 1395 in den Vorlanden tätig' und
führte von dort seine zweite Hausfrau Ita, die Tochter des
habsburgischen Landvogtes Engelhard von Weinsberg, nach
Osterreich heim, mit der er sich im Juli 1395 zu Baden bei
Wien vermählte.
In Oberösterreich geriet Reinprecht H. neuerlich wegen
der Steuern von den Herreulehen mit Welser Bürgern* in
Streit, als Herzog Albrecht in seiner Finanznot neue Steuern
ausschrieb.^ Über Betreiben des Herzogs traf ßeinprecht H.
nun als (Landes-) Hauptmann mehrere Anordnungen, den Salz-
handel und dessen Handelswege betreffend. Den bambergischen
Untertanen im Krems- und Garstentale ward die Salzeinfuhr
von Aussee über den Pyhm weiterhin gestattet.^ Dagegen
wurde der Salz- und sonstige Handel durch den Haselgraben
nach Böhmen verboten und die Einhaltung der alten Straße
angeordnet. "^ Gundaker von Starhemberg, auf der Feste Wild-
berg® im Haselgraben gesessen, gegen den sich dieses Verbot
richtete, hatte alle Ursache, demselben Folge zu leisten.
Gegen K. Wenzel hatte sich ein Bund mächtiger Edel-
leute Böhmens, darunter die den Walseem befreundeten Rosen-
berge, mit Herzog Albrecht von Osterreich und anderen Fürsten
vereint; österreichische Hilfstruppen gingen nach Mähren gegen
die KönigUchen ab. Dem Erzbischof Pilgrim von Salzburg,
der sich auf die Seite K. Wenzels schlug,^ ließ der Herzog den
steirischen Markt Leibnitz plündern,^® in Oberösterreich nahm
Reinprecht II. von Walsee-Ens salzburgische Untertanen und
» Vgl. Urk. 1392 Februmr 3; LB. VI, r. 2274«». * Orig. HHStA.
' Vgl. die Genealogie.
* Urk. 1391 Februar 20; Hormayr, Eist. Taschenbuch 1837, 366.
^ Chron. Mellic, M. G. SS. IX, 614.
• Urk. 1393 August 17; HHStA. Kod. 1049, f. 68.
» Urk. 1393 Oktober 7; LB. IV, r. 2358. » Nördlich Yon Linz.
' Vgl. Pichler, Salzburg. Landesgesch. 226.
^0 Contin. Monach. St. Petri, M. G. SS. IX, 841.
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Vasallen gefangen and tat dem Erzbistume dadurch allein einen
Schaden von 800 AT .Ä. Die Fehde mit Salzburg ward indes
bald beigelegt und der durch Reinprecht und in der Steiermark
entstandene Schaden auf Befehl Herzog Albrechts * durch seine
und salzburgische Räte abgeschätzt. Mittlerweile hatten böhmi-
sche Adelige K. Wenzel gefangen und schließlich auf Schloß
Wildberg gebracht, wo er den Sommer 1394 zubrachte. Herzog
Albrecht mißbilligte zwar das Verhalten der Starhembei^er
gegen den König, Heß ihnen aber doch bereits 1395 seine Ver-
zeihung zukommen.
Schlimmer erging es Reinprechts H. Schwiegervater Hans
von Liechtenstein-Nikolsburg, dem einflußreichen Hofineister
Herzog Albrechts, der auf Befehl des Herzens gefangen ge-
setzt wurde. Die Liechtensteiner und sämtliche Walseer von
Ens, wie auch Reinprechts H. Gattin Katharina, die Tochter
des UngltickUchen, unterwarfen sich dem 1395 Februar 7* ge-
fällten Urteile der Schiedsrichter. Damach verlor der Liech-
tensteiner die meisten Besitzungen an den Herzog; andere wur-
den veräußert. En gebrochener Mann, überlebte der ehemalige
Hofmeister seinen Sturz nicht lange und starb um 1398. Noch
vor ihm schied seine Tochter, Reinprechts H. Gattin, ca. 1397
aus dem Leben;' sie vermochte das Unglück der Ihrigen nicht
zu verwinden. Übte der Fall des Liechtensteiners auch sicht-
lich keinen Einfluß auf das Verhältnis der Walseer zum Herzog
aus, so mag doch bei ihrem mit den Meissauem 1396 April 22 *
abgeschlossenen Bündnisse das Bedürfnis nach wechselseitigem
Schutze mitgespielt haben, wenn sich dieses auch in erster
Linie gegen die Einfälle der Leuchtenburger u. a. aus Süd-
mähren richtete.^
Von Wien aus zog Reinprecht II. von Walsee-Ens Ende
April dieses Jahres mit dem Herzoge nach Obemberg am Inn *
und beteiligte sich dort am Abschlüsse des Bündnisses von
1395 Mai 6 mit den Herzogen Johann und Ernst von Baiern
gegen die von K. Wenzel unterstützten Herzoge Stephan und
Ludwig von Baiem. Mehrere bairische Untertanen, die bei
früheren österreichischen Streifzügen gegen Obemberg gefangen
* 1394 Juni 19; Krones, ürk. r. 366.
* Kürz, Albrecht HI., Bd. II, 306—313. • Vgl. die Genealogie.
* Orig. HHStA. » Vgl. Urk. 1897 April 16; LB. IV, r. 247S.
« Vgl. Kurz, a. a. O. 194.
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genommen wurden/ erhielten dabei ihre Freiheit znrttck und
stellten ihre Urfehden auf Reinprecht II. von Walsee-Ens als
Hauptmann ob der Ens und den Herzog aus.'
Herzog Albrecht IH. schied 1395 August 29 aus dem
Leben^ aufrichtig betrauert von seinen Untertanen. Sein ein-
ziger Sohn Albrecht IV. war bereits großjährig und stand im
18. Lebensjahre. Ihm gegenüber strebte Herzog Wilhelm, der
älteste der Leopoldiner, ab Senior des Hauses die Vorherr-
schaft auch über Ober- und Niederösterreich an und berief
sich dabei auf den Hausvertrag von 1386, Forderungen, denen
Herzog Albrecht IV. begreiflicherweise widerstrebte. In Zwie-
tracht und Parteiungen verbreitete sich der Zwist der Herzoge
über alle habsburgischen Länder. Herzog Albrecht fand insbe-
sondere bei dem österreichischen Adel Unterstützung. Von den
ihm ergebenen Walseem behielt Rudolf I. von Walsee-Ens das
österreichische Marschallamt,^ Reinprecht H. die Hauptmann-
schaft ob der Ens; er wurde überdies des Herzogs Hofmeister.
Der Hollenburger Vertrag von 1396 November 10* wahrte
schließlich den inneren Frieden auf das Zutun der treuen Diener
des Hauses, unter welchen sich Rudolf I. und Reinprecht IL so
wie Heinrich VI. von Walsee-Ens befanden. In demselben ver-
glichen sich die Herzoge dahin, daß fortab alle Länder gemein-
sam regiert werden sollten, wodurch Herzog Wilhelm auch
Mitregent in Osterreich wurde; doch sollten die Lande nach
dem Wiener Vertrage von 1396 März 30 ungeteilt bleiben,
aber getrennt verwaltet werden. Schließlich verglichen sich
die Herzoge auch^ über die von Albrecht HI. hinterlassene
Habe und Hauskleinodien, die sie nur unter gegenseitiger Über-
einstimmung und unter Aufsicht des Bischofs Berthold von
Freising, Rudolfs I. und Reinprechts II. von Walsee-Ens, Ul-
richs rV. von Walsee-Drosendorf und vier weiterer Edelleute
im äußersten Notfalle angreifen sollten.
Der Ausgleich zwischen den Herzogen brachte den Wal-
seem weitere Würden und Ehrenstellen.* So wurde Fried-
rich V. von Walsee-Ens, vordem Herzog Leopolds Hofmeister,
^ Vgl. Bachinger, Geschichte Yon Passau II, 64.
• LB. IV, r. 2480, 2484, 2486.
' Vgl. die Genealogie.
^ Rauch, SS. Rernm Aastriacaram III, 411.
» Urk. 1896 Mai 4; Kurz, Albrocht IV., Bd. I, 172.
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nun dessen Rat, und da jetzt überdies Heinrich VI. von Walsee-
Ens Rat der Herzoge Wilhelm und Albrecht sowie Ulrich IV.
von Walsee-Drosendorf Hofmeister Herzog Wilhelms wurde,
hatten nun fünf Walseer gleichzeitig wichtige Amter am Hofe
der Habsburger inne. 1397 wurde Rudolf I. von Walsee-Ens
als österreichischer Landmarschall durch Konrad von Meissaa
ersetzt und dafür Herzog Wilhelms Hofmeister, ab Ulrich IV.
von Walsee-Drosendorf aus diesem Amte schied. Der Einfloß,
den das Haus Walsee dadurch innehatte, wurde überdies durch
seinen Reichtum verstärkt, der es in Stand setzte, den Her-
zogen in ihrer Geldnot bedeutende Summen vorzustrecken und
für sie hohe Bürgschaften zu leisten.^
Insbesondere aber verursachten die endlosen Grenzfehden
gegen Böhmen und Mähren schwere wirtschafüiche Schäden,
da mit K. Wenzel noch immer kein endgiltiger Friede zu-
stande kam. Auch der Schiedsspruch, den Rudolf I. von Wal-
see-Ens und andere Schiedsrichter 1395' zwischen Herzog Al-
brecht und den Vettauem füllten, brachte keine Abhilfe und
ein Waffenstillstand zwischen Österreich und Mähren schuf im
Dezember 1396 nur vorübergehend Ruhe. Fiel es selbst tüchtigen
Landeshauptleuten, wie jenem von Kärnten, oder Reinprecht II.
von Walsee-Ens in Oberösterreich schwer, Ordnung und Sicher-
heit im Inneren aufrecht zu erhalten und dem Wegelagerer-
tume ein Ende zu machen,'^ so stand es in den Nachbarländern
darum noch schlimmer. Besonders Niederösterreich nördlich
der Donau litt schwer durch die böhmischen Adeligen von
Neuhaus und von der Leippe, die von Kunsladt auf Jaispitz
und den Bandenführer SokoL* (Trotz aller Verträge und Bünd-
nisse wiederholten sich 1399 die Einf^e auf österreichischen
Boden, wodurch die Walseer, Meissauer, Kuenringe und Puch-
heimer bedroht waren. Bereits im März dieses Jahres^ unter-
handelte Reinprecht II. in Freistadt mit Gesandten K. Wenzels
und die Übereinkunft im Felde vor Hard von 1399* August 4
» Vgl. Urk. 1396 August 3, HHStA. Kod. 17, f. 25'; ürk. 1396 Septem-
ber 29, Hoheneck, Genealogie III, 814.
• ürk. 1395 April 17; LB. IV, r. 2478.
> 1396—1399 werden abermals 10 Urfehden auf Reinprecht ausgestellt.
• Kurz, Albrecht IV., Bd. I, 44; Krones, Gesch. Österreichs II, 219.
» Urk. 1399 März 11; HHStA. Kod. 16, fol. 45.
• Urk. 1399 August 4; Cod. dipl. epist. Mor. XII, 482.
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übertrug die Entscheidung des Streites mit denen von Neuhaus
sechs Schiedsrichtern, darunter Rudolf I. und Reinprecht 11.
von Walsee-Ens. In den nächsten Tagen * folgten auch die von
Kunstadt auf Jaispitz und die von der Leippe ihrem Beispiele.
Die Schiedsleute Mlten im September 1399 * ihre Sprüche, wo-
mit die Sache vorläufig ihren Abschluß fand.
Die Bedeutung dieses Zeitabschnittes lag indes in wich-
tigen familiengeschichtlichen Ereignissen und Veränderungen,
die sich in den Jahren 1390 — 1400 vollzogen; am Schlüsse der-
selben sind es die drei Brüder Rudolf I., Reinprecht II. und
Friedrich V. von Walsee-Ens, welche das Erbe der Tib einer
und den gesamten Besitz des Hauses Walsee in ihrer
Hand vereinen.
In fortwährendem, sich immer rascher steigerndem An-
wachsen bewegt sich zugleich die Gütergeschichte dieser Linie
des Geschlechtes, bis sie in den Erbschaften der Jahre 1398, 1399
und 1400 und damit in der Hauptsache die Besitzentwicklung
der Herren von Walsee überhaupt ihren Höhepunkt erreicht.
Bald nach dem Tode Reinprechts I. fiel seinen Söhnen
aus dem Erbe der 1363 erloschenen Walseer zu Graz die große
Herrschaft Riegersburg zu, welche der gesamten Enser Linie
in ihren beiden Zweigen gemeinsam verblieb.* Die Klage,
welche Herzog Rudolf IV. 1365 März 20* vor Leutold von
Stadeck, Landmarschall in Osterreich, gegen sie wegen der
niederen Feste zu Riegersburg vorbrachte, die einst Satz Fried-
richs HL von Walsee-Qraz von Herzog Albrecht IH., dann
Eberhards VIII. von Walsee-Graz Erblehen geworden war,
wurde zugunsten der Enser Walseer entschieden. Weiterhin
kam an Ankäufen in der Steiennark lediglich 1379 * der eines
Hauses in der Bürgerstraße zu Graz hinzu, dessen Erwerbung
den Brüdern wohl wegen Rudolfs I. Stellung als Hauptmann
in der Steiermark wünschenswert schien.
Zwischen den drei Brüdern Rudolf I., Reinprecht II. und
Friedrich V. scheint eine förmliche Teilung ihrer in der Folge
1 Urk. 1399 August 12 und 16; Kura, Albrecht IV., Bd. I, 187.
* Ebenda 191. Urk. 1399 September 9; Orig. Gr.Cerninsches Archiv Neuhaus.
' Vgl. die gemeinsam ausgestellten Lehenbriefe 1364 Dezember 21; 1369
Dezember 18; Brandl, Urk.-B. d. Teuffenbach 45, 81.
* Schwind-Dopsch, Urkunden zur Verfassungsgeschichte Österreichs, 243.
» Urk. 1379 August 26; NB. I, 374.
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durch Kauf und Anfall stark vermehrten väterlichen Besitzungen
nicht erfolgt zu sein. Doch nahm Rudolf I. seinen Sitz vor-
wiegend zu Seusenek,^ welches sein Vater zum Wittume ihrer
Mutter bestimmt hatte, und das nun etwa 1368 nach deren
Tode an ihn kam. Zu den dortigen Besitzungen im Ips- and
Erlafgebiete erwarb Rudolf I. in diesen Jahren eine Anzahl
kleiner Güter ,auf dem Gehage*, zu Windpassing, Neustadt],
Viehdorf und Schildern,' meist freie Eigen, durch Kauf oder
Pfandrecht und rundete dadurch diese Gtttergruppe ab.
Mit seinen Brüdern stiftete Rudolf I. 1368' den dahin-
geschiedenen Eltern zu St. Georgen a. d. Ipsfelde einen Jahr-
tag, dem Kloster Schlierbach erwies er sich geneigt und eine
Anzahl von Stiftungen der Brüder beweist, daß auch ihnen
dieser Zug des Mittelalters nicht fremd war. Gleichwohl war
Rudolf I. der Kirche gegenüber keineswegs nachgiebig, so
wenig wie sein Bruder Reinprecht II.,* der mehrmals mit der
Geistlichkeit in Zwiespalt lag, was zweimal beinahe zur Ver-
hängung kirchlicher Strafen über den trotzigen Mann geführt
hätte. Trotzdem verfolgten sie dabei den von den Ihrigen ein-
geschlagenen Weg weiter: sie wußten eine ganze Anzahl kirch-
licher Besitzungen an sich zu bringen und förderten dadurch
die Interessen des Landesfürstentums. So scheint nach dem
Tode Eberhards V. von Walsee-Linz durch die Gerhabschaft über
dessen Sohn Georg die Pflege der wichtigen passauischen Feste
St. Georgenberg an Rudolf I. als den ältesten der Brüder
übergegangen zu sein, die er 1377 '^ gegen Dienstrevers Zach-
reis dem Haderer übergab; gleichfalls als Pflege erhielt er
1375^ von demselben Bistum den Markt Amstetten samt
dem Marktgerichte. Vom Bischof Konrad von Regensburg
» Vgl. Urkk. 1369 Februar 26, UBoE. Vm, 409; 1873 Juli 8, BegesU
Boica IX, 300; 1377 Febraar 20, NB. IV, 454; 1382 Januar 16, eben-
da 564.
• SSmtlich bei Amstetten; Urkk. 1364 Juli 13, NB. IV, 386; 1369 Fe-
bruar 25, UBoE. vm, 409; 1371 Februar 2, ebenda 509; 1393 Sep-
tember 26; Orig. Linser Musealarchiy.
* 1368 November 12; Keiblinger, Oesch. Yon Melk II, 261.
* Vgl. die Bemerkung im Zehentbuche der Propste! St. Stephan, Blätter
des Vereines für Landeskunde Ton NiederOsterreich XXIY, 181.
» Urk. 1377 Mira 8; NB. IV, 556.
• Urk. 1375 Juli 24; Monumenta Boica XXX», 317.
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325
wurde ihm ferner 1373^ die Pflege der Hofmark Pöchlarn
anvertraut. Bischof Bertold von Freising verlieh ihm 1383*
die Pflege der Herrschaften Waidhofe n und Ulmerfeld,
welch letztere ehedem bereits Friedrich II. von Walsee-Ens
innegehabt hatte; als Freisinger Lehensmann wurde Rudolf I.
vom Bischof 1399* in einem Streite um Freisinger Güter zum
Richter bestellt. Da auch andere Walseer nach dieser Richtung
hin tätig waren,* befanden sich zu Ende des 14. Jahrhunderts
die meisten Lehen und Pflegschaften der Hochstifte zwischen
Ens und Wienerwald in den Händen des Hauses Walsee, das
hier damals weitaus über den gi'ößten Besitz verfügte.
Das Testament des Seitz von Kuenring, der den drei
Brüdern 1374* eine Hälfte der Feste Seefeld, ZoUerisches Lehen,
als seinen Oheimen vermachte, kam nicht zur Ausführung.
Dagegen gelang denselben eine andere Erwerbung, indem sie
das Erbgut ihrer Stiefschwester Agnes, das von ihres Vaters
erster Gattin herrührte, wieder an sich brachten. Die beiden
Stiefschwestern Elsbet und Agnes* — längst bereits vermählt
— hatten von Herzog Albrecht 1372^ die Bewilligung erhalten,
ihre österreichischen Lehen einander vermachen zu dürfen.
Viehofen,® das passauischer Lehenschaft war, ging vorerst
gegen Abfindung in Agnes' Alleinbesitz über, die es 1374®
samt ihrem Eigengute zu Anzbach (bei Böheimkirchen) ihren
drei Stiefbrüdern um 2500^^ verkaufte.
Zur Abrundung ihrer Herrschaft Wachsenberg im Lande
ob der Ens war der Kauf der Feste Roteneck (nordwestlich
von Ottensheim), eines herzoglichen Lehens, bestimmt, welche
die Brüder nebst zugehöriger Mannschaft in der Grafschaft
Wachsenberg und dortigen passauischen und bambergischen
Lehen 1375*® von Diemut, der Witwe Herrmanns von Landen-
berg, erkauften. Sie behielten indes diese Erwerbung nur
1 Vgl. Rudolfs Pflegrevers, 1373 Juli 8; Regesta Boica IX, 300.
• Urk. 1883 Juni 9; NB. IV, 668.
» Urk. 1399 Juli 3; Regesta Boica XI, 158. * Vgl. 8. 342.
<» Vgl. Urkk. 1373 Oktober 16, Monumenta Zollerana VII, 219; 1374 No-
vember 30, ÜBoE. Vm, 728.
• Vgl. die Genealogie.
» Urk. 1374 Juli 25; UBoE. VUI, 713. » Nördlich von St. Polten.
• Urk. 1374 Juli 25; UBoE. VIH, 713.
" Urk. 1375 März 17; UBoE. Vm, 749.
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326
kurze Zeit und verlehnten die Feste bereits 1377* an Ludwig
den Neundlinger weiter, in dessen Familie sie nun blieb.
Trotz oder eben infolge dieser Ankäufe und obgleich
Reinprechts U. junges Gemahl Katharina von Liechtenstein-
Nikolsburg 1370 eine Mitgift von 900 0^, ebenso Rudolfs I.
Gattin Agnes von der Leippe 1374^ eine solche von iOÖ6€/ Ji
mitgebracht hatte, und wiewohl auch die Gerhabschaft über
Jörg von Walsee-Linz durch die Brüder nicht uneigennützig
verwaltet wurde, hatten die Brüder in diesen Jahren einen be-
trächtlichen Schuldenstand. Dem Grafen Thoman von St. Geor-
gen schuldeten sie 1376' eine Summe von 700 Ä^ und der
Schiedsspruch von 1378 November 5 legte ihnen bedeutende
Verpflichtungen gegenüber Georg von Walsee-Linz auf;* dazu
kamen mehrere Schuldbriefe^ an Juden — das Zeichen finan-
zieller Bedrängnis.
Die Ursachen dieser Verschuldung lagen indes keines-
wegs in drückenden Vermögensverhältnissen, sondern darin, daß
Rudolf I. und seine Brüder ansehnliche Beträge an ihre in
diesen Jahren verheirateten beiden Schwestern auszuzahlen,
insbesondere aber große Summen rückständiger Forderungen
beim Landesfürsten hatten. Das Übereinkonmien der Herzoge
Albrecht und Leopold von 1373 Dezember 31* wies bereits
eine Schuld von 2254 Gulden an Rudolf I. von Walsee-Ens
Herzog Albrecht zu. 1374 März 13^ bekannte Herzog Albrecht
Rudolf I. von der Landvogtei in Schwaben und im Elsaß wegen
6054 Gulden und überdies 1800 Gulden schuldig zu sein, die
er für ihn an Haug von Tibein bezahlt hatte; erlegte der Herzog
diese Summe nicht bis Sonnwend, so sollte die Feste Weiten-
eck® an Rudolf I. von Walsee-Ens verpfändet werden. Da
der Herzog das Geld nicht aufbringen konnte, verpfändete er
schließlich 1374 Oktober 7» den Brüdern Rudolf I., Rein-
* Urk. 1377 Jmnnar 17; NB. I, 379.
* Urk. 1374 Juli 4; NB. IV, 536.
» Urk. 1376 Juli 13; NB. IV, 562. * Vgl. 8. 292.
5 Urkk. 1377 Mai 13; 1378 Juni 11, November 19; 1379 September 4;
NB. IV, 656—569.
* Thommen, Urk. zur schweizer. Gesch. II, 34.
^ Kod. 5/10 Strein Mskr., oberösterr. Landesarchiv.
" Bei Melk, an der Donau.
' Thommen, ebenda II, 57.
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327
precht n. und Friedrich V. von Walsee- Ens um 4060 & ^ die
Burg zu Steier samt der Burghut und dem Urbar daselbst
und 406 €1^ Gülten bis zur Wiedereinlösung um dieselbe Summe;
dafür hatten die Brüder die Bui^ den Herzogen offen zu halten
und ihnen damit gewärtig zu sein. 1379 Oktober 28* gaben
Rudolf I. und Friedrich V. ihr Teil an der Pfandschaft von
4060 Äf^> gänzlich an Reinprecht II. von Walsee-Ens ab.
So trat der ältere, gemeinsame Besitz der Brüder in dem
Maße zurück, als jeder derselben durch Erbschaften, Käufe
und Belehnungen seine eigenen Erwerbungen machte.
Auf seiner Feste Seusenek widerlegte Rudolf I. von Wal-
see-Ens 1382* die Morgengabe seiner Gattin Agnes von der
Leippe von 1100 Äf.Ä. Noch im gleichen Jahre testierte ihm
der verschwägerte Graf Yban von Pemstein 2200 AT /Ä auf
seinem Satze zu Gutensteih * und zwei Monate später Johanna,
Witwe des Grafen Ulrich von Pemstein, mehrere Sätze und
Zehenten von zusammen 1100 Äf/Ä. Dieses Erbe fiel Rudolf I.
auch tatsächlich zu; sein Streit darüber mit Otto dem Eren-
felser wurde 1385* durch Herzog Albrechts Spruch ent-
schieden.
Eine weitere Erwerbung war jene der Feste Rabenstein
an der Pielach,* die ihm 1386 nach dem Tode des söhnelosen
Heinrich von Rauhenstein als Leibgedinge zufiel, wie Herzog
Albrecht bereits 1384® zugesagt hatte. Eine Ergänzung fand
dieser Zuwachs noch durch Bemgers von Landenberg' Testa-
ment, der Rudolf I. Güter zu Weinberg und Diepoldsdorf**
und weiter 1387 sein Teil an Rabenstein nebst einem Hofe zu
Mannswört* und der Feste Weinsberg vermachte. ^® Gleichzeitig
machte Rudolf I. auch Ansprüche auf die in der Nachbarschaft
von Rabenstein gelegene Feste Weißenberg geltend, doch ver-
» Orig. HHStA. « ürk. 1382 Januar 16; NB. IV, 664.
• Im Wienerwalde; Urkk. 1882 August 28, Oktober 8; NB. I, 376.
• Urk. 1386 März 12; Orig. Niederö«terr. Landesarchiv.
• VOWW., nicht jenes an der Mur in Steiermark.
• Urk. 1884 Januar 16; WSt. 697.
^ Auch die Landenberger standen, yielleicht durch die Liechtensteiner
oder Hohenberger, in verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Wal-
seem, die aber dunkel bleiben; vgl. WSt. 170—172 und die Topographie
von NiederOsterreich V, 816.
• Beide bi Putten, VÜWW. • Unterhalb Wien.
w Urkk. 1387 M&rz 12, LB. IV, r. 2048; 1387 März 26, NB. IV, 697.
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328
blieb dieselbe durch Herzog Albrechts Spruch^ 1388 Juni 5
bei Hans von Liechtenstein-Nikolsburg. 1391 * erhielt Rudolf L
den von Passau zu Lehen rührenden Zehent zu Weißenberg,
der durch den Tod des Rauhensteiners erledigt worden war,
und nach dem Sturze des Liechtensteiners verlieh Herzog
Albrecht 1396' Rudolf I. ein Dritteil von Weißenberg samt
dem Kirchenlehen und Watenstein/ die dem Liechtensteiner
konfisziert worden waren. Der leibgedingsweise Besitz von
Rabenstein ward Rudolf I. und seinen Brüdern nochmals ^ durch
die Herzoge Albrecht und Wilhelm verbrieft.
Ende 1389 oder 1390 hat Rudolf L die Feste Asparn
an der Zaia, welche sein Bruder Friedrich V. ererbt hatte, an
sich gebracht,^ da sie sich so leichter gegen anderweitige Erb-
ansprüche behaupten ließ. Dazu erhielt Rudolf I. auch 1391 '
die durch den Tod des Rauheneckers ledig gewordenen Passauer
und 1393® die herzoglichen Lehen um Asparn. Ein Zehent-
tausch mit dem Pfarrer zu Mistelbach diente 1397^ abermals
dem Zwecke, die Herrschaft Aspem zu arrondieren. Dem
untertänigen Markte gleichen Namens schenkte Rudolf I. sein
besonderes Wohlwollen und suchte ihn zu heben. Er bestiflete
die neue Kapelle ^^ in der Pfarrkirche daselbst; 1398 Mai 24"
gestatteten ihm die Herzoge Wilhelm und Albrecht, Asparn mit
einer Ringmauer zu umgeben, und verliehen dem Markte
August 5^^ auch einen Jahrmarkt.
An Besitzverlusten haben wir dagegen lediglich den der
Feste Leopoldsdorf ^^ zu verzeichnen, die Rudolf L von Wal-
see-Ens erst 1394** als freies Eigen von den Stockhornem er-
1 LB. IV, r. 2186. " ürk. 1891 Juli 11; NB. IV, 606.
» WSt. 697. * Bei Weißenberg.
» Urkk. 1398 Juni 4, 1899 März 22; LB. IV, r. 231, 304.
• Vgl. HHStA. Kod. 48, f. 62'.
' Urk. 1391 Mai 2; NB. IV, 604.
• Urk. 1393 September 27; NB. I, 879.
• Urk. 1397 Juli 26; NB. IV, 606.
^^ Urk. 1397 März 27; Blätter des Vereines für Landeskunde von Nieder-
österreich IV, 147.
^^ Maurer, Gesch. des Marktes Aspam, 840.
" HHStA. Kod. 16, f. 72.
" Bei Wien.
^* Urk. 1394 März 7; Blätter des Vereines fQr Landeskunde Ton Nieder-
(toterreich XXVIH, 346.
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329
worben hatte; er hat sie 1398 seiner Schwester Dorothea,
Wulfing von Stubenbergs Witwe, um 560 €1^ verkauft. ^
Lagen alle diese Besitzerwerbungen in Niederösterreich,
wo Rudolf I. in jenen Jahren als Landmarschall tätig war, so
blieben die seines Bruders Reinprecht 11., des Hauptmannes ob
der Ens, auf dieses Land beschränkt.
Als Begleichung der ihm aus der Schaumbergerfehde er-
wachsenen Kosten und zur Lösung des Satzes von Steier er-
hielt Reinprecht IL 1384 September 17* vom Herzog Albrecht
die Herrschaften Neuburg am Inn und Falkenstein für
5000^/1^ verpfändet, die lange Jahre hindurch im Pfandbesitze
der Walseer zu Linz gewesen waren, und zwei Tage darauf
versprach ihm der Herzog, • ihn vor Ablösung der beiden Herr-
schaften der Hauptmannschaft ob der Ens nicht zu entsetzen und
die beiden Festen im Falle seines vorzeitigen Todes von seinen
Erben auf deren Verlangen innerhalb eines Vierteljahres zu
lösen. Überdies sicherte er ihm für die strittige Maut zu
Schardenberg* Ersatz zu, falls selbe den Herzogen von Bayern
zugesprochen würde. Die Lösung beider Festen erfolgte indes
erst längst nach Reinprechts H. Tode.
Neuerliche Erwerbungen arrondierten dessen Herrschaft
Wachsenbei^. Für seine Dienste erhielt Reinprecht H. 1386^
vom Herzoge die Belehnung mit einer Weierstat zu (Ober-)
Neukirchen im Wachsenberger Gerichte. Im nahen Ottens-
heim erkaufte er 1388* ein Haus von dem dortigen Richter
Wemhard Hager. Wichtiger war es, daß Reinprecht 1398
Juli 25^ um 700 Gulden Nürnberger Währung alle bambergi-
schen Eigen, Güter, Zehente, Lehen und Gülten in der Herr-
schaft Wachsenberg und zu Alhaming* an sich brachte.
^ Urk. 1398 Mai 10; Orig. Niederösterr. Landesarchiy.
* HHStA. Kod. Sappl. 408, f. 6'; Tgl. die Anm. S. 287.
• LB. in, r. 1882—1884.
^ Bei Schärding, nächst Wernstein; nicht Schwertberg an der Aist.
> Urk. 1356 Mai 6; HHStA. Kod. Sappl. 408, f. 6.
« Urk. 1388 Mai 28; Orig. StAEferding. Möglich, daß dieser Hauskauf
bereits mit der Gründung des Walseer Spitales in Ottensheim zusammen-
hängt, die Tor 1416 durch Reinprecht U. oder dessen Brttder sicher-
gestellt ist; Tgl. Grillnberger, Das Walseer Spital in Ottensheim. Archiv
für Gesch. der DiOzese Linz I, 46.
' Orig. Linzer Musealarohiy.
' Bei Neuhofen im Kremstale.
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330
An kleineren Ankäufen dieser Jahre erwähnen wir jene
eines Hauses zu Linz 1387^^ eines Hauses zu Wels* 1392 und
1393 von Bürgern daselbst, des Sitzes zu Au bei GaUneu-
kirchen, den Konrad Walich 1386' an Reinprecht IE. versetzte,
eines Hofes zu Varichberg an der Trattnach nächst seiner
Feste Tratteneck* und schließlich 1393* des Bauhofes in der
Pfarre Steinbach am Ziehberge, sowie 1400* des Hofes zu Buch-
egg, Pfarre Viechtwang, beide wabeeische Lehen in der Herr-
schaft Scharnstein. Die Mittel zu diesen "Käufen ließen sich
umso leichter beschaffen, als Reinprechts H. Gattin Katharina
eine bedeutende Erbschaft ,von ihrer Anfrau mueterhalben,
Herrn Ulrichs Hausfrau von Liechtenstein-Murau* zufiel, 600Äf.Ä,
die sie ihrem Gemahle 1393 September 22' zu Wien ver-
schrieb.
In den Jahren 1395 — 1397 erhielt Reinprecht H. auch
von Herzog Albrecht die Pflege der Grenzfeste Starhemberg*
am Hausruck. Aus dem konfiszierten Liechtensteinischen Be-
sitze verlieh ihm der Herzog 1397 Jänner 6* als Leibgedinge
die Feste Spielberg, die nach dem Tode Reinprechts L, dessen
Leibgedinge sie gewesen, an den Herzog zurückgefallen war;
sie findet sich indes bereits 1400 wieder in fremdem Besitze.
Weiter verpftlndeten ihm die Herzoge Albrecht und Wilhelm
um 2000 «r^ 1398 Mai lO^« die Feste Pernstein mit allem
Zugehör und dem Gerichte auf dem Mos, wie es der Liechten-
steiner immer gehabt.
In Niederösterreich hat Reinprecht H. lediglich 1384** von
seiner Muhme einen Zehent zu Rossaz in der Wachau sowie
um 1390 von seinem Bruder Friedrich V. die Feste Rauhen-
eck erkauft, welche ihm Herzog Albrecht dann 1398** als Leib-
gedinge verlieh.
^ Urk. 1387 April 24; Orig. Linser Muftealarchiv.
* Urkk. 1392 Hai U, 1393 Oktober 14; Orig. ebenda.
» Urk. 1386 Januar 1; Orig. StAEferding.
* Urk. 1389 November 30; Orig. HHStA.
» Urk. 1393 November 26; Orig. HHStA.
* Urk. 1400 Januar 21; ebenda. ' NB. I, 876.
* Urk. 1366 Angnst 28; UBoE. YHI, 238 ist aus einwandfreien Gründen
(HoflLmter!) mit 1895—1397, also wohl 1896 zu datieren, nicht 1883,
wie sie WSt. 699 ansetst.
* Kop. Linzer Musealarchiv. " LB. V, r. 228.
" Urk. 1384 November 13; NB. IV, 691. " Inventar, f. 43.
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331
Spät erst fahrte Friedrich V. von WalseeEns, der jüngste
der drei Brüder, seine Hausfrau Anna, eine Tochter Friedrichs
von Winkel, heim. Wir erfahren von ihr zum erstenmale 1384,^
als sie von ihrem Großvater Hans dem Tursen von Rauheneck
die Festen Asparn an der Zaia' und Rauheneck bei Baden,
herzogliche Lehen, ererbte und ihrem Gemahle zubrachte;*
dieser erwarb 1384 durch Kauf Güter zu Haberstorf* und im
folgenden Jahre Gülten und Holden zu Dürrenschletz hinzu.*
Dieses namhafte Erbe wußte Friedrich V. gegen seine Schwäger
dadurch leichter zu behaupten, daß er alsbald Asparn an seinen
Bruder Rudolf I., Rauheneck an Reinprecht H. kaufweise ab-
trat.* 1389 begab sich Alber von Ottenstein seiner Ansprüche
darauf zugunsten Friedrichs V. und seiner Gattin^ und schließ-
lich verzichteten 1395® auch Heinrich und Hans die Pemer
sowie 1397* Weikhart von Polheim gegen eine Summe von
400 it^ auf beide Schlösser.
Wegen der Nähe von Aspam war die Erwerbung der
benachbarten Feste Straneck sehr gelegen, welche Fried-
rich V. um 3000 Äf/Ä von seinem Vetter Georg von Walsee-
Linz erkaufte, ^^ der sich jedoch das Rückkaufsrecht daran
sicherte. Seiner zweiten Gattin Ita von Weinsberg widerlegte
Friedrich V. 1395^^ ihre Heimsteuer von 4000 ung. Goldgulden
und verpfändete ihr dafür Straneck samt Zugehör mit 220 Äf /Ä
Gülten im Dorfe Straneck, dem Markte Stronsdorf, den Dörfern
Wulzeshofen und Reintal, wie er es alles von Georg von Wal-
see-Linz erkauft hatte.
Damit sind jedoch Friedrichs V. Erwerbungen weitaus
nicht erschöpft.
Das Passauer Domkapitel überließ ihm und seiner Gattin
am Sonnwendtage 1389" die Stadt St. Polten mit dem Stadt-
* Urk. 1384 Juni 10; NB. IV, 691. » Bei Mistelbach.
» Vgl. Urk. 1385 Juni 6; NB. IV, 692.
* Urk. 1884 Dezember 21; ebenda.
» Urk. 1388 Februar 6 (richtig); ebenda 698. « Vgl. S. 328.
^ Urk. 1389 September 26; NB. I, 378.
» Urk. 1396 April 6; LB. IV, r. 2474.
* Urk. 1397 März 24; Orig. StAEferdiug.
" Vgl. den Revers 1890 MSrz 26; NB. IV, 601.
" Urk.1895 Juli 13; Orig. HHStA. und Urk. 1396 September 14; Orig. ebenda.
>* Regesta Boica X, 243.
ArdÜT. XCT. Band. H. Hftlfte. 23
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332
gerichte um 4000 €tj^ gegen Wiederkauf. Von seinem ältesten
Bruder übernahm Friedrich V. außerdem die Grafschaft Peil-
stein, in deren Alleinbesitz er sich 1390 und weiterhin findet;
1398* erkaufte er daselbst ein Inwerteigen zu Apholtespach, in
der Pfarre St. Leonhard im Forst gelegen. Herzog Albrecht
verlieh ihm und seinen Brüdern 1397 Oktober 19* seinen
Satz^ die Feste Freienstein^ als Leibgedinge. Schließlich
kaufte er 1399 Juli 5* vom Bischof Georg von Passau die
Güter und Zehente zu Wieselburg, welche Stephan von Zel-
kings Wittib innegehabt hatte.
Mit Vorliebe hauste Friedrich V. in jenen Jahren auf
seiner in der Nähe von Seuseneck gelegenen Feste Korns-
pach (jetzt Karlsbach, bei Amstetten), einem herzoglichen
Lehen, das sein Bruder Rudolf I. bereits 1376* von Friedrich
von Graben erkauft und dann an Friedrich V. überlassen hatte,
der sie 1390 vom Herzoge zu Lehen erhielt.* Der Marienkapelle
zu Komspach stiftete Friedrich V. im gleichen Jahre ^ einen Ka-
plan mit mehreren Gütern, auf deren Eigenschaft Herzog Albrecht
bereits 1389^ verzichtet hatte. Seiner Gattin Ita verschrieb Fried-
rich V. 1395® neuerdings 4000 Goldgulden als Morgengabe, dazu
4000 Goldgulden zu ihrer freien Verfügung, 50Ä(.Ä Gülten auf
Komspach und in der Pfarre St. Martin gelegen. Diese Verschrei-
bung wurde 1396* noch von Herzog Wilhelm bestätigt. Um 1399
hielt sich Friedrich V. dauernd auf Komspach auf und scheint
dort an schwerer Krankheit damiedergelegen zu sein. Da
seine Gattin bald nach 1396 gestorben war, hatte er sich be-
reits in den nächsten Jahren mit Dorothea von Starhemberg
zum drittenmale vermählt. In seinem letzten Willen, 1399
Juni 23 zu Komspach ^^ abgefaßt, bedachte er sie mit 400 A/i^
und der fahrenden Habe, traf Bestimmungen ftir sein Leichen-
* WSt. 696. » LB. V, r. 193. » Zeitschrift ^dler* H, 188.
^ Inventar, f. 6'; nicht von der steirischen Familie gleichen Namens,
sondern von jener im VOWW., den Dienstmannen der Peilsteiner, den
jHerren im Forste* zagehörig.
» Inventar, f. 4'. • ürk. 1390 März 4; Orig. StAEferding.
' ürk. 1389 Septemher 16; LB. IV, r. 2180.
8 ürk. 1396 September 14 ; Orig. HHStA.
* ürk. 1396 März 12; WSt. 696. Irrig Karichperg (!) statt des sichern
Komspach.
^« NB. I, 376; vgl. die Genealogie.
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333
begängnis und vermachte dem Kloster Sensenstein eine Summe
von IbOÜ^ fUr die im Chore zu Säusenstein von ihm gestif-
teten Glasmalereien.
Diese letzten Erwerbungen Friedrichs V. in der unteren
Ipsgegend, im Erlaf- und Traisengebiete gelegen, stehen oflFen-
bar in völliger Übereinstimmung mit den Absichten, die sich
in der gleichzeitigen Güterpolitik Rudolfs I. offenbaren.
Alle diese bedeutenden Vermehrungen ihres Besitzstandes
wurden jedoch durch vier große Erbschaften noch weit über-
troffen, welche den drei Brüdern in rascher Folge in den Jahren
1398—1400 zufielen.
Von ihrem 1398 verstorbenen Vetter Heinrich IV. von
Walsee-Ens erbten die Brüder,* zu deren Gunsten Ulrich von
Meissau 1399* auf jeden Erbanspruch verzichtete, dessen Pfand-
schaften im Attergau, Frankenburg, Attersee und Puch-
heim, Heinrichs Anteile an dem Satze Wachsenberg und
den Lehen davon sowie* den Markt Leon fei den, in Ober-
österreich ferner die Herrschaft Ort und das an die Ponhalme
ausgetane Lehen Marbach,* in Niederösterreich die Herr-
schaften Gleuß, Purgstall* und Sinibelkirchen.
Zu Purgstall erkaufte Friedrich V. dann 1399* noch von
Hans dem Häusler dessen Anteile an dieser Feste und dem
gleichnamigen Markte sowie 1400^ von Christoph dem Laun
ein freies Eigen und 1403* von Jörg dem Hager dessen Hof
auf dem Steinfeld, ein Lehen des Bistums Regensburg, beides
in der Pfarre Purgstall gelegen.
Das Jahr 1399 brachte den Anfall des ganzen tibeini-
schen Erbes: die beiden unmündigen Söhne Haugs VI. waren,
zuerst Reinprecht und endlich 1399 Hang VH. gestorben und
damit der Mannsstamm der Tibeiner erloschen. Infolge seiner
Verwandtschaft erhielt Rudolf I. von Walsee-Ens 1399 Ok-
tober 10* die erbetene Belehnung mit dem nun erledigten
Wappen der Tibeiner.
« Vgl. S. 344. « Urk. 1399 März 3; Orig. StAEferding.
» Vgl. Urk. 1399 August 9; Orig. HHStA.
* Vgl. Inventar, f. 22'. » Vgl. S. 343.
* Urk. 1397 Juli 17; WSt. 596.
* Urk. 1400 Juni 11; Orig. StAEferding.
* Urk. 1403 Juni 1; ebenda.
* LB. V, r. 354.
23*
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334
Der ganze weit ausgebreitete Besitz derselben fiel jetzt
den drei Brüdern von Wakee-Ens zu; Ansprüche Heinrichs von
Wildhausen auf das Erbe wurden abgewiesen. Dieser große
Güterkomplex bestand aus den Hauptherrschaften Tibein
(Duino); Lehen von dem Patriarchen von Aquileja mit dem
neueU; erst von den letzten Tibeinem erbauten Schlosse Seno-
setsch,^ Prem, Quteneck* und Marenfels (jetzt Lupoglava)
auf dem Karste^ den Lehen des Bischofs von Pola: Castua,
Moschenizza, Veprinaz (sämtlich am Quarnero) und St Veit
am Pflaumb (Fiume), mit welchen Rudolf I. und seine Brüder
1400 belehnt wurden,' der großen Pfandschaft Mitterburg
mit dem habsburgischen Istrien, den Sätzen Görtschach*
und Neuburg auf dem Kanker^ in Ober-Krain, den Pfand-
schaften Windischgraz und Mahrenberg sowie dem herzog-
lichen Lehen (Ober-)Marburg^ in der Steiermark und dem
Satze auf Bleib urg^ in Kärnten — alles in allem ein mäch-
tiger Besitz, der stattlichste und bedeutendste unter dem ganzen
Adel auf dem habsburgischen Gebiete an der Adria.
Der Übergang des Tibeiner Erbes in sichere Hände lag
gar sehr im Interesse der Habsburger. Es war einer der
wichtigsten Dienste, welche die Walseer ihnen leisteten:
Kamen diese Gebiete, deren Lehensrührigkeit von den Kirchen
von Aquileja und Pola bereits stark in den Hintergrund ge-
treten und deren Zugehörigkeit selbst zum Deutschen Reiche
hinsichtlich der Polaner Lehen mindestens fraglich war, jetzt
in Hände, die sich etwa den Görzem oder gar den Venezianern
gefügig zeigten, so war die Verbindung Triests mit Krain ab-
geschnitten, den Habsburgern das Hinterland von Triest ver-
sperrt und diese Stadt dann nicht zu halten. Alle die Versuche
der Habsburger, an der Adria festen Fuß zu fassen, konnten
dann vorderhand schwerlich von Erfolg sein; bei der Expansiv-
^ Von Senosetsch allein steht die Lehensrührigkeit von Aquileja nicht
sicher fest.
' Beim Bekaorapronge. ' Pichler, II castello dl Doino 233.
* Zwischen Elrainborg and Laibach.
^ Nordostlich von Krainbnrg.
^ Herzogliche Lehenherrschaft, welche die Scherfenberger innehatten und
1386 an die Tibeiner verpfändeten.
* Nach dem Inventar f. 24 scheint dieser Sata gleichfalls an die Walseer
übergegangen sn sein.
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335
krafty welche die Venezianer am Beginne des 15. Jahrhunderts
entwickelten, waren sie vielleicht auf lange Zeit hinausge-
schoben.
Nun wurde auch im kommenden Jahre 1400 durch das
Aussterben der Linie Walsee-Drosendorf mit Ulrich IV.
und der Linie Walsee-Linz, die spätestens Mitte 1401 mit
Georg von Walsee-Linz erlosch, der ganze, seit der Einwan-
derung des Hauses nach Osterreich geteilte Besitz der Wai-
se er in den Händen der drei Sprossen aus der Enser Linie
vereinigt, die jetzt allein noch am Leben waren.
Von Ulrich IV. fielen den Brüdern die Festen Nieder-
Walsee mit Sumerau und Sindelburg, Merkenstein samt
Zugehör, die herzoglichen Lehen Sinibelkirchen, Ebreichs-
dorf und Hoheneck, alle Mannschaft enthalb der Donau,
der herzogliche Satz Wachseneck und die Stadt St. Polten,
Pfandschaft vom Bistume Passau, sowie schließlich alle Qülten
von den Amtleuten anheim; außerdem erhielten sie Anwart-
schaft auf die Festen Enzesfeld, Gleichenberg und Weinburg,
welche Bernhard von Pettau erbte.
Binnen Jahresfrist kam dazu noch das Erbe Georgs
von Walsee-Linz:^ Ober-Walsee und Freudenstein,
Tratteneck mit dem an die Geuman verlehnten Gallspach
und der Vogtei zu Neumarkt, die Pfandschaft Seusenburg
mit der Vogtei zu Wels — sämtlich in Oberösterreich gelegen
— femer Senftenberg mit Zebing und Draß sowie die
Herrschaft Guntersdorf in Niederösterreich und einige kleinere
Güter.
Durch diese vier Erbschaften, welche in der kurzen
Frist von drei Jahren den gesamten Besitz der Walseer und
das große Erbe der Tibeiner an Rudolf I., Reinprecht H. und
Friedrich V. von Walsee-Ens brachten, verfügten diese über
einen enormen Güterreichtum. In Verbindung mit ihren Hof-
ämtem und dem weitgehenden Einflüsse bei den Habsburgern
wurden sie dadurch zu einer Machtflille emporgehoben, wie sie
schlechterdings kein einziges der großen Adelsgeschlechter in
den österreichischen Ländern am Beginne des 15. Jahrhunderts
besaß. Eine glänzende Zukunft war dem Hause umsomehr ge-
sichert, als die drei Männer, die es damals vertraten, auch zu
» Vgl. 8. 296.
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336
den bedeutendsten Persönlichkeiten unter ihren Standes- und
Zeitgenossen zählten.
4. Dar Zweig Ton Ort und Sumerau: Friedrioht IL Sohne Fried-
rich VI. (t 1372), Wolfgang HI. und Heinrich YL (f 1398).
Es war eine zahlreiche Nachkommenschaft, welche der
1355 verstorbene Friedrich IE. von Walsee-Ens seiner Witwe
Kunigund hinterließ:* die drei bereits gevogten Söhne Fried-
rich VI., Wolfgang in. und Heinrich VL, von welchen der mitt-
lere bald nach 1357 als junger Kleriker verstarb, der bereits die
Pfarrpfrlinden von Ort und Riegersburg innegehabt hatte,* und
vier Töchter, von denen zwei beim Tode ihres Vaters schon ver-
mählt waren. Auf ein Jahrzehnt hinaus ist es wenig, was wir
über diesen Zweig des Hauses erfahren: die beiden Söhne wuchsen
zu tüchtigen Männern heran; nach wenigen Jahren verließen
die beiden jüngeren Töchter gleichfalls das Elternhaus und ver-
heirateten sich, Elsbeth um 1360 mit Konrad von Meissau,
Ursula bald nach 1361 mit Gundaker von Polheim.*
Jedenfalls hat Friedrich VI. alsbald besondere Fähigkeiten
an den Tag gelegt, ohne daß wir darüber näheres erfahren.
Im Jahre 1367 * vertraute ihm dann Herzog Albrecht das ver-
antwortungsvolle Amt des niederösterreichischen Land mar*
Schalls an. Er versah dasselbe offenbar bis an sein Lebens-
ende, welches bereits 1372 Dezember 11 erfolgte.*
Seine Gattin findet sich nirgends genannt; eine vage Ver-
mutung deutet darauf hin, sie sei eine Meissauerin gewesen.
Das einzige Kind Friedrichs VI., seine Tochter Afra, wurde
nachmals mit dem 1395 verstorbenen Hertneid von Liechten-
stein-Nikolsburg vermählt. Sie überlebte auch ihren zweiten
Gatten, Alber Stuchsen von Trautmannsdorf, der 1406 das Zeit-
liche segnete, und starb hochbetagt 1439 zu Wien, wo sie in
der Kirche Maria am Gestade begraben liegt. ^
Wenige Jahre nach dem Tode seines Bruders treffen wir
Heinrich VI. an leitender Stelle in Oberösterreich: Seine Hand
war vom Herzog Albrecht III. dazu ausersehen, dort jenes
Netz um die reichsunmittelbaren Grafen von Schaunberg zu-
sammenzuziehen, dessen Maschen mit sorglicher Hand in den
* Vgl. die Genealogie.
' Vgl. Lang, Mouumenta Salzburgo-Aquileiensia II, 430—431, 490 und 726.
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337
Tagen der Herzoge Albrecht 11. und Rudolf IV. unter Mitwir-
kung des Hauses Walsee geknüpft worden waren. ^
In der Fasten 1373 war Graf Ulricli von Schaunberg, der
Nachfolger Eberhards V. von Walsee-Linz in der Hauptmann-
schaft ob der Ens, gestorben, ein aufrichtiger Freund der
Habsburger.' Als dieselben nun dieses wichtige Amt an die
Walseer zurückkommen ließen und es 1374 Heinrich VI. von
Walsee-Ens * übergaben, sah sich dadurch der Bruder des Ver-
storbenen, Graf Heinrich von Schaunberg, ein eifriger Verfechter
der Rechte seines Hauses, enttäuscht imd die Beziehungen des
Schaunbergers zu den Habsburgem und ihrem neuen Haupt-
manne wurden alsbald äußerst gespannte. Dazu geriet Hein-
rich VI. von Walsee-Ens damals in Mißhelligkeiten mit salz-
burgischen AdeUgen, wie Hartwig von Degenhart und dessen
Vetter Stephan Altmann,* denen sich auch Erzbischof Piligrim
von Salzburg anschloß. Durch die wachsende Entfremdung
zwischen den Herzogen Albrecht und Leopold ergab es sich,
daß alle diese gegnerischen Kräfte und mit ihnen auch die
Schaunberger nun bei Herzog Leopold Anlehnung suchten und
auch fanden.*
Immer mehr reiften die Dinge zur Entscheidung heran.
Nach allen Seiten hin war Heinrich VI. im Interesse des Her-
zogs gegen den Grafen tätig. Ende 1375 weilte er mit seinem
Vetter Rudolf I. in Schwaben; in ihrem Beisein wurde dort
auf der einstigen Stammburg des Hauses Walsee das Überein-
kommen von 1376 Januar 6^ zwischen den Herzogen Albrecht
und Leopold abgeschlossen. Ebenso war Heinrich VI. auf dem
Tage von Passau, 1376 August 28^ an den Verhandlungen be-
teiUgt, durch die sich Herzog Albrecht HI. der Herzoge von
Baiem versicherte. Vergebens suchte der Schaunberger sich
durch ein Bündnis mit Salzburg zu decken und angesichts der
Verstimmung zwischen den Herzogen Albrecht IH. und Leo-
pold lU. den letzteren zu gewinnen.
» Vgl. S. 276 und 286.
« Vgl. Stmadt, Peuerbach, JBMFC. XXVII, 391 flf.
' Urknndet als solcher seit 1374 Dezember 12, MonomenU Zollerana VI,
301,
* Vgl ürk. 1374; LB. IV, undat. Reg., r. 4.
* Vgl. LB. IV, r. 1182.
* Knrz, Österreich unter Albrecht III., Bd. I, 270. * Ebenda 276.
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338
Überdies war in den letzten Jahrzehnten die Isolierong
des Schaunberger Ländchens immer mehr vorgeschritten: von
walseeischem Besitze verengten nördlich der Donau das neu-
erbaute Schloß Ober-Wabee (der Linie Walsee-Linz gehörig),
das mit seinem hohen Wartturme zur Beobachtung des gegen-
überliegenden schaunbergischen Gebietes wie geschaflFen war,
und das von den Walseem zu Ens erkaufte Roteneck, im
Trattnachtale die von der Linie Walsee-Linz erworbene Vogtei
über Neumarkt und die an die Qeuman verlehnte Feste Galls-
pach den Elreis, ^ den man unter Herzog Albrecht II. um das
Gebiet der Schaunberger gezogen hatte. Schließlich kamen
1379* von den Cilliern die Festen Frankenburg und Attersee,
deren Vogtei schaunbergisch war, als herzoglicher Satz an
Heinrich VI., der damit nun auch den Schaunberger Besitz im
Attergau bedrohte. So hatte Heinrich VI. allenthalben seine
Hand im Spiele bei dem Bestreben der Habsburger, schaun-
bergische Lehen an sich zu bringen.' Am empfindUchsten
aber traf er den Grafen damit, daß er die Treue seiner Vasallen
wankend machte und schließlich im Herbste 1379^ den größten
Teil -seiner Mannen zum offenen Abfall brachte.
Nachdem die gegenseitige Erbitterung bereits so weit ge-
stiegen war, daß ein Teil die Überläufer des anderen in seine
Dienste nahm,^ gab endlich ein Streit zwischen dem Haupt-
manne und dem Grafen, aus uns unbekannten Ursachen entsprun-
gen, den willkommenen Anlaß loszuschlagen. Weder Baiem
noch Salzburg stand dem Grafen bei, Herzog Leopold war ihm
durch die Länderteilung von 1379 entrtlckt und selbst vom
verschwägerten Hochadel fand er nur bei den Rosenbergem
dadurch Unterstützung, daß er sie durch die Übergabe von
Eferding an sich band.* Vergeblich ging Graf Heinrich selbst
auf das Ansinnen Heinrichs VI. von Walsee-Ens ein, den Streit
durch Herzog Leopold entscheiden zu lassen. Wir erfahren
nichts von einem Schiedssprüche des Herzogs, jedenfalls aber
hatte Herzog Albrecht dadurch Zeit zur Vollendung seiner
Rüstungen gewonnen.
* Vgl. Stmmdt, «. «. O. 393. • Ebenda u. WSt. 694.
» Vgl. Urk. 1375 November 1; UBoE. Vm, 783.
* Urk. 1379 Oktober 16; Denkschriften der Wiener Akademie derWisien-
Schäften XII, r. 623.
» Vgl. Stmadt, a. a. O. 398. • Ebenda 399.
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339
Noch vor dem Ausbruch des Kampfes ward aber Hein-
rich VL in der Hauptmannschaft ob der Ens durch seinen
Vetter Reinprecht 11. von Walsee-Ens ersetzt, sei es nun, daß
eine Krankheit diese Änderung wünschenswert machte oder
daß Heinrichs VI. persönlicher Streit mit dem Grafen die Ur-
sache derselben war.^
Nach der Schaunberger Fehde tritt Heinrich VI. nicht
mehr bedeutend hervor. Um 1385 war er Hauptmann zu Wiener-
Neustadt, später Rat der Herzoge Albrecht IH., Leopold IV.
und Wilhelm.* Heinrichs Ehe mit Anna von Hohenberg, die
als Kind seinem Vetter Rudolf I. von Walsee-Ens versprochen
war, blieb kinderlos; Anna war 1381 bereits tot. Als letzter
seines Zweiges hat Heinrich VI. sein Leben 1398 September 13
beschlossen.
Auch dieser Zweig des Hauses Walsee hat eine äußerst
glückliche wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Als Friedrich IL
1355 starb, erbten die drei Söhne den uns von der letzten Tei-
lung her bekannten väterlichen Besitz. ^ Bis zur Erfüllung der
letztwilligen Anordnungen ihres Vaters überantworteten sie ihrem
Oheim Reinprecht I. die Herrschaft Ort/ die indes bald an die
Brüder zurückkam, welche 1360^ dazu einen passauisch Lehen-
zehent zu Herrenröch^ erkauften. Als ältestem der Brüder
ward Friedrich VL 1357^ vom Herzog Albrecht sein Satz, die
Feste Freienstein,^ auf seine und seiner Brüder Lebenszeit
verliehen und Herzog Rudolf IV. übergab ihm 1361 ® auch die
Vogtei über Güter des bairischen Klosters Wetten*^ zu Eis-
domach. ^*
Bald darauf ahmten auch Friedrich VI. und Heinrich VI.
das Beispiel ihrer Vettern nach und nahmen 1361 August 3,^^
gleichfalls eine Teilung ihres Besitzes vor. Darnach fielen an
Friedrich VI. fast ausschließlich niederösterreichische Güter: die
* Vgl. S. 311 ff. « Vgl. die Genealogie. • Vgl. S. 306.
* Urk. 1365 Oktober 27; UBoE. VII, 424.
'^ Urk. 1360 September 18; ebenda 723.
* Pfarre Wimsbach bei Gmnnden.
' 1867 Oktober 19; WSt. 576.
* An der Donau, gegenüber St. Nikola im Stmden ; vgl. S. 289.
* Urk. 1361 Mai 7; Monumenta Boica XI, 404.
^^ östlich Yon Regensburg.
^^ Bei Seoseneck; vgl. S. 299.
" Urk. 1361 August 3; UBoE. Vlfl, 41.
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340
Festen Hartenstein und Sumerau samt allem ZugehOr, die
Güter in und um Freistadt, die Gtlter von dem Keikestorfer
(nördlich von St. Polten), der Weingarten zu Spitz, der Zehent
zu Rossaz, Güter um Wien, zu Strupfing und S^Atzleinsdorf
(bei Feldsberg), der Hof zu Hirschstetten (am Marchfelde,
VUMB.) und das Gut zu Nußdorf, die Güter, die von den
Liechtensteinern herkamen, zu Siebenbrunn, Reisenberg, Brück
und Quntersdorf, die Gülten von Piburg (bei St. Valentin, öst-
lich von Ens), nach Sumerau und jene um Weitra nach Mühl-
bach gehörig.
Heinrich VI. erhielt die Feste Ort mit dem Landgerichte
und dem Zehente zu Laakirchen (nördlich von Gmunden), den
Hof zu Gastäig (bei Manning am Hausruck) und die Hube zu
Straß, die halbe Feste Mühlbach, Güter um Ens, die von dem
Wolfsteiner erworbenen Güter zu Ensdorf, Zehente zu Piburg
und Windpassing (bei St Valentin), ein Bergrecht zu Kloster-
neuburg, das Mauthaus zu Mauthausen, löü -^ Burgrecht zu
Stolhenberg (nördlich von Mauthausen) und den Anteil an dem
Hofe zu Gumpolting (Pfarre Kirchberg bei Web). Ebenso
wurde auch das wertvolle Silbergeschirr geteilt. Gemeinsam
blieben die Lehen von Mühlbach, Hartenstein und Ort, die
Häuser zu Wien und Kxems sowie Weingärten zu Wien, Krems
und in der Wachau — und wohl auch der in der Teilungsurkunde
nicht erwähnte Anteil am Satze Wachsenberg mit Leonfelden.
Ein stattlicher Besitz! — und doch nur der des einen
Zweiges der Enser Linie; viele kleinere Güter, von denen wir
wenig erfahren mögen, vervollständigen das Bild des Wohl-
standes, über den das reiche Haus gebot.
Bald nach dieser Teilung kamen die Brüder auch in den
Mitbesitz der steirischen Herrschaft Riegersburg aus dem Erbe
der Linie Walsee-Graz.* Wir kennen die Verdienste und per-
sönlichen Beziehungen nicht, welche Friedrich VI. geltend
machen konnte. Tatsache ist, daß er im Einverständnis mit
dem Herzog bald nach der Teilung von 1361 zum Bau einer
neuen Feste schritt, welche den Namen seines Hauses ver-
» Vgl. 8. 323.
* Eine Urkunde darüber, wie sie für Ober-Walsee erhalten blieb, ist nicht
vorhanden und schon im Nieder- Walseer Archivsyerzeichnisse Yon 1545
nicht angeführt. AufiTällig ist, daß in der Urk. 1364 Oktober 30 (vgl.
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341
ewigen sollte^ wie Schloß (Ober-) Walsee, das sein Vetter Eber-
hard von Walsee-Linz gleichzeitig aufführte.'
In der Nähe des verfallenden Sumerau erhob sich an einer
vorspringenden Steile des rechten Donauufers das neue (Nieder-)
Walsee, wahrscheinlich auf älteren Fundamenten. Um sie zu
heben, verlieh Herzog Rudolf IV. der jungen damit verbun-
denen Siedlung 1362^ bereits einen Wochenmarkt und bestätigte
der Kirche von Sindelburg, wohin (Nieder-)Walsee eingepfarrt,
ihre Meßstiftung.* So war der Ort bereits mit Marktrechten
versehen; 1368 September 18* gestatteten die Herzoge den
Bürgern, auf Friedrichs VI. von Walsee-Ens Lebenszeit wö-
chentlich fünf Wagen Eisen von Waidhofen gen Wakee zu
führen und auch andere Freiheiten der Städte ob der Ens zu
genießen. Scheel mußten die Städte auf die neue Gründung
sehen; die Bestrebungen der Walseer, ihre untertänigen Märkte,
so Aspam und Leonfelden zu heben, zogen notwendig die
Gegnerschaft der Städte nach sich, die davon mannigfachen
Nachteil hatten.
Sonst hören wir wenig über Friedrichs VI. Besitz. Vom
Bischof Paul von Freising erhielt er 1362* alle von Ortlein dem
Volkenstorfer freigewordenen Lehen. 1367^ hat er das aus
seinem väterUchen Erbe stammende Haus zu Wien an Wolfgang
von Wieden verkauft.
Als er 1372 starb, kam eine Anzahl kleinerer Güter durch
seine einzige Tochter Afra schließlich an die Liechtensteiner,
Schloß Hartenstein an die Meissauer, Nieder-Walsee mit
Sumerau und Sindelburg aber an den Bruder des Verstor-
benen, Heinrich VI., der nun darauf seinen Wohnsitz nahm.
Unbedeutend war das Erbe, das Heinrich VI. 1368* von
seiner Schwester Agnes, Witwe Johanns von Kuenring-Seefeld,
S. 288) des Baaes yon (Nieder-)Wal8ee gar nicht gedacht wird. Derselbe
hat also wohl erst kurz darauf begonnen.
^ Inyentar, f. 83; vielleicht ist die Jahreszahl des Archivsyerzeichnisses
ungenau.
' Ebenda.
* Ebenda, ergänzt durch: Stadl, Ehrenspiegel des Herzogtums Steiermark ;
StLA. Hs. 28, ra, 319.
* Urk. 1362 April 4; PEA. XXXVI, 338.
» Urk. 1367 Juni 15; UBoE. VIU, 323.
* Vgl. das Testament 1368 Mai 31; Friess, Die Herren von Kuenring,
r. 811.
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342
zufiel: ein Haus zu Ens und ihre vom Bischof von Passan und
den Nonnen von Erlakloster lehnbaren Zehente.
Um die Güter seiner verstorbenen Gattin Anna hatte Hein-
rieh VI. mit Reinprecht von Haslau, Hans von Königsberg und
Otto von Topel einen Streit auszutragen^ der 1381* durch
Herzog Albrecht geschlichtet wurde. Noch im gleichen Jahre
erhielt Heinrich VI. die Belehnung mit den von seiner Gattin
herrührenden Passauer Lehen.' Die zu Schönau (an der
Triesting) gehörenden Lehengüter, welche der Eönigsberger
Heinrich VI. streitig gemacht hatte, wurden letzterem erst 1388
auf Befehl des Herzogs eingeräumt.'
Meist durch Kauf hat Heinrich VI. eine ganze Reihe an-
sehnlicher Güter an sich gebracht.
Ein Teil derselben lag im Lande ob der Ens und ihre
Erwerbung war mit Heinrichs VI. Tätigkeit in der Schaum-
bergerfehde verknüpft. Angesichts des belagerten Schaumberg
wurde Heinrich VI. 1380 September 8* vom Herzog Albrecht
die wohl von den Landenbergem erkaufte* Feste Stein ver-
lieheU; nördlich seiner Pfandschaft Leonfelden auf nun böhmi-
schem Boden gelegen. 1381 September 2* verlieh ihm der
Herzog auch Feste und Dorf Puchheim (bei Vöcklabruck,
Oberösterreich), die Heinrich VI. von der Witwe und dem
Sohne des berühmten Jans von Traun um 2555^^ gelöst
hatte — ein willkommener Zuwachs zu seinem neuen Besitz
im Attergau, den Pfandschaften Frankenburg und Attersee,
der wir bereits' gedachten.
Andere Ankäufe Heinrichs VI. lagen in Niederösterreich,
zwischen der Ens und dem Wienerwalde, und schlössen sich an
den dortigen großen walseeischen Besitz an. Dort brachte er die
Herrschaft Gleuß (ein Passauer Lehen, nordöstlich Waidhofen an
der Ips) an sich, zu der er 1372® von Stephan dem Haesib Güter
bei Piberbach, passauischen Besitz, erwarb, überdies erkaufte
Heinrich VI. von Jörg dem Häusler die halbe Feste Purgstall*
* Urk. 1381 Juni 6; LB. IV, r. 1591.
« Urk. 1381 November 10; NB. IV, 664.
» Urk. 1388 März 2; LB. IV, r. 2126.
* Strnadt, ä. a. O. 400. * Vgl. Inventar, f. 63.
« HHStA. Kod. Suppl. 407, f. 109'. * S. 338.
* Urk. 1372 Mal 1; UBoE. VIH, 590.
' An der Erlaf, nördlich von Scheibbs.
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343
nebst dem Anteile an dem Markte und mehreren bischöflich
passauischen und regensburgischen Lehen um 1970^^ und
erhielt 1374 August 17* vom Herzog die Belehnung dar-
über, welcher Handel nachträglich oder nochmals 1375* ver-
brieft wurde. Später brachte Heinrich VI. dann die Feste
Sinibelkirchen (bei Kirchberg a. d. Pielach, VOWW.) als
freies Eigen von Peter von Losenstein 1388' an sich. Außer-
dem überwies ihm Bischof Qeorg von Passau 1394^ die Ein-
künfte passauischer Güter in den Ämtern Traismauer und
St. Polten auf vier Jahre.
Ln Jahre 1377^ taucht die Feste Liechtenstein bei
Mödliug als in Heinrichs VI. Besitz befindlich auf. Ob der-
selbe den Markt Groß-GerungS; über dessen Preis er sich mit
Alber von Volkenstorf 1394 März 30* einigte, wirklich er-
worben hat, wissen wir nicht. Beide Besitzungen geraten in
der Folge außer Sicht.
In seinen letzten Lebensjahren wandte Heinrich VI. sein
Augenmerk wieder obderensischen Gütern zu. Durch den
Kauf ansehnlicher Güter in der Viechtau vergrößerte er 1394^
seine Herrschaft Ort. Dann gingen aus dem Besitze des ge-
stürzten Liechtensteiners die Herrschaften Ebelsberg bei Linz
und Ried eck bei Gallneukirchen 1396* an ihn über, wozu
Herzog Albrecht seine landesherrliche Genehmigung gab.' Im
gleichen Jahre *^ wurde ihm auch der Besitz zu Hütting und
beim Urfahr zu Unter- Walsee, herzoglicher Lehen, zur Herr-
schaft Freistadt gehörig, durch Herzog Albrecht bestätigt. Noch
in Heinrichs VI. Todesjahre gestattete ihm der Herzog, ^^ die
Feste Marbach bei Mauthausen, die er samt dem lürchen-
lehen als herzogliches Lehen innehatte, weiter zu verleihen;
sie wurde bald darauf an die Ponhalm ausgetan. ^* Schließlich
erhielt Heinrich VI. mit seinem Vetter Reinprecht H. 1398
* ÜBoE. Vm, 716. » Urk. 1375 Januar U; ÜBoE. Vm, 734.
» Urk. 1388 März 19; NB. IV, 598.
* Urk. 1394 Juni 29; MonamenU Boica XXX S 438.
* Urk. 1377 Juni 29; Winter, österr. Weistümer I, 671.
* Wirmsberger, Di© Dynasten von Volkenstorf, r. 238.
' Inventar, f. 59.
» Urk. 1896 Juni 17; Orig. HHStA.
* Urk. 1396 November 14; HHStA. Kod. 16, f. 29.
*® Urk. 1396 November 14; ebenda.
" WSt 594. « Vgl. S. 833.
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344
Mai 25 ^ vom Herzoge die Lehen der Herrschaft Wach-
senberg.
In der Steiermark wurde ihm gleichfalls 1398* in Gemein-
schaft mit seinem Vetter Ulrich IV. von Walsee -Drosendorf
durch Herzog Wilhelm die Feste Wachseneck um 700OÄf>Ä
auf 28 Jahre verpfllndet.
Heinrichs VI. schöner Besitz blieb bei seinem Tode dem
Hause Walsee erhalten; 1397* hatte ihm Herzog Albrecht ge-
stattet, seine Lehen wem er wolle zu vermachen.
An seinem Erbe ging Georg von Walsee-Linz leer aus
oder er erhielt eine Geldentschädigung. Die drei Brüder von
Walsee-Ens erbten* die Pfandschaften im Attergau: Franken-
burg, Attersee und Puchheim, Heinrichs Anteil an der
Wachsenberger Pfandschaft mit dem Markte Leonfelden,
die Herrschaft Ort, das an die Ponhalme ausgetane Marbach,
in Niederösterreich die Herrschaften Gleuß, Sinibelkirchen
und Purgstall.
Reich bedacht ward Heinrichs VI. ehemaliges Mündel,
sein Vetter Ulrich IV. von Walsee-Drosendorf. Ihm ver-
machte Heinrich VI. die Feste Nieder-Walsee mit Sumerau
und Sindelburg, die ehedem Liechtensteinischen Pfandschaften
Ebelsberg und Riedeck und einen Satz von 240^^ auf
Zeiselmauer.
V. Abschnitt.
Die Linie Walsee-i^lraz.
1. Ulrich I. (1294—1329.)
Von allen den Söhnen Eberhards IH. von Walsee war der
drittälteste, Ulrich L, die hervorragendste Persönlichkeit:
er darf geradezu als eine der berühmten Gestalten aus der
Ritterschaft seiner Zeit bezeichnet werden.
In Schwaben aufgewachsen, traf er erst beträchtlich später
als seine beiden älteren Brüder in Osterreich ein. Schon seine
* LB. V, r. 230.
« Urk. 1898 Januar 9; LB. V, r. 808.
* Urk. 1897 Oktober 16; ebenda, r. 190. * Vgl. S. 888.
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345
erste Vermählung (1294) wies auf die Steiermark hin und hier
ist er denn auch heimisch geworden, der Gründer der Linie
Walsee -Graz oder ab der Steiermark, wie sich die Seinen
zuweilen nannten.
Nach dem Nilmberger Reichstage, auf welchem wir Ul-
rich I. zum letztenmale begegneten, gab ihn E. Albrecht I.
gleich Eberhard IV. von Walsee und Hermann von Landen*
berg seinem Sohne Rudolf als Rat bei. Mit diesem zog er
über Wien nach Wiener-Neustadt, wo die Steiermärker (1S99
März 12) dem jungen Herzoge huldigten.
Dort wurde Ulrich I. im Einverständnis mit den steirischen
Ständen zum Hauptmann der Steiermark ernannt,^ in der
er ja bereits Güter besaß. Bald darauf kam er nach Graz,
nahm seinen Wohnsitz in der Burg daselbst und urkundet dort
1299 April 26') zum erstenmale in seiner neuen Würde, die
Ulrich und seine Nachkommen bis zum Erlöschen der Linie
Walsee-Graz fast ohne Unterbrechung innehatten. Auf dem
folgenden Marburger Taidinge erscheint er 1299 September 17*
auch bereits im Besitze des steirischen Truchsessenamtes,
welches durch das Erlöschen der älteren Linie der Wildonier
erledigt war und nun an Ulrich I. überging.
Damit legte K. Albrecht das wichtigste Amt in der Steier-
mark, die Hauptmannschaft, in die Hand des vertrauens-
würdigen Ulrich — wie Eberhard IV. sie im Lande ob der
Ens innehatte. Seiner Aufgabe, das Land für die Habsburger
zu betreuen, ist Ulrich I. glänzend gerecht geworden. Auf
zahlreichen Taidingen sehen wir ihn zu Gericht sitzen; per-
sönlich von großer Tapferkeit, wenn auch als Heerführer nicht
immer vom Glück begünstigt, sorgte er für die Verteidigung
des Landes. Vor allem aber gelang es ihm, Adel und Bürger-
tum nach den Erhebungen der letzten Jahre mit den neuen
Verhältnissen auszusöhnen und ihre Zuneigung für die Habs-
burger zu gewinnen. Daß zwei Schwestern Ulrichs I. sich mit
Steiermärkem aus angesehenem Hause vermählten* — Brigitta
mit dem Eranichberger Ortolf, Agnes (allerdings erst 1314) mit
* Reimchronik, V. 74086.
• Mochar, Gesch. der Steiermark VI, 129.
» Zeitschr. ^dler* II, 99.
^ Vgl. die Genealogie.
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346
dem Grafen Ulrich von Pfannberg ^ — konnte in dieser Be-
ziehung nur förderlich wirken.
Im Frühling 1300 weilte Ulrich I. gleich seinem Bruder
Heinrich I. in Ulm am Hofe K. Albrechts, der dort die Vor-
bereitungen zur Vermählung seines Sohnes Rudolf traf.'
Die folgenden Jahre führten Ulrich I. nach Mitteldeutsch-
land auf den Zügen, die nun E. Albrechts Reichspolitik er-
heischte. Gegen die rheinischen Kurfürsten führte Herzog Rudolf
im Sommer 1301 seinem Vater ein Hilfsheer zu, bei dem sich Erz-
bischoi Eonrad von Salzburg, Ulrich I. von Walsee — dieser
auf besonderen Wunsch des Königs — sowie dessen Brüder
befanden.* Mitte Juli 1301 nahmen dieselben an der Belage-
rung von Bensheim an der Bei^straße teil. Im Lager vor
Bingen erfuhr Ulrich I. von Walsee, daß jenseits des Rheines
500 Mann feindlicher Truppen fouragierten.* Rasch griff er
sie mit 50 erlesenen Steiermärkem an und nahm ihre beiden
Führer nebst 100 Mann gefangen. Die Gegner setzten indes
nach, jagten ihnen 60 Gefangene wieder ab und zwangen Ul-
rich, in der nahen katzenellbogenischen Bm^ Riedeck eine
Zuflucht zu suchen, die er nur mit Not vor den auf der Zug-
brücke nachdrängenden Gegnern erreichte. Am folgenden
Tage kehrte Ulrich indes unbehelligt mit seinen Gefangenen
nach Bingen zurück. Über Passau zog er heimwärts in sein
Steiermark, die unterdessen der Liandschreiber Albrecht von
Zeiring betreut hatte ;^ hier hielt Ulrich I. anfangs April in
Judenburg und Ende Juli zu Pettau Taidinge ab.
Im Herbste 1302 führte er K. Albrecht abermals 100 Steirer
an den Rhein zu^ und kehrte von dieser Heerfahrt Ende 1302
zurück; auf dem Taiding zu Komeuburg erschien er 1303 Fe-
bruar 27' vor Herzog Rudolf.
Als sich K. Albrecht während der Verhandlungen mit
K. Wenzel von Böhmen im Sommer 1303 in Wien aufhielt
und dort die österreichischen und steirischen Verhältnisse ord-
^ Auch die Vermählang einer Tochter Heinrichs I. yon Walsee, Oneta,
mit Hertneid II. von Stadeck — der wieder mit Ulrichs I. yon Walsee
zweiter Gattin nahe verschwägert war — ist hier heransusiehen.
« Vgl. 8. 296. » Vgl. 8. 267.
* Reimchronik, V. 77207.
^ Vgl. Krones: Landesfürst, Behörden und Stände, Forschungen etc. IV, 153.
« Reimchronik, V. 78690. * NB. I, 818.
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347
netO; erstatteten Ulrich I. von Walsee als Hauptmann^ sowie
der Landschreiber der Steiermark ihre Berichte. Nach dem
von sämtlichen Walseem besuchten Judenburger Taidinge (Ende
April 1304)' zog Herzog Rudolf und mit ihm Ulrich I. von
Walsee auf die Nachrichten über die ungarischen Thronwirren
hin nach Osterreich. Nach dem Fehlschlagen seiner Absichten
auf Ungarn entführte K. Wenzel die ungarischen Eroninsignien
mit seinem Sohne und kehrte nach Böhmen zurück. Infolge
falscher Nachrichten und des Abmahnens seiner Räte unterließ
es Herzog Rudolf; ihn auf seinem Rückzuge anzugreifen und
entsandte bloß Ulrich I. von Walsee mit 200 Mann auf Kund-
schaft;* er selbst zog sich nach Laa zurück. Ulrich sah nuU;
daß der Böhmen nur wenige waren; griflF sie aber auf Herzog
Rudolfs Verbot hin nicht aU; so daß E. Wenzel entkam.
Nachdem Ulrich I. dann noch am Abschlüsse des Bünd-
nisses mit Ungarn und des Friedens mit dem Baiemherzoge
Otto mitgewirkt hattO;* erfreute er sich kurzer Ruhe in der
Steiermark.
Die böhmische Thronfrage, durch den Tod des Habs-
burgers Rudolf 1307 neuerdings aufgeworfen; rief den Walseer
abermals ins Feld. Vergebens suchte E. Albrecht die Wahl
Heinrichs von Görz durch einen Einfall nach Böhmen hintan-
zuhalteu; Herzog Friedrich; der über Mähren vordrang; wo
Ulrich I. von Walsee durch ein halbes Jahr zu Brunn be-
fehligte,^ errang gleichfalls keine bedeutenden Vorteile. Im
Süden fiel Erzbischof Eonrad von Salzburg in Eärnten ein;
um des Görzers Hilfsquellen aus seinen Stammlanden abzu-
schneiden. Vor St. Veit vereinigten sich Graf Friedrich von
Heunburg und Ulrich I. von Walsee mit ihm,* worauf das
Städtchen genommen und von Ulrich besetzt ward. Derselbe
verwaltete die eroberten Teile Eämtens für die Habsburger
und kehrte erst im Winter 1307/8 nach Graz zurück.
Während Ulrich L im Frühlinge 1308 eben die steirischen
Streitkräfte sammelte; um sie dem Herzog Friedrich zur Fort-
setzung des Feldzuges gegen Böhmen zuzuführen;^ war auf der
» Reimchronik, V. 81836. " Muchar, Gesch. d. Steienn. VI, 150.
' Reimchronik, V. 88891. * Vgl S. 267.
» Reimchronik, V. 98408. • Ebenda, V. 92519 und 92672 ff.
' Ebenda, V. 95415—95503.
Arohiy. XCY. Band. U. H&lfte. 24
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348
gegnerischen Seite Herzog Otto von Meran-Eämten mit dem
Grafen Heinrich von Qüns in Verbindung getreten und hoffte
dadurch die verlorenen festen Plätze in Untersteiermark, Krain
und Kärnten zurückzugewinnen; ein ungarisches Heer schickte
sich zum Einbrüche in die Steiermark an. Auf die Kunde
davon eilte Ulrich I. rasch herbei; bot um Marbui^ den Land-
sturm auf und zog entschlossen den Ungarn entgegen. Ange-
sichts des unerwarteten Widerstandes traf Graf Heinrich von
Güns mit Ulrich zu Marburg ein Übereinkommen , das die
Feindseligkeiten beendigte.
Jetzt erst konnte Ulrich mit den Seinen am St Veitstage
1308 zu Herzog Friedrich nach Osterreich aufbrechen; er
nahm mit seinen BrUdem am folgenden Kriege gegen Böhmen
teil; der mit dem Znaimer Vertrage abschloß.
Als Herzog Friedrich anfangs 1309 ins Reich zog, um
von dem neuen König, Heinrich von Luxemburg, die Beleh-
nung zu erhalten, ließ er Ulrich I. in der Steiermark als Ver-
weser zurück, der daselbst weiterhin urkundet* Angesichts
der neuerlichen Regungen, welche die antihabsburgische Partei
in Niederösterreich versuchte, berief Ulrich auf den Rat d^
Erzbischofs Konrad IV. von Salzburg die steirischen Stände nach
Graz und bot alle seine Mittel und Streitkräfte für die Habs-
burger auf.' Der steirische Adel zeigte sich dem Landesherm
treu, das Ei^ebnis der nun zehnjährigen Tätigkeit Ulrichs in
der Steiermark. Dieser fUhrte seine durch die inzwischen ein-
gelangte Nachricht von der Belehnung der Habsburger er-
mutigten Truppen im Oktober 1309* über Hartberg nach Nieder-
österreich in die Umgebung von Wiener-Neustadt. Dort wie
in Wien wurde die Bewegung niedergeschlagen,^ worauf sich
auch treue Wiener mit Ulrich I. vereinigten. Zu seinem Un-
glück hatte sich auch einer von Kranichberg am Aufetande
beteiligt,^ obwohl er Ulrich I. verschwägert war, und das her-
zogliche Gloggnitz überfallen. Nun wurden die Empörer emp-
^ 1309 Febrnar 23; Machar, Gesch. d. Steierm. VI, 174, Mftrz 9, Graz;
Orig. StLA., Nr. 1726»».
» Reimchronik, V. 98387 ff.; vgl. aach Urk. 1309 Oktober 12; NB. IV, 80.
* Oktober 4 orkondet Ulrich in Graz; Kop. StLA., Nr. 1731 >».
^ Reimchronik, V. 98537; Chron. d. Pulkawa, Fontes Remm Bohemicar.
V, 197.
» Vgl. die Genealogie nnd Reimchronik, V. 98193.
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349
Endlich gezüchtigt und von Herzog Friedrich, der aus dem
Kelche herbeieilte, grausam bestraft.
Nachdem er im Juni 1310 eine große Landes Versamm-
lung zu Graz abgehalten, wandte sich Herzog Friedrich gegen
die bairischen Herzoge, welche den vorjährigen Aufetand eifrig
unterstützt hatten. Er selbst rückte mit dem Hauptheere aus
Oberösterreich in das Innviertel vor; Ulrich I. kam mit steiri-
schen Truppen durch das Enstal herbei.* Als linke Seiten-
kolonne drang er 600 Mann stark über Oberwang und Mond-
see (das damals noch bairisch war) vor und verwüstete das
bairische Gebiet bis gegen Tittmoning, bis ihn am Schlüsse
des Jahres 1310 große Kälte zum Rückzuge zwang. Der Elrieg
nahm für Herzog Friedrich nicht den gewünschten Fortgang;
seit Neujahr kam es zu größeren Unternehmungen nicht mehr
und im März 1311 wurden schließlich Friedensverhandlungen
eröffnet
Eine Ruhepause von zwei Jahren folgte. Anfangs Mai
1313 fand sich Ulrich in Wien ein und beschwor dort mit den
Steiermärkern den Ehevertrag Herzog Friedrichs mit Elsbet von
Äragonien.' In einem besonderen Reverse (1313 Juni 3) ver-
pflichtete er sich, als Hauptmann in der Steiermark mit dem
österreichischen Landmarschalle Dietrich von Pillichdorf flir
die Erbfolge der Sprößlinge aus dieser Ehe einzutreten. Mitte
Januar 1314 zeigte sich Ulrich auf der Hochzeit des Herzogs-
paares zu Wien.^
Mittlerweile hatte die Vormundschaft, welche Herzog Fried-
rich über die ungevogten Söhne der Herzoge Stephan und Otto
von Niederbaiem (seit 1312 November 13) führte, einen Waffen-
gang mit Herzog Ludwig von Oberbaiem verursacht, dem der
habsburgische Einfluß in Niederbaiern unbequem war. Die
Herzoge Leopold und Friedrich von Osterreich rüsteten in
Schwaben und boten auch in Osterreich ihre Streitkräfte auf,
an deren Spitze Ulrich I. von Walsee gestellt wurde, der im
Oktober 1313* von Graz nach Baiern aufbrach. Diesmal war
das Kriegsglück gegen ihn. Er war bereits bis an die Isar
vorgerückt, als Herzog Ludwig 1313 November 9 ihn mit den
* Chron. Lnxuelac. Pez, SÄ. Rer. Aostriac. I, 167.
» Sitznngsber. d. Wiener Akad. d. WiMengch. CXXXVIT, 169—171.
» Vgl. S. 269. * Vgl. Urk. 1313 Oktober 21; AÖG. LIX, 278.
24*
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350
Seinen bei dichtem Nebel zu Ghimmelsdorf ^ tiberfiel und sie
zu Volkmannsdorf über die IsarbrUcke drängte, durch deren
Einsturz viele vom österreichischen Adel in Gefangenschaft
gerieten.^ Graf Ulrich von Pfannberg, der sich im Kampfe
besonders hervorgetan, erhielt dafür von Ulrich von Walsee
die Hand seiner Schwester Agnes zugesagt. Auf diese Schlappe
hin mußte sich Ulrich mit dem Reste seiner Truppen eilig aus
Baiem zurückziehen.
Im nächsten Jahre aber begann bereits der große Streit
um Deutschlands Thron, den Friedrich der Schöne mit dem
Witteisbacher führte. In den vordersten Reihen des Habsbur-
gers stand Ulrich I. von Walsee. Hier war sein Platz: EHn
fkhiger Heerführer von großer Tapferkeit und unentwegter Aus-
dauer, ging er fast auf in diesem großen Kampfe, an dem er
persönlich den lebhaftesten Anteil nahm; ruhmvoll beschloß er
damit seine Laufbahn.
Im Frlihling 1314 geleitete Ulrich I. Friedrich den Schönen
auf dem unter großen Kosten gerüsteten Zuge, den dieser zur
Betreibung seiner Wahl in die Vorlande und an den Oberrhein
antrat;' in der Steiermark erhielt er für die Dauer seines
Fernbleibens Konrad von Drauburg* als Stellvertreter. Dann
blieb er auf der Krönungsfahrt* und 1315 am Oberrhein an
der Seite seines Herrn.^ Durch einen neuen Feldzug, zu
welchem er inzwischen in Osterreich rüsten ließ, hoffte K.
Friedrich die ersehnte Entscheidung herbeizuführen. Starke
Heerhaufen zogen im Frühling 1316^ den Habsburgem aus
Osterreich gegen Schwaben zu. Mit seinem kriegserprobten
Vater Ulrich I. ritt damals auch bereits dessen ältester Sohn
Uh'ich II. aus und holte sich im unentschiedenen Treffen von
Eßlingen seine ersten Lorbeeren.* Beide Ulriche verweilten so-
dann in Schwaben bei den Habsburgem, für deren erschöpfte
^ Nördlich Moosbnrg an der Isar.
■ Joh. V. Viktring; Böhmer, Fönte« Remm Germanicarum I, 379.
» Vgl. Urk. 1814 Mai 19; AÖG. II, 638.
* Derselbe nrkandet 1314 März 22 als solcher; Kop. StLA., Nr. 1790<>.
* Wenigstens weist die Urknndenlttcke Ton 1314 August 15 bis Noveni-
ber 11 darauf hin.
* Desgleichen 1316 Februar 10 bis August 10.
» 1316 Mai 1 urkundet Ulrich I. noch in Graz; Orig. StLA., Nr. 18I3*
■ Primisser, P. Suchenwirt XIII, 41, V. 58.
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351
Finanzen sie Ende 1316 bedeutende Geldverpflichtungen * gegen
den Grafen Eberhard von Württenberg und Heinrich Grafen
von Berge eingingen. Bis Ende 1317 blieb Ulrich I. bei Herzog
Leopold in den Vorlanden und kam erst im Frühling 1318 auf
kurze Zeit in die Steiermark zurück.
Während K. Friedrich so in Deutschland mit wechseln-
dem Glück kämpfte, trugen sich in Oberitalien Dinge zu, die
ihn zum Eingreifen in die dortigen Verhältnisse veranlaßten.
Als sich die Trevisaner an den König um Hilfe wider Cane
della Scala, Herrn von Verona, wandten, bestellte dieser den
Grafen Heinrich von Görz als Reichsvikar, mit welchem Ulrich I.
den Zug nach Padua und Treviso im Herbste 1319 antrat.
November 4* ward Padua übergeben und um Weihnachten
kam Ulrich nach Treviso, um mit Cane Frieden zu schließen.*
Januar 3 kehrte er mit den vereinbarten Bedingungen zurück:
die Stadt solle sich ihm namens E. Friedrichs übergeben, die
Zwistigkeiten durch den König und Herzog Heinrich von
Kärnten zu Bozen bis Mittfasten beigelegt werden. Demgemäß
ward Padua denn auch Januar 5 Ulrich I. als Statthalter
tiberliefert* und der Waffenstillstand verlängert.
Über Kärnten heimgekehrt, feierte Ulrich I. seine Hoch-
zeit mit Katharina, des Grafen Albert von Görz Tochter,* eine
Verbindung, die sowohl die Wertschätzung der Persönlichkeit
Ulrichs wie auch seines Hauses zum Ausdrucke bringt und
das wichtige Haus der Görzer noch mehr an Habsburgs
Freunde band.
Die Fürstenzusammenkunft zu Brixen, bei der sich auch
Ulrich I. einfand, blieb indes ohne Ergebnis. Cane della Scala
brach den Waffenstillstand, belästigte Padua von umliegenden
Festen aus und suchte die Stadt 1320 Juni 3 vergebens durch
einen Handstreich zu nehmen. Auf ihre Bitten entsandte K.
Friedrich den Walseer, der mit seinem tapferen Sohne und
dem Grafen Ulrich von Pfannberg, seinem Schwager, herbei-
eilte und den Befehlshaber Canes Juli 12 schlug und gefangen
1 Urkk. 1316 November 4; WSt. 675. 1316 Dezember 23; LB. HI, r. 414.
« LB. ni, 120. » Vgl. AÖG. XXXVI, 469.
* Alberto Mussato, Muratori, SS. Rer. Italicar. X, 694; Chron. Cortusior.,
ebenda 786 ff. Die Paduaner Münzen tragen während Ulrichs von Wal-
see Statthalterschaft (Pichler, a. a. O. 243) dessen Wappen.
^ Seine dritte Gattin; vgl. die Genealogie.
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352
nahm. Als Padua nach Ulrichs I. Abzug nochmals von Cane
eingeschlossen und von einer neuerrichteten Feste aas bedrängt
ward, entsetzten Ulrich I. und der Görzer mit 400 Helmen
und den Trevisanem die Stadt* und brachten den Truppen
des Cane am Morgen des 28. August 1320 eine entscheidende
Niederlage bei. Nur mit Not rettete sich Cane selbst Sein
Land ward bis gegen Eiste und Vicenza hin verheert und Ka-
stell MonseUce seit September 4 durch 20 Tage belagert, worauf
Cane della Scala Verhandlungen einleitete, die bis Januar 1321
währten. Ruhmbedeckt zog Ulrich I.* — D Grande, wie ihn
die Wälschen nannten — mit Gesandten der Paduaner im
Februar 1321 nach Schwaben zu K. Friedrich, als die Ver-
handlungen über die noch nicht geordneten Punkte des Über-
einkommens zu keinem Erfolge fllhrten. Der wälschen Händel
müde, legte Ulrich das schwierige und undankbare Amt der
Statthalterschaft über Treviso usw. nieder, womit seine Tätig-
keit in Oberitalien vorläufig ihren Abschluß fand.
Das Jahr 1322 brachte endlich auf dem Kriegsschauplatz
in Deutschland die Entscheidung. Ulrich I. von Walsee, der
sich vor dem Auszuge noch einen Jahrtag zu Mariazell (März 1)*
gestiftet hatte, rückte mit dem wohlgerüsteten Heere K. Fried-
richs ins Feld und fiel an der Spitze der Steirer und Oster-
reicher in Baiem ein. Der Abend der Schlacht von Mühldorf,
in welcher er den dritten Heerhaufen befehligte, sah auch ihn
als Gefangenen;* das gleiche Schicksal teilte sein verwundeter
Sohn. Sie kamen mit Herzog Heinrich zu Prag in strenge
Haft, aus welcher sie erst Ende 1323 entlassen wurden.^ In der
Steiermark hatte Ulrich I. in der Zwischenzeit an Konrad von
Windischgraz* einen Stellvertreter in der Hauptmannschaft gehabt
Im Sommer 1324 geleiteten Ulrich I. und sein Sohn die
Herzoge Otto von Osterreich und Heinrich von Kärnten auf
dem Zuge nach Oberitalien,' als nach Heinrichs von Görz Tode
* Vgl. Documenti per U storia del Friuli I, 369.
* 1320 November 28 urkandet er noch auf italienischem Boden, wohl in
Padua; vgl. I libri commemoriali d. r. di Venesia I, 284. Die Darstel-
lung Tangis (AÖQ. XYIII, 227) ist demgemäß richtigzustellen.
» Kop. StLA., Nr. 1898. * Vgl. 8. 297.
» Vgl. Urk. 1324 April 3; NB. IV, 82.
* Urk. 1323 MKrz 18; Muchar, Qesch. d. Steierm. VI, 218.
^ Caesar, Ann. Duc Stir. II, 439.
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363
ein Einschreiten gegen Cane della Scala abermals von den
Paduanem erbeten wurde. Im Juni 1324 kamen die Herzoge
mit bedeutenden Streitkräften nach Treviso und Padua. Der
Feldzag verlief indes ergebnislos und das habsburgisch-görzische
Heer zog unverrichteter Dinge heimwärts.
Damit war Ulrichs Lebenswerk getan. Ruhmreich be-
teiligte sich sein würdiger Sohn an der Fortsetzung des Kampfes
gegen Ludwig den Baiem. Der Rest seines Lebens, den Ul-
rich nun in Ruhe verbrachte, war ihm nur kurz bemessen.
Als letzter von allen seinen Brüdern verschied er 1329 Ja-
nuar 29.^ Seinen Landesfürsten stets ein verläßlicher Getreuer
von großen Verdiensten, in vielen Feldzügen hervorragend durch
seine Führergaben wie durch persönliche Tapferkeit, deren
Lob ein Hirzelin so gut wie der Italiener Alberto Mussato'
der Nachwelt verkündeten, hat er von allen Söhnen Eber-
hards HL von Walsee am meisten Anspruch, zu den hervor-
ragendsten und geschichtlich denkwürdigen Männern des öster-
reichischen Adels seiner Zeit gezählt zu werden.
Ulrich war dreimal vermählt.^ Seine erste Gattm Elsbet,
die nur ein einziges Mal 1294 erwähnt wird, ist ihm wohl bald
hinweggestorben. Diemut, eine Tochter Dietrichs von Rorau
und Diemuts von Feldsberg, hat dann Ulrich, als dessen Gattin
sie 1299 — 1308 genannt ist, einiges Erbgut zugebracht. Seiner
dritten Gemahlin, der Görzerin Katharina, haben wir bereits
an anderer Stelle gedacht.
Ulrichs ältester Sohn, Ulrich H., ist offenbar noch dessen
erstem Ehebunde entsprossen; seine übrigen Kinder Fried-
rich HI., Jans I. und die Tochter Diemut entstammen der
zweiten Ehe Ulrichs.
Seinem Wirkungskreise entsprechend, blieben auch die
Beziehungen, welche Ulrich mit seinen Standesgenossen unter-
hielt, meist auf die Steiermark beschränkt, ebenso auch der
schöne und große Besitz, den er hinterUeß. Hier treten die
Walseer besonders an die Stelle der zwei bedeutendsten Adels-
geschlechter Mittelsteiermarks, der Wildonier und der Grafen
von Pfannberg, die sich beide damals eben in raschem
Niedergange befanden.
* Vgl. die Genealogie.
* Mnratori, SS. Rer. Italic. X, 698 ff.
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354
Für einen von seiner zweiten Qattin ererbten Anteil an
Feldsberg in Niederösterreich und 450 Mark Silber ertauschte
Ulrich 1299* die bedeutende Herrschaft Riegersburg und
ergänzte den neuen Besitz, indem er 1299' yon Ortlieb von
Winkel und 1301 • von Alber von Rauhenstein deren Anteile
an dieser Herrschaft um je 1877f Mark Silber erkaufte, wozu
1301^ noch die nahen Besitzungen zu Haselbach und Neustift
von Ulrich dem Winkler erstanden wurden. Dann erkaufte
Ulrich 1301 * von Ortolf von Kornbei^ das benachbarte Schloß
Kornberg* nebst einem Hofe zu Kxottendorf.
In rascher Folge ging weiter ein großer Teil des wil do-
nischen Besitzes^ an die Walseer über. Von Hertnid (HL
oder IV.) von Wildon brachte Ulrich I. von Walsee im Jahre
1302^ die herzogUche Lehensherrschaft Gleichenberg zu-
nächst pfandweise an sich^ eine Erwerbung, die wegen der
Nähe der Riegersburg umso höheren Wert hatte. Da Sofei,
Tochter Herrants IH. von Wildon, 1312® ihren Ansprachen
darauf zugunsten Ulrichs entsagte, blieb die Herrschaft dauernd
in dessen Besitz. Dann folgte Schloß Wald stein ^® auf dem
gleichen Wege nach. Nach den Urkunden 1305 Dezember 13
und 17" war es bereits von Ulrich IIL von Wildon an den
Walseer übergegangen, der damals noch einen Teil der Kauf-
summe zu erlegen hatte. Zu Waldstein erwarb Ulrich sodann
Bergwerke unter diesem Schlosse, Eisengör und Arzwald, die
ehedem gleichfalls den Wildoniem gehört hatten, vom Stifte
Seckau im Jahre 1307,^^ im gleichen Jahre auch von Hertnid IV.
von Wildon kleineres Eigengut und Mannschaft auf steirischem
> Urk. 1299 NoTember 27; Frieß, Die Herren von Kuenring, r. 508.
« Urk. 1299 Deiember 6; NB. I, 317. » Urk. 1801 April 6; cbend*.
« Urk. 1301 (richtig sUtt 1302) April 21; Machar, Gesch. d. Steierm. VI,
142.
» Urk. 1301 (richtig sUtt 1302) Deiember 28; UBoE. IV, 422.
' Nord weltlich von Feldbach; wird nach 1331 nicht mehr als walseeisch
bezeichnet. Vielleicht hatten es die von Komberg und die Ton Graben
als walseeisches Lehen inne; doch läßt sich eine Lehensrührig^eit nicht
nachweisen.
' Vgl. Kammer, Das Ministerialengeschlecht von Wildonie, AÖG. LIX,
179 ff.
" InvenUr, f. 68. • Ebenda, f. 68'.
»0 Bei Frohnleiten; vgl. AÖG. LIX, 287—288. " NB. II, 376.
»» Urk. 1307 Februar 26; Muchar, Gesch. d, Steierm. VI, 164.
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355
Boden.^ Nach längeren Unterhandlungen kaufte er schließlich
von den Wildoniern 1308' auch noch deren letztes größeres
Familiengut, das herzogliche Lehen Schloß Weinberg (im
Sasttale, Mittelsteiermark) mit dem Landgerichte darauf um
300 Mark Silber, das er dann 1313* durch Mannschaft im
Murfeld bei Weinburg und Mureck arrondierte, die er von Al-
brecht, Schenken von Rabenstein, an sich brachte. Da sich
nachmals auch einige ehedem wildonische Sätze in den Händen
der Walseer zu Graz finden, war somit fast der ganze bedeu-
tendere Besitz an Eigengut, Lehen und Sätzen der noch vor
Ulrichs I. von Walsee Tode erloschenen Wildonier an die auf-
strebenden Walseer gelangt.
Nicht viel anders erging es den Grafen von Pfannberg,
die gleichfalls ihre Blütezeit längst hinter sich hatten; auch von
diesen erwarb Ulrich beträchtliche Güter. Der ihm nachmals
verschwägerte Graf Ulrich IV. von Pfannberg übergab ihm
1304 * für seine Dienste seine Mannschaft zu (Deutsch-) Feistritz
an der Mur und einen Teil des Holzes am Schöckel und sah
sich 1308^ genötigt, ihm sein Stammschloß Pfannberg nebst
Gütern zu Übelbach und Riegersburg zu verpfilnden. Später
erkaufte Ulrich in dieser Gegend noch in den Jahren 1319
und 1320^ den Zehent zu Passail vom Grafen Hermann von
Heunburg.
Dazu spielte nun die wachsende Finanznot der Habsbur-
ger Ulrich I. Pfandschaft auf Pfandschaft in die Hände, die
für den Walseer umso wertvoller waren, als sie anderen seiner
Güter benachbart lagen. Im Jahre 1308^ — stets sind die
Jahre der Verpfändung bezeichnenderweise auch Kriegsjahre
— versetzte ihm Herzog Friedrich um 400 Mark Silber für
seinen Dienst und 200 Mark Silber, die er für den Herzog
gezahlt, 135 Mark Silber Geld, davon 110 Mark auf Gericht
und Urbar Übelbach, den Rest auf ,dem Seckauer Gute und
auf dem Gesnait'; 1318® wurden dann noch weitere 100 Mark
» InvenUr, f. 22'. « Urk. 1308 März 16; NB. I, 318.
» Stubenberg. Arch. Verzeichnis; Kop. StLA., Nr. 1786*.
• Urk. 1304 Februar 3; NB. II, 376. » AÖG. XVIU, 215.
• Urkk. 1319 Juli 12 (richtig sUtt Juli 11); AÖG. XXV, 286 und 1320
März 24 (richtig statt März 31) ebenda.
^ Urk. 1308 Mai 12; Krones, Urkk. z. Gesch. d. Steierm. etc. 36.
• LB. in, r. 461.
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356
Silber auf Übelbach geschlagen. Um 1400 Mark Silber ver-
setzte dieser Habsbarger femer 1314 ^ Güter zu Semriach,
Schrems und Laufnitz* an Ulrich. Dieser löste auch 1316 für
E. Friedrich den Markt Feldbach um 100 Mark Silber von
der Witwe des Truchsessen von Enmierberg. Für seine Ver-
dienste an der Bewältigung des Aufttandes von 1309 hatte
ihm der Herzog eine Anzahl eingezogener Güter,' zwischen
Wien und Wiener-Neustadt am Saume des Wienerwaldee ge-
legen, verliehen, die indes weiterhin außer Sicht kommen.
An Ulrichs I. Schwester Agnes verpfändete Herzog Fried-
rich 1314^ die Maut zu Leoben, die durch Agnes' Heirat an
die Pfannberger kam; es dürfte damit wohl in Zusammenhang
stehen, daß auch Ulrichs I. von Walsee Satz auf Pfannberg
sich in der Folge nicht mehr in walseeischem Besitze findet
Auch sonst, abgesehen von diesen Gruppen, hat Ulrich
noch ansehnlichen Besitz erworben. Überhaupt ist die starke
Kaufkraft, die er entwickelt, das beredteste Zeichen für den
wachsenden Wohlstand des Walseers. Im Jahre 1319^ besaß
Ulrich bereits ein Gut im Pusterwalde, um das er mit den
Liechtensteinern in einem längeren Streite lag. Schließlich er-
warb Ulrich I. 1326 Januar 21* von dem Grafen Hohenlohe
die Feste Schmirnberg bei Leutschach um 3000 Mark Silber
und überkam damit auch die Güter und die Vogtei auf dem
Remschnik,' um welche seine Söhne und andere Walseer durch
ein volles Jahrhundert mit dem Kloster St. Paul im Streite
lagen,® trotz aller Schiedssprüche und der Verträge, die zwi-
schen den streitenden Teilen abgeschlossen wurden.
So lag Ulrichs reicher Besitz in der ganzen mittleren
Steiermark zerstreut. Deutlich heben sich zwei ziemlich ge-
schlossene Gruppen vom Reste ab: nördlich von Graz Wald-
stein, Übelbach, Pfannberg und Umgebung; sodann in der Ost-
steiermark die Riegersburg nebst Feldbach und Komberg und
weiter die Herrschaften Gleichenberg und Weinburg.
Allen nicht steirischen Besitz hat Ulrich rasch wieder ab-
gestoßen. Gegen Rapoto und Hadmar von Falkenberg ver-
» AÖG. n, 566. « Bei Frohnleiton. » AÖG. m, 630—63«.
* Urk. 1314 Mai 19; AÖG. II, 638.
«* Vgl. Urk. 1318 Dezember 6; Orig. StLA., Nr. 1846. ♦ NB. IV, 82.
^ Nördlich von Mahrenberg an der Drau.
« FRA, XXXI, 218—222.
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357
zichtete er 1306 * auf die früher den Brlidern von Stadeck ge-
hörige Herrschaft Gobelsburg bei Kxems, ebenso 1308* gegen
das oberösterreichische Kloster Engelszell anf allen Anspruch
an einen Hof zu Tiendorf.
Stets stand Ulrich I. mit der Kirche in bestem Einver-
nehmen. Sein jüngerer Bruder Konrad H., der sich dem geist-
lichen Stande gewidmet hatte^ war gleichfalls zu ihm in die
Steiermark gekommen. Hier erhielt er die Pfarre Piber, doch
ohne je die höheren Weihen zu nehmen; vor 1311' starb er
eines gewaltsamen Todes.
In Graz hat sich Ulrich I. von Walsee durch eine Stif-
tung verewigt. Von Herzog Friedrich erhielt er 1307 April 8 *
die Erlaubnis^ den Nonnen des Predigerordens ein Kloster
und eine Kirche zu Qraz außerhalb der Stadtmauern auf dem
sogenannten Grillhügel ^ zu erbauen. Diese Gründung statteten
Ulrich I. und sein junger Sohn Ulrich H. 1308 * mit Gülten zu
Semriach, Stiwoll (westlich von Peggau), Hoheneck u. a. aus,
bestifteten sie auch fernerhin und erwirkten der Klosterkirche
1325^ in Avignon Ablässe. Alsbald vertrauten befreundete
Adelsfamilien, so die Kranichberger, die Losensteine, ihre
Töchter dem Kloster an, das auch manche Gönnerin, wie die
mildtätige Margret, Witwe Ulrichs H. von Wildon-Eppenstein,®
fand. Hier wie in Reun, das die Grazer Walseer gleichfalls
bevorzugten, blieb deren Andenken der Nachwelt erhalten.
2. Ulrichs L Söhne und der Ausgang der Orazer Linie.
Von Ulrichs I. drei Söhnen hat Ulrich H., der älteste
und bedeutendste der Brüder, in einem überaus tatenreichen
Leben die ruhmvolle Laufbahn seines Vaters fortgesetzt. Wenige
Jahre nach seinem Tode erlosch indes mit Eberhard Vlll. die
Grazer Linie der Walseer, deren Besitz zersplittert und großen-
teils ihrem Hause entfremdet wird.
» ürk. 1306 August 6; WSt. 676.
» ürk. 1308 März 3; NB. VI, 693. » Vgl. die Genealogie.
• (richtig statt April 6); Muchar, Gesch. d. Steierm. VI, 164.
^ Etwa in der Nähe der heutigen Technik.
• Urk. 1308 Juni 16; Orig. StLA., Nr. 1717 und 1786.
^ Urk. 1325 Oktober 25; Lang, Monum. Salzburgo-Aquileiensia I, 8. 94.
• Vgl. AÖG. LIX, 278.
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Ulrich n. tritt 1308 anläßlich der Klostergrttndung seines
Vaters zum ersten Male auf und soll bereits 1312^ mit der
Schwäbin Alhait von Weinsberg vermählt gewesen sein, die ihm
dann durch drei Jahrzehnte zur Seite stand. Mit seinem Vater
zog er 1316 gegen Ludwig den Baiem ins Feld, zeichnete sich
im Treffen von Eßlingen (September 19) aus und erhielt dafür
den Ritterschlag. * Als Herzog Leopold 1318 Kolmar belagerte,
tat er sich abermals beim Sturme auf die Stadt hervor und
bedeckte sich mit Ruhm.' Im Jahre 1320 weilte und wirkte
er an der Seite seines Vaters in Oberitalien. Kaum war er
aus dem Süden heimgekehrt, so unternahm er noch im Jahre
1321 eine jener Heerfahrten gegen die heidnischen Preußen,^
die weniger ernsten Kampfes halber als aus jugendlicher Aben-
teuerei und zur Erprobung ritterlichen Mutes veranstaltet wur-
den, lo der Schlacht bei Mühldorf teilte er das Schicksal der
Seinigen und fiel verwundet in Gefangenschaft; daraus entlassen,
zog er 1324 abermals mit seinem Vater nach Oberitalien. Dann
griff er wieder gegen den Witteisbacher zu den Waffen und
holte sich zu Memmingen und vor ,Münik' (München?) neue
Lorbeeren. ^
Als 1327 Niederösterreich nördlich der Donau von den
Böhmen verheert wurde, schlug er sich vor Ulrichskirchen mit
dem Gegner herum; vor Stetteldorf stach er drei Feinde nieder
und nahm einen vierten gefangen. ^ Dann war er wieder rasch
gegen die nae(h Oststeiermark eingedrungenen Ungarn zur Stelle.
Als sie sich aus der Gegend von Radkersburg zurückziehen
mußten, setzte er ihnen bei Ölsnitz über die Mur nach^ und
schuf ihnen großes Ungemach. Als sein zweiter Bruder, der
seit 1319 genannte Friedrich HI., im Jahre 1329 von einer im
Gefolge K. Johanns von Böhmen unternommenen Preußenfahrt
zurückkehrte,* traf er den Vater nicht mehr unter den Le-
benden.
Der Tod Ulrichs I. ließ seinen Besitz ungeteilt an die
drei Söhne Ulrich H., Friedrich HI. und den eben erst
» Vgl. die Genealogie. " Vgl. S. 860.
" Suchenwirt, a. a. O. V. 67.
♦ Ebenda, V. 103—118. » Ebenda, V. 119—132.
« Ebenda, V. 133—136; die von Primisser yersuchte Lokalinerung ist
natürlich verfehlt.
' Vgl. Urk. 1329 März 12; NB. IV, 84.
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359
gevogten Jans I. (Jenslein) fallen. An den vielerprobten
Ulrich n. kam ferner die Hauptmannschaft in der Steier-
mark.^ Im Besitze des steirischen Truchsessenamtes erschei-
nen nach Ulrichs I. Ableben — von einer einzigen Urkunde
abgesehen — wieder die Emmerberger, die es als Erbamt inne-
hatten.
Der Ehebund, den Ulrichs I. einzige Tochter Diemut
spätestens 1229 mit dem mächtigen Friedrich von Saneck
schloß, gab ihren Brüdern Veranlassung, dem Schwager in
seiner bereits seit 1328 währenden FeBde mit den Weißeneckem
beizustehen.' Um das Interesse der verschwägerten Walseer
enger an das seine zu knüpfen, versetzte ihnen der Sanecker
1329 Dezember 29* zu Graz seine sämtlichen Festen, doch
scheint diese Verpfkndung überhaupt nicht in Kraft getreten zu
sein. Der Schiedsspruch von 1331 September 9* machte
schließUch der Weißenecker Fehde ein Ende.
Sodann waren die Walseer im Dienste der habsburgischen
Absichten auf Kärnten tätig. Der Übergang der Weißenecker
Güter im Lavanttale an Ulrich U. und seine Brüder förderte
die Beziehungen, die man von habsburgischer Seite mit Kärn-
tens Adel unterhielt. Nach derselben Seite hin wirkte Ul-
rich n. bei der durch Herzog Albrecht beigelegten Fehde,
welche Bischof Bernhard von Bamberg und dessen Bruder Hein-
rich, Schenk von Reicheneck, als Pfleger der großen Güter dieses
Gotteshauses in Kärnten im Jahre 1334 mit Konrad von Auffen-
stein und den Ortenburgem ausfocht, um beide Teile ftir die
Habsburger zu gewinnen, indem er sich mit dem Reichenecker
verständigte^ und sich dem Bischof als Bürgen ftir die Los-
lassung des gefangenen Friedrich von Auffenstein darbot.*
Nächst Bamberg und Aquileja war das Erzbistum Salzburg von
Wichtigkeit, dessen man sich durch das 1335 März 29' zu
Salzburg abgeschlossene Bündnis versicherte. Auch dabei war
Ulrich n. zugegen und wurde zu einem der herzoglichen Schieds-
leute bestimmt, die über alle salzburgischen Ansprüche in Kärn-
^ Vgl. die Genealogie.
' Vgl. KroneSy Die Freien von Saneck 72.
> Ebenda 122; richtig sUtt 1330. * NB. U, 313.
» NB. IV, 101. • Ebenda 102.
^ Steyerer, Additamentom ad bist. Alb. ü, c. 89.
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360
ten mit salzburgischen Schiedsrichtern entscheiden sollten. Als
Herzog Heinrich von Kämten-Tiroi 1335 April 4 starb, erlangten
die Habsburger sofort von K. Ludwig die Belehnung mit Kärnten.
Ulrich IL von Walsee-Qraz und Graf Ulrich von Pfannberg
überbrachten dorthin die Kunde der vollendeten Tatsache^ und
sagten den Kärntnern die Bestätigung ihrer alten Freiheiten
durch die Habsburger zu;' ohne Widerstand ward das Land
nach kurzer Frist durch Herzog Otto fiir dieselben in Besitz
genommen.
Stets hat Ulrich IT.* der offenbar in streng kirchlichem
Sinne erzogen war, nach dem Sinne der päpstlichen Politik ge-
handelt und mit der Kurie rege Beziehungen unterhalten. Elr
hatte unter Herzog Leopold gegen den gebannten K. Ludwig
weiter gefochten, leistete der Kurie gute Dienste, indem er ihr
wichtige Nachrichten zukommen ließ, * wofür er manche Gunst-
bezeigungen erhielt, und blieb dem Witteisbacher ferne.
Die Erwerbung Kärntens durch die Habsbui^er hatte einen
Waffengang mit den Luxemburgern zur Folge, der mit dem
Enser Vertrage (1336 Oktober 11*) schloß, in welchem Ulrich H.
von Herzog Albrecht H. zum Bürgen für die eingegangenen
Geldverpflichtungen gegen K. Johann von Böhmen gesetzt
wurde. Der beabsichtigte Einfall des Luxemburgers Johann
Meinhard nach Kärnten trieb Herzog Albi*echt H. nun in die
Arme K. Ludwigs, der Ende 1338 zu einem Unternehmen
gegen Herzog Heinrich von Niederbaiern, des Böhmenkönigs
Eidam, rüstete. Das Nürnberger Bündnis, welches Ulrich IL
von Walsee und Graf Ulrich von Pfannberg für die Habsbui^r
1339 Januar 10^ mit K. Ludwig abschlössen, sprach den letz-
teren alles zu erobernde Land Herzog Heinrichs östlich der
Salzach zu. Der Tod dieses Herzogs sowie die Belehnung
K. Johanns von Böhmen durch Kaiser Ludwig ließen die Habs-
burger indes von diesen Plänen abseben.
Auch die Steiermark genoß in diesen Jahren die Segnun-
gen der Friedenspolitik Herzog Albrechts H. Eine Fehde, in
welche die Walseer, Cillier und Ortenburger wegen des Ruden-
ecker Schloßbaues mit Herdegen von Pettau gerieten, wurde
^ Anon. Leobiens., Pez, SS. Ber. Aostr. I, 940.
• Urk. 1336 Mai 8; NB. VIII, 806.
' Vgl. Vatikanische Akten zur Gesch. Ludwigs des Baiern I, 440, 847.
* LB. ni, r. 1087. * Stejerer, a. a. O., c. 123.
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361
1344* durch einen herzoglichen Schiedsspruch beigelegt, bevor
sie gefilhrlichen Umfang angenommen hatte. So fand Ulrich 11.
von Walsee Muße, nach der Sitte seiner Zeit auch unter fremden
Fahnen zu dienen. Er folgte 1345* K. Johann von Böhmen
auf seinem Zuge gegen Krakau nach Polen und bewährte sich
dort neuerdings vor dem Feinde. Nach seiner Rttckkehr
wirkte er nach dem Übereinkommen von 1345 Dezember 14*
zwischen Herzog Albrecht 11. und K. Ludwig von Ungarn ab
Bevollmächtigter des Herzogs für die Grenzstreitigkeiten gegen
Ungarn auf der Strecke von Hartberg bis zur Drau.
Im gleichen Jahre 1345 starb um Lichtmeß im blühend-
sten Mannesalter Ulrichs H. jüngster Bruder Jans I.,* wohl
noch unvermählt. Sein zweiter Bruder Friedrich HI. trat in
die Dienste des Bischofs von Bamberg, Friedrichs von Hohen-
lohe, als Hauptmann der Kärntner Besitzungen dieses Hoch-
stiftes, auf welchen ihm auch der Schirm aller dortigen Juden
übertragen war.* 1348 Mai 29^ quittiert er zu Graz seinem
Herrn den Empfang von 800 Goldgulden flir seine Dienste in
diesen Jahren imd noch 1350 Februar 25' bestätigt er den
Erhalt von 425 Goldgulden, die ihm aus diesem Amte zukamen.
Damals hatte er bereits seine Gattin, eine Tochter Leutolds des
Alten von Euenring-Dürrenstein, heimgeführt.
Gestützt auf seine erstarkten Hilfsquellen wie durch das
Bündnis mit den Luxemburgera begann Herzog Albrecht H.
nun wieder eine oflFensive Politik zu treiben.
Er leistete nach dem Tode des Patriarchen Bertrand de
S. Genesio von Aquileja dem Hilferufe des Friauler Parlamentes
Folge und betraute Ulrich II. von Walsee mit der Führung
ansehnlicher Streitkräfte. Dieser rückte im Sommer 1350 in
Friaul® ein und besetzte als des Herzogs Hauptmann Udine
mit dem Nordosten des Patriarchates. Herzog Albrecht kam
persönlich nach Friaul, um sich dort huldigen zu lassen; 1350
August 9^ belehnte er zu Peutelstein (Venzone) Friauler Adelige
mit österreichischen Lehen in Friaul in Ulrichs H. von Walsee
' Urk. 1344 Juli 21; Erones, Die Freien von Saneck 168.
« Suchenwirt, a. a. O., V. 187—141.
' Muchar, Qesch. d Steierm VI, 304. *• Vgl. die Genealogie.
» Urk. 1346 Angnst 16; HHStA., Kod. 1063 f. 22.
• HHStA., Kod. 1049, f. 66'. » Ebenda, f. 93.
' Bianchi, Chron. Spilimbergense 8. * FBA. XL, 71.
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362
Gegenwart. Mit dem neuen Patriarchen Nikolaus^ K. Johanns
von Böhmen natürUchem Sohne, schloß Herzog Albrecht 1351
unter Vermittlung K. Karls IV. einen yorteilhaflen Frieden ab.
Das Vorgehen der Züricher gegen Rapperschwyl zwang
Herzog Albrecht, zur Wahrung seiner Stammlande im Sommer
1352 seinen ersten Heereszug gegen das starke Zürich zu
rüsten^ auf dem ihm auch der tapfere Ulrich H. von Walsee-
Graz folgte.^ Ohne nachhaltige Erfolge gegen die immer mehr
um sich greifenden Eidgenossen errungen zu haben, traf der
Herzog wieder in Osterreich ein.
Zum zweitenmale zogen Ulrich H., dessen Sohn Eber-
hard VIH. und Friedrich IH. von Walsee-Graz sowie Fried-
rich n. von Walsee-Ens im Juni 1354* mit Herzog Albrecht
und dem Kaiser gegen Zürich zu Felde.
Als sich 1356 die Grenzfehden gegen Böhmen und Mähren
wiederholten, nahm K. Karl von Ungarn die Vermittlung zwischen
Herzog Albrecht und dem Kaiser in die Hand. Von Raab aus
entsandte der Herzog 1356 Februar 20* Ulrich von Wabee-
Graz mit anderen Bevollmächtigten zur Taidung mit Kaiser
Karl. Ein Gegendienst dafür war es, als Ulrich H. von Walsee-
Graz, der berühmte Degen, mit dem befreundeten Ungam-
könige gegen Treviso zu Felde zog;^ zum letztenmale hat hier
der kühne, kampffrohe Mann das Schwert gefUhrt.
Im Sommer 1358 trat Friedrich HI. von Walsee-Qraz in
die Dienste des Erzbischofs von Salzburg und focht für den-
selben gegen Herzog Stephan von Baiern; 1358 Dezember 13^
bestätigt Friedrich Hans dem Vitztume zu Lienz den Empfang
von 1000 £(^ für den Dienst, den er gegen Baiem geleistet
Um dieser Fehde ein Ende zu machen, zog der gealterte Ul-
rich n. von Walsee-Graz im strengen Winter 1358/9 als (ge-
sandter Herzog Albrechts nach Salzburg; sein Werk war der
am nächsten Lichtmeßtage abgeschlossene Waffenstillstand.^
> Suchenwirt, a. a. O., V. 156; der Zug flUlt ins Jahr 1352, nicht 1351,
wie sich auch aus Ulrichs Itinerar ergibt, das ron 1352 Mai 29 (KB. II,
331) bis November 3 (Orig. StLA., Nr. 2457 ») eine Lacke aufweist
« Vgl. Suchenwirt, a. a. O., V. 157. Vgl. S. 302; Norember 13 urkundet
Ulrich II. wieder in Qraz. (Orig. Deutsches Ordensarchir, Wien.)
■ Steyerer, a. a. O., col. 188. * Suchenwirt, a. a. O., V. 165.
» HHStA., Eepertor. VIII, Salsburg.
• Suchenwirt, a. a. O., V. 172.
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363
Seinen geliebten Herzog, der 1358 Juli 20 verschied, hat
Ulrich nur um ein Jahr überlebt; er folgte ihm 1359 Juli 12^
im Tode nach. In seinen letzten Lebensjahren hatte er noch
das von seinem Vater gestiftete Dominikanerinnenkloster reich
bedacht und bei den Minderbrüdem' zu Brück a. M., Leoben^
Judenburg und Pettau, im Kloster Stainz sowie zu St. Agidi
in Graz Jahrtage gestiftet.
Ein würdiger Sohn seines berühmten Vaters, galt er bei
seinen Zeitgenossen als ein Spiegel aller ritterlichen Tugenden,
deren Preis Suchenwirt eine seiner Ehrenreden widmete. Von
Feldzug zu Feldzug neu bewährt und mit Ruhm bedeckt,
war er während der ganzen Regierung Herzog Albrechts H.
ein treuer Diener seines Herrn und eine besonders wert-
volle Kraft gewesen, einer der besten Männer des Österreich
seiner Zeit.
Da ihm sein erstes Söhnlein Ulrich IH. in zartem Alter
gestorben war,* hinterließ Ulrich II. von seiner Gattin, der ihm
im Tode vorangegangenen Schwäbin Alheid von Weinsberg,
den einzigen Eberhard VHI., der sich um 1356 mit der Kuen-
ringerin Elsbeth vermählte.* Eberhard folgte seinem Vater so-
fort im Amte des Hauptmanns in der Steiermark und überkam
den gesamten väterlichen Besitz.
Von Herzog Rudolf IV. wurde 1359 an Friedrich III.
von Walsee-Graz das oberste Schenkenamt in der Steiermark
übertragen.* Er tauschte es 1361 gegen das steirische Ober-
truchsessenamt ein, das damit nochmals an sein Haus zurückkam.
Friedrich HI. von Walsee-Graz, der in den letzten Jahren
seinen Sitz zu Amfels^ genommen hatte, wurde im Sommer
1362 (f Juli 8) zu Grabe getragen; auch er hat sich im Do-
minikanerinnenkloster zu Graz einen Jahrtag gestiftet.^ Seine
Kinder von der Kuenringerin Agnes waren ihm schon in jugend-
^ Vgl. die Genealogie.
« ürkk. 1352—1369; Orig. 8tLA., Nr. 2446, 2662 ^ 2663 ^ 2626, 2626»»»°,
2664, 2585, 2618, 2714.
• Vgl. die Genealogie.
^ Nordwestlich von Marburg; es war salzburgisch. Wahrscheinlich hatte
er die Pflegschaft daselbst. Vgl. Urk. 1360 Angost 10; Orig. StLA.,
Nr. 2762«.
^ Mit dem Dorfe Steinach an der Kainach; Urk. 1362 Juni 22; Orig.
StLA., Nr. 2825»
▲rehir. XCT. Band. U. U&lfte. 25
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364
liebem Alter entrissen worden, und so beerbte ihn vorerst sein
Neffe Eberhard VIII. von Walsee-Qraz, der (Jatte Elsbeths,
einer Schwester der vorgenannten Agnes. Da auch diesem
der Bandersegen versagt blieb, schloß durch sein bereits 1363
Juli 12 erfolgtes Ableben die Reihe der Walseer zu Graz. ^
Damit war der erste der vier Zweige abgestorben, in
denen das Haus Walsee in Österreich blühte. In drei Gene-
rationen hatte er sich in der Steiermark und über deren Grenzen
hinaus ausgebreitet; aber viel weiter noch war der Ruf von der
Tapferkeit und dem Ruhme Ulrichs I. und seines Sohnes Ul-
richs n. gedrungen, zweier Zierden steirischer Ritterschaft
Das ganze Menschenalter hindurch, in welchem Ulrichs L
Söhne wirkten und schufen, hat sich deren Besitzentwicklung
fortwährend in aufsteigender Richtung bewegt; sie haben den
väterlichen Besitz, der vorderhand gemeinschaftlich blieb, noch
um ein bedeutendes vermehrt. Noch vor dem Tode seines
Vaters hat Ubnch 11. 1312* die beiden Festen Entreich und
Cheltzenwerde, deren Lage nicht bekannt ist, um 500 Mark
Silber erkauft; sie kommen weiterhin außer Sicht In der Ost-
steiermark, nahe den großen walseeischen Herrschaften Rie-
gersburg und Gleichenberg, wurde der salzburgische Zehent
zu Gleichenberg 1329* durch Ortolf von Pemreut an Ulrich IL
von Walsee und dessen Brüder übergeben. Den Urbarzehent
zu Gleisdorf erhielt Ulrich 11. im gleichen Jahre* vom Erz-
bischof von Salzburg im Tausche gegen Zehente zu Paurau
und Walteradorf zu Lehen. Am 5. Oktober 1331* wurden
Ulrich n. und seine Brüder von Herzog Otto mit Schloß Kom-
berg belehnt, das bereits ihr Vater innegehabt hatte. Wichtiger
aber war die Erwerbung der oststeirischen Pfandherrschaft
Wachseneck (bei Anger an der Feistritz), welche den Qrazer
Walseern beim Verkaufe der schwäbischen Stammgüter im
Vertrage von 1331 Januar 7^ für 2817 Mark Silber zugewiesen
wurde. In der Obersteiermark blieb es bei dem spärlichen
walseeischen Besitze, dem Gute im Pusterwalde; zu diesem
* Vgl. die Genealogie.
• ürk. 1312 Februar 24; Orig. StLA., Nr. 1760; die Regesten in NB. VI,
417 und AÖG. LIX, 285 sind mangelhaft und unrichtig.
» Urk. 1329 März 12; Orig. StAEferding.
♦ Urk. 1829 November 30; Muchar, Gesch. der Steiermark VI, 248.
* Muchar, ebenda 266. « UBoE. VI, 1.
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erwarb er die Vogtei über eine dem Stifte Seitenstetten (Nieder-
österreich) gehörige Mühle auf der Zeiring, die ihm Herzog
Albrecht II. 1329^ Übertrag. Im Unterlande nahmen sie zur
Arrondierung ihrer Herrschaft Schmimberg 1332* verschiedene
Seckauer Lehen in der Umgebung von Leutschach; auch ver-
lieh ihnen Abt Heinrich von St. Paul 1342 • verschiedene im
dortigen Umkreise gelegene Güter, die bereits ihr Vater inne-
gehabt hatte. 1334* erhielten sie die Vogtei über ein Qut der
Kartause Seitz zu Swersobitz (bei Rohitsch). Noch weiter im
Süden, in der Umgebung Cillis, kamen die drei Festen Hohen-
eck,* Sachsen wart und Sachsenfeld 1331^ als herzoglicher
Satz an sie, den sie von Konrad von Auffenstein um 1823 Mark
Silber ablösten.
Noch bedeutender aber waren die Ankäufe im Kärntner
Lavanttale, welche die geldkräftigen Walseer machten, als sich
nach dem Ausgange der Weißenecker Fehde letzteres Ge-
schlecht gezwungen sah, sein Stammgut Stück um Stück zu
veräußern. Bereits 1330^ versetzten die Weißenecker den drei
Brüdern von Walsee-Graz ihr Schloß Weißeneck® mit dem
Gerichte daselbst um 1000 Ä(^, dem als Kauf 1331 die Feste
Hartneidstein' samt dem zugehörigen Landgerichte um
350 Mark Silber folgte,^^ ebenso im gleichen Jahre noch *^ die
im Lavanttale gelegenen Landgerichte zu St. Leonhard, St.
Andrä und Reisberg.** Schließlich ging auch das vordere
Schloß zu Weißeneck, ein Teil 1333,*» die restliche Hälfte
folgte 13391* an die genannten Walseer ftlr 1000 und 600 Mark
» Urk. 1329 Juli 19; FR A. XXXIII, 184.
* Kop. StLA. Nr. 2039 >"*; diese und eine noch größere Anzahl fUhrt das
Seckauer Lehensverzeichnis, der bald nach 1318 entstandene Liber Wo-
chonis, Kop. StLA. Hs. 60, f. 59 an.
» Urk. 1342 September 1; AÖG. XXXIX, 232.
< Urk. 1334 Juni 22; Kop. StLA., Nr. 2064 ^
* Nicht mit jenem westlich von St. Polten su verwechseln.
« Urk. 1331 Juni 29; Steyerer, a. a. O. c. 19.
» Urk. 1330 September 29; NB. IV, 86.
' Südlich von St. Leonhard im Lavanttale.
* Am Westabhange der Koralpe.
»« Urk. 1331 Januar 8; NB. IV, 86.
" Urk. 1331 Juli 19; ebenda 87.
" Nordwestlich von St. Andrft. " Urk. 1333 Juni 3; NB. IV, 180.
»* Urk. 1339 Juli 6; ebenda 105.
26»
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Silber über. Nachmals erwarben dieselben noch 1342* ver-
schiedency diese Besitzungen abrundende Güter und Zehente
und zuletzt erkaufte Ulrich 11. 1355* von Nikla dem Weißen-
ecker um 150 Ä^ Güter ^ zu Mautern und St. Georgen —
Lehen des Klosters Goß. Im Jahre 1346* erhielt Ubich IL
von Walsee vom Bischof von Bamberg, Heinrich von Hohen-
lohe, die Belehnung mit Schloß und Herrschaft Weißeneck.
Das Gericht daselbst wurde dem Walseer durch die Pfann-
berger streitig gemacht;^ der Friesacher Schiedsspruch ent-
schied jedoch 1354 März 12^ zu seinen Gunsten. Daraufhin
hat Bischof Leopold von Bebenburg 1356'' die Belehnung mit
Weißeneck dem Walseer erneuert. Dieser schöne Besitz im
Lavanttale hat sich jedoch in der Folge nicht weiter entwickelt
und ging bereits mit dem Aussterben der Linie Walsee-Grax
dem Hause Walsee für immer verloren.
Nach dem Tode Jans I. von Walsee-Graz hatte Herzog
Albrecht II. den beiden Brüdern Ulrich H. und Friedrich HI.
von Walsee-Graz bewilligt, alle ihre Lehen Söhnen und Töch-
tern zu vererben. Wenige Jahre darauf hoben sie die seit ihres
Vaters Tode gemeinsame Verwaltung auf und teilten 1351
Januar 28« ihre Güter. Ulrich IL fielen die Festen Wald-
stein und Gleichenberg, der Satz von Übelbach mit dem
Urbar von Gleichenberg und Teilen des Urbars der Riegers-
burg zu. Friedrich HI. dagegen erhielt die Festen Riegers-
burg und Krems (bei Voitsberg) mit der Pack, den Satz von
Stainz und auf dem ,Gesnait', einen Teil des Satzes zu Wildon,
den größeren Teil des Urbars der Riegersburg und Schloß Wein-
berg mit dem Landgerichte. Von den Pfandschaften war bereits
Januar 18^ dieses Jahres Ulrich II. Hoheneck, Friedrich HI.
dagegen Wachseneck und Feldbach zugewiesen worden.
Schließlich schritten die beiden Brüder 1352 Mai 13 ^^ in Graz
zur Teilung der noch übrigen gemeinsamen Güter. Darnach
» Urk. 1342 April 7; ebenda 126.
« Urk. 1866 Juni 23; Orig. StLA., Nr. 2641.
^ Dieselben würden bald darauf dem Kloster der Dominikanerinnen ra
Gra« verpfändet: Urk. 1367 Juli 12; Orig. StLA., Nr. 2612.
♦ HHStA. Kod. 1049, f. 20'.
» Vgl. Urk. 1361 Juli 4; RegesU Boica Vm, 218. • NB. IV, 317.
» Urk. 1356 MÄrz 7; NB. IV, 321. • NB. IV, 279.
» NB. n, 329. »« NB. IV, 294.
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kamen die Fe8teii Weißeneck, Hartneidstein und Kranich-
berg (bei Gloggnitz am Semmering), dazu die Güter zu Finster-
pels, Obdach und Eppenstein, sämtlich um Judenburg gelegen,
an Ulrich 11., die Feste Roseck (auf der Pack) dagegen so-
wie die Feste bei Marburg im Draufelde samt allem Zugehör
wurden Friedrichs III. Anteil. Auch das Urbar zu Schmirn-
berg wurde 1352 Mai 29 geteilt,^ doch blieben diese Feste
und das Amt darauf gemeinsam.
Was Ulrich II. in seinen letzten Lebensjahren noch hinzu
erwarb, ist ohne aUe Bedeutung. Er brachte 1352* Gülten zu
Wolkenstein im Enstale von Konrad von Graben sowie 1358*
einen Hof bei Weißenkirchen* durch Kauf und satzweise 1359*
noch von Albrecht dem Hollenecker Gülten zu Deutsch-Fei-
stritz an sich.
Dagegen hat Friedrich IH. von Walsee-Graz in seinen
letzten Lebensjahren seinen Besitz noch ganz bedeutend ver-
mehrt. Von Jans von Junging erkaufte er 1352* einen Hof
zu Ragnitz bei Wildon. Dann wurde ihm vom Herzoge 1353
Mai 30^ ein ungenanntes ,Gut auf der Steiermark' um 1500 Äf ,Ä,
für eine Schuld von 1100^^ und 200 Gulden 1355 Novem-
ber 27 8 Burg und Stadt Windisch-Feistritz» verpfändet. Schließ-
lich erwarb Friedrich noch von Heinrich von Wildhausen die
Feste Mahrenberg, die ihm dieser 1360^® um 1334 Mark
Silber verkaufte. Seinen Satz auf Feldbach lösten die Bürger
um 300Äf,Ä selbst ab und erhielten dafür vom Herzog 1362
Februar 26 ^* eine fÜnQährige Steuerfreiheit. Dagegen hat Fried-
rich das Viertel an der Feste Dürrenstein,** das ihm seine
Gattin Agnes, Leutolds von Kuenring Tochter, zugebracht, 1356
Juni 81» dem Herzog filr 1500^^ verkauft. Nach Friedrichs HL
Ableben fiel dessen Besitz seinem NeflFen Eberhard VHI. von
Walsee-Graz zu. Friedrichs III. Witwe ließ sich mit einer
Summe von 1000 Goldgulden abfinden.^* Die Feste Krems
* NB. IV, 317. • Urk. 1362 November 3; Orig. StLA., Nr. 2457 •.
» Urk. 1358 März 11; Kop. StLA., Nr. 2643«. * Bei Knittelfeld.
* Urk. 1869 März 12; Kop. StLA., Nr. 2689'.
• Urk. 1362 November 20; Kop. StLA., Nr. 2469«.
» LB. in, r. 1632; falsch datiert. • LB. HI, r. 1826.
• Südwestlich Marburg. »« Urk. 1360 August 19; NB. IV, 343.
^^ Krones, Urk. z. Gesch. d. Steierm. etc., r. 223.
" Bei Krems, Niederösterreich. " LB. HI, r. 1863
" Urk. 1362 Juli 27; UBoE. Vm, 91.
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kam aus Friedrichs m. Erbe auf unbekannte Weise an die
befreundeten Stadecker.
Noch bei Lebzeiten seines Vaters hatte Eberhard VUL
für seinen Dienst gegen Zürich 1354 Juni 16 ^ vom Herzog das
Gericht und den herzoglichen Keller zu Marburg sowie den
Zehent auf dem Draufelde um 2000 Ä^Ä versetzt erhalten.
Seine Gattin Elsbeth^ gleichfalls eine Tochter Leutolds von Euen-
ring, erbte die beiden Festen zu Spitz,* mit welchen Eber-
hard Vin. 1356 April 2* vom Markgrafen Ludwig von Bran-
denburg und dem Herzog Stephan von Baiem belehnt wurde;
er hat sie durch Herzog Albrechts Entscheidung von Novem-
ber 29^ gleichen Jahres gegen die Meissauer behauptet. Schließ-
lich hat Eberhard noch 1362^ von Ulrich dem Winkler 6 Mark
57 ^ Geldes auf Gütern um Obdach und in der Finstern Pek
um 150 gute Gulden angekauft.
Durch das mit dem Tode Eberhards VUI. erfolgte Er-
löschen der Grazer Linie wurde ein beträchtUcher Teil ihrer
Besitzungen dem Hause Walsee ftir immer entfremdet. Zwar
hatte Herzog Albrecht nochmals 1357 Mai 27 « den Brüdern Ul-
rich n. und Friedrich HI. gestattet, ihre herzoglichen Lehen
ihren Vettern und Schwestersöhnen zu vererben und Bischof
Leopold von Bamberg ihnen die gleiche Erlaubnis hinsichtlich
der Feste Weißeneck, eines Bamberger Lehens, gegeben,' wo-
durch einer allzuweit gehenden Zersplitterung ihres Besitzes
vorgebeugt schien. Eberhard Vlll. hat indes einen großen Teil
seiner Güter den Nachkommen seiner Tante Diemut, den Grafen
von Cilli sowie den Pettauem vermacht, während der Rest
unter die Walseer zu Ens und Drosendorf verteilt wurde; jene
zu Linz gingen fast leer aus.
An Hertnid von Pettau verschrieb Eberhard VIU. noch
1362® Roseck, Haus am Pacher, den Satz von Marburg
und die Zehente auf dem Draufelde. Herzog Rudolf verHeh
1363 April 19® die ihm von Eberhard VDI. aufgesandten Land-
gerichte zu Waldstein in Steiermark sowie Weißeneck und
Hartneidstein in Kärnten den Grafen Ulrich und Hermann
> LB. m, r. 1962. « Bei Krems, Niederösterreich.
» Regesto Boica VIU, 360. * Frieß, Die Herren ron Knenring, r. 796.
* Urk. 1362 Dezember 29; Orig. StLA., Nr. 2S49. • LB. UI, r. 1936.
' Urk. 1368 Juni 8; NB. IV, 338. » Kop. StLA., Nr. 2860«.
* Melly, Vaterländische Urkunden 44.
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von Cilli, an die auch der Satz von Hoheneck, Sachsenwart
und Sachsenfeld^ kam. Die Feste Schmirnberg, einSt.Pauler
Lehen, sollte gleich anderen Lehen dieses Klosters an die Her-
zoge fallen,* kam aber an die Cillier; dafür wurde Eberhard V.
von Walsee-Linz mit 2000 Äf/Ä, Jans 11. von Walsee-Drosen-
dorf mit 1000 tl ^ vom Grafen Hermann von Cilli entschädigt.'
Friedrichs HI. von Walsee-Graz Witwe, der Kuenringerin
Agnes, verblieb die halbe Stadt Zistersdorf (Niederösterreich),
die ihr die Herzoge verliehen hatten; sie vermachte dieselbe
1366* ihrem Schwager Andre von Liechtenstein und starb um
1368.* Gleich ihrer Schwester verbrachte auch Elsbeth, die
Witwe Eberhards VHI. von Walsee-Graz, den Rest ihres Lebens
im elterlichen Hause. Sie wurde mit Heidenreich von Meissau,
dem sie 1364 ^ ihr Heiratsgut, Anteile an den Festen Spitz und
Wolfstein, verkaufte, 1378 ^ die Stifterin der Kapelle im Kuen-
ringerhofe zu Dürrenstein, die sie auch in ihrem letzten Willen
1379 Mai 2^ nochmals bedachte. Noch in diesem Jahre hat
sie das Zeitliche gesegnet. Der Markt Hadersdorf, den sie an
Bernhard von Meissau vererbt hatte, kam kurz darauf an die
Herzoge zurück.®
Alle diese Besitzungen, auch das steirische Truch-
sessenamt gingen dem Hause Walsee somit verloren. Der
Linie Walsee-Ens in ihren beiden Zweigen ward die große
Herrschaft Riegersburg zuteil. Von den Drosendorfern wurde
Heinrich HI. mit den Festen und Herrschaften Gleichenberg,
Weinburg und Kapfenstein^® (bei Fehring) bedacht, sowie
mit der Pfandschaft Wachseneck, auf welcher 1367*^ das
Heiratsgut der Gattin Jans H. von Walsee-Drosendorf hinter-
legt wurde; Friedrich VH. von Walsee-Drosendorf mußte die
ihm zugefallene Pfandschaft Windisch-Feistritz 1363 Juni 1^*
gegen einen entsprechenden Satz auf Pottenstein (Niederöster-
reich) an den Herzog abtreten.
^ Urk. 1363 Oktober 25; Krones, Urk. z. Gesch. d. Steierm. etc., r. 244.
• Urk. 1363 April 6; AÖG. XXXIX, 242. » WSt. 584.
• Frieß, Die Herren ron Kuenring, r. 887. ^ Vgl. die Genealogie.
• Urk- 1364 Dezember 21; Regesta Boica VIU, 112.
» Urk. 1378 Juni 15; Frieß, a. a. O., r. 829. » Ebenda, r. 830.
• Urk. 1379 August 14; ebenda, r. 831.
" Vgl. Urk. 1362 Oktober 21; WSt. 579, " Inventar, f. 6'.
»» AÖG. U, 435.
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370
So waren mit dem Absterben der Walseer zu Graz deren
Güter auf Kärntner Boden fllr immer dahin und auch von
ihrem Besitze in der Steiermark blieben nur Trümmer dem
Hause Walsee erhalten^ das nie mehr einen selbständigen Mit-
telpunkt auf steirischem Boden gewann.
VI. Abschnitt.
Die Linie Walsee-Drosendorf.
1. Friedrich I. (f 1318) und seine Kinder.
Als vierter der walseeischen Linien auf dem Boden Öster-
reichs haben wir nun jener zu gedenken, die von Friedrich L,
dem jüngsten der Söhne Eberhards m. von Walsee, begründet
und nach dem niederösterreichischen Städtchen Drosendorf be-
nannt wurde, das sie durch lange Jahre innehatte.
Zu der Bedeutung der Walseer von Linz, Ens oder Graz
hat es die Linie zu Drosendorf nie gebracht. Einerseits fehlten
ihr hervorragendere Persönlichkeiten fast ganz, die sich über
das Maß dessen erhoben hätten^ was beim Adel jener Zeit
gang und gäbe war, andererseits stand sie auch an Wohlhaben-
heit hinter den übrigen Walseem um ein beträchtliches zurück;
schUeßlich dürfen wir auch nicht verhehlen, daß wir gerade
über diese Linie am schlechtesten unterrichtet bleiben — Um-
stände, die sich alle bereits hinsichtlich der Person ihres Stif-
ters Friedrichs I. geltend machen.
Dieser kam erst nach dem Tode seines Vaters, weit später
als seine Brüder nach Osterreich. Zum ersten Male wird er auf
dem Nürnberger Reichstage von 1298 genannt,^ nach welchem
er seinen Brüdern in die neue Heimat folgte. Hier hielt er
sich bei dem einen oder anderen derselben wie am Hofe auf,
ohne Amt und bestimmtes Ziel; so hat er es auch zu keinem
bleibenden Wohnsitze gebracht. Im Sommer 1301 zog er mit
dem Hilfsheere unter Herzog Rudolf dem Könige Albrecht nach
den Rheinlanden zu und nahm gleich seinen Brüdern im JuU
an der Belagerung von Bensheim teil.* Nach seiner Rückkehr
vermögen wir seine Anwesenheit auf verschiedenen Taidingen
und bei manchen Familienanlässen zu verfolgen. Im Jahre
* Vgl. Urk. 1298 November 21; UBoE. IV, 287—288. « Vgl. 8. 267.
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371
1309 erwarb er sich Verdienste um die Niederwerfung des
Aufstandes in Niederösterreich.* Nach dem Jahre 1314 tritt
er nur noch 1316 ein einzig Mal gelegentlich einer Gliter-
streitigkeit auf. Als erster von seinen Brüdern verschied Fried-
rich I. 1318 Juli 22;* er wurde wahrscheinlich im Kloster
Zwettl beigesetzt.
Im Jahre 1314 hatte er seine Gattin Alheid, eine Schwe-
ster Konrads von Werde, längst heimgeführt,* die ihn um ein
volles Jahrzehent überlebte. Er hinterließ ihr aus dieser Ehe
drei Sohne, den bereits gevogten Eberhard VI., femer Fried-
rich IV. und Heinrich III., und zwei Töchter, Elsbeth sowie
die schon als Kind 1314 mit Weichard von Winkel verlobte
Katharina.
Von diesen tritt der älteste Sohn Eberhard VI. unmittel-
bar nach dem Tode seines Vaters 1318 August 4 als Burg-
graf von Weitra auf. Da er damals erst kurz vorher gevogt
gewesen sein kann und in diesem Amte weiter' nicht beur-
kundet ist, das er wohl nur infolge des Ablebens seines Vaters
vorderhand versehen hatte, und Friedrich I. femer Besitz im
Waldviertel hatte, ist es wahrscheinlich, daß Friedrich I. sein
Leben als Burggraf zu Weitra beschlossen hat;* keinesfalls
aber war er je Hauptmann zu Drosendorf, das seine Söhne
erst 1327 überkamen.
Bis zu diesem Jahre verlautet nichts von Friedrichs I.
FamiUe. Bei dem Einfalle, den K. Johann von Böhmen in
diesem Jahre nach Osterreich machte, war das an der Grenze
Mährens gelegene Drosendorf dem Angriff zunächst ausgesetzt.
Nach sechswöchentlicher Belagerung war einer der Walseer
gezwungen,* Drosendorf den Böhmen zu übergeben.
Von den drei Brüdern wählte der älteste, Eberhard VI.,
Alheid von Falkenberg um 1328 zu seiner GemahUn. Der
zweite, der bald nach 1335 verstorbene Friedrich IV., erscheint
^ Vgl. Blätter d. Vereines f. Landesk. ▼. NiederOsterreich XIX, 246.
• Vgl. die Genealogie.
' Urk. 1325 März 2 (Kopie Linzer Musealarchiy) wird Eberhard ,weilen
hauptmann ze Weitra' genannt.
• Vgl. die Genealogie ; auch der sonst rerdächtige Chr. Hanthaler gibt dies
bereits an.
• Primisser, Snchenwirt, S. 226 Anm., doch wird der Walseer hier Otto ge-
nannt; kein Mitglied des Hauses führt diesen Namen.
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372
im gleichen Jahre mit einer Mai^areta vermählt, von der er
eine Tochter Anna, die spätere Ghittin Ottos von Meissau, hinter-
ließ. Der jüngste der Brüder, Heinrich IQ., verlor nach ein-
ander zwei Gattinnen, eine Klingenbei^rin und eine von Vol-
kenstorf, durch den Tod nach kurzer Ehe.*
Von den beiden Töchtern Friedrichs I. war Katharina als
Gattin Weinhards von Winkel noch 1348 am Leben, EUsbeth
starb vor 1344 als Gemahlin Albers von Lichteneck.
AllmähUch erst treten die Brüder wieder bedeutender her-
vor. So wurde Eberhard VI. Bevollmächtigter des Herzogs fiir
die Strecke von der Donau bis Hartberg, als derselbe im Ver-
trage von 1345 Dezember 14* Vorkehrungen zur Schlichtung
der Streitigkeiten an der Grenze gegen Ungarn traf. Als Her-
zog Albrecht nach Ludwigs des Baiem plötzlichem Tode zu
E. Karl IV. in nähere Beziehungen trat, fanden sich, wohl im
Auftrage des Herzogs, anfangs September 1347 * sowie im April
des folgenden Jahres die Brüder Eberhard VI. und Heinrich HL
am Hofe zu Prag ein. Sie scheinen sich bei diesem in Gunst
gesetzt zu haben, was bei der Lage Drosendorfs dicht an der
mährischen Grenze gewiß nicht ohne Wert war. Heinrich HI.
von Walsee-Drosendorf erhielt 1348 Mai 14* vom Könige sogar
mehrere südmährische Lehen.
Die Besitzentwicklung der Drosendorfer Linie bietet nicht
in dem Maße das Bild rasch sich mehrenden Reichtums, wie
wir es bei den Vettern von Linz, Ens und Graz verfolgen
konnten. Zu Zeiten kann hier auch kaum mehr von Wohlstand
gesprochen werden; gleichwohl folgten auf die trüben wieder
bessere Jahre und gewiß hat hier oft verwandtschaftliche Unter-
stützung eingegriffen. Was wir über Friedrichs L Besitzver-
hältnisse erfahren, ist nur wenig, jedenfalls blieb bereits er
hinter seinen Brüdern auch nach dieser Seite hin stark zurück.
Ihm hat K. Friedrich 1314» den Markt Gföhl samt dem
Forste um 900 Mark Silber verpfilndet. Dann wissen wir von
einer Gülte zu Groß-Globnitz, ^ die Friedrich I. 1312 erworben
' Vgl. die Genealogie.
« Muchar, Gesch. d. Steierm. VI, 304.
» Böhmer-Huber, Reg. Imp., n. 334, 643—664. * Ebenda, n. 67S.
* AÖG. II, 54Ö.
• Bei PöUa, VOMB.; Urk. 1312 Januar 8, FRA., 2. A., III, 596.
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373
und noch in demselben Jahre weitergegeben hat.* Seine An-
sprüche auf Besitz und die Kirche zu Weigelsdorf bei Potten-
dorf^ die offenbar mit dem Erbgute seiner Gattin in Zusammen-
hang standen^ wurden 1316* zugunsten des Wiener Bürgerspitals
abgewiesen. Dem Zwettler Kloster vermachte er 1318 Gülten
zu Otz (nördlich von Spitz) samt dem Dorfgerichte. Meist lag
dieser Besitz im Waldviertel, was auf Friedrichs I. Amt als
Burggraf zu Weitra hindeutet. Seine Gattin Alheid von Werde
scheint ihm nicht unbedeutenden Besitz zugebracht zu haben.
Aus diesem stammten wohl die Dörfer Höflein und Regels-
brunn* sowie Schloß Kalksburg, welche Güter ihre drei Söhne
Eberhard VI., Friedrich IV. und Heinrich IH. 1327 Januar 4*
an Wendel, Konrads von Werde Witwe gegen die Festen
Merchtenstein und Hirtenberg, Schloß Wernberg (bei
Pottenstein), das Dorf Eitzestal (bei Ober-Hollabrunn?), den
Markt Hadersdorf und die Sätze Weikhartsschlag und
Drosendorf vorteilhaft vertauschten. Nach letzterem Städt-
chen, das im gleichen Jahre an die Böhmen verloren ging,
nannte sich Eberhard VI. Hauptmann zu Drosendorf seit 1332,
als dasselbe durch den Frieden mit Böhmen an Osterreich zu-
rückgekommen war.
Trotzdem war die Drosendorfer Linie, vielleicht infolge der
Böhmeneinfälle in fortwährenden Geldschwierigkeiten, genötigt,
bei Christen und Juden Darlehen auf Darlehen aufzunehmen, und
daraus gab es bei dem damaligen hohen Zinsfuße trotz aller ver-
wandtschaftlichen Nachhilfe nur schwer ein Entrinnen. Es half
auch wenig, daß den Brüdern anläßlich des Verkaufes der
schwäbischen Stammgüter an die Herzoge 1331* Schloß Potten-
stein um 1800 Mark Silber verpftlndet wurde, wozu sie bei
Juden noch volle 1233 Mark Silber angewiesen erhielten. Auf
Jahre hinaus ist die einzige Besitzveränderung der unbedeutende
Gültentausch, durch welchen die Brüder 1335^ für Gülten zu
Ebreichsdorf solche zwischen Merkenstein und Gainfarn ein-
tauschten. Von Besitzerwerbungen konnte auch weiterhin nicht
die Rede sein, so lange sich die Brüder in den Händen ihrer
* Urk. 1312 Februar 2; Ladewig, Reliqa. Manuscript. IV, 123.
• Urk. 1316 August 21; Quellen »ur Gesch. der Stadt Wien n\ n. 62.
* Bei Brück an der Leitha. * NB. IV, 83.
» Urk. 1331 Februar 7; UBoE. VI, 1.
• Urk. 1336 Dezember 13; UBoE. VI, 192.
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374
Geldgeber befanden. Schließlich kam es 1339 zu einem Aus-
gleich Eberhards VI. und Heinrichs IQ. mit der Jüdin Plume,
die sich fUr bOO€f^ aller Ansprüche begab, worauf Herzog
Albrecht zu Weihnachten 1339* alle Schuldscheine derselben
für ungültig erklärte. Schon im folgenden Jahre hören wir
indes von neuen Geldverpflichtungen der Brüder gegen den
Juden Eisach von Wiener -Neustadt,* der nun ihr Bankier
wurde, und so hielten diese mißlichen Verhältnisse auch ferner-
hin an.
Der erste und einzige Besitzerwerb, von dem wir wieder
hören, war der des Marktes Frattern, des Dorfes Rantzem und
anderer Güter, südmährischer Lehen in der Nachbarschaft Dro-
sendorfs, die Heinrich IH. 1348 von den ihm verschwägerten
Klingenbergem ankaufte; noch im gleichen Jahre erhielt er von
K. Karl IV. die Belehnung darüber. ' Zwei Testamente, die den
Drosendorfem reiche Erbaussichten eröffneten, traten nicht in
Kraft: die großen Güter in Untersteiermark, welche Cholo von
Seldenhoven 1344* Eberhard VI. und Heinrich IH. vermacht
hatte, gingen nach dessen Tode 1374 gegen Entschädigung an
die Cillier über,* und Otto von Volkenstorf, der 1349 Oktober 4*
den Söhnen Heinrichs HI. von Walsee-Drosendorf beträchtlichen
Besitz im oberösterreichischen Kremstal vermachte, erhielt noch
männliche Nachkommen.
Da sich einer der Brüder durch die Gütergemeinschaft
benachteiligt fühlte, in welcher sie seit ihres Vaters Tode ihren
Besitz bewirtschaftet hatten, teilten Eberhard VI. und Hein-
rich HI. 1349 März 29' ihren Besitz. Ersterem fielen darnach
die Festen Merkenstein und Hirtenberg samt Zugehör, ein
Sitz in der Domau (bei Leobersdorf auf dem Steinfelde) sowie
mehrere kleinere Güter zu. An Heinrich III. kamen die Festen
Enzesfeld (Engelschalchsfeld) und Lestorf und ihr Zugehör.
Auf Pottenstein, dessen Einkünfte gemeinsam blieben, soUte
vorerst Eberhard VI. mit den Seinen durch zehn Jahre wohnen,
sodann die Familien beider Brüder alle ein bis zwei Jahre
abwechseln. Die Hauptmannschaft Drosendorf blieb unge-
» LB. in, r. 1226. • Urk. 1340 Man 24; NB. IV, 106.
» Vgl. 8. 372. * Urk. 1344 November 80; FRA. XXXVI, 284.
» ürkk. 1874 April 23, 1377 Mär« ö und 8; Orig. HHStA., Wien.
« UBoE. VII, 143. ' UBoE. VU, 100.
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375
teilt. ^ Von sonstigen Sätzen scheint in der Folge der auf Ar n-
stein an Eberhard VI.^ Gföhl dagegen an Heinrich III. überge-
gangen zu sein.
Damit begründete Eberhard VI. den Pottensteiner, Hein-
rich in. den Enzesfelder Zweig der Walseer zu Drosendorf,
2. Der Pottentteiner Zweig.
Die letzte Besitzteilung hat den Walseern zu Drosendorf
sichtlich keine Vorteile gebracht. Der Zweig zu Pottenstein
wenigstens kam fortan nicht mehr in günstige Verhältnisse und
endet schließlich wenig rühmlich.
Als Gatten Alheids von Falkenberg fiel Eberhard VI. und
dessen Söhnen Friedrich VI. und Heinrich VI. allerdings ein
bedeutendes Erbe von Rapoto von Falkenberg zu: sie ver-
kauften ihren Miterben^ den Kapellem, 1355 November 2ö' um
700 ^>A einen Teil davon^ so daß nun die ganze Erbschaft
gleicherweise den Walseern und den KapeUem zustand. Durch
diese Summe vermochten sie sich vorderhand ihrer Judenschul-
den zu entledigen.
Noch im gleichen Jahre schied Eberhard VI. aus dem
Leben und hinterließ seine zweite Qattin Agnes aus dem Hause
der Grafen von Ortenburg, mit der er sich erst im Vorjahre
vermählt hatte. ^ Die beiden Söhne aus seiner ersten Ehe mit
Alheid von Falkenberg (1328—1349) hatten sich damals bereits
verheiratet: Friedrich VII. hatte um 1355 Elara^ eine Tochter
Leutolds III. von Kuenring, heimgeführt und Heinrich VII. war
zur selben Zeit der Gatte Margrets, einer Tochter des Grafen
Lorenz von Mattersdorf, geworden.
Eberhards VI. Witwe, welche das von den KapeUem ihr
und ihrem Gatten um 1250 Äf/Ä versetzte Dorf Stetteldorf,
ein Lehen der Zollern, innehatte, gab dasselbe bereits 1369*
Eberhard von Kapellen zu lösen. Dagegen behielt sie ihr elter-
liches Heiratsgut, den Satz zu Radmannsdorf in Krain, den
sie erst um 1377 ihrem Neffen, dem Grafen Friedrich von
Ortenburg, abtrat. Agnes war noch 1386 am Leben und stif-
^ WSt. 681 ; beide Brüder nennen sich anch in der Folge Hauptlente zu
Drosendorf.
• NB. IV, 820. » Vgl. die Genealogie.
* ürk. 1869 Juni 80; NB. IV, 841.
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376
tete sich Oktober 28 ^ dieses Jahres im Nonnenkloster Studenits
in Krain einen Jahrtag.
Bedeutender als sein Bruder tritt Friedrich VII. hervor.
Er wurde 1358* Herzog Rudolfs IV. Kammermeister, vermochte
indes dieses Amt bei seinen beschränkten Vermögensverhätt-
nissen nur ein Jahr lang zu behaupten.
Bald nach dem Tode ihres Vaters teilten auch Fried-
rich Vn. und Heinrich VII. wieder ihren Besitz, wodurch an
ersteren Pottenstein, das seinerzeit ganz an Eberhard VL
übergegangen war, nebst Dornau* und dem Satze von Drosen-
dorf kamen^ während Heinrich VH. Merkenstein und wohl
auch Hirten berg erhielt. Seitdem nannten sich die Brüder
nach Pottenstein, beziehungsweise Merkenstein.
Anfangs erwarb Friedrich VH. auch mehrere Besitzungen.
1355* versetzte Herzog Albrecht ihm und seiner Gattin die Feste
Arnstein* im Wienerwalde. Dann brachte er 1359* Gülten um
Baden an sich und erkaufte 1360 von Friedrich von Winkel
solche zu Hadersdorf, ^ mit denen ihn Herzog Rudolf IV. be-
lehnte. Dagegen überUeß er sein Teil an der Lehenschaft zu
Schwertberg (an der Aist, Oberösterreich), das ihm durch seine
Gattin, die Kuenringerin Klara, zugefallen war, 1359* käuflich
an Eberhard von EapeUen, da dieses Erbe z^weit von seinem
übrigen Besitze abseits lag. Aus dem Nachlasse der Walseer
von Graz erhielt Friedrich VH. femer den Satz auf Windisch-
Feistritz,•ftb• welchen ihn aber der Herzog auf Pottenstein wies.
Trotzdem wurde die Lage dieses walseeischen Zweiges
eine mißliche. Wie der Schuldbrief Friedrichs VH. und Hein-
richs VH. von 1363^® beweist, kam Friedrich VH. wieder in die
Hände jüdischer Geldgeber, aus denen es trotz seiner reichen
Heirat kein Entrinnen gab.
Vor allem waren die Brüder infolge dieser Verhältnisse
nicht imstande, die falkenbergische Erbschaft zu halten; nach
' Schumi, Archiv I, 32. * Vgl. die Genealogie.
» Vgl. ürkk. 1369 Juni 17, 1362 April 2; LB. IV, r. 50 und 362.
• 1365 Mai 14; LB. III, r. 1775 falsch dauert.
^ Westlich Yon Heiligenkreus.
• Urk. 1859 Oktober 30; FRA. XVI, 249.
» VOMB.; Urk. 1360 Juni 16.; Orig. StAEferding.
• Urk. 1369 Januar 8; UBoE. VIH, 609. • Vgl. S. 369.
" Urk. 1363 August 5; NB. IV, 386.
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377
dem Vertrage von 1355 sahen sie sich alsbald gezwungen, die
ganze Hinterlassenschaft an die reicheren Kapeller zu veräußern.
Mit diesen hatten sie sich noch 1364^ wegen des Patronates
der Pfarre Qobelsburg geeinigt, auf welcher ihr Vetter Fried-
rich VIII., ein Sohn Heinrichs HI. von Walsee-Drosendorf, als
Pfarrer saß (?); das Pfarrpatronat von Hadreis hatten sie dem
EJoster Pulgam geschenkt.* Nun verkauften Friedrich VH.
und Heinrich VII. 1367 September 24* all ihren Anteil an Fal-
kenberg und dem Burgstall daselbst, der Feste Gobelsburg
(bei Langenlois, VOMB.), dem Markte und dem Landgerichte
zu Hadersdorf mit allen zugehörigen Lehen an die Kapeller,
welche 1368* vom Herzoge damit belehnt wurden.
Alle diese Summen halfen Friedrich VH. nicht aus seiner
Geldklemme, obgleich Herzog Rudolf 1365^ seine Schuldbriefe,
die der entwichene Jude Musch von Marburg besaß, für un-
gültig erklärte. 1367^ steUten er und sein Eidam Heinrich
von Zelking an den Juden Judmann zu Wien einen Schuldbrief
aus und noch im gleichen Jahre ^ ward ihm auch die herzog-
liche Pfandschafl Amstein durch Hans von Tyrna um 1000 ii /Ä
abgelöst. Der schwerverschuldete Friedrich VH. veräußerte
schließlich 1370 Juni 15® an seine Vettern zu Enzesfeld all
sein Eigengut: Anteile an den Festen Merkenstein und Hirten-
berg, der Feste Domau, Gütern zu Altenwört an der Donau
und Ottental, Mistelbach und Ringelsdorf, das Haus zu Wien,
den Weingarten zu Dornbach, Lehen zu Domau und Leobers-
dorf und seinen Anteil an den Sätzen zu Drosendorf, Weik-
hartsschlag und Pottenstein, immer noch ein ansehnlicher Besitz,
den aber die Käufer erst aus Judenhänden lösen mußten. ®
Da Friedrich VH. nach 1371 nicht mehr genannt wird,
muß er bald darauf gestorben sein; seine Gattin Klara von
Kuenring war ihm längst im Tode vorausgegangen. ^® Das Ehe-
^ Strein, Biscr. Kod. */io* ^' ^^^^ Schlttsselberger Archiv des oberOsterreichi-
schen Landesarchlyt.
• Vgl. Urk. 1366 Juli 8; UBoE. Vm, 286. • NB. IV, 389.
• Urk. 1368, November 14; ÜBoE. VIU, 398.
» Urk. 1366 Februar 13; Orig. HHStA.
• Urk. 1367 Februar 1; NB. IV, 387.
^ Ebenda 388. • Ebenda 435.
• Vgl. Urk. 1870 Juni 21; UBoE. VIU, 473.
^^ Vgl. die Genealogie.
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paar hinterließ zwei Töchter, Agnes^ die Gattin Heinrichs von
Zelking^ und Johanna, die 1371 bei ihrer Vermählung mit Jans
von Meseritsch immerhin ein Heiratsgut von 1100 Äf/Ä erhielt;*
ein Sohn, Friedrich IX., war beim Tode seines Vaters noch
ungevogt
Um dieselbe Zeit oder bereits einige Monate vor seinem
Bruder Friedrich VH. schied auch Heinrich VH., zu Merken-
stein gesessen, aus dem Leben.' Von seiner Gattin Margret,
einer Tochter des Grafen Lorenz von Mattersdorf, hinterließ er
eine Tochter, die den Namen ihrer Mutter trug. Margret
wurde um 1385 an Ulrich von Dachsberg vermählt und war
als dessen Witwe noch 1439 am Leben. Sie erbte einen Teil
der Güter ihres Vaters* und tat sich nachmals durch Stif-
tungen am Spitale und an der Pfarrkirche zu Ei^ems hervor.^
Merkenstein fiel an den Ast zu Enzesfeld; von seinem Satze
zu Drosendorf, den er mit seinen Vettern gemeinsam besaß,
hatte Heinrich VH. 1368 Juni 22 » seine Hälfte von 400 «f
seinem Bruder und dessen Töchtern vermacht.
Als dann Friedrich IX. zu vogtbaren Jahren gekommen
war, hauste er auf Pottenstein, wo ihm das Wohnungsrecht
geblieben war. Ulrich IV. vom Enzesfelder Aste apanagierte^
den infolge der Verschuldung seines Vaters mittellosen Vetter,
von dem er sich daftür 1385'' den Alleinbesitz der herzoglichen
Lehen sicherte, die sie gemeinsam innehatten, fUr den Fall, als
Friedrich IX. ohne Leibeserben stürbe. Dieser Fall trat 1392*
oder bald darauf ein: Friedrich IX. bleibt von da ab ver-
schollen. Damit endete der Pottensteiner Zweig der Drosen-
dorfer Linie.
3. Der Zweig zu Bnzetfeld.
Zu größerer Blüte hat es der Enzesfelder Ast der Drosen-
dorfer Walseer gebracht. Er erlischt indes gleichfalls bereits
» Vgl. Urk. 1371 April 24; NB. IV, 631. • Vgl. die Genealogie.
» Vgl. Urk. 1386 April 4; NB. I, 876.
« Vgl. die Urkk. 1430 Oktober 10, 1438 November 13, 1439 Mai 83, 1468
Mai 23; Orig. Kremser Stadtarchir.
» NB. IV, 434. • Vgl. HHStA. Kod. 48, f. 54.
* Urkk. 1385 Januar 22 and Deiember 22; Orig. NiederOsterreichifches
Landesarchir.
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379
am Schlüsse des 14. Jahrhunderts mit seinem bedeutendsten
Vertreter Ulrich IV.
Ein günstigeres Lebensschicksal als seinem Bruder Eber-
hard VE. war dem bedeutenderen Heinrich III. beschieden,
dem der Anfall eines ansehnlichen Erbes nach den Grazer
Walseem schließlich tlber alle wirtschaftlichen Schwierigkeiten
hinweghalf.
Zunächst war er im Dienste der Habsburger in Friaul
tätig. Im Herbste 1350 zogen Heinrich IH. von Walsee-Drosen-
dorf und Konrad von Auffenstein mit zahlreichem Kriegsvolke
ans Kärnten über Spilimbergo dem habsburgischen Portenau
zu^ wo sie sich am Martinstage mit den Truppen des Grafen
von Görz vereinten.* Am folgenden Tage weigerten sich in-
des Beacchino de Porcilleis und die Bürger, die Stadt an Hein-
rich in. von Walsee-Drosendorf an des Herzogs statt zu über-
geben, da sie ohne genügende Beglaubigung seien. ^ Hein-
rich in. von Walsee-Drosendorf und der Auffensteiner kehrten
sodann nach Österreich zurück, um dem Herzog von ihrer
Mission Bericht zu erstatten.
An der Nordgrenze Österreichs bereitete sich damals eben
die große Walseer Fehde mit dem Adel Südböhmens vor.
Während Eberhard V. von Walsee-Linz in Oberösterreich die
Hauptlast derselben zu tragen hatte, ^ kam es in Niederösterreich,
wo die Walseer zu Drosendorf und Alber von Puchheim gleich-
falls gerüstet hatten, zu keinen größeren Kriegsereignissen.
Im Herbste des folgenden Jahres 1352 scheint* Hein-
rich UI. das Heilige Land besucht zu haben, aus dem er im
Frühjahre 1353 heimkehrte.
In der Folge erfahren wir wenig mehr über ihn; ab und
zu weilte er am Hofe Herzog Rudolfs IV., so auch bei dem
wichtigen Weitraer Tage 1361 Juni 16,* auf dem sich die
Grafen von Schaunberg zu habsburgischen Vasallen erklärten.
Nach dem Tode seiner zweiten Gattin schloß Heinrich III.
um 1359 noch einen Ehebund mit Katrei von Chiaw, die ihm
1350 Januar 31^ 600 ^/Ä Heimsteuer auf dem herzoglichen
Lehen Pottendorf bei Feldsberg verschrieb. Heinrichs IH. Be-
» Annali del Priuli V, 103. « FRA. XXIV, 64.
» Vgl. S. 278.
^ Vgl. Urk. 1852 Jali 2; Lang, Monum. Salzbturgo-Aqnileiensia I, 358.
» Vgl. S. 281. • NB. IV, 840.
ArelÜT. XCY. Band. U. HUfke. 26
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sitz blieb fast stationär ; nur 1360* sah er sich gezwungen, mit
seinen Söhnen filr geliehene 330 Ö/Ä Gülten zu Ober- und
Nieder- Waltenreut, Wolfsberg und Gasprechts an Gondaker
von Werde zu verpfänden. Durch das Ableben des letzten
Walseers zu Graz fielen ihm jedoch die bedeutenden Herr-
schaften Gleichenberg — auf welcher Heinrich HL 1365
eine Schloßkaplanei stiftete* — , Kapfenstein und Weinburg,
sämtlich herzogliche Lehen, sowie der Satz auf Wachseneck
zu, ein so stattliches Erbe, daß es ihn aller Sorgen für seine
zahlreiche Nachkommenschaft enthob.
Als Heinrich HI. im Herbste 1367 starb, zog sich seine
Witwe Katharina nach Wien, wo sie 1367* ein Haus in der
Singerstraße ankaufte, und beschloß dort ihre Tage.
Von seinen Kindern waren Heinrich HI. mehrere schon
im Tode vorangegangen. Ein Söhnlein aus seiner Ehe mit
einer Volkenstorferin, Reinprecht HI., der 1349 —1353 erwähnt
wird,* starb in jungen Jahren. Seine Tochter Alheid war be-
reits 1353 mit Leutold IH. von Kuenring-Seefeld vermählt, der
1355 mit Tod abging. Ihr Heß Herzog Albrecht 1356 April 6»
das herzogliche Lehen Rossaz bei Dürrenstein verleihen, das
sie bald an Reinprecht I. von Walsee-Ens verkaufte.* Bald
darauf folgte sie ihrem zweiten Gatten Zdenek von der Leipp^
OberstlandmarschaU und Kämmerer in Böhmen, in seine Heimat,
den sie 1359 zum Witwer machte.* Ein anderer Sohn, Eber-
hard IX., der bereits 1360 als gevogt auftritt, wird seit 1365
nicht mehr genannt; Friedrich VHI. femer, der den geistlichen
Stand erwählt hatte und 1364 Pfarrer zu Gobelsburg war,
kommt seit diesem Jahre gleichfalls außer Sicht. So hinter»
ließ Heinrich HI. bei seinem Ableben noch drei Söhne, den
bereits 1360 gevogten Jans H., femer Heinrich VHI. und
Wolfgang rV. Dieselben hatten 1365^ den Zug gegen Baiem
und die Belagerung von Ried mitgemacht und waren längere
Zeit hindurch am Hofe Herzog Rudolfs anwesend. Von ihnen
» Urk. 1360 Mäte 3; NB. IV, 342.
* Urkk. 1365 Januar 5 und 27; Salzbarger Borromeam Prog^. 1892/93,
S. 26.
» Urk. 1367 Oktober 28; NB. IV, 433. * Vgl. die Genealogie.
» LB. in, r. 1848.
« Urk. 1368 November 17; LB. IV, r. 17.
' Vgl. S. 282.
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381
starb Jans II. bereits 1370.^ Aus seiner Ehe mit der Pettauerin
Clsbeth hinterließ er einen einzigen Sohn^ der nun auf kurze Zeit
unter der Gerhabschaft Heinrichs VI. stand. Da in den fol-
genden Jahren Heinrich VHI. nach 1377 nicht mehr genannt
wird, der wohl unvermählt starb, und Wolfgang IV. zwischen
1380 — 1382 gleichfalls aus dem Leben schied, der seiner jungen
Witwe Katharina von Maidburg ein kleines Töchterchen hinter-
ließ, so blieb Ulrich IV. als einziger und letzter Sprosse des
Enzesfelder Astes übrig.
Heinrichs HI. Söhne verwalteten ihren väterlichen Besitz
gemeinschaftlich. Sie brachten vor allem 1370 Juni 14^ von
ihrem schwerverschuldeten Vetter all dessen Eigengut an sich :
Anteile an den Festen Merkenstein — wovon sie gleichzeitig
den Rest nach ihrem Vetter Heinrich VH. erbten — und Hirten-
berg, die Feste Domau, eine Anzahl kleinerer Güter nebst
einem Hause in Wien sowie dessen Anteil an den Pfandschaften
Drosendorf, Weikartsschlag und Pottenstein, die sie indes erst
von Juden auslösen mußten, worüber sie sich von Herzog Al-
brecht 1370 Juni 21* einen Schutzbrief aussteUen ließen. Da-
gegen wurde 1370* von Heinrich VHI. durch Heinrich von
Meissau Feste und Markt Gföhl gelöst, die ihm Herzog Al-
brecht für 5860 «r^ und 1600 fl. verpfändet hatte. Wolf-
gang IV. und sein Vetter Ulrich IV. verkauften femer
1374 April 1* ihr Eigengut, die Feste Ochsenburg, ^ um
1400 Äf/Ä, sowie an Hans Pusenhofer 1377^ eine Fischwaide
auf der Traisen, herzogliches Lehen, bald darauf^ an Heinrich
von Zelking die bei Drosendorf gelegene Feste Türnau und
schließlich 1380* auch ihre Feste Lestorf an Stephan von Zel-
king. Der Satz von Drosendorf selbst mit Weikartsschlag,
auf dem diese walseeische Linie seit 1327 gesessen hatte, er-
scheint gleichfalls längstens 1383 gelöst.^ Die Mittel aber,
* Vgl. die Genealogie. • Vgl. S. 377.
3 Urk. 1370 JuU 22; LB. IV, r. 988.
* Urk.-Buch ron St. Polten H, 161.
^ Südostlich von St. Polten; yordem in dachsbergischem Besitze.
« Urk. 1377 Mai 81; Urk.-Buch von St. Polten II, 193.
' Zwischen 1370—1379; WSt. 684.
® Urk. 1380 Juni 8; Niederösterr. Landesarchir.
» Nach Urk. 1383 November 2 (HHStA,, Kod. Suppl. 407 f. 116', ist der
Satz Yon den Walseem gelöst und an Nikla den Pillnng weiter yer-
pfftndet.
26*
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382
welche durch diese beträchtlichen^ indes offenbar notwendigen
Einbußen gewonnen wurden, ermöglichten es Ulrich IV., dem
letzten Drosendorfer-Walseer, alle Schulden zu tilgen und da-
mit wie durch neue Erwerbungen seinen Gttterbestand in der
Folge allmählich wieder zu einer neuen Blüte zu bringen.
Bald darauf wurde Ulrich IV. 1384* an Stelle Rudolfe I.
von Walsee-Ens Hauptmann in der Steiermark, schied jedoch
bald wieder aus diesem Amte. Dann tritt er auf eine Reihe
von Jahren zurück. Als sich die Habsburger nach dem Hollen-
burger Vertrage Ende 1395 wieder geeint hatten, wurde er um
Neujahr 1396 Herzog Wilhelms Hofmeister und besuchte mit
demselben im gleichen Jahre das heilige Land.' In diesem
wichtigen Amte blieb er bis in das Frühjahr 1398 tätig.'
Wirtschaftlich ging es mit Ulrich IV. allmählich und immer
rascher wieder aufwärts. Elr setzte sich zunächst mit der Witwe
seines Onkels Wolfgang IV., Katarina, auseinander; der Schieds-
spruch von 1382 März 12* legte ihm nur geringe Verpflich-
tungen auf. Dann sicherte er sich 1385^ den Anfall der her-
zoglichen Lehen seines Vetters Friedrich IX., der um 1392 er-
folgte. Dazu verzichtete 1386* seine Muhme Margret, Hein-
richs VIL von Walsee-Drosendorf-Markenstein Tochter und Ul-
richs von Dachsberg Gattin, auf all ihr väterliches Gut in
Ulrichs IV. Besitze und behielt sich nur eine Sunune von
1000 «f^ bevor, falls Ulrich IV. ohne Söhne stürbe. Um 1385»
vermählte sich Ulrich IV. mit Elsbeth, der Tochter Heinrichs
von Neitberg, die ihm ansehnliches Heiratsgut zubrachte. Die
zur Herrschaft Ochsenburg gehörigen Lehen, welche er 1385^
von den Neitbergem erhalten hatte, trat Ulrich IV. noch im
gleichen Jahre dem Stifte St. Polten ab. Sonstige kleine Ver-
äußerungen und Verpfllndungen dieser Jahre waren ohne Be-
deutung und blieben vereinzelt. Wenige Jahre darauf vermochte
^ Vgl. die Genealogie; Krones, LandesfÜrst, Behörden und Stände in Steier-
mark, S. 163, weist ihn mit Unrecht als Hauptmann der Steiermark ah:
als Nachfolger Bndolfs I. hatte er zweifelsohne dieses Amt nnd nicht die
Hauptmannschaft zu Steier inne, wo lediglich die Enser Walseer Pfand-
inhaher waren.
* Kleine Klostemeuburger Chronik; FRA., 2. Abt, VH, 236.
» Vgl. die Genealogie. * NB. IV, 666. » Vgl. S. 377.
« Urk. 1386 April 4; NB. I, 376.
' ürkk. 1385 Januar 11, Mai 1; Urk.-Buch von St Polten H, 368-370.
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383
Ulrich IV. dem Herzog Albrecht für einen Zug nach Schwaben
bereits 5000 Äf/Ä vorzustrecken, wofür ihm 1387 Juni 11^ die
Städte Krems mit dem Schlosse und Stein samt allem Zugehör
verpfändet wurden. Mit seinen Vettern von Walsee-Ens er-
kaufte er am Georgitage 1388' vom Kloster Melk mehrere
Güter, in der Nähe der walseeischen Besitzungen Leobersdorf,
Hirtenberg und Enzesfeld im VUWW. gelegen. Von Hans von
Liechtenstein-Nikolsburg, dem er 1392* Gülten zu Ottental,
Pruschendorf etc. sein freies Mgen um 150 U ^ verkauft hatte,
kam nach dessen Sturze^ ein Haus bei Unser Frauen in Wien
gelegen in seinen Besitz; 1397^ erkaufte er von dem Grafen
Toman von St. Georgen ein Haus zu Wiener-Neustadt. An
sonstigen kleineren Erwerbungen in Niederösterreich sei der
eines Hofes zu Reichen taP sowie von Gülten und Liegen-
schaften zu Grinzing, Nußdorf und Heiligenstadt bei Wien aus
dem Jahre 1397^ gedacht. An größeren Besitzungen erhielt
Ulrich IV. dann 1398 März 17» von Herzog Wilhelm als Für-
pfand die Feste Schranawand bei Ebreichsdorf, die derselbe
von Rudolf und Ludwig von Tirna um 2000 Ä/Ä erkauft hatte,
für welche Ulrich des Herzogs Bürge gegen die Stubenberger
geworden war, sowie als Kauf von denen von Tirna eine Fisch-
waide zu Ebersdorf* und ein Eigen zu Nußdorf. ^® Auch war
Ulrich IV. im Besitze der Herrschaft Gutenstein im Wiener-
walde, die ihm die Herzoge 1398 Juli 12^^ für seine Dienste bis
an seinen Tod zu belassen versprachen; das Schloß Wartenstein
am Semmering hatte Ulrich IV. von Herzog Albrecht gleichfalls
als Leibgedinge inne. Dagegen hat Ulrich IV. 1392^* seine
Feste Großau^^ an Konrad von Weitra weiterverlehnt und
» HHStA., Kod. Suppl. 408, f. 14.
* Blätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich XVI, 242.
* ürk. 1392 März 20; NB. IV, 606.
* Urk. 1898 Januar 7; NB. I, 380.
^ Urk. 1397 November 1 ; Orig. Niederösterreichisches Landesarchiv.
« ürk. 1394 Märe 22; Orig. HHStA. » WSt. 684.
« LB. V, r. 217. » Urk. 1394 Mai 15; Orig. HHStA.
" Urk. 1401 Februar 8; Eegosta Boica XI, 171.
^^ HHStA., Kod. 16, f. 36'; Gutenstein war vorher Satz im Besitze der
Grafen von Pernstein.
^* Urk. 1392 März 14; Fischer v. Fischersberg, Der landständische Adel
in Österreich, Hs. 236 des niederOsterreichischen Landesarchivs.
" Bei Vöslau.
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384
die Herrschaft Ulrichskirchen nördlich von Wien, die er
nach dem Falle der Liechtensteiner von Nikolsburg (1395) er-
worben hatte, um 2550 Äf/Ä an Ulrich von Dachsberg 1399*
verkauft.
Auf niederösterreichischem Boden fiel Ulrich IV. femer 1398
ein reiches Erbe von seinem Vetter Heinrich VI. von Walsee-
Ens zu^ der sein ehemaliges MtLndel letztwillig reich bedachte.'
Ihm vermachte Heinrich VI. die Feste Nieder-Walsee,
mit welcher Ulrich IV. von Herzog Albrecht 1399 Januar 7'
belehnt wurde, mit Sumerau und dem Markte Sindelburg,
ferner die ehedem liechtensteinischen Pfandschaften Ebelsberg
und Riedegg, die Ulrich IV. 1398 November 12* dem Bischof
Georg von Passau gegen die Stadt St. Polten samt den Gülten
daselbst und gegen eine Anzahl nördlich von Wien im VUMB.
gelegene Zehente abtrat, und den Satz von 240ä(/i^ auf Zeisel-
mauer, den ihm Bischof Georg samt der Feste Greifenstein
ftlr eine Geldforderung gleichzeitig^ auf 28 Jahre überließ.
Auch in der Steiermark war Ulrich IV. tätig, umsomehr
als er daselbst durch seine Mutter, die Pettauerin Elsbeth und
seine Gattin, eine Neitbergerin gleichen Namens, Anknüpfungs-
punkte hatte. Die Maut zu Landschach an der Mnr hat Ul-
rich IV. zuerst 1383* an Otto den Wolfsauer um 300 H^ und
1397^ abermals seinem Diener Nikla dem Polan um 400 £f^
verpfändet; dem Dominikanerinnenkloster zu Graz verkaufte er
1398® das Dorf Rakatschach bei Mureck. Dagegen erwarb
er 1387* eine Anzahl von Hüben zu Pibring sowie 1393 ^*
von Hans Schwabauer sieben Hüben an der Schwarzach in der
Nähe seiner Herrschaft Weinburg; an Ulrich von Ehrenhausen
verlieh er 1397^^ verschiedene ihm aufgesandte Lehen bei
Leibnitz und Spielfeld. In Obersteiermark war er femer Vogt
des Klosters St. Lambrecht.^*
» Urk. 1899 Jannjur 7; LB. V, r. 288. • Vgl S. 844.
• LB. V, r. 289. * WSt 694.
^ Urk. 1398 Noyember 12; MonomenU Boica XXX\ 478; vgl. Urk. 1898
Dezember 13; LB. V, r. 282.
« Urk. 1883 Mai 19; NB. I, 376.
» Urk. 1897 Juni 1; Kop. StLA., Nr. 8916»».
• Urk. 1898 September 20; Kop. St.LA. Nr. 8962.
• Kop. StLA., Nr. 8617*. »<> Kop. StLA., Nr. 8796»'.
" Urk. 1397 Mai 8; Orig. StAEferding.
" Vgl. Urk. 1396 September 16; Krone», Urk. aar Qesch. etc., r. 361.
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385
An größeren Besitzungen gab ihm Herzog Wilhelm 1396
Juni 15* die Feste Maidburg bei Marburg zu Lehen. In
Gemeinschaft mit seinem Vetter Heinrich VI. von Walsee-Ens
wurde ihm 1398 Januar 9* die Feste Wachseneck durch
Herzog Wilhelm und dessen Brüder auf 28 Jahre verpfändet
Zudem ward ihm und seinem Vetter Reinprecht H. von Walsee-
Ens der Anfall des Sitzes Walters dorf bei Qraz nach dem
Ableben Albrechts von Neitberg 1400 Januar 20 * durch Herzog
Albrecht gesichert.
Gegen die Brüder seiner Mutter, Bernhard, Friedrich
und Hertneid von Pettau, hatte Ulrich IV. aus seinem mütter-
lichen Erbe eine Forderung von 2500 €(^ erhoben, über welche
es 1385* zu einer Einigung kam. Später führte er die Ger-
habschaft über seinen Vetter Bernhard von Pettau und wußte
denselben gänzlich ftir sich zu gewinnen. Als Vormund re-
versierte er 1393 April 13* den Bischof Friedrich von Brixen
über Burg und Markt Schwanberg und gelobte nochmals
1398 • dem Bischof Ulrich von Brixen, seinen Lehenspflichten
nachzukommen. Volljährig geworden, überließ Bernhard von
Pettau an Ulrich IV. mehrere salzburgische Lehengüter zu
Pettau^ und testierte ihm im Falle kinderlosen Ablebens das
Marschallamt in Steier samt der damit als Nutzlehen verbun-
denen Feste Frauheim bei Eötsch sowie an salzburgischen
Lehen die Feste Pettau, Burg und Stadt Friedau nebst den
Schlössern Wurmberg und Polstrau® — ein reiches Vermächtnis,
das indes Ulrich IV. nicht zugute kam, da die Pettauer erst
1440 ausstarben.
Ulrich IV. schied im Februar 1400 auf seinem Schlosse
Enzesfeld aus dem Leben.^ Seiner Ehe mit Elsbet von Neit-
berg war bloß eine einzige Tochter entsprossen. Noch 1398^®
» Krones, a. a. O., r. 869. • LB. V, r. 808.
• LB. V, r. 380.
* Urk. 1386 Juli 14; Kop. StLA. Nr. 3629.
* Hammer-Purgstall, Die Qallerin auf der Riegeraburg 81.
• Urk. 1398 Januar 22; Krone», Urk., r. 386.
» Urk. 1396 Februar 19; ebenda, r. 380.
» ürkk. 1398 Januar 14; Krone», a. a. O., r. 388 und 1398; Kop. StLA.
Nr. 3969».
' Vgl. die Genealogie.
" Urk. 1898 Juli 25; Orig. NiederösterreichUche» Lande»archiv.
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386
hatte sie ihrem Gatten ein mütterliches Erbteil von 900 iV^
zugebracht, welches bis dahin ihr Bruder Alber innegehabt
hatte. Mit Ulrich IV. starb eine bedeutende Persönlichkeit
dahin, die sich auch die Bildung ihrer Zeit zu eigen gemacht
hatte und insbesondere das Vertrauen Herzog Wilhelms genoß.
Mehrfach hat er im letzten Jahrzehnte Klöster beschenkt;
1391 ^ stiftete er sich im Stifte Stainz mit einem Hofe bei Stainz
einen Jahrtag, 1396 dem Spitale zu Enzesfeld 4ßil^ Gülten
auf dem Gerichte Leobersdorf, die Herzog Albrecht 1396* dem
Spitale zueignete. Im gleichen Jahre hat Ulrich auch die Ka-
pelle zu Unser Frauen auf der Stetten in Wien bedacht.*
Nach Uhichs IV. letztem Willen, 1400 Januar 28* auf
Enzesfeld abgefaßt, soUen ihn seine Vettern von Walsee-Ens
begraben und ihm abends eine gesungene Vigil, morgens ein
gesungenes Seelenamt halten lassen. Am Tage seiner Bei-
Setzung sollen 32 Arme je einen grauen Mantel und 32 ^ er-
halten. Dazu stiftet Ulrich Güter ftir die Spitäler zu Enzesfeld
und Wien und die Kirche auf der Stetten daselbst, sowie
Güter ftir ein zu errichtendes Kartäuserkloster. Dem Herzog
Wilhelm vermacht er die Festen Pottenstein und Guten-
stein gänzlich ledig; an Herzog Albrecht fiel sein Leibgedinge,
die Feste Wartenstein, zurück. Seinen drei Vettern Rudolf!.,
Reinprecht H. und Friedrich V. von Wabee-Ens^ testierte er
die Festen Nieder-Walsee mit Sumerau und Sindelburg,
Merkenstein samt Zugehör und aUe Mannschaft ,enthalb^ der
Donau, dazu den herzoglichen Satz Wachseneck, ebenso die
Stadt St. Polten, Pfandschaft vom Bistume Passau, und alle
Gülten von seinen Amtleuten. Aus seinem Erbe gingen femer
die Festen Ebreichsdorf, Sinibelkirchen und Hoheneck
an die Vettern von Walsee-Ens über, die seiner Tochter, wenn
sie vogtbar wird, 3000 Äf/Ä Heimsteuer und 300 Äf^ ftir ihre
Fertigung ausrichten soUen, ebenso die 1000 Gulden, die er
nebst allen seinen Kleinoden und allem Silbergeschirr, 12 Silber-
schüsseln ausgenommen, seiner Gattin Elsbeth vermachte. Seinem
Vetter Georg von Walsee-Linz schafite er 900 Äf /Ä, die ihm von
* Kop. StLA., Nr. 3729».
« Urk. 1396 September 29 ; LB. V, r. 96.
* Urk. 1396 Oktober 2; NB. I, 380.
* Orig. HHStA. » Vgl. S. 335.
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387
des von Maidburg Schwester,* und ebensoviel, die ihm von
dem von Meseriez anfallen sollen; stirbt Georg ohne Söhne, so
fallen diese Summen an die Walseer zu Ens. Seinem Vetter
Bernhard von Pettau vermachte er seine Feste Enzesfeld
samt der Mannschaft dieshalb der Donau, mit Ausnahme der
Stiftungen flir Kirchen und Spitäler, dazu die Festen Wein-
burg und Gleichenberg samt Mannschaft und Zugehör für
die 2500 ^/A, die ihm nach Ulrichs Tode zufallen sollen. Nimmt
er die Festen nicht daftir, so können ihm die Vettern von
Walsee-Ens diese Summe auszahlen und die Festen behalten.
Stirbt Bernhards von Pettau männliche Nachkommenschaft, so
sollen die Festen Enzesfeld und Weinburg den Vettern von
Ens zufallen und die Erben des Stammes Walsee Gleichenberg
um 2500 ^/A einlösen können. Seinem Oheim Bernhard von
Winden vermachte er einen Weingarten, seinem Schwager Hans
von Ebersdorf ein Haus zu Wien und eines zu Wiener-Neustadt,
seinem Schwager Albrecht von Neitberg sein Teil an der Feste
Kapfenstein und zwölf Silberschüsseln sowie die Zehente
jenseits der Donau auf zwölf Jahre, worauf sie an seine Vettern
fallen. Seiner Muhme Margret, Ulrich von Dachsbergs Gattin,
dem Oheim Heinrich von Liechteneck und den Söhnen seines
Oheims Heinrich von Winkel wurden Geldsummen zugedacht,
seinem Freunde Wiwenz von Sunnenberg zwei Weingärten zu
Luttenberg und seine deutschen Bücher, doch die seines
Schwagers, des Neitbergers, ausgenommen. Seiner Dienerschaft
schließlich vermachte er 420 &^ und seine Pferde.
Bald nach der Abfassung des Testamentes, das uns Ein-
blick in den Reichtum des österreichischen Hochadels jener
Zeit gibt, verschied Ulrich IV., nachdem er noch 1400 Fe-
bruar 3 * den Pfarrer zu Unser lieben Frauen auf der Stetten
in Wien mit einem kleinen Vermächtnis bedacht hatte, als der
letzte Walseer des Enzesfelder Astes und der ganzen Drosen-
dorfer Linie.
* Offenbar Wolfgangs IV. von Walsee- Drosendorf Witwe.
> Regesta Boica XI, 171.
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388
Vn. Abschnitt.
Die Glanzzeit des Hauses nnter Beinpreeht II.
(1400-1422).
1. Die Ereignisse bis zum Tode Herzog Wilhelms.
Binnen wenigen Jahren hatte sich der gesamte riesige
Besitz ihres Hauses und jener der Tibeiner in den Händen der
drei Walseer von Ens vereint; an Reichtum wie durch ihre
Stellung am Hofe der Habsburger kam ihnen nicht ein einziges
der Häuser des österreichischen Hochadels gleich. So darf es
nicht wundernehmen, daß ihre ins Außerordentliche gestie-
gene Macht nun auch den Stolz und das Selbstgefühl der Wal-
seer in einer Weise hob, die sie fortan mehrfach in Konflikte
mit der Kirche und dem Bürgertume der Städte brachte, wie
sie damals überdies so häufig waren.
Zunächst stritt sich Reinprecht H. wegen der Besetzung
der Pfarre Qrammastetten mit dem Kloster Wilhering herum. ^
Als der Abt, der sich irüher mit dem Absentgelde begnägt
hatte, die Pfarre einem Klosterbruder verlieh, beanspruchte
Reinprecht H. als Inhaber der Herrschaft Wachsenberg die
Besetzung der Pfarre und ließ den Abt und den Konventualen
Konrad daraus vertreiben. Der Abt beschwerte sich zuerst
bei den Herzogen, die Reinprecht zur Rückgabe der Pfarre
verhielten,' und als dies nichts half, bei Papst Bonifaz IX., der
1401 April 2 dem Abte Hertnid von Admont auftrug, gegen
Reinprecht nötigenfalls mit der Exkommunikation vorzugehen.
Nun ergingen an Reinprecht Januar 18 und 29 weitere herzog-
liche Befehle, deren gemessener Ton ihn endlich zur Nach-
giebigkeit zwang. Ein anderer Zwiespalt Reinprechts mit dem
Pfarrer von Petzenkirchen* wurde 1406 durch Bischof Georg
von Passau beigelegt.
Gleichzeitig lag 1401 auch Reinprechts H. Bruder Rudolf L
mit dem Domkapitel von Triest wegen der Besetzung der Pfarre
Kossau im Streite;^ der walseeische Hauptmann zu Duino ge-
riet wegen der jährlichen Prozession aus dem Kloster Beligna
1 Stülz, Gesch. d. Klosters Wilhering 57.
* Urk. 1400 NoYemher 9; Kop. Linzer Mnsealarchiy.
* Bei Amstetten; Urk. 1406 Mai 11; NB. I, 881.
* Hortis, Docnmenti IX.
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389
in die Eärche S. Giovanni di Timavo gleichfaUs in Händel mit
diesem Kloster, so daß auch gegen diesen 1404 ein päpstlicher
Erlaß erging.*
Bürger obderensischer Städte erhoben jetzt gleichfalls
berechtigte Klagen gegen Reinprecht U. So setzte er den
Freistädtem einige Hintersassen gefangen; wohl im Gefühle
seines Unrechtes erbot er sich 1404 * gegen die Herzogin Bea-
trix zu einem Ausgleiche mit den Bürgern. Trotzdem klagten
diese neuerdings über erlittenen Schaden;® seinem Versprechen
entgegen tat er den Bürgern noch mehr Beschwer denn zuvor.
Gewiß traf die Schuld an solch unbilligem Vorgehen häufig
Reinprechts Dienstleute, die nur zu leicht und gerne über die
Weisungen ihres Herrn hinausgingen. Spätere Klagen über
anderweitige Rechtswidrigkeiten müssen uns aber überzeugen,
daß die Brüder von Walsee selbst damals diesen Vorfällen
nicht ferne standen — Übergriffe, wie sie nun einmal im Geiste
jener Zeit lagen; sie wollen daher nicht allzu ernst genom-
men sein.
Wir ersehen auch durchaus nicht, daß die Stellung der
Walseer bei Hofe darunter gelitten hätte; sie stiegen vielmehr
jetzt noch mehr empor. ^ Während Rudolf I. bis zu seinem
Tode Herzog Wilhelms Hofmeister, Reinprecht II. Hauptmann
ob der Ens verblieb, erhielt Friedrich V. von Walsee, der seit
1396 als Rat Herzog Wilhelms tätig war, nun alsbald das in
diesem Augenblicke besonders wichtige österreichische Marschall-
amt. Am Wiener Hofe entschieden die Brüder 1401 Novem-
ber 16* mit anderen füi' die Rückgabe von Mautem durch
Herzog Wilhelm an Bischof Georg von Passau und söhnten
1402 * die Brüder des Bischofs Berthold von Freising mit dem
Herzoge aus; die Wehinger verpflichteten sich zum Gehorsam
gegen die Herzoge und übertrugen den Walseem die Schlich-
tung aller ihrer Händel.
Als Hauptmann ob der Ens war Reinprecht H. nach wie
vor in dem ihm anvertrauten Lande unermüdlich tätig.'' Strenge
Aufmerksamkeit und Vorsicht war auch umsomehr erforder-
* Pichler, U casteUo di Dnino 247.
* Urk. 1404 Jani 16; Kop. LioEer MnBealarchiy. * AOG. XXXI, 286.
* Vgl. die Genealogie. * LB. V, r. 480.
* Urk. 1402 Oktober 16; Orig. HHStA.
^ 1401—1404 werden wieder 11 Urfehdebriefe auf ihn ausgestellt
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390
lieh; als K. Wenzel im Sommer 1402 ^ abermals als Gefangener,
diesmal auf Schloß Schaunberg, im Lande ob der Ens weilte,
eine Folge der Wirren, die in Böhmen noch weiter fortdauerten,
während andererseits das Verhältnis der Habsburger zu EL Sieg-
mund immer enger wurde. Auch die Einfälle böhmisch-mäh-
rischer Kaubscharen in das benachbarte Osterreich wiederholten
sich und nahmen einen bedrohlichen Umfang an. Um ihrem
Unwesen und den Verheerungen im Lande zu steuern, ward
das Geraune, ein strenges Verfahren gegen dieses Gelichter,
eingeleitet und wurden Truppen ausgerüstet, die unter ihren
Anführern, den Geraunmeistern, das Land säuberten. Diese
Aufgabe fiel in erster Linie dem neuen Landmarschall in Oster-
reich, Friedrich V. von Walsee, zu, den die Herzoge 1403
Februar 6* damit betrauten. Viele Missetäter wurden gefäng-
lich eingezogen,' andere mit Geldbußen belegt und das Land
einigermaßen von dieser Plage befreit.*
Gegen Ende Mai 1404 zogen Reinprecht II. und Fried-
rieh V. von Walsee mit Herzog Albrecht IV. und K. Siegmund
gegen die mährischen Räuber vor Znaim. Die Burg daselbst
konnte indes nicht genommen werden, da Herzog Albrecht
seine Mannschaft schonte und durch Friedrich von Walsee vom
Sturme zurückhalten ließ.* Da brach im Heere die Ruhr aus,
an der auch Herzog Albrecht und K. Siegmund erkrankten;
andere maßen die Schuld beigebrachtem Gifte bei.® Herzog
Albrecht erlag der Gewaltkur seines Arztes und verschied 1404
September 14 auf dem Rückwege zu Komeuburg.
Herzog Albrechts IV. hinterlassenes Söhnlein Albrecht V.
war erst sieben Jahre alt und so übernahm Herzog Wilhelm
die Vormundschaft. An diesen wandten sich jetzt neuerdings
^ Anhang zn Hagens Chron., Pes, SS. Rer. Anstr. I, col. 1165.
* Wretschko, Das Osterr. Marachallamt 234.
» Vgl. die Urfehden ebenda 203—206 und LB. V, r. 601.
* Der Reyera Bischof Georgs von Passan an einen Walseer über Greifen-
stein 1404 (Inventar, f. 73) dürfte mit diesen Vorgängen gleichfalls in
Znsammenhang stehen.
' Anhang za Hagens Chron., Festschrift für Büdinger 326.
^ Ebendorfer, Pez, a. a. O. II, 547. Das Gerücht soll anch Reinprecht IL von
Walsee, einen Kapeller und einen Meissauer des Giftmordes geziehen
haben (Eb. Windeke, K. Siegmunds Denkwürdigkeiten, Kap. 87), natür-
lich mit Unrecht. Wir wissen auch nichts von einem Verfahren, das
gegen sie eingeleitet worden wäre.
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391
die Bürger obderensischer Städte mit ihren Klagen über un-
gerechte Bestenerung. An Reinprecht 11. ergingen als Haupt-
mann ob der Ena allein binnen Jahresfrist drei herzogliche Be-
fehle/ den Bürgern von ihren Herrenlehen keine Steuern ab-
zufordern: gerade die häufige Wiederkehr dieser Mahnungen
beweist, wie wenig ihnen Folge geleistet wurde. Dagegen war
der Adel und so auch die Walseer bemüht, die ihnen unter-
tänigen Märkte zu heben. So erhielt Reinprecht H. von Wal-
see für seinen Markt Leonfelden 1404 * von den Herzogen einen
Jahrmarkt verliehen, nicht zum Vorteile der benachbarten Frei-
städter. Dafür ward die Donauschiffahrt beschützt;' die uner-
laubten Ladstätten auf der Donau wurden 1405^ durch einen
Befehl an Reinprecht untersagt, gegen den sich dieses Verbot
in erster Linie richtete.
Im Frühlinge 1405 wurde Rudolf I. von Walsee zu Grabe
getragen.^ Ein Mann von vielleicht weniger glänzenden Gaben
als seine Brüder, war er doch im Dienste der Habsburger pflicht-
eifrig und tüchtig gewesen; ihm hatte sein Haus vorzugsweise
den Anfall des tibeiner Erbes zu danken. Seine Brüder, denen
er in seinem letzten Willen 1404 ^ all sein Gut und seine Klei-
node vermacht hatte, gerieten mit Agnes von der Leippe, Ru-
dolfs kinderloser Witwe, um die Widerlage ihrer Morgengabe
in einen Streit, den Bischof Georg von Passau 1408 "^ zugunsten
der Witwe entschied. Darnach wurden ihr die versessenen
Zinse auf Seuseneck und Weißenbach zugesprochen, die ihr
Gatte ihr einst verschrieben hatte. Rudolfs mit seinen Brüdern
großenteils gemeinsam verwalteter Besitz verbUeb nun diesen.
Milde Stiftungen,® die Rudolf I. und vorher sein Vetter Ul-
rich IV. an das Kloster Schlierbach gemacht hatten, übergab
Reinprecht H. ihrer Bestimmung.
^ 1404 Oktober 19, 1405 Janaar 18, Hormayr, HiBtorisches Taschenbach
1837, 364 — 365; 1405 Jani 9; Eop. Linzer Masealarchiv.
« AÖG. XXXI, 292.
' Vgl. Urk. 1404 Dezember 8; Yerhandl. d. hist. Vereines f. Niederbaiem
XV, 64.
* Urk. 1405 März 28; Eop. Linzer Masealarchiv.
' Vgl. die Genealogie. ' Inventar, f. 7.
' Urk. 1408 März 10; Orig. F. Schwarzenberg. Arch. Wittingaa.
• Blätter d. Vereines f. Landesk. v. Niederösterr. X, 149; Urkk. 1405 März 81
and Oktober 13, NB. I, 380—381.
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Im Sommer 1405 war Reinprecht nebst seinem Schwie-
gervater Eberhard von Kapellen bei der Vermählong Johannas
von Durazzo mit Herzog Wilhelm zugegen; in ihre Hftnde
hinterlegten die Herzoge 1405 Juni 15^ die Urkunde über die
Heimsteuer Johannas. Dieser Ehebund und das BOndnis mit
K. Wenzel und dem Markgrafen Prokop von Mähren brachten
den Herzog in Gegensatz zu E. Siegmund, der sich als einstiger
Freund Herzog Albrechts IV. jetzt als Beschützer des jungen
Albrecht V. betrachtete. Er schenkte Beschwerden der Her-
zoginwitwe Johanna, der Mutter Albrechts V., willig Gkhör und
sicherte ihr seinen Beistand zu. Da fielen nach der Niederlage
der Vettauer und ihrer Gesellen 1406 abermals Räuberhorden,
diesmal aus Ungarn, nach Osterreich ein ; Herzog Wilhelm aber
schlug sie und folgte ihnen auf ungarisches Gebiet — ftbr E.
Siegmund ein willkommener Anlaß zu rüsten. Herzog Wilhelm
machte einen letzten Versuch zur Erhaltung des Friedens und
bevollmächtigte 1406 Mai 27 » Reinprecht H. und Friedrich V.
sowie andere Abgesandte der österreichischen Stände zu neuer-
lichen Verhandlungen. Am Hoflager zu Preßburg empfing sie
der Eönig ungnädig mit drohenden Worten. Da wies Rein-
precht IL von Walsee die Anwürfe des Eönigs zurück und er-
klärte/ im Eriegsfalle selbst tausend Reiter ein Jahr lang be-
solden zu wollen. Diese entschlossene Sprache, die in Reinprechts
Munde mehr denn eitle Prahlerei war, blieb nicht ohne Ein-
druck auf den Eönig, den sich der Walseer damit für aUe
Zukunft gewann. Er nahm die bereits abgebrochenen Verhand-
lungen wieder auf und schloß mit Österreich Frieden.
Durch das tibeinische Erbe war Rudolf I. in seinen letzten
Lebensjahren meist im Süden und in der Steiermark mit der
Verwaltung des dortigen Besitzes beschäftigt, zu welchem ein
ausgedehnter Lehenhof, darunter die alten Diener des Hauses
Tibein, die ritterlichen Geschlechter der Obemburger, Trapp,
Raunacher, Mindorfer und Wachsensteiner gehörten. Aus dem
im Mannsstamme erloschenen Hause der Tibeiner waren noch
zwei Töchter vorhanden, von denen sich Eatharina 1400 mit
Leutold von Meissau vermählte. Ihr fiel väterlicherseits eine
Mitgift von 4000 Gulden testamentarisch zu und auch aus dem
» LB. V., r. 707. « Kura, Österreich unter Albrecht H. (V.), Bd. I, 269.
' Ebendorfer, Pei, a. a. O. n, col. 828.
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Erbe ihrer Mutter erhielt sie ihren Anteil an den vier Schlös-
sern derselben.^ In dem Vergleiche, den sie mit Rudolf I. von
Walsee 1401 einging, wurde diesem Schloß Freudenberg,
ein Gurker Lehen, lebenslänglich zugewiesen. Katharinas
Schwester, die Gattin Eberhards von Kapellen, erhielt gleich-
falls 4000 Gulden Mitgift* und aus ihrem mütterlichen Erbe
den restlichen Teil. Da sowohl Katharina von Meissau als
Anna von Kapellen ^ auf alle weiteren Erbansprüche zugunsten
der Walseer verzichteten, war deren neuer Besitz im Süden
dadurch sichergestellt.
Von den steirischen Gütern verlieh Rudolf I. flir sich und
seine Brüder 1400* dem Dienstmanne Jakob Trapp die Feste
Ober-Marbui^ als Leibgedinge und im folgenden Jahre ^ Fried-
rich von Graben, seinem Burggrafen auf Riegersburg, mehrere
Lehen in dieser Herrschaft; 1404 ^ belehnte Rudolf I. den Fried-
rich von Stubenberg mit Dorf und Schloß Höflein.
Außerdem erfahren wir von der bedeutenden Pfandschaft
Porten au (Pordenone), die den drei Brüdern von Walsee nach
1399 verpfändet worden war. 1404 Juli 22^ stellte Wenzel
von Spennberg® seinen Pflegrevers über Schloß und Stadt
Portenau auf Rudolf von Walsee aus. Jetzt nahm Herzog Wil-
helm die Stadt wieder selbst in seine Hand,* nachdem ein Ge-
sandter der Portenauer nach Wien gekommen war, um unter
Vermittlung der Walseer die Beilegung der Zwistigkeiten zwi-
schen seiner Vaterstadt und dem Patriarchen von Aquileja zu
betreiben. Herzog Wilhelm kam 1405 April 21^® mit Rein-
precht n. und Friedrich V. von Walsee überein, ihnen bis
St. Gilgentag die Entschädigung für ihre Ansprüche auf Por-
tenau festsetzen zu lassen.
Die Ek-werbungen der Walseer waren in diesen Jahren
besonders in Oberösterreich nicht unbedeutend; sie dienten vor-
* Vgl. Pichler, U castello di Dnino 238.
' Beiträge zur Kunde steierm. Qeschichtsqaellen XXVI, 97.
» ürk. 1403 August 6; NB. I, 380.
* ürk. 1400 Januar 24; Orig. HHStA.
^ Muchar, Qesoh. d. Steienn. VII, 73.
* 1404 Februar 3; NB. X, 273.
* F. C. Carreri, Cinque inediti documenti. Padua 1882.
' (Spilimbergo) ; über das Geschlecht vgl. y. Zahn in der Zeitschr. ,Adler'.
N. F. n, 166.
* FEA. XXIV, 143. w Ebenda.
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wiegend dem Zweck, ihre Güter zu arrondieren und zu ge-
schlossenen Gruppen auszugestalten. Außerdem aber wurden
auch neuerlich herzogliche Lehensherrschaften Reinprecht IL
von Walsee überantwortet.
An solchen kleinen Gütern erwarb er 1400^ Grandstücke
vor der Stadt Linz gelegen. Ln Trattnachtale brachte er den
Euetopelhof im Landgerichte Tegembach an sich,' den ihm
Otto der LerbtÜer 1404 vermachte, dazu durch Kauf 1406*
eine Point in der Neumühle bei Schönau. Zu Starhemberg,
das er bereits innehatte, übergab ihm Herzog Wilhelm auch
die Pflege der Feste Wolfseck am Hausruck und wies ihm
1405^ jährUch 50^^ Burghut daftLr auf der Maut zu Linz
an. Im Attergau erwarb er im gleichen Jahre ^ das Haus
Hans Geumans im Markte Swans (Schwanenstadt) nebst 13 Hof-
stätten und in seiner Herrschaft Ort 1404 ^ einen Hof zu Sautem.
Dem Kaufe eines Hofes zu Buchegg ^ in der walseeischen Herr-
schaft Schamstein folgte die Erwerbung der benachbarten Feste
Egenberg,' mit welcher Reinprecht 1402 Oktober 15* be-
lehnt wurde. Im Steiergebiete erkaufte er von Reinprecht dem
Posch laut herzogUchen Lehenbriefes von 1405 Dezember 5*®
zwei Höfe zu Erlafing bei Sieming.
Dagegen treten die Besitzveränderungen in Niederöster-
reich zurück. Von kleineren Erwerbungen an der Triesting
abgesehen, testierte ihm dort 1405^^ Gilg der Anfelder Frei-
singer Lehen, zu Auratzfeld, bei Amstetten und an der Ips
gelegen. 1406 Mai 11^* erhielt er die Belehnung mit der 1398
von Heinrich VI. von Walsee-Ens ererbten Feste Purgstall.
Noch in seinen letzten Lebenstagen bewilligte Herzog
Wilhelm 1406 Juli 6,^' daß Katharina von Tibein ihrem Gatten
» ürk. 1400 Juni 16; Orig. StAEferding.
' Bei Grieskirchen; Urk. 1404 November 9; Orig. StAEferding.
' Urk. 1406 Apnl 21; ebenda.
* ürk. 1406 Deeember 18; LB. V, r. 736.
* Wildberger Archivsverzeichnis von 1641; StAEferding.
• Urk. 1404 Juni 16; ebend«.
' Bei Viecbtwang, Ostlich von Gmunden; Urk. 1400 Januar 12; Orig.
HHStA.
" Nordöstlich von Gmunden, nicht mit dem bei Graz zu verwechseln.
• LB. V, r. 614. " Orig. StAEferding.
" ürk. 1406 November 27; Orig. StAEferding. » WSt. 601.
" NB. I, 381.
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Reinprecht II. von Walsee ihre Hälfte der Herrschaft Eibis-
wald verschreibe. Nach dem Tode seiner ersten Hausfrau
Katharina von Liechtenstein-Nikolsburg^ die den Sturz ihres
Vaters nicht lange überlebte, hatte Reinprecht zunächst eine Ehe
mit Anna^ der Tochter Eberhards von Kapellen, geschlossen/
mit der er zwischen 1398 — 1404 velrehelicht war; beide Verbin-
dungen waren kinderlos geblieben; nach Annas frühem Ableben
vermählte sich Reinprecht IL im Alter von fast 60 Jahren 1406
zum dritten Male mit der weit jüngeren Katharina von Tibein,
der Wittib Leutolds von Meissau, die ihm aus ihrem mütter-
lichen Erbe die Herrschaft Eibiswald zubrachte.* Da in den
nächsten Jahren die zweite Tochter Haugs VH. von Tibein,
Anna, die Gattin Eberhards von Kapellen, aus dem Leben
schied und den Rest ihres mütterlichen Erbes Qonobitz,
Freudenberg und Stattenberg' ihrer Schwester Katharina
und deren Gatten hinterließ, so war damit die Auferbung des
Hauses Tibein durch die Walseer eine vollständige geworden.
2. Die Walseer und der Streit um die yormundschaft Herzog
Albrechts y. bis lum Schiedssprüche K. Siegmunds.
Nach Herzog Wilhelms Tode (f 1406 Juli 15) wurde die
Frage der Vormundschaft über Albrecht V. die Ursache mehr-
jähriger Wirren, in welche Friedrich V. und insbesondere sein
Bruder Reinprecht IL von Walsee tatkräftig, ja entscheidend
eingriffen. Den Hausverträgen entgegen übertrugen die Her-
zoge den Grundsatz der Gleichberechtigung, von dem man bei
den Länderteilungen ausging, dahin, daß sie auch die Ein*
künfte aus der Vormundschaft unter alle übrigen Geldquellen
einbezogen und demgemäß bei den Teilungsplänen in Rechnung
brachten. Dieser selbstsüchtigen Politik gegenüber, welche die
Vormundschaftsfrage weniger vom Standpunkte des gesamt-
habsburgischen Hausinteresses, vielmehr als persönliche Macht-
und Geldfrage betrachtete, sehen wir die Sache des jungen
Herzogs durch die österreichischen Stände vertreten, geführt
^ Vgl. die Genealogie.
* Beiträge zur Kunde steierm. Geschichtsqnellen XXVI, 97.
• Vgl. den Pflegreyera des Stattenberger Pflegen von 1421, Inventar, f. 69.
ArchiT. XCY. Band. U. H&lfte. 27
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von ihren mächtigsten Mitgliedern^ den Brüdern Eleinprecht IL
und Friedrich V. von Walsee.
Die Walseer verdankten ja allerdings gerade den AI-
brechtinem ihre jetzige Bedentong und Reinprecht II. war
dem jungen Herzog persönlich zugetan; dies war es aber
sicherlich nicht allein, was die beiden Brüder zu ihrem Auf-
treten gegen die herzoglichen Vettern ihres Schützlings bewog.
Gelang es^ die Stellung der Stände den Herzogen gegenüber
zur vollen Geltung zu bringen, so war ihnen die erste Rolle
bei den kommenden Ereignissen und reicher Gewinn an Macht
und Einfluß sicher; denn weder an Reichtum und Besitz oder
wichtigen Verbindungen, noch an fähigen Männern kam ihnen
in diesem Augenblicke auch nur ein Haus des österreichischen
Hochadels gleich. So fand Reinprecht II. als bereits gereifter
und vielerfahrener Mann mit seinem Bruder Friedrich V. ein
größeres, bedeutenderes Feld für seine Tätigkeit, die er mit
Geschick und Glück entfaltete.
Als nach Herzog Wilhelms Tode die Absichten der Leo-
poldiner oflfenbar wurden, versammelten sich die Geistlichkeit,
die Herren mit Reinprecht IL von Walsee an ihrer Spitze, die
Ritter und Abgesandten der Städte zu Wien, verbanden sich
dort 1406 August 6^ zu gemeinsamem Handeln und traten
einmütig für die Sache Herzog Albrechts V. ein. Als die Leo-
poldiner sich ihrem Spruche unterwarfen, entschieden sie unter
Führung Reinprechts II. 1406 September 12* zwar über die
Aufteilung des Gebietes derselben, ließen aber die Frage offen,
ob Herzog Leopold oder Herzog Ernst die Vormundschaft
führen sollte, die nun Herzog Leopold im Einverständnisse mit
seinem Bruder übernahm.
Herzog Leopold suchte nun Osterreich die ersehnte Ruhe
zu verschaffen. Mit dem Markgrafen Jost von Mähren kam
ein Friede zustande und die Rosenberger sowie den von Neu-
haus ließ der Herzog durch Reinprecht IL von Walsee Mitte
Dezember 1406* zu einer Zusammenkunft nach Freistadt ein-
laden. Hierauf wandte sich der Herzog an die in Wien ver-
sammelten Stände, unter denen sich abermals Reinprecht TL,
* Schwind-Dopsch, Urk. zur Verf.-Gesch. Österr. 300.
• Kur«, Österreich unter Albrecht II. (V.), Bd. I, 466.
» AÖG. XXXI, 29e.
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397
von Walsee befand, und schloß unter deren Mitwirkung 1407
Januar 2^ einen allgemeinen Landfrieden für Osterreich ab.
Nun wurden auch die Geldforderungen der Walseer an
die Herzoge ausgeglichen. Als Entschädigung für den Satz
auf Portenau von 13.000 Gulden und eine Schuld von 19.000
Qulden, die der verstorbene Rudolf I. von Walsee von Herzog
Wilhelm zu fordern gehabt hatte, verpfändeten die Herzoge
Leopold und Ernst an Reinprecht II. 1407 Februar 28 * neuer-
dings die vordem tibeinische Pfandschaft Mitterburg mit den
Kastellen Piremont und Frayn (Vragna) im habsburgischen
Istrien, die Feste Ober-Stein, welche Friedrich V. von Wal-
see im gleichen Jahre von den Scherfenbergern gelöst hatte,*
Görtschach in Krain, Windischgraz und Mahrenberg in
der Steiermark und die alten walseeischen Pfandschaften Wach-
senberg, Attersee, Puchheim, Seusenburg und Pern-
stein im Lande ob der Ekis, Peilstein, Freienstein und
Weikersdorf* in NiederOsterreich auf weitere 28 Jahre, dazu
1407 März 1* zur Ergänzung auf des verstorbenen Rudolfs
von Walsee Forderung die Herrschaft Greifenburg samt Maut
und Feste und die halbe Maut zu Spital in Oberkärnten
gleichfalls auf 28 Jahre. Dafür erklärten Reinprecht H. und
Friedrich V. 1407 März 5 ^ alle Schuldbriefe ihres verstorbenen
Bruders an die Herzoge für getilgt.
Daraufhin kehrte Reinprecht II. nach Oberösterreich zu-
rück und nahm dort seine Tätigkeit als Hauptmann ob der Ens
wieder auf.
Die Eintracht zwischen den Herzogen Leopold und Ernst
war indes nicht von Dauer: es war ihnen nicht Ernst mit den
Ausdrücken brüderlicher Liebe, in denen sie sich noch im
Juni 1407 ergingen. Auf der einen Seite war Herzog Leopolds
Kanzler Bischof Berthold von Freising höchst unbeliebt; sein
militärischer Mißerfolg gab 1407 das Land mährischen Raub-
gesellen preis. Dazu begünstigte Herzog Leopold auf Kosten
des Herrenstandes die Ritterschaft, welche sich 1407'' in einem
> Kuw, a. a. O. Bd. I, 281. » LB. V, r. 862.
• Inventar, f. 6'; bei Stein in Krain. * Westlich von Stockeran.
'^ MHVSt. Vn, 56; dieser Satz steht wohl nicht ohne Beziehung zu dem
ehemals tibeinischen Satze auf Bleiburg, der noch 1404 walseeisch war.
• LB. V, r. 865.
• Krones, Landesfürst, Behörden und Stände 230—232.
27*
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Bündnisse vereinigte. Herzog Eknst dagegen war anch dorch
das letzte Übereinkommen noch nicht befriedigt. Wenige
Wochen nach den mit jenem getauschten Freundschaftsyersiche-
rangen zog er den bisher vemachlftssigten Herzog Friedrich
auf seine Seite und sicherte ihm seinen Beistand gegen den
Bruder zu. Für Herzog Ernst ergriflFen die Geistlichkeit, die
Walseer mit dem größeren Teile des hohen Adels nnd. die
Städte Partei.^ Herzog Leopold, hieß es, sei gesonnen, ven
der Vormundschaft zur wirklichen Herrschaft überzugehen, eine
Absicht, die sich ihm indes nicht nachweisen läßt.
Im Herbste 1407 kam es zum offenen Bruche zwischen
den Herzogen. Herzog Ernst traf in Wien ein und fand dort
allerseits starken Anhang.* Reinprecht H. und selbst Fried-
rich V. von Walsee, Herzog Leopolds Hofmeister, traten auf
seine Seite, offenbar infolge von Herzog Leopolds Parteinahme
ftlr die Ritterschaft. Herzog Leopold zog sich nach Wiener-
Neustadt zurück und kündigte seinem Bruder und dessen Partei
sowie der Stadt Wien die Fehde an; von Enzersdorf aus suchte
der verhaßte Wehinger die Anhänger Herzog Elmsts auf die
andere Seite zu ziehen. Herzog Ernst bemächtigte sich mit
Friedrich V. von Walsee der Vormundschaft über Albrecht V.
und schloß mit Bischof Georg von Passau, den beiden Walseem
und dem Hochadel ein Bündnis, welches durch das Wiener
Abkommen 1407 November 25' auch auf K. Siegmund, den
Erzbischof von Salzburg sowie die Grafen von Cilli und Orten-
burg ausgedehnt werden sollte, wozu dann auch noch Herzog
Heinrich von Baiern-Landshut als Verbündeter kam. Durch
Herzog Ernsts offenbare Überlegenheit gedrängt, nahm jetzt
Herzog Leopold selbst zahlreiche Stegreifiitter in Sold, darunter
den berüchtigten Böhmen Jan Sokol. Wenn auch der kalte
Winter 1407/08 das Umherziehen der plündernden Banden er-
schwerte, so litten doch die Klöster und besonders die wehr-
losen Bauern furchtbar unter dem Unwesen des Raubgesindels,^
dem die Walseer in Ober- und Niederösterreich nach Kräften
zu wehren suchten. Die Parteiungen übertrugen sich auf alle
Kreise öffentlichen Lebens und wirkten überall zersetzend auf
^ Cjilend. Zwetlense, M. 0. SS. IX, 697.
« Ebendorfer, Pea, «. ä. O. U, 831 ff.
^ Kurz, Österreich unter Albrecht IL (V.), Bd. I, 286.
♦ Vgl. Ebendorfer, a. a. O. 832; Ann. Mellic, M. G. SS. IX, 615.
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399
die Verhältnisse des von allen Greueln eines Bürgerkrieges
heimgesuchten Landes. Um Neujahr 1408^ standen Herzog
Leopold mit dem Freisinger und Sokol^ Herzog Ernst mit den
Walseern, Meissauern und anderen vom Adel und vielen Prä-
laten einander zu Komeuburg und Elosterneuburg gegenüber.*
Ein Waflfenstillstand und Verhandlungen zwischen den Herzogen
führten 1408 Januar 14 zum BLlosterneuburger Abkommen, —
ein fauler Friede, der zwar dem offenen Kriegszustande ein
Ende machte, nicht aber den Gewalttätigkeiten der erbitterten
Parteien.
Nach Oberösterreich zurückgekehrt, betrieb Reinprecht IL
von Walsee eben die Aburteilung von Resten der seit 1397
verfolgten Waldenser in der Umgebung von Steier,* als ihn
die Nachricht vom Verluste seines einzigen Bruders traf. Fried-
rich V. von Walsee erlitt Mitte März 1408 durch eine Pulver-
explosion auf Schloß Nieder-Walsee so schwere Verletzungen,
daß er denselben nach drei Tagen erlag.* Da auch Fried-
rich V. von Walsee ohne Nachkommen starb — die Kinder
von seiner dritten Gattin Dorothea von Starhemberg, die er als
Witwe hinterließ, waren früh gestorben — , so war nun Rein-
precht H. nach dem Tode seines reichbegabten Bruders der
einzige Walseer. Die Gefahr, daß das Haus Walsee mit ihm
aussterben könnte, wurde indes dadurch beseitigt, daß ihm seine
dritte Gemahlin Katharina von Tibein 1407 oder 1408 einen
Sohn Reinprecht IV. schenkte. Friedrichs V. Besitzungen,
die er außer den Herrschaften Kornspach und Stroneck
mit seinem Bruder gemeinschaftlich innegehabt hatte, gingen
nun sämtlich in dessen Alleinbesitz über. So vereinte sich die
gesamte Macht und Stellung der Walseer jetzt in der Person
Reinprechts IL, des bedeutendsten und berühmtesten Mannes
seines Hauses.
Wenn auch Herzog Leopold und Bischof Berthold an dem
durch Unvorsichtigkeit verursachten Tode des Walseers sicher
nicht die Schuld traf, der sie das Gerücht anklagte, jedenfalls
* Ebondorfer, a. a. O.; Kl. Klosterneuburger Chron., AÖG., 2. A., VII, 230.
^ Vgl. Reinprechts von Walsee Ladschreiben an die Städte Krems und
Stein 1408 Januar 8; Kurz, Albrecht II. (V.) Bd. I., 320.
3 Vgl. die beiden Reverse, 1408 Februar 17; Orig. HHStA.
* Ebendorfer, a. a. O. 833; Kl. Klostemeuburger Chron. a. a. O.; Anon.
Viennens. Chron., Pez, a. a. O. I, c. 649.
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400
war das Aufsehen, das dieses beklagenswerte Ereignis erregte,*
nar darnach angetan, die gegenseitige Erbitterung zu steigern.
Herzog Ernst selbst eilte auf die Unglücksbotschaft hin schleu-
nigst von Graz nach Wien, ein Beweb, wie nahe ihm das Un-
glück des Wabeers ging.
Herzog Leopold und der Freisinger ruhten auch jetzt
nicht und brachten durch Versprechungen und Drohungen viele
Anhänger Herzog Elrnsts auf ihre Seite.* Reinprecht von Wal-
see aber war nicht zu gewinnen; er hielt treu zu Herzog Ernst,
ebenso auch die Bürger Wiens und die Geistlichkeit. Nachdem
Herzog Leopolds Raubgesellen noch von Wiener Bürgern hohe
Summen erpreßt hatten, kam es Ende April neuerlich za Unter-
handlungen. Zunächst wurde der Streit der Herren mit den
Rittern und Knechten über die Besetzung der Hofgerichts-
schranne entschieden. Die Herren mit Reinprecht von Walsee
an ihrer Spitze gaben 1408 April 27' die Entscheidung ihres
Streitfalles Herzog Elmst, die Ritter und Knechte Herzog Leo-
pold in die Hand, welcher zugunsten der letzteren entschied.
Endlich schien der Kremser Spruch (1408 Juni 2) des erwähl-
ten Schiedsgerichtes den erhofften Frieden zu schaffen,^ der
Herzog Ernst abermals seinem Ziele näher brachte.
Daraufbin kehrte Reinprecht nach Oberösterreich zurück^
und nahm dort seine Tätigkeit wieder auf, von der uns neuer-
liche Urfehden Zeugnis geben. Er ließ im Kloster Schlägl die
damals von den Habsburgern unterstützte Klosterrcform durch-
führen und verpflichtete den neuen Abt Martin des Klosters
darauf.^ Da die Spannung zwischen den Herzogen und ihren
beiderseitigen Anhängern fortdauerte und eine Partei der
anderen mißtraute, schloß Reinprecht H. 1408 Juli 8^ zu Linz
mit seinem alten Freunde Bischof Georg von Passau ein Bündnis
zu gegenseitigem Beistande gegen jedermann, die Herzoge von
Osterreich ausgenommen. Damit war die Geistlichkeit umso-
mehr für Reinprecht gewonnen, der die Hilfe seines alten
Bundesgenossen nur zu bald in Anspruch nehmen sollte.
^ Der erste Unglücksfall dieser Art auf österreichischem Boden.
• Ebendorfer, a. a. O. » Rauch, SS. Rer. Austr. IH, 470.
* Vgl. AÖG. LXXXVI, 611.
' Mai 1 arknndet er wieder zn Linz; Kop. Linser Mosealarcbiy.
« Reverse von 1408 Juni 6, Orig. HHStA. und Juni 10; LB. V, r. 1027.
^ MonumenU Boica XXXI >, 78.
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Herzog Leopold war nach dem Abkommen im Jani 1408
wieder nach Wien gezogen^ wo er alsbald den dem Herzog
Ernst getreuen Bürgermeister Vorlauf und fünf geachtete Bür-
ger in Haft nehmen und 1408 Juli 11 Vorlauf mit zwei Ge-
nossen hinrichten ließ.^
Die Erregung und Entrüstung über diese grausame und
übereilte Tat war ungeheuer. Die ganze Partei Herzog Ernsts
erhob sich jetzt neuerdings und sagte Herzog Leopold ab,'
insbesondere Reinprecht von Walsee trat als entschiedener
Gegner der Gewaltherrschaft Herzog Leopolds auf, dem selbst
aus Böhmen, Mähren und Ungarn Febdebriefe zukamen.
Von Linz aus, wo Keinprecht die Nachricht von den Vor-
gängen in Wien erhielt, berief er sofort Abgeordnete der Stände
zur Beratung der Lage nach Ens zusammen.' Die Rosenberger
in Südböhmen sagten ihren Beistand zu, Herzog Ernst betrieb
gleichfalls seine Rüstungen. 1408 September 2^ schloß der
Herzog bereits ein Defensivbündnis mit K. Siegmund von Un-
garn, das ihm den Rücken deckte. Der Steirer Vertrag von
1408 September 23, Oktober 4 zu Ens erneuert, schloß Rein-
precht von Walsee und den Hochadel sowie Bischof Georg von
Passau enge an Herzog Eirnst, der nur nach des Bischofs, Rein-
prechts von Walsee, der Puchheimer und Starhemberger Rat
zu handeln und ohne deren Wissen und Willen auch keinen
Frieden oder Verhandlungen mit Herzog Leopold einzugehen
versprach. Dazu trat später noch 1408 September 27 * Herzog
Heinrich von Niederbaiern oflfen als Verbündeter, der Verlobte
von Albrechts V. Schwester Margret.
Reinprecht von Walsee nahm böhmische Söldner auf ^ und
vereitelte mit Hilfe bald eingetroffener Verstärkungen aus
Baiem jeden Erhebungsversuch der auch im Lande ob der Ens
vorhandenen Anhänger Herzog Leopolds.'' Er hielt die wider-
spenstigen Städte Wels, Ens und Gmunden in Gehorsam für
Albrecht V. und züchtigte den Zinzendorfer so,® daß sich dessen
* Ebendorfer, a. o. 0. 11, 836; vgl. Kurz, Österreich unter Albrecht II. (V.),
Bd. I, 107.
* Ebendorfer, a. a. O. 836.
» Vgl. das Schreiben an die Freistädter 1408 Juli 20; AÖG. XXXI, 299.
* LB. V, r. 1041, 1048. » Rauch, SS. Rer. Austr. m, 840.
* Vgl. Urk. 1422 Oktober 22; NB. II, 8.
' Calend. Zwetl. M. G. SS. IX, 697. » Ebendorfer, a. a. O. 836.
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402
Familie lange nicht von ihren damaligen Verlusten erholte.
Aach sperrte Reinprecht die Donau ab^ und verhinderte da-
durch jeden Verkehr mit den Gegnern in Niederösterreich.
Im Lande unter der Ens^ wo Reinprecht Truppenkörper
bei Aspam am linken Donauufer und bei St. Polten aufgestellt
hatte,* mißglückte letzterer Abteilung ein Angriff auf Potten-
brunn. Als überdies jetzt der mächtige Stibor aus Ungarn
nach Niederösten*eich einfiel und unter Sengen und Brennen
bis in die Nähe Wiens vordrang, nahm Herzog Leopold aber-
mals den Bandenftlhrer Sokol in Sold: der größte Teil seiner
Anhänger hingegen leistete dem Herzoge weiter keine Unter-
stützung.
Die ganze Last des Krieges gegen Herzog Leopold ruhte
jetzt auf Reinprecht von Walsee, der ungebeugt ausharrte.
Anfangs September 1408 wandte sich Sokol gegen ihn, unter
neuerlichen furchtbaren Verheerungen der Klöster und Land-
dörfer. Zwar gingen die walseeischen Festen Rauheneck bei
Baden und Senftenberg bei Krems durch Verrat verloren;'
dagegen fand der Hauptmann Hechtl, den Herzog Leopold mit
böhmischen und polnischen Söldnern gegen Tulln und Herzogen-
burg ausgesandt hatte, vor St. Polten beharrlichen Widerstand
von den Bürgern und Reinprechts Söldnern.^ Da sich der
Walseer ebenfalls durch Verheerungen schadlos zu halten suchte,
litt das Land entsetzUch unter den greulichsten Verwüstungen.*
Georg von Liechtenstein, Bischof von Trient, brachte endlich
zwischen den streitenden Parteien Unterhandlungen xmd 1408
Oktober 7 ® zu Ens einen Waffenstillstand zuwege. Herzog Ernst,
Bischof Georg von Passau, Reinprecht von Walsee und ihre
Anhänger einerseits, Herzog Leopold und Bischof Berthold
von der Gegenseite ernannten je acht Schiedsrichter, dazu K.
Siegmund als Obmann, dem die Entscheidung zufallen sollte,
falls sich die Schiedsrichter nicht einigen könnten. Am Georgi-
tage sollten sie nach Lichtenwört kommen und warten, bis ihnen
K. Siegmund einen Termin nach Ödenburg oder Eisenstadt
setzen würde. Bis dahin sollte Friede herrschen, Herzog Leo-
' Kl. Klostemeuburger Chron., a. a. O. 239.
* Ebendorfer, a. a. O. 836.
8 Calend. Zwettl. M. G. S8. IX, 697.
* Ebendorfer, a. a. O. 837. » Ann. Mellic, M. G. SS. IX, 616.
* Rauch, SS. Rer. Austr. UI, 485.
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403
pold aber im Lande ob der EnS; wo Reinprecht von Walsee
Hauptmann blieb^ nichts zu befehlen haben. Daraufhin konnte
Reinprecht seine böhmischen Söldner entlassen^ die ihm 1408
Oktober 14 zu Ens, Oktober 22 zu Linz über den empfangenen
Sold reversieren. *
Damit war diese Fehde beendigt, in welcher Reinprecht
von Walsee dem Herzog Leopold mit Erfolg die Spitze bot;
freilich waren seine Beweggründe und seine Ziele dabei andere
gewesen als die Herzog Ernsts^ an dessen Seite er gestritten
hatte. In den ersten Tagen des Jahres 1409 fand eine Zu-
sammenkunft der Herzoge und der Stände statt; * Herzog Leo-
pold erschien mit dem jungen Herzog Albrecht V. in Wiener-
Neustadt, Herzog Albrecht dagegen blieb mit Reinprecht von
Walsee und den Seinen in Ebenfurt. Bei den darauf einge-
leiteten Unterhandlungen kam eine vollständige Einigung nicht
zustande. Man überließ die noch übrigen strittigen Punkte,
insbesondere die Hauptfrage der Vormundschaft, der Entschei-
dung E. Siegmunds und verlängerte den Waffenstillstand, worauf
die Herzoge nach Wien zurückkehrten.
Während Herzog Leopold durch die Begünstigung des
Freibeuters Hans Laun neuerdings den Argwohn der Wiener
erweckte, suchte Herzog Ernst sich die Gunst E. Siegmunds zu
erwerben. Er kam, von seinen hervorragendsten Anhängern,
Reinprecht von Walsee, den Meissauern, Puchheimern, Starhem-
bergern u. a. begleitet an dessen Hof und ließ sich dort 1409
Februar 16^ zu Odenburg mit Reinprecht und seinem übrigen
Qefolge in den Drachenorden, eine Stiftung E. Siegmunds, auf-
nehmen. Der 1409 März 13 von E. Siegmund gefällte Schieds-
spruch brachte jetzt endlich Herzog Ernst an sein Ziel; er er-
hielt die volle Mitvormundschaft über Albrecht V. und gleiche
Teilung der Einkünfte mit Herzog Leopold zugesprochen.
Damit schien nun endlich der Friede zwischen den Her-
zogen wieder hergestellt. Wie diese im Lande unter der Ens,
so suchte Reinprecht H. von Walsee in Oberösterreich die
Schäden des Erieges zu heilen und der allgemein eingerissenen
Verwilderung im Lande zu steuern.* Gerade die sich wenig
' NB n, 7—8. « Ebendorfer, a. a. O. 837.
• Kurz, Österreich unter Albrecht ü. (V.), Bd. I, 291.
* Aus dem Jahre 1409 finden sich allein neun Urfehdebrtefe auf Rein-
precht n. von Walsee im HHStA.
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404
mindernde Zahl der auf Reinprecht II. von Walsee ausgestellten
ürfehdebriefe beweist indes, daß er dieser Verhältnisse nicht
so leicht Herr werden konnte.
War Reinprecht durch die Fehden der letzten Jahre mit
ihren großen Kosten und vielen Schäden wirtschaftlich arg
geschädigt worden, so kamen dazu noch bedeutende ander-
weitige vermögensrechtliche Forderangen. Der verstorbene
Ulrich IV. von Walsee-Drosendorf war 1398^ Herzog Wilhelms
Bürge flir 2000 Äf^S bei Otto von Stubenberg geworden, wozu
noch 5000 //.i^ an Zinsen und Schäden zuwuchsen. Für diese
7000 ii ^ hatte Reinprecht dem Stubenberger die Riegersburg
und Schloß Wachseneck übergeben. Der Spruch, den Graf
Hermann von Cilli darüber 1408 Dezember 19 ftlUte,* ver-
pflichtete Reinprecht zur Zahlung von 7000 AT ^ an den Stuben-
berger bis Sonnwenden 1409 und ließ ihm fortab alle Ein-
künfte von Wachseneck; erlegt Heinrich die 7000 Ä/Ä, so fiele
die Riegersburg an Reinprecht zurück. Wachseneck wird für
die 7000 U ^ des Stubenbergers Pfand. Der Linzer Vergleich
von 1409 Juli 16^ schlichtete schließlich den Streit und Otto
von Stubenberg erhielt von Reinprecht die Summe von 7000 Äf ^
ausbezahlt.
Andere Ansprüche erhoben Ekigelhard und Konrad von
Weinsberg an Reinprecht, auf die Morgengabe (6000 Gulden)
ihrer verstorbenen Schwester Ita, die ihr Friedrich V. ver-
schrieben hatte. Die Weinsberger bevollmächtigten 1409 Juli 1*
den Bischof Georg von Passau und Konrad den Rechen, mit
Reinprecht darüber zu taidigen, ohne daß wir über den Aus-
gang dieser Sache wüßten.
Da Reinprecht nicht zu dem beliebten Mittel der Güter-
Verpfändung greifen wollte, war er gezwungen, zur Aufbringung
aller dieser Summen Gelder aufzunehmen. So entlieh er laut
Schuldbrief von 1409 März 20* 800^^ von Nikla dem Se-
bekhen, am selben Tage* von Seifried dem Riczendorfer und
Christian dem Tehenstainer 400Äf-i^ und 1409 Mai 21* von
Heinrich dem Klebsattel lb40&^. Es gelang ihm aber, in
dieser schwierigen finanziellen Lage auszuhalten und seinen
Besitzstand zu wahren.
» Vgl. LB. V, r. 217. « NB. H, 8.
» NB. IX, 296. * Orig. HHStA.
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405
Auch seinen Besitz im Süden hat Reinprecht trotz der
großen Entfernung nicht vernachlässigt^ wenn er sich dort auch
nicht dauernd aufhielt. Die alten Diener der Tibeiner behüteten
dort als Burggrafen und Amtleute treu Reinprechts Herrschaften.^
Patriarch Anton von Aquileia verUeh ihm 1409 das Patronats-
nnd Präsentationsrecht der Pfarre (St. Georg zu) Gonobitz. Zu
Linz* genehmigte Reinprecht im gleichen Jahre einen Güter-
tausch des Klosters Seiz und verzichtete zugunsten desselben
auf eine Hube zu Gonobitzdorf.'
Selbst auf die Verhältnisse in Friaul übte Reinprecht als
mächtiger Gebietsnachbar seinen Einfluß aus. Die Stadt Civi-
dale lag dort 1409 in Hader und Fehde mit dem Patriarchen
von Aquileia, Anton Panciera; Papst Gregor XII. setzte sogar
diesen ab und Ludovico da Ponte an dessen Stelle. Nach
Udine, wo der Hauptsitz der Anhänger Pancieras war, ent-
sandte auch der Walseor, sicher im Einverständnisse mit den
Habsburgern, 1409 Gesandte,* die von der Kommune festlich
empfangen wurden. Mit dem Ausgleich der streitenden Teile
in Friaul war dort der Friede noch nicht sichergestellt; es
kam darüber zum Kriege zwischen K. Siegmund und den Vene-
zianern.
Auf eigenem Boden hatte Reinprecht von Walsee in Istrien
einen Aufruhr niederzuschlagen. Die Bewohner von Mitter-
burg (Pisino) und der umliegenden Ortschaften vertrieben den
walseeischen Burggrafen Seifried von Gallenberg aus dem Ka-
stell von Mitterburg und verübten auch sonstige Gewalttätig-
keiten. Reinprecht wurde der Empörung rasch Herr, nahm
Richter und Sudichen, den Rat von Mitterburg, gefangen und
ließ sie 1409 November 22 '^ Urfehde wegen ihrer Gefangen-
schaft, sowie Treue und Gehorsam schwören. Überdies er-
mahnte auch der Patriarch von Aquileia zum Frieden und be-
drohte jeden, der dem Hauptmanne zu Mitterburg zuwider-
handelte, mit schwerer Strafe. Jene böhmischen Söldner, die
1410 Juli 22^ zu Linz Reinprecht über ihren erhaltenen Sold
^ Pichler, II cftstello di Daino 245.
' Urk. 1409 Februar 20; Mitteilungen des historischen Vereines für Steier-
mark Vn, 268.
' Bei Gonobits. ^ Pichler, II castello di Dnino 248.
'^ Mellj, Beitrag zur Siegelkunde Österreichs 114.
• NB. U, 8.
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406
reversieren, welche gegen Reinprechts Feinde ,in Steier' zn Dienst
geritten^ dürften wohl hier in Istrien verwendet worden sein.
Im Frühling 1410 war Reinprecht bereits wieder nach
Oberösterreich heimgekehrt; durch ein Schreiben aus Linz
empfahl er 1410 April 12* seinen Diener Hans Oberheimer
den ihm als Anhängern Herzog Emsts befreundeten Freistädtem,
ihm in seiner Sache bei der Herzogin Beatrix behilflich zu
sein. Die Streitigkeiten des Adels mit den Städten, die Steuern
der Holden sowie die Niederlagen der Handelsgüter betreffend,
dauerten dabei immer noch an. Neuerdings richteten die Her-
zoge 1410 Mai 16* an Reinprecht den Befehl, zwischen Sindel-
burg und Ebelsberg Handelsniederlagen zu Wasser und zu
Lande nur zu Ens zu dulden und Wein nur in Ekighagen (an
der Einsmündung) abzuladen.
In diesem Jahre kam endlich der schon seit 1407 währende
Streit um das &be des letzten Kapellers zur Austragung,
woran auch Reinprecht II. von Walsee sein Teil hatte. Eiber-
hard, der Letzte aus dem alten angesehenen Geschlechte der
Kapeller, hatte 1406 Dezember 18' in Gegenwart seines Eidams
Reinprecht H. von Wabee dem Kloster Pulgam seine letztwillige
Stiftung gemacht und war bald darauf um Neujahr 1407 ver-
schieden, kurz nach ihm auch seine Gattin Anna, eine der
beiden Töchter des letzten Tibeiners. Der Kapeller hatte zwei
Töchter hinterlassen, Wilbirg, mit Jörg von Dachsberg, und
Dorothea, mit Hertnid von Liechtenstein-Nikolsburg vermählt.
Reinprecht erhob nun als einstiger Gatte Annas,^ einer bereits
verstorbenen dritten Tochter Eberhards von Kapellen, Ansprüche
auf bedeutende Teile des Erbes der Kapeller und damit ver-
quickten sich durch Dorotheas Ehe mit dem Liechtensteiner
auch seine Forderungen an die Vettern seiner ersten Gemahlin
» AÖG. XXXI, 304. « AÖG. XXVU, 105.
» JBMFC. VI, 169.
* WSt. weist S. 601 Anna von Kapellen als Gattin Reinprechts von Wal-
see ab, da ihm die Urk. 1417 Mftrz 26 anbekannt war, and sucht Rein-
prechts Ansprüche aaf das Erbe der Kapeller darch Legate Eberhards
yon Kapellen an Reinprecht von Walsee eu erkl&ren. Daza sind diese
Ansprüche, die er insbesondere nach dem yon WSt. gleichfalls nicht be-
nützten Lehenbache Herzog Albrechts IV. (HHStA. Kod. 39) machte,
jedoch viel zu groß; sie sind keine Legate, sondern ein beträchtlicher
Teil der ganzen Erbschaft.
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407
Katharina von Liechtenstein-Nikolsburg. Laut testamentarischer
Bestimmung war Reinprecht von Walsee neben Otto von Zel-
king Testamentsvollstrecker des Kapellers; er verweigerte nun
die Herausgabe ihres väterlichen Erbgutes an Dorothea von
Liechtenstein und erhob selbst Ansprüche an das Kapellerische
Erbe. Zwar erlangte Reinprecht 1411^ die herzogliche Be-
lehnung über die einst kapellerischen Festen Lichtenfels, Mit-
terberg (Pfarre Pergkirchen bei Perg) und Reichenstein im
Machlande^ das Gericht zu Stetteldorf und Hadersdorf (beide
östlich von ELrems) und andere, doch wurde sie auf Einschreiten
Jörgs von Dachsberg und Hartnids von Liechtenstein wieder
rückgängig gemacht und auf die beiden Erbtöchter übertragen.^
Reinprecht war vorübergehend im tatsächlichen Besitze 4ßs
Erbes der Kapeller; 1410 Januar 24' begab sich Friedrich
der Schachtel am B^, Amtmann auf dem Traunfels, aller For-
derungen seines Amtes wegen gegen Reinprecht anstatt des
von Kapellen selig Erben. Der Schiedsspruch Ottos von Meissau
und Kaspars von Starhemberg, 1410 September 29 und 30*
zu Pöchlam gefiült; sprach zuerst Reinprecht von den Liechten-
steinern 3000^^ zu, fWlig bis Weihnachten 1410, und ver-
pflichtete ihn zur Herausgabe von Dorotheas Erbe, dessen Nutz-
nießung ihm jedoch bis zur Erlegung der 3000 Äf,Ä verblieb;
alle übrigen Geldansprüche Reinprechts an die Liechtensteiner
wurden abgewiesen. Über das Erbe des Kapellers wurde da-
hin entschieden, daß dessen beide Töchter die Stiftung von
60 &^ Gülten dem Erlöster Pulgarn auszurichten haben, dem
auch Bergrechte zu Klosterneuburg und Nußdorf zufielen;
1400^x1^ sollte Reinprecht unter die männliche Dienerschaft,
400 €fy^ an das weibliche Gesinde des Kapellers, ebenso auch
die übrigen Legate auszahlen. Reinprecht erhielt die Wahl
zwischen den beiden Schlössern Windeck (bei Schwertberg im
Machlande) und Steireck und empfing die Schuldbriefe des
längst verstorbenen Eberhard V. von Walsee-Linz an die Ka-
peller zurück; alle sonstigen Ansprüche gingen auf die beiden
Töchter des Kapellers über. Außerdem verblieb Reinprecht
laut Testament die Herrschaft Rutenstein (östlich von Frei-
stadt) samt den untertänigen Märkten Weißenbach und Königs-
* HHStA. Kod. 39, f. 11' und Inventar, f. 5. « Ebenda, f. 21, 25.
» Orig. HHStA.
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408
wiesen und von der Heimstener Annas von Tibein fielen ihm
2160 Gulden zu. Reinprecht wählte von den beiden Festen
Windeck und noch vor Jahresschluß traten ihm Wilbirg von
Dachsberg^ und Dorothea von Liechtenstein ihre Ansprüche
darauf ab; in den nächsten Monaten gelangte dann die ganze
Angelegenheit zum Abschluß.^ So brachte denn Reinprecht
aus dem Erbe der Eapeller wenigstens Windeck und Ruten-
stein als ansehnliche Erwerbungen in Oberösterresch an sich.
3. Beinpreohts U. Fehde mit Herxog Smst.
In Osterreich herrschte nach E. Siegmunds Schiedsspruch
ai^cheinend tiefer Friede und der Tod des verhaßten Freisinger
Bischofs Berthold von Wehingen schien geeignet, denselben
noch mehr zu festigen. Die Herzoge Leopold und Ernst blieben
sich aber persönlich abgeneigt; nur der Eigennutz kettete sie
aneinander. Im Juli 1409 kam auch Herzog Friedrich zu
ihnen; mit diesem schloß Herzog Elmst, um seinem Bruder
Leopold jede Aussicht auf Beerbung zu nehmen; einen EIrb-
vertrag.^ In ihrer Habsucht schritten die Herzoge darauf im
August zur Teilung des habsburgischen Hausschatzes in vier
gleiche Teile, zum oflFenbaren Schaden Herzog Albrechts V.,
dem doch als einzigen Albrechtiner die Hälfte davon gebührt
hätte; der Anhang des letzteren erging sich in berechtigen
Klagen darüber.*
Wenn die Herzoge einander argwöhnisch beobachteten,
so stand ihnen andererseits wieder die eigentliche albrechtini-
sehe Partei mit ihrem Führer Reinprecht H. von Walsee voll
berechtigten Mißtrauens gegenüber, die sich vorher an die
Herzoge angeschlossen hatte, so weit es das Interesse des
jungen Albrecht V. erforderte, und die vorläufig zu Herzog
Ernst hielt.
Da brach im August 1410 in Wien die Pest aus und raffte
bis zu ihrem Erlöschen um Lichtmeß 1411 Tausende hinweg.^
Die Umgebung Albrechts V., bereits besorgt, daß die Absicht
Herzog Leopolds auf eine ungesetzUche Verlängerung der Vor-
^ Urk. 1410 Dezember 21; Orig. StAEferding.
' Vgl. die Empfangsbestätigung 1411 März 23; Orig. StAEferding.
» 1409 Juli 27; vgl. Huber, österr. Gesch. II, 418.
* Ebendorfer, a. a. O. c. 839. ^ Ebenda 840.
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409
mnndschaft hinausgehe, nahm jetzt die Gelegenheit wahr, den
jungen Herzog bei Zeiten der Aufsicht seines Vormunds zu
entziehen.^ Man verhinderte es, daß er seinem Oheime nach
Wiener-Neustadt folge, und brachte ihn schließlich der Pest-
gefahr halber auf die Feste Starhemberg bei Wiener-Neustadt,
nachdem die Absicht, ihn nach Herzogenburg zu geleiten, durch
Herzog Leopold vereitelt worden war. Ende September 1410
traf Albrecht V. auf Starhemberg ein, wo auch seine Schwester
Margarete anlangte, beide ängstlich behütet von den Räten,
welche die Übergabe Albrechts V. an Herzog Leopold fort-
während hinauszuschieben wußten.
Als nun 1411 April 24 das Ende der Vormundschaft ge-
kommen war und die Herzoge auch nach Ablauf dieses Termines
keine Miene machten, ihr einträgliches Amt niederzulegen,
hielten die Anhänger Albrechts V. die Zeit zum Handeln für
gekommen, und jetzt trat auch Reinprecht von Walsee auf
den Plan, der bisher den Oang der Ereignisse von Oberöster-
reich aus verfolgt hatte.' Ek* bemächtigte sich 'mit Leupold
von Eckartsau der Feste Starhemberg und der Person des
jungen Herzogs — oflFenbar im Einverständnisse mit dessen
Begleitern* — . und entf&hrte Albrecht V. EInde Mai 1411 auf
großen Umwegen über die Donau nach Eggenburg, wohin
Reinprecht die Stände zusammenberief, um dem Herzog Al-
brecht V. die Regierung zu sichern und der Vormundschaft ein
Ende zu machen. Auf die Nachricht hievon traf Herzog Leo-
pold ein Blutschlag, der seinem Leben 1411 Juni 3 ein jähes
Ende bereitete; leicht hätte dieser Todesfall zur Lösung der
ganzen Frage führen können.
Nun zeigte sich aber nur zu offenkundig, daß Herzog
Elmst selbst die früher seinem Bruder angesonnenen Absichten
hatte und daß es ihm durchaus nicht um das Interesse des
jungen Herzogs zu tun war, ab dessen Beschützer er sich auf-
spielte. Der Versuch, seinerseits eine Verlängerung der Vor-
mundschaft herbeizuführen, mußte ihn aber jetzt mit den An-
hängern Albrechts V., die früher an ihm eine Stütze gesucht
hatten, in erbitterte Gegnerschaft bringen. Herzog Ernst trat
» Vgl. Zeißberg, AÖG. LXXXVI, 627 ff.
' Mai 21 stellt er za Linz noch einen Lehenbrief ans. Orig. HHStA.
' Ebendorfer, a. a. O. 840 ff.
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410
anfangs nicht offen gegen Albrecht V. auf. Als aber der junge
Herzog Juni 6 in der Hauptstadt eingetroffen war, von den
Wienern jubelnd empfangen, stellten Herzog Ernst und sein
Bruder alsbald das Verlangen, die Vormundschaft solle, dem
Vertrage von 1379 gemäß, bis zum 16. Lebensjahre Herzog
Albrechts fortdauern. Als sie damit nicht durchdrangen, zogen
sie sich von Wien nach Himberg zurück, voll Groll gegen die
Anhänger Herzog Albrechts.
Dieser umgab sich jetzt mit seinem Anhange aus dem
Hochadel als seinen vertrautesten Ratgebern und WürdenMl-
gern, unter denen Reinprecht IL von Walsee unbestrit-
ten den ersten Platz einnahm und so eigentlich an der
Spitze der Regierung stand. So scheiterten Herzog Elmsts
und seiner Brüder Pläne an der überlegenen Widerstandskraft
ihrer öegner: an dem jungen, reichbegabten Herzog Albrecht V.,
an E. Siegmund, der für ihn eintrat, und an den zu einem be-
deutenden Machtfaktor gewordenen Ständen, ab deren hervor-
ragendster Vertreter Reinprecht IL von Walsee über den maß-
gebenden Einfluß und einen Reichtum verfUgte, der ihm selbst
das Aufbieten größerer Machtmittel ermöglichte.
Zunächst zwangen Reinprechts rasch getrq^ene Anstalten
den Herzog Ernst, sich von Himberg nach Wiener-Neustadt
zurückzuziehen, und damit war Wien vor einem TJberfalle ge-
sichert. Reinprecht hatte böhmische und bairische Söldner, so
1411 September 8* den Peter Konypass und Jan von Necztyn
mit 180 Pferden aufgenommen und Herzog Ernst vermochte
daher gegen ihn nichts auszurichten. Herzog Ernst erklärte
sich schließlich bereit, die Vormundschaftsfrage dem K. Sieg-
mund als Schiedsrichter zu unterbreiten. Diesem hatte Herzog
Albrecht IV. seinen Sohn noch auf dem Sterbebette empfohlen.
Dieses Vertrauen hat der Luxemburger durchaus gerechtfertigt;
seit kurzem auch deutscher Wahlkönig, brachte Siegmund den
jungen Herzog in noch engere Beziehungen zu seinem Hause.
Um den Michelstag 1411* trafen Herzog Ernst und Herzog
Albrecht V. in Preßburg ein, mit ihnen mehrere vom hohen
Adel mit Reinprecht von Walsee an der Spitze. Hier verlobte
K. Siegmund Oktober 7 seine einzige zweijährige Tochter Eli-
sabeth mit Herzog Albrecht V., ein Heiratsplan, dessen Ver-
» NB. n, 8. « Eberh. Windeke, K«p. 22 ^
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411
wirklichung insbesondere Reinprecht von Walsee betrieben
hatte.^ Der Ofener Schiedsspruch K. Siegmunds (1411 Novem-
ber 30),* den Reinprecht unter diesen Umständen durchzu-
setzen vermochte, erklärte Albrecht V. für mündig, glich die
Forderungen der Herzoge aus und setzte die näheren Friedens-
bedingungen fest; zugleich erklärte Reinprecht von Walsee
seine Bereitwilligkeit, mit Herzog Ernst seinen Frieden zu
machen.
Dieser dagegen war entschlossen, Reinprechts Vorgehen
schwer zu ahnden. Höchst ungehalten über die Entscheidung
des Königs zog er nach Graz und ließ jetzt seinen Groll an
dem Walseer aus, dessen Auftreten allerdings als eine Auf-
lehnung gegen ihn als Lehens- und Landesherrn (in bezug
auf Reinprechts innerösterreichischen Besitz) betrachtet werden
konnte. In eine solche Zwitterstellung mußte eben Reinprecht
infolge der großen Ausdehnung seiner Güter bei jedem Zwiste
im Hause Habsburg kommen. Albrechts V. Entführung hatte
Herzog Ernst sofort mit feindseligem Mißtrauen gegen Rein-
precht erfüllt und schon 1411 Juni 9,^ noch vor seinem Ab-
züge von Wien, warnte er die Steirer, deren damaliger Pfleger
Georg Scheck von Wald* mit Reinprecht verfeindet war, vor
dem Walseer auf der Hut zu sein und demselben keine Hul-
digung für Herzog Albrecht V. zu leisten. Die folgenden Er-
eignisse bis zum Schiedssprüche E. Siegmunds waren allerdings
auch nicht darnach angetan, Herzog Ernst in eine versöhnliche
Stimmung gegen den willensstarken Mann zu versetzen. E^
scheint, daß Reinprecht von Walsee unter solchen Umständen
vor Herzog Ernst weder persönlich erschien, noch sich durch
Bevollmächtigte vertreten ließ, als dieser Ende Oktober die
steirischen Lehen berief und in Graz verlieh.^ So kam es,
daß Herzog Ernst 1411 Dezember 2 seinen Bruder Friedrich
mit allen von Reinprecht von Walsee besessenen und wegen
Ungehorsams gegen ihn als Landes- und Erbherrn verwirkten
^ Gerhard yan Roo, Ann. 159. * Ranch, SS. Rer. Anstr. UI, 491.
' Prenenhnher, Ann. Styr. 78.
^ G^en diesen lag auch der später berühmte Ulrich Eizinger im Dienste
Reinprechts Ton Walsee im Felde.
^ Vgl. Krones, LandesfClrst, Behörden nnd Stände in Steiermark 25 nnd
Reinprechts von Walsee Schreiben an seinen Pfleger za Daino, 1411 No-
vember 12; Orig. HHStA.
ArehiT. XCY. Band. n. SUUfte. 28
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412
Herrschaften^ Sätzen^ Festen, Lehen und Qülten in seinen
Landen belehnte.^
Es kennzeichnet am besten Reinprechts Selbstgefühl nnd
seine Machtstellung^ daß er den Kampf mit Herzog Ernst
um seine Güter in Innerösterreich wirklich aafnehmen ond^
nnterstUtzt durch die politischen Verhältnisse nnd seinen Ein-
fluß bei Herzog Albrecht und E. Siegmund^ ohne Schaden und
Nachteil daraus hervorgehen konnte.
Reinprecht warb gegen Herzog Ernst, dem bis Ende 1411
auch Herzog Friedrich Beistand leistete,* bairische und böhmi-
sche Söldner und bot seine zahlreichen Dienstleute auf.' In
Niederösterreich machte er damit einige Fortschritte, nahm
mehrere Schlösser Herzog Emsts, wie Eierling^ und Stammers-
dorf, ein und erhielt dabei wenigstens mittelbar Unterstützung
von Herzog Albrecht V. Niederösterreich aber ward dadurch
neuerdings in Unruhe versetzt und das Fehdewesen wie die
Unordnung im Lande nahmen einen solchen Umfang an, daß
Herzog Albrecht, um von seinen Landen alle die ,krieg, stözz
und misshelung' fernzuhalten, 1412 Januar 28^ zu Wien einen
Landfrieden für Osterreich verkündete, dessen Einhaltung Rein-
precht an der Spitze des österreichischen Adels reversieren
mußte.
In der Steiermark dagegen konnte sich Herzog Elmst
noch nicht mit voller Macht gegen Reinprecht wenden. Das
Auftreten Herzog Friedrichs in Friaul und das anfangs 1412
zustande gekommene Bündnis Herzog Emsts und seines Bru-
ders mit Venedig ® beantwortete K. Siegmund, gegen den es sich
richtete, damit, daß er 1412 Februar 3' zu Ofen Reinprecht
von Walsee für seine Herzog Albrecht V. geleisteten Dienste
in seinen besonderen Schutz nahm und im Februar 1412 dem
Herzog Ernst offen absagte. Trotz des mit E. Wladislaw von
Polen abgeschlossenen Gegenbündnisses zog Herzog Ernst es
vor, Unterhandlungen einzuleiten, die durch Vermittlung Herzog
Albrechts zu einem Waffenstillstände führten. Da E. Wladis-
law indes seinen Frieden mit E. Siegmund machte, kam Herzog
> LB. V, r. 244. « Mitt. d. histor. Vereines f. Steierm. XXV, 54.
' Ebendorfer, a. a. O. S43; Kl. Klosterneubarger Chron., a. a. O. 241.
♦ Bei Klosterneuburg und Klein-Enaersdorf. * NB. HI, 308.
* Mitt. d. histor. Vereines f. Steierm. XXV, 66.
^ Altmann, Reg. Imperii, r. 187.
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413
Ernst anfangs Juni 1412 persönlich zu neuerlichen Verhand-
inngen nach Ofen. Während aber K. Siegmund daselbst sein
Bündnis mit Herzog Albrecht V. 1412 Juni 6* erneuerte, wurde
Herzog Emsts Verhältnis zum Könige ein äußerst gespanntes.
Mag dazu einer der Anlässe, welche uns die Chronisten Unrest
und Ebendorfer erzählen, beigetragen haben, eine Hauptursache
dieser Verstimmung lag ohne Zweifel darin, daß während
dieses Ofener Aufenthaltes Reinprecht H. von Walsee auf Ver-
anlassung K. Siegmunds Hofmeister Herzog Albrechts V.
wurde.* Damit hatte Reinprecht jetzt auch jene äußere Stel-
lung erhalten, die ihm als dem einflußreichsten Manne am her-
zoglichen Hofe zukam. Herzog Ernsts Gegnerschaft gegen
Reinprecht konnte dadurch freilich nur erbitterter werden.
In der Steiermark ging jetzt Herzog Ernst mit Nachdruck
an die E}roberung der walseeischen Festen und Besitzungen,
da ihm der Krieg K. Siegmunds gegen die Venezianer nach
dieser Seite hin freie Hand gab.
Der König lag seit 1411 im Kampfe mit der Republik
und ließ durch ein starkes Heer unter Pippo von Ozora Friaul
besetzen. Damit hatte er die Oberhand gewonnen: er vergab
das verwaiste Patriarchat von Aquileia an Ludwig von Teck
und kam im Herbste 1412 persönlich auf den Kriegsschauplatz.
Dort trafen auch von Herzog Albrecht V. Verstärkungen ein;
in Islrien befehligte Reinprechts ,Hauptmann auf dem Karste'
Gregor Rathaiminger ^ an der venezianischen Grenze; ansehn-
liche Hilfsmittel stellte Reinprecht auf seinen ehemals tibeini-
schen Schlössern dem Könige zur Verfügung. So dürfte wohl
Keinprecht von Walsee jener Roberto di Valdez sein, der 1413
unter den Verbündeten des Luxemburgers im Vertrage von
Castelluto inbegriffen wurde.*
* LB. V, r. 1318.
» Nach der Kl. Klostemeubnrger Chron., AÖG. 2. A., VII, 241; damit stim-
men aach die Urkunden überein, die bis Febraar 1412 Pilgrim von
Pnchheim, seit Jnli 17 Keinprecht von Walsee als Hofmeister anführen.
Sowohl Ebendorfer als Windeke geben den Zeitpunkt der Ernennung
unrichtig an, ersterer nach Juni, letzterer Oktober 1411; nach ihnen
die Literatur darüber.
• Vgl. die Verrechnung sswischen Reinprechts von Walsee Schreiber Cunrat
von Tehnpekh und Hans Myndorfer 1413 September 4; Orig. HHStA.
^ Pichler, H castello di Duino 248.
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414
Reinprechts Leute, so die walseeischen Barggrafen von
Riegersburg, Mahrenberg und Gonobitz und andere seiner An-
hänger richteten in der Steiermark großen Schaden durch Raub,
Brandlegung und Plünderung an; zu größeren Unternehmungen
brachten sie es indes nicht, ein Anschlag auf Feldbach schlug
fehl. Besonders schlimm erging es einigen walseeischen Lehens-
leuten^ wie den Peßnitzem, die es nun mit Herzog Ernst hielten.
Welchen Umfang die Fehde annahm, zeigt ein erhaltenes
Schadenverzeichnis,^ das eine ganze Reihe von Ortschaften in
Mittel- und Untersteiermark, mehrere vom Adel und drei Klö-
ster unter den Geschädigten anführt und die Schadensumme,
wenn auch weit übertrieben, auf 600.000 Gulden veran-
schlagt. Anhänger Herzog Emsts dagegen, wie der Jeden-
speuger,* raubten und plünderten in der Umgebung von Kirch-
dorf in Oberösterreich. Reinprechts Leute von Rotenfels und
Oberwölz (Freisinger Besitz, den Reinprecht von Walsee da-
mals wohl als Pfleger innehatte) waren den Angriffen des Hans
von Stubenberg ausgesetzt,* der seinen früheren Streit mit
Reinprecht erneuerte und zu Ofen vor K. Siegmund, der darüber
einen Schiedsspruch fällen sollte,^ nicht erschien. Schließlich
überfiel der Stubenberger den walseeischen Pfleger auf Roten-
fels, Nikla Baumkircher, jagte ihn vom Schlosse^ und setzte
sich auch in den Besitz von Wachseneck.
Nach Niederösterreich, wo Reinprecht seine Schlösser,
wie das einem Einfalle aus Steiermark zunächst ausgesetzte
Rauheneck, durch Befestigungen verstärkte,® griff der Krieg
nicht weiter über. Dagegen nahm jetzt Herzog Ernst in der
Steiermark ein Schloß des Walseers nach dem andern ein und
dies umso leichter, als Reinprecht, vielleicht weil ihm die Pässe
am Pyhrn und Semmering verlegt wurden, gar nicht in der
Steiermark erschien, sondern in Oberösterreich blieb, von wo
die Steirer Bürger' den Herzog Ernst mit Nachrichten über
Reinprecht versahen. Bis Neujahr 1413 hatte Reinprecht be-
» Von ca. 1418 (nicht Uli); Orig. HHStA.
« Urk. 141^ Joni 19; HHStA., Kod. 1049, f. 249'.
' Vgl. die Urfehde des Kaplans Stephan 1412 April 11, Kop. Linsser Moseal-
archiy.
^ Nach Urk. 1412 Juni 25; Altmann, Reg. Imperü, r. 265.
* Vgl. Urk. 1418 Juli 20; Kop. StLA., Nr. 4699«.
« Schweickhardt, VUWW. V, 76. ' Preuenhuher, Ann. Styr. 80.
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415
reits sieben Schlösser an den Herzog verloren. Die Riegers-
bürg, welche Reinprecht halten zu können vermeinte, mußten
die walseeischen Pfleger Tywolt Eellermaister ^ und Peter An-
hanger von Köppach* übergeben, Eibiswald, Mahrenberg u. a.
waren bereits gefallen. Vor Gonobitz konnte der Herzog 1413
Januar 13' den Steirern von seinen Erfolgen berichten und
auch diese Feste gewann er noch. Damit war aber mit dem
walseeischen Besitz in der Steiermark so ziemlich aufgeräumt;
zweifelsohne hätte sich Herzog Ernst nun gegen Reinprechts
Tibeiner Güter gewendet.
Nun trat aber E. Siegmund nachdrücklich für Rein-
precht ein. Schon 1413 Januar 15* war es zu Udine zwi-
schen dem Könige und den Herzogen Ernst und Friedrich zu
einem Kompromiß gekommen; ohne Zweifel traf man dabei
auch bindende Verabredungen über die Walseer Fehde. Herzog
Ernst befahl 1413 Januar 26^ bereits von Brück a. M. aus den
Bürgern von Steier, dem abziehenden Abensperger den Paß
von Steier nicht zu verlegen, da K. Siegmund von ihm be-
gehre, mit Reinprecht von Walsee bis Michaelis (September 29)
einen Frieden zu machen, und 1413 Februar 4 ^ kam wirklich
der Waffenstillstand zwischen den Gegnern zustande, der dann
bis 1417 mehrmals verlängert wurde.
Während der ganzen Fehde hielt sich Reinprecht in
Österreich, besonders im Lande ob der Ens auf, wo seit seiner
&hebung zum Hofmeister ein Verweser der Hauptmannschaft
ob der Ens bestellt wurde,' der ihn in seinem Amte vertrat
und unterstützte. Als solcher erscheint seit 1413 der passauische
Vitztum und walseeische Lehensmann Andre Herleinsperger
bis Ende 1418,® und nachdem derselbe wieder in passauische
Dienste getreten war, seit 1419* Gregor Rathaiminger, der
diese SteUung bis über Reinprechts H. Tod hinaus innehatte.
» Vgl. das Schreiben 1413 Juni 29; LB. VIII, r. 1392»>.
* Hoheneck, Genealogie III, 280; KOppach, Ansitz in der Herrschaft Puch-
heim.
3 Preuenhuber, a. a. O.; Kl. Klosterneuburger Chron., AÖG. 2. A., VH, 241.
•* Kümmel, Mitt. d. histor. Vereines f. Steierm. XXV, 63.
^ Preuenhuber, a. a. O. « LB. V, r. 1374, 1375, 1457.
' Vgl. über die Verweser ob der Ens Preuenhuber, Ann. Styr. 336—339.
» JBMFC. XXXI, 122.
» Ebenda XX, 231; vgl. Urk. 1419 Oktober 8; Kop. Linzer Musealarchiv.
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416
Auch während seines Kampfes mit Herzog Elrnst können wir
Reinprechts Tätigkeit in Österreich an mehreren Schiedssprü-
chen sowie als Hauptmann ob der Ens verfolgen.
Jetzt; wo seine Kräfte durch die Fehde mit Herzog Ekust
in Anspruch genommen waren^ wurden von mehreren Seiten
an Reinprecht von Wabee Ansprüche erhoben und alte Miß-
helligkeiten hervorgesuchty die man zu dieser Zeit leichter
durchzusetzen gedachte. Zu Wien schlichtete 1412 ^ ein Schieds-
gericht den Streit Reinprechts mit Christian dem Zinzendorfer
und Konrad dem Krieger — der offenbar auf die Fehde von
1408 zurückzuführen ist — wodurch Reinprecht die Feste
Ober-Hauseck* zurückerhielt, ^die ihm Bischof Johann von
Regensburg (1384 — 1409) nebst Pöchlam verpfändet hatte und
Bischof Albert HI. (1409—1421) bald darauf wieder einlöste.»
Dagegen mußte Reinprecht die dem Zinzendorfer abgenom-
menen Festen zurückgeben. Auch die Liechtensteine von
Nikolsburg wandten sich neuerdings gegen Reinprecht, d^ den
Bestimmungen des Schiedsspruches von 1410 nicht genau nach-
gekommen sein dürfte.
Reinprechts Hausfrau Katharina hatte noch von ihrem
ersten Gatten, dem 1404 verstorbenen Leutold von Meissau,
die Wiederlage für ihr Heiratsgut, den Gjaidhof zu Gf^hl und
den Qfbhlerwald, inne, die ihr nach der Pfandverleihung von
1406 ^ an Otto von Meissau bis zum Todfalle oder zur Ablösung
verblieben. Reinprecht wiederlegte nun Katharinas Heimsteuer
von 4000 Gulden und wies sie damit auf Schloß Hoheneck und
das Dorf Rossatz, was 1412 Dezember 21^ die Genehmigung
des Herzogs erhielt
Daneben gelangen Reinprecht neuerhche Gütererwerbun-
gen, während er wieder zahlreiche Lehen vergab. Ulrich
Schenk von Osterwitz leistete 1411^ für 800 Goldgulden gegen
Reinprecht Verzicht auf mehrere Erbgüter in Krain und Kärn-
ten. An Wilhelm von Rabenstein, Hauptmann in Krain, ver-
pachtete Reinprecht Güter und das Amt zu Igg (bei Brunn-
dorf, südlich von Laibach), worüber ihm der Rabensteiner 1412^
» Ulk. 1412 April 4; NB. U, 8. « Bei Grerton an der Kleinen Erlaf.
• Öfele, Script Rer. Bav. U, 216»».
• Urk. 1406 Dezember 14; NB. m, 306. * NB. H, 10.
• Urk. 1411 November 6; Orig. StAEferding.
' Urk. 1412 April 17; NB. II, 9.
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417
reversierte. Die Feste Guntersdorf, den Zehent zu Ober-Sieben-
bmnn und andere Gutter hatten Reinpreeht II. und seine Brtt-
der wohl schon seit 1400 innegehabt; jetzt erhielt Reinpreeht
1412^ vom Abte Johann U. von Melk die Belehnong darüber.
Reinpreeht IL hatte für Herzog Albrecht V. 1412/13 die
Trappen geworben, die an E. Siegmund als Verstärkung ab-
gegangen waren, und dabei bedeutende Summen für den Herzog
ausgelegt. So versprach Herzog Albrecht V. 1413 Januar 12*
dem Walseer alle Kosten für 1381 Reiter zu ersetzen, die er
ihm aufgebracht; am folgenden Tage^ stellte er ihm einen Schuld-
brief über 3872 Ubß 10 ^, die er für den Herzog an Sold
verwendet, 1413 August 14* einen weiteren Schuldschein über
5527 ^40/1^ aus^ die ihm auf der Maut zu Linz und dem
Amte zu Gmunden angewiesen wurden. Außerdem wurde
Reinpreeht 1413^ des Herzogs Bürge Air eine Summe von
2000 «<>Ä.
Für alle diese bedeutenden Geldleistungen wurde Rein-
preeht IL vom Herzog reichlich schadlos gehalten. Als seltene
Auszeichnung erhielt er 1413 Februar 10^ vom Herzog ,in
Ansehung seiner getreuen und nützbaren Dienste' das hohe
Gericht (den Blutbann) auf seinen niederösterreichischen
Schlössern Nieder-Walsee, Seuseneck und Kornspach als
Mannslehen. Dazu verpfändete ihm der Herzog 1413' für
1000 ^'A die Feste Lengbach und übergab ihm die Pflege
daselbst. Außerdem verlieh Herzog Albrecht 1413 Septem-
ber 18® zu Wien an Reinpreeht das Schloß Nußdorf a. d.
Traisen,® das früher Hertneid von Pottendorf besessen hatte;
es wurde später mehrfach verlehnt und war noch um 1445
walseeisches Lehen. ^® Reinpreeht selbst erwarb außerdem die
Feste Spielberg, die ihm Heinrich der Klebsattel 1413 Okto-
1 Urk. 1412 August 20; Keiblinger, Gesch. v. Melk II, 257 und 479.
« Kurz, Albrecht U. (V.), Bd. I, 182. » HHStA. Kod. 16, f. 147.
* SchlOsselberg. Arch. Kod. 37, f. 151 ; Oberösterr. Landesarchiv.
5 Urk. 1423 Juli 25; HHStA. Kod. 16.
« Lehenbuch Herzog Albrechts V.; HHStA. Kod. Suppl. 422, f. 63'.
' Urk. 1413 Juli 25; LB. V, r. 1398; Neu-Lengbach westlich von Wien,
nicht Lembach in Oberöeterreioh, wohin es Pritz (Geschichte des Landes
ob der Ens U, 94) bezog.
• LB. V, r. 1412. • Bei Traismauer.
*® Vgl. das walseeiscbe Lehenbuch im k. k. Archive für Niederösterreich,
Wien, f. 134, 137.
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418
ber 27 ^ gegen eine jährliche Leibrente von 40 H^ abtrat. Ein
weiterer Kauf Reinprechts, das Kirchenlehen zn Aspern an der
Zaya und Güter daselbst, die er 1413 Juni 13* vom Abt Kon-
rad von Altenburg um 200 Äf /Ä an sich brachte, führte zu einer
Auseinandersetzung mit diesem Abte um die Stiftung Hadmars
von Sunnberg; dieselbe verblieb durch eine Entscheidung'
Michaels von Atzmannsdorf, Kommissärs des passauischen Dom-
herrn Andreas von Grillenberg, in den Händen Reinprechts bei
der Kirche von Aspem.
Während der Zeit der Waffenruhe mit Herzog Ernst, seit
1413, blieb Reinprecht nach wie vor im Verein mit einer kleinen
Anzahl von Männern in führender Stellung am Hofe Herzog
Albrechts V., dessen Fähigkeiten sich immer mehr entfalteten.
Eng begrenzt war der Kreis von Männern, in deren Ebtnd die
Führung der Geschäfte lag. Bischof Georg von Passau, Rein-
prechts alter Verbündeter, mußte, als er Herzog Albrechts Rat
geworden, 1413* dessen Räten Reinprecht von Walsee, Leopold
von Eckartsau und Pilgrim von Puchstein versprechen, mit
ihnen gemeinschaftlich ihre Geschäfte zu fördern und ihnen
gegen jedermann beizustehen.^
Während ein ehrenvoller Friede mit Herzog Ernst infolge
des Eingreifens K. Siegmunds nur noch eine Frage der Zeit
war und in der Steiermark allmählich einigermaßen geordnete
Verhältnisse wiederkehrten, begann dafür abermals die alte
Plage der böhmisch-mährischen Grenzfehden, worüber wir dies-
mal nur dürftige Kunde erhalten. In Reinprechts engerem
Wirkungskreise Oberösterreich war insbesondere Freistadt diesen
Angriffen ausgesetzt.
Reinprecht benachrichtigte 1413 August 14^ die Frei-
städter, daß Ulrich von Ausk ihm und dem Herzoge am Vor-
tage abgesagt habe, ermahnte sie zu tapferem Widerstände
und sagte ihnen den Beistand der Seinen zu; August 19^
» Orig. HHStA. « Ebenda.
» Urk. 1413 Juli 7; FRA. XXI, 297.
« Urk. 1413 Juli 29; Monumenta Boica XXXI*, 118.
^ Bischof Georg blieb auch bis an sein Ende den Habsburgem treu er-
geben. An der großen Konföderation Salzburgs mit seinen DiOsesanen
von 1419 nahm z. B. Passau aUein nicht teil, ohne Zweifel aus Rück-
sicht auf Österreich.
• AÖG. XXXI, 306. ' Ebenda.
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419
richteten die Bürger an den Herzog die Bitte^ ihnen das An-
lehen von 1200 Gulden zn erlassen, da sie infolge der Einfälle
Ulrichs von Auck die Stadtmauern auszubessern und strenge
Wacht zu halten hatten. Allerdings traten auf Veranlassung
K. Wenzels mährische Abgesandte mit denen Herzog Albrechts V.,
mit Grafen Johann von Maidburg, Reinprecht von Walsee und
mehreren anderen zusammen, welche 1414 Dezember 7^ zu
Znaim einen Frieden bis St. Georgstag 1416 abschlössen. Her-
zog Albrecht bestätigte dieses Abkommen in Gegenwart aller
jener Abgeordneten in Wien (1415 Januar 4*); aber trotzdem
trat keine nachhaltige Besserung dieser Verhältnisse ein, unter
welchen Osterreich ob und insbesondere unter der Ens so
furchtbar zu leiden hatten. Bereits 1415 März 3^ mußte Rein-
precht von Walsee wieder die Freistädter Bürger auf ihren
Bericht hin wegen des Streites der Herren von Neuhaus mit
dem von Tirna zur Wachsamkeit mahnen. Die fortgesetzten
Bemühungen und strengen Maßregeln stellten aber schließlich
doch die Sicherheit im Lande her und wenn der gleichzeitige
Chronist Ebendorfer^ übertreibend berichtet, man hätte damals
ohne Gefahr Geld mit den Händen durch Österreich tragen
können, so beweist es immerhin, daß sich die Verhältnisse doch
zum besseren wandten. Daß dies insbesondere in Oberöster-
reich zutraf, ein Verdienst, das wohl der langjährigen Tätigkeit
Reinprechts U. von Walsee als Hauptmann ob der Ens zuzu-
schreiben ist, zeigt die gegen früher abnehmende Anzahl von
Urfehden,* die auf Reinprecht ausgestellt wurden. Außerdem
vear Reinprecht mehrmals genötigt, gegen seine eigenen Dienst-
leute, wie den Stephan Weingartner,^ oder seinen Amtmann zu
Nieder -Walsee, Weichart in der Plankhen, ' einzuschreiten.
Seinen Diener Peter Anhanger von Köppach, der die Riegers-
burg an Herzog Ernst übergeben hatte, zog Reinprecht gleich-
falls zur Verantwortung. Der Urteilsbrief, den die walseeischen
Dienstleute Andre Herleinsperger und Michel Oberheimer, Pfleger
auf Wachsenberg, 1416® darüber fertigten, sprach aus, daß
> Kur«, Österreich unter Albrecht II. (V.), Bd. I, 191.
' NB. III, 334. ' Kop. Linzer MuBealarchiv.
* Pez, a. a. O. U, c. 844. » 1414—1421 nur noch 6 Stück.
« ürk. 1414 Oktober 17; Orig. HHStA.
' Urk. 1416 Oktober 27; ebenda.
* Hoheneck, Genealogie III, 280.
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420
der Yon Walsee dem Anhanger dafür mit Leib und Gut an-
haben möge.
Im Süden, in der Umgebung von Triest, begannen neuer-
liche Reibungen mit den Bürgern und dem Domkapitel dieser
Stadt. Die Leute Reinprechts vergalten die vom Kapitel bei
den Pfarrbesetzungen geübte Nachsicht mit einer den Bürgern
feindseligen Haltung.^ Auf die Nachricht, daß Bewaffiiete sich
in Dnino sammelten, entsandte die Kommune SpUhbarken dort-
hin, nach S. Giovanni di Timavo und an die Isonzomündung;
Abgesandte der Kommune zogen in Friaul Erkundigungen ein,
ob man dort Leute für den Walseer aufbringe, ein weiterer
Kundschafter wurde nach Mitterburg (Pisino) und anderen
Orten Istriens geschickt, ob von dort her walseeische Truppen
mit einem Einfalle drohten. Da Reinprecht weitere Verwick-
lungen bei seinem noch nicht endgiltig geordneten Verhältnisse
zu Herzog Ernst ungelegen waren, blieb es beim Frieden,
auch mochte der Herzog selbst beruhigend eingewirkt haben,
als er die Kommune (1414 Mai 6) von dem mit Reinprecht
abgeschlossenen und eben verlängerten Waffenstillstände be-
nachrichtigte.
Zur Besserung der Finanzen, die sich nach den Kriegen
der letzten Jahre nur langsam erholten, schrieb Herzog Al-
brecht V. eine Judensteuer aus. Gegen Erl^ung derselben
versprach' der Herzog den Juden in Osterreich Befreiung von
allen sonstigen außergewöhnlichen Steuern bis Georgitag 1418,
bestätigte ihre herkömmlichen Rechte und bestellte Reinprecht
von Walsee zu ihrem Schützer und Schirmer, eine Vertrauens-
stellung, die einen uneigennützigen Mann ganz besonders er-
forderte. Auch jetzt traten die obderensischen Städte wieder
mit ihren alten Klagen an den Herzog heran.' Sie beschwerten
sich über die ungesetzlichen Ladstätten zwischen Linz und
Grein, zu Walsee und Ardagger — eine Klage, die sich
geradezu gegen Reinprecht richtete, über den Ausschank
fremden Weines durch Geistlichkeit und Adel, über den Handel,
den mehrere Märkte, die nicht Bannmärkte waren, wie Kirch-
dorf und Leonfelden, trieben, über die Steuern, welche Adel
und Geistlichkeit den Bürgern für ihre Lehen abforderten, ob-
* Hortis, DocumcDti IX. > Urk. 1416 Janaar 15; NB. Xu, BS4,
» AÖG. XXXI, 307.
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421
wohl der Herssog selbst sie dayon erhielt^ und brachten noch
mehrere Handel und Wandel betreffende Beschwerden vor. Zur
Abhilfe derselben Ueß Herzog Albrecht V. 1415 März 9^
mehrere Befehle ergehen. Er untersagte den Amt- und Maut-
leuten auf der Donau^ ungewöhnliche Mauten zu nehmen^ schrieb
an Reinprecht wegen Aufhebung des ungerechten Grundrechtes^
richtete an ihn ein Verbot^ an ungebräuchlichen Stellen Wein
abladen zu lassen^ und befahl ihm, der Geistlichkeit und dem
Hofadel allen Handel zu untersagen, durch den die dazu be-
fugten Städte so großen Nachteil erlitten. Daß auch diesmal
den herzoglichen Befehlen nicht Folge geleistet wurde^ beweist
ein neuerliches Verbot, das der Herzog 1419 Dezember 13' an
Keinprecht richtete, worin er dem Adel abermals untersagte,
von Gütern oder Lehen, welche Welser Bürger vom Adel inne-
hatten, Steuern einzufordern.
Eine ganze Reihe Yon Verleihungen und Belehnungen
aus diesen Jahren zeigt, daß Reinprechts Verhältnis zum Her-
zoge keine Trübung erfuhr und daß sich Albrecht V. dem
Manne gegenüber dankbar erwies, der mit so unerschütterlich
treuer Anhänglichkeit seine beste und sicherste Stütze in drang-
vollen Zeiten gewesen war.
So verlieh der Herzog dem Walseer 1414 August 12'
mehrere vordem starhembergische Güter in den Pfarren Haag
und Rottenbach am Hausruck, zur Herrschaft Starhemberg ge-
hörig, die er an sich gebracht hatte. Reinprecht IV., Rein-
prechts n. einzigem Sohne, gab Herzog Albrecht September 12*
gleichen Jahres als Leibgedinge die Feste Rabenstein, die be-
reits Reinprecht II. als Leibgedinge besaß. Weiters verlieh
der Herzog 1415 April 7*> dem Walseer und Leopold von
Ek^kartsau Schloß Sitzendorf (am Schmiedabache, VUMB.)
nebst mehreren Gütern und gestattete Reinprecht II. Juli 3^
dieses Jahres, die baufiülige Feste Freienstein gegen Ver-
gütung der Kosten wieder aufzubauen. Neuerlich wurde Rein-
precht 1415 Mai 3^ vom Herzoge durch die Verleihung des
hohen Gerichtes (Blutbannes) auf weiteren sechs Herr-
schaften: Ober-Walsee im Lande ob der Ens, Senftenberg,
^ AÖG. XXXI, 307. * Kop. Ldnzer Masealarchiy.
' Pritz, Gesch. de« Landes ob der Ens II, 95.
* HHStA. Kod. 16. f. 104'. » Orig. StAEferding.
• HHStA. Kod. 16, f. 114'. ' NB. U, 308.
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422
Gantersdorf; Stroneck^ Pnrgstall nnd Hoheneck in Nieder-
österreich ausgezeichnet. Die Feste Pernstein erhielt Rein-
precht 1416 Januar 2* vom Herzoge ,für seine Dienste nach
billiger Dankbarkeit' und Juni 6' dieses Jahres vorbehaltlich
der Genehmigung K. Siegmunds als Leibgedinge. Dazu wurde
Reinprecht II. 1417 April 12' der Genuß folgender ihm von
den Herzogen Ernst und Leopold 1407 verpfändeter Herrschaften
durch Albrecht V. bestätigt: in Istrien die Grafschaft Mitter-
burg (Pisino) mit Frayn (Vragna)*, Ober-Stein und Gört-
schach in Krain^ Windischgraz und Mahrenberg in Steier-
mark; in Osterreich Wachsenberg mit Ottensheim^ Fran-
kenburg, Attersee, Puchheim, Seusenburg, Pernstein,
die Grafschaft zu Peilstein, Freienstein auf der Donau und
der Markt Wul der sdorf; am gleichen Tage überwies ihm der
Herzog den Fortbezug aller Erträgnisse der Pfandschaften Neu-
burg am Inn und Falkenstein bis zur völligen Ablösung zum
Lohne für seine Verdienste. Auch erhielt Reinprecht 1416
Juli 31^ die herzogliche Belehnung mit der Feste Sehr ana-
wand (bei Pottendorf, VUWW.), welche nach Kikla dem
Scheurbecken ledig geworden war, und behauptete sie gegen
die Ansprüche der Witwe desselben.^ SchUeßUch wurde Rein-
precht II. auch 1416 März 25^ vom Abte und Konvente des
Klosters Walderbach (am Regen, Oberpfalz) die Pflege und
das Gericht über das Dorf Grafendorf* übertragen.
Jetzt kam es schUeßlich auch zum endgiltigen fVieden
zwischen Reinprecht U. und Herzog Ernst, nachdem der Waffen-
stillstand zwischen denselben durch Vermittlung K. Siegmunds
fortwährend verlängert worden war. Offenbar hegte Herzog
Ernst den Plan, dem Walseer wenn möglich auch den Rest
seines steirischen Besitzes, die Herrschaften in Krain und auf
dem Karste, zu entreißen; noch 1415^ bedrückten herzogliche
Beamte und Dienstleute die walseeischen Hintersassen in Krain
mit Erpressungen und Reinprecht von Walsee bheb im Süden
immerhin für den Wiederausbruch der Feindsehgkeiten gerüstet
> NB. n, 808. « LB. V, r. 1624.
* Kurz, Österreich unter Albrecht ü. (V.), Bd. II, 3.
* Südöstlich von Pisino. * Orig. HHStA. • LB. V, r. 1654.
' Orig. StAEferding. • Bei St Polten.
* Vgl. Urkk. 1415 Mai 24, 26, Juni 28; 1416 Januar 7; Kop. Linier MoMal-
archiv.
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423
Obwohl der Walseer im Kampfe seine meisten steiriscfaen
Besitzungen eingebüßt hatte, war Herzog Ernst nicht in der
Lage^ drückende Bedingungen zu stellen. In erster Linie
machte es das entschiedene Eintreten E. Siegmunds dem Her-
zoge unmöglich, die gewonnenen Vorteile auszunützen. Die
seit 1415 eingetretenen Ereignisse, das ganze schwere Miß-
geschick, das über seinen Bruder Friedrich hereingebrochen
war und den gesamten Besitzstand der Habsburger in Vorder-
österreich gefährdete, nötigten Herzog Ernst, vor allem flir
seinen bedrängten Bruder E. Siegmund einzustehen. Außerdem
wurden durch den Einfall der Türken, die 1415 bis Laibach
vordrangen, Herzog Ernst und in gleicher Weise Reinprecht
von Walsee ^ — seiner Tibeiner Güter wegen — auch die
Cillier, Ortenburger und selbst das Patriachat von Aquileja zu
Rüstungen zur Abwehr dieser schlimmen Gäste veranlaßt. Alle
diese Umstände bewogen Herzog Ernst im Streite gegen den
Walseer zur Nachgiebigkeit.
Gleichzeitig fand auch die vollständige Aussöhnung Her-
zog Albrechts V. mit Herzog Ernst statt, zwischen denen es
noch mehrere strittige Punkte gegeben hatte. 1417 Juni 15*
stellten Herzog Albrecht V. zu Wien, Herzog Ernst zu Wiener-
Neustadt ihre gegenseitigen Vertragsurkunden aus. Die Her-
soge verglichen sich darin über ihre Forderungen und been-
digten gleichzeitig die Walseer Fehde. Reinprecht H. leistete
bei Herzog Albrecht formelle Abbitte, welche an seiner Statt
Kaspar von Starhemberg zu Wien verrichtete, ' und erhielt auf
nächsten St. Laurentiustag die beiden Festen Riegersburg,
Gonobitz, Stattenberg, Eibiswald und Windischgraz in
Steiermark, Görtschach und Neuburg auf dem Ranker in
Erain und alle sonstigen Eroberungen von Herzog Ernst zurück,
ebenso alle seine und seiner Hausfrau Eatharina von Tibein
Lehen, mit welchen er vom Herzoge wieder belehnt wurde; auch
sollte Reinprecht alle seine Lehensleate wieder belehnen und
niemandem davon den Erieg nachtragen. Die Forderung Her-
zog Ernste von 600.000 Gulden Schadenersatz wurde auf
' Vgl. Levec, Die ersten Türkeneinfälle in Krain, Mitt. des Musealvereines
fUr Krain XVI, 192 und 200.
> Knrz, österreicb unter Albrecht ü. (V.), Bd. H, 313.
• Prenenbnber, Ann. Styr. 418; ihren eher hochmütig klingenden Wortlaut
s. Wnrmbrand, Collectanea Genealogica 24.
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424
25.000 Dukaten nnd 6000 tf^ herabgesetzt, die H^7M>g Al-
brecht y. auf St. Laurentiustag für Reinprecht erlegen sollte.
Damit fand die Fehde mit Herzog Ernst, ein gewagtes
Beginnen, in welches sich Reinprecht wider Willen einlassen
mußte, ihren für den Walseer ehrenvollen Abschluß. Da die
Rückgabe der Güter eine vollständige war, führte der Ausgleich
mit Herzog Ernst also durchaus keine Schwächung des Wal-
seers herbei, dessen Verhalten zu seinem früheren Gegner fort-
an ein durchaus loyales war. Dieser Friede bildet aber zu-
gleich den Abschluß der bedeutenden politischen Tätigkeit,
welche Reinprecht H. von Walsee seit Herzog Wilhelms Tode
entwickelt hatte. Als betagter Mann war Reinprecht der ver-
dienten Ruhe bedürftig, wenn ihn auch die Frische und R^-
samkeit seines Geistes nicht verließ. Er behielt seine Stellung
und seinen Einfluß bei Herzog Albrecht, der seinem alten Rat-
geber nach wie vor sein ganzes Vertrauen schenkte, gr(>ßere
Unternehmungen aber pflegte Reinprecht nun an seinem Lebens-
ende jüngeren Schultern anzuvertrauen.
4. Reinpreohts II. Lebensende ;
das Haus Waltee auf dem Höhepunkte seiner Macht.
Nach dem Abschluß des fViedens mit Herzog Ernst kamen
mehrere ältere Streitigkeiten Reinprechts zur Austragung,
zunächst die mit den Liechtensteinern von Kikolsburg,
die sich aus der Erbschaft Eberhards von Kapellen entwickelt
hatten. Beide Teile scheinen dem Spruche von 1410 nicht ge-
nau Folge geleistet zu haben; Dorothea, eine der Töchter des
verstorbenen Kapellers, hatte 1412' abermals ihre Ansprtlche
an Hartnid von Liechtenstein übertragen. Nun wurde der alte
Streit wieder aufgenommen. Offenbar in bezug darauf erklärte
Herzog Albrecht V. 1417 Februar 6,* daß niemand mehr Rein-
precht von Walsee um Geld- oder Erbschuld zu belangen habe,
nachdem im Lande ob der Ens ausgerufen worden, jeder-
mann habe seine Ansprüche bis Lichtmeß dem Herzoge vor-
zubringen. Während Reinprecht bei seinem Einflüsse eine
persönliche Entscheidung des Herzogs anstrebte, wollte der
^ Falke, Qesch. des Hauses Liechtenstein I, 439.
» NB. II, 308.
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425
Liechtensteiner dagegen die Sache vor ein ordentliches Gericht
bringen. Heinrich von Liechtenstein erschien 1417 März 25^
in der Wiener Hofburg beim Herzog, am sich über seinen
Streit mit Reinprecht zu besprechen. Der Herzog schlug
ihm wiederholt sein Begehren um Entscheidung der Sache im
öffentlichen Landrecht ab, lud ihn aber auf den nächsten Vor-
mittag zu sich; auch dort begründete der Liechtensteiner seine
Ansprüche ohne Erfolg. Der Herzog übergab Reinprecht dar-
über einen öerichtsbrief,* worin er diese Ansprüche anführt,
ohne jedoch eine Entscheidung zu treffen. Die Forderungen
betrafen eine Summe von 1000 ^/Ä, die sein verstorbener Bru-
der dem Walseer gegeben hatte, die Rückgabe von Schloß
Windeck, die richtige Auszahlung der Legate des letzten Ka-
pellers und weitere 1000 Äf/Ä, die der Kapeller seiner Tochter
Anna, Reinprechts Hausfrau, als Heimsteuer gegeben hatte^ die
nach des Kapellers Tode an Dorothea von Liechtenstein hätten
fallen sollen. Da der Liechtensteiner einer weiteren Vorladung
nicht Folge leistete, fkUte der Herzog 1417 April 2' einen
Schiedsspruch zugunsten Reinprechts. Schließlich bestätigte
Albrecht V. Juni 16 das Urteil der zu Gericht versammelten
Herren, Ritter und Knechte, das den Liechtensteiner dazu ver-
hielt, sich dem Schiedssprüche von 1410 zu fügen, dem er
nicht Folge geleistet hatte.
Nochmals kam der Walseer im Laufe des Jahres 1417 in
Konflikt mit der Geistlichkeit, und zwar sowohl in Öster-
reich als im Küstenlande. Reinprecht beanspruchte wie seine
Vorgänger nicht bloß die Besetzung der Pfarren auf seinen
Gütern im Süden, sondern machte seinen Einfluß auch bei der
Besetzung des auf seinem Boden gelegenen Bischofssitzes von
Piben (Pedena, südöstlich von Pisino) geltend. Er ernannte
1417 Februar 12* den Fra Paolo, einen Augustinermönch aus
Fiume, zum Bischof von Piben. Diese Wahl scheint jedoch
auf den Widerspruch des päpstlichen Stuhles gestoßen zu sein,
denn 1418 saß Fra Paolo als episcopus electus daheim im
Kloster zu Fiume und ein gewisser Gregor auf dem bischöf-
lichen Stuhle zu Piben, den Fra Paolo erst um 1430 wirklich
innegehabt zu haben scheint.
* Falke, a. a. O. 436. » Orig. HHStA. » LB. V, r. 1701.
* Pichler, U castelto di Dnino 267.
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426
In Osterreich hatte Reinprecht Höfe und Zehente za
Wolfhuntem und Putzenberg, Pfarre Aschbach bei Amstetten
(womit Peter der Anhanger — indes offenbar ohne lehens-
herrliche Genehmigung Reinprecbts — in der Kapelle zum
heil. Jakob einen Altar und eine ewige Messe und in der
Kirche zu Aschbach ein ewiges Licht gestiftet hatte)^ ohne viel
Federlesens an sich genommen. Rasch gelangte eine Beschwerde
hierüber an das eben tagende Konstanzer Konzil und 1417
November 5^ erhielt Jacobus de Camplo als Beauftragter des
Konzils vom Kardinal Johann von Ostia unter Mitteilung des
Sachverhaltes durch den Bericht des Prokurators Johannes de
Scribanis den Befehl^ Reinprecht von Walsee nötigenfalls seiner
Kirchenlehen ftir verlustig zu erklären und zu 500 Mark Silber
Strafe sowie zur Herausgabe des angeeigneten Besitzes zu ver-
urteilen. Weigerte sich Reinprecht, diese Bedingungen binnen
zwei zu stellenden Terminen zu erfäUen^ so sollte die weltliche
Obrigkeit angerufen, Reinprecht vorgeladen und nach Wieder-
holung der Termine exkommuniziert werden. "Es kam indes
keinesfalls zur Verhängung dar angedrohten Strafen; bald
darauf finden wir Reinprecht bereits wieder im Einvernehmen
mit der Kirche: 1418 April 6* bestätigte der Patriarch Ludwig
von Aquileia den von Reinprecht vorgeschlagenen Pfarrer von
St. Georg zu öonobitz.
Nach einem kurzen Aufenthalt am Wiener Hofe weilte
Reinprecht im Frühling 1417' zu Aspern an der Zaya;
damals mag er den Bau des neuen Schlosses daselbst an-
geordnet haben, das erst kurz vor seinem Tode vollendet
wurde. Noch heute schmücken die Wappenschilde Reinprecbts II.
und seiner Hausfrau den Torbogen des Schlosses zu Aspem
mit der Inschrift: ,A. d. 1421 Reinpertus de Walsee senior
me fecit.'
Obwohl sich die herzoglichen Finanzen in den letzten
Jahren gebessert hatten, war Herzog Albrecht doch genötigt,
bei Reinprecht 1417^ ein Anlehen von 600 Goldgulden zu
machen; dafür wurde Reinprecht 1418 Januar 29 mit der
* Orig. HHStA. « Muchar, Goech. der Steierm. VII, 149.
* Vgl. das Schreiben an die FreistXdter, Aspern, 1417 April 24, AÖO.
XXXI, 809.
* Urk. 1417 Dezember 8, Kod. 16, HHStA.
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427
Feste Rotenstein^ belehnt, deren frühere Besitzer, die Enzes-
dorfer, Raab und Unfug auf der Donau wie auf den Straßen
getrieben hatten.
Die Aussöhnung Reinprechts mit Herzog Ernst war eine
vollkommene. Der Herzog bestätigte ihm 1418 Januar 27* zu
Wiener-Neustadt als Erben Haugs yon Tibein die zugunsten
des letzteren 1366 Februar 7 von den Herzogen Albrecht und
Leopold ausgestellte Urkunde und gleichzeitig die Verschrei-
bung der Feste Eibiswald,^ welche Katharina von Tibein
ihrem Gatten Reinprecht übergeben hatte; außerdem wurde
Reinprecht im gleichen Jahre von Herzog Ernst mit dem steiri-
sehen Erbtruchsessenamte belehnt.
Der Schiedsspruch der Herzoge Albrecht V. und Ernst,
1418 Juni 29* zu Traiskirchen gefällt, beendigte schließlich
auch den Zwist des Walseers mit den Stubenbergern. Rein-
precht n, von Walsee erhielt dadurch die ihm von Hans dem
Alteren von Stubenberg seinerzeit abgenommenen Güter Ober-
Wölz und Rotenfels sowie Wachseneck, deren Herausgabe die
Stubenberger verweigert hatten, zurück.
Ein weiterer Streit entwickelte sich zwischen Reinprecht II.
von Walsee und den nahe verwandten Starhembergern um
das Urfahr und die Maut zu Mautern, ^ ein Lehen der Burg-
grafen von Nürnberg, das früher im Besitze der Kapeller ge-
wesen war. Reinprecht hatte auf sein Ansuchen von Friedrich
und Hans Grafen von Zollern die Belehnung darüber erhalten.
Die Starhemberger aber, an welche Mautern als Pfandschaft;
von Dorothea von Liechtenstein-Nikolsburg, einer Tochter des
letzten Kapellers, gekommen war, verweigerten jetzt Reinprecht
die Rückeinlösung des Pfandes. Er brachte die Klage vor Leupolt
von Ek^kartsau, den die Burggrafen hiezu als Richter be-
stellten. Dieser lud die Starhemberger nach Wien vor sich;®
da sie nicht erschienen, wurde die Sache mehrmals vertagt,
ein Vorgang, der sich bis Lichtmeß 1419' wiederholte. Das
Ausbleiben der Starhemberger läßt darauf schließen, daß sie
ihre Sache verloren gaben. Der Streit wurde denn auch zu
» Bei Hamburg; LB. V, r. 1771. « LB. V, r. 1770.
• NB. n, 309. * LB. V, r. 1841. » Bei Krema.
• Urk. 1418 Juli 6; Orig. HHStA. ' Orig. HHStA.
ArehiT. XCT. Buid. IL H&lfke. 29
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428
ihren Ungansten entschieden; 1429^ ist wenigstens Mantem
wieder in walseeischem Besitz.
Während Reinprecht II. daheim in Ruhe sein Alter ge-
noß, währten auf seinen tibeinischen Besitzungen die Fehden
and Streitigkeiten fort. Bereits 1416' soll sich der Patriarch
von Aqoileia znr Beilegang derselben nach Monfalcone begeben
haben. An dem neaerlichen Kriege K. Siegmands gegen die
Venezianer (1417 — 1418) nahmen die Habsbarger and Rein-
precht von Walsee nicht teil; doch ließ K. Siegmond 1418
Jali 2' an den Walseer den Befehl ergehen, deatscben Kauf-
leaten die Ein- and Aasfahr von Waren von and nach Venedig
strenge za verbieten. * Wie Triest beschränkte sich Reinprecht
von WalseC; als die Venezianer mit einem Einfalle nach Istrien
drohten, aaf eine bewaffiiete Neatralität. Uberhaapt blieb die
Politik der Walseer gegen die Repablik fortan eine firiedliche,
höchstens daß es za Reibangen zwischen den Fiamanem and
venezianischen Fischern kam. Daß Daino 1420 in die Hände
der Venezianer fiel, wie Palladio and nach ihm Czoernig* be-
richten, ist nicht richtig and beraht, wie bereits Pichler* nadi-
gewiesen hat, aaf einer Verwechslang mit dem einst dainischen^
dann verkaaften Schlosse Zaino in Friaal, das die Venezianer
1420 einnahmen and an die Strassoldo vergaben.
Dagegen kam es za neaen Zwistigkeiten zwischen Rein-
prechts IL von Walsee Leaten and der Stadt Triest. Letztere
verbot den walseeischen and anderen Untertanen die Waren-
aasfuhr darch Triest and schädigte sie dadarch in ihrem Er-
werbe. Daraafhin überfielen dainische Untertanen 1418
Aagast 15' reisende Triestiner aaf ofiener Straße and setzten
sie aaf dem Schlosse Daino gefangen. Aaf die Nachricht hie-
von übten die Triestiner Vergeltung darch Raab and Plün-
derang aaf dainischem Boden: beide Teile machten Gefangene.
Der Walseer erklärte sich für den Angegriffenen, beschwerte
' Urk. U29 November 27; NB. II, 311.
' Palladio, I, 482. Vgl. dazu das Schreiben des Patriarchen an die wal-
seeischen Räte, Sibidat (Cividale) 1416 Juni 16; Kop. Linxer Mnseal-
archiy.
• Altmann, Reg. Imperii, r. 3307 •.
* Vgl. Pichler, II castello di Duino 249.
^ Das Land Qön und Gradiska 643. ^ II castello di Daino 250.
' Hortis, Documenti XI, Pichler, a. a. O. 261.
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429
sich bei Herzog Ernsl, ,e la parola d'un Walsee era potente!^
fÜgtPichler hinzu. 1419 März 8^ kam es zu einem Vergleiche:
die Stadt Triest gewährte den Untertanen der Cillier und
Walseer Handelserleichterungen und erlaubte ihnen die Aus-
fuhr aus der Stadt. Trotzdem erschwerten die Triestiner den
Handel auch weiterhin; der Zwist dauerte fort und im Sep-
tember 1419* forderte Herzog Ernst den Rat von Triest aber-
mals auf; sich gegen die häufigen Klagen Reinprechts zu ver-
antworten. Die Streitfragen bUeben ohne Erledigung; immer
wieder mußte Reinprecht beim Herzog deswegen vorstellig
werden, bis derselbe endlich im Jahre 1424, erst zwei Jahre
nach Reinprechts H. Tode, dem Streite durch seine Entschei-
dung ein Ende machte.
Auch an der venezianischen Grenze in Istrien war es
1420 zu Weidestreitigkeiten gekommen, die 1420 März 17^ zu
Öemigrad bei S. Andrea durch ein Übereinkommen zwischen
Reinprechts Hauptmanne zu Merenfels, Gunter von Herberstein,
und dem venezianischen Hauptmanne auf Raspurch beigelegt
wurden. Ein Einfall der Morlaken kostete Ende Juni 1421
den walseeischen Untertanen zu Kestau (Castua) an die 2000
Stück Vieh; bei dem Versuche, den Räubern ihre Beute wieder
abzunehmen, fielen mehrere der nachsetzenden Castuaner und
Fiumaner. Der nachsetzende Hauptmann zu Tibein und auf
dem Karst Friedrich von Rat nahm sich der Seinen an* und
traf geeignete Maßregeln zur Bestrafung der Übeltäter, unter
welchen sich auch Leute des Grafen Nikla Frangipan befun-
den haben sollen.
An der Schwelle des Greisenalters sah Reinprecht H. von
Walsee allmählich nach einem so bewegten Leben seine Kräfte
schwinden; umsomehr war es an der Zeit, die Zukunft seines
einzigen Sohnes Reinprecht IV. sicherzustellen.
Die Erneuerung der herzoglichen Verpfllndungen 1416
April 12* bestimmte bereits, daß bis zum Ablauf des Pfand-
termines Reinprecht H. oder sein Sohn diese Pfandschaften
innehaben sollten; Herzog Albrecht gab Reinprecht H.* 1416
* Cod. diplom. Istriano Xu. • Hortis, Documenti IX, 8.
* Vgl. dessen Bericht an Reinprecht von Walsee, Senosetschach, 1421 Juli 7;
Kop. Linzer Mosealarchiv.
* Kura, Österreich unter Albrecht H. (V.), Bd. H, 3.
» LB. V, r. 1664.
29*
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430
Dezember 28 das Versprechen, im Falle dieser vorzeitig stürbe,
seinen Sohn Reinprecht IV. mit allen seinen Besitzungen in
seinen besonderen Schutz nehmen zu wollen. Reinprecht IV.
war bereits in das mannbare Alter getreten und konnte seine
Gemahlin aus den ersten Häusern des österreichischen Hoch-
adels nehmen. Er warb^ um die dreizehnjährige Katharina
aus dem Hause der den Walseem beireundeten und verschwä-
gerten Rosenberge, zu jener Zeit dem mächtigsten Adels-
geschlechte Südböhmens. Der betagte Vater schloß 1418
Juni 15* darüber mit Ulrich von Rosenberg die Heiratsabrede
ab. Als Heiratsgut sollte Katharina 1600 Schock böhmische
Groschen erhalten, hievon 400 Schock bar, statt der restlichen
1200 Schock den Markt Haslach samt beiden Gerichten und
allem Zugehör. Diese Heimsteuer wurde durch den Walseer
mit 2000 Schock Groschen auf dem Markte Haslach und den
Gütern nördlich der Donau widerlegt. Die Vermählung sollte
am Sonntag vor Kolomanni (1418) zu Krumau stattfinden; sie
wurde indes verschoben und erst im Sommer 1421 vollzogen,
als Reinprechts H. übler Gesundheitszustand bereits zur höchsten
Eile mahnte. ' So sah Reinprecht H. am Ausgange seines Lebens
noch die Zukunft seines Hauses durch diese reiche Verbindung
seines Sohnes sichergestellt.
Dieselbe wurde umso bedeutsamer beim Ausbruch der
Hussitenkriege, den Reinprecht H. von Walsee noch erlebte.
Im Frühling 1420 bot K. Siegmund alles zu seinem Krönungs-
zuge nach Prag auf; Herzog Albrecht V. rüstete gleich Herzog
Ernst, ihm mit bedeutenden Streitkräften zu Hilfe zu eilen.
Reinprecht H. von Walsee ließ hiezu durch den Rathaiminger
und durch seinen Pfleger zu Starhemberg* Erasm von Preising
Söldner anwerben. Mitte Juni 1420 brachen die Herzoge nach
Böhmen auf,* mit ihnen die Mannen der Schaunberger, Wal-
seer,^ Kuenringer und anderer. Trotz der Krönung K. Sieg-
' Vgl. Urk. 1418 Februar 28; Orig. im fürrtl. Schwarzenberg. ArcfaiT
Wittingau and Klimesch, Bosenberg. Chronik 90.
' Orig. OberOsterr. Landesarchiv.
' Vgl. das Schreiben Katharinas an ihren Gatten 1421 Juni 26, Kop.
Linser Mosealarcbiv.
* Vgl. das Schreiben 1420 Juni 6, Orig. HHStA.
* Anon. Vienn. Chron., Pes, SS. Rer. Anstr. II, c. 550.
* Vgl. Frieß, Die Herren von Knenring 208.
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431
munds in Prag blieb der Feldzug erfolglos und schon anfangs
August trat Herzog Albrecht wieder den Rückzug an. Rein-
precht II. von Walsee hinderten die Beschwerden des Alters,
an diesem Feldzuge noch teilzunehmen, während wir seinen
Sohn Reinprecht IV. auf demselben vermuten dürfen. Im
Frühling 1421 mußte Reinprecht 11. abermals zur Abwehr der
Ilussiten Streitkräfte aufbieten, die sich in Freistadt sammelten.^
Als nun die Hauptlast des Kampfes gegen die Hussiten in Süd-
böhmen auf den Schultern Ulrichs von Rosenberg ruhte, unter-
stützten die beiden Walseer denselben mit großen Darlehen.
Dafür hat Ulrich von Rosenberg 1420 September 29* seinem
Schwager die beiden Festen und die Stadt Rosenberg um
4000 bairische Groschen verpfilndet und 1421 April 27^ mit
Zustimmung seines Lehensherm, des Bischofs Georg von Passau,
den Markt Haslach samt Zugehör, doch ohne das hohe Ge-
richt verkauft.
Reinprecht H., der in seinen letzten Lebensjahren auch
Rat K. Siegmunds war,* verwaltete die Hauptmannschaft ob
der Ens weiter; seit 1421 scheint allerdings auch Reinprecht IV.
den gealterten Vater darin unteratützt zu haben. Dagegen war
es dem altersschwachen Manne nicht mehr möglich, Herzog
Albrechts Hofmeisteramt zu versehen,^ das er daher um Neu-
jahr 1420 an Friedrich von Stubenberg übergab.
Immer noch läßt sich dabei Reinprechts Tätigkeit als
Hauptmann ob der Ens an verschiedenen Entscheidungen und
Schiedssprüchen verfolgen. Auf Befehl Herzog Albrechts V.,
der die bedeutende neue Bewegung für Öosterreform mächtig
förderte,* ließ Reinprecht H. im Kloster Schlägl,' wo er bereits
einmal eingegriffen hatte, eine Visitation und Reformation durch
den passauischen Vitztum Andre Herleinsperger vornehmen.
' Vg^l. das Schreiben 1421 März 21; Kop. Linzer Musealarchiy.
' Orig. im f&rstl. Schwarzenberg^. Archiv Wittingau. ' NB. II, 10.
* Vgl. Urk. 1418 Juli 2; Altmann, Reg. Imperii, r. 3307»
' Als Hofmeister wird er 1419 Dezember 26 zum letzten Male genannt
(Preuenhaber, Ann. Styr. 446).
^ Vgl. V. Srbik, Die Beziehungen zwischen Staat und Kirche während des
Mittelalters 221.
^ Vgl. S. 400. Auf diese Reformbestrebungen weist auch das Büchlein tiber
die Fastenevangelien hin, das der Franziskanerbruder und Hofprediger
Herzog Wilhelms, Hans Bischof, über Veranlassung unseres Walseers
schrieb; vgl. Nagl-Zeidler, Deutsch-Osterr. Literaturgeschichte, S. 319.
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432
der 1420 September 11* seinen Befund aus Schlägl berichtet
Auch sonst finden wir Reinprecht II. in seinen letzten Jahren
mehrfach in Berührung mit österreichischen Klöstern. Anna
von Kaya, Priorin der Nonnen zu Minnbach bei Krems, trat
1420^ mit Einwilligung des Konvents die ihrem Kloster ge-
hörige Pfarre Alt-Münster am Traunsee gegen die von Kirch-
dorf ab ; Bischof Georg von Passau gab alsbald ' seine Zustim-
mung hiezu. Dem Kloster Säusenstein, der Stiftung seines
Hauses, erbat Reinprecht eine Schenkung Herzog Albrechts
von jährlich zwei DreiHngen Salz* im folgenden Jahre.
Des gealterten Keinprechts Tage flössen fortab ruhig dahin;
er weilte meist zu Linz oder am Wiener Hofe, zur Sommers-
zeit kam er ab und zu noch auf eines seiner Güter. Seinen
treuen Dienern gewährte er Unterstützungen, bestätigte zahl-
reichen Dienstleuten ihre Lehen und vergab neue Belehnungen;
an auswärtigen Ereignissen nahm er nur mittelbaren AnleiL
Von Herzog Albrecht wurden ihm ,flir seine treuen und
nutzbaren Dienste^ noch weitere Auszeichnungen zuteil: der Her-
zog verlieh ihm 1418 Juh 7^ das hohe Gericht eine Meile um
Ober-Walsee mit genannten Grenzen als Erblehen und gleich-
zeitig^ auch die beiden Weiher, die Reinprecht zu Ober-Neu-
kirchen bei Leonfelden angelegt hatte, zu rechten Mannslehen.
Die wenig bedeutenden Gütererwerbungen, welche Rein-
precht n. in diesen Jahren noch machte, dienten ausschließlich
dem Zwecke, seine größeren Güter selbst unter Abstoßung ver-
einzelten Streubesitzes zu arrondieren. So erkaufte er in den
Jahren 1417 und 1418^ Untertanen und Güter um Neumarkt
im Erlacher Landgerichte, womit der walseeische Besitz im
Trattnachgebiete abgerundet wurde. In der Herrschaft Scham-
stein tauschte er 1418 Juni 5 ' das Kirchenlehen zu Grünau samt
Gütern daselbst gegen andere vom Kloster Lambach ein; aus
der Herrschaft Ort ® sei eines anderen kleinen Kaufes gedacht.
Der passauische Vitztum Andre Herleinsperger endlich übergab
Orig. HHStA. « Chmel, Der österr. Geschicbtsforecher I, 589.
Urk. 1420 Dezember 24; Orig. HHStA.
Blätter d. Vereines f. Landesk. v. Niederösterr. X, 151.
Lehenbach Herzog Albrechts V., HHStA., Kod. Snppl. 422, f. 149.
Urkk. 1417 September 18, 29; 1418 Juni 16; Orig. StA Eferding.
Kop. Linser Masealarchiv.
Urk. 1421 März 14; Orig. StAEferding.
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433
ihm 1421^ sein Haas in der Schmiedgasse zu Ens. In der
Steiermark brachte der Walseer 1420 noch das Dorf Dieters-
dorf sowie Güter zu Gillersdorf,* Lehen seiner Herrschaft Rie-
gersburg, von den Teufenbachern durch Kauf zurück.
An seinem Lebensende genoß Reinprecht H. von Walsee
durch das unbeschränkte Vertrauen, das Herzog Albrecht seinem
Hofmeister schenkte, wie durch seinen großen Besitz, der vom
Böhmerwalde bis an die Adria hin in zahlreichen Herrschaften
zerstreut war, ein Ansehen, das ihn weit über die Be-
deutung aller seiner Zeitgenossen aus dem Hochadel
Österreichs emporhob. Jetzt, am Ende seines Lebens,
suchten selbst einstige Gegner mit ihm in Verbindung zu treten.
Hertneid von Liechtenstein-Nikolsburg schloß 1421* ein Bünd-
nis mit Reinprecht H. und dessen Sohne ab und sogar die
Grafen von Schaunberg, noch immer die vornehmsten vom
Adel in Oberösterreich, traten an den Mann heran, der so
kräftig zu ihrer eigenen Bezwingung beigetragen hatte; 1421
Dezember 13* verbündeten sich Graf Johann von Schaunberg
und seine beiden Söhne mit den beiden Walseern zu gegen-
seitiger Hilfe gegen jedermann.
Das Alter machte endUch an dem mehr als siebzigjähri-
gen Greise seine Rechte geltend; sein gebrechlicher Körper
mußte auf einem Krankenstuhle getragen werden, als ihm seine
Kräfte das Gehen nicht mehr gestatteten. Am Tage Maria
Heimsuchung (Juli 2) 1422 schloß Reinprecht H. von Walsee
sein reichbewegtes Dasein und ward bei seinen Vorfahren zu
Säusenstein begraben.**
Mit ihm schied eine der hervorragendsten Gestalten Öster-
reichs aus dem Beginne des 15. Jahrhunderts aus dem Leben,
ein Mann, dessen Wirken ohne Zweifel von historischer Be-
deutung ist. Sein Eintreten flir Albrecht V., den letzten Spros-
sen der Albrechtinischen Linie der Habsburger, wirkte aus-
schlaggebend zu dessen Gunsten. Dieser Anhänglichkeit an
den jungen Fürsten gedachte auch der zeitgenössische Kloster-
neuburger Chronist® bei Reinprechts II. Tode mit den ehren-
den Worten: ,Er hielt Herzog Albrecht den Jungen bei Treuen
und Ehren, bei Land und Leuten wider seine Vettern.'
^ Ebenda. ' Bei Fürstenfeld; Urk. 1420 März 15; Orig. ebenda.
3 Falke, Gesch. d. Hauses Liechtenstein I, 445. * NB. II, 10, 309.
» Vgl. die Genealogie. « FRA., 2. Abt., Vn, 241.
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434
Noch in einer weiteren BLinsicht war Reinprechts 11. Wir-
ken auf geraume Zeiten hinaus fUr die Verhältnisse in Oster-
reich bestimmend. In den Jahren des Zwistes und der Un-
einigkeit im Herrscherhause schuf Reinprecht II. den öster-
reichischen Ständen die machtvolle, für das Verfassungsleben
unserer Heimat hochbedeutsame Stellung, welche sie durch
volle zwei Jahrhunderte, bis zum Siege der Gegenreformation,
innehatten.
In der Person Reinprechts H. erreichten die Herren von
Walsee den Höhepunkt ihrer Bedeutung. Sein Ansehen
bei Hofe, die Würden und Ehrenämter, die er bekleidete, ver-
banden sich dazu mit einem außerordentlichen Reichtum an
Gütern und Herrschaften, welche ihm reichliche Mittel boten,
sich in seiner Stellung zu behaupten und nach allen Seiten
achtunggebietende Geltung zu verschaffen. Die Umstände hatten
Reinprecht allerdings bei der Erwerbung dieses Güterreichtums
begünstigt. Eine Anzahl reicher Erbschaften fiel ihm zu und
der gesamte Besitz seines Hauses vereinte sich in seiner Hand,
wozu noch zahlreiche herzogliche Lehen und Pfandschaften
kamen. Die Zeiten waren jedoch einer gedeihlichen wirtschaft-
lichen Entwicklung keineswegs günstig; die vielen Fehden und
hohen Kriegskosten, die Jahre der inneren Wirren und ver-
heerenden Bürgerkriege mußten im Gegenteile Jahre hindurch
an dem Wohlstande zehren, der in besseren Zeiten geschaffen
worden war. Trotzdem hat Reinprecht H. es verstanden, die
nötigen Mittel für die großen Anforderungen und Bedürf-
nisse aufzubringen. Auch nicht ein einziges Mal hat er zu
dem Auswege gegriffen, der zu seiner Zeit allgemein benütet
wurde, keine einzige Herrschaft hat er je verpftUidet oder ver-
kauft, sondern seinen Besitz trotz aller schlimmen Zeitläufte
fortwährend vermehrt, ein Beweis des wirtschaftlichen Sinnes,
der Reinprecht H. wie fast allen Männern seines Hauses in
hohem Maße eigen war. So hinterließ er bei seinem Tode
einen riesigen Besitz, der über die gesamten habsburgischen
Länder mit Ausnahme Tirols und der Vorlande in zahlreichen
Herrschaften — Eigengut, Lehen und Pfandschaften — fast
hundert an der Zahl, vom Böhmerwalde bis an den Quarnero
zerstreut lag.*
' Vg]. die beigegebene Karte.
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435
Von seiner dritten Gemahlin Katharina von Tibein, welche
ihren Gatten tiberlebte und erst im Jahre 1427 starb, hinter-
ließ Reinprecht 11. zwei Kinder : eine jüngere Tochter Barbara,
die sich nachmals mit Nikla Frangipani, Grafen zu Veglia und
Modrusch, vermählte,^ und einen Sohn Reinprecht IV,, der
seinem Vater in der Hauptmannschaft ob der Eins nachfolgte
und dessen gesamten Besitz erbte.
Aber während die Hen'en von Walsee in Reinprechts II.
Jugendtagen noch eine starke, große Familie gebildet hatten,
war bei seinem Tode Reinprecht IV. der einzige männUche
Sprosse seines Hauses und schon nach einem halben Jahrhun-
dert sollte der Glanz des Geschlechtes dahinschwinden.
Vm, Abschnitt.
Reinprecht IV. ron Walsee (1433-1450).
1. Reinprechts IV. Anfänge und sein Wirken in den Hussiten-
kriegen.
Sein Haus stand auf der Höhe seines Ruhmes, als Rein-
precht II. 1422 die Augen schloß. Keiner seiner wenigen
Nachkommen konnte in diesem Maße mehr die Macht einer
bedeutenden Persönlichkeit geltend machen, und mit dem
Reichtum ging es zunächst nicht mehr vor-, nach einem Men-
schenalter aber schon entschieden abwärts.
Die Stellung, welche Reinprecht H. seinem Herzog gegen-
über eingenommen hatte, war nach seinem Tode schlechter-
dings nicht mehr aufrecht zu erhalten. War Reinprecht II.
dem Habsburger immer ein väterlicher Freund gewesen, dessen
Verdienste sich nie vergessen ließen, so sah sich jetzt Rein-
precht IV. dem rasch sich entfaltenden geistvollen Herzog ab
der Jüngere gegenüber. Kein Zweifel, daß das enge Verhält-
nis, wie es zwischen Herzog Albrecht V. und seinem weisen
Ratgeber bestanden hatte, sich nicht auch auf dessen Sohn
tibertragen ließ. Der erst 16jährige Reinprecht IV. hat zwar
von den Ämtern seines Vaters das eines Hauptmannes ob der
Ens behalten und den großen Besitz seines Hauses geerbt;
* Vgl. die Genealogie.
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seine vorerst unbedeutende Gestalt tritt indes weit hinter der
seines Vaters zurück , dessen glänzende Gaben ihm fehlten.
Reinprechts IV. Tätigkeit blieb darauf beschränkt, die Stellung
und den Besitz seines Hauses einigermaßen zu wahren und
Pfade weiter zu wandeln, die sein Vater ihm bereits geebnet
hatte ; kaum vermochte er dieser Aufgabe gerecht zu werden.
So kam es, daß viele von den Fäden, welche vordem von allen
Seiten her durch Reinprechts 11. Hände gegangen waren, nun
unmittelbar ihren Weg zum Herzog fanden. Dies machte sich
schon bei der Entwicklung der Dinge im nahen Passau geltend^
wo sich nach Bischof Georgs Tode abermals ein bairischer und
ein österreichisch gesinnter Bewerber gegenüberstanden. Rein-
precht IV. war wohl auch noch zu jung, um an dem Streite
bedeutenderen Anteil zu nehmen, zumal sich derselbe diesmal
größtenteils auf diplomatischem Wege abspielte.
Reinprecht IV. überkam wohl in jeder Hinsicht das Erbe
seines Vaters. Auch er suchte immerhin in dem ihm unter-
stellten Lande ob der Ens Ordnung zu schaffen.^ Wie unter
seinem Vater wandten sich jetzt umsomehr die oberösterreichi-
schen Städte mit ihren Beschwerden gegen Prälaten und Adel
an den Herzog und klagten • über die verbotenen Ladstätten auf
der Donau, den unerlaubten Weinhandel, die Abhaltung nicht
gestatteter Jahrmärkte und über die Kaufmannschaft, die von
den nicht landesftirstlichen Märkten getrieben wurde — und
wie bisher blieb darin alles beim alten. Ehemalige Diener
Reinprechts H., wie Gregor Rathaiminger,' der dessen ,Rat^ auf
den Tibeiner Gütern und nachmals Verweser ob der Ens ge-
wesen war, und Andre von Graben,* oder einstige Gegner, wie
Heinrich Rindschad, nun Hofmeister Herzog Emsts, sowie
Erhard der Herberstorfer,* Albrecht der Feistritzer* und Jöi^
der Mindorfer^ hielten die Zeit für gekommen, alte Forderun-
gen wieder anzubringen, die noch aus der Fehde Herzog Ernsts
1 Vgl. die Urfehden 1423 Januar 8, LB. V, r. 2101; 1425 Februar 27,
FRA. LH, 190.
* Vgl. die Beschwerdeschrit't Ton 1425; Kop. Linzer Musealarchiy.
» Urk. 1423 Februar 12; NB. II, 309.
* Urk. 1441 Januar 6; Orig. StAEferding.
^ Urk. 1428 Januar 9; NB. U, 10.
^ Urk. 1428 Juli 4; Beitr. z. Kunde steierm. Gesofaichtsqu. XXX, 180.
^ Urkk. 1423 Januar 11, Oktober 15, 25; Kop. Liuzer MusealarchiT.
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mit Reinprecht IE. von Walsee in der Steiermark herrührten.
Auch die Wildhanser machten jetzt Ansprüche an Teile des
tibeinischen Erbes nochmals geltend — ohne Erfolg indes, wie
der Verzicht Ulrichs von Wildhaus auf die Herrschaft Gono-
bitz von 1428 ^ beweist. Die Streitigkeiten um das Pfarrpatronat
daselbst^ das bereits der Patriarch von Aquileia 1423 Rein-
precht IV. bestätigt hatte, wurden im gleichen Jahre* durch
einen Schiedsspruch, jene mit den Triestinem 1424 April 15'
durch Herzog Ernst zu Wiener-Neustadt entschieden. Auch
der Streit der Walseer mit dem Kloster St. Paul um Vogtei
und Gericht auf dem Remsnik lebte wieder auf. Die Entschei-
dung, welche Herzog Friedrich darüber 1428 Januar 9* zu
Wiener-Neustadt Mite, änderte daran so wenig wie alle seit
einem Jahrhundert ergangenen Rechtssprüche.
Auch in seinen Familienbeziehungen hielt Reinprecht IV.
von Walsee an den väterlichen Traditionen fest. Als ihn seine
Gemahlin Katharina mit einem Töchterchen Agnes beschenkte,
verlobte er das im zartesten Alter stehende Kind bereits dem
jungen Grafen Bernhard, dem Sohne des Grafen Johann von
Schaunberg, und verschrieb demselben 1423 April 18* ein
Heiratsgut von 6000 Gulden gegen Verzichtleistung auf alle
weiteren Eh*bansprüche, so lange männliche Erben aus dem
Hause Walsee vorhanden wären. Noch vor Jahresschluß^ ver-
machte Reinprecht IV. dem Grafen Johann von Schaunberg
die Herrschaften und Festen Ober- Walsee, Tratteneck, Egen-
berg und Rutenstein, herzogliche Lehen, und Windeck, Lehen
vom Bischof von Regensburg. DafUr setzte ihn Graf Johann
im gleichen Jahre ' zum Verweser seiner Güter und der Seinen
ein, falls er innerhalb der nächsten zehn Jahre stürbe. Dieses
freundschaftliche Verhältnis zu den Schaunbergern erhielt sich
von da ab bis zum Aussterben der Walseer. Andere Bezie-
hungen Reinprechts IV. von Walsee, die zu seinem Schwager
Ulrich von Rosenberg, stehen in engem Zusammenhange mit
* InvenUr, f. 76'.
* Urk. 1423 Mai 10; Mitt. d. histor. Vereines f. Steierm. VUI, 171.
* Cod. diplom. Istriano III.
« FBA. XXXIX, 352; da 1435 mit den Pfandschaften auch Mahrenberg
an den Herzog zurückfiel, war der Streit damit zu Ende.
» NB.U, 10. « Urk. 1423 Dezember 19; NB. II, 237.
' Urk. 1423 September 8; NB. II, 10.
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den WechselfUllen der Hussitenkriege, an denen der Walseer
unter bedeutenden Opfern flir Herzog Albrecht V. teilnahm.
Noch im Todesjahre seines Vaters mußte Reinprecht IV.
abermals gegen die Hussiten rüsten. Da Herzog Älbrecht
dem E. Siegmund seine Teilnahme an der zu unternehmenden
Heerfahrt zugesagt hatte^ entbot er mit den Mächtigsten unter
dem Hochadel auch Reinprecht Ende September 1422 zu einer
Beratung darüber nach Wien.* Dort wurde vereinbart, daß
das Herr sich bis Ende Oktober in Waidhofen an der Thaya
sammeln und November 4 nach Böhmen aufbrechen sollte.
Durch E. Siegmund kam es jedoch diesmal nicht zum beab-
sichtigten Feldzuge.
Auch seinem Schwager Ulrich von Rosenberg, dem Haupt-
gegner der Hussiten in Südböhmen, gewährte Reinprecht IV.
alle Unterstützung; im Jahre 1423 allein lieh er dem bedrängten
Rosenberger Summen von 500 Gulden ung. und 1000 Äf/Ä.*
Reinprechts Burggraf auf seiner Pfandschaft Rosenberg, Rein-
precht von Polheim, suchte sich durch ein Bündnis' mit den
benachbarten Burggrafen auf Maschkowitz, Hlawatze und &imau
zu schützen.
Im Jahre 1424 zog Reinprecht FV. mit seinen Leuten
nach Mähren und focht dort* unter dem Grafen Johann von
Schaunberg, Herzog Albrechts Hauptmann, gegen die Eetzer.
Unter dem Eindrucke der 1425 und anfangs 1426 wiederholten
Plünderungszüge der Hussiten beschlossen die 1426 April 21
zu Wien zusammengetretenen ober- und niederösterreichischen
Stände umfassende Rüstungen.^ Schon nach wenigen Tagen
wurde das allgemeine Aufgebot erlassen und für dessen Orga-
nisierung zweckdienliche Bestimmungen getroffen; auch die
Landherren boten die Ihrigen auf und so fitnd sich Rein-
precht IV. mit 600 Pferden gleich den Reisigen des Schaun-
» Reinprecht von WaUee weilt 1422 Oktober 6' (Orig. HHStA.) daselbst;
vgl. Frieß, Herzog Albrecht V. und die Htmiten. Gymnaa.-Progr. Seiten-
stetten 1883.
* Schuldscheine von 1423 Januar 3 and April 24; Orig. im fUrstl. Schwarsenb.
Archiv Wittingau.
' Urk. 1425 August 6; Klimesch, Bosenberg. Chronik 100.
^ Vgl. Herzog Albrechts Schadlosbrief an Reinprecht von Walsee, Olmfita
14*24 August 20; Kurz, Österreich unter Albrecht H. (V.), Bd. H, 194.
^ Kl. Klosterneuburger Chron., FRA , 2. Abt, YU, 260; Frieß, a. a. O. 43.
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bergers mit dem oberösterreichischen Zuzüge Ende Juni in
Eggenburg ein. Doch führte der Feldzug nicht zu der er-
hofften Wiedereroberung Lundenburgs; die verheerenden Züge
der Hussiten verwüsteten neuerdings Osterreich nördlich der
Donau. Als am 12. März 1427 ein Heer der Taboriten zum
zweiten Male vor Zwettl erschien und die Stadt vergeblich zu
nehmen suchte^ eilte das von Herzog Albrecht aufgebotene (Teer
unter der Führung Reinprechts IV. und Leopolds von Krayg
zum Entsätze heran. Unter den Mauern von Zwettl kam es
1427 März 25 zur Schlacht.* Nach vier Stunden erbitterten
Bingens gelang es den Österreichern^ sich der feindUchen
Wagenburg zu bemächtigen und den Gegner in die Flucht zu
schlagen. Als sich aber die Österreicher bei der Plünderung
der erbeuteten Wagen zerstreuten und ihre Ordnung lösten^
erneuerten die Hussiten den Kampf und entwanden ihren
Gegnern den bereits errungenen Sieg. Der Verlust der Öster-
reicher wird auf 9000 Mann beziffert. Ungeheure Beute, dar-
unter Banner und Siegel* des Walseers, dessen Sorglosigkeit
Aeneas Sylvius den Verlust des Tages zuschreibt, fielen in die
Hände der Sieger. Österreich nördlich der Donau ward nun
abermals furchtbar verheert, so daß die walseeischen Schlösser
daselbst, wie Aspem an der Zaya, Guntersdorf u. a., noch
jahrelang starke Besatzungen benötigten,' um sich der Hussiten
zu erwehren. Auch Reinprecht IV. erlitt großen Schaden auf
seinen Gütern; im Mühl viertel gingen seine Märkte Haslach
und Leonfelden in Flammen auf.* Auch sein Schwager Ulrich
von Rosenberg war wirtschaftlich so geschädigt, daß er von
Reinprecht neuerliche bedeutende Darlehen aufnehmen^ und ihm
* Vgl. Chron. vet. coli. Prag., Höfler, I, 89; die verlÄßliche Kl. Klosterneu-
bnrger Chron., «. a. O. 250; Andreas von Begensbnrg, Oefele, SS. Rer.
Boicar. I, 29 und Aeneas Sylvias, Hist. Bohem. 155 geben Reinprecht
Ton Walsee als Führer an.
* Das 1427 — 1429 Terrofene Siegel Reinprechts ist offenbar bei diesem
Treffen in Verlust gekommen; vgl. Chmel, Gesch. Friedrichs IV., Bd. I,
175—176.
* Vgl. die Soldquittungen 1428 Mai 29, 1429 Juli 19; Kop. Linzer Museal-
archiv.
* Pritz, Gesch. des Landes ob der Ens II, 104.
* Vgl. den Schuldschein über 6333 ung. Gulden, 1427 Juli 6; Orig. im
ftirstl. Schwarzenb. Archiv Krumau.
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für 2000 Goldgulden 1427 September 9^ die Feste Witting-
hausen verkaufen mußte^ deren Erwerbung Reinprecht wegen
der Nähe Haslachs und Wachsenbei^s umso gelegener kam.
Auch in den folgenden Jahren hat Reinprecht gegen die Hus-
siten weitergekämpft,* doch vermochten weder er noch seine
Verweser, die ihn darin während seiner häufigen Abwesenheit
von Oberösterreich unterstützten, auch nur das seiner Haupt-
mannschaft unterstehende Land ob der Ens vor dem Gegner
zu schtltzen. Es gelang ihm zwar, die Emissäre, welche die
Hussiten nach Oberösterreich sandten, wie Christoph Zeiringer,*
oder die entlaufenen Franziskanermönche Johann SparhackI
und Johann Bostekh von Ralis,^ dingest zu machen, wider-
spenstige Lehensleute* und andere Übeltäter der verdienten
Strafe zuzuführen* und so die Ordnung in den weniger be-
drohten Landesteilen aufrecht zu halten; den verheerenden großen
Einfällen der Hussiten Einhalt zu gebieten, dazu reichten Rein-
prechts Kräfte nicht hin.
Mitten in diese Jahre fkllt das Bündnis einiger öster-
reichischer Adeliger mit dem reichbegüterten österreichischen
Landmarschall Otto von Meissau,' der, wie es die 1429 vom
Herzog selbst vor den Landherren erhobene Anklage ausführt,
hochverräterische Verbindungen unterhalten haben soll. Zwar
hatte Reinprecht IV. das schon 1395® zwischen den Häusern
Walsee und Meissau abgeschlossene Bündnis erneuert, zur Be-
kräftigung desselben 1425* seine jugendUche Tochter Elsbet
mit dem gleichfalls noch ungevogten Bernhard von Meissau
verlobt und sich Februar 23 gleichen Jahres zu Linz ver-
pflichtet,^^ Otto von Meissau und dessen beiden Söhnen mit
allem seinem Vermögen gegen jedermann beizustehen. Auf-
fällig ist, daß der Herzog darin nicht ausgenommen erscheint
Es ist überhaupt schwer zu ergründen, was diese Pläne des
' NB. II, 11. • Vgl. Urk. 1428 April 19; LB. V, r. 2636.
» Vgl. die Urfehde 1429 Mära 17; Orig. HHStA.
* Reyers 1429 Oktober 16; Orig. ebenda.
6 Vgl. die Urfehde von 1428; NB. I, 810.
<» Vgl. die Serie von Urfehden von 1429; Orig. HHStA.
^ Vgl. POlzl, Die Herren von Meissau. Blätter des Vereines för Lduides-
knnde von NiederOsterreich XV, 47 ff., und Zeibig, Des Meissaaers
Schuld and Strafe.
• Vgl. S. 820. • Vgl. die Genealogie. »« Orig. HHStA.
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Meissaners bezwecken sollten, und fast wahrscheinlicher, daß er
Intrigen des ehrgeizigen Ulrich Eizinger zum Opfer fiel, einer
Persönlichkeit, die jetzt beim Herzog immer größeren Einfluß
erlangte. Zudem war ein Bündnis gegen den Habsburger allen
Überlieferungen und Interessen des Hauses Walsee geradewegs
zuwider und damals gänzlich unbegründet; bei der Persönlich-
keit Reinprechts IV. wäre es vollends undenkbar. Sicher ist
zumindest, daß Reinprecht beim Sturz des Meissauers in keinerlei
Zusammenhang mit diesem gebracht wurde.
In Oberösterreich mußte Reinprecht IV. damals gegen den
unruhigen Wiltpolt von Polheim einschreiten, dessen Streitig-
keiten er, so 1425^ mit dem Erzbischof Eberhard von Salzburg,
schon mehrmals ausgeglichen hatte. Jetzt setzte der Polheimer
den Kaspar Geltinger, dem niederen Adel angehörig, aus un-
bekannten Ursachen auf seinem Schlosse Wartenburg bei Vöckla-
bruck gefangen und weigerte sich trotz wiederholter Mahnungen
des Landeshauptmannes, ihn freizulassen. Nun zog Reinprecht
schließlich vor das Schloß, in welchem ein dem Polheimer be-
freundeter bairischer Ritter Matthes Granß von Uttendorf und
der Pfleger Hans Anhanger mit etlichen Gesellen und Kriegs-
leuten lagen. Granß übergab endlich 1431 Juli 4* die Feste;
Geltinger gewann seine Freiheit zurück, die Besatzung sowie
die Gattin des Polheimers erhielten freien Abzug zugestanden.
Reinprecht von Walsee verpflichtete sich außerdem, den Pol-
heimer vor dem Herzoge wegen seines gemachten Versprechens
zu vertreten, den Geltinger nur zu seinen Händen ausliefern
zu wollen. Andere polheimische Lehensleute, wie Jörg Prei-
singer und Lienhard Kienberger,* mußten dem Walseer Urfehde
schwören.
Den Bürgern der landesfllrstlichen Städte gegenüber han-
delte Reinprecht IV. keineswegs so glimpflich und nachsichtig.
In ihrem Streite mit dem walseeischen Burggrafen auf Wachsen-
berg mußten sich die Linzer Bürger schUeßlich 1431 * an Herzog
Albrecht wenden. Dabei wurde das Bürgertum vom Adel fort-
während in seinen Handelsvorrechten geschädigt; so ließ Rein-
precht IV. selbst über Ottensheim bairisches Salz anstatt des
* ürk. 1425 Mai 20; Orig. HHStA.
* Preuenhuber, Ann. Btjr. 476; JBMFC. XVII, 49 setzen irrig 1434.
» Urk. 1431 Juni 7; LB. V, r. 2988.
* Urk. 1431 Mai 4; NB. HI, 406.
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herzoglichen in das Mtihlviertel gehen ^ und die Bürger der
untertänigen Märkte wie Leonfelden ungestört Handel treiben.
Griffen die Städter einmal zu und ahndeten sie solche Über-
tretungeU; dann genügte wohl zumeist ein Schreiben Reinprechts
oder seines Verwesers, um die Bürger nachgiebig zu machen,
die es sich mit dem mächtigen Herrn nicht allzusehr verderben
wollten.*
Gleichzeitig geriet Reinprecht IV. auch im Süden in einen
erbitterten Streit mit dem Domkapitel von Triest. Als dieses
1433 bei der Besetzung der Pfarre Domegg (Temova) Rein-
prechts Schützling Marino di Los ablehnte, war jener keines-
wegs gewillt, sich sein Patronatsrecht verkürzen zu lassen. Ejt
ließ die Sache beim Papste in Rom sowie bei dem Konzil in
Basel betreiben, doch ohne Erfolg. So zogen sich diese Streitig-
keiten durch Jahrzehnte hin.'
Die Beziehungen des Kaisers Siegmund zu Reinprecht IV.
gestalteten sich allerdings nicht mehr so lebhaft wie zu dessen
Vater; immerhin aber konnte Reinprecht seine guten Dienste
als Hauptmann ob der Ens gegen die in Hader und Zwist
liegenden bairischen Herzoge tun, so bereits 1425^ und noch-
mals, als durch das Vorgehen des Herzogs Ludwig von Baiem-
Ingolstadt gegen den Bischof von Passau ^ Herzog Albrecht
sich zum Schutze des letzteren veranlaßt sah.^
Wie sehr K. Siegmund seit dem Tage, da ihm Rein-
precht n. kühn entgegentrat und nun auch unter Reinprecht IV.
die Walseer begünstigte und seiner Huld vergewisserte, und
zugleich die ganze Stellung des auf der höchsten Stufe seines
Ruhmes stehenden Hauses zeigt die bedeutsame Tatsache, daß
K. Siegmund 1434 Oktober 20^ zu Preßburg Reinprecht IV.
den Blutbann auf allen seinen Gerichten in Osterreich,
Steiermark, Krain, Kärnten, auf dem Karst und im
^ Vgl. die Beschwerde des Gmtmdener Amtmannes 1432; Kop. Linser Mnseal-
archiT.
* Vgl. das Schreiben des Verwesers Hans Walch 1434 April 4 und Rein-
prechts Ton Walsee 1437 Juni 5 an die Freistidter; Kopie ebenda.
' Vgl. Hortis, Documenti.
^ VgL Altmann, Reg. Imperii, r. 6311.
(^ Urk. 1433 Juni 38; MonomenU Boica XXXI* 232.
• Vgl. Altmann, a. a. O., r. 10311: Urk. 1434 AprU 28.
^ Schwind-Dopsch, Urk. zur Verfassnngsgesch. Österreichs, 336.
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Isterreich verlieh. Wir erfahren nicht, wie sich Herzog Al-
brecht dazu verhielt, dem in gleicher Weise die Begünstigung
der Cillier und Schaunberger durch den Kaiser aus denselben
Beweggründen unmöglich gleichgültig sein konnte.
Es kann schwerlich einem Zweifel unterliegen, daß damit
bereits ein wichtiger Schritt auf dem Wege historischer Ent-
wicklung getan schien, auf dem sich andere Geschlechter des
österreichischen Hochadels, so die Schaunberger und vor allem
die Grafen von Cilli, auslebten. Ob auch die Herren von Wal-
see dieses Ziel erreichen sollten, blieb der Zukunft überlassen;
sie hat es ihnen versagt.
Der Gründe dafür mögen mehrere sein, vor allem das
schon 1483 erfolgte Aussterben des Hauses, das seit Rein-
prechts H. Tode keinen Mann von dessen Bedeutung mehr
hervorbrachte. Dazu waren die Verhältnisse einer solchen Ent-
wicklung fortab nicht weiter günstig. In wirtschaftlicher Be-
ziehung läßt sich kein Aufschwung mehr, sondern vorerst ein
Stagnieren und seit Reinprechts IV. Tode sogar, wie in Öster-
reich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts überhaupt,
ein immer rascherer Niedergang wahrnehmen.^
Indes schnitt bereits der Tod K. Siegmunds (f 1437) alle
derartigen Möglichkeiten ab. Die Habsburger, bei denen von
nun an die deutsche Krone verblieb, konnten doch nie und
nimmer gewillt sein, in ihren eigenen Landen eine solche Ent-
wicklung der Dinge selbst zu unterstützen, um sich etwa da-
mit schließlich einen Gegner zu schaffen.
Als Haupt und einziger männlicher Sprosse des Hauses
hat Reinprecht IV. seine junge Schwester Barbara* an den
Grafen Nikla Frangipani zu Veglia und Modrusch verheiratet
— eine Verbindung, die das mächtigste Adelsgeschlecht am
Quarnero,' die Nachbarn Fiumes auf kroatischer Seite, an die
Walseer kettete. Gegen ein Heiratsgut von 6000 Goldgulden
verzichtete Barbara 1438 Oktober 8* zu Linz auf alle Erb-
' Der walseeische Besitz war swar entschieden größer als der der Schaunberger
und anderer, bildete aber nirgends eine größere geschlossene Masse und
lag weithin zerstreut.
* Gewiß nach K. Siegmnnds Qattin so benannt. Der Name findet sich
dann neben Reinprecht und Wolfgang hänfig bei walseeischen Lehens-
lenten und Hintersassen.
» Vgl. Klaiö: Krökri Knezovi Frankapani, Agram 1901. * NB. U, 12.
ArehiT. XCV. Band. II. Hilft«. 30
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ansprüche gegen ihren Bruder; ihre Mitgift hatte der Graf be-
reits September 15^ gleichen Jahres mit 9000 Goldgulden auf
den Herrschaften Basan und zum Ribnik in Kroatien widerlegt.
Die Heimsteuer seiner Gattin Katharina von Rosenberg
hat Reinprecht IV. im Jahre 1431 auf den Festen Seuseneck
und Hoheneck und auf dem Dorfe Rossatz mit herzoglicher
Genehmigung* und auf der Feste Viehofen mit Bewilligung
Bischof Lienhards von Passau' angewiesen.
Nach seines Vaters Tode erbte Reinprecht IV. fast dessen
gesamten Besitz. Nur die Leibgedinge und vereinzelte Lehen
gelangten an den Herzog zurück; die Pflegen zu Wolfs eck
und Starhemberg am Hausruck waren wohl schon zu Leb-
zeiten Reinprechts U. bereits wieder in fremden Händen. So
kommen nach Reinprechts H. Tode die Lehen Sitzendorf
und Spielberg, der Satz auf Lengbach, ferner Rotenfels
mit Ober-Wölz außer Sicht.
Reinprecht IV. hat diese Verluste durch neue Erwerbungen
einigermaßen wettgemacht und auch die Ansprüche, welche
Stephan von Hohenberg* sowie Rudolf von Scherfenberg^ auf
das gesamte Erbe des 1400 verstorbenen Ulrich IV. von Wal-
see-Enzesfeld erhoben hatte, erfolgreich zurückgewiesen. Im
großen und ganzen aber sehen wir die frühere fortwährende
Vermehrung des walseeischen Besitzes allmählich in ein Stag-
nieren übergehen. Die entschieden wachsenden Erfordernisse
suchte man durch genauere Verrechnung und eine Vermehrung
der Untertanenlasten hereinzubringen; diese wurden von den
Untertanen als drückende Beschwer empfunden, ohne den
Grundherren eine ausgiebige Abhilfe zu bieten. Für die Wal-
seer waren allgemach die Zeiten vorbei, wo sich die Mittel zu
größeren Erwerbungen erübrigen ließen.
Abgesehen von den beiden rosenbergischen Herrschaften
Rosenberg und Wittinghausen,* deren wir bereits gedachten,
' BeitrXge nur Kunde steierm. Gesohichtsquellen XXX, 181.
» Urk. 1431 Februar 4; NB. H, 812; LB. V, r. 29S8.
* Urk. 1431 April 29; WSt. 603.
* Urk. 1428 September 8; LB. V, r. 2686; 1429 Juli 23; Kop. Linser
MusealarchiT.
» Urk. 1431 Januar 21; NB. II, 12.
* Zu diesen gehörte auch der untertänige Markt Friedberg; Tgl. das
Schreiben 1442 Februar 3; Kop. Linaer Musealarchiv.
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machte Reinprecht immerhin noch einige nicht anbedeutende
Erwerbungen.
Weniger in Öberösterreich; dort arrondierte er seine Herr-
schaft Ober- Walsee durch den Ankauf eines Gutes am Anger
von Rueger dem Gneuzzer^ und eines Gutes im Schlag von
Andre Herleinsperger,* freier Eigen in der Pfarre Feldkirchen.
Auch zu Swans (Schwanenstadt) brachte Reinprecht einige
kleinere Güter in den Jahren 1422 und 1425^ an sich.
Größere Erwerbungen wurden in Niederösterreich gemacht,
die sich meist an den großen walseeischen Besitz im VOWW.
anschlössen. So erkaufte Reinprecht 1426* von Hertneid von
Liechtenstein-Nikolsburg den Burgstall und das Urbar zu Alten-
hofen.^ Herzog Albrecht V., der den Walseer 1428* zum Vogt
des Klosters Garsten ernannt hatte, übertrug ihm im folgenden
Jahre' auch die Vogtei der Pfarrkirchen St. Leonhard im Forst •
und Scheibbs sowie die des Klosters Mauerbach. Vom Mark-
grafen Friedrich von Brandenburg erhielt Reinprecht 1429*
eine ganze Anzahl von Gütern um Blindenmarkt an der
Ips sowie die Maut und das Urfahr von Mautern verliehen.
Außerdem erscheint Reinprecht 1428^® im Besitze des Amtes
(Herrschaft?) Wocking, dessen Erwerbungszeit nicht be-
kannt ist.
In der Steiermark überließ Herzog Ernst dem Walseer
1423 Juni 29^^ die beiden ihm verpfilndeten Festen Wachsen-
eck gegen eine Aufgabe von 6000 Goldgulden als Leibgedinge,
während wir sonst seine Tätigkeit hier nur an den zahlreichen
Lehenbriefen verfolgen können. Der Entfernung halber hatte
Reinprecht in der Steiermark, wo er nicht mehr als landsässig
galt,^* seit 1428 einen eigenen Anwalt.^^ In diesen Jahren ließ
> Urk. 1423 Oktober 15: Orig. StAEferding.
« Urk. 1426 Juni 6; Orig. ebenda.
' Urkk. 1422 September 22, 1425 Januar 2; Orig. ebenda.
• Urkk. 1426 Juli 28; NB. H, 10; 1427 Juni 4; Orig. StAEferding.
^ Bei St. Valentin, Östlich Ton Ena.
• Pritz, Gesch. des Landes ob der Ena H, 715. ' LB. V, r. 2710.
• Südlich Ton Melk. • NB. II, 311.
" Vgl. die Quittung 1428 November 6; Orig. Linzer Musealarchiv.
" LB. V, r. 2128, 2129.
" Vgl. HHStA., Kod. 107, f. 80'.
" Vgl. Urk. 1428 April 19; LB. V, r. 2636.
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er seine beiden steirischen Festen Ober-Marburg* und Riegers-
burg wieder in guten Bauzustand versetzen.
Auf seinen Tibeiner Gütern veriehnte er 1431* an Lien-
hart Wolf die Feste Gerdassel und das halbe Kastell Corsan
(Gherdoselo und Chersani), nördlich von Mitterburg gelegen.
Dagegen gelangten seit Reinprechts 11. Tode keine landes-
fürstlichen Pfandschaften mehr an dessen Sohn^ obwohl dieser
den Herzogen noch wiederholt^ so laut Schuldschein von 1433
März 18' Herzog Friedrich der Altere mit einer Sonime von
3000 ungarischen Gulden, aushalf.
An die Stelle der Walseer war dort allmählich der be-
kannte Ulrich von Eizing als Geldgeber getreten.^ Rein-
precht n. von Walsee selbst hatte den jungen Baiem in seine
Dienste genommen und wider den Schecken^ und andere Wege-
lagerer verwendet. Der Walseer rtlstete ihn ftlr den Hof Herzog
Albrechts aus; dort brachte er sich mit Glück empor und wurde
nach dem Tode des herzogUchen Hubmeisters Berthold von
Mangen dessen Nachfolger in diesem einträglichen Amte. Rasch
kam er zu Geltung beim Herzog und zu großem Pfandbesitz
— zum tiefen Verdruß des österreichischen Hochadels, der
Walseer, Schaunberger, Puchheimer und vieler anderer.
Zudem lief jetzt der Termin der an Reinprecht H. im
Jahre 1407 auf 28 Jahre versetzten zahlreichen Herrschaften
ab, die nun zum größten Teile an Herzog Albrecht zurück-
kamen; was davon in Inner-Osterreich lag, fiel an Herzog
Friedrich den Jüngeren.* So wurden die Pfandschaften Mahren-
berg' und die Stadt Windischgraz in der Steiermark, in
Osterreich vor allem Wachsenberg® mit Ottensheim, die
seit 1331 walseeisch gewesen waren, Frankenburg, Puch-
heim und Attersee, Seusenburg, die Grafschaft Peil-
' Vgl. die Qnittangen 1434 Jali 21; Kop. Linser MnsealarchiY and 1430
August 23; Kop. ebenda.
* Inventar, f. 48. » LB. V, r. 3808.
^ Vgl. die Schrift gegen Eizinger, NB. VII, 231 ff., und Krones, österrei-
chische Gesch. II, 333.
'^ Der Burggraf von Steier, mit dem Reinprecht 1410 — 1413 yerfeindet war.
' Vgl. Urk. 1435 Mai 5; Schwind-Dopsch, Urk. zur Verfassungsgesch. Öster-
reichs, 338, Zeile 29—31.
* Dort kam es noch 1435 Januar 6 wegen der Vogtei am Remscknik sa
einem Vergleiche (Orig. StAEferding).
« 1436 durch die Schallenberger gel(Sst.
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stein^ seit 1316 walseeisch, die Feste Freienstein/ femer
Falkenstein und Neuburg* am Inn im Jahre 1435 an die
Herzoge zurückerstattet oder abgelöst und waren seitdem in
fremdem Besitz; auch die übrigen in den Pfandschaftsurkunden
von 1407 und 1416 genannten Herrschaften dürften ihnen als-
bald gefolgt sein.'
Es steht zweifelsohne mit der Rücklösung dieser Pfand-
scbaften in Zusammenhang; daß Reinprecht IV. — gleichsam
als Ersatz daftlr — nach längeren Unterhandlungen* 1435 die
Stadt und Herrschaft St. Polten um 20.641 Gulden und 3175Äf^
vom Bischof Leonhard von Passau erkaufte^ der sich darauf
das Rücklösungsrecht vorbehielt. Im gleichen Jahre löste Rein-
precht IV. auch von Georg von Auersperg dessen Satz von
1520 Gulden auf dem herzogUchen Salzamte zu Gmunden ab. ^
Trotzdem bedeutete der Wegfall der Pfandschaften^ der
die ganzen Besitzverhältnisse des Hauses Walsee umgestaltete^
in vieler Hinsicht einen finanziellen Entgang wie eine Einbuße
an Einfluß; die sich schwer wieder wettmachen ließen.
2. Beinpreohts lY. spätere Lebenszeit und Ende, wirtschaftliche
Stagnation seit der Kücklösung der Ffandschaften.
An der raschen Entwicklung mannigfacher politischer Er-
eignisse, die sich in Osterreich seit dem Tode K. Siegmunds
vollzog, nahm auch Reinprecht IV. von Walsee einen tätigen
und nicht unbedeutenden Anteil.
Von Ungarn aus, dessen Krone Herzog Albrecht sich nun
errang, ernannte er 1438 * zu Ofen auch Reinprecht von Wal-
see, seinen Hauptmann ob der Ens, unter den bevollmächtigten
Regierungsverwesem flir Ober- und Niederösterreich, die wäh-
rend seiner Abwesenheit mit der Verwaltung des Landes be-
traut wurden. Damals suchte die Witwe K. Siegmunds, Bar-
* Für diese fünf Herrschaften vgl. HHStA., Kod. Suppl. 1167, f. 9.
' Darob die Oberheimer gelOst.
^ Allein das in der Urk. von 1416 genannte Pemstein blieb walseeischy
da es in ein Erblehen umgewandelt worden war.
* Vgl. Urk. 1434 Januar 23, Regesta Boica XIII, 281; Schweickhardt,
VOWW. I, 287. Die Angabe bei Hansiz, German. Sacra I, 536 ist dar-
nach riohtigzuBtellen.
^ Vgl. Wissgrill, Schauplatz etc. I, 230.
« Kurz, Albrecht II., Bd. II, 253.
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bara^ erfolglos durch Ulrich von Rosenberg * auf Reinprecht
einzuwirken^ den E. Albrecht zu größerer Milde gegen sie zu
bestimmen^ während andererseits Herzog Friedrich der Jüngere
den Walseer gegen Friedrich von Cilli aufirief.* Im Sommer
1438 zog Reinprecht an der Spitze der Oberösterreicher mit
E. Albrecht, der inzwischen auch zum deutschen Eönig erw^t
worden war, nach Prag. Dort wohnte er mit dem Schaun-
berger und dem Grafen von Cilli der 1438 Juni 29 • im St Veits-
dome zu Prag erfolgten Erönung Albrechts zum Eönig von
Böhmen bei. Von Prag brach Reinprecht alsbald mit den
Seinen auf, um mit E. Albrecht gegen die bei Tabor stehenden
Polen und Utraquisten ins Feld zu rücken. Als sich hier die
Heere ohne Erfolg gegenübertraten, führten Reinprecht, Ulrich
von Rosenberg und der Schaunberger als königUche Abgesandte
Unterhandlungen mit den Polen, die sich indes nach zwei-
tägiger Dauer 1438 August 1^ zerschlugen. Ende Oktober
leistete Reinprecht seinem Eönige bereits wieder auf einem
Zuge nach Schlesien Gefolgschaft und erhielt dafür 1438 von
Albrecht einen Schadlosbrief ^ ausgestellt. Da Ende 1438
zwischen E. Albrecht und Wladislaw von Polen bereits eine
Waffenruhe eintrat, machte sich Reinprecht auf den Heimweg
und traf um Neujahr 1439* bereits wieder in Linz ein.
In diesem Jahre wurde endlich die Hochzeit ftü* Rein-
prechts Tochter Barbara mit ihrem Verlobten,' dem Grafen
Bernhard von Schaunberg, zugerüstet; Barbara erhielt ein Hei-
ratsgut von 3000 Gulden, für das sie 1439 August 10^ auf alle
weiteren Erbansprüche verzichtete. Da die Vermählungsfeier
im August 1439 — wohl zu Linz — stattfand,' konnte Rein-
precht IV. dem E. Albrecht nicht das Geleite auf seinem Zuge
^ Vgl. daa Schreiben des Alei yon Stemberg an den Rosenberger, 1438
Febraar; ArchiT öesky II, 8.
■ 1438; InTentar, f. 44; Tgl. auch Gubo, Graf Friedrich H. von CiUi, Cillier
Gjmnaa.-Progr. 1888/9, 8. 9—12.
' Bartoaoh tod Drahonic, Fontes Remm Bohemioarom Y, 621.
* Vgl. den Geleitsbrief für Reinprecht Ton Walsee, 1438 August 31 ; Archiv
eeskj m, 462; Paladkj, Gesch. Böhmens m, 819.
» Urk. 1438 November 9; LB. V, r. 4072.
* Vgl. Urk. 1439 Januar 7, Lins; Kop. Linser Musealarchiv.
' Seit 1423 bereits; Tgl. die Genealogie. * Orig. StAEferding.
* Vgl. das Schreiben Johanns von Schaunbeig an Ulrich von Roseabeif,
1439 August 15; Steinhausen, PriTstbriefe des Mittelalters 40.
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nach Ungarn geben, von dem dieser tüchtige Herrscher nicht
mehr heimkehren sollte. Allgemein war die Trauer um den
frühen Tod des Königs, der auch ftlr den Walseer einen
schmerzlichen Verlust bedeutete.
K. Friedrich, der nun durch ein halbes Jahrhundert unter
wechselvollen Schicksalen die Geschicke Österreichs lenkte,
hat den letzten Walseer überlebt, wie so viele seiner Zeit-
genossen. Ihm gegenüber befanden sich Reinprecht IV. und
nachmals dessen Söhne bereits in wesentlich veränderter Lage.
Seit dem Aussterben der Linie Walsee-Graz (1363) waren die
Beziehungen der Herren von Walsee zu Innerösterreich und
den dort herrschenden Leopoldinern trotz der tibeinischen Erb-
schaft zurückgetreten gegenüber den Interessen des Hauses in
Ober- und Niederösterreich und der treuen und reich belohnten
AnhängUchkeit der Walseer an die albrechtinische Linie der
Habsburger. Dazu immerhin die Erinnerung an die Walseer
Fehde mit Herzog Ernst! So war Reinprecht IV. und sein
Haus dem K. Friedrich fast fremd geblieben, der jetzt als Ver-
weser und Vormund des Ladislaus Posthumus auch über Oster-
reich gebot. Sah sich Reinprecht IV. schließlich gleich an-
deren durch einen Ulrich Eizinger aus der Nähe des verstor-
benen K. Albrecht II. verdrängt, so umgaben K. Friedrich IV.
eine Anzahl steirischer Günstlinge, die ,steirische Weisheit', wie
sie Aeneas Sylvius anzüglich nennt.* Überdies war Rein-
precht rV. auch schwerlich der Mann, sich unter den obwalten-
den Verhältnissen zur Geltung zu bringen.
Immerhin befand sich Reinprecht IV. unter den Häuptern
der gut albrechtinisch gesinnten österreichischen Stände, die
sich mit K. Friedrich in der Perchtoldsdorfer Tagung 1439
November 13* auseinandersetzten, K. Friedrich als Verweser,
Gerhaben (falls E. Elisabeth eines Sohnes genesen sollte) und
Regenten in Osterreich anerkannten und die Ansprüche ab-
wiesen, welche Friedrichs jüngerer Bruder Erzherzog Al-
brecht VI. alsbald auf die Vormundschaft erhob. So wurde er
K. Friedrich eine Stütze gegen den Anhang Eizingers, zumeist
aus niederen Adeligen bestehend, die auf den ständischen Ta-
gungen das große Wort führten. Daher kam es, daß Rein-
precht IV. auf dem Wiener Landtag Ende November 1440, als
1 Vgl. Krones, Österr. Gesch. II, 326. » Huber, Gesch. Österr. III, 18.
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450
ihn der König znm Landmarschall vorschlug, zurückgewiesen
und an seiner Statt Hans von Ebersdorf von den Ständen als
solcher begehrt wurde. ^
Im Jahre 1440 waren durch das Ableben BViedrichs von
Pettau und Ottos von Meissau zwei der hervorragendsten öster-
reichischen Adelsgeschlechter erloschen, beide den Walseem
verschwägert. Nach dem Vermächtnis des Pettauers fielen,
dem Testamente Ulrichs IV. von Walsee-Drosendorf-Enzesfeld
von 1400 Januar 28 * gemäß, die beiden Festen Gleichenberg
und Weinburg in der Steiermark, mit welchen K. Friedrich
1440 April 22' Reinprecht VT. von Walsee zu Wien belehnte,
sowie in Niederösterreich das freie Eigen Schloß Enzesfeld^
zurück. Andererseits gelangte Reinprecht IV. durch den letzten
Willen Ottos von Meissau in den Besitz des Oberst-Erbmar-
schallamtes in Osterreich, mit welchem er nun vom Könige
1440 Dezember 19 * zu Wiener-Neustadt belehnt wurde. Auch
scheint ihm Otto von Meissau die Feste Engelstein, südöst-
lich von Weitra, testiert zu haben, die sich 1442* und weiterhin
noch 1453^ in walseeischem Besitze findet.
Im Vereine mit dem Bischof von Passau, dem Schaun-
beider und dem Maidburger war Reinprecht so im Einverneh-
men mit dem Könige sowie mit Ulrich von Rosenberg,* dem
Vertreter der Sache des kleinen Ladislaus in Böhmen, für den
jungen Herzog und dessen Mutter, die Königinwitwe Elisabeth,
tätig. Im Frühling 1442 gab er dem König das Gleleite auf
dem Krönungszuge in das Reich. ^ In Nürnberg, wohin man
über Salzburg,^® Innsbruck und Augsburg gekommen war,
setzte K. Friedrich 1442 Mai 9** 24 Landesverweser fftr
Österreich ein, unter ihnen Reinprecht IV. von Walsee, dem
er gleichzeitig einen Schadlosbrief für alle Ausgaben in diesem
^ Chmel, Gesch. Friedrichs lY., Bd. II, SS.
« Orig. HHStA.; vgl. S. 387. » Orig. StAEferding.
* Vgl. Urk. 1440 Dezember 13; Chmel, Materialien z. Gesch. Friedrichs IV.,
r. 301.
^ Ebenda, r. 184. ^ Urk. 1443 April 24; Inventar, f. 5'.
' Urk. 1453 MXrz 23; ebenda, f. 4.
" Vgl. das Schreiben der Königin Elisabeth, 1442 April 13; Quellen n.
Forschangen s. vateri. Gesch. (Wien 1849) 219.
* Äneas Silvias, Ep. 51.
^"^ Vgl. Urk. 1442 M&rz 1; Kop. Linier Mosealarchiv. ^ Orig. HHStA.
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451
Dienste erteilte.^ Der Walseer trennte sich darauf von dem König;
er zog nach Osterreich zurück und weilte in den ersten Junitagen
bereits wieder in Wien, wo neuerliche Verhandlungen mit der
Königinwitwe Ordnung in die Verhältnisse bringen sollten.*
Traurige Zustände, verursacht durch eine heillose Ver-
wirrung der Finanzen, brachen nun über Osterreich herein.
Söldnerführer, denen ihre Rückstände nicht beglichen werden
konnten, sowie Leute vom Adel wie Ulrich Eizinger* sagten
dem König ab und zogen im Lande umher, anarchische
Zustände verbreitend. Jörg von Stein, der später eine so
bedeutende, aber wenig verdienstvolle Rolle spielte, plünderte
bereits damals in Niederösterreich und verübte Erpressungen
an walseeischen Untertanen.* Das Zerwürfnis Reinprechts mit
Ulrich Eizinger wurde durch K. Friedrich 1443 August 13^
zu Wiener-Neustadt beigelegt. Vergebens suchten die Landes-
verweser all diesem Unwesen zu steuern; auf den Landtagen
vermochten sich die in diesen Jahren mehrmals, aber fruchtlos
versammelten österreichischen Stände nicht über die Ansätze
der zu bewilligenden Steuern zu einigen.
Auch im Lande ob der Ens, mit dessen Verwaltung Rein-
precht von Walsee betraut war, hielten die verzweifelten Zu-
stände des allenthalben von Fehden und Räubereien heimge-
suchten Landes an. So wurden^ die zum Linzer Jahrmarkt
fahrenden Budweiser Tuchmacher trotz ihres vom Verweser
Reinprechts ausgestellten Geleitsbriefes von Hans von Starhem-
berg, der ihrer Stadt abgesagt hatte, bei Qallneukirchen ge-
fangen genommen. Sie wurden indes gegen Lösegeld frei-
gelassen, da Reinprecht sich nun als Hauptmann ob der Ens
ins Mittel legte, umsomehr, als sich Ulrich von Rosenberg ^ bei
seinem Schwager für sie verwendete.
1 Chmel, Reg. Frid. IV, r. 611.
* Vgl. Beinprechts Schreiben ans Wien, 1448 Joni 2; Kop. Linzer Mnseal-
archiy.
* Mit diesem glich sich K. Friedrich noch Ende 1441 wieder aus; vgl.
Haber, österr. Qesch. U, 78.
* Vgl. den Bericht des walseeischen Pflegers za Stronsdorf, 1444 Mai 31;
Kop. Linzer Masealarchiy.
^ Topographie von NiederOsterreich ü, 93.
* Vgl. LB. VI, r. 43; Chmel, Gesch. Friedrichs IV., Bd. II, 263.
^ Vgl. das Dankschreiben der Badweiser an denselben, 1444 April 2; Orig.
Wittingaa.
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452
Im Sommer 1444 geleitete Reinprecht K. Friedrich auf
den Reichstag zu Nürnberg. Von dort ans wurde er mit den
Bischöfen von Augsburg, Chiemsee u. a. an den Dauphin ab-
gesandt,^ als die schlimmen Nachrichten von dem Einfalle der
Armagnaken in den Sundgau eintrafen. Ihnen schlössen sich
auch zwei vom Konzil zu Basel abgesandte Kardinäle an. Die
Verhandlungen, welche sie 1444 September 1 mit dem Dauphin
zu Altkirch fllhrten, blieben ohne Ergebnis und so kehrten sie
mit dessen Beauftragten nach Nürnberg zum König zurück.
Kurz vorher * war vom Basler Konzil Reinprecht« Anrecht
auf das Patronat der Eorche St. Georg zu Gonobitz anerkannt
worden, für welche er dem Konzil einen Lambert Rukhendorfer
als Pfarrer präsentiert hatte.'
Im folgenden Jahre 1445 gestalteten sich die Dinge in
Osterreich noch verworrener, zumal da jetzt die Thronfrage in
Böhmen und Ungarn durch das Ableben K. Wladislaws bren-
nend wurde, der seinen Tod auf der Wahlstatt zu Vama ge-
funden hatte (1444 November 10). Reinprecht verhandelte in
Gemeinschaft mit dem Schaunberger Ende April 1445^ neuer-
lich zu Wien über die Aussichten K. Ladislaus in Böhmen.
Zu dem Kriege gegen die nach Niederösterreich und Steier-
mark eingefallenen Ungarn streckte Reinprecht bedeutende
Summen ftir den aufgelaufenen Sold vor; am Lichtmeßtage
1445^ wies ihn der König mit 600^/^ ausgelegten Soldes an
die Stadt Linz und verpfändete ihm 1445 Mai 24® ftlr weitere
schuldige 4000 Dukaten die Herrschaften Freistadt, Kam-
mer und Attersee in Oberösterreich. Im August dieses Jahres
stand Reinprecht an der Spitze des obderensischen Zuzuges^
sowie mit dem Aufgebote der walseeischen Herrschaften in
^ Vgl. die Chronik Heinrichs von Beinheim, Basler Chroniken V, 361.
> Urk. 1444 Jnni 6; Quellen z. Gesch. d. Stadt Wien I, r. 186.
» Mitt. d. histor. Vereines f. Steierm. VIII, 176.
* Vgl. das Schreiben K. Friedrichs 1445 März 27 und das Kaspar Schlicks
1445 April 13; Orig. im fürstl. Schwarzenberg. Archiv Wittingaa und
Archiv «esky II, 408.
» Muchar, Gesch. d. Steierm. VHI, 320.
' Chmel, Reg. Friderici, r. 1915. Beinprechts von Walsee Revers darüber
1445 August 2; Orig. HHStA.
^ Vgl. das Schreiben an die Freistädter, 1445 August 2, ,im Felde bei
Baumgarten' (bei Marchegg); AÖG. XXXI, 323.
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453
Niederösterreich * gegen die Ungarn im Felde an der March^
wo Pangratz von Halicz einen förmlichen Ränberstaat geschaffen
hatte. Da Reinprecht und seine Amtsgenossen, die von K.
Friedrich 1442 eingesetzten Verweser über Osterreich, sich
ganz außer Stande sahen, mit den ihnen zu Gebote stehenden
Mitteln ihrer Aufgabe gerecht zu werden, legten sie schließlich
1445 ihr Amt in die Hände des Königs zurück. Die Geldnot
K. Friedrichs nötigte Reinprecht zu neuen Darlehen; 1446
August 2* wurden ihm auf den Satz von BVeistadt, Kammer
und Attersee neuerdings 3000 Äf.Ä geschlagen.
Daneben stand Reinprecht IV. von Walsee gleich dem
Schaunberger und dem Bischof von Passau durch seinen Schwa-
ger Ulrich von Rosenberg in diesen Jahren auch der albrech-
tinisch gesinnten Partei in Böhmen nahe' und unterhielt mit
dem bekannten Kanzler Kaspar Schlick und anderen eifrigen
Verkehr. Noch näher stand ihm Bischof Leonhard von Passau,
der sich z. B. 1446* an den der Verhältnisse kundigen Walseer
wandte, ihm über Hofnachrichten berichtete und seiner Bitte,
ihm solche zukommen zu lassen, zwei Armbrüste fttr die Jagd
als ein Zeichen seiner Freundschaft beifügte.
Unterdessen hatte im Süden der Streit Reinprechts mit
dem Domkapitel von Triest um das Pfarrpatronat von Ter-
nova fortgedauert.^ Die Entscheidung über die Frage der
Pfarrpatronate wurde schließUch dem Bischof Martin von Piben
(Pedena) übertragen; als derselbe aber 1444 Vikar des Patriar-
chates von Aquileia, und zwar für den Nachfolger des Alexan-
der von Masovien, den Bischof Lorenz von Gurk wurde, wandten
sich die zur Obedienz Eugens IV. gehörigen Triestiner gegen
Martin als Anhänger des Basler Konzils. Als Aeneas Sylvius
auf dem bald darauf verwaisten Triestiner Bischofssitze eintraf,
standen die Dinge schlimm genug; die Leute des Walseers, der ge-
rüstet und Söldner angeworben hatte, ^ befanden sich in hellem
' Vgl. Reinprechts Schreiben an seinen Amtmann zu Gleuss, 1445 Okto-
ber 25; Kop. Linzer Musealarchiv.
' Vgl. Reinprecht« Schreiben an seinem Amtmann zu Gleuß 1445 Okto-
ber 25 ; Kop. Linzer Musealarchiv.
» Vgl. Archiv 6e8ky HI; 50, XII, 412.
^ Schreiben 1446 August 5; Chmel, Materialien, I, 56; Tgl. auch das Schreiben
1443 Januar 6; Kop. Linzer Musealarchiv.
» Vgl. Hortis, Documenti XXXI ff. und Pichler, a. a. O. 254—256.
* Vgl. die Soldquittungen 1448 Nov. 30, Des. 22; Kop. Linzer Musealarchiv.
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454
Kriegszustände mit der Stadt. E^ gelang dem gewandten
Manne indes^ Ordnung zu schaffen; 1449^ kam eine Eänigung
zwischen Reinprecht IV. von Walsee^ dem Bischof und der
Stadt durch den Ausspruch K. Friedrichs zustande.
Auch mit Venedig stand Reinprecht auf freundschaftlichem
Fuße, umsomehr als der Doge Francesco Foscari* seinen Leuten
Handelserleichterungen für die Einfuhr nach der Lagunenstadt
zugestand.
Reinprecht IV. von Wabee war noch in den Jahren
1447 — 1449 auf den Landtagen der österreichischen Stände tatig.
Gerade im letzten Jahrzehnte hatte sich seine Persönlichkeit
immer mehr entfaltet und so war allmählich der unter Herzog
Albrecht V. an Ulrich Eizinger verlorene Einfluß nahezu wieder
zurückgewonnen worden. Da starb der erst etwa 43jährige
Mann in der Blüte seiner Jahre 1450 März 10* und wurde bei
seinen Vorfahren zu Sensenstein bestattet.
Er hat noch eine Stiftung des 1400 verstorbenen Ulrich IV.
von Walsee-Drosendorf-Enzesfeld ausgeführt und dem Kar-
täuserkloster Mauerbach für einen Jahrtag zu Ulrichs Seelenheil
1436* einen Hof zu Riedental übergeben. Reinprecht IV. selbst
beschenkte 1425^ das Kloster Sensenstein mit einer Hube zu
Matichbach; er stiftete sich femer mit genannten Zehenten 1427*
ein tägliches Amt in der Pfarrkirche zu Aspam und widmete
schließlich dem Krainer Kloster Sittich 1448^ zur Abhaltung von
zwei Jahrtagen sein Haus neben der St. Niklaskirche zu Laibach.
Seinen Besitzstand hat Reinprecht IV. in seinen späteren
Jahren nicht mehr zu vergrößern vermocht. Allerdings fiel
ihm, wie bereits erwähnt, das pettauische Erbe, Enzesfeld,
Gleichenberg und Weinburg, sowie von dem letzten Meissauer
Engelstein zu. Dagegen war er 1438® gezwungen, seine Herr-
^ Urkk. 1449 Man 15; Chmel, MateriaHen I, 2491; 449 September 26, Cod.
dipl. Istriano III.
« ürk. 1442 November 27, Cod. dipl. Istriano HI. » Vgl. die Genealogie.
* Urkk. 1432 Januar 16; NB. HI, 406 und 1486 Joli 4; Orig. StAEferdiog.
" Urk. 1426 Juni 7; Blätter des Vereines für Landeskunde Yon Nieder-
österreich X, 151.
« Urk. 1427 Januar 27; Maurer, Oesch. des Marktes Aspam 369.
* Urk. 1448 November 12; Orig. StAEferding.
^ Vgl. Falke, Gesch. des Hauses Liechtenstein I, 462; Rutenstein, nicht
Gutenstein — das gar nicht walseeisch war — wie sich auch aus der
HiniufÜgung von Weißenbach ergibt
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Schaft Rutenstein samt Weißenbach an Christoph von Liechten*
stein- Nikoisburg zu versetzen — seit mehr denn einem Menschen-
alter wieder der erste derartige Fall im Hause Walsee. Doch
Tvnrde die Herrschaft bald wieder eingelöst und befand sich
1444^ 1450 ff. wieder in walseeischem Besitze. Durch den
Spruch K. Friedrichs von 1443 August 13* ging auch die
Herrschaft Asparn gegen eine Geldentschädigung in den Pfand-
besitz Eizingers über.
Das altwalseeische Guntersdorf kam 1448' (satzweise)
an Kaspar von Rogendorf von Pöggstall. Überdies veräußerte
Reiaprecht 1450' seine ftreieigene Herrschaft Ebers dorf, doch
ohne die rittermäßigen Lehen, an den Wiener Bürger Hans
Zötl. Wie es scheint, hatte Reinprecht auch das passauische
Amt Zeiselmauer innegehabt, das er dann etwa 1440^ an
Bischof Leonhard zurückstellte.
Daneben können wir andererseits mancher kleiner Er-
werbungen gedenken, so einer Mühle ^ zu Swans (Schwanen-
stadt) von einer Geuman oder eines Hofes zu Lindham bei
Walding* in der Herrschaft Ober- Walsee und von Liegen-
schaften zwischen Linz und der Traun, die Reinprecht IV.
1438' von einer Sinzendorferin erwarb. Mit dem Kämlhofe
(Pfarre Hörsching) und dem Zehent zu Ensdorf wurde er 1447 ®
von der Äbtissin Ebbeth von Erlakloster belehnt.
In Niederösterreich erwarb der Walseer Güter zu Sleuntz,
mit denen er 1440* von K. Friedrich belehnt wurde, sowie
1443*0 um 120 «f ^ Güter zu Hargensee.
Der Lehenbrief, den K. Friedrich 1443 November 16" auf
Reinprecht IV. über die Feste Marburg ausstellte, sowie über
den niederen Turm zu Riegersburg, führt uns auch die sonstigen
Reste an landesftLrstlichen Lehen der Walseer in der Steier-
* Topographie von Niederösterreich 11, 93; 1480 scheint das Schloß im
Besitze des Hans Gradner gewesen zn sein.
« Schweickhardt, a. a. O. VUMB. H, 203.
• WSt. 602. * Inventar, f. 68'
<^ Urk. 1444 Dezember 19; Orig. StAEferding.
<^ Urk. 1450 Mftrz 7; Orig. ebenda.
' Urk. 1438 April 19; LB. V, r. 3884.
• Urk. 1447 Mai 13; Orig. StAEferding.
* Urk. 1440 Dezember 27; Orig. StAEferding.
^® Urk. 1443 Jnni 25; Kop. Linzer Mosealarchiv.
^^ Beiträge znr Kunde steierm. Geschieh tsqnellen XXXU, 345.
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456
mark vor; sie waren auf wenige Gülten, Güter und Häuser zu
Eibiswald, Wildon und Windischgraz herabgesunken.
Infolge des Ablebens Reinprechts IV. fielen nun dessen
Leibgedinge, die steirische Herrschaft Wachseneck^ und
Rabenstein in Niederösterreich, an den Herzog zurück.
Der Tod Reinprechts IV. bedeutete abermals einen
schweren Verlust fiir das Haus Walsee. Reinprecht hinterließ
zwar von seiner Witwe, der Rosenbergenn Katharina, neben
einer Tochter Agnes, der Gattin des Grafen Bernhard von
Schaunberg, zwei bereits gevogte Söhne, Wolfgang V. und
Reinprecht V.; es war aber nun eine Frage, ob diese beiden
unerfahrenen Jünglinge den Traditionen ihrer Vorfahren folgen,
vor allem aber, ob ihnen männliche Leibeserben beschert
würden. Und wirklich sank mit Reinprecht V., der nur eine
Tochter hinterließ, bereits der letzte aus dem altehrwürdigen
Hause ins Grab.
JX. Abschnitt.
Wolfgang V. und Reinprecht V. von Walsee. (1450—1483.)
1. Die beiden Brüder unter K. Ladislaus; wirtschaftlicher
Niedergang.
Das Erbe, welches die beiden Söhne Reinprechts IV. von
Walsee überkamen, umfaßte noch immer einen Besitz, dem sich
im gesamten Hochadel Österreichs wenig an die Seite stellen
ließ. Standen die Herren von Walsee auch im Range den
Grafen von Schaunberg und von Maidburg nach, so galten sie
dafiir nach dem Zeugnisse eines Aeneas Sylvius* mit Recht ftlr
umso reicher und mächtiger durch ihren Einfluß.
Es waren zwei grundverschiedene Naturen, die jetzt die
Schicksale ihres Hauses lenken sollten. Wolfgang V., der Al-
tere, ehrgeizig, neuen Gedanken leicht zugänglich und nicht
schwer zu gewinnen, dabei voll Mutes und ein unternehmender
Kopf. In seinem stolzen Selbstbewußtsein entfaltete er gern
seinen Reichtum und gefiel sich in der Rolle des großen Herrn.
* Urk. 1450 April 22; Chmel, Reg. Frid., r. 2616.
• Hist. Frid., c. 14.
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457
Was verschlag es, wenn seine Qüterj deren Ertrag sich gerade
jetzt eher verringerte, die großen Summen für den prunkvollen
Haushalt, sein Schlemmerleben und, was ihm wirtschaftlich
wohl am teuersten zu stehen kam, sein Eintreten fUr den gleich
verschwenderischen Erzherzog Albrecht VI. nicht aufzubringen
vermochten!
Wie anders sein jüngerer Bruder Reinprecht V., der, wie
es scheint, nicht von fester Gesundheit war. Hinter der blen-
denden Erscheinung seines Bruders trat er weit zurück und
hielt bedächtig und zähe an sich, als Wolfgang V. sich voll
und ganz dem rasch pulsierenden politischen Leben jener
Jahre hingab. Anfangs versuchte sein wirtschaftlicher Sinn,
die übermäßigen Ausgaben seines Bruders wieder wettzumachen;
als er aber sah, daß er dabei im Nachteile blieb, nahm er
alsbald mit Wolfgang V. eine Güterteilung, die letzte des wal-
seeischen Besitzes, vor.
K. Friedrich hatte nach Reinprechts IV. von Walsee Tode
die Hauptmannschafi ob der Ens mit dem Grafen Johann
von Schaunberg besetzt. Die beiden Brüder, denen nur ihre
Erbämter geblieben waren, welche Wolfgang V., als dem Alteren,
zukamen,^ hielten sich daher vorerst im Jahre 1450 meist am
Hofe K. Friedrichs auf, der ihnen wohlwollend entgegen-
kam. Dort verlieh der König zwar 1450 April 22* an Wolf-
gang V., als den älteren Bruder, den Blutbann auf allen seinen
Gerichten, doch mit Vorbehalt der österreichischen Lehenschaft.
Bald darauf nahm indes K. Friedrich die Gelegenheit wahr
und sicherte sich von den beiden Walseem im Wiener-Neu-
städter Übereinkommen 1450 Dezember 6,' worin auch mehrere
anderweitige Forderungen abgetan wurden, das Zugeständnis,
daß das hohe Gericht auf allen den Herrschaften, wie es
Herzog Albrecht V. seinerzeit an Reinprecht II. von Walsee
verliehen hatte, an den Landesfürsten zurückfallen sollte, falls
die beiden Walseer ohne männliche Leibeserben mit Tod ab-
gingen. Sei es, daß der bedächtige K. Friedrich dies als
eine Etappe zu weiteren Zusicherungen betrachtete, durch
^ Vgl. das Schreiben Reinprechts von Walsee an seinen Bmder, das Mar-
schallsiegel betreffend, 1450 Mai 23; Kop. Linzer Masealarchiy.
» Chmel, Reg. Frid., r. 261 B.
' Chmel, Materialien zur Gesch. Friedrichs I, 331.
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458
welche er das hohe Gericht wieder ganz an sich bringen
wollte, oder daß er an den Fall etwaiger Beerbang durch die
zunächststehenden Schaunberger dachte, jedenfalls hat er im
Interesse des Landesfbrstentums damit die Möglichkeit einer
Weiterentwicklung nach der seinerzeit^ angedeuteten Seite hin
vorweggenommen.
Mittlerweile bereiteten sich auf österreichischem Boden
neue Verwicklungen vor. Der ehrgeizige Ulrich Eizinger und
sein anfangs kleiner Anhang wühlten im Lande herum in der
Absicht,* die Unzufriedenheit über die Herrschaft K. Fried-
richs auszunützen und sich dann eine ähnliche Stellung in
Osterreich zu schaffen, wie sie etwa Hunyady oder Podiebrad
in den Nachbarländern innehatten — Pläne, die sich am leich-
testen während der bevorstehenden Romfahrt K. Friedrichs
verwirklichen ließen. Keine gerechte Sache, einzig Ehi^eiz und
Eigennutz trieben Eizinger und die Seinen in ihr Beginnen.
Was sollte die Forderung, den erst zehnjährigen Ladislaus aus
der Vormundschaft zu entlassen, anderes bezwecken, als den
Knaben selbst in die Hand zu bekommen, um damit zur Macht
zu gelangen! Allerdings hatte der König dadurch Anlaß zur
Unzufriedenheit gegeben, daß er Ladislaus außer Landes hielt
— und ebensowenig mochte es ihm in Osterreich Sympathien
eintragen, wenn er allerwärts den Senioratsgedanken durch-
blicken ließ.' Man war nun einmal den steirischen Leopoldinem
in Osterreich nicht besonders zugetan.
Wenn die Brüder von Walsee auch an den Tagungen
von Mailberg* und Wolkerstorf noch nicht teilgenommen hatten,
so blieben sie doch nicht ohne Beziehungen zu dieser Be-
wegung, die rasch immer mehr anschwoll. Sie traten anfangs
Dezember 1451 mit K. Friedrich den Römerzug an und
kamen mit ihm bis nach St. Veit in Kärnten, wo man das
Weihnachtsfest feierte. Unter dem flindrucke der Nachrichten
» Vgl. 8. 443.
* Vgl. Chmel, Gesch. Friedrichs IV. II, 640 and Haber, Gesch. Öster-
reichs n, 81.
» Vgl. Zeißberg, AÖG. LVIII, 45 ff.
* Das Siegel Wol^angs V. von Walsee an der Mailberger Urknnde ist erst
sp&ter darangehängt; vgl. Chmel, Gesch. Friedrichs IV., Bd. II, 640 ff.
Ende Oktober nrknndet Wol%ang V. in Prem auf seinen Tibeiner Herr-
schaften, dann in der Steiermark November 14 aaf Schloß Weinbnrg,
November 17 auf Riegersbnrg.
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aus Osterreich ließ sich hier auch Wolfgang V. von Walsee
— ohne Zweifel war er der Treibende — umstimmen. Er ent-
wich mit seinem Bruder aus St. Veit und kehrte nach Hause
zurück;^ ein Schreiben an den Kaiser suchte ihr Verhalten zu
rechtfertigen. Wolfgang V. und sein Bruder wurden nun mit
dem Cillier und Schaunberger Eizingers wichtigste Bundes-
genossen. Mit Unrecht verglich Eizinger in Wien Ende 1451
die Sachlage mit den Verhältnissen von 1411^ wo Reinprecht II.
von Walsee den jungen Albrecht V. der Vormundschaft ent-
rissen hatte. Nicht warmer Patriotismus und Abwehr gegen
Ungesetzlichkeit, nur der Ehrgeiz und die sichere Voraussicht,
daß beim Umsturz der Verhältnisse für sie ein Erkleckliches
abfallen werde, haben des großen Reinprecht II. kleinere Enkel
bestimmt, K. Friedrich den Rücken zu kehren.
Bei seiner Rückkunft nach Osterreich fand Wolfgang V.
von Walsee die Bewegungspartei in voller Tätigkeit.* Der
Wiener Landtag von 1451 Dezember 12 hatte in Nieder-
österreich ihre Sache zur herrschenden gemacht und auch im
Lande ob der Ens sagten die dortigen Stände dem König als
Regenten und Vormund auf dem Welser Landtage Mitte
Januar 1452 den Gehorsam auf, die Cillier schlössen sich gleich-
falls der Bewegung an, die durch den Bund von 1452 März 5,*
an welchem sich die ungarischen Stände, die beiden Cillier und
die österreichischen Stände, unter ihnen Wolfgang von Walsee,
beteiligten, feste Gestaltung gewann. Nun empfing dieser bereits
einen Teil seines Lohnes; Eizinger, der sich schon ganz als
Regent Österreichs fiihlte, bedachte ihn mit der Hauptmann-
schaft ob der Ens,* die bisher der Schaunberger versehen
hatte.
Was half es, daß Papst Nikolaus alle die Verbündeten
mit dem Banne bedrohte:^ sie kehrten sich so wenig daran
wie an die Schreiben, welche der Kaiser aus Italien in die
Heimat abgehen ließ. Dabei herrschten das Jahr 1452 hin-
durch in Osterreich fast anarchische Zustände. Die Verbündeten
» Vgl. Aeneas Sylvias, Hiat. Frid., c. 228.
* Vgl. Huber, Gesch. Österreichs II, 82—84.
' Cbmel, Materialien zur Gesch. Friedrichs IV., Bd. I, 374.
* Seit Mftrz 1452 ist Wol^ang von Walsee als Hauptmann ob der Ens be-
nrknndet; vgl. die Genealogie.
^ 1452 April 4; Chmel, Materialien zur Gesch. Friedrichs IV., Bd. 11, 4.
ArchiT. XCV.Band. II. U&lft«. 31
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Eizingers, wie die Walseer^ welche allenthalben auf ihren Herr-
schaften in Österreich Dienstleate nnd Mannschaften aufboten,^
befehdeten sich mit dem dem K. Friedrich noch treagebliebenen
Teile des Adels; eine Episode aus diesen Kämpfen, die den
Wabeem manchen Verlust brachten, hat uns Aeneas Sylvias'
überliefert. Auch auf den steirischen Herrschaften, wo man
vor den Kaiserlichen auf der Hut sein mußte, zeigten sich die
Folgen dieser Vorgänge. Auf die Mahnungen des Kaisers hin
verließen walseeische Pfleger, wie Daniel von Kolnics auf
Gonobitz,^ den Dienst ihres Herrn und hielten es mit der
Gegenseite.
Während Wolfgang V. von Walsee allenthalben in diese
Vorgänge tätig eingriff, hauste unterdessen Reinprecht V. ruhig
bei seiner erkrankten Mutter auf Schloß Nieder -Walsee, von
wo er 1452 Februar 16' seinem Bruder über sie berichtet, daß
sie ,etwas plod ist, aber es bessert sich vast^
Die Untätigkeit des Kaisers, der erst 1452 Juni 20 in
Wiener-Neustadt eintraf, ließ den Verbündeten vollends fireies
Feld. Die Truppen Eizingers, der Cillier, Schaunbei^er, Wal-
seer,^ Kuenringe u. a. nahmen zuerst das von den Kaiserlichen
gehaltene Schloß Ort im Marchfeld und zogen nun eilends
gegen Wiener-Neustadt, das ihrem unvermuteten Angriffe kaum
zu widerstehen vermochte. Bei der nun folgenden Belagerung
der Stadt erlitt das walseeische Fähnlein, das aus böhmischen
Söldnern bestand, imter dem Geschützfeuer der Verteidiger
starke Verluste.^
Obgleich die Sache des Kaisers keineswegs verzweifelt
stand und bedeutende Verstärkungen im Anmärsche waren,
gab er doch dem Drängen seiner Gegner nach. In übereilter
Weise ging er mit den Verbündeten Unterhandlungen ein und
lieferte den jungen Ladislaus noch vor der Ausfertigung der
Vertragsurkunde 1452 September 4* dem Grafen Ulrich von
Cilli aus. Nominell wurde der dreizehnjährige Ladislaus jetzt
' Vgl. das Schreiben des walseeischen Pflegen eq Attersee 1452 Juli 3;
Kop. LiDzer Mnsealarchiv.
* Ebenda.
' Vgl. dessen Schreiben an die Brüder von Walsee 1452 Juli 14, ebenda.
* Vgl. Blätter des Vereines für Landeskunde von NiederOsterreich XXm, 65.
' Vgl. Aeneas Sylvias, a. a. O., c. 382.
* Ebenda 213; vgl. Haber, österr. Gesch. III, 88—90.
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461
allerdings för großjährig angesehen, in Wahrheit aber befand
er sich natürlich Yollkommen in den Händen der Verbündeten^
die sich, wie Wolfgang V. von Walsee, weigerten, den Ver-
trag mit dem Kaiser zu siegeln, und kein Bedenken trugen,
ihn, als von den Ereignissen überholt, einfach außer acht zu
lassen.
Nun war Wolfgang von Walsee insbesondere diplomatisch
tätig. Bald nach Neujahr 1453 reiste er im Interesse des
Herzogs Ladislaus nach Brunn, um die Mährer für diesen in
Eid zu nehmen.^ Nachdem er im Frühling nach Oberöster-
reich zurückgekehrt war, zog er im Sommer dieses Jahres
abermab nach Brunn an den Hof K. Ladislaus.' Von hier
aus trat er nebst Bischof Johann von Olmütz und zwei
anderen Abgesandten des Königs in Krakau mit Kasimir von
Polen K. in Unterhandlungen, deren Ergebnis das 1454 abge-
schlossene Ehebündnis desselben mit K. Ladislaus' Schwester
Elsbeth war.
Vorerst war der ehrgeizige Ulrich Eizinger durch den
Grafen Ulrich von Cilli gänzlich in den Hintergrund gedrängt
worden; auch die Grafen von Schaunberg hatten ihren Vorteil
bei dem jungen Könige wahrgenommen. Eizinger gab indes
die Hoffnung nicht auf, den vielgehaßten Cillier von der Seite
des Königs zu verdrängen. Insgeheim wußte er K. Ladislaus
gegen ihn einzunehmen und 1453 September 28 wurde der
ahnungslose Cillier vom König in Ungnaden entlassen.
Die nächsten Wochen brachten Eizinger an sein Ziel:
der junge König wurde dazu vermocht, auf dem Wiener Land-
tage anfangs November 1453' die Regierung Österreichs bis
zu seinem zwanzigsten Lebensjahre den Ständen zu über-
lassen, die einen Rat von zwölf Männern zu diesem Behufe
einsetzten. Sogleich konnte Graf Johann von Schaunberg*
1453 November 6 seine Zustimmung zu diesem Abkommen fdr
sich, seinen Sohn Bernhard und Wolfgang V. von Walsee er-
' Vgl. Wol%aDg8 y. Sehreiben an seinen Brader 1463 Dezember 31, Wien;
Kop. Linzer Musealarchiv.
* Vgl. Klimesch, Rosenberger Chronik 124 and Palacky, Urkundl. Beitr.
zar Qesch. Böhmens im Zeitalter K. Georgs von Podiebrad 68.
» LB. VI, r. 1846, 1847.
* Denkschriften der Wiener Akad. der Wissensch. Xu, 829.
31*
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462
klären, der seinem jungen Herrscher bereits nach Prag voraus-
geeilt war.^
Aber auch Eizinger genoß nur kurze Zeit die Früchte
seines Erfolges; binnen Jahres&ist war auch er gestürzt Scheel
sah der Hochadel auf den Emporkömnüing herab, dem sein
Reichtum zahlreiche Neider, sowie Geldgier viele Feinde schufen;
allenthalben wurden Klagen über Bedrückungen laut, die seinen
Fall beschleunigten. Einem gewissen Plankensteiner und an-
deren Freunden des gestürzten Cilliers gelang es schließlich,
den König gegen Eizinger zu stimmen;' auch der Hochadel
war nach dieser Richtung tätig.
Und nun war Wolfgang V. von Walsee der kommende
Mann. Ihn ernannte K. Ladislaus 1454 August 10' zu Prag an
Elizingers Stelle zum obersten Hauptmanne ob und unter
der Ens. Dabei blieb Wolfgang auch des Königs Rat und
Hauptmann ob der Ens und hatte überdies das österrei-
chische Oberstmarschall- und das steirische Oberst-
truchsessenamt erbUch inne — eine Stellung, die sich mit
der Reinprechts H. von Walsee in seinen besten Tagen wohl
vergleichen läßt. Zugleich* erteilte ihm der König einen Schad-
losbrief fUr sich und seine Söldner im Dienste gegen Ladwenko
von Rachmanan^ und andere Gegner und gab ihm nebst anderen
vier Räten volle Gewalt, ihn auf dem nächsten Landtage zu
Wien (September 1) zu vertreten. Zwei Monate später erhielt
er überdies die Befugnis,^ alle Amtleute, Hubmeister und Pfl^er
in Osterreich ein- oder abzusetzen.
Nun führte er auch in der ersten Hälfte dieses Jahres
Veronika aus dem Hause der bairischen Grafen von Orten-
burg^ als seine Gattin heim. Das junge Paar schlug seinen
Wohnsitz auf dem Schlosse Seuseneck auf, wo sich alsbald
^ Vgl. das Schreiben Kathjurinas von Walsee an den Amtmann sn Seasen-
eck 1453 September 17, Linz; Kop. Linzer Mosealarchiv.
« Vgl. Gerhard von Eoo, Ann. 169.
» LB. VI, r. 1901.
« Urk. 1464 Aogost 10; Chmel, Materialien H, 74.
* Den bekannten mährischen Raabgesellen, gegen den später Herzog
Albrecht VI. persönlich zn Felde zog.
* Urk. 1464 Oktober 10; Orig. HHStA.
* In der Nachbarschaft der walseeischen Pfandschaft Nenbnrg am Inn an-
gesessen.
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463
Wolfgangs Freunde, wie Bernhard von Schaunberg, als Gäste
einfanden.^
Zwar kehrte nun im Februar 1455 Graf Ulrich von Cilli,
der den Walseem schwerlich günstig gesinnt war,* an den Hof
K. Ladislaus' zurück, dem der gestürzte Eizinger nun den
Rücken wandte. Aber Wolfgang V. wußte sich in seiner Stel-
lung neben ihm zu behaupten und klug in die Verhältnisse zu
finden. Wie er stets durch regen Briefwechsel* mit befreun-
detem Hochadel über die Verhältnisse Bescheid wußte, so war
er auch im Frühling 1455 in die Anschläge eingeweiht,^ die
man gegen Johann Hunyady versuchte.
An den Grenzen Baierns gaben die Zustände dem Herzog
Ludwig mehrfachen Anlaß zu Klagen. Er wandte sich (1455
November 11)^ in einem Schreiben an Wolfgang V. von Wal-
see und forderte ihn auf, die Straßen am Hausruck und sonst
in Oberösterreich sicherer zu halten und besser zu schützen,
da seine Zölle und Mauten merklichen Schaden litten. Im Auf-
trage des K. Ladislaus^ ritten daher Reinprecht V. von Walsee
und Hans von Starhemberg zu Herzog Ludwig von Baiem, um
mit ihm Rats zu pflegen.
Bis zum Schlüsse des Jahres 1455 hatte Wolfgang V. die
oberste Hauptmannschaft in Österreich inne. Als sich K. Ladis-
laus im Februar 1456 zum Landtag nach Ofen begab, um Ver-
teidigungsanstalten gegen die Türken zu treffen, blieben die beiden
Walseer^ gleich Bischof Ulrich von Passau und anderen Räten
des Königs als dessen Statthalter in Osterreich zurück. Sie ver-
blieben in diesem Amte auch, als E. Ladislaus Ende August
1456 seinen Zug nach Südungam antrat, auf welchem Graf Ul-
rich als der letzte Cillier am 9. November 1456 ums Leben kam.
^ Derselbe lud sich 1458 Angnst 6 daselbst zu einem Fischessen ein; Orig.
Oberösterreichisches Landesarchiv.
' Vgl. noch das Schreiben des Cilliers 1456 Januar 11, Warasdin; Orig.
StAEferding.
3 Vgl. die Schreiben 1451 Mai 3, 1452 Dezember 31, 1454 Januar 12;
Kop. Linzer Musealarchiy.
* Vgl. Aeneas Sylvius, Hist. Frid., c. 458.
* Orig. StAEferding.
* 1455 Dezember 23; Orig. StAEferding.
' Vgl. das Schreiben der Nürnberger an dieselben 1456 März 8; FEA.
XLU, 183.
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464
Über Ofen kehrte der König erst im Mai 1457 nach
Wien zurück^ wo mittlerweile der ehrgeizige Eizinger in Ver-
bindung mit Georg von Podiebrad, dem mächtigen Gnbemator
Böhmens; neuerlich Umtriebe gegen K. Ladislaus und den
treuen Wiener Bürgermeister Hölzler verursacht hatte, f^de
Oktober 1457 trat der König seinen Zug nach Prag an, ohne
daß ihn die Walseer, trotz der Aufforderung dazu^ ^ begleiteten.
Dort starb der 18jährige K. Ladislaus, als eben seine Hochzeit
stattfinden sollte, eines raschen Todes (1457 November 23);
sein Ableben gab Osterreich neuerlich verheerenden Stürmen
und allem Jammer eines Bürgerkrieges preis.
Waren die Herren von Walsee durch die bedeutende Per-
sönlichkeit Wolfgangs V. zu neuer Bedeutung und Geltung im
politischen Leben der österreichischen Länder gekommen, so
stand dieser erfreulichen Tatsache leider ein unverkennbarer
wirtschaftlicher Rückgang gegenüber.
Zwar hatte insbesondere Reinprecht IV. sich bedeutende
Verdienste um die Verwaltung seiner Güter erworben; unter
ihm wurde um 1440 das für den sehr bedeutenden östei^
reichischen Lehenhof der Walseer wichtige walseeische Lehen-
buch angelegt. Aber schon zu seinen Zeiten war allmählich
ein Stillstand im Wachstum des walseeischen Besitzstandes ein-
getreten, der nunmehr rasch in einen Rückgang überging.
Gewiß mögen Wolfgangs V. Vorliebe für äußeren Glanz,
seine Verschwendung und die sich in jener Zeit allgemein stei-
gernden kulturellen Lebensbedürfnisse dabei mitgewirkt haben;
auch die österreichischen Wirren und für die Herrschaften
nördlich der Donau insbesondere die Hussitenkriege sind heran-
zuziehen — kein Zweifel aber, daß eine Mitursache in allge-
meineren Verhältnissen, in dem um die Mitte des 15. Jahr-
hunderts in Osterreich allerwärts bemerkbaren wirtschaftlichen
Niedergange lag.*
Abgeseben von wenigen unbedeutenden TauschverMigen
und zahlreichen Lehenbriefen begegnen wir aus diesen Jahren
fast nur Besitzverlusten an walseeischen Gütern und Schuld-
^ Vgl. das Schreiben des Michel Oberheimer an Wol%ang von Walsee
1457 November 6, Wien; Eop. Linser Mosealarchiv.
* Vgl. A. Qnind, Die YeriLndemngen der Topographie im Wienerwalde,
Leipzig 1901.
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465
briefen in schwerer Menge. Dabei klagen die Untertanen über
neue Steuern; da und dort werden Maß und Qewicht der Ab-
gaben von der Herrschaft erhöht.
Für eine Schuld von 2200 Gulden,* von denen die Brüder
von Wabee dem K. Ladislaus 2000 Gulden zur Bezahlung
Heinrichs von Bosenberg geliehen hatten, schlug der Landes-
herr 1456 Dezember 23* diese Summe Wolfgang V. von Wal-
see auf die Feste zu Freistadt. Dafür mußten die beiden
Walseer die ihnen von den Rosenbergern noch verpfändete Stadt
Rosenberg zu lösen geben; 1456 April 24' versprach ihnen
Ulrich von Rosenberg mit seinen Söhnen, die darauf noch aus-
ständigen Gülten und Zinse zu vergüten. Bereits im Jahre 1453^
hatten Wolfgang V. und sein Bruder \\2& 1 ß 22^ jährlicher
Gülten auf dem Amte, ,das der Grabner innehat^, an Benedikt
den Schifer verkauft. Im folgenden Jahre ^ verschrieb Wolf-
gang V. seinem Pfleger auf Hoheneck, Ruger ob dem Berge,
die Herrschaft; Viehofen auf dessen Lebenszeit nach Wolfgangs
Tode. In der Steiermark wurde den Brüdern zuerst 1456*
das Dorf Wilhelmsdorf abgesprochen und bald darauf sprach
das Urteil von 1456 Juli 22^ Leuthold und Hans von Stuben-
berg auch die Festen Gleichenberg, Riegersburg und Eibiswald
zu, die sie von Wolfgang V. pfandweise innehatten. Der wal-
seeische Besitz in Steiermark war damit vorderhand zur Hälfte
verloren!
Bei der Gütergemeinschaft der beiden Brüder befand sich
indes der jüngere, Reinprecht V., in offenbarem Nachteile gegen-
über Wolfgang V., der verschwenderisch verausgabte, was einst
fleißigere Hände zusammengetragen. Wolfgang V. konnte leicht
als der ältere der Brüder mit den Amtleuten und Pflegern vor-
zeitig abrechnen und zog damit den Ertrag vieler Herrschaften
für sich ein; namhafte Summen aus seinen großen Ausgaben
wies er kurzerhand denselben Beamten zur Bezahlung [an —
meist ohne Vorwissen seines weit sparsamer veranlagten Bruders.
Begreiflich, wenn es darüber zu Weiterungen kam; und so
1 Vgl. den Revers von 1455 Juli 30; Orig. HHStA.
• Orig. HHStA. » Orig. StAEferding.
« Uric 1458 April 28; ebenda.
» Schweickhardt, a. a. O. VOWW. VI, 200.
« Urk. 1456 Mai 3; NB. X, 378. ' Ebenda.
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466
nahmen die Brüder 1456 August 20^ eine Teilung ihrer Gftter
vor, die uns noch einmal so recht den ganzen Glans und Reich-
tum ihres Hauses vor Äugen fUhrt.
Damach fielen an Wolfgang V. von Walsee:
Die Herrschaften Scharnstein, Pernstein, Ober-Wal-
secy Aspern, Egenberg, Hoheneck, Enzesfeld, Seusen-
eck, Gleuß, Eornspach, Wocking und Wildenstein (wohl
jenes bei Ischl*); die Ämter Geboltzkirchen, Altenhofen,
Opponitz (bei Waidhofen an der Ips), Wieselburg, Sinibel-
kirchen, Zum Stain, Regerisch Aigen,^ Stronsdorf,
das Eigen Rossatz, vier Weingärten, je zwei Häuser zu Wien
(in der Walichstraße und zwischen der Pfannbei^r Häuser)
und St. Polten, das Euenringerhaus zu Ens, zwei Häuser zu
Linz und verschiedene kleinere Besitzungen.
Reinprecht V. von Walsee erhielt:
Die Schlösser Rutenstein, Burgstall, Senftenberg,
Guntersdorf, Windeck, Wittinghausen, Rauheneck und
Ort, das Amt im Klaffe r,^ die Märkte Weißen bach und
Eönigswiesen, das E^gen Zebing (am unteren Kamp), die
Amter Freideck (bei Blindenmarkt), Frankenfels (an der
Pielach) und Wartenstein, zu Oberndorf im Erlach, in der
Rogatsch, ein Drittel am Weißenberg, zu Wies, im Enzes-
bach, zu Ens und Matzleinsdorf,^ Bergrechte und Zehente
zu Klosterneuburg und Kritzendorf,* die Rechtlehen von Peter
des Anhangers Gütern, den Markt Neumarkt, die Vogteien
zu Tratteneck und Lambach, genannte Weingärten, zwei
Häuser zu Wien, je eines zu Wels, Ekis und im Ekisdorf, schließ-
lich das Raminghaus und den Grashof zu Linz.
Die Stadt St. Polten blieb Wolfgang V. ab dem älteren
Bruder Untertan» ihre Einkünfke wurden geteilt; die Stadt
Freistadt blieb gemeinsam, so auch Schranawand und
Tratteneck, der neue (Getreide-) Kasten beim Bttchsenhause
zu Linz und das Landgericht auf dem Moos (Schlierbach).
» Orig. HHStA.
' Diese Pflegschaft war stets mit dem Salsamte zu Gmunden yerbondeii,
die seit 1435 walseeisoher Sats war; vgL S. 447.
» = Rebgauisch Eigen; Regau bei Vöcklabmck. Vgl. JBMFC. XXVn, 110.
^ Bei Haslach; darüber Stmadt, Das Land nördlich der Donan. AÖQ.
XCIV, 220—221; vgl. S. 494.
'^ Matzelsdorf bei Sierning. ^ Bei Klostemenburg.
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467
Die rittermäßigen Lehen sollte Wolfgang V. als der ältere für
beide Teile nehmen^ Kirchen- und Beatellehen jeder selbst ver-
leihen.
Die Pfandschafken sowie sämtliche Güter in der Steier-
mark und im Süden blieben vorläufig gemeinschaftlich und
wurden von der Teilung nicht berührt.
Bereits 1456 August 23* verpfändete der geldbedürftige
Wolfgang V. seinem Bruder die Amter Altenhofen und Si-
nibelkirchen für 2500^^ schwarzer Münze, ein deutlicher
Beweis, daß Reinprecht V. bisher bei der Gütergemeinschaft
finanziell benachteiligt gewesen war.
Immerhin zeigt uns diese Übersicht des walseeischen Be-
sitzes noch einen immensen Güterreichtum. Die zahlreichen
Pfandschaften und so manches andere waren ja freilich ab-
handen gekommen; aber der stattliche Rest, dem bei der ganz
willkürlichen Zersplitterung durch die Teilung eine geordnete
Verwaltung umsomehr nottat, ließ sich vom Hause Walsee
immer noch in einer Weise znr Geltung bringen, welche ihm
die alte Bedeutung durchaus sicherte.
2. Die W&lseer als Gegner K. Friedrichs unter Erzherzog
Albreoht VI.
Die wechselvollen Ereignisse, welche dem Tode K. Ladis-
laus' folgten, gaben dem reichbegabten Wolfgang V. fortgesetzt
Gelegenheit, an der Spitze des österreichischen Hochadels eine
wichtige Rolle zu spielen; sein jüngerer Bruder Reinprecht V.
tritt neben ihm in den Hintergrund.
Wie vorauszusehen, ließen sich die österreichischen Stände
die Gelegenheit nicht entgehen, bei der Entscheidung der Frage
über E. Ladislaus' Erbe ein gewichtiges Wort mitzusprechen.
In Oberösterreich, wo Wolfgang V. als Hauptmann gebot,
traten die vier Stände des Landes schon 1457 Dezember 4*
in Linz zusammen. Sie kamen überein, bis zur Regelung der
Erbfolgefrage den Landfrieden zu halten, und überwiesen die
Verwesung der Landschaft Wolfgang als Hauptmann mit je
zwei Mitgliedern der vier Stände. In ihrem Auftrag ritt der-
» NB. n, 327.
• Vgl. Zeißberg, AÖG. LVIU, 67 flf.
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468
selbe SU den niederösterreichischeD Ständen nach Wien und
teilte diesen den Beschluß der Oberösterreicher mit
Hatten so die Stände Oberösterreichs unter der Führung
Wolfgangs die Initiative ergriffen^ so war in Niederösterreich
die Hauptstadt umsomehr bedacht^ sich ihre Neutralität zu
wahren, als Erzherzog Albrecht selbst in ihren Mauern weilte.
Andererseits suchte letzterer bereits für sich Stimmung zu
machen. Die niederösterreichischen Stände traten mit den
Wienern in Verbindung; sie beschlossen auf einer Versammlung
zu Ebersdorf/ einen Landtag nach Wien einzuberufen, ver-
mochten aber mit den Wienern darüber nicht eins zu werden.
In Wien fand 1457 Dezember 23 eine Zusammenkunft ober-
und niederösterreichischer Stände statt, auf welcher auch der
Walseer erschien. Man vereinbarte die Einsetzung von vier
Verwesern: Graf Michael von Maid bürg, Oraf Bernhard von
Schaunberg, Wolfgang von Walsee und Ulrich Eizinger, die
das Land bis zum Zusammentritte des Landtages verwalten
sollten, der bereits in ihrem Namen auf St Agnesentag' aus-
geschrieben wurde.
Dieser Landtag blieb indes fast ohne Ergebnis. Erzherzog
Albrecht trat daselbst persönlich für seine und seines Vetters
Siegmund Ansprüche ein, den Kaiser vertraten mehrere Räte;
auch Botschaften Oeorgs von Podiebrad aus Böhmen sowie des
Herzogs Wilhelm von Sachsen trafen ein.'
Wolfgang von Walsee und seine drei Mitverweser legten
1458 Januar 22 ihr Amt in die Hände der Stände zurttck, die
nun einen 32gliedrigen Ausschuß wählten, dem überdies die
früheren vier Verweser beigegeben wurden. Eine Schlichtung
der Erbfolgefrage ließ sich auf dem Landtage nicht erzielen,
solange die Habsburger uneins blieben, und die neutralen Stände
übertrugen daher den Verwesern die Regierung des Landes
neuerdings bis auf weiteres.^ Nachträglich sprach sich der
*■ Vor Dezember 11; in Abwesenheit des Walseers; Tgl. diu Kopeybuch der
Stadt Wien, FRA., 2. Abt, VII, 18.
> 1458 Januar 21; vgl. FRA., 2. Abt., Vn, 48 und Anon. Chron. Anstr., Sen-
kenberg, Sei. iuris V, 51.
* Chmel, MateriaUen rar Gesch. Friedrichs IV., Bd. II, 144 ff.; Zeißbeig, AÖG.
LVm, 87 ff.
* Anon. Chron. Anstr., a. a. O. 51 ; Zeißberg, a. a. O. 96.
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469
Kaiser in mehreren Schreiben' an die Verweser, die Stände
und den Wiener Rat gegen die weitere Verwesung des Landes
aus und lud dieselben behufs friedlicher Austragung gleich
Erzherzog Albrecht zu sich nach Wiener-Neustadt. Die Ver-
weser sowie acht ständische Mitglieder verfügten sich auch
dahin, doch zerschlugen sich die Verhandlungen infolge der ab-
lehnenden Haltung Erzherzog Albrechts. Ein Schreiben des
Kaisers (1. März) an die Verweser, die Stände und den Rat
zu Wien kündigte neuerdings seine beyorstehende Ankunft da-
selbst an.
Am Tage der Beantwortung dieses Schreibens (März 5)
ließ Erzherzog Albrecht den Verweser Ulrich Elizinger gefangen
setzen.* Darüber aufs höchste bestürzt, versammelten sich die
übrigen Verweser sowie die Wiener Stadtgemeinde und ver-
wendeten sich für ihn, kaiserliche Schreiben forderten seine
EVeilassung, ebenso Georg von Podiebrad. Erzherzog Albrecht
aber war umso weniger gewillt, Eizinger seiner Haft zu ledigen^
als er wohl wußte, wie viele schadenfrohe Feinde derselbe
unter dem Adel hatte. Durch Werbungen gegen den Banden-
fbhrer Ladwenko hielt er sich auch den Kaiser von Wien
ferne; Ladwenkos Macht auf dem Marchfelde wurde Ende
März gebrochen. Die Kriegswirren zwischen Erzherzog Albrecht
und König Georg von Böhmen, durch Eizingers Gefangen-
haltung veranlaßt, drohten auch auf das Land ob der Ens
überzugreifen. Reinprecht V. von Walsee ließ schon 1458
März 8' den einem Einfalle zunächst ausgesetzten Freistädtem
eine Mahnung zur Wachsamkeit zukommen, die Wolfgang V.
im Schreiben von 1458 Juli 8* an seinen Pfleger zu Freistadt,
Jörg Marschalk, wiederholte.
Nachdem sich vorerst die Erzherzoge Albrecht und Sieg-
mund verständigt hatten, einigten sich schließlich die beiden
Erzherzoge, die Verweser samt den Ständen und der Kaiser
zu Wien auf dem Florianilandtage (1458 Juni 27)^ über die
Erbschaftsfrage. Damach fiel Osterreich ob der Ens dem Erz-
herzog Albrecht, Niederösterreich dem Kaiser zu; Wien blieb
gemeinsam.
^ Kopeybnch, FRA., 2. Abt., VII, 80, 88.
• Vgl. ebenda 98—107. » AÖG. XXXI, 337.
^ Vgl. Chmel, Materialien zur Gesoh. Friedrichs IV., Bd. II, 174.
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470
Wie vorauszusehen, wandten sich die beiden Walseer so-
gleich dem Erzherzog Älbrecht zu^ hatte doch Wolfgang V.
die Hauptmannschafl; ob der Ens inne. Wie hätte überdies
die rasche, energische Art dieses Mannes an dem saumseligen,
kargenden Gehaben des Kaisers Gefallen finden können! Da
mußte sich Wolfgang weit eher Yom Erzherzog angezogen
fühlen, mit dem er so manche Schwäche, Yor allem die Nei-
gung zur Verschwendung, gemein hatte. Erzherzog Albrecht
wußte ihn denn auch als eine geeignete Persönlichkeit für seine
weiteren Pläne wohl zu schätzen; im September 1458^ war
Wolfgang bereits des Herzogs Hofmeister.
Auch diesmal fand der heftige Gegensatz, in welchem sich
die beiden Walseer als hervorragende Anhänger Albrechts VI.
zum Kaiser befanden, seinen Widerhall auf den innerösterrei-
chischen Gütern derselben. Dürfen wir nach dem Vorgange
von 1452 schon in dem starken Wechsel der walseeischen
Pfleger in der Steiermark um 1458 eine Folge dieser Verstim-
mung erblicken, so gingen die Wogen der Erregung im Süden
weit höher. Der walseeische Hauptmann zu Tibein und auf
dem Karst Niklas Lueger erstattete seinen beiden Herren einen
ausführlichen Bericht* über diese in den Sommer 1458 fallen-
den Vorgänge.
Wie gewöhnlich auf diesem Boden begann der Handel
mit einem Viehraube. Der kaiserlich gesinnte Adelige Jörg
Moshaimer griff mit 74 Leuten 1500 Stück Vieh walseeischer
Untertanen von Kestau (Castua) an, die bei Guteneck ^ lagerten,
und trieb sie weg in den Wald. Ihm nach eilten Andre Lueger
von St. Veit (Fiume), Heinrich Obernburger — walseeische
Dienstleute — die walseeischen Untertanen von Kestau und
50 Bauern von Guteneck, schlugen sie im Walde mit bedeu-
tenden Verlusten und nahmen ihnen ihre Beute wieder ab.
Auf diese Nachricht sammelte sich Niklas Lueger am nächsten
Tage ,mit der ganzen Landschaft' — dem Aufgebote des ganzen
Tibeiner Gebietes — bei Guteneck. Dann zogen sie durch des
Grafen Stephan von Krabatien (Frangipani?) Herrschaft auf
des Jörg Mosheimer Dörfer bei Grafenwört und lagerten sich
vor diesem Schlosse. Da der Mosheimer eine Belagerung des-
* Vgl. die Oenealogie.
' 1458 September 3, Schloß Lueg; Kop. Linzer MosealarchiT.
' In der Nähe des Ursprunges der Beka.
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471
selben befürchtete, übergab er es dem Grafen Stephan. In-
folgedessen brach Laeger von hier am nächsten Tage anf, zog
durch die ,Kotczey', die Reiffiiitz und des Kaisers Herrschaft
und kam glücklich mit seiner Beate zurück. Obwohl er den
Auersperger zum Mitzuge nicht aufforderte, war derselbe doch
zu Diensten willig.
Andererseits griff der walseeische Pfleger Heinrich Geuman
— ein Oberösterreicher — vom Schlosse Gardassel (Gherdo-
selo) aus des Kaisers Untertanen in der Grafschaft Mitterburg
mit Raub und Plünderung an und versah sein Schloß reichlich
aus den Dörfern auf dem Karst und von Sovignacco, bevor er
es einem Grafen Yben (Frangipani?) übergab.
So vergalten die walseeischen Dienstleute sogar reichlich
alle Unbill^ die ihnen von der Gegenseite widerfahren war;
freilich litten darunter Wohlstand und Sicherheit im Lande!
Von besonderer Wichtigkeit waren die großen Geld-
geschäfte, die Wolfgang von Walsee mit Erzherzog Albrecht
zu erledigen hatte. Nachdem er zuerst fUr bedeutende Sum-
men^ des Erzherzogs Bürge geworden war, wurde auch die
BVage der noch von K. Ladislaus her an den Walseer rück-
ständigen hohen Summen geregelt, die Wolfgang, wohl zu hoch,
niit 60.000 Gulden bezifferte.* Erzherzog Albrecht nahm davon
ein Drittel auf sich und verschrieb dafür Wolfgang das Schloß
zu Linz samt dem Meierhofe. Dieses trat Wolfgang indes
wieder an Albrecht ab und erhielt dafür 1460 März 13* zu
seiner Burghut von 600Äf/Ä weitere 600^^ jährlich auf der
Maut zu Linz, die Pflege zu Freistadt und das Hof haus in
der Stadt Linz verschrieben. Der Walseer quittierte März 23*
über die ganze Forderung dem Erzherzog, der ihm am gleichen
Tage einen Gnadenbrief in schmeichelhaften Ausdrücken er-
teilte.* In den nächsten Monaten aber erscheint Wolfgang als
des Erzherzogs Schuldner, ohne daß wir näheres über den
Hergang erfahren. Bereits 1460 Mai 22* verschrieb er dem
Erzherzog für schuldige 32.000 Gulden, fällig auf Bartlmäi
(August 24), im Falle seines vorzeitigen Ablebens alle seine
^ Vgl. dazu auch da« Schreiben Wolfgangs von WaLsee an Wolfgang Ton
Rnkhendorf 1458 November 27; Kop. Linzer Mosealarchiv.
» Urk. 1469 Mai 22; LB. VH, r. 211. » FEA., 2. Abt, U, 160.
« Chmel, MateriaUen z. Gesch. Friedrichs IV., Bd. II, 203.
<^ Ebenda 207.
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472
Herrschaften^ mit Ausnahme eines Legates von 10.000 Gnlden
für das Leibgedinge seiner Witwe.
Sicher ist, daß dadurch den Plänen Erzherzog Albrechts
auf Niederösterreich Vorschub geleistet wurde — Absichten,
mit denen Wolfgang von Walsee zweifellos yertraut war;
wurde doch im März 1460* einer der Landtage, auf wel-
chen sich die Niederösterreicher in Klagen und Beschwerden
ergingen, in dem walseeischen Ountersdorf abgehalten. Der
Adel Österreichs, voran die Eizingerische Partei, wurde immer
schwieriger g^gen den Elaiser und suchte bei Erzherzog Al-
brecht Anlehnung. Bandenflihrer und Söldnerhauptleute wie
der berüchtigte Fronauer verwüsteten das Land, dessen Finanz-
und Geldverhältnisse sich in trostlosem Zustande befanden.
Alle diese Verhältnisse nahm EIrzherzog Albrecht zu seinem
Vorteile wahr und stellte seine Sache durch ein weitausgrei-
fendes Werben von Bundesgenossen sicher.' Zunächst hatte
er sich in Oberösterreich durch den Anschluß an die Witteis-
bacher gedeckt und indem er das alte Bündnis mit Passau
1459 Januar 21^ zu Linz in Gegenwart beider Brüder von
Walsee erneuerte, mit welchen Bischof Ulrich auch fernerhin
enge Beziehungen unterhielt.^ Seinen Vetter Erzherzog Sigis-
mund gewann er sich völlig und setzte ihn zu seinem Erben
ein. Derselbe trat 1461 April 9* seine Rechte auf Oberöster-
reich an Albrecht ab, wogegen sich dieser unter Bürgschaft
Graf Bernhards von Schaunberg, der beiden Walseer und zweier
weiterer Bürgen verpflichtete, Siegmund imd dessen Ekben
jährlich als sein Drittel des Ertrages 3000 Gulden zu zahlen.
Als sich dieser Kreis von Bundesgenossen immer mehr
geschlossen hatte, sammelte Erzherzog Albrecht endlich seine
Truppen und sagte dem kaiserlichen Bruder ab (1461 Juni 19);'
seinem Beispiele folgten mit Hunderten aus dem österreichi-
schen Adel auch Wolfgang und Reinprecht von Wabee, welch
letzterem Erzherzog Albrecht Juni 22 einen Schadlosbrief fbr
^ Vgl. die Teilnngsarkunde 1456 August 20; nur Wildenstein wird jetst
nicht mehr genannt
* Cbmel, Materialien z. Gesch. Friedrichs lY., Bd. 11, 293.
' Vgl. Bachmann, Dentsohe Beichsgeschichte I, 68.
* MonnmenU Boica XXXI*, 465.
^ Vgl. das Beglanbignngsschreiben 1459 MSrz 19; Orig. OberOsterr. Landet-
archir.
* Orig. HHStA. ' Bachmann, a. a. O. I, 70—72.
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473
den bevorstehenden Feldzag erteilte.^ Rasch rückte Erzherzog
Albrecht in Niederösterreich vor; Wien wurde durch das diplo-
matische Einschreiten K. Georgs von Böhmen dem Kaiser er-
halten; der Laxenburger Vertrag (1461 September 6) schuf
vorläufig Ruhe. Schon vorher waren die Feindseligkeiten an
der oberösterreichisch-steirischen Grenze auf ein eigenes Ab-
kommen* der Landleute (des Adels) hin eingestellt worden.
Erzherzog Albrecht behielt seine Erwerbungen auf niederöster-
reichischem Boden;' so gab er davon 1461 Oktober 13 das
Ungeld zu Ips an Wolfgang von Walsee auf zwei Jahre fUr
jährliche 700 «f^ in Bestand.*
Diese Rriegszeiten verursachten auch dem Adel große
Kosten, umso gelegener mochte es daher den beiden Wal-
seern kommen^ daß die Rosenberger nun ihre seit der Hussiten-
zeit verpfändeten Kleinode 1460^ sowie die des Klosters Wit-
tingau von ihnen 1461^ auslösten. Bereits 1459 war Wolfgang
von Walsee wegen verbriefter Schulden mit Siegmund von
Eizinger in Streit geraten.^ Als sich nun 1462 abermals Diffe-
renzen zwischen Reinprecht von Walsee und Stephan Eizinger
ergaben, beschied K. Georg von Böhmen beide Teile nach
Budweis zu sich und nahm den Ausgleich in seine Hand^® zu-
mal es damals seinem Interesse entsprach, eine immerhin mög-
liche Spaltung unter dem Adel, soweit er dem Erzherzog Al-
brecht ergeben war, zu verhindern.
In tiefer Not und Trübsal trat Osterreich in das Jahr
1462 ein; das Land litt umsomehr, als es zu keiner Entschei-
dung kam. Bei dem wüsten Durcheinander, das insbesondere
die unentlohnten kaiserlichen Söldner im VOWW. verursachten,
leistete Wolfgang von Walsee durch weitere Rüstungen^ den
» FRA., 2. Abt., n, 110.
* Vgl. das Schreiben des Ulrich Vetsinger, Wo%aiig Stainacher und Wolf-
gang Pnetinger an Wolfgang yon Walsee 1461 August 7, Spital a. Pjhm;
Kop. Linzer Musealarchiv.
» Vgl. Kurz, Österreich unter Friedrich IV., Bd. II, 28.
* LB. Vn, r. 605. » ürk. 1460 September 16; NB. H, 837.
« Urk. 1461 November 26-, Archir öesky Vm, 238.
* Vgl. das Urteil des Landmarschalls Grafen Bernhard von Schaunberg
1459 Mai 4; Denkschr. d. Wiener Akad. d. Wissensch. XII, 333.
* Urk. 1462 Februar 2; Archiv «esky XIV, 107.
' Vgl. die Quittung des Harnischmeisters Peter Küssing 1462 April 4, Wels;
Kop. Linzer Musealarchiv.
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474
Erzherzoglichen alle Hilfe. Für seinen Anteil an St. Polten,
dessen Umgebang von den Söldnerrotten forchtbar verheert
wurde, erhielt er 1462 März 26^ von Erzherzog Albrecht einen
Schadlosbrief.
unter diesen Verhältnissen wurde schließlich auch die
Treue der Wiener zum Kaiser wankend. Als der ehrgeizige
Wolfgang Holzer mit seinen Genossen in den Augusttagen 1462
ans Buder gelangte, genügten wenige Tage, um die Stadt in
hellen Aufstand gegen den Kaiser zu versetzen, der aus Qraz
August 25 in Wien eingetroffen war. K. Friedrich wurde in
der Wiener Burg belagert, die man auf das heftigste beschoß.
Alsbald langte auch Erzherzog Albrecht mit Heeresmacht an,
zahlreiche Absagebriefe ergingen an den bedrängten Kaiser,*
so 1462 November 10 jener Reinprechts von Walsee und 42
seiner Diener, darunter zahlreiche böhmische Söldnerhauptleute,
die an der Belagerung teilnahmen. Bereits 1462 November 5
verbündete sich Erzherzog Albrecht offen mit den Ständen
Niederösterreichs.' Da nahte im letzten Augenblick, als die
Wiener Burg zum äußersten gebracht war, Hilfe von den
Innerösterreichern, kaiserlichen Söldnerftahrem und vor allem
von K. Georg von Böhmen.
Der Friede von 1462 Dezember 2, der darauf zwischen
dem Kaiser und dessen Bruder zustande kam, brachte letzterem
die Verwaltung Niederösterreichs gegen jährliche 40.000 Gold-
gulden auf acht Jahre. Das Land kam damit noch nicht zur
Ruhe. Die Wiener sahen sich in ihrem neuen Herrn enttäuscht,
der Holzer für ihren Elrhebungsversuch mit dem Leben büßen
ließ; auch manche vom Adel begannen sich dem Kaiser wieder
fcu nähern. Da gebot der Tod dem verheerenden Kampfe Ein-
halt, indem er Erzherzog Albrecht VI. 1463 Dezember 2 un-
vermutet dahinraffte.
Durch sein Ableben waren die Walseer vor eine wichtige
Entscheidung gestellt: sollten sie, den eingegangenen Verpflich-
tungen gemäß, an Erzherzog Sigismund festhalten oder sich
dem Kaiser zuwenden, der alsbald gleichfalb Ansprüche an das
Erbe Albrechts erhob?
» FRA., 2. Abt., U, 119. « Chmel, Eeg. Fridr. IV., Bd. U, r. 3949.
' Vgl. M. Beheim, Das Bach von den Wieneni, beraasg. y. Karajan, 173;
Gerbard van Roo, Ann. 269.
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475
Infolge des zwischen dem Verstorbenen und Ek'zherzog
Siegmund abgeschlossenen Vertrages hatte Wolfgang V. 1462
März 16^ dem letzteren gelobt; ihm mit der Hanptmannschaft
ob der Ens und dem Schlosse zu Linz gewärtig zu sein, falls
Erzherzog Albrecht mit Tod abginge.
Auf die Nachricht vom Tode des Landesherrn hin schrieb
Wolfgang sofort als Landeshauptmann ob der Ens einen Land-
tag auf 1463 Dezember 15* nach Linz aus. Dort zeigte sich
die Stimmung fUr den Kaiser günstig; der Abgesandte des-
selben, Georg von Volkenstorf, vertrat seine Sache mit Erfolg
gegen Hilbrand Rasp, den Boten Erzherzog Siegmunds. Die
Stände wollten von einer Verschreibung des Landes an Sieg-
mund nichts hören; als Wolfgang von Walsee erklärte,' er
werde sich für das Schloß zu Linz daran halten, wurde ihm
mit der Amtsentsetzung gedroht. Schließlich einigte man sich
dahin, 1464 Januar 2 einen zweiten Landtag abzuhalten.
Nun fand es Wolfgang von Walsee geraten, sich immer
mehr zum Kaiser hinzuneigen; nur wenige Pfandinhaber, wie
Jörg von Stein, Wilhelm von Tiernstein und Ortolf Geuman,
hielten es noch mit Erzherzog Siegmund — aus leichtbegreif-
lichen Gründen. Zudem war es für den schwachen Siegmund
überhaupt schwer möglich, das Land ob der Ens von dem
fernen Tirol aus zu halten. Wenn Wolfgang dem Kaiser noch
weiter entgegenarbeitete, so schien es undenkbar, je wieder
dessen Gunst zu erringen, die er sich durch die Geschehnisse
der letzten Jahre verscherzt hatte. Vom Standpunkt des wal-
seeischen Familieninteresses mußte dieselbe wegen der Güter
in Niederösterreich, in der Steiermark und im Süden noch
immer von großem Wert erscheinen, während Erzherzog Sieg-
mund ähnliche Vorteile nicht bieten konnte.
So war Wolfgang wohl von vornherein geneigt, sich dem
Kaiser wieder zu nähern, und wollte sich nur so teuer als mög-
lich erkaufen lassen. Und wirklich, wie die Gesandten Erz-
herzog Siegmunds um ihn als die maßgebende Persönlichkeit
geworben hatten,* so trat jetzt nach dem Landtage vonseiten
des Kaisers Mathis von Spaur mit so großen Versprechungen
* LB. VII, r. 644. * Bacbmann, Deutsche Reichsgesch. I, 609.
3 Vgl. den Bericht 1463 Dezember; FRA., 2. Abt., 11, 310.
« Vgl. den Bericht 1463 Dezember; NB. VI, 201.
ArehiT. XCV. Band. II. H&lfke. 32
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476
und Anerbieten an ihn heran, ^ daß es sich wohl lohnte, darauf
einzugehen.
Der Landtag von 1464 Januar 2 war daher fast einmütig
für den Kaiser gesinnt und sprach dessen Anerkennung als
Landesherrn aus; Wolfgang von Walsee wies Januar 7 Ge-
sandte, die abermals eine Werbung K. Siegmunds anbringen
wollten, schon unter Vorwänden an, ihr Anliegen schriftlich
einzusenden, was einer Abweisung gleichkam. Versuche der
tirolisch gesinnten Partei, vorab Jörgs von Stein, sich in Ober-
österreich zu regen, wurden rasch vereitelt. Der Wiener-Neu-
städter Vertrag (1464 März 5) einte überdies auch beide Habs-
burger.
Wolfgang von Walsee behielt die Hauptmannschaft ob
der £n s und erlangte für seine Parteinahme zugunsten Erzherzog
Albrechts die Verzeihung des Kaisers, der ihm fortab ein gnä-
diger Landesherr blieb. In Osterreich wurde es nun allgemach
wieder ruhig; ein Streit, den Zdenko von Stemberg wegen
rückständiger Soldforderungen gegen den Kaiser verursachte,
machte freilich nochmals kriegerische Rüstungen notwendig.
Wolfgang von Walsee bot dazu den obderensischen Zuzug
auf,* bis die Sache schließlich durch K. Q^org von Böhmen
beigelegt wurde. Der Friede tat Wolfgang aber auch dringend
not; die Ereignisse der letzten Jahre hatten ihn finanziell aufs
äußerste erschöpft. Während er 1455* noch den reichen Herrn
spielen konnte und das Kloster Sensenstein freigebig mit einem
wertvollen Meßornamente beschenkte, mußte er jetzt die Kost-
barkeiten seines Hausschatzes als Fürpfand geben, um bei den
unsicheren Zeiten auch nur bescheidene Summen, so 1464 ganze
150 Gulden, von Jörg von Stein geliehen zu erhalten;* so rasch
hatte sich seine Lage geändert.
Gegen Ips, wo sich nochmals Rotten böhmischer ,Brüder'
festgesetzt hatten, zogen auf Wolfgangs Geheiß abermals die
Freistädter unter Jörg von Stein und Jörg Seusenecker aus,^
^ Vgl. den Bericht U63 Deiember; NB. VI, 202.
* Vgl. das Schreiben an den FreistSdter 1464 Oktober 13; Kop. Linser
MusealarchiT.
' Vgl. Bl&tter des Vereines für Landeskunde von NiederOsterreich X, 162.
* Urk. 1464 Angust 17; Orig. im Privatbesitz.
'^ Vgl. den Bericht 1465 Juli 25; Kop. Linzer Mnsealarchiy.
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477
worauf das Städtchen durch Wolfgang von Walsee und Grafen
Siegmund von Schaunberg im Juli 146Ö genommen wurde. *
Mit Erzherzog Siegmund^ für den Wolfgang von Walsee
und Jörg von Stein eine Bürgschaft gegen Pilgram von Hödorf
übernommen hatten^ von der er sie trotz wiederholter Bitten
nicht löste, gerieten beide Bürgen in eine Auseinandersetzung,*
die schließlich vor dem kaiserlichen Kammergerichte ausge-
tragen wurde.
Da riefen die Verhältnisse Wolfgang V. nach dem Süden.
Dort waren zwar die alten Streitigkeiten mit dem Triester
Domkapitel wegen der Pfarrbesetzungen endlich beigelegt
worden;' dafür gaben die VorflÜle in dem unruhigen Triest,
das in einen Kampf mit Venedig verwickelt wurde, zu ernsten
Besorgnissen Anlaß. Um sich die Stadt besser zu sichern,
wünschte K. Friedrich ihr Hinterland — also das tibeinische
Erbe — in seine eigene Verwaltung zu bringen. Auf sein Be-
treiben vermachte ihm Wolfgang von Walsee 1465 Septem-
ber 1* für den Fall seines Ablebens den in der Teilung von
1464 ihm zugefallenen Besitz, Fiume und die Herrschaften am
Quarnero; von dem wichtigeren Duino dagegen wollte der
ssähere Reinprecht V. nicht lassen. Als nun 1466 in Triest
abermals der Bürgerkrieg zwischen der habsburgisch und
der venezianisch gesinnten Partei ausbrach, unter dem auch die
benachbarten walseeischen Herrschaften litten, eilte Wolfgang V.
von Walsee im Spätsommer 1466 nach dem Süden. Dort ist
er 1466 Oktober 4^ als kinderloser Witwer gestorben. Jahr-
tagstiftungen im Augustinerkloster zu Fiume,* wo er mutmaß-
lich begraben liegt, sowie zu Sensenstein und Lambach wahrten
sein Andenken.
^ Die in den Soldqoittangen 1465 April 4, Juli 15 and 21 erwähnten
Söldner, welche zu Barg^Uil gemustert wurden, sind wohl auch gegen
Ips verwendet worden; Kop. Linzer Musealarchiv.
* Vgl. das Schreiben 1464 Juli 17, 1465 Dezember 22, 1466 Januar 21;
PRA., 2. A., n, 191, 199—201.
3 Urk. 1464 Juli 21; Cod. dipl. Istriano IV; vgl. Hortis, Documenti LXVIII
bis LXX und Pichler, a. a. O. 259.^
* HHStA., Kod. 17, f. 105.
^ Vgl. die Genealogie und das Schreiben K. Friedrichs an JOrg Kainer
1466 November 6; Chmel, Beg. Frid., r. 4728.
* Vgl. Urk. 1566 Januar 20, Graz, Beiträge zur Kunde steierm. Geschichts-
quellen XXXn, 111 und Pichler, a. a. O. 265.
32*
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478
Seine Gattin Veronika, deren Vater Graf Alram von Or-
tenbarg dem Ehepaare 1460 Janoar 10^ ein bedeutendes &be
testiert hatte, war ihm 1460 — 1461 bereits im Tode vorangegangen.
Nnn war Reinprecbt V. der einzige tiberlebende Walseer;
er sollte auch der letzte sein.
Immer mehr waren daneben die wirtschaiUichen Verhält-
nisse auch bei den Walseem in den allgemeinen Niedergang
hineingeraten, der in Osterreich während dieser Jahrzehnte
allenthalben bemerkbar ist. Fortwährend begegnen wir zahl-
reichen Verpfandungen und Veräußerungen, denen auch nicht
der mindeste Ersatz gegenüberstand. Die einstige wirtschaft-
liche Blute war trotz allen Reichtums unwiederbringlich dahin,
das Haus Walsee in jähem Niedergange. Dabei verteilten
sich die großen Verluste über den ganzen wabeeischen Besitz-
bereich. Zwar treffen sie in der Mehrzahl Wolfgang V., dessen
rege Beteiligung am politischen Leben nnd großer Aufwand
bedeutende Summen verschlangen, indes vermochte auch Rein-
precht V. seinen Besitz nicht zu erhalten.
In Oberösterreich allein war dieser Abgang schon bedeu-
tend genug. Von den Gütern nördlich der Donau versetzte
Wolfgang 1459* seinem Pfleger auf Ober- Wabee, Bartlmä Geu-
man, Urbar und Amt Freuden stein ^ um 432 tif^, sodann
noch Dezember 12^ gleichen Jahres seinem Bruder Rein-
precbt V. von Walsee die ganze Herrschaft Obe r- Walsee um
1460 Gulden ung., ebenso von Andre Stadler 1464^ fiir schul-
dige 200 & ^ die Fischwaide im Donaugange bei Ober- Walsee,
um schließlich 1465® die ganze Herrschaft samt dem Landge-
richte seinem Bruder gänzlich zu verkaufen. Etliche Güter
und einen Meierhof in der Umgebung des Schlosses Linz hat
Wolfgang teils 1459^ Erzherzog Albrecht abgetreten, teils 1465
an Reinprecht verkauft,® ebenso im Vorjahre das von den Wal-
seem gestiftete Spital zu Ottensheim^ an Ulrich aus dem jetzt
» Vgl. WSt. 603.
> Urk. 1469 Juli 3; Orig. OberOsterreichisches Landesarcbiy.
' Schloß Freudenstein scheiut damals bereits öde gewesen eu sein.
• NB. n, 329. » Urk. 1464 Wkn 6; Orig. HHStA.
• Urk. 1465 September 16; NB. n, 839.
^ Urk. 1459 Dezember 23; LB. VII, 2S9.
« Urk. 1465 Januar 18; NB. U, 338.
• Urk. 1464 Oktober 3; Orig. StAEferding; vgl. S. 329.
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479
mächtig emporstrebenden Hanse der Starhemberger. An der
böhmischen Grenze wurde 1464^ die Herrschaft Wittinghausen
durch Johann von Rosenberg von Reinprecht V. zurückgekauft.
Außerdem hatte letzterer schon im gleichen Jahre bestimmt,
daß nach seinem Tode, falls er kinderlos sterben würde, der
Markt Haslach den Rosenbergern zufallen solle.* Damit sie
noch früher in den Besitz des Ortes kämen, verpfändete Rein-
precht Haslach an Johann von Rosenberg schon im Jahre
darauf.
Ebenso erging es dem Besitz im Kremstale. Im Jahre
1460^ verschrieb Wolfgang von Walsee Schloß Pernstein dem
Konrad von Hurrenheim auf Lebenszeit und verkaufte dem-
selben 1461* auch mehrere Gülten in dieser Herrschaft. Dann
war er gleichfalls 1460^ gezwungen, an den erzherzoglichen
Hubmeister Ulrich Rehlinger für schuldige 900 Dukaten und
7028 Gulden auch die Herrschaft Scharnstein zu versetzen.
Mehrere Eigen in dieser Herrschaft wurden^ in den folgenden
Jahren veräußert, ebenso 1464 das nahe gelegene freieigene
Gut Adelhaming,^ zur Herrschaft Egenberg gehörig, an Ulrich
von Starhemberg, der auch 1464 — 1465® eine ganze Reihe von
Gütern in den Pfarren Pettenbach, Vorchdorf und Grünau,
Kirchheim und Laakirchen von dem Walseer ankaufte. Schloß
Egenberg versetzte derselbe 1464® flir geliehene 7000 Gulden
an Hans Kirchberger. Schließlich erwarb 1462^^ das Kloster
Lambach von Wolfgang von Walsee eine Schwaige bei Klaus
und das Stift Spital am Pyhm 1464^^ einen Teil des Land-
gerichtes auf dem Moos (Schlierbach) und zu Micheldorf.
Urbar und Amt Matzelsdorf (bei Sieming); welches den wal-
seeischen Streubesitz westlich von Steier umfaßte, wurde 1465^*
» WSt. 604. « JBMFC, XLIV, 42.
» Revers von 1460 Juni 27; LB. VII, r. 401.
* ürk. 1461 Mai 16; Orig. HHStA.
* Inventar, f. 22'.
« Urk. 1464 April 24; Kop. Linzer Mnsealarchiv; Urk. 1466 April 24;
HHStA.
' Bei Vorchdorf; Urk. 1464 Juli 24; Orig. StAEferding.
« Urkk. 1464 Januar 14, November 17, 1466 Januar 26, Juni 8; Orig.
StAEferding.
» Hoheneck, HI, 461. *® Urk. 1462 November 28; Orig. HHStA.
" Urk. 1464 Desember 13; Kop. Linzer Mnsealarchiv.
^s Urk. 1465 November 22; NB. II, 339.
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480
durch Wolfgang von Walsee um 400 Ä/Ä dem Wolfgang Hohen-
furter ebenfalls yerkauft^ desgleichen Schloß und Herrschaft
Tratteneck 1463* an Ortolf Oeumann.
Nicht geringer waren die Einbußen walseeischen Besitzes
auf dem Boden Niederösterreichs. Mehrere Herrschaften, die
hier von Wolfgang V. an Reinprecht V. übergingen, blieben
immerhin dem Hause erhalten. So hat Wolfgang 1459' seinem
Bmder die Herrschaft Seuseneck und um dieselbe Zeit' auch
die Herrschaft Gleuß mit dem Urbar, dem Amte Opponitz (bei
Waidhofen an der Ips) und den Zehent zu Winklern um
2000 AT versetzt und schließlich das Landgericht daselbst und
auf allen passauischen Besitzungen in der Herrschaft Seusen-
eck 1465^ verkauft. Die beiden benachbarten Amter Alten-
hofen und Sinibelkirchen gingen im gleichen Jahre ^ nach vor-
angegangener Verpfändung gänzlich von Wolfgang an Rein-
precht über. Die Feste Schranawand machte Wolfgang außer-
dem 1464^ seinem Bruder zum Geschenk. Ganz verloren da-
gegen waren Güter in der Herrschaft Seuseneck, die Wolfgang
1458^ an Konrad Schirmer verkaufte. Die Zehente in den
westlich davon gelegenen Orten Ensdorf, Piburg und Wim-
passing hat Reinprecht V. 1465^ um 500 ungarische Goldgulden
verkauft. Das in der Teilung von 1456 genannte Gut (Amt)
Stein wurde durch Wolfgang von Walsee an Wernhart Drugk-
setz von Grueb verpfändet und harrte 1460 • der Lösung; da
es außer Sicht kommt, ist es offenbar gleichfalls in fremde
Hände übergegangen. Auch war Wolfgang 1462^^ um 2öO€t^
Schuldner des Jörg Vischer an der Steten. Schloß Hohen-
eck, durch mehr als ein Jahrhundert walseeisch, hat Wolfgang
von Walsee 1464 Juli 4** an Matthäus von Spaur, einen der
* Vgl. Pühringer, Gesch. von OrieskircheD, 21.
* Inventar, f. 60.
» Vgl. Urk. 1459 Mai 27; Monumenta Boica XXXI«, 473.
« Urk. 1466 Oktober 14; ebenda 603.
» Urk. 1466 Oktober 27; NB. II, 239.
« Urk. 1464 Juni 9; ebenda 308.
* Urk. 1468 Oktober 27; PRA. LH, 604.
* Urk. 1466 Juni 22; Orig. StAEferding.
* Vgl. das Schreiben 1460 Februar 7; Kop. Linser Musealarchiv.
w Urk. 1462 Mirz 24; NB. II, 337.
*^ Orig. Oberösterreichisches Landesarchiv; vgl. dasn Adler, Zur Geech. des
adeligen Grundbesitzes in Österreich 166. Der Verkauf war eine Folge
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481
Getreuen K. Friedrichs, veräußert. In Wien überließen beide
Wabeer ihr großes, ehedem den Grafen von Montfort gehöriges
Haus am Eck bei der Burg 1460^ an E. Friedrich. Bei der
jetzt so günstigen Gelegenheit wurde auch die Stadt St. Polten
vom Bistum Passau zurlickerworben. Wolfgang V. verkaufte
1461 April 7« seine Hälfte der Stadt St. Polten an den Bischof
Ulrich von Passau um 7000 Gulden und seinem Beispiele ist
auch Reinprecht V. gefolgt, der dem Bischof 1465 April 21*
über die dritte Abschlagszahlung daran quittiert.
In der Steiermark gab es nicht minder Verluste über
Verluste altwalseeischen Besitzes. Zwar erscheinen die beiden
Brüder von Walsee wieder* im Besitze der den Stubenbergem
bereits zugesprochenen Herrschaft Riegersburg, deren Unter-
tanen 1459^ unter den Einfällen ungarischer Raubgesellen zu
leiden hatten. Auch die Herrschaft Gonobitz stand ihnen noch
zu, welche sie 1458^ dem Hauptmanne zu Triest Siegmund
von Spaur pflegweise auf zehn Jahre überließen. Dagegen
verkauften die beiden Walseer ihre Herrschaft Stattenberg
an Stephan Prueschenk,^ natürlich ohne von dem Rückkaufs-
rechte, das sie sich auf 16 Jahre hinaus gesichert hatten, Ge-
brauch machen zu können. Dann ging 1460® aus dem Erbe
der Pettauer die verfallende Feste Weinburg, ein altwalseei-
scher Besitz, an Niklas von Liechtenstein-Murau verloren, der
trotzdem 1466» abermals als Wolfgangs V. Gläubiger für 3000
Goldgulden erscheint. Die von den Stubenbergem gleichfalls
zurüokgelöste Herrschaft Eibiswald hat Reinprecht V. 1464
an K. Friedrich verkauft.*®
der Auflehnung des Walseera und seines Lehensmannes Jörg Sensen-
ecker gegen den Kaiser.
1 ürk. 1460 September 20; Chmel, Reg. Frid. IV., Bd. II, r. 3827 und 8949.
» Orig. HHStA. » Ebenda.
^ Offenbar hatten sie die Pfandsumme an die Stubenberger schließlich
doch erlegt.
» Vgl. die Urfehde 1469 Februar 11; NB. H, 329.
* Janisch, Topographisches Lexikon der Steiermark I, 360.
» Inventar, f. 69'.
« Vgl. die Belehnnng durch K. Friedrich 1460 Augast 10; AÖG. X, 237
und Urk. 1461 Oktober 13; Orig. im fürstl. Schwarzenbergschen Archiv
in Murau.
• Schuldbrief 1466 Mai 19; Walseer Lehenbuch; k. k. Archiv fttr Nieder-
Osterreich, Kod. 1656.
w 1464 Oktober 30; Inventar, f. 5'.
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482
Diesen Überaus großen Verlnsten an alten und ausgedehn-
ten Besitzungen steht dabei auch nicht der kleinste Neu-
er wer b gegenüber. Da Wolfgang V. überdies 1465 September 1 *
dem K. Friedrich seinen Anteil an dem Tibeinischen Erbe, das
die Brüder im Vorjahre geteilt hatten — wobei Reinprecht V.
Yon Walsee die Herrschaften DuinO; Prem und Senosetsch bu-
gefallen waren — nämlich die Städte Fiume und Castua
(Eestau)y die Kastelle Moschenizza, Sabinich (Subiach)
am Perge (auf dem Karate) und Veprinaz sowie Guteneck
in Krain für den Fall seines Ablebens yerschrieben hatte, die
nun dem Kaiser zufielen, so blieben bei Wolfgangs V. Tode
seinem Bruder Reinprecht V. allenthalben nur mehr Trümmer
des alten großen walseeischen Besitzes übrig: der Glanz seines
Hauses war bereits stark verblaßt.
3. Bai Ende Reinpreohti V. und der Ausgang des Hauses.
Mit Wolfgangs V. Tode war die Bedeutung seines Ge-
schlechtes dahin ; Reinprecht V., der letzte Walseer, war nicht
der Mann, sich persönlich hervorzutun oder den wirtschaftlichen
Niedergang seines Hauses aufzuhalten.
Es kennzeichnet die Lage nach Wolfgangs V. Tode und
die beiden Männer, Reinprecht V. sowohl als seinen kaiserlichen
Herrn, daß die wichtige Stelle des Hauptmanns ob der Ens
nach Wolfgangs Tode ein halbes Jahr hindurch einfach unbe-
setzt blieb, obwohl die traurigsten Verhältnisse im Lande
herrachten.
Während das ganze übrige Osterreich in den letzten
Jahren zur Ruhe gekommen war, lagen die Dinge im Lande
ob der Ens ärger denn je. Zwietracht, Mißgunst und eine
heillose Verlotterung traten alsbald in dem Ländchen ein, das
nach Wolfgangs V. Tode ohne geregelte Aufsicht war. Urheber
dieser Wirren war Jörg von Stein, ehedem Erzherzog Al-
brechts VI. Kanzler, der sich weigerte, dem Kaiser die Pfand-
schaft Steier herauszugeben, als K. Friedrich mit der Zahlung
schuldiger Summen zögerte. Er trat neben Wilhelm von Puch-
heim, der dem Kaiser gleichfalls absagte, in Verbindung mit
K. Georg von Böhmen, damals Gegner K. Friedrichs, und wurde
» HHStA., Kod. 17, f. 106.
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483
dessen Diener. Andererseits stand Reinprecht V. wieder dem
Rosenberger Ulrich^ nahe, einem der wichtigsten Mitglieder des
hochadeligen katholischen Herrenbandes, welcher sich in Böh-
men gegen K. Georg bildete und der Gunst K. Friedrichs er-
freute.
In Oberösterreich suchte K. Friedrich Ordnung durch einen
auf 1467 Januar 6 ausgeschriebenen Landtag zu schaffen^
dessen Eröffiiung durch die Ankunft E. Friedrichs in Linz
Mitte Januar eingeleitet wurde. Man wollte nun die Abwesen-
heit Jörgs Yon Stein von Steier benutzen; um sich dieser Stadt
und der Burg zu bemächtigen.^ Daher ordnete der Kaiser
seinen Schwiegersohn Herzog Albrecht yon Sachsen, den Grafen
Wolfgang von Schaunberg, Reinprecht V. von Walsee und Georg
Volkenstorf mit 400 Pferden gegen Steier ab. Sie rückten in
die Stadt ein und empfingen von der Bürgerschaft die Huldi-
gung^ die Burg aber vermochten sie nicht zu nehmen. Bei
seinem Abzüge Keß Herzog Albrecht von Sachsen eine Be-
satzung unter Jörg von Volkenstorf zurück. Darauf erfolgte
Januar 29 ein Angriff Jörgs von Stein auf Steier, das der
Volkenstorfer am folgenden Tage verließ. Steins Söldner plün-
derten nun das Land zwischen Ens und Traun aus und brand-
schatzten furchtbar auf den Besitzungen Reinprechts V. und
der Volkenstorfer.* Von dem festen Pernstein aus versuchte
Reinprecht mit seinen Leuten und aufgebotenen Bauern den
Plünderungen zu wehren, es wurden aber bei 200 derselben
von Steins böhmischen Söldnern im nahen Markte Kirchdorf
erschlagen. Zugleich zog Wilhelm von Puchheim im Mach-
land umher und verwüstete gleichfalls die walseeischen Güter
daselbst sowie das Kloster Baumgartenberg. Der Vertrag, den
K. Friedrich Ende Februar* mit Jörg von Stein abschloß,
sicherte letzterem 10.000 Goldgulden für die Ablösung von
Steier; des von Puchheim Sache wurde auf Sonn wenden ver-
tagt, bis dahin sollten Reinprecht V. und Rüdiger von Starhem-
berg darüber ihre Sprüche tun.
^ Vgl. das Schreiben der Herrenbündler an Reinprecht von Walsee 1467
Februar 9; Archiv desky IV, 186.
' Anon. chron. Anstr., a. a. O. 328; Gerhard yan Roo, Annales 291.
' Vgl. Prenenhuber, Annal. Styr. 163; Kurz, Österreich unter Friedrich IV.,
Bd. n, 78 ff.; Pritz, Gesch. des Landes ob der Ens II, 156.
* ürk. 1467 Februar 28; LB. IV, r. 1169.
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Es war Dor ein sehr schwacher Elrsatz flir den erlittenen
großen Schaden^ wenn K. Friedrich zu Ostern 1467^ Rein-
precht die Haaptmannschaft ob der Ens übergab und ihm
März 26 Yon Anssee aus' das österreichische Harschall-
amt und alle die Lehen und Mannschaften' verlieh, die durch
Wolfgangs V. Tod ledig geworden waren. Dieselben waren
Yorläofig dem Kaiser znge£Bdlen, da Reinprecht wegen der
großen darauf haftenden Geldschulden ihre Übernahme ver-
weigerte.
Wie wir bereits erwähnten, hatte Wolfgang V. 1466 sein
Dasein als Witwer und ohne Nachkommen beschlossen. Somit
war von dem ganzen einst so zahlreichen Hause Walsee nur
noch der einzige Reinprecht V. am Leben und alles hing da-
von ab, ob er Söhne erhalten und damit sein altes ruhmreiches
Qeschlecht fortpflanzen würde. Reinprecht hatte sich bereits
im Februar 1461 vermählt und seiner jungen Gattin Margret,
Rudiger des Altern von Starhemberg Tochter, löOOäT^ als
Widerlage ihres Heiratsgutes verschrieben^. Ln folgenden
Jahre vermachte ihr Reinprecht fUr den Fall seines vorzei-
tigen Ablebens Schloß Windeck und jährlich 2000 Dukaten.
Margret starb indes bereits 1466 oder 1467^ nach kinder-
loser Ehe. Darauf ftlhrte der damals etwa 40jährige Rein-
precht eine Base seiner ersten Gattin, Katharina, Schwester
Gottfrieds und Ulrichs von Starhemberg, als seine zweite Haus-
frau heim, der er 1486 Dezember 19^ eine Heimsteuer von
1000^ mit löOO^ widerlegte, dazu 400^^ als Morgengabe
schenkte und die ganzen 2900 it ^ auf den Amtern der Herr-
schaft Ort zu Laakirchen und auf dem Tauntzerhofe anwies.
Für den Fall seines Ablebens bestimmte er ihr 1469^ Schloß
und Herrschaft Scharnstein als Witwensitz, was im folgenden
Jahre die Genehmigung K. Friedrichs erhielt.^
Reinprechts Tätigkeit als Hauptmann ob der Ens war
auf die Wiederherstellung des Friedens gerichtet. Seiner Be-
ziehungen zu dem Rosenberger Ulrich in Sttdböhmen dürfen
* Vgl. das Schreiben Reinprecht« von WaUee an die Freistidter 1467
März 27; Kop. Linzer Mosealarchiy.
* Chmel, Reg. Frid. lY., Bd. U, r. 4950. * Kop. Linser MuBealarchiy.
« WSt. 604. « Vgl. die Genealogie. < Orig. StAEfeiding.
* ürk. 1469 Januar 21; WSt. 604.
" Urk. 1470 M&rs 19; Orig. UHStA.
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485
wir daneben nicht vergessen.^ Nebst dem Schaunberger war
Reinprecht im Sommer 1467 im Interesse des Kaisers für den
Abschluß eines Waffenstillstandes zwischen K. Georg und den
katholischen Adeligen in Böhmen tätig,^ denen sich auch der
Bosenberger anschloß.
Andererseits rührten sich auch E. Georgs Anhänger in
Österreich; Jörg von Stein, Wilhelm von Puchheim und Stephan
von Eäzing begannen mit böhmischer Hilfe eine neue Fehde
gegen den Kaiser. Besonders in der Ips- und Traisengegend
litten die walseeischen Herrschaften abermals durch Raub und
Plünderung.* Doch wurden ihnen Steier und Ips abgenommen
und dem Unwesen, das sie dann nördlich der Donau trieben,
durch den kaiserlichen Feldhauptmann Ulrich Grafenecker ein
Ende gemacht. Dagegen sagte 1468 Januar 8 K. Georg dem
Kaiser ab^ und trat nun offen fUr seine Schützlinge ein. Im
Lande ob der Ens war seit dem Frühjahr 1468 Freistadt
ständig von den Böhmen bedroht; mit Mühe vermochte sich
der Grafenecker in Niederösterreich gegen K. Georg zu halten.
Es hielt in diesen Tagen für den Walseer schwer, seiner Auf-
gabe als Hauptmann ob der Ens gerecht zu werden. Er zog
gegen die Böhmen, die ihm neuerdings auf seinen Gütern großen
Schaden zufügten, nicht selbst ins Feld, sondern suchte von
Linz aus, wie wir aus seiner Korrespondenz^ mit den Frei-
Städtern wissen, so gut es eben ging, dieser bedrohten Stadt
zu helfen und insbesondere Ulrich von Grafeneck mit Verstär-
kungen und Geldmitteln zur Kriegftlhrung zu versehen.
Im Frühlinge 1468 wurde indes K. Matthias von Ungarn
des Kaisers Verbündeter gegen die Böhmen, wodurch Ober-
österreich von diesen weniger heimgesucht wurde; dafür er-
preßte der Grafenecker im Lande ob der Ens große Summen
und setzte sich dabei gänzlich über die Stände und den Landes-
hauptmann hinweg. Auch die Verstärkungen,^ welche dem
^ Vgl. das Schreiben des Jans yon Rosenberg 1467 April 27; Archiv ceskj
Vn, 274.
* Vgl. den Bericht des Abtes von Goldenkron, vor 1467 September 30;
Archiv iesky VII, 279.
' Vgl. die Schreiben 1467 April 17, September 29; Kop. Linzer Mnsealarchiv.
^ Vgl. Bachmann, Deutsche Beichsgesch. II, 136—138.
» AÖG. XXXI, 362—368.
* Vgl. das Schreiben Reinprechts von Walsee an die Freistädter 1468 De-
zember 11; AÖG. XXXI, 317.
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486
E. Matthias ans Oberösterreich zugesandt wnrden, vermochte
das ausgesogene Land kaum mehr aufzubringen.
Während der Krieg in Mähren fortdauerte, kehrte der
Kaiser im Frühjahr 1469 aus Rom in die Steiermark zurück,
auf deren Boden sich nun die bekannte Baumkircherfehde ab-
spielte. Auch Reinpreoht von Walsee folgte^ diesen Ereignissen
aufmerksam von Oberösterreich aus; er suchte den böhmischen
Söldnern, welche zu Baumkircber stoßen wollten, den Weg
über die Donau zu versperren.'
Im Hochsommer 1469 machte Jörg von Stein einen neuen
Einfall nach Oberösterreich, während andererseits auch die
Böhmen ins Mühlviertel vordraogen und (1469 August 15)
Haslach verbrannten.' Daraufhin rief Reinprecht von Linz aus
die Freistädter zur Verteidigung ihrer Stadt gegen den Landes-
feind auf. Auch im folgenden Jahre mußte Reinprecht das
Land ob der Ens gegen einen befürchteten Einfall Jörgs von
Stein in Verteidigungszustand setzen; der Linzer Landtag von
Juni 29 empfahl die Bereithaltung des Aufgebots des zehnten
Mannes, wovon Reinprecht die Freistädter in Kenntnis setzte.^
Jörg von Stein fand das Land wohl verwahrt und wandte sich
daher nach Niederösterreich, wo er indes auch keine Fort-
schritte machte.
Trotz des Einvernehmens, das zwischen K. Wladislaw,
dem Nachfolger K. Georgs auf dem Throne Böhmens, und dem
Kaiser bestand, fand 1472 abermals ein Einfall böhmischer
Adeliger, so des berüchtigten Roubik, in das Mühlviertel statt
Schon Ende Januar ließ K. Friedrich^ und im Mai der Burg-
graf auf Klingenberg ^ an den Walseer warnende Schreiben er-
gehen, die ihn über die Gefährdung von Haslach und Freistadt
durch die Böhmen benachrichtigten. An der Spitze des Auf-
gebotes suchte sich Reinprecht des Einfalls nach Kräften zu
erwehren; Erfolge, die er dabei davontrug, benahmen den böh-
^ Vgl. Reinprechts von Walsee Schreiben an die Freistädter 1469 April 4
(richtig statt Febmar 7); AÖG. XXXI, 358.
' Vgl. das Mandat Reinprechts von Walsee 1469 Mai 5; AÖG. XXXI, 359.
* Vgl. das Schreiben Reinprechts von Walsee 1469 Angost 18; AÖG. XXXI,
359. Preuenhuber, Ann. Styr. 125; Kurz, Österreich anter Friedrich IT.,
Bd. n, 87.
* 1470 Jnli 19; AÖG. XXXI, 860. » 1472 Januar 29; AÖG. XXXI, 862.
« 1472 Mai 6; Archiv öesky VIII, 12.
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487
mischen Stegreifrittern zumindest nicht die Lnst^ ihren Einfall
im kommenden Jahre zu wiederholen. Bereits 1473 April 1^
mußte Reinprecht die Oberösterreicher wieder auffordern^ sich
gerüstet zu halten, um nach Haslach zu ziehen, da, wie ein-
geholte Kundschaft berichtete, ,der Plech' mit vielem Volke
bereits vier Meilen von Leonfelden lag und jeden Tag ein Ein-
fall zu befürchten war.
Auch im Lande selbst gab es abermals Verwirrung und
Fehde, die wohl von Niederösterreich aus dahin übergriff, wo
wieder eine ganze Anzahl von Adeligen im Kampf mit dem
Kaiser lag.' Reinprecht leistete auch den niederösterreichischen
Ständen Beistand und bot im Winter 1473 zum Zuge gegen
den Tabor zu Sensenstein auf,^ die Stiftung seiner Ahnen, die
jetzt von böhmischen Söldnern verwüstet wurde.
Wenig half es, daß sich Reinprecht an der Spitze der
obderensischen Stände 1473 an den schwachen König Wla-
dislaw wandte* und dort Beschwerden über den unruhigen
böhmischen Adel anbringen ließ; die Verwendung ungarischer
Räte in Prag hatte gleichfalls nicht den gewünschten Erfolg in
dieser Sache. Selbst Reinprechts Verbindungen mit den Rosen-
bergern, die ihren Ausdruck eben erst im Testamente Johanns
von Rosenberg gefunden hatten,* vermochten den Unfrieden mit
den südböhmischen Adeligen nicht hintanzuhalten. Die Feind-
seligkeiten wurden vielmehr im Jahre 1474 weit lebhafter.*
Mit seinen Verbündeten Peter Stoupensky und Heinrich Zini-
span sagte — gewiß gegen den Willen K. Wladislaws — dessen
Obersthofmeister Leo von Rosental (Lew von Roimital)^ 1474
Juni 15 den Herren im Lande ob der Ens die Fehde an, in
deren Verlauf es 1474 zur Besetzung Haslachs und des Schlosses
> AÖG. XXXI, 868.
' Vgl. Kurz, Österreich unter Friedrich IV., II, 117 nnd Bachmann,
Deutsche Reichsgesch. II, 388.
* Vgl. Reinprechts von Walsee Schreiben an die Freistädter; AÖG. XXXI,
363.
* Kurz, a. a. O. IT, 118. * Sedlaöek, Hradj Zkmkj a Turze HI, 32.
^ Vgl. das Schreiben Graf Siegmunds yon Schaunberg an den Walseer 1474
April 24, Eferding; Kop. Linzer Musealarchiv.
* Vgl. Kurz, a. a. O. n, 119; Pritz, Geschichte des Landes ob der Ens 11,
160; Cori, Die Grenzfehden zwischen Böhmen und OberOsterreich unter
Friedrich IV., JBMFC. XXXXIV, Iff.; MareS, Jindfich Roubik z Hla-
watec, Casopis Öeskeho Museum LV, 87, 214.
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488
Waidenfels durch die Böhmen und zu einem Gegeneinfalle der
Oberösterreicher über die Grenze kam. Auch Heinrich Boubik
gesellte sich anfangs 1475 zu den Angreifern;^ als ihm von
dem Oberösterreicher Kaspar Sitzenberger, einem walseeischen
Lehensmann^ eine Beleidigung widerfahren war. Nachdem das
Jahr 1475 nach der Taidung von Leonfelden^ die das eroberte
Hörschlag vorläufig dem Schaunberger und dem Rosenberger
zusprach; unter gegenseitigen kleineren Plttnderungszügen da-
mit geschlossen hatte, daß Roubik Hörschlag abermals einnahm,
versuchte Reinprecht den Freibeuter vergeblich durch ein An-
gebot von 200 Seh. b. Gr. zum Frieden und zur Herannahe
der von ihm besetzten drei Schlösser zu bewegen.' Roubik
wurde dadurch nur ermutigt, seine Raubzüge 1476 noch weiter
bis an die Donau und in die Wachau auszudehnen, wo er dem
Walseer großen Schaden an seinen Weingärten zufögte.' End-
lich erfocht Bernhard von Scherfenberg, der als kaiserlicher
Feldhauptmann eine hinreichende Truppenmacht aufgebracht
hatte, in der Pfingstwoche bei Grein, in dessen Nähe die Böh-
men einen Tabor errichtet hatten, einen Sieg über Roubik und
dessen Leute ;^ aus der Beute wurde Reinprecht das zweitbeste
Pferd und das beste Schießgewehr verehrt. Reinprechts Ver-
weser Kaspar Herleinsberger leitete schUeßlich Verhandlungen
mit Roubik ein und auch die übrigen böhmischen Adeligen
schlössen 1477 April 4^ mit E. Friedrich einen Waffenstillstand
ab, der dem Walseer und dem Grafen Hang von Werdenberg
die endgültige Schlichtung aller Forderungen übertrug.
Schon in die Kämpfe der letzten Jahre hatte Reinprecht
nicht mehr persönlich eingegriffen, so als sich im Jahre 1477
abermab mehrere Edelleute, wie die Liechtensteine u. a., gegen
den Kaiser erhoben. Während Bernhard von Scherfenberg im
nächsten Frühling nochmals einen Einfall nach Südböhmen
machte, für den nun Vergeltung in Aussicht stand, suchte der
Walseer noch im März die Erneuerung und Verlängerung des
Waffenstillstandes zu vermitteln und wandte sich deshalb an
den Kaiser; dieser aber hörte nur auf den Scherfenberger, der
* Vgl. das Schreiben Roubiks 1474 Desember 1 ; Archiv öesky Vm, 154.
* Vgl. Koubiks Schreiben 1476 Mal 1; Archir deaky IX, 169.
* Desgl. 1476 September 30; ebenda 170.
* Vgl. Kur«, Österreich unter Friedrich IV., Bd. II, 121.
' Chmel, Monum. Habsbnrg. I^, 606.
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489
für den Krieg war. Der ewigen Händel Überdrüssig, legte der
lebensmüde Reinprecht von Walsee, dem neben allen diesen
traurigen Verhältnissen überdies der Niedergang und das Er-
löschen seines Hauses vor Augen stand, um Ostern 1478^ sein
Amt als Hauptmann ob der Ens nieder.' An seine Stelle trat
darin Bernhard von Scherfenberg, dem K. Friedrich alsbald'
die Hauptmannschaft ob der Ekis übergab. Neuerliche Einfälle
und Verheerungszüge der Böhmen, die wiederum die wal-
seeischen Besitzungen nördlich der Donau heimsuchten^ und
EUaffer bei Haslach verbrannten, machten auch dem neuen
Hauptmann zu schaffen. Reinprecht V., dessen Gesundheit der
Ruhe bedurfte, blieb dem Kaiser immerhin als dessen Rat nahe,
doch tritt er fortan nicht mehr bedeutend hervor.
Seit 1480 begannen dabei die Einfälle der Ungarn nach
Niederösterreich, dessen Eroberung K. Matthias damit einleitete,
sowie in die Steiermark. Von der Heersteuer, welche der Kaiser
zur Aufbringung der notwendigsten Truppen 1480^ ausschrieb,
wurden bedeutende Summen auf die walseeischen Herrschaften
umgelegt. Trotzdem war der Walseer genötigt, auch selbst
Söldner zur Abwehr des Gegners aufzunehmen; so hatte er
Böhmen unter dem Hauptmann Andre Dobco von Plennitz
1482^ zu Sensenstein liegen. Im übrigen suchten sich die wal-
seeischen Pfleger und Hintersassen so gut als möglich mit ,Hul-
digungen' abzufinden,^ womit sie sich notgedrungen vor den
Ungarn von weiteren Plünderungen loskauften. Reinprecht V.
hielt sich in dieser unsicheren Zeit seit Frühjahr 1482 meist
auf Schloß Nieder- Walsee auf und tat wenig auf die schlimmen
Nachrichten hin, die aus seinen niederösterreichischen Herr-
schaften einliefen. Er konnte sich nur mehr schwer zu einem
tatkräftigen Handeln aufraffen; der Wirrwarr von Verhandlungen
* Hoheneck, Genealogie H, 800. • Vgl. JBMFC. XUV, 32.
' Vgl. den Reyen Bernhards von Scherfenberg 1478 September 12; Chmel,
Eeg. Frid. IV, Bd. II, r. 7226. Irrtttmlich wird Reinprecht von Walsee
in einer Passauer Urkunde 1480 Jani 19 (Monnmenta Boica XXXI \
669) noch einmal Hauptmann ob der Ens genannt.
* Vgl. die Schreiben 1478 Juli 8, Archir deskj IX, 239; 1478 August 6,
Oktober 24, ebenda X, 1—8.
^ Vgl. die beiden Schreiben Reinprechts Ton Wakee 1480 Mai 28 und
1481 M&n 1; Kop. Linzer Musealarchiv.
' Vgl. dessen Schreiben 1482 Min 27; ebenda.
' Vgl. das Schreiben des Senftenberger Pflegers 1482 Juli 6; ebenda.
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mit einzelnen Söldnerscharen, die sich ihren Entgang an Beute
nm schweres Qeld abkaufen ließen, schuf den Untertanen wenig
Abhilfe. Auch des Kaisers Aufforderung an die Stände des
VOWW.,* sich auf Reinprechts und des Aggsteiner Pflegers
Mahnung hin mit ihren Aufgeboten an Reisigen auf Laurenzi
in Wien einzustellen, hatte keine umfassendere Tätigkeit Rein-
prechts zur Folge. Die Hauptursache war wohl, daß dem Wal-
seer eben die nötigen Mittel zu einem Eingreifen in die trost-
losen Verhältnisse fehlten.
Auch seinen Untertanen und Lehensleuten in der Steier-
mark erging es gleichzeitig nicht besser.'
Der Niedergang des Hauses Walsee war dabei in wirt-
schaftlicher Hinsicht abermals in den letzten Jahren weiter
Yorgeschritten. Vor allem ging nun auch die restliche Hälfte
des ehedem tibeinischen Besitzes^ und damit die Machtstellung
verloren, welche die Herren von Walsee an der Adria im Hinter-
lande von Triest fast durch ein Jahrhundert innegehabt hatten.
Reinprecht kam dem Wunsche K. Friedrichs, diesen Besitz der
von Wolfgang V. von Walsee erworbenen Hälfte anzugliedern,
nicht entgegen. Zwar hat K. Friedrich in dieser Absicht daför
1469 Dezember 15* Reinprechts Herrschaft Nieder- Walsee, ein
herzogliches Lehen, zu einem freien Eigen (Allode) gemacht
und 1470 März 19* eine Kaufabrede vereinbart^ laut welcher
Reinprecht das obere und das untere Schloß zu Duino (Tibein)^
Senosetsch mit der Maut und dem Kastelle daselbst und
Prem sowie seine Rechte auf S. Vinzenz und andere Dörfer
in Isterreich — mit insgesamt 1700 Äf^ jährlicher Gülten —
abtreten und daftir vom Kaiser Herrschaft und Schloß Attersee
fllr 10.000 Qulden und filr den Abgang davon die Schlösser
Frankenburg, Neu-Attersee, Kogl genannt, und Seusen-
burg unter genannten Bedingungen als Pfandschaften erhalten
sollte. Reinprecht schob indes die Abtretung von Tibein etc.
» 1482 Juni 28; FRA. LV, 204.
* Vgl. das Schreiben an Reinprecht von WaUee 1483 Mai 6 ; Kop. Linier
Musealarohiv.
' Anch hier zeigt sich der Niedergang der Walseer in rückständigen Zah-
lungen an Niklas Lueger, yordem Hauptmann xu Tibein, nun K. Fried-
richs Hauptmann zu Triest; ygl. die Sehreiben 1470 Juni 6, 7 ; Chme),
Reg. Frid., r. 6053, 6056, 1472 Mlrx 19; Orig. StAEferding.
* Orig. StAEferding.
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mit gutem Grande hinaus^ da die ihm verheißenen Herrschaf-
ten^ noch im Besitz anderer Pfandinhaber waren^ bis schließlich
K. Friedrich einen solchen Druck auf ihn ausübte,' daß er
sich wohl oder übel dazu bequemen mußte. Bereits 1471 hatte
Reinprecht an K. Friedrich einen Riickfallsrevers über die
Herrschaft Attersee für den Fall des Aussterbens des Hauses
Walsee im Mannsstamme ausgestellt, im März 1472' gelaugte
schließlich die Abtretung zum Abschlüsse. Für die verlorenen
Güter erhielt Reinprecht die Herrschaft Kammer am Attersee
samt dem Kirchenlehen von Schörfling als Ek*blehen und für
schuldige 84.800 Gulden, ferner 1220 Gulden Rückstände die
Pfandschaften Neu-Attersee, genannt zum Kogl, Seusenburg
und Frankeuburg, die sich ehedem bereits in walseeischem
Pfandbesitz befunden hatten; damit war ihm allerdings hinrei-
chender Ersatz für das Verlorene — verheißen.
Zwar trachtete Reinprecht wenigstens kleinere ehemalige
Besitzungen seines verstorbenen Bruders wieder an sich zu
bringen — wie den Zehent zu Ensdorf, womit ihn die Äbtissin
von Erlakloster 1475 belehnte/ oder einen zu Gleuß gehörigen
Zehent, den er von Linzer Bürgersleuten 1476^ zurückkaufte
— im Übrigen aber häuften sich auch weiterhin Verluste auf
Verluste.
Von kleineren Verkäufen abgesehen,^ haben wir insbe-
sondere der Veräußerung einer der ältesten walseeischen Be-
sitzungen in Osterreich zu gedenken. Schloß Guntersdorf
wurde nämlich vorerst an Ulrich Röhlinger für 4400 Äf.Ä ver-
pfändet^ und ihm sodann 1476 für eine alte, von Wolfgang V.
von Walsee herrührende Schuld entgiltig verkauft, doch ohne
das Kirchenlehen zu Schöngrabern; sodann folgte 1478® die
Veräußerung der Herrschaft Gleuß an Siegmund E^tzinger.
* So Attersee; vgl. ürk. 1471 April 5; Chmel, Reg. Frid., r. 6207-
* Das Schreiben Graf Bernhards von Schaunberg 1471 August 23 (Denk-
schriften der Wiener Akad. der Wissensch. XII, 340) bezieht sich wohl
darauf.
* Urkk. 1472 Mftra 12 und 19; Orig. HHStA.
* Urk. 1475 Juli 31; Orig. StAEferding.
^ Urk. 1476 August 12; Orig. ebenda.
* Urkk. 1473 April 12, 1474 Juni 1; Orig. ebenda.
* Revers des Rohlinger, 1472 August 26; Urkk. 1476 April 16, Septem-
ber 16; ebenda.
* Schweickhardt von Sickingen, VOWW., XL Bd., 219.
Arobiv. XCV. Band. II. Hftlfle. 33
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Der walseeische Besitz in der Steiermark wurde geradezu
aufgelöst. Gonobitz ging^ wohl um 1469, in den Besitz des
Kaisers^ über. Mit dem Schlosse Ober-Marburg wurde vom
Kaiser 1469* Ulrich von Graben belehnt, dem es noch zu Leb-
zeiten Wolfgangs von Walsee gegen die beiden Wabeer zuge-
sprochen worden war. Ebenso hat Reinprecht V. 1478 die
Herrschaft Gleichenberg' an Jörg von Reichenburg und an
dessen Bruder Reinprecht auch die Riegersburg verkauft,
doch ohne die Lehen von letzterer, wie noch ein Lehenbrief*
andeutet. Eine lange Reihe von Walseer Lehen, Gülten etc.
in der Oststeiermark hielt auf diesem Boden noch durch Jahr-
hunderte die Erinnerung an das ruhmvolle Haus aufrecht.
Damit waren die Walseer seit einem Menschenalter von
ihrem früheren Güterbestande weit herabgekommen; der Rest
war vernachlässigt, seine Erträgnisse gesunken. Obgleich immer
noch z. B. ein reicher Hausschatz vorhanden war, fehlte es zu-
zeiten selbst am Nötigen. So war der Walseer Hof in Wien
um 1473 derart verwahrlost,^ daß sein Herr dort nicht einmal
absteigen konnte. Kaum mehr ein Viertel war von dem alten,
überreichen Besitzstande übrig, als Reinprecht V., der Letzte
seines Hauses, die Augen schloß.
Von seiner ersten Gattin, der Starhembergerin Margret,
wurde Reinprecht wohl mit einem Töchterchen Barbara be-
schenkt, das sich 1474^ mit dem Grafen Siegmund von Schaun-
berg vermählte; seinen Hoffnungen auf einen Stammhalter war
jedoch keine Erfüllung beschieden. Der schmerzliche Gedanke,
daß mit seinem Tode das Ende des ruhmvollen Hauses ge-
kommen sei, verdüsterte ihm das Dasein und war wohl die
Ursache, weshalb Reinprecht gerade im letzten Lebensabschnitte
so wenig Schaffensfreude in sich fühlte: er sah keine Zukunft
seines Hauses, keinen Sohn um sich!
Bereits 1472' hat er seiner Gattin Schloß und Herrschaft
Ort verschrieben Zehn Jahre später bestätigte er nochmals
^ Vgl. Janisch, Topographisches Lexikon der Steiermark I, 358.
' Beiträge zur Kunde steir. Geschieh tsquellen XXXII, 223.
» WSt. 604. * 1479 Juni I5 Orig. StLA. Nr. 7776.
^ Vgl. das Schreiben des Schaffers Jörg Stainbot 1473 Dezember 31 an
seinen Herrn Reinprecht von Walsee; Kop. Linzer Musealarchiy.
• Vgl. die Heiratsabrede, Nieder- Walsee 1474 Oktober 24; InvenUr, f. 61'.
' WSt. 604.
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493
dieses Vermächtnis und fügte 1482 März 15* Schloß Win.deck
nebst den Märkten Schwertberg und Tragwein seiner Gattin
als &be hinzu. An die Liechtensteiner von Nikolsburg testierte er
femer 1479* sein Schloß Kirchhöfen, ein Haus zu Wien sowie
die Dörfer Stadlau, Aspern u. a. auf dem Marchfelde.
Als Reinprecht Ende 1482 den Tod herannahen fühlte,
verfügte er noch über seine Erbämter^ von denen er das
steirische Truchsessenamt den Brüdern Siegmund und
Heinrich Prueschink/ und 1483 März 13 auch das öster-
reichische Erbmarschallamt seinem Vetter^ dem Grafen
Georg von Schaunberg testierte.*
Als Letzter seines hochangesehenen ruhmreichen Hauses
ist Reinprecht V. von Walsee am 19. Mai 1483^ aus dem Leben
geschieden und bei seinen Ahnen in der walseeischen Stiftung
Sensenstein bestattet worden^ der er noch 1479 mit seiner Haus-
frau das Amt Sinibelkirchen gewidmet hatte.^
Sein Erbe umfaßte etwa noch ein Dutzend Herrschaften
und eine Anzahl kleinerer Güter. Darüber hatte obendrein
großenteils K. Friedrich zu verfügen. Er konnte die Manns-
lehen einziehen; nur die Weiberlehen und Allode gehörten der
Tochter. Einen Teil davon hatte der letzte Walseer seiner
Witwe vermacht. Der Rest kam durch Reinprechts V. einziges
Kind, die Erbtochter Barbara, an deren Gatten, den Grafen
Siegmund von Schaunberg^ und da derselbe nach kinderloser
Ehe 1498 aus dem Leben schied^ an Siegmunds Neffen Grafen
Georg. In dem Vergleich von 1489 Dezember 13' erhielten
Graf Siegmund und seine Gattin vom Kaiser die Herrschafken
Ober-Walsee, Burgstall, Senftenberg, Seuseneck, das
halbe Schloß Scharnstein und das Erbmarschallamt in
Österreich nebst dem Versprechen, dem Grafen EViedrich von
Schaunberg zum Erzbistume Salzburg zu verhelfen.
Der verstorbene Reinprecht V. von Walsee war vollkommen
im Rechte gewesen, dem Kaiser die Abtretung von Tibein so
lange abzuschlagen. Sofort nach Reinprechts Tode bemühten
* Urk. 1482 Mära 15; Orig. StAEferding.
* Falke, Gesch. des Hauses Liechtenstein I, 495.
» Urk. 1482 Dezember 9; Chmel, Reg. Prid., r. 7678.
* Denkschriften der Wiener Akad. der Wissensch. XII, 344.
* Vgl. die Genealogie. • Inrentar, f. 8.
' Denkschriften der Wiener Akad. der Wissensch. XII, 347.
33*
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494
sich^ dessen Tochter and ihr Gatte, in den Besitz der daftLr
verpfilndeten Herrschaften zu gelangen. Wie wir ans der Klage
erfahren, welche das Ehepaar 1484' gegen den Kaiser bei der
obderensischen Landschaft erhob, war Reinprecht V. weder das
ihm als E^rblehen gegebene Kammer je ausgeliefert, noch die
daftir yereinbarte Summe bezahlt worden. Als sich die Kläger
nach Reinprechts Tode der verpftlndeten Herrschaften ,an-
nahmenS wurden sie vom Kaiser und von Bernhard von Scher-
fenberg ,dayon gedrängt', ungeachtet sie sich zum Rate erboten
hatten. Der Vergleich, zu dem sich der Kaiser darauf herbei-
ließ, brachte den Erben wenigstens Seusenburg, Kogel (Neu-
Attersee) und Frankenburg zu. ' Auch die vordem walseeische
Erbvogtei über das Erlöster Lambach kam jetzt an den Schaun-
berger und dessen Gattin.^
Reinprechts V. Witwe Katharina waren nach den erwähnten
Bestimmungen Ort und Windeck geblieben, dazu kam noch
der Markt Swans (Schwanenstadt), der ihr von Barbara und
Grafen Georg von Schaunberg zugesprochen wurde.* Obwohl
gerade Bernhard von Scherfenberg seinerzeit in Gegensatz zu
ihrem Gatten gestanden hatte ^ und neuerlich erst wieder ihrer
Stieftochter bei der Erlangung einer Entschädigung ftir die
Tibeiner Güter entgegengetreten war, vermählte sich Barbara
1490/91 mit dem Scherfenberger, der eben erst Witwer nadi
seiner 1489 August 14' verstorbenen ersten Gemahlin, der
Steirerin Elsbeth von Fladnitz, geworden war. So wurde
Windeck 1491* an Bernhard von Scherfenberg übergeben.
Katharina überlebte auch noch ihren zweiten Gatten (Bernhard
von Scherfenberg starb 1513 Dezember 13)' und schied erst
1517 aus dem Leben.* Ort fiel nach ihrem Tode an das Haus
Starhemberg.
Vgl. Urk. 1483 M&rz 25; WSt. 604.
1484 Febraar 17 ; Denkschriften der Wiener Akad. der Wissensch. XU, 344.
Urkk. 1489 Jannar 22, 1499 Joli 6; Denkschriften der Wiener Akad.
der Wissensch. Xu, 847 und 351.
Vgl. das Schreiben Graf Georgs yon Schaunberg 1483 Oktober 1 ; Kop.
Linzer Mnsealarchiy.
Urk. 1484 August 9; WSt. 604.
Vgl. S. 488—489.
WSt. 321. « Hoheneck, Genealogie IH, 645.
Genealogica, Stiftsarchiy WUhering.
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495
Dem Übereinkommen von 1464 gemäß ging jetzt (1483)
Haslach^ voUends in das Eigentum der Rosenberger über. Als
ihnen der Landeshauptmann Ulrich von Starhemberg diese er-
erbten Güter und Untertanen in Oberösterreich mit der Eriegs-
stener belegte^ setzten sie sich energisch zur Wehr and es kam
darüber zu Streitigkeiten^ die bis 1487 währten.
Anderweitige Ansprüche an das Erbe der Walseer worden
nicht erhoben. Die Cillier, denen Wolfgang V. xmd Reinprecht V.
von Walsee die Festen Gonobitz^ Stattenberg u. a. 1451 Dezem-
ber 13' fUr den Fall vermacht hatten^ daß sie ohne Söhne
stürben, waren ja längst (1456) erloschen, die steirischen Güter
verkauft.
Barbara von Schaunberg, der letzten Walseerin, war ein
wenig freudvolles Los geschieden. Miterbe war der Neffe ihres
Gatten, Graf Georg von Schaunberg. Die beiden Erben teilten
sich im Jahre 1491 derart in die Güter, daß Graf Georg die
Lehen erhielt:* die Schlösser Ob er- Walsee und Senf tenberg
samt Zugehör, das an die Auersperge versetzte Schloß Burg-
stall, Schloß Windeck, welches ihre Stiefmutter bereits inne-
hatte und bald darauf deren zweiten Gatten übergeben wurde,
Schloß Seuseneck, das an Andre Kraubat verpfändet war, sowie
das halbe Schloß Scharnstein, der Zehent zu Ensdorf, nun
den Losensteinem versetzt, Häuser zu Wien (bei St. Michael
gelegen), Ikis, Wels, Bleiburg, Krems, die Teiche bei Seusen-
eck und Wachsenberg und den Meierhof zu Linz. Barbara
fielen dagegen die Ailode zu:^ Schloß Nieder-Walsee, der
Rest von Scharnstein, Markt und Teich zu Neumarkt, die
Amter Altenhofen, Ens, Anzbach, Regerisch- Aigen^ und
ELlaffer,^ das Amt der Rechtlehner, von Peter dem Anhanger
herrührend,^ Güter von dem Gefeller und Bergrechte zu
Kritzendorf, Klosterneuburg und am Bisamberge. Die Sätze
von 26.000 Gulden auf Frankenburg und Kogl verblieben bei
Georg von Schaunberg, der auch die Pfleger daselbst bestellte.
Die Erträgnisse dieser Pfandschaften fielen zur Hälfte Barbara
zu; die andere Hälfte warde ihr 1492* fUr ein Darlehen von
» Vgl. JBMFC. XLIV, 43.
* Vgl. Janisch, Topographisches Lexikon der Steiermark I, 860.
' Urk. 1491 Juli 1 ; Kop. Linser Masealarchiy.
^ Urk. 1491 Januar 29; ebenda.
» Vgl. S. 466. • InyenUr, f. 69.
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496
6000 Äf/Ä verschrieben, welches sie ihrem Schwager^ dem Erz-
bischofe Friedrich von Salzburg, gewährt hatte.
Auch sonst wandten sich der Schwager sowohl als ihr
GemahP nnd auch E. Max in ihren Geldnöten an sie und
nutzten den Reichtum der schutzlosen Frau aus, die schon
durch den geringen Wert ihres Besitzteiles, wie auch durch die
Beschränkimg ihres Verfügungsrechtes benachteilt wurde.'
Nachdem sie durch die Schaunberger um ein Großteil ihres
Vermögens gebracht war, wünschte E. Max auch noch ihr
Schloß Nieder- Walsee an sich zu bringen, und Barbara fand
sich dazu gegen ein Jahrgeld von 1000 Gulden bereit. Dieses
wurde ihr indes vom Kaiser nie ausbezahlt, was denselben
nicht hinderte, Nieder- Wabee 1494^ seinem Hofmarschall Rein-
precht von Reichenburg und dessen Sohne Hans zu schenken,
die aber noch nicht in den Besitz des Schlosses traten. 1498
Oktober 20 starb Barbaras Gratte, mit dessen Neffen Graf Georg
von Schaunberg sie sich 1499* über ihr Wittum verglich. Dar-
nach verblieb ihr nur Nieder-Walsee, auf dem die kinderlose
Witwe nun ihre letzten Tage zubrachte. In dem schaunber-
gischen Peuerbach erinnert die Barbarastiftung am Pfarrbene-
fizium, in Aspach bei Amstetten eine Meßstiftung ^ an sie. Eine
geringe und wohlfeile Entschädigung für das geschuldete Jahr-
geld war es, wenn ihr K. Max 1501 den zur Herrschaft Nieder-
Wakee gehörigen Wildbann ^ in der Umgegend und Nieder-
Walsee einen Jahrmarkt verlieh. ^ Schließlich fand sie Zuflucht
bei der Familie ihrer Mutter, den Starhcmbergern. Auf deren
Schlosse Riedeck testierte sie denselben das Amt Anzbach und
starb dort 1506 November 14;^ ihr Grabstein ist heute noch
in Sindelburg, Nieder- Walsees Pfarrkirche, erhalten.*
Barbaras Testament, in dem sie Nieder-Walsee an Hans
von Reichenburg vermachte, gab indes Anlaß zu einem lang-
* Vgl. den Schuldbrief über 8000 Galden Yon 1497; Inventar, f. 60.
* Vgl. A. Qaeiser, Geschichtl. Darstellung yon Schloß und Herrschaft Wal-
see, 2. Auflage, S. 54—66.
* Urk. 1494 Oktober 10; ebenda.
* Urk. 1499 April 10; JBMFC. XXVH, 488.
^ Urk. 1491 September 10; Kop. Linser Musealarchiy.
* Urk. 1601 Januar 6. * Inventar, f. 60'.
* Vgl. die Genealogie.
' Mitteilungen und Berichte des Wiener Altertumyereines Xm, 802.
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497
jährigen Erbstreite. * Nieder- Walsee wurde von dem Reichen-
burger auf Grund der kaiserlichen Schenkung wie des Testa-
mentes der Walseerin, ferner vom niederösterreichischen
Kammerprokurator als Heimfall und von den Enkelinnen der
an Graf Bernhard von Schaunberg vermählten Agnes von
Walsee (verstorben 1470)* als Intestatserben, sowie von den
Rosenbergem angesprochen. Gegenüber dem von Barbara zum
Testamentsvollstrecker ernannten Hans von Reichenburg* suchten
sich Graf Hans von Hardeck namens seiner Gemahlin Elisabeth,
einer der obenerwähnten Nichten Barbaras, sowie der Eammer-
prokurator in den Besitz Nieder- Walsees und des wichtigen
Archivs daselbst zu setzen; schließlich gelang dies dem Pro-
kurator. Der Prozeß fand einen schleppenden Fortgang beim
kaiserlichen Reichshofrat und der niederösterreichischen Lan-
desregierung. Als nach 38jähriger Prozeßdauer die meisten
Beteiligten bereits gestorben waren, wurde die Herrschaft
Walsee endlich den Reichenburgem zuerkannt.
Dies war das Ende des Hauses Walsee!
Seit den Tagen K. Albrechts I. waren die Herren von
Walsee eine der mächtigsten und reichsten Familien des öster-
reichischen Adels gewesen. Hervorragend tüchtige Männer
waren aus dem Hause hervorgegangen, die den Habsburgern
wiederholt die wichtigsten Dienste in schweren Zeiten leisteten.
Gleich bedeutsam treten sie als Inhaber der höchsten Landes-
ämter wie durch ihren Anteil an den ständischen Bewegungen
hervor. Und diese Stellung unterstützte ein überreicher Besitz,
weithin vom Böhmerwalde bis an die Adria zerstreut; in ihrer
Hand wird er zu einer größeren wirtschaftlichen Einheit inner-
halb der österreichischen Länder, mit der sie auch auf die
territoriale Gestaltung derselben Einfluß nehmen.
Überblicken wir ihren Verwandtschaftskreis, so finden wir
fast alle Namen vertreten, die dazumal in unserer Heimat von
Bedeutung waren.
Im Lande ob der Ens standen ihnen vor allem die Star-
hemberger und Kapeller nahe, auch mit den Puchheimem und
* Vgl. Qaeiser, a. a. O. • Vgl. die Genealogie.
» Vgl. den Revers 1508 November 11; W8t 604.
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498
Polheimen^ den Volkenstorfern, Zelkingern und Losensteinen
sind sie verschwägert, die Grafen von Sohannberg, die Vor-
nehmsten im Lande, werden ihre Erben.
In Niederösterreich sind ihnen die Herren von Enenring,
die Meissauer nnd die Liechtensteine von Nikolsburg nahe ver-
wandt, ferner die von Chiaw, die Ranhensteiner, die von Hohen-
berg sowie die Tmchsessen von Lengenbach.
Anf dem Boden Innerösterreichs zählen selbst die Ghrafen
von Görz sowie die von Cilli xmd von Ortenburg hierher,
außerdem sei der Stnbenberger, Pettauer nnd Liechtensteine
von Mnran gedacht. Noch weiter im Sttden zählten die Ti-
beiner nnd die Frangipani dazn.
Von dem Adel der Nachbarländer waren ihnen die bai-
rischen Grafen von Ortenbnrg imd die Aichheimer, vor allem
aber in Böhmen die von Leippe und die Rosenberger ver-
sippt, sowie in Westnngam die Grafen von Pernstein und
von Mattersdorf.
So war ihre Geschichte eng mit den Geschicken der Habs-
burger und des damaligen Österreich verbunden. Nun, da der
mittelalterliche Feudalstaat sich überlebt hatte und eine neue
Zeit mit größeren Aufgaben an BMrsten und Völker herantrat,
teilten auch die Herren von Wakee das Los so vieler öster-
reichischer Adelsgeschlechter, die am Ausgang des Mittelalters
in rascher Folge erloschen.
Rasch fiel die große Vergangenheit des Hauses Walsee
einer unverdienten Vergessenheit anheim. Der Gründe hievon
mögen mehrere sein. Sie liegen wohl vor allem in dem so
jähen wirtschaftlichen Niedergange des Geschlechtes in den
letzten Jahrzehnten, der die Spuren besserer Zeiten stark ver-
wischte. TEb war daher auch kein bedeutendes Erbe mehr da,
durch welches sich die Traditionen des Hauses etwa ander-
weitig erhalten hätten. Auch in der Landesgeschiohte blieb ihr
Wirken bisher meist übersehen, offenbar, da es weder ausschließ-
lich oder auch nur vorwiegend einem der altösterreichischen
Länder allein angehört. Derselbe Umstand erschwerte auch in
hohem Maße die Forschungen, ist doch das reiche Material
an Urkunden und Briefen weithin zertreut und vielfach hier
zum ersten Male für den Gegenstand verwertet.
In ihrer einstigen Heimat hat das schwäbische Städtchen
Waldsee, auf österreichischem Boden haben die Ruine Ober- Wakee
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499
and Schloß Nieder- Walsee^ das heute Mitglieder des Kaiser-
hauses in seinen Mauern beherbergt^ den Namen der Herren
von Walsee der Gegenwart erhalten — die einzige Erinnerung
an reichbewegtes Leben vergangener Jahrhunderte!
X. Abschnitt.
Die Standes-, Besitz- und WirtschaftSTerhBltnisse
des Hauses Walsee«
E^n Versuch; die Standes-, Besitz- und Wirtschaftsverhält-
nisse sowie die Verwaltung des Hauses Walsee zu erörtern^
soll die vorliegende Arbeit beschließen.
Die Absicht, wenigstens dürftig Einblick in das innere
Leben des größten adeligen Wirtschaftsorganismus unserer
Heimatlande im Mittelalter zu geben, erscheint uns so dankens-
wert, daß wir uns der Aufgabe unterziehen, trotz der voraus-
sichtlichen Mängel der Arbeit. Die geringe Zahl von größeren
und brauchbaren Vorarbeiten für unseren Boden macht sie hier
umso ftihlbarer, als das vorliegende Quellenmaterial viele
Lücken aufweist.
Sie erklären sich durch das frühe Aussterben der Wal-
seer nach raschem Niedergange, durch die Ausbreitung des
Hauses über ein weites Gebiet in vier Linien sowie durch die
Teilungen und relativ häufigen Besitzveränderungen, Umstände,
die alle einer vielfachen Verschleppung und Vernichtung archi-
valischer Bestände günstig waren.
Vor allem läßt sich hier der Mangel eines walseeischen
Gesamturbars, wie sich ein solches z. B. von den Grafen von
Schaunberg und den Herren von Eizing in Oberösterreich oder
bei den steirisch-niederösterreichischen Kranichbergem erhalten
hat, besonders für die Fixierung des Besitzstandes nicht er-
setzen und die wenigen kleinen Teilurbare ^ aus einzelnen Herr-
schaften, die sich sonst finden, bedeuten wenig bei dem Um-
fange des walseeischen Besitzstandes. Außerdem stehen uns
einige Amtmannsrechnungen* zu Gebote. Wichtiger ist jedoch
* Handarbare der Herrschaften Gnntersdorf 1465, Nieder- Walsee 1484, an
Ort und SteUe; Flame 1424, Kop. Linzer Mosealarchiv.
* Der Herrschaften Tratteneck 1447, Windeck 1456, Ober- Walsee 1461,
ebenda; Riegersbarg 1434, Qleichenberg 1463, Abschrift Im StLA.;
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500
ein Lehenbach für die walseeischen Lehen in Ober- und Nieder-
österreich^ das um 1440 angelegt ist and mit einigen Lehen-
briefen and Notizen bis 1466 reicht.^ Das arkandliche Material,
welches sich aaf mehr denn 3000 Stücke beläaft^ bietet immer-
hin nar unvollkommenen Ersatz Air diese geringe Anzahl wirt-
schaftsgeschichtlicher Quellen.
1. Dia Standesverhaltnitie.
Wie ihre Nachbarn waren die Waldseer in Schwaben
wohl ursprünglich weifische Ministerialen und nach dem Über-
gänge weifischer Hausgüter von Herzog Weif VL an die Staufer
Ministerialen der letzteren als Herzogen von Schwaben;^ auch
zu den Grafen von Eirchberg-Heiligenberg standen sie im Mini-
sterialitätsverhältnisse.* Bis in die Zeiten E. Eonrads IV. ver-
mögen wir diese Stellung zu verfolgen. Sie löst sich durch das
Aussterben der Staufer und seitdem nennt sich Eberhard HI.
von Waldsee miles^ Ritter schlechthin.^
Gerade die Zeiten des nun folgenden Interregnums f&hrten
in Osterreich alsbald zu der Übergangsperiode, aus welcher
schließlich die Ministerialen, die Dienstherren vereinigt mit dem
Hochadel als Landherren, Herrenstand hervorgingen. In Oster-
reich gelangte dieser Prozeß wenige Jahrzehnte nach dem Auf-
treten der Walseer in ihrer neuen Heimat zum völligen Ab-
schluß. Eberhards III. von Walsee Söhne kommen als habs-
burgische Ministerialen*^ ins Land und ihre Verschwägerungen
erstrecken sich bis über die Jahrhundertwende ausschließlich
auf die hervorragenderen Ministerialenfamilien Österreichs, die
Euenringer, Starhemberger, Eapeller u. a. Der Ausgang des
vorerwähnten Elntwicklungsprozesses, die Geltung, welche die
Walseer bei den Habsburgern genossen, dazu die hohen Amter,
Prem 1454 in Privatbesitz; Rossas 1444, Seoseuburg 1417 in Privat-
besitz.
' Pap. Kod. 1665, k. k. Archiv für NiederOsterreich, Wien; noch nicht ver-
öffentlicht.
> Vgl. Urkk. 1181 Mai 12, Wirtemberg. Urk.-B. II, 215; 1259 September 12,
Reg. ep. Constant., r. 2003; 1278 MIrz 18, Wirtemberg. Ürk.-B. VH, 132.
' Vgl. Urk. 1286 September 8; Orig. kgl. würtemb. Staatsarchiv in Stattgart
* Vgl. Urkk. 1277 Man 11, 1280 April 1; ebenda.
^ Vgl. noch Urkk. 1280 August 17, Wiukelmann, Acta imp. ined. II, 103
und 1320 Mai 3, Blätter des Vereines für Landeskunde von NiederOfter-
reich 11, 106.
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501
welche sie als Hanptlente ob der Ens nnd in der Steiermark
bekleideten^ nnd nicht znletzt ihr Besitzreichtnm brachten sie
indes bald in innige Beziehungen mit hohem und höchstem
Adel. 1314 konnte Ulrich I. von Walsee bereits einem Grafen
von Pfannberg die Hand seiner Schwester verheißen^ and
sechs Jahre später führte derselbe sogar eine Görzerin als
Oattin heim. Fortan bewegten sich die Walseer bis zu ihrem
Aussterben im Herrenstande^ wie ihr ganzer Verwandtschafts-
kreis zur Genüge dartut. Nie begeben sie sich in den Dienst
ihrer Standesgenossen oder etwa der Grafen von Schaunberg
u. a. ; wir trefifen sie ausschließlich im Dienste der Habsburger
sowie der Kirchenfürsten von Salzburg, Passau und Bamberg.
Ihre Stellung wird mit Ende des 14. Jahrhunderts durch
den Anfall des Erbes der Tibeiner noch gefestigt, auf diesem
Boden können sie sich völlig als ihre eigenen Herren betrachten.
Kam doch die Lehensrührigkeit dieser Herrschaften zu den
Hochkirchen von Aquileia und Pola immer mehr in Vergessen-
heit;* den Bischöfen von Pola gegenüber verlautet seit 1400
nichts mehr davon. Wie vorher die Herren von Duino, ver-
sahen die Walseer ihre adeligen Dienstmannen auf dem Karste
mit eigenem Rechte.^ Schon früher und besonders unter Rein-
precht II. erwarben sie vielfach den Blutbann;* K. Siegmund
verlieh ihnen denselben auf allen ihren Herrschaften. Stolz
nannten sie sich bald darauf^ bereits ^Herren zu Tibein und
auf dem Karst' (della Carsia) und schufen sich auch eigene
HofUmter. Bezeichnenderweise begann Reinprecht IV. in seinen
letzten Lebensjahren mit rotem Wachs zu siegeln und sein
Sohn Wolfgang V. folgte diesem Beispiel. 1461* führt er sogar
ein Reitersiegel, dessen Gebrauch ihm bald darauf verboten
worden sein dürfte, da er sich seit 1463 wieder des gewöhn-
Uchen Walseer Schildes bedient. Nach allem diesem kann
schwerlich ein Zweifel sein, daß die Walseer damals geradezu
auf dem Wege zur Reichsunmittelbarkeit waren. Es blieb sehr
fragwürdig, was etwa K. Friedrich, der Gegner Erzherzog Al-
brechts VI., hier weiterhin noch an Rechten als Landesherr
oder — wenigstens hinsichtlich der Polaner Lehen — von
> Vgl. die Genealogie. * Vgl. S. 334.
* Vgl. Dimitz, Geschichte Krains II, 105. « Vgl. S. 442 und 614.
» Vgl. ürk. 1442 November 27; Cod. dipl. Istriano, III.
* Urk. 1461 Oktober 31; Orig. Lambach.
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502
Reichswegen geltend machen konnte. So bestätigte Wolfgang V^
Herr von Tibein nnd der Earsia^ Oberstmarschall in Österreich
nnd Obersttruchseß in Steiermark, 1460 April 24^ auch seiner-
seits den vom Kaiser in den Adelsstand erhobenen Bürgern
von Fiume Jakob imd Nikla Michaletsch ihre Adelsfreiheiten.
Immerhin aber band das Überwiegen österreichischer Interessen
die Wakeer an die Habsburger, bei denen nun die deutsche
Kaiserkrone verblieb, und bereits K. Friedrich traf dementspre-
chend seine Maßnahmen. Der wirtschaftliche Verfall und das
baldige Aussterben des Hauses Walsee ließen alle derartigen
Aussichten in Wegfall kommen.'
2. Tasallan und Dianstleuta.
An Untergenossen unterstand den Walseem ein weiter
Kreis rittermäßiger Geschlechter, die von ihnen Gttter zu Lehen
tragen und in ihren Diensten standen, in gleicher Weise solche
bürgerlicher Abkunft, abgesehen von den Familien niederer
Dienstleute. Zu Ende des 13. Jahrhunderts war der Ritter-
stand nach unten noch offen. Aus Bürgerkreisen wie ans der
wohlhabenden Bauernschaft schloß sich so manche tüchtige
Kraft der Lebensführung des Adels an und fand in demselben
Aufnahme. Insbesondere war es die neutrale Eigentumsform
des Burgrechts, die ein solches Aufsteigen am leichtesten er-
möglichte. Viele Geschlechter unseres Ritterstandes sind nach-
weislich bäuerlicher Herkunft; im 15. Jahrhundert war der
Ritterstand bereits nach unten ziemlich abgeschlossen. Das
Ergebnis der Umbildung vom kriegerischen Berufs- in den Ge-
burtsstand, gliederte er sich in Ritter und Knechte. Letztere,
die ,erbaren knechte'. Knappen, in der Steiermark im engeren,
älteren Sinne auch Landleute genannt, waren Ritter-, ,Send^-
mäßige, die noch nicht durch Empfang des Ritterschlages den
formalen Bedingungen zum Ritter entsprochen hatten, sei es
nun, daß sie das 24. Jahr noch nicht erreicht hatten oder die
Ritterschaft nie erlangten und damit ^gestandene Edelknechte'
blieben. Ihre rechtliche Stellung war jener der Ritter iden-
tisch, wenn diese auch vermöge ihrer Ritterschaft den Vorrang
im Dienste wie in den Bezügen hatten.
» Orig. StAEferding. « Vgl. S. 467.
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503
Die Verpflichtungen des Lehensadels bestanden in per-
sönlicher Treue gegen den Herrn und in der Leistung des
Kriegsdienstes^ die jedoch bei den beiden adeligen Klassen eine
verschiedene war. Der Herr zog als Bannerherr mit seiner
ritterlichen Schar ins Feld.^ Die Banner der Dienstherren bil-
deten in Österreich am Ende des 13. Jahrhunderts vier Fünftel
der herzoglichen Streitmacht, doch sank ihre Bedeutung bereits
in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts durch das Söldner-
wesen. ^ Der Ritter dagegen diente meist als einzelner Ritter
mit Schild und Roß (^Einschildritter'). Lehenberechtigt zu
rittermftßigen Lehen waren in erster Linie nur Leute ritter-
licher Abkunft/ daneben aber auch schon im 13. Jahrhun-
dert die ErbbCLrger^ Patrizier^ die höhere städtische Klasse/
welche gleichfalls ritterliche Lehen innehatte. Der Ritter-
stand hatte im Gegensatz zum Hochadel lediglich die passive
Lebensfähigkeit. Ritter und Knappen standen ursprünglich zu
ihren Herren im Verhältnis der Eigenhörigkeit und wenn dieses
sich auch längst gemildert hatte^ so war davon doch noch ein
Rest übrig. Im Teilbriefe von 1304 August 17^ wurden bei-
spielsweise die zu den Burgen Straneck und Senftenberg ge-
hörigen ,edlen Leute* den beiden Parteien zugesprochen. 1331
Januar 8* verkaufen die Weißenecker den Walseern zu Graz
Schloß Hartneidstein samt dem Landgerichte und ,den edlingen^
die darin gesezzen sint^ Ob die Bezeichnung ^manschaft' all-
gemein die rittermäßigen Eigenleute eines Lehensherm be-
deutet, wie Schalk nach einem konkreten Falle annimmt/
scheint uns nach dem hierfür vorliegenden Material^ zweifel-
haft; richtiger wohl ließen sich darunter auch vereinzelt zer-
streute bäuerliche Untertanen verstehen.
' Vgl. Siegel, Die rechtliche Stellung der Dienstmannen in Österreich.
Sitzangsberichte der Wiener Akad. der Wissensch. CU, 246.
* Vgl. die Soldreverse S. 312, 315 und 417 sowie den interessanten Revers
des Rottmeisters Lienhart Bair 1465 Juli 25; Kop. Linser Musealarchiv.
* Vgl. Worunsky, österr. Reichsgeschichte 34.
* Vgl. Schalk, Die niederösterreichischen weltlichen Stände des 15. Jahr-
hunderts. Mitt. des Inst für Osterr. Geschichtsforschung, Erg.-Bd. ü, 423.
* UBoE. IV, 465; vgl. 8. 272.
« NB. IV, 86; vgl. S. 365. ^ Schalk, a. a. O. 428.
■ Urkk. 1300 September 25, UBoE. IV, 350; 1304 Februar 8, NB. II, 375;
1307 . . ., Inventar, f. 22'.
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504
Erst im Laufe des 15. Jahrhunderts verlieren sich die
letzten Spuren der Unfreiheit ritterlicher Familien. Obgleich
ihre Lehen ja längst erblich waren^ konnten sie ihren Besitz
nur anderen Lehensleuten ihres Herrn oder sonst nur mit
dessen Bewilligung verkaufen oder vermaehen. Allmählich er-
ringen sie sich auch die Ebenbürtigkeit vor Gericht mit dem
hohen Adel, dem sie ja immerhin durch ihre ritterliche Lebens-
fUhrung nahestanden. Wenn sie auch 1408 die Teilnahme am
herzoglichen Hofgericht erlangten, nachdem sie sich schon
früher Zutritt zum Landtaiding verschafft hatten, so begegneten
sie doch^ immer wieder, vorab nicht ritterUche Dienstleute,
vor Gericht ihren Herren. Die grundherrliche Gewalt, weiter
der Blutbann, den die Walseer auf einer ganzen Reihe von
Landgerichten innehatten, und schließlich die hohen Amter der
Landmarschälle, der Hauptleute ob der Ekis und in der Steier-
mark sowie der Hofmeister boten allerorten genügend Hand-
haben, erforderlichenfalls den nötigen Druck auszuüben, um
diese Kreise fügsam zu erhalten. Die auf die Wakeer ausge-
stellten Urfehdebriefe, weit über 100 an 2^hl, rühren großen-
teils von walseeischen Dienst- und Lehensleuten ritterlicher und
nicht ritterbürtiger Abkunft her.
Aus diesen Schichten schufen sich die Walseer seit dem
Beginn des 14. Jahrhunderts auf ihren Herrschaften einen aus-
gedehnten Lehenhof, aus welchem wir nur die wichtigsten Fa-
milien hervorheben wollen.
Da sei vor allem derjenigen gedacht, die aus der schwä-
bischen Heimat der Walsee mit nach Österreich kamen, derer
von Jungingen und Rosenau. Die Aulendorfer, deren Wappen
die Identität mit den Viehdorfem und Seuseneckern* sowie
ihrer Seitenlinie, den Meilerstorfem beweist, stammten aus der
nächsten Umgebung Walsees in Schwaben; mm waren sie als
walseeische Lehensleute in der Amstettner Gegend seßhaft und
meist Burggrafen und Pfleger auf den nahen walseeischen Herr-
schaften. Die um 1420 ausgestorbenen Humbrechtsrieder'
* Vgl. E. B. den Fall des Peter Anhänger, walseebchen Pflegers auf der
Riegersburg, Urk. 1416 --; Hoheneck, Genealogie III, 280.
• WSt. 361—363.
3 WSt. 139; als Letzter des Geschlechts dient 1416 Mert H. als walseeischer
reisiger Knecht anf dem Karst. Vgl. Alberti, Württemberg. Adels- nnd
Wappenbach I, 362.
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505
stammten aus Hummerts-(Hunbrechts-)ried bei Waldsee; jetzt
saßen sie im Traunviertel und waren vielfach walseeische Burg-
grafen und Landrichter in diesen Gegenden.
In Oberösterreich treflfen wir unter den walseeischen Vasallen
vor allem die wachsenbergischen Dienstmannen^ darunter die
Schallenberger/ später selbst Pfandinhaber von Wachsen-
bergy die Premser,^ die aus dem Abteilande stammenden Her-
leinsb erger,' mehrfach als Landesverweser genannt, dann die
ob dem Steine,* ferner aus Neundling bei Rorbach die Neund-
linger,^ die durch ein Jahrhundert Roteneck als walseeisches
Lehen innehatten, sowie die Steinpekhen® und auf dem Sitze
Hagen bei Linz die Alt. In der Riedmark und im Machland
saßen die Oder^ auf dem ihnen von den Walseern verlehnten
Sitze Kriech bäum bei Trag wein und die Walchen,® sowie auf
dem walseeischen Lehen Marbach bei Ried die Ponhalme.®
Im Hausruckviertel wären an erster Linie die mit Gall-
spach und zahlreichen Gütern um Swans (Schwanenstadt) be-
lehnten Geuman^^ zu erwähnen, dann die aus dem Vorlande
des Hausrucks stammenden Aspan, ** ferner die Anhänger^*
von Köppach und Reut, die vordem als Natternbacher auf-
tretenden Schifer,*' die sich durch eine Stiftung hervortaten,
dann die Oberheime r,** meist walseeische Burggrafen auf
Neuburg am Inn und Falkenstein, die Albrechtsheimer,^*^
die Vatersheimer*® aus Vatersheim bei Tauf kirchen an der Tratt-
nach, die Rathaiminger*^ aus der Vorchdorfer Gegend, die
Sinzinger^* und die in der Herrschaft Ort angesessenen Mlil-
wanger,*' Förster und Kammerer.
Im Traunviertel saßen die Schecken,*^ ein aus Steier
stammendes ritterbürtiges Geschlecht, und die Meurl,*^ von
denen der seit 1361 beurkundete Hans 1372 als Untervogt
Rudolfs I. von Walsee im Elsaß weilte, dann die Teurwanger^*
» WSt. 317—320. * Ebenda 267. » Ebenda 121. * Ebenda 529.
^ Stammesgleich mit den Ludmansdorfern; vgl. WSt. 193 — 195.
• WSt. 401—403. ^ Ebenda 224—227. « Ebenda 659-666.
» Ebenda 231. *<> Ebenda 62. " Ebenda 9. " Ebenda 6 n. 708.
1» Ebenda 332—336; JBMFC. XXVII, 316—324; Grienberger, Das Schifer-
sche Erbfltifl in Eferding, Linz 1898.
" WSt 223. " Ana Albrechtsham bei Ried; WSt. 3 nnd 708.
" JBMFC. XXVn, 236. " Zeitschrift ,Adler* X, 49.
M WSt 370. »• Ebenda 218-219. ^ Ebenda 327—828.
^1 Ebenda 204; Vgl. S. 310. » Ebenda 466.
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506
aus Teurwang bei Vorchdorf, die Sinzendorfer^ aus Sinzen-
dorf bei Wartberg an der Krems^ die Rudminger und Sinzen-
berger* aus der Enser Gegend, insbesondere aber die Ler-
büler' und die gegenwärtig noch blühenden Haydn^ von
Dorf (bei Schlierbach).
In Niederösterreich treten die Wolfs tein^ und die
Palleiter® in der Amstettner Gegend, femer die Geveller im
Waldviertel, die Hager/ Hoheneck und die Scheurbecken'
auf, ferner sei der Uttendorfer, Poger, Hofer,* dann der
Floyten^^ und der Plankh*^ gedacht. Sonst waren im Lande
die Schaller, welche die walseeische Feste Engelstein bei
Weitra^* zu Lehen trugen, dann die Anfeld, Guntramsdorfer,**
Wockinger, Gräslein, Stadler, die Schirmer" und Schreiber
und die Zeller ^^ sowie die Pfaffinger zerstreut. Vom Sitze
gleichen Namens (VUMM.) stammten die von Ruckendorf.**
Die Praunstorfer *'' waren meist walseeische Burggrafen auf
Guntersdorf, die Hohenfelder** ursprünglich schaunbergische
Ministerialen; aus dem Machland stammten die Schneken-
reuter. *• Ursprünglich Wiener Bürgerfamilien waren die
Flußhart, ^^ als Hausgenossen (Münzer) und Richter daselbst
genannt, die (heutigen Grafen) Fünf kircher '^ sowie die
Innprucker."
Auf dem Boden der Steiermark lag der Mittelpunkt des
späteren walseeischen Lehenshofes auf der Riegersburg, dem
,stain zu Rukkerspurg' in der Oststeiermark. Wir erwähnen
hier die Steinpeiß'^ und die ihnen nahe verschwägerten
Phuntan** und von Graben,*^ femer die Auer, die Herber-
steiner** uebst den Trautmannsdorf ern," den Gleisbachem
> WSt 866. * Ebenda 364. * Ebenda 178. ^ Ebenda 110.
* Ebenda 666; Keiblinger, Gesch. von Melk II, 26. * WSt 280.
' Wissgrill, Schauplatz IV, 38,
* Blätter des Vereines für Landeskunde yon NiederGsterreich XVII, 373.
* Wissgrill, IV, 362. »« Ebenda III, 68. " WSt. 267.
" Vgl. das Inventar, f. 4—6'. " WissgrUl, HI, 461.
" WSt. 336. ^ Ebenda 697. «» Ebenda 306.
^^ Vgl. Heider, Die romanische Kirche in SchOngrabem 36.
" WSt 131. *• Ebenda 346.
•« Wissgrill, m, 69. «1 Ebenda 169. « WissgriU, IV, 488.
" Vgl. Stadl, Ehrenspiegel des Herzogtums Steiermark IX, 73; StLA., Hs. 26.
^ Vgl. Stadl, a. a. O. II, 606. »* Vgl. S. 332 und 864. *» WSt 113.
'^ Vgl. Trautmannsdorff^ Beitrag zur niederOsterr. Landesgeschichte.
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507
und Gloiachern,* dann die Leupacher, Teuffenbacher* und
Narringer^ sämtlich in der Raabgegend seßhaft^ und die nicht
unbedeutenden Welzer;* in den windischen Bühehi waren die
Pessnitzer^ und die Hollenecker daheim^ in Sudsteiermark
die Trapp,* an welche die Walseer Ober-Marburg verlehnt
hatten.
Von den ehemals tibeinischen Lehensleuten dort und weiter
im Süden, auf dem Karst, sei der Mindorfer,* Oberburger
und Raunacher^ sowie der Wachsensteiner gedacht.
3. Die Hof- und Landesämter.
Seit ihrem Auftreten in Osterreich hatten die Walseer fort-
während die wichtigsten Hof- und Landesämter inne, ein Umstand,
der die Bedeutung des Hauses nicht wenig erhöht.
Als unter Albrecht I. der anfangs eingesetzte Rat von
zwanzig Österreichern rasch seine Bedeutung verlor, trat der
sogenannte ,haimbliche' Rat, die secretarii an dessen Stelle, der
nur aus wenigen verläßlichen Schwaben, vorab aus den drei
Brüdern Eberhard IV., Heinrich I. und Ulrich L von Walsee,
sowie dem Landenberger bestand. Fortan blieben die Walseer
stets der wichtigen Zentralstelle des herzoglichen Rates^
nahe. Derselbe bildete sich weiter aus und erweiterte seinen
Geschäftskreis, zu dessen leichterer Bewältigung er meist für
die verschiedenen Agenden in Kommissionen tagte, die ihre
Gutachten abgaben; er stellte auch Beisitzer zum Hofgericht.
Die Trennung der Albrechtiner und Leopoldiner hatte auch
eine Teilung der herzoglichen Räte zur Folge. So erscheint
Reinprecht L von Walsee-Ens 1358' unter Rudolfs IV. Räten,
Heinrich VI. von Walsee-Ens® war zuerst 1393 als Rat Herzog
Albrechts HI., seit 1395 als Rat der Herzoge Albrecht IV. und
• Zahn-Siegenfeld, Zach. Bartsch, Steir. Wappenbuch, Anh. 30— -32.
• Vgl. Brandl, Urk.-B. der Teuffenbach ; Meli, Regesten zur Gesch. der Fa-
milie vonTeuffenbach, Beiträge zur Kunde steir. Geschichtsquellen XXXIV.
« WSt. 632. * Vgl. Stadl, a. a. O. II, 65; StLA., Hs. 26.
» Vgl. Zahn-Siegenfeld, a. a. O., Anh. 49. • Ebenda 74.
^ Czoemig, Das Land QOrz und Gradiska 686.
® Vgl. Werunsky, österr. Reichsgesch. 91—92; Krones, Landesfürst, Behör-
den und Stände 190—201.
• Vgl. die Genealogie.
ArohiT. XCY. Band. U. H&lfto. 34
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508
Wilhelm, ferner Friedrich V. von Walsee-Ens^ 1396 als Rat
Herzog Wilhelms tätig. Die Besoldung der Räte, welche in
einem Jahrgelde bestand und um die Mitte des 14. Jahrhunderts
200 & ^ betragen mochte, war zu Heinrichs VI. von Walsee-Ens
Zeiten 1395* auf ein ,Ko8tgeld' von ^ßO&^ gestiegen. In
Stellvertretung des Herzogs war dessen Hofmeister Vorsitzender
des Rates. Als solchem mußte Bischof Georg von Passau 1413*
bei seinem Eintritt in den herzoglichen Rat an Reiuprecht H.
von Walsee und dessen Miträte reversieren, mit ihnen gemein-
schaftlich ihre Geschäfte zu fördern und ihnen gegen jeder-
mann beizustehen. Rasch wuchs die Arbeitslast des herzog-
lichen Rates, der dadurch zu den Zeiten K. Friedrichs IH. in
Unordnung geriet. Wenn der letzte Walseer, Reinprecht V.,*
1481 noch als Rat des Kaisers erscheint, so mag dies wenig
mehr als ein Titel gewesen sein, da dessen Inhaber fast nie
mehr bei Hofe weilte und ferne davon auf seinen Gütern ein
trauriges Alter beschloß.
Auch die Hauptleute der Steiermark und ob der Ens
nahmen häufig am herzoglichen Rate teil. Diesem Kreise
entnahm Herzog Albrecht V. die Persönlichkeiten wie Rein-
precht IV. von Walsee, den Hauptmann ob der Ens, welche er
1438* für die Dauer seiner Abwesenheit als Rat mit selbstän-
diger Entscheidungsgewalt zur Regierung seiner österreichischen
Länder einsetzte. Auch Statthalter mit zugeordneten Räten
wurden von K. Friedrich VI. mehrmals^ eingesetzt.
Auch die österreichischen Länder hatten ihre vier mittel-
alterlichen Hofämter (Marschall, Kämmerer, Truchseß, Schenk),
die zu der Zeit, als die Walseer am Ende des 13. Jahrhunderts
hier gleichfalls zugezogen wurden, bereits zu Mannslehen be-
stimmter Ministerialengeschlechter geworden waren. Damit
zogen sich die Inhaber aber auf ihre Besitzungen zurück und
warteten nur noch bei feierlichen Anlässen ihres Hofdienstes,
behielten indes die Einkünfte der mit ihren Erbämtem ver-
bundenen Nutzlehen. An solchen erwarben die Wabeer das
österreichische Marschallamt, ^ das ihnen die 1440 ausgestor-
benen Meissauer vermachten; von ihnen kam es 1483 an die
* Vgl. die Genealogie. • LB. V, r. 16.
» ürk. 1413 Juli 29; Monumenta Boica XXXI«, 118.
* Vgl. S. 447 und 8. 450. » Vgl. S. 450.
^ Vgl. Y. Wretschko, Das (^sterreichiBche Marschallamt; Tgl. S. 450 und 493.
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609
Grafen von Schaunberg. In der Steiermark war das Truch-
sessenamt^ in den Händen der Walseer. Ulrich I. von Walsee-
Graz erhielt es 1299 nach dem Erlöschen des älteren Zweiges
der Wildonier,* da der jüngere Zweig derselben ohnedies das
steirische Marschallamt innehatte. Erst nach Ukichs I. Tode
führen die Emmerberger den Trnchsessentitel wieder wie vor-
mals neben den Wildoniem weiter; Ulrichs I. Sohn Ulrich II.
ist in einer einzigen Urkunde als Truchseß genannt.* Später
findet sich freilich Friedrich III. von Walsee-Graz 13^1—1362»
als ,obrister truchsess in der Steiermarch' beurkundet. Nach
dem Erlöschen der Grazer Walseer kam das Amt 1363 an Cholo
von Seldenhofen. Nach dessen Ableben geriet es 1374* an die
Walseer der Enser Linie; Wilhelm von Glanneck ließ sich
1377 mit seinen Ansprüchen darauf für 100 Äf .Ä abfinden. Als
die Walseer um 1385 endgiltig von der steirischen Hauptmann-
schaft schieden, traten alsbald die Emmerberger wieder als
Truchsessen hervor, zumal sich die Walseer den Leopoldinern
später entfremdeten. So schwankt das steirische Erbtruchsessen-
amt — wenn wir überhaupt von einem solchen bereits sprechen
dürfen — im ganzen 14. Jahrhundert zwischen den Häusern
Walsee und Emmerberg.** Es änderte zunächst nicht einmal
etwas daran, daß Reinprecht H. von Walsee nach seiner Aus-
söhnung mit Herzog Ernst 1418® von diesem mit dem steiri-
schen Erbtruchsessenamte belehnt wurde. Die Walseer be-
haupteten sich indes nun doch darin und vererbten es bei
ihrem Aussterben 1483 an die Prueschinken. ' Seit 1359 er-
scheint Friedrich III. von Walsee-Graz als oberster Schenk in
Steiermark, welches Amt er bereits 1361® gegen das Truch-
sessenamt an Friedrich von Stubenberg vertauschte.
In den vier Hofkmtern, welche die Herzoge für die wirk-
liche Leistung der Hofdienste schufen, als die vier alten Hof-
ämter zu erblichen Landesämtem geworden waren, treflfen wir
die Walseer nicht. Friedrich VH. von Walsee-Drosendorf be-
gegnet uns 1358 — 1359* im Dienste Rudolfs IV. als herzogUcher
^ Vgl. Krones, LandesfÜnt, Behörden und Stände 183—186.
« Vgl. 8. 346. » Vgl. die Genealogie. * Vgl. S. 311.
* Daß es von den Emmerbergern an die Walseer gekommen, weist Krones,
a. a. O. 8. 185 als unrichtig nach.
* Vgl. 8. 427. ' Vgl. 8. 493.
* Vgl. die Genealogie; Krones, a. a. O. 8. 186.
34*
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510
Eammermeister^ der als oberster Finanzbeamter die meisten
Obliegenheiten des nun erblich gewordenen einstigen Kämmerer-
amtes zu versehen hatte. ^
Es spricht deutlich fUr die Bedeutung des EUinses, daß
die Walseer vielfach an der wichtigsten Stelle am Hofe der
Habsburger wirkten: als Hofmeister* waren sie die ersten
und wichtigsten Hofbeamten. Die Hofmeister^ welche auch die
Aufsicht über das Hofgesinde führten, hatten insbesondere den
Herzog in allen Regierungsangelegenheiten zu vertreten und
waren daher auch Vorsitzende des herzoglichen Rates. Es ist
klar, was dieses Amt daher z. B. in den Jugendjahren Herzog
Albrechts V. bedeutete, als es Reinprecht H. von Walsee beklei-
dete. Häufig vertrat der Hofmeister auch den Herzog im Vor-
sitz beim Hofgerichte. Außerdem erscheint er im 14. und 15. Jahr-
hundert als Einnehmer der Judensteuem. '
In gleicher Weise finden wir die drei wichtigsten Landes-
ämter der österreichischen Lande: das österreichische Land-
marschallamt sowie die Hauptmannschaften obderEns^
und in der Steiermark^ lange Jahre hindurch von den Wal-
seem versehen. Bei der häufigen Abwesenheit des Landes-
herm war ein Vollmachtträger, Stellvertreter, Statthalter in
jedem dieser Länder erforderlich, der an Stelle desselben die
oberste militärische wie richterliche Autorität daselbst darstellte.
Aus dieser Stellvertretung hat sich das Amt in Niederösterreich
wie im Lande ob der Ens und in der Steiermark ziemlich
konform ausgestaltet. Ging die Errichtung desselben somit
von der Seite des LandesfUrstentums aus, welches diese wich-
tigsten Posten nur an treu ergebene Ministerialen und Herren
gelangen ließ, so ergab es sich andererseits, daß mit dem Er-
starken der ständischen Gewalten aus ihnen mehr und mehr
die Hauptvertreter der letzteren, vor allem des Hochadels
wurden. Dieser Werdegang, für welchen der Beginn des
* Vgl. Werunsky, österr. Reichsgesch. 96.
* Vgl. Seeliger, Das Deutsche Hofmeisteramt; die Tabelle auf S. 130 da-
selbst ist aus der Genealogie der Walseer, S. 526 — 628 und 546 sn er-
gänzen.
» Vgl. 8. 420.
* Vgl. Nikoladoni, Zur Verfassnngs- nnd Verwaltongsgeschichte der Oster-
reichischen Herzogtümer, JBMFC. LX, 136 ff.
^ Vgl. Krones, Laodesfttrst, Behörden und Stände 157 ff.
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511
15. Jahrhunderts der entscheidende Wendepunkt war, läßt sich
insbesondere an den Herren von Walsee genau verfolgen.^
Diese Doppelstellung kam auch dadurch zum Ausdruck, daß
Landmarschälle' und Landeshauptleute auf Vorschlag der Stände
vom Herzog ernannt wurden, dem sie bei ihrem Amtsantritt
den Diensteid schwuren.
Sie fuhren fllr den Herzog den Oberbefehl über die
Ritterschaft des Landes und die Wehrkraft der Städte,' wie
er einst dem (obersten) Marschall als Stellvertreter des Herzogs
zugestanden hatte. Das Urteil des Land-, beziehungsweise Hof-
taidings wird durch sie, wenn nötig, mit WaflFengewalt voll-
streckt, sie schirmen den Landfrieden und üben die Polizeige-
walt; in den Händen des Landmarschalls liegt in Niederöster-
reich das summarische Verfahren über Landfriedensbrecher,
,Qereune' genannt.^ Auch in allen Verwaltungszweigen wie im
Finanzwesen vertreten sie den Herzog.
Wichtig aber waren die drei Amter vor allem als die
obersten richterlichen Beamtungen ihrer Länder. Wie der
Landmarschall in Niederösterreich, so haben auch die Haupt-
leute ob der Ens und in der Steiermark ihre Funktionen als
Stellvertreter des Herzogs im Landtaiding und später im Hof-
gerichte von den obersten Landrichtern übernommen, aus wel-
chen sie unter den ersten Habsburgern hervorgehen. Dies ist
besonders im Lande ob der Ens deutlich zu verfolgen, wo sich
unter den beiden Persönlichkeiten Eberhard IV. und Eber-
hard V. von Walsee-Linz der Übergang vom Landrichter ,ob der
Ens' zum (Landes-) Hauptmann vollzieht.* Der Landmarschall
und die beiden Hauptleute vertreten den Herzog sowohl im
Vorsitz beim Landtaiding als später beim Hoftaiding, aus wel-
chem sich unter Herzog Albrecht V. das herzogliche Hofgericht
einer- und andererseits das Landrecht* entwickelte, das oberste
ständische Gericht, gleichfalls unter ihrem Vorsitze. Von diesen
drei Amtern ward das des Landmarschalls nur kurze Zeit
(1384—1397; 1403—1405) durch Walseer versehen, umso länger
dagegen die obderensische Hauptmannschaft. Diese war zuerst
von 1288 — 1371^ den Linzer Walseem verblieben und dann
» Vgl. S. 396. • Vgl. 8. 449. » Vgl. 8. 314.
* Vgl. 8. 390. » Vgl. S. 276. • Vgl. S. 426.
* Mit Ausnahme von 1361-- 1363; vgl. die Genealogie.
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512
von 1374—1478 (mit Ausnahme von 1450—1452) von Männern
aus der Linie Walsee-E^s versehen worden. Die Hauptmann-
schaft in Steiermark^ ward in den Jahren 1299 — 1360 durch
die Qrazer Walseer, 1369 sowie 1373—1384 von Enser Wal-
seern geführt^ Daten^ die beredt für die Tüchtigkeit und Be-
deutung der Männer dieses Hauses sprechen.
Die Bestallung mit diesen drei Ämtern erfolgte auf be-
liebigen Widerruf des Herzogs, somit auf unbestimmte Zeit
Bei der Geldnot der Landesflirsten wurden indes selbst diese
Amter mit ihren Einkünften zum Pfandobjekte; ihre Träger
konnten dann davon nicht entfernt werden, bevor der Herzog
sie gelöst. Das Einkommen davon bestand aus einem fixen
Jahressold, wozu noch meist die Burghuten des Schlosses zu
Linz, beziehungsweise der Burg zu Graz sowie Zuweisungen
aus dem herzoglichen Marchfutter kamen. Fa bezog' der
Hauptmann in der Steiermark 1330 jährlich 150 Mark Silber,
der österreichische Landmarschall 1384 200 ^.i^ und den Rest
aus des Herzogs Kammer, 1427 aber AGi&y^ und 1460' gleich
dem Hauptmann ob der Ens ein Jahrgeld von 600Äf/Ä.
Als bambergischer Hauptmann in Kärnten, eine Stellung,
die den vorgenannten einigermaßen ähnlich gewesen sein mag,
hatte Friedrich HI. von Walsee-Graz 1348* jährlich 800 Gold-
gulden.
Davon mußten sie indes ihre Unterbeamten besolden. An
solchen war dem Landmarschall der Untermarschall unterge-
ordnet, der dem Ritterstande entnommen wurde und den stell-
vertretenden Vorsitz im Landrecht hatte. Im Lande ob der
Ens wurde um 1 330 das im Amte des Landeshauptmanns auf-
gegangene Amt des obersten Richters, nun Pflegers, Land-
richters oder Anwalts genannt, wieder errichtet.* Außerdem
wurde auch hier ein eigener Stellvertreter des Hauptmanns
notwendig, besonders als Reinprecht H. von Walsee durch seine
Hofmeisterschaft viel außer Landes weilte; das Amt des Ver-
wesers, das unter diesen Umständen 1413 geschaffen wurde,*
blieb dann ein ständiges. Die Verweser, gleichfalls dem Ritter-
stande entnommen und meist Lehensleute des Hauptmanns,
^ Vgl. die Genealogie.
' Ghmel, österreichischer Geschichtsforscher n, 220.
» Vgl. Urk. 1460 Mära 18; PRA., 2. Abt., II, 106.
* HHStA. Kod. 1049, f. 96. » Vgl. S. 276. • Vgl. 8. 416.
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513
vertreten diesen in seiner Abwesenheit und insbesondere im
Vorsitz beim Landrecht. In der Steiermark begegnet uns das
Amt des Landesverwesers bereits unter Herzog Rudolf IV. ; es
wurde seit der Hauptmannschaft Rudolfs I. von Walsee (1373
bis 1384) gleichfalls aus denselben Gründen ständig. Allent-
halben hatte der Hauptmann und Landmarschall ^ außerdem
noch seine Gerichtsschreiber und Fronboten zu besolden.
Was die Walseer sonst an landesflirstlichen Ämtern inne-
hatten, war ohne Belang. Die ^Hauptmannschaften^, wie einige
der wichtigeren Burggrafenämter auch hießen, standen meist,
so zu Ens, Drosendorf und Steier, mit herzoglichen Pfand-
schaften in Zusammenhang. Auch als Hauptleute zu Wiener-
Neustadt, Portenau und Triest* sowie als herzogliche Verweser
zu Krems füllten Walseer den gleichen Wirkungskreis aus.
4. Gerichtsstand und Gerichtsbarkeit; Vogteiverhältnisie.
Der Gerichtsstand der Walseer war natürlich der des
hohen Adels in Osterreich. An ihre Herkunft aus Schwaben
erinnert noch, daß sie 1349* nach schwäbischem Rechte bei
einem Güterstreit gerichtet werden. Das Landtaiding,^ dem
sie in den Zeiten der ersten Habsburger häufig als Vorsitzende
— durch die Hauptmannschaften in Steiermark und ob der
Ens — sowie als ürteilsfinder beiwohnten, wurde unter Her-
zog Albrecht II. immer mehr durch das Hoftaiding* ver-
drängt und damit den Forderungen des Hochadels nach einem
besonderen Gerichtsstande im Gegensatze zur Ritterschaft Rech-
nung getragen. Das Nachdrängen des Ritterstandes, der 1408
an der Besetzung der Hofschranne Anteil erhielt, führte zur
Ausbildung des landmarschallischen Gerichtes oder Land-
rechtes, das etwa um 1412 geschaflFen wurde. Vor diesem
sollte 1417« der Streit der Liechtensteiner von Nikolsburg mit
Reinprecht H. von Walsee zur Austragung kommen. Das Land-
» Vgl. S. 310. « Vgl. S. 317.
s Urk. 1849 März 26; NB. II, 815.
* Vgl. Urkk. 1308 Febraar 27, NB. I, 319; 1311 Januar 23, Muchar, Qesch.
d. Stelerm. VI, 187; 1333 März 8, ÜBoE. VI, 112.
* Vgl. Urkk. 1338 Dezember 18, 1386 September 26, NB. IV, 103 und
697; 1417 Juni 16, LB. V, r. 1721.
' Vgl. Falke, Qesch. des Hauses Liechtenstein 11, 439—443.
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514
recht, vor welchem die Walseer zu Linz und Wien, zu Graz^
und Laibach* erschienen, blieb dann unter mehreren Umge-
staltungen der Gerichtsstand des Adels weit über das Mittel-
alter hinaus.
Streitigkeiten um Lehen und Güter weltlicher und geist-
licher fremder Fürsten wurden entweder durch diese Lehens-
herren selbst oder durch (Lehen-)Richter entschieden, die von
Fall zu Fall bestellt wurden; mehr und mehr kam auch hier
die landesherrliche Gerichtsbarkeit zur Geltung. So entschied
Burggraf Albrecht von Nürnberg 1358' persönlich gegen die
Ansprüche Reinprechts I. von Walsee-Ens auf das zoUerische
Lehen Göllersdorf zugunsten Albers von Puchheim; 1418* er-
nannte Burggraf Friedrich von Nürnberg Leutold den Eckarts-
auer zum Richter im Streite zwischen Reinprecht ü. von Wal-
see und den Starhembergem um Mautem. Als Freisinger
Lehensmann wurde Rudolf L von Walsee 1399* zum Richter in
einem Streite um Freisinger Güter vom Bischof Berthold bestellt
Die Walseer spielten indes auch eine nicht unbedeutende
Rolle als Gerichtsherren. Von der grundherrlichen, hofrecht-
lichen Gerichtsbarkeit, die ihnen auf ihren Herrschaften zu-
stand, abgesehen, erscheinen sie auf einer ganzen Anzahl von
Landgerichten gleich anderen Häusern des Hochadels, wie die
Schaunberger etc., als Inhaber des Gerichtes ,mit Stock und
Galgen^, des Blutbanns; außerdem waren zahlreiche Vogteien
in ihren Händen. Durch Belehnung, Kauf und Verpfändung
waren eine ganze Anzahl von Landgerichten an die Wal-
seer gekommen, die meist im Sprengel reich begütert waren
und ja ohnedies die niedere Gerichtsbarkeit über die Hinter-
sassen daselbst ausübten. So war Heinrich I. von Walsee-Ens
selbst im Jahre 1300^ als herzogHcher Landrichter zu Wachsen-
berg tätig. Ihm und seinen Söhnen war femer der Satz von
Ens etwa von 1309 bis c. 1345^ samt dem Gerichte verp&ndet,
das sie als Hauptleute daselbst zugleich versahen. Des weiteren
blieb Freistadt mit dem Landgerichte (Riedmark) den Walseem
» Vgl. ürk. 1430 August 8; NB. H, 311.
» Vgl. Urk. 1441 Januar 6; Orig. StAEferding.
» Zeitschrift ^dler' XVII, 141.
* Vgl. Urk. 1418 Juli 6; Orig. HHStA.
* Vgl. Urk. 1399 Juli 4; RegesU Boic* XI, 168.
* Vgl. S. 296. ' Vgl. S. 298 und 308.
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von Linz und Ens von 1290 bis c. 1358,* das Landgericht zu
Wachsenberg der Enser Linie 1331* — 1436 verpfändet. Kauf-
weise kamen femer die Landgerichte Peilstein 1319* (1435 ab-
gelöst) und Ort 1344*— 1483 an die Enser-, Allentsteig 1332
bis 1367* und nochmals 1376, desgleichen Senftenberg 1314
durch Kaufan die Linzer Linie des Hauses, der 1355® auch das
bambergische Landgericht zu Schlierbach (auf dem Moos) erb-
lich verliehen wurde. Den Enser Walseern stand 1418 — 1465
auch das Landgericht Haslach zu.'' In der Steiermark war
1302—1400 sowie 1440—1478 das Gericht zu Gleichenberg,»
das zu Weinburg • 1308 — 1400 sowie nochmals 1440 — 1460 in
walseeischen Händen. In Kärnten gingen das herzogliche
Landgericht Hartneidstein, 1331, sowie die bambergischen Land-
gerichte Weißeneck 1330, St. Leonhard, St. Andre und Reisberg
1331 erworben,*® sämtlich nach dem Absterben der Grazer
Walseer 1363 in fremden Besitz über.** Für die untersteirischen
Herrschaften wie für das Erbe der Tibeiner lassen sich nur
wenige Nachweise beibringen; dort stand den Walseern min-
destens auf den ehedem tibeinischen Herrschaften Duino, Prem
und Senosetsch sowie am Quamero die Blutgerichtsbarkeit
gleichfalls zu. Nachdem Herzog Albrecht V. an Reinprecht II.
von Walsee 1413** das hohe Gericht (Gerichtsleihe) auf seinen
Herrschaften Nieder- Walsee, Seuseneck und Komspach, zwei
Jahre darauf** auch auf Ober-Walsee, Senftenberg, Gunters-
dorf, Stroneck, Purgstall und Hoheneck verliehen hatte, erteilte
K. Siegmund dem Sohne dieses Walseers, Reinprecht IV.,
1434** den Blutbann (Bannleihe) auf allen seinen
Gerichten. Aber bereits K. Friedrich sicherte sich im
Vertrage von 1450 Dezember 6*^ für den Fall des Aus-
sterbens des Hauses im Mannsstamme deren Heimfall. Der
Sitz des Landgerichtes Schlierbach wurde später nach Pem-
stein und schließlich nach Scharnstein verlegt, *^ ein Teil davon
^ Vgl. S. 259 und 306. * Efienda S. 808 und 446.
' S. 299 und 446. « S. 304 und 494. » 8. 288 und 292.
• Vgl. S. 286 und 479. ' Vgl. S. 479.
• Vgl. 8. 864, 369, 887, 460 und 492.
» Vgl. 8. 866, 869, 387, 450 und 481.
10 Vgl. 8. 365. " Vgl. 8. 868. " Vgl. 8. 417.
" Vgl. 8. 421. " Vgl. 8. 442. " Vgl. 8. 467.
" Vgl. Urkk. 1467 Mära 5, Kop. Linzer Mugealarchiv ; 1474 März 3, Orig.
8tAEf6rding.
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ausgeschieden und dem Stifte Spital a. P. 1464* verkauft. Da
weiter das tibeinische Erbe in seinen beiden Hälften 1466 und
1472 an den Kaiser gekommen und von den Herrschaften
Guntersdorf, Hoheneck u. a. längst verkauft waren, so waren
beim Erlöschen des Hauses 1483 noch die Landgerichte Ort,
Schamstein, Ober -Walsee, Seuseneck, Purgstall und Senften-
berg übrig.
Dazu hatten die Walseer außer den grundherrlichen sowie
der Dorf-* oder Hofmarkgerichtsbarkeit nun noch eine ganze
Anzahl von Vogteien inne. Auch sie waren von einiger Be-
deutung und sind sowohl wegen des Einflusses und der Gewalt,
die sie ihren Inhabern boten, wie auch wegen ihrer Erträgnisse
nicht außer acht zu lassen, zumal da sie eine nicht geringe
Stärkung der grundherrlichen Gewalt des Vogtherm ergaben.
Die Herkunft dieser Vogteigerechtigkeiten ist eine verschiedene.
Geistliche wie weltliche Grundherren, landsässige wie
fremde vogten den Walseem Grundhörige ihrer im Lande ge-
legenen Besitzungen, aller oder einzelner, selbst an, am den-
selben einen besseren Schutz zu verschaffen. Der Vogt erhIÜt
die niedere Gerichtsbarkeit über sie, woraus dagegen Leistungen
der Vogtholden an denselben entsprangen.'
So hatten die Herren von Walsee seit 1348* die bam-
bergische Vogtei zu Haag in Niederösterreich, von 1363^ ab
die im Markte Kirchhof in der Hofmark Windischgarsten und
im Garstener Tale inne. Rudolf I. von Walsee war Vogt des
Hochstifts Regensburg in Österreich; Bischof Johann überließ
ihm ftir diese Zeit 1391^ überdies die Hälfte der Lehenschaft
über die Besitzungen desselben. Burggraf Friedrich von Nürn-
berg belehnte Heinrich I. von Walsee 1318^ unter anderm mit
der Vogtei zu ,Perharczdorf ^ Die Walseer zu Linz brachten
ferner die Vogtei zu Neumarkt® an sich (vor 1379), damals die
1 Vgl. S. 479.
» Vgl.ürk. 1314 Februar 2, NB. IV, 81; 1318 August 8, 1319 Juni 9,
FRA., 2. Abt., in, 680, 664.
» Vgl. Schalk, a. * 0. 442.
♦ Vgl. Urk. 1348 November 2; HHStA. Kod. 1049, f. 60'.
^ Urk. 1363 Desember 1 ; UBoE. Vni, 159.
• Urk. 1391 November 11; Orig. HHStA.
"> InvenUr, f. 16'.
« Vgl. Stmadt, Peuerbach, JBMFC. XXVII, 393.
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517
letzte österreichische Enklave im schaunbergischen Trattnach-
gebiete, die bis 1483 walseeisch blieb. ^
Als oberster VogtheiT weist femer der Landesfürst den
Walseem weltliche wie geistliche Vogteion zu. 1359* verpfändet
ihnen Herzog Albrecht die Vogtei zu Wels, welche lange Jahre
hindurch walseeisch blieb.
Die meisten Klöster in Osterreich hatten den Herzog zum
Vogte.' Während sie die Schirm vogtei, hohe Vogtei davon
behielten, setzten sie meist Untervögte ein, welche die niedere
Vogtei, Kasten-, Ding- oder Betvogtei erhielten. Sie ernannten
dazu die Landeshauptleute oder häufiger die Landrichter sowie
andere in der betreffenden Gegend begüterte Adelige. Diese
Untervögte und noch mehr ihre Beamten mißbrauchten nur zu
oft ihr Amt. Das dadurch begreifliche Streben der Klöster
nach Entvogtung vermochte nicht überall durchzudringen; in
einzelnen Fällen kam es im Qegenteil sogar zur Erblichkeit
der Untervogtei.
Im Lande ob der Ens hatten die Walseer die Kloster-
vogteien von St. Florian (schon 1297* und noch 1349) und
Garsten (seit 1428) inne; die von Lambach (seit 1313)* wurde
schließlich trotz des Bestrebens des Klosters,^ die Vogtfreiheit
zu erringen, zur Erbvogtei.^ Dazu kam schließlich noch die
Vogtei des Minoritenklosters zu Wels ^ c. 1434 und die Patronats-
vogtei über Schlierbach, das die Walseer 1355 gegründet hatten;
Eberhard V. von Walsee-Linz verzichtete 1371® darauf. In der
Steiermark besaß Ulrich IV. von Walsee-Drosendorf die Vogtei
von St. Lambrecht (1395);^ wie es etwa mit der Patronatsvogtei
des Grazer Dominikanerinnenklosters stand, ist nicht mehr aus-
findig zu machen.
Auf dem Boden Niederösterreichs erscheinen die Walseer
als Vögte von Erlakloster (1297),* vom nahen Ardagger, wo
1315^^ der walseeische Burggraf zu Seuseneck zum Untervogt
1 Vgl. S. 495. « ÜBoE. Vn, 681.
' Vgl. Wemnsky, österreichische Beichsgeschichte 64; v. Srbik, Beziehun-
gen Ton Staat und Kirche während des Mittelalters 76—91.
* Vgl. 8. 273.
* Vgl. ürk. 1481 Mai 26; Britz, (Jesch. des Landes ob der Ens II, 716.
• Vgl. Urk. 1488 Oktober 1; Kop. Linzer MnsealarchiT.
^ Vgl. Meindl, Gesch. der Stadt Wels II, 102.
• Vgl. S. 290. » Vgl. Krones, Urk., r. 861. " Vgl. S. 622.
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518
bestellt war, ferner von Seitenstetten (1359 *). Die Vogtei au
Mauerbach wurde Keinprecht IV. von Walsee 1429* veriiehen,
sein Sohn ließ die von Minnbach 1475 von Senftenberg aus
versehen.' Dazu kam hier die Patronatsvogtei über die wal-
seeische Gründung Sensenstein.
Von angevogteten einzelnen Gütern und Holden nennen
wir die Betvogtei über die Holden des Stiftes St. Peter in Salz-
burg zu Breitenau (bei Gunskirchen), über welche die Walseer
Eberhard V., Heinrich VI. und Reinprecht 11. beim Antritt ihrer
obderensischen Hauptmannschaft 1325, 1374 und 1379* rever-
sieren. Sie wurde durch die walseeischen Pfleger auf dem
nahen Tratteneck ^ ausgeübt. Dort waren auch Untertanen des
Klosters Mondsee angevogtet. * Femer besaß Eberhard V. von
Walsee die Vogtei über ein Gut des Klosters St. Nikola zu
Passau. Der walseeischen Herrschaft Rutenstein waren Bunter-
Sassen des Klosters Waldhausen angevogtet. ^ In Niederöster-
reich hatten die Walseer zu Ens die Vogtei der Besitzungen des
bairischen Klosters Metten zu Eisdornach 1310 und noch 1361.^
Wiederholt klagen die Göttweiher Untertanen, deren Vogtei die
Walseer zu Ens innehatten/ über Bedrückung vonseite der-
selben.^^ Auch Melker Untertanen unterstanden walseeischer
Vogtei.*^ In der Steiermark bevogtete die dortige und später
die E^ser Linie Güter des Klosters Seitenstetten auf der Zei-
ring, Vorauer Holden in der Herrschaft Gleichenberg,** ein
Gut der Kartause Seitz zu Swersobitz im Unterlande. *' Schließ-
lich hatten die Walseer die Vogtei über die Güter des Klosters
St. Paul auf dem Remschnik, der Gegenstand eines hundert-
jährigen Streites (1331 — 1434) zwischen Kloster und Vogtherren."
» S. 306. • Vgl. 8. 446.
' Vgl. Urk. 1475 Mai 4; Kop. Linzer Mosealarchiv.
* Urkk. 1325 Juli 4, 1374 November 8, 1379 November 11; Kop. linEer
Mosealarchiv.
» Vgl. Urk. 1368 Juli 80; ebenda. • Vgl. S. 638.
^ Urk. 1444 Deeember 20; Kop. Linzer Musealarchiv.
« Vgl. S. 299 und S. 339.
• Vgl. Urk. 1390 Oktober 9; FBA. LI, 732.
>o Urk. 1390 Oktober 9; ebenda.
" Urk. 1362 März 21; Ph. Huber, Austria ex arch. Mellic ill. 80.
" Urk. 1440 Oktober 20; Kop. Linzer Musealarchiv.
" Vgl. 8. 365. " Vgl. 8. 356 und 446.
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619
5. Verwaltung und Dienerschaft.
Bereits in Schwaben^ also zu Ende des 13. Jahrhunderts,
hatten die walseeischen Güter ihre geordnete Verwaltung durch
Burggrafen und Amtleute. * Sie wurde in derselben Weise in
Osterreich weitergeführt und die Zersplitterung des walseeischen
Besitzes ließ es darin bis zu Ende des 14. Jahrhunderts zu Be-
sonderheiten nicht kommen. Eine bedeutende Erweiterung der
Organisation trat dagegen alsbald ein, als die Vereinigung der
großen Gtltermasse eine teilweise Zentralisierung der Verwaltung
ermöglichte.
Vorerst kamen dafUr vor allem die ständigen Schreib-
stuben* in Betracht, deren Bestand wir bei allen vier Walseer
Linien bereits seit dem Beginne des 14. Jahrhunderts verfolgen
können. Die Schreiber derselben • — die zweimal genannten
Notare sind wohl der gleichen Kategorie beizuzählen — ge-
hörten durchwegs dem Laienstande an. Ihre Sache war es,
die Urkunden und Briefe für ihre Herren auszufertigen,
Quittungen auszustellen und die Verrechnung mit den Amt-
leuten und Pflegern zu besorgen. Au<5h zu mancherlei anderen
Sendungen und Zwecken wurden die walseeischen Schreiber
verwendet. In Linz wie in Graz war, wie natürlich, das amt-
liche Bedürfnis der dortigen walseeischen Landeshauptleute mit
dem privaten verquickt, so daß die dortigen Schreibstuben wohl
beiden Zwecken zugleich dienten.
An der Spitze der einzelnen walseeischen Herrschaften, zu-
mal der größeren, standen Burggrafen und Pfleger* — auf
den Tibeiner Gütern meist Hauptleute — , die späterhin im
15. Jahrhundert häufig zugleich die Funktionen des Landrichters
» Vgl. S. 252.
' Vgl. Czernj, Die Bibliothek des Chorherrenstiftes St. Florian, Schreiber
auf den Edelhöfen, S. 64—69.
• Genannt werden: Leupold, Schreiber Eberhards IV. von Walsee-Linz
1805; Choloman, Notarias Friedrichs I. von Walsee-Drosendorf vor 1311;
Ekhard, notarius domini de Waise nach 1314; Friedrich, Schreiber und
Pfleger Eberhards IV. von Walsee-Linz 1321 ; Johann, Schreiber Hein-
richs VI. von Walsee-Ens 1380; Heinrich der Diezzer, Schreiber Jörgs
von Walsee-Linz 1382; Ulrich, Schreiber Reinprechts H. von Walsee-Ens
1391; desselben Schreiber: Cunrat von Tehnpekh 1413, Mert Ranynger,
1414, 1421.
* Vgl. Werunsky, Österr. Reichsgesch. 86—88.
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520
ausübten. Diese Amter waren mit ritterbtlrtigen Männern (auch
unter den walseeischen ,Dienem^^ schlechthin finden sich deren
genug) besetzt, meist aus den Familien der zahlreichen Lehens-
leutC; die dadurch oft weit von ihrer Heimat hinweggeftlhrt worden.
So treflFen wir in walseeischen Diensten den Baiem Friedrich
von der Bott, die oberösterreichischen Rathaiminger, Albrechts-
heimer, Geuman und Humbrechtsrieder, aus der Steiermark die
Mindorfer und Herbei'steiner alle in den tibeinischen Herrschaften
auf dem Karst, einen Anhanger in der Steiermark; einem
Meurl, gleichfalls Oberösterreicher, begegnen wir im Elsaß, ein
Rauber aus Krain war Pfleger auf Rutenstein im Nordostwinkel
Oberösterreichs.
Der Burggraf, auch Pfleger und an wichtigeren Posten
(so besonders auf den tibeinischen Herrschaften) Hauptmann
genannt, hatte die Burghut: ihm war die Burg, welche er in
wehrfähigem Zustande zu halten hatte, mit einer kleinen Be-
satztmg von Burgwächtern und Söldnern anvertraut. Er be-
fehligte sie an Stelle seines Herrn im Kriegsfall, wo er die
ritterlichen Leute, geworbene Söldner und die Landwehre seiner
Herrschaft heranzog; Burgsassen finden sich hierzulande nur
vereinzelt.* Ferner war er verpflichtet, seinem Herrn im Be-
darfsfalle mit einer Anzahl gerüsteter Leute auch nach aus-
wärts' zuzuziehen und den Troß an Heerwagen, Knechten und
Pferden aufzubringen.* Auf vielen Herrschaften verwaltete der
Pfleger zugleich auch das Amt des Landrichters, der ihm sonst
im Range nachstand. Der ,Pfleger* schlechthin hatte damit
auch die Funktionen desselben wie die Erhaltung des Land-
friedens, die Straßen- und Handelspolizei tlber.
Unter den walseeischen Hauptleuten und Burggrafen nahm
der auf Tibein (Duino) den vorzüglichsten Platz ein.** Er war
geradezu Statthalter auf den tibeinischen Herrschaften, deren
Hauptleute und Pfleger ihm sämtlich unterstanden, und zugleich
Lehenrichter der Walseer.* Ihm unterstand alle Wehrkraft
der tibeinischen Herrschaften, auch der gesamte Adel derselben
» Vgl. B. B. ürk. 1408 Dezember 8; Kop. HHStA.
* Z. B. anf einem Tanne sa Lins, Urk. 1385 Angnst 18; Kop. linser
Masealarchiv.
' Vgl. Urk. 1452 Jnli 3; ebenda. « Urk. 1445 Oktober 25; ebenda.
* Vgl. Pichler, a. a. O. 246 und 264.
* Urk. 1430 M&rs 23; ebenda.
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521
folgte seinem Befehl. Durch seine Hand gingen alle zu erle-
digenden Angelegenheiten an die Walseer nach Österreich. Be-
sonders mußte er es sich angelegen sein lassen^ die guten Be-
ziehungen zu den Venezianern zu erhalten. ^
Die Anstellung des Burggrafen, Pflegers oder Hauptmanns
erfolgte nur noch auf Zeit, meist für 1 — 3 Jahre oder auf
Widerruf. Eine Vererblichung des Amtes trat nicht ein, wenn
wir auch ab und zu Vater, Sohn und Enkel nacheinander als
Pfleger finden. Familien, die etwa in der Nähe einer Burg
stärker begütert waren, kamen naturgemäß häufiger zur Burg-
grafen- und Pflegerschaft auf derselben. Die Burghut — damit
werden sowohl das Amt als die Bezüge bezeichnet — bestand
in Geld und Naturallieferungen ; auch Nutznießungen von ein-
zelnen Grundstücken, Meierhöfen und selbst Mühlen* waren
damit verbunden. Da sie als ganzes übertragen zu werden
pflegte, hatte der Pfleger die Burghüter' und Torwächter bei-
zustellen und zu besolden. So betrugen die Burghuten der
flinf Pfandschaften Freienstein, Frankenburg, Peilstein, Puch-
heim und Seusenburg um 1438 zusammen 292Äf,Ä,* etwa ein
Fünftel des Erträgnisses. Der walseeische Burggraf auf Seusen-
eck bezog 1458 » jährlich 72^^, jener auf Schamstein 1474
60 ÄT/Ä, 2 Mut Korn und ebensoviel Hafer,* die beiden Wächter
daselbst im Vorjahre 6/,Ä und 14 Motzen Korn.^ Neben den
Pflegern, femer auf den kleineren Schlössern (und auf allen
Schlössern der Linie Walsee-Graz bis 1363) sowie in den wal-
seeischen Häusern in den Städten (so in Linz, Ens, Wels,
Krems, St. Polten, Klostemeubui-g, Wien, Graz, Bleiburg und
Laibach) saßen Hauspfleger, Hausschaffer oder Schaffer genannt,
welche lediglich die Schloß- und Hausverwaltung flihrten.®
Schaffer bewirtschafteten ferner die wenigen Meierhöfe, welche
der Grandherr noch, meist in jeder Herrschaft nur einen, in
Eigenbetrieb behalten hatte.
^ Urk. 1430 März 23; ebenda 263.
* Vgl. das Urbar von Fiurae von 1424, f. 1'; Kop. Linzer Masealarchiv.
» Vgl. Urk. 1447 Februar 26; ebenda.
* HHStA. Kod. Suppl. 1167, f. 9.
* Vgl. Urk. 1468 September 28; Orig. HHStA.
* Vgl. Urk. 1474 März 3; Kop. Linzer Musealarchiv.
' Laut Quittung 1473 -— ; ebenda.
'^ Vgl. Urk. 1452 Oktober 8; ebenda u. a.
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522
Die Finanzverwaltung der Herrschaft führte der Amt-
mann;^ größere Herrschaften waren in mehrere Amter geteilt,
andererseits auch der Streubesitz zu Ämtern^ vereinigt, so daß
sich Urbar- und Gerichtsverwaltung nicht deckten. Der Amt-
mann — in untertänigen Märkten' der Marktrichter — war
Einnehmer der Geld- wie auch der Naturalabgaben, die er
jedes Jahr richtigzustellen hattet Er hielt mit seinem Herrn
jährlich einmal* unter Vorlage der , Rechenbücher' über Ein-
nahmen und Ausgaben Abrechnung. Ihm lag auch die Führung
der Urbare, der Grund-(Gewer-) Bücher* ob, die wohl meist in
der Schreibstube des Herrn angelegt worden waren. ^ Er hatte
Burggrafen® (Pflegern), Schaffem, Torwärtem und sonstigen
Dienstleuten ihre Besoldung, aufgenommenen Arbeitern ihren
Taglohn auszuzahlen, ebenso legte er die Kosten für Bauten,
bei Handwerksleuten und fUr alle sonstigen Anschaffungen so-
wie die vielen Botenlöhne aus. Neben dem Amtmann erscheint
auf größeren Herrschafl»n der Kastner. Diesem oblag die
Übernahme des eingelieferten Dienstgetreides, das in den herr-
schaftlichen Speichern, Getreide-,Kästen' aufgeschüttet wurde.
Empfang und Abgabe wurden allenthalben im 15. Jahrhundert
bereits genau bestätigt; derartige Quittungen haben sich von
mehreren walseeischen Herrschaften zahlreich erhalten.
Amtleute, Schaffer und Kastner gingen fast ausnahmslos
aus den Familien niedriger Dienstleute hervor und waren offen-
bar häufig bäuerlicher Abkunft.
Die Vogtleute unterstanden dem Pfleger* der Herrschaft,
welcher sie angevogtet waren, und Vogtamtleuten. ^®
^ Vgl. Dopsch, Die landesfürstlichen Urbare Ober- und Nieder(teterreichs
cxxx— cxxxn.
• Vgl. S. 466, 480, 495.
» Vgl. Urkk. 1440 Januar 21, 1442 Februar 3, 1444 April 24, 1464 Fe-
bruar 27; Kop. Linzer Musealarchiv.
* ,Die Zehente beraiten', vgl. Urk. 1438 Juni 30; ebenda.
^ Als Abrechnungstage finden sich genannt: Ebenweich tag (Neujahr), am
häufigsten der Prehentag (3 Könige), Ostern, Qeorgi und Pfingsten.
ß Vgl. Urkk. 1449 Februar 4, 1464 April 24, 1476 Mira 4; a. a. O.
^ Manche Herrschaften hatten bereits einen eigenen Schreiber; vgl. Urk.
1340 Juli 26, Stejerer Collectanea, col. 48.
^ Vgl. Urk. 1464 Dezember 22; Kop. Linzer Musealarchiv.
' Z. B. die von Ardagger dem walseeischen Burggrafen auf Seuseneck;
vgl. Urk. 1316 Januar 21; AÖC. XLVI, 496.
^° Z. B. zu Tratteneck, Urk. 1447 November 2 1 ; Kop. Linzer Musealarchiv.
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623
Seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts gestaltete sich dieser
einfache Organismus, wie er fUr größere Adelsgeschlechter da-
zumal bei uns typisch war, alsbald bedeutend aus, als der ge-
samte Besitz des Hauses Walsee in den Händen der Enser
Linie vereint und auch sonst bedeutend vermehrt wurde. Dazu
kam, daß nun überdies der Wohnsitz der auf wenige Köpfe
zusammengeschmolzenen Walseer durch die obderensische Haupt-
mannschaft an Linz und die benachbarten walseeischen Herr-
schaften gebunden blieb. Diese Verhältnisse, welche namentlich
auch eine Stellvertretung des Herrn öfters erheischten, führten
durch die Ausgestaltung der walseeischen Schreibstube zum
Entstehen einer zentralen Verwaltung für die gesamten wirt-
schaftlichen Verhältnisse des Hauses.
Wir finden nun (zum ersten Male 1397)^ Räte, auch An-
wälte genannt, zur Besorgung der wichtigeren Geschäfte.* Sie
sind nichts anderes als ältere, erfahrene frühere Schreiber und
zum Teile als solche nachweisbar, wie jener Mert Raninger,'
der sich 1426 durch die Stiftung^ der (älteren) Dreifaltigkeits-
kapelle zu Linz hervortat. Auf zahlreichen Reisen begegnen
wir ihnen da und dort in mancherlei Aufträgen ihres Herrn.
Eigene ,An walte** — meist zugleich Pfleger auf der Riegers-
burg — vertreten die Walseer vor der Landschranne im leo-
poldinischen Innerösterreich.
Bereits die Walseer zu Graz hatten 1341 einen eigenen
Kammermeister gehalten,^ der indes eher nur als untergeord-
netes Finanzorgan aufzufassen ist. Bald nach Reinprechts II.
Tode erscheint (1428 — 1461 nachweisbar) ein Rentmeister an
der Spitze der walseeischen Finanzverwaltung, der eine Ver-
rechnung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben des Hauses
führen sollte;' er hatte auch mit den Ämtleuten abzurechnen
und diese zu überwachen.
^ Urk. 1897 November 25 ; Libri Commemoriali d. r. di Venezia HI, 248.
« Vgl. Urk. 1486 Oktober 10; Preuenhuber, Ann. Stir. 446; Urk. 1440
Oktober 20 (Kop. Linzer MoseaUrchiv) bemfen sie die walseeischen
Lehen.
» Vgl. S. 613.
^ Vgl. Archiv fQr Gesch. der Diözese Linz I, 154.
» Vgl. Urk. 1428 April 19; LB. V, r. 2636.
• Urk. 1341 Februar 10; Orig. StLA. Nr. 2180; vgl. Dopsch, Urbare,
S. CXXXVI.
* Vgl. das Inventor, f. 28.
▲toUt. XCY. Band. II. H&lfle. 35
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624
EHn Qesamturbar des walseeischen Besitzes^ hat sich
leider nicht erhalten, wohl aber ein um 1440 angelegtes Lehen-
bach, das bis etwa 1466 reicht, aber nur die ober- und nieder-
österreichischen Lehen enthält.'
Um dieselbe Zqü treten auch walseeische Hofilmter an^
deren Inhaber wir ausschHeßlich in tatsächlicher Ausübung
ihres Dienstes treffen. So lassen sich Kämmerer in den Jahren
1430 — 1468, Marschalken von 1445 — 1455' nachweisen. Auch
eigene Kapläne werden mehrfach erwähnt; sie und die Schreiber
waren wohl die Lehrmeister in der edlen Kunst des Lesens*
und Schreibens, welche die meisten Mitglieder des Hauses Wal-
see bereits übten. Ein oberster Schaffer, als welcher 1440 bis
1443* der — ritterbilrtige — Veit Mülwanger genannt wird,
beaufsichtigte die Verwaltung des Haushaltes und die niedere
Dienerschaft — einen schier unübersehbaren Troß. Welchen
Umfang die walseeische Haushaltung um die Mitte des 15. Jahr-
hunderts angenommen hat, läßt sich aus der Erwähnung eigener
Küchenschreiber und Futterschreiber — zur Verrechnung für
Küche und Marstall — , Kellner (Kellermeister)^ und Reise-
schaffer ^ entnehmen. Dazu kamen dann eigene Jägermeister,
Falkner und zuletzt sei der walseeischen SpieUeute, Lautner,
Fiedler und Pfeifer gedacht,® die gern bei Freunden ihres
Herrn, Adeligen und Klöstern, in der Hoffnung aufspielten,
durch klingenden Lohn ihr schmales Einkommen aufzubessern.
Es ist ein buntes, lebendiges Bild, das sich uns von dem
Leben und Treiben des an Gut und Ehren so reichen Adels-
' Im Inventar von 1645 (f. 48) wird erw&hnt: ,6in anBchlagbuech auf heim
Reinprechts von Walsee Schlösser und g^eter anno (14)43*; aoßer den
erhaltenen Teilurbaren werden solche genannt von Leonfelden 1361,
Seoseneck 1405, Weißenbach 15. Jahrhundert, Senosetsch 1461, Kom-
spach 15. Jahrhundert; vgl. S. 499.
• Vgl. S. 600.
' Meist ritterbürtig; Siegmund Vorster nennt sich 1450 ausdrücklich ,Hof-
marschalich'.
• Vgl. das Testament Ulrichs IV. von Walsee-Drosendorf, 1400 Januar 20;
Orig. HHStA.
» Vgl. Urkk. 1440 Mai 17, 1440 Oktober 17; Kop. Linzer Musealarchiv.
• Vgl. Urk. 1481 August 16; Kop. Linzer Musealarchiv.
"* Urk. 1452 Oktober 8; ebenda.
« Vgl. AÖO. XXVIII, 246 und JBMFC. XXXIX, 27.
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625
geschlechtes entrollt. Ein wertvoller Hausschatz ^ an Juwelen,
Kleinodien, PrunkgefUßen und Tafelgeschirr aus Gold und Silber,
bereits bei den Teilungen des 14. Jahrhunderts erwähnt, lagerte
auf den walseeischen Schlössern.
So war die Lebensführung des Hauses bei üppiger Reich-
lichkeit angelangt, als es mit seiner wirtschaftUchen Blüte bereits
zur Neige ging.
6. Die Besitzverhaltnisse.
In einem weiten Umkreise waren die walseeischen Güter
über den größeren Teil der damals habsburgischen Gebiete zer-
streut; in dichten Gruppen finden wir sie in Ober- und Nieder-
österreich, im ganzen Mur- und Draugebiete in der Steiermark
wie im kämtnerischen Lavanttale, einiges in Krain; die großen
Tibeiner Güter im Hinterlande von Triest machten den Ab-
schluß.
Dieser Besitz, ohne Zweifel der größte unter unserem
damaUgen ganzen Hochadel, gliederte sich naturgemäß in die
drei Hauptgruppen: Eigengut, AUod, auch freies Eigen genannt,
die zahlreichen Lehen, von den Herzogen und Kirchenfürsten
rührend, nebst den Leibgedingen, und die umfangreichen
Pfandschaften. Die Burgrechte, als unterste adelige Eigen-
tumsform — meist Kleinbesitz in den Städten — fallen diesen
anderen Besitzklassen gegenüber nicht ins Gewicht.
An Eigengut besaßen die Walseer nicht allzuviel, was
sich durch die Einwanderung aus Schwaben erklärt; sie standen
indes auch nur wenig gegenüber den Häusern des österreichi-
schen Uradels zurück. Wir finden sowohl freieigene Herr-
schaften (Herreneigen) als auch rittermäßige Eigen* in ihrem
Besitze.
Den Grundstock des walseeischen Eigenbesitzes in Nieder-
österreich bildete das Gutratische Erbe, wie wir es in Urkunde
» Vgl. Urkk. 1361 August 3 (UBoE. Vin, 41), 1400 Januar 28 (vgl. S. 386
bis 387), 1429 Oktober 18 (Kop. Linzer Musealarchiv), 1464 August 17
(Orig. in Privatbesitz) und vor allem das ftußerst interessante Inventar
von Nieder-Walsee, 1545 Oktober 26, Niederösterreiehische Herrschafts-
akten, Fasz. 17684 Wl, 6 a, Archiv des k. und k. Reichsfinanzministeriums
in Wien.
• Vgl. Urkk. 1384 November 4, WSt. 552; 1423 Oktober 15, 1425 Januar 2;
Kop. Linzer Musealarchiv.
35*
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526
1304 August 7 kennen lernen,^ der Linie Walsee-Linz, seit
1400 der Linie Walsee-Ens gehörig: Senftenberg nebst Draß
und Zebing, femer nordöstlich davon Stroneck nebst Stronsdorf
umfassend; Allentsteig war gleichfalls 1332 — 1367' im Besitz
der Walseer von Linz. Eine andere Gruppe bestand aus den
Herrschaften Enzesfeld,' 1330 — 1400 der Drosendorfer und seit
1440 nochmals der Enser Linie gehörig, Merkenstein seit 1327
und Ebreichsdorf bis 1450 im Besitze der Drosendorfer, be-
ziehungsweise Enser Linie; sie lagen sämtlich am Rande des
Wienerwaldes in der Gegend von Baden. Ebenso hatten die
Enser Walseer 1394—1398 Schloß Leopoldsdorf inne.* Bei
Amstetten besaßen die Enser Walseer Seuseneck* 1303 — 1483;
Schloß Nieder- Walsee wurde ihnen 1469 Dezember 15* durch
K. Friedrich zu einem freien Eigen erhoben.
In Oberösterreich lagen die Eigengüter Freudenstein,'
seit 1333 den Walseem zu Linz, 1400 — 1459 denen zu Ens
gehörig. Der Linie Walsee-Linz stand Pernstein^ 1337 bis
1394 (dann abermals 1415 — 1460 der Enser Linie), Ort den
Enser Walseem 1344 — 1483* zu. In Südböhmen war die Herr-
schaft Wittinghausen 1427 — 1464*® im Besitz der Walseer und
als solcher in die böhmische Landtafel ,eingelegt^ **
Walseeischer Eigenbesitz fehlt dagegen in der Steiermark
fast gänzlich und läßt sich auch im Eüstenlande und in Krain
nicht nachweisen.
Weit größer waren die Güter, welche die Herren von
Walsee von den österreichischen Herzogen, den Burggrafen
von Nürnberg und den Herzogen von Baiern sowie von den
meisten südostdeutschen Bistümern und schließlich von ver-
schiedenen Klöstern zu Lehen trugen.
Über Lehen stand auch dem Hochadel nicht die fireie
Verfügung zu; der Verkauf eines Lehens war nur mit Zu-
stimmung des Lehensherm gestattet, desgleichen eine Weiter-
> Vgl. 8. 626. » Vgl. 8. 616.
• Vgl. 8. 874, 8S7 und 460. * Vgl. 8. S28.
» Vgl. 8. 299 und 498. • Vgl. 8. 490.
• Vgl. 8. 286, 296 und 478.
• Vgl. 8. 286, 298 und 422 sowie 479.
• Vgl. 8. 304 und 492.
>• Vgl. 8. 440 und 479.
" Vgl. Urk. 1427 September 9; NB. II, 11.
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527
begebung als Afterlehen. ^ Nach dem Tode des LeheDsherrn
hatten die Vasallen binnen Jahresfrist um neuerliche Belehnung
anzusuchen^ ihre Lehen an kundgemachten Tagen zu ^sinnen'
oder zu ^muten^' Im Lehenbesitz konnten daher^ solange die
walseeischen Güter durch die Teilungen in Linien zersplittert
waren, starke Veränderungen eintreten; die Gunst der Habs-
burger hat das Haus Walsee mehrmals vor solchen Einbußen
bewahrt. Herzog Albrecht H. gestattete den steirischen Wal-
seem 1348* und nochmals 1357,* ihre Lehen Söhnen und
Töchtern zu vermachen, worauf auch Bischof Leopold von Bam-
berg 1358* seinem Beispiele folgte. Indem Herzog Albrecht HL
1373 Dezember 1 • sämtlichen Walaeern die Erlaubnis erteilte,
ihre herzogUchen Lehen einander zu vermachen, was 1382
März 5'' den drei Brüdern Rudolf, Reinprecht und Friedrich
von Walsee-Ens nochmals wiederholt wurde, war der schließ-
liche Anfall der gesamten herzoglichen Lehen an die Walseer
zu Ens gesichert.
In Niederösterreich waren an herzoglichen Lehen
längere Zeit in walseeischem Besitze: die Herrschaft Gun-
tersdorf« 1297—1400 den Walseem zu Linz, bis 1476 denen
zu Ens gehörig, letzteren auch Aspam an der Zaia® 1384 bis
um die Mitte des 15. Jahrhunderts, femer Hartenstein^^ 1300
-1372 und Mühlbach " c. 1300 bis nach 1361, Sitzendorf seit 1415.
Südlich der Donau lagen im Lande: Eomspach (Earlsbach),^'
seit 1376 im Besitz der Enser Linie; Sumerau, 1350 gleich-
falls bereits in deren Besitz, sodann verödet, als bald nach 1362
Schloß Nieder- Walsee erbaut wurde, ^' das K. Friedrich 1469
zu einem freien Eigen erhob. Hoheneck,** seit 1358 walseeisch,
wurde 1464 verkauft, BurgstalH* war 1374 — 1483, Schrana-
wand seit 1416^^ und noch 1464 im Besitze der Enser Linie.
' Vgl. Urk. 1398 Mai 13; Kop. Linzer Musealarchiv.
« Vgl. S. 414. • Urk. 1348 November 29; UBoE. VII, 84.
* Urk. 1357 Mai 27; LB. III, r. 1395.
» Urk. 1368 Juni 8; NB. IV, 838.
• UBoE. Vra, 667. * Orig. StAEferding.
■ Vgl. S. 271, 386 und 491. • Vgl. 8. 331 und 466.
>« Vgl. 8. 300 und 341. " Vgl. 8. 300 und 340.
»« Vgl. 8. 332. " Vgl. 8. 306 und 341.
" 8. 307 und 480. « 8. 342, 333 und 493.
i< 8. 422 und 480.
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528
Kürzere Zeit waren im Besitz der Walseer Purkersdorf (1333
wieder verkauft), Aspershofen (1326 erworben), Nußdorf an der
Traisen seit 1413^ und noch 1444 und Rotenstein von 1418 an.
Rabenstein' war seit 1384, Bauheneck' seit 1398 Leib-
gedinge Reinprechts II. und ersteres nochmals Reinprechts IV.,
nach dessen Tode es 1450 an den Landesfürsten zurückfiel,
während Rauheneck dem Hause Walsee erhalten blieb und noch
in dem Teilbriefe von 1456 genannt wird.
An mährischen Lehen erhielten die Walseer zu Drosen-
dorf 1348 den Markt Frattem und das Dorf Rantzem in der
Nachbarschaft Drosendorfs.
Im Lande ob der Ens lagen die Festen Ober- Walsee, ^
1364 von Eberhard V. von Walsee-Linz erbaut und nach dem
Erlöschen dieser Linie bis 1483 im Besitz der Enser Walseer;
Roteneck, 1375 von letzteren erkauft,^ blieb seit 1377 an die
Neundlinger ausgetan. Der Enser Linie stand femer Schloß
Marbach^ bei Mauthausen c. 1398 und noch 1440 zu — es
war an die Ponhalm verlehnt. Nächst Tratteneck, ^ das 1351
von den Linzer Walseem erkauft, bis 1463 der Enser Linie
des Hauses gehörte, besaßen erstere Schloß Qallspach, das seit
1354 an die Geuman verlehnt blieb. Die Herrschaft Scham-
stein befand sich 1335® — 1483 in den Händen der Wakeer zu
Ens, Egenberg* bei Gmunden 1402 — 1464, Rutenstein kam
1406 an sie und war bis 1483 walseeisch. *® Auf nun böh-
mischem Boden lag die Feste Stein, mit welcher Heinrich VI.
von Walsee-Ens 1380 von Herzog Albrecht IH. belehnt wurde.
Die Donaufeste Spielberg war seit 1329 Leibgedinge des 1360
verstorbenen Reinprecht I. von Walsee-Ens und später 1397
(1400 nicht mehr) sowie nochmals 1413 — 1422 (?) im Besitz Rein-
prechts n. von Walsee-Ens.
In der Steiermark überwog durchaus der Besitz an her^
zoglichen Lehen unter den walseeischen Gütern. Hier ist vor
allem die Herrschaft Riegersburg** zu nennen, die seit 1299
und bis 1478 walseeisch war, dazu das 1302 erkaufte Schloß
» Vgl. 8. 417. • S. 327 und 466. • 8. 380 und 466.
* Vgl. 8. 288, 296 und 495. » 8. 325. « 8. 343 und 333.
^ Vgl. 8. 287, 295, 466 und 480. ■ Vgl. 8. 304 und 493.
• Vgl. 8. 394 und 479.
»° Vgl. 8. 407, 454, 466 und Urk. 1482 März 16; WSt. 604.
" Vgl. 8. 364, 323 und 492.
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529
Komberg. Die Herrschaft Weinburg* stand der Linie Walsee-
Graz 1308 — 1363, sodann den Drosendorfem bis 1400 zu; von
1440 — 1460 war sie nochmals walseeisch. In gleicher Weise
war Schloß Qleichenberg* 1302 — 1363 im Besitz der Qrazer,
bis 1400 der Drosendorfer-Walseer und abermals 1440 — 1478
in den Händen des Geschlechtes. An herzoglichen Lehen kamen
femer dazu aus dem Ti beiner Erbe die Herrschaft (Ober-)
Marburg,* die seit 1399 und noch 1456 in walseeischem Be-
sitze war, ferner seit 1404, beziehungsweise 1406 die Herr-
schaften Gonobitz, bis 1469 walseeisch, Stattenberg 1458 und
Eibiswald 1464 verkauft. Im Kärntner Lavanttale lag die Herr-
schaft Hartneidstein, die den Grazer Walseem 1331 — 1363 zu-
stand. Noch weiter im Süden war in Krain das herzogUche
Lehen Neuburg auf dem Ranker 1399 — 1422 (?) walseeisch.
Außerdem haben die Walseer in Nieder- Osterreich vorüber-
gehend auch einige fremde Lehen inne. Von den Zoll er n war
die Maut und das Urfahr zu Mautem 1306 — 1309 und dann
nochmals 1418 nach langwierigem Streite mit den Kapellern in
ihren Händen.* 1318 erhielt Heinrich I. von Walsee-Ens die
Dörfer Matzleinsdorf, Heiperg und Gumprechtsdorf* nebst anderen
zoUerischen Lehen. 1429* wurde Reinprecht IV. von Walsee
abermals mit zoUerischen Gütern zu Blindenmarkt und Mautern
belehnt. Ansprüche Reinprechts I. von Walsee-Ens an das
Lehen GöUersdorf wies Burggraf Albrecht von Nürnberg 1358*
ab. Dereelbe Walseer urkundet 1359 September 25 als Ver-
weser und Pfleger der Burggrafen von Nürnberg auf deren
österreichischen Gütern;' sein Sohn Rudolf L wurde vom Burg-
grafen Friedrich 1395® zum Lehenpropste der zoUerischen
Lehen in Österreich bestellt. Von den Herzogen Stephan von
Baiern und Markgraf Ludwig von Brandenburg trugen die
Walseer von Graz 1356—1364® Anteile an den beiden Festen
zu Spitz zu Lehen.
Höchst wichtig aber waren die zahbeichen Kirchen-
lehen in den Händen der Walseer, denen hier eine nicht zu
» Vgl. S. 616. • Vgl. S. 884 und 466.
» Vgl. S. 427. * Inventar, f. 16'.
6 Vgl. 8. 614. • Zeitschrift ,Adler* XVÜ, 141.
* Vgl. die Genealogie. • Inventar, f. 19.
» Vgl. S. 369.
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530
übersehende Rolle bei der allmählichen Einordnung dieser viel-
fach zerstreuten Enklaven unter die habsburgische Landeshoheit
zufiel.^ Friedlich und in aller Stille dauert dieser Prozeß bis
zum Erlöschen dieses Geschlechtes. Diese zahlreichen geistUchen
Lehen in Ober- und Niederösterreich, in der Steiermark sowe
insbesondere im Hinterlande von Triest gerieten durch die Wal-
seer, welche so auch an der territorialen Ausgestaltung des
habsburgischen Altösterreichs mitvrirkten, allmählich immer mehr
in den Machtbereich der Habsburger, das Lehensverhältnis zu
ihren Kirchenftirsten tritt gegenüber der Landeshoheit zurück.
Es waren Lehenschaften von Salzburg, Freising, Regens-
burg, Bamberg und Passau, Seckau und Gurk, ja selbst
Aquileia und Pola, welche die Herren von Walsee innehatten.
Von Salzburg rührten in Steiermark die Zehente zn
Gleichenberg und Gleisdorf, welche die Grazer Walseer 1329*
besaßen. An Freisinger Besitz wurde die Pflegschaft und
das Landgericht zu Ulmerfeld' 1355 an Friedrich H., 1383 an
Rudolf I. von Walsee-Ens übergeben, im gleichen Jahre letzterem
auch die Herrschaft Waidhofen an der Ips.'
Von Regensburg trugen die Enser Walseer bereits 1344*
einen Hof bei Viehofen zu Lehen und 1373 wurde ihnen auch
die Pflege der Hofmark Pöchlarn* übertragen. Rudolf I. von
Walsee war Vogt der Besitzungen des Hochstiftes in 08te^
reich; Bischof Johann überließ ihm überdies 1391^ die Hälfte
der Lehenschaft derselben auf die Dauer seiner Vogtei. Rein-
precht n. von Walsee-Ens erhielt überdies 1410^ die Lehen-
herrschaft Windeck, welche die Walseer bis zu ihrem Aus-
sterben besaßen.
Auch ihre Bamberg er Lehen im Krems- sowie im La-
vanttale waren beträchtlich. Dazu gehörte vor allem die Herr
Schaft Schlierbach, ,da8 Haus auf dem Moos', welches die Wabeer
von Linz 1353—1394® (nebst den Vogteien über den Markt
Kirchdorf, die Hofmark Windischgarsten und das Garstner Tal
1363 — 1483) innehatten. Im Kärntner Lavanttale war die
* Vgl. y. Srbik, Die Beziehungen von Staat und Kirche während dei
Mittelalters 43.
* Vgl. S. 364. » Vgl. S. 307 und 826. * S. 306.
* Vgl. S. 326. • Urk. 1391 November 11 ; Orig. HHStA.
' Vgl. S. 407 und 493. « Vgl. S. 286 und 293.
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531
Lehensherrschaft Weißeneck 1333 — 1363^ im Besitz der Wal-
seer von Graz.
An Passauer Lehen erwarben die Walseer 1309* von
den Starhembergern solche im Viertel ob und unter dem Man-
hartsberge, 1318' die der Buchberger im Kamptale. Rein-
precht I. von Walsee-Ens erheiratete c. 1347 die Lehensherr-
schaft Viehofen,* die dann bis 1454 walseeisch blieb. 1350
war der Qetreide- und Weinzehent zu Rossaz^ gleichfalls an
die Walseer verlehnt. Auch der passauische Markt Amstetten
kam 1375* an sie. Die benachbarte Herrschaft Gleuß^ war
ebenfalls von etwa 1372 — 1478 in walseeischen Händen, seit
1399 auch das alte Wieselburg,® das Wolfgang V. von Walsee
1461 verkaufte. Im Lande ob der Ens war ferner die Lehens-
herrschaft Haslach 1418 — 1465 walseeisch.*
Der bald nach 1318 entstandene Liber Wochonis, das
Seckauer Lehensverzeichnis, führt ^^ eine ganze Reihe von Lehen
zu Leutschach, Eibiswald, Schwarzach und anderen Orten Mittel-
steiermarks an, welche an die Gh'azer Walseer ausgetan waren;
nach deren Absterben war 1365^^ der Zehent zu Leutschach
an Eberhard V. von Walsee-Linz verlehnt.
Die Herrschaft Freudenberg, ein Gurker Lehen, war
seit 1401^' in walseeischem Besitz.
Burg und Markt Schwanberg erhielt Ulrich IV. von Wal-
see-Drosendorf 1393" von Bischof Friedrich von Brixen zu
Lehen — indes wohl entweder als Gerhabe der jungen Pettauer
oder ftür den Fall des Aussterbens der letzteren, der damals
nicht eintrat.
Im Süden waren vor allem Tibein, Prem und Guteneck
als Lehen von Aquileia von Bedeutung, wenn diese Lehens-
rührigkeit auch bereits gänzlich in den Hintergrund getreten
war.** Als Lehen vom Bischof von Pola waren die Herr-
» Vgl. S. 865 und 368. • Vgl. 8. 272.
' Steyerer, Comment. p. bist. Alberti 11, Anh. c. 19.
* Vgl. 8. 306 und 466.
* Urk. 1360 Mai 31 ; NB. IV, 132.
« Vgl. 8. 324. ' Vgl. 8. 342, 333 und 491.
* Vgl. 8. 332. • 8. 430, 466 und 479.
>o Vgl. 8. 366. " Vgl. 8. 294. » 8. 393. ^ 8. 385.
'^ Vgl. 8. 334 und 490. Eine Belehnung der Walseer läßt sich überhaupt nicht
nachweisen; schon unter den letzten Tibeinem hatten die GOrzer als
Vögte von Aquileia die Lehensrührigkeit dieser Güter angesprochen.
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532
Schäften Quarnero, St. Veit am Pflaumb (Fiume), Kestau (Castua),
Moschenizza und Veprinaz gleichfalls wichtig. Mag die Nach-
richt, die Inhaber dieser Herrschaften hätten jedem neuen
Bischof zum Zeichen ihrer Lehenspflicht zwei Jagdhunde, einen
Falken sowie ein aufgezäumtes Füllen überbracht, * richtig sein
oder nicht, sicher ist, daß die Lehensrührigkeit dieser Ar die
Habsburger äußerst wichtigen Herrschaften* gänzlich in Ver-
gessenheit kam. Durch die Walseer wurde österreichischer
Einfluß herrschend auf diesen Gebieten, welche K. Friedrich
schließlich' 1466 und 1472 an sich brachte.
An Lehen landsässiger und fremder Klöster hatten die
Walseer von Graz, später von Ens eine ganze Anzahl von
Gütern in Mittelsteiermark bis zur Drau vom Kärntner Stifte
St. Paul inne. Vom Kloster Melk rührten einige Güter bei
Guntersdorf in Niederösterreich, die Reinprecht II. 1412* wieder
zu Lehen erhielt. Das Kloster Walderbach in der Oberpfalz
übergab 1416^ demselben Walseer das Gericht und die Pflege
zu Grafendorf bei St. Polten.
Das Pfandschaftsunwesen des späteren Mittelalters
trieb auch in Osterreich üppige Auswüchse. Es spielte gerade
den Herren von Walsee für lange Zeit eine große Anzahl
reicher Herrschaften in die Hände, deren Erträgnisse ihnen
die Habsburger für Darlehen und rückständige Forderungen
auf bestimmte Zeit oder gegen Ablösung verpfändeten. Durch
die Feldzüge Friedrichs des Schönen und den Güterverkauf
von 1331 wuchs dieses einträgliche Pfandwesen heran und stieg
dann nach kurzem Stagnieren in der zweiten Hälfte des
14. Jahrhunderts fortwährend, um am Lebensende Beinprechts IL
seinen Höhepunkt zu erreichen. Das Rückfallsjahr 1435® schloß
diese Verhältnisse ab; es bedeutete filr die Walseer eine empfind-
liche Einbuße. Die vereinzelten späteren Verpfändungen waren
von geringer Bedeutung.
Allein im Lande ob der Ens hatten die Walseer an Sätzen
inne: Freistadt und die Riedmark' mit dem Machlande 1290
— 1358; nachmals war Freistadt seit 1445® wieder an sie ver-
* Stadl, Ehrensplegel des Herzogtums Steiermark III, 319; Steierm. Landet-
archiv, Hs. 26.
« Vgl. S. 334. » Vgl. 8. 482 und 490. * Vgl. 8. 417.
^ Vgl. 8. 422. « Vgl. 8. 446. ' Vgl. 8. 269, 298 und 306.
8 Vgl. S. 462.
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533
pfUndet. Gericht und Maut zu Ens* hatte die darnach be-
nannte Linie 1309 — 1345 in Händen. Den Walseem zu Linz
war Neuburg am Inn« 1322—1362, dann nochmals 1374—1379
und von 1384 — 1435 denen zu Ens verpfändet. Die Feste
Rohr* hatten die Walseer zu Linz 1331—1357, Falkenstein*
1331 — 1359 und nochmals c. 1374 — 1379 inne; sodann war es
denen von Ens 1384 — 1435 verpfändet, desgleichen Wachsen-
berg^ mit Leonfelden und Ottensheim 1331 — 1435. Ferner
waren die Enser Walseer Pfandinhaber von Steier^ samt Urbar
1374—1384, Attersee' 1379—1435 und nochmals 1445—1470,
Kammer 1445 — 1483® (1472 wurde es in ein Erblehen um-
gewandelt), Franken bürg» 1379—1435 und 1472 (?)— 1483,
Puchheim^ö 1381—1435, sowie seit 1398 von Pernstein," das
1415 in ein herzogliches Lehen umgewandelt wurde. Seusen-
burg^* hatten die Walseer 1363 — 1435, seit 1470 nochmals
pfandweise inne.
In Niederösterreich hatten die Walseer von Drosendorf
den Markt Qfbhl" 1314—1370, Drosendorf und Weikharts-
schlagi* 1327 bis c. 1383, die Herrschaft Pottenstein" 1331 bis
1400, Krems und Stein seit 1385, die Feste Amstein seit 1355
in ihrem Pfandbesitz, Wöllersdorf ^® wurde 1369 der Linie Wal-
see-Linz und blieb bis 1435 jener zu Ens verpfändet. Letztere
hatte die Pfandschaft Peilstein 1319—1435,*^ Freienstein seit
1357,^® schließUch als Leibgedinge Reinprechts 11. (f 1422) und
(Neu-)Lengbach seit 1413.
In der Steiermark waren den Walseem von Graz Übel-
bach^» von 1308—1363, Feldbach«» 1316—1362 verpfändet.
Der Satz auf Wachseneck** (seit 1331) ging später auf die
Drosendorfer, sodann auf die Enser Walseer über und wurde
schließlich in ein Leibgedinge Reinprechts IV. (f 1450) umge-
wandelt Die Festen Hoheneck, Sachsenwart und Sachsenfeld ^*
» Vgl. S. 514. « Vgl. S. 273, 285, 287, 292, 329 und 447.
» Vgl. S. 285. * Vgl. S. 287—292, 329 und 447.
» Vgl. S. 803, 306, 333 und 446. • Vgl. S. 327 und 329.
^ S. 338, 333, 446, 452 und 490. « S. 452 und 491.
» S. 338, 333 und 446. ^^ S. 342 und 446.
" Vgl. S. 330 und 422. " Vgl. S. 285 und 335. 446.
»» S. 372 und 381. »* S. 373 und 381. " 8. 373 und 386.
*ß 8. 289 und 447. " Vgl. 8. 299, 305 und 447. " S. 339.
" 8. 355 und 366. «<> 8. 356 und 367.
" Vgl. 8. 364, 369, 335 und 456. " Vgl. 8. 366 und 369.
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534
waren den Walseem von Graz 1331 — 1363 Terpfändet, Win-
disch'Feistritz^ seit 1355; letzteres wurde 1363 den Drosen-
dorfern gegen Entschädigung abgelöst. Der Satz zu Marbui^'
stand der Grazer Linie 1354 — 1363 zu, ebenso der zu Mahren-
berg 1360 — 1435 der Enser Linie. Aus dem Tibeiner Erbe
fiel den Walseern die steirische Pfiindschaft Windischgraz
(1399—1435) zu.
Weiter im Süden lag in Krain die 1407 von den Scherfen-
bergem erworbene Pfandschaft Ober-Stein, weiter aus dem Ti-
beiner Erbe die Sätze auf Görtschach in Erain, Mitterbui^ mit
dem habsburgischen Istrien sowie das 1407 verpfändete Grei-
fenburg in Kärnten, die alle wohl gleichfalls 1435 abgelöst
wurden.' In Friaul war Portenau* (Pordenone) den Ekiser
Walseern zwischen 1399 und 1405 verpfändet.
Außer den herzoglichen Pfandschaften hatten die Walseer
solche von geldbedürftigen Bischöfen und Adeligen inne. So
war die Stadt St. Polten^ vom Bischof und dem Domkapitel
von Passau seit 1389 an die Walseer verpfÄndet, 1435 wurde
sie sogar an Reinprecht IV. von Walsee verkauft, gegen Rück-
kauf, welcher 1461 stattfand. Dieselben Walseer hatten auch
Sätze auf den passauischen Herrschaften Zeiselmauer, Greifen-
stein und Traismauer stehen. Vom Bistum Regensburg wurde
Reinprecht II. die Feste Ober-Hauseck* vor 1409 verpflüidet
und nach 1412 rückgelöst; demselben Walseer waren um 1412
wahrscheinUch auch die freisingischen Besitzungen Ober-Wölz
und Rotenfels^ verpfändet (oder zur Pflege übergeben?).
Die Grafen von Pfannberg waren 1308 genötigt,® ihr
gleichnamiges Stammschloß den Walseem von Gh^z zu ver-
pfUnden. Die 1329 Dezember 29^ beurkundete Verpföndung
sämtlicher Festen der Sanecker an dieselben Walseer ist
wohl nie zur Ausführung gekommen. Sie bezweckte nur, den
Saneckern die Unterstützung der verschwägerten Walseer in
der Weißenecker Fehde zu sichern. Aus ähnlichen Gründen
blieb den Walseern 1420—1456 in Südböhmen die Herrschaft
Rosenberg ^^ während der Hussitenzeit von den Herren von
Rosenberg verpftlndet, welche 1418 den Walseem auch das
* Vgl. S. 367 und 369. « Vgl. S. 368. • Vgl. 8. 446.
* Vgl. S. 393. 6 Vgl. S. 331, 336, 447 und 461. • Vgl 8. 416.
' Vgl. 8. 414. • Vgl. 8. 356. • Vgl. 8. 369.
»« Vgl. S. 431 und 466.
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535
passauische Lehen Haslach^ abgetreten hatten^ das 1465 aber-
malsy zunächst pfandweise^ an die Rosenberger zurückkam.
Die Burgreohte, welche die Walseer da und dort besaßen,
fallen als Kleinbesitz jenen großen Gütern gegenüber nicht ins
Gewicht.
Alles in allem ist es weitaus der größte Besitzstand, den
die Walseer unter ihren Standesgenossen aufwiesen ; am besten
mag die beigegebene Karte daftir sprechen, welche seinen
Höchststand im Jahre 1422 darstellt.
Allerdings behielt das Geschlecht diesen großen Bestand
nicht durchaus in eigener Hand. Als Angehörige des Hochadels,
dem die aktive Lebensfähigkeit zukam, verlehnten die Walseer
ansehnliche Teile ihrer Herrschaften — bei herzoglichen Lehen
mußte dafUr vom Landesfürsten um Bewilhgung angesucht wer-
den*— an rittermäßige Leute, die dafür als Vasallen die Ver-
pflichtung zum Kriegsdienst zu Pferde übernahmen. Um die
vom Landesfürsten von ihnen angesprochene* Anzahl von
,Helmen' stellen zu können, ergab sich zumal bei den häufigen
Kriegen am Beginn des 14. Jahrhunderts die Notwendigkeit,
dieselbe auf diese Weise aufzubringen. Den Kreis dieser Fa-
milien des niederen Adels sowie deren wichtigste Lehen haben
wir bereits kennen gelernt.* Das erhaltene walseeische Lehen-
buch gibt uns den Bestand derselben für Ober- und Nieder-
österreich aus späterer Zeit, c. 1440 — 1460^ an.
Neben diesen rittermäßigen Lehen gab es die aus einer
Verbindung mit dem Burgrechte entstandenen, die Burgrechts-,
Rechts- und Beutellehen/ welche auch an die unteren Kategorien
der Bürger sowie selbst an Holden, und zwar gegen Zins ver-
liehen wurden.
SchUeßlich waren die Walseer, insbesondere von der Mitte
des 15. Jahrhunderts an, als allmählich ihr Wohlstand zu sinken
begann, genötigt, manche ihrer Herrschaften zu versetzen, und
rasch mehrten sich diese Zeichen des Verfalles.
• Vgl. 8. 430.
• Vgl. Urk. 1898 Mai 13; Kop. Linzer Mtwealarchiv.
• Vgl. Urk. 1326 Februar 2; WSt. 672.
• Vgl. S. 504— Ö07.
» Vgl. z. B. auch Urk. 1450 Januar 30; WSt. 602.
• Vgl. S. 467; Schalk, a. a. O. 449; ürkk. 1380 Januar 18, NB. IV, 662;
1387 MäHB 26, NB. IV, 597.
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536
An Verpfändungen nennen wir neben kleineren Sätzen
von Gülten und Eleinbesitz im 14. Jahrhundert die der Herr-
schaften Rutenstein 1438 bis c. 1444^ Asparn seit 1443, Riegers-
bui^, Gleichenberg und Eibiswald c. 1456— 1459, Freudenstein
1459 und Schamstein seit 1460.
7. untertänige Städte und Märkte ; Handel und Verkehr.
Der Einfluß, den die wichtigeren Häuser unseres Hoch-
adels auf die Entwicklung zahb-eicher Kleinstädte wie von
Handel und Verkehr im späteren Mittelalter nahmen, ist nicht
zu unterschätzen; er war insbesondere bei den Walseem kein
unbedeutender.
An untertänigen Städten hatten die letzteren zwei inne:
St. Polten als passauische Pfandschaft und Fiume aus dem Erbe
der Tibeiner. St. Polten behielt^ seine von den Passauer Bi-
schöfen geschaflfene Verwaltung. Fiume,* das bereits dem Rechts-
kreise der Städte an der Adria angehörte, behielt seine Kom-
munalverfassung und stand nur unter einem Hauptmann, der
von den Walseem bestellt wurde und auf deren prächtigem
Schlosse zu Fiume saß; auch er war dem Hauptmann zu Tibein
unterstellt. Eifrig wachte die Bürgerschaft über ihre Rechte;
80 schlug sie 1437 ' ein Ersuchen Reinprechts IV., den Ser Ca-
stellino di Pesaro in ihren Rat aufzunehmen, rundweg ab. Er-
hielten Fremde das Bürgerrecht, so mußten sie den Walseem
den Treueid so gut wie der Kommune schwören. Die Walseer
blieben stets in bestem Einvernehmen mit der Stadt, der sie
1444* zur Förderung ihres Handels sogar eine siebentägige
Messe (21. — 28. JuU) sowie Befreiung von der Marchsteuer
selbst verliehen. Im übrigen waren die Wabeer mit ihren
Einkünften aus der Stadt zufriedengestellt und behielten sich
nur Angelegenheiten von größerer Wichtigkeit vor, wie die aus
wärtigen Beziehungen, so namentlich zu den Venezianern (wegen
der zahlreichen Fischerhändel) und mit den benachbarten Fran-
gipani im unsicheren Ejroatien.
* Vgl. Urk. 1389 Juni 24; RegesU Boica X, 243.
« Vgl. Pichler, II caatello di Daino 231.
» Ebenda 263. * Ebenda 264—266.
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537
Weit größer war die Zahl der den Walseern untertänigen
Märkte.* Es lag natürlich in ihrem Vorteile, diese zu heben
und dadurch steuerkräftiger zu machen. So erwirkten sie ihren
Märkten Leonfelden,* Walsee® und Aspam an der Zaia* von
den Herzogen die Verleihung von Wochenmärkten, fUr Asparn*
auch die Anlage einer Ummauerung. Die Märkte bildeten
meist auch einen eigenen Gerichtsbezirk ^ imter einem Markt-
richter,® der zugleich die Abgaben an die Herrschaft ablieferte
und mehreren (drei bis vier) ,Geschworenen' oder ,Vierern*^
als Ausschuß der Gemeinde; sie unterstanden hinsichtlich des Blut-
banns ihrem Pfleger, der auch sonst als Aufsichtsorgan fungierte.
Auch weiterhin nahmen die Walseer auf Handel und Ver-
kehr Einfluß; bei ihrer Stellung, besonders als Hauptleute ob
der Ens, ward es ihnen nicht schwer, ihren Vorteil dabei zu
ersehen. So ließen sie den bestehenden Straßenzwang tiber-
treten, um den Verkehr über ihre Herrschaften und besonders
ihre Märkte, wie Leonfelden^ zu lenken. Als Hauptleute ob
der Ens hatten sie auch die Mauten im Lande zu beaufsichti-
gen.^ Auf der großen Donaumaut zu Linz wurden ihnen häufig
größere Summen angewiesen; die Maut zu Mauthausen war
ihnen 1314^ — 1365 verpfändet. Desgleichen hatten sie durch
Neuburg am Inn auch die Maut zu Schardenberg ^® als Pfand-
herren inne. In der walseeischen Herrschaft Ort wurde zu
Lindach, *^ auf den Tibeiner Gütern in der Stadt Fiume ^' und
besonders zu Senosetsch (an der Laibacher Straße) ein Zoll
eingehoben. Zu Nieder- Walsee forderten die Walseer von den
Schiffen auf der Donau einen Weinaufschlag ^* ab. Da und
dort war auch das ,Urfahr', die Lände an der Donau im Be-
sitze der Walseer, so zu Dornach ** und Mautern. **
* Vgl. Werunsky, österreichische Reichsgesoh. 76.
* Vgl. 8. 391. • Vgl. S. 341. * Vgl. S. 328.
* Vgl. Urkk. 1367 JuU 4, NB. IV, 889; 1371 Mai 6, Hoheneck, Genealogie XU,
817; 1375 Juli 4, Monumenta Boica XXX\ 317.
« Vgl. S. 622.
' Vgl. Urk. 1439 Dezember 1, 1444 Juni 18; Kop. Linzer Musealarchiv.
« Vgl. Urk. 1363 Januar 11; UBoE. VUI, 122. » Vgl. AÖG. II, 642.
" Vgl. Urk. 1394 April 26; Orig. StAEferding. " Lehenbuch, f. 7.
" Vgl. Urk. 1460 November 11; NB. II, 326.
" Vgl. die Serie von Urkk. von 1466; Kop. Linzer Musealarchiv.
1* Urk. 1409 April 17; HHStA.
>* Urkk. 1306 April 19, Monum. Zollerana 11, 289; 1417 September 8, Kop.
Linzer Musealarchiv.
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538
Zahlreiche Interessengegensätze hatten häufige Streitig-
keiten mit den landesfUrstlichen Städten zur Folge, die nur za
Zeiten durch größere gemeinsame Interessen in den Hintergrund
gedrängt wurden. So war die Frage, ^ ob die Bürger von ihren
Herrenlehen der Stadt oder dem Adel ihre Steuern entrichten
sollten, durch volle 70 Jahre der Gegenstand zahlreicher Kla-
gen der obderensischen Städte über die Walseer zu Ens. Die
lautesten Klagen der Städter wandten sich jedoch gegen die
Schädigung im Handel durch den Adel.' Hauptursache waren
die vielen Mißbräuche,' welche das Vorrecht des Adels mit sich
brachte, seinen Hausbedarf maut- und zollfrei einzuführen. Der
Adel, vorab die Walseer, trieb einen lebhaften Handel auf der
Donau mit Wein,* Getreide und selbst Salz,* benützte dazu —
auch hier besonders die Walseer — unerlaubte Ladstätten auf
der Donau* und tat den Städtern durch die längst abgeschaffte
Grundruhr Abbruch. Die auf diese Weise eingeführten Güter
wurden dann weiter verhandelt, besonders in den ihm unter-
tänigen Märkten. An allen diesen Übertretungen und Händeln
zwischen Adel und Bürgertum sind die Walseer in erster Linie
beteiligt. Begreiflicherweise; denn gerade ihnen brachte der Aus-
tausch der Produkte ihrer verschiedenen Herrschaften umsomehr
Vorteil und materiellen Gewinn. Ihr Einfluß bei den Habsbur-
gern sicherte sie davor, daß die Klagen der Städter leicht
Gehör fanden Derartige Übergriffe des Adels lagen aber nun
einmal im Geiste jener Zeit und dürfen daher den Schuldigen
nicht allzu schwer zur Last gelegt werden.
8. Das Einkommen.
Schließlich sind auch die Einkünfte der Walseer einer
kurzen Erörterung zu unterziehen. Sie bestanden aus den Be-
zügen von ihren Hof- und Landesämtem, den ihnen anvertrauten
> Darüber zehn Urkunden, 1346—1419.
* Vgl. S. 389, 391, 420, 436 und 441.
' Vgl. die beiden Beschwerdeschriften 1415 März 9, 1426 — ; Kop. Linser
Musealarchiy.
* Vgl. die Schreiben 1434 April 4, 1437 Jnni 6; ebenda.
* Vgl. die Schreiben von 1432; ebenda.
* Vgl.Urkk. 1405 Milrs 28, 1410 Mai 15, 1415 Mftra 9; ebenjda.
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539
Burghuten, Pflegschaften, hauptsächlich aber aus den reichen
Erträgnissen ihrer großen Güter.
Die Bezüge ihrer Hof- und Landesämter sind bereits ander-
weitig* angegeben. Geringere Summen brachten je nach ihrer
Bedeutung die Burghuten, Pflegschaften und Ellostervogteien
ein. So trug die Pflege der freisingischen Herrschaft Ulmer-
feld 1355* den Walseern jährlich 6 Mut Korn, 10 Mut Hafer,
einen Meierhof zur Bewirtschaftung, 3 Faß Wachauer, ebenso-
viel HoUenburger Wein, für die Burghut zu Wolfseck bezog
Reinprecht H. von Walsee 1405* vom Herzog 50^^ jährlich.
Von den Ellostervogteien trug beispielsweise jene von St. Lam-
brecht* in Steiermark 1395 Ulrich IV. von Wabee-Drosendorf
24Äf ^, 1435 die vielumstrittene St. Pauler Vogtei auf dem
Ren8chnik34«f^,5 die Erbvogtei über Lambach 1483« 32 ÄT^
,Vogtrecht^ In der Herrschaft Trateneck wurden 1447' für
die angevogteten Untertanen des Klosters Mondsee an Vogt-
recht 14 ß^ und 10/»^ flir 100 Reinanken, fUr jene von Seiten-
stetten 10/?^ entrichtet.
Dazu kamen nun die Erträgnisse des walseeischen Grund-
besitzes; bis etwa 1310 überwog dabei noch das Einkommen
aus den schwäbischen Gütern. Da von dem österreichischen
Besitze kein Gesamt- und nur ganz wenige Teilurbare sowie
Rechnungsbücher erhalten sind, so läßt sich nur durch verein-
zelte Angaben, durch die Kaufpreise und Pfandsummen, welche
sich häufig auf etwa ein Zehntel des jährlichen ,Urbar^ertrages
beliefen, ein Rückschluß in bescheidenem Umfange auf die Er-
trägnisse dieser Herrschaften ziehen. So hatte die Herrschaft
Steier um 1380 einen Ertrag von 406 &,^, die Herrschaft Har-
tenstein trug um dieselbe Zeit über 97 Äf^, dazu je 10 Mut
Korn und Hafer ein.® Die fünf Herrschaften Freienstein,
Frankenburg, Puchheim, Peilstein und Seusenburg lieferten 1438
» Vgl. 8. 608 und 612.
• Urk. 1366 März 12; PBA. XXXVI, 292.
3 Urk. 1406 Dezember 18, LB. V, r. 736; desgleichen 1410 Mai 11, ebenda,
r. 1146.
* Urk. 1396 September 16; Krone«, Urk. znr Gesch. etc., r. 361.
B Urk. 1396 Januar 6; Orig. StAEferding.
^ Urk. 1483 Oktober 1 ; Kop. Liinzer Musealarchiy.
^ Einnahmebuch des Amtmannes Hans Nnspaumer 1447, f. 1'; ebenda.
» NB. in, 123—124.
ArehiT. 107. Bud. II. Uilfte. 36
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540
ein Erträgnis von 1512 «T^,^ 1470« war die eine Hälfte der
Tibeiner Güter allein auf volle 17000^ jährlicher Gülten ver-
anschlagt. Bei Einbeziehung sämtlicher Einnahmequellen kommen
wir zu dem Ergebnis, daß sich das walseeische Gesamtein-
kommen (Brutto) in Geld und NaturaUen zur Glanzzeit des
Hauses bei Reinprechts H. Tode auf volle 12.000—15.000«^
belaufen haben mag. Was diese Summe damals bedeutete, er-
gibt sich erst recht aus den Vergleichen mit den Eiinkommen
der Grafen von Schaunberg (c. 6000 — 8000 Ä>Ä) und anderer
Adelshäuser, wie der Meissauer und Puchheimer* sowie mit dem
des Landesförsten zu jener Zeit.^ Bei solchem Reichtum war
es allerdings möglich, den Herzogen oft Summen von 2000 bis
3000 «/Ä vorzustrecken, die dann schließlich (vgl. die Pfand-
schaftsurkunden von 1407 und 1416) auf 32.000 Goldgulden
aufliefen. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sanken
freilich die Einkünfte schließlich auf höchstens 3000— 4000 «f^
herunter; beim Aussterben des Hauses war ja dessen Blütezeit
längst vorüber.
0. Die WirtBohaftB- und Untertanenverhältnisse.
Bei dem Mangel an walseeischen Urbaren sind wir (är
die Wirtschafts- und Untertanenverhältnisse umsomehr auf den
reichen Urkundenschatz angewiesen, welcher indes diesen Ab-
gang nicht völlig wettzumachen vermag.
Den weitaus überwiegenden Teil der walseeischen Güter
bewirtschafteten die Grundholden. Die wenigen Meierhöfe,*
welche den Herrschaften als Reste ehemaligen grundherrlichen
Eigenbetriebes verblieben waren, unterstanden Schaffnern und
Meiern bäuerlicher Abkunft.^ Die in eigener Bewirtschaftung
» HHStA. Kod. 1167, f. 9.
• Vgl. Urk. 1470 Mära 19; Orig. StAEferding.
' Vgl. Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschaftagesch. m^, 178.
^ Dopsch, Die landesftlntlichen Urbare Ober- und NiederOeterreichs CCXXm
— ccxxvn.
^ Vgl. Urkk. 1305 Mai 27, Orig. Archiv des Deutschen Ritterordens, Wien;
1352 Mai 29, NB. II, 883; 1856 M&n 8, FRA. XXXVI, 292; 1898 . . ,
Inventar, f. 68.
^ Vgl. Inama-Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte ia\ 250—251; die
Stellung dieser Hofe war tlbrigens eine sehr yersehiedene; vgl. Dopsch,
Die landesfiirstlichen Urbare Ober- und NiederOsterreichs CVU— CXII.
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541
gebliebenen Hofländereien, worunter insbesondere zahlreiche
Weingärten in Niederösterreich und in der Steiermark zu nennen
sind, wurden durch Gesinde und Taglöhner sowie mit der Robot
der Holden bebaut. Ein anderer Teil des Hoflandes war in
Parzellen (sogenannte Beunden, Pointen)^ an Grundholden ver-
pachtet. Mit dem Aufhören des Eigenbetriebes wurden die
Qrundherrschaften immer mehr zu Rentherrschaften.
Die walseeischen Güter, auch die, welche nach Lehen-
recht ausgetan waren, wurden somit größtenteils von den Hol-
den, Untertanen, bewirtschaftet; diesen gehörte fast die gesamte
bäuerliche Bevölkerung an. War die Lage der Bauern, denen
von ihrer persönlichen Unfreiheit wenig mehr anhaftete, im 13.
und noch im 14. Jahrhundert eine ganz erträgliche gewesen —
wir brauchen nur an die Schilderungen eines Meier Helmbrecht
zu denken — so verschlechterte sie sich im 15. Jahrhundert
nicht unwesentlich.
Als bäuerliche Besitz formen finden wir zu oberst die
zur neutralen Eigentumsform gewordenen Burgrechte,* meist
Liegenschaften, Grttnde, Gärten etc. in der Umgebung der Städte
sowie in Märkten und Dörfern; im Anschluß daran sind die
aus einer Kombination derselben mit den Lehen hervorgegan-
genen Burgrecht-, Recht- und Beutellehen* zu nennen. Zahl-
reiche bäuerliche ,freie Eigen' in Ober- sowie in Niederöster-
reich, hauptsächlich in dem am längsten besiedelten Gebiete
des Einzelhofsystems gelegen,* weisen hier auf einstige bäuerliche
Gemeinfreie hin, die sich längst einem Grund- als Vogt- und
Schutzherrn untergeordnet hatten; sie sind im 14. Jahrhundert
bereits fast zu Grundholden herabgesunken. Die persönliche
Dienstpflicht hat sich in eine dingliche umgewandelt; nur in
diesem Sinne werden Untertanen noch verkauft, vertauscht oder
vererbt. Wenig mehr fehlt ihnen zur persönlichen Freiheit;
aber diese hat ihren Wert verloren: alle sind zu Untertanen
geworden, deren einzelne Klassen sich einander nähern. Auch
die Besitzer der freien Eigen leisten kaum mehr geringere Ab-
* Vgl. das MonatsbUtt des Vereines für Landeskunde von Niederöster-
reich IV, 289 ff.
« Vgl. 8. 602 und 635.
» Vgl. Urkk. 1414 Mai 26, HHStA.; 1466 August 20, Kop. Linzer Museal-
archiv.
* Vgl. Strnadt, Peuerbach, JBMPC. XXVH, 279—287.
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542
gaben als die Holden, die Frondienste vielleicht aasgenommen.
Die hie und da vorkommenden Inwertseigen* waren Eigen,
deren Verkauf oder Verpfandung an Außenleute mit des Herrn
Hand geschehen mußte.*
Die große Masse der bäuerUchen Bevölkerung aber lebte
zu Kauf- und Erbrecht einer- sowie als Freistifter andererseits.
Die freien Leiheformen des Kauf- und Erbrechts — der Unter-
schied bestand nur in der freien Verfügung der Inhaber der
letzteren — gewährten dem Holden bereits ein Besitzrecht, das
seine darauf verwendete Mühe lohnte: das Gut blieb vor allem
in seiner Familie erblich.' Die Steigerung der Bodenrente,
welche die dadurch intensivere Wirtschaft zur Folge hatte, kam
wieder dem Grundherrn zugute und als Folge davon ei^ab ach
die allmähliche Vererbrechtung der zu Lieibgeding und Freistift
verliehenen Güter.
Der Erbleihe, Erbpacht, stand schließlich als geringeres
bäuerliches Besitzrecht die Zeitpacht, meist auf den kleineren
Gütern, gegenüber. Als Leibgedinge gewährte sie ein lebens-
längliches Nutzungsrecht, die Freistift nur ein solches auf un-
bestimmte Zeit, häufig gleichfalls auf Lebenszeit des Holden.
Gerade im 14. und 15. Jahrhundert vollzog sich überaus
häufig der Übergang von den niederen zu den höheren Besitz-
formen. ^ In manchen Fällen führten diese Veränderungen
selbst zur rechtlichen Zersplitterung der einzelnen Bauerngüter.
So war 1393^ von einem Hofe zu Schilddorf bei Seuseneck ein
Drittel freies Eigen, ein Drittel Burgrecht vom Kloster Baum-
gartenberg, ein Drittel Lehen der Walseer von Ens.
Das Zahlenverhältnis der wichtigsten bäuerlichen Be-
sitzformen: der freien Eigen, Erb- und Kaufrechte sowie der
Freistifter läßt sich auch fUr die walseeischen Herrschaften
kaum annähernd angeben. Urbare — falls sie uns darüber
Aufschluß geben könnten — fehlen und bei aller Berücksich-
tigung des urkundlichen Materiab laufen wir Gefahr, die 2jahl
> Ygl ürk. 1398 November 11; W8t. 576.
* Vg^l. Bischoff, Steir. Landrecht, S. 116 und 126.
' Vgl. A. Meli, Die Anfänge der Bauernbefreiung in Steiermark, Forschun-
gen zur YerfassungB- und Verwaltnngsgesch. der Steiermark Y^ 18.
* Vgl. Schalk, a. a. O. 461—463.
^ Urk. 1393 September 26; Rop. Liozer Musealarchiv.
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543
der Freistifter zu unterschätzen. * Da sie rasch wechselten und
nur kleinere Zinsgüter innehatten, fehlen für sie die vom Grund-
herrn ausgestellten Verleihungsarkunden wie die Reverse der
Belehnten, die von freien Eigen, Kauf- und Erbrechtgütern
zahlreich vorhanden sind. Nur so viel läßt sich sicherstellen,
daß bereits in Niederösterreich und in der Steiermark die Zahl
der bäuerlichen Eigen geringer ist, auf den tibeinischen Herr-
schaften fehlen sie fast; hier war sicher die Zahl der Freistifter
überwiegend gegen die zu Erbleihe sitzenden Holden.
Die Besitzkategorien der bäuerlichen Stellen auf den
walseeischen Herrschaften bieten wenig Besonderheiten. Die
wirtschaftliche Einheit des bäuerlichen Besitzes bildete auf dem
Gebiete des Einzelhofsystems die Hube, in dem der Dorfsied-
lung das bäuerliche Lehen. Die Hube hat von ihrem Ausmaße
dnrch die häufigen Teilungen bereits stark eingebüßt, denen die
Grundherren nun Einhalt zu gebieten beginnen. Wir treffen an
bäuerlichen Gütern in absteigender Größe Höfe, Hüben und
Lehen, Halb-, Viertelhuben und Lehen und schließlich' die
Hofstätten,^ welche eigentlich eine dritte, kleinere Wirtschafts-
einheit ausmachten und gleichfalls geteilt wurden; als kleinste
Untertanengüter sind die Seiden (Sölden)* oder Keuschen zu
nennen. Die häufigen öden (unbesetzten, im Gegensatze zu den
bestifteten) Hüben (Lehen etc.) deuten auf einen raschen Wechsel
der bäuerlichen Bevölkerung hin.
Neben den Gütern wurden Acker auch einzeln verliehen,
wie es scheint von ziemlich verschiedener Größe. Unter ihnen
sind hervorzuheben die sogenannten Überländen,® Gründe, die
erst nachträglich zum Wirtschaftskomplexe hinzugekommen
waren. ,Reuter', Reutäcker, waren der Kultur durch Rodung ge-
wonnen worden; sie werden besonders im Norden der Riedmark*
^ Vgl. Dopsch, a. «. O. LIII; Bittner, Die Gesch. der direkten Steuern im
Erzfltifte Salzburg, AÖG. XCII, 551.
« Z. B. Viertellehen Urk. 1312 Oktober 18; AÖG. H, 537.
» Vgl. Urkk. 1314 Januar 17, Februar 2; NB. IV, 81.
* Urk. 1389 Noyember 80, HHStA.; Walseeisches Lehenbnch, f. 17.
» Vgl. Urkk. 1359 Januar 31 UBoE. VH, 611; 1456 September 19, Wal-
seeisches Lehenbuch, f. 255, Zulehen finden sich nicht erwähnt.
* Urkk. 1407 März 5, Kop. Linzer Musealarchiy; Walseeisches Lehenbuch,
f. 88 und 58; Urk. 1399 März 29, HHStA.; 1399 März 29, Kop. Linzer
Musealarchiv.
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544
häufig erwähnt. Beundeban war im Lande ob der Ens nicht
selten.* In gleicher Weise wurden auch Qärten und Wiesen
an Holden verlehnt.
Die Abgaben' der Untertanen zerfielen in Grundzinse
und anderweitige Abgaben an die Qrundherrschaft^ die Ze-
hente, Vogteiabgaben und schließlich landesfUrstliche Steuern.
Sie mögen sich mindestens auf die Hälfte des Bruttoertrages'
belaufen haben.
Die Grundzinse wurden in Geld und Naturalien, oft als
gemischter Dienst entrichtet.^
Die Gelddienste, Stift- und Grundpfennige oder Grund-
rechte genannt, waren meist bei einer größeren Anzahl von
Wirtschaften an demselben Orte gleich und auch in demselben
Amte weniger verschieden als in verschiedenen Ämtern. Von
freien Eigen geringer als von Erb- und KaufirechtgUtern, wur-
den sie im übrigen der Größe der Wirtschaften entsprechend
angelegt. Hofstätten und Sölden entrichteten meist nur Geld-
dienste, desgleichen vereinzelt ausgetane Acker, Reute und
Wiesen. Als ,Stifttage^, an welchen die Zinse erlegt wurden,
werden Lichtmeß, Georgi, Maria Geburt und Michaelis^ genannt
Die Naturalabgaben standen naturgemäß in engstem Zu-
sammenhange mit den Bodenprodukten, welche bei dieser Ge-
legenheit gestreift werden soll. Sie zerfielen in den Getreide-
und den sogenannten Eleindienst.
Der Getreidedienst wurde vor allem in den Hauptgetreide-
arten Hafer, Roggen (Korn) und Weizen gedient Von diesen
war am stärksten — weil überall — der widerstandsfähige
Hafer angebaut, nächstdem Korn — auch auf den Tibeiner
Gütern, Weizen besonders im Lande ob der Ens weniger als
heute. Gerste tritt daneben zurück, sie wurde z. B. im Lande
ob der Ens nur in geschützteren Lagen gebaut;^ ihre Zunahme
^ V^l. Urkk. 1299 Juni 24, Orig. 8tLA. Nr. 1898; 1418 Jani 6, Kop. Linser
Mosealarchiv.
« Vgl. Dopsch, «. «. O., CIL— CLXXIV.
' Vgl. Inama-Sternegg, Deutsche Wirachaftegesoh. III ^, 402—406.
* Vgl. Meli, Beitrige xor Gesch. des Untertanenwesens in der Steiermark.
II. Die Natural- und Gleldabgahen der Untertanen. Mitt. des historischen
Vereines fUr Steiermark XU, 140 ff.
^ Urk. 1482 Oktober 81; Kop. Linzer Musealarohiv.
" Auf den tiheinischen Herrschaften wird sie nach dem Fiumaner Urbare
von 1424 nicht gedient.
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645
im 15. Jahrhundert wird wohl mit dem Aufblühen der Bier-
brauerei zusammenhängen. Hirsebau findet sich nur in Mittel-
steiermark häufiger. Bemerkenswert ist der starke Mohndienst
und -bau im Mühlviertel ;^ auch Hanf und Flachs werden da
und dort nicht selten gedient. Von Hülsenfrüchten finden sich
Erbsen und Linsen' angeführt. Das Dienstgetreide etc. wurde
nach dem ^Eastenmaße^ gegen Quittung in die herrschaftlichen
,Qetreide-Schütt-Kä8ten* abgeliefert, wie solche zu Linz, Gleuß'
etc. bestanden. Besondere Erwähnung verdient der Weinbau,
dessen Grenzen nach Norden am Ende des Mittelalters weiter
als gegenwärtig reichten. Die Walseer besaßen zahlreiche Wein-
gärten in Niederösterreich, am Ostabhange des Wienerwaldes
wie in der Wachau, sowie weiterhin in der Steiermark und um
Tibein, wo der treffliche Rainfal wuchs, sowie auf den Herr-
schaften am Quarnero. Die Mehrzahl der Weingärten war an
Holden ausgetan. Diese dienten davon (neben Geld)* Wein-
most, in der Wachau und um Senftenberg die Hälfte der Lese.'
Dieser wurde den Weinpreßhäusem, wie sie die Walseer in
Senftenberg, Elostemeuburg und Nußdorf bei Wien hatten, ab-
geliefert und weiterhin gleich dem Weine behandelt und ver-
trieben, den sie von ihren in f^genbetrieb behaltenen Wein-
gärten erhielten. Diese wurden entweder, wie in der Steier-
mark, zumeist durch gedungene Taglöhner bearbeitet oder von
Holden, welche fUr diese Weinkulturen ein ,Baugeld^ erhielten.*
Wie die Riegersburger Amtmannsrechnung von 1434^ beweist,
wurde damals der Weinbau in Steiermark technisch bereits
ebenso wie heute betrieben. Von sonstigen Spezialkulturen
sind noch auf den tibeinischen Herrschaften die Kastanien^ und
der Ligwer zu erwähnen, die gleichfalls in natura gedient wur-
i Vgl. dazu JBMFC. XXXIX, 34.
* Urkk. 1420 Februar 11, 1466 Februar 18; Kop. Linzer Musealarchiv.
» Vgl. ürk. 1462 März 24; NB. U, 337.
* Vgl. ürk. 1369 Oktober 30; FRA. XVI, 249.
^ Urkk. 1469 August 6 und 31, Orig. StAEferdlng; Zinsregister von Rossatz
1444; Kop. Linzer Musealarohiy.
* Dopsch, a. a. O. CLXXVIU; Urk. 1476 März 4, Kop. Linzer Museal-
archiv.
^ Kop. StLA., Hs. 1661.
" Vgl. das Urbar von Fiume (St. Veit) 1424, f. 5'; Kop. Linzer Museal-
archiy.
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Ö46
den. Nicht unbedeutend war femer die Obst- und Gartenkultur
und schließlich der Wiesenbau, von welchem Heu gedient
wurde.
Wir ddrfen femer auch bereits von einer geregelten Forst-
wirtschaft auf den walseeischen Gutem sprechen. Ein eigener
Holzpropst* hatte dieselbe für den Neuburger Forst (am Inn)
zu versorgen, sonst war an größeren Forsten der zu Gfbhl in
walseeischem Besitz. Meist bUeben (z. B. zu Schamstein)' die
Herrschaftsschaffer mit der Besorgung der Geschäfte daftb- be-
traut. Genau wurden die Rechte, Befugnisse und Grenzen'
gegenüber anderen Grundherrschaften festgesetzt und die Er-
trägnisse, ,For8tgelder' * (wohl hauptsächlich an verkauftem
Holze) verrechnet. Daß überdies die letzten Walseer eifrige
Jäger waren, ^ wird uns mehrfach berichtet; sie hielten sich
sogar eigene Jägermeister.^
Mannigfach waren die verschiedenen Eleindienste. Die
Viehzucht wurde insbesondere auf den Schwaighöfen getrieben,
worauf die zahlreichen Eäsegülten hinweisen. Während Groß-
vieh unter den Diensten nicht begegnet (nur in der Herrschaft
Ober- Walsee [Freudenstein] hatten gewisse Bauern laut flintra-
gung im urbare^ im Kriegsfalle Pferde zu stellen), finden sich
Dienstlänmier und -schafe erwähnt. Bedeutend war die Schweine-
zucht, auf welche die verschiedenen Ai*ten von Dienstschweinen
hindeuten. Daß die Geflügelzucht gleichfalls sehr verbreitet
war, beweisen allenthalben die vielen Diensthühner und -gänse*
sowie die Eierdienste. An Fischdiensten lieferten die Fischer
vom Traun-* und Mond- (wohl auch vom Attersee) die be-
kannten Reinanken, von den Fischhuben an der Traun wurden
Pfrillen*® gedient. Auch sonst weisen die zahlreichen, im Werte
1 Urkk. 1323 Jani 15, RegesU Boica VI, 100; 1434 April 2, Kop. Ldnier
Musealarchiy.
' Urk. 1441 Febraar 3; ebenda.
» Vgl. AÖG. LXXXn, 271—273.
^ Urk. 1459 Mai 7; Kop. Linser Mosealarchiv.
« Vgl. Urk. 1462 Jali 12; Kop. Linser Mnsealarchiy.
• Vgl. 8. 624.
' Von 1461, f. T; Kop. Linzer MoBealarchiy.
" Urk. 1339 März 17; UBoE. VI, 291.
' Urk. 1370 Dezember 17; Kop. Linzer Mosealarchiv.
" Urk. 1481 Juli 6; ebenda.
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547
nicht niedrig veranschlagten Fischwaiden sowie die da und
dort^ vorkommenden Teichanlagen auf die Fischzucht hin.
Sehr zahhreich sind die Fälle, in denen die Naturalab-
gaben, und zwar sowohl das Dienstgetreide, Korn, Weizen und
Hafer, ab auch die verschiedenen Elleindienste,''so an Käsen,
Hühnern und Eiern durch Geld reluiert worden sind, ein Pro-
zeß, der immer noch weiter fortdauerte.
Dazu kamen schließlich eine Reihe von weiteren Abgaben
an den Grundherrn und dessen Beamte. Bei Besitzverän-
derungen war die An- und Ableit,* auch Auf- und Abfahrt
genannt, zu entrichten, gleich dem bei Todesfällen gegebenen
Best-, Todhaupte oder Todrechte,' in Ober- und Niederöster-
reich allenthalben im Ausmaße von 60 .Ä. Dem herrschaftlichen
Richter oder Amtmann wurde das Richter-, Amtmannsrecht in
Geld oder Naturalien gezinst, auch die Büttel erhielten einen
Gelddienst.* Von sonstigen Taxen und Abgaben sei noch das
Weisat herangezogen, in seinen Leistungen dem Kleindienste
ähnlich. Dazu kamen noch Natural- und Gelddienste für ver-
schiedene Nutzungsrechte, so von Wald und Weide, wie von
den grundherrlichen Betriebsstätten, als Mühlen, Backöfen, Bad-
stuben u. dgl.
Eine zweite Gruppe von Abgaben waren die Zehente.*
Ursprünglich eine kirchUche Abgabe, waren sie bereits längst
häufig durch Verleihung, Verkauf, Verpfändung etc. an Welt-
liche, also an den Adel, und so auch von den Kirchen von
Passau, Salzburg u. a. an die Walseer gekommen. Auch Ze-
hente waren durch diese Besitzveränderungen zerstückelt wor-
den; es finden sich Halb-, Viertel-, selbst Zweidrittelzehente* er-
wähnt. Die Zehente wurden in Naturalabgaben geleistet, die
indes gleichfalls bereits häufig durch Geld reluiert waren. Man
unterschied den großen Zehent von Getreide und Wein und den
kleinen von Vieh und Gartenfrüchten.
1 So zu Seaseneck, Neumarkt, Ort, Leonfelden, Oberneukirchen; vg^l.
JBMFC. XXXIX, 69.
* Urkk. 1347 Mai 30, UBoE. YII, 22; 1370 Dezember 1, 1420 Dezember 21,
Kop. Linzer Mosealarchiv.
> Ebenda; 1459 Aprü 8; Orig. StAEferding.
* Vgl. da« Urbar von Fiume von 1424; Kop. Linzer Mnsealarchiv.
^ Vgl. Inama-Stemegg, a. a. O. 896-897; Schalk, a. a. O. 435.
* WalseeiBches Lehenbach, f. 76.
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548
Die Vogteiabgaben, eine weitere Äbgabengmppe^ wur-
den gleichfalls in Geld (Vogtrecht) und teilweise in reloierten
Naturalien^ vom bevogteten Ehester einer- wie von den Vogt
holden andererseits gedient;^ auch oblag den Untertanen die
Verpflegung des Beamten auf dem Vogteidinge.*
An landesherrlichen Steuern kamen dazu das March-
futter,* der Marchdienst in Osterreich wie in der Steiermark,
ein Getreidedienst^ besonders an Hafer. Selbst das Marchfutter
war zum Teile bereits durch Verpfandung und anderweitig an
den Adel gekommen. Seit Herzog Rudolf IV. wurde femer
das Ungeld,* eine Getränkesteuer in Geld, durch die ,Ungelter*
eingehoben. Bedeutender aber waren die im 15. Jahrhundert
sich rasch mehrenden Steuern fUr Ejiegszwecke, zur Bezahlung
der Söldner etc. Auch auf den walseeischen Herrschaften wur-
den sie auf die Untertanen überwälzt, so die Hussitensteuer von
1436.^ Diese drückenden Lasten wurden dann auf die ein-
zelnen Herrschaften und Amter und in diesen auf die Unter-
tanen verteilt. So entfiel beim ^Anschlage des zehnten Mannes^
von 1456^ allein auf die Herrschaft Windeck die Summe von
100 Ä(^, von der Kriegssteuer, die 1480^ zur Bezahlung der
Söldner ,angelegt^ wurde, kamen auf die Herrschaft Nieder-
Walsee 70Äf/Ä, auf das Amt zu Tanzerstadl bei Ort volle
90 ÖA
Zuletzt sei als Leistung der Untertanen noch der Robot^
gedacht. Für unser Gebiet fehlen fast alle Belege darüber.
Möglich, daß die mehrfach genannten ,Bauhöfe^^ als solche auf-
zufassen sind, auf welchen für die Grundherrschaft gerobotet
' Vgl. die Trattenecker Amtmannsrechnang von 1447, f. 1'; Kop. Linzer
Masealarchiy.
« Urk. 1327 November 25; UBoE. V, 495.
' Vgl. Dopsch, Beiträge zur Gesch. der Finanzverwaltung in NiederOster-
reich, Mitt. des Inst. fOr österr. Geschichtsforschung XVUI, 238.
* Vgl. Urkk. 1412 Oktober 13, HHStA.; 1432, — 1448 Mai 1, Kop. Linzer
Musealarchiv.
* Urk. 1436 April 24 ; Orig. Stiftsarchiv Klostemeuburg.
* 1456 April 26; Kop. Linzer Musealarchiv.
^ Vgl. Urkk. 1480 Mai 28, 1481 M&rz 1; ebenda.
^ Vgl. Meli, Beiträge zur Gesch. des Untertanenwesens. 1. Die Robot. Mitt
des histor. Vereines fttr Steiermark XI, 136.
» Urkk. 1353 November 30, Orig. StAEferding; 1420 Juni 16, Kop. Linzer
Musealarchiv.
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549
wurde. Vereinzelt wird ein Fall von Bedrückung der Holden
des Klosters Minnbach mit Vogteifrohnen erwähnt. ^
Diese riesige Menge von Naturalabgaben^ welche fast die
Hälfte des walseeischen Gesamteinkommens ausmachen konnte^
wurde nur zum Teile von der großen Wirtschaftseinheit, welche
das Haus darstellte, konsumiert. Die zahlreichen Klagen der
Städter stellen es außer Zweifel, daß von Seite der Walseer
unter Mißbrauch der dem Adel fUr seinen Hausbedarf gewährten
Mautfreiheit ein ganz bedeutender Handel mit Wein und Ge-
treide, besonders auf der Donau, getrieben wurde.*
Auch die Lage der Untertanen steht in enger Wechsel-
beziehung mit dem Niedergange des Hauses Walsee im 15. Jahr-
hundert. Während vorher auf den walseeischen Herrschaften
allenthalben durch zahlreiche kleine Ankäufe der bäuerliche
Besitz au%esogen und der Ausbau der Grundherrschaft voll-
endet wurde, hören diese kleinen Käufe um dieselbe Zeit auf
wie die größeren Gütererwerbungen.
Verlautet im 14. Jahrhundert wenigstens nichts von Kla-
gen der Untertanen, so mehren sich dieselben jetzt allgemach;
zweifellos hat sich die Lage der Holden im Laufe des 15. Jahr-
hunderts erheblich verschlechtert. Daß die Bewohner des fla-
chen Osterreich nördUch der Donau unter den HussiteneinfUUen
sowie jene in Innerösterreich durch die Türken zu leiden hatten,
steht außer Zweifel. Die allmähliche Reluierung der Natural-
abgaben, der Übergang von der Natural- zur Geldwirtschaft,
brachte dem Bauern keinen Nutzen; wie schwer hielt es bei
den schlechten Verkehrsverhältnissen, seine Produkte zu ver-
kaufen. Der Adel dagegen verlor durch die heillose Mtinzver-
schlechterung, die andererseits den Holden nicht in diesem
Maße Gewinn brachte. So waren selbst die Untertanen viel-
fach den Juden verschuldet,^ bei dem damaligen Zinsfuße ein
schwer zu heilendes Übel. Dazu kam nun die Steigerung der
Leistungen an den Grundherrn, der sich selbst nicht mehr in
der günstigen Lage von Einst befand — und schließlich die
Häuftmg von landesfllrstlichen Steuern, die auf den Holden über-
wälzt wurden. Daher erheben sich jetzt da und dort und
' Urk. 1476 April 4; Kop. Linzer Musealarchiv.
• Vgl. 8. 538.
' Vgl. Beiträge zur Kunde steierm. Geschichtsquellen II, 119.
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650
immer mehr Klagen der Untertanen. E^ ist nicht etwa ein
Zug von Härte des Herrn — Steuemachlässe bei Elementar-
schäden ^ zeugen dagegen — sondern ein allgemeines Anspannen
der Leistungsfähigkeit der Holden bis an und über die Ghi^nzen
derselben. Die Holden klagen über Bedrückung durch Er-
höhung fast aller Steuern.
So verwendeten sich 1446* Pfleger und Amtmann der
Herrschaft Purgstall für die Untertanen wegen der hohen Steuern.
Die Holden der Herrschaft Rutenstein klagen 1450' über den
neuen großen Korn- und Hofdienst; überdies war zu ihren Un-
gunsten das Kastenmaß vergrößert worden. Zur selben Zeit
dienten die walseeischen Weingärten in der Wachau die Hälfte
ihres Weinmostes, die Weingärten mehrerer Klöster daselbst
diesen nur ein Drittel. In der Amstettner Gegend widersetzten
sich die walseeischen Holden 1448^ der Entrichtung des landes-
ftlrstlichen Ungeldes. Die Vogtholden von Minnbach beklagten
sich 1475 über ihnen auferlegte Vogteifi*onen, andere 1469*
über starken Steuerdruck. Auf den tibeinischen Herrschaften
auf dem Karst^ die, wie die Höhe der Pfarreinkünfte ^ beweist,
wirtschaftlich hinter den anderen nicht zurückstanden, begannen
sich da und dort Holden zu entsiedeln.
So ist auch auf den einzelnen walseeischen Herrschaften
eine ersiehtUche Verschlechterung der Lage der Untertanen
wahrzunehmen — das Korrelat für den Niedergang des Hauses
Walsee, der um die Zeit der wirtschaftlichen Depression, um
die Mitte des 15. Jahrhunderts einsetzt.
Auch im Wirtschaftsleben der habsburgischen Länder sehen
wir die Herreu von Walsee mit ihrem großen Besitzstande,
der hier seinerzeit den größten adeUgen Wirtschaftsorganismus
darstellte, eine überaus wichtige Rolle spielen. Die Mittel und
Kräfte, die ihnen daraus erwuchsen, ließen sich oft wieder in
der Politik ausschlaggebend in die Wagschale werfen.
> Vg^l. Urk. 1482 April 20; Kop. Linser Mosealarchiy.
• Urk. 1446 Juni 13; ebenda.
• 1450 Februar 19; ebenda.
• 1448 Mai 1; ebenda.
^ 1469 April 6; Kop. Linzer Musealarchiv.
« Vgl. Urk. 1464 Juli 21; Ckkl. diplom. Istriano IV.
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551
Erst wenn wir diese Seite ihrer Tätigkeit im Auge be-
halten^ vermögen wir die allseitige Bedeutung zu würdigen,
die das Haus der Herren von Walsee in unserer Heimat besaß.
XI. Abschnitt.
Oenealogie des Hauses Walsee.
I. Ältere Hanptlinie.
1. Gebehardus (I.) et Chunradus (I.) werden 1171
März 31^ in einer Urkunde Heinrichs des Löwen als Zeugen
genannt; Conradus (I.) bezeugt noch eine Urkunde 1181 Juli 12.*
Das Totenbuch von Weittenau gibt Juni 15' als Todestag Cuon-
radi de Waisen^ militis^ also wohl dieses Konrad an.
2. Eberhardus (L) de Walchse, Waltse ist Zeuge in
einer Urkunde 1179 Dezember 25* und wird in einem Privileg
für das Kloster Waldsee noch 1181 Mai 12* genannt. Nach
Urkunde 1181 Mai 5* ist er Konrads Bruder.
3. Bertoldus de Waise, nach Urkunde 1181 Mai 5
Eberhards I. Sohn, bezeugt noch 1187 April ^ eine Urkunde;
ist nicht identisch mit dem zirka 1222 gestorbenen gleichnami-
gen Propste des Klosters Waldsee.
4. Eberhard H. (ob Bertolds Sohn? — allerdings spricht
die Zeit und der Taufname des Großvaters dafür) wird 1228
Februar 20^ bis 1248 Mai 10 urkundlich genannt; ob der
Heberhardus de Waise, als dessen Todestag das nach 1200 an-
gelegte Totenbuch der Franziskaner von Schaffhausen Mai 12^
angibt, Eberhard H. oder HI. ist, läßt sich nicht feststellen.
Als Gemahlin eines ,dicti de Waise' wird zu Januar 14*
im Totenbuche von Salem etwa um die Mitte des 13. Jahr-
hunderts eine Mechtildis erwähnt; vielleicht war sie Eber-
hards n. Gemahlin.
1 Weech, Cod. diplom. Sidemit I, 25.
« Wirtemberg. Urk.-B. H, 206. » M. G. Necrol. I, 169.
* Ebenda 214. ^ Ebenda 213.
" Baumann, Fonchnng^en zur schwäbischen Geschichte I, 206.
' Wirtembergr. Urk.-B. IH, 76 nnd IV, 176.
• M. G. Necrol. I, 606.
» Zeitschr. für Gesch. des Oberrheins, N. F. XIV, 616.
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552
1252* ist ein C(onradn8?) dictos de Waldse als prepositus
des Klosters Ochsenhausen beurkundet; falls er der Familie
angehört also wohl ein Bruder Eberhards 11.
5. Eberhard III.; zuerst in der ftir seine Vermählung
mit Adelheid von Waldburg 1251 Februar 11* ausgestellten
Ehedispens genannt^ heißt im Juni 1262' bereits senior und
urkundet ausschließlich in Schwaben bis 1293 März 11,* wo er
als Eberhard der älteste von Waldsee siegelt. Er dürfte bald
darauf in Schwaben gestorben und überhaupt nie nach Oster-
reich gekommen sein. Der Grabstein mit der Inschrift ,Ä. d.
1288 ob. dominus Eberhardus de Waise, pater senion omnium
dominorum de Waise hie sepultus', von dem sich eine Abbil-
dung* in den Streinschen Manuskripten erhalten hat — auch
Preuenhuber,^ der Eberhard III. mit Unrecht im Catalogus der
Landeshauptleute ob der Ens anftlhrt, sah ihn noch in der
Minoritenkirche zu Linz — ist späteren Ursprungs und stammt,
nach seiner Architektur zu schließen,* frühestens aus der Zeit
Reinprechts IV. von Waise (1416—1460).
Als Eberhards III. Gattin wird Adelheid, eine Schwester
des Truchsessen Eberhard von Waldbui^,^ also Tochter des
Truchsessen Otto Berthold von Waldburg, 1251 Februar 1 1 und
1275 Juli 21* genannt. Einer soror Adelhait von Waldsee ge-
denkt zu Juli 31^ das nach 1250 entstandene Totenbuch von
Löwental. Ob sie nach dem Tode ihres Gatten den Schleier
genommen, oder ob diese Nonne überhaupt mit ihr identisch,
bleibt umso fraglicher, als sich Eberhard IQ., nach dem Alter
seiner Kinder zu schließen, wohl ein zweites Mal vermählte.
Lazius und nach ihm Hoheneck geben ihm eine Gräfin von
Ortenburg zur einzigen GemahUn, was offenbar auf eine Ver-
wechslung mit Eberhard EL. von Walsee-Drosendorf beruht, der
mit einer Ortenburgerin verheiratet war.
6. Alber, miles de Waise, Zeuge in Urkunde 1271
März 18;*^ darnach wahrscheinlich ein jüngerer Bruder Wolf-
* Wirtemberg. Urk.-B. HI, 162.
' M. Q. Epist. Saecnl. Xm, IH. Bd., 48.
» Wirtemberg. Urk.-B. VI, 61. * WSt 673.
* Cod. ^/lo Schlüsselberger Archiv, OberOsterreich. LandeBarchiy Lins.
* Annal. StTrenses 414. ^ Wirtemberg. Vierteljahrsschr. Y, 412.
« Wirtemberg. Urk.-B. VU, 381. » M. G. Necrol. I, 199.
»« Wirtemberg. Urk.-B. VH, 132.
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553
gangs I. und somit auch Eberhards III.; doch müßte er dann
1269 noch minderjährig oder abwesend gewesen sein, da sonst
Eberhard III. in der Urkunde 1269 September 24^ schwerlich
von Wolfgang I. allein spräche. Alber wird sonst nicht er-
wähnt und ist wohl jung gestorben.
7. November 8 unbekannten Jahres ob. soror Margret von
Waldsee nach dem Löwentaler Nekrologe^' sonst nirgends ge-
nannt.
8. Elsbeth von Walsee wird von ihrem Vater Eberhard HE.
1266 August 28^ bei ihrem Eintritte in das Kloster Baindt mit
dem Gute Cunenhus ausgestattet.
9. Gebhard II. (die Reihenfolge der vier weltlichen einer-
und der beiden geistlichen Söhne Eberhards III. andererseits gibt
die Reimchronik* richtig an; doch waren die beiden geistlichen
Brüder zweifellos älter als der erst 1298 urkundende Fried-
rich I.) wird zuerst 1291 November 20^ als Kleriker erwähnt,
erscheint seit 1300 Januar 16* unter den Domherren und seit
1312 Dezember 7^ als Yitztum des Bistums Passau bis 1313
Juli 25.8 Nach Bischof Wemhards Tode (f 1313 Juli 28)
gegen Albreoht (II.) von Osterreich zum Bischof von Passau
erwählt, reiste er zur Erlangung der päpstlichen Bestätigung
nach Avignon, wo er 1315 August 3 starb. •
10. Konrad EL. bezeugt als Chunradus clericus de Waise
zwischen Juni 11 — 22 1288*^ eine Urkunde für das Kloster
Salem, wird dann Pfarrer zu Piber^^ und als solcher auch von
der Reimchrouik ^' erwähnt; aus dem Spottnamen ,der Nem-
hart^, den er nach derselben fllhrte, hat eine irrtümliche Lese-
art einen weiteren (7.) Bruder gemacht, den Hoheneck^' und
noch Huber ^* anführen. Konrad II. starb auf seiner Pfarre
eines gewaltsamen Todes; 1311 April IP* erhielt er auf der-
selben bereits einen Nachfolger.
» Wirtemberg. Ürk.-B. VH, 60. • M. G. Necrol. I, 199.
» Wirtemberg. Ürk.-B. VI, 266. * Beimchronik. V. 28167—28196.
* LB. n, r. 7. • NB. I, 317.
' Regeste Boica V, 239. • Ebenda VI, 344.
* Cont. Zwetlens. M. G. SS. IX, 666 und Totenbucb von Engelsxell, Orig.
Stiftsarchiy Wilhering.
>^ Weech, Cod. diplom. Salemit. 11, 343.
" Bei Voitsberg, Steiermark. " Reimchronik. V. 23186—28189.
*» Genealogie UI, 817. »* Gesch. Herzog Rudolfs IV., 163.
"^ StLA., Urk. Nr. 1747.
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554
11. In der Urkunde 1313 November 11* wird Preyde (Bri-
gitta), Witwe Ortolfs von Eranichberg, als Schwester Ulrichs I.
von Wabee ausdrücklich bezeichnet; Urkunde 1319 Juli 12*
heißen Hermann und Hertel von Kränichberg Ulrich ihren
Schwager. Brigitta ist von 1307 November 19' bis 1315 als Grattin
und Witwe beurkundet. Nach dem Nekrolog der Grazer Domini-
kanerinnen starb sie Februar 7^ unbekannten Jahres.
12. Agnes, eine zweite Schwester Ulrichs I., wurde dem
Grafen Ulrich V. von Pfannberg* nach dem Treffen zu Gam-
melsdorf (1313 November 9) verlobt; nach einer Urkunde von
1314 Mai 19* war sie noch nicht verheiratet 1320 wird Ul-
rich V. von Pfannberg der GemahF der Schwester Ulrichs I.
genannt und 1321 Juni 24* siegelt Ulrich I. als Ulrichs V. von
Pfannberg Schwager. Sonst wird Agnes nicht mehr erwähnt
Da sich ihr Gatte 1330^ zum zweiten Male vermählte, muß sie
spätestens 1329 gestorben sein.
Ein Rudolphus de Walhse, der in einer Tradition des
Falkensteiner Kodex von c. 1160 genannt wird,^® gehört sicher-
lich nicht zur Familie.
Jener Wolfram von Walsee, der 1135 auf einem Turniere
zu Zürich gewesen sein solP* — Stadl stellt ihm sogar fiir 1180
noch eine Notburga an die Seite** — sowie die angeblich 1026
auftretenden Brüder Heinrich und Liabord (!) von Walsee und
damit die ganze Fabel von einer Abstammung des Hauses
CoUoredo** in Friaul von den Walseem haben urkundlich keinen
Boden und verdanken ihr Dasein lediglich den genealogischen
Spielereien des 16. und 17. Jahrhunderts. Von mehreren Per-
sonen geistUchen Standes steht es nicht fest, ob sie Angehörige
des Klosters Waldsee, gebürtige Waldseer oder MitgUeder der Fa-
milie von Waldsee waren. So urkundet der magister Eberhardos
« 8t.LA., Urk. Nr. 1786*. • Ebenda, Nr. 1856».
» StLA. Urkk.-Kop. Nr. 1710«, 1866*. * Ha. 209, f. 2', StLA.
^ Johann von Viktring, Böhmer, Fontes Renim Germanicamm I, 378.
« LB. ni, r. 248. ' Böhmer, I, 880. ■ HHStA. Cod. 1049, f. 86.
» Vgl. Tangl, Die Grafen von Pfannberg, AÖG. XVUI, 189.
" ,Drei bayerische Traditionsbücher*, S. 27.
" 8. Feyerabends Tnmierbach, Frankfurt 1578, f. 75.
*' Stadl, Ehrenspiegel des Herzogtums Steiermark m, 839; StLA., Hs.
Nr. 26.
*' Vgl. Czoernig, Das Land GOrs und Gradiska 658.
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555
de Waise ^ 1273 Juni 24 und — wohl derselbe — als Kano-
nikus des Konstanzer Bistums 1282 Oktober 2.' Mehrere
Schreiber und Notare ,von Waldsee^ haben mit der FamiUe
gleichfalls nichts zu tun.
II. Jüngere Hanptlinie : Waldsee-Daohsperg.
Diese Nebenlinie zweigte mit Wolfgang I., einem Sohne
Eberhards 11.^ ab und saß zu Zell (Eberhards-^ Wolfgangszell).
Ob Heinrich IV. ein Sohn Wolfgangs 11. gewesen, wie Weiß-
Starkenfels annimmt,' ist zweifelhaft; 1325 ist Zell wieder im
Besitz der Hauptlinie und Heinrich IV. nannte sich nach seinen
dachspergischen Gütern westlich vom Lech bei Memmingen.
1. Wolfgang I., Sohn Eberhards IH. von Waldsee, von
1269 September 24* bis 1281 Mai 23*^ urkundlich erwähnt;
nach den Urkunden von 1271 März 18 « und 1275 Juli 21^
nennt er sich zu Zell. Als seine Hausfrau wird in letzterer Ur-
kunde eine Schwester des Truchsessen von Waldburg genannt.
2. Wolfgang H. tritt von 1275 Juh 21 bis 1291 Okto-
ber 16® urkundlich auf; er starb vor 1311, falls sich folgende
Stelle im Zwettler Stiftungsbuche auf ihn bezieht:* ,Item in die
s. Lucae evangelistae (Oct. 18.) unum plenarium servicium ex
testamento Wolf kangi Suevi, cognati dominorum de Waise per
abbatem vel cellerarium ministretur.' Damach scheint Wolf-
gang n. zu seinen Vettern nach Osterreich gekommen zu sein.
3. Heinrich IV. von Dachsberg urkundet 1328*** in
Schwaben und schließlich als ,der alte von Waldsee genant von
Dachsperg^ 1341 Oktober 22^* (Verzicht auf die Stammgtiter)
zu Linz. Weiß-Starkenfels hält ihn, wohl richtig, für Wolf-
gangs n. Sohn.
Klara, eine geborene Schenkin von Winterstetten (Otels-
wang) ist als seine Gattin 1328 und bis 1362^* als seine Witwe
beurkundet.
1 Zeitschr. für Gesch. des Oberrheins, N. F., XXYH, 232.
* Regesta episcop. Constant. Nr. 2668.
8 WSt. 673/4. * Wirtemberg. Urk.-B. VII, 60.
«* WSt 673. • Wirtemberg. Urk.-B. VU, 132. ' Ebenda 381.
» WSt. 674. » FRA., 2. Abt., lU, 477.
»° Alberti, Württemberg. Adels- nnd Wappenbach I, 116.
" UBoE. VI, 396. ^* Baamann, Gesch. des Allgäas II, 586.
ArchiT. XCY. Band. U. Hftlfte. 37
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556
4. Heinrich IX., Chorherr am Frauenmünster zu Zärich,
1368* beurkundet, soll nach dem Zurzacher Totenbuche 1369
Dezember 21* gestorben sein; er wird noch in zwei Züricher
Urkunden 1373 Mai 27 und Juli 21» (ob noch am Leben?)
genannt.
m. Linie Waltee-Lins.
1. Eberhard IV., der Stifter der Linie Walsee-Linz, er-
scheint in Urkunden seit 1280 August 17,' als Landrichter ob
der Ens wird er genannt von 1288 Januar 29* bis 1325 Juni 15.^
Nach dem Calend. Necrol. Alberti pleb. starb er 1325 Oktober 12,^
ebenso nach dem St Florianer Calend. Necrol. Heinrici prepositi.^
Seine Hausfrau war Maria, eine Tochter Heinrichs U. von
Kuenring-Seefeld, seit 1285 Gattin des 1288 verstorbenen Rein-
precht von Ebersdorf.® 1289 November 20 noch Witwe, wird
sie als Eberhards IV. Gattin von 1290 Januar 2» bis 1318
Dezember 29^® genannt; sie starb 1320 und liegt zu ZwetÜ
begraben. **
2. Eunigunde, als Eberhards IV. Tochter und Jans von
Kapellen Verlobte und Hausfrau genannt 1303 Mai 2^* bis
1342 Juni 24."
3. Eberhard V., Eberhards IV. Sohn, seit 1304 August 17"
urkundlich erwähnt. Nach seines Vaters Tode Hauptmann ob
der Ens, blieb er mit einer Unterbrechung von ^* 1361 Dezem-
ber 31 bis 1363 Januar 5,^^ wo Jans von Traun als Hauptmann
ob der Ens auftritt (in der vereinzelten Urkunde von 1354
März 12^^ wird Friedrich 11. von Walsee-Ens nur irrtümlich als
Hauptmann ob der Ens statt zu Ens bezeichnet), bis 1371 Fe-
bruar 2^^ in seinem Amte. Nach dem Nekrolog von Sensenstein^'
starb er 1371 April 21; 1371 August 26 «« heißt er selig. Daß
» WSt. 678. « M. G. Necrol. I, 614.
* Winkelmann, Acta imp. ined. II, 108.
* UBoE. IV, 82. » Ebenda V, 424.
* JBMFC. XXXIX, 18Ö. ' Ebenda XXXVI, 37.
* Frieß, Die Herren Yon Euenring 183.
* UBoE. IV, 120. " FRA., 2. Abt., H, 668.
1^ Cont. Zwetlens. M. G. SS. IX, 681. ^> Mon. Zollerana II, 282.
" üBoE. VI, 418. 1* Ebenda IV, 466. »» Ebenda VIO, 56.
»« FRA. XXI, 247. " UBoE. VII, 363. " Ebenda VIH, 50.
'* Kod. ^/lO) Strein, Mscr., SchlÜsselberger Archiv, OberOsterreichisches Lan-
desarchiv, Linz.
" UBoE. Vm, 640.
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557
Eberhard V. eine und nicht zwei verschiedene Persönlichkeiten
war, wie Huber wegen seines langen Auftretens vermutete, geht
aus der Urkunde 1377 März 1* hervor.
Eberhard V. war dreimal vermählt. Zuerst wird Elsbeth
von Gutrat, eine Tochter Kunos von Gutrat, von 1304 August 17*
bis 1314' als seine Hausfrau genannt, die auch im Sensen-
Steiner Nekrolog erscheint. Als seine zweite Gattin wird Anna,
nach Urkunde 1352 Mai 5* eine Tochter Hertneids von Losen-
stein, seit 1321 Dezember 1^ genannt. Daß die im Nekrologe
von Sensenstein als 1351 verstorben angeführte Anna von Neu-
haus nicht die Gattin Eberhards V. war, geht aus den die
Identität Annas beweisenden Urkunden von^ 1336 August 19,
1352 Mai 5 und 1354 März 15' hervor. Anna von Losenstein
ist bis 1355 Februar 22® beurkundet und starb nach demWil-
heringer Nekrologe ' und nach dem Calend. Necrol. Heinrici pre-
positi^^ an einem 2. Februar unbekannten Jahres. Mit einer
dritten Hausfrau, nach Urkunde 1378 November 5^^ wohl aus
dem Hause der Pettauer, vermählte sich Eberhard V. um 1360,
da der Sohn aus dieser Ehe, Georg, noch 1374 ungevogt war.**
Nach Strein hieß diese Pettauerin Floringa. Sie ist offenbar
identisch mit jener Floromey (der Name ist einem zeitgenössi-
schen Ritterromane entnommen), die nach einem stubenbergischen
Archivsverzeichnisse 1350 *• mit dem zu Weihnachten 1360
(1359?) verstorbenen Heinrich von Meissau vermählt war. Eber-
hard V. mag dann die Witwe 1360/61** heimgeführt haben.
Jedenfalls entstammt Georg dieser dritten Ehe, da die 1321
bereits verheiratete Anna von Losenstein unmöglich noch 1360
einem Sohne das Leben schenken konnte. In der Urkunde 1394
März 29,^* in welcher Jörg von Walsee-Linz von Anna als seiner
(Stief-)mutter spricht, ist daher Eberhards V. erste oder zweite
Gemahlin gemeint
1 Orig. StAEferding. « UBoE. IV, 465. » WSt. 680.
• UBoE. Vn, 280. » FRA., 2. Abt., VI, 29Ö.
• UBoE. VI, 216. » FRA. LI, 479. « UBoE. VII, 403.
• Grillnberger, Das Totenbach von Wilhering 38.
^« JBMFC. XXXVI, 88—39. " NB. I, 374.
** Kod. »/lo, Strein, Mscr., a. a. O. " Anszng StLA. Nr. 2416«.
^* Vgl. Pölzl, Die Herren yon Meissan, Blätter des Vereines fQr Landes-
kunde Yon NiederOsterreich XIV, 390.
^^ Hagn, Urkandenbnch yon Kremsmtinster 340.
37*
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558
4. Dorothea, eine Tochter Eberhards IV. und Marias von
Kuenring, war etwa 1330 — 1343 mit dem 1343 verstorbenen
Reinprecht II. von Ebersdorf vermählt (?). ^
6. Margret, als Gattin Albers von Volkenstorf von 1329
Juni 8* bis 1334 April 7 genannt, ist wohl, wie Weiß-Starken-
fels' richtig annimmt, eine Tochter Eberhards V. von Walsee-
Linz, nicht eine Schwester des Jans von Kapellen, woftlr sie
Wirmsberger hielt.*
6. Eberhard Vn., Eberhards V. Sohn, wird urkundlich
von 1335 Oktober 27* bis 1351« erwähnt.
Mit vieler Wahrscheinlichkeit dürfte die im Seusensteiner
Nekrologe genannte Anna von Neuhaus die Gattin dieses Eber-
hard (Vn.) und nicht die seines Vaters Eberhard V. gewesen
sein. Denn auch das Nieder-Walseer Archivinventar von 1545
führt f. 65' ein Testament der ,Anna von Neuhaus, Hausfrau
Eberhards von Wallsse' von 1350 an. Da von allen Eberharden,
die um diese Zeit lebten (Eberhard V. und VI.), die Gattinnen
bekannt sind, bei Eberhard VU. sowohl das Alter als die Un-
genauigkeit der Seusensteiner Aufzeichnung leicht in Einklang
zu bringen sind, dürfte Anna von Neuhaus wohl an diese SteUe
zu setzen sein. Diese Annahme wird zur Gewißheit durch das
Frauensiegel an Urkunde 1335 Januar 8, Orig. Linz, Stadt-
archiv. Die Sieglerin ,frau Ann von Waise' führt darin den
Balkenschild der Walseer und als ihr Geburtswappen — die
Witigonenrose der Neuhauser. Da Eberhard VU. 1335 bereits
an die 20 Jahre zählte, kann er damals ganz wohl schon ver-
mählt gewesen sein. Anna mag im Jahre ihrer Testaments-
errichtung, ihr Gatte im Jahre darauf gestorben sein.
7. Heinrich V., Eberhards V. Sohn zweiter Ehe, von 1336
August 19^ bis 1352 November 11® in Urkunden genannt
8. Agnes, eine Tochter Eberhards V., tritt von 1343 No-
vember 15* bis 1353 Juli 28^® als Gattin des Grafen Johann
von Pemstein auf.
9. Georg, der Sohn aus Eberhards V. dritter Ehe,
zuerst 1365 Januar 21*^ in einer Seckauer Urkunde erwähnt,
* Topographie von Niederösterreich IV, 429. * NB. IV, 84.
» WSt. 689. * Die Dynasten von Volkenstorf 163.
^ UBoE. vn, 183. « WSt. 680. » UBoE. VI, 216.
« Regesto Boica VIII, 265. » NB. IV, 126.
*<> Zeitschr. ,Adler* VI, 75. »» Orig. HHStA.
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559
urkundet bis 1400 Januar 28.^ Nach dem Seusensteiner Toten-
buche starb er in diesem Jahre.
Als seine Hausfrau wird seit 1385 September 30* Mar-
gret, eine Tochter des Grafen Gregor von Curbau und nach
Urkunde 1387 April 26' Witwe Uhichs des Weißeneckers, bis
1395 April 30* genannt. Ein Söhnlein aus dieser Ehe, Eber-
hard X., starb nach dem Seusensteiner Totenbuche 1400 kurz
vor seinem Vater.
10. Eine ungenannte Tochter Eberhards V. und Schwester
Georgs von Walsee-Linz war nach den Urkunden von* 1378
März 21 und 1410 September 29^ mit Heinrich HL von Liech-
tenstein-Nikolsburg vermählt.
11. Katharina, Eberhards V. Tochter und Georgs Schwester,
war laut Urkunde 1374 März 5^ mit Alber IV. von Puchheim
vermählt; 1399^ ist Katharina tot und ihr Gatte bereits zum
zweiten Male verheiratet.
IV. Linie Walsee-Ens.
1. Heinrich I., Gründer der Linie Walsee-Ens, 1282
Mai 21^ zuerst urkundlich genannt; er urkundet 1300 März 2^^
als Landrichter zu Wachsenberg und seit 1309 Juli 25*^ als
Burggraf (Hauptmann) zu Ens bis 1323 Februar 5.^* Als seinen
Todestag gibt das Calend. Alberti pleb. Februar 25, ^* sein Grab-
stein zu Ens 1326 März 1** an; 1326 März 20 1» wird er als
bereits verstorben erwähnt.
Er war seit 1290^* mit Elsbeth von Starhenberg, der
Witwe Eberhards von Tellesprunn, vermählt, welche 1301
Mai 11^^ bis 1323 Februar 5 als seine Hausfrau beurkundet
ist; das Calend. Alberti pleb.'® und ihr Grabstein zu Ens geben
als ihren Todestag 1326 Juni 21 an.
» Orig. HHStA. * NB. IV, 594. » HHStA., Kod. Suppl. 408, f. 10.
< Orig. StLA. Nr. 3844. » NB. IV, Ö66.
« Orig. Liechtenstein. Archiv, Wien. ' NB. IV, 534.
• Zeitschr. ,Adler* XVII, 152.
* Böhmer-Redlich, Reg. Imperii VI, r. 1659.
»0 UBoE. IV, 232. " Ebenda V, 22. i« Ebenda 337.
^' JBMFC. XXXIX, 129. ^* So aach Hoheneck, Genealogie III, 816.
" FRA. LI, 320.
" Hoheneck, Genealogie m, 816; Zeitschr. ,Adler*, N. F. IV, 50.
" ÜBoE. IV, 390. " JBMFC. XXXIX, 127.
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560
2. Heinrich 11., Heinrichs I. Sohn, in Urkunden 1318
JuU 4^ bis 1334 Mai 7* genannt; als seinen Todestag gibt
das Calend. Alberti pleb. Juli 26 an.' Nach einer Urkunde
von 1334 September 13* dürfte er zu dieser Zeit bereits tot
gewesen sein.
Seine seit 1330 September 17^ erwähnte Gattin Adelheid,
eine Tochter Bertholds von Aichheim, ist 1340 Juni 15^ bereits
wieder mit Rudolf V. dem Jungen von Liechtenstein -Murau
vermählt.
3. Reinprecht L, Heinrichs I. Sohn, wird von 1318
Juh 41 bis 1360 Juni 12^ urkundlich erwähnt und heißt 1361
April 18 seUg.® Als Hauptmann (Burggraf) zu Ens urkundet er
seit 1334 September 13.* Als herzoglicher Verweser zu Krems
wird er 1360 Juni 24* und nochmals 1356 Februar 17,® unter
Herzog Rudolfs IV. Räten 1368 November 10*^ und als Pfleger
und Verweser der Güter der Burggrafen von Nürnberg in
Österreich 1359 September 25 ® genannt. Daneben wird er von
1359 Mai 20 ^^ bis 1360 Juni 12 ^^ als Hauptmann und Burg-
graf von Steier erwähnt.
Er war zweimal vermählt; Elsbeth, eine Tochter des
Truchsessen Christian von Lengenbach (Viehofen), wird^* 1333
Dezember 15 bis 1344^* als seine Hausfrau genannt. Nach
der Dürrensteiner Jahrtagstiftimg von 1347 November 25*' ist
sie schon tot und Reinprecht 1350 bereits abermals mit^* Els-
beth von Starhemberg verheiratet, die sich urkundlich 1350,*'
1351 Mai 26 und bis 1358 März 15*» als seine Gattin
nachweisen läßt. Sie war 1368 November 12** bereits ver-
storben.
4. Friedrich H., Heinrichs I. Sohn, seit 1318 Juli 4*
beurkundet, war neben Reinprecht I. Burggraf zu Ens. Bis
1 UBoE. V, 220
* Bl&tter des Vereines für LaDdeskiiDde von NiederOsterreich X, 42.
» JBMFC. XXXIX, 129. * NB. IV, 102.
» RegesU Boica VI, 844. • NB. IV, 107.
' Wichner, Gesch. Yon Admont HI, 63. ^ Orig. StAEferding.
* Faigl, Urkandenbuch des Stiftes Herzogenbarg 220.
10 Knrz, Handel 396. " UBoE. VII, 649.
" Wichner, Gesch. von Admont m, 68. *» LB. II, r. 1962.
" WSt. ö9ö. ^ Orig. StiftSÄTchiv Herzogenburg.
" Vgl. darüber WSt. 592. " Inventar, f. 63'; NB. I, 887.
^ OBoE. Vn, 566. »• KeibUnger, Gesch. von Melk II, 261.
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561
1355 März 12^ erscheint er in Urkunden genannt; 1355 Ok-
tober 27 * heißt er selig.
Seine Hausfrau Kunigund^ Rudolfs von Liechtenstein-
Murau Tochter, wird 1346 März 22» und noch 1356 Sep-
tember 12' als seine Witwe erwähnt.
5. 1303 August 15^ werden in einem Testamente Hein-
richs I. zwei ungevogte Töchter genannt. 1344 April 24^
nennen Alber und Hartneid von Sensenstein Reinprecht I. und
Friedrich H. von Walsee-Ens ihre Oheime, eben diese nennen
1348 Juni 22« Alber von Rauhenstein ihren Oheim und 1377^
nennt Hans von Stadeck Heinrich VI. von Walsee-Ens seinen
Oheim — eine Bezeichnung, die damals zwischen Oheim und
Neffen wechselseitig gebraucht wurde. Einer von Rauhenstein
und ein Stadecker erheben 1349 März 29® Erbansprüche an
die Walseer zu Ens, die sie aus ihren Ehen mit Töchtern Hein-
richs I. ableiten. Die eine derselben läßt sich sicherstellen:^
Gueta, die als Gattin Hertneids H. von Stadeck 1318 März 28*<>
bis 1331 Februar 24^^ beurkundet ist; wohl identisch mit der
Tueta (Gueta) von Stadeck, der das Nekrolog von Renn** zu
September 13 gedenkt.
6. Elsbeth, Tochter aus Reinprechts I. erster Ehe, von^*
1351 Mai 26 bis 1374 Juli 25** beurkundet; sie war nach Ur-
kunde 1357 März 29 *» mit Konrad von Pottendorf vermählt.
7. Agnes, Tochter aus Reinprechts I. Ehe, von 1351
Mai 26 bis 1380 Juni 26*^ als Hausfrau und Witwe Josts von
Rosenburg urkundlich genannt. Nach dem Stiftungsbuche von
Hohenfurt starb sie Mai 14,^^ nach dem Totenbuche des Ela-
rissinnenklosters zu Erumau 1402 Mai 17.^^
8. Rudolf I., Reinprechts I. Sohn, urkundlich 1357
Juni 25'® zuerst erwähnt, wo seine Verlobung mit Anna, Diet-
richs von Hohenberg Tochter, rtlckgängig gemacht wird. 1366 ^* (?)
* NB. IV, 818. » Ebenda I, 348. » Ebenda IV, 337.
* NB. n, 874. » UBoE. VI, 476. • FBA. LI, 441.
» NB. I, 374. • NB. U, 316.
" Vgl. Weinhold, Der Minnesinger yon Stadeck und sein Geschlecht,
Sitzungsberichte der Wiener Akad. der Wissensch. XXXV, 168.
10 PRA. XVm, 162. " Urk. 1331 Februar 24; Kop. StLA. Nr. 2001«.
" M. G. Necrol. II, 361. " NB. I, 337. " Ebenda 372.
1» NB. m, 421. " AÖG. XXm, 387.
" SitBungsberichte der Prager Akad. der Wissensch. 1887.
» NB. IV, 338. >• Kurz, Albrecht ni., Bd. I, 202.
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562
sowie 1372 Mai 12^ bis 1373 September 13 erscheint er als
Landvogt in Schwaben und im Elsaß. Von 1373 April 26* bis
1379 September 4' in der Steiermark als Hauptmann nach-
weisbar^ tritt er als Landmarschall in Österreich 1384 März 3^
bis 1397 Februar 2^ in Urkunden auf und läßt sich als Hof-
meister Herzog Wilhelms nachweisen von 1398 November 12*
bis 1404 Mai 18. ^ Zum letzten Male überhaupt ist er 1405
Januar 27 ^ beurkundet. Er starb nach dem Seusensteiner Ne-
krolog im Jahre 1405» und heißt 1405 Mai 9 selig.*®
Rudolf I. war mit Agnes von der Leippe vermählt, welche
seit 1374 Juli 4** als seine Hausfrau, als seine Witwe noch
1408 März 18" erwähnt wird.
9. Reinprecht H., Reinprechts L Sohn, urkondet seif
1363 Juni 5, seit 1379 Oktober 18 ** als Hauptmann ob der
Ens. Sodann wird er als Hofmeister Herzog Albrechts IV.
1395 September 14** bis 1397 Januar 6" und als Hofmeister
Herzog Albrechts V. seit 1412 Juli 16** genannt; zum letzten
Male urkundet er, noch als Hofmeister und Hauptmann ob der
Ens, *^ 1422 April 15. Er verschied nach den Nekrologien von
Spital*^ am Pyhm und Sensenstein^ sowie nach Preuenhuber"
1422 JuH 2.
Reinprecht H. war dreimal vermählt Zuerst mit Katharina,
Tochter des Hans von Liechtenstein-Nikolsburg, welche als seine
Hausfrau von 1370 Juni 23" bis 1395 Februar 7«« urkundet
und noch 1397 — ob noch am Leben? — erwähnt wird.**
Reinprechts H. zweite Gattin war, was Weiß-Starkenfels mit
Unrecht bestritt, ** Anna, eine Tochter Eberhards von Kapellen.
In seinem Testamente von 1406 Dezember 18*' nennt Eber-
1 Urkundenbach der Stadt Straßburg V, 781 und 825.
* Kop. StLA., Nr. 3163. • NB. IV, 562. * Ebenda 698.
» LB. V, r. 146. « Monumenta Boica XXX», 478.
' Orig. StLA., Nr. 4160*. » Orig. StAEferding.
* Strein, Mscr., a. a. O.
»^ Orig. Schwanenberg. Archiv Wittingan, Familie Walsee, Registratur.
" NB. IV, 636. ^ Orig. Schwarronberg. Archiv Wittingau, a. a. O.
»» UBoE. Vra, 161. 1* Orig. HHStA.
" Orig. Stiftsarchiv St Florian.
w FRA. LH, 186. " AÖG. LXXH, 119.
" Annales Styr. 869. *• NB. IV, 437.
*» Kurx, Albrecht HI., Bd. II, 306—310.
« InvenUr, f. 8. « WSt 601. » JBMFC. VI, 159.
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563
hard von Kapellen Reinprecht II. von Walsee seinen Eidam;
nach dem einstigen Grabsteine Reinprechts U. in Sensenstein,
auf dem sie als seine Gattin genannt war, fUhren sie Strein
und nach diesem Hoheneck an. Schließlich wird sie in der
Urkunde 1417 März 26^ als Reinprechts U. verstorbene Gattin
ausdrücklich erwähnt; sie mag mit ihm zwischen den Jahren
1398 — 1405 vermählt gewesen sein. Nach ihrem Tode ging
Reinprecht II. eine dritte Ehe mit Katharina, einer Tochter
Haugs VI. von Tibein ein, welche von 1406 Juli* 6 bis 1418
Januar 25' als seine Hausfrau und als seine Witwe noch 1427
Dezember 29^ urkundet. Sie starb nach Strein 1435) De-
zember 21.
10. Anna, eine Schwester Rudolfs I., Reinprechts II. und
Friedrichs V. — wohl älter als letzterer — wird 1373 Juni 6 *
als verstorbene Gattin Haugs VI. von Tibein erwähnt.
11. Friedrich V., der jüngste der Brüder, 1368 Novem-
ber 12« zuerst beurkundet, wird von 1391 März 27^ bis 1895
Mai 19^ als Herzog Leopolds Hofmeister genannt und erscheint
1396 März 12^ als Herzog Wilhelms Rat. Als Landmarschall
in Osterreich ist er nachweisbar von 1403 Februar 6*® bis
1405 April 21.^^ Schließlich wird er als Herzog Leopolds
Hofmeister in Urkunde von 1406 Dezember 4^* bis 1408
Januar 3*' erwähnt und urkundet noch bis 1408 März 9.** Er
starb in der Fasten dieses Jahres an den Folgen eines Pulver-
zündschlages auf Schloß Nieder -Walsee. ^^
Auch Friedrich V. war dreimal vermählt Als seine erste
Hausfrau wird 1384 Juni 10*« bis 1390 März 25 Anna, eine
Tochter Friedrichs von Winkel, erwähnt; als ihren Todestag
imbekannten Jahres gibt das Nekrolog von Lilienfeld ^^ Okto-
ber 21 an. Ita, Tochter Engelhards von Weinsberg, erscheint
» Orig. HHStA. • NB. I, 881. » Ebenda II, 309.
* Hoheneck, Genealoge III, 824. » LB. IV, r. 1128.
^ Eeiblinger, Gesch. yon Melk II, 261.
* Plancher, Hlstoire de Boorgogne m, Nr. CL.
<^ Reichstagsakten 11, 396. * HHStA., Kod. 16.
^^ Wretschko, Das Osterreichische Marsohallamt 284.
" LB. V, r. 699. " NB. IX, 277.
^ Kons, Albreoht V., Bd. I, 820. ^« Ebenda 824.
» Vgl. Ebendorfer, Pez, 88 Ber. Anstr. II, 888; Anon. Vien. Chron.,
ebenda 648; El. Elostemenbnrger Chronik, AÖG., 2. Abt, VH, 289.
»• NB. IV, 694 nnd 601. " FBA. XLI, 161.
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564
als Friedrichs V. zweite Hausfrau von 1395 Juni 2^ bis 1396
April 24.* Friedrichs V. dritte Gbittin Dorothea von Starhem-
berg wird in einem unrichtig datierten Testamente Friedrichs V.
von 1399 Juni 23 • (richtig statt 1390, wie aus den Hoftmtem
hervorgeht) und als seine Witwe 1408 Juli 31* genannt. Sie
vermählte sich nachmals noch mit Hartneid von Pottendorf und
starb 1419.*
12. Dorothea, Tochter Reinprechts L, urkundet 1376
März 20^ als Hausfrau und noch 1398 Mai 10« als Witwe Wul-
fings von Stubenberg.
13. Anna, Tochter Friedrichs I. von Walsee-Ens, seit
Ende 1345,' anfangs 1346 Gattin des 1349 verstorbenen Jo-
hann n. von Kuenring-Seefeld; ab dessen Witwe verfaßt sie
1368 Mai 31 ihr Testament.»
14. Agnes, Tochter Friedrichs H. von Walsee-Ens und
seiner Hausfrau Kunigund, erwähnt seit 1351 Mai 17,^ ver-
zichtet als Gemahlin des Nikla von Chiau 1361 November 29*
auf ihr väterliches Erbe.
15. Friedrich VI., Friedrichs H. Sohn, seit 1351
Mai 17^ beurkundet, wird als Landmarschall in Osterreich seit
1367 Juni 12, ^^ sicher noch bis 1368 Mai 3," als Hauptmann
in der Steiermark 1369 Dezember 18^* genannt. Nach Urkunde
1370 November 19" sowie nach der gefälschten, indes viel-
leicht doch nach einer echten Vorlage datierten Urkunde von
1372 April 6^* war Friedrich VI. wieder LandmarschalL Da
der im Totenbuche von Klein-MariazelP* zu Dezember 11 ge-
nannte Fridericus de Waise laicus nach seinem Sterbetage
weder Friedrich I. oder H. noch HI. sein kann und wohl der
Linie des Hauses Walsee von Ens angehört, die durch Hein-
richs VI. Heirat mit einer von Hohenberg Beziehungen zum
nahen Klein-Mariazell haben konnte, dürfte dann Friedrich VI.,
1 LB. IV, r. 2487. « Orig. HHStA. » NB. I, 378.
*• Schwerdling, Gesch. des Hauses Starhemberg 119.
• Orig. StAEferding. • Orig. NiederOsterr. Landesarchiy, Wien.
^ Frieß, Die Herren von Kuenring 194. « Ebenda, r. Sil.
* Vgl. Lang, Monnmenta Salzbnrgo-Aquilegensia H, 337.
" Feigl, Urk.-B. des Stiftes Hersogenburg 250. " NB, IV, 433.
** LB. IV, r. 944. " Orig. StLA. Nr. 3098 •.
" Blätter des Vereines für Landesknnde von Niederösterreich XXI, 376.
" Studien und Mitt. des Benediktiner- und Zisterzienserordens II, 42.
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565
der 1373 Mai 26* selig heißt, 1372 Dezember 11 verschie-
den sein.
Seine Gattin wird nirgends genannt; vielleicht war sie
eine Meissauerin.
16. Wolfgang HI., Sohn Friedrichs ü., von 1351 Mai 17«
bis 1357 Dezember 26' urkundlich erwähnt. Er wurde Kleriker
und erhielt die Pfarren Münster und Riegersburg; wahrschein-
lich ist er schon 1360 Januar 3,* sicher 1361 August 3^ tot.
17. Heinrich VI., Sohn Friedrichs 11., zuerst 1351
Mai 17' urkundlich genannt, ist als Hauptmann ob der Ens
1374 Dezember 12 « bis 1379 August 18^ beurkundet, ferner
1385 als Hauptmann zu Wiener-Neustadt. 1393 Juni 5* er-
scheint er als Rat Herzog Albrechts HI. und wird 1395 De-
zember 29* Rat der Herzoge Albrecht IV. und Wilhelm; zum
letzten Male urkundet er 1398 Mai 31.^^ Nach dem Nekrolog
von Klein-MariazelP* starb er September 10, nach dem von
Lilienfeld ^« 1398 September 13. 1398 November 12 1» heißt
er selig%
Seine Gemahlin Anna von Hohenberg wird 1381 Juni 13**
als bereits verstorben erwähnt.
18. Elsbeth, Schwester Friedrichs VT. und Heinrichs VI.,
nach Urkunde 1360 Juli 4*^ Hausfrau Konrads von Meissau;
sonst nicht genannt, auffalleiiderweise auch nicht in Urkunde
1351 Mai 17, die alle Kinder Friedrichs H. anfuhrt.
19. Ursula, Schwester der Vorigen, erwähnt bereits 1351
Mai 17, war 1361 April 21 *^ noch ledig und urkundet als Witwe
Gundakers von Polheim 1366 September 29" bis 1370 Januar 25."
20. Reinprecht IV., Reinprechts H. Sohn, zuerst 1414
September 12^^ erwähnt, als Hauptmann ob der Ens seit 1421
April 27, «0 beurkundet bis 1450 Februar 28.^0 Nach dem
Totenbuche von Lilienfeld starb er 1450 März 3;*^ sein Grab-
stein zu Sensenstein'^ gibt den 18. März als Todestag an.
^ NB. IV, 583. < Lang, a. a. O. * Ebenda 431. « Ebenda 490.
» UBoE. Vm, 41. « Monnm. Zollerana VI, 801. ' LB. IH, r. 1423.
• LB. IV, r. 2237. • LB. V, r. 15. " Kop. Linzer Mnsealarchiv.
^^ Stadien nnd Mitt. des Benediktiner- nnd Zisteraienserordens II, 80.
" FRA. XLI, 144. « Monumenta Boica XXX», 478.
" LB. IV, r. 1961. " NB. IV, 348. »• Ebenda 538.
" WSt. 693. ^« Orig. Linzer Muaealarchiv.
!• HHStA., Kod. 16, f. 104'. «• NB. U, 10. " FRA. XLI, 66.
^ Mitt. nnd Berichte des Wiener Altertomsyereines XI, 208.
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566
Katharina, Tochter Heiorichs von Rosenberg, erscheint
seit^ 1418 April 16 als seine Verlobte, seit 1421 April 27' als
seine Gattin und als seine Witwe noch 1455 Januar 10.'
21. Barbara, Tochter Reinprechts II. aus dessen dritter
Ehe, wird 1428 Oktober 8* als Gattm Niklas Frangipani,
Grafen zu Veglia und Modrusch genannt; bis 1430 März 7 be-
urkundet.*
22. Zwei jung verstorbene Kinder Friedrichs V., Christoph
und Katharina, führt das Seusensteiner Nekrolog und darnach
Strein* an.
23. Afra, eine Tochter Friedrichs VI. von Wabee-Ens, seit
1373 Mai 26 ^ urkundlich erwähnt, seit 1383 April 24« als
Hausfrau des 1395 verstorbenen Hertneid von Liechtenstein-
Nikolsburg. Seit 1396^ mit Alber Stuchs von Trautmannsdorf
(f 1406) vermählt, ^® urkundet sie bis 1427 als dessen Witwe.
Nach ihrem Grabstein in der Kirche zu St. Maria am Gestade
zu Wien starb sie im Jahre 1439.**
24. Agnes, Tochter Reinprechts IV., wird seit 1423
April 18** als Verlobte des Ghrafen Bernhard von Schaunberg
genannt. Als dessen Gattin ist sie bis 1466 November 23*^
beurkundet; nach dem Wilheringer Totenbuche ist sie 1470
August 15*^ gestorben.
25. Nach Strein*^ starben Rudolf II., ein Söhnlein Rein-
prechts rV., und zwei Töchter desselben in jungen Jahren und
wurden in Sensenstein begraben.
Eine dieser Töchter dürfte jene Elsbeth sein, die 1425,^^
wohl noch als Kind, mit dem gleichfalls noch ungevogten Bern-
hard von Meissau verlobt wurde und gleich demselben noch
vor erlangter Mtlndigkeit starb.
^ Orig. OberOsterreichifcheB Landesjurchiy, Linz. * NB. U, 10.
» Kop. Linser Musealarchiv; vgl. WSt. 602. * Vgl. W8t. 602.
^ Vgl. das Schreiben 1480 März 7; Kop. Linser Mosealarchiv.
' Kod. '/lot Strein, Mscr. ; OberOsterreichisches Landesarchiv.
' NB. IV, 688. • NB. I, 876.
• Vgl. ürk. 1396 Juni 17; Orig. HHStA. »• WSt 693.
1^ Vgl. Min. der Zentralkommission, Bd. II, 70; Neue Folge Bd. XVU, 115.
" WSt. 603.
" StÜls, Die Grafen von Schaunberg, Denkschr. der Wiener Akademie der
Wissensch. XII, r. 1064.
1* Grillnberger, Das Totenbuch von Wilhering 129.
** Kod. '/lo; Oberösterreichisches Landesarchiv. " Inventar, £ 64.
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567
26. Wolfgang V., Reinprechts IV. älterer Sohn, ist seit
1450 Februar 26^ beurkundet, als Hauptmann ob der Ens seit
1452 März 24.* Sodann wird er oberster Hauptmann in Oster-
reich ob und unter der Ens, 1454 August 10,' als Nachfolger des
Ulrich Eizinger und erscheint bis 1455 November 6* als solcher.
Als Hofmeister Erzherzog Albrechts VI. von 1458 September 21 *
bis 1462 Juni 20^ nachweisbar, urkundet er bis 1466 Mai 3^
als Hauptmann ob der Ens, zum letzten Male überhaupt 1466
September 10. "^ Nach dem Nekrolog von Spital am Pyhrn starb
er 1470 Oktober 4^ (irrtümlich statt 1466) und liegt in Fiume
begraben. •
Laut Heiratsbrief von 1454*® vermählte sich Wolfgang IV.
vor 1454 August 6** mit Veronika, Tochter des (bairischen)
Grafen Alram von Ortenburg, bis 1460 Januar 10** als seine
Hausfrau genannt; 1461 Oktober 31 *' war sie bereits tot. Ihre
Elhe war kinderlos gebUeben.
27. Reinprecht V., Reinprechts IV. jüngerer Sohn, in
Urkunden seit 1450 Februar 26* erwähnt, findet sich als Haupt-
mann ob der Ens genannt von 1467 März 24** bis 1478, hier-
auf 1481 November 29** als Rat K. Friedrichs. Er wird ur-
kundlich bis 1483 Mai 8** erwähnt und starb als letzter des
Mannsstammes der Walsee 1483 Mai 19.** Weiß-Starkenfels
gibt (S. 604) als Todestag März 25 an, was sich nicht belegen
läßt und mit letzterwähnter Urkunde in Widerspruch steht.
Reinprechts V. Grabstein, den Handel Mazzetti in Sensenstein
wieder auffand, gibt als Todestag Mai 19 an, übereinstimmend
Wendtental.
Als seine Hausfrauen erscheinen: Zuerst Margret, eine
Tochter Rüdiger des Alteren von Starhemberg, 1461 Fe-
^ Kop. Linzer Mnsealarchly. * Orig. Linzer Mosealarchiv.
» WSt. 608. * Orig. StAEferding.
» Orig. HHStA. • HHStA., Kod. 17, f. 104.
^ Orig. Lambach; Eop. Linzer Mosealarchiv. * FRA. LXXn, 135.
* Vgl. S. 477. Sein Grabstein ist offenbar der, dessen Valyasor (Pichlerf
a. a. O. 265) gedenkt
1« Inventar, f. 74'.
^^ Vgl. Urk. 1454 Angast 6; Orig. OberOsterreichiscbes Landesarcbiv, Linz.
" WSt. 608. " Vgl. Urk. 1461 Oktober 81; Orig. StAEferding.
^* Orig. Freistadt, Abschrift Linzer Mosealarchiv.
'^ Orig. Gmnnden, Abschrift Linzer Mosealarchiv.
i<^ WendtenUl, Aostria sacra Vm, 229.
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568
bruar 14* bis 1466 April 7.* Einen Grabstein Margrets nebst
Grabschrift, die 1462 April 20 als ihren Todestag angibt, ftihren
SchwerdUng* und Stadl (Ehrenspiegel des Herzogtums Steier-
mark)^ an. Davon ist zumindest das Jahr unrichtig. Rein-
prechts V. zweite Gattin Katharina, eine Schwester Gotthards
und Ulrichs von Starhemberg, wird seit 1468 Dezember 19*
und als Reinprechts V. Witwe bis 1484 August 9^ genannt. Sie
vermählte sich 1490/1^ mit Bernhard von Scherfenberg und
starb 1517* als dessen Witwe.
28. Barbara, Reinprechts V. Tochter erster Ehe, wird »um
ersten Male in ihrer Heiratsabrede mit dem 1498 verstorbenen
Grafen Siegmund von Schaunberg 1474 Oktober 24* erwähnt
und ist weiters bis 1506 November 10,**^ November 21 als tot
beurkundet. Sie starb 1506 November 14 (Samstag vor Leo-
poldi)' und hegt zu Sindelburg bei Nieder -Walsee begraben,
wo ihr Grabstein noch vorhanden ist.**
V. Linie Walsee-Orai.
1. Ulrich I., der die Linie Walsee-Graz (oder ob der
Steiermark, wie sie sich auch häufig nennt) gründet, tritt 1294
Oktober 8*' zuerst in Urkunden auf, wird 1299 März Haupt-
mann in der Steiermark*' und urkundet seit 1299 Septem-
ber 17*^ auch als Truchseß daselbst; beide Amter behielt er
bis zu seinem Tode. Bis 1328 März 13*^ tritt er in Urkunden
auf; selig heißt er 1329 März 12.** Das Nekrolog seiner Grün-
dung, des Dominikanerinnenklosters zu Graz, nennt als seinen
Todestag, 1329 Januar 23;*^ auch das Nekrolog von Renn*'
gedenkt seiner zu demselben Tage (ohne Jahr). & war im
1 Orig. StAEferding. * WSt 603.
* G^esch. des HaoBes Starhemberg 158.
* m. Bd., 843; StLA., Hs. Nr. 26. > Orig. StAEferding.
« Vgl. S. 494. ' WSt. 604. • Genemlogica, Stiftsarchiv Wilhering.
* Kopien Linser MiuealarchiT. ^® Inventar, f. 6'.
^> Mitt and Berichte des Wiener Altertamsrereinee Xm, 202.
" NB. I, 316. ^ Reimchronik, V. 74086—74090.
^* Zeitschr. ,Adler* U, 99. » Orig. StLA. Nr. 1968»».
" NB. IV, 84. " StLA., Hs. 209, f. 1*.
^^ M. G. Necrol. II, 343; yerbessere demnach Erones, LandesfOrst, Behörden
und Stände in der Steiermark, Forschungen xnr Verfassangs- und Wer-
waltungsgeschichte Steiermarks IV, 159.
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569
Dominikanerinnenkloster zu Graz begraben; der bei StadI
(Ehrenspiegel des Herzogtums Steiermark III, 353) ^ abgebildete
Grabstein (ohne Inschrift) dürfte indes wohl aus einer späteren
Zeit nach der Übertragung des Klosters in die Stadt Graz her-
rühren.
Ulrich I. war dreimal vermählt. 1294 Oktober 8 wird eine
Elsbeth unbekannter Abkunft als seine Gattin erwähnt. Ulrichs
zweite Hausfrau Diemut läßt sich als solche urkundlich von
1299 Dezember 6* bis 1308 März 3* nachweisen. Diemut wird,
noch unvermählt, bereits c. 1280* urkundlich genannt, und
zwar ausdrücklich bezeichnet als Tochter Dietrichs von Rorau
(Niederösterreich) und der Tochter Albers von Feldberg, '^ gleich-
falls Diemut, welche nachmals noch mit Hartneid von Stadeck
vermählt war. Als ihren Todestag unbekannten Jahres geben
das Nekrolog der Grazer Dominikanerinnen^ und das von Reun
Januar 25^ an. Sodann vermählte sich Katharina, eine Tochter
des Grafen Albert von Görz, Ende 1319 oder anfangs 1320
mit Ulrich I. von Walsee; 1320 März 31® nennt ihn Graf Her-
mann von Heunburg seinen Schwager, 1319 Juli 11^ aber noch
nicht. Katharina urkundet 1330*^ als Ulrichs I. Witwe, ver-
mählte sich dann wieder mit einem aus der schwäbischen Fa-
milie derer von Taufers und urkundet noch 1338 Juni 29.**
Daß Margret, Witwe von Eppenstein, Ulrichs I. von Wal-
see Gemahlin** gewesen ist, haben bereits Huber und Weiß-
Starkenfels *• als Irrtum erwiesen. Margrets Beziehungen** zu
Ulrich erklären sich aus der Ehe von Ulrichs Schwester Breide
(Brigitta) mit Ortolf von Bjranichberg, welchem Hause Margret
von Eppenstein verschwägert war.*^
» StLA., Hs. Nr. 26. « NB. I, 806. » WSt. 677.
* StLA. Nr. 955; hier unrichtig c. 1270 angesetzt
" Die Identitftt dieser Diemat mit iUlrichs I. Gattin beweisen hinsichtlich
des Vaters die Eintragung im Nekrologe der Grazer Dominikanerinnen,
hinsichtlich der mütterlichen Verwandtschaft die Urkunden 1299 Novem-
ber 17 (Frieß, Die Herren yon Kuenring r. 508), 1808 M&rz 28 (Orig.
HHStA.), 1801 April 5 (NB. I,'317); auch Ulrichs I. Auftreten in Urkunde
1808 Februar 27 (NB. I, 818) erklärt sich durch diese Verschwigerung.
« StLA., Hs. 209, f. 1. » A. a. O. 842. • AÖG. XXV, 285.
• Muchar, Gesch. der Steiermark VI, 216. *<» WSt. 677.
" NB. I, 838. " Vgl. Muchar, a. a. O. VI, 157.
^ WSt. 576. >* Vgl. AÖG. LIX, 278.
^ Vgl. Urk. 1805 April 4; Muchar, a. a. O. VI, 160.
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670
2. Ulrich II., ältester Sohn Ulrichs L, seit 1308 Juni 16^
urkundlich erwähnt, wird seit 1329 März 12« bis 1359 Juni 6*
als Nachfolger seines Vaters in der steirischen Hauptmannschaft
genannt. Wenn in Urkunde 1329 Dezember 29^ alle drei
Brüder ,Hauptleute in der Steiermark' heißen, bezieht sich dies
lediglich auf die Auffensteiner Fehde. Ob er auch das stein-
sehe Truchsessenamt innehatte, erscheint zweifelhaft, da er nur
in der vereinzelten Urkunde 1336 Juli 25^ als Truchseß ge-
nannt wird. Nach dem Nekrolog der Grazer Dominikanerinnen
starb Ulrich IL 1359 JuU 12.«
Als seine Gattin wird Alheid von Weinsberg von 1312
Februar 25^ bis 1342 April 7^ erwähnt. Das Nekrolog von
Renn enthält ihren Namen zu Oktober 22 und Dezember 28
eingetragen,^ zu letzterem Tage auch das Nekrolog der Grazer
Dominikanerinnen.^® Nach der Friesacher Jahrtagstiftung von
1357 August 4^^ war sie bereits tot.
3. Friedrich ICE., Ulrichs 11. jüngerer Bruder, auf^'
Arnfels gesessen, ist seit 1319 September 1^' beurkundet, wird
als bambergischer Hauptmann in Kärnten ^^ 1348 Mai 29 er-
wähnt, von 1359 Juli 9^» bis 1361 Mai 1 als oberster Schenk,
als oberster Truchseß in der Steiermark von^* 1361 Dezem-
ber 31 bis 1362 März 10 genannt. Er urkundet noch bis^^
1362 Juni 22,^^ starb nach dem Nekrolog der Grazer Domini-
kanerinnen (1362) Juli 8^8 und heißt 1362 Juli 27 selig."
Friedrich DI. war bereits 1350 Februar 25*^ vermählt
Agnes, Tochter Leupolds des Alten von Kuenring-Dürrenstein,
urkundet seit 1356 März 19^^ als seine Hausfrau und bis 1368
Mai 31*^ als seine Witwe. Söhne scheint Friedrich HI. nach
* Orig. StLA. Nr. 1717. • NB. IV, 84. » StLA. Nr. 2700*.
* Krems, Die Freien Ton Saneck 122; aber richtig 1829 sUtt 1330.
^ Salsbnrger Kammerbtlcher II, f. 156. * A. a. O., f. 2.
' ürk. 1312 Februar 26; Orig. StLA. Nr. 1760». » NB. IV, 126.
* M. G. Necrol. II, 362. *« StLA., Hs. 209, f. 2. " WSt 672.
1« Vgl. Urk. 1360 Augast 10; StLA. Nr. 2752«.
" StLA. Nr. 1868. »* HHSU. Kod. 1049, f. 95'.
^ Huber, Gesch. Herzog Budolft IV., 157.
^' Krones, Urkunden zur G^sch. des Landes etc. Steiermark, Veröffentlichun-
gen der historischen Landeskommission für Steiermark IX, r. 224.
" StLA. Nr. 2825». " A. a. O., f. 1'.
« UBoE. Vni, 91. «• HHStA., Kod. 1049, f. 93.
•* Frieß, Die Herren von Kuenring, r. 811.
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571
Urkunde 1351 Januar 18^ gehabt zu haben^ doch sind sie wohl
ungevogt gestorben.
4. Johann (Jans) I., tHrichs II. jüngster Bruder,* 1329
März 12 bis 1344 November 11* beurkundet; um 1346 dürfte
er schon verstorben gewesen sein. Das Nekrolog der Grazer
Dominikanerinnen nennt Januar 31,* das der Wiener Minder-
brüder ^ Februar 1, das von Renn® Februar 3 als seinen
Todestag.
5. Diemut, Ulrichs 11. Schwester, erscheint von 1329 De-
zember 29 bis 1353 Mai 14^ als Hausfrau Friedrichs von San-
eck; in der Pettauer Jahrtagstiftung von 1357 November 30^
wird sie bereits als tot erwähnt. Auf Diemuts Ehe mit dem
Sanecker bezieht es sich, wenn die Hohenlohe und die Win-
dischgrätzer Ulrich I. ihren Schwager nennen.
Wer jene soror Dietmudis von Waltsee, die das Nekrolog
der Grazer Dominikanerinnen zu Januar 9® anftLhrt, gewesen
sein mag, bleibt fragUch, doch dürfte sie der Grazer Linie an-
gehört haben. Mit der Grazer Saneckerin ist sie indes schwer-
lich identisch.
6. Ulrich in., Sohn Ulrichs H., wird ledigUch 1322
Juni 7® erwähnt; er scheint jung gestorben zu sein.
7. Eberhard VE., Ukichs 11. zweiter Sohn, seit 1351
Juni 28 lö beurkundet. Er erscheint von 1359 Juli 7 ^^ bis 1360
Juli 10^* als Nachfolger seines Vaters in der steiermärkischen
Hauptmannschaft, urkundet bis 1363 April 19^' und starb
Juli 17 dieses Jahres nach dem Nekrolog der Grazer Domini-
kanerinnen,^* nach dem von St. Lambrecht Juli 13.^^ Mit ihm
schloß die Linie Walsee-Graz. Er war bereits 1356 April 2^*
mit Elsbeth, Leutolds 11. von Kuenring-Dürrenstein Tochter,
vermählt, die bis 1379 Mai 2^' als seine Witwe genannt wird.
^ NB. IV, 279. « Orig. StAEferding.
' Brandl, Urkandenbnch der Teaffenpach 11.
* StLA., Hs. 209, f. 1'. » Pez, SS. Rer. Austr. II, 475.
ö M. G. Necrol. H, 343.
^ Krones, Die Freien Ton Saneck 111.
8 StLA., Hs. 209, f. 36. • WSt. 679. " Orig. StLA. Nr. 2426».
" Steyerer, Comment. p. hiat. Alb. II, 276. " FRA. XVUI, 311.
" MeUy, Vaterländische Urkunden 44. ** StLA., Hs. 209, f. 35.
" PRA. XXIX, 155. " RegesU Boica Vm, 350.
" NB. IV, 560.
ArchiT. XCy. Band. U. H&lfto. 38
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572
Sie heißt 1379 August 14^ selig. Die Ehe war kinderlos ge-
blieben.
VL Linie Walsae-DrotendorC
1. Friedrich L, Gründer der Linie Walsee-Drosendorf,*
1298 November 12 bis 1316 August 21' beurkundet, starb
nach den Annales Zwettlensis 1318 Juli 22,*^ 1318 August 4
heißt er bereits selig. Friedrich I. war nach Urkunde 1318
August 4^^ wohl Burggraf zu Weitra, noch nicht Hauptmann zu
Drosendorfy das ja erst 1327 walseeisch wurde. Als seine
Hausfrau tritt Alheid^ eine Schwester Chunrads von Werde,
1314 Juni 6^ auf; sie urkundet ab seine Witwe bis 1328
Mai 12.»
2. Eberhard VI. erscheint zuerst 1318 August 4 als Burg-
graf zu Weitra und seit 1332 August 26^ als Hauptmann zu
Drosendorf bis 1355 Dezember 21 ;• er starb 1356 und liegt
zu Sensenstein begraben.^®
Als seine Hausfrau werden Alheid, eine Tochter Hadmars
von Falkenberg und Witwe ^* des 1326 verstorbenen Hadmar
von Schönberg, von 1328 Februar 24*« bis 1349 September 8,'»
sowie Agnes, Tochter des Grafen Meinhard von Ortenburg, seit
1355 Dezember 21 bis 1386 Oktober 28" als seine Witwe
genannt.
3. Katharina, eine Tochter Friedrichs L, wird 1314 Juni 6^*
mit Weichard von Winkel verlobt und ist bis 1348 Okto-
ber 2P* als dessen Hausfrau beurkundet; 1354M&rz25*^ war
sie bereits tot.
4. Friedrich IV., Sohn BViedrichs I., wird in Urkunden
1327 Januar 7^* bis 1335 Dezember 13** genannt; da von
1338 an seine Brüder in Familienurkunden ohne ihn geschlossen
auftreten, durfte er damals bereits tot gewesen sein.
> LB. in, r. 264. « UBoE. IV, 267.
' Quellen zur Gesch. der Stodt Wien 11, 1, Nr. 62.
* M. G. SS. IX, 681. » FRA., 2. Abt., HI, 680. • WSt. 680.
» NB. IV, 81. • Ebenda 100. • Ebenda 320.
" Cont. Zwetl. M. G. SS. IX, 686.
" Vgl. Blätter des Vereines für Landeskunde von NiederOsterreich XIX, 402.
»« NB. IV, 88. " ÜBoE. VII, 131. »« Schumi, Archiv I, 32.
»5 WSt 680. " UBoE. Vn, 78. »» Ebenda 868.
»« NB. IV, 83. » UBoE. VI, 192.
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573
Als seine Gattin wird 1328 Februar 24* eine Margret
unbekannter Abstammung erwähnt.
5. Heinrich HE., Friedrichs I. Sohn, von 1327 Januar 7
bis 1367 September 29* urkundlich genannt; er starb 1367
und heißt 1367 Oktober 28» selig. Heinrich III. war wohl
dreimal vermählt. Nach Urkunde 1347 Oktober 28* erscheint
er mit einer Klingenbergerin verheiratet. Nun tritt im Testa-
mente des 1370 verstorbenen Otto von Volkenstorf von 1349
Oktober 14*» offenbar ein blutsverwandtschaftlicher Zusammen-
hang mit diesem zutage. Der Volkenstorfer testiert darin dem
minderjährigen Sohne Heinrichs H., Reinprecht HI., bedeutende
Güter, die demselben indes nicht zufielen, da der Volkenstorfer
Reinprecht HI. von Walsee-Drosendorf überlebte und überdies
Nachkommenschaft erhielt. Damach hält Wirmsberger* Kuni-
gunde, die von 1349 Oktober 4 bis 1353 Juni 15 beurkundete
Hausfrau Ottos von Volkenstorf, für eine Schwester Hein-
richs ni. von Walsee-Drosendorf, Weiß-Starkenfels ^ dagegen,
wohl mit mehr Recht, eine Volkenstorferin fiir Reinprechts HI.
Mutter und Heinrichs IH. von Walsee-Drosendorf erste oder
zweite Gattin; doch müßte in letzterem Falle die Klingen-
bergerin noch 1347 gestorben sein. Weiter tritt Katharina, eine
Tochter Ottos von Chiau, als Heinrichs HI. Hausfrau seit 1359
Januar 31 « und 1367 Oktober 28» als dessen Witwe auf.
6. Elsbeth, Schwester Heinrichs HI. und Friedrichs IV.,
wird als verstorbene Hausfrau Albers von Liechteneck ^® 1344
Juli 26 und 1348 Januar 26 ^^ erwähnt.
7. Friedrich VII., Sohn Eberhards VI., gesessen auf Potten-
stein, seit 1355 Mai 14^' beurkundet, erscheint als Kammermeister
Erzherzog Rudolfs IV. von Österreich von^* 1358 November 10
bis 1359 Oktober 20^* und urkundet noch bis 1371 April 23."
Als seine Hausfrau wird Klara, eine Tochter Leutolds H.
von Kuenring-Dürrenstein, von^^ 1355 Mai 14 bis 1359 Januar 8"
erwähnt.
1 NB. IV, 83. « Orig. HHStA. » NB. IV, 438.
* UBoE. Vn, 33. » UBoE. VII, 143.
• Die Dynasten von Volkenstorf 163. ^ WSt. 583.
« NB. IV, 340. • Ebenda 438. ^« UBoE. VI, 487.
" WSt. 680. " HHStA. Kod. 14, f. 20'. *» Huber, Rudolf IV., 163.
" Lndewig, Beliqu. Manuscr. IV, 289. ** NB. IV, 681.
" LB. m, r. 1776; falsch datiert. " UBoE. VII, 609.
88*
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574
8. Heinrich VTI., Sohn Eberhards VI., auf Merkenstein
gesessen, wird urkundlich von 1355 Januar 25^ bis 1370
Juni 21* erwähnt; 1371 April 23 war er bereits tot. Als seine
Ehewirtin wird 1355 Januar 25 Margret, eine Tochter des
Grafen Lorenz von Mattersdorf, genannt.
9. Anna, eine Tochter Friedrichs (IV., ist nach den Zeit-
yerhältnissen anzunehmen), wird 1348 April 6' als Gattin Ottos
von Meissau erwähnt
10. Alheid, Heinrichs HI. Tochter, war zuerst, etwa seit
1353* mit dem 1355 verstorbenen Leutold HI. von Kuenring-
Dürrenstein, sodann seit etwa 1356 mit Zdenek von der Leippe
vermählt. Sie urkundet bis 1358 November 17^ und heißt 1359
Januar 21* selig.
11. Reinprecht IH., ein Söhnlein Heinrichs HI., wird^
1349 Oktober 14 und nochmals 1353 April 20^ genannt und
ist wohl in jungen Jahren gestorben.
12. Friedrich VTLI., Sohn Heinrichs IH., war nach
Strein* 1364 Pfarrer zu Gt)bebburg bei Krems.
13. Eberhard IX., Heinrichs IH. Sohn, wird 1360 Juni 3>«
bis 1365 März 16^^ urkundlich genannt.
14. Jans n., Heinrichs IQ. Sohn, erscheint in Urkunde
von 1360 Juni 3 bis 1370 Juni 15.^ Als bereits verstorben
wird er 1370 Juni 2V^ erwähnt.
Seine Gemahlin Elsbeth von Pettau ist 1362 Oktober 18"
beurkundet Nach dem Nieder -Walseer Inventar** von 1545
versichert Heinrich der Jüngere (VTH.) von Walsee seiner
Schwägerin Elsbeth von Pettau 1000 «f^ auf der Herrschaft
Wachseneck; nach einem Stubenberger Archivverzeichnis ^® des
16. Jahrhunderts verschreibt ^Katharina' von Pettau im Jahre
1372 (wohl richtig 1362) an Hans von Walsee ihr Heiratsgut
In den Urkunden ^^ 1385 August 14 und 1388 Juni 241» wer-
» ÜBoE. Vn, 399. « UBoE. VIO, 473. » NB. IV, 130.
* Vgl. Frieß, Die Herren von Enenrlng 163. » LB. IV, r. 12.
* NB. IV, 339. ' ÜBoE. VU, 143. « Orig. StAEferding.
* Kod. ^/lo) OberOsterreichlsches Landesarchiv. Anderweitig ist die Nach-
richt nicht zu belegen ; ob nicht etwa eine VerwechBlnng mit dem Pfarr-
patrone Friedrich VQ. von Walsee vorliegt?
*« NB. IV, 342. " Hormayr, Gesch. Wiens V, 98.
" NB. IV, 436. « UBoE. VIII, 473. " Orig. StAEferding.
« Inventar, f. 6'. >• StLA. Nr. 3166«. " Ebenda, Orig. Nr. 3529.
** Orig. Niederösterreichisches Landesarohiv.
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575
den die Brüder Bernhard, Friedrich und Hertnid von Pettau
Oheime Ulrichs III. von Walsee-Drosendorf genannt.
15. Heinrich Vlll., Heinrichs HI. Sohn, urknndet von
1365 März 16 bis 1377. ^
16. Wolfgang IV., Sohn Heinrichs III., wird in Urkunden
von 1365 März 16 bis 1380 Juni 8> genannt.
Als seine Witwe erscheint Katharina, eine Tochter des
Grafen Burghard von Maidburg 1382 März 12,» wo Wolf-
gang IV. bereits tot ist und von seiner Gattin ein Töchterlein
hinterläßt, dessen weiter nicht mehr gedacht wird. Katharina
war nach Urkunde 1400 Januar 28* noch am Leben.
17. Agnes, Friedrichs Vü. Tochter, wird von 1367 Fe-
bruar 1^ bis 1370 Juni 15^ als Hausfirau Heinrichs von Zelking
und dieser als Eidam Friedrichs VU. genannt.
18. Johanna, eine Tochter Friedrichs VII., wird 1371
April 24^ als Hausfrau des Jans von Meseritsch genannt.
19. Friedrich IX. Da Friedrich VU. schon seit 1371 in
Urkunden nicht mehr auftritt und auch in Urkunde 1373 De-
zember 1,® die Vererbung der herzoglichen Lehen betreffend,
nicht angeführt wird, so dürfte, wie bereits Weiß-Starkenfels ^
annahm, jener Friedrich (IX.) von Walsee-Drosendorf, zu Potten-
stein gesessen, der von" 1385 Januar 28 bis 1392 März 30"
urkundet, ein Sohn Friedrichs VH. und beim Tode seines Vaters
noch ungevogt gewesen sein.
20. Margret, eine Tochter Heinrichs VII., seit 1385
April 4^^ als Hausfrau Ulrichs von Dachsperg und bis 1439
Mai 23^* als dessen Witwe beurkundet.
21. Ulrich IV., Sohn Jans' H., erscheint in Urkunden von^*
1370 Juni 15 bis 1400 Februar 3; er saß zu Enzesfeld** (Engel-
schalchsfeld). 1384 November 13^^ wird er als Hauptmann in
der Steiermark und als Herzog Wilhelms Hofmeister von*^
1396 Januar 31 bis 1398 März 17" erwähnt. Nach dem
Seusensteiner Nekrolog starb er 1400,^® selig heißt er 1401.
^ WSt. 584. * Orig. Niederösterreichisches Landesarchiv.
» NB. IV, 566. * Orig. HHStA. * NB. IV, 387.
« NB. IV, 435. ' Ebenda 581. « UBoE. Vin, 667.
• WSt. 582. *• Orig. Niederösterreichisches Landesarchiy.
'^ NB. rV, 606. " NB, l, 876. ^ Orig. Kremser Stadtarchiv.
" NB. rV, 435. " RegesU Boica XI, 171. *• NB. IV, 591,
" LB. V, r. 19. " Ebenda, r. 127.
^* Strein, Mscr. ; Kod. ^/lo ; Oberösterreichisches Landesarchiv.
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576
Ulrich IV. erscheint mit Elsbeth, einer Tochter Heinrichs
von Neitperg, seit 1385 Januar 11^ yermählt, dieselbe wird bis
1411 April 24* als seine Witwe genannt.
22. Katharina wird ab Ulrichs IV. Tochter 1400 Januar 28»
und 1428 September 3^ erwähnt; nach letzterer Urkunde dürfte
sie mit einem von Hohenberg vermählt gewesen sein.
A St. POltenar UrkundeDbach ü, 268. * Orig. StAEferding.
» Orig. HHStA. * LB. V, r. 2686.
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Inhaltsübersicht.
Seit«
Vorwort 287
Einleitong 239
I. Abschnitt: Die Walseer in Schwaben 241
II. Abschnitt: Die Anf&nge der Walseer in Österreich .... 265
m. Abschnitt: Die Walseer za Linz 266
1. Eberhard IV. (1280—1326) 266
2. Eberhard V. (1304—1371) 274
8. Georg (1365—1400) 291
IV. Abschnitt: Die Linie Walsee-Ens bis zam Schiasse des
14. Jahrhunderts 295
1. Heinrich I. (1280—1326) 295
2. Heinrichs L Söhne Heinrich H. (f 1334), Beinprecht L
(t 1360/61) und Friedrich H, (f 1355) 301
3. Der Zweig von Seuseneck: Beinprechts I. Söhne Rudolf L,
Beinprecht H. und Friedrich V. bis zur Wende des 14. Jahr-
hunderts 307
4. Der Zweig Ton Ort und Sumerau: Friedrichs H. Söhne Frie-
drich VI. (t 1372), Wolfgang HI. und Heinrich VI. (f 1398) 336
V. Abschnitt: Die Linie Walsee-Graz 344
1. Ulrich I. (1294—1329) 344
2. Ulrichs I. Söhne und der Ausgang der Grazer Linie .... 357
VL Abschnitt: Die Linie Walsee-Drosendorf 370
1. Friedrieh I. (f 1318) und seine Kinder 370
2. Der Pottensteiner Zweig 375
3. Der Zweig zu Enzesfeld 378
VU. Abschnitt: Die Glanzzeit des Hauses unter Beinprecht H.
(1400—1422) 888
1. Die Ereigifisse bis zum Tode Herzog Wilhelms 388
2. Die Walseer und der Streit um die Vormundschaft Herzog
Albreehts V. bis zum Schiedssprüche K. Siegmunds . . . 396
3. Beinprechts H. Fehde mit Herzog Ernst 408
4. Beinprechts H. Lebensende; das Haus Walsee auf dem Höhe-
punkte seiner Macht 424
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Vm. Abschnitt: Reinprecht lY. yon Walsee (1422—1450) .... 435
1. Beinprechtf IV. Anfänge nnd sein Wirken in den Hussiten-
kriegen 435
2. Reinprechts IV. sp&tere Lebenszeit and Binde, wirtschaftliche
Stagnation seit der RfloklOsnng der Pfandschaften ... 447
IX. Abschnitt: Wolfgang V. and Reinprecht V. von Walsee
(1450—1483) 456
1. Die beiden Brüder anter K. Ladislaos; wirtschaftlicher
Niedergang 456
2. Die Walseer als Gegner K. Friedrichs anter Erzhersog
Albrecht VI 467
3. Das Ende Reinprechts V. and der Aasgang des Hauses . . 482
X. Abschnitt: Die Standes-, Besitz- und Wirtschaftsverhält-
nisse des Hauses Walsee 499
1. Die Standesverhältnisse 500
2. Vasallen und Dienstleute 502
3. Die Hof- und Landesämter 507
4. Gerichtsstand und Gerichtsbarkeit; Vogteiverhältnisse ... 513
5. Verwaltung und Dienerschaft 519
6. Die Besitzrerhältnisse 525
7. Untertänige Städte und Märkte; Handel und Verkehr ... 636
8. Das Einkommen 538
9. Die Wirtschafts- und Untertanenverhältnisse 540
XI. Abschnitt: Genealogie des Hauses Walsee 551
I. Ältere Hauptlinie 551
n. Jttngere Hauptlinie: Waldsee-Dachsperg 555
lU. Linie Walsee-Linz 556
rV. Linie Walsee-Ens 559
V. Linie Walsee-Graz 668
VI. Linie Walsee-Drosendorf 572
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