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BEGRÜNDET VON MAX VON PETTENKOFER
FORTGEFÜHRT VON MAX RÜBNER
UNTER MITWIRKUNG VON
•
Prof. Dr. H. ABEL, Jena; Prof Dr O. B VIL, Prag; Prof. Dr. BONHOFF, Marburg a. L.; Prof.
Dr. R DOKRR, Ba el; Prof. M KICKER, Berlin-Dahiem; Prof Dr. R. GRASSBERGER, Wien
Prof. Dr M HAHN, Freiburg i. B.; Prof. Dr. L HEIM, Erlangen; Prof. Dr. W. KRUSE, Leipzig;
Prof. Dr. Ph KUHN, Diesden; Prof Dr. A LODE, Innsbruck; Prof. Dr. R O NKUMANN, Bonn;
Prof Dr. L PFEIFKER. Schwerin; Prof Dr. W PRAUSNITZ, Graz; Prof. Dr. Fr. RENK,
Dresden; Prof. Dr. A. SCHATTENFROH, Wien; Prof. Dr. P. SCHMIDT, Halle a. 8.; Prof. Dr.
W. S1LHERSCHMIDT, Zürich; Prof. Dr. W. WE1CHARDT, Erlangen
HERAUSGEGEBEN VON
M.v.GRUBER • K. B. LEHMANN • P.UHLENHUTH
90. Band
Mit 3 Tafeln und 20 Abbildungen
MÜNCHEN UND BERLIN
DRUCK UND VERLAG VON R. OLDENBOURG
1922
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Inhalt.
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Stadien zur Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. I, Von Privat¬
dozent Dr.phil. et med. Johann Hammerschmidt. (Aus dem Hy¬
gienischen Institut der Ünivei>ität Graz [Vorstand Hofrat Prof. Dr. W.
Praunnitz] und der dermatologischen Abteilung der Heilanstalt Graz-
Eggenberg [Vorstand Prim. Dr. J. Pollak].) (Mit 1 Tafel u. 4 Textfigüren.)
(Rngegangen am 21. August 1920). .. ...... % , . 1
Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. Von Oberbezirksarzt
Dr. Viktor Gegenbauer. (Aus dem Hygion. Institut der Universität
Wien.) (Eingegangen am 31. August 1920).23
Uber Beziehungen zwischen der Witterung und dem Befinden des Menschen,
auf Grund statistischer Erhebungen dargestellt. Von Ernst Brezina und
Wilhelm Schmidt. (Eingegangen am 24. September 1920). 83
Zur Theorie der Serologie der Syphilis. Von Dr. Emil Epstein und Dr.
Fritz Paul. (Aus der Prosektur der Krankenanstalt „Rudolfsstiftung 44
[Vorstand: Hofrat Prof. Dr. Richard Pal tauf] und der Prosektur des
Franz Josefspitales [Vorstand: Prof. Dr. Oskar Stoerk].) (Eingegangen
am 26. Okt. 1920). 98
Bemerkungen über das Pirquetsche Ernährungssystem. Von Privatdozent
Dr. Emst Krombholz, Wien. (Eingegangen am 22 Januar 1921) . 123
Über die Darstellbarkeit polgefärbter (pestbazillenähnlicher) Stäbchen bei
verschiedenen Bakterienarten. Die Polfärbbarkeit als vitale, durch Bak¬
terien Wachstum in wasserreichen Nährmedien bedingte Erscheinung.
Von Dr. Emil Epstein. (Aus der Prosektur des Franz Josephspitals
in Wien. Vorstand: Prof. Dr. Oskar Stoerk.) (Eingegangen am
19. Januar 1921).136
Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira und die Resistenz des
Hühnerpestvirus gegen zellschädigende Einflüsse (Gerbstoffe, Oligo¬
dynamie). Von Paul Schweizer. (Aus dem Hygienischen Institut
der Universität Basel. Vorsteher: Professor R. Doerr.) Eingegangen
am 28. Februar 1921).155
Studien über die Resorption von Blei und Quecksilber bzw. deien Salzen
durch die unverletzte Haut des Warmblüters. Von Privatdozent Dr. med.
Philipp Oskar Süßmann, Assistent am Hygienischen Institut. (Aus
dem Hygien. Institut der Universität Würzburg. Vorstand: Geheimrat
Prof. Dr. K. B. Lehmann.) ^Eingegangen am 10. März 1921) . . . 175
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Inhalt.
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Studien über die Desinfcktionswirkung wässeriger Fortnaldchydlösungen.
Von Oberbezirksarzt Dr. Viktor Gegenbauer. (Aus dem Hygienischen
Institut der Universität Wien) (Kingegangen am 25. Mai 1921 . . 239
Kritische Untersuchungen über die Ätiologie der Influenza. Von Dr. Carl
v. Angerer. (Aus dom Hygienischen Institut der Univeisität Erlangen.)
(Eingegangen am 15. Juni 1921) .. 254
Uber den Einfluß schlechter kohlensäuroreicher Luft sowie von Lichtabschluß
auf wachsende Tiere. Von Dr. med. Fritz Cropp, Stadtarzt in Delmen¬
horst. (Aus dem Pharmakologischen Institut der Hamburgischen Uni¬
versität, Krankenhaus 8t. Georg.) (Eingegangen am 16. Juni 1921) 279
Die Abtötung der TuberkeibaziUen im Sputum mit chemischen Desinfektions¬
mitteln. Von Professor Dr. P. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. K.
W. Jötten. (Aus der bakteriologischen Abteilung des Reicbsgcsund-
heitsamtes Berlin-Dahlem und dem Hygienischen Institut der Univer¬
sität Leipzig.) (Eingegangen am 21 Juni 1921). 291
Beitrag zur Frage der Invasionsfähigkeit der im amerikanischen Speck ent¬
haltenen Trichinen nebst Versuchen über den Einfluß der Trocken¬
pökelung auf die Lebensfähigkeit der Mnskeltricbinen. Von Dr. med.
vet. Erich Süskind. (Eingegangen am 27. Juni 1921). 336
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ftadien zur Morphologie and Biologie der Trichophytie¬
pilze. 1.
Von
Privatdozent Dr. phil. et med. Johann Hammerschmidt.
|Aus dem Hygienischen Institut der Universität Oraz [Vorstand Hofrat Prof,
r. W. Prausnitz] und der dermatologischen Abteilung der Heilanstalt Graz-
Eggenberg [Vorstand Prim. Dr. J. Pollak].)
(Mit 1 Tafel und 4 Textfigyren.)
(Bei der Redaktion eingegangen am 21. August 1920.)
Die während des Krieges und besonders nachher zahlreicher, oft
radezu in epidemischer Ausbreitung auftretenden Trichophytien haben
He Untersuchungsanstalten häufiger als früher vor die Aufgabe gestellt,
aterial von solchen Dermatomykosen auf die Erreger zu untersuchen
d damit Morphologie und Biologie der letzteren mehr in den Vorder-
und des Interesses gerückt. Ich hatte Gelegenheit, an dem reichen
aterial der Heilanstalt Eggenberg durch mehrere Monate alle neu zu-
achsenden Trichophytien bakteriologisch zu untersuchen und dabei
erschiedene Beobachtungen zu machen, über die ich im nachstehenden
richten will. Leider ist es schwer, aus der Literatur rasch und erschöpfend
e für den Mikrobiologen nötigen Auskünfte zu erhalten, da gerade die
orphologischen Details — die Biologie dieser interessanten Pilzflora ist
erhaupt noch wenig erforscht — in den vorliegenden umfangreichen
beiten recht lückenhaft behandelt sind. Ich will daher nebenbei, um
deren Untersuchern diese Mühe des Zusammensuchens zu ersparen,
liege Lücke auszufüllen versuchen.
Was zunächst die Literatur betrifft, so kommen für unsere Zwecke
zusammenhängenden Darstellungen außer dem großen, aber etwas
eitschweifig geschriebenen Werke Sabourauds „Les Teignes“ an deut-
hen Arbeiten die Zusammenstellungen von Plaut im „Handbuch der
athogenen Mikroorganismen“ (Kolle und Wassermann) und im
Handbuch der Hautkrankheiten“ (Mraöek) und in letzter Zeit der
tlas von Stein „Die Fadenpilzerkrankungen des Menschen“ (Leh-
anns medizinische Atlanten) in Betracht. Diese deutschen Bearbei-
ArehtT fftr Hygiene. Bd. 90 1
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2 Studien zur Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. I.
Lungen des Gebietes haben den Nachteil, daß sie einerseits nur großen’
oder kleinere Auszüge des Sabouraudschen Handbuches sind, ander¬
seits, da sie teilweise auch andere Hyphenpilze in den Kreis ihrer Be¬
trachtungen ziehen, es vielfach an der für Nachschlagezwecke nötigen
Klarheit vermissen lassen.
Die Trichophytonpilze und ebenso die ihnen nahe verwandten Erreger der
beiden anderen wichtigen Dermatomykosen: der Mikrosporon- und der Favus-
pilz gehören zwar zur großen Unterabteilung der Fungi und unter diesen wieder
zu den eigentlichen Pilzen, den Eumyzeten, da sie durch den Besitz von septierten
Hyphenfäden ausgezeichnet sind, doch sind sie — vielleicht durch ihre langwäh¬
rende Anpassung an die parasitären Verhältnisse am tierischen Körper — so
weit verändert, daß es unmöglich ist, sie in einer der bestehenden Unterabteilungen
der Eumyzeten unterzubringen; fehlen ihnen doch die für die Hauptgruppen
der Eumyzeten charakteristischen FruktifikationsVorgänge, auf die sich die
Einteilung der Pilze vielfach gründet. Diesen Mangel teilen sie aber noch mit
zahlreichen anderen Vertretern dieser großen Pilzgruppe. Da es also unmöglich
war, alle diese Arten einwandfrei im System unterzubringen, hat man aus dieser
Verlegenheit heraus eine Gruppe der sog. ,,Fungi imperfecti“ geschaffen, in der
das bunte Gemisch dieser heterogenen Arten unter ein provisorisches Dach zu¬
sammengefaßt wird, bis es gelingt, dem einen oder anderen von ihnen seine sichere
Stellung im System anzuweisen. Inzwischen hat man unter Heranziehung ein¬
zelner Merkmale, und zwar nach den Verhältnissen bei der Sporenbildung, inner¬
halb der Gruppe drei ,,Ordnungen* 4 aufgestellt, die allerdings nicht Ordnungen
in einem natürlichen System entsprechen, und zwar I. Sphaeropsidales, II. Me-
lanconiales, III. Hyphomyzeten (Engler und Prpntl ,,Natürliche Pflanzen¬
familien“). Die letztgenannten, für uns allein in Betracht kommenden Fungi
imperfecti (nicht zu verwechseln mit dem viel weiteren Begriff der „Hyphen¬
pilze“, wie Plautseine Zusammenfassung im Handbuch von Kolle und Wasser¬
mann betitelt) besitzen Sporen, die an einzeln stehenden Conidinträgern gebildet
werden. Aber selbst innerhalb dieser Ordnung ist die Stellung unserer Haupt¬
pilze keineswegs gesichert; nach der Bearbeitung in Engler-Prantl wären sie
am besten zu denOosporeen zu stellen, doch ist natürlich jede derartige Einreihung
mehr oder weniger willkürlich.
Jedenfalls sind unsere Pilze gekennzeichnet durch verzweigte
und septierte Hyphenfäden; die Sporen (Conidien) entstehen
entweder als „Oidien“ durch den Zerfall der Hyphenfäden
oder werden an besondern, sich aus dem Myzel erhebenden,
aufrechten und voneinander getrennten Conidienträger n
erzeugt.
Ich habe in den Kreis meiner Besprechung aus dem Gebiet der Der¬
matomykosen nur die Erreger der Trichophytie (des oberflächlichen Herpes
tonsurans und der tiefen Sycosis) einbezogen, da Favus und Mikrosporie
(die nur den behaarten kindlichen Kopf befällt) bei uns, wie auch sonst
in den deutschen Ländern Mitteleuropas, zu den großen Seltenheiten gehören
und immer auf Einschleppung von außen zurückzuführen sind, während
die Trichophytiepilze in den letzten Jahren bei uns eine sehr große Ver¬
breitung erlangt haben.
Allgemeine Morphologie.
Wenn wir Kulturen unserer Pilze auf geeigneten Nährböden anlegen,
so bildet sich ein dichtes Myzel, das sich aus den Pilzfäden, den Hyphen,
zusammensetzt, die vom Ausgangspunkt der Kultur zunächst möglichst
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Von Dr. phil. et med. Johann Hammerschmidt.
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gerade und ohne Verzweigungen radiär nach allen Richtungen auseinander’
laufen. Dieser anfangs geradlinige Verlauf und die Zartheit der Konturen
sprechen vor dem Auftreten entscheidender Merkmale für die Gruppe
der pathogenen Hautpilze, da die gewöhnlichen Verunreinigungen der
Schimmelpilze viel kräftigere, stark konturierte Hyphenfäden besitzen,
die sehr rasch Verzweigungen entsenden, welche sich ebenso wie die Stamm-
fäden vielfach biegen und winden können. Die Hyphen weisen anfangs
ein feingranuliertes Plasma auf und zeigen bei Färbung mit Plasmafarb¬
stoffen, besonders dem von mir mit Vorteil angewendeten Bismarck¬
braun, schon frühzeitig durch zarte Querwände eine in bezug auf die
Längen Verhältnisse ungleiche Septierung des Fadens. Die Hauptmasse
dieses Myzels entwickelt sich zunächst je nach der Zugehörigkeit zu einer
der beiden Pilzformen, die ich später besprechen werde, einmal nur als
Flächenmyzel auf der Oberfläche des Nährbodens ausgebreitet, bei der
anderen Gruppe dagegen auch als Luftmyzel, d. h. neben der Ausbreitung
auf der Oberfläche noch als ein meist schneeweißer, über die Nährboden¬
fläche emporragender flaumiger Pelz. Allmählich geben nämlich die zuerst
gebildeten Hyphen zahlreiche Seitenzweige ab, die einen geradlinigen
oder mehr weniger gewundenen Verlauf aufweisen, je nach der Pilzart,
aber auch nach dem Nährboden, auf dem gerade die Züchtung erfolgt.
Nach einiger Zeit — ich spreche.immer von Kulturen auf künstlichen
Nährböden — kommt es zur Bildung der Fruktifikationsorgane, der Sporen
und der „Spindeln“. Der Zeitpunkt der Anlage dieser Bildungen hängt
in erster Linie von dem Nährsubstrat selbst ab, dann aber auch von
äußeren Umständen, wie Feuchtigkeit usw., zeigt aber keine für uns
erkennbare Konstanz. Jedoch ist festzustellen, daß die eine Gruppe
der Trichophytiepilze auf allen Nährböden unter allen Umständen sehr
bald Sporen bildet, die andere dagegen viel später und auf manchen Nähr¬
böden überhaupt nicht.
1. Die Sporen werden, wie bereits erwähnt, als sog. Ektosporen
durch Abschnürung am Ende von kurzen, ad hoc gebildeten seitlichen
Sporenträgern, aber auch am Ende des Hauptstammes und der Seiten-
zweige gebildet. Bei diesem Vorgänge zieht sich das Plasma der Hyphe
(Fig. 1) allmählich an das Ende der genannten Fortsätze zusammen,
worauf durch eine zarte Querlamelle die Spore* vom betreffenden Zweig
abgeschnürt wird. Alle Sporen sind einkammerig, entweder kreisrund
oder mehr in eine Spitze ausgezogen, wie Tränentropfen, je nach der
Artzugehörigkeit, besitzen eine ziemlich dicke Membran und einen plasma¬
tischen Inhalt, innerhalb welchen bei geeigneter Färbung ein kleines,
sich dunkel färbendes Korn wahrzunehmen ist. In dem Maße, als das
Plasma in die Bildung der Sporen aufgeht, verödet der Inhalt der Hyphen,
die dann nur mehr aus leeren Zellen bestehen, um allmählich ganz zu
verschwinden, so daß nur mehr die reihenförmige Anordnung der Sporen
die Lage des einstigen Hyphenfadens vermuten läßt. In der Regel wird
am Ende des Sporenträgers oder der Hyphe nur eine Spore abgeschnürt.
Da, wie erwähnt, bei unseren Pilzen alle Sporen gestielt sind, so bilden
sie mit dem zugehörigen Hyphenfaden, wie der technische Ausdruck lautet,
eine „Traube“, während man Hyphenfäden mit ungestielt aufsitzenden
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Sporen als „Ähre 11 bezeichnet. Hie und da findet man in Kulturen Hypl ien
samt zahlreichen gutentwickelten Sporenträgern, bei denen jedoch die
Sporenbildung ganz oder teilweise unterblieben ist; da in diesen Fällen
Pig. 1. Epidermismlkrokultur eines Stammes der A-Gruppe
(Fixierung mit Carnoy, Färbung mit Biamarckbraun).
die sterilen Sporenträger mehrzellig sind und sich verlängern, macht
das Ganze den Eindruck eines entlaubten Baumes.
2. Während die besprochenen Sporen einzellig sind, gibt es bei den
Hyphomyzeten eine andere weit verbreitete Conidienform, die durch
Unterteilung in Kammern mehrzellig ist, die sog. „Spindeln“ (fuseaux
der französischen Autoren). Ihre Bildung erfolgt in der Weise, daß entweder
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der Hyphenfaden selbst oder ein Seitenzweig auf einer längeren Strecke
anschwillt; am Hauptfaden kann diese Anschwellung an seinem Ende
oder auch in seinem Verlauf erfolgen, dementsprechend werden die „Spin¬
deln“ abgerundet enden (Fig. 3 links) oder den peripheren Teil der Hyphe
als Fortsatz, eventuell noch mit Sporen besetzt, tragen (Fig. 2 und 3).
Durch sekundäre Querwandbildung von der verdickten Seitenwand her
teilt sich diese spindelförmige Auftreibung in mehrere Kammern, deren
Zahl nicht konstant ist (4 bis 12). Wegen der nicht ganz planen Quer¬
wände und wegen ihrer Form ähneln diese Kammern in ihrem Aussehen
den in der Wirbelsäule aufgereihten Wirbeln. D^pse „Spindeln“ fallen
Fig. 3. Objektträgerkultur (Trauben zuckeragar) eines Pilzes der B-Gruppe;
auskeimende Spindeln, Protoplasmaendknöpfe (ungefärbt In Glyzeringelatine).
bald von ihren Trägern ab und können auch in die einzelnen Kammern
zerfallen, von denen jede imstande ist, Keimschläuche zu treiben (Fig. 3
rechts). Sie haben nach meinen Befunden einen großen diagnostischen
Wert, da sie nur bei einer scharf umschriebenen Gruppe unserer Pilze
in den Kulturen auftauchen. Da sich ihre Aufgabe mit derjenigen der
einfachen Sporen zu decken scheint, ist es unklar, warum sie neben den
Sporen und in deren nächster Nähe gebildet werden; vielleicht dienen
sie zur unmittelbaren Propagation, während die Sporen mehr Dauer¬
zustände darstellen. Die französischen Autoren fassen sie als eine besondere
Form der gleich zu besprechenden „Ghlamydosporen“ auf; da wir aber
über den Zweck dieser Gebilde noch weniger wissen, ist mit dieser Be¬
hauptung nicht viel gewonnen. Jedenfalls ist es merkwürdig, daß sie bei
einer ganzen Gruppe der Trichophytonpilze in den Kulturen gänzlich
fehlen, dagegen bei dem Erreger einer ganz anderen Dermatomykose,
dem Epidermophyton inquinale, die einzige Fruktifikationsform dar¬
stellen.
3. Eine dritte, wahrscheinlich auch als Fruktifikationsform auf¬
zufassende Bildung, die aber bei unseren Pilzen sehr in den Hintergrund
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6 Studien zur Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. I.
tritt, sind die „Chlamydosporen“, die in der Weise entstehen, daß
im Verlaufe eines Hyphenfadens einzelne Zellen kugelförmig anschwellen
(Fig. 1 rechts). Diese „ChlamydQsporen u lassen keinerlei Regelmäßigkeit
des Auftretens feststellen, auch ist ihre Bedeutung, wenigstens für unsere
Pilze, ungeklärt; da sie meist nur auf bestimmten Nährböden auftreten,
scheinen sie bei den Trichophytonpilzen mit den Ernährungsverhältnissen
in irgendeinem Zusammenhang zu stehen.
4. Bei der einen Gruppe unserer Pilze finden sich ferner in alten
Kulturen starke Seitenzweige, die anfangs hakenförmig gekrümmt sind,
«ich aber allmählich.yengspiralig aufwinden, sog. „Wickel“; in Ausstrich¬
präparaten solcher Kulturen findet man diese Spiralen in der Regel aus¬
einandergezogen, so daß sie täuschend den Spiralgefäßen der Phanerogamen
gleichen. An ihre Bildung knüpfen sich theoretische Vorstellungen, welche
darin eine Brücke zu der bisher fehlenden geschlechtlichen Fortpflanzung
dieser Pilze sehen wollen; es handelt sich dabei sicher um rudimentäre
Gebilde ohne weitere als höchstens klassifikatorische Bedeutung.
5. Endlich findet man häufig auf unseren Nährböden in der Periode
des stärksten Wachstums die radiär auslaufenden Hyphen nicht einfach
spitz an der Peripherie enden, sondern ohne Scheidewand in eine kugel¬
runde, plasmareiche Verdickung übergehen (Fig. 3 links). Ich finde
diese Bildung nirgends erwähnt; sie steht sicher mit dem raschen Spitzen¬
wachstum in Beziehung.
Aus den , bisher geschilderten Einzelheiten setzen sich nun die*
wechselvollen Bilder zusammen, die wir bei unseren Hautpilzen in den
verschiedenen Entwicklungsstadien auf den künstlichen Nährböden be¬
obachten können. Ganz anders aber treten uns diese Dermatomyzeten
auf ihrem natürlichen Nährboden, der erkrankten Haut und den Haaren,
entgegen.
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Von Dr. phil. et med. Johann Hammerschmidt.
6. Man findet auf und in den Schuppen (bzw, Haaren) vom Rande
des Krankheitsherdes einzelne oder zu Paketen vereinigte, zart konturierte
Hyphenfäden mit protoplasmatischem Inhalt und meist spärlicher Ver¬
zweigung, die sich zwischen den Epidermiszellen durchwinden und stellen¬
weise auf und in den Haaren sitzen. Ein Teil dieser Hyphenfäden zeigt
nur auf weite Distanzen Querwände entwickelt, während andere Strecken
(Fig. 4) durch zahlreiche Unterteilungen in mehr oder weniger gleiche
Zellabschnitte zerfallen. Noch andere Fäden dagegen zeigen, wie diese
kurzen Kettenglieder allmählich den Zusammenhang untereinander ver¬
lieren, sich abrunden und dann als ovoide oder kreisrunde Körper, somit
auf anderem Wege entstandene ,,Sporen“, durch ihre Aufeinanderfolge
die Entstehung aus den zerfallenen Hyphenfäden erkennen lassen. Dieser
simultane Zerfall in sporenähnliche Gebilde ist als „Oidienzerfall“ bei den
Fungi imperfecti weit verbreitet, findet sich aber bei unseren Pilzen nur
auf ihrem natürlichen Substrat, auf künstlichen Nährböden da¬
gegen, wo die Exosporenbildung vorherrscht, nie oder kaum angedeutet
unter besonderen Bedingungen. Sabouraud hat merkwürdigerweise
diesen Oidienzerfall als bloße Einschnürungen des Myzelfadens aufgefaßt
und die Bildung von „Sporen“ auf diesem Wege geleugnet. An der Tat¬
sache dieses Propagationsmodus kann schon in Analogie zu anderen Pilzen
nicht gezweifelt werden; über die Berechtigung des Ausdruckes „Sporen“
läßt sich vielleicht streiten.
Untersuchungstechnik.
Die zunächst interessierende Frage, ob es sich im vorliegenden Fall um eine
Dermatomykose handelt, läßt sich leicht und bei einiger Übung durch einfache
Untersuchung der Schuppen und Haare ohne Färbung entscheiden. Alle zu diesem
Zwecke angegebenen Färbungsmethoden sind kompliziert, an dem innerhalb der
Haare befindlichen Myzel überhaupt erfolglos und zeigen absolut nicht mehr,
eher weniger als ein halbwegs gutes Nativpräparat. Ich habe fast alle vorgeschla¬
genen Färbungen versucht und war von keiner befriedigt; es ist das natürlich,
da es sich um fettreiches Material handelt, bei dem z. B. mit der Gramfärbung eine
genügende Entwässerung nur mit dem Verlust fast der ganzen Färbung zu er¬
zielen ist. Außerdem hat man es oft mit so kleinen Partikeln zu tun, daß eine
komplizierte Behandlung schon aus diesem Grunde unmöglich ist. Allerdings
gibt es Fälle — sie sind nach meiner Erfahrung, wenn man nur genügend Material
durchmustert, recht selten — bei denen die direkte Untersuchung und ebenso
die zu diesem Zwecke gerühmten Färbungen keine Hautpilze auffinden lassen,
während erst die Kultur ihre Anwesenheit kundgibt.
Zur Herstellung der genannten Nativpräparate bringt man am besten
Schuppen und Haare auf den Objektträger in 25proz. Antiforminlösung, bedeckt
mit Deckglas, läßt etwa 10 Minuten einwirken, saugt dann mit Filtrierpapier
zur Entfernung des Antiformins Wasser durch, das man darauf auf dem gleichen
Weg mit Glyzerin ersetzt. Auf diese Weise geht auch sehr zerkleinertes Material
nicht verloren. Zur dauernden Konservierung umschließt man das Deckglas
mit etwas venezianischem Terpentin. In derartig hergestellten Präparaten
treten Sporen und Hyphenfäden auf den noch erhaltenen verhornten Epidermis-
gebilden deutlich hervor. Eine Klassifizierung der Pilze ist jedoch auf diesem
Wege nicht möglich, dazu ist die Kultur unerläßlich.
Bei der Züchtung kommt es nun einerseits auf einen besonders zusagenden
Nährboden, der gleichzeitig für die Entwicklung der begleitenden Hautbakterien
nicht günstig ist, und ferner auf die Methodik der Aussaat an, um die unvermeid¬
lichen Verunreinigungen möglichst auszuschalten. 'Namentlich letztere Frage
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Sludien zur Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. I.
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hat viele Schwierigkeiten gemacht und wurde in verschiedener Weise zu lösen
versucht. Ich übergehe die komplizierten Methoden von Kral 1 2 3 ) (Zerreiben des
Materials mit Kieselguhr), Krösing*) (Zerteilen der bereits gewachsenen jungen
Kultur durch Schütteln mit sterilem Wasser) usw., da man mit dem viel einfache¬
ren Vorgehen nach Sabouraud oder Plaut das Auslaugen findet. In ersterer
Richtung sind die bis zu einem gewissen Grad elektiven Nährböden von Sabou¬
raud, der sich um die Erforschung der Hautpilze große Verdienste erworben hat,
allgemein in Verwendung, und zwar sowohl zur ersten Kultivierung als auch zur
Fortzüchtung. Er empfiehlt zu diesem Zweck einen einfachen l,5proz. Agar¬
nährboden ohne Fleischwasser, dem er als Stickstoffquelle 1 proz. Pepton und als
Kohlehydratquelle 4proz. Maltose (resp. Traubenzucker oder Milchzucker)
zusetzt; Alkalisieren resp. Neutralisieren unterbleibt. Namentlich der so her¬
gestellte Maltoseagar ist für fast alle Dermatomyzeten ein ausgezeichneter Nähr¬
boden.
Nun hat aber Sabouraud gleichzeitig diesen Nährboden, sein ,,Milieu
d’äpreuve“, zur Diagnosenstellung verwendet, und zwar auf Grund des makro¬
skopischen Aussehens, das die Kulturen darauf bieten. Um aber sicher vergleich¬
bare Kulturen zu erhalten, müssen diese Nährböden immer von absolut gleicher
Herstellungsart und Zusammensetzung sein, was nach ihm nur dann möglich wäre,
wenn die Bestandteile immer von derselben Firma (Cogit in Paris) bezogen wer¬
den. Abgesehen davon, daß der Bezug dieser Chemikalien für uns Deutsche
schon seit langer Zeit unmöglich ist, wäre es für eine bakteriologische Methode
sehr traurig bestellt, wenn sie auf eine einzige Firma in der Welt als Bezugsquelle
angewiesen wäre, selbst wenn diese Firma die Gewähr böte, immer dasselbe Ma¬
terial zu liefern. Tatsächlich ist auch diese nach Sabouraud unbedingt nötige
Voraussetzung überflüssig, worüber ich später sprechen werde, es genügen die
von deutschen Firmen, z. B. Merck, bezogenen Zuckerarten vollkommen. Man
erhält mit dem 4 proz. Maltoseagar zwar die besten Resultate zur Erzielung von
Kulturen aus den Epidermisgebilden überhaupt, während nur der 4 proz. Trauben¬
zuckeragar bei der Weiterzucht sehr charakteristische Wachstumsmerkmale
zur Differenzierung der Pilze untereinander bot, wie übrigens auch schon Plaut
betonte. Weiterhin wurden die im bakteriologischen Laboratorium üblichen
Nährböden, wie 1 proz. Traubenzuckeragar, mit rleischwasser zubereitet, Nähr¬
gelatine usw. verwendet.
Die Aussaat erfolgt am besten nach der Vorschrift Saboura uds, der auf die
Oberfläche des schief erstarrten Maltoseagars mit der Öse kleinste Schuppen¬
partikelchen einfach in Reihen auflegt, wobei man mit der ausgeglühten Öse vor¬
her den Nährboden berührt, um ein Haften der Schüppchen an der Öse zu er¬
möglichen. Haare werden zu dem Zwecke auf einem in der Flamme sterilisierten
Objektträger in kleinste Stückchen zerschnitten und diese in gleicher Weise auf
den Schrägagar gebracht, immer 5—6 Partikeln auf ein Röhrchen. Da die Menge
der Pilzelemente natürlich sehr wechselnd ist, anderseits auf Schuppen und
Haaren reichlich bakterielle Verunreinigungen vorhanden sind, kommt es darauf
an, möglichst viele Röhrchen (mindestens 5—6) in dieser Weise zu beimpfen.
Die Röhrchen kommen dann in den Gelatineschrank oder bleiben in der warmen
Jahreszeit bei Zimmertemperatur und zeigen in positiven Fällen nach 3 bis
5 Tagen das Auswachsen zarter Hyphenfäden.
Eine zweite, sehr zweckmäßige Aussaatmethode ist die von Plaut*) an¬
gegebene. Man bringt auf den einen von zwei durch Erhitzen sterilisierten
Objektträger etwas Traubenzuckerbouillon und einige der zu untersuchenden
Schuppen, die man durch Aufquetschen des anderen Objektträgers zu einem Brei
zerreibt. Der Brei wird dann weiterhin mit Traubenzuckerbouillon verdünnt,
und mit der Öse von der so entstandenen Aufschwemmung kleinste Mengen
nebeneinander auf mehrere mit Maltoseagar beschickte Petrischalen gebracht.
Zweckmäßigerweise signiert man sich mit dem Fettstift auf. der Rückseite
der Petrischale die Stellen, wo Material hingebracht wurde. Wenn sich kleine Ko-
1) Archiv für Dermatologie 1891.
2) Archiv für Dermatologie 1896.
3) Mracek, Handbuch der Hautkrankheiten.
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lonien, frei von Verunreinigungen, entwickelt haben, werden sie mit dem Nähr¬
boden ausgestochen und weiter übertragen. Ich habe diese beiden Methoden
zur Aussaat immer nebeneinander verwendet, da sie sich sehr gut ergänzen, und
häufig mit der einen ein Resultat erzielt wird, wenn die andere versagt. Recht
häufig gehen auch später Verunreinigungen neben den Pilzkolonien an, welch
letztere dann rechtzeitig durch Ausstechen und Übertragen auf frischen Nähr¬
boden zu sichern sind. Andere Methoden, die mittels chemischer Einwirkung
die Verunreinigungen zu beseitigen trachten, habe ich auch versucht, aber keine
Vorteile erkennen können. Mit dem geschilderten Züchtungsvorgang waren
durchwegs gute Resultate zu verzeichnen, allerdings hängt der Erfolg der Züch¬
tung stark von der mehr oder minder reichlichen Anwesenheit der Erreger im
Ausgangsmaterial ab. Sind dann endlich auf dem Maltoseagar kleine Einzel¬
kulturen ordentlich entwickelt, so werden sie mit der .Öse abgenommen, d. h.
mit dem darunterliegenden Nährboden herausgestochen und auf andere Nähr¬
böden übertragen. Das einfache Abkratzen der Kultur mit der Öse, wie man es
beim Übertragen von Bakterienkulturen gewöhnt ist, führt hier nicht zum Ziele,
da die Myzelfäden untereinander festhaften und die Öse beim Darübergleiten
zu wenig Material mitnimmt, wenn nicht schon genügend Sporen gebildet sind.
Eine weitere, für die Diagnosenstellune wichtige Kulturform stellt die sog.
,,in situ-Methode“ nach Plaut dar. Sie besteht darin, daß man das Untersuchungs-
material auf einem sterilen Objektträger mit einem sterilen, auf 4 Wachsfüßchen
montierten Deckglas bedeckt und das Ganze in einer feuchten Kammer im Brut¬
schrank hält. Dabei keimen die in den Schuppen und Haaren befindlichen
Pilze aus und bilden charakteristische Wachstumsformen, die für die Gruppen¬
zugehörigkeit von Bedeutung sind. Ein Nachteil liegt dabei darin, daß das Aus¬
gangsmaterial häufig mit Schimmelpilzen verunreinigt ist, die durch ihr rasches
Wachstum die Hautpilze überwuchern. Ich habe daher darauf verzichtet, das
Ausgangsmaterial zu dieser Kulturmethode zu verwenden, sondern bin zu diesem
Zwecke von erzielten Reinkulturen ausgegangen, denen ich jedoch ein möglichst
natürliches Nährmaterial zusetzte, nämlich sterilisierte Hautschuppen. Ich gehe
dabei in folgender sehr einfacher Art vor. Zwei Objektträger werden abgeflammt
• und zur Vermeidung von Luftverunreinigungen in eine sterile Petrischale gebracht;
darauf legt man, den 4 Ecken des Deckglases entsprechend, 4 kleine Stückchen
von Paraffin oder Wachs, in deren Zentrum einige im Dampf sterilisierte Haut¬
schuppen (z. B. von einer negativen Pilzuntersuchung herrtihrend) und darauf
Sporenmaterial der zu untersuchenden Kultur. Dann wird ein steriles Deckglas
darüber gedeckt und nach Erwärmen der Paraffinfüßchen über kleiner Flamme
möglichst fest niedergedrückt . Zwei derart hergestellte Objektträgerkulturen
— ich will sie fernerhin als „Epidermismikrokultur“ bezeichnen — kommen,
im Deckel einer Petrischale liegend, in eine Kollesche Schale, wie sie für Stuhl¬
untersuchungen im Laboratorium verwendet werden. Einige Tropfen Wasser
am Boden der Kolle-Schale erhalten die Kultur auf dem nötigen Feuchtigkeits¬
grade. Die Pilze finden so genügende Nahrung und Wasser, um sich kräftig zu
entwickeln und reichlich ihre charakteristischen Wuchsformen zu bilden. Da
man das Wachstum unter dem Mikroskop verfolgen kann, erhält man sehr in¬
struktive Bilder, die man außerdem auf jedem Stadium in Dauerpräparate um¬
wandeln kann. Zu letzterem Zwecke habe ich nach vielerlei Versuchen eine sehr
einfache Behandlungsart ausfindig gemacht. Man hebt mit einer Nadel das Deck¬
glas ab, wobei die Hautschuppen und das gebildete Myzel entweder am Deck¬
glas oder am Objektträger haften bleiben; sie werden" durch einige Tröpfchen
Garn oyscher Flüssigkeit (10 ccm Eisessig, 60 ccm abs. Alkohol, 30 ccm Chloro¬
form) rasch und sicher fixiert, da diese Lösung das Myzel, das für wässerige
Flüssigkeiten schlecht benetzbar ist, mit einem Schlage durchdringt und außer¬
dem an der zugehörigen Glasfläche kleben macht. Nach kurzem Aufenthalt
in 70proz. Alkohol und in Wasser werden diese Präparate durch Einwirken einer
wässerigen, vor Gebrauch filtrierten Bismarckbraunlösung durch etwa y 4 Stunde
gefärbt. Darauf wird mit Wasser abgespült, an der Luft getrocknet und in
Kanadabalsam eingeschlossen. Diesen Vorgang kann ich wärmstens empfehlen,
er gibt vorzügliche Präparate, die ohne jede Überfärbung alle wünschenswerten
Details erkennen lassen; denn auch hier versagen alle komplizierten Färbungs-
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10 Studien zur Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. 1.
rnethoden, aber auch die verschiedenen einfachen von Sabourand und anderen
angegebenen. Nach solchen Präparaten sind auch die beigegebenen Textfiguren
(1 u. 2) gezeichnet.
Ausgehend von der Idee, daß dem makroskopischen Aussehen der Kultur
auch mikroskopisch bestimmte WachstumsverhäJtnisse entsprechen müssen,
habe ich mir eine entsprechende Beobachtungsmethode zurechtgelegt. Ich bringe
auf einen sterilen Objektträger 1—2 Tropfen verflüssigten Agar (mit Maltose
oder Traubenzucker) und verimpfe nach dem Erstarren eint» Spur von der zu
untersuchenden Kultur. Die so hergestellte Mikrokultur halte ich unter sterilen
Verhältnissen und feucht im Gelatineschranken, wozu mir ebenfalls die Kolle-
Schalen gute Dienste leisteten.. War das gewünschte Wachsstumstadium er¬
reicht, so fixierte ich die Mikrokultur auf dem Objektträger wieder mit Carnoy-
scher Flüssigkeit und schloß dann einfach ohne Färbung in gewöhnlicher Glyzerin¬
gelatine ein. Wenn auch auf diesem Wege wider Erwarten viel weniger an Tat¬
sachen zu erheben war, so ergaben mir doch diese Mikrokulturen auf festen Nähr¬
böden viel bessere Resultate als die von Sabouraud angegebenen Kulturen
in einem Tröpfchen Maltosebouillon, die man übrigens sehr leicht hersteilen kann,
wenn man über diesen Tropfen, der sich auf einem sterilen breiten Objektträger
oder dazu geschnittener Glasplatte befindet, ein sog. Blockschälchen stülpt
und den offenen Verbindungsrand mit verflüssigtem Paraffin umzieht. Die Pilze
zeigen in diesen Kulturen zwar ein üppiges Myzelwachstum, aber unregelmäßige
und sehr verzögerte Fruktifikation, was ich, wie bereits erwähnt, auf die etwas
unnatürlichen Verhältnisse in der geringen Nährboden menge zurückführen
möchte.
Mit diesen im Vorstehenden geschilderten, auf ihre Einfachheit und Zweck¬
mäßigkeit reichlich erprobten Methoden gelingt es leicht, den Entwicklungs¬
gang unserer Hautpilze unter den verschiedensten Verhältnissen zu studieren.
Verhalten der Pilze In den Kulturen.
Schon der Entdecker des Erregers des Herpes tonsurans im Jahre •
1842, Gruby, hat mehrere Arten von Hautpilzen unterschieden. Seit
damals ist diese Frage nach der Mehrheit oder Einheit vorzüglich der
Trichophytiepilze nicht zur Ruhe gekommen. Ich verweise bezüg¬
lich der langwierigen Geschichte auf die Übersichten Plauts; die An¬
sichten änderten sich von Jahr zu Jahr. Darüber, daß man für die drei
auch klinisch differenten Erkrankungen — Favus, Mikrosporie, Herpes
tonsurans — drei verschiedene Pilzarten bzw. Genera anzunehmen hat,
ist man sich bis heute klar geworden, aber inwiefern man innerhalb dieser
drei Gruppen verschiedene Varietäten bzw. Unterarten oder gar Arten
aufzustellen berechtigt sei, darüber gehen die Ansichten auch heute aus¬
einander, doch schienen alle bisherigen Ergebnisse nur zur Aufstellung
von Varietäten zu berechtigen. Die Frage ist deshalb so schwierig zu be¬
antworten, da die Hautpilze — vor allem die uns hier interessierenden
Trichophytiepilze — einen Polymorphismus in den Kulturen aufweisen,
wie er auf dem ganzen Gebiet der sonst so variationsfreudigen Mikro¬
organismen nicht mehr zu verzeichnen ist. Es ist natürlich, daß man
schon bei Berücksichtigung des makroskopischen Aussehens der Kulturen
leicht eine Reihe von unterschiedlichen Gruppen aufstellen kann. Auf
diesen äußerlichen Merkmalen beruht ja der Versuch Sabourauds,
ein System der Trichophytiepilze zu begründen; er hat sich dabei immer¬
hin nur auf 17(!) verschiedene Formen beschränkt, die seitens der Italiener
noch um eine Anzahl schön klingender Namen vermehrt wurden. Aller-
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Von Dr. phil. et med. Johann Hammerschmidt.
11
dings hat Sabouraud diese 17 Formen zunächst 1 ) nach Eigenschaften,
die die Pilze an ihren natürlichen Fundstellen zeigen, in drei Gruppen
unterteilt (Ektothrix, Neo-Endothrix, Endothrix); er hat ferner die Pilze
in seinen Tropfenkulturen morphologisch studiert, aber bei der Diagnosen¬
stellung legt er den Hauptwert auf die Erscheinungsform auf dem von
ihm angegebenen 4proz. Maltoseagar, dem „Milieu d’öpreuve“, für das
er, wie bereits erwähnt, immer genau die gleiche Zusammensetzung ver¬
langt. Diese Ansicht Sabourauds, daß auch geringste Schwankungen
des Nährsubstrates für die Klassifizierung der Kulturen von Bedeutung
sein können, ist richtig, doch variieren die Pilze manchmal auf genau
demselben Nährboden unter uns nicht immer erkennbaren Einflüssen.
Übrigens wird auch das „Milieu d’ öpreuve 44 nicht immer ganz gleich be¬
schaffen sein, da selbst schon Feuchtigkeitsunterschiede genügen können,
um Kulturen abftndern zu lassen.
Dasselbe gilt auch für Krösing 8 ) unter den deutschen Autoren, der
ebenfalls eine Klassifizierung durch den makroskopischen Vergleich der
unter möglichst gleichen Bedingungen gewachsenen Kulturen ermöglichen
wollte; er verwendete dazu die Kartoffel als Einheitsnährboden; daß
dies ein noch weniger gleichmäßiger Nährboden ist, als selbst der echte
Pariser Maltoseagar, braucht nicht erst ausgeführt zu werden. Wälsch 8 )
bemerkt hinsichtlich der auf diese Weise zustande gekommenen Klassi¬
fikationen der Trichophytiepilze mit Recht, daß es sich nicht um Arten
handeln könne, denn dazu sind sie zu inkonstant; sollten aber diese auf¬
gestellten Abteilungen Varietäten sein, dann sind es viel zu wenige!
Es war daher natürlich, daß man sich nach verläßlicheren Unter¬
scheidungsmerkmalen umgesehen hat und dazu das mikroskopische
Verhalten der Pilze einerseits auf den gewöhnlichen festen Nährböden,
anderseits in flüssigen, nur zu diesem Zwecke angesetzten Mikrokulturen
verwenden wollte. AJber auch auf diesem Wege kam man nicht zum
Ziele, da den erhobenen Differenzen besonders bezüglich der Sporen¬
bildung angeblich die Konstanz mangelte, so daß man immer wieder auf
die makroskopischen Kulturdifferenzen zur Unterscheidung zurück¬
gegriffen hat.
Wenn ich aus meinen Untersuchungen Schlüsse ziehe, so kann ich:
1. selbstverständlich auch die große Variabilität der verschiedenen
Stämme auf den gebräuchlichen Nährböden feststellen, jedoch mit der
1) Sabourauds System der von ihm aufgestellten Trichophytonformen:
Trichophyton:
1. Endothrix
Tr. crateriforme
Tr. umblUcatum
Tr. reguläre
Tr. acumlnatum
Tr. ylolaceum
Tr. glabrum
Tr. sulfureum
2) 1. c.
3) Arch. f.
2. Neo Endothrix
Tr. cerebriforme
Tr. plicatile
3. Ektothrix
a) Micro Idee
Tr. gyps. radiolatum
Tr. gyps. asteroldes
Tr. nfyeum
b) Megaspores
Tr. nosaceum
Tr. equtmum
Tr. faviforme album
Tr. faylforme dlscoldes
TT. faylforme ochracemn
Dermat. 1896, 37. Band.
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12 Studien zur Morphologie und Biologie der Trichephytiepilze. I.
Einschränkung, daß die Unterschiede auf den hochperzentigen Zucker¬
medien, wie sie von Sabouraud angegeben wurden, immerhin eine der¬
artige Konstanz aufweisen, daß man niemals über die Zugehörigkeit zur
einen oder anderen Gruppe im Zweifel sein wird. Allerdings bezieht sich
das auf wirklich durchgreifende Unterschiede und nicht auf leicht ab¬
ändernde Merkmale, wie geringe Differenzen der Oberflächenkonfiguration,
Farbstoffbildung usw. Freilich kommt man dann dazu, sich mit einer
weit geringeren Anzahl von Formen zu bescheiden.
2. Ferner konnte ich konstatieren, daß die mikroskopische Unter¬
suchung der Kulturen keine derart konstanten Unterschiede ergibt,
um darauf eine Einteilung unserer Pilze zu begründen; ebensowenig sind
die von Sabouraud angegebenen Mikrokulturen im hängenden Tropfen,
die sich für biologische Untersuchungen sonst gut bewähren, dazu geeignet.
Dagegen fand ich in den „Epidermismikrokulturen“, deren Herstellung
ich oben aaseinandergesetzt habe, ein sicheres Mittel, im Zusammenhalt
mit dem makroskopischen Aussehen der Kulturen auf den Zuckernähr¬
böden die bei uns vorkommenden Trichophytonpilze in scharf umrissene
Gruppen zusammenzufassen; zu diesen morphologischen Merkmalen
kommen nun außerdem ebenso konstante biologische hinzu. Wenn man
sich auch der Schwierigkeiten, die eine korrekte Artdefinition bei den
Mikroorganismen, besonders bei den so außerordentlich variablen Bak¬
terien bereitet, bewußt ist, muß doch das stete Zusammentreffen morpho¬
logischer, kultureller und biologischer Eigenschaften, die noch dazu in
qualitativer und nicht bloß in quantitativer Richtung ausgeprägt sind,
genügen, diese im folgenden zu besprechenden Gruppen zumindest als
verschiedene Arten auffassen zu können.
Ich konnte nun bei den zahlreichen hier in Graz untersuchten Fällen
von Trichophytie das Vorkommen von zwei, in diesem Sinne verschiedenen
Arten mit Sicherheit feststellen. Ob es noch mehr solcher scharf zu um¬
schreibender Arten überhaupt gibt, weiß ich nicht, da ja die Trichophytie-
pilze nicht kosmopolitisch gleichmäßig verteilt Vorkommen. Innerhalb
der beiden Arten findet man allerdings genug kulturelle Verschiedenheiten,
um daraus etliche Varietäten im Sinne Sabourauds aufstellen zu können,
wozu mir jedoch wegen der geringen Konstanz dieser Merkmale keine
genügende Begründung vorzuliegen scheint.
Es fällt mir nicht ein, zur Steigerung der ohnehin bestehenden Ver¬
wirrung, diesen beiden Arten neue Namen zu geben, denn sie sind ja vor
mir vielmals gesehen und sicher mehrmals benannt worden. Um sie nach
den wissenschaftlichen Nomenklaturregeln mit den ihnen gebührenden
Namen zu belegen, bedarf es eines Vergleiches mit älteren Beschreibungen
und eine Beurteilung der an verschiedenen Orten gezüchteten Stämme
nach den gleich zu besprechenden Gesichtspunkten. Ersteres ist bei der
meist alleinigen Berücksichtigung des makroskopischen Kulturfoildes nur
zum Teile möglich, immerhin dürfte die eine meiner Arten (B) der Gruppe
„Trich. gypseum“ Sabourauds entsprechen, während die andere (Ä)
zum größten Teil sich mit seiner Neo-Endothrix-Gruppe deckt, Boweit
eben bei der Sabouraudschen Einteilung von Konstanz die Rede sein
kann. Einer meiner A-Stämme z. B. zeigte in der ersten Kultur da6 Bild
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13
eines Tr. crateriforme (Tafelfig. 8), bei weiterer Fortzüchtung dagegen
wuchs er immer als Tr. cerebriforme (Tafelfig. 5). Es ist daher eine
Identifizierung mit den Gruppen Sabourauds nur bedingt möglich. Um
somit in keiner Weise zu präjudizieren, will ich die beiden Trichophyton-
arten vorläufig bloß als A-pulveriger und B-fädiger Pilz bezeichnen.
Nach diesen mir nötig erscheinenden Vorbemerkungen will ich in
möglichster Kürze die Befunde schildern, die man bei systematischer
Untersuchung der Trichophytiepilze konstatieren kann. Im Nativ¬
präparat der Epidermisbestandteile nach Antiformin-Glyzerinbehandlung
findet man, gleichgültig welcher Gruppe der Pilz angehört, ein recht
uniformes Bild: einerseits zarte ununterbrochene Hyphenfäden mit gleich¬
mäßig parallelen Konturen, anderseits solche, die durch starke Septierung
in Ketten von mehr oder minder rechteckigen oder rundlichen Sporen
zerfallen — alles das im Haar, um das Haar sowie in bzw. auf den vom
Antiformin unbeeinflußt gebliebenen Hornlamellcn; im Haar sieht man
meist massenhaft nebeneinanderliegende Ketten von rechtwinkeligen
Gliedern. Wie aus der Fig. 4 hervorgeht, sind die Sporen von sehr ver¬
schiedener Größe. Messungen — allerdings an Antiforminpräparaten
ausgeführt — ergaben folgende Zahlen: 3 bis 7 [i für die Länge, 2 bis 5 [i
für die Breite, dann finden sich auch kreisrunde mit einem Durchmesser
bis herab zu 2 fi. Es ist daher nicht möglich, wie bereits Krösing 1 ) aus¬
führlich berichtet hat, auf Grund der Sporengröße der Pilze in der Haut
allein irgend eine Unterscheidung einzuführen. Selbstverständlich wider¬
stehen Hyphen und Sporen in der Haut und in der Kultur vermöge ihres
Wandgehaltes an Pilzzellulose dem Antiformin, dessen auflösender Wir¬
kung alles tierische Zellmaterial mit Ausnahme der verhornten Partien
zum Opfer fällt; aus diesem Umstande fällt auch jede Analogisierung
dieser Pilzsporen mit den Sporen der Bakterien hinweg. Außer dieser
endogenen Sporenbildung, dem Oidienzerfall, bilden diese Pilze am Orte
ihres natürlichen Vorkommens keine andere Fruktifikationsform aus.
Sabouraud hat seine verschiedenen Varietäten zunächst dadurch
in ein System gebracht, daß er sie nach ihrem parasitischen Verhältnis
zum Haare in drei Gruppen zusammenfaßte: Ektothrix, Endothrix,
Neo-Endothrix. Bei Ektothrix ist nicht nur das Haar sondern auch die
umgebende Epidermis von Pilzen befallen, bei Endothrix finden sich die
Pilze nur im Haar vegetierend, da der anfangs zu Beginn der Erkrankung
natürlich auch außerhalb der Haare liegende Pilzanteil bald zugrunde¬
geht; den Übergang zwischen beiden vermitteln die Neo-Endothrix-
Stämme, bei denen der extrapiläre Anteil zwar eine Zeitlang besteht,
dann aber doch verschwindet, so daß an älter erkrankten Haaren nur
mehr eine Endothrixform zum Vorschein kommt. Sichere Endothrix-
Stämme fanden sich unter meinem Material nicht vor, so daß ich darüber
kein Urteil abgeben kann, dagegen gehörten viele meiner Kulturen den
Neo-Endothrix-Formen der Sabouraudschen Einteilung an. Trotz
eifriger Durchmusterung vieler Präparate ließen sich nun niemals die
für die Differenzierung von Ektothrix und Neo-Endothrix angegebenen
1) 1. c.
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14 Studien zur Morphologie und Biologie der Triehophytiepiize. I.
Unterschiede mit einiger Sicherheit konstatieren, immer war Haar und
seine nächste Epidermisumgebung gleichzeitig und oft in stärkstem
Ausmaß befallen; so z. B. bei dem Fall, von dem die Fig. 4 stammt, und
bei dem es bereits zu weitgehenden Zerstörungen der Haare gekommen
war. Eine Unterscheidung von Ektothrix und Neo-Endothrix nach dem
Verhältnis der Pilze zum Haare ist somit nach meinen Erfahrungen un¬
möglich. Es kommt somit von dem Sabouraudschen Einteilungs¬
prinzip nur das Verhalten auf künstlichen Nährböden in Betracht.
Wenn man nun das Material auf einer der früher geschilderten Arten
auf 4% Maltoseagar zur Aussaat bringt, so bemerkt man, falls die Stelle
von Verunreinigungen frei geblieben ist, nach 4 bis 5 Tagen zarte feine
Hyphenfäden sich aus dem Substrat erheben, die sich rasch verdichten
und nach etwa 14 Tagen ein hellerstückgroßes Myzel auf dem Nährboden
bilden. Schon auf diesem Stadium, auf dem von den bei Sabouraud
zur Einteilung verwendeten Kulturcharakteristika noch nichts zu sehen
ist, sind dennoch die jungen Kulturen schon so weit unterscheidbar, daß
man ohne weiters die Zugehörigkeit zu einem der beiden aufgestellten
Typen feststellen kann. Während sich nämlich bei der A-Gruppe das
Myzel flach auf dem Nährboden ausbreitet und — was das wichtigste
ist — von Anfang an deutlich bestaubt erscheint, erzeugen die Angehörigen
der B-Gruppe ein dichtes, aufstehendes, einem feinen Pelz nicht unähn¬
liches, schneeweißes Luftmyzel, das keine Spur von Bestäubung aufweist,
sondern nur aus glatten Hyphenfäden besteht. Dieser Unterschied wird
mit dem Fortschreiten des Wachstums immer deutlicher. Es erreichen
die zur B-Gruppe gehörigen Pilze schon eine beträchtliche Größe in der
Kultur, bis zuerst im Zentrum (Tafelfig. 1) Sporenbildung makroskopisch
sichtbar wird, und zwar in Form pulverig weißer Knöpfchen, die sich
anfangs auch nur wenig vom Zentrum entfernen und das periphere Hyphen¬
geflecht ganz freilassen; dagegen setzt sich bei den A-Pilzen die ganze
Kultur aus gleichmäßig dicht bestaubten Hyphenfäden zusammen, die
nur im Zentrum einer undeutlichen, aber gleichfalls bestaubten Knopf¬
bildung Raum geben (Tafelfig. 2). Es braucht nicht erst betont zu werden,
daß die Bestäubung der Hyphenfäden bei der A-Gruppe der schon mit
Beginn der Kultur reichlich einsetzenden Sporenbildung zuzuschreiben
ist. Hinzuzufügen wäre noch, ohne daß ich darauf besonderen Wert
lege, daß alle B-Kulturen schneeweiß bleiben, während die A-Kulturen
von Anfang an einen drappen Farbton aufweisen.
Damit sind nach meiner Erfahrung die Erscheinungsformen auf
dem 4proz. Maltoseagar erschöpft. Eine besondere Eignung gerade dieses
Nährbodens, den Sabouraud vorzüglich zur Diagnosenstellung heran¬
zieht, vor anderen Zuckernährböden konnte ich nicht feststellen, aller¬
dings schrieb er die von Cogit in Paris bezogene Rohmaltose vor, während
die von mir verwendete reine Maltose keine charakteristischen Kulturen
gibt. Die geschilderte Eigenschaft der A-Pilze, ein flaches, durchwegs
mit Sporen bestaubtes Myzel zu bilden, während die Kulturen der B-
Pilze durch ein schneeweißes Luftmyzel mit nur stellenweiser Sporen¬
entwicklung charakterisiert sind, kehrt übrigens auf allen Nährböden
im Prinzip wieder, da diese Merkmale eben auf biologischen Eigenheiten
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Original fram
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Von Dr. phil. el med. Johann Hammerschmidt. 15
der beiden Arteü beruhen, über die ich bei der Besprechung der mikro¬
skopischen Befunde berichten werde.
Viel charakteristischer als auf dem Maltoseagar wachsen die beiden
Formen auf dem 4proz. Traubenzuckeragar, so daß dieser Nährboden
viel eher zu einer Diagnosenstellung zu verwerten wäre. Die ausgewachsene
Pilzkultur zeigt auf diesem Substrat nach 1 bis IV 2 Monaten folgendes
Aussehen:
1. A-Pilze: Die Kolonie stellt (Tafelfig. 4) eine dicht bestaubte, leicht
drapp gefärbte (bei ungehemmter Entfaltungsmöglichkeit kreisrunde)
Fläche dar, die nach außen einen ziemlich schmalen, glatten Rand mit
kurzen strahligstaubigen Ausläufern aufweist, wählend die ganze mittlere
Partie durch tiefe Furchen unregelmäßig gewulstet ist, so daß ein Ver¬
gleich mit den Windungen an der Gehirnoberfläche tatsächlich sehr nahe
liegt. Im Alter bekommen einzelne Kulturen auf der Höhe der Falten
feine Sprünge, an welchen Stellen wegen Fehlens der Bestäubung (Tafelfig.5)
der braungefärbte Grund der Kolonie hervorschaut, wodurch eine zart
netzförmige, dunkle Skulpturierung gebildet wird. Da letztere Verände¬
rung nicht bei allen A-Kulturen eintritt, wäre gleich ein Anlaß zur Auf¬
stellung neuer Varietäten gegeben.
2. B-Pilze: Die entwickelte Kultur (Tafelfig. 3) zeigt irisartig in-
einandergeschobene Kreise — in der Eprouvette allerdings sind sie in
der vollen Ausbildung seitlich gehemmt. Im Zentrum findet sich meist
ein kleiner Schopf von weißem Luftmyzel, dann kommt nach außen eine
kreisförmige massige Sporenanhäufung, im Alter von mein gelblich¬
weißer Farbe, die den Eindruck von aufgestreutem grobem Gypsmehl
macht; dann folgt wieder ein Ring von watteartigem Luftmyzel usf. bis
an den Rand, wobei die äußersten Ringe im Alter noch eine rosenrote
Färbung annehmen können. Dieses anfangs regelmäßige Bild verschiebt
sich allerdings mit der Zeit, da sich die Sporenmassen allmählich über die
ganze Kultur ausbreiten.
Ich habe im vorstehenden die Hauptcharakteristika der Kultur¬
formen* die mit großer Konstanz auf Traubenzuckeragar immer wieder¬
kehren, beschrieben und will von den übrigen Details, die mir unwesentlich
erscheinen, absehen.
Von den übrigen zum Vergleich herangezogenen Nährböden sei nur
kurz erwähnt, daß der 4proz. Milchzuckeragar bei der B-Gruppe noch
weniger Sporenbildung entstehen läßt, als der Maltoseagar, so daß die
Kultur auf lange Zeit nur aus Luftmyzel besteht, übrigens tritt auf diesem
Nährboden auch bei der A-Gruppe die Sporenbildung etwas in den Hinter¬
grund. Auf dem im Laboratorium gebräuchlichen lproz. Traubenzucker¬
agar, mit Fleischwasser zubereitet, ähneln die Kulturen des A-Pilzes
denen auf 4proz. Traubenzuckeragar, nur ist’ die Kultur (Tafelfig. 7) viel
kleiner, das Ganze ist förmlich zusammengedrückt, die Windungen schmäler.
Die B-Pilze zeigen dagegen auf diesem Nährboden im Gegensatz zu den
bisher besprochenen eine viel intensivere und auch gleichmäßig ausge¬
breitete Sporenbildung, so daß wir eine dicht weiß bestaubte, runde Fläche
(Tafelfig. 6) vor uns sehen, die aber in bezug auf Skulpturierung äußerst
veränderlich ist.
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16 Studien zur Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. 1.
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Auf Gelatine verflüssigen alle beide Formen, nur sind die B-Pilze
durch Bildung eines schwefelgelben Farbstoffes ausgezeichnet, übrigens
wie alle Farbstoffbildungen ein sehr inkonstantes Merkmal. Die Befunde
auf anderen Nährböden will ich nicht erwähnen, da sie kein Interesse bieten.
Wir sehen somit, daß trotz kultureller Verschiedenheiten der einzelnen
Stämme untereinander die beiden Gruppen sich auf fast allen Nährböden
scharf unterscheiden lassen, zunächst schon bei ganz oberflächlicher Be¬
trachtung der Kulturen, dann aber vielmehr durch den Umstand, daß die
A-Stämme auf allen Nährböden von Anfang an reichliche Sporulation auf¬
weisen, während die B-Stämme, die anfangs durch Bildung eines reich¬
lichen Luftmyzels ausgezeichnet sind, viel später, auf manchen Nähr¬
böden sogar erst im Alter zur Sporenbildung schreiten.
Einschneidende Unterschiede zwischen einzelnen größeren Gruppen der
Trichophytiepilze waren schon Krösing 1 ) im Jahre 1896 aufgefallen; doch
galt auch diesem Autor, ebenso wie Sabouraud, das makroskopische
Aussehen der Kultur alles, während er die mikroskopischen Verhältnisse
als nicht konstant vernachlässigen zu können glaubte*. -Diese Unterschiede
stellte er auf der als Standardnährboden verwendeten Kartoffel fest, von
der er annahm, ein immer gleichbleibendes Nährsubstrat in der Hand
zu haben. Auf Grund der auf der Kartoffel erhobenen Befunde kam er
zu ähnlichen Resultaten, wie ich mit den verschiedenen Nährböden,
nämlich, daß man die Trichophytiepilze bei Vernachlässigung zahlreicher
äußerer und sicher variabler Erscheinungsformen der Kulturen, die von
anderen Autoren als Einteilungsprinzip herangezogen worden sind, in
ganz wenige — er unterschied drei — Gruppen unterteilen kann, und zwar
durch Feststellung bloß einiger, aber grundlegender Kulturmerkmale.
Leider blieben diese Ergebnisse Krösings 1 ) im Schatten der Arbeiten der
französischen Schule ganz unbeachtet.
Dagegen stimme ich nicht mit Krösing 1 ) überein, daß die mikro¬
skopischen Merkmale wegen Inkonstanz wertlos seien; das ist schon des¬
wegen unrichtig, da die besprochenen Kulturmerkmale ja auf ganz be¬
stimmten morphologischen bzw. biologischen Eigenschaften beruhen,
nämlich dem Zeitpunkt des Eintretens und der Lokalisation der Sporen¬
bildung. Aus diesen Gründen verwendete ich zur Diagnosenstellung schon
als eine Art Sicherheitskoeffizient neben dem äußeren Verhalten der
Kulturen noch das mikroskopische Verhalten der Pilze in den Kulturen
und endlich noch zu besprechende biologische Eigenschaften.
Zu diesem Zwecke sind jedoch die von Sabouraud angegebenen
Kulturen im hängenden Tropfen ganz ungeeignet, da die Pilze in diesen
Mikrokulturen höchst unregelmäßig oder auch gar nicht zur Spo¬
rulation kommen. Dagegen ergaben mir die „Epidermismikrokulturen“
(cf. Technischer Teil), die ich von der Reinkultur auf sterilisierten Haut¬
partikeln anlegte, folgende sehr konstante Befunde, die sich in ausgezeich¬
neter Weise in der geschilderten Art der Fixierung und der Färbung mit
Bismarckbraun festhalten ließen.
1) 1. c.
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Wenn wir einen Vertreter der A-Gruppe unter dem Deckglas auf
Epidermis züchten, so sehen wir, daß die nach allen Richtungen aus-
wachsenden Hyphenfäden meist von gleichmäßiger Dicke sind und sehr
bald (innerhalb einer Woche) Sporen entwickeln. Die Sporenbildung
geschieht so, daß der lange Hyphenfaden in seinem ganzen Verlauf oder
wenigstens in seinem größten Teile zweizeilig kleine, kurze Seitenäste
aussendet, die meist selbst einfache Gonidienträger sind oder neben der
ondständigen Spore höchstens noch einen kurzen sekundären Conidien¬
träger abgeben; eine weitere Verzweigung erfolgt nicht (Fig. 1). Wir
sehen dann manchmal die meisten Myzeläste in ihrem ganzen Verlaufe
mit kurzen Sporenträgern und Sporen besetzt, eine größere Anhäufung
der letzteren findet nur an solchen Punkten statt, wo auch die Hyphen¬
fäden in größerer Menge sich übereinander lagern. Durch diesen Befund
ist die gleichmäßige Bestäubung der Kulturen in ihrer ganzen Fläche
auf den Nährböden erklärt. Die Sporen sind verhältnismäßig groß, etwa
3 /i lang und 3 fi breit und haben alle eine Tropfenform, was mit der ver¬
hältnismäßigen Breite der Conidienträger zusammenhängt. „Spindeln“
und „Wickeln“ fehlen bei dieser Gruppe durchaus. Das geschilderte Bild
erhält man bei den A-Pilzen immer, gleichgültig ob man das Material von
einer Reinkultur auf Traubenzucker- oder Milchzuckeragar entnommen hat.
Ganz anders verhält sich die B-Gruppe in der „Epidermismikro-
kultur“. Meist zeigt sich bereits ein Unterschied in der Dicke der Hyphen¬
fäden, so daß man förmliche Hauptstämme hervortreten sieht. Die wich¬
tigste Fruktifikationsform sind hier die „Spindeln“, die ebenfalls ziemlich
früh in den Kulturen als umgewandelte Enden der Haupt- oder der Seiten¬
zweige 1. 0., seltener im Verlauf eines Hyphenfadens entstehen; manchmal
bleiben sie die einzige Fruktifikationsform. Die Bildung der eigentlichen
Sporen dagegen, die meist spät auf tritt, dehnt sich hier — zum Unter¬
schied gegen die A-Gruppe — nicht über größere Partien der Hyphenfäden
aus, sondern ist auf deren Enden bzw. auf die Enden der Seitenzweige
beschränkt. Immer sind es nur einzelne Stellen der Kultur, die auch
makroskopisch als sattweiße Pünktchen erscheinen, wo die Sporen gehäuft
zur Entwicklung gelangen. An solchen Stellen bildet das betreffende
Astende zahlreiche, mehrzeilig angeordnete seitliche Zweige, die sich
immer weiter unterteilen, so daß wir beim Fehlen der Sporen (in manchen
Kulturen kommen solche zusammengesetzte sterile Conidienträger häufig
vor) das Bild eines reich verästelten Tannenbaumes vor uns zu sehen
glauben. Jedes der kleinen Endzweigehen stellt einen Gonidienträger
dar, durch deren mehrzeilige Anordnung und die dadurch bedingte reich¬
liche Sporenzahl massige Sporenkonglomerate entstehen, die täuschend
einer dicht bestandenen Weintraube ähnlich sehen (Fig. 2). Die Sporen
sind hier kugelrund und kleiner als bei der A-Gruppe (durchschnittlich
2,5 ji im Durchmesser). Bei dieser Pilzgruppe ist es im Gegensatz zu den
A-Pilzen auch nicht gleichgültig, ob wir das Ausgangsmaterial zu der ge¬
schilderten Kultur auf dem Objektträger von einer Kolonie auf Trauben¬
zuckeragar oder Milchzuckeragar nehmen. Nur im ersteren Fall entspricht
der Befund dem oben geschilderten Bild, im letzteren Fall werden wir
keinen Erfolg haben oder nur ein steriles Myzel ohne Sporenbildung er-
Archiv fOr Hygiene. Bd. 90. 2
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18 Studien zur Morphologie und Biologie «1er Trichophytiepilze. 1.
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halten, da ja Milchzuckeragarkulturen der B-Pilze Sporenbildung erst
im Alter auf weisen, und für das Angehen einer neuen Kolonie auf dem
natürlichen Nährboden, der Haut (sei es unter den natürlichen Verhält¬
nissen, z. B. beim Tierversuch, oder den künstlichen, wie unseren Objekt¬
trägerkulturen), Sporenmaterial unerläßlich ist. Auf den künstlichen
Nährböden liegen die Verhältnisse anders, da genügt die Übertragung
von Myzelfäden allein zur Erzeugung einer neuen, vollwertigen Kolonie.
Wir sehen also auch im Verhalten unserer Stämme in den künstlichen
Epidermiskulturen wichtige Unterschiede zwischen den beiden von mir
aufgestellten Gruppen, die um so interessanter sind, als sie uns vieles
an der makroskopischen Erscheinungsform der Kulturen gut erklären.
Ergänzend will ich bemerken, daß ich auch das mikroskopische Ver¬
halten der auswachsenden Pilze in den im technischen Abschnitt geschil¬
derten Mikrokulturen fester Nährböden auf Objektträgern zum Vergleich
heranzog, also ähnliche Verhältnisse schuf, wie sie auf unseren künstlichen
Nährböden vorhanden! sind. Ich konnte dabei im großen und ganzen den¬
selben Entwicklungsverlauf feststellen, wie ich ihn eben geschildert habe,
doch war die Zeit des Auftretens der einzelnen Fruktifikationsformen
viel unregelmäßiger und ließ bei der B-Gruppr oft sehr lange auf sich
warten. Mit Hilfe dieser Untersuchungsmethode ließ sich in geeigneter
Weise ein eventueller Einfluß, den verschiedene Faktoren der Außenwelt,
wie Feuchtigkeit, Trockenheit, Belichtung usw., auf die Bildung der ver¬
schiedenen Fruktifikationsformen ausüben könnten, verfolgen. Ich konnte
dabei jedoch konstatieren, daß auch große Feuchtigkeitsunterschiede
sich in dieser Richtung nicht geltend machten, nur schien mir hie und da
besonders starke Trockenheit einen Ansatz zu endogener Sporenbildung
(Oidienfcerfall) zu veranlassen.
Was nun das besondere biologische Verhalten der beiden Pilzgruppen
anlangt, so fand ich im Zuge von Versuchen über die Einwirkung ver¬
schiedener Farbstoffe auf die Kulturen, daß sie hinsichtlich des Neutral¬
rotes ganz konstante und sehr auffällige Unterschiede darboten. Schon
seinerzeit hatten Plato und Guth 1 ) die Wirkung von Schimmel- und
Trichophytonpilze auf diesen Farbstoff studiert, jedoch in der Art, daß
sie bereits gewachsene Kulturen in Lösungen von reduziertem Neutralrot
brachten, wobei sie eine Speicherung und Reoxydation des Neutralrotes
in den Pilzen feststellen konnten. Auf diese Art sind keine Unterschiede
zu erzielen, wohl aber wenn man direkt auf Neutralrotnährböden züchtet.
Ich verwendete zunächst lproz. Traubenzuckeragar, dem ich 1 bis 2 Tropfen
der konzentrierten Neutralrotlösung pro Röhrchen zusetzte, wie es für
die bakteriologische Typhusdiagnose gebräuchlich ist. Auf diesem Nähr¬
boden wuchs jeder Stamm der A-Gruppe als zart rosaroter Flaum ohne
Veränderung des Nährbodens, dagegen zeigte die B-Gruppe schneeweiße
Kok den und entfärbte den Nährboden zunächst im Bereiche der Kolonie,
dann im ganzen Röhrchen, jedoch ohne Fluoreszenz.
Noch schöner ist der Prozeß, wenn man die Pilze in flüssigen Nähr¬
böden, z. B. im hängenden Tropfen von lproz. Traubenzuckerbouillon,
1) Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, 38. Bd., 1901.
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Original fram
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. phil. et med. Johann Hammerschmidt.
19
der Neutrairot zugesetzt ist, züchtet (cf. Technischer Teil). Man kann dann
bei der A-Gruppe auch nach Wochen die unveränderte rote Farbe des Nähr¬
bodens feststellen, während bei der B-Gruppe der Tropfen bald gelblich und
dann ganz farblos wird. Bei mikroskopischer Untersuchung dieser im hän¬
genden Tropfen wachsenden Kultur weisen die A-Pilze in den meisten Myzel¬
fäden und in vielen Sporen größere oder kleinere rote Granula auf, während
das Myzel der B-Pilze vollkommen farblos erscheint. Eine Erklärung
für diese auffälligen aber sehr konstanten Differenzen der beiden Pilz¬
gruppen kann ich nicht geben. Ganz anders ist das Verhalten gegenüber
anderen Farbstoffen, z. B. dem allerdings in Wasser unlöslichen Farbstoff
des B. prodigiosus. Wenn ich nämlich in Anlehnung an die Versuche
von Marzinowsky 1 ), der Schimmelpilze zusammen mit Prodigiosus
r züchtete und dabei die Aufnahme des Farbstoffes durch erstere beobachtete,
1 durch längere Zeit Trichophytonpilze mit Prodigiosus auf demselben
| Nährboden wachsen ließ, so nahmen alle Stämme den Farbstoff auf und
f führten ihn in größeren oder kleineren Granula in den Hyphen. Allerdings
i war das Wachstum der Pilze bei dieser künstlichen Symbiose sehr reduziert,
| so daß es nicht zu makroskopisch sichtbaren Kolonien kam.
| Weiterhin habe ich das Verhalten der Pilze zu dem Nährboden zu¬
gesetztem Methylenblau, Lackmustinktur und anderen geeigneten Farb¬
stoffen untersucht, ohne über auffällige Resultate berichten zu können;
durchwegs hatten die Pilze den Nährboden unverändert gelassen und auch
den Farbstoff selbst nicht gespeichert.
Mit Rücksicht auf die bekannte Eigenschaft der Stoffwechselprodukte
der Schimmelpilze, das Wachstum anderer Mikroorganismen zu fördern,
züchtete ich verschiedene meiner Pilzstämme durch Wochen in Kölbchen
F mit Traubenzuckerbouillon, tötete die Pilze durch gerade ausreichendes
^ Erwärmen, filtrierte die Nährlösung ab und züchtete dann in der so er¬
haltenen klaren, braungefärbten Bouillon vom Ausgangsmaterial ver-
l schiedene andere Stämme sowie die geläufigen Bakterien der Typhus-
j Coligruppe, doch war keinerlei Beeinflussung des Wachstums weder in
förderndem noch in hemmendem Sinne zu konstatieren.
Endlich versuchte ich, wie so viele andere Autoren vor mir, jedoch
mit demselben negativen Resultat, wie diese, eine Differenzierung der
Stämme durch den Tierversuch. Alle rtieine Kulturen gehen auf der kurz
geschorenen und mit Glaspapier leicht gescheuerten Haut des Meer-
‘ schweinchens eingerieben,an und erzeugen in etwa 10 Tagen herpetische
Ringe, die jedoch bald wieder abheilen. Beide Gruppen, die A- und die
B-Pilze, verursachen nur oberflächliche Erkrankungen, die untereinander
j keine Unterschiede erkennen lassen. Zu bemerken ist, daß ebenso wie
zu den „Epidermismikrokulturen“ auch zur Infektion der tierischen Haut
sporenhaltiges Material verwendet werden muß, da bloße Myzelpartikel
nicht imstande sind, festen Fuß zu fassen.
Über die interessanten Fragen des Pleomorphismus, des Polymorphis-
, mus sowie die Erscheinungen der Variabilität bei den Hautpilzen, die
namentlich bei Verwendung einfacherer Stickstoffquellen in den Nähr-
1 1) Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. 73, 1913.
2 *
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20 . Studien zur Morphologie und Biologie der Tri« hophyti»*pilze. I.
böden zu besonderen Ergebnissen führt, will ich in eimr w«*it»*r«*n Mit¬
teilung berichten.
Zum Schlüsse ist noch die erwähnenswert«* Tatsache zu berichten,
daß sich die Kulturen, die* ich von den untersuchten Trichophytiefällen
erhielt, zu gleichen Teilen auf di«* A- und B-Gruppe verteilen; auffallender
aber war noch eine besondere zeitlich«* Häufung der Y«*rtr«*t<*r d«*r einzelnen
Gruppen. So fand«*n sich unter dem ersten Dutzend gelungener Kulturen
(November 1919 bis Februar 1920) mit Ausnahme von zwei A-Pilzen
lauter solch«* aus der B-Gruppe, während umg«*kehrt unt«*r d«*m zw«*iten
Dutz«*nd (März bis Mai 1920) laut«*r A-Stämm«* und nur ein B-Stamm
zu verzeichnen war. Dab«*i r**krutiert«* sich das m«*ist ambulant«* Kranken-
material aus den v«*rschi«*d«'nst»*n T«il«*n d»*r Stadt und d«*r«*n Umgebung
sowie aus den vers«-hi«*denen G«*s<*llschaftsklasscn und liatt«* untereinander
gewiß kein«* Beziehungen; auch war «rin Zusammenhang mit ti«*rischen
Hauterkrankungen mit Sich«*rh«*it auszuschli«*ßen. Über den klinischen
Befund bei den untersuchten Fällen wird im Anhang d«*r behandelnde
Arzt, Dr. Ludoviei, berichten.
Zusammenfassung.
Aus vorsteh«*nd«»n Untersuchungen lassen sich folgend«*
Ergebnisse zusammonfasson:
1. Die von Sabouraud und and«*r«*n Autoren v«*rsueht<-
Unterteilung der Trichophytonpilz«* in « in«* größt*! 1 «* Anzahl
von Arten bzw. Vari«*täten bloß auf Grund des Aussehens
von Massenkulturen auf künstlichen, wenn auch gleich¬
mäßig zusammengesetzten Nährböden ist wegen d«*r g«*ring«*n
Konstanz dieser Merkmale nicht befriedigend, vor allein
für eine Artdiagnose vollkommen ungenügend.
2. Es ist dagegen möglich, b«*i glei«*hzeitig«*r Verw«*rtung
<l«*s Aussehens der Mass<*nkulturen unter B«M a üeksieht igung
nur grundlegender, immer g 11» i c. h m ä ß i g e r M e r k m a I e, ferner d e r
Fruktifikationsformen in dazu geeignet «*n „Epidermismikro-
kulturen“ und endlich d«*s Verhalt«*ns der Pilze auf neutral¬
rothaltigen Nährböden mehrere - w«*nigst«*ns zwei —
größere Gruppen zu unterscheiden, di«* im botanischen Sinn«*
zumindest als Arten anzusprechen sind.
3. Auf Grund dieses Eint«‘ilungsprinzip«*s fand ich bei
den in Graz zur Beobachtung gelangt«'» Trichophytien zwei
Gruppen von Erregern:
Die A-Gruppe, ausgezeichnet a) durch frühzeitige und
reichliche Sporenbildung und demzufolge Entwicklung eines
von Anfang an bestaubten Myzels auf allen Nährböden, das
auf Traubenzuckeragar noch besondere Erscheinungsform«*!!
aufweist, b) durch einfache Sporenbildung auf kurzen, meist
unverzweigten, zweizeilig ungeordneten Conidientrftgern, die
entweder längs ganzer Hyphenzweige oder wenigstens aus-
gedehnterer. Partien solcher entspringen, ohne Vorkommen
Gck igle
Original ffom
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. phil. et med. Johann Hammerschmidt.
21
von „Spindeln“, „Wickeln“, Trauben und c) durch Unver¬
ändertlassen des Neutralrotagars, während Myzel und Sporen
Neutralrot in sich speichern;
die B-Gruppe charakterisiert: a) durch anfängliche Bil¬
dung eines bloßen Luftmyzels, während sich die Sporen¬
bildung erst viel später und immer auf einzelne Stellen der
Kultur beschränkt einstellt, b) Bildung von „Spindeln“,
„Wickeln“ und vor allem von dichten» Trauben an den Enden
von Haupt- oder Nebenästen, c) durch Entfärbung des Neu¬
tralrotagars, während der Pilz selbst den Farbstoff nicht
au f nimmt.
Anhang.
Klio. Erläuterungen zu den vorstehenden von Ha m m ersch mid t bakterio¬
logisch untersuchten Fällen von Trichophytien von Dr. Bruno Ludovici.
Das hier bearbeitete Material stammt hauptsächlich aus Soldaten¬
kreisen. Die Infektionsquellen ließen sich einerseits wegen der Vielseitig¬
keit der Erkrankung, anderseits wegen der Indolenz der Patienten nicht
immer feststellen. Meist waren es aber Infektionen durch Barbierstuben,
nur in einem Falle wird das Pferd als Infektionsträger angegeben. Die ge¬
ringe Zahl der Fälle gestattet es auch nicht, mit Bestimmtheit besondere
klinische Differenzen hervorzuheben. Die Behandlung war antiparasitär¬
symptomatisch.
Von den ersten 21 Fällen, bei denen Kulturen gelangen, gehörten 12
der Gruppe A an. Zehn von diesen Fällen zeigten das Bild der Tricho-
phytia superficialis, ein Fall ging mit geringer Infiltration einher, ein Fall
zeigte ebenfalls geringe Infiltration, welche auf eine Injektion von Tricho-
phytin (Merk) unter starker Lokalreaktion der Injektionsstelle auffallend
rasch zurückging. In keinem Falle kam es zu Eiterungen. Bemerkenswert
ist die schnelle, unkomplizierte Heilung der superfiziellen und auch der
zwei mit Infiltration einhergehenden Trichophytien sowie die prompte Re¬
aktion des einen Falles auf Trichophytin.
Die restlichen neun Fälle gehören der Gruppe B an. Von diesen waren
vier Fälle superfizielle Trichophytien, zwei gingen mit starker Infiltration
und follikulärer Eiterung einher. Zwei Fälle, darunter einer von einer
Tierinfektion (Pferd) herrührend, zeigten das Bild des Eccema margi-
natum, ein Fall verlief unter geringer Infiltration ohne Eiterung.
Es scheinen nun die klinischen Befunde mit den bakteriologischen-
biologischen insoweit übereinzustimmen, als die durch die Gruppe A er¬
zeugten Dermatomykosen einen leichteren, die durch Gruppe B erzeugten
im allgemeinen einen schwereren Verlauf zeigen. 0
Ob und inwiefern diese Übereinstimmung zurechtbesteht, bleibt
weiterer Forschung auf diesem Gebiete Vorbehalten.
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22 Studien zur Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. 1.
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Erklänfhg der Figuren auf Tafel I:
Fig. 1. B-Pilz auf Maltoseagar (ca. 3 Wochen alte Kultur).
Fig. 2. A-Pilz auf Maltoseagar (ca. 3 Wochen alte Kultur).
Fig. 3. B-Pilz auf 4% Traubenzuckeragar (ca. 2 Monate alte Kultur).
Fig. 4. A-Pilz auf 4% Traubenzuckeragar (ca. 2 Monate alte Kultur).
Fig. 5. A-Pilz auf 4% Traubenzuckeragar (leichte Variation gegen den in
Fig. 4 dargestellten sonst identischen Pilz).
Fig. 6. B-Pilz auf gewöhnt. 1% Traubenzuckeragar (mit Fleischwasser).
Fig. 7. A-Pilz auf gewöhnl. 1% Traubenzuckeragar (mit Fleischwasser).
Fig. 8. Derselbe Pilz wie Fig. 5, nur eine andere Generation, auf 4 § /o Trauben¬
zuckeragar. (Er entspricht in dieser Form dem Trichophyton crateri-
forme Sabouraud, dagegen in der Form von Fig. 5 dem Tricho¬
phyton cerebriforme Sabourand.)
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Archiv für Hygiene, Bd. 90.
Tafel I.
Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. I.
Flg. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8.
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Stadien Aber die Desinfektionswirkang des Sublimates.
Von
Oberbezirksarzt Dr. Viktor Gegenbauer.
(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Wien.)
(Bei der Redaktion eingegangen am 31. August 1920.)
I. Einleitung.
Robert Koch 1 ) sagt 1881 über die Desinfektionswirkung des Subli¬
mates: „Sublimat ist das einzige Desinfektionsmittel, welches die für die
Desinfektionspraxis so überaus wichtige Eigenschaft besitzt, ohne daß
eine besondere Vorbereitung der Objekte durch Befeuchtung erforderlich
wäre, schon durch seine einmalige Applikation einer sehr verdünnten
(1:1000) Lösung in wenigen Minuten alle, auch die widerstandsfähigsten
Keime der Mikroorganismen zu töten.“ Koch erhielt Wachstum von Milz¬
brandsporen nur bei einstündiger Einwirkung von 0,002-proz. und niedriger
konzentrierter Sublimatlösungen auf diese Keime, während er durch
0,01—0,1-proz. Lösungen selbst bei bloß fünfminutiger Einwirkung Abtötung
erzielte. Die Testkeime waren an Seidenfäden angetrocknet, die Entfer¬
nung des überschüssigen Desinfiziens nahm er durch Waschen mit Alkohol,
die Nachkultur auf Gelatine vor.
Diese dominierende Stellung, die Koch dem Sublimat unter den
chemischen Desinfektionsmitteln einräumte, ist jedoch bald erschüttert
worden.
Schon durch Anwendung eines besseren Nährbodens bei sonst fast gleicher
Versuchstechnik wie Koch erzielte 1889 Frankel*) und ein Jahr später Nocht*)
bei einstündiger Einwirkung einer 0,1-proz. Sublimatlösung auf Milzbrand¬
sporen Wachstum. Ersterer nahm die Nachkultur in Bouillon, letzterer in einer
Glc>ulinlösung vor. Bei Anwendung der von Geppert in die Prüfungstechnik
der chemischen Desinfektionsmittel eingeführten Suspensionsmethode und Über¬
tragen einer Öse der aus dem Gemisch Bakteriensuspension-Desinfektionsmittel
auszentrifugierten Sporen auf Bouillon konnte 1894 Schäffer*) noch nach
zweistündigem Verweilen dieser Keime in der gleich konzentrierten Sublimat¬
lösung Wachtums, nach dreistündigem Verweilen Abtötung feststellen, während
er ohne vorheriges Zentrifugieren durch direktes Übertragen einer Öse des Ge¬
misches in das Nährmedium zu weit niedrigeren Anwachsungs- und Abtötungs¬
zeiten gelangte, ebenso wie mit derselben Methodik drei Jahre später Scheuer-
len und Spiro•).
Schon 1891 hatte Geppert*), wenn er zu dem Gemisch Bakteriensuspension-
Desinfektionsmittel vor dessen Übertragung in das Kulturmedium Lösungen von
Sulfiden zusetzte noch nach dreitägiger Einwirkung einer 0,1-proz. Sublimat¬
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24 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
lösung auf Milzbrandsporen Wachstum erzielt. Die Resultate Gepperts wurden
1892 durch Hei der 7 ) bestätigt und dann 1911 durch die Versuchsergebnisse
von Ottolenghi 8 ), der die von Geppert angeregte Methodik namentlich durch
Einführung eines besseren Nährbodens zur Nachkultur modifizierte, weit über¬
troffen. In demselben Jahre kamen Croner und Naumann 9 ) und 1914 Gegen¬
bauer 10 ) bei der Anwendung der Ottolenghisehen Versuchstechnik noch zu
bedeutend höheren Anwachsungszeiten als Ottolenghi selbst. Ottolenghi
konnte nach neuntätigem, Croner und Naumann nach 28-tägigein Aufenthalt
von Milzbrandsporen in 1,1356-proz. Sublimatlösungen noch Wachstum erhalten,
Gegenbauer fand sie noch nach 100-tägigein Verweilen in 0,1-proz. Lösungen
lebensfähig.
Weit günstiger ließen die Versuchsergebnisse von Behring 11 ), Schaffer 4 ),
Krönig und Paul 12 ), Bellei 1 *) und Reichenbach 14 ) die Desinfektions¬
wirkung des Sublimates erscheinen, was wohl auf der Anwendung einer abwei¬
chenden Dosierung der verwendeten Sulfidlösung, zum Teil auch auf der Ver¬
wendung eines anderen Trägermittels der Keime und eines weniger guten Nähr¬
bodens beruhen dürfte. Eine Reihe anderer Autoren brachen die Versuche zu
frühzeitig ab bzw\ arbeiteten mit zu geringen Konzentrationen, als daß die Re¬
sultate ihrer Versuche zum Vergleiche herangezogen werden könnten (Nissen 15 ),
Nocht 8 ). Bellei 18 ) bei Anwendung der Suspensionsmethode, Madsen und Ny¬
mann 1 *), Xylander 17 ), Reymann und Nymann 18 ), Abt 19 ).
Im Jahre 1914 erhielt dann Gegenbauer 10 ) ohne Anwendung von Sul¬
fiden durch Zentrifugieren und Dekantieren der Milzbrandsporen, die 20 Tage
der Wirkung einer 0,01-proz., 8 Tage der einer 0,1 -proz. und einer 1,0-proz. bzw\
2 Tage einer 2-proz. Sublimatlösung ausgesetzt waren, noch Wachstum, somit
nach Zeiten, die weit höher lagen, als die von jenen Autoren beobachteten, dir
nach ähnlicher Methodik ohne vorherigen Zusatz von Sulfiden die Keime in das
Nährmedium übertragen hatten.
Weit weniger resistent waren Staphylokokken, wie ja zu erwarten w r ar.
Aber auch ihnen gegenüber erwies sich Sublimat lange nicht so wirksam, als
man anfangs annahm. Ohne Anwendung von Sulfiden erhielten bei verschiedener
sonstiger Methodik Speck 21 ) noch nach 20-minutiger Einwirkung einer 0,17-proz. f
Steiger u. Döll 22 ) nach 5-minütiger einer 0,05-proz., Schöller u. Schrauth 2 *)
nach 5-minutiger einer 0,34-proz. bzw\ 7-minutiger einer 0,17-proz. Sublimat¬
lösung Wachstum. Bei der Behandlung der Keime mit Sulfiden oder Schwefel¬
wasserstoff vor der Übertragung in das Kulturmedium rückt die Anwachsungs¬
zeit, namentlich bei der Anwendung der Methodik Ottolenghis bedeutend in
die Höhe. So fand Schumburg 24 ) nach 45-minutigem, Speck 21 ) nach 70-minu-
tigem Verweilen in 0,1-proz. Sublimatlösung, Paul und Prall 25 ) nach 60-minu-
tigem Aufenthalt in 0,05-proz. Sublimatlösung noch Wachstum. Chick und Mar¬
tin *•) erzielten nicht vor 15 Minuten Abtötung durch 5,0-proz. Sublimatlösung.
Nach Ottolenghi 8 ) und Croner und Naumann 9 ) bewirken selbst 2,712-proz.
Lösungen nach 8 y 2 bzw. 3 Stunden keine Vernichtung der Keime.
Es ergibt sich daher nach den in der Literatur vorhandenen Angaben
für die in der Desinfektionspraxis übliche Konzentration von 0,1%
Sublimat:
für Milzbrandsporen
ohne Anwendung von Sulfiden (Gegen-
bauer).
bei Anwendung von Sulfiden (Gegen-
bauer).
für Staphylokokken
ohne Anwendung von Sulfiden (Speck)
bei Anwendung von Sulfiden (0,1356%)
(Croner und Naumann).
Gck igle
Höchste Niederste sichere
Anwachsungszeit Abtötungszelt
8 Tag«-
100 'läge
10 Tag«
20 Minuten
3 Tage
4 Tage
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THE OHtO STATE UNIVERSITY
F
Von Dr. Viktor Gegenbauer. 25
Die Desinfektionsversuche ergaben somit bezüglich der höchsten
Anwachsungszeit einen beträchtlichen Unterschied, je nachdem durch
sorgfältiges Waschen die anhaftenden Sublimatspuren entfernt wurden
oder man zu diesem Zwecke Sulfide oder Schwefelwasserstoff zusetzte.
Während die nach der ersten Methodik angestellten Desinfektionsversuche
zeigten, daß zwar an eine Desinfektionswirkung, wenn auch nicht gerade
an eine kurzfristige von Sublimat gegenüber Milzbrandsporen zu denken
sei, ließen es die mit der letzteren Methodik durchgeführten Versuche
fraglich erscheinen, ob man überhaupt praktisch von einer solchen Wirkung
diesen Sporen gegenüber sprechen könne. Staphylokokken waren weit
weniger resistent. Immerhin erwiesen sich auch diese vegetativen Formen
erst nach mehrtägiger Einwirkung der gebräuchlichen Sublimatkonzen¬
tration als abgetötet, wenn das überschüssige Desinfiziens auf chemischem
Wege entfernt wurde.
Gegen das Prinzip, die anhaftenden Spuren des Desinfiziens durch
Schwefelwasserstoff oder durch Sulfide zu entfernen, kann der Einwand
erhoben werden, daß hiedurch nicht nur das anhaftende und das eventuell
absorbierte oder adsorbierte Sublimat in unlösliches Quecksilbersulfid
übergeführt werden, sondern daß auch eine eventuelle Bindung zwischen
dem Sublimatmolekül und den Stoffen der Keime, namentlich dessen
Proteinen gesprengt und damit eine in der Praxis irreversible Zustands¬
änderung reversibel gemacht werden könnte. Dieser Einwand setzt das
Bestehen einer durch gewöhnliches Waschen nicht sprengbaren Bindung
zwischen Sublimat oder Quecksilber und Eiweiß der Keime voraus und
kommt für den Fall, daß diese Annahme zutrifft, nur dann in Betracht,
wenn die Gewähr gegeben ist, daß die der Sublimatdesinfektion unterworfe¬
nen Keime nicht hinterher in ein Medium gelangen, das Schwefelwasser¬
stoff oder Sulfide enthält. Letzteres kann aber bei einem Teil der hygie¬
nischen Desinfektionen der Fall sein, da beispielsweise in Abwässern,
Weichwässern von Gerbereien, im Stuhl, Harn und Sputum die Möglich¬
keit der Bildung von Schwefelwasserstoff und Sulfiden zufolge ihres Ge¬
haltes an faulenden organischen Stoffen gegeben ist.
Es würde somit, im Falle des Bestehens solcher Verbindungen die
Desinfektionskraft des Sublimates je nach dem Zweck verschieden zu be¬
werten sein, ein Punkt, auf den bereits Chick und Martin 28 ) und
Bechhold 29 ) hingewiesen haben.
Die aus den vorliegenden Desinfektionsversuchen zu ziehenden Schlüsse
hängen daher von der' Klarstellung des chemischen und physikalischen
Verhaltens von Sublimat zu Mikroorganismen ab.
Ein Teil der Autoren, die sich mit der Frage der Sublimatdesinfektion
befaßten, nehmen eine Bindung zwischen dem Sublimat und bestimmten
Leibessubstanzen der Mikroorganismen an. So schloß Geppert 8 ) aus dem
Umstand, daß er nur bei der Anwendung eines Überschusses von Schwefel¬
ammon die höchsten Anwaschungszeiten erhielt, daß das Sublimat mit der
Spore eine Verbindung eingegangen war, die nur durch einen Uberschuß
des Sulfides gesprengt werden konnte. Chick und Martin 26 ) und Steiger
und Doll 22 ) kamen auf Grund der Beobachtung, daß sich in Keimen,
die der Wirkung des Sublimates ausgesetzt waren, trotz nachherigem
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Original frnm
THE OHIO STATE UNIVERSITY
26 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
Zentrifugierens und Waschens Quecksilber nachweisen beß zu demselben
Schlüsse. Der Meinung dieser Forscher schlossen sich Speck 21 ) und Rey-
mann und Nymann 18 ) an.
Gegen die Argumentation G^epperts läßt sich einwenden, daß zum
Ausfällen unlöslichen Quecksilbersulfides stets ein Überschuß von Sulfid
erforderlich ist. Die Versuche von Chick und Martin und Steiger und
Döll schließen die Deutung nicht aus, daß das Sublimat an die Keime
adsorbiert oder von ihnen absorbiert wurde. Da nämlich das Adsorbens
das Adsorpte nur langsam abgibt und auch im Falle einer Absorption
beim Bestehen von Diffusionsschwierigkeiten ein Ausgleich zwischen fester
und flüssiger Phase nur langsam erfolgt, wäre auch nach längerem Zentri¬
fugieren und Waschen ein Verbleiben von Sublimatresten unmittelbar
an bzw. in den Keimen denkbar.
Morawitz 80 ) und Herzog und Betzel 81 ) kamen auf Grund ihrer
Versuche mit Pferdeblutkörperchen bzw. Hefe zu dem Schlüsse, daß
Sublimat zunächst von diesen Zellen in der Form eines reversiblen Ad¬
sorptionsprozesses aufgenommen werde. Die Frage der. Art der spezifi¬
schen Giftwirkung ließen sie offen. Mora wit z 32 ) berechnete auch die Daten
Krönig und Pauls und stellte die für die Giftwirkung des Sublimates
gegenüber Bakterien gefundene Gleichung als Adsorptionsgleichung hin.
Eisenberg und Okolska 88 ) und Croner und Naumann 9 ) nehmen
auch eine Adsorption des Sublimates an die Bakterien an. Während aber
Croner und Naumann der Ansicht sind, daß die Desinfektionswirkung
des Sublimates allein auf der Adsorption beruhe, schließen die beiden
anderen Autoren aus dem Umstande, daß bei fraktioniertem Zusetzen
einer gewissen Menge Bakterienaufschwemmung zu einer bestimmten Menge
Desinfiziens höhere Anwachsungszeiten erzielt wurden, als wenn diese
Mengen auf einmal zusammengebracht wurden, auf ein wenigstens teil¬
weises Übergehen des anfänglich reversiblen Adsorptionsprozesses in einen
sekundären irreversiblen Vorgang, der dann die Abtötung bewirkte. Dieser
Deutung der Versuche liegt die Annahme zugrunde, daß das Adsorbens
das adsorbierte Desinfiziens bei Zusatz frischen Adsorbens leicht abgebe,
eine Annahme, die mit den Gesetzen der Adsorption nicht vollständig in
Einklang steht.
Eisenbergs und Okolskas Versuche haben daher ebensowenig
wie die der vorher erwähnten Autoren das Bestehen einer Verbindung
zwischen Sublimat oder Quecksilber und dem Eiweiß der Keime bewiesen.
Das Bestehen einer solchen Verbindung ist’aber nach dem heutigen
Stande der Frage der Beziehungen zwischen Eiweiß und Metallsalzen
äußerst wahrscheinlich. Nachdem Bonamartini und Lombardi 84 )
aus Eiweißlösungen mit konstantem Albumingehalt durch Zusatz steigen¬
der Mengen von Kupfersulfat Kupferalbuminate von annähernd konstan¬
tem Kupfergehalt erhalten und Pfeiffer und Modelski 88 ) gezeigt hatten,
daß Aminosäuren und Polypeptide mit Metallsalzen Verbindungen nach
stöchiometrischen Verhältnissen geben, hat 1914 Lippich 86 ) den Nachweis
erbracht, daß Zinkalbuminat stöchiometrischer Natur ist. Im Gegensatz
zu diesen Autoren kamen allerdings Pauli 87 ), Galeotti 88 ) und Pauli
und Flocker 89 ) auf Grund ihrer Versuche zu der Annahme, daß bei der
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Von Dr. Viktor Qegenbauer.
27
Bildung von Metallalbuminaten stöchiometrische Verhältnisse nicht vor¬
liegen können. Doch dürften diese Autoren, worauf Lippich hinweist,
die reinen physikalisch-chemischen Methoden allzusehr bevorzugen und
der chemischen Analyse bei der Klarstellung solcher Fragen zu wenig Be¬
achtung schenken. Die Ergebnisse der Versuche von Vignon 40 ) und Schel-
lens 41 ) zeigen, daß auch von Textilfasern und Wolle Quecksilber fix ge¬
bunden wird. Sie tauchten diese Objekte in Sublimatlösungen, nahmen
sie nach bestimmten Zeiten heraus und konnten in ihnen auch dann Queck¬
silber nachweisen, wenn sie mit Wasser gründlich ausgewaschen waren.
Die vorliegenden Untersuchungen verfolgten nun den Zweck, die
Frage der chemischen und physikalischen Beziehungen zwischen
Sublimat und Mikroorganismen, die bisher als ungeklärt und auch
als ungenügend bearbeitet gelten mußten, einem eingehenderen Stu¬
dium zu unterwerfen, und dann die bisherigen Ergebnisse der Des¬
infektionsversuche mit Sublimat durch weitere Untersuchungen,
namentlich bezüglich der Desinfektionskraft gegenüber vegetativen For¬
men (Staphylokokken) zu ergänzen; endlich sollen auf Grund der erhal¬
tenen Resultate die Desinfektionskraft des Sublimates nach den
bereits eingangs skizzierten Gesichtspunkten für die Praxis bewertet
und schließlich die Theorie der desinfizierenden Sublimatwirkung
erörtert werden.
IL Das chemische und physikalische Verhalten von Sublimat
gegenüber Mikroorganismen.
Es erschien zunächst zweckmäßig, das Verhalten von Sublimat gegen¬
über den wichtigsten in den Zellen vorhandenen Stoffen selbst in analoger
Weise klarzulegen, wie dies bezüglich des Phenoles von Reichel 4 *) geschehen
ist. Als Eiweißsubstanz wurde hitzekoaguliertes Serum (Rinderserum),
als ölige Phase Rüböl genommen. Diese Grundversuche wurden dann durch
Versuche mit Hefe ergänzt. Das hitzekoagulierte Serum bietet als fester
Körper versuchstechnisch Vorteile vor dem nativen, da bei seiner Verwen¬
dung infolge der Einfachheit der Versuchsanordnung die Häufung zahl¬
reicher Einzelversuche möglich wird, wodurch die Zuverlässigkeit der Fest¬
stellungen gewinnt. Da aber der Koagulationsprozeß eine Denaturierung
bedeutet, war an die Möglichkeit eines abweichenden Verhaltens von dem
des nativen Eiweißes dem Sublimat gegenüber zu denken. Die gute Über¬
einstimmung der Resultate der Versuche mit koaguliertem Eiweiß und der
mit Hefezellen bewies, daß sich im vorliegenden Falle die mit koaguliertem
Rinderserum erhaltenen Resultate auf Zelleiweiß übertragen lassen.
1. Das Verhalten von Sublimat gegenüber koaguliertem
Rinderserum.
Die ersten Versuche hatten somit die Aufgabe das Verhalten von
Sublimat gegenüber koaguliertem Rinderserum festzustellen.
Hiezu wurden Stückchen koagulierten Rinderserums mit verschieden
konzentrierten Sublimatlösungen durch verschiedene Zeiten in Berührung
gebracht und die aus der Flotte verschwundenen Quecksilber- und Chlor-
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28
Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
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mengen ermittelt. Nachdem dann festgestellt war, daß bei dieser Anord¬
nung Sublimat aus der Flotte wirklich verschwindet und daß die verschwun¬
dene Sublimatmenge zum Eiweiß des Koagulums in enge Beziehung tritt,
wurde die Art dieser Beziehung näher bestimmt.
Für jede Versuchsreihe wurde eine eigene Portion Rinderserum im Dampftopf
koaguliert, das Koagulum zerschnitten und die erhaltenen Stücke in fließendem
Hochquellenwasser mehrere Tage gewaschen, hernach zum Abtropfen des an¬
haftenden Wassers für einige Stunden in einen Trichter gegeben und dann sofort
für die Versuche verwendet. Nur bei der Versuchsreihe I fand insoferne eine
andere Art der Bereitung statt, als bei ihr die Koagulumstückchen vor der Ver¬
wendung für einige Tage in einen Exsikkator gegeben wurden.
Vor allem war es erforderlich, für jedes in den einzelnen Versuchsreihe»
verwendete Material von hitzekoaguliertem Serum (Ausgangskoagulum) die
Zusammensetzung, also das relative Verhältnis aller Bestandteile in g/g und die
relativen Volumina in ccm/g der einzelnen im Koagulum vorhandenen Phasen
mit hinreichender Genauigkeit festzulegen. Hierzu war das spezifische Gewicht
und das Trocken-, Wasser-, Asche- und Chlorgewicht des feuchten Koagulums
zu bestimmen. Mit den bei diesen Bestimmungen gewonnenen Werten konnten
dann die nötigen Berechnungen ausgeführt werden. Für die Berechnung der
spezifischen Volumina wurde eine Annahme über den Quellungszustand der
Koagula zugrundegelegt, die Reichel 42 ) ausführlich begründet hat. Es wurde
das Koagulum als aus einer praktisch wasserfreien Eiweißphase und einer wässe¬
rigen Lösung wasserlöslicher Salze bestehend betrachtet. Die wasserunlösliche
Asche konnte dann entweder als in der Eiweißphase, sei es chemisch, sei es me¬
chanisch gebunden oder als dritte mineralische Phase im Koagulum gegenwärtig
betrachtet werden.
Ein übertrieben genaues Rechnen war für unseren Fall hier und auch bei
den späteren Berechnungen nicht am Platze. Wenn auch das Einwägen der feuch¬
ten Koagulumstückchen in geschlossenen Wägegläschen hzw. in mit gut schlie¬
ßenden Stöpseln versehenen Kolben ausgeführt wurden, so daß die Wasserver¬
dunstung während der Wägung nach Möglichkeit vermieden wurde, konnten doch
die einzelnen Koagulumstückchen, die zur Bestimmung des spezifischen Gewich¬
tes und der Zusammensetzung des feuchten Koagulums, sowie für die Einzel¬
versuche verwendet wurden, schon vor der Wägung in verschiedenem Grade
Wasser oberflächlich anhaften haben bzw. konnte dieses ihnen durch Verdunstung
entzogen sein. Die Fehler bei der Einwage beeinflussen natürlich die Genauig¬
keit aller sich an sie anschließender Bestimmungen, sowie auch die des spezifi¬
schen Gewichtes des feuchten Koagulums und des Gewichtes des Trockenkoagu-
lums, des Eiweißes, des Wassers und des Kochsalzes.
Das Einw r ägen für die Einzelversuche einer Versuchsreihe, das Einwägen
für die Wasser-, Aschen- und Chlorbestimmung des feuchten Koagulums und die
für die Ermittlung seines spezifischen Gewichtes nötigen Wägungen wurden in
unmittelbarer Aufeinanderfolge und somit bei der gleichen Temperatur ausge¬
führt. Um die Wasserverdunstung während der Wägung nach Möglichkeit zu
verhüten, erfolgte die Wägung der Koagulumstückchen in geschlossenen Wäge¬
gläschen bzw. in Kolben mit gut schließenden Stöpseln.
Wegen des Nichtfunktionierens der Heizanlagen im Wägezimmer herrschte
nicht bei den Wägungen aller Versuchsreihen die gleiche Temperatur, jedoch
fanden die Wägungen ein und derselben Bestimmung bzw. Versuchsreihe bei
ziemlich derselben Temperatur statt. Jedenfalls waren die Temperaturdifferen-
zen niemals so stark, daß sie unter den gegebenen Bedingungen von Einfluß auf
die Resultate gewesen wären.
Die Bestimmung des spezifischen Gewichtes der feuchten
Koagula erfolgte durch Wägung nach der Pyknometermethode. Der ermittelte
Wert wurde auf den leeren Raum und auf Wasser von 4° C reduziert.
Der Gehalt an Trockenkoagulumgewicht (m te ) und Aschengewicht
( m a ) in g/g wrurde durch Wägung bestimmt. Der Gehalt an Wassergewicht
(ffiHaO) und Eiweißgewicht (m e ) in g/g < rgnb sich nach den Formeln
m H ,o = 100 — m tc und m e = m tc — m G .
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Von Dr. Viktor Gegenbauer.
29
in der Asche wurde qualitativ Natrium, Kalzium, Magnesium, Chlor, Schwe¬
felsäure und Phosphorsäure nachgewiesen. Wegen der Größe der Einwage
(10—20 g) und der bedeutenden Unterschiede der spezifischen Gewichte des
feuchten und des trockenen •Koaguiums einerseits und der Messinggewichte
anderseits war die Durchführung der Reduktiousrechnung bei den Wägungen
dieser Substanzen erforderlich. Für die Aschen Wägungen war eine solche Reduk¬
tionsrechnung nicht notwendig, da von diesen Substanzen nur wenige hundertstel
Gramme zur Wägung kamen. Für das feuchte Koagulum ergab sich der Reduk¬
tionsfaktor einfach aus dem jeweilig ermittelten Werte des spezifischen Gewichtes.
Er betrug bei den Versuchsreihen II, III, IV, VIII, IX 1,03, bei den Versuchsreihen
V, VI, VII 1,02 und bei der Versuchsreihe I 1,01.
Etwas umständlicher war die Ermittlung des spezifischen Gewichtes
beim trockenen Koagulum. Dieser Wert mußte berechnet werden, da eine
nur einigermaßen exakte Bestimmung weder nach der Pyknometer- noch nach der
Schwebemethode gelang. Die nach diesen Methoden gefundenen Werte waren
stets viel niedriger als die bei einer beiläufigen Rechnung erhaltenen. Die Erklä¬
rung gab die Beobachtung des Verhaltens der Trockenkoagulumstückchen im
Wasser. Aus den ins Wasser geworfenen Stückchen sah man stets Luftblasen
entweichen, die teilweise an den Stückchen hängen blieben. Ein Teil der Sub¬
stanz schwamm sogar auf dem Wasser. Offenbar entstehen durch die Wasser¬
verdunstung lufterfüllte Räume. Durch Drücken mit dem Glasstab ließ sich
die Luft aus den Hohlräumen und die Luftblasen, die den Koagulumstückchen
anhafteten, in nur ganz unzulänglichem Ausmaße entfernen. Ein Zerreiben der
getrockneten Koagulumstückchen führte nicht zu dem gewünschten Erfolg, da
auch an den einzelnen Partikelchen Luftblasen hafteten.
Für die Berechnung ergab sich das spezifische Gewicht des trockenen Koagu-
lums nach der \Formel s#- = —- durch Division des Geweichtes des trockenem
»tc
Koaguiums durch sein Volumen. Zur Berechnung des Volumens des trockenen
Koaguiums wurde angenommen, daß die Asche aus im Wasser des feuchten
Koaguiums gelösten Kochsalz und dann hauptsächlich aus neutralen bei der
Hitzekoagulation in unlöslicher Form ausgeschiedener Karbonaten und Phos¬
phaten der Erdalkalien bestehe. Das Gewicht des ersteren war durch die Chlor¬
bestimmung ermittelt, das der letzteren — der wasserunlöslichen Asche -— durch
Abzug des Kochsalzgewichtes von der Gesamtasche berechnet. Diese Annahme
erschien wohl von vornherein als gegeben, da die Asche durch das mehrtägige
Waschen hauptsächlich aus wasserunlöslichen Salzen bestehen mußte. Gestützt
wurde sie durch die festgestellte Tatsache, daß sich das Kochsalz — der Haupt¬
repräsentant der wasserlöslichen Salze — im gewaschenen Koagulum auf 3 bis
9,7% seines Gehaltes im Serum, die übrigen Salze, unter denen sich die durch
Hitzekoagulation unlöslich abgeschiedenen Karbonate und Phosphate befanden,
nur auf 36—54% ihres Gehaltes im Serum verringert hatten. Während nämlich
im Serum die Gesarntasche ungefähr 0,9%, das Kochsalz 0,6% und die übrigen
Salze 0,3% ausmachen, betrugen diese Werte im verwendeten gewaschenen
Koagulum in derselben Reihenfolge 0,134—0,209%, 0,018—0,057% und 0,109
bis 0,163%. Ferner wurde angenommen, daß die außer den Eiweißkörpern im
Serum vorhandenen organischen Stoffe durch das mehrtägige Waschen ganz
oder bis zu praktisch belanglosen Resten ausgewaschen waren.
Unter Berücksichtigung dieser Annahmen ergab sich daher mit einer für
die vorliegenden Verhältnisse genügenden Genauigkeit die Zusammensetzung
der Koagula wie folgt. Das feuchte Koagulum bestand aus Eiweiß, wasser¬
unlöslicher Asche und einer wässerigen Kochsalzlösung, das trockene Kaogulum
aus Eiweiß und Gesamtasche, das ist der Summe der wasserunlöslichen Asche
und dem in der wässerigen Kochsalzlösung enthaltenen und beim Trocknen
ausgeschiedenen Kochsalz.
Der Gehalt an Ko ch salz ge wicht in g/g (mNaCi) ergab sich aus der Kochsalz¬
bestimmung, der an Gewicht der wasserunlöslichen Asche (m ula ) nach der
Formel
m ula = m a — m NaCl-
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80
Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
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Das Volumen des trockenen Koagulums war zu erhalten, wenn man voin
Volumen des feuchten Koagulums das Volumen der im feuchten Koagulum vor¬
handenen Kochsalzlösung abzog und das Volumen des bei der Trocknung aus die¬
ser Kochsalzlösung ausgeschiedenen Kochsalzes hfnzuaddierte.
»U = v e — v H t O + NaCl + *>NaCl.1)
Der Wert für das relative Volumen des feuchten Koagulums in ccni/g
wurde nach der Formel
mc
•c
2 )
durch Division der Zahl 100 durch das spezifische Gewicht des feuchten Koagulums
erhalten.
Zur Berechnung des relativen Volumens wässriger Kochsalzlösung
in ccm/g
°H,0 f NaCl
mn t O + NaCl
SH t O -f NaCl
3)
war zum Gehalt des Koagulums an Wasser in g/g der aus der Kochsalzbestim¬
mung bekannte Gehalt an Kochsalz in g/g zu addieren, um den Gehalt in g/g an
wässeriger Kochsalzlösung mH*o 4 NaCl zu erhalten, sodann aus dem Verhältnis
von Kochsalz zu Wasser der Gewichtsprozentgehalt der wässerigen Kochsalz¬
lösung zu berechnen und das diesem Gewichtsprozentgehalt entsprechende
spezifische Gewicht *H,0 + NaCl durch Interpolation aus den Kohlrausch -
sehen Angaben zu entnehmen.
Durch Interpolation aus den Kohlrauschschen Angaben berechnete Tabelle
der spezifischen Gewichte von Kochsalzlösungen bei 18° G, bezogen auf Wasser
von 4°C.:
Spezifisches Gewicht *H,o-bNaCi* % NaCl g/g
0,99862 0,00
1,00007 0,01
1,00014 0,02
1,00022 0,03
1,00029 0,04
1,00036 0,05
1,00043 0,06
1,00050 0,07
1,00057 0,08
1,00065 0,09
1,00072 0,10
Die Kohlrauschschen Werte und somit die aus ihnen gerechnete Tabelle
beziehen sich auf Lösungen bei 18° C. Die Wägungen einer Versuchsreihe (III)
wurde bei dieser Temperatur die zweier weiterer (II und IV) bei ziemlich nahe an
18° C liegenden Temperaturen ausgeführt. Bei den übrigen Versuchsreihen (I,
V, VI, VII, VIII, IX) lag die Wägungstemperatur allerdings etwas weiter von
18° C entfernt. Doch sind bei den niederen Konzentrationen der Kochsalz¬
lösungen, wie sie für die vorliegende Berechnung allein in Frage kamen, die Un¬
terschiede der spezifischen Gewichte verschieden temperierter Lösungen inner¬
halb der hier in Betracht kommenden Grenzen (12° C bis 24° C), wie ein Vergleich
mit einer durch Interpolationsrechnung aus den Gerl ach sehen Angaben für
Lösungen von 15° C berechneten Tabelle ergab, so geringfügig, daß praktisch
auch für diese Temperaturen die obige Tabelle benützt werden konnte.
Das relative Kochsalzvolumen in ccm/g ergab sich nach der Formel
mNaCl ,.
• ° N * C1 = w . 4)
wo mNaCl den Gehalt in g/g an Kochsalz und 2,13*) das spezifische Gewicht des
Kochsalzes bedeutet.
*) Auch die anderen in Betracht kommenden wasserlöslichen Salze haben
ähnliche spezifische Gewichte: CaS0 4 = 2,97 Na,C0 3 = 2,5, MgCl 3 = 1,558,
MgS0 4 = 2,65, Na*S0 4 = 1,48, CaCl t = 2,24.
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w
31
Setzt man nun in Gleichung 1 die rechtstehenden Ausdrücke der Gleichungen 2
bis 4 ein, so erhält man für aas relative Volumen des Trockenkoagulums
m e m H t O + NaCi , ™NaCl
-- 1 - o ,o
•c «H.0 + NaCl 2,13
. 5)
und für sein spezifisches Gewicht
m c m H,0 -f- NaC l ^ w NaCl . 6 )
8 e «H.O + NaCl 2 >*3
Die für die Berechnung des spezifischen Gewichtes des Trockenkoagulums
erforderlichen Komponenten sind somit alle auf einfache Weise zu gewinnen.
Nur setzt die Formel eigentlich schon das Bekanntsein des gesuchten spezifischen
Gewichtes des Trockenkoagulums zur Reduktion des durch Wägung iestgestell-
ten Gewichtes des Trockenlcoagulums voraus. Da jedoch durch diese Reduktion
nur eine kleine Korrektur des gefundenen Wertes erzielt wird, so wurde zunächst
das gefundene Trockenkoagulumgewic.ht mit dem durch die Pyknometermessung
gewonnenen höchsten Näherungswert reduziert. Mit den auf diese Weise gewonne¬
nen mfc- und mH.O-Werten wurde das spezifische Gewicht des Trockenkoagulums
in erster Annäherung berechnet. Nun wurde mit diesem gewonnenen Näherungs¬
wert des spezifischen Gewichtes des Trockenkoagulums die Reduktionsrechnung
nochmals durchgeführt und dann das spezifische Gewicht des Trockenkoagulums
neuerdings berechnet, was nur eine Korrektur um wenige Einheiten in der vierten
Dezimale ergab.
Das arithmetische Mittel der bei den einzelnen Versuchsgruppen erhaltenen
Werte lautet 1,3376, der mittlere Fehler der Einzelmessunc e = ± 0,0145, der
mittlere Fehler des Mittelwertes E = ± 0,0048, woraus sich als mittlerer Wert
für das spezifische Gewicht des Trockenkoagulums ergibt
*te> msd = 1,3376 ± 0,00145
und als Variationskoeffizient (perzentuelles Verhältnis des mittleren Fehlers der
Einzelmessung zum arithmetischen Mittel) der Wert 1,08%, was in Anbe¬
tracht der schon erwähnten Fehlerquellen bei der Wägung und des variablen
Aschengehaltes des Trockenkoagulums als eine leidlich gute und für die vor¬
liegenden Zwecke sicherlich hinreichende Übereinstimmung der gefundenen
Werte angesehen werden darf. Mit Hilfe des diesem Mittelwert entsprechenden
Reduktionsfaktors K = 0,75 wurden alle mit Messinggewichten ausgeführten
Wägungen der Trockenkoagula auf den leeren Raum reduziert.
Zur Bestimmung des Kochsalzes wurde eine gewogene Partie des feuchten
Koagulums in einer Nickelschale mit Wasser übergossen, Soda und Salpeter
zugesetzt und nach dem Abdampfen der Hauptmenge des Wassers am Wasser-
bade im Trockenschrank getrocknet und dann bei gelinder Wärme verascht.
Die erkaltete Schmelze wurde unter Erwärmen in Wasser gelöst,, mit Salpeter¬
säure angesäuert und das Chlor in der Lösung nach Volhard bestimmt. Das
gefundene Chlor wurde als an Natrium gebunden angenommen.
Die Berechnung des relativen Volumens des feuchten Koagulums, der wässe¬
rigen Kochsalzlösung und des Kochsalzes wurde bereits gesprochen. Somit
erübrigt sich nur noch die Darlegung der Berechnung des relativen Volumens
der wasserunlöslichen Asche und des Eiweißes in ccm/g.
Das relative Volumen der wasserunlöslichen Asche in ccm/g ergab
sich nach der Formel
v ula
m ula
2,8
. 7 )
durch Division des perzentuellen Gehaltes in g/g an wasserunlöslicher Asche
durch die Zahl 2,8.
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1
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32 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
Der Wert 2,8 für das spezifische Gewicht der wasserunlöslichen Salze isI
der Mittelwert der spezifischen Gewichte der hauptsächlich in Betracht kommen¬
den Salze wie
CaS0 4 = 2,72 Ca 8 (P0 4 ) 2 =3,18 CaC0 3 = 2,70
MgS0 4 = 2,90 Mg,P 2 0 7 = 2,40 MgGO, = 2,90
Das relative Ei weiß Volumen in ccm/g endlich ergab sich als Differenz
des relativen Volumen des feuchten Koagulums und der Summe der relativen
Volumina der im feuchten Koagulum enthaltenen wässerigen Kochsalzlösung
und der wasserunlöslichen Asche
v e = v r — ( v H t O ; NaCl + V ula ) = —
s e
i m H t O NaCl . m ula
\ *H,0 | NaCl 2,8 ,
8 )
Die Resultate dieser Bestimmungen und Berechnungen sind in Tabelle 1
(largestellt.
Wie bereits erwähnt, wurde das Einwägen für die Einzelversuche
einer Versuchsreihe, das Einwägen für die Bestimmung der Zusammen¬
setzung der verwendeten Koagulumpartien sowie die für die Ermittlung
seines spezifischen Gewichtes nötigen Wägungen unmittelbar hintereinan¬
der ausgeführt. Hiedurch sollte eine möglichst gute Übereinstimmung
der Zusammensetzung der verwendeten Koagulumstückchen einer Versuchs¬
reihe untereinander und mit der ermittelten erzielt werden.
Sofort nach Beendigung der Wägungen wurden die mit gut schließen¬
den Glasstopfen versehenen Erlenmayerkolben, in denen die für die
einzelnen Versuche bestimmten Koagulumstückchen eingewogen waren,
in jeder Versuchsreihe mit der gleichen Menge (meist 100 ccm, bei den Ver¬
suchen der Versuchsreihe IV 50 ccm) verschieden konzentrierter Sublimat¬
lösungen beschickt und in einen auf 20—22° C eingestellten Vegetations¬
schrank gegeben. Die verschieden konzentrierten Sublimatlösungen
waren durch entsprechendes Verdünnen von Sublimatstammlösungen
hergestellt. Nach bestimmten Zeiten (% Stunde bis 15 Tagen) wurde
der Gehalt der Flotte an Quecksilber und in der überwiegenden Mehrzahl
der Fälle auch an Chlor in filtrierten Partien derselben festgestellt.
Das Quecksilber wurde stets gewichtsanalytisch als Sulfid bestimmt.
Zu seiner Bestimmung in der Sublimatstammlösung und in der Flotte wurden je
10 ccm mit Wasser verdünnt, etwas Salzsäure zugesetzt, die Lösung zum Sieden
erhitzt und Schwefelwasserstoffgas bis zur Sättigung eingeleitet. Nach 12-stün-
digem Stehen wurde der schwarze Niederschlag auf einem getrockneten und ge¬
wogenen Glaswollefilter gesammelt, mit Wasser gewaschen und das Filter bei
100° C getrocknet. Um beigemengtenSehwefel zu entfernen, wurde dann nach
dem Abkühlen der Niederschlag mit einigen ccm Schwefelkohlenstoff ge¬
waschen, der Schwefelkohlenstoff durch Äther verdrängt und das Filter noch¬
mals bei 100 0 G bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Eine Reduktionsrechnung
auf den leeren Raum war bei den Wägungen des Quecksilbersulfidnieder¬
schlages wegen der geringen Differenz zwischen seinem spezifischen Gewicht
und dem der Messinggewichte nicht erforderlich. Das gewogene Quecksilbersulfid
wurde auf Sublimat umgerechnet.
Die Bestimmung des Chlors in der Flotte erfolgte nach der Methode von
Volhard, nachdem das Quecksilber entfernt und die eventuell vorhandenen
organischen Substanzen zerstört waren. 10 ccm der Flotte wurden verdünnt,
mit Salpetersäure schwach angesäuert, erwärmt und in die Lösung Schwefel¬
wasserst offgas bis zur Sättigung eingeleitet. Hiedurch wurde nach der Formel
HgCl 2 +SH a = HgS-f 2 HCl alles Quecksilber als unlösliches Sulfid ausgeschieden
und das im Sublimat vorhandene Chlor in Salzsäure übergeführt. Nach 12-stün-
digem Stehen wurde vom ausgeschiedenen Quecksilbersulfid abfiltriert, der
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Von Dr. Viktor Gegenbauer.
33
Niederschlag mit Wasser gewaschen, das Filtrat mit salpetersaurem und kohlen¬
saurem Natron versetzt und am Wasserbade in einer Nickelschale eingedampft.
Falls die vor dem Eindampfen auf ihre Reaktion geprüfte Flüssigkeit freie Säure
enthielt, wurde noch solange kohlensaures Natron zugesetzt, bis die Flüssigkeit
deutlich alkalisch reagierte. Nach dem Verdampfen der Hauptmenge des
Wassers wurde die Nickelschale in einen Trockenschrank gestellt und der Rück¬
stand nach vollständigem Trocknen bei gelinder Wärme geschmolzen, wobei das
Na^S, das sich aus dem überschüssigen SH 2 und dein Na 2 G0 3 gebildet hatte, zu
Na 2 S0 4 oxydiert und eventuell vorhandene organische Substanz zerstört wurde.
Die erkaltete Schmelze wurde dann durch Erwärmen in Wasser gelöst, mit Sal¬
petersäure angesäuert und das Chlor in der Lösung nach Volhard titriert.
Zur Berechnung aller Analysen wurden die internationalen Atomgewichte
des Jahres 1919 genommen.
Das Gewicht der eingewogeuen Koagulumstückchen wurde, wie früher be¬
schrieben, auf den leeren Raum reduziert. 10 ccm Sublimatstammlösung enthiel¬
ten mg HgCl 2
bei Versuchsreihe Nr. I .197,5
» » » II u. III .. . 594,8
» » » IV, V, Va, VI . 599,2
» » »VII . 655,8
» » * VIII. 696,6
Eine Durchsicht der Analysenresultate ließ erkennen, daß bei der Be¬
rührung von Rinderserumkoagulum und Sublimatlösungen sowohl Queck¬
silber wie Chlor aus der Flotte verschwunden waren 1 ).
Rechnete man nun die den gefundenen Quecksilbersulfidmengen
nach der Formel des Sublimates äquivalenten Chlormengen aus und ver-
f lich sie mit den analytisch gefundenen, so ergab sich eine leidlich gute
Jbereinstimmung dieser Werte, was offenbar nur die eine plausible Deutung
zuließ, daß nämlich Quecksilber- und Chloratome in Form von Sublimat-
molekülen verschwunden waren.
Die Größe der Abweichung zeigte gruppenweise für Lösungen mit verschie¬
denem Sublimatgehalt gemittelt keinen Gang, wie die folgende kleine Zusammen¬
stellung zeigt:
Sublimatgehait ln
Mittel der
Anzahl der
10 ccm Flotte: g
Abweichungen
Versuche
0,01—0,04
0,00068
3
0,04—0,07
0,00088
6
0,07—0,10
0,00098
7
0,10—0,20
0,00102
14
0,20—0,30
0,00095
11
0,30—0,50
0,00102
8
über 0,50
0,00079
4
Nach diesem Verhalten mußte die Ursache der Abweichung eine solche sein,
die unabhängig vom Sublimatgehalt der Flotte einen annähernd gleich großen
absoluten Wert dieser Abweichung bedingte.' Es kamen hierfür in der Haupt¬
sache bei der Chlorbestimmung einerseits Fehler beim Abmessen der zugesetzten
n/10 Silbernitratlösung und beim Zurücktitrieren mit der n/10 Rhodanlösung,
anderseits der Übergang von Serum-Kochsalz und von Chloriden früher wasser¬
unlöslicher Kationen (was später erklärt werden wird) aus dem Koagulum in die
Flotte, bei der Quecksilberbestimmung ihrem absoluten Werte nach gleich
große Verluste beim Filtrieren in Betracht.
Über das Schicksal dos verschwundenen Sublimates sagten diese Ver¬
suche nichts aus. Doch schien die Annahme, daß das verschwundene
1) Eine Veröffentlichung der Analysenresultate dieser sowie der späteren
Versuche mußte wegen der Papiernot unterlassen werden. Sie wird eventuell
später nachgeholt.
Archiv fflr Hygiene. Bei. 90. 3
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34
Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
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Sublimat zu dem Eiweiß des Koagulums in enge Beziehung getreten war,
wohl von vornherein als gegeben. Allerdings könnte eventuell der Ein¬
wand gegen diese Deutung der Versuche erhoben werden, daß nämlich
das Verschwinden des Sublimates dadurch bedingt sei, daß das Sublimat
durch irgendwelche reduzierende Prozesse als unlösliches Kalomel ausge¬
schieden sein könnte. Eine solche Reduktion wäre immerhin bei der An¬
wesenheit von Eiweißkörpern denkbar gewesen. Auch in einem solchen
Falle müßte natürlich der Quecksilbergehalt der Endflotte gegenüber dem
der Ausgangsflotte verringert sein, da ja die Quecksilberbestimmung in
der filtrierten Flotte ausgeführt wurde. Allerdings hätte sich auch in diesem
Falle eine stärkere und mit zunehmendem Sublimatgehalt der Flotte an¬
steigende Differenz zwischen der analytisch gefundenen und der aus den
Quecksilbersulfidwerten unter obiger Annahme berechneten Chlormengen
ergehen müssen, da ja beim Übergang von Sublimat in Kalomel die Hälfte
des Chlors des zu Kalomel reduzierten Sublimates als Salzsäure in der fil¬
trierten Flotte zurückgeblieben wäre.
Um diesen Einwand vollends zu entkräftigen und die Annahme,
daß das verschwundene Sublimat zu dem Eiweiß des Koagulums in enge
Beziehung getreten war, durch Versuche zu stützen, wurde in zwei Einzel¬
versuchen das eingewogene Koagulumstück nach 15-tägigem Verweilen
in der Sublimatlösung aus dieser herausgenommen, gewogen, mit Salzsäure
und chlorsaurem Kalium zerstört und dessen Quecksilbergehalt bestimmt.
Diese Versuche sind in Tabelle 2 dargestellt. Durch diese zwei Versuche
sollte auch unter einem die Stichhältigkeit der gemachten Annahme be¬
bewiesen werden, daß die das Koagulum durchtränkende Flüssigkeit die¬
selbe Zusammensetzung habe wie die Flotte, was in Analogie zum Verhalten
von Kochsalz- und Phenollösungen zu Eiweißkoagula (Reichel 42 ) ebenfalls
als gegeben erschien.
Das Gewicht der Flotte, die in den zur Ermittlung ihres Quecksilbergehaltes
verwendeten Koagulumstückchen imbibiert war und an ihnen anhaftete, ergab
sich aus der Differenz des Gewichtes dieser Koagulumstückchen und ihres Gehaltes
an Trockenkoagulum (Stab 6). Ersterer wurde durch Wägung festgestellt, letz¬
teres war bei der Versuchsreihe I der hundertste Teil des Produktes des Ge¬
wichtes des Ausgangskoagulums (das durch Wägung ermittelt war) und seines
relativen Trockenkoagulumgewichtes (Tabelle 1), bei Versuchsreihe X das Ge¬
wicht des Ausgangskoagulums selbst. Das Volumen der irnbibierten und an¬
haftenden Flotte (Stab 7) wurde nach bekannten Beziehungen durch Division
ihres Gewichtes durch das spezifische Gewicht der Flotte berechnet, welch
letzteres, da die Flotte praktisch als reine Sublimatlösung aufzufassen war,
aus dem bekannten Sublimatgehalt der Endflotte mit Hilfe einer durch Umrech¬
nung und Interpolation aus der Schröderschen Tabelle über die Volumgewichte
von Lösungen von Quecksilberchlorid bei 20° G erhalten wurde. Diese Umrech¬
nung der obgenannten Tabelle mußte deshalb erfolgen, weil in ihr sich die Kon¬
zentrationsangaben auf g/g beziehen, während für den vorliegenden Zweck die
Angaben in g/ccm erforderlich waren 1 ). Die Schröderschen Werte und die
umgerechneten Konzentrationsangaben sind in der folgenden Tabelle dargestellt.
1) Ist s das spezifische Gewicht der Sublimatlösung, K die diesem spezifi¬
schen Gewicht entsprechende Konzentration der Sublimatlösung in g/g und v
das dieser Konzentration entsprechende spezifische Volumen, so ist die s ent-
sprechende Konzentration der Sublimatlösung in g/ccm — und da 1/s ist
auch K$. ü
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Tab olle 1. Versuche mit feuchtem Kimlerserumcoogulum.
Spezifisches Gewicht und Zusammensetzung der verwendeten Rinderserumcoagula.
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Studien über die Desinfektionswirkling des Sublimates.
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Durch Interpolation und Umrechnung aus den Schröderschen Angaben
berechnete Tabelle der spezifischen Gewichte von Sublimatlösungen bei 20° C
bezogen auf Wasser von 4°C.:
Spezifisches
V. HgCl,
"/• HgCl,
Gewicht
g/g
g/ccm
0,99823
0,0000
0,0000
1,0060
0,8754
1,0072
1,0000
1,0072
1,0092
1,2720
1,0096
1,3260
1,0148
2,0000
2,0296
1,0186
2,4895
1,0236
3,0000
3,0708
1,0323
4,0000
4,1292
1,0411
5,0000
5,2055
Der Quecksilbergehalt der im Koagulumstückchen imbibierten und der an
ihm anhaftenden Flotte (Stab 8) wurde als der hunderste Teil des Produktes
des Volumens dieser Flüssigkeit und des perzentuellen Quecksilbergehaltes der
Endflotte angenommen. Letzterer ergab sich aus dein perzentuellen Sublimat¬
gehalt der Endflotte. Der Quecksilbergehalt des analysierten Koagulums (Stab 9)
ergab sich aus der gefundenen Quecksilbersulfidmenge. Der Quecksilbergehalt
des Eiweißes des analysierten Koagulums (Stab 10) wurde durch Subtraktion
des angenommenen Quecksilbergehaltes der imbibierten und anhaftenden Flotte
vom Quecksilbergehalte des analysierten Koagulums erhalten. Die aus der Flotte
verschwundene Quecksilbermenge wurde aus der aus der Flotte verschwundenen
Sublimatmenge berechnet (Stab 11). Bei der Versuchsreihe X kam Trockenkoa-
gulum zur Anwendung. Dasselbe bestand aus 98,85% Eiweiß. Der Sublimat-
gehalt der Endflotte betrug 2,491%, die verschwundene Sublimatmenge 0,7149 g.
Die erforderlichen Daten für Versuch I sind aus Tabelle 3 zu entnehmen.
Die in den zwei vorliegenden Versuchen im Eiweiß des Koagulums
gefundenen Quecksilbermengen zeigten eine gute Übereinstimmung mit
jenen Quecksilbermengen, die aus der Flotte verschwunden waren. Die
perzentuelle Abweichung zwischen beiden Werten (1,32% bzw. 1,68%)
ist wohl in Anbetracht der schon früher erwähnten vielen Fehlerquellen
bei den Wägungen des Ausgangstnaterials als gering und durch unvermeid¬
liche Beobachtungsfehler als hinreichend erklärt zu betrachten. Würde
auch nur ein Teil der aus der Flotte verschwundenen Sublimatmenge
zu Kalomel reduziert worden sein, so hätte die perzentuelle Abweichung
einen weitaus größeren Wert ergeben müssen.
Das Resultat der beiden Versuche zeigte also, daß tatsächlich das aus
der Flotte verschwundene Sublimat zum Eiweiß des Koagulums in enge
Beziehung getreten war. Es ist ferner auch ein Beleg für die Richtigkeit
der Annahme, daß die Zusammensetzung der das Koagulum durchtränken¬
den Flüssigkeit auch im vorliegenden Falle mit ausreichender Annäherung
als identisch der Zusammensetzung der Flotte anzusehen sei, da ja diese
Annahme der Berechnung der Versuche zugrunde gelegt war und daher
für den Fall ihres Nichtzutreffens sich keine so gute Übereinstimmung
der gefundenen und verschwundenen Quecksilbermenge hätte ergeben
können. (Siehe Tabelle 2.)
Welche Art von Beziehung zwischen Eiweiß und Sublimat nun anzu¬
nehmen war, ist nach dem Resultat der bisherigen Versuche noch unent¬
schieden. Es konnte sich entweder um eine Adsorption des Sublimates
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37
an die Oberfläche des Eiweißes oder um eine Verteilung zwischen Eiweiß
und Wasser nach konstantem Faktor (Henrysche Verteilung) oder
schließlich um eine chemische Bindung zwischen Sublimatmolekülen
oder den einzelnen Atomen, aus denen das Sublimatmolekül besteht,
einerseits und den Eiweißmolekülen des Koagulum anderseits handeln.
Auch an eine Kombination zweier oder mehrerer der genannten Möglich¬
keiten war zu denken.
Zunächst war zur Klärung dieser Frage zu berechnen, wie sich die ver¬
schwundene Sublimatmenge zu der im jeweiligen Versuch gegenwärtigen
Eiweißmehge verhalten hatte (Tabelle 3, Stab 9). Hiebei zeigte sich,
daß die verschwundene Sublimatmenge in keinem konstanten Verhältnisse
zum Eiweiß stand, und daß die pro Gramm Eiweiß verschwundene Menge
einen Gang mit der Konzentration der Endflotte zeigte, und zwar in dem
Sinne, daß den höheren Flottenkonzentrationen absolut größere, aber rela¬
tiv geringere Sublimatverluste pro Gramm Eiweiß entsprachen. Der¬
artige Beziehungen gelten in der Literatur vielfach als Beweis für Adsorp¬
tionsvorgänge. Tatsächlich handelt es sich auch bei der Adsorption um
eine Erscheinung, die durch eine paraboloide gegen die Achse der Flotten¬
konzentration konkav gekrümmte Kurve beschrieben wird. Der Beweis,
daß Adsorption vorliegt, erfordert aber noch den Ausschluß chemischer
Bindung und von Lösungsbeziehungen und den Nachweis voller Reversibili¬
tät. In vielen Fällen begnügen sich aber die Autoren bloß mit der Fest¬
stellung, daß die gewonnenen Resultate der durch Freundlich aufgestell¬
ten Adsorptionsgleichung entsprechen, um einen Vorgang als Adsorption
zu erklären.
Schon Procter 43 ) und nach ihm wieder Gegenbauer und Reichel 44 )
haben darauf hingewiesen, daß die Summation von chemischen Bindungs¬
werten und Verteilungsgleichgewichtszahlen zu scheinbaren Adsorptions¬
kurven führen kann, wie es z. B. bei Salzsäure und Eiweiß tatsächlich der
Fall ist. Zur Klärung der Frage der chemischen Bindung wurden die fol¬
genden Versuche ausgeführt.
In der Mehrzahl der Versuche wurden die Koagulumstückchen, nach¬
dem sie die bestimmten Zeiten mit den verschieden konzentrierten Subli¬
matlösungen in Berührung waren, aus diesen herausgenommen und solange
in fließendem Hochquellenwasser gewaschen, bis sich in 50 ccm Wasser,
das 12 Stunden mit ihnen in Berührung war, kein Quecksilber nachweisen
ließ. War dieser Zustand erreicht—was durchschnittlich nach 8- bis 10-tägi-
gem Waschen eintrat — so wurden die Stücke aus dem Wasser genommen,
von dem oberflächlich anhaftenden Wasser durch leichtes Abtupfen mit
Filtrierpapier befreit und in zwei zuweilen drei Partien geteilt, deren Ge¬
wicht durch Wägung bestimmt wurde. In der ersten Partie wurde der
Wasser-, in der zweiten der Quecksilber-, in der eventuellen dritten der
Chlorgehalt bestimmt. Durch diese Versuche sollte festgestellt werden,
ob das Sublimat als solches oder jedes seiner Atome für sich oder schlie߬
lich eventuell nur eines der beiden Atome des Sublimates mit dem Eiweiß
des Koagulums eine chemische Bindung eingegangen war. War doch zu
erwarten, daß im allgemeinen chemische Bindungen durch das Waschen
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38 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
nicht zu trennen seien, ad-, und absorbierte Sublimatmengen aber bei ge¬
nügend langem Auswaschen sich eben entfernen lassen würden.
Bei diesen Versuchen wurde zur Bestimmung des Reduktionsfaktors für das
Gewicht des gewaschenen Koagulums dessen spezifisches Gewicht auf folgende
Weise annähernd berechnet. Zunächst wurde mit dem abgekürzten Reduktions¬
faktor K = 1,00 der bei der Wägung erhaltene Wert für das gewaschene Koagulum
reduziert. Mit Hilfe dieses reduzierten Wertes wurde der Wassergehalt in erster
Annäherung berechnet. Dann wurde durch Interpolation der in Tabelle 1 ent¬
haltenen Werte des spezifischen Gewichtes des feuchten Koagulums für den höch¬
sten und niedersten Wassergehalt (Versuchsreihe I und IX) der Wert für das spe¬
zifische Gewicht des gewaschenen Koagulums, der dem bei der ersten Berech¬
nung ermittelten Wassergehalt entsprach, berechnet und der dazu gehörige Re¬
duktionsfaktor aufgesucht. Mit ihm wurde dann die endgültige Rechnung
durchgeführt. Die Differenz zwischen der ersten und zweiten Berechnung war sehr
gering, betrug meist nur einige Zehntelmilligramme. Diese Art der Berechnung
erschien für den vorliegenden Fall als hinreichend genau, obwohl sie mehrere
Korrekturen unberücksichtigt ließ, wie den Einfluß der Temperatur und das
Fehlen von Asche im gewaschenen Koagulum. Asche wurde nämlich im gewasche¬
nen Koagulum nur in unwägbaren Spuren gefunden. Zur Reduktion des Gewichtes
des Trockenkoagulums wurde, wie bereits erwähnt der Faktor K = 0,75 ge¬
nommen.
Zur Bestimmung des Quecksilbers in den gewaschenen Koagulumstückchen
wurden gewogene Partien derselben in einem mit einem Uhrglas bedeckten
Erlenmayer-Kolben mit konzentrierter Salzsäure übergossen und ca. 6 Stun¬
den am Wasserbade erhitzt. Nach dieser Zeit wurde der Kolben vom Wasserbade
genommen, etwas abkühlen gelassen und chlorsaures Kalium zugesetzt und wieder
am Wasserbade weiter erhitzt. Wurde die Flüssigkeit braun, so setzte man neuer¬
dings chlorsaures Kalium zu und wiederholte diese Zugabe eventuell noch ein
drittes- und viertesmal usw., bis die Flüssigkeit nach längerem Verweilen auf dem
Wasserbade sich nicht mehr braun färbte. Dann setzte man das Erwärmen fort,
bis der Geruch nach Chlor verschwunden war, ließ hernach abkühlen und filtrierte
die Flüssigkeit durch ein Faltenfilter und w T usch dieses mit Wasser aus. In das
Filtrat wurde Schwefelwasserstoffgas bis zur Sättigung eingeleitet und der ent¬
standene Niederschlag nach 12-stündigem Stehen abfiltriert, das Filter samt Nie¬
derschlag in einem kleinen mit einem Uhrglas bedeckten Becherglas mit Salz¬
säure und chlorsaurem Kalium versetzt und am Wasserbade solange erwärmt,
bis sich alles Quecksilbersulfid gelöst hatte, das Filter in seine Fasern zerfallen
und der Chlorgeruch verschwunden war. Nach dem Erkalten wurde die klare
Flüssigkeit von den Papierfasern und dem ausgeschiedenen Schwefel, der von der
Reduktion des Schwefelwasserstoffes durch gechlorte organische Verbindungen
herrührte, abfiltriert, der Rückstand am Filter mit Wasser gewaschen und
in das Filtrat Schwefelwasserstoffgas bis zur Sättigung eingeleitet und das aus¬
gefällte Quecksilbersulfid, wie früher beschrieben, auf einem Glaswollefilter
gesammelt, gewogen und auf Quecksilber umgerechnet.
Die Bestimmung des Chlors im gewaschenen Koagulum erfolgte nach der¬
selben Methode wie beim feuchten Ausgangskoagulum.
Das gewaschene Koagulum war als praktisch aschefrei anzusehen, da sich
niemals wägbare Mengen von Asche bei der Analyse ergaben. Daher entsprach
das Eiweißgewücht dem Trockenkoagulumgewicht. Worauf das Verschwinden
der wasserunlöslichen Salze beruhen dürfte, wird später auszuführen sein. Aus
dem relativen Eiweißgewicht in g/g, der sich aus der Bestimmung des Trocken-
koagulumgewichtes ergab, wurde das Eiweißgewicht der Koagulunlpartie, in
der die Quecksilberbestimmung ausgeführt wurde, nach bekannten Beziehungen
berechnet.
Der relative Sublimatgehalt der Endflotte in g/ccm wurde aus der Queck¬
silbersulfidmenge, die in 10 ccm der Endflotte gefunden wurde, berechnet.
Den Quecksilber- und Chlorgehalt von 1 g Eiweiß des gewaschenen Koagulums
erhielt man durch Division der gefundenen Quecksilber- und Chlormengen durch
das Eiweißgewicht des gewaschenen Koagulums, in dem sie gefunden wurde.
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40 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
In den gewaschenen Koagulumstückchen wurde nun sowohl Queck¬
silber wie Chlor gefunden.
Verglich man aber bei den Versuchen, in denen sowohl Quecksilber-
wie Chlorbestimmungen ausgeführt wurden, die dem gefundenen Queck¬
silber nach der Formel des Sublimates äquivalente Chlormenge mit der
gefundenen Chlormenge, so zeigt sich, daß letztere nur einen Bruchteil
der ersteren ausmachte. Die gefundenen Chlormengen betrugen nämlich
nui* 0,54—29,55%der dem gefundenen Quecksilber äquivalenten, wenn
letzteres als zweiwertig angenommen wurde. Das Resultat dieser Berech¬
nung bewies, daß im gewaschenen Koagulum das Vorhandensein von Sub¬
limat nicht anzunehmen war. Aber auch an eine Bindung zwischen Queck¬
silber und Chlor in der Form von HgCl war nicht zu denken, da in einem
solchen Falle die einem einwertigen Quecksilber äquivalente Chlormenge
hätte zugegen sein müssen. Die gefundene Chlormenge betrug aber nur
1,08—59,10% der einem einwertigen Quecksilber äquivalenten. Die großen
Differenzen, die die perzentuellen Verhältnisse zwischen den gefundenen
Chlormengen und der dem gefundenen Quecksilberwerte äquivalenten
Chlormenge der einzelnen Versuche untereinander aufwiesen, schloß eigent¬
lich a priori schon die Annahme aus, daß das nach dem Waschen im Koagu¬
lum noch vorhandene Chlor sich in Form einer chemischen Bindung mit
dem vorhandenen Quecksilber befinde.
Um nun die Frage zu entscheiden, in welcher Form Quecksilber und
Chlor im gewaschenen Koagulum vorhanden waren, wurde zunächst die
auf ein Gramm Eiweiß des gewaschenen Koagulums entfallende Queck¬
silbermenge berechnet. Dabei ergab sich, daß diese Werte in den Versuchen
mit eintägiger Berührungsdauer von Sublimat und Koagulum annähernd
die gleiche Größe hatten und sich unabhängig von der Konzentration der
Endflotte um den arithmetischen Mittelwert aller Einzelversuche der be¬
treffenden Bertihrungszeit gruppierten. Dies traf auch für die 15-tägige
Berührungsdauer zu, nur lagen hier alle Werte höher, als nach 1-tägiger
Berührungsdauer (Tabelle 3, Stab 8, Fig. 1).
Dieses Ergebnis der Versuche läßt wohl nur die eine Deutung zu, daß
nämlich das im gewaschenen Koagulum v(frhandene Queck¬
silber eine chemische Verbindung mit dem Eiweiß des Koagulums,
etwa in der Form von Protein-Quecksilber, eingegangen war, deren
Bindungsgröße mit der Dauer der Berührung zunahm. Dieses
Quecksilber mußte natürlich aus den in das Eiweiß des Koagulums über¬
gegangenen Sublimatmolekülen stammen.
Der mittlere Wert des Quecksilbergehaltes der im gewaschenen
Koagulum vorhandenen Protein-Quecksilberverbindung beträgt
nach 1-tägiger Berührung von Koagulum und Sublimatlösung:
10,387 + 1,603% (Var.-Koeff. = 15,44%);
nach 15-tägiger Berührung von Koagulum und Sublimatlösung:
_ 16,535 + 2,013% (Var.-Koeff. = 12,18%).
1) In den einzelnen Versuchen lauteten diese Verhältniszahlen: bei 1-stän¬
diger Berührungsdauer 29,55%, 14,35% ; bei 6-stündiger Berührungsdauer 22,56%,
27,80%, 24,65%; bei 1-tägiger Berührungsdauer 11,17%, 7,64%, 0,54%, 5,45%,
14,96%; bei 15-tägiger Berührungsdauer 15,30%, 19,45%, 4,93%, 16,98%.
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Der mittlere Fehler der Einzelmessung ergab nach diesen beiden Be-
rührungszeiten + 1,603 bzw. + 2,013, somit annähernd die gleichen Werte,
woraus sich schließen läßt, daß die Unsicherheit der Beobachtung in beiden
Fällen gleich groß und offenbar durch die angewandte Methodik bedingt
war. Der mittlere Fehler des Mittelwertes betrug + 0,368 bzw.+ 0,581.
Nach einer Berührungsdauer von nur */ 4 und 1 Stunde zeigte sich
hingegen eine Abhängigkeit der auf 1 g Eiweiß des gewaschenen Koagulums
entfallenden Quecksilbermenge von der Konzentration der Endflotte.
Hier entfielen bei höheren Konzentrationen der Endflotte mehr Queck¬
silber auf 1 g Eiweiß als bei niederen. Auch nach sechsstündiger Berührungs¬
zeit war noch ein gewisser Zusammenhang von Quecksilbermenge und Kon¬
zentration zu erkennen, jedoch war diese keineswegs mehr so ausgesprochen
wie bei den ganz kurzfristigen Versuchen. Die Versuche nach dreistündiger
Berührungszeit waren zu wenig zahlreich, um verwertet werden zu können.
In all diesen Fällen war infolge der Kürze der Berührungszeit das Gleich¬
gewicht noch nicht erreicht, wie aus der noch später durchzuführenden
Berechnung des Gewichtsverteilungsfaktors Eiweiß-Wasser hervorgeht.
Damit ist für einen Teil des aus der Flotte verschwundenen Quecksil¬
bers eine durch Waschen nicht reversible chemische Bindung an das Eiweiß
erwiesen. Welche Art von Beziehung für den anderen Teil des Quecksil¬
bers dieser Sublimatmoleküle anzunehmen ist, wird später erörtert werden,
ebenso die Frage, durch welche Momente die Zunahme der Bindungsgröße
der Protein-Quecksilberverbindung mit der Dauer der Berührung von Koa-
gulum und Sublimatlösung bedingt sein dürfte. Zunächst soll das Schick¬
sal des Chlors jener chemisch gebundenen Sublimat menge verfolgt werden.
Die nächstliegende Vorstellung war nun, daß beim Entstehen der
Verbindung Protein-Quecksilber Wasserstoffatome des Eiweißes gegen
Quecksilberatome des Sublimates ausgetauscht wurden, so daß freie
Salzsäure entsteht, die dann ihrerseits mit dem Eiweiß des Koagulums
eine Eiweiß-Salzsäureverbindung bildet. Eiweiß besitzt wie in einer frühe¬
ren Arbeit mit Reichel 44 ) durch Literaturkritik und eigene Versuche dar-
getan wurde, ein Bindungsvermögen für Salzsäure nach konstanten Pro¬
portionen, das nach den in der Literatur vorhandenen Angaben für genuine
Eiweißkörper rund 4—5% ihres Gehaltes beträgt. Die wichtigsten älteren
Arbeiten sind von Sjöqvist, Cohnheim, Bugarski und Lieber¬
mann und v. Rhorer 45 " 48 ).
Obwohl nun schon darnach die Größe der Säurebindung durch das
Eiweiß des koagulierten Rinderserums zu beurteilen gewesen wäre, so wurde
doch eine Versuchsreihe mit diesem angestellt, teils um die Gültigkeit
der Bindungsgesetze auch für hitzekoaguliertes Eiweiß, für welches nur
einige unvollkommene Versuche Sjöqvists vorliegen, ausdrücklich dar¬
zutun, teils zur genaueren Ermittlung des im vorliegenden Falle anzu¬
nehmenden, in der Literatur für Hitzekoagula nur wenig berücksichtigten
Einflusses der Zeit auf diese Werte, endlich um das Verhalten der Eiweiß-
Salzsäureverbindung lange fortgesetztem Waschen gegenüber festzustellen.
Es wurden gewogene Partien feuchten Rinderserumkoagulums mit
je 100 ccm verschieden konzentrierter Salzsäurelösungen übergossen und
nach 1- bzw. 15-tägiger Berührung der Salzsäuregehalt der Flotte durch
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Titration gegen Phenolphthalein bestimmt, die Koagulumstückchen selbst
durch 8 Tage in fließendem Wasser gewaschen und sodann deren Chlor¬
gehalt nach der bereits schon früher beschriebenen Methode ermittelt.
Die beschickten Kölbchen wurden, wie bei den früheren Versuchen, in einen
Vegetationsschrank gestellt. Die Kautelen beim Einwägen und bei den
analytischen Methoden waren dieselben, wie bei den früheren Versuchen.
Gewicht des Eiweißes und Volumen der wässerigen Kochsalzlösung des
Ausgangskoaguluins ergaben sich unter Berücksichtigung der in Tabelle 1 an¬
gegebenen Werte nach bekannten Beziehungen. Die aus der Flotte verschwundene
Säure wurde als Differenz des Salzsäuregehaltes der wässerigen Ausgangs- und
Endflotte berechnet. Ersterer ergab sich aus der Anzahl der zugesetzten ccm
Salzsäurestammlösung, letzterer aus der Titration der Endflotte als Produkt
der in 10 ccm Endflotte gefundenen Salzsäureinenge und des zehnten Teiles des
Flottenvolumens. Als diese wurde die Summe der Volumina des zum Versuche
genommenen Wassers, der Salzsäurestammlösung und der im eingewogenen
Koagulum enthaltenen Salzsäure angenommen. Diese Art der Berechnung setzt
voraus, daß die gesamte vorhandene Flüssigkeit dieselbe Zusammensetzung
habe. Das Zutreffen dieser Voraussetzung schien in Analogie zum Verhalten
anderer wässeriger Lösungen (Kochsalz-, Phenol- und Sublimatlösungen) gegen¬
über Eiweißkoagula als gegeben und wurde außerdem durch Gegenbauer
und Reichel 44 ) für das Verhalten von Salzsäurelösungen zu Fellsubstanzen
bewiesen. Die aus der Flotte verschwundene Salzsäure mengt* wurde gemäß
der oben entwickelten bzw. ausführlich begründeten Vorstellungen als an das
Eiweiß des Koagulums fix gebunden betrachtet. Durch Division dieser Menge
durch das Eiweißgewicht des Koagulums erhielt man die von 1 g Eiweiß des
Ausgangskoaguluins gebundene Salzsäuremenge.
Das Ergebnis dieser Versuche zeigte die in 1 g Eiweiß des Koagulums
übergegangene Salzsäuremenge unabhängig von der Konzentration der
Flotte als einen sehr konstanten Wert. Es war dahor also auch für das
hitzekoagulierte Eiweiß ein Säurebindungsvermögen nach konstanten
Proportionen anzunehmen. Die Bindungsgröße stimmte mit den in der
Literatur vorhandenen Angaben über die Salzsäurebindung durch genuine
Eiweißkörper gut überein.
Das Resultat dieser Versuche ist in der folgenden kleinen Tabelle dargestellt:
Dauer der Be¬
rührung v. Koa¬
gulum u. Salz¬
säurelösung ln
Tagen
Salzsäuregehalt
der End flotte
Gebundene Salz¬
säure pro 1 gr des
Ausgangs-
koagulums
Auf 1 g Eiweiß
dea gewaschenen
Koagulums ent¬
fallende Chlor¬
menge
•/, g/ccm
8
8
3.148
0,04162
0,0024
1
2,342
0,04611
0,0042
l
1,488
0,04671
0,0018
0,688
0,04320
0,0028
3,160
0,06628
0,0009
15
2,426
0,06009
0,0031
1
1,604
0,06007
0,0020
1
0,763
0,06027
1
0,0046
Sie betrug daher im Mittel von je vier Versuchen für 100 g hitze¬
koaguliertes Eiweiß
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bei 1 -tägiger Berührung von Salzsäure und Koagulum
4,416 _+ 0,222 g HCl (Variationskoeffizient = 5%);
bei 15-tägiger Berührung von Salzsäure und Koagulum
5,165 _+ 0,248 g HCl (Variationskoeffizient = 4,8%).
Der mittlere Fehler der Einzelversuche ergab nach diesen beiden
Berührungszeiten +_ 0,222 bzw. + 0,248, war also hier ebenfalls annähernd
gleich. Der mittlere Fehler der Mittelwerte betrug + 0,111 bzw. +_ 0,124.
Die Bindungsgröße nahm mit der Dauer der Einwirkung von Salzsäure
zu, sie war nach 15-tägiger Einwirkung ungefähr um 15% höher als nach
1-tägiger. Ein gleiches Phänomen haben Gegenbauer und Reichel 44 )
bezüglich des Salzsäurebindungsvermögens von Fellen beobachtet. Dort
wurde nach 4-tägiger Berührung von Fell und Säure pro 1 g Fell 26—34 mg
HCl, nach .weiterer 5-tägiger Berührung 39—48 mg HCl gebunden. Die
Ursache dieser Zunahme der Bindungsgröße dürfte, wie dort eingehend
erörtert, darin zu suchen sein, daß das Eiweiß allmählich teilweise hydro¬
lytisch aufgespalten wird, wodurch Abbauprodukte der Eiweißkörper
entstehen, die ein größeres Säurebindungsvermögen haben als die genuinen
Eiweißkörper, wie aus den Versuchen von Sjöqvist 46 ) und Cohnheim 44 )
hervorgeht.
Im gewaschenen Koagulum wurden ungefähr 5% der gebundenen
Salzsäuremenge wiedergefunden. Es war also der überwiegende Teil der
gebundenen Salzsäure ausgewaschen worden. Eine Spaltung der Eiweiß-
Salzsäureverbindung durch Wasser ist nach den von Gegenbauer und
Reichel 44 ) schon früher mitgeteilten Versuchen Über das Verhalten ge¬
säuerter Fellsubstanzen in Wasser und nach den in der Literatur vorhan¬
denen Angaben nicht anzunehmen. So muß also als einzige Erklärung
dieses Phänomens angenommen werden, daß bei langdauerndem Waschen
der überwiegende Teil der Eiweiß-Salzsäureverbindung bis zum Ende
des Versuches in einen in Wasser löslichen, somit auswaschbaren Zustand
gekommen, wahrscheinlich allmählich hydrolytisch aufgespalten worden
war. An dieser Aufspaltung konnte sich, solange das Koagulum mit der
Salzsäurelösung in Berührung war, die freie Salzsäure der Flotte beteiligen.
Man muß sich aber, wie 1. c. 44 ) dargetan wurde, vorstellen, daß auch die
gebundene Salzsäure die Fälligkeit habe, Eiweißkörper abzubauen, was
durch Versuchsergebnisse von Koßler 44 ) über die Verdauung von Säure-
Eiweiß durch neutrale Pepsinlösung gestützt wird.
Diese Versuchsreihe hatte also nicht nur allein ergeben, daß das Eiweiß
des verwendeten Rinderserumkoagulums ein Salzsäurebindungsvermögen
nach konstanten Proportionen hat, das seiner Größe nach jenem für genuine
Eiweißkörper entspricht und mit der Dauer der Einwirkung zunimmt,
sondern sie hat auch gezeigt, daß die gebundene Salzsäure bei lange fort¬
gesetztem Waschen aus dem Koagulum zum größten Teile ausgewaschen
werden kann, offenbar deshalb, weil sich durch die allmähliche hydro¬
lytische Aufspaltung des Eiweißes der Salzsäure-Eiweißverbindung in
Wasser lösliche Verbindungen bilden.
Somit sprach der Umstand, daß bei den Sublimatversuchen im ge¬
waschenen Koagulum die der gefundenen Quecksilbermenge nach der
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Formel des Sublimates äquivalente Chlormenge nicht gefunden wurde,
keineswegs gegen die Annahme, daß dieses Chlor in Form von Salzsäure
mit dem Eiweiß des Koagulums eine Verbindung eingegangen war.
Berechnet man nun die dem an das Eiweiß des Koagulums gebundenen
Quecksilber äquivalente Menge Salzsäure (Tabelle 3, Stab 8) und vergleicht
sie mit dem mittleren Wert der vorigen Versuche, so ergibt sich folgende
Zusammenstellung
Dauer der Dem gebundenen Quecksilber nach der Formel
Berührung des Sublimates äquivalente Salzsäuremenge
Gramme HCl „in“ 100 g Protetnquecksllberverbindung
1 Tag 3,777 + 0,583 (Var.-Koeff. = 15,44%)
15 Tage 6,013 + 0,732 (Var.-Koeff. - 12,18%)
Dauer der Salzsäurebindung des Eiweißes des
Berührung verwendeten Rinderserumkoagulums
Gramme HCl „auf“ 100 g Eiweiß
• 1 Tag 4,416 + 0,222 (Var.-Koeff. = 5 %)
15 Tage 5.165 + 0,248 (Var.-Koeff. = 4,8 %)
Die für den exakten Vergleich notwendigen Angaben der dem gebundenen
Quecksilber äquivalenten Salzsäure menge auf 100 g Eiweiß des Ausgangskoagu-
lums an Stelle der Angabe in 100 g Protein-Quecksilberverbindung konnten
im vorliegenden Falle aus äußeren Gründen nicht gemacht werden. Da nämlich,
wie aus dem früher Dargelegten hervorgeht, die Berechnung der gebundenen
Quecksilbermenge auf das Eiweiß des gewaschenen Koagulums erfolgte, hätte
eine Umrechnung auf das Eiweiß des Ausgangskoagulums die Kenntnis der durch
die hydrolytische Aufspaltung des Eiweißes abgebauten und somit ausgewasche¬
nen Eiweißmenge zur Voraussetzung gehabt. Diese Menge war aber keineswegs
genau bekannt und auch sicherlich nach dem Ergebnis der Chlorbestimmung
der gewaschenen Koagula sehr variabel. Da aber die Eiweißmenge im gewasche¬
nen Koagulum im Vergleich zum Ausgangskoagulum infolge der allmählichen
hydrolytischen Aufspaltung durch die Salzsäure der Eiweiß-Salzsäureverbindung
verringert wurde, dürfte eine Angabe »in Hundert «beim gewaschenen Koagulum
einer solchen ,,auf Hundert 44 beim Ausgangskoagulum in erster Annäherung ent¬
sprechen, so daß es erlaubt erscheint, die Größe des Quecksilbergehaltes der
Protein-Quecksilberverbindung als Maß für das Quecksilberbindungsvermögen
des Eiweißes des Ausgangskoagulums zu nehmen, namentlich in Anbetracht
des mehr orientierenden Charakters der ganzen vorliegenden Betrachtung und
der zahlreichen Fehlerquellen der Bestimmungsmethoden.
Diese Zusammenstellung zeigt nun, daß tatsächlich die ganze freie
Salzsäure, die sich bildet, wenn beim Entstehen der Proteinquecksilber¬
verbindung Wasserstoffatome der Eiweißkörper gegen Quecksilberatome
des Sublimates ausgetauscht werden, durch das Eiweiß des verwendeten
Rinderserumkoagulums gebunden werden kann. Nach 1 -tägiger Berührungs¬
zeit von Koagulum und Sublimatlösung ist der mittlere Wert der gebil¬
deten Salzsäure kleiner, nach 15-tägiger Berührung allerdings größer als
die gefundene Salzsäurebindung des Eiweißes, doch liegen auch im letzteren
Falle die beiden Werte so nahe aneinander, daß man in Anbetracht der
mannigfachen Fehlerquellen der Methodik, namentlich bei der Quecksilber¬
bestimmung im gewaschenen Koagulum (Var.-Koeff. = 12,18%) auch hier
von einer ziemlichen Übereinstimmung gesprochen werden kann. Außer¬
dem dürfte sich ein Teil der entstandenen freien Salzsäure mit den Kationen
der wasserunlöslichen Salze zu löslichen Chloriden verbinden, worauf das
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Fehlen von Asche in den mit Sublimatlösung in Berührung gewesenen
und nachher gewaschenen Koagulumstückchen beruhen dürfte.
Die Versuche über die Salzsäurebindung durch das Eiweiß des koagu¬
lierten Rinderserums und die gerade durchgeführte Berechnung sind eine
wesentliche Stütze für die obige Auffassung hinsichtlich des Chlors. Die
Vorstellung scheint begründet, daß ein Teil der zum Eiweiß des
Koagulums in enge Beziehung getretenen (aus der Flotte ver¬
schwundenen) Sublimatmoleküle eine chemische Reaktion
mit den Eiweißkörpern des Koagulums eingehen, die in zwei
Phasen verläuft. Zunächst wird das Quecksilberatom
des Sublimatmoleküles gegen zwei Wasserstoff atome der
Eiweißkörper ausgetauscht, wobei Protein-Quecksilber und
freie Salzsäure entsteht; dann verbindet sich die freie Salz¬
säure mit den Eiweißkörpern des Koagulums zu Protein-
Salzsäure. Die gebundene Salzsäure spaltet hernach allmählich hydro¬
lytisch das an sie gebundene Eiweiß auf, wobei abgebaute Eiweißkörper
entstehen, die ein höheres Salzsäurebindungsvermögen haben, als die genui¬
nen, und deren Verbindungen mit Salzsäure wasserlöslich sind, so daß
sie bei langem Waschen solcher Koagula ausgewaschen werden. Dieser
letztere Umstand erklärt dann die Tatsache, daß im lange gewaschenen
Koagulum nur ein Teil der Chlormenge gefunden wurde, die dem gebunde¬
nen Quecksilber nach der Formel des Sublimates äquivalent ist.
Daß die Chlormenge, die dem chemisch gebundenen Quecksilber ent¬
spricht, im wesentlichen nicht in die Flotte übergeht, sondern im Koagulum
bleibt, wurde bereits durch frühere Versuche gezeigt. Würde nämlich
diese Chlormenge vollständig übergetreten sein, so müßte sich ein ungefähr
viermal größerer Chlorüberschuß ergeben als durch die Analyse gefunden
wurde. Es muß angenommen werden, daß die bei der Reaktion der Eiweiß-und
Sublimatmoleküle entstehende Salzsäure sofort von den im Eiweißmolekül
reichlich vorhandenen Amid- und Imidgruppen additiv gebunden wird.
Die Berechnung dieser Chlormenge wurde in allen Fällen durchgeführt, in
denen der Quecksilbergehalt des der Einwirkung des Sublimates ausgesetzten
Koagulums nach 8-tägigem Waschen desselben in fließendem Hochquellenwasser
und der Chlorgehalt der Flotte bestimmt worden war. War a = Quecksilberge¬
halt von 1 g Protein-Quecksilberverbindung, b = Eiweißgewicht der eingewoge¬
nen Koagulummenge, c = Volumen der Flotte und d = Umrechnungsfaktor
von Hg auf Cl f , so ergab sich jene Chlormenge als a • b • d und ihr auf 10 ccm
der Flotte entfallender Anteil als
10 - o - b - d
c
Die Frage, ob der Teil des Sublimates, der zum Eiweiß des Koagulums
zwar in enge Beziehung getreten (aus der Flotte verschwunden), jedoch
keine chemische Bindung mit dem Eiweiß des Coagulums eingegangen ist,
adsorbiert war oder sich nach konstantem Faktor zwischen Eiweiß und
Wasser verteilt hatte, konnte nun mehr durch Betrachtung der relativen
Mengen und Konzentrationsverhältnisse gelöst werden (Tabelle 3).
Die auf 1 g Eiweiß des Ausgangskoagulums entfallende Menge des
auswaschbaren Sublimates ist in Tabelle 3, Stab 10 u. 11 berechnet. Sie
zeigt sich naturgemäß alles eher als konstant, was leicht erklärlich ist,
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da die schon früher festgestellte Inkonstanz des gesamten verschwundenen
Sublimates nach Abzug des konstanten gebundenen Anteiles noch mehr
zum Vorschein kommen mußte. Das Verhältnis jener Menge zum Sublimat¬
gehalt von 1 ccm Flotte (Tabelle 3, Stab 12 u. 13) — der Gewichtsvertei-
lungsfaktor — erscheint von 6-stündiger Einwirkungsdauer an als einfache
Proportionalität. Der Gewichtsverteilungsfaktor ist bei kurzen Zeiten von
der Einwirkungsdauer offenbar nicht unabhängig (Tabelle 5), bleibt aber
bei gleicher Einwirkungsdauer und in derselben Versuchsgruppe ziemlich
ähnlich. Von einem Gang mit der Konzentration ist nichts zu bemerken.
Es kann somit ausgeschlossen werden, daß das auswasch¬
bare Sublimat adsorbiert war. Es muß vielmehr angenommen wer¬
den, daß das Sublimat, das zum Eiweiß des Koagulums in enge Beziehung
getreten und keine chemische Bindung mit diesem eingegangen war, sich
im Eiweiß des Koagulums wie in Wasser in Form einer echten Lösung
befindet und sich zwischen Eiweißphase und wässeriger Flotte nach kon¬
stantem Faktor verteilt ist, also das Molekulargewicht des gelösten
Stoffes in beiden Phasen dasselbe ist.
Eiweißgewicht und Volumen der wässerigen Kochsalzlösung des Ausgangs-
koagulums ergaben sich nach bekannten Beziehungen aus Tabelle 1 und 3.
Die gesamte aus der Flotte verschwundene und daher nach den früheren
Auseinandersetzungen zum Eiweiß des Koagulums in enge Beziehung getretene
Sublimatmenge war bei den Versuchen, in denen nur am Ende des Versuches
Proben der Flotte analysiert wurden, gleich der Differenz des Sublimatgehaltes
der wässerigen Ausgangs- und Endflotte. Ersterer ergab sich aus der Anzahl der
zugesetzten ccm Sublimatstammlösung, letzterer war das Produkt aus der in
10 ccm Endflotte gefundenen Sublimatmenge und des zehnten Teiles des Volumens
der Flotte. Das Volumen der Flotte war natürlich die Summe der Volumina
des zum Versuch genommenen Wassers und Sublimatstammlösung und der im
eingewogenen Koagulumstück enthaltenen wässerigen Kochsalzlösung. Bei
jenen Versuchen aber, bei denen öfters, und zwar zu verschiedenen aufeinander¬
folgenden Zeiten Probeentnahmen erfolgten (Versuchsreihe I, II und III),
mußte für die zweite und folgende Entnahme eine andere Art der Berechnung
eingeschlagen werden. Die aus der Flotte verschwundene Sublimatmenge er¬
gab sich hier als die Summe der im vorangegangenen Zeitabschnitt und der seit
der vorigen Entnahme verschwundenen. Erstere war bereits bei der Berechnung
der sich aus der früheren Probeentnahme ergebenden Resultate erhalten worden,
letztere war gleich der Differenz der Sublimatmengen, die zu Beginn und am Ende
dieses Zeitabschnittes in der Flotte zugegen waren. Der erstere dieser Werte
war gleich dem Produkt der in 10 ccm der vorangegangenen Probeentnahme ge¬
fundenen Subliraatmenge und dem zehnten Teile des Flotten Volumens, das zu
Beginn dieses Zeitabschnittes noch zugegen war. Dieses Volumen war gleich dem
vor der früheren Probeentnahme vorhandenen Flottenvolumens abzüglich des
bei dieser früheren Probeentnahme entnommenen Flüssigkeitsvolumens. Der
Sublimatgehalt, der am Ende dieser Zeitperiode zugegen war, war natürlich
gleich dem Produkte der in 10 ccm dieser Probeentnahme gefundenen Sublimat¬
menge und dem zehnten Teil des Flottenvolumens, das zu Beginn dieses Zeit¬
abschnittes zugegen war. Die bei den einzelnen Probeentnahmen aus der Flotte
entnommenen Flüssigkeitsvolumina betrugen bei der Versuchsreihe I je 10 ccm,
bei den Versuchsreihen II und III je 20 ccm. Durch Division dieser Zahl durch
das Eiweißgewicht des Ausgangskoagulums gelangte man zu der pro 1 g Ei¬
weiß des Ausgangskoagulums verschwundenen Sublimatmenge (Tabelle 3,
Stab 9).
Der nicht auswaschbare Teil jener Sublimatmenge wurde nach der Formel
a • b • 1,3537 berechnet, wobei a wieder den Quecksilbergehalt von 1 g Protein-
Quecksilberverbindung, b das Eiweißgewicht der eingewogenen Koagulum-
Gougle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. Viktor Gegenbauer.
47
Tabelle 3.
Versuche mit feuchtem Rinderserumkoagulum.
Quecksilbergehalt der im gewaschenen Koagulum vorhandenen Protein-Queck-
silberverbindung. Gewichtsverteilungsfaktor Eiweiß-Wasser für Sublimat.
A = mit Benützung des im betreffenden Versuche ermittelten Quecksilber¬
gehaltes der Protein-Quecksilberverbindung.
B = mit Benützung des arithmetischen Mittels der im betreffenden Zeit¬
abschnitte gefundenen Werte des Quecksilbergehaltes der Protein-
Quecksilberverbindung.
1
1 2
3
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mat-
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flotte
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VII.
3
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0,1152
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100
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14,16
14,26
VI.
1
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17,18
16,92
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Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
48
Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
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Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
J
Von Dr. Viktor Gegenbauor.
49
Tabelle 4.
Versuche mit feuchtem Kiuderserumkoagulum.
Mittlerer Wert, Variationskoeffizient, mittlerer Fehler der Einzelmessung und des Mittelwertes des
(iewichtsverteilungsfaktors Eiweiß-Wasser für Sublimat bei verschiedenem Sublimatgehalt der End¬
flotte von einer Berührungszeit von Koagulum und Sublimatlösung, von sechs Stunden angefangen.
A und li wie in Tabelle 3.
/Beidieser Berechnung wurden die Versuche: Versuchsreihe VII, Versuch 2b; Versuchsreihe III,
Versuchs 4 und 4a als offenbar fehlerhaft ausgeschieden).
1 ' . 1
n
Sublimat-
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5
13,110 ±9,290
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± 9,290
± 4,155
6
13.903 ±7,139
51,34%
±7.139
± 2,914
0,5—1.0
5
18,576 ± 4,431
23,85%
1,431
1,981
8
17,481 ±3,298
18.87° „
± 3.298
± 1,166
1.0—2.0
7
15,401 ±1.892
12,29° o
1.892
± 0.715
13
15.892 ± 3,157
19.86° o
±3,157
1 -MI.STi.
2,0—3,0
7
16,073 ± 3,054
19.00%
• 3,054
± 1,154
9
18,552 ± 3,378
18.21%
♦ 3,378
1,126
3.0—4,0
7
12.541 ± 2,049
10,33° „
±2,049
± 0,774
8
12.581 ± 2,455
19.51" „
± 2,455
| ± 0,868
4.0—5,0
1
12,06
1
12.15
5.0— 0,0
3
14,363 ± 1,386
9.07%
± 1.386
± 0.800
3
14,913 ± 1,518
10,18» o
± 1.518
0,876
0 5—0.0
30
14.869 ±3.141
21.12%
3,141
• 0.573
42
15.547 ± 2.945
i s.«(4° „
± 2.94.')
I ± 0,455
menge und 1,3537 den Umrechnungsfaktor von Hg auf HgCl 2 bezeichnet. Die
Kritik dieser Berechnungsart wurde bereits an anderer Stelle dargelegt.
Durch Subtraktion dieser Menge von der Gesamtmenge und Division dieses
Wertes durch das Eiweißgewicht des Ausgangskoagulums gelangte man zu der
auf ein Gramm Eiweiß des Ausgangskoagulums entfallenden Menge des aus¬
waschbaren Sublimates (Tabelle 3, Stab 10 und 11).
Die festgestellten Zahlen für den Gewichtsverteilungsfaktor zeigten
keinen nennenswerten Unterschied, ob man bei der Berechnung die in den
betreffenden Versuchen ermittelte Menge des an t g Eiweiß des Koagulums
gebundenen Quecksilbers oder das arithmetische Mittel der für die betref¬
fende Einwirkungsdauer gefundenen Werte derselben Größe benützte
(Tabelle 4). Unterhalb einer Konzentration von 0,5% Sublimat in der End¬
flotte sind die erhaltenem Werte sehr schwankend, was bei dem großem
Einfluß, den bei solch niederen Konzentrationen Versuchsfehler auf das
Resultat haben, zu erwarten war. Es wurden daher auch die Resultate
dieser Versuche weiter nicht verwertet.
Der mittlere Wert des Gewichts Verteilungsfaktors Eiweiß-Wasser
für Sublimat betrug im Konzentrationsbereich 0,5—6,0% Sublimat in
der Endflotte
15,547 + 2,945 (Var.-Koeff. = 18,94%).
Der mittlere Fehler der Einzelmessung betrug + 2,945, der mittlere
Fehler des Mittelwertes +_ 0,455.
Die Tatsache, daß es unterhalb einer sechsstündigen Berührungsdauer
noch zu keinem Diffusionsausgleich gekommen war, beweist somit das
Zutreffen der bei der Besprechung der Resultate der Versuche über den
Quecksilbergehalt des gewaschenen Koagulums gemachten Annahme*
Archiv fflr Hytfiene. Bd. 90. 4
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Go igle
"i—
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
50
Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
Tabelle 5.
Arithmetisches Mittel des Gewichtsverteilungsfaktors
Eiweiß - Wasser bei verschiedener Einwirkungsdauer.
(A und B wie in Tabelle 3.)
Dauer der Berührung
von Koagulum und
SublimatlOsung
GewichtsverteUungsfaktor
\A
1 B
Vi Stunde
3,91
3,41
1 Stunde
8,66
7,71
3 Stunden
12,11
11,64
6 Stunden
15,41
14,15
1 Tag
16,10
15,85
15 Tage
14,37
14,83
daß bei 34* bis 6-stündiger Berührungsdauer die Abhängigkeit des Queck¬
silbergehaltes des gewaschenen Koagulums durch Nichterreichen des Sätti¬
gungsgleichgewichtes bedingt sei. Die chemische Bindungsreaktion ver¬
läuft sodann sehr rasch. Sie' ist aber abhängig von der Diffusionsgeschwin¬
digkeit, mit der sich das Sublimat in der Eiw'eißphase ansammelt.
Eine genaue Berechnung des Volumsverteilungsfaktors nach Ana¬
logie der von Reichel 4 *) gegebenen Darstellung der Phenolverteilung
hätte zur Voraussetzung, daß glaubhafte Annahmen über den Einfluß
der Quecksilber- und Chlorbindung sowohl als auch der Sublimatlösung
auf das Eiweißvolumen zu machen sind. Diese Einflüsse sind unzweifelhaft
bei der Größe der vorkommenden Bindungs- und Lösungsverhältnisse
sehr bedeutend und dürften also nicht vernachlässigt werden. Zu ihrer
Ermittlung wäre jedoch die Anstellung zahlreicher zum Teil recht kompli¬
zierter Versuche und Berechnungen notwendig gewesen, weshalb man sich
wegen des doch mehr orientierenden Charakters der vorliegenden Unter¬
suchung mit der Berechnung des Gewichtsverteilungsfaktors, der in erster
Annäherung als ein proportionales Maß des Volumsverteilungsfaktors
zu betrachten ist, begnügte.
Zum Schlüsse dieses Kapitels sollte noch die Frage erörtert werden,
durch welche Momente die Bindungsgröße der Protein-Quecksilber- und
Protein-Salzsäureverbindung und deren Zunahme mit der Dauer der Be¬
rührung von Koagulum und Sublimatlösung bedingt sein dürfte.
Bereits schon früher wurde auseinandergesetzt, daß die Bindungs¬
größe der Protein-Quecksilberverbindung eine derartige ist, daß die bei
der Entstehung dieser Verbindung sich bildende Salzsäure nach dem für
das Rinderserumkoagulum bestimmten Salzsäurebindungsvermögen, das
in guter Übereinstimmung mit dem für genuine Eiweißkörper bekannten
stand, durch das verwendete Eiweiß gebunden werden kann. Diese Tat¬
sache drängte uns zu der Annahme, daß vielleicht das bestimmende Mo¬
ment für die Bindungsgröße des Quecksilbers eben jene Affinität des Salz¬
säureradikales zu den Eiweißkörpern ist, daß somit die Größe des Salz¬
säurebindungsvermögens für Eiweißkörper entscheidend für die Bindungs¬
größe der Protein-Quecksilberverbindung sei. Damit würde sich auch die
Zunahme der Bindungsgröße der Protein-Quecksilberverbindung mit der
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Von Dr. Viktor Gegenbauer.
51
Tabelle 6. Versuche mit feuchtem Rlhderserumkoagulum.
Quecksilbergehalt der im gewaschenen Koagulum vorhandenen Protein-
Quecksilberverbindung. Verteilungsverhältnisse Eiweiß-Wasser
für Quecksilbercyanid.
Versuchsreihe Nr. IX. 10 ccm Quecksilbercyanidstammlösung gaben 0,5360 g
HgS. A und B wie in Tabelle 3.
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0,0991
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1,38
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20|
3,811
0,00902
0,1036
0,0914
0,0907
2,40
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60
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0,00956
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0,1014
0,1014
3,74
3,74
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26,5249 i
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60 |
1,846
0,01003
0,0162
0,0026
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0,14
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20
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20,2050 1
10
90 ' 0,4343 |
0,00688
0,0397
0,0304
0,0175
7,00
4,03
Dauer der Berührung von Koagulum und Sublimatlösung einfach erklären.
Sie wäre eben dadurch bedingt, daß, wie schon früher auseinandergesetzt
wurde, durch den hydrolytischen Abbau des gebundenen Eiweißes Eiwei߬
spaltprodukte mit höherem Salzsäurebindungsvermögen entstehen. Diese
Auffassung konnte gestützt werden durch das Resultat der Versuche über
das Verhalten des Quecksilbercyanides zu Rinderserumkoagulum.
Die Versuchsanordnung, Methodik der Quecksilberbestimmung und Berech¬
nung dieser Versuche war dieselbe wie bei den Versuchen mit Sublimat und Koa¬
gulum. Gewogene feuchte Koagulumstückchen wurden mit verschiedenen kon¬
zentrierten Quecksilbercyanidlösungen 1 bzw. 15 Tage in Berührung gebracht,
dann einerseits der Quecksilbergehalt der Endflotte bestimmt, anderseits das aus
der Flotte herausgenommene Koagulumstück 8 Tage in fließendem Wasser ge¬
waschen und dann sein Gehalt an Trocken koagulum, Asche und Quecksilber
bestimmt. Das Verhältnis von Trocken koagulum zu Asche war beim gewaschenen
Koagulum annähernd dasselbe wie beim Ausgangskoagulum, worauf bei der Be¬
rechnung des Eiweißgewichtes des gewaschenen Koagulums Rücksicht genom¬
men wurde.
Bei diesen Versuchen zeigte sich nämlich, daß bei der Berührung von
Koagulum und einer Quecksilberverbindung, deren Säure schwächer
als Kohlensäure ist, nur langsam eine Protein-Quecksilberverbindung
entsteht und daß die Bindungsgröße dieser Verbindung auch nach 15-tägiger
Berührung nur etwa 1 / li des Wertes erreicht, der beim Sublimat gefunden
wurde (Tabelle 6).
4*
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Gck igle
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52 Studien iiber die Desinfektionswirkung des Sublimates.
Der mittlere Wert des Quecksilbergehaltes der im gewaschenen
Koagulum nach 15-tägiger Berührungsdauer vorhandenen Protein-Queek-
silberverbindung betrug
0,9518 + 0,1552% (Var.-Kooff. = 16,31%).
Der mittlere Fehler der Einzelmessung war somit -f 0,1552 der mitt¬
lere Fehler des Mittelwertes +_ 0,0634.
Die Streuung dieser Werte war ungefähr dieselbe, wie die für den Wert
der Quecksilberverbindung aus Sublimatlösungen, wiö aus der guten Über¬
einstimmung der betreffenden Variationskoeffizienten hervorgeht.
Würde die Bindungsgröße der Protein-Quecksilberverbindung in
erster Linie durch die Affinität des Quecksilbers bedingt sein, so müßte
dieselbe bei Verwendung einer Quecksilbercyanidlösung als Flotte doch
mindestens ebensogroß sein, wie bei der Verwendung einer Sublimatlösung,
besonders da doch ceteris paribus eine Cyanverbindung sicherlich leichter
zu sprengen ist als eine Salzsäureverbindung.
Die Berechnung des Gewichtsverteilungsfaktors ergab hier keine so
eindeutigen Resultate wie bei den Sublimat versuchen. Die Werte des
nach eintägiger Dauer der Berührung auswaschbaren Quecksilbercyanides
waren allzu gering, die nach 15-tägiger Berüjirungszeit zu schwankend,
aber auch ohne deutlichen Gang mit der Konzentration der End flotte.
Die später zu besprechenden Versuche mit Hefe bewiesen jedoch, daß
sich auch das Quecksilbercyanid zwischen Hefeeiweiß und Wasser wie
zwischen zwei Lösungsmitteln verteile. Man muß daher annehmen,
daß auch hier eine echte Lösung vorliege, die nur durch die hier gegebene»
Versuchsanordnung nicht erweisbar war.
2. Die Sublimatverteilung zwischen Öl und Wasser.
Die nächsten Versuche hatten die Frage zu klären, wie sich Sublimat
gegenüber lipoiden Phasen als deren Vertreter nach Reichels 42 ) Vorgang
Öl gewählt wurde, verhalte. Es war festzustellen, ob Sublimat in solchen
Phasen gebunden oder gelöst wird und in welchem Zustand es sich etwa dort
in Lösung befindet. Zu diesem Zwecke wurden annähernd gleiche Mengen
von Rtiböl mit verschieden konzentrierten Sublimatlösungen einen Tag
in Berührung gebracht und sodann der Sublimatgehalt der Endflotte
durch Bestimmung der in ihr enthaltenen Quecksilbermenge ermittelt.
Bei den Wägungen des Öles war natürlich wegen der Größe der Einwage
und des bedeutenden Unterschieds zwischen dem spezifischen Gewicht des Öles
und der Messinggewichte eine Reduktion der mit Messinggewichten in der Luft
ausgeführten Wägungen auf den leeren Raum erforderlich. Der Reduktionsfaktor
ergab sich aus dem ermittelten spezifischen Gewicht des Öles, das nach der Pykno¬
metermethode bestimmt war.
Das Quecksilbc r wurde gewichtsanaly tisch wie bei den Versuchen mit Rinder¬
serum koagulum bestimm^. Der ermittelte Quecksilbersulfidwert wurde einfach
auf Sublimat umgerechnet, da eine CI - Bestimmung, die bei Versuch Nr. .‘1 in
der Endflotte ausgeführt worden war, ergeben hatte, daß gerade soviel Chlor
vorhanden war, als dem ermittelten Quecksilber nach der Formel des Sublimates
entsprach. Der Sublimatgehalt der Ausgangsflotte ergab sich natürlich aus der
Anzahl der zugesetzten ccm Sublimatstammlösung, der der Endflotte aus der
Analyse. Die Differenz dieser beiden Werte wurde als die in das Öl übergegangene
Gck igle
Original frnm
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Von I)r. Viktor Gigeiibauur. 53
Tabelle 7. Versuche mit Rüböl*
Yt^leilungsVerhältnisse Rüböl-Wasser für Sublimat. Dauer der Berührung von
Hüböl und Sublimat: 1 Tag. Spez. Gewicht des Rüböls: 0,9124 bei 22° C.
10 ccm Sublimatstammlösung gaben 0,5133 g HgS.
Ver¬
such
Nr.
Gewicht
des Öles
K
Zum Versuche wurden
genommen ccm
Suhllmatgehalt
der Endflolte
•/• g/ccin
Pro 100 g öl
verschwundene
Suhl im atmen ge
Gcwichtsver-
teilungsfaktor
öl-Wasser für
Sublimat
Sublimat-
stammlösung
Wasser
1
8,8996
40
5,707
1,282
0,2246
2
10,0449
30
10
4,248
0,9658
0,2273
3
8,8759
20
20
2,854
0,6310
0,2210
4
8,8738
10
! 30
1
i
1,424
0,3313
0,2327
Sublimalmenge angenommen. Das Verhältnis der Gewichtskonzentration von
Sublimat irn Öl zur Endkonzentration der Flotte ergab den Gewichts Verteilungs¬
faktor Öl-Wasser für Sublimat.
Die Versuche (Tabelle 7), ergaben, daß sich Sublimat zwischen Öl
und Wasser nach einem recht genau konstanten Faktor verteilt, dessen
mittlerer Wert 0,2264 + 0,0049 (Var.-Koeff. — 2,18%) betrug. Der mitt¬
lere Fehler der Einzelmessung ergab 0,0049, der mittlere Fehler des
Mittelwertes + 0,0025.
Der Befund spricht eindeutig für das Fehlen chemischer Bindung
und das Bestehen einer echten Lösung, wobei dem Sublimat in beiden
Phasen dasselbe Molekulargewicht zukommt. Die Gewichtskon¬
zentration des Öles im Sublimat beträgt etwa 1 / 5 des Wertes für die wässerige
Phase. Die Gegenwart öliger Phasen bedingt demnach beim Sublimat
im Gegensatz zu den Phenolkörpern keinen sehr bedeutenden Verlust an
Desinfektionskraft der Sublimatkonzentration der wässerigen Phase,
doch erscheint das Teilungsverhältnis immerhin hoch genug, um eine rasche
Diffusion des Sublimates durch etwaige lipoide Zellhüllen erwarten zu
lassen.
3. Das Verhalten von Sublimat gegenüber Hefe.
Die Versuche über das Verhalten von Sublimat gegenüber Mikro¬
organismen, als deren Vertreter Hefe genommen wurde, hatte die gleiche
Anordnung, wie die Versuche mit Sublimat und Rinderserumkoagulum;
nur wurde der Hefebrei zur Feststellung der chemisch gebundenen Queck¬
silbermenge, nachdem er die gewünschten Zeiten mit den verschieden
konzentrierten Sublimatlösungen in Berührung war, nicht im fließenden
Hochquellenwasser gewaschen, sondern in Dialysierhülsen gegen fließendes
Hochquellenwasser 14 Tage dialysiert. Nach dieser Zeit konnte in der
in den Dialysierhülsen über dem abgesetzten Brei befindlichen klaren
Flüssigkeit kein Quecksilber mehr nachgewiesen werden.
Das spezifische Gewicht und die Zusammensetzung der verwendeten Hefen
ist in der Tabelle 8 dargestellL In der Asche wurde qualitativ Natrium, Kalzium,
Magnesium, Chlor, Schwefelsäure und Phosphorsäure nachgewiesen, so daß die
zur Ermittlung der Zusammensetzung des koagulierten Rinderserums dienende
Berechnungsart auch hier angewendet werden konnte. Bei der Bestimmung des
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54 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
Tabelle 8. Versuche mit Hefe,
Spezifisches Gewicht und Zusammensetzung der verwendeten Hefen.
Symbol
Versuchsreihe
1
II
III
»V
Temperatur, bei der die Wägungen aus-
geführt wurden.
16® C
13® G
13" C
15° G
[ Spezifisches Gewicht der Hefe . .
s k
1,111
1,086
1,092
1,080
g
Trockenhefe.
' ”'th
30,082
26,055
27,124
24,376
E
Wasser.
wiH,0
69,918 73,945
72,876
75,624
o <5:
Organische Hefebestandteile
m oh
27,590
24,324
25,087
21,365
j£
Asche .
m a
2,492
1.731
2,037
2,011
Kochsalz.
mXiKl
0.022
0,006
0,015
0,010
n
Wasserunlösliche Asche . .
m u la
2,4701 1,725
2,022
2,001
■Zj
Spezifisch. Gewicht der Trockenhefe
s lh
1,492| 1,435
1,452
1,436
5
^ C Vß
Hefe.
l'h
90,01
92,09
, 91,59
92,60
o
>gc
Wässerige Kochsalzlösung .
w H f O i NaC!
09,92
1 73.94
! 72,88
75,63
E-
’S SS
Organische Hefebestandteile
19,2081 16,534 17,988
16,255
ja
P c
Kochsalz.
p NaCl
0,010 0,003
; 0,007
0,005
!«>•-
Wasserunlösliche Asche . .
// r
0,882; 0,616
0.722
j 0,715
spezifischen Gewichtes der Trockenhefe ergaben sich dieselben Schwierigkeiten,
wie bei der Bestimmung des spezifischen Gewichtes des Trockenkoagulums.
Daher mußte dieser Wert hier ebenfalls berechnet werden. Der höchste mit der
Pyknometermethode ermittelte Wert war 1,412. Die bei der zweiten Berechnung
erhaltenen Werte lauteten 1,492, 1,435, 1,452, 1,436, somit der mittlere Wert
für das spez. Gewicht der Trockenhefe. 1,4538 ± 0,0267 (Var.-Koeff. — 1,83 %).
Der mittlere Fehler der Einzelmessung betrug +. 0,0267, der mittlere Fehler
des Mittelwertes ± 0,0134.
Mit Hilfe des diesem Mittelwert entsprechenden Reduktionsfaktors K = 0,68
wurden dann alle mit Messinggewichten ausgeführten Wägungen der Trocken -
liefe auf den leeren Raum reduziert. Der Gehalt an Gewicht der organischen
Hefebestandteilen in g/g ergab sich nach der Formel m oh = w**—m a , deren
Volumen in ccm/g nach der Formel
v oh = v h—[ v H,0 f NaCl + «»lo)-
Das Gewicht der bei den einzelnen Versuchen eingewogenen Hefepartien
wurde natürlich auch hier auf den leeren Raum reduziert. Die in der Tabelle 9
angegebenen Werte sind die reduzierten Gewichte.
Auch hier zeigte sich, daß Sublimat aus der Flotte verschwunden war.
Die Übereinstimmung der aus dem gefundenen Quecksilbersulfid nach
der Formel des Sublimates berechneten äquivalenten Chlormenge mit der
analytisch gefundenen, ist eine ziemlich gleich gute wie bei den Versuchen
mit Rinderserumkoagulum.
Es betrug nämlich bei einem Sublimatgehalt in 10 ccm der Endflottr
von Grammen
das Mittel der Anzahl
Abweichungen der Versuche
0,09—0,10 0,00087 3
0,10—0,20 0,00078 4
0,20—0,30 0,00057 5
0,30—0,50 0,00066 5
über 0,50 0,00087 ' 3
In der durch Dialyse gewaschenen Hefe wurde sowohl Quecksilber
wie Chlor* gefunden.
Gck igle
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55
Von Dr. Viklor Gegeubauvr.
Die Bestimmungsmethoden für diese beiden Stoffe in der gewaschenen
Hefe waren dieselben wie beim gewaschenen Rinderserumkoagulum; ebenso
die Art der Berechnung des spezifischen Gewichtes der gewaschenen Hefe. Die
gewaschene Hefe war ebenfalls praktisch aschefrei, so daß das Trockenhefegewicht
dem Gewicht der organischen Bestandteile der Hefe entsprach.
Die gefundene Chlormenge betrug bei 1-tägiger Dauer der Berührung
von Hefe und Sublimatlösung 16,77—98,95%, bei 10-tägiger Berührung
24,32—34,86% 1 ) jener Chlormenge, die nach der Formel des Sublimates
dem gefundenen Quecksilber äquivalent war. Es war also auch bei der Hefe
keine Bindung zwischen dem gefundenen Quecksilber und dem gefundenen
Chlor anzunehmen. Im Durchschnitt war relativ (im Verhältnis zum ge¬
fundenen Quecksilber) mehr Chlor in der durch Dialyse gewaschenen Hefe
vorhanden als im gewaschenen Rinderserumkoagulum.
Auch bei der Hefe ergab sich, daß die Chlormenge, die dem chemisch gebun¬
denen Quecksilber entsprach, im wesentlichen nicht in die Flotte übergeht.
Bei vollständigem Übertritt dieser Chlormenge in die Flotte müßte sich ungefähr
eine zehnmal größerer Chlorüberschuß ergeben als analytisch gefunden wurde.
Diese Berechnung wurde analog jener beim Rinderserumkoagulum durch¬
geführt.
Die Ergebnisse dieser Versuche zeigten die auf 1 g organische Bestand¬
teile der durch Dialyse gewaschenen Hefe entfallende Quecksilbermenge
als eine ziemlich konstante Größe, die keine sichtliche Abhängigkeit von
der Konzentration der Endflotte aufwies (Tabelle 9, Stab 8).
Der mittlere Wert des Quecksilbergehaltes der auf 100 g organische
Bestandteile der durch Dialyse gewaschenen Hefe entfallende Quecksilber¬
menge betrug nach 1-tägiger Berührungsdauer von Hefe und Sublimat¬
lösung
8,966 + 2,520% (Var.-Koeff. = 28,11%);
nach 10-tägiger Berührungsdauer von Hefe und Sublimatlösung
12,815 + 0,651% (Var.-Koeff. = 5,08%).
Der mittlere Fehler der Einzelmessung betrug somit nach diesen beiden
Berührungszeiten + 2,520 bzw. _+0,651, der mittlere Fehler des Mittel¬
wertes _+ 0,727 bzw. +_ 0,266, somit ziemlich ähnliche Werte wie bei der
Bestimmung des Quecksilbergehaltes des gewaschenen Koagulums.
Diese Tatsache beweist, daß auch hier das in der durch Dialyse ge¬
waschenen Hefe gefundene Quecksilber in der Form einer chemischen
Verbindung vorhanden war.
Zum Eingehen einer chemischen Verbindung mit den Schwermetall¬
salzen kommen unter den Stoffen, aus denen die Hefe besteht, in erster
Linie natürlich die Eiweißkörper in Betracht; ferner dann eventuell vor¬
handene Abbauprodukte der Eiweißkörper und Extraktivstoffe.
Nach den ziemlich gut übereinstimmenden Literaturangaben über die
Zusammensetzung der Hefe besteht die organische Substanz derselben
aus rd. 60% Protein (berechnet aus Stickstoff).
1) In den einzelnen Versuchen lauteten diese Verhältniszahlen: bei 1-tägiger
Berührung 16,77%, 37,27%, 25,01%, 19,18%, 71,02%, 92,88%, 98,95%, 63,45% ;
bei 10-tägiger Berührung 24,23%, 28,58%, 37,06%, 30,19%, 34,89%, 28,51%.
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50
Studien über die ÜCMiifcktionswii kung des Sublimat
Tabelle 9. Versuche mit liefe.
Quecksilbergehalt der in der gewaschenen Hefe vorhandenen Protein-Queck-
silberverbindung. Gewichtsverteilungsfaktor Hefeeiweiß-Wasser für Sublima!.
A und B wie in Tabelle 3. 10 ccm der Sublimatstanunlösung gaben bei Ver¬
suchsreihe 1 0,5991 g llgS, bei Versuchsreihe II und III 0,4598 g HgS.
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1,172
0.9480 0.9697
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4,9768
50 1 50
2,418
0.09914
1.207
0,9826 1,0047
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7
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0,7048
32,47
4
4,6630
25 75
1,136
0.1063
0,7462
0,5065 0.5439
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0,3416
33,75
5
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5,098
0,1319
1.144
0,8459 0,8549
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6
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1,916
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43,65
7
8,0077
50 1 50
2,113
0,1320
0,9450
0,6472 0,6559
30.63!
31.04
8
7,5832
25 | 75
0.9489
0.1293
0,5861
0,2944 0,2970
31.03
31,31
11
1
13,1818
100
3,951
0.5359
jO,3336
8.44
111
1
13,7430
100
3.936
0.08243
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8,00;
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II
2
11.3950
75 | 25
3,052
0,4292
0,2269
7.43
111
2
14,0133
75'25
3,009
0.06410
0.3352
0,19060.1329
6,33
4,42
II
2 a
11.1563
75 25
2.997
0.4783
0.2769
9,21
II
3
8,7094
60 40
2,603
0,1346
0,3517
0,04800,1494
1,84.
5,74
1
11
3a
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60 40
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0.4039
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III
3
8,9635
50 | 50
2,075
0.07 095
0,3512
0,191110.1489
9,21
7,18
11
4a
10.6323
50 50
1.932
0.3867
0,1844
9,55
11
4
12.1117
50 50
1,851
0,08575
0,3768
0,1833 0,1745
9,90
9,43
III
4
10,4165
40 60
1.546
005917
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0,1752 0,1062
11,33
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II
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0,9430
0.2744
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5,53
III
5
10,8258
25 75
0,9080
0,07845
0.2224
0,0453 0,0201
4.99
2,21
II
5
13,4631
26 76
0,8964
0,06446
0.1813
0,0359 !
4,01
11
la
17,4770
100
3,587
0.1290
0,5167
0,22570,2276
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6,35
II
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11,1563
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0,1151
0,5145
0,2549 0,2254
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7,69
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10,8050
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0,444.7
0,1554
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50 50
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0,1079
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11
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9.0477
25 75
0.9197
0,2698
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THE OHIO STATE UNiVERSITY
Von Dr. Viktor Gegenbuuer.
57
Es bestellt nämlich Trockenhefe
aus :
nach den Angaben des
Institutes fftr
nach Vo 11 z und
Baudrcxel *')
Gärungsgewerbe *)
Eiweiß ....
■ • • 54%
53,44%
Asche.
... 7 *
7,04 »
Fett .
... 3 *
3,12 »
Wasser ....
... 8 »
6,87 *
Extraktivstoffe .
... 28 »
28,09 »
Aus diesen Zahlen berechnet sich der perzentuelle Gehalt der organischen
Substanz an Eiweiß mit 63,53% bzw. 62,09%.
Unter Zugrundelegung dieser Werte und der Annahme, daß die Bin¬
dung des gefundenen Quecksilbers nur an Eiweißkörper erfolgte, was wohl
in erster Annäherung erlaubt ist, beträgt der mittlere Wert des Quecksilber¬
gehaltes der Hefeeiweiß-Quecksilberverbindung
nach 1-tägiger Berührung von Hefe und Sublimatlösung
14,940 + 4,200%;
nach 10-tägiger Berührung von Hefe uhd Sublimatlösung
21,355 + 1,085%,
ergibt somit Werte, die im großen und ganzen als übereinstimmend mit den
entsprechenden beim Rinderserumkoagulum bezeichnet werden müssen,
besonders wenn man bedenkt, daß diese Zahlen eine mehr approximative
Bedeutung haben, da ja einerseits nicht aller Stickstoff der Hefe, aus dem
das Eiweiß berechnet wurde, Proteinstickstoff ist, und anderseits auch
wahrscheinlich andere organische Substanzen, wenn auch in weitaus ge¬
ringerem Ausmaße, als die nativen Eiweißkörper. Verbindungen mit dem
Quecksilber eingegangen waren.
Die Berechnung der Verteilungsverhältnisse von Sublimat auf Hefe
und Wasser wurde konform jener durchgeführt, die bei den Versuchen
mit Rinderserumkoagulum angewendet worden war. Die Berechnung
ist in Tabelle 9 dargestellt. In jenen Versuchen, in denen sowohl nach
1-tägiger wie nach 10-tägiger Berührungsdauer Probeentnahmen erfolgten,
betrug das bei der ersten Probeentnahme entnommene Flüssigkeitsvolumen
20 ccm.
Berechnete man den mittleren Wert des Gewichtsverteilungsfaktors
bei den einzelnen Versuchsreihen, so ergab sich, daß derselbe bei den Ver¬
suchsreihen II und III ziemlich identisch war, bei der Versuchsreihe I
aber nicht unwesentlich höher als bei den zwei anderen (Tabelle 10).
Im übrigen läßt sich das Resultat dieser Versuche dahin zusammen¬
fassen, daß der Gewichtsverteilungsfaktor Hefeeiweiß-Wasser für Sublimat
einen hinreichend konstanten Wert ergibt und keine Abhängigkeit von der
Konzentration der Endflotte aufw r eist, wie eine Durchsicht der Stäbe 12
und 13 der Tabelle 9 zeigt. Daher kann man annehmen, daß das in die Hefe
übergegangene auswaschbare Sublimat sich in dem letzteren in Form einer
echten Lösung befindet, und zwar in demselben Molekül-Aggregatzustand
wie im Wasser.
Die Differenz in der Größe der bei den einzelnen Versuchsreihen er¬
mittelten Werte für den Gewichtsverteilungsfaktor Hefeeiweiß-Wasser
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58 Studien über die D.sinleklionsvvirkung des Sublimates.
Tabelle 10. Versuche mit Hefe.
Mittlerer Wert, Variationskoeffizient, mittlerer Fehler der Einzelmessung und
des Mittelwertes des Gewichtsverteilungsfaktors Hefeeiweiß-Wasser für Sub¬
limat in den einzelnen Versuchsreihen. A und B wie in Tabelle 3.
Versuchsreihe j|
* 1
B
Anzahl
derVemuche
Gewichtsverteilungsfaktor
Anzahl
derVersuche
Gewichtsverteilungsfaktor
Mittlerer Wert
Variatt-
onskoefTi-
zient
Mittlerer Fehler
Mittlerer Wert
Variati-
ooskoeffi
zient
Mittlerer Fehler
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messung
d Mittel¬
wertes
d. Einzel¬
messung
d. Mittel¬
wertes
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6
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19,23%
± 7,048
± 2,877
9
37,340 ±6,259
16,76%
±6,259
±2,086
u
5
0,148 ± 3,307
53,79%
±3,307
± 1,479
13
7,611 ± 1,485
19,60%
±1,485
±0,412
UI
5
7,972 -fc 3,582
44,92%
±3,582
±1,603
6
5,652 ± 2J091
37,00%
±2,091
± 0,935
Bei der Versuchsreihe Nr. I wurde von den Versuchen 1 und 5. die offenbar
zu niedrige Werte ergaben, adgesehen.
dürfte möglicherweise auf dem verschiedenen Alter der verwendeten Hefe¬
zellen beruhen. Die Hefezellen der Versuchsreihe I, bei der die höchsten
Werte für den Gewichtsverteilungsfaktor gefunden wurden, zeigten äußerst
zahlreiche TeilungsVorgänge. Man kann sich nun vorstellen, daß die jungen
Hefezellen ein größeres Sublimatlösungsvermögen besitzen als die älteren.
Die Versuche mit Quecksilbercyanid ergaben für den Gewichts vertei-
lungsfaktor einen sehr konstanten Wert, deren mittlerer Wert
1,806 + 0,262 (Var.-Koeff. = 14,56%)
lautet, so daß man auch hier das Bestehen einer echten Lösung annehmen
muß. Der mittlere Fehler der Einzelmessung betrug ± 0,262, der mittlere
Fehler des Mittelwertes +^0,131. Eine Protein-Quecksilberverbindung
war innerhalb der 10-tägigen Berührungszeit nicht entstanden.
Es wurden vier Versuche mit der Hefe der Versuchsreihe IV angestellt.
Gewicht der Hefen betrug 7,3321, 5,9357, 3,9933, 2,6460, die Mengen der zuge¬
setzten Quecksilbercyanidstammlösung (10 ccm = 0,5360 g HgS) 100, 75, 50,
25 ccm. Die Flottenmenge betrug in jedem Versuche 100 ccm. Der Quecksilber¬
cyanidgehalt der Endflotte belief sich in Prozent g/ccm auf 5,443, 4,120, 2,800,
1,416, somit die pro lg Hefeeiweiß verschwundene Quecksilbercyanidmenge
0,0798, 0,0789, 0,0488, 0,0295 und der Gewichtsverteilungsfaktor 1,467, 1,914,
1,744, 2,082.
Die Verbuche mit der Hefe ergaben somit, wie aus den früheren Ver¬
suchen zu erwarten war, daß auch hier zwei Prozesse stattfinden, indem es
einerseits zur Bildung von Quecksilber- und Salzsäure Verbindungen
mit dem Hefe ei weiß kommt, anderseits sich das Sublimat zwischen
Hefe und Wasser nach einem konstanten Faktor verteilt, also eine echte
Lösungsverteilung eintritt, wobei das Molekulargewicht des verteilten
Stoffes in beiden Phasen dasselbe ist. Bezüglich der Reihenfolge dieser
Prozesse muß wohl angenommen werden, daß das Primäre die Verteilung
des Sublimates nach konstantem Faktor ist, und daß dann sekundär die
für die Bindung notwendige Sublimatmenge aus dem im Eiweiß gelösten
Sublimat genommen wird. Natürlich muß dann in dem Verhältnis, in dem
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Von Dr. Viktor Gegenbauer. 59
das zur Bindung notwendige Salz die Lösungsbeziehung verläßt, ‘entspre¬
chend dem Verteilungsfaktor Sublimat aus der Flotte in das Eiweiß über¬
gehen.
Zu dieser Auffassung stehen die Schlußfolgerungen, die Herzog und
Betzel 81 ) aus ihren Versuchen mit Hefe und Sublimat ziehen, im Wider¬
spruch. Diese beiden Autoren vertreten bekanntlich die Ansicht, daß
Sublimat von Hefe zunächst in Form eines reversiblen Adsorptionsprozesses
aufgenommen wird. Sie bestimmten in ihren Versuchen nur den Sublimat¬
gehalt der Ausgangs- und Endflotte nach der Titrationsmethode von Ru pp,
unterließen es somit, sich über die Frage des Bestehens chemischer Verbin¬
dungen zwischen dem aus der Flotte verschwundenen Sublimat bzw. dessen
Atomen und dem Eiweiß der Hefe durch Analyse der gewaschenen Hefe zu
orientieren* Die Berührungsdauer von Hefe und Sublimatlösung ist in
der Arbeit nicht angegeben. Nehmen wir auch an, daß dieselbe ganz kurz¬
fristig war — etwa % Stunde — so waren doch sicherlich bereits schon
Quecksilber- und Salzsäureverbindungen mit dem Eiweiß der Hefe ent¬
standen, wie man aus der guten Übereinstimmung der vorliegenden Hefe-
und Rinderserumkoagulumversuche schließen kann. Bei letzteren wurde
bei so kurzfristigen Berührungszeiten schon das Bestreben der Protein¬
quecksilberverbindungen festgestellt.
Herzog und Betzel nehmen die ganze aus der Flotte verschwundene
Sublimatmenge als adsorbiert an und berechnen nach diesem Gesichtspunkt
ihre Versuche, was aber nach den Resultaten der vorliegenden Untersuchun¬
gen als nicht mehr zutreffend bezeichnet werden muß. Damit wird natür¬
lich auch die Annahme, die diese beiden Autoren über die physikalischen
Beziehungen zwischen Hefe und Sublimat machen, hinfällig.
Eine nachträgliche Berechnung ihrer Versuche unter Zugrundelegung
der hier erhobenen Werte über die Bindungsgröße der Quecksilberverbin¬
dung, läßt sich nicht durchführen, da die Berührungsdauer nicht bekannt ist.
III. Desinfektionsversuche mit Sublimat.
Die folgenden Desinfektionsversuche sollten die in der Literatur
vorhandenen Angaben über die Desinfektionskraft des Sublimates
namentlich bezüglich der noch weniger bearbeiteten Frage der Desinftk-
tionswirkung gegenüber vegetativen Formen (Staphylokokken) ergänzen.
Die Versuche werden teils genau nach der Methodik Ottolenghis, teils
nach einer bereits an anderer Stelle 10 ) beschriebenen eigenen Versuchs¬
anordnung ausgeführt. Bei letzterer werden die Testkeime vor dem Über¬
tragen in das Nährmedium zentrifugiert und durch Dekantation gewaschen,
um die anhaftenden Sublimatspuren und wenigstens den Großteil der
absorbierten Sublimatmenge zu entfernen.
Zur Bereitung der Suspensionen wurden beimpfte Schrägagarröhrchen bei
Milzbrand 14 Tage, bei Staphylokokken 2 Tage im Brutschrank belassen, her¬
nach die Rasen jedes Röhrchens mit 4 ccm sterilen destillierten Wassers ab¬
gespült, die erhaltenen Suspensionen durch sterile Leinwandfilter in dickwandige
mit sterilen Glasperlen versehenen Glasflaschen filtriert. Hierauf wurden die
Flaschen mit sterilisierten Korkstopfen verschlossen und 5 Minuten geschüttelt.
Die Milzbrandsporensuspensionen wurden außerdem V 2 Stunde bei 65° C pasteu-
e
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(JO »Studien über die D« sinfektionswirkung des Sublimates.
risiert. Für jede Überimpfungszeit wurden 10 eem Suspension in sterile* Röhr¬
chen abgefüllt und die gleiche Menge des doppelt konzentrierten Desinfektions¬
mittels zugesetzt und sodann die Röhrchen in einen auf 20°—22° C eingestellten
Vegetationsschrank aufbewahrt. Aus diesen Röhrchen wurde zu bestimmten
Zeiten je 1 ccm des Gemisches Suspension-Desinfektionsmittel entnommen.
Die weitere Behandlung dieses Gemisches war verschieden. Bei den Versuchen
nach der Methodik Ottolenghis wurde dasselbe in Röhrchen mit 10 ccm Bouillon
übertragen, sodann zu den Röhrchen wässrige »Schwefelwasserstofflösung und
nach Ablauf von V 4 Stunde 10 ccm pasteurisiertes Rinderblutserum zugesetzt
und diese Proben 14 Tage lang im Brutschrank kultiviert. Die zugesetzte Menge
der Schwefelwasserstofflösung war verschieden je nach dem »Sublimatgehalt
des überimpften Gemisches. Lag derselbe zwischen 0,01 und 0,5%, so wurden
1 ccm, bei höheren Konzentrationen 2 ccm einer frisch bereiteten n/5 Schwefel-
wasserstofflösung, deren Schwefelwasserstoffgeh alt durch Titration mit n/ 10
Jodlösung kontrolliert war, hinzugefügt. Behufs Neutralisation der durch den
Zusatz des Schwefelwasserstoffs aus dem mitübertragenen Sublimat entstehen¬
den Salzsäure (HgCl 2 -f SH 2 = HgS - 4 - 2 HCl) war den Bouillonröhrchen sterili¬
sierte Krystallsodalösung zugesetzt worden. Die Menge der zugesetzten Krystall-
sodalösung wurde natürlich entsprechend der mitübertragenen Sublimatmenge
abgestuft. Es wurden bei der Übertragung von 1 ccm eines Gemisches, das eine
3-proz. Sublimatlösung darstellte, 3 ccm einer t-proz. Krystallsodalösung, bei der
Übertragung von 1 ccm eines Gemisches, das eine 2-proz. Sublimatlösung darstellte,
2 ccm einer 1-proz. Krystallsodalösung usw. angewendet.
Bei den Versuchen mit Zentrifugieren und Waschen der Keime wurde der
eine ccm des Gemisches Suspension-Desinfektionsmittel in ein Zentrifugenglas
übertragen, 50 ccm steriles destilliertes Wasser zugesetzt und K Stunde
zentrifugiert. Hernach wurde das über den abzentrifugierten Keimen befindliche
Wasser in raschen Gusse entfernt, nochmals 50 ccm steriles destilliertes Wasser
zugesetzt und wieder Stunde zentrifugiert. Das Zentrifugieren wurde gewöhn¬
lich noch ein drittesmal wiederholt. Nur bei den Versuchen mit kurzfristiger
Desinfektionszeit (5 Minuten bis 2 Stunden) begnügte man sich mit einem ein¬
maligen Zentrifugieren. Die nach dem letzten Zentrifugieren und Abgießen dt s
Dekantationswassers im Zentrifugenglas verbliebenen Keime wurden in 1 ccm
Wasser suspendiert und in raschem Gusse in ein Röhrchen mit einem Gemisch
von 10 ccm Bouillon und 10 ccm pasteurisiertem Rinderserum übergeleert und
die Proben 14 Tage im Brutschrank bebrütet. Das Zentrifugieren erfolgte auf
einer elektrischen Zentrifuge. Zur Feststellung der durch diese Versuchsanordnung
schließlich in das Kulturmedium überimpften Keimmenge wurde bei jedem Ver¬
suche Vo ccm der Suspension (entsprechend 1 ccm des Gemisches) in derselben
Weise wie das Gemisch Suspension-Desinfektionsmittel behandelt und die Menge
der in das Nährmedium übertragenen Keime bestimmt.
Am 2., 4., 8. und 14. Tage wurde von jeder im Brutschrank befindlichen
Kulturprobe eine Normalöse auf Agar ausgestrichen. Bei Milzbrand wurde das
Wachstum an dem Aufgehen typischer Milzbrandkolonien konstatiert, bei den
Staphylokokken durch die mikroskopische Untersuchung des aufgegangenen
Rasens mittels eines Grammpräparates. In der überwiegenden Mehrzahl der
Fälle wurde Wachstum *am 2. und 4. Tage beobachtet, im Rest am 8. Tage; am
14. Tage niemals.
Die Keimzahl der verwendeten Suspension und bei den Versuchen mit Zentri¬
fugieren die schließlich übertragene Keiminenge wurde durch Einsaat von 1 ccm
einer 10 5 -, 10 s -, 10 7 -fachen Verdünnung der Suspension bzw, in letzterem
Falle der in einein ccm suspendierten Menge der abzentrifugierten Keime in flüssi¬
gen Agar von 42° C, Ausgießen desselben in Petrischalen und Zählen der aufge¬
gangenen Keime nach 18-stündiger Bebrütung bestimmt. Die Dampfresistenz
der verwendeten Milzbrandsporen wurde in üblicher Weise mit Sporenseidenfäden
im Ohlmüllerschen Apparate festgestellt. Die Kultur wurde sowohl in Bouillon,
wie gemäß der Angaben von Süpfle und Dengler 52 ) in 3-proz. Traubenzucker¬
bouillon mit 5% Pferdeserumzusatz vorgenommen.
Die Phenolresistenz der verwendeten Staphylokokken wurde in jedem Ver¬
suche durch einen Desinfektionsversuch nach der Suspensionsmethode ermittelt.
Gck igle
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Von Dr. Viktor Gfgenbawr.
61
Von dem Gemisch Suspension-Desinfektionsmittel wurden nach den gewünschten
Einwirkungszeiten eine Öse in das Kulturmedium übertragen, das hier ebenfalls
nach Süpfle und Dengler 3-proz. Traubenzuckerbouillon war. Die bei diesen
Desinfektionsversuchen mit Phenol übertragene Keimzahl wurde aus der Keim¬
zahl der Suspension und aus dem festgestellten Gewicht der durch die Öse über¬
tragenen Menge des Gemisches Suspension-Desinfektionsmittel berechnet. Dir*
Bestimmung dieses Gewichtes erfolgte in der Weise, daß das Gewicht eines Ge¬
fäßes, in dem sich dieses Gemisch befand, vor und nach der Herausnahme von
je 10 Ösen bestimmt wurde.
Der Sublimatgehalt der verwendeten Desinfektionslösungen wurde durch
die gravimetrische Bestimmung des Quecksilbers als Sulfid, der Phenolgehall
mittels der Koppescharschen Titrationsmethode bestimmt.
Die Konzentrationsangaben sind als Gramme in 100 ccm Desinfektions¬
lösung zu verstehen.
Die hier beschriebene Methodik erfuhr bei den Versuchen mit Milzbrand -
sporen insoferne eine Abänderung, als bei diesen als Nährmedium Albumin-
bouillon (0,1g Albumin auf 10 ccm Bouillon) genommen wurde.
Die verwendete Bouillon war nach der gegenwärtig im hygienischen Institute
üblichen Bereitungsweise — Ersetzen des Fleisches durch Plazenta — hergestoll I
worden.
Mit sechs verschiedenen Suspensionen wurden die Versuche von Süpfle
und Dengler bezüglich der Resistenz der Staphylokokken gegenüber 1-proz.
Phenollösüng nachgeprüft und eine vollständige Bestätigung ihrer Angaben ge¬
funden. Bei einem dieser Versuche wurde die Lebensdauer der verwendeten
Staphylokokken in der Suspension bestimmt. Nach 70 Tagen ergaben die Keime
hei f Ibertragung in 3-proz. Traubenzuckerbouillon noch Wachstum, nach 80 Tagen
kein Wachstum mehr.
1. Versuche nach der Methodik Ottolenghis.
* Der erste Versuch dieser Methodik stellte eine Ergänzung der seiner¬
zeit von mir ausgeführten dar 10 ). Damals wurde gefunden, daß bei Verwen¬
dung von Albuminbouillon als Kulturmedium noch nach 100-tägiger Ein¬
wirkung von 0,01—1,00-proz. Sublimatlösungen auf Milzbrandsporen
sich Wachstum feststellen ließ. Erst 2-proz. Sublimatlösungcn bewirkten
in derselben Zeit Abtötung. Da der Versuch nach 100 Tagen abgeschlossen
w r urde, war die t obere Grenze der Anwachsungszeit und niederste sichere
Tabelle 11. Versuche nach der Methodik Ottolenghig*
Wirkung von Sublimat auf Milzbrandsporen. Dampfresistenz der Milzbrand¬
sporen: 3 Minuten (Bouillon), 5 Minuten (3°/o Traubenzuckerbouillon mit 5%
Pferdeserum). Überimpfte Keimzahl: 2,4 Millionen. Temperatur: 20° C.
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44 44
44
44
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44
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+
44
44
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14 141 1 1
4
444 1
14
4
14
0,250
000‘I
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1
3,000'
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Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
I
Digitized by
G4 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
Abtötungszeit nicht bestimmt worden. Der vorliegende Versuch ergab nun
eine sichere Abtötung in dem Konzentrationsbereich von 3,00—0,05%
nach 100 Tagen, so daß man mit Berücksichtigung des früheren Versuches
sagen kann, daß die niederste sichere Abtötungszeit für diese Konzentratio¬
nen 105 Tage ist. Sublimatlösungen von einer Konzentration von 0,01%
töteten erst nach 115 Tagen (Tabelle 11)., Die Versuche mit Staphylo¬
kokken (Tabelle 12) ergaben bei niederen Konzentrationen (unter 0,1%
HgCl 2 ) eine höhere .Resistenz dieser Keime, als nach den Versuchsergeh¬
nissen jener Autoren zu erwarten war, die nach derselben Methodik arbei¬
teten. Bei den höheren Konzentrationen übertreffen die Versuchsresultate
Ottolenghis bei 2,712% die vorliegenden Feststellungen bezüglich der
Abtötungszeit. Im Gegensatz zu den Versuchen mit Milzbrandsporen
ist hier eine deutliche Abhängigkeit der Abtötungszeiten von der Kon¬
zentration vorhanden, wie aus der Tabelle 13, die nur die höchsten bei den
einzelnen Konzentrationen erhaltenen Werte berücksichtigt, zu ersehen ist.
Tabelle 13. Versuche nach der Methodik Ottolenghis«
Wirkung von Sublimat auf Staphylokokken. Niederste sichere Abtötungszeit und
höchste Anwachsungszeit nach Literaturangaben und nach eigenen Versuchen.
Stunden
Tage J
3 4
•
7
8
87, !•
2J
2 3 4
5 0 8
10
12
MgCl 2 %
nach
0.01
0,0135<i |
0 025
0.027 |
0,05
0,10
0,135(5 |
0,25
0,50
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0,54 1
; | ,
1
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+ 1
1,00 {
i
1,356
1 ■
i
2,00
i
2,712 |
1
}- ,
3,000
+
.
eigene Versuche
Ottolenghi
Croner u. Naumann
eigene Versuche
Ottolenghi
Croner u. Naumann
eigene Versuche
eigene Versuche
Ottolenghi
Croner u. Naumann
eigene Versuche
eigene Versuche
Ottolenghi
Croner u. Naumann
Steiger und Döll
eigene Versuche
Croner u. Naumann
eigene Versuche
Ottolenghi
Croner u. Naumann
eigene Versiehe
2. Versuche mit Waschen der Keime.
Diese Versuche wurden nur mit Staphylokokken als Testmaterial
ausgeführt.
Zunächst wurde zur Ermittlung eines geeigneten Nährbodens für die
Nachkultur ein Entvvicklungshemmungsversuch angestellt. Derselbe er-
Gougle
Original frnm
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. Viktor Gegenbauer.
65
gab wie bei den Entwicklungshemmungsversuchen mit Milzbrandsporen
die Überlegenheit des Serums und der Serumbouillon über die gewöhnliche
Bouillon. Das Wachstum konnte in allen Fällen schon nach 2—4tägiger
Bebrütung konstatiert werden.
Als sicher entwicklungshemmend bei Brutschranktemperatur und
14-tägiger Bcobachtungszeit erwiesen sich:
für Staphylokokken für Milzbrandsporen
(vorliegenderVersnob) IJt. Nr. 10
in
Bouillon die Konzentration ....
1:20000
1: 8000
Agar » » ...
.
1:10000
Serumbouillon die Konzentration
1: 8000
1: 4000
Serumagar » »
1: 2000
»
Blutserum » »
1: 8000
1: 2000
i»
Albuminbouillon » *
1: 6000
Staphylokokken waren also etwas weniger widerstandsfähig gegen
entwicklungshemmende Einflüsse als Milzbrandsporen, allerdings nicht in
dem Maße wie nach den Versuchen von Fermi 58 ), der als sicher entwick¬
lungshemmend für diese Keime bei Verwendung von Glyzerinagar schon
die Konzentration 1:510000 fand, zu erwarten war.
Nach den Resultaten dieser Untersuchungen wurde dann für die vor¬
liegenden Versuche Serumbouillon als Nährmedium genommen.
Die Ergebnisse dieser Versuche, die in Tabelle 14 dargestellt sind,
übertreffen bezüglich der festgestellten höchsten Anwachsungszeiten weit¬
aus jene der älteren Autoren, die ebenfalls die desinfizierten Keime vor der
Übertragung in das Nährmedium wuschen.
Wachstum wurde nämlich noch erzielt:
nach 1-stündiger Einwirkungsdauer einer 2,00-proz.,
» 2-stttndiger » * 1,00-proz., 0,50-proz., 0,25-pro/..,
0,10-proz., 0,05-proz.,
» 12-stündiger » » 0,01-proz. Sublimatlösung
auf Staphylokokken.
Die überimpfte Keimzahl war im Vergleich zu den früheren Versuchen
gering (3,2 bis 6,4 Millionen).
IV. Die Bewertung der Deeinfektioneversuche mit Sublimat.
Wie in der Einleitung ausgeführt wurde, ist gegen die Anwendung
von Schwefelwasserstoff bzw. Sulfiden zur Nachbehandlung bei Desinfek¬
tionsversuchen mit Sublimat der Einwand erhoben worden, daß durch
diese Methodik eine wenigstens für einen Teil der in der Praxis vorkommen¬
den Fälle irreversible Zustandsänderung reversibel gemacht werde. Da
nun die im zweiten Abschnitte besprochenen Versuche gezeigt hatten,
daß bei der Einwirkung von Sublimat auf Mikroorganismen Quecksilber¬
verbindungen mit den Stoffen der Keime, namentlich mit den Proteinen
entstehen, so ergab sich, daß tatsächlich dieser Einwand zu Recht besteht,
falls eben diese Verbindung durch Schwefelwasserstoff bzw. Sulfide ge¬
sprengt werden kann.
Archiv für Hygiene. Bd. 90. 5
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Gck igle
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
66
Studien Ober die Desinfektionswirkung des Sublimates.
Tabelle 14. Versuche mit Waschen der Keime.
Wirkung von Sublimat auf Staphylokokken. Ein- bis dreimaliges Zentrifugieren
und Dekantieren. Temperatur: 20® C.
. . ^ ~ Versuch
Keimzahl von 1 ccm des Gemisches Suspension-Des¬
infektionsmittel .
In den Nährboden Uberimpfte Keimzahl .
Resistenz der r Höchste Anwachsungszeit
Resistenz der
Stapbylokokken-
gegen 1-prozentige
PhenollOsung
f Höchste Anwachsungszeit . .
< Niederste sichere Abtötungszeit
l Überimpfte Keimzahl . . . .
Nr. 1 .
400
38
40
60
3.2
400 800 Mill.
40 75 Mill.
60 80 Min.
80 100 Min.
3,2 6,4 Mill.
Letztere Annahme erschien von vornherein als gegeben, wurde aber
außerdem noch durch die folgende Versuchsreihe gestützt, durch die auch
gleichzeitig bewiesen werden sollte, daß das nach dem Verteilungsfaktor
übergegangene Sublimat durch Schwefelwasserstoff ausgefällt wird.
In den Einzelversuchen 3 und 6 der Versuchsreihe VI bestand die
eingewogene Koagulummenge aus je zwei Teilstücken. Die Summe der
Gewichte dieser beiden Stücke ergab das in Tabelle 3 angegebene Gewicht
der eingewogenen Koagulummenge. Nach 24-stündiger Berührung der
Koagulumstückchen mit der Sublimatlösung wurde der Quecksilbergehalt
der Flotte bestimmt und daraus dife in das Eiweiß der beiden Koagulum¬
stückchen übergegangene Sublimatmenge berechnet. Nun wurde je ein
Koagulumstückchen jedes Einzelversuches in fließendem Hochquellenwasser
solange gewaschen, bis es mit 50 ccm Wasser yersetzt auch nach 12-stün-
diger Berührung kein Quecksilber mehr abgab und dann dessen Wasser-
und Quecksilbergehalt bestimmt. Die zweiten Stücke jedes Einzelversuches
wurden nach dem Herausnehmen aus der Sublimatlösung gewogen, um
die imbibierte und anhaftende Flotte zu bestimmen, dann in Wasser ge¬
geben und in dieses Schwefelwasserstoffgas eingeleitet. Nach 24-stündigem
Verweilen in Schwefelwasserstoffwasser wurden die inzwischen schwarz
gewordenen Stücke herausgenommen und durchgeschnitten. Die Schnitt-
□ igitized
Original ffom
THE OHIO STATE UNIVERSITY.
Von Dr. Viktor Gegcnbauer.
67
fläche war durchgehends schwarz. Hernach wurden die Stücke 8 Tage
in fließendem Hochquellenwasser gewaschen und der Quecksilbergehalt
der gewaschenen Stücke bestimmt. Die Berechnung dieser Versuche er¬
folgte analog der in Tabelle 2 dargestellten.
Die in diesen beiden Koagulumstückchen gefundenen Quecksilber¬
mengen zeigten eine leidlich gute Übereinstimmung mit jenen, die sich
nach der Berechnung als die Summe der in das Eiweiß des Koagulums über¬
gegangenen und der in der imbibierten und anhaftenden Flotte enthaltenen
ergaben. Wie bereits früher erwähnt, sind Abweichungen von der Größe
der vorliegenden (3,14 bis 2,18%) durch unvermeidliche Beobachtungsfehler
hinreichend erklärt (Tabelle 15).
Tabelle 15. Versuche mit feuchtem Rinderserumkoagulum.
Quecksilbergehalt von Koagulumstückchen, die nach 24-stündiger Berüh¬
rung mit verschieden konzentrierten Sublimatlösungen auf 24 Stunden in schwe-
felwasserstoffhältiges Wasser gebracht und dann 8 Tage in fließendem Hoch¬
quellenwasser gewaschen wurden.
Verbuch Mei lu-
Versuch Nr.
Gewicht des
Im Koagulum imbibierte
und an ihm anhaft. Flotte
Perzent. Abweich, j
zwischen dem ge¬
fundenen u.berech-
Quecksilbergehalt 1
I (A
B 3
*3
8
A 1 i A • c/3
, O Cfl 1 £ bc
i.*E hsa *b
C 3 ÖCfi •
= 2= *2sh
'aösS
'35 ***-
6 8
1 Vo-
Gewicht 1|lmen
g ccm
Queck-
sllber-
gehalt
8
gefunden | b *^'
1
3
9,8950
10,5500 1 0,3814
9,3110' 9,256
0,0598
0,3288 1 0,3394
3,14
VI
0
22,2717
23,7450 1,0780
20,9023 20,71
0.1946
0,9293 | 0,9502
2,18
Das Resultat dieser Versuche zeigte daher, daß die nach dem Vertei¬
lungsfaktor in das Eiweiß des Koagulums übergegangene Sublimatmenge
als unlösliches Quecksilbersulfid ausgefällt worden war. Denn wäre es
nur zur Ausfällung des in der imbibierten und anhaftenden Flotte enthal¬
tenen Sublimates gekommen, aber nicht des im Eiweiß gelösten, so hätte
letzteres bei dem nachfolgenden Waschen entfernt werden müssen, was eine
bedeutende Differenz zwischen dem gefundenen und berechneten Queck¬
silbergehalt ergeben hätte, wie folgende Zusammenstellung zeigt:
Versuchs*
reihe
Versuch
Nr.
Quecksilber¬
gehalt der im¬
bibierten und
anhaftenden
Flotte
An das Eiweiß
des Koagulums
gebund. Queck¬
silbermenge
Summe
Gefundene
Quecksllbcr-
menge
V. (
3
8
0,0598
g
0,1193
8
0,1791
8
0,3288
l
6
0,1946
0,3314
0,5260
0,9293
1) Dieser Wert ist die Summe der in das Eiweiß übergegangenen und der
in der imbibierten und anhaftenden Flotte enthaltenen Quecksilbermenge.
5*
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68
Studien über die Desinfektions Wirkung des Sublimates.
Die Abweichung der beiden Werte hätte in diesem Falle 45,53% bzw\
43,40% betragen. Wie aus den Versuchen hervorgeht, wird das ausgefällte
Quecksilbersulfid nicht ausgewaschen, sondern offenbar in den Maschen
des Koagulums zurückgehalten.
Über die Beziehungen zwischen Schwefelwasserstoff und dem an das
Eiweiß des Koagulums gebundenen Quecksilber war aus den vorherigen
Versuchen nichts zu schließen. Zur Klarstellung dieser Frage wurden
die zwei folgenden Versuche angestellt.
Bei Versuchsreihe Va wurden die KöagulumstUckchen, die nach
24-stündiger Berührung mit verschieden konzentrierten Sublimatlösungen
in fließendem Hochquellenwasser solange gewaschen wurden, bis sie mit
50 ccm Wasser versetzt an dieses auch nach 12-stündiger Berührung kein
Quecksilber mehr abgaben, in zwei Partien geteilt. In der ersten Partie
wurde der Wasser- und Quecksilbergehalt bestimmt. Die zweite Partie
wurde in Wasser gegeben und in dieses Schwefelwasserstoffgas eingeleittt.
Allmählich wurden die Stücke schwarz. Nach 24-stündigem Verweilen
in dem schwefelwasserstoffhältigen Wasser nahm man die Stücke heraus
und durchschnitt sie, wobei sich zeigte, daß die Schnittfläche durchgehend«
schwarz war. Die Stücke wurden dann 8 Tage in fließendem Hochquellen-
wasBer gewaschen und der Quecksilber- und Wassergehalt der gewaschenen
Stücke bestimmt.
Das Schwarzwerden der Stücke der zweiten Partie, das beim Liegen
in schwefelwasserstoffhaltigem Wasser eintrat, läßt sich wohl nur so deuten,
daß der Schwefelwasserstoff die Verbindung Protein-Quecksilber sprengt
und unlösliches Quecksilbersulfid sich ausscheidet, das dann, wie aus der
weitgehenden Übereinstimmung der auf 1 g Eiweiß des gewaschenen
Koagulums entfallenden Quecksilbermengen beider Partien hervorgeht,
ebensowenig aus den Maschen des Koagulums sich auswaschen läßt, wie
das Quecksilbersulfid, das aus dem in der imbibierten und anhaftenden
Flotte enthaltenen und dem im Eiweiß gelösten Sublimat ausgefällt wurde
(Tabelle 16).
Zu den gleichen Ergebnissen führten die Versuche mit Hefe.
Da also anzunehmen ist, daß durch die Einwirkung von Schwefel¬
wasserstoff bzw. Sulfiden Verbindungen zwischen dem Quecksilber und
bestimmten Leibessubstanzen der Keime unter Bildung unlöslichen Queck¬
silbersulfides gesprengt werden, so sind entsprechend der Fragestellung
die Methodik der Prüfung dieses Desinfektionsmittels auszuwählen bzw.
die nach einer Methodik erhaltenen Resultate zu beurteilen.
So charakterisieren uns die Resultate der Versuche mit bloßem
Waschen der Keime vor der Übertragung in das Nährmedium die Des¬
infektionskraft des Sublimates nur jenen Objekten gegenüber, in denen es
zu keiner Bildung von Schwefelwasserstoff und Sulfiden kommt, bzw.,
die nicht später mit diesen Stoffen in Berührung kommen. Dies wäre im
allgemeinen bei der chirurgischen und Händedesinfektion, ferner bei der
Desinfektion von Wänden, Fußböden und Einrichtungsgegen¬
ständen in Wohnungen der Fall. Handelt es sich jedoch um die Desinfek¬
tion von Abfallstoffen, Abwässern, Weichwässern von Gerbereien,
Harn und Stuhl, Sputum oder Objekten, die später in Abwässer ge-
Digitizeit by
Gck igle
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. Yiklor Gegenbauer.
69
Tabelle 16. Versuche mit feuchtem Rinderseruinkoagulum.
Quecksilbergehalt von Koagulumstückchen, die nach 24-stündiger Berüh¬
rung mit verschieden konzentrierten Sublimatlösungen in fließendem Hochquellen¬
wasser solange gewaschen wurden, bis sie, mit 50 ccm Wasser versetzt, an dieses
auch nach 12-stündiger Berührung kein Quecksilber mehr abgaben, dann in
zwei Partien geteilt wurden und in der ersten Partie (A) sofort der Quecksilber-
und Wassergehalt, in der zweiten (B) nach vorhergehendem 24-stündigem Ein¬
legen in schwefelwasserstoffhaltigem Wasser und neuerlichem 8-tägigem Waschen
bestimmt wurde.
Ver¬
suchs¬
reihe
Ver¬
such
Nr.
Wasser-
bestimmung
Quecksilber¬
bestimmung
L ^ e* c *
*35 *>*=
Jwaüä
§21 |s
a-W
Gewicht des
Gewicht des
Eiwei߬
gewicht
Gewicht
des ge¬
fundenen
Queck¬
silbers
ff
feuchten geirockn.
Koa- , Koa-
gulums gulums
ff ff
A i
la
1,8809 0,3713
3,2933
0,0762
0,6501
0,06570
0,1011
1
I In
2a
2,1096 0,3753
3,4585
0,0635
0,0155
0,05480
0,08890
B 1
i ia •
lb
3,7568 0,5735
2,9412
0,0620
0,4490
0,05350
0,1191
1
2b
4,1532 0,6885
3,3534
0,0640
0,5559
1
0,05552
0,09927
langen oder gelangen können, so geben uns die Versuche, die die des¬
infizierten Keime mit Schwefelwasserstoff oder Sulfiden be¬
handeln, ein richtiges Bild über die desinfizierende Wirkung des Subli¬
mates gegenüber solchen Objekten.
V. Die Theorie der Deeinfektionewirkung des Sublimates.
Die vorliegenden Versuche haben einerseits die chemischen und
physikalischen Beziehungen zwischen Sublimat und Mikroorganismen
anderseits die Wirksamkeit dieses Stoffes gegen zwei Vertreter ver¬
schiedener Typen von Mikroorganismen (Milzbrandsporen und Staphylo¬
kokken) unter verschiedenen Bedingungen festgelegt. Es erschien somit
die entsprechende Grundlage gegeben, um die Ursache der desinfizie¬
renden Kraft des Sublimates erörtern zu können.
Bei der Berührung von Mikroorganismen und Sublimat spielen
sich, wie nachgewiesen wurde, drei Vorgänge ab; die Verteilung des
Sublimates zwischen Keimen und Wasser nach konstantem Faktor,
die Entstehung von Quecksilber- und die Entstehung von Säure¬
verbindungen mit den organischen Stoffen der Keime, die alle drei
nach unseren heutigen Vorstellungen als desinfizierend gedacht werden
dürfen. Das Interesse muß sich also zunächst der Frage zuwenden,
ob jeder dieser drei Prozesse im vorliegenden Falle auch wirklich
Keime abzutöten vermag. Verteilungsgleichgewichte können durch die
hemmende Wirkung des im Protoplasma gelösten Stoffes auf lebens¬
wichtige Funktionen, durch Verdrängung des Quellungswassers des
Eiweißes und durch Eiweißkoagulation Abtötung bedingen. Chemische
Bindungen können natürlich schon an und für sich durch Ausschaltung
der Funktionen der an sie gebundenen Stoffe maßgebend für den
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70
Studien Uber die Desinfektionswirkung des Sublimates.
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Zelltod sein, oder wie wahrscheinlich bei den Proteinsalzsäureverbin¬
dungen durch hydrolytische Aufspaltung des gebundenen Eiweißes
zelltötend wirken.
Die vorliegenden Versuche erbringen den Beweis für die abtötende
Wirkung der Verbindung des Quecksilbers mit den Eiweißkörpern der
Keime.
Bei den Versuchen nach der Methodik Ottolenghis wird, wie
in dem vorhergehenden Abschnitte ausgeführt wurde, nicht nur das
nach dem Lösungsgleichgcwiclite in die Keime tibergegangene Sublimat
Fig. 2. Versuche nach der Methodik Ottolenghis
Wirkung von Sublimat auf Milzbrandsporen.
X- X niederste sichere Abtötungszeit.
O --— O höchste Anwachsungszelt.
(Versuche aus Tabelle 11.)
ausgefällt, sondern auch die Quecksilberverbindung gesprengt, wodurch
die Stoffe der Keime, die an das Quecksilber gebunden waren, wieder
funktionsfähig werden können, sofern sie nicht ihre Funktionsfähigkeit
durch die Dauer der Bindung eingebüßt haben. Bei den Waschversuchen
werden nur die Hauptmengc des gelösten Sublimates und die bloß
anhaftenden Sublimatspuren entfernt. Aus dem Umstande nun, daß
bei den nach der ersteren Methodik angestellten Versuchen sowohl bei
Staphylokokken wie bei Milzbrandsporen als Testkeime weit höhere
Anwachsungszeiten erzielt wurden, als bei den nach der letzteren
Gck igle
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Von Dr. Viktor Gegenbauer. 71
Methodik ausgeführten, geht hervor, daß das Bestehen dieser Bindung
ein Absterben der Keime bedingt.
Die Frage, ob auch die im Protoplasma gelöste Sublimatmenge
eine desinfizierende Wirkung entfaltet, muß nach den vorliegenden
Fig. 3. Versuche nach der Methodik Ottolenghls.
Wirkung von Sublimat auf Staphylokokken.
X - X niederste sichere Abtötungszeit.
O -O höchste Anwachsungszeit.
(Versuche aus Tabelle 12.)
Versuchen für Milzbrandsporen verneint, für Staphylokokken aber
bejaht werden. Es hat sich nämlich bei den nach der Methodik
Ottolenghis angestellten Desinfektionsversuchen gezeigt, daß eine
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72
Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
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ersichtliche Abhängigkeit der Abtötungszeit von der Konzentration
der Desinfektionsflüssigkeit bei Staphylokokken besteht (Tabelle 12 u. 13)
bei Milzbrandsporen aber nicht. Eine solche Abhängigkeit ist nicht
denkbar, wenn nur Bindungen eine Desinfektionswirkung ausüben
würden, da ja nach dem Begriff von Prozessen stöchiometrischer
Natur die Bindungsgiöße unabhängig von dem Gehalt der Flotte an
Desinfiziens im gleichen Zeitpunkt nach erreichtem Gleichgewicht immer
den gleichen Wert haben muß. Daher dürfte auch in solchen Fällen
die Desinfektionsdaucr keine Abhängigkeit von der Konzentration der
Desinfektionsflüssigkeit zeigen. Anders liegen die Verhältnisse, wenn
schon sehr kurze Zeiten der vollständigen Bindung genügen, um die
Fig. 4. Versuche mit Waschen der Keime.
Wirkung von Sublimat auf Staphylokokken.
X-X niederste sichere Abtötungszelt.
O-O höchste Anwachsungsieit.
(Versuche aus Tabelle 14.)
Keime abzutöten oder wenn auch bei nicht sehr kurzfristiger Desinfek¬
tion besondere Diffusionsschwierigkeiten vorliegen. Diese beiden Fälle
stellen eigentlich bloß einen Fall eines relativen Hervortretens der
Diffusionszeit vor. Die Geschwindigkeit, mit der das Diffusionsgleich¬
gewicht und damit auch die vollständige Bindung erreicht wird, muß
vom Gehalt der Desinfektionsflüssigkeit beeinflußt sein, so daß auch
die Desinfektionszeit von den einzelnen Konzentrationen abhängt, ln
solchen Fällen kann auch dann, wenn die Desinfektionswirkung nur
auf chemischer Bindung beruht eine. Abhängigkeit der Desinfektions¬
dauer von der Konzentration der Desinfektionsflüssigkeit bestehen,
wie dies tatsächlich bei .der .Desinfektionswirkung von Salzsäure gegen¬
über Milzbranclsporen vorzuliegen scheint. (Gegenbauer und
Reichel (44)).
Gougle
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Von Dr. Viktor Gegenbaut-r.
73
Für die Wirkung auf Staphylokokken kann das Vorhandensein
solcher Zust&nde aber ausgeschlossen werden, da bei den Waschver¬
suchen sich kein Zusammenhang zwischen Konzentration und Ab¬
tötungszeit ergab. Das Wachstum blieb hier im ganzen untersuchten
Konzentrationsbereich nach dreistündiger Einwirkungsdauer der Sublimat¬
lösungen aus. Es war also bereits zu diesem Zeitpunkte die Bindungs¬
größe der Quecksilberproteinverbindung bei den verschiedenen Kon¬
zentrationen der Flotte gleichgroß und daher offenbar auch schon
vollständiges Diffusionsgleichgewicht eingetreten. Um so mehr mußte
dies bei jenen späteren Zeiten der Fall sein, in denen nach der
Methodik Ottolenghis keine Entwicklung gefunden wurde.
Bei Milzbrandsporen zeigte sich auch bei den nach der Methodik
Ottolenghis ausgeführten Versuchen kein Gang mit der Konzentra¬
tion, was besagt, daß bei diesen Sporen entweder durch die hydro¬
lytische Aufspaltung des Sporeneiweißes durch die gebundene Salz¬
säure oder durch die Vernichtung der Funktionsfähigkeit jener Stoffe
der Sporen, die eine Verbindung mit dem Quecksilber eingegangen
waren, der Toi früher eingetreten war, bevor sich eine sporicidc
Wirkung des gelösten Sublimates hätte zeigen können. Der Unterschied
zwischen Milzbrandsporen und Staphylokokken könnte darauf beruhen,
daß vielleicht das Sporeneiweiß ein in Betracht kommendes Lösungs¬
vermögen für Sublimat im Gegensatz zum gewöhnlichen Bakterien¬
eiweiß nicht besitzt.
Sind also die desinfizierten Keime hinterher der Wirkung von
Sulfiden und Schwefelwasserstoff ausgesetzt, so ist die Desinfektions¬
wirkung von verschiedenen Faktoren bedingt, je nachdem es sich um
Staphylokokken oder Milzbrandsporen handelt.
Bei Staphylokokken stellt sich dieselbe als ein Effekt des im
Protoplasma gelösten Sublimates dar. Denn hier ergab sich ein Zu¬
sammenhang zwischen Abtötungszeit und Konzentration der Desinfek¬
tionslösung, der nach den früheren Erörterungen für den vorliegenden
Fall nur durch Verteilungsvorgänge bedingt sein kann. Für Milzbrand¬
sporen muß man aber annehmen, daß das Bestehen von Bindungen
den wirksamen Faktor darstellt, da hier die Abtötungszeit für die ein¬
zelnen untersuchten Konzentrationen mit Ausnahme der niedersten
(0,0i°/ o ), bei der offenbar sehr spät der Gleichgewichtszustand und
damit die vollständige Bindung erreicht wird, im Überschlag dieselbe ist.
Das Ausbleiben des Wachstums nach bloßem Waschen der andes¬
infizierten Keime, dem, wie dargelegt, für viele Fälle, in denen die
Möglichkeit ausgeschlossen ist, daß sie hinterher mit Schwefelwasser¬
stoff oder Sulfiden in Berührung kommen, die praktische Bedeu¬
tung einer Abtötung voll zukommt, wäre theoretisch im strengen
Wortsinn nicht als erreichte Desinfektion zu betrachten, da nach Spren¬
gung der Quecksilberproteinverbindung durch Schwefelwasserstoff oder
Sulfide noch weit höhere Anwachsungszeiten zu erreichen sind. Es
handelt sich um eine Art Scheintod oder richtiger um einen relativen
Tod der Keime, relativ nämlich zu ihrem nachträglichen Schicksal.
Man könnte auch von einer Entwicklungshemmung sprechen, die aber
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74 Studien über die Dcsinfektionswirkung des Sublimates.
hier abweichend von den gewöhnlichen Arten entwicklungshemmender
Zustände nicht durch die Umwelt, sondern durch eine Zustandsfinde-
rung im Chemismus der Keime selbst bedingt ist, die unter gewissen
Bedingungen reversibel gemacht werden kann. Es entspricht vielleicht
dem bisherigen Sprachgebrauch und auch praktischen Bedürfnissen
besser, hier doch von Desinfektionswirkung, wenn auch von noch nicht
irreversibler, zu sprechen. Die Erreichung dieses relativen Todes er¬
weist sich sowohl bei Staphylokokken als auch bei Milzbrandsporen
als offenbar allein vom Bestehen der chemischen Quecksilberprotein¬
verbindung abhängig, nachdem sich bei keiner der Keimarten eine Ab¬
hängigkeit dieser Wirkung vom Sublimatgehalt der Lösung erkennen
läßt. Eine Beteiligung der Salzsäurewirkung am Zustand dieser rela¬
tiven Abtötung kann ausgeschlossen werden, weil der bedeutende zeit¬
liche Unterschied in der gefundenen Abtötungszeit zwischen den Wasch-
versuchen und den Versuchen nach der Methodik Ottolenghis beweist,
daß hier eben dem Bestehen der Quecksilberverbindung die abtötende
Wirkung zuzuschreiben ist. Würde nämlich die Salz säure Verbindung
den Haupt- oder wenigstens einen wesentlichen Faktor darstcllen,
könnte ein derartiger Unterschied nicht bestehen, da ja doch diese
Bindung durch Schwefelwasserstoffzusatz nicht gesprengt wird und
durch hydrolytische Aufspaltung entstandene irreversible Zustands¬
änderungen der Natur der Sache nach durch keinen Prozeß reversibel
gemacht werden können.
Trägt man nun nach dem Vorgänge von Reichel 41 ) die bei den ein¬
zelnen untersuchten Konzentrationen der Desinfektionslösung gefun-
.denen höchsten Anwachsungszeiten und niedersten sicheren Abtötungs¬
zeiten in ein Koordinatensystem ein, auf dessen Abszissenachse die Kon¬
zentration der Desinfektionsflüssigkeit und auf dessen Ordinatenachse
die Zeit aufgetragen ist und verbindet die einzelnen Punkte, so erhält man
Grenzlinien, zwischen denen jene Linien liegen, die den geometrischen
Ort der zu den einzelnen Konzentrationen gehörenden Abtötungszeiten
— die Resistenzkurven — darstellen (Fig. 2—4).
Für das Sublimat ergab sich nur bei Staphylokokken als Test¬
material, und zwar für die Versuche nach der Methodik Ottolenghis
eine Kurve, deren Gleichung lautet:
T' Hg% 0 - 5 = 1,5
worin T die zu den betreffenden Konzentrationen gehörigen Abtötungs¬
zeiten in Tagen angegeben bedeutet. Die Gleichung besagt, daß das Pro¬
dukt aus der Desinfektionsdauer in Tagen und der Wurzel
aus der Konzentration der Desinfektionslösung einen kon¬
stanten . Wert, und zwar für die verwendeten Stämme 1,5
haben muß, wenn Staphylokokken, die hinterher mit Sulfiden
oder Schwefelwasserstoff in Berührung kommen, abgetötet
werden sollen.
Die Berechnung solcher Gleichungen kann in ausreichender Annäherung
nach Reichel 4 *) auf rein empirischem Wege durchgeführt werden, indem man
versucht, mit welchem Exponenten in Form ganzer Zahlen oder einfacher Brüche
der Konzentrationswert der Desinfektionslösung zu versehen ist, damit in der all-
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Von Dr. Viktor Gegenbauer.
75
gemeinen Resistenzgleichung T • HgCl t % w = K der Wert Ä* der Konstanz am
nächsten kommt. Im vorliegenden Falle ergaben sich aus den in Tabelle 13
enthaltenen Grenzzahlen der eigenen Versuche die folgenden Werte für die Kon¬
stante bei den Exponenten 1,0 und 0,5:
n = 1,0 n = 0,5
HgCl.V.
sicher über
wahrscheinlich
unter
sicher über
wahrscheinlich
unter
0,01
0,10
0,12
1,00
1,20
0,025
0,15
0,20
0,05
1,27
0.05
0,20
0,26
039
1,12
0,10
0,30
0,50
0,40
0,95
1,27
0,25
0,76
1,00
1,50
0,50
1,00
1,00
1,50
1,41
2,12
1,00
2,00
1,00
2,00
2,00
0,58
0,07
0,41
0,47
3,00
0,38
0,50
0,22
0,29
Aus der Zusammenstellung ist sofort zu erkennen, daß der Ar-Wert beim Ex-
uouenten 0,5 im Konzentrationsbereich 0,01—1,00% einen leidlich konstanten
Wert liefert. Der in die Formel einzusetzende A-Wert muß natürlich aus nahe¬
liegenden Gründen höher liegen als der höchste Minimalwert. Die wenigen Ver¬
suche mit höheren Konzentrationen stutzen allerdings den Exponenten nicht.
Doch ist nicht aneunehmen, daß die Kurve bei 1,00% eine Knickung hat, sondern
es ist eher an ein zufälliges Ausbleiben des Wachstums in meinen Versuchen zu
denken; eine Annahme, die durch die Versuche Ottolenghis, der nach 8*4stün-
diger Einwirkung von 2,712proz. Sublimatlösung Wachstum fand, gestützt wird.
Daher dürfte es gerechtfertigt sein, anzunehmen, daß auch für die höheren Kon¬
zentrationen der Exponent n = 0,5 Geltung hat.
Für dieselben Bakterien ergab sich bei den „Versuchen mit Waschen der
Keime“ für den Konzentrationsbereich von 0,05—2,00% Sublimat eine mit
der Konzentrationsachse parallele Gerade, die durch die Gleichung T= 0,125
(3 Stunden) ausgedrückt wird, worin T in Tagen angegeben ist. Es betrögt
somit für Staphylokokken, die nach der Desinfektion nicht mit
Sulfiden oder Schwefelwasserstoff Zusammenkommen, die
Desinfektionsdauer innerhalb des angegebenen Konzen¬
trationsbereiches (0,05—2,00%) unabhöngig von der Konzen¬
tration 3 Stunden.
Bei der Aufstellung dieser Gleichung wurde angenommen, daß es sich
bei 2,00% Sublimat, wo eine etwas kürzere Abtötungszeit gefunden wurde,
um einen Zufallsbefund handelt.
Bei den nach der Methodik Ottolenghis angestellten Versuchen mit
Milzbrandsporen erhielt man für den Konzentrationsbereich 0,05 bis
3,00% ebenfalls eine mit der Konzentrationsachse parallele Gerade, deren
Gleichung unter Benützung der a. a. O. wiedergegebenen Versuchsresul¬
tate 10 ) die Formel T— 105 hat, wobei T wieder in Tagen angegeben ist.
Kommen also Milzbrandsporen hinterher mit Sulfiden oder
Schwefelwasserstoff in Berührung, so beträgt die Desinfek¬
tionsdauer innerhalb des Konzentrationsbereiches 0,05 bis
3,00% Sublimat unabhängig von der Konzentration 105Tage.
Bei den „Versuchen mit Waschen der Keime“ wurde für diese Sporen,
wie bereits erwähnt, kein eindeutiges Resultat erhalten. Immerhin läßt
sich aber sagen, daß ein ersichtlicher Zusammenhang zwischen Konzentra¬
tion und Desinfektionszeit nicht bestand und daß es daher äußerst wahr¬
scheinlich ist, daß sich auch in diesem Falle die zu den einzelnen Konzen-
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70 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
trationen gehörigen Abtötungszeiten auf einer zur Konzentrationsachse
parallelen Geraden befinden. Die Desinfektionszeit ist auch hier sehr lange,
beträgt z. B. im Konzentrationsbereich 0,1—1,0% Sublimat 10 Tage.
Das Zustandekommen der Desinfektionswirkung des Sublimates
erscheint somit bei Milzbrandsporen unter allen Umständen an eine gewisse
Dauer des Bestehens der Proteinverbindungen geknüpft zu sein, wobei diese
Dauer weit größer sein muß, wenn nachträglich die Sporen mit Sulfiden
oder Schwefelwasserstoff in Berührung kommen, als wenn dies nicht der
Fall ist. Für die Desinfektionswirkung gegenüber Staphylokokken gilt
dasselbe nur, wenn eine nachträgliche Berührung der Keime mit Schwefel¬
wasserstoff und Sulfiden ausgeschlossen ist, während im Falle der nachträg¬
lichen Einwirkung dieser Stoffe die Wiedererweckung der Keime nach ver¬
schieden langer Einwirkungsdauer des Sublimates gelingt , je nach der Höhe
der einwirkenden Konzentration. Da die Bindungsgröße von der Konzen¬
tration unabhängig ist, die Menge des gelösten Sublimates jedoch davon
eindeutig bedingt ist, muß angenommen werden, daß der hier betrachtete
Desinfektionseffekt durch das gelöste Sublimat zustande kommt.
Tabelle 17. Versuche nach der Methodik Ottoleughis.
Wirkung von Quecksilbercyanid auf Staphylokokken. Temperatur: 20°C.
Überimpfte Keimzahl und Resistenz der Staphylokokken gegen 1-proz. Phenol¬
lösung siehe Tabelle 12.
Konzen¬
tration
des Queck¬
silber
oyanides
in St
Stunden
Tage
Ver¬
such
Nr.
1
2
3
4
6
8
10
12
1« 20 24
2 3
4
5
6
8
10
LÜJ
14
16
1
4
+
4
4
7
0,025 {
4
4
—
8
\
+ +
4
4
+
+
—
—
9
I
i
4
+
+
4
4 4
4
+
4
7
0,05 '
4
—
—
8
1
-1- 4
4
4
4
—
—
—
-
—
9
(
+
+
4
4
+ +
+
4
—
—
7
0,10 {
+
4
—
8
l
4
+ T
4
+
4
_
_
9
1
+
4
4
4
4 4
+
4
—
—
7
0,25 {
+
4
4
—
—
8
l
+ +
4
4-
-1-
—
—
—
9
I
4
4
4
4
4 4
<
4
—
—
7
0,50 {
4
4 4
4
4
8
1
4
4 4
4
4
4
— ,
1
-
9
1
4
4-
4
f
4
4
4
4
4
4
7
1,00 }
4
_L
4
4 4
4
—
— ,
—
8
1
4
4
4 4
+
4
4
— '
1 —
9
1
4
T
4
4
4
4
4
4 i
4
7
2,00 {
4
4
4
4
4 4
—
— j
; —
8
l
4
4
4
4
4 4
4
4
—
9
|
-f I
*4
4
4
4
4
4
4
7
3,00 {
4
4
4 4
— |
—
— 1
8
1
4
4
4 4
4
4
— I
—
9
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Von Dr. Viktor Gegenbauer.
77
Tabelle 18. Verfluche mit Waschen der Keime«
Wirkung von Quecksiibercyanid auf Staphylokokken. Dreimaliges Zentri¬
fugieren und Dekantieren. Temperatur: 20° C.
Versuch-Nr.
Keimzahl von 1 ccm des Gemisches Suspension-Desinfeklions- * 2
mittel in Millionen. 400 400
ln den Nährboden überimpfte Keimzahl in Millionen .... 40 - 38
Resistenz der i Höchste Anwachsungszeit in Minuten . . . 100 60
Mm i-mz 6 ” r Niederste sichere Abtötungszeit in Minuten . 120 80
Phenollösung J Uberimpfte Keimzahl in Millionen .... 3.2 3,2
Konzentration
des Queck-
silberzyanldes
In •/•
-J1JLL—Jg - ———
Stunden
Tage
Versuch
Nr
1
3
6
12
24
2
4 6
8
0,01 |
T
\
.4
+ ! -
—
1
2
0,05 |
+
-f-
+
r
+
-1- 1 -
_
1
2
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-i
T
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+
+
+ r -
T ~
—
1
2
0,50 |
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1
2
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1
l
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b
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* _ 1
—
1
2
2,00 |
1
l
-I-
{-
1
1 + ;
1
+
l
-1
; j —
—
1
2
Scheuerlen und Spiro 5 ) sowie Krönig und Paul 12 ) haben nach¬
gewiesen, daß die Quecksilbersalze entsprechend dem elektrolytischen
Dissoziationsgrade ihrer wässrigen Lösungen wirken. Diese Tatsache
steht mit den vorhergehenden Ausführungen keineswegs in Widerspruch.
Denn die Versuche jener Autoren besagen ja nur, daß eine Beziehung
zwischen Dissoziation und Desinfektion besteht, lassen aber die Frage
nach der eigentlichen desinfizierenden Wirkung offen. Man kann sich ganz
gut vorstellen, daß die Bindungsgröße, das Eintreten der Bindung überhaupt,
und die Größe des Verteilungsfaktors von dem Dissoziatiomsgrad des Des-
infiziens abhängen. Die vorliegenden Versuche mit Quecksilbercyanid, die
noch durch Desinfektionsversuche (Tabelle 17 u. 18) ergänzt wurden,
sprechen entschieden für diese Auffassung. Bei diesem Quecksilbersalz,
dessen Lösung äußerst wenig dissoziiert ist, wurde eine erst nach längerer
(15-tägiger) Berührungszeit von Koagulum und Merkuricyanid feststell¬
bare, weit geringere Bindungsgröße der Quecksilberverbindung und ein
bedeutend kleinerer Verteilungsfaktor gefunden als beim Sublimat. Dem¬
entsprechend ergaben die Desinfektionsversuche sowohl bei den „Versuchen
mit Waschen der Keime“, wie bei den Versuchen nach der Methodik
Ottolenghis weit höhere-Abtötungszeiten wie beim Sublimat. Aus dem
Umstande nun, daß ein Gang der Abtötungszeit mit der Konzentration
der Desinfektionslösung bei keiner der beiden Versuchsarten gefunden
wurde, muß angenommen werden, daß die Quecksilberverbindung die Ab¬
tötung der Keime bewirke, und daß das gelöste Quecksilbercyanid bei der
Desinfektionswirkung keine Rolle spiele.
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78
Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
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Die Versuchsanordnung der Desinfektionsversuche mit Quecksilbercyanid
war genau dieselbe wie bei den Sublimat versuchen. Als Nährboden bei den Ver¬
suchen mit Waschen der Keime wurde nach dem Ausgang eines Entwicklungs¬
hemmungsversuch Serumbouillon genommen. Die vorliegenden Versuche lassen
die Desinfektionswirkung des Qiucksilbercyanides weit weniger günstig erschei¬
nen als die Hünes* 4 ).
Der Umstand, daß nach 10-tägiger Berührung von Quecksilbercyanid
und Hefe in letzterer kein gebundenes Quecksilber gefunden wurde, spricht
keineswegs gegen diese Erklärung, da ja durch die Versuche mit Rinder-
serumkoagulum das Entstehen von Quecksilberverbindungen mit dem
Eiweiß auch bei diesem Quecksilbersalze festgestellt wurde. Offenbar
verstreicht bei der Hefe eine viel längere Zeit, bis die Protein-Quecksilber¬
verbindung entsteht als bei den Staphylokokken.
VI. Zusammenfassung der Ergebnisse.
Die Versuche zur Klarstellung der chemischen und physikalischen
Beziehungen zwischen Sublimat und den hauptsächlichsten in den Zellen
vorhandenen Stoffen — den Eiweißkörparn und den Lipoiden — als deren
Vertreter koaguliertes Rinderserum und Rüböl genommen wurde, haben
ergeben, daß das Sublimat mit dem Eiweiß zwei Arten von Beziehungen,
nämlich Lösungsbeziehungen und chemische Bindungen, mit dem
Ol nur Lösungsbeziehungen eingeht.
Das Sublimat verteilt sich zwischen Eiweiß und Wasser, sowie Ol
und Wasser wie zwischen zwei Lösungsmitteln, wobei das Molekulargewicht
des verteilten Stoffes in beiden Phasen dasselbe ist. Der Verteilungsfaktor
ist bei den zwei Systemen ein verschiedener. Im Gleichgewicht entfällt
auf die Gewichtseinheit Eiweiß des Ausgangskoagulums ungefähr fünfzehn-
mal mehr Sublimat als auf die Gewichtseinheit der Flotte, auf die Gewichts¬
einheit öl dagegen nur l / 6 jener Menge, die in der Gewichtseinheit Flotte
vorhanden ist.
Ein Teil der in das Eiweiß übergegangenen Sublimatmoleküle geht eine
chemische Bindung mit den Eiweißkörpern ein, indem durch Spaltung
dieser Moleküle Protein-Quecksilber und offenbar durch, Austausch der
Quecksilberatome dieser Sublimatmolekülc gegen Wasserstoffatome der
Eiweißkörper freie Salzsäure entsteht, die sich mit dem Eiweiß zu Protein-
Salzsäure verbindet. Das durch die Bindungen dem gelösten Anteil ent¬
zogene Salz muß natürlich entsprechend dem Verteilungsfaktor aus der
Flotte ersetzt werden. Versuche über das Salzsäurebindungsvermögen
des verwendeten koagulierten Rinderserums und über das Verhalten des
Quecksilbercyanides zu koaguliertem Rinderserum machen es wahrschein¬
lich, daß beim Sublimat die Größe des Salzsäurebindungsvermögens für
Eiweißkörper maßgebend für die Menge des an Eiweiß gebundenen Queck¬
silbers ist. Durch diese Annahme wird auch die Zunahme des gebundenen
Quecksilbers mit der Dauer der Berührung von Koagulum und Sublimat¬
lösung verständlich. Die gebundene Salzsäure spaltet nämlich offenbar
das an sie gebundene Eiweiß allmählich hydrolytisch auf, wodurch Eiwei߬
spaltprodukte mit höherem Salzsäurebindungsvermögen entstehen, die dann
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Von Dr. Viktor Gegeabauer. 79
entsprechend dem gerade Ausgeführten eine Zunahme des gebundenen
Quecksilbers bewirken.
Die Versuche mit Hefe als Vertreter der Mikroorganismen zeigten,
daß es auch hier wie aus den früheren Versuchen zu erwarten war, einerseits
zu einer einfachen Verteilung des Sublimates zwischen Hefe und Wasser
nach konstantem Faktor mit gleichbleibendem Molekulargewicht in beiden
Phasen, anderseits zur Bildung von Quecksilber- und Salzsäurever¬
bindungen mit den Eiweißkörpern der Hefe kommt. Der Gewichts¬
verteilungsfaktor Hefeeiweiß-Wasser zeigt nicht bei allen Versuchen den¬
selben Wert. Offenbar spielt hier das Alter der Hefezellen eine Rolle.
Nach den Ergebnissen weiterer Versuche ist anzunehmen, daß die
Quecksilberverbindungen mit dem Eiweiß der Keime durch Schwe¬
felwasserstoff bzw. Sulfiden gesprengt werden.
Aus diesem Umstande ergibt sich, daß die Resultate der Desinfek¬
tionsversuche, die die desinfizierten Keime mit Schwefelwasserstoff
oder Sulfiden behandeln, anders zu bewerten sind, als die der Versuche
mit bloßem Waschen der Keime vor dem Übertragen in das Nährmedium.
Gelangen die Desinfektionsobjekte hinterher in ein Medium, in dem es
zur Bildung von Schwefelwasserstoff oder Sulfiden kommt oder entwickeln
sich in demselben diese Stoffe (Abfallstoffe, Abwässer, Weichwässer von
Gerbereien, Harn, Stuhl, Sputum), so zeigen uns die nach der ersteren
Methode angestellten Desinfektionsversuche die Desinfektionskraft des
Sublimates gegenüber solchen Objekten. Ist die Gewähr gegeben, daß
die desinfizierten Objekte hinterher nicht mit Schwefelwasserstoff oder
Sulfiden in Berührung kommen (chirurgische Desinfektion, Händedesin¬
fektion, Desinfektion von Wänden, Fußböden und Einrichtungsgegenstän¬
den von Wohnungen), so genügen uns die nach der letzteren Methodik
ausgeführten Versuche, um uns ein Bild über die Desinfektionswirkung
des Sublimates diesen Objekten gegenüber zu machen.
Die aus den vorliegenden Versuchen unter Berücksichtigung der a. a.
O. 10 ) publizierten Versuchsergebnisse und der verschiedenen äußeren
Verhältnisse sich ergebende Desinfektionsdauer bzw. ergebende Beziehung
von Desinfektionsdauer zur Konzentration der Desinfektionslösung wurde
nach dem Vorgänge von Reichel durch Gleichungen ausgedrückt, die in
der folgenden Zusammenstellung zugleich mit dem untersuchten Kon¬
zentrationsbereich, für den diese Gleichungen Geltung haben, wiedergege¬
ben sind, wobei die Desinfektionszeit T in Tagen angegeben ist.
wenn die desinfizierten Keime mit Schwefelwasserstoff oder
Sulfiden hinterher
Keime
| nicht in Berührung kamen |
| in Berührung kamen
Gleichung
untersuchter
Konzentra¬
tionsbereich
Gleichung
untersuchter
Konzentra-
| tlonsberelch
Staphylokokken
T = 0.125
(3 Stunden) ,
0 , 05 - 2 , 00 «/,
T = 1,5
HgCl.«/,o,s
0 , 01 - 3 , 00 «/,
Milzbrandsporen
•s
II
o
0 , 10 - 1 , 00 ®/,
T= 105
0 , 05 — 3 , 00 «/,
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Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates.
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Zur Auffindung von T nach der Gleichung
r- *» 5
HgCl t % 0 ' 5
dient die folgende kleine Tabelle:
HgCl s °/ 0 0,01 0,05 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,* 0,7 0,8 0,9 1,0 2,0
T= 15 6,71 4,74 3,35 2,74 2,37 2,12 1,94 1,79 1.68 1,58 1,50 1,06
Endlich muß aus dem vorliegenden Tatsachenmaterial der Schluß
gezogen werden, daß bei Milzbrandsporen der desinfizierende Faktor,
und zwar sowohl für die noch reversible als auch für die endgültige
Desinfektionswirkung das Bestehen der Bindungen durch bestimmte
Zeiten ist, daß jedoch für Staphylokokken zwar für die noch durch
Sulfid reversible Desinfektionswirkung dasselbe gilt, nicht aber für die
endgültige irreversible, welche als durch die Lösungsverteilung des
Sublimates zwischen Wasser und Eiweiß bedingt gedacht werden muß.
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54. Hüne, Desinfektion, Nr. 6, 1912.
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Über Beziehungen zwischen der Witterung und dem Be¬
finden des Menschen,
auf Grund statistischer Erhebungen dargestellt
von
Ernst Brezina und Wilhelm Schmidt.
(Bei der Redaktion eingegangen ain 24. September 1920.)
I. Allgemeines.
Die folgenden Untersuchungen setzen diejenigen fort,'die wir auf
Grund des im Jahre 1912 gesammelten Stoffes zu Kriegsbeginn ver¬
öffentlicht haben 1 ). Damals hatten wir nur einen Teil bearbeitet, heute
bringen wir weiteres. Das Untersuchungsverfahren ist das gleiche ge¬
blieben. Da jene Mitteilung an einer den Ärzten weniger zugänglichen
Stelle erfolgte, soll das Wichtigste über Zweck und Gang der Untersuchung
hier wiederholt, im übrigen aber auf die Ergebnisse des früheren Teils
verwiesen werden. Zu bemerken wäre noch, daß das Jahr 1912 in poli¬
tischer Beziehung vollkommen ruhig und auch von anderen äußeren
Ereignissen, welche überwiegenden Einfluß auf die menschliche Seele
nehmen konnten, frei war.
Den Herren, die uns das notwendige Untersuchungsmaterial in ent¬
gegenkommender Weise zur Verfügung gestellt bzvv. gesammelt haben,
sei hier nochmals herzlich gedankt; es sind dies: Reg.-Rat Dr. Hecke
(Volkszählungskommission); die Schuldirektoren: Brambei ger, Dorsch-
ner, Schmidt, Drechsler, Lauda; Reg.-Rat Dr. Schloss, Primarius
Dr. Holub (Epileptiker); Direktor Ing. Spängler, Ing. Knappitsch,
Ing. Winter, (Straßenbahnen); Polizeipräsident Gorup, Reg.-Rat Dr.
Losik (Polizei).
Die Beziehungen zwischen Witterung und physischem und psychischem
Verhalten des Menschen sind seit jeher Gegenstand des Interesses, nicht
in gleichem Maße der exakten Forschung gewesen. Mehr als die Elemente
der Witterung wurden die des Klimas und der Jahreszeiten unter¬
sucht. Die nicht besonders zahlreichen Arbeiten über die Bedeutung der
Witterung wurden in unserer früheren Arbeit berichtet; seither sind nur
1) Ernst Brezina und Wilhelm Schmidt, Wiener Sitzungsberichte,
mathem.-naturwiss. Klasse, Bd. 123. Abt. III, 209 (1914).
Axchi? für Hygiene. Bd. 90. 6
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Original frorn
84
Uber Beziehungen zwischen der Witterung usw.
wenige, und zwar über die Bedeutung der Luftelektrizität mit negativen
Ergebnissen erschienen 1 ). Damit ist unser früheres Vorgehen, die Luft¬
elektrizität nicht zu berücksichtigen, gerechtfertigt.
Untersuchungen, wie vorliegende, sind auf zwei Wegen möglich, auf
dem Wege des Versuchs (künstliche Herstellung bestimmter Temperatur,
bestimmten Luftdrucks usw.) und auf statistischem Wege. Wir haben
bisher den letzteren beschritten, weil hier die Anstellung von Massen¬
beobachtungen verhältnismäßig leicht ist, eigentliche Versuchsfehler aus¬
geschlossen sind. Der Nachteil, daß bei diesem Verfahren die Witterung,
d. i. der gesamte Zustand der Atmosphäre und nicht das einzelne Element
derselben, Gegenstand der Beobachtung ist, war leicht auszuschalten:
Die Witterung wurde in ihre Elemente aufgelöst — ein beim heutigen
Stande der Meteorologie durchaus mögliches Verfahren — und stets nur
ein Element der Witterung in seinen Beziehungen zum Verhalten mensch¬
licher Gesamtheiten untersucht, während der etwaige Einfluß der anderen
Elemente als „Störung“ im statistischen Sinne erschien.
Hat schon jede Untersuchung biologischer Tatsachen mit statistischen
Methoden unter der großen Streuung, daher Unsicherheit der Einzel¬
werte zu leiden, so war das noch mehr hier der Fall, wo die Reize, deren
vermuteter Einfluß auf das Verhalten der Gesamtheiten untersucht
werden sollte, sehr schwach sind, wähl end sich im physiologischen Versuche
die Reizstärke beliebig verändern läßt. Der Mensch kann sich verschiedenen
durch meteorologische Elemente gegebenen oder gleichartigen Reizen
ungestraft in weit höherem Maße aussetzen, als dies unter den vorhegenden
Bedingungen der Fall war. Man denke nur an eine Fahrt mit der Bergbahn,
dem Aufzug, an die Arbeit in den Hitzebetrieben, im Glashause, bei der
Getreideernte. Dies gilt nicht allein von jenen meteorologischen Elementen,
welche Witterungszustände selbst, sondern auch von denen, die Ver¬
änderungen solcher zum Ausdruck bringen.
Da die Reizschwelle bekanntlich nach Alter, Geschlecht, Individuum
und augenblicklichem Zustande des Individuums verschieden liegt, da
ferner die anregende Wirkung schwacher Reize bei Zunahme ihrer Stärke
zur lähmenden werden kann, darf man sich gegen den Umstand nicht ver¬
schließen, daß Untersuchungen wie vorliegende durch Streuung sehr
erschwert, ja daß wichtige Tatsachen auf diese Weise verschleiert werden
können. Die in Betracht kommenden Reize sind wahrscheinlich nicht
bewußt werdende (tonische Reize Hellpachs), da solche, die zum Bewußt¬
sein gelangen (sinnliche oder landschaftliche Reize dieses Verfassers) als
grobe Störungen wirken dürften (Schneegestöber usw.).
Die fallweise verschiedene Wirkung der meteorologischen Elemente
drücken wir am besten mit den Worten Berliners aus 2 ), welcher richtig
sagt, daß in den klimatischen Faktoren gleichsam biologische Konstanten
nicht erblickt werden dürfen, die immer in der gleichen Art wirken. „Die
Erfahrung lehrt, daß die gleichen Wetterformen sehr verschiedene Wirkung
haben können, je nach der Einstellung des Individuums, seiner Adaptation
1) Korff-Petersen, Zeitschr. f. Hygiene, Bd. 80, S. 505(1915); Kunow
ebenda, S. 485.
2) Zeitschr. f. Balneologie, Bd. 5, 6 (1912).
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^Von Ernst Brezina und Wilhelm Schmidt. 85
an vorangegangene Reize und dem Grade seiner Akklimatisation, auch
nach allgemeinen physiologischen Verhältnissen, wie Lebensalter, Er¬
nährungszustand, Sexualfunktion u. dgl. u
Darnach ist es am wahrscheinlichsten, daß Zusammenhänge zwischen
Vergleichsgrößen und denjenigen meteorologischen Elementen bestehen,
die nicht bestimmte Zustände des Wetters, sondern dessen Änderungen
ausdrücken.
II. Der Stoff und seine Bearbeitung.
1. Vergleiohsgröfsen.
a) Früher untersuchte Vergleichsgrößen,
ln unserer ersten Arbeit wurde das Verhalten folgender Gesamtheiten
bestimmt und mit der Witterung in Beziehung gesetzt: a) Schulkinder,
ln einer größeren Anzahl Wiener Volksschulklassen trugen die Lehrer
täglich am Schlüsse des Vormittagsunterrichtes für die Haltung, die Lei¬
stung und die Auffassung der Gesamtheit der Kinder Noten (1 = gut,
2 = mittelmäßig, 3 = minder gut) ein. Wie aus der Ähnlichkeit der
Noten für je einen Tag hervorging, klassifizierten die Lehrer ihre Schüler
unter dem einheitlichen Gesichtspunkt, ob sie Anlaß zur Zufriedenheit
oder zum Tadel gegeben hatten, ob die von der Schule ausgehenden Sug¬
gestionen, sich daselbst und außerhalb in gewünschter Weise zu verhalten,
wirksam gewesen waren oder nicht. Wie aber schon Berliner an seinen
Ferienkolonisten zeigt, sind die psychischen Vorbedingungen für gute
Leistungen ungleich, je nach dem Schulgegenstande, überdies ist es schwer,
dem Zufriedenheitsgrad ziffernmäßigen Ausdruck zu geben. Im allgemeinen
wird wohl die Konzentrationsmöglichkeit der Aufmerksamkeit auf den
Schulgegenstand für die gesamte Klassifikation ausschlaggebend gewesen
sein. Dennoch bleiben Möglichkeiten genug für einen geradezu entgegen¬
gesetzten Einfluß scheinbar gleich wirkender äußerer Umstände: solche,
die eine Steigerung der Aufmerksamkeit, oder solche, die eine Erleichte¬
rung der Bewegungsimpulse (psychomotorische Erregung) bedingten,
konnten bald besseres Verhalten, bald stärkere Ablenkung auf andere
Gebiete auslösen. Das Verhalten der Mehrheit in einer Schulklasse mußte
dann für die Klassifikation des Lehrers ausschlaggebend sein, hat aber
vielleicht interessante Tatsachen verschleiert, die bei Einzelversuchen zum
Ausdruck kommen könnten.
b) Hilfsbeamte der Volkszählungskommission. Es wurde
die von diesen Tag für Tag erledigte Zahl der Lochkarten bestimmt. Die
Klassifikation fiel daher aus äußeren Gründen objektiver aus, das Unter¬
suchungsmaterial war gleichmäßiger und wohl brauchbarer; entscheidend
für die Leistungen dürfte die Aufmerksamkeit und deren äußere Beein¬
flussung gewesen sein.
c) Epileptiker. Zur Verfügung standen uns die Aufzeichnungen
über die epileptischen Anfälle von 200 bis 300 Insassen der niederöster¬
reichischen Landesirrenanstalt „am Steinhof“. Nach Binswanger 1 ) ist
1) Handbuch der Nervenkrankheiten.
6 *
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8ö Über Beziehungen zwischen der Witterung usW.
die Zahl der epileptischen Anfälle vermutlich auf das verschiedene Funk¬
tionieren der Hemmungsvorgänge im Zentralnervensystem zurückzufühlen.
Zu bemerken wäre noch, daß die in der früheren Arbeit untersuchten
Gesamtheiten sich im Zimmer aufhielten, mithin nicht dem reinen Wetter¬
einfluß ausgesetzt waren; anderes gilt von den im folgenden untersuchten
neuen Vergleichsgrößen.
b) Neue Vergleichsgrößen.
Diese sind: a) die Zahl der Beanstandungen der Fahrer und
Schaffner der Wiener elektrischen Straßenbahn durch die
Aufsichtspersonen (Fahrmeister und Kontrollore). Die Zahl der Fahrer¬
anstände im Jahre 1912 betrug 3127, davon wurden erhoben wegen zu
schnellen Fahrens 802, wegen Nichteinhaltens der Signalvorschriften 773,
Sicherheitsanstände betreffend Bremsen 301, sonstige Sicherheitsanstände
867; die übrigen kommen wegen geringer Anzahl nicht in Betracht.
Die Zahl der Schaffneranstände betrug 44811. Die häufigsten waren
folgende: Nichteinkassieren 9959, nichtremarkierte Fahrscheine 8290,
Überfahren der Tarifgrenze 7473, Fahrscheinadjustierungsanstände 6575,
einfache Fahrscheinanstände 4074.
Die Tätigkeit der Fahrer und Schaffner erfordert vorwiegend distribu¬
tive Aufmerksamkeit, rasche zweckmäßige Reaktion auf verschiedene
Reize und weniger Konzentration auf schwierige Denkprobleme: es handelt
sich hier um vielfach mechanisierten Ablauf der Teilhandlungen. Die
Aufgaben des Fahrers und des Schaffners unterscheiden sich voneinander
vorwiegend in den Folgen unrichtigen Verhaltens, so daß erstere affektiv
mehr in Anspruch genommen sind, als letztere. Die Anstände betreffen,
wie sich aus obiger Aufzählung ergibt, hauptsächlich ein Verhalten, das
man als „nachlässig“ bezeichnen kann, das auf verringerter Aufmerk¬
samkeit und vermehrter Ablenkbarkeit beruht, und das durch ein Sinken
der psychischen Aktivität unter die Grenze bedingt ist, die durch die Übung
immer niedriger wird* deren Unterschreitung aber doch nicht ohne Schaden
für die Leistung erfolgen darf.
b) Die untersuchte Gesamtheit endlich bei den Amtshandlungen
der Polizei war die gesamte Wiener Bevölkerung, hauptsächlich die
männliche, mit Ausnahme der höchsten und niedersten Altersklassen. Wir
faßten zusammen: Körperverletzung, boshafte Sachbeschädigung, Trunken-
heits-, Rauf- und sonstige Exzesse unter dem Namen „Körperverletzung“;
Unzuchtsdelikte und Sittlichkeitsdelikte unter dem Namen „Sittlich¬
keitsvergehen“ ; andere öffentliche Gewalttätigkeit, Wachebeleidigung,
Einmengung in Amtshandlungen unter „Gewalttätigkeit“. Die Zahl der
Exzesse war vorwiegend eine Funktion der größeren oder geringeren Reiz¬
barkeit. Günstig war hohe, ungünstig tiefe Lagerung der Reizschwelle,
denn es handelte sich lediglich um Ausschreitungen gemeiner Art, Amts¬
handlungen der Wache aus politischen Gründen kamen nicht in Betracht.
Weder bei den Fahrern und Schaffnern, noch bei der Polizei ist von
vornherein ein eindeutiges Ergebnis zu erwarten, da die gleichen äußeren
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Von Emst Brezina und Wilhelm Schmidt. 87
Umstände auf verschiedenartige Individuen entgegengesetzt wirken
konnten.
c) Verarbeitung des neuen Stoffes.
Da bei unserer Ordnung alle menschliche Tätigkeit nach dem Verlauf
der Woche eingerichtet ist, so muß dieser auch an den Vergleichsgrößen
zum Ausdruck kommen; um davon unabhängig zu sein, berechneten wir
für jeden Tag der Woche den Mittelwert und zogen diesen von dem für jeden
einzelnen Tag gefundenen Wert ab.
Bei Fahrern und Schaffnern war der Gang unbedeutend, bei der
Polizei ungemein ausgesprochen 1 ). Ferner war die Zahl der Fahreranstände
jedes Tages proportional anzunehmen der Anzahl der in Dienst stehenden
Personen (Anzahl der, Motorwagen), dann der Zahl der an diesem Tage
die Kontrolle ausübenden Fahrmeister; es wurde deshalb jeder einzelne
Ausgangswert durch diese Zahlen dividiert, z. B.: 21. Februar; Zahl der
Anstände 14; Korrektur für den wöchentlichen Gang (für den Mittwoch)
-f-0,1, also 14,1; Anzahl der in Betrieb stehenden Wagen 1067, demnach
auf gleiche Anzahl von Fahrern bezogen 14,1/1067, d. i., ohne Rücksicht
auf den Stellenwert, 1323; diese Zahl dividiert noch durch die Zahl der
in Dienst stehenden Fahrmeister (29) gibt 45,7 oder rd. 46. In der so
gewonnenen Zahlenreihe zeigen sich aber nichtperiodische Abweichungen
von längerer Dauer, als daß sie durch Witterungseinflüsse hätten bedingt
sein können. Um sie auszugleichen, wurden die Werte graphisch auf¬
getragen und durch sie eine leicht geschwungene Mittellinie gelegt, derart,
daß die positiven und negativen Abweichungen davon sich innerhalb
längerer Zeiträume aufhoben. Die Abweichungen jedes einzelnen Tages
von dieser neugewonnenen Mittellinie wurden der weiteren Behandlung
zugrunde gelegt, vorher aber alle um den gleichen Betrag vermehrt, um
negatives Vorzeichen zu vermeiden und so die Rechnung zu erleichtern.
Also etwa im früheren Fall: Stand der Mittellinie für den 21. Februar -{-21,
demnach Zahlenwert 46—21 = 25, hierzu die konstante Größe 30, gibt 55.
In ähnlicher Weise verfuhren wir bei den Schaffnern, nur daß außer
den früher angeführten Korrekturen noch durch die Anzahl der Fahr¬
scheine, als Kennzeichen der Intensität der Leistung, dividiert wurde.
Etwas anders war das Verfahren bei der Polizei: bei den Körper¬
verletzungen zeigten trotz Ausgleichs des wöchentlichen Ganges Sonn-
und Feiertage und ihre Nachbarn so starke Unregelmäßigkeiten, daß sie
ausgeschieden und für sich behandelt wurden (Fe, die übrigen We). Der
Ausgleich für längerdauernde nichtperiodische Abweichungen erwies .sich
bloß hier als nötig, nicht aber bei den anderen beiden Gruppen (Sitt¬
lichkeitsvergehen und Gewalttätigkeit).
Die so gewonnenen Zahlen wurden dann in die weiter unten, Ab¬
schnitt 3 beschriebenen Zählkarten eingetragen. *
2. Meteorologischer Ausgangsstoff.
Wenn ein Zusammenhang zwischen Witterung und Befinden auf-
gestellt werden soll, so liegt die Schwierigkeit darin, daß der Begriff der
1) Siehe Brezina, Archiv f. Hygiene, Bd. 89, 27 (1920).
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Uber Beziehungen zwisc hen der Weiterung usw.
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Witterung als ganzes nicht zahlenmäßig erfaßt werden kann; man ist
vielmehr genötigt, die Beziehung der zu untersuchenden Vergleichsgrößen
mit jenen Elementen herzustellen, die die wissenschaftliche Meteorologie
zur Beschreibung der Witterung verwendet. Dabei müssen wir uns auf die
derzeit bekannten beschränken, dürfen uns aber nicht verhehlen, daß es
immer noch wesentliche Seiten der Witterungserscheinungen geben kann,
die weder unmittelbar auf unsere Sinne, noch deutlich auf unsere Apparate
wirken. Außerdem ist noch folgendes zu beachten: wenn wir einen tat¬
sächlichen Zusammenhang zwischen einem meteorologischen Element
und einer Vergleichsgröße finden, so muß jenes damit noch nicht einfacli
als eigentlich wirkende Ursache aufgefaßt werden; diese kann vielmehr
immer noch weit hinter jenem liegen.
Als Grundlage» dienten uns hier die Beobachtungen an der Zentral¬
anstalt für Meteorologie und Geodynamik auf der Hohen Warte, Wien XIX;
sie stammen zwar aus freier Lage, inmitten von Villen, doch darf man sie
ohne weiteres als Verhältniszahlen auch für das ganze Stadtgebiet als
maßgebend betrachten. Benutzt werden hier folgende Angaben: aus
der Gruppe des Luftdrucks
a) die Änderung des mittleren Barometerstandes vom Vortag her
(Lön). Diese wurden aus den Abweichungen jedes Tages vom lang¬
jährigen Mittel gewonnen; der jährliche Gang, dem doch nur geringere
Wirkungen in unserem Sinn zuzuschreiben wären, erscheint damit aus¬
geschaltet.
b) Die raschen Luftdruckschwankungen (Lsn) als Kennzeichen der
Unruhe in der Luft; sie sind den Aufzeichnungen des Variographen ent¬
nommen, der nicht den Luftdruck selbst, sondern dessen Änderungs¬
geschwindigkeit mit der Zeit aufschreibt 1 ). Dabei lassen sich die merk¬
licheren Ausschläge in zwei Gruppen ordnen: die Änderungen des Luft¬
drucks konnten sich einmal in längeren Zeiträumen von etwa 4 bis 20 Mi¬
nuten wellenähnlich wiederholen oder aber, wie es bei böigem Wetter
der Fall war, in ähnlicher Zeit in gleichem Sinn erhalten, Gruppe länger-
dauerndc Schwankungen; bei anderer, mfist bei windiger, Witterung
finden sich aber ganz rasche, kurzdauernde Zacken, die trotz des größeren
Ausschlages auf den Registrierstreifen eben wegen des schnellen Wechsels
nicht stärkere Schwankungen des Luftdrucks anzeigen, Gruppe kurz¬
dauernde Schwankungen.
c) allgemeine Luftdruckverteilung über Europa (Lv),
dies6 eigentlich gedacht als eine Zusammenfassung von Witterungs¬
zuständen, die sich schon gut bewährt hat. Hier wurde nach den täg¬
lichen Wetterkarten bestimmt, ob Wien an dem betreffenden Tag mehr
in der Mitte eines Tiefdruckgebietes lag; ob am Rand eines Tiefdruck¬
gebietes; ob in einer Rinne oder einem Sattel niedrigen Druckes; ob in
einem Hochdruckgebiet, am Rande eines solchen, oder in einem Rücken
hohen Druckes. Das waren die schließlich gewählten vier Hauptgruppen.
1) Vergleiche Wilhelm Schmidt, Wiener Sitzungsberichte; math.-natunv.
Kl., Bd. 118, IIa, 885 (1909); kurzer Auszug Meteorolog. Zeitschr., Bd. 29,
40r. (1912).
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Von Ernst Brezina und Wilhelm Schmidt.
89
d) Lage zu den Steig- und Fallgebieten des Luftdruckes
(Fs). Steiggebiete nennt man dabei jene Gebiete der Wetterkarten, über
denen seit den letzten 24 Stunden der Luftdruck stärker gestiegen ist,
Fallgebiete jene, über denen er stärker fiel. Karten, die diese Gebiete
darstellen, werden täglich an der Zentralanstalt als Arbeitskarten („Isal-
lobarenkarten“) angefertigt und haben sich zur Kennzeichnung der Witte¬
rung einigermaßen bewährt. Sie hängen natürlich mit den Gebieten
hohen und tiefen Druckes, aber auch mit ihrer Fortbewegung zusammen
und lassen insbesonders die kurz dauernden rascher vor sich gehenden Ver¬
änderungen — meist von etwa ein- bis dreitägiger Dauer — stärker her¬
vortreten. Unterschieden wurde dabei nach der Lage des Beobachtungs¬
ortes gegenüber den Fall- und Steiggebieten, diese selbst wieder nach
ihrer Stärke in zwei Gruppen unterteilt.
Gruppe der Temperatur:
e) Tagesmittel der Temperatur (T), gewonnen aus den Ab¬
lesungen zu den drei Terminen um 7, 2, 9 Uhr, ausgedrückt in °C.
f) Änderungen der Mitteltemperatur des Tages gegen¬
über dem Vortag (Tän), wobei aber der jährliche Gang durch den¬
selben Kunstgriff, wie oben bei den Luftdruckänderungen, bereits aus-
geschaltet wurde.
Gruppe der Feuchtigkeit:
g) Rel ative Feuchtigkeit (Rf), Tagesmittel, ebenfalls aus den
drei Terminablesungen, in %.
Wir hatten, ebenso wie in der früheren Arbeit, eine viel größere Zahl
von Elementen der Untersuchung zugrunde gelegt, nämlich außerdem
noch die Abweichungen der Luftdruckmittel des Tages vom langjährigen
Mittel, rasche Luftdruckschwankungen des Tages selbst, die Abweichung
der Temperatur von ihrem Normalstand, die höchste, die niederste Tem¬
peratur des Tages, die daraus sich ergebende Tagesschwankung, die Summen
der Temperaturabweichungen des Tages und Vortages vom langjährigen
Mittel, ebenso die Summen der Abweichungen des Tages und der zwei
vorhergehenden, das Tagesmittel des Dampfdrucks, die Niederschlags-
summe, das Tagesmittel des Ozongehaltes, das Tagesmittel der Bewölkung,
die Windrichtung und -Stärke. Absichtlich beiseite gelassen waren die
elektrischen Erscheinungen, nicht bloß deshalb, weil sie gerade in einem
Stadtgebiet starke und unübersehbare Veränderungen erleiden, übrigens
zum Teil mit dem Ozongehalt parallel gehen, sondern auch deshalb, weil
ihre Schwankungen so groß sind, daß man bei irgend vorhandener Wirkung
diese schon längst hätte nachweisen müssen. Über alle die in diesem
.Absatz genannten Elemente wird hier nicht einzeln berichtet; sie haben
früher wie jetzt keine ausgesprochenen Beziehungen geliefert.
Da es leicht möglich erschien, daß gleiche Werte, insbesondere gleiche
Abweichungen, je nach der Jahreszeit ganz verschiedene Wirkungen auf
den Menschen hervorbrächten, wurde die Trennung nach den Jahres¬
zeiten durchwegs durchgeführt, mit alleiniger Ausnahme der Fall- und
Steiggebiete, bei denen sonst die maßgebenden Gruppen zu wenig besetzt
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00 Über Beziehungen zwischen der Witterung usw.
worden wären. Jänner, Feber, November, Dezember sind als Winter
(W.), Mai bis September als Sommer (S.), die anderen als Übergangs¬
zeiten (U.) zusammengefaßt. Es ergibt sich so auch eine wünschenswerte
Prüfungsmöglichkeit: eine wesentliche Beziehung müßte sich in einem
oder anderm Sinn in allen Jahreszeiten äußern — zeigt sie sich nur in einer,
so ist das sehr wahrscheinlich dem „Zufall“ zuzuschreiben.
3. Arbeitsmethode.
Für jedes meteorologische Element stellten wir, da ja Einzelwerte -
wegen der unausbleiblichen Störungen nicht zu brauchen waren, be¬
stimmte Gruppen fest, z. B. bei den Luftdruckänderungen von —17,9
bis—13,0,—12,9 bis—8,0 mm usw. Jeder einzelne Tageswert einer be¬
stimmten Vergleichsgröße, z. B. der Schaffneranstände, wurde je nach dem
Betrag der Luftdruckänderung, die dieser Tag gegenüber dem Vortag
aufwies, in eine der Gruppen eingeteilt, schließlich alle in je einer Gruppe
vereinigten Werte gemittelt. Dieses bei der großen Anzahl der möglichen
Beziehungen recht mühsame Verfahren erleichterten wir uns durch die
Benutzung von Zählkarten, deren jede für einen bestimmten Tag galt.
Sie hatten Größe und Festigkeit der Spielkarten und enthielten auf der
einen Seite in vorgedruckter Einteilung neben dem Datum alle meteorolo¬
gischen Elemente, auf der Rückseite die Vergleichsgrößen in der Anord¬
nung, die aus der Wiedergabe auf Seite 91 erhellt. Sollte dann eine be¬
stimmte Beziehung untersucht werden, so w r aren einfach die Karten nach
dem meteorologischen Element in die Gruppen zu ordnen, und die ent¬
sprechenden Vergleichsgrößen konnten nun gleich in die Rechenmaschine
diktiert werden. Dieselbe Gruppierung ließ sich dann für die Ableitung
aller Vergleichsgrößen benutzen. In verhältnismäßig kurzer Zeit war so
eine große Anzahl verschiedener Beziehungen erledigt, für die vorliegende
Arbeit 95 neue zu den früheren 160.
Die so gewonnene Reihe von Mittelwerten für die einzelnen Gruppen
war aber nicht in jedem Fall als verläßlich zu betrachten. Jeder einzelne
Wert unterlag ja zahlreichen Einflüssen, nicht bloß in der Verschieden¬
heit der anderen meteorologischen Elemente, sondern auch außerhalb
gelegenen, die wir hier einfach mit dem Namen „Zufall“ bezeichnen wollen;
dies zeigte sich schon in den Abweichungen innerhalb jeder Gruppe, mit
anderen Worten in der großen Streuung. Sie wurde zwar durch die Mittel¬
bildung herabgesetzt — wenn die Regeln der Wahrscheinlichkeitsrech¬
nung gelten, auf den yiiten Teil, wenn n Werte vereinigt wurden —,
ließ sich aber natürlich nicht ganz ausschalten. Um einen Überblick über
den Einfluß dieses Zufalls zu gewinnen, hatten wir in der früheren Arbeit,
z. B. bei den Epileptikern, den ganzen Stoff nach einem rein zufälligen
Kennzeichen in zwei Hälften geteilt und diese gegeneinander abgewogen.
Hier hingegen gingen wir anders vor: nehmen wir an, bei einer bestimmten
Vergleichsgröße seien die Abweichungen der Einzelwcrte von dem all¬
gemeinen Mittelwert rein zufällige; dann kann man die Abweichungen
der Gruppenmittelwerte vom allgemeinen Mittel bilden, aus ihnen durch
Multiplizieren mit /n — siehe oben — wieder zurück die mittleren Ab¬
weichungen der Einzelwerte rechnen und müßte dann annähernd die
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Beispiel einer Zählkarte: die für den 28. Oktober 1912.
Vorderseite. Rückseite.
1028 »)
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2u »)
302 M )
M Datum; *) Wochentag; 3 ) Luftdruckabweichung vom Normalstand;
4 ) Luftdruckänderung vom Vorlag her (Län); Ä ) Temperatur, Tagesmittel (T);
•) Abweichung der Temperatur vom Normalstand; 7 ) Temperaturänderung vom
Vortag her (Tän); 8 ) höchste, 9 ) niederste Temperatur des Tages; 10 ) Tages¬
schwankung; n ) Dampfdruckmittel; 12 ) Mittel der relativen Feuchtigkeit (Rf);
1# ) relative Feuchtigkeit um 2 Uhr nachmittags; 14 ) Niederschlag; lß ) Ozon¬
gehalt, Tagesmittel; 1Ä ) Mittel der Bewölkung; l7 ) Bewölkung um 2 uhi; nachm.;
ls ) Windrichtung und -Stärke um 2 Uhr nachmittags; ,ö ) Summe der Temperatur¬
abweichung des Tages und Vortages vom langjährigen Mittel; 20 ) Summe der
Temperaturabweichungen des Tages und der zwei vorhergehenden; 21 ) herrschen¬
des barometrisches Gebilde (Lv); 2a ) Lage der Fall- und Steiggebiete (Fs); M ) Lage
und Betrag der Batometermaxima; 24 ) Lage und Betrag der Barometerminima;
2ß ) rasche Luftdruckschwankungen in der vorhergehenden Nacht (Lsn); Äi ) die¬
selben tagsüber.
27 ) Leistungen der Volkszählungskommission; 28 ) Unterschied der vorher¬
gehenden auf den Nachtag; 29 ) Datum; 30 ) Einfluß der Temperaturabweichungen
vom Mittel auf die Volkszählungskommission; 31 ) Leistungen der Volkszählungs¬
kommission nach Ausschalten des Temperatureinflusses; 82 ) Polizei, Körper¬
verletzungen; 33 ) Sittlichkeitsvergehen; 34 ) Gewalttätigkeiten; 3ß ) Volksschulen,
Leistung; 3fl ) Veränderung der vorhergehenden auf den Nachtag; 37 ) Epileptiker,
ganzjährige Pfleglinge, Männer, Anzahl der Anfälligen bei Tag; 38 ) ebenso, Weiber;
39 ) wie 37 ), jedoch bei Nacht; 40 ) wie 38 ), jedoch bei Nacht; 41 ) Summe von 87 )
und 89 ); 42 ) Summe von 8i ) und 40 ); 43 ) Anfällige der nicht ganzjährigen Pfleg¬
linge, Männer und Weiber, bei Tag; 44 ) Summe von 37 ), 38 ) und tt ); 4Ä ) wie 43 ),
jedoch bei Nacht; 4e ) Summe von 39 ), 40 ) und 46 ); 47 ) Summe aller Anfälligeu;
4Ä ) Änderung von 47 ) auf den Nachtag; 40 ) Epileptiker, Männer, Anzahl der An¬
fälle; *°) ebenso, jedoch Frauen; 81 ) Straßenbahn, Fahreranstände;
“) Schaffneranstände; M ) fortlaufende Zahl des Tages.
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92 Über Beziehungen zwischen der Witterung usw.
gleiche Zahl erhalten, wie man sie aus den Einzelwerten selbst als mittlere
Abweichungen unmittelbar errechnen würde. Nicht aber, wenn sich die
Verteilung von einer rein zufälligen wesentlich unterscheidet, wenn man
also eine tatsächliche Beziehung vor sich hat: neben den durch den Zufall
bewirkten Abweichungen, die sich bei größerer Anzahl zum Teil gegen¬
seitig aufheben, besteht dann noch eine wesentliche, bei allen in der Gruppe
vereinigten Einzelwerten im selben Sinn wirkende Abweichung und diese
Abweichung muß auch im Gruppenmittel voll auftreten. Sie wird nun,
wenn man gleich vorgeht wie früher, durch die Multiplikation mit yTi
unverhältnismäßig vergrößert, natürlich um so mehr, je größer der Um¬
fang n, die Anzahl der in einer Gruppe vereinigten Werte. Diese Bemerkung
haben wir in folgender Weise benutzt: alle für eine bestimmte Vergleichs¬
größe bei verschiedenen meteorologischen Elementen erhaltenen Mittel¬
werte von Gruppen wurden in drei Klassen eingeordnet, solche, die aus
Gruppen mit kleinem Umfang hervorgingen, dann solche aus mittlerem,
schließlich solche aus großem. Für jede dieser Klassen wird auf die oben
angegebene Weise die mittlere Abweichung des Einzelwertes gerechnet.
Wenn nun in irgendeinem merkbaren Teil eine tatsächliche Beziehung
besteht, dann müssen die aus der dritten Klasse gerechneten mittleren
Abweichungen am größten, die aus der ersten am kleinsten sein. Das
Folgende sind die so erhaltenen Zahlen für Polizei, Gewalttätigkeiten:
Klasse
1
2
3
Gruppennmfang
. . . . gering
mittel
groß
Winter ....
. . . . 6,8
7,2
6,0
Übergangszeiten
. . . . 4,9
5,8
5,2
Sommer . . .
. . . . 6.4
6,1
4.4
Wir sehen: die Werte für die drei Klassen sind in jeder Jahreszeit
nicht wesentlich voneinander verschieden; sie sind in der dritten Klasse
gerade iji den wichtigsten Jahreszeiten, Winter und Sommer, statt am
größten, sogar am kleinsten. Das heißt aber: die Abweichungen müssen
im ganzen als rein zufällige aufgefaßt werden, für eine
tatsächliche Beziehung besteht kein Anhaltspunkt.
Dieses Ergebnis zeigt uns weiters, daß die Regeln der Wahrschein¬
lichkeitsrechnung genügend erfüllt sind, um auch in jedem einzelnen
Fall die Verläßlichkeit, das ,,Gewicht“ des Gruppenmittels zu erschließen.
Da überwiegend deutliche Beziehungen offenbar nicht Vorkommen, ist
umgekehrt jener Anteil der Abweichung eines Gruppenmittels, der als
,,zufällige Störung“ anzusprechen wäre, durchschnittlich gleich dem /nten
Teil der mittleren Abweichung des Einzelwertes. Diese ist nach den eben
gebrachten Zahlen für Polizei, Gewalttätigkeit etwa gleich 5,9, daraus
folgt für ein Mittel aus einer Gruppe vom Umfang 4 eine durchschnittliche
mittlere Abweichung 2,9, für den Umfang 10 1,9. Abweichungen von
größerem als dem dreifachen Betrag dieser durchschnittlichen mittleren
Abweichung sind in jedem Fall schon recht unwahrscheinlich"— es dürfte
auf 1000 Fälle etwa (»ine kommen. Dies behalte» man im Auge, wenn man
die später folgenden Tabellen betrachtet; man wird dann erkennen, wie
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Von Ernst Brezina und Wilhelm Schmidt.
03
die Verschiedenheiten innerhalb jeder Reihe von Mitteln, die nach einem
meteorologischen Element geordnet sind, sich nirgends mit Sicherheit
über die schon bei alleinigem Walten des Zufalls zu erwartenden erheben.
In der früheren Arbeit hatten wir ferner großes Gewicht gelegt auf
den Zusammenhang zwischen ,,direkten“ und ,,inversen“ Beziehungen:
wenn nämlich, z. B. beim Gruppieren nach dem Luftdruck (direkte Be¬
trachtungsweise), einem Zunehmen der Luftdruckwerte eine Vergröße¬
rung der Leistung entsprochen hätte, dann hätte man umgekehrt beim
Gruppieren nach den Leistungen (inverse Betrachtungsweise) eine Zunahme
der Luftdruckmittel für zunehmende Leistungen finden müssen, wenn
die Beziehung eine wesentliche und nicht allzusehr gestörte war. Dieses
Hilfsmittel der Kritik brauchten wir hier wegen des allgemein negativen
Ergebnisses nicht erst anzuwenden; an dessen Stelle führten wir nur für
die wichtigsten Beziehungen eine Doppelgruppierung durch, für die in
der Tabelle Seite 94 auch ein Beispiel gegeben wird. Ihre Benutzung
ist aus dem im Abschnitt 2 Gesagten wohl deutlich genug. Hier
wollen wir nur erwähnen, daß hierdurch unsere Ansicht vom Fehlen
deutlichen, über die Störungen hinaus erkennbaren Zusammenhangs
durchwegs bestätigt wurde 1 ).
III. Ergebnisse.
Wir hatten die Absicht, die wichtigsten und nach den früheren Unter¬
suchungen aussichtsreichsten Beziehungen tabellarisch wiederzugeben,
wie es für die anderen Vergleichsgrößen in der ersten Mitteilung nach¬
zusehen ist. Leider verbieten das die Druckkosten; wir müssen uns deshalb
auf die Wiedergabe in Worten beschränken.
Nur um den Ausdruck zu vereinfachen, lassen wir öfter Wendungen
zu, die den Anschein erwecken könnten, als sähen wir hier schon bestätigte
Beziehungen oder ursächliche Zusammenhänge; über unsere wirkliche
Ansicht lese man Abschnitt I oder die Schlußzusammenfassung.
Die Bedeutung der Abkürzungen erhellt aus Abschnitt TT 2.
1. Fahreranstände.
Lau. Bei stärkeren Län, gleichgültig ob positiv oder negativ, war
die Zahl der Beanstandungen gering. Sie wuchs in den Ü. mit dem Betrag
der Zunahme, abgesehen von der Gruppe der stärksten. Im S. ist eine
ähnliche Beziehung höchstens schwach ausgesprochen.
t) Der Wert statistischer Ergebnisse, positiver sowohl wie insbesondere nega¬
tiver, hängt wesentlich von dem Wert der benützten Methode ab. Deshalb, weil
wir diese weiter ausgebildet haben und uns vor allem Mühe gaben, die Kritik
möglichst zu schärfen, setzten wir sie hier auch ausführlicher auseinander, trotz
der abfälligen Erwähnung unserer früheren Arbeit vonseiten Willy Hellpachs
(Die Geopsychischen Erscheinungen, 2. Auflage, 1917, S. 477). Darüber, daß
seine Wiedergabe aus dem Zusammenhänge gerissener Bruchstücke die Absicht
und wahre Meinung der Verfasser nicht erkennen läßt, wollen wir hier weiter
kein Wort verlieren; Verwahrung legen wir aber ein gegen seinen Versuch, Mei¬
nungsverschiedenheiten unter Benützung von zeitgemäßen Schlagworten politi¬
schen Beigeschmacks auszutragen; diese mag man getrost Tagschreibern nieder¬
ster Art überlassen, in wissenschaftliche Veröffentlichungen gehören sie nicht.
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94 Über Beziehungen zwischen der Witterung usw.
Lsn. In den U. und S. zeigt sich bei den längerdauernden Schwan¬
kungen ungünstiges Verhalten bei mittlerer Intensität — ein Ergebnis,
das sich kaum physiologisch deuten läßt. Kurzdauernde Schwankungen
lieferten bei stärkerer Intensität ungünstigeres Verhalten.
T. Ein irgendwie ausgesprochener Gang tritt nur in den Ü. hervor:
die Zahl der Anstände fällt mit der Temperatur ab. Für den W. ergibt
sich fast eher ein Anstieg.
Tän. Deutlich bloß Ü. : wenig Anstände nach Temperaturfall.
Rf. Im W. wirkt hohe Rf. güstig, in den Ü. eher ungünstig, S. un¬
entschieden.
Lv. Sattel und Rinne waren in den Ü. und S. ausgesprochen am
ungünstigsten; im W. gerade umgekehrt, an ihre Stelle trat Tiefdruck-
Rand und Hoch.
Fs. Stärkere Steiggebiete im Westen gingen mit ungünstigem,
schwächere mit günstigem Verhalten einher.
2. Schaffneranstände.
Län. Durchwegs unausgesprochen.
Lsn. Im W. und Ü. wären bei länger dauernden Schwankungen
mittlere Intensitäten günstig, im S. wäre das Verhalten um so ungünstiger,
je stärker die Schwankungen. Bei kurz dauernden zeigte sich un¬
günstigeres Verhalten bei stärkeren Ausschlägen, in den Ü. gerade um¬
gekehrt.
T. Im W. scheint höhere Temperatur ungünstig, in U. und S. durch¬
wegs günstig zu sein.
Um gerade bei diesem sonst überzeugenderen Element darzulegen,
aus welch auseinanderliegenden Einzelzahlen sich die Mittelwerte zu¬
sammensetzen, wie gering daher ihre Sicherheit ist, sei auf die folgende
Tabelle verwiesen. Entsprechend den Ausführungen im Abschnitt 3
sind hier für verschiedene Gruppen in der Temperatur (senkrechte Ein¬
gänge) und in jeder dieser wieder für einzelne Gruppen in der Anzahl der
Beanstandungen für jeden Tag (wagrechte Eingänge) die beobachteten
Häufigkeitverteilung bei doppelter Gruppierung.
Tagesmittel
der
Temperatur
Winter
Übergangszeiten
Sommer
Gewalttätigkeit
Gewalttätigkeit
Gewalttätigkeit
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95
Von Ernst Breuna und Wilhelm Schmidt.
Häufigkeitszahlen eingesetzt. Wenn z. B. die für Ü. und S. gefundene
Beziehung eines günstigen Verhaltens bei hohen Temperaturen wesentlich
und deutlich hervorträte, so müßte sich etwa im Viereck für S. ein Streifen
höherer Anzahlen von links oben nach rechts unten herabziehen, d. h. es
wären durchschnittlich kleinere Anzahlen von Anständen bei höheren
Temperaturen, größere bei niedrigeren Temperaturen zu erwarten. Davon
ist nun kaum eine Andeutung zu bemerken, ebensowenig in den 0 ., nicht
zu sprechen vom W-
Tän. Nur in den Ü. etwas zu erkennen: bei stärkeren Temperatur¬
zunahmen ungünstigeres Verhalten.
RI. Durchaus unsicheres Verhalten.
Lv. Im Gegensatz zu dem Ergebnis bei den Fahrern ist Sattel und
Kinne durchaus am günstigsten, Hoch am ungünstigsten.
Fs. Bei größeren Intensitäten ist Fallgebiet im Westen ungünstig.
3. Körperverletzung.
Läu. An Werktagen in W. und S. Zunahme des Luftdrucks günstig,
Ü. unausgesprochen; an Feiertagen U. und S. gerade umgekehrt.
Lsn. Zeigt keine deutliche Beziehung an.
T. We. im allgemeinen unentschieden; Fe. Zunahme der Temperatur
in Ü. und S. günstig.
Tän. Nur im W. an We. mehr Ausschreitungen bei steigender Tem¬
peratur, sonst durchaus unausgesprochen.
Rf. Durchwegs undeutlich, bloß geringe Zunahme der Körperver¬
letzungen bei höherer Feuchtigkeit im S.
Lv. Im W. ist die Anzahl der Körperverletzungen bei Hochdruck
geringer, im S. umgekehrt; das wäre einfach durch grobe Wirkung er¬
klärlich: im W. sind die Hochdruckgebiete mit kaltem, meist nebligem
Wetter verbunden, im S. mit schönem.
Fs. Nur bei mittlerer Stärke steigt sowohl an We. wie an Fe. die Zahl
der Verletzungen vom Fallgebiet am Ort bis zum Steiggebiet am Ort
an; sonst ist nichts ausgesprochen.
4. Sittlichkeitsvergehen.
Län. W. und U. unausgesprochen, im S. ist stärkere Luftdurck-
zunahme günstig.
Lsn. Bei längerdauernden Schwankungen in W. und Ü. ein Anstieg
mit zunehmender Intensität, im S. nichts; kurzdauernde verhalten sich
im W. und den Ü. entgegengesetzt, im S. ebenfalls nichts Deutliches.
T. W. und S. zeigen Anstieg bei zunehmender Temperatur, Ü.
leichten Abfall.
Tän. Durchaus unausgesprochen.
Rf. Durchaus unausgesprochen.
Lv. W. keine eigentlich verläßlichen Unterschiede, in den Ü. Hoch¬
druck am günstigsten, S. ganz gleichmäßig.
Fs. Bei mittlerer und größerer Intensität Maximum bei Steiggebiet
im Westen.
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96 Über Beziehungen zwischen der Witterung iisw.
5. Gewalttätigkeit.
Län. Überhaupt nichts erkennbar.
Lsd. Bei längerdauernden Schwankungen widersprechen die ver¬
schiedenen Jahreszeiten einander; kurzdauernde zeigen im allgemeinen
einen Abstieg mit zunehmendem Ausschlag.
T. In W. und S. Anstieg mit zunehmender Temperatur, Ü. un¬
ausgesprochen.
Tän. In W. und Ü. deutlich, im S. weniger ausgesprochen, sind
stärkere Änderungen ungünstig.
KI. W. und S. verhalten sich entgegengesetzt, Ü. ganz ergebnislos.
Lv. Tiefdruck-Rand im W. am günstigsten, im S. am ungünstigsten;
Ü. in der Mitte.
Fs. Am günstigsten bei schwächerer Intensität Steiggebiet im Westen,
bei mittlerer Fallgebiet am Ort, bei größter Fallgebiet im Westen.
Beziehungen mit den übrigen meteorologischen Elementen konnten
noch viel weniger festgestellt werden, sie werden deshalb auch gar nicht
angeführt.
IV. Zusammenfassung.
Als Ergebnisse unserer früheren Untersuchungen an Schul¬
kindern, Bureauarbeitern, Epileptikern hatten wir die sonst beliebte
Änderung des Luftdruckes als kaum von wesentlichem Einfluß erkannt;
dagegen schienen rasche Schwankungen (wie sie ja auch gerade vor Föhn
Vorkommen) Leistungsfähigkeit und Befinden herabzusetzen. Die Be¬
ziehungen zur Temperatur faßten wir zusammen in den Satz: „Leichte
geistige Arbeit war zur Zeit hoher Temperaturen bzw. Temperaturabwei¬
chungen (besonders von zweitägiger Dauer) herabgesetzt, Epileptiker
scheinen kälteempfindlich.“ In den wenig ausgesprochenen Beziehungen
zum Dampfdruck schien bloß im Sommer hoher Dampfdruck (Schwüle)
bei Bureauarbeitern und Epileptikern günstig zu sein. Als nicht zweck¬
entsprechend fiel das Eingehen auf Hoch- und Tiefdruckgebiete aus.
Hingegen erwies sich „diejenige Witterung für die Leistungen von Bureau¬
arbeitern und Schülern am ungünstigsten, die bei Fallgebiet an Ort und
Stelle und bei Steiggebiet im Westen herrscht. Bei Epileptikern ist genau
das Entgegengesetzte der Fall“. Angeführt hatten wir noch die Über¬
einstimmung dieser Beobachtung mit der Traberts 1 ), daß eine heran¬
rückende oder an Ort und Stelle befindliche Depression mit Krankheits¬
gefühl bei Föhnempfindlichen einherging.
Unsere jetzigen Untersuchungen an den Fahrern und Schaffnern
der Straßenbahn und an Amtshandlungen der Polizei sind nun nicht
geeignet, die damaligen Ergebnisse zu bekräftigen. Zum Beispiel würde für
rasche Luftdruckschwankungen nur bei den Sittlichkeitsvergehen der
Ausfall mit dem früheren übereinstimmen; alle anderen Vergleichsgrößen
zeigen aber zum Teil das entgegengesetzte, zum Teil ein undeutliches
oder sogar in den einzelnen Jahreszeiten vollkommen abweichendes Ver-
1) Denkschriften d. Wiener Akademie d. Wiss. Bd. 81, 115 (1908).
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Von Ernst Brezina und Wilhelm Schmidt.
97
halten. Und doch sollte, wenn irgendwo, liier Übereinstimmung herrschen,
da dieses meteorologische Element durch das Zimmerklima nicht ver¬
ändert wird. Es ist daher nicht sehr verwunderlich, daß die Beziehungen
zu anderen Elementen noch weniger bestätigt werden. Weder in den
Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnissen, noch in der allgemeinen
Wetterlage und den Steig- und Fallgebieten des Luftdrucks ließ sich ein
übersichtliches allgemeines Verhalten erkennen.
Dem somit im ganzen negativen Ausfall unserer Untersuchungen
steht die durch das subjektive Gefühl gestützte Ansicht von der Bedeutung
des Wetters entgegen. Wir können und wollen hier nicht behaupten, es
bestehe gar kein derartiger Einfluß; er könnte uns ja entgangen sein
aus verschiedenen Ursachen:
1. wenn die Wirkungen von vornherein nur ganz schwach sind und
unter denen des Zufalls verschwinden; sie müßten dann um so schwächer
sein, als wir uns alle Mühe gegeben haben, diesen letzten durch Anwendung
möglichst scharfer Methoden einzuschätzen und auszuschalten;
2. wenn bei verschiedenen Teilen der beobachteten Gesamtheiten
die äußeren Reize verschieden wirken, bald noch erregend, bald bereits
lähmend. Hier muß die rein statistische Methode versagen, sie kann
höchstens Fingerzeige geben für jenes Verfahren, von dem dann weitere
Fortschritte zu erwarten sind, nämlich für das physiologische Experi¬
ment, das unter willkürlicher Veränderung eines bestimmten meteoro¬
logischen Elementes bei Gleichhaltung der übrigen anzustellen wäre.
Sollen solche Versuche allgemeine Bedeutung haben, so muß ihnen natür¬
lich eine größere Anzahl Personen unterworfen werden. Fiele dies auch
ergebnislos aus, dann wäre noch als Erklärung denkbar:
3. wenn unserer Erfahrung bisher unzugängliche Witterungselemente
oder Zusammenfassungen von solchen eine wesentliche Rolle spielen.
Einen ganz hervorragenden, überall durchschlagenden
Einfluß der Witterung — das können wir nach unseren Unter¬
suchungen mit Sicherheit aussprechen — gibt es aber nicht.
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Zur Theorie der Serologie der Syphilis.
Von
Dr. Emil Epstein und Dr. Fritz Paul.
(Aus der Prosektur der Krankenanstalt „Rudolfsstiftung“ (Vorstand: Hofrat
Prof. Dr. Richard Pal tauf) und der Prosektur des Franz Josephspitals (Vor¬
stand: Prof. Dr. Oskar Stoerk) in Wien.
(Bet der Redaktion eingegangen am 26. Oktober 1920.)
Die verschiedenen Flockungsreaktionen der Syphilis sind infolge
ihrer einfachen Versuchsbedingungen eher geeignet, einen klaren Einblick
in die physikalischen Vorgänge der serologischen Luesreaktionen zu ge¬
währen als die ältere „Komplementbindungsreaktion“ nach Wasser¬
mann.
Meinicke 1 ) gab im Jahre 1917 seine zweizeitige Flockungs¬
reaktion zur Diagnose der Syphilis (M.R.) bekannt, die er in der Folge
durch eine Reihe von Veröffentlichungen weiter ausbaute 2 ).
Diese gestaltet sich im wesentlichen folgendermaßen: Bestimmte
Mengen der zu untersuchenden inaktivierten Sera werden mit alkoholi¬
schem „Pferdeherzätherrestextrakt“ 8 ), der vorher mit destilliertem Wasser
in bestimmter Konzentration versetzt wird, gemischt und 24 Stunden
im Brutschrank bei 37° belassen. Sowohl bei Normal- als auch bei Luesseren
tritt Flockung ein. Sodann wird 2proz. Kochsalzlösung zugesetzt und
nach einem weiteren einstündigen Aufenthalt der Versuchsröhrchen im
Brutschrank bei 37° sind die Flocken bei Normalseren gelöst, während
sie bei positiven Luesseren bestehen bleiben.
In Nr. 33 der Münch, med. Woch. 1919 veröffentlichte Meinicke
die einzeitige Kochsalzmethode als dritte Modifikation seiner Prä¬
zipitationsreaktion (D.M.). Dabei fällt die erste Phase der M.R. weg:
Bestimmte Mengen der durch Erwärmung auf 56° C inaktivierten Sera
werden mit alkoholischem Pferdeherzextrakt vermischt, der aber vorher
1) Berl. klin. Wochenschrift 1917, Nr. 25.
2) Berl. klin. Wochenschrift 1917, Nr. 50, 1918, Nr. 4; Med. Klinik 1918,
Nr. 36; Münchn. med. Wochenschrift 1918, Nr. 45, 49, 51; Zeitschr. f. Immun.-
Forsch. Bd. 27, Heft 4/6, Bd.. 28, Heft 3/5.
3) Die Herstellung des Ätherrestextraktes wird weiter unten in Kürze
beschrieben werden.
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Zur T?lieorie der Serologie der Syphilis. Ö9
nicht, wie bei der M.R. mit destilliertem Wasser, sondern mit 2proz.
Kochsalzlösung zu verdünnen ist. Nach 24stündigem Aufenthalt der
Versuchsröhrchen im Brutschrank bei 37° erfolgt die Ablesung: Positive
Sera sind geflockt, negative ungeflockt.
Es war für uns naheliegend, die Meinicke-Reaktion (M.R. und
D.M.) zum Ausgangspunkt unserer theoretischen Beobachtungen
zu machen, da wir die dritte Modifikation (D.M) der Meinicke-Reaktion
als diagnostische Methode kennen und schätzen gelernt haben und sie
seit einem Jahre praktisch anwenden.
Die Nachprüfung der D.M. an 2000 Fällen, die wir in Nr. 19 der Med.
Klinik 1920 mitgeteilt haben, erwies eine weitgehende Übereinstimmung
der Resultate mit den Ausfällen der W.R., in gewissen Stadien der Lues
vielleicht sogar eine Überlegenheit gegenüber der W.R.
Unsere Erfahrungen an weiteren 7000 Vergleiclisfällem die wir seither
gesammelt haben, bestätigen unsere ursprünglichen Feststellungen zur
Gänze und werden den Gegenstand einer demnächst erscheinenden Mit¬
teilung bilden.
Zur Theorie seiner Flockungsreaktionen stellte Meinicke selbst
eine Reihe von Hypothesen auf, die er durch umfassende Versuche zu
stützen suchte. In seinen ersten theoretischen Abhandlungen 1 ) erklärt
er seine Methode als Flockungsreaktion der als „Globulin“ bezeichneten
Eiweißphase des Serums von Luetikern, wobei der wesentliche Vorgang
eine physikalische Änderung der Globuline sei, die in einer Ab¬
gabe von locker gebundenem Kochsalz durch Ionenwanderung
besteht. „Bei positiven Seren wird dem Serumglobulin viel gebundenes
Kochsalz in eingreifender, bei negativen wenig in schonender Form ent¬
zogen.“ Der bei allen Seren durch Zusatz ded wässerigen Lipoidextraktes
auftretende Flockungsniederschlag ist im Gegensatz zum Normalserum
beim Luesserum kochsälzbeständig. Der zugesetzte Lipoidextrakt sei
es also, durch dessen Einwirkung das Kochsalzgleichgewicht der Serum¬
globuline aufgehoben werde, wodurch es zu ihrer Ausflockung kommt.
Dabei wirken einerseits die Extraktlipoide dispersitätsverringernd auf die
Serumglobuline ein (Resultat: Ausflockung), anderseits die Serumstoffe
dispersitätserhöhend auf das durch den Kochsalzzusatz in einem Zustand
der Schwebefällung befindliche Extraktlipoid im Sinne eines starken
Schutzkolloids.
Meinicke stützte diese Ansicht auf seine Versuche mit Sudanfärbung,
indem er nachwies, daß der Niederschlag der ersten Phase seiner M.R.
keine spezifische Lipoid- bzw. Fettfärbung annimmt, während sich der
Niederschlag des spontan in Kochsalzverdünnung ausgefloekten Extraktes
allein deutlich mit Sudan IV färbt. Von der Zuversicht in die Beweiskraft
dieser Versuche ist Meinicke selbst in seinen letzten Arbeiten 2 ) bereits
merklich abgerückt. Doch steht er darin nach wie vor auf dem Stand¬
punkt, daß irgendwie erhebliche Lipoidmengen nicht in den Globulin-
1) Zeitschr. f. Immun .-Forsch. Bd. 27, Heft 4/6, Bd. 28, Heft 3/5; Deutsche
med. Wochenschrift 1919, Nr. 7, 12, 24, 30.
2) Zeitschr. f. Immun.-Forsch. Bd. 29, Heft 3/4.
Archiv für Hygiene. Bd. 90. 7
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100 Zur Theorie der Serologie der Syphilis.
niedersohlag gehen, dieser also fast ausschließlich sowohl bei der M.K.
als auch bei der D.M. aus Serumglobulin besteht.
Gleichzeitig veröffentlichte Joel 1 ) seine Untersuchungen über die
M.R. bei Dunkelfeldbeleuchtung, wonach er jedoch zu der Schlußfolge¬
rung kommt, daß in der ersten Phase der M.R. auch Extraktlipoide
in den Niederschlag gehen. Diese und eigene Untersuchungen veranlaßten
Meinicke, seine ursprünglich angenommene, aber bald verlassene
Theorie einer Lipoidbindung mit dem Serumglobulin wieder
aufzugreifen und mit seiner Kochsalzwanderungstheorie zu
verknüpfen 2 ). Demnach bestünde der Hauptteil des Nieder¬
schlags sowohl in der ersten und zweiten Phase der M.R. als
auch bei der D.M. der Hauptsache nach aus Serumglobulin mit
geringer Beimengung von Extraktlipoiden.
Es wird sich aber in der Folge zeigen, daß die Vorgänge der ersten
Phase der M.R. in wässerigem Medium und der zweiten Phase
in kochsalzhaltigem Medium prinzipiell verschieden auf¬
zufassen sind und daß sich die entscheidenden Reaktionsvorgänge
gerade im kochsalzhaltigen Medium abspielen.
Meinicke hat in einer musterhaften Versuchsreihe die optimalen
Bedingungen der Ausflockbarkeit seiner Lipoidextrakte mit verschiedenen
Konzentrationen wässeriger Kochsalzlösungen ausgearbeitet, indem er
zunächst die Reaktionsbreite der Ausfällbarkeit des Lipoidextraktes fest¬
gestellt hatte. Aus seinen Tabellen ergibt sich, daß der Extrakt beim
längeren Abstehen in 2proz. Kochsalzlösung spontan ausflockt. Einzelne
Extrakte zeigen dieses Phänomen ausgesprochener, andere in geringerem
Grade. Meinicke zieht letztere Extrakte mit einem relativ höheren
Dispersitätsgrade vor.
Im selben Sinne weist Hans Sachs 3 ) neuerdings darauf hin, daß
die nach seiner Vorschrift mit NaCl-Lösungen hergestellten Extrakt¬
kolloide, die durch langsames Vermischen des alkoholischen Extraktes
mit Kochsalzlösung gewonnen wurden, eine mehr oder weniger milchig
getrübte Flüssigkeit darstellen, während die durch rasches Vermischen
gewonnenen, eine schwach opaleszu rende Flüssigkeit bilden, und daß die
ersteren für die Wassermann-Reaktion das bei weitem empfindlichere
Reagens darstellen. Bei der engen Beziehung des Mechanismus
der Wassermann-Reaktion und der Ausflockungsreaktionen
ist die Feststellung wichtig, weil daraus hervorgeht, daß ein relativ gröberer
disperser Zustand des Lipoidextraktes sich für diese Reaktionsgruppe als
besonders wirksam erweist.
Der rigoros nach Meinickes Vorschrift 4 ) bereitete Extrakt
(Pferdeherzätherrestextrakt), den wir zu unseren Versuchsreihen verwen¬
det 5 ) und als vollwertig brauchbares Reagens für unsere serodiagno-
1) Zeitschr. f. Immun.-Forsch. Bd. 29, Heft 3/4.
2) Deutsche med. Wochenschrift 1920, Nr. 37.
3) Kolloid-Zeitschr. 1919, Bd. 24, Heft 4.
4) 1 Teil Pferdeherzätherrestextrakt + % Teil destilliertes Wasser, dem
nach einstündigem Stehen 7 Teile 2öroz. Kochsalzlösung zugesetzt werden. —
Münchn. med. Wochenschrift 1919, Nr. 33.
6) Med. Klinik 1920, Nr. 19.
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101
Von Dr, Emil Epstein und t)r. Fritz Paul.
stischen Zwtckt? erprobt hatten, zeigte schon ziemlich kurze Zeit
nach Aufstellung der Extraktverdünnung ohne Serumzusatz
spontane Ausflockung.
Die Beobachtung dieser Eigenausflockung des Meinicke-
Extraktes, welche bei der D.M. nur durch den Zusatz von Normal¬
serum, nicht aber durch Zusatz von Luesserum behindert wird,
legt den Gedanken nahe, daß die ausgeflockten Substanzen
vorwiegend dem Extrakt angehören und nicht Stoffe sind,
die sich im Serum vor finden. In Verfolgung dieses Gedankens und
zur Aufklärung des Mechanismus der Reaktion stellten wir die im folgenden
näher beschriebenen Versuche an. Um beweisende Versuchsergebnisse zu
erhalten, sahen wir uns jedoch genötigt, unter Beibehaltung der
relativen Mengenverhältnisse der einzelnen Reaktionsbestandteile
nach Meinickes Originalvorschrift ihre absoluten Quanten zu ver¬
mehren.
Zunächst seien einige technische Details in Kürze erläutert:
1. Zur Bereitung der Extrakte.
Von Fett, Sehnen und Gefäßen befreites Pferdeherz wird fein geschabt,
auf Glasplatten ausgestrichen, bei 50° getrocknet und zu einem feinen Pulver
zerrieben. Zu einem Teil dieses Pulvers fügt man 9 Teile Äther, schüttelt eine
Stunde, filtriert den Äther ab, trocknet den Rückstand bei 37° und extrahiert
diesen dann mit 9 Teilen 95proz. Alkohol 3 bis 5 Tage bei 37° unter öfterem
Umschütteln. Der darnach durch Filtrieren gewonnene, klare, alkoholische
,Ätherrestextrakt“ wird durch einen einfachen Vorversuch ausgewertet, indem
man fallende Extraktmengen mit steigenden Alkoholdosen vermischt und je
die halbe Menge destillierten Wassers rasch zufügt. Nach einstündigem Stehen
bei .Zimmertemperatur setzt man die siebenfache Menge destillierten Wassers
zu. Der beim ersten Wasserzusatz auf tretender und beim zweiten Wasserzusatz
bestehen bleibende Trübungsgrad erlaubt Rückschlüsse auf die Wirksamkeit des*
Extraktes und läßt die erforderliche Alkoholverdünnung ermitteln.
Über die genaueren Einzelheiten dieses Vorversuchs sei auf die Original-
initteilung Meinickes 1 ) verwiesen.
Zur Anstellung der Versuche mischt man die e r f o r d e r 1 i c h e E x t r a k t -
menge (die man vorher auf die durch den Vorversuch ermittelte Alkohol¬
konzentration gebracht hat) mit der halben Menge destillierten
Wassers und fügt dann für die zweite Modifikation Meinickes (M.R.)
die siebenfache Menge destillierten Wassers, für die dritte Mo¬
difikation (D.M.) die siebenfache Menge 2proz. Kochsalzlösung
zu. Wir nennen weiterhin der Kürze halber dieses Extraktkolloid in
Wasser kurz Wasserextraktkolloid, das in Kochsalzlösung ftoch-
salzextra kt kolloid nach M ei nicke.
2. Zur Anstellung der Versuche.
Zur Verwendung gelangten Extrakte, die in Kochsalzverdünnung (als Koch¬
salzextraktkolloid) spontan ausflockten und von Seren einerseits Luesseren,
die bei der W.R. komplette Hemmung (-|—|—f~H» bei der Meinicke-
Reaktion (D.M.) stärkste Ausflockung (+H—H ergaben, also meist von
unbehandelten sekundären Luesfällen herstammten, anderseits Normal-
1) Münchn. med. Wochenschrift 1919, Nr. 33. *
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102 Zur Theorie der Serologie der Syphilis.
seren, die sowohl bei der W.R. als bei der Meinicke-Reaktion (D.M.) voll¬
kommen negativ reagierten und von Fällen entnommen worden waren,
die weder klinisch noch anamnestisch irgendwelche Anhaltspunkte
für bestehende oder überstandene luetische Infektion boten.
Von sämtlichen Seren wurden die Versuche doppelt aufgestellt, einmal im
„aktiv“ belassenen Zustande und einmal nach Erwärmung auf 56° C durch
15 Minuten, also im „inaktivierten“ Zustande, ohne daß eine Differenz der
Versuchsergebnisse zu konstatieren gewesen wäre.
Die Versuchsanordnung selbst findet sich in Tabelle I skizziert und
gestaltet sich folgendermaßen:
I. a) 8 ccm Wasserextraktkolloid,
b) 8 ccm Kochsalzextraktkolloid werden ohne Zusatz von Serum
aufgestellt. Das Wasserextra kt kolloid zeigt auch nach langem (tage-
langem) Stehen bei Zimmertemperatur oder 37° C keinerlei Aus¬
flockung, das Kochsalzextraktkolloid hingegen flockt schon in
wenigen Stunden sowohl bei Zimmertemperatur als auch bei 37° C
spontan aus.
II. Je 2 ccm Luesserum (L.S.) und Normalserum (N.S.) werden mit
je 8 ccm Wasserextraktkolloid gemischt und auf 24 Stunden in den Brut¬
schrank bei 37° gebracht (erste Phase der M.R.).
In sämtlichen Versuchseprouvetten zeigt sich nach 24 Stunden
ein kräftiger Flockungsniederschlag (Sera, die keine Flockung
gaben, sind uns nicht untergekommen).
Bei Luesseren geht aber der Flockungsprozeß gleich nach
Anstellung der Reaktion sehr lebhaft vor sich, so daß sich
bereits nach 10 Minuten ein deutliches grobes Präzipitat ab¬
gesetzt hat.
III. Je 2 ccm Lues- und Normalserum werden, wie bei II, mit 8ccm
Wasserextraktkolloid gemischt, 24 Stunden im Brutschrank belassen
(erste Phase der M.R.), sodann mit je 10 ccm 2proz. Kochsalzlösung
versetzt und vorsichtig umgeschüttelt. Nach einem weiteren Aufenthalt
von einer Stunde bei 37° im Brutschrank erfolgt die Ablesung, bei der
sich die Flockung der Normalseren als aufgelöst erweist, während
sie bei Luesseren, jedoch in geringerem Ausmaße, erhalten geblieben
ist (zweite Phase der M.R.).
IV. Je 2 (4) ccm Lues- und Normalserum werden mit je 8 (16) ccm
Kochsalzextraktkolloid vermischt und nach 24 Stunden bei 37° abgelesen.
Lu essera zeigen kräftige Flockung, bei Normalseren bleibt die
Flüssigkeit homogen milchig getrübt (D.M.)--
Die Ergebnisse unserer im folgenden näher beschriebenen Versuche
gaben zu den gleichfalls im nachstehenden erörterten weiteren Unter¬
suchungen Anlaß:
Ad 1 der Tabelle.
Der Zusatz von alkoholischem Pferdeherzätherrestextrakt zu 2 bis
3proz. NaCl-Lösung in dem von Meinicke vorgeschriebenen Mengen¬
verhältnis von 1:8 („Kochsalzextraktkolloid nach Meinicke“)
ergibt nach längerem Stehen bei Zimmertemperatur und bei 37 0 im Brut¬
schrank spontane Flockenbildung im Gegensatz zum „Wasser-
extraktkolloid“, das auch bei tagelangem Stehen homogen
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Von Dr. Emil Epstein und Dr. Fritz Paul.
103
milchig getrübt bleibt. Der nach scharfem Zentrifugieren gewonnene
Niederschlag wird in 95proz. Alkohol aufgenommen und am Wasserbad
bis zum Sieden erhitzt. Dabei geht der gesamte Niederschlag in Lösung,
besteht demnach aus Lipoiden.
Ad II der Tabelle.
Der Zusatz von alkoholischem Pferdeherzätherrestextrakt in wässe¬
riger Emulsion („Wasserextraktkolloid nach Meinicke“) zum Serum
hat sowohl bei Anwendung von Normal- als auch von Luesseren innerhalb
24 Stunden bei 37° starke Ausflockung zur Folge. Ein Unterschied
macht sich jedoch, wie bereits erwähnt, insoferne bemerkbar, als diese
Ausflockung bei Anwendung von Luesseren innerhalb der ersten
10 Minuten rascher und deutlicher einsetzt als bei Seren Nicht¬
luetischer. Die nach scharfem Zentrifugieren über dem Niederschlag
stehende klare Flüssigkeit wird abgegossen, der Niederschlag mehrmals
vorsichtig mit destilliertem Wasser serumfrei gewaschen, bis das Wasch¬
wasser keine Eiweißreaktion mehr gibt (geprüft mit Sulfosalizylsäure,
Essigsäure-Ferrozyankalium, Biuretreaktion), der Niederschlag wird mit
95proz. Alkohol übergossen, durch Schütteln gut gemischt und am Wasser¬
bad zum Sieden erhitzt. Dann wird abermals zentrifugiert. Es zeigt sich
zunächst starke Koagulation des Niederschlages. Der Niederschlag
besteht demnach zum größeren Teile aus Eiweißkörpern.
Anderseits hat jedoch die Niederschlagsmenge eine deutliche Volumsver¬
minderung erfahren, was aus einem Vergleiche mit einem parallel auf¬
gestellten Versuchsröhrchen ohne Alkoholbehandlung ersichtlich ist. Ver¬
setzt man jetzt die vom Zentrifugate abgegossene alkoholische Flüssigkeit
tropfenweise mit destilliertem Wasser, so zeigt sich deutliche Trübung,
welche beweist, daß Lipoide in Lösung gegangen sind. (Um dieses
Phänomen der Trübung noch deutlicher zu machen, dampft man die
alkoholische Flüssigkeit am Wasserbade auf ein Viertel ihres Volumens ein.)
Der ursprüngliche Flockungsniederschlag besteht also vorwiegend
aus Eiweißkörpern, zum Teile aber auch aus Lipoiden.
Ad ID der Tabelle«
Die unter III. besprochenen Niederschläge, bei Zusatz von Normal¬
serum, lösen sich in entsprechenden Mengen 2proz. Kochsalzlösung
komplett auf, d. h. die Flüssigkeit wird wieder homogen milchig ge¬
trübt, ohne daß auch bei Lupenvergrößerung Präzipitation erkennbar
wäre, während bei Luesserum die Flockung, wenn auch in geringerem
Ausmaße bestehen bleibt. Der sich nach Zentrifugieren absetzende
Niederschlag weist aber gegenüber einem Vergleichsröhrchen, welches den
Flockungsniederschlag von Luesserum -(- Wasserextraktkolloid am Ende
der ersten Phase der M.R., also noch ohne Zusatz von 2proz. Kochsalz¬
lösung enthält, eine deutliche Volumsverminderung auf. Der Niederschlag
wird, wie unter TI., jedoch in 2proz. Kochsalzlösung, solange gewaschen,
bis das Waschwasser keinerlei Eiweißreaktion gibt, in 95proz. Alkohol
aufgenommen und am Wasserbade zum Sieden erhitzt. Der Nieder¬
schlag geht im Gegensatz zu dem ursprünglichen, unter II. besprochenen
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Zur Theorie der Serologie der Syphilis.
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Tabelle L
H*0 • OE = Wasserextraktkolloid nach M e i n i c k e.
NaC10E= Kochsalzextraktkolloid nach Meinicke.
LS — Luesserum.
NS =» Normalserum.
i.
a) 8 ccm H*0 • OE
b) 8 ccm NaCl • OE
a) Keinerlei Ausflockung auch nach
langem Stehen bei Zimmertemperatur
und bei 37°.
b) Spontane Ausflockung (-f~H
schon in wenigen Stunden.
.
TT l M. R. (TT Modifikation) 1. Phase
j 2 (4) ccm LS -f- 8 (16) ccm H,0 • OE
nach 10' -|—f"
nach 24 h +-4-4-
in.
M. R. (II. Modifikation) II. Phase
2 ccm LS + 8 ccm H 2 0 • OE +
10 ccm 2°/ 0 Kochsalzlösung 1 )
4- bis -H-
IV.
D. M. (111. Modifikation)
2 (4) ccm LS + 8 (16) ccm NaCl*OE
rior.li O/. Vi _1_L_
1) Die Mischung 2 ccm LS bzw. 2 ccm NS -f- 8 ccm H t O • OE bleibt
NaCL-Lösung zugesetzt. Die Ablesung erfolgt nach einer weiteren Stunde
Niederschlage, vollkommen in Lösung, best eht demnach ausschließlich
aus Lipoiden.
Ad IV der Tabelle.
Luesseren mit Kochsalzextraktkolloid nach Meinicke in
entsprechender Menge versetzt geben einengrobflockigenNiederschlag.
Dieser Niederschlag wird wie unter III. mit 2proz. Kochsalzlösung ge¬
waschen, in Alkohol aufgenommen und zum Sieden erhitzt. Der Nieder¬
schlag löst sich fast vollständig auf, besteht demnach fast zur Gänze
aus Lipoiden. Es Testieren meist nur spärliche Flöckchen, manchmal
auch etwas reichlichere Krümelchen. Dieser minimale zartkrümelige
Bodensatz wird durch mehrfaches Zentrifugieren mit Wasser oder Koch¬
salzlösung gewaschen, hierauf zur Anstellung der Biuretreaktion mit
33proz. Natronlauge übergossen und mit 0,lproz. Kupfersulfatlösung
überschichtet. Die Biuretreaktion fällt negativ aus. Der Niederschlag
löst sich in Natronlauge nur schlecht. Es restiert vielmehr ein gallert¬
artiger Bodensatz, welcher aus schwerlöslichen Salzen bestehen dürfte.
Normalseren mit Kochsalzextraktkolloid nach Meinicke
gemischt geben keinerlei Niederschlag.
Aus diesen Versuchen geht zunächst hervor, daß die Theorie Mei-
nickes, daß es sich bei seiner Reaktion um eine Globulinflockung
durch Störung des Kochsalzgleichgewichtes der Globuline
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Von Dr. Emil Epstein und Dr. Fritz Paul.
105
+ •
-+
Takelte 1.
ganz zarte körnelige Flockung,
deutliche Flockung,
grobe Flockung.
r
tf.ft. (lLModifkation) t. Phase
2 (4) ccm NS 4" 8 (16) ccm HgO • OE
M. R. (II. Modifikation) 11. Phase
2 ccm NS 8 ccm H*0 • OE 4-
10ccm 2% Kochsalzlösung 1 )
-B. \r (in ^odifikation) -
2 (4) ccm NS + 8 (16) ccm H*0 • OE
nach 10' 4
nach 24 h 4-+' j
Flockung gelöst
nach 24 h keine
Flockung
b) Der Flockungsniederschlag
besteht ausschließlich aus alko¬
hollöslichen Lipoiden.
Der Flockungsniederschlag
besteht
a) aus Eiweißsubstanz koa¬
guliert in heißem Alkohol»
b) aus alkohollösl. Lipoiden^
Der Flockungsniederschlag bei
Luesserum besteht aus alkohol-
löslichen Lipoiden.
Der Flockungsniederschlag bei
Luesserum besteht aus alkohol¬
löslichen Lipoiden.
zunächst 24 Stunden bei 37° im Brutschrank, hierauf werden 10 ccm 2proz.
bei 37°.
handelt, nicht richtig fundiert sein kann, da die sowohl in der
zweiten als auch in der dritten Modifikation bei Luesseren differential¬
diagnostisch in Betracht kommenden Niederschläge zum allergrößten
Teil mit Eiweißkörpern nichts zu tun haben, sondern aus alko¬
hollöslichen Lipoiden bestehen. Auch die jüngst veröffentlichten
Beobachtungen Joels (1. c.) zur Theorie der Meinickcschen Reaktion
im Dunkelfeld bestätigen diese Befunde.
Diese Konstatierung ist übrigens in keiner Weise überraschend,
da nach der vorliegenden Literatur gar nichts anderes zu erwarten war,
als daß die Seren Luetischer zugesetzte Lipoidsuspensionen zur Ausflockung
bringen (Land Steiner 1 ), Elias, Neubauer, Por gesund Salomon 2 )u.a.).
Die ausgeflockten Lipoide gehören nach der quantitativen Mäch¬
tigkeit des Flockungsniederschlages wohl hauptsächlich den Lipoiden
des Organextraktes und zum geringsten Teile möglicherweise auch den
Eigenlipoiden des Serums an. Daß diese Ansicht richtig ist, wird weiter¬
hin dadurch bestätigt, daß der Mei nicke-Extrakt an und für sich,
in 2proz. Kochsalzlösung allmählich und, wie Mei nicke neuerdings nach¬
gewiesen hat, in 3 bis 5proz. Kochsalzlösung rascher spontan ausflockt.
Es ergibt sich also das interessante, bisher ganz unbekannte
Phänomen, daß Normalseren die Spontanausflockung der
Extraktlipoide verhindern, während Luesseren sie beschleu¬
nigen und deutlich intensiver gestalten.
1) Finger, Handbuch der Geschlechtskrankheiten, S. 2358 bis 2405.
2) Wiener kBn. Wochenschrift 1908, Nr. 21.
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106
Zur Theorie der Serologie de? Syphilis.
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Wenn wir die Vorgänge, welche diese Reaktionen herbeiführen, dem
Verständnisse näherbringen wollen, so ist es notwendig, sich zunächst
eine Vorstellung von der physikalischen Beschaffenheit des in
Anwendung gezogenen Kochsalzextraktkolloids zu bilden. Es
stellt wohl zweifellos ein komplexes Dispersoid vor, welches vermutlich
eine Kombination von Suspensions J und Emulsionsdispersoid
bildet. Das geht daraus hervor, daß das einstündige Ausschütteln des
Pferdeherzpulvers bei Zimmertemperatur mit Äther wohl kaum das ge¬
samte Cholesterin, noch weniger aber das Lezithin zu entfernen
imstande ist. Es handelt sich vielmehr vermutlich im wesentlichen um
ein Gemenge von Cholesterin, ungesättigten lezithinähnlichen Lipoiden
und gesättigten Phosphatiden. (Erlandsen stellt aus Muskeisubstanz
Diaminophosphatide dar, welche der Gruppe der gesättigten Phosphatide
angehören 1 ).) Die chemische Beschaffenheit 2 ) hat zur ganzen Frage des
Mechanismus der kolloidalen Reaktionsfähigkeit des Extraktkolloids
insofern eine gewisse Beziehung, als wir wissen, daß Cholesterinauf¬
schwemmungen im wesentlichen die Eigenschaften von Sus-
pensoiden, Lezithin-Aufschwemmungen hingegen mehr die Eigen¬
schaften von Emulsoiden (hydrophilen Kolloiden) aufweisen (Porges
und Neubauer 3 )). Der Dispersitätszustand dürfte im allgemeinen
an der Grenze zwischen grobdispersem und kolloidalem Dis¬
persionsgrad stehen, somit einem recht labilen kolloidalen Gleich¬
gewichtsverhältnisse entsprechen, da bei der größeren Zahl der von uns
untersuchten Extrakt schon bei längerem Stehen b°i Zimmertemperatur
eine Eigenausflockung in 2 bis 3proz. Kochsalzlösung erfolgt. — Es sei
hier nochmals an die Feststellung von Hans Sachs erinnert, der seine
milchig getrübten, also gröber dispersen Extraktmischungen als für di«*
Wasser mann sehe Reaktion geeigneter bezeichnet als die feiner dispersen,
opaleszierenden Mischungen. Die besondere Empfindlichkeit der
Extrakte und ihr charakteristisches Verhalten bei Zusatz von Normal-
und insbesondere von Luesserum beruht höchstwahrscheinlich in dem
zufällig getroffenen Mengenverhältnisse der einzelnen Ex¬
traktkomponenten (Lipoide). Der Dispersitätsgrad verschiedener
Lipoide im cholesterinhaltigen Dispersionsmittel ist z. B. ein ganz anderer
als im cholesterinfreien. Cholesterin, in organischen Lösungsmitteln gelöst,
stellt nach Fränkel ein ganz ausgezeichnetes Lösungsmittel für die übrigen
Lipoide dar, so daß es sehr schwierig ist, das Cholesterin aus solchen
Lipoidgemischen zu entfernen 4 ). Die komplexe Zusammensetzung
der verschiedenen dispersen Phasen unseres Extraktes und ihr
gegenseitiges Mengenverhältnis scheint die Vorbedingung des Er¬
diges zu sein.
1) Zitiert nach Fränkel: „Darstellung von Lipoiden aus Gehirn und
anderen Geweben. 41 Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeits¬
methoden, Bd. V, l.Th., S. 613 u. ff.
. 2) Der eine von uns ist mit dem Studium der chemischen Zusammen¬
setzung des Extraktes beschäftigt.
3) Biochem. Zeitschr. 1907, Bd. 7, Heft 1 bis 2.
4) Über Lipoide. Biochem. Zeitschr. 1909, S. 254 ff.
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107
w-
Sachs und Rondoni 1 2 ) zeigten, daß auch bei den Extrakten für
die Wassermann-Reaktion nicht einzelne Lipoide, sondern
eine optimale Zusammensetzung verschiedener Lipoidstoffe
für die Wirkung verantwortlich zu machen seien.
Ostwald*) betont die besondere Variabilität des dispersen
Zustandes gerade komplexer Dispersoide gegenüber Temperatur,
Konz »ntration usw., welcher wohl die gesteigerte Empfindlichkeit dieser
Dispersoide in bezug auf ihre Ausflockbarkeit entspricht. Der Meinicke-
Extrakt stellt vermutlich ein solches komplexes Lipoiddispersoid
vor, in welchem verschiedene disperse Phasen in einem keineswegs ein¬
heitlichen Dispersionsmittel dispergiert erscheinen. Wir können uns ganz
gut vorstellen, daß eine disperse Lipoidphase selbst, z. B. eine cholesterin¬
haltige Phase das Dispersionsmittel für andere disperse Lipoidphasen dar¬
stellt. Es sind dies jedesfalls komplizierte Verhältnisse, welche
durch systematische künstliche Mischungen kaum je zu
erzielen sein werden. Es wird daher wohl noch lange Sache des empiri¬
schen Tastversuches bleiben, richtige Extraktbeschaffenheit zu er¬
mitteln, und es ist nicht das geringste Verdienst Meinickes, diesen
Weg bei der Herstellung und Auswertung seines Extraktes
betreten zu haben.
Daß Zusätze von Cholesterin, wie sie nach Sachs und Georgi an¬
gewendet werden, in der Hand des besonders versierten Untersuchers
gelegentlich zu einwandfreien Resultaten führen können, zeigen die Erfolge*
der Methode bei Sachs u. a., daß aber das Arbeiten mit cholesterinierten
Extrakten nach Sachs und Georgi nicht die Idealmethode im allgemeinen
darstellt, dafür liegen die zahlreichen Arbeiten anderer Autoren über diese
Methode Zeugnis, welche nicht immer zu besonders ermunternden Ergeb¬
nissen geführt haben.
Zu dem Punkte der Relation der Reaktionsfähigkeit der
Extrakte zu ihrer feineren Lipoidzusammensetzung sei auf die
Arbeit Silbersteins 3 ) hingewiesen, welcher zeigte, „daß mazerierte und
autolysiertc Organe deshalb wirksamere Antigene für die Wasscrmann-
sche Reaktion geben als frische, weil in ihnen Lipoide, Seifen, Fettsäuren,
Neutralfette und Cholesterine in einem bestimmten Mengenverhält¬
nisse zueinander stehen“. Die bereits erwähnten, im Gange befindlichen
chemischen Untersuchungen werden zeigen, ob in Extraktkolloiden nach
Meinicke neben den Lipoiden, welchen wohl die wichtigste Rolle bei den
in Rede stehenden Reaktionen zufällt, noch Seifen und Fette vorhanden
sind.
Über die elektrischen Ladungs Verhältnisse der Lipoide,
die weiter unten noch ausführlicher besprochen werden sollen, sei hier
nur soviel gesagt, daß nach den Feststellungen von Porges und Neu¬
bauer (1. c.) Lipoidsuspensionen, sowohl Cholesterin- als Lezithin-Auf¬
schwemmungen anodische Konvektion besitzen, somit elektronegative
Ladung aufweisen. „Was die Säurefällbarkeit und Alkalilöslichkeit der
1) Berl. klin. Wochenschrift 1908, Nr. 44.
2) Grundlagen der Kolloidchemie.J 1914.
3) Biochem, Zeitschr. Bd, 88, Heft 1 bis 3.
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108 Zur Theorie der Serologie der Syphilis.
Lezithin- und Cholesterinsuspensionen anlangt, so beweist sie ihre anodische
Konvektion.“
Nachdem wir uns so über den physikalischen Zustand des Koch¬
salz-Extraktkolloids nach Meinicke orientiert haben, ist es not¬
wendig, uns auch mit der zweiten Komponente der bei der Ausflockung
reagierenden, kolloidalen Lösung, dem Serum, in Kürze zu beschäf¬
tigen. Sowohl Lues- als Normalseren stellen komplexe Dis-
persoide dar, in welchen neben der Eiweißphase, die selbst wieder einen
komplexen Bau aufweisen mag, auch noch eine Lipoidphase vorhanden ist.
Vieles deutet darauf hin, daß sich die Eiweißphase der Lues¬
seren wesentlich durch ihre elektrischen Ladungsverhält¬
nisse von der Eiweißphase der Normalseren unterscheidet.
Schon Elias, Neubauer, Porges und Salomon (1. c.) schlossen daraus,
daß Luesseren mit elektrisch negativ geladenen Lezithin¬
suspensionen ausflocken, daß diese Seren gegenüber Normalseren eine
erhöhte Azidität bzw. herabgesetzte Alkaleszcnz aufweisen
dürften, da bekanntlich vermehrter Säuregehalt auf Eiweißlösungen
unter Umständen positivierend wirkt. Da sie jedoch einerseits nicht
imstande waren, eine Aziditätszunahme der Luesseren titrimetrisch nach¬
zuweisen, und es ihnen anderseits auch nicht gelang, Normalseren durch
Säurezusatz mit Lezithin zur Ausflockung zu bringen, so glaubten sie.
diese Ansicht fallen lassen zu müssen, und faßten die Lues¬
reaktion als eine „kolloidale Fällungsreaktion zwischen ge¬
wissen hydrophilen Kolloiden“ (Lezithinsuspension, Lipoidextrak¬
ten usw.) „und den Globulinen zuzurechnenden Eiwei߬
körpern“ auf, die im Luesserum infolge geringerer Stabilität
eine größere Fällungszone verursachen“. Es gelang ihnen aber
nicht, durch Ffillungsversuche mit gesättigter Ammonsulfatlösung Unter¬
schiede in den Fällungsgrenzen zwischen Normal- und Luesseren nach¬
zuweisen. Wenn wir uns demgegenüber vor Augen halten, daß Aziditäts-
zunahmen des Serums bei seinem starken Bindungsvermögen für H- und
OH-Jonen der Feststellung durch titrimetrische Methoden keineswegs
zugänglich zu sein brauchen (Eichwald und Fodor 1 )), und uns vergegen¬
wärtigen, daß die Ausflockung zwischen Eiweißphase und Organ¬
lipoidphase nach den allgemeinen Flockungsgesetzen der Kolloide ohne
entgegengesetzte Ladung nicht gedacht werden kann, so
werden wir wohl in der Annahme nicht fehlgehen, daß eine elektro-
positive Ladung der Luesseren (und damit eine relative Aziditäts¬
erhöhung) in Gegenwirkung zur elektronegativen Ladung der
Lipoidphase zur Geltung kommen müsse. Much und Embden*)
haben übrigens eine tatsächlich nachweisbare Aminosäurevermehrung
luetischer Seren mit dem positiven Ausfälle der Wassermann-Reaktion
in Zusammenhang gebracht.
Überdies zeigten zwar Sachs und Alt mann*) bezüglich der Wasser-
mannschen Reaktion, daß Normalseren mit negativer W.R. auch
1) Die physikalisch-chemischen Grundlagen der Biologie. Berlinl919. S. 19'».
2) Münchn. med. Wochenschrift 1914. Nr. 13, S. 730.
3) Biochem. Zeitschr. 78, 46.
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Von Dr. Emil Epstein und Dr. Fritz Paul.
109
nach Säurezusatz nicht positiv reagieren, anderseits aber, daß
negativ reagierenden syphilitischen Seren durch entsprechen¬
den Säurezusatz eine positive Reaktion erteilt werden kann.
Daraus geht aber unserer Ansicht nach hervor, daß eine Vermehrung
des Aziditätsgrades allein keineswegs genüge, um die Reak¬
tionsfähigkeit der Seren mit negativen Lipoidkolloiden auszulösen,
sondern daß ganz bestimmte, für Lues charakteristische La¬
dungsverhältnisse die Vorbedingung der positi vierenden Wirkung der
zugesetzten Säure ist. Die Auffasung, daß die Seren Syphilitischer
elektropositive Ladung abgeben müssen, um mit den negativ ge¬
ladenen Lipoidkolloiden reagieren zu können, wird auch durch Ver¬
suche bestätigt, auf die später eingegangen wird. Im Gegensatz zu dem
elektrischen Ladungszustande der Eiweißphase der Luesseren
ist die Eiweißphase der Normalseren nach Pauli 1 ) als elek¬
trisch-neutral b*W. schwach negativ geladen anzusehen. (Vgl. hiezu
auch das instruktive Schema 1. c. S. 28.)
Mit dem Auftreten positiver Ladungen im Luesserum geht
eine Zunähme der Oberflächenspannung infolge gleichzeitigen
Auftretens entgegengesetzt elektrischer Ladung der elektro-
negaftiven Lipoidphase der Luesseren Hand in Hand. Es muß
nftftilich hervorgehoben werden, daß nach Feststellungen von Sachs 2 3 ),
Klausner 2 ) und v. Friedmann 4 ) auch die Lipoide im Luesserum eine
besondere Rolle spielen. Durch das Auftreten entgegengesetzter
Ladungen kommt es zu einer Erhöhung der positiven Oberflächen¬
spannung der Eiweiß- und Lipoidphase, mit welcher eine Ver¬
gröberung des dispersen Zustandes der Phasen der Lues¬
seren verbunden ist. Diese Zustandsänderung, die auch eine ge¬
steigerte Eiweißflockbarkeit zur Folge hat, wie sie in der Kl aus ner-
schen Flockungsreaktion zum Ausdrucke kommt, gab vielfach Anlaß,
eine Vermehrung der Globuline für alle möglichen Ausflok-
kungsvorgänge verantwortlich zu machen. Überhaupt muß bei
dieser Gelegenheit gegen den ganz allgemeinen Brauch Stellung ge¬
nommen werden, Eiweißkörper, die sich im Zustande erhöhter
Flockbarkeit befinden, ohne weiteres als „Globuline“ zu bezeichnen
mul jede Zunahme der Flockbarkeit im eiweißhaltigen Medium mit Glo¬
bulinen in Zusammenhang bringen zu wollen. Zur Bekräftigung unseres
Standpunktes sei die Arbeit Wilheims und Obermeyers 5 ) angeführt,
welche imstande waren, eine Steigerung der Ausflockbarkeit der Eiwei߬
körper durch chemische Prozesse herbeizuführen, ohne daß die auf diesem.
Wege gewonnenen, leicht ausflockbaren Eiweißkörper mit den als „Glo-
1) Hofmeisters Beitr. z. chem. Physiologie u. Pathologie. 1906. Ferner
Pauli, Kolloidchemie der Eiweißkörper 1920. 1. H., S. 20.
2) Zeitschr. f. Immun.-Forsch. 1917, Bd. 26, S. 451.
3) Wiener klin. Wochenschrift 1912, Nr. 21. •
4) Zeitschr. f. Hygiene 1910, Bd. 67, und Zeitschr. f. Immun.-Forsch. 1912.
Bd. 14.
5) Biochem. Zeitschr. 1912, Bd. 38, Heft 3/4.
f) Zeitschr. f. Immun.-Forsch. 1920, Bd. 29, Heft 3 und 4.
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Zur Theorie der Serologie der Syphilis.
bulinen“ bezeichneten, chemisch charakterisierten Eiweißkörpern irgend¬
etwas gemein hätten. Gloor und Klinger 6 ) weisen nach, daß positive
Luesseren auch nach Entfernung der Globuline noch positiv
reagieren, so daß sie in ihren weiteren Folgerungen zur Annahme gelangen,
daß die Albumine und nicht die Globuline die Träger der charakteri¬
stischen Präzipitations Vorgänge seien. Die auf der Anwesenheit labiler
Globuline beruhenden Präzipitationsvorgänge seien hingegen für Lues nicht
charakteristisch. Auch Mandelbaum 1 ) zeigte jüngst, daß die Seren Lueti¬
scher nach Entfernung der Globuline mit cholesteriniertem Herzextrakt nach
Sachs und Georgi deutlich präzipitieren. Mandelbaum gibt der Ver¬
mutung Ausdruck, daß nicht die Globuline es sind, die bei der Sachs-
Georgischen Reaktion ausfallen, sondern die Lipoide, ohne
jedoch seine Ansicht experimentell weiterhin zu stützen. Wir werden in
der Folge sehen, daß bei den serologischen Syphilisreaktionen nicht den
Eiweißkörpern die Hauptrolle bei den Flockungsvorgängen zukommt,
sondern vielmehr der Lipoidphase der zugesetzten Extrakte.
Wenn wir uns also im vorhergehenden ganz im allgemeinen eine
Vorstellung über die physikalische Beschaffenheit der Lipoid¬
phase und der physikalischen Zustandsänderung des Serums
bei Lues gebildet haben, so ist es nunmehr von besonderem Interesse,
das Augenmerk unserem speziellen Falle zuzuwenden und eine Erklärung
für die interessante Tatsache der Meinicko-Reaktion (D.M.) zu versuchen:
sie besteht im wesentlichen darin, daß Normalseren die Ausflockung des
Kochsalz-Extraktkolloides nach M ei nicke verhindern, während Luesseren
den Prozeß beschleunigen und verstärken.
Suchen wir nun schrittweise für den Mechanismus dieser Vorgänge
eine befriedigende Erklärung zu finden.
Ad I der Tabelle, a) wässeriges Extraktkolloid.
Es sei zuächst der Zustand der Lipoidphase im elektrisch¬
neutralen Wasser in Betracht gezogen. Die aus elektronegativon
Phasenteilchen zusammengesetzte Lipoidphase hält sich durch die
gleichartige elektrische Ladung, die im Sinne einer gegenseitigen Abstoßung
wirkt, im Gleichgewichte. Dementsprechend flocken die wässerigen
Extraktemulsionen nicht aus und halten sieh lange im kolloidalen Gleich¬
gewichtszustände.
b) Kochsalzextraktkolloid.
Dieser Gleichgewichtszustand wird aber durch Zusatz der 2 bis 3pro/.
Kochsalzlösung gestört. Die Kochsalzlösung befindet sich, wie aus den
Reihenversuchen Meinickes hervorgeht, gerade in der Konzentration
zwischen 2 bis 5% in dem auf die Lipoidphase eingestellten elektrolytischen
Dissoziationszustand. Zur Wirkung gelangen nach einem kolloidchemischen
Gesetze (Bechthold 2 )) überwiegend die dem Ladungszustande der
Lipoidphase entgegengesetzt geladenen Jonen der Elektrolyten,
also die Natriumionen. Die vorhandene Ladungsdifferenz zwischen
1) Münchn. med. Wochenschrift 1920, Nr. 33, S. 962.
2) Die Kolloide in Biologie und Medizin. 1919. S. 91.
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Von Dr. Emil Epstein und Dr. Eritz Paul
Ui
elektrouegativer Lipoidphase und den elektropositiven Natriumionen
führen zu einer konstant steigenden Zunahme der Oberflächenspannung
durch kontinuierliche Ladungsabgabe bis zu dem Grade, bei dem dann
die vollkommene Entladung und als letzte Konsequenz, im isoelektri¬
schen Zustande, die Ausflockung erfolgt. Auf dem Wege bis dahin dürfte
es bei dem komplexen Bau der Lipoidphase zur Vereinigung einzelner, etwa
der zartesten Teilchen der Lipoidphase, zu Kondensations Vorgängen
kommen, die das Zusammenfließen dieser kleinsten Phasenteilchen zu
größeren Komplexen zur Folge hat, wodurch der disperse Zustand der
Lipoidphase sich immer mehr und mehr vergröbert. Aus dieser Darlegung
geht hervor, daß die Reaktion eine gewisse Ablaufzeit erfordert.
Dies zu betonen, ist deshalb wichtig, weil in der Beschleunigung, sowie
in der Verzögerung der physikalischen Zustandsänderungen vielfach
das Wesen derartiger Reaktionen zu suchen ist. Mit anderen Worten:
Der positive Ausfall physikalisch-chemischer Reaktionen ist
durch eine ganz bestimmte Ablaufzeit charakterisiert. Der negative
Ausfall ist häufig durch ein oft vielfaches Multiplum dieser Ablaufzeit
gekennzeiohnet, d. h. die Reaktion tritt häufig sehr verzögert, aber endlich
dennoch ein.
Ad 11 der Tabelle. 1* Phase der zweiten Modifikation (MJL).
Die Ausflockungsvorgänge bei der ersten Phase der zweiten Mo¬
difikation (M.R.) nach Zusatz der Seren zum Wasserextrakt¬
kolloid gestalten sich folgendermaßen: Durch Verdünnen der Ei¬
weißlösung mit wässerigem Extraktkolloid, also mit Wasser als Sus¬
pensionsmittel, tritt sowohl bei Lues- als bei Normalserum eine- Salz¬
verarmung der Eiweißphase ein. Als Folge dieser Salzentziehung uhd
der damit einhergehenden Änderung der Oberflächenspannungsverhält¬
nisse zwischen Eiweißphase und wässerigem Suspensionsmittel kommt es
zur Ausflockung eines Teiles der Eiweißphase (Ausflockung der wasser¬
unlöslichen „Globuline“). Hand in Hand mit diesen auf Veränderung
der Oberflächenspannungsverhältnisse beruhenden Flockungsvorgängen
geht Adsorption der im wässerigen Suspensionsmittel gleichfalls sus¬
pendierten Lipoidphase des Extraktkolloids vor sich, die sowohl bei Lues¬
ais bei Normalserum erfolgt. Das auffällige Phänomen der Beschleu¬
nigung der Ausflockung der Luesseren in den ersten 10 Mi¬
nuten nach Zusatz des Serums zu Wasserextraktkolloid er¬
klärt sich durch das vermehrte Auftreten positiver Ladungen
in Luesseren, welche auf die Lipoidphase im Sinne einer be¬
schleunigten Ausflockung wirkt, so daß hier neben den Adsorp-
tions- direkte Ausflockungsvorgänge der Lipoide eine wichtige Rolle spielen.
Ad Hl der Tabelle. II» Phase der zweiten Modifikation (M.R.).]
Wenn wir die durch Zusatz von Wasserextraktkolloid ausgeflockten
Proben nach der Vorschrift Meinickes mit 2 bis 3proz. Kochsalzlösung
versetzen, so zeigt sich nach einstündigem Verweilen im Brutschrank
a) bei Normalserum vollkommene Auflösung des Prä-
zipitates,
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112
Zur Theorie der Serologie der Syphilis.
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Tabelle II.
NaCIOE = Kochsalzextrakt kolloid nach Mein icke.
LS — Lusserum.
NS = Normalserum.
0.8 ccm NaCIOE -f-
Abl< sungsresultat:
0,8 ccm NaCIOE -f-
Abli sungsresultat:
0,8 ccm NaCIOE + 0,2 ccm NS +
Abi sungsresultat:
0,8 ccm NaCIOE -j- 0,05 ccm LS+
Ablesungsresultat:
0,05 ccm NS
0,05 ccm LS
r i 4-
0,1 ccm NS
0,1 ccm LS
1-4- 1
r.
0,15 ccm NS
0,15 ccm LS
i i i
I 1 t
0,05 ccm LS
+++
0,05 ccm NS
+++
1 t 1
0,1 ccm LS
+4 +
0,1 ccm NS
■+++ ,
i 1 1
0,15 ccm LS
+++
0,15 ccm NS
-H-+
0,2 ccm NS
0,2 ccm LS I
+++
0,2 ccm LS
+++
0,2 ccm NS
Die Ablesung erfolgt nach 24stündigem Verweilen der Proben im Brut-
b) bei Luesserum Auflösung nur eines Teiles des Nieder¬
schlages; ein Teil des Niederschlages bleibt ungelöst.
Durch Zusatz von 2 bis 3proz. Kochsalzlösung löst sich sowohl bei a)
als bei b) die durch Salzentziehung verursachte reversible Eiweißfiockung
(„Globulinflockung* 4 ). Bei a) löst sich der entstandene Nieder¬
schlag vollkommen, weil bei Lösung des Eiweißniederschlages das
durch Adsorption mitgerissene elektronegative Lipoid wieder in Sus¬
pension geht. (Die Rolle, welche die gelöste Eiweißphase des Normal¬
serums als Schutzkolloid übernimmt, wird bei Punkt IV besprochen.)
Bei b) bleibt aber ein Teil des Niederschlages erhalten, der,
wie wir durch seine Löslichkeit in heißem Alkohol gezeigt haben, aus
Lipoiden besteht.
Die ursprünglich elektronegativ geladene Lipoidphase gelangt
durch die positive Ladung des Luesserums teilweise ihrer Ladung
beraubt, unter Wirkung der elektropositiven Ladung der
Natriumionen und wird auf diese Weise vollkommen entladen,
also irreversibel ausgeflockt. Eii*e schützende Wirkung, wie sie
Normalseren ausüben, kommt bei Luesseren nicht zur Geltung (näheres
bei folgendem Punkt IV).
Ad IV der Tabelle. Dritte Modifikation (D.M.).
Bevor auf die Besprechung der Flockungsvorgänge der dritten Mo¬
difikation der Meinicke-Reaktion (D.M.) eingegangen wird, deren End-
reaktion wesentlich der Endreaktion der zweiten Phase der zweiten Mo¬
difikation der M.R. entspricht, sei hier in Kürze dargestellt, wie wir uns
die elektrochemischen Ladungsverh<nisse der Eiweißphase bei
Normal-und Luesseren vorstellen. Normale Seren sind amphoter,
resp. schwach negativ geladene Eiweißlösungen, in denen sich elektro¬
negative Ionen und elektropositive Ionen (Wasserstoffionen)
nahezu das Gleichgewicht halten. Die Ladung des Eiweißmoleküls
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113
Tabelle 1L
— = keine Flockung.
= ganz zarte körnelige Flockung.
= deutliche Flockung.
= grobe Flockung.
0,25 ccm NS
0,25 ccm LS
1 II
0,3 ccm NS
0,3 ccm LS
1 1 1
1
| 0,36 ccm NS
0,35 ccm LS
11 1
0,5 ccm NS
0,5 ccm LS
ii 1
0,8 ccm NS
0,8 ccm LS
++
0,8 ccm LS
++
0,8 ccm NS
++
Kontrolle
röhrchen
0
++
0
++
0
. 0
++
1 ■ t
0,25 ccm LS
1 l i
1 1 t
0,3 ccm LS
iii
1 1 1
0,35 ccm LS
1 II
1 1 1
0,5 ccm LS
++
0,5 ccm NS
++
i t 1
0,25 ccm NS
+-H-
' ' 1
0,3 ccm NS
+++
1 1 1
0,35 ccm NS
1 +-H-
schranke. (37° C.)
im Kerne ist gleichfalls eine amphotere. Im Luesserum kommt es
jedoch zum Uberwiegen elektropositiver Ionen. In diesem Sinne
wären die bereits erwähnten Feststellungen von Much und E mb den
(1. c.) zu verwerten, daß im Luesserum vermehrte Aminosäuren auf-
treten. Durch die Wasserstoffionen dieser Aminosäuren käme es unter
Zurückdrängung der Ionisation der eigenen Wasserstoffionen des Eiweiß -
raoleküles zum Uberwiegen einer positiven Ladung in seinem Kerne.
Das positiv geladene Eiweißmolekül, vereint mit den verfügbaren Wasser¬
stoffionen der Aminosäuren, wirkt somit auf die negativ geladene
Lipoidphase entladend.
a) Verhalten von Normalserum im Koehsalzextraktkollold.
Setzen wir also zu Kochsalzextrakt Normalserum zu, so fügen
wir eine elektrisch-amphotere Eiweißphase und in geringer Menge eine
elektrisch-negativ geladene Phase des Serumeigenlipoids zu. Die Lipoid¬
phase des Serums verstärkt noch die Wirkung der negativen Ladung der
Extraktlipoide und erhöht die Spannungsdifferenz zwischen den elektrisch
entgegengesetzt geladenen Teilchen der Extraktlipoidphase und den
positiven Natrium-Ionen des Dispersionsmittels. Durch die damit Hand
in Hand gehenden Änderungen der Oberflächenspannungsverhältnisse
kommt es zur Adsorption einer dünnen Eiweißschichte an die Oberfläche
der Lipoidphasenteilchen. Die Eiweißhülle umscheidet letztere und wirkt
so als isolierende, die Entladung verhindernde Zwischenschichte. Ander¬
seits schieben sich die elektrisch-neutralen Massenteilchen des Normal¬
serums, die wir uns in einem sehr hohen Dispersitätsgrade verteilt denken
müssen, zwischen die Phasenteilchen der Lipoidphase des Extraktes ein
und verhindern mechanisch deren Kondensation zu gröberen Komplexen.
Sie wirken so auf doppelte Weise mechanisch und isolierend als
echtes Schutzkolloid für den Extrakt, dessen Ausflockung sie hint¬
anhalten.
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114 Zur Theorie der Serologie der Syphilis.
b) Verhalten von Luesserum im Kochsalzextraktknlloid.
Wenn wir aber die Vorgänge bei dem Hinzufügen von Luesseruin
zu Kochsalzextraktkolloid in Betracht ziehen, so wird zunächst
alles weitere von der Tatsache vermehrter positiver Ladungen in der Ei*
weißphase der Luesseren beherrscht. Schon der Umstand der zeitlich
beschleunigten und gleich anfangs intensiven Ausflockung der Lipoide
im Wasserextraktkolloid gegenüber ihrem Verhalten in Gegenwirkung zum
Normalserum spricht für ein Überwiegen der positiven Ladung der Eiwei߬
phase luetischer Seren.
Für diese vermehrte positive Ladung spricht übrigens noch ein an¬
scheinend sehr wesentlicher Versuch, den wir bei dieser Gelegenheit
anführen wollen (s. Tabelle II). Fügen wir zu Normalserum, z. B. zu 0,5 ccm
Normalserum, fallend bis zu 0,05 ccm Normalserum in zehn Röhrchen je
0,05 ccm Luesserum, .so wird auch in dem Röhrchen (0,5 ccm Normal¬
serum -f” 0,05 ccm Luesserum) nach Zusatz des Lipoidextraktes eine starke
Ausflockung erfolgen. Wir sehen also aus diesem Versuche, daß die isolie¬
rende Wirkung der dispersen Eiweißphase des Normalserums durch die
positive Ladung des Luesserums paralysiert wird.
In neuester Zeit zum Teil nach vollendeter Niederschrift dieser Arbeit
erschien eine Reihe von Abhandlungen, welche die Auffassung, daß die
elektrische Ladung von Seren die Ursache ihrer aktiven Wir¬
kungen sei, von anderem Gesichtspunkten aus und in anderem Zusammen¬
hänge zu bestätigen scheinen. So weist Höher 1 ) auf ältere seiner For¬
schungsergebnisse hin, aus denen hervorgeht, daß die roten Blutkörperchen
negativ geladen seien. Von diesen Feststellungen Höbers ging Fahraeus 2 )
in seinen Arbeiten über vermehrte Sedimentierungsgeschwindig-
keit der roten Blutkörperchen im Blute Schwangerer aus.
Höher erklärt diese Erscheinung mit einer Ladungsverminderung der
roten Blutkörperchen durch Entladungsvorgänge infolge Übertritts elektro-
positiver Substanzen ins Blutplasma im Verlaufe der Schwangerschaft.
Linzenmeier 3 ) hat jüngst diese Feststellungen vollinhaltlich bestätigen
können. Wagner und Popper 4 ) haben auch im Blute Luetischer
eine vermehrte Senkungsgeschwindigkeit der roten Blut¬
körperchen nachgewiesen und somit gezeigt, daß auch im Blutplasma
Syphilitischer eine positive Ladung vorhanden sein müsse. Auch wir
konnten die Tatsache der vermehrten Senkungsgeschwindig¬
keit der roten Blutkörperchen im Luesblute (1 Teil Natrium¬
zitratlösung 5% -f" 9 Teile Blut) gegenüber Normalblut bestätigen.
Den Vorgang bei Zusatz von Luesserum zu Extrakt¬
kolloid nach Meinicke hätten wir nun folgendermaßen zu erklären:
Der elektronegativen Ladung des Lipoidextrakts einerseits
wirkt die positive Ladung der Natriumionen und die positiven
1) Deutsche med. Wochenschrift 1920, Nr. 16.
2) Biochem. Zeitschr. 1918, 89.
3) Pflügers Archiv, 16. Juni 1920, S. 169.
4) Med. Klinik 1920, Nr. 36.
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Von t)r. Emil Epstein und Dr. Pritz Paul. il5
Ladungen in der Eiweißphase der Luesseren anderseits entgegen.
Bei Wegfall einer Isolierungsschiehte eines isolierenden Schutzkolloids,
als welche wir die Eiweißphase des Normalserums kennen gelernt haben,
kommt es nun durch Entladung zur Ausflockung der Lipoid¬
phase.
Im Sinne einer Verstärkung und Beschleunigung dieses Ausflockungs-
vorganges dürfte auch die Vermehrung des Lipoidgehaltes der Luesseren gegen¬
über Normalseren wirken, indem die negative Ladung der Lipoidphase des
Extraktkolloids durch die negative Ladung der vermehrten Eigenlipoid-
phase des Luesserums additiv verstärkt und dadurch die Spannungsdifferenz
zwischen positiven und negativen Ladungen noch vermehrt wird. Durch diese
Ladun^sVerhältnisse luetischer Seren erklärt sich möglicherweise
auch die physikalisch-chemische Konstitution des Blutserums
Luetischer gegenüber dem kolloidalen Zustande des Normal¬
serums, die im Sinne eines herabgesetzten Dispersitätsgrads verändert erscheint.
Dieser herabgesetzte Dispersitätsgrad ist wohl die Ursache für die gelegentliche
Zunahme der Flockbarkeit des Serums Luetischer mit Wasser, einen Zustand,
welcher gemeiniglich als „GlobulinVermehrung“ bezeichnet wird (Klausner¬
sehe Reaktion).
Der grob-disperse Zustand der Eiweißphase der Luesseren
bildet auch kein mechanisches Hindernis für die Kondensations¬
vorgänge in der Lipoidphase, wenn man von der Vorstellung ausgeht, daß zwar
die zarten Phasenteilchen des Normalserums, sich zwischen die Lipoidphasen¬
teilchen einschiebend, deren Vereinigung verhindern können, daß aber die groben
Eiweißkomplexe der Luesseren von den der Vereinigung zustrebenden Lipoid-
komplexen beiseite geschoben werden, so daß sich letzere den Weg zur tatsäch¬
lichen Vereinigung leichter zu bahnen imstande wären.
Nach Ausflockung des Extraktlipoids durch Ladungsabgabe resultiert
ein amphoterer Ladungszustand der Eiweißphase des Luesserums. Die
amphoter geladenen Teilchen der Eiweißphase bleiben im kochsalzhaltigen
Medium in Lösung.
Daß auch bei den Eiweißpräzipitationsreaktionen durch Eiwei߬
immunserum nur eine der reagierenden Komponenten aus¬
geflockt wird^ weist Moll nach 1 ), welcher zeigte, daß im Präzipitate
nur das Globulin des Immunserums vorhanden ist, nichts aber von den
Eiweißstoffen des zur Immunisierung verwandten Serums. Das Immun¬
serum, das passive Reagens des Fällungssubstrates, wird durch das aktive
Reagens des Fällungsmittels ausgefällt.
Die Mitausfällung ganz geringer Eiweißmengen, die unserem Nachweise
etwa entgangen wären, wäre wohl durch Adsorptionsvorgänge zu erklären. Es
würden auf diese Weise die Lipoidkomplexe im Momente der Ausflockung von
einer zarten Eiweißhülle umscheidet, wodurch auch die angebliche Resistenz der
Flockungsniederschläge gegen Aufnahme der Lipoidfärbestoffe (Sudan) erklär¬
lich wäre. Eine isolierende Wirkung dieser Eiw’eißhülle könnte bei der großen
Spannungsdifferenz zwischen positiver Ladung der Natrium ionen und der
Eiweißphasenteilchen des Luesserums einerseits, der negativen Ladung
der Lipoidphasen anderseits und bei dem Wegfalle eines mechanischen
Hindernisses! zufolge des grob-dispersen Zustandes der Eiweißphasen des
Luesserums wonl kaum zur Geltung kommen.
Aus all dem geht hervor, daß die charakteristische Wirksamkeit
luetischer Seren bedingt wird:
1. durch Vermehrung positiver Ladungen,
1) Hofmeisters Beiträge 1914, Bd. 4, S. 578.
Archiv für Hygiene. Bl. 90. 8
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Zur ^Theorie der Serologie der Syphilis,
2. durch ihren sonstigen physikalischen Zustand im Sinne einer
Verminderung des Dispersitätsgrades ihrer Phasen. Es handelt
sich daher nicht etwa um eine quantitative Verschiebung einzelner
chemischer Bestandteile der Luesseren, sondern um eine Qua¬
litätsänderung, die unter Einfluß des syphilitischen Prozesses zu¬
stande gekommen ist.
Wir stehen jedoch dessenungeachtet nicht auf dem Standpunkte,
daß diese für Lues charakteristischen Qualitätsveränderungen
im theoretischen Sinne als streng spezifisch anzusehen seien. Sie
können, wenigstens insofern die Erfahrungen der Wassermannschen
Reaktion in Betracht gezogen werden, auch durch andere Krankheits¬
prozesse vorübergehend durch Scharlach, Fleckfieber (Epstein 1 )) usw.,
dauernd durch Lepra (Eitner 2 )) bedingt werden.
Es ergibt sich demnach die bemerkenswerte Tatsache, daß Normal¬
seren eine Schutzwirkung aufweisen, die dem Luesserum
abgeht. Die Normalseren entfalten im Vergleich mit dem Lues¬
serum gewissermaßen eine aktive Wirkung, die dem Lues¬
serum fehlt, als ob der Krankheitsprozeß zur Aufhebung dieser aktiven
Schutzwirkung geführt hätte. Anderseits hat aber das Luesserum außer
diesem Verluste an Schutzwirkung eine positive Eigenschaft der
Beschleunigung des Reaktionsablaufes der Ausflockung der
Lipoidphase im kochsalzhaltigen Medium erworben. Es ergibt
sich bis zu einem gewissen Grade eine Analogie mit den Vorgängen bei
der Freund-Kaminerschen Karzinomreaktion; das Normalserum
entfaltet eine aktive, zellenzerstörende Wirkung gegen Karzinomzellen;
dem Serum Karzinomatöser geht diese aktive Eigenschaft ab. Der Krank¬
heitsprozeß scheint auch hier eine aktive Eigenschaft des Normalserums
zerstört zu haben. Aber auch das Karzinomserum hat eine Eigenschaft
gewonnen, nämlich eine gewisse Schutzwirkung gegen die aktive, Kar¬
zinomzellen zerstörende Wirkung des Normalserums. Bemerkenswert ist
auch noch die weitere Parallelität, daß bei Mischung von Normalserum
mit Karzinomserum (im Verhältnis von 2:3) die Wirkung des Normal¬
serums aufgehoben # wird (Ernst Freund und Gisa Kaminer 3 )).
Zur Frage der „Inaktivierung“'
Wir möchten unsere Betrachtungen nicht abschließen, ohne zur
Streitfrage Stellung genommen zu haben, ob „aktives 44 oder durch Er¬
wärmen auf 56° C „inaktiviertes“ Serum den für das Zustande kommen
der charakteristischen Reaktion bei Lues geeigneten physikalischen Zustand
repräsentiert.
1) Zentralblatt f. Bakteriologie 1919, Bd. 83, Heft 3, S. 255; Wiener klin.
Wochenschrift 1918, Nr. 36.
2) Wiener klin. Wochenschrift 1906, Nr. 51; Wiener klin. Wochenschrift
1908, Nr. 20.
3) Biochem. Zeitschr. 1910, Bd. 2, Heft 3 und 4.
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Von Dr. Emil Epstein und Dr. Fritz Paul.
117
Nach den in Tabelle I verzeichneten Versuchen hat es den Anschein,
als ob kein wesentlicher Unterschied in den Ausflockungsverhältnissen
zwischen inaktiviertem und aktivem Lues- und Normalserum be¬
stünde. Unsere Erfahrungen bei vergleichender Aufstellung
einer größeren Reihe, etwa 500 Fälle, „aktiv“ belassener Serum¬
röhrchen mit parallel aufgestellten Röhrchen, die bei 56° durch eine
Werteistunde „inaktivierte“ Serumproben enthielten, wie dies zu
praktisch diagnostischen Zwecken vorgeschrieben ist, lehrten uns, worauf
wir in einer jüngst erschienenen Arbeit (1. c.) hingewiesen haben, daß die
Ausflockung in einer nicht unbeträchtlichen Anzahl sicher
positiver Fälle unterblieb. Daß dies bei unseren Versuchen nicht
in Erscheinung trat, mag wohl darin seine Ursache finden, daß zu den
Versuchen besonders stark reagierende Seren herangezogen wurden.
Die Einwendungen gegen die Anwendung aktiver Seren,
welche immer wieder von verschiedener Seite erhoben werden, sind auf
Grund unserer Versuchsergebnisse hinfällig, da es sich, wenig¬
stens bei der Ausflockungsreaktion nach Meinicke, im wesent¬
lichen sicher nicht um eine Präzipitierung der als „Globuline“
bezeichneten Eiweißkörper handelt, sondern vielmehr um eine
Flockung der Lipoidphase des zugesetzten Herzextrakt-
dispersoids. Die Forderung nach „Stabilisierung der Globuline“
ist also jedesfalls vom theoretischen Standpunkte aus nicht mehr zu
halten, da es sich gar nicht darum handeln kann, eine etwa bestehende
uncharakteristische Ausflockbarkeit der Eiweißphase der zu untersuchenden
Seren abzudämpfen. Wohl aber birgt die Inaktivierung eine andere
Gefahr in sich. Die Reaktionsfähigkeit der zu untersuchenden Seren
kann durch einen so schweren Eingriff in ihren kolloidalen Zustand, wie
ihn die Erwärmung auf 56° C darstellt, sehr wohl geschädigt werden.
Durch die Erwärmung auf 56° C werden die kolloidalen Komplexe der
Eiweißphase bei Vermehrung der Gesamtoberfläche zertrümmert und
dadurch der Dispersitätsgrad der Eiweißphase erhöht. Daß dies nicht
ohne Schädigung der Reaktionsfähigkeit der Seren vor sich gehen kann,
geht schon daraus hervor, daß gerade der grob-disperse Zustand der Eiwei߬
phase eine der charakteristischen Eigenschaften luetischer Seren ist.
zufolge welcher das mechanische Hindernis für die Kondensations- und
Flockungsvorgänge wegfällt, die durch die entgegengesetzten Ladungs¬
verhältnisse der luetischen Seren und der negativ geladenen Lipoidphase
in 2 bis 3proz. Kochsalzlösung als Dispersionsmittel bedingt sind.
Optimale Temperatur für biologische Reaktionen.
Es ist bei dieser Gelegenheit zu betonen, daß die Reaktionsschärfe
zwischen den reagierenden Kolloiden, dem Extraktkolloid einerseits, dem
Serumkolloid der zu untersuchenden Seren anderseits, genau auf die
Temperatur von 37 bis 38° eingestellt ist. Der Ablauf der Reaktion
erfolgt innerhalb 24 Stunden, die Ablesung der Resultate bei der über¬
wiegenden Mehrzahl der Fälle nach diesen 24 Stunden, bei einer geringeren
Zahl jedoch nach weiterem Stehenlassen der Versuche bei Zimmertem¬
peratur durch 24 Stunden. Jedoch ist auch bei letzteren Fällen das Er-
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118 Zur Theorie der Serologie der Syphilis.
gebnis der Reaktion meist schon nach den ersten 24 Stunden angedeutet.
(Hervorzuheben wäre, daß solche Differenzen im Ablaufmodüs keinerlei
Schlüsse bezüglich der Schwere des Falles usw. zulassen.)
Normalseren wirken auch bei mehrtägigem Stehenlassen der Proben
bei Zimmertemperatur als Schutz gegen die Ausflockung des Extrakt¬
kolloids und erhalten dieses im Suspensionszustande.
Der der Körpertemperatur entsprechende Wärmezustand
von 37 bis 38° scheint für die biologischen Reaktionen des Serums
überhaupt der entsprechendste zu sein, weil mit diesen Reaktionen
Serumeigenschaften nachgewiesen werden, die durch Vorgänge des ge¬
sunden und kranken Lebens bedingt sind. Daß die kolloidalen Reaktionen
als Funktionen des physikalischen Zustandes der reagierenden Substanzen
von Temperatur, Konzentrationsgrad usw. in höchstem Maße abhängig sind,
ist ein allgemeines Gesetz der Kolloidchemie (hierzu die Kapitel über
Temperatur- und Konzentrationsvariabilität des dispersen Zustandes in
Ostwalds „Grundlagen der Kolloidchemie“). Geringfügige Ände¬
rungen der Temperatur bedingen oft weitgehende Änderungen im phy¬
sikalischen Gefüge der zu untersuchenden Kolloide.
Prttsip(tationsreaktionen und Wassermannsehe Reaktion.
Wir können nunnicht umhin, hier mit einigen Worten auf die theore¬
tischen Gründe einzugehen, warum auch bei der Wassermann-
Reaktion Inaktivierung der Seren die Reaktionsschärfe ab-
stttmpft, anstatt die Reaktion charakteristischer zu ge¬
stalten, indem wir auch für die Richtigkeit dieser Ansicht das Gewicht
der empirischen Erfahrung ins Treffen führen.
Ohne das außerordentliche Verdienst von Harns Sachs irgendwie
schmälern zu wollen, der sich als erster von der bisherigen Auffassung
losgerungen hat und in klarer und überzeugender Weise, rein vom Stand¬
punkte der Kolloidchemie aus, physikalische Einflüsse und phy¬
sikalische Zustandsänderungen zur Erklärung des biologi¬
schen Verhaltens des Blutserums heranzieht, können wir nicht
allen Punkten seiner Erklärung über den Mechanismus der Wasser¬
mann-Reaktion restlos zustimmen. Indem wir uns mit Sachs voll¬
kommen einverstanden erklären, wenn er den Satz aufstellt, daß „ein
weitgehender Zusammenhang zwischen Ausflockungen und den zur Kom-
plementinpktivierung führenden Vorgängen“ vorhanden ist, mit anderen
Worten, daß die Ausflockungsreaktionen und die Wassermann-
Reaktion durch prizipiell identische physikalische Flockungsvorgänge
bedingt sind, die bei der Wassermann-Reaktion jedesfalls weit unter
der .Grenze der makroskopischen Sichtbarkeit zur Komplementinaktivie¬
rung bzw. -Zerstörung führen, während sie bei den Präzipitationsreaktionen
direkt zur Anschauung gelangen, müssen wir auf Grund unserer experimen¬
tellen Feststellungen zur Annahme kommen, daß auch bei der Wasser¬
mann-Reaktion nicht die „Globuline“ des Luesserums es sind,
welche ausgeflockt werden, sondern daß vielmehr der elektrische
und sonstige kolloidale Zustand der Luesseren die Aus¬
flockung des zugesetzten Lipoidsdispersoids herbeiführt. Übri-
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Von Dr. Emil Epstein und Dr. Fritz Paul.
119
gens ist es in derselben Weise, wie es Sachs seinerzeit für die Globulin¬
phase der Luesseren ausgesprochen hat, gar nicht nötig, annehmen zu
müssen, daß die Änderung des Dispersitätsgrades so weit führt, daß es
zu effektiven Ausflockungen kommt; es könnte schon eine entsprechende
Verminderung des Dispersitätsgrades der Lipoidphase einen Konden¬
sationsvorgang herbeiführen, der eine Komplementinaktivierung zur Folge
hat (Hans Sachs 1 )).
Die Petitio prima kann also auch bei der Wassermann-Reaktion
nicht auf die Stabilisierung der Globuline durch Inaktivierung
hinauslaufen, sondern auf Herstellung eines komplexen Lipoid-
dispersoids, welches durch seine Zusammensetzung auf den elek¬
trischen Ladungs- und sonstigen kolloidalen Zustand der
Luesseren charakteristisch eingestellt ist. Die Lehre von der
Thermostabilität der Reaktionsfähigkeit luetischer Sera als Charakte¬
ristikum für diese ist auf Grund der Erfahrungen Landsteiners und
Müllers, Müllers und anderer Autoren nicht zu halten. Epstein fand
in einer nach Tausenden von Fällen zählenden Reihe parallel durchgeftihrter
Untersuchungen, daß die Reaktionsfähigkeit luetischer Seren durch
Inaktivierung in 6 bis 10% der Fälle zerstört wird und daß anderseits
bei Anstellung der Wassermann-Reaktion mit aktiven Seren bei
Anwendung scharf eingestellter Extrakte so gut wie niemals un-
charakteristische Ausfälle resultieren. Die Beseitigung des Eigenkom¬
plementes der zu untersuchenden Seren durch Inaktivierung, die eine in
der ursprünglichen Hypothese begründete Berechtigung zu haben schien,
spielt demnach für die Richtigkeit des Reaktionsausfalles keinerlei Rolle
(siehe hierzu auch Sachs und Altmann*)). Wenn dessenungeachtet
mit der Kaupschen Modifikation der Wassermann-Reaktion, welche
mit inaktivierten Seren arbeitet, nach verläßlichen Berichten*) ein¬
wandfreie Resultate erzielbar sind, so spricht das keinesfalls für die
Richtigkeit der Thermostabilitätslehre. Kaup 4 ) stellt seine Modifikation
auf die minimale Komplementdosis ein und muß daher das Eigen¬
komplement der zu untersuchenden Seren ausschalten. Die Erhöhung
der Reaktionsempfindlichkeit durch Verwendung minimaler Komplement¬
mengen gleicht vielmehr die Schädigung des physikalischen Zustandes
der reagierenden Seren im allgemeinen wieder aus. Für die Herstellung
optimal wirkender Extrakte hat uns Hans Sachs den richtigen
Weg gewiesen, indem er uns den Vorzug der Anwendung alkoholischer
Herzextrakte in kolloidaler Lösung durch Verdünnung alkoholischer Lö¬
sungen mit physiologischer Kochsalzlösung lehrte. Die Herstellung der
„N-Extrakte M nach Rudolf Müller, die sich in der Praxis vorzüglich
bewähren, ist prinzipiell identisch mit dem Herstellungsverfahren der
Extraktemulsionen nach Hans Sachs. Wenn Hans Sachs den Eigen-
11 Zeitschr. f. Immun.-Forsch. 1917, Bd. 26, S. 460 ff.
2) Kolle und Wassermann, Handbuch der pathologischen Mikroorga¬
nismen. 1909. I. Auflage. S. 593.
3) Blanck, Münchn. med. Wochenschrift 1917, Nr. 4.
4) Münchn. med. Wochenschrift 1917, Nr. 5. Monographie im Verlag von
Oldenbourg, München und Berlin 1917.
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120
Zur Theorie der Serologie der Syphilis.
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lipoiden des Serums eine wesentliche Rolle beim Zustandekommen
der Wassermann-Reaktion zuschreibt, indem er ein Zusammen¬
wirken von Serumlipoiden und Extraktlipoiden im Sinne einer
Antigen-Antikörperreaktion annimmt, so können wir diesen
Standpunkt nicht teilen, indem unserer Ansicht nach in erster Linie
die Eiweißphase der Luesseren und die Lipoidphase des Extrakt¬
kolloids als reagierende, gewissermaßen aufeinander gestellte Substanzen
in Betracht kommen. Die elektronegativc Ladung der Eigenlipoide des
Serums dürfte aber wohl die Ladungswirkung der negativen Phase der
Organextraktlipoide verstärken.
Zusammenfassung.
In Kürze zusammenfassend, glauben wir klargestellt zu haben,
daß bei der Präzipitationsreaktion der Seren bei Syphilis nicht
die als Globuline bezeichnete Eiweißphase der luetischen Seren aus¬
geflockt wird, sondern die Lipoidphase des zugesetzten Organ¬
extraktes. Bei Auswahl entsprechend komplexer Lipoiddispersoide von
Extrakten, welche derzeit wohl ausschließlich durch Extraktion tierischer
oder menschlicher Organe gewonnen werden können — auch die cholesteri-
nierten Extrakte nach Sachs und Georgi sind im wesentlichen Rinder¬
herzextrakte-, weisen diese in Verwendung gezogenen Extrakt¬
kolloide einen Dispersitäts- und elektrischen Ladungszustand
auf, welcher auf dem für Lues charakteristischen Dispersitäts¬
und elektrischen Ladungszustand der Eiweißlipoidphase
luetischer Seren bei 37° C prompt eingestellt ist. Der Dis¬
persitätsgrad der in Anwendung gezogenen Lipoiddispersoide steht an der
Grenze zwischen grobdisperser und echt kolloidaler Dispersität des kom¬
plexen Suspensions-Emulsionskolloids. Die Extraktaufschwemmung
t Teil OE »-{- ^ Teile Kochsalzlösung („Kochsalzextraktkolloid“) flockt
daher in relativ kurzer Zeit — 4 bis 18 Stunden — bei 37° C spontan aus.
Bei der Präzipitationsreaktion luetischer Seren nach Meinicke
tritt eine Entladung der elektronegativen Lipoidphase durch die
Natrium-Ionen des Kochsalzes und die positive Ladung der Ei¬
weißphase der luetischen Seren ein. Diese Entladung führt
in letzter Konsequenz zur Ausflockung der Lipoidphase
des Extraktkolloids.
Die Inaktivierung der Seren hätte unserer Ansicht nach zu unter¬
bleiben, da einerseits die „Stabilisierung der Globuline“ insofern
nicht in Betracht kommen kann, als die Globuline ja gar nicht
ausgeflockt werden, somit auch eine uncharakteristische Flockung labiler
Eiweißkörper der Luesseren nicht zu verhindern ist, anderseits aber das
Erwärmen auf 56° einen förmlich brutalen Eingriff in den physikalischen
Zustand kolloidalen Lösungen, also auch syphilitischer Seren darstellt. Die
Inaktivierung hebt demnach auch erfahrungsgemäß in einem relativ hohen
Prozentsatz der untersuchten Fälle die Reaktion auf und macht sie jeden¬
falls nicht „spezifischer“, oder, um es präziser auszudrticken, nicht
„charakteristischer“, sondern stumpft nur die Reaktionsschärfe ab.
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Von Dr. Emil Epstein und t)r. Fritz Faul.
12i
Das Neue und bisher Ungekannte, das die Präzipitations¬
reaktion nach Meinicke bietet, ist die Tatsache, daß die Normal¬
seren die spontane Lipoidausflockung behindern, also eine be¬
sonders aktive Arbeit leisten, indem sie eine Schutzwirkung ent¬
falten, deren Effekt sich darin äußert, daß das zugesetzte Extraktlipoid
in seinem kolloidalen Gleichgewichtszustand erhalten wird und seinen
Dispersitätsgrad beibehält, während Luesseren den spontanen
Flockungsprozeß des Extraktkolloids nicht nur nicht behindern,
sondern beschleunigen und verstärken. Die Eiweißphase der
Normalseren wirkt als elektrisch indifferente isolierende Schicht,
indem sie einerseits durch Adsorption die Phasenteilchen des Lipoid¬
extraktes einhüllend, die Entladung hintanhält, anderseits aber auch
als mechanisches Hindernis wirkt, indem sich ihre Phasenteilchen
zwischen die der Lipoidphase des Extraktkolloids einschieben und deren
Kondensation zu gröberen Komplexen hindern. Dem Luesserum fehlt
diese Schutzwirkung infolge seiner eigentümlichen elektrischen
Ladungsverhältnisse und seines sonstigen physikalisch-che¬
mischen Zustandes. Es handelt sich demnach um eine Qualitäts¬
veränderung, welche unter dem Einflüsse des syphilitischen Pro¬
zesses zustande gekommen ist.
Zwischen Wassermannscher Probe und Präzipitationsreak¬
tionen besteht eine große Verwandtschaft, indem sie beide auf
Kondensationsvorgängen der dispersen Teilchen der Lipoid¬
phase der zugesetzten Extraktkolloide beruhen dürften, die bei
der Wassermann-Reaktion, ohne gerade direkt Ausflockungsvorgänge
veranlassen zu müssen, jedenfalls hinreichen, die Komplcmentinakti-
vierung herbeizuführen, bei der Präzipitationsreaktion aber zu
direkt in Erscheinung tretender Ausflockung der Lipoid¬
phase und vollkommener Aufhebung ihrer kolloidalen Dispersität den
Anstoß geben. Daß die Resultate nicht streng parallel ausfallen,
beruht wohl in der Verschiedenheit der Zusammensetzung der
Lipoidphasen bei den in Verwendung gezogenen Extrakten, in den
Unterschieden ihres Dispersitätsgrades, sowie auch in dem Um¬
stande, daß bei der Meinickeschen Präzipitationsreaktion eine 2 bis
3proz. Kochsalzlösung, bei der Wassermannschen Reaktion eine
auf die physikalische Resistenz der Hammelblutkörperchen eingestellte,
0,8 bis 0,9proz. Kochsalzlösung als Dispersionsmittel in Anwendung
kommt. Es scheint ganz gut möglich, daß allein diese verschiedene
Natrium-Ionen-Konzentration differente elektrochemische Re¬
aktionsbedingungen schafft, welche zur Folge haben, daß in der
Praxis die Kombination der beiden Methoden qualitativ und quan¬
titativ jenes Optimum der Ablesungseffekte erzielt, welches mit
jeder der beiden Methoden allein nicht zu erreichen ist.
Epikrise.
Im vorliegenden wurde versucht, das Phänomen der Ausflockung
lipoidhaltiger Organextrakte und die besondere Eigentümlichkeit
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i2'2 Zur Theorie der Serologie der Syphilis. Von t)r. Emil Epstein u. t)r. Fritz Faul.
dieser Erscheinung bei Zusatz normaler und luetischer Seren rein
vom Standpunkte der physikalisch-chemischen (kolloidchemi¬
schen) Betrachtungsweise zu erklären. Wenn man die Arbeiten
der letzten Jahre über Immunitätsreaktion im allgemeinen, sowie speziell
über die serologischen Reaktionen bei Syphilis, ferner z. B. die zahlreichen
Erklärungsversuche der Weil-Felixschen Fleckfieberagglutination in
Betracht zieht, so fällt auf, daß ein Teil der Autoren ausschließlich im
Fahrwasser der Ehr lieh sehen Antigen-Antikörper-Hypothese
st gelt, während die übrigen Autoren ein Kompromiß dieser Hypothese
mit der kolloidchemischen Auffassung herbeizuführen bestrebt sind. Die
Ehrlichsche Hypothese (Seitenkettentheorie) wurzelt in rein
chemischen Anschauungen und sucht die Immunitätslehre auf den Prin¬
zipien der chemischen Affinitätslehre und der stöchiometrischen
Betrachtungsweise aufzubauen. Sie zieht also den chemischen Bau,
die molekulare Struktur der aufeinander wirkenden Stoffe (Antigen-Anti¬
körper) als das wesentlichste Erklärungsmoment heran. Die Größe der
Ehrlichschen Leistung kann nicht nur an den enormen Erfolgen
gemessen werden, welche Ehrlichs Hypothese gezeitigt haben, sondern
erregt auch durch die Kühnheit der Konzeption dieser Hypothese
und ihres Ausbaues bis in die detailliertesten Einzelheiten un¬
geteilte Bewunderung. Die Kolloitfforschungen der letzten Jahr¬
zehnte, von Grahams grundlegender Feststellung im Jahre 1862 aus¬
gehend, der im einfachen Dialysierversuche mittels Pergamentmembran
die Lösungen in eine Gruppe dialysabler und in eine Gruppe nicht-
dialysabler zu scheiden lehrte (welch letztere er nach deren bekanntestem
Vertreter, dem Leime, Kolloide nannte), haben jedoch der wissenschaft¬
lichen Erkenntnis ganz neue Bahnen eröffnet. Der prinzipielle Unter¬
schied zwischen der rein chemischen und der physikalisch-chemi¬
schen Auffassung besteht darin, daß bei der Beurteilung kolloid-chemi¬
scher Reaktionen vorwiegend physikalische Momente, die sich auf
den kolloidalen Zustand der reagierenden Substanzen beziehen, zur
Erklärung herangezogen wurden. Dieser kolloidale Zustand hat
keinen direkten Bezug zur chemischen Natur der betreffenden
Stoffe, sondern ist eine reine Funktion physikalischer Energien
(elektrischer und sonstiger Oberflächenenergien). Es scheint
übrigens die naturwissenschaftliche Erkenntnis intmer mehr
durchzudringen, daß die chemischen Veränderungen insgesamt auf
physikalische Vorgänge zurückzuführen seien.
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Bemerkungen über das Pirquetsche Ernährungssystem.
Von
Privatdozent Dr. Ernst Krombholz, Wien.
(Bei der Schriftleitung eingegangen am 22. Januar 1921.)
Das Pirquet sehe Ernährungssystem gewinnt zunehmend an Geltung
und hat vorzüglich in Österreich unter der Mitwirkung besonderer Ver¬
hältnisse eine große Bedeutung erlangt. Dem österreichischen Volke
sind die Grundlagen seines wirtschaftlichen Daseins entzogen worden,
und nur die Hilfe des Auslandes, vor allem auch die Amerikas, die als eine
Wohltätigkeitstat von ungewöhnlicher Großartigkeit erscheint, hält den
völligen Zusammenbruch der Ernährung auf, von dem wir ständig
bedroht sind.
Die überaus schwierige Aufgabe nun, diese in Realien gebotene Hilfe
auf die Bedürftigen in zweckmäßiger Weise zu verteilen, ist durch eine
Organisation in Angriff genommen worden, die auf Grundlage des Pir quet¬
schen Systems mit seltener Begabung aufgebaut wurde. *Es ist dabei die
Zwangslage, in die uns das Angewiesensein auf Hilfe von außen versetzt,
in erlaubter Weise zur Bindung an eine Ordnung und an die strenge Ein¬
haltung bestimmter Aufsichtsmaßnahmen benützt worden. Darin liegt
eine Leistung, die anerkannt werden muß, auch wenn hier, wie für alles
derartige Ordnungswesen, ihr Preis gezahlt werden muß. Denn in jeder
Ordnung, in die man organische Wesen zwingt, hegt die Tragik innerer
Widersprüche, mit denen sie zu ringen hat, solange sie sich behaupten
will. Für diesen Kampf ist es oft entscheidend, ob Kritik gehört wird.
Nun hat es bisher an Widerspruch gegen das Pirquetsche System, und
zwar gelegentlich recht heftigen, nicht gefehlt. Wenn trotzdem das Er¬
scheinen eines Lehrbuches 1 ), in dem das System neuerdings, und zwar in
seiner Anwendung auf die Durchführung der Volksernährung dargestellt
erscheint, hier zu einigen kritischen Bemerkungen benützt wird, ohne
daß weiter bedacht wird, ob sie neu seien oder nicht, so läßt sich das wohl
1) Lehrbuch der Volksernährung nach dem Pirquetschen System, heraus¬
gegeben von Privatdozent Dr. L. Mayerhofer und Professor Dr. C. Pirquet,
Urban und Schwarzenberg 1920.
Archiv für Hygiene. Bd. 90. 9
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Bemerkungen über das Pirquetsche Ernähmngssystem.
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dadurch rechtfertigen, daß dabei nach einheitlichen Anschauungen ge¬
strebt wird, die vielleicht einer besseren Aufklärung über das System
dienen können, wenn sie auch nicht erschöpfend sind.
Zunächst ersieht man aus dem Buche, daß der Urheber jenes Systems
die hohen Ansprüche, mit denen es zuerst vor die Öffentlichkeit getreten
ist — wären sie begründet gewesen, so hätte man von da ab eine neue
Zeitrechnung der Ernährungslehre zu beginnen gehabt —, offenbar aufge¬
geben hat. Denn Bedeutung und Wesen des Systems lassen sich kaum
treffender charakterisieren, als es von Pirquet selbst in der knapp ge¬
haltenen Vorrede dieses Lehrbuches durch den schlichten Satz ge¬
schieht: „Im Nemsystem habe ich den Nährwert auf einfache, für Küche
und Buchführung verwendbare Formeln gebracht.“ Also nicht um das
„fundamentale Gebäude einer neuen Wissenschaft“, nicht um „neu ge¬
schaffene Grundlagen der Ernährungslehre“, wie Nobel und Mayer¬
hofer in ihren Beiträgen zu dem genannten Buche schreiben, handelt es
sich, sondern im wesentlichen um eine Neufassung der überlieferten ener¬
getischen Ernährungslehre, wie wir sie hauptsächlich Rubner verdanken.
Ihre Grundlagen sind durchaus auch das tragende Gebälke des Nem-
systems. Sie sind gewissermaßen durch eine architektonische Verkleidung
hier nur verdeckt. Dabei kommen wesentlich drei Motive in Betracht,
bezeichnet durch die Wortmarken Nem, Siqua und Gelidusi, welche als
die Maske des Nährwertes, des Nahrungsbedarfes und des Ernährungs¬
zustandes das Pirquetsche System im Grunde erschöpfen. Sie sollen in
Kürze hier nacheinander erörtert werden.
Daß die Nemeinheit, nicht anders wie die Kalorie, eine Wärmemenge
bedeutet, ihrem Wesen nach also mit ihr einerlei ist, liegt so auf der Hand
und ist schon so oft gesagt worden, daß es begreiflich ist, wenn die Ver¬
treter der Nemlehre ungeduldig werden, sobald man wieder darauf zurück¬
kommt. Es ist dies aber dennoch nicht zu vermeiden, solange sie selbst
in ihren Veröffentlichungen daran festhalten, die Nemeinheit als ein
physiologisches Maß der Kalorie als einem physikalischen, also im Grunde
dem Maßgegenstand nicht angemessenen gegenüberstellen.
So lesen wir in Nobels Beitrag zu dem gemannten Buche, wie Pirquet
es unternommen habe, den Wirrwarr, der im Nährwertbegriff verborgen
war, durch eine neue physiologische Maßeinheit zu klären. Mayerhofer
aber schreibt in seinem Abschnitt über Ernährungskunde über das Verhält¬
nis der Kalorien zur Nemrechnung wörtlich wie folgt: „Der Vorteil
der Kalorienrechnung ist nämlich in ihrer allgemeinen Anwendbarkeit
für physikalische Zwecke gelegen. So kann man auf Grund der bei der Ver¬
brennung gewonnenen Kalorien in gleicher Weise Diamanten, Kohle,
Reisig, Holz sowie auch Milch und andere Nahrungsmittel miteinander
physikalisch vergleichen. Der Nachteil der Kaloricnrechnung ist aber
darin gelegen, daß man für besondere Zwecke diese genauen physikalischen
Werte nicht verwenden kann, wie in unserem gewählten Beispiel beim
Diamanten und bei der Milch. In manchen Ausnahmefällen wird man
mit der Kalorienrechnung den Wert eines Stoffes als Nahrungsmittel und
als Brennstoff gleichzeitig ausdrücken können, wie z. B. in den holzarmen
Gegenden Asiens in denen man getrocknete Fische gleichzeitig als Nahrungs-
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Von Privatdozent Dr. Ernst Krombholz.
125
mittel und als Brennstoff für Lokomotiven verwendet. Solche Fälle sind
aber gewiß Ausnahmsfälle.“ Es ist schwer zu sagen, was mit diesen Sätzen
eigentlich gemeint sei. Daß der Kalorienwert eines Nahrungsmittels
und sein energetischer Nährwert nicht ohne weiteres identifiziert werden
dürfen, ist gewiß richtig. Auch die von Schülern Tangls auf Grund des
Nernstschen Theorems angestellte Berechnung, daß bei der Verbrennung
von Kohlehydrat, Eiweiß und Fett unter den im Warmblütler eingehaltenen
Bedingungen die verfügbare freie Energie nahezu gleich der Wärme¬
tönung als Maß der Affinität ist, gibt noch nicht das Recht dazu, wie Höher
im 15. Kapitel seiner physikalischen Chemie der Zelle und Gewebe zeigt.
Wenn aber allenfalls diese Bedenken mit obiger Darstellung gemeint sein
sollten, so muß man einerseits sagen, daß genau ebenso wie die Kalorien¬
messung auch das Nemmaß dadurch getroffen werde, anderseits aber, daß
diesen Bedenken, wie Höher gleichfalls zeigt, praktische Bedeutung
doch wohl nicht zukommt. Jedenfalls ist das Nemmaß mit dem Kalorien¬
maß auf das innigste verknüpft. Wie groß die Abhängigkeit ist, offenbart
sich in der Entstehung der Nemtabellen, die Pirquet in der ersten Dar¬
stellung des Systems (Ztschrft. f. Kdhlkd., 14. Band) in folgender Weise
schildert: „König hat alle chemischen Analysen, die von jedem einzelnen
Nahrungsmittel von verläßlichen Autoren gemacht worden sind, gesammelt
und daraus Durchschnittszahlen gezogen, die er als Rohnährstoffe benennt.
Dann hat er unter Berücksichtigung der verhältnismäßig wenigen Ver¬
suche, die in der Literatur über Ausnützung der Nährstoffe vorliegen,
daraus den ausnutzbaren Teil der chemischen Prozentsätze berechnet.
Aus diesen ausnutzbaren Nährstoffen hat er durch Multiplikation mit
den Rubnerschen Zahlen 1 ) die „reinen Kalorien“ erhalten. Diese
reinen Kalorien multipliziere ich wieder mit 1,5, um den vorläufigen
Nemwert des betreffenden Nahrungsmittels anzusetzen.“ Daß auf diese
Weise aus einem physikalischen kein physiologisches Maß wird, müßte
eigentlich nicht noch besonders gesagt werden. Wenn manche der gebräuch¬
lichen Nährwerttafeln unserer Literatur in ihren Daten die Ausnützbar¬
keit der Nahrungsmittel nicht berücksichtigen, sondern eben „Rohnähr¬
stoffe“ angeben, so geschieht dies natürlich nicht in der Meinung, daß die
verschiedene Ausnützbarkeit der Nahrungsmittel zu vernachlässigen wäre,
sondern aus der berechtigten Überlegung, daß die Ausnützbarkeit eines
Gemisches von Nahrungsmitteln sich eben nicht additiv aus der Ausnütz¬
barkeit ergibt, die ihre Bestandteile im Versuche zeigen, wenn sie für sich
allein gereicht werden, sondern daß die Bestandteile der Kost einander
in ihrer Ausnützbarkeit beeinflussen, fördern und hemmen. Es wird daher
den Benützern solcher Tabellen überlassen, für unvollkommene Ausnützung
je nach der Kost, um die es sich handelt, den Abzug zu machen, der er¬
fahrungsgemäß ihrer Zusammensetzung entspricht. Die Unterlagen dafür
sind freilich spärlich. Immerhin ist eine Wertung der Ausnützbarkeit von
Kostsätzen unter Berücksichtigung dieses Momentes wenigstens in Stufen
doch jetzt schon möglich.
Über die Bedenken, welche zu dieser Art der Darstellung geführt
haben, sind König und andere Autoren, die ihm hierin folgen, so auch
1) Für Eiweiß verwendet König nicht die Rubnersche Zahl.
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Bemerkungen über das Pirquetsche Eraährungssystem.
Pirquet hinweggegangen um der Vereinfachung willen, die sie damit
erzielen. Ob dies zweckmäßig ist oder nicht, darüber liegt die Entscheidung
bei der Wertung der Fehler, die dabei in Kauf genommen werden, bei der
Abwägung der Vor- und Nachteile, die damit verbunden sind. Diese Wer¬
tung und Abwägung steht hier freilich noch aus.
Die Nemrechnung leistet also für die Einschätzung der Nahrung
tatsächlich nichts, was nicht die Kalorienrechnung ebenso leisten könnte
und, wo sie sinngemäß angewendet wurde, auch längst schon geleistet hat.
Nun wird aber diese Art der Ermittlung des Nemwertes von Pirquet
als eine vorläufige bezeichnet und als der wahre Weg zur Ermittlung der
Nemwerte ein „Ersatzverfahren“ angegeben. Danach solle empirisch
festgestellt werden, inwieferne ein zu prüfendes Nahrungsmittel den Nähr¬
wert der Milch voll ersetzen könne.
Gröer gibt in einem Aufsatz im 97. Band der Biochemischen Zeit¬
schrift an, daß es sich dabei nicht um den kalorischen Wert der Milch
handle, sondern daß der Nährwert alles umfasse, was ihr als vollwertiges
Nahrungsmittel eigen ist. In diesem Sinne sieht auch Gröer im Nemwert
eine mit dem Rang „physiologisches Maß“ auszuzeichnende Nährwert¬
einheit. Nur die Schwierigkeit und Langwierigkeit der Ersatzversuche
rechtfertige es, inzwischen „nach dem aktuellen Nemwert zu greifen“.
Die Absicht einer solchen empirischen Wertung unserer Nahrung
durch ein Ersatzverfahren hat Pirquet von der landwirtschaftlichen
Fütterungslehre her übernommen. Hier ist der Stärkewert eine empirische
Einheit des Nährwertes, die Kellner für die quantitative Ernährung der
Nutztiere eingeführt hat. Aber dieses Maß ist nach der Art seiner Ermitt¬
lung kaum als ein physiologisches, eher als ein „biotechnologisches“ zu
bezeichnen. Denn die Äquivalenz der Nahrungsmittel mit der Stärke¬
nahrung bezieht sich auf bestimmte, vom Landwirt angestrebte Erfolge,
wie Fettansatz, Milchproduktion oder Muskelarbeit, also auf Teilver¬
richtungen des Organismus, die in einfacher Weise meßbar sind. Von einer
spezifisch physiologischen Wertung der Nahrung könnte man doch eigent¬
lich nur sprechen, wenn die Leistung der Nahrung auf die physiologischen
Gesamtvorrichtungen des Organismus bezogen würde, für die uns aber
doch wenigstens in ihrer Ganzheit eigentüch jedes Maß fehlt, und wenn
wir zum Vergleich tatsächlich über ein vollkommenes Nahrungsmittel
verfügen würden, das auf die Dauer diese Gesamtvorrichtungen voll
bestreiten könnte. Aber als ein solches Nahrungsmittel kann die Milch kaum
in der ersten Säuglingsperiode gelten nach dem, was wir aus den bekannten
Versuchen Bunges über die Wichtigkeit des Eisenvorrates wissen, den der
mütterliche Organismus dem Embryo mitgibt; später gewiß nicht mehr
und beim Erwachsenen ist ausschließliche Ernährung mit Milch schon
um der zu geringen Konzentration des Nahrungsmittels willen auf die Dauer
nicht möglich.
Ein Ersatzverfahren wäre also bei Erwachsenen nur so durchführbar,
wie es auch Pirquet angibt, daß im Rahmen einer Grundnahrung zuerst
Milch eingeführt wird und dann festgestellt würde, indem man sie durch
das zu prüfende Nahrungsmittel ersetzt, ob beide Nahrungsmittel für die
Ernährung dos Organismus das gleiche leisten. Diese Prüfung auf Äqui-
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Von Privatdozent Dr. Ernst Krombholz.
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valenz müßte sich über die gesamten physiologischen Leistungen der
Nahrungsmittel, ihre energetischen, wie spezifisch stofflichen, Punkt für
Punkt erstrecken.
Über solche Ersatzversuche bezüglich der energetischen Funktion
kann man aber hinsichtlich des zu erwartenden Ergebnisses wohl einiges
Voraussagen. Denn auf Versuchen, die in der Grundlage wenigstens gleich
sind, beruht ja die Aufstellung des Isodynamiegesetzes von Rubner.
Die Beziehung auf Milch würde daran nichts ändern. Ebenso ist, was die
Ausnützbarkeit anbelangt, zu erwarten, daß nur bestätigt würde, wie die
Nahrungsmittel darin sich gegenseitig beeinflussen. Auch bezüglich der
stofflichen Leistungen der Nahrung hat Rubner bereits Versuche durch¬
geführt, die als Ersatzversuche zu bezeichnen sind; jene Versuche, welche
die verschiedene biologische Wertigkeit der Eiweißkörper ergeben haben.
Bei den akzessorischen Nährstoffen aber erscheint ein quantitativer Ver¬
gleich der Nahrungsmittel nach ihrem Inhalt an solchen wenigstens vor¬
läufig aussichtslos. Es ist ja die qualitative Hinlänglichkeit an sich schon
so schwierig festzustellen. Auf jeden Fall ist das Studium der akzessorischen
Nährstoffe an eine Methodik gebunden, die ganz und gar durch deren
Eigenart bestimmt ist. Es ist nicht einzusehen, was gerade Ersatzversuche
mit Milch hier leisten sollten.
Aus all dem ergibt sich, daß der Nembegriff für die Theorie der Er¬
nährung weder den Wert einer neuen Erkenntnis, noch den eines heuristi¬
schen Prinzipes hat. Seine Bedeutung liegt in einer ganz anderen Leistung.
Für die Praxis der Ernährungsfürsorge bedeutet er den Vorteil einer wesent¬
lich erleichterten Verständigung mit dem Kreis jener, denen die ein¬
schlägigen wissenschaftlichen Begriffe in ihrer Verwickeltheit und feinen
Schärfe nicht zugänglich sind.
Er setzt an ihre Stelle ein leichtfaßliches Sinnbild. Wenn es sich
aber beim Nembegriff nur um ein Sinnbild der Nahrhaftigkeit handelt,
dann muß zugegeben werden, daß die Milch in mehr als einer Beziehung
sich vorzüglich als solches eignet. Sie ist bei der außerordentlichen Wert¬
schätzung, die sie als Nahrungsmittel allgemein genießt, ein überzeugendes
Symbol des quantitativ faßbaren Nährwertes; sie deutet aber auch als
gangbares Muster eines vollkommenen Nahrungsmittels auf die Forderung
der qualitativen Hinlänglichkeit der Nahrung. Ferner wird, da ihre Dichte
nur wenig von 1 abweicht, ihre Masse unmittelbar durch ihr Raummaß
dargestellt. Schließlich erleichtert es in der Milchküche die Nährwert¬
berechnung natürlich wesentlich, wenn die Milch selbst ihr Maß ist. Dem
gegenüber stehen freilich auch wieder Nachteile, die nicht übersehen
werden dürfen. In anderem Zusammenhänge wird darauf noch zurück¬
zukommen sein. Hier sei als das größte Übel nur die doppelte Rechnung
angeführt, die sich aus der Anwendung zweier Maße ergibt, eines, das die
Theorie nicht aufgeben kann, und eines anderen für die Praxis bestimmten.
Das ist eine arge Verwicklung, welche die allgemeine Verständigung in
Ernährungsangelegenheiten doch wieder recht erschwert. Es ist nicht
möglich, auf naheliegende Verbesßerungsvorschläge hier einzugehen.
Das zweite Maß, das Pirquet in seinem System aufgestellt hat, ist
das Siquamaß, das zur Ermittlung des Nahrungsbedarfs dient. Auch
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Bemerkungen über das Pirquetsche Ernährungssystem.
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dabei handelt es sich im wesentlichen um eine förmliche, nicht um eine
inhaltliche Neuerung in der Ernährungslehre. Denn was ihm zugrunde
liegt, ist schließlich eine Variante des „Oberflächengesetzes“.
Aus Pfaundlers vortrefflichen Körpermaßstudien an Kindern ist
klar zu ersehen, daß wir am sog. Oberfläcbengesetz in seinen verschiedenen
Fassungen den eigentlichen Inhalt von seiner gedanklichen Deutung zu
trennen haben. Sein wesentlicher Inhalt ist die Regel, daß der Nahrungs¬
bedarf verschieden großer, ähnlich gebauter Tiere ceteris paribus als eine
Flächenfunktion im mathematischen Sinne erscheint: er kann aus dem
Gewicht der Tiere als % Potenz in einer oft sehr guten Übereinstimmung
mit der Beobachtung abgeleitet werden.
Die vorliegenden gedanklichen Deutungen der fraglichen Funktion
sind aber, wie Pfaundler zeigt, logisch doch recht anfechtbar. Die
Heranziehung des stereometrischen Lehrsatzes, daß bei geometrisch ähn¬
lichen Körpern die Oberflächen proportional sind der % Potenz ihres
Volumens, ist auf den ersten Blick ungemein verlockend. Doch ist die Be¬
ziehung nur auf die äußere Oberfläche oder nur auf die innere Flächen¬
entfaltung eines bestimmten Organsystems immer eine willkürlich be¬
grenzte und führt zu Widersprüchen, auf die hier nicht näher eingegangen
werden kann; die Beziehung auf sämtliche Flächenausmaße des Körpers
aber, seien es Grenz- oder Querschnittsflächen, setzt nicht nur die ana¬
tomische, sondern auch die physiologische Ähnlichkeit des Organismus
in allen Abstufungen seiner Bauelemente voraus, eine Voraussetzung,
die selbst bei Angehörigen der gleichen Art nicht zutrifft. Es sei hier nur
an die interessanten Ergebnisse der Größenbestimmung histologischer
Elemente durch Schiefferdecker hingewiesen, der beim Menschen in
der Größe der Zellen und Zellkerne durchgreifende Unterschiede findet,
und zwar sowohl zwischen den Rassen als innerhalb der einzelnen Rasse.
Bestehen aber solche Unterschiede, dann ist die Ableitung des % Potenz¬
gesetzes aus der Funktion realer Flächen nur dann aufrecht zu erhalten,
wenn manannimmt, daß ein anderweitig erfolgender korrelativer Aus¬
gleich hinzutritt. So läßt uns die Deutung, die anfangs so einleuchtend
ist, schließlich doch wieder vor einem Rätsel stehen.
Bei dieser Schwäche der vorliegenden Erklärungen des % Potenz¬
gesetzes kommt eigentlich alles auf den experimentellen Nachweis seiner
Gültigkeit an. Aber auch da sind für das Gesetz nur solche Versuche be¬
weisend, die in allen den Punkten gleiche Verhältnisse schaffen, von denen
der Energieumsatz abhängt, also kaum anders als durch Ruhenüchtern¬
versuche bei normalem Ernährungszustand, die einen Vergleich des Grund-
oder Erhaltungsumsatzes gestatten. Im Tierversuch ist vor allem der
Forderung nach vollkommener Körperruhe kaum zu entsprechen. Hier
aber interessieren uns zunächst nur die Verhältnisse beim Menschen, und
da kann immerhin als feststehend angenommen werden, daß bei Ver¬
gleichung von Individuen verschiedenen Gewichtes die erheblichen Unter¬
schiede, die bestehen, wenn man den Erhaltungsumsatz auf die Gewichts¬
einheit berechnet, zum größten Teil ausgeglichen werden, wenn man sie zur
% Potenz des Gewichtes in Beziehung setzt. Freilich sind auch dann noch
Einflüsse der Konstitution und des Alters unverkennbar. Immerhin aber
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haben wir damit einen Anhaltspunkt für die Berechnung des Nahrungs¬
bedarfes gewonnen, und zwar jenes Nahrungsbedarfes, der für die Er¬
haltung oder Erreichung eines physiologischen Ernährungszustandes
notwendig ist. Rubner hat, ausgehend von seiner wärmewirtschaftlichen
Fassung des Oberflächengesetzes, zuerst die aus dem Istgewicht zu be¬
rechnende, äußere Oberfläche des Körpers zur Grundlage der Berechnung
des Nahrungsbedarfes gemacht, ein Verfahren, das aber nur bei gegebenem,
normalem Ernährungszustand anwendbar ist.
Demgegenüber hat Pirquet die Bemessung des Nahrungsbedarfes
auf die Größe der resorbierenden Darmfläche bezogen, die aus der Sitz¬
höhe zu berechnen sei. Dies geschah in der ersten Darstellung der Methode
zunächst vorbehaltlos. In weiteren Ausführungen aber bekennt Pirquet
unter Hinweis auf die Pfaundlerschen Körpermaßstudien, die eine
historische Darstellung des Oberflächengesetzes enthalten, daß er zu ähn¬
lichen Anschauungen bezüglich der Abhängigkeit des Nahrungsbedarfes
von der % Potenz des Körpergewichtes gekommen sei wie Hermann
v. Hößlin, der sie als allgemeine Flächenfunktion auffaßt. Die Darm¬
fläche sei ihm nur ein Flächenbegriff, der leichter zu fassen ist, und eine
Größe, die leichter zu berechnen ist, als die % Potenz des Körpergewichtes.
Entscheidend aber ist, daß damit die Bemessung des Nahrungsbedarfes
auf das Sollgewicht und nicht auf das Istgewicht bezogen wird.
,,Bei gleicher Entwicklung von Muskulatur und Fettpolster ist das
Verhältnis zwischen dem Kubus der Sitzhöhe und dem Körpergewicht
in allen Lebensaltern konstant.“ ,,Beim muskelkräftigen Erwachsenen
und beim fetten Säugling ist der Kubus der Sitzhöhe gleich dem zehn¬
fachen Körpergewicht.“
Das sind zwei Schlußsätze aus einer Publikation Pirquets über Sitz¬
höhe und Körpergewicht (Ztschrft. f. Kdhlkd., 14. Band, 3. Heft). Die
beiden Sätze sind inhaltlich nicht ganz übereinstimmend. Darauf wird
später noch zurückzukommen sein; hier können wir uns vorläufig daran
halten, daß nach dem zweiten Satz das Normalgewicht von Erwachsenen
und Säuglingen sich aus der Sitzhöhe berechnen läßt, und zwar, wenn II
dieses Normal- oder Sollgewicht ist und S die Sitzhöhe, nach der Formel
Daraus ergibt sich durch eine einfache Umformung, daß das Quadrat
der Sitzhöhe, das „Siqua“, die % Potenz des zehnfachen Sollgewichtes
darstellt. Nun muß zwar, gleichbleibende Statur und Dichte des Körpers
vorausgesetzt, nach dem bekannten stereometrischen Gesetz die % Potenz
seines Gewachtes der 2. Potenz aller seiner homologen, linearen Dimensionen,
demnach auch Siqua proportional sein. Aber eben nur unter den genannten
Voraussetzungen. Denn die Anwendbarkeit jenes Gesetzes ist an die
bestehende geometrische Ähnlichkeit gebunden.
Es steht aber beim normalen Wachstum, wie allgemein bekannt ist,
das Auseinandergehen von Längen- und Gewichtszunahme fest, also die
Störung der geometrischen Ähnlichkeit, und obiger Satz kann hier nicht
berangezogen werden. Pirquet fragt selbst, woher es komme, daß trotz-
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Bemerkungen über das Pirquetsche Ernährungssystem.
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dem die Sitzhöhe vom Foetus bis zum Erwachsenen ihre gleiche Beziehung
zum Körpergewicht erhalte, wie die Erfahrung lehre, und erklärt es daraus,
daß die beiden Momente, die hauptsächlich die Statur des Kindes von der
des Erwachsenen unterscheiden, nämlich das relative Übermaß des Kopfes
und Untermaß der Extremitäten sich im Wachstum ausgleichen. Es kommt
bei diesen Behauptungen alles darauf an, ob die Beobachtung sie ausreichend
bestätige.
Die diesbezüglichen Daten finden wir bei Pirquet wiedergegeben
gelegentlich der Darstellung des dritten zu besprechenden Maßes, der
Indexzahl Gelidusi als des Maßes des Ernährungszustandes.
Dieser Index beruht im Grunde auf der Gegenüberstellung des Ist-
gewichtes P und des Sollgewichtes 77. Setze ich beide in ein Verhältnis,
P
so erhalte ich den Bruch — = 7, dessen Wert bei normalem Ernährungs¬
zustand, d. h. wenn das Istgewicht gleich dem Sollgewicht ist, gleich 1 sein
muß. Abweichungen von diesem Wert würden demnach einen von der
Norm abweichenden Ernährungszustand bedeuten, vorausgesetzt, daß für
das Sollgewicht der zutreffende Wert eingesetzt wurde. Setze ich für 77
die Formel ein, die nach Pirquet, .wenigstens für Erwachsene und Säug¬
linge, die Abhängigkeit des Sollgewichtes von der Sitzhöhe ausdrückt,
£3 10 P
nach der 77 = — 80 erhalte ich J = Aus dieser Formel ergibt sich.
wenn man auf beiden Seiten der Gleichung die dritte Wurzel zieht, die
Pirquetsche Gelidusiformel G
yiÖP
S ■
Pirquet gibt nun die Indexzahl Gelidusi für muskelkräftige Er¬
wachsene und fette Säuglinge, wie zu erwarten, mit 100%= 1 an. Beim
heranwachsenden Kinde aber sei sie durchschnittlich ungefähr 94% = 0,94.
Das kann nach dem oben Gesagten nichts anderes bedeuten, als daß die
Ableitung des Normal- oder Sollgewichtes aus der Sitzhöhe, wie sie für
Säuglinge und Erwachsene gilt, bei heranwachsenden Kindern nicht zu¬
trifft, sondern hier, wenn wir den Uberschlagswert 0,94 als Norm für
diese Altersklasse anerkennen, die Formel lautet 77 =
0,94 3 S*
10 ’
In diese
Formel geht zwar die individuelle Sitzhöhe ein, sie ergibt aber doch nur
Überschlagswerte innerhalb einer sehr im groben geschiedenen Alters¬
klasse. Es trifft also der Satz, daß bei gleicher Entwicklung von Muskulatur
und Fettpolster das Verhältnis zwischen dem Kubus der Sitzhöhe und
dem Körpergewicht in allen Lebensaltern konstant sei, nicht ganz zu.
Wäre das der Fall, so müßte der Normwert des Gelidusiindex für alle
Altersklassen gleich 1 sein. Wie wir aber gesehen haben, ist er vom Lebens¬
alter abhängig und zeigt während der Wachstumsjahre auch bei Indivi¬
duen von normalem Ernährungszustand einen Gang durch ein Minimum.
Diese Erscheinung erklärt sich, wenn wir uns über die Mitwirker Rechen¬
schaft geben, die das Gewicht des Menschen bestimmen. Da besteht kein
Zweifel, daß die konstitutionellen Bedingungen, die neben dem Ernährungs¬
zustände das Körpergewicht beeinflussen, in der Sitzhöhe allein nicht aus-
Google
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Von Privatdozent Dr. Ernst Krombholz.
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reichend erfaßt sind. So bleibt gewiß trotz dem gegenläufigen Wachstum
von Kopf und Extremitäten ein wechselnder, unausgeglichener Rest im
verhältnismäßigen Wachstum dort oder da, der Verschiebungen im Ge¬
wicht bei gleicher Altersklasse und Sitzhöhe bedingen muß. Sicherlich
variiert auch die Masse des Skelettes zum Teil wenigstens unabhängig
von der Sitzhöhe. Am schwersten aber wiegt, daß der Gelidusiindex die
individuell gegebenen Verschiedenheiten im Umfang des Stammes nicht
berücksichtigt 1 ), woraus sich bei dem getrennten Gang der Längen- und
Breitenzunahme während des Wachstums in erster Linie die charakteri¬
stische Veränderung des Normwertes für^ den Gelidusiindex während der
Wachstumsjahre ergibt.
Fragen wir uns aber, ob nicht trotz alledem der Gelidusiindex ein
brauchbares Maß des Ernährungszustandes sei, der sich in ihm über alle jene
anderen Einflüsse hinweg doch Geltung verschafft, so müssen wir bekennen,
daß gerade in dem Punkt die Darstellung, die Pirquet 1. c. uns gibt, die
befriedigende Aufklärung schuldig bleibt. Nur bei zwanzig Säuglingen
wird ihrem Gelidusiindex das klinische Urteil über ihren Ernährungs¬
zustand gegenübergestellt, wobei sich ergibt, daß alle Säuglinge mit einem
Gelidusi unter 91 deutlich mager waren. Bei den anderen Altersklassen
fehlt diese Gegenüberstellung. Es wird hier als selbstverständlich behandelt,
daß die Probanden mit niederem Gelidusi mager, die mit hohem fett seien
und somit allgemein, wie Pirquet in bezug auf seine Messungen an Neu¬
geborenen bekennt, „dem Beweis vorgegriffen, daß die Verschiedenheit
des Gelidusi hauptsächlich vom Fettgehalt des Unterhautzellgewebes
abhänge“.
Mag nun auch einleuchtend sein, daß für die äußersten Werte der
Ernährungszustand den Ausschlag gibt — es dürfte sich dann auch um
Extreme des Ernährungszustandes handeln, die ohnehin für sich selbst
sprechen —, so muß man sich im übrigen gerade für die heranwachsende
Jugend, die Altersklasse, für welche die Beurteilung des Ernährungszu¬
standes von besonderer Bedeutung ist, vor Augen halten, daß die Gelidusi-
formel nicht das Sollgewicht des Individuums, wie es seiner Konsti¬
tution entspricht, mit dem Istgewicht vergleicht, sondern einen sehr
beiläufig ermittelten Überschlagswert davon, abgestuft nach Sitzhöhen
innerhalb einer Altersklasse von weiterti Umfang. Die dabei zu erwartenden
häufigen und großen individuellen Abweichungen von diesem Maß lassen
uns a priori erkennen, wie wenig wahrscheinlich es ist, daß man alleih
nach dem Gelidusiindex eines Individuums seinen Ernährungszustand
irgend verläßlich beurteilen könne.
Was der Index als klinischer Behelf neben anderen klinischen Merk¬
malen des Ernährungszustandes diagnostisch leisten mag, darüber ent¬
scheidet natürlich die Praxis. Diesbezüglich wird ja gewiß schon ein reich¬
liches Material sich ergeben haben.
1) Darauf weist H. Reichel hin in seinen Diskussionsbemerkungen zu
einem Vortrag von B. Sperk über Anthropologie und Konstitutionsforschung,
in denen eine Kritik des Gelidusiindex gegeben ist. Sitzungsbericht der
Anthropologischen Gesellschaft in Wien vom 10. November 1920.
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132
Bemerkungen über das Pirquetsche Ernälirungssystem.
Günstiger als hier liegen die Verhältnisse bei der Verwendung des aus
der Sitzhöhe sich ergebenden Sollgewichtes als Grundlage der Berechnung
des Nahrungsbedarfes. Die Ernährungsfläche Siqua repräsentiert ja nichts
anderes als die % Potenz des Sollgewichtes. Indem nun Siqua bei allen
Altersklassen in der gleichen Weise berechnet wird, ist die darin inbegriffene
Wertung des Sollgewichtes hier zwar noch ungenauer als beim Gelidusi-
index, da aber heranwachsende Kinder dadurch besser gestellt werden als
Erwachsene, so wird man das kaum bemängeln wollen. Mehr als eine bei¬
läufige Bemessung der Nahrungszufuhr ist überhaupt nicht zu leisten. Es
handelt sich nur darum, einen gewissen Spielraum oberhalb einer nur sehr
beiläufig bestimmbaren Grenze zu treffen. Die Vollwertigkeit des Zu¬
standes und der biologischen Leistungsfähigkeit des Organismus ist keine
so ausreichend definierte Größe, daß man ihre Erhaltung als Richtmaß
zur Aufstellung einer scharfen Grenze benützen könnte.
Anderseits aber wird man nicht vergessen dürfen, daß das berechenbare
Sollgewicht eben doch nicht das individuelle Sollgewicht ist und daß schon
deshalb der* individuelle Nahrungsbedarf von dem berechenbaren stark
abweichen kann. Bei Massenausspeisungen wird es gerechtfertigt sein,
im Überschlag schlechthin den Bedarf einzusetzen, der sich aus dem
Siquamaß ergibt, da man damit rechnen kann, daß die individuellenSchwan-
kungen des Nahrungsbedarfs sich tatsächlich zu Mittelwerten ausgleichen.
Auch bei der Bemessung von Zubußen kann das Siquamaß ohne weiteres
verwendet werden, wo eben der Ausgleich in der Kost anderweitig erfolgen
muß. Soll aber die Individual Verköstigung auf dieses Maß eingestellt
werden, so muß man sich der bedeutenden Fehlerquellen in der Berech¬
nung des Nahrungsbedarfes aus nur einem linearen Maß bewußt bleiben.
Es wird da immer eine gewisse Bereitschaft zu Richtigstellungen erforder¬
lich sein, damit berechtigte, individuelle Ansprüche nicht um einer Schab¬
lone willen verkürzt werden. Auch das psychische Moment ist dabei nicht
zu übersehen. Auf ein so variables und nervöses Tier, wie es der Mensch
ist, lassen sich die Methoden der landwirtschaftlichen Ernährungstechnik,
wie z. B. die Klassenfütterung, nicht restlos übertragen. Die instinktive,
scharfe Beobachtung des Pfleglings und die gefühlsmäßige Erfassung
seiner Bedürfnisse, wie sie das Wesen der mütterlichen Betreuung aus¬
macht, ist selbst im geordneten Fürsorgewesen nicht ohne Schaden zu
entbehren. Daß nach dem Pirquetschen System jeder Pflegling seinen
Bedarf erhalte, nicht mehr und nicht weniger, wie Nobel schreibt, ist
(larum ein recht anfechtbarer Satz.
Trotz diesen Einwendungen kann zugegeben werden, daß bei unserer
üblen Lage in diesem Punkte die Berechnung des Nahrungsbedarfes aus
der Sitzhöhe einen Fortschritt bedeutet. Wir kennen ja sonst nur die Be¬
rechnung aus dem Istgewicht, die normalen Ernährungszustand voraus¬
setzt, und für Heranwachsende den Gebrauch von Tabellen, die den Be¬
darf nur nach Altersklassen sehr obenhin abstufen. Demgegenüber
bietet Siqua als Maß des Nahrungsbedarfes Voi teile.
Aber auch dieses Maß tritt innerhalb des Pirquetschen Systems in
Verkleidung auf. Wenn Siqua gedeutet wird als die Größe der resorbieren¬
den Darmfläche, so ist hier noch mehr als beim Nemmaß augenscheinlich,
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Von Privatdozeut Dr. Ernst Krombholz. 133
daß es sich um ein Bild handelt und um nichts mehr. Und nur als Bild
kann man diese Deutyng zulassen. Wendet man eine solche Darstellung
an, so muß man sich darüber Rechenschaft geben, daß man eine nur äußer¬
liche Vereinfachung der Lehre vornimmt, bei der man bewußt Fehler be¬
geht, deren Rechtfertigung nur in der Anpassung an gewisse praktische
Zwecke gelegen ist.
Die umfassende Durchführung einer „quantitativen“ Ernährungs¬
fürsorge erfordert die Heranziehung von Hilfskräften aus Kreisen,
die über eine speziell naturwissenschaftliche Vorbildung nicht verfügen.
Zu einem ersprießlichen Mitwirken an der Aufgabe gehört aber
ein zureichendes Mitwissen. Diese Forderung stellt uns nicht nur hier,
sondern überall, wo man weitere Kreise zur verständigen Beteiligung an
wissenschaftlich begründeten Unternehmungen heranziehen muß, vor die
Aufgabe des Gemeinverständlichmachens der Wissenschaften;eine unlösbare
Aufgabe, wenn man daran denkt, die Wissenschaften, wie sie gegeben sind,
den Hörern ohne entsprechende wissenschaftliche Begriffsschulung zu
überliefern; dagegen eine aussichtsreiche Aufgabe, wenn es sich nur darum
handeln soll, durch entsprechende Methoden der Darstellung dem unge¬
schulten, bildhaften Denken des Laien die Kenntnisnahme von bestimmten
wissenschaftlichen Ergebnissen zu ermöglichen. Die Ausbildung dazu ge¬
eigneter Methoden erscheint als eine ernste und wichtige Aufgabe unserer
Zeit. Freilich werden durch einen solchen Vorgang, darüber ist kein
Zweifel, Kreise von Eingeweihten und solche von Uneingeweihten von¬
einander geschieden. Man wird eine solche Scheidung heute kaum gelten
lassen wollen, doch ist das letzte Wort damit wohl nicht gesprochen. Man
beherzige, was Goethe schreibt: „Nur durch eine erhöhte Praxis sollten
die Wissenschaften auf die äußere Welt wirken; denn eigentlich sind sie
alle esoterisch und können nur durch Verbessern irgendeines Tuns exo¬
terisch werden. Alle übrige Teilnahme führt zu nichts.“
Gerade in dieser Hinsicht nun, in der Ermöglichung einer zweck¬
mäßigen und nützlichen Teilnahme des Laien an der Übertragung der
Wissenschaften auf Wirtschaft und Lebensführung scheint das Pirquet¬
sche System ein urwüchsiger und glücklicher Versuch zu sein.
In der Milch als Maß des Nährwertes, in der Größe der Darmfläche
als Maß des Nahrungsbedarfes setzt es leicht faßliche, „typische Vor¬
stellungen“ an Stelle schwer zugänglicher Begriffsverknüpfungen und
wendet damit ein Denkmittel an, das dem ursprünglichen, naiven Denken
eigentümlich ist. Auch das antike philosophische Denken, das um den
Substanzbegriff zu ringen hatte und dem unser physikalischer Kraft¬
begriff noch verborgen war, half sich über die Schwierigkeiten, welche ihm
die einfachsten, sinnlich wahrnehmbaren Veränderungen der Materie boten,
durch die typischen Vorstellungen der vier Elemente hinweg, die als Träger
der tastbaren Qualitäten der Materie, des Trockenen und Feuchten, des
Warmen und Kalten erschienen. Die Aufstellung eines Elemen^um nutri-
menti ist nichts anderes als ein spätes Beispiel der Verpersönlichung
wichtiger Qualitäten, der Setzung einer typischen Vorstellung an Stelle
eines schwer zugänglichen Begriffsverbandes. Auf diese Weise, durch die
Übernahme seines liebsten Denkmittels kommt das Pirquetsqhe System
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134 Bemerkungen über das Pirquetsche Ernährungssystem.
dem ursprünglich naiven Denken so wirksam entgegen. Darauf beruht
nicht zum wenigsten seine rasche und leichte Aufnahme in weiten Kreisen.
Der Gewinn, daß so der Blick des Laien auf die für die Praxis ent¬
scheidenden Punkte der Ernährungslehre eingestellt wird, ohne daß voll¬
kommene Einsicht erfordert wird, bleibt aber nicht unverkürzt. Denn auf
der anderen Seite liegt es nur zu nahe, daß der Laie, dem in der verein¬
fachten Darstellung des Systems die behandelten Aufgaben einfach und
durchsichtig erscheinen, sich über den erhaben fühlt, der mit ihrer ganzen
Verwickeltheit belastet ist, und daß er sich der wissenschaftlichen Führung
entwindet. Auch kommt unser System einer recht verbreiteten, üblen
Neigung entgegen, die man wohl als kabbalistisch bezeichnen darf, indem
sie Zufälligkeiten der Zahl, der Buchstaben oder Worte als die Offen¬
barungen des Urgrunds einer höheren Ordnung faßt. Daß die „Ernährungs¬
fläche“ dem Quadrat der Sitzhöhe gleich ist, die dritte Potenz aus der Sitz¬
höhe dem zehnfachen Gewicht entspricht, die Indexzahl des Gelidusi
hundert beträgt, diese Äußerlichkeiten werden nicht nur als eine Er¬
leichterung für das Gedächtnis geschätzt, sondern sie geben diesen Formeln
auch einen besonderen Zauber. Mögen andere Formeln und Maße im Grunde
das gleiche leisten, jenen wird immer eben wegen jener Zufälligkeiten der
Form eine tiefere Bedeutung zugeschrieben werden. Dazu kommt noch der
fremdländische Wohlklang der geheimnisvollen Wortmarken, mit denen
das System sich eine eigene Sprache geschaffen hat; Grund genug, daß
der Nemjünger sich im Besitz besonderer Kenntnisse glaubt, die nur die
Nemlehre zu überliefern vermag, und daß er einer schulmeisterlichen Be¬
fangenheit weitgehend verfällt.
Angesichts dieser starken, geistigen Beeinflussung, die von dem
Pirquetschen System ausgeht, sehen wir uns schließlich vor die Frage
gestellt, wie denn der akademische Unterricht sich zu dem System zu
stellen habe. Vorausgeschickt mag hier gleich werden, daß, wenn wirklich
eine Vereinbarung über eine abgekürzte und vereinfachte Darstellung
der Ernährungslehre für die Zwecke der Ernährungspraxis notwendig
sein sollte, auch der Student der Medizin selbstverständlich eingehend
darin zu unterweisen wäre. Sind damit Bedenken verbunden, so wird
man sich darüber Rechenschaft geben müssen, um Schäden durch ge¬
eignete Gegenmaßregeln vermeiden zu können. Gewisse Bedenken ergeben
sich aber unmittelbar aus dem Wesen des Pirquetschen Systems eben des¬
halb, weil es die schwierigen Begriffsverbände umgeht und durch anlockende
Vorstellungen ersetzt. Die gründliche, naturwissenschaftliche Begriffs¬
schulung muß als eine Hauptaufgabe des medizinischen Unterrichtes
gelten. Alles nur auf Anschauung und Erfahrung stellen zu wollen, wie
manche einseitige Pädagogen anstreben, erscheint auch im medizinischen
Unterricht bedenklich. Ja, es wäre bei der herrschenden Verwilderung des
Denkens gewiß nur nützlich, wenn in den Unterrichtsbetrieb etwas mehr
formale Logik hineingetragen werden könnte. Jedenfalls sollte der Medi¬
ziner die naturwissenschaftlichen Begriffe, deren wir uns bedienen, ii} ihrer
ganzen Verwickeltheit und Fragwürdigkeit kennen lernen. Ihn zum
Beispiel um den schwierigen Begriff des Nährwertes durch Hilfsvorstel¬
lungen herumzuführen, wäre doch wohl unzulässig. Und auch sonst muß
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Von Privatdozent Dr. Ernst Krombholz.
135
der Mediziner gewiß noch vieles aus der Ernährungslehre aufnehmen und
verarbeiten, Was im Pirquet sehen System keinen Platz findet. Es liegt
im Wesen des Systems, von allen Verwicklungen abzusehen. Er wird
dadurch zu gewissen Leistungen befähigt, die sonst nicht zu erreichen sind,
aber es sind ihm andere versagt, die auch unentbehrlich sind. Hier sind
Gegenwirkungen notwendig, für die der Mediziner nur durch den eingehen¬
den Unterricht in der exakten, naturwissenschaftlichen Ernährungslehre
geschult werden kann. Nur unter dieser Voraussetzung kann das Pirquet¬
sche System durch die Vereinfachung der Praxis und die Erleichterung der
Ordnung, die es schafft, in der Ernährungsfürsorge vorteilhaft wirken.
„Wissenschaften entfernen sich im ganzen immer vom Leben und kehren
nur durch einen Umweg wieder dahin zurück“, lesen wir bei Goethe.
Auf ihren eigenen Wegen ist die Wissenschaft frei, nur bestimmt durch
das Wesen der menschlichen Erkenntnis. Jene Umwege aber müssen
durch Vereinbarungen bestimmt werden, wenn unser Vorgehen in der
Praxis einheitlich bleiben soll. Auch in der Ernährungsfürsorge benötigen
wir vereinbarter Bindungen. Ein Ausschuß von Fachleuten sollte sie ein¬
mal festlegen. Das Pirquetsche System dürfte dabei wenigstens eine
brauchbare Verhandlungsgrundlage bilden.
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Über die Darstellbarkeit polgefärbter (pestbazillenähn-
licber) Stäbchen bei verschiedenen Bakterienarten. Die
Polfärbbarkeit als vitale, durch Bakterienwachstum in
wasserreichen Nährmedien bedingte Erscheinung.
Von
Dr. Emil Epstein.
(Aus der Prosektur des Franz Josephspitals in Wien (Vorstand: Professor
Dr. Oskar Stoerk).
(Mit 1 TafeL)
(Bei der Schriftleitung eingegangen am 19. Januar 1921.)
Die Pestbazillen und die diesen verwandten Bazillen der Gruppe
der Erreger der hämorrhagischen Septikämie bei Tieren (Pasteurel-
losen) weisen nach der vorliegenden Literatur als eine besonders charak¬
teristische morphologische Eigentümlichkeit Polfärbung auf,
die insbesondere in Ausstrichpräparaten zu beobachten ist, welche direkt
aus menschlichen bzw. tierischen Leichenteilen oder Exsudatflüssigkeit
angefertigt werden. In Präparaten aus Reinkulturen findet man die
typischen Formen weniger häufig als im Organismus. Für die
Darstellung der Polfärbung ist nicht nur die Provenienz des Ausgangs¬
materiales, sondern auch die Behandlung der Ausstrichpräparate von großer
Bedeutung.
Zur deutlichen und konstanten Darstellung ist nach Sobernheim, sowie
nach Kossel und Overbeck 1 ) Alkoholfixation und Färbung in der später
zu erörternden Weise (mit verdünnter wässeriger Lösung von alkalischem Me¬
thylenblau, Löfflers Methylenblau oder Karbolfuchsin) unbedingt erforder¬
lich, da in Präparaten, welche durch Hindurchziehen durch die'Flamme
fixiert wurden, die Pestbazillen die Polfärbung ,,gar nicht oder nur an¬
deutungsweise“ erkennen lassen. Schöne Bilder zeigen nach Kossel auch
Präparate, welche nach Alkoholfixation mit Romanowsky-Farbmischung
gefärbt waren. Kitt 2 ) rühmt in seiner Bearbeitung der Septikämie der
Vögel (Hühnercholera) besonders die May-Grünwald-Färbung als geeignet
1) Kolle-Wassermann, Handb. d. path. Mikroorg. 1912, 2. Aufl., 4. Bd.,
S. 162.
2) Kolle-Wassermann, Handb. d. path. Mikroorg. 1913, Bd. VI, S. 38.
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137
Über die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw.
für die Darstellung der Polfärbung, eine Färbung, welche Alkoholfixation
zur Voraussetzung hat, und warnt vor intensiver Farbimprägnierung (Karbol¬
fuchsinfärbung und Erwärmung).
F. Hutyra 1 ) führt an, daß der Bacillus bipolaris septicus Flügge,
der Erreger der hämorrhagischen Septikämie der Tiere, in typischer
Weise in Strichpräparaten aus Körpersäften im Blute cholerkranken Geflügels
gefunden wird, und erwähnt, daß besonders schöne Bilder mit Giemsa-Färbung
zu erhalten sind (1. c. Abb. Fig. 1, S. 67). In Reinkultur gelingt die Darstellung
der Pole mit wässerigen Verdünnungen alkoholischer Anilinfarbstofflösungen
in der üblichen Weise nicht oder sehr mangelhaft, wohl aber bei Präparaten aus
ganz frischen Kulturen ohne vorherige Flammenfixation in direkter Färbung mit
Karbolfuchsin etwa durch *4—1 Sekunde.
Der Nachweis polfärbbarer Stäbchen führte zu wiederholten Malen zur
Annahme, daß derartige Keime als Vertreter der Pasteurelia-Gruppe in ätio¬
logischer Beziehung zum betreffenden Krankheitsprozeß stehen könnten.
Eugen Fränkel und F. Pielsticker 2 ) berichteten über ein angeblich in
die Erregergruppe der hämorrhagischen Septikämie gehöriges menschenpathogenes
JBakterium, das sie Bacterium anthroposepticum nannten (1909). Vor kurzem
wies Eugen Jenicke 3 ) in der Gallenblase eines an akuter gelber Leber¬
atrophie verstorbenen Patienten Polstäbchen nach, welche er ursprünglich
in die Gruppe der hämorrhagischen Septikämie einreihen zu sollen glaubte.
Die eingehende kulturelle Untersuchung ergab jedoch, daß es sich um einen Stamm
von Bacterium coli commune gehandelt habe. Da er auf keinem der von
ihm angewandten künstlichen Nährböden die auffallende Form wieder erreichen
konnte, glaubte er, die pathologisch veränderte Gallenblasenflüssigkeit mit
der Entstehung dieser „bakteriologischen Merkwürdigkeit“ in Zusammenhang
bringen zu müssen. Der Befund polgefärbter Stäbchen, den Nestlinger 4 5 ) bei
einem Falle von Colitis ulcerosa erhob, ist wohl in ähnlicher Weise zu deuten.
Karl Spengler 6 ) bezeichnet in seiner Mitteilung „Uber die spanische
Grippe“ ein bipolar gefärbtes Stäbchen, welches er im Sputum Grippekranker
nachgewiesen hat, als den Erreger der Grippe und empfiehlt zur Darstellung der
Polfärbung ausschließlich Alkoholfixation mit nachfolgender Fär¬
bung in alkalischen Anilinfarblösungen. Spengler fand, daß das
von ihm nachgewiesene Polstäbchen bei Grippe mit dem echten Pestbazillus
bezüglich Morphologie, Pleomorphismus usw. eine so frappante Ähnlichkeit habe,
daß er an Stelle einer besonderen Abbildung auf diejenige der Pestbazillen in
Kolle-Hetsch, Handbuch der experimentellen Bakteriologie, hinweist. Auch
bezüglich der Beschreibung zitiert Spengler wörtlich Stellen aus dem genannten
Werke. Trotz dieser auffälligen Ähnlichkeit äußert sich jedoch Spengler ganz
strikte dahin, daß das gefundene Polstäbchen, welches er als den Erreger der
Grippe anspricht, keineswegs mit dem Pestbazillus identisch sei, wohl aber mit
diesem gemeinsam in die Gruppe der hämorrhagischen Septikämie einzureihen
wäre.
Als mir anfangs Februar 1919 der Inhalt der Spenglerschen Arbeit bekannt
wurde, unterzog ich die Ergebnisse derselben einer Nachprüfung. Das Material
entstammte der Prosektur des Franz Joseph-Spitales, sowie, soweit Sputen,
Harne und Blutproben in Betracht kamen, der Infektionsabteilung des genannten
Spitales. über die Resultate meiner Untersuchungen berichtete ich im Juni 1919
in Form einer vorläufigen Mitteilung in der Gesellschaft für innere Medizin in
Wien. 6 ) Der Inhalt dieser Mitteilung sei, soweit er sich auf das morphologische
1) Kolle-Wassermann, Ilandb. d. path. Mikroorg. 1913, Bd. VI, S. 64
u. ff.
2) Zeitschr. f. Hyg. 1909, Bd. 64, 145.
3) Deutsche med. Wochenschr. 1919, Nr. 22.
4) Zentralbl. f. Bakt. 1919, I. Abt., O.-Bd. 82, S. 425.
5) Mitteilungen aus dem Institut Dr. Karl Spenglers in Davos, 1919,
I. Bd., 1. Heft.
6) Sitzungsbericht vom 15. Mai 1919, Wien. med. Woch. 1919, Nr. 37.
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138 Uber die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw.
Verhalten der Spengler’schen Polstäbchen bezieht, hier zunächst in Kürze
rekapituliert.
Mittels der bereits erwähnten Fixations- und Färbetechnik liessen sich
die Polstäbchen in Ausstrichpräparaten aus dem Bronchialsekrete und dem
Gewebssafte der Lungen von an Grippepneumonie zugrunde gegangenen Leichen
und in einzelnen untersuchten Fällen auch in Schnittpräparaten aus solchen
Lungen, sowie auch im Auswurfe Grippekranker regelmäßig nachweisen. Niemals
gelang jedoch der Nachweis in steril eingesandten Blutproben. — Die Stäbchen
erscheinen als vakuolisierte, meist kürzere, aber auch etwas längere, häufig als
Diplobazillen und in kurzen Ketten oder irregulär gelagerte, polgefärbte Stäb¬
chen, daneben finden sich sehr kurze Formen, bei denen die Vakuolen als nur
mehr sehr schmale, quere Schlitze erscheinen, so daß die kurzen Endstücke den
Eindruck von Kokken hervorrufen, demnach eine Einzelform das Aussehen eines
Diplokokkenpaares in Semmelform vortäuscht, ferner kurze, ovoide Formen,
hie und da Kugelformen, Siegelringformen mit Vakuolen usw., daneben aber
auch kurze Stäbchen ohne Vakuolen. Wenn auch zugegeben werden muß, daß
ein Teil dieser Erscheinungsvarianten auf die verschiedene Achsenstellung der
Stäbchen zurückgeführt werden könnten, so handelt es sich im wesentlichen
doch unleugbar um einen auch beim Pestbazillus beschriebenen, ganz auffälligen
Pleömorphismus. — Im Gegensätze zu den Bildern bei der Pest fehlen ausge¬
sprochene Involutionsformen und sind auch durch Züchtung auf 3—4% Koch¬
salz- und hochprozentigem (5%) Glyzerinagar nicht in der typischen Weise zu
erzielen. Dennoch findet man hie und da Andeutung von Involutionsformen.
— In Grampräparaten (Trockenfixation) erscheinen die Formen als gewöhnliche
Vollstäbchen, meist Gramnegativ, aber auch Grampositiv. — Die Darstellung
der Polfärbung gelang mir jedoch ausschließlich mittels der auch von Spengler
empfohlenen Alkoholfixation und nachfolgender Färbung mit wässeriger Anilin¬
farblösung in Präparaten, die aus in flüssigen Nährböden gezüchteten Kulturen
gewonnen worden waren. Versuche, die polfärbbaren Stäbchen auch mit diesem
Färbe verfahren in Ausstrichpräparaten von auf festen Nährböden gewachsenen
Kulturen zur Darstellung zu bringen, führten zu keinem Erfolge. Bezüglich des
kulturellen Verhaltens und der Tierpathogenität siehe die zitierte Original¬
mitteilung.
Hundeshagen 1 ) hat % Jahre nach Spengler (Oktober 1919) einen
„Bazillus aus der Gruppe der hämorrhagischen Septikämie bei
einem Falle von Influenzapleuritis“ beschrieben. Die zarten Stäbchen
wachsen auf Blutagar ähnlich dem Pfeifferschen Bazillus. Üppiges Wachstum
aus Aszites-Agar schloß jedoch diese Diagnose aus. Im Tierversuche erwies sich
der Erreger tierpathogen und zeigte in Präparaten aus Gewebsabstrichen teils
die bei Hühnercholera beschriebenen kokkenähnlichen Formen „Kokkobazillen“,
teils pestbazillenähnliche Formen von ovoider Gestalt mit Polfärbung. Insbe-
sonders aus letzterem Grunde reiht Hundeshagen das nachgewiesene Stäbchen
in die Gruppe der Erreger der Septikämie der Tiere ein, indem er die Polfärbung
als besonders charakteristische Eigenschaft dieser Gruppe bezeichnet.
Weitere Bestätigungen der Spenglerschen Befunde erfolgten durch
Coronini und Prisel 2 ).
Es soll nicht Gegenstand vorliegender Mitteilung sein,
die Frage zur Entscheidung zu bringen, ob die Spenglerschen
Polstäbchen etwa als Erreger der Grippe in Betracht kommen
könnten. Abschließende Untersuchungen über diese Frage mußten aus
Materialmangel aufgegeben werden. Auffällig schien mir jedenfalls, daß
der kleine Bazillus im Gegensätze zu den Bazillen der hämorrhagischen
Septikämie und zum Pestbazillus mit verschiedenen Zuckerarten
Gas bildet und sich vom Pestbazillus außerdem noch durch sein Wachs¬
tum im Bouillon und dadurch unterscheidet, daß er Milch koaguliert.
1) Berliner klin. Wochenschr. 1919, Nr. 41.
2) Med. Klinik 1920, Nr. 5.
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Von Dr. Emil Epstein.
139
Dies sowie insbesondere auch der Nachweis einer mäßig lebhaften
Eigenbeweglichkeit schien mir im Zusammenhalt mit dem son¬
stigen kulturellen Verhalten auf Agar und Gelatine 1 ) darauf
hinzuweisen, daß die beschriebenen Stämme in die Koligruppe ein¬
zureihen seien.
Daraus ergab sich als eine weitere Frage, die den Gegenstand der
vorliegenden Arbeit bildet, ob die Polfärbbarkeit überhaupt als morpho¬
logisches Charakteristikum bestimmter Bakterienarten (Pasteureliagruppe,
Pest) in Betracht kommt, oder ob dieselbe nicht vielmehr eine viel allge¬
meinere morphologische Eigenschaft verschiedener, auch mit den genannten
Gruppen nicht verwandter Bakterienarten darstellt. In der Folge wurde
dementsprechend der Kreis der in Beobachtung gezogenen Bakterien¬
arten erweitert. Und in der Tat zeigte sich, daß nicht nur Bacterium coli,
sondern auch Bacterium typhi Eberth, paratyphi B, dysenteriae Shiga-
Kruse und Flexner die typischen Bilder von Polstäbchen in deutlichster
Weise zeigen.
Zu der von mir angewandten Technik der Darstellung der Polfärbbar¬
keit sei folgendes bemerkt:
Von jedem Stamm werden Objektträgerausstrichpräparate aus
24stündigen Bouillon-Kulturen angefertigt. Ferner wurden auch Prä¬
parate aus Peritonealexsudat und dem Herzblute eingegangener Ver¬
suchstiere (Meerschweinchen) gestrichen, die teils mit den aus dem Grippe¬
material gezüchteten Stämmen, teils mit Bacterium coli commune intra¬
peritoneal infiziert worden waren 2 ). Von dem Peritonealexsudat und dem
Herzblute der eingegangenen Tiere wurden Ausstriche angefertigt und
tinktoriell in derselben Weise behandelt wie die Kulturausstriche. Außer¬
dem wurden zum Vergleiche auch Präparate von Agarkulturen gestrichen.
Die Beschreibung derselben ist jedoch nur für das Spenglersche Polstäb¬
chen gegeben, die auch für Bacterium coli gelten kann, wofür die Fig. 4 und 7
Zeugnis legen. Auch von der Beschreibung der die übrigen Stämme, be¬
treffenden Präparate wurde Abstand genommen, da es sich um analoge
Befunde handelt.
Zur Darstellung der Polfärbung wurde das folgende, zuletzt von
Spengler empfohlene Verfahren angewendet.
Die. lufttrockenen. Ausstriche werden mit 95% Alkohol übergossen.
Der Alkohol braucht nicht länger als 2 bis 3 Minuten einzuwirken. Hierauf
wird der Alkohol abgegossen und langsam abgedunstet oder über der Flamme
abgedampft; gerät hierbei der Alkohol in Brand, so schadet dieser Vorgang
der Darstellbarkeit der Polfärbung in keiner Weise. Hierauf wird mit
wässerigen Verdünnungen alkoholischer Farblösungen von Anilinfarb¬
stoffen, am besten mit Löfflers Methylenblau oder Fuchsinrot gefärbt,
eventuell leicht über der Bunsenflamme erwärmt und sodann ganz kurz
mit Yi proz. wässeriger Essigsäurelösung differenziert, in Wasser abge¬
spült, getrocknet und cingescblossen. Die Differenzierung in %proz.
Essigsäure ist nicht unbedingt erforderlich, sie gibt nur Bilder in zarterem
1) Vgk die Originalmitteilung, loc. cit.
2) Der Obduktionsbefund der eingegangenen Tiere war für beide Stämme
analog, siehe Originalmitteilung, 1. c.
Archiv für Hygiene. Bd. 90 . 10
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140 über die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw.
Farbenton, während ohne Differenzierung die Polfärbung ebenso deutlich
in Erscheinung tritt. Eine sehr klare Darstellung der Polstruktur gelingt
auch bei der Färbung mit Giemsa-Lösung, insbesondere in Ausstrichen aus
Blut oder Exsudat von Versuchstieren mit und ohne vorherige Alkohol¬
fixation.
Bei dieser Gelegenheit sei gleich vorweggenommen, daß das Phä¬
nomen der Polfärbung mittels der angewandten Fixations- und
Färbetechnik bei sämtlichen im folgenden untersuchten Bakterienarten,
bei denen es darstellbar ist, in klassischer Weise nur in Ausstrich¬
präparaten zu erzielen ist, die aus Kulturen, welche auf flüssigem
Nährboden (Bouillon) gewachsen waren, oder aus dem Gewebssaft
der Versuchstiere gewonnen wurden. Bakterienausstriche in Präpa¬
raten von Agarkulturen lassen im allgemeinen die Polfärbung nur un¬
deutlich und nur auf einen Teil der Exemplare beschränkt erkennen,
während schmälere Langstäbchen ohne Vakuolenbildung, kokkenähnliche
Kurzstäbchen in irregulärer Anordnung, in Diploformen oder in kurzen
Ketten das mikroskopische Bild beherrschen. Jeder Versuch, mittels
Hitzefixation Polfärbung zu erzielen, mißlang vollkommen
auch bei Präparaten aus Kulturen, die auf flüssigen Nähr¬
böden gezüchtet worden waren (Fig. 8).
Auf Grund dieser Feststellung wird, einige Stichproben ausgenommen,
im allgemeinen von einer Beschreibung in der gewöhnlichen Weise mit
Fixation in der Flamme hergestellter Ausstriche abgesehen.
Einigermaßen befriedigende Bilder gibt die von Hornicker 1 ) aus dem
Institute Paltauf empfohlene Färbetechnik.
Es folgt nun die Beschreibung der Objektträgerausstrichpräparato
der untersuchten Stämme an der Hand des Untersuchungsprotokolles.
Der mikroskopischen Beobachtung diente das homogene Immersions¬
objektiv, Brennweite */ 12 , Apertur 1*4 mit dem Arbeitsokular Nr. 8, als
Lichtquelle wurde das direkte Tageslicht benützt.
1. Bacillus septicaemiae haemorrhagicae Hueppe*). Stamm: „B. cholerae
gallinarum Würzburg“*) 2 ). Präparate aus Bouillonkultur (Fig. 1). Durch¬
schnittlich etwas über 1 p lange Stäbchen von schlanker Gestalt mit abgerundeten
Enden. Die Pole stark tingiert, die tingierte, polare Zone beiderseits halbmond¬
förmig nach innen zu eingebuchtet, gegen das Innere an Färbungsintensität
rasch abnehmend. Der farblose oder nahezu farblose, gelegentlich als Vakuole
beschriebene Innenraum zeigt elliptische Gestalt und hie und da einen kaum
wahrnehmbaren, bläulichen Schimmer. In wenigen Exemplaren wird dieser
bläuliche Farbenton deutlicher. Nach außen ist der Bakterienleib ringsum scharf
abgegrenzt, es findet sich allenthalben ein ganz schmal gefärbter Randsaum,
der sich scharf gegen das farblose Innere (Vakuole) absetzt. Die Bezeichnung
Vakuole wird in folgendem der Kürze halber für den farblosen, rundlichen
Innenraum rein deskriptiv gebraucht, ohne zunächst über die Natur dieses
Gebildes irgend etwas aussagen zu wollen. Die Größe der Bakterien ist
jedoch variabel, das ganze Bild stark pleomorph, neben schlankeren, bei weitem
plumperen Exemplaren von Langstäbchen (Länge 2,75 p) bis zu kurzen, ovaläreii
1) Zentralblatt f. Bakt. O. Bd. 32, S. 927.
2) Die mit *) Gezeichneten Stämme wurden aus der vormals Kralschen,
von Professor Ernst Pribram in Wien geleiteten Sammlung bezogen, vgl.
Pribram, Der gegenwärtige Stand der vormals Kralschen Sammlung. Wien
1919 (Katsdog).
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141
Formen in Diplo-Anordnung (Diplobazillen) variierend, letztere auf knapp
vorher erfolgte Teilung hindeutend. In anderen Exemplaren füllen die Pole
wieder den Bakterienleib bis auf einen schmalen, quergestellten Spalt aus, der
Randsaum fehlt nahezu vollkommen oder ist unsichtbar, indem er keinen Farb¬
stoff aufnimmt, so daß das Einzelindividuum förmlich als Diplokokkenpaar
erscheint. Andere Kurzformen zeigen nur schwach fingierte Pole. Daneben
Exemplare, die in toto blaßblau gefärbt sind.
2. Bacterium septicaemiae haemorrhagicae.*) Stamm:„B.cholerae
gallinarum Ficker“. Präparate aus Bouillonkultur. Zahlreiche, schlanke,
satt gefärbte Vollstäbchen, etwa 0,5 bis 1,5 p lang, 0,2 bis 0,3 p breit. Daneben
gleichfalls schlanke, beträchtlich blässer fingierte Formen mit stark hervor¬
tretenden, mehr punktförmigen Polen. Einzelne Exemplare von plumperer
Gestalt mit derben Polen. Die Färbungsintensität nimmt von den Polen aus
gegen den unregelmäßig begrenzten, fast farblosen Innenraum ziemlich un¬
vermittelt ab. Einzelne, fadenförmige Involutionsformen von beträchtlicher
Länge und gleichmäßiger Färbung. Einzelexemplare, die die übrigen an Länge
(2 bis 3 jx lang) beträchtlich übertreffen, zeigen sehr deutliche Polfärbung. Alles
in allem auffälliger Pleomorphismus.
3. Bacterium septicaemiae haemorrhagicae*). Stamm: „Tuberkulose¬
ähnlicher Abszeß bei Kaninchen Zeiß.“ Die Länge beträgt durchschnittlich
etwa 0,75 bis 1 ju, in Einzelexemplaren bis TJ5 u. Die Stäbchen zeigen aus¬
schließlich schlanke Gestalt. Die Polenden sind abgerundet, die Pole selbst
intensiv, in einzelnen Exemplaren besonders stark tingiert, die farblose Innen¬
zone ist mehr elliptisch geformt. Besonders die langen Exemplare zeigen schöne
Polfärbung, neben den beschriebenen Formen kurze Vollstäbchen und Rund¬
formen (kokkenähnliche Gebilde).
4. Das Spenglersche Polstäbchen, a) Präparate aus älterer Bouillon¬
kultur. Durchschnittliche Länge der Stäbchen 1,5 ^x, einzelne Riesenexemplare
mit 2,0 bis 2,5 daneben kurze Formen mit 0,5 p und noch geringerer Länge.
Die Breite der einzelnen Individuen ist schwankend und erreicht bis 0,4 p. Im
allgemeinen sehr ausgesprochener Pleomorphismus bezüglich Länge und Dicke.
Neben einzelnen, plumperen Stäbchen schlanker geformte Gebilde.
Die Durchschnittsformen sind ziemlich schlank, an den Enden abgerundet,
die Pole satt gefärbt, an den Polenden besondere Färbungsintensität aufweisend.
Gegen das Innere nimmt die Färbung rasch ab, der Hohlraum im Innern zeigt
meist elliptische Gestalt und ist entweder fast farblos oder höchstens in einem
kaum wahrnehmbaren, blaßbläulichen Timbre gefärbt. Die Form des Hohl¬
raumes ist länglich, an den Polen mehr wenig abgerundet. Der Randsaum ist
ringsum äußerst schmal und scharf nach innen abgegrenzt. Die Pole sind nicht
immer gleichmäßig tingiert, häufig ist der eine Pol beträchtlich stärker als der
andere gefärbt und um die Hälfte voluminöser als der andere. Riesenexemplare
(Länge 2,5 u) zeigen das Innere des Körpers in blaßblauem Farbenton, aber auch
in diesen Exemplaren heben sich die Pole durch ihre intensive Färbung als
differente Bestandteile recht scharf ab. In kurzen Formen findet man bisweilen
die. Pole von mehr rundlicher Gestalt, satt gefärbt, mit deutlich zentraler, farb¬
loser Zone, in vielen Exemplaren ist die Zwischenzone wieder sehr schmal in
Form eines quer gestellten Schlitzes, ohne erkennbaren Randsaum, so daß die
Gestalt wie bei den früher beschriebenen Formen diplokokkenähnlich wird.
Daneben finden sich auch einzelne, fast kokkenförmige Kurzstäbchen
mit und ohne zentrale Vakuole.
b) Andere Präparate aus einer um viele Generationen älteren Kultur zeigen
im allgemeinen ziemlich plumpe, im allgemeinen in der Länge um 1 ^schwankende
Stäbchen. Auch hier wieder zeigen sich ausgesprochene Größendifferenzen: neben
kurzen, 0,5 ^tx langen Exemplaren reichliche, noch kürzere Formen mit Schlitz¬
bildung, so daß wieder die Diplokokkenform vorgetäuscht erscheint. Die Enden
meist nicht abgerundet, mehr kantig begrenzt, die Pole in einzelnen Exemplaren
mehr körnchenförmig, in anderen wieder förmlich zylindrisch, gegen das Innere
an Färbungsintensität rasch abnehmend. Deutlich umrissene Konturen mit
schmalen Randzonen, gegen das Innere sich als Randsaum scharf differenzierend.
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142 Über die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw.
Die farblosen Innenräume zeigen eine mehr geradlinig begrenzte Form in Gestalt
eines Rechteckes bzw. Quadrates. Ausgesprochener Pleomorphismus in bezug
auf Länge und Dicke.
c) Präparate aus dem Peritonealexsudat eines durch intraperitoneale
Einverleibung einer Aufschwemmung von Grippestäbchen eingegangenen Meer¬
schweinchens zeigen folgende Bilder: Die Stäbchen ausgesprochensten Pleo¬
morphismus, überwiegend kürzere, etwa 0,4 bis 0,6 u lange Stäbchen von schlanker
Gestalt, daneben mehr bauchige, beträchtlich längere, 1,5 u lange Stäbchen
mit durchwegs abgerundeten Enden. Die Pole durchwegs ‘ deutlich tingiert,
nach innen zu rasch an Färbungsintensität abnehmend; in einzelnen, mehr
bauchigen Formen füllen die Pole fast den ganzen Bakterienleib aus, die Innen-
zohe ist farblos. Andere, meist längere Exempare zeigen deutliche Tinktion auch
des Innenraumes. Außerdem spärliche Kurzstäbchen mit Polen, Diploformen,
einzelne kurze Vollstäbchen und kokkenähnliche Gebilde.
d) Präparate aus dem Herzblute eines mit Polstäbchen experimentell
geimpften Meerschweinchens, gefärbt mit Giemsas Farblösung (Fig. 3). Die
Erythrozyten erscheinen als karminrot gefärbte Scheiben mit einem Durch¬
messer von 3 bis 4 { u. Die Stäbchen sind im allgemeinen von zartem Bau und
schlanker Gestalt, etwa 0,75 p lang und 0,3 u breit. Die Pole sind sehr deutlich
und intensiv gefärbt, nehmen an Farbungsintensität gegen die ungefärbte Innen¬
zone zu rasch ab. Die Pole zeigen häufig deutliche Färbungsintensitäts- und
Massenunterschiede, indem der eine Pol ziemlich voluminös und gut gefärbt, der
andere zart und ganz blaß tingiert erscheint. Einzelne Exemplare sind unipolar.
Auch in dem Blutausstrich wieder Kurzstäbchen mit nur schmalem QuerspaJt,
als Diplokokken imponierend. Einzelne ovaläre Kokkenformen ohne farblose
Innenzone. Sehr deutlicher Pleomorphismus bezüglich Länge, Breite
und Gesamtvolumen.
e) In Präparaten aus Agarkulturen (Fig. 4), die durch Verreiben von etwa
Vipöse Kultur in einem Tropfen physiologischer Kochsalzlösung auf dem Objekt¬
träger hergestellt wurden, zeigt sich ein vollkommen geändertes Bild.
Vor allem fällt das dürftige Aussehen der Bakterien auf. Neben äußerst schmalen
Langstäbchen (Länge etwa 1 //■), die nur bei schärfster Beobachtung einen schwä¬
cher tingierten Längsspalt und stärkere Polfärbung erkennen lassen, reichlich
Kurzformen, stellenweise in Diplolagerung, hie und da in Kettenanordnung,
ferner mäßig zahlreiche Kugelformen. Gelegentlich zeigen sich diplokokken¬
ähnliche Gebilde. Polfärbung fehlt in einer großen Zahl der Exemplare voll¬
kommen, vielfach ist sie kaum angedeutet und nur bei schärfster Beobachtung
eben noch erkenntlich, nur in ganz vereinzelten, etwas plumperen Kurzformen,
die aber gegenüber den Formen aus flüssigem Nährboden gleichfalls auffallend
schmächtig und kümmerlich aussehen, deutliche Polfärbung und Vakuolen-
biidung. Das Phänomen ist aber auch in diesen Exemplaren keineswegs entfernt
so klar ausgeprägt als in den früher beschriebenen Präparaten der in flüssigen
Nährböden gezüchteten Stämmen.
5. Bacterium coli commune (stammt aus der Sammlung der Pro-
sektur des Franz Joseph-Spitales mit der Bezeichnung Coli 30).
a) Präparate aus Bouillonkultur mit Methylenblau-Färbung (Fig. 5).
Länge variiert und ist im allgemeinen zwischen 0,5 und 1 p »einzelne Exemplare
sichelförmig andere zeigen mehr granulaähnliche Form, man sieht hier
wieder zahlreiche Doppelstäbchen, die sich an den Polen zu berühren scheinen
(Teilungsformen). Hie und da auch plumpere Gebilde. Einzelne diplokokken¬
ähnliche Formen. In einigen auffällig langen Exemplaren ist die Innenzone
bei deutlich ausgeprägter Poltinktion blaßblau tingiert.
b) Präparate mit Fuchsinfärbung zeigen im allgemeinen identische Bilder.
Formen teils schlank, teils plump, Polenden abgerundet, Pole sehr satt gefärbt,
gegen das Zentrum zu fast unvermittelt in die farblose Innenzone übergehend.
Ziemlich zahlreiche, sehr kurze Rundformen von elliptischer Gestalt mit aus¬
gesprochener Vakuolenbildung, daneben di plo ko kken ähnliche Formen mit
querem Schlitz. Ein Riesenexemplar von auffälligem Längenwachstum (Länge
ca. 3 zeigt die Pole mehr granulaartig in Form distinkter, mehr rundlicher
Gebilde, der eine Pol sehr stark und distinkt gefärbt, der andere nimmt in seinem
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Farbenton allmählich £egen das Zentrum zu ab, das Zentrum selbst ist fast farb¬
los, zeigt nur einen leicht rosa gefärbten Timbre.
c) Mit Giemsafarblösung gefärbte Präparate aus dem Herzblute
eines Versuchstieres (Meerschweinchen) (Fig. 6). Die roten Blutkörperchen
erscheinen als karminrot gefärbte Scheiben mit einem Durchmesser von 5 u.
Typischer Pleomorphismus. Länge beträgt im allgemeinen 0,5 bis 1,2 u. Zahl¬
reiche, besonders die kürzeren Exemplare, zeigen Rundformen von elliptischer
Gestalt mit sehr distinkter Polfärbung und mit farbloser Vakuole. Auch hier
nimmt die Färbungsintensität vom Pole aus gegen das Innere an Färbungs¬
intensität rasch ab. Die größeren Exemplare zeigen hie und da den Innenraum in
einem deutlich bläulichen Timbre. Beide Pole sind nicht immer gleich gestaltet,
einzelne, besonders längere Exemplare zeigen den einen Pol sehr satt gefärbt mit
sichelförmigen Ausladungen gecen das Zentrum, den anderen mehr blaßblau
und zylindrisch geformt. Einzelne zarte Vollstäbchen und Kokkenformen.
d) Präparat aus Agarkultur. Beschreibung entspricht der Beschreibung
der analogen Präparate vom Spengler’schen Polstäbchen (4c) (vgl. Fig. 4).
6. Bacterium typhi Eberth (entstammt der Sammlung der Prosektur
des Franz Joseph-Spitales) (Fig. 7). * -
a) Präparate aus Bouillonkulturen zeigen kurze, 0,3—0,5 p lange, an den
Enden abgerundete Formen. Pole sehr distinkt gefärbt, häufig der eine bedeutend
stärker hervortretend als der andere. Reichlich auch kurze und längere Voll¬
stäbchen, ferner kokkenähnliche, rundliche und diplokokkenähnliche Gebilde.
b) Ein zweiter Stamm vom Bacterium typhi Eberth (entstammt
gleichfalls der Sammlung des Franz Joseph-Spitals mit der Signatur „Umberto“).
Die Stäbchen zeigen deutlichen Pleomorphismus, sehr beträchtliche Längen¬
differenzen von 0,3—2 jj, schwankend, die Polenden abgerundet, die Pole sehr
deutlich hervortretend, distinkt gefärbt, ziemlich scharf abgegrenzt gegen die
den überwiegenden Anteil des Gesamtkörpers einnehmende, fast farblose Innen¬
zone. Einzelne Exemplare zeigen wieder einen blassen Timbre der Innenzone.
An einzelnen Exemplaren Pole ungleichmäßig, einer beträchtlich intensiver gefärbt
und umfänglicher als der andere. Einzelne Exemplare zeigen besonders plumpe,
fast ein Drittel des Gesamtkörpers einnehmende Polzonen, welche in diesen
Fällen mehr allmählich an Färbungsintensität gegen das Innere zu abnehmen 1 ).
Daneben Kurzformen mit schlitzförmigem Querspalt (diplokokkenähnliche
Formen).
7. Bacterium paratyphi B. (Sammlung der Prosektur des Franz Joseph-
Spitals). Schlanke, etwa 1—1,5 lange Stäbchen mit deutlicher Polfärbung
und farblosem vakuolären Innenraum, hie und da einen bläulichen Timbre
zeigend. Der Randsaum hat hier manchmal einseitig eine etwas stärkere Tin-
gierung. Sehr reichlich Rundformen mit deutlicher Polfärbung, sowie diplo¬
kokkenähnliche Gebilde.
8. Bacterium typhi murium*). Stamm: „Bacterium septicaemiae
murium Isatschenko-Grimm“ (Pribram, Katalog S. 115). Die Stäbchen
zeigen höchstgradigen Pleomorphismus. Die Länge schwankt zwischen 0,15
bis 0,5 bis 2,5 u. Die Gestalt ist meist etwas plumper, die Pole sind distinkt
gefärbt, gehen ‘ ziemlich unvermittelt in die fast farblose, mehr längliche und
kantig begrenzte Innenzone über. Zahlreiche Kurzstäbchen, nahezu Rund¬
formen mit schönen Polen, daneben einzelne, voll gefärbte, kokkenähnliche
Rundformen. Auffällig sind einzelne, sehr lange, über 2,5 u lange, etwa 0,4
dicke, demnach plump gestaltete Formen, die in toto blaßblau gefärbt erscheinen,
1) Gottschlich (Kolle-Wassermann, Handb. d. pathog. Mikroorg.,
Bd. 1) erhielt in Ausstrichpräparaten einer unzweifelhaften Kultur von Bacterium
typhi nach Essigsäuredifferenzierung typische Polfärbung, so daß die Ähnlich¬
keit mit Pestbazillen ganz unverkennbar war. Ebenso sah R. Paltauf in
Schnittpräparaten aus Typhusdarm die Typhusbazillen regelmäßig als deutlich
vakuolisierte Polstäbchen (mündliche Mitteilung mit Demonstration von Prä¬
paraten).
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144 Über die Darstellbarkeit polgefärbler Stübchen usw.
jedoch nimmt auch in diesen Exemplaren die Färbungsintensität von den Pol*
enden gegen das Zentrum zu beträchtlich ab, so daß die Polenden deutlich hervor¬
treten. Einzelne Kurzstäbchen zeigen ungleichmäßige Färbung der Pole, ein
Pol viel deutlicher gefärbt als der andere.
Ziemlich reichliche Vollstäbchen, meist um das Doppelte bis Dreifache die
typischen Formen an Länge übertreffend, zeigen schlanke Gestalt, einzelne
keulenförmige Endauftreibungen.
9. Bacterium paratyphi A (entstammt der Sammlung der Prosektur
des iFranz Joseph-Spitals). Die Präparate zeigen ähnliche Bilder wie die Präparate
von Bacterium paratyphi B, nur überwiegen hier die Vollstäbchen und kokken¬
ähnlichen Formen.
10. Bacterium dysenteriae Shiga-Kruse (Sammlung der Prosektur
des Franz Josephspitales). a) Vorwiegend ziemlich plumpe, etwa 1 u lange
Stäbchen mit abgerundeten Enden und reichlich längere, schlankere Formen,
beide ohne vakuoläre-Innenzone. Daneben aber einzelne 2—3 u lange, ziemlich
schlanke Stäbchen mit zart fingierten Polen, die gefärbte polare Zone nimmt
an Färbungsintensität gegen den Innenraum ziemlich rasch ab und läßt den¬
selben als mehr minder umfängliche, unregelmäßig begrenzte, elliptische Zone frei.
b) Präparate aus anderen Kulturen zeigen überwiegend sehr plumpe, bis
3 fx lange Riesenformen mit sehr deutlich fingierten Polen. Die Mehrzahl dieser
Formen zeigen bei starker Verminderung der Färbungsintensität eine immerhin
deutliche Blaufärbung der Innenzone. Daneben imponieren aber einzelne kürzere,
etwa 1,5^ lange Exemplare als typische Polstäbchen mit umfänglichem, farb¬
losem, vakuolärem Innenraum. Einzelne Formen zeigen den einen Pol sehr satt
gefärbt und mehr minder scharf begrenzt, den anderen umfänglich plump, all¬
mählich gegen das Zentrum an Färbungsintensität abnehmend. Die Polenden
sind durchwegs abgerundet. Ferner finden sich einzelne Rundformen in Gestalt
kokkenähnlicher, mit Vakuolen versehener Scheiben.
11. Bacterium dysenteriae Y (Sammlung Prof. Ghon in Prag), a) Stäb¬
chen von einer durchschnittlichen Länge von 1,5 u. Die Pole markant gefärbt,
gegen die farblose Innenzone unregelmäßig abgegrenzt. Einzelne Exemplare
weisen einen schmalen Querspalt auf, dabei zeigt sich die polare Zone mächtig
ausgebildet und sehr intensiv gefärbt. Ferner sehr plumpe, an den Enden ab¬
gerundete Formen (Rundformen).
b) Relativ schlanke Formen mit sehr intensiver Polfärbung und unver¬
mitteltem Übergang der Färbungsintensität gegen den ungefärbten, elliptisch
geformten, vakuolären Innenraum. Einzelne Exemplare zeigen auch im Zentrum
einen zarten, bläulichen Timbre. Daneben einzelne Rundformen mit schönen
Polen, daneben kokkenähnliche, vollgefärbte Gebilde.
12. Bacterium dysenteriae Flexner (Sammlung der Prosektur des
Franz Joseph-Spitals). 0,6—1,8 u lange, ziemlich schlanke, stark fingierte
Stäbchen. Einzelne Exemplare zeigen eine kurze, elliptisch begrenzte, farblose
Innenzone, andere zeigen eine mehr rechteckig, aber nicht streng linear begrenzte,
in einem ganz blaßblauen Timbre gefärbte Innenzone. Wieder fallen vereinzelte,
abnorm große Formen mit ungleichmäßigen Polen auf, der eine Pol mehr körnchen-
förmig rundlich, der andere etwas länger, etwa ein Drittel des Gesamtstäbchens
einnehmend.
13. Bacillus proteus vulgaris ,,Til“.*) Ziemlich schlanke, kokken-
ähnliche Kurzformen, daneben einzelne, etwas längere Stäbchen. Keine Pol-
färbung (Vollstäbchen).
14. Bacillus proteus X 19 (Weil-Felix).*) Schlanke Fadenformen, zum
Teil geschwungen, daneben kürzere Stäbchen. Länge variiert von 1—3 u bis
zu 13 (x . Außerdem Stäbchen von kokkenähnlichem Typus. Die Stäbchen
durchwegs zarte, in continuo gefärbte Gebilde. Keine Polfärbung.
15. Bacterium pneumoniae Friedländer (Sammlung der Prosektur
des Franz Joseph-Spitals). 0,5—3 u lange, gleichmäßig ziemlich blaß gefärbte,
bisweilen leicht sichelförmig gekrümmte, in vereinzelten Exemplaren Andeutung
von Polfärbung mit schwächer färbbarem Innenraum aufweisende Stäbchen.
Vereinzelte, auch kokkenähnliche Formen.
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145
16. Bacillus anthracis (Sammlung der Prosektur des Franz Joseph*
Spitals). Präparat aus dem Gewebssafte von Hoden eines Versuchsmeerschwein¬
chens. 0,3 k u lange, zarte Stäbchen, teils in Gliederketten, teils ungegliedert an¬
geordnet. ‘ Keine Polfärbung. In Fuchsinpräparaten hie und da Vakuole
angedeutet.
17. Bacterium acidi lactici.*) 2—12 t u lange, ziemlich plumpe, satt
gefärbte Fäden ohne Polfärbung.
18. Bacillus subtilis.*) Gliederketten Ln oft abenteuerlich geschwungener
und netzförmig verworrener Verfilzung. Hie und da endständige Sporen, Einzel¬
individuen bis 2 fi lang, ohne Polfärbung.
19. Bacillus Megatherium.*) Plumpe, 2—3 u lange Stäbchen, oft in
Kettengliederung. Einzelne längere Exemplare bis 3,5 gx. Im allgemeinen ziem¬
lich blaß gefärbt, die Pole stärker hervortretend, jedoch nicht distinkt
darstellbar.
* „ *
#
Anhangweise sei ferner erwähnt, daß von sämtlichen untersuchten
Bouillonkulturen bzw. dem Gewebesafte der Versuchstiere Präparate
angefertigt wurden, die mittels Durchziehens durch die Flamme fixiert
und danach gefärbt wurden. Es zeigten sich in keinem Falle irgendwie
charakteristische Bilder. Die Stäbchen erschienen fast durchwegs als
Vollstäbchen, der Pleomorphismus derselben war deutlich erkennbar.
Als Stichproben seien mehrere Befunde ausführlicher angeführt.
Spenglersche Polstäbchen (4) (Fig. 8). Durchwegs plumpe, gleich¬
mäßig fingierte Stäbchen in sehr beträchtlichen Längenunterschieden, 0,3—1,5 t u,
reichlich plumpe, kokkenähnliche Rundformen, Poldarstellung nur in ganz
vereinzelten Exemplaren. Im Vergleich mit dem Bilde nach Alkohol¬
fixation ein sehr einförmiges.
Bacterium coli commune (5). Plumpe Formen mit beträchtlicher
Längendifferenz, im allgemeinen 0,3—1 u lang, einzelne 1,5 a lang. Die Lang¬
formen weisen eine meist plumpe Gestalt auf. Die Formen sind im allge¬
meinen gleichmäßig, ziemlich intensiv gefärbt, einzelne Exemplare zeigen
jedoch recht deutlich schwach gefärbte, länglich geformte Innenräume mit
stärker hervortretender Polfärbung, aber allmählicher Abnahme der
Färbungsintensität von den Polen gegen den vakuolären Innenraum.
Daneben kokkenähnliche Rundformen.
Bacterium typhi Eberth (6). Durchwegs ziemlich plumpe, intensiv
gefärbte Stäbchen mit beträchtlichen Längenunterschieden bis 3 p lang, plumpe
und zartere Formen, kokkenähnliche Ovoidformen. Hie und da schwächer ge¬
färbter Innenraum angedeutet.
# Ä #
%
Aus dem Bisherigen ergibt sich, daß zahlreiche Stämme der
Koligruppe sowie Vertreter der Typhus- und Paratyphusgruppe
sowie die untersuchten Dysenteriestäbchen die für Pest charakte¬
ristischen Bilder in Ausstrichpräparaten, die von Bouillon¬
kulturen oder von Gewebsabstrichen der Versuchstiere gewonnen
und der Alkoholfixation unterzogen worden waren, aufs deutlichste
zeigen.
Mehr minder ausgesprochen weisen auch Präparate von Bakterien aus
der Gruppe der hämorrhagischen Septikämie das Phänomen
der Polfärbung und Vakuolenbildung auf, wozu auch der Stamm
Bacterium septicaemiae haemorrhagicae Kan. gehört.
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146 Über die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw.
Bei dieser Gelegenheit sei aber ausdrücklich hervorgehoben,
daß nicht alle Stämme einer untersuchten Art die Polfärbung
in gleicher Klarheit zeigten, wie aus der Beschreibung der Präparate
der beiden Typhusstämme 6a und 6b ersichtlich ist. Auch sonst zeigten
einzelne Typhus- und Colistämme das Phänomen der Polfärbung in relativ
wenigen Exemplaren. Niemals aber war es ganz zu vermissen.
Der Umstand, daß auch Bacterium raegatherium deutliche
Polfärbung zeigt, beweist, daß die Darstellbarkeit der Polfärbung
nicht auf die Gruppe der nach Gram entfärbbaren Bakterien
beschränkt ist, sondern daß auch Vertreter nach Gram färbbarer Stäb¬
chen Poldarstellbarkeit aufweisen. Die Proteusstäbchen, Fried-
länder- und Anthraxbazillen sowie die Rotzbazillen zeigen
keine Polfärbung.
In Ausstrichpräparaten von Agarkulturen ist die Polfärbung im
allgemeinen nicht gut darstellbar, in vereinzelten Exemplaren das
Phänomen j< doch erkenntlich, im allgemeinen sind die Stäbchen beträcht¬
lich kürzer und nähern sich vielfach dem Kokkentypus. Die Anordnung
der Diploformen ist dabei recht häufig und deutet wohl auf Teilungsvor¬
gänge hin.
Wenn wir also zusammenfassen, so zeigte sich, daß bei den verschieden¬
sten Bakterienarten die Polfärbbarkeit nach vorheriger
Alkoholfixation nur bei den Exemplaren deutlich darstellbar
ist, die in flüssigen Nährböden gewachsen waren, also entweder
Bouillonkulturen oder dem Blute bzw. der Exsudatflüssigkeit eines Ver¬
suchstieres entstammten. In alkoholfixierten Strichpräparaten
von Agarkulturen ist die Polfärbung halbwegs deutlich nur in
ganz vereinzelten Exemplaren sichtbar, in vielen Exemplaren
fehlt sie vollkommen, vielfach ist sie kaum angedeutet und nur bei
schärfster Beobachtung eben noch erkenntlich. Hitzefixation eignet
sich nicht zur Darstellung der PolfärbbarJceit.
Die Darstellbarkeit der Polfärbung ist demnach, abgesehen von der
Abhängigkeit vom Wachstum im flüssigen Nährboden, durch die
Fixation bedingt. Es sind dies dieselben Bedingungen, die auch beim
Pestbazillus und bei der Pastereulla-Gruppe erforderlich sind, um, wie aus
der eingangs zitierten Literatur ersichtlich ist, die Pqle und Vakuolen
klar zur Darstellung zu bringen.
Es ergab sich sonach die naheliegende Vermutung, daß die Dar¬
stellbarkeit der Polfärbung ein Produkt der Alkoholfixation
sei, bzw. die Frage, ob nicht der Alkohol gegenüber der Hitze¬
fixation das schonendere Fixationsmittel sei, welches die morphologischen
Verhältnisse der beschriebenen Stäbchen in einer dem natürlichen Vor¬
kommen mehr entsprechenden Weise zur Darstellung bringt als erstere.
Um diese Frage der Lösung näherzubringen, war es nötig, native
Färbungen zu verwenden. Zunächst wurden Bakterienaufschwem¬
mungen im hängenden Tropfen unter Zusatz von Neutralrot untersucht.
Die Bilder waren nicht sehr charakteristisch, da die Färbung mit Neutralrot
schlecht gelingt.
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147
Von der Erwägung ausgehend, daß die Choleravibrionen nach
Signorelli^in Bouillon und Agar, welcher mit Dahlia, Erythro¬
sin oder Safranin versetzt ist, farbstoffabsorbierend wachsen, versuchte
ich diese Methode zum Zwecke nativer Färbung. Merkwürdigerweise
beobachtete Signorelli das Phänomen der Farbstoffadsorption haupt¬
sächlich makroskopisch, jedenfalls fehlen nähere Beschreibungen
des mikroskopischen Verhaltens. Es wird nur gelegentlich erwähnt,
daß sich die Vibrionen im hängenden Tropfen gefärbt erweisen. Ich kann
auf Grund meiner Befunde dieses Züchtungsverfahren als eine
wesentliche Bereicherung der nativen Färbungstechnik emp¬
fehlen. Die Polfärbung zeigt sich sowohl im hängenden Tropfen an
lebhaft beweglichen Stäbchen, als auch in luftgetrockneten Ausstrich¬
präparaten aufs deutlichste. Außerdem sieht man in überraschender
Klarheit im hängenden Tropfen mancherlei biologische Vorgänge im
Bakterienleibe, wie Auftreten von kleinsten, stark lichtbrechenden Körn¬
chen, die vom Bakterienleib förmlich ausgeschleudert werden (Plasmoptyse).
Diese Körnchen sind häufig polständig angeordnet, haben aber mit der
gleich zu beschreibenden Polfärbung als solcher nichts zu tun. Das früher
beschriebene Phänomen der Polfärbbarkeit dokumentiert sich
jedoch auch in den von Signorelli-Kulturen herstammenden Präparaten
als deutliche Farbanreicherung, entsprechend den Polen in Form
nach innen offener, sichelförmig begrenzter polarer Zonen.
Im Innern zeigen sich große, ungefärbte, ovaläre Vakuolen.
Am besten eignöt sich zu dieser Färbung das Safranin. Dahlia
hemmt in entsprechender Konzentration das Bakterienwachstum, Ery thro-
sin wieder färbt zu blaß.
Die nach Signorellis Vorschrift bereiteten Agarnährböden sind
relativ wasserreich, indem sie auf 10 ccm Agar 2 ccm je 1 proz. wässeriger
Dahlia-, Erythrosin- oder Safraninlöäung enthalten.
Zu erwähnen ist, daß das Phänomen der Polfärbung nur bei
Verwendung relativ frischer Nährböden gelingt, lange aufbe¬
wahrte und daher eingetrocknete Nährböden eignen sich, wie eigent¬
lich von vornherein zu erwarten war, nicht zu diesem Zwecke.
Von einem ähnlichen Gedanken ausgehend, hat Zikes a ) an Bierhefe,
die er in mit verschiedenen Farbstoffen versetzten Bierwürzen züchtete,
vitale Färbung studiert.
Die Präparate des Materials von Safranin-Agar-Nährböden
zeigen schönere Bilder als die in Safranin-Bouillon gezüchteten Stäb¬
chen. Auf Safranin gedeihen sämtliche untersuchten Stämme mit Aus¬
nahme von Bacterium lactis, subtilis und megatherium sehr gut. Die
Kolonien imponieren als saftige, dem Strich entsprechend üppig sich aus-
breitende Bakterienrasen, die den Farbstoff deutlich aufnehmen. Als
bemerkenswertes Ergebnis zeigte sich, daß unser Grippestäbchen
sowie das Bacjterium cholerae gallinarum Würzburg die Eigen¬
farbe des Nährbodens insofern ändert, als er entsprechend den Kolonien
1) Über die Züchtung der Choleravibrionen in gefärbten Nährböden. Zentral¬
blatt f. Bakt. 1912, Bd. 66, S. 469.
2) Zentralbl. f. Bakt. 2. Abt., Bd. 31, S. 507.
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148 Uber die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw.
(»inen deutlich fluoreszierenden, metallischen Schimmer auf¬
weist. Es wäre unter Umständen möglich, diese Eigenschaft zur Diffe¬
renzierung heranzuziehen. Hervorheben möchte ich noch, daß der Zu¬
satz von Safranin zu Agar eine scheinbar wachstumshemmende Wirkung
für verschiedene Kokkenarten bedingt.
Es folgt nun das Protokoll der Untersuchung der nativ gefärbten Aus¬
striche von auf Safranin-Agar nach Signorelli gezüchteten Bakterien.
Zur Untersuchung gelangte jede Bakterienart im hängenden Tropfen
sowie im luftgetrockeneten mit einem Tropfen physiologischer Koch¬
salzlösung angefertigten Ausstriche. Derartige Präparate lassen auch
bei monatelanger Aufbewahrung die charakteristische Polfärbung er¬
kennen.
Bacterium cholerae gallinarum Würzburg (1). Auffallender Pleo¬
morphismus. Länge 0,5—2 u. Viele Exemplare zeigen plumpe Gestalt, andere,
insbesondere ovaläre Rundiormen, typische Polfärbung. Einzelne diplo¬
kokkenartige Paare. Die Formen zeigen fast durchwegs blassen, vakuolären
Innenraum, die Pole allenthalben mehr minder deutlich tingiert.
Bacterium cholerae gallinarum Ficker (2). Ausgesprochener Pleo¬
morphismus. Länge variiert zwischen 1—3 ju, daneben ganz kurze Rundformen,
die überwiegende Mehrzahl der Exemplare weist deutliche Polfärbung mit farb¬
loser, rundlicher und länglicher, vakuolärer Innenzone auf. Mäßig zahlreiche,
kokkenähnliche Formen.
Bacterium septicaemiae haemorrhagicae Kaninchen (3). Auf¬
fälligster Pleomorphismus. Gerade Stäbchen verschiedenster Länge bis 3 p,
geschwungene und gekrümmte Formen. Einzelne Riesenexemplare betragen
bis 9 u Länge. Die Stäbchen erscheinen überwiegend als Vollstäbchen, nur ein¬
zelne Exemplare, darunter kipfelförmige Formen mit deutlicher Polstruktur.
Spenglersche Polstäbchen (4) (Fig. 9). Stäbchen im allgemeinen kurz
mit zartem, quergestelltem Innenspalt, daneben etwas längere Formen mit
deutlich ausgesprochener Polfärbung, einzelne Pole sind mehr kernig gestaltet
und gemahnen an Polkörperchen. Auch sehr kurze Rundformen zeigen deut¬
liche, querspaltförmige, farblose Innenzone und sehr deutliche Polfärbung. Ein¬
zelne lange, 10—12 p lange Fäden fallen aus dem übrigen Bilde heraus, sie zeigen
meist Andeutung stärker gefärbter Polenden und Segmentierung des Bakterien¬
körpers. Es handelt sich wohl um Involutionsformen, die unter dem Einflüsse
des wachstumshemmenden Farbstoffzusatzes zustande kommen, ähnlich wie die
Involutionsformen der Pestbazillen in stark kochsalzhaltigen Nährmedien.
Die Polfärbung ist in diesem Falle eine ganz allgemeine Erscheinung.
Bacterium coli commune (5). Ausgesprochener Pleomorphismus,
lange Formen bis 6 t u (Involutionsformen), daneben vorwiegend 1,5—2 ^ lange
Körper im allgemeinen deutlich blaßrosa gefärbt. Die Färbung nimmt aber an
Intensität deutlich und distinkt gegen die Pole hin zu, insbesondere die Formen
von etwa 1,5—2,0 t u Länge mit abgerundeten Polenden zeigen deutlichste Pol¬
färbung. Außerdem zahlreiche, zarte Stäbchen und kokkenähnliche Formen.
Bacterium paratyphi A (9) und Bacterium paratyphi B (7) zeigen
deutliche Polfärbung.
Bacterium dysenteriae Shiga-Kruse (10). Zahlreiche kurze, schlanke,
rosa gefärbte Stäbchen, einzelne distinkt gefärbt, dann Kurzstäbchen mit cha¬
rakteristischer Polfärbung und ausgesprochener typischer zentraler Vakuole.
Einzelexemplare zeigen an einem Pole distinkt gefärbte Rundkörnchen, an den
anderen zartere Färbungen. In einzelnen Exemplaren ist der Körper sehr blaß
gefärbt und die Polkörperchen scharf und distinkt hervortretend, so daß sie bei
nicht sorgfältiger Beobachtung als freiliegende Gebilde imponieren könnten. Auch
hier wieder bezüglich Gestalt und Längen Verhältnisse deutlicher Pleomorphismus.
Es zeigt also die vitale Färbung der auf Safranin-Agar nach Signo¬
relli gezüchteten Kulturen, daß die Polfärbung der Bakterien den
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149
natürlichen Bedingungen entsprechendere morphologische
Verhältnisse zeigt. Die Flammenfixation führt offenbar infolge
Röstung des Bakteriumprotoplasmas zu einer Schrumpfung
der Bakterienleiber und täuscht dann bei der üblichen Färbung mit
wässerig verdünnter alkoholischer Anilinfarblösung das Bild von Voll-
stäbchen vor. Die Alkoholbehandlung scheint hingegen die natürlichen
Verhältnisse besser zu fixieren.
Die Annahme Hutyras, daß Bakterien, die das Phänomen der
Polfärbung zeigen, aus einem gut färbbaren Plasma bestehen und
dann Substanzen ins Innere aufnehmen, welche sich gegen Anilin¬
farbstoffe refraktär verhalten, scheint, im Sinne der vorliegenden
Beobachtungen, manches für sich zu haben. —
Die auffällig plumpe, aufgeblähte Gestalt vieler polfärb¬
barer Stäbchen aus Bouillonkulturen und Blut infizierter Tiere
(Fig. 2, 3, 5, 6) gegenüber dem dürftigen, vielfach kokkenähnlichcn
Aussehen der Bakterien von festen Nährböden (Fig. 4) sowie
der Umstand, daß die Bakterien, welche in flüssigen Nährböden
oder aber auf Nährsubstraten gewachsen waren, die reichlich Flüssig¬
keit enthalten, wie tierisches Gewebe, Blut, Signorelli-Nähr-
böden usw., die Pol- und Vakuolenstruktur auch bei Nativ¬
färbung deutlich zeigten, während sich die Stäbchen, welche Kulturen
von festen Nährböden entstammen, in überwiegender Zahl als Voll-
stäbchen oder Kokkobazillen präsentieren, spricht dafür, daß die
Bakterien Flüssigkeit in ihr Inneres aufnehmen.
Zum Studium des Vorganges dieser Flüssigkeitsaufnahme
wurden, auf Anregung Hofrat Paltaufs folgende Versuche
angestellt: Je eine Öse einer 24stündigen Agarkultur vom Spenglerschen
Polstäbchen und von Bacterium coli wurde in etwa 2 ccm Bouillon aufge¬
schwemmt. Sofort nach Anfertigung dieser dichten Aufschwemmung
wurden Objektträger-Ausstrichpräparate angelegt. Sodann gelangte die
Aufschwemmung bei Zimmertemperatur oder auf Eis zur Auf¬
bewahrung, um das Wachstum der Bakterien möglichst aus¬
zuschalten. Von dieser Aufschwemmung wurden weiter Präparate in
Intervallen von je einer halben Stunde bis zum Zeitpunkte von zwei
Stunden, ferner je ein Präparat vier Stunden (Fig. 10) und je ein Präparat
24 Stunden nach ihrer Herstellung angefertigt. Diese Präparate zeig¬
ten keine wesentliche Veränderung der morphologischen
Beschaffenheit der Bakterien. Das Bild entsprach ungefähr dem
der oben beschriebenen Agar-Kulturpräparate (Fig. 4).
Zu gleicher Zeit wurden im Parallelversuche Bouillonkulturen
von beiden Stämmen angelegt, bei 37° C gezüchtet und aus diesen
jungen Kulturen in den angegebenen Intervallen Objektträger-Ausstrich-
präparate hergestellt. Die Untersuchung ergab in den Präparaten
der ersten zwei Stunden keine Differenz zwischen den Bildern
der Präparate von der bei Zimmertemperatur bzw. Eisküh-
lung^ aufbewahrten Aufschwemmung und denjenigen der
Präparate von den jungen Bouillonkulturen. Aber bereits
vier Stunden (Fig. 11) nach Überimpfung in Bouillon und
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Über die Darstellbarkeit polgcfärbter Stäbchen usw.
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Wachstum bei 37°C zeigte sich deutlich das Phänomen der
Polfärbung. Selbstverständlich war auch in den Parallelpräparaten aus
24stündiger Bouillonkultur die Polfärbung klar ausgeprägt.
Es ergibt sich somit, daß Präparate, aus Kulturaufschwemmungen
in Bouillon, die bei Zimmertemperatur oder in Eis aufbewahrt wurden,
auch 48 Stunden nach Anfertigung der Aufschwemmung keine
Polfärbung zeigen (Fig. 10), während Präparate junger, mit dieser
Aufschwemmung gleichzeitig in Bouillon angelegter, bei 37° gehal¬
tener Kulturen das Phänomen der Polfärbung in deutlich¬
ster Weise zeigen (Fig. 11).
Sucht man für den mechanischen Vorgang der zentralen Flüssig¬
keitsansammlung im Bakterienleibe eine befriedigende Erklärung, so muß
man sich vor Augen halten, daß die Physiologie der Bakterienzelle, die
seihst ein osmotisches System darstellt, von den Gesetzen der Osmose
beherrscht wird, worauf Alfred Fischer in seinen Vorlesungen über
Bakterien 1 ) ausführlich hinweist. Fischer beschreibt als plasmolysierte
Choleravibrionen und Typhusbazillen vakuolisierte Formen mit polarer
Lagerung des Protoplasten (loc. cit. S. 24, Fig. 15). Die Bilder ähneln bis zu
einem gewissen Grad den in vorliegender Mitteilung beschriebenen. Den¬
noch handelt es sich um zwei ganz verschiedene, einander entgegengesetzte
Vorgänge, die schließlich zu ähnlichen Bildern Anlaß geben. Fischer
untersucht die Bakterien von Agarkulturen im hängenden Tropfen
einer hyperosmotischen Flüssigkeit (Cholerafibrionen in l,25proz.
Kochsalzlösung, Typhusbazillen in 2,5proz. Kochsalzlösung), wobei
es zu einer Wasser entziehenden Wirkung der Kochsalzmoleküle
der Untersuchungsflüssigkeit gegenüber dem Bakterieninnern kommt.
Die Wasserentziehung führt zu einer Retraktion des Plasmas, zur Plas¬
molyse, die jedoch, wie Fischer ausdrücklich hervorhebt, fast augen¬
blicklich eintritt.
Die in der vorliegenden Mitteilung zur Beobachtung gelangenden
Vorgänge der in flüssigen Nährböden gezüchteten Kulturen — Bak¬
terien von Agarkulturen zeigen, wie wir wissen, Polfärbung kaum ange¬
deutet — spielen sich in einem beträchtlich salzärmeren Medium
ab. Die Untersuchung der von Signorelli-Nährböden lebend im hängenden
Tropfen untersuchten Bakterien geschah in einer 0,8proz. Kochsalzlösung,
die Züchtung in Bouillon in einer 0,5proz. Kochsalz enthaltenden Nähr¬
flüssigkeit, also in Medien, die gewiß nicht als hyperosmotisch anzusehen
sind. Das Phänomen der Polfärbung tritt überdies keineswegs fast
augenblicklich, sondern im Gegenteil, wie bereits erwähnt, sehr all¬
mählich auf und ist in jungen Bouillonkulturen, die zwei Stunden bei
37° gehalten worden waren, noch nicht nachweisbar. Damit steht in Über¬
einstimmung, daß Wachstumsversuche in kochsalzfreier Bouillon üppiges
Wachstum der untersuchten Stämme (Bacterium coli bzw. Speng-
lersches Polstäbchen) mit geradezu klassischer Polfärbung und Vakuolen-
bildung zeigen, wodurch bewiesen ist,daßeinevonder Salzkonzentration
abhängige, wasserentziehende Wirkung des Nährmediums für
1) Verlag von Gustav Fischer, Jena 1903.
Gck igle
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Von Dr. Emil Epstein.
151
das Zustandekommen der Polfärbung mit Sicherheit auszu¬
schließen ist. Die Tatsache, daß deutliche Polfärbung erst von der
vierten Altersstunde an zu beobachten ist, also von einem Zeitpunkte
an, in dem die Teilungs- und Wachstumsvorgänge sich bereits auf der Höhe
befinden, was auch durch die beginnende deutliche Trübung der Bouillon
angezeigt wird, spricht dafür, daß das Auftreten der Polfärbung
mit den Wachstumsvorgängen der Bakterien in einem Zu¬
sammenhänge steht und nicht das Produkt eines plasma-
schädig'enden Vorganges, der Plasmolyse, ist. Wenn man in
Betracht zieht, daß eine einmalige Teilung der Bakterien 20 bis 25 Minuten
Zeit in Anspruch nimmt, so ist der Schluß wohl berechtigt, daß nicht allein
die Teilung, sondern auch das Wachsen der Bakterien mit der Flüssigkeits¬
aufnahme in Zusammenhang steht.
Daß tatsächlich der Lebensprozeß der Teilungs- und Wachstums¬
vorgänge mit der Wasseraufnahme ins Innere des Bakterienleibes und der
dadurch veranlaßten Vakuolenbildung und polaren Plasma¬
anordnung im Zusammenhang stehen, beweist der folgende Ver¬
such: Schrägagarkulturen von Bacterium coli bzw. Spenglerschen Pol¬
stäbchen werden in 10ccm einer 0,4% formalinhaltigen Bouillon
aufgeschwemmt und nach 24stündigem Aufenthalte bei 37°C unter¬
sucht. Der niedrige Formalinzusatz wurde gewählt, um einerseits eine
Vermehrung der Bakterien während des Versuches zu verhindern, ander¬
seits eine morphologische Veränderung durch Formalinhärtung hintanzu¬
halten. Die Strichpräparate aus dieser Bouillonaufschwem¬
mung zeigten das Phänomen der Polfärbung ebensowenig
wie die Ausstriche aus nicht formalinisierter Aufschwem¬
mung, die bei Zimmertemperatur oder auf Eis aufbewahrt
waren (siehe oben). Von den formalinisierten Bouillonkulturen wurden
auf Agarplatten Strichkulturen angelegt. Die Striche zeigten nach wei¬
terem 24stündigem Aufbewahren bei 37° C keinerlei Wachstum, so daß
wohl mit Sicherheit anzunehmen ist, daß die Kulturen abgetötet
waren, somit oben erwähnte Ausstriche von Aufschwemmungen abge¬
töteter Keime herrührten.
Es ist also keineswegs Wasserentziehung, welche die Polfärbung
bedingt, sondern es scheint im Gegenteil, als ob das Bakterienplasma
in dem der Teilung folgenden Zustande relativ gesättigt, im Zustande
eines osmotischen Überdruckes, Wasser aus der umgebenden
Flüssigkeit durch die Zellmembran hindurch aufnimmt.
Der Einteilung der Bakterien durch Fischer in eine Gruppe mit einer
für gelöste Stoffe (Salze, Zucker usw.) permeablen (Repräsentant:
Bacillus anthracis) und eine Gruppe mit einer für gelöste Stoffe im¬
permeablen Membran (Repräsentant: Choleravibrio, Coligruppe) kann
auf Grund der vorliegenden Untersuchung beigepflichtet werden, nur mit
Betonung des Standpunktes, daß die impermeable Membran nicht nur
die Bedingung für Wasserabgabe des. Bakterienleibes bei
osmotischem Überdrucke der Außenflüssigkeit darstellt, son¬
dern auch die Bedingung für Wasseraufnahme bei osmotischem
Überdruck des Baktericnplamas. Die in vorliegender Mit-
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152
Über die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw.
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teilung beschriebene Polfärbung im alkoholfixierten Prä¬
parate des Kulturausstriches von flüssigen Nährböden hat
mit Plasmolyse nichts zu tun, sondern ist der Effekt von
Wasseraufnahme ins Innere des Bakterienleibes.
Somit scheint uns auch die Ansicht Gottschlichs, daß ausschlie߬
lich plasmolytische Vorgänge die Polfärbung verursachen, nicht gerecht¬
fertigt.
Die Flüssigkeitsaufnahme ins Innere des Bakterienleibes entspricht
nicht etwa einem plötzlichen Flüssigkeitseinbruche, sondern
einem allmählichen Vorgang, der etwa einem physiologischen
Zwecke, der Aufnahme von Flüssigkeit zu Ernährungs¬
zwecken, dienen könnte. Das Vorhandensein von reichlicher
Nährflüssigkeit begünstigt bekanntlich die Teilungsvorgänge
bzw. das Wachstum der Bakterien in besonderem Maße und dir*
Bakterien scheinen gerade in diesem Stadium Nährflüssigkeit
begierig ai^fzunehmen.
Wenn wir nach Zettnow 1 ) und Feinsberg 2 ) annehmen, daß der
Zentralkörper des Bakterienleibes aus einer schwach färbbaren Gerüst¬
substanz von wabigem Bau und einer den Farbstoff stark aufnehmenden
chromatinähnlichen Substanz zusammengesetzt ist, welcher in den Maschen
dieser Gerüstsubstanz liegt, so ist die Vorstellung naheliegend, daß die durch
osmotische Wirkungen eindringende Flüssigkeit die färbbaren Bestantteile
aus dem zentralen Maschenwerk verdrängt, sie polarwärts treibt und sich
selbst zentral ansammelt. Die schlecht färbbare Gerüstsubstanz bleibt
zurück und nimmt die gelegentlich zu beobachtende blaßblaue Tinktion an.
Die Polarfärbbarkeit scheint demnach als Ausdruck erhöhter
Vitalität an die Teilungs- bzw. Wachstumsvorgänge der Bak¬
terien gebunden zu sein.
Schlußsätze.
t. Die Polfärbung der Bakterien ist keine auf bestimmte
Bakterienarten (Pestbazillen, Pasteurellagruppe) beschränkte
Eigenschaft. Sie ist vielmehr eine ziemlich allgemein darstell¬
bare morphologische Eigentümlichkeit der verschiedensten
Stäbchenarten, der keine differentialdiagnostische Bedeutung zukommt.
2. Die übliche Hitzefixation mittels Durchziehens durch
die Flamme schädigt bzw. zerstört die Polfärbbarkeit
der Bakterienarten meist vollständig. Die Alkoholfixation
hingegen konserviert sie.
3. Die Polfärbung nach Alkoholfixation ist aber kein Arte-'
fakt, sondern gibt Bilder, die den natürlichen morphologischen
Verhältnissen entsprechen.
4. Native Färbungen an Stämmen, die auf Agarnährböden
gewachsen sind, die mit wässeriger Safraninlösung gefärbt und relativ
1) Zeitschr. f. Hyg. 1897, Bd. 24; 1899, Bd. 30.
2) Zentralbl. f. Bakt. 1909, I. Abt., Bd. 27, S. 417.
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r' r
Von Dr. Emil Epstein. 153
flüssigkeitsreich sind, zeigen, daß die natürliche Gestalt der die Pol¬
färbung gebenden Bakterienarten der pestbazillenähnliche
Typ us des Polstäbchens ist.
5. Vorbedingung des Gelingens einer das mikroskopische
Bild beherrschenden, deutlich ausgeprägten Polfärbung ist
das Wachstum der Bakterien in flüssigen Nährböden, wie es
auch das strömende Blut oder die Exsudatflüssigkeit des Trägers dar¬
stellt oder das Wachstum auf reichlich Flüssigkeit enthaltenden
festen Nährböden und in dem vom Gewebesafte durchtränkten
menschlichen oder tierischen Gewebe. Auf festen Nährböden
gezüchtete Stämme zeigen das Phänomen der Polfärbung vielfach
nur angedeutet, fast durchwegs aber undeutlich, keineswegs
aber allgemein, sondern Ar auf einen Teil der Exemplare
beschränkt.
6. Die Polfärbung scheint als Ausdruck erhöhter Vitalität
an die Teilungs- bzw. Wachstums Vorgänge der Bakterien
gebunden zu sein. Sie kommt durch Aufnahme von Flüssigkeit
ins Innere des Bakterienleibes zustande und hat mit dem durch Wasser-
entziehung verursachten, als Plasmolyse beschriebenen Vorgänge
nichts gemein.
. * * *
Für die sachliche Förderung der vorliegenden Arbeit bin ich den
Herren Professor Dr. Oskar Stoerk und Hofrat Professor Dr. Richard
Pal tauf in Wien zu großem Danke verpflichtet.
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Co gle
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154
Über die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw.
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Legende zur Tafel.
Die Figuren stellen die Gegenstände in lOOOfacher Vergrößerung dar.
Für die mikroskopische Beobachtung zur Anfertigung der Bilder diente das
homogene Immersionsobjektiv Brennweite 1/12, numerische Apertur 1,4 mit dem
Kompensationsokular Nr. 8, als Lichtquelle wurde das direkte Tageslicht benutzt.
Fig. 1. Ausstrichpräparat aus 24stündiger Bouillonkultur vom Stamme B.
cholerae gallinarum „Würzburg“ (Alkoholfixation, Methylenblau -
färbung). ^
„ 2. Ausstrichpräparat aus älterer Bouillonkultur] des „Spengler’schen
Polstäbchens (Alkoholfixation, Methylenblaufärbung).
„ 3. Ausstrichpräparat aus dem Herzblute eines mit „Polstäbchen“ ge¬
impften Meerschweinchens (Giemsafärbung).
,, 4. Ausstrichpräparat aus 24stündiger Agarkultur des „Spengler’schen
Polstäbchens“ (1/10 Öse verstrichen in 1 Tröpfchen physiologischer
Kochsalzlösung, Alkoholfixation, Methylenblaufärbung).
„ 5. Ausstrichpräparat aus 24 ständiger Bouillonkultur vom Stamm Bacterium
coli commune „30“ (Alkoholfixation, Methylenblaufärbung).
,, 6. Ausstrichpräparat aus dem Herzblute eines mit Stamm „Bacterium
coli commune 30“ geimpften Meerschweinchens (Giemsafärbung).
„ 7. Ausstrichpräparat aus 24stündiger Bouillonkultur vom Stamm Bac¬
terium typhi Eberth (Alkoholfixation, Methylenblaufärbung).
,, 8. Ausstrichpräparat aus 24stündiger Bouillonkultur vom Spengler‘schen
„Polstäbchen“ (Hitzefixation).
„ 9. Präparat des luftgetrockneten Ausstriches eines auf Safraninagar nach
Signorelli gezüchteten Stammes vom „Spengler’schen Polstäbchen“
(vitale Färbung, unfixiert).
„ 10. Ausstrichpräparat aus Aufschwemmung einer 4 Stunden bei Zimmer¬
temperatur oder auf Eis gehaltenen Agarkultur (10 ccm Agarkultur in
2 ccm Bouillon) vom Stamme: „Spengler’sches Polstäbchen“.
,, 11. Ausstrichpräparat aus Kulturbouillon desselben Stammes, gewachsen
bei 37°, 4 Stunden nach Überimpfung.
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Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira und
die Resistenz des Hfthnerpestyirns gegen zellschüdigende
Einflüsse (Gerbstoffe, Oligodynamie).
Von
Paal Schweizer.
(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Basel. Vorsteher: Professor
R. D o e r r.)
(Bel der Redaktion ela (egen gen am 28. Februar 1921.)
Zur experimentellen Bearbeitung allgemeiner Probleme, welche die
Natur und die Eigenschaften der sog. ultramikroskopischen Krankheits¬
erreger oder, richtiger ausgedrUckt, der mikroskopisch noch nicht erfaßten
Infektionsstoffe betreffen, pflegt man fast ausschließlich das Virus der
Hühnerpest zu verwenden, weil dasselbe eine ganze Reihe wertvoller
versuchstechnischer Vorzüge in sich vereint, die gerade in dieser Gruppe
der Kontagien zu den Seltenheiten gehören. Die Erregerelemente treten
nicht nur in Zellen sondern überwiegend frei in den Körperflüssigkeiten
(im Plasma resp. im Serum, im Perikardial- und Peritonealexsudat) auf
und finden sich in diesen Substraten bei akutem Krankheitsverlauf kon¬
stant und meist auch in beträchtlichen Mengen; ihre Verteilung im Serum
oder im infektiösen Exsudat muß den Charakter einer homogenen und sehr
stabilen Suspension haben, da sich andernfalls die außerordentlich exakte
Dosierbarkeit, wie sie z. B. in den Versuchen von Ruß oder von Doerr
und R. Pick zutage tritt, kaum erklären ließe. Diese Dosierbarkeit,
welche sehr feine Abstufungen des inokulierten Infektionsstoffes gestattet,
hängt aber natürlich nicht nur vom injizierten Material i sondern auch von
der Empfänglichkeit des Versuchstieres ab; je allgemeiner und je hoch¬
gradiger die Empfänglichkeit ist, desto günstiger und eindeutiger gestalten
sich die Bedingungen des Experimentes und werden schließlich optimal,
wenn sich die Verhältnisse der bei mikroskopischen Krankheitserregern
beobachteten „Einkeimdisposition“ nähern. Es scheint nun keinem Zweifel
zu unterliegen, daß die im Handel Mitteleuropas gangbaren Hühnerrassen
für die künstliche Infektion durch intramuskuläre Einspritzung von
Hühnerpestvirus in hohem Maße und ohne individuelle Ausnahmen dispo-
ArcUv fflr Hygiene. Bd. 90. 11
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156 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw.
niert sind, vorausgesetzt, daß man von einem hochvirulenten Hühner¬
peststamm ausgeht. Weder Doerr und R. Pick noch ich selbst konnten
feststellen, daß einzelne Exemplare im Sinne einer angeborenen Resistenz
völlig refraktär waren, oder daß im Reihenversuch mit fallenden Mengen
eines virushaltigen Substrates das mit der größten Dosis infizierte Huhn
gesund blieb und überlebte, während das mit der kleineren Quantität
inokulierte an Hühnerpest erkrankte und einging. Bei gegenteiligen An¬
gaben, denen man in der umfangreichen Literatur über Hühnerpest wohl
nur ganz vereinzelt (z. B. bei Mrowka) begegnet, erscheint die Annahme
einer angeborenen individuellen oder durch die Rasse bedingte Resistenz
weit weniger plausibel als der Gedanke an eine vorausgegangene Verseu¬
chung der nicht reagierenden Tiere. Es ist ja seit Ostertag und Wolff-
hügel bekannt und durch die neueren Erfahrungen von Erdmann be¬
stätigt, daß die spontane Erkrankung nicht imitier letal verläuft, sondern
speziell bei jüngeren Hühnern in Genesung übergehen kann und daß in
solchen Fällen eine absolute Immunität zurückbleibt, die auch der will¬
kürlichen Infektion mit massiven Dosen virushaltigen Materials standhält.
In Gegenden, in welchen die Hühnerpest en- oder epizootisch herrscht,
muß man diese Eventualität im Auge behalten; jedenfalls würde ein
ungesetzmäßiges Verhalten der Hühner gegen die künstliche Infektion,
auch wenn es nicht allzu frequent wäre, das Arbeiten mit diesem Virus
sehr erschweren und die Deutung der Ergebnisse auch dann unsicher
machen, wenn man die Zahl der gleichartigen Einzelversuche erheblich
vermehrt. Das trifft aber — wie erwähnt — für die meisten Länder nicht zu;
vielmehr ist die Infektiosität des Hühnerpestvirus auch in quantitativer
Beziehung für das Huhn so konstant, als das prinzipielle Untersuchungen
über Infektionsstoffe erheischen, für deren Nachweis als einziges Reagens
eben nur die Infektiosität zu Gebote steht.
Es sind aber nicht nur versuchstechnische Motive, welche die Wahl
des Hühnerpest virus für die Entscheidung allgemeinerer Fragestellungen
rechtfertigen. Mit gewissen selbstverständlichen Einschränkungen darf
man diesen Infektionsstoff wohl für einen charakteristischen Repräsen¬
tanten der ganzen Gruppe der mikroskopisch nicht erfaßten oder vielleicht
de facto nicht erfaßbaren Krankheitskeime erklären. Manche Eigen¬
schaften wie z. B. die Widerstandsfähigkeit gegen Glyzerin, die Fähigkeit,
in manchen Geweben die Entwicklung eigentümlicher Reaktionsprodukte
zu veranlassen usw., teilt er mit andern Vira dieser Kategorie, und in einer
Hinsicht ist er ihnen sogar überlegen: in bezug auf seine Filtrierbarkeit.
Man legt allerdings gerade auf das letztgenannte Kriterium immer weniger
Gewicht, v. Esmarch, Borrel, Rosenthal, Schmidt, Hofstädter,
Marchoux, Bigelow, Doerr u. v. a. haben gezeigt, daß sich die ver¬
schiedenen Filtertypen nicht eignen, um die Größe von Mikroben auch nur
mit approximativer Genauigkeit zu bestimmen und daß insbesondere
die Filtrierbarkeit durch „bakteriendichtes“ Filtermaterial keineswegs
die Aussage gestattet, daß die passierenden Mikroben submikroskopische
Dimensionen haben müssen. Zu diesem Schlüsse, den übrigens schon Borrel
im Jahre 1903 klar formuliert hat, gelangt auch neuerdings W. Frei,
der die physikalische Chemie des Filtrationsprozesses auf Grund der be-
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Von Dr. med. Paul Schweizer.
157
reits vorliegenden Forschungsresultate und gestützt auf theoretische Be¬
trachtungen eingehend erörtert und nachweist, daß man es hier mit einem
äußerst komplexen Vorgang zu tun hat, der von zahlreichen, sich in unbe¬
rechenbarerweise kombinierenden Faktoren beeinflußt wird. Wie sehr
man Täuschungen unterworfen ist, wenn man der Filtrierbarkeit von In¬
fektionsstoffen zu große Bedeutung beimißt, kann man aus der jüngsten
Peripetie der Lehre von der Gelbfieber-Ätiologie ersehen. Hier galt der
submikroskopische Charakter des Erregers als gesichert, da sich die mit
Berkefeld- oder dichten Chamberlandkerzen erzielten Filtrate als
pathogen erwiesen (Francis und Beyer); nach den Arbeiten von Noguchi
ist es aber sehr wahrscheinlich, daß das Gelbfieber durch die Leptospira
icteroides hervorgerufen wird, die im gefärbten Präparat (Giemsa, Fon¬
tana) oder im Dunkelfeld ohne weiteres sichtbar ist. Die Leptospira
icteroides ist 4 bis 9 [i lang, aber nur 0,2 fi breit und an ihren beiden Enden
zu Spitzen von extremer Feinheit verjüngt, eine Gestalt, die ihr offenbar
trotz der mikroskopischeh Länge das Durchschlüpfen durch enge Filter¬
poren, von dem sich auch Noguchi überzeugen konnte, erlaubt.
Wenn sich jedoch auch die Größenverhältnisse der Mikroben durch
die Filtration nicht genau bestimmen lassen, so kann man doch mit Hilfe
dieses Verfahrens grobe Unterschiede der Dimensionen sehr wohl ermit¬
teln, speziell wenn man die Porenweite und damit die Permeabilität durch
Anwendung der Bechholdschen Ultrafiltration noch weiter herab¬
setzt. Und da muß entschieden zugegeben werden, daß die Filtrabilität
des Hühnerpestvirus, soweit bekannt, ein Maximum darstellt. Schon
Rosenthal vermochte kein poröses Filter zu ermitteln, welche dieses
Virus- immer vollständig zurückhielt, obwohl begreiflicherweise eine Re¬
duktion der Infektiosität (Keimverminderung) eintrat, die sich bei manchen
Filtersorten bis auf 0,1 °/ 00 steigerte. Erst v. Provazek war imstande,
Hühnerpestelemente von der Suspensionsflüssigkeit durch Filtration
vollkommen abzusondern, als er zu diesem Zwecke 3% Agarfilter, also
Ultrafilter aus Kolloidgelen, verwendete. Andriewsky ging auf diesem
Wege noch einen Schritt weiter, indem er die Porosität der Ultrafilter
ahzustufen suchte. In Anlehnung an Bechholds Methodik tränkte er
Filterpapier mit 3, 4, 5, 6, 7 und 8% Eisessigkollodium und preßte durch
diese Kollodiummembranen Hühnerpestserum, welches 15- bis 20fach
mit physiologischer NaCl-Lösung verdünnt und mit einer lproz. Lösung
von Hämoglobin versetzt war.. Es stellte sich heraus, daß die mit dem
3proz. Kollodiumfilter gewonnenen Filtrate (in der Menge von 5 cm 3
injiziertI) für Hühner virulent waren, obwohl sie kein Hämoglobin, son¬
dern nur die Proteine des Hühnerserums enthielten. 4- und 5proz. Kollo¬
diumfilter, welche schon den Hauptbestandteil der Serumproteine zurück¬
hielten, gaben noch immer ein infektiöses Filtrat (geprüfte Dosis = 2 cm 3 )
und erst die 6- bis 8proz. Membranen, welche nicht einmal mehr den spur¬
weisen »Durchtritt von Serumglobulin und Serumalbumin gestatten, er¬
wiesen sich für die Hühnerpestelemente als impermeabel. Andriewsky
folgert hieraus, daß das „Kolloid des Hühnerpest virus“ aus Mizellen be¬
stehen müsse, welche kleiner sind als die Moleküle des Hämoglobins, d. h.
kleiner als 2,3 bis 2,5 ju. Dagegen kann indessen mancherlei geltend ge¬
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158 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw.
macht werden, vor allem der Umstand, daß die Reaktionen, mit denen die
Existenz des Testkolloides einerseits, jene des Virus anderseits im Filtrate
nachgewiesen wird, einen sehr verschiedenen Feinheitsgrad besitzen. Ein
einziges Erregerelement, welches das Filter passiert, kann, selbst wenn es
in mehreren cm 8 Filtrat allein vorkommt, durch den Infektionsversuch
an dem so empfindlichen Huhn festgestellt werden, während die opti¬
schen Proben auf Hb und die chemischen auf Eiweiß bei fortschreitender
Verdünnung ihrer Lösungen bald versagen. Eine vorübergehende Gelegen¬
heit zum Durchtritt vereinzelter Erregerteilchen, die dann sistiert, er¬
scheint aber durch den Beginn der Filtration (beim Ultrafilter durch das
Einschalten des Druckes mehrerer Atmosphären) gegeben; später ver¬
legen sich die spärlichen Poren von weiterem Kaliber durch Verschlammung
mit den Kolloiden des Filtrans und die transitorische Phase initialer
Durchlässigkeit, genügt zwar für die Passage einer nachweisbaren Zahl von
Hühnerpestkeimen, nicht aber für den Durchtritt einer qualitativ fest¬
stellbaren Menge von Hb- oder Eiweißmolekülen bzw. Molekülaggre¬
gaten. Aber so viel darf man doch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
annehmen, daß die Hühnerpest keime tatsächüch sehr geringe Ausmessun¬
gen besitzen, und daß sich daher bei ihnen jene Eigenschaften, die sich als
rein physikalische Konsequenzen der minmalen Dimension und des Mi߬
verhältnisses der Oberfläche zum Volumen und zum Gewicht ergeben müs¬
sen, in besonders ausgeprägter Form vorfinden werden.
So ist das Hühnerpestvirus stets das experimentelle Paradigma der
„infravisiblen“ und der „filtrierbaren“ Krankheitserreger geblieben und
wurde naturgemäß auch herangezogen, um Beweise für die Existenz
unbelebter Infektionsstoffe zu erbringen. Diese Theorie war ja von
vornherein auf ein Gebiet verwiesen, auf welchem sie nicht durch die direkte
Beobachtung lebender Zellen als notwendiger Träger der Infektiosität
widerlegt werden konnte; hier scheint sie aber Raum zu gewinnen und ist
durch Versuche gestützt worden, welche eine glatte diskussionslose Ab¬
lehnung nicht mehr angezeigt erscheinen lassen. Es ist hier nicht der Ort,
um diese Frage in ihrer Totalität aufzurollen und kritisch zu beleuchten;
es mag genügen, wenn wir auf die Arbeiten über die infektiöse Anämie
der Pferde (K. und R. Seyderhelm, van Es und Schalk, Klempin,
Wirth u. a.), über die Mosaikkrankheit des Tabaks (Beijerinck, Iwa-
nowsky, Hunger) und speziell auf die interessanten, den medizinischen
Forschern viel zu wenig bekannten Untersuchungen über die infektiöse
Panaehierung der Malvaceen (Erwin Baur) verweisen. Eingehender
sollen in dieser Mitteilung nur jene Publikationen besprochen werden,
in welchen das Hühnerpest virus als unbelebte Substanz hingestellt wird,
vor allem eine Veröffentlichung von Mrowka. Mrowka hält das Virus
der Hühnerpest für eine eigenartige Modifikation des Serumglobulins des
Hühnerplasmas, welches gleich seiner Muttersubstanz aus dem Sol- in
den Gel-Zustand übergeführt d. h. ausgeflockt werden kann; das virulente
Globulingel ist reversibel und in Anbetracht seiner unbegrenzten Übertrag¬
barkeit von Huhn zu Huhn vermehrungsfähig, was wohl so verstanden wer¬
den soll, daß das virulente Globulin die Kraft besitzt, die Globuline ge¬
sunder Hühner in die pathogene Variante umzusetzen. Die experimentellen
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Von Dr. med. Paul Schweizer. 159
Tatsachen, auf welche Mrowka diese Auffassung basiert, laufen haupt¬
sächlich auf das Grundphänomen hinaus, daß das Virus mit den Globulinen
der eiweißhaltigen infektiösen Körperflüssigkeiten sehr enge, fast untrenn¬
bar verkettet erschien, daß es durch Tannin, Ammonsulfat, Dialyse gleich¬
zeitig mit den Globulinen gefällt wurde, in den Niederschlägen durch
den Tierversuch nachweisbar blieb und aus ihnen durch Auswaschen
nicht wieder in Freiheit gesetzt werden konnte. Zu gleichen Ergebnissen
gelangte Sangiorgi bei analogen Experimenten mit dem Virus der von
de Gasperi und Sangiorgi beschriebenen Meerschweinchenpest; er
fällte die virulenten Blutsera infizierter Meerschweinchen mit kolloidalem
Eisenhydrat oder durch C0 2 , fand die überstehenden Flüssigkeiten apa-
thogen, die abzentrifugierten Niederschläge hochinfektiös und vermochte
ebensowenig wie Mrowka den Infektionsstoff durch Waschprozeduren
vom Eiweißpräzipitat zu isolieren. In der Erklärung der Beobachtung
weicht jedoch Sangiorgi voa Mrowka ab und hält die mechanische Ad¬
häsion des Virus an die Eiweißsubstanz für wahrscheinlicher als die Annahme
einer kolloidal gelösten, nicht organisierten Virusform. Die Hühnerpest¬
versuche nahm dann S. Miyaji unter Leitung von Provazek wieder
auf, bestätigte die restlose Ausflockbarkeit dieses Virus mit Tannin, war
dagegen nicht imstande, infektiöse Hühnerserum Verdünnungen dadurch
avirulent zu machen, daß er sie nach Rossi enteiweißte (wiederholtes Ein¬
frieren und Zentrifugieren in gefrorenem Zustande) oder in ihnen durch
Zusatz eines Antihühnerkaninchenserums eine spezifische Immunpräzi¬
pitation hervorrief. In parenthesi bemerkt, war die letzterwähnte Ver¬
suchsanordnung nicht gerade als rationell zu bezeichnen. Bekanntlich be¬
stehen die Präzipitate, welche sich beim Vermengen von Präzipitinogen
und zugehörigem Präzipitin bilden, nicht oder nur zum allergeringsten
Teile aus dem Eiweiß der Antigenlösung, sondern der Hauptsache nach
aus den Globulinen des Immunserums. (E. P. Pick, Moll, Welsh und
Chapman, Calmette und Massol, Doerr und Moldovan, P. Hirsch
und K. Langenstraß). Nach dem Schema von Miyaji geht daher
vorwiegend Kanincheneiweiß in den Niederschlag ein, so daß die Virus¬
elemente des Hühnerserums höchstens passiv mitgerissen werden können.
Denkt man aber an irgendeinen besonderen Konnex der Virusteilchen
mit dem Hühnerglobulin, so müßte man trachten, gerade dieses auszuflocken
und in folgender Art Vorgehen: man würde zunächst Hühner mit Kaninchen¬
serum immunisieren, bis in ihrem Serum Präzipitine festgestellt werden
können; dann wären diese Hühner zu infizieren und die infektiösen Sera
derselben durch Antigenzusatz (d. h. durch verdünntes Kaninchenserum)
zu fällen. Diese Methode dürfte in mehrfacher Beziehung Aufschlüsse
bringen; über ihre Ergebnisse soll demnächst berichtet werden.
Vorerst schien es angezeigt, die Bedingungen einer optimalen Fällung
von verdünnten Serumlösungen durch Tannin festzustellen. Aus älteren
und neueren Angaben (vgl. u. a. auch T. Sollmann) war der maßgebende
Einfluß der H-Ionenkonzentration und — falls dieser Faktor als annähernd
konstant betrachtet werden durfte — die dominierende Wirkung des
gegenseitigen Mengen- resp. Konzentrationsverhältnisses, der beiden
Reaktionskomponenten (Tannin und Serumeiweiß) zu entnehmen. Ein
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160 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw.
relativer Überschuß von Tannin oder von Serum hemmt die Flockung
oder verhindert sie völlig; bereits entstandene Präzipitate lösen sich in
nachträglich zugesetzten größeren Serummengen wieder auf.
1. Versuch.
Zu steigenden Mengen Ziegenserum wurden steigende Mengen Tannin zu¬
gesetzt. Das Reaktionsvolumen betrug in jeder Eprouvette 3 cm 3 . Als Ver¬
dünnungsflüssigkeit diente 0,85proz. NaCl-Lösung.
T =*Trübung, Sp.T. = Spur Trübung, *** = Niederschlag ohne Klärung,
**** = Niederschlag mit völliger Klärung der überstehenden Flüssigkeit.
Menge des
4
Menge des
Ziegenserums
Tannins
Resultat
Ziegenserums
Tannins
Resultat
cm 1
g
cm»
g
0,02
0,0005
****
0,2
0,0005
—
0,02
0,001
****
0,2
0,001
—
0,02
0,002
0,2
0,002
Sp.T.
0,02
0,003
****
0,2
0,003
T
0,02
0,004
•***
0,2
0,004
***
0,02
0,005
♦***
0,2
0,005
**♦*
0,02
0,01
*•**
0,4
0,003
T
0,02
0,05
****
0,4
0,004
***
0,02
0,1
****
0,4
0,005
*•*
0,1
0,0005
T
0,4
0,006
***
0,1
0,001
T
0,4
0,008
***
0,1
0,002
***
0,4
0,01
***
0,1
0,003
****
0,4
0,05
****
0,4
0,1
*♦**
Mit 0,02 cm 3 Ziegenserum (3 cm 3 Reaktionsvolum) geben also alle
Werte von 0,0005 bis 0,1 g Tannin eine massige Fällung mit völliger Klä¬
rung der überstehenden Flüssigkeit, mit 0,1 cm 8 erst Mengen von 0,003 g
aufwärts, mit 0,2 cm 8 solche von 0,005 g und mit 0,4 cm 8 erst 0,05 g Tannin
oder mehr.
Es ist nun klar, daß die Masse des Niederschlages in erster Linie be¬
stimmen wird, in welchem Umfange die in einer Serumeiweißlösung suspen¬
dierten Mikroben bei der Ausflockung vom Eiweißkoagel umhüllt und zu
Boden gerissen werden. Das läßt sich leicht demonstrieren, wenn man eine
Suspension bekannter Bakterien in verdünntem Serum durch steigende
Tanninkonzentrationen ausfällt und die Zahl der Bakterien vor Zusatz
des Tannins und nach eingetretener Flockung und Abzentrifugieren des
Koagels ermittelt.
2. Versuch*
Jedes Röhrchen enthielt 10 cm* lOfach verdünntes Ziegenserum, ein gewisses
Quantum Tanninlösung und so viel 0,85 proz. Na CI, daß aas Reaktionsvolumen
14 cm* betrug. Eine Kontrolle bestand nur aus 10 cm 8 Vio Ziegenserum und
4 cm* 0,85 proz. Na CI-Lösung. Vor dem Tanninzusatze kam in jedes Röhrchen
0,1 cm 8 einer Emulsion von Kolibazillen (hergestellt aus 16stündiger Schräg¬
agarkultur). Nach Eintritt der Fällung und Zentrifugierung wurde mit je 0,5 cm*
der überstehenden Flüssigkeiten und 0,5 cm 8 der Kontrolle eine Agarplatte
gegossen und die Zahl der Kolonien nach 24stündiger Bebrütung festgestellt.
Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. med. Paul Schweizer. 161
Menge des Tannins Zahl f" c K m °. lonien
Menge des Tannins
Zahl der Kolonien
im cm*
0,000 (Kontrolle)
270000
0,05 g
13000
0,01 g
130000
0,075 g
700
0,02 g
33000
0,1 g
450
0,025 g
20000
0,2 g
300
Unter den gewählten Versuchsbedingungen war daher die Keimreduktion
nach der Flockung mit 0,1 bis 0,2 g Tannin maximal, etwa 430 mal größer als
nach Zusatz einer 10 bis 20mal geringeren Tanninmenge; von dem ursprünglichen
Keimgehalt der Aufschwemmung blieben nur 0,11% in dej* überstehenden Flüssig¬
keit, der Rest war im Niederschlag vorhanden, und zwar in lebendem und ver¬
mehrungsfähigem Zustande. Wurde nämlich das Präzipitat aufgewirbelt und
möglichst gleichmäßig im Reaktionsvolumen verteilt, so lieferte die Aussaat
von Proben Keimzahlen, welche jenen der Kontrolle mindestens gleich kamen;
in der Regel waren sie jedoch bedeutend höher (siehe Versuch 3), was auf doppelte
Weise zu erklären war. Zunächst dadurch, daß die zur Aussaat bestimmten
Quantitäten der gefällten und wiederaufgewirbelten Suspensionen mit der
Pipette aufgesaugt und in den flüssigen Nährboden übertragen wurden, wobei
die stark bakterienhaltigen feinen Eiweißflocken entweder leichter in die Pipette
einströmten als die Flüssigkeit oder in der Pipette rasch nach abwärts sanken,
so daß der Bakteriengehalt der ausgesäten Mengen nicht dem der frisch aufge¬
wirbelten Suspensionen entsprach. Zweitens kam die Bakterizidie der verwende¬
ten meist nicht inaktivierten Sera in Betracht, die sich nur in der Kontrolle gel¬
tend machen konnte, nicht aber in den mit Tannin versetzten Röhrchen, da die
bakteriziden Stoffe unmittelbar nach dem Zusatz von Bakterien durch die starke
Eiweißflockung unwirksam gemacht werden müßten. Wurde neben einer Bak¬
teriensuspension in Serum eine Aufschwemmung in reiner Kochsalzlösung als
zweite Kontrolle angesetzt, so ergaben sich für letztere bisweilen Keimzahlen,
welche mit jenen der ausgefällten und wiederaufgewirbelten Suspensionen gut
harmonierten (siehe Versuch 7). Doch konnte die Bakterizidie der Normalsera
nicht überall beschuldigt werden, da viele Serumproben zwar nicht durch Hitze
inaktiviert, wohl aber lange abgelagert und alexinfrei waren.
Eine vollständige Entkeimung der überstehenden Flüssigkeiten fand
im zweiten Versuch nicht statt. Da hierin ein sichtlicher Widerspruch
zu den Angaben von Mrowka und Miyaji und unseren eigenen, später
mitzuteilenden Erfahrungen lag, denen zufolge Hühnerpestvirus aus viru¬
lentem Serum durch Tanninfällung komplett ausgeflockt werden kann,
war die Vermutung gerechtfertigt, daß vielleicht Größe, 'Gestalt und Be¬
geißelung der Mikroben oder die Viskosität ihrer Oberflächen Einfluß
haben dürften. Es wurde daher der zweite Versuch mit B. coli (begeißelt),
mit Staphylokokken, unversporten Anthraxbazillen und Bazillus Fried-
länder (schleimige Hülle) nochmals angesetzt.
•
3« Versuch.
Jede Eprouvette enthielt 10 cm 3 lOfach verdünnten Ziegenserums, 0,05 g
Tannin (1 cm 3 einer 5proz. Lösung) und je 0,1 cm 3 einer Bakteriensuspension
(hergestellt aus 16stündiger Schrägagarkultur). — Kontrollen mit 1 cm 8 0,85proz.
Na Gl-Lösung an Stelle der Tanninsolution.
Bakterienzahl im cm*
Keimreduktion
Zugesetzte
der
der übersteh.
nach dem Auf¬
durch die Tannin¬
Bakterienart
Kontrolle
Flüssigkeit nach
wirbeln des
flockung in •/•
d. Tanninflockung
Präzipitates
der Kontrolle
B. Friedländer
600000
300
1800000
0,05
B. anthracis
100000
100
125000
0,1
Staphylokokken
500000
1500
4400000
0,3
B. coü
300000
1000
1500000
0,33
Difitized
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
162
Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Yira usw.
Difitized by
Die Differenzen waren somit — bei Organismen von mikroskopischer
Größenordnung — nicht sehr erheblich und erwiesen sich überdies bei
Änderungen der Flockungsverhältnisse nicht als konstant. So wurden
bei einer analogen Versuchsanordnung mit 0,02 g Tannin nur die Anthrax-
bazillen relativ stark ausgeflockt (bis auf 0,2%) während sich die Zahlen der
Friedländerstäbchen nur auf 15%, jene der Staphylokokken auf 6% und
jene der Kolibakterien auf 9% reduzieren ließen. Vor allem aber kam
es nicht zu einer effektiven Sterilisation der überstehenden
Flüssigkeiten durch Erzeugung starker Niederschläge, man
mochte nun dieses oder jenes Bakterium verwenden.
Eine größere und unter verschiedenen Fäl^ungsbedingungen zutage
tretende Rolle spielt die Art des Serums, in welchem die Mikroben
suspendiert werden, ln Pferde- oder Ziegenserum z. B. ist die Ent¬
keimung bei der Flockung mit niederen Tanninkonzentrationen weit voll¬
ständiger als im Kaninchen- oder Meerschweinchenserum und da die beiden
letzgenannten Serumarten auch eiweißärmer sind, daher auch weniger
mächtige Niederschläge liefern, so dürfte darin eine Ursache der beobachte¬
ten Unterschiede liegen. Es scheint aber noch ein zweiter Faktor zu inter¬
venieren, da sich mit steigender Tanninmenge die Differenzen zwischen
Meerschweinchen- und Pferdeserum ausgleichen, während die Entkeimung
im.Kaninchenserum dauernd unvollständig bleibt; möglicherweise kommt
die verschiedene Klebrigkeit der entstehenden Präzipitate in Betracht.
Hühnerserum entspricht in seinem Verhalten jedenfalls mehr dem Pferde¬
ais dem Kaninchenserum, was im Hinblick auf die Ergebnisse von Mrowka
nicht irrelevant ist.
4. Versuch.
Jedes Röhrchen enthielt 10 cm* einer lOfachen Serumverdünnung (Kanin¬
chen-, Meerschweinchen-, Ziegen-oder Pferdeserum), 1cm 5 einer Tanninlösung
(2,5; 5; 10 oder 20%) und 0,1 cm* einer dichten Koliaufschwemmung (aus
16stündiger Schrägagarkultur). — Kontrollen mit 1 cm 3 Kochsalzlösung. Nach
dem Zusatze der Bakterien und des Tannins kamen die Röhrchen für 3 Stunden
in den Eisschrank, wurden dann zentrifugiert, und von den überstehenden Flüssig¬
keiten je 0,1 und 0,5 cm 3 zu Agarzählplatten verarbeitet.
Art des Serums
Menge
des Tannins
Kolonienzahl in
der überstehenden
Flüssigkeit
Meerschweinchen.
0,025
! 4500
Kaninchen . . . . *.
0,025
8000
Pferd.
0,025
1800
Meerschweinchen.
0,05 1
' 800
Kaninchen . ..
0,05
1500
Pferd.
0,05
i 700
Meerschweinchen.
0,1
350
Kaninchen.
0,1
2000
Pferd.
0,1
400
Meerschweinchen.
• 0,2
700
Kaninchen.
0,2
5000
Pferd.
0,2
300
Ziege.
0,2
300
Kaninchen.
0 1 Kon-
520000
Pferd.
0 J trollen
525000
Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. rned. Paul Schweizer.
163
Die evidente Überlegenheit des Pferdeserums in diesen vergleichen¬
den Reihen veranlaßte erneute Versuche in der Richtung, ob nicht bei Verwen¬
dung dieser Serumart die Bakterienausflockung verbessert d. h. vollständiger
gestaltet werden kann. Auch hatte sich inzwischen herausgestellt, daß gewisse
Vorsichtsmaßregeln das Endresultat beeinflussen, so vor allem das ruhige Stehen
der Röhrchen während des Flockungsablaufes und die Einschaltung eines län¬
geren (5 bis 6stündigen) Intervalles zwischen Flockung und Abzentrifugieren
der Niederschläge.
5. Versuch«
Jedes Röhrchen enthielt 10 cm* lOfach verdünnten Pferdeserums, 0,1 cm 3
einer Bakteriensuspension und 1 cm* einer lOproz. Tanninlösung. — Kontrollen
mit 0,1 cm* Bakteriensuspension in 10 cm* Vio Pferdeserum und 1 cm* NaCl.
— Die Bestimmungen der Keimzahlen erfolgte durch Gießen von Agarzähl¬
platten mit je 0,1 cm* Flüssigkeit aus den Kontrollröhrchen (K.), aus den nach
Tanninflockung und Abzentrifugieren der Niederschläge resultierenden klaren
überstehenden Flüssigkeiten (F.), und den trüben, durch Wiederaufwirbeln der
abzentrifugierten Niederschläge erhaltenen Gemischen (P.). Das Intervall zwi¬
schen Flockung und Abzentrifugieren der Flocken belief sich auf 5 Stunden,
während welcher Zeit die Röhrchen im Kühlschrank aufbewahrt wurden.
Bakterienspezies Art der Probe Keimzahl im cm*
1 K -
1100000
B. Friedländer.< F.
40
\ p.
1300000
1 K.
1320000
Staphylokokken. { F.
10
l p.
1950000
f K
150000
B. megatherium. { F.
50
1 P.
170000
Diesmal wurden also Reduktionen auf 0,03 ja auf 0,0007% erzielt,
was immerhin eine wesentliche Annäherung an die Ergebnisse bei der
Ausflockung des Hühnerpestvirus mit den Proteinen seiner Suspensions¬
flüssigkeiten bedeutet. Steril wurden aber die überstehenden Flüssig¬
keiten nicht; nehmen wir, was sehr wahrscheinlich ist, an, daß das Huhn
für das Virus eine Art „Einkeimdisposition“ besitzt, so ist der früher be¬
tonte Gegensatz nicht völlig behoben, speziell wenn wir noch berücksich¬
tigen, daß so vollständige Entkeimungen, falls es sich um Bakterien han¬
delt, nur ausnahmsweise zu beobachten sind, während sie beim infektiösen
Hühnerserum anscheinend regelmäßig und ohne besondere Kunstgriffe
zustande kommen.
Die Immunpräzipitation alteriert den Keimgehajt einer Bakterien¬
suspension, in welcher sie abläuft, nur unbedeutend, auch wenn man dafür
Sorge trägt, daß die quantitative Relation zwischen Präzipitinogen und
Präzipitin sowie die Wirkungsstärke des letzteren so bemessen wird, daß
möglichst voluminöse Präzipitate entstehen. Die Ursachen sind einmal
darin zu suchen, daß die Masse der Niederschläge doch noch immer weit
hinter einer optimalen Tanninfällung zurückbleibt, anderseits auch auf
die geringe Reaktionsgeschwindigkeit zu beziehen, mit der sich die durch
Antigen-Antikörper-Reaktionen ausgelösten Eiweißflockungen vollziehen.
Diese Tatsachen geben eine wenigstens partielle Erklärung, warum Miyaji
nicht imstande war, infektiöses Hühnerserum durch Zusatz von Anti-
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Gck igle
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
164 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw.
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hühnerkaninchenserum in eine avirulente überstehende Flüssigkeit und
einen virulenten Niederschlag zu scheiden.
0. Versuch.
In zwei Zentrifugengläser kommen je 10 cm* lOOOfach verdünntes Menschen¬
serum und je 0,1 cm* einer dichten Emulsion von Kolibazillen. Röhrchen I
erhält einen Zusatz von 2 cm* inaktivierten Normalkaninchenserums, II einen
Zusatz von 2 cm* eines längere Zeit abgelagerten, sehr hochwertigen Menschen¬
präzipitins vom Kaninchen. In II trat schon nach 2 Min. (bei 10° C) eine Trü¬
bung auf, die sich innerhalb einer halben Stunde zu Flocken verdichtete und nach
1 Stunde war die Sedimentierung in vollem Gange. Nach 3 Stunden wurden beide
Röhrchen zentrifugiert und mit je 0,1 cm 3 der überstehenden Flüssigkeiten resp.
der oberen Partie des Gemisches Agarzählplatten gegossen. I enthielt im cm 3
580000, II noch immer 480000 Kolikeime; der Keimgehalt war somit durch die
Flockung nur auf 83% herabgesetzt worden.
Dagegen verhalten sich die Bakterien bei einer Aussalzung der Glo¬
buline durch Ya Sättigung mit Ammonsulfat ganz ähnlich wie bei der Tan¬
ninfällung. Auch die Globulinflockung durch Abdialysieren der Salze hat
unter Beachtung bestimmter Kautelen eine 1000fache Keimreduktion
in der überstehenden Flüssigkeit zur Folge, obwohl natürlich die in den
Niederschlag übergehenden Eiweißfraktionen bei den drei genannten Pro¬
zessen wesentlich voneinander verschieden sind. Daß nicht etwa nur aus¬
flockende Globuline Bakterien mitreißen, läßt sich zeigen, wenn man
die Globuline 1 ) aus Pferdeserum durch Dialyse und Abzentrifugieren
entfernt, im globulinfreien 1 ) Pferdeserum Bakterien aufschwemmt und die
Albumine durch Tannin ausfällt.
7. Versuch.
In ein Zentrifugenglas werden 10 cm* konzentriertes Pferdeserum und
0,1 cm* Kolisuspension eingefüllt, sodann! 5 cm* konzentrierte Ammonsulfat¬
lösung zugesetzt. Nach eingetretener Flockung wird zentrifugiert. Anlegen von
Agarzählplatten mit 0,1 cm* der überstehenden Flüssigkeit. Sodann wird der
Bodensatz möglichst homogen im Reaktionsgemisch verteilt und mit 0,1 cm 8
der stark trüben Flüssigkeit neuerlich eine Agarzählplatte angelegt, (A). — Als
Kontrollen dienten: 10cm* Pferdeserum und 0,1cm* Koliaufschwemmung
L 5 cm* 0,85% NaCl (B), und 15 cm* NaCl + 0,1 cm* Kolisuspension (C).
Probe Kolonienzahl im cm*
A) Überstehende Flüssigkeit 340
A) Aufgewirbelter Bodensatz 670000
B) 200000
G) 800000
8. Versuch.
In eine Fischblase wird ein Gemenge von 3 cm* Pferdeserum, 12 cm* de¬
stillierten Wassers und 0,1 cm* einer Kolisuspension eingefüllt und so lange gegen
mehrmals gewechseltes destilliertes Wasser dialysiert, bis die angesäuerte Außen¬
flüssigkeit mit AgNOa keine Spur von Trübung gibt. Nun wird vorsichtig von
der über dem ausgefällten Globulin stehenden Flüssigkeit mit einer Pipette
eine Probe entnommen und zur Zählpbtte verarbeitet, welche einen Gehalt von
35000 Keimen pro cm* feststellen läßt. Hierauf wird der gesamte Inhalt der
Fischblase in ein Zentrifugengefäß überpipettiert, das Globulin aufgewirbelt
und möglichst homogen verteilt und sofort eine weitere Zählplatte angelegt;
die Zählung ergibt 1500000 Kolonien.
1) Gemeint sind die in Wasser unlöslichen Globuline.
Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
r^rvtr**--
Von Dr. med. Paul Schweizer. 165
Dann wird bis zur völligen Klarheit zentrifugiert und der Keimgehalt der
überstellenden Flüssigkeit bestimmt; er beläuft sich nunmehr auf 1500 Keime.
Das Präzipitat, nach Abhebern der überstellenden Flüssigkeit mit destil¬
liertem Wasser mehrmals gewaschen, in 14,4 cm 8 NaCl-Lösung aufgelöst (das
Präzipitatvolum war mit 0,6 cm 3 bestimmt worden), hatte auf das Volum des
ursprünglichen Reaktionsvolums berechnet, 1180000 Kolibazillen im cm 8 .
Aus einer vor der Dialyse angestellten Kontrollzählung ging hervor, daß das
Gemisch einen Ausgangsgehalt von 1800000 Keimen pro cm 8 besessen hatte,
so daß die Übereinstimmung aller gefundenen Werte wohl als recht zufrieden¬
stellend bezeichnet werden darf.
Übersichtlich geordnet lauten die Daten:
Keimgehalt vor der Dialyse.. 1 800 000
Keimgehalt der überstehenden Flüssigkeit unmittelbar nach
der Dialyse, ohne Zentrifugierung. 35000
Keimgehalt nach Verteilung des Globulinsedimentes durch
Aufwirbeln. 1 500000
Keimgehalt der durch Zentrifugieren erhaltenen überstehen¬
den Flüssigkeit. 1 500
Keimgehalt des Präzipitates (auszentrifugierten und in NaCl-
Lösung aufgelösten Globulinsedimentes) . 1180000
9. Versuch.
7 10 Pferdeserum wird in einer Fischblase gegen destilliertes Wasser dialy-
siert, bis in der Außenflüssigkeit keine Chlor-Ionen nachweisbar sind. Das aus¬
gefällte Globulin wird abzentrifugiert, das vom Globulin befreite Pferdeserum
(10 cm 8 ) mit 0,1 cm 8 Kolisuspension und mit 1 cm 3 lOproz. Tanninlösung ver¬
setzt. Abzentrifugieren nach 3 Stunden. — Zählplatten: aus einer Kontrolle
(Vio dialysiertes Pferdeserum ohne Tannin), aus der überstehenden Flüssigkeit,
und dem Gemisch nach Aufwirbeln des Niederschlages.
Kontrolle. 500 000
Überstehende Flüssigkeit. 5000
Aufgewirbeltes Präzipitat. 2900000
Hinsichtlich des 8. Versuches sei auf den Unterschied im Keimgehalt
aufmerksam gemacht, welchen das Zentrifugieren nach der Ausflockung
der Globuline herbeiführt; offenbar halten sich feine, bakterienhaltige
Globulinflocken wegen ihrer geringen Dimensionen schwebend und gehen
erst unter der Einwirkung der Zentrifugalkraft rasch zu Boden. Mrowka
hat das durch Dialyse von den wasserunlöslichen Globulinen befreite
Hühnerserum stets erst zentrifugiert, bevor er die überstehende Flüssig¬
keit auf ihre Infektiosität prüfte; anderenfalls wären wohl abweichende
Ergebnisse erhalten worden.
♦ *
*
Nach diesen Vorarbeiten wurden die eigentlichen Experimente mit
Hühnerpest in Angriff genommen. Das Institut verfügte über zwei Virus¬
stämme, die von Prof. Kleine (Berlin) und Prof. Aöcoli (Mailand) in
bereitwilligster Weise zur Disposition gestellt worden waren, wofür wir
beiden Herren auch an dieser Stelle unseren Dank aussprechen möchten.
Das Berliner Virus erwies sich insofern als minder geeignet, als die Sera
der infizierten Hühner oft schon in lOOfacher Verdünnung (in Mengen
von 0,001 cm 3 ) nicht mehr infizierten und auch in sehr großen Dosen nicht
den gewohnten akuten Krankheitsverlauf zur Folge hatten, sondern erst
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166 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw.
nach 2 bis 3 Tagen tötlich wirkten. Reihenversuche mit fallenden Mengen
virulenten Serums ergaben ganz auffallende Unregelmäßigkeiten, >vie aus
folgendem Beispiel ersichtlich ist:
10. Versuch.
Huhn Nr. 32 wird am 12.1.1921 mit virulentem Hühnergehirn intramuskulär
injiziert; es erkrankt erst am 14. I., und sein im schwerkranken Zustande ab-
genommenes
Serum wirkt
wie folgt:
Huhn
Nr. 35 erhält 0,2 cm 8
verendet nach
60 Stunden
»
»19 *
0,02 cm 8
72 »
0
* 34 »
0,002 cm 8
» »
36 »
»
» 18 *
0,002 cm 8
überlebt
* 33 »
0,0002 cm 8
»
Das italienische Virus hatte eine zweifellos höhere Virulenz und die
damit infizierten Hühner verendeten innerhalb kürzerer Zeiten, gleich¬
gültig ob Hirnemulsion, defibriniertes Blut oder erythrocytenfreies Blut¬
serum als Infektionsstoff benutzt wurde. Das Blutserum war bei diesem
Stamm noch in Mengen von 0,0001, meist auch 0,00001 cm 3 pathogen
und schien daher alle Qualitäten zur Nachprüfung der Mrowkaschen
Tanninfällungen mit Hilfe einer quantitativen Methodik zu besitzen,
welcher sich weder Mrowka noch auch Miyaji bedient hatten, obwohl von
dosologischen Abstufungen mit Recht Aufklärungen zu erwarten waren.
Insbesondere war es angezeigt, festzustellen, ob die überstehende Flüssig¬
keit nach Ausflockung von Hühnerpestserum mit Tannin tatsächlich
vollständig, d. h. auch in größeren Gaben avirulent wurde und ob diese Ein¬
busse an Infektiosität im Niederschlag quantitativ nachzuweisen war
oder nicht.
11. Versuch.
Huhn 6 wurde mit Gehirn von Huhn 5 intramuskulär injiziert; nach 37 Stun¬
den wurde ein Aderlaß aus der Fitigelvene gemacht ; zu dieser Zeit war Huhn 6
schwer krank, hatte Diarrhoe, zeigte schleimigen Ausfluß aus dem Schnabel und
sank, sich selbst überlassen, wie schlaftrunken nieder. 12 Stunden nach dem
Aderlaß plötzlicher Exitus unter Krämpfen. Das Aderlaßblut blieb 2 Stunden
bei Zimmertemperatur stehen, wurde dann zentrifugiert und das abgeschiedene
Serum in nachstehender Art behandelt: 1 cm 8 Serum wurde mit 10 cm 3 0,85 proz*.
NaCl:A)-Lösung versetzt; die Mischung stand 3 Stunden bei Zimmertemperatur
sodann erhielten:
Huhn 10: 0,1cm 3 (=0,01 Originalhühnerserum) intramuskulär. Das Tier
verendete nach ca. 30 Stunden an Hühnerpest.
Huhn 7: 0,001 cm 3 (= 0,0001 cm 8 Originalserum) intramuskulär. Exitus nach
43 Stunden.
B) 1cm 3 Serum wurde mit 9 cm 3 0,85proz. NaCl-Lösung verdünnt und
1 cm 3 einer lOproz. Tanninlösung (in 0,85% NaCl-Lösung) hinzugefügt. Nach
eingetretener Flockung blieb das Gemenge bei Zimmertemperatur stehen, wurde
sodann zentrifugiert und die überstehende Flüssigkeit zwei Hühnern in der Menge
von 0,1 und 0,001 cm 3 eingespritzt. Hierauf wmrde der Bodensatz aufgewirbelt,
möglichst homogen im Reaktions volum verteilt und von dem trüben Gemenge
bekamen zwei weitere Hühner die bereits erwähnten Dosen. Alle Verdünnungen
zwecks Abmessung der zu injizierenden Quantitäten erfolgten mit 0,85proz.
NaCl-Lösung und mit sterilen Pipetten; für jede Verdünnung wurde eine beson¬
dere Pipette benutzt, das Injektionsvolumen belief sich stets auf einen ganzen cm 8 .
Gck igle
Original fmm
THE OHIO STATE ÜNIVERSITY
Von Dr. med. Paul Schweizer.
167
1. Virulenz der überstehenden Flüssigkeit:
Huhn 11: 1cm 8 (=0,1 Originalserum) i. m.; überlebt (während der Be¬
obachtungsperiode von 16 Tagen ohne jedes Krankheits¬
zeichen).
Huhn 12: 0,1 cm 3 (= 0,01 Originalserum); überlebt.
2. Virulenz des gesamten Reaktionsgemisches nach dem Wieder¬
aufwirbeln des Präzipitates:
Huhn 8:0,1cm 8 (=0,01 Originalserum); verendet an Hühnerpest in
54 Stunden.
Huhn 14: 0,001 cm 3 (= 0,0001 Originalserüm); überlebt, zeigt während einer
16 tägigen Beobachtung keine Krankheitserscheinungen.
Aus diesem Experiment, dessen Resultate nach keiner Richtung
innere Widersprüche erkennen lassen, geht hervor, daß die nach Tannin¬
flockung und Abzentrifugieren der Eiweißniederschläge gewonnenen
überstehenden Flüssigkeiten, die übrigens ganz klar und völlig farblos
waren, auch in relativ großen Quanten Hühner nicht mehr zu infizieren
vermochten. Mindestens 10000, vielleicht aber auch 100000 oder mehr
letale Dosen Hühnerpestvirus waren durch die Ausflockung des Eiweißes
jedem cm 3 des Gemisches entzogen worden und letzteres war daher, wenn
wir nur das Virus ins Auge fassen, de facto steril geworden. Aber das De¬
fizit fand sich im Präzipitate nicht wieder; 0,001 cm 3 Niederschlag (be¬
rechnet auf das Ausgangsvolumen) infizierte nicht und selbst 0,1 cm 3
wirkte noch immer etwas schwächer als 0,001 cm 3 der Kontrolle.
Die Tanninflockung hatte also die Infektiosität des gesamten Reak¬
tionsgemisches auf den hundersten Teil ihres Wertes vermindert; es waren
ca. 99% des Hühnerpest virus zugrunde gegangen, sie hatten ihre Vermeh¬
rungsfähigkeit im lebenden Huhn eingebüßt. Dieser Umstand allein genügt,
um Mrowkas Annahme vom Globulincharakter des Virus zu entkräften,
und den Gedanken an tanninempfindliche Mikroben nahezulegen. Sogar
für Bakterien ist Tannin nicht indifferent.
12. Versuch.
Zu Röhrchen, welche je 10 cm 3 verschieden konzentrierter Tanninsolutionen
(in 0,85proz. NaCl) enthalten, werden je 0,1 cm 8 einer Suspension von Anthrax-
bazillen (24stündige Schrägagarkultur) zugesetzt. Nach einer halben und einer
Stunde werden Zählplatten gegossen; nach 3, 6 und 10 Stunden werden Mäuse
mit je 0,5 cm 8 intraperitoneal geimpft. Die Ziffern bedeuten die Zahlen der Ko¬
lonien auf den Zählplatten; — bedeutet negativen Ausfall des Tierversuches,
+ dagegen die gelungene Milzbrandinfektion.
Zeiten der Probeentnahme
nach 7a Stunde
„ 1 „
„ 3 Stunden
6
10
>»
10/
00
2 °/ (
Tanninkonzentrationen
oo 5 °/oo 1 °/ o
2%
sc
26 000
20 000
15 000
1000
4 500
4200
6 000
7 000
+
-
-
H
-
-
-
—
—
-
-
-
-
-
—
—
-
H
-
-
-
—
—
Tanninkonzentrationen von 1 bis 2% töten also Milzbrandstäbchen nach
dreistündiger Einwirkungsdauer vollständig ab; Keimverminderung war schon
bei weit stärkeren Tanninverdünnungen merklich. Wenn in zehnfach verdünntem
Pferde-Ziegen-Meerschweinchenserum die Bakterizidie und entwicklungshemmende
Kraft des Tannins nicht manifest wurde, so lag das daran, daß eben das Tannin
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durch Eiweiß gebunden und unwirksam wurde, so lange kein bedeutender Tannin¬
überschuß im Reaktionsgemisch vorhanden war.
Tierische Parasiten sind gegen Tannin weit empfindlicher; sie werden
auch durch niedrige Konzentrationen (1:1000 und darunter) rasch abge¬
tötet, falls kein Eiweiß zugegen ist. Eiweiß wirkt schützend aus denselben
Gründen, aus welchen es die desinfektorische Kraft des eiweißfällenden
Sublimates herabsetzt; an Dysenterieamöben wurde die abtötende Wir¬
kung des Tannins und der antagonistische Einfluß von Eiweiß längst
ziemlich genau analysiert. Hier sei zur Illustration das Verhalten von
Nagana-Trypanosomen angeführt.
18. Versuch*
Eine mit Nagana-Trypanosomen infizierte Maus wurde auf der Höhe der
Infektion getötet und ihr Blut mit 1000fach verdünntem Meerschweinchenserum
so weit diluiert, daß 0,5 cm 3 2300 Trypanosomen (in der Zählkammer gezählt)
enthielten. Die Verdünnung des Mausblutes erfolgte mit Meerschweinchenserum
(1:1000), weil reine NaCl-Lösung stark trypanozide Effekte aufwies, während die
gewählte Serum Verdünnung innerhalb der Versuchsdauer weder die Beweglich¬
keit noch die Virulenz der Trypanosomen beeinträchtigte, so daß das beobachtete
Absterben der Trypanosomen auf das Tannin zurückgeführt werden durfte.
Es wurde nun einerseits eine Kontrolle (10 cm 8 Trypanosomenaufschwemmung)
angesetzt, anderseits 3 Röhrchen mit je 9 cm 8 Trypanosomenemulsion aufgestellt,
wovon Nr.l einen Zusatz von 1 cm 8 50fach verdünnter, Nr. 2 von 1 cm 8 500fach
und Nr. 3 von 1cm 3 1000 fach verdünnter Tanninlösung erhielten. Die Konzen¬
tration des Tannins belief sich also in Nr. 1 auf 2 :1000 (= 2%o), iu Nr. 2 auf
0,2% 0 und in Nr. 3 auf 0,1 °/ 00 . — Nach 5, 15, 30 und 60 Min. wurden je 0,5 cm*
aus der Kontrolle wie aus jedem der 3 Tanninröhrchen einer weißen Maus injiziert.
* bedeutet Tod an Naganainfektion, die zugefügte Ziffer gibt das Intervall zwi¬
schen Infektion und Exitus in Tagen an, — bedeutet negatives Resultat, d. h.
Überleben des Versuchstieres bei dauernd negativem Blutbefund. (Beobachtungs¬
dauer 12 Tage.)
Tannin konzentration
0 (Kontrolle)
o,i7»
0.27»
27 »
Einwirkungsdauer
5 min 15 min 30 min 60 min
*6 *6 •ß *6
*7 *8 — —
*7 — — —
Für Trypanosomen wird somit bereits eine Tanninkonzentration
von 1:10000 bei 30 Min. langer Einwirkung deletär, selbst wenn geringe
Mengen schützender Eiweißkörper vorhanden sind. Je höher die Tannin¬
konzentration bei gegebener Eiweißmenge steigt, desto mehr verkürzt
sich die zur Abtötung notwendige Zeit, bis sie schließlich nur mehr wenige
Minuten beträgt.
Das Hühnerpestvirus nähert sich in seiner Empfindlichkeit gegen
verschiedene Agentien(Saponin,Galle) sehr den tierischen Mikroorganismen;
auch in bezug auf seine Tanninempfindlichkeit scheint es die Bakterien zu
übertreffen, ohne jedoch die extreme Hinfälligkeit der Trypanosomen
oder Amöben zu erreichen. Von diesem Standpunkt aus bereitet die Ana¬
lyse der Versuche von Mrowka, Miyaji und mir keine Schwierigkeiten.
Das Tannin reißt durch die von ihm verursachte Eiweißflockung die in
Serum, in Exsudaten usw. suspendierten Hühnerpestelemente zunächst
mechanisch mit, wodurch die Zahl der letzteren auf 1:1000 bis 1:10000
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169
ihres ursprünglichen Wertes abstürzt; gleichzeitig werden die in der über¬
stehenden Flüssigkeit zurückbleibenden Viruspartikelchen durch Tannin
geschädigt, und zwar um so intensiver, je länger man nach dem Zusatze
des Gerbstoffes zuwartet und je beträchtlicher der relative Überschuß
des Tannins über das Eiweiß ist. Die fehlende Infektiosität der überstehen¬
den Flüssigkeiten ist dann nicht weiter merkwürdig, sondern selbstver¬
ständlich und mit der Annahme eines belebten Infektionsstoffes viel
weniger in Widerspruch als mit der eines Kontagium inanimatum in Form
einer Globulinvariante. Ganz besonders mußte der desinfektorische Effekt
des Tannins in den Versuchen von Miayji hervortreten, der das virulente
Serum zunächst 500fach verdünnte und dann Tannin wiederholt und in
effektivem Überschuß zufügte. Die Virulenz der Präzipitate rührt von den
durch das Eiweiß mitgerissenen Virusteilchen her, die durch ihre Umhül¬
lung mit dem stark adsorbierenden Mantel der Tannin-Eiweißverbin¬
dung vor der raschen Abtötung durch einen vorhandenen Tanninüberschuß
geschützt sind, ein Schutz, welcher, wie gezeigt werden konnte, nicht
unter allen Umständen ausreicht.
Bei der Fällung mit Ammonsulfat oder durch Dialyse liegen die Ver¬
hältnisse ähnlich; im ersten Falle wirkt die starke Hypertonie, im zweiten
die Hypotonie schädigend auf lebende Zellen und bei beiden Versuchsanord¬
nungen sind die in der überstehenden Flüssigkeit frei suspendierten Mi¬
kroben der Noxe stärker exponiert als die vom Eiweißkoagel umgebenen
im Präzipitat.
Mrowka führt noch an, daß es ihm durch Waschen der virulenten
Präzipitate nicht gelungen sei, das Virus vom Eiweiß zu trennen; die
Waschwässer seien stets avirulent geblieben. Es unterliege daher keinem
Zweifel, daß das filtrierbare Virus dem Eiweiß der Substrate, in denen es
vorkommt, anhafte, und daß es entweder ein selbständiger eiweißartiger
Körper sei, oder daß das Eiweiß der Körperflüssigkeiten des Huhnes
selbst zum Virus werde. Diese Argumentation ist nicht zwingend. Schon
im Jahre 1909 konnten Kraus, v. Eisler und Fukuhara zeigen, daß
verschiedene Stoffe wie z. B. Gewebszellen, Kaolin, Kohle usw. imstande
sind, Lyssavirus oder auch Hühnerpestvirus zu fixieren und daß die „Wieder¬
abspaltung“ des im Adsorbens vorhandenen und nachweisbaren Virus durch
einfaches Waschen der virusbeladenen Stoffe mit physiologischer NaCl-
Lösung nicht immer gelingt. Ähnliche Angaben finden sich auch bei
Rosenthal, Ruß, Doerr und R. Pick. Es wurde versucht, wie sich
ausgeflockte Bakterien gegen die Waschprozeduren verhalten und da ergab
sich ebenfalls, daß der Niederschlag die Mikroben zähe festhält, und daß
diese nur schwer und sehr unvollständig wieder auswaschbar sind.
14. Versuch.
10 cm 3 lOfach verdünntes Perdeserum werden mit 0,1 cm 3 Kolisuspension
und mit 1 cm 3 lOproz. Tanninlösung versetzt, bleiben dann 2 Stunden im Eis¬
schrank und werden 30 Minuten zentrifugiert. Sodann wurde die überstehende
Flüssigkeit abgehebert, durch sterile physiologische Kochsalzlösung ersetzt,
der Niederschlag aufgewirbelt und neuerdings zentrifugiert; die Prozedur wurde
dreimal wiederholt. Die Bestimmung des Keimgehaltes erfolgte durch Agar¬
zählplatten bei der überstehenden Flüssigkeit, beim ersten, zweiten und dritten
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170 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw.
Waschwasser und bei dem nach dem dritten Waschen in 11 cm 3 physiologischer
Kochsalzlösung möglichst homogen verteilten Präzipitate.
Bezeichnung der Probe Keimgehalt im cm 8
Uberstehende Flüssigkeit. 60
Erstes Waschwasser. .. 2000
Zweites Waschwasser. 7000
Drittes Waschwasser. 800
Aufgewirbelter Niederschlag nach dem dritten
Waschen . 540000
Die überwiegende Menge der Kolibazillen blieb also im Eiweißniederschlage
stecken. Die Waschwässer waren allerdings nicht steril, wie man das angesichts
der Angaben von Mrowka über die Nichtinfektiosität der Waschwässer viru¬
lenter Hühnerpesteiweißpräzipitate hätte erwarten können; diese Differenz
ist aber wahrscheinlich auf die viel bedeutendere Größe der Kolibazillen, auf ihre
Eigenbeweglichkeit ,vor allem aber darauf zurückzuführen, daß die Hühnerpest¬
keime nur dann vor der Tanninwirkung geschützt bleiben, wenn sie allseits von
Eiweiß umhüllt, daher nicht auswaschbar sind.
Für die Zellnatur der filtrierbaren Krankheitserreger läßt sich außer¬
dem noch ein Beweis positiver Natur heranziehen. Es sind in der letzten
Zeit zahlreiche Untersuchungen über die sog. oligodynamischen Wirkungen
angeführt worden, aus denen geschlossen werden mußte, daß die Oligo¬
dynamie Zellen aller Art schädigt, daß man sie als ein Zellgift betrachten
darf, welches von der biologischen Eigenart der Zelle im weitesten Um¬
fange unabhängig ist. Die oligodynamischen Stoffe töten Algen (Nägeli),
Bakterien, Protozoen (Salus), sie hämolysieren Erythrozyten (Woll-
mann, Hausmann, Doerr, Heß und Reitler, Luger); es lag
daher nahe, die oligodynamische Empfindlichkeit des Hühnerpestvirus
zu prüfen, um so mehr als Funktionen nicht organisierter Stoffe dürch blanke
Metalle nur wenig beeinflußt werden, auch wenn sie sonst sehr labil und
so leicht zerstörbar sind wie etwa die Komplementwirkung frischen Meer¬
schweinchenserums (mündliche Mitteilung von Doerr).
In der Oligodynamie darf man daher bis zu einem gewissen Grade
tatsächlich ein Differenzierungsmittel zwischen lebenden Zellen und, nicht
organisierten Stoffen erblicken, wenn auch kein absolut zuverlässiges,
da ja nach Baumgarten und Luger auch Fermente, Toxine durch
oligodynamische Einflüsse leiden. Immerhin bestehen doch sehr evidente
quantitative Unterschiede in der oligodynamischen Resistenz von Zellen
und nicht belebten Stoffen, welche die erwähnten Versuche als gerecht¬
fertigt erscheinen ließen.
Eiweißgegenwart schwächt die oligodynamischen Wirkungen bekannt¬
lich ab; darauf mußte geachtet werden, da sich das Hühnerpestvirus nur
in stark eiweißhaltigen Flüssigkeiten vorfindet und unbeschädigt vom
Eiweiß nicht abgetrennt werden kann. Ein Ausweg bestand in der Mög¬
lichkeit, das virulente Hühnerserum lOOOfach zu verdünnen; anderseits
wurde das blanke Silber in den Hühnerserumverdünnungen belassen,
wobei der antagonistische Effekt des Eiweißes schließlich überwunden
wird (vgl. auch Luger). Um Kontrollen zu gewinnen und um die oligo¬
dynamische Resistenz der Hühnerpestkeime mit jener von bekannten
Bakterien und Protozoen zu vergleichen, wurden Kolibazillen und Nagana-
Trypanosomen unter völlig identischen Bedingungen untersucht.
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171
15. Versuch.
In eine kleine Glasdose wurde eine Silbermünze (Fünffrankenstück) gelegt
und mit 10 cm 3 physiologischer NaCl-Lösung überschichtet. Nach 16stündigem
Stehen wurde 0,1 cm 8 lOfach verdünnten Hühnerpestserums zugefügt, so daß
die tatsächliche Verdünnung des virulenten Originalserums 1:1000 betrug.
Nach 5, 15 und 60 Minuten sowie nach 3 Stunden wurde je 1 Huhn mit 1,0 cm*
dieser Flüssigkeit intramuskulär geimpft.
In eine zweite gleich große Glasdose kamen 10 cm 8 physiologischer NaCl-
Lösung und nach 16stündigem Stehen 0,1 cm 8 des gleichen lOfach verdünnten
virulenten Hühnerpestserums. 3 Stunden nach dem Zusatze des letzteren wurde
ein Kontrollhuhn mit 1 cm 8 dieser Flüssigkeit intramuskulär injiziert.
Außerdem wurde die Virulenz des Originalserums vor der Verdünnung ge¬
messen; sie war sehr beträchtlich.
a) Virulenz des verwendeten Hühnerpestserums:
Huhn 47 erhält 0,001 cm 8 i. m., verendet in 46 Stunden;
Huhn 46 erhält 0,00001 cm 1 i. m., verendet in 49 Stunden;
b) Virulenz der oligodynamisch beeinflußten, 1000 fachen Serum Verdünnung:
Huhn 48 erhält 1 cm 8 (= 0,001 cm 8 Originalvirus) nach 5 Minuten langer
Einwirkungsdauer des Ag, und verendet nach 51 Stunden;
Huhn 49 erhält die gleiche Dosis nach 15 Minuten und verendet nach
48 Stunden ;
Huhn 50 erhält die gleiche Dosis nach 60 Minuten und verendet nach
60 Stunden;
Huhn 51 erhält die gleiche Dosis nach 3 Stunden und überlebt dauernd;
c) Kontrolle der Virulenz des lOOOfach verdünnten Serums nach dreistün¬
digem Stehen der Verdünnung;
Huhn 52: 1 cm 8 i. m. verendet in 48 Stunden.
16. Versuch.
In zwei kleine Glasdosen kommen je 10 cm 8 physiologische NaCl-Lösung,
in die eine wird ein Fünf frankenstück eingelegt. Nach 16stündigem Stehen
wird zu beiden Dosen je 0,1 cm 8 einer Aufschwemmung von Kolibazillen im zehn¬
fach verdünntem Meerschweinchenserum zugesetzt, so daß die Serumkonzentra¬
tion von diesem Augenblick an in beiden Dosen 1:1000 betrug. Nach steigenden
Zeitintervallen wird mit ie einer Öse Flüssigkeit aus Dose I (olygodynamisch be¬
einflußt) und Dose II (durch Ag nicht beeinflußt) ein Schrägagarröhrchen be¬
impft. Nach 24stündigem Aufenthalt im Thermostaten bei 37° G werden die Agar¬
röhrchen kontrolliert und das Wachstum verzeichnet.
Zeltintervalle
I. Oligodynamisch beeinflußt
II. Nicht beeinflußt
2 min
sehr reichliches Wachstum
sehr reichl. Wachstum
5 »
> » >
»
> t
10 »
i » »
»
» i
15 >
> *
»
i »
25 »
spärliches Wachstum
»
» i
30 >
kein Wachstum
»
» »
45 »
> >
»
» »
60 »
» »
»
» »
180 »
* »
»
» »
17. Versuch.
Versuchsanordnung wie im 15. und 16. Versuch, nur daß die Flüssigkeit
in den beiden Glasdosen mit 0,1 cm 8 einer Trypanosomenaufschwemmung in
zehnfach verdünntem Meerschweinchenserum beschickt wurde; die Dichtigkeit
der endgültigen Trypanosomenemulsion belief sich in beiden Dosen auf 2500
Trypanosomen im halben cm 3 . Nach steigenden Zeitintervallen wurden weiße
Mäuse mit je 0,5 cm 8 der trypanosomenhaltigen Flüssigkeit aus den Dosen I
(oligod.) und II (nicht oligod.) intraperitoneal injiziert.
Archiv für Hygiene. Bd. 90. 12
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172
Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw.
Zeitintervalle
I. (oligodynamisch)
II. (nicht oligodynamisch)
2 min
überlebt
tot in 6 Tagen
5 *
»
>> » 6
15 »
»
» »6
»
30 »
»
» »6
*
60 »
»
» » 6
»
180 »
überlebt
Die Trypanosomen starben also fast momentan ab, wobei allerdings auch
die geringe Eiweißkonzentration und zu starke Uberwiegen von Na- und Q-Ionen
mitwirkten, da die nicht oligodynamisch beeinflußte Kontrolle 3 Stunden nach
der Einsaat der Trypanosomen gleichfalls nicht mehr infektiös war. Erhöhte man
den Serumgehalt in der Kontrolle und eliminierte damit gleichzeitig die einseitige
Ionenkombination der Suspensionsflüssigkeit, so hielten sich die Trypanosomen
viel länger vermehrungsfähig und infektiös; aber die Schnelligkeit der oligo¬
dynamischen Abtötung wurde in zahlreichen Versuchen dieser Art nicht vermin¬
dert, so daß Trypanosomen ein ausgezeichnetes Reagens für oligodynamische
Einflüsse darsteUen.
Das Hühnerpestviruö war gegen die oligodynamische Wirkung des
Silbers nicht so empfindlich wie die Trypanosomen, sondern zeigte ein
Verhalten, welches dem der vegetativen Form der Bakterien entsprach.
Immerhin wurden bedeutende Mengen (100 letale Dosen im cm 8 ) innerhalb
von 30 Min. sichtlich abgeschwächt, in einer Stunde komplett abgetötet.
Auch in seiner Resistenz gegen die Giftigkeit reiner NaCl-Lösung
schien das Hühnerpestvirus den Bakterien näher zu stehen’; vielleicht
sind es hier Einfachheiten der Organisation und chemischen Konstitution,
welche den tierischen Charakter des Parasiten überdecken.
18. Versuch.
Das Serum eines infizierten Huhnes wirkte in folgender Weise: 0,01cm 3
intramuskulär tötete Huhn 41 in ca. 48 Stunden, 0,001 cm 8 intramuskulär tötete
Huhn 42 in ca. 5 Tagen, 0,0001 cm 3 intramuskulär tötete Huhn 43 in zirka
48 Stunden.
Es wurde eine 1000fache Verdünnung dieses Serums in physiologischer
NaQ-Lösung angesetzt und von dieser Verdünnung je 1 cm 8 nach zwei- und vier¬
stündigem Stehen je einem Huhn (Nr. 44 und 45) intramuskulär eingespritzt.
Beide Hühner verendeten in ca. 48 Stunden.
Zusammenfassung.
Hühnerpestvirus kann aus Eiweißsolen, in welchen es enthalten ist
(Serum* Exsudaten von infizierten Hühnern), durch totale oder partielle
Fällung des Eiweißes (mit Tannin, Ammonsulfat, durch Dialyse) so voll¬
ständig entfernt werden, daß die überstehenden Flüssigkeitsmassen für
Hühner avirulent sind; in den Eiweißniederschlägen läßt sich das Virus
durch den Tierversuch nachweisen (Mrowka).
Diese Beobachtung rechtfertigt nicht die Annahme, daß es nicht
organisierte, unbelebte, aber doch vermehrungsfähige Vira gibt, welche die
Natur gelöster, flockbarer und reversibler Globuline besitzen, sondern
erklärt sich durch mechanisches Mitgerissenwerden der zelligen Virus¬
elemente im Verein mit den viruliziden Fähigkeiten der Fällungsmittel
(Tannin, Ammonsulfat, Elektrolytenmängel und Hypotonie) zur Genüge.
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173
In den Tanninpräzipitaten aus Hühnerpestserum findet man nur verschwin¬
dende Bruchteile der ursprünglichen Virusmengen, welche durch ihre
Eiweißumhüllung der Abtötung entschlüpfen. Beide Faktoren (Mitreißung
und Schädigung durch das fällende Agens) manifestieren sich in gleicher
Weise, wenn man das filtrierbare Virus durch Zellen von mikroskopischer
Größenanordnung ersetzt; auch hier erfolgt eine weitgehende Entkeimung
(bis auf 0,1, ja 0,01 °/(k>) infolge der Ausflockung des Eiweißes der Suspen¬
sionsflüssigkeiten ; die Keime können ebenfalls in den Niederschlägen nach¬
gewiesen und aus denselben nur zum geringsten Teil durch Waschen wieder
frei gemacht werden. Unterschiede zwischen Bakterien und Hühnerpest¬
virus existieren nur insoferne, als letzteres gegen die Schädigung durch
Gerbung (Tannin) viel empfindlicher ist als die meisten vegetativen
Bakterienformen und dadurch seine engere Verwandschaft mit den Pro¬
tozoen dokumentiert, welche auch durch sein Verhalten gegen Saponin
und Galle wahrscheinlich gemacht wird.
Gegen oligodynamische Wirkung ist das Hühnerpestvirus etwa so
empfindlich wie vegetative Bakterien, was dafür spricht, daß es aus Zellen
im eigentlichen Sinne des Wortes besteht. Gegen die Giftwirkung reiner
NaCl-Lösung besitzt das Virus ebenfalls die bei den meisten Bakterien¬
spezies beobachtete Resistenz.
Trypanosomen sind gegen die beiden letztgenannten Reagentien
wie gegen Tannin maximal empfindlich und stellen ein durch die besondere
Organisation bedingtes starkes Extrem der tierischen Parasiten dar.
Tannin bzw. die Widerstandsfähigkeit gegen Gerbstoffe lassen sich
wahrscheinlich mit Vorteil verwenden, um die Frage nach der pflanzlichen
oder tierischen Natur von Zellen zu beantworten.
* *
*
Am Schlüsse der vorliegenden Arbeit ist es mir eine angenehme Pflicht,
Herrn Professor R. Doerr für die gütige Überlassung des Thema und für
das rege Interesse, das er dem Verlaufe der Untersuchungen entgegen¬
gebracht hat, auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank auszusprechen.
Literaturangabe.
1. Andreiwsky, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 75, 1915.
2. Bauer, Bericht der Deutsch. Bot. Gesellschaft 1904 und 1906.
3. Bechhold, Die Kolloide in der Biologie und Medizin, 2. Aufl.
4. Beijerinck, Zentralbl. f. Bakt., II. Abt., Bd. 5.
5. Borrel, Annal. d. l’Inst. Pasteur, 1903.
6. Centanni, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 31, 1902.
7. Doerr, Zentralbl. f. Bakt., Ref., Bd. 50, 1911.
8. Doerr, Biochem. Zeitschr. Bd. 106, 107 und 113, 1920.
9. Doerr und Pick, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 76, 1915.
10. Van Es und Schalk, Annal. d. l’Inst. Pasteur. 1918.
11. von Esmarch, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 32, 1902.
12. Erdmann, Arch. f. Protistenkunde Bd. 41, H. 2, 1920.
13. Frei, Arch. f. wissenschaftl. und praktische Tierheilkunde Bd. 46, H. 3, 1920.
14. Heß und Reitler, Med. Klinik 1920.
12 *
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174 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw.
15. Hofstädter, Arch. f. Hyg. Bd. 53, 1905.
16. Hunger, Bericht der Deutsch. Bot. Gesellschaft 1905.
17. Hutyra und Marek, Spezielle Pathologie und Therapie der Haustiere,
5. Aufl. 1920.
18. Joest, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 31, 1902.
19. Iwanowsky, Zentralbl. f. Bakt., II. Abt., Bd. 5.
20. Kraus und Doerr, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 46, 1908.
21. Kraus, v. Eisler, Fukuhara, Zeitschr. f. Imm. Forsch. Bd. I, H. 2, 1909.
22. Kraus und Löwe, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 76, 1917.
23. Landsteiner und Berliner, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 67, 1913.
24. Lipschütz, Handb. d. pathog. Mikroorganismen, 2. Aufl., Bd. 8, 1913.
25. Lode und Gruber, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 30, 1901.
26. Lode, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 31, 1902.
27. Lode, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 43, 1907.
28. Löffler, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 50, Ref. 1911.
29. Marchoux, Compt. Rend. de l’Acad. d. Sciences 1908.
30. Maue, Arbeiten aus dem Kaiserl. Ges.-Amt Bd. 21, 1904.
31. Miyaji, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 74, 1914.
32. Molisch, Bot. Zeitschr., Abt. I, 1908.
33. Mrowka, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 67, 1913.
34. Noguchi, Zentralbl. f. Bakt., Ref. Bd. 69, 1920.
35. Ostertag, Handb. d. pathog. Mikroorganismen Bd. 6, 2. Aufl., 1913.
36. Ottolenghi, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 67, 1913.
37. Provazek, M. M. W. 1908, S. 165, S. 1016 und S. 1524.
38. Rosenthal, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 40, 1906.
39. Roux, Bulletin de Tlnst. Pasteur, 1903.
40. Ruß, Arch. f. Hyg. Bd. 59, 1906.
41. Sangiorgi, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 72, 1914.
42. Salus, Wiener klin. W. 1919, Nr. 51.
43. Seiderheim, K. R. und R., Arch. f. exp. Pathol. und Pharmakologie Bd. 72,
1914 und Bd. 82, 1918.
44. Sollmann, Journ. of pharmocol. a. exp. therap. Bd. 16, Nr. 1, S. 49 bis
59, 1920. ref. Doerr, Kongreß zentralbl. f. d. gesamte innere Med.
45. Wollmann, Wiener klin. W., 1917.
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
Stadien über die Resorption von Blei and Unecksilber bzw.
deren Salzen dnrch die nnyerletzte Hant des Warmblüters.
Von
Privaldozent Dr. med. Philipp Oskar Süfsmann,
Assistent am Hygienischen Institut.
(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Würzburg. Vorstand:
Geheimrat Professor Dr. K. B. Lehmann.)
(Mit 1 Tafel.)
(Bei der Redaktion eingegangen am 10. März 1921.)
Vorwort.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war ein vorwiegend praktisches.
Es sollte die seit Jahrzehnten schwebende Streitfrage, ob und in welchem
Umfange Blei und Quecksilber bzw. ihre Salzverbindungen
von der Haut des Warmblüters resorbiert werden, durch ein¬
wandfreie Versuche gelöst werden. Gewerbehygiene und Dermatologie
haben ja in gleicher Weise ein Interesse daran, daß diese so oft aufge¬
worfene, so oft mit unzureichender Methodik in Angriff genommene und
bald mit „ja“, bald mit „nein“ beantwortete Frage endlich aus dem Reiche
des Zweifels gezogen werde. So sehr aber bei der Inangriffnahme des
Themas auf die praktischen Verhältnisse Rücksicht genommen wurde, so
schien es im Interesse einer kritischen Beurteilung doch nicht angängig,
theoretischer Überlegungen ganz zu entraten. Ich habe deshalb versucht,
das engere Problem als Spezialfall allgemein-physiologischer Fragestellungen
zu entwickeln; vielleicht ist damit erreicht, daß die Experimentalergebnisse,
die für sich allein nur beschränkten Tatsachenwert besitzen, allgemeinere
Bedeutung gewinnen.
Die Anregung zur Bearbeitung des Themas gab mir mein hochver¬
ehrter Lehrer, Herr Geheimrat Prof. Dr. K. B. Lehmann* dessen ex¬
perimenteller Erfahrung ich außerdem manch'wertvollen Wink verdanke;
ihm dafür an dieser Stelle zu allererst meinen ergebensten Dank auszu¬
sprechen, erscheint mir deshalb als eine Ehrenpflicht. Nicht versäumen
möchte ich des weiteren, dem Abteilungsvorstand am Hygienischen In¬
stitut, Professor H. K. Lang, für seine stets bewiesene Hilfsbereitschaft
Archiv für Hygiene. Bd. 90. 12
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176
Studien über die Resorption von Blei usw.
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herzlich zu danken. In Einzelfragen liehen mir ihre Unterstützung die
Herren Geheimrat Prof. Dr. M. von Frey, Geheimrat Prof. Dr. M. B.
Schmidt, Professor Dr. L. R. Müller; ihnen allen auch hier nochmals
Dank sagen zu* können, gereicht mir zu besonderer Genugtuung.
Einleitung.
Über die Beziehungen der Hautresorption zum allgemeinen
Re8orption8problem.
Mit Resorption bezeichnen wir die Aufnahme gelöster Stoffe in das
Innere der lebenden Substanz. Die Resorbierbarkeit eines Körpers ist
die erste Grundbedingung für seine Verwendungsmöglichkeit im Stoff¬
wechselhaushalt, die Resorption also der erste und allgemeinste prinzi¬
pielle Vorgang des Stoffwechsels überhaupt. Diese Definition führt uns
dazu, das Problem der Resorption zunächst als ein zellular-physiologisches
anzusehep. Die einfachste Betrachtungsweise besteht darin, sich die
Zelle von einer wässerigen Lösung des zu resorbierenden Stoffes allseitig
umgeben vorzustellen. Nach neueren Auffassungen besteht die proto¬
plasmatische Substanz, wenigstens der tierischen Zellen, aus einer Gallerte,
in welcher eine schwache wässerige Eiweißlösung die eine, ein reversibles
Eiweißhydrogel die andere Phase ist. Eine Reihe von Stoffen, kristalloider
wie kolloider Natur, ist in dieses Maschenwerk ’eingelagert, ohne daß wir
über die dabei auftretenden Strukturen etwas Sicheres auszusagen im¬
stande wären. Ein besonderer Anteil an dem ultramikroskopischen Auf¬
bau des Protoplasmas scheint indes lipoiden Substanzen (Lezithinen.
Cholesterinen) zuzukommen, welche sich wahrscheinlich an der Zell¬
oberfläche angereichert vorfinden und an der Bildung der theoretisch
geforderten, wenn auch unsichtbar dünnen Plasmahaut beteiligt sind.
Es liegt nahe, in dem osmotischen Druck die Kraft zu erblicken,
welche gelöste Stoffe veranlassen könnte, aus der Außenflüssigkeit durch
die Plasmahaut ins Zellinnere einzudiffundieren; auch für den Übertritt
von Wasser ist man versucht, eine osmotische Verschiebung bei äußerer
Hypotonie verantwortlich zu machen. In der Tat hat sich in schönen
Experimenten zeigen lassen, daß die Schnelligkeit des Eindringens der
Diffusionsgeschwindigkeit bzw. der Höhe des osmotischen Druckes oft
entspricht.
Allein, es gab auch genug Fälle, wo eine solche Erklärung versagte.
Wenn z. B. aus einer hypertonischen Kochsalzlösung gleichwohl Wasser
in das Darmepithel über trat (Heidenhain), so blieb in Unkenntnis wei¬
terer Kräfte keine andere Möglichkeit als hierin einen aktiven vitalen
Vorgang zu sehen.
Mit der Erkennung der Gallertstruktur der Zelle wurde die Bedeutung
der Quellung in den Vordergrund des Interesses gerückt. Der Quellungs¬
druck kann die Größe des osmotischen Druckes erreichen, ja er vermag
ihn unter Umständen noch zu überwinden und eine Lösung zu konzentrieren.
Hängt man z. B. nach C. Ludwig eine gut getrocknete Tierblase in kon-
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Von Dr. med. Philipp Süßmann.
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zentrierte Kochsalzlösung/so quillt die Blase unter Aufnahme einer schwa¬
chen Lösung, während sich in der Flüssigkeit Kochsalzkristalle abscheiden.
Insofern die Quellfähigkeit von Gallerten durch Elektrolyte je nach deren
Konzentration und chemischen Natur bald vermehrt bald verringert
wird, erscheint die Quellung als ein Prozeß, welcher in weitestgehendem
Maße regulatorischer Beeinflussung zugänglich ist. Doch wird mit der
Ergründung solcher Abhängigkeiten das Resorptionsproblem keineswegs
gelöst; denn es erfährt dieses zunächst noch eine erhebliche Komplikation
durch die Frage nach den Bedingungen für die Resorbierbarkeit
einer Substanz.
Seit langem war man sich darüber klar, daß nicht, die chemische Be¬
schaffenheit, sondern physikalische Eigenschaften in erster Linie für die
Resorbierbarkeit maßgebend sind, aber erst C. E. Overton hat in seinen
zahlreichen Untersuchungen an Pflanzen- und Tierzellen allgemeingültige
Regeln aufgestellt. Nach ihm verhält sich die Zelle so, als wäre sie von
einer zusammenhängenden Lipoidmembran umschlossen; Substanzen,
welche in dieser Membran löslich sind, werden resorbiert, lipoidunlöslichen
ist der Eintritt versperrt. Die Resorptionsgeschwindigkeit hängt ab von
Lipoidlöslichkeit
der Größe des »Teilungskoeffizienten«
, wobei die Wasser-
Wasserlöslichkeit
löslichkeit den Wert Null allerdings nicht erreichen darf; denn da alle
Zellen von einem wässerigen Medium umgeben sind und selbst zu einem
erheblichen Teil aus Lösungswasser bestehen, so vermag ein wasser¬
unlöslicher Stoff mit der lebendigen Substanz überhaupt nicht in
Wechselwirkung zu treten.
Die Overtonsche „Lipoidtheorie“ hat in vielfachen Experimenten
eine glänzende Bestätigung erfahren, obgleich sie in einem seltsamen
Gegensätze zu der Tatsache steht, daß diejenigen Stoffe, deren die Zelle
zu ihrem Stoffwechselbetriebe in erster Linie bedarf, wie Aminosäuren,
Zucker, Mineralsalze, keinerlei Lipoidlöslichkeit besitzen und deshalb
gar nicht resorbierbar sein könnten. Und wenn man auch auf der anderen
Seite gerade darin wieder eine besondere Zweckmäßigkeit, ja Selbstver¬
ständlichkeit erblicken kann, daß auf solche Weise auch ein schranken¬
loses Herausdiffundieren dieser wichtigen Kristalloide aus dem Zellinnern
vermieden wird und der Charakter einer Zelle als eines geschlossenen •
chemischen Systems gewahrt bleibt, so wird der merkwürdige Wider¬
spruch dadurch nicht aufgehoben.
Es wurden denn auch die verschiedenartigsten Versuche gemacht,
auf anderem Wege zu einer plausiblen Erklärung der Resorptionserschei¬
nungen zu gelangen. Z. B. vertritt Ru hl and die Anschauung, daß die
Plasmahaut wie ein Bechlioldsches Ultrafilter wirke und angrenzenden
* gelösten Stoffen den Eintritt nur nach Maßgabe ihrer Teilchengröße ge¬
statte. Doch läßt diese Ansicht, die zwar die Notwendigkeit des vorher¬
gehenden Spaltung von Eiweiß, Stärke usw. zum Zweck ihrer Resorption
begreiflich macht, die doch sicher bewiesene Tatsache eben wieder un¬
berücksichtigt, daß die lipoidlöslichen Stoffe besonders schnell resorbiert
werden, Alkohol z. B. erheblich rascher als Kochsalz trotz des nahezu
gleichen Molekulärgcwichts.
12 *
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178 Studien über die Resorption von Blei usw.
Wenn man sich eine Anschauung von den Resorptionsvorgängen
machen will, welche allen Erscheinungen einigermaßen gerecht wird, so
wird man wohl an Vorstellungen von F. Czapek anknüpfen müssen,
welcher die Plasmahaut nicht als zusammenhängende Lipoidmembran
wie Over ton, sondern als eine konzentrierte Lipoidemulsion in einem
wässerigen Dispersionsmittel (Eiweißgallerte) betrachtet. Eine derartige
Plasmagrenzschicht kann nicht nur sehr weitgehender zellindividueller
Verschiedenheiten (s. u.) sondern auch an ein und derselben Zelle erheblicher
physikalischer Zustandsänderungen fähig sein: Quellung des Eiwei߬
gerüstes mit Auseinanderdrängung der Lipoidteilchen wird wasserlös¬
lichen Stoffen den Durchtritt erleichtern, starke Entquellung umgekehrt
erschweren oder — möglicherweise unter Zusammenfließen der Lipoid -
tropfchen zu einer zusammenhängenden Schicht (Clowes) — völlig ver¬
hindern. Auch der Quellungszustand des Lezithins, von welchem der
Dispersitätsgrad des in ihm gelösten hydrophoben Cholesterins abhängt
(Bechhold), wird dabei von größter Bedeutung sein. Bechhold weist
auch darauf hin, daß eine solche Vorstellung recht gut mit der erwähnten
Ruhlandsehen Ultrafiltrationstheorie in Einklang zu bringen ist. Wir
können uns mit ihrer Hilfe verständlich machen, daß der Weg ins Zell¬
innere kolloiden Substanzen stets, wasserlöslichen Kristalloiden nur zu
gewissen Zeiten versperrt ist, während lipoidlösliche Stoffe jederzeit
ungehinderten Eingang finden. Der Zustand der Plasmahaut, in welchem
die Oberflächen der einzelnen Lipoidteilchen sich so genähert sind, daß
ein Durchtritt rein wasserlöslicher Substanzen praktisch unmöglich ge¬
worden ist und eine Aufnahme von Stoffen nur noch nach dem Grade
der Lipoidlöslichkeit in physikalischer Gesetzmäßigkeit stattfindet, stellt
den Zustand der ,,physikalischen Permeabilität“ dar, welcher der
Ruhezustand der Zelle ist; die Quellung des Eiweißgerüstes führt zum Zustand
der „physiologischen Permeabilität“, in welchem wir einen aktiven
Funktionszustand der Zelle zu erblicken haben. Die Regulatoren, unter
deren Herrschaft die Zustandsänderungen der Plasmahaut stehen, werden
mit den Einflüssen identisch sein, die für den Quellungszustand des
Protoplasmas überhaupt ausschlaggebend sind; d. h. sie bestehen wohl in
dem qualitativen und quantitativen Ionisationsbild, welches einer be¬
stimmten nutritiven Verfassung der Zelle entspricht. Damit gliedert sich
das qualitative Resorptionsproblem in gewissem Maße ein in die Grund¬
frage nach der Erklärung der resorptiven Funktion.
Ohne diese Vorstellungen noch mit Überlegungen über die Wirkung
der Adsorption zu komplizieren, der ebenfalls eine vielleicht nicht
unerhebliche Rolle beim Eintritt von Stoffen ins Zellinnere zukommt,
wollen wir uns damit von der Betrachtung der zellulären Resorption ab¬
wenden, um die besonderen Verhältnisse ins Auge zu fassen, welche bei
flächenhafter, epithelialer Anordnung der Zellen entstehen. Wir
machen hier die Erfahrung, daß die Resorption zumeist eine „seitige“ ist,
d. h. daß die Stoffaufnahme auf der einen Oberfläche des Epithelgewebes
erfolgt, während auf der entgegengesetzten Seite eine Ausscheidung statt¬
findet. Machen bei dieser Stoffwanderung die aufgenommenen Substanzen
im Zellinnern erhebliche chemische Veränderungen durch, so pflegen wir
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im allgemeinen von einer sezernierenden Tätigkeit des Gewebes zu spre¬
chen, während im umgekehrten Falle, wenn also die abgegebenen Stoffe
den aufgenommenen annähernd gleichen, ein einfacher Durchtritt, eine
Permeation, vorzuliegen scheint. Eine strenge Scheidung der beiden
Prozesse ist unmöglich; auch die „Permeation“ dyrch lebendes Epithel,
wenigstens die der lipoidunlöslichen Stoffe, stellt eine aktive Zelltätigkeit,
eine verwickelte regulierte Kombination von Quellungs- und Entquellungs¬
vorgängen dar. Durch den Tod des Gewebes fallen die nur im steten Wech¬
sel des Stoffumsatzes möglichen automatischen Regulationen des Quellungs¬
zustandes fort; Gerinnungsvorgänge führen weiterhin zu einer tiefgreifen¬
den irreversiblen Veränderung der ultramikroskopischen Struktur. Darum
muß es klar sein, daß Permeabilitätsversuche an toten Membranen unter
keinen Umständen einen Anhaltspunkt für die resorptive Kraft eines
lebenden Gewebes geben können.
Zu den Eigentümlichkeiten der räumlichen Verbindung vieler Zellen
gehört es, daß eine Ansaugung von Flüssigkeit und gelöster Substanz
auch durch die Kapillarräume'zwischen zwei benachbarten Zellen möglich
ist. R. Höher hat z. B. den interzellularen Durchtritt von molybdän¬
saurem Ammonium durch das Darmepithel sicherstellen können; ob diesem
Resorptionsmodus tatsächlich eine hohe allgemeine Bedeutung zukommt,
muß die Zukunft noch lehren.
Es darf auch der Hinweis darauf nicht unterlassen werden, daß bei
der Betrachtung epithelialer Resorption eine Permeabilität sogar für feste
Stoffe durch die Tätigkeit phagozytierender Wanderzellen vorgetäuscht
werden kann, welche die Epithelschicht durchsetzen und mit Substanz
beladen ihren Weg in den Körper zurücknehmen, wie es bei der Verschlep¬
pung des Kohlenstaubes aus der Lunge der Fall ist.
Von den verschiedenen Epithelien des tierischen Körpers sind nicht
alle mit einer Quellfähigkeit gleicher Intensität ausgestattet, Man darf
annehmen, daß jedem funktionell differenzierten Epithelgewebe ein ty¬
pischer Quellungszustand entspricht, der sich übrigens auch der
chemischen Analyse durch einen charakteristischen Prozentgehalt an Wasser
und lipoider Substanz verraten müßte; zusammenfassende Untersuchungen
liegen hierüber noch nicht vor. Voraussichtlich würde sich aber die Tat¬
sache ergeben, daß stark resorbierende Epithelien, deren Quellungsvermögen
in besonders hohem Maße beansprucht wird, relativ wasserreich und lipoid¬
arm sind, während solche epitheliale Zellverbände, deren Aufgabe mehr in
der isolierenden Bedeckung des unterliegenden Gewebes liegt, verhält¬
nismäßig weniger Wasser und desto mehr lipoide Substanzen enthalten.
Die Epithelzellen der letzten Sorte werden natürlich auch eine Plasmahaut
mit besonders dichter upoider Durchtränkung besitzen; sie sind Zellen,
welche sich dauernd in einem Zustande schwacher ,»physiologischer Per¬
meabilität“ befinden. Je mehr dies der Fall ist, um so mehr muß das
Epithel den physikalischen Gesetzen gehorchen, welche für den resorptiven
Ruhezustand Geltung haben (Vorherrschen osmotischer Vorgänge, Im¬
permeabilität für lipoidunlösliche Substanzen).
Unter allen Epithelien des Tierkörpers besitzt die Epidermis das
geringste Quellungsvermögen; unsere Betrachtungen, welche rchon Ge-
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Studien über die Resorption von Blei usw.
fahr liefen, allzu spekulativ zu werden, gewinnen jetzt wieder Tatsachen¬
boden mit der Feststellung, daß die Resorptionsverhältnisse der Amphi¬
bienhaut Over ton wirklich als Musterbeispiel für die Richtigkeit seiner
„Lipoidtheorie“ galten.
In der Tat, schon die Oberhaut des Kaltblüters, selbst wenn sie nur
aus wenigen unverhornten Epithelschichten besteht (Amphibienlarve),
ist für Mineralsalze, Zuckerarten und andere lipoidunlösliche Körper prak¬
tisch undurchdringlich, während Äther, Alkohol, Anilin, Sauerstoff,
Kohlensäure, überhaupt alle in Lipoiden löslichen Stoffe, auch das Wasser
(in welchem Lezithin zu quellen vermag), Eingang finden. Mögen die Over-
tonschen Anschauungen von der wissenschaftlichen Kritik im allgemeinen
mit Recht als unzureichend erklärt worden sein — für die Permeabilitäts¬
verhältnisse der tierischen Epidermis haben sie ihre Geltung in vollem Maße
behalten, und wir hätten sie ohne weitere Umschweife den auf unser
spezielles Thema zusteuernden Ausführungen zugrunde legen können,
wenn es nicht doch im Interesse einer klaren Übersicht nützlich geschienen
hätte, an die folgenden Fragen von einem allgemeineren Standpunkte
aus heranzutreten.
I. Die Permeabilität8¥erhältni88e der Warmblüterhaut und die Auf¬
nahmemöglichkeiten von Blei und Quecksilber.
Die Epidermis der Säugetiere und Vögel ist nicht nur durch ihre Viel¬
schichtigkeit, sondern auch dadurch ausgezeichnet, daß die äußersten
Epithellagen absterben und vertrocknen, wobei das Exoplasma der Zellen
eine als „Verhornung“ bezeichnete, chemisch noch wenig aufgeklärte Ver¬
änderung erleidet. Die Hornlamellen stoßen sich kontinuierlich in kleinsten
Schüppchen ab; ihr Ersatz wird durch stetiges Nachrücken und Verhornen
der tieferen Epithelschichten besorgt. Diese'gchen gegen das bindegewebige
Corium hin in das Stratum germinativum über, dessen tiefste Lagen zahl¬
reiche mitotische Zellteilungen aufweisen. Bei den Säugetieren wird die
Epidermis von den meist in die Haarbälge einmündenden Talgdrüsen
und den Schweißdrüsen durchbohrt, die sich tief ins Corium und das
Unterhautzellgewebe einsenken.
Im Hinblick auf das Resorptionsvermögen sind drei funktionell
verschieden wertige Epidermisschichten zu unterscheiden: die tote Horn¬
schicht, dann die aus lebenden, aber nicht mehr teilungsfähigen Zellen
bestehenden Mittellagen und endlich die in fortwährender Proliferation
begriffene tiefste Keimschicht.
Für das aus abgestorbenen Zellen bestehende Stratum corneum
können, wie oben ausgeführt, die Resorptionsgesetze keine Geltung haben;
seine Durchlässigkeit war empirisch zu ermitteln. Es zeigt sich, daß die
stark ausgetrockneten Lamellen eine nicht unerhebliche Quellungsfähig¬
keit für Wasser besitzen. Nun ist zwar bei den Säugern die Oberfläche
der Epidermis von dem Hauttalge überzogen, ja die Hornschicht imbi-
biert sich mehr oder minder mit demselben; weil der Talg indes nur zum
geringsten Teile aus Neutralfett, sondern zumeist aus hydrophilen äther-
löslichen Stoffen besteht, so wird das Quellungsvermögen durch ihn nicht
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aufgehoben. Mit dem eindringenden Wasser werden auch gelöste Stoffe
unterschiedslos, also auch lipoidunlösliche, aufgenommen (Marg. Traube-
Mengarini). Daß Lipoidlösungsmittel, z. B. Alkohol, sowie ausgesprochene
Fettsubstanzen und in ihnen gelöste Körper ebenfalls Eingang finden,
erscheint selbstverständlich.
Diese Betrachtungen dürfen nun keineswegs dazu verleiten, die
schützende Fähigkeit der Horndecke als gering anzusehen. Zunächst
brauchen alle Quellungs- und Imbibitionsvorgänge Zeit. Wir überzeugen
uns täglich, daß durch kurzdauerndes Händewaschen die Haut nur un¬
wesentlich erweicht wird, erst in längerem Bade quillt sie stärker auf. Wenn
also die für die Resorption in Betracht kommende Substanz der Haut¬
oberfläche nicht ununterbrochen anliegt, so kann sic bei genügender
Dicke der Hornschicht mehr oder minder zurückgehalten werden. Auch
die Wachstumsvorrückung der Zellen, welche der Richtung der eindringen¬
den Substanzen entgegengesetzt ist, mag noch ein Hindernis bilden.
Die Mittellagen der Oberhaut, welche verschiedenen anatomischen
Schichten (Stratum lucidum, granulosum, germinativum) angehören,
sind als besonders bedeutungsvoll für die Resorptionsfähigkeit der Haut
anzusehen. Dem Tode entgegengehend, besitzen ihre Zellen nur noch
einen geringen Stoffwechsel und sind auf Resorption von Salzen, Zuckern
und anderen Kristalloiden nicht mehr angewiesen'; ihre Plasmahaut ist
daher für bloß wasserlösliche Stoffe wohl dauernd verschlossen. Nach den
bisherigen Untersuchungen zu urteilen, ist in dem reichlichen Lipoid¬
gehalt dieser Zellen das in Wasser nicht quellende Cholesterin und seine
Abkömmlinge erheblich stärker vertreten als die Lezithine; vielleicht
erklärt sich daraus die Tatsache, daß an dieser Epidermisschicht auch der
Strom des durch die Horndecke etwa noch bis hieher dringenden Wassers
selbst aufgehalten wird. In der Wasserundurchlässigkeit der Warm -
blüterhaut liegt der charakteristische funktionelle Unterschied gegen¬
über der Haut der Poikilothermen.
Somit kommen wir zu dem Schlüsse, daß bei den eigenwarmen Tieren
nur gleichzeitig wasser- und fett-(cholesterin ?-)lösliche Stoffe Aussicht
haben, durch die Haut auf dem Resorptionsweg in den Körper einzudringen.
Schwenkenbecher hat in zusammenfassender literarischer und ex¬
perimenteller Bearbeitung die sichere Tatsachengrundlage für das Be¬
stehen dieses Satzes gegeben; aber vor ihm hatte ihn schon Filehne
auf Grund theoretischer Überlegungen ausgesprochen.
Der auf die Mittellagen folgenden Mitosenschicht des Stratum
germinativum kommt für die Permeabilität der Haut keine Bedeutung
mehr zu. Die jungen, wachsenden Zellen müssen sich im Zustande aktiver
Resorptionsfähigkeit befinden und nehmen sicherlich auch Mineralsalze
usw. auf; da sie indessen bereits hinter dem schützenden Wall der mitt¬
leren Schichten liegen, so spielt ihr Verhalten für das Resorptionsvermögen
der Haut im ganzen keine Rolle mehr.
Einer kurzen Betrachtung bedürfen noch die Ausführungsgänge der
Schweiß- und Talgdrüsen sowie die Haarbälge, weil die Möglich¬
keit besteht, daß in dieselben bei Einreibungsprozeduren die zur Resorp¬
tion bestimmten Substanzen eingepreßt werden. Als Besonderheit ist
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Studien über die Resorption von Blei usw.
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hier das Fehlen der Hornschicht zu vermerken; die Stoffe kommen in
unmittelbare Berührung mit Zellen, welche sich in ihrem Ernährungs¬
bedürfnis und also auch in ihrem resorptiven Verhalten wohl mit den¬
jenigen der Epidermis-Mittellagen vergleichen lassen. Damit sprechen
wir aus, daß wir bei der Resorption durch die in Rede stehenden Einstül¬
pungen der Epidermis jedenfalls keine qualitative Verschiedenheit er¬
warten dürfen.
Haben die resbrptionsbefähigten Stoffe die ganze Dicke der Oberhaut,
Zelle für Zelle, durchmessen, so werden sie schließlich von den Lymph-
bahnen des Coriums aufgenommen und dem allgemeinen Säftestrom zu-
geführt. Schwenkenbecher macht allerdings darauf aufmerksam, daß
der Lymphstrom schon zwischen den Zellen der von uns als „Mittellagen“
bezeichneten Epidermisschichten fließt, und deshalb auch ein interzellu¬
larer Übertritt von (natürlich auch lipoidunlöslichen) Substanzen in die
Lymphe möglich ist, besonders wenn Massage hinzutritt; tatsächliche Be¬
weise für dieses Geschehen bringt er nicht. Von manchen Autoren, z. B.
Oster len, ist auch behauptet worden, daß durch kleinste Hornhaut-
rissc, wie sie durch energische Massage ja wohl zustande kommen können,
sogar feste Substanzpartikel in die Zwischenzellenräume eingepreßt wer¬
den, und so in den Kreislauf gelangen; indessen wird von anderen, wie
Rindfleisch, das Vorkommen dieses Resorptionsmodus auf Grund sorg¬
fältiger Untersuchungen bestritten. In Ermangelung zweifelsfreier Be¬
funde soll deshalb der interzellulare Resorptionsweg, für welchen die er¬
mittelten qualitativen Gesetze keine Geltung hätten, aus den weiteren
Erörterungen ausgeschaltet bleiben.
Indem wir das Ergebnis unserer bisherigen Betrachtungen auf das
Problem der Hautpermeabilität für Blei und Quecksilber anwenden,
vereinfacht sich dieses zu der Frage: Gibt es Salzverbindungen dieser
Metalle, welche sowohl wasser- als auch fettlöslich sind ? Die Antwort
ist schnell gegeben. Vom Blei kennen wir allein die fettsauren Salze, vom
Quecksilber außer diesen noch das Chlorid, welche dieser Forderung ent¬
sprechen. Das ölsaure Blei (Bleipflaster) ist mit Fetten in allen Verhält¬
nissen mischbar, in Wasser löst es sich nur im Verhältnis 1:750 (nach
eigener Bestimmung); sein Teilungskoeffizient ist demnach außer¬
ordentlich hoch. Ganz ähnlich verhält sich fettsaures Quecksilber. Beim
Sublimat ist der Teilungskoeffizient wesentlich kleiner, aber die Fett¬
löslichkeit immer noch so erheblich, daß einer Aufnahme ins Zellinnere
nichts im Wege stehen kann. Es ist nun keineswegs nötig, daß die Metalle
von vornherein in dieser resorptionsbefähigten Form auf die Haut aufge¬
bracht werden. Beim Zusammentreffen mit dem aus Neutralfetten und
anderen Fettsäureestern bestehenden Hauttalg werden auch die bloßen
Oxyde eine Verseifung herbeiführen und zum Teil in fettsaure Salze über¬
gehen. Vielleicht, wenn auch sicher in geringerem Maße, findet sogar eine
Umsetzung anderer Salze der Metalle zu Fettseifen statt. Ja es erscheint
gar nicht ausgeschlossen, daß die feinzerstäubten Metalle selbst mit Hilfe
des Luftsauerstoffes, den sie vermöge ihrer großen Oberfläche reichlich
adsorbieren (es wird übrigens auch den physiologischen Drüsensekreten
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Von Dr. med. Philipp Süßmann. 183
eine oxydierende Fähigkeit zugeschrieben, vgl. Bettmarin, S. 35), in
die resorptionsfähige Form fettsaurer Salze iibergeführt werden.
Und trotz alledem ist mit diesen Feststellungen die Frage, ob die fett-
löslichen Blei- und Quecksilbersalze nun auch wirklich die ganze Dicke*
der Oberhaut zu durchdringen vermögen, noch keineswegs beantwortet.
Es tritt hier eine besondere Komplikation hinzu, welche ihren Grund in
dem Salzcharakter der fraglichen Verbindungen hat. Fettlöslich ist eben
nur das nichtdissoziierte Salz; dieses allein vermag die Plasmahaut zu
passieren. In dem wasserhaltigen Zellprotoplasma wird aber eine teilweise
Spaltung der Moleküle eintreten und die freien Metallionen Albuminat-
fällungen erzeugen können, welche ein Weiterwandern des metallischen
Anteils verhindern. Diese Gefahr besteht besonders für das Blei, dessen
Eiweißverbindungen bedeutend fester und weniger löslich sind als die des
Quecksilbers. In welchem Umfange, ein solches auswählendes Zurück¬
halten gerade der Schwermetalle durch die Epidermiszellen stattfindet,
läßt sich von vornherein keineswegs beurteilen. Nach der eingehenden
theoretischen Aufrollung des ganzen Problems müssen wir also mit einer
gewissen Resignation erkennen, daß doch nur der spezielle Versuch über
die Tatsächlichkeit und den Grad der Blei- und Quecksilberpermeabilität
Aufschluß zu geben vermag. Immerhin sind durch die vorstehenden
Betrachtungen wenigstens die Wege für die einzuhaltende Versuchs¬
anordnung gewiesen.
II. Über die Versucheanordnung von Hautresorptionsversuchen.
Die erste Frage gilt der Wahl des Versuchsobjektes. Vom prak¬
tischen Standpunkte aus interessieren natürlich vorwiegend die Verhält¬
nisse am Menschen; indes kann dieser selbst nur in beschränktem Umfange
in den Dienst des Experimentes gestellt werden. Bei der Auswahl der
Versuchstiere ist nach den Ausführungen des vorhergehenden Abschnittes
darauf zu achten, daß die Dicke der Epidermis und ihrer einzelnen Schichten
mit den Verhältnissen beim Menschen einigermaßen übereinstimmt. Eine
sehr dünne Epidermis kann zu etwas höheren Resorptionswerten führen,
während umgekehrt eine dicke und stark verhornte Oberhaut ein größeres
Permeabilitätshindernis abgibt als es beim Menschen der Fall ist; quali¬
tative Besonderheiten sind im Resorptionsversuch am warmblütigen
Tier gegenüber dem Menschen nach den vorausgegangenen Betrachtungen
selbstverständlich nicht zu erwarten. Im allgemeinen werden die gebräuch¬
lichen kleinen und mittelgroßen Experimentaltiere, wie Mäuse, Ratten,
Meerschweinchen, Kaninchen, Katzen, Hunde, Tauben, Hühner, dieser
Forderung entsprechen; die Dickenunterschiede ihrer Epidermis sind
jedenfalls nicht sonderlich erheblicher als die individuellen Schwankungen
beim Menschen selbst. Nach dem Vorgänge von Vogt und Burckhardt
habe ich hauptsächlich mit Katzen gearbeitet, da diese Tiere für solche,
zumal länger dauernde, Versuche aus einer Reihe von Gründen besonders
gut geeignet sind.
Sie besitzen eine passende Körpergröße, lassen sich unschwer mit
Fleischabfällen, z. B. aus dem Schlachthause, füttern, setzen in der Regel
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Studien über die Resorption von Blei usw.
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(‘inen festen, vom Urin leicht trennbaren Kot ab und gehen selten an
interkurrenten Erkrankungen zugrunde; gegen spezifische Giftwirkungen
sind sie nach K. B. Lehmann aber ebenso empfindlich, wenn nicht emp¬
findlicher, als der Mensch. Besonders wertvoll ist auch ihr psychisches
Verhalten. Ihr Erinnerungsvermögen hält anscheinend nicht lange an;
sie finden sich deshalb rasch in die Gefangenschaft und lassen sich mit
einiger Geduld an alle sonstigen Freiheitsbehinderungen, auch der un¬
natürlichsten Art, gewöhnen. Dabei verraten sie nach einigen anfänglichen
Wutausbrüchen keine tieferen Gemütsbewegungen mehr; sie stumpfen
bald ab, reagieren dann selbst bei langandauernder Zwangshaltung (wie
z. B. in dem am Schlüsse dieses Abschnittes besprochenen Resorptions¬
versuchskasten) auf Krauein des Kopfes sofort mit behaglichem Schnurren
und scheinen ihr ganzes Begehrungsvermögen auf die Befriedigung ihrer
Freßlust zu konzentrieren.
Eine Versuchsstörung durch psychische Alteration des Versuchs¬
tieres ist also bei Verwendung von Katzen nicht leicht zu befürchten,
wenn die Tiere an ihre im Experiment einzunehmende Zwangslage ein
bis zwei Wochen lang gewöhnt werden. Diese Dressur hat aber unbedingt
zu erfolgen, ihre Unterlassung kann zu den folgenschwersten Fehlresultaten
führen.
Bei den Säugetieren ist das dichte Haarkleid Resorptiönsversuchen
hinderlich; es ergibt sich die Notwendigkeit, eine teilweise Enthaarung
vorzunehmen.
Rasieren und chemische Depilation (mit Kalziumhydrosulfid, Stron-
tiumhydrosulfid, Bariumsulfid usw.) schaffen unvermeidlich kleine Schürf¬
oder Atzwunden, welchen erst Zeit zum Ausheilen gelassen werden muß,
bevor der Resorptionsversuch beginnen darf; dann sind aber die Haare
manchmal schon wieder auf 1 mm und darüber gewachsen. Ich habe den
Eindruck, daß durch den Reiz dieser Prozeduren der Nachwuchs der Haare
besonders beschleunigt würde. Deshalb habe ich mich schließlich darauf
beschränkt, den Pelz nur mit Schere und Haarschneidemaschine bis auf
mm zu kürzen, worauf sofort (doch nie, ohne daß die Haut auf tatsäch¬
liche Intaktheit genau geprüft worden wäre) mit dem Versuch begonnen
werden konnte. Die Enthaarung wurde stets am Rücken und den Flanken
der Tiere vorgenommen; Fig. 1 zeigt das Bild einer solchen geschorenen
Katze.
Nach 4 bis 6 Wochen pflegen die Haare wieder die Länge von 1 cm
erreicht zu haben. Dadurch wird praktisch das Ende des Versuches er¬
zwungen, weil die zur Resorption bestimmten Substanzen von der Haut
abgehoben werden und sich auch durch Massage ein genügender Kontakt
mit der Haut nicht mehr hersteilen läßt. Eine neue Schur des verklebten
Pelzes ist aber ohne stärkste Gefahr der Verschmutzung des ganzen Tieres
nicht mehr durchzuführen. Ich habe einigemale versucht, durch Röntgen¬
bestrahlung den Nachwuchs der Haare zu verzögern. Es gelingt dies auch,
aber bei dem steilen Abfall des Katzenrückens nicht in gleichmäßiger Weise.
Auch um mich nicht dem Einwand auszusetzen, daß die bestrahlte Haut
sich in bezug auf ihr Resorptionsvermögen geändert haben könnte, habe
ich schließlich von einem weiteren Verfolg dieser Idee Abstand genommen,
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zuinal die Bestrahlung der narkotisierten Katzen recht schwierig war und
nicht jedes Tier die Prozedur lebend überdauerte. Bei den in dieser Arbeit
geschilderten Versuchen hat also keine Röntgenbestrahlung stattgefunden;
die Versuchsdauer war infolgedessen zeitlich begrenzt.
Nach der Wahl und entsprechenden Vorbereitung des Versuchs¬
objektes tritt die Frage nach der zweckmäßigsten Applikation der resorp¬
tionsbestimmten Substanz an uns heran. Für Stoffe festen Aggregat¬
zustandes (mit Einschluß des metallischen Quecksilbers) kommen folgende
Möglichkeiten in Betracht:
1. Bad: Ein Körperabschnitt wird in eine wässerige Lösung der Sub¬
stanz eingetaucht.
Fig. 1. Bild einer sattelförmig geschorenen Katze.
2. Feuchter Verband:*Die Haut wird mit einer Mull- oder Watte¬
lage, welche von der wässerigen Lösuu/ der Substanz durchtränkt ist,
bedeckt gehalten.
3. Einpinselung: Die Haut wird mit der in Wasser oder flüchtigen
organischen Solventien gelösten Substanz benetzt und das Vehikel zum
Verdunsten gebracht.
4. Bestäubung: Die Haut wird mit dem trockenen Substanzpulver
bedeckt, welches in diesem Falle meist wohl erst nach Umsetzung mit den
Fettsäuren des Hauttalgs resorptionsfähig wird.
5. Salbung: Die Substanz ist in fettigem Medium gelöst oder (in
Erwartung einer entsprechenden Umsetzung mit dem Hauttalg oder dem
Salbenfette selbst) nur suspendiert, bzw\ (beim Quecksilber) emulgiert;
die Salbe wird entweder nur aufgetragen oder eingerieben.
Bei schärferem Zusehen vermögen wir die 5 Applikationsweisen
einzuteilen in Anwendung wässeriger Lösungen (1, 2) und fettiger Lösungen
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Studien über die Resorption von Blei usw.
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(4, 5); denn auch die bloße Bepuderung, z. B. mit Bleioxyd, ist nach der
Umsetzung zu fettsaurem Blei und dessen Lösung im Hauttalg einer Be¬
deckung mit Bleioleat enthaltender Salbenmasse im physiologischen
Sinne qualitativ gleichwertig. In der Mitte steht die Bepinselung, insoferne
sie zunächst die Verhältnisse des feuchten Verbandes (bei wässeriger
Lösung) nachahmt, nach dem Eintrocknen aber den Effekt einer Bestäu¬
bung oder Salbung besitzt.
Es handelt sich also um die prinzipielle Frage: Wässeriges oder fettiges
Medium? Schon Schwenkenbecher hat sich vor der Ausführung
seiner Versuche die Frage vorgelegt und sich für wässerige Lösungen ent¬
schieden. Er schreibt: „Derjenige physikalische Vorgang, welcher die
Aufnahme von Stoffen durch die Haut beherrscht, ist die Osmose. Denken
wir uns den Körper eines Menschen oder eines Tieres in einem Bade, in
dem die auf ihre Durchgängigkeit zu prüfenden Stoffe gelöst sind, so haben
wir die einfachsten und klarsten Versuchsbedingungen. Dann bildet die
Haut die Diffusionsmembran; Badewasser und Blut sind die beiden Lö¬
sungen, welche einen osmotischen Ausgleich ihrer Bestandteile eintreten
lassen können. Jede andere Anordnung, wie z. B. das Bestreichen und Be¬
pinseln des Körpers mit Lösungen, die Einreibung von Substanzen in
Salben, schafft kompliziertere Verhältnisse, welche wir vorderhand noch
nicht übersehen können.“
Nun zeigt aber ein Blick in die tatsächlichen Verhältnisse des Lebens,
daß dort, zum mindesten für unsere Spezialbetrachtungen, die Versuchs¬
bedingungen Schwenkenbechers kaum je gegeben sind. Der Fabrik¬
arbeiter, dessen Gesicht, Hände und Arme mit Bleifarben beschmutzt
sind, der Schauspieler und die Schöne, die sich bleihaltiger Schminke
bedienen, der Syphilitiker, welcher sich einer Schmierkur unter¬
zieht: sie alle bilden Beispiele fettiger Applikation; ja sogar bei dem
Arzt, der Hände und Arme in stark verdünnter wässeriger Sublimat¬
lösung wenige Minuten lang desinfiziert und nach flüchtigem Abtrocknen
den Rest der Lösung auf der Haut verdunsten und sich dabei konzen¬
trieren läßt, spielt, was die Gefahr eines Sublimateindringens durch die
Epidermis betrifft, die kurzdauernde Waschung selbst wohl nur die geringste
Rolle. Weil aber das Ziel dieser Arbeit war, vornehmlich den Zwecken
der Praxis zu dienen, so mußte im Gegensatz zu den theoretischen Unter¬
suchungen Schwenkenbechers auch die Applikation in fettigem Me¬
dium gewählt werden. Badeversuche mit dem notwendigen Verschluß
der Exkretionsöffnungen Anus und Orificium urethrae externum (um
Schleimhautresorption auszuschließen) lassen auch eo ipso nur eine nach
Stunden zählende Versuchsdauer zu; aber gerade in der Chronizität der
Einwirkung war es hier notwendig, die Verhältnisse der Praxis nachzu¬
ahmen. Es ergab sich also die Aufgabe, über die besonderen Resorptions¬
bedingungen bei fettiger Applikation einige Klarheit zu gewinnen, und
ich möchte glauben, daß dies nicht so ganz unmöglich ist.
Das fettige Medium durchdringt samt der gelösten Substanz das
Stratum corneum und gelangt schließlich an die ersten lebenden Zellen
der „Mittellagen“, deren Chole&terinhaut ebenfalls noch Lösungsmittel
und gelösten Stoff gleichmäßig aufnimmt. Der hinter der Plasmahaut
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gelegene, eine wässerige Eiweißgallerte darstellende Zelleib ist jedoch
nur mehr für die ja auch wasserlösliche gelöste Substanz, nicht mehr aber
für das wasserunlösliche fettige Solvens durchlässig. Wir wollen jene
Hautebene, bis zu welcher wasserunlösliche Fettsubstanzen vorzudringen
imstande sind, mit „Fettgrenzschicht“ bezeichnen, ein Ausdruck, der bei
dem sukzessiven Verhornungsprozeß der Epidermiszellen keinen anato¬
misch genau faßbaren, sondern nur einen physiologischen Begriff darstellt.
Wie aber liegen denn, genau betrachtet, die Verhältnisse bei wässeriger
Applikation, bei dem Badeversuch ? Auch hier gelangt die Lösung durch
die Horndecke hindurch an die „Mittellagen“. Auch hier vermag nur die
(auch fettlösliche) gelöste Substanz weiter vorzudringen, während das
Wasser zurückgehalten wird, dieses allerdings schon an der Außenseite
der ersten funktionstüchtigen Plasmahaut. Wir kommen somit zu dem
Schlüsse, daß „Fettgrenzschicht“ und „Wassergrenzschicht“ theoretisch
nur um die unmeßbar geringe Breite einer Plasmahaut getrennt sind,
und im übrigen ganz analoge Verhältnisse vorherrschen.
Es lassen sich diese Verhältnisse im Prinzip wohl am besten durch
folgende einfache Vorstellung erläutern. In einem Glase befinden sich
eine Wasser- und eine Ölschicht übereinander. Was geschieht, wenn in
einer der beiden Flüssigkeiten eine Substanz gelöst ist, für welche auch die
andere Flüssigkeit die Eigenschaft eines Lösungsmittels besitzt ? Selbst¬
verständlich wird der gelöste Stoff durch Diffusion solange in die Nachbar¬
flüssigkeit übertreten, bis ein Lösungsgleichgewicht erreicht ist, welches
, _ .. , . Öllöslichkeit . , _ _ _ . . ,
dem Teilungskoeffizienten —- . , . . entspricht. Der Unterschied
Wasserlöslichkeit
der beiden Applikationsweisen projiziert sich auf dieses Vorstellungs¬
schema einfach in der Weise, daß die betreffende Substanz im einen Fallo
primär in Wasser, im anderen zunächst in Öl gelöst zu denken ist.
Eine derartige Betrachtungsweise vermag wohl zu der Anschauung
zu führen, daß auch bei der Anwendung fettiger Lösungen der Übertritt
gelöster Stoffe ins Hautgewebe in osmotischen Vorgängen zu suchen ist
und demnach zwischen den beiden in Frage stehenden Applikations¬
weisen ein prinzipieller physiologischer Unterschied nicht besteht.
Doch ist noch zu berücksichtigen, daß die Diffusionsgeschwindigkeit
in fettigem Medium infolge dessen höherer Viskosität (die innere Reibung
des Olivenöls ist nach War bürg, Experimentalphysik, 87 mal so groß
als die des Wassers) kleiner ist als in Wasser, und zwar natürlich um so
geringer, je konsistenter, je talgartiger die Salbengrundlage ist. Dadurch
entsteht die Gefahr, daß der Diffusionsstrom bald ins Stocken gerät,
wenn die der „Fettgrenzschicht“ benachbarten Salbenpartien ihren ver¬
fügbaren Gehalt an gelöster Substanz abgegeben haben und die Nach-
diffusion aus der salbengetränkten Hornschicht zu langsam von statten
geht. Diesem Übelstand ist aber dadurch abzuhelfen, daß man die Kon¬
zentrationsverhältnisse bei fettigem Vehikel wesentlich höher bemißt.
als in wässeriger Lösung. Infolge der Unmöglichkeit einer hydrolytischen
Dissoziation ist bei Salbenanwendung auch eine Schwermetallkonzentration
anwendbar, welche in wässeriger Lösung tiefgreifende Verätzungen des
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Gewebes nach sich ziehen müßte. Im einzelnen kann selbstverständlich
die Konzentration, welche einen dauernden Resorptionseffekt verbürgt,
ohne die Haut zu schädigen, für wässerige wie für fettige Lösungen nur
durch die Erfahrung ermittelt werden; indes gibt ja die therapeutische
Empirie für diese Frage schon reichliche Anhaltspunkte.
Bei der Behandlung der Applikationsweise erübrigt es sich noch,
die Frage zu berühren, was eine Einmassierung gegenüber dem einfachen
Auflegen oder Aufstreichen für Vorteile hat. Ganz zweifellos wird durch
sie die Durchdringung des Stratum corneum wesentlich beschleunigt und
erleichtert. Luftbläschen, die sich zwischen Haut und Salbe befinden,
werden weggedrückt, die Salbe selbst in alle Winkel und Spalten der
Horndecke mechanisch eingepreßt und wohl auch neue kleinste Läsionen
geschaffen, in welche die Salbe sofort eindringt. Auch die Haarbälge und
Drüsenausführungsgänge werden, soweit der Sekretnachschub es nicht
verhindert, von der Salbenmasse erfüllt werden können. Dagegen liegen,
wie bereits erwähnt, keine einwandfreien Tatsachen vor, welche eine Be¬
förderung der sich qualitativ anders verhaltenden interzellularen Re¬
sorption der tieferen Epithellagen durch die Massage sicherstellten. Wir
sind deshalb wohl berechtigt zu sagen: Entscheidend für das per kutane
Eindringen in den Körper sind allein die Löslichkeitsverhältnisse der re¬
sorptionsbestimmten Substanz; die Massage wird nur eine anfängliche
Beschleunigung der Resorption herbeiführen. Es resultiert daraus die
Folgerung, daß zwar die therapeutische Medizin, welcher es auf eine mög¬
lichst prompte Wirkung ankommt, sich kräftiger Einreibungen zu bedienen
hat; daß dagegen bei langdauernder, ununterbrochener Berührung der
Salbe mit der resorbierenden Haut eine Steigerung des Resorptionseffektes
durch Massage sich nicht ergeben wird. Letzteres scheint aber, wie die
unten beschriebenen Versuche zeigen, in der Tat der Fall zu sein.
Der nächste Punkt, welcher bei Anstellung von Hautpermeabilitäts¬
versuchen zu beachten ist, besteht in dem sicheren Ausschluß einer Auf¬
nahme der zum Durchtritt bestimmten Substanz durch andere Re¬
sorptionswege.
Um eine Aufnahme per os zu verhindern, welche sowohl durch di¬
rektes Belecken der eingeriebenen Hautstelle möglich wäre, als auch mittel¬
bar durch Beschmutzung der Pfoten bei Kratzversuchen, überhaupt durch
Verunreinigung des Tieres und seiner Umgebung mit der aufgestrichenen
Salbenmasse und nachheriges Lecken zu erfolgen vermöchte, sind zwei
Wege gangbar:
1. Man setzt den ganzen, mit Tüchern umwickelten Körper des Tieres
in einen geschlossenen Kasten, aus welchem nur der Kopf herausragt
(Abb. s. bei K. B. Lehmann, S. 137).
2. Man legt über die bestrichene Hautstelle einen dichtschließenden,
undurchdringlichen Verband, welcher die Bewegungsfreiheit der Tiere
(oder auch des Menschen) nicht vollkommen aufhebt und vor allem auch
ein unbehindertes Absetzen der Exkrete ermöglicht.
Dieser letztere Weg ist bei länger dauernden Versuchen geboten, zumal
wenn es nicht nur auf Beobachtung klinischer Vergiftungssymptome
und den pathologisch-anatomischen Befund ankommt, sondern die Aus-
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Scheidung der evtl, durch die Haut resorbierte^ Substanz in Harn und Kot
quantitativ verfolgt werden soll; hierbei muß natürlich auch eine unmittel¬
bare Verunreinigung dieser Ausscheidung mit Salbenbestandteilen ver¬
mieden werden. Solcher „Verbandversuche“, an Mensch und Tier aus¬
geführt, sind bereits eine größere Anzahl in der Literatur beschrieben;
indes besteht über die zweckmäßigste Art ihrer Anstellung noch keine
Sicherheit, so daß ich auf die allgemeine Methodik derselben mit einigen
Worten eingehen muß.
Es handelt sich vor allem um die Frage: Darf der Verband völlig
wasserdicht sein oder nicht? Juliusberg glaubt, daß unter einem
impermeablen Verband die Haut Veränderungen ihrer Funktion erleidet,
ohne daß es zu einem sichtbaren pathologischen Zustand zu kommen
braucht. Schon eine dicke Wattelage sei nicht mehr als gleichgültig für
die Hautfunktion aufzufassen. Demgegenüber ist es wohl an der Zeit,
auf das Übertriebene solcher Ansichten, die in der früheren Überschätzung
der Bedeutung der Hornschicht für das resorptive Verhalten der Haut¬
wurzeln, hinzuweisen. Es ist denkbar, daß bei absolut wasserdichtem
Abschluß des Verbandes oder bei transpirierender Haut eine Auflockerung
des Stratum corneum eintritt, welche das Vordringen der Salbe begünstigt
und die Permeabilitätsgröße erhöht. Eine Veränderung der Hautfunktion
im Sinne einer qualitativen Umstimmung ist jedoch nach den einführen¬
den Erörterungen auch hierbei für gewöhnlich nicht anzunehmen; tiefer¬
greifende Mazerationen aber, welche eine solche zur Folge haben könnten,
indem sie den Schutzwall der „Mittellagen“ zerstörten, würden auf jeden
Fall bemerkt werden und zum Verwerfen des Versuchsresultates führen.
Nun ist indes nach meinen Erfahrungen in praxi die Gefahr einer solchen
Epithelschädigung recht gering. So dicht ist wohl auch der sorgsamst
angelegte Verband nicht, daß nicht die kleinen Wasserdampfmengen,
welche durch die salbenbedeckte Haut perspirieren, durch kapilläre Maschen
und Spalten entweichen könnten; und zu reichlicher Schweißsekretion
geneigte Hautpartien braucht man ja nicht gerade zum Versuch zu wählen.
Ich selbst habe mehrere Wochen hindurch ohne besonders lästige Gefühle
einen Billrothbattistverband um den einen Unterschenkel getragen,
dessen Ränder obendrein mit Collodium an die Haut angeleimt waren;
nach seiner Entfernung schilferten nur die obersten Hornlamellen etwas
ab, die Sensibilität war in der ursprünglichen Feinheit erhalten. Bei den
Katzen, deren Körperhaut ja nahezu schweißdrüsenlos ist, konnte ich
ebenfalls niemals auffällige Mazerationen, auch nicht mikroskopisch, ent¬
decken. i
Ich bin auf diese Frage etwas ausführlich eingegangen, weil nach
meiner Überzeugung nur eine wasserdichte Verbandeinlage bei Dauerver¬
suchen die Gewähr bieten kann, daß in der Zeit, in welcher das Tier in
seinem Käfig ohne Aufsicht ist — und das ist doch zum mindesten die
Nacht über der Fall — eine Herauslaugung der resorptionsbestimmten
Substanz durch Beschmutzung des Verbandes mit Urin oder flüssiger
Nahrung nicht stattfindet. Allein diese Vorsicht wird zu einer Farce,
wenn nicht gleichzeitig eine entsprechende Sicherung der Verbandränder
vorgenommen wird. Denn dort, am Hals- und Schwanzende des Verbandes,
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Studien über die Resorption von Blei usw.
besteht der besonders zu fürchtende Verdacht, daß zwischen Haut und
innerster Verbandschicht Salbenpartikel nach außen gelangen. Die große
Biegsamkeit ihrer Wirbelsäule befähigt gerade Katzen gut dazu, diesen
Spalt zu leichtem Klaffen zu bringen. Besonders gefährlich sind psychische
Exaltationszustände, in welchen die Tiere die tollsten Verrenkungen
ihres Körpers vornehmen; deswegen also dürfen, um es zu wiederholen,
nur an das Tragen von Verbänden gewohnte Tiere zu den Versuchen
benutzt werden. Von den übelsten Folgen kann es auch sein, wenn die
Tiere unter dem Verbände allmählich herausmagern; es ist deshalb nötig,
fortlaufend zu kontrollieren, ob bei gewöhnlicher Haltung des Rumpfes
die Verbandränder noch gut schließen, und gegebenenfalls rechtzeitig die
Bindentouren straffer anzuziehen. Dabei muß man anderseits daran denken,
daß zu enge Wickelung Atmung und Verdauung beeinträchtigt und zu
Fitf. 2. Schichten eines Bleisalbenverbandes an der Katze (schematisch).
1 = Haut. 4 — Kompresse. 7 = Gelatinefolie.
2 — Haare. 5 Watte. 8 — Mullbinden touren.
3 — Salbe. 6 — Billrotl)oattist. 9 = Gefütterter Mantel.
weiterer Abmagerung führt, welche dann fälschlicherweise auf Rechnung
der Resorption gesetzt wird. Bei meinen Blei-Versuchskatzen habe ich
eine besonders intensive Randdichtung dadurch erzielt, daß ich über die
Billrothbattistschicht die Haare ringsherum zurückschlug und in dieser
Lage durch Kollodiumverklebung fixierte (s. Fig. 2). Den besten Außen¬
abschluß des Verbandes bildet ein mit Löchern zum Durchtritt der Vor¬
derpfoten versehenes, am Rücken zuschnürbares Mäntelchen. Ich habe
solche in verschiedenen Größen aus einer inneren Wollstoff- und äußeren
Wachstuchschicht hersteilen lassen, zwischen welche ein dünnes Eisen¬
drahtgitter zur Versteifung eingenäht wurde; so konnte man den Katzen
gleichzeitig das gefährliche „Buckeln“ stark erschweren.
Eine orale Aufnahme der auf ihre Hautdurchgängigkeit zu prüfen¬
den Substanz ist indes nicht nur durch mangelhaften Abschluß des Ver-
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Von Dr. med. Philipp Süßmann. 191
bandes, sondern unter Umständen auch durch fernerliegende Zufälligkeiten
möglich.
Die Emaillierung blecherner Futternäpfe enthält Blei; deshalb fütterte
ich stets aus reinen Porzellangefäßen, welche, wie Versuche zeigten, kein
Blei abgeben. Tierische Leber, in welcher stets Metallspuren vorhanden
sein können, wurde während der eigentlichen Versuchdauer von mir nicht
verabreicht. Auch in die menschliche Kost können in unvorhergesehener
Weise enorme Bleimengen geraten, wie die Schilderung des-an mir vor¬
genommenen Selbstversuchs zeigen wird.
Wesentlich für das Gelingen von Verbandversuchen an Tieren ist
auch der Käfig, in dem letztere gehalten werden. Nur Einzelkäfige dürfen
verwendet werden, welche einen sicheren Abfluß des Urins sowie eine
leichte Entfernung des abgesetzten Kotes gestatten.
Ich selbst habe keine Metall- sondern Holzkäfige verwendet, um nicht
Gefahr zu laufen, in die abgekratzten Kotmassen bleihaltige Emailsplitter,
Bleilotpartikel oder amalgamierte Zinkblechschabsel zu bekommen. Die
Decke und drei Seiten sind aus massivem Holz; nur die nach vorn sich
öffnende Türe besteht aus Holzstäben. Der Lattenboden (von der Größe
60 X35 cm) ist herausnehmbar; darunter befindet sich der Urinablauf,
dessen mit dem Harn in Berührung kommende Flächen aus Glas bestehen.
Er läßt sich zur Reinigung gleichfalls herausziehen und die Glasteile •—
2 rechteckige Platten, 1 Mittelrinne, 1 aus einem langen Glasstabe zurecht¬
gebogene Spreizvorrichtung — sind einzeln abhebbar. In Fig. 3 sind diese
Glasteile in ihrer gegenseitigen Lage, aber ohne den Holzrahmen, auf dem
sie aufliegen, gezeichnet. Dessen Querschnitt, sowie die Art der Einfügung
in den Käfig ist aus den Fig. 4 und 5 des unten beschriebenen Quecksilber-
Resorptionskastens zu ersehen, wo nur die Größenmaße andere sind.
Aus der Mittelrinne fließt der Urin in ein starkwandiges Becherglas von
fast 11 Fassungsvermögen, in welchem sich ein großer Thymolkristall
Archiv für Hygiene. Bd. 90. 13
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Studien über die Resorption von Blei usw.
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zur Verhinderung der Zersetzung befindet. Fester Kot bleibt gewöhnlich
auf dem Lattenboden liegen, halbflüssiger fließt zum Teil hinunter auf
den Urinablauf, wird aber nur ganz selten in das Sammelgefäß mit fort¬
gerissen, so daß die Trennung von Kot und Urin fast ausnahmslos ohne
Mühe gelingt.
Ich möchte die Schilderung dieser unkomplizierten Verbandversuche
nicht beschließen, ohne die Wichtigkeit hervorgehoben zu haben,, die der
ununterbrochenen Beobachtung der Tiere zuzumessen ist. Nur wenn der
Experimentator selbst täglich und stündlich die Tiere vor Augen hat,
ist er in der Lage, sich über ihren Zustand ein richtiges Bild zu machen.
Ich habe deshalb die Unannehmlichkeiten, die manchmal aus dem Geschrei
der Katzen und dem Geruch ihres frisch entleerten Kotes erwuchsen, in
Kauf genommen und die ganzen Versuche in meinem gewöhnlichen Ar¬
beitsraum durchgeführt.
Eine erhebliche Erschwerung des Experimentes kommt zustande,
wenn der zur Salbe verarbeitete, resorptionsbestimmte Körper schon
bei gewöhnlichen Temperaturen flüchtig ist, wofür die graue Quecksilber¬
salbe das beste Beispiel abgibt. Hier gilt es noch, durch sicher wirkende
Maßnahmen die Gefahr einer Inhalation der betreffenden Substanz,
in diesem Falle also der Quecksilberdämpfe, auszuschließen.
Nun wird ja ein wasserdichter Verband, wie er in Fig. 2 abgebildet
ist, vermutlich das Entweichen von Dämpfen stark erschweren, wenngleich
die durch ihn bedingte Erwärmung der Haut und der Salbenmasse die
Tension etwas erhöhen muß. Bei länger dauernden Versuchen kann in¬
dessen eine sichere Gewähr nicht übernommen werden, daß nicht, zumal
an den Verbandrändern, kleine Dampfmengen in die Außenluft und dann
schließlich auch in die Lunge gelangen. Es tritt hinzu, daß der Verband
während des Aufstreichens oder gar während des Einreibens der Salbe,
wo die Verdampfungsbedingungen besonders günstig sind, als Schutz
überhaupt nicht in Betracht kommen kann. Fleischer hat deshalb seine
Versuchsperson während der Einreibeprozedur durch eine Waldenburg-
sche Ventilmaske Luft aus dem Freien atmen, Juliusberg eine Art
Gasmaske benützen lassen, welche die gefährlichen Dämpfe zurückhielt.
In Tierversuchen hat sich letzterer sogar der Tracheotomie bedient, um
während der ganzen Versuchsdauer durch eine Rohrleitung reine Luft
einatmen lassen zu lönnen. Für Dauerversuche an Tieren, wie ich sie
beabsichtigte, war keiner dieser Wege gangbar; dichtschließende Masken
sind Tieren ja wohl überhaupt nicht recht anzupassen, werden auch stets
wieder abgerissen werden, und die Tracheotomie-Atmung mit der dazu
nötigen vollkommenen Fesselung wird im höchsten Falle ein paar Tage
lang ertragen.
Dagegen schien mir eine Umkehrung der Verhältnisse des Lehmann -
sehen Versuchskastens (s. S. 188) der weiteren gedanklichen Verfolgung wert
zu sein, derart nämlich, daß der Kopf des Tieres in ein geschlossenes,
von reiner Luft erfülltes Gehäuse eingezwängt würde, während der ganze
Körper für alle vorzunehmenden Prozeduren frei zugänglich wäre.
Für die praktische Durchführung dieser Idee kam mir eine von Ge¬
heimrat Lehmann und Prof. Lang konstruierte Apparatur gut zustatten,
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Von Dr. med. Philipp Süßmann.
welche im Hygienischen Institut seit einigen Jahren zu quantitativen
Studien über Staubinhalation in Verwendung steht. Ohne daß ich mich
in Details verlieren will (die zumeist aus den Fig. 4 und 5 ersehen werden
können), sei die Vorrichtung, welches das schließliche Ergebnis der Über¬
legung war, beschrieben.
Der wesentlichste Teil ist der zentrale Atmungsraum (A), dessen kurze,
sich gegenüberliegende Seitenwände kreisförmige Löcher zum Durchstecken
der Katzenköpfe besitzen. Mittels Flügelschrauben können vor diese Öff¬
nungen halbkreisförmig ausgesägte Bretterpaare (B) aufgesetzt und die
ersteren dadurch konzentrisch verengt werden. Auf diese Weise wird
der Hals der Tiere wie in einem spanischen Kragen gefaßt[undjder Kopf
am Zurückziehen gehindert. Die Luftzufuhr geschieht durch eine die
Fta. 4. Hautresorptions* Versuchskäfig für flüchtige Substanzen.
Decke durchbohrende Rohrleitung; mit einer Motorpumpe werden minüt¬
lich 2 bis 3 1 reiner (aus dem Freien kommender), leicht vorgewärmter
und in konzentrierter Schwefelsäure getrockneter Luft den Tieren un¬
mittelbar vor die Nase geblasen. (Daß keine Schwefelsäuretröpfchen mit¬
gerissen werden, davon überzeugte ich mich mehrfach durch Aziditäts¬
prüfung des T-förmigen Luftausstoßrohres und der Kastenwände.) Zum
Entweichen bleibt der Luft für gewöhnlich kein anderer Weg als der enge
Spalt zwischen den Katzenhälsen und dem „spanischen Kragen“. Der¬
art wird ein Eindringen von Außenluft in den Kasten so gut wie unmöglich
gemacht und jede weitere Dichtung des Kragens, welche die Tiere gewiß
sehr schwer ertragen würden, kann unterbleiben. Die Vorderwand des
Raumes besteht aus einer eingekitteten Glasplatte, durch die abschraub¬
bare Rückwand erfolgt die Fütterung.
Die Tiere stehen auf dem herausnehmbaren Lattenboden (L), auf
welchem der abgesetzte Kot im allgemeinen liegen bleibt, während der
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194 Studien über die Resorption von Blei usw.
Harn zum Urinablauf ( U) hinunterfließt (vgl. auch Fig. 3), der ihn zum
Sammelgefäß (iS) fortleitet. (Letzteres ist für gewöhnlich von einem Schutz¬
kasten überdeckt.) Wird der Lattenboden (' L ) zur Reinigung entfernt,
so kommt das Tier für kurze Zeit auf, das Interimsbrett I zu stehen. Das
gleiche geschieht bei Einreibungen, wobei die ganze Unterlage noch durch
eine breite Lage Packpapier vor aller Verunreinigung geschützt wird.
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Fig. 5. Projektionsquerschnitt durch den linken Seitenkasten (S)
mit Durchsicht auf den „spanischen Kragen“.
(Die schraffierten Teile sind ln Aufsicht gesehen. Das obere aus¬
gesägte Brettchen (B) ist entfernt und dahinter die Seitenwand
des Atmungsraumes (A) mit der größeren Kreisöffnung sichtbar.)
Die beiden Seitenkästen (K) können über die Tierkörper geschoben
und durch Klavierhaken unverrückbar festgehalten werden; sie verhin¬
dern alle gewaltsamen Befreiungsversuche, welche den Tieren nur Schmerzen
verursachen. und den Versuch beeinträchtigen würden. Sie ermöglichen
es weiterhin, den Rumpf der Katzen in einer Gürtelschlinge (G) leicht
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THE OHIO STATE UMIVERSITY
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Von Dr. med. Philip]) Süßinann.
aufzuhängen. (Um den Gürtel unter den Tieren durchziehen zu können,
ist ein Teil der Oberwand der Seitenkästen ( K) als Scharnierdeckel gestal¬
tet; die Fixierung des freien Gürtelendes geschieht durch bloßes Ein¬
klemmen unter die Scharnierseite des geschlossenen Deckels.) Dadurch
wird eine Beschmutzung des Verbandes mit Urin und Kot sicher ausge-
schaltet, anderseits den Tieren Gelegenheit gegeben, die Beine zu entlasten
und wie in einem Tragbande auszuruhen.
Wie bereits hervorgehoben, gelingt es, was zunächst fast unmöglich
scheinen möchte, Katzen wochenlang ununterbrochen in diesem Käfige
eingesperrt zu halten, ohne daß ihre Freßlust nachzulassen braucht. Die
Exkrete können mit leichter Mühe quantitativ gesammelt werden. Eine
direkte Verunreinigung derselben mit Salbenmasse kann durch einen
entsprechend dichten Verband in Verbindung mit der Gürtelschlinge (6)
vermieden werden, orale Aufnahme von Salbenbestandteilen ist von vorn¬
herein ausgeschlossen. Einströmen von Außenluft in den Atmungsraum
ist in höchstem Maße unwahrscheinlich; völlige Sicherheit über den Aus¬
schluß einer Inhalation kann dadurch gewannen werden, daß man, wie
ich es getan habe, nur die eine Katze mit Einreibungen behandelt und die
andere als Kontrolltier verwendet.
Es erübrigt noch, mit einigen Worten auf die Sektionstechnik einzu¬
gehen, die nach Beendigung des Versuchs und Tötung des Experimental¬
tieres Platz greifen muß. Hier ist die Gefahr, daß durch Beschmutzung
der Hände und Instrumente mit der die Haut bedeckenden Salbenmasse
das Metall, auf welches sich die folgende chemische Analyse erstreckt,
in die inneren Organe verschleppt und somit eine Erhöhung der Metall¬
speicherung im Körper vorgetäuscht würde, durch besondere Vorsichts¬
maßregeln zu vermeiden.
Ich bin stets so vorgegangen: Das Tier wurde auf eine Unterlage von
Packpapier, Rücken nach unten, flach ausgespannt, die Haut durch einen
Y-förmigen Schnitt vom Halse bis zur Symphyse und von da beiderseits
bis zum Sprunggelenk durchtrennt. Dann wurde der Tierkörper in toto
aus dem Fell, dessen Haarseite von einem Gehilfen stets nach abwärts
gedrückt wurde, herauspräpariert, wobei der ganze Schultergürtel bei
dem Balge verblieb, und endlich die Unterschenkel und die Haut des
Halses durchschnitten. Der von der Haut — mit Ausnahme derjenigen
des Kopfes — befreite Körper konnte jetzt für sich allein auf einem Se¬
zierbrett gefahrlos geöffnet werden.
Damit sind wir mit der Besprechung der Versuchsanordnung zu Endo
gekommen. Bevor jedoch die von mir ausgeführten Versuche selbst ge¬
schildert werden können, ist es notwendig, die eingeschlagene Methodik
der quantitativen Blei- und Quecksilberanalyse der Betrachtung zu unter¬
ziehen.
III. Gang der chemischen Analyse.
1. Mineralisierung.
Vorbedingung jeder Isolierung von Metallen aus Teilen oder Exkreten
lebendiger Organismen ist die Zerstörung organischer Bindungen und die
Überführung der Metalle in die Ionenform. An) radikalsten und mit den
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Studien über die Resorption von Blei usw.
geringsten Kosten geschieht dies durch die Verbrennung; man wird sich
derselben stets bedienen, wenn die Gefahr einer Verflüchtigung des Metalles
nicht vorliegt.
Beim Blei ist, wie jahrelange Untersuchungen im Hygienischen
Institut und auch meine eigenen Vorversuche wieder gezeigt haben, ein
Verlust nicht zu befürchten, wenn die Substanz vor der Verbrennung
mit Schwefelsäure durchfeuchtet und die Verkohlung bei kleiner Flamme
vorgenommen wird; in die verkohlte Masse gibt man dann noch ein wenig
konz. Schwefelsäure und kann nun die Temperatur langsam steigern,
bis eine hellgraue, kohlearme Asche erhalten wird. Nur bei achtlosem
Arbeiten kann es Vorkommen, daß Bleiverbindungen durch die Wirkung
der feinverteilten Kohle zu elementarem Metall reduziert werden und letz¬
teres verdampft (Siedepunkt 1470° C).
Anders beim Quecksilber, dessen Verbindungen bei Rotglut
sämtlich zersetzt werden und das Quecksilber als metallischen Dampf
entweichen lassen, wenn sie nicht schon vorher in toto fortsublimieren.
Hier muß die Sprengung der organischen Bindungen auf feuchtem Wege
erfolgen. Von den Verfahren, welche zu diesem Zwecke allgemeiner ge¬
bräuchlich sind, lassen sich für größere Substanzmengen nur zwei verwen¬
den: die Chlorierungsmethode mit Kaliumchlorat in salzsaurer Lösung
nach Fresenius-Babo und die Säuregemisch Veraschung nach Neu-
mann. Auf die letztere mußte wegen des durch die Kriegsverhältnisse
bedingten Mangels an konz. Salpetersäure verzichtet werden, obgleich
sie ein von organischer Substanz vollkommen freies Endprodukt liefert
und darum den Vorzug vor dem Chlorierungsverfahren verdient. Die
Gefahr eines Absublimierens von Merkurichlorid ist bei letzterem, wie mich
einige in offener Porzellanschale vorgenommene Probeversuche lehrten,
nicht erheblich (10% Verlust bei östündiger Digerierung); man nimmt ja
wohl an, daß das Quecksilber in der Lösung größtenteils überhaupt nicht
in der Form des Sublimats, sondern in der des bei Siedetemperatur un¬
flüchtigen komplexen Kaliumquecksilberchlorids enthalten ist. Immerhin
wird man im allgemeinen die Chlorierung im Rundkolben mit aufgesetztem
Kühlrohr vor sich gehen lassen.
2 . Bleibestimmung.
Prinzip: Aus der essigsauren Lösung der Asche wird das Blei durch
H 2 S gefällt; ein vorheriger Zusatz von Cu-Salz zur Lösung (nach G. Meil-
lere) bewirkt, daß auch die kleinsten Bleispuren mit dem reichlich aus¬
fallenden CuS mitgerissen werden. Lösung des Niederschlags in Salpeter¬
säure, Ersatz derselben durch konz. H 2 S0 4 . Das abfiltrierte PbS0 4 wird
in Ammonazetat gelöst und das Blei aus dieser Lösung als Chromat ge¬
fällt. Dieses kann in Anlehnung an das Verfahren von Beck, Löwe
und Stegmüller jodometrisch bestimmt werden.
Ausführung: Organe und Kot von Tieren werden in einer Schale
aus Porzellan (oder immer besser aus geschmolzenem Quarz) mit so viel
ccm 25proz. Schwefelsäure übergossen, als ihr Gewicht in Grammen be¬
trägt, einige Tage stehen gelassen, bis alles zunderartig erweicht ist, und
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dann zu einem Brei verrührt. Menschliche Faeces werden auf eine mit
weißem Papier überdeckte flache Porzellanschale (35 X 25 cm) entleert
und mit einem Porzellanspatel zu dünner Schicht ausgestrichen, dann im
Warmluftstrom (Faust-Heimscher Apparat oder einfacher Fön, der
in eine mit Abzugsrohr versehene Kiste eingebaut wird) 3 bis 5 h lang
getrocknet, mitsamt der Papierunterlage in Streifen zerschnitten und in
einer Porzellanschale in so viel 25proz. Schwefelsäure eingeweicht, als
der dritte Teil des frischen Kotgewichtes in Grammen betrug. Urin wird
in einer Porzellanschale mit 2 bis 3 Volumprozent konz. Schwefelsäure
versetzt und auf dem Wasserbad bis zur Sirupdicke eingedampft.
Die Schalen werden dann zunächst auf dem Drahtnetz, später über
kleiner freier Flamme erwärmt und der Inhalt, wie oben beschrieben,
zu Asche verbrannt. Diese wird mit verdünnter Salpetersäure digeriert,
filtriert und der noch etwas Kohle enthaltende Rückstand nach neuerlicher
Befeuchtung mit Schwefelsäure in einem kleinen Quarzschälchen völlig
verascht. Dann wird mit etwas warmem Königswasser aufgenommen,
nach dem Verdünnen filtriert und der Rückstand — sofern es sich nicht
nur um Spuren handelt — nach dem Verbrennen des Filters im Porzellan¬
schmelztiegel mit der etwa sechsfachen Menge Pottasche-Sodagemisch ge¬
schmolzen, die Schmelze in verdünnter warmer Salpetersäure gelöst und
zu den vereinigten Filtraten gegeben.
Nun fügt man in der Hitze konz. (50proz.) Ammonazetatlösung
in starkem Überschüsse hinzu (Kontrolle mit Kongopapierl) wobei sich
ein großer Teil des gelösten Kalkes wieder ausscheidet, und erhält 10 min
im Kochen, filtriert dann durch ein mittelgroßes Faltenfilter und wäscht
3 bis 4 mal mit verdünnter heißer Ammonazetatlösung nach, engt endlich
die Flüssigkeit auf ca. 200 ccm ein. Fällt im Laufe der nächsten 24 h
noch etwas Gips aus, so hält man ihn in einem kleinen quantitativen
Filter zurück. Nach Zugabe von 1 ccm einer 4proz. Kupferchloridlösung
(=15 mg Cu) leitet man lh lang Schwefelwasserstoff ein, läßt bis zum
nächsten Tage absitzen und filtriert unter gründlichem Nachwaschen;
das Waschwasser darf mit Ammonoxalat keine Kalkreaktion mehr geben.
Filter samt Inhalt wirft man in verdünnte Salpetersäure, löst die Sulfide
in der Hitze, verdünnt mit Wasser und filtriert von Papierfasern und aus¬
geschiedenem Schwefel ab. Das Filtrat wird in einen Kjeldahlkolben
von 200 ccm Fassungsvermögen gegeben und 10 ccm konz. Schwefelsäure
nachgegossen. Der Kolben wird bei anfänglich nicht zu großer Flamme
auf dem Sandbade erhitzt. Um die Einengung der Flüssigkeit zu be¬
schleunigen und gleichzeitig das gefährliche Stoßen zu verhindern, leitet
man durch ein in den Kolben eingehängtes Glasrohr einen kräftigen Ge¬
bläseluftstrom unmittelbar über den Spiegel der Lösung. Wenn dicke
Schwefelsäurenebel durch den Kolbenhals entweichen, ist die Vertreibung
der Salpetersäure beendet.
Nach dem Erkalten fügt man langsam unter Umschwenken 10 ccm
Wasser hinzu und erhitzt vorsichtig über freier Flamme, um ev. ausgefallene
Spuren von wasserfreiem Ferrisulfat (die eine Bleifällung Vortäuschen
könnten) in Lösung zu bringen; verdampftes Wasser ist wieder zu ergänzen.
Jetzt läßt man noch 15 ccm 96proz. Alkohol zufließen und kann an der
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Intensität der weißen, aus reinem Bleisulfat bestehenden Fällung die
Menge des vorhandenen Bleis schon einigermaßen abschätzen. Nach ein
paar Stunden sammelt man das Bleisulfat auf einem festgestopften As¬
bestfilter von der Art eines Allihnschen Röhrchens (Durchmesser nicht
Uber 1 cm), das auf eine Saugflasche aufgesetzt ist, und wäscht zweimal
mit 70proz., 5% Schwefelsäure enthaltendem Alkohol, dann zweimal
mit 96proz. Alkohol nach.
Nach dem Wechsel der Saugflasche bringt man in den Kjeldahl-
kolben etwa 10 ccm Wasser, läßt einmal aufkochen, schwenkt ordentlich
um und schickt die Flüssigkeit durch das Filter. Die Menge der nunmehr
zu verwendenden Ammonazetatlösung richtet sich nach der Masse des
Bleisulfatniederschlages, da bei starkem Überschuß an Ammonsalz durch
chromsaure Salze keine Bleifällung zustandekommt. Ist weniger als 1 mg
Blei zu erwarten, so müssen 2 bis 3 ccm lOproz. Lösung genügen, bei
größerem Bleigehalt kann man entsprechend mehr und konzentriertere
Lösung verwenden. Man löst damit zunächst alle an den Wänden des
Kjeldahlkolbens haften gebliebenen Bleisulfatspuren auf, und gießt
sodann die heiße Lösung — nach Abstellung der Säugpumpe -— auf den
Niederschlag im Filter, dessen Auflösung man durch leichtes Aufwirbeln
der obersten Asbestlage beschleunigen kann. Nach etwa 5 min saugt man
durch und spült Kjeldahlkolben und Filter zweimal mit heißem Wasser
nach. Nach der Abnahme des Filterröhrchens kann ein Tropfen aufge¬
brachte Ammonsulfidlösung davon überzeugen, daß wirklich alles Blei
ausgewaschen wurde. Das klare farblose Filtrat von 30 bis 40 ccm Vo¬
lumen wird in ein Erlenmeyerkölbchen übergeführt.
Jetzt gibt man 3 Tropfen einer 5proz. Kaliumchromatlösung zu
und läßt den entstehenden Bleichromatniederschlag -— dessen Menge uns
nebenbei wiederum ein Schätzungsurteil über den Bleigehalt ermöglicht
— am besten bis zum nächsten Tage absitzen. Die überstehende Flüssig¬
keit muß deutlich gelb gefärbt sein, andernfalls hat weitere Chromat¬
zugabe zu erfolgen. Nun wird wiederum durch ein Allihnsches Filtrier¬
röhrchen filtriert und Erlenmeyerkölbchen und Filter dreimal mit stark
verdünnter Ammonazetatlösung ausgewaschen. Ein an der Kölbchenwand
haften bleibender feiner Überzug von Bleichromat braucht nicht quanti¬
tativ abgekratzt zu werden, man bringt die Reste vielmehr zuletzt zur
Auflösung, indem man 5 ccm 2,5proz. Salzsäure („reine" Salzsäure vom
spez. Gew. 1,124, lOfach verdünnt) in das Kölbchen bringt und erwärmt.
Dann gießt man die gleiche Säure •—• nach Wechsel des Saugglases und Ab¬
stellung der Pumpe — auf das Asbestfilter und bringt das darauf gesammelte
Bleichromat ebenfalls zur Lösung. (Sollte bei größeren Niederschlägen
die Säuremenge nicht ausreichen, so kann unbedenklich mehr in Verwen¬
dung genommen werden; Umrühren mit dem Glasstab tut wieder gute
Dienste.) Zum Schlüsse wird durchgesaugt und mit heißem Wasser Kölb¬
chen und Filter gründlich nachgewaschen.
In dem bei Anwesenheit von Blei gelblich gefärbten Filtrate befindet
sich das Blei als Chlorid; die vorher an das Blei gebundene Chromsäure
ist jetzt frei in Lösung:
PbCr0 4
207,1
+ 2 HCl = PbCI 2 -f
H 2 (>0 4
118,0 ‘
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Von Dr. med. Philipp Süßmann. 199
Chromsäure vermag aber Jodwassei stoff quantitativ zu freiem Jod
zu oxydieren:
+6 HCl + 3JK = Cr Cl 3 + 3 KCl + 4H,0 +
207,1 g Blei entsprechen also 380,76 g Jod (oder 118 g Chromsäure = 147,1 g
Kaliumbichromat), oder lg Blei entspricht 1,8385g Jod (bzw. 0,7103g
Bichromat).
Die Natriumthiosulfatlösung, mit welcher das frei gewordene Jod
titriert werden soll, wird demnach am besten mit einer Jodlösung, die
1,8385 g im Liter enthält (oder der gleichwertigen Bichromatlösung) aus¬
geglichen; in 1 1 müssen sich dann theoretisch 3,5957 g (Na 2 S 2 0 3 -f-5 H 2 0)
befinden. 1 ccm dieser Lösung ist genau gleich 1 mg Blei.
Praktisch gestaltet sich das maßanalytische Verfahren folgendermaßen:
Die Lösung, deren Volum etwa 30 ccm beträgt, wird in ein Erlcnmeyei -
kölbchen übergespült und mit 1 ccm verdünnter Salzsäure (spez. Gew.
1,06) sowie ein paar Körnchen Jodkali versetzt. Dann wird sofort, um
eine Luftoxydation des Jodwasserstoffs auszuschließen, Kohlensäure in
das Kölbchen eingeleitet und ein Gummistopfen aufgesetzt. Nach 5 min
ist die Umsetzung beendet; die Titrierung soll dann auch baldigst unter
Verwendung von löslicher Stärke als Indikator erfolgen. Bei größeren
Bleimengen kommt es nach der Jodkalizugabe nicht selten zu einer Aus¬
scheidung von Jodblei; durch tropfenweise Zugabe einer starken (50proz.)
Ammonazetatlösung bringt man dieselbe wieder zum Verschwinden,
muß aber nachher solange Salzsäure zufügen, bis — unter Kontrolle von
Kongopapier — wieder eine kräftige mineralsaure Reaktion vorhanden ist.
Die Genauigkeit des titrimetrischen Verfahrens ist eine vollkommen
ausreichende. Kontrollanalysen ließen mir Bleimengen von Y 20 m S noch
deutlich erkennen, und ich zweifle nicht, daß die Empfindlichkeit der
Reaktion durch Verwendung einer verdünnteren Thiosulfatlösung noch
gesteigert werden könnte. Auch der ganze geschilderte Gang der Analyse
hat sich mir recht gut bewährt; zu Harn und Kot zugesetzte Bleimengen
wurden stets restlos wiedergefunden. Sehr wichtig ist, daß das Blei im
Laufe der Analyse zweimal (als Sulfat und Chromat) in der Form eines
unzweideutigen Niederschlags erhalten wird und geschätzt werden kann,
so daß man nicht Gefahr läuft, etwas Analysenfremdes zu titrieren. Hat
man sich auf die Methode einmal spezialistisch eingerichtet, so macht
auch die Ausführung keine sonderliche Mühe mehr, man vermag dann
leichtlich ein halbes Dutzend Bestimmungen nebeneinander laufen zu
lassen.
Zum Schlüsse braucht wohl kaum eigens hervorgehoben zu werden,
daß alle verwendeten Chemikalien und Gerätschaften (Kjeldahlkolben!)
auf Bleifreiheit resp. Fehlen jeglicher Bleiabgabe geprüft wurden.
3. Queoksilberbestimmung.
Der quantitative Nachweis von Quecksilberspuren in größeren Mengen
organischer Substanzen ist nicht allein durch die Zersetzlichkeit und Flüch¬
tigkeit der Salze, sondern auch dadurch erschwert, daß die unkomplizierten
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200 Studien über die Resoiplion von Blei usw.
Ionenreaktionen — mit Ausnahme der Sulfidfällung — nicht zu voll¬
kommen unlöslichen, charakteristischen Niederschlägen führen. Man
hat zwar versucht, gerade die leichte Verdampfbarkeit des Metalls zur
Analyse auszunutzen, indem man die getrocknete Substanz im Verbren¬
nungsrohr mit Kupferoxyd glühte und die Verbrennungsgase in eine das
Quecksilber zurückhaltenden Vorlage einleitete (August Meyer); eine
Nachprüfung dieser Methode, die ich vorgenommen habe, ergab aber,
daß sie viel zu umständlich ist und zu vieler Wartung bedarf, um in größe¬
rem Umfange praktisch verwendbar zu sein. Man wird demnach um die
Zerstörung der organischen Substanz auf feuchtem Wege nicht herum-
* kommen. Die Chlorierung macht indes eine Fällung des Metalles durch
H 2 S so gut wie unmöglich; bei der zur Niederreißung von Spuren auch
bei Kupferzusatz (nach Raaschou) nötigen Abstumpfung der Säure
fallen unvollkommen zerstörte organische Körper aus, Reste von freiem
Chlor und Chlorat führen zu einer Abscheidung von Schwefel — es kommt
so zu einem schlecht absitzenden, schlecht filtrierenden Niederschlag,
dessen weiterer Verarbeitung die größten Schwierigkeiten im Wege stehen.
Man ist also auf die Ausbeutung anderer Eigenschaften des Quecksilbers
für seine Isolierung angewiesen. Von den Bestimmungsmethoden, welche
tatsächlich praktische Verwendungsmöglichkeit haben, kommen für ge¬
naue quantitative Ermittelung zwei Arten in Betracht:
l! die Amalgamierungsverfahren,
2. die Elektrolyse 1 ).
Die Amalgamierungsmethoden, in der Weise ausgeführt, daß
die quecksilberhaltige Flüssigkeit mit elementarem Kupfer, Zink, Messing,
Silber oder Gold in ausgiebige Berührung gebracht wird, wobei sich das
Quecksilber quantitativ auf der Oberfläche des betreffenden Metalles
niederschlägt und mit demselben legiert, spielen in den älteren Arbeiten
die Hauptrolle. Die ausgearbeiteten Verfahren haben fast sämtlich den
Vorzug, unschwer ausführbar zu sein und eine vollkommene Abscheidung
des Quecksilbers zu gewährleisten, die Schwierigkeiten treten erst auf,
wenn es sich um die zahlenmäßige Bestimmung der niedergeschlagenen
Quecksilbermengen handelt. Diese müssen durch Destillation von dem
fixen Metalle getrennt werden, wobei entweder die Gewichtsabnahme des
Destillationsobjektes (Goldamalgamierröhrchen von Schuhmacher-
Jung) oder die Gewichtszunahme einer Kühlvorlage (Kapillaren von
Ludwig und Winternitz) dem vermuteten Quecksilber gleichgesetzt
wird. Hier befriedigt keine der zahlreich vorgeschlagenen Einzelmethoden,
weil entweder die Masse des mitgewogenen Ballastes zu groß ist, um Queck¬
silbermengen von wenigen Zehntelmilligrammen noch mit Sicherheit
zu bestimmen, oder Gefahr besteht, daß die gewogene Vorlage nach kräf¬
tigem Erhitzen noch etwas anderes als Quecksilber (z. B. Zink, dessen
1) Erst beim Abschluß meiner Untersuchungen stieß ich auf die Arbeiten
von Lomholt, der nach vollständiger Mineralisierung mit rauchender Salpeter¬
säure und Kaliumpermanganat das Quecksilber mit Kupfer zusammen als Sulfid
fällt und die gelösten Sulfide zuletzt (wie ich) der Elektrolyse unterzieht und
zwar bei ganz niederer Stromspannung, bei welcher das Kupfer nicht abge¬
schieden wird.
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Von Dr. med. Philipp Süßmann. 201
Siedepunkt bßi 900° C liegt), bzw. nach zu vorsichtiger Destillation nicht
alles Quecksilber enthält.
Infolgedessen scheint sich die elektrolytische Bestimmungs¬
methode zahlreiche Freunde erworben zu haben, zumal seit Buchtala
sie in eine leicht ausführbare und nach seiner Angabe zuverlässige Form
gebracht hat. Die chlorierte Flüssigkeit wird einfach in ein Becherglas
gegossen, als Anode ein in einer Tonzelle stehender Kohlenstab, als Kathode
ein Goldplättchen eingesetzt; nach mehrstündiger Stromdauer ist alles
Quecksilber an der Goldkathode abgeschieden, dessen Menge sich durch
Auswägung der Glühdifferenz ergibt.
Viele Vorversuche, in denen ich dieses Verfahren erprobte, überzeugten
mich, daß dasselbe den gesetzten Erwartungen im allgemeinen entspricht,
wenn es sich um kleinere Menschenurinmengen (bis zu %1) handelt,
deren Gehalt an organischer Substanz verhältnismäßig gering ist und die
zu ihrer Mineralisierung keiner allzugroßen Mengen chlorsaurer Salze
bedürfen. Dagegen ergaben sich Mißstände, als ich daran ging, Katzen¬
harn (der gewöhnlich konzentrierter als Menschenurin ist), Faeces und Or¬
gane ebenso zu behandeln. Es kam hier entweder zu einem Überschäumen
der Flüssigkeit im Elektrolysenglas unter der Wirkung der von der Kathode
äufsteigenden Wasserstoffbläschen und zu einer Umhüllung der ganzen
Kathode durch organische Fällungen, Welche an dieser Stelle verminder¬
ter Säurekonzentration auftraten oder (bei übertrieben langer, bis 24stün-
diger Chlorierung) zu einer die Quecksilberabscheidung störenden Chlor¬
entwicklung. Bei Kotanalysen schied sich nicht selten schwärzliches,
schwammiges Eisen auf der Goldkathode ab, das ebenfalls die Amalga¬
mierung stark behinderte. So mußte, um in günstigen Fällen wenigstens
den größten Teil des zugesetzten Quecksilbers wieder zu erhalten, unter
mehrmaligem Wechsel der Kathode enorme Zeiten, bis zu 60 h, elektro-
lysiert werden. All diese Ubelstände kamen vor, gleichgültig, ob ich mit
dem städtischen Gleichstrom von 110 V arbeitete (was bei Serienschaltungen
nötig war) oder mit einem Akkumulatorenstrom von 6 V; darunter durfte
ich nicht gehen, wenn die von Buchtala angegebene Stromstärke von
1 bis 1,25 A beibehalten werden sollte.
Es war demnach klar, daß die Elektrolyse, so gute Dienste sie bei
verhältnismäßig reinen Lösungen tat, zur direkten Quecksilberbestim¬
mung aus voluminösen Organen und Kotmassen nicht verwendbar war.
Meine Absicht ging nun dahin, die durch Reste organischer Substanzen
und andere Metalle, wie Eisen, nicht zu beeinträchtigende Amalgamatiori
mit der als Endbestimmung recht vorteilhaften Elektrolyse zu vereinigen.
Prinzip des Verfahrens: Die Chlorierungsflüssigkeit wird in
Anlehnung an die Methode von Winternitz in langsamem Strome
durch ein Filter aus blankem Kupfer geschickt, wobei das Quecksilber
auf der Kupferoberfläche zurückgehalten wird. Durch Destillation wird
das Quecksilber vom Kupfer getrennt und in eine Salpetersäurevorlage
geleitet, aus welcher es dann elektrolytisch nach Buchtala abgeschieden
wird.
Ausführung: Organe und Faeces werden in einer Porzellanschale
mit soviel ccm reiner Salzsäure (spez. Gew. 1,124) übergossen, als ihr Ge-
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Studien über die Resorption von Blei usw.
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wicht in Grammen beträgt und 3 bis 4 Tage stehen gelassen; dann werden
sie mit einem Glasstabe nach Möglichkeit zu einem Brei zerquetscht.
Nun gießt man ebensoviel Wasser wie vorher Salzsäure zu und erhitzt
auf dem Wasserbade. Nach etwa 1 Viertelstunde werden eine oder sukzes¬
sive mehrere Messerspitzen chlorsaures Kali eingetragen, bis die Flüssig¬
keit im allgemeinen entfärbt ist; kompaktere schwärzliche Partikel wer¬
den mit einem Glasstabe zerdrückt und damit ihre Chlorierung beschleunigt.
Sind keine gröberen Substanzklümpchen mehr vorhanden, so spült man
die Flüssigkeit in einen langhalsigen Rund- oder Stehkolben von dem dop¬
pelten bis dreifachen Fassungsvermögen als ihr Volumen beträgt, setzt
mit einem Korkstopfen noch ein % m langes Glasrohr auf und erhitzt
je nach der Menge der Substanz weitere 2 bis 6 h auf dem Wasserbade,
wobei man etwa alle halben Stunden eine neue Messerspitze Chlorat in
den Kolben wirft.
Harn wird mit 10%,,reiner“ Salzsäure versetzt und in einer Porzellan¬
schale auf dem Wasserbade auf etwa % eingeengt, wobei man von Anfang
an ein paar Messerspitzen Kaliumchlorat zusetzt; ist das gewünschte Vo¬
lumen erreicht, so spült man gleich in einen Rundkolben über und erhitzt
unter weiterer Chloratzugabe noch 2 h.
Am Ende der Chlorierung spült man das Kühlrohr durch, spritzt den
Kork sauber ab und leitet in die noch warme Flüssigkeit eine Viertelstunde
lang zur Vertreibung des freien Chlors Kohlensäure ein. Nun wird genau
1 ccm der Flüssigkeit gegen n/5-Natronlauge titriert und die Flüssigkeit
nach Überführung in einen genügend großen Meßzylinder soweit mit
Wasser verdünnt, daß sie einer n/10-Säure gleichkommt, d. h. es werden
V X 0—2):2 ccm Wasser zugesetzt, wenn V das gemessene Flüssigkeits¬
volumen und t die verbrauchte Menge n/5-Laugo ist. Nach guter Durch¬
mischung läßt man bis zum nächsten Tage absitzen. % bis 4 / 5 der Flüssig¬
keitssäule lassen sich dann in raschem Schwünge ziemlich klar abgießen;
sie werden zuerst in einen zweiten Meßzylinder filtriert und der Bodensatz
endlich auch noch auf das Filter geschüttet. So gelingt es auch bei Stühlen,
die reich an unzerstörbarer Rohfaser sind, 80% und mehr der Chlorierungs¬
flüssigkeit als klares Filtrat zu erhalten. Diese Prozentzahl wird vermerkt.
Nunmehr ist die Flüssigkeit für die Amalgamationsfiltration herge¬
richtet. Das Filtrierrohr (s. Fig. 6) besteht aus einer 10 mm-Hartglas-
röhre (Außenmaß) von 45 cm Länge, an welche ein 30 cm langes 5 mm-
Hartglasrohr angeschmolzen ist. Letzteres ist in etwa 10 cm Entfernung
von der Verschmelzungsstelle zu einem Winkel von etwa 110° abgebogen.
In den Grund der weiteren Röhre bringt man zunächst ein 1 cm hohes
Stück zusammengerolltes feinmaschiges Kupfergitter, darauf eine 18 cm
hohe Schicht Kupferoxyd, wie es für Elementaranalysen gebraucht wird,'
darauf wieder ein gerolltes Kupferdrahtnetz. Die Reduktion des Kupfer¬
oxyds geschieht im Wasserstoffstrom bei Rotglut in dem nachstehend be¬
schriebenen Destillationsofen. Die vorbereitete Filtrierröhre wird jetzt
vollkommen mit destilliertem Wasser erfüllt und an das freie Ende des
englumigen Röhrchens ein Kapillartropfer mit Gummischlauch aufgesetzt.
(Solche Tropfer stellt man sich selbst durch Ausziehen eines Glasrohres
her und eicht sie durch sukzessives Kürzen der Haarröhre. Eine Verstop-
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Von Dr. med. Philipp Süßmaiin.
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l’ung der letzteren wird durch vorgelegte Glaswolle, ein Abbrechen durch
ein darüber gekittetes Schutzröhrchen verhindert.) Dann verbindet man,
wie aus der Abbildung hervorgeht, das andere Rohrende durch Gummi¬
stopfen mit dem Hals einer umgekehrten Literflasche, deren Boden ab¬
gesprengt wurde, und gießt die Chlorierungsflüssigkeit oben auf. Unter
das Tropfröhrchen kommt ein entsprechend großes Becherglas. Die
Durchflußgeschwindigkeit soll 200 ccm in der Stunde betragen. Dabei
Fig. G. Darstellung der Amalgamations-Filtration.
Nebenfigur: Kapillartropfer ln natürlicher Größe.
werden mindestens 00% des Quecksilbers zurückgehalten; ein nochmaliger
Aufguß der durchs Filter gelaufenen Flüssigkeit führt zu einer praktisch
vollkommenen Abscheidung. Kupfer soll nicht oder doch nur in ganz ge¬
ringer, sich durch Blaufärbung kaum verratender Menge in Lösung gehen,
andernfalls war die Flüssigkeit nicht ordnungsgemäß vorbereitet. Ist
die Filtration beendet, so wird das Filtrierrohr von der Flasche abgenom¬
men, der Tropfer (der sofort ausgewaschen werden muß!) entfernt und
die Kupferschicht durch 3 X 25 ccm destilliertes Wasser, 3 X 25.ccm
96proz. Alkohol und 3 X 25 ccm Äther gewaschen, die man durch einen
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Studien über die Resorption von Blei usw.
kleinen Trichter eingießt und unten in bereitgestellten Sammelgefäßen
auffängt. Endlich saugt man mit der Wasserstrahlpumpe 5 min lang einen
kräftigen Luftstrom durch das Rohr, wodurch das Kupfer genügend ge¬
trocknet wird.
Der nächste Schritt ist die Abdestillation des Quecksilbers. Man läßt
zu diesem Behufe durch das weite Rohrende einen langsamen Strom von
getrocknetem Wasserstoff eintreten (s. Fig. 7) und verbringt das Rohr
in den Destillierofen, wo es zwischen 2 inneren Ton- und 2 äußeren Eisen¬
rinnen vor allzu intensiver Einwirkung der Flammenhitze bewahrt bleibt.
Ein in der Abbildung nicht gezeichnetes, über den ganzen Ofen gelegtes,
spitzwinkelig geknicktes und mit Luftlöchern versehees Asnbestdach
sorgt für eine gleichmäßige Verteilung der Wärme, so daß nach etwa 5 min
das Rohr auf allen Seiten in eine milde Rotglut gerät.
Fig. 7 Darstellung der Ahdestillation des Quecksilbers.
Schon vor dem Anzünden der Gasflammen wurde die Austrittsstellc
des Wasserstoffs auf den Grund eines kleinen Becherglases gesenkt, in
dem sich als Vorlage 20 ccm Salpetersäure vom spez. Gew\ 1,30 befinden.
Eine Asbestplatte, welche einen Schlitz zum Einlegen des Destillations¬
rohres besitzt, schützt das Absorptionsgefäß vor der Wärmestrahlung
der Flammen. Die Geschwindigkeit des Wasserstoffstromes wird so ge¬
regelt, daß in der Sekunde 2 Gasbläschen aus dem Rohrende entweichen.
Die Dauer der Rotglutdestillation beträgt eine Viertelstunde. Am Schlüsse
derselben erhitzt man mit der Flamme eines Bunsenbrenners die Stelle des
Rohres, wo sich die Destillationsprodukte — Quecksilber und oft noch
kleine Mengen empyreumatischer Substanzen, manchmal auch Spuren von
Kupfer — verdichtet haben, und treibt dieselben langsam gegen die Vor¬
lage zu, bis auf 1 cm Abstand vom Rand des Bechergläschens. Ohne daß
die Wasserstoffentwicklung unterbrochen wird, läßt man dann das Rohr
unter allmählicher Abnahme der isolierenden Hüllen im Verlauf einer
weiteren Viertelstunde erkalten.
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Die Herauslösung der Destillate aus dem Innern des Röhrchens er¬
folgt leicht in der Weise, daß man nach Entfernung der Wasserstoff Zu¬
leitung am weiteren Rohrende mit dem Munde ansaugend, die Salpeter¬
säure bis etwas über die Höhe des Wandbelages hochzieht, dann wieder zu-
rückfallen läßt und dieses Spiel 10 bis 20 mal wiederholt. Zum Auswaschen
taucht man das Ende des Röhrchens der Reihe nach in 3 mit je 20 ccm
Wasser gefüllte Gläschen und läßt beim Ansaugen den Flüssigkeitsspiegel
im Röhrchen jedesmal ein wenig höher steigen, doch ohne daß die Kupfer¬
schicht benetzt wird. Am Schlüsse trocknet man unter neuerlichem
WasserBtoffdurchtritt das Rohr durch vorsichtiges Erhitzen mit der Bunsen-
flamme, worauf es zu frischer Verwendung bereitsteht.
Nun spült man den Inhalt aller vier kleinen Gläschen mit ferneren
120 ccm Wasser in ein breites Becherglas (aus Jenenser Glas) von 400 ccm
Fassungsraum, so daß das gesamte Flüssigkeitsvolumen 200 ccm beträgt.
Nachdem man zur Erhöhung der Azidität noch 5 ccm konz. Schwefelsäure
zugegeben hat, ist die Flüssigkeit für die Elektrolyse hergerichtet.
Als Anode verwendete ich, nachdem ich mich von der Unbrauchbar¬
keit der Platinelektroden für diese Zwecke aus den von Buchtala an¬
gegebenen Gründen (Abscheidung eines teilweise flüchtigen Platinüber¬
zuges auf der Kathode) überzeugt hatte, gleich letzterem einen Kohlen¬
stab. Die Auswahl einer geeigneten Kohle ist für das Gelingen der Elek¬
trolyse von größter Wichtigkeit. Es zeigte sich nämlich, daß die gewöhn¬
lichen Gaskohlen (von Siemens, Berlin und Conradty, Nürnberg)
nach etwa 2stündiger Stromdauer nicht nur in sehr erheblichem Maße
zu Pulver zerfielen, sondern daß auch große Stücke von ihnen absprangen,
wodurch die Gleichmäßigkeit des Stroms gefährdet, ja der Strom zuweilen
sogar ganz unterbrochen wurde. Nach vielen vergeblichen Versuchen
fand ich endlich in der Elektrodenkohle der Acheson Graphite Company
(Hamburg 8) ein Präparat, welches nichts mehr zu wünschen übrig ließ.
Ein 25 cm langes Stück einer solchen 18 mm-Kohle ist bei den von mir
gewählten Stromverhältnissen gegen 100 h brauchbar, in welcher Zeit
es ganz langsam und gleichmäßig arrodiert wird. Den Kohlenstab stellt
man in eine Tonzelle von 10 cm Höhe und 4 cm Durchmesser (Außen¬
maße), welche vorher mit 35 ccm einer 30proz. Lösung von neutralem
Kaliumoxalat (spez. Gew. 1,2) gefüllt wurde; die Tonzelle selbst wird
in das Becherglas mit der Elektrolysenlösung eingesetzt. Die Kathode
bildet «in rechteckiges (3,5 X 2,5 cm) Goldplättchen von 0,1 mm Dicke
(Gewicht 1,7 g), welches an einen 10 cm langen Platindraht angeschweißt
(nicht angelötet) wird.
Die Abbildung eines soliden Elektrolysenstativs findet sich bei Buch¬
tala; man kann sich aber solche Apparaturen mit leichter Mühe und wenig
Hilfsmitteln improvisieren. Ich habe mir eine Anzahl aus dicken Holz¬
brettchen (12 X 15 cm) hergestellt, an deren schmale Rückwand in einem
Abstand von 6 cm 2 senkrecht nach oben führende, starke Zinkblechstreifen
mit Klemmschrauben befestigt wurden; an den einen derselben wurde
in der Höhe von 12 cm ein quer nach vorn gebogener, mit einem Endhäk¬
chen versehener, kräftiger Platindraht zum Einhängen der Kathode an¬
gelötet, während der andere mit dem zur Anodenkohle führenden Alu-
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miniumdraht umwickelt wurde. Die Kohle wurde in einfachster Weise
durch das Einschlagen eines mit dem Zuleitungsdraht fest umwickelten
Stahlstiftes in den Stromkreis eingeschaltet.
Von den von mir verwendeten Stromquellen war bereits oben die
Rede; für eine Einzelelektrolyse genügte eine dreizellige Akkumulatoren¬
batterie, ohne Benötigung eines Vorschaltwiderstandes, für eine Serie
hintereinander in den gleichen Stromkreis eingeschalteter Abscheidungs¬
zellen war es dagegen nötig, den Lichtstrom des Laboratoriums (110 V-
Gleichstrom) zu benutzen, der mit Hilfe eines Sohlittenrheostaten auf eine
Stärke von 1,2 A gebracht wurde.
Was die Dauer der Elektrolyse betrifft, so ist es auffallend, wie die
Zeitangaben der Autoren, die sich einer Stromstärke von etwa 1 A be¬
dienten, von Schneider bis Ilzhöfer, in weiten Grenzen, zwischen
4 und 25 h, schwanken. Es wird dies freilich klar, wenn man sich überlegt,
daß die Abscheidungsgeschwindigkeit nicht allein von der Stromstärke,
sondern auch von dem Verhältnis der Quecksilbermenge zum Gesamt¬
elektrolytgehalt der Flüssigkeit abhängt •— und hier sind ja bei der un¬
mittelbaren Elektrolyse chlorierter Substanzen die allergrößten Verschie¬
denheiten möglich; wie sehr dabei noch andere Nebenumstände stören
können, darauf wurde schon auf S. 201 hingewiesen. Eine solche Un¬
sicherheit kann bei der Elektrolyse unserer Salpeter- und schwefelsauren
Lösung konstanter Zusammensetzung nicht bestehen; die Abscheidungs¬
dauer wird hier nur noch von der Quantität des vorhandenen Quecksilbers
abhängig sein. Ich habe für Mengen bis zu 3 mg einen 6stündigen Strom¬
durchgang stets genügend gefunden; die Hauptmasse ist bereits nach 1 h
abgeschieden.
Der Strom wird dadurch unterbrochen, daß man die Kathode rasch
au& der Zelle heraushebt und sofort in ein Gläschen mit destilliertem Wasser
bringt ; Verweilen in der stromlosen Lösung könnte bei der Anwesenheit
freier Salpetersäure zu einer Wiederauflösung von Quecksilber führen.
Es empfiehlt sich deshalb, bei batterieweiser Hintereinanderschaltung
mehrerer Zellen, vor der Herausnahme der Goldelektroden Nebenschlüsse
anzulegen, damit bei Ausschaltung einer Zelle nicht auch gleichzeitig
alle anderen außer Betrieb gesetzt werden. Die amalgamierten Goldplätt¬
chen kommen nun der Reihe nach in folgende Bäder: 3proz. Salzsäure
(50° C), destilliertes Wasser, lOproz. Natronlauge, zweimal destilliertes
Wasser, abs. Alkohol, Äther. Nach der Herausnahme aus dem Äther
sind sie in wenigen Minuten trocken und können gewogen werden. Ich
habe wie Buchtala eine feine Kuhlmann-Wage benutzt, die Zehntel¬
milligramme noch gut abzuwiegen und Hundertstelmilligramme abzu¬
schätzen gestattet; eine Mikro-Nernst-Wage, wie sie Lomholt verwen¬
dete, stand mir nicht zur Verfügung, war auch für die von mir verfolgten
Zwecke unnötig. Die zahlenmäßige Bestimmung des Quecksilbers
erfolgt am genauesten durch seine Abdestillation und die Auswägung
der entstehenden Gewichtsabnahme der Goldplatte. Man kann diese
Verdampfung, wie es die meisten getan haben, im Reagensglase vorneh¬
men; einwandfreier ist es sicherlich, sie im Wasserstoffstrom auszuführen,
da es hierbei nicht zu einer Oxydation manchmal vorhandener kleiner
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Von Dr. med. Philipp Süßmann.
207
Kupfermengen kommt. Man rollt zu diesem Zwecke das Plättchen über
einem dünnen Glasstab vorsichtig zusammen und bringt es in das Innere
eines trockenen Hartglasrohres, von derselben Form und Größe, wie es
für die Kupferfiltration benutzt wurde, mit dem einen Unterschiede,
daß der englumige Teil nicht winkelig abgebogen ist. Das Rohr wird
in der gleichen Weise wie jenes in den Destillierofen versenkt und unter
Wasserstoffdurchtritt erhitzt, wobei sich das vorhandene Quecksilber
als feiner, weißlicher bis grauer Wandbeschlag in dem engen Röhrchen
ansammelt. Nach dem Erkalten wird wieder gewogen. Mengen, die an
der Grenze der Wägbarkeit und darunter stehen, können durch Verwand¬
lung des dann kaum sichtbaren Metallbeschlags in den leuchtend roten
Jodidbeschlag noch kolorimetrisch vergleichbar gemacht werden. Um
die rote, nicht die gelbe Modifikation des Jodids zu erhalten, pflege ich
die Jodierung in der Kälte auszuführen, und zwar so, daß ich ein Glas¬
röhrchen, in dem sich zwischen 2 Wattepfropfen festes Jod befindet,
durch ein Gummistück mit dem Destillierrohre verbinde und am anderen
Ende desselben % h lang mit der Wasserstrahlluftpumpe schwach ansauge.
Das an der Kathode abgeschiedene Quecksilber läßt sich auch sehr
einfach volumetrisch nach Ru pp bestimmen; indessen darf man zu dieser
Methode nur greifen, wenn so viel Quecksilber vorhanden ist, daß die Gold¬
platte einen deutlichen Silberschimmer zeigt. Für die kleinen in Betracht
kommenden Mengen mußte die Methode folgendermaßen modifiziert
werden:
In einem Reagensrohr mit 5 ccm kochender Salpetersäure vom spez.
Gew. 1,15 wird der Quecksilberbelag von der Elektrode abgelöst und diese
beim Herausziehen mit 2 ccm Wasser abgespült. Dann kocht man die
Flüssigkeit nochmals auf, um alle gebildete salpetrige Säure, welche die
Reaktion stören würde, zu entfernen, und gießt unter Verwendung von
3 ccm Nachspülflüssigkeit in ein kleines Bechergläschen um. Gesamt¬
volumen also 10 ccm. Hierauf Zusatz von 5 Tropfen konz. Ferrialaun-
lösung als Indikator und Titration mit n/100-Rhodanammonlösung (1 ccm
= 1 mg Quecksilber) bis zur lichtbraunen Färbung:
1. Hg(N0 3 ) 2 + 2CNS ( iNH 4 )==2(NH 4 )N03+ M~ )2 .
2. Fe(NOJ, + 3CNS(NH 4 ) = 3(NH 4 )NQ, +
Wesentlich ist unbedingte Abwesenheit auch der kleinsten Halogen¬
spuren; es würde sich sonst nicht das Rhodanid des Quecksilbers, sondern
komplexes Quecksilberammoniumhalogenid bilden und also die Eisen¬
reaktion zu bald eintreten. Im übrigten ist die Methode zuverlässig, der
Umschlag recht scharf. Kleine Kupfermengen, die mit in Lösung gehen
könnten, stören nicht.
Am Ende der Quecksilberbestimmung angelangt, darf nicht vergessen
werden, daß der gefundene Wert (hg) nur ein gewisser Bruchteil des in
der Substanz wirklich vorhanden gewesenen Quecksilbers ist, da ja nicht
die gesamte chlorierte Substanz, sondern nur ein abfiltrierter Prozent¬
satz derselben zur weiteren Bestimmung verwendet wurde. Wenn p
Archiv für Hygiene. Bi. 90. 14
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2Ö8
Studien über die Resorption von Blei usw.
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die damals vermerkte Prozentzahl darstellt, so ist der wirkliche Quecksilber¬
gehalt hg • 100/p.
Was die Fehlerbreite des ganzen geschilderten Analysenganges an¬
belangt, so hat eine Reihe von Kontrollversuchen ergeben, daß im Durch¬
schnitt 95%, im Minimum 90% des zu Harn oder Kot künstlich zugefügten
Quecksilbers wiedergefunden werden. Es dürfte diese Genauigkeit bei
der Kleinheit der überhaupt vorhandenen Mengen auch strengen Ansprüchen
genügen, zumal nach meiner Erfahrung keine Methode Besseres zu leisten
imstande ist. Woher die kleinen Verluste und besonders die Schwankungen
der Genauigkeit kommen, ist mit voller Sicherheit nicht zu sagen, doch
scheint mir die Hauptschuld daran zu liegen, daß der bei der Chlorierung
stets vorhandene Rückstand wechselnde Mengen, meist aber verhältnis¬
mäßig mehr Quecksilber enthält als die klare Flüssigkeit. Es ist dies
ein Fehler, der dem Chlorierungsverfahren anhaftet, der aber nicht zu
vermeiden sein wird.
Wir sind damit mit der Schilderung der analytischen Methodik zu
Ende gekommen und können in die Besprechung der Versuchsergebnisse
ein treten.
IV. Ergebnisse der experimentellen Studien über die Bleireeorption
durch die Haut.
Die Entscheidung der Frage, ob Blei und Quecksilber von der in¬
takten Warmblüterhaut resorbiert werden, kann nur im exakten Ex¬
perimente gesucht werden. Klinische und gewerbehygienische Beobach¬
tungen, die oft erst nach dem Auftreten von Vergiftungssymptomen
einsetzen und niemals den Aufnahmeweg durch Nase und Mund mit Sicher¬
heit auszuschließen vermögen, führen höchstens zu gewissen Wahrschein¬
lichkeitsurteilen, die je nach den vorliegenden Verhältnissen verschieden
ausfallen können. Es soll deshalb auf die zahlreichen Behauptungen,
Mutmaßungen und Schlüsse aller Autoren, welche das Problem der per¬
kutanen Bleiresorption nicht experimentell bearbeitet haben, hier nicht
weiter eingegangen werden.
In Frankreich, wo der Erscheinungskomplex des Saturnismus über¬
haupt seine erstmalige zusammenfassende Aufklärung erfahren hat, stoßen
wir auch auf die ersten Experimentalversuche zur Beantwortung unserer
Spezialfrage.
Canuet stellte 1825 den ersten Badeversuch an, indem er ein Meer¬
schweinchen in warmgehaltene Bleiessiglösung setzte. Da er aber den
Einfall hatte, die Resorption durch tiefe Einschnitte in die Rückenhaut
beschleunigen zu wollen, so beweist der nach 3 Tagen eingetretene Tod des
Tieres zum mindesten nichts für eine Bleiaufnahme durch die unverletzte
Haut.
Tanquerel des Planches berichtet in seinem 1839 erschienenen
„Abriß der Bleikrankheiten“ über 3 Versuche mit fettiger Applikation.
Einem Hund und einem Kaninchen rieb er 1—2 Wochen lang täglich mehr¬
mals Bleisalbe in die rasierte Schenkelinnenfläche ein; ein zweiter Hund
erhielt ebenso lange auf die rasierte Brust- und Bauchhaut Bleipflaster
Gck igle
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Von Dp. mcd. Philipp Süßmann.
200
aufgelegt. Das Fehlen jeglicher Vergiftungserscheinungen in diesen Fällen
läßt sich aber umgekehrt wegen der kurzen Versuchsdauer nicht als sicherer
Beweis für die Undurchlässigkeit der Haut verwerten; da von einer Ein¬
hüllung der eingeriebenen Hautpartien nichts berichtet wird, so ist zu
vermuten, daß die Tiere bei längerer Ausdehnung der Versuche dennoch
an einer, allerdings digestiv entstandenen, Bleivergiftung erkrankt wären.
1875 veröffentlichte Drouet 3 weitere Experimente mit Salben¬
behandlung. Seine Versuchstiere waren Kaninchen, welchen gewisse Ex¬
tremitäten — in jedem Falle andere — bis hinunter zu den Zehen mit einer
20proz. Bleiazetat-Schweinefettsalbe täglich einmal eingerieben wurden.
Die Erkennung einer lokalen Schädigung des behandelten Gliedes geschah
in erster Linie durch Ermittelung der Schwellenwerte für faradischen
und galvanischen Strom, die noch eine Muskelerregung hervorriefen.
Drouet sah seine Resultate als beweisend für ein Eindringen des Blei-
azetats an; in der Tat gingen 2 Tiere spontan nach 10 bzw. 29 Tagen zu¬
grunde (1 wurde nach 12 Tagen getötet), nachdem die behandelten Ex¬
tremitäten eine deutliche Verminderung der elektrischen Erregbarkeit
hatten erkennen lassen. Aber auch Drouet hatte die Möglichkeit einer
oralen Bleiaufnahme nicht ausgeschaltet, und es ist wohl zweifellos, daß
seine Tiere einer FütterungsVergiftung erlegen sind. Die Lokalisation
der paretischen Erscheinungen erklärt sich nach der heutigen Betrachtungs¬
weise des Entstehens der Bleisymptome aus der durch die Einreibungs¬
prozedur bedingten stärkeren Durchblutung und wohl auch — infolge
von Abwehrbewegungen — stärkeren muskulären Beanspruchung der
massierten Gliedmaßen.
Monnereau beschrieb 1883 die ersten 3 Verbandversuche, deren
Methodik wissenschaftlicher Kritik standzuhalten vermag. Die von
ihm mit 20proz. Schweinefettsalben verschiedener Bleipräparate (basisches
Azetat, Karbonat, Mennige) täglich ein- bis zweimal an einer rasierten
Schenkelaußenfläche und der angrenzenden Rückenhälfte eingeriebenen
Kaninchen wurden in den Zwischenperioden mit einem den ganzen Körper
nach Art einer Hemdhose einhüllenden, mit Gummistoff gefütterten
Schutzmantel bekleidet. Bei den wenig temperamentvollen Kaninchen
konnte diese einfache Bedeckung recht wohl eine wirksame Isolierung
der behandelten Hautpartien darstellen. Als Index für eine Bleiaufnahme
verwendete Monnereau nicht nur die elektrische Reizbarkeit der Mus¬
kulatur, die Messung des Blutdrucks und das Verhalten der Herz- und Atem¬
reflexe, sondern er berichtet auch zum ersten Male über chemische Ana¬
lysen der Organe. Seine Resultate waren vollkommen negativ; in keinem
einzigen Falle war in den (19, 33 und 80 Tage ausgedehnten) Versuchen
eine Abweichung von der physiologischen Norm oder ein positiver Blei¬
befund zu konstatieren. Auch eine absichtliche Setzung leichter Skari-
fikationen bei einem 4. Tier führte nicht zum Eintritt von Vergiftungs¬
symptomen; dagegen trat bei Weglassung des Schutzkleides gleichwie
bei der direkten Bleiverfütterung schon nach 2 Wochen der Tod der beiden
betreffenden Tiere ein. Blei wurde nur in der Leber des bleigefütterten
Kaninchens in Spuren nachgewiesen; da das andere indessen nach der Be¬
schreibung die Salbe von der eingeriebenen Haut ebenfalls fortwährend
14 *
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
210
Studien über die Resorption von Blei usw.
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abzulecken pflegte, so war die analytische Methodik, der Monneroau
leider keine Zeile widmet, sicherlich nicht sehr empfindlich. An der mensch¬
lichen Haut (Selbstversuch am 1. Unterarm) führten Bleieinreibungen
im Verlauf eines Monats zu leichter SensibilitätsVerminderung; im Urin
war am 23. Tage kein Blei nachweisbar.
Monnereaus negative Experimente scheinen für die Beurteilung der
Frage der perkutanen Bleiresorption in Frankreich entscheidend gewesen
zu sein; denn es liegen keine weiteren experimentellen Arbeiten von dort vor.
Erst im Jahre 1912 nahmen in Österreich Brezina und Eugling
das Problem wieder auf, indem sie bei Verbandversuchen an Meerschwein¬
chen (Lanolin-, Talg- und Vaselinsalben verschiedener Bleiverbindungeil)
das Auftreten von basophil gekörnten Erythrozyten im strömenden Blut
als Kriterium einer Bleiaufnahme benutzten. Sie hatten stets (mit Aus¬
nahme der Applikation von elementarem Bleistaub) nach frühestens zwei
Tagen ein positives Ergebnis, andere Vergiftungssymptome traten nicht
auf. Da wir über die Empfindlichkeit dieser biologischen Reaktion noch
nicht genügend unterrichtet sind, so lassen diese Untersuchungen, auch
wenn die dabei verwendeten Schutzkleider eine orale Bleiaufnahme un¬
möglich machen, die quantitative* Seite des Problems, die für die Praxis
die wichtigere ist, noch unbeantwortet.
K. B. Lehmanns Anregung ist es zu verdanken, daß der Versuch
gemacht wurde, durch eine chemisch einwandfreie Analyse des Kotes
und der Tierorgane zahlenmäßige Angaben über die Menge des die Haut
passierenden Bleis zu gewinnen. Vogt und Burckhardt behandelten
vier am Rücken kurzgeschorene oder chemisch enthaarte Katzen mit Ein¬
reibungen von Salben aus ölsaurem Blei und Vaseline, eine andere mit
einer Emulsion von metallischem Bleistaub in Vaseline. Zwei weiteren
Tieren wurde endlich die bleihaltige Substanz in wässerigem Medium auf¬
gelegt, in einem Falle Mennige, die mit Glyzerin, Syrup und Honig zu
einer salbenähnlichen Masse verrieben worden war, im anderen Azetat,
mit dessen Lösung man einen aufgebundenen Wattebausch durchtränkt
hatte. Durch Verbände aus Leinwand, Watte, Billrothbattist, Gummi¬
papier und Mullbinden, die außen mit Wasserglas versteift oder mit einem
Wachstuchmäntelchen überdeckt wurden, bemühten sich die Autoren,
die bleihaltige Masse von der Außenwelt dicht abzuschließen. Ihre Re¬
sultate sind nun höchst überraschend. Nicht nur, daß sie Monnereaus
(von ihnen selbst als „sorgfältig“ bezeichneten) Versuchen widersprechen
(Katze 9 und 10 gingen unter deutlichen Bleisymptomen nach 8 bis 9 Wo¬
chen zugrunde), sind die im Kot gefundenen Bleimengen, die überdies
nur Minimalzahlen darstellen, so enorm (z. B. Katze 15: 230 mg in 12 Ta¬
gen 1), daß man sich wundern muß, wie gut im allgemeinen dieser Blei¬
strom durch den Körper vertragen wurde; gerade bei Katze 15 wird von
Krankheitserscheinungen überhaupt nicht berichtet. Es fühlte sich des¬
halb Herr Geheimrat Lehmann, obgleich er glaubte, die Veröffentlichung
der auffallenden Befunde nicht verhindern zu sollen, veranlaßt, in einem
Nachworte zu derselben auf Versuchsfehler hinzuweisen, welche den
Untersuchern trotz aller Achtsamkeit unterlaufen sein könnten. In der
Tat weist z. B. der relative Bleireichtum des Mageninhalts (eine Blei-
Gck igle
Original fro-m
THE OHtO STATE UN1VERSITY
Von I)r. med. Philipp Süßmann.
211
ausscheidung durch die Magenschleimhaut erscheint nicht wahrschein¬
lich) bei den beiden spontan eingegangenen Katzen 9 und 10 auf eine orale*
Aufnahme hin; der Nachweis von 147 mg Blei im viertägigen Kot der
unmittelbar vorher mit metallischem Blei behandelten Katze 16 (die über¬
dies ziemlich gesund bleibt!) spricht sehr für eine direkte Verunreinigung
der Exkremente mit Salbenmasse. Den Zustand der von den Experimen¬
tatoren angelegten Verbände nachträglich zu beurteilen, ist unmöglich;
indes haben wohl auch die verwendeten Käfige, die keinen Urinabfluß
besaßen, mit Stroh ausgelegt waren und nur eine unvollständige Sammlung
des sich oft mehrere Wochen in ihnen anhäufenden Kotes gestatteten,
dem gesetzten Zwecke nicht voll entsprochen, und auch der Mangel einer
Verbandgewöhnung der Tiere vor dem Experiment (ob nicht die in den
ersten Versuchstagen auftretenden „Bleianfälle“ von Katze 13 und 16
nur wütende Befreiungsversuche gewesen sind ?) ist zu beanstanden.
Die Unsicherheit, welche infolge all dieser Umstände den Zahlen
von Vogt und Burckhardt anhaftete, forderte dringend eine Neuauf¬
nahme dieser Versuche unter den strengsten Kautelen. Ich nehme noch¬
mals Gelegenheit, Herrn Geheimrat Lehmann für sein mir dadurch be¬
wiesenes Vertrauen zu danken, daß er dieselbe mir übertrug.
Es folgen nun zunächst die Protokolle von vier von mir an Katzen
ausgeführten Versuchen, die bereits Gegenstand einer kurzen vorläufigen
Mitteilung waren.
Bleiversuch I.
Ausgewachsene, jüngere, gutmütige Katze.
1. Versuchshälfte:
V (2G U< I h8 l t 8f C; ' a ) Verlauf.
0 Auf dem Rücken wird eine Fläche von 8:10cm mit dem Depilalorium
enthaart. Gewöhnungsverband.
7 Alle kleinen Ätzwunden sind abgeheilt. Aufstreiehung folgender Salbe
auf eine Fläche von etwa 50 qcm:
Plumbi oxydatl . 5,0
Adipis felium .... 10,0.
Darüber kommt ein dichtschließender Verband und YVachstuchmantel
(Einzelschichten s. Fig. 2 auf S. 190).
ff. Das Tier bleibt dauernd munter und freßlustig; keine Gewichtsabnahme,
keine auffallenden nervösen Symptome, kein Durchfall.
24 Abnahme des Verbandes. Die Verklebung der Billrothbattistschicht ist
noch fest. Die etwa % cm nachgewachsenen Haare sind durch Salben-
rnasse verklebt; die Haut besitzt also sicher noch einen Salbenüberzug.
Chemische Analyse der über der Gelatinefolie liegenden äußeren Watte¬
schicht samt übergreifenden Verbandrändern ergibt einen Bleigehall
von 0,0 mg. Nach der Einhüllung der Extremitäten mit Watte und Tüchern
(um eine Verschmutzung hintanzuhalten) wird die Salbe mit Äther und
Seifenwasser abgewaschen; dann einfacher Mullbindenverband und Mantel.
(Prüfung auf Blei-Remanenz.)
40 Ende des Versuchs bei vollem Wohlbefinden der Katze. Abnahme des
Schutz verbandes.
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Gck igle
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
212
Studien über die Resorption von Blei usw.
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Versuchstage
b) Gewichte.
0 . . .
. . 2620 g
6 ...
. . 2640 g
13 . . .
. . 2680 g
(abzüglich Verband sge
wicht)
20 . . .
. . 2680 g
<
>»
)
24 ...
. . 2700 g
(
,,
)
34 ...
. . 2720 g
(
,,
)
40 ...
. . 2730 g
<
J ?
)•
c) Blutbefund.
17 Keine
basophilen Granula (Giemsafärbung) 1 ).
23 Keine basophilen Granula.
d) Bleiausscheidung.
Kot
Pb
Urin
Pb
g
mg
ccm
mg
0 bis 7 .
. . . 41
0,0
360
0,0
« „ 14 •
... 36
0,3
510
0,4
15 „ 24 .
. . . 51
0,3
715
0,3
25 ,, 32 .
. . . 40
0,2
520
0,2
33 „ 38 .
... 37
0,1
415
0,05
30 „ 46 .
... 55
0,1
560
0,1
2. Versuchshälfte (Fütterungsversuch):
Versuchst age a) Verlauf.
47 Von heute an erhält die Katze täglich etwa 20 mg Blei in Form einer
Azetatlösung zum Fleischfutter zugesetzt.
01 Im Verhalten und Befinden der Katze ist keine Änderung eingetreten.
Freßlust andauernd gut.
72 Erster nervöser Anfall. Das Tier, das zwecks Reinigung des Käfigs ge¬
rade aus demselben herausgenommen und auf den Zimmerboden gesetzt
worden war, sprang plötzlich auf und lief 2 bis 3 min lang wie von Hunden
gehetzt im Kreise herum, bis es zuletzt in eine Zimmerecke stürzte und
sich dort mit ängstlichem Ausdruck an die Wand gepreßt niederhockte.
Vor und nach dem Anfalle schrie es einigemale Idäglich auf (Kolik?).
Nach einer Viertelstunde war es wieder vollkommen ruhig. Futteraufnahme
dauernd gut.
85 Neuer Anfall im Käfig.
ff. Die Anfälle werden häufiger, sind von längerer Dauer und werden durch
vorhergehendes, oft minutenlanges Schreien eingeleitet. Zwischen ihnen
ist das Verhalten zunächst noch normal, allmählich tritt eine zunehmende
Scheu vor Berührung und eine auffallende Schreckhaftigkeit ein, welche
das Tier bei jedem stärkeren Geräusch und jeder in der Nähe ausgeführten
raschen Bewegung zusammenzucken läßt. Indes gelingt es bis zuletzt,
durch Streicheln und Liebkosen die Unruhe zu Übeminden und das Tier
zum Schnurren zu bringen.
Der Appetit nimmt ab, daher langsame Abmagerung; dazwischen
wird manchmal die Nahrung, zumal rohes Fleisch, mit Heißhunger ver¬
schlungen. Der Kot ist mitunter dünn.
100 Außergewöhnlich schwerer Anfall, in dessen Verlauf sich ein allgemeiner
Muskelkrampf einstellte. Das auf der Seite liegende Tier hatte alle vier
Beine maximal von sich gestreckt, das Maul weit aufgesperrt, die Augen
offen, mit großen, reflexlosen Pupillen. Die Atmung stand. Unter fort-
1) Nachdem mir in der letzten Zeit (nach Abschluß der Arbeit) ausgedehnte
Färbungsstudien an Blut von Bleikranken die Unzuverlässigkeit der Giemsa-
Methode gegenüber der einfachen Methylenblaufärbung (Löffler, Manson)
gezeigt haben, möchte ich jetzt alle diese negativen Resultate etwas skeptisch
beurteilen.
Gck igle
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Von Dr. mcd. Philipp Süßmann.
213
Versuchstage
gesetzter künstlicher Atmung durch rythmische Kompression des Thorax
kam die Katze allmählich wieder zu sich, zeigte aber dann noch stunden¬
lang Zeichen großer innerer Erregung.
111 Auf den Boden gesetzt, schreitet die Katze mit eigenartigem hahnentritt¬
ähnlichem Gange vorwärts, manchmal torkelt sie vor Schwäche und lehnt
sich gern an Tischbeine an. Dabei besteht ein feinschlägiges, alle Glied¬
maßen und den Rumpf in gleicher Weise beteiligendes Zittern, das früher
nur unmittelbar nach den Anfällen bemerkt worden war.
113 In meiner Abwesenheit wiederholt sich der Krampfanfall, dem das Tier
erliegt.
b) Gewichte.
Versuchstage
47.
2750 g
55.
2800 g
62.
2850 g
69.
2930 g
76.
3030 g
83.
3020 g
90.
3100 g
97.
3080 g
101.
3020 g
104.
2920 g
108.
2850 g
111.
2690 g
113.
2600 g.
Versuchstage c) B1 u t b e f u n d.
53 Keine basophilen Granula.
69 Keine basophilen Granula.
89 Eigenartige einzelliegende große blaue Granula (Giemsa) in vereinzelten
Erythrozyten, den staubförmigen Kömelungen beim menschlichen Sa-
turnismus nicht gleichend.
108 Die gleichen Gebilde, etwas zahlreicher. Herr Prof. Dr. L. R. Müller
glaubt, daß sie immerhin durch die Vergiftung hervorgerufen sein könnten.
d) Bleiausscheidung.
Kot Pb Urin Pb
Versuchstage g ing ccm mg
47 bis 51 . 36 68,5 375 0,7
52 „ 60 53 173,6 760 0,8
61 „ 66 — — 515 0,6
83 „ 95 — — 1000 2,0
110 „ 113 .— — 230 0,5.
Der letzte Urin wurde in einem besonderen Käfig aufgefangen, wo¬
bei jede Verunreinigung mit Kot ausgeschlossen wai\ Die Essigsäure-
Kochprobe war schwach positiv.
Versuchst agc e) Sektionsbefund.
113 Abgemagertes Tier ohne Hautfett. Herz schlaff, stark mit Blut erfüllt.
Alle Organe sehr blutreich. Im Magen Fleischballen, im Dünndarm wenig
galliger Schleim, im Dickdarm wenig zäher, grünschwarzer Kot. Die
Schleimhaut des ganzen Digestionstraktus ist frei von entzündlichen
Veränderungen. Die Nierenkapsel ist gut abhebbar, die Rinde quillt
jedoch auf dem Schnitt vor und erscheint getrübt, Pyramidenzeichnung
verwaschen. Sonst o. B. — Kein deutlicher Bleisaum.
Diagnose: Parenchymatöse Nephritis.
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214
Studien über die Resorption von Blei usw.
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f) Blei ge halt des Körpers.
Bleigchalt
Organ
Gewicht
absolut
in 1000 f.
R
mg
mg
Dickdarminhalt.
13,9
32,3
2324,3
Mageninhalt .
46,0
13,4
291,3
Dünndarminhalt.
8,8
1,0
113,6
Haut mit Haaren (64 qcm) . . .
21,2
0,7
33,0
Halsorgane (mit Speiseröhre) . .
17,5
0,2
11,4
Dickdarm.
15,1
2,4
159,1
2 Nieren.
30,8
0,8
26,0
Leber mit Gallenblase.
53,0
0,6
11,3
Milz.
4,1
0,025
6,1
Blut.
8,7
0,05
5,7
Magen.
25,5
0,1
3,9
Dünndarm.
61,2
0,2
3,3
Netz, Gekröse, Pankreas und
Zwerchfell.
60,2
0,1
1,6
Gehirn und Rückenmark . . . .
31,3
0,05
1,6
Lunge und Herz.
39,5
0,05
1,3
Muskulatur von Rücken und
Schenkel.
74,6
0,1
1,3
Harnblase .
4,5
0,0
0,0
Bleiversuch II.
Altere, bösartige Katze.
Versuchstage . _ .
(l. in. 18) a) Verlauf.
0 Anlegung eines Gewöhnungsverbandes.
8 Auf dem Rücken wird eine Fläche von 10:12 cm mit dem Depilatorium
enthaart.
13 Ätzwunden abgeheilt. Aufstreichen folgender Salbe auf eine Fläche von
etwa 75 qcm:
Plumbi oleinici.10,0
Vaselini albi.12,0
Lanolini anhydrici .... 3,0
Verband und Mantel.
ff. Das Tier bleibt dauernd freßlustig und zeigt keinerlei auffallende Er¬
scheinungen.
59 Tötung mit Chloroform; dann Abnahme des Verbandes. Dieser ist noch
vollkommen dicht; Analyse der Außenschicht und der Ränder: 0,0 mg Pb.
Die Haare sind über 1 cm nachgewachsen, aber noch fettig durch trän kt.
Versuchstage
b) Gewichte.
0
8
13
17
24
31
38
45
52
59
2900 g
2940 g
2920 g
3010 g (abzüglich Verbaudgewichf)
3050 g ( „ )
3060 g ( )
3050 g ( )
3000 g ( I
3040 g ( .. )
3020 g ( „ „ )
21
29
45
58
c) Blutbefund.
Keine basophilen Granula.
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215
d) Bleiausscheidung.
Versuchstage
Kot
g
Pb
mg
Urin
ccm
Pb
mg
9
bis
13 . . .
. . 27
0,0
275
0,0
14
>>
19 . . .
. . 28
0,3
420
0,4
20
>»
25 . . .
. . 31
0.4
360
0,3
26
> i
32 . . .
. . 52
0,7
400
0,4
54
’ >
59 . . .
. . 47
0,5
440
0,3
Versuchstage e) Sektionsbefund.
59 Gut genährtes Tier mit stellenweise 2 cm dickem Fettpolster. Alle Organe
ohne pathol. Befund. Die Nieren von tadelloser Zeichnung. — Kein
Bleisaum.
f) Bl ei ge halt des Körpers.
Organ
Magendarmkanal mit Inhalt
Leber mit Gallenblase . . .
Nieren,und Milz.
Muskulatur.
Nicht eingeriebene Haut (56 qcm) . .
Eingeriebene Haut (lOO qcm) ....
nach Reinigung mit Äther ....
nach Reinigung mit heißer verdünn¬
ter Salpetersäure.
(7,0 mg Pb gehen in die Waschflüssigkeit über
Gewicht
S
Bleigehalt
absolut in 1000 g
mg
mg
134,3
0,15
1,1
109,1
0,05
0,5
27,2
0,0
0,0
56,7
0,0
0,0
34,8
0,0
0,0
61,2
0,0
0,0
17,2
0,0
0,0
32,4
8,0
246,9
1,0
30,9
, Bleiversuch HI.
Jüngerer, aber ausgewachsener, bösartiger Kater.
Unter dem rechten Auge hat das Tier eine eiternde Bißwunde, die während
der ganzen Versuchsdauer nicht ausheilt.
Versuchst age
(13. V. 18)
a) Verlauf.
0 Gewöhnungsverband.
14 Rücken und Flanken werden in einer Ausdehnung von 12:14 cm mit dem
Depilatorium enthaart. Die Haut wird nicht unerheblich angeätzt.
27 Ätzwunden verheilt, aber Haare wieder gut l / 2 *cm nachgewachsen. Des¬
halb Schur bis auf y 2 mm Haarlänge. Folgende Salbe wird 10 min lang
in eine Hautfläche von etwa 120 qcm eingeknetet:
Plumbi oleinici.20,0
Vaselini albi.20,0.
Verband wie gewöhnlich, Mantel.
ff. Der Mantel wird alle Tage abgenommen und der Rücken durch den Ver¬
band hindurch 10 min lang massiert.
38 Von der Wunde unter dem Auge ausgehend hat sich ein Wangenabszeü
gebildet; daher Mattigkeit und Fieber (anal 38,8° C). Eröffnung des
Abszesses nach außen und innen, die Krankheitserscheinungen gehen
daraufhin zurück. Der verminderte Appetit kehrt wieder.
ff. Das Tier bleibt dauernd bei Wohlbefinden, ohne auffallende Symptome.
74 Verblutungstod durch Schnitt in den Hals; das Blut wird in einer Por¬
zellanschale aufgefangen, der Körper, Kopf nach unten, möglichst blut¬
leer gepreßt. Abnahme des Verbandes. Die Salbe ist trotz der Massage
nicht über die Gelatinefolienschicht hinausgedrungen; Analyse der Außen-
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216
*
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Studien über die Resorption von Blei usw.
und Randschicht: 0,0 mg Blei. Die Haare sind über 1 cm nachgewachsen
und haben die Hauptmasse der Salbe in Form schmieriger Lamellen ab¬
gehoben.
Versuehstage b) Gewichte.
0 . 2630 g
14 . 2670 g
27 . 2670 g
34 . 2620 g (abzüglich Verbandgewicht)
41 . 2550 g ( „ „ )
48 . 2580 g ( )
55 . 2580 g ( „ )
62 . 2560 g ( )
69 . 2590 g ( „ )
74 . 2600 g ( „ „ ).
c) Blutbefund.
27 Keine basophilen Granula.
rr
d) B lei aussc hei düng.
Kot
Pb
Urin
Pb
g
mg
ccm
mg
20
bis
27 . .
. . 67
0,6
580
0,0
28
,»
37 . .
. . 103
1,1
1210
0,8
38
55 . .
. . 109
1,0
1520
0,6
56
,,
68 . .
. . 111
0,5
1070
0,6
69
>>
74 . .
. . 32
0,3
330
0,2
Versuehstage e) Sektionsbefund.
74 Mäßiger Fettgehalt im Netz, geringer im Unterhautzellgewebe. Alle
Organe sehr anämisch. Lunge rein weiß, lufthaltig, im rechten Mittel¬
lappen eine kleine frische Blutung. Herz ganz schlaff, blutleer. Magen
fast leer, kontrahiert, im Dünndarm wenig galliger Schleim, keine ent¬
zündlichen Veränderungen. Im Dickdarm wenig zäher grünschwarzer
Kot. Leber hellbraungelb, mit scharf hervortretenden Blutpunkten.
Nieren mit auffallend deutlicher Pyramidenzeichnung, von normaler
Größe, Kapsel leicht abziehbar. — Kein Bleisaum.
Mikroskopisch zeigt die Leber um die Zentralvenen herum ganz
frische Hämorrhagien, sicherlich von dem gewaltsamen Ausbluten des
Körpers herrührend.
In einem in Schwefelammonium eingelegten Schnitt durch die ein¬
geriebene Haut ist die Hornschicht gleichmäßig hellbraun gefärbt (durch
die Gewebskolloide in Lösung erhaltenes Bleisulfid), die tieferen Schichten
— von den Chromatophoren abgesehen — farblos. Bräunliche Massen
finden sich in den Haarbälgen und den frei mündenden Talgdrüsenaus¬
führungsgängen, immer nur bis zu geringer Tiefe.
Hämatoxylin-Eosinfärbung: Alle Hautschichten sind wohl erhalten.
f) Bleigehalt des
Organ
Eingeriebene Haut (50 qcm) . . .
(mit Äther allein gereinigt) . . .
Nicht eingeriebene Haut (150 qcm)
Dickdarm samt Inhalt ..
Leber mit Gallenblase.
Nieren, Milz und Harnblase . . .
Brust- und Halsorgane .
Gewicht
Bleigchalt
absolut ln 1000
8
mg
mg
17,1
6,1
356,7
56,8
0,025
0,4
18,2
0,1
5,o
132,4
0,25
1,9
34,1
0,05
1.5
68,9
0,05
0,7
Gougle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. med. Philipp Süßmann.
217
Organ
Gewicht
g
Bleigehalt
absolut ln
1000 g
mg
mg
Dünndarm samt Inhalt. . . .
. . . 82,0
0,05
0,6
Gehirn und Rückenmark . . .
. . . 44,0
0,025
0,6
Blut.
. . . 143,8
0,025
0,2
Muskulatur .
. . . 149,3
0,025
0,2
Zwerchfell und Netz .
. . . 53,2
0,0
0,0
Magen samt Inhalt .
. . . 30,7
0,0
0,0
Bleiversuch IV.
Ältere, gutmütige Katze.
Da» Tier leidet schon bei Versuchsbeginn an einem Nasenkatarrh; aus der
1. Nasenöffnung fließt schleimig-eitriges Sekret. Die Katze niest häufig und hustet
auch ab und zu; im übrigen ist sie munter und bei gutem Appetit.
Versuchstage
(15. V. 18)
a) Verlauf.
0 Gewöhnungsverband.
7 Rücken und Flanken werden in einer Ausdehnung von 12:15 cm ohne
Hautverletzung auf y t mm Haarlänge geschoren, sodann folgende Salbe
noch warm in eine Hautfläche von etwa 150 qcm 10 min lang eingeknetet:
Plumbi oleinici.25,0
Vaselini albi.20,0
Lanolini anhydrici. 5,0.
Üblicher Verband und Mantel.
ff. Der Mantel wird täglich abgenommen und Rücken und Flanken durch
den Verband hindurch 10 min lang massiert.
Die Katze trippelt im Stehen fortwährend mit den Vorderpfoten,
was sich als Folge zu knapper Ausschnitte im Mantel herausstellt. Nach
Erweiterung derselben hört auch das Trippeln auf.
14 Freßlust nimmt ab.
20 Die Katze ist sehr hinfällig geworden. Nervöse Symptome wurden nicht
mehr konstatiert, vor allem ist das Tier stets äußerst zutraulich.
21 Rohes Fleisch wird gleich nach dem Fressen wieder erbrochen.
22 Die Katze kann sich nicht mehr erheben. Nachmittags erfolgt unter
zunehmendem Röcheln der Tod. Abnahme des vollkommen dicht ge¬
bliebenen Verbandes. Die Haare sind nur 2 bis 3 mm nachgewachsen;
die Salbe liegt noch als klebrige Masse an. Analyse der Außenschichten:
0,0 mg Pb.
Versuchstage b) Gewichte.
0 3260 g
5.3180g (abzüglich Verbandgewicht}
7 3130 g
11 3050 g (
15 2990 g (
18 2920 g (
20 2720 g (
22.2610 g (
20
c) Blutbefund.
Keine basophilen Granula.
>
d) Bleiaussch
eid u n g.
Kot
Pb
Urin
Pb
p
mg
ccm
mg
2
bis 7 .
. . . . 53
0,0
910
0,0
8
„ 9 .
. . . . 20
0,3
165
0,2
10
„ 16 .
. . . . 58
0,7
520
0,3
17
„ 22 .
. . . . 22
0,1
325
0,2
21
Erbrochenes: 53,3 g enthält 0,0 mg Pb.
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Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
218
Studien über die Resorption von Blei usvv.
Digitized by
e) Sektionsbefund.
Abgemagertes Tier ohne Hautfett und mit ganz spärlichen Fett¬
mengen im Netz. Um Nase und Maul eintrocknende Reste einer bräun¬
lichen Flüssigkeit. Auch die Zunge ist mit schleimiger, schwarzbrauner
Flüssigkeit bedeckt. Speiseröhrenwand glatt und blaß, mit wenig schwärz¬
licher Flüssigkeit bedeckt; Magen stark kontrahiert, an der Kardia ein
Kranz feinster Blutaustritte (Stauung?), mit wenigen ccm eines übel¬
riechenden grünschwarzen (galligen) Schleims erfüllt. Dünn- und Dick¬
darm o. B.; letzterer enthält noch etwas zähen schwarzen Kot. Leber,
Milz, Nieren sehr blutreich, sonst o. B. Blase enthält etwa 25 ccm Harn.
Trachealschleimhaut rosa, saminetartig; das Lumen ist mit gelbem
Schleim erfüllt, der im Kehlkopf in die vom Magen kommende schwarze
Flüssigkeit übergeht. Linke Lunge rosa und fast durchweg lufthaltig;
von den rechten Lappen weist der obere zahlreiche dunkelrote eingesun¬
kene Stellen auf; im Mittel- und Unterlappen konfluieren diese und lassen
zwischen sich nur kleine lufthaltige Stellen frei, welche stark hervortreten¬
des vikariierendes Emphysem, zumal Randemphysem zeigen. Die Bron¬
chien sind hier dick mit Eiter erfüllt, der bei Druck aus den angeschnitte¬
nen Lumina hervorquillt.
Herz kontrahiert und mit wenig Blut erfüllt.
Mikroskopisch zeigt die Lunge (rechter Mittellappen) das Bild starker
eitriger Bronchitis und Peribronchitis ohne Anzeigen von Tuberkulose
(Herr Geheimrat M. B. Schmidt). Alveoläres ödem.
Diagnose: Eitrige Bronchitis, Emphysem mit konsekutiver Stauung
(Lungenödem und venöse Hyperämie der Unterleibsorgane).
Ein in Schwefelammon eingelegter Gefrierschnitt durch die einge¬
riebene Haut liefert das nämliche Bild wie in Versuch III; ebenso ist auch
hier die Hautstruktur intakt geblieben.
f) Blei ge halt des Körpers.
Organ
Gewicht
g
27,9
Bleigehalt
absolut ln 1000 g
Eingeriebene Haut (88 qcm)
Äther gereinigt).
(nur mit
mg
8,3
mg
297,5
Nicht eingeriebene Haut (128 qcm) .
41,3
0,025
0,0
Dickdarm mit Inhalt. . .
18,1
0,15
8,3
Leber mit Gallenblase . .
71,6
0,35
4,9
2 Nieren.
22,8
0,1
4,4
Blase mit Harn.
26,3
0,025
1.0
Netz, Pankreas, Zwerchfell
senterium.
und Me-
50,4
0,05
1,0
Dünndarm mit Inhalt . .
57,2
0,05
0,9
Gehirn und Rückenmark .
32,4
0,025
0,8
Magen und Speiseröhre mit
Inhalt .
36,7
0,05
0,7
Brustorgane und Trachea
69,1
0.05
0.7
Muskulatur.
38,7
0,025
0.6
Milz.
3,5
0,0
0.0.
Überblicken wir die Ergebnisse der geschilderten 4 Versuche gemein¬
sam, so sehen wir zunächst, daß unsern theoretischen Erwägungen ent¬
sprechend die Hornschicht der Haut eine diffuse Durchtränkung mit der
bleihaltigen Salbe erfahren hat. Diesem mikroskopischen Befund der Ver¬
suche III und IV entspricht die chemische Analyse, welche bei den Katzen
II bis IV noch einen Gehalt von 0,08 bis 0,12 mg Blei im qcm der mit
Äther gründlich gereinigten Haut aufdeckte. Daß dieses Blei allerdings
nur in den obersten Epidermisschichten sitzt, läßt sich dadurch erhärten*
daß man es durch Abreiben mit Watte, die mit heißer Salpetersäure ge-
Gck igle
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. med. Philipp Süßmann.
219
tränkt ist, und nachheriges Abspülen mit Wasser zu 7 / 8 entfernen kann
(Versuch II); ich möchte also nicht wie Vogt und Burckhardt schon
in der bloßen Tatsache des verhältnismäßig hohen Bleigehalts der ein¬
geriebenen Haut einen Beweis für eine wirkliche Permeation des Bleis er¬
blicken. Dieser Beweis kann jedoch leicht erbracht werden durch die
Analyse der Ausscheidungen und des Tier kör pers.
In Versuch I sollte ermittelt werden, wie lange und wie viel Blei noch
nach Entfernung der Salbe vom Körper nach außen abgeschieden wird;
nachdem sich aber in den folgenden Versuchen gezeigt hat, daß auch die
gereinigte Haut noch Bleimengen von etlichen Milligrammen in ihren
oberflächlichen Schichten einschließt, von denen ein Teil höchstwahr¬
scheinlich noch in den Körper gelangt, erscheint es mir fraglich, ob die
in dieser 22tägigen Nachversuchszeit ausgeschiedenen 0,75 mg gespeicher¬
tes Blei darstellen, das schon in der Verbandperiode aufgenommen wurde.
Möglicherweise ist die bis zum Ende der Beobachtung (46. Tag) ganz kon¬
stant bleibende Ausscheidung von 0,025 mg im Tagesdurchschnitt auf
Rechnung der nachträglichen Resorption zu setzen und nur die anfängliche
Plusdifferenz gegen diesen Wert von insgesamt 0,2 mg schon während der
Verbandperiode resorbiert worden. Auf alle Fälle wird man also die‘Aus¬
scheidungszahlen in letzterer von 0,6 mg (Kot) und 0,7 mg (Urin) auf min¬
destens 0,7 und 0,8 mg zu erhöhen haben.
Im allgemeinen ist die Bleispeicherung im Körper recht gering. Von
den Verbandversuchen war sie bei dem kurzdauernden Versuch IV noch
am größten (50% des ausgeschiedenen Bleis); bei dem Fütterungsver¬
such I, 2 betrug sie trotz der reichlichen oralen Bleiaufnahme nur 4,5 mg.
Ich bin mir dabei wohl bewußt, daß der tatsächliche Bleireichtum des
Körpers größer ist als die gefundenen Zahlen angeben, da ja nur ein ge¬
ringer Teil des Körpers wirklich durchanalysiert wird; insofern dieser Fehler
sich aber überall gleichmäßig wiederholt, bleibt der Vergleichswert der
Zahlen erhalten. Eine Umrechnung des Muskelgehaltes auf den ganzen
Körper und Addition dieser errechneten zur wirklich gefundenen Metall¬
menge (nach dem Vorgänge Uli man ns) habe ich in Anbetracht der Mög¬
lichkeit der Vervielfachung von Analysenungenauigkeiten nicht vorge¬
nommen, zumal bei der Geringfügigkeit der Bleispeicherung für die Er¬
mittelung der Permeabilitätsgröße der Bleigehalt der Ausscheidungen
und nicht der des Körpers von ausschlaggebendem Einflüsse ist. Immerhin
muß darüber Klarheit sein, daß die gefundenen Permeabilitätswerte
Minimalzahlen sind; die tatsächliche Bleiaufnahme mag um ein geringes
größer sein. Folgende Tabelle, die meiner vorläufigen Mitteilung entnommen
ist, stellt die Analysenresultate noch einmal summarisch zusammen:
Berechnung der Bleiaufnahme im Tagesdurchschnitt.
Katze
Nr.
Wir¬
kungs¬
volle
etwa
Ein wir-
Gefundene Bleimengen
Bleiaufn.
im Tages¬
durch¬
schnitt mg
Appliziert wurden
kungs-
dauer
im Kot
mg
i. Harn
mg
im Kör¬
per mg
zusam¬
men mg
i
5 g Bleioxyd aufgelegt
qcm
50
Tage
17
0,7 '
0,8
?
> 1,5
> 0,09
ii
lOgBleioleat „
75
19
1,4
1 1,1
0,2
: 2,7
0,14
ui
20 g „ eingerieben
120
57
2,9
2,2
0,6
! 5,7
0,12
IV
25 g
150
15
1,1
0,7
0,9
1 2,7
0,18
□ igitized by
Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
220
Studien über die Resorption von Blei usw.
Digitized by
Es erhellt daraus, daß im täglichen Durchschnitt 1 bis 2 Zehntel¬
milligramme Blei durch die Haut in den Körper eindrangen; bei dem
langdauernden Versuch III konnte man ein allmähliches Absinken der
Bleiausscheidung bemerken, was sicherlich der Ausdruck einer durch das
Abheben der Salbenmasse bedingten Abnahme der Bleiresorption ist.
Um die ermittelte Intensität des Bleidurchtritts mit Ergebnissen an¬
derer Versuche, sei es an anderen Tieren oder mit andersartiger Appli¬
kation, vergleichen zu können, ist es nötig, die absoluten Mengen auf
die Einheit der Resorptionsfläche zurückzuführen; denn selbstverständ¬
lich wird von einer ausgedehnteren Hautpartic mehr resorbiert als von
einer kleineren. Ich habe deshalb die Substanzmenge, die im Tagesdurch¬
schnitt einer Versuchsperiode durch 1 qdm Hautfläche permeiert, als
mittlere Permeabilitätsgröße bezeichnet. Dieser Wert, erhalten
durch Multiplikation des Tagesdurchschnitts der Aufnahme mit
100
-rü—T~> lst
qcm Fläche j n Versuch I: 0,18 mg Blei,
II: 0,19 „ „
HI: 0,10 „ „
IV: 0,12 „ „
Die Zahlen sind von derselben Größenordnung und nicht allzu¬
weit voneinander entfernt; die Schwankungen mögen zum Teil aus Ver¬
schiedenheiten der Versuchsdurchführung stammen, zum Teil aber auch
durch individuelle Unterschiede in der Hautbeschaffenheit zu erklären
sein.
Interessant ist die Tatsache, daß die mittlere Permeabilitätsgröße
in den Massageversuchen III und IV kleiner gefunden wurde als in den
beiden vorhergehenden, in welchen die Salbe nur aufgestrichen wurde.
Es handelt sich dabei ganz sicherlich um Einflüsse, die mit dem Vorgang
der Massage nicht in Beziehung stehen; jedenfalls aber wurden die Durch¬
schnittswerte der Resorption 'durch die Einreibung nicht erhöht.
Das mit tierischem Fett zur Salbe vermengte Bleioxyd gelangte
im selben Maße zur Aufsaugung wie das fertig gebildete ölsaure Salz.
Eine Berechnung der mittleren Permeabilitätsgröße für den Durch¬
schnitt aller 4 Versuche ergibt, wenn pb die gefundene Blei menge,
fl die Wirkungsfläche in qcm und d die Anzahl der Versuchstage bedeutet:
M.P..G, (.-.V) - (**£" +
+ pbl ]iiv~ ) : (■ dl + dn + llm + *v) = 0,14 mg Blei,
eine Zahl, die hinter den Werten von Vogt und Burckhardt, wenn
man den Versuch macht, die von ihnen ermittelten Permeabilitätsgrößen
zu bestimmen, zum mindesten um das 50fache zurückbleibt.
Von großem Interesse ist die Frage, ob einer Bleiaufnahme, wie sie
in meinen Versuchen vorliegt, toxikologische Bedeutung zukommt.
Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERS1TY
221
Von Dr. med. Philipp Süßmann.
Über die Minimalintensit&t der Bleiresorption, die zu einer chronischen
Vergiftung von Katzen nötig ist, lassen sich zwar aus der Literatur sichere
Aufschlüsse noch nicht gewinnen; soviel ist aber gewiß, daß die hier auf¬
genommenen Bleimengen höchstens eine eminent chronische Vergiftung
hervorzubringen imstande wären, nicht aber innerhalb der beschränkten
Zeitdauer eines Einreibungsversuches Bleisymptome zu zeitigen vermöchten.
Dem entspricht das Befinden der Katzen während der ganzen Ver¬
suchszeit, in guter Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Tan-
querel, Monnereau und Brezina und Eugling. Daß in meinen
Verbandversuchen keine basophilen Granulationen in den roten Blutkörper¬
chen gefunden wurden, braucht noch keinen Widerspruch zu den Befunden
von Brezina und Eugling zu enthalten, da sich die Reaktionsfähigkeit
des hämatopoetischen Apparates der Katzen und Meerschweinchen wohl
nicht unmittelbar vergleichen läßt und außerdem in den Versuchen der
Wiener Autoren das Verhältnis der eingeriebenen Hautfläche zum Körper¬
gewicht möglicherweise größer war als bei mir 1 ).
Um einen Vergleich der fettigen Applikationsweise mit der Anwendung
wässeriger Lösungen zu gewinnen, wurden zwei weitere Experimente
nach Art der Schwenkenbecherschen Badeversuche angestellt.
Bleiversuch V.
Männliches Meerschweinchen, 350 g schwer.
Der Versuch begann damit, daß dem Tiere einen Tag lang die Nahrung ent¬
zogen wurde, um die Urinsekretion auf ein Mindestmaß einzuschränken. Dann
wurde um den Hals und die vorderen Extremitäten — die letzteren in sich ber¬
gend — aus Watte und Binden ein sich weit aufbauschender und endlich durch
Gips versteifter Kragen gelegt. Abbinden des Penis, Überkleben desselben wie
auch des Afters mit Wachs und Kollodium. Nun wurde der Tierkörper, soweit
es der Kragen erlaubte, durch eine kreisförmige Aussägung (Durchmesser 6,5 cm)
eines Brettchens gezogen, dann die Hinterfüße in einer Schlinge zusammenge¬
knotet und an ein eisernes 500 g-Gewicht festgebunden.
Inzwischen war ein dickwandiges, zylindrisches Standgefäß mit einer 37°
warmen, gesättigten wässerigen Lösung von ölsaurem Blei gefüllt worden. (Die
Lösung enthielt in 50 ccm 17,9 mg Blei, was einem Gehalt von 1,33 g Bleioleat
in 11 entspricht.)
In dieses, am Boden mit Watte ausgeschlagene Gefäß wurde das Meerschwein¬
chen so eingesenkt, daß der Holzkragen quer über den oberen Rand herüberlag
und das Eisengewicht gleichzeitig unten aufstand, ohne einen stärkeren Zug
an den Beinen des Tieres auszuüben. Dieses war aber so vollkommen außer¬
stande, irgendwelche Bewegungen auszuführen. Die mit der Versuchslösung
in Berührung stehende Hautoberfläche maß etwa 160 qcm. Das Glas wurde,
nachdem der Holzdeckel noch durch einige Verschnürungen gesichert worden
war, in den auf 41° C gebrachten Brutschrank eingestellt, dessen Türe ein wenig
offen blieb.
Nach 30 h wurde das Meerschweinchen mit Chloroform getötet, mit Wasser
abgespült, vorsichtig abgebalgt, der Körper nochmals nachgespült und dann in
toto analysiert. Bleigehalt: 0,1 mg.
Ein in Schwefelammon eingelegter Hautschnitt zeigte eine deutliche gelb¬
braune Verfärbung der dünnen Hornschicht.
1) Vgl. auch die Anmerkung auf S. 212.
Digitized by
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222
Studien Über die Resorption von Blei usw.
Digitized by
Blei versuch VI.
Männliches Meerschweinchen, Gewicht 365 g.
Der Versuch wurde in gleicher Weise vorgenommen wie Versuch V, nur daß
die Lösung des ölsauren Bleis durch eine solche von neutralem Bleiazetat er¬
setzt war. (50 ccm enthielten 26,3 mg Blei, entsprechend einer fast 1 promilligen
Bleizuckerlösung.)
Bleigehalt des Körpers: 0,05 mg.
Gleichfalls deutliche Gelbbraunfärbung der Hornschicht im mit Schwefel¬
ammon behandelten Hautschnitt.
Kontrollversuche.
Zwei Meerschweinchenkörper aus dem gleichen Stall, unbehandelt (die Tiere
waren zur Blutentnahme für die Wassermannsche Reaktion verwendet wor¬
den), enthalten 0,0 mg Blei.
Als Ergebnis der beiden Meerschweinchen versuche ist zu buchen,
daß trotz der diffusen Durchtränkung der Hornschicht (eine Analyse
der Bälge ist leider unterblieben) die Permeation ins Körperinnere eine
recht verschwindende war.
Die mittlere Permeabilitätsgröße von
0 1 » 100
Versuch V betrug: ^ 25 TJ q Ö = m 8
von Versuch VI nur: 0,025 mg Blei,
d. h. nur l / s bis */$ des aus den Katzen verband versuchen errechneten
Durchschnittswertes.
Die Ursache dieser geringen Aufnahme sogar des ölsauren Bleis,
bei welchem doch eine Resorptionsverzögerung durch vorhergehende
Umsetzung mit den Fettsäuren des Hauttalges in Wegfall kommt, darf
wohl in der niedrigen Konzentration wie auch in der relativ kurzen Ein¬
wirkungsdauer gesucht werden; denn es wird,.wie schon im theoretischen
Teil hervorgehoben wurde, naturgemäß geraume Zeit vergehen, bis die
Lösung erst einmal die Hornschicht zur Quellung gebracht hat. Übrigens
macht sich der Unterschied zwischen dem Oleat und dem fettunlöslichen
Azetat auch bei den minimalen absoluten Mengen bemerkbar.
Als Abschluß der Bleiversuche führte ich noch einen quantitativen
Selbstversuch an mir durch, dessen Protokoll nachstehend wiedergegeben
wird.
Bleitersuoh VIL (Selbstversuch.)
Versuchstage a \ Vprlanf
(20. X. 18) a ' verlauI -
0 Von heute ab werden Stuhl und Harn quantitativ gesammelt und auf
ihren Bleigehalt untersucht.
4 Prüfung der Hautsensibilität der Waden, sowie der Reizschwelle für
elektrische Erregung der Wadenmuskulatur durch Herrn Geheimrat
M. v. Frey:
Mechanische Schwelle für Oberflächenschmerz über dem M. tibialis
anterior:
L. und R.: Stachelborste 300.
Schwelle für Gleichstrom:
L. Peronaeus longus: bei 23 Elementen Kathodenschließungszuckung
(KSZ), 8 Milli-A.
Tibialis anterior: bei 22 El. KSZ, 6 MA.
R. Peronaeus longus: bei 18 El. KSZ, 9MA.
Tibialis anterior: bei 17 El. KSZ, 6 MA.
Gck igle
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Von Dr. med. Philipp Süßmann.
223
Versuchstage
5 In die Haut der rechten Wade wird folgende Salbe 10 min lang in noch
warmem Zustande eingeknetet:
Plumbi oleinici.50,0
Vaselini albi.25,0
Lanolini anhydriei .... 25,0.
Die salbenbedeckte Fläche mißt 450 qcm. Darüber Kompressen,
Watte, Billrothbattist, dessen freie Ränder miteinander und mit der
nackten Haut durch Kollodium verklebt werden, nochmals Watte, Binden¬
touren und darüber ein enganliegender, bis übers Knie reichender Trikot-
strumpf, der während der ganzen Dauer des Versuchs liegen bleibt. Durch
den Strumpf hindurch wird die Wade täglich 10 min lang massiert.
ff. Dauernd vollkommenes Wohlbefinden. Der Verband wird unter dem
Beinkleid von Unbefangenen nicht bemerkt und hindert beim Gehen
und Arbeiten in keiner Weise. An das anfänglich unangenehme klebrige
Gefühl erfolgt rasche Gewöhnung. -
20 Abnahme des Verbandes. Der ganze * Trikotstrumpf wird verbrannt
und analysiert; Bleigehalt: 0,0 mg Pb. Der Billrothbattist liegt der Haut
noch gut an; nur an einzelnen Stellen hat sich die Kollodiumverklebung
von der Haut gelöst. Die Salbe bedeckt die Haut noch vollkommen;
nach ihrer Entfernung mit Benzin und Seifenwasser zeigt letztere außer
einer kleinlamellösen Abschuppung nichts Auffallendes, keine Rötung,
keine Rhagaden.
Nochmalige physiologische Prüfung durch Herrn Geheimrat v. Frey:
Mechanische Schwelle für Oberflächenschmerz über dem M. tibiaiis
anterior:
L. und R.: Stachelborste 300.
Schwelle für Gleichstrom:
L. Peronaeus longus: bei 22 El. KSZ, 7 MA.
Tibiaiis anterior: bei 21 El. KSZ, 6 MA.
R. Peronaeus longus: bei 20 El. KSZ, 8 MA.
Tibiaiis anterior: bei 19 El. KSZ, 7 MA.
30 Die Untersuchung von Harn und Stuhl wird (‘ingestellt. Ende des Ver¬
suchs.
Versuchstage b) Blutbefund.
7 Keine basophilen Granula.
c) Blei ausseh ei düng.
Kot
Pb
Urin
Pb
g
mg
ccm
mg
0.
240
1,0
3010
0,2
1.
198
0,0
2740
0,25
2.
280
112,7!
3425
0,2
3.
223
1,3
3570
0,3
4.
175
0,9
2320
0,15
5.
270
0,7
2580
0,2
r>.
187
1,0
3030
0,3
7.
330
0,0
2740
0,3
8.
174
0,6
2880
0,3
9.
135
0,8
2530
0,2
10.
465
0,8
3620
0,2
11.
272
0,4
2845
0,2
12.
220
0,5
2550
0,2
13 .... .
320
0,5
4350
0,25
14.
215
0,4
2800
0,2
Archiv für Hygiene Bd.90. 15
Difitized
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224
Studien über die Resorption von Blei usw.
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Versuchstage
Kot
g
Pb
mg
Urin
ccm
Pb
mg
15 . . . .
. 244
0,6
1150
0,15
16 ... .
. 185
0,4
2800
0,2
17 . . . .
. 220
0,5
3010
0,2
18 ... .
. 132
0,4
3020
0,2
19 ... .
—
—
1740
0,15
20 ... .
. 372
0,6
2965
0,2
21 ... .
. 174
0,5
2730
0,2
22 ... .
—
3615
0,2
23 ... .
. 259
0,9
3750
0,2
24 . . . .
. 228
0,4
3225 '
0,2
25 ... .
. 235
0,4
3550
0,2
26 . . . .
. 145
0,3
2840
0,15
27 ... .
. 227
0,4
3180
0,2
28 ... .
. 190
0,3
2675
0,15
29 ... .
. 280
0,4
3180
0,2
30 ... .
. 265
0,3
3000
0,15
31 . . . .
. 325
0,4
3315
0,15
32 ... .
. 205
0,3
2580
0,1
33 ... .
. 190
0,2
2325
0,15
' 34 . . . .
. 222
0.2
3055
0,15
35 . . . .
—
—
1875
0,1
36 ... .
. 410
0,2
2680
0,05
Betrachten wir diese Ausscheidungszahlen mit kritischem Auge, so fällt
zunächst auf, daß schon in der Vorperiode des Versuchs, zur Zeit also, wo
noch kein Bleiverband getragen wurde, erhebliche Bleimengen im Kot und
Harn erscheinen. Besonders merkwürdig ist der ganz aus dem Rahmen
fallende Bleigehalt dea Stuhles vom 2. Versuchstage. Die Bleianalysen
der Vorperiode wurden, da auf einen positiven Bleibefund gar nicht ge¬
rechnet wurde, erst zu Ende geführt, als der Verband schon angelegt war;
sonst hätte ich unter diesen Umständen den Versuch wahrscheinlich gar
nicht begonnen. Ich glaube aber jetzt und werde es klarzulegen trachten,
daß, was zunächst jedes Versuchsergebnis zu vereiteln schien, gerade zu
einem guten Gelingen des Experimentes beigetragen hat.
Worauf die Bleizahlen der Vorperiode zurückzuführen sind, wurde mir
klar, als ich den enormen Wert von 112,7 mg entdeckte.
Ich pflegte nämlich damals am Tische einer Jögerfamilie zu speisen,
wo fast alle Tage Wild, meistens in essigsaurer Zubereitung, aufgetragen
wurde. Daß die Kochgeschirre der Familie kein Blei enthielten, davon
hatte ich mich überzeugt; an eine andere, so naheliegende Bleiquelle
aber hatte ich nicht gedacht — an die Schrote! Es scheinen aber — be¬
sondere Feststellungen müßten das noch bestätigen — bei der Zubereitung
schrothaltigen Wildes kleine Bleimengen gelöst zu werden und in die
Speisen überzugehen. Der hohe Bleigehalt des fraglichen Stuhles hat außer
allem Zweifel seine Ursache in einem verschluckten Schrotsplitter. Als
mir dieser Umstand klar geworden war (am 7. Versuchstage), habe ich
— denn abbrechen wollte ich den Versuch nun doch nicht mehr — die
Wildbretkost sofort aufgegeben und nur von Vegetabilien, Eiern und sol¬
chem Fleisch gelebt, bei dem ein Bleigehalt nicht anzunehmen war. (Die
Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. med. Philipp Süßmann. 225
in jener Familie übliche starke Würzung aller Speisen, die großen Durst
im Gefolge hatte, erklärt übrigens die erheblichen Urinmengen.)
Zu einem besseren Überblick ist es zweckmäßig, den ganzen Ver¬
suchsverlauf in 7 Perioden einzuteilen: die Vorperiode (mit Auslassung
des zweiten Tages mit seiner störend großen Bleiausscheidung), 4 Haupt¬
versuchszeiten mit zweimal 5 und zweimal 6 Tagen und 2 Nachperioden
mit je 5 Tagen. In der Ausscheidungstabelle sind die Einzelperioden durch
größere Abstände kenntlich gemacht. Die Stuhl- und Urinausscheidung
zusammenfassend, erhalten wir folgende Summationswerte:
Periode
Tage
Gesamtbleiausscheidung
Vorperiode.
... 4
4,7 mg
Hauptperiode I .
... 5
4,0 „
„ n.
... 5
3,65 „
„ in.
... 6
3,6 „
„ IV.
... 6
3,65 „
Nachperiode I .
... 5
2,65 „
„ II.
... 5
1,45 „
Durch Division der Ausscheidungszahlen mit der Anzahl der Tage
erhalten wir als
Bleiausscheidung im Tagesdurchschnitt
für die Vorperiode.1,18 mg
Hauptperiode I.0,8 ,,
II.0,73 „
„ III - ■ ..0,60 „
„ IV . . ..0,61 M
Nachperiode I .0,53 „
„ II .0,29
Man sieht, daß ein langsames Absinken der Bleiausscheidung gegen
das Versuchsende hin stattfindet; nur einmal — in den Hauptversuchszeiten
III und IV — bleibt sie auf konstanter Höhe. Ich glaube, daß folgende
Erklärung dieser Erscheinung viel Wahrscheinlichkeit für sich hat.
Die lange Zeit fortgesetzte orale Bleiaufnähme hatte zu einer gewissen
(in Ansehung der Katzenversuche wohl nicht erheblichen) Bleiaufspeiche¬
rung im Körper geführt. Nach Aufhören der digestiven Zufuhr verminder¬
ten sich die Bleidepots des Körpers soweit, als dem geringeren Nachstrom
von der Haut aus entsprach. In der dritten Hauptperiode ist der Gleich¬
gewichtszustand zwischen Resorption, Kapazität der Bleidepots und Aus¬
scheidung erreicht. Nach dem Versiegen auch der kutanen Bleiquelle
sinkt die Bleiausscheidung infolge der allmählichen Entleerung der Blei¬
speicher in wenigen Tagen auf immer niedrigere Werte.
Darnach wären wir in der Lage, auch ohne den Bleigehalt des
Körpers zu kennen, die Hautresorptionsgröße des Bleis zu bestimmen:
sie muß in der Zeit des konstanten Bleistroms, also in der zweiten Hälfte
des Hauptversuchs, gleich gewesen sein der gesamten Bleiausscheidung,
d. h. die Bleiaufnahme im Tagesdurchschnitt = 0,6 mg Pb.
15 *
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Gougle
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
226
Studien über die Resorption von Blei usvv.
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Daraus berechnet sich hei 450 qcm Wirkungsfläche die mittlere
Perineab i 1 i t ä t s g r ö ß e am Monschen
auf 0,133 mg Pb,
(‘inen Wert also, der dem Mittel der Katzenversuche vollkommen ent¬
spricht.
Wir dürfen daraus entnehmen, daß zwischen der Haut der
Katze und der des Menschen ein wesentlicher Unterschied
im resorptiven Verhalten nicht besteht, daß also an der Katze
gewonnene Ergebnisse mit gutem Rechte auf den Menschen übertragen
werden können.
Zum Schluß ist die Frage zu erwägen, ob die durch die Haut aufge¬
nommenen Bleimengen eine chronische Vergiftung d,es Menschen hervor¬
zubringen imstande sind. Gärtner hat (nach K. B. Lehmanns Gewerbe¬
hygiene, S. 203) berechnet, daß. 0,35 mg Blei, täglich oral aufgenommen
(doch dürften diese kleinen Mengen ziemlich vollständig resorbiert werden),
unschädlich sind, bei 4 mg machen sich Anzeigen einer Vergiftung nach
einigen Monaten bemerkbar. Demnach dürfte bei einer täglichen Aufnahme
von 0,6 mg Pb eine Gesundheitsschädigung auch noch nicht zu erwarten
sein; ich möchte nach den Erfahrungen der Vorperiode des vorliegenden
Versuches glauben, daß man für sonst gesunde Personen die Schwellen¬
dosis des Bleis sogar noch ein wenig höher ansetzen kann. Da aber in
der gewerbehygienischen Praxis so günstige Resorptionsbedingungen wie
in diesem Versuche niemals vorliegen werden, so darf hiermit die Frage»
nach der Möglichkeit gewerblicher Bleivergiftungen durch
Hautresorption als nach der negativen Seite hin experimentell ent¬
schieden betrachtet werden.
V. Ergebnisse experimenteller Studien über die perkutane Resorption
des Quecksilbers.
Alle bisherigen Arbeiten, welche auf dem Wege des Versuchs eine
Lösung der Frage nach der Hautpermeabilität für Quecksilber erstrebten,
konzentrieren sich um das Problem der Wirksamkeit der grauen Salbe.
Wenn ja einmal einzelne Autoren zum Vergleiche oder aus gewissen ex¬
perimentellen Rücksichten heraus andere quecksilberhaltige Substanzen
auf die Haut brachten, so blieb die Grundfrage doch immer dieselbe. Frei¬
lich treten auch oder traten wenigstens vor der allgemeineren Einführung
der Injektionstherapie der Syphilis alle Verhältnisse, unter denen praktisch
eine Quecksilberresorption durch die Haut hindurch in Frage kam, der
Schmierkur gegenüber an Bedeutung erheblich zurück.
Seit Kirchgässer auf die Möglichkeit einer inhalatorischen Aufnahme
des äuf der Haut verdampfenden Quecksilbers mit Nachdruck hingewiesen
hat, haben die Bemühungen vor allem der Dermatologen, über das Ver¬
hältnis der Lungenresorption zur Hautaufnahme ins klare zu kommen,
kein Ende gefunden. Daß Quecksilberdämpfe in bedeutendem Maße
Gck igle
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. med. Philip]) Süßmann.
227
auf dom Alemwegc in den Körper gelangen, wurde bald einwandfrei er¬
wiesen (Friedr. Müller); einen gewissen Abschluß haben diese Unter¬
suchungen durch die Kaninchenexperimente von Kißkalt gefunden,
durch welche der Nachweis erbracht wurde, daß die eingeatmeten Queck¬
silberdämpfe quantitativ in der Lunge festgehalten werden.
Größere Schwierigkeiten stellten sich den Forschungen über die Tat¬
sächlichkeit einer perkutanen Aufnahme in den Weg. Juliusberg hat
die Entwicklung der experimentellen Studien über dieses Problem zu¬
sammenfassend kritisch beleuchtet, so daß ich für Einzelheiten auf ihn
verweisen darf. Man suchte die Frage zunächst mit dem Mikroskope zu
beantworten, indem man nach Einreibungen mit grauer Salbe in exzi-
dierten Hautstückchen nach dem Verbleib der Quecksilberkügelchen
fahndete; nach mannigfachen Fehlurteilen wurde schließlich sicher nach¬
gewiesen (besondere Erwähnung verdienen die Untersuchungen voll
Rindfleisch und Fürbringer), daß das elementare Quecksilber durch
die Massage zwar in die Ausführungsgänge der Hautdrüsen und Haar¬
bälge, nicht aber in die Epidermis selbst eingepreßt wird. Wenn überhaupt
eine Hautaufnahme des Quecksilbers stattfand, so war also eine Oxy¬
dation und Salzbildung an der Hautoberfiäche oder in den Drüsen,
sei es zu fettsaurenf Quecksilber (Mialhe) oder zu Sublimat (Voit),
notwendig.
1 Nur Verbandversuche, bei denen außer der Hautresorption jeder an¬
dere Aufnahmeweg von Quecksilber mit peinlichster Sorgfalt ausgeschlos¬
sen wurde, vermochten hier die Entscheidung zu fällen.
Aber obwohl bereits Juliusberg acht Autoren anführen konnte
(Fleischer, Ferrari und Asmundo, Römond, Piccardi, Merget,
Schuster, Welander, Roth), die sich die Lösung dieser Aufgabe
zum Ziel gesetzt hatten, und er selbst noch eine Anzahl wohl überdachter
Versuche hinzufügte, ist es noch nicht möglich, sich eine quantitative
Vorstellung von der Intensität des Quecksilberdurchtritts durch die Haut
zu machen. Entweder war in den Versuchen die Gefahr einer Inhalation
nicht genügend ausgeschaltet oder die Versuchsdauer zu kurz, oder aber
die chemische Analyse der Ausscheidungen ungenügend und zu wenig
genau; an diesem letzten Fehler leiden auch die Versuche von Juliusberg
selbst. Bei dieser Sachlage mußte es als ein dankbares Beginnen erschei¬
nen, bei unter strengsten Versuchsbedingungen angestellten Tierversuchen
durch eine vollständige Analyse von Kot, Harn — die anderen Ausschei¬
dungen, wie Speichel und Exspirationsluft kommen wegen ihres minimalen
oder überhaupt noch problematischen Quecksilbergehaltes nicht in Be¬
tracht — und Organen die Permeabilitätsgröße des Quecksilbers zu be¬
stimmen.
Ich hatte zunächst beabsichtigt, meine Quecksilberstudien nicht allein
auf die graue Salbe zu beschränken, sondern auch gewerbehygienisch
interessierende Quecksilberverbindungen, wie den Zinnober, vor allem auch
das Sublimat, in den Kreis der Untersuchungen zu ziehen. Die jetzigen
außergewöhnlichen Zeitumstände mit ihrer Erschwerung und Verlang¬
samung des experimentellen Arbeitens haben dieses Vorhaben zunächst
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Gck igle
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Digitized by
228 Studien über die Resorption von Blei usw.
vereitelt; doch hoffe ich später in der Lage zu sein, die vorliegenden Grund¬
versuche in der angedeuteten Weise weiter auszubauen und zu ergänzen.
Über das Problem der Hautresorption des Quecksilbers der grauen
Salbe habe ich im ganzen 4 Versuche angestellt. Die ersten beiden wurden
ausgeführt, als ich die analytische Methodik noch nicht zur gewünschten
Vollkommenheit ausgebildet hatte, um einen orientierenden Eindruck
zu gewinnen; sie sind also mehr als Vorversuche zu bezeichnen. Deshalb
verzichte ich auch auf eine Wiedergabe der Protokolle dieser beiden Ver¬
suche und begnüge mich mit ihrer summarischen Schilderung.
Quecksilberversuch I und II.
(November 1919.)
Zwei junge, noch nicht ausgewachsene Kater von etwa 1500 g Gewicht.
Nach der üblichen Verbandgewöhnung und Schur einer 100 qcm großen
Kückenfläche wurden die Tiere alle acht Tage am offenen Fenster mit der offi¬
ziellen grauen Salbe:
Schweineschmalz.112
Wollfett. 15
Olivenöl. 3
Hammeltalg . 70
Quecksilber.100
je 10 min lang eingerieben; dann erhielten sie einen Verband mit denselben Ein¬
zelschichten wie bei den Bleiversuchen (s. Fig. 2), nur daß die Kollodiumfixie¬
rung des Billrothbattists unterblieb.
Nach der 3. Einreibung fingen beide Tiere an, abzumagern; das eine ging
nach weiteren acht Tagen ziemlich plötzlich zugrunde, das andere verfiel einer
sich noch 3 Wochen hinziehenden Kachexie.
Der Sektionsbefund ergab in beiden Fällen außer einer Nierenverfettung
höheren Grades, als man sie sonst auch bei normalen Katzen zu sehen gewohnt
ist (vgl. die Katzennieren-Studien von K. B. Lehmann und Treutlein), nichts
Auffälliges.
Von Kot und Urin wurden nur Stichproben untersucht, und zwar mit Hilfe
der bloßen Elektrolyse der Chlorierungsflüssigkeiten. Es konnten stets nur
Spuren von Quecksilber nachgewiesen werden; am meisten (0,3 bis 0,6 mg)
fand sich noch in den Nieren der Tiere. Ich messe diesen Zahlen keinen großen
Wert bei, da die analytische Methodik zu ungenau war (vgl. Abschn. III, S. 201).
Bei der Mikroskopie der mit Äther gereinigten Haut wurden nur in den
Mündungen der Haarbälge vereinzelte schwarze Pünktchen wahrgenommen,
die als Quecksilberkugeln zu deuten waren: im übrigen fanden sich keine An¬
zeichen der vorgenommenen Behandlung mehr vor, insbesondere nirgends ent¬
zündliche Veränderungen. Auch eine Gelbbraunfärbung der Hornscmcht trat
nac^i dem Einlegen der Schnitte in Schwefelammonium nicht auf; dagegen
färbte sich dieselbe mit Sudan deutlich rot, ein Anzeichen gleichmäßiger fettiger
Durchtränkung.
Es schien aus diesen Versuchen wenigstens soviel hervorzugehen, daß
der dauernde Kontakt von grauer Salbe mit einer 1 qdm großen Haut¬
fläche auch bei starker Behinderung (allerdings nicht völligen Ausschluß)
der Quecksilbereinatmung genügt, um im Laufe mehrerer Wochen eine
Vergiftung von Katzen zu verursachen. Man durfte demnach hoffen,
auch bei Versuchen, welche unter Innehaltung der peinlichsten Vorsichts¬
maßregeln angestellt waren, ein ähnliches Resultat zu erhalten.
Die Protokolle zweier solcher Versuche, bei denen auf die analytische
Methodik durch die Zwischenschaltung der Kupferamalgamation zu be¬
friedigender Genauigkeit ausgebildet war, gebe ich nachstehend wieder.
Gougle
Original ffom
THE OHIO STATE UNIVERS1TY
Von Dr. med. Philipp Süßmami.
229
Quecksilberversuch UL
Versuchstier: Ausgewachsene, gutmütige Katze.
Kontrollier: Ausgewachsener, gutmütiger Kater.
Versuchstage ,
(18.11.20) a) Verlauf.
0 Beide Tiere: Gewöhnungsverband.
9 Die Tiere kommen heute zur Gewöhnung 1 h in den Resorptionskäfig
(s. Fig. 4, S. 193); jeden folgenden Tag 1 h länger.
16 Die Tiere verhalten sich im Kasten jetzt vollständig ruhig.
Die Versuchskatze wird an Rücken und Flanken in einer Ausdehnung
von 14:14 cm kurzgeschoren; darauf kommen beide Tiere für dauernd
in den Resorptionskasten. 10 min langes Einreiben von 10 g grauer Salbe
in ganzer Ausdehnung der geschorenen Fläche (ca. 200 qcm). Darüber
Verband und Mantel wie in Versuch I und II; die nicht eingeriebene Kon-
trollkatze erhält den gleichen Verband.
21 Neue Einreibung mit weiteren 5 g grauer Salbe.
27 Neue Einreibung mit weiteren 10 g grauer Salbe.
ff. Allmählich macht sich ein Unterschied im Verhalten der beiden Katzen
geltend. Während das Kontrolltier ein leidlich munteres Benehmen be¬
wahrt hat und sein Futter fast immer vollständig verzehrt, macht die
Versuchskatze einen müden, schläfrigen Eindruck und frißt schlecht.
Vereinzelte dünne Stühle. Auch macht sich eine zunehmende Salivation
bemerkbar, der ausfließende zähschleimige Speichel wird indes gewöhn¬
lich wieder aufgeleckt. Auffälliger Haarausfall.
37 Neue Einreibung mit weiteren 5 g grauer Salbe.
ff. Zunehmende Kachexie des Versuchstieres. Die Kontrollkatze ist wohlauf.
43 Die moribunde Versuchskatze, die schon ein paar Tage lang außer Wasser
keine Nahrung mehr zu sich genommen hat, wird noch im Apparat (nach
Entfernung des Kontrolltieres) mit Chloroform getötet, nach der Heraus¬
nahme durch Halsschnitt möglichst entblutet.
Abnahme des Verbandes. Die Haare sind auf etwa '% cm nachge¬
wachsen, aber durch die Salbenmasse völlig verklebt, so daß die Salbe
den Kontakt mit der Haut noch nicht verloren hat.
Die Kontrollkatze springt, von ihrem Verbände befreit, sogleich
munter im Zimmer umher.
b) Gewichte.
Versuchstagc Versuchstier Kontrolltier
0 .
10 .
16 .
43.
Abnahme um .
2890 g
2925 g
2955 g
2470 g
16,4%
3010 g
3030 g
3050 g
2770 g
9,2%
c) Quecksilberaussclieidung.
Versuchstage
Kot
Versuchstier
Hg Urin
Hg
Kot
Kontrolltier
Hg Urin
Hg
g
mg
ccm
mg
g
mg
ccm
mg
11 bis 16 .
... 75
0
610
0
65
0
520
0
17 „ 21 .
... 63
0,7
530
0,2
57
0
565
0
22 „ 27 .
... 31
0,8
560
0,4
45
0
470
0
28 „ 37 .
... 93
1,2
500
0,9
63
0
810
0,05
38 „ 43 .
... 18
0,6
205
0,5
36
0
450
0
d) Sektionsbefund des Versuchstieres.
(Das Kontrolltier wurde nicht getötet.)
43 Aus dem Maule hängt bräunlicher, schleimiger Speichel. Nach dein Ab¬
wischen desselben zeigen die Mahlzähne einen schmutzigen, übelriechen¬
den Belag, von einer Stromatitis ist nichts zu bemerken.
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Gck igle
Original fforrt
THE OHIO STATE UNIVERSITY
230
Studien über die Resorption von Blei usvv.
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Der ganze Hinterleib des Tieres ist stark ödeinatös. Die hinteren
Extremitäten sind dick und schwer, beim Durchschneiden der'»Schenkel¬
haut fließt Wasser in reichlicher Menge aus. Die Menge der Ödemflüssig¬
keit kann gut auf 250 ccm geschätzt werden. (Daraus ergibt sich eine
wahre Gewichtsabnahme des Tieres nicht um 16,4, sondern um 24,9%).
Unterhautzellgewebe und Netz nahezu fettfrei. In den Körperhöhlen
keine Transsudate. Die Nierenkapsel ist an einigen Stellen angewachsen :
auf dem Schnitt quillt die getrübt aussehende Rinde deutlich vor, sie
zeigt, schon makroskopisch sichtbar, gelbe Streifen. Der Magendarm¬
kanal ist nahezu leer, Entzündungserscheinungen sind nicht zu bemerken.
Mikroskopisch zeigten die Epithelien der Nierenkanälchen albumi-
nöse Körnung, vakuoläre Degeneration und eine außerordentlich hoch¬
gradige Fetteinlagerung; die letztere war besonders in den Tubuli con-
torti, dann in einzelnen geraden Harnkanälchen (wodurch der Eindruck
der erwähnten gelben Streifung entstand), in geringerem Maße auch in
den Glomeruli vorhanden. (Herr Geheimrat Dr. M. B. Schmidt hatte
die Liebenswürdigkeit, die Präparate zu begutachten.) Herz, Leber und
Darm waren mikroskopisch o. B.; die eingeriebene Haut verhielt sich
wie in Versuch I und II.
Diagnose: Parenchymatöse Nephritis.
e) Quecksilbergehalt d
es K
örpers.
Quceksilbergehalt
Organ
p
absolut
mp
in 1000
mp
Zwei Nieren.
27
1,2
44.4
Dickdarm mit Inhalt.
32
0,4
12.5
Leber mit Gallenblase».
90
0,4
4,4
Milz.
6
0,025
4,2
Herz.
16
0,05
3,6
Gehirn und Rückenmark.
35
0,05
1,4
Dünndarm mit Inhalt.
78
0,1
1,3
Blut.
45
0,05
i,i
Lunge mit Trachea.
26
0,025
1,0
Magen mit Speiseröhre ..
34
0,025
0,7
Muskulatur vom Schenkel.
70
0,05
0,7
,, ,, Rücken.
Netz und Pankreas.
37
0,025
0,7
54
0,025
0,5
Blase .
Eingeriebene Haut (25 qcm) (mit Äther
5
0
0
gereinigt) ..
7
1,3
181,5
Quecksilberversuch IV,
Versuchstier: Ausgewachsener, gutmütiger Kater; Kontrolltier von Versuch III.
Kontrolltier: Ausgewachsgier, sehr zahmer und gutmütiger Kater.
Versuchstape ,
(10. IV. 20) a) Verlauf.
0 Beide Tiere: Gewöhnungsverband.
7 Beide Tiere: Gewöhnung an das Verbleiben im Resorptionskäfig durch
täglich steigende Aufenthaltsdauer.
12 Die Dressur genügt. Das Versuchstier wird an Rücken und Seiten in
einer Ausdehnung von 14:14 cm kurzgeschoren; darauf kommen beide
Tiere für dauernd in den Resorptionskasten.
Versuchstier: 10 min langes Einreiben von 15 g grauer Salbe auf der
ganzen geschorenen Hautfläche (ca. 200 qcm); darüber Verband und
Mantel wie im vorhergehenden Versuch.
Kontrolltier: Um den letzten Einwand zu entkräften, daß auch die
Versuchskatze III nur durch eingeatmete Quecksilberdämpfe, die von
der eingeriebenen Hautfläche durch den ,»spanischen Kragen“ in den
Atmungsraum eindrangen, aber zu der entfernteren Kontrollkatze nicht
Gck igle
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Von Dr. med. Philipp Süßmann.
231
Versuchstage
mehr gelangten, vergiftet wurden sein könnte, erhält diesmal auch die
Kontrollkatze einen Salbenverband, doch liegt die Quecksilberschicht
der Haut natürlich nicht an. Einzellagen dieses Verbandes: Watte,
Billrothbattist, Gelatinefolie, 8 Lagen Zeitungspapier, mit 25 g Unguentum
cinereum auf 200 qcm großer Fläche bestrichene Kompresse, reine Kom¬
presse, Watte, Billrothbattist, Watte, Bindentouren, Mantel.
17 Neue Einreibung mit weiteren 15 g grauer Salbe.
25 Neue Einreibung mit weiteren 7,5 g grauer Salbe,
ff. Deutlicher Unterschied im Befinden der beiden Katzen. Während die
Kontrollkatze — von einer Konjunktivitis abgesehen, welche wohl das
ununterbrochene Anblasen mit trockener Luft verschuldet hat — keiner¬
lei auffälligen Befund bietet und güt frißt, wird das Versuchstier wieder
merkwürdig apathisch. Es leckt sich viel (Salivation ?). Sein Fell wird
rauh und struppig, die Haare gehen leicht aus. Freßlust gering, Kot ab
und zu dünnschleimig.
35 Nach peinlichem Schutz der sonst unbedeckten Teile des Tierkörpers
sowie der Unterlage mit Papier und Watte wird die alte Salbe abgekralzl
und 10 g frische graue Salbe eingerieben,
ff. Kot des Versuchstieres meist flüssig-schleimig. Appetit hat sehr nach¬
gelassen. Geringer, aber doch merklicher Speichelfluß.
40 Eine geplante Neueinreibung ist wegen des starken Nachwuchses der
Haare (über 1cm) nicht mehr möglich,
ff. Im Befinden der Versuchskatze ist eine leichte Besserung eingetreten.
Der Kot ist meist wieder fest, die Nahrungsaufnahme, wenn auch immer
noch gering, etwas besser.
45 Da der kränkliche Zustand des Versuchstieres andauert, ohne daß sein
baldiger Tod noch zu erwarten ist, erfolgt (nach Entfernung der tadellos
munter gebliebenen Kontrollkatze) noch innerhalb des Kastens seine
Tötung durch Chloroform.
Versuchstagc
b) Gewichte.
Versuchstier
Kontrolltier
0.
. . 2900 g
3320 g
7.
. . 2990 g
3285 g
12.
. . 3060 g
3310 g
45.
. . 2145 g
3020 g
Abnahme um
. • 29,9 %
8,8 %
c) Quecksilberausscheidung.
Versuchstier
Kontrolltier
Hg
Versuchstagu
Kot
Hg
Urin
Hg
Kot
Hg
Urin
ff
mg
ccm
mg
ff
mg
ccm
mg
7 bis 12 .
. . 68
0
725
0
51
0
570
0
13 „ 17 .
. . 60
0,7
505
0,3
68
0
535
0
18 „ 25 .
. . 79
1,1
610
0.6
73
0,05
550
0
26 „ 33 .
. . 54
0,7
490
0,6
60
0
920
0,025
34 ,, 40 .
. . 35
0,6
315
0,5
63
0
615
0
41 „ 45 .
. . 26
0,4
280
0,4
46
0
o
©
0
d) Sektfonsbefund des Versuchstieres.
(Das Kontrolltier wurde nicht getötet.)
45 Sehr stark abgemagertes Tier. An der Schleimhaut des Maules keine Ent¬
zündungserscheinungen. Die hinteren Extremitäten zeigen ein deutliches,
wenn auch viel geringergradiges Ödem wie bei der Quecksilberkatze III
(etwa 25 ccin Ödemflüssigkeit im ganzen). In den Körperhöhlen keine
Ergüsse. Magendarmkanal nahezu leer, ohne Reizerscheinungen. An den
Nieren kein auffälliger pathologischer Befund. Auch alle anderen Organe
o. B.
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232
Studien über die Resorption von Blei usw.
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Unmittelbar unter der eingeriebenen Haut befindet sich hinter jedem
Schulterblatt je eine erbsengroße merkwürdig grau gesprenkelte Lymph-
drüse
Mikroskopisch weisen die Nieren eine Verfettung mäßigen Grades auf,
die nicht mit Sicherheit als degenerativer Art zu bezeichnen ist.
Die eine der beiden erwähnten Lymphdrüsen (die andere wurde der
chemischen Analyse zugeführt) zeigt im Schnitte (s. Tafel III) eine eigen¬
artige körnige braunschwarze Pigmentierung zahlreicher Retikulum¬
zellen des Randsinus (Herr Geheimrat M. B. Schmidt).
Um die Natur des Pigmentes festzustellen, wurden folgende mikro¬
chemische Reaktionen an ungefärbten Schnitten ausgeführt:
1. verdünnte Salzsäure oder verdünnte Salpetersäure bewirken
weder kalt noch warm eine Lösung;
2. verdünnte warme Salzsäure mit Zusatz einiger Körnchen chlor¬
sauren Kalis löst die Granula auf, und zwar bedeutend rascher als das Ge¬
webe selbst;
3. gibt man nach dem Abdunsten der chlorhaltigen Flüssigkeit zu
a) 1 Tropfen Ferrozyankali, so entsteht kein Berliner Blau;
b) 1 Tropfen Amn.onsulfid, so entsteht eine diffuse leicht gelbbraune
Färbung des ganzen Schnittes.
Es kann sich demnach nicht um Kohle, Schwefeleisen, einen Abkömm¬
ling des Blutfarbstoffes oder Formolpigment handeln. Auch Melanin
kommt nach Herrn Geheimrat Schmidt nicht in Betracht.
Da die chemische Analyse des zweiten Lymphknotens einen verhält¬
nismäßig hohen Gehalt an Quecksilber aufgedeckt hat, so ist der Ver¬
dacht, daß das Pigment mit der Quecksilberresorption im Zusammenhang
stünde, gerechtfertigt. Unveränderte Quecksilberkügelchen der grauen
Salbe liegen sicherlich nicht vor (s. Tafel III); dagegen hat das Pigment
viel Ähnlichkeit mit einem in vitro erzeugten Quecksilbersulfidnieder¬
schlag, dessen chemische Eigenschaften das Verhalten des Pigments
auch völlig erklären würde.
Die mit Äther gereinigte Haut und die Haarbälge wurden frei von
Quecksilber befunden.
e) Quecksilbergehalt des Körpers.
Organ
Gewicht
g
Quecksilbergchalt
absolut in 1000 g
mg mg
Ilückenlymphknoten.
(also zwei solche Knoten . . .
. . 0,15
0,1
0,2)
666,7
Zwei Nieren.
. . 28.5
0,7
24,6
Dickdarm.
. . 20.0
0,3
15.0
Mesenteriallymphknoten . . . .
. . 5,0
0,025
4,5
Leber .
. . 105.1
0.3
2,9
Herz.
. . 10,2
0,025
2,4
Rückenmuskulatur.
. . 28,3
0.025
0,9
Magen und Speiseröhre . . . .
. . 29,2
0.025
0,9
Blut.
. . 33,3
0,025
0,8
Dünndarm mit Inhalt.
. . 68.7
0,05
0,7
Schenkelmuskulatur.
. . 66,8
0,025
0,4
Lunge mit Trachea.
. . 22,9
0
0
Pankreas.
. . 6,8
0
0
Milz .
. . 4,7
0
0
Blase.
. . 3,1
0
0
Speicheldrüsen .
. . 2,8
0
0
Fassen wir die Analysenbefunde der beiden letzten Versuche kurz
zusammen, ähnlich wie wir es beim Blei getan haben, so erhalten wir
folgende Zahlen:
Gck igle
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Von Dr. med. Philipp Süßmann.
233
Katze III
Katze IV
Wirkungsfläche.
Einwirkungszeit.
Quecksilber im Kot.
„ im Harn.
,, im Körper ....
200 qcm
27 Tage
3.3 mg
2,0 mg
2.4 mg
200 qcm
33 Tage
3,5 mg
2,4 mg
1,7 mg
zusammen
7,7 mg
7,6 mg
Quecksilberaufnahme im Tages¬
durchschnitt .
Mittlere Permeabilitätsgröße . .
0,286 mg l )
0,143 mg
0,230- mg
0,115 mg
Im Mittel der beiden Versuche finden wir eine mittlere Permeabi¬
litätsgröße von 0,128 mgHg.
Es ist somit nicht mehr daran zu zweifeln, daß das Quecksilber der
grauen Salbe in einem gewissen Umfange durch die Habt der Warmblüter
in den Körper einzutreten vermag.
Über die Art und Weise des Eindringens sagen die Versuche nichts
Sicheres aus. Die Hornschicht war, wie die Versuche mit Schwefelammo¬
nium zeigten, mit gelöstem Quecksilbersalz nicht merklich imbibiert;
vielleicht besteht die Fürbringersche Ansicht zu Recht, daß für diese
Applikationsweise des Quecksilbers die Haarböige und Talgdrüsen die
vorzüglichsten Resorptionsstötten sind. Es würde hierzu auch der Be¬
fund von Quecksilbersulfid in den regionären Lymphdrüsen sprechen,
dessen Zustandekommen man sich so vorstellen kann, daß das in den
Haarbälgen durch Keratinzerfall (wobei Schwefelwasserstoff abgespalten
wird) gebildete Sulfid auf irgendwelche Weise — vielleicht durch Wander¬
zellen — in den Lymphstrom gelangt und dann abgefangen wird. Das Feh¬
len von Quecksilberkugeln in den Haarbälgen bildet bei dem langen zeit¬
lichen Abstand zwischen der letzten Einreibung und dem Tode des Tieres
(12 Tage) keinen Gegenbeweis gegen eine solche Vermutung.
Um so eindeutiger sind die Ergebnisse in quantitativer Beziehung.
Während die Kontrolliere unter dauerndem Wohlbefinden kein Queck¬
silber oder doch nur ab und zu ganz minimale Spuren ausschieden (ob
dieselben auf Hg-Ausatmung des Versuchstieres oder auf ein spürweises
Elintreten von Hg-Dämpfen in den Atmungsraum zurückzuführen sind,
sei dahingestellt), war der Quecksilbergehalt der Exkretionen und Organe
der Versuchstiere gar nicht unerheblich, jedenfalls genügend, um die
schweren Vergiftungen zu erklären. Daß die Katze IV ihr Leben kümmer¬
lich fortfristen konnte, während die Vergiftung bei Katze III zum Tode
führte, mag seinen Grund teils in der bei Katze IV etwas geringeren Re¬
sorption, teils in einer verschiedenen individuellen Giftresistenz haben.
Die mittleren Permeabilitätsgrößen waren nicht größer, durchschnitt¬
lich sogar ein wenig kleiner als in den Bleiversuchen; die reichlichere ab¬
solute Metallaufnahme ist durch die größere Ausdehnung der eingeriebenen
Hautflächen bedingt.
An der Hand der hier gewonnenen Resultate ist zum ersten Male die»
Möglichkeit gegeben, über das Verhältnis der Quecksilberinha-
1) Auch hier wurde auf ein Inrechnungsetzen des Quecksilbergehaltes des
Gesamtkörpers (nach Ullmann) aus den S.219 angeführten Gründen verzichtet.
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234 SLudicii über die Resorption von Blei usw.
lation zur Hautresorption bei der Schmierkur bestimmten*
Angaben zu machen.
Bei der Besprechung der Bleiversuche konnte festgestellt werden,
daß auf Grund des gleichartigen resorptiven Verhaltens die Berechtigung
gegeben ist, die an der Katzenhaut gewonnenen Resultate — also wohl
auch in bezug auf die Quecksilberresorption •— auf den Menschen zu über¬
tragen. Nun werden bei der Schmierkur im allgemeinen 5 bis 10 qdm
Hautfläche von der grauen Salbe bedeckt sein; diese würden — eine mitt¬
lere Permeabilitätsgröße von rd. 0,15 angenommen — einer täglichen
Quecksilberaufnahme von 0,75 bis 1,5 mg durch die Haut entsprechen.
Da aber auf der Höhe der Schmierkur, d. h. dann, wenn die Quecksilber¬
depots des Körpers gefüllt sind, die Ausscheidung also konstant bleibt
und der Resorption gleichgesetzt werden kann, ungefähr 3 mg Queck¬
silber täglich in Harn und Kot exzerniert werden (Bürgi, Lomholt),
so dürfen wir schließen, daß etwa V 4 bis %, im Durchschnitt also
etwa 1 / 3 der Gesamtquecksilberresorption bei der Schmier¬
kur durch die Haut erfolgt.
Überblick.
Die Frage nach der Hautdurchgängigkeit von Stoffen ist in erster
Linie ein Problem der Methodik. Die Schwierigkeiten und Unsicherheiten
der Versuchsanordnung werden besonders zahlreich, wenn es gilt, an Tieren
wochenlang ununterbrochene Hautresorptionsversuche anzustellen; solche
,,Verbandversuche“ sind aber gerade zur Entscheidung der Frage nach der
Hautpermeabilität für Schwermetalle nicht zu entbehren.
Es mußte deshalb zunächst die Versuchsanordnung eine eingehende,
theoretisch gestützte Betrachtung erfahren. Diese führte zu folgenden
Schlüssen f
1. Die Applikation in fettigem Medium ist der wässerigen Appli¬
kation physiologisch insofern gleichwertig, als auch bei ihr das Eindringen
der gelösten Stoffe in osmotischen Vorgängen beruht;
2. die Einmassierung fettig gelöster Substanzen führt nur eine an¬
fängliche Beschleunigung der Resorption herbei, nicht aber eine Durch¬
schnittserhöhung des Resorptionseffektes bei langdauerndem Kontakt
der Salbenmasse mit der Haut;
3. wasserdichte Verbände, an nicht transpirierenden Hautflächen
angelegt, führen nicht zu einer Änderung der resorptiven Funktion der
Haut.
Der Technik der Bandagierung wurde für das Gelingen der Versuche
großer Wert beigemessen, ebenso einer dem eigentlichen Versuch voraus¬
gehenden Dressur der Tiere an ihre im Experiment einzunehmende Zwangs¬
lage. Für die Ausführung von Resorptionsversuchen mit flüchtigen Sub¬
stanzen (Quecksilber) wurde ein besonderer Apparat konstruiert.
Der Nachweis der die Haut passierenden Schwermetalle in den Aus¬
scheidungen und Organen des Körpers hat bei der Geringfügigkeit der in
Betracht kommenden Mengen eine besonders subtile Ausbildung der
chemisch-analytischen Methodik zur Voraussetzung. Sowohl für den quan-
Gck igle
Original fram
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Von Dr. med. Philipp Siißmann. 235
litativen Nachweis des Bleis als auch für den des Quecksilbers wurden
von mir eine Reihe von Modifikationen angegeben.
Die nach solchen Grundsätzen mit Bleisalben angestellten Einreibungs¬
versuche an Katzen und am Menschen haben ergeben, daß bei beiden
die während der Versuchszeit im Tagesdurchschnitt durch 1 qdm Haut
eintretende Bleimenge —oder die „mittlere Permeabilitätsgröße'* für Blei —
0,1 bis 0,2 mg beträgt. Mag diese Menge vielleicht zu einer chronischen
Vergiftung von Katzen noch genügen: im menschlichen Leben, auch in
Gewerbebetrieben, wird es keine Verhältnisse geben, welche so zu einer
bedenklichen Bleiresorption durch die Haut führen könnten. Die prak¬
tische Möglichkeit einer Bleivergiftung des Menschen durch die Haut
ist abzulehnen.
Die mittlere Permeabilitätsgröße für Quecksilber, welches Katzen
in Form der grauen Salbe eingerieben wurde, wurde gleichhoch gefunden.
Durch Vergrößerung der behandelten Hautflächc gelang es, den Tieren
auf dem Hautwege solche Quecksilbermengen einzuverleiben, daß sie
schwer oder sogar tödlich erkrankten. Durch Übertragung der an den
Katzen gewonnenen Ergebnisse auf den Menschen — wozu der Nachweis
des gleichen resorptiven Verhaltens von Katzen- und Menschenhaut
gegenüber dem Blei die Berechtigung verleiht — läßt sich berechnen,
daß bei der Schmierkur täglich etwa 1 mg Quecksilber durch die Haut
aufgenommen werden, was ungefähr einem Drittel der Gesamtquecksilbcr-
resorption gleichkommt. — Hautresorptionsversuche mit Quecksilber¬
salzen, vor allem mit Sublimat, sollen später noch ausgeführt werden.
Sehr auffällig ist die Tatsache, daß die Metallaufnahme aus 50proz.
Bleioleatsalbe, aus 33proz. Bleiglätte-Katzenfettmischung und aus der
grauen Quecksilbersalbe fast gleiche Werte erreicht, obgleich doch in
dem Gehalt dieser Salben an fettlöslichen, resorbierbaren Salzen auch
nach der Umsetzung mit dem Salbenfett und dem Schweiß und Talg
der Haut noch sehr große Verschiedenheiten vorhanden sein müssen.
Ohne daß bei der geringen Anzahl der Versuche sichere Schlußfolgerungen
daran geknüpft werden kösnen, drängt sich doch die Vorstellung auf,
daß, wenn einmal eine bestimmte Konzentration der fettigen Grund¬
lage an gelöster Substanz erreicht ist, eine weitere Erhöhung dieses Ge¬
haltes keine entsprechende Zunahme des Resorptionseffektes mehr be¬
wirke — oder mit anderen Worten: die Linie, welche die Abhängigkeit
der Permeabilitätsgröße von der Salbenkonzentration verkörpert, könnte
recht wohl keine Gerade, sondern eine asymptotische Kurve sein.
Unter diesem Gesichtswinkel betrachtet, bedeutet die vorliegende
Arbeit also keineswegs einen Abschluß, sondern eine Anregung zu weiteren
Versuchen unter variierten Bedingungen, deren Ergebnis schließlich
nicht nur theoretischen, sondern auch praktisch-therapeutischen Wert
gewinnen könnte.
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236 Studien über die Resorption von Blei usw.
Literaturverzeichnis.
(In den mit * versehenen Arbeiten finden sich weitere Literaturangaben.)
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Cohnheim, Die Resorption der Nahrungsstoffe. In Nagels Handbuch der
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Wiedersheim, Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. Jena 1906.
Stöhr-Schultze, Lehrbuch der Histologie. Jena 1915.
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Schmiedeberg-Faust, Grundriß der Pharmakologie. Leipzig 1913.
Spiro, Hautresorption. In Zuntz-Loewys Lehrbuch der Physiologie, 1920,
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Vogt und Burckhardt, 1. c. (II).
Go igle
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Von Dr. med. Philipp Stißmann.
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Raaschou, Zeitschr. f. anal. Chemie, Bd. 40, S. 172.
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Schneider, Uber das chemische uhd elektrolytische Verhalten des Quecksilbers
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im besonderen. Sitzungsbericht der Wiener K. Akademie der Wissenschaften,
math.-natw. Kl., Bd. 40, S. 239.
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Blei, Silber und Quecksilber bei Vergiftungen im tierischen Organismus nach¬
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und auch tierischen Organismus bei den üblichen therapeutischen Appli¬
kationsarten. Neue Methode für den quantitativen Nachweis des Quecksilbers
im Harn und in organischen Geweben. Zeitschrift für physiologische Chemie,
Bd. 83, S. 249.
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für Hygiene, Bd. 83, S. 43.
Koelsch, Ilzhöfer und Keinath, Untersuchungen über die gewerbliche
Quecksilbervergiftung. Methodik: Zentralblatt für Gewerbehygiene, Jahrg. 7,
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Lomholt, Mikro-Quecksilberbestimmung. Biochemische Zeitschrift, Bd. 81,
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Rupp, Berliner Berichte, Bd. 35, S. 2015.
Zu IV.
Canuet, Essai sur le plomb considöre dans ses effets sur l’öconomie animale,
et en particulier sur la colique de plomb ou saturnine. Thöse de Paris, 1825,
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Tanquerel des Planches, Traitä des maladies de plomb, ou saturnines.
Paris 1839.
Drouet, Recherches experimentales sur le röle de l’absorption cutanee dans la
paralysie saturnine. Thöse de Paris, 1875, Nr. 332.
Monnereau, Recherches experimentales sur le röle de l’absorption cutanöe dans
l’intoxication et la paralysie saturnines. Thöse de Paris, 1883, Nr. 370.
Brezina und Eugling, Untersuchungen über experimentelle Bleivergiftung.
Wiener Arbeiten auf dem Gebiete der soz. Medizin, II, S. 29; Beiheft zum
„österreichischen Sanitätswesen“, 1912, S. 59. Autoreferat in „Hygienische
Rundschau“, Bd’ 23, S* 491.
Vogt und Burckhardt, 1. c. (II).
Süßmann, 1. c. (II).
Ullmann, s. V.
Schwenkenbecher, 1. c. (I).
Gärtner, Vierteljahrsschrift f. ger. Med., 1910, S. 104.
Zu V.
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unktionen mit grauer Salbe entwickeln. Virchows Archiv, Bd. 32, S. 145.
Fr. Müller, Über die Aufnahme von Quecksilber durch Einatmung. Mitt. aus
d. Med. Klinik von Würzburg, Bd. 2, 1886, S. 335.
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Gck igle
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238 Studien über die Resorption von Blei usw.
Kißkalt, Über das Gießfieber und verwandte gewerbliche Metalldampfinhala¬
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Rindfleisch, 1. c. (I).
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silbers bei der unter verschiedenen Verhältnissen ausgeführten Einreibungs¬
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Roth, Die Behandlung der Syphilis mit Quecksilbersäckchen und die Aufnahme
des Quecksilbers bei dieser Behandlung. Pester med.-chir. Presse, Jahrg. 36,
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K. B. Lehmann und Treutlein, Untersuchungen über den histologischen
Bau und den Fettgehalt der Niere der Katze. Frankfurter Zeitschrift für
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Ullmann, Uber die Lokalisation des Quecksilbermetalls im tierischen Organis¬
mus nach verschiedenartiger Applikation von Quecksilberpräparaten. Archiv
für Dermatologie und Syphilis, Bd. 25, 1893, Erg.-Bd., S. 221.
Bürgi, Archiv für Dermatologie und Syphilis, Bd. 74, 1906, S. 134.
♦Lomholt, Die Zirkulation des Quecksilbers im Organismus. Archiv für Der¬
matologie und Syphilis, Bd. 126, Heft 1.
Gck igle
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Archiv für Hygiene, Bd. 90.
Tafel III.
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Schnitt durch eine subkutane Lymphdrüse des Rückens.
(Hämatoxylin-Eosinfärbung.)
Links unten: Rechts unten:
Quecksilbersulfid. Graue Salbe.
(Vergrößerung stets 500 fach.)
Gck gle
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Studien über die Desinfektionswirkung wässeriger
Formaldehydlösungen.
Von
Oberbezirksarzt Dr. Viktor Gegenbauer.
(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Wien.)
(Bel der Redaktion eingegangen am 25. Mal 1921.)
I. Einleitung.
Das Ergebnis der bisherigen Untersuchungen über die Desinfektions¬
wirkung des Formaldehyds in wässerigen Lösungen läßt sich dahin zu¬
sammenfassen, daß dieser Körper im Vergleich zu den anderen gebräuch¬
lichen Desinfektionsmitteln Milzbrandsporen in verhältnismäßig kurzer
Zeit abtötet und daß eine Erhöhung seiner Konzentration in den wäßrigen
Lösungen nur eine geringe Abnahme der Abtötungszeit sowohl gegenüber
vegetativen Formen als auch gegenüber Sporen bewirkt. So werden nach
Xylander 1 ) Milzbrandsporen von 0,5-proz. Formaldehydlösungen in
21 Stunden, von 6-proz. Lösungen in 13% Stunden, Staphylokokken
durch dieselben Konzentrationen in 80 bzw. 35 Minuten getötet; Croner 2 )
fand die Abtötungszeit gegenüber Staphylokokken bei 2-proz. Lösungen
in 45 Minuten bei 4-proz. Lösungen in 25 Minuten.
Die starke Wirkung wässeriger Formaldehydlösungen gegenüber Milz¬
brandsporen wurde zuerst 1894 von Pottevin 3 ) festgestellt, der fand, daß 15-
proz.Formalinlösungen (ca. 5% HCOH) Milzbrandsporen in 1 V 2 Stunden, 42-proz.
(ca. 17% HCOH) in 1 Stunde abtöten. Ascoli 4 ) fand diese Sporen 1895 durch
10-proz. Formalinlösungen (ca. 4% HCOH) in weniger als 5 Stunden vernichtet,
nach 26-stündiger Einwirkung einer 1-proz. Formalinlösung (ca. 0,4% HCOH)
noch wachstuinsfähig. In demselben Jahre fand Oehmichen 6 ), daß 1-proz.
Formaldehydlösungen Milzbrandsporen in 24 Stunden, 2-proz. Formaldehyd¬
lösungen in einer Stunde vernichten, während 12-stündiges bzw. %-stündiges
Verweilen in den betreffenden Formaldehydlösungen diese Sporen nicht ab¬
tötet. Die im Jahre 1896 veröffentlichten Versuche Walters 6 ) lassen die Des¬
infektionskraft des Formaldehydes weit günstiger erscheinen, was wohl offenbar auf
der Verwendung von Gelatine zur Nachkultur und auf der Mitübertragung von
Formaldehyd in den Nährboden beruht. Während nämlich Pottevin die Keime
vor dem Übertragen in das Nährmedium mit verdünnter Ammoniaklösung,
Archiv fQr Hygiene. Bd. 90. 16
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240 Studien über die Desinfektionswirkung wässeriger Formaldehydlösungen.
Ascoli und Oehmichen mit Wasser wuschen, impfte Walter die Mischung
Suspension-Desinfektionsmittel direkt in verflüssigte Gelatine. Walter erhielt
Abtötung bei 30-minutiger Einwirkung einer 1-proz. bzw. 15-minutiger einer
3-proz. Formalinlösung (ca. 0,4% bzw. 1,2% HGOH). Krönig und Paul 7 ) ver¬
wendeten 1897 zur Zerstörung des überschüssigen Formaldehydes verdünnte
mit Schwefelsäure angesäuerte Kaliumperinanganatlösung und erhielten bei
Anwendung ihrer Granatenmethode bei 60-minutiger Einwirkung einer 5-proz.
Formaldehydlösung bzw. lö-minutiger einer 35-proz. Formaldehydlösung Wachs¬
tum, nach 2-stündiger bzw. 1-stündiger Einwirkung derselben Konzentration
Abtötung der Milzbrandsporen. Bei den Versuchen von Hammer und Feitier 8 )
zeigten sich 1898 Milzbrandsporen durch 1-proz. Formalinlösung (ca. 0,4% HGOH )
nach 2 Stunden, durch 2- bis 5-proz. Lösungen (ca. 0,8 bis 2% HGOH) nach
1 Stunde, durch 10-bis 20-proz. Lösungen (ca. 4 bis 8% HGOH) schon nach zehn
Minuten abgetötet. Die beiden Autoren verwendeten an Seidenfäden ange¬
trocknete Keime; die Fäden wurden nach der Einwirkung des Desinfektions¬
mittels in Ammoniaklösung ausgewaschen, die Nachkultur erfolgte auf Agar.
Paul und Prall®) erhielten 1907 noch bei 4-stündiger Einwirkung 3-proz. Formal¬
dehydlösungen auf an Granaten angetrockneten Milzbrandsporen Wachstum und
übertrafen somit bezüglich der festgestellten oberen Wachstumsgrenze die An¬
gaben der früheren Autoren. Xylander 1 ) ermittelt dann in demselben Jahre
für 2 (A) und 4% (B) Minuten dampfresistente Milzbrandsporen folgende Ab¬
tötungszeiten:
Formaldehyd konzcn tration Abtötungszeiten^
0,5
14 Stunden
21 Stunden
1,0
12
19%
2,0
i oy 2 „
17% „
3,0
8% „
15% „
6,0
6
13% „
Seligmanns 10 ) im Jahre 1908 veröffentlichten Versuchsergebnisse stimmen
mit den Angaben der früheren Autoren überein. (0,6- und0,96-proz. Formaldehyd¬
lösungen töten Milzbrandsporen in 3% Stunden nicht ab.) Die Nachbehandlung
bestand bei den letzten vier Untersuchern in Waschen der desinfizierten Keime
mit verdünnter Ammoniaklösung. Die Kultur erfolgte auf Agar oder Bouillon.
Die Desinfektionswirkung von Formaldehyd gegenüber Staphylokokken
wurde zuerst von Slater und Rideal 11 ) untersucht, die fanden, daß 2,5-proz.
Formalinlösung (ca. 1% HGOH) diese vegetativen Formen nach 50-minutiger
Einwirkung nicht, wohl aber nach 60-minutiger Einwirkung abtöte. Blum 1 *)
erhielt 1893 durch 5-proz. Formalinlösung (zirka 2% HGOH) nach 30-minutiger,
Gegner 13 ) in demselben Jahre schon nach einminutiger Einwirkung Tod der
Keime, Ascoli 4 ) 1895 durch 1-proz.Formalinlösung (ca. 0,4% HCOH) in 5 Stunden
und durch 5-proz. Formalinlösung (ca. 2% HGOH) in 30 Minuten Abtötung.
Walter 4 ) konnte 1896 nach 30-minutiger Einwirkung einer 1-proz. bzw. lminu-
tiger einer 3-proz. Formalinlösung (ca. 0,4 bis 1,2% HGOH) noch Wachstum fest¬
stellen, Abtötung erzielte er durch 45-minutige Einwirkung dieser Konzentra¬
tionen. Hammer und Feitier 8 ) fanden 1898 Abtötung durch 1-proz. Formalin¬
lösung nach 2 Stunden, durch 5-proz. Formalinlösung nach 1 Stunde bzw. 10-proz.
Formalinlösung nach 10 Minuten (ca. 0,4%, 2,0%, 4,0% HGOH). Reischauer 14 )
konnte 1901 nach 55-minutiger Einwirkung einer 1-proz. Formalinlösung (ca. 0,4%
HGOH) Abtötung feststellen. Paul und Prall 9 ) erhielten 1907 nach 40-minutiger
Einwirkung einer 3-proz. Formaldehydlösung Wachstum, nach 60-minutiger Ab¬
tötung. Xylander 1 ) fand 1907 folgende Abtötungszeiten für Staphylokokken:
Formaldehydkonzentration
0,5
1,0
2,0
3,0
6,0
Abtötungszeit
80
70
60
46
35
Minuten
>9
»»
II
II
Gck igle
Original ffom
THE OHIO STATE UNIVERSITY*
Von Dr. Viktor Gegenbauer.
241
Seligmann 10 ) erzielte bei einer Versuchstemperatur von 40° C bei 30-
minutiger Einwirkung einer 0,36-proz. Formaldehydlösung Wachstum, bei 60-
minutiger Abtötung. Croner 2 ) hat dann 1914 als erster mit methylalkohol-
freiem Formaldehyd Desinfektionsversuche angestellt. Es erhielt die wäßrige
methylalkoholfreie Formaldehydlösung durch Auflösen von Paraform in wenig
verdünnter Natronlauge und Neutralisieren der überschüssigen Lauge mit Salz¬
säure. Als Testmaterial dienten an Seidjenfäden angetrocknete Bakterien. Die
ü berschüssige Menge des Desinfiziens wurde mit Wasser abgespült, die Nach¬
kultur erfolgte in Bouillon. Staphylokokken wurden durch eine 2-proz. Formal¬
dehydlösung in 45 Minuten, durch eine 3-proz. in 35 Minuten, durch eine 4-proz.
in 25 Minuten abgetötet. Die höchsten AnwachsungsZeiten waren in derselben
Reihenfolge 35 Minuten, 25 Minuten, 16 Minuten. Zusatz von Methylalkohol zu
den Formaldehydlösungen bedingte eine Verschlechterung der Desinfektions¬
wirkung des Formaldehydes.
Aus diesen Desinfektionsversuchen mit Formaldehyd ergibt sich,
daß die Art der Nachbehandlung der Keime vor der Übertragung in das
Nährmedium — Waschen mit bloßem Wasser oder Waschen mit verdünnter
Ammoniaklösung — keinen nennenswerten Einfluß auf das Ergebnis der
Versuche hatte.
Einen derartigen Einfluß hätte man sich immerhin vorstellen können,
da es ja nach unseren heutigen Vorstellungen über die Beziehungen von
Formaldehyd zu Eiweißkörpern sehr wahrscheinlich ist, daß diese beiden
Körper eine chemische Bindung eingehen und es denkbar wäre, daß durch
Ammoniak die Formaldehydeiweißverbindungen gesprengt werden, wo¬
durch Stoffe der Keime, die an das Formaldehyd gebunden waren, wieder
funktionsfähig werden können, wie dies bezüglich des Sublimates und
Schwefelwasserstoffes von Gegenbauer 15 ) festgestellt wurde. Das Am¬
moniak führt aber offenbar nur jenes Formaldehyd, das in der Desinfektions¬
flüssigkeit zugegen ist, in das nach den Untersuchungen von Ohira 16 )
relativ wenig entwicklungshemmende Hexamethylentetramin über und
besitzt nicht die Fähigkeit die Formaldehydeiweißverbindung zu sprengen.
Diese Feststellung ist insoferne von praktischer Bedeutung, als
man bei einem Teil der hygienischen Desinfektion mit der Anwesenheit
von Ammoniak rechnen muß, wie beispielsweise bei der Desinfektion von
Objekten, die hinterher in ein Medium gelangen, in dem sich diese Base
bildet, oder bei der Desinfektion von solchen Objekten, in denen es zur Bil¬
dung von Ammoniak kommen kann (Abwässer, Stuhl, Harn, Sputum usw.).
Wenn sich auch aus den bisherigen Versuchen — ausgenommen jenen
von Öhmichen — gezeigt hatte, daß mit der Erhöhung der Konzentration
der Formaldehydlösung sowohl bei Milzbrandsporen wie bei Staphylo¬
kokken nur eine geringe Verkürzung der Abtötungszeit verbunden war,
so war doch immerhin eine Abhängigkeit der Desinfektionszeit vom Formal¬
dehydgehalt der Desinfektionslösung festzustellen. Solche Abhängigkeiten
müssen einerseits zustande kommen, wenn sich das Desinfiziens zwischen
Keim und Desinfektionsflüssigkeit nach konstantem Faktor verteilt,
so daß bei höheren Konzentrationen auch mehr Desinfiziens in das Proto¬
plasma der Keime übergeht. Anderseits sind sie aber auch bei chemischen
Bindungen als Ursache der Desinfektionswirkung dann denkbar, wenn die
Diffusionszeit für den Desinfektionseffekt relativ stark an Bedeutung
hervortritt. Dies ist der Fall, wenn schon sehr kurze Zeiten der vollständigen
16 *
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
Digitized by
242 Studien über die Desinfektionswirkung wässeriger Formaldehydlösungen.
Bindung genügen, um die Keime abzutöten oder wenn auch bei nicht sehr
kurzfristiger Desinfektionszeit besonders Diffusionsschwierigkeiten vor¬
liegen, so daß das schnellere Eintreten des Gleichgewichtszustandes und
damit der vollen Bindungsgröße bei höherer Außenkonzentration einen
merkbaren Einfluß auf die Desinfektionszeit ausübt. Es hat daher die
Erörterung der Ursachen der desinfizierten Wirkung des Formaldehydes
zur Voraussetzung, daß die chemischen und physikalischen Beziehungen
zwischen Formaldehyd und Mikroorganismen klargestellt sind.
Die Versuchsergebnisse von Herzog und Betzel 17 ) weisen auf das
Entstehen von Bindungen zwischen Formaldehyd und den Leibessubstanzen
der Mikroorganismen hin. Sie fanden, daß beim Zusammenbringen von
Formaldehydlösungen und gleichen Hefemengen immer eine annähernd
gleich große Formaldehydmenge aus der Flotte verschwindet. Die Be¬
stimmung des Formaldehydgehaltes in der Flotte nahmen Herzog und
Betzel nur nach einer Berührungszeit (6 Stunden) vor, so daß uns diese
Versuche über die für den vorliegenden Fall wichtige Frage, ob bei kurzer
Berührungszeit die Bindungsgröße infolge Nichterreichens des Gleich¬
gewichtszustandes eine Abhängigkeit von der Konzentration zeigt und ob
bei längerer Berührungszeit eventuell noch neben Bindungen Lösungs¬
beziehungen auftreten, keinen Aufschluß gaben.
Die vorliegenden Untersuchungen verfolgten nun den Zweck, die
bisherigen Desinfektions versuche, namentlich bezüglich der Frage
der Abhängigkeit der Desinfektionsdauer von der Konzentration der
Desinfektionslösung zu ergänzen und die chemischen und physikali¬
schen Beziehungen zwischen Formaldehyd und den Mikroorganis¬
men, als deren Vertreter Hefezellen genommen wurden, eingehender zu
studieren, um dann schließlich die Theorie der desinfizierenden
Formaldehydwirkung erörtern zu können.
II. Desinfektionsversuche mit wässerigen Formaldehydlösungen.
Die ersten Desinfektionsversuche wurden nach zwei verschiedenen
Methoden der Nachbehandlung der desinfizierten Keime — Waschen mit
verdünnter Ammoniaklösung bzw. Waschen durch Zentrifugieren und
Dekantieren — ausgeführt. Diese Versuche bestätigten hinsichtlich des
Einflusses der Nachbehandlung auf das Resultat vollständig die Angaben
der Literatur. Es war kein Unterschied in dem Ergebnis zwischen den
nach den beiden Methoden angestelltcn Desinfektionsversuchen festzu¬
stellen; weshalb die weiteren Versuche nur mehr nach einer Methode
— Waschen mit verdünnter Ammoniaklösung — ausgeführt wurden.
Die Bereitung der Suspension der Test keime, die Bestimmung der Dampf¬
resistenz der Milzbrandsporen und der Phenolresistenz der Staphylokokken, die
Bestimmung der Keimzahl der Suspension und die Yersuchstechnik der Versuche
mit Waschen der Keime durch Zentrifugieren und Dekantieren der Keime wurde
a.a.O. 16 ) beschrieben, weshalb an dieser Stelle nur auf die dortigen Ausführungen
verwiesen sei. Zu den Versuchen mit Waschen der Keime durch verdünnte
Ammoniaklösung wurden an Seidenfäden angetrocknete Keime genommen.
Das Waschen erfolgte hier durch %-minutiges Schwenken der Fäden in 0,5-proz.
steriler Ammoniaklösung und naehherigem ebensolangem Schwenken in sterilem
Wasser. Die Menge der mit einem Faden in das Nährmedium übertragenen
Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERS1TY
Von Dr. Viktor Gegenbauer.
243
Keime wurde aus der Keimzahl der Suspension und aus dem festgestellten Ge¬
wichte der durch den Faden übertragenen Menge Suspension berechnet. Die
Bestimmung dieses Gewichtes erfolgte in der Weise, daß das Gewicht des Gefäßes,
in dem sich die Suspension befand, vor und nach der Herausnahme von 10 Fäden
bestimmt wurde. Die Nachkultur erfolgte bei den Staphylokokken in 3-proz.
Traubenzuckerbouillon. Bei einem Tastversuch mit Zusatz von Serum zum
Nährboden wurden keine höheren Anwachsungszeiten erzielt. Die Nachkultur
der Milzbrandsporen wurde in Albuminbouillon (0,1g Albumin auf 10 ccm
Bouillon) mit Zusatz von 3% Traubenzucker vorgenommen. Die verwendete
Bouillon war nach dem gegenwärtig im hygienischen Institute üblichen Be¬
reitungsverfahren — Ersatz des Fleisches durch Planzenta — hergestellt worden.
Die Nachkultur wurde 14 Tage beobachtet.
Die Einwände, welche gegen die Anwendung von Seidenfäden als Träger¬
mittel der Keime erhoben wurden — Absorption des Desinfektionsmittels an
der Seide, wodurch die Flüssigkeit, die die Keime unmittelbar umgibt, eine
höhere Konzentration des Desinfektionsmittels aufw r eist als die übrige Flotte,
schwieriges Eindringen des Desinfektionsmittels — sind hier ohne ausschlag¬
gebende Bedeutung, wie aus dem guten übereinstimmen der Resultate der
Suspensions- und Seidenfadenversuche hervorceht.
Der Formaldehydgehalt der Desinfektionslösung wurde nach der Methode
von Romijin bestimmt. Die Konzentrationsangaben sind als Gramme in
100 ccm Desinfektionslösung zu verstehen.
Die Herstellung der methylalkoholfreien Formaldehydlösung erfolgte nach
einem Vorschläge des Herrn Dr. Traxl durch Auflösen von Paraformpastillen
in wässeriger Natronlauge und Abdestillieren des Formaldehydes aus dieser Lösung.
Die Ergebnisse dieser Versuche sind in Tabelle 1 bis 5 dargestellt.
Tabelle 1.
Versuche mit Waschen der Keime.
Wirkung von Formalin (methylalkoholhältig) auf Staphylokokken in
Suspension. Zweimaliges Zentrifugieren und Dekantieren. Temperatur 20° C.
H An = Höchste Anwachsungszeit in Minuten.
N Ab = Niederste sichere Abtötungszeit in Minuten.
Versuch Nr.
t
2
3
4
Keimzahl von leem des Gemisches Suspension-Desin-
fektionsmittel in Millionen.
62
140
260
140
In den Nährboden überimpfte Keimzahl in Millionen
19
24
36
20
Resistenz der
[ Höchste Anwachsungszeit in Minuten
40
60
40
60
Staphylokokken J
1 Niederste sichere Abtötungszeit in
gegen t-proz. ]
60
80
60
80
Phenollösung
1 Überimpfte* Keimzahl in Millionen .
0,4
1,2
2,0
1,2
Konzentration
des Formaldehydes
ln •/•
Versuch Nr.
1
2
3
4
H An
N Ab
H An
N Ab
H An
N Ab
H An
N Ab
16,00
5
5
16
5
15
8,00
5
15
30
5
15
4,00
lö
30
15
30
30
45
30
45
2,00
30
4ö
60
120
45
60
60
120
1,00
120
240
120
240
60
120
60
120
0,50
240
360
120
240
120
240
120
240
0,25
240
480
600
.
480
600
240
480
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Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
244 Studien über die Desinfeklionswirkung wässeriger Fonnaldehydiösuiigen.
Digitized by
Bei den einzelnen Konzentrationen wurden bei jedem Einzelversuche
fünf Überimpfungen vorgenommen. Der Raumersparnis halber ist nicht
das Resultat jeder Überimpfung angegeben, sondern bloß die höchste An¬
wachsungszeit und die niedrigste sichere Abtötungszeit.
Tabelle 2.
Versuche mit Ammoniaknachbehandlung.
Wirkung von Formalin (methylalkoholhältig) auf an Seidenfäden an¬
getrocknete Staphylokokken. Temperatur 20° C.
H An = Höchste Anwachsungszeit in Minuten.
N Ab = Niederste sichere Abtötungszeit in Minuten.
Versuch Nr.
LU
_u
r 3 7
4 .
Überimpfte Keimzahl in Millionen.
0,3 !
.
2,2
32,0
16,0
Resisten* der [ Höchste Anwachungszeit in Minuten
100
10
60
120
Staphylokokken ) Niederste sichere Abtötungszeit in
gegen t-proz. | Minuten.
120
20
80
140
Phenollösung y überimpfte Keimzahl in Millionen .
0,1
1
0,4
3,2
i i
1,6
Konzentration
des Formaldehydes
in •/.
Versuch Nr.
1
i
2
1 3
! 4
H An
N Ab
H An
N Ab
H An
N Ab
H An
| N Ab
16,00
2
3
6
10
6
10
' !
i
i 4
8,00
6
10
3
16
20
8 ,
10
4,00
16
30
6
s !
30
45
30
40
2,00
46
60
15
20
45
60
50
60
1,00
60
120
120
45
120 j
180
0,60
120
180
60
120 |
240
300
180 !
240
0,26
180
240
300
360
i
240
300
360 1
420
Tabelle 3.
Versuche mit Ammoniaknachbehandlung.
Wirkung von methylalkoholfreiem Formaldehyd auf an Seidenfäden
angetrockneten Staphylokokken. Temperatur 20° C.
H An = Höchste Anwachsungszeit in Minuten.
N Ab = Niederste sichere Abtötungszeit in Minuten.
Versuch Nr.
Überimpfte Keimzahl in Millionen.
Resistenz der f Höchste Anwachungszeit in Minuten . . .
St g£en i-proz Cn \ Niederste sichere Abtötungszeit in Minuten
Phenollösung l Überimpfte Keimzahl in Millionen ....
1
2
Li_
80,0
9,6
| 4,0
140
100
140
160;
120
160
8,0
1,0
! 0,8
Gck igle
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Von Dr. Viktor Gegenbauer.
245
Konzentration
des Formaldehydcs
in •/.
Versuch Nr.
1
S
L
1 2
\
H An
N Ab 1
H An
N Ab
H An
N Al)
32,00
2
5
1
2
16,00
5
8
2
5
8,00
8
10
8
10
8
10
4,00
10
20
16
20
16
20
2,00
40
60
40
60
30
40
1,00
60
80
80
100
80
100
0,60
120
180
180
240
180
240
0,26
360
420
300
360
360
420
Tabelle 4.
Versuche mit Aminoniaknachbehundlung.
Wirkung von Formalin (methylalkoholhältig) auf an Seidenfäden an¬
getrockneten M i l z b ra n d s p o re n. Dampfresistenz der Milzbrandsporen:
4 Minuten (3% Traubenzuckerbouillon mit 5% Pferdeserum). Überimpfte
Keimzahl: 0,21 Millionen. Temperatur 20° G.
H An = Höchste Anwachsungszeit in Minuten.
N Ab = Niederste sichere Abtötungszeit in Minuten .
Konzentration
des Formaldehydes
in •/•
Versu ch Nr.
1
2
H An
N Ab
H An
N Ab
32,00
6
10
10
16
16,00
20
30
16
30
8,00
60
120
60
120
4,00
120
240
120
240
2,00
240
480
240
480
1,00
480
720
480
720
0,50
720
1440
720
1440
0,26
1440
2880
1440
2880
Tabelle 5.
Versuche mit Ainmoniaknachbehandluiig.
Wirkung von methylalkoholfreiem Formaldehyd auf an Seidenfäden
angetrockneten Milzbrandsporen. Dampfresistenz der Milzbrandsporen:
4 Minuten (3% Traubenzuckerbouillon mit 5% Pferdeserum). Überimpfte
Keimzahl: 0,21 Millionen. Temperatur 20° G.
H An = Höchste Anwachsungszeit in Minuten.
N Ab — Niederste Abtötungszeit in Minuten.
Konzentration
des Formaldehydes
ln •/•
Versuch Nr.
1
2
3
H An
[ N Ab
h;ah
j N Ab
H An
N Ab
20,00
15
30
20
30
20
30
16,00
15
30
20
30
20
30
8,00
60
120
60
120
60
120
4,00
120
240
120
240
120
240
2,00
240
480
240
480
1,00
480
720
480
720
0,50
720
1440
720
1440
0,25
1440
2880 !
1440
2880
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246 Studien über die Desinfektionswirkung wässeriger Formaldehydlösungen.
Die Durchsicht der Tabellen zeigt, daß die vorliegenden Versuche
mit Staphylokokken die Angaben der älteren Autoren hinsichtlich
der höchsten Anwachsungszeiten zum Teil weit übertreffen. Nur Paul
und Prall und Croner fanden ebensolche Anwachsungszeiten. Dagegen
wurden bei Milzbrandsporen die höchsten Anwachsungszeiten niedrigerer
ermittelt als sie Xylander angibt, obwohl der verwendete Stamm fast
ebenso dampfresistent war (4 Minuten) wie Xylanders resistenterer
Stamm und ein optimaler Nährboden (Albuminbouillon mit Trauben«
zuckerzusatz) genommen wurde. Offenbar bedingt gleiche Dampfresistenz
zweier Stämme nicht auch gleiche Resistenz gegen Formaldehyd.
Croners Feststellung hinsichtlich der Verringerung der desinfizieren¬
den Wirkung von Formaldehydlösungen gegenüber Styphylokokken
durch Methylalkoholzusatz wurde durch die vorliegenden Versuche be¬
stätigt. Für Milzbrandsporen konnte ein gleiches Verhalten wenigstens
bezüglich jener Methylalkoholmengen, wie sie im käuflichen Formalin
Vorkommen, nicht festgestellt werden. Schließlich ergaben die vorliegen¬
den Versuche, daß eine weit größere Abhängigkeit der Abtötungszeit
von der Konzentration des Desinfektionsmittels besteht, als es nach den
älteren Versuchen mit Ausnahme jener von Oehmichen schien.
III. Chemische Versuche mit wässerigen Formaldehydlösungen.
Die Methodik der chemischen Versuche war im allgemeinen dieselbe,
wie bei den Sublimatversuchen 15 ). Zunächst wurde das Verhalten des
Formaldehydes gegenüber des wichtigsten Vertreters der in der Zelle
vorhandenen Stoffe (Eiweißkörper, ölige Phase) klargestellt. Als Ver¬
treter der Eiweißkörper wurde hitzekoaguliertes Eiweiß, als Vertreter der
öligen Phase Kottonöl genommen. Dann wrurden diese Grundversuche
durch Versuche mit Hefe ergänzt.
Stückchen koagulierten Rinderserums bzw. Öltropfen bzw. Hefestückchen
wurden mit verschieden konzentrierten Formaldehydlösungen durch ver¬
schiedene Zeiten in Berührung gebracht und hernach der Formaldehydgehall
der Flotte nach der Methode von Romijin bestimmt. Aus der Differenz des
Formaldehydgehaltes der Ausgangs- und der Endflotte wurde unter Berücksichti¬
gung der Zusammensetzung des Rinderserumkoagulums bzw. der Hefe und der
Volumsvermehrung der Flotte durch den Wassergehalt dieser Körper die pro
1 g Eiweiß des Koagulums bzw. 1 g Öl bzw. 1 g organischer Bestandteile der
Hefe verschwundene Formaldehydmenge berechnet. Die Einzelheiten dieser
Methodik und die Art der Berechnung der Versuche wurde bereits a. a. O. 15 )
beschrieben und ausführlich begründet, weshalb an dieser Stelle nur auf die
diesbezüglichen Ausführungen verwiesen zu werden braucht. Die Darstellung
der methylalkoholfreien Formaldehydlösung wurde bereits bei den Desinfektions¬
versuchen besprochen.
Die pro lg Eiweiß des Koagulums verschwundene Formaldehyd¬
menge zeigte sich nach 8-tägiger Berührung unabhängig von der Konzen¬
tration der Flotte als eine sehr konstante Größe, w^as beweist, daß das aus
der Flotte verschwundene Formaldehyd eine chemische Bindung mit dem
Eiweiß des Koagulums eingegangen w r ar und daß Lösungsbeziehungen
Gck igle
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Von Dr. Viktor Gegenbauer.
247
zwischen diesen beiden Stoffen nicht bestehen. Die Bindungsgröße be¬
trug im Mittel von 10 Versuchen für 100 g hitzekoaguliertes Eiweiß
11,2995 Hb 2,014 (Variationskoeffizient = 17,82%).
Der mittlere Fehler der Einzelmessung betrug daher +_ 2,014, der
mittlere Fehler des Mittelwertes Hb 0,637.
Nach der Berührungszeit von drei Tagen zeigte sich eine Abhängigkeit
der pro 1 g Eiweiß des Koagulums verschwundene Formaldehydmenge
von der Konzentration der Endflotte. Bei höheren Konzentrationen
war mehr Formaldehyd verschwunden als bei niederen Konzentrationen.
Hier war infolge der Kürze der Berührungszeit das Gleichgewicht noch
nicht erreicht.
Das Resultat dieser Versuche ist in der folgenden Tabelle dargestellt.
Dauer der
Berührung von
Koagulum und
Formaldehyd¬
lösung
Koagu¬
lum
Gewicht
des
Koagulums
g
Formaldehydgehalt
A 'Z\it Endflotte
% g/ccm ° /0 g/ccm
Pro ein Gramm
Eiweiss des
Koagulums
verschwundene
Formaldehyd¬
menge
ir
i
II.
19,5620
5,2404
4,3404
0,0718
3 Iage 1
ii.
19,6422
3,9304
3,2594
0,0500
1
II.
21,5642
1,3101
1,0446
0,0301
I.
10,1385
5,6414
5,0504
0,1363
II.
19,5620
5,2404
4,3164
0,08665
I.
12,6171
4,2320
3,6514
0,1323
II.
19,6422
3,9304
3,1697
0,1054
8 Tage
I.
11,4258
2,8207
2,4447
0.1171
II.
20,6037
2,6202
1,9391
0,1191
I.
12,7612
1,4104
1.1317
0,1270
II.
21,5642
1,3101
0,9191
0,1021
I.
11,5705
0,5641
0,4382
0,07580
I.
8,7699
0,2821
0,1666
0,1282
Bei den zwei verwendeten Koagulumpartien betrug das
I 11
Relative Gewicht in g/g an Eiweiß. 9,090 9,651
Relative Volumen in ccm/g an wäßriger Kochsalzlösung 90,88 90,03
Die Versuche mit Kottonöl als Vertreter der lipoiden Phase ergaben,
daß sich Formaldehyd zwischen Öl und Wasser nach einem ziemlich
konstanten Faktor verteilt, dessen mittlerer Wert (4 Versuche) 0,2428 +
0,0171 (Variationskoeffizient = 7,03%) betrug. Der mittlere Fehler der
Einzelmessung ergab 0,0171, der mittlere Fehler des Mittelwertes
+_ 0,0085. Die Resultate der Versuche mit Kottonöl, zu denen je 50 ccm
Formaldehydlösung genommen wurden, sind in der folgenden Tabelle
dargestellt.
Nach diesem Befunde besteht also zwischen Formaldehyd und Öl
ein echtes Lösungsverhältnis, wobei dem Formaldehyd in beiden Phasen
dasselbe Molekulargewicht zukommt. Die Lipoidlöslichkeit des Formal-
dehydes ist ziemlich gering. Nur ungefähr der fünfte Teil des in der Ge¬
wichtseinheit der wäßrigen Phase vorhandenen Formaldehydes geht in
U Digitized by
Go igle
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248 Studien über die Desinfeklionswirkung wässeriger Formaldehydlösungen.
Digitized by
Ver¬
such
Nr.
Gewicht
d es Öles
«
Ausgangsflotte |
Endflotte [
Pro 100 g öl
verschwundene
Form aldehyd¬
menge
1 Gewichtsver¬
teilungsfaktor
Öl-Wasser für
i Formaldehyd
| •/• g/ccm
absolut
g
•/• g/ccm
absolut '
g
1
5,0300
2,6627
1
1,3314
1
2,6027
: 1
1,3014
0,596
0,2291
2
4,7240
1,5976
0,7988
1,6646
0,7820
0,354
0,2262
3
5,0545 ,
1,0670
1 0,5335 ;
1,0400
0,5200
0,267
0,2668
4
3,9380 !
0,5326
1 0,2663
0,5220
| 0,2610
i
0.135
0,2574
die Gewichtseinheit öl über. Das Verteilungsverhältnis ist also ähnlich
dem für Sublimat zwischen öl und Wasser festgestellten.
Die Versuche mit Hefe ergaben, daß bereits nach 6-stündiger Be¬
rührungsdauer die pro 1 g organisches Bestandteil der Hefe verschwundene
Formaldehydmenge unabhängig von der Konzentration der Flotte an¬
nähernd die gleiche Größe hatte. Dies traf auch für die späteren Berührungs¬
zeiten zu, nur nahmen hier die Werte bis zu einer Berührungszeit von
zwei Tagen zu. Eine Verlängerung der Berührungsdauer auf 3 und 8 Tage
hatte praktisch keine weitere Erhöhung der Werte zur Folge. Diese Tat¬
sache beweist, daß das Formaldehyd auch mit den organischen Stoffen
der Hefe — in erster Linie natürlich mit den Eiweißkörpern der Hefe —
eine chemische Bindung eingeht. Der mittlere Wert des Formaldehyd¬
bindungsvermögens von 100 g organische Bestandteile der Hefe, Variations¬
koeffizient, mittlerer Fehler der Einzelmessung und des Mittelwertes sind
in der folgenden Tabelle dargestellt.
Dauer der
Berührung
von Hefe
und
Formalde¬
hydlösung
“. _ 1
Anzahl
der
Ver¬
suche
Formaldehydbindungsvermögen von 100 Gramm organische
Bestandteile der Hefe
Mittlerer Wert
Variations¬
koeffizient
Mittlerer Fehler
Einzelmessung
Mittelwert
6 Stunden
4
3,338 ± 0,6839
20,49 •/«
± 0,6839
+ 0,3420
1 Tag
4
3,876 + 0,4614
1 1,91 %
+ 0,4614
+ 0,2307
2 Tage
4
6,535 + 0,3520
6,39 %
± 0,3520
± 0,1760
3 Tage
4
6,800 ± 0,9806
14,42 •/«
± 0,9806
± 0,4903
8 Tage
4
7,295 ± 0,0387
0,53 %
i + 0,0387
i
± 0,0194
Wie a. a. O. 18 ) dargelegt wurde, besteht die organische Substanz
der Hefe aus rd. 60% Protein. Da natürlich zum Eingehen einer chemi¬
schen Bindung mit dem Formaldehyd unter den Stoffen, aus denen die
Hefe besteht, in erster Linie Eiweißkörper in Betracht kommen, so können
die gefundenen Werte direkt auf Eiweiß bezogen werden. Somit ergibt
sich in erster Annäherung als Formaldehydbindungsvermögen von 100 g
.Eiweißkörper der Hefe
bei 6-stündiger Berührung .... 5,562 +_ 1,140
bei 1-tägiger Berührung. 6,458 + 0,768
bei 2-tägiger Berührung.10,891 ± 0,587
bei 3-tägiger Berührung. 11,333 +_'1,634
bei 8-tägiger Berührung.12,158 +_ 0,0645.
Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. Viktor Gegenbauer.
249
Diese Werte zeigen eine weitgehende- Übereinstimmung mit den bei
den Versuchen mit Rinderserumkoagulum gefundenen, so daß sich auch
liier, wie bei den Sublimatversuchen, zeigt, daß sich die mit koaguliertem
Rinderserum erhaltenen Resultate auf Zelleiweiß übertragen lassen.
Nach einstündiger Berührungszeit besteht ein gewisser Zusammenhang
zwischen der pro Gramm organische Bestandteile der Hefe verschwundenen
Formaldehydmenge und der Konzentration. In diesem Falle war offenbar
infolge der Kürze der Berührungszeit das Gleichgewicht noch nicht er¬
reicht.
Die Resultate der Einzelversuche sind in der folgenden Tabelle dar¬
gestellt.
Dauer der
Berührung von
Hefe und
Formaldehyd¬
lösungen
Here
Gewicht
der Hefe
Formaldehydgehalt
Pro ein Gramm
organische Sub¬
stanz der Hefe
verschwundene
Formaldehyd¬
menge
e
Ausgangs-
flotte
°/o g/ccm
Endflotte
% g/ccm
iii.
17,0570
10,2750
9,0465
0,0321
1 Stunde
in.
12,9870
7.6063
6,8845
0,0286
iii.
16,7500
5,1375
4,5295
0,0172
in.
10,7730
2,5688
2,3608
0,0103
in.
17,0570
10,2750
9,0222
0,0378
6 Stunden
III.
12,9870
7,6063
6,8764
0,0303
III.
16,7500
5,1375
4,5056
0,0298
III.
10,7730
2.5688
2,2928
0,0356
II.
13,5085
9,5500
8,5842
0,0364
1 Tag
II.
11,0010
4,7750
4,3251
0,0373
II.
8,8340
1,9100
1,6992
0,0456
11.
10,7850
0,4775
0,3534
0,0357
I.
12,4500
6,0300
5,3432
0,0661
2 Tage
I.
11,8480
3,5524
3,0753
0,0700
I.
10,0820
1,7762
1,5022
0,0622
I.
9,7880
0,8881
0,6765
0,0631
II.
13,5085
9,5500
8,4811
0,0734
3 Tage
II.
11,0010
4,7750
4,2343
0,0725
II.
8,8340
1,9100
1,6421
0,0728
II.
10,7850
0,4775
0,3084
0,0533
II.
13,5085
9,5500
8,4813
0,0734
8 Tage
II.
11,0010
4,7750
4,2342
0,0725
II.
8,8340
1,9100
1,6422
0,0728
II.
10,7850
0,4775
0,2581
0,0731
Bei den drei verwendeten Hefen betrug das
Relative Gewicht in g/g an organischen Hefe¬
I
ii
111
bestandteilen .
Relative Volumen in cem/g an wäßriger Kochsalz¬
26,739
25,315
26,815
lösung .
70,26
72,65
70,16
Es kommt also bei der Einwirkung von Formaldehyd auf Mikro¬
organismen nur zur Entstehung chemischer Bindungen zwischen dem
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
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250 Studien über die Desinfektionswirkung wässeriger Formaldehydlösungen.
Formaldehyd und den Eiweißkörpern der Mikroorganismen; nicht aber
zum Auftreten irgendwelcher Lösungsbeziehungen. Die volle Bindungs¬
größe wird bei der Hefe nach zweitägiger Berührungsdauer erreicht.
Bei kurzer Berührungszeit (1 Stunde) zeigt sich infolge Nichterreichens
des Gleichgewichtszustandes eine Abhängigkeit der Bindungsgröße von
der Konzentration der Formaldehydlösung. Hier wurden bei höherer
Konzentration der Flotte von der gleichen Menge Eiweiß mehr Formal¬
dehyd gebunden als bei niederer. Es ist also die Bindungsreaktion zunächst
von der Diffusionsgeschwindigkeit abhängig. Diese Feststellung ist, wie
eingangs auseinandergesetzt wurde, für unseren Fall von Wichtigkeit.
Sie macht die Abhängigkeit der Desinfektionsdauer von der Konzentration
der Desinfektionslösung für die desinfizierende Formaldehydwirkung,
bei der nach dem Resultat der chemischen Versuche die Desinfektions¬
wirkung nur auf chemischer Bindung beruht, erklärlich.
Die vorliegenden Versuche bestätigen die Schlußfolgerungen, die Herzog
und Betzel 17 ) aus ihren Versuchen ziehen, daß nämlich bei der Berührung von
Hefe und Forinaldehydlösungen von der gleichen Menge Hefe eine gleich große
von der Konzentration der Flotte unabhängige Menge Formaldehyd gebunden
werden, wobei allerdings bezüglich des festgestellten Wertes der Bindungsgröße
ein Unterschied bestellt. Nach diesen Versuchen ist das Formaldehydbindungs¬
vermögen von 100 g Eiweiß der Hefe nach 6-stündiger Berührung 5,562 +. 1*140
(Var.-Koeff. = 20,49%), nach den Versuchen von Herzog und Betzel 3,269
0,898 (Var.-Koeff. = 27,41%). Derartige Unterschiede sind jedoch bei der Un¬
genauigkeit der Methodik und bei der Variabilität des verwendeten Versuchs-
materiales leicht erklärlich.
IV. Die Resistenzgleichungen.
Berechnet man nach dem Vorgänge von Reichel 18 ) die sich aus
unseren Versuchen und denen von Paul und Prall und von Croner
ergebenden Resistenzgleichungen, so zeigt sich, daß für den vorliegenden
Fall in der allgemeinen Resistenzgleichung T • HCOH% n K y der Wert K bei
dem Exponenten n — 1 der Konstanz am nächsten kommt, daß somit die
Beziehung zwischen Desinfektionsdauer ( T) und der Konzentration der
Formaldehydlösung durch die Formel der gleichseitigen Hyperbel bezogen
auf die Asymptoten als Koordinatenachsen ausgedrückt ist.
Es ergaben sich nämlich aus den erhaltenen Grenzwerten der eigenen Ver¬
suche und der Versuche der obigen Autoren die in der Taballe auf der folgenden
Seite angegebenen Werte für den Exponenten n = 1. Der in die Gleichung ein¬
zusetzende Ä’-Wert muß natürlich aus naheliegenden Gründen höher liegen als
der höchste Minimalwert.
Die berechneten Gleichungen lauten:
für Staphylokokken bei Formalin
(methylalkoholhältig).T • HCOH% = 130
für Staphylokokken bei methyl¬
alkoholfreiem Formaldehyd. ... T • HCOH% = 100
für Milzbrandsporen bei Formalin
(methylalkoholhältig) und methyl¬
alkoholfreiem Formaldehyd. . . . T*HCOH%=500,
worin die zu den betreffenden Konzentrationen gehörende Abtötungszeit T
in Minuten angegeben ist.
Gck igle
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THE OHIO STATE UNIVERSH
Von Dr. Viktor Gegenbauer.
251
HOCH %
Staphylokokken j
Mil zbran dsporen
Formalin (methylalkohol¬
hältig) und methylalkohol-
freies Formaldehyd
Formal In j
(methylalkoholhältig)
methylalkoholfreies
Formaldehyd
sicher
über
wahrschein¬
lich unter
sicher
über
wahrschein¬
lich unter
sicher
über
wahrschein¬
lich unter
0,25
120
160
90
106
360
720
0,60
120
160
90
120
360
720
1,00
120
180
80
100
480
720
2,00
1
70f)
90t)
2,00
120
240
80
120
480
060
3,00
120*)
180*)
75t)
106t)
4,00
120
160
1 60
t80
480
960
4,00
i
1 64t)
100t)
i
8,00
120
160
64
80
480
960
16,00
80
160
80
128
320
480
20,00
400
600
32,00
j 64
160
320
480
Die Gleichungen besagen, daß das Produkt von Desinfektions¬
dauer in Minuten und Konzentration der Desinfektions¬
lösung einen konstanten Wert, und zwar für den verwen¬
deten Staphylokokkenstamm bei Formalin (methylalkohol-
hältig) 130, bei methylalkoholfreiem Formaldehyd 100, für
den verwendeten Milzbrandstamm sowohl bei Formalin
(methylalkoholhöltig) wie bei methylalkoholfreiem Formal¬
dehyd 500 betragen muß, wenn diese Keime durch wässerige
Formaldehydlösungen abgetötet werden sollen.
V. Zusammenfassung der Ergebnisse.
Die vorliegenden Versuche haben ergeben, daß das Formaldehyd
mit den Eiweißkörpern, als deren Vertreter koagulierter Rinderserum
genommen wurde, chemische Bindung, mit den Lipoiden, als deren
Vertreter Kottonöl genommen wurde, Lösungsbeziehungen eingeht,
wobei das Molekulargewicht in beiden Phasen dasselbe ist. Im Gleich¬
gewichtszustände bindet 1 g des verwendeten Eiweißes ungefähr ein
Zehntelgramm Formaldehyd, in ein Gramm Öl geht ungefähr ein Fünftel
jener Menge über, die in der Gewichtseinheit wäßriger Flotte vorhanden
ist. Versuche mit Hefe als Vertreter der Mikroorganismen zeigten, daß
es auch hier zur Bildung von Formaldehydverbindungen mit den Eiwei߬
körpern der Hefe kommt.
Die volle Bindungsgröße wird erst nach einer längeren Zeit der Be¬
rührungsdauer (bei Hefe 2 Tagen) erreicht. Bei kurzer Berührungszeit
erweist sich die Bindungsgröße als abhängig von der Konzentration der
Flotte an Formaldehyd. Diese festgestellte Tatsache macht den Gang
der Desinfektionszeit mit der Konzentration der Desinfektions¬
lösung für die desinfizierende Formaldehydwirkung, bei der
*) Nach Versuchen von Paul und Prall 9 ).
f) Nach Versuchen von Croner 2 ).
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Gck igle
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252 Studien über die Desinfektionswirkung wässeriger Formaldehydlösungen.
nach den vorliegenden Versuchen die Desinfektions Wirkung nur
auf chemischer Bindung beruht, erklärlich.
Die Desinfektionsversuche zeigten, daß die Konzentration der Formal¬
dehydlösung von weit größerem Einfluß für die Desinfektionszeit ist als
die früheren Autoren mit Ausnahme von Oemichen fanden. Sie be¬
stätigten ferner den schon von früheren Autoren erhobenen Befund, daß
die Art der Nachbehandlung — Waschen mit bloßem Wasser oder Waschen
mit verdünnter Ammoniaklösung — keinen Einfluß auf das Resultat der
Versuche hat. Aus dieser Tatsache läßt sich schließen, daß durch Am¬
moniak die Verbindung zwischen Formaldehyd und den Eiweißkörpern
der Keime nicht gesprengt wird, was in praktisch hygienischer Beziehung
hinsichtlich der. Desinfektion von solchen Objekten von Bedeutung ist, die
hinterher in ein Medium gelangen, in dem es zur Bildung von Ammoniak
kommt, oder in denen sich selbst dieser Stoff entwickeln kann. Die Be¬
funde Croners, daß die Desinfektionswirkung von Formaldehydlösungen
gegenüber Staphylokokken durch Methylalkoholzusatz verringert wird,
konnten bestätigt werden. Hinsichtlich der Milzbrandsporen wurde ein
gleiches Verhalten, wenigstens bezüglich jener Methylalkoholmengen,
wie sie in käuflichem Formalin Vorkommen, nicht gefunden.
Die Beziehungen von Desinfektionsdauer zur Konzentration der
Desinfektionslösung, wie sie sich für die verwendeten Stämme ergaben,
wurden nach dem Vorgänge von Reichel durch Gleichungen ausgedrückt,
die in der folgenden Zusammenstellung zugleich mit dem Konzentrations¬
bereich, für den diese Gleichungen Geltung haben, wiedergegeben sind,
wobei die Desinfektionszeit T in Minuten angegeben ist.v
Formalin (methylalkoholh<ig)
methylalkohol freies Formaldehyd
Keime
Gleichung
untersuchter
Konzentrations¬
bereich
Gleichung
untersuchter
Konzentrations¬
bereich
Staphylokokken
r-HCOH 0 /«
130
0,25 — 16,00%
T • HCOH %
= 100
0,25—32,00%
Milzbrandsporen
T • HCOH °/ 0
= 500
0,26—32,00*/«
T- HCOH %
= 500
0.25—32,00%
Zur Auffindung der Desinfektionsdauer T dienen folgende Tabellen;
A. Staphylokokken.
1. Formalin (methylalkoholhältig).
HCOH %
0,25
0,50
1
1 2 |
3
4 |
f 5 1
10 j 16 | 20 j 25
30
T _ in Minuten
in Stunden
520
8,67
260
4,33
130
2,17
| 66
11,08
43
!
33
;
26
13 9 7 5
4
2. methylalkoholfreies Formaldehyd.
T _ in Minuten
~ in Stunden
400
200
100 1 60 i 33 25 20
10 7
5 4 |
6,67
3,83
1,671 |
1
Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. Viktor Gegenbauer. 253
B. Milzbrandsporen.
Formalin (methylalkoholhaltig) und methylalkoholfreies Formaldehyd.
HCOH %
0,25
0,50
i 1
2
3
4 , 5
10 1
15 i
20
25
30
rp _ in Minuten
2000
1000
500
250
167
125 100
50
•13
25
20
17
in Stunden
33,33
1
16,67
8.33
4,17
2,78
2.08 1,67
1
1
1 '
! 1
I i
1
Literatur.
t. Xylander, A. K. G. 26, 1907.
2. Croner, Zeitschr. f. Hyg. 78, 1914.
3. Pottevin, Annales de l’Institut Pasteur, 1894.
4. Ascoli, ref. C. f. B. 17, 1895.
5. Oemichen, A. K. G. 11, 1895.
6. Walter, Zeitschr. f. Hyg. 21, 1896.
7. Kroenig und Paul, Zeitschr. f. Hyg. 25, 1897.
8. Hammer und Feitier, C. f. B. 24, 1898.
9. Paul und Prall, A. K. G. 26, 1907.
10. Seligmann, Desinfektion Nr. 1, 1908.
11. Slater und Rideal, Lanceth, 21, 1889.
12. Blum, Miinchn. med. Wochenschr. Nr. 32, 1893.
13. Gegner, ebenda.
14. Reischauer, zit. nach Börner, G. f. B. 53, 1910.
15. Gegenbauer, Arch. f. Hygiene 90, 1921.
16. Ohira, G. f. B. 85, 1920.
17. Herzog und Betzel, Zeitschr. f. physiol. Ghemie 67, 1910; 74, 1911.
18. Reichel, Biochem. Zeitschr. 22, 1909.
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Gck gle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
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Kritische Untersuchung über die Ätiologie der Influenza.
Von
Dr. Oarl v. Angerer.
(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Erlangen.)
(Bei der Redaktion eingegangen am 15. Juni 1921.)
Die Ätiologie der Influenzapandemie von 1918/19 ist eine noch nicht
einwandfrei beantwortete Frage. Folgende Befunde von Mikroorganismen
werden berichtet: 1. die Pfeifferschen Influenzabazillen, 2. ein filtrier¬
bares oder invisibles Virus, 3. Strepto- oder Diplokokken, 4. pestähnliche
Bazillen (Literatur über diese siehe Coronini und Priesel 167).
Letztere können wegen der Seltenheit ihres Nachweises wohl keinen
Anspruch auf Anerkennung erheben, und von den Streptokokken ist
jetzt wohl allenthalben anerkannt, daß sie nur sekundäre Ansiedler sind.
In Betracht kommen daher nur die unter 1. und 2. aufgeführten Orga¬
nismen. Die folgende Tabelle soll einen Überblick über den positiven
oder negativen Nachweis der Influenzabazillen (abgekürzt I.B.) bis No¬
vember 1920 geben. Als Datum wurde bei Abhandlungen der Tag des
Erscheinens der betreffenden Zeitschriftnummer, bei Vorträgen und Dis¬
kussionsbemerkungen der Tag der Sitzung angegeben und in letzterem
Fall durch einen Stern kenntlich gemacht. Die Auszüge, welche nicht
etwa Referate ersetzen sollen, mußten des Raummangels halber im Tele¬
grammstil abgefaßt werden; aus dem gleichen Grund wurden auch die
umfangreichen Arbeiten in den Spezialzeitschriften in diese Tabelle nicht
aufgenommen. Literaturangaben siehe am Schluß der Arbeit.
Beim Überblick über diese Tabelle fällt die schon mehrfach disku¬
tierte Tatsache auf, daß bei Epidemiebeginn die negativen, späterhin
die positiven Befunde überwiegen; insbesondere finden sich Angaben
über hohe Prozentsätze positiver Untersuchungen oder über regelmäßiges
Vorkommen von I.B. erst etwa von Oktober an. Die graphische Darstel¬
lung, auf deren Wiedergabe hier verzichtet werden muß, ergibt das gleiche
Bild, das übrigens wegen der häufig fehlenden Angaben der Prozentzahlen
und der Untersuchungszeiten nicht völlig scharf sein kann. Im übrigen
geben viele Autoren an (1, 24, 127; 57, 98; 80, 131; 28, 79; 108; 109; 117,
(Fortsetzung des Textes S. 261.)
Gck igle
Original ffom
THE OHIO STATE UNIVERS1TY
Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza.
255
Nr.
Zeit
Autor und Ort
Befund
1
1918
Juli 1
5.* i
Friedberger, Greifswald
Sputa mikr. neg., kult. vereinzelt pos.
Entnahme durch Bronchoskop aus der
Tiefe. Negat. Meerschweinchenimpfling
mit Filtrat.
Nase, Rachen, Blut I.B. neg.
2
|
8.
Krön er
3
9.*
Brasch, München
Sputa neg.
4
9.*
Oberndorfer, München
Sektionen neg.
5
9.*
Mandelbaum, Miineben
Negative Untersuchungen des ganzen
r»
9.*
v. Gruber, München
Bronchialbaums. Frühere Jahre I.B.
nachgewiesen. Irnmunitätstheorie.
,,Neues Virus“.
Im Jahre 1889 I.B. nicht massenhaft
j
9.*
Rimpau, München
vorhanden.
Zahlreiche Untersuchungen neg.
8
9.*
Schöppler, München
Negative Befunde (Sektionen).
9
9.*
Fr. v. Müller, München
Negative Befunde.
10
9.*
Dieudonnä, München
Beobachtung über Infektion und Inku-
11
10.
Benda, Berlin
bation.
Schnitte mikr. neg.
12
11.
Pfeiffer, Breslau
Teils positive, teils negative Befunde.
I.B. bisher nicht gefunden.
13
11.
v. Gruber, München
14
11.
Friedemann, Berlin
I.B. bisher nicht als Erreger festgestellt.
15
11.
Uhlenhuth, Straßburg
Teils positive, teils negative Befunde.
tf>
12.
Silberschmidt, Zürich
I.B. bisher nicht nachweisbar.
17
14.
Bernhardt, Stettin
Sputum, Trachea, Rachen neg., Husten¬
18
10.*
Kossfcl, Heidelberg
platte.
I.B. mehrfach nachgewiesen; IB.-Erreger..
19
17.*
Lubarsch, Berlin
Schwierigkeiten des Nachweises.
Sektionen; Blut neg., 1 von 14 Schnitten
20
17.*
Citron, Berlin
mikr. pos.
Sputum und Blut neg.
21
17*
A. W. Fischer, Halle
6 von 110 Sektionen pos., lrnal Milz pos.
22
17.*
Bennecke, Halle
Wie Nr. 5.
23
18.
Kolle, Frankfurt
Mikr. und kult. neg. bei verschiedenen
24
19.*
Friedberger, Greifswald
Untersuchern.
Vereinzelte I.B. besagen nichts. Negative
25
19.*
Ganter, Greifswald
Filtratinhalationen.
I.B. neg., Kontagiosität gering.
20
23.*
Hübschmann, Leipzig
Schwerkranke und Leichen I.B. neg.
27
23.*
Kruse, Leipzig
we^en Verdrängung durch sekundäre
Keime. Auswahl des Materials! I.B. in
einigen Fällen pos.
Kritik an I.B. Negative Impfung mit
28
23.*
Oeller, Leipzig
Filtrat.
,,Keine charakteristischen Merkmale für
29
23.*
Fleischmann, Berlin
Ätiologie“.
I.B. in einigen Fällen nachgewiesen.
30
23.*
: Hesse, Halle
Nur Streptokokken.
31
25.
j Gotschlich, Gießen
3 von 23 Sputis kult. pos.
32
25.
1 Kisskalt, Kiel
I.B. nicht als gefunden erwähnt.
33
25.
Schürmann, Halle
3 Sputa kult., 1 mikr. pos., viele andere
1
| 1
i
Archiv für Hygiene. Bd. 90.
neg.
17
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256
Kritische Untersuchung
über Ätiologie der Influenza.
Nr.
Zeit
Autor und Ort
Befund
34
Juli
27.*
! Uhlenhuth, Straßburg
1 I. Serie: Sputa 25% pos., 1 von 4 Rachen,
35
27.*
j
■ Rose, Straßburg
; 1 von 3 Empyemen pos.; II. Serie: 33
! von 80 Sputis, 22 von 47 Kranken pos.
| 100 normale Rachen neg., Affe durch
Tröpfchen (Sputum und Reinkultur) er¬
folglos geimpft. Hinweis auf technische
Fehler.
Sputa 18% pos., davon 15 % Reinkultur.
3f>
29.
1
! Levinthal, Feld
Blut neg.
Kulturtechnik.
37
Aug.
1 .
Levinthal
200 Fälle pos.
38
0 .
Simmonds, Hamburg
Sputa und Sektionen mikr. und kult. zahl-
39
0 .
; Schöppler, München
reich pos.
Sektionen neg.
40
8.
Edelmann, Wien
Paratyphus bei Grippe gefunden.
41
13.
G. B. Gruber u. Schädel,
14 von 250 Sputis frisch Erkrankter pos.
42
10.*
Mainz
Dietrich, Feld
Gegen I.B.
I.B. mikr. u. kult. nachgewiesen; I.B. =
43
19.
Meyer u. Bernhard,
Erreger
28 Sektionen neg.
44
22.
Stettin
v. Bergmann, Marburg
9 von 10 Sputis, I.B. = Erreger.
45
22.
Hirschbruch, Metz
1 bis 3 von 16 Sektionen pos., Sputa nur
40
22.
Schmorl, Dresden
in einigen wenigen Fällen.
Seit Anfang Juli 3 Sektionen pos., 7 neg..
47
22.
Koepchen, Bonn
Lebende stets neg.
I.B. nicht nachgewiesen.
48
49
24.
Selter, Königsberg
Glaus u. Fritsche, Basel
2 pos. Filtratinhalationen.
I.B. vielleicht in einigen Sektionen nach¬
50
| Se p t
1 2.*
B. Fischer, Frankfurt
gewiesen.
70 Sektionen neg.
51
2.*
W T aehter, Frankfurt
Empyeme: I.B. nicht als gefunden er¬
52
4.*
Silbergleit, Ingolstadt
wähnt.
I.B. neg.
53 ,
5.
Stein u. Weißmann,
I.B! gefunden.
54
9.*
Zagreb
v. Wießner, Wien
Vereinzelt I.B.
55
9.*
Kahler, Wien
25 ° 0 pos.
50
29.
Schiemann, Koblenz
4 von 12 Fällen pos., I.B. = Erreger.
57
29.
Deussing, Hamburg
70 akute Fälle neg., 2 von 22 katarrh.
58
Okt.
1 .
E. Goldschmidt, Frankf.
Pneum. pos.
Vom 23. VI. bis 24: VII. 85 Fälle neg.
i
59 |
8.*
Ghon, Prag
„I.B. muß ausscheiden“.
5. bis 26 Oktober 41 % der Sektionen pos.
00 I
8.
v. Hoeßlin, Germersheim
I.B. häufig nachgewiesen; innere Organe
01
13.
Becher, Gießen
pos. 2 von 10 Blut pos.
I.B. beim kleineren Teil der Fälle pos. (V 7 ).
02
17.*
Stählin, Basel
Gegen I.B.
03 i
17.*
Hedinger, Basel
Primäres Virus wie bei Scharlach; I.B.
04 1
20.
Alex ander, Wes t f ro n t
selten nachweisbar.
2mal I.B. pos., 60 von 100 Fällen I.B.-
05
20.
Schwermann, Alpirsbaeh
ähnliche, aber bewegliche, nicht häino-
globinophile Stäbchen.
Sputum sehr häufig, Nase häufig pos.
Gck 'gle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. Carl v. Angerer.
257
Nr. Zeit Autor und Ort Befund
| Okt. j
Gf> 24. Neufeld und Papamarku, „Bei einer Anzahl“ I.B gefunden. Von
| I Berlin I 1912 bis Epidemie I.B. stets neg.
i Neuerdings mehrfach Mischinfektion
| bei Tbc. Auswahl des Materials! Tech-
i i nik !
r»7 24.* | v. Wiesner, Wien Sputa häufig, aber nicht Mehrzahl pos.
• | Nase häufig, Sektion ausnahmsweise
j pos.
f>8 24.* Knöpfelmacher, Wien Tröpfcheninfektion. Virus flüchtig wie
! Masern.
69 24.* Hedinger, Basel I.B. nicht nachweisbar.
70 24. Neuwirth und Weil, ! Sputa und Sektion I.B. weder kult. noch
Trencsen mikr. rös.
71 24. Leitner, Isonzofronl , Sputa 25%, Hachen 8%, I.B.-verdächtige
| Stäbchen.
72 29. Geller, Leipzig ; Endotoxintheorie .
78 80.* Michaelis, Berlin 1. Woche neg., dann reichlich pos.
74 80.* Neufeld, Berlin ■ 9 von 12 Sektionen, 7 von 20 Rachen-
' | abstr. pos., 2 von 5 norm. Rachen pos.
75 s 80.* Seligmann, Berlin ,,Kein Zweifel an regelmäßigem Vorkom-
' men“.
7G 81.* E. Schwarze, Wien Schwere Fälle örtlich gehäuft.
77 81.* Pribram, Wien | I.B.-ähnliche Stäbchen im Material aus
4 Klinken; Kultur aus Sputum einer
j einzigen Klinik.
78 31.* I Moll, Wien I.B. häufig, aber nicht regelmäßig vor¬
handen,.
!. Gruppe: I.B. nur bis Entfieberung,
8,5% pos., II. Gruppe I.B. länger nach¬
weisbar, 24% pos. Blut und Sektion
stark pos., Kontrollen neg.
4 Wochen nach Epidemiebeginn 34,2%
Sputa pos. Zitiert Vagedes: Mai und
Juni neg., später pos.
1 mal in mehr als 100 Fällen I.B. gefunden.
18% Sputa pos, davon 15% Reinkultur,
Blut, Nase, Rachen neg.
Kulturen kleinster Körperchen aus Fil¬
traten.
I.B. in einer Reihe von Fällen nachge¬
wiesen.
112 von 217 Sputis pos., enorme Bazillen¬
zahl; 20 von 30 Pneumoniesektionen.
Zurückbleiben von Herden nach Epi¬
demie, daher auch bei Gesunden. Gegen
filtrierbare Erreger 25,4% Tbc.-Sputa
I.B. positiv.
Negative Filtratimpfungen.
Wie Nr. 83.
„I.B. und Kokken gefunden.“
74% pos.
I.B. neg.
Wenig Hausinfektionen.
Mikr. u. kult. Nachweis kleinster Körper¬
chen. Neg. u pos. Filtratinhalationen.
17*
Nov.
79 3. Geller, Leipzig
80 3. Korbsch, Feld
81 4.* Selter, Königsberg
82 4. Rose, Festungslazarett
83 0.* v. Angerer, München
84 7. Jaffe, Wien
85 8.* Pfeiffer, Breslau
80 8.* Friedberger, Greisfwald
87 12. v. Angerer, München
88 14.* Hoppe Seyler, Kiel
89 14. Materna und Pennecke,
Troppau
90 18.* Matthes, Königsberg
91 18.* Frohmann, Königsberg
92 21.* Leschke, Berlin
Difitized
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza.
Difitized by
258
Nr.
i Zeit
Autor uud Ort
93
Nov.
21.
Trawinski und Cori,
94
21.
Isonzofront
i
Wiener, Trencsen
95
20.*
Rumpel, Hamburg
96
28.*
Elias, Wien
97
28.*
Dörr, Wien
98
28.*
v. Wiesner, Wien
99
28.*
Berblinger u. Emmerich.
100
28.*
Kiel
Kißkalt, Kiel
101
28.*
Wagner, Kiel
102
28.
Löwenfeld, Ostgalizien
103
29.*
Leichten tritt, Breslau
104
29.*
Rosenfeld, Breslau
105
29.*
Pal, Wien
106
29.*
Coronini u. Priesel, Wien
107
29.*
Pal tauf, Wien
108
Dez.
3.
Sobernheim u. Novacnvio,
109
9.
Bern
W. Löwenfehl, Berlin
110
9.
Mager, Brünn
111
10.*
Grätz, Hamburg
112
10 .
Binder u. Prell, Stuttgart
113
14.*
Silberschmidt, Zürich
114
17.*
Wätjen, Freiburg
115
19.
Fromme, Düsseldorf
116
19.
E. Fränkel, Heidelberg
117
19.
Lei htentritt, Breslau
118
19.*
Kruse, Leipzig
119
1919
Jan.
1 .
Sahli, Bern
120
6.
Neufeld und Papamarku,
121
6.
Berlin
Leschke, Berlin
122
7.*
Simmonds, Hamburg
Befund
7 von 113 Sputis verdächtige Stäbchen,
kult. neg. 2 von 66 Rachenabstr. mikr.
pos.
I I.B. nicht als gefunden erwähnt.
| Gegen I.B., Virus ähnlich wie Masern;
, Sommer und Herbst I:B. nicht nach¬
weisbar. *
| ,,Beweis für I.B. keineswegs erbracht“.
| I.B. zuweilen durch sekundäre Keime
unterdrückt; Kirchner (unter Dörr)
70% pos. Sektionen.
I.B. jetzt nachgewiesen; I.B. = Erreger.
Sektionen: Blut in 1. und 2. Welle neg.
„Ätiolog. Bedeutung der I.B. nicht er¬
wiesen“.
582 Rachenabstr., 200 Pleuren, Blut¬
proben neg. In letzter Zeit 7 pos. Sek¬
tionen.
52 von 85 Sputis pos.
Ausführungen zu 85.
| 1. Welle infektiöser als 2.
j Erreger nicht festgestellt.
| U. a. auch I.B. gefunden,
j I.B. nicht gefunden.
! 1. Periode 3 Sputa, 3 Sektionen pos., ab
I Okt. regelmäßig pos.
I 6. bis 26. Juli 5 von 38 Sputis; Oktober
15 von 47 Sputis, Tröpfcheninfektion,
Hustenplatte.
30,1 % pos.
Gegen I.B. 4 von 1226 Proben pos.
Änigmoplasmen inikr. u. kult. gefunden.
1 Probe I.B. pos.
Gegen I.B. 7 von 70 Sputis, 13 von
45 Sektionen pos., Tröpfcheninfektion.
I.B. mikr. gefunden. Ätiologie ungewiß.
Tonsilben mikr. neg., kult. vielleicht pos.
I.B. in tieferen Luftwegen. Husten¬
platte.
20 von 70 Sputis, 8 von 11 Sektionen,
3 Kontrollen pos. Innere Organe pos.
112 von 217 Proben pos., davon 94 mikr.
S os. Später 60% Sputa pos. 25%
Lontrollen pos., zuweilen vorhergehende
Erkrankung. Frisches Sektionsmaterial
pos.
Bei Beginn in Leipzig nur ausnahmsweise,
jetzt 50% pos.
,,Complexes Virus“.
9 von 12 Sektionen, 2 von 25 Tonsilben
nicht Grippekranker. Bazillenträger.
Wie Nr. 92.
75% von 330 Sektionen pos.
Gck igle
Qrigiral frcm
THE OHIO STATE UNI VERS I Fr'
Von Dr. Carl v. Angerer.
259
Nr.!
Zeit
Autor und Ort
123
Jan.
7.*
Olsen, Hamburg
124
7.*
Fränkel, Hamburg
125
7.*
Schottmüller, Hamburg
126
7.*
Mahlo, Hamburg
127
10.*
Friedberger, Greifswald
128
16.*
Edelmann, Wien
129
17.
Fürst, Südthrazien
130
18.*
Bonhoff, Marburg
131
19.
Korbsch, Feld
132
21.*
Reiche, Hamburg
133
21.*
Zeißler, Hamburg
134
21.*
Lorey, Hamburg
135
21.*
Pasche, Hamburg
Embden, Hamburg
136
21.*
137
21.*
Rumpel, Grätz, Hamburg
138
23.
Hoffmann und Keuper,
139
26.
Düsseldorf
Siegmund, Feld
140
31.*
Busse, Zürich
141
31.
Herzog, Leipzig
142
Febr.
2.
Friedberger und Konitzer,
143
6.*
Greifswald
Sobernheim, Bern
144
9.
Vestlinger, Budapest
145
13.
Bossert und Leichtentritt,
146
13.
Breslau
Meyer, Berlin
147
14.
Rosenbaum, Breslau
148
15.
Sahli, Bern
149
20.*
Scheidemandel, Nürnberg
Befund
76 % von 215 Sektionen pos. Gegen filtr.
Virus.
50% der Nasennebenhöhlen pos., „mühe¬
los gefunden“.
Sammlung der Einwände gegen I.B.
Unter Neisser-Frankfurt 100 Fälle neg.
später massenhaft pos. Ab Ende Jini
immer häufiger.
Jetzt reichliches Vorkommen von I.B.
U. a. auch I.B. gefunden. Negative Fil¬
tratimpfungen (Affen und Meerschwein¬
chen] unter Landsteiner. Mit der Zeit
zunehmende Häufigkeit der pos. Be¬
funde.
1 von 50 Untersuchungen pos.
38 von 100 Sputis, 3 von 15 Lungen. Kritik
an I.B.
Anfangs 33,7%, dann 71%, dann 100%
pos. Anfangs häufig Mischinfektionen
mit Diphtherie.
Gegen die Theorie der Durchimmunisie¬
rung der Bevölkerung
Ende Juni bis Anfang Dez. 2 von 20
Rachenabstr.; Sputa (nicht frisch) 44%,
Pleuren 9% pos.
1 Pseudoinfluenza aus Pleura.
Für I.B. gegen filtrierbarcs Virus.
,, Kameradschaftsgrippe“.
Zusammenstellung der Einwändc gegen
I.B.
17 von 471 Sputis pos.
Einige Sputa mikr. pos. Mehrzahl neg.
Innere Organe pos.
Meningitis durch I.B.; gelegentlich I.B.
pos., aber nicht Erreger.
Seit Oktober 38 von 82 Sektionen. Schnitt
zuweilen massenhaft I.B. Kontrollen
zum Teil reichlich pos.
Seit Dezember pos. Befunde. Sammlung
der Einwände gegen I.B.
Juli bis August 14,6%, Oktober bis
November 65,9 % kult. pos. Schwierie-
j keiten des Nachweises; mehrere Fälle
mikr. pos., kult. neg.
I.B. bei Konjunktivitis gefunden.
Sputa häufig positiv, große Bazillen-
mengen, zuweilen Reinkultur.
10 Sputa pos., Blut steril.
Grippepneumonien in einzelnen Zimmern
gehäuft.
Tröpfcheninfektion, Schutzmaske, Im¬
munisierung.
Nürnberger Gesamtmaterial; I.B. nur
ganz vereinzelt, pos.
□ igitized by
Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
260
Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza.
Digitized by
Nr.
150
151
152
153
154
155
156
157
158
159
160
161
162
163
164
165
166
167
168
169
170
171
172
173
174
175
176
177
178
Zeit
Autor und Ort
Befund
Febr.
20 .*
23.
März
27.
28.
3.
9.
14.
April
25.
Mai
8 .*
8 .*
12 .*
Juni
12 .
16.
Juli
22 .
27.
Aug.
5*.
1920
Jan.
27.*
Febr.
1 .
14.
20 .*
März
7.
11 .*
20 .*
April
8 .*
24.
Juni
7.*
Juli
10 .*
15.
Aug.
26.
Wegelin, Bern
Adler und Kaznelson,
Prag
Kronberger, Davos
Olsen, Hamburg
Pöpelmann, Coesfeld
Deussing, Hamburg
Nürnberger, München
, 7 von 33 Lungenschnitten pos.
1 14 von 54 Sektionen pos., 20 Sputa pos.,
viele andere neg.
Kleinste Körperchen im Blut (inikr.).
166 von 220 Lungen killt, pos. Gegen
filtrierbares Virus. Nährboden!
Wie Nr. 152.
I.B. Sekundärerreger.
l.B. nicht als gefunden erwähnt.
K. Mayer, Konstantinopel, 35 Hachen, 64 Sputa neg.
Stich, Göttingen ^ 50 Empyeme l.B. neg.
v. Hippel, Göttingen Ätiologie ungeklärt.
Prym, Bugarmee Nebenhöhle zuweilen pos.
Fejes, Budapest
Schemensky, Livland
Hildebrandt, Flandern
Gröger, Teschen
: l.B. selten im Sputum; Kultur kleinster
I Körperchen aus filtriertem Sputum. Po¬
sitive Affenimpfung mit Filtrat.
Gelegentlich l.B. pos., ab Mitte Sept.
häufiger.
Anscheinend häufig l.B. pos.
I.B. immer pos.
Wandel und Heinhardt, I.B. pos.
Leipzig
Reinhardt, Leipzig I.B. pos.
Coronini und Priesel,
Wien
Edelmann, Wien
Gödel, Steiermark
Pestähnliche Bazillen.
Sputa und Sektionen u. a. auch l.B.
pos., Kritik.
Gegen l.B.
Arneth, Münster
Stahr, Danzig
Jaksch-Warten höret,
Prag
Kirschner, Wien
Raffelt, Wien
Gegen Endotoxintheorie.
Fast alle Sektionen I.B. pos.
1918: Sputa neg. Sektionen 35,7% pos.;
1918 keine, 1919 viel Hausinfektionen.
Tröpfcheninfektion! I.B. nicht alleini¬
ger Erreger.
1918 42% der Sektionen pos., neuestens
alle neg.
Übersicht.
Seligmann und Wolff,
Berlin
Klieneberger, Zittau
Löwenhardt, Breslau
Neufeld, Berlin
I.B. gefunden bei Tbc. 19,3%, bei Grippe
31,9%, Masern 38,6%, Keuchhusten
45,5%, Gesunde neg. Serolog. Gruppie¬
rung nicht möglich.
Gegen l.B.
Statistik der pos. I.B.-Nachweise. I.B.
sehr häufig pos.
Schwierigkeiten des Nachweises; häufiges
Vorkommen der I.B.; I.B. wahrschein¬
lich Erreger. Gegen filtrierbares Virus.
Gck igle
Original ffom
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. Carl v. Angerer.
261
Nr.
Zeit
Autor und Ort
' Befund
Aug.
179
27.
Sept.
Hildebrandt, Freiburg
I.B.-Träger; chronische Grippe.
180
9.
Messersehinidl, Hannover
i 14 von 98 Tbc. I.B. pos.; Bronchitiker
neg. Nährbodenl
Okt.
181
7.
Schiffer und Spengler,
Wien
Sophienspital, Wien; in keinem Sputum
I.B. nachweisbar.
182
21.
Reiche, Hamburg
Wenig Hausinfektionen; Blut, Pleura,
Meningen I.B. neg.
183
21.
P. Schmidt, Halle
Filtrationsversuche.
118, 126, 128, 162), daß sie die Zunahme der positiven Befunde mit der
Zeit beobachtet haben. Löwenfeld (109) berichtet übrigens von einem
Nachlassen der Befunde zwischen Juli und Oktober; Olsen (153) be¬
obachtete keine Schwankung; Kirschner (173) hatte nach viel positiven
Resultaten im Jahre 1918 in neuester Zeit bei Grippe wieder negative
Ergebnisse; auch Löwenhardt (177) berichtet von einer Abnahme der
Bazillenbefunde nach Epidemieende. Eine Deutung dieser zeitlichen
Verteilung soll nicht versucht werden. Auffällig ist, daß die Tabelle mit
einer längeren Reihe negativer Meldungen beginnt.
Die Angaben über die Reichlichkeit des Bazillenvorkommens während
der Epidemie schwanken sehr. Manche Autoren finden mühelos massen¬
hafte I.B. im Ausstrichpräparat, andere haben erfolglos den ganzen
Bronchialbaum und Hunderte von Sputis abgesucht, und zwar sowohl
mikroskopisch als kulturell. Zur Erklärung dieser auffälligen Tatsache
werden verschiedene Gründe angeführt, welche das Fehlen von I.B. Vor¬
täuschen können sollen. Als solche werden genannt: 1. das Krankheits¬
stadium; nach Oeller können an späteren Krankheitstagen die I.B.
vermißt werden; Olsen (153) findet besonders die frischen Fälle geeignet,
doch lassen sich nach seiner Angabe I.B. auch späterhin in der Leiche
nachweisen. Dietrich (42) findet sie auf der Höhe der Erkrankung
in den Alveolen, Fromme (115) hält den geeigneten Zeitpunkt im Krank¬
heitsstadium für erforderlich. Vielfach wird die Vermutung geäußert,
daß die I.B. in den späteren Krankheitsstadien durch Sekundärerreger
verdrängt werden. Andererseits aber haben verschiedene Autoren mit
negativen Befunden (142, 125, 184) teils ganz frische, teils verschieden
alte Fälle untersucht; es kann somit nicht am Alter der Erkrankung
liegen, wenn bei diesen Autoren der Bazillennachweis negativ wurde.
Im übrigen sind mehrfach Bazillen auch lang nach Ablauf der Erkrankung
gefunden worden, z. B. von Leichtentritt (117), (vgl. auch Hildebrandt
(179). — 2. Perakute Fälle können nach Pfeiffer (85) negativ sein (ähn¬
lich Hübschmann (26); indessen haben die Autoren mit negativen
Befunden gewiß nicht ausschließlich perakute Fälle untersucht. — 3. Sek¬
tionsmaterial soll ungeeignet zur Untersuchung sein (Hübschmann (26)
gegen Mandelbaum und Oberndorfer), auch v. Wießner (67) fand
in Sputis häufiger I.B. als in Leichen; aber ein Blick auf die Tabelle zeigt,
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Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Digitized by
262 Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza.
wie außerordentlich häufig in Sektionsmaterial I.B. nachgewiesen werden
konnte (Zahlen bei Prein [186]). Gegen die Bakteriolyse haben Arneth
(170) und Prein (186) sich gewendet. — 4. Die Frische der Sputa ist wohl
eher ein wesentliches Erfordernis. Hübsch mann (26) betont die Wichtig¬
keit der Untersuchung in frischem Zustand, Fromme (115) beobachtet,
daß mit I.B. versetztes Sputum nach 28stündigem Stehen den kulturellen
Nachweis der I.B. nicht mehr gestattete, infolge Überwucherung anderer
Bakterien (S. 1918 oben), anscheinend gelang schon nach 4 Stunden der
Nachweis nicht mehr (S. 1917 unten); auch die von Grätz (184, S. 438)
mitgeteilte Beobachtung spricht im Sinne eines raschen Absterbens der
I.B. im Sputum 1 ). Leider ist von diesen Autoren nicht angegeben, ob die
I.B. sich aufgelöst haben, d. h. auch mikroskopisch nicht mehr nachweis¬
bar waren. Zeißler (133) dagegen erhielt mit Sputumproben, die bis
zu 3 Tagen unterwegs gewesen waren, noch 44% kulturell positive Befunde.
Andererseits betonen die Autoren mit negativen Befunden mit Nachdruck,
daß sie ihr Material in ganz frischem Zustand, unter günstigsten Bedin¬
gungen, untersucht haben. — 5. Die Lokalisation der I.B. in den höheren
oder tieferen Luftwegen wird von Mahlo (126) und Fromme (115) be¬
sprochen, Ghon (59) gibt an, daß man umso häufiger I.B. findet, je ein¬
gehender man untersucht; aber sowohl Mandelbaum (5) wie Grätz
(184, 88) geben an, ihr Material auf das sorgfältigste abgesucht zu haben,
und Friedberger (1) entnahm mittels Bronchoskop Untersuchungs¬
material beim Lebenden aus der Tiefe — sämtlich mit negativem Ergeb¬
nis. — Auf die mangelnde Übereinstimmung in den Vorschlägen, welche
Arten von Sputum (eitrig, schleimig) am geeignetsten seien, hat Prein
(186) hingewiesen.
Es ergibt sich somit, daß die hier angeführten Punkte wohl gelegent¬
lich ein negatives Resultat Vortäuschen mögen, daß sie aber nicht daran
schuld sein können, wenn manche Autoren überhaupt keine oder nur
vereinzelte I.B. fanden.
Vielfach erörtert ist die Frage, wie weit die Beschaffenheit des Nähr¬
bodens zu Fehlresultaten geführt hat; Olsen (153) erhebt die Forderung,
daß die Nährboden durch Beimpfen mit sicheren I.B.-Stämmen kontrol¬
liert werden müssen. Diese Forderung wurde von Friedberger (142, bac.
hämoglobinophilus canis), Schottmüller (125) 2 ) und Prein (186) er¬
füllt, aber auch auf ihren, sicher für das Wachstum der I.B. geeigneten
Nährböden konnten I.B. nicht häufiger nachgewiesen werden. Schott¬
müller (125) beobachtete, daß bei Patienten, in deren Sputum einmal
I.B. gefunden worden waren, auch bei den folgenden Untersuchungen
I.B. wuchsen; der Nährboden war also geeignet; aber die Mehrzahl der
anderen Untersuchungen blieb negativ. Hier mag die Tatsache erwähnt
werden, daß Pribram (77) von 4 Krankenhäusern Material erhielt, in
dem zuweilen mikroskopisch verdächtige Stäbchen sich fanden; aber die
1) Vgl. hiezu die von Scheller u. Kolle-Wassermann, Bd. V, S. 1274
mitgeteilten Versuche von Ricciardi (IB blieben in Sputum bei hoher Zimmer¬
temperatur 6 bis 8 Tage, bei 37° 3 bis 5 Tage am Leben).
2) Uber die Brauchbarkeit des ungekochten Blutagars siehe Messer¬
schmidt (185).
Gck igle
Original ffom
THE OHIO STATE UNIVER
Von Dr. Carl v. Angcrer.
263
Kulturen gelangen nur mit Material aus einem bestimmten Krankenhaus.
Alles in allem wird man wohl Grätz recht geben müssen, wenn er sagt,
Voraussetzung für die erfolgreiche Züchtung sei eben, daß die I.B. auch
wirklich im Untersuchungsmaterial vorhanden seien.
Wenn die Kultur mißlingt, so müßte immerhin der mikroskopische
Nachweis möglich sein; es ist daher nötig, zu vergleichen, ob kulturell
und mikroskopisch ungefähr übereinstimmende Befunde erhoben wurden.
Leider liegen wenig Zahlen vor. Uhlenhuth (34) findet von 51 Proben
mikroskopisch verdächtig 17, kulturell positiv 13. Leichtentritt (117)
von 217 Sputis 94 mikroskopisch, 112 kulturell positiv (also etwa 84%
der kulturell positiven auch mikroskopisch positiv); Grätz (184) erhält
mit beiden Methoden etwa gleiche Werte; auch die Differenzen beider
Verfahren bei Messerschmidt (185) sind nicht so sehr groß. Fried¬
berger (1) und Löwenfeld (102) scheinen kulturell etwas bessere Resul¬
tate erhalten zu haben; entgegengesetzt Pribram (77), Trawinski und
Cori (99), Sobernheim (143). Man muß sich klar machen, daß es sich
nicht darum handelt, zu konstatieren, ob der kulturelle oder mikrosko¬
pische Nachweis um einige wenige Prozente besser ist, sondern darum,
ob der eine dem anderen so bedeutend überlegen ist, daß er das ganze
Bild verändern kann. Das ist offenbar nicht der Fall, und damit fallen
die Einwände, die sich mit der Eignung des Nährbodens beschäftigen.
Olsen (123) findet bei 76% der Fälle I.B., wieviel Prozent davon mikro¬
skopisch positiv, ist nicht angegeben. Wendet man das von Leichten¬
tritt (117) gefundene Verhältnis des mikroskopischen Nachweises zum
kulturellen (84%) auf die Beobachtungen von Olsen an — dazu ist man
wohl berechtigt, denn die Breslauer Beobachtungen sind gewiß als ma߬
gebend zu betrachten, und bei einer klinisch so einheitlichen Krankheit
muß auch einheitliches Verhalten des wirklichen Erregers angenommen
werden — so wären rund 60% aller Fälle auch mikroskopisch positiv
gewesen. Grätz (111), gleichfalls in Hamburg, erhielt nur verschwin¬
dend wenig positive Resultate. Hätte sein Material ebenso reichlich I.B.
enthalten wie das von Olsen, und wäre nur sein Nährboden ungeeignet
gewesen, so müßte sein Ergebnis lauten: „mikroskopisch in mehr als der
Hälfte verdächtige Stäbchen, in der Kultur kein Wachstum“. In Wirk¬
lichkeit aber stimmten mikroskopischer und kultureller Befund annähernd
überein. —- Auch die Hustenplatte scheint keine wesentlichen Veränderun¬
gen des Resultats zu ergeben; Löwenfeld (102) fand im Juli bei gewöhn¬
licher Technik 5 von 38 Sputumproben positiv, bei Hustenplatten 2 von 19
(also 13 bzw. 10,6%), im Oktober bei gewöhnlicher Technik 15 von 47 Spu¬
tumproben, bei Hustenplatten 8 von 20 positiv (also 32 bzw. 40%); der
Unterschied ist nicht der Rede wert.
Gelegentlich findet sich die Vermutung, der Nachweis der I.B. sei
deshalb so häufig mißlungen, weil er den jüngeren Bakteriologen nicht
genügend vertraut sei (34). Statt der Erörterung, wem man die Befähi¬
gung, I.B. zu diagnostizieren, zuerkennen soll, darf darauf verwiesen werden,
daß einige eben der Autoren, die 1918 negative Befunde meldeten, ent¬
weder früher I.B. gezüchtet (Mandelbaum, Kruse, Friedberger,
Pal tauf [107]), oder gegen das Ende dieser Epidemie diese gefunden
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Kritisch «. 1 Untersuchung über Ätiologie der Influenza.
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haben (Friedberger, Kruse, Vagedes, Mahlo), oder durch den ge¬
legentlichen, wenn auch nur spärlichen Bazillennachweis den Beweis
erbracht haben, daß ihre Technik geeignet war.
Andererseits muß die Frage aufgeworfen werden, ob unter den zahl¬
reichen positiven Befunden nicht auch manche von Pseudo-I.B. enthalten
sind. Dergleichen berichten Rimpau (7), Uhlenhuth (34), Alexander
(64) (in 60 von Hundert ein mikrosk. I.B.-ähnliches, aber bewegliches
und nicht hämoglobinophiles Stäbchen), E. Fränkel (116) (bei der ersten
Welle ein mikroskopisches I.B.-ähnliches, aber nicht hämoglobinophiles
Stäbchen), Neufeld und Papamarku (120), Lorey (134).
Sehr auffällige Widersprüche finden sich in den Angaben über den
mikroskopischen Nachweis der I.B. Die Breslauer Schule und manche
andere Autoren berichten über ungeheure Mengen von I.B., die zuweilen
in Reinkultur vorhanden sind; Leichtentritt (117) beispielsweise findet
94 von 217 Sputis mikroskopisch positiv, also rund 43%; es müßte nach
solchen Befunden sehr oft möglich sein, mit dem Mikroskop allein die
Diagnose zu stellen, wenn man auf die Abgrenzung der Pseudo-I.B. vor¬
erst verzichtet. Andere Autoren dagegen haben I.B. mikroskopisch nicht
oder nur ganz selten nachweisen können. Sollen wir annehmen, daß auch
bei ihnen die I.B. in rund 43%, und zwar häufig in ungeheuren Mengen,
zuweilen in Reinkultur vorhanden gewesen, und lediglich übersehen
worden sind ?
Übersichten über die Einwendungen, welche sonst noch gegen die
Bedeutung der I.B. erhoben werden können, siehe bei den Münchner
Autoren (3 bis 9), bei Kruse (27), Grätz (111), Schottmüller (125),
Friedberger (142), ferner Grätz (184), Prein (186), Prell (187). Er¬
widerungen der Pfeifferschen Schule siehe Pfeiffer (85), Leichtentritt
(117), Bossert und Leichtentritt (144), Löwenhardt (177). Das
Hauptargument der Autoren, welche für die Ätiologie des I.B. eintreten,
besteht darin, daß sie den I.B. häufig bis regelmäßig fanden. Angesichts
der unleugbaren Tatsache, daß. viele Andere ihn nicht gefunden haben,
ohne daß man technische Fehler anschuldigen könnte, ist dieser Grund
nicht beweiskräftig.
Die Übersicht über das bisher Gesagte ergibt, daß manche Autoren
den I.B. mühelos in großen Mengen fanden, andere dagegen trotz günstig¬
ster Bedingungen und trotz Wahrung aller Kautelen ihn nicht nachweisen
konnten, so daß die Annahme sich aufdrängt, er sei bei diesen letzteren
tatsächlich nicht vorhanden gewesen. Diese Gegenüberstellung berechtigt
dazu, eine Vermutung, die ich am 6. November 1918 (68, Berichte des
Münchner ärztlichen Vereins 1918, S. 73) aussprach, an dem nunmehr
vorliegenden Material zu prüfen. Ich äußerte damals die Ansicht, daß
der I.B., der ja gewiß mit der Influenza in irgendwelchem, wenn auch nicht
ätiologischem Zusammenhang steht, bei der vorigen Pandemie über ganz
Deutschland verbreitet worden sei, und daß von dieser Überflutung her
noch einzelne Gegenden zurückgeblieben seien, in denen der I.B. auch in
normalen Zeiten vielfach häufig zu finden gewesen wäre; die Epidemie,
anläßlich derer überall nach I.B. gesucht wurde, hätte dann diese Gegenden
als I.B.-positiv zur Kenntnis gebracht, örtliche Abgrenzungen des
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Von Dr. Carl v. Angerer.
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Bazillenvorkommens scheinen nicht unmöglich zu sein; ich wies damals
auf örtlich verschiedene Häufigkeit der Paratyphus A- und B-Stämme hin.
Die inzwischen erfolgten Veröffentlichungen bis einschließlich Sep¬
tember lautert positiv aus Breslau (12), Straßburg (15, 34, 35), Hamburg
(38), Marburg (44), Koblenz (55), Heidelberg (18); auch Teschen (164);
vereinzelt positive Befunde melden Leipzig (26), Halle (33, 21), Metz (45),
Dresden (46), Berlin (19, 109, 23), auch Greifswald (1, 24). Negativ sind
München (3 bis 9), Berlin (14, 20), Stettin (43), Frankfurt (23, 50, 51, 58),
Bonn (47), Königsberg (48), Ingoldstadt (52), wohl auch Nürnberg (149)
und Tübingen (112).
Zeichnet man mit diesen Angaben eine Karte, so bemerkt man zwei
getrennte Herde stark positiver Befunde; der eine westlich umfaßt den
Bezirk Straßburg—Heidelberg—Koblenz—Marburg, der östliche den
Bezirk Breslau—Teschen. Der westliche enthält auch Orte geringerer
Häufigkeit, nämlich Metz, Mainz, Gießen. Beide Herde hängen durch eine
Zone geringerer Häufigkeit — Dresden, Leipzig, Halle — zusammen.
Nur Hamburg (das mit Rücksicht auf die bald folgenden negativen Be¬
funde [57, 111] als schwach positiv bezeichnet wurde) steht isoliert, eine
Stadt, bei der Einschleppung leicht annehmbar ist. Auch Berlin wird
den ursprünglich negativen Städten (vgl. 66) zuzuzählen sein; eine Stadt
mit solchem Verkehr wird auf die Dauer nicht freibleiben können. Nega¬
tiv ist Frankfurt, das Gebiet von Bayern und Schwaben, sowie der Nord¬
osten Deutschlands. Im übrigen ist es wohl berechtigt, in dieser Karte
auch die Orte, welche späterhin negative Befunde melden, einzutragen;
denn bisher ist (nur mit zwei Ausnahmen [109 und 173]) nicht gemeldet,
daß ein anfangs positiver Ort später negativ geworden sei, sondern nur
das Gegenteil. Im Oktober erhält der östliche Herd eine Erweiterung durch
die Meldung aus Prag (59), dem sich übrigens 14 Tage später Troppau (89),
mit einem sehr hohen Prozentsatz positiver Befunde anschließt, zugleich
kommen aus Wien (55, 67) entschiedene Positivberichte. Im westlichen
Herd erscheint Germersheim (60) und, wie zuvor, schwach positiv, Gießen
(61); Berlin bringt in diesem Monat seine ersten deutlich positiven Befunde
(66, 73, 74, 75), auch Bern (143). In der folgenden Zeit werden ähnlich
Wien und Berlin, noch andere Orte positiv, z. B. Greifswald (127),
Leipzig (118), und es bleiben schließlich nur fast die Orte als negativ
übrig, von denen keine späteren Berichte vorliegen.
In den I.B.-positiven Orten finden sich I.B. auch bei Grippekranken
zuweilen häufig, in Breslau z. B. in höherem Prozentsarz als anderorts
bei Grippekranken (siehe S. 267).
Diese Karte darf nur mit Kritik gedeutet werden. Die Orte, von
denen Befunde vorliegen, sind unregelmäßig und teilweise (Nordosten)
sehr dünn verstreut; die häufig fehlenden Angaben über die Zahl der Unter¬
suchungen, insbesondere die der positiven, bewirken eine gewisse Unsicher¬
heit. Besonders schwierig ist die Beurteilung der Orte mit vereinzeltem
Bazillenbefund; es kann sein, daß hier noch von der vorigen Pandemie
her Bazillen vorhanden waren* es ist aber auch möglich, daß sie eben
im Begriff waren, eingeschleppt zu werden, umsomehr, als sie ja unzweifel¬
haft auch bei Nichtgrippekranken Vorkommen können (vgl. 66, 85, 117,
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266
Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza.
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175). Betreffs der Orte mit negativen Befunden andererseits ist anzu¬
nehmen, daß negative Untersuchungen, zumal bei Epidemiebeginn, nicht
veröffentlicht worden sind. Die Annahme der beiden Herde häufigen
Bazillenvorkommens bedarf daher eines größeren Zahlenmaterials.
uKief
O Greifewafd
O Mamburg DStefi/h
ü.
Königsberg
OBer/in
ußonn % Marburg
^ O Giessen
Kobfenz ^frankfVrf
9 Mainz
Ma/fe
O QLeipzig
O
%Prag
O Mefz
a»eide/bery aMürnöer ^
iGermer&Jreim
%Str*ssturff □ JrrfOtsW
□Tübingen
□ München
OBase/
□ Zürich
Qßern
%Bresiau
Jroppau
% feschen
• stark positiv, o schwach positiv. □ negativ.
Es wäre zur Klarstellung dieser wichtigen Frage in hohem Maße
dankenswert, wenn diejenigen Autoren, welche über nichtpubliziertes,
wissenschaftlich verwertbares Material verfügen (oder auch die, welche
mit meiner obigen Bewertung ihrer Befunde nicht einverstanden sind) ihre
Befunde mir einsenden wollten, womöglich unter Angabe von Zeit und
Prozentsatz, zwecks ev. späterer Richtigstellung; wichtig wären ferner
Angaben über dauerndes Freibleiben von Ortschaften.
Auf alle Fälle wird man zugeben müssen, daß die Reichlichkeit, mit
der die I.B. aufgetreten sind, in einem Maße veränderlich ist, das bei
anderen Infektionskrankheiten nicht vorkommt; daß soviele Autoren die
ungeheuren Bazillenmengen, welche die Pfeiffersche Schule beschreibt,
übersehen haben sollten, ist einfach nicht möglich.
Neben dieser geographischen Verteilung kommt anscheinend noch
eine räumliche Verteilung im kleineren Maßstab vor. G. B. Grub er
und Schädel (41) berichten von ihren Untersuchungen, die im übrigen
nicht für die Ätiologie des I.B. sprechen, daß sie von einer Krankenstube
5 Sputa erhielten, in denen sich I.B. in Reinkultur befanden. Ähnlich
sind möglicherweise die Gegensätze der Bazillenbefunde in Hamburg
(mitgeteilt in den Sitzungen des örtlichen Vereins Hamburg vom 26. No¬
vember, 10. Dezember 1918, 7. und 21. Januar 1919) zu deuten. Wir
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Von Dr. Carl v. Angercr.
267
kennen ein scheinbares Befallensein von Häusern bei Infektionskrank¬
heiten, die durch Bazillenträger, die in dem Hause wohnen, verbreitet
werden. Nichts steht im Wege, anzunehmen, daß in den betreffenden
Häusern sich LB.-Träger befanden, welche die Patienten mit I.B., nicht
mit Influenza, infizierten, und für die weitere Verbreitung der Bazillen
sorgt dann der Husten der Grippekranken. Ähnliche Anschauungen finden
sich bei Grätz (MMW. 18, S. 11, Berl. kl. W. 19, S. 46) und bei Prell
[187] „Zweigepidemien“). Die Anerkennung des lokalen Vorkommens
der I.B. im Gegensatz zur pandemischen Verbreitung der Grippe schließt
die ätiologische Bedeutung der Pfeifferbazillen aus.
Von örtlich gehäuftem, besonders schwerem Auftreten der Grippe,
das durch Leerstehenlassen und Reinigung des befallenen Zimmers be¬
kämpft wurde, berichten E. Schwarz (76), E. Frey (93), Rosenbaum
(147), Raffelt (174), vgl. auch Embden (136). Bakteriologische Befunde
dieser „Sterbenester“, „Grippezimmer- und -Häuser“ sind nicht ange¬
geben.
Über Krankenhausinfektionen berichten Reiche (182), der im Kran¬
kenhaus Barmbeck wenig Infektionen bei Kranken, viel bei Ärzten und
Pflegern beobachtete. I.B. werden nicht als gefunden erwähnt; mit
Rücksicht auf die sonstigen Publikationen dieses Krankenhauses darf
wohl die Abwesenheit der I.B. angenommen werden. Jaksch-Warten-
horst (172) beobachtete 1918 keine Hausinfektionen, negativen Bazillen¬
befund im klinischen, positiven im Sektionsmaterial; 1919 dagegen viel
Hausinfektionen, der bakt. Befund ist nicht erwähnt. Elias (96) berichtet
von wenigen Infektionen bei Schwestern.
Überblicken wir das bisher Gesagte, so finden wir, daß zwar viele
Autoren den I.B. in einem hohen Prozentsatz der Erkrankungen, kulturell
und schon im einfachen Ausstrich, nachweisen konnten, selbst unter
ungünstigen Bedingungen, daß aber wieder andere Untersucher, darunter
Namen von unzweifelhafter Autorität und mit persönlichen Erfahrungen,
hinsichtlich des I.B., unter günstigsten Bedingungen bei kontrollierten
Nährböden trotz aller Sorgfalt nicht finden konnten; die gegen die nega¬
tiven Befunde erhobenen Einwände erweisen sich als nicht stichhaltig.
Somit müssen wir schließen, daß es Grippe ohne I.B. geben kann, daß also
die 1. Kochsche Forderung für den I.B. nicht erfüllt ist.
Wie verhält es sich mit der zweiten Kochschen Forderung? Kontroll-
untersuchungen an Gesunden und Nichtgrippekranken liegen, im Ver¬
gleich zu den sonstigen Untersuchungen, nur vereinzelt vor. Uhlenhuth
(34) fand in 100 normalen Rachenabstrichen keine I.B.; ebenso Messer-
schmidt (Straßburg) im Jahr 1918. In Berlin fanden sich seit 1912 nach
Neufeld und Papamarku (66) bis zur Epidemie keine I.B.; während
der Epidemie jedoch auch bei Tuberkulösen; dieselben Autoren fanden
(120) bei 2 von 25 Rachenabstrichen nicht manifest Kranker I.B.; in seiner
neuesten Publikation erwähnt Neufeld (178) die Befunde Lewinthals
(I.B. gefunden bei Keuchhusten in 29%, bei Masern in 47%). Leipzig
meldet ursprünglich negative (79), dann positive (141) Kontrollunter-
suchungen; Breslau (117, 177) berichtet über Prozentsätze positiver
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268 Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza.
Kontrollen, die höher sind als die von anderen Autoren bei Kranken
gefundenen. Frünkel (Heidelberg [116]) und Messerschmidt (Han¬
nover [180]) melden gleichfalls positive Befunde, der letzte Autor fand
bei 14 von 98 Tuberkulösen I.B., dagegen bei keinem von 34 Bronchi-
tikern. Die jüngste Publikation auf diesem Gebiet dürfte wohl die von
E. Seligmann und S. Wolf (175) sein. Diese Autoren fanden I.B.
bei Influenzakranken in 31,9%, bei Tuberkulösen in 19,3%, bei Masern
in 38,6%, bei Keuchhusten in 45,5%; sie betonen mit Recht, daß es also
massenhaft I.B. bei hustenden Kranken gibt, ohne Verbreitung der In¬
fluenza, man kann ergänzend hinzusetzen, daß es mindestens zu Epidemie¬
beginn massenhafte Übertragung von Influenza ohne, oder fast ohne I.B.
gegeben hat, was späterhin zu erörtern sein wird. — Berichte über posi¬
tive Befunde bei Nichtgrippekranken aus Städten, in denen bei Kranken
I.B. nicht gefunden wurden, liegen nicht vor. Soweit diese spärlichen
Befunde einen Schluß zulassen, findet sich der I.B. an den Orten, welche
hohe positive Prozentsätze bei Kranken melden, auch bei Kontrollen
häufig (Breslau), was mit der Vermutung einer örtlichen Verbreitung
übereinstimmt. Die Zunahme der positiven Befunde bei Kranken mit dei'
Z^it scheint sich bei den Kontrollen zu wiederholen (Leipzig). Literatur
über das Vorkommen von I.B. bei Kontrollen siehe 142, vgl. auch Scheller
in Kolle-Wassermann II. Auf]., Bd. 5, S. 1261. Manche Autoren, z. B.
Neufeld (120) nehmen eine weitgehende Verbreitung der I.B. (Neisser
hält ihn für ubiquitär, cit. nach Friedberger [142]) und zur Erklärung
der Pandemie eine Virulenzzunahme an.
Zusammenfassend wird von diesen Befunden zu sagen sein, daß die
überwiegende Mehrzahl der Kontrolluntersuchungen positive Ergebnisse
hatte. Der Prozentsatz der positiven Befunde ist zuweilen höher als bei
Grippekranken an gleichen oder an anderen Orten. Man wird somit auch
die zweite Kochsche Forderung nicht als erfüllt bezeichnen können.
Hinsichtlich der dritten Koch sehen Forderung besteht die Schwierig¬
keit, daß es anscheinend — und merkwürdigerweise — ein geeignetes
Versuchstier nicht gibt. Pfeiffer erhielt beim Affen durch intrapulmonale
Injektion Krankheitsbilder, die „eine gewisse, nur geringe Analogie mit
leichter Influenza“ aufwiesen (Scheller in Kolle-Wassermann
Bd. V, S. 1274). Häufig findet sich der Hinweis auf die Beobachtung von
Kretz, der beim Arbeiten mit Influenza eine Kultur zerbrach und danach
an Influenza erkrankte (nach Leichtentritt [117] berichtet in W. kl. W.
1897). Das ist ein Fall mit anscheinend positivem Ergebnis; wer kann
wissen, welches Ergebnis eine Serie von Menschenversuchen ergeben
hätte ? Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß man aus den positiven
Seit er sehen Filtratinhalationen (48) keine Schlüsse ziehen dürfe, weil
ihre Zahl zu klein sei (142); ebenso muß man die Beobachtung von Kretz
beurteilen (vgl. auch die Kritik der Laboratoriumsinfektion bei Messer-
schmidt [188]). Affen standen während der Epidemie nicht zur Verfü¬
gung; nur in Straßburg wurde ein Affe durch Tröpfcheninfektion (34)
mit Sputum und Reinkultur (188) geimpft; ohne Erfolg. Eine Erhöhung
der Virulenz, die u. a. Neufeld annimmt, ist mindestens nicht nach¬
weisbar.
Google
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Von Dr. Carl v. Angerer. 269
Gegenüber diesen beiden Versuchen besteht eine übergroße Anzahl
von Beobachtungen über etwas, das als unfreiwillige Menschenimpfung
mit Grippematerial bezeichnet werden kann; ich meine den natürlichen
Infektionsmodus, ein Problem, das zuerst wohl bei Gr ätz auftaucht
und das ich auf Grund experimenteller und theoretischer Studien über die
Entstehung keimhaltiger Tröpfchen weiter ausführen kann. — Ist der
I.B. der Erreger, so kommt nur die Tröpfcheninfektion, nicht aber Über¬
tragung etwa durch Stuhl oder Wasser, oder Ungeziefer in Betracht;
auch für ein anderes noch unbekanntes Virus besteht vorerst kein Nach¬
weis einer anderen Übertragung als durch Tröpfchen. Fast alle Autoren,
die die Ansteckungsfrage erörtern, nehmen Tröpfcheninfektion an (vgl.
auch DMW. 20, S. 326), nur wenige erwägen auch andere Möglichkeiten
(z. B. Frohmann [91]; Elias [96]; Müller DMW. 20, S. 326; vgl. auch
67, 68). Häufig wird die Kontagiosität als sehr groß (vgl. 104) bezeichnet
(dagegen Ganter [25], Neufeld [178]). Dieudonne (10) teilt eine Be¬
obachtung über Infektionen in grippefreier Gegend mit, welche sich beim
Ausladen eines Lazarettzuges ereigneten. Bedenkt man, daß das Aus¬
laden doch wohl teils im Freien, teils in Räumen, die durch das Öffnen
der Türe gut ventiliert waren, mit relativ kurzer Berührung mit den
Kranken erfolgt sein wird, so muß man eine ungewöhnlich starke Ver-
streuung des Erregers in kleinsten Tröpfchen annehmen.
Verbreitet sich eine Krankheit mit großer Ansteckungskraft durch
Tröpfchen, so ist stets der Erreger im Sputum massenhaft vorhanden.
Man muß sich klar machen, wie ungeheuer klein die Sputummenge ist,
die den Körper in Form flugfähiger Tröpfchen verläßt, und wie ungeheuer
klein wiederum der Bruchteil des versprühten Sputums ist, der unter
natürlichen Bedingungen eingeatmet wird, und daß von diesem Bruchteil
wiederum nur ein Teil bis in empfängliche Regionen vordringt. Infolge¬
dessen besteht eine Beziehung zwischen Keimgehalt und Ansteckungs¬
kraft. Das ist der Fall bei Lungenpest, wo die Kontagiosität dem massen¬
haften Bazillenvorkommen entspricht; es ist ferner der Fall bei Tuber¬
kulose, wo die Flügge sehe Schule mit Recht die Notwendigkeit eines
reichlichen Bazillengehaltes für die Infektiosität betont; es würde der
Fall sein bei denjenigen Grippesputis, deren I.B.-Gehalt den klassischen
Schilderungen Pfeiffers entspricht; unmöglich aber können Massen¬
infektionen durch Tröpfchen bewirkt werden mit Sputum, das den Erreger
nicht, oder ganz vereinzelt enthält. Es sei daran erinnert, daß gelegentlich
Typhusbazillen in Mundhöhle und Sputum gefunden worden sind (Zahlen¬
angaben siehe Kolle-Hetsch S. 325; neuerdings E. Pulay, MMW. 18,
S. 1456), aber die Tröpfcheninfektion mit Sputum ist bei Typhus kein
epidemiologischer Faktor, eben weil der Erreger zu selten und zu spärlich
im Sputum vorkommt.
Die zahlenmäßige Überlegung ergibt das Gleiche. Ich habe vor kurzem
rechnerische und experimentelle Versuche darüber veröffentlicht, wie die
scheinbare Flugfähigkeit der Mikroorganismen sich mit der Keimdichte
der versprühten Aufschwemmung ändert (Arch. f. Hyg. 89, 262). Die
physikalischen Gesetze ergeben, daß die Flugfähigkeit mit dem Quadrat
des Tröpfchendurchmessers abnimmt (während der Inhalt natürlich
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Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza.
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mit der dritten Potenz des Radius wächst). Bei drei Tröpfchen, deren
Durchmesser sich wie 1:2:3 verhalten, werden sich also die Flugfähig¬
keiten wie 9:4:1 oder wie 1:0,25:0,11 verhalten, dagegen die Volumina
und infolgedessen auch die Wahrscheinlichkeit, mit der sie Bazillen ent¬
halten, wie 1:8:27. Wird eine sehr keimreiche Aufschwemmung ver¬
sprüht, so entfallen Keime auch auf die kleinsten flugfähigen Tröpfchen;
bei abnehmender Keimdichte enthalten schließlich fast nur die größeren,
rasch zu Boden fallenden Tropfen Bazillen, während die kleinsten, flug¬
fähigen größtenteils leer ausgehen. Die Aufschwemmungen, mit denen
man Flugfähigkeitsversuche zu machen pflegt, sind zumeist stark kon¬
zentriert, sie enthalten mindestens Hunderte und Tausende von Millionen
von Keimen pro ccm, meistens wohl noch viel mehr; das Ausstrichprä¬
parat einer solchen Suspension zeigt in jedem Gesichtsfeld Unmengen
von Bazillen; es ist falsch, die Resultate, welche die Versprühung solchen
Materials ergibt, unkorrigiert auf die Tröpfcheninfektion durch keimarme
Sekrete zu übertragen. Suspensionen größerer Organismen (Hefen, My-
coides) sind naturgemäß bei Verreibung gleicher Volumina keimärmer als
die von kleinsten Organismen (Prodigiosus), und schon dieser Umstand
täuscht eine Verringerung der Flugfähigkeit vor — und wie würde die
„Flugfähigkeit“ sich gestalten bei Versprühung einer Suspension, die
so keimarm ist, daß die Bazillen mikroskopisch garnicht nachweisbar
sind, nämlich von Grippesputum ?
Es ist zu betonen, daß diese Überlegung uns unabhängig macht von
der Entscheidung, ob z. B. bei der Münchner Epidemie wirklich gar keine
I.B. zugegen waren, oder nur unauffindbar wenig. Ein außerordentlich
keimarmes Sekret muß für gewöhnlich für Tröpfcheninfektion ungefähr¬
lich sein, außer man läßt sich während der Einatmung in den geöffneten
Mund husten.
Dieser Gedankengang darf nicht damit verwechselt werden, daß der
Tierkörper manche Bakterienarten schärfer nachweist als Mikroskop und
Kultur. Niemand wird auf die Idee kommen, wenn es sich um den Nachweis
von Tbc. durch Tierversuch handelt, ein Meerschweinchen von dem Tbc.-
verdächtigen, aber mikroskopisch bazillenfreien Kranken einige Male
anhusten zu lassen, sondern man injiziert das Sputum, und zwar in Mengen,
die tausend- bis millionenfach größer sind als die, welche eingeatmet
werden können. Auf dieser Möglichkeit, große Mengen zur Untersuchung
zu verwenden, beruht ein großer Teil der Überlegenheit des Nachweises
durch Impfung (und auch durch Kultur) über den mikroskopischen Nach¬
weis, der stets mit sehr kleinen Mengen arbeitet.
Man kann versuchen, einzuwenden, daß dort, wo Grippeübertragung
ohne I.B. gemeldet wird, die Ansteckung in den ersten Stunden der Krank¬
heit eines anderen erfolgt sei, und daß die Bazillen bis zur Einlieferung
ins Krankenhaus bereits verschwunden seien; es wird ja angegeben, daß
die I.B. im Verlauf der Erkrankung verschwinden können (s. oben). Aber
man kann doch nicht im Ernst glauben wollen, daß ein boshafter Zufall
etwa in München, wo vier Stationen (K. bakt. Untersuchungsanstalt [7],
Krankenhaus Schwabing [Klinik und Prosektur 3, 4, 5], II. medizinische
Klinik [9], K. militärärzt. Akademie [8, 39]) übereinstimmend negative
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271
Befunde melden, den Untersuchern lauter solche Fälle in die Hand gespielt
haben soll, bei denen die I.B. bereits verschwunden waren 1 Man kann
es umso weniger, als das Verschwinden der I.B. durchaus nicht allgemein
beobachtet worden ist; neben vielen anderen hat die doch gewiß kompetente
Pfeiffersche Schule im Gegenteil I.B. sowohl im Sektionsmaterial, als
auch nach der Genesung nachgewiesen.
Man kann weiterhin die Annahme konstruieren, daß sich in München
hustende Bazillenträger befunden hätten, deren Sputum nicht zur Unter¬
suchung kam. Man müßte dann annehmen, daß die Erkrankten — mit
negativem I.B.-Befund — die Seuche nicht weiterverbreiten, daß also
jeder Kranke von einem Bazillenträger angesteckt worden sei, eine Hypo¬
these, die keiner Widerlegung bedarf. Als Gegenstück ist zu erwähnen,
daß Seligmann und Wolff (175) reichliche I.B. ohne Verbreitung der
Grippe fanden.
Und so ergibt sich der Schluß: Wenn die Übertragung der Grippe
durch Tröpfchen erfolgte — und das ist anzunehmen — dann kann die
große Ansteckungskraft nur dadurch erklärt werden, daß der wirkliche
Erreger massenhaft im Sputum vorhanden war; jedes Gesichtsfeld im
Ausstrich hätte ihn zeigen müssen; da er nicht gesehen worden ist, muß
es sich um ein Virus handeln, das mit den gewöhnlichen Methoden nicht
darstellbar ist (Ber. d. ärztl. Vereins München 1918, S. 73).
Bei solchen mit gewöhnlichen Methoden nicht darstellbaren Erregern
liegt es nahe, zuerst an ungewöhnliche Kleinheit zu denken, welche den
Nachweis erschwert. Kleinste Organismen sind leichter im Stand, durch
Hartfilter durchzuwandern, obwohl Filtrierbarkeit die Sichtbarkeit nicht
immer ausschließt. Die Zahl der Autoren, die ein „filtrierbares“, „invi-
sibles“, „ultramikroskopisches“ Virus vermuten, ist so groß, namentlich
bei Epidemiebeginn, daß ihre Aufführung in die Tabelle 32 ff. nicht auf¬
genommen wurde. Auch experimentell wurde die Frage von einigen Unter¬
suchern geprüft.
Friedberger (1, 24, 142) berichtet von Menschen- und Meerschwein¬
chenimpfungen mit filtriertem Grippematerial mit negativem Ergebnis,
Kruse (27) über negative Menschenversuche, Selter (48) erzielte 2 posi¬
tive Resultate und versuchte einen Impfstoff der filtrierbaren Erreger
herzustellen (81). Weiterhin berichtete ich (83, 87) über die Züchtung
kleinster Körperchen aus dem Blut von Ratten, die mit Grippesputum,
geimpft waren, sowie aus Blut und Lungensaft von Grippekranken; Kon¬
trollen blieben unbewachsen. Leschke (92, 121) wies ähnliche Gebilde
mikroskopisch und kulturell nach und erhielt mit filtriertem Material
neben negativen auch positive Resultate im Menschenversuch. Auch
Binder und Prell (112) konnten kleinste* Gebilde in Grippematerial
mikroskopisch und kulturell beobachten. Edelmann (118) dagegen
erhielt an Meerschweinchen und Affen nur negative Impfresultate: Kron¬
berger (152) beobachtete kleine Körperchen im Blut, hält indessen die
in den Kulturen auftretenden Gebilde für Zellgranula; Pöpelmann
(154) hatte bei der Blutuntersuchung ähnliche Befunde wie Kronberger.
Fejes (161) erzielte durch Einspritzung filtrierter Grippesputa positive
Impferfolge bei Affen, und zwar in Form einer mehrere Tage inkubieren-
Archiv rar Hygiene. Bd. 90. 18
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272 Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza.
den, tödlich verlaufenden Krankheit; es ist sehr zu bedauern, daß über
den bakt. Sektionsbefund nichts mitgeteilt wird. Die Streptokokken
nach P. Schmidt (183) hätte Fejes bei seiner Kulturtechnik (Aseites-
bouillon) wohl finden müssen, ebenso Angerer (Züchtung in Serum¬
traubenzuckerbouillon). Wohl die umfangreichsten und am meisten
durch Kontrollen gesicherten Versuche über die Wirkung filtrierten
Grippematerials hat P. Schmidt (183) angestellt. In einer Reihe von
Fällen konnte durch Filtratimpfung Grippe bewirkt werden; mehrfach
fanden sich in dem sonst sterilen Filtrat Streptokokken, die nur durch
Kultur in Eierbouillon nachgewiesen werden konnten. Schmidt kommt
zu dem Ergebnis, man könne für die Filtratimpfungen ,,mit hoher Wahr¬
scheinlichkeit annehmen, daß die Erreger das Berkefeld-Filter de facto
passieren, wenngleich diese Impferfolge für die Annahme eines unsicht¬
baren Virus nicht verwendbar seien“. I.B. waren bei den durch Filtrat¬
impfung erzielten Fällen nicht nachweisbar.
Auch ausländische Autoren haben positive Filtratimpfungen zu ver¬
zeichnen, z. B. Nicolle und Lebailly (Ann. Inst. Past. 1919, S. 395,
ref. c. f. Bakt., Ref. 70, S. 372); Gibson, Bowman, Connor (Brit.
med. Journ. 3024 ref. B. kl. W. 19, 397). (Auslösung einer 6 bis 7 Tage
inkubierenden Erkrankung beim Affen durch Einimpfen von Sputum¬
filtrat in Nase und Augen); Gibson, Graeme, Bowman, Connor
(Brit. med. Journ. 1919, 22, S. 331, ref. c. f. Bakt. Ref. 69, S. 310, Züch¬
tung eines kleinen kokkenähnlichen Organismus aus Filtrat, der im Tier¬
versuch influenzaähnliche Erkrankungen bewirkt). Olitsky und Gates
(Journ. of. Am. ass. 1920, Nr. 22, ref. MK. 20. 862) fanden ein filtrables,
glyzerinfestes, durch 15 Kaninchenpassagen fortzüchtbares Virus, das im
Tierkörper in Form kleinster Körperchen erscheint. Einige Japaner
konnten durch filtriertes und unfiltriertes Sputum beim Menschen Grippe
auslösen (zit. nach Neufeld [178]).
Stellt man sich auf den von Hübsch mann und Olsen, auch von
Schottmüller vertretenen Standpunkt, daß positive Ergebnisse mehr
Beweiskraft haben als negative, so müßte man die Filtrierbarkeit des Grippe¬
virus als bewiesen ansehen. Es scheint mir geboten, die Ursachen für die
auffälligen Differenzen in den Befunden zu untersuchen. Daß die Fil¬
tration durch Hartfilter ein Versuch von beklagenswerter Ungenauigkeit
ist, wird in der Literatur allenthalben betont, und so finden wir auch bei
manchen anderen Krankheiten Unstimmigkeiten in den Angaben über
die Filtrierbarkeit ihres Erregers. Von den Ursachen, welche Fehlresultate
ergeben können und welche hauptsächlich von Löffler erörtert worden
sind, scheinen mir folgende in Betracht zu kommen: Mit der Filtration
ist eine erhebliche und unregelmäßige Verdünnung der Keime verbunden,
da auch die filtrierbaren Erreger zu einem mehr oder weniger großen
Bruchteil im Filter stecken bleiben; ist das Virus schwach virulent oder
das Versuchstier wenig empfänglich, so bleibt die Infektion infolge der
zu geringen Dosis aus oder wird so leicht, daß der Nachweis mißlingt.
So habe ich beobachtet, daß ein und dasselbe Material durch eine enge
Kerze filtriert, kein Wachstum der kleinsten Körperchen ergab, bei der
Filtration durch rasch filtrierende Kerzen dagegen ein positives Kultur-
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Original from
THE OHIO STATE UNIVERSJT
Von Dr. Carl v. Angerer.
273
ergebnis hatte (was übrigens entschieden gegen die Deutung der fraglichen
Gebilde als unbelebten Niederschlag spricht!). Die gleiche Beobachtung
macht Leschke (121). Auch der Tierversuch würde demgemäß wohl
positiv oder negativ ausfallen. Weiterhin weist Löffler auf die Möglich¬
keit des Vorkommens filtrierbarer und nicht filtrierbarer Entwicklungs¬
formen bei ein und demselben Erreger hin. Ferner ist der Infektions¬
modus von Belang; das Virus der Maul- und Klauenseuche haftet weitaus
am besten bei intravenöser, viel schlechter bei subkutaner Einspritzung;
welche Impfart bei Grippe optimal wäre, wissen wir nicht; sehr zu betonen
ist, daß der Affe, welcher in Straßburg nicht filtriertes Sputum einatmete,
gesund blieb (ebenso bei der Inhalation von I.B.), das Virus, welcher Art
es auch sein mag, scheint beim Affen in den Luftwegen schlecht zu haften;
daß andere Tiere sich günstiger verhalten, ist zu bezweifeln. Fejes (161)
erhielt bei subkutaner Einspritzung in Affen unzweifelhaft positive Re¬
sultate; daß pathologisch-anatomisch keine Ähnlichkeit mit menschlicher
Grippe bestand (Neufeld [178]), ist kein Gegenargument, da beim Men¬
schen die Grippe vom Luftweg aus einwandert; auch bei Pest und Milz¬
brand ergibt die Einatmung andere Sektionsbilder als die subkutane
Infektion. Sehr wesentlich scheint mir ferner der gleichfalls schon von
Löffler betonte Umstand, daß bei der Filtration die symbiontisch mit dem
eigentlichen Virus lebenden anderen Mikroorganismen entfernt werden.
Gerade bei Grippe wird man an die Möglichkeit denken müssen, daß die
Symbionten, welche mehr (Streptokokken) oder weniger (I.B.) regelmäßig
bei Grippe gefunden werden, das Zustandekommen der Infektion be¬
einflussen, sei es, daß sie dieselbe erst ermöglichen, oder nur begünstigen
(vgl. die komplexe Infektion nach Sahli [119]). Vielleicht ist in diesem
Sinn zu deuten, daß gerade die streptokokkenhaltigen Filtrate bei P
Schmidt sich wirksam zeigten. — Auch bei Scharlach und Schweine¬
pest finden wir kultivierbare Organismen (Streptokokken bzw. Schweine¬
pestbazillen) neben einem nicht näher bekannten Virus.
Wir haben also einerseits eine nicht ganz kleine Zahl von positiven
Filtratuntersuchungen und mancherlei Möglichkeiten zur Erklärung
negativer Resultate, andererseits aber unerklärbare Unstimmigkeiten
im Nachweis der I.B.; die Annahme eines filtrierbaren Virus erscheint
daher mindestens diskutabel.
Näheres über die Natur dieses filtrierbaren Erregers anzugeben ist
schwer; die mehrfachen Züchtungsversuche (Angerer, Leschke, Bin¬
der und Prell, Fejes) haben allgemein keine günstige Beurteilung
erfahren. Meine Veröffentlichungen vom 6. bzw. 12. November 1918
erfolgten aus äußeren Gründen zu einer Zeit, als noch wenig Untersuchun¬
gen, insbesondere wenig Kontrolluntersuchungen Vorlagen; letzterer
Umstand hat dazu geführt, daß die fraglichen kleinsten Körperchen ohne
weiteres als Niederschlag gedeutet wurden, und Olsen ist der Ansicht,
man könne sie in jedem Blut, auch bei Erwärmung auf 56°, zur Ent¬
wicklung bringen. Diese Angabe beweist, daß Olsen eben nicht mit den
von mir gesehenen Körperchen zu tun gehabt hat; denn mir gelang es
nicht, in jedem Blut ihr Wachstum hervorzurufen. Die Nährlösung nach
Hottinger, mit welcher ich meine ersten Kulturversuche anstellte,
18 *
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
274 Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza.
blieb auch nach Vermischung mit hämoglobinhaltigem Serum und nach
mehrtägiger Bebrütung des Gemisches klar. Ich konnte infolgedessen
berichten (87), daß ungeimpfte, bebrütete Kontrollproben keine „klein¬
sten Teilchen“ zeigten, ebenso blieben Kulturen mit filtriertem Blut
des normalen Tieres optisch leer; ebenso ergab filtriertes Sputum, mit
hämoglobinhaltiger Serum-Bouillon berbrütet, keine Trübung. Ferner
konnten die fraglichen Gebilde nur bei 4 von 5 Grippefällen nachgewiesen
werden, und zwei Kontrollen (ein Selbstmörder, ein Carzinomfall) blieben
negativ (83). Schon durch diese Angaben wird unwahrscheinlich, daß die
fraglichen Gebilde ein nicht organisierter Niederschlag waren; mit Sicher¬
heit kann diese Vermutung ausgeschlossen werden durch die Beobachtung,
daß das positive oder negative Kulturergebnis von der Durchlässigkeit
der Berkefeldkerze abhing (ebenso bei Leschke [121]), und daß nur etwa
% der angesetzten Kulturen zur Entwicklung kam. Würde es sich um einen
chemischen Niederschlag handeln, so müßte dieser eben mit der Sicherheit
einer chemischen Reaktion in allen gleichen Proben auftreten; wenn da¬
gegen das Wachstum nicht in allen Kulturen eintrat, die mit derselben
Probe angelegt wurden, so beweist dies das Vorhandensein eines Erregers,
dessen Wachstum schwierig und unregelmäßig zu erreichen ist. Die Ab¬
hängigkeit von der Porenweite der Kerze beweist, daß nicht die gelösten
Stoffe (Eiweiß), sondern suspendierte Teilchen Ausgang der Trübung waren.
Ich kann somit der Meinung von Olsen, ich nähme ohne weiteres an,
daß die fraglichen Gebilde belebter Natur seien, durchaus nicht recht geben.
Spätere Untersuchungen ergaben weniger günstige Resultate, inso¬
fern, als andere Nährbodenproben beim Bebrüten mit Serum spontane
Niederschläge ergaben. Diese entsprachen etwa der von Olsen gegebenen
Beschreibung, wenngleich die Unterscheidung der Niederschläge von den
bewachsenen Proben dadurch möglich schien, daß die Niederschlags¬
teilchen in unregelmäßiger Gestalt und Größe und „schollenartig“, wie
Olsen schreibt, auftraten, während junge Kulturen runde Gebilde von
durchaus gleichmäßiger Größe aufweisen; erst nach längerer Bebrütung
treten regelmäßig geformte Gebilde bis zur Größe kleiner Kokken auf;
auch schienen die Kulturgebilde stärker lichtbrechend. Dagegen ist nicht
zu leugnen, daß die Beobachtung der kleinsten Körperchen durch die
spontane Niederschlagsbildung sehr erschwert wurde; ohne den Zufall,
der anfangs einen geeigneten Nährboden lieferte, hätte ich die fraglichen
Gebilde nicht beobachten können, und es ist verständlich, daß manche
Nachuntersuchungen sich auf die Konstatierung des Niederschlages
beschränkten.
Andererseits aber ist zu erwägen, ob vielleicht doch mit dem Wort
„Niederschlag“ etwas zu freigebig umgegangen wird. Die Körperchen,
welche Flexner und Noguchi aus Poliomyelitismaterial züchteten,
können nach Lentz und Huntemüller für Lipoidgranula gehalten
werden; inzwischen ist es aber gelungen, diese Körperchen in Kolonien¬
form zum Wachstum zu bringen, wodurch die Deutung als Niederschlag
beseitigt ist. Es erscheint mir deshalb nicht angängig, alle kleinsten Ge¬
bilde, die sich aus organischen Flüssigkeiten entwickeln, kurzerhand als
Niederschläge zu deuten.
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THE OHtO STATE UNIVERSITY
Von Dr. Carl v. Angerer.
275
Ich verkenne nicht, daß der Beweis für die Erregernatur der fraglichen
Gebilde nicht erbracht ist; andererseits aber sehe ich keine Möglichkeit,
sie anders zu deuten als Lebewesen. Nachdem vieles gegen die ätiolo¬
gische Bedeutung der I.B. spricht, scheint es mir im hohen Grade wahr¬
scheinlich, daß diese kleinsten Lebewesen tatsächlich die Erreger waren.
Zusammenfassung.
Die positiven I.B.-Befunde sind bei Epidemiebeginn vereinzelt und
nehmen mit der Dauer der Epidemie zu. Von zahlreichen Autoren wurden
I.B. nicht gefunden, obwohl sie in verschiedenen Krankheitsstadien ver¬
schiedene Teile des Respirationstraktus, teilweise mit nachgeprüften
Nährböden, unter günstigen Bedingungen absuchten. Beim Mißlingen
der Kultur hätte immer noch das mikroskopische Präparat die I.B. nach-
weisen müssen, da bei den Autoren, welche I.B. gefunden haben, Kultur
und Mikroskop leidlich übereinstimmende Ergebnisse liefern; auch die
Hustenplatte scheint, soweit Zahlenangaben vorliegen, die positiven
Prozentsätze nicht fundamental zu verändern. Es muß daher angenommen
werden, daß in großen Gebieten Deutschlands im Anfang der Grippe¬
epidemie I.B. nicht vorhanden waren. Möglicherweise bestanden zwei
örtliche Herde von I.B., nämlich der Bezirk von Straßburg, Heidelberg,
Germersheim, Koblenz, Marburg einerseits, Breslau, Prag, Teschen,
Troppau andererseits. Gehäuftes Vorkommen von I.B. in einzelnen
Krankenhäusern und -zimmern, sowie von besonders schweren Fällen
scheint vorzukommen.
Bei Nichtgrippekranken wurden I.B. häufig gefunden, mehrfach in
viel höherem Prozentsatz als anderweitig bei Grippekranken.
Die Impfung eines Affen durch Tröpfchen von I.B.-Kultur und Spu¬
tum blieb erfolglos. Andererseits aber erwies sich für den Menschen epi¬
demiologisch das versprühte Sputum, auch wenn I.B. nicht nachweisbar
waren, als hochgradig infektiös. Umso mehr als für Masseninfektionen
durch Tröpfchen ein sehr reichliches Vorhandensein des Erregers erforder¬
lich ist, muß daraus der Schluß gezogen werden, daß der Erreger der
Grippe ein nach den gewöhnlichen Methoden nicht darstellbares Gebilde
sein muß, daß somit der I.B. nicht der Erreger sein kann.
Untersuchungen mit filtriertem Material verliefen teils ergebnislos,
teils ergaben sie mikroskopisch, kulturell und durch Impfversuch posi¬
tive Resultate; für die Fehlresultate lassen sich manche Gründe angeben.
Es erscheint daher wahrscheinlich, daß der Erreger der Grippe ein filtrier¬
bares Virus ist.
Gegen die Deutung der aus Grippematerial züchtbaren kleinsten
Teilchen als Niederschlag sprechen zahlreiche Gründe.
Nachtrag.
Vorstehende Arbeit wurde im Laufe des Winters 1920/21 abgeschlossen;
im Anschluß sollen die nunmehr im Bericht vorliegenden Verhandlungen
der Mikrobiologischen Vereinigung (Jena 1920) besprochen werden (Centr.
f. Bakt. I, Or., Bd. 85, S. 43 1 ).
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
276
Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza.
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Pfeiffer fand schon in den ersten Fällen auch mikroskopisch I.B.
in der von früher her bekannten Menge. Soll man annehmen, daß in
anderen Gegenden I.B. nicht vorhanden waren, oder daß sie bei Epidemie¬
beginn von so vielen Untersuchern im Mikroskop übersehen worden sind ?
Diese Frage ist anscheinend kaum (Selter, S. 60 unten) erörtert worden.
Wenn Neufeld angibt, daß man Kokken und I.B. in sehr vielen Fällen
nicht unterscheiden könne, so könnten gelegentlich wohl auch Kokken
für I.B. gehalten werden. Hinsichtlich der technischen Fehler, die für die
negativen Befunde in München, Hamburg und Berlin — und doch wohl
auch anderorts! — verantwortlich gemacht werden, verweise ich auf
das S. 13 bis 18 Gesagte, insbesondere darauf, daß man Bazillen, die
mikroskopisch häufig in ungeheuren Mengen, zuweilen in Reinkultur
vorhanden sind, im mikroskopischen Bild doch nicht gut übersehen kann,
besonders wenn man nach ihnen sucht.
Es ist wohl ohne weiteres klar, daß die I.B. nur im menschlichen
Körper, etwa von Tuberkulösen, sich über die seuchenfreien Zeiten fort¬
züchten müssen (S. 48*), und spricht an und für sich gewiß nicht gegen
ihre ätiologische Bedeutung; aber dafür, daß gerade von diesen Bazillen¬
trägern die Epidemie ausgegangen sei, oder daß ihre Virulenz im Jahre
1918 sich gesteigert habe, besteht vorläufig keinerlei Beweis.
Andererseits spricht es gegen die Erregereigenschaften, wenn man
I.B. (oder Stäbchen, die von diesen nicht unterschieden werden können)
so häufig bei anderen Krankheiten findet, wie das bei Seligmann und
Wolff der Fall war, zumal, wenn von diesen Kranken keine Ansteckungen
mit Grippe ausgehen. In Breslau wurden I.B. bei Masern seltener gefun¬
den (S.49*); das scheint mir nur die bekannte Unregelmäßigkeit der I.B.
zu beweisen — in Breslau I.B. sehr häufig bei Grippe, selten bei Masern,
in Berlin (175) häufig bei Masern, seltener bei Grippe — in München
hätte man wohl bei Masern ebenso wenig wie bei Grippe I.B. gefunden.
Das Kapitel der Pathogenität der I.B. ist so widerspruchsvoll als
möglich. Kretz erkrankte schon bei eigentlich geringer Infektionschance,
die Versuchspersonen von Uhlenfcuth (58*) blieben trotz monströser
Infektionsgefahr gesund (vgl. hiezu meine Bemerkung über die Wertung
des Falles Kretz [S. 25], die ich vor Kenntnis der Uhlenhuthschen
Versuche geschrieben hatte); epidemiologisch war die Grippe erschreckend
kontagiös und die Empfänglichkeit sehr groß (vgl. W. Rosenthal, S.63*).
Pfeiffer gelang es, Affen mit I.B. (allerdings in Dosen, die im Vergleich
zu den eingeatmeten groß waren) krank zu machen, ebenso gelang es
den amerikanischen Autoren (allerdings mit Stämmen, die an Affen ange¬
paßt waren). Leichtenstern (cit. nach Kolle-Wassermann, Bd. V,
S. 1274) betont die Unempfänglichkeit der Affen für I.B., und der von
Uhlenhuth geimpfte Affe blieb gesund. Kann man darauf Beweise
aufbauen ?
Im übrigen ist die Frage, ob man nicht vielleicht mit Grippekokken,
in gleicher Menge wie die I.B. und womöglich nach Anpassung an Affen
eingeführt, ebenfalls Erkrankung bewirken könnte, zur Zeit wohl noch
offen. An den pathogenen, insbesondere toxischen Eigenschaften der I.B.
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Von Dr. Carl v. Angcrer. 277
zweifelt wohl niemand; aber um dieser Eigenschaften willen müssen sie
noch nicht die Primärerreger sein.
Was die Agglutination der I.B. durch Rekonvaleszentenserum be¬
trifft, so ist es nicht verwunderlich, wenn das Serum einen Stamm agglu-
tiniert, der sich längere Zeit in Bronchien und Lungen aufgehalten, viel¬
leicht auch ins Innere des Körpers vorzudringen versucht hat; es ist ja
auch die Agglutination von Scharlach-Streptokokken durch Scharlach¬
serum beschrieben worden; der primäre Erreger braucht der aggluti-
nierte Stamm deshalb noch nicht zu sein.
Nach den Ausführungen Petruschkys (S. 60*) wäre auf der Karte
noch Danzig als negativ oder sehr schwach positiv einzutragen; der nega¬
tive Bezirk im Nordosten Deutschlands erfährt dadurch eine Erweiterung.
Meine Zusammenfassung müßte dahin lauten, daß der I.B. ein sicher
für Tiere, wahrscheinlich für Menschen pathogenes Stäbchen ist, das
häufig bei Grippe, aber auch bei anderen Krankheiten, wie Masern und
Keuchhusten, gefunden werden kann. Sein Zusammenhang mit der
seuchenhaften Verbreitung der Grippe ist nicht ersichtlich; er kommt
deshalb meines Erachtens als Priraärerreger nicht in Betracht.
Literatur.
DMW. = Deutsche medizinische Wochenschrift. — MMW. = Münchener me¬
dizinische Wochenschrift. — B. kl. W. = Berliner klinische Wochenschrift. —
MK. = Medizinische Klinik. — W. kl. W. = Wiener klinische Wochenschrift.
— WMW. = Wiener medizinische Wochenschrift. — Schw. Corr. = Correspon-
denzblatt für Schweizer Ärzte.
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2. B. kl. W. 18, 639.
3. MMW. 18, 809.
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6. MMW. 19, 224.
7. MMW. 19, 224.
8. MMW. 19, 224.
9. MMW. 19, 224.
10. MMW. 19, 224.
11. B. kl. W. 18, 749.
12. DMW. 18, 775.
13. DMW. 18, 775.
14. DMW. 18, 776.
15. DMW. 18, 776.
16. Schw. Corr. 19, 628.
17. MK. 18, 683.
18. DMW. 18, 1374.
19. B. kl. W. 18, 769.
20. B. kl. W. 18, 777.
21. MMW. 18, 1303.
22. MMW. 18, 1303.
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28. MK. 18, 825.
29. B. kl. W. 18, 798.
30. MMW. 18, 814.
31. DMW. 18, 831.
32. DMW. 18, 831.
33. DMW. 18, 832.
34. MK. 18, 777.
35. DMW. 18, 1287.
36. B. kl. W. 18, 713.
37. DMW. 18, 863.
38. MMW.'18, 873.
39. MMW. 18, 873.
40. W. kl. W. 18, 892.
41. MMW. 18, 905.
42. MMW. 18, 928.
43. B. kl. W. 18,778,814.
44. DMW. 18, 933.
45. DMW. 18, 935.
46. DMW. 18, 937.
47. DMW. 18, 938.
48. DMW. 18, 932.
49. Schw. Corr. 18, 1121.
50. MK. 18, 975.
51. MK. 18, 975.
52. DMW. 18, 1152.
53. W. kl. W. 18, 993.
54. W. kl. W. 18, 1101.
55. W. kl. W. 18, 1104.
56. MK. 18, 959.
57. MK. 18, 960.
58. MMW. 18, 1097.
59. DMW. 19, 88.
60. MMW. 18, 1128.
61. MK. 18, 1009.
62. Schw. Corr. 19, 553.
63. Schw. Corr. 19, 557.
64. MK. 18, 1038.
65. MK .18, 1040.
66. DMW. 18, 1181.
67. WMW. 18, 1969.
68. WMW. 18, 1979.
69. Schw. Corr. 19, 928.
70. W. kl. W. 18, 1151.
71. W. kl. W. 18, 1151.
72. MK. 18, 1203.
73. MK. 18, 1151.
74. MK. 18, 1151.
75. MK. 18, 1151.
76. WMW. 18, 2119.
77. WMW. 18, 2159.
78. WMW. 18, 2159.
79. MK. 18, 1082.
80. MK. 18, 1092.
81. DMW. 19, 11.
82. B. kl. W. 18, 1041.
83. Ber. ärztl. Vereins
München 18, 73.
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
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278 Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza.
84. W. kl. W. 18, 1203.
85. B. kl. W. 19, 118.
86. DMW. 19, 32.
87. MMW. 18, 1280.
88. MK. 18, 1220.
89. W. kl. W. 18, 1221.
90. DMW. 19, 141.
91. DMW. 19, 141.
92. MMW. 18, 1391.
93. W. kl. W. 18, 1251.
94. W. kl. W. 18, 1309.
95. MK. 19, 177.
96. WMW. 19, 394.
97. WMW. 19, 50.
98. WMW. 19, 55.
99. MMW. 19, 251.
100. MMW. 19, 252.
101. MMW. 19, 252.
102. W. kl. W. 18, 1274.
103. B. kl. W. 19, 141.
104. B. kl. W. 19, 141.
105. WMW. 18, 2155.
106. WMW. 18, 2155.
107. WMW. 18, 2155.
108. MMW. 18, 1373.
109. B. kl. W. 18, 1171.
110. W. kl. W. 19, 82.
111. MK. 19, 226.
112. MMW. 18, 1397 und
1457.
113. Schw. Corr. 19,1131.
114. DMW. 19, 310.
115. DMW. 18, 1416.
116. DMW. 18, 1423.
117. DMW. 18, 1419.
118. MMW. 19, 140.
119. Schw. Corr. 19, 1.
120. B. kl. W. 19, 9.
121. B. kl. W. 19, 11.
122. DMW. 19, 390.
123. DMW. 19, 139.
124. DMW. 19, 89, 390.
125. DMW. 19, 795.
126. DMW. 19, 391.
127. DMW. 19, 310.
128. WMW. 19, 455.
129. MMW. 19, 67.
130. MMW. 19, 168.
131. MK. 19, 70.
132. DMW. 19, 446.
133. DMW. 19, 446.
134. DMW. 19, 446.
135. DMW. 19, 446.
136. DMW. 19, 447.
137. DMW. 19, 448.
138. DMW. 19, 11.
139. MK. 19, 95.
140. MK. 19, 119.
141. MK. 19, 121.
142. MK. 19, 108.
143. Schw. Corr. 19,1225.
149. MMW. 19, 886.
150. Schw. Corr. 19, 65.
151. MK. 19, 186.
152. DMW. 19, 242.
153. MMW. 19, 231.
154. DMW. 19, 379.
155. MK. 19, 236.
156. MMW. 19, 291.
157. MMW. 19, 461.
158. DMW r . 19, 673.
159. DMW. 19, 924.
160. DMW. 19,1084,1108.
161. DMW. 19, 653.
162. B. kl. W. 19, 557.
163. DMW. 19, 1120.
164. MK. 19, 740.
165. MMW. 19, 1458.
166. MMW. 20, 1159.
167. MK. 20, 127.
168. WMW. 20, 375.
169. W. kl. W. 20, 763.
170. MK. 20, 255.
171. DMW. 20, 899.
172. MK. 20, 593.
173. WMW. 20, 1098.
174. W. kl. W. 20, 334.
175. B. kl. W. 20, 677.
176. DMW. 20, 655.
177. DMW. 20, 795.
178. DMW. 20, 975.
179. MMW. 20, 1009.
180. DMW. 20, 655.
181. W. kl. W. 20, 901.
182. MK. 20, 1126.
183. DMW. 20, 1181.
184. Grätz, Zeitschrift f.
Hyg. 88, 434.
185. Messerschmidt,
Hundeshagen, Feer,
Zeitschrift f. Hyg. 88,
552.
186. Prein, Zeitschr. f.
Hyg., 90, 65.
187. Prell, Zeitschr. f.
Hyg. 90, 126.
188. Olsen, Centr. für
Bakt. 1. Orig., 84,
497.
189. Olsen, Centr. für
Bakt. I. Orig., 85,12.
190. Löwenhardt, Cen¬
tralblatt f. Bakt. 1.
Orig. 85, 81.
Gck 'gle
Original fr am
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Über den Einfluß schlechter kohlensäurereicher Luft sowie
von Lichtabschluß auf wachsende Tiere.
Von
Dr. med. Fritz Oropp,
Stadtarzt in Delmenhorst.
(Aus dem pharmakologischen Institut der Hambuigischen Universität,
Krankenhaus St. Georg.)
(Bei der Redaktion eingegangen am 16. Juni 1921.)
Die Frage nach der Schädlichkeit der sogenannten »schlechten« Luft
ist in früheren Jahren vielfach aufgeworfen und in verschiedener Richtung
bearbeitet worden. Man hat zunächst auf die bekannte Tatsache hinge¬
wiesen, daß in geschlossenen, stark überfüllten Räumen (Theatern, Ver¬
sammlungssälen usw.) bei einzelnen Personen Unbehagen, Kopfweh,
Schwindel und Brechneigung auftreten und hat diese Erscheinung auf den
durch die vielen atmenden Menschen vermehrten C0 2 -Gehalt der Luft
zurückgeführt. Als später das Irrtümliche dieser Meinung allgemein erkannt
war, — der C0 2 -Gehalt wurde in der Folge nur noch als Maßstab für die
sonstige Verschlechterung der Luft bestimmt — wurde von mancher Seite
weiter daran festgehalten, daß die in überfüllten Räumen befindliche Luft
infolge ihrer sonstigen chemischen Eigenschaften schädlichen, vergiftenden
Einfluß ausübe. Man dachte dabei einmal an die sogenannten Riechstoffe,
die von der Schweißsekretion, von schlechten kariösen Zähnen und den Aus¬
dünstungen aus den Kleidern herrühren und dann — dieser Standpunkt
ist bis in die neueste Zeit besonders vor der Weic hardtsehen Schule
vertreten — an direkt giftige Eigenschaften der menschlichen Ausatmungs¬
luft. Weichardt und seine Schüler glaubten in der Ausatmungsluft
auch gesunder Leute mittels der Ninhydrinreaktion Eiweißstoffe nachge¬
wiesen zu haben, die, nach ihrer Kondensation anderen Personen einge¬
spritzt, auf diese leistungsherabsetzend, vergiftend wirken. Sie meinten
auch, die Schädlichkeit dieser Gifte (Kenotoxine) durch ein von ihnen
zusammengesetztes Gegengift (Antikenotoxin) aufheben zu können.
Die Richtigkeit dieser Lehre und der sie begründenden Versuche wurde
von der Flüggeschen Schule lebhaft bestritten. Flügge be¬
hauptet, daß nicht die chemischen sondern die physikalischen Eigenschaften
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280
Über den Einfluß schlechter kohlensäurereicher Luft usw.
der Luft in stark überfüllten Räumen das Unbehagen hervorruft, daß die
durch die Anwesenheit vieler Menschen entstehende Erhöhung der Tempe¬
ratur und der Feuchtigkeit der Luft das Schädliche sei.
Diese Anschauung war schon vor Flügge von mehreren Forschern
aufgestellt und ihre Richtigkeit durch Tierversuche experimentell bewiesen.
F 1 ü g g e und seine Schüler haben durch Versuche an Menschen festge¬
stellt, daß es sich bei den genannten Schädigungen in überfüllten Räumen
um eine Wärmestauung handelt.
Wenn dem gegenüber auch immer wieder von der Weichardt-
sehen Schule gesagt wurde, die Gegenseite habe ihre Versuchsresultate
infolge mangelnder Technik nicht richtig nachprüfen können, so scheint
doch die Mehrzahl der Autoren heutzutage auf dem Flüggeschen
Standpunkte zu stehen und die Wärmestauung bei Menschen in überfüllten
Räumen als das eigentlich Schädliche anzusehen.
In den meisten Lehrbüchern der Hygiene ist allerdings die Frage noch
offen gelassen, und, was vielleicht historisch zu erklären ist, der ältere Stand¬
punkt, die Betonung der chemischen Schädlichkeiten, speziell der Riech¬
stoffe, wird noch oft in den Vordergrund gerückt.
Bisher handelte es sich um die Entscheidung darüber, worauf die be¬
kannten Symptome bei kurzdauerndem Aufenthalt in stark überfüllten
Räumen zurückzuführen seien. Eine zweite Frage ist die, ob und inwiefern
dauernder Aufenthalt in schlecht gelüfteten Räumen eine nachweisbare
Schädigung für die betreffenden Menschen bedeutet. Diese Annahme ist
ja sehr verbreitet, ist aber aus erklärlichen Gründen an Menschenversuchen
bislang nicht bewiesen.
Die alten von Hermann, Beu, Rauer und anderen ange-
stellten Tierversuche, die aus einer ganz anderen Fragestellung heraus
unternommen wurden, arbeiteten mit so hohen C0 2 -Werten — daran, daß
die C0 2 -Zunahme in der Luft, sofern sie durch Atemtätigkeit erfolgt, unge¬
fähr parallel geht mit der sonstigen Verschlechterung der Luft, sei es durch
chemische oder durch physikalische Einflüsse, kann man, wie schon betont,
feöthalten — daß sie für die Entscheidung unserer Frage auch nicht einfach
verwendet werden können.
Diese Tierversuche wurden auch meist nicht sehr lange Zeit durchge¬
führt. Nur bei Billring, Weir-Mitchel und Bergey lesen
wir, daß ihre in geschlossenen Glaskäfigen lebenden Kaninchen bei einem
C0 2 -Gehalt von 4 bis 7% 42 Tage am Leben geblieben sind.
Bei all diesen Versuchen wird aber immer nur angegeben, daß die Tiere
»munter« waren oder daß sie »am Leben blieben«, eine genaue Beobachtung
des Körperzustandes während der Versuchszeit hat nicht stattgefunden.
Zur Klärung der oben gestellten Frage haben wir nun neue Tierver¬
suche angestellt, die wir längere Zeit durchzuführen uns bemühten und mit
genauer Kontrolle des Körperzustandes verbanden.
Da die Frage der etwaigen Gesundheitsschädigung durch schlechte
Luft von ganz besonderem Interesse für die heran wachsende Jugend ist
— der Säugling und das Kleinkind ist in der übervölkerten Proletarier¬
wohnung, das Schulkind in den oft überfüllten Klassen gezwungen, dauernd
solche Luft einzuatmen und von vielen Seiten wird hiermit die Häufigkeit
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281
der schlechten Allgemeinentwicklung, der Anaemie und der Rachitis in
Zusammenhang gebracht — so haben wir zu unseren Versuchen junge
wachsende Tiere genommen und den Einfluß schlechter Luft auf sie be¬
obachtet.
Wir verwandten junge weiße Ratten, da uns größere Tiere unter den
herrschenden Verhältnissen nicht zur Verfügung standen.
Es könnte hier vielleicht eingewendet werden, daß Ratten infolge
ihrer gewöhnlichen Lebensweise nicht geeignete Versuchstiere seien, wenn
die Frage der Einwirkung schlechter Luft entschieden werden sollte. Dem¬
gegenüber sei aber darauf aufmerksam gemacht, daß bekanntermaßen
(auch wir haben das in Versuchen bestätigt gefunden) Ratten gegenüber
mangelnder Luftzufuhr genau so empfindlich sind, wie andere Tiere oder
Menschen. In einem nicht gelüfteten Glaskasten zeigen Ratten bei steigen¬
dem C0 2 -Gehalt genau dieselben Erscheinungen wie andere Tiere. Sie
sterben bei einem C0 2 -Gehalt, der in unseren Versuchen zwischen 13,8%
und 15,6% schwankte, also durchaus den bei Menschen angenommenen
Werten entspricht.
Über die Versuchsanordnung und die Resultate der Beobachtung ist
im einzelnen folgendes zu sagen:
Versuch 1.
Beginn: 1'».VI.19, Ende 8. VIII. 19.
5 Hatten von demselben Wurf, Tiere 5 Wochen all (auf das Geschlecht wurde
nicht geachtet).
3 Tiere wurden zur Kontrolle in einem gewöhnlichen kleinen Drahtkäfig
gehalten, 2 Tiere in den Versuchskasten, einen Glas-Exsikkator von 101 Inhalt
gesperrt. Eine Zeichnung gibt am anschaulichsten die Versuchsanordnung
wieder.
Die Versuchstiere halten sich am Boden des Gefäßes, das unten mit Holz¬
wolle gefüllt ist, auf. Mittels Wasserstrahlpumpe wird durch ein Glasrohr, das
tief in den Exsikkator hinabreicht, die Luft, die die Tiere atmen, abgesogen,
in entsprechender Menge tritt durch ein zweites weniger langes Rohr oben in
den Exsikkator frische Luft ein. An dem zur Wasserstrahlpumpe führenden
Rohr bzw. Schlauch ist ein T-Rohr angebracht, aus dem nach Schließung der
Luftabsaugung und Zufuhr zu Beginn des Versuchs zweimal täglich, später in
größeren Abständen, Luft zur Untersuchung auf C0 2 -Gehalt entnommen wird.
Die Luftuntersuchungen werden teils nach der Zuntz-Geppertschen, teils nach
der Haidaneschen Methode vorgenommen.
Die Wasserstrahlpumpe wurde so eingestellt, daß nach dem Zeiger der zur
Kontrolle verschiedentlich eingeschalteten Gasuhr in einer Minute im Durch-
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282
Uber den Einfluß schlechter kohlensäurereicher Luft usw.
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schnitt 7 /io 1 Zimmerluft in den Exsikkator eingesogen wird, das bedeutet in der
Stunde 42 1. In dem 10 1 großen Exsikkator findet also in der Stunde ein vier¬
maliger Luftwechsel statt. Bei dieser Durchlüftung schwankt der C0 2 -Gehalt
der Luft im Versuchskasten nach Ausweis der im Laufe der ganzen Versuchszeit
67 mal angestellten Luftuntersuchungen zwischen 0,40 und 1,52% in der Haupt¬
sache aber zwischen 0,5 und 1%. Die gelegentlichen Schwankungen unter und
über diese letzten Zahlen sind auf den nicht immer ganz gleichen Wasserdruck
zurückzuführen. Ungefähr entsprechend diesem relativ stark erhöhten C0 2 -
Gehalt — nach Pettenkofer ist eine Luft ja dann ungeeignet zur Atmung,
wenn ihr C0 2 -Gehalt l°/ 00 übersteigt — ist die Luft im Exsikkator auch sonst
als verdorben anzusehen. Bei jedem öffnen des Exsikkators verbreitete sich auch
ein durchdringender Geruch. Die Versuchstiere lebten also ständig in schlechter
Luft im Gegensätze zu den Kontrolltieren, die die gewöhnliche Zimmerluft at¬
meten.
Die Luft im Exsikkator war, wie sich an den beschlagenen Wänden zeigte,
stets feuchter als die Zimmerluft. Daran änderte sich auch nichts, als wir ver¬
suchten, die in ihn eintretende Zimmerluft durch Chlorkalziumröhrchen zu trock¬
nen (der genaue Feuchtigkeitsgehalt wurde zunächst nicht bestimmt). Die am
Boden befindliche Holzwolle war dementsprechend auch meist feucht. Die Tem¬
peraturdifferenz zwischen Zimmer- und Exsikkatorluft wurde nur in den letzten
2 Versuchswochen beobachtet. Bei einer Zimmerwärme von durchschnittlich
18,5° war die Temperatur im Exsikkator durchschnittlich 20,3°.
ln diesen Versuchen wurde festgestellt die Nahrungsaufnahme der Ver¬
suchs- und Kon troll tiere und ihre körperliche Entwicklung, konstatiert an ihrer
Gewichtszunahme. Ursprünglich war auch beabsichtigt, das Längenwachstum
zu messen und zu vergleichen. Nach diesen Messungen (von Nasenspitze bis
Schwanzwurzel vorgenommen) entsprach das Längenwachstum dem Gewichts¬
wachstum. Da die Messungen infolge der immer etwas verschieden kräftig durch¬
geführten Streckung der Tiere auf dem Meßbrette außerdem doch keine ganz zu¬
verlässigen Werte ergaben, wurden sie später aufgegeben, ebenso wie die Be¬
obachtung der Ausbildung des Brustkorbes, bei der kein meßbarer Unterschied
zwischen Versuchs- und Kontrolltieren gefunden wurde.
Die Nahrungsaufnahme (gewöhnlicher Küchenabfall, meist Gemüse und
Kartoffeln, zuweilen versetzt mit Trockenfutter, an einzelnen Tagen Fleisch¬
reste, Reis usw.) wurde so gemessen, daß den Versuchs- und Kontrolltieren un¬
gefähr gleiche, abgewogene, überreichliche Mengen in Glasgefäßen täglich ge¬
reicht wurden. Der immer übrig bleibende Rest wurde am nächsten Tage gewogen.
Diese Bestimmung war natürlich nicht ganz genau, da kleine Mengen leicht von
den Tieren in die Holzwolle verschleppt wurden ; nach Möglichkeit wurden auch
sie immer mitgewogen. Im Laufe der langen Versuchszeit gleichen sich diese
Bestimmungsfehler wohl aus.
Es fraßen die Tiere im Exsikkator durchschnittlich etwas mehr als die Kon-
trolltiere, die Versuchstiere im ganzen 5336 g, die Kontrolliere, auf die gleiche
Anzahl berechnet, 4844 g. Eine Abhängigkeit der Nahrungsaufnahme von dem
jeweiligen C0 2 -Gehalt und der Temperatur ließ sich nicht nachweisen. Die Ge¬
wichtszunahme bei den Ratten ist aus der folgenden Tabelle 1 zu ersehen.
Die Tiere waren gezeichnet und wurden in der Regel alle 5 Tage gewogen.
Während des ganzen Versuches waren die Tiere im Exsikkator und im Kontroll-
käfig äußerlich gleich munter.
Versuch II.
Beginn 11. VII. 19, Ende 9. VIII. 19.
6 Ratten desselben Wurfs, 5 Wochen alt (auf Geschlecht auch diesmal nicht
geachtet).
Die Versuchsanordnung war genau so wie bei Versuch I, der Exsikkator
11250 ccm groß. Der CO r Gehalt war durchschnittlich etwas niedriger als in
Versuch I, schwankte aber auch zwischen V 2 und 1%. Die Feuchtigkeit im Exsik¬
kator war wieder größer als im Kontrollkäfig, hie Temperatur im ersteren durch¬
schnittlich 22,5°, im letzteren 21,4°. Die Versuchstiere fraßen im ganzen 3648 g,
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Von Dr. med. Fritz Cropp. 283
Tabelle I.
Datum
G
der Versuchstiere
e w i c h t
der Kontrolltiere
14. VI.
42,5
55,5
38,9
46,8
50,0
19. VI.
47,5
61,0
49,5
1 57,0
58,5
24. VI.
51,0
66,0
58,0
70,5
72,0
28. VI.
62,0
78,5
68,5
81,5
82.5
2. VII.
63,5
86 5
76,5
90,5
93,5
7. VII.
69.5
92,5
96,0
108,0
106,0
11. VII.
74,5
97,5
101,0
113,5
114,5
15. VII.
87,5
113,5
111,0
123,5
127,5
19. VII.
94,5
114,5
118,5
126,5
134,5
23. VII.
91,0
116,0
115,5
122,0
128,5
28. VII.
98,0
120,5
121,0
131.0
138.0
1. VIII.
116,0
133,0
127,0
136,0
146,0
5. VIII.
126,0
137,0
134,5
141,0
150,5
8. VIII.
128,0
135,0
139,5
147,0
156,0
Tabelle II.
Datum
Gew
der Versuchstiere
_?_1_?_ 1 _ i _1
i p h l
| der Kontrolltiere
i e | s | g
11. VII.
42,5
1 46,0
49.5
41,5
48,5
60.5
16. VII.
50,5
52,5
51,5
44,5
66,5
57,0
19. VII.
52,5
52,0
525
48,5
63,0
60,5
23. VII.
56,5
54,5
57,5
52,5
62,5
62,5
28. VII.
61,0
58,5
63,0
66,0
76,5
81,0
2. VIII.
70,0
67,0
73,5
79,0
89,5
90,5
6. VIII.
73,5
70,5
77,0
87,0
98,0
99,5
9. VIII.
77,5
75,0
78,0
99,5
105,5 |
105,5
die Kontrolltiere 4187 g. Versuchs- und Kontrolltiere waren ständig munter,
die Gewichtszunahme erfolgte, wie aus Tabelle 2 ersichtlich ist.
Versuch III.
Beginn 24. XI. 19, Ende 8. XII. 19.
6 Männchen vom selben Wurf, 3 \' 2 Wochen alt.
In der Versuchsanordnung wurde von jetzt ab folgende Änderung vorgenom¬
men. Als Versuchskäfig wird ein sehr hoher Exsikkator (Größe 10750 ccm)
genommen. Luftabsaugung und Luftzufuhr erfolgt mittels Wasserstrahlpumpe
durch Röhren, die beide oben im Exsikkator münden. Die für die Luftunter¬
suchungen notwendigen Luftentnahmen erfolgen durch einen seitlichen Tubus.
Durch den oberen Tubus geht ein Thermometer in den Exsikkator hinab. An
den Glasröhren befestigt hängt ein kleines Hygrometer, das auf ein im Zimmer auf¬
gestelltes Haarhygrometer abgeeicht ist. Um die Versuchstiere möglichst trocken
zu halten, wird auf den Fuß des Exsikkators ein ganz feines Drahtnetz gelegt.
Auf dieses kommt eine dünne Schicht Torfstreu. Der Feuchtigkeitsgehalt der
Luft im Exsikkator schwankte zwischen 60 und 72%, der der Zimmerluft war
durchschnittlich 50%. Um die Exsikkatorluft möglichst zu trocknen, stellten wir
zeitweise eine Schale mit H 2 S0 4 in den Fuß des Exsikkators und schalteten
außerdem noch in die luftzuführende Röhre einen Turm ein, der mit 1L,S0 4
durch tränkten Chamottestückchen gefüllt war. Beides hatte nicht den erhofften
Erfolg und wurde daher wieder bald aufgegeben. Seit der neuen Versuchs¬
anordnung war übrigens das Lager der Tiere ständig trocken und rein. Die Kon¬
trolltiere wurden von jetzt ab der völligen Gleichmäßigkeit halber ebenfalls
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Über den Einfluß schlechter kohlensäurereicher Luft usw.
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in einem oben weit offnen Glasexsikkatör gehalten, in dessen Fuß auch ein Draht¬
netz mit Torfstreu angebracht war. Da diese Kontrolltiere, wie gesagt, in einer
relativ trockneren Luft als die Versuchstiere lebten (50% bzw. 60—72%) fügten
wir eine weitere Reihe von Kontrollversuchen ein, indem wir in dem unteren
Teil eines dritten Exsikkators dadurch künstlich einen höheren Feuchtigkeits¬
gehalt hervorriefen, daß der Exsikkatorfuß ständig mit Wasser gefüllt und das
Glasgefäß selbst oben zum Teil mit einem feuchten Kissen bedeckt war. Feuch¬
tigkeitsgehalt, im Versuchsexsikkator und in diesem Kontrollgefäß waren jetzt
durchschnittlich gleich.
Die Luft im Versuchsgefäß war dagegen durchschnittlich 0,5—1° wärmer
als in den Kontrollgefäßen, wo sie durchschnittlich 14—16° war. Der Cf> 2 -Ge¬
halt im Versuchsexsikkator schwankte zwischen 0,46% und 0,70%. Gefressen
haben die Tiere fast alle gleich: Versuchstiere 1596 g, Kontrolltiere in Trockenluft
1591 g und in feuchter Luft 1605 g.
über die Gewichtszunahme vgl. Tabelle 3.
Tabelle III.
Datum
der Versuchstiere
Gewicht
der Kontrolltiere
in trockener Luft I
in feuchter Luft
g
g
g
24. XI.
1. XII.
8. XII.
27.5
32,0
42.5
28.5
34.5
43,0
22
27
40
f?
25
33
49
u
g
26
32
47
28
44
53
g
29
40
52
Das Befinden der Versuchs- und Kontrolltiere war bis zum 8. XII. 19 völlig
gut. Am 9. XII. mußte der Versuch vorzeitig abgebrochen werden, da nach
Platzen des Guminischlauches der Wasserstrahlpumpe die Versuchstiere erstick!
waren.
Versuch IV.
Beginn 3. II. 20, Ende 31. III. 20.
6 Ratten desselben Wurfs, 4^ Wochen alt.
Versuchsanordnung dieselbe wie in Versuch III. 2 Versuchs- und 2 Kontroll¬
tiere in feuchter Luft, Männchen, 2 Kontrolltiere in trockener Luft, Weibchen.
Der Feuchtigkeitsgehalt im Versuchs- und im künstlich feucht gehaltenen
Kontrollexsikkator ist durchschnittlich der gleiche, etwa 60%,, der der Ziminerluft
durchschnittlich 50% (in der 2. Hälfte des Versuchs geben die Hygrometer keine
zuverlässigen Werte mehr). Die Temperatur ist im Versuchskäfig durchschnitt¬
lich 0,5° höher als in den Kontrollkäfigen, wo sie zwischen 13° und 16° schwankt.
Es fraßen Versuchstiere 4594 g, Kontrolltiere in feuchter Luft 4366 g, in
trockener Luft 4251 g. über die Gewichtszunahme vergleiche Tabelle IV.
Am Schlüsse dieses Versuchs wurden die Versuchs- und Kontrolltiere, die
alle stets munter gewesen waren, auf Haemoglobin und Erythrozytenzahl unter¬
sucht. Die Werte sind auf der Tabelle verzeichnet. Blutentnahme durch Herz¬
punktion, Hg Bestimmung nach Authenrieth, Ery-Zählung in Bürkerscher
Kammer.
Die Versuchs- und die Kontrolltiere in der feuchten Kammer wurden darauf
getötet. Ihr Volumen, gemessen an Wasserverdrängung, war so gut wie gleich.
Makroskopisch war an den Organen kein krankhafter Befund zu erheben.
Versuch V.
Versuchsanordnung dieselbe. 4 Männchen vom selben Wurf, knapp 4 Wochen
alt.
Beginn 1.VI.20, Ende 31. VII. 20.
Da diesmal nur vier Tiere zur Verfügung standen, wurde von Aufstellung
eines künstlich feucht gehaltenen Kontrollexsikkators Abstand genommen.
Gck igle
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Von Dr. med. Fritz Cropp
Tabelle IV,
285
Datum
der Versuchstiere
g g
Gew
in I rocke
g
i c h t
der Koni
ner Luft
iz
.rolltiere
in feuchter Luft
g g
3. II.
45,0
47,0
39
42
40
40
7. II.
54,0
50,0
40
52
50
50
11. II.
60,0
57,0
46
61
60
60.5
16. 11.
68,5
65,0
50
72
70
77
20. II.
80,0
72,0
56
80
81
80
24. 11.
86,0
75,0
60
90
85
90
28. II.
92,0
77,5
52
93
87
90
4. III.
107,0
95,0
62
106
109
107
8. III.
120,0
107,0
60
112
120
120
12. III.
130,0
116,0
70
115
130
130
16 III.
140,0
125,0
70
117
132
132
20. III.
152,0
134,0
75
120
144
145
24. III.
160,0
140,0
79
120
152
164
27. III.
154,0
134,0
74
120
149
150
31. III.
169,0
155,0
79
125
160
160
in trocke
ner Luft
Hg =
‘ 72%
Hg = 78,5%
Hg — 77%
Ery = 9,42 Mi 11.
Ery = 10,96 Mill.
Ery — 8,76 Mill.
in feuchter Luft
Hg =
71%
Hg = 84,26%
Hg = 81,0%
Ery = 10,32 Mill.
Ery = 9,06 Mill.
Ery = 11,86 Mill.
Tabelle V.
r
Gew
i c h t
Datum
I der Versuchstiere 1
1 der Kontrolltiere
g
g
g
g
1. VI.
32
40
27
35
4. VI.
39
57
32
55
7. VI.
34
72
34
64
11. VI.
54
87
37
79
16. VI.
64
98
43
86
20. VI.
69
101
46
88
24 VI.
70
115
47
105
28. VI.
80
127
57
135
2. VII.
81
131
60
137
6. VII.
87
140
65
140
10. VII.
98
147
75
147
14. VII.
106
157
83
155
19. VII.
112
159
87
155
23 VII.
116
164
95
167
27. VII.
127
170
110
172
31. VII.
135
174
112
176
Hg = 85,5%
Hg = 74%
Hg = 75,5%
Hg = 71%
Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft im Versuchs- und Kontrollkäfig wurde aus äuße¬
ren Gründen nicht mehr bestimmt. An einzelnen Tagen war der Versuchs¬
exsikkator von innen beschlagen. Auch die Futtermenge wurde nicht mehr täg¬
lich gewogen. Den Tieren wurde jedesmal so viel Futter gegeben, daß sie es bis
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286 Uber den Einfluß schlechter kohlensäurereicher Luft usw.
zum nächsten Tage nicht auffraßen. Die Temperatur betrug durchschnittlich
im Kontrollkasten 20,1° und im Versuchsexsikkator 19,3°. Der C0 2 -Gehalt
im Versuchsexsikkator stieg im Laufe der 8 Wochen von 0 t 32 % auf 1,26 %.
Erythrozyten nicht gezählt. Gewicht- und Hg-Werte siehe Tabelle V.
Aus den mitgeteilten Versuchen geht hervor, daß kohlen¬
säurereiche und dementsprechend auch sonst schlechte Luft
auf die Entwicklung normaler wachsender Ratten, beurteilt
nach Allgemeinzustand, Längen- und Gewichtswachstum,
Hämoglobin- und Erythrocytenzahl und makroskopischen
Befund der Organe, auch bei verhältnismäßig langer Einwir¬
kung keinen nachweisbaren Einfluß ausgeübt haben. Ent¬
sprechend der Gewichtszunahme ist auch die Nahrungs¬
aufnahme augenscheinlich nicht durch den Aufenthalt in
schlechter Luft beeinflußt worden. Bei dem Vergleich der
Entwicklung in sonst gleich einwandsfreier, trockener und
feuchter Luft ergibt sich kein Unterschied zu Gunsten der
ersteren.
Wenn man nach den Gewichtskurven der beiden ersten Versuche
geneigt war, einen solch schädigenden Einfluß schlechter Luft anzunehmen,
so muß man sich nach dem Resultate der 3 letzten Versuche, in denen ja
auch einzelne Kontrolliere, speziell die Weibchen in Versuch 4, in ihrer
Entwicklung zurückblieben, sagen, daß die Minderentwicklung der Ver¬
suchstiere in den beiden ersten Fällen wohl nur ein zufälliger Befund war.
Wir wissen ja, daß männliche wachsende Tiere ihre weiblichen Geschwister
an Gewichtszunahme unter gleichen Lebensbedingungen oft erheblich
übertreffen. Da in den ersten Versuchen auf das Geschlecht der Tiere nicht
geachtet wurde, so muß man immerhin mit der Möglichkeit rechnen, daß
hier die sich schlechter entwickelnden Versuchstiere Weibchen waren.
Jedenfalls tritt in unseren Versuchen kein gesetzmäßiger Vorgang zu Tage.
Ob man nun diese Erfahrungen einfach auf menschliche Verhältnisse
übertragen kann, ist eine andere Frage. Wenn es auch sicher ist, daß
schlechte Luft, speziell ekelerregende Riechstoffe manchem Menschen für
eine Zeitlang den Appetit nehmen können, und ihn auch sonst in seinem
Wohlbefinden stören, so dürfen wir doch wohl annehmen, daß gesunde
Menschen nach längerem Aufenthalt in schlechter Luft sich an diese ge¬
wöhnen und dann durch sie keinen Schaden mehr erleiden unter der Voraus¬
setzung, daß die Temperatur und der Feuchtigkeitsgehalt nicht zu hoch
sind. Die Erfahrungen im Kriege mit dem Leben im Unterstände sprechen
in derselben Richtung.
Was im Besonderen Kinder angeht, so muß man nach dem Ausfall
unserer Versuche es zum mindesten als unbewiesen ansehen, daß die bei
ihnen so häufig gefundene Minderentwicklung, Anämie und Rachitis auf
den Aufenthalt in schlechter Luft zurückzuführen sind. Dieses Urteil, das
sich ja auf bis dahin gesunde Menschen bezieht, widerspricht unserer Mei¬
nung nach durchaus nicht der Tatsache, daß bei bestehender Anämie,
Rachitis oder allgemeiner Unterentwicklung, möge sie nun hervorgerufen
sein durch konstitutionelle oder irgend welche äußeren Momente frische
Luft als ein mächtiger Anreiz zur Besserung wirken kann und als solche
therapeutisch ausgenutzt werden soll.
Gck igle
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Von Dr. med. Fritz Cropp.
287
Wir haben unsere Tiere in schlechter Luft bei normaler Nahrung auf¬
wachsen lassen. Es hat ihnen in ihrer Entwicklung nichts geschadet. In
letzter Zeit haben nun besonders englische und amerikanische Forscher
(Mendel und Osborne, Steenboek und andere) an Tierver¬
suchen festgestellt, daß vitaminarme Ernährung erhebliche Störungen in
der Allgemeinentwicklung und speziell in Knochenwachstum zur Folge
haben. Es besteht nun noch die Möglichkeit, daß die Kombination von
vitaminarmer Ernährung und schlechter Luft diese krankhaften Erschei¬
nungen beschleunigen und verstärken, dem entsprächen auch die Verhält¬
nisse im Leben des Proletarierkindes, bei dem oft unzureichende Ernährung
und Aufwachsen in schlechter Luft vorliegen. Aufklärung hierüber be¬
kämen wir, wenn wir unsere Versuche bei vitaminarmem Futter wiederholen
würden, je nachdem, ob sich dann in der Zeit des Eintretens der erwähnten
krankhaften Befunde in guter und in schlechter Luft ein erheblicher Unter¬
schied zeigen würde.
Solche Untersuchungen sind für später im Hamburger pharmakolo¬
gischen Institut in Aussicht genommen.
* * *
Im Anschlüsse an diese Untersuchungen haben wir Versuche angestellt
über den Einfluß des Lichtabschlusses auf wachsende Tiere.
Bekannt sind ja die Untersuchungen ö r u m s, der auch über die
bis dahin gefundene. Versuchsresultate anderer Autoren berichtet, ö r u m,
der unter anderem auch wachsende Tiere monatelang im Dunkeln ließ und
sie dabei regelmäßig auf ihren Blutbefund kontrollierte, fand in der ersten
Zeit relative Zunahme des Hg und der Ery, nach 3 bis 6 Wochen Fallen des
Hg-Gehaltes bei unveränderter Eryzahl und noch später Wiedervermeh¬
rung von Hg und Ery. Er glaubt, diesen Befund, der nach ihm bei ausge¬
wachsenen Tieren noch auffallender in Erscheinung tritt, auf eine Ver¬
minderung der Gesamtblutmenge und des Gesamt-Hg bei längerem Leben
in der Dunkelheit zurückführen zu müssen.
Da Ör ums Resultate von denen der von ihm angeführten anderen
Autoren zum Teil stark abweichen, untersuchten später Grober und
S e m p e 1 das Blut von Pferden, die jahrelang in Zechen unter Tage gelebt
hatten. Sie fanden bei ihnen bei gutem Allgemeinzustande keine Ver¬
minderung der Ery, eher eine gewisse Zunahme, dagegen eine mäßige Ver¬
minderung des Hg-Gehaltes.
Auch über die Frage des Stoffwechsels, der Futteraufnahme herrscht
bislang keine Einigkeit. Bei einzelnen der von ö r u m zitierten Forschern
lesen wir, daß ihre im Dunkeln lebenden Versuchstiere fetter als die Kon¬
trolliere im Tageslicht waren, bei anderen hören wir das Gegenteil. In der
Praxis sucht man ja Lichtabschluß öfters zu Mastzwecken zu benutzen.
Bei diesen wechselnden Versuchsresültaten haben wir es für zweck¬
mäßig gehalten, an neuen Versuchen festzustellen, welchen Einfluß längerer
Aufenthalt in der Dunkelheit auf wachsende Tiere ausübt. Uns interessierte
hierbei nicht nur der Blutbefund, sondern auch besonders die Frage der
Allgemeinentwicklung und evtl, krankhafter Erscheinungen bei Licht¬
abschluß.
Archiv für Hygiene. Bd. 90. 19
□ igitized
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288 Über den Einfluß schlechter kohlensäurereicher Luft usw.
Wir haben aus äußeren Gründen auch zu diesen Versuchen junge weiße
Ratten genommen, wobei wir betonen möchten, daß weiße Ratten im
Gegensätze zu den gewöhnlichen Hausratten seit Generationen gewohnt
sind, im Tageslichte zu leben.
Kon troll- und Versuchstiere lebten in gleich großen Käfigen in zwei
fast gleich großen Zimmern mit gleichem Feuchtigkeitsgehalt der Luft, von
denen eines dem Tageslichte freien Zutritt gewährte, während das andere
völlig dunkel war. Im Dunkelzimmer war die Temperatur durchschnitt¬
lich 1° wärmer als im Hellzimmer.
Versuch 1.
Beginn 17. VI. 19, Ende 15. IX. 19.
4 Tiere desselben Wurfs, 5 Wochen alt, auf das Geschlecht wurde nicht
geachtet, unter den Helltieren augenscheinlich ein Männchen und ein Weibchen.
Über die Gewichtszunahme und den Blutbefund am Schlüsse des Ver¬
suchs vergleiche
Tabelle VI.
Datum
Gew
der Versuchstiere im Dunkeln
g 1 g
i c h t
der Kontrolliere
_5 _ i ___ i _
17. VI.
29,3
34,1
32,0
34,3
20. VI.
32,3
35,5
35,3
39,5
24. VI.
32,5
36,0
39,5
40,5
28. VI.
39,5
43,5
51,6
51,0
2. VII.
39,5
46,0
54,5
55,5
7. V1J.
48,5
57,0
68,0
65.0
11. VII.
53,0
59,0
71,5
68,5
15. VII.
6L5
64,5
77,5
77,5
19. VII.
61,6
68,6
87,0
86,5
23. VII.
61,5
69,6
84,5
83,0
28. VII.
67,0
76,0
94,5
94,0
2. VIII.
72,5
79,0
102,5
101,6
6. VIII.
70,0
80,0
108,6
107,5
9. VIII.
77,0
85,0
118,0
120,0
13. VIII.
80,0
89,0
120,0
138,0*
18. VIII.
81,0
91,5
115,0
119,5
22. VIII.
88,0
99,0
127,6
128,0
27. VIII.
94,0
102,0
131,5
121,0
l.IX.
95,0
106,5
138,0
120,0
5. IX.
93,0
104,0
136,0
109,5
10. IX.
104,0
115,0
139,0
112,0
15. IX.
106,0
116,0
140,0
105,0
Hg = 81%
Hg = 74% ■
Hg = 46%
* 6 Junge geworfen.
Ery = 8,15 Mill.
Ery = 8,00 Mill.
Ery = 7,76 Mill.
Aus äußeren Gründen ist nur bei einem der Versuchstiere das Blut unter¬
sucht.
Am 13. VIII. wirft das bis dahin schwerere Helltier 6 Junge, seitdem Ge¬
wichtsabnahme.
Gefressen haben während der Versuchsgeit die Dunkeltiere 5765 g, die Hell¬
tiere 6987 g. Alle Tiere stets munter.
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289
Versuch II.
Beginn 19. VII. 19, Ende 15. IX. 19.
4 Tiere desselben Wurfs, gut 4 Wochen alt. Am 5. IX. wirft eines der Hell¬
tiere 5 Junge. Gewichtszunahme und Blutbefund gibt
Tabelle VIL
Datum
Gew
der Versuchstiere 1
R | 8 |
i c h t
der Kon trollt iere
« 8
19. VII.
38,5
40,5
37,5
40,6
23. VII.
41,5
43,5
38,0
42,0
28. VIl.
51,0
51,5
47,5
52,5
2. VIII.
61,5
61,0
54,0
63,0
6. VIII.
65,5
65,0
57,5
66,0
9. VIII.
71,5
74,6
66,0
76,0
13. VIII.
74,0
78,0
68,0
81,0
18. VIII.
76,0
82,0
71,0
83,0
22. VIII.
85,5
91,0
82,0
101,0
27. VIII.
92,0
102,0
94,0
114,0
1. IX.
101,0
109,5
114,0 |
142,0
5. IX.
102,5
109,0
105,0
147,0
10. IX.
113,0
121,0
109,0
115,0
15. IX.
120,0
130,0
101,0
125,0
Hg = 72,50/o
Hg = 81 %
Hg = 81%.
Hg = 81%
Ery = 9,00 Mill.
Ery = 8,00 Mill.
Ery = 9,84 Mill.
Ery = 8,80 Mill.
Es fraßen die Dunkeltiere 4700 g, die Helltiere 5668 g. Alle Tiere stets munter.
Versuch III.
6 Tiere desselben Wurfs, 5 Wochen alt.
Beginn 23. IX. 19, Ende 10. XI. 19.
Gewichtszunahme und Blutbefund sind zu ersehen aus
Tabelle VI1L
Datum
Gewicht der Versuchstiere * |
Gewicht der Kontrolltiere
23. IX.
29 g
32 g
33 g
25 g
29 g
33 g
29. IX.
42 *
47 »
45 »
42 »
49 >
50 *
6. X.
48 »
54 »
53 »
50 »
55 »
55 »
13. X.
54 d
59 »
60 *
57 »
61 »
65 d
20. X.
60 »
65 >
69 »
63 »
70 »
75 »
27. X.
1 67 »
67 »
75 »
68 »
75 »
82 »
3. XI.
74 >
74
79 »
74 »
84 »
89 »
10. XI.
77 »
78 t>
84 »
77 »
86 »
92 *
Hg = 68%
Hg = 49%
Hg = 65%
Hg = 71°/o Hg =
66,75°/«
Ery = 9,02 Mill. Ery = 8,24 Mill.
Ery = 8,36 Mill.
Hg = 62,5 # /o Ery =
Ery = 9,89 Mill. Ery =
8,28 Mill,
= 8,28 Mill.
Die Dunkeltiere fraßen 8968 g, Helltiere 8891 g. Alle Tiere stets munter.
Sektion der Dunkeltiere am Schlüsse ergibt keinen krankhaften Befund
an Organen.
Nach diesen Versuchen hat auch längerer Aufenthalt in
der Dunkelheit auf wachsende Tiere keinen Einfluß ausge¬
übt. Die Entwicklung, nach dem Gewichtswachstum beur-
19*
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290 Uber den Einfluß schlechter kohlensäurereicher Luft usw.
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teilt, ist bei den im Hellen und im Dunkeln aufwachsenden
Tiere in gleicher Weise erfolgt. Bei den Dunkeltieren sind
keine krankhaften Änderungen an den Organen gefunden und
auch die am Ende der Versuchszeit vorgenommenen Blutunter¬
suchungen haben keinen gleichmäßigen Unterschied bei Ver¬
suchs- und Kontrollieren ergeben.
Der Umstand, daß auch in dieser Versuchsreihe die Kontrolliere des
ersten Versuchs eine steilere Gewichtskurve aufweisen, ist wohl wieder
einem Zufall zu verdanken und weist bei dem gegenteiligen Resultate der
beiden nächsten Versuche erneut darauf hin, wie vorsichtig man bei der
Beurteilung einzelner Tierversuche sein muß.
Wenn man glaubt, die Versuchsresultate auf menschliche Verhält¬
nisse anwenden zu dürfen, so würde sich aus ihnen ergeben, daß auch Licht¬
mangel auf die Allgemeinentwicklung und die Erytropoese des wachsenden
Organismus nicht nachteilig wirkt.
Literatur.
Alte Literatur, siehe Formanek: Archiv für Hygiene, Bd. 38.
Bi 11 ring, Weir-Mitchel und Bergey, zitiert nach hygienischer Rundschau
1897.
Flügge, Zeitschrift für Hygiene, Bd. 49.
Konrich, Korff-Petersen, Lange, Zeitschrift für Hygiene, Bd. 78.
Weichard und Wiemer, Berliner Klinische Wochenschrift, 1916, Heft 49.
Rothfeld, Zwanglose Abhandlungen aus den Grenzgebieten der Pädagogik
und Medizin, 1916, Heft 6.
Winslow, Kimball, Lee, Miller, Phelps, Thorndike, Palmer, zitiert nach
hygienischer Rundschau, 1918.
örum, Pflügers Archiv, Bd. 114.
Albitzky, Pflügers Archiv, Bd. 145.
Grober und Sempel, Deutsches Archiv für klinische Medizin, Bd. 129, Heft 5
und 6.
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Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum mit
chemischen Desinfektionsmitteln. 1 )
I. Mitteilung.
Von
Prof. Dr. P. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. K. W. Jötten.
(Aus der bakteriologischen Abteilung des Reichsgesundheitsamtes Berlin-Dahlem
und dem Hygienischen Institut der Universität Leipzig.)
(Bel der Redaktion eingegangen am 21. Juni 1921.)
Der unschädlichen Beseitigung des tuberkulösen Auswurfs kommt
bei der Bekämpfung der Tuberkulose eine nicht unerhebliche Bedeu¬
tung zu. Und doch wundert man sich, daß selbst in Krankenhäusern
und Heilstätten einer ein wandsfreien Beseitigung des Auswurfs vielfach
noch nicht die nötige Beachtung zuteil wird. Das liegt wohl daran, daß
wir trotz umfangreicher Versuche, die gleich nach der Entdeckung des
Tuberkelbazillus vor nunmehr fast 40 Jahren einsetzten, ein schnell
wirksames Desinfektionsverfahren, abgesehen vom Kochen des
Sputums nicht besitzen. Trotz der schönen dafür konstruierten Appa¬
rate wird aber das Kochen häufig nicht durchgeführt und im Privat¬
haushalte, wo man auf den Küchenherd angewiesen ist, wird es aus be¬
greiflichen Rücksichten unterlassen, denn das unappetittliche infektiöse
Sputum gehört nicht auf den Kochherd und sollte von der Küche ferngehal¬
ten werden. Und doch darf man gerade jetzt, wo die Tuberkulose in so
erschreckender Weise zugenommen hat, kein Mittel unversucht lassen,
um die T.B., wo man ihrer nur habhaft werden kann, möglichst schnell
abzutötsn. Es ist ja ganz klar, daß die Tröpfcheninfektion bei
der Verbreitung der Tuberkulose die Hauptrolle spielt. Ihre Verhütung
ist aber nur dadurch möglich, daß man sich in angemessener Entfernung
von dem Kranken hält; die dabei in unsichtbaren Tröpfchen umherge¬
schleuderten Bazillen wird man aber nicht fassen können. Wenn das
Sputum in nachweisbarer Menge nach außen entleert ist, so ist es
unsere Pflicht, nach Methoden zu suchen, um die darin enthaltenen T.B.
zu vernichten, mag man die von solchem Sputum ausgehenden Ge¬
fahren hoch oder niedrig beweiten. Daß sie vorhanden sind, dar¬
über brauchen wir nicht weitere Worte zu verlieren. Wenn auch
*) Wegen des großen Umfangs erscheint die Arbeit in mehreren Abschnitten.
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292 Die Abtötung der Tuberkelbazilkn im Sputum usvv.
manche Ärzte auf dem Standpunkte stehen, daß alle Gefahren beseitigt
sind, wenn das Sputum in das Klosett ausgegossen und mit der Wasser¬
spülung fortgeschwemmt ist, so dürfte das aber doch, ohne auf die Be¬
gründung näher einzugehen, vom hygienischen Standpunkte zu
beanstanden sein, vor allem für die einfacheren Verhältnisse in kleinen
Städten und auf dem platten Lande, wo Anlagen mit Wasser¬
spülung und Schwemmkanalisation fehlen. Außerdem bleiben bei dem
Ausgießt n des Sputums alle die Infektionsgefahren bestehen, die von
den undesinfizierten Spuckg fäß n ausgehen, deren Reinigung durch
Spülen und Bürsten dann auch noch die Gefahr der Tröpfcheninfektion
mit sich bringt, die umso weniger zu unterschätzen sein dürfte, als Berichte
über dabei erfolgte Infektionen gerade aus jüngster Zeit dringend zur Vor¬
sicht mahnen.
Es erscheint aber auch für den Laien ganz inkonsequent, wenn man
ihn anhält, mit dem Versprühen von Sputumteilchen beim Husten, Niesen
und Sprechen doch recht vorsichtig und rücksichtsvoll gegen seine Mit¬
menschen zu sein und demgegenüber das entleerte Sputum vor seinen
Augen so behandelt, als sei es eine ganz harmlose Flüssigkeit, die man
ohne weiteres in ein Ausgußbecken gießen darf. Das wirkt nicht gerade
erzieherisch auf den Kranken.
Wir verlangen deshalb eine vorherige Desinfektion und, um dieses
zu erreichen, ist es nötig, daß der Auswurf nicht überall in Wohnungen
entleert wird, sondern in Flaschen, Gläsern, Näpfen gesammelt wird, um
dann der Desinfektion zugänglich gemacht werden zu können.
Daß das Bedürfnis nach einer einwandfreien aber gleichzeitig auch
einfachen Abtötungsmethode besteht, beweisen uns die häufigen Klagen
vor allem der Fürsorgeärzte und Fürsorgeschwestern über den Mangel
eines brauchbaren Desinfektionsverfahrens in der Praxis, weiter aber
auch das vom Zentralkomitee für die Bekämpfung der Tuberkulose neuer¬
dings erlassene Preisausschreiben. Alle chemischen Präparate aber, die
bisher empfohlen wurden, wirken unsicher oder haben sich auch aus
anderen Gründen nicht bewährt.
Seit ca. 15 Jahren hat sich Uhlenhuth zum Teil mit seinen Mit¬
arbeitern Xylander, Messerschmidt und H.Citron 1 ) mit der che¬
mischen Desinfektion des tuberkulösen Sputums beschäftigt. Sie
gingen dabei von der Erwägung aus, daß die Desinfektionsmittel nur
langsam in die Sputumballen eindringen können. Um nun ein schnelleres
Herankommen an die in diesen Sputumballen eingeschlossenen Tuberkel¬
bazillen durch gleichzeitige Homogenisierung des Sputums zu ermöglichen,
1) Uhlenhuth u. Xylander, Arbeiten a. d. kaiserl. Ges.-Amt, Bd. 32,
S. 178.
Uhlenhuth u. Messerschmidt, Milit. - ärztl. Ges. Straßburg, 29.1V.
1912, D. med. Wochenschr. 1912, Nr. 42.
Uhlenhuth, 38. Vers. d. D. Ver. f. öffentl. Gesundheitspflege in Aachen.
Sept. 1913. D. Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundheitspflege. Bd. 46.1914, S. 109.
Messerschmidt, Beitrag zur Frage der Sterilisation tuberkulösem Sputums
durch Phenolderivate. D. med. Wochenschr. 1914, S. 2067.
Messerschmidt, Phobrol, Grotan und Sagrotan. Dieselbe Zeitschrift,
1915, S.861.
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Von Prof. Dr. Uhlenhulh und Privatdozent Dr. Jölten.
293
haben sie eine Kombination von Desinfizientien mit Antiformin vor¬
genommen. Da die Versuche aber infolge der Ungunst der Kriegsverhält¬
nisse nur wenig gefördert werden konnten und infolgedessen noch zu keinem
abschließenden Urteil geführt hatten, so wurden sie von uns im Laufe
der letzten Jahre wieder aufgenommen. Es soll im folgenden darüber
berichtet werden.
Es war bei den Versuchen unser Streben darauf gerichtet, ein Des¬
infektionsmittel ausfindig zu machen, das innerhalb kurzer Zeit die Tu¬
berkelbazillen selbst zähschleimigen und dickballigen Sputums abtötete.
Da dieses nach den bisherigen Erfahrungen nur nach vorheriger Homo¬
genisierung Aussicht auf Erfolg bieten konnte, so wurden zunächst Kom¬
binationen von Desinfektionsmitteln mit deni als besten Homogenisierungs¬
mittel bekannten Antiformin versucht, wobei berücksichtigt werden
mußte, daß durch das Zusammenbringen mit Antiformin einerseits das
Desinfiziens in seiner bakterientötenden Wirksamkeit durch das Anti¬
formin nicht geschädigt und andererseits durch den Zusatz des Desinfi¬
ziens die homogenisierende Kraft des Antiformins nicht zu sehr beein¬
trächtigt oder gar aufgehoben werden durfte.
Da bereits früher günstige Resultate mit 25 % Antiforminlösungen,
denen Jodpräparate zugesetzt waren, erzielt werden konnten, so wurden
zunächst die Versuche nach dieser Richtung hin ausgeführt.
Bei orientierenden Vorversuchen konnte festgestellt werden, daß bei
lproz. Zusatz des Jodpräparates„Griserin“ 1 ) (Jod-Oxychinolinsulfonsaures
Natron) die homogenisierende Wirkung einer 25 proz. Antiforminlösung nicht
beeinträchtigt wurde, während bei Verwendung größerer Mengen von 2
und 4% „Griserin“ die Homogenisierung des Sputums durch ein derartiges
Antiformingemisch doppelt solange dauerte als bei einer Antiforminlösung,
die mit Aqua deBt. angesetzt war. Infolgedessen konnten stärkere Jodlösungen
nicht in Frage kommen. Ob aber derartige Jodlösungen zur Desinfektion
des Sputums ausreichten und ob nicht durch die gleichzeitige Verwendung
von 25% Antiforminlösungen die bakterizide Kraft des Jods gegenüber
den Tuberkelbazillen im Sputum beeinträchtigt wurde, konnten erst
Desinfektionsversuche mit nachfolgenden Tierimpfungen entscheiden.
Zur Klärung dieser Fragen wurden in Petrischalen je 10 ccm Sputum,
das reichlich Tuberkelbazillen enthielt, mit derselben Menge 25 proz. Anti¬
forminlösungen, denen 1, 2 und 4 % Griserin zugesetzt waren, zusammen¬
gebracht und den früheren Versuchen entsprechend dem Desinfektions¬
mittel 40 Minuten lang ausgesetzt. Als Kontrolle diente eine Petri¬
schale, die 10 ccm Sputum und 10 ccm 25proz. Antiforminlösung ohne
Jodzusatz enthielt. Nach Ablauf von 40 Min. wurden die verschiedenen,
völlig homogenisierten Sputumflüssigkeiten V> Stunde lang zentrifugiert,
sodann wurde die Desinfektionsflüssigkeit abgegossen und die Bodensätze
3 mal kurz mit physiologischer Kochsalzlösung gewaschen und abzentri¬
fugiert. Die auf diese Weise von dem Desinfektionsmittel befreiten
Bodensätze wurden in einigen ccm phys. Kochsalzlösung aufgeschwemmt
und je 2 Meerschweinchen zu gleichen Teilen subcutan injiziert.
1) „Griserin“ ist fast dasselbe wie Yatren.
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294
Die Abtötung der Tuberkeibazillen iin Sputum usw.
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Tabelle 1.
Versuch mit 25% Antiforminlösung und 1—4% Griserinzusatz.
a) 10 ccm 25 Vo Anti¬
forminlösung mit 1 •/•
Griserinzusatz
-}- 10 ccm Sputum
40' lang
b) 10 ccm 25*/« Anti¬
forminlösung mit 2%
Griserinzusatz
• 10 ccm Sputum
40' lang
c) 10 ccm 25 V« Anti¬
forminlösung mit 4 •/•
Griserinzusatz
-f 10 ccm Sputum
40' lang
d) 10 ccm 25 V. Anti-
rorminlösung -f 10 ccm
Sputum 40' lang
29. III.
M.3805
t 5. IV. Meer¬
schweinchenseuche
29. III.
M.3807
f 30. IV. Typischer
Tb-Befund
29. III.
M 3809
f2. IV. Sektion o.B.
29. III.
M.3811
t 8. IV. Meer¬
schweinchenseuche
M.3812
t 31. III. Meer¬
schweinchenseuche
M.3810
t 30. VI. Typischer
Tb-Befund
i
M.3808
t 12. IV.
Sektion o. B.
1
M.3806
t 24. IV. Typischer
Tb-Befund
i
Versuchsergebnis: 25proz. Antiforminlösungen mit 1—4% Griserinzusatz reichen
nicht aus, um Tuberkelbazillen im Sputum bei 40' langer Einwirkungsdauer
abzutöten.
Die Versuchsergebnisse sind aus der beigegebenen Tabelle 1 zu er¬
sehen, aus der hervorgeht, daß die 25 % Antiforminlösungen mit 2 und
4 % Griserinzusatz eine Abtötung der Sputumtuberkelbazillen nicht
herbeigeführt haben, da die Meerschweinchen, die mit den entsprechenden
Bodensätzen gespritzt waren, an einer typischen Tuberkuloseerkrankung
eingingen. Die Meerschweinchen, die mit den Bodensätzen der 2proz.
Jodantiforminlösung und der Antiforminlösung ohne Jodzusatz gespritzt
waren, gingen einige Tage nach der Injektion an einer Meerschweinchen¬
seuche, unter der unsere Sputumversuche zu leiden hatten, zugrunde.
Ebenso negativ war der Ausfall einer zweiten Versuchsreihe, in der
nach völliger Homogenisierung des Sputums mit 25 und 50% Antiformin
die Jodlösung zugesetzt war. Hierbei wurden je 10 ccm tuberkelbazillen¬
haltigen Sputums mit der gleichen Menge Antiforminlösung versetzt und
nach 15' je 20 ccm einer lOproz. Jodkalilösung zugegossen. Dieses
Gemisch wurde weitere 15 Minuten stehen gelassen. Als Kontrolle diente
eine gleiche Sputummenge, die 30 Minuten lang mit 10 ccm einer 50%
Antiforminlösung behandelt wurde und außerdem eine weitere Sputum¬
probe in 10 ccm phys. Kochsalzlösung, der nach 15' 20 ccm 10% Jod¬
kalilösung zugesetzt wurde. Nachdem nach Ablauf von 30 Minuten alle
Sputa in der bei der 1. Versuchsreihe beschriebenen Weise weiterbehandelt
waren, wurden schließlich die abzentrifugierten Bodensätze wieder in
Kochsalzlösung aufgeschwemmt Meerschweinchen s. c. injiziert.
Die Tierversuchsergebnisse sind aus der beigefügten Tabelle 2 er¬
sichtlich und zeigen, daß auch auf diese Weise innerhalb % Stunde eine
Abtötung der Tuberkelbazillen des Sputums nicht zu erreichen war.
Außer diesen Jodpräparaten wurde auch Kalium chromat. in Ver¬
bindung mit Antiformin zur Sputumdesinfektion herangezogen, nachdem
in orientierenden Vorversuchen beobachtet werden konnte, daß die
homogenisierende Wirkung von 30proz. Antiforminlösung durch 5%
Kaliumchromatzusatz nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern sogar
verbessert wurde. So wurden z. B. 10 ccm eines dickballigen, zäh-
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295
Tabdto 2.
Versuche mit 25% Antiforminlösungen und nachfolgendem Jodkalizusatz«
a) 10 ccm Sputum 4
10 ccm 25 •/• Antiformin
15' lang -f 20 ccm 10 •/•
Jodkalilösung 15' lang
b) 10 ccm Sputum 4
10 ccm 50V» Antiformin
15'lang 4 20ccm 10 V»
Jodkalilösung 15' lang
c) 10 ccm Sputum 4
10 ccm 50V» Antiform in
30'lang
d) 10 ccm Sputum 4
10 ccm phys. Kochsalz¬
lösung 15' lang 420 ccm
10V»Jodkalilös.l5'lang
31. III.
M. 3819.
f 20. V. Typischer
Tb-Befund
M. 3820.
f 2. V. Typischer
Tb-Befund
31. III.
M. 3817.
t 1. IV. Meer¬
schweinchenseuche
M. 3818.
t 1. IV. Meer¬
schweinchenseuche
31. III.
M. 3821.
t 30. V. Typischer
Tb-Befund
M. 3822.
t 1. IV. Meer¬
schweinchenseuche
31. III.
M. 3824.
t 23. V. Typischer
Tb-Befund TB +
M. 3825.
t 18. V. Typischer
Tb-Befund
Versuchsergebnis: Keine Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum, das
1,5' mit 25 oder 50% Antiforminlösung mit oder ohne nachfolgenden Zusatz
von 10% Jodkalilösung 15' lang behandelt war.
schleimigen Sputums von 25 ccm 30% Antiformin allein erst in 15 Mi¬
nuten völlig homogenisiert, während die gleiche Menge desselben Spu¬
tums von Antiformin mit 5% Kal. chromat. schon nach 8 Minuten völlig
gelöst war.
Mit derartigen Kal. chromat.-Antiformingemischen angestellte Des¬
infektionsversuche, die in der beigefügten Tabelle 3 zusammengestellt
sind, haben in 4 größeren Versuchsreihen trotz der überraschend gün¬
stigen Homogenisierung nur in einem Versuche nach 50 Minuten langer
Einwirkungsdauer zu einer Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum
geführt (M. 79 und 80), während bei den 3 anderen Versuchen durch
Tierimpfungen noch virulente Tuberkelbazillen in den Bodensätzen der
50 Minuten und 1 Stunde lang vorbehandelten Sputa nachweisbar waren.
Es wurde nun noch versucht, durch Zugabe eines weiteren guten
Desinfektionsmittels unter Ausnützung der homogenisierenden Wirkung
des Kal. chrom.-Antiformingemisches eine Abtötung der Tuberkelbazillen
zu erzielen.
Hierzu wurde ein neues Chlormetakresolpräparat der Firma Heyden
(= p. Chlormeta-Kresol, 1,25 g Subst. enthält 1,0 g Chlorkresol) ver¬
wandt, das bis zu 4% in 30% Antiforminlösung löslich war. Außerdem
wurde in einer weiteren Versuchsreihe noch an Stelle des Chlormetakresols
ein 5% Zusatz von Karbol ausprobiert.
Während nun mit dem Carbol-Kal. chrom.-Antiformingemisch nach
50—60 Minuten langer Einwirkungsdauer keine Beeinflussung der Tuberkel¬
bazillen erzielt werden konnte, war es, wie aus der Tabelle 3 hervorgeht,
nach gleich langer Einwirkung 1,25—2proz. Chlormetakresol-Kal.-chrom.-
Antiforminlösungen auch nur im Versuch II und IV möglich, bei 5 Tieren,
die mit derartig vorbehandelten Sputumbodensätzen gespritzt waren,
typischen Tuberkulose-Sektionsbefund zu erheben. Von den übrigen
7 Tieren waren 4 kurze Zeit nach der Injektion wahrscheinlich der herr¬
schenden Meerschweinchenseuche erlegen, die übrigen 3, von denen 2
erst 3 Monate nach Versuchsbeginn umgebracht wurden, hatten bei der
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296
Die Abtölung der Tuberkelba zillen im Sputum usw.
Tabelle 8. V e r s u c h I.
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a) Kal. chrom. 10,0
Antiform. 60,0
Aq. dest. ad. 200,0
davon
25 ccm LOsung a)
•f 10 ccm Sputum
50' lang
1 b) Kal. chrom. 10,0
Antiform. 60,0
Chlormetakresol. 2,5
Aq. dest. ad. 200,0
davon
| 25 ccm Lösung b)
*-10 ccm Sputum
50' lang
c) Kal. chrom. 10,0
Antiform. 60,0
Acld. carbolic. 10,0
Aq. dest. ad. 200,0
davon
25 ccm Lösung c)
-h 10 ccm Sputum
50' lang
! "
d) 200 ccm 30 7* Anti¬
formin
25 ccm Lösung d.
• 10 ccm Sputum
50' lang
4. VII.
M. 78
t 22. VII.
Sektion o. B.
4. VII.
M. 81
fumgebracht 10. X.
T. B.—
4. VII.
M. 84
t umgebracht 10. X.
Typischer Tb-Bef.
4. VII-
M. 87
t umgebracht 10. X.
Sektion o. B. T. B.
M. 79
t umgebracht 10. X.
T. B.—
!
M. 82
f 15. VII. Sektion
o. B. (Seuche?)
M. 85
t 28. VII. Tvp.
Tb-Befund T. B. +
M. 88
f umgebracht 10. X.
In Lungen ver¬
dächtige Knötchen.
T. B —
M. 80
t umgebracht 10. X.
T. B. —
M. 83
f 6. VII. Sektion
o. B.T. B.— Drüsen
nicht vergrößert
M. 86
t 13. IX. Typ.
Tb-Befund
M. 89
f 25. VII. ln Drü¬
sen und in Leber
T. B+.
V ersuchsergebnis: Der Versuch ergibt einwandfrei, daß das Carbol-
K al-chromat-Antiformin ge misch die T. B. innerhalb 50' nicht abgetötet
hat, dagegen hat das Kal-chrom- Antiformingemisch die T.B. abgetötet,
ebenso das Kal-chrom-Antiformingemisch mit 1,25% Chlormeta-
kresolzusatz bei Tier 81, die beiden anderen Tiere waren zu früh an Seuche
eingegangen. Die 30% An tiformi nlösung hatte 2 mal die T.B. abgetötet,
während bei dem 3. gespritzten Meerschweinchen T.B. festzustellen waren.
Versuch II.
50' lang
| 50' lang
50' lang
50' lang
19. VI.
19. VI.
19. VI.
19. VI.
M. 3996
! M. 3999
M. 153
M. 156
f 1. VII. Sektion
t umgebracht 8. X.
f umgebracht 8. X.
t umgebracht 8. X.
o. B.
Typischer
In beiden vergrö¬
Typischer
Tb-Befund
ßerte Drüsen, die
Tb-Befund
verkäst sind,T.B+.
M. 3997
l
znnn
M. 154
M. 156
t umgebracht 8. X. . n ~
Typischer | t 7. \ II Sektion
Tb-Befund
o. B.
M. 3998 | M.152
fumgebracht 8. X. jt umgebracht 8. X.
Typischer | Typischer
Tb- Befund Tb- Befund
I
f 22. VII. Drüsen
beiderseits ge¬
schwollen und ver¬
käst. T. B -f •
Organe noch frei.
t 15. VIII.
Typischer
Tb-Befund T. B.
M. 157
t 14. VII. Sektion
nicht einwandfrei,
fragl. Knötchen in
Milz. Sternaldrüsen
geschwollen.
Seuche ?
Versuchsergebnis: Dieser Versuch zeigt, daß eine 30% Antiforminlösung
mit Kal-chromat-Chlormetakresol oder Carbolzusatz nicht ausreicht, um die
im Sputum enthaltenen Tuberkelbazillen innerhalb 50' abzutöten.
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Von Prof. Dr. Uhlen hu th und Privatdozent Dr. Jötten.
297
Tabelle 3. (Fortsetzung.)
Versuch III.
a) Kal. chrom. 10,0
Antiform. 60,0
Aq. dest. ad 200,0
davon
25 ccm Lösung a)
: 10 ccm Sputum
50' lang
b) Kal. chrom. 10,0
Antiform. 60.0
Chlormetakresoi 2,5
Aq. dest. ad 200,0
davon
25 ccm Lösung b)
i 10 ccm Sputum
50' lang
c) Kal. chrom. 10,0
Antiform. 60,0
Acid. Carbolic. 10,0
Aq. dest. ad 200,0
davon
25 ccm Lösung c)
- 10 ccm Sputum
50' lang
d) 200 ccm 30V» Anti-
formln.
25 ccm Lösung d)
- 10 ccm Sputum
| 40' lang
1
1 Stunde
23. VI.
M. 15
f geschlachtet
27. VII. Keine Tb.
der Organe. In Drü¬
sen vereinzelte
Tb-Nester.
i 1 Stunde
23. VI. Chlor- ,
inetakresol 4,0
M. 18
f umgebracht 8. X.
Keine T. B.
1 Stunde
23. VI.
i
M. 21
f 9. VIII.
Typischer
Tb-Befund T. B. -f
! 1 Stunde
23. VI.
M. 24
f umgebracht 8. X.
T. B.-
M. 16
f 8. VII. Peritonitis.
M. 10
r 3. vn.
Sektion o. B.
M. 22
t 5. VII. |
Sektion o. B.
M. 25
f 9. VIII.
Typischer
Tb-Befund
M. 17
f8. VII. 1
»Sektion o. B.
M. 20
t 5. VII
Sektion T. B —
Seuche ?
M. 23
t 23. VIII.
Typischer
Tb-Befund. T.B.+
M. 26
f umgebracht 8. X.
T. B.—
Versuchsergebnis: Nicht einheitlich, da ein großer Teil der Versuchstiere
zu kurze Zeit nach der Injektion interkurrent eingegangen ist. Jedenfalls ist
aus dem Versuch zu ersehen, daß eine HOproz. Antiforminlösung mit Kal-chromat-
Karbolzusatz bei 1 stündiger Einwirkungszeit die Tuberkelbazillen im Sputum
nicht abtötet. Außerdem gelang es bei einein Tier nicht Tb. festzustellen, das
mit dem Bodensatz von Sputum gespritzt war, auf das eine 30 °/ 0 Antiformin¬
lösung mit 5 % Kal. chromatzusatz 1 Stunde eingewirkt hatte. Außerdem
konnte in einem Falle die Abtötung der T. B. festgestellt werden, bei den»
eine 30% Antiforminlösung mit 2% Chlormetakresolzusatz 1 Stunde lang ein¬
gewirkt hatte. Endlich war das Ergebnis der Einwirkung einer 30% Antiformin¬
lösung ohne jeglichen Zusatz zweifelhaft, indem nämlich die Weiterverimpfung
des behandelten Bodensatzes bei einem gespritzten Tiere eine typische Tuber¬
kulose herbei führte, während bei zwei gleichzeitig mit demselben Bodensat z
geimpften Tieren sich weder tuberkulöse Erkrankungsformen noch Tuberkel
bazillen in Drüsen und Organen nachweisen ließen.
Sektion keinerlei tuberkulöse Krankheitserscheinungen gezeigt. Hierbei
ist aber bemerkenswert, daß von den zu diesen 3 Meerschweinchen ge¬
hörenden Antiforminkontrolltieren, wie aus der Tabelle 3 hervorgeht,
4 gleichfalls nicht erkrankten und bei der Sektion keine Tuberkulose
nachweisen ließen.
Daß durch die Kal.-chromat.- und Chlormetakresol-Antiformin-
gemische auch schon eine gewisse Schädigung der Tuberkelbazillen
hervorgerufen wird, ließen Versuche mit Reinkulturen erkennen, von denen
je 1 mgr in 1 ccm phys, Kochsalzlösung aufgeschwemmt, mit je 2 ccm
der verschiedenen Desinfektionsgemische 1 Stunde zusammengebracht
wurden. Wenn auch eine Abtötung der Bazillen nach Ablauf dieser
Einwirkungszeit nicht zu erkennen war, so konnte doch eine Be-
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298
Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
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Tabelle 3. (Fortsetzung.)
Versuch IV.
a) Kal. chrom. 10,0
Antiformin 60,0
Aq. dest. ad. 200,0
davon
25 ccm Lösung a)
+ 10 ccm Sputum
50' lang
b) Kal. chrom. 10,0
Antiformin 60,0
Chlormetakresol. 2,5
Aq. dest. ad. 200,0
davon
25 ccm Lösung b)
+ 10 ccm Sputum
50' lang
c) Kal. chrom. 10,0
Antirormin 60,0
Acid. carbolic. 10,0
Aq. dest. ad 200,0
davon
25 ccm Lösung c)
+ 10 ccm Sputum
50' lang.
d) 200 ccm 30 % Auti-
formin.
25 ccm Lösung d)
+ 10 ccm Sputum
50' lang
50' lang
50' lang
50' lang
50' lang
25. VII.
M. 186
111. VIII. Kleine
Leistendrüsen¬
sehwellung mit ver¬
einzelten T. B. -f-
25. VII Chlor-
metakresol 4,0
M. 180
f umgebracht 14. X.
Typischer
Tb-Befund
25. VII
M. 183
t 29. VII. Starke
Nekrose u.Gangrän.
(Karbol!)
25 VII.
M. 189
f umgebracht 10. X.
Typischer
Tb-Befund T. B. +
in Drüsen, Lungen
und Milz.
M 187
t umgebracht 14. X.
Typischer
Tb-Befund R-Drü-
sen verkäst T B.+
M. 188
t umgebracht 14. X.
Typischer
Tb-Befund Drüsen
beiderseits verkäst.
M. 184
t 28. VII. f 2
Sektion o. B. Tb-
M. 185 M. 4035
M. 182 | f 13. IX. T. B. der f umgebracht 14. X.
tumgebracht 14. X | Lungen, Leber, j Typische Tb. der
Typischer 1 Milz T B. -f- Drü-j Lungen und Leber.
Tb-Befund T. B.+j sen beiderseits j Drüsen rechts
; vergrößert verkäst.
M. 4036
. X. Typischer
Befund T. B. -4
M. 181
f umgebracht 14. X.
Knötchen in
Lungen und Milz
T. B. + Drüsen
verkäst.
Versuchsergebnis: Der Versuch ergibt einwandfrei, daß keine der vier
Mischungen ausgereicht hat, um eine Sterilisierung des tuberkulösen Sputums
immer mit Sicherheit zu gewährleisten.
Versuch mit Reinkulturen.
Kontrolle
a) 2 ccm Lösung a)
t 2ccm 1 u. MTB. 115.
1 Stunde
b) 2 ccm Losung b)
|-f 2ccm \u. MTB.115.
i 1 Stunde
1 d) 2ccm Lösung d) 1 2 ccm Na-Cl-Lösunp
f 2ccm 1*4. MTB. 115. |+2ccm 1*. MTB. 115.
! 1 Stunde 1 Stunde lang ein¬
gewirkt.
7. VII.
M. 94
f 29. VII. Kien¬
faltendrüsen ge¬
schwollen und ver¬
käst T. B. -f-
Sonst keine tuberk.
Veränderungen.
7. VII.
M. 96
! t umgebracht 7. X.
Drüsen beiderseits
geschwollen und
verkäst T. B. +
Organe frei von Tb.
7. VII.
! M. 95
t 10. VII.
Pneumonie.
|
7. VII.
f umgebracht 7. X.
Typischer
Tb-Befund aller
Organe. In Lungen,
Leber, Milz und
Drüsen T. B. +
Versuchsergebnis: Aus diesem Versuch geht einwandfrei hervor, daß eine
30°/o Antiforminlösung weder allein noch mit 5°/ 0 Kal-chromatzusatz mit und
ohne 1,25% Chlormetakresol ausreicht, um Reinkulturen von Tuberkelbazillen
innerhalb 1 Stunde abzutöten.
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eintröchtigung ihrer Virulanz insofern festgestellt werden, als nämlich
die mit den Desinfizientien vorbehandelten Tuberkelbazillen bei den
Versuchstieren nur eine tuberkulöse Erkrankung der Kniefaltendrüsen
mit positivem Bazillenbefunde ohne Organerkrankungen innerhalb dreier
Monate hervorgerufen hatten, während bei dem mit unbehandelten Tu¬
berkelbazillen gespritzten Kontrolliere innerhalb derselben Zeit eine aus¬
gebreitete Tuberkulose aller Organe hervorgerufen war.
In einer weiteren Versuchsreihe konnte mit einer 25proz. Antiformin¬
lösung mit 3% Chlormetakresolzusatz, in der auf die Zugabe von Kal.
chrom. verzichtet wurde, zwar auch innerhalb kurzer Zeit eine gute Homo¬
genisierung des Sputums erreicht werden, es war aber nach 40 Minuten
langer Einwirkungszeit eine Sterilisierung des Sputums nicht herbeizu¬
führen. Wie aus Tabelle 4 hervorgeht, starb von 2 Meerschweinchen, die
mit dem vom Desinfiziens befreiten Bodensatz s. c. gespritzt waren, das
eine an einer typischen Tuberkulose, während das andere am selben Tage
3^4 Wochen p. inj. wahrscheinlich der Meerschweineh:nseuche erlag, ohne
Tuberkelbazillen oder tuberkulöse Krankheitserscheinungen aufzuweisen.
Ebenso wenig vermochte eine 3% Chlormetakresollösung allein ohne
Antiforminzusatz innerhalb 40 Minuten eine Sputumdesinfektion herbei¬
zuführen, wie aus der Tabelle 4 ersichtlich ist; auch war nach Ablauf dieser
Einwirkungszeit infolge Fehlens des Antiformins das Sputum nicht homo¬
genisiert, sondern lag geronnen am Boden der Versuchsschalen.
Aus diesen Versuchen geht somit hervor, daß 3% Chlormetakresol-
lösungen allein oder 25proz. Antiforminlösungen mit 1—2% Chlormeta¬
kresolzusatz mit und ohne 5% Kal. chromat. nicht geeignet sind, eine
schnelle Desinfektion des Sputums zu ermöglichen.
Würde aber auch durch ein derartiges Gemisch eine Schnelldesinfektion
erreicht worden sein, so dürften sich der allgemeinen Einführung sowohl
Tabelle 4.
Versuche mit Chlormetakresol, mit und ohne Antiforminzusatz.
a) 10 ccm 25 % Antiformin mit j
3% Chlormetakresolzusatz
-j- 10ccm Sputum
40'lang
b) lOccm 25% Antiformin¬
lösung -f lOccm Sputum
40' lang
c) 10 ccm 3 % Chlormetakresol¬
lösung -f- lOccm Sputum
40' lang
29. III.
29. III.
29. III.
M. 3813
M. 3811
M. 3815
f 22. IV. Typischer
f 5. IV. Meerschweinchen-
| f 21. V Typischer
Tb-Befund T. B.+.
seuche
Tb-Befund
M. 3814.
M. 3812
M. 3816
f 22. IV. Sektion o. B.
t 31. III. Meer¬
f 7. IV. Meerschweinchen¬
T. B.— Drüsen frei.
schweinchenseuche.
seuche
Versuchsergebnis: In 10 ccm Sputum konnten mit gleichen Mengen
25% Antiforminlösung mit 3% Chlormetakresolzusatz oder mit gleicher Menge
3% Chlormetakresollösung allein eine Abtötung der T.B. nicht erzielt werden.
Nur bei einem Tier, das mit Sputumbodensatz, der mit 25% Antiformin -f
M% Chlormetakresol vorbehandelt war, gespritzt wurde, konnten 24 Tage
nach der Injektion keine Tuberkulose und keine Tuberkelbazillen weder in
Organen noch Drüsen nachgewiesen werden. (Zu früh gestorben!)
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300 Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
der hohe Preis, wie die Umständlichkeit der Mischung und vor allem
die ganz erhebliche Ätzwirkung entgegengestellt haben. Wir haben daher
nach einem anderen, weniger komplizierten und billigeren Verfahren ge¬
sucht und nach der Richtung hin Versuche angestellt, ob es nicht möglich
wäre, mit dem Antiformin allein in geeigneter Verdünnungsflüssigkeit
ohne den umständlichen Zusatz eines besonderen Desinfiziens eine schnelle
und ausreichende Desinfektion des Phtisikerauswurfs zu erzielen.
Wie aus den vorhin beschriebenen Versuchen hervorgeht, gelang es
nämlich durch entsprechende Zusätze von Chemikalien, z. B. Kal. chrom.
die homogenisierende Wirkung des Antiformins zu steigern und es lag daher
der Gedanke nahe, ob nicht schon durch die Verwendung anderer Ver¬
dünnungsflüssigkeiten eine Steigerung der homogenisierenden und gleich¬
zeitig auch der bakteriziden Wirkung gegenüber T.B. zu erreichen wäre.
Bei daraufhin angestellten Versuchen (s. Tabelle 5) mit verschieden
starken Kochsalzlösungen konnten wir uns in der Tat davon überzeugen,
daß die homogenisierende Kraft des Antiformins durch Ansetzen mit
bestimmten Kochsalzlösungen erheblich gesteigert werden kann. So
konnte beim Zusammenbringen von je 10 ccm desselben dickballigen,
zähschleimigen Sputums mit je 20 ccm 25proz. Antiforminlösungen, die
mit gesättigten und dann verdünnten Kochsalzlösungen angesetzt waren,
beobachtet werden, daß die völlige Lösung der Sputumballen am schnell¬
sten in dem Antiformin erfolgte, das mit l / 2 — l / i0 gesättigter Kochsalz¬
lösung verdünnt war. Während hierbei die komplette Auflösung schon
innerhalb 20 Minuten erfolgt war, war dieses bei Verwendung von kon¬
zentrierter Kochsalzlösung nach 21 Minuten und von l / 25 gesättigter Koch¬
salzlösung und Aqua dest. erst nach 37 Minuten der Fall.
Ob aber mit der homogenisierenden auch gleichzeitig die bakterizide
Kraft des Antiformins durch Vermischen mit Kochsalzlösungen derartig
gesteigert werden könnte, daß T.B. in solchen Gemischen abgetötet wür¬
den, konnte allein durch Tierimpfungen entschieden werden.
Tabelle 5.
10 ccm Sputum -f 20 ccm
konzentrierte Kochsalzlösung
mit 25% Antiformin
10ccm Sputum + 20 ccm
Y» gesättigter Kochsalzlösung
(nit 25 % Antiformin
10 ccm Sputum i 20 ccm ,
V# gesättigter Kochsalzlösung !
mit 25 % Antiformin
Nach 6' beginnendeLösung
Nach 6'beginnendeLösuug
Nach T beginnendeLösung
Nach 10' keine Ballen j Nach 10' keine Ballen
mehr, nur noch faden- j mehr, nur noch faden¬
ziehende Massen j ziehende Massen
Nach 15' fast völlig gelöst | Nach 15'fast völlig gelöst,
i mehr als in der ersten
| Reihe
Nach 10' noch ein Ballen
neben fadenziehenden
Massen
Nach 15' noch Schlieren
und Fäden
Nach 20'Flüssigkeit noch |Nach 20' völlige Lösung
schleimig
Nach 20' völlige Lösung
Nach 21' völlige Lösung!
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301
Wie denn auch aus Tabelle 6 zu ersehen ist, haben derartige Ver¬
suche mit 30proz. Antiformin in konzentrierter Kochsalzlösung ergeben,
daß eine Abtötung der T. B. im Phtisikersputum selbst nach % stän¬
diger Einwirkungszeit nicht erfolgte, auch ein weiterer 5% Carbolzusatz
konnte eine Besserung der Abtötungsergebnisse nicht herbeiführen.
Bei Verwendung von halbgesättigter Kochsalzlösung als Aufschwem¬
mungsflüssigkeit zu 25% Antiforminlösung und 30 Minuten bis 1 Stunde
langer Einwirkungsdauer schien dann zunächst, wie aus der Tabelle 7,
Versuch I ersichtlich ist, eine Abtötung der Sputumtuberkelbazillen er¬
reicht zu sein. Während nämlich die Kontrolltiere, die mit den Boden¬
sätzen von mit Antiformin in Aqua dest. vorbehandelten Sputen vorbehan¬
delt waren, an typischer Tuberkulose eingingen, blieben von den anderen
Tieren einige am Leben und ließen, nach Monaten umgebracht, keine
Spur von Tuberkulose erkennen.
Als aber dieselbe Versuchsanordnung in 5 weiteren Reihen wiederholt
wurde (s. Tabelle 7, Versuch 2*—6) konnte nicht ein einziges Mal eine Ab¬
tötung der Tuberkelbazillen selbst nach 50 Minuten langer Einwirkung
einer derartigen 25% Antiformin-Kochsalzlösung festgestellt werden. Es
war also auch auf diese Weise keine ausreichende Steigerung der bakteri¬
ziden Kraft des Antiformins zu erzielen.
Weiter konnte die homogenisierende Kraft des Antiformins wesentlich
durch Verwendung erwärmter Lösungen gesteigert werden. In zahl¬
reichen Versuchen hatten wir uns nämlich davon überzeugen können,
daß z. B. 45° warmes 10proz. Antiformin geballte, zähschleimige Sputa
schon nach 7 Minuten gelöst hatte, während dasselbe von der gleichen
Probe stammende Sputum von zimmerwarmem 10proz. Antiformin erst
nach 20 Minuten völlig homogenisiert war. Noch auffälliger trat dieser
Unterschied bei der Einwirkung von 60° warmen Lösungen zutage; in
einem Falle war hiermit schon nach i x / 2 Minuten eine komplette Lösung
Lösungsversuche.
10 ccm Sputum + 20ccm
Vi. gesättigter Kochsalzlösung
mit 25 % Antiformin
10 ccm Sputum 20 ccm
Vw gesättigter Kochsalzlösung
mit 25 % Antiformin
10 ccm Sputum 4 20 ccm
25 % Antlforminlösung in
Aqua destil. at.
Nach 6' unverändert
Nach 6' unverändert
Nach 6' unverändert
Nach 10 beginnende
Lösung
Nach 10' wenig ver¬
ändert
Nach 10' wenig verändert
Nach 15' noch vereinzelte
Nach 15' beginnende
Nach 15' beginnende
Sputumbällchen
Lösung
Lösung
Nacli 20' völlige Lösung
Nach 20' noch 2 Ballen
Nach 32' noch # Sch lieren
und Fäden
Nach 35' fast völlig gelöst
Nach 37' völlig gelöst
Nach 20' Lösung wenig
weiter
Nach 32' noch ein Ballen
Nach 35' fast alles gelöst
Nach 37 ' total gelöst
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302
Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
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erfolgt, wohingegen bei lOproz. zimmerwarmem Antiformin eine Lösung
erst nach 8 Minuten eintrat.
Außerdem war anzunehmen, daß durch die Einwirkung solcher er¬
wärmter Antiforminlösungen die T. B. im Sputum bereits innerhalb kurzer
Zeit abgetötet würden, zumal Beobachtungen darüber vorliegen, daß
Tuberkelbazillen in Wasser bei 60° innerhalb % Stunde absterben (siehe
Flügge, Grundriß der Hygiene, 8. Aufl., S. 643). Wie wir uns aber
durch ad hoc angestellte Tierversuche überzeugen konnten, reichte für
tuberkelbazillenhaltiges Sputum selbst ein halbstündiger Aufenthalt in
Tabelle 6.
Versuch 1.
a) lOccm Sputum b)
lOccm 30% Anti form in lösung, in ge- -f-
sättigter NaCl-Lösung hergestellt
30' lang
lOccm Sputum
lOccm 30% Antiformin, in Aq. eiest,
hergestellt
30' lang
25. IV. I
M. 3860 I
f 14. VII. Typischer Tb-Befund.
In Lungen und Milz T. B. +• |
M. 3861 I
t 26. V. Typischer Tb-Befund. i
M. 3862 1
f 22. V. In Drüsen und Milz T. B. -{-. !
25. IV.
M. 3863
f 26. V. Typischer Tb-Befund.
M. 3864
t 26. V. Typischer Tb-Befund.
M. 3865
21. V. In den Drüssen von T. B. -f-.
Versuchsergebnis: 30% Antiformin, mit konzentrierter Kochsalzlösung oder
Aq. dest. hergestellt, tötete Sputumtuberkelbazillen bei Visfümliger Einwirkungs¬
zeit nicht ab.
Versuch 2.
a) 16,25 ccm gesättigte NaCl-Lösung
7,5 ccm Antiformin (30%)
1,25 ccm Carbol !
-|- 5 ccm Sputum
30'lang 1
b) 17,5 ccm gesättigte NaCl-Lösung
7,5 ccm Antiformin (30%)
-f 5 ccm Sputum
30' lang
24. V.
M. 3918
f 27. VIII. Schwerer Tb-Befund,
ln Drüsen T. B. -{-•
1 24. V.
M. 3921
f 31. V. Meerschweinchenseuche.
M. 3919
f 1. VII. Stark verfault. In Milz ver-
dächtigeKnotenT.B. nicht nachweisbar.
M. 3922
t 26. V. Meerschweinchenseuche.
M. 3920
f 26. V. Meerschweinchenseuche.
M. 3923
t 26. V. Meerschweinchenseuche.
Versuchsergebnis: Nicht einwandsfrei, da 4 Tiere an Meerschweinchenseucbe
kurze Zeit nach der Injektion eingingen. Bei einem Versuchstier konnte jedoch
festgestellt werden, daß eine 30% Antiforminlösung, mit gesättigter Kochsalz¬
lösung hergestellt und 5% Karbolzusatz nicht ausreichte, um die T. B. im
Sputum abzutöten. Das 6. Tier, das mit dem in gleicher Weise vorbehandellen
Bodensalz gespritzt war, zeigte bei den 5 Wochen nach der Injektion vorge¬
nommenen Sektion tuberkuloseverdächtige Herde in der Milz, T. B. konnten
allerdings nicht nachgewiesen werden.
Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. JÖtten. 303
warmem Wasser in keinem Falle aus, um die darin enthaltenen T.B.
abzutöten.
Durch die gleichzeitige Einwirkung des Antiformins mußte aber
unseres Erachtens die Eiweißkoagulation hintangehalten und durch die
ziemlich rasch erfolgende Homogenisierung des Sputums eine intensivere
Wirkung der Wärme auf die freiliegenden T.B. ermöglicht werden; zu¬
dem mußte durch die Wärme auch die bakterizide Kraft des Anti¬
formins nicht unwesentlich gesteigert werden.
Tabelle 7.
Versuch 1.
a) 20 ccm 25% Antiformin¬
lösung, die mit y* gesättigter
NaCl-Lösung hergestellt Ist
4- 10 ccm Sputum 30'lang
b) 20 ccm 25% Antiformin- i c) 20 ccm 25% Antiformin¬
lösung, die mit % gesättigter lösung, mit Aq. dest. her-
NaCl-Lösung hergestellt ist gestellt f 10 ccm Sputum
-b 10 ccm Sputum 1 Stunde lang I 30'lang
13. V. 13. V.
M. 3884 , M. 3889
f 13. IX. frei von T. B. j f 19. V. Meerschweinehe n-
1 seuche.
13. V.
M. 3886
f 4. VII. Typischer
Tb-Befund.
M. 3885
f 19. V. Meerschweinchen¬
seuche.
M. 3890
f 26. V. Meerschweinchen¬
seuche.
M. 3887
f 2. VJI. Drüsen r. ge¬
schwollen und verkäst
T. B. +.
Tuberk. der Lungen
M. 3891
1 f 13. IX. umgebracht,
| frei von Tub. T. B.
M. 3888
f 22. V. Meerschweinchen¬
seuche.
Versuchsergebnis: Eine 25 % Antiforminlösung, die mit einer V* gesättigten
Kochsalzlösung hergestellt war, reichte aus. um in einem Falle bei 30' langer
Einwirkungsdauer die T. B. im Sputum abzutöten, ebenso positiv war bei
einem zweiten Versuchstiere das Versuchsergebnis, nachdem das Desinfiziens
1 Stunde lang eingewirkt hatte. Die Kontrollversuche mit einer 25% Anti-
forminlösung in Aq. dest. ergeben bei 2 eingespritzten Tieren typischen Tb.-
Befund. woraus hervorgeht, daß eine mit Aq. dest. hergestellte 25% Antiformin¬
lösung T. B. in Vs Stunde nicht abtötet.
Versuc h 2.
a) 20 ccm 25% Antiforminlösung hergestellt
mit y, gesättigter NaCl.-Lösung f 10 ccm
Sputum 50' lang
b) 20 ccm 25 % Antiforminlösung, hergestellt
mit Aq. dest. -f 10 ccm Sputum 50'lang
23. IX.
M. 4148
f 11. VII. Tuberkulose der Lunge und
Leber.
M. 4149
f 9. XII. umgebracht, Tuberkulose der
Lunge und Milz, T. B.-f-
M. 4150
f 10. XII. schwere Tuberkulose.
Archiv für Hygiene. Bd. 90.
23. IX.
M. 4151
f 15. XII. Tuberkulose der Lunge,
Leber, Milz.
M. 4152
t 10. XII. schwere Tuberkulose.
M.4153
f 12. XII. T. B. +.
20
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Gck igle
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
304
Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
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Die auf Grund dieser Erwägungen angestellten Versuche haben denn
auch zu einer Bestätigung unserer Annahme geführt. Die Versuchsanord¬
nung war dabei folgendermaßen:
Tabelle 7. (Fortsetzung.)
Versuch 3.
a) 20 ccm 25 •/• Antiforminlösung, hergestellt
mit V t gesättigten NaCl-Lösung
f 10 ccm Sputum 50' lang
b) 20 ccm 25% Antiforminlösung, hergestellt
mit Aqua dest.
-t 10 ccm Sputum 50' lang
10. X.
M. 4187
f 16. XII. Schwere Tuberkulose T. B.
10. X.
M. 4190
t 9. XII. Schwere Tuberkulose aller
Organe T. B. -j-
M. 4188
114. X. Pneumonie links Peritonitis
Infiltration des ganzen Unterhaut¬
zellgewebes.
M. 4189
fl 5. XII. Schwere Tuberkulose T. B. +
M. 4191
f 8. XII. Schwere Tuberkulose der
Lungen, Leber u. Milz.
M. 4192
f 8. II. Umgebracht. Schwere
Tuberkulose.
Versuch 4. (Versuchsanordnung wie bei 3)
i'tf.X
M. 4193
f 23. X. Keine Tuberkulose.
10. X.
M. 4196
t 22. XII. Tuberkulose T. B. -f- in
Drüsen u. Milz.
M. 4194
f Io. XII. Tuberkulose T. B. -f-
M. 4197
f 13. X. Peritonitis, Pericarditis. Infil¬
tration im Unterhautzellgewebe mit
Abszeßbildung
M. 4195
f 9. XII. Tuberkulose T. R -|-
M. 4198
f 16. XII. Schwere Tuberkulose
(+ nach Weil.)
*
Versuch 5.
a) 20 ccm 25 •/• Antiformin- b) 20 ccm 25 •/• Antiformin- c) 20 ccm 25 V« Antiformin-
lnsung, hergestellt mit Va tre- lösung, hergestellt mit % ge- lösung, hergestellt mit
sättigter NaCl-Lösung sattlgter NaCl-Lösung Aqua dest.
f 10 ccm Sputum
50' lang
+ 10 ccm Sputum
50' lang
-} 10 ccm Sputum
50' lang
11. X.
M. 4199
t 15 . X. Peritonitis. In¬
filtration des ganzen
Unterhautzellgewebes.
11. X.
M. 4202
t 11. XII. In Lungen,
Leber, Milz T. B. +
11. X.
M. 4207
t 6. II. Schwere Tuber¬
kulose T. B. -f- in Drüsen
u. Lungen.
M. 4200
f '». II. Schwere Tub.
In Drüsen T. B. +
M. 4203
f 3t. X. Pneumonie.
■
1 M. 4206
f 13. X. Sektion o. B.
M. 4201
f 12. XII. Schwere
Tuberkulose T. B. -J-
M. 4204
t 10. XI. Typischer
Tb-Befund T. B. nicht
gefunden. 1
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THE OHIO STATE UNPv'ERSEE
Von Prüf. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten.
305
Tabelle : 7. (Fortsetzung.)
Versuch 6.
a) 20 ccm 25 % Antiforminlösung, hergestellt
mit 7, gesättigter NaCl-Lösung
-}-10ccm Sputum 50' lang
b) 20 ccm 25*/» Antiforminlösung, hergestellt
mit Aqua dest.
-f 10 ccm Sputunt 50' lang
11. X.
11. X.
M. 4208
M. 4211
t 26. III. Schwere Tuberkulose der
Lunge, Leber, Milz.
t 28. I. Schwere Tuberkulose T. B. -f-
M. 4209
M. 4212
t 19. X. Peritonitis.
M. 4210
t 3. XI. Befund? Leistendrüsnn ge¬
schwollen T. B. — sonst o. B.
t 14. X. Peritonitis. In Lungen ein¬
zelne Herde. Linke Kniefaltendrtisen
gerötet und geschwollen. T. B. —
In ein großes 60° C warmes Wasserbad wurden zwei 11 fassende
Bechergläser gebracht, von denen das erste mit 250 ccm 10% Antiformin¬
lösung und das zweite mit der gleichen Menge Aqua dest. beschickt war.
Zwei in die Flüssigkeit eintauchende Kontrollthermometer zeigten
die jeweilige Temperatur in den Gefäßen an. War nun die Wärme
der Flüssigkeiten konstant 60° C, so wurden in den ersten Versuchsreihen
nur kleine Mengen dickballigen, tuberkelbazillenhaltigen Sputums zu
je 10 ccm eingefüllt und weitere 10 ccm desselben Sputums in ein 3. Becher¬
glas, das außerhalb des Wasserbades bei Zimmertemperatur aufgestellt
war und ebenfalls 250 ccm lOproz. Antiforminlösung enthielt. Nach Ab¬
lauf von 10 bis 30 Minuten wurden aus den einzelnen Bechergläsern 50 ccm
Flüssigkeit entnommen, in Zentrifugengläser gebracht, in kaltem Wasser
abgekühlt und % Stunde scharf zentrifugiert. Die Bodensätze wurden dann
3 mal mit Kochsalzlösung gewaschen und schließlich in wenigen ccm phys.
Kochsalzlösung aufgeschwemmt Meerschweinchen subcutan eingespritzt.
Wie aus den Protokollen (in Tabelle 8) der in dieser Weise angestellten
7 Versuchsreihen hervorgeht, konnten vermittels Tierimpfungen in keinem
der mit 60° warmen lOproz. Antiformin vorbehandelten Sputa infektions¬
fähige T.B. mehr nachgewiesen werden. Leider ging uns nur eine große
Zahl der Versuchstiere infolge der herrschenden Meerschweinchenseuche
ein, wodurch das Bild natürlich erheblich getrübt wird. So verfügen
wir infolgedessen nur über ein Tier mit genügend langer Beobachtungszeit,
das mit dem Sputumbodensatz nach 10 Minuten langer Einwirkungsdauer
von 60° warmer lOproz. Antiforminlösung gespritzt und 5 Monate nach der
Injektion noch völlig gesund war. Die Kontrolliere mit lOproz. zimmer¬
warmem Antiformin waren bereits 10 Wochen nach der Impfung an typi¬
scher Tuberkulose zugrunde gegangen.
Absolut einwandfrei und nicht gestört durch Tierverlust war der
Versuch 2, aus dem mit Sicherheit geschlossen werden konnte, daß die
T.B. des Sputums bereits nach 14 ständigem Aufenthalt in 60° warmem
Antiformin abgestorben waren, während 60° warmes Wasser allein und
lOproz. Antiforminlösung bei Zimmertemperatur die T.B. in ihrer Virulenz
nicht erheblich beeinträchtigt hatten, so daß die mit ihnen gespritzten
Meerschweinchen alle an typischer, schwerer Tuberkulose eingingen. In
20 *
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306 Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
den übrigen Versuchen waren ebenfalls in keinem der 20 oder 25 Minuten
lang mit 60° warmem lOproz. Antiformin behandelten Sputa infektiöse
T. B. mehr nachweisbar, während das bei den mit 60° warmem Wasser
allein versetzten Sputis immer gelang, sofern die Versuchstiere nicht an
Tabelle 8.
Versuch 1.
a) 225 ccm 60* warmes Wasser
25 ccm Antiformin
+ 10 ccm Sputum
b) 250 ccm 60° warmes Wasser
+ 10 ccm Sputum
c) 225 ccm kaltes Wasser
! 25 ccm Antiformin
~f 10 ccm Sputum
20. II.
M. 3769, nach 10'. !
f 22. III. Meer¬
schweinchenseuche T.B.— |
.
20. II.
M. 3775, nach 30'.
t 2 V.' Typischer
Tuberkulosebefund.
M. 3770, nach 10'.
umgebracht am 17. IX.
T. B.—
M. 3776, nach 30'.
110. V, Typischer
Tuberkulosebefund.
M. 3771, nach 20'.
f 18. III., interkurrent.
T.B.—
“
M. 3772, nach 20'.
t 22. III., interkurrent.
T. B.—
|
M. 3773, nach 30'.
f 7. III. Meer¬
schweinchenseuche T.B.—
.
M. 3774, nach 30'.
—
f 18. III. Pneumonie.
T. B.— Pneumokokken-)-.
Versuchsergebnis: Tuberkelbazillenhaltiges Sputum ließ nach 10, 20 und
30' langer Vorbehandlung mit 60° warmer 10% Antiforminlösung keine viru¬
lenten T.B. im Tierversuch mehr nachweisen, während dasselbe Sputum, 30'
mit 10% zimmerwarmer Antiforminlösung vorbehandelt, noch virulente T. B.
aufwies. (Beachte die Seuche!)
Versuch 2.
Nach 15'.
Nach 15'.
Nach 15'.
20. III.
20. III.
20. III.
M. 3789.
M. 3796.
M. 3799.
t 27. IV. Meer-
t 22. V. Typischer
t 24. V. Typischer
schweinchenseuche T.B.—
Tb-Befund.
Tb-Befund.
M. 8794.
M. 3797.
f 5. VI. Schwere Tb.
M. 3800.
t 18. IX., geschlachtet.
T. B.—
t 6. VI. Typischer
Tb-Befund.
M. 3795.
M. 3798.
M. 3801.
t 31. V. T. B.— Meer¬
t 17. V. Typischer
f 29. IV. Typischer
schweinchenseuche T.B.—
Tb-Befund.
Tb-Befund.
Versuchsergebnis: 60° warme 10% Antiforminlösung tötete in allen
3 Fällen T. B. innerhalb 15' im Sputum ab. 60° warmes Wasser tötete in keinem
Falle innerhalb 15' T. B. im Sputum ab. Eine 10% Antiforminlösung tötete
bei Zimmertemperatur innerhalb 15' T. B. im Sputum nicht ab.
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Original ffom
THE OHIO STATE UNIVERS1TT
<* 7 !
-5
Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten. 307
der Meerechweinchenseuche zu kurze Zeit p. inj. eingingen. Anders da¬
gegen waren die Befunde bei den Kontrolltieren, denen die Bodensätze der
mit zimmerwarmem lOproz. Antiformin versetzten Sputa injiziert waren;
sie gingen größtenteils an einer typischen Impftuberkulose ein.
Tabelle 8. (Fortsetzung.)
Versuch 3.
a) 225 ccm 60* warmes Wasser
25 ccm Antiformin
-t- 10 ccm Sputum
20' lang.
b) 250 ccm 60* warmes Wasser
-J- 10 ccm Sputum !
20' lang.
c) 225 ccm kaltes Wasser
25 ccm Antiformin
f 10 ccm Sputum
20' lang.
25. IV.
M. 3851.
1 10 . V. Sektion o. B.
T. B. — Zu früh ein-
25. IV.
M. 3854.
f 6 . VI. Typischer
Tb-Befund.
25. IV.
M. 3857.
t 14. VII. Sektion o. B.
gegangen.
i
M. 3852.
t 22 . V. Sektion o. B.
T.B.—
M. 3856.
t 30. IV. Sektion o. B.
Zu früh eingegangen.
M. 3858.
f 10. V. Sektion o. B.
Zu früh gestorben.
M. 8868 .
f 18. IX., geschlachtet.
T. B.—
M. 3855.
t 27. V. Typischer
Tb-Befund.
M. 3859.
f 31. V. Beiderseits Knie¬
faltendrüsen vergrößert
und verkäst mit positiven
T.B.-Befund. Organe frei
von T. B.
Versuchsergebnis: 60° warme 10 % Antiforminlösung tötete T. B. im
Sputum innerhalb 20 ' ab. 60° warmes Wasser tötete T. B. im Sputum inner¬
halb 20' nicht ab. 10% Antiforminlösung bei Zimmertemperatur tötete in
einem Falle (M. 3857) die T. B. im Sputum ab, während in einem anderen
Falle (M. 3852) der Tierversuch positiven T. B.-Befund ergab.
Versuch 4.
20 ' lang.
13. V.
M. 8878.
f 24. IX., geschlachtet.
T. B.—
20 'lang.
13. V.
M. 3880.
114. V. Meer-
sc h wei nche nseuche.
20 ' lang.
13. V.
M. 3876.
126. V. Meer¬
schweinchenseuche T.B.—
M. 3873.
f 14. V. Meer¬
schweinchenseuche T.B.—
Zu früh eingegangen.
M. 3881.
119. V. Meer¬
schweinchenseuche.
M. 3877.
118. V. Meer¬
schweinchenseuche.
M. 3874.
t 20 . V. Meer¬
schweinchenseuche T.B.—
M. 3882.
f31.V. Sektion o. B.
11* QftTÄ
115. VII.‘Sektion o. B.
M. 3875.
f 14. V. Meer¬
schweinchenseuche T.B.—
M. 3883.
t 31. V. Meer¬
schweinchenseuche.
U 00*70
t 2. VI. Sektion o. B.
Versuchsergebnis: Kaum verwertbar, da 8 der gespritzten Tiere bald
nach der Injektion an Meerschweinchenseuche eingingen. Nur bei dem M. 3872
ergab der Versuch, daß eine 10 % Antiforminlösung von 60 # C. ausgereicht
hatte, um die T. B. im Sputum innerhalb 20 ' abzutöten, sodaß der Tierver¬
such den Nachweis der T. B. nicht mehr erbrachte.
□ igitized by
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308
Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
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Diese Beobachtungen legten den Gedanken nahe, die Temperatur¬
grenze festzustellen, bis zu welcher eine Abtötung der Sputumtuberkel¬
bazillen in lOproz. Antiforminlösungen innerhalb verhältnismäßig kurzer
Zeit mit Sicherheit erfolgte.
Tabelle 8. (Fortsetzung.)
V e !*S u c li 5.
a) 225 ccm 60* warmes Wasser
25 ccm Antiformin
- 10 ccm Sputum
20' lang.
b) 250 ccm 60* warmes Wasser
t 10 ccm Sputum
20' lang.
| c) 225 ccm kaltes Wasser
25 ccm Antiformin
-j- 10 ccm Sputum
20 ' lang.
24. V.
M. 3906.
t 30. V. Sektion o. B.
T.B.—
24. V.
M. 3910.
t 2. VI. Sektion o. B.
24. V.
M. 3914.
118- IX., geschlachtet.
Sektion o. B.
M. 3907.
115. VI. Sektion o. B.
T. B.—
M. 3911.
| 25. VI. Typischer
Tb-Befund.
M. 3915.
i f 28. V. Meer¬
schweinchenseuche.
M. 3908.
t 30. V. Sektion o. B.
T. B.—
M 3 CM 9
113. IX. Sektion <». B.
T.B.—
M. 3916.
flO. VI. Sektion o. B.
M.,8909.
115. IX., geschlachtet.
T. B.—
M. 3913.
f 28. V. Sektion o. B.
M. 3917.
t 27. V. Pneumonie dos
linken Unterlappens.
Versuchsergebnis: getrübt durch den vorzeitigen Tod von 7 Versuchs¬
tieren ohne jeglichen pathologischen Befund bei der Sektion. In einem Falle
(M. 3909) ließ der Tierversuch erkennen, daß 60° warmes 10% Antiformin die
T. B. im Sputum abgetötet hatte, wohingegen in einem anderen Falle 60°
warmes Wasser die Sputum-T. B. nicht abtötete. In einem 3. Falle (M. 3914)
hatte eine zimmerwarme 10% Antiforminlösung ausgereicht, um die T. B. im
Sputum innerhalb 20' abzutöten (M. 3914).
Versuch 6.
25' lang.
25' lang.
25' lang.
6 . VI.
M. 3972.
M. 3969.
M. 3975.
t 24. VI. Sektion u.B.
t 9. VII. Typischer
t umgebracht 8. X.
T.B.—
[ Tb-Befund.
Typischer Tb-Befund.
M. 8978.
M. 3970.
M. 3976.
t 7. VII. Sektion o. B.
t umgebracht 8. X.
t umgebracht 8. X.
Frei von T. B. —
j Typischer Tb-Befund.
M. 3974.
M. 3971.
M. 3977.
f 26. VI. Sektion o. B.
117. VII. Sektion o. B.
T. B.—
| uingebr. 8. X. Drüßen r.
1 vergr. und verkäst. T. B.-f-
Versuchsergebnis: einwandsfrei, 60° warme 10% Antiforminlösung tötete
innerhalb 25' die Sputum T. B. ab. 60° warmes Wasser hat die T. B. im Sputum
innerhalb 25' nicht abgetötet. Zimmerwarme 10% Antiforminlösung hat bei
einem Tier (M. 3975) noch virulente T. B. nachweisen lassen, während bei einem
2. Tier (M. 3976) der T. B. Nachweis nicht mehr gelang, das 3. Tier warschon
20 Tage nach der Injektion eingegangen, bei dem der T. B. Nachweis gleich¬
falls negativ ausfiel.
Gck igle
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THE OHIO STATE UNIVERS
_ . _ .-;s£3
Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozenl Dr. Jotteh. 30'J
Tabelle 8. (Fortsetzung.)
Versuch 7.
a) 225 ccm 60* warwes Wasser
25 ccm Antiformin
4- 10 ccm Sputum j
20' lang.
I b) 250 ccm 60 # warmes Wasser i
• 10 ccm Sputum
20 ' lang. 1
|
c) 225 ccm kaltes Wasser
4 25 ccm Antiformin
4 10 ccm Sputum
| 20' lang.
4. VII.
M. 70.
t 7. X. umgebracht T.B.—
4. VII.
M. 67.
t 7. X. Typischer
Tb-Befund. T. B. +
4. VII.
M. 73.
t 7. X., umgebracht.
Sektion o. B. T. B. —
M. 71.
f 29. VII. Sektion <>. B.
T.B.—
M. 68 .
t 4. VIII. Tb-Befund.
| In Leber und Milz T. B. +
M. 74.
t 7. X., umgebracht.
Sektion o. B. T. B. —
M. 78.
1 7 . X., umgebracht T.B.—
i M. 69.
t 7. X., umgebracht.
Typischer Tb*Befund. In
Lungen, Leber, Milz
T.B.+
M. 75.
t 7. X., umgebracht.
Sektion o. B. T. B.—
Versuclisergebnis: Eine 60® warme 10®/ 0 Antiforminlösung reichte aus,
um innerhalb 20 ' die T. B. im Sputum abzutöten. Tierversuche alle negativ
(M. 70, 71, 72.) 60° warmes Wasser tötete die T. B. nicht ab. Tierversuche
alle positiv (M. 67. 68 , 69.) Eine zimmerwarme 10 % Antiforminlösung tötete
innerhalb 20 ' die T. B. im Sputum ab. T. B. waren im Tierversuch nicht mehr
nachweisbar (M. 73, 74, 75.)
Wie aus der Tabelle 9 hervorgeht, war bei Verwendung von 50°
warmen lOproz. Antiforminlösungen eine Abtötung der T.B. in allen Ver¬
suchen in 30 Minuten erfolgt 1 ), wenigstens ließen sich solche vermittels
Tierimpfungen nicht mehr nachweisen. Dagegen konnten, wie ausTabellelO
zu ersehen ist, bei Verwendung 45° warmen lOproz. Antiformins in der
1. Versuchsreihe einmal noch ganz vereinzelte, virulente T.B. in der r. Knie¬
faltendrüse eines Tieres festgestellt werden, während die beiden anderen
Tiere, die mit demselben Sputumbodensatz gespritzt und erst 3% Monate
p. inj. geschlachtet waren, keinerlei tuberkulöse Krankheitsformen und
T.B. aufzuweisen hatten. Die Kontrolliere waren alle tuberkulös er¬
krankt.
Unsere Versuche hatten somit gezeigt, daß 250 ccm 50 bis
60° warmer lOproz. Antiforminlösungen in allen Fällen aus¬
gereicht haben, um die Tuberkelbazillen in 10 ccm Sputum
innerhalb von 20—30 Minuten mit Sicherheit abzutöten.
Diese Ergebnisse sind besonders deshalb interessant, weil es selbst
mit starken Antiforminlösungen und längerer Einwirkungszeit bis zu
10 und 12 Stunden nicht gelingt, T.B. im Sputum bei gewöhnlicher
Temperatur abzutöten.
Dieselben günstigen Abtötungsergebnisse bekamen wir einige Male
auch bei praktischen Versuchen mit etappenweisem Zusatz von Sputum,
wenn wir in Spucknäpfe, die auf elektrischem Wege auf ca. 63° gehalten
*) Auch in 50® warmefi Antiforminlösungen waren K u 11 uraufschwem-
iinnigen von T.B. schon na&h 15 Minuten abgetötet; in 50° warmem Wasser
gelang die Abtötung in 15 Minuten nicht. (Tabelle 9 Versuch 2 .)
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
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310 Die Ablötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
Tabelle 9.
Versuch I.
a) 225 ccm 50° warmes Wasser
4- 25ccm Antiformin
10 ccm Sputum
30' lang
b) 250ccm 50• warmes Wasser
10 ccm Sputum
30' lang
12. IX.
M. 4108, bis 20. VII.
überlebt glatt und dann zu Sypliilis-
versuchen genommen.
12. IX.
M. 4111.
f 25. XI. Sehr schwere Tuberkulose.
T. B. -|- in verkäster Sternaldrüse.
M. 4109.
f 29. X. 1920. Keine Tuberkulose.
M. 4112.
f 5. XI. Tuberkulose, nur in Drüsen
T. B. +.
M. 4110.
f 7. V. Drüse links?, sonst glatt T. B.
nicht nachweisbar.
M. 4113.
f 15. XII. Schwere Tuberkulose T. B.-f-
Versuch 2.
Versuch mit
Reinkultur.
12. IX. 5mgr Typ.-hum. T. B. • 115«
-f 9 ccm Aq. dest. 50 # C.
-f- 1 ccm Antiformin
15' lang
12. IX. 5 mgr Typ.-hum. T. B. »115«
t-10 ccm Aq. dest. 50*C.
15' lang
12. IX.
M. 4104.
f 17. V. T. B.—. Tier war mit Weil
infiziert.
12. IX.
M. 4105.
f 20. XII. Typische Tuberkulose T. B. + *
M. 3965.
t 23. VIII. In Drüse und Milz T. B. +.
(Tier war mit Weil geimpft.)
M. 4106.
f 29. VII. Schwere Tuberkulose T. B. -{-•
M. 3966.
f 19. XII. 1919. Keine Spur von Tub.
Keine T. B.
M. 4107.
f 16.11. AJlgeineineTuberkuloseT. B.-{—
Fig. i.
Gck igle
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THE OHIO STATE UNIVERS1TT
Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privaldozent Dr. Jölten. 311
Tabelle 10.
Versuch 1.
a) 225 ccm 45® warmes Wasser
25 ccm Antiformin !
4- 10 ccm Sputum
30'lang
b) 250 ccm 45 • warmes Wasser ;
4- 10 ccm Sputum
30' lang
c) 225 ccm kaltes Wasser
25 ccm Antiformin
4- 10 ccm Sputum
30' lang
19. VI.
M. 3987.
f umgebracht7. X.T. B.—. j
19. VI.
M. 3990.
t4. VII.Meerschweinchen-
seuche.
19. VI.
M. 3993.
f 7. X. Typischer
Tb-Befund T. B. +.
M. 3988.
f 13. VIII. 2 vereinzelte 1
T. B. in der Drüse. Pneu¬
monie rechts.
M. 3991.
f 8. VII. Meerschweinchen¬
seuche. In Drüse und
Milz T. B. -f.
M. 3994.
f 7. X. umgebracht.
Typischer Tb-Befund
T.B.+. .
M. 3489.
f umgebracht 7. X. T. B.—.
1
M. 3992.
t 28. VIII. Typischer
Tb-Befund.
M. 3995.
t 7. IX. umgebracht.
1 Linke Drüse T. B. +•
Pleuritis sin. mit Käse¬
herd. T. B. +.
Versuchsergebnis: 45° warmes Wasser tötete T. B. im Sputum inner¬
halb 30' nicht ab. 45° warme 10% Antiforminlösung ließ nach 30'
langer Einwirkungszeit T. B. im Sputum im Tierversuch in einem Falle (M. 3988)
noch nachweisen, während bei 2 weiteren Fällen (M. 3987, 3989,) die T. B.
innerhalb 30' abgetötet waren. Zimmerwarme 10% Antiforminlösung
tötete innerhalb 30' die T.B. im Sputum nicht ab.
Versucli 2.
30' lang.
27. IX.
M. 4161.
f 27. III. getötet, keine
Spur von Tb.
i
30' lang.
27. IX.
M. 4164.
t 5. XII. schwere Tuber¬
kulose aller Organe.
T. B. +.
30' lang.
27. IX.
M. 4162.
f 1. VI. glatt, keine Spur
von Tuberlulose.
M. 4165.
f 31. XII. schwere Tuber¬
kulose. In Lunge und
Milz zahlreiche T. B.
M. 4163.
f 21. V. keine Spur von
Tuberkulose.
M. 4166.
t 29. XII. schwere Tuber¬
kulose aller Organe und
Drüsen. In Lunge, Leber
Milz T. B. +.
werden konnten (s. Abb. 1), 500 ccm lOproz. Antiforminlösung einfüllten
und in bestimmten Zeitabständen kleinere Sputummengen — insgesamt
50—55 ccm — zusetzten und nach der letzten Zugabe die Desinfektions¬
flüssigkeit noch %—2 Stunden einwirken ließen (s. Tabelle 11). Während
nämlich die Kontrollen mit kaltem Antiformin an typischer Tbc. eingingen,
war dieses nicht der Fall bei den anderen Tieren, die mit den Bodensätzen
von mit warmem Antiformin vorbehandeltem Sputum gespritzt waren.
In einem weiteren Versuche (Tabelle 12) dagegen konnten wir hierbei
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THE OHIO STATE UNtVERSITY
312
Die Ablötung (Jur TuberkelbaziUen im Sputum usw.
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TabeUe 11.
Etappen versuche.
Versuch I. 22. X. 1919.
.'>00ccm 10% Antiforminlösung werden bei 63° mit Sputum beschickt,
um 12h 16 — 20ccin Sputum, nach 5' totale Lösung
um 12 h *9 — 15 ccm Sputum, nach 20' alles gelöst
um lh 40 — lOccm Sputum, nach lh alles gelöst
um 2h 60 — lOccm Sputum, nach 50' alles gelöst
um 4 h wird der Temperaturkontakt ausgeschaltet,
am 23. X. morgens 10h Temperaturkontakt wieder eingeschaltet,
um 11h 16 — 10 ccm Sputum zugesetzt, die nach lVgSt. homogenisiert sind,
um 1 h 15 — (nach 2 h) wird Gesamtflüssigkeit abzentrifugiert und Bodensatz
3X gewaschen mit physiologischer NaCl-Lösung.
M. 4265. I M. 4266. I M. 4267.
t 7. V. 4920. Keine Spur Überlebt. f 13. XII. Keine Tuber-
von Tuberkulose. | Hat gar keine Zeichen kulose. Drüsen negativ,
(Zu Weil-Versuchen I tuberkulöser Erkrankung keine Tuberkelbazillen,
benutzt) ! erkennen lassen. |
Kontrolle: lOccm Sputum werden mit 10% Antiformin verdaut, sodann
abzentrifugiert und 3mal mit NaCl. gewaschen. Bodensatz s. e. gespritzt.
M. 4268, f 1. XI. Pneumonie sonst o. B.
Versuch 2. 24. X. 1919.
500cem 10% Antiforinin bei 63° werden mit 50ccm Sputum in Intervallen
beschickt, 10h 35 — lOccm, 11h 80 — lOccm, 11 h 45 — lOccm, 12h 10 — 12ccm,
12h 40 — 8ccm. Um 1 h 20 (40'später) ist alles gelöst und wird %St. zentri¬
fugiert und Bodensatz 3 mal mit physiolog NaCl-Lösung gewaschen und Meer¬
schweinchen s. c. injiziert.
M. 4269.
M. 4270.
! M. 4271.
f 29. V. Keine Spur von
f 31. V. Keine Spur von
| f 18.XII. interkurrento.B.
Tuberkulose.
Tuberkulose.
' Keine Spur von Tuber¬
kulose.
Kontrolle: lOccm desselben Sputums mit 25ccm Antiformin verdaut und
abzentrifugiert.
t
M. 4272.
27. X. Tier scheint schon 1919 ander¬
wärts im Versuch gewesen zu sein.
M. 4273.
f 11. XII 1919. Tb. der Lungen, Leber
und Milz. T. B. +.
schon einen Mißerfolg konstatieren, indem nämlich das Desinfiziens aller¬
dings in der kürzeren Zeit U Stunde nach der letzten Sputumzugabe die
T.B. noch nicht abgetötet hatte.
Als wir aber nun daran gingen, diese Desinfektionsversuche mit warmen
Lösungen in Spuckflaschen anzustellen, wo man wie in der Praxis mit
kleineren Mengen Desinfektionsflüssigkeit verhältnismäßig viel größere
Sputummen^en desinfizieren mußte, zeigte es sich, daß hierzu auch die 60°
warmen lOproz. Antiforminlösungen nicht ausreichten. Wie aus den
Tabellen 13—16 hervorgeht, wurden die Spuckflaschen vor Versuchsbeginn
zur Hälfte mit lOproz. Antiforminlösung gefüllt und dann entweder im
Wasserbad bei 60° oder in besonders konstruierten, nach außen gut
abgedichteten und mit japanischer Heizkohle auf 60—70° erwärmbaren
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Tabelle 12. Vergleichende praktische Versuche bei 60° mit 10*/ o Antiformin, Wasser und 5% K-Lysol. 1 ) 29. und 30. XI. 1919.
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314 Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
Tabelle 13.
Versuche in Spuckflaschen, die bei 60° im Wasserbad gehalten werden.
18. XI. 1919.
I. 50 ccm 10% Anti¬
formin (68)
-- 5 ccm Sputum 10 35
-- 5 ccm » 10 40
- - 5 ccm » 11 10
— 5 ccm * ll 25
+ 5 ccm » 11®°
40 Min. später 12*° Ver¬
suchsschluß. Abzentri¬
fugiert u. 3 X mit NaCl
gewaschen.
Je 2 ccm Bodensatz s. c.
II. 50 ccm 60° warmes
Wasser
-j- 25 ccm Sputum
wie I.
Behandlung wie I.
^ III. 50ccm kaltes Wasser.
I -|-25 ccm Sputum
wie I.
Behandlung wie I.
M. 3.
115. III. Schwere Tuber¬
kulose aller Organe und
Drüsen. T.B.
M. 1.
t 2.1.1920. Typischer
Tuberkulosebefund in
Lungen, Leber, Milz u.
Drüsen. T. B. +
M. 4.
113. I. Tuberkulose aller
Organe u. Drüsen T. B. -f-
M. 2.
113.1. Starke Tuber¬
kulose der Organe und
Drüsen. T. B. +
M. 5.
t 30. XII. Schwere Tuber¬
kulose der Lungen, Leber
u. Milz T. B.+
M. 7.
f 8.1. Schwere Tuber¬
kulose. T. B. +
M. 6.
t 8. I. Ausgesprochene
Tbc. der Lungen, Leber,
Milz u. Drüsen. T. B. +
M. 8.
| 13. I. Tuberkulose der
Lungen, Leber, Milz u.
Drüsen. T. B. +
M. 9.
113. I. Schwere Tuber¬
kulose. T. B. +
Tabelle 14,
Spuckflaschenversuch bei 60°.
22. XI. 1919.
I. 50 ccm 10% Antiformin (60°)
— 5 ccm
— 5 ccm
— 5 ccm
-- 5 ccm
— 5 ccm
Sputum IO* 5
» 10 46
» ll 1 ®
» 12°®
i 12 40
stark
positives
Sputum
O ber Mi t tag s tehen gelassen vo n 4 10 —3 8°
Versuchsschluß 6 h. 5°°—60°
Zentrifugiert u. 3 X gewaschen,
je 2 ccm s. c. 6°°—60°
II. 50 ccm 10% Antiformin
+ 25 ccm Sputum wie 1.
Behandlung wie I.
M. 11.
t 20. III. 1920. Sektion o. B. T.B.—
M. 12.
t 19. 11.1920. Sektion o. B. T. B.—
M. 13.
t 15. III. An Gärtner-Stallseuche
T. B. -
M. 10.
t 26. XII. Keine Tuberkulose. T. B.—
M. 14.
t 16. III. Sektion o. B. Keine T. B .—
M. 15.
t 26. 1. Alle Organe o. B. T.B.—
Go igle
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten.
315
Tabelle 15.
Versuche mit erwärmter Spuckflasche u. 10% Antiformin.
30. XI. 1919.
Zeit
Tem¬
peratur
50 ccm 10 •/• Anti¬
formin um 9 99 ein¬
gefüllt.
9 40
40°
5 ccm Sputum
zu gesetzt.
9 :, "‘
50°
5 ccm Sputum
957
51°
5 ccm Sputum
IO * 4
59°
10 u
60°
10 1 »
62°
5 ccm Sputum
10* 4
62°
10» 1
5 ccm Sputum
10 3S
53,5°
10«
55*
|
IO 4 *
63*
10«
69«
10 11
75«
10*®
75«
10"
5 ccm Sputum
10«
72«
HO*
78*
11«
74«
HJO
1
Versuchsschluß.
Die ganze Sputummenge wird abzentri¬
fugiert und 2 X gewaschen mitphysiol.
NaCl-Lösung.
M. 4356.
t 18. II. 1920. Tuberkulose der Lunge,
Leber. Milz und Drüsen. T. H. + in
Lungen und Drüsen.
M. 4357.
j 7. XII. Sektion nicht ausgeführt.
Taschenspuckflaschen (b. Abb. 2) gehalten. Dann wurden sie in bestimmten
Zeitabständen mit je 5 ccm Sputum, insgesamt mit 25—30 ccm beschickt.
Wirkten nun diese warmen lOproz. Antiforminlösungen noch ca. % Stunden
nach der letzten Sputumzugabe ein (Tabelle 13 und 15), so waren die
T.B. im Sputum ebenso wie in den Kontrollen mit 60° warmem Wasser
allein noch nicht abgetötet im Gegensatz zu den früheren Versuchs¬
ergebnissen, wo bei 250 ccm 50—60° warmem lOproz. Antiformin und
10 ccm Sputumzusatz eine Abtötung der T.B. schon nach 15—30 Minuten
erfolgt war.
Der Unterschied in diesen Versuchsergebnissen ist auf die verschie¬
dene Versuchsanordnung zurückzuführen, indem nämlich bei diesen Spuck¬
flaschenversuchen viel weniger Desinfektionsflüssigkeit und im Verhältnis
dazu vielmehr Sputum zugesetzt wurde. Während wir bei den ersten
günstigen Versuchsergebnissen (siehe Tabelle 7—9) auf 10 ccm Sputum
250 ccm Antiforminlösung — also auf 1 Teil Sputum 25 Teile Antif. —
10' — 1 Stunde einwirken ließen und eine Abtötung erreichen konnten,
war dieses bei den späteren Versuchen, die in den Tabellen 17—24 zu¬
sammengestellt, zum Teil in kleinerenMengen in zugeschmolzenen Röhren
unter Wasser untergetaucht vorgenommen und bis zu 1 Stunde ausge¬
dehnt worden sind, keineswegs der Fall. Es war eben die zugesetzte
Sputummenge größer gewählt und schwankte zwischen gleichen Teilen
Sputum und Desinfiziens einerseits und 1 Teil Sputum und 12 Teilen
Desinfiziens andererseits bei Einwirkungszeiten bis zu 1 Stunde. Nur
in einem einzigen Versuche, und zwar bei 8 ccm Sputum und 100 ccm
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Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw
Tabelle 16. 22. XI. 1919
50 rem Desinfektions¬
flüssigkeit
10 ccm Sputum
Beginn 10 h 10
10 h 40 —36°
10 h 47 — 40°
10 h 50 — 5 ccm Sputum
H h ° 5 —60°
11 h 12 —58°
11 h u — 5 ccm Sputum
11 h 30 — 58°
11 h 50 — 5 ccm Sputum
12 h 10 —68°
12h“ — 65°
1 h — 60°
4 h — 62°
4 h 05 — 5 ccm Sputum
4h 10 — 03°
5 h — 56°
5h 40 - 55°
Versuchsschluß.
III. 50 ccm 15°/ (
KOH Zimmer¬
temperatur
+ 10 ccm Sput,
Je 2 ccm s. c
M 62.
t 10. I. Seuche
20' zentrifugiert u. '
gewaschen.
Je 2 ccm Bodensatz s
gespritzt.
Seuche
M 64.
t 8. III. Tbc
der Lungen u
Drüsen. T. B. +,
Japanische
Heizkohle
Drahthülse
b) Längsschnitt.
a) äußere Ansicht
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THE OHIO STATE UNIVERS1TY
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I. 50 ccm 10%
Antiform., warm
+ 10 ccm Sput.
II. 50 ccm 15%
KOH, warm
+ 10 ccm Sput.
Temper, u. Sputumzus. (staffelweise)
Je 2 ccm Boden¬
satz s. c.
Je 2 ccm s. c.
M 48.
t 9. II. Stall¬
seuche. Keine
T. B.
M 47.
t 2. I. Seuche.
M 49.
t 5. I. Stall¬
seuche.
M 51.
t 26. XII.
Seuche.
M 50.
t 6. II. Stall¬
seuche. Keine
Spur v. Tuber-
M 52.
t 27. I. Seuche.
Keine Tuberkul.
Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten.
317
Tabelle 17.
9. I. 20.
Versuche hei 50*.
100 ccm 10% Anti -
formin 50°
+ 8 ccm Sputum
II. 100 ccm
3% K-Lysol 50°*)
-1- 8 ccm Sputum
III. 100 ccm
5% Carbo l 50°
4- 8 ccm Sputum
IV. Kontrolle.
5% Antiformin
+ 8 ccm Sputum
I. 100 ccm 10% Anti-
„ formin
+ 25 ccm Sputum
i Einwirkungszeit 1 St.
'Zähflüssig, nichtgelöst.
Abzentrifugiert u.
2 + gewaschen.
Je 2 ccm Bodensatz
► s. c. gespritzt.
M. 4559.
f 28. V. Schwere Tuber¬
kulose T. B. +
i M. 4560.
fll. VI. Tuberkulose.
In Drüsen T. B. +
II. 100 ccm 10% Anti¬
formin
+ 25 ccm Sputum
Einwirkungszeit 1 St. Einwirkungszeit 1 St.
Noch sehr zähflüssig. .
Behandlung wie bei I. Behandlung wie bei I
III. 100 ccm
3 % K-Lysol
+ 10 ccm Sputum
Je 2 ccm Bodensatz
s. c. gespritzt.
M. 4561.
t 26. VI.
Keine Tuberkulose.
M. 4562.
fl. VII.
Keine Tuberkulose.
Je 2 ccm Bodensatz
s. c. gespritzt.
M. 4563.
t 24. II., o. B.
M. 4564.
f 4. IX. Keine
Tuberkulose.
IV. 100 ccm !%NaOH.
+ 10 ccm Sputum
Einwirkungszeit 1 St.
Behandlung wie I.
Je 2 ccm Bodensatz
s. c. gespritzt.
M. 4565.
t 7. II. Pneumonie.
In Drüsen T. B. +
M. 4566.
118. II. Leichte
Drüsenschwellung
T.B.+
50° warmem lOproz. Antiformin — 1 Stunde lang — war eine Abtötung
der T.B. erfolgt, während die Desinfektion in allen anderen versagte (siehe
Tabelle 17). Auch Versuche, mit stärkeren Konzentrationen bis zu 30
und 50proz. 60° warmen Antiforminlösungen zum Ziele zu kommen,
schlugen fehl (s. Tabelle 24). Derartige konzentrierte Antiforminlösungen
sind auch schon an und für sich wegen ihrer stark ätzenden Wirkung und
ihres hohen Preises wegen für die Desinfektion in der Praxis nicht geeignet.
*) Die hier und im folgenden mitaufgeführten Versuche mit K-Lysol,
F-Lysol, Carbol werden in einer späteren Mitteilung näher besprochen.
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THE OHtO STATE UNSVERS1TY
318
Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
Tabelle 19.
Versuche bei 60°.
5. II. 1920.
II. 100 ccm
3 % K-Lysol
+ 25 ccm Sputum
III. 100 ccm
3% K-Lysol, kalt,
+ 25 ccm Sputum
IV. 100 ccm
10% Antiformin, kalt,
+ 25 ccm Sputum
Einwirkungszeit 1 St.
Einwirkungszeit 1 St.
Einwirkungszeit 1 St.
Behandlung wie bei I.
Behandlung wie bei I.
Behandlung wie bei I.
Je 2 ccm Bodensatz
s. c. injiziert.
Je 2 ccm Bodensatz
s. c. injiziert.
Je 2 ccm Bodensatz
s. c. injiziert.
M. 4569.
f 2. VIII. Keine Spur
von Tuberkulose.
M. 4571.
t 18. II., o. B.
M. 4573.
t 25. III. Tuberkulös».
der Lunge, Milz u.
Drüsen. T. B. in Lunge,
Milz u. Drüsen +.
M. 4570.
t 4. VIII. Keine Spur
von Tuberkulose.
M. 4572.
|1.X., getötet. Keine
Spur von Tuberkulose.
M. 4574.
t 28. IV. Schwert*
Tuberkulose T. B. in
Lunge, Leber, Milz
u. Drüsen +.
Tabelle 20.
Versuche bei 63°.
10. II.
1920.
I. 100 ccm 10 % Anti¬
formin (T. B. +)
-f- 25 ccm Sputum
Einwirkungszeit 1 St.
Noch fadenziehend.
Abzentrifugiert u.
2 X gewaschen.
Je 2 ccm Bodensatz
s. c. injiziert.
M. 4567.
f 4. VI. Tuberkulose
der Drüsen u. Milz.
In Lungen T. B. +
M. 4568.
t 3. V. Schwere
Tuberkulose. T. B. +
I. 10 ccm 10% Anti¬
formin
+ 2,5 ccm Sputum
Einwirkungszeit 1 St.
Halb homogenisiert.
Zentrifugiert u. 2 X
gewaschen.
Je 2 ccm Bodensatz
s. c. gespritzt.
M. 4583.
f 1. X. Keine Spur
von Tbc.
M. 4584.
t 11. II., o. B.
II. 10 ccm 3% K-Lysol
+ 2,5 ccm Sputum
Einwirkungszeit 1 St.
Behandlung wie bei 1.
Je 2 ccm Bodensatz
s. c. gespritzt.
M. 4585.
t 16. II. Pseudo¬
tuberkulose.
M. 4586.
11. X. Keine Spur
von Tuberkulose.
III. 10 ccm Wasser
+ 2.5 ccm Sputum
Einwirkungszeit 1 St.
Einzelne Ballen
herausgofischt.
Je 2 ccm Bodensatz
s. c. gespritzt.
M. 4589.
f 12. II., o. B.
M. 4590.
t 9. III. Keine Spur
von Tuberkulose.
IV. 10 ccm
3% K-Lysol kalt.
+ 2,5 ccm Sputum
Einwirkungszeit 1 St
Behandlung wie bei i.
Je 2 ccm Bodensatz
s. c. gespritzt.
M. 4587.
tll. IL, o. B.
M. 4588.
t 12. II., o. B.
Da bekanntlich die gute homogenisierende Wirkung des Antiformins
auf dem Zusammenwirken von Hypochlorit und Alkali beruht, so versuchten
wir, ob nicht mit Alkalien allein bei Verwendung warmer Lösungen eine
Abtötung der Sputumtuberkelbazillen zu erreichen wäre. Herangezogen
wurden frisch bereitete 1—15proz. Natron- und Kaiilaugenlösungen, die
gleichfalls zunächst in derselben großen Menge (250—500 ccm) auf 10 ccm
Sputum 30'—1 Stunde lang bei 37—60° einwirkten; ebenso wurden dann
auch weitere Versuchsreihen mit weniger Desinfiziens und mehr Sputum
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Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten.
319
Tabelle 21.
Versuche mit 10% Antiformin 60°.
17. II. 1920.
I. 100 ccm 10% An¬
tiformin 60°
-|- 50 ccm Sputum
1 St. Einwirkungszeit.
Abzentrifugiert
und 2x gewaschen.
Je 2 ccm Bodens, s. c.
M. 85.
t P- inj-
M. 86.
f 10. III. Sektion o. B.
Seuche. T. B. —
M. 87.
f 10. III. Sektion o. B.
Seuche. T. B. —
II. 100 ccm 10% An¬
tiformin 60°
+ 50 ccm Sputum
1 St. Einwirkungszeit.
| Behandlung wie I.
M. 88.
f 23. III. Stallseuche.
M. 89.
f 22. IV. Tuberkulose
T. B. +
M. 90.
f 15. III. Seuche
In Drüse. T .B. + ?
III. 100 ccm 10% Antiformin
60° + IQ ccm Sputum
8 Min. später 10 ccm Sputum.
35 Min. später 10 ccm Sputum.
50 Min. später 10 ccm Sputum.
60 Min, später 10 ccm Sputum.
Darauf noch 1 St. Einwirkungsd.
Abzentrifugiert u.3X gewaschen.
Je 2 ccm Bodensatz s. c.
M. 91.
t 13. III. Sektion o. B.
Seuche. T. B. —
M. 92.
f 19. III. Sektion o. B.
Seuche.
M. 93.
f 23. IV. Tuberkulose(Typ.-Bef.)
T. B. +
angesetzt und zu beiden Serien Kontrollen bei Zimmertemperatur.
Wie man aus den beigegebenen Versuchsprotokollen (s. Tabelle 25
bis 32) ersieht, waren hierbei die Versuchsergebnisse wesentlich schlechtere
als wie in den früheren Reihen mit dem warmen 10proz. Antiformin; selbst
bei Verwendung von großen Mengen von 10 und 15% NaOH oder KOH
und nur 10 ccm Sputumzusatz bei 60° — 1 Stunde lang — war eine Abtötung
der T.B. nicht festzustellen, während dieses beim lOproz. 60° warmen Anti¬
formin sogar schon bei 20—30' langer Einwirkungszeit der Fall war.
Tabelle 22.
Versuche bei 60°
2. III. 1920.
I. 10 ccm 3% K-Lysol
+ 2,5 ccm Sputum
Einwirkungszeit 1 St.
In Röhrchen einge¬
schmolzen unt. Wasser
gebracht. Zentrifugiert
und 2X mit NaCl ge¬
waschen.
.! e 2 ccm Bodensatz s.c.
II. 10 ccm 3°ooK-Lysol,
Zimmertemperatur
+ 2,5 ccm Sputum
Einwirkungszeit 1 St.
Behandlung wie bei I.
Je 2 ccm Bodensatz s.c.
III. 10 ccm 10% Anti¬
formin + 2,5 ccm Sput.
1 St. Einwirkungszeit.
Behandlung wie bei I.
Je 2 ccm Bodensatzs.c.
IV. 10 ccm 10%Antif.
(kalt) + 2,5 ccm Sput.
1 St. Einwirkungszeit.
Behandlung wie bei I.
Kontrolle.
Je 2 ccm Bodensatz s.c.
M. 4610
f 23.III.Pseudotuberk.
Diplostäbchen; T. B.-—
M. 4612.
f 23. VIII.
Keine Tuberkulose.
M. 4607.
f 23. VIII.
Keine Tuberkulose.
M. 4609.
fl. V. schwere Tuberk.
der Lunge, Leber, Milz.
M. 4611.
f 3. V. Pneumonie
Abszess an Inj.-Stelle.
Keine T. B.
M. 4613.
f<23. VIII.
Keine Tuberkulose.
M. 4608.
f 1. XII. getötet.
Keine Tuberkulose
Archiv -für Hygiene. Bd. 90,
21
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320
Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
Tabelle 28.
Versuche bei 60° (in zu-
I. 10ccm 3°/ 0 K-Lysol
II. 10 ccm 3°/ 0 F-Lvsol
III. 10 ccm 3% Anti formin
+ 5 ccm Sputum
-f- 5 ccm Sputum
-+ 5 ccm Sputum
1 Stunde zentrifugiert und
1 Stunde
1 Stunde
2X gewaschen.
wie 1.
wie I.
Je 2 ccm Bodensatz s. c.
gespritzt.
Je 2 ccm s. c.
Je 2 ccm s. c.
M. 4620.
M. 4624.
M. 4630.
t 13. X. n. Weil.
Keine Tuberkulose.
t 25. X. o. B.
t 29. VII. (n. Weil)
Keine Tuberkulose.
M. 4621.
M. 4625.
M. 4631.
| 4. X. getötet.
t 15. VII.
t 29. 8. getötet.
Keine Tuberkulose.
Keine Tuberkulose.
Keine Tuberkulose.
Die gleichen negativen Resultate ergaben Versuche mit 10—20%
Salzsäure bei 50 und 60° selbst nach 1—2 ständiger Einwirkung. Mithin
waren also sowohl Natron- wie Kalilauge (neben schlechterer Homogenisie¬
rung des Sputums) noch weniger zur Sputumdesinfektion geeignet als
das Antiformin, das doch immerhin bei Verwendung 50—60° warmer
lOproz. Lösungen innerhalb der sehr kurzen Zeit von 20—30' in Mengen*
von 250 ccm die T.B. in 10 ccm Sputum mit Sicherheit abtötete.
Die schlechteren Ergebnisse bei der der Praxis entsprechenden Ver¬
suchsanordnung, vor allem aber hei etappenweiser Sputumzugabe sind
wohl darauf zurückzuführen, daß die oxydierende Wirkung des Hypo¬
chlorits bei höherer Temperatur, der das Keimtötungsvermögen gegen¬
über T.B. in warmen Antiforminlösungen zuzuschreiben sein wird, bei
den zuerst zugesetzten Mengen Sputum schon voll zur Geltung kommt,
und sich erschöpft, so daß sie dann zur Desinfektion des später zuge-
Tabelle 24.
Versuche bei 60° in zugeschmolzenen Röhren.
31. III. 1920.
1. 10 ccm 50°/o Anti-
II. 10 ccm 30%, Anti-
III. 10ccm 50°/ o Anti-
IV. 10 ccm 30% Anti-
formin
formin
formin, kalt.
formin, kalt.
+- 10 ccm Sputum
+ 10 ccm Sputum
+ 10 cm Sputum
-f-10 ccm Sputum
1 St.
1 st.
1 St.
1 St.
Abzentrifugiert u. 2X
Abzentrifugiert etc.
Wie I.
Wie I.
mit NaCl gewaschen.
Je 2ccm Bodensatz s. c.
Wie I.
Je 2 ccm s. c.
Je 2 ccm s. c.
Je 2 ccm s. c.
M 4633.
M 4637
M 4635.
M 4639.
f 16. IV. Pseudo tuber¬
t 22. IV. Tuberkulose
t 14. V. Tuberkulose.
t 17. IV. Tuberkulose.
kulöse, keine T.B.
T.B. + in Drüse, Leber,
Lunge, Milz.
In Milz T.B. +
In Drüse T.B.+.
M 4634.
M 4638.
M 4636.
M 4640.
t 5. VII. Tuberkulose.
t 7. V. Interkurrent
t 7. VI. Tuberkulose.
t 7. VI. Tuberkulose.
ln Lunge, Leber, Milz
und Drüse T.B.-)-.
T. B.+. In Drüsen,
Leber, Lunge u. Milz.
In 1 >rüs. u. MilzT. B.+-.
T. B.+. In Leber, Mil?,
und Drüse.
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321
Tabelle 23.
geschmolzenen Röhren) 30. III. 1920.
IV. 10 ccm 3% K-Lysol
kalt
+ 5 ccm Sputum
V. 10 ccm 3% F-Lysol
kalt
+ 5 ccm Sputum
VI. 10 ccm 5%Antiformin
kalt
+ 5 ccm Sputum
1 Stunde
wie I.
Je 2 ccm s. c.
1 Stunde
wie I.
Je 2 ccm s. c.
1 Stunde
wia I.
Je 2 ccm s. c.
M. 4622.
t 8. VI. o. B.
Keine Tuberkulose.
M. 4626.
t 7. VI. In Drüse T. B. +
Tuberkulose.
M. 4628.
t 11. V. Tuberkulose
in Drüse T. B. +
M. 4623.
t 29. VIII. o. B.
M. 4627.
t 23. IV. o. B.
M. 4629.
f22.VI. schwere Tuberk.
In Drüse und Milz. T. B. +
setzten Sputums nicht mehr ausreichen. Das geht auch schon rein
äußerlich daraus hervor, daß die Homogenisierung nicht mehr so voll¬
ständig erfolgt.
Es fällt also dann auch noch die die Abtötung der T.B. unterstützende
homogenisierende Wirkung fort; die später hereingebrachten Sputura-
ballen unterliegen so gewissermaßen nur noch der Wirkung des warmen
(Fortsetzung des Textes S. 327.)
Tabelle 25.
Versuche mit 37° warmer Flüssigkeit.
8. XII. 1919.
1. 250 ccm 10% Anti*
formin 37°
+ 10 ccm Sputum
Einwirkungszeit 25'
Abzentrifugiert und 3X
mit NaCl gewaschen.
Je 2 ccm Bodensatz s. c.
II. 250 ccm 15% KOH 37
+ 10 ccm Sput um
Einwirkungszeit 25'
Behandlung wie I.
III. 250 ccm 10% Anti¬
formin, kalt.
+ 10 ccm Sputum
'Einwirkungszeit 25'
J Behandlung wie I.
M 19.
t 9. II. Tuberkulose der
Lungen, Leber, Milz und
Drüsen T.B.+.
M 16.
f 12. I. 1920. Tuberkulose.
T.B.+
M 22.
f 14. I. Drüsen bds. ge¬
schwollen u. verkäst. Milz
stark vergrößert mit Knöt¬
chen durchsetzt, ebenso
Leber. T.B.+.
M. 20.
f 22. 111. Sektion* o. B.
M 17.
f 21. XII. KeineTuberkul.
M 23.
f 16. I. Drüsen geschwoll.,
Milz vergrößert und von
Knötch. durchsetzt, eben¬
so Leber. T.B.+.
M 21.
t 22. IV. Typischer Tb.-
befund. T. B. +
M 18.
t 31. XII. Leistendrüsen
stark vergrößert u. ver¬
käst. Tb-Knötchen in
Milz. T.B.+.
M 24.
22. I. Typischer Tb-Be¬
fund der Lungen, Leber,
Milz, Leistendrüs. T. B. +.
21 *
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322
Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
Tabelle 26.
Versuche bei 40°.
13. XII. 1919.
I. 250 ccm 10% Anti-
II. 250 ccm 15% KOH
III. 250ccm 10% Anti-
IV. 250 ccm 15°/ 0 KOH
formin
+ 10 ccm Sputum
formin. Kalt.
Kalt.
+ 10 ccm Sputum
.30'
+ 10 ccm Sputum
+ 10 ccm Sputum
30 Min. eipgewirkt
30'
30'
Abzentrifugiert u. 3X
1
gewaschen.
Behandlung wie I.
Behandlung wie I.
Behandlung wie I.
Je 2 ccm s. c.
1
M 25.
M 28.
M 29.
M 33.
f 8. I. Stallseuche.
t 10. I. Stallseuche.
In Milz kleinste Knöt¬
chen mit T. B.+.
t 7. I. Seuche. T.B.—
f 9. II. Typisch.Tb-Be-
fund. T.B.+.
M 26.
M 31.
M 30.
M 34.
t 13. I. Stallseuche.
In Drüsen und Milz
T.B.+.
M 27.
t 14. I. Seuche. In
f 15. XII. Seuche.
M 32.
f 15. VII. Seuche.
t 9. 1. Seuche.
f8.1. Tuberkel in Lun¬
ge, Leber und Milz.
Drüsen bds. verkäst.
T.B.+.
Milz Knötchen mit
T.B.+.
Tabelle 27.
2 Versuche bei 45° — 50®—60° mit demselben Sputum und 15®/ 0 Kalilauge.
15. XII. 1919. 16. XII. 1919.
1.250ccml5%KOH45°
+ 10 ccm Sputum
11. 250 ccml5%KOH
kalt
+ 10 ccm Sputum
III. 250ccm 15%KOH
50°
+ 10 ccm Sputum
IV. 250ccm 15*/oTS8lf
60«
+ 10 ccm Sputum
v 2 St. Einwirkungszeit
Abzentrifugiert und
3X gewaschen.
Je 2ccm Bodensatzs.c.
1 / 2 Stunde
| Behandlung wie 1.
V, Stunde
| Behandlung wie I.
V* Stunde
| Behandlung wie I.
M. 35.
| 16. XII. Peritonitis.
M. 38.
t 15. III. Tuberkulose
aller Organe.
T. B. +
M. 41.
t 19.1. 1920. Leisten¬
drüse etwas geschwoll.,
sonst o. B. T. B. —
M. 44.
t 19. I. o. B.
Keine Tuberkulose.
M. 36.
t 8. I. Seuche.
Keine T. B.
M. 39.
fl7. I. Drüsen beider¬
seits verkäst. T. B. +
M. 42.
16.1. Keine Spur v.Tu-
berkulose, Stallseuche.
M. 45.
t 8. I. Stallseuche.
M. 37.
| 16. XII. Peritonitis.
M. 40.
110.1. Abszess an Inj.-
Stelle, o. B.
M. 43.
f22. I. Knötchen in der
Milz, Leistendrüse r. ge-
schw.u.verkäst.T. B.+
M. 46.
t 10. II. Sect. o. B.
Keine Tuberkulose.
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323
Tabelle 28.
Versuch mit 10% NaOH bei 50* 19. XII. 1919.
I. 200 ccm 10% NaOH
+ 10 ccm Sputum
30 Min. Einwirkungszeit
Abzentrifugiert und 3X
mit NaCl gewaschen.
Je 2 ccm s. c. injiziert.
II. 200 ccm 10% Anti¬
formin 50°
+ 10 ccm Sputum
30 Min. Einwirkungszeit.
1 Behandlung wie 1.
III. 200 ccm 10% NaOH
kalt
+ 10 ccm Sputum
30 Min. Einwirkungszeit.
1 Behandlung wie I.
M. 59.
110. II. Typischer Tuber¬
kulosebefund T. B. +
M. 56.
117. Il.Vereinz. Knötchen
i. Leber u. Milz mit T.B. +
M. 60.
t 21. I. Knötchen in Milz M. 57.
und Leber mit T. B. + t 30. XII. Stallseuche.
Verkäste Leistendrüsen.
M. 53.
130.1. Tubk. aller Organe.
Leistendrüsen vergrössert
und verkäst. T. B. +
M. 54.
t23. II. Typischer Tuber¬
kulosebefund. In Drüsen
und Organen. T. B. +
M. 61.
t 4. I. 1920.
Pseudotuberkulose.
M. 58.
21. I. Knötchen in Milz.
T. B. — Leistendrüseno.B.
M. 55.
f 17. I. Typischer Tuber¬
kulosebefund T.B. i. Leber,
Milz und Lunge. +
Tabelle 29.
Versuche mit Kalilauge.
9. XII.
I. 200 ccm 15% KOH (50°)
+15 ccm Sput.T.B.(++)
Einwirkungsdauer 30 Min.
Gute Lösung.
Alles wird zentrifugiert in
Zentrifuge mit 4000 Um¬
drehungen und 2X mit
physiolog. NaCl- Lösung
gewaschen.
Bodens, s.c. gespritzt.
M. 4504. f 19. I.
In d. Leistendrüsen T.B.+
M. 4505.
t 15. XII. Sepsis.
M. 4506.
t 26. III. Schwere Tuber¬
kulose der Lunge, Leber
und Milz und der Drüsen.
In Lungen T. B. +
II. 200 ccm Wasser (50°)
+ 15 ccm Sput. (T.B.-]—[")
Einwirkungsdauer 30 Min.
Behandlung wie bei I.
Bodensatz s. c. injiziert.
M. 4507.
t 13. XII. Sepsis.
M. 4508.
t 17. XII. Sepsis.
M. 4509.
f 13. XII. Sepsis.
III. 200ccm 15% KOH
(Zimmertemperatur)
+ 15ccm Sput. (T.B.-H“)
Einwirkungsdauer 30 Min.
Ziemlich gute Lösung,
doch noch fadenziehend.
Behandlung wie bei I.
Bodensatz s. c. injiziert.
M. 4501.
t 15. XII. Sepsis.
M. 4502.
f9. II. In Milzu. Leber tub.
Veränd. Leistendrüse boh¬
nengross. InDrüsenT.B.+
M. 4503.
t 15. XII. Sepsis.
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324
Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
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Tabelle 80.
Versuch mit Natronläuge.
10. XII.
200 ccm 10% NaOH (50°)
+ 20 ccm Sputum (vom 9. XII.)
200 cm 10% NaOH (Zimmertemper.)
+ 20 ercm Sputum (vom 9. XII.)
Einwirkungsdauer 30 Minuten
Gute Lösung.
Behandlung wie am 9. XII. Sputum I.
Bodensatz s. c. injiziert.
Einwirkungsdauer 30 Minuten.
Noch etwas fadenziehend.
Behandlung wie am 9. I. Sputum 1.
Bodensatz s. c. injiziert.
M.4510.
t 15. XII. Sepsis.
M. 4513.
t 7. 11. Schwere Tuberkulose der Milz,
Leber, Lungen uud Drüsen, die alle
T. B. + enthalten.
M.4511.
f 16. XII. Sepsis.
M. 4514.
t 26. III. Schwere Tuberkulose der
Lungen, Leber, Milz und Drüsen, die
alle T. B. -f- enthalten.
M.4512.
t 15. XII. Sepsis.
M.4515.
f26.1. SchwereTuberkulosederLungen,
Leber, Milz und Drüsen. T. B. +
Tabelle 81.
Versuche mit Natronlauge.
16. XII. 1919.
1.200 ccm 10% N aOH (50°)
-[-25 ccm Sputum
Einwirkungsdauer 30 Min.
ziemlich gelöst.
Alles wird zentrifugiert
und 3X mit physiolog.
Na Gl gewaschen.
Bodensatz s. c. injiziert.
M 4516.
t 6. I. 1920. Pneumonie.
Leistendrüsen rechts stark
geschwoll. in ihnen T. B.+.
Ebenso in Lunge.
M 4517.
t 1. II. Tuberkulose der
Drüsen, Leber, Milz. In
Drüsen und Milz T. B.
M 4518.
t 3. II. 1920. Tuberku¬
lose der Lunge, Leber u.
Drüsen. In Leber und
Drüsen T. B.-f.
II. 200 ccm 10% Anti-
formin 50°
-(-25 ccm Sputum
Einwirkungsdauer 30 Min.
gut gelöst.
Behandlung wie bei 1.
Bodensatz s. c. injiziert.
M 4519.
t 28. XII. Sektion o. B.
M 4520.
t 30. III. 1920. (Mit Weil-
Kultur behandelt). Tu¬
berkeln in Lungen, Milz
und Drüsen. In Drüsen
T.B.+.
M 4521.
t 24. II. 1920. Tuber¬
kulose der Lunge, Leber,
Milz. In Lungen, Milz
und Drüsen T.B.+.
III. Kontrolle.
100 ccm 10% Na OH Zim¬
mertemperatur.
-|-12,5ccrn Sputum
Einwirkungsdauer 30 Min.
noch fadenziehend.
Behandlung wie bei I.
Bodensatz s. c. injiziert.
M 4522.
t 2. II. 1920. Tuberkulose
der Lungen, Milz u. Drü¬
sen. T.B.+.
M 4523.
t 18. XII. 1919. Inter¬
kurrent.
M 4524.
t 9. I. 1920. Eitriger Be¬
lag auf der Milz. Drüsen
stark geschwollen mit
T.B.+.
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325
Tabelle 32.
Versuche mit Natronlauge und Antiformin 50°.
21. I. 1919.
I. 100 ccm 10°/ 0 Anti-
11. 100 ccm 10°/° Anti-
III. 100ccm l°/°NaOH
IV. Kontrollen.
formin
form in
+ 10 ccm Sputum
100 ccm Wasser
+ 25 ccm Sputum
+ 10 ccm Sputum
Einvvirkungszeit 1 St.
+ 10 ccm Sputum
Einwirkungszeit 1 St.
Einwirkungszeit 1 St
Noch fadenziehend u.
Einwirkungszeit 1 St.
Noch fadenziehend u.
ungelöste Ballen.
Abzentrifugiert u. 2x
gewaschen.
Fadenziehend.
Behandlung wie bei I.
Flocken.
Behandlung wie bei I.
Ballen herausgefischt
u. s. c.
Je 2 ccm Bodensatzs.c.
gespri tzt.
Je 2 ccm Bodensatz
s. c. gespritzt.
Je 2 ccm Bodensatz
s. c. gespritzt.
Je 3 ccm gespritzt.
M 4551.
M 4553.
M 4555.
M 4557.
t 5. VII. Tuberkulose
T. B. + i. Lungen, Leb.
und Milz.
t 27. II. Erbsengroße
verkäste Drüsen. In
Milz, Lungen u. Drüsen
T.B.+.
t 3. V. schwere Tuber¬
kulose. In Lungen
T. B.+.
t 2. 11. o. B.
M 4552.
M 4554.
M 4556.
M 4558.
t 27. I. o. B.
t 23. I. o. B.
t 28. 4. schwere Tuber-
kul. In Drüsen, Leber,
Lunge T.B.+.
f 6. V. schwere Tuber¬
kulose. In Lungen,
Leber, Milz u. Drüsen
T.B.+.
Tabelle 38.
Versuche mit 50° Wasser.
31. XII. 1919.
I. 500 ccm Wasser 50°
+ 40 ccm Sputum
Dasselbe Gemisch
^ j Dasselbe Gemisch
nach 2 St. 50 ccm ent¬
nommen.
nach 4 St. weitere 50 ccm
entnommen.
nach 6 St. weitere 50 ccm
entnommen.
Abzentrifugiert u. Boden¬
satz 3X mit Na CI ge¬
waschen.
Behandlung wie I.
Behandlung wie I.
Je 1 ccm Bodensatz s. c.
M 74.
t 16. I. Seuche.
M 77.
t 23. I. Leistendrüsen
geschwollen, links verkäst.
In Drüsen u. Milz T. B.+.
M 80.
t 7. II. Tuberkel in Lun¬
gen und Milz. Drüsen
geschwollen und verkäst.
T.B.+.
M 75.
t 7. I. Seuche.
M 78.
t 23. I. Knötchen in der
Leber. Leistendrüsen ge¬
schwollen. In den Drüsen
und Milz T.B.+.
M 81.
t 7. I. Seuche.
M 76.
t 13. I. Seuche.
M 79.
t 7. I. Seuche. •
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326
Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum
usw.
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THE OHIO STATE UNIVERSITÄT.
Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten.
327
Tabelle 86.
Versuche mit 60® Wasser (untergetaucht.)
12. II. 20.
I. 10 ccm Wasser 60°
+ 5 ccm Sputum
2 St. unter Wasser fast
homogen, milchig trübe.
Zentrifugiert.
Bodensatz mit 4,0 NaCl
aufgeschwemmt und s. c.
gespritzt.
M. 4595.
Überlebt, Keine Tuberk.
t 24. I. 1921. Getötet.
Keine Spur von Tuberk.
M. 4596.
t 10. III. Keine Drüsen.
Keine T. B.
In Milz Doppelstäbchen.
II. 10 ccm Wasser 60°
+ 5 ccm Sputum
4 St. unter Wasser fast
homogen, milchig.
Zentrifugiert
Bodensatz mit 4,0 NaCl
aufgeschwemmt und s. c.
gespritzt.
M. 4593.
t Getötet 24. I. 1921.
Keine Spur von Tuberk.
M. 4594.
11. X. getötet, keine Tu¬
berk. nachweisbar. T. B.—
III. Kontrolle.
10 ccm 10% Antiformin,
kalt -f- 5 ccm Sputum
bis zur Homogenisierung.
Zentrifugiert
und 2X gewaschen.
Bodensatz mit 4,0 NaCl
aufgeschwemmt und s. c.
gespritzt.
M. 4591.
t 7. VI. Schwere Tuberk.
T. B. + in Lungen und
Drüsen.
M. 4592.
t 22. V. Schwere Tuberk.
Wassers, das eine Koagulation der in dem Sputum enthaltenen Eiwei߬
massen herbeiführt und eine direkte Beeinflussung der darin eingeschlos¬
senen T.B. sehr erheblich erschwert, so daß die kurze Einwirkungsdauer
von 1 Stunde selbst bei 50 und 60° zur Abtötung nicht mehr ausreicht.
Tabelle 87.
Versuche mit 60° Wasser.
30. XII. 1919.
I. 500 ccm Wasser 60°
-f- 40 ccm Sputum
(T.B. +++)
n. |
> Dasselbe Gemisch
in. |
> Dasselbe Gemisch
n. 2 Stunden 50ccm
entnommen.
nach 4 Stunden weitere
50 ccm entnommen.
n. 6 Stunden weitere
50 ccm entnommen.
Abzentrifugiert u. Boden¬
satz 3 X mit NaCl gewasch.
Je 2 ccm Bodensatz s. c.
| Behandlung wie I.
| Behandlung wie I.
M. 71.
t 14. I. Stallseuche.
M. 65.
112. II. In Milz Knötchen.
Leistendrüse geschwollen
und verkäst. T. B. -+-
M. 68.
f 16. I. Stallseuche.
M. 72.
t 31. I. Tuberkulose der
Milz, Leber, Lunge und
Drüsen. T. B. -f-
M. 66.
t 22. III. Sektion o. B.
T.B.—
M. 69.
f 9.1. Abszeß an Inj.- Stelle.
Leistendrüse vergrössert
mitT. B. +. Stallseuche.
M. 73.
t 6. I. Stallseuche.
M. 67.
f 17. I. Stallseuche.
M. 70.
f 9. I. Leistendrüse ver-
grössert mit T. B. +
Stallseuche.
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328
Die Abtötung der Tubcrkelbazillen im Sputum usw.
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Tabelle 88.
Etappenversuch mit Antiformin-Chlorkalk.
13. X. 1920.
1. 100 ccm 20°/o Antiformin.
10“
10 »
10 44
II. Kontrolle: 100ccm20% Antiformin.
II 00 je 5ccm Sputum zugesetzt
11 30 —10 ccm Sputum
H54
ebenso insgesamt 50 ccm Sputum
wie bei I.
12 18 —10 ccm Sputum
12» I insgesamt 50 ccm
4 u + 50 ccm Wasser mit 10 g Chlor¬
kalk (75% CI.)
5 50 90 ccm in 3 Zentrifugengläser ab¬
zentrifugiert und 3 X mit NaCl ge¬
waschen.
Je 3,0 Bodensatz s. c.
5 60 60 ccm in 3 Zentrifugenglasern ab¬
zentrifugiert und 3 X mit NaCl ge¬
waschen.
Je 3,0 Bodensatz s. c.
M. 88.
1. XII. Abszeß an InjektionsstelJe
t 30. XII. Sektion o. B.
Keine Spur von Tuberkulose.
M. 89.
1. XII. Großes Abszeß an Inj.-Stelle.
111. I. Stallseuche. An Inj.-Stelle
narbige Infiltration.
Keine Spur von Tuberkulose.
M. 90.
f 12. XI. Tuberkulose der Milz und
verkästen Drüsen T. B. +
M. 91.
10. XI. Drüsen r. stark geschwollen.
t 3. I. 21. Typischer Tb-Befund.
In Lungen, Leber,Milz u. DrüsenT. B.-f-
Von der Richtigkeit dieser Annahme haben wir uns dann in ent¬
sprechenden Versuchen mit warmem Wasser allein überzeugen können.
Wurden z. B., wie man aus den Tabellen 33—37 ersieht, 40 oder 50 ccm
tbc-haltigen Sputums selbst große Mengen warmen Wassers zugesetzt,
das im Wasserbad dauernd auf 50 oder 60° gehalten wurde, so reichte die
50° warme Flüssigkeit selbst bei östündiger Einwirkungszeit nicht aus,
um die T.B. des Sputums zum Absterben zu bringen. Etwas günstiger waren
die Ergebnisse bei 60°, indem hierbei die T.B. innerhalb 6 Stunden fast
immer abstarben (ausgenommen Versuch III, Tabelle 37), während kürzere
Zeiten, wie 4 und 2 Stunden, niemals ausreichten.
Nachdem alle diese Versuche, die bakterizide Kraft des Antiformins zu
steigern, auch bei Anwendung der Wärme für die praktischen Verhältnisse
gescheitert waren, versuchten wir schließlich noch eine Erhöhung der
bakterientötenden Komponenten, des freien Chlors und des naszierenden
Sauerstoffes, durch Zusatz eines möglichst reinen hochwertigen Chlor¬
präparates zu erreichen. Als solches stand uns der von Bayer & Co. zur
Trinkwassersterilisation empfohlene Chlorkalk zur Verfügung, der im
Gegensatz zu den sonstigen Chlorkalksorten des Handels etwa 75%
actives Chlor enthält und sehr haltbar ist, wie auch Jötten 1 ) in früheren
Versuchen über Sterilisation und Trinkwasser feststellen konnte. Durch
1) Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. 81, 1916.
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Von Prof. Dr. Ulilenhuth und Privatdozent Dr. Jötten.
329
Tabelle 89.
Desinfektions versuch am Krankenbette. 14./15. X. 1920.
I. 14. X.
Sputumgefäß mit 100 ccm
*20% Antiformin.
Dazu über Nacht ca. 50 ccm
Sputum (T. B. ++)
bis 9 Uh r früh
Um ll 60 Uhr (2 l / i St.) später
50 ccm Wasser mit 10 g
Calc. chlor. (75% Gl)
zuges. und 1 Vs St. eingewirkt.
Abzentrifugiert und 4X mit
NaCl gewaschen.
Je 5 ccm Bodensatz s. c.
II. 15. X.
Sputumgefäß mit 250 ccm
20% Anti formin
Dazu über Nacht ca. 50 ccm
Sputum (T. B. ++)
bis 8 Uhr früh _
9" Uhr 50 ccm Wasser mit
10 g Calc. chlor, (pur.) zu¬
gesetzt, eingewirkt 2 St. bis
11 ".
Abzentrifugiert und 4X mit
NaCl gewaschen.
Je 5 ccm Bodensatz s. c.
III. Kontrolle.
Vor Einfüllen des Chlorkalks
werden 50 ccm Sputumflüs¬
sigkeit entnommen und ab¬
zentrifugiert und 3x mit
NaCl gewaschen.
Der Bodensatz 2 Meer¬
schweinchen s. c. injiziert.
M. 92.
t 21. XI. Die ganze injizierte
Masse ist absorbiert u. Unter¬
hautzellgewebe sulzig infiltr.
Alle Organe o. B. frei v. T. B.
M. 98.
j 17. I. Schwere Tuberkulose.
T. B. +
M. 93.
t 22. XI. Befund wie bei 92.
Keine Spur von Tuberkulose.
M. 99.
t 27. XII. Milz stark ver¬
größert und von Knötchen
durchsetzt, ebenso Lunge und
Leber. Drüsen verkäst.T.B.-f-
M. 100.
10. XI. Abszeß und Drüsen
beiderseits.
f 16. XI. Überaus typischer
Tb-befund. T. B. +
M. 101.
10. XI. Abszeß und Drüsen
beiderseits geschwollen,
t 16. XI. Schwere Tuberkul.
T. B. +
Zusatz dieses viel Chlor enthaltenden Präparates hofften wir die
bakterizide Wirkung wesentlich erhöhen zu können. Die Zugabe des
Chlorkalks erfolgte, nachdem das Sputum in 100—250 ccm 20proz.
Antiforminlösung entweder direkt am Krankenbett über Nacht auf¬
gefangen oder im Laboratorium in Etappen zugesetzt und gut homo¬
genisiert war.
Es wurden 10 g Chlorkalk-Bayer, in 50 ccm Wasser gut verrieben, dem
Sputumantiformingemisch zugesetzt und gut umgeschüttelt. Es resul¬
tierte eine milchig-getrübte Flüssigkeit, an deren oberen Spiegel starke
Schaumbildung entstand. Nach IV 2 1 —2stündiger Einwirkung wurde ein
großer Teil des Sputumantiforminchlorkalkgemisches in Zentrifugengläser
abgefüllt und % Stunde scharf zentrifugiert, Die Bodensätze wurden
schließlich dreimal mit phys. Kochsalzlösung je 10' gewaschen und je
2 Meerschweinchen s. c. injiziert. Wie aus den beigegebenen Tabellen 38
bis 40 ersichtlich, konnten in keinem derartig vorbehandelten Sputum
vermittels Tierimpfungen lebende T. B. mehr nachgewiesen werden,
während dieses in den Sputen, die mit 20% Antiformin allein vorbehandelt
waren, immer der Fall war. Wurden aber (s. Tabelle 39) an Stelle dieses
hochprozentigen Präparates 10 g gewöhnlichen Chlorkalks verwendet, so
erfolgte keine Abtötung der T.B., trotzdem* dieser 2 Stunden lang hatte
einwirken können, während in derselben Versuchsreihe nach Zugabe
von 10 g ChlorkalkBayer schon nach 1% Stunden die T.B. unschädlich
gemacht waren.
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330 Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
Tabelle 40.
Desinfektionsversuche am
I. Sputumgefäß m.250ccm
10% Alkali-Lysol.
Über Nacht dazu ca.
160ccm Sput. (T.B. ++)
bis 9 h 80 früh
3 St. stehen gelassen
Ga. 50 ccm Sputumballen
entnommen, abzentrifu¬
giert und 3X mit Na CI
gewaschen.
Je 5 ccin Bodensatz s. c.
M 102.
1. XII. o. B. f 17. XII.
Sektion o. B. Drüsen u.
Organe frei von Tuber¬
kulose.
M 103.
1. XII. o. B. t 16. XII.
Sektion o. B. Keine Tu¬
berkulose.
II. Sputumgef. m. 250 ccm
10% .ukali-Lysol
Über Nacht dazu ca.
30 ccm Sputum (T.B.-)—|-)
bis 9 h 80 früh
3 St. stehen gelassen
Ca. 30 ccm Sputumballen
entnommen, abzentrifu¬
giert und 3X mit Na CI
gewaschen.
Je 5 ccm Bodensatz s. c.
M 104.
1. XII. o. B. t 16. XII.
o. B. Keine Tuberkulose.
M 105.
1. XII. Strang links,
f 16. XII. o. B. Keine
Tuberkulose.
III. Sputumgef. m. 200ccm j
20% Antiformin j
+ 20 ccm Sputum
über Nacht
um 11 hfrüh
100 ccm entnommen
+ 50 Aq. dest. mit 10 g
Calc. chlor. (75% CI)
1% St. bis 12 h 80 einge¬
wirkt.
Abzentrifugiert und 3 X
mit Na NI gewaschen.
Je 5 ccm Bodensatz s. c.
M 106.
1. XII. o. B. f 8- I. 1921.
Alle Organe, Drüsen frei
o. B. Keine Spur von
Tuberkulose.
M 107.
1. XII. Eiternder Abszeß
an Inj.-Stelle, f 17. XII.
Sektion o. B. Drüsen u.
Organe frei von Tuber¬
kulose.
Es lag nun der Gedanke nahe, daß dieser Chlorkalk allein die T.B.
schon abgetötet hätte, zumal ja Bofinger 1 ) in früheren Versuchen ge¬
legentlich eine Abtötung der Sputum-T.B. beobachten konnte und
Muse hold 2 ), wenn auch nur in stärkeren Konzentrationen, den Chlorkalk
zur Abtötung in Sputumflöckchen eingeschlossener T.B. der Kläranlagen
empfohlen hat. Bei ad hoc angestellten Desinfektionsversuchen (s. Ta¬
belle 41—43) mit 1,5- und 10%-Chlorkalk-Bayer-Lösungen, in doppelter oder
dreifacher Menge Sputum zugesetzt und 2—6stündiger Einwirkungsdauer,
war bei Anwendung von 1- und 5%-Lösungen selbst nach 6 Stunden kein
Absterben der T.B. festzustellen, ebenso bei der lOproz. nicht nach 2 Stunden;
dagegen konnten in dem gewaschenen Sputumbodensatz, der 5 Stunden
lang 10 pi oz. Chlorkalk ausgesetzt war, keine lebenden Bazillen mehr nach¬
gewiesen werden; die damit eingespritzten Tiere 64 und 65 zeigten bei der
Sektion keine tuberkulösen Erkrankungsformen, auch waren T.B. nicht nach¬
zuweisen, während bei Anwendung des gewöhnlichen Chlorkalks selbst
nach 6stündiger Einwirkung noch infektionsfähige T.B. bei den Tieren 166
und 167 in den erkrankten Organen gefunden werden konnten. Der Vor¬
zug dieses reinen hochwertigen Chlorkalks vor dem gewöhnlich im Handel
1) Bofinger, Arbeiten a. d. kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 20.
2) Musehold, desgl., Bd. 17.
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331
Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozenl Dr. Jötten.
Tabelle 40.
Krankenbett. 29. X.
1920.
> Kontrolle.
IV. Sputumgefäß mit
200 ccm 20% Antiformin
-(- 20 ccm Sputum
über Nacht
> Kontrolle
um 11h früh
100 ccm entnommen, ab¬
zentrifugiert und 3X mit
Na CI gewaschen.
um 11h früh
Ca. 100 ccm entnommen
-(-50 Aq. dest. mit 10 g
Calc. chlor. (75% CI)
um 11 h früh
100 ccm entnommen, ab¬
zentrifugiert und 3X mit,
Na CI gewaschen.
Je 5 ccm Bodensatz s. c.
1V 2 St. bis 12h*° einge¬
wirkt
Abzentrifugiert und 3 X
mit Na CI gewaschen.
Je 5 ccm Bodensatz s. c.
Je 5 cem Bodensatz s. c.
M 110.
1. XII. Drüsen r. ge¬
schwollen. f 6. XII. Tu¬
berkulose der Milz und
der Drüsen T. B. +.
M 108.
1. XII. Eiternder Abszeß.
112.1. Stallseuche. Keine
Spur von Tuberkulose.
M 112.
1. XII. Drüsen bds. ge¬
schwollen. f 4. XII. Tu¬
berkel in Lunge u. Milz.
Drüsen verkäst m. T.B.-(-.
M 111.
1. XII. Drüsen bds. ge¬
schwollen. f 14- XII. Tu¬
berkulose der Drüsen,
Leber und Milz. Tuberkel
in Lungen.
M 109.
1. XII. Großer Abszeß,
t 2. XII. Abszeß an Inj.-
Stelle. Pericarditis. Keine
Spur von Tuberkulose.
M 113.
1. XII. Drüsen bds. ge¬
schwollen. t 17. XII.
Typisch.Tbbefund T.B.-|—
befindlichen ging eindeutig aus diesen Versuchen hervor. Leider konnte
uns von der Firma Bayer & Co. nichts mehr von diesem Präparat zur
Verfügung gestellt und eine Wiederholung der Versuche infolgedessen
nicht mehr vorgenommen werden. Es ließ sich aber aus den bisherigen
Ergebnissen schon mit Sicherheit schließen, daß die günstigen Versuchs¬
ergebnisse bei kombinierter Anwendung von 20proz. Antiformin und
10 g Chlorkalk-Bayer nicht dem Chlorkalk allein zukommen, da ja selbst
nach 2 Stunden langem Aufenthalt von Sputum in 10% Lösung eine Ab¬
tötung der T.B. nicht erfolgt war. Es dürfte vielmehr wohl mit Recht
eine kombinierte Wirkung von Antiformin und Chlorkalk
durch die Vermehrung des freien Chlors und des naszierenden Sauerstoffs
anzunehmen sein.
Wenn auch dieses Sputumdesinfektionsverfahren mit Antiformin
und Chlorkalk 1 ) einmal wegen des zu hohen Preises und dann auch wegen
der schweren Beschaffbarkeit des reinen hochwertigen Chlorpräparates
1) Das von Wolff auf dem Tub.-Kongreß in Bad Elster bekannt ge¬
gebene Verfahren der Sputum-Desinfektion mit Chlorkalk und Staßfurter Salz
(nach Simon) ist nach unsern mit Hailer angestellten Versuchen unzuver¬
lässig. Die Protokolle bringen wir in einer der nächsten Mitteilungen. Da¬
gegen haben Versuche mit Chlor am in (Heyden) gute Ergebnisse gezeitigt
(Uhlenhuth und Hailer).
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Tabelle 41.
Versuche mit Chlorkalk (Bayer u. Co.) 75% freies Chlor. 4./5. X. 1920.
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332
Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
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THE OHtO STATE UNIVERSSTY
Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten.
333
Tabelle 48.
Versuche mit gewöhnlichem Chlorkalk (35% freies Chlor).
22. XII. 1920.
1. 30 ccm 10% Chlorkalk
+ 10ccm Sputum (T.B.+)
6 Stunden.
Abzentrifugiert u. 3 X
mit NaCl gewaschen.
Je 2,0 Bodensatz s. c.
II. 30 ccm 10 % Chlorkalk
+ 10 ccm Sputum (T.B.-)-)
6 Stunden.
Abzentrifugiert u. 3 X
mit NaCl gewaschen.
Je 2,0 Bodensatz s. c.
III. 30ccm 10%Chlorkalk
+ 10 ccm Sputum (T.B. +)
6 Stunden.
Abzentrifugiert u. 3 X
mit NaCl gewaschen.
Je 2,0 Bodensatz s. c.
M. 162.
t 27. XII. Gift!
M. 164.
Stallseuche. Abszeß an
Inj.-Stelle. tlM. 1921.
Organe frei von Tbc.
Drüsen r. etwas ge¬
schwollen T. B. —
M. 166.
Stallseuche, f 14. 1.1921.
ln Drüsen u. Milz T. B. +
M. 163.
f 27. XII. Gift!
M. 165.
t 12. I. 1921. Seuche.
Organe frei von Tbc.
Drüsen r. geschwollen
mit T. B. +
M. 167.
Stallseuche, f 12. 1. 1921.
Milz von Knötchen durch¬
setzt. Drüsen r. ge¬
schwollen u. verkäst.
T. B. +
für die Praxis wohl kaum in Frage kommen dürfte, so waren diese Ver¬
suchsergebnisse doch insofern bedeutungsvoll, als sie gezeigt haben, daß
die bakterizide Kraft des Antiformins durch geeigneten chemischen
Zusatz sich steigern läßt, ähnlich wie das uns in den früheren Versuchen
bei Verwendung von erwärmten Lösungen gelungen war.
Bevor wir über unsere weiteren Beobachtungen berichten, möchten
wir noch kurz auf ein Verfahren eingehen, das nach dem Vorgang von
Kaiser von Schuster im Flüggeschen Institut ausgearbeitet ist und
auch nach vorhergehender Homogenisierung des Sputums mit Kalkmilch
die Abtötung der T.B. durch Wärme, die durch Zugabe von Ätzkalk her¬
vorgerufen wird, herbeiführen soll (s. Flügge, Grundr. der Hygiene,
neueste Auflage und Schuster, Ztschr. f. Hyg. u. Inf.-Kr., Bd. 92, H.3).
Das Sputum wird dabei in 20proz. Kalkmilch aufgefangen und nach
erfolgter Homogenisierung wird ungefähr die doppelte Menge gute un¬
gelöschter Kalk (Ätzkalk) in Stücken zugesetzt, sodaß dieselben den oberen
Flüssigkeitsspiegel überragen. Unter starker Wärmeentwicklung nimmt
dann das ganze Sputum- und Kalkgemisch eine derartige Hitze an, daß
sie ausreichen soll, um alle T.B. abzutöten.
Das Verfahren hat den Vorzug der Einfachheit, nur ist, wie wir
uns in mehreren eigenen Versuchen überzeugen konnten, die Homo¬
genisierung wenig befriedigend und leider häufiger auch mit einem Springen
der Speigläser (selbst aus Jenaer Glas!) zu rechnen; weiter läßt sich ein
Umherspritzen der Kalksputummassen bei der Hitzeentwicklung schwer
verhüten. Der Hauptübelstand besteht aber darin, daß die Wärmeentwick¬
lung nicht immer so vor sich geht, wie Schuster sie für die Abtötung
der T.B. verlangt. Wie aus den beigegebenen Protokollen (Tabelle 44)
hervorgeht, wurden selbst bei Verwendung ganz frisch im Platin-
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
334
Oie Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw.
Tabelle 44.
Versuche mit Ätzkalk nach Schuster.
5. und 7. X. 1920.
5. X.
I. 50 ccm Kalkmilch
-|-25ccmSput.(T.B. | f - [ +)
7 St. stehen gelassen
Dann geglühter Weißkalk in
Stücken zugesetzt (5 h).
5h 1 — 60°
5h 2 — 80°
5h 2 —85°
5 h 4 — 88 °
5h 6 — 88 ° 5 h 22 —54°
5 h 4 — 87° 5 h 28 — 52°
5h 2 —82° 5h 22 —50°
5 h 10 —80°
5 h 17 — 68 °
7. X.
II. 100 ccm Kalkmilch
-f- 50 ccm Sput. (T. B.-|—f—f-)
67t St. stehen gelassen
Dann Zusatz von frisch ge¬
glüht. Weißkalk i. Stück. 4 h 61
4 61 —17°
4 62 — 68 °
4 64 — 85°
4 m_ 930
4 64 — 97° 5h 14 — 74°
4 68 — 99° 5 h 21 — 66 °
5 01 _ 930
5 04 — 90°
5 u — 83°
7. X.
III. Kontrolle.
Sputum von II. mit 10%
Antiformin homogenisiert,
zentrifugiert und 3X mit
Na CI gewaschen.
Kalkgemisch m. NaCl 250 ccm
verrieben u. die überstehende
Flüssigkeit abgehebert und
zentrifugiert. Je 5 ccm Boden¬
satz s. c. T. B. -f.
M 76.
10 . XI. Großer Abszeß an
Inj.-Stelle. f 22 . XI. Sektion
o. B. Organe und Drüsen
frei. Abszeß an Inj.-Stelle.
T. B.—.
M 77.
Inj. i. p. gegangen, t r >. X.
Peritonitis.
5 h 20 . Kalkmenge in ca.
150 ccm Na Gl verrieben u.
1 St. absitzen gelassen. Über-
stehendeFlüssigkt. 10 ' scharf
zentrifugiert u. der Bodensatz
2 Tieren s. c. injiziert.
M 84.
t 20 . X. Pneumonie bds.
Die eingespritzte Masse hat
sich abszediert.
M 85.
10 . XI. Großer Abszeß an
Inj.-Stelle, f 10 . XI. Abszeß
an Inj .-Stelle. Drüsen und
Organe frei. Keine Tuber¬
kulose.
Je 2,0 Bodensatz s. c.
M 86 .
10 . XI. Drüsen bds. ge¬
schwollen. t 10 . XI. Überaus
typisch. Tb.-Befund. T. B. -f.
M 87.
t 10 . XI. Großer Abszeß an
Inj.-Stelle. Tuberkel in Lun¬
gen bds. Milz von Tuberkel
durchsetzt. Drüsen bds. ver¬
käst. T. B.
Versuch vom 6 . X.
50 ccm Kalkmilch
+ 25 ccm Sputum (T.B.-J- + )
67a St. stehen gelassen
Dann geglühter Weißkalk in
Stücken zugesetzt. (4 h 24 )
4 h 24 —17° 4 h 22 —62,5°
4 h 24 — 70° 4 h 24 —69°
4 h 28 — 73° 4 h 86 — 57°
4h 20 — 70° 4 h 42 — 48°
4 h“— 65°
Verarbeitet 5 h.
Zunächst im Mörser mit
NaCl verrieben und dann
insgesamt in 100 ccm NaCl
aufgeschwemmt. Stehen u.
absitzen lassen und die über¬
stehende Flüssigkeit abzentri¬
fugiert und der Bodensatz
2 Tieren s. c. injiziert.
M 82.
10 . XI. Großer Abszeß an
Inj.-Stelle. Drüsen ? f 23. XI.
Typisch. Tb.-Befund. T.B.-k
M 83.
10 . XI. Großer Abszeß und
Drüsen bds. geschwollen,
t 23. XI. Typischer Tb.-Be-
fund. T. B.+.
tiegel geglühten Weißkalks nicht immer die gewünschten Temperaturen
von 80—90° und höher erzielt, die erforderlich sind, da die Hitzeeinwirkung
doch immerhin eine nur verhältnismäßig kurze ist. (In mehreren Ver¬
suchsreihen wurden nur Temperaturen von 50—60° erreicht.)
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THE OHIO STATE UNIVERS1TY
Von Prof. Dr. Uhlenhutli und Privatdozont Dr. Jötten.
335
Dementsprechend fielen auch die von Dr Jötten angestellten prak¬
tischen Desinfektionsversuche aus, die genau nach den Schuster sehen
Vorschriften (nach Mitteilung durch Herrn Geh.-Rat Flügge an
Dr. Jötten) ausgeführt waren.
Der ganze Testierende ziemlich feste Kalkklumpen, der sich nur schwer
aus den Gläsern herausheben oder -schaben ließ, wurde im Mörser mit
phys. NaCl-Lösung verrieben und 1—2 Stunden stehen gelassen. Die Kalk¬
massen hatten sich daraufhin zu Boden gesetzt und darüber stand eine
leicht milchig getrübte Flüssigkeit, die, abgehebert und zentrifugiert, einen
Bodensatz lieferte, der reichlich T.B. enthielt. Diese Bodensätze wurden
Meerschweinchen s. c. injiziert. Wie man der Tabelle 44 entnehmen
kann, wurden in den Sputen, die einer Wärmeentwicklung von 80—90°
und mehr Grad ausgesetzt waren, die T.B. abgetötet, während dieses bei
geringeren Temperaturen nicht der Fall war.
Würde man also einen derartigen, hohe Temperaturen entwickelnden
Ätzkalk stets zur Verfügung haben, so wäre die Methode als zuverlässig
anzusehen, wenn auch mit dem Springen der Gläser und dem nicht un¬
gefährlichen Umherspritzen der sich explosionsartig erhitzenden Sputum¬
kalkmassen zu rechnen sein dürfte. Ob sie sich daher für die Praxis
in der Hand des Laien eignet, müssen weitere Erfahrungen lehren, sofern
überhaupt die Bereitstellung größerer Mengen sicher einwandsfreien,
d. h. genügende Hitze entwickelnden, längere Zeit haltbaren Ätzkalks
möglich ist.
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THE OHIO STATE UNIVERSITY
^ •
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Beitrag zur Frage der Invasionsfähigkeit der im amerika¬
nischen Speck enthaltenen Trichinen nebst Versuchen über
den Einfluß der Trockenpökelung auf die Lebensfähigkeit
der Muskeltrichinen.
Von
Dr. med. vet. Erich Süskind.
(Bef der Redaktion eingegangen am 27. Juni 1921.)
Die Zweifel, die betreffs der Gesundheitsschädlichkeit der 1919 und
1920 eingeführten, häufig stark durchgepökelten amerikanischen Schweine¬
fleischwaren laut wurden, veranlaßten mich, Versuche über die Lebens¬
fähigkeit der Trichinen in derartigen Waren auszuführen und im Verfolg
dieser Versuche den Einfluß von Kochsalz in Substanz auf die Lebens¬
fähigkeit eingekapselter Muskeltrichinen zu prüfen.
I. Die Invasionefähigkeit der im amerikanischen Speck enthaltenen
Trichinen.
Betreffs der Häufigkeit der Trichinen in den amerikanischen Schweine¬
fleischwaren der Jahre 1919 und 1920 ist zu bemerken, daß von 2566310 Stück
Schinken, Speckseiten und Fleischstücken, die in den Beschaustellen zu Ham¬
burg, Dresden, Pirna, Hof, München, Stuttgart und Mannheim
insgesamt zur Untersuchung gelangten, 0,058% Trichinen aufwiesen. Bei der
Höhe der Stückzahl (ca. 2,5 Millionen), aus der dieser Prozentsatz berechnet ist,
darf man diese Zahl als Durchschnittswert für den Gehalt sämtlicher in
Deutschland damals untersuchter amerikanischer Pökelfleischsendun^en an
trichinösen Stücken betrachten. Es finden sich daher in amerikanischem
Schweinefleisch ungefähr 14,5mal häufiger Trichinen wie im ein¬
heimischen, wenn man den zuletzt im Jahre 1912 in Deutschland für ein¬
heimische Schweine ermittelten Prozentsatz von 0,004 zugrunde legt. Dieser
große Unterschied in der Häufigkeit der Trichinenfunde ist dem Fehlen einer
Trichinenschau in Amerika, wie auch dem häufigeren Vorkommen von Trichinen
bei amerikanischen Schweinen zuzuschreiben.
Die Versuche über die Invasionsfähigkeit der in ameri¬
kanischem Fleische enthaltenen Trichinen habe ich 1919 und 1920 an 15
ausgewachsenen Meerschweinchen mit gepökelten, trichinösen amerikani¬
schen Schinken- und Speckseiten am Schlachthofe zu Stuttgart an¬
gestellt, ohne ein einziges positives Resultat zu er¬
halten. Zur Vorbereitung für die Fütterung wurden, um ein vorzeitiges
Verenden der Tiere an Magen-Darmentzündung zu verhüten, von Fett und
Gck igle
Original frorn
THE OHIO STATE UNfVERSm.
Beitrag zur Frage der Invasionsfähigkeit usw.
337
Bindegewebe befreite Fleischstücke von Talergröße ca. 6 Stunden gewässert.
Die Stücke wurden dann, klein zerschnitten, mit der Pinzette den Tieren
in den Rachen geschoben, wobei ich mich immer davon überzeugte, daß
sie alles geschluckt hatten. Keines der Meerschweinchen zeigte nach den
Fütterungen irgendwelche Krankheitssymptome. Fünf Tiere fütterte ich
mit Fleischproben, die aus den innersten Schichten je eines stark trichinösen,
gepökelten Schinkens unmittelbar am Knochen entnommen worden waren.
Die Entfernung der innersten Schichten von der
Oberfläche der 5 Schinken betrug entsprechend der Größe derselben
8 b i s 10 cm. Ihr Kochsalzgehalt in dieser Tiefe schwankte
zwischen 16,61 und 18,99%. Trotz dieses hohen Kochsalzgehaltes
führte ich die Fütterungen durch, da B ö h m 1 ) Trichinen aus einem
Fleischstücke „mit starkem Salzgehalte“ zur Weiterentwicklung bringen
konnte. Die Proben nahm ich immer aus den Abschnitten der Schinken,
deren Oberfläche mit Schwarte bedeckt war. Die Zahl der Trichinen in
den verabfolgten Fleischmengen berechnete ich nach dem Trichinengehalte
des betreffenden Schinkens. Dieser Gehalt wurde aus dem Gewicht von
30 von verschiedenen Stellen des Schinkens genommenen Quetschprä¬
paraten und der Zahl der in den Präparaten enthaltenen und unter dem
Kompressorium abgezählten Trichinen ermittelt. Ich verwandte nur
Fleisch mit Trichinen, deren Zellkörper und Darm gut erhalten waren und
deren Kapsel sich deutlich konturiert zeigte. Das erste Meerschweinchen
erhielt Ptoben von einem Schinken aus 8 cm Tiefe im Gewichte von
23,487 g mit 27902 Trichinen. Beim zweiten Meerschweinchen und zweiten
Schinken lauten die entsprechenden Zahlen: Tiefe 9 cm, Proben 13,910 g,
Trichinen 19557 Stück, beim dritten Meerschweinchen und dritten Schin¬
ken: Tiefe 9 cm, Proben 56,791 g, Trichinen 9900 Stück, beim vierten
Meerschweinchen und vierten Schinken: Tiefe 10 cm, Proben 13,231 g,
Trichinen 22347 Stück, beim fünften Meerschweinchen und fünften
Schinken: Tiefe 10 cm, Proben 9,169 g, Trichinen 27360 Stück.
Da Johne 2 ) von einem 1880 durch N e u m a n n ausgeführten
und positiv ausgefallenen Versuche an einem Kaninchen mit amerikani¬
schem Bauchspeck berichtet, so machte ich gleichzeitig mit den Schinken¬
versuchen 10 Fütterungsversuche mit gepökelten, stark trichinösen ameri¬
kanischen Speckseiten an 10 Meerschweinchen. Hiezu wurden die nach
innen dem Speck auf lagernden Muskelschichten benutzt. Diese Versuche
wurden geradeso und unter denselben Bedingungen ausgeführt wie die¬
jenigen mit Schinken. Die 10 Meerschweinchen wurden in 3 Gruppen ein¬
geteilt, je nach dem Abstand der am weitesten von
der Oberfläche entfernten Muskelschichten von
derselben. Von der ersten Gruppe, bestehend aus 3 Meerschweinchen,
erhielt jedes derselben Proben im Gewichte von 30,60 bis 41,51 g mit 25431
bis 28670 Trichinen aus je einer Speckseite, deren Muskelschichte
4 cm dick war. Bei der zweiten Gruppe (3 Meerschweinchen) waren die
1) Böhm, Fütterungsversuche mit trichinösem amerikanischem Schweine¬
fleisch. Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene, X. Jahrg., Dez. 1899.
2) Johne, Beiträge zur Kenntnis der Trichinosis bei Schweinen. Deutsche
Zeitschrift für Tiermed. u. vergl. Path. 1884, S. 281.
Archiv für Hygiene. Bd. 90. 22
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338 Beitrag zur Frage der Invasionsfähigkeit usw.
entsprechenden Zahlen: Proben 18,930 bis 26,243 g, Trichinen 20785 bis
26112 Stück, D i c k e 5 cm, bei der dritten Gruppe (4 Meerschweinchen):
Proben 14,788 bis 19,373 g, Trichinen 17564 bis 24256 Stück, D i c k e 6 cm.
Da vergebliches Suchen nach Darmtrichinen noch kein sicherer Beweis
für deren Abwesenheit ist und selbst deren Auffinden nur ein Beweis für
die Lebens-, nicht aber für die Invasionsfähigkeit der Trichinen bildet, so
untersuchte ich die Meerschweinchen nur auf Muskeltrichinen. Dies ge¬
schah frühestens 42 Tage nach der ersten Fütterung, da nach dieser Zeit
die Muskeltrichinen ausgewachsen sind, daher nicht mehr übersehen werden
können. Aus der Muskulatur jedes Tieres fertigte ich im Kompressorium
170 zehnpfennigstückgroße Quetschpräparate an, die der Bauch-, Zwerch¬
fell-, Zwischenrippen-, Kau-, Kehlkopf-, Zungen- und Extremitätenmus¬
kulatur entnommen wurden.
Meine 15 Versuche wurden nur mit stark gesalzenen amerikanischen
Speckseiten und Schinken angestellt, da mir schwach gesalzene nicht zur
Verfügung standen. Irgend ein positives Ergebnis war, wie schon
erwähnt, nicht zu erzielen. Zu dem gleichen Ergebnis kirnen auch
Feuereißen 1 ), Junack 2 ) und H i e n t z s c h 3 ), von denen die beiden
letzteren gleichzeitig mit mir im Berliner Schlachthoflaboratorium Füt-
terungsversuche ausgeführt haben.
2. Versuche Ober den Einfluß der Trockenpökelung auf die Lebens¬
fähigkeit der Muskeltrichinen.
Sieben Stücke sehr stark trichinösen Meerschweinchenfleisches von
ungefähr gleicher Dicke wurden mit käuflichem Speisekochsalz in ver¬
schiedener, jeweils bestimmter Menge trocken gepökelt. Die 7 Stücke
wurden in 3 Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe bestand aus 3 Stücken
mit Trichinen im Alter von 6, die zweite aus 2 Stücken mit
Trichinen im Alter von 8 und die dritte aus 2 Stücken mit
solchen im Alter von 10 Wochen. Um das Alter der Muskel¬
trichinen annähernd richtig zu erhalten, wurde jedes Meerschweinchen,
dessen Fleisch ich pökeln wollte, vom Tage der Infektion an gerechnet,
11 Tage länger am Leben gelassen als dem jeweils von mir gewünschten
Alter der Trichinen entsprach, da erst 9 bis 10 Tage nach der Infektion
die Embryonen in großer Zahl in den Muskelfasern sieh finden. Die Infek¬
tionsfähigkeit 6 Wochen alter Muskeltrichinen kann keinem Zweifel unter¬
liegen. Denn nach den Versuchen yon v. Ü s t e r t a g 4 ) tritt sie ein,
1) Feuereißen, Erfahrungen mit trichinösem Fleisch. Übertragbare
Trichinen im amerikanischen Gefrierfleisch. Zeitschrift für Fleisch- und Milch¬
hygiene, 30. Jahrg., 1920, S. 251.
2) Junack, Zur Invasionstüchtigkeit der Trichinen im zubereiteten ameri¬
kanischen Schweinefleisch. Deutsche Schlacht- und Viehhofzeitung, 20. Jahrg.,
1920, S.318.
3) Hientzsch, Untersuchung über die Lebens- und Invasionsfähigkeif
der Trichinen, die in den zurzeit aus Amerika eingeführten Fleischwaren nach¬
zuweisen sind. Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., 31. Jahrg., 1921, S. 99.
4) v. Ostertag, Vermögen Darmtrichinen und wandernde Trichinen auf
einen neuen Wirt überzugehen? Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., 3. Jahrg.,
1893, Heft 3.
Gck igle
Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
Von Dr. Erich Süskind.
339
wenn die jungen Trichinen, vom Tage ihrer Geburt an gerechnet, ein Alter
von 17 bis 18 Tagen erreicht haben, ein Alter, wo ihre Geschlechtsorgane
sich eben angelegt haben. Vor der Pökelung wurde jeder Meerschweinchen¬
körper nach Entfernung des der Muskulatur aufsitzenden Fettes kurze
Zeit an einem kühlen, luftigen Orte aufgehängt, bis die Oberfläche des
Fleisches etwas abgetrocknet war. Sodann wurde die hintere Körperhälfte
abgetrennt und immer nur dieses Fleischstück benutzt, weil hier die dicksten
Muskelmassen des ganzen Rumpfes sich befinden. Die 6 gesalzenen
Fleischstücke wiesen an der dicksten Stelle ihrer Muskulatur,
in der Reihenfolge der Versuche aufgezählt, einen Durchmesser
von 2,0; 1,9; 1,6; 1,9; 2,1 und 2,3 cm auf. Hierauf wurde jede Hinter¬
hälfte gewogen. Trockenpökelung wurde deshalb angewandt, weil die seit
1919 nach Deutschland eingeführten amerikanischen Schweinefleisch¬
waren in der Regel in dieser Weise gepökelt sind. Das eine Fleischstück
aus jeder Gruppe wurde schwach gepökelt, indem 5gSalz auf je 100 g
Fleischgewicht genommen wurden wie bei der in Deutschland
üblichen Trockenpökelungsmethode, wo auf 1000 g Fleischgewicht 500 g
Salz gerechnet werden, das andere wurde stark gepökelt, indem j e 100 g
Fleischgewicht 10g Salz zugesetzt wurden, in der Erwartung,
daß jugendliche Trichinen bei diesem Pökelungsgrad frühzeitig absterben.
Das dritte Stück der ersten Gruppe wurde in Gestalt des ganzen Meer¬
schweinchenkörpers zur Kontrolle ungesalzen aufbewahrt und in einer
Kühlzelle bei + 3 bis 4° C aufgehängt. Das auf das Fleisch gestreute Salz
wurde durch Reiben gleichmäßig über die Gesamtoberfläche desselben
verteilt. Jedes gesalzene Fleischstück kam für sich in ein weites, zylin¬
drisches Glasgefäß auf einen durchbrochenen Holzboden zu liegen, damit
das infolge der hygroskopischen Wirkung des Salzes aus dem Fleische aus¬
tretende Wasser ablaufen konnte. Durch die vorhergehende, leichte Ab¬
trocknung der ziemlich feuchten Fleischoberfläche erreichte man, daß das
Kochsalz nicht von der an der Oberfläche befindlichen Flüssigkeit zusammen
mit austretendem Wasser gelöst weggeschwemmt wurde, noch ehe es zur
vollständigen Entfaltung seiner austrocknenden Wirkung gelangte. Die
Abtrocknung des nicht gesalzenen Fleisches geschah, um die Lebenstätig¬
keit der Fäulnisbakterien zu hemmen. Die Glasgefäße samt Inhalt wurden
unbedeckt in einem Raume der Kühlhalle aufbewahrt, dessen Temperatur
sich ständig auf + 3 bis 4° C hielt und in dem die Luft immer einen solchen
Feuchtigkeitsgehalt aufwies, daß das Fleisch nicht ausgetrocknet werden
konnte. Aus den inneren Muskelschichten eines jeden Fleischstückes ver¬
fütterte ich sodann nach bestimmten Zeitabschnitten ungefähr eine Stunde
lang gewässerte Muskelstückchen an je ein Meerschweinchen oder eine
Maus, was von beiden Tierarten gerade bei dem damals herrschenden
Mangel an Versuchstieren zu erhalten war. Obwohl V e 1 k e e n 1 ) 1913
fand, daß beim Meerschweinchen schon 15 bis 20 Muskeltrichinen genügen,
um es zu trichinisieren, und nach den Ermittlungen der Berliner
Städtischen Fleischbeschau 2 ) 1902 bei einer Ratte bzw.
1) Velkeen, Inaug.-Diss. Berlin 1913. Ref.-Zeitschrift für Fleisch- u. Milch-
hyg., 24. Jahrg. 1914.
2) Bericht der Berliner Städtischen Fleischbeschau für das Etats-
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Original fram
THE OHIO STATE UNIVERSITY
\
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340
Beitrag zur Frage der Invasionsfähigkeit usw.
bei einer Maus hiezu nur mindestens 5 bis 7 Trichinen notwendig sind,-
wurde doch die Zahl der verfütterten Muskeltrichinen so hoch bemessen,
daß selbst bei einer großen Zahl unter der Salzwirkung abgestorbener
Parasiten doch noch soviele lebende aufgenommen wurden, daß die Tiere
infiziert werden konnten. Daher erhielt jede Versuchsmaus 150 bis 300
Trichinen, jedes Meerschweinchen 200 bis 450 Trichinen. Die Feststellung
der Zahl der Trichinen geschah mit Hilfe des Mikroskops. Die mit der
Pinzette bis in den Schlund der Versuchstiere eingebrachten Fleischstück¬
chen wurden, wovon ich mich jedesmal überzeugte, von ihnen verschluckt.
Die gefütterten Tiere wurden frühestens 6 Wochen nach der Infektion
untersucht. Die aus der Muskulatur der Meerschweinchen angefertigten
Quetschpräparate waren nach Zahl und Verteilung dieselben wie bei meinen
Übertragungsversuchen mit trichinösem amerikanischem Fleische. Bei
den Mäusen wurden 117 Quetschpräparate aus denselben Muskelgruppen
wie bei den Meerschweinchen entnommen.
Die Versuche gingen im einzelnen folgendermaßen vor sich und ergaben
nachstehende Resultate:
Die Trichinen der Fleischstücke der ersten Gruppe von am 15. Fe¬
bruar 1920 gefütterten und am 9. April desselben Jahres untersuchten
Tieren stammend, waren in Aufrollung begriffen, dabei teils noch nicht
enzystiert, teils nur mit einer dünnen Kapsel umgeben. Zwei dieser Fleisch¬
stücke im Gewichte von 141,310 und 144,965 g wurden mit 7,065 bzw.
14,496 g Kochsalz gepökelt. Das dritte Fleischstück wurde, wie erwähnt,
unvorbehandelt gelassen. Mikroskopisch zeigte sich bei den beiden ge¬
salzenen Stücken schon nach dreitägiger Konservierung an dem Aussehen
der Muskeltrichinen deutlich die Wirkung des Kochsalzes: Bei dem schwach
gesalzenen Fleische fanden sich in der oberflächlichen Fleischschichte nur
bei wenigen enzystierten Trichinen vollständige Kapseln. Bei allen übrigen
Trichinen dieser Art waren die Kapseln nur noch in schwachen Resten zu
erkennen. Von den Trichinen selbst waren die inneren Organe entweder
ganz aufgelöst, so daß bloß noch die geschrumpfte Kutikula vorhanden
war, oder der Zellverband der Organe war gelockert und die einzelnen Zellen
waren voneinander getrennt und abgerundet. In den inneren Fleischschich¬
ten waren derartige Veränderungen seltener und weniger stark ausgeprägt.
In dem stark gesalzenen Fleisch traf man selten Parasiten an, die von den
genannten Mazerationserscheinungen nicht ergriffen gewesen wären. Im
weiteren Verlauf der Trockenpökelung machte sich auf alle Trichinen der
Einfluß des Kochsalzes in der geschilderten Art so rasch geltend, daß in
dem schwach gepökelten Fleische schon nach 30 Tagen und in dem stark
gepökelten schon nach 25 Tagen die Trichinen nicht mehr zu erkennen
waren. Daher wurde mit ersterem Fleische nach 3, 7, 14, 21 und 25 und mit
letzterem nach 3, 7, 14 und 21 Tagen je ein Meerschweinchen gefüttert.
Bei der von Zeit zu Zeit vorgenommenen mikroskopischen Untersuchung
des ungesalzenen Fleisches dagegen zeigten sich selbst nach 35tägiger Auf¬
bewahrung die Trichinen vereinzelt noch intakt, so daß durch einen nach
jahr 1902. Wieviel Trichinen sind erforderlich, um Tiere trichinös zu machen?
Ref.-Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 15. Jahrg. 1905.
Gck gle
Ürigmal frorri
THE OHIO STATE UNIVE
Von Dr. Erich Süskind.
341
dieser Zeit wie auch durch einen nach 21 Tagen vorgenommenen Fütterungs¬
versuch an zwei Mäusen Muskeltrichinose hervorgerufen werden konnte.
Bei der Sektion zeigten bei sorgfältiger mikroskopischer Untersuchung
nur diejenigen Meerschweinchen zahlreiche Trichinen in ihren Muskeln,
denen 3 und 7 Tage lang schwach und 3 Tage hindurch stark gepökeltes
Fleisch gegeben worden war.
Es sterben daher durchschnittlich 6 Wochen
alte Muskeltrichinen in ca. 2 cm dicken Fleisch-
stücken zwischen 7 und 14 Tagen ab,' wenn diese
mit einer dem 20.Teil ihres Gewichtes entsprechen¬
den Kochsalzmenge trocken gepökelt werden, und
zwischen 3 und 7 Tagen, wenn dies mit der doppel¬
ten Kochsalzmenge geschieht. Im unvorbehandelten Flei¬
sche waren die 6 Wochen alten Muskeltrichinen nach 35 Tagen noch inva¬
sionsfähig.
Die Trichinen der beiden Fleischstücke der zweiten Gruppe, aus am
15. Februar 1920 gefütterten und am 23. April desselben Jahres getöteten
Tieren herrührend, besaßen in der Mehrzahl eine ausgebildete Kapsel, bei
den übrigen war sie in der Vollendung begriffen. Die beiden Stücke im
Gewicht von 107,880 und 130,604 g wurden mit 5,394 bzw. 13,060 g Koch¬
salz bestreut. Die bei den beiden vorhergehenden Versuchsreihen bespro¬
chenen regressiven Veränderungen der Trichinen und ihrer Kapseln ge¬
langten hier wesentlich langsamer zum Abschluß, so daß beim schwach
gesalzenen Fleisch erst nach 40tägiger und beim stark gesalzenen Fleisch
nach 30tägiger Pökelung die Kutikula der Würmer sich gefaltet und ge¬
schrumpft und die Kapselmembran sich aufgelöst zeigte. Daher wurde
schwach gesalzenes Fleisch erst nach 7 und dann wieder nach 14, 21, 25, 30
und 35 Tagen und stark gesalzenes Fleisch nach 3, 7, 14, 21 und 25 Tagen
an je ein Versuchstier (Maus oder Meerschweinchen) verfüttert. Die ein¬
gehende mikroskopische Untersuchung aller Versuchstiere ließ nur bei
denjenigen Trichinen auffinden, denen 7, 14, 21 und 25 Tage hindurch
schwach oder 3 Tage lang stark gesalzenes Fleisch verabreicht worden war.
Somit sterben durchschnittlich 8 Wochen alte
M.u skeltrichinen in ca. 1,7 cm dicken Fleischstücken
zwischen 25 und 30 Tagen ab, wenn diese mit einer
dem 20.Teil ihres Gewichtes entsprechenden Koch¬
salzmenge trocken gepökelt werden, und zwischen
3 und 7Tagen, wenn dies mit der doppelten Koch¬
salzmengegeschieht.
Die Trichinen in den beiden Fleischstücken der dritten Gruppe, die
sich in am 15. Februar 1920 gefütterten und am 7. Mai desselben Jahres
getöteten Tieren entwickelt hatten, zeigten eine gute Ausbildung ihrer
Kapseln, an deren Polen häufig schon Fettzellen zu sehen waren. Beide
Fleischstücke wogen 157,640 und 170,725 g und wurden mit 7,882 bzw.
17,072 g Kochsalz behandelt, pa hier der Mazerationsprozeß ungefähr mit
derselben Schnelligkeit und in derselben Stärke vor sich ging wie bei den
beiden vorhergehenden Versuchsreihen, so wurde mit schwach gesalzenem
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Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY
1
342 Beitrag zur Frage der Invasionsfähigkeit usw. '
Fleisch gleichfalls nach 7, 14, 21, 25, 30 und 35 Tagen und mit stark ge¬
salzenem Fleisch ebenfalls nach 3, 7, 14, 21 und 25 Tagen je eine Maus ge¬
füttert. Der mikroskopische Befund ergab trotz genauester Untersuchung
nur bei denjenigen Mäusen Muskeltrichinen, die 7, 14, 21 und 25 Tage hin¬
durch schwach oder 3 Tage lang stark gepökeltes Fleisch erhalten hatten.
Folglich sterben durchschnittlich 10 Wochen
alte Muskeltrichinen in ca. 2,2 cm dicken Fleisch-
stücken zwischen 25 und 30 Tagen ab, wenn diese
mit einer dem 20. Teil ihres Gewichtes entsprechen¬
den Kochsalzmenge trocken gepökelt werden, und
zwischen 3 und 7 Tagen, wenn dies mit der doppel¬
ten Kochsalzmenge geschieht.
Die Resultate der Versuche lassen sich in folgender Tabelle zusammen¬
stellen.
10 Wochen
2.2 cm
5 % 2o %
pos
pos
pos
pos
neg
neg
Wie aus der Tabelle hervorgeht, hat bei junge n, durchschnittlich
6 bis 10 Wochen alten Muskeltrichinen im Falle der
starken Pökelung (10%) das Alter derselben einen höchstens
ganz geringen Einfluß auf den Zeitpunkt des Ab¬
sterbens, während im Falle der schwachen Pökelung (5%)
das Alter insofern eine Rolle spielt, als die durchschnittlich 6 W o c h e n
alten Muskeltrichinen infolge der noch mangelhaften Aus¬
bildung ihrer Kapseln nur etwa halb so lange lebensfähig
bleiben als die sich im übrigen auch der schwachen Pökelung
gegenüber gleich verhaltenden durchschnittlich 8 u n d 10
Wochen alten Muskeltrichinen. Das gleiche Verhalten
durchschnitttlich 8 und 10 Wochen alter Muskeltrichinen gegen schwache
nud starke Trockenpökelung (5% und 10%) läßt sich nur durch die An¬
nahme erklären, daß die Ausbildung der Trichinenkapsel, die ca. 4 Wochen
nach der Infektion beginnt und nach 13 Wochen beendet ist, in der 5. bis
7. Woche ihrer Entstehung — die Muskeltrichinen sind in dieser Zeit
durchschnittlich 8 bis 10 Wochen alt — keine wesentlichen Fortschritte
macht. Altere Muskeltrichinen, also Trichinen im Alter von mindestens
12 bis 13 Wochen, mit völlig ausgebildeter Kapsel werden wahrscheinlich
bis zum Beginne der Verkalkung der letzteren in ihrem Verhalten gegen
Kochsalz keine großen Unterschiede nach ihrem jeweiligen Alter aufweisen.
I pos.
; neg.
neg.
neg.
neg.
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Original from
THE OHIO STATE UNIVERSITY L
Von Dr. Erich Süskind.
343
Das Verhalten von Trichinen mit verkalkten Kapseln gegenüber der
Trockenpökelung ist noch nicht bekannt. Solche Trichinen werden wahr¬
scheinlich dem Kochsalzeinflusse viel länger widerstehen. In den in Stutt¬
gart untersuchten amerikanischen Fleischwaren wurden verkalkte Tri¬
chinenkapseln nicht beobachtet. Denn weitaus die Mehrzahl der Schweine,
von denen die Fleischwaren stammten, können Trichinen mit verkalkten
Kapseln nicht besessen haben, da sie bei der Schlachtung lebend nur etwa
160 bis 180 Pfund wogen, also ca. 7 bis 10 Monate alt waren. Dagegen
gelangen Fettmastschweine erst in einem Alter von \ l 2 / 2 und Mutterschweine
in einem solchen von 6 und mehr Jahren zur Schlachtung; es kann daher
jederzeit der Fall eintreten, daß in amerikanischen Fleischwaren verkal¬
kende oder verkalkte Trichinenkapseln festgestellt werden. Die Verkalkung
kann nach L e u c k a r t 1 ) schon im 6. Mobat nach der Infektion beginnen
und B 1 o m n 1 ) fand bei zwei Schweinen im Alter von 9 und 12 Monaten
schon völlig verkalkte Kapseln.
Was die Höhe des Kochsalzgehaltes der Fleischstucke zur Zeit des
Absterbens der Trichinen anbelangt, so ermittelte Nothwang*) bei Trocken¬
pökelungsversuchen, in denen er je 100 g Kochsalz für Fleischstücke von 309.
407, 402 und 410 g, also 32. 24, 25 und 24 g Salz auf je 100 g Fleisch ver¬
wendet hatte, nach 8 Tagen schon 8,4% und nach 28 Tagen 10,3% Kochsalz
im Pökelfleisch. Somit beträgt der für Muskeltrichinen im Alter
von 6—10 Wochen tötlich wirkende Salzgehalt jedenfalls nicht
mehr als 8,4%, nachdem in meinen Versuchen bei Verwendung von viel
kleineren Salzmengen, das heißt nur je 5 bzw. 10 g Kochsalz auf 100 g Fleisch,
der sicher geringere Salzgehalt sich schon als tötlich erwiesen hatte.
3. Zusammenfassung.
Die in d-en gepökelten amerikanischen Schweine¬
fleischwaren enthaltenen Trichinen mit u n -
verkalkten Kapseln sind abgestorben, sofern die
Waren stark gepökelt sind.
Umfangreiche Fütterungsversuche mit schwach gepökelten, trichi¬
nösen amerikanischen Fleischwaren wären zur vollständigen Klärung der
Frage noch anzustellen.
Ebenso bleibt noch die Invasionsfähigkeit von in den amerikanischen
Fleischwaren etwa vorhandenen Trichinen mit verkalkten Kapseln zu
untersuchen.
Aus meinen Trockenpökel versuchen ergibt sich fol¬
gendes:
Junge, durchschnittlich 8 bis 10 Wochen alte Muskel¬
trichinen erlahmen bei einer starken Pökelung (10 Teile
Kochsalz auf 100 Teile Fleisch) überraschend schnell in ihrer
Widerstandsfähigkeit, so daß sie schon innerhalb der 1. Pökel¬
woche abgetötet werden; dagegen zeigen sie bei einer schwachen
Pökelung (5 Teile Kochsalz auf 100 Teile Fleisch) eine für ihr Alter
1) v. Ostertag, Handb. d. Fleischbeschau, 6. Aufl. 1913, II. Bd., S. 144.
2) Nothwang, Der Salpetergehalt verschiedener Fleischwaren und der
Pökelprozeß. Arch. f. Hyg. Bd. 16, 1893, S. 122.
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Beitrag zur Frage der Invasionsfähigkeit usw.
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hohe Widerstandsfähigkeit, so daß sie erst nach der 3. Pökel¬
woche absterben. Durchschnittlich 6 Wochen alte Muskeltri¬
chinen werden weniger durch die Stärke der Pöke¬
lung in ihrer Resistenz beeinflußt als vielmehr schon difrch die
Pökelung an sich und büßen daher selbst bei schwacher Salzung
schon in der 2. Pökelwoche ihre Lebensfähigkeit ein.
Somit läßt sich die Abtötung junger, mit noch
unvollkommener oder frisch ausgebildeter Kap¬
sel versehener Muskeltrichinen (Muskeltrichinen im Alter
von 6 bis 10 Wochen) noch vor Ablauf der ersten Pökel¬
woche erreichen, wenn 10 Teile Kochsalz auf 100
Teile Fleisch und die Angriffsflächen des Flei¬
sches für Kochsalz sehr groß genommen werden,
so daß die ganze Masse des Fleisches in kurzer
Zeit von dem Salze durchdrungen wird.
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