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Full text of "Archiv Für Hygiene 90.1921 U Ohio"

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BEGRÜNDET VON MAX VON PETTENKOFER 
FORTGEFÜHRT VON MAX RÜBNER 


UNTER MITWIRKUNG VON 

• 

Prof. Dr. H. ABEL, Jena; Prof Dr O. B VIL, Prag; Prof. Dr. BONHOFF, Marburg a. L.; Prof. 
Dr. R DOKRR, Ba el; Prof. M KICKER, Berlin-Dahiem; Prof Dr. R. GRASSBERGER, Wien 
Prof. Dr M HAHN, Freiburg i. B.; Prof. Dr. L HEIM, Erlangen; Prof. Dr. W. KRUSE, Leipzig; 
Prof. Dr. Ph KUHN, Diesden; Prof Dr. A LODE, Innsbruck; Prof. Dr. R O NKUMANN, Bonn; 
Prof Dr. L PFEIFKER. Schwerin; Prof Dr. W PRAUSNITZ, Graz; Prof. Dr. Fr. RENK, 
Dresden; Prof. Dr. A. SCHATTENFROH, Wien; Prof. Dr. P. SCHMIDT, Halle a. 8.; Prof. Dr. 
W. S1LHERSCHMIDT, Zürich; Prof. Dr. W. WE1CHARDT, Erlangen 


HERAUSGEGEBEN VON 

M.v.GRUBER • K. B. LEHMANN • P.UHLENHUTH 


90. Band 

Mit 3 Tafeln und 20 Abbildungen 



MÜNCHEN UND BERLIN 
DRUCK UND VERLAG VON R. OLDENBOURG 

1922 


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Inhalt. 

Seite 


Stadien zur Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. I, Von Privat¬ 
dozent Dr.phil. et med. Johann Hammerschmidt. (Aus dem Hy¬ 
gienischen Institut der Ünivei>ität Graz [Vorstand Hofrat Prof. Dr. W. 
Praunnitz] und der dermatologischen Abteilung der Heilanstalt Graz- 
Eggenberg [Vorstand Prim. Dr. J. Pollak].) (Mit 1 Tafel u. 4 Textfigüren.) 

(Rngegangen am 21. August 1920). .. ...... % , . 1 

Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. Von Oberbezirksarzt 
Dr. Viktor Gegenbauer. (Aus dem Hygion. Institut der Universität 

Wien.) (Eingegangen am 31. August 1920).23 

Uber Beziehungen zwischen der Witterung und dem Befinden des Menschen, 
auf Grund statistischer Erhebungen dargestellt. Von Ernst Brezina und 
Wilhelm Schmidt. (Eingegangen am 24. September 1920). 83 


Zur Theorie der Serologie der Syphilis. Von Dr. Emil Epstein und Dr. 

Fritz Paul. (Aus der Prosektur der Krankenanstalt „Rudolfsstiftung 44 
[Vorstand: Hofrat Prof. Dr. Richard Pal tauf] und der Prosektur des 
Franz Josefspitales [Vorstand: Prof. Dr. Oskar Stoerk].) (Eingegangen 

am 26. Okt. 1920). 98 

Bemerkungen über das Pirquetsche Ernährungssystem. Von Privatdozent 

Dr. Emst Krombholz, Wien. (Eingegangen am 22 Januar 1921) . 123 

Über die Darstellbarkeit polgefärbter (pestbazillenähnlicher) Stäbchen bei 
verschiedenen Bakterienarten. Die Polfärbbarkeit als vitale, durch Bak¬ 
terien Wachstum in wasserreichen Nährmedien bedingte Erscheinung. 

Von Dr. Emil Epstein. (Aus der Prosektur des Franz Josephspitals 
in Wien. Vorstand: Prof. Dr. Oskar Stoerk.) (Eingegangen am 

19. Januar 1921).136 

Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira und die Resistenz des 
Hühnerpestvirus gegen zellschädigende Einflüsse (Gerbstoffe, Oligo¬ 
dynamie). Von Paul Schweizer. (Aus dem Hygienischen Institut 
der Universität Basel. Vorsteher: Professor R. Doerr.) Eingegangen 

am 28. Februar 1921).155 

Studien über die Resorption von Blei und Quecksilber bzw. deien Salzen 
durch die unverletzte Haut des Warmblüters. Von Privatdozent Dr. med. 
Philipp Oskar Süßmann, Assistent am Hygienischen Institut. (Aus 
dem Hygien. Institut der Universität Würzburg. Vorstand: Geheimrat 
Prof. Dr. K. B. Lehmann.) ^Eingegangen am 10. März 1921) . . . 175 


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IV 


Inhalt. 


Seite 


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Studien über die Desinfcktionswirkung wässeriger Fortnaldchydlösungen. 

Von Oberbezirksarzt Dr. Viktor Gegenbauer. (Aus dem Hygienischen 
Institut der Universität Wien) (Kingegangen am 25. Mai 1921 . . 239 

Kritische Untersuchungen über die Ätiologie der Influenza. Von Dr. Carl 
v. Angerer. (Aus dom Hygienischen Institut der Univeisität Erlangen.) 


(Eingegangen am 15. Juni 1921) .. 254 

Uber den Einfluß schlechter kohlensäuroreicher Luft sowie von Lichtabschluß 
auf wachsende Tiere. Von Dr. med. Fritz Cropp, Stadtarzt in Delmen¬ 
horst. (Aus dem Pharmakologischen Institut der Hamburgischen Uni¬ 
versität, Krankenhaus 8t. Georg.) (Eingegangen am 16. Juni 1921) 279 


Die Abtötung der TuberkeibaziUen im Sputum mit chemischen Desinfektions¬ 
mitteln. Von Professor Dr. P. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. K. 

W. Jötten. (Aus der bakteriologischen Abteilung des Reicbsgcsund- 
heitsamtes Berlin-Dahlem und dem Hygienischen Institut der Univer¬ 
sität Leipzig.) (Eingegangen am 21 Juni 1921). 291 

Beitrag zur Frage der Invasionsfähigkeit der im amerikanischen Speck ent¬ 
haltenen Trichinen nebst Versuchen über den Einfluß der Trocken¬ 
pökelung auf die Lebensfähigkeit der Mnskeltricbinen. Von Dr. med. 
vet. Erich Süskind. (Eingegangen am 27. Juni 1921). 336 


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ftadien zur Morphologie and Biologie der Trichophytie¬ 
pilze. 1. 


Von 

Privatdozent Dr. phil. et med. Johann Hammerschmidt. 

|Aus dem Hygienischen Institut der Universität Oraz [Vorstand Hofrat Prof, 
r. W. Prausnitz] und der dermatologischen Abteilung der Heilanstalt Graz- 
Eggenberg [Vorstand Prim. Dr. J. Pollak].) 

(Mit 1 Tafel und 4 Textfigyren.) 

(Bei der Redaktion eingegangen am 21. August 1920.) 

Die während des Krieges und besonders nachher zahlreicher, oft 
radezu in epidemischer Ausbreitung auftretenden Trichophytien haben 
He Untersuchungsanstalten häufiger als früher vor die Aufgabe gestellt, 
aterial von solchen Dermatomykosen auf die Erreger zu untersuchen 
d damit Morphologie und Biologie der letzteren mehr in den Vorder- 
und des Interesses gerückt. Ich hatte Gelegenheit, an dem reichen 
aterial der Heilanstalt Eggenberg durch mehrere Monate alle neu zu- 
achsenden Trichophytien bakteriologisch zu untersuchen und dabei 
erschiedene Beobachtungen zu machen, über die ich im nachstehenden 
richten will. Leider ist es schwer, aus der Literatur rasch und erschöpfend 
e für den Mikrobiologen nötigen Auskünfte zu erhalten, da gerade die 
orphologischen Details — die Biologie dieser interessanten Pilzflora ist 
erhaupt noch wenig erforscht — in den vorliegenden umfangreichen 
beiten recht lückenhaft behandelt sind. Ich will daher nebenbei, um 
deren Untersuchern diese Mühe des Zusammensuchens zu ersparen, 
liege Lücke auszufüllen versuchen. 

Was zunächst die Literatur betrifft, so kommen für unsere Zwecke 
zusammenhängenden Darstellungen außer dem großen, aber etwas 
eitschweifig geschriebenen Werke Sabourauds „Les Teignes“ an deut- 
hen Arbeiten die Zusammenstellungen von Plaut im „Handbuch der 
athogenen Mikroorganismen“ (Kolle und Wassermann) und im 
Handbuch der Hautkrankheiten“ (Mraöek) und in letzter Zeit der 
tlas von Stein „Die Fadenpilzerkrankungen des Menschen“ (Leh- 
anns medizinische Atlanten) in Betracht. Diese deutschen Bearbei- 

ArehtT fftr Hygiene. Bd. 90 1 


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2 Studien zur Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. I. 

Lungen des Gebietes haben den Nachteil, daß sie einerseits nur großen’ 
oder kleinere Auszüge des Sabouraudschen Handbuches sind, ander¬ 
seits, da sie teilweise auch andere Hyphenpilze in den Kreis ihrer Be¬ 
trachtungen ziehen, es vielfach an der für Nachschlagezwecke nötigen 
Klarheit vermissen lassen. 

Die Trichophytonpilze und ebenso die ihnen nahe verwandten Erreger der 
beiden anderen wichtigen Dermatomykosen: der Mikrosporon- und der Favus- 
pilz gehören zwar zur großen Unterabteilung der Fungi und unter diesen wieder 
zu den eigentlichen Pilzen, den Eumyzeten, da sie durch den Besitz von septierten 
Hyphenfäden ausgezeichnet sind, doch sind sie — vielleicht durch ihre langwäh¬ 
rende Anpassung an die parasitären Verhältnisse am tierischen Körper — so 
weit verändert, daß es unmöglich ist, sie in einer der bestehenden Unterabteilungen 
der Eumyzeten unterzubringen; fehlen ihnen doch die für die Hauptgruppen 
der Eumyzeten charakteristischen FruktifikationsVorgänge, auf die sich die 
Einteilung der Pilze vielfach gründet. Diesen Mangel teilen sie aber noch mit 
zahlreichen anderen Vertretern dieser großen Pilzgruppe. Da es also unmöglich 
war, alle diese Arten einwandfrei im System unterzubringen, hat man aus dieser 
Verlegenheit heraus eine Gruppe der sog. ,,Fungi imperfecti“ geschaffen, in der 
das bunte Gemisch dieser heterogenen Arten unter ein provisorisches Dach zu¬ 
sammengefaßt wird, bis es gelingt, dem einen oder anderen von ihnen seine sichere 
Stellung im System anzuweisen. Inzwischen hat man unter Heranziehung ein¬ 
zelner Merkmale, und zwar nach den Verhältnissen bei der Sporenbildung, inner¬ 
halb der Gruppe drei ,,Ordnungen* 4 aufgestellt, die allerdings nicht Ordnungen 
in einem natürlichen System entsprechen, und zwar I. Sphaeropsidales, II. Me- 
lanconiales, III. Hyphomyzeten (Engler und Prpntl ,,Natürliche Pflanzen¬ 
familien“). Die letztgenannten, für uns allein in Betracht kommenden Fungi 
imperfecti (nicht zu verwechseln mit dem viel weiteren Begriff der „Hyphen¬ 
pilze“, wie Plautseine Zusammenfassung im Handbuch von Kolle und Wasser¬ 
mann betitelt) besitzen Sporen, die an einzeln stehenden Conidinträgern gebildet 
werden. Aber selbst innerhalb dieser Ordnung ist die Stellung unserer Haupt¬ 
pilze keineswegs gesichert; nach der Bearbeitung in Engler-Prantl wären sie 
am besten zu denOosporeen zu stellen, doch ist natürlich jede derartige Einreihung 
mehr oder weniger willkürlich. 

Jedenfalls sind unsere Pilze gekennzeichnet durch verzweigte 
und septierte Hyphenfäden; die Sporen (Conidien) entstehen 
entweder als „Oidien“ durch den Zerfall der Hyphenfäden 
oder werden an besondern, sich aus dem Myzel erhebenden, 
aufrechten und voneinander getrennten Conidienträger n 
erzeugt. 

Ich habe in den Kreis meiner Besprechung aus dem Gebiet der Der¬ 
matomykosen nur die Erreger der Trichophytie (des oberflächlichen Herpes 
tonsurans und der tiefen Sycosis) einbezogen, da Favus und Mikrosporie 
(die nur den behaarten kindlichen Kopf befällt) bei uns, wie auch sonst 
in den deutschen Ländern Mitteleuropas, zu den großen Seltenheiten gehören 
und immer auf Einschleppung von außen zurückzuführen sind, während 
die Trichophytiepilze in den letzten Jahren bei uns eine sehr große Ver¬ 
breitung erlangt haben. 


Allgemeine Morphologie. 

Wenn wir Kulturen unserer Pilze auf geeigneten Nährböden anlegen, 
so bildet sich ein dichtes Myzel, das sich aus den Pilzfäden, den Hyphen, 
zusammensetzt, die vom Ausgangspunkt der Kultur zunächst möglichst 


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Von Dr. phil. et med. Johann Hammerschmidt. 


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gerade und ohne Verzweigungen radiär nach allen Richtungen auseinander’ 
laufen. Dieser anfangs geradlinige Verlauf und die Zartheit der Konturen 
sprechen vor dem Auftreten entscheidender Merkmale für die Gruppe 
der pathogenen Hautpilze, da die gewöhnlichen Verunreinigungen der 
Schimmelpilze viel kräftigere, stark konturierte Hyphenfäden besitzen, 
die sehr rasch Verzweigungen entsenden, welche sich ebenso wie die Stamm- 
fäden vielfach biegen und winden können. Die Hyphen weisen anfangs 
ein feingranuliertes Plasma auf und zeigen bei Färbung mit Plasmafarb¬ 
stoffen, besonders dem von mir mit Vorteil angewendeten Bismarck¬ 
braun, schon frühzeitig durch zarte Querwände eine in bezug auf die 
Längen Verhältnisse ungleiche Septierung des Fadens. Die Hauptmasse 
dieses Myzels entwickelt sich zunächst je nach der Zugehörigkeit zu einer 
der beiden Pilzformen, die ich später besprechen werde, einmal nur als 
Flächenmyzel auf der Oberfläche des Nährbodens ausgebreitet, bei der 
anderen Gruppe dagegen auch als Luftmyzel, d. h. neben der Ausbreitung 
auf der Oberfläche noch als ein meist schneeweißer, über die Nährboden¬ 
fläche emporragender flaumiger Pelz. Allmählich geben nämlich die zuerst 
gebildeten Hyphen zahlreiche Seitenzweige ab, die einen geradlinigen 
oder mehr weniger gewundenen Verlauf aufweisen, je nach der Pilzart, 
aber auch nach dem Nährboden, auf dem gerade die Züchtung erfolgt. 

Nach einiger Zeit — ich spreche.immer von Kulturen auf künstlichen 
Nährböden — kommt es zur Bildung der Fruktifikationsorgane, der Sporen 
und der „Spindeln“. Der Zeitpunkt der Anlage dieser Bildungen hängt 
in erster Linie von dem Nährsubstrat selbst ab, dann aber auch von 
äußeren Umständen, wie Feuchtigkeit usw., zeigt aber keine für uns 
erkennbare Konstanz. Jedoch ist festzustellen, daß die eine Gruppe 
der Trichophytiepilze auf allen Nährböden unter allen Umständen sehr 
bald Sporen bildet, die andere dagegen viel später und auf manchen Nähr¬ 
böden überhaupt nicht. 

1. Die Sporen werden, wie bereits erwähnt, als sog. Ektosporen 
durch Abschnürung am Ende von kurzen, ad hoc gebildeten seitlichen 
Sporenträgern, aber auch am Ende des Hauptstammes und der Seiten- 
zweige gebildet. Bei diesem Vorgänge zieht sich das Plasma der Hyphe 
(Fig. 1) allmählich an das Ende der genannten Fortsätze zusammen, 
worauf durch eine zarte Querlamelle die Spore* vom betreffenden Zweig 
abgeschnürt wird. Alle Sporen sind einkammerig, entweder kreisrund 
oder mehr in eine Spitze ausgezogen, wie Tränentropfen, je nach der 
Artzugehörigkeit, besitzen eine ziemlich dicke Membran und einen plasma¬ 
tischen Inhalt, innerhalb welchen bei geeigneter Färbung ein kleines, 
sich dunkel färbendes Korn wahrzunehmen ist. In dem Maße, als das 
Plasma in die Bildung der Sporen aufgeht, verödet der Inhalt der Hyphen, 
die dann nur mehr aus leeren Zellen bestehen, um allmählich ganz zu 
verschwinden, so daß nur mehr die reihenförmige Anordnung der Sporen 
die Lage des einstigen Hyphenfadens vermuten läßt. In der Regel wird 
am Ende des Sporenträgers oder der Hyphe nur eine Spore abgeschnürt. 
Da, wie erwähnt, bei unseren Pilzen alle Sporen gestielt sind, so bilden 
sie mit dem zugehörigen Hyphenfaden, wie der technische Ausdruck lautet, 
eine „Traube“, während man Hyphenfäden mit ungestielt aufsitzenden 

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Studien zur Morphologie und Biologie der Trirlmphytiepilze. I. 


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Sporen als „Ähre 11 bezeichnet. Hie und da findet man in Kulturen Hypl ien 
samt zahlreichen gutentwickelten Sporenträgern, bei denen jedoch die 
Sporenbildung ganz oder teilweise unterblieben ist; da in diesen Fällen 



Pig. 1. Epidermismlkrokultur eines Stammes der A-Gruppe 
(Fixierung mit Carnoy, Färbung mit Biamarckbraun). 

die sterilen Sporenträger mehrzellig sind und sich verlängern, macht 
das Ganze den Eindruck eines entlaubten Baumes. 

2. Während die besprochenen Sporen einzellig sind, gibt es bei den 
Hyphomyzeten eine andere weit verbreitete Conidienform, die durch 
Unterteilung in Kammern mehrzellig ist, die sog. „Spindeln“ (fuseaux 
der französischen Autoren). Ihre Bildung erfolgt in der Weise, daß entweder 



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Von Dr. phil. et med. Johann Hammerschmidt. 5 

der Hyphenfaden selbst oder ein Seitenzweig auf einer längeren Strecke 
anschwillt; am Hauptfaden kann diese Anschwellung an seinem Ende 
oder auch in seinem Verlauf erfolgen, dementsprechend werden die „Spin¬ 
deln“ abgerundet enden (Fig. 3 links) oder den peripheren Teil der Hyphe 
als Fortsatz, eventuell noch mit Sporen besetzt, tragen (Fig. 2 und 3). 
Durch sekundäre Querwandbildung von der verdickten Seitenwand her 
teilt sich diese spindelförmige Auftreibung in mehrere Kammern, deren 
Zahl nicht konstant ist (4 bis 12). Wegen der nicht ganz planen Quer¬ 
wände und wegen ihrer Form ähneln diese Kammern in ihrem Aussehen 
den in der Wirbelsäule aufgereihten Wirbeln. D^pse „Spindeln“ fallen 



Fig. 3. Objektträgerkultur (Trauben zuckeragar) eines Pilzes der B-Gruppe; 
auskeimende Spindeln, Protoplasmaendknöpfe (ungefärbt In Glyzeringelatine). 

bald von ihren Trägern ab und können auch in die einzelnen Kammern 
zerfallen, von denen jede imstande ist, Keimschläuche zu treiben (Fig. 3 
rechts). Sie haben nach meinen Befunden einen großen diagnostischen 
Wert, da sie nur bei einer scharf umschriebenen Gruppe unserer Pilze 
in den Kulturen auftauchen. Da sich ihre Aufgabe mit derjenigen der 
einfachen Sporen zu decken scheint, ist es unklar, warum sie neben den 
Sporen und in deren nächster Nähe gebildet werden; vielleicht dienen 
sie zur unmittelbaren Propagation, während die Sporen mehr Dauer¬ 
zustände darstellen. Die französischen Autoren fassen sie als eine besondere 
Form der gleich zu besprechenden „Ghlamydosporen“ auf; da wir aber 
über den Zweck dieser Gebilde noch weniger wissen, ist mit dieser Be¬ 
hauptung nicht viel gewonnen. Jedenfalls ist es merkwürdig, daß sie bei 
einer ganzen Gruppe der Trichophytonpilze in den Kulturen gänzlich 
fehlen, dagegen bei dem Erreger einer ganz anderen Dermatomykose, 
dem Epidermophyton inquinale, die einzige Fruktifikationsform dar¬ 
stellen. 

3. Eine dritte, wahrscheinlich auch als Fruktifikationsform auf¬ 
zufassende Bildung, die aber bei unseren Pilzen sehr in den Hintergrund 


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6 Studien zur Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. I. 

tritt, sind die „Chlamydosporen“, die in der Weise entstehen, daß 
im Verlaufe eines Hyphenfadens einzelne Zellen kugelförmig anschwellen 
(Fig. 1 rechts). Diese „ChlamydQsporen u lassen keinerlei Regelmäßigkeit 
des Auftretens feststellen, auch ist ihre Bedeutung, wenigstens für unsere 
Pilze, ungeklärt; da sie meist nur auf bestimmten Nährböden auftreten, 
scheinen sie bei den Trichophytonpilzen mit den Ernährungsverhältnissen 
in irgendeinem Zusammenhang zu stehen. 

4. Bei der einen Gruppe unserer Pilze finden sich ferner in alten 
Kulturen starke Seitenzweige, die anfangs hakenförmig gekrümmt sind, 
«ich aber allmählich.yengspiralig aufwinden, sog. „Wickel“; in Ausstrich¬ 
präparaten solcher Kulturen findet man diese Spiralen in der Regel aus¬ 
einandergezogen, so daß sie täuschend den Spiralgefäßen der Phanerogamen 



gleichen. An ihre Bildung knüpfen sich theoretische Vorstellungen, welche 
darin eine Brücke zu der bisher fehlenden geschlechtlichen Fortpflanzung 
dieser Pilze sehen wollen; es handelt sich dabei sicher um rudimentäre 
Gebilde ohne weitere als höchstens klassifikatorische Bedeutung. 

5. Endlich findet man häufig auf unseren Nährböden in der Periode 
des stärksten Wachstums die radiär auslaufenden Hyphen nicht einfach 
spitz an der Peripherie enden, sondern ohne Scheidewand in eine kugel¬ 
runde, plasmareiche Verdickung übergehen (Fig. 3 links). Ich finde 
diese Bildung nirgends erwähnt; sie steht sicher mit dem raschen Spitzen¬ 
wachstum in Beziehung. 

Aus den , bisher geschilderten Einzelheiten setzen sich nun die* 
wechselvollen Bilder zusammen, die wir bei unseren Hautpilzen in den 
verschiedenen Entwicklungsstadien auf den künstlichen Nährböden be¬ 
obachten können. Ganz anders aber treten uns diese Dermatomyzeten 
auf ihrem natürlichen Nährboden, der erkrankten Haut und den Haaren, 
entgegen. 


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Von Dr. phil. et med. Johann Hammerschmidt. 


6. Man findet auf und in den Schuppen (bzw, Haaren) vom Rande 
des Krankheitsherdes einzelne oder zu Paketen vereinigte, zart konturierte 
Hyphenfäden mit protoplasmatischem Inhalt und meist spärlicher Ver¬ 
zweigung, die sich zwischen den Epidermiszellen durchwinden und stellen¬ 
weise auf und in den Haaren sitzen. Ein Teil dieser Hyphenfäden zeigt 
nur auf weite Distanzen Querwände entwickelt, während andere Strecken 
(Fig. 4) durch zahlreiche Unterteilungen in mehr oder weniger gleiche 
Zellabschnitte zerfallen. Noch andere Fäden dagegen zeigen, wie diese 
kurzen Kettenglieder allmählich den Zusammenhang untereinander ver¬ 
lieren, sich abrunden und dann als ovoide oder kreisrunde Körper, somit 
auf anderem Wege entstandene ,,Sporen“, durch ihre Aufeinanderfolge 
die Entstehung aus den zerfallenen Hyphenfäden erkennen lassen. Dieser 
simultane Zerfall in sporenähnliche Gebilde ist als „Oidienzerfall“ bei den 
Fungi imperfecti weit verbreitet, findet sich aber bei unseren Pilzen nur 
auf ihrem natürlichen Substrat, auf künstlichen Nährböden da¬ 
gegen, wo die Exosporenbildung vorherrscht, nie oder kaum angedeutet 
unter besonderen Bedingungen. Sabouraud hat merkwürdigerweise 
diesen Oidienzerfall als bloße Einschnürungen des Myzelfadens aufgefaßt 
und die Bildung von „Sporen“ auf diesem Wege geleugnet. An der Tat¬ 
sache dieses Propagationsmodus kann schon in Analogie zu anderen Pilzen 
nicht gezweifelt werden; über die Berechtigung des Ausdruckes „Sporen“ 
läßt sich vielleicht streiten. 


Untersuchungstechnik. 

Die zunächst interessierende Frage, ob es sich im vorliegenden Fall um eine 
Dermatomykose handelt, läßt sich leicht und bei einiger Übung durch einfache 
Untersuchung der Schuppen und Haare ohne Färbung entscheiden. Alle zu diesem 
Zwecke angegebenen Färbungsmethoden sind kompliziert, an dem innerhalb der 
Haare befindlichen Myzel überhaupt erfolglos und zeigen absolut nicht mehr, 
eher weniger als ein halbwegs gutes Nativpräparat. Ich habe fast alle vorgeschla¬ 
genen Färbungen versucht und war von keiner befriedigt; es ist das natürlich, 
da es sich um fettreiches Material handelt, bei dem z. B. mit der Gramfärbung eine 
genügende Entwässerung nur mit dem Verlust fast der ganzen Färbung zu er¬ 
zielen ist. Außerdem hat man es oft mit so kleinen Partikeln zu tun, daß eine 
komplizierte Behandlung schon aus diesem Grunde unmöglich ist. Allerdings 
gibt es Fälle — sie sind nach meiner Erfahrung, wenn man nur genügend Material 
durchmustert, recht selten — bei denen die direkte Untersuchung und ebenso 
die zu diesem Zwecke gerühmten Färbungen keine Hautpilze auffinden lassen, 
während erst die Kultur ihre Anwesenheit kundgibt. 

Zur Herstellung der genannten Nativpräparate bringt man am besten 
Schuppen und Haare auf den Objektträger in 25proz. Antiforminlösung, bedeckt 
mit Deckglas, läßt etwa 10 Minuten einwirken, saugt dann mit Filtrierpapier 
zur Entfernung des Antiformins Wasser durch, das man darauf auf dem gleichen 
Weg mit Glyzerin ersetzt. Auf diese Weise geht auch sehr zerkleinertes Material 
nicht verloren. Zur dauernden Konservierung umschließt man das Deckglas 
mit etwas venezianischem Terpentin. In derartig hergestellten Präparaten 
treten Sporen und Hyphenfäden auf den noch erhaltenen verhornten Epidermis- 
gebilden deutlich hervor. Eine Klassifizierung der Pilze ist jedoch auf diesem 
Wege nicht möglich, dazu ist die Kultur unerläßlich. 

Bei der Züchtung kommt es nun einerseits auf einen besonders zusagenden 
Nährboden, der gleichzeitig für die Entwicklung der begleitenden Hautbakterien 
nicht günstig ist, und ferner auf die Methodik der Aussaat an, um die unvermeid¬ 
lichen Verunreinigungen möglichst auszuschalten. 'Namentlich letztere Frage 


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Sludien zur Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. I. 


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hat viele Schwierigkeiten gemacht und wurde in verschiedener Weise zu lösen 
versucht. Ich übergehe die komplizierten Methoden von Kral 1 2 3 ) (Zerreiben des 
Materials mit Kieselguhr), Krösing*) (Zerteilen der bereits gewachsenen jungen 
Kultur durch Schütteln mit sterilem Wasser) usw., da man mit dem viel einfache¬ 
ren Vorgehen nach Sabouraud oder Plaut das Auslaugen findet. In ersterer 
Richtung sind die bis zu einem gewissen Grad elektiven Nährböden von Sabou¬ 
raud, der sich um die Erforschung der Hautpilze große Verdienste erworben hat, 
allgemein in Verwendung, und zwar sowohl zur ersten Kultivierung als auch zur 
Fortzüchtung. Er empfiehlt zu diesem Zweck einen einfachen l,5proz. Agar¬ 
nährboden ohne Fleischwasser, dem er als Stickstoffquelle 1 proz. Pepton und als 
Kohlehydratquelle 4proz. Maltose (resp. Traubenzucker oder Milchzucker) 
zusetzt; Alkalisieren resp. Neutralisieren unterbleibt. Namentlich der so her¬ 
gestellte Maltoseagar ist für fast alle Dermatomyzeten ein ausgezeichneter Nähr¬ 
boden. 

Nun hat aber Sabouraud gleichzeitig diesen Nährboden, sein ,,Milieu 
d’äpreuve“, zur Diagnosenstellung verwendet, und zwar auf Grund des makro¬ 
skopischen Aussehens, das die Kulturen darauf bieten. Um aber sicher vergleich¬ 
bare Kulturen zu erhalten, müssen diese Nährböden immer von absolut gleicher 
Herstellungsart und Zusammensetzung sein, was nach ihm nur dann möglich wäre, 
wenn die Bestandteile immer von derselben Firma (Cogit in Paris) bezogen wer¬ 
den. Abgesehen davon, daß der Bezug dieser Chemikalien für uns Deutsche 
schon seit langer Zeit unmöglich ist, wäre es für eine bakteriologische Methode 
sehr traurig bestellt, wenn sie auf eine einzige Firma in der Welt als Bezugsquelle 
angewiesen wäre, selbst wenn diese Firma die Gewähr böte, immer dasselbe Ma¬ 
terial zu liefern. Tatsächlich ist auch diese nach Sabouraud unbedingt nötige 
Voraussetzung überflüssig, worüber ich später sprechen werde, es genügen die 
von deutschen Firmen, z. B. Merck, bezogenen Zuckerarten vollkommen. Man 
erhält mit dem 4 proz. Maltoseagar zwar die besten Resultate zur Erzielung von 
Kulturen aus den Epidermisgebilden überhaupt, während nur der 4 proz. Trauben¬ 
zuckeragar bei der Weiterzucht sehr charakteristische Wachstumsmerkmale 
zur Differenzierung der Pilze untereinander bot, wie übrigens auch schon Plaut 
betonte. Weiterhin wurden die im bakteriologischen Laboratorium üblichen 
Nährböden, wie 1 proz. Traubenzuckeragar, mit rleischwasser zubereitet, Nähr¬ 
gelatine usw. verwendet. 

Die Aussaat erfolgt am besten nach der Vorschrift Saboura uds, der auf die 
Oberfläche des schief erstarrten Maltoseagars mit der Öse kleinste Schuppen¬ 
partikelchen einfach in Reihen auflegt, wobei man mit der ausgeglühten Öse vor¬ 
her den Nährboden berührt, um ein Haften der Schüppchen an der Öse zu er¬ 
möglichen. Haare werden zu dem Zwecke auf einem in der Flamme sterilisierten 
Objektträger in kleinste Stückchen zerschnitten und diese in gleicher Weise auf 
den Schrägagar gebracht, immer 5—6 Partikeln auf ein Röhrchen. Da die Menge 
der Pilzelemente natürlich sehr wechselnd ist, anderseits auf Schuppen und 
Haaren reichlich bakterielle Verunreinigungen vorhanden sind, kommt es darauf 
an, möglichst viele Röhrchen (mindestens 5—6) in dieser Weise zu beimpfen. 
Die Röhrchen kommen dann in den Gelatineschrank oder bleiben in der warmen 
Jahreszeit bei Zimmertemperatur und zeigen in positiven Fällen nach 3 bis 
5 Tagen das Auswachsen zarter Hyphenfäden. 

Eine zweite, sehr zweckmäßige Aussaatmethode ist die von Plaut*) an¬ 
gegebene. Man bringt auf den einen von zwei durch Erhitzen sterilisierten 
Objektträger etwas Traubenzuckerbouillon und einige der zu untersuchenden 
Schuppen, die man durch Aufquetschen des anderen Objektträgers zu einem Brei 
zerreibt. Der Brei wird dann weiterhin mit Traubenzuckerbouillon verdünnt, 
und mit der Öse von der so entstandenen Aufschwemmung kleinste Mengen 
nebeneinander auf mehrere mit Maltoseagar beschickte Petrischalen gebracht. 

Zweckmäßigerweise signiert man sich mit dem Fettstift auf. der Rückseite 
der Petrischale die Stellen, wo Material hingebracht wurde. Wenn sich kleine Ko- 

1) Archiv für Dermatologie 1891. 

2) Archiv für Dermatologie 1896. 

3) Mracek, Handbuch der Hautkrankheiten. 


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Von Dr. phil. et med. Johann Hammerschmidt. 


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lonien, frei von Verunreinigungen, entwickelt haben, werden sie mit dem Nähr¬ 
boden ausgestochen und weiter übertragen. Ich habe diese beiden Methoden 
zur Aussaat immer nebeneinander verwendet, da sie sich sehr gut ergänzen, und 
häufig mit der einen ein Resultat erzielt wird, wenn die andere versagt. Recht 
häufig gehen auch später Verunreinigungen neben den Pilzkolonien an, welch 
letztere dann rechtzeitig durch Ausstechen und Übertragen auf frischen Nähr¬ 
boden zu sichern sind. Andere Methoden, die mittels chemischer Einwirkung 
die Verunreinigungen zu beseitigen trachten, habe ich auch versucht, aber keine 
Vorteile erkennen können. Mit dem geschilderten Züchtungsvorgang waren 
durchwegs gute Resultate zu verzeichnen, allerdings hängt der Erfolg der Züch¬ 
tung stark von der mehr oder minder reichlichen Anwesenheit der Erreger im 
Ausgangsmaterial ab. Sind dann endlich auf dem Maltoseagar kleine Einzel¬ 
kulturen ordentlich entwickelt, so werden sie mit der .Öse abgenommen, d. h. 
mit dem darunterliegenden Nährboden herausgestochen und auf andere Nähr¬ 
böden übertragen. Das einfache Abkratzen der Kultur mit der Öse, wie man es 
beim Übertragen von Bakterienkulturen gewöhnt ist, führt hier nicht zum Ziele, 
da die Myzelfäden untereinander festhaften und die Öse beim Darübergleiten 
zu wenig Material mitnimmt, wenn nicht schon genügend Sporen gebildet sind. 

Eine weitere, für die Diagnosenstellune wichtige Kulturform stellt die sog. 
,,in situ-Methode“ nach Plaut dar. Sie besteht darin, daß man das Untersuchungs- 
material auf einem sterilen Objektträger mit einem sterilen, auf 4 Wachsfüßchen 
montierten Deckglas bedeckt und das Ganze in einer feuchten Kammer im Brut¬ 
schrank hält. Dabei keimen die in den Schuppen und Haaren befindlichen 
Pilze aus und bilden charakteristische Wachstumsformen, die für die Gruppen¬ 
zugehörigkeit von Bedeutung sind. Ein Nachteil liegt dabei darin, daß das Aus¬ 
gangsmaterial häufig mit Schimmelpilzen verunreinigt ist, die durch ihr rasches 
Wachstum die Hautpilze überwuchern. Ich habe daher darauf verzichtet, das 
Ausgangsmaterial zu dieser Kulturmethode zu verwenden, sondern bin zu diesem 
Zwecke von erzielten Reinkulturen ausgegangen, denen ich jedoch ein möglichst 
natürliches Nährmaterial zusetzte, nämlich sterilisierte Hautschuppen. Ich gehe 
dabei in folgender sehr einfacher Art vor. Zwei Objektträger werden abgeflammt 
• und zur Vermeidung von Luftverunreinigungen in eine sterile Petrischale gebracht; 
darauf legt man, den 4 Ecken des Deckglases entsprechend, 4 kleine Stückchen 
von Paraffin oder Wachs, in deren Zentrum einige im Dampf sterilisierte Haut¬ 
schuppen (z. B. von einer negativen Pilzuntersuchung herrtihrend) und darauf 
Sporenmaterial der zu untersuchenden Kultur. Dann wird ein steriles Deckglas 
darüber gedeckt und nach Erwärmen der Paraffinfüßchen über kleiner Flamme 
möglichst fest niedergedrückt . Zwei derart hergestellte Objektträgerkulturen 
— ich will sie fernerhin als „Epidermismikrokultur“ bezeichnen — kommen, 
im Deckel einer Petrischale liegend, in eine Kollesche Schale, wie sie für Stuhl¬ 
untersuchungen im Laboratorium verwendet werden. Einige Tropfen Wasser 
am Boden der Kolle-Schale erhalten die Kultur auf dem nötigen Feuchtigkeits¬ 
grade. Die Pilze finden so genügende Nahrung und Wasser, um sich kräftig zu 
entwickeln und reichlich ihre charakteristischen Wuchsformen zu bilden. Da 
man das Wachstum unter dem Mikroskop verfolgen kann, erhält man sehr in¬ 
struktive Bilder, die man außerdem auf jedem Stadium in Dauerpräparate um¬ 
wandeln kann. Zu letzterem Zwecke habe ich nach vielerlei Versuchen eine sehr 
einfache Behandlungsart ausfindig gemacht. Man hebt mit einer Nadel das Deck¬ 
glas ab, wobei die Hautschuppen und das gebildete Myzel entweder am Deck¬ 
glas oder am Objektträger haften bleiben; sie werden" durch einige Tröpfchen 
Garn oyscher Flüssigkeit (10 ccm Eisessig, 60 ccm abs. Alkohol, 30 ccm Chloro¬ 
form) rasch und sicher fixiert, da diese Lösung das Myzel, das für wässerige 
Flüssigkeiten schlecht benetzbar ist, mit einem Schlage durchdringt und außer¬ 
dem an der zugehörigen Glasfläche kleben macht. Nach kurzem Aufenthalt 
in 70proz. Alkohol und in Wasser werden diese Präparate durch Einwirken einer 
wässerigen, vor Gebrauch filtrierten Bismarckbraunlösung durch etwa y 4 Stunde 
gefärbt. Darauf wird mit Wasser abgespült, an der Luft getrocknet und in 
Kanadabalsam eingeschlossen. Diesen Vorgang kann ich wärmstens empfehlen, 
er gibt vorzügliche Präparate, die ohne jede Überfärbung alle wünschenswerten 
Details erkennen lassen; denn auch hier versagen alle komplizierten Färbungs- 


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10 Studien zur Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. 1. 

rnethoden, aber auch die verschiedenen einfachen von Sabourand und anderen 
angegebenen. Nach solchen Präparaten sind auch die beigegebenen Textfiguren 
(1 u. 2) gezeichnet. 

Ausgehend von der Idee, daß dem makroskopischen Aussehen der Kultur 
auch mikroskopisch bestimmte WachstumsverhäJtnisse entsprechen müssen, 
habe ich mir eine entsprechende Beobachtungsmethode zurechtgelegt. Ich bringe 
auf einen sterilen Objektträger 1—2 Tropfen verflüssigten Agar (mit Maltose 
oder Traubenzucker) und verimpfe nach dem Erstarren eint» Spur von der zu 
untersuchenden Kultur. Die so hergestellte Mikrokultur halte ich unter sterilen 
Verhältnissen und feucht im Gelatineschranken, wozu mir ebenfalls die Kolle- 
Schalen gute Dienste leisteten.. War das gewünschte Wachsstumstadium er¬ 
reicht, so fixierte ich die Mikrokultur auf dem Objektträger wieder mit Carnoy- 
scher Flüssigkeit und schloß dann einfach ohne Färbung in gewöhnlicher Glyzerin¬ 
gelatine ein. Wenn auch auf diesem Wege wider Erwarten viel weniger an Tat¬ 
sachen zu erheben war, so ergaben mir doch diese Mikrokulturen auf festen Nähr¬ 
böden viel bessere Resultate als die von Sabouraud angegebenen Kulturen 
in einem Tröpfchen Maltosebouillon, die man übrigens sehr leicht hersteilen kann, 
wenn man über diesen Tropfen, der sich auf einem sterilen breiten Objektträger 
oder dazu geschnittener Glasplatte befindet, ein sog. Blockschälchen stülpt 
und den offenen Verbindungsrand mit verflüssigtem Paraffin umzieht. Die Pilze 
zeigen in diesen Kulturen zwar ein üppiges Myzelwachstum, aber unregelmäßige 
und sehr verzögerte Fruktifikation, was ich, wie bereits erwähnt, auf die etwas 
unnatürlichen Verhältnisse in der geringen Nährboden menge zurückführen 
möchte. 

Mit diesen im Vorstehenden geschilderten, auf ihre Einfachheit und Zweck¬ 
mäßigkeit reichlich erprobten Methoden gelingt es leicht, den Entwicklungs¬ 
gang unserer Hautpilze unter den verschiedensten Verhältnissen zu studieren. 


Verhalten der Pilze In den Kulturen. 

Schon der Entdecker des Erregers des Herpes tonsurans im Jahre • 
1842, Gruby, hat mehrere Arten von Hautpilzen unterschieden. Seit 
damals ist diese Frage nach der Mehrheit oder Einheit vorzüglich der 
Trichophytiepilze nicht zur Ruhe gekommen. Ich verweise bezüg¬ 
lich der langwierigen Geschichte auf die Übersichten Plauts; die An¬ 
sichten änderten sich von Jahr zu Jahr. Darüber, daß man für die drei 
auch klinisch differenten Erkrankungen — Favus, Mikrosporie, Herpes 
tonsurans — drei verschiedene Pilzarten bzw. Genera anzunehmen hat, 
ist man sich bis heute klar geworden, aber inwiefern man innerhalb dieser 
drei Gruppen verschiedene Varietäten bzw. Unterarten oder gar Arten 
aufzustellen berechtigt sei, darüber gehen die Ansichten auch heute aus¬ 
einander, doch schienen alle bisherigen Ergebnisse nur zur Aufstellung 
von Varietäten zu berechtigen. Die Frage ist deshalb so schwierig zu be¬ 
antworten, da die Hautpilze — vor allem die uns hier interessierenden 
Trichophytiepilze — einen Polymorphismus in den Kulturen aufweisen, 
wie er auf dem ganzen Gebiet der sonst so variationsfreudigen Mikro¬ 
organismen nicht mehr zu verzeichnen ist. Es ist natürlich, daß man 
schon bei Berücksichtigung des makroskopischen Aussehens der Kulturen 
leicht eine Reihe von unterschiedlichen Gruppen aufstellen kann. Auf 
diesen äußerlichen Merkmalen beruht ja der Versuch Sabourauds, 
ein System der Trichophytiepilze zu begründen; er hat sich dabei immer¬ 
hin nur auf 17(!) verschiedene Formen beschränkt, die seitens der Italiener 
noch um eine Anzahl schön klingender Namen vermehrt wurden. Aller- 


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11 


dings hat Sabouraud diese 17 Formen zunächst 1 ) nach Eigenschaften, 
die die Pilze an ihren natürlichen Fundstellen zeigen, in drei Gruppen 
unterteilt (Ektothrix, Neo-Endothrix, Endothrix); er hat ferner die Pilze 
in seinen Tropfenkulturen morphologisch studiert, aber bei der Diagnosen¬ 
stellung legt er den Hauptwert auf die Erscheinungsform auf dem von 
ihm angegebenen 4proz. Maltoseagar, dem „Milieu d’öpreuve“, für das 
er, wie bereits erwähnt, immer genau die gleiche Zusammensetzung ver¬ 
langt. Diese Ansicht Sabourauds, daß auch geringste Schwankungen 
des Nährsubstrates für die Klassifizierung der Kulturen von Bedeutung 
sein können, ist richtig, doch variieren die Pilze manchmal auf genau 
demselben Nährboden unter uns nicht immer erkennbaren Einflüssen. 
Übrigens wird auch das „Milieu d’ öpreuve 44 nicht immer ganz gleich be¬ 
schaffen sein, da selbst schon Feuchtigkeitsunterschiede genügen können, 
um Kulturen abftndern zu lassen. 

Dasselbe gilt auch für Krösing 8 ) unter den deutschen Autoren, der 
ebenfalls eine Klassifizierung durch den makroskopischen Vergleich der 
unter möglichst gleichen Bedingungen gewachsenen Kulturen ermöglichen 
wollte; er verwendete dazu die Kartoffel als Einheitsnährboden; daß 
dies ein noch weniger gleichmäßiger Nährboden ist, als selbst der echte 
Pariser Maltoseagar, braucht nicht erst ausgeführt zu werden. Wälsch 8 ) 
bemerkt hinsichtlich der auf diese Weise zustande gekommenen Klassi¬ 
fikationen der Trichophytiepilze mit Recht, daß es sich nicht um Arten 
handeln könne, denn dazu sind sie zu inkonstant; sollten aber diese auf¬ 
gestellten Abteilungen Varietäten sein, dann sind es viel zu wenige! 

Es war daher natürlich, daß man sich nach verläßlicheren Unter¬ 
scheidungsmerkmalen umgesehen hat und dazu das mikroskopische 
Verhalten der Pilze einerseits auf den gewöhnlichen festen Nährböden, 
anderseits in flüssigen, nur zu diesem Zwecke angesetzten Mikrokulturen 
verwenden wollte. AJber auch auf diesem Wege kam man nicht zum 
Ziele, da den erhobenen Differenzen besonders bezüglich der Sporen¬ 
bildung angeblich die Konstanz mangelte, so daß man immer wieder auf 
die makroskopischen Kulturdifferenzen zur Unterscheidung zurück¬ 
gegriffen hat. 

Wenn ich aus meinen Untersuchungen Schlüsse ziehe, so kann ich: 

1. selbstverständlich auch die große Variabilität der verschiedenen 
Stämme auf den gebräuchlichen Nährböden feststellen, jedoch mit der 


1) Sabourauds System der von ihm aufgestellten Trichophytonformen: 


Trichophyton: 


1. Endothrix 


Tr. crateriforme 
Tr. umblUcatum 
Tr. reguläre 
Tr. acumlnatum 
Tr. ylolaceum 
Tr. glabrum 
Tr. sulfureum 

2) 1. c. 

3) Arch. f. 


2. Neo Endothrix 

Tr. cerebriforme 
Tr. plicatile 


3. Ektothrix 


a) Micro Idee 


Tr. gyps. radiolatum 
Tr. gyps. asteroldes 
Tr. nfyeum 


b) Megaspores 


Tr. nosaceum 
Tr. equtmum 
Tr. faviforme album 
Tr. faylforme dlscoldes 
TT. faylforme ochracemn 


Dermat. 1896, 37. Band. 


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12 Studien zur Morphologie und Biologie der Trichephytiepilze. I. 

Einschränkung, daß die Unterschiede auf den hochperzentigen Zucker¬ 
medien, wie sie von Sabouraud angegeben wurden, immerhin eine der¬ 
artige Konstanz aufweisen, daß man niemals über die Zugehörigkeit zur 
einen oder anderen Gruppe im Zweifel sein wird. Allerdings bezieht sich 
das auf wirklich durchgreifende Unterschiede und nicht auf leicht ab¬ 
ändernde Merkmale, wie geringe Differenzen der Oberflächenkonfiguration, 
Farbstoffbildung usw. Freilich kommt man dann dazu, sich mit einer 
weit geringeren Anzahl von Formen zu bescheiden. 

2. Ferner konnte ich konstatieren, daß die mikroskopische Unter¬ 
suchung der Kulturen keine derart konstanten Unterschiede ergibt, 
um darauf eine Einteilung unserer Pilze zu begründen; ebensowenig sind 
die von Sabouraud angegebenen Mikrokulturen im hängenden Tropfen, 
die sich für biologische Untersuchungen sonst gut bewähren, dazu geeignet. 
Dagegen fand ich in den „Epidermismikrokulturen“, deren Herstellung 
ich oben aaseinandergesetzt habe, ein sicheres Mittel, im Zusammenhalt 
mit dem makroskopischen Aussehen der Kulturen auf den Zuckernähr¬ 
böden die bei uns vorkommenden Trichophytonpilze in scharf umrissene 
Gruppen zusammenzufassen; zu diesen morphologischen Merkmalen 
kommen nun außerdem ebenso konstante biologische hinzu. Wenn man 
sich auch der Schwierigkeiten, die eine korrekte Artdefinition bei den 
Mikroorganismen, besonders bei den so außerordentlich variablen Bak¬ 
terien bereitet, bewußt ist, muß doch das stete Zusammentreffen morpho¬ 
logischer, kultureller und biologischer Eigenschaften, die noch dazu in 
qualitativer und nicht bloß in quantitativer Richtung ausgeprägt sind, 
genügen, diese im folgenden zu besprechenden Gruppen zumindest als 
verschiedene Arten auffassen zu können. 

Ich konnte nun bei den zahlreichen hier in Graz untersuchten Fällen 
von Trichophytie das Vorkommen von zwei, in diesem Sinne verschiedenen 
Arten mit Sicherheit feststellen. Ob es noch mehr solcher scharf zu um¬ 
schreibender Arten überhaupt gibt, weiß ich nicht, da ja die Trichophytie- 
pilze nicht kosmopolitisch gleichmäßig verteilt Vorkommen. Innerhalb 
der beiden Arten findet man allerdings genug kulturelle Verschiedenheiten, 
um daraus etliche Varietäten im Sinne Sabourauds aufstellen zu können, 
wozu mir jedoch wegen der geringen Konstanz dieser Merkmale keine 
genügende Begründung vorzuliegen scheint. 

Es fällt mir nicht ein, zur Steigerung der ohnehin bestehenden Ver¬ 
wirrung, diesen beiden Arten neue Namen zu geben, denn sie sind ja vor 
mir vielmals gesehen und sicher mehrmals benannt worden. Um sie nach 
den wissenschaftlichen Nomenklaturregeln mit den ihnen gebührenden 
Namen zu belegen, bedarf es eines Vergleiches mit älteren Beschreibungen 
und eine Beurteilung der an verschiedenen Orten gezüchteten Stämme 
nach den gleich zu besprechenden Gesichtspunkten. Ersteres ist bei der 
meist alleinigen Berücksichtigung des makroskopischen Kulturfoildes nur 
zum Teile möglich, immerhin dürfte die eine meiner Arten (B) der Gruppe 
„Trich. gypseum“ Sabourauds entsprechen, während die andere (Ä) 
zum größten Teil sich mit seiner Neo-Endothrix-Gruppe deckt, Boweit 
eben bei der Sabouraudschen Einteilung von Konstanz die Rede sein 
kann. Einer meiner A-Stämme z. B. zeigte in der ersten Kultur da6 Bild 


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eines Tr. crateriforme (Tafelfig. 8), bei weiterer Fortzüchtung dagegen 
wuchs er immer als Tr. cerebriforme (Tafelfig. 5). Es ist daher eine 
Identifizierung mit den Gruppen Sabourauds nur bedingt möglich. Um 
somit in keiner Weise zu präjudizieren, will ich die beiden Trichophyton- 
arten vorläufig bloß als A-pulveriger und B-fädiger Pilz bezeichnen. 

Nach diesen mir nötig erscheinenden Vorbemerkungen will ich in 
möglichster Kürze die Befunde schildern, die man bei systematischer 
Untersuchung der Trichophytiepilze konstatieren kann. Im Nativ¬ 
präparat der Epidermisbestandteile nach Antiformin-Glyzerinbehandlung 
findet man, gleichgültig welcher Gruppe der Pilz angehört, ein recht 
uniformes Bild: einerseits zarte ununterbrochene Hyphenfäden mit gleich¬ 
mäßig parallelen Konturen, anderseits solche, die durch starke Septierung 
in Ketten von mehr oder minder rechteckigen oder rundlichen Sporen 
zerfallen — alles das im Haar, um das Haar sowie in bzw. auf den vom 
Antiformin unbeeinflußt gebliebenen Hornlamellcn; im Haar sieht man 
meist massenhaft nebeneinanderliegende Ketten von rechtwinkeligen 
Gliedern. Wie aus der Fig. 4 hervorgeht, sind die Sporen von sehr ver¬ 
schiedener Größe. Messungen — allerdings an Antiforminpräparaten 
ausgeführt — ergaben folgende Zahlen: 3 bis 7 [i für die Länge, 2 bis 5 [i 
für die Breite, dann finden sich auch kreisrunde mit einem Durchmesser 
bis herab zu 2 fi. Es ist daher nicht möglich, wie bereits Krösing 1 ) aus¬ 
führlich berichtet hat, auf Grund der Sporengröße der Pilze in der Haut 
allein irgend eine Unterscheidung einzuführen. Selbstverständlich wider¬ 
stehen Hyphen und Sporen in der Haut und in der Kultur vermöge ihres 
Wandgehaltes an Pilzzellulose dem Antiformin, dessen auflösender Wir¬ 
kung alles tierische Zellmaterial mit Ausnahme der verhornten Partien 
zum Opfer fällt; aus diesem Umstande fällt auch jede Analogisierung 
dieser Pilzsporen mit den Sporen der Bakterien hinweg. Außer dieser 
endogenen Sporenbildung, dem Oidienzerfall, bilden diese Pilze am Orte 
ihres natürlichen Vorkommens keine andere Fruktifikationsform aus. 

Sabouraud hat seine verschiedenen Varietäten zunächst dadurch 
in ein System gebracht, daß er sie nach ihrem parasitischen Verhältnis 
zum Haare in drei Gruppen zusammenfaßte: Ektothrix, Endothrix, 
Neo-Endothrix. Bei Ektothrix ist nicht nur das Haar sondern auch die 
umgebende Epidermis von Pilzen befallen, bei Endothrix finden sich die 
Pilze nur im Haar vegetierend, da der anfangs zu Beginn der Erkrankung 
natürlich auch außerhalb der Haare liegende Pilzanteil bald zugrunde¬ 
geht; den Übergang zwischen beiden vermitteln die Neo-Endothrix- 
Stämme, bei denen der extrapiläre Anteil zwar eine Zeitlang besteht, 
dann aber doch verschwindet, so daß an älter erkrankten Haaren nur 
mehr eine Endothrixform zum Vorschein kommt. Sichere Endothrix- 
Stämme fanden sich unter meinem Material nicht vor, so daß ich darüber 
kein Urteil abgeben kann, dagegen gehörten viele meiner Kulturen den 
Neo-Endothrix-Formen der Sabouraudschen Einteilung an. Trotz 
eifriger Durchmusterung vieler Präparate ließen sich nun niemals die 
für die Differenzierung von Ektothrix und Neo-Endothrix angegebenen 

1) 1. c. 


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14 Studien zur Morphologie und Biologie der Triehophytiepiize. I. 

Unterschiede mit einiger Sicherheit konstatieren, immer war Haar und 
seine nächste Epidermisumgebung gleichzeitig und oft in stärkstem 
Ausmaß befallen; so z. B. bei dem Fall, von dem die Fig. 4 stammt, und 
bei dem es bereits zu weitgehenden Zerstörungen der Haare gekommen 
war. Eine Unterscheidung von Ektothrix und Neo-Endothrix nach dem 
Verhältnis der Pilze zum Haare ist somit nach meinen Erfahrungen un¬ 
möglich. Es kommt somit von dem Sabouraudschen Einteilungs¬ 
prinzip nur das Verhalten auf künstlichen Nährböden in Betracht. 

Wenn man nun das Material auf einer der früher geschilderten Arten 
auf 4% Maltoseagar zur Aussaat bringt, so bemerkt man, falls die Stelle 
von Verunreinigungen frei geblieben ist, nach 4 bis 5 Tagen zarte feine 
Hyphenfäden sich aus dem Substrat erheben, die sich rasch verdichten 
und nach etwa 14 Tagen ein hellerstückgroßes Myzel auf dem Nährboden 
bilden. Schon auf diesem Stadium, auf dem von den bei Sabouraud 
zur Einteilung verwendeten Kulturcharakteristika noch nichts zu sehen 
ist, sind dennoch die jungen Kulturen schon so weit unterscheidbar, daß 
man ohne weiters die Zugehörigkeit zu einem der beiden aufgestellten 
Typen feststellen kann. Während sich nämlich bei der A-Gruppe das 
Myzel flach auf dem Nährboden ausbreitet und — was das wichtigste 
ist — von Anfang an deutlich bestaubt erscheint, erzeugen die Angehörigen 
der B-Gruppe ein dichtes, aufstehendes, einem feinen Pelz nicht unähn¬ 
liches, schneeweißes Luftmyzel, das keine Spur von Bestäubung aufweist, 
sondern nur aus glatten Hyphenfäden besteht. Dieser Unterschied wird 
mit dem Fortschreiten des Wachstums immer deutlicher. Es erreichen 
die zur B-Gruppe gehörigen Pilze schon eine beträchtliche Größe in der 
Kultur, bis zuerst im Zentrum (Tafelfig. 1) Sporenbildung makroskopisch 
sichtbar wird, und zwar in Form pulverig weißer Knöpfchen, die sich 
anfangs auch nur wenig vom Zentrum entfernen und das periphere Hyphen¬ 
geflecht ganz freilassen; dagegen setzt sich bei den A-Pilzen die ganze 
Kultur aus gleichmäßig dicht bestaubten Hyphenfäden zusammen, die 
nur im Zentrum einer undeutlichen, aber gleichfalls bestaubten Knopf¬ 
bildung Raum geben (Tafelfig. 2). Es braucht nicht erst betont zu werden, 
daß die Bestäubung der Hyphenfäden bei der A-Gruppe der schon mit 
Beginn der Kultur reichlich einsetzenden Sporenbildung zuzuschreiben 
ist. Hinzuzufügen wäre noch, ohne daß ich darauf besonderen Wert 
lege, daß alle B-Kulturen schneeweiß bleiben, während die A-Kulturen 
von Anfang an einen drappen Farbton aufweisen. 

Damit sind nach meiner Erfahrung die Erscheinungsformen auf 
dem 4proz. Maltoseagar erschöpft. Eine besondere Eignung gerade dieses 
Nährbodens, den Sabouraud vorzüglich zur Diagnosenstellung heran¬ 
zieht, vor anderen Zuckernährböden konnte ich nicht feststellen, aller¬ 
dings schrieb er die von Cogit in Paris bezogene Rohmaltose vor, während 
die von mir verwendete reine Maltose keine charakteristischen Kulturen 
gibt. Die geschilderte Eigenschaft der A-Pilze, ein flaches, durchwegs 
mit Sporen bestaubtes Myzel zu bilden, während die Kulturen der B- 
Pilze durch ein schneeweißes Luftmyzel mit nur stellenweiser Sporen¬ 
entwicklung charakterisiert sind, kehrt übrigens auf allen Nährböden 
im Prinzip wieder, da diese Merkmale eben auf biologischen Eigenheiten 


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Von Dr. phil. el med. Johann Hammerschmidt. 15 

der beiden Arteü beruhen, über die ich bei der Besprechung der mikro¬ 
skopischen Befunde berichten werde. 

Viel charakteristischer als auf dem Maltoseagar wachsen die beiden 
Formen auf dem 4proz. Traubenzuckeragar, so daß dieser Nährboden 
viel eher zu einer Diagnosenstellung zu verwerten wäre. Die ausgewachsene 
Pilzkultur zeigt auf diesem Substrat nach 1 bis IV 2 Monaten folgendes 
Aussehen: 

1. A-Pilze: Die Kolonie stellt (Tafelfig. 4) eine dicht bestaubte, leicht 
drapp gefärbte (bei ungehemmter Entfaltungsmöglichkeit kreisrunde) 
Fläche dar, die nach außen einen ziemlich schmalen, glatten Rand mit 
kurzen strahligstaubigen Ausläufern aufweist, wählend die ganze mittlere 
Partie durch tiefe Furchen unregelmäßig gewulstet ist, so daß ein Ver¬ 
gleich mit den Windungen an der Gehirnoberfläche tatsächlich sehr nahe 
liegt. Im Alter bekommen einzelne Kulturen auf der Höhe der Falten 
feine Sprünge, an welchen Stellen wegen Fehlens der Bestäubung (Tafelfig.5) 
der braungefärbte Grund der Kolonie hervorschaut, wodurch eine zart 
netzförmige, dunkle Skulpturierung gebildet wird. Da letztere Verände¬ 
rung nicht bei allen A-Kulturen eintritt, wäre gleich ein Anlaß zur Auf¬ 
stellung neuer Varietäten gegeben. 

2. B-Pilze: Die entwickelte Kultur (Tafelfig. 3) zeigt irisartig in- 
einandergeschobene Kreise — in der Eprouvette allerdings sind sie in 
der vollen Ausbildung seitlich gehemmt. Im Zentrum findet sich meist 
ein kleiner Schopf von weißem Luftmyzel, dann kommt nach außen eine 
kreisförmige massige Sporenanhäufung, im Alter von mein gelblich¬ 
weißer Farbe, die den Eindruck von aufgestreutem grobem Gypsmehl 
macht; dann folgt wieder ein Ring von watteartigem Luftmyzel usf. bis 
an den Rand, wobei die äußersten Ringe im Alter noch eine rosenrote 
Färbung annehmen können. Dieses anfangs regelmäßige Bild verschiebt 
sich allerdings mit der Zeit, da sich die Sporenmassen allmählich über die 
ganze Kultur ausbreiten. 

Ich habe im vorstehenden die Hauptcharakteristika der Kultur¬ 
formen* die mit großer Konstanz auf Traubenzuckeragar immer wieder¬ 
kehren, beschrieben und will von den übrigen Details, die mir unwesentlich 
erscheinen, absehen. 

Von den übrigen zum Vergleich herangezogenen Nährböden sei nur 
kurz erwähnt, daß der 4proz. Milchzuckeragar bei der B-Gruppe noch 
weniger Sporenbildung entstehen läßt, als der Maltoseagar, so daß die 
Kultur auf lange Zeit nur aus Luftmyzel besteht, übrigens tritt auf diesem 
Nährboden auch bei der A-Gruppe die Sporenbildung etwas in den Hinter¬ 
grund. Auf dem im Laboratorium gebräuchlichen lproz. Traubenzucker¬ 
agar, mit Fleischwasser zubereitet, ähneln die Kulturen des A-Pilzes 
denen auf 4proz. Traubenzuckeragar, nur ist’ die Kultur (Tafelfig. 7) viel 
kleiner, das Ganze ist förmlich zusammengedrückt, die Windungen schmäler. 
Die B-Pilze zeigen dagegen auf diesem Nährboden im Gegensatz zu den 
bisher besprochenen eine viel intensivere und auch gleichmäßig ausge¬ 
breitete Sporenbildung, so daß wir eine dicht weiß bestaubte, runde Fläche 
(Tafelfig. 6) vor uns sehen, die aber in bezug auf Skulpturierung äußerst 
veränderlich ist. 


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16 Studien zur Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. 1. 


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Auf Gelatine verflüssigen alle beide Formen, nur sind die B-Pilze 
durch Bildung eines schwefelgelben Farbstoffes ausgezeichnet, übrigens 
wie alle Farbstoffbildungen ein sehr inkonstantes Merkmal. Die Befunde 
auf anderen Nährböden will ich nicht erwähnen, da sie kein Interesse bieten. 

Wir sehen somit, daß trotz kultureller Verschiedenheiten der einzelnen 
Stämme untereinander die beiden Gruppen sich auf fast allen Nährböden 
scharf unterscheiden lassen, zunächst schon bei ganz oberflächlicher Be¬ 
trachtung der Kulturen, dann aber vielmehr durch den Umstand, daß die 
A-Stämme auf allen Nährböden von Anfang an reichliche Sporulation auf¬ 
weisen, während die B-Stämme, die anfangs durch Bildung eines reich¬ 
lichen Luftmyzels ausgezeichnet sind, viel später, auf manchen Nähr¬ 
böden sogar erst im Alter zur Sporenbildung schreiten. 

Einschneidende Unterschiede zwischen einzelnen größeren Gruppen der 
Trichophytiepilze waren schon Krösing 1 ) im Jahre 1896 aufgefallen; doch 
galt auch diesem Autor, ebenso wie Sabouraud, das makroskopische 
Aussehen der Kultur alles, während er die mikroskopischen Verhältnisse 
als nicht konstant vernachlässigen zu können glaubte*. -Diese Unterschiede 
stellte er auf der als Standardnährboden verwendeten Kartoffel fest, von 
der er annahm, ein immer gleichbleibendes Nährsubstrat in der Hand 
zu haben. Auf Grund der auf der Kartoffel erhobenen Befunde kam er 
zu ähnlichen Resultaten, wie ich mit den verschiedenen Nährböden, 
nämlich, daß man die Trichophytiepilze bei Vernachlässigung zahlreicher 
äußerer und sicher variabler Erscheinungsformen der Kulturen, die von 
anderen Autoren als Einteilungsprinzip herangezogen worden sind, in 
ganz wenige — er unterschied drei — Gruppen unterteilen kann, und zwar 
durch Feststellung bloß einiger, aber grundlegender Kulturmerkmale. 
Leider blieben diese Ergebnisse Krösings 1 ) im Schatten der Arbeiten der 
französischen Schule ganz unbeachtet. 

Dagegen stimme ich nicht mit Krösing 1 ) überein, daß die mikro¬ 
skopischen Merkmale wegen Inkonstanz wertlos seien; das ist schon des¬ 
wegen unrichtig, da die besprochenen Kulturmerkmale ja auf ganz be¬ 
stimmten morphologischen bzw. biologischen Eigenschaften beruhen, 
nämlich dem Zeitpunkt des Eintretens und der Lokalisation der Sporen¬ 
bildung. Aus diesen Gründen verwendete ich zur Diagnosenstellung schon 
als eine Art Sicherheitskoeffizient neben dem äußeren Verhalten der 
Kulturen noch das mikroskopische Verhalten der Pilze in den Kulturen 
und endlich noch zu besprechende biologische Eigenschaften. 

Zu diesem Zwecke sind jedoch die von Sabouraud angegebenen 
Kulturen im hängenden Tropfen ganz ungeeignet, da die Pilze in diesen 
Mikrokulturen höchst unregelmäßig oder auch gar nicht zur Spo¬ 
rulation kommen. Dagegen ergaben mir die „Epidermismikrokulturen“ 
(cf. Technischer Teil), die ich von der Reinkultur auf sterilisierten Haut¬ 
partikeln anlegte, folgende sehr konstante Befunde, die sich in ausgezeich¬ 
neter Weise in der geschilderten Art der Fixierung und der Färbung mit 
Bismarckbraun festhalten ließen. 


1) 1. c. 


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Von Dr. phil. et und. Johann Hammerschmidt. 17 

Wenn wir einen Vertreter der A-Gruppe unter dem Deckglas auf 
Epidermis züchten, so sehen wir, daß die nach allen Richtungen aus- 
wachsenden Hyphenfäden meist von gleichmäßiger Dicke sind und sehr 
bald (innerhalb einer Woche) Sporen entwickeln. Die Sporenbildung 
geschieht so, daß der lange Hyphenfaden in seinem ganzen Verlauf oder 
wenigstens in seinem größten Teile zweizeilig kleine, kurze Seitenäste 
aussendet, die meist selbst einfache Gonidienträger sind oder neben der 
ondständigen Spore höchstens noch einen kurzen sekundären Conidien¬ 
träger abgeben; eine weitere Verzweigung erfolgt nicht (Fig. 1). Wir 
sehen dann manchmal die meisten Myzeläste in ihrem ganzen Verlaufe 
mit kurzen Sporenträgern und Sporen besetzt, eine größere Anhäufung 
der letzteren findet nur an solchen Punkten statt, wo auch die Hyphen¬ 
fäden in größerer Menge sich übereinander lagern. Durch diesen Befund 
ist die gleichmäßige Bestäubung der Kulturen in ihrer ganzen Fläche 
auf den Nährböden erklärt. Die Sporen sind verhältnismäßig groß, etwa 
3 /i lang und 3 fi breit und haben alle eine Tropfenform, was mit der ver¬ 
hältnismäßigen Breite der Conidienträger zusammenhängt. „Spindeln“ 
und „Wickeln“ fehlen bei dieser Gruppe durchaus. Das geschilderte Bild 
erhält man bei den A-Pilzen immer, gleichgültig ob man das Material von 
einer Reinkultur auf Traubenzucker- oder Milchzuckeragar entnommen hat. 

Ganz anders verhält sich die B-Gruppe in der „Epidermismikro- 
kultur“. Meist zeigt sich bereits ein Unterschied in der Dicke der Hyphen¬ 
fäden, so daß man förmliche Hauptstämme hervortreten sieht. Die wich¬ 
tigste Fruktifikationsform sind hier die „Spindeln“, die ebenfalls ziemlich 
früh in den Kulturen als umgewandelte Enden der Haupt- oder der Seiten¬ 
zweige 1. 0., seltener im Verlauf eines Hyphenfadens entstehen; manchmal 
bleiben sie die einzige Fruktifikationsform. Die Bildung der eigentlichen 
Sporen dagegen, die meist spät auf tritt, dehnt sich hier — zum Unter¬ 
schied gegen die A-Gruppe — nicht über größere Partien der Hyphenfäden 
aus, sondern ist auf deren Enden bzw. auf die Enden der Seitenzweige 
beschränkt. Immer sind es nur einzelne Stellen der Kultur, die auch 
makroskopisch als sattweiße Pünktchen erscheinen, wo die Sporen gehäuft 
zur Entwicklung gelangen. An solchen Stellen bildet das betreffende 
Astende zahlreiche, mehrzeilig angeordnete seitliche Zweige, die sich 
immer weiter unterteilen, so daß wir beim Fehlen der Sporen (in manchen 
Kulturen kommen solche zusammengesetzte sterile Conidienträger häufig 
vor) das Bild eines reich verästelten Tannenbaumes vor uns zu sehen 
glauben. Jedes der kleinen Endzweigehen stellt einen Gonidienträger 
dar, durch deren mehrzeilige Anordnung und die dadurch bedingte reich¬ 
liche Sporenzahl massige Sporenkonglomerate entstehen, die täuschend 
einer dicht bestandenen Weintraube ähnlich sehen (Fig. 2). Die Sporen 
sind hier kugelrund und kleiner als bei der A-Gruppe (durchschnittlich 
2,5 ji im Durchmesser). Bei dieser Pilzgruppe ist es im Gegensatz zu den 
A-Pilzen auch nicht gleichgültig, ob wir das Ausgangsmaterial zu der ge¬ 
schilderten Kultur auf dem Objektträger von einer Kolonie auf Trauben¬ 
zuckeragar oder Milchzuckeragar nehmen. Nur im ersteren Fall entspricht 
der Befund dem oben geschilderten Bild, im letzteren Fall werden wir 
keinen Erfolg haben oder nur ein steriles Myzel ohne Sporenbildung er- 
Archiv fOr Hygiene. Bd. 90. 2 


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18 Studien zur Morphologie und Biologie «1er Trichophytiepilze. 1. 


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halten, da ja Milchzuckeragarkulturen der B-Pilze Sporenbildung erst 
im Alter auf weisen, und für das Angehen einer neuen Kolonie auf dem 
natürlichen Nährboden, der Haut (sei es unter den natürlichen Verhält¬ 
nissen, z. B. beim Tierversuch, oder den künstlichen, wie unseren Objekt¬ 
trägerkulturen), Sporenmaterial unerläßlich ist. Auf den künstlichen 
Nährböden liegen die Verhältnisse anders, da genügt die Übertragung 
von Myzelfäden allein zur Erzeugung einer neuen, vollwertigen Kolonie. 

Wir sehen also auch im Verhalten unserer Stämme in den künstlichen 
Epidermiskulturen wichtige Unterschiede zwischen den beiden von mir 
aufgestellten Gruppen, die um so interessanter sind, als sie uns vieles 
an der makroskopischen Erscheinungsform der Kulturen gut erklären. 

Ergänzend will ich bemerken, daß ich auch das mikroskopische Ver¬ 
halten der auswachsenden Pilze in den im technischen Abschnitt geschil¬ 
derten Mikrokulturen fester Nährböden auf Objektträgern zum Vergleich 
heranzog, also ähnliche Verhältnisse schuf, wie sie auf unseren künstlichen 
Nährböden vorhanden! sind. Ich konnte dabei im großen und ganzen den¬ 
selben Entwicklungsverlauf feststellen, wie ich ihn eben geschildert habe, 
doch war die Zeit des Auftretens der einzelnen Fruktifikationsformen 
viel unregelmäßiger und ließ bei der B-Gruppr oft sehr lange auf sich 
warten. Mit Hilfe dieser Untersuchungsmethode ließ sich in geeigneter 
Weise ein eventueller Einfluß, den verschiedene Faktoren der Außenwelt, 
wie Feuchtigkeit, Trockenheit, Belichtung usw., auf die Bildung der ver¬ 
schiedenen Fruktifikationsformen ausüben könnten, verfolgen. Ich konnte 
dabei jedoch konstatieren, daß auch große Feuchtigkeitsunterschiede 
sich in dieser Richtung nicht geltend machten, nur schien mir hie und da 
besonders starke Trockenheit einen Ansatz zu endogener Sporenbildung 
(Oidienfcerfall) zu veranlassen. 

Was nun das besondere biologische Verhalten der beiden Pilzgruppen 
anlangt, so fand ich im Zuge von Versuchen über die Einwirkung ver¬ 
schiedener Farbstoffe auf die Kulturen, daß sie hinsichtlich des Neutral¬ 
rotes ganz konstante und sehr auffällige Unterschiede darboten. Schon 
seinerzeit hatten Plato und Guth 1 ) die Wirkung von Schimmel- und 
Trichophytonpilze auf diesen Farbstoff studiert, jedoch in der Art, daß 
sie bereits gewachsene Kulturen in Lösungen von reduziertem Neutralrot 
brachten, wobei sie eine Speicherung und Reoxydation des Neutralrotes 
in den Pilzen feststellen konnten. Auf diese Art sind keine Unterschiede 
zu erzielen, wohl aber wenn man direkt auf Neutralrotnährböden züchtet. 
Ich verwendete zunächst lproz. Traubenzuckeragar, dem ich 1 bis 2 Tropfen 
der konzentrierten Neutralrotlösung pro Röhrchen zusetzte, wie es für 
die bakteriologische Typhusdiagnose gebräuchlich ist. Auf diesem Nähr¬ 
boden wuchs jeder Stamm der A-Gruppe als zart rosaroter Flaum ohne 
Veränderung des Nährbodens, dagegen zeigte die B-Gruppe schneeweiße 
Kok den und entfärbte den Nährboden zunächst im Bereiche der Kolonie, 
dann im ganzen Röhrchen, jedoch ohne Fluoreszenz. 

Noch schöner ist der Prozeß, wenn man die Pilze in flüssigen Nähr¬ 
böden, z. B. im hängenden Tropfen von lproz. Traubenzuckerbouillon, 

1) Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, 38. Bd., 1901. 


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Von Dr. phil. et med. Johann Hammerschmidt. 


19 


der Neutrairot zugesetzt ist, züchtet (cf. Technischer Teil). Man kann dann 
bei der A-Gruppe auch nach Wochen die unveränderte rote Farbe des Nähr¬ 
bodens feststellen, während bei der B-Gruppe der Tropfen bald gelblich und 
dann ganz farblos wird. Bei mikroskopischer Untersuchung dieser im hän¬ 
genden Tropfen wachsenden Kultur weisen die A-Pilze in den meisten Myzel¬ 
fäden und in vielen Sporen größere oder kleinere rote Granula auf, während 
das Myzel der B-Pilze vollkommen farblos erscheint. Eine Erklärung 
für diese auffälligen aber sehr konstanten Differenzen der beiden Pilz¬ 
gruppen kann ich nicht geben. Ganz anders ist das Verhalten gegenüber 
anderen Farbstoffen, z. B. dem allerdings in Wasser unlöslichen Farbstoff 
des B. prodigiosus. Wenn ich nämlich in Anlehnung an die Versuche 
von Marzinowsky 1 ), der Schimmelpilze zusammen mit Prodigiosus 
r züchtete und dabei die Aufnahme des Farbstoffes durch erstere beobachtete, 

1 durch längere Zeit Trichophytonpilze mit Prodigiosus auf demselben 

| Nährboden wachsen ließ, so nahmen alle Stämme den Farbstoff auf und 

f führten ihn in größeren oder kleineren Granula in den Hyphen. Allerdings 

i war das Wachstum der Pilze bei dieser künstlichen Symbiose sehr reduziert, 

| so daß es nicht zu makroskopisch sichtbaren Kolonien kam. 

| Weiterhin habe ich das Verhalten der Pilze zu dem Nährboden zu¬ 

gesetztem Methylenblau, Lackmustinktur und anderen geeigneten Farb¬ 
stoffen untersucht, ohne über auffällige Resultate berichten zu können; 
durchwegs hatten die Pilze den Nährboden unverändert gelassen und auch 
den Farbstoff selbst nicht gespeichert. 

Mit Rücksicht auf die bekannte Eigenschaft der Stoffwechselprodukte 
der Schimmelpilze, das Wachstum anderer Mikroorganismen zu fördern, 
züchtete ich verschiedene meiner Pilzstämme durch Wochen in Kölbchen 
F mit Traubenzuckerbouillon, tötete die Pilze durch gerade ausreichendes 
^ Erwärmen, filtrierte die Nährlösung ab und züchtete dann in der so er¬ 
haltenen klaren, braungefärbten Bouillon vom Ausgangsmaterial ver- 
l schiedene andere Stämme sowie die geläufigen Bakterien der Typhus- 
j Coligruppe, doch war keinerlei Beeinflussung des Wachstums weder in 
förderndem noch in hemmendem Sinne zu konstatieren. 

Endlich versuchte ich, wie so viele andere Autoren vor mir, jedoch 
mit demselben negativen Resultat, wie diese, eine Differenzierung der 
Stämme durch den Tierversuch. Alle rtieine Kulturen gehen auf der kurz 
geschorenen und mit Glaspapier leicht gescheuerten Haut des Meer- 
‘ schweinchens eingerieben,an und erzeugen in etwa 10 Tagen herpetische 
Ringe, die jedoch bald wieder abheilen. Beide Gruppen, die A- und die 
B-Pilze, verursachen nur oberflächliche Erkrankungen, die untereinander 
j keine Unterschiede erkennen lassen. Zu bemerken ist, daß ebenso wie 
zu den „Epidermismikrokulturen“ auch zur Infektion der tierischen Haut 
sporenhaltiges Material verwendet werden muß, da bloße Myzelpartikel 
nicht imstande sind, festen Fuß zu fassen. 

Über die interessanten Fragen des Pleomorphismus, des Polymorphis- 
, mus sowie die Erscheinungen der Variabilität bei den Hautpilzen, die 
namentlich bei Verwendung einfacherer Stickstoffquellen in den Nähr- 

1 1) Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. 73, 1913. 

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20 . Studien zur Morphologie und Biologie der Tri« hophyti»*pilze. I. 

böden zu besonderen Ergebnissen führt, will ich in eimr w«*it»*r«*n Mit¬ 
teilung berichten. 

Zum Schlüsse ist noch die erwähnenswert«* Tatsache zu berichten, 
daß sich die Kulturen, die* ich von den untersuchten Trichophytiefällen 
erhielt, zu gleichen Teilen auf di«* A- und B-Gruppe verteilen; auffallender 
aber war noch eine besondere zeitlich«* Häufung der Y«*rtr«*t<*r d«*r einzelnen 
Gruppen. So fand«*n sich unter dem ersten Dutzend gelungener Kulturen 
(November 1919 bis Februar 1920) mit Ausnahme von zwei A-Pilzen 
lauter solch«* aus der B-Gruppe, während umg«*kehrt unt«*r d«*m zw«*iten 
Dutz«*nd (März bis Mai 1920) laut«*r A-Stämm«* und nur ein B-Stamm 
zu verzeichnen war. Dab«*i r**krutiert«* sich das m«*ist ambulant«* Kranken- 
material aus den v«*rschi«*d«'nst»*n T«il«*n d»*r Stadt und d«*r«*n Umgebung 
sowie aus den vers«-hi«*denen G«*s<*llschaftsklasscn und liatt«* untereinander 
gewiß kein«* Beziehungen; auch war «rin Zusammenhang mit ti«*rischen 
Hauterkrankungen mit Sich«*rh«*it auszuschli«*ßen. Über den klinischen 
Befund bei den untersuchten Fällen wird im Anhang d«*r behandelnde 
Arzt, Dr. Ludoviei, berichten. 

Zusammenfassung. 

Aus vorsteh«*nd«»n Untersuchungen lassen sich folgend«* 
Ergebnisse zusammonfasson: 

1. Die von Sabouraud und and«*r«*n Autoren v«*rsueht<- 
Unterteilung der Trichophytonpilz«* in « in«* größt*! 1 «* Anzahl 
von Arten bzw. Vari«*täten bloß auf Grund des Aussehens 
von Massenkulturen auf künstlichen, wenn auch gleich¬ 
mäßig zusammengesetzten Nährböden ist wegen d«*r g«*ring«*n 
Konstanz dieser Merkmale nicht befriedigend, vor allein 
für eine Artdiagnose vollkommen ungenügend. 

2. Es ist dagegen möglich, b«*i glei«*hzeitig«*r Verw«*rtung 
<l«*s Aussehens der Mass<*nkulturen unter B«M a üeksieht igung 
nur grundlegender, immer g 11» i c. h m ä ß i g e r M e r k m a I e, ferner d e r 
Fruktifikationsformen in dazu geeignet «*n „Epidermismikro- 
kulturen“ und endlich d«*s Verhalt«*ns der Pilze auf neutral¬ 
rothaltigen Nährböden mehrere - w«*nigst«*ns zwei — 
größere Gruppen zu unterscheiden, di«* im botanischen Sinn«* 
zumindest als Arten anzusprechen sind. 

3. Auf Grund dieses Eint«‘ilungsprinzip«*s fand ich bei 
den in Graz zur Beobachtung gelangt«'» Trichophytien zwei 
Gruppen von Erregern: 

Die A-Gruppe, ausgezeichnet a) durch frühzeitige und 
reichliche Sporenbildung und demzufolge Entwicklung eines 
von Anfang an bestaubten Myzels auf allen Nährböden, das 
auf Traubenzuckeragar noch besondere Erscheinungsform«*!! 
aufweist, b) durch einfache Sporenbildung auf kurzen, meist 
unverzweigten, zweizeilig ungeordneten Conidientrftgern, die 
entweder längs ganzer Hyphenzweige oder wenigstens aus- 
gedehnterer. Partien solcher entspringen, ohne Vorkommen 


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Von Dr. phil. et med. Johann Hammerschmidt. 


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von „Spindeln“, „Wickeln“, Trauben und c) durch Unver¬ 
ändertlassen des Neutralrotagars, während Myzel und Sporen 
Neutralrot in sich speichern; 

die B-Gruppe charakterisiert: a) durch anfängliche Bil¬ 
dung eines bloßen Luftmyzels, während sich die Sporen¬ 
bildung erst viel später und immer auf einzelne Stellen der 
Kultur beschränkt einstellt, b) Bildung von „Spindeln“, 
„Wickeln“ und vor allem von dichten» Trauben an den Enden 
von Haupt- oder Nebenästen, c) durch Entfärbung des Neu¬ 
tralrotagars, während der Pilz selbst den Farbstoff nicht 
au f nimmt. 


Anhang. 

Klio. Erläuterungen zu den vorstehenden von Ha m m ersch mid t bakterio¬ 
logisch untersuchten Fällen von Trichophytien von Dr. Bruno Ludovici. 

Das hier bearbeitete Material stammt hauptsächlich aus Soldaten¬ 
kreisen. Die Infektionsquellen ließen sich einerseits wegen der Vielseitig¬ 
keit der Erkrankung, anderseits wegen der Indolenz der Patienten nicht 
immer feststellen. Meist waren es aber Infektionen durch Barbierstuben, 
nur in einem Falle wird das Pferd als Infektionsträger angegeben. Die ge¬ 
ringe Zahl der Fälle gestattet es auch nicht, mit Bestimmtheit besondere 
klinische Differenzen hervorzuheben. Die Behandlung war antiparasitär¬ 
symptomatisch. 

Von den ersten 21 Fällen, bei denen Kulturen gelangen, gehörten 12 
der Gruppe A an. Zehn von diesen Fällen zeigten das Bild der Tricho- 
phytia superficialis, ein Fall ging mit geringer Infiltration einher, ein Fall 
zeigte ebenfalls geringe Infiltration, welche auf eine Injektion von Tricho- 
phytin (Merk) unter starker Lokalreaktion der Injektionsstelle auffallend 
rasch zurückging. In keinem Falle kam es zu Eiterungen. Bemerkenswert 
ist die schnelle, unkomplizierte Heilung der superfiziellen und auch der 
zwei mit Infiltration einhergehenden Trichophytien sowie die prompte Re¬ 
aktion des einen Falles auf Trichophytin. 

Die restlichen neun Fälle gehören der Gruppe B an. Von diesen waren 
vier Fälle superfizielle Trichophytien, zwei gingen mit starker Infiltration 
und follikulärer Eiterung einher. Zwei Fälle, darunter einer von einer 
Tierinfektion (Pferd) herrührend, zeigten das Bild des Eccema margi- 
natum, ein Fall verlief unter geringer Infiltration ohne Eiterung. 

Es scheinen nun die klinischen Befunde mit den bakteriologischen- 
biologischen insoweit übereinzustimmen, als die durch die Gruppe A er¬ 
zeugten Dermatomykosen einen leichteren, die durch Gruppe B erzeugten 
im allgemeinen einen schwereren Verlauf zeigen. 0 

Ob und inwiefern diese Übereinstimmung zurechtbesteht, bleibt 
weiterer Forschung auf diesem Gebiete Vorbehalten. 


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22 Studien zur Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. 1. 


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Erklänfhg der Figuren auf Tafel I: 

Fig. 1. B-Pilz auf Maltoseagar (ca. 3 Wochen alte Kultur). 

Fig. 2. A-Pilz auf Maltoseagar (ca. 3 Wochen alte Kultur). 

Fig. 3. B-Pilz auf 4% Traubenzuckeragar (ca. 2 Monate alte Kultur). 

Fig. 4. A-Pilz auf 4% Traubenzuckeragar (ca. 2 Monate alte Kultur). 

Fig. 5. A-Pilz auf 4% Traubenzuckeragar (leichte Variation gegen den in 
Fig. 4 dargestellten sonst identischen Pilz). 

Fig. 6. B-Pilz auf gewöhnt. 1% Traubenzuckeragar (mit Fleischwasser). 

Fig. 7. A-Pilz auf gewöhnl. 1% Traubenzuckeragar (mit Fleischwasser). 

Fig. 8. Derselbe Pilz wie Fig. 5, nur eine andere Generation, auf 4 § /o Trauben¬ 
zuckeragar. (Er entspricht in dieser Form dem Trichophyton crateri- 
forme Sabouraud, dagegen in der Form von Fig. 5 dem Tricho¬ 
phyton cerebriforme Sabourand.) 


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Archiv für Hygiene, Bd. 90. 


Tafel I. 


Morphologie und Biologie der Trichophytiepilze. I. 



Flg. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. 


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Stadien Aber die Desinfektionswirkang des Sublimates. 

Von 

Oberbezirksarzt Dr. Viktor Gegenbauer. 

(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Wien.) 

(Bei der Redaktion eingegangen am 31. August 1920.) 

I. Einleitung. 

Robert Koch 1 ) sagt 1881 über die Desinfektionswirkung des Subli¬ 
mates: „Sublimat ist das einzige Desinfektionsmittel, welches die für die 
Desinfektionspraxis so überaus wichtige Eigenschaft besitzt, ohne daß 
eine besondere Vorbereitung der Objekte durch Befeuchtung erforderlich 
wäre, schon durch seine einmalige Applikation einer sehr verdünnten 
(1:1000) Lösung in wenigen Minuten alle, auch die widerstandsfähigsten 
Keime der Mikroorganismen zu töten.“ Koch erhielt Wachstum von Milz¬ 
brandsporen nur bei einstündiger Einwirkung von 0,002-proz. und niedriger 
konzentrierter Sublimatlösungen auf diese Keime, während er durch 
0,01—0,1-proz. Lösungen selbst bei bloß fünfminutiger Einwirkung Abtötung 
erzielte. Die Testkeime waren an Seidenfäden angetrocknet, die Entfer¬ 
nung des überschüssigen Desinfiziens nahm er durch Waschen mit Alkohol, 
die Nachkultur auf Gelatine vor. 

Diese dominierende Stellung, die Koch dem Sublimat unter den 
chemischen Desinfektionsmitteln einräumte, ist jedoch bald erschüttert 
worden. 

Schon durch Anwendung eines besseren Nährbodens bei sonst fast gleicher 
Versuchstechnik wie Koch erzielte 1889 Frankel*) und ein Jahr später Nocht*) 
bei einstündiger Einwirkung einer 0,1-proz. Sublimatlösung auf Milzbrand¬ 
sporen Wachstum. Ersterer nahm die Nachkultur in Bouillon, letzterer in einer 
Glc>ulinlösung vor. Bei Anwendung der von Geppert in die Prüfungstechnik 
der chemischen Desinfektionsmittel eingeführten Suspensionsmethode und Über¬ 
tragen einer Öse der aus dem Gemisch Bakteriensuspension-Desinfektionsmittel 
auszentrifugierten Sporen auf Bouillon konnte 1894 Schäffer*) noch nach 
zweistündigem Verweilen dieser Keime in der gleich konzentrierten Sublimat¬ 
lösung Wachtums, nach dreistündigem Verweilen Abtötung feststellen, während 
er ohne vorheriges Zentrifugieren durch direktes Übertragen einer Öse des Ge¬ 
misches in das Nährmedium zu weit niedrigeren Anwachsungs- und Abtötungs¬ 
zeiten gelangte, ebenso wie mit derselben Methodik drei Jahre später Scheuer- 
len und Spiro•). 

Schon 1891 hatte Geppert*), wenn er zu dem Gemisch Bakteriensuspension- 
Desinfektionsmittel vor dessen Übertragung in das Kulturmedium Lösungen von 
Sulfiden zusetzte noch nach dreitägiger Einwirkung einer 0,1-proz. Sublimat¬ 


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24 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 

lösung auf Milzbrandsporen Wachstum erzielt. Die Resultate Gepperts wurden 
1892 durch Hei der 7 ) bestätigt und dann 1911 durch die Versuchsergebnisse 
von Ottolenghi 8 ), der die von Geppert angeregte Methodik namentlich durch 
Einführung eines besseren Nährbodens zur Nachkultur modifizierte, weit über¬ 
troffen. In demselben Jahre kamen Croner und Naumann 9 ) und 1914 Gegen¬ 
bauer 10 ) bei der Anwendung der Ottolenghisehen Versuchstechnik noch zu 
bedeutend höheren Anwachsungszeiten als Ottolenghi selbst. Ottolenghi 
konnte nach neuntätigem, Croner und Naumann nach 28-tägigein Aufenthalt 
von Milzbrandsporen in 1,1356-proz. Sublimatlösungen noch Wachstum erhalten, 
Gegenbauer fand sie noch nach 100-tägigein Verweilen in 0,1-proz. Lösungen 
lebensfähig. 

Weit günstiger ließen die Versuchsergebnisse von Behring 11 ), Schaffer 4 ), 
Krönig und Paul 12 ), Bellei 1 *) und Reichenbach 14 ) die Desinfektions¬ 
wirkung des Sublimates erscheinen, was wohl auf der Anwendung einer abwei¬ 
chenden Dosierung der verwendeten Sulfidlösung, zum Teil auch auf der Ver¬ 
wendung eines anderen Trägermittels der Keime und eines weniger guten Nähr¬ 
bodens beruhen dürfte. Eine Reihe anderer Autoren brachen die Versuche zu 
frühzeitig ab bzw\ arbeiteten mit zu geringen Konzentrationen, als daß die Re¬ 
sultate ihrer Versuche zum Vergleiche herangezogen werden könnten (Nissen 15 ), 
Nocht 8 ). Bellei 18 ) bei Anwendung der Suspensionsmethode, Madsen und Ny¬ 
mann 1 *), Xylander 17 ), Reymann und Nymann 18 ), Abt 19 ). 

Im Jahre 1914 erhielt dann Gegenbauer 10 ) ohne Anwendung von Sul¬ 
fiden durch Zentrifugieren und Dekantieren der Milzbrandsporen, die 20 Tage 
der Wirkung einer 0,01-proz., 8 Tage der einer 0,1 -proz. und einer 1,0-proz. bzw\ 
2 Tage einer 2-proz. Sublimatlösung ausgesetzt waren, noch Wachstum, somit 
nach Zeiten, die weit höher lagen, als die von jenen Autoren beobachteten, dir 
nach ähnlicher Methodik ohne vorherigen Zusatz von Sulfiden die Keime in das 
Nährmedium übertragen hatten. 

Weit weniger resistent waren Staphylokokken, wie ja zu erwarten w r ar. 
Aber auch ihnen gegenüber erwies sich Sublimat lange nicht so wirksam, als 
man anfangs annahm. Ohne Anwendung von Sulfiden erhielten bei verschiedener 
sonstiger Methodik Speck 21 ) noch nach 20-minutiger Einwirkung einer 0,17-proz. f 
Steiger u. Döll 22 ) nach 5-minütiger einer 0,05-proz., Schöller u. Schrauth 2 *) 
nach 5-minutiger einer 0,34-proz. bzw\ 7-minutiger einer 0,17-proz. Sublimat¬ 
lösung Wachstum. Bei der Behandlung der Keime mit Sulfiden oder Schwefel¬ 
wasserstoff vor der Übertragung in das Kulturmedium rückt die Anwachsungs¬ 
zeit, namentlich bei der Anwendung der Methodik Ottolenghis bedeutend in 
die Höhe. So fand Schumburg 24 ) nach 45-minutigem, Speck 21 ) nach 70-minu- 
tigem Verweilen in 0,1-proz. Sublimatlösung, Paul und Prall 25 ) nach 60-minu- 
tigem Aufenthalt in 0,05-proz. Sublimatlösung noch Wachstum. Chick und Mar¬ 
tin *•) erzielten nicht vor 15 Minuten Abtötung durch 5,0-proz. Sublimatlösung. 
Nach Ottolenghi 8 ) und Croner und Naumann 9 ) bewirken selbst 2,712-proz. 
Lösungen nach 8 y 2 bzw. 3 Stunden keine Vernichtung der Keime. 

Es ergibt sich daher nach den in der Literatur vorhandenen Angaben 
für die in der Desinfektionspraxis übliche Konzentration von 0,1% 
Sublimat: 

für Milzbrandsporen 

ohne Anwendung von Sulfiden (Gegen- 

bauer). 

bei Anwendung von Sulfiden (Gegen- 

bauer). 

für Staphylokokken 

ohne Anwendung von Sulfiden (Speck) 
bei Anwendung von Sulfiden (0,1356%) 

(Croner und Naumann). 


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Höchste Niederste sichere 
Anwachsungszeit Abtötungszelt 


8 Tag«- 
100 'läge 


10 Tag« 


20 Minuten 
3 Tage 


4 Tage 


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F 


Von Dr. Viktor Gegenbauer. 25 

Die Desinfektionsversuche ergaben somit bezüglich der höchsten 
Anwachsungszeit einen beträchtlichen Unterschied, je nachdem durch 
sorgfältiges Waschen die anhaftenden Sublimatspuren entfernt wurden 
oder man zu diesem Zwecke Sulfide oder Schwefelwasserstoff zusetzte. 
Während die nach der ersten Methodik angestellten Desinfektionsversuche 
zeigten, daß zwar an eine Desinfektionswirkung, wenn auch nicht gerade 
an eine kurzfristige von Sublimat gegenüber Milzbrandsporen zu denken 
sei, ließen es die mit der letzteren Methodik durchgeführten Versuche 
fraglich erscheinen, ob man überhaupt praktisch von einer solchen Wirkung 
diesen Sporen gegenüber sprechen könne. Staphylokokken waren weit 
weniger resistent. Immerhin erwiesen sich auch diese vegetativen Formen 
erst nach mehrtägiger Einwirkung der gebräuchlichen Sublimatkonzen¬ 
tration als abgetötet, wenn das überschüssige Desinfiziens auf chemischem 
Wege entfernt wurde. 

Gegen das Prinzip, die anhaftenden Spuren des Desinfiziens durch 
Schwefelwasserstoff oder durch Sulfide zu entfernen, kann der Einwand 
erhoben werden, daß hiedurch nicht nur das anhaftende und das eventuell 
absorbierte oder adsorbierte Sublimat in unlösliches Quecksilbersulfid 
übergeführt werden, sondern daß auch eine eventuelle Bindung zwischen 
dem Sublimatmolekül und den Stoffen der Keime, namentlich dessen 
Proteinen gesprengt und damit eine in der Praxis irreversible Zustands¬ 
änderung reversibel gemacht werden könnte. Dieser Einwand setzt das 
Bestehen einer durch gewöhnliches Waschen nicht sprengbaren Bindung 
zwischen Sublimat oder Quecksilber und Eiweiß der Keime voraus und 
kommt für den Fall, daß diese Annahme zutrifft, nur dann in Betracht, 
wenn die Gewähr gegeben ist, daß die der Sublimatdesinfektion unterworfe¬ 
nen Keime nicht hinterher in ein Medium gelangen, das Schwefelwasser¬ 
stoff oder Sulfide enthält. Letzteres kann aber bei einem Teil der hygie¬ 
nischen Desinfektionen der Fall sein, da beispielsweise in Abwässern, 
Weichwässern von Gerbereien, im Stuhl, Harn und Sputum die Möglich¬ 
keit der Bildung von Schwefelwasserstoff und Sulfiden zufolge ihres Ge¬ 
haltes an faulenden organischen Stoffen gegeben ist. 

Es würde somit, im Falle des Bestehens solcher Verbindungen die 
Desinfektionskraft des Sublimates je nach dem Zweck verschieden zu be¬ 
werten sein, ein Punkt, auf den bereits Chick und Martin 28 ) und 
Bechhold 29 ) hingewiesen haben. 

Die aus den vorliegenden Desinfektionsversuchen zu ziehenden Schlüsse 
hängen daher von der' Klarstellung des chemischen und physikalischen 
Verhaltens von Sublimat zu Mikroorganismen ab. 

Ein Teil der Autoren, die sich mit der Frage der Sublimatdesinfektion 
befaßten, nehmen eine Bindung zwischen dem Sublimat und bestimmten 
Leibessubstanzen der Mikroorganismen an. So schloß Geppert 8 ) aus dem 
Umstand, daß er nur bei der Anwendung eines Überschusses von Schwefel¬ 
ammon die höchsten Anwaschungszeiten erhielt, daß das Sublimat mit der 
Spore eine Verbindung eingegangen war, die nur durch einen Uberschuß 
des Sulfides gesprengt werden konnte. Chick und Martin 26 ) und Steiger 
und Doll 22 ) kamen auf Grund der Beobachtung, daß sich in Keimen, 
die der Wirkung des Sublimates ausgesetzt waren, trotz nachherigem 


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Original frnm 

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26 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 

Zentrifugierens und Waschens Quecksilber nachweisen beß zu demselben 
Schlüsse. Der Meinung dieser Forscher schlossen sich Speck 21 ) und Rey- 
mann und Nymann 18 ) an. 

Gegen die Argumentation G^epperts läßt sich einwenden, daß zum 
Ausfällen unlöslichen Quecksilbersulfides stets ein Überschuß von Sulfid 
erforderlich ist. Die Versuche von Chick und Martin und Steiger und 
Döll schließen die Deutung nicht aus, daß das Sublimat an die Keime 
adsorbiert oder von ihnen absorbiert wurde. Da nämlich das Adsorbens 
das Adsorpte nur langsam abgibt und auch im Falle einer Absorption 
beim Bestehen von Diffusionsschwierigkeiten ein Ausgleich zwischen fester 
und flüssiger Phase nur langsam erfolgt, wäre auch nach längerem Zentri¬ 
fugieren und Waschen ein Verbleiben von Sublimatresten unmittelbar 
an bzw. in den Keimen denkbar. 

Morawitz 80 ) und Herzog und Betzel 81 ) kamen auf Grund ihrer 
Versuche mit Pferdeblutkörperchen bzw. Hefe zu dem Schlüsse, daß 
Sublimat zunächst von diesen Zellen in der Form eines reversiblen Ad¬ 
sorptionsprozesses aufgenommen werde. Die Frage der. Art der spezifi¬ 
schen Giftwirkung ließen sie offen. Mora wit z 32 ) berechnete auch die Daten 
Krönig und Pauls und stellte die für die Giftwirkung des Sublimates 
gegenüber Bakterien gefundene Gleichung als Adsorptionsgleichung hin. 

Eisenberg und Okolska 88 ) und Croner und Naumann 9 ) nehmen 
auch eine Adsorption des Sublimates an die Bakterien an. Während aber 
Croner und Naumann der Ansicht sind, daß die Desinfektionswirkung 
des Sublimates allein auf der Adsorption beruhe, schließen die beiden 
anderen Autoren aus dem Umstande, daß bei fraktioniertem Zusetzen 
einer gewissen Menge Bakterienaufschwemmung zu einer bestimmten Menge 
Desinfiziens höhere Anwachsungszeiten erzielt wurden, als wenn diese 
Mengen auf einmal zusammengebracht wurden, auf ein wenigstens teil¬ 
weises Übergehen des anfänglich reversiblen Adsorptionsprozesses in einen 
sekundären irreversiblen Vorgang, der dann die Abtötung bewirkte. Dieser 
Deutung der Versuche liegt die Annahme zugrunde, daß das Adsorbens 
das adsorbierte Desinfiziens bei Zusatz frischen Adsorbens leicht abgebe, 
eine Annahme, die mit den Gesetzen der Adsorption nicht vollständig in 
Einklang steht. 

Eisenbergs und Okolskas Versuche haben daher ebensowenig 
wie die der vorher erwähnten Autoren das Bestehen einer Verbindung 
zwischen Sublimat oder Quecksilber und dem Eiweiß der Keime bewiesen. 

Das Bestehen einer solchen Verbindung ist’aber nach dem heutigen 
Stande der Frage der Beziehungen zwischen Eiweiß und Metallsalzen 
äußerst wahrscheinlich. Nachdem Bonamartini und Lombardi 84 ) 
aus Eiweißlösungen mit konstantem Albumingehalt durch Zusatz steigen¬ 
der Mengen von Kupfersulfat Kupferalbuminate von annähernd konstan¬ 
tem Kupfergehalt erhalten und Pfeiffer und Modelski 88 ) gezeigt hatten, 
daß Aminosäuren und Polypeptide mit Metallsalzen Verbindungen nach 
stöchiometrischen Verhältnissen geben, hat 1914 Lippich 86 ) den Nachweis 
erbracht, daß Zinkalbuminat stöchiometrischer Natur ist. Im Gegensatz 
zu diesen Autoren kamen allerdings Pauli 87 ), Galeotti 88 ) und Pauli 
und Flocker 89 ) auf Grund ihrer Versuche zu der Annahme, daß bei der 


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Von Dr. Viktor Qegenbauer. 


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Bildung von Metallalbuminaten stöchiometrische Verhältnisse nicht vor¬ 
liegen können. Doch dürften diese Autoren, worauf Lippich hinweist, 
die reinen physikalisch-chemischen Methoden allzusehr bevorzugen und 
der chemischen Analyse bei der Klarstellung solcher Fragen zu wenig Be¬ 
achtung schenken. Die Ergebnisse der Versuche von Vignon 40 ) und Schel- 
lens 41 ) zeigen, daß auch von Textilfasern und Wolle Quecksilber fix ge¬ 
bunden wird. Sie tauchten diese Objekte in Sublimatlösungen, nahmen 
sie nach bestimmten Zeiten heraus und konnten in ihnen auch dann Queck¬ 
silber nachweisen, wenn sie mit Wasser gründlich ausgewaschen waren. 

Die vorliegenden Untersuchungen verfolgten nun den Zweck, die 
Frage der chemischen und physikalischen Beziehungen zwischen 
Sublimat und Mikroorganismen, die bisher als ungeklärt und auch 
als ungenügend bearbeitet gelten mußten, einem eingehenderen Stu¬ 
dium zu unterwerfen, und dann die bisherigen Ergebnisse der Des¬ 
infektionsversuche mit Sublimat durch weitere Untersuchungen, 
namentlich bezüglich der Desinfektionskraft gegenüber vegetativen For¬ 
men (Staphylokokken) zu ergänzen; endlich sollen auf Grund der erhal¬ 
tenen Resultate die Desinfektionskraft des Sublimates nach den 
bereits eingangs skizzierten Gesichtspunkten für die Praxis bewertet 
und schließlich die Theorie der desinfizierenden Sublimatwirkung 
erörtert werden. 

IL Das chemische und physikalische Verhalten von Sublimat 
gegenüber Mikroorganismen. 

Es erschien zunächst zweckmäßig, das Verhalten von Sublimat gegen¬ 
über den wichtigsten in den Zellen vorhandenen Stoffen selbst in analoger 
Weise klarzulegen, wie dies bezüglich des Phenoles von Reichel 4 *) geschehen 
ist. Als Eiweißsubstanz wurde hitzekoaguliertes Serum (Rinderserum), 
als ölige Phase Rüböl genommen. Diese Grundversuche wurden dann durch 
Versuche mit Hefe ergänzt. Das hitzekoagulierte Serum bietet als fester 
Körper versuchstechnisch Vorteile vor dem nativen, da bei seiner Verwen¬ 
dung infolge der Einfachheit der Versuchsanordnung die Häufung zahl¬ 
reicher Einzelversuche möglich wird, wodurch die Zuverlässigkeit der Fest¬ 
stellungen gewinnt. Da aber der Koagulationsprozeß eine Denaturierung 
bedeutet, war an die Möglichkeit eines abweichenden Verhaltens von dem 
des nativen Eiweißes dem Sublimat gegenüber zu denken. Die gute Über¬ 
einstimmung der Resultate der Versuche mit koaguliertem Eiweiß und der 
mit Hefezellen bewies, daß sich im vorliegenden Falle die mit koaguliertem 
Rinderserum erhaltenen Resultate auf Zelleiweiß übertragen lassen. 

1. Das Verhalten von Sublimat gegenüber koaguliertem 

Rinderserum. 

Die ersten Versuche hatten somit die Aufgabe das Verhalten von 
Sublimat gegenüber koaguliertem Rinderserum festzustellen. 

Hiezu wurden Stückchen koagulierten Rinderserums mit verschieden 
konzentrierten Sublimatlösungen durch verschiedene Zeiten in Berührung 
gebracht und die aus der Flotte verschwundenen Quecksilber- und Chlor- 


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Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 


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mengen ermittelt. Nachdem dann festgestellt war, daß bei dieser Anord¬ 
nung Sublimat aus der Flotte wirklich verschwindet und daß die verschwun¬ 
dene Sublimatmenge zum Eiweiß des Koagulums in enge Beziehung tritt, 
wurde die Art dieser Beziehung näher bestimmt. 

Für jede Versuchsreihe wurde eine eigene Portion Rinderserum im Dampftopf 
koaguliert, das Koagulum zerschnitten und die erhaltenen Stücke in fließendem 
Hochquellenwasser mehrere Tage gewaschen, hernach zum Abtropfen des an¬ 
haftenden Wassers für einige Stunden in einen Trichter gegeben und dann sofort 
für die Versuche verwendet. Nur bei der Versuchsreihe I fand insoferne eine 
andere Art der Bereitung statt, als bei ihr die Koagulumstückchen vor der Ver¬ 
wendung für einige Tage in einen Exsikkator gegeben wurden. 

Vor allem war es erforderlich, für jedes in den einzelnen Versuchsreihe» 
verwendete Material von hitzekoaguliertem Serum (Ausgangskoagulum) die 
Zusammensetzung, also das relative Verhältnis aller Bestandteile in g/g und die 
relativen Volumina in ccm/g der einzelnen im Koagulum vorhandenen Phasen 
mit hinreichender Genauigkeit festzulegen. Hierzu war das spezifische Gewicht 
und das Trocken-, Wasser-, Asche- und Chlorgewicht des feuchten Koagulums 
zu bestimmen. Mit den bei diesen Bestimmungen gewonnenen Werten konnten 
dann die nötigen Berechnungen ausgeführt werden. Für die Berechnung der 
spezifischen Volumina wurde eine Annahme über den Quellungszustand der 
Koagula zugrundegelegt, die Reichel 42 ) ausführlich begründet hat. Es wurde 
das Koagulum als aus einer praktisch wasserfreien Eiweißphase und einer wässe¬ 
rigen Lösung wasserlöslicher Salze bestehend betrachtet. Die wasserunlösliche 
Asche konnte dann entweder als in der Eiweißphase, sei es chemisch, sei es me¬ 
chanisch gebunden oder als dritte mineralische Phase im Koagulum gegenwärtig 
betrachtet werden. 

Ein übertrieben genaues Rechnen war für unseren Fall hier und auch bei 
den späteren Berechnungen nicht am Platze. Wenn auch das Einwägen der feuch¬ 
ten Koagulumstückchen in geschlossenen Wägegläschen hzw. in mit gut schlie¬ 
ßenden Stöpseln versehenen Kolben ausgeführt wurden, so daß die Wasserver¬ 
dunstung während der Wägung nach Möglichkeit vermieden wurde, konnten doch 
die einzelnen Koagulumstückchen, die zur Bestimmung des spezifischen Gewich¬ 
tes und der Zusammensetzung des feuchten Koagulums, sowie für die Einzel¬ 
versuche verwendet wurden, schon vor der Wägung in verschiedenem Grade 
Wasser oberflächlich anhaften haben bzw. konnte dieses ihnen durch Verdunstung 
entzogen sein. Die Fehler bei der Einwage beeinflussen natürlich die Genauig¬ 
keit aller sich an sie anschließender Bestimmungen, sowie auch die des spezifi¬ 
schen Gewichtes des feuchten Koagulums und des Gewichtes des Trockenkoagu- 
lums, des Eiweißes, des Wassers und des Kochsalzes. 

Das Einw r ägen für die Einzelversuche einer Versuchsreihe, das Einwägen 
für die Wasser-, Aschen- und Chlorbestimmung des feuchten Koagulums und die 
für die Ermittlung seines spezifischen Gewichtes nötigen Wägungen wurden in 
unmittelbarer Aufeinanderfolge und somit bei der gleichen Temperatur ausge¬ 
führt. Um die Wasserverdunstung während der Wägung nach Möglichkeit zu 
verhüten, erfolgte die Wägung der Koagulumstückchen in geschlossenen Wäge¬ 
gläschen bzw. in Kolben mit gut schließenden Stöpseln. 

Wegen des Nichtfunktionierens der Heizanlagen im Wägezimmer herrschte 
nicht bei den Wägungen aller Versuchsreihen die gleiche Temperatur, jedoch 
fanden die Wägungen ein und derselben Bestimmung bzw. Versuchsreihe bei 
ziemlich derselben Temperatur statt. Jedenfalls waren die Temperaturdifferen- 
zen niemals so stark, daß sie unter den gegebenen Bedingungen von Einfluß auf 
die Resultate gewesen wären. 

Die Bestimmung des spezifischen Gewichtes der feuchten 
Koagula erfolgte durch Wägung nach der Pyknometermethode. Der ermittelte 
Wert wurde auf den leeren Raum und auf Wasser von 4° C reduziert. 

Der Gehalt an Trockenkoagulumgewicht (m te ) und Aschengewicht 
( m a ) in g/g wrurde durch Wägung bestimmt. Der Gehalt an Wassergewicht 
(ffiHaO) und Eiweißgewicht (m e ) in g/g < rgnb sich nach den Formeln 
m H ,o = 100 — m tc und m e = m tc — m G . 


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in der Asche wurde qualitativ Natrium, Kalzium, Magnesium, Chlor, Schwe¬ 
felsäure und Phosphorsäure nachgewiesen. Wegen der Größe der Einwage 
(10—20 g) und der bedeutenden Unterschiede der spezifischen Gewichte des 
feuchten und des trockenen •Koaguiums einerseits und der Messinggewichte 
anderseits war die Durchführung der Reduktiousrechnung bei den Wägungen 
dieser Substanzen erforderlich. Für die Aschen Wägungen war eine solche Reduk¬ 
tionsrechnung nicht notwendig, da von diesen Substanzen nur wenige hundertstel 
Gramme zur Wägung kamen. Für das feuchte Koagulum ergab sich der Reduk¬ 
tionsfaktor einfach aus dem jeweilig ermittelten Werte des spezifischen Gewichtes. 
Er betrug bei den Versuchsreihen II, III, IV, VIII, IX 1,03, bei den Versuchsreihen 
V, VI, VII 1,02 und bei der Versuchsreihe I 1,01. 

Etwas umständlicher war die Ermittlung des spezifischen Gewichtes 
beim trockenen Koagulum. Dieser Wert mußte berechnet werden, da eine 
nur einigermaßen exakte Bestimmung weder nach der Pyknometer- noch nach der 
Schwebemethode gelang. Die nach diesen Methoden gefundenen Werte waren 
stets viel niedriger als die bei einer beiläufigen Rechnung erhaltenen. Die Erklä¬ 
rung gab die Beobachtung des Verhaltens der Trockenkoagulumstückchen im 
Wasser. Aus den ins Wasser geworfenen Stückchen sah man stets Luftblasen 
entweichen, die teilweise an den Stückchen hängen blieben. Ein Teil der Sub¬ 
stanz schwamm sogar auf dem Wasser. Offenbar entstehen durch die Wasser¬ 
verdunstung lufterfüllte Räume. Durch Drücken mit dem Glasstab ließ sich 
die Luft aus den Hohlräumen und die Luftblasen, die den Koagulumstückchen 
anhafteten, in nur ganz unzulänglichem Ausmaße entfernen. Ein Zerreiben der 
getrockneten Koagulumstückchen führte nicht zu dem gewünschten Erfolg, da 
auch an den einzelnen Partikelchen Luftblasen hafteten. 

Für die Berechnung ergab sich das spezifische Gewicht des trockenen Koagu- 

lums nach der \Formel s#- = —- durch Division des Geweichtes des trockenem 

»tc 

Koaguiums durch sein Volumen. Zur Berechnung des Volumens des trockenen 
Koaguiums wurde angenommen, daß die Asche aus im Wasser des feuchten 
Koaguiums gelösten Kochsalz und dann hauptsächlich aus neutralen bei der 
Hitzekoagulation in unlöslicher Form ausgeschiedener Karbonaten und Phos¬ 
phaten der Erdalkalien bestehe. Das Gewicht des ersteren war durch die Chlor¬ 
bestimmung ermittelt, das der letzteren — der wasserunlöslichen Asche -— durch 
Abzug des Kochsalzgewichtes von der Gesamtasche berechnet. Diese Annahme 
erschien wohl von vornherein als gegeben, da die Asche durch das mehrtägige 
Waschen hauptsächlich aus wasserunlöslichen Salzen bestehen mußte. Gestützt 
wurde sie durch die festgestellte Tatsache, daß sich das Kochsalz — der Haupt¬ 
repräsentant der wasserlöslichen Salze — im gewaschenen Koagulum auf 3 bis 
9,7% seines Gehaltes im Serum, die übrigen Salze, unter denen sich die durch 
Hitzekoagulation unlöslich abgeschiedenen Karbonate und Phosphate befanden, 
nur auf 36—54% ihres Gehaltes im Serum verringert hatten. Während nämlich 
im Serum die Gesarntasche ungefähr 0,9%, das Kochsalz 0,6% und die übrigen 
Salze 0,3% ausmachen, betrugen diese Werte im verwendeten gewaschenen 
Koagulum in derselben Reihenfolge 0,134—0,209%, 0,018—0,057% und 0,109 
bis 0,163%. Ferner wurde angenommen, daß die außer den Eiweißkörpern im 
Serum vorhandenen organischen Stoffe durch das mehrtägige Waschen ganz 
oder bis zu praktisch belanglosen Resten ausgewaschen waren. 

Unter Berücksichtigung dieser Annahmen ergab sich daher mit einer für 
die vorliegenden Verhältnisse genügenden Genauigkeit die Zusammensetzung 
der Koagula wie folgt. Das feuchte Koagulum bestand aus Eiweiß, wasser¬ 
unlöslicher Asche und einer wässerigen Kochsalzlösung, das trockene Kaogulum 
aus Eiweiß und Gesamtasche, das ist der Summe der wasserunlöslichen Asche 
und dem in der wässerigen Kochsalzlösung enthaltenen und beim Trocknen 
ausgeschiedenen Kochsalz. 

Der Gehalt an Ko ch salz ge wicht in g/g (mNaCi) ergab sich aus der Kochsalz¬ 
bestimmung, der an Gewicht der wasserunlöslichen Asche (m ula ) nach der 
Formel 

m ula = m a — m NaCl- 


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Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 


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Das Volumen des trockenen Koagulums war zu erhalten, wenn man voin 
Volumen des feuchten Koagulums das Volumen der im feuchten Koagulum vor¬ 
handenen Kochsalzlösung abzog und das Volumen des bei der Trocknung aus die¬ 
ser Kochsalzlösung ausgeschiedenen Kochsalzes hfnzuaddierte. 

»U = v e — v H t O + NaCl + *>NaCl.1) 

Der Wert für das relative Volumen des feuchten Koagulums in ccni/g 
wurde nach der Formel 




mc 

•c 


2 ) 


durch Division der Zahl 100 durch das spezifische Gewicht des feuchten Koagulums 
erhalten. 

Zur Berechnung des relativen Volumens wässriger Kochsalzlösung 
in ccm/g 


°H,0 f NaCl 


mn t O + NaCl 
SH t O -f NaCl 


3) 


war zum Gehalt des Koagulums an Wasser in g/g der aus der Kochsalzbestim¬ 
mung bekannte Gehalt an Kochsalz in g/g zu addieren, um den Gehalt in g/g an 
wässeriger Kochsalzlösung mH*o 4 NaCl zu erhalten, sodann aus dem Verhältnis 
von Kochsalz zu Wasser der Gewichtsprozentgehalt der wässerigen Kochsalz¬ 
lösung zu berechnen und das diesem Gewichtsprozentgehalt entsprechende 
spezifische Gewicht *H,0 + NaCl durch Interpolation aus den Kohlrausch - 
sehen Angaben zu entnehmen. 

Durch Interpolation aus den Kohlrauschschen Angaben berechnete Tabelle 
der spezifischen Gewichte von Kochsalzlösungen bei 18° G, bezogen auf Wasser 
von 4°C.: 


Spezifisches Gewicht *H,o-bNaCi* % NaCl g/g 

0,99862 0,00 

1,00007 0,01 

1,00014 0,02 

1,00022 0,03 

1,00029 0,04 

1,00036 0,05 

1,00043 0,06 

1,00050 0,07 

1,00057 0,08 

1,00065 0,09 

1,00072 0,10 


Die Kohlrauschschen Werte und somit die aus ihnen gerechnete Tabelle 
beziehen sich auf Lösungen bei 18° C. Die Wägungen einer Versuchsreihe (III) 
wurde bei dieser Temperatur die zweier weiterer (II und IV) bei ziemlich nahe an 
18° C liegenden Temperaturen ausgeführt. Bei den übrigen Versuchsreihen (I, 
V, VI, VII, VIII, IX) lag die Wägungstemperatur allerdings etwas weiter von 
18° C entfernt. Doch sind bei den niederen Konzentrationen der Kochsalz¬ 
lösungen, wie sie für die vorliegende Berechnung allein in Frage kamen, die Un¬ 
terschiede der spezifischen Gewichte verschieden temperierter Lösungen inner¬ 
halb der hier in Betracht kommenden Grenzen (12° C bis 24° C), wie ein Vergleich 
mit einer durch Interpolationsrechnung aus den Gerl ach sehen Angaben für 
Lösungen von 15° C berechneten Tabelle ergab, so geringfügig, daß praktisch 
auch für diese Temperaturen die obige Tabelle benützt werden konnte. 

Das relative Kochsalzvolumen in ccm/g ergab sich nach der Formel 

mNaCl ,. 

• ° N * C1 = w . 4) 

wo mNaCl den Gehalt in g/g an Kochsalz und 2,13*) das spezifische Gewicht des 
Kochsalzes bedeutet. 


*) Auch die anderen in Betracht kommenden wasserlöslichen Salze haben 
ähnliche spezifische Gewichte: CaS0 4 = 2,97 Na,C0 3 = 2,5, MgCl 3 = 1,558, 
MgS0 4 = 2,65, Na*S0 4 = 1,48, CaCl t = 2,24. 


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w 




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Setzt man nun in Gleichung 1 die rechtstehenden Ausdrücke der Gleichungen 2 
bis 4 ein, so erhält man für aas relative Volumen des Trockenkoagulums 


m e m H t O + NaCi , ™NaCl 

-- 1 - o ,o 

•c «H.0 + NaCl 2,13 


. 5) 


und für sein spezifisches Gewicht 


m c m H,0 -f- NaC l ^ w NaCl . 6 ) 

8 e «H.O + NaCl 2 >*3 


Die für die Berechnung des spezifischen Gewichtes des Trockenkoagulums 
erforderlichen Komponenten sind somit alle auf einfache Weise zu gewinnen. 
Nur setzt die Formel eigentlich schon das Bekanntsein des gesuchten spezifischen 
Gewichtes des Trockenkoagulums zur Reduktion des durch Wägung iestgestell- 
ten Gewichtes des Trockenlcoagulums voraus. Da jedoch durch diese Reduktion 
nur eine kleine Korrektur des gefundenen Wertes erzielt wird, so wurde zunächst 
das gefundene Trockenkoagulumgewic.ht mit dem durch die Pyknometermessung 
gewonnenen höchsten Näherungswert reduziert. Mit den auf diese Weise gewonne¬ 
nen mfc- und mH.O-Werten wurde das spezifische Gewicht des Trockenkoagulums 
in erster Annäherung berechnet. Nun wurde mit diesem gewonnenen Näherungs¬ 
wert des spezifischen Gewichtes des Trockenkoagulums die Reduktionsrechnung 
nochmals durchgeführt und dann das spezifische Gewicht des Trockenkoagulums 
neuerdings berechnet, was nur eine Korrektur um wenige Einheiten in der vierten 
Dezimale ergab. 


Das arithmetische Mittel der bei den einzelnen Versuchsgruppen erhaltenen 
Werte lautet 1,3376, der mittlere Fehler der Einzelmessunc e = ± 0,0145, der 
mittlere Fehler des Mittelwertes E = ± 0,0048, woraus sich als mittlerer Wert 
für das spezifische Gewicht des Trockenkoagulums ergibt 

*te> msd = 1,3376 ± 0,00145 

und als Variationskoeffizient (perzentuelles Verhältnis des mittleren Fehlers der 
Einzelmessung zum arithmetischen Mittel) der Wert 1,08%, was in Anbe¬ 
tracht der schon erwähnten Fehlerquellen bei der Wägung und des variablen 
Aschengehaltes des Trockenkoagulums als eine leidlich gute und für die vor¬ 
liegenden Zwecke sicherlich hinreichende Übereinstimmung der gefundenen 
Werte angesehen werden darf. Mit Hilfe des diesem Mittelwert entsprechenden 
Reduktionsfaktors K = 0,75 wurden alle mit Messinggewichten ausgeführten 
Wägungen der Trockenkoagula auf den leeren Raum reduziert. 

Zur Bestimmung des Kochsalzes wurde eine gewogene Partie des feuchten 
Koagulums in einer Nickelschale mit Wasser übergossen, Soda und Salpeter 
zugesetzt und nach dem Abdampfen der Hauptmenge des Wassers am Wasser- 
bade im Trockenschrank getrocknet und dann bei gelinder Wärme verascht. 
Die erkaltete Schmelze wurde unter Erwärmen in Wasser gelöst,, mit Salpeter¬ 
säure angesäuert und das Chlor in der Lösung nach Volhard bestimmt. Das 
gefundene Chlor wurde als an Natrium gebunden angenommen. 

Die Berechnung des relativen Volumens des feuchten Koagulums, der wässe¬ 
rigen Kochsalzlösung und des Kochsalzes wurde bereits gesprochen. Somit 
erübrigt sich nur noch die Darlegung der Berechnung des relativen Volumens 
der wasserunlöslichen Asche und des Eiweißes in ccm/g. 

Das relative Volumen der wasserunlöslichen Asche in ccm/g ergab 
sich nach der Formel 


v ula 


m ula 

2,8 


. 7 ) 


durch Division des perzentuellen Gehaltes in g/g an wasserunlöslicher Asche 
durch die Zahl 2,8. 


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32 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 


Der Wert 2,8 für das spezifische Gewicht der wasserunlöslichen Salze isI 
der Mittelwert der spezifischen Gewichte der hauptsächlich in Betracht kommen¬ 
den Salze wie 

CaS0 4 = 2,72 Ca 8 (P0 4 ) 2 =3,18 CaC0 3 = 2,70 

MgS0 4 = 2,90 Mg,P 2 0 7 = 2,40 MgGO, = 2,90 

Das relative Ei weiß Volumen in ccm/g endlich ergab sich als Differenz 
des relativen Volumen des feuchten Koagulums und der Summe der relativen 
Volumina der im feuchten Koagulum enthaltenen wässerigen Kochsalzlösung 
und der wasserunlöslichen Asche 


v e = v r — ( v H t O ; NaCl + V ula ) = — 

s e 


i m H t O NaCl . m ula 
\ *H,0 | NaCl 2,8 , 


8 ) 


Die Resultate dieser Bestimmungen und Berechnungen sind in Tabelle 1 
(largestellt. 

Wie bereits erwähnt, wurde das Einwägen für die Einzelversuche 
einer Versuchsreihe, das Einwägen für die Bestimmung der Zusammen¬ 
setzung der verwendeten Koagulumpartien sowie die für die Ermittlung 
seines spezifischen Gewichtes nötigen Wägungen unmittelbar hintereinan¬ 
der ausgeführt. Hiedurch sollte eine möglichst gute Übereinstimmung 
der Zusammensetzung der verwendeten Koagulumstückchen einer Versuchs¬ 
reihe untereinander und mit der ermittelten erzielt werden. 


Sofort nach Beendigung der Wägungen wurden die mit gut schließen¬ 
den Glasstopfen versehenen Erlenmayerkolben, in denen die für die 
einzelnen Versuche bestimmten Koagulumstückchen eingewogen waren, 
in jeder Versuchsreihe mit der gleichen Menge (meist 100 ccm, bei den Ver¬ 
suchen der Versuchsreihe IV 50 ccm) verschieden konzentrierter Sublimat¬ 
lösungen beschickt und in einen auf 20—22° C eingestellten Vegetations¬ 
schrank gegeben. Die verschieden konzentrierten Sublimatlösungen 
waren durch entsprechendes Verdünnen von Sublimatstammlösungen 
hergestellt. Nach bestimmten Zeiten (% Stunde bis 15 Tagen) wurde 
der Gehalt der Flotte an Quecksilber und in der überwiegenden Mehrzahl 
der Fälle auch an Chlor in filtrierten Partien derselben festgestellt. 

Das Quecksilber wurde stets gewichtsanalytisch als Sulfid bestimmt. 
Zu seiner Bestimmung in der Sublimatstammlösung und in der Flotte wurden je 
10 ccm mit Wasser verdünnt, etwas Salzsäure zugesetzt, die Lösung zum Sieden 
erhitzt und Schwefelwasserstoffgas bis zur Sättigung eingeleitet. Nach 12-stün- 
digem Stehen wurde der schwarze Niederschlag auf einem getrockneten und ge¬ 
wogenen Glaswollefilter gesammelt, mit Wasser gewaschen und das Filter bei 
100° C getrocknet. Um beigemengtenSehwefel zu entfernen, wurde dann nach 
dem Abkühlen der Niederschlag mit einigen ccm Schwefelkohlenstoff ge¬ 
waschen, der Schwefelkohlenstoff durch Äther verdrängt und das Filter noch¬ 
mals bei 100 0 G bis zur Gewichtskonstanz getrocknet. Eine Reduktionsrechnung 
auf den leeren Raum war bei den Wägungen des Quecksilbersulfidnieder¬ 
schlages wegen der geringen Differenz zwischen seinem spezifischen Gewicht 
und dem der Messinggewichte nicht erforderlich. Das gewogene Quecksilbersulfid 
wurde auf Sublimat umgerechnet. 

Die Bestimmung des Chlors in der Flotte erfolgte nach der Methode von 
Volhard, nachdem das Quecksilber entfernt und die eventuell vorhandenen 
organischen Substanzen zerstört waren. 10 ccm der Flotte wurden verdünnt, 
mit Salpetersäure schwach angesäuert, erwärmt und in die Lösung Schwefel¬ 
wasserst offgas bis zur Sättigung eingeleitet. Hiedurch wurde nach der Formel 
HgCl 2 +SH a = HgS-f 2 HCl alles Quecksilber als unlösliches Sulfid ausgeschieden 
und das im Sublimat vorhandene Chlor in Salzsäure übergeführt. Nach 12-stün- 
digem Stehen wurde vom ausgeschiedenen Quecksilbersulfid abfiltriert, der 


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Von Dr. Viktor Gegenbauer. 


33 



Niederschlag mit Wasser gewaschen, das Filtrat mit salpetersaurem und kohlen¬ 
saurem Natron versetzt und am Wasserbade in einer Nickelschale eingedampft. 
Falls die vor dem Eindampfen auf ihre Reaktion geprüfte Flüssigkeit freie Säure 
enthielt, wurde noch solange kohlensaures Natron zugesetzt, bis die Flüssigkeit 
deutlich alkalisch reagierte. Nach dem Verdampfen der Hauptmenge des 
Wassers wurde die Nickelschale in einen Trockenschrank gestellt und der Rück¬ 
stand nach vollständigem Trocknen bei gelinder Wärme geschmolzen, wobei das 
Na^S, das sich aus dem überschüssigen SH 2 und dein Na 2 G0 3 gebildet hatte, zu 
Na 2 S0 4 oxydiert und eventuell vorhandene organische Substanz zerstört wurde. 
Die erkaltete Schmelze wurde dann durch Erwärmen in Wasser gelöst, mit Sal¬ 
petersäure angesäuert und das Chlor in der Lösung nach Volhard titriert. 

Zur Berechnung aller Analysen wurden die internationalen Atomgewichte 
des Jahres 1919 genommen. 

Das Gewicht der eingewogeuen Koagulumstückchen wurde, wie früher be¬ 
schrieben, auf den leeren Raum reduziert. 10 ccm Sublimatstammlösung enthiel¬ 
ten mg HgCl 2 


bei Versuchsreihe Nr. I .197,5 

» » » II u. III .. . 594,8 

» » » IV, V, Va, VI . 599,2 

» » »VII . 655,8 

» » * VIII. 696,6 


Eine Durchsicht der Analysenresultate ließ erkennen, daß bei der Be¬ 
rührung von Rinderserumkoagulum und Sublimatlösungen sowohl Queck¬ 
silber wie Chlor aus der Flotte verschwunden waren 1 ). 

Rechnete man nun die den gefundenen Quecksilbersulfidmengen 
nach der Formel des Sublimates äquivalenten Chlormengen aus und ver- 

f lich sie mit den analytisch gefundenen, so ergab sich eine leidlich gute 
Jbereinstimmung dieser Werte, was offenbar nur die eine plausible Deutung 
zuließ, daß nämlich Quecksilber- und Chloratome in Form von Sublimat- 
molekülen verschwunden waren. 


Die Größe der Abweichung zeigte gruppenweise für Lösungen mit verschie¬ 
denem Sublimatgehalt gemittelt keinen Gang, wie die folgende kleine Zusammen¬ 
stellung zeigt: 


Sublimatgehait ln 

Mittel der 

Anzahl der 

10 ccm Flotte: g 

Abweichungen 

Versuche 

0,01—0,04 

0,00068 

3 

0,04—0,07 

0,00088 

6 

0,07—0,10 

0,00098 

7 

0,10—0,20 

0,00102 

14 

0,20—0,30 

0,00095 

11 

0,30—0,50 

0,00102 

8 

über 0,50 

0,00079 

4 


Nach diesem Verhalten mußte die Ursache der Abweichung eine solche sein, 
die unabhängig vom Sublimatgehalt der Flotte einen annähernd gleich großen 
absoluten Wert dieser Abweichung bedingte.' Es kamen hierfür in der Haupt¬ 
sache bei der Chlorbestimmung einerseits Fehler beim Abmessen der zugesetzten 
n/10 Silbernitratlösung und beim Zurücktitrieren mit der n/10 Rhodanlösung, 
anderseits der Übergang von Serum-Kochsalz und von Chloriden früher wasser¬ 
unlöslicher Kationen (was später erklärt werden wird) aus dem Koagulum in die 
Flotte, bei der Quecksilberbestimmung ihrem absoluten Werte nach gleich 
große Verluste beim Filtrieren in Betracht. 

Über das Schicksal dos verschwundenen Sublimates sagten diese Ver¬ 
suche nichts aus. Doch schien die Annahme, daß das verschwundene 

1) Eine Veröffentlichung der Analysenresultate dieser sowie der späteren 
Versuche mußte wegen der Papiernot unterlassen werden. Sie wird eventuell 
später nachgeholt. 

Archiv fflr Hygiene. Bei. 90. 3 


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Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 


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Sublimat zu dem Eiweiß des Koagulums in enge Beziehung getreten war, 
wohl von vornherein als gegeben. Allerdings könnte eventuell der Ein¬ 
wand gegen diese Deutung der Versuche erhoben werden, daß nämlich 
das Verschwinden des Sublimates dadurch bedingt sei, daß das Sublimat 
durch irgendwelche reduzierende Prozesse als unlösliches Kalomel ausge¬ 
schieden sein könnte. Eine solche Reduktion wäre immerhin bei der An¬ 
wesenheit von Eiweißkörpern denkbar gewesen. Auch in einem solchen 
Falle müßte natürlich der Quecksilbergehalt der Endflotte gegenüber dem 
der Ausgangsflotte verringert sein, da ja die Quecksilberbestimmung in 
der filtrierten Flotte ausgeführt wurde. Allerdings hätte sich auch in diesem 
Falle eine stärkere und mit zunehmendem Sublimatgehalt der Flotte an¬ 
steigende Differenz zwischen der analytisch gefundenen und der aus den 
Quecksilbersulfidwerten unter obiger Annahme berechneten Chlormengen 
ergehen müssen, da ja beim Übergang von Sublimat in Kalomel die Hälfte 
des Chlors des zu Kalomel reduzierten Sublimates als Salzsäure in der fil¬ 
trierten Flotte zurückgeblieben wäre. 

Um diesen Einwand vollends zu entkräftigen und die Annahme, 
daß das verschwundene Sublimat zu dem Eiweiß des Koagulums in enge 
Beziehung getreten war, durch Versuche zu stützen, wurde in zwei Einzel¬ 
versuchen das eingewogene Koagulumstück nach 15-tägigem Verweilen 
in der Sublimatlösung aus dieser herausgenommen, gewogen, mit Salzsäure 
und chlorsaurem Kalium zerstört und dessen Quecksilbergehalt bestimmt. 
Diese Versuche sind in Tabelle 2 dargestellt. Durch diese zwei Versuche 
sollte auch unter einem die Stichhältigkeit der gemachten Annahme be¬ 
bewiesen werden, daß die das Koagulum durchtränkende Flüssigkeit die¬ 
selbe Zusammensetzung habe wie die Flotte, was in Analogie zum Verhalten 
von Kochsalz- und Phenollösungen zu Eiweißkoagula (Reichel 42 ) ebenfalls 
als gegeben erschien. 

Das Gewicht der Flotte, die in den zur Ermittlung ihres Quecksilbergehaltes 
verwendeten Koagulumstückchen imbibiert war und an ihnen anhaftete, ergab 
sich aus der Differenz des Gewichtes dieser Koagulumstückchen und ihres Gehaltes 
an Trockenkoagulum (Stab 6). Ersterer wurde durch Wägung festgestellt, letz¬ 
teres war bei der Versuchsreihe I der hundertste Teil des Produktes des Ge¬ 
wichtes des Ausgangskoagulums (das durch Wägung ermittelt war) und seines 
relativen Trockenkoagulumgewichtes (Tabelle 1), bei Versuchsreihe X das Ge¬ 
wicht des Ausgangskoagulums selbst. Das Volumen der irnbibierten und an¬ 
haftenden Flotte (Stab 7) wurde nach bekannten Beziehungen durch Division 
ihres Gewichtes durch das spezifische Gewicht der Flotte berechnet, welch 
letzteres, da die Flotte praktisch als reine Sublimatlösung aufzufassen war, 
aus dem bekannten Sublimatgehalt der Endflotte mit Hilfe einer durch Umrech¬ 
nung und Interpolation aus der Schröderschen Tabelle über die Volumgewichte 
von Lösungen von Quecksilberchlorid bei 20° G erhalten wurde. Diese Umrech¬ 
nung der obgenannten Tabelle mußte deshalb erfolgen, weil in ihr sich die Kon¬ 
zentrationsangaben auf g/g beziehen, während für den vorliegenden Zweck die 
Angaben in g/ccm erforderlich waren 1 ). Die Schröderschen Werte und die 
umgerechneten Konzentrationsangaben sind in der folgenden Tabelle dargestellt. 


1) Ist s das spezifische Gewicht der Sublimatlösung, K die diesem spezifi¬ 
schen Gewicht entsprechende Konzentration der Sublimatlösung in g/g und v 
das dieser Konzentration entsprechende spezifische Volumen, so ist die s ent- 

sprechende Konzentration der Sublimatlösung in g/ccm — und da 1/s ist 
auch K$. ü 


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Tab olle 1. Versuche mit feuchtem Kimlerserumcoogulum. 
Spezifisches Gewicht und Zusammensetzung der verwendeten Rinderserumcoagula. 


Von Dr, Viktor Gegenbauer. 


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Studien über die Desinfektionswirkling des Sublimates. 


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Durch Interpolation und Umrechnung aus den Schröderschen Angaben 
berechnete Tabelle der spezifischen Gewichte von Sublimatlösungen bei 20° C 
bezogen auf Wasser von 4°C.: 


Spezifisches 

V. HgCl, 

"/• HgCl, 

Gewicht 

g/g 

g/ccm 

0,99823 

0,0000 

0,0000 

1,0060 

0,8754 

1,0072 

1,0000 

1,0072 

1,0092 


1,2720 

1,0096 


1,3260 

1,0148 

2,0000 

2,0296 

1,0186 

2,4895 

1,0236 

3,0000 

3,0708 

1,0323 

4,0000 

4,1292 

1,0411 

5,0000 

5,2055 


Der Quecksilbergehalt der im Koagulumstückchen imbibierten und der an 
ihm anhaftenden Flotte (Stab 8) wurde als der hunderste Teil des Produktes 
des Volumens dieser Flüssigkeit und des perzentuellen Quecksilbergehaltes der 
Endflotte angenommen. Letzterer ergab sich aus dein perzentuellen Sublimat¬ 
gehalt der Endflotte. Der Quecksilbergehalt des analysierten Koagulums (Stab 9) 
ergab sich aus der gefundenen Quecksilbersulfidmenge. Der Quecksilbergehalt 
des Eiweißes des analysierten Koagulums (Stab 10) wurde durch Subtraktion 
des angenommenen Quecksilbergehaltes der imbibierten und anhaftenden Flotte 
vom Quecksilbergehalte des analysierten Koagulums erhalten. Die aus der Flotte 
verschwundene Quecksilbermenge wurde aus der aus der Flotte verschwundenen 
Sublimatmenge berechnet (Stab 11). Bei der Versuchsreihe X kam Trockenkoa- 
gulum zur Anwendung. Dasselbe bestand aus 98,85% Eiweiß. Der Sublimat- 
gehalt der Endflotte betrug 2,491%, die verschwundene Sublimatmenge 0,7149 g. 
Die erforderlichen Daten für Versuch I sind aus Tabelle 3 zu entnehmen. 

Die in den zwei vorliegenden Versuchen im Eiweiß des Koagulums 
gefundenen Quecksilbermengen zeigten eine gute Übereinstimmung mit 
jenen Quecksilbermengen, die aus der Flotte verschwunden waren. Die 
perzentuelle Abweichung zwischen beiden Werten (1,32% bzw. 1,68%) 
ist wohl in Anbetracht der schon früher erwähnten vielen Fehlerquellen 
bei den Wägungen des Ausgangstnaterials als gering und durch unvermeid¬ 
liche Beobachtungsfehler als hinreichend erklärt zu betrachten. Würde 
auch nur ein Teil der aus der Flotte verschwundenen Sublimatmenge 
zu Kalomel reduziert worden sein, so hätte die perzentuelle Abweichung 
einen weitaus größeren Wert ergeben müssen. 

Das Resultat der beiden Versuche zeigte also, daß tatsächlich das aus 
der Flotte verschwundene Sublimat zum Eiweiß des Koagulums in enge 
Beziehung getreten war. Es ist ferner auch ein Beleg für die Richtigkeit 
der Annahme, daß die Zusammensetzung der das Koagulum durchtränken¬ 
den Flüssigkeit auch im vorliegenden Falle mit ausreichender Annäherung 
als identisch der Zusammensetzung der Flotte anzusehen sei, da ja diese 
Annahme der Berechnung der Versuche zugrunde gelegt war und daher 
für den Fall ihres Nichtzutreffens sich keine so gute Übereinstimmung 
der gefundenen und verschwundenen Quecksilbermenge hätte ergeben 
können. (Siehe Tabelle 2.) 

Welche Art von Beziehung zwischen Eiweiß und Sublimat nun anzu¬ 
nehmen war, ist nach dem Resultat der bisherigen Versuche noch unent¬ 
schieden. Es konnte sich entweder um eine Adsorption des Sublimates 


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Von Dr. Viktor Gegenbauer. 


37 


an die Oberfläche des Eiweißes oder um eine Verteilung zwischen Eiweiß 
und Wasser nach konstantem Faktor (Henrysche Verteilung) oder 
schließlich um eine chemische Bindung zwischen Sublimatmolekülen 
oder den einzelnen Atomen, aus denen das Sublimatmolekül besteht, 
einerseits und den Eiweißmolekülen des Koagulum anderseits handeln. 
Auch an eine Kombination zweier oder mehrerer der genannten Möglich¬ 
keiten war zu denken. 

Zunächst war zur Klärung dieser Frage zu berechnen, wie sich die ver¬ 
schwundene Sublimatmenge zu der im jeweiligen Versuch gegenwärtigen 
Eiweißmehge verhalten hatte (Tabelle 3, Stab 9). Hiebei zeigte sich, 
daß die verschwundene Sublimatmenge in keinem konstanten Verhältnisse 
zum Eiweiß stand, und daß die pro Gramm Eiweiß verschwundene Menge 
einen Gang mit der Konzentration der Endflotte zeigte, und zwar in dem 
Sinne, daß den höheren Flottenkonzentrationen absolut größere, aber rela¬ 
tiv geringere Sublimatverluste pro Gramm Eiweiß entsprachen. Der¬ 
artige Beziehungen gelten in der Literatur vielfach als Beweis für Adsorp¬ 
tionsvorgänge. Tatsächlich handelt es sich auch bei der Adsorption um 
eine Erscheinung, die durch eine paraboloide gegen die Achse der Flotten¬ 
konzentration konkav gekrümmte Kurve beschrieben wird. Der Beweis, 
daß Adsorption vorliegt, erfordert aber noch den Ausschluß chemischer 
Bindung und von Lösungsbeziehungen und den Nachweis voller Reversibili¬ 
tät. In vielen Fällen begnügen sich aber die Autoren bloß mit der Fest¬ 
stellung, daß die gewonnenen Resultate der durch Freundlich aufgestell¬ 
ten Adsorptionsgleichung entsprechen, um einen Vorgang als Adsorption 
zu erklären. 

Schon Procter 43 ) und nach ihm wieder Gegenbauer und Reichel 44 ) 
haben darauf hingewiesen, daß die Summation von chemischen Bindungs¬ 
werten und Verteilungsgleichgewichtszahlen zu scheinbaren Adsorptions¬ 
kurven führen kann, wie es z. B. bei Salzsäure und Eiweiß tatsächlich der 
Fall ist. Zur Klärung der Frage der chemischen Bindung wurden die fol¬ 
genden Versuche ausgeführt. 

In der Mehrzahl der Versuche wurden die Koagulumstückchen, nach¬ 
dem sie die bestimmten Zeiten mit den verschieden konzentrierten Subli¬ 
matlösungen in Berührung waren, aus diesen herausgenommen und solange 
in fließendem Hochquellenwasser gewaschen, bis sich in 50 ccm Wasser, 
das 12 Stunden mit ihnen in Berührung war, kein Quecksilber nachweisen 
ließ. War dieser Zustand erreicht—was durchschnittlich nach 8- bis 10-tägi- 
gem Waschen eintrat — so wurden die Stücke aus dem Wasser genommen, 
von dem oberflächlich anhaftenden Wasser durch leichtes Abtupfen mit 
Filtrierpapier befreit und in zwei zuweilen drei Partien geteilt, deren Ge¬ 
wicht durch Wägung bestimmt wurde. In der ersten Partie wurde der 
Wasser-, in der zweiten der Quecksilber-, in der eventuellen dritten der 
Chlorgehalt bestimmt. Durch diese Versuche sollte festgestellt werden, 
ob das Sublimat als solches oder jedes seiner Atome für sich oder schlie߬ 
lich eventuell nur eines der beiden Atome des Sublimates mit dem Eiweiß 
des Koagulums eine chemische Bindung eingegangen war. War doch zu 
erwarten, daß im allgemeinen chemische Bindungen durch das Waschen 


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38 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 

nicht zu trennen seien, ad-, und absorbierte Sublimatmengen aber bei ge¬ 
nügend langem Auswaschen sich eben entfernen lassen würden. 

Bei diesen Versuchen wurde zur Bestimmung des Reduktionsfaktors für das 
Gewicht des gewaschenen Koagulums dessen spezifisches Gewicht auf folgende 
Weise annähernd berechnet. Zunächst wurde mit dem abgekürzten Reduktions¬ 
faktor K = 1,00 der bei der Wägung erhaltene Wert für das gewaschene Koagulum 
reduziert. Mit Hilfe dieses reduzierten Wertes wurde der Wassergehalt in erster 
Annäherung berechnet. Dann wurde durch Interpolation der in Tabelle 1 ent¬ 
haltenen Werte des spezifischen Gewichtes des feuchten Koagulums für den höch¬ 
sten und niedersten Wassergehalt (Versuchsreihe I und IX) der Wert für das spe¬ 
zifische Gewicht des gewaschenen Koagulums, der dem bei der ersten Berech¬ 
nung ermittelten Wassergehalt entsprach, berechnet und der dazu gehörige Re¬ 
duktionsfaktor aufgesucht. Mit ihm wurde dann die endgültige Rechnung 
durchgeführt. Die Differenz zwischen der ersten und zweiten Berechnung war sehr 
gering, betrug meist nur einige Zehntelmilligramme. Diese Art der Berechnung 
erschien für den vorliegenden Fall als hinreichend genau, obwohl sie mehrere 
Korrekturen unberücksichtigt ließ, wie den Einfluß der Temperatur und das 
Fehlen von Asche im gewaschenen Koagulum. Asche wurde nämlich im gewasche¬ 
nen Koagulum nur in unwägbaren Spuren gefunden. Zur Reduktion des Gewichtes 
des Trockenkoagulums wurde, wie bereits erwähnt der Faktor K = 0,75 ge¬ 
nommen. 

Zur Bestimmung des Quecksilbers in den gewaschenen Koagulumstückchen 
wurden gewogene Partien derselben in einem mit einem Uhrglas bedeckten 
Erlenmayer-Kolben mit konzentrierter Salzsäure übergossen und ca. 6 Stun¬ 
den am Wasserbade erhitzt. Nach dieser Zeit wurde der Kolben vom Wasserbade 
genommen, etwas abkühlen gelassen und chlorsaures Kalium zugesetzt und wieder 
am Wasserbade weiter erhitzt. Wurde die Flüssigkeit braun, so setzte man neuer¬ 
dings chlorsaures Kalium zu und wiederholte diese Zugabe eventuell noch ein 
drittes- und viertesmal usw., bis die Flüssigkeit nach längerem Verweilen auf dem 
Wasserbade sich nicht mehr braun färbte. Dann setzte man das Erwärmen fort, 
bis der Geruch nach Chlor verschwunden war, ließ hernach abkühlen und filtrierte 
die Flüssigkeit durch ein Faltenfilter und w T usch dieses mit Wasser aus. In das 
Filtrat wurde Schwefelwasserstoffgas bis zur Sättigung eingeleitet und der ent¬ 
standene Niederschlag nach 12-stündigem Stehen abfiltriert, das Filter samt Nie¬ 
derschlag in einem kleinen mit einem Uhrglas bedeckten Becherglas mit Salz¬ 
säure und chlorsaurem Kalium versetzt und am Wasserbade solange erwärmt, 
bis sich alles Quecksilbersulfid gelöst hatte, das Filter in seine Fasern zerfallen 
und der Chlorgeruch verschwunden war. Nach dem Erkalten wurde die klare 
Flüssigkeit von den Papierfasern und dem ausgeschiedenen Schwefel, der von der 
Reduktion des Schwefelwasserstoffes durch gechlorte organische Verbindungen 
herrührte, abfiltriert, der Rückstand am Filter mit Wasser gewaschen und 
in das Filtrat Schwefelwasserstoffgas bis zur Sättigung eingeleitet und das aus¬ 
gefällte Quecksilbersulfid, wie früher beschrieben, auf einem Glaswollefilter 
gesammelt, gewogen und auf Quecksilber umgerechnet. 

Die Bestimmung des Chlors im gewaschenen Koagulum erfolgte nach der¬ 
selben Methode wie beim feuchten Ausgangskoagulum. 

Das gewaschene Koagulum war als praktisch aschefrei anzusehen, da sich 
niemals wägbare Mengen von Asche bei der Analyse ergaben. Daher entsprach 
das Eiweißgewücht dem Trockenkoagulumgewicht. Worauf das Verschwinden 
der wasserunlöslichen Salze beruhen dürfte, wird später auszuführen sein. Aus 
dem relativen Eiweißgewicht in g/g, der sich aus der Bestimmung des Trocken- 
koagulumgewichtes ergab, wurde das Eiweißgewicht der Koagulunlpartie, in 
der die Quecksilberbestimmung ausgeführt wurde, nach bekannten Beziehungen 
berechnet. 

Der relative Sublimatgehalt der Endflotte in g/ccm wurde aus der Queck¬ 
silbersulfidmenge, die in 10 ccm der Endflotte gefunden wurde, berechnet. 

Den Quecksilber- und Chlorgehalt von 1 g Eiweiß des gewaschenen Koagulums 
erhielt man durch Division der gefundenen Quecksilber- und Chlormengen durch 
das Eiweißgewicht des gewaschenen Koagulums, in dem sie gefunden wurde. 


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40 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 

In den gewaschenen Koagulumstückchen wurde nun sowohl Queck¬ 
silber wie Chlor gefunden. 

Verglich man aber bei den Versuchen, in denen sowohl Quecksilber- 
wie Chlorbestimmungen ausgeführt wurden, die dem gefundenen Queck¬ 
silber nach der Formel des Sublimates äquivalente Chlormenge mit der 
gefundenen Chlormenge, so zeigt sich, daß letztere nur einen Bruchteil 
der ersteren ausmachte. Die gefundenen Chlormengen betrugen nämlich 
nui* 0,54—29,55%der dem gefundenen Quecksilber äquivalenten, wenn 
letzteres als zweiwertig angenommen wurde. Das Resultat dieser Berech¬ 
nung bewies, daß im gewaschenen Koagulum das Vorhandensein von Sub¬ 
limat nicht anzunehmen war. Aber auch an eine Bindung zwischen Queck¬ 
silber und Chlor in der Form von HgCl war nicht zu denken, da in einem 
solchen Falle die einem einwertigen Quecksilber äquivalente Chlormenge 
hätte zugegen sein müssen. Die gefundene Chlormenge betrug aber nur 
1,08—59,10% der einem einwertigen Quecksilber äquivalenten. Die großen 
Differenzen, die die perzentuellen Verhältnisse zwischen den gefundenen 
Chlormengen und der dem gefundenen Quecksilberwerte äquivalenten 
Chlormenge der einzelnen Versuche untereinander aufwiesen, schloß eigent¬ 
lich a priori schon die Annahme aus, daß das nach dem Waschen im Koagu¬ 
lum noch vorhandene Chlor sich in Form einer chemischen Bindung mit 
dem vorhandenen Quecksilber befinde. 

Um nun die Frage zu entscheiden, in welcher Form Quecksilber und 
Chlor im gewaschenen Koagulum vorhanden waren, wurde zunächst die 
auf ein Gramm Eiweiß des gewaschenen Koagulums entfallende Queck¬ 
silbermenge berechnet. Dabei ergab sich, daß diese Werte in den Versuchen 
mit eintägiger Berührungsdauer von Sublimat und Koagulum annähernd 
die gleiche Größe hatten und sich unabhängig von der Konzentration der 
Endflotte um den arithmetischen Mittelwert aller Einzelversuche der be¬ 
treffenden Bertihrungszeit gruppierten. Dies traf auch für die 15-tägige 
Berührungsdauer zu, nur lagen hier alle Werte höher, als nach 1-tägiger 
Berührungsdauer (Tabelle 3, Stab 8, Fig. 1). 

Dieses Ergebnis der Versuche läßt wohl nur die eine Deutung zu, daß 
nämlich das im gewaschenen Koagulum v(frhandene Queck¬ 
silber eine chemische Verbindung mit dem Eiweiß des Koagulums, 
etwa in der Form von Protein-Quecksilber, eingegangen war, deren 
Bindungsgröße mit der Dauer der Berührung zunahm. Dieses 
Quecksilber mußte natürlich aus den in das Eiweiß des Koagulums über¬ 
gegangenen Sublimatmolekülen stammen. 

Der mittlere Wert des Quecksilbergehaltes der im gewaschenen 
Koagulum vorhandenen Protein-Quecksilberverbindung beträgt 
nach 1-tägiger Berührung von Koagulum und Sublimatlösung: 

10,387 + 1,603% (Var.-Koeff. = 15,44%); 
nach 15-tägiger Berührung von Koagulum und Sublimatlösung: 
_ 16,535 + 2,013% (Var.-Koeff. = 12,18%). 

1) In den einzelnen Versuchen lauteten diese Verhältniszahlen: bei 1-stän¬ 
diger Berührungsdauer 29,55%, 14,35% ; bei 6-stündiger Berührungsdauer 22,56%, 
27,80%, 24,65%; bei 1-tägiger Berührungsdauer 11,17%, 7,64%, 0,54%, 5,45%, 
14,96%; bei 15-tägiger Berührungsdauer 15,30%, 19,45%, 4,93%, 16,98%. 


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41 


Der mittlere Fehler der Einzelmessung ergab nach diesen beiden Be- 
rührungszeiten + 1,603 bzw. + 2,013, somit annähernd die gleichen Werte, 
woraus sich schließen läßt, daß die Unsicherheit der Beobachtung in beiden 
Fällen gleich groß und offenbar durch die angewandte Methodik bedingt 
war. Der mittlere Fehler des Mittelwertes betrug + 0,368 bzw.+ 0,581. 

Nach einer Berührungsdauer von nur */ 4 und 1 Stunde zeigte sich 
hingegen eine Abhängigkeit der auf 1 g Eiweiß des gewaschenen Koagulums 
entfallenden Quecksilbermenge von der Konzentration der Endflotte. 
Hier entfielen bei höheren Konzentrationen der Endflotte mehr Queck¬ 
silber auf 1 g Eiweiß als bei niederen. Auch nach sechsstündiger Berührungs¬ 
zeit war noch ein gewisser Zusammenhang von Quecksilbermenge und Kon¬ 
zentration zu erkennen, jedoch war diese keineswegs mehr so ausgesprochen 
wie bei den ganz kurzfristigen Versuchen. Die Versuche nach dreistündiger 
Berührungszeit waren zu wenig zahlreich, um verwertet werden zu können. 
In all diesen Fällen war infolge der Kürze der Berührungszeit das Gleich¬ 
gewicht noch nicht erreicht, wie aus der noch später durchzuführenden 
Berechnung des Gewichtsverteilungsfaktors Eiweiß-Wasser hervorgeht. 

Damit ist für einen Teil des aus der Flotte verschwundenen Quecksil¬ 
bers eine durch Waschen nicht reversible chemische Bindung an das Eiweiß 
erwiesen. Welche Art von Beziehung für den anderen Teil des Quecksil¬ 
bers dieser Sublimatmoleküle anzunehmen ist, wird später erörtert werden, 
ebenso die Frage, durch welche Momente die Zunahme der Bindungsgröße 
der Protein-Quecksilberverbindung mit der Dauer der Berührung von Koa- 
gulum und Sublimatlösung bedingt sein dürfte. Zunächst soll das Schick¬ 
sal des Chlors jener chemisch gebundenen Sublimat menge verfolgt werden. 

Die nächstliegende Vorstellung war nun, daß beim Entstehen der 
Verbindung Protein-Quecksilber Wasserstoffatome des Eiweißes gegen 
Quecksilberatome des Sublimates ausgetauscht wurden, so daß freie 
Salzsäure entsteht, die dann ihrerseits mit dem Eiweiß des Koagulums 
eine Eiweiß-Salzsäureverbindung bildet. Eiweiß besitzt wie in einer frühe¬ 
ren Arbeit mit Reichel 44 ) durch Literaturkritik und eigene Versuche dar- 
getan wurde, ein Bindungsvermögen für Salzsäure nach konstanten Pro¬ 
portionen, das nach den in der Literatur vorhandenen Angaben für genuine 
Eiweißkörper rund 4—5% ihres Gehaltes beträgt. Die wichtigsten älteren 
Arbeiten sind von Sjöqvist, Cohnheim, Bugarski und Lieber¬ 
mann und v. Rhorer 45 " 48 ). 

Obwohl nun schon darnach die Größe der Säurebindung durch das 
Eiweiß des koagulierten Rinderserums zu beurteilen gewesen wäre, so wurde 
doch eine Versuchsreihe mit diesem angestellt, teils um die Gültigkeit 
der Bindungsgesetze auch für hitzekoaguliertes Eiweiß, für welches nur 
einige unvollkommene Versuche Sjöqvists vorliegen, ausdrücklich dar¬ 
zutun, teils zur genaueren Ermittlung des im vorliegenden Falle anzu¬ 
nehmenden, in der Literatur für Hitzekoagula nur wenig berücksichtigten 
Einflusses der Zeit auf diese Werte, endlich um das Verhalten der Eiweiß- 
Salzsäureverbindung lange fortgesetztem Waschen gegenüber festzustellen. 

Es wurden gewogene Partien feuchten Rinderserumkoagulums mit 
je 100 ccm verschieden konzentrierter Salzsäurelösungen übergossen und 
nach 1- bzw. 15-tägiger Berührung der Salzsäuregehalt der Flotte durch 


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Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 


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Titration gegen Phenolphthalein bestimmt, die Koagulumstückchen selbst 
durch 8 Tage in fließendem Wasser gewaschen und sodann deren Chlor¬ 
gehalt nach der bereits schon früher beschriebenen Methode ermittelt. 
Die beschickten Kölbchen wurden, wie bei den früheren Versuchen, in einen 
Vegetationsschrank gestellt. Die Kautelen beim Einwägen und bei den 
analytischen Methoden waren dieselben, wie bei den früheren Versuchen. 

Gewicht des Eiweißes und Volumen der wässerigen Kochsalzlösung des 
Ausgangskoaguluins ergaben sich unter Berücksichtigung der in Tabelle 1 an¬ 
gegebenen Werte nach bekannten Beziehungen. Die aus der Flotte verschwundene 
Säure wurde als Differenz des Salzsäuregehaltes der wässerigen Ausgangs- und 
Endflotte berechnet. Ersterer ergab sich aus der Anzahl der zugesetzten ccm 
Salzsäurestammlösung, letzterer aus der Titration der Endflotte als Produkt 
der in 10 ccm Endflotte gefundenen Salzsäureinenge und des zehnten Teiles des 
Flottenvolumens. Als diese wurde die Summe der Volumina des zum Versuche 
genommenen Wassers, der Salzsäurestammlösung und der im eingewogenen 
Koagulum enthaltenen Salzsäure angenommen. Diese Art der Berechnung setzt 
voraus, daß die gesamte vorhandene Flüssigkeit dieselbe Zusammensetzung 
habe. Das Zutreffen dieser Voraussetzung schien in Analogie zum Verhalten 
anderer wässeriger Lösungen (Kochsalz-, Phenol- und Sublimatlösungen) gegen¬ 
über Eiweißkoagula als gegeben und wurde außerdem durch Gegenbauer 
und Reichel 44 ) für das Verhalten von Salzsäurelösungen zu Fellsubstanzen 
bewiesen. Die aus der Flotte verschwundene Salzsäure mengt* wurde gemäß 
der oben entwickelten bzw. ausführlich begründeten Vorstellungen als an das 
Eiweiß des Koagulums fix gebunden betrachtet. Durch Division dieser Menge 
durch das Eiweißgewicht des Koagulums erhielt man die von 1 g Eiweiß des 
Ausgangskoaguluins gebundene Salzsäuremenge. 

Das Ergebnis dieser Versuche zeigte die in 1 g Eiweiß des Koagulums 
übergegangene Salzsäuremenge unabhängig von der Konzentration der 
Flotte als einen sehr konstanten Wert. Es war dahor also auch für das 
hitzekoagulierte Eiweiß ein Säurebindungsvermögen nach konstanten 
Proportionen anzunehmen. Die Bindungsgröße stimmte mit den in der 
Literatur vorhandenen Angaben über die Salzsäurebindung durch genuine 
Eiweißkörper gut überein. 

Das Resultat dieser Versuche ist in der folgenden kleinen Tabelle dargestellt: 


Dauer der Be¬ 
rührung v. Koa¬ 
gulum u. Salz¬ 
säurelösung ln 
Tagen 

Salzsäuregehalt 
der End flotte 

Gebundene Salz¬ 
säure pro 1 gr des 
Ausgangs- 
koagulums 

Auf 1 g Eiweiß 
dea gewaschenen 
Koagulums ent¬ 
fallende Chlor¬ 
menge 



•/, g/ccm 

8 

8 



3.148 

0,04162 

0,0024 

1 


2,342 

0,04611 

0,0042 

l 


1,488 

0,04671 

0,0018 



0,688 

0,04320 

0,0028 



3,160 

0,06628 

0,0009 

15 


2,426 

0,06009 

0,0031 

1 

1,604 

0,06007 

0,0020 


1 

0,763 

0,06027 

1 

0,0046 


Sie betrug daher im Mittel von je vier Versuchen für 100 g hitze¬ 
koaguliertes Eiweiß 


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43 


bei 1 -tägiger Berührung von Salzsäure und Koagulum 

4,416 _+ 0,222 g HCl (Variationskoeffizient = 5%); 
bei 15-tägiger Berührung von Salzsäure und Koagulum 

5,165 _+ 0,248 g HCl (Variationskoeffizient = 4,8%). 

Der mittlere Fehler der Einzelversuche ergab nach diesen beiden 
Berührungszeiten +_ 0,222 bzw. + 0,248, war also hier ebenfalls annähernd 
gleich. Der mittlere Fehler der Mittelwerte betrug + 0,111 bzw. +_ 0,124. 

Die Bindungsgröße nahm mit der Dauer der Einwirkung von Salzsäure 
zu, sie war nach 15-tägiger Einwirkung ungefähr um 15% höher als nach 
1-tägiger. Ein gleiches Phänomen haben Gegenbauer und Reichel 44 ) 
bezüglich des Salzsäurebindungsvermögens von Fellen beobachtet. Dort 
wurde nach 4-tägiger Berührung von Fell und Säure pro 1 g Fell 26—34 mg 
HCl, nach .weiterer 5-tägiger Berührung 39—48 mg HCl gebunden. Die 
Ursache dieser Zunahme der Bindungsgröße dürfte, wie dort eingehend 
erörtert, darin zu suchen sein, daß das Eiweiß allmählich teilweise hydro¬ 
lytisch aufgespalten wird, wodurch Abbauprodukte der Eiweißkörper 
entstehen, die ein größeres Säurebindungsvermögen haben als die genuinen 
Eiweißkörper, wie aus den Versuchen von Sjöqvist 46 ) und Cohnheim 44 ) 
hervorgeht. 

Im gewaschenen Koagulum wurden ungefähr 5% der gebundenen 
Salzsäuremenge wiedergefunden. Es war also der überwiegende Teil der 
gebundenen Salzsäure ausgewaschen worden. Eine Spaltung der Eiweiß- 
Salzsäureverbindung durch Wasser ist nach den von Gegenbauer und 
Reichel 44 ) schon früher mitgeteilten Versuchen Über das Verhalten ge¬ 
säuerter Fellsubstanzen in Wasser und nach den in der Literatur vorhan¬ 
denen Angaben nicht anzunehmen. So muß also als einzige Erklärung 
dieses Phänomens angenommen werden, daß bei langdauerndem Waschen 
der überwiegende Teil der Eiweiß-Salzsäureverbindung bis zum Ende 
des Versuches in einen in Wasser löslichen, somit auswaschbaren Zustand 
gekommen, wahrscheinlich allmählich hydrolytisch aufgespalten worden 
war. An dieser Aufspaltung konnte sich, solange das Koagulum mit der 
Salzsäurelösung in Berührung war, die freie Salzsäure der Flotte beteiligen. 
Man muß sich aber, wie 1. c. 44 ) dargetan wurde, vorstellen, daß auch die 
gebundene Salzsäure die Fälligkeit habe, Eiweißkörper abzubauen, was 
durch Versuchsergebnisse von Koßler 44 ) über die Verdauung von Säure- 
Eiweiß durch neutrale Pepsinlösung gestützt wird. 

Diese Versuchsreihe hatte also nicht nur allein ergeben, daß das Eiweiß 
des verwendeten Rinderserumkoagulums ein Salzsäurebindungsvermögen 
nach konstanten Proportionen hat, das seiner Größe nach jenem für genuine 
Eiweißkörper entspricht und mit der Dauer der Einwirkung zunimmt, 
sondern sie hat auch gezeigt, daß die gebundene Salzsäure bei lange fort¬ 
gesetztem Waschen aus dem Koagulum zum größten Teile ausgewaschen 
werden kann, offenbar deshalb, weil sich durch die allmähliche hydro¬ 
lytische Aufspaltung des Eiweißes der Salzsäure-Eiweißverbindung in 
Wasser lösliche Verbindungen bilden. 

Somit sprach der Umstand, daß bei den Sublimatversuchen im ge¬ 
waschenen Koagulum die der gefundenen Quecksilbermenge nach der 


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44 


Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 


Formel des Sublimates äquivalente Chlormenge nicht gefunden wurde, 
keineswegs gegen die Annahme, daß dieses Chlor in Form von Salzsäure 
mit dem Eiweiß des Koagulums eine Verbindung eingegangen war. 

Berechnet man nun die dem an das Eiweiß des Koagulums gebundenen 
Quecksilber äquivalente Menge Salzsäure (Tabelle 3, Stab 8) und vergleicht 
sie mit dem mittleren Wert der vorigen Versuche, so ergibt sich folgende 
Zusammenstellung 

Dauer der Dem gebundenen Quecksilber nach der Formel 
Berührung des Sublimates äquivalente Salzsäuremenge 

Gramme HCl „in“ 100 g Protetnquecksllberverbindung 

1 Tag 3,777 + 0,583 (Var.-Koeff. = 15,44%) 

15 Tage 6,013 + 0,732 (Var.-Koeff. - 12,18%) 

Dauer der Salzsäurebindung des Eiweißes des 

Berührung verwendeten Rinderserumkoagulums 

Gramme HCl „auf“ 100 g Eiweiß 

• 1 Tag 4,416 + 0,222 (Var.-Koeff. = 5 %) 

15 Tage 5.165 + 0,248 (Var.-Koeff. = 4,8 %) 

Die für den exakten Vergleich notwendigen Angaben der dem gebundenen 
Quecksilber äquivalenten Salzsäure menge auf 100 g Eiweiß des Ausgangskoagu- 
lums an Stelle der Angabe in 100 g Protein-Quecksilberverbindung konnten 
im vorliegenden Falle aus äußeren Gründen nicht gemacht werden. Da nämlich, 
wie aus dem früher Dargelegten hervorgeht, die Berechnung der gebundenen 
Quecksilbermenge auf das Eiweiß des gewaschenen Koagulums erfolgte, hätte 
eine Umrechnung auf das Eiweiß des Ausgangskoagulums die Kenntnis der durch 
die hydrolytische Aufspaltung des Eiweißes abgebauten und somit ausgewasche¬ 
nen Eiweißmenge zur Voraussetzung gehabt. Diese Menge war aber keineswegs 
genau bekannt und auch sicherlich nach dem Ergebnis der Chlorbestimmung 
der gewaschenen Koagula sehr variabel. Da aber die Eiweißmenge im gewasche¬ 
nen Koagulum im Vergleich zum Ausgangskoagulum infolge der allmählichen 
hydrolytischen Aufspaltung durch die Salzsäure der Eiweiß-Salzsäureverbindung 
verringert wurde, dürfte eine Angabe »in Hundert «beim gewaschenen Koagulum 
einer solchen ,,auf Hundert 44 beim Ausgangskoagulum in erster Annäherung ent¬ 
sprechen, so daß es erlaubt erscheint, die Größe des Quecksilbergehaltes der 
Protein-Quecksilberverbindung als Maß für das Quecksilberbindungsvermögen 
des Eiweißes des Ausgangskoagulums zu nehmen, namentlich in Anbetracht 
des mehr orientierenden Charakters der ganzen vorliegenden Betrachtung und 
der zahlreichen Fehlerquellen der Bestimmungsmethoden. 

Diese Zusammenstellung zeigt nun, daß tatsächlich die ganze freie 
Salzsäure, die sich bildet, wenn beim Entstehen der Proteinquecksilber¬ 
verbindung Wasserstoffatome der Eiweißkörper gegen Quecksilberatome 
des Sublimates ausgetauscht werden, durch das Eiweiß des verwendeten 
Rinderserumkoagulums gebunden werden kann. Nach 1 -tägiger Berührungs¬ 
zeit von Koagulum und Sublimatlösung ist der mittlere Wert der gebil¬ 
deten Salzsäure kleiner, nach 15-tägiger Berührung allerdings größer als 
die gefundene Salzsäurebindung des Eiweißes, doch liegen auch im letzteren 
Falle die beiden Werte so nahe aneinander, daß man in Anbetracht der 
mannigfachen Fehlerquellen der Methodik, namentlich bei der Quecksilber¬ 
bestimmung im gewaschenen Koagulum (Var.-Koeff. = 12,18%) auch hier 
von einer ziemlichen Übereinstimmung gesprochen werden kann. Außer¬ 
dem dürfte sich ein Teil der entstandenen freien Salzsäure mit den Kationen 
der wasserunlöslichen Salze zu löslichen Chloriden verbinden, worauf das 


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Von Dr. Viktor Gegenbauer. 45 

Fehlen von Asche in den mit Sublimatlösung in Berührung gewesenen 
und nachher gewaschenen Koagulumstückchen beruhen dürfte. 

Die Versuche über die Salzsäurebindung durch das Eiweiß des koagu¬ 
lierten Rinderserums und die gerade durchgeführte Berechnung sind eine 
wesentliche Stütze für die obige Auffassung hinsichtlich des Chlors. Die 
Vorstellung scheint begründet, daß ein Teil der zum Eiweiß des 
Koagulums in enge Beziehung getretenen (aus der Flotte ver¬ 
schwundenen) Sublimatmoleküle eine chemische Reaktion 
mit den Eiweißkörpern des Koagulums eingehen, die in zwei 
Phasen verläuft. Zunächst wird das Quecksilberatom 
des Sublimatmoleküles gegen zwei Wasserstoff atome der 
Eiweißkörper ausgetauscht, wobei Protein-Quecksilber und 
freie Salzsäure entsteht; dann verbindet sich die freie Salz¬ 
säure mit den Eiweißkörpern des Koagulums zu Protein- 
Salzsäure. Die gebundene Salzsäure spaltet hernach allmählich hydro¬ 
lytisch das an sie gebundene Eiweiß auf, wobei abgebaute Eiweißkörper 
entstehen, die ein höheres Salzsäurebindungsvermögen haben, als die genui¬ 
nen, und deren Verbindungen mit Salzsäure wasserlöslich sind, so daß 
sie bei langem Waschen solcher Koagula ausgewaschen werden. Dieser 
letztere Umstand erklärt dann die Tatsache, daß im lange gewaschenen 
Koagulum nur ein Teil der Chlormenge gefunden wurde, die dem gebunde¬ 
nen Quecksilber nach der Formel des Sublimates äquivalent ist. 

Daß die Chlormenge, die dem chemisch gebundenen Quecksilber ent¬ 
spricht, im wesentlichen nicht in die Flotte übergeht, sondern im Koagulum 
bleibt, wurde bereits durch frühere Versuche gezeigt. Würde nämlich 
diese Chlormenge vollständig übergetreten sein, so müßte sich ein ungefähr 
viermal größerer Chlorüberschuß ergeben als durch die Analyse gefunden 
wurde. Es muß angenommen werden, daß die bei der Reaktion der Eiweiß-und 
Sublimatmoleküle entstehende Salzsäure sofort von den im Eiweißmolekül 
reichlich vorhandenen Amid- und Imidgruppen additiv gebunden wird. 

Die Berechnung dieser Chlormenge wurde in allen Fällen durchgeführt, in 
denen der Quecksilbergehalt des der Einwirkung des Sublimates ausgesetzten 
Koagulums nach 8-tägigem Waschen desselben in fließendem Hochquellenwasser 
und der Chlorgehalt der Flotte bestimmt worden war. War a = Quecksilberge¬ 
halt von 1 g Protein-Quecksilberverbindung, b = Eiweißgewicht der eingewoge¬ 
nen Koagulummenge, c = Volumen der Flotte und d = Umrechnungsfaktor 
von Hg auf Cl f , so ergab sich jene Chlormenge als a • b • d und ihr auf 10 ccm 
der Flotte entfallender Anteil als 

10 - o - b - d 
c 

Die Frage, ob der Teil des Sublimates, der zum Eiweiß des Koagulums 
zwar in enge Beziehung getreten (aus der Flotte verschwunden), jedoch 
keine chemische Bindung mit dem Eiweiß des Coagulums eingegangen ist, 
adsorbiert war oder sich nach konstantem Faktor zwischen Eiweiß und 
Wasser verteilt hatte, konnte nun mehr durch Betrachtung der relativen 
Mengen und Konzentrationsverhältnisse gelöst werden (Tabelle 3). 

Die auf 1 g Eiweiß des Ausgangskoagulums entfallende Menge des 
auswaschbaren Sublimates ist in Tabelle 3, Stab 10 u. 11 berechnet. Sie 
zeigt sich naturgemäß alles eher als konstant, was leicht erklärlich ist, 


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46 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 

da die schon früher festgestellte Inkonstanz des gesamten verschwundenen 
Sublimates nach Abzug des konstanten gebundenen Anteiles noch mehr 
zum Vorschein kommen mußte. Das Verhältnis jener Menge zum Sublimat¬ 
gehalt von 1 ccm Flotte (Tabelle 3, Stab 12 u. 13) — der Gewichtsvertei- 
lungsfaktor — erscheint von 6-stündiger Einwirkungsdauer an als einfache 
Proportionalität. Der Gewichtsverteilungsfaktor ist bei kurzen Zeiten von 
der Einwirkungsdauer offenbar nicht unabhängig (Tabelle 5), bleibt aber 
bei gleicher Einwirkungsdauer und in derselben Versuchsgruppe ziemlich 
ähnlich. Von einem Gang mit der Konzentration ist nichts zu bemerken. 
Es kann somit ausgeschlossen werden, daß das auswasch¬ 
bare Sublimat adsorbiert war. Es muß vielmehr angenommen wer¬ 
den, daß das Sublimat, das zum Eiweiß des Koagulums in enge Beziehung 
getreten und keine chemische Bindung mit diesem eingegangen war, sich 
im Eiweiß des Koagulums wie in Wasser in Form einer echten Lösung 
befindet und sich zwischen Eiweißphase und wässeriger Flotte nach kon¬ 
stantem Faktor verteilt ist, also das Molekulargewicht des gelösten 
Stoffes in beiden Phasen dasselbe ist. 

Eiweißgewicht und Volumen der wässerigen Kochsalzlösung des Ausgangs- 
koagulums ergaben sich nach bekannten Beziehungen aus Tabelle 1 und 3. 

Die gesamte aus der Flotte verschwundene und daher nach den früheren 
Auseinandersetzungen zum Eiweiß des Koagulums in enge Beziehung getretene 
Sublimatmenge war bei den Versuchen, in denen nur am Ende des Versuches 
Proben der Flotte analysiert wurden, gleich der Differenz des Sublimatgehaltes 
der wässerigen Ausgangs- und Endflotte. Ersterer ergab sich aus der Anzahl der 
zugesetzten ccm Sublimatstammlösung, letzterer war das Produkt aus der in 
10 ccm Endflotte gefundenen Sublimatmenge und des zehnten Teiles des Volumens 
der Flotte. Das Volumen der Flotte war natürlich die Summe der Volumina 
des zum Versuch genommenen Wassers und Sublimatstammlösung und der im 
eingewogenen Koagulumstück enthaltenen wässerigen Kochsalzlösung. Bei 
jenen Versuchen aber, bei denen öfters, und zwar zu verschiedenen aufeinander¬ 
folgenden Zeiten Probeentnahmen erfolgten (Versuchsreihe I, II und III), 
mußte für die zweite und folgende Entnahme eine andere Art der Berechnung 
eingeschlagen werden. Die aus der Flotte verschwundene Sublimatmenge er¬ 
gab sich hier als die Summe der im vorangegangenen Zeitabschnitt und der seit 
der vorigen Entnahme verschwundenen. Erstere war bereits bei der Berechnung 
der sich aus der früheren Probeentnahme ergebenden Resultate erhalten worden, 
letztere war gleich der Differenz der Sublimatmengen, die zu Beginn und am Ende 
dieses Zeitabschnittes in der Flotte zugegen waren. Der erstere dieser Werte 
war gleich dem Produkt der in 10 ccm der vorangegangenen Probeentnahme ge¬ 
fundenen Subliraatmenge und dem zehnten Teile des Flotten Volumens, das zu 
Beginn dieses Zeitabschnittes noch zugegen war. Dieses Volumen war gleich dem 
vor der früheren Probeentnahme vorhandenen Flottenvolumens abzüglich des 
bei dieser früheren Probeentnahme entnommenen Flüssigkeitsvolumens. Der 
Sublimatgehalt, der am Ende dieser Zeitperiode zugegen war, war natürlich 
gleich dem Produkte der in 10 ccm dieser Probeentnahme gefundenen Sublimat¬ 
menge und dem zehnten Teil des Flottenvolumens, das zu Beginn dieses Zeit¬ 
abschnittes zugegen war. Die bei den einzelnen Probeentnahmen aus der Flotte 
entnommenen Flüssigkeitsvolumina betrugen bei der Versuchsreihe I je 10 ccm, 
bei den Versuchsreihen II und III je 20 ccm. Durch Division dieser Zahl durch 
das Eiweißgewicht des Ausgangskoagulums gelangte man zu der pro 1 g Ei¬ 
weiß des Ausgangskoagulums verschwundenen Sublimatmenge (Tabelle 3, 
Stab 9). 

Der nicht auswaschbare Teil jener Sublimatmenge wurde nach der Formel 
a • b • 1,3537 berechnet, wobei a wieder den Quecksilbergehalt von 1 g Protein- 
Quecksilberverbindung, b das Eiweißgewicht der eingewogenen Koagulum- 


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47 


Tabelle 3. 

Versuche mit feuchtem Rinderserumkoagulum. 

Quecksilbergehalt der im gewaschenen Koagulum vorhandenen Protein-Queck- 
silberverbindung. Gewichtsverteilungsfaktor Eiweiß-Wasser für Sublimat. 

A = mit Benützung des im betreffenden Versuche ermittelten Quecksilber¬ 
gehaltes der Protein-Quecksilberverbindung. 

B = mit Benützung des arithmetischen Mittels der im betreffenden Zeit¬ 
abschnitte gefundenen Werte des Quecksilbergehaltes der Protein- 
Quecksilberverbindung. 


1 

1 2 

3 

4 

5 

ß 

7 

Subli- 

mat- 

gehslt 

der 

End¬ 

flotte 

•/•g/ccm 

8 

1 9 

10 

11 

“ 

13 

Dauer der Berührung 
von Koagulum und 
Sublimatlösung 

03 

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Versuch-Nr. 

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Subli¬ 

mat¬ 

menge 

g 

g Eiweiß des 
ngskoagulums 

auswaschbare 

Sublimat¬ 

menge 

g 

Gewichts¬ 
verteilungs¬ 
faktor 
Eiweiß- 
Wasser für 
Sublimat 

A 

B 

‘A 

Ll 


V. 

1 

10,9730 

70 

30 

3,554 

0,08633 

0,2188 

0,1034 

0,1256 

2,91 

3,53 

-3 

V. 

2 

12,1997 

50 

50 

2,410 

0,07624 

0,2157 

0,1125 

0,1226 

4,67 

5,08 

OQ 

3 i 

V. 

3 

11,3989 

30 

70 

1,445 

0,06994 

0,1460 0,0648 

0,0528 

4,49 

3,65 

> 1 

V. 

4 

12,7427 

20 

80 

0,9256i 0,05389 

0,1061 0,0331 

0,0129 

3,68 

1,39 


VII. 

1 

8,8660 

100 


5,744 

0,1085 

0,3104] 0,1639 

0,2024 

2,85 

3,52 


V. 

la 

9,5136 

70 

i 30 

3,326 

0,09595 

0,4979 0.3682 

0,3899 

11,07 

11,73 

-Ö 

VII. 

2 

11,6459 

50 

i 50 

2,696 

0,1014 

0,1966 

0,0593 

0,0886 

2,20 

3,29 

CO 

V. 

2a 

10,2573 

50 

1 50 

3,317 

0,07482 

0,3681 

0,2670 

0,2601 

11,52 

11,22 


VII. 

3 

7,6117 

25 

76 

1,430 

0,08474 

0,1152 


0,0072 


0,50 


V. 

3a 

9,8744 

30 

70 

1,406 

0,04658 

0,2189 

0,1558 

0,1109 

11,08 

7,89 


V. 

4a 

11,0325 

20 

80 

0,8696 

0,04630 

0,1777 

0,1160 

0,0697 

13,23 

8,02 

tj j 

IV. 

1 

6,2713 

26 

25 

2,271 

0,1073 

0,3412 

0,1969 

0,2245 

8,63 

9,89 

55 1 

IV. 

2 

6,1667 

10 

40 

0,8062 

0,07313 

0,2246 

0,1256 

0,1078 

15,59 

13,39 

« i 

IV. 

3 

5,0996 

5 

45 

0,4412 

0,07818 

0,1049 






VII. 

la 

9,0582 

100 


5,130 

0,1191 

0,8329 

0,6718 

0,7100 

13,09 

13,84 

, 

VII. 

2a 

9,8946 

50 

50 

2,317 

0,08655 

0,5668 

0,4496 

0,4439 

19,41 

19,16 

■o 

IV. 

la 

5,9575 

25 

25 

2,101 

0,1068 

0,5112 

0,3667 

0,3883 

17.46 

18,49 

cn 

VII. 

3a 

8,8565 

25 

76 

1,214 

0,08262 

0,2767 

0,1649 

0,1538 

13,58 

12,67 


IV. 

2a 

7,5315 

10 

40 

0,7400 

0,07663 

0,2162 

0,1137 

0,0933 

15,37 

12,61 


IV. 

3a 

4,4179 

5 

45 

0,4140 

0.07430 

0,1566 

0,0560 

0,0337 

13,53 

8,14 


VII. 

Ib 

4,2959 

100 


5,702 

0,1379 

1,090 

0,9030 

0,9494 

15,84 

16,65 


VIII. 

1 

8,1635 

100 


5,281 

0,1061 

0,8915 

0,7480 

0,7609 

14,16 

14,26 


VI. 

1 

16,8263 

100 


3,980 

0,08454 

0,6855 

0,5711 

0,5449! 

14,35 

13,69 


vm. 

2 

11,2811 

80 

20 

3,956 

0,1066 

0,6607 

0.5164 

0,52011 

13,06 

13,15 


VIII. 

3 

14,1826 

70 

30 

3,280 

0,1041 

0,5336 

0,3927 

0,39301 

11,97 

11,98 


II. 

1 

10,3193 

70 

30 

3,274 


0,5721 


0,4316: 


13,18 

» 

VIII. 

4 

10,0683 

60 

40 

3,163 

0,08636 

0,3930 

0,2760 

0,2524 

8,74 

7,98 

CO 

H 

VII. 

2b 

6,7594 

50 

50 

2,906 

0,1286 

0,2204 

0,0464 

0,0798 

1,60 

2,75 


II. 

2 

10,4540 

50 

60 

2,242 

, 0,5025 


0,3619 


16,14 


IV. 

lb 

5,5150 

25 

25 i 

2,195 

1 

0,4817 

0,3133 

0,3411 

14,28 

15,54 


III. 

la 

11,6475 

50 

50 i 

2,182 

0,09986 0,48261 

0,3475 

0,3420 

15,92 

15,66 


III. 

1 

12,4004 

50 

50 

2,095 


0,5131 


0,3726 


17,78 


VI. 

4 

17,5495 

50 

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1,766 

j 

0,4472 


0,3066 


17,46 


VI. 

2 

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50 

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1,754 


0,4233 


0,2827 


16,12 


Va 

la 

18,5315 j 

50 

50 

1,719 

0,1011 

0,4314 

0,2945 

0,2908 

17,18 

16,92 


□ igitized by 


Gck igle 


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48 


Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 


Difitized by 


l r Tabelle 3 (Fortsetzung). 


1 

2 

11 

4 

s 


7 

8 

9 

10 

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12 

18 





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des 

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gehalt 

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End¬ 

flotte 

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Subli- 

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auswaschbare 

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verteilungs- 
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Eiweiß- 
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Sublimat 


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g 

A 

B | 

A 

B 


1VII. 

3b 

6,0932 

25 

75 

1,395 

0,1053 

0,3127 

0,1701 

0,1721' 

12,19 

12,34 


! ii. 

3 

10,1741 

30 

70 

1,290 


0,3412 


0,2006 


15,65 


VI. 

6 

30,2181 

50 

50 

1,272 

0,1204 

0,3715 

0,2086 

0,2309 

16,40 

18,15 


i iii. 

2 

12,6556 

30 

70 

1,251 


0,3046 


0,1640 


13,11 


iii. 

2a 

12,5440 

30 

70 

1,229 

0,1057 

0,3276 

0,1845 

0.18701 

15,01 

15,22 


VI. 

3 

13,5671 

25 

75 

0,8754 

0,09756 

0,3094 

0,1773 

0,1688 

20,26 

19,29 


VI. 

5 

15,5235 

25 

75 

0,8170 


0,2970 


0,1564 


19,14 

iC 

ii. 

4 

10,5348 

20 

80 

0,7913 


0,3094 


0,1688 


21,33 

H 

IV. 

2b 

6,9675 

10 

40 

0,7062 

0,1170 

0,2631 

0,1047 

0,1225 

14,83 

17,36 


III. 

3a 

10,2683 

15 

85 

0,5719 

0,08940 

0,2560 

0,1349 

0,1154; 

23,60 

20,18 


III. 

3 

14,3003 

15 

85 

0,5077 


0,2202 


0,0796 


15,68 


Va 

2a 

21,9880 

20 

80 

0,4552 

0,08890 

0,2385 

0,1182 

0,0979 

25,96 

21,51 


IV. 

3b 

4,9429 

5 

45 

0,4143 

0,09129 

0,1363 

0,0127 


3,06 



II. 

5 

10,5145 

10 

90 

0,3408 


0,2122 


0,0716 


21,01 


III. 

4a 

9,4626 

5 

95 

0,2042 

0,07848 







III. 

4 

10,4484 

5 

95 

0,1891 


0,0858 






VI. 

7 

21,2717 

10 

90 

0,1657 


0,1531 


0,0125 


7,54 


II. 

1 

10,3193 

70 

30 

3,231 







a> 

b£> 

II. 

2 

10,4540 

50 

50 

2,211 







I. 

1 

7,2921 

100 


1,401 







fl 

H 

I. 

2 

8,7027 

100 


1,377 







«b 

II. 

3 

10,1741 

30 

70 

1,260 







II. 

4 

10,5348 

20 

80 

0,7761 








II. 

5 

10,5145 

10 

90 

0,3244 








II. 

1 

10,3193 

70 

30 

1 3,189 








II. 

2 

10,4540 

50 

50 

2,177 








I. 

1 

7,2921 

100 


1,365 







Ca 

H 

I. 

2 

8,7027 

100 


1,247 




[ 



o 

II. 

3 

10,1741 

30 

70 

1,202 








; ii. 

4 

10,5348 

20 

80 

I 0,7610 








1 ii. : 

5 

10,5145 

10 

90 

1 0,2976 

i 

1 







VIII. 

la 

11,9163 

100 


4,879 ! 

0,1682 

0,8163 

0,5885 

1 0,5925 

12,06 

12,15 


IVIII. 

2a 

14,7071 

; 80 

20 

3,700 1 

0,1324 

0,6112 

0,4319 

0,3874 

11,67 

10,47 


viii. i 

3a 

12,1874 

70 

30, 

3,195 

0,1892 

0,7345 

0,4784 

0,5107 

14,97 

15,99 


ii. I 

1 

10,3193 

70 

! 30 

3,157 

0,1930 

0,6725 

0,4113 

0,4487 

13,03 

14,21 


IVIII. 

4a 

i 10,9613 

60 

40 

2,941 

0,1766 

0,5406 

0,3015 

0,3168 

10,25 

10.77 

g> 

Sa 

II. 

2 

10,4540 

50 

, 50; 

2,130 

0,1361 

0,5736 

0,3894 

0,3498 

18,28 

16,42 

c* 

III. 

I 

12,4004 

50 

50 

2,007 

0,1762 

0,5765 

0,3380 

i 0,3527 

16,84 

j 17,68 


I. 

1 

7,2921 

100 


1,326 


0,4262 


0,2024 


I 15,27 

IO 

1 I. 

2 

, 8,7027 

100 


1,223 


0,4770 


0,2532 


20,71 


II. I 

3 

10,1741 

30 

70 

1,185 

0,1816 

0,4470 

0,2013 

0,2232 

16,99 

18,84 


III. ! 

2 

12,6556 

i 30 

1 70 

1,138 

0,1465 

0,3862 

0,1879 

0,1624 

16,51 

14,27 


II. 1 

4 

10,5348 

20 

! 80 1 

0,7412 

0,1482 

0,3400 

0,1395 

| 0,1162 

18,82 

15,68 


III. 

3 i 

14,3003 

15 

i 85 ! 

0,3886 

0,1680 

0,2957 

0,0683 

0,0719 

17,57 

! 18,50 


II. 

5 

10,5145 

10 

90 

0,2976 

0,1682 

0,2438 

0,0162 

0,0200 

5,43 

6,72 


Gck 'gle 


% 

Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 








J 


Von Dr. Viktor Gegenbauor. 


49 



Tabelle 4. 

Versuche mit feuchtem Kiuderserumkoagulum. 

Mittlerer Wert, Variationskoeffizient, mittlerer Fehler der Einzelmessung und des Mittelwertes des 
(iewichtsverteilungsfaktors Eiweiß-Wasser für Sublimat bei verschiedenem Sublimatgehalt der End¬ 
flotte von einer Berührungszeit von Koagulum und Sublimatlösung, von sechs Stunden angefangen. 

A und li wie in Tabelle 3. 

/Beidieser Berechnung wurden die Versuche: Versuchsreihe VII, Versuch 2b; Versuchsreihe III, 
Versuchs 4 und 4a als offenbar fehlerhaft ausgeschieden). 



1 ' . 1 



n 



Sublimat- 

<D 

0 e wich t s verteil un »rsfa k t n r 


CJewie 

btsverteilungsfaktnr 


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1 


Rndflotte 

« £ 

N ~j 

Mittlerer Wert 

Variati- 

Mittlerei 

r Fehler 


Mittlerer Wert 

Variati- 

| Mittlerer Fehler 



onskoel 1 i 



N o 

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J- 


zient 

d. Einzel-j 

(1. Mitte.!- 



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d. Einzel- 

d. Mittel- 


• X! 



messuriK 1 

wertes 




messun? 

wertes 

0,0—0.6 

5 

13,110 ±9,290 

70,87% 

± 9,290 

± 4,155 

6 

13.903 ±7,139 

51,34% 

±7.139 

± 2,914 

0,5—1.0 

5 

18,576 ± 4,431 

23,85% 

1,431 

1,981 

8 

17,481 ±3,298 

18.87° „ 

± 3.298 

± 1,166 

1.0—2.0 

7 

15,401 ±1.892 

12,29° o 

1.892 

± 0.715 

13 

15.892 ± 3,157 

19.86° o 

±3,157 

1 -MI.STi. 

2,0—3,0 

7 

16,073 ± 3,054 

19.00% 

• 3,054 

± 1,154 

9 

18,552 ± 3,378 

18.21% 

♦ 3,378 

1,126 

3.0—4,0 

7 

12.541 ± 2,049 

10,33° „ 

±2,049 

± 0,774 

8 

12.581 ± 2,455 

19.51" „ 

± 2,455 

| ± 0,868 

4.0—5,0 

1 

12,06 




1 

12.15 




5.0— 0,0 

3 

14,363 ± 1,386 

9.07% 

± 1.386 

± 0.800 

3 

14,913 ± 1,518 

10,18» o 

± 1.518 

0,876 

0 5—0.0 

30 

14.869 ±3.141 

21.12% 

3,141 

• 0.573 

42 

15.547 ± 2.945 

i s.«(4° „ 

± 2.94.') 

I ± 0,455 


menge und 1,3537 den Umrechnungsfaktor von Hg auf HgCl 2 bezeichnet. Die 
Kritik dieser Berechnungsart wurde bereits an anderer Stelle dargelegt. 

Durch Subtraktion dieser Menge von der Gesamtmenge und Division dieses 
Wertes durch das Eiweißgewicht des Ausgangskoagulums gelangte man zu der 
auf ein Gramm Eiweiß des Ausgangskoagulums entfallenden Menge des aus¬ 
waschbaren Sublimates (Tabelle 3, Stab 10 und 11). 

Die festgestellten Zahlen für den Gewichtsverteilungsfaktor zeigten 
keinen nennenswerten Unterschied, ob man bei der Berechnung die in den 
betreffenden Versuchen ermittelte Menge des an t g Eiweiß des Koagulums 
gebundenen Quecksilbers oder das arithmetische Mittel der für die betref¬ 
fende Einwirkungsdauer gefundenen Werte derselben Größe benützte 
(Tabelle 4). Unterhalb einer Konzentration von 0,5% Sublimat in der End¬ 
flotte sind die erhaltenem Werte sehr schwankend, was bei dem großem 
Einfluß, den bei solch niederen Konzentrationen Versuchsfehler auf das 
Resultat haben, zu erwarten war. Es wurden daher auch die Resultate 
dieser Versuche weiter nicht verwertet. 

Der mittlere Wert des Gewichts Verteilungsfaktors Eiweiß-Wasser 
für Sublimat betrug im Konzentrationsbereich 0,5—6,0% Sublimat in 
der Endflotte 

15,547 + 2,945 (Var.-Koeff. = 18,94%). 

Der mittlere Fehler der Einzelmessung betrug + 2,945, der mittlere 
Fehler des Mittelwertes +_ 0,455. 

Die Tatsache, daß es unterhalb einer sechsstündigen Berührungsdauer 
noch zu keinem Diffusionsausgleich gekommen war, beweist somit das 
Zutreffen der bei der Besprechung der Resultate der Versuche über den 
Quecksilbergehalt des gewaschenen Koagulums gemachten Annahme* 

Archiv fflr Hytfiene. Bd. 90. 4 


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"i— 


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THE OHIO STATE UNIVERSITY 



50 


Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 


Tabelle 5. 


Arithmetisches Mittel des Gewichtsverteilungsfaktors 
Eiweiß - Wasser bei verschiedener Einwirkungsdauer. 
(A und B wie in Tabelle 3.) 


Dauer der Berührung 
von Koagulum und 
SublimatlOsung 

GewichtsverteUungsfaktor 

\A 

1 B 

Vi Stunde 

3,91 

3,41 

1 Stunde 

8,66 

7,71 

3 Stunden 

12,11 

11,64 

6 Stunden 

15,41 

14,15 

1 Tag 

16,10 

15,85 

15 Tage 

14,37 

14,83 


daß bei 34* bis 6-stündiger Berührungsdauer die Abhängigkeit des Queck¬ 
silbergehaltes des gewaschenen Koagulums durch Nichterreichen des Sätti¬ 
gungsgleichgewichtes bedingt sei. Die chemische Bindungsreaktion ver¬ 
läuft sodann sehr rasch. Sie' ist aber abhängig von der Diffusionsgeschwin¬ 
digkeit, mit der sich das Sublimat in der Eiw'eißphase ansammelt. 

Eine genaue Berechnung des Volumsverteilungsfaktors nach Ana¬ 
logie der von Reichel 4 *) gegebenen Darstellung der Phenolverteilung 
hätte zur Voraussetzung, daß glaubhafte Annahmen über den Einfluß 
der Quecksilber- und Chlorbindung sowohl als auch der Sublimatlösung 
auf das Eiweißvolumen zu machen sind. Diese Einflüsse sind unzweifelhaft 
bei der Größe der vorkommenden Bindungs- und Lösungsverhältnisse 
sehr bedeutend und dürften also nicht vernachlässigt werden. Zu ihrer 
Ermittlung wäre jedoch die Anstellung zahlreicher zum Teil recht kompli¬ 
zierter Versuche und Berechnungen notwendig gewesen, weshalb man sich 
wegen des doch mehr orientierenden Charakters der vorliegenden Unter¬ 
suchung mit der Berechnung des Gewichtsverteilungsfaktors, der in erster 
Annäherung als ein proportionales Maß des Volumsverteilungsfaktors 
zu betrachten ist, begnügte. 

Zum Schlüsse dieses Kapitels sollte noch die Frage erörtert werden, 
durch welche Momente die Bindungsgröße der Protein-Quecksilber- und 
Protein-Salzsäureverbindung und deren Zunahme mit der Dauer der Be¬ 
rührung von Koagulum und Sublimatlösung bedingt sein dürfte. 

Bereits schon früher wurde auseinandergesetzt, daß die Bindungs¬ 
größe der Protein-Quecksilberverbindung eine derartige ist, daß die bei 
der Entstehung dieser Verbindung sich bildende Salzsäure nach dem für 
das Rinderserumkoagulum bestimmten Salzsäurebindungsvermögen, das 
in guter Übereinstimmung mit dem für genuine Eiweißkörper bekannten 
stand, durch das verwendete Eiweiß gebunden werden kann. Diese Tat¬ 
sache drängte uns zu der Annahme, daß vielleicht das bestimmende Mo¬ 
ment für die Bindungsgröße des Quecksilbers eben jene Affinität des Salz¬ 
säureradikales zu den Eiweißkörpern ist, daß somit die Größe des Salz¬ 
säurebindungsvermögens für Eiweißkörper entscheidend für die Bindungs¬ 
größe der Protein-Quecksilberverbindung sei. Damit würde sich auch die 
Zunahme der Bindungsgröße der Protein-Quecksilberverbindung mit der 


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THE OHIO STATE UNIVERSITY 



Von Dr. Viktor Gegenbauer. 


51 


Tabelle 6. Versuche mit feuchtem Rlhderserumkoagulum. 
Quecksilbergehalt der im gewaschenen Koagulum vorhandenen Protein- 
Quecksilberverbindung. Verteilungsverhältnisse Eiweiß-Wasser 
für Quecksilbercyanid. 

Versuchsreihe Nr. IX. 10 ccm Quecksilbercyanidstammlösung gaben 0,5360 g 
HgS. A und B wie in Tabelle 3. 


1 

1 2 

! 

r 3 

4 ~ 

5 

6 

■ 

1 7 

' 8 

9 

10 

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12 


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Eiweiß 

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ccm 

Queck- 

silher- 

cyanid- 

gehalt 

1 Ausgangs koagulums 

ver- 

ischwun- auswaschbare 

Gewichts- 
verteilungs- 
faktor 
Eiweiß- 
Wasser fflr 
QuecksJIber- 
eyanid 

i § 

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1 S 

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flotte 

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dene 
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1 silher- 
icyanid- 

Quecksilber- 
cyanid menge 

g 

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i 

A 

B 

A 

* 


f 1 

; 19,8255 

100 


4,858 


0,0499 


1,03 



i 2 

j 19,5827 

80 

20 

3,811 


0,0991 



2,60 


1 

3 

25,4300 

60 

40 

2,807 


0,0155 


0,55 


: 4 i 

i 24,3477 

40 

QO 

1,887 


0,0108 



0,57 



1 Ö 1 

20,3625 

20 

80 

0,9500 


0,0216 



2,28 



,0 

20,4392 

1 , 

10 

90 

0,4777 


0,0087 



1,83 



la 

18,1252 

100 


4,885 

0,01087 

0,0821 

0,0674 

0,0692 

1,38 

1,42 


2a 

19,4175 

80 

20| 

3,811 

0,00902 

0,1036 

0,0914 

0,0907 

2,40 

2,38 

15 

i 3a 

22,6074 1 

60 

40 | 

2,714 

0,00956 

0,1143 

0,1014 

0,1014 

3,74 

3,74 

|i 4a 

26,5249 i 

40 

60 | 

1,846 

0,01003 

0,0162 

0,0026 

0,0033 

0,14 

0,18 


5a 

21,6770 1 

20 

80! 

0,8795 

0,01075 

0,0604 

0,0458 

! 0,0329 

5,21 

3,74 


[' 6 a 

20,2050 1 

10 

90 ' 0,4343 | 

0,00688 

0,0397 

0,0304 

0,0175 

7,00 

4,03 


Dauer der Berührung von Koagulum und Sublimatlösung einfach erklären. 
Sie wäre eben dadurch bedingt, daß, wie schon früher auseinandergesetzt 
wurde, durch den hydrolytischen Abbau des gebundenen Eiweißes Eiwei߬ 
spaltprodukte mit höherem Salzsäurebindungsvermögen entstehen. Diese 
Auffassung konnte gestützt werden durch das Resultat der Versuche über 
das Verhalten des Quecksilbercyanides zu Rinderserumkoagulum. 

Die Versuchsanordnung, Methodik der Quecksilberbestimmung und Berech¬ 
nung dieser Versuche war dieselbe wie bei den Versuchen mit Sublimat und Koa¬ 
gulum. Gewogene feuchte Koagulumstückchen wurden mit verschiedenen kon¬ 
zentrierten Quecksilbercyanidlösungen 1 bzw. 15 Tage in Berührung gebracht, 
dann einerseits der Quecksilbergehalt der Endflotte bestimmt, anderseits das aus 
der Flotte herausgenommene Koagulumstück 8 Tage in fließendem Wasser ge¬ 
waschen und dann sein Gehalt an Trocken koagulum, Asche und Quecksilber 
bestimmt. Das Verhältnis von Trocken koagulum zu Asche war beim gewaschenen 
Koagulum annähernd dasselbe wie beim Ausgangskoagulum, worauf bei der Be¬ 
rechnung des Eiweißgewichtes des gewaschenen Koagulums Rücksicht genom¬ 
men wurde. 

Bei diesen Versuchen zeigte sich nämlich, daß bei der Berührung von 
Koagulum und einer Quecksilberverbindung, deren Säure schwächer 
als Kohlensäure ist, nur langsam eine Protein-Quecksilberverbindung 
entsteht und daß die Bindungsgröße dieser Verbindung auch nach 15-tägiger 
Berührung nur etwa 1 / li des Wertes erreicht, der beim Sublimat gefunden 
wurde (Tabelle 6). 

4* 


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THE OHIO STATE UNIVERSITY 






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52 Studien iiber die Desinfektionswirkung des Sublimates. 

Der mittlere Wert des Quecksilbergehaltes der im gewaschenen 
Koagulum nach 15-tägiger Berührungsdauer vorhandenen Protein-Queek- 
silberverbindung betrug 

0,9518 + 0,1552% (Var.-Kooff. = 16,31%). 

Der mittlere Fehler der Einzelmessung war somit -f 0,1552 der mitt¬ 
lere Fehler des Mittelwertes +_ 0,0634. 

Die Streuung dieser Werte war ungefähr dieselbe, wie die für den Wert 
der Quecksilberverbindung aus Sublimatlösungen, wiö aus der guten Über¬ 
einstimmung der betreffenden Variationskoeffizienten hervorgeht. 

Würde die Bindungsgröße der Protein-Quecksilberverbindung in 
erster Linie durch die Affinität des Quecksilbers bedingt sein, so müßte 
dieselbe bei Verwendung einer Quecksilbercyanidlösung als Flotte doch 
mindestens ebensogroß sein, wie bei der Verwendung einer Sublimatlösung, 
besonders da doch ceteris paribus eine Cyanverbindung sicherlich leichter 
zu sprengen ist als eine Salzsäureverbindung. 

Die Berechnung des Gewichtsverteilungsfaktors ergab hier keine so 
eindeutigen Resultate wie bei den Sublimat versuchen. Die Werte des 
nach eintägiger Dauer der Berührung auswaschbaren Quecksilbercyanides 
waren allzu gering, die nach 15-tägiger Berüjirungszeit zu schwankend, 
aber auch ohne deutlichen Gang mit der Konzentration der End flotte. 
Die später zu besprechenden Versuche mit Hefe bewiesen jedoch, daß 
sich auch das Quecksilbercyanid zwischen Hefeeiweiß und Wasser wie 
zwischen zwei Lösungsmitteln verteile. Man muß daher annehmen, 
daß auch hier eine echte Lösung vorliege, die nur durch die hier gegebene» 
Versuchsanordnung nicht erweisbar war. 


2. Die Sublimatverteilung zwischen Öl und Wasser. 

Die nächsten Versuche hatten die Frage zu klären, wie sich Sublimat 
gegenüber lipoiden Phasen als deren Vertreter nach Reichels 42 ) Vorgang 
Öl gewählt wurde, verhalte. Es war festzustellen, ob Sublimat in solchen 
Phasen gebunden oder gelöst wird und in welchem Zustand es sich etwa dort 
in Lösung befindet. Zu diesem Zwecke wurden annähernd gleiche Mengen 
von Rtiböl mit verschieden konzentrierten Sublimatlösungen einen Tag 
in Berührung gebracht und sodann der Sublimatgehalt der Endflotte 
durch Bestimmung der in ihr enthaltenen Quecksilbermenge ermittelt. 

Bei den Wägungen des Öles war natürlich wegen der Größe der Einwage 
und des bedeutenden Unterschieds zwischen dem spezifischen Gewicht des Öles 
und der Messinggewichte eine Reduktion der mit Messinggewichten in der Luft 
ausgeführten Wägungen auf den leeren Raum erforderlich. Der Reduktionsfaktor 
ergab sich aus dem ermittelten spezifischen Gewicht des Öles, das nach der Pykno¬ 
metermethode bestimmt war. 

Das Quecksilbc r wurde gewichtsanaly tisch wie bei den Versuchen mit Rinder¬ 
serum koagulum bestimm^. Der ermittelte Quecksilbersulfidwert wurde einfach 
auf Sublimat umgerechnet, da eine CI - Bestimmung, die bei Versuch Nr. .‘1 in 
der Endflotte ausgeführt worden war, ergeben hatte, daß gerade soviel Chlor 
vorhanden war, als dem ermittelten Quecksilber nach der Formel des Sublimates 
entsprach. Der Sublimatgehalt der Ausgangsflotte ergab sich natürlich aus der 
Anzahl der zugesetzten ccm Sublimatstammlösung, der der Endflotte aus der 
Analyse. Die Differenz dieser beiden Werte wurde als die in das Öl übergegangene 


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Original frnm 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 



Von I)r. Viktor Gigeiibauur. 53 

Tabelle 7. Versuche mit Rüböl* 

Yt^leilungsVerhältnisse Rüböl-Wasser für Sublimat. Dauer der Berührung von 
Hüböl und Sublimat: 1 Tag. Spez. Gewicht des Rüböls: 0,9124 bei 22° C. 
10 ccm Sublimatstammlösung gaben 0,5133 g HgS. 


Ver¬ 

such 

Nr. 

Gewicht 
des Öles 

K 

Zum Versuche wurden 
genommen ccm 

Suhllmatgehalt 
der Endflolte 

•/• g/ccin 

Pro 100 g öl 
verschwundene 
Suhl im atmen ge 

Gcwichtsver- 
teilungsfaktor 
öl-Wasser für 
Sublimat 

Sublimat- 

stammlösung 

Wasser 

1 

8,8996 

40 


5,707 

1,282 

0,2246 

2 

10,0449 

30 

10 

4,248 

0,9658 

0,2273 

3 

8,8759 

20 

20 

2,854 

0,6310 

0,2210 

4 

8,8738 

10 

! 30 

1 

i 

1,424 

0,3313 

0,2327 


Sublimalmenge angenommen. Das Verhältnis der Gewichtskonzentration von 
Sublimat irn Öl zur Endkonzentration der Flotte ergab den Gewichts Verteilungs¬ 
faktor Öl-Wasser für Sublimat. 

Die Versuche (Tabelle 7), ergaben, daß sich Sublimat zwischen Öl 
und Wasser nach einem recht genau konstanten Faktor verteilt, dessen 
mittlerer Wert 0,2264 + 0,0049 (Var.-Koeff. — 2,18%) betrug. Der mitt¬ 
lere Fehler der Einzelmessung ergab 0,0049, der mittlere Fehler des 
Mittelwertes + 0,0025. 

Der Befund spricht eindeutig für das Fehlen chemischer Bindung 
und das Bestehen einer echten Lösung, wobei dem Sublimat in beiden 
Phasen dasselbe Molekulargewicht zukommt. Die Gewichtskon¬ 
zentration des Öles im Sublimat beträgt etwa 1 / 5 des Wertes für die wässerige 
Phase. Die Gegenwart öliger Phasen bedingt demnach beim Sublimat 
im Gegensatz zu den Phenolkörpern keinen sehr bedeutenden Verlust an 
Desinfektionskraft der Sublimatkonzentration der wässerigen Phase, 
doch erscheint das Teilungsverhältnis immerhin hoch genug, um eine rasche 
Diffusion des Sublimates durch etwaige lipoide Zellhüllen erwarten zu 
lassen. 


3. Das Verhalten von Sublimat gegenüber Hefe. 

Die Versuche über das Verhalten von Sublimat gegenüber Mikro¬ 
organismen, als deren Vertreter Hefe genommen wurde, hatte die gleiche 
Anordnung, wie die Versuche mit Sublimat und Rinderserumkoagulum; 
nur wurde der Hefebrei zur Feststellung der chemisch gebundenen Queck¬ 
silbermenge, nachdem er die gewünschten Zeiten mit den verschieden 
konzentrierten Sublimatlösungen in Berührung war, nicht im fließenden 
Hochquellenwasser gewaschen, sondern in Dialysierhülsen gegen fließendes 
Hochquellenwasser 14 Tage dialysiert. Nach dieser Zeit konnte in der 
in den Dialysierhülsen über dem abgesetzten Brei befindlichen klaren 
Flüssigkeit kein Quecksilber mehr nachgewiesen werden. 

Das spezifische Gewicht und die Zusammensetzung der verwendeten Hefen 
ist in der Tabelle 8 dargestellL In der Asche wurde qualitativ Natrium, Kalzium, 
Magnesium, Chlor, Schwefelsäure und Phosphorsäure nachgewiesen, so daß die 
zur Ermittlung der Zusammensetzung des koagulierten Rinderserums dienende 
Berechnungsart auch hier angewendet werden konnte. Bei der Bestimmung des 


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54 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 

Tabelle 8. Versuche mit Hefe, 


Spezifisches Gewicht und Zusammensetzung der verwendeten Hefen. 



Symbol 

Versuchsreihe 

1 

II 

III 

»V 

Temperatur, bei der die Wägungen aus- 






geführt wurden. 


16® C 

13® G 

13" C 

15° G 


[ Spezifisches Gewicht der Hefe . . 

s k 

1,111 

1,086 

1,092 

1,080 

g 


Trockenhefe. 

' ”'th 

30,082 

26,055 

27,124 

24,376 

E 


Wasser. 

wiH,0 

69,918 73,945 

72,876 

75,624 


o <5: 

Organische Hefebestandteile 

m oh 

27,590 

24,324 

25,087 

21,365 

j£ 


Asche . 

m a 

2,492 

1.731 

2,037 

2,011 



Kochsalz. 

mXiKl 

0.022 

0,006 

0,015 

0,010 


n 

Wasserunlösliche Asche . . 

m u la 

2,4701 1,725 

2,022 

2,001 

■Zj 

Spezifisch. Gewicht der Trockenhefe 

s lh 

1,492| 1,435 

1,452 

1,436 

5 

^ C Vß 

Hefe. 

l'h 

90,01 

92,09 

, 91,59 

92,60 

o 

>gc 

Wässerige Kochsalzlösung . 

w H f O i NaC! 

09,92 

1 73.94 

! 72,88 

75,63 

E- 

’S SS 

Organische Hefebestandteile 


19,2081 16,534 17,988 

16,255 

ja 

P c 

Kochsalz. 

p NaCl 

0,010 0,003 

; 0,007 

0,005 


!«>•- 

Wasserunlösliche Asche . . 

// r 

0,882; 0,616 

0.722 

j 0,715 


spezifischen Gewichtes der Trockenhefe ergaben sich dieselben Schwierigkeiten, 
wie bei der Bestimmung des spezifischen Gewichtes des Trockenkoagulums. 
Daher mußte dieser Wert hier ebenfalls berechnet werden. Der höchste mit der 
Pyknometermethode ermittelte Wert war 1,412. Die bei der zweiten Berechnung 
erhaltenen Werte lauteten 1,492, 1,435, 1,452, 1,436, somit der mittlere Wert 
für das spez. Gewicht der Trockenhefe. 1,4538 ± 0,0267 (Var.-Koeff. — 1,83 %). 
Der mittlere Fehler der Einzelmessung betrug +. 0,0267, der mittlere Fehler 
des Mittelwertes ± 0,0134. 

Mit Hilfe des diesem Mittelwert entsprechenden Reduktionsfaktors K = 0,68 
wurden dann alle mit Messinggewichten ausgeführten Wägungen der Trocken - 
liefe auf den leeren Raum reduziert. Der Gehalt an Gewicht der organischen 
Hefebestandteilen in g/g ergab sich nach der Formel m oh = w**—m a , deren 
Volumen in ccm/g nach der Formel 


v oh = v h—[ v H,0 f NaCl + «»lo)- 

Das Gewicht der bei den einzelnen Versuchen eingewogenen Hefepartien 
wurde natürlich auch hier auf den leeren Raum reduziert. Die in der Tabelle 9 
angegebenen Werte sind die reduzierten Gewichte. 


Auch hier zeigte sich, daß Sublimat aus der Flotte verschwunden war. 
Die Übereinstimmung der aus dem gefundenen Quecksilbersulfid nach 
der Formel des Sublimates berechneten äquivalenten Chlormenge mit der 
analytisch gefundenen, ist eine ziemlich gleich gute wie bei den Versuchen 
mit Rinderserumkoagulum. 

Es betrug nämlich bei einem Sublimatgehalt in 10 ccm der Endflottr 


von Grammen 


das Mittel der Anzahl 

Abweichungen der Versuche 


0,09—0,10 0,00087 3 

0,10—0,20 0,00078 4 

0,20—0,30 0,00057 5 

0,30—0,50 0,00066 5 

über 0,50 0,00087 ' 3 


In der durch Dialyse gewaschenen Hefe wurde sowohl Quecksilber 
wie Chlor* gefunden. 


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THE OHIO STATE UNIVERSITY 










55 


Von Dr. Viklor Gegeubauvr. 

Die Bestimmungsmethoden für diese beiden Stoffe in der gewaschenen 
Hefe waren dieselben wie beim gewaschenen Rinderserumkoagulum; ebenso 
die Art der Berechnung des spezifischen Gewichtes der gewaschenen Hefe. Die 
gewaschene Hefe war ebenfalls praktisch aschefrei, so daß das Trockenhefegewicht 
dem Gewicht der organischen Bestandteile der Hefe entsprach. 

Die gefundene Chlormenge betrug bei 1-tägiger Dauer der Berührung 
von Hefe und Sublimatlösung 16,77—98,95%, bei 10-tägiger Berührung 
24,32—34,86% 1 ) jener Chlormenge, die nach der Formel des Sublimates 
dem gefundenen Quecksilber äquivalent war. Es war also auch bei der Hefe 
keine Bindung zwischen dem gefundenen Quecksilber und dem gefundenen 
Chlor anzunehmen. Im Durchschnitt war relativ (im Verhältnis zum ge¬ 
fundenen Quecksilber) mehr Chlor in der durch Dialyse gewaschenen Hefe 
vorhanden als im gewaschenen Rinderserumkoagulum. 

Auch bei der Hefe ergab sich, daß die Chlormenge, die dem chemisch gebun¬ 
denen Quecksilber entsprach, im wesentlichen nicht in die Flotte übergeht. 
Bei vollständigem Übertritt dieser Chlormenge in die Flotte müßte sich ungefähr 
eine zehnmal größerer Chlorüberschuß ergeben als analytisch gefunden wurde. 
Diese Berechnung wurde analog jener beim Rinderserumkoagulum durch¬ 
geführt. 

Die Ergebnisse dieser Versuche zeigten die auf 1 g organische Bestand¬ 
teile der durch Dialyse gewaschenen Hefe entfallende Quecksilbermenge 
als eine ziemlich konstante Größe, die keine sichtliche Abhängigkeit von 
der Konzentration der Endflotte aufwies (Tabelle 9, Stab 8). 

Der mittlere Wert des Quecksilbergehaltes der auf 100 g organische 
Bestandteile der durch Dialyse gewaschenen Hefe entfallende Quecksilber¬ 
menge betrug nach 1-tägiger Berührungsdauer von Hefe und Sublimat¬ 
lösung 

8,966 + 2,520% (Var.-Koeff. = 28,11%); 
nach 10-tägiger Berührungsdauer von Hefe und Sublimatlösung 
12,815 + 0,651% (Var.-Koeff. = 5,08%). 

Der mittlere Fehler der Einzelmessung betrug somit nach diesen beiden 
Berührungszeiten + 2,520 bzw. _+0,651, der mittlere Fehler des Mittel¬ 
wertes _+ 0,727 bzw. +_ 0,266, somit ziemlich ähnliche Werte wie bei der 
Bestimmung des Quecksilbergehaltes des gewaschenen Koagulums. 

Diese Tatsache beweist, daß auch hier das in der durch Dialyse ge¬ 
waschenen Hefe gefundene Quecksilber in der Form einer chemischen 
Verbindung vorhanden war. 

Zum Eingehen einer chemischen Verbindung mit den Schwermetall¬ 
salzen kommen unter den Stoffen, aus denen die Hefe besteht, in erster 
Linie natürlich die Eiweißkörper in Betracht; ferner dann eventuell vor¬ 
handene Abbauprodukte der Eiweißkörper und Extraktivstoffe. 

Nach den ziemlich gut übereinstimmenden Literaturangaben über die 
Zusammensetzung der Hefe besteht die organische Substanz derselben 
aus rd. 60% Protein (berechnet aus Stickstoff). 


1) In den einzelnen Versuchen lauteten diese Verhältniszahlen: bei 1-tägiger 
Berührung 16,77%, 37,27%, 25,01%, 19,18%, 71,02%, 92,88%, 98,95%, 63,45% ; 
bei 10-tägiger Berührung 24,23%, 28,58%, 37,06%, 30,19%, 34,89%, 28,51%. 


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50 


Studien über die ÜCMiifcktionswii kung des Sublimat 


Tabelle 9. Versuche mit liefe. 

Quecksilbergehalt der in der gewaschenen Hefe vorhandenen Protein-Queck- 
silberverbindung. Gewichtsverteilungsfaktor Hefeeiweiß-Wasser für Sublima!. 
A und B wie in Tabelle 3. 10 ccm der Sublimatstanunlösung gaben bei Ver¬ 
suchsreihe 1 0,5991 g llgS, bei Versuchsreihe II und III 0,4598 g HgS. 


1 

m 

TI 

4 

:» 1 ö 

Subli- 

inat- 

gehalt 

der 

Knd- 

flotte 

“.'„-/ccm 

8 

tu 

10 1 11 

12 1 

13 

Dauer <ler Perührunn 
von Hefe und Sublimat¬ 
lösung in Tagen 

Versuchsreihe 

Versuch-Nr. 

Gewicht 

der 

Here 

g 

Zum Ver¬ 
suche 
wurden 
ge¬ 
nommen 

ccm 

u 
. c 

C x t 

CO x 

~ X 

5« ^ 

gueck- 
silber- 
gehalt 
von 1 g 
organi¬ 
sche Be¬ 
stand¬ 
teile der 
dialysler- 
ten Hefe 

g 

Pro 

d 

ver- 

schwun 

dene 

Subli¬ 

mat¬ 

menge 

g 

1 g Eiweiß 
er Hefe 

auswaschbare 

Sublimat- 

menge 

A B 

Gewichls- 
verteilungs- 
faktor Hcfc- 
eiweiü- 
Wasser für 
Sublimat 

\ // 



5 

3,0248 

100 

5.150 


1.077 

0,8747 


ickw 



1 

3,9087 

100 

5,124 

0,1312 

1.124 

0,8288;0,9217 

16,17 j 

17,99 



(i 

4,3772 

75 25 

3.749 


1,905 

1,7027 


45,41 

I 

I 

•> 

9,3068 

75 25 

3,229 

0.09932 

1,172 

0.9480 0.9697 

29,351 

30,02 



3 

4,9768 

50 1 50 

2,418 

0.09914 

1.207 

0,9826 1,0047 

40,641 

um 



7 

8.0077 

60 60 

2.171 


0,9071 

0,7048 


32,47 



4 

4,6630 

25 75 

1,136 

0.1063 

0,7462 

0,5065 0.5439 

44,59! 

47,87 



8 

7 5832 

25'75 

1,012 


0.54:«* 

0,3416 


33,75 



5 

3,9248 

100 

5,098 

0,1319 

1.144 

0,8459 0,8549 

16,591 

16,77 

10 

1 

6 

4,3772 

76 26 

3,727 

0,1316 

1,916 

1.6200 1,6269 

43,46 

43,65 



7 

8,0077 

50 1 50 

2,113 

0,1320 

0,9450 

0,6472 0,6559 

30.63! 

31.04 



8 

7,5832 

25 | 75 

0.9489 

0.1293 

0,5861 

0,2944 0,2970 

31.03 

31,31 


11 

1 

13,1818 

100 

3,951 


0.5359 

jO,3336 


8.44 


111 

1 

13,7430 

100 

3.936 

0.08243 

0,5007 

<»,3148|0,2984 

8,00; 

7,58 


11 

la 

17.177<> 

100 

3.585 


0,5166 

0,3143 


8,77 


II 

2 

11.3950 

75 | 25 

3,052 


0,4292 

0,2269 


7.43 


111 

2 

14,0133 

75'25 

3,009 

0.06410 

0.3352 

0,19060.1329 

6,33 

4,42 


II 

2 a 

11.1563 

75 25 

2.997 


0.4783 

0.2769 


9,21 


II 

3 

8,7094 

60 40 

2,603 

0,1346 

0,3517 

0,04800,1494 

1,84. 

5,74 

1 

11 

3a 

10.8050 

60 40 

2,389 


0.4039 

0,2016 

\ 

8,44 


III 

3 

8,9635 

50 | 50 

2,075 

0.07 095 

0,3512 

0,191110.1489 

9,21 

7,18 


11 

4a 

10.6323 

50 50 

1.932 


0.3867 

0,1844 


9,55 


11 

4 

12.1117 

50 50 

1,851 

0,08575 

0,3768 

0,1833 0,1745 

9,90 

9,43 


III 

4 

10,4165 

40 60 

1.546 

005917 

O.3085, 

0,1752 0,1062 

11,33 

6,87 


II 

5a 

9.0477 

26 76 

0,9430 


0.2744 

' u »eg i 


5,53 


III 

5 

10,8258 

25 75 

0,9080 

0,07845 

0.2224 

0,0453 0,0201 

4.99 

2,21 


II 

5 

13,4631 

26 76 

0,8964 

0,06446 

0.1813 

0,0359 ! 

4,01 



11 

la 

17,4770 

100 

3,587 

0.1290 

0,5167 

0,22570,2276 

6,29 

6,35 


II 

2 a 

11,1563 

76 26 

2,930 

0,1151 

0,5145 

0,2549 0,2254 

8,70 

7,69 

10 < 

11 

3a 

10,8050 

60 40 

2.311 


0,444.7 

0,1554 


6,73 


11 

4a 

10,6323 

50 50 

1,914 


0.3070 

0,1079 


5.64 


11 

5a 

9.0477 

25 75 

0.9197 


0,2698 





Go 'gif 


Original from 

THE OHIO STATE UNiVERSITY 



Von Dr. Viktor Gegenbuuer. 


57 


Es bestellt nämlich Trockenhefe 


aus : 

nach den Angaben des 
Institutes fftr 

nach Vo 11 z und 
Baudrcxel *') 


Gärungsgewerbe *) 

Eiweiß .... 

■ • • 54% 

53,44% 

Asche. 

... 7 * 

7,04 » 

Fett . 

... 3 * 

3,12 » 

Wasser .... 

... 8 » 

6,87 * 

Extraktivstoffe . 

... 28 » 

28,09 » 


Aus diesen Zahlen berechnet sich der perzentuelle Gehalt der organischen 
Substanz an Eiweiß mit 63,53% bzw. 62,09%. 

Unter Zugrundelegung dieser Werte und der Annahme, daß die Bin¬ 
dung des gefundenen Quecksilbers nur an Eiweißkörper erfolgte, was wohl 
in erster Annäherung erlaubt ist, beträgt der mittlere Wert des Quecksilber¬ 
gehaltes der Hefeeiweiß-Quecksilberverbindung 
nach 1-tägiger Berührung von Hefe und Sublimatlösung 

14,940 + 4,200%; 

nach 10-tägiger Berührung von Hefe uhd Sublimatlösung 

21,355 + 1,085%, 

ergibt somit Werte, die im großen und ganzen als übereinstimmend mit den 
entsprechenden beim Rinderserumkoagulum bezeichnet werden müssen, 
besonders wenn man bedenkt, daß diese Zahlen eine mehr approximative 
Bedeutung haben, da ja einerseits nicht aller Stickstoff der Hefe, aus dem 
das Eiweiß berechnet wurde, Proteinstickstoff ist, und anderseits auch 
wahrscheinlich andere organische Substanzen, wenn auch in weitaus ge¬ 
ringerem Ausmaße, als die nativen Eiweißkörper. Verbindungen mit dem 
Quecksilber eingegangen waren. 

Die Berechnung der Verteilungsverhältnisse von Sublimat auf Hefe 
und Wasser wurde konform jener durchgeführt, die bei den Versuchen 
mit Rinderserumkoagulum angewendet worden war. Die Berechnung 
ist in Tabelle 9 dargestellt. In jenen Versuchen, in denen sowohl nach 
1-tägiger wie nach 10-tägiger Berührungsdauer Probeentnahmen erfolgten, 
betrug das bei der ersten Probeentnahme entnommene Flüssigkeitsvolumen 
20 ccm. 

Berechnete man den mittleren Wert des Gewichtsverteilungsfaktors 
bei den einzelnen Versuchsreihen, so ergab sich, daß derselbe bei den Ver¬ 
suchsreihen II und III ziemlich identisch war, bei der Versuchsreihe I 
aber nicht unwesentlich höher als bei den zwei anderen (Tabelle 10). 

Im übrigen läßt sich das Resultat dieser Versuche dahin zusammen¬ 
fassen, daß der Gewichtsverteilungsfaktor Hefeeiweiß-Wasser für Sublimat 
einen hinreichend konstanten Wert ergibt und keine Abhängigkeit von der 
Konzentration der Endflotte aufw r eist, wie eine Durchsicht der Stäbe 12 
und 13 der Tabelle 9 zeigt. Daher kann man annehmen, daß das in die Hefe 
übergegangene auswaschbare Sublimat sich in dem letzteren in Form einer 
echten Lösung befindet, und zwar in demselben Molekül-Aggregatzustand 
wie im Wasser. 

Die Differenz in der Größe der bei den einzelnen Versuchsreihen er¬ 
mittelten Werte für den Gewichtsverteilungsfaktor Hefeeiweiß-Wasser 


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58 Studien über die D.sinleklionsvvirkung des Sublimates. 

Tabelle 10. Versuche mit Hefe. 

Mittlerer Wert, Variationskoeffizient, mittlerer Fehler der Einzelmessung und 
des Mittelwertes des Gewichtsverteilungsfaktors Hefeeiweiß-Wasser für Sub¬ 
limat in den einzelnen Versuchsreihen. A und B wie in Tabelle 3. 


Versuchsreihe j| 

* 1 

B 

Anzahl 

derVemuche 

Gewichtsverteilungsfaktor 

Anzahl 

derVersuche 

Gewichtsverteilungsfaktor 

Mittlerer Wert 

Variatt- 

onskoefTi- 

zient 

Mittlerer Fehler 

Mittlerer Wert 

Variati- 

ooskoeffi 

zient 

Mittlerer Fehler 

d Einzel- 
messung 

d Mittel¬ 
wertes 

d. Einzel¬ 
messung 

d. Mittel¬ 
wertes 

I 

6 

36,638 db 7,048 

19,23% 

± 7,048 

± 2,877 

9 

37,340 ±6,259 

16,76% 

±6,259 

±2,086 

u 

5 

0,148 ± 3,307 

53,79% 

±3,307 

± 1,479 

13 

7,611 ± 1,485 

19,60% 

±1,485 

±0,412 

UI 

5 

7,972 -fc 3,582 

44,92% 

±3,582 

±1,603 

6 

5,652 ± 2J091 

37,00% 

±2,091 

± 0,935 


Bei der Versuchsreihe Nr. I wurde von den Versuchen 1 und 5. die offenbar 
zu niedrige Werte ergaben, adgesehen. 


dürfte möglicherweise auf dem verschiedenen Alter der verwendeten Hefe¬ 
zellen beruhen. Die Hefezellen der Versuchsreihe I, bei der die höchsten 
Werte für den Gewichtsverteilungsfaktor gefunden wurden, zeigten äußerst 
zahlreiche TeilungsVorgänge. Man kann sich nun vorstellen, daß die jungen 
Hefezellen ein größeres Sublimatlösungsvermögen besitzen als die älteren. 

Die Versuche mit Quecksilbercyanid ergaben für den Gewichts vertei- 
lungsfaktor einen sehr konstanten Wert, deren mittlerer Wert 
1,806 + 0,262 (Var.-Koeff. = 14,56%) 
lautet, so daß man auch hier das Bestehen einer echten Lösung annehmen 
muß. Der mittlere Fehler der Einzelmessung betrug ± 0,262, der mittlere 
Fehler des Mittelwertes +^0,131. Eine Protein-Quecksilberverbindung 
war innerhalb der 10-tägigen Berührungszeit nicht entstanden. 

Es wurden vier Versuche mit der Hefe der Versuchsreihe IV angestellt. 
Gewicht der Hefen betrug 7,3321, 5,9357, 3,9933, 2,6460, die Mengen der zuge¬ 
setzten Quecksilbercyanidstammlösung (10 ccm = 0,5360 g HgS) 100, 75, 50, 
25 ccm. Die Flottenmenge betrug in jedem Versuche 100 ccm. Der Quecksilber¬ 
cyanidgehalt der Endflotte belief sich in Prozent g/ccm auf 5,443, 4,120, 2,800, 
1,416, somit die pro lg Hefeeiweiß verschwundene Quecksilbercyanidmenge 
0,0798, 0,0789, 0,0488, 0,0295 und der Gewichtsverteilungsfaktor 1,467, 1,914, 
1,744, 2,082. 

Die Verbuche mit der Hefe ergaben somit, wie aus den früheren Ver¬ 
suchen zu erwarten war, daß auch hier zwei Prozesse stattfinden, indem es 
einerseits zur Bildung von Quecksilber- und Salzsäure Verbindungen 
mit dem Hefe ei weiß kommt, anderseits sich das Sublimat zwischen 
Hefe und Wasser nach einem konstanten Faktor verteilt, also eine echte 
Lösungsverteilung eintritt, wobei das Molekulargewicht des verteilten 
Stoffes in beiden Phasen dasselbe ist. Bezüglich der Reihenfolge dieser 
Prozesse muß wohl angenommen werden, daß das Primäre die Verteilung 
des Sublimates nach konstantem Faktor ist, und daß dann sekundär die 
für die Bindung notwendige Sublimatmenge aus dem im Eiweiß gelösten 
Sublimat genommen wird. Natürlich muß dann in dem Verhältnis, in dem 


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Von Dr. Viktor Gegenbauer. 59 

das zur Bindung notwendige Salz die Lösungsbeziehung verläßt, ‘entspre¬ 
chend dem Verteilungsfaktor Sublimat aus der Flotte in das Eiweiß über¬ 
gehen. 

Zu dieser Auffassung stehen die Schlußfolgerungen, die Herzog und 
Betzel 81 ) aus ihren Versuchen mit Hefe und Sublimat ziehen, im Wider¬ 
spruch. Diese beiden Autoren vertreten bekanntlich die Ansicht, daß 
Sublimat von Hefe zunächst in Form eines reversiblen Adsorptionsprozesses 
aufgenommen wird. Sie bestimmten in ihren Versuchen nur den Sublimat¬ 
gehalt der Ausgangs- und Endflotte nach der Titrationsmethode von Ru pp, 
unterließen es somit, sich über die Frage des Bestehens chemischer Verbin¬ 
dungen zwischen dem aus der Flotte verschwundenen Sublimat bzw. dessen 
Atomen und dem Eiweiß der Hefe durch Analyse der gewaschenen Hefe zu 
orientieren* Die Berührungsdauer von Hefe und Sublimatlösung ist in 
der Arbeit nicht angegeben. Nehmen wir auch an, daß dieselbe ganz kurz¬ 
fristig war — etwa % Stunde — so waren doch sicherlich bereits schon 
Quecksilber- und Salzsäureverbindungen mit dem Eiweiß der Hefe ent¬ 
standen, wie man aus der guten Übereinstimmung der vorliegenden Hefe- 
und Rinderserumkoagulumversuche schließen kann. Bei letzteren wurde 
bei so kurzfristigen Berührungszeiten schon das Bestreben der Protein¬ 
quecksilberverbindungen festgestellt. 

Herzog und Betzel nehmen die ganze aus der Flotte verschwundene 
Sublimatmenge als adsorbiert an und berechnen nach diesem Gesichtspunkt 
ihre Versuche, was aber nach den Resultaten der vorliegenden Untersuchun¬ 
gen als nicht mehr zutreffend bezeichnet werden muß. Damit wird natür¬ 
lich auch die Annahme, die diese beiden Autoren über die physikalischen 
Beziehungen zwischen Hefe und Sublimat machen, hinfällig. 

Eine nachträgliche Berechnung ihrer Versuche unter Zugrundelegung 
der hier erhobenen Werte über die Bindungsgröße der Quecksilberverbin¬ 
dung, läßt sich nicht durchführen, da die Berührungsdauer nicht bekannt ist. 

III. Desinfektionsversuche mit Sublimat. 

Die folgenden Desinfektionsversuche sollten die in der Literatur 
vorhandenen Angaben über die Desinfektionskraft des Sublimates 
namentlich bezüglich der noch weniger bearbeiteten Frage der Desinftk- 
tionswirkung gegenüber vegetativen Formen (Staphylokokken) ergänzen. 
Die Versuche werden teils genau nach der Methodik Ottolenghis, teils 
nach einer bereits an anderer Stelle 10 ) beschriebenen eigenen Versuchs¬ 
anordnung ausgeführt. Bei letzterer werden die Testkeime vor dem Über¬ 
tragen in das Nährmedium zentrifugiert und durch Dekantation gewaschen, 
um die anhaftenden Sublimatspuren und wenigstens den Großteil der 
absorbierten Sublimatmenge zu entfernen. 

Zur Bereitung der Suspensionen wurden beimpfte Schrägagarröhrchen bei 
Milzbrand 14 Tage, bei Staphylokokken 2 Tage im Brutschrank belassen, her¬ 
nach die Rasen jedes Röhrchens mit 4 ccm sterilen destillierten Wassers ab¬ 
gespült, die erhaltenen Suspensionen durch sterile Leinwandfilter in dickwandige 
mit sterilen Glasperlen versehenen Glasflaschen filtriert. Hierauf wurden die 
Flaschen mit sterilisierten Korkstopfen verschlossen und 5 Minuten geschüttelt. 
Die Milzbrandsporensuspensionen wurden außerdem V 2 Stunde bei 65° C pasteu- 


e 



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(JO »Studien über die D« sinfektionswirkung des Sublimates. 

risiert. Für jede Überimpfungszeit wurden 10 eem Suspension in sterile* Röhr¬ 
chen abgefüllt und die gleiche Menge des doppelt konzentrierten Desinfektions¬ 
mittels zugesetzt und sodann die Röhrchen in einen auf 20°—22° C eingestellten 
Vegetationsschrank aufbewahrt. Aus diesen Röhrchen wurde zu bestimmten 
Zeiten je 1 ccm des Gemisches Suspension-Desinfektionsmittel entnommen. 
Die weitere Behandlung dieses Gemisches war verschieden. Bei den Versuchen 
nach der Methodik Ottolenghis wurde dasselbe in Röhrchen mit 10 ccm Bouillon 
übertragen, sodann zu den Röhrchen wässrige »Schwefelwasserstofflösung und 
nach Ablauf von V 4 Stunde 10 ccm pasteurisiertes Rinderblutserum zugesetzt 
und diese Proben 14 Tage lang im Brutschrank kultiviert. Die zugesetzte Menge 
der Schwefelwasserstofflösung war verschieden je nach dem »Sublimatgehalt 
des überimpften Gemisches. Lag derselbe zwischen 0,01 und 0,5%, so wurden 

1 ccm, bei höheren Konzentrationen 2 ccm einer frisch bereiteten n/5 Schwefel- 
wasserstofflösung, deren Schwefelwasserstoffgeh alt durch Titration mit n/ 10 
Jodlösung kontrolliert war, hinzugefügt. Behufs Neutralisation der durch den 
Zusatz des Schwefelwasserstoffs aus dem mitübertragenen Sublimat entstehen¬ 
den Salzsäure (HgCl 2 -f SH 2 = HgS - 4 - 2 HCl) war den Bouillonröhrchen sterili¬ 
sierte Krystallsodalösung zugesetzt worden. Die Menge der zugesetzten Krystall- 
sodalösung wurde natürlich entsprechend der mitübertragenen Sublimatmenge 
abgestuft. Es wurden bei der Übertragung von 1 ccm eines Gemisches, das eine 
3-proz. Sublimatlösung darstellte, 3 ccm einer t-proz. Krystallsodalösung, bei der 
Übertragung von 1 ccm eines Gemisches, das eine 2-proz. Sublimatlösung darstellte, 

2 ccm einer 1-proz. Krystallsodalösung usw. angewendet. 

Bei den Versuchen mit Zentrifugieren und Waschen der Keime wurde der 
eine ccm des Gemisches Suspension-Desinfektionsmittel in ein Zentrifugenglas 
übertragen, 50 ccm steriles destilliertes Wasser zugesetzt und K Stunde 
zentrifugiert. Hernach wurde das über den abzentrifugierten Keimen befindliche 
Wasser in raschen Gusse entfernt, nochmals 50 ccm steriles destilliertes Wasser 
zugesetzt und wieder Stunde zentrifugiert. Das Zentrifugieren wurde gewöhn¬ 
lich noch ein drittesmal wiederholt. Nur bei den Versuchen mit kurzfristiger 
Desinfektionszeit (5 Minuten bis 2 Stunden) begnügte man sich mit einem ein¬ 
maligen Zentrifugieren. Die nach dem letzten Zentrifugieren und Abgießen dt s 
Dekantationswassers im Zentrifugenglas verbliebenen Keime wurden in 1 ccm 
Wasser suspendiert und in raschem Gusse in ein Röhrchen mit einem Gemisch 
von 10 ccm Bouillon und 10 ccm pasteurisiertem Rinderserum übergeleert und 
die Proben 14 Tage im Brutschrank bebrütet. Das Zentrifugieren erfolgte auf 
einer elektrischen Zentrifuge. Zur Feststellung der durch diese Versuchsanordnung 
schließlich in das Kulturmedium überimpften Keimmenge wurde bei jedem Ver¬ 
suche Vo ccm der Suspension (entsprechend 1 ccm des Gemisches) in derselben 
Weise wie das Gemisch Suspension-Desinfektionsmittel behandelt und die Menge 
der in das Nährmedium übertragenen Keime bestimmt. 

Am 2., 4., 8. und 14. Tage wurde von jeder im Brutschrank befindlichen 
Kulturprobe eine Normalöse auf Agar ausgestrichen. Bei Milzbrand wurde das 
Wachstum an dem Aufgehen typischer Milzbrandkolonien konstatiert, bei den 
Staphylokokken durch die mikroskopische Untersuchung des aufgegangenen 
Rasens mittels eines Grammpräparates. In der überwiegenden Mehrzahl der 
Fälle wurde Wachstum *am 2. und 4. Tage beobachtet, im Rest am 8. Tage; am 
14. Tage niemals. 

Die Keimzahl der verwendeten Suspension und bei den Versuchen mit Zentri¬ 
fugieren die schließlich übertragene Keiminenge wurde durch Einsaat von 1 ccm 
einer 10 5 -, 10 s -, 10 7 -fachen Verdünnung der Suspension bzw, in letzterem 
Falle der in einein ccm suspendierten Menge der abzentrifugierten Keime in flüssi¬ 
gen Agar von 42° C, Ausgießen desselben in Petrischalen und Zählen der aufge¬ 
gangenen Keime nach 18-stündiger Bebrütung bestimmt. Die Dampfresistenz 
der verwendeten Milzbrandsporen wurde in üblicher Weise mit Sporenseidenfäden 
im Ohlmüllerschen Apparate festgestellt. Die Kultur wurde sowohl in Bouillon, 
wie gemäß der Angaben von Süpfle und Dengler 52 ) in 3-proz. Traubenzucker¬ 
bouillon mit 5% Pferdeserumzusatz vorgenommen. 

Die Phenolresistenz der verwendeten Staphylokokken wurde in jedem Ver¬ 
suche durch einen Desinfektionsversuch nach der Suspensionsmethode ermittelt. 


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Von Dr. Viktor Gfgenbawr. 


61 




Von dem Gemisch Suspension-Desinfektionsmittel wurden nach den gewünschten 
Einwirkungszeiten eine Öse in das Kulturmedium übertragen, das hier ebenfalls 
nach Süpfle und Dengler 3-proz. Traubenzuckerbouillon war. Die bei diesen 
Desinfektionsversuchen mit Phenol übertragene Keimzahl wurde aus der Keim¬ 
zahl der Suspension und aus dem festgestellten Gewicht der durch die Öse über¬ 
tragenen Menge des Gemisches Suspension-Desinfektionsmittel berechnet. Dir* 
Bestimmung dieses Gewichtes erfolgte in der Weise, daß das Gewicht eines Ge¬ 
fäßes, in dem sich dieses Gemisch befand, vor und nach der Herausnahme von 
je 10 Ösen bestimmt wurde. 

Der Sublimatgehalt der verwendeten Desinfektionslösungen wurde durch 
die gravimetrische Bestimmung des Quecksilbers als Sulfid, der Phenolgehall 
mittels der Koppescharschen Titrationsmethode bestimmt. 

Die Konzentrationsangaben sind als Gramme in 100 ccm Desinfektions¬ 
lösung zu verstehen. 

Die hier beschriebene Methodik erfuhr bei den Versuchen mit Milzbrand - 
sporen insoferne eine Abänderung, als bei diesen als Nährmedium Albumin- 
bouillon (0,1g Albumin auf 10 ccm Bouillon) genommen wurde. 

Die verwendete Bouillon war nach der gegenwärtig im hygienischen Institute 
üblichen Bereitungsweise — Ersetzen des Fleisches durch Plazenta — hergestoll I 
worden. 

Mit sechs verschiedenen Suspensionen wurden die Versuche von Süpfle 
und Dengler bezüglich der Resistenz der Staphylokokken gegenüber 1-proz. 
Phenollösüng nachgeprüft und eine vollständige Bestätigung ihrer Angaben ge¬ 
funden. Bei einem dieser Versuche wurde die Lebensdauer der verwendeten 
Staphylokokken in der Suspension bestimmt. Nach 70 Tagen ergaben die Keime 
hei f Ibertragung in 3-proz. Traubenzuckerbouillon noch Wachstum, nach 80 Tagen 
kein Wachstum mehr. 


1. Versuche nach der Methodik Ottolenghis. 

* Der erste Versuch dieser Methodik stellte eine Ergänzung der seiner¬ 
zeit von mir ausgeführten dar 10 ). Damals wurde gefunden, daß bei Verwen¬ 
dung von Albuminbouillon als Kulturmedium noch nach 100-tägiger Ein¬ 
wirkung von 0,01—1,00-proz. Sublimatlösungen auf Milzbrandsporen 
sich Wachstum feststellen ließ. Erst 2-proz. Sublimatlösungcn bewirkten 
in derselben Zeit Abtötung. Da der Versuch nach 100 Tagen abgeschlossen 
w r urde, war die t obere Grenze der Anwachsungszeit und niederste sichere 

Tabelle 11. Versuche nach der Methodik Ottolenghig* 

Wirkung von Sublimat auf Milzbrandsporen. Dampfresistenz der Milzbrand¬ 
sporen: 3 Minuten (Bouillon), 5 Minuten (3°/o Traubenzuckerbouillon mit 5% 
Pferdeserum). Überimpfte Keimzahl: 2,4 Millionen. Temperatur: 20° C. 



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III II 1 

1 1 

ii ii 

1 


1 

1 

.... -- 

1 

1 1 

iii ii 

1 1 1 


1 1 

INI 1 1 1 1 

1 1 1 

1 1 

1 

1 1 

1 1 1 1 1 1 1 1 

INI 

1 

INI 1 

1 


+ 1 

I-H+ 1 14 t 

1 1 14 1 1 

1 1 1 

INI 

1 

1 1 1 

44 

1 14 4444 

114 1 ! 

1 144 

1 144 1 1 


II II 

+4- 

44 44 

44 

44 

44 1 1 

1 

1 1 1 

44 

+ "+“+ 

+ 

44 

44 

1 

1 




4 




1 I 

III 1 II 1 

| 4_ J | 

1 1- 1- 

1 1 1 

1 1 1 

II i II 

i—n 

Irl 1 III. 

1 III 

I I 1 

Till 

1 1 1 

II I II 




4 

+ + 

1 

III 1 




4 


1 

1 




44 

4 

1 1 

III III 





4 

4 

1 


4+ 4 

4 4H 

h+ + 

+ +4 

-414 1 

114 1 1 1 1 1 1 





4 

" 44 

14 1 1 1 1 




444 

4 

144 

144 MINI 



4 


4 

++ I 

14 141 1 1 


4 







444 1 

14 






4 

14 


0,250 


000‘I 

<N 

1 

3,000' 



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I 


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G4 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 

Abtötungszeit nicht bestimmt worden. Der vorliegende Versuch ergab nun 
eine sichere Abtötung in dem Konzentrationsbereich von 3,00—0,05% 
nach 100 Tagen, so daß man mit Berücksichtigung des früheren Versuches 
sagen kann, daß die niederste sichere Abtötungszeit für diese Konzentratio¬ 
nen 105 Tage ist. Sublimatlösungen von einer Konzentration von 0,01% 
töteten erst nach 115 Tagen (Tabelle 11)., Die Versuche mit Staphylo¬ 
kokken (Tabelle 12) ergaben bei niederen Konzentrationen (unter 0,1% 
HgCl 2 ) eine höhere .Resistenz dieser Keime, als nach den Versuchsergeh¬ 
nissen jener Autoren zu erwarten war, die nach derselben Methodik arbei¬ 
teten. Bei den höheren Konzentrationen übertreffen die Versuchsresultate 
Ottolenghis bei 2,712% die vorliegenden Feststellungen bezüglich der 
Abtötungszeit. Im Gegensatz zu den Versuchen mit Milzbrandsporen 
ist hier eine deutliche Abhängigkeit der Abtötungszeiten von der Kon¬ 
zentration vorhanden, wie aus der Tabelle 13, die nur die höchsten bei den 
einzelnen Konzentrationen erhaltenen Werte berücksichtigt, zu ersehen ist. 


Tabelle 13. Versuche nach der Methodik Ottolenghis« 

Wirkung von Sublimat auf Staphylokokken. Niederste sichere Abtötungszeit und 
höchste Anwachsungszeit nach Literaturangaben und nach eigenen Versuchen. 


Stunden 

Tage J 

3 4 

• 

7 

8 

87, !• 

2J 

2 3 4 

5 0 8 

10 

12 


MgCl 2 % 


nach 


0.01 

0,0135<i | 

0 025 

0.027 | 

0,05 

0,10 

0,135(5 | 
0,25 


0,50 


! ■ i 

! +' - 

0,54 1 


; | , 


1 


' i 

+ 1 

1,00 { 



i 


1,356 


1 ■ 

i 


2,00 




i 

2,712 | 

1 


}- , 


3,000 

+ 

. 




eigene Versuche 
Ottolenghi 
Croner u. Naumann 
eigene Versuche 
Ottolenghi 
Croner u. Naumann 
eigene Versuche 
eigene Versuche 
Ottolenghi 
Croner u. Naumann 
eigene Versuche 
eigene Versuche 
Ottolenghi 
Croner u. Naumann 
Steiger und Döll 
eigene Versuche 
Croner u. Naumann 
eigene Versuche 
Ottolenghi 
Croner u. Naumann 
eigene Versiehe 


2. Versuche mit Waschen der Keime. 

Diese Versuche wurden nur mit Staphylokokken als Testmaterial 
ausgeführt. 

Zunächst wurde zur Ermittlung eines geeigneten Nährbodens für die 
Nachkultur ein Entvvicklungshemmungsversuch angestellt. Derselbe er- 


Gougle 


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Von Dr. Viktor Gegenbauer. 


65 


gab wie bei den Entwicklungshemmungsversuchen mit Milzbrandsporen 
die Überlegenheit des Serums und der Serumbouillon über die gewöhnliche 
Bouillon. Das Wachstum konnte in allen Fällen schon nach 2—4tägiger 
Bebrütung konstatiert werden. 

Als sicher entwicklungshemmend bei Brutschranktemperatur und 
14-tägiger Bcobachtungszeit erwiesen sich: 

für Staphylokokken für Milzbrandsporen 
(vorliegenderVersnob) IJt. Nr. 10 


in 

Bouillon die Konzentration .... 

1:20000 

1: 8000 


Agar » » ... 

. 

1:10000 


Serumbouillon die Konzentration 

1: 8000 

1: 4000 


Serumagar » » 


1: 2000 

» 

Blutserum » » 

1: 8000 

1: 2000 

i» 

Albuminbouillon » * 


1: 6000 


Staphylokokken waren also etwas weniger widerstandsfähig gegen 
entwicklungshemmende Einflüsse als Milzbrandsporen, allerdings nicht in 
dem Maße wie nach den Versuchen von Fermi 58 ), der als sicher entwick¬ 
lungshemmend für diese Keime bei Verwendung von Glyzerinagar schon 
die Konzentration 1:510000 fand, zu erwarten war. 

Nach den Resultaten dieser Untersuchungen wurde dann für die vor¬ 
liegenden Versuche Serumbouillon als Nährmedium genommen. 

Die Ergebnisse dieser Versuche, die in Tabelle 14 dargestellt sind, 
übertreffen bezüglich der festgestellten höchsten Anwachsungszeiten weit¬ 
aus jene der älteren Autoren, die ebenfalls die desinfizierten Keime vor der 
Übertragung in das Nährmedium wuschen. 

Wachstum wurde nämlich noch erzielt: 
nach 1-stündiger Einwirkungsdauer einer 2,00-proz., 

» 2-stttndiger » * 1,00-proz., 0,50-proz., 0,25-pro/.., 

0,10-proz., 0,05-proz., 

» 12-stündiger » » 0,01-proz. Sublimatlösung 

auf Staphylokokken. 

Die überimpfte Keimzahl war im Vergleich zu den früheren Versuchen 
gering (3,2 bis 6,4 Millionen). 


IV. Die Bewertung der Deeinfektioneversuche mit Sublimat. 

Wie in der Einleitung ausgeführt wurde, ist gegen die Anwendung 
von Schwefelwasserstoff bzw. Sulfiden zur Nachbehandlung bei Desinfek¬ 
tionsversuchen mit Sublimat der Einwand erhoben worden, daß durch 
diese Methodik eine wenigstens für einen Teil der in der Praxis vorkommen¬ 
den Fälle irreversible Zustandsänderung reversibel gemacht werde. Da 
nun die im zweiten Abschnitte besprochenen Versuche gezeigt hatten, 
daß bei der Einwirkung von Sublimat auf Mikroorganismen Quecksilber¬ 
verbindungen mit den Stoffen der Keime, namentlich mit den Proteinen 
entstehen, so ergab sich, daß tatsächlich dieser Einwand zu Recht besteht, 
falls eben diese Verbindung durch Schwefelwasserstoff bzw. Sulfide ge¬ 
sprengt werden kann. 

Archiv für Hygiene. Bd. 90. 5 


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66 


Studien Ober die Desinfektionswirkung des Sublimates. 


Tabelle 14. Versuche mit Waschen der Keime. 


Wirkung von Sublimat auf Staphylokokken. Ein- bis dreimaliges Zentrifugieren 
und Dekantieren. Temperatur: 20® C. 

. . ^ ~ Versuch 


Keimzahl von 1 ccm des Gemisches Suspension-Des¬ 
infektionsmittel . 

In den Nährboden Uberimpfte Keimzahl . 

Resistenz der r Höchste Anwachsungszeit 


Resistenz der 
Stapbylokokken- 
gegen 1-prozentige 
PhenollOsung 


f Höchste Anwachsungszeit . . 
< Niederste sichere Abtötungszeit 
l Überimpfte Keimzahl . . . . 


Nr. 1 . 
400 
38 
40 
60 
3.2 


400 800 Mill. 
40 75 Mill. 

60 80 Min. 

80 100 Min. 
3,2 6,4 Mill. 



Letztere Annahme erschien von vornherein als gegeben, wurde aber 
außerdem noch durch die folgende Versuchsreihe gestützt, durch die auch 
gleichzeitig bewiesen werden sollte, daß das nach dem Verteilungsfaktor 
übergegangene Sublimat durch Schwefelwasserstoff ausgefällt wird. 

In den Einzelversuchen 3 und 6 der Versuchsreihe VI bestand die 
eingewogene Koagulummenge aus je zwei Teilstücken. Die Summe der 
Gewichte dieser beiden Stücke ergab das in Tabelle 3 angegebene Gewicht 
der eingewogenen Koagulummenge. Nach 24-stündiger Berührung der 
Koagulumstückchen mit der Sublimatlösung wurde der Quecksilbergehalt 
der Flotte bestimmt und daraus dife in das Eiweiß der beiden Koagulum¬ 
stückchen übergegangene Sublimatmenge berechnet. Nun wurde je ein 
Koagulumstückchen jedes Einzelversuches in fließendem Hochquellenwasser 
solange gewaschen, bis es mit 50 ccm Wasser yersetzt auch nach 12-stün- 
diger Berührung kein Quecksilber mehr abgab und dann dessen Wasser- 
und Quecksilbergehalt bestimmt. Die zweiten Stücke jedes Einzelversuches 
wurden nach dem Herausnehmen aus der Sublimatlösung gewogen, um 
die imbibierte und anhaftende Flotte zu bestimmen, dann in Wasser ge¬ 
geben und in dieses Schwefelwasserstoffgas eingeleitet. Nach 24-stündigem 
Verweilen in Schwefelwasserstoffwasser wurden die inzwischen schwarz 
gewordenen Stücke herausgenommen und durchgeschnitten. Die Schnitt- 


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Von Dr. Viktor Gegcnbauer. 


67 


fläche war durchgehends schwarz. Hernach wurden die Stücke 8 Tage 
in fließendem Hochquellenwasser gewaschen und der Quecksilbergehalt 
der gewaschenen Stücke bestimmt. Die Berechnung dieser Versuche er¬ 
folgte analog der in Tabelle 2 dargestellten. 

Die in diesen beiden Koagulumstückchen gefundenen Quecksilber¬ 
mengen zeigten eine leidlich gute Übereinstimmung mit jenen, die sich 
nach der Berechnung als die Summe der in das Eiweiß des Koagulums über¬ 
gegangenen und der in der imbibierten und anhaftenden Flotte enthaltenen 
ergaben. Wie bereits früher erwähnt, sind Abweichungen von der Größe 
der vorliegenden (3,14 bis 2,18%) durch unvermeidliche Beobachtungsfehler 
hinreichend erklärt (Tabelle 15). 

Tabelle 15. Versuche mit feuchtem Rinderserumkoagulum. 

Quecksilbergehalt von Koagulumstückchen, die nach 24-stündiger Berüh¬ 
rung mit verschieden konzentrierten Sublimatlösungen auf 24 Stunden in schwe- 
felwasserstoffhältiges Wasser gebracht und dann 8 Tage in fließendem Hoch¬ 
quellenwasser gewaschen wurden. 


Verbuch Mei lu- 

Versuch Nr. 

Gewicht des 

Im Koagulum imbibierte 
und an ihm anhaft. Flotte 


Perzent. Abweich, j 
zwischen dem ge¬ 
fundenen u.berech- 
Quecksilbergehalt 1 

I (A 

B 3 

*3 

8 

A 1 i A • c/3 

, O Cfl 1 £ bc 

i.*E hsa *b 

C 3 ÖCfi • 

= 2= *2sh 
'aösS 

'35 ***- 

6 8 

1 Vo- 

Gewicht 1|lmen 

g ccm 

Queck- 

sllber- 

gehalt 

8 

gefunden | b *^' 

1 

3 

9,8950 

10,5500 1 0,3814 

9,3110' 9,256 

0,0598 

0,3288 1 0,3394 

3,14 

VI 









0 

22,2717 

23,7450 1,0780 

20,9023 20,71 

0.1946 

0,9293 | 0,9502 

2,18 


Das Resultat dieser Versuche zeigte daher, daß die nach dem Vertei¬ 
lungsfaktor in das Eiweiß des Koagulums übergegangene Sublimatmenge 
als unlösliches Quecksilbersulfid ausgefällt worden war. Denn wäre es 
nur zur Ausfällung des in der imbibierten und anhaftenden Flotte enthal¬ 
tenen Sublimates gekommen, aber nicht des im Eiweiß gelösten, so hätte 
letzteres bei dem nachfolgenden Waschen entfernt werden müssen, was eine 
bedeutende Differenz zwischen dem gefundenen und berechneten Queck¬ 
silbergehalt ergeben hätte, wie folgende Zusammenstellung zeigt: 


Versuchs* 

reihe 

Versuch 

Nr. 

Quecksilber¬ 
gehalt der im¬ 
bibierten und 
anhaftenden 
Flotte 

An das Eiweiß 
des Koagulums 
gebund. Queck¬ 
silbermenge 

Summe 

Gefundene 

Quecksllbcr- 

menge 

V. ( 

3 

8 

0,0598 

g 

0,1193 

8 

0,1791 

8 

0,3288 

l 

6 

0,1946 

0,3314 

0,5260 

0,9293 


1) Dieser Wert ist die Summe der in das Eiweiß übergegangenen und der 
in der imbibierten und anhaftenden Flotte enthaltenen Quecksilbermenge. 

5* 


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68 


Studien über die Desinfektions Wirkung des Sublimates. 


Die Abweichung der beiden Werte hätte in diesem Falle 45,53% bzw\ 
43,40% betragen. Wie aus den Versuchen hervorgeht, wird das ausgefällte 
Quecksilbersulfid nicht ausgewaschen, sondern offenbar in den Maschen 
des Koagulums zurückgehalten. 

Über die Beziehungen zwischen Schwefelwasserstoff und dem an das 
Eiweiß des Koagulums gebundenen Quecksilber war aus den vorherigen 
Versuchen nichts zu schließen. Zur Klarstellung dieser Frage wurden 
die zwei folgenden Versuche angestellt. 

Bei Versuchsreihe Va wurden die KöagulumstUckchen, die nach 
24-stündiger Berührung mit verschieden konzentrierten Sublimatlösungen 
in fließendem Hochquellenwasser solange gewaschen wurden, bis sie mit 
50 ccm Wasser versetzt an dieses auch nach 12-stündiger Berührung kein 
Quecksilber mehr abgaben, in zwei Partien geteilt. In der ersten Partie 
wurde der Wasser- und Quecksilbergehalt bestimmt. Die zweite Partie 
wurde in Wasser gegeben und in dieses Schwefelwasserstoffgas eingeleittt. 
Allmählich wurden die Stücke schwarz. Nach 24-stündigem Verweilen 
in dem schwefelwasserstoffhältigen Wasser nahm man die Stücke heraus 
und durchschnitt sie, wobei sich zeigte, daß die Schnittfläche durchgehend« 
schwarz war. Die Stücke wurden dann 8 Tage in fließendem Hochquellen- 
wasBer gewaschen und der Quecksilber- und Wassergehalt der gewaschenen 
Stücke bestimmt. 

Das Schwarzwerden der Stücke der zweiten Partie, das beim Liegen 
in schwefelwasserstoffhaltigem Wasser eintrat, läßt sich wohl nur so deuten, 
daß der Schwefelwasserstoff die Verbindung Protein-Quecksilber sprengt 
und unlösliches Quecksilbersulfid sich ausscheidet, das dann, wie aus der 
weitgehenden Übereinstimmung der auf 1 g Eiweiß des gewaschenen 
Koagulums entfallenden Quecksilbermengen beider Partien hervorgeht, 
ebensowenig aus den Maschen des Koagulums sich auswaschen läßt, wie 
das Quecksilbersulfid, das aus dem in der imbibierten und anhaftenden 
Flotte enthaltenen und dem im Eiweiß gelösten Sublimat ausgefällt wurde 
(Tabelle 16). 

Zu den gleichen Ergebnissen führten die Versuche mit Hefe. 

Da also anzunehmen ist, daß durch die Einwirkung von Schwefel¬ 
wasserstoff bzw. Sulfiden Verbindungen zwischen dem Quecksilber und 
bestimmten Leibessubstanzen der Keime unter Bildung unlöslichen Queck¬ 
silbersulfides gesprengt werden, so sind entsprechend der Fragestellung 
die Methodik der Prüfung dieses Desinfektionsmittels auszuwählen bzw. 
die nach einer Methodik erhaltenen Resultate zu beurteilen. 

So charakterisieren uns die Resultate der Versuche mit bloßem 
Waschen der Keime vor der Übertragung in das Nährmedium die Des¬ 
infektionskraft des Sublimates nur jenen Objekten gegenüber, in denen es 
zu keiner Bildung von Schwefelwasserstoff und Sulfiden kommt, bzw., 
die nicht später mit diesen Stoffen in Berührung kommen. Dies wäre im 
allgemeinen bei der chirurgischen und Händedesinfektion, ferner bei der 
Desinfektion von Wänden, Fußböden und Einrichtungsgegen¬ 
ständen in Wohnungen der Fall. Handelt es sich jedoch um die Desinfek¬ 
tion von Abfallstoffen, Abwässern, Weichwässern von Gerbereien, 
Harn und Stuhl, Sputum oder Objekten, die später in Abwässer ge- 


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Von Dr. Yiklor Gegenbauer. 


69 


Tabelle 16. Versuche mit feuchtem Rinderseruinkoagulum. 

Quecksilbergehalt von Koagulumstückchen, die nach 24-stündiger Berüh¬ 
rung mit verschieden konzentrierten Sublimatlösungen in fließendem Hochquellen¬ 
wasser solange gewaschen wurden, bis sie, mit 50 ccm Wasser versetzt, an dieses 
auch nach 12-stündiger Berührung kein Quecksilber mehr abgaben, dann in 
zwei Partien geteilt wurden und in der ersten Partie (A) sofort der Quecksilber- 
und Wassergehalt, in der zweiten (B) nach vorhergehendem 24-stündigem Ein¬ 
legen in schwefelwasserstoffhaltigem Wasser und neuerlichem 8-tägigem Waschen 
bestimmt wurde. 



Ver¬ 

suchs¬ 

reihe 


Ver¬ 

such 

Nr. 

Wasser- 

bestimmung 

Quecksilber¬ 

bestimmung 


L ^ e* c * 

*35 *>*= 

Jwaüä 

§21 |s 

a-W 

Gewicht des 

Gewicht des 

Eiwei߬ 

gewicht 

Gewicht 
des ge¬ 
fundenen 
Queck¬ 
silbers 

ff 

feuchten geirockn. 

Koa- , Koa- 
gulums gulums 

ff ff 



A i 



la 

1,8809 0,3713 

3,2933 

0,0762 

0,6501 

0,06570 

0,1011 

1 

I In 


2a 

2,1096 0,3753 

3,4585 

0,0635 

0,0155 

0,05480 

0,08890 

B 1 

i ia • 


lb 

3,7568 0,5735 

2,9412 

0,0620 

0,4490 

0,05350 

0,1191 

1 



2b 

4,1532 0,6885 

3,3534 

0,0640 

0,5559 

1 

0,05552 

0,09927 


langen oder gelangen können, so geben uns die Versuche, die die des¬ 
infizierten Keime mit Schwefelwasserstoff oder Sulfiden be¬ 
handeln, ein richtiges Bild über die desinfizierende Wirkung des Subli¬ 
mates gegenüber solchen Objekten. 

V. Die Theorie der Deeinfektionewirkung des Sublimates. 

Die vorliegenden Versuche haben einerseits die chemischen und 
physikalischen Beziehungen zwischen Sublimat und Mikroorganismen 
anderseits die Wirksamkeit dieses Stoffes gegen zwei Vertreter ver¬ 
schiedener Typen von Mikroorganismen (Milzbrandsporen und Staphylo¬ 
kokken) unter verschiedenen Bedingungen festgelegt. Es erschien somit 
die entsprechende Grundlage gegeben, um die Ursache der desinfizie¬ 
renden Kraft des Sublimates erörtern zu können. 

Bei der Berührung von Mikroorganismen und Sublimat spielen 
sich, wie nachgewiesen wurde, drei Vorgänge ab; die Verteilung des 
Sublimates zwischen Keimen und Wasser nach konstantem Faktor, 
die Entstehung von Quecksilber- und die Entstehung von Säure¬ 
verbindungen mit den organischen Stoffen der Keime, die alle drei 
nach unseren heutigen Vorstellungen als desinfizierend gedacht werden 
dürfen. Das Interesse muß sich also zunächst der Frage zuwenden, 
ob jeder dieser drei Prozesse im vorliegenden Falle auch wirklich 
Keime abzutöten vermag. Verteilungsgleichgewichte können durch die 
hemmende Wirkung des im Protoplasma gelösten Stoffes auf lebens¬ 
wichtige Funktionen, durch Verdrängung des Quellungswassers des 
Eiweißes und durch Eiweißkoagulation Abtötung bedingen. Chemische 
Bindungen können natürlich schon an und für sich durch Ausschaltung 
der Funktionen der an sie gebundenen Stoffe maßgebend für den 


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70 


Studien Uber die Desinfektionswirkung des Sublimates. 


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Zelltod sein, oder wie wahrscheinlich bei den Proteinsalzsäureverbin¬ 
dungen durch hydrolytische Aufspaltung des gebundenen Eiweißes 
zelltötend wirken. 

Die vorliegenden Versuche erbringen den Beweis für die abtötende 
Wirkung der Verbindung des Quecksilbers mit den Eiweißkörpern der 
Keime. 

Bei den Versuchen nach der Methodik Ottolenghis wird, wie 
in dem vorhergehenden Abschnitte ausgeführt wurde, nicht nur das 
nach dem Lösungsgleichgcwiclite in die Keime tibergegangene Sublimat 



Fig. 2. Versuche nach der Methodik Ottolenghis 
Wirkung von Sublimat auf Milzbrandsporen. 

X- X niederste sichere Abtötungszeit. 

O --— O höchste Anwachsungszelt. 

(Versuche aus Tabelle 11.) 

ausgefällt, sondern auch die Quecksilberverbindung gesprengt, wodurch 
die Stoffe der Keime, die an das Quecksilber gebunden waren, wieder 
funktionsfähig werden können, sofern sie nicht ihre Funktionsfähigkeit 
durch die Dauer der Bindung eingebüßt haben. Bei den Waschversuchen 
werden nur die Hauptmengc des gelösten Sublimates und die bloß 
anhaftenden Sublimatspuren entfernt. Aus dem Umstande nun, daß 
bei den nach der ersteren Methodik angestellten Versuchen sowohl bei 
Staphylokokken wie bei Milzbrandsporen als Testkeime weit höhere 
Anwachsungszeiten erzielt wurden, als bei den nach der letzteren 


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Von Dr. Viktor Gegenbauer. 71 

Methodik ausgeführten, geht hervor, daß das Bestehen dieser Bindung 
ein Absterben der Keime bedingt. 

Die Frage, ob auch die im Protoplasma gelöste Sublimatmenge 
eine desinfizierende Wirkung entfaltet, muß nach den vorliegenden 



Fig. 3. Versuche nach der Methodik Ottolenghls. 
Wirkung von Sublimat auf Staphylokokken. 


X - X niederste sichere Abtötungszeit. 

O -O höchste Anwachsungszeit. 


(Versuche aus Tabelle 12.) 


Versuchen für Milzbrandsporen verneint, für Staphylokokken aber 
bejaht werden. Es hat sich nämlich bei den nach der Methodik 
Ottolenghis angestellten Desinfektionsversuchen gezeigt, daß eine 


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72 


Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 


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ersichtliche Abhängigkeit der Abtötungszeit von der Konzentration 
der Desinfektionsflüssigkeit bei Staphylokokken besteht (Tabelle 12 u. 13) 
bei Milzbrandsporen aber nicht. Eine solche Abhängigkeit ist nicht 
denkbar, wenn nur Bindungen eine Desinfektionswirkung ausüben 
würden, da ja nach dem Begriff von Prozessen stöchiometrischer 
Natur die Bindungsgiöße unabhängig von dem Gehalt der Flotte an 
Desinfiziens im gleichen Zeitpunkt nach erreichtem Gleichgewicht immer 
den gleichen Wert haben muß. Daher dürfte auch in solchen Fällen 
die Desinfektionsdaucr keine Abhängigkeit von der Konzentration der 
Desinfektionsflüssigkeit zeigen. Anders liegen die Verhältnisse, wenn 
schon sehr kurze Zeiten der vollständigen Bindung genügen, um die 



Fig. 4. Versuche mit Waschen der Keime. 
Wirkung von Sublimat auf Staphylokokken. 


X-X niederste sichere Abtötungszelt. 

O-O höchste Anwachsungsieit. 


(Versuche aus Tabelle 14.) 

Keime abzutöten oder wenn auch bei nicht sehr kurzfristiger Desinfek¬ 
tion besondere Diffusionsschwierigkeiten vorliegen. Diese beiden Fälle 
stellen eigentlich bloß einen Fall eines relativen Hervortretens der 
Diffusionszeit vor. Die Geschwindigkeit, mit der das Diffusionsgleich¬ 
gewicht und damit auch die vollständige Bindung erreicht wird, muß 
vom Gehalt der Desinfektionsflüssigkeit beeinflußt sein, so daß auch 
die Desinfektionszeit von den einzelnen Konzentrationen abhängt, ln 
solchen Fällen kann auch dann, wenn die Desinfektionswirkung nur 
auf chemischer Bindung beruht eine. Abhängigkeit der Desinfektions¬ 
dauer von der Konzentration der Desinfektionsflüssigkeit bestehen, 
wie dies tatsächlich bei .der .Desinfektionswirkung von Salzsäure gegen¬ 
über Milzbranclsporen vorzuliegen scheint. (Gegenbauer und 
Reichel (44)). 


Gougle 


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Von Dr. Viktor Gegenbaut-r. 


73 


Für die Wirkung auf Staphylokokken kann das Vorhandensein 
solcher Zust&nde aber ausgeschlossen werden, da bei den Waschver¬ 
suchen sich kein Zusammenhang zwischen Konzentration und Ab¬ 
tötungszeit ergab. Das Wachstum blieb hier im ganzen untersuchten 
Konzentrationsbereich nach dreistündiger Einwirkungsdauer der Sublimat¬ 
lösungen aus. Es war also bereits zu diesem Zeitpunkte die Bindungs¬ 
größe der Quecksilberproteinverbindung bei den verschiedenen Kon¬ 
zentrationen der Flotte gleichgroß und daher offenbar auch schon 
vollständiges Diffusionsgleichgewicht eingetreten. Um so mehr mußte 
dies bei jenen späteren Zeiten der Fall sein, in denen nach der 
Methodik Ottolenghis keine Entwicklung gefunden wurde. 

Bei Milzbrandsporen zeigte sich auch bei den nach der Methodik 
Ottolenghis ausgeführten Versuchen kein Gang mit der Konzentra¬ 
tion, was besagt, daß bei diesen Sporen entweder durch die hydro¬ 
lytische Aufspaltung des Sporeneiweißes durch die gebundene Salz¬ 
säure oder durch die Vernichtung der Funktionsfähigkeit jener Stoffe 
der Sporen, die eine Verbindung mit dem Quecksilber eingegangen 
waren, der Toi früher eingetreten war, bevor sich eine sporicidc 
Wirkung des gelösten Sublimates hätte zeigen können. Der Unterschied 
zwischen Milzbrandsporen und Staphylokokken könnte darauf beruhen, 
daß vielleicht das Sporeneiweiß ein in Betracht kommendes Lösungs¬ 
vermögen für Sublimat im Gegensatz zum gewöhnlichen Bakterien¬ 
eiweiß nicht besitzt. 

Sind also die desinfizierten Keime hinterher der Wirkung von 
Sulfiden und Schwefelwasserstoff ausgesetzt, so ist die Desinfektions¬ 
wirkung von verschiedenen Faktoren bedingt, je nachdem es sich um 
Staphylokokken oder Milzbrandsporen handelt. 

Bei Staphylokokken stellt sich dieselbe als ein Effekt des im 
Protoplasma gelösten Sublimates dar. Denn hier ergab sich ein Zu¬ 
sammenhang zwischen Abtötungszeit und Konzentration der Desinfek¬ 
tionslösung, der nach den früheren Erörterungen für den vorliegenden 
Fall nur durch Verteilungsvorgänge bedingt sein kann. Für Milzbrand¬ 
sporen muß man aber annehmen, daß das Bestehen von Bindungen 
den wirksamen Faktor darstellt, da hier die Abtötungszeit für die ein¬ 
zelnen untersuchten Konzentrationen mit Ausnahme der niedersten 
(0,0i°/ o ), bei der offenbar sehr spät der Gleichgewichtszustand und 
damit die vollständige Bindung erreicht wird, im Überschlag dieselbe ist. 

Das Ausbleiben des Wachstums nach bloßem Waschen der andes¬ 
infizierten Keime, dem, wie dargelegt, für viele Fälle, in denen die 
Möglichkeit ausgeschlossen ist, daß sie hinterher mit Schwefelwasser¬ 
stoff oder Sulfiden in Berührung kommen, die praktische Bedeu¬ 
tung einer Abtötung voll zukommt, wäre theoretisch im strengen 
Wortsinn nicht als erreichte Desinfektion zu betrachten, da nach Spren¬ 
gung der Quecksilberproteinverbindung durch Schwefelwasserstoff oder 
Sulfide noch weit höhere Anwachsungszeiten zu erreichen sind. Es 
handelt sich um eine Art Scheintod oder richtiger um einen relativen 
Tod der Keime, relativ nämlich zu ihrem nachträglichen Schicksal. 
Man könnte auch von einer Entwicklungshemmung sprechen, die aber 


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74 Studien über die Dcsinfektionswirkung des Sublimates. 

hier abweichend von den gewöhnlichen Arten entwicklungshemmender 
Zustände nicht durch die Umwelt, sondern durch eine Zustandsfinde- 
rung im Chemismus der Keime selbst bedingt ist, die unter gewissen 
Bedingungen reversibel gemacht werden kann. Es entspricht vielleicht 
dem bisherigen Sprachgebrauch und auch praktischen Bedürfnissen 
besser, hier doch von Desinfektionswirkung, wenn auch von noch nicht 
irreversibler, zu sprechen. Die Erreichung dieses relativen Todes er¬ 
weist sich sowohl bei Staphylokokken als auch bei Milzbrandsporen 
als offenbar allein vom Bestehen der chemischen Quecksilberprotein¬ 
verbindung abhängig, nachdem sich bei keiner der Keimarten eine Ab¬ 
hängigkeit dieser Wirkung vom Sublimatgehalt der Lösung erkennen 
läßt. Eine Beteiligung der Salzsäurewirkung am Zustand dieser rela¬ 
tiven Abtötung kann ausgeschlossen werden, weil der bedeutende zeit¬ 
liche Unterschied in der gefundenen Abtötungszeit zwischen den Wasch- 
versuchen und den Versuchen nach der Methodik Ottolenghis beweist, 
daß hier eben dem Bestehen der Quecksilberverbindung die abtötende 
Wirkung zuzuschreiben ist. Würde nämlich die Salz säure Verbindung 
den Haupt- oder wenigstens einen wesentlichen Faktor darstcllen, 
könnte ein derartiger Unterschied nicht bestehen, da ja doch diese 
Bindung durch Schwefelwasserstoffzusatz nicht gesprengt wird und 
durch hydrolytische Aufspaltung entstandene irreversible Zustands¬ 
änderungen der Natur der Sache nach durch keinen Prozeß reversibel 
gemacht werden können. 

Trägt man nun nach dem Vorgänge von Reichel 41 ) die bei den ein¬ 
zelnen untersuchten Konzentrationen der Desinfektionslösung gefun- 
.denen höchsten Anwachsungszeiten und niedersten sicheren Abtötungs¬ 
zeiten in ein Koordinatensystem ein, auf dessen Abszissenachse die Kon¬ 
zentration der Desinfektionsflüssigkeit und auf dessen Ordinatenachse 
die Zeit aufgetragen ist und verbindet die einzelnen Punkte, so erhält man 
Grenzlinien, zwischen denen jene Linien liegen, die den geometrischen 
Ort der zu den einzelnen Konzentrationen gehörenden Abtötungszeiten 
— die Resistenzkurven — darstellen (Fig. 2—4). 

Für das Sublimat ergab sich nur bei Staphylokokken als Test¬ 
material, und zwar für die Versuche nach der Methodik Ottolenghis 
eine Kurve, deren Gleichung lautet: 

T' Hg% 0 - 5 = 1,5 

worin T die zu den betreffenden Konzentrationen gehörigen Abtötungs¬ 
zeiten in Tagen angegeben bedeutet. Die Gleichung besagt, daß das Pro¬ 
dukt aus der Desinfektionsdauer in Tagen und der Wurzel 
aus der Konzentration der Desinfektionslösung einen kon¬ 
stanten . Wert, und zwar für die verwendeten Stämme 1,5 
haben muß, wenn Staphylokokken, die hinterher mit Sulfiden 
oder Schwefelwasserstoff in Berührung kommen, abgetötet 
werden sollen. 

Die Berechnung solcher Gleichungen kann in ausreichender Annäherung 
nach Reichel 4 *) auf rein empirischem Wege durchgeführt werden, indem man 
versucht, mit welchem Exponenten in Form ganzer Zahlen oder einfacher Brüche 
der Konzentrationswert der Desinfektionslösung zu versehen ist, damit in der all- 


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Von Dr. Viktor Gegenbauer. 


75 


gemeinen Resistenzgleichung T • HgCl t % w = K der Wert Ä* der Konstanz am 
nächsten kommt. Im vorliegenden Falle ergaben sich aus den in Tabelle 13 
enthaltenen Grenzzahlen der eigenen Versuche die folgenden Werte für die Kon¬ 
stante bei den Exponenten 1,0 und 0,5: 

n = 1,0 n = 0,5 


HgCl.V. 

sicher über 

wahrscheinlich 

unter 

sicher über 

wahrscheinlich 

unter 

0,01 

0,10 

0,12 

1,00 

1,20 

0,025 

0,15 

0,20 

0,05 

1,27 

0.05 

0,20 

0,26 

039 

1,12 

0,10 

0,30 

0,50 

0,40 

0,95 

1,27 

0,25 

0,76 

1,00 

1,50 

0,50 

1,00 

1,00 

1,50 

1,41 

2,12 

1,00 

2,00 

1,00 

2,00 

2,00 

0,58 

0,07 

0,41 

0,47 

3,00 

0,38 

0,50 

0,22 

0,29 


Aus der Zusammenstellung ist sofort zu erkennen, daß der Ar-Wert beim Ex- 
uouenten 0,5 im Konzentrationsbereich 0,01—1,00% einen leidlich konstanten 
Wert liefert. Der in die Formel einzusetzende A-Wert muß natürlich aus nahe¬ 
liegenden Gründen höher liegen als der höchste Minimalwert. Die wenigen Ver¬ 
suche mit höheren Konzentrationen stutzen allerdings den Exponenten nicht. 
Doch ist nicht aneunehmen, daß die Kurve bei 1,00% eine Knickung hat, sondern 
es ist eher an ein zufälliges Ausbleiben des Wachstums in meinen Versuchen zu 
denken; eine Annahme, die durch die Versuche Ottolenghis, der nach 8*4stün- 
diger Einwirkung von 2,712proz. Sublimatlösung Wachstum fand, gestützt wird. 
Daher dürfte es gerechtfertigt sein, anzunehmen, daß auch für die höheren Kon¬ 
zentrationen der Exponent n = 0,5 Geltung hat. 

Für dieselben Bakterien ergab sich bei den „Versuchen mit Waschen der 
Keime“ für den Konzentrationsbereich von 0,05—2,00% Sublimat eine mit 
der Konzentrationsachse parallele Gerade, die durch die Gleichung T= 0,125 
(3 Stunden) ausgedrückt wird, worin T in Tagen angegeben ist. Es betrögt 
somit für Staphylokokken, die nach der Desinfektion nicht mit 
Sulfiden oder Schwefelwasserstoff Zusammenkommen, die 
Desinfektionsdauer innerhalb des angegebenen Konzen¬ 
trationsbereiches (0,05—2,00%) unabhöngig von der Konzen¬ 
tration 3 Stunden. 

Bei der Aufstellung dieser Gleichung wurde angenommen, daß es sich 
bei 2,00% Sublimat, wo eine etwas kürzere Abtötungszeit gefunden wurde, 
um einen Zufallsbefund handelt. 

Bei den nach der Methodik Ottolenghis angestellten Versuchen mit 
Milzbrandsporen erhielt man für den Konzentrationsbereich 0,05 bis 
3,00% ebenfalls eine mit der Konzentrationsachse parallele Gerade, deren 
Gleichung unter Benützung der a. a. O. wiedergegebenen Versuchsresul¬ 
tate 10 ) die Formel T— 105 hat, wobei T wieder in Tagen angegeben ist. 
Kommen also Milzbrandsporen hinterher mit Sulfiden oder 
Schwefelwasserstoff in Berührung, so beträgt die Desinfek¬ 
tionsdauer innerhalb des Konzentrationsbereiches 0,05 bis 
3,00% Sublimat unabhängig von der Konzentration 105Tage. 

Bei den „Versuchen mit Waschen der Keime“ wurde für diese Sporen, 
wie bereits erwähnt, kein eindeutiges Resultat erhalten. Immerhin läßt 
sich aber sagen, daß ein ersichtlicher Zusammenhang zwischen Konzentra¬ 
tion und Desinfektionszeit nicht bestand und daß es daher äußerst wahr¬ 
scheinlich ist, daß sich auch in diesem Falle die zu den einzelnen Konzen- 


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70 Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 

trationen gehörigen Abtötungszeiten auf einer zur Konzentrationsachse 
parallelen Geraden befinden. Die Desinfektionszeit ist auch hier sehr lange, 
beträgt z. B. im Konzentrationsbereich 0,1—1,0% Sublimat 10 Tage. 

Das Zustandekommen der Desinfektionswirkung des Sublimates 
erscheint somit bei Milzbrandsporen unter allen Umständen an eine gewisse 
Dauer des Bestehens der Proteinverbindungen geknüpft zu sein, wobei diese 
Dauer weit größer sein muß, wenn nachträglich die Sporen mit Sulfiden 
oder Schwefelwasserstoff in Berührung kommen, als wenn dies nicht der 
Fall ist. Für die Desinfektionswirkung gegenüber Staphylokokken gilt 
dasselbe nur, wenn eine nachträgliche Berührung der Keime mit Schwefel¬ 
wasserstoff und Sulfiden ausgeschlossen ist, während im Falle der nachträg¬ 
lichen Einwirkung dieser Stoffe die Wiedererweckung der Keime nach ver¬ 
schieden langer Einwirkungsdauer des Sublimates gelingt , je nach der Höhe 
der einwirkenden Konzentration. Da die Bindungsgröße von der Konzen¬ 
tration unabhängig ist, die Menge des gelösten Sublimates jedoch davon 
eindeutig bedingt ist, muß angenommen werden, daß der hier betrachtete 
Desinfektionseffekt durch das gelöste Sublimat zustande kommt. 

Tabelle 17. Versuche nach der Methodik Ottoleughis. 

Wirkung von Quecksilbercyanid auf Staphylokokken. Temperatur: 20°C. 
Überimpfte Keimzahl und Resistenz der Staphylokokken gegen 1-proz. Phenol¬ 
lösung siehe Tabelle 12. 


Konzen¬ 
tration 
des Queck¬ 
silber 
oyanides 

in St 

Stunden 

Tage 

Ver¬ 

such 

Nr. 

1 

2 

3 

4 

6 

8 

10 

12 

1« 20 24 

2 3 

4 

5 

6 

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16 

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Von Dr. Viktor Gegenbauer. 


77 


Tabelle 18. Verfluche mit Waschen der Keime« 


Wirkung von Quecksiibercyanid auf Staphylokokken. Dreimaliges Zentri¬ 
fugieren und Dekantieren. Temperatur: 20° C. 

Versuch-Nr. 


Keimzahl von 1 ccm des Gemisches Suspension-Desinfeklions- * 2 

mittel in Millionen. 400 400 

ln den Nährboden überimpfte Keimzahl in Millionen .... 40 - 38 

Resistenz der i Höchste Anwachsungszeit in Minuten . . . 100 60 

Mm i-mz 6 ” r Niederste sichere Abtötungszeit in Minuten . 120 80 

Phenollösung J Uberimpfte Keimzahl in Millionen .... 3.2 3,2 


Konzentration 
des Queck- 
silberzyanldes 
In •/• 

-J1JLL—Jg - ——— 

Stunden 

Tage 

Versuch 

Nr 

1 

3 

6 

12 

24 

2 

4 6 

8 


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1 + ; 
1 

+ 

l 

-1 

; j — 

— 

1 

2 


Scheuerlen und Spiro 5 ) sowie Krönig und Paul 12 ) haben nach¬ 
gewiesen, daß die Quecksilbersalze entsprechend dem elektrolytischen 
Dissoziationsgrade ihrer wässrigen Lösungen wirken. Diese Tatsache 
steht mit den vorhergehenden Ausführungen keineswegs in Widerspruch. 
Denn die Versuche jener Autoren besagen ja nur, daß eine Beziehung 
zwischen Dissoziation und Desinfektion besteht, lassen aber die Frage 
nach der eigentlichen desinfizierenden Wirkung offen. Man kann sich ganz 
gut vorstellen, daß die Bindungsgröße, das Eintreten der Bindung überhaupt, 
und die Größe des Verteilungsfaktors von dem Dissoziatiomsgrad des Des- 
infiziens abhängen. Die vorliegenden Versuche mit Quecksilbercyanid, die 
noch durch Desinfektionsversuche (Tabelle 17 u. 18) ergänzt wurden, 
sprechen entschieden für diese Auffassung. Bei diesem Quecksilbersalz, 
dessen Lösung äußerst wenig dissoziiert ist, wurde eine erst nach längerer 
(15-tägiger) Berührungszeit von Koagulum und Merkuricyanid feststell¬ 
bare, weit geringere Bindungsgröße der Quecksilberverbindung und ein 
bedeutend kleinerer Verteilungsfaktor gefunden als beim Sublimat. Dem¬ 
entsprechend ergaben die Desinfektionsversuche sowohl bei den „Versuchen 
mit Waschen der Keime“, wie bei den Versuchen nach der Methodik 
Ottolenghis weit höhere-Abtötungszeiten wie beim Sublimat. Aus dem 
Umstande nun, daß ein Gang der Abtötungszeit mit der Konzentration 
der Desinfektionslösung bei keiner der beiden Versuchsarten gefunden 
wurde, muß angenommen werden, daß die Quecksilberverbindung die Ab¬ 
tötung der Keime bewirke, und daß das gelöste Quecksilbercyanid bei der 
Desinfektionswirkung keine Rolle spiele. 


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78 


Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 


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Die Versuchsanordnung der Desinfektionsversuche mit Quecksilbercyanid 
war genau dieselbe wie bei den Sublimat versuchen. Als Nährboden bei den Ver¬ 
suchen mit Waschen der Keime wurde nach dem Ausgang eines Entwicklungs¬ 
hemmungsversuch Serumbouillon genommen. Die vorliegenden Versuche lassen 
die Desinfektionswirkung des Qiucksilbercyanides weit weniger günstig erschei¬ 
nen als die Hünes* 4 ). 

Der Umstand, daß nach 10-tägiger Berührung von Quecksilbercyanid 
und Hefe in letzterer kein gebundenes Quecksilber gefunden wurde, spricht 
keineswegs gegen diese Erklärung, da ja durch die Versuche mit Rinder- 
serumkoagulum das Entstehen von Quecksilberverbindungen mit dem 
Eiweiß auch bei diesem Quecksilbersalze festgestellt wurde. Offenbar 
verstreicht bei der Hefe eine viel längere Zeit, bis die Protein-Quecksilber¬ 
verbindung entsteht als bei den Staphylokokken. 


VI. Zusammenfassung der Ergebnisse. 

Die Versuche zur Klarstellung der chemischen und physikalischen 
Beziehungen zwischen Sublimat und den hauptsächlichsten in den Zellen 
vorhandenen Stoffen — den Eiweißkörparn und den Lipoiden — als deren 
Vertreter koaguliertes Rinderserum und Rüböl genommen wurde, haben 
ergeben, daß das Sublimat mit dem Eiweiß zwei Arten von Beziehungen, 
nämlich Lösungsbeziehungen und chemische Bindungen, mit dem 
Ol nur Lösungsbeziehungen eingeht. 

Das Sublimat verteilt sich zwischen Eiweiß und Wasser, sowie Ol 
und Wasser wie zwischen zwei Lösungsmitteln, wobei das Molekulargewicht 
des verteilten Stoffes in beiden Phasen dasselbe ist. Der Verteilungsfaktor 
ist bei den zwei Systemen ein verschiedener. Im Gleichgewicht entfällt 
auf die Gewichtseinheit Eiweiß des Ausgangskoagulums ungefähr fünfzehn- 
mal mehr Sublimat als auf die Gewichtseinheit der Flotte, auf die Gewichts¬ 
einheit öl dagegen nur l / 6 jener Menge, die in der Gewichtseinheit Flotte 
vorhanden ist. 

Ein Teil der in das Eiweiß übergegangenen Sublimatmoleküle geht eine 
chemische Bindung mit den Eiweißkörpern ein, indem durch Spaltung 
dieser Moleküle Protein-Quecksilber und offenbar durch, Austausch der 
Quecksilberatome dieser Sublimatmolekülc gegen Wasserstoffatome der 
Eiweißkörper freie Salzsäure entsteht, die sich mit dem Eiweiß zu Protein- 
Salzsäure verbindet. Das durch die Bindungen dem gelösten Anteil ent¬ 
zogene Salz muß natürlich entsprechend dem Verteilungsfaktor aus der 
Flotte ersetzt werden. Versuche über das Salzsäurebindungsvermögen 
des verwendeten koagulierten Rinderserums und über das Verhalten des 
Quecksilbercyanides zu koaguliertem Rinderserum machen es wahrschein¬ 
lich, daß beim Sublimat die Größe des Salzsäurebindungsvermögens für 
Eiweißkörper maßgebend für die Menge des an Eiweiß gebundenen Queck¬ 
silbers ist. Durch diese Annahme wird auch die Zunahme des gebundenen 
Quecksilbers mit der Dauer der Berührung von Koagulum und Sublimat¬ 
lösung verständlich. Die gebundene Salzsäure spaltet nämlich offenbar 
das an sie gebundene Eiweiß allmählich hydrolytisch auf, wodurch Eiwei߬ 
spaltprodukte mit höherem Salzsäurebindungsvermögen entstehen, die dann 


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Von Dr. Viktor Gegeabauer. 79 

entsprechend dem gerade Ausgeführten eine Zunahme des gebundenen 
Quecksilbers bewirken. 

Die Versuche mit Hefe als Vertreter der Mikroorganismen zeigten, 
daß es auch hier wie aus den früheren Versuchen zu erwarten war, einerseits 
zu einer einfachen Verteilung des Sublimates zwischen Hefe und Wasser 
nach konstantem Faktor mit gleichbleibendem Molekulargewicht in beiden 
Phasen, anderseits zur Bildung von Quecksilber- und Salzsäurever¬ 
bindungen mit den Eiweißkörpern der Hefe kommt. Der Gewichts¬ 
verteilungsfaktor Hefeeiweiß-Wasser zeigt nicht bei allen Versuchen den¬ 
selben Wert. Offenbar spielt hier das Alter der Hefezellen eine Rolle. 

Nach den Ergebnissen weiterer Versuche ist anzunehmen, daß die 
Quecksilberverbindungen mit dem Eiweiß der Keime durch Schwe¬ 
felwasserstoff bzw. Sulfiden gesprengt werden. 

Aus diesem Umstande ergibt sich, daß die Resultate der Desinfek¬ 
tionsversuche, die die desinfizierten Keime mit Schwefelwasserstoff 
oder Sulfiden behandeln, anders zu bewerten sind, als die der Versuche 
mit bloßem Waschen der Keime vor dem Übertragen in das Nährmedium. 

Gelangen die Desinfektionsobjekte hinterher in ein Medium, in dem es 
zur Bildung von Schwefelwasserstoff oder Sulfiden kommt oder entwickeln 
sich in demselben diese Stoffe (Abfallstoffe, Abwässer, Weichwässer von 
Gerbereien, Harn, Stuhl, Sputum), so zeigen uns die nach der ersteren 
Methode angestellten Desinfektionsversuche die Desinfektionskraft des 
Sublimates gegenüber solchen Objekten. Ist die Gewähr gegeben, daß 
die desinfizierten Objekte hinterher nicht mit Schwefelwasserstoff oder 
Sulfiden in Berührung kommen (chirurgische Desinfektion, Händedesin¬ 
fektion, Desinfektion von Wänden, Fußböden und Einrichtungsgegenstän¬ 
den von Wohnungen), so genügen uns die nach der letzteren Methodik 
ausgeführten Versuche, um uns ein Bild über die Desinfektionswirkung 
des Sublimates diesen Objekten gegenüber zu machen. 

Die aus den vorliegenden Versuchen unter Berücksichtigung der a. a. 
O. 10 ) publizierten Versuchsergebnisse und der verschiedenen äußeren 
Verhältnisse sich ergebende Desinfektionsdauer bzw. ergebende Beziehung 
von Desinfektionsdauer zur Konzentration der Desinfektionslösung wurde 
nach dem Vorgänge von Reichel durch Gleichungen ausgedrückt, die in 
der folgenden Zusammenstellung zugleich mit dem untersuchten Kon¬ 
zentrationsbereich, für den diese Gleichungen Geltung haben, wiedergege¬ 
ben sind, wobei die Desinfektionszeit T in Tagen angegeben ist. 



wenn die desinfizierten Keime mit Schwefelwasserstoff oder 
Sulfiden hinterher 

Keime 

| nicht in Berührung kamen | 

| in Berührung kamen 


Gleichung 

untersuchter 

Konzentra¬ 

tionsbereich 

Gleichung 

untersuchter 
Konzentra- 
| tlonsberelch 

Staphylokokken 

T = 0.125 
(3 Stunden) , 

0 , 05 - 2 , 00 «/, 

T = 1,5 

HgCl.«/,o,s 

0 , 01 - 3 , 00 «/, 

Milzbrandsporen 

•s 

II 

o 

0 , 10 - 1 , 00 ®/, 

T= 105 

0 , 05 — 3 , 00 «/, 


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Studien über die Desinfektionswirkung des Sublimates. 


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Zur Auffindung von T nach der Gleichung 

r- *» 5 
HgCl t % 0 ' 5 

dient die folgende kleine Tabelle: 

HgCl s °/ 0 0,01 0,05 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,* 0,7 0,8 0,9 1,0 2,0 
T= 15 6,71 4,74 3,35 2,74 2,37 2,12 1,94 1,79 1.68 1,58 1,50 1,06 

Endlich muß aus dem vorliegenden Tatsachenmaterial der Schluß 
gezogen werden, daß bei Milzbrandsporen der desinfizierende Faktor, 
und zwar sowohl für die noch reversible als auch für die endgültige 
Desinfektionswirkung das Bestehen der Bindungen durch bestimmte 
Zeiten ist, daß jedoch für Staphylokokken zwar für die noch durch 
Sulfid reversible Desinfektionswirkung dasselbe gilt, nicht aber für die 
endgültige irreversible, welche als durch die Lösungsverteilung des 
Sublimates zwischen Wasser und Eiweiß bedingt gedacht werden muß. 


Literatur. 


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2. Frankel, Zeitschr. f. Hyg. 6, 1889. 

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Nr. 25, 26, 27, 37, 1891. 

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23. Schöller und Schrauth, Zeitschr. f. Hyg. 66, 1910; 70, 1912. 

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25. Paul und Prall, A. K. G. Nr. 26, 1907. 

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31. Herzog und Betzel, Zeitschr. f. physiol. Chemie, 67, 1910; 74, 1911. 

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Von Dr. Viktor Gegenbauer. 


81 


33. Eisenberg und Okolska, Z. f. B. 69, 1913. 

34. Bonamartini und Lombardi, Zeitschr. f. physiol. Chemie, 58, 1908. 

35. Pfeiffer und Modelski, ebenda, 81, 1912; 85, 1913. 

36. Lippich, ebenda, 74, 1911; 90, 1914. 

37. Pauli, Beiträge zur ehern. Physiologie u. Pathologie 6, 1905. 

38. Galeotti, Zeitschr. f. physiol. Chemie 40, 1903; 42, 1904; 44, 1905. 

39. Pauli und Flecker, Biochem. Zeitschr. 41, 1912. 

40. Vignon, Comptes rendus, 116, 1893. 

41. Schellens, zit. nach Bechold, Nr. 29. 

42. Reichel, Biochem. Zeitschr. 22, 1909. 

43. Procter, Kolloid-chem. Beihefte 2, 7, 1911. 

44. Gegenbauer und Reichel, Arch. f. Hyg. 78, 1912. 

45. Sjöqvist, Skand. Arch. f. Physiol. 5, 1894. 

46. Cohnheim, Zeitschr. f. Biol. 33, 1896. 

47. Bugarski und Liebermann, Pflügers Archiv, 72, 51, 1898. 

48. v. Rhorer, Pfügers Archiv 90, 1902. 

49. Koßler, Zeitschr. f. physiol. Chemie 17, 1893. 

50. Wintz, Münchn. med. Wochenschr. Nr. 13, 1916. 

51. Völtz und Baudrexel, Biochem. Zeitschr. 30, 1911. 

52. Süpfle und Dengler, Arch. f. Hyg. 85, 1916. 

53. Fermi, Desinfektion, Nr. 7, 1909. 

54. Hüne, Desinfektion, Nr. 6, 1912. 



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Über Beziehungen zwischen der Witterung und dem Be¬ 
finden des Menschen, 

auf Grund statistischer Erhebungen dargestellt 


von 


Ernst Brezina und Wilhelm Schmidt. 


(Bei der Redaktion eingegangen ain 24. September 1920.) 


I. Allgemeines. 


Die folgenden Untersuchungen setzen diejenigen fort,'die wir auf 
Grund des im Jahre 1912 gesammelten Stoffes zu Kriegsbeginn ver¬ 
öffentlicht haben 1 ). Damals hatten wir nur einen Teil bearbeitet, heute 
bringen wir weiteres. Das Untersuchungsverfahren ist das gleiche ge¬ 
blieben. Da jene Mitteilung an einer den Ärzten weniger zugänglichen 
Stelle erfolgte, soll das Wichtigste über Zweck und Gang der Untersuchung 
hier wiederholt, im übrigen aber auf die Ergebnisse des früheren Teils 
verwiesen werden. Zu bemerken wäre noch, daß das Jahr 1912 in poli¬ 
tischer Beziehung vollkommen ruhig und auch von anderen äußeren 
Ereignissen, welche überwiegenden Einfluß auf die menschliche Seele 
nehmen konnten, frei war. 

Den Herren, die uns das notwendige Untersuchungsmaterial in ent¬ 
gegenkommender Weise zur Verfügung gestellt bzvv. gesammelt haben, 
sei hier nochmals herzlich gedankt; es sind dies: Reg.-Rat Dr. Hecke 
(Volkszählungskommission); die Schuldirektoren: Brambei ger, Dorsch- 
ner, Schmidt, Drechsler, Lauda; Reg.-Rat Dr. Schloss, Primarius 
Dr. Holub (Epileptiker); Direktor Ing. Spängler, Ing. Knappitsch, 
Ing. Winter, (Straßenbahnen); Polizeipräsident Gorup, Reg.-Rat Dr. 
Losik (Polizei). 

Die Beziehungen zwischen Witterung und physischem und psychischem 
Verhalten des Menschen sind seit jeher Gegenstand des Interesses, nicht 
in gleichem Maße der exakten Forschung gewesen. Mehr als die Elemente 
der Witterung wurden die des Klimas und der Jahreszeiten unter¬ 
sucht. Die nicht besonders zahlreichen Arbeiten über die Bedeutung der 
Witterung wurden in unserer früheren Arbeit berichtet; seither sind nur 

1) Ernst Brezina und Wilhelm Schmidt, Wiener Sitzungsberichte, 
mathem.-naturwiss. Klasse, Bd. 123. Abt. III, 209 (1914). 

Axchi? für Hygiene. Bd. 90. 6 



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Original frorn 




84 


Uber Beziehungen zwischen der Witterung usw. 

wenige, und zwar über die Bedeutung der Luftelektrizität mit negativen 
Ergebnissen erschienen 1 ). Damit ist unser früheres Vorgehen, die Luft¬ 
elektrizität nicht zu berücksichtigen, gerechtfertigt. 

Untersuchungen, wie vorliegende, sind auf zwei Wegen möglich, auf 
dem Wege des Versuchs (künstliche Herstellung bestimmter Temperatur, 
bestimmten Luftdrucks usw.) und auf statistischem Wege. Wir haben 
bisher den letzteren beschritten, weil hier die Anstellung von Massen¬ 
beobachtungen verhältnismäßig leicht ist, eigentliche Versuchsfehler aus¬ 
geschlossen sind. Der Nachteil, daß bei diesem Verfahren die Witterung, 
d. i. der gesamte Zustand der Atmosphäre und nicht das einzelne Element 
derselben, Gegenstand der Beobachtung ist, war leicht auszuschalten: 
Die Witterung wurde in ihre Elemente aufgelöst — ein beim heutigen 
Stande der Meteorologie durchaus mögliches Verfahren — und stets nur 
ein Element der Witterung in seinen Beziehungen zum Verhalten mensch¬ 
licher Gesamtheiten untersucht, während der etwaige Einfluß der anderen 
Elemente als „Störung“ im statistischen Sinne erschien. 

Hat schon jede Untersuchung biologischer Tatsachen mit statistischen 
Methoden unter der großen Streuung, daher Unsicherheit der Einzel¬ 
werte zu leiden, so war das noch mehr hier der Fall, wo die Reize, deren 
vermuteter Einfluß auf das Verhalten der Gesamtheiten untersucht 
werden sollte, sehr schwach sind, wähl end sich im physiologischen Versuche 
die Reizstärke beliebig verändern läßt. Der Mensch kann sich verschiedenen 
durch meteorologische Elemente gegebenen oder gleichartigen Reizen 
ungestraft in weit höherem Maße aussetzen, als dies unter den vorhegenden 
Bedingungen der Fall war. Man denke nur an eine Fahrt mit der Bergbahn, 
dem Aufzug, an die Arbeit in den Hitzebetrieben, im Glashause, bei der 
Getreideernte. Dies gilt nicht allein von jenen meteorologischen Elementen, 
welche Witterungszustände selbst, sondern auch von denen, die Ver¬ 
änderungen solcher zum Ausdruck bringen. 

Da die Reizschwelle bekanntlich nach Alter, Geschlecht, Individuum 
und augenblicklichem Zustande des Individuums verschieden liegt, da 
ferner die anregende Wirkung schwacher Reize bei Zunahme ihrer Stärke 
zur lähmenden werden kann, darf man sich gegen den Umstand nicht ver¬ 
schließen, daß Untersuchungen wie vorliegende durch Streuung sehr 
erschwert, ja daß wichtige Tatsachen auf diese Weise verschleiert werden 
können. Die in Betracht kommenden Reize sind wahrscheinlich nicht 
bewußt werdende (tonische Reize Hellpachs), da solche, die zum Bewußt¬ 
sein gelangen (sinnliche oder landschaftliche Reize dieses Verfassers) als 
grobe Störungen wirken dürften (Schneegestöber usw.). 

Die fallweise verschiedene Wirkung der meteorologischen Elemente 
drücken wir am besten mit den Worten Berliners aus 2 ), welcher richtig 
sagt, daß in den klimatischen Faktoren gleichsam biologische Konstanten 
nicht erblickt werden dürfen, die immer in der gleichen Art wirken. „Die 
Erfahrung lehrt, daß die gleichen Wetterformen sehr verschiedene Wirkung 
haben können, je nach der Einstellung des Individuums, seiner Adaptation 

1) Korff-Petersen, Zeitschr. f. Hygiene, Bd. 80, S. 505(1915); Kunow 
ebenda, S. 485. 

2) Zeitschr. f. Balneologie, Bd. 5, 6 (1912). 


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^Von Ernst Brezina und Wilhelm Schmidt. 85 

an vorangegangene Reize und dem Grade seiner Akklimatisation, auch 
nach allgemeinen physiologischen Verhältnissen, wie Lebensalter, Er¬ 
nährungszustand, Sexualfunktion u. dgl. u 

Darnach ist es am wahrscheinlichsten, daß Zusammenhänge zwischen 
Vergleichsgrößen und denjenigen meteorologischen Elementen bestehen, 
die nicht bestimmte Zustände des Wetters, sondern dessen Änderungen 
ausdrücken. 


II. Der Stoff und seine Bearbeitung. 

1. Vergleiohsgröfsen. 

a) Früher untersuchte Vergleichsgrößen, 
ln unserer ersten Arbeit wurde das Verhalten folgender Gesamtheiten 
bestimmt und mit der Witterung in Beziehung gesetzt: a) Schulkinder, 
ln einer größeren Anzahl Wiener Volksschulklassen trugen die Lehrer 
täglich am Schlüsse des Vormittagsunterrichtes für die Haltung, die Lei¬ 
stung und die Auffassung der Gesamtheit der Kinder Noten (1 = gut, 
2 = mittelmäßig, 3 = minder gut) ein. Wie aus der Ähnlichkeit der 
Noten für je einen Tag hervorging, klassifizierten die Lehrer ihre Schüler 
unter dem einheitlichen Gesichtspunkt, ob sie Anlaß zur Zufriedenheit 
oder zum Tadel gegeben hatten, ob die von der Schule ausgehenden Sug¬ 
gestionen, sich daselbst und außerhalb in gewünschter Weise zu verhalten, 
wirksam gewesen waren oder nicht. Wie aber schon Berliner an seinen 
Ferienkolonisten zeigt, sind die psychischen Vorbedingungen für gute 
Leistungen ungleich, je nach dem Schulgegenstande, überdies ist es schwer, 
dem Zufriedenheitsgrad ziffernmäßigen Ausdruck zu geben. Im allgemeinen 
wird wohl die Konzentrationsmöglichkeit der Aufmerksamkeit auf den 
Schulgegenstand für die gesamte Klassifikation ausschlaggebend gewesen 
sein. Dennoch bleiben Möglichkeiten genug für einen geradezu entgegen¬ 
gesetzten Einfluß scheinbar gleich wirkender äußerer Umstände: solche, 
die eine Steigerung der Aufmerksamkeit, oder solche, die eine Erleichte¬ 
rung der Bewegungsimpulse (psychomotorische Erregung) bedingten, 
konnten bald besseres Verhalten, bald stärkere Ablenkung auf andere 
Gebiete auslösen. Das Verhalten der Mehrheit in einer Schulklasse mußte 
dann für die Klassifikation des Lehrers ausschlaggebend sein, hat aber 
vielleicht interessante Tatsachen verschleiert, die bei Einzelversuchen zum 
Ausdruck kommen könnten. 

b) Hilfsbeamte der Volkszählungskommission. Es wurde 
die von diesen Tag für Tag erledigte Zahl der Lochkarten bestimmt. Die 
Klassifikation fiel daher aus äußeren Gründen objektiver aus, das Unter¬ 
suchungsmaterial war gleichmäßiger und wohl brauchbarer; entscheidend 
für die Leistungen dürfte die Aufmerksamkeit und deren äußere Beein¬ 
flussung gewesen sein. 

c) Epileptiker. Zur Verfügung standen uns die Aufzeichnungen 
über die epileptischen Anfälle von 200 bis 300 Insassen der niederöster¬ 
reichischen Landesirrenanstalt „am Steinhof“. Nach Binswanger 1 ) ist 

1) Handbuch der Nervenkrankheiten. 

6 * 


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8ö Über Beziehungen zwischen der Witterung usW. 

die Zahl der epileptischen Anfälle vermutlich auf das verschiedene Funk¬ 
tionieren der Hemmungsvorgänge im Zentralnervensystem zurückzufühlen. 

Zu bemerken wäre noch, daß die in der früheren Arbeit untersuchten 
Gesamtheiten sich im Zimmer aufhielten, mithin nicht dem reinen Wetter¬ 
einfluß ausgesetzt waren; anderes gilt von den im folgenden untersuchten 
neuen Vergleichsgrößen. 


b) Neue Vergleichsgrößen. 

Diese sind: a) die Zahl der Beanstandungen der Fahrer und 
Schaffner der Wiener elektrischen Straßenbahn durch die 
Aufsichtspersonen (Fahrmeister und Kontrollore). Die Zahl der Fahrer¬ 
anstände im Jahre 1912 betrug 3127, davon wurden erhoben wegen zu 
schnellen Fahrens 802, wegen Nichteinhaltens der Signalvorschriften 773, 
Sicherheitsanstände betreffend Bremsen 301, sonstige Sicherheitsanstände 
867; die übrigen kommen wegen geringer Anzahl nicht in Betracht. 
Die Zahl der Schaffneranstände betrug 44811. Die häufigsten waren 
folgende: Nichteinkassieren 9959, nichtremarkierte Fahrscheine 8290, 
Überfahren der Tarifgrenze 7473, Fahrscheinadjustierungsanstände 6575, 
einfache Fahrscheinanstände 4074. 

Die Tätigkeit der Fahrer und Schaffner erfordert vorwiegend distribu¬ 
tive Aufmerksamkeit, rasche zweckmäßige Reaktion auf verschiedene 
Reize und weniger Konzentration auf schwierige Denkprobleme: es handelt 
sich hier um vielfach mechanisierten Ablauf der Teilhandlungen. Die 
Aufgaben des Fahrers und des Schaffners unterscheiden sich voneinander 
vorwiegend in den Folgen unrichtigen Verhaltens, so daß erstere affektiv 
mehr in Anspruch genommen sind, als letztere. Die Anstände betreffen, 
wie sich aus obiger Aufzählung ergibt, hauptsächlich ein Verhalten, das 
man als „nachlässig“ bezeichnen kann, das auf verringerter Aufmerk¬ 
samkeit und vermehrter Ablenkbarkeit beruht, und das durch ein Sinken 
der psychischen Aktivität unter die Grenze bedingt ist, die durch die Übung 
immer niedriger wird* deren Unterschreitung aber doch nicht ohne Schaden 
für die Leistung erfolgen darf. 

b) Die untersuchte Gesamtheit endlich bei den Amtshandlungen 
der Polizei war die gesamte Wiener Bevölkerung, hauptsächlich die 
männliche, mit Ausnahme der höchsten und niedersten Altersklassen. Wir 
faßten zusammen: Körperverletzung, boshafte Sachbeschädigung, Trunken- 
heits-, Rauf- und sonstige Exzesse unter dem Namen „Körperverletzung“; 
Unzuchtsdelikte und Sittlichkeitsdelikte unter dem Namen „Sittlich¬ 
keitsvergehen“ ; andere öffentliche Gewalttätigkeit, Wachebeleidigung, 
Einmengung in Amtshandlungen unter „Gewalttätigkeit“. Die Zahl der 
Exzesse war vorwiegend eine Funktion der größeren oder geringeren Reiz¬ 
barkeit. Günstig war hohe, ungünstig tiefe Lagerung der Reizschwelle, 
denn es handelte sich lediglich um Ausschreitungen gemeiner Art, Amts¬ 
handlungen der Wache aus politischen Gründen kamen nicht in Betracht. 

Weder bei den Fahrern und Schaffnern, noch bei der Polizei ist von 
vornherein ein eindeutiges Ergebnis zu erwarten, da die gleichen äußeren 


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Von Emst Brezina und Wilhelm Schmidt. 87 

Umstände auf verschiedenartige Individuen entgegengesetzt wirken 
konnten. 

c) Verarbeitung des neuen Stoffes. 

Da bei unserer Ordnung alle menschliche Tätigkeit nach dem Verlauf 
der Woche eingerichtet ist, so muß dieser auch an den Vergleichsgrößen 
zum Ausdruck kommen; um davon unabhängig zu sein, berechneten wir 
für jeden Tag der Woche den Mittelwert und zogen diesen von dem für jeden 
einzelnen Tag gefundenen Wert ab. 

Bei Fahrern und Schaffnern war der Gang unbedeutend, bei der 
Polizei ungemein ausgesprochen 1 ). Ferner war die Zahl der Fahreranstände 
jedes Tages proportional anzunehmen der Anzahl der in Dienst stehenden 
Personen (Anzahl der, Motorwagen), dann der Zahl der an diesem Tage 
die Kontrolle ausübenden Fahrmeister; es wurde deshalb jeder einzelne 
Ausgangswert durch diese Zahlen dividiert, z. B.: 21. Februar; Zahl der 
Anstände 14; Korrektur für den wöchentlichen Gang (für den Mittwoch) 
-f-0,1, also 14,1; Anzahl der in Betrieb stehenden Wagen 1067, demnach 
auf gleiche Anzahl von Fahrern bezogen 14,1/1067, d. i., ohne Rücksicht 
auf den Stellenwert, 1323; diese Zahl dividiert noch durch die Zahl der 
in Dienst stehenden Fahrmeister (29) gibt 45,7 oder rd. 46. In der so 
gewonnenen Zahlenreihe zeigen sich aber nichtperiodische Abweichungen 
von längerer Dauer, als daß sie durch Witterungseinflüsse hätten bedingt 
sein können. Um sie auszugleichen, wurden die Werte graphisch auf¬ 
getragen und durch sie eine leicht geschwungene Mittellinie gelegt, derart, 
daß die positiven und negativen Abweichungen davon sich innerhalb 
längerer Zeiträume aufhoben. Die Abweichungen jedes einzelnen Tages 
von dieser neugewonnenen Mittellinie wurden der weiteren Behandlung 
zugrunde gelegt, vorher aber alle um den gleichen Betrag vermehrt, um 
negatives Vorzeichen zu vermeiden und so die Rechnung zu erleichtern. 
Also etwa im früheren Fall: Stand der Mittellinie für den 21. Februar -{-21, 
demnach Zahlenwert 46—21 = 25, hierzu die konstante Größe 30, gibt 55. 

In ähnlicher Weise verfuhren wir bei den Schaffnern, nur daß außer 
den früher angeführten Korrekturen noch durch die Anzahl der Fahr¬ 
scheine, als Kennzeichen der Intensität der Leistung, dividiert wurde. 

Etwas anders war das Verfahren bei der Polizei: bei den Körper¬ 
verletzungen zeigten trotz Ausgleichs des wöchentlichen Ganges Sonn- 
und Feiertage und ihre Nachbarn so starke Unregelmäßigkeiten, daß sie 
ausgeschieden und für sich behandelt wurden (Fe, die übrigen We). Der 
Ausgleich für längerdauernde nichtperiodische Abweichungen erwies .sich 
bloß hier als nötig, nicht aber bei den anderen beiden Gruppen (Sitt¬ 
lichkeitsvergehen und Gewalttätigkeit). 

Die so gewonnenen Zahlen wurden dann in die weiter unten, Ab¬ 
schnitt 3 beschriebenen Zählkarten eingetragen. * 

2. Meteorologischer Ausgangsstoff. 

Wenn ein Zusammenhang zwischen Witterung und Befinden auf- 
gestellt werden soll, so liegt die Schwierigkeit darin, daß der Begriff der 

1) Siehe Brezina, Archiv f. Hygiene, Bd. 89, 27 (1920). 


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88 


Uber Beziehungen zwisc hen der Weiterung usw. 


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Witterung als ganzes nicht zahlenmäßig erfaßt werden kann; man ist 
vielmehr genötigt, die Beziehung der zu untersuchenden Vergleichsgrößen 
mit jenen Elementen herzustellen, die die wissenschaftliche Meteorologie 
zur Beschreibung der Witterung verwendet. Dabei müssen wir uns auf die 
derzeit bekannten beschränken, dürfen uns aber nicht verhehlen, daß es 
immer noch wesentliche Seiten der Witterungserscheinungen geben kann, 
die weder unmittelbar auf unsere Sinne, noch deutlich auf unsere Apparate 
wirken. Außerdem ist noch folgendes zu beachten: wenn wir einen tat¬ 
sächlichen Zusammenhang zwischen einem meteorologischen Element 
und einer Vergleichsgröße finden, so muß jenes damit noch nicht einfacli 
als eigentlich wirkende Ursache aufgefaßt werden; diese kann vielmehr 
immer noch weit hinter jenem liegen. 

Als Grundlage» dienten uns hier die Beobachtungen an der Zentral¬ 
anstalt für Meteorologie und Geodynamik auf der Hohen Warte, Wien XIX; 
sie stammen zwar aus freier Lage, inmitten von Villen, doch darf man sie 
ohne weiteres als Verhältniszahlen auch für das ganze Stadtgebiet als 
maßgebend betrachten. Benutzt werden hier folgende Angaben: aus 
der Gruppe des Luftdrucks 

a) die Änderung des mittleren Barometerstandes vom Vortag her 
(Lön). Diese wurden aus den Abweichungen jedes Tages vom lang¬ 
jährigen Mittel gewonnen; der jährliche Gang, dem doch nur geringere 
Wirkungen in unserem Sinn zuzuschreiben wären, erscheint damit aus¬ 
geschaltet. 

b) Die raschen Luftdruckschwankungen (Lsn) als Kennzeichen der 
Unruhe in der Luft; sie sind den Aufzeichnungen des Variographen ent¬ 
nommen, der nicht den Luftdruck selbst, sondern dessen Änderungs¬ 
geschwindigkeit mit der Zeit aufschreibt 1 ). Dabei lassen sich die merk¬ 
licheren Ausschläge in zwei Gruppen ordnen: die Änderungen des Luft¬ 
drucks konnten sich einmal in längeren Zeiträumen von etwa 4 bis 20 Mi¬ 
nuten wellenähnlich wiederholen oder aber, wie es bei böigem Wetter 
der Fall war, in ähnlicher Zeit in gleichem Sinn erhalten, Gruppe länger- 
dauerndc Schwankungen; bei anderer, mfist bei windiger, Witterung 
finden sich aber ganz rasche, kurzdauernde Zacken, die trotz des größeren 
Ausschlages auf den Registrierstreifen eben wegen des schnellen Wechsels 
nicht stärkere Schwankungen des Luftdrucks anzeigen, Gruppe kurz¬ 
dauernde Schwankungen. 

c) allgemeine Luftdruckverteilung über Europa (Lv), 
dies6 eigentlich gedacht als eine Zusammenfassung von Witterungs¬ 
zuständen, die sich schon gut bewährt hat. Hier wurde nach den täg¬ 
lichen Wetterkarten bestimmt, ob Wien an dem betreffenden Tag mehr 
in der Mitte eines Tiefdruckgebietes lag; ob am Rand eines Tiefdruck¬ 
gebietes; ob in einer Rinne oder einem Sattel niedrigen Druckes; ob in 
einem Hochdruckgebiet, am Rande eines solchen, oder in einem Rücken 
hohen Druckes. Das waren die schließlich gewählten vier Hauptgruppen. 

1) Vergleiche Wilhelm Schmidt, Wiener Sitzungsberichte; math.-natunv. 
Kl., Bd. 118, IIa, 885 (1909); kurzer Auszug Meteorolog. Zeitschr., Bd. 29, 
40r. (1912). 


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Von Ernst Brezina und Wilhelm Schmidt. 


89 


d) Lage zu den Steig- und Fallgebieten des Luftdruckes 
(Fs). Steiggebiete nennt man dabei jene Gebiete der Wetterkarten, über 
denen seit den letzten 24 Stunden der Luftdruck stärker gestiegen ist, 
Fallgebiete jene, über denen er stärker fiel. Karten, die diese Gebiete 
darstellen, werden täglich an der Zentralanstalt als Arbeitskarten („Isal- 
lobarenkarten“) angefertigt und haben sich zur Kennzeichnung der Witte¬ 
rung einigermaßen bewährt. Sie hängen natürlich mit den Gebieten 
hohen und tiefen Druckes, aber auch mit ihrer Fortbewegung zusammen 
und lassen insbesonders die kurz dauernden rascher vor sich gehenden Ver¬ 
änderungen — meist von etwa ein- bis dreitägiger Dauer — stärker her¬ 
vortreten. Unterschieden wurde dabei nach der Lage des Beobachtungs¬ 
ortes gegenüber den Fall- und Steiggebieten, diese selbst wieder nach 
ihrer Stärke in zwei Gruppen unterteilt. 

Gruppe der Temperatur: 

e) Tagesmittel der Temperatur (T), gewonnen aus den Ab¬ 
lesungen zu den drei Terminen um 7, 2, 9 Uhr, ausgedrückt in °C. 

f) Änderungen der Mitteltemperatur des Tages gegen¬ 
über dem Vortag (Tän), wobei aber der jährliche Gang durch den¬ 
selben Kunstgriff, wie oben bei den Luftdruckänderungen, bereits aus- 
geschaltet wurde. 

Gruppe der Feuchtigkeit: 

g) Rel ative Feuchtigkeit (Rf), Tagesmittel, ebenfalls aus den 
drei Terminablesungen, in %. 

Wir hatten, ebenso wie in der früheren Arbeit, eine viel größere Zahl 
von Elementen der Untersuchung zugrunde gelegt, nämlich außerdem 
noch die Abweichungen der Luftdruckmittel des Tages vom langjährigen 
Mittel, rasche Luftdruckschwankungen des Tages selbst, die Abweichung 
der Temperatur von ihrem Normalstand, die höchste, die niederste Tem¬ 
peratur des Tages, die daraus sich ergebende Tagesschwankung, die Summen 
der Temperaturabweichungen des Tages und Vortages vom langjährigen 
Mittel, ebenso die Summen der Abweichungen des Tages und der zwei 
vorhergehenden, das Tagesmittel des Dampfdrucks, die Niederschlags- 
summe, das Tagesmittel des Ozongehaltes, das Tagesmittel der Bewölkung, 
die Windrichtung und -Stärke. Absichtlich beiseite gelassen waren die 
elektrischen Erscheinungen, nicht bloß deshalb, weil sie gerade in einem 
Stadtgebiet starke und unübersehbare Veränderungen erleiden, übrigens 
zum Teil mit dem Ozongehalt parallel gehen, sondern auch deshalb, weil 
ihre Schwankungen so groß sind, daß man bei irgend vorhandener Wirkung 
diese schon längst hätte nachweisen müssen. Über alle die in diesem 
.Absatz genannten Elemente wird hier nicht einzeln berichtet; sie haben 
früher wie jetzt keine ausgesprochenen Beziehungen geliefert. 

Da es leicht möglich erschien, daß gleiche Werte, insbesondere gleiche 
Abweichungen, je nach der Jahreszeit ganz verschiedene Wirkungen auf 
den Menschen hervorbrächten, wurde die Trennung nach den Jahres¬ 
zeiten durchwegs durchgeführt, mit alleiniger Ausnahme der Fall- und 
Steiggebiete, bei denen sonst die maßgebenden Gruppen zu wenig besetzt 


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00 Über Beziehungen zwischen der Witterung usw. 

worden wären. Jänner, Feber, November, Dezember sind als Winter 
(W.), Mai bis September als Sommer (S.), die anderen als Übergangs¬ 
zeiten (U.) zusammengefaßt. Es ergibt sich so auch eine wünschenswerte 
Prüfungsmöglichkeit: eine wesentliche Beziehung müßte sich in einem 
oder anderm Sinn in allen Jahreszeiten äußern — zeigt sie sich nur in einer, 
so ist das sehr wahrscheinlich dem „Zufall“ zuzuschreiben. 

3. Arbeitsmethode. 

Für jedes meteorologische Element stellten wir, da ja Einzelwerte - 
wegen der unausbleiblichen Störungen nicht zu brauchen waren, be¬ 
stimmte Gruppen fest, z. B. bei den Luftdruckänderungen von —17,9 
bis—13,0,—12,9 bis—8,0 mm usw. Jeder einzelne Tageswert einer be¬ 
stimmten Vergleichsgröße, z. B. der Schaffneranstände, wurde je nach dem 
Betrag der Luftdruckänderung, die dieser Tag gegenüber dem Vortag 
aufwies, in eine der Gruppen eingeteilt, schließlich alle in je einer Gruppe 
vereinigten Werte gemittelt. Dieses bei der großen Anzahl der möglichen 
Beziehungen recht mühsame Verfahren erleichterten wir uns durch die 
Benutzung von Zählkarten, deren jede für einen bestimmten Tag galt. 

Sie hatten Größe und Festigkeit der Spielkarten und enthielten auf der 
einen Seite in vorgedruckter Einteilung neben dem Datum alle meteorolo¬ 
gischen Elemente, auf der Rückseite die Vergleichsgrößen in der Anord¬ 
nung, die aus der Wiedergabe auf Seite 91 erhellt. Sollte dann eine be¬ 
stimmte Beziehung untersucht werden, so w r aren einfach die Karten nach 
dem meteorologischen Element in die Gruppen zu ordnen, und die ent¬ 
sprechenden Vergleichsgrößen konnten nun gleich in die Rechenmaschine 
diktiert werden. Dieselbe Gruppierung ließ sich dann für die Ableitung 
aller Vergleichsgrößen benutzen. In verhältnismäßig kurzer Zeit war so 
eine große Anzahl verschiedener Beziehungen erledigt, für die vorliegende 
Arbeit 95 neue zu den früheren 160. 

Die so gewonnene Reihe von Mittelwerten für die einzelnen Gruppen 
war aber nicht in jedem Fall als verläßlich zu betrachten. Jeder einzelne 
Wert unterlag ja zahlreichen Einflüssen, nicht bloß in der Verschieden¬ 
heit der anderen meteorologischen Elemente, sondern auch außerhalb 
gelegenen, die wir hier einfach mit dem Namen „Zufall“ bezeichnen wollen; 
dies zeigte sich schon in den Abweichungen innerhalb jeder Gruppe, mit 
anderen Worten in der großen Streuung. Sie wurde zwar durch die Mittel¬ 
bildung herabgesetzt — wenn die Regeln der Wahrscheinlichkeitsrech¬ 
nung gelten, auf den yiiten Teil, wenn n Werte vereinigt wurden —, 
ließ sich aber natürlich nicht ganz ausschalten. Um einen Überblick über 
den Einfluß dieses Zufalls zu gewinnen, hatten wir in der früheren Arbeit, 
z. B. bei den Epileptikern, den ganzen Stoff nach einem rein zufälligen 
Kennzeichen in zwei Hälften geteilt und diese gegeneinander abgewogen. 
Hier hingegen gingen wir anders vor: nehmen wir an, bei einer bestimmten 
Vergleichsgröße seien die Abweichungen der Einzelwcrte von dem all¬ 
gemeinen Mittelwert rein zufällige; dann kann man die Abweichungen 
der Gruppenmittelwerte vom allgemeinen Mittel bilden, aus ihnen durch 
Multiplizieren mit /n — siehe oben — wieder zurück die mittleren Ab¬ 
weichungen der Einzelwerte rechnen und müßte dann annähernd die 


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Von Emst Brezina und Wilhelm Schmidt. 


91 


Beispiel einer Zählkarte: die für den 28. Oktober 1912. 
Vorderseite. Rückseite. 


1028 ») 
Mo *) 

+ 3-1») 

— 08 4 ) 



— 28”) 

- 7 28) 


1028**) 

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— 0-9*) 

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+ 2»°) 


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+ 18 7 ) 

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22 **) 

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+ 14 «) 

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4,1 «) 



mm 


37 41 ) 


S3E“) 

Eü 




am 


56“) 


2 u **) 
2u ») 








302 M ) 


M Datum; *) Wochentag; 3 ) Luftdruckabweichung vom Normalstand; 
4 ) Luftdruckänderung vom Vorlag her (Län); Ä ) Temperatur, Tagesmittel (T); 
•) Abweichung der Temperatur vom Normalstand; 7 ) Temperaturänderung vom 
Vortag her (Tän); 8 ) höchste, 9 ) niederste Temperatur des Tages; 10 ) Tages¬ 
schwankung; n ) Dampfdruckmittel; 12 ) Mittel der relativen Feuchtigkeit (Rf); 
1# ) relative Feuchtigkeit um 2 Uhr nachmittags; 14 ) Niederschlag; lß ) Ozon¬ 
gehalt, Tagesmittel; 1Ä ) Mittel der Bewölkung; l7 ) Bewölkung um 2 uhi; nachm.; 
ls ) Windrichtung und -Stärke um 2 Uhr nachmittags; ,ö ) Summe der Temperatur¬ 
abweichung des Tages und Vortages vom langjährigen Mittel; 20 ) Summe der 
Temperaturabweichungen des Tages und der zwei vorhergehenden; 21 ) herrschen¬ 
des barometrisches Gebilde (Lv); 2a ) Lage der Fall- und Steiggebiete (Fs); M ) Lage 
und Betrag der Batometermaxima; 24 ) Lage und Betrag der Barometerminima; 
2ß ) rasche Luftdruckschwankungen in der vorhergehenden Nacht (Lsn); Äi ) die¬ 
selben tagsüber. 

27 ) Leistungen der Volkszählungskommission; 28 ) Unterschied der vorher¬ 
gehenden auf den Nachtag; 29 ) Datum; 30 ) Einfluß der Temperaturabweichungen 
vom Mittel auf die Volkszählungskommission; 31 ) Leistungen der Volkszählungs¬ 
kommission nach Ausschalten des Temperatureinflusses; 82 ) Polizei, Körper¬ 
verletzungen; 33 ) Sittlichkeitsvergehen; 34 ) Gewalttätigkeiten; 3ß ) Volksschulen, 
Leistung; 3fl ) Veränderung der vorhergehenden auf den Nachtag; 37 ) Epileptiker, 
ganzjährige Pfleglinge, Männer, Anzahl der Anfälligen bei Tag; 38 ) ebenso, Weiber; 
39 ) wie 37 ), jedoch bei Nacht; 40 ) wie 38 ), jedoch bei Nacht; 41 ) Summe von 87 ) 
und 89 ); 42 ) Summe von 8i ) und 40 ); 43 ) Anfällige der nicht ganzjährigen Pfleg¬ 
linge, Männer und Weiber, bei Tag; 44 ) Summe von 37 ), 38 ) und tt ); 4Ä ) wie 43 ), 
jedoch bei Nacht; 4e ) Summe von 39 ), 40 ) und 46 ); 47 ) Summe aller Anfälligeu; 
4Ä ) Änderung von 47 ) auf den Nachtag; 40 ) Epileptiker, Männer, Anzahl der An¬ 
fälle; *°) ebenso, jedoch Frauen; 81 ) Straßenbahn, Fahreranstände; 
“) Schaffneranstände; M ) fortlaufende Zahl des Tages. 


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92 Über Beziehungen zwischen der Witterung usw. 

gleiche Zahl erhalten, wie man sie aus den Einzelwerten selbst als mittlere 
Abweichungen unmittelbar errechnen würde. Nicht aber, wenn sich die 
Verteilung von einer rein zufälligen wesentlich unterscheidet, wenn man 
also eine tatsächliche Beziehung vor sich hat: neben den durch den Zufall 
bewirkten Abweichungen, die sich bei größerer Anzahl zum Teil gegen¬ 
seitig aufheben, besteht dann noch eine wesentliche, bei allen in der Gruppe 
vereinigten Einzelwerten im selben Sinn wirkende Abweichung und diese 
Abweichung muß auch im Gruppenmittel voll auftreten. Sie wird nun, 
wenn man gleich vorgeht wie früher, durch die Multiplikation mit yTi 
unverhältnismäßig vergrößert, natürlich um so mehr, je größer der Um¬ 
fang n, die Anzahl der in einer Gruppe vereinigten Werte. Diese Bemerkung 
haben wir in folgender Weise benutzt: alle für eine bestimmte Vergleichs¬ 
größe bei verschiedenen meteorologischen Elementen erhaltenen Mittel¬ 
werte von Gruppen wurden in drei Klassen eingeordnet, solche, die aus 
Gruppen mit kleinem Umfang hervorgingen, dann solche aus mittlerem, 
schließlich solche aus großem. Für jede dieser Klassen wird auf die oben 
angegebene Weise die mittlere Abweichung des Einzelwertes gerechnet. 
Wenn nun in irgendeinem merkbaren Teil eine tatsächliche Beziehung 
besteht, dann müssen die aus der dritten Klasse gerechneten mittleren 
Abweichungen am größten, die aus der ersten am kleinsten sein. Das 
Folgende sind die so erhaltenen Zahlen für Polizei, Gewalttätigkeiten: 


Klasse 

1 

2 

3 

Gruppennmfang 

. . . . gering 

mittel 

groß 

Winter .... 

. . . . 6,8 

7,2 

6,0 

Übergangszeiten 

. . . . 4,9 

5,8 

5,2 

Sommer . . . 

. . . . 6.4 

6,1 

4.4 


Wir sehen: die Werte für die drei Klassen sind in jeder Jahreszeit 
nicht wesentlich voneinander verschieden; sie sind in der dritten Klasse 
gerade iji den wichtigsten Jahreszeiten, Winter und Sommer, statt am 
größten, sogar am kleinsten. Das heißt aber: die Abweichungen müssen 
im ganzen als rein zufällige aufgefaßt werden, für eine 
tatsächliche Beziehung besteht kein Anhaltspunkt. 

Dieses Ergebnis zeigt uns weiters, daß die Regeln der Wahrschein¬ 
lichkeitsrechnung genügend erfüllt sind, um auch in jedem einzelnen 
Fall die Verläßlichkeit, das ,,Gewicht“ des Gruppenmittels zu erschließen. 
Da überwiegend deutliche Beziehungen offenbar nicht Vorkommen, ist 
umgekehrt jener Anteil der Abweichung eines Gruppenmittels, der als 
,,zufällige Störung“ anzusprechen wäre, durchschnittlich gleich dem /nten 
Teil der mittleren Abweichung des Einzelwertes. Diese ist nach den eben 
gebrachten Zahlen für Polizei, Gewalttätigkeit etwa gleich 5,9, daraus 
folgt für ein Mittel aus einer Gruppe vom Umfang 4 eine durchschnittliche 
mittlere Abweichung 2,9, für den Umfang 10 1,9. Abweichungen von 
größerem als dem dreifachen Betrag dieser durchschnittlichen mittleren 
Abweichung sind in jedem Fall schon recht unwahrscheinlich"— es dürfte 
auf 1000 Fälle etwa (»ine kommen. Dies behalte» man im Auge, wenn man 
die später folgenden Tabellen betrachtet; man wird dann erkennen, wie 


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Von Ernst Brezina und Wilhelm Schmidt. 


03 


die Verschiedenheiten innerhalb jeder Reihe von Mitteln, die nach einem 
meteorologischen Element geordnet sind, sich nirgends mit Sicherheit 
über die schon bei alleinigem Walten des Zufalls zu erwartenden erheben. 

In der früheren Arbeit hatten wir ferner großes Gewicht gelegt auf 
den Zusammenhang zwischen ,,direkten“ und ,,inversen“ Beziehungen: 
wenn nämlich, z. B. beim Gruppieren nach dem Luftdruck (direkte Be¬ 
trachtungsweise), einem Zunehmen der Luftdruckwerte eine Vergröße¬ 
rung der Leistung entsprochen hätte, dann hätte man umgekehrt beim 
Gruppieren nach den Leistungen (inverse Betrachtungsweise) eine Zunahme 
der Luftdruckmittel für zunehmende Leistungen finden müssen, wenn 
die Beziehung eine wesentliche und nicht allzusehr gestörte war. Dieses 
Hilfsmittel der Kritik brauchten wir hier wegen des allgemein negativen 
Ergebnisses nicht erst anzuwenden; an dessen Stelle führten wir nur für 
die wichtigsten Beziehungen eine Doppelgruppierung durch, für die in 
der Tabelle Seite 94 auch ein Beispiel gegeben wird. Ihre Benutzung 
ist aus dem im Abschnitt 2 Gesagten wohl deutlich genug. Hier 
wollen wir nur erwähnen, daß hierdurch unsere Ansicht vom Fehlen 
deutlichen, über die Störungen hinaus erkennbaren Zusammenhangs 
durchwegs bestätigt wurde 1 ). 

III. Ergebnisse. 

Wir hatten die Absicht, die wichtigsten und nach den früheren Unter¬ 
suchungen aussichtsreichsten Beziehungen tabellarisch wiederzugeben, 
wie es für die anderen Vergleichsgrößen in der ersten Mitteilung nach¬ 
zusehen ist. Leider verbieten das die Druckkosten; wir müssen uns deshalb 
auf die Wiedergabe in Worten beschränken. 

Nur um den Ausdruck zu vereinfachen, lassen wir öfter Wendungen 
zu, die den Anschein erwecken könnten, als sähen wir hier schon bestätigte 
Beziehungen oder ursächliche Zusammenhänge; über unsere wirkliche 
Ansicht lese man Abschnitt I oder die Schlußzusammenfassung. 

Die Bedeutung der Abkürzungen erhellt aus Abschnitt TT 2. 

1. Fahreranstände. 

Lau. Bei stärkeren Län, gleichgültig ob positiv oder negativ, war 
die Zahl der Beanstandungen gering. Sie wuchs in den Ü. mit dem Betrag 
der Zunahme, abgesehen von der Gruppe der stärksten. Im S. ist eine 
ähnliche Beziehung höchstens schwach ausgesprochen. 

t) Der Wert statistischer Ergebnisse, positiver sowohl wie insbesondere nega¬ 
tiver, hängt wesentlich von dem Wert der benützten Methode ab. Deshalb, weil 
wir diese weiter ausgebildet haben und uns vor allem Mühe gaben, die Kritik 
möglichst zu schärfen, setzten wir sie hier auch ausführlicher auseinander, trotz 
der abfälligen Erwähnung unserer früheren Arbeit vonseiten Willy Hellpachs 
(Die Geopsychischen Erscheinungen, 2. Auflage, 1917, S. 477). Darüber, daß 
seine Wiedergabe aus dem Zusammenhänge gerissener Bruchstücke die Absicht 
und wahre Meinung der Verfasser nicht erkennen läßt, wollen wir hier weiter 
kein Wort verlieren; Verwahrung legen wir aber ein gegen seinen Versuch, Mei¬ 
nungsverschiedenheiten unter Benützung von zeitgemäßen Schlagworten politi¬ 
schen Beigeschmacks auszutragen; diese mag man getrost Tagschreibern nieder¬ 
ster Art überlassen, in wissenschaftliche Veröffentlichungen gehören sie nicht. 


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94 Über Beziehungen zwischen der Witterung usw. 

Lsn. In den U. und S. zeigt sich bei den längerdauernden Schwan¬ 
kungen ungünstiges Verhalten bei mittlerer Intensität — ein Ergebnis, 
das sich kaum physiologisch deuten läßt. Kurzdauernde Schwankungen 
lieferten bei stärkerer Intensität ungünstigeres Verhalten. 

T. Ein irgendwie ausgesprochener Gang tritt nur in den Ü. hervor: 
die Zahl der Anstände fällt mit der Temperatur ab. Für den W. ergibt 
sich fast eher ein Anstieg. 

Tän. Deutlich bloß Ü. : wenig Anstände nach Temperaturfall. 

Rf. Im W. wirkt hohe Rf. güstig, in den Ü. eher ungünstig, S. un¬ 
entschieden. 

Lv. Sattel und Rinne waren in den Ü. und S. ausgesprochen am 
ungünstigsten; im W. gerade umgekehrt, an ihre Stelle trat Tiefdruck- 
Rand und Hoch. 

Fs. Stärkere Steiggebiete im Westen gingen mit ungünstigem, 
schwächere mit günstigem Verhalten einher. 

2. Schaffneranstände. 

Län. Durchwegs unausgesprochen. 

Lsn. Im W. und Ü. wären bei länger dauernden Schwankungen 
mittlere Intensitäten günstig, im S. wäre das Verhalten um so ungünstiger, 
je stärker die Schwankungen. Bei kurz dauernden zeigte sich un¬ 
günstigeres Verhalten bei stärkeren Ausschlägen, in den Ü. gerade um¬ 
gekehrt. 

T. Im W. scheint höhere Temperatur ungünstig, in U. und S. durch¬ 
wegs günstig zu sein. 

Um gerade bei diesem sonst überzeugenderen Element darzulegen, 
aus welch auseinanderliegenden Einzelzahlen sich die Mittelwerte zu¬ 
sammensetzen, wie gering daher ihre Sicherheit ist, sei auf die folgende 
Tabelle verwiesen. Entsprechend den Ausführungen im Abschnitt 3 
sind hier für verschiedene Gruppen in der Temperatur (senkrechte Ein¬ 
gänge) und in jeder dieser wieder für einzelne Gruppen in der Anzahl der 
Beanstandungen für jeden Tag (wagrechte Eingänge) die beobachteten 


Häufigkeitverteilung bei doppelter Gruppierung. 


Tagesmittel 

der 

Temperatur 

Winter 

Übergangszeiten 

Sommer 

Gewalttätigkeit 

Gewalttätigkeit 

Gewalttätigkeit 

^8 

9 13 , 17 

bis bis bis > 20 

12 16 20 1 

<8 

9 13 1 17 

bis bis bis 
12 16 20 

!> 20 

HA 

00 

0 

bis 

12 

13 1 17 1 
bis bis > 20 
16 20 

21 bis 18 




! 




' 

17 » 14 




1 


4 i 

19 

15 10 1 

13 » 10 

1 

2 1 

3 

5 5 1 


3 

19 

23 7 3 

9 » 6 

4 

8|3 2 1 

7 

22 13 5 , 

1 

4 

14 

7 2 1 

5 » 2 

12 

16 I 10 3 1 

1 

9 1 5 1 1 

3 

3 

9 

5 1 1 

1 * — 1 

0 

14 1 9 1 1 

1 

2 1 3 

3 




— 2 » — 5 

3 

9 1 







— 6 »-0 

2 

6 1 







— 10 *-13 

1 

3 








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95 





Von Ernst Breuna und Wilhelm Schmidt. 

Häufigkeitszahlen eingesetzt. Wenn z. B. die für Ü. und S. gefundene 
Beziehung eines günstigen Verhaltens bei hohen Temperaturen wesentlich 
und deutlich hervorträte, so müßte sich etwa im Viereck für S. ein Streifen 
höherer Anzahlen von links oben nach rechts unten herabziehen, d. h. es 
wären durchschnittlich kleinere Anzahlen von Anständen bei höheren 
Temperaturen, größere bei niedrigeren Temperaturen zu erwarten. Davon 
ist nun kaum eine Andeutung zu bemerken, ebensowenig in den 0 ., nicht 
zu sprechen vom W- 

Tän. Nur in den Ü. etwas zu erkennen: bei stärkeren Temperatur¬ 
zunahmen ungünstigeres Verhalten. 

RI. Durchaus unsicheres Verhalten. 

Lv. Im Gegensatz zu dem Ergebnis bei den Fahrern ist Sattel und 
Kinne durchaus am günstigsten, Hoch am ungünstigsten. 

Fs. Bei größeren Intensitäten ist Fallgebiet im Westen ungünstig. 


3. Körperverletzung. 

Läu. An Werktagen in W. und S. Zunahme des Luftdrucks günstig, 
Ü. unausgesprochen; an Feiertagen U. und S. gerade umgekehrt. 

Lsn. Zeigt keine deutliche Beziehung an. 

T. We. im allgemeinen unentschieden; Fe. Zunahme der Temperatur 
in Ü. und S. günstig. 

Tän. Nur im W. an We. mehr Ausschreitungen bei steigender Tem¬ 
peratur, sonst durchaus unausgesprochen. 

Rf. Durchwegs undeutlich, bloß geringe Zunahme der Körperver¬ 
letzungen bei höherer Feuchtigkeit im S. 

Lv. Im W. ist die Anzahl der Körperverletzungen bei Hochdruck 
geringer, im S. umgekehrt; das wäre einfach durch grobe Wirkung er¬ 
klärlich: im W. sind die Hochdruckgebiete mit kaltem, meist nebligem 
Wetter verbunden, im S. mit schönem. 

Fs. Nur bei mittlerer Stärke steigt sowohl an We. wie an Fe. die Zahl 
der Verletzungen vom Fallgebiet am Ort bis zum Steiggebiet am Ort 
an; sonst ist nichts ausgesprochen. 

4. Sittlichkeitsvergehen. 

Län. W. und U. unausgesprochen, im S. ist stärkere Luftdurck- 
zunahme günstig. 

Lsn. Bei längerdauernden Schwankungen in W. und Ü. ein Anstieg 
mit zunehmender Intensität, im S. nichts; kurzdauernde verhalten sich 
im W. und den Ü. entgegengesetzt, im S. ebenfalls nichts Deutliches. 

T. W. und S. zeigen Anstieg bei zunehmender Temperatur, Ü. 
leichten Abfall. 

Tän. Durchaus unausgesprochen. 

Rf. Durchaus unausgesprochen. 

Lv. W. keine eigentlich verläßlichen Unterschiede, in den Ü. Hoch¬ 
druck am günstigsten, S. ganz gleichmäßig. 

Fs. Bei mittlerer und größerer Intensität Maximum bei Steiggebiet 
im Westen. 


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96 Über Beziehungen zwischen der Witterung iisw. 

5. Gewalttätigkeit. 

Län. Überhaupt nichts erkennbar. 

Lsd. Bei längerdauernden Schwankungen widersprechen die ver¬ 
schiedenen Jahreszeiten einander; kurzdauernde zeigen im allgemeinen 
einen Abstieg mit zunehmendem Ausschlag. 

T. In W. und S. Anstieg mit zunehmender Temperatur, Ü. un¬ 
ausgesprochen. 

Tän. In W. und Ü. deutlich, im S. weniger ausgesprochen, sind 
stärkere Änderungen ungünstig. 

KI. W. und S. verhalten sich entgegengesetzt, Ü. ganz ergebnislos. 

Lv. Tiefdruck-Rand im W. am günstigsten, im S. am ungünstigsten; 
Ü. in der Mitte. 

Fs. Am günstigsten bei schwächerer Intensität Steiggebiet im Westen, 
bei mittlerer Fallgebiet am Ort, bei größter Fallgebiet im Westen. 

Beziehungen mit den übrigen meteorologischen Elementen konnten 
noch viel weniger festgestellt werden, sie werden deshalb auch gar nicht 
angeführt. 


IV. Zusammenfassung. 

Als Ergebnisse unserer früheren Untersuchungen an Schul¬ 
kindern, Bureauarbeitern, Epileptikern hatten wir die sonst beliebte 
Änderung des Luftdruckes als kaum von wesentlichem Einfluß erkannt; 
dagegen schienen rasche Schwankungen (wie sie ja auch gerade vor Föhn 
Vorkommen) Leistungsfähigkeit und Befinden herabzusetzen. Die Be¬ 
ziehungen zur Temperatur faßten wir zusammen in den Satz: „Leichte 
geistige Arbeit war zur Zeit hoher Temperaturen bzw. Temperaturabwei¬ 
chungen (besonders von zweitägiger Dauer) herabgesetzt, Epileptiker 
scheinen kälteempfindlich.“ In den wenig ausgesprochenen Beziehungen 
zum Dampfdruck schien bloß im Sommer hoher Dampfdruck (Schwüle) 
bei Bureauarbeitern und Epileptikern günstig zu sein. Als nicht zweck¬ 
entsprechend fiel das Eingehen auf Hoch- und Tiefdruckgebiete aus. 
Hingegen erwies sich „diejenige Witterung für die Leistungen von Bureau¬ 
arbeitern und Schülern am ungünstigsten, die bei Fallgebiet an Ort und 
Stelle und bei Steiggebiet im Westen herrscht. Bei Epileptikern ist genau 
das Entgegengesetzte der Fall“. Angeführt hatten wir noch die Über¬ 
einstimmung dieser Beobachtung mit der Traberts 1 ), daß eine heran¬ 
rückende oder an Ort und Stelle befindliche Depression mit Krankheits¬ 
gefühl bei Föhnempfindlichen einherging. 

Unsere jetzigen Untersuchungen an den Fahrern und Schaffnern 
der Straßenbahn und an Amtshandlungen der Polizei sind nun nicht 
geeignet, die damaligen Ergebnisse zu bekräftigen. Zum Beispiel würde für 
rasche Luftdruckschwankungen nur bei den Sittlichkeitsvergehen der 
Ausfall mit dem früheren übereinstimmen; alle anderen Vergleichsgrößen 
zeigen aber zum Teil das entgegengesetzte, zum Teil ein undeutliches 
oder sogar in den einzelnen Jahreszeiten vollkommen abweichendes Ver- 

1) Denkschriften d. Wiener Akademie d. Wiss. Bd. 81, 115 (1908). 


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Von Ernst Brezina und Wilhelm Schmidt. 


97 


halten. Und doch sollte, wenn irgendwo, liier Übereinstimmung herrschen, 
da dieses meteorologische Element durch das Zimmerklima nicht ver¬ 
ändert wird. Es ist daher nicht sehr verwunderlich, daß die Beziehungen 
zu anderen Elementen noch weniger bestätigt werden. Weder in den 
Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnissen, noch in der allgemeinen 
Wetterlage und den Steig- und Fallgebieten des Luftdrucks ließ sich ein 
übersichtliches allgemeines Verhalten erkennen. 

Dem somit im ganzen negativen Ausfall unserer Untersuchungen 
steht die durch das subjektive Gefühl gestützte Ansicht von der Bedeutung 
des Wetters entgegen. Wir können und wollen hier nicht behaupten, es 
bestehe gar kein derartiger Einfluß; er könnte uns ja entgangen sein 
aus verschiedenen Ursachen: 

1. wenn die Wirkungen von vornherein nur ganz schwach sind und 
unter denen des Zufalls verschwinden; sie müßten dann um so schwächer 
sein, als wir uns alle Mühe gegeben haben, diesen letzten durch Anwendung 
möglichst scharfer Methoden einzuschätzen und auszuschalten; 

2. wenn bei verschiedenen Teilen der beobachteten Gesamtheiten 
die äußeren Reize verschieden wirken, bald noch erregend, bald bereits 
lähmend. Hier muß die rein statistische Methode versagen, sie kann 
höchstens Fingerzeige geben für jenes Verfahren, von dem dann weitere 
Fortschritte zu erwarten sind, nämlich für das physiologische Experi¬ 
ment, das unter willkürlicher Veränderung eines bestimmten meteoro¬ 
logischen Elementes bei Gleichhaltung der übrigen anzustellen wäre. 
Sollen solche Versuche allgemeine Bedeutung haben, so muß ihnen natür¬ 
lich eine größere Anzahl Personen unterworfen werden. Fiele dies auch 
ergebnislos aus, dann wäre noch als Erklärung denkbar: 

3. wenn unserer Erfahrung bisher unzugängliche Witterungselemente 
oder Zusammenfassungen von solchen eine wesentliche Rolle spielen. 

Einen ganz hervorragenden, überall durchschlagenden 
Einfluß der Witterung — das können wir nach unseren Unter¬ 
suchungen mit Sicherheit aussprechen — gibt es aber nicht. 


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Zur Theorie der Serologie der Syphilis. 

Von 

Dr. Emil Epstein und Dr. Fritz Paul. 

(Aus der Prosektur der Krankenanstalt „Rudolfsstiftung“ (Vorstand: Hofrat 
Prof. Dr. Richard Pal tauf) und der Prosektur des Franz Josephspitals (Vor¬ 
stand: Prof. Dr. Oskar Stoerk) in Wien. 

(Bet der Redaktion eingegangen am 26. Oktober 1920.) 

Die verschiedenen Flockungsreaktionen der Syphilis sind infolge 
ihrer einfachen Versuchsbedingungen eher geeignet, einen klaren Einblick 
in die physikalischen Vorgänge der serologischen Luesreaktionen zu ge¬ 
währen als die ältere „Komplementbindungsreaktion“ nach Wasser¬ 
mann. 

Meinicke 1 ) gab im Jahre 1917 seine zweizeitige Flockungs¬ 
reaktion zur Diagnose der Syphilis (M.R.) bekannt, die er in der Folge 
durch eine Reihe von Veröffentlichungen weiter ausbaute 2 ). 

Diese gestaltet sich im wesentlichen folgendermaßen: Bestimmte 
Mengen der zu untersuchenden inaktivierten Sera werden mit alkoholi¬ 
schem „Pferdeherzätherrestextrakt“ 8 ), der vorher mit destilliertem Wasser 
in bestimmter Konzentration versetzt wird, gemischt und 24 Stunden 
im Brutschrank bei 37° belassen. Sowohl bei Normal- als auch bei Luesseren 
tritt Flockung ein. Sodann wird 2proz. Kochsalzlösung zugesetzt und 
nach einem weiteren einstündigen Aufenthalt der Versuchsröhrchen im 
Brutschrank bei 37° sind die Flocken bei Normalseren gelöst, während 
sie bei positiven Luesseren bestehen bleiben. 

In Nr. 33 der Münch, med. Woch. 1919 veröffentlichte Meinicke 
die einzeitige Kochsalzmethode als dritte Modifikation seiner Prä¬ 
zipitationsreaktion (D.M.). Dabei fällt die erste Phase der M.R. weg: 
Bestimmte Mengen der durch Erwärmung auf 56° C inaktivierten Sera 
werden mit alkoholischem Pferdeherzextrakt vermischt, der aber vorher 

1) Berl. klin. Wochenschrift 1917, Nr. 25. 

2) Berl. klin. Wochenschrift 1917, Nr. 50, 1918, Nr. 4; Med. Klinik 1918, 
Nr. 36; Münchn. med. Wochenschrift 1918, Nr. 45, 49, 51; Zeitschr. f. Immun.- 
Forsch. Bd. 27, Heft 4/6, Bd.. 28, Heft 3/5. 

3) Die Herstellung des Ätherrestextraktes wird weiter unten in Kürze 
beschrieben werden. 


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Zur T?lieorie der Serologie der Syphilis. Ö9 

nicht, wie bei der M.R. mit destilliertem Wasser, sondern mit 2proz. 
Kochsalzlösung zu verdünnen ist. Nach 24stündigem Aufenthalt der 
Versuchsröhrchen im Brutschrank bei 37° erfolgt die Ablesung: Positive 
Sera sind geflockt, negative ungeflockt. 

Es war für uns naheliegend, die Meinicke-Reaktion (M.R. und 
D.M.) zum Ausgangspunkt unserer theoretischen Beobachtungen 
zu machen, da wir die dritte Modifikation (D.M) der Meinicke-Reaktion 
als diagnostische Methode kennen und schätzen gelernt haben und sie 
seit einem Jahre praktisch anwenden. 

Die Nachprüfung der D.M. an 2000 Fällen, die wir in Nr. 19 der Med. 
Klinik 1920 mitgeteilt haben, erwies eine weitgehende Übereinstimmung 
der Resultate mit den Ausfällen der W.R., in gewissen Stadien der Lues 
vielleicht sogar eine Überlegenheit gegenüber der W.R. 

Unsere Erfahrungen an weiteren 7000 Vergleiclisfällem die wir seither 
gesammelt haben, bestätigen unsere ursprünglichen Feststellungen zur 
Gänze und werden den Gegenstand einer demnächst erscheinenden Mit¬ 
teilung bilden. 

Zur Theorie seiner Flockungsreaktionen stellte Meinicke selbst 
eine Reihe von Hypothesen auf, die er durch umfassende Versuche zu 
stützen suchte. In seinen ersten theoretischen Abhandlungen 1 ) erklärt 
er seine Methode als Flockungsreaktion der als „Globulin“ bezeichneten 
Eiweißphase des Serums von Luetikern, wobei der wesentliche Vorgang 
eine physikalische Änderung der Globuline sei, die in einer Ab¬ 
gabe von locker gebundenem Kochsalz durch Ionenwanderung 
besteht. „Bei positiven Seren wird dem Serumglobulin viel gebundenes 
Kochsalz in eingreifender, bei negativen wenig in schonender Form ent¬ 
zogen.“ Der bei allen Seren durch Zusatz ded wässerigen Lipoidextraktes 
auftretende Flockungsniederschlag ist im Gegensatz zum Normalserum 
beim Luesserum kochsälzbeständig. Der zugesetzte Lipoidextrakt sei 
es also, durch dessen Einwirkung das Kochsalzgleichgewicht der Serum¬ 
globuline aufgehoben werde, wodurch es zu ihrer Ausflockung kommt. 
Dabei wirken einerseits die Extraktlipoide dispersitätsverringernd auf die 
Serumglobuline ein (Resultat: Ausflockung), anderseits die Serumstoffe 
dispersitätserhöhend auf das durch den Kochsalzzusatz in einem Zustand 
der Schwebefällung befindliche Extraktlipoid im Sinne eines starken 
Schutzkolloids. 

Meinicke stützte diese Ansicht auf seine Versuche mit Sudanfärbung, 
indem er nachwies, daß der Niederschlag der ersten Phase seiner M.R. 
keine spezifische Lipoid- bzw. Fettfärbung annimmt, während sich der 
Niederschlag des spontan in Kochsalzverdünnung ausgefloekten Extraktes 
allein deutlich mit Sudan IV färbt. Von der Zuversicht in die Beweiskraft 
dieser Versuche ist Meinicke selbst in seinen letzten Arbeiten 2 ) bereits 
merklich abgerückt. Doch steht er darin nach wie vor auf dem Stand¬ 
punkt, daß irgendwie erhebliche Lipoidmengen nicht in den Globulin- 

1) Zeitschr. f. Immun .-Forsch. Bd. 27, Heft 4/6, Bd. 28, Heft 3/5; Deutsche 
med. Wochenschrift 1919, Nr. 7, 12, 24, 30. 

2) Zeitschr. f. Immun.-Forsch. Bd. 29, Heft 3/4. 

Archiv für Hygiene. Bd. 90. 7 


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100 Zur Theorie der Serologie der Syphilis. 

niedersohlag gehen, dieser also fast ausschließlich sowohl bei der M.K. 
als auch bei der D.M. aus Serumglobulin besteht. 

Gleichzeitig veröffentlichte Joel 1 ) seine Untersuchungen über die 
M.R. bei Dunkelfeldbeleuchtung, wonach er jedoch zu der Schlußfolge¬ 
rung kommt, daß in der ersten Phase der M.R. auch Extraktlipoide 
in den Niederschlag gehen. Diese und eigene Untersuchungen veranlaßten 
Meinicke, seine ursprünglich angenommene, aber bald verlassene 
Theorie einer Lipoidbindung mit dem Serumglobulin wieder 
aufzugreifen und mit seiner Kochsalzwanderungstheorie zu 
verknüpfen 2 ). Demnach bestünde der Hauptteil des Nieder¬ 
schlags sowohl in der ersten und zweiten Phase der M.R. als 
auch bei der D.M. der Hauptsache nach aus Serumglobulin mit 
geringer Beimengung von Extraktlipoiden. 

Es wird sich aber in der Folge zeigen, daß die Vorgänge der ersten 
Phase der M.R. in wässerigem Medium und der zweiten Phase 
in kochsalzhaltigem Medium prinzipiell verschieden auf¬ 
zufassen sind und daß sich die entscheidenden Reaktionsvorgänge 
gerade im kochsalzhaltigen Medium abspielen. 

Meinicke hat in einer musterhaften Versuchsreihe die optimalen 
Bedingungen der Ausflockbarkeit seiner Lipoidextrakte mit verschiedenen 
Konzentrationen wässeriger Kochsalzlösungen ausgearbeitet, indem er 
zunächst die Reaktionsbreite der Ausfällbarkeit des Lipoidextraktes fest¬ 
gestellt hatte. Aus seinen Tabellen ergibt sich, daß der Extrakt beim 
längeren Abstehen in 2proz. Kochsalzlösung spontan ausflockt. Einzelne 
Extrakte zeigen dieses Phänomen ausgesprochener, andere in geringerem 
Grade. Meinicke zieht letztere Extrakte mit einem relativ höheren 
Dispersitätsgrade vor. 

Im selben Sinne weist Hans Sachs 3 ) neuerdings darauf hin, daß 
die nach seiner Vorschrift mit NaCl-Lösungen hergestellten Extrakt¬ 
kolloide, die durch langsames Vermischen des alkoholischen Extraktes 
mit Kochsalzlösung gewonnen wurden, eine mehr oder weniger milchig 
getrübte Flüssigkeit darstellen, während die durch rasches Vermischen 
gewonnenen, eine schwach opaleszu rende Flüssigkeit bilden, und daß die 
ersteren für die Wassermann-Reaktion das bei weitem empfindlichere 
Reagens darstellen. Bei der engen Beziehung des Mechanismus 
der Wassermann-Reaktion und der Ausflockungsreaktionen 
ist die Feststellung wichtig, weil daraus hervorgeht, daß ein relativ gröberer 
disperser Zustand des Lipoidextraktes sich für diese Reaktionsgruppe als 
besonders wirksam erweist. 

Der rigoros nach Meinickes Vorschrift 4 ) bereitete Extrakt 
(Pferdeherzätherrestextrakt), den wir zu unseren Versuchsreihen verwen¬ 
det 5 ) und als vollwertig brauchbares Reagens für unsere serodiagno- 

1) Zeitschr. f. Immun.-Forsch. Bd. 29, Heft 3/4. 

2) Deutsche med. Wochenschrift 1920, Nr. 37. 

3) Kolloid-Zeitschr. 1919, Bd. 24, Heft 4. 

4) 1 Teil Pferdeherzätherrestextrakt + % Teil destilliertes Wasser, dem 
nach einstündigem Stehen 7 Teile 2öroz. Kochsalzlösung zugesetzt werden. — 
Münchn. med. Wochenschrift 1919, Nr. 33. 

6) Med. Klinik 1920, Nr. 19. 


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101 


Von Dr, Emil Epstein und t)r. Fritz Paul. 

stischen Zwtckt? erprobt hatten, zeigte schon ziemlich kurze Zeit 
nach Aufstellung der Extraktverdünnung ohne Serumzusatz 
spontane Ausflockung. 

Die Beobachtung dieser Eigenausflockung des Meinicke- 
Extraktes, welche bei der D.M. nur durch den Zusatz von Normal¬ 
serum, nicht aber durch Zusatz von Luesserum behindert wird, 
legt den Gedanken nahe, daß die ausgeflockten Substanzen 
vorwiegend dem Extrakt angehören und nicht Stoffe sind, 
die sich im Serum vor finden. In Verfolgung dieses Gedankens und 
zur Aufklärung des Mechanismus der Reaktion stellten wir die im folgenden 
näher beschriebenen Versuche an. Um beweisende Versuchsergebnisse zu 
erhalten, sahen wir uns jedoch genötigt, unter Beibehaltung der 
relativen Mengenverhältnisse der einzelnen Reaktionsbestandteile 
nach Meinickes Originalvorschrift ihre absoluten Quanten zu ver¬ 
mehren. 

Zunächst seien einige technische Details in Kürze erläutert: 

1. Zur Bereitung der Extrakte. 

Von Fett, Sehnen und Gefäßen befreites Pferdeherz wird fein geschabt, 
auf Glasplatten ausgestrichen, bei 50° getrocknet und zu einem feinen Pulver 
zerrieben. Zu einem Teil dieses Pulvers fügt man 9 Teile Äther, schüttelt eine 
Stunde, filtriert den Äther ab, trocknet den Rückstand bei 37° und extrahiert 
diesen dann mit 9 Teilen 95proz. Alkohol 3 bis 5 Tage bei 37° unter öfterem 
Umschütteln. Der darnach durch Filtrieren gewonnene, klare, alkoholische 
,Ätherrestextrakt“ wird durch einen einfachen Vorversuch ausgewertet, indem 
man fallende Extraktmengen mit steigenden Alkoholdosen vermischt und je 
die halbe Menge destillierten Wassers rasch zufügt. Nach einstündigem Stehen 
bei .Zimmertemperatur setzt man die siebenfache Menge destillierten Wassers 
zu. Der beim ersten Wasserzusatz auf tretender und beim zweiten Wasserzusatz 
bestehen bleibende Trübungsgrad erlaubt Rückschlüsse auf die Wirksamkeit des* 
Extraktes und läßt die erforderliche Alkoholverdünnung ermitteln. 

Über die genaueren Einzelheiten dieses Vorversuchs sei auf die Original- 
initteilung Meinickes 1 ) verwiesen. 

Zur Anstellung der Versuche mischt man die e r f o r d e r 1 i c h e E x t r a k t - 
menge (die man vorher auf die durch den Vorversuch ermittelte Alkohol¬ 
konzentration gebracht hat) mit der halben Menge destillierten 
Wassers und fügt dann für die zweite Modifikation Meinickes (M.R.) 
die siebenfache Menge destillierten Wassers, für die dritte Mo¬ 
difikation (D.M.) die siebenfache Menge 2proz. Kochsalzlösung 
zu. Wir nennen weiterhin der Kürze halber dieses Extraktkolloid in 
Wasser kurz Wasserextraktkolloid, das in Kochsalzlösung ftoch- 
salzextra kt kolloid nach M ei nicke. 

2. Zur Anstellung der Versuche. 

Zur Verwendung gelangten Extrakte, die in Kochsalzverdünnung (als Koch¬ 
salzextraktkolloid) spontan ausflockten und von Seren einerseits Luesseren, 
die bei der W.R. komplette Hemmung (-|—|—f~H» bei der Meinicke- 
Reaktion (D.M.) stärkste Ausflockung (+H—H ergaben, also meist von 
unbehandelten sekundären Luesfällen herstammten, anderseits Normal- 

1) Münchn. med. Wochenschrift 1919, Nr. 33. * 

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102 Zur Theorie der Serologie der Syphilis. 

seren, die sowohl bei der W.R. als bei der Meinicke-Reaktion (D.M.) voll¬ 
kommen negativ reagierten und von Fällen entnommen worden waren, 
die weder klinisch noch anamnestisch irgendwelche Anhaltspunkte 
für bestehende oder überstandene luetische Infektion boten. 

Von sämtlichen Seren wurden die Versuche doppelt aufgestellt, einmal im 
„aktiv“ belassenen Zustande und einmal nach Erwärmung auf 56° C durch 
15 Minuten, also im „inaktivierten“ Zustande, ohne daß eine Differenz der 
Versuchsergebnisse zu konstatieren gewesen wäre. 

Die Versuchsanordnung selbst findet sich in Tabelle I skizziert und 
gestaltet sich folgendermaßen: 

I. a) 8 ccm Wasserextraktkolloid, 

b) 8 ccm Kochsalzextraktkolloid werden ohne Zusatz von Serum 
aufgestellt. Das Wasserextra kt kolloid zeigt auch nach langem (tage- 
langem) Stehen bei Zimmertemperatur oder 37° C keinerlei Aus¬ 
flockung, das Kochsalzextraktkolloid hingegen flockt schon in 
wenigen Stunden sowohl bei Zimmertemperatur als auch bei 37° C 
spontan aus. 

II. Je 2 ccm Luesserum (L.S.) und Normalserum (N.S.) werden mit 
je 8 ccm Wasserextraktkolloid gemischt und auf 24 Stunden in den Brut¬ 
schrank bei 37° gebracht (erste Phase der M.R.). 

In sämtlichen Versuchseprouvetten zeigt sich nach 24 Stunden 
ein kräftiger Flockungsniederschlag (Sera, die keine Flockung 
gaben, sind uns nicht untergekommen). 

Bei Luesseren geht aber der Flockungsprozeß gleich nach 
Anstellung der Reaktion sehr lebhaft vor sich, so daß sich 
bereits nach 10 Minuten ein deutliches grobes Präzipitat ab¬ 
gesetzt hat. 

III. Je 2 ccm Lues- und Normalserum werden, wie bei II, mit 8ccm 
Wasserextraktkolloid gemischt, 24 Stunden im Brutschrank belassen 
(erste Phase der M.R.), sodann mit je 10 ccm 2proz. Kochsalzlösung 
versetzt und vorsichtig umgeschüttelt. Nach einem weiteren Aufenthalt 
von einer Stunde bei 37° im Brutschrank erfolgt die Ablesung, bei der 
sich die Flockung der Normalseren als aufgelöst erweist, während 
sie bei Luesseren, jedoch in geringerem Ausmaße, erhalten geblieben 
ist (zweite Phase der M.R.). 

IV. Je 2 (4) ccm Lues- und Normalserum werden mit je 8 (16) ccm 
Kochsalzextraktkolloid vermischt und nach 24 Stunden bei 37° abgelesen. 
Lu essera zeigen kräftige Flockung, bei Normalseren bleibt die 
Flüssigkeit homogen milchig getrübt (D.M.)-- 

Die Ergebnisse unserer im folgenden näher beschriebenen Versuche 
gaben zu den gleichfalls im nachstehenden erörterten weiteren Unter¬ 
suchungen Anlaß: 

Ad 1 der Tabelle. 

Der Zusatz von alkoholischem Pferdeherzätherrestextrakt zu 2 bis 
3proz. NaCl-Lösung in dem von Meinicke vorgeschriebenen Mengen¬ 
verhältnis von 1:8 („Kochsalzextraktkolloid nach Meinicke“) 
ergibt nach längerem Stehen bei Zimmertemperatur und bei 37 0 im Brut¬ 
schrank spontane Flockenbildung im Gegensatz zum „Wasser- 
extraktkolloid“, das auch bei tagelangem Stehen homogen 


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Von Dr. Emil Epstein und Dr. Fritz Paul. 


103 


milchig getrübt bleibt. Der nach scharfem Zentrifugieren gewonnene 
Niederschlag wird in 95proz. Alkohol aufgenommen und am Wasserbad 
bis zum Sieden erhitzt. Dabei geht der gesamte Niederschlag in Lösung, 
besteht demnach aus Lipoiden. 

Ad II der Tabelle. 

Der Zusatz von alkoholischem Pferdeherzätherrestextrakt in wässe¬ 
riger Emulsion („Wasserextraktkolloid nach Meinicke“) zum Serum 
hat sowohl bei Anwendung von Normal- als auch von Luesseren innerhalb 
24 Stunden bei 37° starke Ausflockung zur Folge. Ein Unterschied 
macht sich jedoch, wie bereits erwähnt, insoferne bemerkbar, als diese 
Ausflockung bei Anwendung von Luesseren innerhalb der ersten 
10 Minuten rascher und deutlicher einsetzt als bei Seren Nicht¬ 
luetischer. Die nach scharfem Zentrifugieren über dem Niederschlag 
stehende klare Flüssigkeit wird abgegossen, der Niederschlag mehrmals 
vorsichtig mit destilliertem Wasser serumfrei gewaschen, bis das Wasch¬ 
wasser keine Eiweißreaktion mehr gibt (geprüft mit Sulfosalizylsäure, 
Essigsäure-Ferrozyankalium, Biuretreaktion), der Niederschlag wird mit 
95proz. Alkohol übergossen, durch Schütteln gut gemischt und am Wasser¬ 
bad zum Sieden erhitzt. Dann wird abermals zentrifugiert. Es zeigt sich 
zunächst starke Koagulation des Niederschlages. Der Niederschlag 
besteht demnach zum größeren Teile aus Eiweißkörpern. 
Anderseits hat jedoch die Niederschlagsmenge eine deutliche Volumsver¬ 
minderung erfahren, was aus einem Vergleiche mit einem parallel auf¬ 
gestellten Versuchsröhrchen ohne Alkoholbehandlung ersichtlich ist. Ver¬ 
setzt man jetzt die vom Zentrifugate abgegossene alkoholische Flüssigkeit 
tropfenweise mit destilliertem Wasser, so zeigt sich deutliche Trübung, 
welche beweist, daß Lipoide in Lösung gegangen sind. (Um dieses 
Phänomen der Trübung noch deutlicher zu machen, dampft man die 
alkoholische Flüssigkeit am Wasserbade auf ein Viertel ihres Volumens ein.) 

Der ursprüngliche Flockungsniederschlag besteht also vorwiegend 
aus Eiweißkörpern, zum Teile aber auch aus Lipoiden. 

Ad ID der Tabelle« 

Die unter III. besprochenen Niederschläge, bei Zusatz von Normal¬ 
serum, lösen sich in entsprechenden Mengen 2proz. Kochsalzlösung 
komplett auf, d. h. die Flüssigkeit wird wieder homogen milchig ge¬ 
trübt, ohne daß auch bei Lupenvergrößerung Präzipitation erkennbar 
wäre, während bei Luesserum die Flockung, wenn auch in geringerem 
Ausmaße bestehen bleibt. Der sich nach Zentrifugieren absetzende 
Niederschlag weist aber gegenüber einem Vergleichsröhrchen, welches den 
Flockungsniederschlag von Luesserum -(- Wasserextraktkolloid am Ende 
der ersten Phase der M.R., also noch ohne Zusatz von 2proz. Kochsalz¬ 
lösung enthält, eine deutliche Volumsverminderung auf. Der Niederschlag 
wird, wie unter TI., jedoch in 2proz. Kochsalzlösung, solange gewaschen, 
bis das Waschwasser keinerlei Eiweißreaktion gibt, in 95proz. Alkohol 
aufgenommen und am Wasserbade zum Sieden erhitzt. Der Nieder¬ 
schlag geht im Gegensatz zu dem ursprünglichen, unter II. besprochenen 


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Zur Theorie der Serologie der Syphilis. 


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Tabelle L 

H*0 • OE = Wasserextraktkolloid nach M e i n i c k e. 
NaC10E= Kochsalzextraktkolloid nach Meinicke. 


LS — Luesserum. 

NS =» Normalserum. 

i. 

a) 8 ccm H*0 • OE 

b) 8 ccm NaCl • OE 

a) Keinerlei Ausflockung auch nach 
langem Stehen bei Zimmertemperatur 
und bei 37°. 

b) Spontane Ausflockung (-f~H 
schon in wenigen Stunden. 

. 

TT l M. R. (TT Modifikation) 1. Phase 
j 2 (4) ccm LS -f- 8 (16) ccm H,0 • OE 

nach 10' -|—f" 

nach 24 h +-4-4- 

in. 

M. R. (II. Modifikation) II. Phase 

2 ccm LS + 8 ccm H 2 0 • OE + 

10 ccm 2°/ 0 Kochsalzlösung 1 ) 

4- bis -H- 

IV. 

D. M. (111. Modifikation) 

2 (4) ccm LS + 8 (16) ccm NaCl*OE 

rior.li O/. Vi _1_L_ 


1) Die Mischung 2 ccm LS bzw. 2 ccm NS -f- 8 ccm H t O • OE bleibt 
NaCL-Lösung zugesetzt. Die Ablesung erfolgt nach einer weiteren Stunde 


Niederschlage, vollkommen in Lösung, best eht demnach ausschließlich 
aus Lipoiden. 

Ad IV der Tabelle. 

Luesseren mit Kochsalzextraktkolloid nach Meinicke in 
entsprechender Menge versetzt geben einengrobflockigenNiederschlag. 
Dieser Niederschlag wird wie unter III. mit 2proz. Kochsalzlösung ge¬ 
waschen, in Alkohol aufgenommen und zum Sieden erhitzt. Der Nieder¬ 
schlag löst sich fast vollständig auf, besteht demnach fast zur Gänze 
aus Lipoiden. Es Testieren meist nur spärliche Flöckchen, manchmal 
auch etwas reichlichere Krümelchen. Dieser minimale zartkrümelige 
Bodensatz wird durch mehrfaches Zentrifugieren mit Wasser oder Koch¬ 
salzlösung gewaschen, hierauf zur Anstellung der Biuretreaktion mit 
33proz. Natronlauge übergossen und mit 0,lproz. Kupfersulfatlösung 
überschichtet. Die Biuretreaktion fällt negativ aus. Der Niederschlag 
löst sich in Natronlauge nur schlecht. Es restiert vielmehr ein gallert¬ 
artiger Bodensatz, welcher aus schwerlöslichen Salzen bestehen dürfte. 

Normalseren mit Kochsalzextraktkolloid nach Meinicke 
gemischt geben keinerlei Niederschlag. 


Aus diesen Versuchen geht zunächst hervor, daß die Theorie Mei- 
nickes, daß es sich bei seiner Reaktion um eine Globulinflockung 
durch Störung des Kochsalzgleichgewichtes der Globuline 


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105 


+ • 

-+ 


Takelte 1. 

ganz zarte körnelige Flockung, 
deutliche Flockung, 
grobe Flockung. 


r 


tf.ft. (lLModifkation) t. Phase 
2 (4) ccm NS 4" 8 (16) ccm HgO • OE 


M. R. (II. Modifikation) 11. Phase 
2 ccm NS 8 ccm H*0 • OE 4- 
10ccm 2% Kochsalzlösung 1 ) 

-B. \r (in ^odifikation) - 

2 (4) ccm NS + 8 (16) ccm H*0 • OE 


nach 10' 4 

nach 24 h 4-+' j 
Flockung gelöst 


nach 24 h keine 
Flockung 


b) Der Flockungsniederschlag 
besteht ausschließlich aus alko¬ 
hollöslichen Lipoiden. 

Der Flockungsniederschlag 
besteht 

a) aus Eiweißsubstanz koa¬ 
guliert in heißem Alkohol» 

b) aus alkohollösl. Lipoiden^ 

Der Flockungsniederschlag bei 
Luesserum besteht aus alkohol- 
löslichen Lipoiden. 

Der Flockungsniederschlag bei 
Luesserum besteht aus alkohol¬ 
löslichen Lipoiden. 


zunächst 24 Stunden bei 37° im Brutschrank, hierauf werden 10 ccm 2proz. 
bei 37°. 


handelt, nicht richtig fundiert sein kann, da die sowohl in der 
zweiten als auch in der dritten Modifikation bei Luesseren differential¬ 
diagnostisch in Betracht kommenden Niederschläge zum allergrößten 
Teil mit Eiweißkörpern nichts zu tun haben, sondern aus alko¬ 
hollöslichen Lipoiden bestehen. Auch die jüngst veröffentlichten 
Beobachtungen Joels (1. c.) zur Theorie der Meinickcschen Reaktion 
im Dunkelfeld bestätigen diese Befunde. 

Diese Konstatierung ist übrigens in keiner Weise überraschend, 
da nach der vorliegenden Literatur gar nichts anderes zu erwarten war, 
als daß die Seren Luetischer zugesetzte Lipoidsuspensionen zur Ausflockung 
bringen (Land Steiner 1 ), Elias, Neubauer, Por gesund Salomon 2 )u.a.). 

Die ausgeflockten Lipoide gehören nach der quantitativen Mäch¬ 
tigkeit des Flockungsniederschlages wohl hauptsächlich den Lipoiden 
des Organextraktes und zum geringsten Teile möglicherweise auch den 
Eigenlipoiden des Serums an. Daß diese Ansicht richtig ist, wird weiter¬ 
hin dadurch bestätigt, daß der Mei nicke-Extrakt an und für sich, 
in 2proz. Kochsalzlösung allmählich und, wie Mei nicke neuerdings nach¬ 
gewiesen hat, in 3 bis 5proz. Kochsalzlösung rascher spontan ausflockt. 
Es ergibt sich also das interessante, bisher ganz unbekannte 
Phänomen, daß Normalseren die Spontanausflockung der 
Extraktlipoide verhindern, während Luesseren sie beschleu¬ 
nigen und deutlich intensiver gestalten. 

1) Finger, Handbuch der Geschlechtskrankheiten, S. 2358 bis 2405. 

2) Wiener kBn. Wochenschrift 1908, Nr. 21. 


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106 


Zur Theorie der Serologie de? Syphilis. 


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Wenn wir die Vorgänge, welche diese Reaktionen herbeiführen, dem 
Verständnisse näherbringen wollen, so ist es notwendig, sich zunächst 
eine Vorstellung von der physikalischen Beschaffenheit des in 
Anwendung gezogenen Kochsalzextraktkolloids zu bilden. Es 
stellt wohl zweifellos ein komplexes Dispersoid vor, welches vermutlich 
eine Kombination von Suspensions J und Emulsionsdispersoid 
bildet. Das geht daraus hervor, daß das einstündige Ausschütteln des 
Pferdeherzpulvers bei Zimmertemperatur mit Äther wohl kaum das ge¬ 
samte Cholesterin, noch weniger aber das Lezithin zu entfernen 
imstande ist. Es handelt sich vielmehr vermutlich im wesentlichen um 
ein Gemenge von Cholesterin, ungesättigten lezithinähnlichen Lipoiden 
und gesättigten Phosphatiden. (Erlandsen stellt aus Muskeisubstanz 
Diaminophosphatide dar, welche der Gruppe der gesättigten Phosphatide 
angehören 1 ).) Die chemische Beschaffenheit 2 ) hat zur ganzen Frage des 
Mechanismus der kolloidalen Reaktionsfähigkeit des Extraktkolloids 
insofern eine gewisse Beziehung, als wir wissen, daß Cholesterinauf¬ 
schwemmungen im wesentlichen die Eigenschaften von Sus- 
pensoiden, Lezithin-Aufschwemmungen hingegen mehr die Eigen¬ 
schaften von Emulsoiden (hydrophilen Kolloiden) aufweisen (Porges 
und Neubauer 3 )). Der Dispersitätszustand dürfte im allgemeinen 
an der Grenze zwischen grobdispersem und kolloidalem Dis¬ 
persionsgrad stehen, somit einem recht labilen kolloidalen Gleich¬ 
gewichtsverhältnisse entsprechen, da bei der größeren Zahl der von uns 
untersuchten Extrakt schon bei längerem Stehen b°i Zimmertemperatur 
eine Eigenausflockung in 2 bis 3proz. Kochsalzlösung erfolgt. — Es sei 
hier nochmals an die Feststellung von Hans Sachs erinnert, der seine 
milchig getrübten, also gröber dispersen Extraktmischungen als für di«* 
Wasser mann sehe Reaktion geeigneter bezeichnet als die feiner dispersen, 
opaleszierenden Mischungen. Die besondere Empfindlichkeit der 
Extrakte und ihr charakteristisches Verhalten bei Zusatz von Normal- 
und insbesondere von Luesserum beruht höchstwahrscheinlich in dem 
zufällig getroffenen Mengenverhältnisse der einzelnen Ex¬ 
traktkomponenten (Lipoide). Der Dispersitätsgrad verschiedener 
Lipoide im cholesterinhaltigen Dispersionsmittel ist z. B. ein ganz anderer 
als im cholesterinfreien. Cholesterin, in organischen Lösungsmitteln gelöst, 
stellt nach Fränkel ein ganz ausgezeichnetes Lösungsmittel für die übrigen 
Lipoide dar, so daß es sehr schwierig ist, das Cholesterin aus solchen 
Lipoidgemischen zu entfernen 4 ). Die komplexe Zusammensetzung 
der verschiedenen dispersen Phasen unseres Extraktes und ihr 
gegenseitiges Mengenverhältnis scheint die Vorbedingung des Er¬ 
diges zu sein. 


1) Zitiert nach Fränkel: „Darstellung von Lipoiden aus Gehirn und 
anderen Geweben. 41 Abderhalden, Handbuch der biochemischen Arbeits¬ 
methoden, Bd. V, l.Th., S. 613 u. ff. 

. 2) Der eine von uns ist mit dem Studium der chemischen Zusammen¬ 
setzung des Extraktes beschäftigt. 

3) Biochem. Zeitschr. 1907, Bd. 7, Heft 1 bis 2. 

4) Über Lipoide. Biochem. Zeitschr. 1909, S. 254 ff. 


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107 


w- 


Sachs und Rondoni 1 2 ) zeigten, daß auch bei den Extrakten für 
die Wassermann-Reaktion nicht einzelne Lipoide, sondern 
eine optimale Zusammensetzung verschiedener Lipoidstoffe 
für die Wirkung verantwortlich zu machen seien. 

Ostwald*) betont die besondere Variabilität des dispersen 
Zustandes gerade komplexer Dispersoide gegenüber Temperatur, 
Konz »ntration usw., welcher wohl die gesteigerte Empfindlichkeit dieser 
Dispersoide in bezug auf ihre Ausflockbarkeit entspricht. Der Meinicke- 
Extrakt stellt vermutlich ein solches komplexes Lipoiddispersoid 
vor, in welchem verschiedene disperse Phasen in einem keineswegs ein¬ 
heitlichen Dispersionsmittel dispergiert erscheinen. Wir können uns ganz 
gut vorstellen, daß eine disperse Lipoidphase selbst, z. B. eine cholesterin¬ 
haltige Phase das Dispersionsmittel für andere disperse Lipoidphasen dar¬ 
stellt. Es sind dies jedesfalls komplizierte Verhältnisse, welche 
durch systematische künstliche Mischungen kaum je zu 
erzielen sein werden. Es wird daher wohl noch lange Sache des empiri¬ 
schen Tastversuches bleiben, richtige Extraktbeschaffenheit zu er¬ 
mitteln, und es ist nicht das geringste Verdienst Meinickes, diesen 
Weg bei der Herstellung und Auswertung seines Extraktes 
betreten zu haben. 

Daß Zusätze von Cholesterin, wie sie nach Sachs und Georgi an¬ 
gewendet werden, in der Hand des besonders versierten Untersuchers 
gelegentlich zu einwandfreien Resultaten führen können, zeigen die Erfolge* 
der Methode bei Sachs u. a., daß aber das Arbeiten mit cholesterinierten 
Extrakten nach Sachs und Georgi nicht die Idealmethode im allgemeinen 
darstellt, dafür liegen die zahlreichen Arbeiten anderer Autoren über diese 
Methode Zeugnis, welche nicht immer zu besonders ermunternden Ergeb¬ 
nissen geführt haben. 

Zu dem Punkte der Relation der Reaktionsfähigkeit der 
Extrakte zu ihrer feineren Lipoidzusammensetzung sei auf die 
Arbeit Silbersteins 3 ) hingewiesen, welcher zeigte, „daß mazerierte und 
autolysiertc Organe deshalb wirksamere Antigene für die Wasscrmann- 
sche Reaktion geben als frische, weil in ihnen Lipoide, Seifen, Fettsäuren, 
Neutralfette und Cholesterine in einem bestimmten Mengenverhält¬ 
nisse zueinander stehen“. Die bereits erwähnten, im Gange befindlichen 
chemischen Untersuchungen werden zeigen, ob in Extraktkolloiden nach 
Meinicke neben den Lipoiden, welchen wohl die wichtigste Rolle bei den 
in Rede stehenden Reaktionen zufällt, noch Seifen und Fette vorhanden 
sind. 

Über die elektrischen Ladungs Verhältnisse der Lipoide, 
die weiter unten noch ausführlicher besprochen werden sollen, sei hier 
nur soviel gesagt, daß nach den Feststellungen von Porges und Neu¬ 
bauer (1. c.) Lipoidsuspensionen, sowohl Cholesterin- als Lezithin-Auf¬ 
schwemmungen anodische Konvektion besitzen, somit elektronegative 
Ladung aufweisen. „Was die Säurefällbarkeit und Alkalilöslichkeit der 

1) Berl. klin. Wochenschrift 1908, Nr. 44. 

2) Grundlagen der Kolloidchemie.J 1914. 

3) Biochem, Zeitschr. Bd, 88, Heft 1 bis 3. 


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108 Zur Theorie der Serologie der Syphilis. 

Lezithin- und Cholesterinsuspensionen anlangt, so beweist sie ihre anodische 
Konvektion.“ 

Nachdem wir uns so über den physikalischen Zustand des Koch¬ 
salz-Extraktkolloids nach Meinicke orientiert haben, ist es not¬ 
wendig, uns auch mit der zweiten Komponente der bei der Ausflockung 
reagierenden, kolloidalen Lösung, dem Serum, in Kürze zu beschäf¬ 
tigen. Sowohl Lues- als Normalseren stellen komplexe Dis- 
persoide dar, in welchen neben der Eiweißphase, die selbst wieder einen 
komplexen Bau aufweisen mag, auch noch eine Lipoidphase vorhanden ist. 

Vieles deutet darauf hin, daß sich die Eiweißphase der Lues¬ 
seren wesentlich durch ihre elektrischen Ladungsverhält¬ 
nisse von der Eiweißphase der Normalseren unterscheidet. 
Schon Elias, Neubauer, Porges und Salomon (1. c.) schlossen daraus, 
daß Luesseren mit elektrisch negativ geladenen Lezithin¬ 
suspensionen ausflocken, daß diese Seren gegenüber Normalseren eine 
erhöhte Azidität bzw. herabgesetzte Alkaleszcnz aufweisen 
dürften, da bekanntlich vermehrter Säuregehalt auf Eiweißlösungen 
unter Umständen positivierend wirkt. Da sie jedoch einerseits nicht 
imstande waren, eine Aziditätszunahme der Luesseren titrimetrisch nach¬ 
zuweisen, und es ihnen anderseits auch nicht gelang, Normalseren durch 
Säurezusatz mit Lezithin zur Ausflockung zu bringen, so glaubten sie. 
diese Ansicht fallen lassen zu müssen, und faßten die Lues¬ 
reaktion als eine „kolloidale Fällungsreaktion zwischen ge¬ 
wissen hydrophilen Kolloiden“ (Lezithinsuspension, Lipoidextrak¬ 
ten usw.) „und den Globulinen zuzurechnenden Eiwei߬ 
körpern“ auf, die im Luesserum infolge geringerer Stabilität 
eine größere Fällungszone verursachen“. Es gelang ihnen aber 
nicht, durch Ffillungsversuche mit gesättigter Ammonsulfatlösung Unter¬ 
schiede in den Fällungsgrenzen zwischen Normal- und Luesseren nach¬ 
zuweisen. Wenn wir uns demgegenüber vor Augen halten, daß Aziditäts- 
zunahmen des Serums bei seinem starken Bindungsvermögen für H- und 
OH-Jonen der Feststellung durch titrimetrische Methoden keineswegs 
zugänglich zu sein brauchen (Eichwald und Fodor 1 )), und uns vergegen¬ 
wärtigen, daß die Ausflockung zwischen Eiweißphase und Organ¬ 
lipoidphase nach den allgemeinen Flockungsgesetzen der Kolloide ohne 
entgegengesetzte Ladung nicht gedacht werden kann, so 
werden wir wohl in der Annahme nicht fehlgehen, daß eine elektro- 
positive Ladung der Luesseren (und damit eine relative Aziditäts¬ 
erhöhung) in Gegenwirkung zur elektronegativen Ladung der 
Lipoidphase zur Geltung kommen müsse. Much und Embden*) 
haben übrigens eine tatsächlich nachweisbare Aminosäurevermehrung 
luetischer Seren mit dem positiven Ausfälle der Wassermann-Reaktion 
in Zusammenhang gebracht. 

Überdies zeigten zwar Sachs und Alt mann*) bezüglich der Wasser- 
mannschen Reaktion, daß Normalseren mit negativer W.R. auch 

1) Die physikalisch-chemischen Grundlagen der Biologie. Berlinl919. S. 19'». 

2) Münchn. med. Wochenschrift 1914. Nr. 13, S. 730. 

3) Biochem. Zeitschr. 78, 46. 


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Von Dr. Emil Epstein und Dr. Fritz Paul. 


109 


nach Säurezusatz nicht positiv reagieren, anderseits aber, daß 
negativ reagierenden syphilitischen Seren durch entsprechen¬ 
den Säurezusatz eine positive Reaktion erteilt werden kann. 
Daraus geht aber unserer Ansicht nach hervor, daß eine Vermehrung 
des Aziditätsgrades allein keineswegs genüge, um die Reak¬ 
tionsfähigkeit der Seren mit negativen Lipoidkolloiden auszulösen, 
sondern daß ganz bestimmte, für Lues charakteristische La¬ 
dungsverhältnisse die Vorbedingung der positi vierenden Wirkung der 
zugesetzten Säure ist. Die Auffasung, daß die Seren Syphilitischer 
elektropositive Ladung abgeben müssen, um mit den negativ ge¬ 
ladenen Lipoidkolloiden reagieren zu können, wird auch durch Ver¬ 
suche bestätigt, auf die später eingegangen wird. Im Gegensatz zu dem 
elektrischen Ladungszustande der Eiweißphase der Luesseren 
ist die Eiweißphase der Normalseren nach Pauli 1 ) als elek¬ 
trisch-neutral b*W. schwach negativ geladen anzusehen. (Vgl. hiezu 
auch das instruktive Schema 1. c. S. 28.) 

Mit dem Auftreten positiver Ladungen im Luesserum geht 
eine Zunähme der Oberflächenspannung infolge gleichzeitigen 
Auftretens entgegengesetzt elektrischer Ladung der elektro- 
negaftiven Lipoidphase der Luesseren Hand in Hand. Es muß 
nftftilich hervorgehoben werden, daß nach Feststellungen von Sachs 2 3 ), 
Klausner 2 ) und v. Friedmann 4 ) auch die Lipoide im Luesserum eine 
besondere Rolle spielen. Durch das Auftreten entgegengesetzter 
Ladungen kommt es zu einer Erhöhung der positiven Oberflächen¬ 
spannung der Eiweiß- und Lipoidphase, mit welcher eine Ver¬ 
gröberung des dispersen Zustandes der Phasen der Lues¬ 
seren verbunden ist. Diese Zustandsänderung, die auch eine ge¬ 
steigerte Eiweißflockbarkeit zur Folge hat, wie sie in der Kl aus ner- 
schen Flockungsreaktion zum Ausdrucke kommt, gab vielfach Anlaß, 
eine Vermehrung der Globuline für alle möglichen Ausflok- 
kungsvorgänge verantwortlich zu machen. Überhaupt muß bei 
dieser Gelegenheit gegen den ganz allgemeinen Brauch Stellung ge¬ 
nommen werden, Eiweißkörper, die sich im Zustande erhöhter 
Flockbarkeit befinden, ohne weiteres als „Globuline“ zu bezeichnen 
mul jede Zunahme der Flockbarkeit im eiweißhaltigen Medium mit Glo¬ 
bulinen in Zusammenhang bringen zu wollen. Zur Bekräftigung unseres 
Standpunktes sei die Arbeit Wilheims und Obermeyers 5 ) angeführt, 
welche imstande waren, eine Steigerung der Ausflockbarkeit der Eiwei߬ 
körper durch chemische Prozesse herbeizuführen, ohne daß die auf diesem. 
Wege gewonnenen, leicht ausflockbaren Eiweißkörper mit den als „Glo- 


1) Hofmeisters Beitr. z. chem. Physiologie u. Pathologie. 1906. Ferner 
Pauli, Kolloidchemie der Eiweißkörper 1920. 1. H., S. 20. 

2) Zeitschr. f. Immun.-Forsch. 1917, Bd. 26, S. 451. 

3) Wiener klin. Wochenschrift 1912, Nr. 21. • 

4) Zeitschr. f. Hygiene 1910, Bd. 67, und Zeitschr. f. Immun.-Forsch. 1912. 
Bd. 14. 

5) Biochem. Zeitschr. 1912, Bd. 38, Heft 3/4. 

f) Zeitschr. f. Immun.-Forsch. 1920, Bd. 29, Heft 3 und 4. 


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110 


Zur Theorie der Serologie der Syphilis. 


bulinen“ bezeichneten, chemisch charakterisierten Eiweißkörpern irgend¬ 
etwas gemein hätten. Gloor und Klinger 6 ) weisen nach, daß positive 
Luesseren auch nach Entfernung der Globuline noch positiv 
reagieren, so daß sie in ihren weiteren Folgerungen zur Annahme gelangen, 
daß die Albumine und nicht die Globuline die Träger der charakteri¬ 
stischen Präzipitations Vorgänge seien. Die auf der Anwesenheit labiler 
Globuline beruhenden Präzipitationsvorgänge seien hingegen für Lues nicht 
charakteristisch. Auch Mandelbaum 1 ) zeigte jüngst, daß die Seren Lueti¬ 
scher nach Entfernung der Globuline mit cholesteriniertem Herzextrakt nach 
Sachs und Georgi deutlich präzipitieren. Mandelbaum gibt der Ver¬ 
mutung Ausdruck, daß nicht die Globuline es sind, die bei der Sachs- 
Georgischen Reaktion ausfallen, sondern die Lipoide, ohne 
jedoch seine Ansicht experimentell weiterhin zu stützen. Wir werden in 
der Folge sehen, daß bei den serologischen Syphilisreaktionen nicht den 
Eiweißkörpern die Hauptrolle bei den Flockungsvorgängen zukommt, 
sondern vielmehr der Lipoidphase der zugesetzten Extrakte. 

Wenn wir uns also im vorhergehenden ganz im allgemeinen eine 
Vorstellung über die physikalische Beschaffenheit der Lipoid¬ 
phase und der physikalischen Zustandsänderung des Serums 
bei Lues gebildet haben, so ist es nunmehr von besonderem Interesse, 
das Augenmerk unserem speziellen Falle zuzuwenden und eine Erklärung 
für die interessante Tatsache der Meinicko-Reaktion (D.M.) zu versuchen: 
sie besteht im wesentlichen darin, daß Normalseren die Ausflockung des 
Kochsalz-Extraktkolloides nach M ei nicke verhindern, während Luesseren 
den Prozeß beschleunigen und verstärken. 

Suchen wir nun schrittweise für den Mechanismus dieser Vorgänge 
eine befriedigende Erklärung zu finden. 

Ad I der Tabelle, a) wässeriges Extraktkolloid. 

Es sei zuächst der Zustand der Lipoidphase im elektrisch¬ 
neutralen Wasser in Betracht gezogen. Die aus elektronegativon 
Phasenteilchen zusammengesetzte Lipoidphase hält sich durch die 
gleichartige elektrische Ladung, die im Sinne einer gegenseitigen Abstoßung 
wirkt, im Gleichgewichte. Dementsprechend flocken die wässerigen 
Extraktemulsionen nicht aus und halten sieh lange im kolloidalen Gleich¬ 
gewichtszustände. 

b) Kochsalzextraktkolloid. 

Dieser Gleichgewichtszustand wird aber durch Zusatz der 2 bis 3pro/. 
Kochsalzlösung gestört. Die Kochsalzlösung befindet sich, wie aus den 
Reihenversuchen Meinickes hervorgeht, gerade in der Konzentration 
zwischen 2 bis 5% in dem auf die Lipoidphase eingestellten elektrolytischen 
Dissoziationszustand. Zur Wirkung gelangen nach einem kolloidchemischen 
Gesetze (Bechthold 2 )) überwiegend die dem Ladungszustande der 
Lipoidphase entgegengesetzt geladenen Jonen der Elektrolyten, 
also die Natriumionen. Die vorhandene Ladungsdifferenz zwischen 

1) Münchn. med. Wochenschrift 1920, Nr. 33, S. 962. 

2) Die Kolloide in Biologie und Medizin. 1919. S. 91. 


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Von Dr. Emil Epstein und Dr. Eritz Paul 


Ui 


elektrouegativer Lipoidphase und den elektropositiven Natriumionen 
führen zu einer konstant steigenden Zunahme der Oberflächenspannung 
durch kontinuierliche Ladungsabgabe bis zu dem Grade, bei dem dann 
die vollkommene Entladung und als letzte Konsequenz, im isoelektri¬ 
schen Zustande, die Ausflockung erfolgt. Auf dem Wege bis dahin dürfte 
es bei dem komplexen Bau der Lipoidphase zur Vereinigung einzelner, etwa 
der zartesten Teilchen der Lipoidphase, zu Kondensations Vorgängen 
kommen, die das Zusammenfließen dieser kleinsten Phasenteilchen zu 
größeren Komplexen zur Folge hat, wodurch der disperse Zustand der 
Lipoidphase sich immer mehr und mehr vergröbert. Aus dieser Darlegung 
geht hervor, daß die Reaktion eine gewisse Ablaufzeit erfordert. 
Dies zu betonen, ist deshalb wichtig, weil in der Beschleunigung, sowie 
in der Verzögerung der physikalischen Zustandsänderungen vielfach 
das Wesen derartiger Reaktionen zu suchen ist. Mit anderen Worten: 
Der positive Ausfall physikalisch-chemischer Reaktionen ist 
durch eine ganz bestimmte Ablaufzeit charakterisiert. Der negative 
Ausfall ist häufig durch ein oft vielfaches Multiplum dieser Ablaufzeit 
gekennzeiohnet, d. h. die Reaktion tritt häufig sehr verzögert, aber endlich 
dennoch ein. 

Ad 11 der Tabelle. 1* Phase der zweiten Modifikation (MJL). 

Die Ausflockungsvorgänge bei der ersten Phase der zweiten Mo¬ 
difikation (M.R.) nach Zusatz der Seren zum Wasserextrakt¬ 
kolloid gestalten sich folgendermaßen: Durch Verdünnen der Ei¬ 
weißlösung mit wässerigem Extraktkolloid, also mit Wasser als Sus¬ 
pensionsmittel, tritt sowohl bei Lues- als bei Normalserum eine- Salz¬ 
verarmung der Eiweißphase ein. Als Folge dieser Salzentziehung uhd 
der damit einhergehenden Änderung der Oberflächenspannungsverhält¬ 
nisse zwischen Eiweißphase und wässerigem Suspensionsmittel kommt es 
zur Ausflockung eines Teiles der Eiweißphase (Ausflockung der wasser¬ 
unlöslichen „Globuline“). Hand in Hand mit diesen auf Veränderung 
der Oberflächenspannungsverhältnisse beruhenden Flockungsvorgängen 
geht Adsorption der im wässerigen Suspensionsmittel gleichfalls sus¬ 
pendierten Lipoidphase des Extraktkolloids vor sich, die sowohl bei Lues¬ 
ais bei Normalserum erfolgt. Das auffällige Phänomen der Beschleu¬ 
nigung der Ausflockung der Luesseren in den ersten 10 Mi¬ 
nuten nach Zusatz des Serums zu Wasserextraktkolloid er¬ 
klärt sich durch das vermehrte Auftreten positiver Ladungen 
in Luesseren, welche auf die Lipoidphase im Sinne einer be¬ 
schleunigten Ausflockung wirkt, so daß hier neben den Adsorp- 
tions- direkte Ausflockungsvorgänge der Lipoide eine wichtige Rolle spielen. 

Ad Hl der Tabelle. II» Phase der zweiten Modifikation (M.R.).] 

Wenn wir die durch Zusatz von Wasserextraktkolloid ausgeflockten 
Proben nach der Vorschrift Meinickes mit 2 bis 3proz. Kochsalzlösung 
versetzen, so zeigt sich nach einstündigem Verweilen im Brutschrank 

a) bei Normalserum vollkommene Auflösung des Prä- 
zipitates, 


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112 


Zur Theorie der Serologie der Syphilis. 


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Tabelle II. 

NaCIOE = Kochsalzextrakt kolloid nach Mein icke. 
LS — Lusserum. 

NS = Normalserum. 


0.8 ccm NaCIOE -f- 

Abl< sungsresultat: 
0,8 ccm NaCIOE -f- 

Abli sungsresultat: 
0,8 ccm NaCIOE + 0,2 ccm NS + 
Abi sungsresultat: 
0,8 ccm NaCIOE -j- 0,05 ccm LS+ 
Ablesungsresultat: 


0,05 ccm NS 

0,05 ccm LS 
r i 4- 

0,1 ccm NS 

0,1 ccm LS 

1-4- 1 

r. 

0,15 ccm NS 

0,15 ccm LS 

i i i 

I 1 t 

0,05 ccm LS 
+++ 
0,05 ccm NS 
+++ 

1 t 1 

0,1 ccm LS 
+4 + 

0,1 ccm NS 
■+++ , 

i 1 1 

0,15 ccm LS 
+++ 
0,15 ccm NS 

-H-+ 


0,2 ccm NS 

0,2 ccm LS I 
+++ 

0,2 ccm LS 
+++ 

0,2 ccm NS 


Die Ablesung erfolgt nach 24stündigem Verweilen der Proben im Brut- 


b) bei Luesserum Auflösung nur eines Teiles des Nieder¬ 
schlages; ein Teil des Niederschlages bleibt ungelöst. 

Durch Zusatz von 2 bis 3proz. Kochsalzlösung löst sich sowohl bei a) 
als bei b) die durch Salzentziehung verursachte reversible Eiweißfiockung 
(„Globulinflockung* 4 ). Bei a) löst sich der entstandene Nieder¬ 
schlag vollkommen, weil bei Lösung des Eiweißniederschlages das 
durch Adsorption mitgerissene elektronegative Lipoid wieder in Sus¬ 
pension geht. (Die Rolle, welche die gelöste Eiweißphase des Normal¬ 
serums als Schutzkolloid übernimmt, wird bei Punkt IV besprochen.) 
Bei b) bleibt aber ein Teil des Niederschlages erhalten, der, 
wie wir durch seine Löslichkeit in heißem Alkohol gezeigt haben, aus 
Lipoiden besteht. 

Die ursprünglich elektronegativ geladene Lipoidphase gelangt 
durch die positive Ladung des Luesserums teilweise ihrer Ladung 
beraubt, unter Wirkung der elektropositiven Ladung der 
Natriumionen und wird auf diese Weise vollkommen entladen, 
also irreversibel ausgeflockt. Eii*e schützende Wirkung, wie sie 
Normalseren ausüben, kommt bei Luesseren nicht zur Geltung (näheres 
bei folgendem Punkt IV). 


Ad IV der Tabelle. Dritte Modifikation (D.M.). 

Bevor auf die Besprechung der Flockungsvorgänge der dritten Mo¬ 
difikation der Meinicke-Reaktion (D.M.) eingegangen wird, deren End- 
reaktion wesentlich der Endreaktion der zweiten Phase der zweiten Mo¬ 
difikation der M.R. entspricht, sei hier in Kürze dargestellt, wie wir uns 
die elektrochemischen Ladungsverh&ltnisse der Eiweißphase bei 
Normal-und Luesseren vorstellen. Normale Seren sind amphoter, 
resp. schwach negativ geladene Eiweißlösungen, in denen sich elektro¬ 
negative Ionen und elektropositive Ionen (Wasserstoffionen) 
nahezu das Gleichgewicht halten. Die Ladung des Eiweißmoleküls 


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113 


Tabelle 1L 

— = keine Flockung. 



= ganz zarte körnelige Flockung. 

= deutliche Flockung. 

= grobe Flockung. 

0,25 ccm NS 

0,25 ccm LS 

1 II 

0,3 ccm NS 

0,3 ccm LS 

1 1 1 

1 

| 0,36 ccm NS 

0,35 ccm LS 
11 1 

0,5 ccm NS 

0,5 ccm LS 

ii 1 

0,8 ccm NS 

0,8 ccm LS 
++ 

0,8 ccm LS 
++ 

0,8 ccm NS 
++ 

Kontrolle 

röhrchen 

0 

++ 

0 

++ 

0 

. 0 
++ 

1 ■ t 

0,25 ccm LS 

1 l i 

1 1 t 

0,3 ccm LS 

iii 

1 1 1 

0,35 ccm LS 

1 II 

1 1 1 

0,5 ccm LS 
++ 

0,5 ccm NS 
++ 

i t 1 

0,25 ccm NS 

+-H- 

' ' 1 

0,3 ccm NS 
+++ 

1 1 1 

0,35 ccm NS 

1 +-H- 


schranke. (37° C.) 

im Kerne ist gleichfalls eine amphotere. Im Luesserum kommt es 
jedoch zum Uberwiegen elektropositiver Ionen. In diesem Sinne 
wären die bereits erwähnten Feststellungen von Much und E mb den 
(1. c.) zu verwerten, daß im Luesserum vermehrte Aminosäuren auf- 
treten. Durch die Wasserstoffionen dieser Aminosäuren käme es unter 
Zurückdrängung der Ionisation der eigenen Wasserstoffionen des Eiweiß - 
raoleküles zum Uberwiegen einer positiven Ladung in seinem Kerne. 
Das positiv geladene Eiweißmolekül, vereint mit den verfügbaren Wasser¬ 
stoffionen der Aminosäuren, wirkt somit auf die negativ geladene 
Lipoidphase entladend. 


a) Verhalten von Normalserum im Koehsalzextraktkollold. 

Setzen wir also zu Kochsalzextrakt Normalserum zu, so fügen 
wir eine elektrisch-amphotere Eiweißphase und in geringer Menge eine 
elektrisch-negativ geladene Phase des Serumeigenlipoids zu. Die Lipoid¬ 
phase des Serums verstärkt noch die Wirkung der negativen Ladung der 
Extraktlipoide und erhöht die Spannungsdifferenz zwischen den elektrisch 
entgegengesetzt geladenen Teilchen der Extraktlipoidphase und den 
positiven Natrium-Ionen des Dispersionsmittels. Durch die damit Hand 
in Hand gehenden Änderungen der Oberflächenspannungsverhältnisse 
kommt es zur Adsorption einer dünnen Eiweißschichte an die Oberfläche 
der Lipoidphasenteilchen. Die Eiweißhülle umscheidet letztere und wirkt 
so als isolierende, die Entladung verhindernde Zwischenschichte. Ander¬ 
seits schieben sich die elektrisch-neutralen Massenteilchen des Normal¬ 
serums, die wir uns in einem sehr hohen Dispersitätsgrade verteilt denken 
müssen, zwischen die Phasenteilchen der Lipoidphase des Extraktes ein 
und verhindern mechanisch deren Kondensation zu gröberen Komplexen. 
Sie wirken so auf doppelte Weise mechanisch und isolierend als 
echtes Schutzkolloid für den Extrakt, dessen Ausflockung sie hint¬ 
anhalten. 


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114 Zur Theorie der Serologie der Syphilis. 

b) Verhalten von Luesserum im Kochsalzextraktknlloid. 

Wenn wir aber die Vorgänge bei dem Hinzufügen von Luesseruin 
zu Kochsalzextraktkolloid in Betracht ziehen, so wird zunächst 
alles weitere von der Tatsache vermehrter positiver Ladungen in der Ei* 
weißphase der Luesseren beherrscht. Schon der Umstand der zeitlich 
beschleunigten und gleich anfangs intensiven Ausflockung der Lipoide 
im Wasserextraktkolloid gegenüber ihrem Verhalten in Gegenwirkung zum 
Normalserum spricht für ein Überwiegen der positiven Ladung der Eiwei߬ 
phase luetischer Seren. 

Für diese vermehrte positive Ladung spricht übrigens noch ein an¬ 
scheinend sehr wesentlicher Versuch, den wir bei dieser Gelegenheit 
anführen wollen (s. Tabelle II). Fügen wir zu Normalserum, z. B. zu 0,5 ccm 
Normalserum, fallend bis zu 0,05 ccm Normalserum in zehn Röhrchen je 
0,05 ccm Luesserum, .so wird auch in dem Röhrchen (0,5 ccm Normal¬ 
serum -f” 0,05 ccm Luesserum) nach Zusatz des Lipoidextraktes eine starke 
Ausflockung erfolgen. Wir sehen also aus diesem Versuche, daß die isolie¬ 
rende Wirkung der dispersen Eiweißphase des Normalserums durch die 
positive Ladung des Luesserums paralysiert wird. 

In neuester Zeit zum Teil nach vollendeter Niederschrift dieser Arbeit 
erschien eine Reihe von Abhandlungen, welche die Auffassung, daß die 
elektrische Ladung von Seren die Ursache ihrer aktiven Wir¬ 
kungen sei, von anderem Gesichtspunkten aus und in anderem Zusammen¬ 
hänge zu bestätigen scheinen. So weist Höher 1 ) auf ältere seiner For¬ 
schungsergebnisse hin, aus denen hervorgeht, daß die roten Blutkörperchen 
negativ geladen seien. Von diesen Feststellungen Höbers ging Fahraeus 2 ) 
in seinen Arbeiten über vermehrte Sedimentierungsgeschwindig- 
keit der roten Blutkörperchen im Blute Schwangerer aus. 
Höher erklärt diese Erscheinung mit einer Ladungsverminderung der 
roten Blutkörperchen durch Entladungsvorgänge infolge Übertritts elektro- 
positiver Substanzen ins Blutplasma im Verlaufe der Schwangerschaft. 
Linzenmeier 3 ) hat jüngst diese Feststellungen vollinhaltlich bestätigen 
können. Wagner und Popper 4 ) haben auch im Blute Luetischer 
eine vermehrte Senkungsgeschwindigkeit der roten Blut¬ 
körperchen nachgewiesen und somit gezeigt, daß auch im Blutplasma 
Syphilitischer eine positive Ladung vorhanden sein müsse. Auch wir 
konnten die Tatsache der vermehrten Senkungsgeschwindig¬ 
keit der roten Blutkörperchen im Luesblute (1 Teil Natrium¬ 
zitratlösung 5% -f" 9 Teile Blut) gegenüber Normalblut bestätigen. 

Den Vorgang bei Zusatz von Luesserum zu Extrakt¬ 
kolloid nach Meinicke hätten wir nun folgendermaßen zu erklären: 
Der elektronegativen Ladung des Lipoidextrakts einerseits 
wirkt die positive Ladung der Natriumionen und die positiven 


1) Deutsche med. Wochenschrift 1920, Nr. 16. 

2) Biochem. Zeitschr. 1918, 89. 

3) Pflügers Archiv, 16. Juni 1920, S. 169. 

4) Med. Klinik 1920, Nr. 36. 


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Von t)r. Emil Epstein und Dr. Pritz Paul. il5 

Ladungen in der Eiweißphase der Luesseren anderseits entgegen. 
Bei Wegfall einer Isolierungsschiehte eines isolierenden Schutzkolloids, 
als welche wir die Eiweißphase des Normalserums kennen gelernt haben, 
kommt es nun durch Entladung zur Ausflockung der Lipoid¬ 
phase. 

Im Sinne einer Verstärkung und Beschleunigung dieses Ausflockungs- 
vorganges dürfte auch die Vermehrung des Lipoidgehaltes der Luesseren gegen¬ 
über Normalseren wirken, indem die negative Ladung der Lipoidphase des 
Extraktkolloids durch die negative Ladung der vermehrten Eigenlipoid- 
phase des Luesserums additiv verstärkt und dadurch die Spannungsdifferenz 
zwischen positiven und negativen Ladungen noch vermehrt wird. Durch diese 
Ladun^sVerhältnisse luetischer Seren erklärt sich möglicherweise 
auch die physikalisch-chemische Konstitution des Blutserums 
Luetischer gegenüber dem kolloidalen Zustande des Normal¬ 
serums, die im Sinne eines herabgesetzten Dispersitätsgrads verändert erscheint. 
Dieser herabgesetzte Dispersitätsgrad ist wohl die Ursache für die gelegentliche 
Zunahme der Flockbarkeit des Serums Luetischer mit Wasser, einen Zustand, 
welcher gemeiniglich als „GlobulinVermehrung“ bezeichnet wird (Klausner¬ 
sehe Reaktion). 

Der grob-disperse Zustand der Eiweißphase der Luesseren 
bildet auch kein mechanisches Hindernis für die Kondensations¬ 
vorgänge in der Lipoidphase, wenn man von der Vorstellung ausgeht, daß zwar 
die zarten Phasenteilchen des Normalserums, sich zwischen die Lipoidphasen¬ 
teilchen einschiebend, deren Vereinigung verhindern können, daß aber die groben 
Eiweißkomplexe der Luesseren von den der Vereinigung zustrebenden Lipoid- 
komplexen beiseite geschoben werden, so daß sich letzere den Weg zur tatsäch¬ 
lichen Vereinigung leichter zu bahnen imstande wären. 

Nach Ausflockung des Extraktlipoids durch Ladungsabgabe resultiert 
ein amphoterer Ladungszustand der Eiweißphase des Luesserums. Die 
amphoter geladenen Teilchen der Eiweißphase bleiben im kochsalzhaltigen 
Medium in Lösung. 

Daß auch bei den Eiweißpräzipitationsreaktionen durch Eiwei߬ 
immunserum nur eine der reagierenden Komponenten aus¬ 
geflockt wird^ weist Moll nach 1 ), welcher zeigte, daß im Präzipitate 
nur das Globulin des Immunserums vorhanden ist, nichts aber von den 
Eiweißstoffen des zur Immunisierung verwandten Serums. Das Immun¬ 
serum, das passive Reagens des Fällungssubstrates, wird durch das aktive 
Reagens des Fällungsmittels ausgefällt. 

Die Mitausfällung ganz geringer Eiweißmengen, die unserem Nachweise 
etwa entgangen wären, wäre wohl durch Adsorptionsvorgänge zu erklären. Es 
würden auf diese Weise die Lipoidkomplexe im Momente der Ausflockung von 
einer zarten Eiweißhülle umscheidet, wodurch auch die angebliche Resistenz der 
Flockungsniederschläge gegen Aufnahme der Lipoidfärbestoffe (Sudan) erklär¬ 
lich wäre. Eine isolierende Wirkung dieser Eiw’eißhülle könnte bei der großen 
Spannungsdifferenz zwischen positiver Ladung der Natrium ionen und der 
Eiweißphasenteilchen des Luesserums einerseits, der negativen Ladung 
der Lipoidphasen anderseits und bei dem Wegfalle eines mechanischen 
Hindernisses! zufolge des grob-dispersen Zustandes der Eiweißphasen des 
Luesserums wonl kaum zur Geltung kommen. 

Aus all dem geht hervor, daß die charakteristische Wirksamkeit 
luetischer Seren bedingt wird: 

1. durch Vermehrung positiver Ladungen, 

1) Hofmeisters Beiträge 1914, Bd. 4, S. 578. 

Archiv für Hygiene. Bl. 90. 8 


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Zur ^Theorie der Serologie der Syphilis, 

2. durch ihren sonstigen physikalischen Zustand im Sinne einer 
Verminderung des Dispersitätsgrades ihrer Phasen. Es handelt 
sich daher nicht etwa um eine quantitative Verschiebung einzelner 
chemischer Bestandteile der Luesseren, sondern um eine Qua¬ 
litätsänderung, die unter Einfluß des syphilitischen Prozesses zu¬ 
stande gekommen ist. 

Wir stehen jedoch dessenungeachtet nicht auf dem Standpunkte, 
daß diese für Lues charakteristischen Qualitätsveränderungen 
im theoretischen Sinne als streng spezifisch anzusehen seien. Sie 
können, wenigstens insofern die Erfahrungen der Wassermannschen 
Reaktion in Betracht gezogen werden, auch durch andere Krankheits¬ 
prozesse vorübergehend durch Scharlach, Fleckfieber (Epstein 1 )) usw., 
dauernd durch Lepra (Eitner 2 )) bedingt werden. 


Es ergibt sich demnach die bemerkenswerte Tatsache, daß Normal¬ 
seren eine Schutzwirkung aufweisen, die dem Luesserum 
abgeht. Die Normalseren entfalten im Vergleich mit dem Lues¬ 
serum gewissermaßen eine aktive Wirkung, die dem Lues¬ 
serum fehlt, als ob der Krankheitsprozeß zur Aufhebung dieser aktiven 
Schutzwirkung geführt hätte. Anderseits hat aber das Luesserum außer 
diesem Verluste an Schutzwirkung eine positive Eigenschaft der 
Beschleunigung des Reaktionsablaufes der Ausflockung der 
Lipoidphase im kochsalzhaltigen Medium erworben. Es ergibt 
sich bis zu einem gewissen Grade eine Analogie mit den Vorgängen bei 
der Freund-Kaminerschen Karzinomreaktion; das Normalserum 
entfaltet eine aktive, zellenzerstörende Wirkung gegen Karzinomzellen; 
dem Serum Karzinomatöser geht diese aktive Eigenschaft ab. Der Krank¬ 
heitsprozeß scheint auch hier eine aktive Eigenschaft des Normalserums 
zerstört zu haben. Aber auch das Karzinomserum hat eine Eigenschaft 
gewonnen, nämlich eine gewisse Schutzwirkung gegen die aktive, Kar¬ 
zinomzellen zerstörende Wirkung des Normalserums. Bemerkenswert ist 
auch noch die weitere Parallelität, daß bei Mischung von Normalserum 
mit Karzinomserum (im Verhältnis von 2:3) die Wirkung des Normal¬ 
serums aufgehoben # wird (Ernst Freund und Gisa Kaminer 3 )). 

Zur Frage der „Inaktivierung“' 

Wir möchten unsere Betrachtungen nicht abschließen, ohne zur 
Streitfrage Stellung genommen zu haben, ob „aktives 44 oder durch Er¬ 
wärmen auf 56° C „inaktiviertes“ Serum den für das Zustande kommen 
der charakteristischen Reaktion bei Lues geeigneten physikalischen Zustand 
repräsentiert. 

1) Zentralblatt f. Bakteriologie 1919, Bd. 83, Heft 3, S. 255; Wiener klin. 
Wochenschrift 1918, Nr. 36. 

2) Wiener klin. Wochenschrift 1906, Nr. 51; Wiener klin. Wochenschrift 
1908, Nr. 20. 

3) Biochem. Zeitschr. 1910, Bd. 2, Heft 3 und 4. 


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Von Dr. Emil Epstein und Dr. Fritz Paul. 


117 


Nach den in Tabelle I verzeichneten Versuchen hat es den Anschein, 
als ob kein wesentlicher Unterschied in den Ausflockungsverhältnissen 
zwischen inaktiviertem und aktivem Lues- und Normalserum be¬ 
stünde. Unsere Erfahrungen bei vergleichender Aufstellung 
einer größeren Reihe, etwa 500 Fälle, „aktiv“ belassener Serum¬ 
röhrchen mit parallel aufgestellten Röhrchen, die bei 56° durch eine 
Werteistunde „inaktivierte“ Serumproben enthielten, wie dies zu 
praktisch diagnostischen Zwecken vorgeschrieben ist, lehrten uns, worauf 
wir in einer jüngst erschienenen Arbeit (1. c.) hingewiesen haben, daß die 
Ausflockung in einer nicht unbeträchtlichen Anzahl sicher 
positiver Fälle unterblieb. Daß dies bei unseren Versuchen nicht 
in Erscheinung trat, mag wohl darin seine Ursache finden, daß zu den 
Versuchen besonders stark reagierende Seren herangezogen wurden. 

Die Einwendungen gegen die Anwendung aktiver Seren, 
welche immer wieder von verschiedener Seite erhoben werden, sind auf 
Grund unserer Versuchsergebnisse hinfällig, da es sich, wenig¬ 
stens bei der Ausflockungsreaktion nach Meinicke, im wesent¬ 
lichen sicher nicht um eine Präzipitierung der als „Globuline“ 
bezeichneten Eiweißkörper handelt, sondern vielmehr um eine 
Flockung der Lipoidphase des zugesetzten Herzextrakt- 
dispersoids. Die Forderung nach „Stabilisierung der Globuline“ 
ist also jedesfalls vom theoretischen Standpunkte aus nicht mehr zu 
halten, da es sich gar nicht darum handeln kann, eine etwa bestehende 
uncharakteristische Ausflockbarkeit der Eiweißphase der zu untersuchenden 
Seren abzudämpfen. Wohl aber birgt die Inaktivierung eine andere 
Gefahr in sich. Die Reaktionsfähigkeit der zu untersuchenden Seren 
kann durch einen so schweren Eingriff in ihren kolloidalen Zustand, wie 
ihn die Erwärmung auf 56° C darstellt, sehr wohl geschädigt werden. 
Durch die Erwärmung auf 56° C werden die kolloidalen Komplexe der 
Eiweißphase bei Vermehrung der Gesamtoberfläche zertrümmert und 
dadurch der Dispersitätsgrad der Eiweißphase erhöht. Daß dies nicht 
ohne Schädigung der Reaktionsfähigkeit der Seren vor sich gehen kann, 
geht schon daraus hervor, daß gerade der grob-disperse Zustand der Eiwei߬ 
phase eine der charakteristischen Eigenschaften luetischer Seren ist. 
zufolge welcher das mechanische Hindernis für die Kondensations- und 
Flockungsvorgänge wegfällt, die durch die entgegengesetzten Ladungs¬ 
verhältnisse der luetischen Seren und der negativ geladenen Lipoidphase 
in 2 bis 3proz. Kochsalzlösung als Dispersionsmittel bedingt sind. 

Optimale Temperatur für biologische Reaktionen. 

Es ist bei dieser Gelegenheit zu betonen, daß die Reaktionsschärfe 
zwischen den reagierenden Kolloiden, dem Extraktkolloid einerseits, dem 
Serumkolloid der zu untersuchenden Seren anderseits, genau auf die 
Temperatur von 37 bis 38° eingestellt ist. Der Ablauf der Reaktion 
erfolgt innerhalb 24 Stunden, die Ablesung der Resultate bei der über¬ 
wiegenden Mehrzahl der Fälle nach diesen 24 Stunden, bei einer geringeren 
Zahl jedoch nach weiterem Stehenlassen der Versuche bei Zimmertem¬ 
peratur durch 24 Stunden. Jedoch ist auch bei letzteren Fällen das Er- 

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118 Zur Theorie der Serologie der Syphilis. 

gebnis der Reaktion meist schon nach den ersten 24 Stunden angedeutet. 
(Hervorzuheben wäre, daß solche Differenzen im Ablaufmodüs keinerlei 
Schlüsse bezüglich der Schwere des Falles usw. zulassen.) 

Normalseren wirken auch bei mehrtägigem Stehenlassen der Proben 
bei Zimmertemperatur als Schutz gegen die Ausflockung des Extrakt¬ 
kolloids und erhalten dieses im Suspensionszustande. 

Der der Körpertemperatur entsprechende Wärmezustand 
von 37 bis 38° scheint für die biologischen Reaktionen des Serums 
überhaupt der entsprechendste zu sein, weil mit diesen Reaktionen 
Serumeigenschaften nachgewiesen werden, die durch Vorgänge des ge¬ 
sunden und kranken Lebens bedingt sind. Daß die kolloidalen Reaktionen 
als Funktionen des physikalischen Zustandes der reagierenden Substanzen 
von Temperatur, Konzentrationsgrad usw. in höchstem Maße abhängig sind, 
ist ein allgemeines Gesetz der Kolloidchemie (hierzu die Kapitel über 
Temperatur- und Konzentrationsvariabilität des dispersen Zustandes in 
Ostwalds „Grundlagen der Kolloidchemie“). Geringfügige Ände¬ 
rungen der Temperatur bedingen oft weitgehende Änderungen im phy¬ 
sikalischen Gefüge der zu untersuchenden Kolloide. 

Prttsip(tationsreaktionen und Wassermannsehe Reaktion. 

Wir können nunnicht umhin, hier mit einigen Worten auf die theore¬ 
tischen Gründe einzugehen, warum auch bei der Wassermann- 
Reaktion Inaktivierung der Seren die Reaktionsschärfe ab- 
stttmpft, anstatt die Reaktion charakteristischer zu ge¬ 
stalten, indem wir auch für die Richtigkeit dieser Ansicht das Gewicht 
der empirischen Erfahrung ins Treffen führen. 

Ohne das außerordentliche Verdienst von Harns Sachs irgendwie 
schmälern zu wollen, der sich als erster von der bisherigen Auffassung 
losgerungen hat und in klarer und überzeugender Weise, rein vom Stand¬ 
punkte der Kolloidchemie aus, physikalische Einflüsse und phy¬ 
sikalische Zustandsänderungen zur Erklärung des biologi¬ 
schen Verhaltens des Blutserums heranzieht, können wir nicht 
allen Punkten seiner Erklärung über den Mechanismus der Wasser¬ 
mann-Reaktion restlos zustimmen. Indem wir uns mit Sachs voll¬ 
kommen einverstanden erklären, wenn er den Satz aufstellt, daß „ein 
weitgehender Zusammenhang zwischen Ausflockungen und den zur Kom- 
plementinpktivierung führenden Vorgängen“ vorhanden ist, mit anderen 
Worten, daß die Ausflockungsreaktionen und die Wassermann- 
Reaktion durch prizipiell identische physikalische Flockungsvorgänge 
bedingt sind, die bei der Wassermann-Reaktion jedesfalls weit unter 
der .Grenze der makroskopischen Sichtbarkeit zur Komplementinaktivie¬ 
rung bzw. -Zerstörung führen, während sie bei den Präzipitationsreaktionen 
direkt zur Anschauung gelangen, müssen wir auf Grund unserer experimen¬ 
tellen Feststellungen zur Annahme kommen, daß auch bei der Wasser¬ 
mann-Reaktion nicht die „Globuline“ des Luesserums es sind, 
welche ausgeflockt werden, sondern daß vielmehr der elektrische 
und sonstige kolloidale Zustand der Luesseren die Aus¬ 
flockung des zugesetzten Lipoidsdispersoids herbeiführt. Übri- 


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Von Dr. Emil Epstein und Dr. Fritz Paul. 


119 


gens ist es in derselben Weise, wie es Sachs seinerzeit für die Globulin¬ 
phase der Luesseren ausgesprochen hat, gar nicht nötig, annehmen zu 
müssen, daß die Änderung des Dispersitätsgrades so weit führt, daß es 
zu effektiven Ausflockungen kommt; es könnte schon eine entsprechende 
Verminderung des Dispersitätsgrades der Lipoidphase einen Konden¬ 
sationsvorgang herbeiführen, der eine Komplementinaktivierung zur Folge 
hat (Hans Sachs 1 )). 

Die Petitio prima kann also auch bei der Wassermann-Reaktion 
nicht auf die Stabilisierung der Globuline durch Inaktivierung 
hinauslaufen, sondern auf Herstellung eines komplexen Lipoid- 
dispersoids, welches durch seine Zusammensetzung auf den elek¬ 
trischen Ladungs- und sonstigen kolloidalen Zustand der 
Luesseren charakteristisch eingestellt ist. Die Lehre von der 
Thermostabilität der Reaktionsfähigkeit luetischer Sera als Charakte¬ 
ristikum für diese ist auf Grund der Erfahrungen Landsteiners und 
Müllers, Müllers und anderer Autoren nicht zu halten. Epstein fand 
in einer nach Tausenden von Fällen zählenden Reihe parallel durchgeftihrter 
Untersuchungen, daß die Reaktionsfähigkeit luetischer Seren durch 
Inaktivierung in 6 bis 10% der Fälle zerstört wird und daß anderseits 
bei Anstellung der Wassermann-Reaktion mit aktiven Seren bei 
Anwendung scharf eingestellter Extrakte so gut wie niemals un- 
charakteristische Ausfälle resultieren. Die Beseitigung des Eigenkom¬ 
plementes der zu untersuchenden Seren durch Inaktivierung, die eine in 
der ursprünglichen Hypothese begründete Berechtigung zu haben schien, 
spielt demnach für die Richtigkeit des Reaktionsausfalles keinerlei Rolle 
(siehe hierzu auch Sachs und Altmann*)). Wenn dessenungeachtet 
mit der Kaupschen Modifikation der Wassermann-Reaktion, welche 
mit inaktivierten Seren arbeitet, nach verläßlichen Berichten*) ein¬ 
wandfreie Resultate erzielbar sind, so spricht das keinesfalls für die 
Richtigkeit der Thermostabilitätslehre. Kaup 4 ) stellt seine Modifikation 
auf die minimale Komplementdosis ein und muß daher das Eigen¬ 
komplement der zu untersuchenden Seren ausschalten. Die Erhöhung 
der Reaktionsempfindlichkeit durch Verwendung minimaler Komplement¬ 
mengen gleicht vielmehr die Schädigung des physikalischen Zustandes 
der reagierenden Seren im allgemeinen wieder aus. Für die Herstellung 
optimal wirkender Extrakte hat uns Hans Sachs den richtigen 
Weg gewiesen, indem er uns den Vorzug der Anwendung alkoholischer 
Herzextrakte in kolloidaler Lösung durch Verdünnung alkoholischer Lö¬ 
sungen mit physiologischer Kochsalzlösung lehrte. Die Herstellung der 
„N-Extrakte M nach Rudolf Müller, die sich in der Praxis vorzüglich 
bewähren, ist prinzipiell identisch mit dem Herstellungsverfahren der 
Extraktemulsionen nach Hans Sachs. Wenn Hans Sachs den Eigen- 

11 Zeitschr. f. Immun.-Forsch. 1917, Bd. 26, S. 460 ff. 

2) Kolle und Wassermann, Handbuch der pathologischen Mikroorga¬ 
nismen. 1909. I. Auflage. S. 593. 

3) Blanck, Münchn. med. Wochenschrift 1917, Nr. 4. 

4) Münchn. med. Wochenschrift 1917, Nr. 5. Monographie im Verlag von 
Oldenbourg, München und Berlin 1917. 


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120 


Zur Theorie der Serologie der Syphilis. 


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lipoiden des Serums eine wesentliche Rolle beim Zustandekommen 
der Wassermann-Reaktion zuschreibt, indem er ein Zusammen¬ 
wirken von Serumlipoiden und Extraktlipoiden im Sinne einer 
Antigen-Antikörperreaktion annimmt, so können wir diesen 
Standpunkt nicht teilen, indem unserer Ansicht nach in erster Linie 
die Eiweißphase der Luesseren und die Lipoidphase des Extrakt¬ 
kolloids als reagierende, gewissermaßen aufeinander gestellte Substanzen 
in Betracht kommen. Die elektronegativc Ladung der Eigenlipoide des 
Serums dürfte aber wohl die Ladungswirkung der negativen Phase der 
Organextraktlipoide verstärken. 

Zusammenfassung. 

In Kürze zusammenfassend, glauben wir klargestellt zu haben, 
daß bei der Präzipitationsreaktion der Seren bei Syphilis nicht 
die als Globuline bezeichnete Eiweißphase der luetischen Seren aus¬ 
geflockt wird, sondern die Lipoidphase des zugesetzten Organ¬ 
extraktes. Bei Auswahl entsprechend komplexer Lipoiddispersoide von 
Extrakten, welche derzeit wohl ausschließlich durch Extraktion tierischer 
oder menschlicher Organe gewonnen werden können — auch die cholesteri- 
nierten Extrakte nach Sachs und Georgi sind im wesentlichen Rinder¬ 
herzextrakte-, weisen diese in Verwendung gezogenen Extrakt¬ 
kolloide einen Dispersitäts- und elektrischen Ladungszustand 
auf, welcher auf dem für Lues charakteristischen Dispersitäts¬ 
und elektrischen Ladungszustand der Eiweißlipoidphase 
luetischer Seren bei 37° C prompt eingestellt ist. Der Dis¬ 
persitätsgrad der in Anwendung gezogenen Lipoiddispersoide steht an der 
Grenze zwischen grobdisperser und echt kolloidaler Dispersität des kom¬ 
plexen Suspensions-Emulsionskolloids. Die Extraktaufschwemmung 
t Teil OE »-{- ^ Teile Kochsalzlösung („Kochsalzextraktkolloid“) flockt 
daher in relativ kurzer Zeit — 4 bis 18 Stunden — bei 37° C spontan aus. 
Bei der Präzipitationsreaktion luetischer Seren nach Meinicke 
tritt eine Entladung der elektronegativen Lipoidphase durch die 
Natrium-Ionen des Kochsalzes und die positive Ladung der Ei¬ 
weißphase der luetischen Seren ein. Diese Entladung führt 
in letzter Konsequenz zur Ausflockung der Lipoidphase 
des Extraktkolloids. 

Die Inaktivierung der Seren hätte unserer Ansicht nach zu unter¬ 
bleiben, da einerseits die „Stabilisierung der Globuline“ insofern 
nicht in Betracht kommen kann, als die Globuline ja gar nicht 
ausgeflockt werden, somit auch eine uncharakteristische Flockung labiler 
Eiweißkörper der Luesseren nicht zu verhindern ist, anderseits aber das 
Erwärmen auf 56° einen förmlich brutalen Eingriff in den physikalischen 
Zustand kolloidalen Lösungen, also auch syphilitischer Seren darstellt. Die 
Inaktivierung hebt demnach auch erfahrungsgemäß in einem relativ hohen 
Prozentsatz der untersuchten Fälle die Reaktion auf und macht sie jeden¬ 
falls nicht „spezifischer“, oder, um es präziser auszudrticken, nicht 
„charakteristischer“, sondern stumpft nur die Reaktionsschärfe ab. 


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Von Dr. Emil Epstein und t)r. Fritz Faul. 


12i 


Das Neue und bisher Ungekannte, das die Präzipitations¬ 
reaktion nach Meinicke bietet, ist die Tatsache, daß die Normal¬ 
seren die spontane Lipoidausflockung behindern, also eine be¬ 
sonders aktive Arbeit leisten, indem sie eine Schutzwirkung ent¬ 
falten, deren Effekt sich darin äußert, daß das zugesetzte Extraktlipoid 
in seinem kolloidalen Gleichgewichtszustand erhalten wird und seinen 
Dispersitätsgrad beibehält, während Luesseren den spontanen 
Flockungsprozeß des Extraktkolloids nicht nur nicht behindern, 
sondern beschleunigen und verstärken. Die Eiweißphase der 
Normalseren wirkt als elektrisch indifferente isolierende Schicht, 
indem sie einerseits durch Adsorption die Phasenteilchen des Lipoid¬ 
extraktes einhüllend, die Entladung hintanhält, anderseits aber auch 
als mechanisches Hindernis wirkt, indem sich ihre Phasenteilchen 
zwischen die der Lipoidphase des Extraktkolloids einschieben und deren 
Kondensation zu gröberen Komplexen hindern. Dem Luesserum fehlt 
diese Schutzwirkung infolge seiner eigentümlichen elektrischen 
Ladungsverhältnisse und seines sonstigen physikalisch-che¬ 
mischen Zustandes. Es handelt sich demnach um eine Qualitäts¬ 
veränderung, welche unter dem Einflüsse des syphilitischen Pro¬ 
zesses zustande gekommen ist. 

Zwischen Wassermannscher Probe und Präzipitationsreak¬ 
tionen besteht eine große Verwandtschaft, indem sie beide auf 
Kondensationsvorgängen der dispersen Teilchen der Lipoid¬ 
phase der zugesetzten Extraktkolloide beruhen dürften, die bei 
der Wassermann-Reaktion, ohne gerade direkt Ausflockungsvorgänge 
veranlassen zu müssen, jedenfalls hinreichen, die Komplcmentinakti- 
vierung herbeizuführen, bei der Präzipitationsreaktion aber zu 
direkt in Erscheinung tretender Ausflockung der Lipoid¬ 
phase und vollkommener Aufhebung ihrer kolloidalen Dispersität den 
Anstoß geben. Daß die Resultate nicht streng parallel ausfallen, 
beruht wohl in der Verschiedenheit der Zusammensetzung der 
Lipoidphasen bei den in Verwendung gezogenen Extrakten, in den 
Unterschieden ihres Dispersitätsgrades, sowie auch in dem Um¬ 
stande, daß bei der Meinickeschen Präzipitationsreaktion eine 2 bis 
3proz. Kochsalzlösung, bei der Wassermannschen Reaktion eine 
auf die physikalische Resistenz der Hammelblutkörperchen eingestellte, 
0,8 bis 0,9proz. Kochsalzlösung als Dispersionsmittel in Anwendung 
kommt. Es scheint ganz gut möglich, daß allein diese verschiedene 
Natrium-Ionen-Konzentration differente elektrochemische Re¬ 
aktionsbedingungen schafft, welche zur Folge haben, daß in der 
Praxis die Kombination der beiden Methoden qualitativ und quan¬ 
titativ jenes Optimum der Ablesungseffekte erzielt, welches mit 
jeder der beiden Methoden allein nicht zu erreichen ist. 


Epikrise. 

Im vorliegenden wurde versucht, das Phänomen der Ausflockung 
lipoidhaltiger Organextrakte und die besondere Eigentümlichkeit 


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i2'2 Zur Theorie der Serologie der Syphilis. Von t)r. Emil Epstein u. t)r. Fritz Faul. 

dieser Erscheinung bei Zusatz normaler und luetischer Seren rein 
vom Standpunkte der physikalisch-chemischen (kolloidchemi¬ 
schen) Betrachtungsweise zu erklären. Wenn man die Arbeiten 
der letzten Jahre über Immunitätsreaktion im allgemeinen, sowie speziell 
über die serologischen Reaktionen bei Syphilis, ferner z. B. die zahlreichen 
Erklärungsversuche der Weil-Felixschen Fleckfieberagglutination in 
Betracht zieht, so fällt auf, daß ein Teil der Autoren ausschließlich im 
Fahrwasser der Ehr lieh sehen Antigen-Antikörper-Hypothese 
st gelt, während die übrigen Autoren ein Kompromiß dieser Hypothese 
mit der kolloidchemischen Auffassung herbeizuführen bestrebt sind. Die 
Ehrlichsche Hypothese (Seitenkettentheorie) wurzelt in rein 
chemischen Anschauungen und sucht die Immunitätslehre auf den Prin¬ 
zipien der chemischen Affinitätslehre und der stöchiometrischen 
Betrachtungsweise aufzubauen. Sie zieht also den chemischen Bau, 
die molekulare Struktur der aufeinander wirkenden Stoffe (Antigen-Anti¬ 
körper) als das wesentlichste Erklärungsmoment heran. Die Größe der 
Ehrlichschen Leistung kann nicht nur an den enormen Erfolgen 
gemessen werden, welche Ehrlichs Hypothese gezeitigt haben, sondern 
erregt auch durch die Kühnheit der Konzeption dieser Hypothese 
und ihres Ausbaues bis in die detailliertesten Einzelheiten un¬ 
geteilte Bewunderung. Die Kolloitfforschungen der letzten Jahr¬ 
zehnte, von Grahams grundlegender Feststellung im Jahre 1862 aus¬ 
gehend, der im einfachen Dialysierversuche mittels Pergamentmembran 
die Lösungen in eine Gruppe dialysabler und in eine Gruppe nicht- 
dialysabler zu scheiden lehrte (welch letztere er nach deren bekanntestem 
Vertreter, dem Leime, Kolloide nannte), haben jedoch der wissenschaft¬ 
lichen Erkenntnis ganz neue Bahnen eröffnet. Der prinzipielle Unter¬ 
schied zwischen der rein chemischen und der physikalisch-chemi¬ 
schen Auffassung besteht darin, daß bei der Beurteilung kolloid-chemi¬ 
scher Reaktionen vorwiegend physikalische Momente, die sich auf 
den kolloidalen Zustand der reagierenden Substanzen beziehen, zur 
Erklärung herangezogen wurden. Dieser kolloidale Zustand hat 
keinen direkten Bezug zur chemischen Natur der betreffenden 
Stoffe, sondern ist eine reine Funktion physikalischer Energien 
(elektrischer und sonstiger Oberflächenenergien). Es scheint 
übrigens die naturwissenschaftliche Erkenntnis intmer mehr 
durchzudringen, daß die chemischen Veränderungen insgesamt auf 
physikalische Vorgänge zurückzuführen seien. 


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Bemerkungen über das Pirquetsche Ernährungssystem. 

Von 

Privatdozent Dr. Ernst Krombholz, Wien. 

(Bei der Schriftleitung eingegangen am 22. Januar 1921.) 

Das Pirquet sehe Ernährungssystem gewinnt zunehmend an Geltung 
und hat vorzüglich in Österreich unter der Mitwirkung besonderer Ver¬ 
hältnisse eine große Bedeutung erlangt. Dem österreichischen Volke 
sind die Grundlagen seines wirtschaftlichen Daseins entzogen worden, 
und nur die Hilfe des Auslandes, vor allem auch die Amerikas, die als eine 
Wohltätigkeitstat von ungewöhnlicher Großartigkeit erscheint, hält den 
völligen Zusammenbruch der Ernährung auf, von dem wir ständig 
bedroht sind. 

Die überaus schwierige Aufgabe nun, diese in Realien gebotene Hilfe 
auf die Bedürftigen in zweckmäßiger Weise zu verteilen, ist durch eine 
Organisation in Angriff genommen worden, die auf Grundlage des Pir quet¬ 
schen Systems mit seltener Begabung aufgebaut wurde. *Es ist dabei die 
Zwangslage, in die uns das Angewiesensein auf Hilfe von außen versetzt, 
in erlaubter Weise zur Bindung an eine Ordnung und an die strenge Ein¬ 
haltung bestimmter Aufsichtsmaßnahmen benützt worden. Darin liegt 
eine Leistung, die anerkannt werden muß, auch wenn hier, wie für alles 
derartige Ordnungswesen, ihr Preis gezahlt werden muß. Denn in jeder 
Ordnung, in die man organische Wesen zwingt, hegt die Tragik innerer 
Widersprüche, mit denen sie zu ringen hat, solange sie sich behaupten 
will. Für diesen Kampf ist es oft entscheidend, ob Kritik gehört wird. 
Nun hat es bisher an Widerspruch gegen das Pirquetsche System, und 
zwar gelegentlich recht heftigen, nicht gefehlt. Wenn trotzdem das Er¬ 
scheinen eines Lehrbuches 1 ), in dem das System neuerdings, und zwar in 
seiner Anwendung auf die Durchführung der Volksernährung dargestellt 
erscheint, hier zu einigen kritischen Bemerkungen benützt wird, ohne 
daß weiter bedacht wird, ob sie neu seien oder nicht, so läßt sich das wohl 

1) Lehrbuch der Volksernährung nach dem Pirquetschen System, heraus¬ 
gegeben von Privatdozent Dr. L. Mayerhofer und Professor Dr. C. Pirquet, 
Urban und Schwarzenberg 1920. 

Archiv für Hygiene. Bd. 90. 9 


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Bemerkungen über das Pirquetsche Ernähmngssystem. 


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dadurch rechtfertigen, daß dabei nach einheitlichen Anschauungen ge¬ 
strebt wird, die vielleicht einer besseren Aufklärung über das System 
dienen können, wenn sie auch nicht erschöpfend sind. 

Zunächst ersieht man aus dem Buche, daß der Urheber jenes Systems 
die hohen Ansprüche, mit denen es zuerst vor die Öffentlichkeit getreten 
ist — wären sie begründet gewesen, so hätte man von da ab eine neue 
Zeitrechnung der Ernährungslehre zu beginnen gehabt —, offenbar aufge¬ 
geben hat. Denn Bedeutung und Wesen des Systems lassen sich kaum 
treffender charakterisieren, als es von Pirquet selbst in der knapp ge¬ 
haltenen Vorrede dieses Lehrbuches durch den schlichten Satz ge¬ 
schieht: „Im Nemsystem habe ich den Nährwert auf einfache, für Küche 
und Buchführung verwendbare Formeln gebracht.“ Also nicht um das 
„fundamentale Gebäude einer neuen Wissenschaft“, nicht um „neu ge¬ 
schaffene Grundlagen der Ernährungslehre“, wie Nobel und Mayer¬ 
hofer in ihren Beiträgen zu dem genannten Buche schreiben, handelt es 
sich, sondern im wesentlichen um eine Neufassung der überlieferten ener¬ 
getischen Ernährungslehre, wie wir sie hauptsächlich Rubner verdanken. 
Ihre Grundlagen sind durchaus auch das tragende Gebälke des Nem- 
systems. Sie sind gewissermaßen durch eine architektonische Verkleidung 
hier nur verdeckt. Dabei kommen wesentlich drei Motive in Betracht, 
bezeichnet durch die Wortmarken Nem, Siqua und Gelidusi, welche als 
die Maske des Nährwertes, des Nahrungsbedarfes und des Ernährungs¬ 
zustandes das Pirquetsche System im Grunde erschöpfen. Sie sollen in 
Kürze hier nacheinander erörtert werden. 

Daß die Nemeinheit, nicht anders wie die Kalorie, eine Wärmemenge 
bedeutet, ihrem Wesen nach also mit ihr einerlei ist, liegt so auf der Hand 
und ist schon so oft gesagt worden, daß es begreiflich ist, wenn die Ver¬ 
treter der Nemlehre ungeduldig werden, sobald man wieder darauf zurück¬ 
kommt. Es ist dies aber dennoch nicht zu vermeiden, solange sie selbst 
in ihren Veröffentlichungen daran festhalten, die Nemeinheit als ein 
physiologisches Maß der Kalorie als einem physikalischen, also im Grunde 
dem Maßgegenstand nicht angemessenen gegenüberstellen. 

So lesen wir in Nobels Beitrag zu dem gemannten Buche, wie Pirquet 
es unternommen habe, den Wirrwarr, der im Nährwertbegriff verborgen 
war, durch eine neue physiologische Maßeinheit zu klären. Mayerhofer 
aber schreibt in seinem Abschnitt über Ernährungskunde über das Verhält¬ 
nis der Kalorien zur Nemrechnung wörtlich wie folgt: „Der Vorteil 
der Kalorienrechnung ist nämlich in ihrer allgemeinen Anwendbarkeit 
für physikalische Zwecke gelegen. So kann man auf Grund der bei der Ver¬ 
brennung gewonnenen Kalorien in gleicher Weise Diamanten, Kohle, 
Reisig, Holz sowie auch Milch und andere Nahrungsmittel miteinander 
physikalisch vergleichen. Der Nachteil der Kaloricnrechnung ist aber 
darin gelegen, daß man für besondere Zwecke diese genauen physikalischen 
Werte nicht verwenden kann, wie in unserem gewählten Beispiel beim 
Diamanten und bei der Milch. In manchen Ausnahmefällen wird man 
mit der Kalorienrechnung den Wert eines Stoffes als Nahrungsmittel und 
als Brennstoff gleichzeitig ausdrücken können, wie z. B. in den holzarmen 
Gegenden Asiens in denen man getrocknete Fische gleichzeitig als Nahrungs- 


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Von Privatdozent Dr. Ernst Krombholz. 


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mittel und als Brennstoff für Lokomotiven verwendet. Solche Fälle sind 
aber gewiß Ausnahmsfälle.“ Es ist schwer zu sagen, was mit diesen Sätzen 
eigentlich gemeint sei. Daß der Kalorienwert eines Nahrungsmittels 
und sein energetischer Nährwert nicht ohne weiteres identifiziert werden 
dürfen, ist gewiß richtig. Auch die von Schülern Tangls auf Grund des 
Nernstschen Theorems angestellte Berechnung, daß bei der Verbrennung 
von Kohlehydrat, Eiweiß und Fett unter den im Warmblütler eingehaltenen 
Bedingungen die verfügbare freie Energie nahezu gleich der Wärme¬ 
tönung als Maß der Affinität ist, gibt noch nicht das Recht dazu, wie Höher 
im 15. Kapitel seiner physikalischen Chemie der Zelle und Gewebe zeigt. 
Wenn aber allenfalls diese Bedenken mit obiger Darstellung gemeint sein 
sollten, so muß man einerseits sagen, daß genau ebenso wie die Kalorien¬ 
messung auch das Nemmaß dadurch getroffen werde, anderseits aber, daß 
diesen Bedenken, wie Höher gleichfalls zeigt, praktische Bedeutung 
doch wohl nicht zukommt. Jedenfalls ist das Nemmaß mit dem Kalorien¬ 
maß auf das innigste verknüpft. Wie groß die Abhängigkeit ist, offenbart 
sich in der Entstehung der Nemtabellen, die Pirquet in der ersten Dar¬ 
stellung des Systems (Ztschrft. f. Kdhlkd., 14. Band) in folgender Weise 
schildert: „König hat alle chemischen Analysen, die von jedem einzelnen 
Nahrungsmittel von verläßlichen Autoren gemacht worden sind, gesammelt 
und daraus Durchschnittszahlen gezogen, die er als Rohnährstoffe benennt. 
Dann hat er unter Berücksichtigung der verhältnismäßig wenigen Ver¬ 
suche, die in der Literatur über Ausnützung der Nährstoffe vorliegen, 
daraus den ausnutzbaren Teil der chemischen Prozentsätze berechnet. 
Aus diesen ausnutzbaren Nährstoffen hat er durch Multiplikation mit 
den Rubnerschen Zahlen 1 ) die „reinen Kalorien“ erhalten. Diese 
reinen Kalorien multipliziere ich wieder mit 1,5, um den vorläufigen 
Nemwert des betreffenden Nahrungsmittels anzusetzen.“ Daß auf diese 
Weise aus einem physikalischen kein physiologisches Maß wird, müßte 
eigentlich nicht noch besonders gesagt werden. Wenn manche der gebräuch¬ 
lichen Nährwerttafeln unserer Literatur in ihren Daten die Ausnützbar¬ 
keit der Nahrungsmittel nicht berücksichtigen, sondern eben „Rohnähr¬ 
stoffe“ angeben, so geschieht dies natürlich nicht in der Meinung, daß die 
verschiedene Ausnützbarkeit der Nahrungsmittel zu vernachlässigen wäre, 
sondern aus der berechtigten Überlegung, daß die Ausnützbarkeit eines 
Gemisches von Nahrungsmitteln sich eben nicht additiv aus der Ausnütz¬ 
barkeit ergibt, die ihre Bestandteile im Versuche zeigen, wenn sie für sich 
allein gereicht werden, sondern daß die Bestandteile der Kost einander 
in ihrer Ausnützbarkeit beeinflussen, fördern und hemmen. Es wird daher 
den Benützern solcher Tabellen überlassen, für unvollkommene Ausnützung 
je nach der Kost, um die es sich handelt, den Abzug zu machen, der er¬ 
fahrungsgemäß ihrer Zusammensetzung entspricht. Die Unterlagen dafür 
sind freilich spärlich. Immerhin ist eine Wertung der Ausnützbarkeit von 
Kostsätzen unter Berücksichtigung dieses Momentes wenigstens in Stufen 
doch jetzt schon möglich. 

Über die Bedenken, welche zu dieser Art der Darstellung geführt 
haben, sind König und andere Autoren, die ihm hierin folgen, so auch 

1) Für Eiweiß verwendet König nicht die Rubnersche Zahl. 

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Bemerkungen über das Pirquetsche Eraährungssystem. 


Pirquet hinweggegangen um der Vereinfachung willen, die sie damit 
erzielen. Ob dies zweckmäßig ist oder nicht, darüber liegt die Entscheidung 
bei der Wertung der Fehler, die dabei in Kauf genommen werden, bei der 
Abwägung der Vor- und Nachteile, die damit verbunden sind. Diese Wer¬ 
tung und Abwägung steht hier freilich noch aus. 

Die Nemrechnung leistet also für die Einschätzung der Nahrung 
tatsächlich nichts, was nicht die Kalorienrechnung ebenso leisten könnte 
und, wo sie sinngemäß angewendet wurde, auch längst schon geleistet hat. 

Nun wird aber diese Art der Ermittlung des Nemwertes von Pirquet 
als eine vorläufige bezeichnet und als der wahre Weg zur Ermittlung der 
Nemwerte ein „Ersatzverfahren“ angegeben. Danach solle empirisch 
festgestellt werden, inwieferne ein zu prüfendes Nahrungsmittel den Nähr¬ 
wert der Milch voll ersetzen könne. 

Gröer gibt in einem Aufsatz im 97. Band der Biochemischen Zeit¬ 
schrift an, daß es sich dabei nicht um den kalorischen Wert der Milch 
handle, sondern daß der Nährwert alles umfasse, was ihr als vollwertiges 
Nahrungsmittel eigen ist. In diesem Sinne sieht auch Gröer im Nemwert 
eine mit dem Rang „physiologisches Maß“ auszuzeichnende Nährwert¬ 
einheit. Nur die Schwierigkeit und Langwierigkeit der Ersatzversuche 
rechtfertige es, inzwischen „nach dem aktuellen Nemwert zu greifen“. 

Die Absicht einer solchen empirischen Wertung unserer Nahrung 
durch ein Ersatzverfahren hat Pirquet von der landwirtschaftlichen 
Fütterungslehre her übernommen. Hier ist der Stärkewert eine empirische 
Einheit des Nährwertes, die Kellner für die quantitative Ernährung der 
Nutztiere eingeführt hat. Aber dieses Maß ist nach der Art seiner Ermitt¬ 
lung kaum als ein physiologisches, eher als ein „biotechnologisches“ zu 
bezeichnen. Denn die Äquivalenz der Nahrungsmittel mit der Stärke¬ 
nahrung bezieht sich auf bestimmte, vom Landwirt angestrebte Erfolge, 
wie Fettansatz, Milchproduktion oder Muskelarbeit, also auf Teilver¬ 
richtungen des Organismus, die in einfacher Weise meßbar sind. Von einer 
spezifisch physiologischen Wertung der Nahrung könnte man doch eigent¬ 
lich nur sprechen, wenn die Leistung der Nahrung auf die physiologischen 
Gesamtvorrichtungen des Organismus bezogen würde, für die uns aber 
doch wenigstens in ihrer Ganzheit eigentüch jedes Maß fehlt, und wenn 
wir zum Vergleich tatsächlich über ein vollkommenes Nahrungsmittel 
verfügen würden, das auf die Dauer diese Gesamtvorrichtungen voll 
bestreiten könnte. Aber als ein solches Nahrungsmittel kann die Milch kaum 
in der ersten Säuglingsperiode gelten nach dem, was wir aus den bekannten 
Versuchen Bunges über die Wichtigkeit des Eisenvorrates wissen, den der 
mütterliche Organismus dem Embryo mitgibt; später gewiß nicht mehr 
und beim Erwachsenen ist ausschließliche Ernährung mit Milch schon 
um der zu geringen Konzentration des Nahrungsmittels willen auf die Dauer 
nicht möglich. 

Ein Ersatzverfahren wäre also bei Erwachsenen nur so durchführbar, 
wie es auch Pirquet angibt, daß im Rahmen einer Grundnahrung zuerst 
Milch eingeführt wird und dann festgestellt würde, indem man sie durch 
das zu prüfende Nahrungsmittel ersetzt, ob beide Nahrungsmittel für die 
Ernährung dos Organismus das gleiche leisten. Diese Prüfung auf Äqui- 


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valenz müßte sich über die gesamten physiologischen Leistungen der 
Nahrungsmittel, ihre energetischen, wie spezifisch stofflichen, Punkt für 
Punkt erstrecken. 

Über solche Ersatzversuche bezüglich der energetischen Funktion 
kann man aber hinsichtlich des zu erwartenden Ergebnisses wohl einiges 
Voraussagen. Denn auf Versuchen, die in der Grundlage wenigstens gleich 
sind, beruht ja die Aufstellung des Isodynamiegesetzes von Rubner. 
Die Beziehung auf Milch würde daran nichts ändern. Ebenso ist, was die 
Ausnützbarkeit anbelangt, zu erwarten, daß nur bestätigt würde, wie die 
Nahrungsmittel darin sich gegenseitig beeinflussen. Auch bezüglich der 
stofflichen Leistungen der Nahrung hat Rubner bereits Versuche durch¬ 
geführt, die als Ersatzversuche zu bezeichnen sind; jene Versuche, welche 
die verschiedene biologische Wertigkeit der Eiweißkörper ergeben haben. 
Bei den akzessorischen Nährstoffen aber erscheint ein quantitativer Ver¬ 
gleich der Nahrungsmittel nach ihrem Inhalt an solchen wenigstens vor¬ 
läufig aussichtslos. Es ist ja die qualitative Hinlänglichkeit an sich schon 
so schwierig festzustellen. Auf jeden Fall ist das Studium der akzessorischen 
Nährstoffe an eine Methodik gebunden, die ganz und gar durch deren 
Eigenart bestimmt ist. Es ist nicht einzusehen, was gerade Ersatzversuche 
mit Milch hier leisten sollten. 

Aus all dem ergibt sich, daß der Nembegriff für die Theorie der Er¬ 
nährung weder den Wert einer neuen Erkenntnis, noch den eines heuristi¬ 
schen Prinzipes hat. Seine Bedeutung liegt in einer ganz anderen Leistung. 
Für die Praxis der Ernährungsfürsorge bedeutet er den Vorteil einer wesent¬ 
lich erleichterten Verständigung mit dem Kreis jener, denen die ein¬ 
schlägigen wissenschaftlichen Begriffe in ihrer Verwickeltheit und feinen 
Schärfe nicht zugänglich sind. 

Er setzt an ihre Stelle ein leichtfaßliches Sinnbild. Wenn es sich 
aber beim Nembegriff nur um ein Sinnbild der Nahrhaftigkeit handelt, 
dann muß zugegeben werden, daß die Milch in mehr als einer Beziehung 
sich vorzüglich als solches eignet. Sie ist bei der außerordentlichen Wert¬ 
schätzung, die sie als Nahrungsmittel allgemein genießt, ein überzeugendes 
Symbol des quantitativ faßbaren Nährwertes; sie deutet aber auch als 
gangbares Muster eines vollkommenen Nahrungsmittels auf die Forderung 
der qualitativen Hinlänglichkeit der Nahrung. Ferner wird, da ihre Dichte 
nur wenig von 1 abweicht, ihre Masse unmittelbar durch ihr Raummaß 
dargestellt. Schließlich erleichtert es in der Milchküche die Nährwert¬ 
berechnung natürlich wesentlich, wenn die Milch selbst ihr Maß ist. Dem 
gegenüber stehen freilich auch wieder Nachteile, die nicht übersehen 
werden dürfen. In anderem Zusammenhänge wird darauf noch zurück¬ 
zukommen sein. Hier sei als das größte Übel nur die doppelte Rechnung 
angeführt, die sich aus der Anwendung zweier Maße ergibt, eines, das die 
Theorie nicht aufgeben kann, und eines anderen für die Praxis bestimmten. 
Das ist eine arge Verwicklung, welche die allgemeine Verständigung in 
Ernährungsangelegenheiten doch wieder recht erschwert. Es ist nicht 
möglich, auf naheliegende Verbesßerungsvorschläge hier einzugehen. 

Das zweite Maß, das Pirquet in seinem System aufgestellt hat, ist 
das Siquamaß, das zur Ermittlung des Nahrungsbedarfs dient. Auch 


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Bemerkungen über das Pirquetsche Ernährungssystem. 


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dabei handelt es sich im wesentlichen um eine förmliche, nicht um eine 
inhaltliche Neuerung in der Ernährungslehre. Denn was ihm zugrunde 
liegt, ist schließlich eine Variante des „Oberflächengesetzes“. 

Aus Pfaundlers vortrefflichen Körpermaßstudien an Kindern ist 
klar zu ersehen, daß wir am sog. Oberfläcbengesetz in seinen verschiedenen 
Fassungen den eigentlichen Inhalt von seiner gedanklichen Deutung zu 
trennen haben. Sein wesentlicher Inhalt ist die Regel, daß der Nahrungs¬ 
bedarf verschieden großer, ähnlich gebauter Tiere ceteris paribus als eine 
Flächenfunktion im mathematischen Sinne erscheint: er kann aus dem 
Gewicht der Tiere als % Potenz in einer oft sehr guten Übereinstimmung 
mit der Beobachtung abgeleitet werden. 

Die vorliegenden gedanklichen Deutungen der fraglichen Funktion 
sind aber, wie Pfaundler zeigt, logisch doch recht anfechtbar. Die 
Heranziehung des stereometrischen Lehrsatzes, daß bei geometrisch ähn¬ 
lichen Körpern die Oberflächen proportional sind der % Potenz ihres 
Volumens, ist auf den ersten Blick ungemein verlockend. Doch ist die Be¬ 
ziehung nur auf die äußere Oberfläche oder nur auf die innere Flächen¬ 
entfaltung eines bestimmten Organsystems immer eine willkürlich be¬ 
grenzte und führt zu Widersprüchen, auf die hier nicht näher eingegangen 
werden kann; die Beziehung auf sämtliche Flächenausmaße des Körpers 
aber, seien es Grenz- oder Querschnittsflächen, setzt nicht nur die ana¬ 
tomische, sondern auch die physiologische Ähnlichkeit des Organismus 
in allen Abstufungen seiner Bauelemente voraus, eine Voraussetzung, 
die selbst bei Angehörigen der gleichen Art nicht zutrifft. Es sei hier nur 
an die interessanten Ergebnisse der Größenbestimmung histologischer 
Elemente durch Schiefferdecker hingewiesen, der beim Menschen in 
der Größe der Zellen und Zellkerne durchgreifende Unterschiede findet, 
und zwar sowohl zwischen den Rassen als innerhalb der einzelnen Rasse. 
Bestehen aber solche Unterschiede, dann ist die Ableitung des % Potenz¬ 
gesetzes aus der Funktion realer Flächen nur dann aufrecht zu erhalten, 
wenn manannimmt, daß ein anderweitig erfolgender korrelativer Aus¬ 
gleich hinzutritt. So läßt uns die Deutung, die anfangs so einleuchtend 
ist, schließlich doch wieder vor einem Rätsel stehen. 

Bei dieser Schwäche der vorliegenden Erklärungen des % Potenz¬ 
gesetzes kommt eigentlich alles auf den experimentellen Nachweis seiner 
Gültigkeit an. Aber auch da sind für das Gesetz nur solche Versuche be¬ 
weisend, die in allen den Punkten gleiche Verhältnisse schaffen, von denen 
der Energieumsatz abhängt, also kaum anders als durch Ruhenüchtern¬ 
versuche bei normalem Ernährungszustand, die einen Vergleich des Grund- 
oder Erhaltungsumsatzes gestatten. Im Tierversuch ist vor allem der 
Forderung nach vollkommener Körperruhe kaum zu entsprechen. Hier 
aber interessieren uns zunächst nur die Verhältnisse beim Menschen, und 
da kann immerhin als feststehend angenommen werden, daß bei Ver¬ 
gleichung von Individuen verschiedenen Gewichtes die erheblichen Unter¬ 
schiede, die bestehen, wenn man den Erhaltungsumsatz auf die Gewichts¬ 
einheit berechnet, zum größten Teil ausgeglichen werden, wenn man sie zur 
% Potenz des Gewichtes in Beziehung setzt. Freilich sind auch dann noch 
Einflüsse der Konstitution und des Alters unverkennbar. Immerhin aber 


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haben wir damit einen Anhaltspunkt für die Berechnung des Nahrungs¬ 
bedarfes gewonnen, und zwar jenes Nahrungsbedarfes, der für die Er¬ 
haltung oder Erreichung eines physiologischen Ernährungszustandes 
notwendig ist. Rubner hat, ausgehend von seiner wärmewirtschaftlichen 
Fassung des Oberflächengesetzes, zuerst die aus dem Istgewicht zu be¬ 
rechnende, äußere Oberfläche des Körpers zur Grundlage der Berechnung 
des Nahrungsbedarfes gemacht, ein Verfahren, das aber nur bei gegebenem, 
normalem Ernährungszustand anwendbar ist. 

Demgegenüber hat Pirquet die Bemessung des Nahrungsbedarfes 
auf die Größe der resorbierenden Darmfläche bezogen, die aus der Sitz¬ 
höhe zu berechnen sei. Dies geschah in der ersten Darstellung der Methode 
zunächst vorbehaltlos. In weiteren Ausführungen aber bekennt Pirquet 
unter Hinweis auf die Pfaundlerschen Körpermaßstudien, die eine 
historische Darstellung des Oberflächengesetzes enthalten, daß er zu ähn¬ 
lichen Anschauungen bezüglich der Abhängigkeit des Nahrungsbedarfes 
von der % Potenz des Körpergewichtes gekommen sei wie Hermann 
v. Hößlin, der sie als allgemeine Flächenfunktion auffaßt. Die Darm¬ 
fläche sei ihm nur ein Flächenbegriff, der leichter zu fassen ist, und eine 
Größe, die leichter zu berechnen ist, als die % Potenz des Körpergewichtes. 
Entscheidend aber ist, daß damit die Bemessung des Nahrungsbedarfes 
auf das Sollgewicht und nicht auf das Istgewicht bezogen wird. 

,,Bei gleicher Entwicklung von Muskulatur und Fettpolster ist das 
Verhältnis zwischen dem Kubus der Sitzhöhe und dem Körpergewicht 
in allen Lebensaltern konstant.“ ,,Beim muskelkräftigen Erwachsenen 
und beim fetten Säugling ist der Kubus der Sitzhöhe gleich dem zehn¬ 
fachen Körpergewicht.“ 

Das sind zwei Schlußsätze aus einer Publikation Pirquets über Sitz¬ 
höhe und Körpergewicht (Ztschrft. f. Kdhlkd., 14. Band, 3. Heft). Die 
beiden Sätze sind inhaltlich nicht ganz übereinstimmend. Darauf wird 
später noch zurückzukommen sein; hier können wir uns vorläufig daran 
halten, daß nach dem zweiten Satz das Normalgewicht von Erwachsenen 
und Säuglingen sich aus der Sitzhöhe berechnen läßt, und zwar, wenn II 
dieses Normal- oder Sollgewicht ist und S die Sitzhöhe, nach der Formel 


Daraus ergibt sich durch eine einfache Umformung, daß das Quadrat 
der Sitzhöhe, das „Siqua“, die % Potenz des zehnfachen Sollgewichtes 
darstellt. Nun muß zwar, gleichbleibende Statur und Dichte des Körpers 
vorausgesetzt, nach dem bekannten stereometrischen Gesetz die % Potenz 
seines Gewachtes der 2. Potenz aller seiner homologen, linearen Dimensionen, 
demnach auch Siqua proportional sein. Aber eben nur unter den genannten 
Voraussetzungen. Denn die Anwendbarkeit jenes Gesetzes ist an die 
bestehende geometrische Ähnlichkeit gebunden. 

Es steht aber beim normalen Wachstum, wie allgemein bekannt ist, 
das Auseinandergehen von Längen- und Gewichtszunahme fest, also die 
Störung der geometrischen Ähnlichkeit, und obiger Satz kann hier nicht 
berangezogen werden. Pirquet fragt selbst, woher es komme, daß trotz- 


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Bemerkungen über das Pirquetsche Ernährungssystem. 


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dem die Sitzhöhe vom Foetus bis zum Erwachsenen ihre gleiche Beziehung 
zum Körpergewicht erhalte, wie die Erfahrung lehre, und erklärt es daraus, 
daß die beiden Momente, die hauptsächlich die Statur des Kindes von der 
des Erwachsenen unterscheiden, nämlich das relative Übermaß des Kopfes 
und Untermaß der Extremitäten sich im Wachstum ausgleichen. Es kommt 
bei diesen Behauptungen alles darauf an, ob die Beobachtung sie ausreichend 
bestätige. 

Die diesbezüglichen Daten finden wir bei Pirquet wiedergegeben 
gelegentlich der Darstellung des dritten zu besprechenden Maßes, der 
Indexzahl Gelidusi als des Maßes des Ernährungszustandes. 

Dieser Index beruht im Grunde auf der Gegenüberstellung des Ist- 
gewichtes P und des Sollgewichtes 77. Setze ich beide in ein Verhältnis, 

P 

so erhalte ich den Bruch — = 7, dessen Wert bei normalem Ernährungs¬ 


zustand, d. h. wenn das Istgewicht gleich dem Sollgewicht ist, gleich 1 sein 
muß. Abweichungen von diesem Wert würden demnach einen von der 
Norm abweichenden Ernährungszustand bedeuten, vorausgesetzt, daß für 
das Sollgewicht der zutreffende Wert eingesetzt wurde. Setze ich für 77 
die Formel ein, die nach Pirquet, .wenigstens für Erwachsene und Säug¬ 
linge, die Abhängigkeit des Sollgewichtes von der Sitzhöhe ausdrückt, 
£3 10 P 

nach der 77 = — 80 erhalte ich J = Aus dieser Formel ergibt sich. 


wenn man auf beiden Seiten der Gleichung die dritte Wurzel zieht, die 


Pirquetsche Gelidusiformel G 


yiÖP 

S ■ 


Pirquet gibt nun die Indexzahl Gelidusi für muskelkräftige Er¬ 
wachsene und fette Säuglinge, wie zu erwarten, mit 100%= 1 an. Beim 
heranwachsenden Kinde aber sei sie durchschnittlich ungefähr 94% = 0,94. 
Das kann nach dem oben Gesagten nichts anderes bedeuten, als daß die 
Ableitung des Normal- oder Sollgewichtes aus der Sitzhöhe, wie sie für 
Säuglinge und Erwachsene gilt, bei heranwachsenden Kindern nicht zu¬ 
trifft, sondern hier, wenn wir den Uberschlagswert 0,94 als Norm für 


diese Altersklasse anerkennen, die Formel lautet 77 = 


0,94 3 S* 
10 ’ 


In diese 


Formel geht zwar die individuelle Sitzhöhe ein, sie ergibt aber doch nur 
Überschlagswerte innerhalb einer sehr im groben geschiedenen Alters¬ 
klasse. Es trifft also der Satz, daß bei gleicher Entwicklung von Muskulatur 
und Fettpolster das Verhältnis zwischen dem Kubus der Sitzhöhe und 
dem Körpergewicht in allen Lebensaltern konstant sei, nicht ganz zu. 
Wäre das der Fall, so müßte der Normwert des Gelidusiindex für alle 
Altersklassen gleich 1 sein. Wie wir aber gesehen haben, ist er vom Lebens¬ 
alter abhängig und zeigt während der Wachstumsjahre auch bei Indivi¬ 
duen von normalem Ernährungszustand einen Gang durch ein Minimum. 
Diese Erscheinung erklärt sich, wenn wir uns über die Mitwirker Rechen¬ 
schaft geben, die das Gewicht des Menschen bestimmen. Da besteht kein 
Zweifel, daß die konstitutionellen Bedingungen, die neben dem Ernährungs¬ 
zustände das Körpergewicht beeinflussen, in der Sitzhöhe allein nicht aus- 


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reichend erfaßt sind. So bleibt gewiß trotz dem gegenläufigen Wachstum 
von Kopf und Extremitäten ein wechselnder, unausgeglichener Rest im 
verhältnismäßigen Wachstum dort oder da, der Verschiebungen im Ge¬ 
wicht bei gleicher Altersklasse und Sitzhöhe bedingen muß. Sicherlich 
variiert auch die Masse des Skelettes zum Teil wenigstens unabhängig 
von der Sitzhöhe. Am schwersten aber wiegt, daß der Gelidusiindex die 
individuell gegebenen Verschiedenheiten im Umfang des Stammes nicht 
berücksichtigt 1 ), woraus sich bei dem getrennten Gang der Längen- und 
Breitenzunahme während des Wachstums in erster Linie die charakteri¬ 
stische Veränderung des Normwertes für^ den Gelidusiindex während der 
Wachstumsjahre ergibt. 

Fragen wir uns aber, ob nicht trotz alledem der Gelidusiindex ein 
brauchbares Maß des Ernährungszustandes sei, der sich in ihm über alle jene 
anderen Einflüsse hinweg doch Geltung verschafft, so müssen wir bekennen, 
daß gerade in dem Punkt die Darstellung, die Pirquet 1. c. uns gibt, die 
befriedigende Aufklärung schuldig bleibt. Nur bei zwanzig Säuglingen 
wird ihrem Gelidusiindex das klinische Urteil über ihren Ernährungs¬ 
zustand gegenübergestellt, wobei sich ergibt, daß alle Säuglinge mit einem 
Gelidusi unter 91 deutlich mager waren. Bei den anderen Altersklassen 
fehlt diese Gegenüberstellung. Es wird hier als selbstverständlich behandelt, 
daß die Probanden mit niederem Gelidusi mager, die mit hohem fett seien 
und somit allgemein, wie Pirquet in bezug auf seine Messungen an Neu¬ 
geborenen bekennt, „dem Beweis vorgegriffen, daß die Verschiedenheit 
des Gelidusi hauptsächlich vom Fettgehalt des Unterhautzellgewebes 
abhänge“. 

Mag nun auch einleuchtend sein, daß für die äußersten Werte der 
Ernährungszustand den Ausschlag gibt — es dürfte sich dann auch um 
Extreme des Ernährungszustandes handeln, die ohnehin für sich selbst 
sprechen —, so muß man sich im übrigen gerade für die heranwachsende 
Jugend, die Altersklasse, für welche die Beurteilung des Ernährungszu¬ 
standes von besonderer Bedeutung ist, vor Augen halten, daß die Gelidusi- 
formel nicht das Sollgewicht des Individuums, wie es seiner Konsti¬ 
tution entspricht, mit dem Istgewicht vergleicht, sondern einen sehr 
beiläufig ermittelten Überschlagswert davon, abgestuft nach Sitzhöhen 
innerhalb einer Altersklasse von weiterti Umfang. Die dabei zu erwartenden 
häufigen und großen individuellen Abweichungen von diesem Maß lassen 
uns a priori erkennen, wie wenig wahrscheinlich es ist, daß man alleih 
nach dem Gelidusiindex eines Individuums seinen Ernährungszustand 
irgend verläßlich beurteilen könne. 

Was der Index als klinischer Behelf neben anderen klinischen Merk¬ 
malen des Ernährungszustandes diagnostisch leisten mag, darüber ent¬ 
scheidet natürlich die Praxis. Diesbezüglich wird ja gewiß schon ein reich¬ 
liches Material sich ergeben haben. 


1) Darauf weist H. Reichel hin in seinen Diskussionsbemerkungen zu 
einem Vortrag von B. Sperk über Anthropologie und Konstitutionsforschung, 
in denen eine Kritik des Gelidusiindex gegeben ist. Sitzungsbericht der 
Anthropologischen Gesellschaft in Wien vom 10. November 1920. 


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132 


Bemerkungen über das Pirquetsche Ernälirungssystem. 


Günstiger als hier liegen die Verhältnisse bei der Verwendung des aus 
der Sitzhöhe sich ergebenden Sollgewichtes als Grundlage der Berechnung 
des Nahrungsbedarfes. Die Ernährungsfläche Siqua repräsentiert ja nichts 
anderes als die % Potenz des Sollgewichtes. Indem nun Siqua bei allen 
Altersklassen in der gleichen Weise berechnet wird, ist die darin inbegriffene 
Wertung des Sollgewichtes hier zwar noch ungenauer als beim Gelidusi- 
index, da aber heranwachsende Kinder dadurch besser gestellt werden als 
Erwachsene, so wird man das kaum bemängeln wollen. Mehr als eine bei¬ 
läufige Bemessung der Nahrungszufuhr ist überhaupt nicht zu leisten. Es 
handelt sich nur darum, einen gewissen Spielraum oberhalb einer nur sehr 
beiläufig bestimmbaren Grenze zu treffen. Die Vollwertigkeit des Zu¬ 
standes und der biologischen Leistungsfähigkeit des Organismus ist keine 
so ausreichend definierte Größe, daß man ihre Erhaltung als Richtmaß 
zur Aufstellung einer scharfen Grenze benützen könnte. 

Anderseits aber wird man nicht vergessen dürfen, daß das berechenbare 
Sollgewicht eben doch nicht das individuelle Sollgewicht ist und daß schon 
deshalb der* individuelle Nahrungsbedarf von dem berechenbaren stark 
abweichen kann. Bei Massenausspeisungen wird es gerechtfertigt sein, 
im Überschlag schlechthin den Bedarf einzusetzen, der sich aus dem 
Siquamaß ergibt, da man damit rechnen kann, daß die individuellenSchwan- 
kungen des Nahrungsbedarfs sich tatsächlich zu Mittelwerten ausgleichen. 
Auch bei der Bemessung von Zubußen kann das Siquamaß ohne weiteres 
verwendet werden, wo eben der Ausgleich in der Kost anderweitig erfolgen 
muß. Soll aber die Individual Verköstigung auf dieses Maß eingestellt 
werden, so muß man sich der bedeutenden Fehlerquellen in der Berech¬ 
nung des Nahrungsbedarfes aus nur einem linearen Maß bewußt bleiben. 
Es wird da immer eine gewisse Bereitschaft zu Richtigstellungen erforder¬ 
lich sein, damit berechtigte, individuelle Ansprüche nicht um einer Schab¬ 
lone willen verkürzt werden. Auch das psychische Moment ist dabei nicht 
zu übersehen. Auf ein so variables und nervöses Tier, wie es der Mensch 
ist, lassen sich die Methoden der landwirtschaftlichen Ernährungstechnik, 
wie z. B. die Klassenfütterung, nicht restlos übertragen. Die instinktive, 
scharfe Beobachtung des Pfleglings und die gefühlsmäßige Erfassung 
seiner Bedürfnisse, wie sie das Wesen der mütterlichen Betreuung aus¬ 
macht, ist selbst im geordneten Fürsorgewesen nicht ohne Schaden zu 
entbehren. Daß nach dem Pirquetschen System jeder Pflegling seinen 
Bedarf erhalte, nicht mehr und nicht weniger, wie Nobel schreibt, ist 
(larum ein recht anfechtbarer Satz. 

Trotz diesen Einwendungen kann zugegeben werden, daß bei unserer 
üblen Lage in diesem Punkte die Berechnung des Nahrungsbedarfes aus 
der Sitzhöhe einen Fortschritt bedeutet. Wir kennen ja sonst nur die Be¬ 
rechnung aus dem Istgewicht, die normalen Ernährungszustand voraus¬ 
setzt, und für Heranwachsende den Gebrauch von Tabellen, die den Be¬ 
darf nur nach Altersklassen sehr obenhin abstufen. Demgegenüber 
bietet Siqua als Maß des Nahrungsbedarfes Voi teile. 

Aber auch dieses Maß tritt innerhalb des Pirquetschen Systems in 
Verkleidung auf. Wenn Siqua gedeutet wird als die Größe der resorbieren¬ 
den Darmfläche, so ist hier noch mehr als beim Nemmaß augenscheinlich, 


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Von Privatdozeut Dr. Ernst Krombholz. 133 

daß es sich um ein Bild handelt und um nichts mehr. Und nur als Bild 
kann man diese Deutyng zulassen. Wendet man eine solche Darstellung 
an, so muß man sich darüber Rechenschaft geben, daß man eine nur äußer¬ 
liche Vereinfachung der Lehre vornimmt, bei der man bewußt Fehler be¬ 
geht, deren Rechtfertigung nur in der Anpassung an gewisse praktische 
Zwecke gelegen ist. 

Die umfassende Durchführung einer „quantitativen“ Ernährungs¬ 
fürsorge erfordert die Heranziehung von Hilfskräften aus Kreisen, 
die über eine speziell naturwissenschaftliche Vorbildung nicht verfügen. 
Zu einem ersprießlichen Mitwirken an der Aufgabe gehört aber 
ein zureichendes Mitwissen. Diese Forderung stellt uns nicht nur hier, 
sondern überall, wo man weitere Kreise zur verständigen Beteiligung an 
wissenschaftlich begründeten Unternehmungen heranziehen muß, vor die 
Aufgabe des Gemeinverständlichmachens der Wissenschaften;eine unlösbare 
Aufgabe, wenn man daran denkt, die Wissenschaften, wie sie gegeben sind, 
den Hörern ohne entsprechende wissenschaftliche Begriffsschulung zu 
überliefern; dagegen eine aussichtsreiche Aufgabe, wenn es sich nur darum 
handeln soll, durch entsprechende Methoden der Darstellung dem unge¬ 
schulten, bildhaften Denken des Laien die Kenntnisnahme von bestimmten 
wissenschaftlichen Ergebnissen zu ermöglichen. Die Ausbildung dazu ge¬ 
eigneter Methoden erscheint als eine ernste und wichtige Aufgabe unserer 
Zeit. Freilich werden durch einen solchen Vorgang, darüber ist kein 
Zweifel, Kreise von Eingeweihten und solche von Uneingeweihten von¬ 
einander geschieden. Man wird eine solche Scheidung heute kaum gelten 
lassen wollen, doch ist das letzte Wort damit wohl nicht gesprochen. Man 
beherzige, was Goethe schreibt: „Nur durch eine erhöhte Praxis sollten 
die Wissenschaften auf die äußere Welt wirken; denn eigentlich sind sie 
alle esoterisch und können nur durch Verbessern irgendeines Tuns exo¬ 
terisch werden. Alle übrige Teilnahme führt zu nichts.“ 

Gerade in dieser Hinsicht nun, in der Ermöglichung einer zweck¬ 
mäßigen und nützlichen Teilnahme des Laien an der Übertragung der 
Wissenschaften auf Wirtschaft und Lebensführung scheint das Pirquet¬ 
sche System ein urwüchsiger und glücklicher Versuch zu sein. 

In der Milch als Maß des Nährwertes, in der Größe der Darmfläche 
als Maß des Nahrungsbedarfes setzt es leicht faßliche, „typische Vor¬ 
stellungen“ an Stelle schwer zugänglicher Begriffsverknüpfungen und 
wendet damit ein Denkmittel an, das dem ursprünglichen, naiven Denken 
eigentümlich ist. Auch das antike philosophische Denken, das um den 
Substanzbegriff zu ringen hatte und dem unser physikalischer Kraft¬ 
begriff noch verborgen war, half sich über die Schwierigkeiten, welche ihm 
die einfachsten, sinnlich wahrnehmbaren Veränderungen der Materie boten, 
durch die typischen Vorstellungen der vier Elemente hinweg, die als Träger 
der tastbaren Qualitäten der Materie, des Trockenen und Feuchten, des 
Warmen und Kalten erschienen. Die Aufstellung eines Elemen^um nutri- 
menti ist nichts anderes als ein spätes Beispiel der Verpersönlichung 
wichtiger Qualitäten, der Setzung einer typischen Vorstellung an Stelle 
eines schwer zugänglichen Begriffsverbandes. Auf diese Weise, durch die 
Übernahme seines liebsten Denkmittels kommt das Pirquetsqhe System 


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134 Bemerkungen über das Pirquetsche Ernährungssystem. 

dem ursprünglich naiven Denken so wirksam entgegen. Darauf beruht 
nicht zum wenigsten seine rasche und leichte Aufnahme in weiten Kreisen. 

Der Gewinn, daß so der Blick des Laien auf die für die Praxis ent¬ 
scheidenden Punkte der Ernährungslehre eingestellt wird, ohne daß voll¬ 
kommene Einsicht erfordert wird, bleibt aber nicht unverkürzt. Denn auf 
der anderen Seite liegt es nur zu nahe, daß der Laie, dem in der verein¬ 
fachten Darstellung des Systems die behandelten Aufgaben einfach und 
durchsichtig erscheinen, sich über den erhaben fühlt, der mit ihrer ganzen 
Verwickeltheit belastet ist, und daß er sich der wissenschaftlichen Führung 
entwindet. Auch kommt unser System einer recht verbreiteten, üblen 
Neigung entgegen, die man wohl als kabbalistisch bezeichnen darf, indem 
sie Zufälligkeiten der Zahl, der Buchstaben oder Worte als die Offen¬ 
barungen des Urgrunds einer höheren Ordnung faßt. Daß die „Ernährungs¬ 
fläche“ dem Quadrat der Sitzhöhe gleich ist, die dritte Potenz aus der Sitz¬ 
höhe dem zehnfachen Gewicht entspricht, die Indexzahl des Gelidusi 
hundert beträgt, diese Äußerlichkeiten werden nicht nur als eine Er¬ 
leichterung für das Gedächtnis geschätzt, sondern sie geben diesen Formeln 
auch einen besonderen Zauber. Mögen andere Formeln und Maße im Grunde 
das gleiche leisten, jenen wird immer eben wegen jener Zufälligkeiten der 
Form eine tiefere Bedeutung zugeschrieben werden. Dazu kommt noch der 
fremdländische Wohlklang der geheimnisvollen Wortmarken, mit denen 
das System sich eine eigene Sprache geschaffen hat; Grund genug, daß 
der Nemjünger sich im Besitz besonderer Kenntnisse glaubt, die nur die 
Nemlehre zu überliefern vermag, und daß er einer schulmeisterlichen Be¬ 
fangenheit weitgehend verfällt. 

Angesichts dieser starken, geistigen Beeinflussung, die von dem 
Pirquetschen System ausgeht, sehen wir uns schließlich vor die Frage 
gestellt, wie denn der akademische Unterricht sich zu dem System zu 
stellen habe. Vorausgeschickt mag hier gleich werden, daß, wenn wirklich 
eine Vereinbarung über eine abgekürzte und vereinfachte Darstellung 
der Ernährungslehre für die Zwecke der Ernährungspraxis notwendig 
sein sollte, auch der Student der Medizin selbstverständlich eingehend 
darin zu unterweisen wäre. Sind damit Bedenken verbunden, so wird 
man sich darüber Rechenschaft geben müssen, um Schäden durch ge¬ 
eignete Gegenmaßregeln vermeiden zu können. Gewisse Bedenken ergeben 
sich aber unmittelbar aus dem Wesen des Pirquetschen Systems eben des¬ 
halb, weil es die schwierigen Begriffsverbände umgeht und durch anlockende 
Vorstellungen ersetzt. Die gründliche, naturwissenschaftliche Begriffs¬ 
schulung muß als eine Hauptaufgabe des medizinischen Unterrichtes 
gelten. Alles nur auf Anschauung und Erfahrung stellen zu wollen, wie 
manche einseitige Pädagogen anstreben, erscheint auch im medizinischen 
Unterricht bedenklich. Ja, es wäre bei der herrschenden Verwilderung des 
Denkens gewiß nur nützlich, wenn in den Unterrichtsbetrieb etwas mehr 
formale Logik hineingetragen werden könnte. Jedenfalls sollte der Medi¬ 
ziner die naturwissenschaftlichen Begriffe, deren wir uns bedienen, ii} ihrer 
ganzen Verwickeltheit und Fragwürdigkeit kennen lernen. Ihn zum 
Beispiel um den schwierigen Begriff des Nährwertes durch Hilfsvorstel¬ 
lungen herumzuführen, wäre doch wohl unzulässig. Und auch sonst muß 


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Von Privatdozent Dr. Ernst Krombholz. 


135 


der Mediziner gewiß noch vieles aus der Ernährungslehre aufnehmen und 
verarbeiten, Was im Pirquet sehen System keinen Platz findet. Es liegt 
im Wesen des Systems, von allen Verwicklungen abzusehen. Er wird 
dadurch zu gewissen Leistungen befähigt, die sonst nicht zu erreichen sind, 
aber es sind ihm andere versagt, die auch unentbehrlich sind. Hier sind 
Gegenwirkungen notwendig, für die der Mediziner nur durch den eingehen¬ 
den Unterricht in der exakten, naturwissenschaftlichen Ernährungslehre 
geschult werden kann. Nur unter dieser Voraussetzung kann das Pirquet¬ 
sche System durch die Vereinfachung der Praxis und die Erleichterung der 
Ordnung, die es schafft, in der Ernährungsfürsorge vorteilhaft wirken. 
„Wissenschaften entfernen sich im ganzen immer vom Leben und kehren 
nur durch einen Umweg wieder dahin zurück“, lesen wir bei Goethe. 
Auf ihren eigenen Wegen ist die Wissenschaft frei, nur bestimmt durch 
das Wesen der menschlichen Erkenntnis. Jene Umwege aber müssen 
durch Vereinbarungen bestimmt werden, wenn unser Vorgehen in der 
Praxis einheitlich bleiben soll. Auch in der Ernährungsfürsorge benötigen 
wir vereinbarter Bindungen. Ein Ausschuß von Fachleuten sollte sie ein¬ 
mal festlegen. Das Pirquetsche System dürfte dabei wenigstens eine 
brauchbare Verhandlungsgrundlage bilden. 


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Über die Darstellbarkeit polgefärbter (pestbazillenähn- 
licber) Stäbchen bei verschiedenen Bakterienarten. Die 
Polfärbbarkeit als vitale, durch Bakterienwachstum in 
wasserreichen Nährmedien bedingte Erscheinung. 

Von 

Dr. Emil Epstein. 

(Aus der Prosektur des Franz Josephspitals in Wien (Vorstand: Professor 

Dr. Oskar Stoerk). 

(Mit 1 TafeL) 

(Bei der Schriftleitung eingegangen am 19. Januar 1921.) 

Die Pestbazillen und die diesen verwandten Bazillen der Gruppe 
der Erreger der hämorrhagischen Septikämie bei Tieren (Pasteurel- 
losen) weisen nach der vorliegenden Literatur als eine besonders charak¬ 
teristische morphologische Eigentümlichkeit Polfärbung auf, 
die insbesondere in Ausstrichpräparaten zu beobachten ist, welche direkt 
aus menschlichen bzw. tierischen Leichenteilen oder Exsudatflüssigkeit 
angefertigt werden. In Präparaten aus Reinkulturen findet man die 
typischen Formen weniger häufig als im Organismus. Für die 
Darstellung der Polfärbung ist nicht nur die Provenienz des Ausgangs¬ 
materiales, sondern auch die Behandlung der Ausstrichpräparate von großer 
Bedeutung. 

Zur deutlichen und konstanten Darstellung ist nach Sobernheim, sowie 
nach Kossel und Overbeck 1 ) Alkoholfixation und Färbung in der später 
zu erörternden Weise (mit verdünnter wässeriger Lösung von alkalischem Me¬ 
thylenblau, Löfflers Methylenblau oder Karbolfuchsin) unbedingt erforder¬ 
lich, da in Präparaten, welche durch Hindurchziehen durch die'Flamme 
fixiert wurden, die Pestbazillen die Polfärbung ,,gar nicht oder nur an¬ 
deutungsweise“ erkennen lassen. Schöne Bilder zeigen nach Kossel auch 
Präparate, welche nach Alkoholfixation mit Romanowsky-Farbmischung 
gefärbt waren. Kitt 2 ) rühmt in seiner Bearbeitung der Septikämie der 
Vögel (Hühnercholera) besonders die May-Grünwald-Färbung als geeignet 

1) Kolle-Wassermann, Handb. d. path. Mikroorg. 1912, 2. Aufl., 4. Bd., 
S. 162. 

2) Kolle-Wassermann, Handb. d. path. Mikroorg. 1913, Bd. VI, S. 38. 


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137 


Über die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw. 

für die Darstellung der Polfärbung, eine Färbung, welche Alkoholfixation 
zur Voraussetzung hat, und warnt vor intensiver Farbimprägnierung (Karbol¬ 
fuchsinfärbung und Erwärmung). 

F. Hutyra 1 ) führt an, daß der Bacillus bipolaris septicus Flügge, 
der Erreger der hämorrhagischen Septikämie der Tiere, in typischer 
Weise in Strichpräparaten aus Körpersäften im Blute cholerkranken Geflügels 
gefunden wird, und erwähnt, daß besonders schöne Bilder mit Giemsa-Färbung 
zu erhalten sind (1. c. Abb. Fig. 1, S. 67). In Reinkultur gelingt die Darstellung 
der Pole mit wässerigen Verdünnungen alkoholischer Anilinfarbstofflösungen 
in der üblichen Weise nicht oder sehr mangelhaft, wohl aber bei Präparaten aus 
ganz frischen Kulturen ohne vorherige Flammenfixation in direkter Färbung mit 
Karbolfuchsin etwa durch *4—1 Sekunde. 

Der Nachweis polfärbbarer Stäbchen führte zu wiederholten Malen zur 
Annahme, daß derartige Keime als Vertreter der Pasteurelia-Gruppe in ätio¬ 
logischer Beziehung zum betreffenden Krankheitsprozeß stehen könnten. 

Eugen Fränkel und F. Pielsticker 2 ) berichteten über ein angeblich in 
die Erregergruppe der hämorrhagischen Septikämie gehöriges menschenpathogenes 
JBakterium, das sie Bacterium anthroposepticum nannten (1909). Vor kurzem 
wies Eugen Jenicke 3 ) in der Gallenblase eines an akuter gelber Leber¬ 
atrophie verstorbenen Patienten Polstäbchen nach, welche er ursprünglich 
in die Gruppe der hämorrhagischen Septikämie einreihen zu sollen glaubte. 
Die eingehende kulturelle Untersuchung ergab jedoch, daß es sich um einen Stamm 
von Bacterium coli commune gehandelt habe. Da er auf keinem der von 
ihm angewandten künstlichen Nährböden die auffallende Form wieder erreichen 
konnte, glaubte er, die pathologisch veränderte Gallenblasenflüssigkeit mit 
der Entstehung dieser „bakteriologischen Merkwürdigkeit“ in Zusammenhang 
bringen zu müssen. Der Befund polgefärbter Stäbchen, den Nestlinger 4 5 ) bei 
einem Falle von Colitis ulcerosa erhob, ist wohl in ähnlicher Weise zu deuten. 

Karl Spengler 6 ) bezeichnet in seiner Mitteilung „Uber die spanische 
Grippe“ ein bipolar gefärbtes Stäbchen, welches er im Sputum Grippekranker 
nachgewiesen hat, als den Erreger der Grippe und empfiehlt zur Darstellung der 
Polfärbung ausschließlich Alkoholfixation mit nachfolgender Fär¬ 
bung in alkalischen Anilinfarblösungen. Spengler fand, daß das 
von ihm nachgewiesene Polstäbchen bei Grippe mit dem echten Pestbazillus 
bezüglich Morphologie, Pleomorphismus usw. eine so frappante Ähnlichkeit habe, 
daß er an Stelle einer besonderen Abbildung auf diejenige der Pestbazillen in 
Kolle-Hetsch, Handbuch der experimentellen Bakteriologie, hinweist. Auch 
bezüglich der Beschreibung zitiert Spengler wörtlich Stellen aus dem genannten 
Werke. Trotz dieser auffälligen Ähnlichkeit äußert sich jedoch Spengler ganz 
strikte dahin, daß das gefundene Polstäbchen, welches er als den Erreger der 
Grippe anspricht, keineswegs mit dem Pestbazillus identisch sei, wohl aber mit 
diesem gemeinsam in die Gruppe der hämorrhagischen Septikämie einzureihen 
wäre. 

Als mir anfangs Februar 1919 der Inhalt der Spenglerschen Arbeit bekannt 
wurde, unterzog ich die Ergebnisse derselben einer Nachprüfung. Das Material 
entstammte der Prosektur des Franz Joseph-Spitales, sowie, soweit Sputen, 
Harne und Blutproben in Betracht kamen, der Infektionsabteilung des genannten 
Spitales. über die Resultate meiner Untersuchungen berichtete ich im Juni 1919 
in Form einer vorläufigen Mitteilung in der Gesellschaft für innere Medizin in 
Wien. 6 ) Der Inhalt dieser Mitteilung sei, soweit er sich auf das morphologische 


1) Kolle-Wassermann, Ilandb. d. path. Mikroorg. 1913, Bd. VI, S. 64 
u. ff. 

2) Zeitschr. f. Hyg. 1909, Bd. 64, 145. 

3) Deutsche med. Wochenschr. 1919, Nr. 22. 

4) Zentralbl. f. Bakt. 1919, I. Abt., O.-Bd. 82, S. 425. 

5) Mitteilungen aus dem Institut Dr. Karl Spenglers in Davos, 1919, 
I. Bd., 1. Heft. 

6) Sitzungsbericht vom 15. Mai 1919, Wien. med. Woch. 1919, Nr. 37. 


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138 Uber die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw. 

Verhalten der Spengler’schen Polstäbchen bezieht, hier zunächst in Kürze 
rekapituliert. 

Mittels der bereits erwähnten Fixations- und Färbetechnik liessen sich 
die Polstäbchen in Ausstrichpräparaten aus dem Bronchialsekrete und dem 
Gewebssafte der Lungen von an Grippepneumonie zugrunde gegangenen Leichen 
und in einzelnen untersuchten Fällen auch in Schnittpräparaten aus solchen 
Lungen, sowie auch im Auswurfe Grippekranker regelmäßig nachweisen. Niemals 
gelang jedoch der Nachweis in steril eingesandten Blutproben. — Die Stäbchen 
erscheinen als vakuolisierte, meist kürzere, aber auch etwas längere, häufig als 
Diplobazillen und in kurzen Ketten oder irregulär gelagerte, polgefärbte Stäb¬ 
chen, daneben finden sich sehr kurze Formen, bei denen die Vakuolen als nur 
mehr sehr schmale, quere Schlitze erscheinen, so daß die kurzen Endstücke den 
Eindruck von Kokken hervorrufen, demnach eine Einzelform das Aussehen eines 
Diplokokkenpaares in Semmelform vortäuscht, ferner kurze, ovoide Formen, 
hie und da Kugelformen, Siegelringformen mit Vakuolen usw., daneben aber 
auch kurze Stäbchen ohne Vakuolen. Wenn auch zugegeben werden muß, daß 
ein Teil dieser Erscheinungsvarianten auf die verschiedene Achsenstellung der 
Stäbchen zurückgeführt werden könnten, so handelt es sich im wesentlichen 
doch unleugbar um einen auch beim Pestbazillus beschriebenen, ganz auffälligen 
Pleömorphismus. — Im Gegensätze zu den Bildern bei der Pest fehlen ausge¬ 
sprochene Involutionsformen und sind auch durch Züchtung auf 3—4% Koch¬ 
salz- und hochprozentigem (5%) Glyzerinagar nicht in der typischen Weise zu 
erzielen. Dennoch findet man hie und da Andeutung von Involutionsformen. 
— In Grampräparaten (Trockenfixation) erscheinen die Formen als gewöhnliche 
Vollstäbchen, meist Gramnegativ, aber auch Grampositiv. — Die Darstellung 
der Polfärbung gelang mir jedoch ausschließlich mittels der auch von Spengler 
empfohlenen Alkoholfixation und nachfolgender Färbung mit wässeriger Anilin¬ 
farblösung in Präparaten, die aus in flüssigen Nährböden gezüchteten Kulturen 
gewonnen worden waren. Versuche, die polfärbbaren Stäbchen auch mit diesem 
Färbe verfahren in Ausstrichpräparaten von auf festen Nährböden gewachsenen 
Kulturen zur Darstellung zu bringen, führten zu keinem Erfolge. Bezüglich des 
kulturellen Verhaltens und der Tierpathogenität siehe die zitierte Original¬ 
mitteilung. 

Hundeshagen 1 ) hat % Jahre nach Spengler (Oktober 1919) einen 
„Bazillus aus der Gruppe der hämorrhagischen Septikämie bei 
einem Falle von Influenzapleuritis“ beschrieben. Die zarten Stäbchen 
wachsen auf Blutagar ähnlich dem Pfeifferschen Bazillus. Üppiges Wachstum 
aus Aszites-Agar schloß jedoch diese Diagnose aus. Im Tierversuche erwies sich 
der Erreger tierpathogen und zeigte in Präparaten aus Gewebsabstrichen teils 
die bei Hühnercholera beschriebenen kokkenähnlichen Formen „Kokkobazillen“, 
teils pestbazillenähnliche Formen von ovoider Gestalt mit Polfärbung. Insbe- 
sonders aus letzterem Grunde reiht Hundeshagen das nachgewiesene Stäbchen 
in die Gruppe der Erreger der Septikämie der Tiere ein, indem er die Polfärbung 
als besonders charakteristische Eigenschaft dieser Gruppe bezeichnet. 

Weitere Bestätigungen der Spenglerschen Befunde erfolgten durch 
Coronini und Prisel 2 ). 

Es soll nicht Gegenstand vorliegender Mitteilung sein, 
die Frage zur Entscheidung zu bringen, ob die Spenglerschen 
Polstäbchen etwa als Erreger der Grippe in Betracht kommen 
könnten. Abschließende Untersuchungen über diese Frage mußten aus 
Materialmangel aufgegeben werden. Auffällig schien mir jedenfalls, daß 
der kleine Bazillus im Gegensätze zu den Bazillen der hämorrhagischen 
Septikämie und zum Pestbazillus mit verschiedenen Zuckerarten 
Gas bildet und sich vom Pestbazillus außerdem noch durch sein Wachs¬ 
tum im Bouillon und dadurch unterscheidet, daß er Milch koaguliert. 

1) Berliner klin. Wochenschr. 1919, Nr. 41. 

2) Med. Klinik 1920, Nr. 5. 


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139 


Dies sowie insbesondere auch der Nachweis einer mäßig lebhaften 
Eigenbeweglichkeit schien mir im Zusammenhalt mit dem son¬ 
stigen kulturellen Verhalten auf Agar und Gelatine 1 ) darauf 
hinzuweisen, daß die beschriebenen Stämme in die Koligruppe ein¬ 
zureihen seien. 

Daraus ergab sich als eine weitere Frage, die den Gegenstand der 
vorliegenden Arbeit bildet, ob die Polfärbbarkeit überhaupt als morpho¬ 
logisches Charakteristikum bestimmter Bakterienarten (Pasteureliagruppe, 
Pest) in Betracht kommt, oder ob dieselbe nicht vielmehr eine viel allge¬ 
meinere morphologische Eigenschaft verschiedener, auch mit den genannten 
Gruppen nicht verwandter Bakterienarten darstellt. In der Folge wurde 
dementsprechend der Kreis der in Beobachtung gezogenen Bakterien¬ 
arten erweitert. Und in der Tat zeigte sich, daß nicht nur Bacterium coli, 
sondern auch Bacterium typhi Eberth, paratyphi B, dysenteriae Shiga- 
Kruse und Flexner die typischen Bilder von Polstäbchen in deutlichster 
Weise zeigen. 

Zu der von mir angewandten Technik der Darstellung der Polfärbbar¬ 
keit sei folgendes bemerkt: 

Von jedem Stamm werden Objektträgerausstrichpräparate aus 
24stündigen Bouillon-Kulturen angefertigt. Ferner wurden auch Prä¬ 
parate aus Peritonealexsudat und dem Herzblute eingegangener Ver¬ 
suchstiere (Meerschweinchen) gestrichen, die teils mit den aus dem Grippe¬ 
material gezüchteten Stämmen, teils mit Bacterium coli commune intra¬ 
peritoneal infiziert worden waren 2 ). Von dem Peritonealexsudat und dem 
Herzblute der eingegangenen Tiere wurden Ausstriche angefertigt und 
tinktoriell in derselben Weise behandelt wie die Kulturausstriche. Außer¬ 
dem wurden zum Vergleiche auch Präparate von Agarkulturen gestrichen. 
Die Beschreibung derselben ist jedoch nur für das Spenglersche Polstäb¬ 
chen gegeben, die auch für Bacterium coli gelten kann, wofür die Fig. 4 und 7 
Zeugnis legen. Auch von der Beschreibung der die übrigen Stämme, be¬ 
treffenden Präparate wurde Abstand genommen, da es sich um analoge 
Befunde handelt. 

Zur Darstellung der Polfärbung wurde das folgende, zuletzt von 
Spengler empfohlene Verfahren angewendet. 

Die. lufttrockenen. Ausstriche werden mit 95% Alkohol übergossen. 
Der Alkohol braucht nicht länger als 2 bis 3 Minuten einzuwirken. Hierauf 
wird der Alkohol abgegossen und langsam abgedunstet oder über der Flamme 
abgedampft; gerät hierbei der Alkohol in Brand, so schadet dieser Vorgang 
der Darstellbarkeit der Polfärbung in keiner Weise. Hierauf wird mit 
wässerigen Verdünnungen alkoholischer Farblösungen von Anilinfarb¬ 
stoffen, am besten mit Löfflers Methylenblau oder Fuchsinrot gefärbt, 
eventuell leicht über der Bunsenflamme erwärmt und sodann ganz kurz 
mit Yi proz. wässeriger Essigsäurelösung differenziert, in Wasser abge¬ 
spült, getrocknet und cingescblossen. Die Differenzierung in %proz. 
Essigsäure ist nicht unbedingt erforderlich, sie gibt nur Bilder in zarterem 

1) Vgk die Originalmitteilung, loc. cit. 

2) Der Obduktionsbefund der eingegangenen Tiere war für beide Stämme 
analog, siehe Originalmitteilung, 1. c. 

Archiv für Hygiene. Bd. 90 . 10 


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140 über die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw. 

Farbenton, während ohne Differenzierung die Polfärbung ebenso deutlich 
in Erscheinung tritt. Eine sehr klare Darstellung der Polstruktur gelingt 
auch bei der Färbung mit Giemsa-Lösung, insbesondere in Ausstrichen aus 
Blut oder Exsudat von Versuchstieren mit und ohne vorherige Alkohol¬ 
fixation. 

Bei dieser Gelegenheit sei gleich vorweggenommen, daß das Phä¬ 
nomen der Polfärbung mittels der angewandten Fixations- und 
Färbetechnik bei sämtlichen im folgenden untersuchten Bakterienarten, 
bei denen es darstellbar ist, in klassischer Weise nur in Ausstrich¬ 
präparaten zu erzielen ist, die aus Kulturen, welche auf flüssigem 
Nährboden (Bouillon) gewachsen waren, oder aus dem Gewebssaft 
der Versuchstiere gewonnen wurden. Bakterienausstriche in Präpa¬ 
raten von Agarkulturen lassen im allgemeinen die Polfärbung nur un¬ 
deutlich und nur auf einen Teil der Exemplare beschränkt erkennen, 
während schmälere Langstäbchen ohne Vakuolenbildung, kokkenähnliche 
Kurzstäbchen in irregulärer Anordnung, in Diploformen oder in kurzen 
Ketten das mikroskopische Bild beherrschen. Jeder Versuch, mittels 
Hitzefixation Polfärbung zu erzielen, mißlang vollkommen 
auch bei Präparaten aus Kulturen, die auf flüssigen Nähr¬ 
böden gezüchtet worden waren (Fig. 8). 

Auf Grund dieser Feststellung wird, einige Stichproben ausgenommen, 
im allgemeinen von einer Beschreibung in der gewöhnlichen Weise mit 
Fixation in der Flamme hergestellter Ausstriche abgesehen. 

Einigermaßen befriedigende Bilder gibt die von Hornicker 1 ) aus dem 
Institute Paltauf empfohlene Färbetechnik. 

Es folgt nun die Beschreibung der Objektträgerausstrichpräparato 
der untersuchten Stämme an der Hand des Untersuchungsprotokolles. 

Der mikroskopischen Beobachtung diente das homogene Immersions¬ 
objektiv, Brennweite */ 12 , Apertur 1*4 mit dem Arbeitsokular Nr. 8, als 
Lichtquelle wurde das direkte Tageslicht benützt. 

1. Bacillus septicaemiae haemorrhagicae Hueppe*). Stamm: „B. cholerae 
gallinarum Würzburg“*) 2 ). Präparate aus Bouillonkultur (Fig. 1). Durch¬ 
schnittlich etwas über 1 p lange Stäbchen von schlanker Gestalt mit abgerundeten 
Enden. Die Pole stark tingiert, die tingierte, polare Zone beiderseits halbmond¬ 
förmig nach innen zu eingebuchtet, gegen das Innere an Färbungsintensität 
rasch abnehmend. Der farblose oder nahezu farblose, gelegentlich als Vakuole 
beschriebene Innenraum zeigt elliptische Gestalt und hie und da einen kaum 
wahrnehmbaren, bläulichen Schimmer. In wenigen Exemplaren wird dieser 
bläuliche Farbenton deutlicher. Nach außen ist der Bakterienleib ringsum scharf 
abgegrenzt, es findet sich allenthalben ein ganz schmal gefärbter Randsaum, 
der sich scharf gegen das farblose Innere (Vakuole) absetzt. Die Bezeichnung 
Vakuole wird in folgendem der Kürze halber für den farblosen, rundlichen 
Innenraum rein deskriptiv gebraucht, ohne zunächst über die Natur dieses 
Gebildes irgend etwas aussagen zu wollen. Die Größe der Bakterien ist 
jedoch variabel, das ganze Bild stark pleomorph, neben schlankeren, bei weitem 
plumperen Exemplaren von Langstäbchen (Länge 2,75 p) bis zu kurzen, ovaläreii 

1) Zentralblatt f. Bakt. O. Bd. 32, S. 927. 

2) Die mit *) Gezeichneten Stämme wurden aus der vormals Kralschen, 
von Professor Ernst Pribram in Wien geleiteten Sammlung bezogen, vgl. 
Pribram, Der gegenwärtige Stand der vormals Kralschen Sammlung. Wien 
1919 (Katsdog). 


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141 


Formen in Diplo-Anordnung (Diplobazillen) variierend, letztere auf knapp 
vorher erfolgte Teilung hindeutend. In anderen Exemplaren füllen die Pole 
wieder den Bakterienleib bis auf einen schmalen, quergestellten Spalt aus, der 
Randsaum fehlt nahezu vollkommen oder ist unsichtbar, indem er keinen Farb¬ 
stoff aufnimmt, so daß das Einzelindividuum förmlich als Diplokokkenpaar 
erscheint. Andere Kurzformen zeigen nur schwach fingierte Pole. Daneben 
Exemplare, die in toto blaßblau gefärbt sind. 

2. Bacterium septicaemiae haemorrhagicae.*) Stamm:„B.cholerae 
gallinarum Ficker“. Präparate aus Bouillonkultur. Zahlreiche, schlanke, 
satt gefärbte Vollstäbchen, etwa 0,5 bis 1,5 p lang, 0,2 bis 0,3 p breit. Daneben 
gleichfalls schlanke, beträchtlich blässer fingierte Formen mit stark hervor¬ 
tretenden, mehr punktförmigen Polen. Einzelne Exemplare von plumperer 
Gestalt mit derben Polen. Die Färbungsintensität nimmt von den Polen aus 
gegen den unregelmäßig begrenzten, fast farblosen Innenraum ziemlich un¬ 
vermittelt ab. Einzelne, fadenförmige Involutionsformen von beträchtlicher 
Länge und gleichmäßiger Färbung. Einzelexemplare, die die übrigen an Länge 
(2 bis 3 jx lang) beträchtlich übertreffen, zeigen sehr deutliche Polfärbung. Alles 
in allem auffälliger Pleomorphismus. 

3. Bacterium septicaemiae haemorrhagicae*). Stamm: „Tuberkulose¬ 
ähnlicher Abszeß bei Kaninchen Zeiß.“ Die Länge beträgt durchschnittlich 
etwa 0,75 bis 1 ju, in Einzelexemplaren bis TJ5 u. Die Stäbchen zeigen aus¬ 
schließlich schlanke Gestalt. Die Polenden sind abgerundet, die Pole selbst 
intensiv, in einzelnen Exemplaren besonders stark tingiert, die farblose Innen¬ 
zone ist mehr elliptisch geformt. Besonders die langen Exemplare zeigen schöne 
Polfärbung, neben den beschriebenen Formen kurze Vollstäbchen und Rund¬ 
formen (kokkenähnliche Gebilde). 

4. Das Spenglersche Polstäbchen, a) Präparate aus älterer Bouillon¬ 
kultur. Durchschnittliche Länge der Stäbchen 1,5 ^x, einzelne Riesenexemplare 
mit 2,0 bis 2,5 daneben kurze Formen mit 0,5 p und noch geringerer Länge. 
Die Breite der einzelnen Individuen ist schwankend und erreicht bis 0,4 p. Im 
allgemeinen sehr ausgesprochener Pleomorphismus bezüglich Länge und Dicke. 
Neben einzelnen, plumperen Stäbchen schlanker geformte Gebilde. 

Die Durchschnittsformen sind ziemlich schlank, an den Enden abgerundet, 
die Pole satt gefärbt, an den Polenden besondere Färbungsintensität aufweisend. 
Gegen das Innere nimmt die Färbung rasch ab, der Hohlraum im Innern zeigt 
meist elliptische Gestalt und ist entweder fast farblos oder höchstens in einem 
kaum wahrnehmbaren, blaßbläulichen Timbre gefärbt. Die Form des Hohl¬ 
raumes ist länglich, an den Polen mehr wenig abgerundet. Der Randsaum ist 
ringsum äußerst schmal und scharf nach innen abgegrenzt. Die Pole sind nicht 
immer gleichmäßig tingiert, häufig ist der eine Pol beträchtlich stärker als der 
andere gefärbt und um die Hälfte voluminöser als der andere. Riesenexemplare 
(Länge 2,5 u) zeigen das Innere des Körpers in blaßblauem Farbenton, aber auch 
in diesen Exemplaren heben sich die Pole durch ihre intensive Färbung als 
differente Bestandteile recht scharf ab. In kurzen Formen findet man bisweilen 
die. Pole von mehr rundlicher Gestalt, satt gefärbt, mit deutlich zentraler, farb¬ 
loser Zone, in vielen Exemplaren ist die Zwischenzone wieder sehr schmal in 
Form eines quer gestellten Schlitzes, ohne erkennbaren Randsaum, so daß die 
Gestalt wie bei den früher beschriebenen Formen diplokokkenähnlich wird. 
Daneben finden sich auch einzelne, fast kokkenförmige Kurzstäbchen 
mit und ohne zentrale Vakuole. 

b) Andere Präparate aus einer um viele Generationen älteren Kultur zeigen 
im allgemeinen ziemlich plumpe, im allgemeinen in der Länge um 1 ^schwankende 
Stäbchen. Auch hier wieder zeigen sich ausgesprochene Größendifferenzen: neben 
kurzen, 0,5 ^tx langen Exemplaren reichliche, noch kürzere Formen mit Schlitz¬ 
bildung, so daß wieder die Diplokokkenform vorgetäuscht erscheint. Die Enden 
meist nicht abgerundet, mehr kantig begrenzt, die Pole in einzelnen Exemplaren 
mehr körnchenförmig, in anderen wieder förmlich zylindrisch, gegen das Innere 
an Färbungsintensität rasch abnehmend. Deutlich umrissene Konturen mit 
schmalen Randzonen, gegen das Innere sich als Randsaum scharf differenzierend. 

10 * 


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142 Über die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw. 

Die farblosen Innenräume zeigen eine mehr geradlinig begrenzte Form in Gestalt 
eines Rechteckes bzw. Quadrates. Ausgesprochener Pleomorphismus in bezug 
auf Länge und Dicke. 

c) Präparate aus dem Peritonealexsudat eines durch intraperitoneale 
Einverleibung einer Aufschwemmung von Grippestäbchen eingegangenen Meer¬ 
schweinchens zeigen folgende Bilder: Die Stäbchen ausgesprochensten Pleo¬ 
morphismus, überwiegend kürzere, etwa 0,4 bis 0,6 u lange Stäbchen von schlanker 
Gestalt, daneben mehr bauchige, beträchtlich längere, 1,5 u lange Stäbchen 
mit durchwegs abgerundeten Enden. Die Pole durchwegs ‘ deutlich tingiert, 
nach innen zu rasch an Färbungsintensität abnehmend; in einzelnen, mehr 
bauchigen Formen füllen die Pole fast den ganzen Bakterienleib aus, die Innen- 
zohe ist farblos. Andere, meist längere Exempare zeigen deutliche Tinktion auch 
des Innenraumes. Außerdem spärliche Kurzstäbchen mit Polen, Diploformen, 
einzelne kurze Vollstäbchen und kokkenähnliche Gebilde. 

d) Präparate aus dem Herzblute eines mit Polstäbchen experimentell 
geimpften Meerschweinchens, gefärbt mit Giemsas Farblösung (Fig. 3). Die 
Erythrozyten erscheinen als karminrot gefärbte Scheiben mit einem Durch¬ 
messer von 3 bis 4 { u. Die Stäbchen sind im allgemeinen von zartem Bau und 
schlanker Gestalt, etwa 0,75 p lang und 0,3 u breit. Die Pole sind sehr deutlich 
und intensiv gefärbt, nehmen an Farbungsintensität gegen die ungefärbte Innen¬ 
zone zu rasch ab. Die Pole zeigen häufig deutliche Färbungsintensitäts- und 
Massenunterschiede, indem der eine Pol ziemlich voluminös und gut gefärbt, der 
andere zart und ganz blaß tingiert erscheint. Einzelne Exemplare sind unipolar. 
Auch in dem Blutausstrich wieder Kurzstäbchen mit nur schmalem QuerspaJt, 
als Diplokokken imponierend. Einzelne ovaläre Kokkenformen ohne farblose 
Innenzone. Sehr deutlicher Pleomorphismus bezüglich Länge, Breite 
und Gesamtvolumen. 

e) In Präparaten aus Agarkulturen (Fig. 4), die durch Verreiben von etwa 
Vipöse Kultur in einem Tropfen physiologischer Kochsalzlösung auf dem Objekt¬ 
träger hergestellt wurden, zeigt sich ein vollkommen geändertes Bild. 
Vor allem fällt das dürftige Aussehen der Bakterien auf. Neben äußerst schmalen 
Langstäbchen (Länge etwa 1 //■), die nur bei schärfster Beobachtung einen schwä¬ 
cher tingierten Längsspalt und stärkere Polfärbung erkennen lassen, reichlich 
Kurzformen, stellenweise in Diplolagerung, hie und da in Kettenanordnung, 
ferner mäßig zahlreiche Kugelformen. Gelegentlich zeigen sich diplokokken¬ 
ähnliche Gebilde. Polfärbung fehlt in einer großen Zahl der Exemplare voll¬ 
kommen, vielfach ist sie kaum angedeutet und nur bei schärfster Beobachtung 
eben noch erkenntlich, nur in ganz vereinzelten, etwas plumperen Kurzformen, 
die aber gegenüber den Formen aus flüssigem Nährboden gleichfalls auffallend 
schmächtig und kümmerlich aussehen, deutliche Polfärbung und Vakuolen- 
biidung. Das Phänomen ist aber auch in diesen Exemplaren keineswegs entfernt 
so klar ausgeprägt als in den früher beschriebenen Präparaten der in flüssigen 
Nährböden gezüchteten Stämmen. 

5. Bacterium coli commune (stammt aus der Sammlung der Pro- 
sektur des Franz Joseph-Spitales mit der Bezeichnung Coli 30). 

a) Präparate aus Bouillonkultur mit Methylenblau-Färbung (Fig. 5). 
Länge variiert und ist im allgemeinen zwischen 0,5 und 1 p »einzelne Exemplare 
sichelförmig andere zeigen mehr granulaähnliche Form, man sieht hier 
wieder zahlreiche Doppelstäbchen, die sich an den Polen zu berühren scheinen 
(Teilungsformen). Hie und da auch plumpere Gebilde. Einzelne diplokokken¬ 
ähnliche Formen. In einigen auffällig langen Exemplaren ist die Innenzone 
bei deutlich ausgeprägter Poltinktion blaßblau tingiert. 

b) Präparate mit Fuchsinfärbung zeigen im allgemeinen identische Bilder. 
Formen teils schlank, teils plump, Polenden abgerundet, Pole sehr satt gefärbt, 
gegen das Zentrum zu fast unvermittelt in die farblose Innenzone übergehend. 
Ziemlich zahlreiche, sehr kurze Rundformen von elliptischer Gestalt mit aus¬ 
gesprochener Vakuolenbildung, daneben di plo ko kken ähnliche Formen mit 
querem Schlitz. Ein Riesenexemplar von auffälligem Längenwachstum (Länge 
ca. 3 zeigt die Pole mehr granulaartig in Form distinkter, mehr rundlicher 
Gebilde, der eine Pol sehr stark und distinkt gefärbt, der andere nimmt in seinem 


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Von Dr. Emil Epstein. 143 

Farbenton allmählich £egen das Zentrum zu ab, das Zentrum selbst ist fast farb¬ 
los, zeigt nur einen leicht rosa gefärbten Timbre. 

c) Mit Giemsafarblösung gefärbte Präparate aus dem Herzblute 
eines Versuchstieres (Meerschweinchen) (Fig. 6). Die roten Blutkörperchen 
erscheinen als karminrot gefärbte Scheiben mit einem Durchmesser von 5 u. 
Typischer Pleomorphismus. Länge beträgt im allgemeinen 0,5 bis 1,2 u. Zahl¬ 
reiche, besonders die kürzeren Exemplare, zeigen Rundformen von elliptischer 
Gestalt mit sehr distinkter Polfärbung und mit farbloser Vakuole. Auch hier 
nimmt die Färbungsintensität vom Pole aus gegen das Innere an Färbungs¬ 
intensität rasch ab. Die größeren Exemplare zeigen hie und da den Innenraum in 
einem deutlich bläulichen Timbre. Beide Pole sind nicht immer gleich gestaltet, 
einzelne, besonders längere Exemplare zeigen den einen Pol sehr satt gefärbt mit 
sichelförmigen Ausladungen gecen das Zentrum, den anderen mehr blaßblau 
und zylindrisch geformt. Einzelne zarte Vollstäbchen und Kokkenformen. 

d) Präparat aus Agarkultur. Beschreibung entspricht der Beschreibung 
der analogen Präparate vom Spengler’schen Polstäbchen (4c) (vgl. Fig. 4). 

6. Bacterium typhi Eberth (entstammt der Sammlung der Prosektur 

des Franz Joseph-Spitales) (Fig. 7). * - 

a) Präparate aus Bouillonkulturen zeigen kurze, 0,3—0,5 p lange, an den 
Enden abgerundete Formen. Pole sehr distinkt gefärbt, häufig der eine bedeutend 
stärker hervortretend als der andere. Reichlich auch kurze und längere Voll¬ 
stäbchen, ferner kokkenähnliche, rundliche und diplokokkenähnliche Gebilde. 

b) Ein zweiter Stamm vom Bacterium typhi Eberth (entstammt 
gleichfalls der Sammlung des Franz Joseph-Spitals mit der Signatur „Umberto“). 
Die Stäbchen zeigen deutlichen Pleomorphismus, sehr beträchtliche Längen¬ 
differenzen von 0,3—2 jj, schwankend, die Polenden abgerundet, die Pole sehr 
deutlich hervortretend, distinkt gefärbt, ziemlich scharf abgegrenzt gegen die 
den überwiegenden Anteil des Gesamtkörpers einnehmende, fast farblose Innen¬ 
zone. Einzelne Exemplare zeigen wieder einen blassen Timbre der Innenzone. 
An einzelnen Exemplaren Pole ungleichmäßig, einer beträchtlich intensiver gefärbt 
und umfänglicher als der andere. Einzelne Exemplare zeigen besonders plumpe, 
fast ein Drittel des Gesamtkörpers einnehmende Polzonen, welche in diesen 
Fällen mehr allmählich an Färbungsintensität gegen das Innere zu abnehmen 1 ). 
Daneben Kurzformen mit schlitzförmigem Querspalt (diplokokkenähnliche 
Formen). 

7. Bacterium paratyphi B. (Sammlung der Prosektur des Franz Joseph- 
Spitals). Schlanke, etwa 1—1,5 lange Stäbchen mit deutlicher Polfärbung 
und farblosem vakuolären Innenraum, hie und da einen bläulichen Timbre 
zeigend. Der Randsaum hat hier manchmal einseitig eine etwas stärkere Tin- 
gierung. Sehr reichlich Rundformen mit deutlicher Polfärbung, sowie diplo¬ 
kokkenähnliche Gebilde. 

8. Bacterium typhi murium*). Stamm: „Bacterium septicaemiae 
murium Isatschenko-Grimm“ (Pribram, Katalog S. 115). Die Stäbchen 
zeigen höchstgradigen Pleomorphismus. Die Länge schwankt zwischen 0,15 
bis 0,5 bis 2,5 u. Die Gestalt ist meist etwas plumper, die Pole sind distinkt 
gefärbt, gehen ‘ ziemlich unvermittelt in die fast farblose, mehr längliche und 
kantig begrenzte Innenzone über. Zahlreiche Kurzstäbchen, nahezu Rund¬ 
formen mit schönen Polen, daneben einzelne, voll gefärbte, kokkenähnliche 
Rundformen. Auffällig sind einzelne, sehr lange, über 2,5 u lange, etwa 0,4 
dicke, demnach plump gestaltete Formen, die in toto blaßblau gefärbt erscheinen, 


1) Gottschlich (Kolle-Wassermann, Handb. d. pathog. Mikroorg., 
Bd. 1) erhielt in Ausstrichpräparaten einer unzweifelhaften Kultur von Bacterium 
typhi nach Essigsäuredifferenzierung typische Polfärbung, so daß die Ähnlich¬ 
keit mit Pestbazillen ganz unverkennbar war. Ebenso sah R. Paltauf in 
Schnittpräparaten aus Typhusdarm die Typhusbazillen regelmäßig als deutlich 
vakuolisierte Polstäbchen (mündliche Mitteilung mit Demonstration von Prä¬ 
paraten). 


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144 Über die Darstellbarkeit polgefärbler Stübchen usw. 

jedoch nimmt auch in diesen Exemplaren die Färbungsintensität von den Pol* 
enden gegen das Zentrum zu beträchtlich ab, so daß die Polenden deutlich hervor¬ 
treten. Einzelne Kurzstäbchen zeigen ungleichmäßige Färbung der Pole, ein 
Pol viel deutlicher gefärbt als der andere. 

Ziemlich reichliche Vollstäbchen, meist um das Doppelte bis Dreifache die 
typischen Formen an Länge übertreffend, zeigen schlanke Gestalt, einzelne 
keulenförmige Endauftreibungen. 

9. Bacterium paratyphi A (entstammt der Sammlung der Prosektur 
des iFranz Joseph-Spitals). Die Präparate zeigen ähnliche Bilder wie die Präparate 
von Bacterium paratyphi B, nur überwiegen hier die Vollstäbchen und kokken¬ 
ähnlichen Formen. 

10. Bacterium dysenteriae Shiga-Kruse (Sammlung der Prosektur 
des Franz Josephspitales). a) Vorwiegend ziemlich plumpe, etwa 1 u lange 
Stäbchen mit abgerundeten Enden und reichlich längere, schlankere Formen, 
beide ohne vakuoläre-Innenzone. Daneben aber einzelne 2—3 u lange, ziemlich 
schlanke Stäbchen mit zart fingierten Polen, die gefärbte polare Zone nimmt 
an Färbungsintensität gegen den Innenraum ziemlich rasch ab und läßt den¬ 
selben als mehr minder umfängliche, unregelmäßig begrenzte, elliptische Zone frei. 

b) Präparate aus anderen Kulturen zeigen überwiegend sehr plumpe, bis 
3 fx lange Riesenformen mit sehr deutlich fingierten Polen. Die Mehrzahl dieser 
Formen zeigen bei starker Verminderung der Färbungsintensität eine immerhin 
deutliche Blaufärbung der Innenzone. Daneben imponieren aber einzelne kürzere, 
etwa 1,5^ lange Exemplare als typische Polstäbchen mit umfänglichem, farb¬ 
losem, vakuolärem Innenraum. Einzelne Formen zeigen den einen Pol sehr satt 
gefärbt und mehr minder scharf begrenzt, den anderen umfänglich plump, all¬ 
mählich gegen das Zentrum an Färbungsintensität abnehmend. Die Polenden 
sind durchwegs abgerundet. Ferner finden sich einzelne Rundformen in Gestalt 
kokkenähnlicher, mit Vakuolen versehener Scheiben. 

11. Bacterium dysenteriae Y (Sammlung Prof. Ghon in Prag), a) Stäb¬ 
chen von einer durchschnittlichen Länge von 1,5 u. Die Pole markant gefärbt, 
gegen die farblose Innenzone unregelmäßig abgegrenzt. Einzelne Exemplare 
weisen einen schmalen Querspalt auf, dabei zeigt sich die polare Zone mächtig 
ausgebildet und sehr intensiv gefärbt. Ferner sehr plumpe, an den Enden ab¬ 
gerundete Formen (Rundformen). 

b) Relativ schlanke Formen mit sehr intensiver Polfärbung und unver¬ 
mitteltem Übergang der Färbungsintensität gegen den ungefärbten, elliptisch 
geformten, vakuolären Innenraum. Einzelne Exemplare zeigen auch im Zentrum 
einen zarten, bläulichen Timbre. Daneben einzelne Rundformen mit schönen 
Polen, daneben kokkenähnliche, vollgefärbte Gebilde. 

12. Bacterium dysenteriae Flexner (Sammlung der Prosektur des 
Franz Joseph-Spitals). 0,6—1,8 u lange, ziemlich schlanke, stark fingierte 
Stäbchen. Einzelne Exemplare zeigen eine kurze, elliptisch begrenzte, farblose 
Innenzone, andere zeigen eine mehr rechteckig, aber nicht streng linear begrenzte, 
in einem ganz blaßblauen Timbre gefärbte Innenzone. Wieder fallen vereinzelte, 
abnorm große Formen mit ungleichmäßigen Polen auf, der eine Pol mehr körnchen- 
förmig rundlich, der andere etwas länger, etwa ein Drittel des Gesamtstäbchens 
einnehmend. 

13. Bacillus proteus vulgaris ,,Til“.*) Ziemlich schlanke, kokken- 
ähnliche Kurzformen, daneben einzelne, etwas längere Stäbchen. Keine Pol- 
färbung (Vollstäbchen). 

14. Bacillus proteus X 19 (Weil-Felix).*) Schlanke Fadenformen, zum 
Teil geschwungen, daneben kürzere Stäbchen. Länge variiert von 1—3 u bis 
zu 13 (x . Außerdem Stäbchen von kokkenähnlichem Typus. Die Stäbchen 
durchwegs zarte, in continuo gefärbte Gebilde. Keine Polfärbung. 

15. Bacterium pneumoniae Friedländer (Sammlung der Prosektur 
des Franz Joseph-Spitals). 0,5—3 u lange, gleichmäßig ziemlich blaß gefärbte, 
bisweilen leicht sichelförmig gekrümmte, in vereinzelten Exemplaren Andeutung 
von Polfärbung mit schwächer färbbarem Innenraum aufweisende Stäbchen. 
Vereinzelte, auch kokkenähnliche Formen. 


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16. Bacillus anthracis (Sammlung der Prosektur des Franz Joseph* 
Spitals). Präparat aus dem Gewebssafte von Hoden eines Versuchsmeerschwein¬ 
chens. 0,3 k u lange, zarte Stäbchen, teils in Gliederketten, teils ungegliedert an¬ 
geordnet. ‘ Keine Polfärbung. In Fuchsinpräparaten hie und da Vakuole 
angedeutet. 

17. Bacterium acidi lactici.*) 2—12 t u lange, ziemlich plumpe, satt 
gefärbte Fäden ohne Polfärbung. 

18. Bacillus subtilis.*) Gliederketten Ln oft abenteuerlich geschwungener 
und netzförmig verworrener Verfilzung. Hie und da endständige Sporen, Einzel¬ 
individuen bis 2 fi lang, ohne Polfärbung. 

19. Bacillus Megatherium.*) Plumpe, 2—3 u lange Stäbchen, oft in 
Kettengliederung. Einzelne längere Exemplare bis 3,5 gx. Im allgemeinen ziem¬ 
lich blaß gefärbt, die Pole stärker hervortretend, jedoch nicht distinkt 
darstellbar. 

* „ * 

# 

Anhangweise sei ferner erwähnt, daß von sämtlichen untersuchten 
Bouillonkulturen bzw. dem Gewebesafte der Versuchstiere Präparate 
angefertigt wurden, die mittels Durchziehens durch die Flamme fixiert 
und danach gefärbt wurden. Es zeigten sich in keinem Falle irgendwie 
charakteristische Bilder. Die Stäbchen erschienen fast durchwegs als 
Vollstäbchen, der Pleomorphismus derselben war deutlich erkennbar. 
Als Stichproben seien mehrere Befunde ausführlicher angeführt. 

Spenglersche Polstäbchen (4) (Fig. 8). Durchwegs plumpe, gleich¬ 
mäßig fingierte Stäbchen in sehr beträchtlichen Längenunterschieden, 0,3—1,5 t u, 
reichlich plumpe, kokkenähnliche Rundformen, Poldarstellung nur in ganz 
vereinzelten Exemplaren. Im Vergleich mit dem Bilde nach Alkohol¬ 
fixation ein sehr einförmiges. 

Bacterium coli commune (5). Plumpe Formen mit beträchtlicher 
Längendifferenz, im allgemeinen 0,3—1 u lang, einzelne 1,5 a lang. Die Lang¬ 
formen weisen eine meist plumpe Gestalt auf. Die Formen sind im allge¬ 
meinen gleichmäßig, ziemlich intensiv gefärbt, einzelne Exemplare zeigen 
jedoch recht deutlich schwach gefärbte, länglich geformte Innenräume mit 
stärker hervortretender Polfärbung, aber allmählicher Abnahme der 
Färbungsintensität von den Polen gegen den vakuolären Innenraum. 
Daneben kokkenähnliche Rundformen. 

Bacterium typhi Eberth (6). Durchwegs ziemlich plumpe, intensiv 
gefärbte Stäbchen mit beträchtlichen Längenunterschieden bis 3 p lang, plumpe 
und zartere Formen, kokkenähnliche Ovoidformen. Hie und da schwächer ge¬ 
färbter Innenraum angedeutet. 


# Ä # 

% 

Aus dem Bisherigen ergibt sich, daß zahlreiche Stämme der 
Koligruppe sowie Vertreter der Typhus- und Paratyphusgruppe 
sowie die untersuchten Dysenteriestäbchen die für Pest charakte¬ 
ristischen Bilder in Ausstrichpräparaten, die von Bouillon¬ 
kulturen oder von Gewebsabstrichen der Versuchstiere gewonnen 
und der Alkoholfixation unterzogen worden waren, aufs deutlichste 
zeigen. 

Mehr minder ausgesprochen weisen auch Präparate von Bakterien aus 
der Gruppe der hämorrhagischen Septikämie das Phänomen 
der Polfärbung und Vakuolenbildung auf, wozu auch der Stamm 
Bacterium septicaemiae haemorrhagicae Kan. gehört. 


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146 Über die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw. 

Bei dieser Gelegenheit sei aber ausdrücklich hervorgehoben, 
daß nicht alle Stämme einer untersuchten Art die Polfärbung 
in gleicher Klarheit zeigten, wie aus der Beschreibung der Präparate 
der beiden Typhusstämme 6a und 6b ersichtlich ist. Auch sonst zeigten 
einzelne Typhus- und Colistämme das Phänomen der Polfärbung in relativ 
wenigen Exemplaren. Niemals aber war es ganz zu vermissen. 

Der Umstand, daß auch Bacterium raegatherium deutliche 
Polfärbung zeigt, beweist, daß die Darstellbarkeit der Polfärbung 
nicht auf die Gruppe der nach Gram entfärbbaren Bakterien 
beschränkt ist, sondern daß auch Vertreter nach Gram färbbarer Stäb¬ 
chen Poldarstellbarkeit aufweisen. Die Proteusstäbchen, Fried- 
länder- und Anthraxbazillen sowie die Rotzbazillen zeigen 
keine Polfärbung. 

In Ausstrichpräparaten von Agarkulturen ist die Polfärbung im 
allgemeinen nicht gut darstellbar, in vereinzelten Exemplaren das 
Phänomen j< doch erkenntlich, im allgemeinen sind die Stäbchen beträcht¬ 
lich kürzer und nähern sich vielfach dem Kokkentypus. Die Anordnung 
der Diploformen ist dabei recht häufig und deutet wohl auf Teilungsvor¬ 
gänge hin. 

Wenn wir also zusammenfassen, so zeigte sich, daß bei den verschieden¬ 
sten Bakterienarten die Polfärbbarkeit nach vorheriger 
Alkoholfixation nur bei den Exemplaren deutlich darstellbar 
ist, die in flüssigen Nährböden gewachsen waren, also entweder 
Bouillonkulturen oder dem Blute bzw. der Exsudatflüssigkeit eines Ver¬ 
suchstieres entstammten. In alkoholfixierten Strichpräparaten 
von Agarkulturen ist die Polfärbung halbwegs deutlich nur in 
ganz vereinzelten Exemplaren sichtbar, in vielen Exemplaren 
fehlt sie vollkommen, vielfach ist sie kaum angedeutet und nur bei 
schärfster Beobachtung eben noch erkenntlich. Hitzefixation eignet 
sich nicht zur Darstellung der PolfärbbarJceit. 

Die Darstellbarkeit der Polfärbung ist demnach, abgesehen von der 
Abhängigkeit vom Wachstum im flüssigen Nährboden, durch die 
Fixation bedingt. Es sind dies dieselben Bedingungen, die auch beim 
Pestbazillus und bei der Pastereulla-Gruppe erforderlich sind, um, wie aus 
der eingangs zitierten Literatur ersichtlich ist, die Pqle und Vakuolen 
klar zur Darstellung zu bringen. 

Es ergab sich sonach die naheliegende Vermutung, daß die Dar¬ 
stellbarkeit der Polfärbung ein Produkt der Alkoholfixation 
sei, bzw. die Frage, ob nicht der Alkohol gegenüber der Hitze¬ 
fixation das schonendere Fixationsmittel sei, welches die morphologischen 
Verhältnisse der beschriebenen Stäbchen in einer dem natürlichen Vor¬ 
kommen mehr entsprechenden Weise zur Darstellung bringt als erstere. 
Um diese Frage der Lösung näherzubringen, war es nötig, native 
Färbungen zu verwenden. Zunächst wurden Bakterienaufschwem¬ 
mungen im hängenden Tropfen unter Zusatz von Neutralrot untersucht. 
Die Bilder waren nicht sehr charakteristisch, da die Färbung mit Neutralrot 
schlecht gelingt. 


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147 


Von der Erwägung ausgehend, daß die Choleravibrionen nach 
Signorelli^in Bouillon und Agar, welcher mit Dahlia, Erythro¬ 
sin oder Safranin versetzt ist, farbstoffabsorbierend wachsen, versuchte 
ich diese Methode zum Zwecke nativer Färbung. Merkwürdigerweise 
beobachtete Signorelli das Phänomen der Farbstoffadsorption haupt¬ 
sächlich makroskopisch, jedenfalls fehlen nähere Beschreibungen 
des mikroskopischen Verhaltens. Es wird nur gelegentlich erwähnt, 
daß sich die Vibrionen im hängenden Tropfen gefärbt erweisen. Ich kann 
auf Grund meiner Befunde dieses Züchtungsverfahren als eine 
wesentliche Bereicherung der nativen Färbungstechnik emp¬ 
fehlen. Die Polfärbung zeigt sich sowohl im hängenden Tropfen an 
lebhaft beweglichen Stäbchen, als auch in luftgetrockneten Ausstrich¬ 
präparaten aufs deutlichste. Außerdem sieht man in überraschender 
Klarheit im hängenden Tropfen mancherlei biologische Vorgänge im 
Bakterienleibe, wie Auftreten von kleinsten, stark lichtbrechenden Körn¬ 
chen, die vom Bakterienleib förmlich ausgeschleudert werden (Plasmoptyse). 
Diese Körnchen sind häufig polständig angeordnet, haben aber mit der 
gleich zu beschreibenden Polfärbung als solcher nichts zu tun. Das früher 
beschriebene Phänomen der Polfärbbarkeit dokumentiert sich 
jedoch auch in den von Signorelli-Kulturen herstammenden Präparaten 
als deutliche Farbanreicherung, entsprechend den Polen in Form 
nach innen offener, sichelförmig begrenzter polarer Zonen. 
Im Innern zeigen sich große, ungefärbte, ovaläre Vakuolen. 

Am besten eignöt sich zu dieser Färbung das Safranin. Dahlia 
hemmt in entsprechender Konzentration das Bakterienwachstum, Ery thro- 
sin wieder färbt zu blaß. 

Die nach Signorellis Vorschrift bereiteten Agarnährböden sind 
relativ wasserreich, indem sie auf 10 ccm Agar 2 ccm je 1 proz. wässeriger 
Dahlia-, Erythrosin- oder Safraninlöäung enthalten. 

Zu erwähnen ist, daß das Phänomen der Polfärbung nur bei 
Verwendung relativ frischer Nährböden gelingt, lange aufbe¬ 
wahrte und daher eingetrocknete Nährböden eignen sich, wie eigent¬ 
lich von vornherein zu erwarten war, nicht zu diesem Zwecke. 

Von einem ähnlichen Gedanken ausgehend, hat Zikes a ) an Bierhefe, 
die er in mit verschiedenen Farbstoffen versetzten Bierwürzen züchtete, 
vitale Färbung studiert. 

Die Präparate des Materials von Safranin-Agar-Nährböden 
zeigen schönere Bilder als die in Safranin-Bouillon gezüchteten Stäb¬ 
chen. Auf Safranin gedeihen sämtliche untersuchten Stämme mit Aus¬ 
nahme von Bacterium lactis, subtilis und megatherium sehr gut. Die 
Kolonien imponieren als saftige, dem Strich entsprechend üppig sich aus- 
breitende Bakterienrasen, die den Farbstoff deutlich aufnehmen. Als 
bemerkenswertes Ergebnis zeigte sich, daß unser Grippestäbchen 
sowie das Bacjterium cholerae gallinarum Würzburg die Eigen¬ 
farbe des Nährbodens insofern ändert, als er entsprechend den Kolonien 

1) Über die Züchtung der Choleravibrionen in gefärbten Nährböden. Zentral¬ 
blatt f. Bakt. 1912, Bd. 66, S. 469. 

2) Zentralbl. f. Bakt. 2. Abt., Bd. 31, S. 507. 


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148 Uber die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw. 

(»inen deutlich fluoreszierenden, metallischen Schimmer auf¬ 
weist. Es wäre unter Umständen möglich, diese Eigenschaft zur Diffe¬ 
renzierung heranzuziehen. Hervorheben möchte ich noch, daß der Zu¬ 
satz von Safranin zu Agar eine scheinbar wachstumshemmende Wirkung 
für verschiedene Kokkenarten bedingt. 

Es folgt nun das Protokoll der Untersuchung der nativ gefärbten Aus¬ 
striche von auf Safranin-Agar nach Signorelli gezüchteten Bakterien. 
Zur Untersuchung gelangte jede Bakterienart im hängenden Tropfen 
sowie im luftgetrockeneten mit einem Tropfen physiologischer Koch¬ 
salzlösung angefertigten Ausstriche. Derartige Präparate lassen auch 
bei monatelanger Aufbewahrung die charakteristische Polfärbung er¬ 
kennen. 

Bacterium cholerae gallinarum Würzburg (1). Auffallender Pleo¬ 
morphismus. Länge 0,5—2 u. Viele Exemplare zeigen plumpe Gestalt, andere, 
insbesondere ovaläre Rundiormen, typische Polfärbung. Einzelne diplo¬ 
kokkenartige Paare. Die Formen zeigen fast durchwegs blassen, vakuolären 
Innenraum, die Pole allenthalben mehr minder deutlich tingiert. 

Bacterium cholerae gallinarum Ficker (2). Ausgesprochener Pleo¬ 
morphismus. Länge variiert zwischen 1—3 ju, daneben ganz kurze Rundformen, 
die überwiegende Mehrzahl der Exemplare weist deutliche Polfärbung mit farb¬ 
loser, rundlicher und länglicher, vakuolärer Innenzone auf. Mäßig zahlreiche, 
kokkenähnliche Formen. 

Bacterium septicaemiae haemorrhagicae Kaninchen (3). Auf¬ 
fälligster Pleomorphismus. Gerade Stäbchen verschiedenster Länge bis 3 p, 
geschwungene und gekrümmte Formen. Einzelne Riesenexemplare betragen 
bis 9 u Länge. Die Stäbchen erscheinen überwiegend als Vollstäbchen, nur ein¬ 
zelne Exemplare, darunter kipfelförmige Formen mit deutlicher Polstruktur. 

Spenglersche Polstäbchen (4) (Fig. 9). Stäbchen im allgemeinen kurz 
mit zartem, quergestelltem Innenspalt, daneben etwas längere Formen mit 
deutlich ausgesprochener Polfärbung, einzelne Pole sind mehr kernig gestaltet 
und gemahnen an Polkörperchen. Auch sehr kurze Rundformen zeigen deut¬ 
liche, querspaltförmige, farblose Innenzone und sehr deutliche Polfärbung. Ein¬ 
zelne lange, 10—12 p lange Fäden fallen aus dem übrigen Bilde heraus, sie zeigen 
meist Andeutung stärker gefärbter Polenden und Segmentierung des Bakterien¬ 
körpers. Es handelt sich wohl um Involutionsformen, die unter dem Einflüsse 
des wachstumshemmenden Farbstoffzusatzes zustande kommen, ähnlich wie die 
Involutionsformen der Pestbazillen in stark kochsalzhaltigen Nährmedien. 
Die Polfärbung ist in diesem Falle eine ganz allgemeine Erscheinung. 

Bacterium coli commune (5). Ausgesprochener Pleomorphismus, 
lange Formen bis 6 t u (Involutionsformen), daneben vorwiegend 1,5—2 ^ lange 
Körper im allgemeinen deutlich blaßrosa gefärbt. Die Färbung nimmt aber an 
Intensität deutlich und distinkt gegen die Pole hin zu, insbesondere die Formen 
von etwa 1,5—2,0 t u Länge mit abgerundeten Polenden zeigen deutlichste Pol¬ 
färbung. Außerdem zahlreiche, zarte Stäbchen und kokkenähnliche Formen. 

Bacterium paratyphi A (9) und Bacterium paratyphi B (7) zeigen 
deutliche Polfärbung. 

Bacterium dysenteriae Shiga-Kruse (10). Zahlreiche kurze, schlanke, 
rosa gefärbte Stäbchen, einzelne distinkt gefärbt, dann Kurzstäbchen mit cha¬ 
rakteristischer Polfärbung und ausgesprochener typischer zentraler Vakuole. 
Einzelexemplare zeigen an einem Pole distinkt gefärbte Rundkörnchen, an den 
anderen zartere Färbungen. In einzelnen Exemplaren ist der Körper sehr blaß 
gefärbt und die Polkörperchen scharf und distinkt hervortretend, so daß sie bei 
nicht sorgfältiger Beobachtung als freiliegende Gebilde imponieren könnten. Auch 
hier wieder bezüglich Gestalt und Längen Verhältnisse deutlicher Pleomorphismus. 

Es zeigt also die vitale Färbung der auf Safranin-Agar nach Signo¬ 
relli gezüchteten Kulturen, daß die Polfärbung der Bakterien den 


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Von Dr. Emil Epstein. 


149 



natürlichen Bedingungen entsprechendere morphologische 
Verhältnisse zeigt. Die Flammenfixation führt offenbar infolge 
Röstung des Bakteriumprotoplasmas zu einer Schrumpfung 
der Bakterienleiber und täuscht dann bei der üblichen Färbung mit 
wässerig verdünnter alkoholischer Anilinfarblösung das Bild von Voll- 
stäbchen vor. Die Alkoholbehandlung scheint hingegen die natürlichen 
Verhältnisse besser zu fixieren. 

Die Annahme Hutyras, daß Bakterien, die das Phänomen der 
Polfärbung zeigen, aus einem gut färbbaren Plasma bestehen und 
dann Substanzen ins Innere aufnehmen, welche sich gegen Anilin¬ 
farbstoffe refraktär verhalten, scheint, im Sinne der vorliegenden 
Beobachtungen, manches für sich zu haben. — 

Die auffällig plumpe, aufgeblähte Gestalt vieler polfärb¬ 
barer Stäbchen aus Bouillonkulturen und Blut infizierter Tiere 
(Fig. 2, 3, 5, 6) gegenüber dem dürftigen, vielfach kokkenähnlichcn 
Aussehen der Bakterien von festen Nährböden (Fig. 4) sowie 
der Umstand, daß die Bakterien, welche in flüssigen Nährböden 
oder aber auf Nährsubstraten gewachsen waren, die reichlich Flüssig¬ 
keit enthalten, wie tierisches Gewebe, Blut, Signorelli-Nähr- 
böden usw., die Pol- und Vakuolenstruktur auch bei Nativ¬ 
färbung deutlich zeigten, während sich die Stäbchen, welche Kulturen 
von festen Nährböden entstammen, in überwiegender Zahl als Voll- 
stäbchen oder Kokkobazillen präsentieren, spricht dafür, daß die 
Bakterien Flüssigkeit in ihr Inneres aufnehmen. 

Zum Studium des Vorganges dieser Flüssigkeitsaufnahme 
wurden, auf Anregung Hofrat Paltaufs folgende Versuche 
angestellt: Je eine Öse einer 24stündigen Agarkultur vom Spenglerschen 
Polstäbchen und von Bacterium coli wurde in etwa 2 ccm Bouillon aufge¬ 
schwemmt. Sofort nach Anfertigung dieser dichten Aufschwemmung 
wurden Objektträger-Ausstrichpräparate angelegt. Sodann gelangte die 
Aufschwemmung bei Zimmertemperatur oder auf Eis zur Auf¬ 
bewahrung, um das Wachstum der Bakterien möglichst aus¬ 
zuschalten. Von dieser Aufschwemmung wurden weiter Präparate in 
Intervallen von je einer halben Stunde bis zum Zeitpunkte von zwei 
Stunden, ferner je ein Präparat vier Stunden (Fig. 10) und je ein Präparat 
24 Stunden nach ihrer Herstellung angefertigt. Diese Präparate zeig¬ 
ten keine wesentliche Veränderung der morphologischen 
Beschaffenheit der Bakterien. Das Bild entsprach ungefähr dem 
der oben beschriebenen Agar-Kulturpräparate (Fig. 4). 

Zu gleicher Zeit wurden im Parallelversuche Bouillonkulturen 
von beiden Stämmen angelegt, bei 37° C gezüchtet und aus diesen 
jungen Kulturen in den angegebenen Intervallen Objektträger-Ausstrich- 
präparate hergestellt. Die Untersuchung ergab in den Präparaten 
der ersten zwei Stunden keine Differenz zwischen den Bildern 
der Präparate von der bei Zimmertemperatur bzw. Eisküh- 
lung^ aufbewahrten Aufschwemmung und denjenigen der 
Präparate von den jungen Bouillonkulturen. Aber bereits 
vier Stunden (Fig. 11) nach Überimpfung in Bouillon und 


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Über die Darstellbarkeit polgcfärbter Stäbchen usw. 


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Wachstum bei 37°C zeigte sich deutlich das Phänomen der 
Polfärbung. Selbstverständlich war auch in den Parallelpräparaten aus 
24stündiger Bouillonkultur die Polfärbung klar ausgeprägt. 

Es ergibt sich somit, daß Präparate, aus Kulturaufschwemmungen 
in Bouillon, die bei Zimmertemperatur oder in Eis aufbewahrt wurden, 
auch 48 Stunden nach Anfertigung der Aufschwemmung keine 
Polfärbung zeigen (Fig. 10), während Präparate junger, mit dieser 
Aufschwemmung gleichzeitig in Bouillon angelegter, bei 37° gehal¬ 
tener Kulturen das Phänomen der Polfärbung in deutlich¬ 
ster Weise zeigen (Fig. 11). 

Sucht man für den mechanischen Vorgang der zentralen Flüssig¬ 
keitsansammlung im Bakterienleibe eine befriedigende Erklärung, so muß 
man sich vor Augen halten, daß die Physiologie der Bakterienzelle, die 
seihst ein osmotisches System darstellt, von den Gesetzen der Osmose 
beherrscht wird, worauf Alfred Fischer in seinen Vorlesungen über 
Bakterien 1 ) ausführlich hinweist. Fischer beschreibt als plasmolysierte 
Choleravibrionen und Typhusbazillen vakuolisierte Formen mit polarer 
Lagerung des Protoplasten (loc. cit. S. 24, Fig. 15). Die Bilder ähneln bis zu 
einem gewissen Grad den in vorliegender Mitteilung beschriebenen. Den¬ 
noch handelt es sich um zwei ganz verschiedene, einander entgegengesetzte 
Vorgänge, die schließlich zu ähnlichen Bildern Anlaß geben. Fischer 
untersucht die Bakterien von Agarkulturen im hängenden Tropfen 
einer hyperosmotischen Flüssigkeit (Cholerafibrionen in l,25proz. 
Kochsalzlösung, Typhusbazillen in 2,5proz. Kochsalzlösung), wobei 
es zu einer Wasser entziehenden Wirkung der Kochsalzmoleküle 
der Untersuchungsflüssigkeit gegenüber dem Bakterieninnern kommt. 
Die Wasserentziehung führt zu einer Retraktion des Plasmas, zur Plas¬ 
molyse, die jedoch, wie Fischer ausdrücklich hervorhebt, fast augen¬ 
blicklich eintritt. 

Die in der vorliegenden Mitteilung zur Beobachtung gelangenden 
Vorgänge der in flüssigen Nährböden gezüchteten Kulturen — Bak¬ 
terien von Agarkulturen zeigen, wie wir wissen, Polfärbung kaum ange¬ 
deutet — spielen sich in einem beträchtlich salzärmeren Medium 
ab. Die Untersuchung der von Signorelli-Nährböden lebend im hängenden 
Tropfen untersuchten Bakterien geschah in einer 0,8proz. Kochsalzlösung, 
die Züchtung in Bouillon in einer 0,5proz. Kochsalz enthaltenden Nähr¬ 
flüssigkeit, also in Medien, die gewiß nicht als hyperosmotisch anzusehen 
sind. Das Phänomen der Polfärbung tritt überdies keineswegs fast 
augenblicklich, sondern im Gegenteil, wie bereits erwähnt, sehr all¬ 
mählich auf und ist in jungen Bouillonkulturen, die zwei Stunden bei 
37° gehalten worden waren, noch nicht nachweisbar. Damit steht in Über¬ 
einstimmung, daß Wachstumsversuche in kochsalzfreier Bouillon üppiges 
Wachstum der untersuchten Stämme (Bacterium coli bzw. Speng- 
lersches Polstäbchen) mit geradezu klassischer Polfärbung und Vakuolen- 
bildung zeigen, wodurch bewiesen ist,daßeinevonder Salzkonzentration 
abhängige, wasserentziehende Wirkung des Nährmediums für 

1) Verlag von Gustav Fischer, Jena 1903. 


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Von Dr. Emil Epstein. 


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das Zustandekommen der Polfärbung mit Sicherheit auszu¬ 
schließen ist. Die Tatsache, daß deutliche Polfärbung erst von der 
vierten Altersstunde an zu beobachten ist, also von einem Zeitpunkte 
an, in dem die Teilungs- und Wachstumsvorgänge sich bereits auf der Höhe 
befinden, was auch durch die beginnende deutliche Trübung der Bouillon 
angezeigt wird, spricht dafür, daß das Auftreten der Polfärbung 
mit den Wachstumsvorgängen der Bakterien in einem Zu¬ 
sammenhänge steht und nicht das Produkt eines plasma- 
schädig'enden Vorganges, der Plasmolyse, ist. Wenn man in 
Betracht zieht, daß eine einmalige Teilung der Bakterien 20 bis 25 Minuten 
Zeit in Anspruch nimmt, so ist der Schluß wohl berechtigt, daß nicht allein 
die Teilung, sondern auch das Wachsen der Bakterien mit der Flüssigkeits¬ 
aufnahme in Zusammenhang steht. 

Daß tatsächlich der Lebensprozeß der Teilungs- und Wachstums¬ 
vorgänge mit der Wasseraufnahme ins Innere des Bakterienleibes und der 
dadurch veranlaßten Vakuolenbildung und polaren Plasma¬ 
anordnung im Zusammenhang stehen, beweist der folgende Ver¬ 
such: Schrägagarkulturen von Bacterium coli bzw. Spenglerschen Pol¬ 
stäbchen werden in 10ccm einer 0,4% formalinhaltigen Bouillon 
aufgeschwemmt und nach 24stündigem Aufenthalte bei 37°C unter¬ 
sucht. Der niedrige Formalinzusatz wurde gewählt, um einerseits eine 
Vermehrung der Bakterien während des Versuches zu verhindern, ander¬ 
seits eine morphologische Veränderung durch Formalinhärtung hintanzu¬ 
halten. Die Strichpräparate aus dieser Bouillonaufschwem¬ 
mung zeigten das Phänomen der Polfärbung ebensowenig 
wie die Ausstriche aus nicht formalinisierter Aufschwem¬ 
mung, die bei Zimmertemperatur oder auf Eis aufbewahrt 
waren (siehe oben). Von den formalinisierten Bouillonkulturen wurden 
auf Agarplatten Strichkulturen angelegt. Die Striche zeigten nach wei¬ 
terem 24stündigem Aufbewahren bei 37° C keinerlei Wachstum, so daß 
wohl mit Sicherheit anzunehmen ist, daß die Kulturen abgetötet 
waren, somit oben erwähnte Ausstriche von Aufschwemmungen abge¬ 
töteter Keime herrührten. 

Es ist also keineswegs Wasserentziehung, welche die Polfärbung 
bedingt, sondern es scheint im Gegenteil, als ob das Bakterienplasma 
in dem der Teilung folgenden Zustande relativ gesättigt, im Zustande 
eines osmotischen Überdruckes, Wasser aus der umgebenden 
Flüssigkeit durch die Zellmembran hindurch aufnimmt. 

Der Einteilung der Bakterien durch Fischer in eine Gruppe mit einer 
für gelöste Stoffe (Salze, Zucker usw.) permeablen (Repräsentant: 
Bacillus anthracis) und eine Gruppe mit einer für gelöste Stoffe im¬ 
permeablen Membran (Repräsentant: Choleravibrio, Coligruppe) kann 
auf Grund der vorliegenden Untersuchung beigepflichtet werden, nur mit 
Betonung des Standpunktes, daß die impermeable Membran nicht nur 
die Bedingung für Wasserabgabe des. Bakterienleibes bei 
osmotischem Überdrucke der Außenflüssigkeit darstellt, son¬ 
dern auch die Bedingung für Wasseraufnahme bei osmotischem 
Überdruck des Baktericnplamas. Die in vorliegender Mit- 


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Über die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw. 


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teilung beschriebene Polfärbung im alkoholfixierten Prä¬ 
parate des Kulturausstriches von flüssigen Nährböden hat 
mit Plasmolyse nichts zu tun, sondern ist der Effekt von 
Wasseraufnahme ins Innere des Bakterienleibes. 

Somit scheint uns auch die Ansicht Gottschlichs, daß ausschlie߬ 
lich plasmolytische Vorgänge die Polfärbung verursachen, nicht gerecht¬ 
fertigt. 

Die Flüssigkeitsaufnahme ins Innere des Bakterienleibes entspricht 
nicht etwa einem plötzlichen Flüssigkeitseinbruche, sondern 
einem allmählichen Vorgang, der etwa einem physiologischen 
Zwecke, der Aufnahme von Flüssigkeit zu Ernährungs¬ 
zwecken, dienen könnte. Das Vorhandensein von reichlicher 
Nährflüssigkeit begünstigt bekanntlich die Teilungsvorgänge 
bzw. das Wachstum der Bakterien in besonderem Maße und dir* 
Bakterien scheinen gerade in diesem Stadium Nährflüssigkeit 
begierig ai^fzunehmen. 

Wenn wir nach Zettnow 1 ) und Feinsberg 2 ) annehmen, daß der 
Zentralkörper des Bakterienleibes aus einer schwach färbbaren Gerüst¬ 
substanz von wabigem Bau und einer den Farbstoff stark aufnehmenden 
chromatinähnlichen Substanz zusammengesetzt ist, welcher in den Maschen 
dieser Gerüstsubstanz liegt, so ist die Vorstellung naheliegend, daß die durch 
osmotische Wirkungen eindringende Flüssigkeit die färbbaren Bestantteile 
aus dem zentralen Maschenwerk verdrängt, sie polarwärts treibt und sich 
selbst zentral ansammelt. Die schlecht färbbare Gerüstsubstanz bleibt 
zurück und nimmt die gelegentlich zu beobachtende blaßblaue Tinktion an. 

Die Polarfärbbarkeit scheint demnach als Ausdruck erhöhter 
Vitalität an die Teilungs- bzw. Wachstumsvorgänge der Bak¬ 
terien gebunden zu sein. 


Schlußsätze. 

t. Die Polfärbung der Bakterien ist keine auf bestimmte 
Bakterienarten (Pestbazillen, Pasteurellagruppe) beschränkte 
Eigenschaft. Sie ist vielmehr eine ziemlich allgemein darstell¬ 
bare morphologische Eigentümlichkeit der verschiedensten 
Stäbchenarten, der keine differentialdiagnostische Bedeutung zukommt. 

2. Die übliche Hitzefixation mittels Durchziehens durch 
die Flamme schädigt bzw. zerstört die Polfärbbarkeit 
der Bakterienarten meist vollständig. Die Alkoholfixation 
hingegen konserviert sie. 

3. Die Polfärbung nach Alkoholfixation ist aber kein Arte-' 
fakt, sondern gibt Bilder, die den natürlichen morphologischen 
Verhältnissen entsprechen. 

4. Native Färbungen an Stämmen, die auf Agarnährböden 
gewachsen sind, die mit wässeriger Safraninlösung gefärbt und relativ 

1) Zeitschr. f. Hyg. 1897, Bd. 24; 1899, Bd. 30. 

2) Zentralbl. f. Bakt. 1909, I. Abt., Bd. 27, S. 417. 


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Von Dr. Emil Epstein. 153 

flüssigkeitsreich sind, zeigen, daß die natürliche Gestalt der die Pol¬ 
färbung gebenden Bakterienarten der pestbazillenähnliche 
Typ us des Polstäbchens ist. 

5. Vorbedingung des Gelingens einer das mikroskopische 
Bild beherrschenden, deutlich ausgeprägten Polfärbung ist 
das Wachstum der Bakterien in flüssigen Nährböden, wie es 
auch das strömende Blut oder die Exsudatflüssigkeit des Trägers dar¬ 
stellt oder das Wachstum auf reichlich Flüssigkeit enthaltenden 
festen Nährböden und in dem vom Gewebesafte durchtränkten 
menschlichen oder tierischen Gewebe. Auf festen Nährböden 
gezüchtete Stämme zeigen das Phänomen der Polfärbung vielfach 
nur angedeutet, fast durchwegs aber undeutlich, keineswegs 
aber allgemein, sondern Ar auf einen Teil der Exemplare 
beschränkt. 

6. Die Polfärbung scheint als Ausdruck erhöhter Vitalität 
an die Teilungs- bzw. Wachstums Vorgänge der Bakterien 
gebunden zu sein. Sie kommt durch Aufnahme von Flüssigkeit 
ins Innere des Bakterienleibes zustande und hat mit dem durch Wasser- 
entziehung verursachten, als Plasmolyse beschriebenen Vorgänge 
nichts gemein. 

. * * * 

Für die sachliche Förderung der vorliegenden Arbeit bin ich den 
Herren Professor Dr. Oskar Stoerk und Hofrat Professor Dr. Richard 
Pal tauf in Wien zu großem Danke verpflichtet. 


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Über die Darstellbarkeit polgefärbter Stäbchen usw. 


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Legende zur Tafel. 

Die Figuren stellen die Gegenstände in lOOOfacher Vergrößerung dar. 
Für die mikroskopische Beobachtung zur Anfertigung der Bilder diente das 
homogene Immersionsobjektiv Brennweite 1/12, numerische Apertur 1,4 mit dem 
Kompensationsokular Nr. 8, als Lichtquelle wurde das direkte Tageslicht benutzt. 
Fig. 1. Ausstrichpräparat aus 24stündiger Bouillonkultur vom Stamme B. 
cholerae gallinarum „Würzburg“ (Alkoholfixation, Methylenblau - 
färbung). ^ 

„ 2. Ausstrichpräparat aus älterer Bouillonkultur] des „Spengler’schen 

Polstäbchens (Alkoholfixation, Methylenblaufärbung). 

„ 3. Ausstrichpräparat aus dem Herzblute eines mit „Polstäbchen“ ge¬ 

impften Meerschweinchens (Giemsafärbung). 

,, 4. Ausstrichpräparat aus 24stündiger Agarkultur des „Spengler’schen 

Polstäbchens“ (1/10 Öse verstrichen in 1 Tröpfchen physiologischer 
Kochsalzlösung, Alkoholfixation, Methylenblaufärbung). 

„ 5. Ausstrichpräparat aus 24 ständiger Bouillonkultur vom Stamm Bacterium 

coli commune „30“ (Alkoholfixation, Methylenblaufärbung). 

,, 6. Ausstrichpräparat aus dem Herzblute eines mit Stamm „Bacterium 

coli commune 30“ geimpften Meerschweinchens (Giemsafärbung). 

„ 7. Ausstrichpräparat aus 24stündiger Bouillonkultur vom Stamm Bac¬ 

terium typhi Eberth (Alkoholfixation, Methylenblaufärbung). 

,, 8. Ausstrichpräparat aus 24stündiger Bouillonkultur vom Spengler‘schen 

„Polstäbchen“ (Hitzefixation). 

„ 9. Präparat des luftgetrockneten Ausstriches eines auf Safraninagar nach 

Signorelli gezüchteten Stammes vom „Spengler’schen Polstäbchen“ 
(vitale Färbung, unfixiert). 

„ 10. Ausstrichpräparat aus Aufschwemmung einer 4 Stunden bei Zimmer¬ 
temperatur oder auf Eis gehaltenen Agarkultur (10 ccm Agarkultur in 
2 ccm Bouillon) vom Stamme: „Spengler’sches Polstäbchen“. 

,, 11. Ausstrichpräparat aus Kulturbouillon desselben Stammes, gewachsen 
bei 37°, 4 Stunden nach Überimpfung. 


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Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira und 
die Resistenz des Hfthnerpestyirns gegen zellschüdigende 
Einflüsse (Gerbstoffe, Oligodynamie). 

Von 

Paal Schweizer. 

(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Basel. Vorsteher: Professor 

R. D o e r r.) 

(Bel der Redaktion ela (egen gen am 28. Februar 1921.) 

Zur experimentellen Bearbeitung allgemeiner Probleme, welche die 
Natur und die Eigenschaften der sog. ultramikroskopischen Krankheits¬ 
erreger oder, richtiger ausgedrUckt, der mikroskopisch noch nicht erfaßten 
Infektionsstoffe betreffen, pflegt man fast ausschließlich das Virus der 
Hühnerpest zu verwenden, weil dasselbe eine ganze Reihe wertvoller 
versuchstechnischer Vorzüge in sich vereint, die gerade in dieser Gruppe 
der Kontagien zu den Seltenheiten gehören. Die Erregerelemente treten 
nicht nur in Zellen sondern überwiegend frei in den Körperflüssigkeiten 
(im Plasma resp. im Serum, im Perikardial- und Peritonealexsudat) auf 
und finden sich in diesen Substraten bei akutem Krankheitsverlauf kon¬ 
stant und meist auch in beträchtlichen Mengen; ihre Verteilung im Serum 
oder im infektiösen Exsudat muß den Charakter einer homogenen und sehr 
stabilen Suspension haben, da sich andernfalls die außerordentlich exakte 
Dosierbarkeit, wie sie z. B. in den Versuchen von Ruß oder von Doerr 
und R. Pick zutage tritt, kaum erklären ließe. Diese Dosierbarkeit, 
welche sehr feine Abstufungen des inokulierten Infektionsstoffes gestattet, 
hängt aber natürlich nicht nur vom injizierten Material i sondern auch von 
der Empfänglichkeit des Versuchstieres ab; je allgemeiner und je hoch¬ 
gradiger die Empfänglichkeit ist, desto günstiger und eindeutiger gestalten 
sich die Bedingungen des Experimentes und werden schließlich optimal, 
wenn sich die Verhältnisse der bei mikroskopischen Krankheitserregern 
beobachteten „Einkeimdisposition“ nähern. Es scheint nun keinem Zweifel 
zu unterliegen, daß die im Handel Mitteleuropas gangbaren Hühnerrassen 
für die künstliche Infektion durch intramuskuläre Einspritzung von 
Hühnerpestvirus in hohem Maße und ohne individuelle Ausnahmen dispo- 
ArcUv fflr Hygiene. Bd. 90. 11 


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156 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw. 

niert sind, vorausgesetzt, daß man von einem hochvirulenten Hühner¬ 
peststamm ausgeht. Weder Doerr und R. Pick noch ich selbst konnten 
feststellen, daß einzelne Exemplare im Sinne einer angeborenen Resistenz 
völlig refraktär waren, oder daß im Reihenversuch mit fallenden Mengen 
eines virushaltigen Substrates das mit der größten Dosis infizierte Huhn 
gesund blieb und überlebte, während das mit der kleineren Quantität 
inokulierte an Hühnerpest erkrankte und einging. Bei gegenteiligen An¬ 
gaben, denen man in der umfangreichen Literatur über Hühnerpest wohl 
nur ganz vereinzelt (z. B. bei Mrowka) begegnet, erscheint die Annahme 
einer angeborenen individuellen oder durch die Rasse bedingte Resistenz 
weit weniger plausibel als der Gedanke an eine vorausgegangene Verseu¬ 
chung der nicht reagierenden Tiere. Es ist ja seit Ostertag und Wolff- 
hügel bekannt und durch die neueren Erfahrungen von Erdmann be¬ 
stätigt, daß die spontane Erkrankung nicht imitier letal verläuft, sondern 
speziell bei jüngeren Hühnern in Genesung übergehen kann und daß in 
solchen Fällen eine absolute Immunität zurückbleibt, die auch der will¬ 
kürlichen Infektion mit massiven Dosen virushaltigen Materials standhält. 

In Gegenden, in welchen die Hühnerpest en- oder epizootisch herrscht, 
muß man diese Eventualität im Auge behalten; jedenfalls würde ein 
ungesetzmäßiges Verhalten der Hühner gegen die künstliche Infektion, 
auch wenn es nicht allzu frequent wäre, das Arbeiten mit diesem Virus 
sehr erschweren und die Deutung der Ergebnisse auch dann unsicher 
machen, wenn man die Zahl der gleichartigen Einzelversuche erheblich 
vermehrt. Das trifft aber — wie erwähnt — für die meisten Länder nicht zu; 
vielmehr ist die Infektiosität des Hühnerpestvirus auch in quantitativer 
Beziehung für das Huhn so konstant, als das prinzipielle Untersuchungen 
über Infektionsstoffe erheischen, für deren Nachweis als einziges Reagens 
eben nur die Infektiosität zu Gebote steht. 

Es sind aber nicht nur versuchstechnische Motive, welche die Wahl 
des Hühnerpest virus für die Entscheidung allgemeinerer Fragestellungen 
rechtfertigen. Mit gewissen selbstverständlichen Einschränkungen darf 
man diesen Infektionsstoff wohl für einen charakteristischen Repräsen¬ 
tanten der ganzen Gruppe der mikroskopisch nicht erfaßten oder vielleicht 
de facto nicht erfaßbaren Krankheitskeime erklären. Manche Eigen¬ 
schaften wie z. B. die Widerstandsfähigkeit gegen Glyzerin, die Fähigkeit, 
in manchen Geweben die Entwicklung eigentümlicher Reaktionsprodukte 
zu veranlassen usw., teilt er mit andern Vira dieser Kategorie, und in einer 
Hinsicht ist er ihnen sogar überlegen: in bezug auf seine Filtrierbarkeit. 
Man legt allerdings gerade auf das letztgenannte Kriterium immer weniger 
Gewicht, v. Esmarch, Borrel, Rosenthal, Schmidt, Hofstädter, 
Marchoux, Bigelow, Doerr u. v. a. haben gezeigt, daß sich die ver¬ 
schiedenen Filtertypen nicht eignen, um die Größe von Mikroben auch nur 
mit approximativer Genauigkeit zu bestimmen und daß insbesondere 
die Filtrierbarkeit durch „bakteriendichtes“ Filtermaterial keineswegs 
die Aussage gestattet, daß die passierenden Mikroben submikroskopische 
Dimensionen haben müssen. Zu diesem Schlüsse, den übrigens schon Borrel 
im Jahre 1903 klar formuliert hat, gelangt auch neuerdings W. Frei, 
der die physikalische Chemie des Filtrationsprozesses auf Grund der be- 


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Von Dr. med. Paul Schweizer. 


157 


reits vorliegenden Forschungsresultate und gestützt auf theoretische Be¬ 
trachtungen eingehend erörtert und nachweist, daß man es hier mit einem 
äußerst komplexen Vorgang zu tun hat, der von zahlreichen, sich in unbe¬ 
rechenbarerweise kombinierenden Faktoren beeinflußt wird. Wie sehr 
man Täuschungen unterworfen ist, wenn man der Filtrierbarkeit von In¬ 
fektionsstoffen zu große Bedeutung beimißt, kann man aus der jüngsten 
Peripetie der Lehre von der Gelbfieber-Ätiologie ersehen. Hier galt der 
submikroskopische Charakter des Erregers als gesichert, da sich die mit 
Berkefeld- oder dichten Chamberlandkerzen erzielten Filtrate als 
pathogen erwiesen (Francis und Beyer); nach den Arbeiten von Noguchi 
ist es aber sehr wahrscheinlich, daß das Gelbfieber durch die Leptospira 
icteroides hervorgerufen wird, die im gefärbten Präparat (Giemsa, Fon¬ 
tana) oder im Dunkelfeld ohne weiteres sichtbar ist. Die Leptospira 
icteroides ist 4 bis 9 [i lang, aber nur 0,2 fi breit und an ihren beiden Enden 
zu Spitzen von extremer Feinheit verjüngt, eine Gestalt, die ihr offenbar 
trotz der mikroskopischeh Länge das Durchschlüpfen durch enge Filter¬ 
poren, von dem sich auch Noguchi überzeugen konnte, erlaubt. 

Wenn sich jedoch auch die Größenverhältnisse der Mikroben durch 
die Filtration nicht genau bestimmen lassen, so kann man doch mit Hilfe 
dieses Verfahrens grobe Unterschiede der Dimensionen sehr wohl ermit¬ 
teln, speziell wenn man die Porenweite und damit die Permeabilität durch 
Anwendung der Bechholdschen Ultrafiltration noch weiter herab¬ 
setzt. Und da muß entschieden zugegeben werden, daß die Filtrabilität 
des Hühnerpestvirus, soweit bekannt, ein Maximum darstellt. Schon 
Rosenthal vermochte kein poröses Filter zu ermitteln, welche dieses 
Virus- immer vollständig zurückhielt, obwohl begreiflicherweise eine Re¬ 
duktion der Infektiosität (Keimverminderung) eintrat, die sich bei manchen 
Filtersorten bis auf 0,1 °/ 00 steigerte. Erst v. Provazek war imstande, 
Hühnerpestelemente von der Suspensionsflüssigkeit durch Filtration 
vollkommen abzusondern, als er zu diesem Zwecke 3% Agarfilter, also 
Ultrafilter aus Kolloidgelen, verwendete. Andriewsky ging auf diesem 
Wege noch einen Schritt weiter, indem er die Porosität der Ultrafilter 
ahzustufen suchte. In Anlehnung an Bechholds Methodik tränkte er 
Filterpapier mit 3, 4, 5, 6, 7 und 8% Eisessigkollodium und preßte durch 
diese Kollodiummembranen Hühnerpestserum, welches 15- bis 20fach 
mit physiologischer NaCl-Lösung verdünnt und mit einer lproz. Lösung 
von Hämoglobin versetzt war.. Es stellte sich heraus, daß die mit dem 
3proz. Kollodiumfilter gewonnenen Filtrate (in der Menge von 5 cm 3 
injiziertI) für Hühner virulent waren, obwohl sie kein Hämoglobin, son¬ 
dern nur die Proteine des Hühnerserums enthielten. 4- und 5proz. Kollo¬ 
diumfilter, welche schon den Hauptbestandteil der Serumproteine zurück¬ 
hielten, gaben noch immer ein infektiöses Filtrat (geprüfte Dosis = 2 cm 3 ) 
und erst die 6- bis 8proz. Membranen, welche nicht einmal mehr den spur¬ 
weisen »Durchtritt von Serumglobulin und Serumalbumin gestatten, er¬ 
wiesen sich für die Hühnerpestelemente als impermeabel. Andriewsky 
folgert hieraus, daß das „Kolloid des Hühnerpest virus“ aus Mizellen be¬ 
stehen müsse, welche kleiner sind als die Moleküle des Hämoglobins, d. h. 
kleiner als 2,3 bis 2,5 ju. Dagegen kann indessen mancherlei geltend ge¬ 
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158 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw. 

macht werden, vor allem der Umstand, daß die Reaktionen, mit denen die 
Existenz des Testkolloides einerseits, jene des Virus anderseits im Filtrate 
nachgewiesen wird, einen sehr verschiedenen Feinheitsgrad besitzen. Ein 
einziges Erregerelement, welches das Filter passiert, kann, selbst wenn es 
in mehreren cm 8 Filtrat allein vorkommt, durch den Infektionsversuch 
an dem so empfindlichen Huhn festgestellt werden, während die opti¬ 
schen Proben auf Hb und die chemischen auf Eiweiß bei fortschreitender 
Verdünnung ihrer Lösungen bald versagen. Eine vorübergehende Gelegen¬ 
heit zum Durchtritt vereinzelter Erregerteilchen, die dann sistiert, er¬ 
scheint aber durch den Beginn der Filtration (beim Ultrafilter durch das 
Einschalten des Druckes mehrerer Atmosphären) gegeben; später ver¬ 
legen sich die spärlichen Poren von weiterem Kaliber durch Verschlammung 
mit den Kolloiden des Filtrans und die transitorische Phase initialer 
Durchlässigkeit, genügt zwar für die Passage einer nachweisbaren Zahl von 
Hühnerpestkeimen, nicht aber für den Durchtritt einer qualitativ fest¬ 
stellbaren Menge von Hb- oder Eiweißmolekülen bzw. Molekülaggre¬ 
gaten. Aber so viel darf man doch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit 
annehmen, daß die Hühnerpest keime tatsächüch sehr geringe Ausmessun¬ 
gen besitzen, und daß sich daher bei ihnen jene Eigenschaften, die sich als 
rein physikalische Konsequenzen der minmalen Dimension und des Mi߬ 
verhältnisses der Oberfläche zum Volumen und zum Gewicht ergeben müs¬ 
sen, in besonders ausgeprägter Form vorfinden werden. 

So ist das Hühnerpestvirus stets das experimentelle Paradigma der 
„infravisiblen“ und der „filtrierbaren“ Krankheitserreger geblieben und 
wurde naturgemäß auch herangezogen, um Beweise für die Existenz 
unbelebter Infektionsstoffe zu erbringen. Diese Theorie war ja von 
vornherein auf ein Gebiet verwiesen, auf welchem sie nicht durch die direkte 
Beobachtung lebender Zellen als notwendiger Träger der Infektiosität 
widerlegt werden konnte; hier scheint sie aber Raum zu gewinnen und ist 
durch Versuche gestützt worden, welche eine glatte diskussionslose Ab¬ 
lehnung nicht mehr angezeigt erscheinen lassen. Es ist hier nicht der Ort, 
um diese Frage in ihrer Totalität aufzurollen und kritisch zu beleuchten; 
es mag genügen, wenn wir auf die Arbeiten über die infektiöse Anämie 
der Pferde (K. und R. Seyderhelm, van Es und Schalk, Klempin, 
Wirth u. a.), über die Mosaikkrankheit des Tabaks (Beijerinck, Iwa- 
nowsky, Hunger) und speziell auf die interessanten, den medizinischen 
Forschern viel zu wenig bekannten Untersuchungen über die infektiöse 
Panaehierung der Malvaceen (Erwin Baur) verweisen. Eingehender 
sollen in dieser Mitteilung nur jene Publikationen besprochen werden, 
in welchen das Hühnerpest virus als unbelebte Substanz hingestellt wird, 
vor allem eine Veröffentlichung von Mrowka. Mrowka hält das Virus 
der Hühnerpest für eine eigenartige Modifikation des Serumglobulins des 
Hühnerplasmas, welches gleich seiner Muttersubstanz aus dem Sol- in 
den Gel-Zustand übergeführt d. h. ausgeflockt werden kann; das virulente 
Globulingel ist reversibel und in Anbetracht seiner unbegrenzten Übertrag¬ 
barkeit von Huhn zu Huhn vermehrungsfähig, was wohl so verstanden wer¬ 
den soll, daß das virulente Globulin die Kraft besitzt, die Globuline ge¬ 
sunder Hühner in die pathogene Variante umzusetzen. Die experimentellen 


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Von Dr. med. Paul Schweizer. 159 

Tatsachen, auf welche Mrowka diese Auffassung basiert, laufen haupt¬ 
sächlich auf das Grundphänomen hinaus, daß das Virus mit den Globulinen 
der eiweißhaltigen infektiösen Körperflüssigkeiten sehr enge, fast untrenn¬ 
bar verkettet erschien, daß es durch Tannin, Ammonsulfat, Dialyse gleich¬ 
zeitig mit den Globulinen gefällt wurde, in den Niederschlägen durch 
den Tierversuch nachweisbar blieb und aus ihnen durch Auswaschen 
nicht wieder in Freiheit gesetzt werden konnte. Zu gleichen Ergebnissen 
gelangte Sangiorgi bei analogen Experimenten mit dem Virus der von 
de Gasperi und Sangiorgi beschriebenen Meerschweinchenpest; er 
fällte die virulenten Blutsera infizierter Meerschweinchen mit kolloidalem 
Eisenhydrat oder durch C0 2 , fand die überstehenden Flüssigkeiten apa- 
thogen, die abzentrifugierten Niederschläge hochinfektiös und vermochte 
ebensowenig wie Mrowka den Infektionsstoff durch Waschprozeduren 
vom Eiweißpräzipitat zu isolieren. In der Erklärung der Beobachtung 
weicht jedoch Sangiorgi voa Mrowka ab und hält die mechanische Ad¬ 
häsion des Virus an die Eiweißsubstanz für wahrscheinlicher als die Annahme 
einer kolloidal gelösten, nicht organisierten Virusform. Die Hühnerpest¬ 
versuche nahm dann S. Miyaji unter Leitung von Provazek wieder 
auf, bestätigte die restlose Ausflockbarkeit dieses Virus mit Tannin, war 
dagegen nicht imstande, infektiöse Hühnerserum Verdünnungen dadurch 
avirulent zu machen, daß er sie nach Rossi enteiweißte (wiederholtes Ein¬ 
frieren und Zentrifugieren in gefrorenem Zustande) oder in ihnen durch 
Zusatz eines Antihühnerkaninchenserums eine spezifische Immunpräzi¬ 
pitation hervorrief. In parenthesi bemerkt, war die letzterwähnte Ver¬ 
suchsanordnung nicht gerade als rationell zu bezeichnen. Bekanntlich be¬ 
stehen die Präzipitate, welche sich beim Vermengen von Präzipitinogen 
und zugehörigem Präzipitin bilden, nicht oder nur zum allergeringsten 
Teile aus dem Eiweiß der Antigenlösung, sondern der Hauptsache nach 
aus den Globulinen des Immunserums. (E. P. Pick, Moll, Welsh und 
Chapman, Calmette und Massol, Doerr und Moldovan, P. Hirsch 
und K. Langenstraß). Nach dem Schema von Miyaji geht daher 
vorwiegend Kanincheneiweiß in den Niederschlag ein, so daß die Virus¬ 
elemente des Hühnerserums höchstens passiv mitgerissen werden können. 
Denkt man aber an irgendeinen besonderen Konnex der Virusteilchen 
mit dem Hühnerglobulin, so müßte man trachten, gerade dieses auszuflocken 
und in folgender Art Vorgehen: man würde zunächst Hühner mit Kaninchen¬ 
serum immunisieren, bis in ihrem Serum Präzipitine festgestellt werden 
können; dann wären diese Hühner zu infizieren und die infektiösen Sera 
derselben durch Antigenzusatz (d. h. durch verdünntes Kaninchenserum) 
zu fällen. Diese Methode dürfte in mehrfacher Beziehung Aufschlüsse 
bringen; über ihre Ergebnisse soll demnächst berichtet werden. 

Vorerst schien es angezeigt, die Bedingungen einer optimalen Fällung 
von verdünnten Serumlösungen durch Tannin festzustellen. Aus älteren 
und neueren Angaben (vgl. u. a. auch T. Sollmann) war der maßgebende 
Einfluß der H-Ionenkonzentration und — falls dieser Faktor als annähernd 
konstant betrachtet werden durfte — die dominierende Wirkung des 
gegenseitigen Mengen- resp. Konzentrationsverhältnisses, der beiden 
Reaktionskomponenten (Tannin und Serumeiweiß) zu entnehmen. Ein 


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! 

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160 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw. 

relativer Überschuß von Tannin oder von Serum hemmt die Flockung 
oder verhindert sie völlig; bereits entstandene Präzipitate lösen sich in 
nachträglich zugesetzten größeren Serummengen wieder auf. 


1. Versuch. 

Zu steigenden Mengen Ziegenserum wurden steigende Mengen Tannin zu¬ 
gesetzt. Das Reaktionsvolumen betrug in jeder Eprouvette 3 cm 3 . Als Ver¬ 
dünnungsflüssigkeit diente 0,85proz. NaCl-Lösung. 

T =*Trübung, Sp.T. = Spur Trübung, *** = Niederschlag ohne Klärung, 
**** = Niederschlag mit völliger Klärung der überstehenden Flüssigkeit. 


Menge des 

4 

Menge des 


Ziegenserums 

Tannins 

Resultat 

Ziegenserums 

Tannins 

Resultat 

cm 1 

g 


cm» 

g 


0,02 

0,0005 

**** 

0,2 

0,0005 

— 

0,02 

0,001 

**** 

0,2 

0,001 

— 

0,02 

0,002 


0,2 

0,002 

Sp.T. 

0,02 

0,003 

**** 

0,2 

0,003 

T 

0,02 

0,004 

•*** 

0,2 

0,004 

*** 

0,02 

0,005 

♦*** 

0,2 

0,005 

**♦* 

0,02 

0,01 

*•** 

0,4 

0,003 

T 

0,02 

0,05 

**** 

0,4 

0,004 

*** 

0,02 

0,1 

**** 

0,4 

0,005 

*•* 

0,1 

0,0005 

T 

0,4 

0,006 

*** 

0,1 

0,001 

T 

0,4 

0,008 

*** 

0,1 

0,002 

*** 

0,4 

0,01 

*** 

0,1 

0,003 

**** 

0,4 

0,05 

**** 




0,4 

0,1 

*♦** 


Mit 0,02 cm 3 Ziegenserum (3 cm 3 Reaktionsvolum) geben also alle 
Werte von 0,0005 bis 0,1 g Tannin eine massige Fällung mit völliger Klä¬ 
rung der überstehenden Flüssigkeit, mit 0,1 cm 8 erst Mengen von 0,003 g 
aufwärts, mit 0,2 cm 8 solche von 0,005 g und mit 0,4 cm 8 erst 0,05 g Tannin 
oder mehr. 

Es ist nun klar, daß die Masse des Niederschlages in erster Linie be¬ 
stimmen wird, in welchem Umfange die in einer Serumeiweißlösung suspen¬ 
dierten Mikroben bei der Ausflockung vom Eiweißkoagel umhüllt und zu 
Boden gerissen werden. Das läßt sich leicht demonstrieren, wenn man eine 
Suspension bekannter Bakterien in verdünntem Serum durch steigende 
Tanninkonzentrationen ausfällt und die Zahl der Bakterien vor Zusatz 
des Tannins und nach eingetretener Flockung und Abzentrifugieren des 
Koagels ermittelt. 


2. Versuch* 

Jedes Röhrchen enthielt 10 cm* lOfach verdünntes Ziegenserum, ein gewisses 
Quantum Tanninlösung und so viel 0,85 proz. Na CI, daß aas Reaktionsvolumen 
14 cm* betrug. Eine Kontrolle bestand nur aus 10 cm 8 Vio Ziegenserum und 
4 cm* 0,85 proz. Na CI-Lösung. Vor dem Tanninzusatze kam in jedes Röhrchen 
0,1 cm 8 einer Emulsion von Kolibazillen (hergestellt aus 16stündiger Schräg¬ 
agarkultur). Nach Eintritt der Fällung und Zentrifugierung wurde mit je 0,5 cm* 
der überstehenden Flüssigkeiten und 0,5 cm 8 der Kontrolle eine Agarplatte 
gegossen und die Zahl der Kolonien nach 24stündiger Bebrütung festgestellt. 


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Von Dr. med. Paul Schweizer. 161 


Menge des Tannins Zahl f" c K m °. lonien 

Menge des Tannins 

Zahl der Kolonien 
im cm* 

0,000 (Kontrolle) 

270000 

0,05 g 

13000 

0,01 g 

130000 

0,075 g 

700 

0,02 g 

33000 

0,1 g 

450 

0,025 g 

20000 

0,2 g 

300 


Unter den gewählten Versuchsbedingungen war daher die Keimreduktion 
nach der Flockung mit 0,1 bis 0,2 g Tannin maximal, etwa 430 mal größer als 
nach Zusatz einer 10 bis 20mal geringeren Tanninmenge; von dem ursprünglichen 
Keimgehalt der Aufschwemmung blieben nur 0,11% in dej* überstehenden Flüssig¬ 
keit, der Rest war im Niederschlag vorhanden, und zwar in lebendem und ver¬ 
mehrungsfähigem Zustande. Wurde nämlich das Präzipitat aufgewirbelt und 
möglichst gleichmäßig im Reaktionsvolumen verteilt, so lieferte die Aussaat 
von Proben Keimzahlen, welche jenen der Kontrolle mindestens gleich kamen; 
in der Regel waren sie jedoch bedeutend höher (siehe Versuch 3), was auf doppelte 
Weise zu erklären war. Zunächst dadurch, daß die zur Aussaat bestimmten 
Quantitäten der gefällten und wiederaufgewirbelten Suspensionen mit der 
Pipette aufgesaugt und in den flüssigen Nährboden übertragen wurden, wobei 
die stark bakterienhaltigen feinen Eiweißflocken entweder leichter in die Pipette 
einströmten als die Flüssigkeit oder in der Pipette rasch nach abwärts sanken, 
so daß der Bakteriengehalt der ausgesäten Mengen nicht dem der frisch aufge¬ 
wirbelten Suspensionen entsprach. Zweitens kam die Bakterizidie der verwende¬ 
ten meist nicht inaktivierten Sera in Betracht, die sich nur in der Kontrolle gel¬ 
tend machen konnte, nicht aber in den mit Tannin versetzten Röhrchen, da die 
bakteriziden Stoffe unmittelbar nach dem Zusatz von Bakterien durch die starke 
Eiweißflockung unwirksam gemacht werden müßten. Wurde neben einer Bak¬ 
teriensuspension in Serum eine Aufschwemmung in reiner Kochsalzlösung als 
zweite Kontrolle angesetzt, so ergaben sich für letztere bisweilen Keimzahlen, 
welche mit jenen der ausgefällten und wiederaufgewirbelten Suspensionen gut 
harmonierten (siehe Versuch 7). Doch konnte die Bakterizidie der Normalsera 
nicht überall beschuldigt werden, da viele Serumproben zwar nicht durch Hitze 
inaktiviert, wohl aber lange abgelagert und alexinfrei waren. 

Eine vollständige Entkeimung der überstehenden Flüssigkeiten fand 
im zweiten Versuch nicht statt. Da hierin ein sichtlicher Widerspruch 
zu den Angaben von Mrowka und Miyaji und unseren eigenen, später 
mitzuteilenden Erfahrungen lag, denen zufolge Hühnerpestvirus aus viru¬ 
lentem Serum durch Tanninfällung komplett ausgeflockt werden kann, 
war die Vermutung gerechtfertigt, daß vielleicht Größe, 'Gestalt und Be¬ 
geißelung der Mikroben oder die Viskosität ihrer Oberflächen Einfluß 
haben dürften. Es wurde daher der zweite Versuch mit B. coli (begeißelt), 
mit Staphylokokken, unversporten Anthraxbazillen und Bazillus Fried- 
länder (schleimige Hülle) nochmals angesetzt. 

• 

3« Versuch. 

Jede Eprouvette enthielt 10 cm 3 lOfach verdünnten Ziegenserums, 0,05 g 
Tannin (1 cm 3 einer 5proz. Lösung) und je 0,1 cm 3 einer Bakteriensuspension 
(hergestellt aus 16stündiger Schrägagarkultur). — Kontrollen mit 1 cm 8 0,85proz. 
Na Gl-Lösung an Stelle der Tanninsolution. 




Bakterienzahl im cm* 


Keimreduktion 

Zugesetzte 

der 

der übersteh. 

nach dem Auf¬ 

durch die Tannin¬ 

Bakterienart 

Kontrolle 

Flüssigkeit nach 

wirbeln des 

flockung in •/• 



d. Tanninflockung 

Präzipitates 

der Kontrolle 

B. Friedländer 

600000 

300 

1800000 

0,05 

B. anthracis 

100000 

100 

125000 

0,1 

Staphylokokken 

500000 

1500 

4400000 

0,3 

B. coü 

300000 

1000 

1500000 

0,33 


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162 


Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Yira usw. 


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Die Differenzen waren somit — bei Organismen von mikroskopischer 
Größenordnung — nicht sehr erheblich und erwiesen sich überdies bei 
Änderungen der Flockungsverhältnisse nicht als konstant. So wurden 
bei einer analogen Versuchsanordnung mit 0,02 g Tannin nur die Anthrax- 
bazillen relativ stark ausgeflockt (bis auf 0,2%) während sich die Zahlen der 
Friedländerstäbchen nur auf 15%, jene der Staphylokokken auf 6% und 
jene der Kolibakterien auf 9% reduzieren ließen. Vor allem aber kam 
es nicht zu einer effektiven Sterilisation der überstehenden 
Flüssigkeiten durch Erzeugung starker Niederschläge, man 
mochte nun dieses oder jenes Bakterium verwenden. 

Eine größere und unter verschiedenen Fäl^ungsbedingungen zutage 
tretende Rolle spielt die Art des Serums, in welchem die Mikroben 
suspendiert werden, ln Pferde- oder Ziegenserum z. B. ist die Ent¬ 
keimung bei der Flockung mit niederen Tanninkonzentrationen weit voll¬ 
ständiger als im Kaninchen- oder Meerschweinchenserum und da die beiden 
letzgenannten Serumarten auch eiweißärmer sind, daher auch weniger 
mächtige Niederschläge liefern, so dürfte darin eine Ursache der beobachte¬ 
ten Unterschiede liegen. Es scheint aber noch ein zweiter Faktor zu inter¬ 
venieren, da sich mit steigender Tanninmenge die Differenzen zwischen 
Meerschweinchen- und Pferdeserum ausgleichen, während die Entkeimung 
im.Kaninchenserum dauernd unvollständig bleibt; möglicherweise kommt 
die verschiedene Klebrigkeit der entstehenden Präzipitate in Betracht. 
Hühnerserum entspricht in seinem Verhalten jedenfalls mehr dem Pferde¬ 
ais dem Kaninchenserum, was im Hinblick auf die Ergebnisse von Mrowka 
nicht irrelevant ist. 

4. Versuch. 

Jedes Röhrchen enthielt 10 cm* einer lOfachen Serumverdünnung (Kanin¬ 
chen-, Meerschweinchen-, Ziegen-oder Pferdeserum), 1cm 5 einer Tanninlösung 
(2,5; 5; 10 oder 20%) und 0,1 cm* einer dichten Koliaufschwemmung (aus 
16stündiger Schrägagarkultur). — Kontrollen mit 1 cm 3 Kochsalzlösung. Nach 
dem Zusatze der Bakterien und des Tannins kamen die Röhrchen für 3 Stunden 
in den Eisschrank, wurden dann zentrifugiert, und von den überstehenden Flüssig¬ 
keiten je 0,1 und 0,5 cm 3 zu Agarzählplatten verarbeitet. 


Art des Serums 

Menge 
des Tannins 

Kolonienzahl in 
der überstehenden 
Flüssigkeit 

Meerschweinchen. 

0,025 

! 4500 

Kaninchen . . . . *. 

0,025 

8000 

Pferd. 

0,025 

1800 

Meerschweinchen. 

0,05 1 

' 800 

Kaninchen . .. 

0,05 

1500 

Pferd. 

0,05 

i 700 

Meerschweinchen. 

0,1 

350 

Kaninchen. 

0,1 

2000 

Pferd. 

0,1 

400 

Meerschweinchen. 

• 0,2 

700 

Kaninchen. 

0,2 

5000 

Pferd. 

0,2 

300 

Ziege. 

0,2 

300 

Kaninchen. 

0 1 Kon- 

520000 

Pferd. 

0 J trollen 

525000 


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Von Dr. rned. Paul Schweizer. 


163 


Die evidente Überlegenheit des Pferdeserums in diesen vergleichen¬ 
den Reihen veranlaßte erneute Versuche in der Richtung, ob nicht bei Verwen¬ 
dung dieser Serumart die Bakterienausflockung verbessert d. h. vollständiger 
gestaltet werden kann. Auch hatte sich inzwischen herausgestellt, daß gewisse 
Vorsichtsmaßregeln das Endresultat beeinflussen, so vor allem das ruhige Stehen 
der Röhrchen während des Flockungsablaufes und die Einschaltung eines län¬ 
geren (5 bis 6stündigen) Intervalles zwischen Flockung und Abzentrifugieren 
der Niederschläge. 


5. Versuch« 

Jedes Röhrchen enthielt 10 cm* lOfach verdünnten Pferdeserums, 0,1 cm 3 
einer Bakteriensuspension und 1 cm* einer lOproz. Tanninlösung. — Kontrollen 
mit 0,1 cm* Bakteriensuspension in 10 cm* Vio Pferdeserum und 1 cm* NaCl. 
— Die Bestimmungen der Keimzahlen erfolgte durch Gießen von Agarzähl¬ 
platten mit je 0,1 cm* Flüssigkeit aus den Kontrollröhrchen (K.), aus den nach 
Tanninflockung und Abzentrifugieren der Niederschläge resultierenden klaren 
überstehenden Flüssigkeiten (F.), und den trüben, durch Wiederaufwirbeln der 
abzentrifugierten Niederschläge erhaltenen Gemischen (P.). Das Intervall zwi¬ 
schen Flockung und Abzentrifugieren der Flocken belief sich auf 5 Stunden, 
während welcher Zeit die Röhrchen im Kühlschrank aufbewahrt wurden. 

Bakterienspezies Art der Probe Keimzahl im cm* 


1 K - 

1100000 

B. Friedländer.< F. 

40 

\ p. 

1300000 

1 K. 

1320000 

Staphylokokken. { F. 

10 

l p. 

1950000 

f K 

150000 

B. megatherium. { F. 

50 

1 P. 

170000 


Diesmal wurden also Reduktionen auf 0,03 ja auf 0,0007% erzielt, 
was immerhin eine wesentliche Annäherung an die Ergebnisse bei der 
Ausflockung des Hühnerpestvirus mit den Proteinen seiner Suspensions¬ 
flüssigkeiten bedeutet. Steril wurden aber die überstehenden Flüssig¬ 
keiten nicht; nehmen wir, was sehr wahrscheinlich ist, an, daß das Huhn 
für das Virus eine Art „Einkeimdisposition“ besitzt, so ist der früher be¬ 
tonte Gegensatz nicht völlig behoben, speziell wenn wir noch berücksich¬ 
tigen, daß so vollständige Entkeimungen, falls es sich um Bakterien han¬ 
delt, nur ausnahmsweise zu beobachten sind, während sie beim infektiösen 
Hühnerserum anscheinend regelmäßig und ohne besondere Kunstgriffe 
zustande kommen. 

Die Immunpräzipitation alteriert den Keimgehajt einer Bakterien¬ 
suspension, in welcher sie abläuft, nur unbedeutend, auch wenn man dafür 
Sorge trägt, daß die quantitative Relation zwischen Präzipitinogen und 
Präzipitin sowie die Wirkungsstärke des letzteren so bemessen wird, daß 
möglichst voluminöse Präzipitate entstehen. Die Ursachen sind einmal 
darin zu suchen, daß die Masse der Niederschläge doch noch immer weit 
hinter einer optimalen Tanninfällung zurückbleibt, anderseits auch auf 
die geringe Reaktionsgeschwindigkeit zu beziehen, mit der sich die durch 
Antigen-Antikörper-Reaktionen ausgelösten Eiweißflockungen vollziehen. 
Diese Tatsachen geben eine wenigstens partielle Erklärung, warum Miyaji 
nicht imstande war, infektiöses Hühnerserum durch Zusatz von Anti- 


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164 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw. 


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hühnerkaninchenserum in eine avirulente überstehende Flüssigkeit und 
einen virulenten Niederschlag zu scheiden. 

0. Versuch. 

In zwei Zentrifugengläser kommen je 10 cm* lOOOfach verdünntes Menschen¬ 
serum und je 0,1 cm* einer dichten Emulsion von Kolibazillen. Röhrchen I 
erhält einen Zusatz von 2 cm* inaktivierten Normalkaninchenserums, II einen 
Zusatz von 2 cm* eines längere Zeit abgelagerten, sehr hochwertigen Menschen¬ 
präzipitins vom Kaninchen. In II trat schon nach 2 Min. (bei 10° C) eine Trü¬ 
bung auf, die sich innerhalb einer halben Stunde zu Flocken verdichtete und nach 
1 Stunde war die Sedimentierung in vollem Gange. Nach 3 Stunden wurden beide 
Röhrchen zentrifugiert und mit je 0,1 cm 3 der überstehenden Flüssigkeiten resp. 
der oberen Partie des Gemisches Agarzählplatten gegossen. I enthielt im cm 3 
580000, II noch immer 480000 Kolikeime; der Keimgehalt war somit durch die 
Flockung nur auf 83% herabgesetzt worden. 

Dagegen verhalten sich die Bakterien bei einer Aussalzung der Glo¬ 
buline durch Ya Sättigung mit Ammonsulfat ganz ähnlich wie bei der Tan¬ 
ninfällung. Auch die Globulinflockung durch Abdialysieren der Salze hat 
unter Beachtung bestimmter Kautelen eine 1000fache Keimreduktion 
in der überstehenden Flüssigkeit zur Folge, obwohl natürlich die in den 
Niederschlag übergehenden Eiweißfraktionen bei den drei genannten Pro¬ 
zessen wesentlich voneinander verschieden sind. Daß nicht etwa nur aus¬ 
flockende Globuline Bakterien mitreißen, läßt sich zeigen, wenn man 
die Globuline 1 ) aus Pferdeserum durch Dialyse und Abzentrifugieren 
entfernt, im globulinfreien 1 ) Pferdeserum Bakterien aufschwemmt und die 
Albumine durch Tannin ausfällt. 

7. Versuch. 

In ein Zentrifugenglas werden 10 cm* konzentriertes Pferdeserum und 
0,1 cm* Kolisuspension eingefüllt, sodann! 5 cm* konzentrierte Ammonsulfat¬ 
lösung zugesetzt. Nach eingetretener Flockung wird zentrifugiert. Anlegen von 
Agarzählplatten mit 0,1 cm* der überstehenden Flüssigkeit. Sodann wird der 
Bodensatz möglichst homogen im Reaktionsgemisch verteilt und mit 0,1 cm 8 
der stark trüben Flüssigkeit neuerlich eine Agarzählplatte angelegt, (A). — Als 
Kontrollen dienten: 10cm* Pferdeserum und 0,1cm* Koliaufschwemmung 
L 5 cm* 0,85% NaCl (B), und 15 cm* NaCl + 0,1 cm* Kolisuspension (C). 

Probe Kolonienzahl im cm* 

A) Überstehende Flüssigkeit 340 

A) Aufgewirbelter Bodensatz 670000 

B) 200000 

G) 800000 

8. Versuch. 

In eine Fischblase wird ein Gemenge von 3 cm* Pferdeserum, 12 cm* de¬ 
stillierten Wassers und 0,1 cm* einer Kolisuspension eingefüllt und so lange gegen 
mehrmals gewechseltes destilliertes Wasser dialysiert, bis die angesäuerte Außen¬ 
flüssigkeit mit AgNOa keine Spur von Trübung gibt. Nun wird vorsichtig von 
der über dem ausgefällten Globulin stehenden Flüssigkeit mit einer Pipette 
eine Probe entnommen und zur Zählpbtte verarbeitet, welche einen Gehalt von 
35000 Keimen pro cm* feststellen läßt. Hierauf wird der gesamte Inhalt der 
Fischblase in ein Zentrifugengefäß überpipettiert, das Globulin aufgewirbelt 
und möglichst homogen verteilt und sofort eine weitere Zählplatte angelegt; 
die Zählung ergibt 1500000 Kolonien. 

1) Gemeint sind die in Wasser unlöslichen Globuline. 


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Von Dr. med. Paul Schweizer. 165 

Dann wird bis zur völligen Klarheit zentrifugiert und der Keimgehalt der 
überstellenden Flüssigkeit bestimmt; er beläuft sich nunmehr auf 1500 Keime. 

Das Präzipitat, nach Abhebern der überstellenden Flüssigkeit mit destil¬ 
liertem Wasser mehrmals gewaschen, in 14,4 cm 8 NaCl-Lösung aufgelöst (das 
Präzipitatvolum war mit 0,6 cm 3 bestimmt worden), hatte auf das Volum des 
ursprünglichen Reaktionsvolums berechnet, 1180000 Kolibazillen im cm 8 . 

Aus einer vor der Dialyse angestellten Kontrollzählung ging hervor, daß das 
Gemisch einen Ausgangsgehalt von 1800000 Keimen pro cm 8 besessen hatte, 
so daß die Übereinstimmung aller gefundenen Werte wohl als recht zufrieden¬ 
stellend bezeichnet werden darf. 

Übersichtlich geordnet lauten die Daten: 

Keimgehalt vor der Dialyse.. 1 800 000 

Keimgehalt der überstehenden Flüssigkeit unmittelbar nach 

der Dialyse, ohne Zentrifugierung. 35000 

Keimgehalt nach Verteilung des Globulinsedimentes durch 

Aufwirbeln. 1 500000 

Keimgehalt der durch Zentrifugieren erhaltenen überstehen¬ 
den Flüssigkeit. 1 500 

Keimgehalt des Präzipitates (auszentrifugierten und in NaCl- 
Lösung aufgelösten Globulinsedimentes) . 1180000 

9. Versuch. 

7 10 Pferdeserum wird in einer Fischblase gegen destilliertes Wasser dialy- 
siert, bis in der Außenflüssigkeit keine Chlor-Ionen nachweisbar sind. Das aus¬ 
gefällte Globulin wird abzentrifugiert, das vom Globulin befreite Pferdeserum 
(10 cm 8 ) mit 0,1 cm 8 Kolisuspension und mit 1 cm 3 lOproz. Tanninlösung ver¬ 
setzt. Abzentrifugieren nach 3 Stunden. — Zählplatten: aus einer Kontrolle 
(Vio dialysiertes Pferdeserum ohne Tannin), aus der überstehenden Flüssigkeit, 
und dem Gemisch nach Aufwirbeln des Niederschlages. 


Kontrolle. 500 000 

Überstehende Flüssigkeit. 5000 

Aufgewirbeltes Präzipitat. 2900000 


Hinsichtlich des 8. Versuches sei auf den Unterschied im Keimgehalt 
aufmerksam gemacht, welchen das Zentrifugieren nach der Ausflockung 
der Globuline herbeiführt; offenbar halten sich feine, bakterienhaltige 
Globulinflocken wegen ihrer geringen Dimensionen schwebend und gehen 
erst unter der Einwirkung der Zentrifugalkraft rasch zu Boden. Mrowka 
hat das durch Dialyse von den wasserunlöslichen Globulinen befreite 
Hühnerserum stets erst zentrifugiert, bevor er die überstehende Flüssig¬ 
keit auf ihre Infektiosität prüfte; anderenfalls wären wohl abweichende 
Ergebnisse erhalten worden. 


♦ * 

* 

Nach diesen Vorarbeiten wurden die eigentlichen Experimente mit 
Hühnerpest in Angriff genommen. Das Institut verfügte über zwei Virus¬ 
stämme, die von Prof. Kleine (Berlin) und Prof. Aöcoli (Mailand) in 
bereitwilligster Weise zur Disposition gestellt worden waren, wofür wir 
beiden Herren auch an dieser Stelle unseren Dank aussprechen möchten. 
Das Berliner Virus erwies sich insofern als minder geeignet, als die Sera 
der infizierten Hühner oft schon in lOOfacher Verdünnung (in Mengen 
von 0,001 cm 3 ) nicht mehr infizierten und auch in sehr großen Dosen nicht 
den gewohnten akuten Krankheitsverlauf zur Folge hatten, sondern erst 


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166 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw. 

nach 2 bis 3 Tagen tötlich wirkten. Reihenversuche mit fallenden Mengen 
virulenten Serums ergaben ganz auffallende Unregelmäßigkeiten, >vie aus 
folgendem Beispiel ersichtlich ist: 


10. Versuch. 

Huhn Nr. 32 wird am 12.1.1921 mit virulentem Hühnergehirn intramuskulär 
injiziert; es erkrankt erst am 14. I., und sein im schwerkranken Zustande ab- 


genommenes 

Serum wirkt 

wie folgt: 



Huhn 

Nr. 35 erhält 0,2 cm 8 

verendet nach 

60 Stunden 

» 

»19 * 

0,02 cm 8 


72 » 

0 

* 34 » 

0,002 cm 8 

» » 

36 » 

» 

» 18 * 

0,002 cm 8 

überlebt 



* 33 » 

0,0002 cm 8 

» 



Das italienische Virus hatte eine zweifellos höhere Virulenz und die 
damit infizierten Hühner verendeten innerhalb kürzerer Zeiten, gleich¬ 
gültig ob Hirnemulsion, defibriniertes Blut oder erythrocytenfreies Blut¬ 
serum als Infektionsstoff benutzt wurde. Das Blutserum war bei diesem 
Stamm noch in Mengen von 0,0001, meist auch 0,00001 cm 3 pathogen 
und schien daher alle Qualitäten zur Nachprüfung der Mrowkaschen 
Tanninfällungen mit Hilfe einer quantitativen Methodik zu besitzen, 
welcher sich weder Mrowka noch auch Miyaji bedient hatten, obwohl von 
dosologischen Abstufungen mit Recht Aufklärungen zu erwarten waren. 
Insbesondere war es angezeigt, festzustellen, ob die überstehende Flüssig¬ 
keit nach Ausflockung von Hühnerpestserum mit Tannin tatsächlich 
vollständig, d. h. auch in größeren Gaben avirulent wurde und ob diese Ein¬ 
busse an Infektiosität im Niederschlag quantitativ nachzuweisen war 
oder nicht. 


11. Versuch. 

Huhn 6 wurde mit Gehirn von Huhn 5 intramuskulär injiziert; nach 37 Stun¬ 
den wurde ein Aderlaß aus der Fitigelvene gemacht ; zu dieser Zeit war Huhn 6 
schwer krank, hatte Diarrhoe, zeigte schleimigen Ausfluß aus dem Schnabel und 
sank, sich selbst überlassen, wie schlaftrunken nieder. 12 Stunden nach dem 
Aderlaß plötzlicher Exitus unter Krämpfen. Das Aderlaßblut blieb 2 Stunden 
bei Zimmertemperatur stehen, wurde dann zentrifugiert und das abgeschiedene 
Serum in nachstehender Art behandelt: 1 cm 8 Serum wurde mit 10 cm 3 0,85 proz*. 
NaCl:A)-Lösung versetzt; die Mischung stand 3 Stunden bei Zimmertemperatur 
sodann erhielten: 

Huhn 10: 0,1cm 3 (=0,01 Originalhühnerserum) intramuskulär. Das Tier 
verendete nach ca. 30 Stunden an Hühnerpest. 

Huhn 7: 0,001 cm 3 (= 0,0001 cm 8 Originalserum) intramuskulär. Exitus nach 
43 Stunden. 

B) 1cm 3 Serum wurde mit 9 cm 3 0,85proz. NaCl-Lösung verdünnt und 
1 cm 3 einer lOproz. Tanninlösung (in 0,85% NaCl-Lösung) hinzugefügt. Nach 
eingetretener Flockung blieb das Gemenge bei Zimmertemperatur stehen, wurde 
sodann zentrifugiert und die überstehende Flüssigkeit zwei Hühnern in der Menge 
von 0,1 und 0,001 cm 3 eingespritzt. Hierauf wmrde der Bodensatz aufgewirbelt, 
möglichst homogen im Reaktions volum verteilt und von dem trüben Gemenge 
bekamen zwei weitere Hühner die bereits erwähnten Dosen. Alle Verdünnungen 
zwecks Abmessung der zu injizierenden Quantitäten erfolgten mit 0,85proz. 
NaCl-Lösung und mit sterilen Pipetten; für jede Verdünnung wurde eine beson¬ 
dere Pipette benutzt, das Injektionsvolumen belief sich stets auf einen ganzen cm 8 . 


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Von Dr. med. Paul Schweizer. 


167 


1. Virulenz der überstehenden Flüssigkeit: 

Huhn 11: 1cm 8 (=0,1 Originalserum) i. m.; überlebt (während der Be¬ 
obachtungsperiode von 16 Tagen ohne jedes Krankheits¬ 
zeichen). 

Huhn 12: 0,1 cm 3 (= 0,01 Originalserum); überlebt. 

2. Virulenz des gesamten Reaktionsgemisches nach dem Wieder¬ 
aufwirbeln des Präzipitates: 

Huhn 8:0,1cm 8 (=0,01 Originalserum); verendet an Hühnerpest in 

54 Stunden. 

Huhn 14: 0,001 cm 3 (= 0,0001 Originalserüm); überlebt, zeigt während einer 
16 tägigen Beobachtung keine Krankheitserscheinungen. 

Aus diesem Experiment, dessen Resultate nach keiner Richtung 
innere Widersprüche erkennen lassen, geht hervor, daß die nach Tannin¬ 
flockung und Abzentrifugieren der Eiweißniederschläge gewonnenen 
überstehenden Flüssigkeiten, die übrigens ganz klar und völlig farblos 
waren, auch in relativ großen Quanten Hühner nicht mehr zu infizieren 
vermochten. Mindestens 10000, vielleicht aber auch 100000 oder mehr 
letale Dosen Hühnerpestvirus waren durch die Ausflockung des Eiweißes 
jedem cm 3 des Gemisches entzogen worden und letzteres war daher, wenn 
wir nur das Virus ins Auge fassen, de facto steril geworden. Aber das De¬ 
fizit fand sich im Präzipitate nicht wieder; 0,001 cm 3 Niederschlag (be¬ 
rechnet auf das Ausgangsvolumen) infizierte nicht und selbst 0,1 cm 3 
wirkte noch immer etwas schwächer als 0,001 cm 3 der Kontrolle. 

Die Tanninflockung hatte also die Infektiosität des gesamten Reak¬ 
tionsgemisches auf den hundersten Teil ihres Wertes vermindert; es waren 
ca. 99% des Hühnerpest virus zugrunde gegangen, sie hatten ihre Vermeh¬ 
rungsfähigkeit im lebenden Huhn eingebüßt. Dieser Umstand allein genügt, 
um Mrowkas Annahme vom Globulincharakter des Virus zu entkräften, 
und den Gedanken an tanninempfindliche Mikroben nahezulegen. Sogar 
für Bakterien ist Tannin nicht indifferent. 


12. Versuch. 

Zu Röhrchen, welche je 10 cm 3 verschieden konzentrierter Tanninsolutionen 
(in 0,85proz. NaCl) enthalten, werden je 0,1 cm 8 einer Suspension von Anthrax- 
bazillen (24stündige Schrägagarkultur) zugesetzt. Nach einer halben und einer 
Stunde werden Zählplatten gegossen; nach 3, 6 und 10 Stunden werden Mäuse 
mit je 0,5 cm 8 intraperitoneal geimpft. Die Ziffern bedeuten die Zahlen der Ko¬ 
lonien auf den Zählplatten; — bedeutet negativen Ausfall des Tierversuches, 
+ dagegen die gelungene Milzbrandinfektion. 


Zeiten der Probeentnahme 


nach 7a Stunde 
„ 1 „ 

„ 3 Stunden 




6 

10 


>» 


10/ 

00 

2 °/ ( 

Tanninkonzentrationen 
oo 5 °/oo 1 °/ o 

2% 

sc 


26 000 

20 000 

15 000 

1000 

4 500 

4200 

6 000 

7 000 

+ 

- 

- 

H 

- 

- 

- 

— 

— 

- 

- 


- 

- 

- 

— 

— 


- 

H 

- 

- 

- 

— 

— 


Tanninkonzentrationen von 1 bis 2% töten also Milzbrandstäbchen nach 
dreistündiger Einwirkungsdauer vollständig ab; Keimverminderung war schon 
bei weit stärkeren Tanninverdünnungen merklich. Wenn in zehnfach verdünntem 
Pferde-Ziegen-Meerschweinchenserum die Bakterizidie und entwicklungshemmende 
Kraft des Tannins nicht manifest wurde, so lag das daran, daß eben das Tannin 


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168 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw. 

durch Eiweiß gebunden und unwirksam wurde, so lange kein bedeutender Tannin¬ 
überschuß im Reaktionsgemisch vorhanden war. 

Tierische Parasiten sind gegen Tannin weit empfindlicher; sie werden 
auch durch niedrige Konzentrationen (1:1000 und darunter) rasch abge¬ 
tötet, falls kein Eiweiß zugegen ist. Eiweiß wirkt schützend aus denselben 
Gründen, aus welchen es die desinfektorische Kraft des eiweißfällenden 
Sublimates herabsetzt; an Dysenterieamöben wurde die abtötende Wir¬ 
kung des Tannins und der antagonistische Einfluß von Eiweiß längst 
ziemlich genau analysiert. Hier sei zur Illustration das Verhalten von 
Nagana-Trypanosomen angeführt. 


18. Versuch* 

Eine mit Nagana-Trypanosomen infizierte Maus wurde auf der Höhe der 
Infektion getötet und ihr Blut mit 1000fach verdünntem Meerschweinchenserum 
so weit diluiert, daß 0,5 cm 3 2300 Trypanosomen (in der Zählkammer gezählt) 
enthielten. Die Verdünnung des Mausblutes erfolgte mit Meerschweinchenserum 
(1:1000), weil reine NaCl-Lösung stark trypanozide Effekte aufwies, während die 
gewählte Serum Verdünnung innerhalb der Versuchsdauer weder die Beweglich¬ 
keit noch die Virulenz der Trypanosomen beeinträchtigte, so daß das beobachtete 
Absterben der Trypanosomen auf das Tannin zurückgeführt werden durfte. 
Es wurde nun einerseits eine Kontrolle (10 cm 8 Trypanosomenaufschwemmung) 
angesetzt, anderseits 3 Röhrchen mit je 9 cm 8 Trypanosomenemulsion aufgestellt, 
wovon Nr.l einen Zusatz von 1 cm 8 50fach verdünnter, Nr. 2 von 1 cm 8 500fach 
und Nr. 3 von 1cm 3 1000 fach verdünnter Tanninlösung erhielten. Die Konzen¬ 
tration des Tannins belief sich also in Nr. 1 auf 2 :1000 (= 2%o), iu Nr. 2 auf 
0,2% 0 und in Nr. 3 auf 0,1 °/ 00 . — Nach 5, 15, 30 und 60 Min. wurden je 0,5 cm* 
aus der Kontrolle wie aus jedem der 3 Tanninröhrchen einer weißen Maus injiziert. 
* bedeutet Tod an Naganainfektion, die zugefügte Ziffer gibt das Intervall zwi¬ 
schen Infektion und Exitus in Tagen an, — bedeutet negatives Resultat, d. h. 
Überleben des Versuchstieres bei dauernd negativem Blutbefund. (Beobachtungs¬ 
dauer 12 Tage.) 


Tannin konzentration 
0 (Kontrolle) 

o,i7» 

0.27» 

27 » 


Einwirkungsdauer 

5 min 15 min 30 min 60 min 

*6 *6 •ß *6 

*7 *8 — — 

*7 — — — 


Für Trypanosomen wird somit bereits eine Tanninkonzentration 
von 1:10000 bei 30 Min. langer Einwirkung deletär, selbst wenn geringe 
Mengen schützender Eiweißkörper vorhanden sind. Je höher die Tannin¬ 
konzentration bei gegebener Eiweißmenge steigt, desto mehr verkürzt 
sich die zur Abtötung notwendige Zeit, bis sie schließlich nur mehr wenige 
Minuten beträgt. 

Das Hühnerpestvirus nähert sich in seiner Empfindlichkeit gegen 
verschiedene Agentien(Saponin,Galle) sehr den tierischen Mikroorganismen; 
auch in bezug auf seine Tanninempfindlichkeit scheint es die Bakterien zu 
übertreffen, ohne jedoch die extreme Hinfälligkeit der Trypanosomen 
oder Amöben zu erreichen. Von diesem Standpunkt aus bereitet die Ana¬ 
lyse der Versuche von Mrowka, Miyaji und mir keine Schwierigkeiten. 
Das Tannin reißt durch die von ihm verursachte Eiweißflockung die in 
Serum, in Exsudaten usw. suspendierten Hühnerpestelemente zunächst 
mechanisch mit, wodurch die Zahl der letzteren auf 1:1000 bis 1:10000 


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Von Dr. med. Paul Schweizer. 


169 


ihres ursprünglichen Wertes abstürzt; gleichzeitig werden die in der über¬ 
stehenden Flüssigkeit zurückbleibenden Viruspartikelchen durch Tannin 
geschädigt, und zwar um so intensiver, je länger man nach dem Zusatze 
des Gerbstoffes zuwartet und je beträchtlicher der relative Überschuß 
des Tannins über das Eiweiß ist. Die fehlende Infektiosität der überstehen¬ 
den Flüssigkeiten ist dann nicht weiter merkwürdig, sondern selbstver¬ 
ständlich und mit der Annahme eines belebten Infektionsstoffes viel 
weniger in Widerspruch als mit der eines Kontagium inanimatum in Form 
einer Globulinvariante. Ganz besonders mußte der desinfektorische Effekt 
des Tannins in den Versuchen von Miayji hervortreten, der das virulente 
Serum zunächst 500fach verdünnte und dann Tannin wiederholt und in 
effektivem Überschuß zufügte. Die Virulenz der Präzipitate rührt von den 
durch das Eiweiß mitgerissenen Virusteilchen her, die durch ihre Umhül¬ 
lung mit dem stark adsorbierenden Mantel der Tannin-Eiweißverbin¬ 
dung vor der raschen Abtötung durch einen vorhandenen Tanninüberschuß 
geschützt sind, ein Schutz, welcher, wie gezeigt werden konnte, nicht 
unter allen Umständen ausreicht. 

Bei der Fällung mit Ammonsulfat oder durch Dialyse liegen die Ver¬ 
hältnisse ähnlich; im ersten Falle wirkt die starke Hypertonie, im zweiten 
die Hypotonie schädigend auf lebende Zellen und bei beiden Versuchsanord¬ 
nungen sind die in der überstehenden Flüssigkeit frei suspendierten Mi¬ 
kroben der Noxe stärker exponiert als die vom Eiweißkoagel umgebenen 
im Präzipitat. 

Mrowka führt noch an, daß es ihm durch Waschen der virulenten 
Präzipitate nicht gelungen sei, das Virus vom Eiweiß zu trennen; die 
Waschwässer seien stets avirulent geblieben. Es unterliege daher keinem 
Zweifel, daß das filtrierbare Virus dem Eiweiß der Substrate, in denen es 
vorkommt, anhafte, und daß es entweder ein selbständiger eiweißartiger 
Körper sei, oder daß das Eiweiß der Körperflüssigkeiten des Huhnes 
selbst zum Virus werde. Diese Argumentation ist nicht zwingend. Schon 
im Jahre 1909 konnten Kraus, v. Eisler und Fukuhara zeigen, daß 
verschiedene Stoffe wie z. B. Gewebszellen, Kaolin, Kohle usw. imstande 
sind, Lyssavirus oder auch Hühnerpestvirus zu fixieren und daß die „Wieder¬ 
abspaltung“ des im Adsorbens vorhandenen und nachweisbaren Virus durch 
einfaches Waschen der virusbeladenen Stoffe mit physiologischer NaCl- 
Lösung nicht immer gelingt. Ähnliche Angaben finden sich auch bei 
Rosenthal, Ruß, Doerr und R. Pick. Es wurde versucht, wie sich 
ausgeflockte Bakterien gegen die Waschprozeduren verhalten und da ergab 
sich ebenfalls, daß der Niederschlag die Mikroben zähe festhält, und daß 
diese nur schwer und sehr unvollständig wieder auswaschbar sind. 

14. Versuch. 

10 cm 3 lOfach verdünntes Perdeserum werden mit 0,1 cm 3 Kolisuspension 
und mit 1 cm 3 lOproz. Tanninlösung versetzt, bleiben dann 2 Stunden im Eis¬ 
schrank und werden 30 Minuten zentrifugiert. Sodann wurde die überstehende 
Flüssigkeit abgehebert, durch sterile physiologische Kochsalzlösung ersetzt, 
der Niederschlag aufgewirbelt und neuerdings zentrifugiert; die Prozedur wurde 
dreimal wiederholt. Die Bestimmung des Keimgehaltes erfolgte durch Agar¬ 
zählplatten bei der überstehenden Flüssigkeit, beim ersten, zweiten und dritten 


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170 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw. 

Waschwasser und bei dem nach dem dritten Waschen in 11 cm 3 physiologischer 
Kochsalzlösung möglichst homogen verteilten Präzipitate. 


Bezeichnung der Probe Keimgehalt im cm 8 

Uberstehende Flüssigkeit. 60 

Erstes Waschwasser. .. 2000 

Zweites Waschwasser. 7000 

Drittes Waschwasser. 800 


Aufgewirbelter Niederschlag nach dem dritten 

Waschen . 540000 

Die überwiegende Menge der Kolibazillen blieb also im Eiweißniederschlage 
stecken. Die Waschwässer waren allerdings nicht steril, wie man das angesichts 
der Angaben von Mrowka über die Nichtinfektiosität der Waschwässer viru¬ 
lenter Hühnerpesteiweißpräzipitate hätte erwarten können; diese Differenz 
ist aber wahrscheinlich auf die viel bedeutendere Größe der Kolibazillen, auf ihre 
Eigenbeweglichkeit ,vor allem aber darauf zurückzuführen, daß die Hühnerpest¬ 
keime nur dann vor der Tanninwirkung geschützt bleiben, wenn sie allseits von 
Eiweiß umhüllt, daher nicht auswaschbar sind. 

Für die Zellnatur der filtrierbaren Krankheitserreger läßt sich außer¬ 
dem noch ein Beweis positiver Natur heranziehen. Es sind in der letzten 
Zeit zahlreiche Untersuchungen über die sog. oligodynamischen Wirkungen 
angeführt worden, aus denen geschlossen werden mußte, daß die Oligo¬ 
dynamie Zellen aller Art schädigt, daß man sie als ein Zellgift betrachten 
darf, welches von der biologischen Eigenart der Zelle im weitesten Um¬ 
fange unabhängig ist. Die oligodynamischen Stoffe töten Algen (Nägeli), 
Bakterien, Protozoen (Salus), sie hämolysieren Erythrozyten (Woll- 
mann, Hausmann, Doerr, Heß und Reitler, Luger); es lag 
daher nahe, die oligodynamische Empfindlichkeit des Hühnerpestvirus 
zu prüfen, um so mehr als Funktionen nicht organisierter Stoffe dürch blanke 
Metalle nur wenig beeinflußt werden, auch wenn sie sonst sehr labil und 
so leicht zerstörbar sind wie etwa die Komplementwirkung frischen Meer¬ 
schweinchenserums (mündliche Mitteilung von Doerr). 

In der Oligodynamie darf man daher bis zu einem gewissen Grade 
tatsächlich ein Differenzierungsmittel zwischen lebenden Zellen und, nicht 
organisierten Stoffen erblicken, wenn auch kein absolut zuverlässiges, 
da ja nach Baumgarten und Luger auch Fermente, Toxine durch 
oligodynamische Einflüsse leiden. Immerhin bestehen doch sehr evidente 
quantitative Unterschiede in der oligodynamischen Resistenz von Zellen 
und nicht belebten Stoffen, welche die erwähnten Versuche als gerecht¬ 
fertigt erscheinen ließen. 

Eiweißgegenwart schwächt die oligodynamischen Wirkungen bekannt¬ 
lich ab; darauf mußte geachtet werden, da sich das Hühnerpestvirus nur 
in stark eiweißhaltigen Flüssigkeiten vorfindet und unbeschädigt vom 
Eiweiß nicht abgetrennt werden kann. Ein Ausweg bestand in der Mög¬ 
lichkeit, das virulente Hühnerserum lOOOfach zu verdünnen; anderseits 
wurde das blanke Silber in den Hühnerserumverdünnungen belassen, 
wobei der antagonistische Effekt des Eiweißes schließlich überwunden 
wird (vgl. auch Luger). Um Kontrollen zu gewinnen und um die oligo¬ 
dynamische Resistenz der Hühnerpestkeime mit jener von bekannten 
Bakterien und Protozoen zu vergleichen, wurden Kolibazillen und Nagana- 
Trypanosomen unter völlig identischen Bedingungen untersucht. 


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171 


15. Versuch. 

In eine kleine Glasdose wurde eine Silbermünze (Fünffrankenstück) gelegt 
und mit 10 cm 3 physiologischer NaCl-Lösung überschichtet. Nach 16stündigem 
Stehen wurde 0,1 cm 8 lOfach verdünnten Hühnerpestserums zugefügt, so daß 
die tatsächliche Verdünnung des virulenten Originalserums 1:1000 betrug. 
Nach 5, 15 und 60 Minuten sowie nach 3 Stunden wurde je 1 Huhn mit 1,0 cm* 
dieser Flüssigkeit intramuskulär geimpft. 

In eine zweite gleich große Glasdose kamen 10 cm 8 physiologischer NaCl- 
Lösung und nach 16stündigem Stehen 0,1 cm 8 des gleichen lOfach verdünnten 
virulenten Hühnerpestserums. 3 Stunden nach dem Zusatze des letzteren wurde 
ein Kontrollhuhn mit 1 cm 8 dieser Flüssigkeit intramuskulär injiziert. 

Außerdem wurde die Virulenz des Originalserums vor der Verdünnung ge¬ 
messen; sie war sehr beträchtlich. 

a) Virulenz des verwendeten Hühnerpestserums: 

Huhn 47 erhält 0,001 cm 8 i. m., verendet in 46 Stunden; 

Huhn 46 erhält 0,00001 cm 1 i. m., verendet in 49 Stunden; 

b) Virulenz der oligodynamisch beeinflußten, 1000 fachen Serum Verdünnung: 

Huhn 48 erhält 1 cm 8 (= 0,001 cm 8 Originalvirus) nach 5 Minuten langer 

Einwirkungsdauer des Ag, und verendet nach 51 Stunden; 

Huhn 49 erhält die gleiche Dosis nach 15 Minuten und verendet nach 
48 Stunden ; 

Huhn 50 erhält die gleiche Dosis nach 60 Minuten und verendet nach 
60 Stunden; 

Huhn 51 erhält die gleiche Dosis nach 3 Stunden und überlebt dauernd; 

c) Kontrolle der Virulenz des lOOOfach verdünnten Serums nach dreistün¬ 

digem Stehen der Verdünnung; 

Huhn 52: 1 cm 8 i. m. verendet in 48 Stunden. 


16. Versuch. 

In zwei kleine Glasdosen kommen je 10 cm 8 physiologische NaCl-Lösung, 
in die eine wird ein Fünf frankenstück eingelegt. Nach 16stündigem Stehen 
wird zu beiden Dosen je 0,1 cm 8 einer Aufschwemmung von Kolibazillen im zehn¬ 
fach verdünntem Meerschweinchenserum zugesetzt, so daß die Serumkonzentra¬ 
tion von diesem Augenblick an in beiden Dosen 1:1000 betrug. Nach steigenden 
Zeitintervallen wird mit ie einer Öse Flüssigkeit aus Dose I (olygodynamisch be¬ 
einflußt) und Dose II (durch Ag nicht beeinflußt) ein Schrägagarröhrchen be¬ 
impft. Nach 24stündigem Aufenthalt im Thermostaten bei 37° G werden die Agar¬ 
röhrchen kontrolliert und das Wachstum verzeichnet. 


Zeltintervalle 

I. Oligodynamisch beeinflußt 

II. Nicht beeinflußt 

2 min 

sehr reichliches Wachstum 

sehr reichl. Wachstum 

5 » 

> » > 

» 

> t 

10 » 

i » » 

» 

» i 

15 > 

> * 

» 

i » 

25 » 

spärliches Wachstum 

» 

» i 

30 > 

kein Wachstum 

» 

» » 

45 » 

> > 

» 

» » 

60 » 

» » 

» 

» » 

180 » 

* » 

» 

» » 


17. Versuch. 

Versuchsanordnung wie im 15. und 16. Versuch, nur daß die Flüssigkeit 
in den beiden Glasdosen mit 0,1 cm 8 einer Trypanosomenaufschwemmung in 
zehnfach verdünntem Meerschweinchenserum beschickt wurde; die Dichtigkeit 
der endgültigen Trypanosomenemulsion belief sich in beiden Dosen auf 2500 
Trypanosomen im halben cm 3 . Nach steigenden Zeitintervallen wurden weiße 
Mäuse mit je 0,5 cm 8 der trypanosomenhaltigen Flüssigkeit aus den Dosen I 
(oligod.) und II (nicht oligod.) intraperitoneal injiziert. 

Archiv für Hygiene. Bd. 90. 12 


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172 


Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw. 


Zeitintervalle 

I. (oligodynamisch) 

II. (nicht oligodynamisch) 

2 min 

überlebt 

tot in 6 Tagen 

5 * 

» 

>> » 6 


15 » 

» 

» »6 

» 

30 » 

» 

» »6 

* 

60 » 

» 

» » 6 

» 

180 » 


überlebt 


Die Trypanosomen starben also fast momentan ab, wobei allerdings auch 
die geringe Eiweißkonzentration und zu starke Uberwiegen von Na- und Q-Ionen 
mitwirkten, da die nicht oligodynamisch beeinflußte Kontrolle 3 Stunden nach 
der Einsaat der Trypanosomen gleichfalls nicht mehr infektiös war. Erhöhte man 
den Serumgehalt in der Kontrolle und eliminierte damit gleichzeitig die einseitige 
Ionenkombination der Suspensionsflüssigkeit, so hielten sich die Trypanosomen 
viel länger vermehrungsfähig und infektiös; aber die Schnelligkeit der oligo¬ 
dynamischen Abtötung wurde in zahlreichen Versuchen dieser Art nicht vermin¬ 
dert, so daß Trypanosomen ein ausgezeichnetes Reagens für oligodynamische 
Einflüsse darsteUen. 

Das Hühnerpestviruö war gegen die oligodynamische Wirkung des 
Silbers nicht so empfindlich wie die Trypanosomen, sondern zeigte ein 
Verhalten, welches dem der vegetativen Form der Bakterien entsprach. 
Immerhin wurden bedeutende Mengen (100 letale Dosen im cm 8 ) innerhalb 
von 30 Min. sichtlich abgeschwächt, in einer Stunde komplett abgetötet. 

Auch in seiner Resistenz gegen die Giftigkeit reiner NaCl-Lösung 
schien das Hühnerpestvirus den Bakterien näher zu stehen’; vielleicht 
sind es hier Einfachheiten der Organisation und chemischen Konstitution, 
welche den tierischen Charakter des Parasiten überdecken. 

18. Versuch. 

Das Serum eines infizierten Huhnes wirkte in folgender Weise: 0,01cm 3 
intramuskulär tötete Huhn 41 in ca. 48 Stunden, 0,001 cm 8 intramuskulär tötete 
Huhn 42 in ca. 5 Tagen, 0,0001 cm 3 intramuskulär tötete Huhn 43 in zirka 
48 Stunden. 

Es wurde eine 1000fache Verdünnung dieses Serums in physiologischer 
NaQ-Lösung angesetzt und von dieser Verdünnung je 1 cm 8 nach zwei- und vier¬ 
stündigem Stehen je einem Huhn (Nr. 44 und 45) intramuskulär eingespritzt. 
Beide Hühner verendeten in ca. 48 Stunden. 


Zusammenfassung. 

Hühnerpestvirus kann aus Eiweißsolen, in welchen es enthalten ist 
(Serum* Exsudaten von infizierten Hühnern), durch totale oder partielle 
Fällung des Eiweißes (mit Tannin, Ammonsulfat, durch Dialyse) so voll¬ 
ständig entfernt werden, daß die überstehenden Flüssigkeitsmassen für 
Hühner avirulent sind; in den Eiweißniederschlägen läßt sich das Virus 
durch den Tierversuch nachweisen (Mrowka). 

Diese Beobachtung rechtfertigt nicht die Annahme, daß es nicht 
organisierte, unbelebte, aber doch vermehrungsfähige Vira gibt, welche die 
Natur gelöster, flockbarer und reversibler Globuline besitzen, sondern 
erklärt sich durch mechanisches Mitgerissenwerden der zelligen Virus¬ 
elemente im Verein mit den viruliziden Fähigkeiten der Fällungsmittel 
(Tannin, Ammonsulfat, Elektrolytenmängel und Hypotonie) zur Genüge. 


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Von Dr. med. Paul Schweizer. 


173 


In den Tanninpräzipitaten aus Hühnerpestserum findet man nur verschwin¬ 
dende Bruchteile der ursprünglichen Virusmengen, welche durch ihre 
Eiweißumhüllung der Abtötung entschlüpfen. Beide Faktoren (Mitreißung 
und Schädigung durch das fällende Agens) manifestieren sich in gleicher 
Weise, wenn man das filtrierbare Virus durch Zellen von mikroskopischer 
Größenanordnung ersetzt; auch hier erfolgt eine weitgehende Entkeimung 
(bis auf 0,1, ja 0,01 °/(k>) infolge der Ausflockung des Eiweißes der Suspen¬ 
sionsflüssigkeiten ; die Keime können ebenfalls in den Niederschlägen nach¬ 
gewiesen und aus denselben nur zum geringsten Teil durch Waschen wieder 
frei gemacht werden. Unterschiede zwischen Bakterien und Hühnerpest¬ 
virus existieren nur insoferne, als letzteres gegen die Schädigung durch 
Gerbung (Tannin) viel empfindlicher ist als die meisten vegetativen 
Bakterienformen und dadurch seine engere Verwandschaft mit den Pro¬ 
tozoen dokumentiert, welche auch durch sein Verhalten gegen Saponin 
und Galle wahrscheinlich gemacht wird. 

Gegen oligodynamische Wirkung ist das Hühnerpestvirus etwa so 
empfindlich wie vegetative Bakterien, was dafür spricht, daß es aus Zellen 
im eigentlichen Sinne des Wortes besteht. Gegen die Giftwirkung reiner 
NaCl-Lösung besitzt das Virus ebenfalls die bei den meisten Bakterien¬ 
spezies beobachtete Resistenz. 

Trypanosomen sind gegen die beiden letztgenannten Reagentien 
wie gegen Tannin maximal empfindlich und stellen ein durch die besondere 
Organisation bedingtes starkes Extrem der tierischen Parasiten dar. 

Tannin bzw. die Widerstandsfähigkeit gegen Gerbstoffe lassen sich 
wahrscheinlich mit Vorteil verwenden, um die Frage nach der pflanzlichen 
oder tierischen Natur von Zellen zu beantworten. 

* * 

* 

Am Schlüsse der vorliegenden Arbeit ist es mir eine angenehme Pflicht, 
Herrn Professor R. Doerr für die gütige Überlassung des Thema und für 
das rege Interesse, das er dem Verlaufe der Untersuchungen entgegen¬ 
gebracht hat, auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank auszusprechen. 


Literaturangabe. 

1. Andreiwsky, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 75, 1915. 

2. Bauer, Bericht der Deutsch. Bot. Gesellschaft 1904 und 1906. 

3. Bechhold, Die Kolloide in der Biologie und Medizin, 2. Aufl. 

4. Beijerinck, Zentralbl. f. Bakt., II. Abt., Bd. 5. 

5. Borrel, Annal. d. l’Inst. Pasteur, 1903. 

6. Centanni, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 31, 1902. 

7. Doerr, Zentralbl. f. Bakt., Ref., Bd. 50, 1911. 

8. Doerr, Biochem. Zeitschr. Bd. 106, 107 und 113, 1920. 

9. Doerr und Pick, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 76, 1915. 

10. Van Es und Schalk, Annal. d. l’Inst. Pasteur. 1918. 

11. von Esmarch, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 32, 1902. 

12. Erdmann, Arch. f. Protistenkunde Bd. 41, H. 2, 1920. 

13. Frei, Arch. f. wissenschaftl. und praktische Tierheilkunde Bd. 46, H. 3, 1920. 

14. Heß und Reitler, Med. Klinik 1920. 

12 * 


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174 Untersuchungen über die Natur der filtrierbaren Vira usw. 

15. Hofstädter, Arch. f. Hyg. Bd. 53, 1905. 

16. Hunger, Bericht der Deutsch. Bot. Gesellschaft 1905. 

17. Hutyra und Marek, Spezielle Pathologie und Therapie der Haustiere, 
5. Aufl. 1920. 

18. Joest, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 31, 1902. 

19. Iwanowsky, Zentralbl. f. Bakt., II. Abt., Bd. 5. 

20. Kraus und Doerr, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 46, 1908. 

21. Kraus, v. Eisler, Fukuhara, Zeitschr. f. Imm. Forsch. Bd. I, H. 2, 1909. 

22. Kraus und Löwe, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 76, 1917. 

23. Landsteiner und Berliner, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 67, 1913. 

24. Lipschütz, Handb. d. pathog. Mikroorganismen, 2. Aufl., Bd. 8, 1913. 

25. Lode und Gruber, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 30, 1901. 

26. Lode, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 31, 1902. 

27. Lode, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 43, 1907. 

28. Löffler, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 50, Ref. 1911. 

29. Marchoux, Compt. Rend. de l’Acad. d. Sciences 1908. 

30. Maue, Arbeiten aus dem Kaiserl. Ges.-Amt Bd. 21, 1904. 

31. Miyaji, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 74, 1914. 

32. Molisch, Bot. Zeitschr., Abt. I, 1908. 

33. Mrowka, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 67, 1913. 

34. Noguchi, Zentralbl. f. Bakt., Ref. Bd. 69, 1920. 

35. Ostertag, Handb. d. pathog. Mikroorganismen Bd. 6, 2. Aufl., 1913. 

36. Ottolenghi, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 67, 1913. 

37. Provazek, M. M. W. 1908, S. 165, S. 1016 und S. 1524. 

38. Rosenthal, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 40, 1906. 

39. Roux, Bulletin de Tlnst. Pasteur, 1903. 

40. Ruß, Arch. f. Hyg. Bd. 59, 1906. 

41. Sangiorgi, Zentralbl. f. Bakt. Bd. 72, 1914. 

42. Salus, Wiener klin. W. 1919, Nr. 51. 

43. Seiderheim, K. R. und R., Arch. f. exp. Pathol. und Pharmakologie Bd. 72, 

1914 und Bd. 82, 1918. 

44. Sollmann, Journ. of pharmocol. a. exp. therap. Bd. 16, Nr. 1, S. 49 bis 

59, 1920. ref. Doerr, Kongreß zentralbl. f. d. gesamte innere Med. 

45. Wollmann, Wiener klin. W., 1917. 


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Stadien über die Resorption von Blei and Unecksilber bzw. 
deren Salzen dnrch die nnyerletzte Hant des Warmblüters. 

Von 

Privaldozent Dr. med. Philipp Oskar Süfsmann, 

Assistent am Hygienischen Institut. 

(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Würzburg. Vorstand: 

Geheimrat Professor Dr. K. B. Lehmann.) 

(Mit 1 Tafel.) 

(Bei der Redaktion eingegangen am 10. März 1921.) 

Vorwort. 

Das Ziel der vorliegenden Arbeit war ein vorwiegend praktisches. 
Es sollte die seit Jahrzehnten schwebende Streitfrage, ob und in welchem 
Umfange Blei und Quecksilber bzw. ihre Salzverbindungen 
von der Haut des Warmblüters resorbiert werden, durch ein¬ 
wandfreie Versuche gelöst werden. Gewerbehygiene und Dermatologie 
haben ja in gleicher Weise ein Interesse daran, daß diese so oft aufge¬ 
worfene, so oft mit unzureichender Methodik in Angriff genommene und 
bald mit „ja“, bald mit „nein“ beantwortete Frage endlich aus dem Reiche 
des Zweifels gezogen werde. So sehr aber bei der Inangriffnahme des 
Themas auf die praktischen Verhältnisse Rücksicht genommen wurde, so 
schien es im Interesse einer kritischen Beurteilung doch nicht angängig, 
theoretischer Überlegungen ganz zu entraten. Ich habe deshalb versucht, 
das engere Problem als Spezialfall allgemein-physiologischer Fragestellungen 
zu entwickeln; vielleicht ist damit erreicht, daß die Experimentalergebnisse, 
die für sich allein nur beschränkten Tatsachenwert besitzen, allgemeinere 
Bedeutung gewinnen. 

Die Anregung zur Bearbeitung des Themas gab mir mein hochver¬ 
ehrter Lehrer, Herr Geheimrat Prof. Dr. K. B. Lehmann* dessen ex¬ 
perimenteller Erfahrung ich außerdem manch'wertvollen Wink verdanke; 
ihm dafür an dieser Stelle zu allererst meinen ergebensten Dank auszu¬ 
sprechen, erscheint mir deshalb als eine Ehrenpflicht. Nicht versäumen 
möchte ich des weiteren, dem Abteilungsvorstand am Hygienischen In¬ 
stitut, Professor H. K. Lang, für seine stets bewiesene Hilfsbereitschaft 
Archiv für Hygiene. Bd. 90. 12 


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Studien über die Resorption von Blei usw. 


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herzlich zu danken. In Einzelfragen liehen mir ihre Unterstützung die 
Herren Geheimrat Prof. Dr. M. von Frey, Geheimrat Prof. Dr. M. B. 
Schmidt, Professor Dr. L. R. Müller; ihnen allen auch hier nochmals 
Dank sagen zu* können, gereicht mir zu besonderer Genugtuung. 


Einleitung. 

Über die Beziehungen der Hautresorption zum allgemeinen 
Re8orption8problem. 

Mit Resorption bezeichnen wir die Aufnahme gelöster Stoffe in das 
Innere der lebenden Substanz. Die Resorbierbarkeit eines Körpers ist 
die erste Grundbedingung für seine Verwendungsmöglichkeit im Stoff¬ 
wechselhaushalt, die Resorption also der erste und allgemeinste prinzi¬ 
pielle Vorgang des Stoffwechsels überhaupt. Diese Definition führt uns 
dazu, das Problem der Resorption zunächst als ein zellular-physiologisches 
anzusehep. Die einfachste Betrachtungsweise besteht darin, sich die 
Zelle von einer wässerigen Lösung des zu resorbierenden Stoffes allseitig 
umgeben vorzustellen. Nach neueren Auffassungen besteht die proto¬ 
plasmatische Substanz, wenigstens der tierischen Zellen, aus einer Gallerte, 
in welcher eine schwache wässerige Eiweißlösung die eine, ein reversibles 
Eiweißhydrogel die andere Phase ist. Eine Reihe von Stoffen, kristalloider 
wie kolloider Natur, ist in dieses Maschenwerk ’eingelagert, ohne daß wir 
über die dabei auftretenden Strukturen etwas Sicheres auszusagen im¬ 
stande wären. Ein besonderer Anteil an dem ultramikroskopischen Auf¬ 
bau des Protoplasmas scheint indes lipoiden Substanzen (Lezithinen. 
Cholesterinen) zuzukommen, welche sich wahrscheinlich an der Zell¬ 
oberfläche angereichert vorfinden und an der Bildung der theoretisch 
geforderten, wenn auch unsichtbar dünnen Plasmahaut beteiligt sind. 

Es liegt nahe, in dem osmotischen Druck die Kraft zu erblicken, 
welche gelöste Stoffe veranlassen könnte, aus der Außenflüssigkeit durch 
die Plasmahaut ins Zellinnere einzudiffundieren; auch für den Übertritt 
von Wasser ist man versucht, eine osmotische Verschiebung bei äußerer 
Hypotonie verantwortlich zu machen. In der Tat hat sich in schönen 
Experimenten zeigen lassen, daß die Schnelligkeit des Eindringens der 
Diffusionsgeschwindigkeit bzw. der Höhe des osmotischen Druckes oft 
entspricht. 

Allein, es gab auch genug Fälle, wo eine solche Erklärung versagte. 
Wenn z. B. aus einer hypertonischen Kochsalzlösung gleichwohl Wasser 
in das Darmepithel über trat (Heidenhain), so blieb in Unkenntnis wei¬ 
terer Kräfte keine andere Möglichkeit als hierin einen aktiven vitalen 
Vorgang zu sehen. 

Mit der Erkennung der Gallertstruktur der Zelle wurde die Bedeutung 
der Quellung in den Vordergrund des Interesses gerückt. Der Quellungs¬ 
druck kann die Größe des osmotischen Druckes erreichen, ja er vermag 
ihn unter Umständen noch zu überwinden und eine Lösung zu konzentrieren. 
Hängt man z. B. nach C. Ludwig eine gut getrocknete Tierblase in kon- 


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Von Dr. med. Philipp Süßmann. 


177 


zentrierte Kochsalzlösung/so quillt die Blase unter Aufnahme einer schwa¬ 
chen Lösung, während sich in der Flüssigkeit Kochsalzkristalle abscheiden. 
Insofern die Quellfähigkeit von Gallerten durch Elektrolyte je nach deren 
Konzentration und chemischen Natur bald vermehrt bald verringert 
wird, erscheint die Quellung als ein Prozeß, welcher in weitestgehendem 
Maße regulatorischer Beeinflussung zugänglich ist. Doch wird mit der 
Ergründung solcher Abhängigkeiten das Resorptionsproblem keineswegs 
gelöst; denn es erfährt dieses zunächst noch eine erhebliche Komplikation 
durch die Frage nach den Bedingungen für die Resorbierbarkeit 
einer Substanz. 

Seit langem war man sich darüber klar, daß nicht, die chemische Be¬ 
schaffenheit, sondern physikalische Eigenschaften in erster Linie für die 
Resorbierbarkeit maßgebend sind, aber erst C. E. Overton hat in seinen 
zahlreichen Untersuchungen an Pflanzen- und Tierzellen allgemeingültige 
Regeln aufgestellt. Nach ihm verhält sich die Zelle so, als wäre sie von 
einer zusammenhängenden Lipoidmembran umschlossen; Substanzen, 
welche in dieser Membran löslich sind, werden resorbiert, lipoidunlöslichen 
ist der Eintritt versperrt. Die Resorptionsgeschwindigkeit hängt ab von 


Lipoidlöslichkeit 


der Größe des »Teilungskoeffizienten« 


, wobei die Wasser- 


Wasserlöslichkeit 


löslichkeit den Wert Null allerdings nicht erreichen darf; denn da alle 
Zellen von einem wässerigen Medium umgeben sind und selbst zu einem 
erheblichen Teil aus Lösungswasser bestehen, so vermag ein wasser¬ 
unlöslicher Stoff mit der lebendigen Substanz überhaupt nicht in 
Wechselwirkung zu treten. 

Die Overtonsche „Lipoidtheorie“ hat in vielfachen Experimenten 
eine glänzende Bestätigung erfahren, obgleich sie in einem seltsamen 
Gegensätze zu der Tatsache steht, daß diejenigen Stoffe, deren die Zelle 
zu ihrem Stoffwechselbetriebe in erster Linie bedarf, wie Aminosäuren, 
Zucker, Mineralsalze, keinerlei Lipoidlöslichkeit besitzen und deshalb 
gar nicht resorbierbar sein könnten. Und wenn man auch auf der anderen 
Seite gerade darin wieder eine besondere Zweckmäßigkeit, ja Selbstver¬ 
ständlichkeit erblicken kann, daß auf solche Weise auch ein schranken¬ 
loses Herausdiffundieren dieser wichtigen Kristalloide aus dem Zellinnern 
vermieden wird und der Charakter einer Zelle als eines geschlossenen • 
chemischen Systems gewahrt bleibt, so wird der merkwürdige Wider¬ 
spruch dadurch nicht aufgehoben. 

Es wurden denn auch die verschiedenartigsten Versuche gemacht, 
auf anderem Wege zu einer plausiblen Erklärung der Resorptionserschei¬ 
nungen zu gelangen. Z. B. vertritt Ru hl and die Anschauung, daß die 
Plasmahaut wie ein Bechlioldsches Ultrafilter wirke und angrenzenden 
* gelösten Stoffen den Eintritt nur nach Maßgabe ihrer Teilchengröße ge¬ 
statte. Doch läßt diese Ansicht, die zwar die Notwendigkeit des vorher¬ 
gehenden Spaltung von Eiweiß, Stärke usw. zum Zweck ihrer Resorption 
begreiflich macht, die doch sicher bewiesene Tatsache eben wieder un¬ 
berücksichtigt, daß die lipoidlöslichen Stoffe besonders schnell resorbiert 
werden, Alkohol z. B. erheblich rascher als Kochsalz trotz des nahezu 
gleichen Molekulärgcwichts. 


12 * 



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178 Studien über die Resorption von Blei usw. 

Wenn man sich eine Anschauung von den Resorptionsvorgängen 
machen will, welche allen Erscheinungen einigermaßen gerecht wird, so 
wird man wohl an Vorstellungen von F. Czapek anknüpfen müssen, 
welcher die Plasmahaut nicht als zusammenhängende Lipoidmembran 
wie Over ton, sondern als eine konzentrierte Lipoidemulsion in einem 
wässerigen Dispersionsmittel (Eiweißgallerte) betrachtet. Eine derartige 
Plasmagrenzschicht kann nicht nur sehr weitgehender zellindividueller 
Verschiedenheiten (s. u.) sondern auch an ein und derselben Zelle erheblicher 
physikalischer Zustandsänderungen fähig sein: Quellung des Eiwei߬ 
gerüstes mit Auseinanderdrängung der Lipoidteilchen wird wasserlös¬ 
lichen Stoffen den Durchtritt erleichtern, starke Entquellung umgekehrt 
erschweren oder — möglicherweise unter Zusammenfließen der Lipoid - 
tropfchen zu einer zusammenhängenden Schicht (Clowes) — völlig ver¬ 
hindern. Auch der Quellungszustand des Lezithins, von welchem der 
Dispersitätsgrad des in ihm gelösten hydrophoben Cholesterins abhängt 
(Bechhold), wird dabei von größter Bedeutung sein. Bechhold weist 
auch darauf hin, daß eine solche Vorstellung recht gut mit der erwähnten 
Ruhlandsehen Ultrafiltrationstheorie in Einklang zu bringen ist. Wir 
können uns mit ihrer Hilfe verständlich machen, daß der Weg ins Zell¬ 
innere kolloiden Substanzen stets, wasserlöslichen Kristalloiden nur zu 
gewissen Zeiten versperrt ist, während lipoidlösliche Stoffe jederzeit 
ungehinderten Eingang finden. Der Zustand der Plasmahaut, in welchem 
die Oberflächen der einzelnen Lipoidteilchen sich so genähert sind, daß 
ein Durchtritt rein wasserlöslicher Substanzen praktisch unmöglich ge¬ 
worden ist und eine Aufnahme von Stoffen nur noch nach dem Grade 
der Lipoidlöslichkeit in physikalischer Gesetzmäßigkeit stattfindet, stellt 
den Zustand der ,,physikalischen Permeabilität“ dar, welcher der 
Ruhezustand der Zelle ist; die Quellung des Eiweißgerüstes führt zum Zustand 
der „physiologischen Permeabilität“, in welchem wir einen aktiven 
Funktionszustand der Zelle zu erblicken haben. Die Regulatoren, unter 
deren Herrschaft die Zustandsänderungen der Plasmahaut stehen, werden 
mit den Einflüssen identisch sein, die für den Quellungszustand des 
Protoplasmas überhaupt ausschlaggebend sind; d. h. sie bestehen wohl in 
dem qualitativen und quantitativen Ionisationsbild, welches einer be¬ 
stimmten nutritiven Verfassung der Zelle entspricht. Damit gliedert sich 
das qualitative Resorptionsproblem in gewissem Maße ein in die Grund¬ 
frage nach der Erklärung der resorptiven Funktion. 

Ohne diese Vorstellungen noch mit Überlegungen über die Wirkung 
der Adsorption zu komplizieren, der ebenfalls eine vielleicht nicht 
unerhebliche Rolle beim Eintritt von Stoffen ins Zellinnere zukommt, 
wollen wir uns damit von der Betrachtung der zellulären Resorption ab¬ 
wenden, um die besonderen Verhältnisse ins Auge zu fassen, welche bei 
flächenhafter, epithelialer Anordnung der Zellen entstehen. Wir 
machen hier die Erfahrung, daß die Resorption zumeist eine „seitige“ ist, 
d. h. daß die Stoffaufnahme auf der einen Oberfläche des Epithelgewebes 
erfolgt, während auf der entgegengesetzten Seite eine Ausscheidung statt¬ 
findet. Machen bei dieser Stoffwanderung die aufgenommenen Substanzen 
im Zellinnern erhebliche chemische Veränderungen durch, so pflegen wir 


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Von Dr. med. Philipp Süßmann. 


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im allgemeinen von einer sezernierenden Tätigkeit des Gewebes zu spre¬ 
chen, während im umgekehrten Falle, wenn also die abgegebenen Stoffe 
den aufgenommenen annähernd gleichen, ein einfacher Durchtritt, eine 
Permeation, vorzuliegen scheint. Eine strenge Scheidung der beiden 
Prozesse ist unmöglich; auch die „Permeation“ dyrch lebendes Epithel, 
wenigstens die der lipoidunlöslichen Stoffe, stellt eine aktive Zelltätigkeit, 
eine verwickelte regulierte Kombination von Quellungs- und Entquellungs¬ 
vorgängen dar. Durch den Tod des Gewebes fallen die nur im steten Wech¬ 
sel des Stoffumsatzes möglichen automatischen Regulationen des Quellungs¬ 
zustandes fort; Gerinnungsvorgänge führen weiterhin zu einer tiefgreifen¬ 
den irreversiblen Veränderung der ultramikroskopischen Struktur. Darum 
muß es klar sein, daß Permeabilitätsversuche an toten Membranen unter 
keinen Umständen einen Anhaltspunkt für die resorptive Kraft eines 
lebenden Gewebes geben können. 

Zu den Eigentümlichkeiten der räumlichen Verbindung vieler Zellen 
gehört es, daß eine Ansaugung von Flüssigkeit und gelöster Substanz 
auch durch die Kapillarräume'zwischen zwei benachbarten Zellen möglich 
ist. R. Höher hat z. B. den interzellularen Durchtritt von molybdän¬ 
saurem Ammonium durch das Darmepithel sicherstellen können; ob diesem 
Resorptionsmodus tatsächlich eine hohe allgemeine Bedeutung zukommt, 
muß die Zukunft noch lehren. 

Es darf auch der Hinweis darauf nicht unterlassen werden, daß bei 
der Betrachtung epithelialer Resorption eine Permeabilität sogar für feste 
Stoffe durch die Tätigkeit phagozytierender Wanderzellen vorgetäuscht 
werden kann, welche die Epithelschicht durchsetzen und mit Substanz 
beladen ihren Weg in den Körper zurücknehmen, wie es bei der Verschlep¬ 
pung des Kohlenstaubes aus der Lunge der Fall ist. 

Von den verschiedenen Epithelien des tierischen Körpers sind nicht 
alle mit einer Quellfähigkeit gleicher Intensität ausgestattet, Man darf 
annehmen, daß jedem funktionell differenzierten Epithelgewebe ein ty¬ 
pischer Quellungszustand entspricht, der sich übrigens auch der 
chemischen Analyse durch einen charakteristischen Prozentgehalt an Wasser 
und lipoider Substanz verraten müßte; zusammenfassende Untersuchungen 
liegen hierüber noch nicht vor. Voraussichtlich würde sich aber die Tat¬ 
sache ergeben, daß stark resorbierende Epithelien, deren Quellungsvermögen 
in besonders hohem Maße beansprucht wird, relativ wasserreich und lipoid¬ 
arm sind, während solche epitheliale Zellverbände, deren Aufgabe mehr in 
der isolierenden Bedeckung des unterliegenden Gewebes liegt, verhält¬ 
nismäßig weniger Wasser und desto mehr lipoide Substanzen enthalten. 
Die Epithelzellen der letzten Sorte werden natürlich auch eine Plasmahaut 
mit besonders dichter upoider Durchtränkung besitzen; sie sind Zellen, 
welche sich dauernd in einem Zustande schwacher ,»physiologischer Per¬ 
meabilität“ befinden. Je mehr dies der Fall ist, um so mehr muß das 
Epithel den physikalischen Gesetzen gehorchen, welche für den resorptiven 
Ruhezustand Geltung haben (Vorherrschen osmotischer Vorgänge, Im¬ 
permeabilität für lipoidunlösliche Substanzen). 

Unter allen Epithelien des Tierkörpers besitzt die Epidermis das 
geringste Quellungsvermögen; unsere Betrachtungen, welche rchon Ge- 


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Studien über die Resorption von Blei usw. 


fahr liefen, allzu spekulativ zu werden, gewinnen jetzt wieder Tatsachen¬ 
boden mit der Feststellung, daß die Resorptionsverhältnisse der Amphi¬ 
bienhaut Over ton wirklich als Musterbeispiel für die Richtigkeit seiner 
„Lipoidtheorie“ galten. 

In der Tat, schon die Oberhaut des Kaltblüters, selbst wenn sie nur 
aus wenigen unverhornten Epithelschichten besteht (Amphibienlarve), 
ist für Mineralsalze, Zuckerarten und andere lipoidunlösliche Körper prak¬ 
tisch undurchdringlich, während Äther, Alkohol, Anilin, Sauerstoff, 
Kohlensäure, überhaupt alle in Lipoiden löslichen Stoffe, auch das Wasser 
(in welchem Lezithin zu quellen vermag), Eingang finden. Mögen die Over- 
tonschen Anschauungen von der wissenschaftlichen Kritik im allgemeinen 
mit Recht als unzureichend erklärt worden sein — für die Permeabilitäts¬ 
verhältnisse der tierischen Epidermis haben sie ihre Geltung in vollem Maße 
behalten, und wir hätten sie ohne weitere Umschweife den auf unser 
spezielles Thema zusteuernden Ausführungen zugrunde legen können, 
wenn es nicht doch im Interesse einer klaren Übersicht nützlich geschienen 
hätte, an die folgenden Fragen von einem allgemeineren Standpunkte 
aus heranzutreten. 

I. Die Permeabilität8¥erhältni88e der Warmblüterhaut und die Auf¬ 
nahmemöglichkeiten von Blei und Quecksilber. 

Die Epidermis der Säugetiere und Vögel ist nicht nur durch ihre Viel¬ 
schichtigkeit, sondern auch dadurch ausgezeichnet, daß die äußersten 
Epithellagen absterben und vertrocknen, wobei das Exoplasma der Zellen 
eine als „Verhornung“ bezeichnete, chemisch noch wenig aufgeklärte Ver¬ 
änderung erleidet. Die Hornlamellen stoßen sich kontinuierlich in kleinsten 
Schüppchen ab; ihr Ersatz wird durch stetiges Nachrücken und Verhornen 
der tieferen Epithelschichten besorgt. Diese'gchen gegen das bindegewebige 
Corium hin in das Stratum germinativum über, dessen tiefste Lagen zahl¬ 
reiche mitotische Zellteilungen aufweisen. Bei den Säugetieren wird die 
Epidermis von den meist in die Haarbälge einmündenden Talgdrüsen 
und den Schweißdrüsen durchbohrt, die sich tief ins Corium und das 
Unterhautzellgewebe einsenken. 

Im Hinblick auf das Resorptionsvermögen sind drei funktionell 
verschieden wertige Epidermisschichten zu unterscheiden: die tote Horn¬ 
schicht, dann die aus lebenden, aber nicht mehr teilungsfähigen Zellen 
bestehenden Mittellagen und endlich die in fortwährender Proliferation 
begriffene tiefste Keimschicht. 

Für das aus abgestorbenen Zellen bestehende Stratum corneum 
können, wie oben ausgeführt, die Resorptionsgesetze keine Geltung haben; 
seine Durchlässigkeit war empirisch zu ermitteln. Es zeigt sich, daß die 
stark ausgetrockneten Lamellen eine nicht unerhebliche Quellungsfähig¬ 
keit für Wasser besitzen. Nun ist zwar bei den Säugern die Oberfläche 
der Epidermis von dem Hauttalge überzogen, ja die Hornschicht imbi- 
biert sich mehr oder minder mit demselben; weil der Talg indes nur zum 
geringsten Teile aus Neutralfett, sondern zumeist aus hydrophilen äther- 
löslichen Stoffen besteht, so wird das Quellungsvermögen durch ihn nicht 


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aufgehoben. Mit dem eindringenden Wasser werden auch gelöste Stoffe 
unterschiedslos, also auch lipoidunlösliche, aufgenommen (Marg. Traube- 
Mengarini). Daß Lipoidlösungsmittel, z. B. Alkohol, sowie ausgesprochene 
Fettsubstanzen und in ihnen gelöste Körper ebenfalls Eingang finden, 
erscheint selbstverständlich. 

Diese Betrachtungen dürfen nun keineswegs dazu verleiten, die 
schützende Fähigkeit der Horndecke als gering anzusehen. Zunächst 
brauchen alle Quellungs- und Imbibitionsvorgänge Zeit. Wir überzeugen 
uns täglich, daß durch kurzdauerndes Händewaschen die Haut nur un¬ 
wesentlich erweicht wird, erst in längerem Bade quillt sie stärker auf. Wenn 
also die für die Resorption in Betracht kommende Substanz der Haut¬ 
oberfläche nicht ununterbrochen anliegt, so kann sic bei genügender 
Dicke der Hornschicht mehr oder minder zurückgehalten werden. Auch 
die Wachstumsvorrückung der Zellen, welche der Richtung der eindringen¬ 
den Substanzen entgegengesetzt ist, mag noch ein Hindernis bilden. 

Die Mittellagen der Oberhaut, welche verschiedenen anatomischen 
Schichten (Stratum lucidum, granulosum, germinativum) angehören, 
sind als besonders bedeutungsvoll für die Resorptionsfähigkeit der Haut 
anzusehen. Dem Tode entgegengehend, besitzen ihre Zellen nur noch 
einen geringen Stoffwechsel und sind auf Resorption von Salzen, Zuckern 
und anderen Kristalloiden nicht mehr angewiesen'; ihre Plasmahaut ist 
daher für bloß wasserlösliche Stoffe wohl dauernd verschlossen. Nach den 
bisherigen Untersuchungen zu urteilen, ist in dem reichlichen Lipoid¬ 
gehalt dieser Zellen das in Wasser nicht quellende Cholesterin und seine 
Abkömmlinge erheblich stärker vertreten als die Lezithine; vielleicht 
erklärt sich daraus die Tatsache, daß an dieser Epidermisschicht auch der 
Strom des durch die Horndecke etwa noch bis hieher dringenden Wassers 
selbst aufgehalten wird. In der Wasserundurchlässigkeit der Warm - 
blüterhaut liegt der charakteristische funktionelle Unterschied gegen¬ 
über der Haut der Poikilothermen. 

Somit kommen wir zu dem Schlüsse, daß bei den eigenwarmen Tieren 
nur gleichzeitig wasser- und fett-(cholesterin ?-)lösliche Stoffe Aussicht 
haben, durch die Haut auf dem Resorptionsweg in den Körper einzudringen. 
Schwenkenbecher hat in zusammenfassender literarischer und ex¬ 
perimenteller Bearbeitung die sichere Tatsachengrundlage für das Be¬ 
stehen dieses Satzes gegeben; aber vor ihm hatte ihn schon Filehne 
auf Grund theoretischer Überlegungen ausgesprochen. 

Der auf die Mittellagen folgenden Mitosenschicht des Stratum 
germinativum kommt für die Permeabilität der Haut keine Bedeutung 
mehr zu. Die jungen, wachsenden Zellen müssen sich im Zustande aktiver 
Resorptionsfähigkeit befinden und nehmen sicherlich auch Mineralsalze 
usw. auf; da sie indessen bereits hinter dem schützenden Wall der mitt¬ 
leren Schichten liegen, so spielt ihr Verhalten für das Resorptionsvermögen 
der Haut im ganzen keine Rolle mehr. 

Einer kurzen Betrachtung bedürfen noch die Ausführungsgänge der 
Schweiß- und Talgdrüsen sowie die Haarbälge, weil die Möglich¬ 
keit besteht, daß in dieselben bei Einreibungsprozeduren die zur Resorp¬ 
tion bestimmten Substanzen eingepreßt werden. Als Besonderheit ist 



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Studien über die Resorption von Blei usw. 


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hier das Fehlen der Hornschicht zu vermerken; die Stoffe kommen in 
unmittelbare Berührung mit Zellen, welche sich in ihrem Ernährungs¬ 
bedürfnis und also auch in ihrem resorptiven Verhalten wohl mit den¬ 
jenigen der Epidermis-Mittellagen vergleichen lassen. Damit sprechen 
wir aus, daß wir bei der Resorption durch die in Rede stehenden Einstül¬ 
pungen der Epidermis jedenfalls keine qualitative Verschiedenheit er¬ 
warten dürfen. 

Haben die resbrptionsbefähigten Stoffe die ganze Dicke der Oberhaut, 
Zelle für Zelle, durchmessen, so werden sie schließlich von den Lymph- 
bahnen des Coriums aufgenommen und dem allgemeinen Säftestrom zu- 
geführt. Schwenkenbecher macht allerdings darauf aufmerksam, daß 
der Lymphstrom schon zwischen den Zellen der von uns als „Mittellagen“ 
bezeichneten Epidermisschichten fließt, und deshalb auch ein interzellu¬ 
larer Übertritt von (natürlich auch lipoidunlöslichen) Substanzen in die 
Lymphe möglich ist, besonders wenn Massage hinzutritt; tatsächliche Be¬ 
weise für dieses Geschehen bringt er nicht. Von manchen Autoren, z. B. 
Oster len, ist auch behauptet worden, daß durch kleinste Hornhaut- 
rissc, wie sie durch energische Massage ja wohl zustande kommen können, 
sogar feste Substanzpartikel in die Zwischenzellenräume eingepreßt wer¬ 
den, und so in den Kreislauf gelangen; indessen wird von anderen, wie 
Rindfleisch, das Vorkommen dieses Resorptionsmodus auf Grund sorg¬ 
fältiger Untersuchungen bestritten. In Ermangelung zweifelsfreier Be¬ 
funde soll deshalb der interzellulare Resorptionsweg, für welchen die er¬ 
mittelten qualitativen Gesetze keine Geltung hätten, aus den weiteren 
Erörterungen ausgeschaltet bleiben. 

Indem wir das Ergebnis unserer bisherigen Betrachtungen auf das 
Problem der Hautpermeabilität für Blei und Quecksilber anwenden, 
vereinfacht sich dieses zu der Frage: Gibt es Salzverbindungen dieser 
Metalle, welche sowohl wasser- als auch fettlöslich sind ? Die Antwort 
ist schnell gegeben. Vom Blei kennen wir allein die fettsauren Salze, vom 
Quecksilber außer diesen noch das Chlorid, welche dieser Forderung ent¬ 
sprechen. Das ölsaure Blei (Bleipflaster) ist mit Fetten in allen Verhält¬ 
nissen mischbar, in Wasser löst es sich nur im Verhältnis 1:750 (nach 

eigener Bestimmung); sein Teilungskoeffizient ist demnach außer¬ 

ordentlich hoch. Ganz ähnlich verhält sich fettsaures Quecksilber. Beim 
Sublimat ist der Teilungskoeffizient wesentlich kleiner, aber die Fett¬ 
löslichkeit immer noch so erheblich, daß einer Aufnahme ins Zellinnere 
nichts im Wege stehen kann. Es ist nun keineswegs nötig, daß die Metalle 
von vornherein in dieser resorptionsbefähigten Form auf die Haut aufge¬ 
bracht werden. Beim Zusammentreffen mit dem aus Neutralfetten und 
anderen Fettsäureestern bestehenden Hauttalg werden auch die bloßen 
Oxyde eine Verseifung herbeiführen und zum Teil in fettsaure Salze über¬ 
gehen. Vielleicht, wenn auch sicher in geringerem Maße, findet sogar eine 
Umsetzung anderer Salze der Metalle zu Fettseifen statt. Ja es erscheint 
gar nicht ausgeschlossen, daß die feinzerstäubten Metalle selbst mit Hilfe 
des Luftsauerstoffes, den sie vermöge ihrer großen Oberfläche reichlich 
adsorbieren (es wird übrigens auch den physiologischen Drüsensekreten 


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Von Dr. med. Philipp Süßmann. 183 

eine oxydierende Fähigkeit zugeschrieben, vgl. Bettmarin, S. 35), in 
die resorptionsfähige Form fettsaurer Salze iibergeführt werden. 

Und trotz alledem ist mit diesen Feststellungen die Frage, ob die fett- 
löslichen Blei- und Quecksilbersalze nun auch wirklich die ganze Dicke* 
der Oberhaut zu durchdringen vermögen, noch keineswegs beantwortet. 
Es tritt hier eine besondere Komplikation hinzu, welche ihren Grund in 
dem Salzcharakter der fraglichen Verbindungen hat. Fettlöslich ist eben 
nur das nichtdissoziierte Salz; dieses allein vermag die Plasmahaut zu 
passieren. In dem wasserhaltigen Zellprotoplasma wird aber eine teilweise 
Spaltung der Moleküle eintreten und die freien Metallionen Albuminat- 
fällungen erzeugen können, welche ein Weiterwandern des metallischen 
Anteils verhindern. Diese Gefahr besteht besonders für das Blei, dessen 
Eiweißverbindungen bedeutend fester und weniger löslich sind als die des 
Quecksilbers. In welchem Umfange, ein solches auswählendes Zurück¬ 
halten gerade der Schwermetalle durch die Epidermiszellen stattfindet, 
läßt sich von vornherein keineswegs beurteilen. Nach der eingehenden 
theoretischen Aufrollung des ganzen Problems müssen wir also mit einer 
gewissen Resignation erkennen, daß doch nur der spezielle Versuch über 
die Tatsächlichkeit und den Grad der Blei- und Quecksilberpermeabilität 
Aufschluß zu geben vermag. Immerhin sind durch die vorstehenden 
Betrachtungen wenigstens die Wege für die einzuhaltende Versuchs¬ 
anordnung gewiesen. 

II. Über die Versucheanordnung von Hautresorptionsversuchen. 

Die erste Frage gilt der Wahl des Versuchsobjektes. Vom prak¬ 
tischen Standpunkte aus interessieren natürlich vorwiegend die Verhält¬ 
nisse am Menschen; indes kann dieser selbst nur in beschränktem Umfange 
in den Dienst des Experimentes gestellt werden. Bei der Auswahl der 
Versuchstiere ist nach den Ausführungen des vorhergehenden Abschnittes 
darauf zu achten, daß die Dicke der Epidermis und ihrer einzelnen Schichten 
mit den Verhältnissen beim Menschen einigermaßen übereinstimmt. Eine 
sehr dünne Epidermis kann zu etwas höheren Resorptionswerten führen, 
während umgekehrt eine dicke und stark verhornte Oberhaut ein größeres 
Permeabilitätshindernis abgibt als es beim Menschen der Fall ist; quali¬ 
tative Besonderheiten sind im Resorptionsversuch am warmblütigen 
Tier gegenüber dem Menschen nach den vorausgegangenen Betrachtungen 
selbstverständlich nicht zu erwarten. Im allgemeinen werden die gebräuch¬ 
lichen kleinen und mittelgroßen Experimentaltiere, wie Mäuse, Ratten, 
Meerschweinchen, Kaninchen, Katzen, Hunde, Tauben, Hühner, dieser 
Forderung entsprechen; die Dickenunterschiede ihrer Epidermis sind 
jedenfalls nicht sonderlich erheblicher als die individuellen Schwankungen 
beim Menschen selbst. Nach dem Vorgänge von Vogt und Burckhardt 
habe ich hauptsächlich mit Katzen gearbeitet, da diese Tiere für solche, 
zumal länger dauernde, Versuche aus einer Reihe von Gründen besonders 
gut geeignet sind. 

Sie besitzen eine passende Körpergröße, lassen sich unschwer mit 
Fleischabfällen, z. B. aus dem Schlachthause, füttern, setzen in der Regel 


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Studien über die Resorption von Blei usw. 


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(‘inen festen, vom Urin leicht trennbaren Kot ab und gehen selten an 
interkurrenten Erkrankungen zugrunde; gegen spezifische Giftwirkungen 
sind sie nach K. B. Lehmann aber ebenso empfindlich, wenn nicht emp¬ 
findlicher, als der Mensch. Besonders wertvoll ist auch ihr psychisches 
Verhalten. Ihr Erinnerungsvermögen hält anscheinend nicht lange an; 
sie finden sich deshalb rasch in die Gefangenschaft und lassen sich mit 
einiger Geduld an alle sonstigen Freiheitsbehinderungen, auch der un¬ 
natürlichsten Art, gewöhnen. Dabei verraten sie nach einigen anfänglichen 
Wutausbrüchen keine tieferen Gemütsbewegungen mehr; sie stumpfen 
bald ab, reagieren dann selbst bei langandauernder Zwangshaltung (wie 
z. B. in dem am Schlüsse dieses Abschnittes besprochenen Resorptions¬ 
versuchskasten) auf Krauein des Kopfes sofort mit behaglichem Schnurren 
und scheinen ihr ganzes Begehrungsvermögen auf die Befriedigung ihrer 
Freßlust zu konzentrieren. 

Eine Versuchsstörung durch psychische Alteration des Versuchs¬ 
tieres ist also bei Verwendung von Katzen nicht leicht zu befürchten, 
wenn die Tiere an ihre im Experiment einzunehmende Zwangslage ein 
bis zwei Wochen lang gewöhnt werden. Diese Dressur hat aber unbedingt 
zu erfolgen, ihre Unterlassung kann zu den folgenschwersten Fehlresultaten 
führen. 

Bei den Säugetieren ist das dichte Haarkleid Resorptiönsversuchen 
hinderlich; es ergibt sich die Notwendigkeit, eine teilweise Enthaarung 
vorzunehmen. 

Rasieren und chemische Depilation (mit Kalziumhydrosulfid, Stron- 
tiumhydrosulfid, Bariumsulfid usw.) schaffen unvermeidlich kleine Schürf¬ 
oder Atzwunden, welchen erst Zeit zum Ausheilen gelassen werden muß, 
bevor der Resorptionsversuch beginnen darf; dann sind aber die Haare 
manchmal schon wieder auf 1 mm und darüber gewachsen. Ich habe den 
Eindruck, daß durch den Reiz dieser Prozeduren der Nachwuchs der Haare 
besonders beschleunigt würde. Deshalb habe ich mich schließlich darauf 
beschränkt, den Pelz nur mit Schere und Haarschneidemaschine bis auf 
mm zu kürzen, worauf sofort (doch nie, ohne daß die Haut auf tatsäch¬ 
liche Intaktheit genau geprüft worden wäre) mit dem Versuch begonnen 
werden konnte. Die Enthaarung wurde stets am Rücken und den Flanken 
der Tiere vorgenommen; Fig. 1 zeigt das Bild einer solchen geschorenen 
Katze. 

Nach 4 bis 6 Wochen pflegen die Haare wieder die Länge von 1 cm 
erreicht zu haben. Dadurch wird praktisch das Ende des Versuches er¬ 
zwungen, weil die zur Resorption bestimmten Substanzen von der Haut 
abgehoben werden und sich auch durch Massage ein genügender Kontakt 
mit der Haut nicht mehr hersteilen läßt. Eine neue Schur des verklebten 
Pelzes ist aber ohne stärkste Gefahr der Verschmutzung des ganzen Tieres 
nicht mehr durchzuführen. Ich habe einigemale versucht, durch Röntgen¬ 
bestrahlung den Nachwuchs der Haare zu verzögern. Es gelingt dies auch, 
aber bei dem steilen Abfall des Katzenrückens nicht in gleichmäßiger Weise. 
Auch um mich nicht dem Einwand auszusetzen, daß die bestrahlte Haut 
sich in bezug auf ihr Resorptionsvermögen geändert haben könnte, habe 
ich schließlich von einem weiteren Verfolg dieser Idee Abstand genommen, 


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zuinal die Bestrahlung der narkotisierten Katzen recht schwierig war und 
nicht jedes Tier die Prozedur lebend überdauerte. Bei den in dieser Arbeit 
geschilderten Versuchen hat also keine Röntgenbestrahlung stattgefunden; 
die Versuchsdauer war infolgedessen zeitlich begrenzt. 

Nach der Wahl und entsprechenden Vorbereitung des Versuchs¬ 
objektes tritt die Frage nach der zweckmäßigsten Applikation der resorp¬ 
tionsbestimmten Substanz an uns heran. Für Stoffe festen Aggregat¬ 
zustandes (mit Einschluß des metallischen Quecksilbers) kommen folgende 
Möglichkeiten in Betracht: 

1. Bad: Ein Körperabschnitt wird in eine wässerige Lösung der Sub¬ 
stanz eingetaucht. 



Fig. 1. Bild einer sattelförmig geschorenen Katze. 


2. Feuchter Verband:*Die Haut wird mit einer Mull- oder Watte¬ 
lage, welche von der wässerigen Lösuu/ der Substanz durchtränkt ist, 
bedeckt gehalten. 

3. Einpinselung: Die Haut wird mit der in Wasser oder flüchtigen 
organischen Solventien gelösten Substanz benetzt und das Vehikel zum 
Verdunsten gebracht. 

4. Bestäubung: Die Haut wird mit dem trockenen Substanzpulver 
bedeckt, welches in diesem Falle meist wohl erst nach Umsetzung mit den 
Fettsäuren des Hauttalgs resorptionsfähig wird. 

5. Salbung: Die Substanz ist in fettigem Medium gelöst oder (in 
Erwartung einer entsprechenden Umsetzung mit dem Hauttalg oder dem 
Salbenfette selbst) nur suspendiert, bzw\ (beim Quecksilber) emulgiert; 
die Salbe wird entweder nur aufgetragen oder eingerieben. 

Bei schärferem Zusehen vermögen wir die 5 Applikationsweisen 
einzuteilen in Anwendung wässeriger Lösungen (1, 2) und fettiger Lösungen 


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Studien über die Resorption von Blei usw. 


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(4, 5); denn auch die bloße Bepuderung, z. B. mit Bleioxyd, ist nach der 
Umsetzung zu fettsaurem Blei und dessen Lösung im Hauttalg einer Be¬ 
deckung mit Bleioleat enthaltender Salbenmasse im physiologischen 
Sinne qualitativ gleichwertig. In der Mitte steht die Bepinselung, insoferne 
sie zunächst die Verhältnisse des feuchten Verbandes (bei wässeriger 
Lösung) nachahmt, nach dem Eintrocknen aber den Effekt einer Bestäu¬ 
bung oder Salbung besitzt. 

Es handelt sich also um die prinzipielle Frage: Wässeriges oder fettiges 
Medium? Schon Schwenkenbecher hat sich vor der Ausführung 
seiner Versuche die Frage vorgelegt und sich für wässerige Lösungen ent¬ 
schieden. Er schreibt: „Derjenige physikalische Vorgang, welcher die 
Aufnahme von Stoffen durch die Haut beherrscht, ist die Osmose. Denken 
wir uns den Körper eines Menschen oder eines Tieres in einem Bade, in 
dem die auf ihre Durchgängigkeit zu prüfenden Stoffe gelöst sind, so haben 
wir die einfachsten und klarsten Versuchsbedingungen. Dann bildet die 
Haut die Diffusionsmembran; Badewasser und Blut sind die beiden Lö¬ 
sungen, welche einen osmotischen Ausgleich ihrer Bestandteile eintreten 
lassen können. Jede andere Anordnung, wie z. B. das Bestreichen und Be¬ 
pinseln des Körpers mit Lösungen, die Einreibung von Substanzen in 
Salben, schafft kompliziertere Verhältnisse, welche wir vorderhand noch 
nicht übersehen können.“ 

Nun zeigt aber ein Blick in die tatsächlichen Verhältnisse des Lebens, 
daß dort, zum mindesten für unsere Spezialbetrachtungen, die Versuchs¬ 
bedingungen Schwenkenbechers kaum je gegeben sind. Der Fabrik¬ 
arbeiter, dessen Gesicht, Hände und Arme mit Bleifarben beschmutzt 
sind, der Schauspieler und die Schöne, die sich bleihaltiger Schminke 
bedienen, der Syphilitiker, welcher sich einer Schmierkur unter¬ 
zieht: sie alle bilden Beispiele fettiger Applikation; ja sogar bei dem 
Arzt, der Hände und Arme in stark verdünnter wässeriger Sublimat¬ 
lösung wenige Minuten lang desinfiziert und nach flüchtigem Abtrocknen 
den Rest der Lösung auf der Haut verdunsten und sich dabei konzen¬ 
trieren läßt, spielt, was die Gefahr eines Sublimateindringens durch die 
Epidermis betrifft, die kurzdauernde Waschung selbst wohl nur die geringste 
Rolle. Weil aber das Ziel dieser Arbeit war, vornehmlich den Zwecken 
der Praxis zu dienen, so mußte im Gegensatz zu den theoretischen Unter¬ 
suchungen Schwenkenbechers auch die Applikation in fettigem Me¬ 
dium gewählt werden. Badeversuche mit dem notwendigen Verschluß 
der Exkretionsöffnungen Anus und Orificium urethrae externum (um 
Schleimhautresorption auszuschließen) lassen auch eo ipso nur eine nach 
Stunden zählende Versuchsdauer zu; aber gerade in der Chronizität der 
Einwirkung war es hier notwendig, die Verhältnisse der Praxis nachzu¬ 
ahmen. Es ergab sich also die Aufgabe, über die besonderen Resorptions¬ 
bedingungen bei fettiger Applikation einige Klarheit zu gewinnen, und 
ich möchte glauben, daß dies nicht so ganz unmöglich ist. 

Das fettige Medium durchdringt samt der gelösten Substanz das 
Stratum corneum und gelangt schließlich an die ersten lebenden Zellen 
der „Mittellagen“, deren Chole&terinhaut ebenfalls noch Lösungsmittel 
und gelösten Stoff gleichmäßig aufnimmt. Der hinter der Plasmahaut 


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gelegene, eine wässerige Eiweißgallerte darstellende Zelleib ist jedoch 
nur mehr für die ja auch wasserlösliche gelöste Substanz, nicht mehr aber 
für das wasserunlösliche fettige Solvens durchlässig. Wir wollen jene 
Hautebene, bis zu welcher wasserunlösliche Fettsubstanzen vorzudringen 
imstande sind, mit „Fettgrenzschicht“ bezeichnen, ein Ausdruck, der bei 
dem sukzessiven Verhornungsprozeß der Epidermiszellen keinen anato¬ 
misch genau faßbaren, sondern nur einen physiologischen Begriff darstellt. 

Wie aber liegen denn, genau betrachtet, die Verhältnisse bei wässeriger 
Applikation, bei dem Badeversuch ? Auch hier gelangt die Lösung durch 
die Horndecke hindurch an die „Mittellagen“. Auch hier vermag nur die 
(auch fettlösliche) gelöste Substanz weiter vorzudringen, während das 
Wasser zurückgehalten wird, dieses allerdings schon an der Außenseite 
der ersten funktionstüchtigen Plasmahaut. Wir kommen somit zu dem 
Schlüsse, daß „Fettgrenzschicht“ und „Wassergrenzschicht“ theoretisch 
nur um die unmeßbar geringe Breite einer Plasmahaut getrennt sind, 
und im übrigen ganz analoge Verhältnisse vorherrschen. 

Es lassen sich diese Verhältnisse im Prinzip wohl am besten durch 
folgende einfache Vorstellung erläutern. In einem Glase befinden sich 
eine Wasser- und eine Ölschicht übereinander. Was geschieht, wenn in 
einer der beiden Flüssigkeiten eine Substanz gelöst ist, für welche auch die 
andere Flüssigkeit die Eigenschaft eines Lösungsmittels besitzt ? Selbst¬ 
verständlich wird der gelöste Stoff durch Diffusion solange in die Nachbar¬ 
flüssigkeit übertreten, bis ein Lösungsgleichgewicht erreicht ist, welches 

, _ .. , . Öllöslichkeit . , _ _ _ . . , 

dem Teilungskoeffizienten —- . , . . entspricht. Der Unterschied 

Wasserlöslichkeit 

der beiden Applikationsweisen projiziert sich auf dieses Vorstellungs¬ 
schema einfach in der Weise, daß die betreffende Substanz im einen Fallo 
primär in Wasser, im anderen zunächst in Öl gelöst zu denken ist. 

Eine derartige Betrachtungsweise vermag wohl zu der Anschauung 
zu führen, daß auch bei der Anwendung fettiger Lösungen der Übertritt 
gelöster Stoffe ins Hautgewebe in osmotischen Vorgängen zu suchen ist 
und demnach zwischen den beiden in Frage stehenden Applikations¬ 
weisen ein prinzipieller physiologischer Unterschied nicht besteht. 

Doch ist noch zu berücksichtigen, daß die Diffusionsgeschwindigkeit 
in fettigem Medium infolge dessen höherer Viskosität (die innere Reibung 
des Olivenöls ist nach War bürg, Experimentalphysik, 87 mal so groß 
als die des Wassers) kleiner ist als in Wasser, und zwar natürlich um so 
geringer, je konsistenter, je talgartiger die Salbengrundlage ist. Dadurch 
entsteht die Gefahr, daß der Diffusionsstrom bald ins Stocken gerät, 
wenn die der „Fettgrenzschicht“ benachbarten Salbenpartien ihren ver¬ 
fügbaren Gehalt an gelöster Substanz abgegeben haben und die Nach- 
diffusion aus der salbengetränkten Hornschicht zu langsam von statten 
geht. Diesem Übelstand ist aber dadurch abzuhelfen, daß man die Kon¬ 
zentrationsverhältnisse bei fettigem Vehikel wesentlich höher bemißt. 
als in wässeriger Lösung. Infolge der Unmöglichkeit einer hydrolytischen 
Dissoziation ist bei Salbenanwendung auch eine Schwermetallkonzentration 
anwendbar, welche in wässeriger Lösung tiefgreifende Verätzungen des 


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Studien über die Resorption von Blei usw. 


Gewebes nach sich ziehen müßte. Im einzelnen kann selbstverständlich 
die Konzentration, welche einen dauernden Resorptionseffekt verbürgt, 
ohne die Haut zu schädigen, für wässerige wie für fettige Lösungen nur 
durch die Erfahrung ermittelt werden; indes gibt ja die therapeutische 
Empirie für diese Frage schon reichliche Anhaltspunkte. 

Bei der Behandlung der Applikationsweise erübrigt es sich noch, 
die Frage zu berühren, was eine Einmassierung gegenüber dem einfachen 
Auflegen oder Aufstreichen für Vorteile hat. Ganz zweifellos wird durch 
sie die Durchdringung des Stratum corneum wesentlich beschleunigt und 
erleichtert. Luftbläschen, die sich zwischen Haut und Salbe befinden, 
werden weggedrückt, die Salbe selbst in alle Winkel und Spalten der 
Horndecke mechanisch eingepreßt und wohl auch neue kleinste Läsionen 
geschaffen, in welche die Salbe sofort eindringt. Auch die Haarbälge und 
Drüsenausführungsgänge werden, soweit der Sekretnachschub es nicht 
verhindert, von der Salbenmasse erfüllt werden können. Dagegen liegen, 
wie bereits erwähnt, keine einwandfreien Tatsachen vor, welche eine Be¬ 
förderung der sich qualitativ anders verhaltenden interzellularen Re¬ 
sorption der tieferen Epithellagen durch die Massage sicherstellten. Wir 
sind deshalb wohl berechtigt zu sagen: Entscheidend für das per kutane 
Eindringen in den Körper sind allein die Löslichkeitsverhältnisse der re¬ 
sorptionsbestimmten Substanz; die Massage wird nur eine anfängliche 
Beschleunigung der Resorption herbeiführen. Es resultiert daraus die 
Folgerung, daß zwar die therapeutische Medizin, welcher es auf eine mög¬ 
lichst prompte Wirkung ankommt, sich kräftiger Einreibungen zu bedienen 
hat; daß dagegen bei langdauernder, ununterbrochener Berührung der 
Salbe mit der resorbierenden Haut eine Steigerung des Resorptionseffektes 
durch Massage sich nicht ergeben wird. Letzteres scheint aber, wie die 
unten beschriebenen Versuche zeigen, in der Tat der Fall zu sein. 

Der nächste Punkt, welcher bei Anstellung von Hautpermeabilitäts¬ 
versuchen zu beachten ist, besteht in dem sicheren Ausschluß einer Auf¬ 
nahme der zum Durchtritt bestimmten Substanz durch andere Re¬ 
sorptionswege. 

Um eine Aufnahme per os zu verhindern, welche sowohl durch di¬ 
rektes Belecken der eingeriebenen Hautstelle möglich wäre, als auch mittel¬ 
bar durch Beschmutzung der Pfoten bei Kratzversuchen, überhaupt durch 
Verunreinigung des Tieres und seiner Umgebung mit der aufgestrichenen 
Salbenmasse und nachheriges Lecken zu erfolgen vermöchte, sind zwei 
Wege gangbar: 

1. Man setzt den ganzen, mit Tüchern umwickelten Körper des Tieres 
in einen geschlossenen Kasten, aus welchem nur der Kopf herausragt 
(Abb. s. bei K. B. Lehmann, S. 137). 

2. Man legt über die bestrichene Hautstelle einen dichtschließenden, 
undurchdringlichen Verband, welcher die Bewegungsfreiheit der Tiere 
(oder auch des Menschen) nicht vollkommen aufhebt und vor allem auch 
ein unbehindertes Absetzen der Exkrete ermöglicht. 

Dieser letztere Weg ist bei länger dauernden Versuchen geboten, zumal 
wenn es nicht nur auf Beobachtung klinischer Vergiftungssymptome 
und den pathologisch-anatomischen Befund ankommt, sondern die Aus- 


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Scheidung der evtl, durch die Haut resorbierte^ Substanz in Harn und Kot 
quantitativ verfolgt werden soll; hierbei muß natürlich auch eine unmittel¬ 
bare Verunreinigung dieser Ausscheidung mit Salbenbestandteilen ver¬ 
mieden werden. Solcher „Verbandversuche“, an Mensch und Tier aus¬ 
geführt, sind bereits eine größere Anzahl in der Literatur beschrieben; 
indes besteht über die zweckmäßigste Art ihrer Anstellung noch keine 
Sicherheit, so daß ich auf die allgemeine Methodik derselben mit einigen 
Worten eingehen muß. 

Es handelt sich vor allem um die Frage: Darf der Verband völlig 
wasserdicht sein oder nicht? Juliusberg glaubt, daß unter einem 
impermeablen Verband die Haut Veränderungen ihrer Funktion erleidet, 
ohne daß es zu einem sichtbaren pathologischen Zustand zu kommen 
braucht. Schon eine dicke Wattelage sei nicht mehr als gleichgültig für 
die Hautfunktion aufzufassen. Demgegenüber ist es wohl an der Zeit, 
auf das Übertriebene solcher Ansichten, die in der früheren Überschätzung 
der Bedeutung der Hornschicht für das resorptive Verhalten der Haut¬ 
wurzeln, hinzuweisen. Es ist denkbar, daß bei absolut wasserdichtem 
Abschluß des Verbandes oder bei transpirierender Haut eine Auflockerung 
des Stratum corneum eintritt, welche das Vordringen der Salbe begünstigt 
und die Permeabilitätsgröße erhöht. Eine Veränderung der Hautfunktion 
im Sinne einer qualitativen Umstimmung ist jedoch nach den einführen¬ 
den Erörterungen auch hierbei für gewöhnlich nicht anzunehmen; tiefer¬ 
greifende Mazerationen aber, welche eine solche zur Folge haben könnten, 
indem sie den Schutzwall der „Mittellagen“ zerstörten, würden auf jeden 
Fall bemerkt werden und zum Verwerfen des Versuchsresultates führen. 
Nun ist indes nach meinen Erfahrungen in praxi die Gefahr einer solchen 
Epithelschädigung recht gering. So dicht ist wohl auch der sorgsamst 
angelegte Verband nicht, daß nicht die kleinen Wasserdampfmengen, 
welche durch die salbenbedeckte Haut perspirieren, durch kapilläre Maschen 
und Spalten entweichen könnten; und zu reichlicher Schweißsekretion 
geneigte Hautpartien braucht man ja nicht gerade zum Versuch zu wählen. 
Ich selbst habe mehrere Wochen hindurch ohne besonders lästige Gefühle 
einen Billrothbattistverband um den einen Unterschenkel getragen, 
dessen Ränder obendrein mit Collodium an die Haut angeleimt waren; 
nach seiner Entfernung schilferten nur die obersten Hornlamellen etwas 
ab, die Sensibilität war in der ursprünglichen Feinheit erhalten. Bei den 
Katzen, deren Körperhaut ja nahezu schweißdrüsenlos ist, konnte ich 
ebenfalls niemals auffällige Mazerationen, auch nicht mikroskopisch, ent¬ 
decken. i 

Ich bin auf diese Frage etwas ausführlich eingegangen, weil nach 
meiner Überzeugung nur eine wasserdichte Verbandeinlage bei Dauerver¬ 
suchen die Gewähr bieten kann, daß in der Zeit, in welcher das Tier in 
seinem Käfig ohne Aufsicht ist — und das ist doch zum mindesten die 
Nacht über der Fall — eine Herauslaugung der resorptionsbestimmten 
Substanz durch Beschmutzung des Verbandes mit Urin oder flüssiger 
Nahrung nicht stattfindet. Allein diese Vorsicht wird zu einer Farce, 
wenn nicht gleichzeitig eine entsprechende Sicherung der Verbandränder 
vorgenommen wird. Denn dort, am Hals- und Schwanzende des Verbandes, 


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Studien über die Resorption von Blei usw. 


besteht der besonders zu fürchtende Verdacht, daß zwischen Haut und 
innerster Verbandschicht Salbenpartikel nach außen gelangen. Die große 
Biegsamkeit ihrer Wirbelsäule befähigt gerade Katzen gut dazu, diesen 
Spalt zu leichtem Klaffen zu bringen. Besonders gefährlich sind psychische 
Exaltationszustände, in welchen die Tiere die tollsten Verrenkungen 
ihres Körpers vornehmen; deswegen also dürfen, um es zu wiederholen, 
nur an das Tragen von Verbänden gewohnte Tiere zu den Versuchen 
benutzt werden. Von den übelsten Folgen kann es auch sein, wenn die 
Tiere unter dem Verbände allmählich herausmagern; es ist deshalb nötig, 
fortlaufend zu kontrollieren, ob bei gewöhnlicher Haltung des Rumpfes 
die Verbandränder noch gut schließen, und gegebenenfalls rechtzeitig die 
Bindentouren straffer anzuziehen. Dabei muß man anderseits daran denken, 
daß zu enge Wickelung Atmung und Verdauung beeinträchtigt und zu 



Fitf. 2. Schichten eines Bleisalbenverbandes an der Katze (schematisch). 

1 = Haut. 4 — Kompresse. 7 = Gelatinefolie. 

2 — Haare. 5 Watte. 8 — Mullbinden touren. 

3 — Salbe. 6 — Billrotl)oattist. 9 = Gefütterter Mantel. 

weiterer Abmagerung führt, welche dann fälschlicherweise auf Rechnung 
der Resorption gesetzt wird. Bei meinen Blei-Versuchskatzen habe ich 
eine besonders intensive Randdichtung dadurch erzielt, daß ich über die 
Billrothbattistschicht die Haare ringsherum zurückschlug und in dieser 
Lage durch Kollodiumverklebung fixierte (s. Fig. 2). Den besten Außen¬ 
abschluß des Verbandes bildet ein mit Löchern zum Durchtritt der Vor¬ 
derpfoten versehenes, am Rücken zuschnürbares Mäntelchen. Ich habe 
solche in verschiedenen Größen aus einer inneren Wollstoff- und äußeren 
Wachstuchschicht hersteilen lassen, zwischen welche ein dünnes Eisen¬ 
drahtgitter zur Versteifung eingenäht wurde; so konnte man den Katzen 
gleichzeitig das gefährliche „Buckeln“ stark erschweren. 

Eine orale Aufnahme der auf ihre Hautdurchgängigkeit zu prüfen¬ 
den Substanz ist indes nicht nur durch mangelhaften Abschluß des Ver- 


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J 







Von Dr. med. Philipp Süßmann. 191 

bandes, sondern unter Umständen auch durch fernerliegende Zufälligkeiten 
möglich. 

Die Emaillierung blecherner Futternäpfe enthält Blei; deshalb fütterte 
ich stets aus reinen Porzellangefäßen, welche, wie Versuche zeigten, kein 
Blei abgeben. Tierische Leber, in welcher stets Metallspuren vorhanden 
sein können, wurde während der eigentlichen Versuchdauer von mir nicht 
verabreicht. Auch in die menschliche Kost können in unvorhergesehener 
Weise enorme Bleimengen geraten, wie die Schilderung des-an mir vor¬ 
genommenen Selbstversuchs zeigen wird. 

Wesentlich für das Gelingen von Verbandversuchen an Tieren ist 
auch der Käfig, in dem letztere gehalten werden. Nur Einzelkäfige dürfen 
verwendet werden, welche einen sicheren Abfluß des Urins sowie eine 
leichte Entfernung des abgesetzten Kotes gestatten. 



Ich selbst habe keine Metall- sondern Holzkäfige verwendet, um nicht 
Gefahr zu laufen, in die abgekratzten Kotmassen bleihaltige Emailsplitter, 
Bleilotpartikel oder amalgamierte Zinkblechschabsel zu bekommen. Die 
Decke und drei Seiten sind aus massivem Holz; nur die nach vorn sich 
öffnende Türe besteht aus Holzstäben. Der Lattenboden (von der Größe 
60 X35 cm) ist herausnehmbar; darunter befindet sich der Urinablauf, 
dessen mit dem Harn in Berührung kommende Flächen aus Glas bestehen. 
Er läßt sich zur Reinigung gleichfalls herausziehen und die Glasteile •— 
2 rechteckige Platten, 1 Mittelrinne, 1 aus einem langen Glasstabe zurecht¬ 
gebogene Spreizvorrichtung — sind einzeln abhebbar. In Fig. 3 sind diese 
Glasteile in ihrer gegenseitigen Lage, aber ohne den Holzrahmen, auf dem 
sie aufliegen, gezeichnet. Dessen Querschnitt, sowie die Art der Einfügung 
in den Käfig ist aus den Fig. 4 und 5 des unten beschriebenen Quecksilber- 
Resorptionskastens zu ersehen, wo nur die Größenmaße andere sind. 
Aus der Mittelrinne fließt der Urin in ein starkwandiges Becherglas von 
fast 11 Fassungsvermögen, in welchem sich ein großer Thymolkristall 
Archiv für Hygiene. Bd. 90. 13 


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Studien über die Resorption von Blei usw. 


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zur Verhinderung der Zersetzung befindet. Fester Kot bleibt gewöhnlich 
auf dem Lattenboden liegen, halbflüssiger fließt zum Teil hinunter auf 
den Urinablauf, wird aber nur ganz selten in das Sammelgefäß mit fort¬ 
gerissen, so daß die Trennung von Kot und Urin fast ausnahmslos ohne 
Mühe gelingt. 

Ich möchte die Schilderung dieser unkomplizierten Verbandversuche 
nicht beschließen, ohne die Wichtigkeit hervorgehoben zu haben,, die der 
ununterbrochenen Beobachtung der Tiere zuzumessen ist. Nur wenn der 
Experimentator selbst täglich und stündlich die Tiere vor Augen hat, 
ist er in der Lage, sich über ihren Zustand ein richtiges Bild zu machen. 
Ich habe deshalb die Unannehmlichkeiten, die manchmal aus dem Geschrei 
der Katzen und dem Geruch ihres frisch entleerten Kotes erwuchsen, in 
Kauf genommen und die ganzen Versuche in meinem gewöhnlichen Ar¬ 
beitsraum durchgeführt. 

Eine erhebliche Erschwerung des Experimentes kommt zustande, 
wenn der zur Salbe verarbeitete, resorptionsbestimmte Körper schon 
bei gewöhnlichen Temperaturen flüchtig ist, wofür die graue Quecksilber¬ 
salbe das beste Beispiel abgibt. Hier gilt es noch, durch sicher wirkende 
Maßnahmen die Gefahr einer Inhalation der betreffenden Substanz, 
in diesem Falle also der Quecksilberdämpfe, auszuschließen. 

Nun wird ja ein wasserdichter Verband, wie er in Fig. 2 abgebildet 
ist, vermutlich das Entweichen von Dämpfen stark erschweren, wenngleich 
die durch ihn bedingte Erwärmung der Haut und der Salbenmasse die 
Tension etwas erhöhen muß. Bei länger dauernden Versuchen kann in¬ 
dessen eine sichere Gewähr nicht übernommen werden, daß nicht, zumal 
an den Verbandrändern, kleine Dampfmengen in die Außenluft und dann 
schließlich auch in die Lunge gelangen. Es tritt hinzu, daß der Verband 
während des Aufstreichens oder gar während des Einreibens der Salbe, 
wo die Verdampfungsbedingungen besonders günstig sind, als Schutz 
überhaupt nicht in Betracht kommen kann. Fleischer hat deshalb seine 
Versuchsperson während der Einreibeprozedur durch eine Waldenburg- 
sche Ventilmaske Luft aus dem Freien atmen, Juliusberg eine Art 
Gasmaske benützen lassen, welche die gefährlichen Dämpfe zurückhielt. 
In Tierversuchen hat sich letzterer sogar der Tracheotomie bedient, um 
während der ganzen Versuchsdauer durch eine Rohrleitung reine Luft 
einatmen lassen zu lönnen. Für Dauerversuche an Tieren, wie ich sie 
beabsichtigte, war keiner dieser Wege gangbar; dichtschließende Masken 
sind Tieren ja wohl überhaupt nicht recht anzupassen, werden auch stets 
wieder abgerissen werden, und die Tracheotomie-Atmung mit der dazu 
nötigen vollkommenen Fesselung wird im höchsten Falle ein paar Tage 
lang ertragen. 

Dagegen schien mir eine Umkehrung der Verhältnisse des Lehmann - 
sehen Versuchskastens (s. S. 188) der weiteren gedanklichen Verfolgung wert 
zu sein, derart nämlich, daß der Kopf des Tieres in ein geschlossenes, 
von reiner Luft erfülltes Gehäuse eingezwängt würde, während der ganze 
Körper für alle vorzunehmenden Prozeduren frei zugänglich wäre. 

Für die praktische Durchführung dieser Idee kam mir eine von Ge¬ 
heimrat Lehmann und Prof. Lang konstruierte Apparatur gut zustatten, 


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193 


Von Dr. med. Philipp Süßmann. 

welche im Hygienischen Institut seit einigen Jahren zu quantitativen 
Studien über Staubinhalation in Verwendung steht. Ohne daß ich mich 
in Details verlieren will (die zumeist aus den Fig. 4 und 5 ersehen werden 
können), sei die Vorrichtung, welches das schließliche Ergebnis der Über¬ 
legung war, beschrieben. 

Der wesentlichste Teil ist der zentrale Atmungsraum (A), dessen kurze, 
sich gegenüberliegende Seitenwände kreisförmige Löcher zum Durchstecken 
der Katzenköpfe besitzen. Mittels Flügelschrauben können vor diese Öff¬ 
nungen halbkreisförmig ausgesägte Bretterpaare (B) aufgesetzt und die 
ersteren dadurch konzentrisch verengt werden. Auf diese Weise wird 
der Hals der Tiere wie in einem spanischen Kragen gefaßt[undjder Kopf 
am Zurückziehen gehindert. Die Luftzufuhr geschieht durch eine die 



Fta. 4. Hautresorptions* Versuchskäfig für flüchtige Substanzen. 


Decke durchbohrende Rohrleitung; mit einer Motorpumpe werden minüt¬ 
lich 2 bis 3 1 reiner (aus dem Freien kommender), leicht vorgewärmter 
und in konzentrierter Schwefelsäure getrockneter Luft den Tieren un¬ 
mittelbar vor die Nase geblasen. (Daß keine Schwefelsäuretröpfchen mit¬ 
gerissen werden, davon überzeugte ich mich mehrfach durch Aziditäts¬ 
prüfung des T-förmigen Luftausstoßrohres und der Kastenwände.) Zum 
Entweichen bleibt der Luft für gewöhnlich kein anderer Weg als der enge 
Spalt zwischen den Katzenhälsen und dem „spanischen Kragen“. Der¬ 
art wird ein Eindringen von Außenluft in den Kasten so gut wie unmöglich 
gemacht und jede weitere Dichtung des Kragens, welche die Tiere gewiß 
sehr schwer ertragen würden, kann unterbleiben. Die Vorderwand des 
Raumes besteht aus einer eingekitteten Glasplatte, durch die abschraub¬ 
bare Rückwand erfolgt die Fütterung. 

Die Tiere stehen auf dem herausnehmbaren Lattenboden (L), auf 
welchem der abgesetzte Kot im allgemeinen liegen bleibt, während der 

13 * 


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194 Studien über die Resorption von Blei usw. 

Harn zum Urinablauf ( U) hinunterfließt (vgl. auch Fig. 3), der ihn zum 
Sammelgefäß (iS) fortleitet. (Letzteres ist für gewöhnlich von einem Schutz¬ 
kasten überdeckt.) Wird der Lattenboden (' L ) zur Reinigung entfernt, 
so kommt das Tier für kurze Zeit auf, das Interimsbrett I zu stehen. Das 
gleiche geschieht bei Einreibungen, wobei die ganze Unterlage noch durch 
eine breite Lage Packpapier vor aller Verunreinigung geschützt wird. 



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Fig. 5. Projektionsquerschnitt durch den linken Seitenkasten (S) 
mit Durchsicht auf den „spanischen Kragen“. 

(Die schraffierten Teile sind ln Aufsicht gesehen. Das obere aus¬ 
gesägte Brettchen (B) ist entfernt und dahinter die Seitenwand 
des Atmungsraumes (A) mit der größeren Kreisöffnung sichtbar.) 

Die beiden Seitenkästen (K) können über die Tierkörper geschoben 
und durch Klavierhaken unverrückbar festgehalten werden; sie verhin¬ 
dern alle gewaltsamen Befreiungsversuche, welche den Tieren nur Schmerzen 
verursachen. und den Versuch beeinträchtigen würden. Sie ermöglichen 
es weiterhin, den Rumpf der Katzen in einer Gürtelschlinge (G) leicht 


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Von Dr. med. Philip]) Süßinann. 

aufzuhängen. (Um den Gürtel unter den Tieren durchziehen zu können, 
ist ein Teil der Oberwand der Seitenkästen ( K) als Scharnierdeckel gestal¬ 
tet; die Fixierung des freien Gürtelendes geschieht durch bloßes Ein¬ 
klemmen unter die Scharnierseite des geschlossenen Deckels.) Dadurch 
wird eine Beschmutzung des Verbandes mit Urin und Kot sicher ausge- 
schaltet, anderseits den Tieren Gelegenheit gegeben, die Beine zu entlasten 
und wie in einem Tragbande auszuruhen. 

Wie bereits hervorgehoben, gelingt es, was zunächst fast unmöglich 
scheinen möchte, Katzen wochenlang ununterbrochen in diesem Käfige 
eingesperrt zu halten, ohne daß ihre Freßlust nachzulassen braucht. Die 
Exkrete können mit leichter Mühe quantitativ gesammelt werden. Eine 
direkte Verunreinigung derselben mit Salbenmasse kann durch einen 
entsprechend dichten Verband in Verbindung mit der Gürtelschlinge (6) 
vermieden werden, orale Aufnahme von Salbenbestandteilen ist von vorn¬ 
herein ausgeschlossen. Einströmen von Außenluft in den Atmungsraum 
ist in höchstem Maße unwahrscheinlich; völlige Sicherheit über den Aus¬ 
schluß einer Inhalation kann dadurch gewannen werden, daß man, wie 
ich es getan habe, nur die eine Katze mit Einreibungen behandelt und die 
andere als Kontrolltier verwendet. 

Es erübrigt noch, mit einigen Worten auf die Sektionstechnik einzu¬ 
gehen, die nach Beendigung des Versuchs und Tötung des Experimental¬ 
tieres Platz greifen muß. Hier ist die Gefahr, daß durch Beschmutzung 
der Hände und Instrumente mit der die Haut bedeckenden Salbenmasse 
das Metall, auf welches sich die folgende chemische Analyse erstreckt, 
in die inneren Organe verschleppt und somit eine Erhöhung der Metall¬ 
speicherung im Körper vorgetäuscht würde, durch besondere Vorsichts¬ 
maßregeln zu vermeiden. 

Ich bin stets so vorgegangen: Das Tier wurde auf eine Unterlage von 
Packpapier, Rücken nach unten, flach ausgespannt, die Haut durch einen 
Y-förmigen Schnitt vom Halse bis zur Symphyse und von da beiderseits 
bis zum Sprunggelenk durchtrennt. Dann wurde der Tierkörper in toto 
aus dem Fell, dessen Haarseite von einem Gehilfen stets nach abwärts 
gedrückt wurde, herauspräpariert, wobei der ganze Schultergürtel bei 
dem Balge verblieb, und endlich die Unterschenkel und die Haut des 
Halses durchschnitten. Der von der Haut — mit Ausnahme derjenigen 
des Kopfes — befreite Körper konnte jetzt für sich allein auf einem Se¬ 
zierbrett gefahrlos geöffnet werden. 

Damit sind wir mit der Besprechung der Versuchsanordnung zu Endo 
gekommen. Bevor jedoch die von mir ausgeführten Versuche selbst ge¬ 
schildert werden können, ist es notwendig, die eingeschlagene Methodik 
der quantitativen Blei- und Quecksilberanalyse der Betrachtung zu unter¬ 
ziehen. 

III. Gang der chemischen Analyse. 

1. Mineralisierung. 

Vorbedingung jeder Isolierung von Metallen aus Teilen oder Exkreten 
lebendiger Organismen ist die Zerstörung organischer Bindungen und die 
Überführung der Metalle in die Ionenform. An) radikalsten und mit den 


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Studien über die Resorption von Blei usw. 

geringsten Kosten geschieht dies durch die Verbrennung; man wird sich 
derselben stets bedienen, wenn die Gefahr einer Verflüchtigung des Metalles 
nicht vorliegt. 

Beim Blei ist, wie jahrelange Untersuchungen im Hygienischen 
Institut und auch meine eigenen Vorversuche wieder gezeigt haben, ein 
Verlust nicht zu befürchten, wenn die Substanz vor der Verbrennung 
mit Schwefelsäure durchfeuchtet und die Verkohlung bei kleiner Flamme 
vorgenommen wird; in die verkohlte Masse gibt man dann noch ein wenig 
konz. Schwefelsäure und kann nun die Temperatur langsam steigern, 
bis eine hellgraue, kohlearme Asche erhalten wird. Nur bei achtlosem 
Arbeiten kann es Vorkommen, daß Bleiverbindungen durch die Wirkung 
der feinverteilten Kohle zu elementarem Metall reduziert werden und letz¬ 
teres verdampft (Siedepunkt 1470° C). 

Anders beim Quecksilber, dessen Verbindungen bei Rotglut 
sämtlich zersetzt werden und das Quecksilber als metallischen Dampf 
entweichen lassen, wenn sie nicht schon vorher in toto fortsublimieren. 
Hier muß die Sprengung der organischen Bindungen auf feuchtem Wege 
erfolgen. Von den Verfahren, welche zu diesem Zwecke allgemeiner ge¬ 
bräuchlich sind, lassen sich für größere Substanzmengen nur zwei verwen¬ 
den: die Chlorierungsmethode mit Kaliumchlorat in salzsaurer Lösung 
nach Fresenius-Babo und die Säuregemisch Veraschung nach Neu- 
mann. Auf die letztere mußte wegen des durch die Kriegsverhältnisse 
bedingten Mangels an konz. Salpetersäure verzichtet werden, obgleich 
sie ein von organischer Substanz vollkommen freies Endprodukt liefert 
und darum den Vorzug vor dem Chlorierungsverfahren verdient. Die 
Gefahr eines Absublimierens von Merkurichlorid ist bei letzterem, wie mich 
einige in offener Porzellanschale vorgenommene Probeversuche lehrten, 
nicht erheblich (10% Verlust bei östündiger Digerierung); man nimmt ja 
wohl an, daß das Quecksilber in der Lösung größtenteils überhaupt nicht 
in der Form des Sublimats, sondern in der des bei Siedetemperatur un¬ 
flüchtigen komplexen Kaliumquecksilberchlorids enthalten ist. Immerhin 
wird man im allgemeinen die Chlorierung im Rundkolben mit aufgesetztem 
Kühlrohr vor sich gehen lassen. 

2 . Bleibestimmung. 

Prinzip: Aus der essigsauren Lösung der Asche wird das Blei durch 
H 2 S gefällt; ein vorheriger Zusatz von Cu-Salz zur Lösung (nach G. Meil- 
lere) bewirkt, daß auch die kleinsten Bleispuren mit dem reichlich aus¬ 
fallenden CuS mitgerissen werden. Lösung des Niederschlags in Salpeter¬ 
säure, Ersatz derselben durch konz. H 2 S0 4 . Das abfiltrierte PbS0 4 wird 
in Ammonazetat gelöst und das Blei aus dieser Lösung als Chromat ge¬ 
fällt. Dieses kann in Anlehnung an das Verfahren von Beck, Löwe 
und Stegmüller jodometrisch bestimmt werden. 

Ausführung: Organe und Kot von Tieren werden in einer Schale 
aus Porzellan (oder immer besser aus geschmolzenem Quarz) mit so viel 
ccm 25proz. Schwefelsäure übergossen, als ihr Gewicht in Grammen be¬ 
trägt, einige Tage stehen gelassen, bis alles zunderartig erweicht ist, und 


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Von Dr. med. Philipp Süßmann. 


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dann zu einem Brei verrührt. Menschliche Faeces werden auf eine mit 
weißem Papier überdeckte flache Porzellanschale (35 X 25 cm) entleert 
und mit einem Porzellanspatel zu dünner Schicht ausgestrichen, dann im 
Warmluftstrom (Faust-Heimscher Apparat oder einfacher Fön, der 
in eine mit Abzugsrohr versehene Kiste eingebaut wird) 3 bis 5 h lang 
getrocknet, mitsamt der Papierunterlage in Streifen zerschnitten und in 
einer Porzellanschale in so viel 25proz. Schwefelsäure eingeweicht, als 
der dritte Teil des frischen Kotgewichtes in Grammen betrug. Urin wird 
in einer Porzellanschale mit 2 bis 3 Volumprozent konz. Schwefelsäure 
versetzt und auf dem Wasserbad bis zur Sirupdicke eingedampft. 

Die Schalen werden dann zunächst auf dem Drahtnetz, später über 
kleiner freier Flamme erwärmt und der Inhalt, wie oben beschrieben, 
zu Asche verbrannt. Diese wird mit verdünnter Salpetersäure digeriert, 
filtriert und der noch etwas Kohle enthaltende Rückstand nach neuerlicher 
Befeuchtung mit Schwefelsäure in einem kleinen Quarzschälchen völlig 
verascht. Dann wird mit etwas warmem Königswasser aufgenommen, 
nach dem Verdünnen filtriert und der Rückstand — sofern es sich nicht 
nur um Spuren handelt — nach dem Verbrennen des Filters im Porzellan¬ 
schmelztiegel mit der etwa sechsfachen Menge Pottasche-Sodagemisch ge¬ 
schmolzen, die Schmelze in verdünnter warmer Salpetersäure gelöst und 
zu den vereinigten Filtraten gegeben. 

Nun fügt man in der Hitze konz. (50proz.) Ammonazetatlösung 
in starkem Überschüsse hinzu (Kontrolle mit Kongopapierl) wobei sich 
ein großer Teil des gelösten Kalkes wieder ausscheidet, und erhält 10 min 
im Kochen, filtriert dann durch ein mittelgroßes Faltenfilter und wäscht 
3 bis 4 mal mit verdünnter heißer Ammonazetatlösung nach, engt endlich 
die Flüssigkeit auf ca. 200 ccm ein. Fällt im Laufe der nächsten 24 h 
noch etwas Gips aus, so hält man ihn in einem kleinen quantitativen 
Filter zurück. Nach Zugabe von 1 ccm einer 4proz. Kupferchloridlösung 
(=15 mg Cu) leitet man lh lang Schwefelwasserstoff ein, läßt bis zum 
nächsten Tage absitzen und filtriert unter gründlichem Nachwaschen; 
das Waschwasser darf mit Ammonoxalat keine Kalkreaktion mehr geben. 
Filter samt Inhalt wirft man in verdünnte Salpetersäure, löst die Sulfide 
in der Hitze, verdünnt mit Wasser und filtriert von Papierfasern und aus¬ 
geschiedenem Schwefel ab. Das Filtrat wird in einen Kjeldahlkolben 
von 200 ccm Fassungsvermögen gegeben und 10 ccm konz. Schwefelsäure 
nachgegossen. Der Kolben wird bei anfänglich nicht zu großer Flamme 
auf dem Sandbade erhitzt. Um die Einengung der Flüssigkeit zu be¬ 
schleunigen und gleichzeitig das gefährliche Stoßen zu verhindern, leitet 
man durch ein in den Kolben eingehängtes Glasrohr einen kräftigen Ge¬ 
bläseluftstrom unmittelbar über den Spiegel der Lösung. Wenn dicke 
Schwefelsäurenebel durch den Kolbenhals entweichen, ist die Vertreibung 
der Salpetersäure beendet. 

Nach dem Erkalten fügt man langsam unter Umschwenken 10 ccm 
Wasser hinzu und erhitzt vorsichtig über freier Flamme, um ev. ausgefallene 
Spuren von wasserfreiem Ferrisulfat (die eine Bleifällung Vortäuschen 
könnten) in Lösung zu bringen; verdampftes Wasser ist wieder zu ergänzen. 
Jetzt läßt man noch 15 ccm 96proz. Alkohol zufließen und kann an der 


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Studien über die Resorption von Blei usw. 


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Intensität der weißen, aus reinem Bleisulfat bestehenden Fällung die 
Menge des vorhandenen Bleis schon einigermaßen abschätzen. Nach ein 
paar Stunden sammelt man das Bleisulfat auf einem festgestopften As¬ 
bestfilter von der Art eines Allihnschen Röhrchens (Durchmesser nicht 
Uber 1 cm), das auf eine Saugflasche aufgesetzt ist, und wäscht zweimal 
mit 70proz., 5% Schwefelsäure enthaltendem Alkohol, dann zweimal 
mit 96proz. Alkohol nach. 

Nach dem Wechsel der Saugflasche bringt man in den Kjeldahl- 
kolben etwa 10 ccm Wasser, läßt einmal aufkochen, schwenkt ordentlich 
um und schickt die Flüssigkeit durch das Filter. Die Menge der nunmehr 
zu verwendenden Ammonazetatlösung richtet sich nach der Masse des 
Bleisulfatniederschlages, da bei starkem Überschuß an Ammonsalz durch 
chromsaure Salze keine Bleifällung zustandekommt. Ist weniger als 1 mg 
Blei zu erwarten, so müssen 2 bis 3 ccm lOproz. Lösung genügen, bei 
größerem Bleigehalt kann man entsprechend mehr und konzentriertere 
Lösung verwenden. Man löst damit zunächst alle an den Wänden des 
Kjeldahlkolbens haften gebliebenen Bleisulfatspuren auf, und gießt 
sodann die heiße Lösung — nach Abstellung der Säugpumpe -— auf den 
Niederschlag im Filter, dessen Auflösung man durch leichtes Aufwirbeln 
der obersten Asbestlage beschleunigen kann. Nach etwa 5 min saugt man 
durch und spült Kjeldahlkolben und Filter zweimal mit heißem Wasser 
nach. Nach der Abnahme des Filterröhrchens kann ein Tropfen aufge¬ 
brachte Ammonsulfidlösung davon überzeugen, daß wirklich alles Blei 
ausgewaschen wurde. Das klare farblose Filtrat von 30 bis 40 ccm Vo¬ 
lumen wird in ein Erlenmeyerkölbchen übergeführt. 

Jetzt gibt man 3 Tropfen einer 5proz. Kaliumchromatlösung zu 
und läßt den entstehenden Bleichromatniederschlag -— dessen Menge uns 
nebenbei wiederum ein Schätzungsurteil über den Bleigehalt ermöglicht 
— am besten bis zum nächsten Tage absitzen. Die überstehende Flüssig¬ 
keit muß deutlich gelb gefärbt sein, andernfalls hat weitere Chromat¬ 
zugabe zu erfolgen. Nun wird wiederum durch ein Allihnsches Filtrier¬ 
röhrchen filtriert und Erlenmeyerkölbchen und Filter dreimal mit stark 
verdünnter Ammonazetatlösung ausgewaschen. Ein an der Kölbchenwand 
haften bleibender feiner Überzug von Bleichromat braucht nicht quanti¬ 
tativ abgekratzt zu werden, man bringt die Reste vielmehr zuletzt zur 
Auflösung, indem man 5 ccm 2,5proz. Salzsäure („reine" Salzsäure vom 
spez. Gew. 1,124, lOfach verdünnt) in das Kölbchen bringt und erwärmt. 
Dann gießt man die gleiche Säure •—• nach Wechsel des Saugglases und Ab¬ 
stellung der Pumpe — auf das Asbestfilter und bringt das darauf gesammelte 
Bleichromat ebenfalls zur Lösung. (Sollte bei größeren Niederschlägen 
die Säuremenge nicht ausreichen, so kann unbedenklich mehr in Verwen¬ 
dung genommen werden; Umrühren mit dem Glasstab tut wieder gute 
Dienste.) Zum Schlüsse wird durchgesaugt und mit heißem Wasser Kölb¬ 
chen und Filter gründlich nachgewaschen. 

In dem bei Anwesenheit von Blei gelblich gefärbten Filtrate befindet 
sich das Blei als Chlorid; die vorher an das Blei gebundene Chromsäure 
ist jetzt frei in Lösung: 


PbCr0 4 

207,1 


+ 2 HCl = PbCI 2 -f 


H 2 (>0 4 
118,0 ‘ 


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Von Dr. med. Philipp Süßmann. 199 

Chromsäure vermag aber Jodwassei stoff quantitativ zu freiem Jod 
zu oxydieren: 

+6 HCl + 3JK = Cr Cl 3 + 3 KCl + 4H,0 + 

207,1 g Blei entsprechen also 380,76 g Jod (oder 118 g Chromsäure = 147,1 g 
Kaliumbichromat), oder lg Blei entspricht 1,8385g Jod (bzw. 0,7103g 
Bichromat). 

Die Natriumthiosulfatlösung, mit welcher das frei gewordene Jod 
titriert werden soll, wird demnach am besten mit einer Jodlösung, die 
1,8385 g im Liter enthält (oder der gleichwertigen Bichromatlösung) aus¬ 
geglichen; in 1 1 müssen sich dann theoretisch 3,5957 g (Na 2 S 2 0 3 -f-5 H 2 0) 
befinden. 1 ccm dieser Lösung ist genau gleich 1 mg Blei. 

Praktisch gestaltet sich das maßanalytische Verfahren folgendermaßen: 
Die Lösung, deren Volum etwa 30 ccm beträgt, wird in ein Erlcnmeyei - 
kölbchen übergespült und mit 1 ccm verdünnter Salzsäure (spez. Gew. 
1,06) sowie ein paar Körnchen Jodkali versetzt. Dann wird sofort, um 
eine Luftoxydation des Jodwasserstoffs auszuschließen, Kohlensäure in 
das Kölbchen eingeleitet und ein Gummistopfen aufgesetzt. Nach 5 min 
ist die Umsetzung beendet; die Titrierung soll dann auch baldigst unter 
Verwendung von löslicher Stärke als Indikator erfolgen. Bei größeren 
Bleimengen kommt es nach der Jodkalizugabe nicht selten zu einer Aus¬ 
scheidung von Jodblei; durch tropfenweise Zugabe einer starken (50proz.) 
Ammonazetatlösung bringt man dieselbe wieder zum Verschwinden, 
muß aber nachher solange Salzsäure zufügen, bis — unter Kontrolle von 
Kongopapier — wieder eine kräftige mineralsaure Reaktion vorhanden ist. 

Die Genauigkeit des titrimetrischen Verfahrens ist eine vollkommen 
ausreichende. Kontrollanalysen ließen mir Bleimengen von Y 20 m S noch 
deutlich erkennen, und ich zweifle nicht, daß die Empfindlichkeit der 
Reaktion durch Verwendung einer verdünnteren Thiosulfatlösung noch 
gesteigert werden könnte. Auch der ganze geschilderte Gang der Analyse 
hat sich mir recht gut bewährt; zu Harn und Kot zugesetzte Bleimengen 
wurden stets restlos wiedergefunden. Sehr wichtig ist, daß das Blei im 
Laufe der Analyse zweimal (als Sulfat und Chromat) in der Form eines 
unzweideutigen Niederschlags erhalten wird und geschätzt werden kann, 
so daß man nicht Gefahr läuft, etwas Analysenfremdes zu titrieren. Hat 
man sich auf die Methode einmal spezialistisch eingerichtet, so macht 
auch die Ausführung keine sonderliche Mühe mehr, man vermag dann 
leichtlich ein halbes Dutzend Bestimmungen nebeneinander laufen zu 
lassen. 

Zum Schlüsse braucht wohl kaum eigens hervorgehoben zu werden, 
daß alle verwendeten Chemikalien und Gerätschaften (Kjeldahlkolben!) 
auf Bleifreiheit resp. Fehlen jeglicher Bleiabgabe geprüft wurden. 

3. Queoksilberbestimmung. 

Der quantitative Nachweis von Quecksilberspuren in größeren Mengen 
organischer Substanzen ist nicht allein durch die Zersetzlichkeit und Flüch¬ 
tigkeit der Salze, sondern auch dadurch erschwert, daß die unkomplizierten 


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200 Studien über die Resoiplion von Blei usw. 

Ionenreaktionen — mit Ausnahme der Sulfidfällung — nicht zu voll¬ 
kommen unlöslichen, charakteristischen Niederschlägen führen. Man 
hat zwar versucht, gerade die leichte Verdampfbarkeit des Metalls zur 
Analyse auszunutzen, indem man die getrocknete Substanz im Verbren¬ 
nungsrohr mit Kupferoxyd glühte und die Verbrennungsgase in eine das 
Quecksilber zurückhaltenden Vorlage einleitete (August Meyer); eine 
Nachprüfung dieser Methode, die ich vorgenommen habe, ergab aber, 
daß sie viel zu umständlich ist und zu vieler Wartung bedarf, um in größe¬ 
rem Umfange praktisch verwendbar zu sein. Man wird demnach um die 
Zerstörung der organischen Substanz auf feuchtem Wege nicht herum- 
* kommen. Die Chlorierung macht indes eine Fällung des Metalles durch 
H 2 S so gut wie unmöglich; bei der zur Niederreißung von Spuren auch 
bei Kupferzusatz (nach Raaschou) nötigen Abstumpfung der Säure 
fallen unvollkommen zerstörte organische Körper aus, Reste von freiem 
Chlor und Chlorat führen zu einer Abscheidung von Schwefel — es kommt 
so zu einem schlecht absitzenden, schlecht filtrierenden Niederschlag, 
dessen weiterer Verarbeitung die größten Schwierigkeiten im Wege stehen. 
Man ist also auf die Ausbeutung anderer Eigenschaften des Quecksilbers 
für seine Isolierung angewiesen. Von den Bestimmungsmethoden, welche 
tatsächlich praktische Verwendungsmöglichkeit haben, kommen für ge¬ 
naue quantitative Ermittelung zwei Arten in Betracht: 

l! die Amalgamierungsverfahren, 

2. die Elektrolyse 1 ). 

Die Amalgamierungsmethoden, in der Weise ausgeführt, daß 
die quecksilberhaltige Flüssigkeit mit elementarem Kupfer, Zink, Messing, 
Silber oder Gold in ausgiebige Berührung gebracht wird, wobei sich das 
Quecksilber quantitativ auf der Oberfläche des betreffenden Metalles 
niederschlägt und mit demselben legiert, spielen in den älteren Arbeiten 
die Hauptrolle. Die ausgearbeiteten Verfahren haben fast sämtlich den 
Vorzug, unschwer ausführbar zu sein und eine vollkommene Abscheidung 
des Quecksilbers zu gewährleisten, die Schwierigkeiten treten erst auf, 
wenn es sich um die zahlenmäßige Bestimmung der niedergeschlagenen 
Quecksilbermengen handelt. Diese müssen durch Destillation von dem 
fixen Metalle getrennt werden, wobei entweder die Gewichtsabnahme des 
Destillationsobjektes (Goldamalgamierröhrchen von Schuhmacher- 
Jung) oder die Gewichtszunahme einer Kühlvorlage (Kapillaren von 
Ludwig und Winternitz) dem vermuteten Quecksilber gleichgesetzt 
wird. Hier befriedigt keine der zahlreich vorgeschlagenen Einzelmethoden, 
weil entweder die Masse des mitgewogenen Ballastes zu groß ist, um Queck¬ 
silbermengen von wenigen Zehntelmilligrammen noch mit Sicherheit 
zu bestimmen, oder Gefahr besteht, daß die gewogene Vorlage nach kräf¬ 
tigem Erhitzen noch etwas anderes als Quecksilber (z. B. Zink, dessen 

1) Erst beim Abschluß meiner Untersuchungen stieß ich auf die Arbeiten 
von Lomholt, der nach vollständiger Mineralisierung mit rauchender Salpeter¬ 
säure und Kaliumpermanganat das Quecksilber mit Kupfer zusammen als Sulfid 
fällt und die gelösten Sulfide zuletzt (wie ich) der Elektrolyse unterzieht und 
zwar bei ganz niederer Stromspannung, bei welcher das Kupfer nicht abge¬ 
schieden wird. 


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Von Dr. med. Philipp Süßmann. 201 

Siedepunkt bßi 900° C liegt), bzw. nach zu vorsichtiger Destillation nicht 
alles Quecksilber enthält. 

Infolgedessen scheint sich die elektrolytische Bestimmungs¬ 
methode zahlreiche Freunde erworben zu haben, zumal seit Buchtala 
sie in eine leicht ausführbare und nach seiner Angabe zuverlässige Form 
gebracht hat. Die chlorierte Flüssigkeit wird einfach in ein Becherglas 
gegossen, als Anode ein in einer Tonzelle stehender Kohlenstab, als Kathode 
ein Goldplättchen eingesetzt; nach mehrstündiger Stromdauer ist alles 
Quecksilber an der Goldkathode abgeschieden, dessen Menge sich durch 
Auswägung der Glühdifferenz ergibt. 

Viele Vorversuche, in denen ich dieses Verfahren erprobte, überzeugten 
mich, daß dasselbe den gesetzten Erwartungen im allgemeinen entspricht, 
wenn es sich um kleinere Menschenurinmengen (bis zu %1) handelt, 
deren Gehalt an organischer Substanz verhältnismäßig gering ist und die 
zu ihrer Mineralisierung keiner allzugroßen Mengen chlorsaurer Salze 
bedürfen. Dagegen ergaben sich Mißstände, als ich daran ging, Katzen¬ 
harn (der gewöhnlich konzentrierter als Menschenurin ist), Faeces und Or¬ 
gane ebenso zu behandeln. Es kam hier entweder zu einem Überschäumen 
der Flüssigkeit im Elektrolysenglas unter der Wirkung der von der Kathode 
äufsteigenden Wasserstoffbläschen und zu einer Umhüllung der ganzen 
Kathode durch organische Fällungen, Welche an dieser Stelle verminder¬ 
ter Säurekonzentration auftraten oder (bei übertrieben langer, bis 24stün- 
diger Chlorierung) zu einer die Quecksilberabscheidung störenden Chlor¬ 
entwicklung. Bei Kotanalysen schied sich nicht selten schwärzliches, 
schwammiges Eisen auf der Goldkathode ab, das ebenfalls die Amalga¬ 
mierung stark behinderte. So mußte, um in günstigen Fällen wenigstens 
den größten Teil des zugesetzten Quecksilbers wieder zu erhalten, unter 
mehrmaligem Wechsel der Kathode enorme Zeiten, bis zu 60 h, elektro- 
lysiert werden. All diese Ubelstände kamen vor, gleichgültig, ob ich mit 
dem städtischen Gleichstrom von 110 V arbeitete (was bei Serienschaltungen 
nötig war) oder mit einem Akkumulatorenstrom von 6 V; darunter durfte 
ich nicht gehen, wenn die von Buchtala angegebene Stromstärke von 
1 bis 1,25 A beibehalten werden sollte. 

Es war demnach klar, daß die Elektrolyse, so gute Dienste sie bei 
verhältnismäßig reinen Lösungen tat, zur direkten Quecksilberbestim¬ 
mung aus voluminösen Organen und Kotmassen nicht verwendbar war. 
Meine Absicht ging nun dahin, die durch Reste organischer Substanzen 
und andere Metalle, wie Eisen, nicht zu beeinträchtigende Amalgamatiori 
mit der als Endbestimmung recht vorteilhaften Elektrolyse zu vereinigen. 

Prinzip des Verfahrens: Die Chlorierungsflüssigkeit wird in 
Anlehnung an die Methode von Winternitz in langsamem Strome 
durch ein Filter aus blankem Kupfer geschickt, wobei das Quecksilber 
auf der Kupferoberfläche zurückgehalten wird. Durch Destillation wird 
das Quecksilber vom Kupfer getrennt und in eine Salpetersäurevorlage 
geleitet, aus welcher es dann elektrolytisch nach Buchtala abgeschieden 
wird. 

Ausführung: Organe und Faeces werden in einer Porzellanschale 
mit soviel ccm reiner Salzsäure (spez. Gew. 1,124) übergossen, als ihr Ge- 


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wicht in Grammen beträgt und 3 bis 4 Tage stehen gelassen; dann werden 
sie mit einem Glasstabe nach Möglichkeit zu einem Brei zerquetscht. 
Nun gießt man ebensoviel Wasser wie vorher Salzsäure zu und erhitzt 
auf dem Wasserbade. Nach etwa 1 Viertelstunde werden eine oder sukzes¬ 
sive mehrere Messerspitzen chlorsaures Kali eingetragen, bis die Flüssig¬ 
keit im allgemeinen entfärbt ist; kompaktere schwärzliche Partikel wer¬ 
den mit einem Glasstabe zerdrückt und damit ihre Chlorierung beschleunigt. 
Sind keine gröberen Substanzklümpchen mehr vorhanden, so spült man 
die Flüssigkeit in einen langhalsigen Rund- oder Stehkolben von dem dop¬ 
pelten bis dreifachen Fassungsvermögen als ihr Volumen beträgt, setzt 
mit einem Korkstopfen noch ein % m langes Glasrohr auf und erhitzt 
je nach der Menge der Substanz weitere 2 bis 6 h auf dem Wasserbade, 
wobei man etwa alle halben Stunden eine neue Messerspitze Chlorat in 
den Kolben wirft. 

Harn wird mit 10%,,reiner“ Salzsäure versetzt und in einer Porzellan¬ 
schale auf dem Wasserbade auf etwa % eingeengt, wobei man von Anfang 
an ein paar Messerspitzen Kaliumchlorat zusetzt; ist das gewünschte Vo¬ 
lumen erreicht, so spült man gleich in einen Rundkolben über und erhitzt 
unter weiterer Chloratzugabe noch 2 h. 

Am Ende der Chlorierung spült man das Kühlrohr durch, spritzt den 
Kork sauber ab und leitet in die noch warme Flüssigkeit eine Viertelstunde 
lang zur Vertreibung des freien Chlors Kohlensäure ein. Nun wird genau 
1 ccm der Flüssigkeit gegen n/5-Natronlauge titriert und die Flüssigkeit 
nach Überführung in einen genügend großen Meßzylinder soweit mit 
Wasser verdünnt, daß sie einer n/10-Säure gleichkommt, d. h. es werden 
V X 0—2):2 ccm Wasser zugesetzt, wenn V das gemessene Flüssigkeits¬ 
volumen und t die verbrauchte Menge n/5-Laugo ist. Nach guter Durch¬ 
mischung läßt man bis zum nächsten Tage absitzen. % bis 4 / 5 der Flüssig¬ 
keitssäule lassen sich dann in raschem Schwünge ziemlich klar abgießen; 
sie werden zuerst in einen zweiten Meßzylinder filtriert und der Bodensatz 
endlich auch noch auf das Filter geschüttet. So gelingt es auch bei Stühlen, 
die reich an unzerstörbarer Rohfaser sind, 80% und mehr der Chlorierungs¬ 
flüssigkeit als klares Filtrat zu erhalten. Diese Prozentzahl wird vermerkt. 

Nunmehr ist die Flüssigkeit für die Amalgamationsfiltration herge¬ 
richtet. Das Filtrierrohr (s. Fig. 6) besteht aus einer 10 mm-Hartglas- 
röhre (Außenmaß) von 45 cm Länge, an welche ein 30 cm langes 5 mm- 
Hartglasrohr angeschmolzen ist. Letzteres ist in etwa 10 cm Entfernung 
von der Verschmelzungsstelle zu einem Winkel von etwa 110° abgebogen. 
In den Grund der weiteren Röhre bringt man zunächst ein 1 cm hohes 
Stück zusammengerolltes feinmaschiges Kupfergitter, darauf eine 18 cm 
hohe Schicht Kupferoxyd, wie es für Elementaranalysen gebraucht wird,' 
darauf wieder ein gerolltes Kupferdrahtnetz. Die Reduktion des Kupfer¬ 
oxyds geschieht im Wasserstoffstrom bei Rotglut in dem nachstehend be¬ 
schriebenen Destillationsofen. Die vorbereitete Filtrierröhre wird jetzt 
vollkommen mit destilliertem Wasser erfüllt und an das freie Ende des 
englumigen Röhrchens ein Kapillartropfer mit Gummischlauch aufgesetzt. 
(Solche Tropfer stellt man sich selbst durch Ausziehen eines Glasrohres 
her und eicht sie durch sukzessives Kürzen der Haarröhre. Eine Verstop- 


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l’ung der letzteren wird durch vorgelegte Glaswolle, ein Abbrechen durch 
ein darüber gekittetes Schutzröhrchen verhindert.) Dann verbindet man, 
wie aus der Abbildung hervorgeht, das andere Rohrende durch Gummi¬ 
stopfen mit dem Hals einer umgekehrten Literflasche, deren Boden ab¬ 
gesprengt wurde, und gießt die Chlorierungsflüssigkeit oben auf. Unter 
das Tropfröhrchen kommt ein entsprechend großes Becherglas. Die 
Durchflußgeschwindigkeit soll 200 ccm in der Stunde betragen. Dabei 



Fig. G. Darstellung der Amalgamations-Filtration. 

Nebenfigur: Kapillartropfer ln natürlicher Größe. 

werden mindestens 00% des Quecksilbers zurückgehalten; ein nochmaliger 
Aufguß der durchs Filter gelaufenen Flüssigkeit führt zu einer praktisch 
vollkommenen Abscheidung. Kupfer soll nicht oder doch nur in ganz ge¬ 
ringer, sich durch Blaufärbung kaum verratender Menge in Lösung gehen, 
andernfalls war die Flüssigkeit nicht ordnungsgemäß vorbereitet. Ist 
die Filtration beendet, so wird das Filtrierrohr von der Flasche abgenom¬ 
men, der Tropfer (der sofort ausgewaschen werden muß!) entfernt und 
die Kupferschicht durch 3 X 25 ccm destilliertes Wasser, 3 X 25.ccm 
96proz. Alkohol und 3 X 25 ccm Äther gewaschen, die man durch einen 


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Studien über die Resorption von Blei usw. 


kleinen Trichter eingießt und unten in bereitgestellten Sammelgefäßen 
auffängt. Endlich saugt man mit der Wasserstrahlpumpe 5 min lang einen 
kräftigen Luftstrom durch das Rohr, wodurch das Kupfer genügend ge¬ 
trocknet wird. 

Der nächste Schritt ist die Abdestillation des Quecksilbers. Man läßt 
zu diesem Behufe durch das weite Rohrende einen langsamen Strom von 
getrocknetem Wasserstoff eintreten (s. Fig. 7) und verbringt das Rohr 
in den Destillierofen, wo es zwischen 2 inneren Ton- und 2 äußeren Eisen¬ 
rinnen vor allzu intensiver Einwirkung der Flammenhitze bewahrt bleibt. 
Ein in der Abbildung nicht gezeichnetes, über den ganzen Ofen gelegtes, 
spitzwinkelig geknicktes und mit Luftlöchern versehees Asnbestdach 
sorgt für eine gleichmäßige Verteilung der Wärme, so daß nach etwa 5 min 
das Rohr auf allen Seiten in eine milde Rotglut gerät. 



Fig. 7 Darstellung der Ahdestillation des Quecksilbers. 


Schon vor dem Anzünden der Gasflammen wurde die Austrittsstellc 
des Wasserstoffs auf den Grund eines kleinen Becherglases gesenkt, in 
dem sich als Vorlage 20 ccm Salpetersäure vom spez. Gew\ 1,30 befinden. 
Eine Asbestplatte, welche einen Schlitz zum Einlegen des Destillations¬ 
rohres besitzt, schützt das Absorptionsgefäß vor der Wärmestrahlung 
der Flammen. Die Geschwindigkeit des Wasserstoffstromes wird so ge¬ 
regelt, daß in der Sekunde 2 Gasbläschen aus dem Rohrende entweichen. 
Die Dauer der Rotglutdestillation beträgt eine Viertelstunde. Am Schlüsse 
derselben erhitzt man mit der Flamme eines Bunsenbrenners die Stelle des 
Rohres, wo sich die Destillationsprodukte — Quecksilber und oft noch 
kleine Mengen empyreumatischer Substanzen, manchmal auch Spuren von 
Kupfer — verdichtet haben, und treibt dieselben langsam gegen die Vor¬ 
lage zu, bis auf 1 cm Abstand vom Rand des Bechergläschens. Ohne daß 
die Wasserstoffentwicklung unterbrochen wird, läßt man dann das Rohr 
unter allmählicher Abnahme der isolierenden Hüllen im Verlauf einer 
weiteren Viertelstunde erkalten. 


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Von Dr. med. Philipp Süßm&nn. 


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Die Herauslösung der Destillate aus dem Innern des Röhrchens er¬ 
folgt leicht in der Weise, daß man nach Entfernung der Wasserstoff Zu¬ 
leitung am weiteren Rohrende mit dem Munde ansaugend, die Salpeter¬ 
säure bis etwas über die Höhe des Wandbelages hochzieht, dann wieder zu- 
rückfallen läßt und dieses Spiel 10 bis 20 mal wiederholt. Zum Auswaschen 
taucht man das Ende des Röhrchens der Reihe nach in 3 mit je 20 ccm 
Wasser gefüllte Gläschen und läßt beim Ansaugen den Flüssigkeitsspiegel 
im Röhrchen jedesmal ein wenig höher steigen, doch ohne daß die Kupfer¬ 
schicht benetzt wird. Am Schlüsse trocknet man unter neuerlichem 
WasserBtoffdurchtritt das Rohr durch vorsichtiges Erhitzen mit der Bunsen- 
flamme, worauf es zu frischer Verwendung bereitsteht. 

Nun spült man den Inhalt aller vier kleinen Gläschen mit ferneren 
120 ccm Wasser in ein breites Becherglas (aus Jenenser Glas) von 400 ccm 
Fassungsraum, so daß das gesamte Flüssigkeitsvolumen 200 ccm beträgt. 
Nachdem man zur Erhöhung der Azidität noch 5 ccm konz. Schwefelsäure 
zugegeben hat, ist die Flüssigkeit für die Elektrolyse hergerichtet. 

Als Anode verwendete ich, nachdem ich mich von der Unbrauchbar¬ 
keit der Platinelektroden für diese Zwecke aus den von Buchtala an¬ 
gegebenen Gründen (Abscheidung eines teilweise flüchtigen Platinüber¬ 
zuges auf der Kathode) überzeugt hatte, gleich letzterem einen Kohlen¬ 
stab. Die Auswahl einer geeigneten Kohle ist für das Gelingen der Elek¬ 
trolyse von größter Wichtigkeit. Es zeigte sich nämlich, daß die gewöhn¬ 
lichen Gaskohlen (von Siemens, Berlin und Conradty, Nürnberg) 
nach etwa 2stündiger Stromdauer nicht nur in sehr erheblichem Maße 
zu Pulver zerfielen, sondern daß auch große Stücke von ihnen absprangen, 
wodurch die Gleichmäßigkeit des Stroms gefährdet, ja der Strom zuweilen 
sogar ganz unterbrochen wurde. Nach vielen vergeblichen Versuchen 
fand ich endlich in der Elektrodenkohle der Acheson Graphite Company 
(Hamburg 8) ein Präparat, welches nichts mehr zu wünschen übrig ließ. 
Ein 25 cm langes Stück einer solchen 18 mm-Kohle ist bei den von mir 
gewählten Stromverhältnissen gegen 100 h brauchbar, in welcher Zeit 
es ganz langsam und gleichmäßig arrodiert wird. Den Kohlenstab stellt 
man in eine Tonzelle von 10 cm Höhe und 4 cm Durchmesser (Außen¬ 
maße), welche vorher mit 35 ccm einer 30proz. Lösung von neutralem 
Kaliumoxalat (spez. Gew. 1,2) gefüllt wurde; die Tonzelle selbst wird 
in das Becherglas mit der Elektrolysenlösung eingesetzt. Die Kathode 
bildet «in rechteckiges (3,5 X 2,5 cm) Goldplättchen von 0,1 mm Dicke 
(Gewicht 1,7 g), welches an einen 10 cm langen Platindraht angeschweißt 
(nicht angelötet) wird. 

Die Abbildung eines soliden Elektrolysenstativs findet sich bei Buch¬ 
tala; man kann sich aber solche Apparaturen mit leichter Mühe und wenig 
Hilfsmitteln improvisieren. Ich habe mir eine Anzahl aus dicken Holz¬ 
brettchen (12 X 15 cm) hergestellt, an deren schmale Rückwand in einem 
Abstand von 6 cm 2 senkrecht nach oben führende, starke Zinkblechstreifen 
mit Klemmschrauben befestigt wurden; an den einen derselben wurde 
in der Höhe von 12 cm ein quer nach vorn gebogener, mit einem Endhäk¬ 
chen versehener, kräftiger Platindraht zum Einhängen der Kathode an¬ 
gelötet, während der andere mit dem zur Anodenkohle führenden Alu- 


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Studien über die Resorption von Blei usw. 


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miniumdraht umwickelt wurde. Die Kohle wurde in einfachster Weise 
durch das Einschlagen eines mit dem Zuleitungsdraht fest umwickelten 
Stahlstiftes in den Stromkreis eingeschaltet. 

Von den von mir verwendeten Stromquellen war bereits oben die 
Rede; für eine Einzelelektrolyse genügte eine dreizellige Akkumulatoren¬ 
batterie, ohne Benötigung eines Vorschaltwiderstandes, für eine Serie 
hintereinander in den gleichen Stromkreis eingeschalteter Abscheidungs¬ 
zellen war es dagegen nötig, den Lichtstrom des Laboratoriums (110 V- 
Gleichstrom) zu benutzen, der mit Hilfe eines Sohlittenrheostaten auf eine 
Stärke von 1,2 A gebracht wurde. 

Was die Dauer der Elektrolyse betrifft, so ist es auffallend, wie die 
Zeitangaben der Autoren, die sich einer Stromstärke von etwa 1 A be¬ 
dienten, von Schneider bis Ilzhöfer, in weiten Grenzen, zwischen 
4 und 25 h, schwanken. Es wird dies freilich klar, wenn man sich überlegt, 
daß die Abscheidungsgeschwindigkeit nicht allein von der Stromstärke, 
sondern auch von dem Verhältnis der Quecksilbermenge zum Gesamt¬ 
elektrolytgehalt der Flüssigkeit abhängt •— und hier sind ja bei der un¬ 
mittelbaren Elektrolyse chlorierter Substanzen die allergrößten Verschie¬ 
denheiten möglich; wie sehr dabei noch andere Nebenumstände stören 
können, darauf wurde schon auf S. 201 hingewiesen. Eine solche Un¬ 
sicherheit kann bei der Elektrolyse unserer Salpeter- und schwefelsauren 
Lösung konstanter Zusammensetzung nicht bestehen; die Abscheidungs¬ 
dauer wird hier nur noch von der Quantität des vorhandenen Quecksilbers 
abhängig sein. Ich habe für Mengen bis zu 3 mg einen 6stündigen Strom¬ 
durchgang stets genügend gefunden; die Hauptmasse ist bereits nach 1 h 
abgeschieden. 

Der Strom wird dadurch unterbrochen, daß man die Kathode rasch 
au& der Zelle heraushebt und sofort in ein Gläschen mit destilliertem Wasser 
bringt ; Verweilen in der stromlosen Lösung könnte bei der Anwesenheit 
freier Salpetersäure zu einer Wiederauflösung von Quecksilber führen. 
Es empfiehlt sich deshalb, bei batterieweiser Hintereinanderschaltung 
mehrerer Zellen, vor der Herausnahme der Goldelektroden Nebenschlüsse 
anzulegen, damit bei Ausschaltung einer Zelle nicht auch gleichzeitig 
alle anderen außer Betrieb gesetzt werden. Die amalgamierten Goldplätt¬ 
chen kommen nun der Reihe nach in folgende Bäder: 3proz. Salzsäure 
(50° C), destilliertes Wasser, lOproz. Natronlauge, zweimal destilliertes 
Wasser, abs. Alkohol, Äther. Nach der Herausnahme aus dem Äther 
sind sie in wenigen Minuten trocken und können gewogen werden. Ich 
habe wie Buchtala eine feine Kuhlmann-Wage benutzt, die Zehntel¬ 
milligramme noch gut abzuwiegen und Hundertstelmilligramme abzu¬ 
schätzen gestattet; eine Mikro-Nernst-Wage, wie sie Lomholt verwen¬ 
dete, stand mir nicht zur Verfügung, war auch für die von mir verfolgten 
Zwecke unnötig. Die zahlenmäßige Bestimmung des Quecksilbers 
erfolgt am genauesten durch seine Abdestillation und die Auswägung 
der entstehenden Gewichtsabnahme der Goldplatte. Man kann diese 
Verdampfung, wie es die meisten getan haben, im Reagensglase vorneh¬ 
men; einwandfreier ist es sicherlich, sie im Wasserstoffstrom auszuführen, 
da es hierbei nicht zu einer Oxydation manchmal vorhandener kleiner 


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Kupfermengen kommt. Man rollt zu diesem Zwecke das Plättchen über 
einem dünnen Glasstab vorsichtig zusammen und bringt es in das Innere 
eines trockenen Hartglasrohres, von derselben Form und Größe, wie es 
für die Kupferfiltration benutzt wurde, mit dem einen Unterschiede, 
daß der englumige Teil nicht winkelig abgebogen ist. Das Rohr wird 
in der gleichen Weise wie jenes in den Destillierofen versenkt und unter 
Wasserstoffdurchtritt erhitzt, wobei sich das vorhandene Quecksilber 
als feiner, weißlicher bis grauer Wandbeschlag in dem engen Röhrchen 
ansammelt. Nach dem Erkalten wird wieder gewogen. Mengen, die an 
der Grenze der Wägbarkeit und darunter stehen, können durch Verwand¬ 
lung des dann kaum sichtbaren Metallbeschlags in den leuchtend roten 
Jodidbeschlag noch kolorimetrisch vergleichbar gemacht werden. Um 
die rote, nicht die gelbe Modifikation des Jodids zu erhalten, pflege ich 
die Jodierung in der Kälte auszuführen, und zwar so, daß ich ein Glas¬ 
röhrchen, in dem sich zwischen 2 Wattepfropfen festes Jod befindet, 
durch ein Gummistück mit dem Destillierrohre verbinde und am anderen 
Ende desselben % h lang mit der Wasserstrahlluftpumpe schwach ansauge. 

Das an der Kathode abgeschiedene Quecksilber läßt sich auch sehr 
einfach volumetrisch nach Ru pp bestimmen; indessen darf man zu dieser 
Methode nur greifen, wenn so viel Quecksilber vorhanden ist, daß die Gold¬ 
platte einen deutlichen Silberschimmer zeigt. Für die kleinen in Betracht 
kommenden Mengen mußte die Methode folgendermaßen modifiziert 
werden: 

In einem Reagensrohr mit 5 ccm kochender Salpetersäure vom spez. 
Gew. 1,15 wird der Quecksilberbelag von der Elektrode abgelöst und diese 
beim Herausziehen mit 2 ccm Wasser abgespült. Dann kocht man die 
Flüssigkeit nochmals auf, um alle gebildete salpetrige Säure, welche die 
Reaktion stören würde, zu entfernen, und gießt unter Verwendung von 
3 ccm Nachspülflüssigkeit in ein kleines Bechergläschen um. Gesamt¬ 
volumen also 10 ccm. Hierauf Zusatz von 5 Tropfen konz. Ferrialaun- 
lösung als Indikator und Titration mit n/100-Rhodanammonlösung (1 ccm 
= 1 mg Quecksilber) bis zur lichtbraunen Färbung: 

1. Hg(N0 3 ) 2 + 2CNS ( iNH 4 )==2(NH 4 )N03+ M~ )2 . 

2. Fe(NOJ, + 3CNS(NH 4 ) = 3(NH 4 )NQ, + 

Wesentlich ist unbedingte Abwesenheit auch der kleinsten Halogen¬ 
spuren; es würde sich sonst nicht das Rhodanid des Quecksilbers, sondern 
komplexes Quecksilberammoniumhalogenid bilden und also die Eisen¬ 
reaktion zu bald eintreten. Im übrigten ist die Methode zuverlässig, der 
Umschlag recht scharf. Kleine Kupfermengen, die mit in Lösung gehen 
könnten, stören nicht. 

Am Ende der Quecksilberbestimmung angelangt, darf nicht vergessen 
werden, daß der gefundene Wert (hg) nur ein gewisser Bruchteil des in 
der Substanz wirklich vorhanden gewesenen Quecksilbers ist, da ja nicht 
die gesamte chlorierte Substanz, sondern nur ein abfiltrierter Prozent¬ 
satz derselben zur weiteren Bestimmung verwendet wurde. Wenn p 
Archiv für Hygiene. Bi. 90. 14 


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Studien über die Resorption von Blei usw. 


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die damals vermerkte Prozentzahl darstellt, so ist der wirkliche Quecksilber¬ 
gehalt hg • 100/p. 

Was die Fehlerbreite des ganzen geschilderten Analysenganges an¬ 
belangt, so hat eine Reihe von Kontrollversuchen ergeben, daß im Durch¬ 
schnitt 95%, im Minimum 90% des zu Harn oder Kot künstlich zugefügten 
Quecksilbers wiedergefunden werden. Es dürfte diese Genauigkeit bei 
der Kleinheit der überhaupt vorhandenen Mengen auch strengen Ansprüchen 
genügen, zumal nach meiner Erfahrung keine Methode Besseres zu leisten 
imstande ist. Woher die kleinen Verluste und besonders die Schwankungen 
der Genauigkeit kommen, ist mit voller Sicherheit nicht zu sagen, doch 
scheint mir die Hauptschuld daran zu liegen, daß der bei der Chlorierung 
stets vorhandene Rückstand wechselnde Mengen, meist aber verhältnis¬ 
mäßig mehr Quecksilber enthält als die klare Flüssigkeit. Es ist dies 
ein Fehler, der dem Chlorierungsverfahren anhaftet, der aber nicht zu 
vermeiden sein wird. 

Wir sind damit mit der Schilderung der analytischen Methodik zu 
Ende gekommen und können in die Besprechung der Versuchsergebnisse 
ein treten. 

IV. Ergebnisse der experimentellen Studien über die Bleireeorption 

durch die Haut. 

Die Entscheidung der Frage, ob Blei und Quecksilber von der in¬ 
takten Warmblüterhaut resorbiert werden, kann nur im exakten Ex¬ 
perimente gesucht werden. Klinische und gewerbehygienische Beobach¬ 
tungen, die oft erst nach dem Auftreten von Vergiftungssymptomen 
einsetzen und niemals den Aufnahmeweg durch Nase und Mund mit Sicher¬ 
heit auszuschließen vermögen, führen höchstens zu gewissen Wahrschein¬ 
lichkeitsurteilen, die je nach den vorliegenden Verhältnissen verschieden 
ausfallen können. Es soll deshalb auf die zahlreichen Behauptungen, 
Mutmaßungen und Schlüsse aller Autoren, welche das Problem der per¬ 
kutanen Bleiresorption nicht experimentell bearbeitet haben, hier nicht 
weiter eingegangen werden. 

In Frankreich, wo der Erscheinungskomplex des Saturnismus über¬ 
haupt seine erstmalige zusammenfassende Aufklärung erfahren hat, stoßen 
wir auch auf die ersten Experimentalversuche zur Beantwortung unserer 
Spezialfrage. 

Canuet stellte 1825 den ersten Badeversuch an, indem er ein Meer¬ 
schweinchen in warmgehaltene Bleiessiglösung setzte. Da er aber den 
Einfall hatte, die Resorption durch tiefe Einschnitte in die Rückenhaut 
beschleunigen zu wollen, so beweist der nach 3 Tagen eingetretene Tod des 
Tieres zum mindesten nichts für eine Bleiaufnahme durch die unverletzte 
Haut. 

Tanquerel des Planches berichtet in seinem 1839 erschienenen 
„Abriß der Bleikrankheiten“ über 3 Versuche mit fettiger Applikation. 
Einem Hund und einem Kaninchen rieb er 1—2 Wochen lang täglich mehr¬ 
mals Bleisalbe in die rasierte Schenkelinnenfläche ein; ein zweiter Hund 
erhielt ebenso lange auf die rasierte Brust- und Bauchhaut Bleipflaster 


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Von Dp. mcd. Philipp Süßmann. 


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aufgelegt. Das Fehlen jeglicher Vergiftungserscheinungen in diesen Fällen 
läßt sich aber umgekehrt wegen der kurzen Versuchsdauer nicht als sicherer 
Beweis für die Undurchlässigkeit der Haut verwerten; da von einer Ein¬ 
hüllung der eingeriebenen Hautpartien nichts berichtet wird, so ist zu 
vermuten, daß die Tiere bei längerer Ausdehnung der Versuche dennoch 
an einer, allerdings digestiv entstandenen, Bleivergiftung erkrankt wären. 

1875 veröffentlichte Drouet 3 weitere Experimente mit Salben¬ 
behandlung. Seine Versuchstiere waren Kaninchen, welchen gewisse Ex¬ 
tremitäten — in jedem Falle andere — bis hinunter zu den Zehen mit einer 
20proz. Bleiazetat-Schweinefettsalbe täglich einmal eingerieben wurden. 
Die Erkennung einer lokalen Schädigung des behandelten Gliedes geschah 
in erster Linie durch Ermittelung der Schwellenwerte für faradischen 
und galvanischen Strom, die noch eine Muskelerregung hervorriefen. 
Drouet sah seine Resultate als beweisend für ein Eindringen des Blei- 
azetats an; in der Tat gingen 2 Tiere spontan nach 10 bzw. 29 Tagen zu¬ 
grunde (1 wurde nach 12 Tagen getötet), nachdem die behandelten Ex¬ 
tremitäten eine deutliche Verminderung der elektrischen Erregbarkeit 
hatten erkennen lassen. Aber auch Drouet hatte die Möglichkeit einer 
oralen Bleiaufnahme nicht ausgeschaltet, und es ist wohl zweifellos, daß 
seine Tiere einer FütterungsVergiftung erlegen sind. Die Lokalisation 
der paretischen Erscheinungen erklärt sich nach der heutigen Betrachtungs¬ 
weise des Entstehens der Bleisymptome aus der durch die Einreibungs¬ 
prozedur bedingten stärkeren Durchblutung und wohl auch — infolge 
von Abwehrbewegungen — stärkeren muskulären Beanspruchung der 
massierten Gliedmaßen. 

Monnereau beschrieb 1883 die ersten 3 Verbandversuche, deren 
Methodik wissenschaftlicher Kritik standzuhalten vermag. Die von 
ihm mit 20proz. Schweinefettsalben verschiedener Bleipräparate (basisches 
Azetat, Karbonat, Mennige) täglich ein- bis zweimal an einer rasierten 
Schenkelaußenfläche und der angrenzenden Rückenhälfte eingeriebenen 
Kaninchen wurden in den Zwischenperioden mit einem den ganzen Körper 
nach Art einer Hemdhose einhüllenden, mit Gummistoff gefütterten 
Schutzmantel bekleidet. Bei den wenig temperamentvollen Kaninchen 
konnte diese einfache Bedeckung recht wohl eine wirksame Isolierung 
der behandelten Hautpartien darstellen. Als Index für eine Bleiaufnahme 
verwendete Monnereau nicht nur die elektrische Reizbarkeit der Mus¬ 
kulatur, die Messung des Blutdrucks und das Verhalten der Herz- und Atem¬ 
reflexe, sondern er berichtet auch zum ersten Male über chemische Ana¬ 
lysen der Organe. Seine Resultate waren vollkommen negativ; in keinem 
einzigen Falle war in den (19, 33 und 80 Tage ausgedehnten) Versuchen 
eine Abweichung von der physiologischen Norm oder ein positiver Blei¬ 
befund zu konstatieren. Auch eine absichtliche Setzung leichter Skari- 
fikationen bei einem 4. Tier führte nicht zum Eintritt von Vergiftungs¬ 
symptomen; dagegen trat bei Weglassung des Schutzkleides gleichwie 
bei der direkten Bleiverfütterung schon nach 2 Wochen der Tod der beiden 
betreffenden Tiere ein. Blei wurde nur in der Leber des bleigefütterten 
Kaninchens in Spuren nachgewiesen; da das andere indessen nach der Be¬ 
schreibung die Salbe von der eingeriebenen Haut ebenfalls fortwährend 

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Studien über die Resorption von Blei usw. 


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abzulecken pflegte, so war die analytische Methodik, der Monneroau 
leider keine Zeile widmet, sicherlich nicht sehr empfindlich. An der mensch¬ 
lichen Haut (Selbstversuch am 1. Unterarm) führten Bleieinreibungen 
im Verlauf eines Monats zu leichter SensibilitätsVerminderung; im Urin 
war am 23. Tage kein Blei nachweisbar. 

Monnereaus negative Experimente scheinen für die Beurteilung der 
Frage der perkutanen Bleiresorption in Frankreich entscheidend gewesen 
zu sein; denn es liegen keine weiteren experimentellen Arbeiten von dort vor. 

Erst im Jahre 1912 nahmen in Österreich Brezina und Eugling 
das Problem wieder auf, indem sie bei Verbandversuchen an Meerschwein¬ 
chen (Lanolin-, Talg- und Vaselinsalben verschiedener Bleiverbindungeil) 
das Auftreten von basophil gekörnten Erythrozyten im strömenden Blut 
als Kriterium einer Bleiaufnahme benutzten. Sie hatten stets (mit Aus¬ 
nahme der Applikation von elementarem Bleistaub) nach frühestens zwei 
Tagen ein positives Ergebnis, andere Vergiftungssymptome traten nicht 
auf. Da wir über die Empfindlichkeit dieser biologischen Reaktion noch 
nicht genügend unterrichtet sind, so lassen diese Untersuchungen, auch 
wenn die dabei verwendeten Schutzkleider eine orale Bleiaufnahme un¬ 
möglich machen, die quantitative* Seite des Problems, die für die Praxis 
die wichtigere ist, noch unbeantwortet. 

K. B. Lehmanns Anregung ist es zu verdanken, daß der Versuch 
gemacht wurde, durch eine chemisch einwandfreie Analyse des Kotes 
und der Tierorgane zahlenmäßige Angaben über die Menge des die Haut 
passierenden Bleis zu gewinnen. Vogt und Burckhardt behandelten 
vier am Rücken kurzgeschorene oder chemisch enthaarte Katzen mit Ein¬ 
reibungen von Salben aus ölsaurem Blei und Vaseline, eine andere mit 
einer Emulsion von metallischem Bleistaub in Vaseline. Zwei weiteren 
Tieren wurde endlich die bleihaltige Substanz in wässerigem Medium auf¬ 
gelegt, in einem Falle Mennige, die mit Glyzerin, Syrup und Honig zu 
einer salbenähnlichen Masse verrieben worden war, im anderen Azetat, 
mit dessen Lösung man einen aufgebundenen Wattebausch durchtränkt 
hatte. Durch Verbände aus Leinwand, Watte, Billrothbattist, Gummi¬ 
papier und Mullbinden, die außen mit Wasserglas versteift oder mit einem 
Wachstuchmäntelchen überdeckt wurden, bemühten sich die Autoren, 
die bleihaltige Masse von der Außenwelt dicht abzuschließen. Ihre Re¬ 
sultate sind nun höchst überraschend. Nicht nur, daß sie Monnereaus 
(von ihnen selbst als „sorgfältig“ bezeichneten) Versuchen widersprechen 
(Katze 9 und 10 gingen unter deutlichen Bleisymptomen nach 8 bis 9 Wo¬ 
chen zugrunde), sind die im Kot gefundenen Bleimengen, die überdies 
nur Minimalzahlen darstellen, so enorm (z. B. Katze 15: 230 mg in 12 Ta¬ 
gen 1), daß man sich wundern muß, wie gut im allgemeinen dieser Blei¬ 
strom durch den Körper vertragen wurde; gerade bei Katze 15 wird von 
Krankheitserscheinungen überhaupt nicht berichtet. Es fühlte sich des¬ 
halb Herr Geheimrat Lehmann, obgleich er glaubte, die Veröffentlichung 
der auffallenden Befunde nicht verhindern zu sollen, veranlaßt, in einem 
Nachworte zu derselben auf Versuchsfehler hinzuweisen, welche den 
Untersuchern trotz aller Achtsamkeit unterlaufen sein könnten. In der 
Tat weist z. B. der relative Bleireichtum des Mageninhalts (eine Blei- 


Gck igle 


Original fro-m 

THE OHtO STATE UN1VERSITY 



Von I)r. med. Philipp Süßmann. 


211 


ausscheidung durch die Magenschleimhaut erscheint nicht wahrschein¬ 
lich) bei den beiden spontan eingegangenen Katzen 9 und 10 auf eine orale* 
Aufnahme hin; der Nachweis von 147 mg Blei im viertägigen Kot der 
unmittelbar vorher mit metallischem Blei behandelten Katze 16 (die über¬ 
dies ziemlich gesund bleibt!) spricht sehr für eine direkte Verunreinigung 
der Exkremente mit Salbenmasse. Den Zustand der von den Experimen¬ 
tatoren angelegten Verbände nachträglich zu beurteilen, ist unmöglich; 
indes haben wohl auch die verwendeten Käfige, die keinen Urinabfluß 
besaßen, mit Stroh ausgelegt waren und nur eine unvollständige Sammlung 
des sich oft mehrere Wochen in ihnen anhäufenden Kotes gestatteten, 
dem gesetzten Zwecke nicht voll entsprochen, und auch der Mangel einer 
Verbandgewöhnung der Tiere vor dem Experiment (ob nicht die in den 
ersten Versuchstagen auftretenden „Bleianfälle“ von Katze 13 und 16 
nur wütende Befreiungsversuche gewesen sind ?) ist zu beanstanden. 

Die Unsicherheit, welche infolge all dieser Umstände den Zahlen 
von Vogt und Burckhardt anhaftete, forderte dringend eine Neuauf¬ 
nahme dieser Versuche unter den strengsten Kautelen. Ich nehme noch¬ 
mals Gelegenheit, Herrn Geheimrat Lehmann für sein mir dadurch be¬ 
wiesenes Vertrauen zu danken, daß er dieselbe mir übertrug. 

Es folgen nun zunächst die Protokolle von vier von mir an Katzen 
ausgeführten Versuchen, die bereits Gegenstand einer kurzen vorläufigen 
Mitteilung waren. 


Bleiversuch I. 


Ausgewachsene, jüngere, gutmütige Katze. 


1. Versuchshälfte: 


V (2G U< I h8 l t 8f C; ' a ) Verlauf. 

0 Auf dem Rücken wird eine Fläche von 8:10cm mit dem Depilalorium 
enthaart. Gewöhnungsverband. 

7 Alle kleinen Ätzwunden sind abgeheilt. Aufstreiehung folgender Salbe 
auf eine Fläche von etwa 50 qcm: 

Plumbi oxydatl . 5,0 

Adipis felium .... 10,0. 


Darüber kommt ein dichtschließender Verband und YVachstuchmantel 
(Einzelschichten s. Fig. 2 auf S. 190). 

ff. Das Tier bleibt dauernd munter und freßlustig; keine Gewichtsabnahme, 
keine auffallenden nervösen Symptome, kein Durchfall. 

24 Abnahme des Verbandes. Die Verklebung der Billrothbattistschicht ist 
noch fest. Die etwa % cm nachgewachsenen Haare sind durch Salben- 
rnasse verklebt; die Haut besitzt also sicher noch einen Salbenüberzug. 
Chemische Analyse der über der Gelatinefolie liegenden äußeren Watte¬ 
schicht samt übergreifenden Verbandrändern ergibt einen Bleigehall 
von 0,0 mg. Nach der Einhüllung der Extremitäten mit Watte und Tüchern 
(um eine Verschmutzung hintanzuhalten) wird die Salbe mit Äther und 
Seifenwasser abgewaschen; dann einfacher Mullbindenverband und Mantel. 
(Prüfung auf Blei-Remanenz.) 


40 Ende des Versuchs bei vollem Wohlbefinden der Katze. Abnahme des 
Schutz verbandes. 


□ igitized by 


Gck igle 


Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 



212 


Studien über die Resorption von Blei usw. 


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Versuchstage 

b) Gewichte. 



0 . . . 

. . 2620 g 




6 ... 

. . 2640 g 




13 . . . 

. . 2680 g 

(abzüglich Verband sge 

wicht) 

20 . . . 

. . 2680 g 

< 

>» 

) 

24 ... 

. . 2700 g 

( 

,, 

) 

34 ... 

. . 2720 g 

( 

,, 

) 

40 ... 

. . 2730 g 

< 

J ? 

)• 


c) Blutbefund. 



17 Keine 

basophilen Granula (Giemsafärbung) 1 ). 

23 Keine basophilen Granula. 




d) Bleiausscheidung. 




Kot 

Pb 

Urin 

Pb 


g 

mg 

ccm 

mg 

0 bis 7 . 

. . . 41 

0,0 

360 

0,0 

« „ 14 • 

... 36 

0,3 

510 

0,4 

15 „ 24 . 

. . . 51 

0,3 

715 

0,3 

25 ,, 32 . 

. . . 40 

0,2 

520 

0,2 

33 „ 38 . 

... 37 

0,1 

415 

0,05 

30 „ 46 . 

... 55 

0,1 

560 

0,1 


2. Versuchshälfte (Fütterungsversuch): 

Versuchst age a) Verlauf. 

47 Von heute an erhält die Katze täglich etwa 20 mg Blei in Form einer 
Azetatlösung zum Fleischfutter zugesetzt. 

01 Im Verhalten und Befinden der Katze ist keine Änderung eingetreten. 
Freßlust andauernd gut. 

72 Erster nervöser Anfall. Das Tier, das zwecks Reinigung des Käfigs ge¬ 
rade aus demselben herausgenommen und auf den Zimmerboden gesetzt 
worden war, sprang plötzlich auf und lief 2 bis 3 min lang wie von Hunden 
gehetzt im Kreise herum, bis es zuletzt in eine Zimmerecke stürzte und 
sich dort mit ängstlichem Ausdruck an die Wand gepreßt niederhockte. 
Vor und nach dem Anfalle schrie es einigemale Idäglich auf (Kolik?). 
Nach einer Viertelstunde war es wieder vollkommen ruhig. Futteraufnahme 
dauernd gut. 

85 Neuer Anfall im Käfig. 

ff. Die Anfälle werden häufiger, sind von längerer Dauer und werden durch 
vorhergehendes, oft minutenlanges Schreien eingeleitet. Zwischen ihnen 
ist das Verhalten zunächst noch normal, allmählich tritt eine zunehmende 
Scheu vor Berührung und eine auffallende Schreckhaftigkeit ein, welche 
das Tier bei jedem stärkeren Geräusch und jeder in der Nähe ausgeführten 
raschen Bewegung zusammenzucken läßt. Indes gelingt es bis zuletzt, 
durch Streicheln und Liebkosen die Unruhe zu Übeminden und das Tier 
zum Schnurren zu bringen. 

Der Appetit nimmt ab, daher langsame Abmagerung; dazwischen 
wird manchmal die Nahrung, zumal rohes Fleisch, mit Heißhunger ver¬ 
schlungen. Der Kot ist mitunter dünn. 

100 Außergewöhnlich schwerer Anfall, in dessen Verlauf sich ein allgemeiner 
Muskelkrampf einstellte. Das auf der Seite liegende Tier hatte alle vier 
Beine maximal von sich gestreckt, das Maul weit aufgesperrt, die Augen 
offen, mit großen, reflexlosen Pupillen. Die Atmung stand. Unter fort- 

1) Nachdem mir in der letzten Zeit (nach Abschluß der Arbeit) ausgedehnte 
Färbungsstudien an Blut von Bleikranken die Unzuverlässigkeit der Giemsa- 
Methode gegenüber der einfachen Methylenblaufärbung (Löffler, Manson) 
gezeigt haben, möchte ich jetzt alle diese negativen Resultate etwas skeptisch 
beurteilen. 


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Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSiTY 














Von Dr. mcd. Philipp Süßmann. 


213 


Versuchstage 

gesetzter künstlicher Atmung durch rythmische Kompression des Thorax 
kam die Katze allmählich wieder zu sich, zeigte aber dann noch stunden¬ 
lang Zeichen großer innerer Erregung. 

111 Auf den Boden gesetzt, schreitet die Katze mit eigenartigem hahnentritt¬ 
ähnlichem Gange vorwärts, manchmal torkelt sie vor Schwäche und lehnt 
sich gern an Tischbeine an. Dabei besteht ein feinschlägiges, alle Glied¬ 
maßen und den Rumpf in gleicher Weise beteiligendes Zittern, das früher 
nur unmittelbar nach den Anfällen bemerkt worden war. 

113 In meiner Abwesenheit wiederholt sich der Krampfanfall, dem das Tier 
erliegt. 

b) Gewichte. 

Versuchstage 


47. 

2750 g 

55. 

2800 g 

62. 

2850 g 

69. 

2930 g 

76. 

3030 g 

83. 

3020 g 

90. 

3100 g 

97. 

3080 g 

101. 

3020 g 

104. 

2920 g 

108. 

2850 g 

111. 

2690 g 

113. 

2600 g. 


Versuchstage c) B1 u t b e f u n d. 

53 Keine basophilen Granula. 

69 Keine basophilen Granula. 

89 Eigenartige einzelliegende große blaue Granula (Giemsa) in vereinzelten 
Erythrozyten, den staubförmigen Kömelungen beim menschlichen Sa- 
turnismus nicht gleichend. 

108 Die gleichen Gebilde, etwas zahlreicher. Herr Prof. Dr. L. R. Müller 
glaubt, daß sie immerhin durch die Vergiftung hervorgerufen sein könnten. 


d) Bleiausscheidung. 


Kot Pb Urin Pb 

Versuchstage g ing ccm mg 

47 bis 51 . 36 68,5 375 0,7 

52 „ 60 53 173,6 760 0,8 

61 „ 66 — — 515 0,6 

83 „ 95 — — 1000 2,0 

110 „ 113 .— — 230 0,5. 


Der letzte Urin wurde in einem besonderen Käfig aufgefangen, wo¬ 
bei jede Verunreinigung mit Kot ausgeschlossen wai\ Die Essigsäure- 
Kochprobe war schwach positiv. 

Versuchst agc e) Sektionsbefund. 

113 Abgemagertes Tier ohne Hautfett. Herz schlaff, stark mit Blut erfüllt. 
Alle Organe sehr blutreich. Im Magen Fleischballen, im Dünndarm wenig 
galliger Schleim, im Dickdarm wenig zäher, grünschwarzer Kot. Die 
Schleimhaut des ganzen Digestionstraktus ist frei von entzündlichen 
Veränderungen. Die Nierenkapsel ist gut abhebbar, die Rinde quillt 
jedoch auf dem Schnitt vor und erscheint getrübt, Pyramidenzeichnung 
verwaschen. Sonst o. B. — Kein deutlicher Bleisaum. 

Diagnose: Parenchymatöse Nephritis. 


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Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 





















214 


Studien über die Resorption von Blei usw. 


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f) Blei ge halt des Körpers. 

Bleigchalt 


Organ 

Gewicht 

absolut 

in 1000 f. 


R 

mg 

mg 

Dickdarminhalt. 

13,9 

32,3 

2324,3 

Mageninhalt . 

46,0 

13,4 

291,3 

Dünndarminhalt. 

8,8 

1,0 

113,6 

Haut mit Haaren (64 qcm) . . . 

21,2 

0,7 

33,0 

Halsorgane (mit Speiseröhre) . . 

17,5 

0,2 

11,4 

Dickdarm. 

15,1 

2,4 

159,1 

2 Nieren. 

30,8 

0,8 

26,0 

Leber mit Gallenblase. 

53,0 

0,6 

11,3 

Milz. 

4,1 

0,025 

6,1 

Blut. 

8,7 

0,05 

5,7 

Magen. 

25,5 

0,1 

3,9 

Dünndarm. 

61,2 

0,2 

3,3 

Netz, Gekröse, Pankreas und 
Zwerchfell. 

60,2 

0,1 

1,6 

Gehirn und Rückenmark . . . . 

31,3 

0,05 

1,6 

Lunge und Herz. 

39,5 

0,05 

1,3 

Muskulatur von Rücken und 
Schenkel. 

74,6 

0,1 

1,3 

Harnblase . 

4,5 

0,0 

0,0 


Bleiversuch II. 


Altere, bösartige Katze. 

Versuchstage . _ . 

(l. in. 18) a) Verlauf. 

0 Anlegung eines Gewöhnungsverbandes. 

8 Auf dem Rücken wird eine Fläche von 10:12 cm mit dem Depilatorium 
enthaart. 

13 Ätzwunden abgeheilt. Aufstreichen folgender Salbe auf eine Fläche von 
etwa 75 qcm: 

Plumbi oleinici.10,0 

Vaselini albi.12,0 

Lanolini anhydrici .... 3,0 

Verband und Mantel. 

ff. Das Tier bleibt dauernd freßlustig und zeigt keinerlei auffallende Er¬ 
scheinungen. 

59 Tötung mit Chloroform; dann Abnahme des Verbandes. Dieser ist noch 
vollkommen dicht; Analyse der Außenschicht und der Ränder: 0,0 mg Pb. 
Die Haare sind über 1 cm nachgewachsen, aber noch fettig durch trän kt. 


Versuchstage 


b) Gewichte. 


0 

8 

13 

17 

24 

31 

38 

45 

52 

59 


2900 g 
2940 g 
2920 g 

3010 g (abzüglich Verbaudgewichf) 
3050 g ( „ ) 

3060 g ( ) 

3050 g ( ) 

3000 g ( I 

3040 g ( .. ) 

3020 g ( „ „ ) 


21 

29 

45 

58 


c) Blutbefund. 
Keine basophilen Granula. 


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Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 


























Von Dr. med. Philipp Süßmann. 


215 


d) Bleiausscheidung. 


Versuchstage 

Kot 

g 

Pb 

mg 

Urin 

ccm 

Pb 

mg 

9 

bis 

13 . . . 

. . 27 

0,0 

275 

0,0 

14 

>> 

19 . . . 

. . 28 

0,3 

420 

0,4 

20 

>» 

25 . . . 

. . 31 

0.4 

360 

0,3 

26 

> i 

32 . . . 

. . 52 

0,7 

400 

0,4 

54 

’ > 

59 . . . 

. . 47 

0,5 

440 

0,3 


Versuchstage e) Sektionsbefund. 

59 Gut genährtes Tier mit stellenweise 2 cm dickem Fettpolster. Alle Organe 
ohne pathol. Befund. Die Nieren von tadelloser Zeichnung. — Kein 
Bleisaum. 


f) Bl ei ge halt des Körpers. 
Organ 


Magendarmkanal mit Inhalt 
Leber mit Gallenblase . . . 
Nieren,und Milz. 


Muskulatur. 

Nicht eingeriebene Haut (56 qcm) . . 
Eingeriebene Haut (lOO qcm) .... 
nach Reinigung mit Äther .... 
nach Reinigung mit heißer verdünn¬ 
ter Salpetersäure. 

(7,0 mg Pb gehen in die Waschflüssigkeit über 


Gewicht 

S 

Bleigehalt 

absolut in 1000 g 

mg 

mg 

134,3 

0,15 

1,1 

109,1 

0,05 

0,5 

27,2 

0,0 

0,0 

56,7 

0,0 

0,0 

34,8 

0,0 

0,0 

61,2 

0,0 

0,0 

17,2 

0,0 

0,0 

32,4 

8,0 

246,9 


1,0 

30,9 


, Bleiversuch HI. 

Jüngerer, aber ausgewachsener, bösartiger Kater. 

Unter dem rechten Auge hat das Tier eine eiternde Bißwunde, die während 
der ganzen Versuchsdauer nicht ausheilt. 


Versuchst age 
(13. V. 18) 


a) Verlauf. 


0 Gewöhnungsverband. 

14 Rücken und Flanken werden in einer Ausdehnung von 12:14 cm mit dem 
Depilatorium enthaart. Die Haut wird nicht unerheblich angeätzt. 

27 Ätzwunden verheilt, aber Haare wieder gut l / 2 *cm nachgewachsen. Des¬ 
halb Schur bis auf y 2 mm Haarlänge. Folgende Salbe wird 10 min lang 
in eine Hautfläche von etwa 120 qcm eingeknetet: 


Plumbi oleinici.20,0 

Vaselini albi.20,0. 


Verband wie gewöhnlich, Mantel. 

ff. Der Mantel wird alle Tage abgenommen und der Rücken durch den Ver¬ 
band hindurch 10 min lang massiert. 

38 Von der Wunde unter dem Auge ausgehend hat sich ein Wangenabszeü 
gebildet; daher Mattigkeit und Fieber (anal 38,8° C). Eröffnung des 
Abszesses nach außen und innen, die Krankheitserscheinungen gehen 
daraufhin zurück. Der verminderte Appetit kehrt wieder. 

ff. Das Tier bleibt dauernd bei Wohlbefinden, ohne auffallende Symptome. 

74 Verblutungstod durch Schnitt in den Hals; das Blut wird in einer Por¬ 
zellanschale aufgefangen, der Körper, Kopf nach unten, möglichst blut¬ 
leer gepreßt. Abnahme des Verbandes. Die Salbe ist trotz der Massage 
nicht über die Gelatinefolienschicht hinausgedrungen; Analyse der Außen- 


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THE OHIO STATE UNIVERSITY 















216 


* 


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Studien über die Resorption von Blei usw. 


und Randschicht: 0,0 mg Blei. Die Haare sind über 1 cm nachgewachsen 
und haben die Hauptmasse der Salbe in Form schmieriger Lamellen ab¬ 
gehoben. 


Versuehstage b) Gewichte. 


0 . 2630 g 

14 . 2670 g 

27 . 2670 g 

34 . 2620 g (abzüglich Verbandgewicht) 

41 . 2550 g ( „ „ ) 

48 . 2580 g ( ) 

55 . 2580 g ( „ ) 

62 . 2560 g ( ) 

69 . 2590 g ( „ ) 

74 . 2600 g ( „ „ ). 


c) Blutbefund. 
27 Keine basophilen Granula. 

rr 


d) B lei aussc hei düng. 





Kot 

Pb 

Urin 

Pb 




g 

mg 

ccm 

mg 

20 

bis 

27 . . 

. . 67 

0,6 

580 

0,0 

28 

,» 

37 . . 

. . 103 

1,1 

1210 

0,8 

38 


55 . . 

. . 109 

1,0 

1520 

0,6 

56 

,, 

68 . . 

. . 111 

0,5 

1070 

0,6 

69 

>> 

74 . . 

. . 32 

0,3 

330 

0,2 


Versuehstage e) Sektionsbefund. 

74 Mäßiger Fettgehalt im Netz, geringer im Unterhautzellgewebe. Alle 
Organe sehr anämisch. Lunge rein weiß, lufthaltig, im rechten Mittel¬ 
lappen eine kleine frische Blutung. Herz ganz schlaff, blutleer. Magen 
fast leer, kontrahiert, im Dünndarm wenig galliger Schleim, keine ent¬ 
zündlichen Veränderungen. Im Dickdarm wenig zäher grünschwarzer 
Kot. Leber hellbraungelb, mit scharf hervortretenden Blutpunkten. 
Nieren mit auffallend deutlicher Pyramidenzeichnung, von normaler 
Größe, Kapsel leicht abziehbar. — Kein Bleisaum. 

Mikroskopisch zeigt die Leber um die Zentralvenen herum ganz 
frische Hämorrhagien, sicherlich von dem gewaltsamen Ausbluten des 
Körpers herrührend. 

In einem in Schwefelammonium eingelegten Schnitt durch die ein¬ 
geriebene Haut ist die Hornschicht gleichmäßig hellbraun gefärbt (durch 
die Gewebskolloide in Lösung erhaltenes Bleisulfid), die tieferen Schichten 
— von den Chromatophoren abgesehen — farblos. Bräunliche Massen 
finden sich in den Haarbälgen und den frei mündenden Talgdrüsenaus¬ 
führungsgängen, immer nur bis zu geringer Tiefe. 

Hämatoxylin-Eosinfärbung: Alle Hautschichten sind wohl erhalten. 


f) Bleigehalt des 
Organ 

Eingeriebene Haut (50 qcm) . . . 

(mit Äther allein gereinigt) . . . 
Nicht eingeriebene Haut (150 qcm) 

Dickdarm samt Inhalt .. 

Leber mit Gallenblase. 

Nieren, Milz und Harnblase . . . 
Brust- und Halsorgane . 


Gewicht 

Bleigchalt 
absolut ln 1000 

8 

mg 

mg 

17,1 

6,1 

356,7 

56,8 

0,025 

0,4 

18,2 

0,1 

5,o 

132,4 

0,25 

1,9 

34,1 

0,05 

1.5 

68,9 

0,05 

0,7 


Gougle 


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THE OHIO STATE UNIVERSITY 














Von Dr. med. Philipp Süßmann. 


217 


Organ 

Gewicht 

g 

Bleigehalt 
absolut ln 

1000 g 


mg 

mg 

Dünndarm samt Inhalt. . . . 

. . . 82,0 

0,05 

0,6 

Gehirn und Rückenmark . . . 

. . . 44,0 

0,025 

0,6 

Blut. 

. . . 143,8 

0,025 

0,2 

Muskulatur . 

. . . 149,3 

0,025 

0,2 

Zwerchfell und Netz . 

. . . 53,2 

0,0 

0,0 

Magen samt Inhalt . 

. . . 30,7 

0,0 

0,0 


Bleiversuch IV. 

Ältere, gutmütige Katze. 

Da» Tier leidet schon bei Versuchsbeginn an einem Nasenkatarrh; aus der 
1. Nasenöffnung fließt schleimig-eitriges Sekret. Die Katze niest häufig und hustet 
auch ab und zu; im übrigen ist sie munter und bei gutem Appetit. 


Versuchstage 
(15. V. 18) 


a) Verlauf. 


0 Gewöhnungsverband. 

7 Rücken und Flanken werden in einer Ausdehnung von 12:15 cm ohne 
Hautverletzung auf y t mm Haarlänge geschoren, sodann folgende Salbe 
noch warm in eine Hautfläche von etwa 150 qcm 10 min lang eingeknetet: 


Plumbi oleinici.25,0 

Vaselini albi.20,0 

Lanolini anhydrici. 5,0. 

Üblicher Verband und Mantel. 


ff. Der Mantel wird täglich abgenommen und Rücken und Flanken durch 
den Verband hindurch 10 min lang massiert. 

Die Katze trippelt im Stehen fortwährend mit den Vorderpfoten, 
was sich als Folge zu knapper Ausschnitte im Mantel herausstellt. Nach 
Erweiterung derselben hört auch das Trippeln auf. 

14 Freßlust nimmt ab. 

20 Die Katze ist sehr hinfällig geworden. Nervöse Symptome wurden nicht 
mehr konstatiert, vor allem ist das Tier stets äußerst zutraulich. 

21 Rohes Fleisch wird gleich nach dem Fressen wieder erbrochen. 

22 Die Katze kann sich nicht mehr erheben. Nachmittags erfolgt unter 
zunehmendem Röcheln der Tod. Abnahme des vollkommen dicht ge¬ 
bliebenen Verbandes. Die Haare sind nur 2 bis 3 mm nachgewachsen; 
die Salbe liegt noch als klebrige Masse an. Analyse der Außenschichten: 
0,0 mg Pb. 

Versuchstage b) Gewichte. 


0 3260 g 

5.3180g (abzüglich Verbandgewicht} 

7 3130 g 

11 3050 g ( 

15 2990 g ( 

18 2920 g ( 

20 2720 g ( 

22.2610 g ( 


20 


c) Blutbefund. 
Keine basophilen Granula. 


> 




d) Bleiaussch 

eid u n g. 





Kot 

Pb 

Urin 

Pb 



p 

mg 

ccm 

mg 

2 

bis 7 . 

. . . . 53 

0,0 

910 

0,0 

8 

„ 9 . 

. . . . 20 

0,3 

165 

0,2 

10 

„ 16 . 

. . . . 58 

0,7 

520 

0,3 

17 

„ 22 . 

. . . . 22 

0,1 

325 

0,2 

21 

Erbrochenes: 53,3 g enthält 0,0 mg Pb. 



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218 


Studien über die Resorption von Blei usvv. 


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e) Sektionsbefund. 

Abgemagertes Tier ohne Hautfett und mit ganz spärlichen Fett¬ 
mengen im Netz. Um Nase und Maul eintrocknende Reste einer bräun¬ 
lichen Flüssigkeit. Auch die Zunge ist mit schleimiger, schwarzbrauner 
Flüssigkeit bedeckt. Speiseröhrenwand glatt und blaß, mit wenig schwärz¬ 
licher Flüssigkeit bedeckt; Magen stark kontrahiert, an der Kardia ein 
Kranz feinster Blutaustritte (Stauung?), mit wenigen ccm eines übel¬ 
riechenden grünschwarzen (galligen) Schleims erfüllt. Dünn- und Dick¬ 
darm o. B.; letzterer enthält noch etwas zähen schwarzen Kot. Leber, 
Milz, Nieren sehr blutreich, sonst o. B. Blase enthält etwa 25 ccm Harn. 

Trachealschleimhaut rosa, saminetartig; das Lumen ist mit gelbem 
Schleim erfüllt, der im Kehlkopf in die vom Magen kommende schwarze 
Flüssigkeit übergeht. Linke Lunge rosa und fast durchweg lufthaltig; 
von den rechten Lappen weist der obere zahlreiche dunkelrote eingesun¬ 
kene Stellen auf; im Mittel- und Unterlappen konfluieren diese und lassen 
zwischen sich nur kleine lufthaltige Stellen frei, welche stark hervortreten¬ 
des vikariierendes Emphysem, zumal Randemphysem zeigen. Die Bron¬ 
chien sind hier dick mit Eiter erfüllt, der bei Druck aus den angeschnitte¬ 
nen Lumina hervorquillt. 

Herz kontrahiert und mit wenig Blut erfüllt. 

Mikroskopisch zeigt die Lunge (rechter Mittellappen) das Bild starker 
eitriger Bronchitis und Peribronchitis ohne Anzeigen von Tuberkulose 
(Herr Geheimrat M. B. Schmidt). Alveoläres ödem. 

Diagnose: Eitrige Bronchitis, Emphysem mit konsekutiver Stauung 
(Lungenödem und venöse Hyperämie der Unterleibsorgane). 

Ein in Schwefelammon eingelegter Gefrierschnitt durch die einge¬ 
riebene Haut liefert das nämliche Bild wie in Versuch III; ebenso ist auch 
hier die Hautstruktur intakt geblieben. 


f) Blei ge halt des Körpers. 


Organ 


Gewicht 

g 

27,9 

Bleigehalt 

absolut ln 1000 g 

Eingeriebene Haut (88 qcm) 
Äther gereinigt). 

(nur mit 

mg 

8,3 

mg 

297,5 

Nicht eingeriebene Haut (128 qcm) . 

41,3 

0,025 

0,0 

Dickdarm mit Inhalt. . . 


18,1 

0,15 

8,3 

Leber mit Gallenblase . . 


71,6 

0,35 

4,9 

2 Nieren. 


22,8 

0,1 

4,4 

Blase mit Harn. 


26,3 

0,025 

1.0 

Netz, Pankreas, Zwerchfell 
senterium. 

und Me- 

50,4 

0,05 

1,0 

Dünndarm mit Inhalt . . 


57,2 

0,05 

0,9 

Gehirn und Rückenmark . 


32,4 

0,025 

0,8 

Magen und Speiseröhre mit 

Inhalt . 

36,7 

0,05 

0,7 

Brustorgane und Trachea 


69,1 

0.05 

0.7 

Muskulatur. 


38,7 

0,025 

0.6 

Milz. 


3,5 

0,0 

0.0. 


Überblicken wir die Ergebnisse der geschilderten 4 Versuche gemein¬ 
sam, so sehen wir zunächst, daß unsern theoretischen Erwägungen ent¬ 
sprechend die Hornschicht der Haut eine diffuse Durchtränkung mit der 
bleihaltigen Salbe erfahren hat. Diesem mikroskopischen Befund der Ver¬ 
suche III und IV entspricht die chemische Analyse, welche bei den Katzen 
II bis IV noch einen Gehalt von 0,08 bis 0,12 mg Blei im qcm der mit 
Äther gründlich gereinigten Haut aufdeckte. Daß dieses Blei allerdings 
nur in den obersten Epidermisschichten sitzt, läßt sich dadurch erhärten* 
daß man es durch Abreiben mit Watte, die mit heißer Salpetersäure ge- 


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Von Dr. med. Philipp Süßmann. 


219 


tränkt ist, und nachheriges Abspülen mit Wasser zu 7 / 8 entfernen kann 
(Versuch II); ich möchte also nicht wie Vogt und Burckhardt schon 
in der bloßen Tatsache des verhältnismäßig hohen Bleigehalts der ein¬ 
geriebenen Haut einen Beweis für eine wirkliche Permeation des Bleis er¬ 
blicken. Dieser Beweis kann jedoch leicht erbracht werden durch die 
Analyse der Ausscheidungen und des Tier kör pers. 

In Versuch I sollte ermittelt werden, wie lange und wie viel Blei noch 
nach Entfernung der Salbe vom Körper nach außen abgeschieden wird; 
nachdem sich aber in den folgenden Versuchen gezeigt hat, daß auch die 
gereinigte Haut noch Bleimengen von etlichen Milligrammen in ihren 
oberflächlichen Schichten einschließt, von denen ein Teil höchstwahr¬ 
scheinlich noch in den Körper gelangt, erscheint es mir fraglich, ob die 
in dieser 22tägigen Nachversuchszeit ausgeschiedenen 0,75 mg gespeicher¬ 
tes Blei darstellen, das schon in der Verbandperiode aufgenommen wurde. 
Möglicherweise ist die bis zum Ende der Beobachtung (46. Tag) ganz kon¬ 
stant bleibende Ausscheidung von 0,025 mg im Tagesdurchschnitt auf 
Rechnung der nachträglichen Resorption zu setzen und nur die anfängliche 
Plusdifferenz gegen diesen Wert von insgesamt 0,2 mg schon während der 
Verbandperiode resorbiert worden. Auf alle Fälle wird man also die‘Aus¬ 
scheidungszahlen in letzterer von 0,6 mg (Kot) und 0,7 mg (Urin) auf min¬ 
destens 0,7 und 0,8 mg zu erhöhen haben. 

Im allgemeinen ist die Bleispeicherung im Körper recht gering. Von 
den Verbandversuchen war sie bei dem kurzdauernden Versuch IV noch 
am größten (50% des ausgeschiedenen Bleis); bei dem Fütterungsver¬ 
such I, 2 betrug sie trotz der reichlichen oralen Bleiaufnahme nur 4,5 mg. 
Ich bin mir dabei wohl bewußt, daß der tatsächliche Bleireichtum des 
Körpers größer ist als die gefundenen Zahlen angeben, da ja nur ein ge¬ 
ringer Teil des Körpers wirklich durchanalysiert wird; insofern dieser Fehler 
sich aber überall gleichmäßig wiederholt, bleibt der Vergleichswert der 
Zahlen erhalten. Eine Umrechnung des Muskelgehaltes auf den ganzen 
Körper und Addition dieser errechneten zur wirklich gefundenen Metall¬ 
menge (nach dem Vorgänge Uli man ns) habe ich in Anbetracht der Mög¬ 
lichkeit der Vervielfachung von Analysenungenauigkeiten nicht vorge¬ 
nommen, zumal bei der Geringfügigkeit der Bleispeicherung für die Er¬ 
mittelung der Permeabilitätsgröße der Bleigehalt der Ausscheidungen 
und nicht der des Körpers von ausschlaggebendem Einflüsse ist. Immerhin 
muß darüber Klarheit sein, daß die gefundenen Permeabilitätswerte 
Minimalzahlen sind; die tatsächliche Bleiaufnahme mag um ein geringes 
größer sein. Folgende Tabelle, die meiner vorläufigen Mitteilung entnommen 
ist, stellt die Analysenresultate noch einmal summarisch zusammen: 

Berechnung der Bleiaufnahme im Tagesdurchschnitt. 


Katze 

Nr. 


Wir¬ 

kungs¬ 

volle 

etwa 

Ein wir- 

Gefundene Bleimengen 

Bleiaufn. 
im Tages¬ 
durch¬ 
schnitt mg 

Appliziert wurden 

kungs- 

dauer 

im Kot 
mg 

i. Harn 
mg 

im Kör¬ 
per mg 

zusam¬ 
men mg 

i 

5 g Bleioxyd aufgelegt 

qcm 

50 

Tage 

17 

0,7 ' 

0,8 

? 

> 1,5 

> 0,09 

ii 

lOgBleioleat „ 

75 

19 

1,4 

1 1,1 

0,2 

: 2,7 

0,14 

ui 

20 g „ eingerieben 

120 

57 

2,9 

2,2 

0,6 

! 5,7 

0,12 

IV 

25 g 

150 

15 

1,1 

0,7 

0,9 

1 2,7 

0,18 


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220 


Studien über die Resorption von Blei usw. 


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Es erhellt daraus, daß im täglichen Durchschnitt 1 bis 2 Zehntel¬ 
milligramme Blei durch die Haut in den Körper eindrangen; bei dem 
langdauernden Versuch III konnte man ein allmähliches Absinken der 
Bleiausscheidung bemerken, was sicherlich der Ausdruck einer durch das 
Abheben der Salbenmasse bedingten Abnahme der Bleiresorption ist. 

Um die ermittelte Intensität des Bleidurchtritts mit Ergebnissen an¬ 
derer Versuche, sei es an anderen Tieren oder mit andersartiger Appli¬ 
kation, vergleichen zu können, ist es nötig, die absoluten Mengen auf 
die Einheit der Resorptionsfläche zurückzuführen; denn selbstverständ¬ 
lich wird von einer ausgedehnteren Hautpartic mehr resorbiert als von 
einer kleineren. Ich habe deshalb die Substanzmenge, die im Tagesdurch¬ 
schnitt einer Versuchsperiode durch 1 qdm Hautfläche permeiert, als 
mittlere Permeabilitätsgröße bezeichnet. Dieser Wert, erhalten 
durch Multiplikation des Tagesdurchschnitts der Aufnahme mit 

100 

-rü—T~> lst 

qcm Fläche j n Versuch I: 0,18 mg Blei, 

II: 0,19 „ „ 

HI: 0,10 „ „ 

IV: 0,12 „ „ 

Die Zahlen sind von derselben Größenordnung und nicht allzu¬ 
weit voneinander entfernt; die Schwankungen mögen zum Teil aus Ver¬ 
schiedenheiten der Versuchsdurchführung stammen, zum Teil aber auch 
durch individuelle Unterschiede in der Hautbeschaffenheit zu erklären 
sein. 

Interessant ist die Tatsache, daß die mittlere Permeabilitätsgröße 
in den Massageversuchen III und IV kleiner gefunden wurde als in den 
beiden vorhergehenden, in welchen die Salbe nur aufgestrichen wurde. 
Es handelt sich dabei ganz sicherlich um Einflüsse, die mit dem Vorgang 
der Massage nicht in Beziehung stehen; jedenfalls aber wurden die Durch¬ 
schnittswerte der Resorption 'durch die Einreibung nicht erhöht. 

Das mit tierischem Fett zur Salbe vermengte Bleioxyd gelangte 
im selben Maße zur Aufsaugung wie das fertig gebildete ölsaure Salz. 

Eine Berechnung der mittleren Permeabilitätsgröße für den Durch¬ 
schnitt aller 4 Versuche ergibt, wenn pb die gefundene Blei menge, 
fl die Wirkungsfläche in qcm und d die Anzahl der Versuchstage bedeutet: 

M.P..G, (.-.V) - (**£" + 

+ pbl ]iiv~ ) : (■ dl + dn + llm + *v) = 0,14 mg Blei, 

eine Zahl, die hinter den Werten von Vogt und Burckhardt, wenn 
man den Versuch macht, die von ihnen ermittelten Permeabilitätsgrößen 
zu bestimmen, zum mindesten um das 50fache zurückbleibt. 

Von großem Interesse ist die Frage, ob einer Bleiaufnahme, wie sie 
in meinen Versuchen vorliegt, toxikologische Bedeutung zukommt. 


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221 


Von Dr. med. Philipp Süßmann. 

Über die Minimalintensit&t der Bleiresorption, die zu einer chronischen 
Vergiftung von Katzen nötig ist, lassen sich zwar aus der Literatur sichere 
Aufschlüsse noch nicht gewinnen; soviel ist aber gewiß, daß die hier auf¬ 
genommenen Bleimengen höchstens eine eminent chronische Vergiftung 
hervorzubringen imstande wären, nicht aber innerhalb der beschränkten 
Zeitdauer eines Einreibungsversuches Bleisymptome zu zeitigen vermöchten. 

Dem entspricht das Befinden der Katzen während der ganzen Ver¬ 
suchszeit, in guter Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Tan- 
querel, Monnereau und Brezina und Eugling. Daß in meinen 
Verbandversuchen keine basophilen Granulationen in den roten Blutkörper¬ 
chen gefunden wurden, braucht noch keinen Widerspruch zu den Befunden 
von Brezina und Eugling zu enthalten, da sich die Reaktionsfähigkeit 
des hämatopoetischen Apparates der Katzen und Meerschweinchen wohl 
nicht unmittelbar vergleichen läßt und außerdem in den Versuchen der 
Wiener Autoren das Verhältnis der eingeriebenen Hautfläche zum Körper¬ 
gewicht möglicherweise größer war als bei mir 1 ). 

Um einen Vergleich der fettigen Applikationsweise mit der Anwendung 
wässeriger Lösungen zu gewinnen, wurden zwei weitere Experimente 
nach Art der Schwenkenbecherschen Badeversuche angestellt. 


Bleiversuch V. 

Männliches Meerschweinchen, 350 g schwer. 

Der Versuch begann damit, daß dem Tiere einen Tag lang die Nahrung ent¬ 
zogen wurde, um die Urinsekretion auf ein Mindestmaß einzuschränken. Dann 
wurde um den Hals und die vorderen Extremitäten — die letzteren in sich ber¬ 
gend — aus Watte und Binden ein sich weit aufbauschender und endlich durch 
Gips versteifter Kragen gelegt. Abbinden des Penis, Überkleben desselben wie 
auch des Afters mit Wachs und Kollodium. Nun wurde der Tierkörper, soweit 
es der Kragen erlaubte, durch eine kreisförmige Aussägung (Durchmesser 6,5 cm) 
eines Brettchens gezogen, dann die Hinterfüße in einer Schlinge zusammenge¬ 
knotet und an ein eisernes 500 g-Gewicht festgebunden. 

Inzwischen war ein dickwandiges, zylindrisches Standgefäß mit einer 37° 
warmen, gesättigten wässerigen Lösung von ölsaurem Blei gefüllt worden. (Die 
Lösung enthielt in 50 ccm 17,9 mg Blei, was einem Gehalt von 1,33 g Bleioleat 
in 11 entspricht.) 

In dieses, am Boden mit Watte ausgeschlagene Gefäß wurde das Meerschwein¬ 
chen so eingesenkt, daß der Holzkragen quer über den oberen Rand herüberlag 
und das Eisengewicht gleichzeitig unten aufstand, ohne einen stärkeren Zug 
an den Beinen des Tieres auszuüben. Dieses war aber so vollkommen außer¬ 
stande, irgendwelche Bewegungen auszuführen. Die mit der Versuchslösung 
in Berührung stehende Hautoberfläche maß etwa 160 qcm. Das Glas wurde, 
nachdem der Holzdeckel noch durch einige Verschnürungen gesichert worden 
war, in den auf 41° C gebrachten Brutschrank eingestellt, dessen Türe ein wenig 
offen blieb. 

Nach 30 h wurde das Meerschweinchen mit Chloroform getötet, mit Wasser 
abgespült, vorsichtig abgebalgt, der Körper nochmals nachgespült und dann in 
toto analysiert. Bleigehalt: 0,1 mg. 

Ein in Schwefelammon eingelegter Hautschnitt zeigte eine deutliche gelb¬ 
braune Verfärbung der dünnen Hornschicht. 


1) Vgl. auch die Anmerkung auf S. 212. 


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222 


Studien Über die Resorption von Blei usw. 


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Blei versuch VI. 

Männliches Meerschweinchen, Gewicht 365 g. 

Der Versuch wurde in gleicher Weise vorgenommen wie Versuch V, nur daß 
die Lösung des ölsauren Bleis durch eine solche von neutralem Bleiazetat er¬ 
setzt war. (50 ccm enthielten 26,3 mg Blei, entsprechend einer fast 1 promilligen 
Bleizuckerlösung.) 

Bleigehalt des Körpers: 0,05 mg. 

Gleichfalls deutliche Gelbbraunfärbung der Hornschicht im mit Schwefel¬ 
ammon behandelten Hautschnitt. 


Kontrollversuche. 

Zwei Meerschweinchenkörper aus dem gleichen Stall, unbehandelt (die Tiere 
waren zur Blutentnahme für die Wassermannsche Reaktion verwendet wor¬ 
den), enthalten 0,0 mg Blei. 


Als Ergebnis der beiden Meerschweinchen versuche ist zu buchen, 
daß trotz der diffusen Durchtränkung der Hornschicht (eine Analyse 
der Bälge ist leider unterblieben) die Permeation ins Körperinnere eine 
recht verschwindende war. 

Die mittlere Permeabilitätsgröße von 

0 1 » 100 

Versuch V betrug: ^ 25 TJ q Ö = m 8 

von Versuch VI nur: 0,025 mg Blei, 
d. h. nur l / s bis */$ des aus den Katzen verband versuchen errechneten 
Durchschnittswertes. 

Die Ursache dieser geringen Aufnahme sogar des ölsauren Bleis, 
bei welchem doch eine Resorptionsverzögerung durch vorhergehende 
Umsetzung mit den Fettsäuren des Hauttalges in Wegfall kommt, darf 
wohl in der niedrigen Konzentration wie auch in der relativ kurzen Ein¬ 
wirkungsdauer gesucht werden; denn es wird,.wie schon im theoretischen 
Teil hervorgehoben wurde, naturgemäß geraume Zeit vergehen, bis die 
Lösung erst einmal die Hornschicht zur Quellung gebracht hat. Übrigens 
macht sich der Unterschied zwischen dem Oleat und dem fettunlöslichen 
Azetat auch bei den minimalen absoluten Mengen bemerkbar. 

Als Abschluß der Bleiversuche führte ich noch einen quantitativen 
Selbstversuch an mir durch, dessen Protokoll nachstehend wiedergegeben 
wird. 


Bleitersuoh VIL (Selbstversuch.) 

Versuchstage a \ Vprlanf 

(20. X. 18) a ' verlauI - 

0 Von heute ab werden Stuhl und Harn quantitativ gesammelt und auf 
ihren Bleigehalt untersucht. 

4 Prüfung der Hautsensibilität der Waden, sowie der Reizschwelle für 
elektrische Erregung der Wadenmuskulatur durch Herrn Geheimrat 
M. v. Frey: 

Mechanische Schwelle für Oberflächenschmerz über dem M. tibialis 
anterior: 


L. und R.: Stachelborste 300. 

Schwelle für Gleichstrom: 

L. Peronaeus longus: bei 23 Elementen Kathodenschließungszuckung 
(KSZ), 8 Milli-A. 

Tibialis anterior: bei 22 El. KSZ, 6 MA. 

R. Peronaeus longus: bei 18 El. KSZ, 9MA. 

Tibialis anterior: bei 17 El. KSZ, 6 MA. 


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223 


Versuchstage 

5 In die Haut der rechten Wade wird folgende Salbe 10 min lang in noch 


warmem Zustande eingeknetet: 

Plumbi oleinici.50,0 

Vaselini albi.25,0 

Lanolini anhydriei .... 25,0. 


Die salbenbedeckte Fläche mißt 450 qcm. Darüber Kompressen, 
Watte, Billrothbattist, dessen freie Ränder miteinander und mit der 
nackten Haut durch Kollodium verklebt werden, nochmals Watte, Binden¬ 
touren und darüber ein enganliegender, bis übers Knie reichender Trikot- 
strumpf, der während der ganzen Dauer des Versuchs liegen bleibt. Durch 
den Strumpf hindurch wird die Wade täglich 10 min lang massiert. 

ff. Dauernd vollkommenes Wohlbefinden. Der Verband wird unter dem 
Beinkleid von Unbefangenen nicht bemerkt und hindert beim Gehen 
und Arbeiten in keiner Weise. An das anfänglich unangenehme klebrige 
Gefühl erfolgt rasche Gewöhnung. - 

20 Abnahme des Verbandes. Der ganze * Trikotstrumpf wird verbrannt 
und analysiert; Bleigehalt: 0,0 mg Pb. Der Billrothbattist liegt der Haut 
noch gut an; nur an einzelnen Stellen hat sich die Kollodiumverklebung 
von der Haut gelöst. Die Salbe bedeckt die Haut noch vollkommen; 
nach ihrer Entfernung mit Benzin und Seifenwasser zeigt letztere außer 
einer kleinlamellösen Abschuppung nichts Auffallendes, keine Rötung, 
keine Rhagaden. 

Nochmalige physiologische Prüfung durch Herrn Geheimrat v. Frey: 

Mechanische Schwelle für Oberflächenschmerz über dem M. tibiaiis 
anterior: 

L. und R.: Stachelborste 300. 

Schwelle für Gleichstrom: 

L. Peronaeus longus: bei 22 El. KSZ, 7 MA. 

Tibiaiis anterior: bei 21 El. KSZ, 6 MA. 

R. Peronaeus longus: bei 20 El. KSZ, 8 MA. 

Tibiaiis anterior: bei 19 El. KSZ, 7 MA. 

30 Die Untersuchung von Harn und Stuhl wird (‘ingestellt. Ende des Ver¬ 
suchs. 

Versuchstage b) Blutbefund. 

7 Keine basophilen Granula. 


c) Blei ausseh ei düng. 



Kot 

Pb 

Urin 

Pb 


g 

mg 

ccm 

mg 

0. 

240 

1,0 

3010 

0,2 

1. 

198 

0,0 

2740 

0,25 

2. 

280 

112,7! 

3425 

0,2 

3. 

223 

1,3 

3570 

0,3 

4. 

175 

0,9 

2320 

0,15 

5. 

270 

0,7 

2580 

0,2 

r>. 

187 

1,0 

3030 

0,3 

7. 

330 

0,0 

2740 

0,3 

8. 

174 

0,6 

2880 

0,3 

9. 

135 

0,8 

2530 

0,2 

10. 

465 

0,8 

3620 

0,2 

11. 

272 

0,4 

2845 

0,2 

12. 

220 

0,5 

2550 

0,2 

13 .... . 

320 

0,5 

4350 

0,25 

14. 

215 

0,4 

2800 

0,2 


Archiv für Hygiene Bd.90. 15 


Difitized 



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224 


Studien über die Resorption von Blei usw. 


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Versuchstage 

Kot 

g 

Pb 

mg 

Urin 

ccm 

Pb 

mg 

15 . . . . 

. 244 

0,6 

1150 

0,15 

16 ... . 

. 185 

0,4 

2800 

0,2 

17 . . . . 

. 220 

0,5 

3010 

0,2 

18 ... . 

. 132 

0,4 

3020 

0,2 

19 ... . 

— 

— 

1740 

0,15 

20 ... . 

. 372 

0,6 

2965 

0,2 

21 ... . 

. 174 

0,5 

2730 

0,2 

22 ... . 

— 


3615 

0,2 

23 ... . 

. 259 

0,9 

3750 

0,2 

24 . . . . 

. 228 

0,4 

3225 ' 

0,2 

25 ... . 

. 235 

0,4 

3550 

0,2 

26 . . . . 

. 145 

0,3 

2840 

0,15 

27 ... . 

. 227 

0,4 

3180 

0,2 

28 ... . 

. 190 

0,3 

2675 

0,15 

29 ... . 

. 280 

0,4 

3180 

0,2 

30 ... . 

. 265 

0,3 

3000 

0,15 

31 . . . . 

. 325 

0,4 

3315 

0,15 

32 ... . 

. 205 

0,3 

2580 

0,1 

33 ... . 

. 190 

0,2 

2325 

0,15 

' 34 . . . . 

. 222 

0.2 

3055 

0,15 

35 . . . . 

— 

— 

1875 

0,1 

36 ... . 

. 410 

0,2 

2680 

0,05 


Betrachten wir diese Ausscheidungszahlen mit kritischem Auge, so fällt 
zunächst auf, daß schon in der Vorperiode des Versuchs, zur Zeit also, wo 
noch kein Bleiverband getragen wurde, erhebliche Bleimengen im Kot und 
Harn erscheinen. Besonders merkwürdig ist der ganz aus dem Rahmen 
fallende Bleigehalt dea Stuhles vom 2. Versuchstage. Die Bleianalysen 
der Vorperiode wurden, da auf einen positiven Bleibefund gar nicht ge¬ 
rechnet wurde, erst zu Ende geführt, als der Verband schon angelegt war; 
sonst hätte ich unter diesen Umständen den Versuch wahrscheinlich gar 
nicht begonnen. Ich glaube aber jetzt und werde es klarzulegen trachten, 
daß, was zunächst jedes Versuchsergebnis zu vereiteln schien, gerade zu 
einem guten Gelingen des Experimentes beigetragen hat. 

Worauf die Bleizahlen der Vorperiode zurückzuführen sind, wurde mir 
klar, als ich den enormen Wert von 112,7 mg entdeckte. 

Ich pflegte nämlich damals am Tische einer Jögerfamilie zu speisen, 
wo fast alle Tage Wild, meistens in essigsaurer Zubereitung, aufgetragen 
wurde. Daß die Kochgeschirre der Familie kein Blei enthielten, davon 
hatte ich mich überzeugt; an eine andere, so naheliegende Bleiquelle 
aber hatte ich nicht gedacht — an die Schrote! Es scheinen aber — be¬ 
sondere Feststellungen müßten das noch bestätigen — bei der Zubereitung 
schrothaltigen Wildes kleine Bleimengen gelöst zu werden und in die 
Speisen überzugehen. Der hohe Bleigehalt des fraglichen Stuhles hat außer 
allem Zweifel seine Ursache in einem verschluckten Schrotsplitter. Als 
mir dieser Umstand klar geworden war (am 7. Versuchstage), habe ich 
— denn abbrechen wollte ich den Versuch nun doch nicht mehr — die 
Wildbretkost sofort aufgegeben und nur von Vegetabilien, Eiern und sol¬ 
chem Fleisch gelebt, bei dem ein Bleigehalt nicht anzunehmen war. (Die 


Gck igle 


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Von Dr. med. Philipp Süßmann. 225 

in jener Familie übliche starke Würzung aller Speisen, die großen Durst 
im Gefolge hatte, erklärt übrigens die erheblichen Urinmengen.) 

Zu einem besseren Überblick ist es zweckmäßig, den ganzen Ver¬ 
suchsverlauf in 7 Perioden einzuteilen: die Vorperiode (mit Auslassung 
des zweiten Tages mit seiner störend großen Bleiausscheidung), 4 Haupt¬ 
versuchszeiten mit zweimal 5 und zweimal 6 Tagen und 2 Nachperioden 
mit je 5 Tagen. In der Ausscheidungstabelle sind die Einzelperioden durch 
größere Abstände kenntlich gemacht. Die Stuhl- und Urinausscheidung 
zusammenfassend, erhalten wir folgende Summationswerte: 


Periode 

Tage 

Gesamtbleiausscheidung 

Vorperiode. 

... 4 

4,7 mg 

Hauptperiode I . 

... 5 

4,0 „ 

„ n. 

... 5 

3,65 „ 

„ in. 

... 6 

3,6 „ 

„ IV. 

... 6 

3,65 „ 

Nachperiode I . 

... 5 

2,65 „ 

„ II. 

... 5 

1,45 „ 


Durch Division der Ausscheidungszahlen mit der Anzahl der Tage 
erhalten wir als 


Bleiausscheidung im Tagesdurchschnitt 

für die Vorperiode.1,18 mg 

Hauptperiode I.0,8 ,, 

II.0,73 „ 

„ III - ■ ..0,60 „ 

„ IV . . ..0,61 M 

Nachperiode I .0,53 „ 

„ II .0,29 


Man sieht, daß ein langsames Absinken der Bleiausscheidung gegen 
das Versuchsende hin stattfindet; nur einmal — in den Hauptversuchszeiten 
III und IV — bleibt sie auf konstanter Höhe. Ich glaube, daß folgende 
Erklärung dieser Erscheinung viel Wahrscheinlichkeit für sich hat. 

Die lange Zeit fortgesetzte orale Bleiaufnähme hatte zu einer gewissen 
(in Ansehung der Katzenversuche wohl nicht erheblichen) Bleiaufspeiche¬ 
rung im Körper geführt. Nach Aufhören der digestiven Zufuhr verminder¬ 
ten sich die Bleidepots des Körpers soweit, als dem geringeren Nachstrom 
von der Haut aus entsprach. In der dritten Hauptperiode ist der Gleich¬ 
gewichtszustand zwischen Resorption, Kapazität der Bleidepots und Aus¬ 
scheidung erreicht. Nach dem Versiegen auch der kutanen Bleiquelle 
sinkt die Bleiausscheidung infolge der allmählichen Entleerung der Blei¬ 
speicher in wenigen Tagen auf immer niedrigere Werte. 

Darnach wären wir in der Lage, auch ohne den Bleigehalt des 
Körpers zu kennen, die Hautresorptionsgröße des Bleis zu bestimmen: 
sie muß in der Zeit des konstanten Bleistroms, also in der zweiten Hälfte 
des Hauptversuchs, gleich gewesen sein der gesamten Bleiausscheidung, 
d. h. die Bleiaufnahme im Tagesdurchschnitt = 0,6 mg Pb. 

15 * 


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THE OHIO STATE UNIVERSITY 

















226 


Studien über die Resorption von Blei usvv. 


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Daraus berechnet sich hei 450 qcm Wirkungsfläche die mittlere 
Perineab i 1 i t ä t s g r ö ß e am Monschen 

auf 0,133 mg Pb, 

(‘inen Wert also, der dem Mittel der Katzenversuche vollkommen ent¬ 
spricht. 

Wir dürfen daraus entnehmen, daß zwischen der Haut der 
Katze und der des Menschen ein wesentlicher Unterschied 
im resorptiven Verhalten nicht besteht, daß also an der Katze 
gewonnene Ergebnisse mit gutem Rechte auf den Menschen übertragen 
werden können. 

Zum Schluß ist die Frage zu erwägen, ob die durch die Haut aufge¬ 
nommenen Bleimengen eine chronische Vergiftung d,es Menschen hervor¬ 
zubringen imstande sind. Gärtner hat (nach K. B. Lehmanns Gewerbe¬ 
hygiene, S. 203) berechnet, daß. 0,35 mg Blei, täglich oral aufgenommen 
(doch dürften diese kleinen Mengen ziemlich vollständig resorbiert werden), 
unschädlich sind, bei 4 mg machen sich Anzeigen einer Vergiftung nach 
einigen Monaten bemerkbar. Demnach dürfte bei einer täglichen Aufnahme 
von 0,6 mg Pb eine Gesundheitsschädigung auch noch nicht zu erwarten 
sein; ich möchte nach den Erfahrungen der Vorperiode des vorliegenden 
Versuches glauben, daß man für sonst gesunde Personen die Schwellen¬ 
dosis des Bleis sogar noch ein wenig höher ansetzen kann. Da aber in 
der gewerbehygienischen Praxis so günstige Resorptionsbedingungen wie 
in diesem Versuche niemals vorliegen werden, so darf hiermit die Frage» 
nach der Möglichkeit gewerblicher Bleivergiftungen durch 
Hautresorption als nach der negativen Seite hin experimentell ent¬ 
schieden betrachtet werden. 


V. Ergebnisse experimenteller Studien über die perkutane Resorption 

des Quecksilbers. 

Alle bisherigen Arbeiten, welche auf dem Wege des Versuchs eine 
Lösung der Frage nach der Hautpermeabilität für Quecksilber erstrebten, 
konzentrieren sich um das Problem der Wirksamkeit der grauen Salbe. 
Wenn ja einmal einzelne Autoren zum Vergleiche oder aus gewissen ex¬ 
perimentellen Rücksichten heraus andere quecksilberhaltige Substanzen 
auf die Haut brachten, so blieb die Grundfrage doch immer dieselbe. Frei¬ 
lich treten auch oder traten wenigstens vor der allgemeineren Einführung 
der Injektionstherapie der Syphilis alle Verhältnisse, unter denen praktisch 
eine Quecksilberresorption durch die Haut hindurch in Frage kam, der 
Schmierkur gegenüber an Bedeutung erheblich zurück. 

Seit Kirchgässer auf die Möglichkeit einer inhalatorischen Aufnahme 
des äuf der Haut verdampfenden Quecksilbers mit Nachdruck hingewiesen 
hat, haben die Bemühungen vor allem der Dermatologen, über das Ver¬ 
hältnis der Lungenresorption zur Hautaufnahme ins klare zu kommen, 
kein Ende gefunden. Daß Quecksilberdämpfe in bedeutendem Maße 


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Von Dr. med. Philip]) Süßmann. 


227 


auf dom Alemwegc in den Körper gelangen, wurde bald einwandfrei er¬ 
wiesen (Friedr. Müller); einen gewissen Abschluß haben diese Unter¬ 
suchungen durch die Kaninchenexperimente von Kißkalt gefunden, 
durch welche der Nachweis erbracht wurde, daß die eingeatmeten Queck¬ 
silberdämpfe quantitativ in der Lunge festgehalten werden. 

Größere Schwierigkeiten stellten sich den Forschungen über die Tat¬ 
sächlichkeit einer perkutanen Aufnahme in den Weg. Juliusberg hat 
die Entwicklung der experimentellen Studien über dieses Problem zu¬ 
sammenfassend kritisch beleuchtet, so daß ich für Einzelheiten auf ihn 
verweisen darf. Man suchte die Frage zunächst mit dem Mikroskope zu 
beantworten, indem man nach Einreibungen mit grauer Salbe in exzi- 
dierten Hautstückchen nach dem Verbleib der Quecksilberkügelchen 
fahndete; nach mannigfachen Fehlurteilen wurde schließlich sicher nach¬ 
gewiesen (besondere Erwähnung verdienen die Untersuchungen voll 
Rindfleisch und Fürbringer), daß das elementare Quecksilber durch 
die Massage zwar in die Ausführungsgänge der Hautdrüsen und Haar¬ 
bälge, nicht aber in die Epidermis selbst eingepreßt wird. Wenn überhaupt 
eine Hautaufnahme des Quecksilbers stattfand, so war also eine Oxy¬ 
dation und Salzbildung an der Hautoberfiäche oder in den Drüsen, 
sei es zu fettsaurenf Quecksilber (Mialhe) oder zu Sublimat (Voit), 
notwendig. 

1 Nur Verbandversuche, bei denen außer der Hautresorption jeder an¬ 
dere Aufnahmeweg von Quecksilber mit peinlichster Sorgfalt ausgeschlos¬ 
sen wurde, vermochten hier die Entscheidung zu fällen. 

Aber obwohl bereits Juliusberg acht Autoren anführen konnte 
(Fleischer, Ferrari und Asmundo, Römond, Piccardi, Merget, 
Schuster, Welander, Roth), die sich die Lösung dieser Aufgabe 
zum Ziel gesetzt hatten, und er selbst noch eine Anzahl wohl überdachter 
Versuche hinzufügte, ist es noch nicht möglich, sich eine quantitative 
Vorstellung von der Intensität des Quecksilberdurchtritts durch die Haut 
zu machen. Entweder war in den Versuchen die Gefahr einer Inhalation 
nicht genügend ausgeschaltet oder die Versuchsdauer zu kurz, oder aber 
die chemische Analyse der Ausscheidungen ungenügend und zu wenig 
genau; an diesem letzten Fehler leiden auch die Versuche von Juliusberg 
selbst. Bei dieser Sachlage mußte es als ein dankbares Beginnen erschei¬ 
nen, bei unter strengsten Versuchsbedingungen angestellten Tierversuchen 
durch eine vollständige Analyse von Kot, Harn — die anderen Ausschei¬ 
dungen, wie Speichel und Exspirationsluft kommen wegen ihres minimalen 
oder überhaupt noch problematischen Quecksilbergehaltes nicht in Be¬ 
tracht — und Organen die Permeabilitätsgröße des Quecksilbers zu be¬ 
stimmen. 

Ich hatte zunächst beabsichtigt, meine Quecksilberstudien nicht allein 
auf die graue Salbe zu beschränken, sondern auch gewerbehygienisch 
interessierende Quecksilberverbindungen, wie den Zinnober, vor allem auch 
das Sublimat, in den Kreis der Untersuchungen zu ziehen. Die jetzigen 
außergewöhnlichen Zeitumstände mit ihrer Erschwerung und Verlang¬ 
samung des experimentellen Arbeitens haben dieses Vorhaben zunächst 


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228 Studien über die Resorption von Blei usw. 

vereitelt; doch hoffe ich später in der Lage zu sein, die vorliegenden Grund¬ 
versuche in der angedeuteten Weise weiter auszubauen und zu ergänzen. 

Über das Problem der Hautresorption des Quecksilbers der grauen 
Salbe habe ich im ganzen 4 Versuche angestellt. Die ersten beiden wurden 
ausgeführt, als ich die analytische Methodik noch nicht zur gewünschten 
Vollkommenheit ausgebildet hatte, um einen orientierenden Eindruck 
zu gewinnen; sie sind also mehr als Vorversuche zu bezeichnen. Deshalb 
verzichte ich auch auf eine Wiedergabe der Protokolle dieser beiden Ver¬ 
suche und begnüge mich mit ihrer summarischen Schilderung. 

Quecksilberversuch I und II. 

(November 1919.) 

Zwei junge, noch nicht ausgewachsene Kater von etwa 1500 g Gewicht. 

Nach der üblichen Verbandgewöhnung und Schur einer 100 qcm großen 
Kückenfläche wurden die Tiere alle acht Tage am offenen Fenster mit der offi¬ 


ziellen grauen Salbe: 

Schweineschmalz.112 

Wollfett. 15 

Olivenöl. 3 

Hammeltalg . 70 

Quecksilber.100 


je 10 min lang eingerieben; dann erhielten sie einen Verband mit denselben Ein¬ 
zelschichten wie bei den Bleiversuchen (s. Fig. 2), nur daß die Kollodiumfixie¬ 
rung des Billrothbattists unterblieb. 

Nach der 3. Einreibung fingen beide Tiere an, abzumagern; das eine ging 
nach weiteren acht Tagen ziemlich plötzlich zugrunde, das andere verfiel einer 
sich noch 3 Wochen hinziehenden Kachexie. 

Der Sektionsbefund ergab in beiden Fällen außer einer Nierenverfettung 
höheren Grades, als man sie sonst auch bei normalen Katzen zu sehen gewohnt 
ist (vgl. die Katzennieren-Studien von K. B. Lehmann und Treutlein), nichts 
Auffälliges. 

Von Kot und Urin wurden nur Stichproben untersucht, und zwar mit Hilfe 
der bloßen Elektrolyse der Chlorierungsflüssigkeiten. Es konnten stets nur 
Spuren von Quecksilber nachgewiesen werden; am meisten (0,3 bis 0,6 mg) 
fand sich noch in den Nieren der Tiere. Ich messe diesen Zahlen keinen großen 
Wert bei, da die analytische Methodik zu ungenau war (vgl. Abschn. III, S. 201). 

Bei der Mikroskopie der mit Äther gereinigten Haut wurden nur in den 
Mündungen der Haarbälge vereinzelte schwarze Pünktchen wahrgenommen, 
die als Quecksilberkugeln zu deuten waren: im übrigen fanden sich keine An¬ 
zeichen der vorgenommenen Behandlung mehr vor, insbesondere nirgends ent¬ 
zündliche Veränderungen. Auch eine Gelbbraunfärbung der Hornscmcht trat 
nac^i dem Einlegen der Schnitte in Schwefelammonium nicht auf; dagegen 
färbte sich dieselbe mit Sudan deutlich rot, ein Anzeichen gleichmäßiger fettiger 
Durchtränkung. 

Es schien aus diesen Versuchen wenigstens soviel hervorzugehen, daß 
der dauernde Kontakt von grauer Salbe mit einer 1 qdm großen Haut¬ 
fläche auch bei starker Behinderung (allerdings nicht völligen Ausschluß) 
der Quecksilbereinatmung genügt, um im Laufe mehrerer Wochen eine 
Vergiftung von Katzen zu verursachen. Man durfte demnach hoffen, 
auch bei Versuchen, welche unter Innehaltung der peinlichsten Vorsichts¬ 
maßregeln angestellt waren, ein ähnliches Resultat zu erhalten. 

Die Protokolle zweier solcher Versuche, bei denen auf die analytische 
Methodik durch die Zwischenschaltung der Kupferamalgamation zu be¬ 
friedigender Genauigkeit ausgebildet war, gebe ich nachstehend wieder. 


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Original ffom 

THE OHIO STATE UNIVERS1TY 








Von Dr. med. Philipp Süßmami. 


229 


Quecksilberversuch UL 

Versuchstier: Ausgewachsene, gutmütige Katze. 

Kontrollier: Ausgewachsener, gutmütiger Kater. 

Versuchstage , 

(18.11.20) a) Verlauf. 

0 Beide Tiere: Gewöhnungsverband. 

9 Die Tiere kommen heute zur Gewöhnung 1 h in den Resorptionskäfig 
(s. Fig. 4, S. 193); jeden folgenden Tag 1 h länger. 

16 Die Tiere verhalten sich im Kasten jetzt vollständig ruhig. 

Die Versuchskatze wird an Rücken und Flanken in einer Ausdehnung 
von 14:14 cm kurzgeschoren; darauf kommen beide Tiere für dauernd 
in den Resorptionskasten. 10 min langes Einreiben von 10 g grauer Salbe 
in ganzer Ausdehnung der geschorenen Fläche (ca. 200 qcm). Darüber 
Verband und Mantel wie in Versuch I und II; die nicht eingeriebene Kon- 
trollkatze erhält den gleichen Verband. 

21 Neue Einreibung mit weiteren 5 g grauer Salbe. 

27 Neue Einreibung mit weiteren 10 g grauer Salbe. 

ff. Allmählich macht sich ein Unterschied im Verhalten der beiden Katzen 
geltend. Während das Kontrolltier ein leidlich munteres Benehmen be¬ 
wahrt hat und sein Futter fast immer vollständig verzehrt, macht die 
Versuchskatze einen müden, schläfrigen Eindruck und frißt schlecht. 
Vereinzelte dünne Stühle. Auch macht sich eine zunehmende Salivation 
bemerkbar, der ausfließende zähschleimige Speichel wird indes gewöhn¬ 
lich wieder aufgeleckt. Auffälliger Haarausfall. 

37 Neue Einreibung mit weiteren 5 g grauer Salbe. 

ff. Zunehmende Kachexie des Versuchstieres. Die Kontrollkatze ist wohlauf. 

43 Die moribunde Versuchskatze, die schon ein paar Tage lang außer Wasser 
keine Nahrung mehr zu sich genommen hat, wird noch im Apparat (nach 
Entfernung des Kontrolltieres) mit Chloroform getötet, nach der Heraus¬ 
nahme durch Halsschnitt möglichst entblutet. 

Abnahme des Verbandes. Die Haare sind auf etwa '% cm nachge¬ 
wachsen, aber durch die Salbenmasse völlig verklebt, so daß die Salbe 
den Kontakt mit der Haut noch nicht verloren hat. 

Die Kontrollkatze springt, von ihrem Verbände befreit, sogleich 
munter im Zimmer umher. 


b) Gewichte. 

Versuchstagc Versuchstier Kontrolltier 


0 . 

10 . 

16 . 

43. 

Abnahme um . 


2890 g 
2925 g 
2955 g 
2470 g 
16,4% 


3010 g 
3030 g 
3050 g 
2770 g 
9,2% 


c) Quecksilberaussclieidung. 


Versuchstage 

Kot 

Versuchstier 
Hg Urin 

Hg 

Kot 

Kontrolltier 
Hg Urin 

Hg 


g 

mg 

ccm 

mg 

g 

mg 

ccm 

mg 

11 bis 16 . 

... 75 

0 

610 

0 

65 

0 

520 

0 

17 „ 21 . 

... 63 

0,7 

530 

0,2 

57 

0 

565 

0 

22 „ 27 . 

... 31 

0,8 

560 

0,4 

45 

0 

470 

0 

28 „ 37 . 

... 93 

1,2 

500 

0,9 

63 

0 

810 

0,05 

38 „ 43 . 

... 18 

0,6 

205 

0,5 

36 

0 

450 

0 


d) Sektionsbefund des Versuchstieres. 

(Das Kontrolltier wurde nicht getötet.) 

43 Aus dem Maule hängt bräunlicher, schleimiger Speichel. Nach dein Ab¬ 
wischen desselben zeigen die Mahlzähne einen schmutzigen, übelriechen¬ 
den Belag, von einer Stromatitis ist nichts zu bemerken. 


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Original fforrt 

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230 


Studien über die Resorption von Blei usvv. 


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Der ganze Hinterleib des Tieres ist stark ödeinatös. Die hinteren 
Extremitäten sind dick und schwer, beim Durchschneiden der'»Schenkel¬ 
haut fließt Wasser in reichlicher Menge aus. Die Menge der Ödemflüssig¬ 
keit kann gut auf 250 ccm geschätzt werden. (Daraus ergibt sich eine 
wahre Gewichtsabnahme des Tieres nicht um 16,4, sondern um 24,9%). 

Unterhautzellgewebe und Netz nahezu fettfrei. In den Körperhöhlen 
keine Transsudate. Die Nierenkapsel ist an einigen Stellen angewachsen : 
auf dem Schnitt quillt die getrübt aussehende Rinde deutlich vor, sie 
zeigt, schon makroskopisch sichtbar, gelbe Streifen. Der Magendarm¬ 
kanal ist nahezu leer, Entzündungserscheinungen sind nicht zu bemerken. 

Mikroskopisch zeigten die Epithelien der Nierenkanälchen albumi- 
nöse Körnung, vakuoläre Degeneration und eine außerordentlich hoch¬ 
gradige Fetteinlagerung; die letztere war besonders in den Tubuli con- 
torti, dann in einzelnen geraden Harnkanälchen (wodurch der Eindruck 
der erwähnten gelben Streifung entstand), in geringerem Maße auch in 
den Glomeruli vorhanden. (Herr Geheimrat Dr. M. B. Schmidt hatte 
die Liebenswürdigkeit, die Präparate zu begutachten.) Herz, Leber und 
Darm waren mikroskopisch o. B.; die eingeriebene Haut verhielt sich 
wie in Versuch I und II. 

Diagnose: Parenchymatöse Nephritis. 


e) Quecksilbergehalt d 

es K 

örpers. 



Quceksilbergehalt 

Organ 

p 

absolut 

mp 

in 1000 
mp 

Zwei Nieren. 

27 

1,2 

44.4 

Dickdarm mit Inhalt. 

32 

0,4 

12.5 

Leber mit Gallenblase». 

90 

0,4 

4,4 

Milz. 

6 

0,025 

4,2 

Herz. 

16 

0,05 

3,6 

Gehirn und Rückenmark. 

35 

0,05 

1,4 

Dünndarm mit Inhalt. 

78 

0,1 

1,3 

Blut. 

45 

0,05 

i,i 

Lunge mit Trachea. 

26 

0,025 

1,0 

Magen mit Speiseröhre .. 

34 

0,025 

0,7 

Muskulatur vom Schenkel. 

70 

0,05 

0,7 

,, ,, Rücken. 

Netz und Pankreas. 

37 

0,025 

0,7 

54 

0,025 

0,5 

Blase . 

Eingeriebene Haut (25 qcm) (mit Äther 

5 

0 

0 

gereinigt) .. 

7 

1,3 

181,5 


Quecksilberversuch IV, 

Versuchstier: Ausgewachsener, gutmütiger Kater; Kontrolltier von Versuch III. 
Kontrolltier: Ausgewachsgier, sehr zahmer und gutmütiger Kater. 


Versuchstape , 

(10. IV. 20) a) Verlauf. 

0 Beide Tiere: Gewöhnungsverband. 

7 Beide Tiere: Gewöhnung an das Verbleiben im Resorptionskäfig durch 
täglich steigende Aufenthaltsdauer. 

12 Die Dressur genügt. Das Versuchstier wird an Rücken und Seiten in 
einer Ausdehnung von 14:14 cm kurzgeschoren; darauf kommen beide 
Tiere für dauernd in den Resorptionskasten. 

Versuchstier: 10 min langes Einreiben von 15 g grauer Salbe auf der 
ganzen geschorenen Hautfläche (ca. 200 qcm); darüber Verband und 
Mantel wie im vorhergehenden Versuch. 

Kontrolltier: Um den letzten Einwand zu entkräften, daß auch die 
Versuchskatze III nur durch eingeatmete Quecksilberdämpfe, die von 
der eingeriebenen Hautfläche durch den ,»spanischen Kragen“ in den 
Atmungsraum eindrangen, aber zu der entfernteren Kontrollkatze nicht 


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Von Dr. med. Philipp Süßmann. 


231 


Versuchstage 

mehr gelangten, vergiftet wurden sein könnte, erhält diesmal auch die 
Kontrollkatze einen Salbenverband, doch liegt die Quecksilberschicht 
der Haut natürlich nicht an. Einzellagen dieses Verbandes: Watte, 
Billrothbattist, Gelatinefolie, 8 Lagen Zeitungspapier, mit 25 g Unguentum 
cinereum auf 200 qcm großer Fläche bestrichene Kompresse, reine Kom¬ 
presse, Watte, Billrothbattist, Watte, Bindentouren, Mantel. 

17 Neue Einreibung mit weiteren 15 g grauer Salbe. 

25 Neue Einreibung mit weiteren 7,5 g grauer Salbe, 
ff. Deutlicher Unterschied im Befinden der beiden Katzen. Während die 
Kontrollkatze — von einer Konjunktivitis abgesehen, welche wohl das 
ununterbrochene Anblasen mit trockener Luft verschuldet hat — keiner¬ 
lei auffälligen Befund bietet und güt frißt, wird das Versuchstier wieder 
merkwürdig apathisch. Es leckt sich viel (Salivation ?). Sein Fell wird 
rauh und struppig, die Haare gehen leicht aus. Freßlust gering, Kot ab 
und zu dünnschleimig. 

35 Nach peinlichem Schutz der sonst unbedeckten Teile des Tierkörpers 
sowie der Unterlage mit Papier und Watte wird die alte Salbe abgekralzl 
und 10 g frische graue Salbe eingerieben, 
ff. Kot des Versuchstieres meist flüssig-schleimig. Appetit hat sehr nach¬ 
gelassen. Geringer, aber doch merklicher Speichelfluß. 

40 Eine geplante Neueinreibung ist wegen des starken Nachwuchses der 
Haare (über 1cm) nicht mehr möglich, 
ff. Im Befinden der Versuchskatze ist eine leichte Besserung eingetreten. 
Der Kot ist meist wieder fest, die Nahrungsaufnahme, wenn auch immer 
noch gering, etwas besser. 

45 Da der kränkliche Zustand des Versuchstieres andauert, ohne daß sein 
baldiger Tod noch zu erwarten ist, erfolgt (nach Entfernung der tadellos 
munter gebliebenen Kontrollkatze) noch innerhalb des Kastens seine 
Tötung durch Chloroform. 


Versuchstagc 

b) Gewichte. 
Versuchstier 

Kontrolltier 

0. 

. . 2900 g 

3320 g 

7. 

. . 2990 g 

3285 g 

12. 

. . 3060 g 

3310 g 

45. 

. . 2145 g 

3020 g 

Abnahme um 

. • 29,9 % 

8,8 % 


c) Quecksilberausscheidung. 




Versuchstier 



Kontrolltier 

Hg 

Versuchstagu 

Kot 

Hg 

Urin 

Hg 

Kot 

Hg 

Urin 


ff 

mg 

ccm 

mg 

ff 

mg 

ccm 

mg 

7 bis 12 . 

. . 68 

0 

725 

0 

51 

0 

570 

0 

13 „ 17 . 

. . 60 

0,7 

505 

0,3 

68 

0 

535 

0 

18 „ 25 . 

. . 79 

1,1 

610 

0.6 

73 

0,05 

550 

0 

26 „ 33 . 

. . 54 

0,7 

490 

0,6 

60 

0 

920 

0,025 

34 ,, 40 . 

. . 35 

0,6 

315 

0,5 

63 

0 

615 

0 

41 „ 45 . 

. . 26 

0,4 

280 

0,4 

46 

0 

o 

© 

0 


d) Sektfonsbefund des Versuchstieres. 

(Das Kontrolltier wurde nicht getötet.) 

45 Sehr stark abgemagertes Tier. An der Schleimhaut des Maules keine Ent¬ 
zündungserscheinungen. Die hinteren Extremitäten zeigen ein deutliches, 
wenn auch viel geringergradiges Ödem wie bei der Quecksilberkatze III 
(etwa 25 ccin Ödemflüssigkeit im ganzen). In den Körperhöhlen keine 
Ergüsse. Magendarmkanal nahezu leer, ohne Reizerscheinungen. An den 
Nieren kein auffälliger pathologischer Befund. Auch alle anderen Organe 
o. B. 


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232 


Studien über die Resorption von Blei usw. 


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Unmittelbar unter der eingeriebenen Haut befindet sich hinter jedem 
Schulterblatt je eine erbsengroße merkwürdig grau gesprenkelte Lymph- 
drüse 

Mikroskopisch weisen die Nieren eine Verfettung mäßigen Grades auf, 
die nicht mit Sicherheit als degenerativer Art zu bezeichnen ist. 

Die eine der beiden erwähnten Lymphdrüsen (die andere wurde der 
chemischen Analyse zugeführt) zeigt im Schnitte (s. Tafel III) eine eigen¬ 
artige körnige braunschwarze Pigmentierung zahlreicher Retikulum¬ 
zellen des Randsinus (Herr Geheimrat M. B. Schmidt). 

Um die Natur des Pigmentes festzustellen, wurden folgende mikro¬ 
chemische Reaktionen an ungefärbten Schnitten ausgeführt: 

1. verdünnte Salzsäure oder verdünnte Salpetersäure bewirken 
weder kalt noch warm eine Lösung; 

2. verdünnte warme Salzsäure mit Zusatz einiger Körnchen chlor¬ 
sauren Kalis löst die Granula auf, und zwar bedeutend rascher als das Ge¬ 
webe selbst; 

3. gibt man nach dem Abdunsten der chlorhaltigen Flüssigkeit zu 

a) 1 Tropfen Ferrozyankali, so entsteht kein Berliner Blau; 

b) 1 Tropfen Amn.onsulfid, so entsteht eine diffuse leicht gelbbraune 
Färbung des ganzen Schnittes. 

Es kann sich demnach nicht um Kohle, Schwefeleisen, einen Abkömm¬ 
ling des Blutfarbstoffes oder Formolpigment handeln. Auch Melanin 
kommt nach Herrn Geheimrat Schmidt nicht in Betracht. 

Da die chemische Analyse des zweiten Lymphknotens einen verhält¬ 
nismäßig hohen Gehalt an Quecksilber aufgedeckt hat, so ist der Ver¬ 
dacht, daß das Pigment mit der Quecksilberresorption im Zusammenhang 
stünde, gerechtfertigt. Unveränderte Quecksilberkügelchen der grauen 
Salbe liegen sicherlich nicht vor (s. Tafel III); dagegen hat das Pigment 
viel Ähnlichkeit mit einem in vitro erzeugten Quecksilbersulfidnieder¬ 
schlag, dessen chemische Eigenschaften das Verhalten des Pigments 
auch völlig erklären würde. 

Die mit Äther gereinigte Haut und die Haarbälge wurden frei von 
Quecksilber befunden. 


e) Quecksilbergehalt des Körpers. 


Organ 

Gewicht 

g 

Quecksilbergchalt 
absolut in 1000 g 
mg mg 

Ilückenlymphknoten. 

(also zwei solche Knoten . . . 

. . 0,15 

0,1 

0,2) 

666,7 

Zwei Nieren. 

. . 28.5 

0,7 

24,6 

Dickdarm. 

. . 20.0 

0,3 

15.0 

Mesenteriallymphknoten . . . . 

. . 5,0 

0,025 

4,5 

Leber . 

. . 105.1 

0.3 

2,9 

Herz. 

. . 10,2 

0,025 

2,4 

Rückenmuskulatur. 

. . 28,3 

0.025 

0,9 

Magen und Speiseröhre . . . . 

. . 29,2 

0.025 

0,9 

Blut. 

. . 33,3 

0,025 

0,8 

Dünndarm mit Inhalt. 

. . 68.7 

0,05 

0,7 

Schenkelmuskulatur. 

. . 66,8 

0,025 

0,4 

Lunge mit Trachea. 

. . 22,9 

0 

0 

Pankreas. 

. . 6,8 

0 

0 

Milz . 

. . 4,7 

0 

0 

Blase. 

. . 3,1 

0 

0 

Speicheldrüsen . 

. . 2,8 

0 

0 


Fassen wir die Analysenbefunde der beiden letzten Versuche kurz 
zusammen, ähnlich wie wir es beim Blei getan haben, so erhalten wir 
folgende Zahlen: 


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Von Dr. med. Philipp Süßmann. 


233 



Katze III 

Katze IV 

Wirkungsfläche. 

Einwirkungszeit. 

Quecksilber im Kot. 

„ im Harn. 

,, im Körper .... 

200 qcm 

27 Tage 

3.3 mg 

2,0 mg 

2.4 mg 

200 qcm 

33 Tage 

3,5 mg 
2,4 mg 

1,7 mg 

zusammen 

7,7 mg 

7,6 mg 

Quecksilberaufnahme im Tages¬ 
durchschnitt . 

Mittlere Permeabilitätsgröße . . 

0,286 mg l ) 
0,143 mg 

0,230- mg 
0,115 mg 


Im Mittel der beiden Versuche finden wir eine mittlere Permeabi¬ 
litätsgröße von 0,128 mgHg. 

Es ist somit nicht mehr daran zu zweifeln, daß das Quecksilber der 
grauen Salbe in einem gewissen Umfange durch die Habt der Warmblüter 
in den Körper einzutreten vermag. 

Über die Art und Weise des Eindringens sagen die Versuche nichts 
Sicheres aus. Die Hornschicht war, wie die Versuche mit Schwefelammo¬ 
nium zeigten, mit gelöstem Quecksilbersalz nicht merklich imbibiert; 
vielleicht besteht die Fürbringersche Ansicht zu Recht, daß für diese 
Applikationsweise des Quecksilbers die Haarböige und Talgdrüsen die 
vorzüglichsten Resorptionsstötten sind. Es würde hierzu auch der Be¬ 
fund von Quecksilbersulfid in den regionären Lymphdrüsen sprechen, 
dessen Zustandekommen man sich so vorstellen kann, daß das in den 
Haarbälgen durch Keratinzerfall (wobei Schwefelwasserstoff abgespalten 
wird) gebildete Sulfid auf irgendwelche Weise — vielleicht durch Wander¬ 
zellen — in den Lymphstrom gelangt und dann abgefangen wird. Das Feh¬ 
len von Quecksilberkugeln in den Haarbälgen bildet bei dem langen zeit¬ 
lichen Abstand zwischen der letzten Einreibung und dem Tode des Tieres 
(12 Tage) keinen Gegenbeweis gegen eine solche Vermutung. 

Um so eindeutiger sind die Ergebnisse in quantitativer Beziehung. 
Während die Kontrolliere unter dauerndem Wohlbefinden kein Queck¬ 
silber oder doch nur ab und zu ganz minimale Spuren ausschieden (ob 
dieselben auf Hg-Ausatmung des Versuchstieres oder auf ein spürweises 
Elintreten von Hg-Dämpfen in den Atmungsraum zurückzuführen sind, 
sei dahingestellt), war der Quecksilbergehalt der Exkretionen und Organe 
der Versuchstiere gar nicht unerheblich, jedenfalls genügend, um die 
schweren Vergiftungen zu erklären. Daß die Katze IV ihr Leben kümmer¬ 
lich fortfristen konnte, während die Vergiftung bei Katze III zum Tode 
führte, mag seinen Grund teils in der bei Katze IV etwas geringeren Re¬ 
sorption, teils in einer verschiedenen individuellen Giftresistenz haben. 

Die mittleren Permeabilitätsgrößen waren nicht größer, durchschnitt¬ 
lich sogar ein wenig kleiner als in den Bleiversuchen; die reichlichere ab¬ 
solute Metallaufnahme ist durch die größere Ausdehnung der eingeriebenen 
Hautflächen bedingt. 

An der Hand der hier gewonnenen Resultate ist zum ersten Male die» 
Möglichkeit gegeben, über das Verhältnis der Quecksilberinha- 

1) Auch hier wurde auf ein Inrechnungsetzen des Quecksilbergehaltes des 
Gesamtkörpers (nach Ullmann) aus den S.219 angeführten Gründen verzichtet. 


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234 SLudicii über die Resorption von Blei usw. 

lation zur Hautresorption bei der Schmierkur bestimmten* 
Angaben zu machen. 

Bei der Besprechung der Bleiversuche konnte festgestellt werden, 
daß auf Grund des gleichartigen resorptiven Verhaltens die Berechtigung 
gegeben ist, die an der Katzenhaut gewonnenen Resultate — also wohl 
auch in bezug auf die Quecksilberresorption •— auf den Menschen zu über¬ 
tragen. Nun werden bei der Schmierkur im allgemeinen 5 bis 10 qdm 
Hautfläche von der grauen Salbe bedeckt sein; diese würden — eine mitt¬ 
lere Permeabilitätsgröße von rd. 0,15 angenommen — einer täglichen 
Quecksilberaufnahme von 0,75 bis 1,5 mg durch die Haut entsprechen. 
Da aber auf der Höhe der Schmierkur, d. h. dann, wenn die Quecksilber¬ 
depots des Körpers gefüllt sind, die Ausscheidung also konstant bleibt 
und der Resorption gleichgesetzt werden kann, ungefähr 3 mg Queck¬ 
silber täglich in Harn und Kot exzerniert werden (Bürgi, Lomholt), 
so dürfen wir schließen, daß etwa V 4 bis %, im Durchschnitt also 
etwa 1 / 3 der Gesamtquecksilberresorption bei der Schmier¬ 
kur durch die Haut erfolgt. 

Überblick. 

Die Frage nach der Hautdurchgängigkeit von Stoffen ist in erster 
Linie ein Problem der Methodik. Die Schwierigkeiten und Unsicherheiten 
der Versuchsanordnung werden besonders zahlreich, wenn es gilt, an Tieren 
wochenlang ununterbrochene Hautresorptionsversuche anzustellen; solche 
,,Verbandversuche“ sind aber gerade zur Entscheidung der Frage nach der 
Hautpermeabilität für Schwermetalle nicht zu entbehren. 

Es mußte deshalb zunächst die Versuchsanordnung eine eingehende, 
theoretisch gestützte Betrachtung erfahren. Diese führte zu folgenden 
Schlüssen f 

1. Die Applikation in fettigem Medium ist der wässerigen Appli¬ 
kation physiologisch insofern gleichwertig, als auch bei ihr das Eindringen 
der gelösten Stoffe in osmotischen Vorgängen beruht; 

2. die Einmassierung fettig gelöster Substanzen führt nur eine an¬ 
fängliche Beschleunigung der Resorption herbei, nicht aber eine Durch¬ 
schnittserhöhung des Resorptionseffektes bei langdauerndem Kontakt 
der Salbenmasse mit der Haut; 

3. wasserdichte Verbände, an nicht transpirierenden Hautflächen 
angelegt, führen nicht zu einer Änderung der resorptiven Funktion der 
Haut. 

Der Technik der Bandagierung wurde für das Gelingen der Versuche 
großer Wert beigemessen, ebenso einer dem eigentlichen Versuch voraus¬ 
gehenden Dressur der Tiere an ihre im Experiment einzunehmende Zwangs¬ 
lage. Für die Ausführung von Resorptionsversuchen mit flüchtigen Sub¬ 
stanzen (Quecksilber) wurde ein besonderer Apparat konstruiert. 

Der Nachweis der die Haut passierenden Schwermetalle in den Aus¬ 
scheidungen und Organen des Körpers hat bei der Geringfügigkeit der in 
Betracht kommenden Mengen eine besonders subtile Ausbildung der 
chemisch-analytischen Methodik zur Voraussetzung. Sowohl für den quan- 


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Von Dr. med. Philipp Siißmann. 235 

litativen Nachweis des Bleis als auch für den des Quecksilbers wurden 
von mir eine Reihe von Modifikationen angegeben. 

Die nach solchen Grundsätzen mit Bleisalben angestellten Einreibungs¬ 
versuche an Katzen und am Menschen haben ergeben, daß bei beiden 
die während der Versuchszeit im Tagesdurchschnitt durch 1 qdm Haut 
eintretende Bleimenge —oder die „mittlere Permeabilitätsgröße'* für Blei — 
0,1 bis 0,2 mg beträgt. Mag diese Menge vielleicht zu einer chronischen 
Vergiftung von Katzen noch genügen: im menschlichen Leben, auch in 
Gewerbebetrieben, wird es keine Verhältnisse geben, welche so zu einer 
bedenklichen Bleiresorption durch die Haut führen könnten. Die prak¬ 
tische Möglichkeit einer Bleivergiftung des Menschen durch die Haut 
ist abzulehnen. 

Die mittlere Permeabilitätsgröße für Quecksilber, welches Katzen 
in Form der grauen Salbe eingerieben wurde, wurde gleichhoch gefunden. 
Durch Vergrößerung der behandelten Hautflächc gelang es, den Tieren 
auf dem Hautwege solche Quecksilbermengen einzuverleiben, daß sie 
schwer oder sogar tödlich erkrankten. Durch Übertragung der an den 
Katzen gewonnenen Ergebnisse auf den Menschen — wozu der Nachweis 
des gleichen resorptiven Verhaltens von Katzen- und Menschenhaut 
gegenüber dem Blei die Berechtigung verleiht — läßt sich berechnen, 
daß bei der Schmierkur täglich etwa 1 mg Quecksilber durch die Haut 
aufgenommen werden, was ungefähr einem Drittel der Gesamtquecksilbcr- 
resorption gleichkommt. — Hautresorptionsversuche mit Quecksilber¬ 
salzen, vor allem mit Sublimat, sollen später noch ausgeführt werden. 

Sehr auffällig ist die Tatsache, daß die Metallaufnahme aus 50proz. 
Bleioleatsalbe, aus 33proz. Bleiglätte-Katzenfettmischung und aus der 
grauen Quecksilbersalbe fast gleiche Werte erreicht, obgleich doch in 
dem Gehalt dieser Salben an fettlöslichen, resorbierbaren Salzen auch 
nach der Umsetzung mit dem Salbenfett und dem Schweiß und Talg 
der Haut noch sehr große Verschiedenheiten vorhanden sein müssen. 
Ohne daß bei der geringen Anzahl der Versuche sichere Schlußfolgerungen 
daran geknüpft werden kösnen, drängt sich doch die Vorstellung auf, 
daß, wenn einmal eine bestimmte Konzentration der fettigen Grund¬ 
lage an gelöster Substanz erreicht ist, eine weitere Erhöhung dieses Ge¬ 
haltes keine entsprechende Zunahme des Resorptionseffektes mehr be¬ 
wirke — oder mit anderen Worten: die Linie, welche die Abhängigkeit 
der Permeabilitätsgröße von der Salbenkonzentration verkörpert, könnte 
recht wohl keine Gerade, sondern eine asymptotische Kurve sein. 

Unter diesem Gesichtswinkel betrachtet, bedeutet die vorliegende 
Arbeit also keineswegs einen Abschluß, sondern eine Anregung zu weiteren 
Versuchen unter variierten Bedingungen, deren Ergebnis schließlich 
nicht nur theoretischen, sondern auch praktisch-therapeutischen Wert 
gewinnen könnte. 


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236 Studien über die Resorption von Blei usw. 

Literaturverzeichnis. 

(In den mit * versehenen Arbeiten finden sich weitere Literaturangaben.) 

Zur Einleitung: 

Overton, Studien über die Narkose. Jena 1901. 

Cohnheim, Die Resorption der Nahrungsstoffe. In Nagels Handbuch der 
Physiologie des Menschen, II, S. 607ff. 

♦Höher, Die physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe. Leipzig 1911. 
Bang, Chemie und Biochemie der Lipoide. Wiesbaden 1911. 

♦B echhold, Die Kolloide in Biologie und Medizin. Dresden und Leipzig 1919. 
Spiro, Resorption und Assimilation. In Zuntz-Loewys Lehrbuch der Physio¬ 
logie, 1920, S. 565 ff. 


Zu I: 

Schneider, Lehrbuch der vergleichenden Histologie. Jena 1902. 

Wiedersheim, Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. Jena 1906. 

Stöhr-Schultze, Lehrbuch der Histologie. Jena 1915. 

Bettmann, Einführung in die Dermatologie. Wiesbaden 1914. 

Schmiedeberg-Faust, Grundriß der Pharmakologie. Leipzig 1913. 

Spiro, Hautresorption. In Zuntz-Loewys Lehrbuch der Physiologie, 1920, 
S. 579. 

Metzner, Die Absonderung des Hauttalgs und des Schweißes. In Nagels 
Handbuch der Physiologie des Menschen, II, S. 385ff. 

♦Fleischer, Untersuchungen über das Resorptionsvermögen der menschlichen 
Haut. Hab.-Schrift, Erlangen 1877. 

Traube-Mengarini, Uber die Permeabilität der Haut. Archiv für Anatomie 
und Physiologie, Physiol. Abt. 1892, Erg.-Bd., S. 1. 

Filehne, Uber die Durchgängigkeit der menschlichen Epidermis für feste und 
flüssige Stoffe. Berliner klinische Wochenschrift, 1898, Nr. 3, S. 45. 

♦Schwenkenbecher, Das Absorptionsvermögen der Haut. Archiv für Anatomie 
und Physiologie, Physiol. Abt., 1904, S. 121. 

Oesterlen, Übergang des regulinischen Quecksilbers in die Blutmasse und in 
die Organe. Archiv für physiologische Heilkunde, 1843. 

Rindfleisch, Zur Frage von der Resorption des regulinischen Quecksilbers. 
Archiv für Dermatologie und Syphilis, Jahrg. II, S. 309. 


Zu II. 

♦Fleischer, 1. c. (I). 

♦Juliusberg, Experimentelle Untersuchungen über die Quecksilberresorption 
bei der Scnmierkur. Archiv für Dermatologie und Syphilis, Bd. 56, S. 65. 

♦Schwenkenbecher, 1. c. (I) 

Vogt und Burckhardt, Uber die Aufnahme von Metallen, speziell Blei, Zink 
und Kupfer, durch die Haut. Archiv für Hygiene, Bd. 85, S. 323. 

Süß mann, Beitrag zur Frage der Permeabilität der intakten Haut für Blei¬ 
verbindungen. (Vorl. Mitt.) Münchener medizinische Wochenschrift, 1918, 
S. 1407. 

K. B. Lehmann, Kurzes Lehrbuch der Arbeits- und Gewerbehygiene. I/eipzig 
1919. 


Zu III. 

H. Meyer, Analyse und Konstitutionsermittelung organischer Verbindungen. 
Berlin 1916. 

♦Neuberg, Der Harn. Berlin 1911. I, S. 181. 

Meillöre, Anwendung der Reaktionen des Mitreißens zur Charakterisierung 
und Bestimmung der in einem Komplex in Form von Spuren enthaltenen 
Körper. Toxikologischer Nachweis des Bleis. Annal. de Chimie anal. appl. 
Bd. 20, S. 73. Ref. in Zeitschr. f. anal. Chemie, Bd. 57, S. 63. 

Vogt und Burckhardt, 1. c. (II). 


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Von Dr. med. Philipp Stißmann. 


237 


Beck, Löwe und Stegmüller, Zur Kenntnis der bleihaltigen Glasuren und 
deren Bleiabgabe an saure Flüssigkeiten. Arbeit aus dem K. Gesundheits- 
Amt, Bd. 33, S. 239. 

Meyer, Aug., Versuche über den Nachweis des Quecksilbers im Harn. Wiener 
medizinisches Jahrbuch, 1877, S. 1. 

Raaschou, Zeitschr. f. anal. Chemie, Bd. 40, S. 172. 
f Schuhmacher und Jung, Über eine einfache und zuverlässige Methode, quan¬ 
titativ im Harn das Quecksilber nachzuweisen. Arch. f. experim. Path. u. 
Pharm., Bd. 42, S. 138. 

Ludwig und Zillner, Uber eine Methode der quantitativen Bestimmung des 
Quecksilbers in tierischen Geweben. Wiener klinische Wochenschrift, 1889, 
Nr. 45, und 1890, Nr. 28 bis 32. 

Winternitz, Quantitative Versuche zur Lehre über die Aufnahme und Aus¬ 
scheidung des Quecksilbers. Arch. f. experim. Path. u. Pharm., Bd. 25, S. 225. 

Schneider, Uber das chemische uhd elektrolytische Verhalten des Quecksilbers 
bezüglich dessen Nachweisbarkeit im allgemeinen und in tierischen Geweben 
im besonderen. Sitzungsbericht der Wiener K. Akademie der Wissenschaften, 
math.-natw. Kl., Bd. 40, S. 239. 

*V. Lehmann, Experimentelle Untersuchungen über die besten Methoden, 
Blei, Silber und Quecksilber bei Vergiftungen im tierischen Organismus nach¬ 
zuweisen. Zeitschrift für* physiologische Chemie, Bd. 6, S. 1. 

•Buchtaia, Uber das Verhalten des Quecksilbers gegenüber dem menschlichen 
und auch tierischen Organismus bei den üblichen therapeutischen Appli¬ 
kationsarten. Neue Methode für den quantitativen Nachweis des Quecksilbers 
im Harn und in organischen Geweben. Zeitschrift für physiologische Chemie, 
Bd. 83, S. 249. 

•Schulte, Über die Gefahr einer Quecksilbervergiftung bei Zahnärzten. Archiv 
für Hygiene, Bd. 83, S. 43. 

Koelsch, Ilzhöfer und Keinath, Untersuchungen über die gewerbliche 
Quecksilbervergiftung. Methodik: Zentralblatt für Gewerbehygiene, Jahrg. 7, 
S. 26. 

Lomholt, Mikro-Quecksilberbestimmung. Biochemische Zeitschrift, Bd. 81, 
S. 356. 

Rupp, Berliner Berichte, Bd. 35, S. 2015. 

Zu IV. 

Canuet, Essai sur le plomb considöre dans ses effets sur l’öconomie animale, 
et en particulier sur la colique de plomb ou saturnine. Thöse de Paris, 1825, 
Nr. 202. 

Tanquerel des Planches, Traitä des maladies de plomb, ou saturnines. 
Paris 1839. 

Drouet, Recherches experimentales sur le röle de l’absorption cutanee dans la 
paralysie saturnine. Thöse de Paris, 1875, Nr. 332. 

Monnereau, Recherches experimentales sur le röle de l’absorption cutanöe dans 
l’intoxication et la paralysie saturnines. Thöse de Paris, 1883, Nr. 370. 

Brezina und Eugling, Untersuchungen über experimentelle Bleivergiftung. 
Wiener Arbeiten auf dem Gebiete der soz. Medizin, II, S. 29; Beiheft zum 
„österreichischen Sanitätswesen“, 1912, S. 59. Autoreferat in „Hygienische 
Rundschau“, Bd’ 23, S* 491. 

Vogt und Burckhardt, 1. c. (II). 

Süßmann, 1. c. (II). 

Ullmann, s. V. 

Schwenkenbecher, 1. c. (I). 

Gärtner, Vierteljahrsschrift f. ger. Med., 1910, S. 104. 

Zu V. 

Kirchgässer, Uber die Wirkung der Quecksilberdämpfe, welche sich bei In- 
unktionen mit grauer Salbe entwickeln. Virchows Archiv, Bd. 32, S. 145. 

Fr. Müller, Über die Aufnahme von Quecksilber durch Einatmung. Mitt. aus 
d. Med. Klinik von Würzburg, Bd. 2, 1886, S. 335. 


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238 Studien über die Resorption von Blei usw. 

Kißkalt, Über das Gießfieber und verwandte gewerbliche Metalldampfinhala¬ 
tionskrankheiten. Zeitschrift f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 71, S. 472. 

♦Juliusberg, 1. c. (II). 

Rindfleisch, 1. c. (I). 

♦Fürbringer, Experimentelle Untersuchungen über Resorption und Wirkung 
des regulinischen Quecksilbers der grauen Salbe. Virchows Archiv, Bd. 82. 
S. 491. 

Mialhe, Mämoires de l’Acad. de Medecine, 1843. 

Voit, Physiologisch-chemische Untersuchungen. 1. lieft. Augsburg 1857. 
Ref. in „Zeitschr. f. rat. Med.“, 1858, 3. Reihe, 3. Bd., S. 215. 

♦Fleischer, 1. c. (I). 

Ferrari ed Asmundo, Sull’assorbimento del mereurio metallieo per la pelle. 
Gaz. degli ospedali e delle cliniche, 1886, p. 81. 

RSmond, Notes pour servir a F6tude de l’action du mercure sur Forganisme. 
Ann. de denn, et de syph., 1888, Bd. 9, S. 158. * 

Piccardi, Sull’assorbimento del mereurio attraverso la pelle. Gion. ital. d. 
malattie veneree e della pelle, 1898, S. 684. 

Merget, Mercure. Action physiologique, toxique et th^rapeutique. Bordeaux 
et Paris 1894. 

Schuster, Mercur-Einreibungen und Mercur-Einatmungen. 71. Versammlung 
deutscher Naturforscher und Ärzte zu München. Ref. in Dermatol. Zeitschrift, 
1899, S. 646. 

Welander, Untersuchungen über die Resorption und Elimination des Queck¬ 
silbers bei der unter verschiedenen Verhältnissen ausgeführten Einreibungs¬ 
kur. Archiv für Dermatologie und Syphilis, Bd. 25, S. 39. 

Roth, Die Behandlung der Syphilis mit Quecksilbersäckchen und die Aufnahme 
des Quecksilbers bei dieser Behandlung. Pester med.-chir. Presse, Jahrg. 36, 
Nr. 1/2. 

K. B. Lehmann und Treutlein, Untersuchungen über den histologischen 
Bau und den Fettgehalt der Niere der Katze. Frankfurter Zeitschrift für 
Pathologie, Bd. 15, S. 163. 

Ullmann, Uber die Lokalisation des Quecksilbermetalls im tierischen Organis¬ 
mus nach verschiedenartiger Applikation von Quecksilberpräparaten. Archiv 
für Dermatologie und Syphilis, Bd. 25, 1893, Erg.-Bd., S. 221. 

Bürgi, Archiv für Dermatologie und Syphilis, Bd. 74, 1906, S. 134. 

♦Lomholt, Die Zirkulation des Quecksilbers im Organismus. Archiv für Der¬ 
matologie und Syphilis, Bd. 126, Heft 1. 


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Archiv für Hygiene, Bd. 90. 


Tafel III. 


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Schnitt durch eine subkutane Lymphdrüse des Rückens. 
(Hämatoxylin-Eosinfärbung.) 

Links unten: Rechts unten: 

Quecksilbersulfid. Graue Salbe. 

(Vergrößerung stets 500 fach.) 


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Studien über die Desinfektionswirkung wässeriger 
Formaldehydlösungen. 

Von 

Oberbezirksarzt Dr. Viktor Gegenbauer. 

(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Wien.) 

(Bel der Redaktion eingegangen am 25. Mal 1921.) 


I. Einleitung. 

Das Ergebnis der bisherigen Untersuchungen über die Desinfektions¬ 
wirkung des Formaldehyds in wässerigen Lösungen läßt sich dahin zu¬ 
sammenfassen, daß dieser Körper im Vergleich zu den anderen gebräuch¬ 
lichen Desinfektionsmitteln Milzbrandsporen in verhältnismäßig kurzer 
Zeit abtötet und daß eine Erhöhung seiner Konzentration in den wäßrigen 
Lösungen nur eine geringe Abnahme der Abtötungszeit sowohl gegenüber 
vegetativen Formen als auch gegenüber Sporen bewirkt. So werden nach 
Xylander 1 ) Milzbrandsporen von 0,5-proz. Formaldehydlösungen in 
21 Stunden, von 6-proz. Lösungen in 13% Stunden, Staphylokokken 
durch dieselben Konzentrationen in 80 bzw. 35 Minuten getötet; Croner 2 ) 
fand die Abtötungszeit gegenüber Staphylokokken bei 2-proz. Lösungen 
in 45 Minuten bei 4-proz. Lösungen in 25 Minuten. 

Die starke Wirkung wässeriger Formaldehydlösungen gegenüber Milz¬ 
brandsporen wurde zuerst 1894 von Pottevin 3 ) festgestellt, der fand, daß 15- 
proz.Formalinlösungen (ca. 5% HCOH) Milzbrandsporen in 1 V 2 Stunden, 42-proz. 
(ca. 17% HCOH) in 1 Stunde abtöten. Ascoli 4 ) fand diese Sporen 1895 durch 
10-proz. Formalinlösungen (ca. 4% HCOH) in weniger als 5 Stunden vernichtet, 
nach 26-stündiger Einwirkung einer 1-proz. Formalinlösung (ca. 0,4% HCOH) 
noch wachstuinsfähig. In demselben Jahre fand Oehmichen 6 ), daß 1-proz. 
Formaldehydlösungen Milzbrandsporen in 24 Stunden, 2-proz. Formaldehyd¬ 
lösungen in einer Stunde vernichten, während 12-stündiges bzw. %-stündiges 
Verweilen in den betreffenden Formaldehydlösungen diese Sporen nicht ab¬ 
tötet. Die im Jahre 1896 veröffentlichten Versuche Walters 6 ) lassen die Des¬ 
infektionskraft des Formaldehydes weit günstiger erscheinen, was wohl offenbar auf 
der Verwendung von Gelatine zur Nachkultur und auf der Mitübertragung von 
Formaldehyd in den Nährboden beruht. Während nämlich Pottevin die Keime 
vor dem Übertragen in das Nährmedium mit verdünnter Ammoniaklösung, 
Archiv fQr Hygiene. Bd. 90. 16 


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240 Studien über die Desinfektionswirkung wässeriger Formaldehydlösungen. 



Ascoli und Oehmichen mit Wasser wuschen, impfte Walter die Mischung 
Suspension-Desinfektionsmittel direkt in verflüssigte Gelatine. Walter erhielt 
Abtötung bei 30-minutiger Einwirkung einer 1-proz. bzw. 15-minutiger einer 
3-proz. Formalinlösung (ca. 0,4% bzw. 1,2% HGOH). Krönig und Paul 7 ) ver¬ 
wendeten 1897 zur Zerstörung des überschüssigen Formaldehydes verdünnte 
mit Schwefelsäure angesäuerte Kaliumperinanganatlösung und erhielten bei 
Anwendung ihrer Granatenmethode bei 60-minutiger Einwirkung einer 5-proz. 
Formaldehydlösung bzw. lö-minutiger einer 35-proz. Formaldehydlösung Wachs¬ 
tum, nach 2-stündiger bzw. 1-stündiger Einwirkung derselben Konzentration 
Abtötung der Milzbrandsporen. Bei den Versuchen von Hammer und Feitier 8 ) 
zeigten sich 1898 Milzbrandsporen durch 1-proz. Formalinlösung (ca. 0,4% HGOH ) 
nach 2 Stunden, durch 2- bis 5-proz. Lösungen (ca. 0,8 bis 2% HGOH) nach 
1 Stunde, durch 10-bis 20-proz. Lösungen (ca. 4 bis 8% HGOH) schon nach zehn 
Minuten abgetötet. Die beiden Autoren verwendeten an Seidenfäden ange¬ 
trocknete Keime; die Fäden wurden nach der Einwirkung des Desinfektions¬ 
mittels in Ammoniaklösung ausgewaschen, die Nachkultur erfolgte auf Agar. 
Paul und Prall®) erhielten 1907 noch bei 4-stündiger Einwirkung 3-proz. Formal¬ 
dehydlösungen auf an Granaten angetrockneten Milzbrandsporen Wachstum und 
übertrafen somit bezüglich der festgestellten oberen Wachstumsgrenze die An¬ 
gaben der früheren Autoren. Xylander 1 ) ermittelt dann in demselben Jahre 
für 2 (A) und 4% (B) Minuten dampfresistente Milzbrandsporen folgende Ab¬ 
tötungszeiten: 

Formaldehyd konzcn tration Abtötungszeiten^ 


0,5 

14 Stunden 

21 Stunden 

1,0 

12 

19% 

2,0 

i oy 2 „ 

17% „ 

3,0 

8% „ 

15% „ 

6,0 

6 

13% „ 


Seligmanns 10 ) im Jahre 1908 veröffentlichten Versuchsergebnisse stimmen 
mit den Angaben der früheren Autoren überein. (0,6- und0,96-proz. Formaldehyd¬ 
lösungen töten Milzbrandsporen in 3% Stunden nicht ab.) Die Nachbehandlung 
bestand bei den letzten vier Untersuchern in Waschen der desinfizierten Keime 
mit verdünnter Ammoniaklösung. Die Kultur erfolgte auf Agar oder Bouillon. 

Die Desinfektionswirkung von Formaldehyd gegenüber Staphylokokken 
wurde zuerst von Slater und Rideal 11 ) untersucht, die fanden, daß 2,5-proz. 
Formalinlösung (ca. 1% HGOH) diese vegetativen Formen nach 50-minutiger 
Einwirkung nicht, wohl aber nach 60-minutiger Einwirkung abtöte. Blum 1 *) 
erhielt 1893 durch 5-proz. Formalinlösung (zirka 2% HGOH) nach 30-minutiger, 
Gegner 13 ) in demselben Jahre schon nach einminutiger Einwirkung Tod der 
Keime, Ascoli 4 ) 1895 durch 1-proz.Formalinlösung (ca. 0,4% HCOH) in 5 Stunden 
und durch 5-proz. Formalinlösung (ca. 2% HGOH) in 30 Minuten Abtötung. 
Walter 4 ) konnte 1896 nach 30-minutiger Einwirkung einer 1-proz. bzw. lminu- 
tiger einer 3-proz. Formalinlösung (ca. 0,4 bis 1,2% HGOH) noch Wachstum fest¬ 
stellen, Abtötung erzielte er durch 45-minutige Einwirkung dieser Konzentra¬ 
tionen. Hammer und Feitier 8 ) fanden 1898 Abtötung durch 1-proz. Formalin¬ 
lösung nach 2 Stunden, durch 5-proz. Formalinlösung nach 1 Stunde bzw. 10-proz. 
Formalinlösung nach 10 Minuten (ca. 0,4%, 2,0%, 4,0% HGOH). Reischauer 14 ) 
konnte 1901 nach 55-minutiger Einwirkung einer 1-proz. Formalinlösung (ca. 0,4% 
HGOH) Abtötung feststellen. Paul und Prall 9 ) erhielten 1907 nach 40-minutiger 
Einwirkung einer 3-proz. Formaldehydlösung Wachstum, nach 60-minutiger Ab¬ 
tötung. Xylander 1 ) fand 1907 folgende Abtötungszeiten für Staphylokokken: 


Formaldehydkonzentration 

0,5 

1,0 

2,0 

3,0 

6,0 


Abtötungszeit 


80 

70 

60 

46 

35 


Minuten 

>9 

»» 

II 

II 


Gck igle 


Original ffom 

THE OHIO STATE UNIVERSITY* 



Von Dr. Viktor Gegenbauer. 


241 


Seligmann 10 ) erzielte bei einer Versuchstemperatur von 40° C bei 30- 
minutiger Einwirkung einer 0,36-proz. Formaldehydlösung Wachstum, bei 60- 
minutiger Abtötung. Croner 2 ) hat dann 1914 als erster mit methylalkohol- 
freiem Formaldehyd Desinfektionsversuche angestellt. Es erhielt die wäßrige 
methylalkoholfreie Formaldehydlösung durch Auflösen von Paraform in wenig 
verdünnter Natronlauge und Neutralisieren der überschüssigen Lauge mit Salz¬ 
säure. Als Testmaterial dienten an Seidjenfäden angetrocknete Bakterien. Die 
ü berschüssige Menge des Desinfiziens wurde mit Wasser abgespült, die Nach¬ 
kultur erfolgte in Bouillon. Staphylokokken wurden durch eine 2-proz. Formal¬ 
dehydlösung in 45 Minuten, durch eine 3-proz. in 35 Minuten, durch eine 4-proz. 
in 25 Minuten abgetötet. Die höchsten AnwachsungsZeiten waren in derselben 
Reihenfolge 35 Minuten, 25 Minuten, 16 Minuten. Zusatz von Methylalkohol zu 
den Formaldehydlösungen bedingte eine Verschlechterung der Desinfektions¬ 
wirkung des Formaldehydes. 

Aus diesen Desinfektionsversuchen mit Formaldehyd ergibt sich, 
daß die Art der Nachbehandlung der Keime vor der Übertragung in das 
Nährmedium — Waschen mit bloßem Wasser oder Waschen mit verdünnter 
Ammoniaklösung — keinen nennenswerten Einfluß auf das Ergebnis der 
Versuche hatte. 

Einen derartigen Einfluß hätte man sich immerhin vorstellen können, 
da es ja nach unseren heutigen Vorstellungen über die Beziehungen von 
Formaldehyd zu Eiweißkörpern sehr wahrscheinlich ist, daß diese beiden 
Körper eine chemische Bindung eingehen und es denkbar wäre, daß durch 
Ammoniak die Formaldehydeiweißverbindungen gesprengt werden, wo¬ 
durch Stoffe der Keime, die an das Formaldehyd gebunden waren, wieder 
funktionsfähig werden können, wie dies bezüglich des Sublimates und 
Schwefelwasserstoffes von Gegenbauer 15 ) festgestellt wurde. Das Am¬ 
moniak führt aber offenbar nur jenes Formaldehyd, das in der Desinfektions¬ 
flüssigkeit zugegen ist, in das nach den Untersuchungen von Ohira 16 ) 
relativ wenig entwicklungshemmende Hexamethylentetramin über und 
besitzt nicht die Fähigkeit die Formaldehydeiweißverbindung zu sprengen. 

Diese Feststellung ist insoferne von praktischer Bedeutung, als 
man bei einem Teil der hygienischen Desinfektion mit der Anwesenheit 
von Ammoniak rechnen muß, wie beispielsweise bei der Desinfektion von 
Objekten, die hinterher in ein Medium gelangen, in dem sich diese Base 
bildet, oder bei der Desinfektion von solchen Objekten, in denen es zur Bil¬ 
dung von Ammoniak kommen kann (Abwässer, Stuhl, Harn, Sputum usw.). 

Wenn sich auch aus den bisherigen Versuchen — ausgenommen jenen 
von Öhmichen — gezeigt hatte, daß mit der Erhöhung der Konzentration 
der Formaldehydlösung sowohl bei Milzbrandsporen wie bei Staphylo¬ 
kokken nur eine geringe Verkürzung der Abtötungszeit verbunden war, 
so war doch immerhin eine Abhängigkeit der Desinfektionszeit vom Formal¬ 
dehydgehalt der Desinfektionslösung festzustellen. Solche Abhängigkeiten 
müssen einerseits zustande kommen, wenn sich das Desinfiziens zwischen 
Keim und Desinfektionsflüssigkeit nach konstantem Faktor verteilt, 
so daß bei höheren Konzentrationen auch mehr Desinfiziens in das Proto¬ 
plasma der Keime übergeht. Anderseits sind sie aber auch bei chemischen 
Bindungen als Ursache der Desinfektionswirkung dann denkbar, wenn die 
Diffusionszeit für den Desinfektionseffekt relativ stark an Bedeutung 
hervortritt. Dies ist der Fall, wenn schon sehr kurze Zeiten der vollständigen 


16 * 



Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 





Digitized by 


242 Studien über die Desinfektionswirkung wässeriger Formaldehydlösungen. 

Bindung genügen, um die Keime abzutöten oder wenn auch bei nicht sehr 
kurzfristiger Desinfektionszeit besonders Diffusionsschwierigkeiten vor¬ 
liegen, so daß das schnellere Eintreten des Gleichgewichtszustandes und 
damit der vollen Bindungsgröße bei höherer Außenkonzentration einen 
merkbaren Einfluß auf die Desinfektionszeit ausübt. Es hat daher die 
Erörterung der Ursachen der desinfizierten Wirkung des Formaldehydes 
zur Voraussetzung, daß die chemischen und physikalischen Beziehungen 
zwischen Formaldehyd und Mikroorganismen klargestellt sind. 

Die Versuchsergebnisse von Herzog und Betzel 17 ) weisen auf das 
Entstehen von Bindungen zwischen Formaldehyd und den Leibessubstanzen 
der Mikroorganismen hin. Sie fanden, daß beim Zusammenbringen von 
Formaldehydlösungen und gleichen Hefemengen immer eine annähernd 
gleich große Formaldehydmenge aus der Flotte verschwindet. Die Be¬ 
stimmung des Formaldehydgehaltes in der Flotte nahmen Herzog und 
Betzel nur nach einer Berührungszeit (6 Stunden) vor, so daß uns diese 
Versuche über die für den vorliegenden Fall wichtige Frage, ob bei kurzer 
Berührungszeit die Bindungsgröße infolge Nichterreichens des Gleich¬ 
gewichtszustandes eine Abhängigkeit von der Konzentration zeigt und ob 
bei längerer Berührungszeit eventuell noch neben Bindungen Lösungs¬ 
beziehungen auftreten, keinen Aufschluß gaben. 

Die vorliegenden Untersuchungen verfolgten nun den Zweck, die 
bisherigen Desinfektions versuche, namentlich bezüglich der Frage 
der Abhängigkeit der Desinfektionsdauer von der Konzentration der 
Desinfektionslösung zu ergänzen und die chemischen und physikali¬ 
schen Beziehungen zwischen Formaldehyd und den Mikroorganis¬ 
men, als deren Vertreter Hefezellen genommen wurden, eingehender zu 
studieren, um dann schließlich die Theorie der desinfizierenden 
Formaldehydwirkung erörtern zu können. 

II. Desinfektionsversuche mit wässerigen Formaldehydlösungen. 

Die ersten Desinfektionsversuche wurden nach zwei verschiedenen 
Methoden der Nachbehandlung der desinfizierten Keime — Waschen mit 
verdünnter Ammoniaklösung bzw. Waschen durch Zentrifugieren und 
Dekantieren — ausgeführt. Diese Versuche bestätigten hinsichtlich des 
Einflusses der Nachbehandlung auf das Resultat vollständig die Angaben 
der Literatur. Es war kein Unterschied in dem Ergebnis zwischen den 
nach den beiden Methoden angestelltcn Desinfektionsversuchen festzu¬ 
stellen; weshalb die weiteren Versuche nur mehr nach einer Methode 
— Waschen mit verdünnter Ammoniaklösung — ausgeführt wurden. 

Die Bereitung der Suspension der Test keime, die Bestimmung der Dampf¬ 
resistenz der Milzbrandsporen und der Phenolresistenz der Staphylokokken, die 
Bestimmung der Keimzahl der Suspension und die Yersuchstechnik der Versuche 
mit Waschen der Keime durch Zentrifugieren und Dekantieren der Keime wurde 
a.a.O. 16 ) beschrieben, weshalb an dieser Stelle nur auf die dortigen Ausführungen 
verwiesen sei. Zu den Versuchen mit Waschen der Keime durch verdünnte 
Ammoniaklösung wurden an Seidenfäden angetrocknete Keime genommen. 
Das Waschen erfolgte hier durch %-minutiges Schwenken der Fäden in 0,5-proz. 
steriler Ammoniaklösung und naehherigem ebensolangem Schwenken in sterilem 
Wasser. Die Menge der mit einem Faden in das Nährmedium übertragenen 


Gck igle 


Original from 

THE OHIO STATE UNIVERS1TY 



Von Dr. Viktor Gegenbauer. 


243 


Keime wurde aus der Keimzahl der Suspension und aus dem festgestellten Ge¬ 
wichte der durch den Faden übertragenen Menge Suspension berechnet. Die 
Bestimmung dieses Gewichtes erfolgte in der Weise, daß das Gewicht des Gefäßes, 
in dem sich die Suspension befand, vor und nach der Herausnahme von 10 Fäden 
bestimmt wurde. Die Nachkultur erfolgte bei den Staphylokokken in 3-proz. 
Traubenzuckerbouillon. Bei einem Tastversuch mit Zusatz von Serum zum 
Nährboden wurden keine höheren Anwachsungszeiten erzielt. Die Nachkultur 
der Milzbrandsporen wurde in Albuminbouillon (0,1g Albumin auf 10 ccm 
Bouillon) mit Zusatz von 3% Traubenzucker vorgenommen. Die verwendete 
Bouillon war nach dem gegenwärtig im hygienischen Institute üblichen Be¬ 
reitungsverfahren — Ersatz des Fleisches durch Planzenta — hergestellt worden. 
Die Nachkultur wurde 14 Tage beobachtet. 

Die Einwände, welche gegen die Anwendung von Seidenfäden als Träger¬ 
mittel der Keime erhoben wurden — Absorption des Desinfektionsmittels an 
der Seide, wodurch die Flüssigkeit, die die Keime unmittelbar umgibt, eine 
höhere Konzentration des Desinfektionsmittels aufw r eist als die übrige Flotte, 
schwieriges Eindringen des Desinfektionsmittels — sind hier ohne ausschlag¬ 
gebende Bedeutung, wie aus dem guten übereinstimmen der Resultate der 
Suspensions- und Seidenfadenversuche hervorceht. 

Der Formaldehydgehalt der Desinfektionslösung wurde nach der Methode 
von Romijin bestimmt. Die Konzentrationsangaben sind als Gramme in 
100 ccm Desinfektionslösung zu verstehen. 

Die Herstellung der methylalkoholfreien Formaldehydlösung erfolgte nach 
einem Vorschläge des Herrn Dr. Traxl durch Auflösen von Paraformpastillen 
in wässeriger Natronlauge und Abdestillieren des Formaldehydes aus dieser Lösung. 

Die Ergebnisse dieser Versuche sind in Tabelle 1 bis 5 dargestellt. 

Tabelle 1. 

Versuche mit Waschen der Keime. 

Wirkung von Formalin (methylalkoholhältig) auf Staphylokokken in 
Suspension. Zweimaliges Zentrifugieren und Dekantieren. Temperatur 20° C. 

H An = Höchste Anwachsungszeit in Minuten. 

N Ab = Niederste sichere Abtötungszeit in Minuten. 


Versuch Nr. 

t 

2 

3 

4 

Keimzahl von leem des Gemisches Suspension-Desin- 





fektionsmittel in Millionen. 

62 

140 

260 

140 

In den Nährboden überimpfte Keimzahl in Millionen 

19 

24 

36 

20 

Resistenz der 

[ Höchste Anwachsungszeit in Minuten 

40 

60 

40 

60 

Staphylokokken J 

1 Niederste sichere Abtötungszeit in 





gegen t-proz. ] 


60 

80 

60 

80 

Phenollösung 

1 Überimpfte* Keimzahl in Millionen . 

0,4 

1,2 

2,0 

1,2 


Konzentration 
des Formaldehydes 
ln •/• 

Versuch Nr. 

1 

2 

3 

4 

H An 

N Ab 

H An 

N Ab 

H An 

N Ab 

H An 

N Ab 

16,00 




5 

5 

16 

5 

15 

8,00 




5 

15 

30 

5 

15 

4,00 

lö 

30 

15 

30 

30 

45 

30 

45 

2,00 

30 

4ö 

60 

120 

45 

60 

60 

120 

1,00 

120 

240 

120 

240 

60 

120 

60 

120 

0,50 

240 

360 

120 

240 

120 

240 

120 

240 

0,25 

240 


480 

600 

. 

480 

600 

240 

480 


□ igitized by 


Gck igle 


Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 





244 Studien über die Desinfeklionswirkung wässeriger Fonnaldehydiösuiigen. 


Digitized by 


Bei den einzelnen Konzentrationen wurden bei jedem Einzelversuche 
fünf Überimpfungen vorgenommen. Der Raumersparnis halber ist nicht 
das Resultat jeder Überimpfung angegeben, sondern bloß die höchste An¬ 
wachsungszeit und die niedrigste sichere Abtötungszeit. 


Tabelle 2. 

Versuche mit Ammoniaknachbehandlung. 

Wirkung von Formalin (methylalkoholhältig) auf an Seidenfäden an¬ 
getrocknete Staphylokokken. Temperatur 20° C. 

H An = Höchste Anwachsungszeit in Minuten. 

N Ab = Niederste sichere Abtötungszeit in Minuten. 


Versuch Nr. 

LU 

_u 

r 3 7 

4 . 

Überimpfte Keimzahl in Millionen. 

0,3 ! 

. 

2,2 

32,0 

16,0 

Resisten* der [ Höchste Anwachungszeit in Minuten 

100 

10 

60 

120 

Staphylokokken ) Niederste sichere Abtötungszeit in 
gegen t-proz. | Minuten. 

120 

20 

80 

140 

Phenollösung y überimpfte Keimzahl in Millionen . 

0,1 

1 

0,4 

3,2 

i i 

1,6 


Konzentration 
des Formaldehydes 
in •/. 

Versuch Nr. 

1 

i 

2 

1 3 

! 4 

H An 

N Ab 

H An 

N Ab 

H An 

N Ab 

H An 

| N Ab 

16,00 

2 

3 

6 

10 

6 

10 

' ! 

i 

i 4 

8,00 

6 

10 


3 

16 

20 

8 , 

10 

4,00 

16 

30 

6 

s ! 

30 

45 

30 

40 

2,00 

46 

60 

15 

20 

45 

60 

50 

60 

1,00 

60 

120 

120 



45 

120 j 

180 

0,60 

120 

180 

60 

120 | 

240 

300 

180 ! 

240 

0,26 

180 

240 

300 

360 

i 

240 

300 

360 1 

420 


Tabelle 3. 

Versuche mit Ammoniaknachbehandlung. 

Wirkung von methylalkoholfreiem Formaldehyd auf an Seidenfäden 
angetrockneten Staphylokokken. Temperatur 20° C. 

H An = Höchste Anwachsungszeit in Minuten. 

N Ab = Niederste sichere Abtötungszeit in Minuten. 


Versuch Nr. 


Überimpfte Keimzahl in Millionen. 

Resistenz der f Höchste Anwachungszeit in Minuten . . . 
St g£en i-proz Cn \ Niederste sichere Abtötungszeit in Minuten 
Phenollösung l Überimpfte Keimzahl in Millionen .... 


1 

2 

Li_ 

80,0 

9,6 

| 4,0 

140 

100 

140 

160; 

120 

160 

8,0 

1,0 

! 0,8 


Gck igle 


Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 






Von Dr. Viktor Gegenbauer. 


245 


Konzentration 
des Formaldehydcs 
in •/. 

Versuch Nr. 

1 

S 

L 

1 2 

\ 

H An 

N Ab 1 

H An 

N Ab 

H An 

N Al) 

32,00 



2 

5 

1 

2 

16,00 

5 

8 



2 

5 

8,00 

8 

10 

8 

10 

8 

10 

4,00 

10 

20 

16 

20 

16 

20 

2,00 

40 

60 

40 

60 

30 

40 

1,00 

60 

80 

80 

100 

80 

100 

0,60 

120 

180 

180 

240 

180 

240 

0,26 

360 

420 

300 

360 

360 

420 


Tabelle 4. 

Versuche mit Aminoniaknachbehundlung. 

Wirkung von Formalin (methylalkoholhältig) auf an Seidenfäden an¬ 
getrockneten M i l z b ra n d s p o re n. Dampfresistenz der Milzbrandsporen: 
4 Minuten (3% Traubenzuckerbouillon mit 5% Pferdeserum). Überimpfte 
Keimzahl: 0,21 Millionen. Temperatur 20° G. 


H An = Höchste Anwachsungszeit in Minuten. 

N Ab = Niederste sichere Abtötungszeit in Minuten . 


Konzentration 
des Formaldehydes 
in •/• 

Versu ch Nr. 

1 

2 

H An 

N Ab 

H An 

N Ab 

32,00 

6 

10 

10 

16 

16,00 

20 

30 

16 

30 

8,00 

60 

120 

60 

120 

4,00 

120 

240 

120 

240 

2,00 

240 

480 

240 

480 

1,00 

480 

720 

480 

720 

0,50 

720 

1440 

720 

1440 

0,26 

1440 

2880 

1440 

2880 


Tabelle 5. 

Versuche mit Ainmoniaknachbehandluiig. 

Wirkung von methylalkoholfreiem Formaldehyd auf an Seidenfäden 
angetrockneten Milzbrandsporen. Dampfresistenz der Milzbrandsporen: 
4 Minuten (3% Traubenzuckerbouillon mit 5% Pferdeserum). Überimpfte 
Keimzahl: 0,21 Millionen. Temperatur 20° G. 

H An = Höchste Anwachsungszeit in Minuten. 

N Ab — Niederste Abtötungszeit in Minuten. 


Konzentration 
des Formaldehydes 
ln •/• 

Versuch Nr. 

1 

2 

3 

H An 

[ N Ab 

h;ah 

j N Ab 

H An 

N Ab 

20,00 

15 

30 

20 

30 

20 

30 

16,00 

15 

30 

20 

30 

20 

30 

8,00 

60 

120 

60 

120 

60 

120 

4,00 

120 

240 

120 

240 

120 

240 

2,00 



240 

480 

240 

480 

1,00 



480 

720 

480 

720 

0,50 



720 

1440 

720 

1440 

0,25 



1440 

2880 ! 

1440 

2880 


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Google 


Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 










































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246 Studien über die Desinfektionswirkung wässeriger Formaldehydlösungen. 

Die Durchsicht der Tabellen zeigt, daß die vorliegenden Versuche 
mit Staphylokokken die Angaben der älteren Autoren hinsichtlich 
der höchsten Anwachsungszeiten zum Teil weit übertreffen. Nur Paul 
und Prall und Croner fanden ebensolche Anwachsungszeiten. Dagegen 
wurden bei Milzbrandsporen die höchsten Anwachsungszeiten niedrigerer 
ermittelt als sie Xylander angibt, obwohl der verwendete Stamm fast 
ebenso dampfresistent war (4 Minuten) wie Xylanders resistenterer 
Stamm und ein optimaler Nährboden (Albuminbouillon mit Trauben« 
zuckerzusatz) genommen wurde. Offenbar bedingt gleiche Dampfresistenz 
zweier Stämme nicht auch gleiche Resistenz gegen Formaldehyd. 

Croners Feststellung hinsichtlich der Verringerung der desinfizieren¬ 
den Wirkung von Formaldehydlösungen gegenüber Styphylokokken 
durch Methylalkoholzusatz wurde durch die vorliegenden Versuche be¬ 
stätigt. Für Milzbrandsporen konnte ein gleiches Verhalten wenigstens 
bezüglich jener Methylalkoholmengen, wie sie im käuflichen Formalin 
Vorkommen, nicht festgestellt werden. Schließlich ergaben die vorliegen¬ 
den Versuche, daß eine weit größere Abhängigkeit der Abtötungszeit 
von der Konzentration des Desinfektionsmittels besteht, als es nach den 
älteren Versuchen mit Ausnahme jener von Oehmichen schien. 


III. Chemische Versuche mit wässerigen Formaldehydlösungen. 

Die Methodik der chemischen Versuche war im allgemeinen dieselbe, 
wie bei den Sublimatversuchen 15 ). Zunächst wurde das Verhalten des 
Formaldehydes gegenüber des wichtigsten Vertreters der in der Zelle 
vorhandenen Stoffe (Eiweißkörper, ölige Phase) klargestellt. Als Ver¬ 
treter der Eiweißkörper wurde hitzekoaguliertes Eiweiß, als Vertreter der 
öligen Phase Kottonöl genommen. Dann wrurden diese Grundversuche 
durch Versuche mit Hefe ergänzt. 

Stückchen koagulierten Rinderserums bzw. Öltropfen bzw. Hefestückchen 
wurden mit verschieden konzentrierten Formaldehydlösungen durch ver¬ 
schiedene Zeiten in Berührung gebracht und hernach der Formaldehydgehall 
der Flotte nach der Methode von Romijin bestimmt. Aus der Differenz des 
Formaldehydgehaltes der Ausgangs- und der Endflotte wurde unter Berücksichti¬ 
gung der Zusammensetzung des Rinderserumkoagulums bzw. der Hefe und der 
Volumsvermehrung der Flotte durch den Wassergehalt dieser Körper die pro 
1 g Eiweiß des Koagulums bzw. 1 g Öl bzw. 1 g organischer Bestandteile der 
Hefe verschwundene Formaldehydmenge berechnet. Die Einzelheiten dieser 
Methodik und die Art der Berechnung der Versuche wurde bereits a. a. O. 15 ) 
beschrieben und ausführlich begründet, weshalb an dieser Stelle nur auf die 
diesbezüglichen Ausführungen verwiesen zu werden braucht. Die Darstellung 
der methylalkoholfreien Formaldehydlösung wurde bereits bei den Desinfektions¬ 
versuchen besprochen. 

Die pro lg Eiweiß des Koagulums verschwundene Formaldehyd¬ 
menge zeigte sich nach 8-tägiger Berührung unabhängig von der Konzen¬ 
tration der Flotte als eine sehr konstante Größe, w^as beweist, daß das aus 
der Flotte verschwundene Formaldehyd eine chemische Bindung mit dem 
Eiweiß des Koagulums eingegangen w r ar und daß Lösungsbeziehungen 


Gck igle 


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THE OHIO STATE UNIVERSITY 




Von Dr. Viktor Gegenbauer. 


247 


zwischen diesen beiden Stoffen nicht bestehen. Die Bindungsgröße be¬ 
trug im Mittel von 10 Versuchen für 100 g hitzekoaguliertes Eiweiß 
11,2995 Hb 2,014 (Variationskoeffizient = 17,82%). 

Der mittlere Fehler der Einzelmessung betrug daher +_ 2,014, der 
mittlere Fehler des Mittelwertes Hb 0,637. 

Nach der Berührungszeit von drei Tagen zeigte sich eine Abhängigkeit 
der pro 1 g Eiweiß des Koagulums verschwundene Formaldehydmenge 
von der Konzentration der Endflotte. Bei höheren Konzentrationen 
war mehr Formaldehyd verschwunden als bei niederen Konzentrationen. 
Hier war infolge der Kürze der Berührungszeit das Gleichgewicht noch 
nicht erreicht. 


Das Resultat dieser Versuche ist in der folgenden Tabelle dargestellt. 


Dauer der 
Berührung von 
Koagulum und 
Formaldehyd¬ 
lösung 

Koagu¬ 

lum 

Gewicht 

des 

Koagulums 

g 

Formaldehydgehalt 

A 'Z\it Endflotte 

% g/ccm ° /0 g/ccm 

Pro ein Gramm 
Eiweiss des 
Koagulums 
verschwundene 
Formaldehyd¬ 
menge 
ir 

i 

II. 

19,5620 

5,2404 

4,3404 

0,0718 

3 Iage 1 

ii. 

19,6422 

3,9304 

3,2594 

0,0500 

1 

II. 

21,5642 

1,3101 

1,0446 

0,0301 


I. 

10,1385 

5,6414 

5,0504 

0,1363 


II. 

19,5620 

5,2404 

4,3164 

0,08665 


I. 

12,6171 

4,2320 

3,6514 

0,1323 


II. 

19,6422 

3,9304 

3,1697 

0,1054 

8 Tage 

I. 

11,4258 

2,8207 

2,4447 

0.1171 


II. 

20,6037 

2,6202 

1,9391 

0,1191 


I. 

12,7612 

1,4104 

1.1317 

0,1270 


II. 

21,5642 

1,3101 

0,9191 

0,1021 


I. 

11,5705 

0,5641 

0,4382 

0,07580 


I. 

8,7699 

0,2821 

0,1666 

0,1282 


Bei den zwei verwendeten Koagulumpartien betrug das 

I 11 

Relative Gewicht in g/g an Eiweiß. 9,090 9,651 

Relative Volumen in ccm/g an wäßriger Kochsalzlösung 90,88 90,03 

Die Versuche mit Kottonöl als Vertreter der lipoiden Phase ergaben, 
daß sich Formaldehyd zwischen Öl und Wasser nach einem ziemlich 
konstanten Faktor verteilt, dessen mittlerer Wert (4 Versuche) 0,2428 + 
0,0171 (Variationskoeffizient = 7,03%) betrug. Der mittlere Fehler der 
Einzelmessung ergab 0,0171, der mittlere Fehler des Mittelwertes 
+_ 0,0085. Die Resultate der Versuche mit Kottonöl, zu denen je 50 ccm 
Formaldehydlösung genommen wurden, sind in der folgenden Tabelle 
dargestellt. 

Nach diesem Befunde besteht also zwischen Formaldehyd und Öl 
ein echtes Lösungsverhältnis, wobei dem Formaldehyd in beiden Phasen 
dasselbe Molekulargewicht zukommt. Die Lipoidlöslichkeit des Formal- 
dehydes ist ziemlich gering. Nur ungefähr der fünfte Teil des in der Ge¬ 
wichtseinheit der wäßrigen Phase vorhandenen Formaldehydes geht in 


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248 Studien über die Desinfeklionswirkung wässeriger Formaldehydlösungen. 


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Ver¬ 

such 

Nr. 

Gewicht 
d es Öles 

« 

Ausgangsflotte | 

Endflotte [ 

Pro 100 g öl 
verschwundene 
Form aldehyd¬ 
menge 

1 Gewichtsver¬ 
teilungsfaktor 
Öl-Wasser für 
i Formaldehyd 

| •/• g/ccm 

absolut 

g 

•/• g/ccm 

absolut ' 

g 

1 

5,0300 

2,6627 

1 

1,3314 

1 

2,6027 

: 1 

1,3014 

0,596 

0,2291 

2 

4,7240 

1,5976 

0,7988 

1,6646 

0,7820 

0,354 

0,2262 

3 

5,0545 , 

1,0670 

1 0,5335 ; 

1,0400 

0,5200 

0,267 

0,2668 

4 

3,9380 ! 

0,5326 

1 0,2663 

0,5220 

| 0,2610 

i 

0.135 

0,2574 


die Gewichtseinheit öl über. Das Verteilungsverhältnis ist also ähnlich 
dem für Sublimat zwischen öl und Wasser festgestellten. 

Die Versuche mit Hefe ergaben, daß bereits nach 6-stündiger Be¬ 
rührungsdauer die pro 1 g organisches Bestandteil der Hefe verschwundene 
Formaldehydmenge unabhängig von der Konzentration der Flotte an¬ 
nähernd die gleiche Größe hatte. Dies traf auch für die späteren Berührungs¬ 
zeiten zu, nur nahmen hier die Werte bis zu einer Berührungszeit von 
zwei Tagen zu. Eine Verlängerung der Berührungsdauer auf 3 und 8 Tage 
hatte praktisch keine weitere Erhöhung der Werte zur Folge. Diese Tat¬ 
sache beweist, daß das Formaldehyd auch mit den organischen Stoffen 
der Hefe — in erster Linie natürlich mit den Eiweißkörpern der Hefe — 
eine chemische Bindung eingeht. Der mittlere Wert des Formaldehyd¬ 
bindungsvermögens von 100 g organische Bestandteile der Hefe, Variations¬ 
koeffizient, mittlerer Fehler der Einzelmessung und des Mittelwertes sind 
in der folgenden Tabelle dargestellt. 


Dauer der 
Berührung 
von Hefe 
und 

Formalde¬ 

hydlösung 

“. _ 1 

Anzahl 

der 

Ver¬ 

suche 

Formaldehydbindungsvermögen von 100 Gramm organische 
Bestandteile der Hefe 

Mittlerer Wert 

Variations¬ 

koeffizient 

Mittlerer Fehler 

Einzelmessung 

Mittelwert 

6 Stunden 

4 

3,338 ± 0,6839 

20,49 •/« 

± 0,6839 

+ 0,3420 

1 Tag 

4 

3,876 + 0,4614 

1 1,91 % 

+ 0,4614 

+ 0,2307 

2 Tage 

4 

6,535 + 0,3520 

6,39 % 

± 0,3520 

± 0,1760 

3 Tage 

4 

6,800 ± 0,9806 

14,42 •/« 

± 0,9806 

± 0,4903 

8 Tage 

4 

7,295 ± 0,0387 

0,53 % 

i + 0,0387 

i 

± 0,0194 


Wie a. a. O. 18 ) dargelegt wurde, besteht die organische Substanz 
der Hefe aus rd. 60% Protein. Da natürlich zum Eingehen einer chemi¬ 
schen Bindung mit dem Formaldehyd unter den Stoffen, aus denen die 
Hefe besteht, in erster Linie Eiweißkörper in Betracht kommen, so können 
die gefundenen Werte direkt auf Eiweiß bezogen werden. Somit ergibt 
sich in erster Annäherung als Formaldehydbindungsvermögen von 100 g 
.Eiweißkörper der Hefe 

bei 6-stündiger Berührung .... 5,562 +_ 1,140 

bei 1-tägiger Berührung. 6,458 + 0,768 

bei 2-tägiger Berührung.10,891 ± 0,587 

bei 3-tägiger Berührung. 11,333 +_'1,634 

bei 8-tägiger Berührung.12,158 +_ 0,0645. 


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Von Dr. Viktor Gegenbauer. 


249 


Diese Werte zeigen eine weitgehende- Übereinstimmung mit den bei 
den Versuchen mit Rinderserumkoagulum gefundenen, so daß sich auch 
liier, wie bei den Sublimatversuchen, zeigt, daß sich die mit koaguliertem 
Rinderserum erhaltenen Resultate auf Zelleiweiß übertragen lassen. 

Nach einstündiger Berührungszeit besteht ein gewisser Zusammenhang 
zwischen der pro Gramm organische Bestandteile der Hefe verschwundenen 
Formaldehydmenge und der Konzentration. In diesem Falle war offenbar 
infolge der Kürze der Berührungszeit das Gleichgewicht noch nicht er¬ 
reicht. 

Die Resultate der Einzelversuche sind in der folgenden Tabelle dar¬ 
gestellt. 


Dauer der 
Berührung von 
Hefe und 
Formaldehyd¬ 
lösungen 

Here 

Gewicht 
der Hefe 

Formaldehydgehalt 

Pro ein Gramm 
organische Sub¬ 
stanz der Hefe 
verschwundene 
Formaldehyd¬ 
menge 

e 

Ausgangs- 

flotte 

°/o g/ccm 

Endflotte 

% g/ccm 


iii. 

17,0570 

10,2750 

9,0465 

0,0321 

1 Stunde 

in. 

12,9870 

7.6063 

6,8845 

0,0286 

iii. 

16,7500 

5,1375 

4,5295 

0,0172 


in. 

10,7730 

2,5688 

2,3608 

0,0103 


in. 

17,0570 

10,2750 

9,0222 

0,0378 

6 Stunden 

III. 

12,9870 

7,6063 

6,8764 

0,0303 

III. 

16,7500 

5,1375 

4,5056 

0,0298 


III. 

10,7730 

2.5688 

2,2928 

0,0356 


II. 

13,5085 

9,5500 

8,5842 

0,0364 

1 Tag 

II. 

11,0010 

4,7750 

4,3251 

0,0373 

II. 

8,8340 

1,9100 

1,6992 

0,0456 


11. 

10,7850 

0,4775 

0,3534 

0,0357 


I. 

12,4500 

6,0300 

5,3432 

0,0661 

2 Tage 

I. 

11,8480 

3,5524 

3,0753 

0,0700 

I. 

10,0820 

1,7762 

1,5022 

0,0622 


I. 

9,7880 

0,8881 

0,6765 

0,0631 


II. 

13,5085 

9,5500 

8,4811 

0,0734 

3 Tage 

II. 

11,0010 

4,7750 

4,2343 

0,0725 

II. 

8,8340 

1,9100 

1,6421 

0,0728 


II. 

10,7850 

0,4775 

0,3084 

0,0533 


II. 

13,5085 

9,5500 

8,4813 

0,0734 

8 Tage 

II. 

11,0010 

4,7750 

4,2342 

0,0725 

II. 

8,8340 

1,9100 

1,6422 

0,0728 


II. 

10,7850 

0,4775 

0,2581 

0,0731 


Bei den drei verwendeten Hefen betrug das 


Relative Gewicht in g/g an organischen Hefe¬ 

I 

ii 

111 

bestandteilen . 

Relative Volumen in cem/g an wäßriger Kochsalz¬ 

26,739 

25,315 

26,815 

lösung . 

70,26 

72,65 

70,16 


Es kommt also bei der Einwirkung von Formaldehyd auf Mikro¬ 
organismen nur zur Entstehung chemischer Bindungen zwischen dem 


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250 Studien über die Desinfektionswirkung wässeriger Formaldehydlösungen. 

Formaldehyd und den Eiweißkörpern der Mikroorganismen; nicht aber 
zum Auftreten irgendwelcher Lösungsbeziehungen. Die volle Bindungs¬ 
größe wird bei der Hefe nach zweitägiger Berührungsdauer erreicht. 
Bei kurzer Berührungszeit (1 Stunde) zeigt sich infolge Nichterreichens 
des Gleichgewichtszustandes eine Abhängigkeit der Bindungsgröße von 
der Konzentration der Formaldehydlösung. Hier wurden bei höherer 
Konzentration der Flotte von der gleichen Menge Eiweiß mehr Formal¬ 
dehyd gebunden als bei niederer. Es ist also die Bindungsreaktion zunächst 
von der Diffusionsgeschwindigkeit abhängig. Diese Feststellung ist, wie 
eingangs auseinandergesetzt wurde, für unseren Fall von Wichtigkeit. 
Sie macht die Abhängigkeit der Desinfektionsdauer von der Konzentration 
der Desinfektionslösung für die desinfizierende Formaldehydwirkung, 
bei der nach dem Resultat der chemischen Versuche die Desinfektions¬ 
wirkung nur auf chemischer Bindung beruht, erklärlich. 

Die vorliegenden Versuche bestätigen die Schlußfolgerungen, die Herzog 
und Betzel 17 ) aus ihren Versuchen ziehen, daß nämlich bei der Berührung von 
Hefe und Forinaldehydlösungen von der gleichen Menge Hefe eine gleich große 
von der Konzentration der Flotte unabhängige Menge Formaldehyd gebunden 
werden, wobei allerdings bezüglich des festgestellten Wertes der Bindungsgröße 
ein Unterschied bestellt. Nach diesen Versuchen ist das Formaldehydbindungs¬ 
vermögen von 100 g Eiweiß der Hefe nach 6-stündiger Berührung 5,562 +. 1*140 
(Var.-Koeff. = 20,49%), nach den Versuchen von Herzog und Betzel 3,269 
0,898 (Var.-Koeff. = 27,41%). Derartige Unterschiede sind jedoch bei der Un¬ 
genauigkeit der Methodik und bei der Variabilität des verwendeten Versuchs- 
materiales leicht erklärlich. 

IV. Die Resistenzgleichungen. 

Berechnet man nach dem Vorgänge von Reichel 18 ) die sich aus 
unseren Versuchen und denen von Paul und Prall und von Croner 
ergebenden Resistenzgleichungen, so zeigt sich, daß für den vorliegenden 
Fall in der allgemeinen Resistenzgleichung T • HCOH% n K y der Wert K bei 
dem Exponenten n — 1 der Konstanz am nächsten kommt, daß somit die 
Beziehung zwischen Desinfektionsdauer ( T) und der Konzentration der 
Formaldehydlösung durch die Formel der gleichseitigen Hyperbel bezogen 
auf die Asymptoten als Koordinatenachsen ausgedrückt ist. 

Es ergaben sich nämlich aus den erhaltenen Grenzwerten der eigenen Ver¬ 
suche und der Versuche der obigen Autoren die in der Taballe auf der folgenden 
Seite angegebenen Werte für den Exponenten n = 1. Der in die Gleichung ein¬ 
zusetzende Ä’-Wert muß natürlich aus naheliegenden Gründen höher liegen als 
der höchste Minimalwert. 

Die berechneten Gleichungen lauten: 

für Staphylokokken bei Formalin 

(methylalkoholhältig).T • HCOH% = 130 

für Staphylokokken bei methyl¬ 
alkoholfreiem Formaldehyd. ... T • HCOH% = 100 
für Milzbrandsporen bei Formalin 
(methylalkoholhältig) und methyl¬ 
alkoholfreiem Formaldehyd. . . . T*HCOH%=500, 

worin die zu den betreffenden Konzentrationen gehörende Abtötungszeit T 
in Minuten angegeben ist. 


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Von Dr. Viktor Gegenbauer. 


251 


HOCH % 

Staphylokokken j 

Mil zbran dsporen 
Formalin (methylalkohol¬ 
hältig) und methylalkohol- 
freies Formaldehyd 

Formal In j 

(methylalkoholhältig) 

methylalkoholfreies 

Formaldehyd 

sicher 

über 

wahrschein¬ 
lich unter 

sicher 

über 

wahrschein¬ 
lich unter 

sicher 

über 

wahrschein¬ 
lich unter 

0,25 

120 

160 

90 

106 

360 

720 

0,60 

120 

160 

90 

120 

360 

720 

1,00 

120 

180 

80 

100 

480 

720 

2,00 


1 

70f) 

90t) 



2,00 

120 

240 

80 

120 

480 

060 

3,00 

120*) 

180*) 

75t) 

106t) 



4,00 

120 

160 

1 60 

t80 

480 

960 

4,00 

i 


1 64t) 

100t) 


i 

8,00 

120 

160 

64 

80 

480 

960 

16,00 

80 

160 

80 

128 

320 

480 

20,00 





400 

600 

32,00 



j 64 

160 

320 

480 


Die Gleichungen besagen, daß das Produkt von Desinfektions¬ 
dauer in Minuten und Konzentration der Desinfektions¬ 
lösung einen konstanten Wert, und zwar für den verwen¬ 
deten Staphylokokkenstamm bei Formalin (methylalkohol- 
hältig) 130, bei methylalkoholfreiem Formaldehyd 100, für 
den verwendeten Milzbrandstamm sowohl bei Formalin 
(methylalkoholhöltig) wie bei methylalkoholfreiem Formal¬ 
dehyd 500 betragen muß, wenn diese Keime durch wässerige 
Formaldehydlösungen abgetötet werden sollen. 

V. Zusammenfassung der Ergebnisse. 

Die vorliegenden Versuche haben ergeben, daß das Formaldehyd 
mit den Eiweißkörpern, als deren Vertreter koagulierter Rinderserum 
genommen wurde, chemische Bindung, mit den Lipoiden, als deren 
Vertreter Kottonöl genommen wurde, Lösungsbeziehungen eingeht, 
wobei das Molekulargewicht in beiden Phasen dasselbe ist. Im Gleich¬ 
gewichtszustände bindet 1 g des verwendeten Eiweißes ungefähr ein 
Zehntelgramm Formaldehyd, in ein Gramm Öl geht ungefähr ein Fünftel 
jener Menge über, die in der Gewichtseinheit wäßriger Flotte vorhanden 
ist. Versuche mit Hefe als Vertreter der Mikroorganismen zeigten, daß 
es auch hier zur Bildung von Formaldehydverbindungen mit den Eiwei߬ 
körpern der Hefe kommt. 

Die volle Bindungsgröße wird erst nach einer längeren Zeit der Be¬ 
rührungsdauer (bei Hefe 2 Tagen) erreicht. Bei kurzer Berührungszeit 
erweist sich die Bindungsgröße als abhängig von der Konzentration der 
Flotte an Formaldehyd. Diese festgestellte Tatsache macht den Gang 
der Desinfektionszeit mit der Konzentration der Desinfektions¬ 
lösung für die desinfizierende Formaldehydwirkung, bei der 

*) Nach Versuchen von Paul und Prall 9 ). 

f) Nach Versuchen von Croner 2 ). 


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252 Studien über die Desinfektionswirkung wässeriger Formaldehydlösungen. 

nach den vorliegenden Versuchen die Desinfektions Wirkung nur 
auf chemischer Bindung beruht, erklärlich. 

Die Desinfektionsversuche zeigten, daß die Konzentration der Formal¬ 
dehydlösung von weit größerem Einfluß für die Desinfektionszeit ist als 
die früheren Autoren mit Ausnahme von Oemichen fanden. Sie be¬ 
stätigten ferner den schon von früheren Autoren erhobenen Befund, daß 
die Art der Nachbehandlung — Waschen mit bloßem Wasser oder Waschen 
mit verdünnter Ammoniaklösung — keinen Einfluß auf das Resultat der 
Versuche hat. Aus dieser Tatsache läßt sich schließen, daß durch Am¬ 
moniak die Verbindung zwischen Formaldehyd und den Eiweißkörpern 
der Keime nicht gesprengt wird, was in praktisch hygienischer Beziehung 
hinsichtlich der. Desinfektion von solchen Objekten von Bedeutung ist, die 
hinterher in ein Medium gelangen, in dem es zur Bildung von Ammoniak 
kommt, oder in denen sich selbst dieser Stoff entwickeln kann. Die Be¬ 
funde Croners, daß die Desinfektionswirkung von Formaldehydlösungen 
gegenüber Staphylokokken durch Methylalkoholzusatz verringert wird, 
konnten bestätigt werden. Hinsichtlich der Milzbrandsporen wurde ein 
gleiches Verhalten, wenigstens bezüglich jener Methylalkoholmengen, 
wie sie in käuflichem Formalin Vorkommen, nicht gefunden. 

Die Beziehungen von Desinfektionsdauer zur Konzentration der 
Desinfektionslösung, wie sie sich für die verwendeten Stämme ergaben, 
wurden nach dem Vorgänge von Reichel durch Gleichungen ausgedrückt, 
die in der folgenden Zusammenstellung zugleich mit dem Konzentrations¬ 
bereich, für den diese Gleichungen Geltung haben, wiedergegeben sind, 
wobei die Desinfektionszeit T in Minuten angegeben ist.v 



Formalin (methylalkoholh&ltig) 

methylalkohol freies Formaldehyd 

Keime 

Gleichung 

untersuchter 

Konzentrations¬ 

bereich 

Gleichung 

untersuchter 

Konzentrations¬ 

bereich 

Staphylokokken 

r-HCOH 0 /« 

130 

0,25 — 16,00% 

T • HCOH % 
= 100 

0,25—32,00% 

Milzbrandsporen 

T • HCOH °/ 0 

= 500 

0,26—32,00*/« 

T- HCOH % 
= 500 

0.25—32,00% 


Zur Auffindung der Desinfektionsdauer T dienen folgende Tabellen; 


A. Staphylokokken. 


1. Formalin (methylalkoholhältig). 


HCOH % 

0,25 

0,50 

1 

1 2 | 

3 

4 | 

f 5 1 

10 j 16 | 20 j 25 

30 

T _ in Minuten 
in Stunden 

520 

8,67 

260 

4,33 

130 

2,17 

| 66 

11,08 

43 

! 

33 

; 

26 

13 9 7 5 

4 


2. methylalkoholfreies Formaldehyd. 


T _ in Minuten 
~ in Stunden 


400 

200 

100 1 60 i 33 25 20 

10 7 

5 4 | 

6,67 

3,83 

1,671 | 


1 


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Von Dr. Viktor Gegenbauer. 253 

B. Milzbrandsporen. 

Formalin (methylalkoholhaltig) und methylalkoholfreies Formaldehyd. 


HCOH % 

0,25 

0,50 

i 1 

2 

3 

4 , 5 

10 1 

15 i 

20 

25 

30 

rp _ in Minuten 

2000 

1000 

500 

250 

167 

125 100 

50 

•13 

25 

20 

17 

in Stunden 

33,33 

1 

16,67 

8.33 

4,17 

2,78 

2.08 1,67 

1 

1 

1 ' 

! 1 

I i 

1 




Literatur. 

t. Xylander, A. K. G. 26, 1907. 

2. Croner, Zeitschr. f. Hyg. 78, 1914. 

3. Pottevin, Annales de l’Institut Pasteur, 1894. 

4. Ascoli, ref. C. f. B. 17, 1895. 

5. Oemichen, A. K. G. 11, 1895. 

6. Walter, Zeitschr. f. Hyg. 21, 1896. 

7. Kroenig und Paul, Zeitschr. f. Hyg. 25, 1897. 

8. Hammer und Feitier, C. f. B. 24, 1898. 

9. Paul und Prall, A. K. G. 26, 1907. 

10. Seligmann, Desinfektion Nr. 1, 1908. 

11. Slater und Rideal, Lanceth, 21, 1889. 

12. Blum, Miinchn. med. Wochenschr. Nr. 32, 1893. 

13. Gegner, ebenda. 

14. Reischauer, zit. nach Börner, G. f. B. 53, 1910. 

15. Gegenbauer, Arch. f. Hygiene 90, 1921. 

16. Ohira, G. f. B. 85, 1920. 

17. Herzog und Betzel, Zeitschr. f. physiol. Ghemie 67, 1910; 74, 1911. 

18. Reichel, Biochem. Zeitschr. 22, 1909. 


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Gck gle 


Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 




















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Kritische Untersuchung über die Ätiologie der Influenza. 

Von 

Dr. Oarl v. Angerer. 

(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Erlangen.) 

(Bei der Redaktion eingegangen am 15. Juni 1921.) 

Die Ätiologie der Influenzapandemie von 1918/19 ist eine noch nicht 
einwandfrei beantwortete Frage. Folgende Befunde von Mikroorganismen 
werden berichtet: 1. die Pfeifferschen Influenzabazillen, 2. ein filtrier¬ 
bares oder invisibles Virus, 3. Strepto- oder Diplokokken, 4. pestähnliche 
Bazillen (Literatur über diese siehe Coronini und Priesel 167). 

Letztere können wegen der Seltenheit ihres Nachweises wohl keinen 
Anspruch auf Anerkennung erheben, und von den Streptokokken ist 
jetzt wohl allenthalben anerkannt, daß sie nur sekundäre Ansiedler sind. 
In Betracht kommen daher nur die unter 1. und 2. aufgeführten Orga¬ 
nismen. Die folgende Tabelle soll einen Überblick über den positiven 
oder negativen Nachweis der Influenzabazillen (abgekürzt I.B.) bis No¬ 
vember 1920 geben. Als Datum wurde bei Abhandlungen der Tag des 
Erscheinens der betreffenden Zeitschriftnummer, bei Vorträgen und Dis¬ 
kussionsbemerkungen der Tag der Sitzung angegeben und in letzterem 
Fall durch einen Stern kenntlich gemacht. Die Auszüge, welche nicht 
etwa Referate ersetzen sollen, mußten des Raummangels halber im Tele¬ 
grammstil abgefaßt werden; aus dem gleichen Grund wurden auch die 
umfangreichen Arbeiten in den Spezialzeitschriften in diese Tabelle nicht 
aufgenommen. Literaturangaben siehe am Schluß der Arbeit. 

Beim Überblick über diese Tabelle fällt die schon mehrfach disku¬ 
tierte Tatsache auf, daß bei Epidemiebeginn die negativen, späterhin 
die positiven Befunde überwiegen; insbesondere finden sich Angaben 
über hohe Prozentsätze positiver Untersuchungen oder über regelmäßiges 
Vorkommen von I.B. erst etwa von Oktober an. Die graphische Darstel¬ 
lung, auf deren Wiedergabe hier verzichtet werden muß, ergibt das gleiche 
Bild, das übrigens wegen der häufig fehlenden Angaben der Prozentzahlen 
und der Untersuchungszeiten nicht völlig scharf sein kann. Im übrigen 
geben viele Autoren an (1, 24, 127; 57, 98; 80, 131; 28, 79; 108; 109; 117, 
(Fortsetzung des Textes S. 261.) 


Gck igle 


Original ffom 

THE OHIO STATE UNIVERS1TY 



Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza. 


255 


Nr. 

Zeit 

Autor und Ort 

Befund 

1 

1918 
Juli 1 

5.* i 

Friedberger, Greifswald 

Sputa mikr. neg., kult. vereinzelt pos. 
Entnahme durch Bronchoskop aus der 
Tiefe. Negat. Meerschweinchenimpfling 
mit Filtrat. 

Nase, Rachen, Blut I.B. neg. 

2 

| 

8. 

Krön er 

3 

9.* 

Brasch, München 

Sputa neg. 

4 

9.* 

Oberndorfer, München 

Sektionen neg. 

5 

9.* 

Mandelbaum, Miineben 

Negative Untersuchungen des ganzen 

r» 

9.* 

v. Gruber, München 

Bronchialbaums. Frühere Jahre I.B. 
nachgewiesen. Irnmunitätstheorie. 

,,Neues Virus“. 

Im Jahre 1889 I.B. nicht massenhaft 

j 

9.* 

Rimpau, München 

vorhanden. 

Zahlreiche Untersuchungen neg. 

8 

9.* 

Schöppler, München 

Negative Befunde (Sektionen). 

9 

9.* 

Fr. v. Müller, München 

Negative Befunde. 

10 

9.* 

Dieudonnä, München 

Beobachtung über Infektion und Inku- 

11 

10. 

Benda, Berlin 

bation. 

Schnitte mikr. neg. 

12 

11. 

Pfeiffer, Breslau 

Teils positive, teils negative Befunde. 

I.B. bisher nicht gefunden. 

13 

11. 

v. Gruber, München 

14 

11. 

Friedemann, Berlin 

I.B. bisher nicht als Erreger festgestellt. 

15 

11. 

Uhlenhuth, Straßburg 

Teils positive, teils negative Befunde. 

tf> 

12. 

Silberschmidt, Zürich 

I.B. bisher nicht nachweisbar. 

17 

14. 

Bernhardt, Stettin 

Sputum, Trachea, Rachen neg., Husten¬ 

18 

10.* 

Kossfcl, Heidelberg 

platte. 

I.B. mehrfach nachgewiesen; IB.-Erreger.. 

19 

17.* 

Lubarsch, Berlin 

Schwierigkeiten des Nachweises. 
Sektionen; Blut neg., 1 von 14 Schnitten 

20 

17.* 

Citron, Berlin 

mikr. pos. 

Sputum und Blut neg. 

21 

17* 

A. W. Fischer, Halle 

6 von 110 Sektionen pos., lrnal Milz pos. 

22 

17.* 

Bennecke, Halle 

Wie Nr. 5. 

23 

18. 

Kolle, Frankfurt 

Mikr. und kult. neg. bei verschiedenen 

24 

19.* 

Friedberger, Greifswald 

Untersuchern. 

Vereinzelte I.B. besagen nichts. Negative 

25 

19.* 

Ganter, Greifswald 

Filtratinhalationen. 

I.B. neg., Kontagiosität gering. 

20 

23.* 

Hübschmann, Leipzig 

Schwerkranke und Leichen I.B. neg. 

27 

23.* 

Kruse, Leipzig 

we^en Verdrängung durch sekundäre 
Keime. Auswahl des Materials! I.B. in 
einigen Fällen pos. 

Kritik an I.B. Negative Impfung mit 

28 

23.* 

Oeller, Leipzig 

Filtrat. 

,,Keine charakteristischen Merkmale für 

29 

23.* 

Fleischmann, Berlin 

Ätiologie“. 

I.B. in einigen Fällen nachgewiesen. 

30 

23.* 

: Hesse, Halle 

Nur Streptokokken. 

31 

25. 

j Gotschlich, Gießen 

3 von 23 Sputis kult. pos. 

32 

25. 

1 Kisskalt, Kiel 

I.B. nicht als gefunden erwähnt. 

33 

25. 

Schürmann, Halle 

3 Sputa kult., 1 mikr. pos., viele andere 


1 

| 1 

i 

Archiv für Hygiene. Bd. 90. 

neg. 

17 


Digitized by 


Gck igle 


Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 




Digitized by 


256 


Kritische Untersuchung 

über Ätiologie der Influenza. 

Nr. 

Zeit 

Autor und Ort 

Befund 

34 

Juli 

27.* 

! Uhlenhuth, Straßburg 

1 I. Serie: Sputa 25% pos., 1 von 4 Rachen, 

35 

27.* 

j 

■ Rose, Straßburg 

; 1 von 3 Empyemen pos.; II. Serie: 33 

! von 80 Sputis, 22 von 47 Kranken pos. 

| 100 normale Rachen neg., Affe durch 

Tröpfchen (Sputum und Reinkultur) er¬ 
folglos geimpft. Hinweis auf technische 
Fehler. 

Sputa 18% pos., davon 15 % Reinkultur. 

3f> 

29. 

1 

! Levinthal, Feld 

Blut neg. 

Kulturtechnik. 

37 

Aug. 

1 . 

Levinthal 

200 Fälle pos. 

38 

0 . 

Simmonds, Hamburg 

Sputa und Sektionen mikr. und kult. zahl- 

39 

0 . 

; Schöppler, München 

reich pos. 

Sektionen neg. 

40 

8. 

Edelmann, Wien 

Paratyphus bei Grippe gefunden. 

41 

13. 

G. B. Gruber u. Schädel, 

14 von 250 Sputis frisch Erkrankter pos. 

42 

10.* 

Mainz 

Dietrich, Feld 

Gegen I.B. 

I.B. mikr. u. kult. nachgewiesen; I.B. = 

43 

19. 

Meyer u. Bernhard, 

Erreger 

28 Sektionen neg. 

44 

22. 

Stettin 

v. Bergmann, Marburg 

9 von 10 Sputis, I.B. = Erreger. 

45 

22. 

Hirschbruch, Metz 

1 bis 3 von 16 Sektionen pos., Sputa nur 

40 

22. 

Schmorl, Dresden 

in einigen wenigen Fällen. 

Seit Anfang Juli 3 Sektionen pos., 7 neg.. 

47 

22. 

Koepchen, Bonn 

Lebende stets neg. 

I.B. nicht nachgewiesen. 

48 

49 

24. 

Selter, Königsberg 

Glaus u. Fritsche, Basel 

2 pos. Filtratinhalationen. 

I.B. vielleicht in einigen Sektionen nach¬ 

50 

| Se p t 

1 2.* 

B. Fischer, Frankfurt 

gewiesen. 

70 Sektionen neg. 

51 

2.* 

W T aehter, Frankfurt 

Empyeme: I.B. nicht als gefunden er¬ 

52 

4.* 

Silbergleit, Ingolstadt 

wähnt. 

I.B. neg. 

53 , 

5. 

Stein u. Weißmann, 

I.B! gefunden. 

54 

9.* 

Zagreb 

v. Wießner, Wien 

Vereinzelt I.B. 

55 

9.* 

Kahler, Wien 

25 ° 0 pos. 

50 

29. 

Schiemann, Koblenz 

4 von 12 Fällen pos., I.B. = Erreger. 

57 

29. 

Deussing, Hamburg 

70 akute Fälle neg., 2 von 22 katarrh. 

58 

Okt. 

1 . 

E. Goldschmidt, Frankf. 

Pneum. pos. 

Vom 23. VI. bis 24: VII. 85 Fälle neg. 

i 

59 | 

8.* 

Ghon, Prag 

„I.B. muß ausscheiden“. 

5. bis 26 Oktober 41 % der Sektionen pos. 

00 I 

8. 

v. Hoeßlin, Germersheim 

I.B. häufig nachgewiesen; innere Organe 

01 

13. 

Becher, Gießen 

pos. 2 von 10 Blut pos. 

I.B. beim kleineren Teil der Fälle pos. (V 7 ). 

02 

17.* 

Stählin, Basel 

Gegen I.B. 

03 i 

17.* 

Hedinger, Basel 

Primäres Virus wie bei Scharlach; I.B. 

04 1 

20. 

Alex ander, Wes t f ro n t 

selten nachweisbar. 

2mal I.B. pos., 60 von 100 Fällen I.B.- 

05 

20. 

Schwermann, Alpirsbaeh 

ähnliche, aber bewegliche, nicht häino- 
globinophile Stäbchen. 

Sputum sehr häufig, Nase häufig pos. 


Gck 'gle 


Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 



Von Dr. Carl v. Angerer. 


257 


Nr. Zeit Autor und Ort Befund 

| Okt. j 

Gf> 24. Neufeld und Papamarku, „Bei einer Anzahl“ I.B gefunden. Von 
| I Berlin I 1912 bis Epidemie I.B. stets neg. 

i Neuerdings mehrfach Mischinfektion 

| bei Tbc. Auswahl des Materials! Tech- 

i i nik ! 

r»7 24.* | v. Wiesner, Wien Sputa häufig, aber nicht Mehrzahl pos. 

• | Nase häufig, Sektion ausnahmsweise 

j pos. 

f>8 24.* Knöpfelmacher, Wien Tröpfcheninfektion. Virus flüchtig wie 

! Masern. 

69 24.* Hedinger, Basel I.B. nicht nachweisbar. 

70 24. Neuwirth und Weil, ! Sputa und Sektion I.B. weder kult. noch 

Trencsen mikr. rös. 

71 24. Leitner, Isonzofronl , Sputa 25%, Hachen 8%, I.B.-verdächtige 

| Stäbchen. 

72 29. Geller, Leipzig ; Endotoxintheorie . 

78 80.* Michaelis, Berlin 1. Woche neg., dann reichlich pos. 

74 80.* Neufeld, Berlin ■ 9 von 12 Sektionen, 7 von 20 Rachen- 

' | abstr. pos., 2 von 5 norm. Rachen pos. 

75 s 80.* Seligmann, Berlin ,,Kein Zweifel an regelmäßigem Vorkom- 

' men“. 

7G 81.* E. Schwarze, Wien Schwere Fälle örtlich gehäuft. 

77 81.* Pribram, Wien | I.B.-ähnliche Stäbchen im Material aus 

4 Klinken; Kultur aus Sputum einer 
j einzigen Klinik. 

78 31.* I Moll, Wien I.B. häufig, aber nicht regelmäßig vor¬ 

handen,. 

!. Gruppe: I.B. nur bis Entfieberung, 
8,5% pos., II. Gruppe I.B. länger nach¬ 
weisbar, 24% pos. Blut und Sektion 
stark pos., Kontrollen neg. 

4 Wochen nach Epidemiebeginn 34,2% 
Sputa pos. Zitiert Vagedes: Mai und 
Juni neg., später pos. 

1 mal in mehr als 100 Fällen I.B. gefunden. 
18% Sputa pos, davon 15% Reinkultur, 
Blut, Nase, Rachen neg. 

Kulturen kleinster Körperchen aus Fil¬ 
traten. 

I.B. in einer Reihe von Fällen nachge¬ 
wiesen. 

112 von 217 Sputis pos., enorme Bazillen¬ 
zahl; 20 von 30 Pneumoniesektionen. 
Zurückbleiben von Herden nach Epi¬ 
demie, daher auch bei Gesunden. Gegen 
filtrierbare Erreger 25,4% Tbc.-Sputa 
I.B. positiv. 

Negative Filtratimpfungen. 

Wie Nr. 83. 

„I.B. und Kokken gefunden.“ 

74% pos. 

I.B. neg. 

Wenig Hausinfektionen. 

Mikr. u. kult. Nachweis kleinster Körper¬ 
chen. Neg. u pos. Filtratinhalationen. 

17* 


Nov. 

79 3. Geller, Leipzig 


80 3. Korbsch, Feld 


81 4.* Selter, Königsberg 

82 4. Rose, Festungslazarett 

83 0.* v. Angerer, München 

84 7. Jaffe, Wien 

85 8.* Pfeiffer, Breslau 


80 8.* Friedberger, Greisfwald 

87 12. v. Angerer, München 

88 14.* Hoppe Seyler, Kiel 

89 14. Materna und Pennecke, 

Troppau 

90 18.* Matthes, Königsberg 

91 18.* Frohmann, Königsberg 

92 21.* Leschke, Berlin 


Difitized 



Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 


Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza. 


Difitized by 


258 


Nr. 

i Zeit 

Autor uud Ort 

93 

Nov. 

21. 

Trawinski und Cori, 

94 

21. 

Isonzofront 

i 

Wiener, Trencsen 

95 

20.* 

Rumpel, Hamburg 

96 

28.* 

Elias, Wien 

97 

28.* 

Dörr, Wien 

98 

28.* 

v. Wiesner, Wien 

99 

28.* 

Berblinger u. Emmerich. 

100 

28.* 

Kiel 

Kißkalt, Kiel 

101 

28.* 

Wagner, Kiel 

102 

28. 

Löwenfeld, Ostgalizien 

103 

29.* 

Leichten tritt, Breslau 

104 

29.* 

Rosenfeld, Breslau 

105 

29.* 

Pal, Wien 

106 

29.* 

Coronini u. Priesel, Wien 

107 

29.* 

Pal tauf, Wien 

108 

Dez. 

3. 

Sobernheim u. Novacnvio, 

109 

9. 

Bern 

W. Löwenfehl, Berlin 

110 

9. 

Mager, Brünn 

111 

10.* 

Grätz, Hamburg 

112 

10 . 

Binder u. Prell, Stuttgart 

113 

14.* 

Silberschmidt, Zürich 

114 

17.* 

Wätjen, Freiburg 

115 

19. 

Fromme, Düsseldorf 

116 

19. 

E. Fränkel, Heidelberg 

117 

19. 

Lei htentritt, Breslau 

118 

19.* 

Kruse, Leipzig 

119 

1919 

Jan. 

1 . 

Sahli, Bern 

120 

6. 

Neufeld und Papamarku, 

121 

6. 

Berlin 

Leschke, Berlin 

122 

7.* 

Simmonds, Hamburg 


Befund 


7 von 113 Sputis verdächtige Stäbchen, 
kult. neg. 2 von 66 Rachenabstr. mikr. 
pos. 

I I.B. nicht als gefunden erwähnt. 

| Gegen I.B., Virus ähnlich wie Masern; 

, Sommer und Herbst I:B. nicht nach¬ 
weisbar. * 

| ,,Beweis für I.B. keineswegs erbracht“. 

| I.B. zuweilen durch sekundäre Keime 
unterdrückt; Kirchner (unter Dörr) 
70% pos. Sektionen. 

I.B. jetzt nachgewiesen; I.B. = Erreger. 

Sektionen: Blut in 1. und 2. Welle neg. 

„Ätiolog. Bedeutung der I.B. nicht er¬ 
wiesen“. 

582 Rachenabstr., 200 Pleuren, Blut¬ 
proben neg. In letzter Zeit 7 pos. Sek¬ 
tionen. 

52 von 85 Sputis pos. 

Ausführungen zu 85. 

| 1. Welle infektiöser als 2. 
j Erreger nicht festgestellt. 

| U. a. auch I.B. gefunden, 
j I.B. nicht gefunden. 

! 1. Periode 3 Sputa, 3 Sektionen pos., ab 
I Okt. regelmäßig pos. 

I 6. bis 26. Juli 5 von 38 Sputis; Oktober 
15 von 47 Sputis, Tröpfcheninfektion, 
Hustenplatte. 

30,1 % pos. 

Gegen I.B. 4 von 1226 Proben pos. 

Änigmoplasmen inikr. u. kult. gefunden. 
1 Probe I.B. pos. 

Gegen I.B. 7 von 70 Sputis, 13 von 
45 Sektionen pos., Tröpfcheninfektion. 

I.B. mikr. gefunden. Ätiologie ungewiß. 

Tonsilben mikr. neg., kult. vielleicht pos. 
I.B. in tieferen Luftwegen. Husten¬ 
platte. 

20 von 70 Sputis, 8 von 11 Sektionen, 
3 Kontrollen pos. Innere Organe pos. 

112 von 217 Proben pos., davon 94 mikr. 

S os. Später 60% Sputa pos. 25% 
Lontrollen pos., zuweilen vorhergehende 
Erkrankung. Frisches Sektionsmaterial 
pos. 

Bei Beginn in Leipzig nur ausnahmsweise, 
jetzt 50% pos. 

,,Complexes Virus“. 

9 von 12 Sektionen, 2 von 25 Tonsilben 
nicht Grippekranker. Bazillenträger. 
Wie Nr. 92. 

75% von 330 Sektionen pos. 


Gck igle 


Qrigiral frcm 

THE OHIO STATE UNI VERS I Fr' 



Von Dr. Carl v. Angerer. 


259 


Nr.! 

Zeit 

Autor und Ort 

123 

Jan. 

7.* 

Olsen, Hamburg 

124 

7.* 

Fränkel, Hamburg 

125 

7.* 

Schottmüller, Hamburg 

126 

7.* 

Mahlo, Hamburg 

127 

10.* 

Friedberger, Greifswald 

128 

16.* 

Edelmann, Wien 

129 

17. 

Fürst, Südthrazien 

130 

18.* 

Bonhoff, Marburg 

131 

19. 

Korbsch, Feld 

132 

21.* 

Reiche, Hamburg 

133 

21.* 

Zeißler, Hamburg 

134 

21.* 

Lorey, Hamburg 

135 

21.* 

Pasche, Hamburg 
Embden, Hamburg 

136 

21.* 

137 

21.* 

Rumpel, Grätz, Hamburg 

138 

23. 

Hoffmann und Keuper, 

139 

26. 

Düsseldorf 

Siegmund, Feld 

140 

31.* 

Busse, Zürich 

141 

31. 

Herzog, Leipzig 

142 

Febr. 

2. 

Friedberger und Konitzer, 

143 

6.* 

Greifswald 

Sobernheim, Bern 

144 

9. 

Vestlinger, Budapest 

145 

13. 

Bossert und Leichtentritt, 

146 

13. 

Breslau 

Meyer, Berlin 

147 

14. 

Rosenbaum, Breslau 

148 

15. 

Sahli, Bern 

149 

20.* 

Scheidemandel, Nürnberg 


Befund 


76 % von 215 Sektionen pos. Gegen filtr. 
Virus. 

50% der Nasennebenhöhlen pos., „mühe¬ 
los gefunden“. 

Sammlung der Einwände gegen I.B. 

Unter Neisser-Frankfurt 100 Fälle neg. 
später massenhaft pos. Ab Ende Jini 
immer häufiger. 

Jetzt reichliches Vorkommen von I.B. 

U. a. auch I.B. gefunden. Negative Fil¬ 
tratimpfungen (Affen und Meerschwein¬ 
chen] unter Landsteiner. Mit der Zeit 
zunehmende Häufigkeit der pos. Be¬ 
funde. 

1 von 50 Untersuchungen pos. 

38 von 100 Sputis, 3 von 15 Lungen. Kritik 
an I.B. 

Anfangs 33,7%, dann 71%, dann 100% 
pos. Anfangs häufig Mischinfektionen 
mit Diphtherie. 

Gegen die Theorie der Durchimmunisie¬ 
rung der Bevölkerung 

Ende Juni bis Anfang Dez. 2 von 20 
Rachenabstr.; Sputa (nicht frisch) 44%, 
Pleuren 9% pos. 

1 Pseudoinfluenza aus Pleura. 

Für I.B. gegen filtrierbarcs Virus. 

,, Kameradschaftsgrippe“. 

Zusammenstellung der Einwändc gegen 
I.B. 

17 von 471 Sputis pos. 

Einige Sputa mikr. pos. Mehrzahl neg. 
Innere Organe pos. 

Meningitis durch I.B.; gelegentlich I.B. 
pos., aber nicht Erreger. 

Seit Oktober 38 von 82 Sektionen. Schnitt 
zuweilen massenhaft I.B. Kontrollen 
zum Teil reichlich pos. 

Seit Dezember pos. Befunde. Sammlung 
der Einwände gegen I.B. 

Juli bis August 14,6%, Oktober bis 
November 65,9 % kult. pos. Schwierie- 

j keiten des Nachweises; mehrere Fälle 
mikr. pos., kult. neg. 

I.B. bei Konjunktivitis gefunden. 

Sputa häufig positiv, große Bazillen- 
mengen, zuweilen Reinkultur. 

10 Sputa pos., Blut steril. 

Grippepneumonien in einzelnen Zimmern 
gehäuft. 

Tröpfcheninfektion, Schutzmaske, Im¬ 
munisierung. 

Nürnberger Gesamtmaterial; I.B. nur 
ganz vereinzelt, pos. 


□ igitized by 


Gck igle 


Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 







260 


Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza. 


Digitized by 


Nr. 


150 

151 


152 

153 

154 

155 

156 

157 

158 

159 

160 

161 


162 


163 

164 

165 


166 

167 

168 


169 


170 

171 

172 


173 


174 

175 


176 

177 

178 


Zeit 


Autor und Ort 


Befund 


Febr. 


20 .* 

23. 

März 

27. 

28. 

3. 

9. 

14. 

April 

25. 

Mai 

8 .* 

8 .* 

12 .* 

Juni 

12 . 


16. 

Juli 

22 . 

27. 

Aug. 

5*. 

1920 

Jan. 

27.* 

Febr. 

1 . 

14. 

20 .* 

März 

7. 

11 .* 

20 .* 


April 

8 .* 

24. 

Juni 

7.* 


Juli 

10 .* 

15. 

Aug. 

26. 


Wegelin, Bern 
Adler und Kaznelson, 
Prag 

Kronberger, Davos 
Olsen, Hamburg 

Pöpelmann, Coesfeld 
Deussing, Hamburg 
Nürnberger, München 


, 7 von 33 Lungenschnitten pos. 

1 14 von 54 Sektionen pos., 20 Sputa pos., 
viele andere neg. 

Kleinste Körperchen im Blut (inikr.). 
166 von 220 Lungen killt, pos. Gegen 
filtrierbares Virus. Nährboden! 

Wie Nr. 152. 

I.B. Sekundärerreger. 

l.B. nicht als gefunden erwähnt. 


K. Mayer, Konstantinopel, 35 Hachen, 64 Sputa neg. 

Stich, Göttingen ^ 50 Empyeme l.B. neg. 

v. Hippel, Göttingen Ätiologie ungeklärt. 

Prym, Bugarmee Nebenhöhle zuweilen pos. 


Fejes, Budapest 

Schemensky, Livland 

Hildebrandt, Flandern 
Gröger, Teschen 


: l.B. selten im Sputum; Kultur kleinster 
I Körperchen aus filtriertem Sputum. Po¬ 
sitive Affenimpfung mit Filtrat. 
Gelegentlich l.B. pos., ab Mitte Sept. 
häufiger. 

Anscheinend häufig l.B. pos. 

I.B. immer pos. 


Wandel und Heinhardt, I.B. pos. 
Leipzig 

Reinhardt, Leipzig I.B. pos. 


Coronini und Priesel, 
Wien 

Edelmann, Wien 
Gödel, Steiermark 


Pestähnliche Bazillen. 

Sputa und Sektionen u. a. auch l.B. 

pos., Kritik. 

Gegen l.B. 


Arneth, Münster 
Stahr, Danzig 
Jaksch-Warten höret, 
Prag 


Kirschner, Wien 
Raffelt, Wien 


Gegen Endotoxintheorie. 

Fast alle Sektionen I.B. pos. 

1918: Sputa neg. Sektionen 35,7% pos.; 
1918 keine, 1919 viel Hausinfektionen. 
Tröpfcheninfektion! I.B. nicht alleini¬ 
ger Erreger. 

1918 42% der Sektionen pos., neuestens 
alle neg. 

Übersicht. 


Seligmann und Wolff, 
Berlin 


Klieneberger, Zittau 
Löwenhardt, Breslau 

Neufeld, Berlin 


I.B. gefunden bei Tbc. 19,3%, bei Grippe 
31,9%, Masern 38,6%, Keuchhusten 
45,5%, Gesunde neg. Serolog. Gruppie¬ 
rung nicht möglich. 

Gegen l.B. 

Statistik der pos. I.B.-Nachweise. I.B. 
sehr häufig pos. 

Schwierigkeiten des Nachweises; häufiges 
Vorkommen der I.B.; I.B. wahrschein¬ 
lich Erreger. Gegen filtrierbares Virus. 


Gck igle 


Original ffom 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 


Von Dr. Carl v. Angerer. 


261 


Nr. 

Zeit 

Autor und Ort 

' Befund 


Aug. 



179 

27. 

Sept. 

Hildebrandt, Freiburg 

I.B.-Träger; chronische Grippe. 

180 

9. 

Messersehinidl, Hannover 

i 14 von 98 Tbc. I.B. pos.; Bronchitiker 
neg. Nährbodenl 


Okt. 


181 

7. 

Schiffer und Spengler, 
Wien 

Sophienspital, Wien; in keinem Sputum 
I.B. nachweisbar. 

182 

21. 

Reiche, Hamburg 

Wenig Hausinfektionen; Blut, Pleura, 



Meningen I.B. neg. 

183 

21. 

P. Schmidt, Halle 

Filtrationsversuche. 


118, 126, 128, 162), daß sie die Zunahme der positiven Befunde mit der 
Zeit beobachtet haben. Löwenfeld (109) berichtet übrigens von einem 
Nachlassen der Befunde zwischen Juli und Oktober; Olsen (153) be¬ 
obachtete keine Schwankung; Kirschner (173) hatte nach viel positiven 
Resultaten im Jahre 1918 in neuester Zeit bei Grippe wieder negative 
Ergebnisse; auch Löwenhardt (177) berichtet von einer Abnahme der 
Bazillenbefunde nach Epidemieende. Eine Deutung dieser zeitlichen 
Verteilung soll nicht versucht werden. Auffällig ist, daß die Tabelle mit 
einer längeren Reihe negativer Meldungen beginnt. 

Die Angaben über die Reichlichkeit des Bazillenvorkommens während 
der Epidemie schwanken sehr. Manche Autoren finden mühelos massen¬ 
hafte I.B. im Ausstrichpräparat, andere haben erfolglos den ganzen 
Bronchialbaum und Hunderte von Sputis abgesucht, und zwar sowohl 
mikroskopisch als kulturell. Zur Erklärung dieser auffälligen Tatsache 
werden verschiedene Gründe angeführt, welche das Fehlen von I.B. Vor¬ 
täuschen können sollen. Als solche werden genannt: 1. das Krankheits¬ 
stadium; nach Oeller können an späteren Krankheitstagen die I.B. 
vermißt werden; Olsen (153) findet besonders die frischen Fälle geeignet, 
doch lassen sich nach seiner Angabe I.B. auch späterhin in der Leiche 
nachweisen. Dietrich (42) findet sie auf der Höhe der Erkrankung 
in den Alveolen, Fromme (115) hält den geeigneten Zeitpunkt im Krank¬ 
heitsstadium für erforderlich. Vielfach wird die Vermutung geäußert, 
daß die I.B. in den späteren Krankheitsstadien durch Sekundärerreger 
verdrängt werden. Andererseits aber haben verschiedene Autoren mit 
negativen Befunden (142, 125, 184) teils ganz frische, teils verschieden 
alte Fälle untersucht; es kann somit nicht am Alter der Erkrankung 
liegen, wenn bei diesen Autoren der Bazillennachweis negativ wurde. 
Im übrigen sind mehrfach Bazillen auch lang nach Ablauf der Erkrankung 
gefunden worden, z. B. von Leichtentritt (117), (vgl. auch Hildebrandt 
(179). — 2. Perakute Fälle können nach Pfeiffer (85) negativ sein (ähn¬ 
lich Hübschmann (26); indessen haben die Autoren mit negativen 
Befunden gewiß nicht ausschließlich perakute Fälle untersucht. — 3. Sek¬ 
tionsmaterial soll ungeeignet zur Untersuchung sein (Hübschmann (26) 
gegen Mandelbaum und Oberndorfer), auch v. Wießner (67) fand 
in Sputis häufiger I.B. als in Leichen; aber ein Blick auf die Tabelle zeigt, 


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262 Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza. 

wie außerordentlich häufig in Sektionsmaterial I.B. nachgewiesen werden 
konnte (Zahlen bei Prein [186]). Gegen die Bakteriolyse haben Arneth 
(170) und Prein (186) sich gewendet. — 4. Die Frische der Sputa ist wohl 
eher ein wesentliches Erfordernis. Hübsch mann (26) betont die Wichtig¬ 
keit der Untersuchung in frischem Zustand, Fromme (115) beobachtet, 
daß mit I.B. versetztes Sputum nach 28stündigem Stehen den kulturellen 
Nachweis der I.B. nicht mehr gestattete, infolge Überwucherung anderer 
Bakterien (S. 1918 oben), anscheinend gelang schon nach 4 Stunden der 
Nachweis nicht mehr (S. 1917 unten); auch die von Grätz (184, S. 438) 
mitgeteilte Beobachtung spricht im Sinne eines raschen Absterbens der 
I.B. im Sputum 1 ). Leider ist von diesen Autoren nicht angegeben, ob die 
I.B. sich aufgelöst haben, d. h. auch mikroskopisch nicht mehr nachweis¬ 
bar waren. Zeißler (133) dagegen erhielt mit Sputumproben, die bis 
zu 3 Tagen unterwegs gewesen waren, noch 44% kulturell positive Befunde. 
Andererseits betonen die Autoren mit negativen Befunden mit Nachdruck, 
daß sie ihr Material in ganz frischem Zustand, unter günstigsten Bedin¬ 
gungen, untersucht haben. — 5. Die Lokalisation der I.B. in den höheren 
oder tieferen Luftwegen wird von Mahlo (126) und Fromme (115) be¬ 
sprochen, Ghon (59) gibt an, daß man umso häufiger I.B. findet, je ein¬ 
gehender man untersucht; aber sowohl Mandelbaum (5) wie Grätz 
(184, 88) geben an, ihr Material auf das sorgfältigste abgesucht zu haben, 
und Friedberger (1) entnahm mittels Bronchoskop Untersuchungs¬ 
material beim Lebenden aus der Tiefe — sämtlich mit negativem Ergeb¬ 
nis. — Auf die mangelnde Übereinstimmung in den Vorschlägen, welche 
Arten von Sputum (eitrig, schleimig) am geeignetsten seien, hat Prein 
(186) hingewiesen. 

Es ergibt sich somit, daß die hier angeführten Punkte wohl gelegent¬ 
lich ein negatives Resultat Vortäuschen mögen, daß sie aber nicht daran 
schuld sein können, wenn manche Autoren überhaupt keine oder nur 
vereinzelte I.B. fanden. 

Vielfach erörtert ist die Frage, wie weit die Beschaffenheit des Nähr¬ 
bodens zu Fehlresultaten geführt hat; Olsen (153) erhebt die Forderung, 
daß die Nährboden durch Beimpfen mit sicheren I.B.-Stämmen kontrol¬ 
liert werden müssen. Diese Forderung wurde von Friedberger (142, bac. 
hämoglobinophilus canis), Schottmüller (125) 2 ) und Prein (186) er¬ 
füllt, aber auch auf ihren, sicher für das Wachstum der I.B. geeigneten 
Nährböden konnten I.B. nicht häufiger nachgewiesen werden. Schott¬ 
müller (125) beobachtete, daß bei Patienten, in deren Sputum einmal 
I.B. gefunden worden waren, auch bei den folgenden Untersuchungen 
I.B. wuchsen; der Nährboden war also geeignet; aber die Mehrzahl der 
anderen Untersuchungen blieb negativ. Hier mag die Tatsache erwähnt 
werden, daß Pribram (77) von 4 Krankenhäusern Material erhielt, in 
dem zuweilen mikroskopisch verdächtige Stäbchen sich fanden; aber die 

1) Vgl. hiezu die von Scheller u. Kolle-Wassermann, Bd. V, S. 1274 
mitgeteilten Versuche von Ricciardi (IB blieben in Sputum bei hoher Zimmer¬ 
temperatur 6 bis 8 Tage, bei 37° 3 bis 5 Tage am Leben). 

2) Uber die Brauchbarkeit des ungekochten Blutagars siehe Messer¬ 
schmidt (185). 


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263 


Kulturen gelangen nur mit Material aus einem bestimmten Krankenhaus. 
Alles in allem wird man wohl Grätz recht geben müssen, wenn er sagt, 
Voraussetzung für die erfolgreiche Züchtung sei eben, daß die I.B. auch 
wirklich im Untersuchungsmaterial vorhanden seien. 

Wenn die Kultur mißlingt, so müßte immerhin der mikroskopische 
Nachweis möglich sein; es ist daher nötig, zu vergleichen, ob kulturell 
und mikroskopisch ungefähr übereinstimmende Befunde erhoben wurden. 
Leider liegen wenig Zahlen vor. Uhlenhuth (34) findet von 51 Proben 
mikroskopisch verdächtig 17, kulturell positiv 13. Leichtentritt (117) 
von 217 Sputis 94 mikroskopisch, 112 kulturell positiv (also etwa 84% 
der kulturell positiven auch mikroskopisch positiv); Grätz (184) erhält 
mit beiden Methoden etwa gleiche Werte; auch die Differenzen beider 
Verfahren bei Messerschmidt (185) sind nicht so sehr groß. Fried¬ 
berger (1) und Löwenfeld (102) scheinen kulturell etwas bessere Resul¬ 
tate erhalten zu haben; entgegengesetzt Pribram (77), Trawinski und 
Cori (99), Sobernheim (143). Man muß sich klar machen, daß es sich 
nicht darum handelt, zu konstatieren, ob der kulturelle oder mikrosko¬ 
pische Nachweis um einige wenige Prozente besser ist, sondern darum, 
ob der eine dem anderen so bedeutend überlegen ist, daß er das ganze 
Bild verändern kann. Das ist offenbar nicht der Fall, und damit fallen 
die Einwände, die sich mit der Eignung des Nährbodens beschäftigen. 
Olsen (123) findet bei 76% der Fälle I.B., wieviel Prozent davon mikro¬ 
skopisch positiv, ist nicht angegeben. Wendet man das von Leichten¬ 
tritt (117) gefundene Verhältnis des mikroskopischen Nachweises zum 
kulturellen (84%) auf die Beobachtungen von Olsen an — dazu ist man 
wohl berechtigt, denn die Breslauer Beobachtungen sind gewiß als ma߬ 
gebend zu betrachten, und bei einer klinisch so einheitlichen Krankheit 
muß auch einheitliches Verhalten des wirklichen Erregers angenommen 
werden — so wären rund 60% aller Fälle auch mikroskopisch positiv 
gewesen. Grätz (111), gleichfalls in Hamburg, erhielt nur verschwin¬ 
dend wenig positive Resultate. Hätte sein Material ebenso reichlich I.B. 
enthalten wie das von Olsen, und wäre nur sein Nährboden ungeeignet 
gewesen, so müßte sein Ergebnis lauten: „mikroskopisch in mehr als der 
Hälfte verdächtige Stäbchen, in der Kultur kein Wachstum“. In Wirk¬ 
lichkeit aber stimmten mikroskopischer und kultureller Befund annähernd 
überein. —- Auch die Hustenplatte scheint keine wesentlichen Veränderun¬ 
gen des Resultats zu ergeben; Löwenfeld (102) fand im Juli bei gewöhn¬ 
licher Technik 5 von 38 Sputumproben positiv, bei Hustenplatten 2 von 19 
(also 13 bzw. 10,6%), im Oktober bei gewöhnlicher Technik 15 von 47 Spu¬ 
tumproben, bei Hustenplatten 8 von 20 positiv (also 32 bzw. 40%); der 
Unterschied ist nicht der Rede wert. 

Gelegentlich findet sich die Vermutung, der Nachweis der I.B. sei 
deshalb so häufig mißlungen, weil er den jüngeren Bakteriologen nicht 
genügend vertraut sei (34). Statt der Erörterung, wem man die Befähi¬ 
gung, I.B. zu diagnostizieren, zuerkennen soll, darf darauf verwiesen werden, 
daß einige eben der Autoren, die 1918 negative Befunde meldeten, ent¬ 
weder früher I.B. gezüchtet (Mandelbaum, Kruse, Friedberger, 
Pal tauf [107]), oder gegen das Ende dieser Epidemie diese gefunden 


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Kritisch «. 1 Untersuchung über Ätiologie der Influenza. 


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haben (Friedberger, Kruse, Vagedes, Mahlo), oder durch den ge¬ 
legentlichen, wenn auch nur spärlichen Bazillennachweis den Beweis 
erbracht haben, daß ihre Technik geeignet war. 

Andererseits muß die Frage aufgeworfen werden, ob unter den zahl¬ 
reichen positiven Befunden nicht auch manche von Pseudo-I.B. enthalten 
sind. Dergleichen berichten Rimpau (7), Uhlenhuth (34), Alexander 
(64) (in 60 von Hundert ein mikrosk. I.B.-ähnliches, aber bewegliches 
und nicht hämoglobinophiles Stäbchen), E. Fränkel (116) (bei der ersten 
Welle ein mikroskopisches I.B.-ähnliches, aber nicht hämoglobinophiles 
Stäbchen), Neufeld und Papamarku (120), Lorey (134). 

Sehr auffällige Widersprüche finden sich in den Angaben über den 
mikroskopischen Nachweis der I.B. Die Breslauer Schule und manche 
andere Autoren berichten über ungeheure Mengen von I.B., die zuweilen 
in Reinkultur vorhanden sind; Leichtentritt (117) beispielsweise findet 
94 von 217 Sputis mikroskopisch positiv, also rund 43%; es müßte nach 
solchen Befunden sehr oft möglich sein, mit dem Mikroskop allein die 
Diagnose zu stellen, wenn man auf die Abgrenzung der Pseudo-I.B. vor¬ 
erst verzichtet. Andere Autoren dagegen haben I.B. mikroskopisch nicht 
oder nur ganz selten nachweisen können. Sollen wir annehmen, daß auch 
bei ihnen die I.B. in rund 43%, und zwar häufig in ungeheuren Mengen, 
zuweilen in Reinkultur vorhanden gewesen, und lediglich übersehen 
worden sind ? 

Übersichten über die Einwendungen, welche sonst noch gegen die 
Bedeutung der I.B. erhoben werden können, siehe bei den Münchner 
Autoren (3 bis 9), bei Kruse (27), Grätz (111), Schottmüller (125), 
Friedberger (142), ferner Grätz (184), Prein (186), Prell (187). Er¬ 
widerungen der Pfeifferschen Schule siehe Pfeiffer (85), Leichtentritt 
(117), Bossert und Leichtentritt (144), Löwenhardt (177). Das 
Hauptargument der Autoren, welche für die Ätiologie des I.B. eintreten, 
besteht darin, daß sie den I.B. häufig bis regelmäßig fanden. Angesichts 
der unleugbaren Tatsache, daß. viele Andere ihn nicht gefunden haben, 
ohne daß man technische Fehler anschuldigen könnte, ist dieser Grund 
nicht beweiskräftig. 

Die Übersicht über das bisher Gesagte ergibt, daß manche Autoren 
den I.B. mühelos in großen Mengen fanden, andere dagegen trotz günstig¬ 
ster Bedingungen und trotz Wahrung aller Kautelen ihn nicht nachweisen 
konnten, so daß die Annahme sich aufdrängt, er sei bei diesen letzteren 
tatsächlich nicht vorhanden gewesen. Diese Gegenüberstellung berechtigt 
dazu, eine Vermutung, die ich am 6. November 1918 (68, Berichte des 
Münchner ärztlichen Vereins 1918, S. 73) aussprach, an dem nunmehr 
vorliegenden Material zu prüfen. Ich äußerte damals die Ansicht, daß 
der I.B., der ja gewiß mit der Influenza in irgendwelchem, wenn auch nicht 
ätiologischem Zusammenhang steht, bei der vorigen Pandemie über ganz 
Deutschland verbreitet worden sei, und daß von dieser Überflutung her 
noch einzelne Gegenden zurückgeblieben seien, in denen der I.B. auch in 
normalen Zeiten vielfach häufig zu finden gewesen wäre; die Epidemie, 
anläßlich derer überall nach I.B. gesucht wurde, hätte dann diese Gegenden 
als I.B.-positiv zur Kenntnis gebracht, örtliche Abgrenzungen des 


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Von Dr. Carl v. Angerer. 


265 


Bazillenvorkommens scheinen nicht unmöglich zu sein; ich wies damals 
auf örtlich verschiedene Häufigkeit der Paratyphus A- und B-Stämme hin. 

Die inzwischen erfolgten Veröffentlichungen bis einschließlich Sep¬ 
tember lautert positiv aus Breslau (12), Straßburg (15, 34, 35), Hamburg 
(38), Marburg (44), Koblenz (55), Heidelberg (18); auch Teschen (164); 
vereinzelt positive Befunde melden Leipzig (26), Halle (33, 21), Metz (45), 
Dresden (46), Berlin (19, 109, 23), auch Greifswald (1, 24). Negativ sind 
München (3 bis 9), Berlin (14, 20), Stettin (43), Frankfurt (23, 50, 51, 58), 
Bonn (47), Königsberg (48), Ingoldstadt (52), wohl auch Nürnberg (149) 
und Tübingen (112). 

Zeichnet man mit diesen Angaben eine Karte, so bemerkt man zwei 
getrennte Herde stark positiver Befunde; der eine westlich umfaßt den 
Bezirk Straßburg—Heidelberg—Koblenz—Marburg, der östliche den 
Bezirk Breslau—Teschen. Der westliche enthält auch Orte geringerer 
Häufigkeit, nämlich Metz, Mainz, Gießen. Beide Herde hängen durch eine 
Zone geringerer Häufigkeit — Dresden, Leipzig, Halle — zusammen. 
Nur Hamburg (das mit Rücksicht auf die bald folgenden negativen Be¬ 
funde [57, 111] als schwach positiv bezeichnet wurde) steht isoliert, eine 
Stadt, bei der Einschleppung leicht annehmbar ist. Auch Berlin wird 
den ursprünglich negativen Städten (vgl. 66) zuzuzählen sein; eine Stadt 
mit solchem Verkehr wird auf die Dauer nicht freibleiben können. Nega¬ 
tiv ist Frankfurt, das Gebiet von Bayern und Schwaben, sowie der Nord¬ 
osten Deutschlands. Im übrigen ist es wohl berechtigt, in dieser Karte 
auch die Orte, welche späterhin negative Befunde melden, einzutragen; 
denn bisher ist (nur mit zwei Ausnahmen [109 und 173]) nicht gemeldet, 
daß ein anfangs positiver Ort später negativ geworden sei, sondern nur 
das Gegenteil. Im Oktober erhält der östliche Herd eine Erweiterung durch 
die Meldung aus Prag (59), dem sich übrigens 14 Tage später Troppau (89), 
mit einem sehr hohen Prozentsatz positiver Befunde anschließt, zugleich 
kommen aus Wien (55, 67) entschiedene Positivberichte. Im westlichen 
Herd erscheint Germersheim (60) und, wie zuvor, schwach positiv, Gießen 
(61); Berlin bringt in diesem Monat seine ersten deutlich positiven Befunde 
(66, 73, 74, 75), auch Bern (143). In der folgenden Zeit werden ähnlich 
Wien und Berlin, noch andere Orte positiv, z. B. Greifswald (127), 
Leipzig (118), und es bleiben schließlich nur fast die Orte als negativ 
übrig, von denen keine späteren Berichte vorliegen. 

In den I.B.-positiven Orten finden sich I.B. auch bei Grippekranken 
zuweilen häufig, in Breslau z. B. in höherem Prozentsarz als anderorts 
bei Grippekranken (siehe S. 267). 

Diese Karte darf nur mit Kritik gedeutet werden. Die Orte, von 
denen Befunde vorliegen, sind unregelmäßig und teilweise (Nordosten) 
sehr dünn verstreut; die häufig fehlenden Angaben über die Zahl der Unter¬ 
suchungen, insbesondere die der positiven, bewirken eine gewisse Unsicher¬ 
heit. Besonders schwierig ist die Beurteilung der Orte mit vereinzeltem 
Bazillenbefund; es kann sein, daß hier noch von der vorigen Pandemie 
her Bazillen vorhanden waren* es ist aber auch möglich, daß sie eben 
im Begriff waren, eingeschleppt zu werden, umsomehr, als sie ja unzweifel¬ 
haft auch bei Nichtgrippekranken Vorkommen können (vgl. 66, 85, 117, 


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Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza. 


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175). Betreffs der Orte mit negativen Befunden andererseits ist anzu¬ 
nehmen, daß negative Untersuchungen, zumal bei Epidemiebeginn, nicht 
veröffentlicht worden sind. Die Annahme der beiden Herde häufigen 
Bazillenvorkommens bedarf daher eines größeren Zahlenmaterials. 


uKief 


O Greifewafd 


O Mamburg DStefi/h 


ü. 

Königsberg 


OBer/in 


ußonn % Marburg 
^ O Giessen 

Kobfenz ^frankfVrf 
9 Mainz 


Ma/fe 

O QLeipzig 
O 


%Prag 


O Mefz 


a»eide/bery aMürnöer ^ 

iGermer&Jreim 


%Str*ssturff □ JrrfOtsW 

□Tübingen 

□ München 


OBase/ 

□ Zürich 
Qßern 


%Bresiau 


Jroppau 

% feschen 


• stark positiv, o schwach positiv. □ negativ. 


Es wäre zur Klarstellung dieser wichtigen Frage in hohem Maße 
dankenswert, wenn diejenigen Autoren, welche über nichtpubliziertes, 
wissenschaftlich verwertbares Material verfügen (oder auch die, welche 
mit meiner obigen Bewertung ihrer Befunde nicht einverstanden sind) ihre 
Befunde mir einsenden wollten, womöglich unter Angabe von Zeit und 
Prozentsatz, zwecks ev. späterer Richtigstellung; wichtig wären ferner 
Angaben über dauerndes Freibleiben von Ortschaften. 

Auf alle Fälle wird man zugeben müssen, daß die Reichlichkeit, mit 
der die I.B. aufgetreten sind, in einem Maße veränderlich ist, das bei 
anderen Infektionskrankheiten nicht vorkommt; daß soviele Autoren die 
ungeheuren Bazillenmengen, welche die Pfeiffersche Schule beschreibt, 
übersehen haben sollten, ist einfach nicht möglich. 

Neben dieser geographischen Verteilung kommt anscheinend noch 
eine räumliche Verteilung im kleineren Maßstab vor. G. B. Grub er 
und Schädel (41) berichten von ihren Untersuchungen, die im übrigen 
nicht für die Ätiologie des I.B. sprechen, daß sie von einer Krankenstube 
5 Sputa erhielten, in denen sich I.B. in Reinkultur befanden. Ähnlich 
sind möglicherweise die Gegensätze der Bazillenbefunde in Hamburg 
(mitgeteilt in den Sitzungen des örtlichen Vereins Hamburg vom 26. No¬ 
vember, 10. Dezember 1918, 7. und 21. Januar 1919) zu deuten. Wir 


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kennen ein scheinbares Befallensein von Häusern bei Infektionskrank¬ 
heiten, die durch Bazillenträger, die in dem Hause wohnen, verbreitet 
werden. Nichts steht im Wege, anzunehmen, daß in den betreffenden 
Häusern sich LB.-Träger befanden, welche die Patienten mit I.B., nicht 
mit Influenza, infizierten, und für die weitere Verbreitung der Bazillen 
sorgt dann der Husten der Grippekranken. Ähnliche Anschauungen finden 
sich bei Grätz (MMW. 18, S. 11, Berl. kl. W. 19, S. 46) und bei Prell 
[187] „Zweigepidemien“). Die Anerkennung des lokalen Vorkommens 
der I.B. im Gegensatz zur pandemischen Verbreitung der Grippe schließt 
die ätiologische Bedeutung der Pfeifferbazillen aus. 

Von örtlich gehäuftem, besonders schwerem Auftreten der Grippe, 
das durch Leerstehenlassen und Reinigung des befallenen Zimmers be¬ 
kämpft wurde, berichten E. Schwarz (76), E. Frey (93), Rosenbaum 
(147), Raffelt (174), vgl. auch Embden (136). Bakteriologische Befunde 
dieser „Sterbenester“, „Grippezimmer- und -Häuser“ sind nicht ange¬ 
geben. 

Über Krankenhausinfektionen berichten Reiche (182), der im Kran¬ 
kenhaus Barmbeck wenig Infektionen bei Kranken, viel bei Ärzten und 
Pflegern beobachtete. I.B. werden nicht als gefunden erwähnt; mit 
Rücksicht auf die sonstigen Publikationen dieses Krankenhauses darf 
wohl die Abwesenheit der I.B. angenommen werden. Jaksch-Warten- 
horst (172) beobachtete 1918 keine Hausinfektionen, negativen Bazillen¬ 
befund im klinischen, positiven im Sektionsmaterial; 1919 dagegen viel 
Hausinfektionen, der bakt. Befund ist nicht erwähnt. Elias (96) berichtet 
von wenigen Infektionen bei Schwestern. 

Überblicken wir das bisher Gesagte, so finden wir, daß zwar viele 
Autoren den I.B. in einem hohen Prozentsatz der Erkrankungen, kulturell 
und schon im einfachen Ausstrich, nachweisen konnten, selbst unter 
ungünstigen Bedingungen, daß aber wieder andere Untersucher, darunter 
Namen von unzweifelhafter Autorität und mit persönlichen Erfahrungen, 
hinsichtlich des I.B., unter günstigsten Bedingungen bei kontrollierten 
Nährböden trotz aller Sorgfalt nicht finden konnten; die gegen die nega¬ 
tiven Befunde erhobenen Einwände erweisen sich als nicht stichhaltig. 
Somit müssen wir schließen, daß es Grippe ohne I.B. geben kann, daß also 
die 1. Kochsche Forderung für den I.B. nicht erfüllt ist. 

Wie verhält es sich mit der zweiten Kochschen Forderung? Kontroll- 
untersuchungen an Gesunden und Nichtgrippekranken liegen, im Ver¬ 
gleich zu den sonstigen Untersuchungen, nur vereinzelt vor. Uhlenhuth 
(34) fand in 100 normalen Rachenabstrichen keine I.B.; ebenso Messer- 
schmidt (Straßburg) im Jahr 1918. In Berlin fanden sich seit 1912 nach 
Neufeld und Papamarku (66) bis zur Epidemie keine I.B.; während 
der Epidemie jedoch auch bei Tuberkulösen; dieselben Autoren fanden 
(120) bei 2 von 25 Rachenabstrichen nicht manifest Kranker I.B.; in seiner 
neuesten Publikation erwähnt Neufeld (178) die Befunde Lewinthals 
(I.B. gefunden bei Keuchhusten in 29%, bei Masern in 47%). Leipzig 
meldet ursprünglich negative (79), dann positive (141) Kontrollunter- 
suchungen; Breslau (117, 177) berichtet über Prozentsätze positiver 


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268 Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza. 

Kontrollen, die höher sind als die von anderen Autoren bei Kranken 
gefundenen. Frünkel (Heidelberg [116]) und Messerschmidt (Han¬ 
nover [180]) melden gleichfalls positive Befunde, der letzte Autor fand 
bei 14 von 98 Tuberkulösen I.B., dagegen bei keinem von 34 Bronchi- 
tikern. Die jüngste Publikation auf diesem Gebiet dürfte wohl die von 
E. Seligmann und S. Wolf (175) sein. Diese Autoren fanden I.B. 
bei Influenzakranken in 31,9%, bei Tuberkulösen in 19,3%, bei Masern 
in 38,6%, bei Keuchhusten in 45,5%; sie betonen mit Recht, daß es also 
massenhaft I.B. bei hustenden Kranken gibt, ohne Verbreitung der In¬ 
fluenza, man kann ergänzend hinzusetzen, daß es mindestens zu Epidemie¬ 
beginn massenhafte Übertragung von Influenza ohne, oder fast ohne I.B. 
gegeben hat, was späterhin zu erörtern sein wird. — Berichte über posi¬ 
tive Befunde bei Nichtgrippekranken aus Städten, in denen bei Kranken 
I.B. nicht gefunden wurden, liegen nicht vor. Soweit diese spärlichen 
Befunde einen Schluß zulassen, findet sich der I.B. an den Orten, welche 
hohe positive Prozentsätze bei Kranken melden, auch bei Kontrollen 
häufig (Breslau), was mit der Vermutung einer örtlichen Verbreitung 
übereinstimmt. Die Zunahme der positiven Befunde bei Kranken mit dei' 
Z^it scheint sich bei den Kontrollen zu wiederholen (Leipzig). Literatur 
über das Vorkommen von I.B. bei Kontrollen siehe 142, vgl. auch Scheller 
in Kolle-Wassermann II. Auf]., Bd. 5, S. 1261. Manche Autoren, z. B. 
Neufeld (120) nehmen eine weitgehende Verbreitung der I.B. (Neisser 
hält ihn für ubiquitär, cit. nach Friedberger [142]) und zur Erklärung 
der Pandemie eine Virulenzzunahme an. 

Zusammenfassend wird von diesen Befunden zu sagen sein, daß die 
überwiegende Mehrzahl der Kontrolluntersuchungen positive Ergebnisse 
hatte. Der Prozentsatz der positiven Befunde ist zuweilen höher als bei 
Grippekranken an gleichen oder an anderen Orten. Man wird somit auch 
die zweite Kochsche Forderung nicht als erfüllt bezeichnen können. 

Hinsichtlich der dritten Koch sehen Forderung besteht die Schwierig¬ 
keit, daß es anscheinend — und merkwürdigerweise — ein geeignetes 
Versuchstier nicht gibt. Pfeiffer erhielt beim Affen durch intrapulmonale 
Injektion Krankheitsbilder, die „eine gewisse, nur geringe Analogie mit 
leichter Influenza“ aufwiesen (Scheller in Kolle-Wassermann 
Bd. V, S. 1274). Häufig findet sich der Hinweis auf die Beobachtung von 
Kretz, der beim Arbeiten mit Influenza eine Kultur zerbrach und danach 
an Influenza erkrankte (nach Leichtentritt [117] berichtet in W. kl. W. 
1897). Das ist ein Fall mit anscheinend positivem Ergebnis; wer kann 
wissen, welches Ergebnis eine Serie von Menschenversuchen ergeben 
hätte ? Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß man aus den positiven 
Seit er sehen Filtratinhalationen (48) keine Schlüsse ziehen dürfe, weil 
ihre Zahl zu klein sei (142); ebenso muß man die Beobachtung von Kretz 
beurteilen (vgl. auch die Kritik der Laboratoriumsinfektion bei Messer- 
schmidt [188]). Affen standen während der Epidemie nicht zur Verfü¬ 
gung; nur in Straßburg wurde ein Affe durch Tröpfcheninfektion (34) 
mit Sputum und Reinkultur (188) geimpft; ohne Erfolg. Eine Erhöhung 
der Virulenz, die u. a. Neufeld annimmt, ist mindestens nicht nach¬ 
weisbar. 


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r 


Von Dr. Carl v. Angerer. 269 

Gegenüber diesen beiden Versuchen besteht eine übergroße Anzahl 
von Beobachtungen über etwas, das als unfreiwillige Menschenimpfung 
mit Grippematerial bezeichnet werden kann; ich meine den natürlichen 
Infektionsmodus, ein Problem, das zuerst wohl bei Gr ätz auftaucht 
und das ich auf Grund experimenteller und theoretischer Studien über die 
Entstehung keimhaltiger Tröpfchen weiter ausführen kann. — Ist der 
I.B. der Erreger, so kommt nur die Tröpfcheninfektion, nicht aber Über¬ 
tragung etwa durch Stuhl oder Wasser, oder Ungeziefer in Betracht; 
auch für ein anderes noch unbekanntes Virus besteht vorerst kein Nach¬ 
weis einer anderen Übertragung als durch Tröpfchen. Fast alle Autoren, 
die die Ansteckungsfrage erörtern, nehmen Tröpfcheninfektion an (vgl. 
auch DMW. 20, S. 326), nur wenige erwägen auch andere Möglichkeiten 
(z. B. Frohmann [91]; Elias [96]; Müller DMW. 20, S. 326; vgl. auch 
67, 68). Häufig wird die Kontagiosität als sehr groß (vgl. 104) bezeichnet 
(dagegen Ganter [25], Neufeld [178]). Dieudonne (10) teilt eine Be¬ 
obachtung über Infektionen in grippefreier Gegend mit, welche sich beim 
Ausladen eines Lazarettzuges ereigneten. Bedenkt man, daß das Aus¬ 
laden doch wohl teils im Freien, teils in Räumen, die durch das Öffnen 
der Türe gut ventiliert waren, mit relativ kurzer Berührung mit den 
Kranken erfolgt sein wird, so muß man eine ungewöhnlich starke Ver- 
streuung des Erregers in kleinsten Tröpfchen annehmen. 

Verbreitet sich eine Krankheit mit großer Ansteckungskraft durch 
Tröpfchen, so ist stets der Erreger im Sputum massenhaft vorhanden. 
Man muß sich klar machen, wie ungeheuer klein die Sputummenge ist, 
die den Körper in Form flugfähiger Tröpfchen verläßt, und wie ungeheuer 
klein wiederum der Bruchteil des versprühten Sputums ist, der unter 
natürlichen Bedingungen eingeatmet wird, und daß von diesem Bruchteil 
wiederum nur ein Teil bis in empfängliche Regionen vordringt. Infolge¬ 
dessen besteht eine Beziehung zwischen Keimgehalt und Ansteckungs¬ 
kraft. Das ist der Fall bei Lungenpest, wo die Kontagiosität dem massen¬ 
haften Bazillenvorkommen entspricht; es ist ferner der Fall bei Tuber¬ 
kulose, wo die Flügge sehe Schule mit Recht die Notwendigkeit eines 
reichlichen Bazillengehaltes für die Infektiosität betont; es würde der 
Fall sein bei denjenigen Grippesputis, deren I.B.-Gehalt den klassischen 
Schilderungen Pfeiffers entspricht; unmöglich aber können Massen¬ 
infektionen durch Tröpfchen bewirkt werden mit Sputum, das den Erreger 
nicht, oder ganz vereinzelt enthält. Es sei daran erinnert, daß gelegentlich 
Typhusbazillen in Mundhöhle und Sputum gefunden worden sind (Zahlen¬ 
angaben siehe Kolle-Hetsch S. 325; neuerdings E. Pulay, MMW. 18, 
S. 1456), aber die Tröpfcheninfektion mit Sputum ist bei Typhus kein 
epidemiologischer Faktor, eben weil der Erreger zu selten und zu spärlich 
im Sputum vorkommt. 

Die zahlenmäßige Überlegung ergibt das Gleiche. Ich habe vor kurzem 
rechnerische und experimentelle Versuche darüber veröffentlicht, wie die 
scheinbare Flugfähigkeit der Mikroorganismen sich mit der Keimdichte 
der versprühten Aufschwemmung ändert (Arch. f. Hyg. 89, 262). Die 
physikalischen Gesetze ergeben, daß die Flugfähigkeit mit dem Quadrat 
des Tröpfchendurchmessers abnimmt (während der Inhalt natürlich 


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Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza. 


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mit der dritten Potenz des Radius wächst). Bei drei Tröpfchen, deren 
Durchmesser sich wie 1:2:3 verhalten, werden sich also die Flugfähig¬ 
keiten wie 9:4:1 oder wie 1:0,25:0,11 verhalten, dagegen die Volumina 
und infolgedessen auch die Wahrscheinlichkeit, mit der sie Bazillen ent¬ 
halten, wie 1:8:27. Wird eine sehr keimreiche Aufschwemmung ver¬ 
sprüht, so entfallen Keime auch auf die kleinsten flugfähigen Tröpfchen; 
bei abnehmender Keimdichte enthalten schließlich fast nur die größeren, 
rasch zu Boden fallenden Tropfen Bazillen, während die kleinsten, flug¬ 
fähigen größtenteils leer ausgehen. Die Aufschwemmungen, mit denen 
man Flugfähigkeitsversuche zu machen pflegt, sind zumeist stark kon¬ 
zentriert, sie enthalten mindestens Hunderte und Tausende von Millionen 
von Keimen pro ccm, meistens wohl noch viel mehr; das Ausstrichprä¬ 
parat einer solchen Suspension zeigt in jedem Gesichtsfeld Unmengen 
von Bazillen; es ist falsch, die Resultate, welche die Versprühung solchen 
Materials ergibt, unkorrigiert auf die Tröpfcheninfektion durch keimarme 
Sekrete zu übertragen. Suspensionen größerer Organismen (Hefen, My- 
coides) sind naturgemäß bei Verreibung gleicher Volumina keimärmer als 
die von kleinsten Organismen (Prodigiosus), und schon dieser Umstand 
täuscht eine Verringerung der Flugfähigkeit vor — und wie würde die 
„Flugfähigkeit“ sich gestalten bei Versprühung einer Suspension, die 
so keimarm ist, daß die Bazillen mikroskopisch garnicht nachweisbar 
sind, nämlich von Grippesputum ? 

Es ist zu betonen, daß diese Überlegung uns unabhängig macht von 
der Entscheidung, ob z. B. bei der Münchner Epidemie wirklich gar keine 
I.B. zugegen waren, oder nur unauffindbar wenig. Ein außerordentlich 
keimarmes Sekret muß für gewöhnlich für Tröpfcheninfektion ungefähr¬ 
lich sein, außer man läßt sich während der Einatmung in den geöffneten 
Mund husten. 

Dieser Gedankengang darf nicht damit verwechselt werden, daß der 
Tierkörper manche Bakterienarten schärfer nachweist als Mikroskop und 
Kultur. Niemand wird auf die Idee kommen, wenn es sich um den Nachweis 
von Tbc. durch Tierversuch handelt, ein Meerschweinchen von dem Tbc.- 
verdächtigen, aber mikroskopisch bazillenfreien Kranken einige Male 
anhusten zu lassen, sondern man injiziert das Sputum, und zwar in Mengen, 
die tausend- bis millionenfach größer sind als die, welche eingeatmet 
werden können. Auf dieser Möglichkeit, große Mengen zur Untersuchung 
zu verwenden, beruht ein großer Teil der Überlegenheit des Nachweises 
durch Impfung (und auch durch Kultur) über den mikroskopischen Nach¬ 
weis, der stets mit sehr kleinen Mengen arbeitet. 

Man kann versuchen, einzuwenden, daß dort, wo Grippeübertragung 
ohne I.B. gemeldet wird, die Ansteckung in den ersten Stunden der Krank¬ 
heit eines anderen erfolgt sei, und daß die Bazillen bis zur Einlieferung 
ins Krankenhaus bereits verschwunden seien; es wird ja angegeben, daß 
die I.B. im Verlauf der Erkrankung verschwinden können (s. oben). Aber 
man kann doch nicht im Ernst glauben wollen, daß ein boshafter Zufall 
etwa in München, wo vier Stationen (K. bakt. Untersuchungsanstalt [7], 
Krankenhaus Schwabing [Klinik und Prosektur 3, 4, 5], II. medizinische 
Klinik [9], K. militärärzt. Akademie [8, 39]) übereinstimmend negative 


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Befunde melden, den Untersuchern lauter solche Fälle in die Hand gespielt 
haben soll, bei denen die I.B. bereits verschwunden waren 1 Man kann 
es umso weniger, als das Verschwinden der I.B. durchaus nicht allgemein 
beobachtet worden ist; neben vielen anderen hat die doch gewiß kompetente 
Pfeiffersche Schule im Gegenteil I.B. sowohl im Sektionsmaterial, als 
auch nach der Genesung nachgewiesen. 

Man kann weiterhin die Annahme konstruieren, daß sich in München 
hustende Bazillenträger befunden hätten, deren Sputum nicht zur Unter¬ 
suchung kam. Man müßte dann annehmen, daß die Erkrankten — mit 
negativem I.B.-Befund — die Seuche nicht weiterverbreiten, daß also 
jeder Kranke von einem Bazillenträger angesteckt worden sei, eine Hypo¬ 
these, die keiner Widerlegung bedarf. Als Gegenstück ist zu erwähnen, 
daß Seligmann und Wolff (175) reichliche I.B. ohne Verbreitung der 
Grippe fanden. 

Und so ergibt sich der Schluß: Wenn die Übertragung der Grippe 
durch Tröpfchen erfolgte — und das ist anzunehmen — dann kann die 
große Ansteckungskraft nur dadurch erklärt werden, daß der wirkliche 
Erreger massenhaft im Sputum vorhanden war; jedes Gesichtsfeld im 
Ausstrich hätte ihn zeigen müssen; da er nicht gesehen worden ist, muß 
es sich um ein Virus handeln, das mit den gewöhnlichen Methoden nicht 
darstellbar ist (Ber. d. ärztl. Vereins München 1918, S. 73). 

Bei solchen mit gewöhnlichen Methoden nicht darstellbaren Erregern 
liegt es nahe, zuerst an ungewöhnliche Kleinheit zu denken, welche den 
Nachweis erschwert. Kleinste Organismen sind leichter im Stand, durch 
Hartfilter durchzuwandern, obwohl Filtrierbarkeit die Sichtbarkeit nicht 
immer ausschließt. Die Zahl der Autoren, die ein „filtrierbares“, „invi- 
sibles“, „ultramikroskopisches“ Virus vermuten, ist so groß, namentlich 
bei Epidemiebeginn, daß ihre Aufführung in die Tabelle 32 ff. nicht auf¬ 
genommen wurde. Auch experimentell wurde die Frage von einigen Unter¬ 
suchern geprüft. 

Friedberger (1, 24, 142) berichtet von Menschen- und Meerschwein¬ 
chenimpfungen mit filtriertem Grippematerial mit negativem Ergebnis, 
Kruse (27) über negative Menschenversuche, Selter (48) erzielte 2 posi¬ 
tive Resultate und versuchte einen Impfstoff der filtrierbaren Erreger 
herzustellen (81). Weiterhin berichtete ich (83, 87) über die Züchtung 
kleinster Körperchen aus dem Blut von Ratten, die mit Grippesputum, 
geimpft waren, sowie aus Blut und Lungensaft von Grippekranken; Kon¬ 
trollen blieben unbewachsen. Leschke (92, 121) wies ähnliche Gebilde 
mikroskopisch und kulturell nach und erhielt mit filtriertem Material 
neben negativen auch positive Resultate im Menschenversuch. Auch 
Binder und Prell (112) konnten kleinste* Gebilde in Grippematerial 
mikroskopisch und kulturell beobachten. Edelmann (118) dagegen 
erhielt an Meerschweinchen und Affen nur negative Impfresultate: Kron¬ 
berger (152) beobachtete kleine Körperchen im Blut, hält indessen die 
in den Kulturen auftretenden Gebilde für Zellgranula; Pöpelmann 
(154) hatte bei der Blutuntersuchung ähnliche Befunde wie Kronberger. 
Fejes (161) erzielte durch Einspritzung filtrierter Grippesputa positive 
Impferfolge bei Affen, und zwar in Form einer mehrere Tage inkubieren- 
Archiv rar Hygiene. Bd. 90. 18 


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272 Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza. 

den, tödlich verlaufenden Krankheit; es ist sehr zu bedauern, daß über 
den bakt. Sektionsbefund nichts mitgeteilt wird. Die Streptokokken 
nach P. Schmidt (183) hätte Fejes bei seiner Kulturtechnik (Aseites- 
bouillon) wohl finden müssen, ebenso Angerer (Züchtung in Serum¬ 
traubenzuckerbouillon). Wohl die umfangreichsten und am meisten 
durch Kontrollen gesicherten Versuche über die Wirkung filtrierten 
Grippematerials hat P. Schmidt (183) angestellt. In einer Reihe von 
Fällen konnte durch Filtratimpfung Grippe bewirkt werden; mehrfach 
fanden sich in dem sonst sterilen Filtrat Streptokokken, die nur durch 
Kultur in Eierbouillon nachgewiesen werden konnten. Schmidt kommt 
zu dem Ergebnis, man könne für die Filtratimpfungen ,,mit hoher Wahr¬ 
scheinlichkeit annehmen, daß die Erreger das Berkefeld-Filter de facto 
passieren, wenngleich diese Impferfolge für die Annahme eines unsicht¬ 
baren Virus nicht verwendbar seien“. I.B. waren bei den durch Filtrat¬ 
impfung erzielten Fällen nicht nachweisbar. 

Auch ausländische Autoren haben positive Filtratimpfungen zu ver¬ 
zeichnen, z. B. Nicolle und Lebailly (Ann. Inst. Past. 1919, S. 395, 
ref. c. f. Bakt., Ref. 70, S. 372); Gibson, Bowman, Connor (Brit. 
med. Journ. 3024 ref. B. kl. W. 19, 397). (Auslösung einer 6 bis 7 Tage 
inkubierenden Erkrankung beim Affen durch Einimpfen von Sputum¬ 
filtrat in Nase und Augen); Gibson, Graeme, Bowman, Connor 
(Brit. med. Journ. 1919, 22, S. 331, ref. c. f. Bakt. Ref. 69, S. 310, Züch¬ 
tung eines kleinen kokkenähnlichen Organismus aus Filtrat, der im Tier¬ 
versuch influenzaähnliche Erkrankungen bewirkt). Olitsky und Gates 
(Journ. of. Am. ass. 1920, Nr. 22, ref. MK. 20. 862) fanden ein filtrables, 
glyzerinfestes, durch 15 Kaninchenpassagen fortzüchtbares Virus, das im 
Tierkörper in Form kleinster Körperchen erscheint. Einige Japaner 
konnten durch filtriertes und unfiltriertes Sputum beim Menschen Grippe 
auslösen (zit. nach Neufeld [178]). 

Stellt man sich auf den von Hübsch mann und Olsen, auch von 
Schottmüller vertretenen Standpunkt, daß positive Ergebnisse mehr 
Beweiskraft haben als negative, so müßte man die Filtrierbarkeit des Grippe¬ 
virus als bewiesen ansehen. Es scheint mir geboten, die Ursachen für die 
auffälligen Differenzen in den Befunden zu untersuchen. Daß die Fil¬ 
tration durch Hartfilter ein Versuch von beklagenswerter Ungenauigkeit 
ist, wird in der Literatur allenthalben betont, und so finden wir auch bei 
manchen anderen Krankheiten Unstimmigkeiten in den Angaben über 
die Filtrierbarkeit ihres Erregers. Von den Ursachen, welche Fehlresultate 
ergeben können und welche hauptsächlich von Löffler erörtert worden 
sind, scheinen mir folgende in Betracht zu kommen: Mit der Filtration 
ist eine erhebliche und unregelmäßige Verdünnung der Keime verbunden, 
da auch die filtrierbaren Erreger zu einem mehr oder weniger großen 
Bruchteil im Filter stecken bleiben; ist das Virus schwach virulent oder 
das Versuchstier wenig empfänglich, so bleibt die Infektion infolge der 
zu geringen Dosis aus oder wird so leicht, daß der Nachweis mißlingt. 
So habe ich beobachtet, daß ein und dasselbe Material durch eine enge 
Kerze filtriert, kein Wachstum der kleinsten Körperchen ergab, bei der 
Filtration durch rasch filtrierende Kerzen dagegen ein positives Kultur- 


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ergebnis hatte (was übrigens entschieden gegen die Deutung der fraglichen 
Gebilde als unbelebten Niederschlag spricht!). Die gleiche Beobachtung 
macht Leschke (121). Auch der Tierversuch würde demgemäß wohl 
positiv oder negativ ausfallen. Weiterhin weist Löffler auf die Möglich¬ 
keit des Vorkommens filtrierbarer und nicht filtrierbarer Entwicklungs¬ 
formen bei ein und demselben Erreger hin. Ferner ist der Infektions¬ 
modus von Belang; das Virus der Maul- und Klauenseuche haftet weitaus 
am besten bei intravenöser, viel schlechter bei subkutaner Einspritzung; 
welche Impfart bei Grippe optimal wäre, wissen wir nicht; sehr zu betonen 
ist, daß der Affe, welcher in Straßburg nicht filtriertes Sputum einatmete, 
gesund blieb (ebenso bei der Inhalation von I.B.), das Virus, welcher Art 
es auch sein mag, scheint beim Affen in den Luftwegen schlecht zu haften; 
daß andere Tiere sich günstiger verhalten, ist zu bezweifeln. Fejes (161) 
erhielt bei subkutaner Einspritzung in Affen unzweifelhaft positive Re¬ 
sultate; daß pathologisch-anatomisch keine Ähnlichkeit mit menschlicher 
Grippe bestand (Neufeld [178]), ist kein Gegenargument, da beim Men¬ 
schen die Grippe vom Luftweg aus einwandert; auch bei Pest und Milz¬ 
brand ergibt die Einatmung andere Sektionsbilder als die subkutane 
Infektion. Sehr wesentlich scheint mir ferner der gleichfalls schon von 
Löffler betonte Umstand, daß bei der Filtration die symbiontisch mit dem 
eigentlichen Virus lebenden anderen Mikroorganismen entfernt werden. 
Gerade bei Grippe wird man an die Möglichkeit denken müssen, daß die 
Symbionten, welche mehr (Streptokokken) oder weniger (I.B.) regelmäßig 
bei Grippe gefunden werden, das Zustandekommen der Infektion be¬ 
einflussen, sei es, daß sie dieselbe erst ermöglichen, oder nur begünstigen 
(vgl. die komplexe Infektion nach Sahli [119]). Vielleicht ist in diesem 
Sinn zu deuten, daß gerade die streptokokkenhaltigen Filtrate bei P 
Schmidt sich wirksam zeigten. — Auch bei Scharlach und Schweine¬ 
pest finden wir kultivierbare Organismen (Streptokokken bzw. Schweine¬ 
pestbazillen) neben einem nicht näher bekannten Virus. 

Wir haben also einerseits eine nicht ganz kleine Zahl von positiven 
Filtratuntersuchungen und mancherlei Möglichkeiten zur Erklärung 
negativer Resultate, andererseits aber unerklärbare Unstimmigkeiten 
im Nachweis der I.B.; die Annahme eines filtrierbaren Virus erscheint 
daher mindestens diskutabel. 

Näheres über die Natur dieses filtrierbaren Erregers anzugeben ist 
schwer; die mehrfachen Züchtungsversuche (Angerer, Leschke, Bin¬ 
der und Prell, Fejes) haben allgemein keine günstige Beurteilung 
erfahren. Meine Veröffentlichungen vom 6. bzw. 12. November 1918 
erfolgten aus äußeren Gründen zu einer Zeit, als noch wenig Untersuchun¬ 
gen, insbesondere wenig Kontrolluntersuchungen Vorlagen; letzterer 
Umstand hat dazu geführt, daß die fraglichen kleinsten Körperchen ohne 
weiteres als Niederschlag gedeutet wurden, und Olsen ist der Ansicht, 
man könne sie in jedem Blut, auch bei Erwärmung auf 56°, zur Ent¬ 
wicklung bringen. Diese Angabe beweist, daß Olsen eben nicht mit den 
von mir gesehenen Körperchen zu tun gehabt hat; denn mir gelang es 
nicht, in jedem Blut ihr Wachstum hervorzurufen. Die Nährlösung nach 
Hottinger, mit welcher ich meine ersten Kulturversuche anstellte, 

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274 Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza. 

blieb auch nach Vermischung mit hämoglobinhaltigem Serum und nach 
mehrtägiger Bebrütung des Gemisches klar. Ich konnte infolgedessen 
berichten (87), daß ungeimpfte, bebrütete Kontrollproben keine „klein¬ 
sten Teilchen“ zeigten, ebenso blieben Kulturen mit filtriertem Blut 
des normalen Tieres optisch leer; ebenso ergab filtriertes Sputum, mit 
hämoglobinhaltiger Serum-Bouillon berbrütet, keine Trübung. Ferner 
konnten die fraglichen Gebilde nur bei 4 von 5 Grippefällen nachgewiesen 
werden, und zwei Kontrollen (ein Selbstmörder, ein Carzinomfall) blieben 
negativ (83). Schon durch diese Angaben wird unwahrscheinlich, daß die 
fraglichen Gebilde ein nicht organisierter Niederschlag waren; mit Sicher¬ 
heit kann diese Vermutung ausgeschlossen werden durch die Beobachtung, 
daß das positive oder negative Kulturergebnis von der Durchlässigkeit 
der Berkefeldkerze abhing (ebenso bei Leschke [121]), und daß nur etwa 
% der angesetzten Kulturen zur Entwicklung kam. Würde es sich um einen 
chemischen Niederschlag handeln, so müßte dieser eben mit der Sicherheit 
einer chemischen Reaktion in allen gleichen Proben auftreten; wenn da¬ 
gegen das Wachstum nicht in allen Kulturen eintrat, die mit derselben 
Probe angelegt wurden, so beweist dies das Vorhandensein eines Erregers, 
dessen Wachstum schwierig und unregelmäßig zu erreichen ist. Die Ab¬ 
hängigkeit von der Porenweite der Kerze beweist, daß nicht die gelösten 
Stoffe (Eiweiß), sondern suspendierte Teilchen Ausgang der Trübung waren. 
Ich kann somit der Meinung von Olsen, ich nähme ohne weiteres an, 
daß die fraglichen Gebilde belebter Natur seien, durchaus nicht recht geben. 

Spätere Untersuchungen ergaben weniger günstige Resultate, inso¬ 
fern, als andere Nährbodenproben beim Bebrüten mit Serum spontane 
Niederschläge ergaben. Diese entsprachen etwa der von Olsen gegebenen 
Beschreibung, wenngleich die Unterscheidung der Niederschläge von den 
bewachsenen Proben dadurch möglich schien, daß die Niederschlags¬ 
teilchen in unregelmäßiger Gestalt und Größe und „schollenartig“, wie 
Olsen schreibt, auftraten, während junge Kulturen runde Gebilde von 
durchaus gleichmäßiger Größe aufweisen; erst nach längerer Bebrütung 
treten regelmäßig geformte Gebilde bis zur Größe kleiner Kokken auf; 
auch schienen die Kulturgebilde stärker lichtbrechend. Dagegen ist nicht 
zu leugnen, daß die Beobachtung der kleinsten Körperchen durch die 
spontane Niederschlagsbildung sehr erschwert wurde; ohne den Zufall, 
der anfangs einen geeigneten Nährboden lieferte, hätte ich die fraglichen 
Gebilde nicht beobachten können, und es ist verständlich, daß manche 
Nachuntersuchungen sich auf die Konstatierung des Niederschlages 
beschränkten. 

Andererseits aber ist zu erwägen, ob vielleicht doch mit dem Wort 
„Niederschlag“ etwas zu freigebig umgegangen wird. Die Körperchen, 
welche Flexner und Noguchi aus Poliomyelitismaterial züchteten, 
können nach Lentz und Huntemüller für Lipoidgranula gehalten 
werden; inzwischen ist es aber gelungen, diese Körperchen in Kolonien¬ 
form zum Wachstum zu bringen, wodurch die Deutung als Niederschlag 
beseitigt ist. Es erscheint mir deshalb nicht angängig, alle kleinsten Ge¬ 
bilde, die sich aus organischen Flüssigkeiten entwickeln, kurzerhand als 
Niederschläge zu deuten. 


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Von Dr. Carl v. Angerer. 


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Ich verkenne nicht, daß der Beweis für die Erregernatur der fraglichen 
Gebilde nicht erbracht ist; andererseits aber sehe ich keine Möglichkeit, 
sie anders zu deuten als Lebewesen. Nachdem vieles gegen die ätiolo¬ 
gische Bedeutung der I.B. spricht, scheint es mir im hohen Grade wahr¬ 
scheinlich, daß diese kleinsten Lebewesen tatsächlich die Erreger waren. 

Zusammenfassung. 

Die positiven I.B.-Befunde sind bei Epidemiebeginn vereinzelt und 
nehmen mit der Dauer der Epidemie zu. Von zahlreichen Autoren wurden 
I.B. nicht gefunden, obwohl sie in verschiedenen Krankheitsstadien ver¬ 
schiedene Teile des Respirationstraktus, teilweise mit nachgeprüften 
Nährböden, unter günstigen Bedingungen absuchten. Beim Mißlingen 
der Kultur hätte immer noch das mikroskopische Präparat die I.B. nach- 
weisen müssen, da bei den Autoren, welche I.B. gefunden haben, Kultur 
und Mikroskop leidlich übereinstimmende Ergebnisse liefern; auch die 
Hustenplatte scheint, soweit Zahlenangaben vorliegen, die positiven 
Prozentsätze nicht fundamental zu verändern. Es muß daher angenommen 
werden, daß in großen Gebieten Deutschlands im Anfang der Grippe¬ 
epidemie I.B. nicht vorhanden waren. Möglicherweise bestanden zwei 
örtliche Herde von I.B., nämlich der Bezirk von Straßburg, Heidelberg, 
Germersheim, Koblenz, Marburg einerseits, Breslau, Prag, Teschen, 
Troppau andererseits. Gehäuftes Vorkommen von I.B. in einzelnen 
Krankenhäusern und -zimmern, sowie von besonders schweren Fällen 
scheint vorzukommen. 

Bei Nichtgrippekranken wurden I.B. häufig gefunden, mehrfach in 
viel höherem Prozentsatz als anderweitig bei Grippekranken. 

Die Impfung eines Affen durch Tröpfchen von I.B.-Kultur und Spu¬ 
tum blieb erfolglos. Andererseits aber erwies sich für den Menschen epi¬ 
demiologisch das versprühte Sputum, auch wenn I.B. nicht nachweisbar 
waren, als hochgradig infektiös. Umso mehr als für Masseninfektionen 
durch Tröpfchen ein sehr reichliches Vorhandensein des Erregers erforder¬ 
lich ist, muß daraus der Schluß gezogen werden, daß der Erreger der 
Grippe ein nach den gewöhnlichen Methoden nicht darstellbares Gebilde 
sein muß, daß somit der I.B. nicht der Erreger sein kann. 

Untersuchungen mit filtriertem Material verliefen teils ergebnislos, 
teils ergaben sie mikroskopisch, kulturell und durch Impfversuch posi¬ 
tive Resultate; für die Fehlresultate lassen sich manche Gründe angeben. 
Es erscheint daher wahrscheinlich, daß der Erreger der Grippe ein filtrier¬ 
bares Virus ist. 

Gegen die Deutung der aus Grippematerial züchtbaren kleinsten 
Teilchen als Niederschlag sprechen zahlreiche Gründe. 

Nachtrag. 

Vorstehende Arbeit wurde im Laufe des Winters 1920/21 abgeschlossen; 
im Anschluß sollen die nunmehr im Bericht vorliegenden Verhandlungen 
der Mikrobiologischen Vereinigung (Jena 1920) besprochen werden (Centr. 
f. Bakt. I, Or., Bd. 85, S. 43 1 ). 


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276 


Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza. 


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Pfeiffer fand schon in den ersten Fällen auch mikroskopisch I.B. 
in der von früher her bekannten Menge. Soll man annehmen, daß in 
anderen Gegenden I.B. nicht vorhanden waren, oder daß sie bei Epidemie¬ 
beginn von so vielen Untersuchern im Mikroskop übersehen worden sind ? 
Diese Frage ist anscheinend kaum (Selter, S. 60 unten) erörtert worden. 
Wenn Neufeld angibt, daß man Kokken und I.B. in sehr vielen Fällen 
nicht unterscheiden könne, so könnten gelegentlich wohl auch Kokken 
für I.B. gehalten werden. Hinsichtlich der technischen Fehler, die für die 
negativen Befunde in München, Hamburg und Berlin — und doch wohl 
auch anderorts! — verantwortlich gemacht werden, verweise ich auf 
das S. 13 bis 18 Gesagte, insbesondere darauf, daß man Bazillen, die 
mikroskopisch häufig in ungeheuren Mengen, zuweilen in Reinkultur 
vorhanden sind, im mikroskopischen Bild doch nicht gut übersehen kann, 
besonders wenn man nach ihnen sucht. 

Es ist wohl ohne weiteres klar, daß die I.B. nur im menschlichen 
Körper, etwa von Tuberkulösen, sich über die seuchenfreien Zeiten fort¬ 
züchten müssen (S. 48*), und spricht an und für sich gewiß nicht gegen 
ihre ätiologische Bedeutung; aber dafür, daß gerade von diesen Bazillen¬ 
trägern die Epidemie ausgegangen sei, oder daß ihre Virulenz im Jahre 
1918 sich gesteigert habe, besteht vorläufig keinerlei Beweis. 

Andererseits spricht es gegen die Erregereigenschaften, wenn man 
I.B. (oder Stäbchen, die von diesen nicht unterschieden werden können) 
so häufig bei anderen Krankheiten findet, wie das bei Seligmann und 
Wolff der Fall war, zumal, wenn von diesen Kranken keine Ansteckungen 
mit Grippe ausgehen. In Breslau wurden I.B. bei Masern seltener gefun¬ 
den (S.49*); das scheint mir nur die bekannte Unregelmäßigkeit der I.B. 
zu beweisen — in Breslau I.B. sehr häufig bei Grippe, selten bei Masern, 
in Berlin (175) häufig bei Masern, seltener bei Grippe — in München 
hätte man wohl bei Masern ebenso wenig wie bei Grippe I.B. gefunden. 

Das Kapitel der Pathogenität der I.B. ist so widerspruchsvoll als 
möglich. Kretz erkrankte schon bei eigentlich geringer Infektionschance, 
die Versuchspersonen von Uhlenfcuth (58*) blieben trotz monströser 
Infektionsgefahr gesund (vgl. hiezu meine Bemerkung über die Wertung 
des Falles Kretz [S. 25], die ich vor Kenntnis der Uhlenhuthschen 
Versuche geschrieben hatte); epidemiologisch war die Grippe erschreckend 
kontagiös und die Empfänglichkeit sehr groß (vgl. W. Rosenthal, S.63*). 
Pfeiffer gelang es, Affen mit I.B. (allerdings in Dosen, die im Vergleich 
zu den eingeatmeten groß waren) krank zu machen, ebenso gelang es 
den amerikanischen Autoren (allerdings mit Stämmen, die an Affen ange¬ 
paßt waren). Leichtenstern (cit. nach Kolle-Wassermann, Bd. V, 
S. 1274) betont die Unempfänglichkeit der Affen für I.B., und der von 
Uhlenhuth geimpfte Affe blieb gesund. Kann man darauf Beweise 
aufbauen ? 

Im übrigen ist die Frage, ob man nicht vielleicht mit Grippekokken, 
in gleicher Menge wie die I.B. und womöglich nach Anpassung an Affen 
eingeführt, ebenfalls Erkrankung bewirken könnte, zur Zeit wohl noch 
offen. An den pathogenen, insbesondere toxischen Eigenschaften der I.B. 


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Von Dr. Carl v. Angcrer. 277 

zweifelt wohl niemand; aber um dieser Eigenschaften willen müssen sie 
noch nicht die Primärerreger sein. 

Was die Agglutination der I.B. durch Rekonvaleszentenserum be¬ 
trifft, so ist es nicht verwunderlich, wenn das Serum einen Stamm agglu- 
tiniert, der sich längere Zeit in Bronchien und Lungen aufgehalten, viel¬ 
leicht auch ins Innere des Körpers vorzudringen versucht hat; es ist ja 
auch die Agglutination von Scharlach-Streptokokken durch Scharlach¬ 
serum beschrieben worden; der primäre Erreger braucht der aggluti- 
nierte Stamm deshalb noch nicht zu sein. 

Nach den Ausführungen Petruschkys (S. 60*) wäre auf der Karte 
noch Danzig als negativ oder sehr schwach positiv einzutragen; der nega¬ 
tive Bezirk im Nordosten Deutschlands erfährt dadurch eine Erweiterung. 

Meine Zusammenfassung müßte dahin lauten, daß der I.B. ein sicher 
für Tiere, wahrscheinlich für Menschen pathogenes Stäbchen ist, das 
häufig bei Grippe, aber auch bei anderen Krankheiten, wie Masern und 
Keuchhusten, gefunden werden kann. Sein Zusammenhang mit der 
seuchenhaften Verbreitung der Grippe ist nicht ersichtlich; er kommt 
deshalb meines Erachtens als Priraärerreger nicht in Betracht. 


Literatur. 

DMW. = Deutsche medizinische Wochenschrift. — MMW. = Münchener me¬ 
dizinische Wochenschrift. — B. kl. W. = Berliner klinische Wochenschrift. — 
MK. = Medizinische Klinik. — W. kl. W. = Wiener klinische Wochenschrift. 
— WMW. = Wiener medizinische Wochenschrift. — Schw. Corr. = Correspon- 

denzblatt für Schweizer Ärzte. 


1. DMW. 18, 1262. 

2. B. kl. W. 18, 639. 

3. MMW. 18, 809. 

4. MMW. 811. 

5. MMW. 812. 

6. MMW. 19, 224. 

7. MMW. 19, 224. 

8. MMW. 19, 224. 

9. MMW. 19, 224. 

10. MMW. 19, 224. 

11. B. kl. W. 18, 749. 

12. DMW. 18, 775. 

13. DMW. 18, 775. 

14. DMW. 18, 776. 

15. DMW. 18, 776. 

16. Schw. Corr. 19, 628. 

17. MK. 18, 683. 

18. DMW. 18, 1374. 

19. B. kl. W. 18, 769. 

20. B. kl. W. 18, 777. 

21. MMW. 18, 1303. 

22. MMW. 18, 1303. 

23. DMW. 18, 808. 

24. DMW. 18, 1343. 

25. MK. 18, 922. 

26. MMW. 18, 1205. 

27. MMW. 18, 1228. 

28. MK. 18, 825. 


29. B. kl. W. 18, 798. 

30. MMW. 18, 814. 

31. DMW. 18, 831. 

32. DMW. 18, 831. 

33. DMW. 18, 832. 

34. MK. 18, 777. 

35. DMW. 18, 1287. 

36. B. kl. W. 18, 713. 

37. DMW. 18, 863. 

38. MMW.'18, 873. 

39. MMW. 18, 873. 

40. W. kl. W. 18, 892. 

41. MMW. 18, 905. 

42. MMW. 18, 928. 

43. B. kl. W. 18,778,814. 

44. DMW. 18, 933. 

45. DMW. 18, 935. 

46. DMW. 18, 937. 

47. DMW. 18, 938. 

48. DMW. 18, 932. 

49. Schw. Corr. 18, 1121. 

50. MK. 18, 975. 

51. MK. 18, 975. 

52. DMW. 18, 1152. 

53. W. kl. W. 18, 993. 

54. W. kl. W. 18, 1101. 

55. W. kl. W. 18, 1104. 

56. MK. 18, 959. 


57. MK. 18, 960. 

58. MMW. 18, 1097. 

59. DMW. 19, 88. 

60. MMW. 18, 1128. 

61. MK. 18, 1009. 

62. Schw. Corr. 19, 553. 

63. Schw. Corr. 19, 557. 

64. MK. 18, 1038. 

65. MK .18, 1040. 

66. DMW. 18, 1181. 

67. WMW. 18, 1969. 

68. WMW. 18, 1979. 

69. Schw. Corr. 19, 928. 

70. W. kl. W. 18, 1151. 

71. W. kl. W. 18, 1151. 

72. MK. 18, 1203. 

73. MK. 18, 1151. 

74. MK. 18, 1151. 

75. MK. 18, 1151. 

76. WMW. 18, 2119. 

77. WMW. 18, 2159. 

78. WMW. 18, 2159. 

79. MK. 18, 1082. 

80. MK. 18, 1092. 

81. DMW. 19, 11. 

82. B. kl. W. 18, 1041. 

83. Ber. ärztl. Vereins 
München 18, 73. 


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THE OHIO STATE UNIVERSITY 



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278 Kritische Untersuchung über Ätiologie der Influenza. 


84. W. kl. W. 18, 1203. 

85. B. kl. W. 19, 118. 

86. DMW. 19, 32. 

87. MMW. 18, 1280. 

88. MK. 18, 1220. 

89. W. kl. W. 18, 1221. 

90. DMW. 19, 141. 

91. DMW. 19, 141. 

92. MMW. 18, 1391. 

93. W. kl. W. 18, 1251. 

94. W. kl. W. 18, 1309. 

95. MK. 19, 177. 

96. WMW. 19, 394. 

97. WMW. 19, 50. 

98. WMW. 19, 55. 

99. MMW. 19, 251. 

100. MMW. 19, 252. 

101. MMW. 19, 252. 

102. W. kl. W. 18, 1274. 

103. B. kl. W. 19, 141. 

104. B. kl. W. 19, 141. 

105. WMW. 18, 2155. 

106. WMW. 18, 2155. 

107. WMW. 18, 2155. 

108. MMW. 18, 1373. 

109. B. kl. W. 18, 1171. 

110. W. kl. W. 19, 82. 

111. MK. 19, 226. 

112. MMW. 18, 1397 und 
1457. 

113. Schw. Corr. 19,1131. 

114. DMW. 19, 310. 

115. DMW. 18, 1416. 

116. DMW. 18, 1423. 

117. DMW. 18, 1419. 

118. MMW. 19, 140. 

119. Schw. Corr. 19, 1. 

120. B. kl. W. 19, 9. 


121. B. kl. W. 19, 11. 

122. DMW. 19, 390. 

123. DMW. 19, 139. 

124. DMW. 19, 89, 390. 

125. DMW. 19, 795. 

126. DMW. 19, 391. 

127. DMW. 19, 310. 

128. WMW. 19, 455. 

129. MMW. 19, 67. 

130. MMW. 19, 168. 

131. MK. 19, 70. 

132. DMW. 19, 446. 

133. DMW. 19, 446. 

134. DMW. 19, 446. 

135. DMW. 19, 446. 

136. DMW. 19, 447. 

137. DMW. 19, 448. 

138. DMW. 19, 11. 

139. MK. 19, 95. 

140. MK. 19, 119. 

141. MK. 19, 121. 

142. MK. 19, 108. 

143. Schw. Corr. 19,1225. 

149. MMW. 19, 886. 

150. Schw. Corr. 19, 65. 

151. MK. 19, 186. 

152. DMW. 19, 242. 

153. MMW. 19, 231. 

154. DMW. 19, 379. 

155. MK. 19, 236. 

156. MMW. 19, 291. 

157. MMW. 19, 461. 

158. DMW r . 19, 673. 

159. DMW. 19, 924. 

160. DMW. 19,1084,1108. 

161. DMW. 19, 653. 

162. B. kl. W. 19, 557. 

163. DMW. 19, 1120. 


164. MK. 19, 740. 

165. MMW. 19, 1458. 

166. MMW. 20, 1159. 

167. MK. 20, 127. 

168. WMW. 20, 375. 

169. W. kl. W. 20, 763. 

170. MK. 20, 255. 

171. DMW. 20, 899. 

172. MK. 20, 593. 

173. WMW. 20, 1098. 

174. W. kl. W. 20, 334. 

175. B. kl. W. 20, 677. 

176. DMW. 20, 655. 

177. DMW. 20, 795. 

178. DMW. 20, 975. 

179. MMW. 20, 1009. 

180. DMW. 20, 655. 

181. W. kl. W. 20, 901. 

182. MK. 20, 1126. 

183. DMW. 20, 1181. 

184. Grätz, Zeitschrift f. 
Hyg. 88, 434. 

185. Messerschmidt, 
Hundeshagen, Feer, 
Zeitschrift f. Hyg. 88, 
552. 

186. Prein, Zeitschr. f. 
Hyg., 90, 65. 

187. Prell, Zeitschr. f. 
Hyg. 90, 126. 

188. Olsen, Centr. für 
Bakt. 1. Orig., 84, 
497. 

189. Olsen, Centr. für 
Bakt. I. Orig., 85,12. 

190. Löwenhardt, Cen¬ 
tralblatt f. Bakt. 1. 
Orig. 85, 81. 


Gck 'gle 


Original fr am 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 




Über den Einfluß schlechter kohlensäurereicher Luft sowie 
von Lichtabschluß auf wachsende Tiere. 

Von 

Dr. med. Fritz Oropp, 

Stadtarzt in Delmenhorst. 

(Aus dem pharmakologischen Institut der Hambuigischen Universität, 
Krankenhaus St. Georg.) 

(Bei der Redaktion eingegangen am 16. Juni 1921.) 

Die Frage nach der Schädlichkeit der sogenannten »schlechten« Luft 
ist in früheren Jahren vielfach aufgeworfen und in verschiedener Richtung 
bearbeitet worden. Man hat zunächst auf die bekannte Tatsache hinge¬ 
wiesen, daß in geschlossenen, stark überfüllten Räumen (Theatern, Ver¬ 
sammlungssälen usw.) bei einzelnen Personen Unbehagen, Kopfweh, 
Schwindel und Brechneigung auftreten und hat diese Erscheinung auf den 
durch die vielen atmenden Menschen vermehrten C0 2 -Gehalt der Luft 
zurückgeführt. Als später das Irrtümliche dieser Meinung allgemein erkannt 
war, — der C0 2 -Gehalt wurde in der Folge nur noch als Maßstab für die 
sonstige Verschlechterung der Luft bestimmt — wurde von mancher Seite 
weiter daran festgehalten, daß die in überfüllten Räumen befindliche Luft 
infolge ihrer sonstigen chemischen Eigenschaften schädlichen, vergiftenden 
Einfluß ausübe. Man dachte dabei einmal an die sogenannten Riechstoffe, 
die von der Schweißsekretion, von schlechten kariösen Zähnen und den Aus¬ 
dünstungen aus den Kleidern herrühren und dann — dieser Standpunkt 
ist bis in die neueste Zeit besonders vor der Weic hardtsehen Schule 
vertreten — an direkt giftige Eigenschaften der menschlichen Ausatmungs¬ 
luft. Weichardt und seine Schüler glaubten in der Ausatmungsluft 
auch gesunder Leute mittels der Ninhydrinreaktion Eiweißstoffe nachge¬ 
wiesen zu haben, die, nach ihrer Kondensation anderen Personen einge¬ 
spritzt, auf diese leistungsherabsetzend, vergiftend wirken. Sie meinten 
auch, die Schädlichkeit dieser Gifte (Kenotoxine) durch ein von ihnen 
zusammengesetztes Gegengift (Antikenotoxin) aufheben zu können. 

Die Richtigkeit dieser Lehre und der sie begründenden Versuche wurde 
von der Flüggeschen Schule lebhaft bestritten. Flügge be¬ 
hauptet, daß nicht die chemischen sondern die physikalischen Eigenschaften 


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280 


Über den Einfluß schlechter kohlensäurereicher Luft usw. 


der Luft in stark überfüllten Räumen das Unbehagen hervorruft, daß die 
durch die Anwesenheit vieler Menschen entstehende Erhöhung der Tempe¬ 
ratur und der Feuchtigkeit der Luft das Schädliche sei. 

Diese Anschauung war schon vor Flügge von mehreren Forschern 
aufgestellt und ihre Richtigkeit durch Tierversuche experimentell bewiesen. 
F 1 ü g g e und seine Schüler haben durch Versuche an Menschen festge¬ 
stellt, daß es sich bei den genannten Schädigungen in überfüllten Räumen 
um eine Wärmestauung handelt. 

Wenn dem gegenüber auch immer wieder von der Weichardt- 
sehen Schule gesagt wurde, die Gegenseite habe ihre Versuchsresultate 
infolge mangelnder Technik nicht richtig nachprüfen können, so scheint 
doch die Mehrzahl der Autoren heutzutage auf dem Flüggeschen 
Standpunkte zu stehen und die Wärmestauung bei Menschen in überfüllten 
Räumen als das eigentlich Schädliche anzusehen. 

In den meisten Lehrbüchern der Hygiene ist allerdings die Frage noch 
offen gelassen, und, was vielleicht historisch zu erklären ist, der ältere Stand¬ 
punkt, die Betonung der chemischen Schädlichkeiten, speziell der Riech¬ 
stoffe, wird noch oft in den Vordergrund gerückt. 

Bisher handelte es sich um die Entscheidung darüber, worauf die be¬ 
kannten Symptome bei kurzdauerndem Aufenthalt in stark überfüllten 
Räumen zurückzuführen seien. Eine zweite Frage ist die, ob und inwiefern 
dauernder Aufenthalt in schlecht gelüfteten Räumen eine nachweisbare 
Schädigung für die betreffenden Menschen bedeutet. Diese Annahme ist 
ja sehr verbreitet, ist aber aus erklärlichen Gründen an Menschenversuchen 
bislang nicht bewiesen. 

Die alten von Hermann, Beu, Rauer und anderen ange- 
stellten Tierversuche, die aus einer ganz anderen Fragestellung heraus 
unternommen wurden, arbeiteten mit so hohen C0 2 -Werten — daran, daß 
die C0 2 -Zunahme in der Luft, sofern sie durch Atemtätigkeit erfolgt, unge¬ 
fähr parallel geht mit der sonstigen Verschlechterung der Luft, sei es durch 
chemische oder durch physikalische Einflüsse, kann man, wie schon betont, 
feöthalten — daß sie für die Entscheidung unserer Frage auch nicht einfach 
verwendet werden können. 

Diese Tierversuche wurden auch meist nicht sehr lange Zeit durchge¬ 
führt. Nur bei Billring, Weir-Mitchel und Bergey lesen 
wir, daß ihre in geschlossenen Glaskäfigen lebenden Kaninchen bei einem 
C0 2 -Gehalt von 4 bis 7% 42 Tage am Leben geblieben sind. 

Bei all diesen Versuchen wird aber immer nur angegeben, daß die Tiere 
»munter« waren oder daß sie »am Leben blieben«, eine genaue Beobachtung 
des Körperzustandes während der Versuchszeit hat nicht stattgefunden. 

Zur Klärung der oben gestellten Frage haben wir nun neue Tierver¬ 
suche angestellt, die wir längere Zeit durchzuführen uns bemühten und mit 
genauer Kontrolle des Körperzustandes verbanden. 

Da die Frage der etwaigen Gesundheitsschädigung durch schlechte 
Luft von ganz besonderem Interesse für die heran wachsende Jugend ist 
— der Säugling und das Kleinkind ist in der übervölkerten Proletarier¬ 
wohnung, das Schulkind in den oft überfüllten Klassen gezwungen, dauernd 
solche Luft einzuatmen und von vielen Seiten wird hiermit die Häufigkeit 


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Von Dr. med. Fritz Cropp. 


281 


der schlechten Allgemeinentwicklung, der Anaemie und der Rachitis in 
Zusammenhang gebracht — so haben wir zu unseren Versuchen junge 
wachsende Tiere genommen und den Einfluß schlechter Luft auf sie be¬ 
obachtet. 

Wir verwandten junge weiße Ratten, da uns größere Tiere unter den 
herrschenden Verhältnissen nicht zur Verfügung standen. 

Es könnte hier vielleicht eingewendet werden, daß Ratten infolge 
ihrer gewöhnlichen Lebensweise nicht geeignete Versuchstiere seien, wenn 
die Frage der Einwirkung schlechter Luft entschieden werden sollte. Dem¬ 
gegenüber sei aber darauf aufmerksam gemacht, daß bekanntermaßen 
(auch wir haben das in Versuchen bestätigt gefunden) Ratten gegenüber 
mangelnder Luftzufuhr genau so empfindlich sind, wie andere Tiere oder 
Menschen. In einem nicht gelüfteten Glaskasten zeigen Ratten bei steigen¬ 
dem C0 2 -Gehalt genau dieselben Erscheinungen wie andere Tiere. Sie 
sterben bei einem C0 2 -Gehalt, der in unseren Versuchen zwischen 13,8% 
und 15,6% schwankte, also durchaus den bei Menschen angenommenen 
Werten entspricht. 

Über die Versuchsanordnung und die Resultate der Beobachtung ist 
im einzelnen folgendes zu sagen: 

Versuch 1. 

Beginn: 1'».VI.19, Ende 8. VIII. 19. 

5 Hatten von demselben Wurf, Tiere 5 Wochen all (auf das Geschlecht wurde 
nicht geachtet). 

3 Tiere wurden zur Kontrolle in einem gewöhnlichen kleinen Drahtkäfig 
gehalten, 2 Tiere in den Versuchskasten, einen Glas-Exsikkator von 101 Inhalt 
gesperrt. Eine Zeichnung gibt am anschaulichsten die Versuchsanordnung 
wieder. 



Die Versuchstiere halten sich am Boden des Gefäßes, das unten mit Holz¬ 
wolle gefüllt ist, auf. Mittels Wasserstrahlpumpe wird durch ein Glasrohr, das 
tief in den Exsikkator hinabreicht, die Luft, die die Tiere atmen, abgesogen, 
in entsprechender Menge tritt durch ein zweites weniger langes Rohr oben in 
den Exsikkator frische Luft ein. An dem zur Wasserstrahlpumpe führenden 
Rohr bzw. Schlauch ist ein T-Rohr angebracht, aus dem nach Schließung der 
Luftabsaugung und Zufuhr zu Beginn des Versuchs zweimal täglich, später in 
größeren Abständen, Luft zur Untersuchung auf C0 2 -Gehalt entnommen wird. 
Die Luftuntersuchungen werden teils nach der Zuntz-Geppertschen, teils nach 
der Haidaneschen Methode vorgenommen. 

Die Wasserstrahlpumpe wurde so eingestellt, daß nach dem Zeiger der zur 
Kontrolle verschiedentlich eingeschalteten Gasuhr in einer Minute im Durch- 


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282 


Uber den Einfluß schlechter kohlensäurereicher Luft usw. 


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schnitt 7 /io 1 Zimmerluft in den Exsikkator eingesogen wird, das bedeutet in der 
Stunde 42 1. In dem 10 1 großen Exsikkator findet also in der Stunde ein vier¬ 
maliger Luftwechsel statt. Bei dieser Durchlüftung schwankt der C0 2 -Gehalt 
der Luft im Versuchskasten nach Ausweis der im Laufe der ganzen Versuchszeit 
67 mal angestellten Luftuntersuchungen zwischen 0,40 und 1,52% in der Haupt¬ 
sache aber zwischen 0,5 und 1%. Die gelegentlichen Schwankungen unter und 
über diese letzten Zahlen sind auf den nicht immer ganz gleichen Wasserdruck 
zurückzuführen. Ungefähr entsprechend diesem relativ stark erhöhten C0 2 - 
Gehalt — nach Pettenkofer ist eine Luft ja dann ungeeignet zur Atmung, 
wenn ihr C0 2 -Gehalt l°/ 00 übersteigt — ist die Luft im Exsikkator auch sonst 
als verdorben anzusehen. Bei jedem öffnen des Exsikkators verbreitete sich auch 
ein durchdringender Geruch. Die Versuchstiere lebten also ständig in schlechter 
Luft im Gegensätze zu den Kontrolltieren, die die gewöhnliche Zimmerluft at¬ 
meten. 

Die Luft im Exsikkator war, wie sich an den beschlagenen Wänden zeigte, 
stets feuchter als die Zimmerluft. Daran änderte sich auch nichts, als wir ver¬ 
suchten, die in ihn eintretende Zimmerluft durch Chlorkalziumröhrchen zu trock¬ 
nen (der genaue Feuchtigkeitsgehalt wurde zunächst nicht bestimmt). Die am 
Boden befindliche Holzwolle war dementsprechend auch meist feucht. Die Tem¬ 
peraturdifferenz zwischen Zimmer- und Exsikkatorluft wurde nur in den letzten 
2 Versuchswochen beobachtet. Bei einer Zimmerwärme von durchschnittlich 
18,5° war die Temperatur im Exsikkator durchschnittlich 20,3°. 

ln diesen Versuchen wurde festgestellt die Nahrungsaufnahme der Ver¬ 
suchs- und Kon troll tiere und ihre körperliche Entwicklung, konstatiert an ihrer 
Gewichtszunahme. Ursprünglich war auch beabsichtigt, das Längenwachstum 
zu messen und zu vergleichen. Nach diesen Messungen (von Nasenspitze bis 
Schwanzwurzel vorgenommen) entsprach das Längenwachstum dem Gewichts¬ 
wachstum. Da die Messungen infolge der immer etwas verschieden kräftig durch¬ 
geführten Streckung der Tiere auf dem Meßbrette außerdem doch keine ganz zu¬ 
verlässigen Werte ergaben, wurden sie später aufgegeben, ebenso wie die Be¬ 
obachtung der Ausbildung des Brustkorbes, bei der kein meßbarer Unterschied 
zwischen Versuchs- und Kontrolltieren gefunden wurde. 

Die Nahrungsaufnahme (gewöhnlicher Küchenabfall, meist Gemüse und 
Kartoffeln, zuweilen versetzt mit Trockenfutter, an einzelnen Tagen Fleisch¬ 
reste, Reis usw.) wurde so gemessen, daß den Versuchs- und Kontrolltieren un¬ 
gefähr gleiche, abgewogene, überreichliche Mengen in Glasgefäßen täglich ge¬ 
reicht wurden. Der immer übrig bleibende Rest wurde am nächsten Tage gewogen. 
Diese Bestimmung war natürlich nicht ganz genau, da kleine Mengen leicht von 
den Tieren in die Holzwolle verschleppt wurden ; nach Möglichkeit wurden auch 
sie immer mitgewogen. Im Laufe der langen Versuchszeit gleichen sich diese 
Bestimmungsfehler wohl aus. 

Es fraßen die Tiere im Exsikkator durchschnittlich etwas mehr als die Kon- 
trolltiere, die Versuchstiere im ganzen 5336 g, die Kontrolliere, auf die gleiche 
Anzahl berechnet, 4844 g. Eine Abhängigkeit der Nahrungsaufnahme von dem 
jeweiligen C0 2 -Gehalt und der Temperatur ließ sich nicht nachweisen. Die Ge¬ 
wichtszunahme bei den Ratten ist aus der folgenden Tabelle 1 zu ersehen. 

Die Tiere waren gezeichnet und wurden in der Regel alle 5 Tage gewogen. 
Während des ganzen Versuches waren die Tiere im Exsikkator und im Kontroll- 
käfig äußerlich gleich munter. 


Versuch II. 

Beginn 11. VII. 19, Ende 9. VIII. 19. 

6 Ratten desselben Wurfs, 5 Wochen alt (auf Geschlecht auch diesmal nicht 
geachtet). 

Die Versuchsanordnung war genau so wie bei Versuch I, der Exsikkator 
11250 ccm groß. Der CO r Gehalt war durchschnittlich etwas niedriger als in 
Versuch I, schwankte aber auch zwischen V 2 und 1%. Die Feuchtigkeit im Exsik¬ 
kator war wieder größer als im Kontrollkäfig, hie Temperatur im ersteren durch¬ 
schnittlich 22,5°, im letzteren 21,4°. Die Versuchstiere fraßen im ganzen 3648 g, 


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Von Dr. med. Fritz Cropp. 283 


Tabelle I. 


Datum 

G 

der Versuchstiere 

e w i c h t 

der Kontrolltiere 

14. VI. 

42,5 

55,5 

38,9 

46,8 

50,0 

19. VI. 

47,5 

61,0 

49,5 

1 57,0 

58,5 

24. VI. 

51,0 

66,0 

58,0 

70,5 

72,0 

28. VI. 

62,0 

78,5 

68,5 

81,5 

82.5 

2. VII. 

63,5 

86 5 

76,5 

90,5 

93,5 

7. VII. 

69.5 

92,5 

96,0 

108,0 

106,0 

11. VII. 

74,5 

97,5 

101,0 

113,5 

114,5 

15. VII. 

87,5 

113,5 

111,0 

123,5 

127,5 

19. VII. 

94,5 

114,5 

118,5 

126,5 

134,5 

23. VII. 

91,0 

116,0 

115,5 

122,0 

128,5 

28. VII. 

98,0 

120,5 

121,0 

131.0 

138.0 

1. VIII. 

116,0 

133,0 

127,0 

136,0 

146,0 

5. VIII. 

126,0 

137,0 

134,5 

141,0 

150,5 

8. VIII. 

128,0 

135,0 

139,5 

147,0 

156,0 


Tabelle II. 


Datum 

Gew 

der Versuchstiere 

_?_1_?_ 1 _ i _1 

i p h l 

| der Kontrolltiere 

i e | s | g 

11. VII. 

42,5 

1 46,0 

49.5 

41,5 

48,5 

60.5 

16. VII. 

50,5 

52,5 

51,5 

44,5 

66,5 

57,0 

19. VII. 

52,5 

52,0 

525 

48,5 

63,0 

60,5 

23. VII. 

56,5 

54,5 

57,5 

52,5 

62,5 

62,5 

28. VII. 

61,0 

58,5 

63,0 

66,0 

76,5 

81,0 

2. VIII. 

70,0 

67,0 

73,5 

79,0 

89,5 

90,5 

6. VIII. 

73,5 

70,5 

77,0 

87,0 

98,0 

99,5 

9. VIII. 

77,5 

75,0 

78,0 

99,5 

105,5 | 

105,5 


die Kontrolltiere 4187 g. Versuchs- und Kontrolltiere waren ständig munter, 
die Gewichtszunahme erfolgte, wie aus Tabelle 2 ersichtlich ist. 


Versuch III. 

Beginn 24. XI. 19, Ende 8. XII. 19. 

6 Männchen vom selben Wurf, 3 \' 2 Wochen alt. 

In der Versuchsanordnung wurde von jetzt ab folgende Änderung vorgenom¬ 
men. Als Versuchskäfig wird ein sehr hoher Exsikkator (Größe 10750 ccm) 
genommen. Luftabsaugung und Luftzufuhr erfolgt mittels Wasserstrahlpumpe 
durch Röhren, die beide oben im Exsikkator münden. Die für die Luftunter¬ 
suchungen notwendigen Luftentnahmen erfolgen durch einen seitlichen Tubus. 
Durch den oberen Tubus geht ein Thermometer in den Exsikkator hinab. An 
den Glasröhren befestigt hängt ein kleines Hygrometer, das auf ein im Zimmer auf¬ 
gestelltes Haarhygrometer abgeeicht ist. Um die Versuchstiere möglichst trocken 
zu halten, wird auf den Fuß des Exsikkators ein ganz feines Drahtnetz gelegt. 
Auf dieses kommt eine dünne Schicht Torfstreu. Der Feuchtigkeitsgehalt der 
Luft im Exsikkator schwankte zwischen 60 und 72%, der der Zimmerluft war 
durchschnittlich 50%. Um die Exsikkatorluft möglichst zu trocknen, stellten wir 
zeitweise eine Schale mit H 2 S0 4 in den Fuß des Exsikkators und schalteten 
außerdem noch in die luftzuführende Röhre einen Turm ein, der mit 1L,S0 4 
durch tränkten Chamottestückchen gefüllt war. Beides hatte nicht den erhofften 
Erfolg und wurde daher wieder bald aufgegeben. Seit der neuen Versuchs¬ 
anordnung war übrigens das Lager der Tiere ständig trocken und rein. Die Kon¬ 
trolltiere wurden von jetzt ab der völligen Gleichmäßigkeit halber ebenfalls 


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284 


Über den Einfluß schlechter kohlensäurereicher Luft usw. 


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in einem oben weit offnen Glasexsikkatör gehalten, in dessen Fuß auch ein Draht¬ 
netz mit Torfstreu angebracht war. Da diese Kontrolltiere, wie gesagt, in einer 
relativ trockneren Luft als die Versuchstiere lebten (50% bzw. 60—72%) fügten 
wir eine weitere Reihe von Kontrollversuchen ein, indem wir in dem unteren 
Teil eines dritten Exsikkators dadurch künstlich einen höheren Feuchtigkeits¬ 
gehalt hervorriefen, daß der Exsikkatorfuß ständig mit Wasser gefüllt und das 
Glasgefäß selbst oben zum Teil mit einem feuchten Kissen bedeckt war. Feuch¬ 
tigkeitsgehalt, im Versuchsexsikkator und in diesem Kontrollgefäß waren jetzt 
durchschnittlich gleich. 

Die Luft im Versuchsgefäß war dagegen durchschnittlich 0,5—1° wärmer 
als in den Kontrollgefäßen, wo sie durchschnittlich 14—16° war. Der Cf> 2 -Ge¬ 
halt im Versuchsexsikkator schwankte zwischen 0,46% und 0,70%. Gefressen 
haben die Tiere fast alle gleich: Versuchstiere 1596 g, Kontrolltiere in Trockenluft 
1591 g und in feuchter Luft 1605 g. 

über die Gewichtszunahme vgl. Tabelle 3. 


Tabelle III. 


Datum 


der Versuchstiere 


Gewicht 

der Kontrolltiere 
in trockener Luft I 


in feuchter Luft 


g 


g 


g 


24. XI. 
1. XII. 
8. XII. 


27.5 
32,0 

42.5 


28.5 

34.5 
43,0 


22 

27 

40 


f? 


25 

33 

49 


u 


g 


26 

32 

47 


28 

44 

53 


g 


29 

40 

52 


Das Befinden der Versuchs- und Kontrolltiere war bis zum 8. XII. 19 völlig 
gut. Am 9. XII. mußte der Versuch vorzeitig abgebrochen werden, da nach 
Platzen des Guminischlauches der Wasserstrahlpumpe die Versuchstiere erstick! 
waren. 


Versuch IV. 

Beginn 3. II. 20, Ende 31. III. 20. 

6 Ratten desselben Wurfs, 4^ Wochen alt. 

Versuchsanordnung dieselbe wie in Versuch III. 2 Versuchs- und 2 Kontroll¬ 
tiere in feuchter Luft, Männchen, 2 Kontrolltiere in trockener Luft, Weibchen. 

Der Feuchtigkeitsgehalt im Versuchs- und im künstlich feucht gehaltenen 
Kontrollexsikkator ist durchschnittlich der gleiche, etwa 60%,, der der Ziminerluft 
durchschnittlich 50% (in der 2. Hälfte des Versuchs geben die Hygrometer keine 
zuverlässigen Werte mehr). Die Temperatur ist im Versuchskäfig durchschnitt¬ 
lich 0,5° höher als in den Kontrollkäfigen, wo sie zwischen 13° und 16° schwankt. 

Es fraßen Versuchstiere 4594 g, Kontrolltiere in feuchter Luft 4366 g, in 
trockener Luft 4251 g. über die Gewichtszunahme vergleiche Tabelle IV. 

Am Schlüsse dieses Versuchs wurden die Versuchs- und Kontrolltiere, die 
alle stets munter gewesen waren, auf Haemoglobin und Erythrozytenzahl unter¬ 
sucht. Die Werte sind auf der Tabelle verzeichnet. Blutentnahme durch Herz¬ 
punktion, Hg Bestimmung nach Authenrieth, Ery-Zählung in Bürkerscher 
Kammer. 

Die Versuchs- und die Kontrolltiere in der feuchten Kammer wurden darauf 
getötet. Ihr Volumen, gemessen an Wasserverdrängung, war so gut wie gleich. 
Makroskopisch war an den Organen kein krankhafter Befund zu erheben. 

Versuch V. 

Versuchsanordnung dieselbe. 4 Männchen vom selben Wurf, knapp 4 Wochen 
alt. 

Beginn 1.VI.20, Ende 31. VII. 20. 

Da diesmal nur vier Tiere zur Verfügung standen, wurde von Aufstellung 
eines künstlich feucht gehaltenen Kontrollexsikkators Abstand genommen. 


Gck igle 


Original ffom 

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Von Dr. med. Fritz Cropp 

Tabelle IV, 


285 


Datum 

der Versuchstiere 

g g 

Gew 

in I rocke 

g 

i c h t 

der Koni 
ner Luft 

iz 

.rolltiere 

in feuchter Luft 

g g 

3. II. 

45,0 

47,0 

39 

42 

40 

40 

7. II. 

54,0 

50,0 

40 

52 

50 

50 

11. II. 

60,0 

57,0 

46 

61 

60 

60.5 

16. 11. 

68,5 

65,0 

50 

72 

70 

77 

20. II. 

80,0 

72,0 

56 

80 

81 

80 

24. 11. 

86,0 

75,0 

60 

90 

85 

90 

28. II. 

92,0 

77,5 

52 

93 

87 

90 

4. III. 

107,0 

95,0 

62 

106 

109 

107 

8. III. 

120,0 

107,0 

60 

112 

120 

120 

12. III. 

130,0 

116,0 

70 

115 

130 

130 

16 III. 

140,0 

125,0 

70 

117 

132 

132 

20. III. 

152,0 

134,0 

75 

120 

144 

145 

24. III. 

160,0 

140,0 

79 

120 

152 

164 

27. III. 

154,0 

134,0 

74 

120 

149 

150 

31. III. 

169,0 

155,0 

79 

125 

160 

160 





in trocke 

ner Luft 



Hg = 

‘ 72% 

Hg = 78,5% 

Hg — 77% 



Ery = 9,42 Mi 11. 

Ery = 10,96 Mill. 

Ery — 8,76 Mill. 





in feuchter Luft 



Hg = 

71% 

Hg = 84,26% 

Hg = 81,0% 


Ery = 10,32 Mill. 

Ery = 9,06 Mill. 

Ery = 11,86 Mill. 


Tabelle V. 



r 

Gew 

i c h t 


Datum 

I der Versuchstiere 1 

1 der Kontrolltiere 


g 

g 

g 

g 

1. VI. 

32 

40 

27 

35 

4. VI. 

39 

57 

32 

55 

7. VI. 

34 

72 

34 

64 

11. VI. 

54 

87 

37 

79 

16. VI. 

64 

98 

43 

86 

20. VI. 

69 

101 

46 

88 

24 VI. 

70 

115 

47 

105 

28. VI. 

80 

127 

57 

135 

2. VII. 

81 

131 

60 

137 

6. VII. 

87 

140 

65 

140 

10. VII. 

98 

147 

75 

147 

14. VII. 

106 

157 

83 

155 

19. VII. 

112 

159 

87 

155 

23 VII. 

116 

164 

95 

167 

27. VII. 

127 

170 

110 

172 

31. VII. 

135 

174 

112 

176 


Hg = 85,5% 

Hg = 74% 

Hg = 75,5% 

Hg = 71% 


Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft im Versuchs- und Kontrollkäfig wurde aus äuße¬ 
ren Gründen nicht mehr bestimmt. An einzelnen Tagen war der Versuchs¬ 
exsikkator von innen beschlagen. Auch die Futtermenge wurde nicht mehr täg¬ 
lich gewogen. Den Tieren wurde jedesmal so viel Futter gegeben, daß sie es bis 


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286 Uber den Einfluß schlechter kohlensäurereicher Luft usw. 

zum nächsten Tage nicht auffraßen. Die Temperatur betrug durchschnittlich 
im Kontrollkasten 20,1° und im Versuchsexsikkator 19,3°. Der C0 2 -Gehalt 
im Versuchsexsikkator stieg im Laufe der 8 Wochen von 0 t 32 % auf 1,26 %. 
Erythrozyten nicht gezählt. Gewicht- und Hg-Werte siehe Tabelle V. 

Aus den mitgeteilten Versuchen geht hervor, daß kohlen¬ 
säurereiche und dementsprechend auch sonst schlechte Luft 
auf die Entwicklung normaler wachsender Ratten, beurteilt 
nach Allgemeinzustand, Längen- und Gewichtswachstum, 
Hämoglobin- und Erythrocytenzahl und makroskopischen 
Befund der Organe, auch bei verhältnismäßig langer Einwir¬ 
kung keinen nachweisbaren Einfluß ausgeübt haben. Ent¬ 
sprechend der Gewichtszunahme ist auch die Nahrungs¬ 
aufnahme augenscheinlich nicht durch den Aufenthalt in 
schlechter Luft beeinflußt worden. Bei dem Vergleich der 
Entwicklung in sonst gleich einwandsfreier, trockener und 
feuchter Luft ergibt sich kein Unterschied zu Gunsten der 
ersteren. 

Wenn man nach den Gewichtskurven der beiden ersten Versuche 
geneigt war, einen solch schädigenden Einfluß schlechter Luft anzunehmen, 
so muß man sich nach dem Resultate der 3 letzten Versuche, in denen ja 
auch einzelne Kontrolliere, speziell die Weibchen in Versuch 4, in ihrer 
Entwicklung zurückblieben, sagen, daß die Minderentwicklung der Ver¬ 
suchstiere in den beiden ersten Fällen wohl nur ein zufälliger Befund war. 
Wir wissen ja, daß männliche wachsende Tiere ihre weiblichen Geschwister 
an Gewichtszunahme unter gleichen Lebensbedingungen oft erheblich 
übertreffen. Da in den ersten Versuchen auf das Geschlecht der Tiere nicht 
geachtet wurde, so muß man immerhin mit der Möglichkeit rechnen, daß 
hier die sich schlechter entwickelnden Versuchstiere Weibchen waren. 
Jedenfalls tritt in unseren Versuchen kein gesetzmäßiger Vorgang zu Tage. 

Ob man nun diese Erfahrungen einfach auf menschliche Verhältnisse 
übertragen kann, ist eine andere Frage. Wenn es auch sicher ist, daß 
schlechte Luft, speziell ekelerregende Riechstoffe manchem Menschen für 
eine Zeitlang den Appetit nehmen können, und ihn auch sonst in seinem 
Wohlbefinden stören, so dürfen wir doch wohl annehmen, daß gesunde 
Menschen nach längerem Aufenthalt in schlechter Luft sich an diese ge¬ 
wöhnen und dann durch sie keinen Schaden mehr erleiden unter der Voraus¬ 
setzung, daß die Temperatur und der Feuchtigkeitsgehalt nicht zu hoch 
sind. Die Erfahrungen im Kriege mit dem Leben im Unterstände sprechen 
in derselben Richtung. 

Was im Besonderen Kinder angeht, so muß man nach dem Ausfall 
unserer Versuche es zum mindesten als unbewiesen ansehen, daß die bei 
ihnen so häufig gefundene Minderentwicklung, Anämie und Rachitis auf 
den Aufenthalt in schlechter Luft zurückzuführen sind. Dieses Urteil, das 
sich ja auf bis dahin gesunde Menschen bezieht, widerspricht unserer Mei¬ 
nung nach durchaus nicht der Tatsache, daß bei bestehender Anämie, 
Rachitis oder allgemeiner Unterentwicklung, möge sie nun hervorgerufen 
sein durch konstitutionelle oder irgend welche äußeren Momente frische 
Luft als ein mächtiger Anreiz zur Besserung wirken kann und als solche 
therapeutisch ausgenutzt werden soll. 


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Von Dr. med. Fritz Cropp. 


287 


Wir haben unsere Tiere in schlechter Luft bei normaler Nahrung auf¬ 
wachsen lassen. Es hat ihnen in ihrer Entwicklung nichts geschadet. In 
letzter Zeit haben nun besonders englische und amerikanische Forscher 
(Mendel und Osborne, Steenboek und andere) an Tierver¬ 
suchen festgestellt, daß vitaminarme Ernährung erhebliche Störungen in 
der Allgemeinentwicklung und speziell in Knochenwachstum zur Folge 
haben. Es besteht nun noch die Möglichkeit, daß die Kombination von 
vitaminarmer Ernährung und schlechter Luft diese krankhaften Erschei¬ 
nungen beschleunigen und verstärken, dem entsprächen auch die Verhält¬ 
nisse im Leben des Proletarierkindes, bei dem oft unzureichende Ernährung 
und Aufwachsen in schlechter Luft vorliegen. Aufklärung hierüber be¬ 
kämen wir, wenn wir unsere Versuche bei vitaminarmem Futter wiederholen 
würden, je nachdem, ob sich dann in der Zeit des Eintretens der erwähnten 
krankhaften Befunde in guter und in schlechter Luft ein erheblicher Unter¬ 
schied zeigen würde. 

Solche Untersuchungen sind für später im Hamburger pharmakolo¬ 
gischen Institut in Aussicht genommen. 

* * * 

Im Anschlüsse an diese Untersuchungen haben wir Versuche angestellt 
über den Einfluß des Lichtabschlusses auf wachsende Tiere. 

Bekannt sind ja die Untersuchungen ö r u m s, der auch über die 
bis dahin gefundene. Versuchsresultate anderer Autoren berichtet, ö r u m, 
der unter anderem auch wachsende Tiere monatelang im Dunkeln ließ und 
sie dabei regelmäßig auf ihren Blutbefund kontrollierte, fand in der ersten 
Zeit relative Zunahme des Hg und der Ery, nach 3 bis 6 Wochen Fallen des 
Hg-Gehaltes bei unveränderter Eryzahl und noch später Wiedervermeh¬ 
rung von Hg und Ery. Er glaubt, diesen Befund, der nach ihm bei ausge¬ 
wachsenen Tieren noch auffallender in Erscheinung tritt, auf eine Ver¬ 
minderung der Gesamtblutmenge und des Gesamt-Hg bei längerem Leben 
in der Dunkelheit zurückführen zu müssen. 

Da Ör ums Resultate von denen der von ihm angeführten anderen 
Autoren zum Teil stark abweichen, untersuchten später Grober und 
S e m p e 1 das Blut von Pferden, die jahrelang in Zechen unter Tage gelebt 
hatten. Sie fanden bei ihnen bei gutem Allgemeinzustande keine Ver¬ 
minderung der Ery, eher eine gewisse Zunahme, dagegen eine mäßige Ver¬ 
minderung des Hg-Gehaltes. 

Auch über die Frage des Stoffwechsels, der Futteraufnahme herrscht 
bislang keine Einigkeit. Bei einzelnen der von ö r u m zitierten Forschern 
lesen wir, daß ihre im Dunkeln lebenden Versuchstiere fetter als die Kon¬ 
trolliere im Tageslicht waren, bei anderen hören wir das Gegenteil. In der 
Praxis sucht man ja Lichtabschluß öfters zu Mastzwecken zu benutzen. 

Bei diesen wechselnden Versuchsresültaten haben wir es für zweck¬ 
mäßig gehalten, an neuen Versuchen festzustellen, welchen Einfluß längerer 
Aufenthalt in der Dunkelheit auf wachsende Tiere ausübt. Uns interessierte 
hierbei nicht nur der Blutbefund, sondern auch besonders die Frage der 
Allgemeinentwicklung und evtl, krankhafter Erscheinungen bei Licht¬ 
abschluß. 

Archiv für Hygiene. Bd. 90. 19 


□ igitized 



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288 Über den Einfluß schlechter kohlensäurereicher Luft usw. 

Wir haben aus äußeren Gründen auch zu diesen Versuchen junge weiße 
Ratten genommen, wobei wir betonen möchten, daß weiße Ratten im 
Gegensätze zu den gewöhnlichen Hausratten seit Generationen gewohnt 
sind, im Tageslichte zu leben. 

Kon troll- und Versuchstiere lebten in gleich großen Käfigen in zwei 
fast gleich großen Zimmern mit gleichem Feuchtigkeitsgehalt der Luft, von 
denen eines dem Tageslichte freien Zutritt gewährte, während das andere 
völlig dunkel war. Im Dunkelzimmer war die Temperatur durchschnitt¬ 
lich 1° wärmer als im Hellzimmer. 


Versuch 1. 

Beginn 17. VI. 19, Ende 15. IX. 19. 

4 Tiere desselben Wurfs, 5 Wochen alt, auf das Geschlecht wurde nicht 
geachtet, unter den Helltieren augenscheinlich ein Männchen und ein Weibchen. 

Über die Gewichtszunahme und den Blutbefund am Schlüsse des Ver¬ 
suchs vergleiche 


Tabelle VI. 


Datum 

Gew 

der Versuchstiere im Dunkeln 

g 1 g 

i c h t 

der Kontrolliere 

_5 _ i ___ i _ 

17. VI. 

29,3 

34,1 

32,0 

34,3 

20. VI. 

32,3 

35,5 

35,3 

39,5 

24. VI. 

32,5 

36,0 

39,5 

40,5 

28. VI. 

39,5 

43,5 

51,6 

51,0 

2. VII. 

39,5 

46,0 

54,5 

55,5 

7. V1J. 

48,5 

57,0 

68,0 

65.0 

11. VII. 

53,0 

59,0 

71,5 

68,5 

15. VII. 

6L5 

64,5 

77,5 

77,5 

19. VII. 

61,6 

68,6 

87,0 

86,5 

23. VII. 

61,5 

69,6 

84,5 

83,0 

28. VII. 

67,0 

76,0 

94,5 

94,0 

2. VIII. 

72,5 

79,0 

102,5 

101,6 

6. VIII. 

70,0 

80,0 

108,6 

107,5 

9. VIII. 

77,0 

85,0 

118,0 

120,0 

13. VIII. 

80,0 

89,0 

120,0 

138,0* 

18. VIII. 

81,0 

91,5 

115,0 

119,5 

22. VIII. 

88,0 

99,0 

127,6 

128,0 

27. VIII. 

94,0 

102,0 

131,5 

121,0 

l.IX. 

95,0 

106,5 

138,0 

120,0 

5. IX. 

93,0 

104,0 

136,0 

109,5 

10. IX. 

104,0 

115,0 

139,0 

112,0 

15. IX. 

106,0 

116,0 

140,0 

105,0 



Hg = 81% 

Hg = 74% ■ 

Hg = 46% 

* 6 Junge geworfen. 

Ery = 8,15 Mill. 

Ery = 8,00 Mill. 

Ery = 7,76 Mill. 


Aus äußeren Gründen ist nur bei einem der Versuchstiere das Blut unter¬ 
sucht. 

Am 13. VIII. wirft das bis dahin schwerere Helltier 6 Junge, seitdem Ge¬ 
wichtsabnahme. 

Gefressen haben während der Versuchsgeit die Dunkeltiere 5765 g, die Hell¬ 
tiere 6987 g. Alle Tiere stets munter. 


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289 


Versuch II. 

Beginn 19. VII. 19, Ende 15. IX. 19. 

4 Tiere desselben Wurfs, gut 4 Wochen alt. Am 5. IX. wirft eines der Hell¬ 
tiere 5 Junge. Gewichtszunahme und Blutbefund gibt 

Tabelle VIL 


Datum 

Gew 

der Versuchstiere 1 

R | 8 | 

i c h t 

der Kon trollt iere 

« 8 

19. VII. 

38,5 

40,5 

37,5 

40,6 

23. VII. 

41,5 

43,5 

38,0 

42,0 

28. VIl. 

51,0 

51,5 

47,5 

52,5 

2. VIII. 

61,5 

61,0 

54,0 

63,0 

6. VIII. 

65,5 

65,0 

57,5 

66,0 

9. VIII. 

71,5 

74,6 

66,0 

76,0 

13. VIII. 

74,0 

78,0 

68,0 

81,0 

18. VIII. 

76,0 

82,0 

71,0 

83,0 

22. VIII. 

85,5 

91,0 

82,0 

101,0 

27. VIII. 

92,0 

102,0 

94,0 

114,0 

1. IX. 

101,0 

109,5 

114,0 | 

142,0 

5. IX. 

102,5 

109,0 

105,0 

147,0 

10. IX. 

113,0 

121,0 

109,0 

115,0 

15. IX. 

120,0 

130,0 

101,0 

125,0 


Hg = 72,50/o 

Hg = 81 % 

Hg = 81%. 

Hg = 81% 


Ery = 9,00 Mill. 

Ery = 8,00 Mill. 

Ery = 9,84 Mill. 

Ery = 8,80 Mill. 


Es fraßen die Dunkeltiere 4700 g, die Helltiere 5668 g. Alle Tiere stets munter. 


Versuch III. 

6 Tiere desselben Wurfs, 5 Wochen alt. 

Beginn 23. IX. 19, Ende 10. XI. 19. 

Gewichtszunahme und Blutbefund sind zu ersehen aus 


Tabelle VI1L 


Datum 

Gewicht der Versuchstiere * | 

Gewicht der Kontrolltiere 

23. IX. 

29 g 

32 g 

33 g 

25 g 

29 g 

33 g 

29. IX. 

42 * 

47 » 

45 » 

42 » 

49 > 

50 * 

6. X. 

48 » 

54 » 

53 » 

50 » 

55 » 

55 » 

13. X. 

54 d 

59 » 

60 * 

57 » 

61 » 

65 d 

20. X. 

60 » 

65 > 

69 » 

63 » 

70 » 

75 » 

27. X. 

1 67 » 

67 » 

75 » 

68 » 

75 » 

82 » 

3. XI. 

74 > 

74 

79 » 

74 » 

84 » 

89 » 

10. XI. 

77 » 

78 t> 

84 » 

77 » 

86 » 

92 * 


Hg = 68% 

Hg = 49% 

Hg = 65% 

Hg = 71°/o Hg = 

66,75°/« 


Ery = 9,02 Mill. Ery = 8,24 Mill. 
Ery = 8,36 Mill. 

Hg = 62,5 # /o Ery = 
Ery = 9,89 Mill. Ery = 

8,28 Mill, 

= 8,28 Mill. 


Die Dunkeltiere fraßen 8968 g, Helltiere 8891 g. Alle Tiere stets munter. 
Sektion der Dunkeltiere am Schlüsse ergibt keinen krankhaften Befund 
an Organen. 


Nach diesen Versuchen hat auch längerer Aufenthalt in 
der Dunkelheit auf wachsende Tiere keinen Einfluß ausge¬ 
übt. Die Entwicklung, nach dem Gewichtswachstum beur- 

19* 


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290 Uber den Einfluß schlechter kohlensäurereicher Luft usw. 


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teilt, ist bei den im Hellen und im Dunkeln aufwachsenden 
Tiere in gleicher Weise erfolgt. Bei den Dunkeltieren sind 
keine krankhaften Änderungen an den Organen gefunden und 
auch die am Ende der Versuchszeit vorgenommenen Blutunter¬ 
suchungen haben keinen gleichmäßigen Unterschied bei Ver¬ 
suchs- und Kontrollieren ergeben. 

Der Umstand, daß auch in dieser Versuchsreihe die Kontrolliere des 
ersten Versuchs eine steilere Gewichtskurve aufweisen, ist wohl wieder 
einem Zufall zu verdanken und weist bei dem gegenteiligen Resultate der 
beiden nächsten Versuche erneut darauf hin, wie vorsichtig man bei der 
Beurteilung einzelner Tierversuche sein muß. 

Wenn man glaubt, die Versuchsresultate auf menschliche Verhält¬ 
nisse anwenden zu dürfen, so würde sich aus ihnen ergeben, daß auch Licht¬ 
mangel auf die Allgemeinentwicklung und die Erytropoese des wachsenden 
Organismus nicht nachteilig wirkt. 


Literatur. 

Alte Literatur, siehe Formanek: Archiv für Hygiene, Bd. 38. 

Bi 11 ring, Weir-Mitchel und Bergey, zitiert nach hygienischer Rundschau 
1897. 

Flügge, Zeitschrift für Hygiene, Bd. 49. 

Konrich, Korff-Petersen, Lange, Zeitschrift für Hygiene, Bd. 78. 

Weichard und Wiemer, Berliner Klinische Wochenschrift, 1916, Heft 49. 

Rothfeld, Zwanglose Abhandlungen aus den Grenzgebieten der Pädagogik 
und Medizin, 1916, Heft 6. 

Winslow, Kimball, Lee, Miller, Phelps, Thorndike, Palmer, zitiert nach 
hygienischer Rundschau, 1918. 

örum, Pflügers Archiv, Bd. 114. 

Albitzky, Pflügers Archiv, Bd. 145. 

Grober und Sempel, Deutsches Archiv für klinische Medizin, Bd. 129, Heft 5 
und 6. 


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Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum mit 
chemischen Desinfektionsmitteln. 1 ) 

I. Mitteilung. 

Von 

Prof. Dr. P. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. K. W. Jötten. 

(Aus der bakteriologischen Abteilung des Reichsgesundheitsamtes Berlin-Dahlem 
und dem Hygienischen Institut der Universität Leipzig.) 

(Bel der Redaktion eingegangen am 21. Juni 1921.) 

Der unschädlichen Beseitigung des tuberkulösen Auswurfs kommt 
bei der Bekämpfung der Tuberkulose eine nicht unerhebliche Bedeu¬ 
tung zu. Und doch wundert man sich, daß selbst in Krankenhäusern 
und Heilstätten einer ein wandsfreien Beseitigung des Auswurfs vielfach 
noch nicht die nötige Beachtung zuteil wird. Das liegt wohl daran, daß 
wir trotz umfangreicher Versuche, die gleich nach der Entdeckung des 
Tuberkelbazillus vor nunmehr fast 40 Jahren einsetzten, ein schnell 
wirksames Desinfektionsverfahren, abgesehen vom Kochen des 
Sputums nicht besitzen. Trotz der schönen dafür konstruierten Appa¬ 
rate wird aber das Kochen häufig nicht durchgeführt und im Privat¬ 
haushalte, wo man auf den Küchenherd angewiesen ist, wird es aus be¬ 
greiflichen Rücksichten unterlassen, denn das unappetittliche infektiöse 
Sputum gehört nicht auf den Kochherd und sollte von der Küche ferngehal¬ 
ten werden. Und doch darf man gerade jetzt, wo die Tuberkulose in so 
erschreckender Weise zugenommen hat, kein Mittel unversucht lassen, 
um die T.B., wo man ihrer nur habhaft werden kann, möglichst schnell 
abzutötsn. Es ist ja ganz klar, daß die Tröpfcheninfektion bei 
der Verbreitung der Tuberkulose die Hauptrolle spielt. Ihre Verhütung 
ist aber nur dadurch möglich, daß man sich in angemessener Entfernung 
von dem Kranken hält; die dabei in unsichtbaren Tröpfchen umherge¬ 
schleuderten Bazillen wird man aber nicht fassen können. Wenn das 
Sputum in nachweisbarer Menge nach außen entleert ist, so ist es 
unsere Pflicht, nach Methoden zu suchen, um die darin enthaltenen T.B. 
zu vernichten, mag man die von solchem Sputum ausgehenden Ge¬ 
fahren hoch oder niedrig beweiten. Daß sie vorhanden sind, dar¬ 
über brauchen wir nicht weitere Worte zu verlieren. Wenn auch 

*) Wegen des großen Umfangs erscheint die Arbeit in mehreren Abschnitten. 


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292 Die Abtötung der Tuberkelbazilkn im Sputum usvv. 

manche Ärzte auf dem Standpunkte stehen, daß alle Gefahren beseitigt 
sind, wenn das Sputum in das Klosett ausgegossen und mit der Wasser¬ 
spülung fortgeschwemmt ist, so dürfte das aber doch, ohne auf die Be¬ 
gründung näher einzugehen, vom hygienischen Standpunkte zu 
beanstanden sein, vor allem für die einfacheren Verhältnisse in kleinen 
Städten und auf dem platten Lande, wo Anlagen mit Wasser¬ 
spülung und Schwemmkanalisation fehlen. Außerdem bleiben bei dem 
Ausgießt n des Sputums alle die Infektionsgefahren bestehen, die von 
den undesinfizierten Spuckg fäß n ausgehen, deren Reinigung durch 
Spülen und Bürsten dann auch noch die Gefahr der Tröpfcheninfektion 
mit sich bringt, die umso weniger zu unterschätzen sein dürfte, als Berichte 
über dabei erfolgte Infektionen gerade aus jüngster Zeit dringend zur Vor¬ 
sicht mahnen. 

Es erscheint aber auch für den Laien ganz inkonsequent, wenn man 
ihn anhält, mit dem Versprühen von Sputumteilchen beim Husten, Niesen 
und Sprechen doch recht vorsichtig und rücksichtsvoll gegen seine Mit¬ 
menschen zu sein und demgegenüber das entleerte Sputum vor seinen 
Augen so behandelt, als sei es eine ganz harmlose Flüssigkeit, die man 
ohne weiteres in ein Ausgußbecken gießen darf. Das wirkt nicht gerade 
erzieherisch auf den Kranken. 

Wir verlangen deshalb eine vorherige Desinfektion und, um dieses 
zu erreichen, ist es nötig, daß der Auswurf nicht überall in Wohnungen 
entleert wird, sondern in Flaschen, Gläsern, Näpfen gesammelt wird, um 
dann der Desinfektion zugänglich gemacht werden zu können. 

Daß das Bedürfnis nach einer einwandfreien aber gleichzeitig auch 
einfachen Abtötungsmethode besteht, beweisen uns die häufigen Klagen 
vor allem der Fürsorgeärzte und Fürsorgeschwestern über den Mangel 
eines brauchbaren Desinfektionsverfahrens in der Praxis, weiter aber 
auch das vom Zentralkomitee für die Bekämpfung der Tuberkulose neuer¬ 
dings erlassene Preisausschreiben. Alle chemischen Präparate aber, die 
bisher empfohlen wurden, wirken unsicher oder haben sich auch aus 
anderen Gründen nicht bewährt. 

Seit ca. 15 Jahren hat sich Uhlenhuth zum Teil mit seinen Mit¬ 
arbeitern Xylander, Messerschmidt und H.Citron 1 ) mit der che¬ 
mischen Desinfektion des tuberkulösen Sputums beschäftigt. Sie 
gingen dabei von der Erwägung aus, daß die Desinfektionsmittel nur 
langsam in die Sputumballen eindringen können. Um nun ein schnelleres 
Herankommen an die in diesen Sputumballen eingeschlossenen Tuberkel¬ 
bazillen durch gleichzeitige Homogenisierung des Sputums zu ermöglichen, 

1) Uhlenhuth u. Xylander, Arbeiten a. d. kaiserl. Ges.-Amt, Bd. 32, 
S. 178. 

Uhlenhuth u. Messerschmidt, Milit. - ärztl. Ges. Straßburg, 29.1V. 
1912, D. med. Wochenschr. 1912, Nr. 42. 

Uhlenhuth, 38. Vers. d. D. Ver. f. öffentl. Gesundheitspflege in Aachen. 
Sept. 1913. D. Vierteljahrsschr. f. öffentl. Gesundheitspflege. Bd. 46.1914, S. 109. 

Messerschmidt, Beitrag zur Frage der Sterilisation tuberkulösem Sputums 
durch Phenolderivate. D. med. Wochenschr. 1914, S. 2067. 

Messerschmidt, Phobrol, Grotan und Sagrotan. Dieselbe Zeitschrift, 
1915, S.861. 


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Von Prof. Dr. Uhlenhulh und Privatdozent Dr. Jölten. 


293 


haben sie eine Kombination von Desinfizientien mit Antiformin vor¬ 
genommen. Da die Versuche aber infolge der Ungunst der Kriegsverhält¬ 
nisse nur wenig gefördert werden konnten und infolgedessen noch zu keinem 
abschließenden Urteil geführt hatten, so wurden sie von uns im Laufe 
der letzten Jahre wieder aufgenommen. Es soll im folgenden darüber 
berichtet werden. 

Es war bei den Versuchen unser Streben darauf gerichtet, ein Des¬ 
infektionsmittel ausfindig zu machen, das innerhalb kurzer Zeit die Tu¬ 
berkelbazillen selbst zähschleimigen und dickballigen Sputums abtötete. 
Da dieses nach den bisherigen Erfahrungen nur nach vorheriger Homo¬ 
genisierung Aussicht auf Erfolg bieten konnte, so wurden zunächst Kom¬ 
binationen von Desinfektionsmitteln mit deni als besten Homogenisierungs¬ 
mittel bekannten Antiformin versucht, wobei berücksichtigt werden 
mußte, daß durch das Zusammenbringen mit Antiformin einerseits das 
Desinfiziens in seiner bakterientötenden Wirksamkeit durch das Anti¬ 
formin nicht geschädigt und andererseits durch den Zusatz des Desinfi¬ 
ziens die homogenisierende Kraft des Antiformins nicht zu sehr beein¬ 
trächtigt oder gar aufgehoben werden durfte. 

Da bereits früher günstige Resultate mit 25 % Antiforminlösungen, 
denen Jodpräparate zugesetzt waren, erzielt werden konnten, so wurden 
zunächst die Versuche nach dieser Richtung hin ausgeführt. 

Bei orientierenden Vorversuchen konnte festgestellt werden, daß bei 
lproz. Zusatz des Jodpräparates„Griserin“ 1 ) (Jod-Oxychinolinsulfonsaures 
Natron) die homogenisierende Wirkung einer 25 proz. Antiforminlösung nicht 
beeinträchtigt wurde, während bei Verwendung größerer Mengen von 2 
und 4% „Griserin“ die Homogenisierung des Sputums durch ein derartiges 
Antiformingemisch doppelt solange dauerte als bei einer Antiforminlösung, 
die mit Aqua deBt. angesetzt war. Infolgedessen konnten stärkere Jodlösungen 
nicht in Frage kommen. Ob aber derartige Jodlösungen zur Desinfektion 
des Sputums ausreichten und ob nicht durch die gleichzeitige Verwendung 
von 25% Antiforminlösungen die bakterizide Kraft des Jods gegenüber 
den Tuberkelbazillen im Sputum beeinträchtigt wurde, konnten erst 
Desinfektionsversuche mit nachfolgenden Tierimpfungen entscheiden. 

Zur Klärung dieser Fragen wurden in Petrischalen je 10 ccm Sputum, 
das reichlich Tuberkelbazillen enthielt, mit derselben Menge 25 proz. Anti¬ 
forminlösungen, denen 1, 2 und 4 % Griserin zugesetzt waren, zusammen¬ 
gebracht und den früheren Versuchen entsprechend dem Desinfektions¬ 
mittel 40 Minuten lang ausgesetzt. Als Kontrolle diente eine Petri¬ 
schale, die 10 ccm Sputum und 10 ccm 25proz. Antiforminlösung ohne 
Jodzusatz enthielt. Nach Ablauf von 40 Min. wurden die verschiedenen, 
völlig homogenisierten Sputumflüssigkeiten V> Stunde lang zentrifugiert, 
sodann wurde die Desinfektionsflüssigkeit abgegossen und die Bodensätze 
3 mal kurz mit physiologischer Kochsalzlösung gewaschen und abzentri¬ 
fugiert. Die auf diese Weise von dem Desinfektionsmittel befreiten 
Bodensätze wurden in einigen ccm phys. Kochsalzlösung aufgeschwemmt 
und je 2 Meerschweinchen zu gleichen Teilen subcutan injiziert. 

1) „Griserin“ ist fast dasselbe wie Yatren. 


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294 


Die Abtötung der Tuberkeibazillen iin Sputum usw. 


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Tabelle 1. 

Versuch mit 25% Antiforminlösung und 1—4% Griserinzusatz. 


a) 10 ccm 25 Vo Anti¬ 
forminlösung mit 1 •/• 
Griserinzusatz 
-}- 10 ccm Sputum 

40' lang 

b) 10 ccm 25*/« Anti¬ 
forminlösung mit 2% 
Griserinzusatz 
• 10 ccm Sputum 
40' lang 

c) 10 ccm 25 V« Anti¬ 
forminlösung mit 4 •/• 
Griserinzusatz 
-f 10 ccm Sputum 

40' lang 

d) 10 ccm 25 V. Anti- 
rorminlösung -f 10 ccm 
Sputum 40' lang 

29. III. 

M.3805 
t 5. IV. Meer¬ 
schweinchenseuche 

29. III. 

M.3807 

f 30. IV. Typischer 
Tb-Befund 

29. III. 

M 3809 

f2. IV. Sektion o.B. 

29. III. 

M.3811 
t 8. IV. Meer¬ 
schweinchenseuche 

M.3812 

t 31. III. Meer¬ 
schweinchenseuche 

M.3810 

t 30. VI. Typischer 
Tb-Befund 

i 

M.3808 
t 12. IV. 
Sektion o. B. 

1 

M.3806 

t 24. IV. Typischer 
Tb-Befund 

i 


Versuchsergebnis: 25proz. Antiforminlösungen mit 1—4% Griserinzusatz reichen 
nicht aus, um Tuberkelbazillen im Sputum bei 40' langer Einwirkungsdauer 

abzutöten. 


Die Versuchsergebnisse sind aus der beigegebenen Tabelle 1 zu er¬ 
sehen, aus der hervorgeht, daß die 25 % Antiforminlösungen mit 2 und 
4 % Griserinzusatz eine Abtötung der Sputumtuberkelbazillen nicht 
herbeigeführt haben, da die Meerschweinchen, die mit den entsprechenden 
Bodensätzen gespritzt waren, an einer typischen Tuberkuloseerkrankung 
eingingen. Die Meerschweinchen, die mit den Bodensätzen der 2proz. 
Jodantiforminlösung und der Antiforminlösung ohne Jodzusatz gespritzt 
waren, gingen einige Tage nach der Injektion an einer Meerschweinchen¬ 
seuche, unter der unsere Sputumversuche zu leiden hatten, zugrunde. 

Ebenso negativ war der Ausfall einer zweiten Versuchsreihe, in der 
nach völliger Homogenisierung des Sputums mit 25 und 50% Antiformin 
die Jodlösung zugesetzt war. Hierbei wurden je 10 ccm tuberkelbazillen¬ 
haltigen Sputums mit der gleichen Menge Antiforminlösung versetzt und 
nach 15' je 20 ccm einer lOproz. Jodkalilösung zugegossen. Dieses 
Gemisch wurde weitere 15 Minuten stehen gelassen. Als Kontrolle diente 
eine gleiche Sputummenge, die 30 Minuten lang mit 10 ccm einer 50% 
Antiforminlösung behandelt wurde und außerdem eine weitere Sputum¬ 
probe in 10 ccm phys. Kochsalzlösung, der nach 15' 20 ccm 10% Jod¬ 
kalilösung zugesetzt wurde. Nachdem nach Ablauf von 30 Minuten alle 
Sputa in der bei der 1. Versuchsreihe beschriebenen Weise weiterbehandelt 
waren, wurden schließlich die abzentrifugierten Bodensätze wieder in 
Kochsalzlösung aufgeschwemmt Meerschweinchen s. c. injiziert. 

Die Tierversuchsergebnisse sind aus der beigefügten Tabelle 2 er¬ 
sichtlich und zeigen, daß auch auf diese Weise innerhalb % Stunde eine 
Abtötung der Tuberkelbazillen des Sputums nicht zu erreichen war. 

Außer diesen Jodpräparaten wurde auch Kalium chromat. in Ver¬ 
bindung mit Antiformin zur Sputumdesinfektion herangezogen, nachdem 
in orientierenden Vorversuchen beobachtet werden konnte, daß die 
homogenisierende Wirkung von 30proz. Antiforminlösung durch 5% 
Kaliumchromatzusatz nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern sogar 
verbessert wurde. So wurden z. B. 10 ccm eines dickballigen, zäh- 


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295 


Tabdto 2. 

Versuche mit 25% Antiforminlösungen und nachfolgendem Jodkalizusatz« 


a) 10 ccm Sputum 4 
10 ccm 25 •/• Antiformin 
15' lang -f 20 ccm 10 •/• 
Jodkalilösung 15' lang 

b) 10 ccm Sputum 4 
10 ccm 50V» Antiformin 
15'lang 4 20ccm 10 V» 
Jodkalilösung 15' lang 

c) 10 ccm Sputum 4 

10 ccm 50V» Antiform in 
30'lang 

d) 10 ccm Sputum 4 
10 ccm phys. Kochsalz¬ 
lösung 15' lang 420 ccm 
10V»Jodkalilös.l5'lang 

31. III. 

M. 3819. 

f 20. V. Typischer 
Tb-Befund 

M. 3820. 

f 2. V. Typischer 
Tb-Befund 

31. III. 

M. 3817. 
t 1. IV. Meer¬ 
schweinchenseuche 

M. 3818. 
t 1. IV. Meer¬ 
schweinchenseuche 

31. III. 

M. 3821. 

t 30. V. Typischer 
Tb-Befund 

M. 3822. 
t 1. IV. Meer¬ 
schweinchenseuche 

31. III. 

M. 3824. 

t 23. V. Typischer 
Tb-Befund TB + 

M. 3825. 

t 18. V. Typischer 
Tb-Befund 


Versuchsergebnis: Keine Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum, das 
1,5' mit 25 oder 50% Antiforminlösung mit oder ohne nachfolgenden Zusatz 
von 10% Jodkalilösung 15' lang behandelt war. 


schleimigen Sputums von 25 ccm 30% Antiformin allein erst in 15 Mi¬ 
nuten völlig homogenisiert, während die gleiche Menge desselben Spu¬ 
tums von Antiformin mit 5% Kal. chromat. schon nach 8 Minuten völlig 
gelöst war. 

Mit derartigen Kal. chromat.-Antiformingemischen angestellte Des¬ 
infektionsversuche, die in der beigefügten Tabelle 3 zusammengestellt 
sind, haben in 4 größeren Versuchsreihen trotz der überraschend gün¬ 
stigen Homogenisierung nur in einem Versuche nach 50 Minuten langer 
Einwirkungsdauer zu einer Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum 
geführt (M. 79 und 80), während bei den 3 anderen Versuchen durch 
Tierimpfungen noch virulente Tuberkelbazillen in den Bodensätzen der 
50 Minuten und 1 Stunde lang vorbehandelten Sputa nachweisbar waren. 

Es wurde nun noch versucht, durch Zugabe eines weiteren guten 
Desinfektionsmittels unter Ausnützung der homogenisierenden Wirkung 
des Kal. chrom.-Antiformingemisches eine Abtötung der Tuberkelbazillen 
zu erzielen. 

Hierzu wurde ein neues Chlormetakresolpräparat der Firma Heyden 
(= p. Chlormeta-Kresol, 1,25 g Subst. enthält 1,0 g Chlorkresol) ver¬ 
wandt, das bis zu 4% in 30% Antiforminlösung löslich war. Außerdem 
wurde in einer weiteren Versuchsreihe noch an Stelle des Chlormetakresols 
ein 5% Zusatz von Karbol ausprobiert. 

Während nun mit dem Carbol-Kal. chrom.-Antiformingemisch nach 
50—60 Minuten langer Einwirkungsdauer keine Beeinflussung der Tuberkel¬ 
bazillen erzielt werden konnte, war es, wie aus der Tabelle 3 hervorgeht, 
nach gleich langer Einwirkung 1,25—2proz. Chlormetakresol-Kal.-chrom.- 
Antiforminlösungen auch nur im Versuch II und IV möglich, bei 5 Tieren, 
die mit derartig vorbehandelten Sputumbodensätzen gespritzt waren, 
typischen Tuberkulose-Sektionsbefund zu erheben. Von den übrigen 
7 Tieren waren 4 kurze Zeit nach der Injektion wahrscheinlich der herr¬ 
schenden Meerschweinchenseuche erlegen, die übrigen 3, von denen 2 
erst 3 Monate nach Versuchsbeginn umgebracht wurden, hatten bei der 


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296 


Die Abtölung der Tuberkelba zillen im Sputum usw. 
Tabelle 8. V e r s u c h I. 


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a) Kal. chrom. 10,0 
Antiform. 60,0 

Aq. dest. ad. 200,0 
davon 

25 ccm LOsung a) 

•f 10 ccm Sputum 

50' lang 

1 b) Kal. chrom. 10,0 
Antiform. 60,0 
Chlormetakresol. 2,5 
Aq. dest. ad. 200,0 
davon 

| 25 ccm Lösung b) 

*-10 ccm Sputum 

50' lang 

c) Kal. chrom. 10,0 
Antiform. 60,0 
Acld. carbolic. 10,0 
Aq. dest. ad. 200,0 
davon 

25 ccm Lösung c) 

-h 10 ccm Sputum 
50' lang 

! " 

d) 200 ccm 30 7* Anti¬ 
formin 

25 ccm Lösung d. 

• 10 ccm Sputum 
50' lang 

4. VII. 

M. 78 
t 22. VII. 
Sektion o. B. 

4. VII. 

M. 81 

fumgebracht 10. X. 
T. B.— 

4. VII. 

M. 84 

t umgebracht 10. X. 
Typischer Tb-Bef. 

4. VII- 
M. 87 

t umgebracht 10. X. 
Sektion o. B. T. B. 

M. 79 

t umgebracht 10. X. 
T. B.— 

! 

M. 82 

f 15. VII. Sektion 
o. B. (Seuche?) 

M. 85 

t 28. VII. Tvp. 
Tb-Befund T. B. + 

M. 88 

f umgebracht 10. X. 

In Lungen ver¬ 
dächtige Knötchen. 
T. B — 

M. 80 

t umgebracht 10. X. 
T. B. — 

M. 83 

f 6. VII. Sektion 
o. B.T. B.— Drüsen 
nicht vergrößert 

M. 86 

t 13. IX. Typ. 
Tb-Befund 

M. 89 

f 25. VII. ln Drü¬ 
sen und in Leber 
T. B+. 


V ersuchsergebnis: Der Versuch ergibt einwandfrei, daß das Carbol- 
K al-chromat-Antiformin ge misch die T. B. innerhalb 50' nicht abgetötet 
hat, dagegen hat das Kal-chrom- Antiformingemisch die T.B. abgetötet, 
ebenso das Kal-chrom-Antiformingemisch mit 1,25% Chlormeta- 
kresolzusatz bei Tier 81, die beiden anderen Tiere waren zu früh an Seuche 
eingegangen. Die 30% An tiformi nlösung hatte 2 mal die T.B. abgetötet, 
während bei dem 3. gespritzten Meerschweinchen T.B. festzustellen waren. 


Versuch II. 

50' lang 

| 50' lang 

50' lang 

50' lang 

19. VI. 

19. VI. 

19. VI. 

19. VI. 

M. 3996 

! M. 3999 

M. 153 

M. 156 

f 1. VII. Sektion 

t umgebracht 8. X. 

f umgebracht 8. X. 

t umgebracht 8. X. 

o. B. 

Typischer 

In beiden vergrö¬ 

Typischer 


Tb-Befund 

ßerte Drüsen, die 

Tb-Befund 



verkäst sind,T.B+. 


M. 3997 

l 

znnn 

M. 154 

M. 156 


t umgebracht 8. X. . n ~ 

Typischer | t 7. \ II Sektion 

Tb-Befund 


o. B. 


M. 3998 | M.152 

fumgebracht 8. X. jt umgebracht 8. X. 
Typischer | Typischer 

Tb- Befund Tb- Befund 


I 


f 22. VII. Drüsen 
beiderseits ge¬ 
schwollen und ver¬ 
käst. T. B -f • 
Organe noch frei. 


t 15. VIII. 
Typischer 
Tb-Befund T. B. 

M. 157 

t 14. VII. Sektion 
nicht einwandfrei, 
fragl. Knötchen in 
Milz. Sternaldrüsen 
geschwollen. 
Seuche ? 


Versuchsergebnis: Dieser Versuch zeigt, daß eine 30% Antiforminlösung 
mit Kal-chromat-Chlormetakresol oder Carbolzusatz nicht ausreicht, um die 
im Sputum enthaltenen Tuberkelbazillen innerhalb 50' abzutöten. 


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Original fro-m 

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Von Prof. Dr. Uhlen hu th und Privatdozent Dr. Jötten. 


297 


Tabelle 3. (Fortsetzung.) 
Versuch III. 


a) Kal. chrom. 10,0 
Antiform. 60,0 

Aq. dest. ad 200,0 
davon 

25 ccm Lösung a) 

: 10 ccm Sputum 

50' lang 

b) Kal. chrom. 10,0 
Antiform. 60.0 
Chlormetakresoi 2,5 
Aq. dest. ad 200,0 
davon 

25 ccm Lösung b) 
i 10 ccm Sputum 

50' lang 

c) Kal. chrom. 10,0 
Antiform. 60,0 
Acid. Carbolic. 10,0 
Aq. dest. ad 200,0 
davon 

25 ccm Lösung c) 

- 10 ccm Sputum 

50' lang 

d) 200 ccm 30V» Anti- 
formln. 

25 ccm Lösung d) 

- 10 ccm Sputum 
| 40' lang 

1 

1 Stunde 

23. VI. 

M. 15 

f geschlachtet 

27. VII. Keine Tb. 
der Organe. In Drü¬ 
sen vereinzelte 
Tb-Nester. 

i 1 Stunde 

23. VI. Chlor- , 
inetakresol 4,0 

M. 18 

f umgebracht 8. X. 
Keine T. B. 

1 Stunde 

23. VI. 

i 

M. 21 
f 9. VIII. 
Typischer 
Tb-Befund T. B. -f 

! 1 Stunde 

23. VI. 

M. 24 

f umgebracht 8. X. 
T. B.- 

M. 16 

f 8. VII. Peritonitis. 

M. 10 
r 3. vn. 
Sektion o. B. 

M. 22 

t 5. VII. | 

Sektion o. B. 

M. 25 

f 9. VIII. 
Typischer 
Tb-Befund 

M. 17 

f8. VII. 1 

»Sektion o. B. 

M. 20 
t 5. VII 

Sektion T. B — 
Seuche ? 

M. 23 
t 23. VIII. 
Typischer 

Tb-Befund. T.B.+ 

M. 26 

f umgebracht 8. X. 
T. B.— 


Versuchsergebnis: Nicht einheitlich, da ein großer Teil der Versuchstiere 
zu kurze Zeit nach der Injektion interkurrent eingegangen ist. Jedenfalls ist 
aus dem Versuch zu ersehen, daß eine HOproz. Antiforminlösung mit Kal-chromat- 
Karbolzusatz bei 1 stündiger Einwirkungszeit die Tuberkelbazillen im Sputum 
nicht abtötet. Außerdem gelang es bei einein Tier nicht Tb. festzustellen, das 
mit dem Bodensatz von Sputum gespritzt war, auf das eine 30 °/ 0 Antiformin¬ 
lösung mit 5 % Kal. chromatzusatz 1 Stunde eingewirkt hatte. Außerdem 
konnte in einem Falle die Abtötung der T. B. festgestellt werden, bei den» 
eine 30% Antiforminlösung mit 2% Chlormetakresolzusatz 1 Stunde lang ein¬ 
gewirkt hatte. Endlich war das Ergebnis der Einwirkung einer 30% Antiformin¬ 
lösung ohne jeglichen Zusatz zweifelhaft, indem nämlich die Weiterverimpfung 
des behandelten Bodensatzes bei einem gespritzten Tiere eine typische Tuber¬ 
kulose herbei führte, während bei zwei gleichzeitig mit demselben Bodensat z 
geimpften Tieren sich weder tuberkulöse Erkrankungsformen noch Tuberkel 
bazillen in Drüsen und Organen nachweisen ließen. 

Sektion keinerlei tuberkulöse Krankheitserscheinungen gezeigt. Hierbei 
ist aber bemerkenswert, daß von den zu diesen 3 Meerschweinchen ge¬ 
hörenden Antiforminkontrolltieren, wie aus der Tabelle 3 hervorgeht, 
4 gleichfalls nicht erkrankten und bei der Sektion keine Tuberkulose 
nachweisen ließen. 

Daß durch die Kal.-chromat.- und Chlormetakresol-Antiformin- 
gemische auch schon eine gewisse Schädigung der Tuberkelbazillen 
hervorgerufen wird, ließen Versuche mit Reinkulturen erkennen, von denen 
je 1 mgr in 1 ccm phys, Kochsalzlösung aufgeschwemmt, mit je 2 ccm 
der verschiedenen Desinfektionsgemische 1 Stunde zusammengebracht 
wurden. Wenn auch eine Abtötung der Bazillen nach Ablauf dieser 
Einwirkungszeit nicht zu erkennen war, so konnte doch eine Be- 


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298 


Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 


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Tabelle 3. (Fortsetzung.) 


Versuch IV. 

a) Kal. chrom. 10,0 
Antiformin 60,0 

Aq. dest. ad. 200,0 
davon 

25 ccm Lösung a) 

+ 10 ccm Sputum 
50' lang 

b) Kal. chrom. 10,0 
Antiformin 60,0 
Chlormetakresol. 2,5 
Aq. dest. ad. 200,0 
davon 

25 ccm Lösung b) 

+ 10 ccm Sputum 
50' lang 

c) Kal. chrom. 10,0 
Antirormin 60,0 
Acid. carbolic. 10,0 
Aq. dest. ad 200,0 
davon 

25 ccm Lösung c) 

+ 10 ccm Sputum 

50' lang. 

d) 200 ccm 30 % Auti- 
formin. 

25 ccm Lösung d) 

+ 10 ccm Sputum 
50' lang 

50' lang 

50' lang 

50' lang 

50' lang 


25. VII. 

M. 186 

111. VIII. Kleine 
Leistendrüsen¬ 
sehwellung mit ver¬ 
einzelten T. B. -f- 


25. VII Chlor- 
metakresol 4,0 
M. 180 

f umgebracht 14. X. 
Typischer 
Tb-Befund 


25. VII 
M. 183 

t 29. VII. Starke 
Nekrose u.Gangrän. 
(Karbol!) 


25 VII. 

M. 189 

f umgebracht 10. X. 

Typischer 
Tb-Befund T. B. + 
in Drüsen, Lungen 
und Milz. 


M 187 

t umgebracht 14. X. 

Typischer 
Tb-Befund R-Drü- 
sen verkäst T B.+ 

M. 188 

t umgebracht 14. X. 

Typischer 
Tb-Befund Drüsen 
beiderseits verkäst. 


M. 184 

t 28. VII. f 2 

Sektion o. B. Tb- 


M. 185 M. 4035 

M. 182 | f 13. IX. T. B. der f umgebracht 14. X. 

tumgebracht 14. X | Lungen, Leber, j Typische Tb. der 
Typischer 1 Milz T B. -f- Drü-j Lungen und Leber. 
Tb-Befund T. B.+j sen beiderseits j Drüsen rechts 
; vergrößert verkäst. 


M. 4036 
. X. Typischer 
Befund T. B. -4 


M. 181 

f umgebracht 14. X. 

Knötchen in 
Lungen und Milz 
T. B. + Drüsen 
verkäst. 


Versuchsergebnis: Der Versuch ergibt einwandfrei, daß keine der vier 
Mischungen ausgereicht hat, um eine Sterilisierung des tuberkulösen Sputums 
immer mit Sicherheit zu gewährleisten. 


Versuch mit Reinkulturen. 


Kontrolle 


a) 2 ccm Lösung a) 
t 2ccm 1 u. MTB. 115. 
1 Stunde 

b) 2 ccm Losung b) 
|-f 2ccm \u. MTB.115. 
i 1 Stunde 

1 d) 2ccm Lösung d) 1 2 ccm Na-Cl-Lösunp 
f 2ccm 1*4. MTB. 115. |+2ccm 1*. MTB. 115. 

! 1 Stunde 1 Stunde lang ein¬ 

gewirkt. 

7. VII. 

M. 94 

f 29. VII. Kien¬ 
faltendrüsen ge¬ 
schwollen und ver¬ 
käst T. B. -f- 
Sonst keine tuberk. 
Veränderungen. 

7. VII. 

M. 96 

! t umgebracht 7. X. 
Drüsen beiderseits 
geschwollen und 
verkäst T. B. + 
Organe frei von Tb. 

7. VII. 

! M. 95 

t 10. VII. 
Pneumonie. 

| 

7. VII. 

f umgebracht 7. X. 
Typischer 
Tb-Befund aller 
Organe. In Lungen, 
Leber, Milz und 
Drüsen T. B. + 


Versuchsergebnis: Aus diesem Versuch geht einwandfrei hervor, daß eine 
30°/o Antiforminlösung weder allein noch mit 5°/ 0 Kal-chromatzusatz mit und 
ohne 1,25% Chlormetakresol ausreicht, um Reinkulturen von Tuberkelbazillen 
innerhalb 1 Stunde abzutöten. 


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Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten. 299 

eintröchtigung ihrer Virulanz insofern festgestellt werden, als nämlich 
die mit den Desinfizientien vorbehandelten Tuberkelbazillen bei den 
Versuchstieren nur eine tuberkulöse Erkrankung der Kniefaltendrüsen 
mit positivem Bazillenbefunde ohne Organerkrankungen innerhalb dreier 
Monate hervorgerufen hatten, während bei dem mit unbehandelten Tu¬ 
berkelbazillen gespritzten Kontrolliere innerhalb derselben Zeit eine aus¬ 
gebreitete Tuberkulose aller Organe hervorgerufen war. 

In einer weiteren Versuchsreihe konnte mit einer 25proz. Antiformin¬ 
lösung mit 3% Chlormetakresolzusatz, in der auf die Zugabe von Kal. 
chrom. verzichtet wurde, zwar auch innerhalb kurzer Zeit eine gute Homo¬ 
genisierung des Sputums erreicht werden, es war aber nach 40 Minuten 
langer Einwirkungszeit eine Sterilisierung des Sputums nicht herbeizu¬ 
führen. Wie aus Tabelle 4 hervorgeht, starb von 2 Meerschweinchen, die 
mit dem vom Desinfiziens befreiten Bodensatz s. c. gespritzt waren, das 
eine an einer typischen Tuberkulose, während das andere am selben Tage 
3^4 Wochen p. inj. wahrscheinlich der Meerschweineh:nseuche erlag, ohne 
Tuberkelbazillen oder tuberkulöse Krankheitserscheinungen aufzuweisen. 
Ebenso wenig vermochte eine 3% Chlormetakresollösung allein ohne 
Antiforminzusatz innerhalb 40 Minuten eine Sputumdesinfektion herbei¬ 
zuführen, wie aus der Tabelle 4 ersichtlich ist; auch war nach Ablauf dieser 
Einwirkungszeit infolge Fehlens des Antiformins das Sputum nicht homo¬ 
genisiert, sondern lag geronnen am Boden der Versuchsschalen. 

Aus diesen Versuchen geht somit hervor, daß 3% Chlormetakresol- 
lösungen allein oder 25proz. Antiforminlösungen mit 1—2% Chlormeta¬ 
kresolzusatz mit und ohne 5% Kal. chromat. nicht geeignet sind, eine 
schnelle Desinfektion des Sputums zu ermöglichen. 

Würde aber auch durch ein derartiges Gemisch eine Schnelldesinfektion 
erreicht worden sein, so dürften sich der allgemeinen Einführung sowohl 


Tabelle 4. 

Versuche mit Chlormetakresol, mit und ohne Antiforminzusatz. 


a) 10 ccm 25 % Antiformin mit j 
3% Chlormetakresolzusatz 
-j- 10ccm Sputum 
40'lang 

b) lOccm 25% Antiformin¬ 
lösung -f lOccm Sputum 

40' lang 

c) 10 ccm 3 % Chlormetakresol¬ 
lösung -f- lOccm Sputum 

40' lang 

29. III. 

29. III. 

29. III. 

M. 3813 

M. 3811 

M. 3815 

f 22. IV. Typischer 

f 5. IV. Meerschweinchen- 

| f 21. V Typischer 

Tb-Befund T. B.+. 

seuche 

Tb-Befund 

M. 3814. 

M. 3812 

M. 3816 

f 22. IV. Sektion o. B. 

t 31. III. Meer¬ 

f 7. IV. Meerschweinchen¬ 

T. B.— Drüsen frei. 

schweinchenseuche. 

seuche 


Versuchsergebnis: In 10 ccm Sputum konnten mit gleichen Mengen 
25% Antiforminlösung mit 3% Chlormetakresolzusatz oder mit gleicher Menge 
3% Chlormetakresollösung allein eine Abtötung der T.B. nicht erzielt werden. 
Nur bei einem Tier, das mit Sputumbodensatz, der mit 25% Antiformin -f 
M% Chlormetakresol vorbehandelt war, gespritzt wurde, konnten 24 Tage 
nach der Injektion keine Tuberkulose und keine Tuberkelbazillen weder in 
Organen noch Drüsen nachgewiesen werden. (Zu früh gestorben!) 


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300 Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 

der hohe Preis, wie die Umständlichkeit der Mischung und vor allem 
die ganz erhebliche Ätzwirkung entgegengestellt haben. Wir haben daher 
nach einem anderen, weniger komplizierten und billigeren Verfahren ge¬ 
sucht und nach der Richtung hin Versuche angestellt, ob es nicht möglich 
wäre, mit dem Antiformin allein in geeigneter Verdünnungsflüssigkeit 
ohne den umständlichen Zusatz eines besonderen Desinfiziens eine schnelle 
und ausreichende Desinfektion des Phtisikerauswurfs zu erzielen. 

Wie aus den vorhin beschriebenen Versuchen hervorgeht, gelang es 
nämlich durch entsprechende Zusätze von Chemikalien, z. B. Kal. chrom. 
die homogenisierende Wirkung des Antiformins zu steigern und es lag daher 
der Gedanke nahe, ob nicht schon durch die Verwendung anderer Ver¬ 
dünnungsflüssigkeiten eine Steigerung der homogenisierenden und gleich¬ 
zeitig auch der bakteriziden Wirkung gegenüber T.B. zu erreichen wäre. 

Bei daraufhin angestellten Versuchen (s. Tabelle 5) mit verschieden 
starken Kochsalzlösungen konnten wir uns in der Tat davon überzeugen, 
daß die homogenisierende Kraft des Antiformins durch Ansetzen mit 
bestimmten Kochsalzlösungen erheblich gesteigert werden kann. So 
konnte beim Zusammenbringen von je 10 ccm desselben dickballigen, 
zähschleimigen Sputums mit je 20 ccm 25proz. Antiforminlösungen, die 
mit gesättigten und dann verdünnten Kochsalzlösungen angesetzt waren, 
beobachtet werden, daß die völlige Lösung der Sputumballen am schnell¬ 
sten in dem Antiformin erfolgte, das mit l / 2 — l / i0 gesättigter Kochsalz¬ 
lösung verdünnt war. Während hierbei die komplette Auflösung schon 
innerhalb 20 Minuten erfolgt war, war dieses bei Verwendung von kon¬ 
zentrierter Kochsalzlösung nach 21 Minuten und von l / 25 gesättigter Koch¬ 
salzlösung und Aqua dest. erst nach 37 Minuten der Fall. 

Ob aber mit der homogenisierenden auch gleichzeitig die bakterizide 
Kraft des Antiformins durch Vermischen mit Kochsalzlösungen derartig 
gesteigert werden könnte, daß T.B. in solchen Gemischen abgetötet wür¬ 
den, konnte allein durch Tierimpfungen entschieden werden. 


Tabelle 5. 


10 ccm Sputum -f 20 ccm 
konzentrierte Kochsalzlösung 
mit 25% Antiformin 


10ccm Sputum + 20 ccm 
Y» gesättigter Kochsalzlösung 
(nit 25 % Antiformin 


10 ccm Sputum i 20 ccm , 
V# gesättigter Kochsalzlösung ! 
mit 25 % Antiformin 


Nach 6' beginnendeLösung 


Nach 6'beginnendeLösuug 


Nach T beginnendeLösung 


Nach 10' keine Ballen j Nach 10' keine Ballen 
mehr, nur noch faden- j mehr, nur noch faden¬ 
ziehende Massen j ziehende Massen 

Nach 15' fast völlig gelöst | Nach 15'fast völlig gelöst, 

i mehr als in der ersten 
| Reihe 


Nach 10' noch ein Ballen 
neben fadenziehenden 
Massen 

Nach 15' noch Schlieren 
und Fäden 


Nach 20'Flüssigkeit noch |Nach 20' völlige Lösung 
schleimig 


Nach 20' völlige Lösung 


Nach 21' völlige Lösung! 


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301 


Wie denn auch aus Tabelle 6 zu ersehen ist, haben derartige Ver¬ 
suche mit 30proz. Antiformin in konzentrierter Kochsalzlösung ergeben, 
daß eine Abtötung der T. B. im Phtisikersputum selbst nach % stän¬ 
diger Einwirkungszeit nicht erfolgte, auch ein weiterer 5% Carbolzusatz 
konnte eine Besserung der Abtötungsergebnisse nicht herbeiführen. 

Bei Verwendung von halbgesättigter Kochsalzlösung als Aufschwem¬ 
mungsflüssigkeit zu 25% Antiforminlösung und 30 Minuten bis 1 Stunde 
langer Einwirkungsdauer schien dann zunächst, wie aus der Tabelle 7, 
Versuch I ersichtlich ist, eine Abtötung der Sputumtuberkelbazillen er¬ 
reicht zu sein. Während nämlich die Kontrolltiere, die mit den Boden¬ 
sätzen von mit Antiformin in Aqua dest. vorbehandelten Sputen vorbehan¬ 
delt waren, an typischer Tuberkulose eingingen, blieben von den anderen 
Tieren einige am Leben und ließen, nach Monaten umgebracht, keine 
Spur von Tuberkulose erkennen. 

Als aber dieselbe Versuchsanordnung in 5 weiteren Reihen wiederholt 
wurde (s. Tabelle 7, Versuch 2*—6) konnte nicht ein einziges Mal eine Ab¬ 
tötung der Tuberkelbazillen selbst nach 50 Minuten langer Einwirkung 
einer derartigen 25% Antiformin-Kochsalzlösung festgestellt werden. Es 
war also auch auf diese Weise keine ausreichende Steigerung der bakteri¬ 
ziden Kraft des Antiformins zu erzielen. 

Weiter konnte die homogenisierende Kraft des Antiformins wesentlich 
durch Verwendung erwärmter Lösungen gesteigert werden. In zahl¬ 
reichen Versuchen hatten wir uns nämlich davon überzeugen können, 
daß z. B. 45° warmes 10proz. Antiformin geballte, zähschleimige Sputa 
schon nach 7 Minuten gelöst hatte, während dasselbe von der gleichen 
Probe stammende Sputum von zimmerwarmem 10proz. Antiformin erst 
nach 20 Minuten völlig homogenisiert war. Noch auffälliger trat dieser 
Unterschied bei der Einwirkung von 60° warmen Lösungen zutage; in 
einem Falle war hiermit schon nach i x / 2 Minuten eine komplette Lösung 


Lösungsversuche. 


10 ccm Sputum + 20ccm 

Vi. gesättigter Kochsalzlösung 
mit 25 % Antiformin 

10 ccm Sputum 20 ccm 

Vw gesättigter Kochsalzlösung 
mit 25 % Antiformin 

10 ccm Sputum 4 20 ccm 

25 % Antlforminlösung in 
Aqua destil. at. 

Nach 6' unverändert 

Nach 6' unverändert 

Nach 6' unverändert 

Nach 10 beginnende 
Lösung 

Nach 10' wenig ver¬ 
ändert 

Nach 10' wenig verändert 

Nach 15' noch vereinzelte 

Nach 15' beginnende 

Nach 15' beginnende 

Sputumbällchen 

Lösung 

Lösung 

Nacli 20' völlige Lösung 

Nach 20' noch 2 Ballen 

Nach 32' noch # Sch lieren 
und Fäden 

Nach 35' fast völlig gelöst 
Nach 37' völlig gelöst 

Nach 20' Lösung wenig 
weiter 

Nach 32' noch ein Ballen 

Nach 35' fast alles gelöst 
Nach 37 ' total gelöst 


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302 


Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 


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erfolgt, wohingegen bei lOproz. zimmerwarmem Antiformin eine Lösung 
erst nach 8 Minuten eintrat. 

Außerdem war anzunehmen, daß durch die Einwirkung solcher er¬ 
wärmter Antiforminlösungen die T. B. im Sputum bereits innerhalb kurzer 
Zeit abgetötet würden, zumal Beobachtungen darüber vorliegen, daß 
Tuberkelbazillen in Wasser bei 60° innerhalb % Stunde absterben (siehe 
Flügge, Grundriß der Hygiene, 8. Aufl., S. 643). Wie wir uns aber 
durch ad hoc angestellte Tierversuche überzeugen konnten, reichte für 
tuberkelbazillenhaltiges Sputum selbst ein halbstündiger Aufenthalt in 


Tabelle 6. 

Versuch 1. 


a) lOccm Sputum b) 

lOccm 30% Anti form in lösung, in ge- -f- 

sättigter NaCl-Lösung hergestellt 
30' lang 


lOccm Sputum 

lOccm 30% Antiformin, in Aq. eiest, 
hergestellt 
30' lang 


25. IV. I 

M. 3860 I 

f 14. VII. Typischer Tb-Befund. 

In Lungen und Milz T. B. +• | 

M. 3861 I 

t 26. V. Typischer Tb-Befund. i 

M. 3862 1 

f 22. V. In Drüsen und Milz T. B. -{-. ! 


25. IV. 

M. 3863 

f 26. V. Typischer Tb-Befund. 

M. 3864 

t 26. V. Typischer Tb-Befund. 

M. 3865 

21. V. In den Drüssen von T. B. -f-. 


Versuchsergebnis: 30% Antiformin, mit konzentrierter Kochsalzlösung oder 
Aq. dest. hergestellt, tötete Sputumtuberkelbazillen bei Visfümliger Einwirkungs¬ 
zeit nicht ab. 


Versuch 2. 


a) 16,25 ccm gesättigte NaCl-Lösung 

7,5 ccm Antiformin (30%) 

1,25 ccm Carbol ! 

-|- 5 ccm Sputum 

30'lang 1 

b) 17,5 ccm gesättigte NaCl-Lösung 

7,5 ccm Antiformin (30%) 

-f 5 ccm Sputum 

30' lang 

24. V. 

M. 3918 

f 27. VIII. Schwerer Tb-Befund, 
ln Drüsen T. B. -{-• 

1 24. V. 

M. 3921 

f 31. V. Meerschweinchenseuche. 

M. 3919 

f 1. VII. Stark verfault. In Milz ver- 
dächtigeKnotenT.B. nicht nachweisbar. 

M. 3922 

t 26. V. Meerschweinchenseuche. 

M. 3920 

f 26. V. Meerschweinchenseuche. 

M. 3923 

t 26. V. Meerschweinchenseuche. 


Versuchsergebnis: Nicht einwandsfrei, da 4 Tiere an Meerschweinchenseucbe 
kurze Zeit nach der Injektion eingingen. Bei einem Versuchstier konnte jedoch 
festgestellt werden, daß eine 30% Antiforminlösung, mit gesättigter Kochsalz¬ 
lösung hergestellt und 5% Karbolzusatz nicht ausreichte, um die T. B. im 
Sputum abzutöten. Das 6. Tier, das mit dem in gleicher Weise vorbehandellen 
Bodensalz gespritzt war, zeigte bei den 5 Wochen nach der Injektion vorge¬ 
nommenen Sektion tuberkuloseverdächtige Herde in der Milz, T. B. konnten 
allerdings nicht nachgewiesen werden. 


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warmem Wasser in keinem Falle aus, um die darin enthaltenen T.B. 
abzutöten. 

Durch die gleichzeitige Einwirkung des Antiformins mußte aber 
unseres Erachtens die Eiweißkoagulation hintangehalten und durch die 
ziemlich rasch erfolgende Homogenisierung des Sputums eine intensivere 
Wirkung der Wärme auf die freiliegenden T.B. ermöglicht werden; zu¬ 
dem mußte durch die Wärme auch die bakterizide Kraft des Anti¬ 
formins nicht unwesentlich gesteigert werden. 


Tabelle 7. 

Versuch 1. 


a) 20 ccm 25% Antiformin¬ 
lösung, die mit y* gesättigter 
NaCl-Lösung hergestellt Ist 
4- 10 ccm Sputum 30'lang 


b) 20 ccm 25% Antiformin- i c) 20 ccm 25% Antiformin¬ 
lösung, die mit % gesättigter lösung, mit Aq. dest. her- 
NaCl-Lösung hergestellt ist gestellt f 10 ccm Sputum 
-b 10 ccm Sputum 1 Stunde lang I 30'lang 


13. V. 13. V. 

M. 3884 , M. 3889 

f 13. IX. frei von T. B. j f 19. V. Meerschweinehe n- 

1 seuche. 


13. V. 

M. 3886 

f 4. VII. Typischer 
Tb-Befund. 


M. 3885 

f 19. V. Meerschweinchen¬ 
seuche. 


M. 3890 

f 26. V. Meerschweinchen¬ 
seuche. 


M. 3887 

f 2. VJI. Drüsen r. ge¬ 
schwollen und verkäst 


T. B. +. 

Tuberk. der Lungen 


M. 3891 

1 f 13. IX. umgebracht, 
| frei von Tub. T. B. 


M. 3888 

f 22. V. Meerschweinchen¬ 
seuche. 


Versuchsergebnis: Eine 25 % Antiforminlösung, die mit einer V* gesättigten 
Kochsalzlösung hergestellt war, reichte aus. um in einem Falle bei 30' langer 
Einwirkungsdauer die T. B. im Sputum abzutöten, ebenso positiv war bei 
einem zweiten Versuchstiere das Versuchsergebnis, nachdem das Desinfiziens 
1 Stunde lang eingewirkt hatte. Die Kontrollversuche mit einer 25% Anti- 
forminlösung in Aq. dest. ergeben bei 2 eingespritzten Tieren typischen Tb.- 
Befund. woraus hervorgeht, daß eine mit Aq. dest. hergestellte 25% Antiformin¬ 
lösung T. B. in Vs Stunde nicht abtötet. 


Versuc h 2. 


a) 20 ccm 25% Antiforminlösung hergestellt 
mit y, gesättigter NaCl.-Lösung f 10 ccm 
Sputum 50' lang 


b) 20 ccm 25 % Antiforminlösung, hergestellt 
mit Aq. dest. -f 10 ccm Sputum 50'lang 


23. IX. 

M. 4148 

f 11. VII. Tuberkulose der Lunge und 
Leber. 

M. 4149 

f 9. XII. umgebracht, Tuberkulose der 
Lunge und Milz, T. B.-f- 

M. 4150 

f 10. XII. schwere Tuberkulose. 
Archiv für Hygiene. Bd. 90. 


23. IX. 

M. 4151 

f 15. XII. Tuberkulose der Lunge, 
Leber, Milz. 

M. 4152 

t 10. XII. schwere Tuberkulose. 
M.4153 

f 12. XII. T. B. +. 

20 


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304 


Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 


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Die auf Grund dieser Erwägungen angestellten Versuche haben denn 
auch zu einer Bestätigung unserer Annahme geführt. Die Versuchsanord¬ 
nung war dabei folgendermaßen: 


Tabelle 7. (Fortsetzung.) 
Versuch 3. 


a) 20 ccm 25 •/• Antiforminlösung, hergestellt 
mit V t gesättigten NaCl-Lösung 
f 10 ccm Sputum 50' lang 

b) 20 ccm 25% Antiforminlösung, hergestellt 
mit Aqua dest. 

-t 10 ccm Sputum 50' lang 

10. X. 

M. 4187 

f 16. XII. Schwere Tuberkulose T. B. 

10. X. 

M. 4190 

t 9. XII. Schwere Tuberkulose aller 
Organe T. B. -j- 

M. 4188 

114. X. Pneumonie links Peritonitis 
Infiltration des ganzen Unterhaut¬ 
zellgewebes. 

M. 4189 

fl 5. XII. Schwere Tuberkulose T. B. + 

M. 4191 

f 8. XII. Schwere Tuberkulose der 
Lungen, Leber u. Milz. 

M. 4192 

f 8. II. Umgebracht. Schwere 
Tuberkulose. 

Versuch 4. (Versuchsanordnung wie bei 3) 

i'tf.X 

M. 4193 

f 23. X. Keine Tuberkulose. 

10. X. 

M. 4196 

t 22. XII. Tuberkulose T. B. -f- in 
Drüsen u. Milz. 

M. 4194 

f Io. XII. Tuberkulose T. B. -f- 

M. 4197 

f 13. X. Peritonitis, Pericarditis. Infil¬ 
tration im Unterhautzellgewebe mit 
Abszeßbildung 

M. 4195 

f 9. XII. Tuberkulose T. R -|- 

M. 4198 

f 16. XII. Schwere Tuberkulose 
(+ nach Weil.) 

* 

Versuch 5. 


a) 20 ccm 25 •/• Antiformin- b) 20 ccm 25 •/• Antiformin- c) 20 ccm 25 V« Antiformin- 
lnsung, hergestellt mit Va tre- lösung, hergestellt mit % ge- lösung, hergestellt mit 
sättigter NaCl-Lösung sattlgter NaCl-Lösung Aqua dest. 


f 10 ccm Sputum 

50' lang 

+ 10 ccm Sputum 

50' lang 

-} 10 ccm Sputum 

50' lang 

11. X. 

M. 4199 

t 15 . X. Peritonitis. In¬ 
filtration des ganzen 
Unterhautzellgewebes. 

11. X. 

M. 4202 

t 11. XII. In Lungen, 
Leber, Milz T. B. + 

11. X. 

M. 4207 

t 6. II. Schwere Tuber¬ 
kulose T. B. -f- in Drüsen 
u. Lungen. 

M. 4200 

f '». II. Schwere Tub. 

In Drüsen T. B. + 

M. 4203 

f 3t. X. Pneumonie. 

■ 

1 M. 4206 

f 13. X. Sektion o. B. 

M. 4201 

f 12. XII. Schwere 
Tuberkulose T. B. -J- 

M. 4204 

t 10. XI. Typischer 
Tb-Befund T. B. nicht 

gefunden. 1 



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THE OHIO STATE UNPv'ERSEE 





Von Prüf. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten. 


305 


Tabelle : 7. (Fortsetzung.) 
Versuch 6. 


a) 20 ccm 25 % Antiforminlösung, hergestellt 
mit 7, gesättigter NaCl-Lösung 
-}-10ccm Sputum 50' lang 

b) 20 ccm 25*/» Antiforminlösung, hergestellt 
mit Aqua dest. 

-f 10 ccm Sputunt 50' lang 

11. X. 

11. X. 

M. 4208 

M. 4211 

t 26. III. Schwere Tuberkulose der 
Lunge, Leber, Milz. 

t 28. I. Schwere Tuberkulose T. B. -f- 

M. 4209 

M. 4212 

t 19. X. Peritonitis. 

M. 4210 

t 3. XI. Befund? Leistendrüsnn ge¬ 
schwollen T. B. — sonst o. B. 

t 14. X. Peritonitis. In Lungen ein¬ 
zelne Herde. Linke Kniefaltendrtisen 

gerötet und geschwollen. T. B. — 


In ein großes 60° C warmes Wasserbad wurden zwei 11 fassende 
Bechergläser gebracht, von denen das erste mit 250 ccm 10% Antiformin¬ 
lösung und das zweite mit der gleichen Menge Aqua dest. beschickt war. 
Zwei in die Flüssigkeit eintauchende Kontrollthermometer zeigten 
die jeweilige Temperatur in den Gefäßen an. War nun die Wärme 
der Flüssigkeiten konstant 60° C, so wurden in den ersten Versuchsreihen 
nur kleine Mengen dickballigen, tuberkelbazillenhaltigen Sputums zu 
je 10 ccm eingefüllt und weitere 10 ccm desselben Sputums in ein 3. Becher¬ 
glas, das außerhalb des Wasserbades bei Zimmertemperatur aufgestellt 
war und ebenfalls 250 ccm lOproz. Antiforminlösung enthielt. Nach Ab¬ 
lauf von 10 bis 30 Minuten wurden aus den einzelnen Bechergläsern 50 ccm 
Flüssigkeit entnommen, in Zentrifugengläser gebracht, in kaltem Wasser 
abgekühlt und % Stunde scharf zentrifugiert. Die Bodensätze wurden dann 
3 mal mit Kochsalzlösung gewaschen und schließlich in wenigen ccm phys. 
Kochsalzlösung aufgeschwemmt Meerschweinchen subcutan eingespritzt. 

Wie aus den Protokollen (in Tabelle 8) der in dieser Weise angestellten 
7 Versuchsreihen hervorgeht, konnten vermittels Tierimpfungen in keinem 
der mit 60° warmen lOproz. Antiformin vorbehandelten Sputa infektions¬ 
fähige T.B. mehr nachgewiesen werden. Leider ging uns nur eine große 
Zahl der Versuchstiere infolge der herrschenden Meerschweinchenseuche 
ein, wodurch das Bild natürlich erheblich getrübt wird. So verfügen 
wir infolgedessen nur über ein Tier mit genügend langer Beobachtungszeit, 
das mit dem Sputumbodensatz nach 10 Minuten langer Einwirkungsdauer 
von 60° warmer lOproz. Antiforminlösung gespritzt und 5 Monate nach der 
Injektion noch völlig gesund war. Die Kontrolliere mit lOproz. zimmer¬ 
warmem Antiformin waren bereits 10 Wochen nach der Impfung an typi¬ 
scher Tuberkulose zugrunde gegangen. 

Absolut einwandfrei und nicht gestört durch Tierverlust war der 
Versuch 2, aus dem mit Sicherheit geschlossen werden konnte, daß die 
T.B. des Sputums bereits nach 14 ständigem Aufenthalt in 60° warmem 
Antiformin abgestorben waren, während 60° warmes Wasser allein und 
lOproz. Antiforminlösung bei Zimmertemperatur die T.B. in ihrer Virulenz 
nicht erheblich beeinträchtigt hatten, so daß die mit ihnen gespritzten 
Meerschweinchen alle an typischer, schwerer Tuberkulose eingingen. In 

20 * 


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306 Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 

den übrigen Versuchen waren ebenfalls in keinem der 20 oder 25 Minuten 
lang mit 60° warmem lOproz. Antiformin behandelten Sputa infektiöse 
T. B. mehr nachweisbar, während das bei den mit 60° warmem Wasser 
allein versetzten Sputis immer gelang, sofern die Versuchstiere nicht an 


Tabelle 8. 

Versuch 1. 


a) 225 ccm 60* warmes Wasser 
25 ccm Antiformin 
+ 10 ccm Sputum 

b) 250 ccm 60° warmes Wasser 
+ 10 ccm Sputum 

c) 225 ccm kaltes Wasser 
! 25 ccm Antiformin 

~f 10 ccm Sputum 

20. II. 

M. 3769, nach 10'. ! 

f 22. III. Meer¬ 
schweinchenseuche T.B.— | 

. 

20. II. 

M. 3775, nach 30'. 

t 2 V.' Typischer 
Tuberkulosebefund. 

M. 3770, nach 10'. 
umgebracht am 17. IX. 
T. B.— 


M. 3776, nach 30'. 

110. V, Typischer 
Tuberkulosebefund. 

M. 3771, nach 20'. 
f 18. III., interkurrent. 
T.B.— 

“ 


M. 3772, nach 20'. 
t 22. III., interkurrent. 
T. B.— 

| 


M. 3773, nach 30'. 
f 7. III. Meer¬ 
schweinchenseuche T.B.— 

. 


M. 3774, nach 30'. 

— 



f 18. III. Pneumonie. 

T. B.— Pneumokokken-)-. 

Versuchsergebnis: Tuberkelbazillenhaltiges Sputum ließ nach 10, 20 und 
30' langer Vorbehandlung mit 60° warmer 10% Antiforminlösung keine viru¬ 
lenten T.B. im Tierversuch mehr nachweisen, während dasselbe Sputum, 30' 
mit 10% zimmerwarmer Antiforminlösung vorbehandelt, noch virulente T. B. 
aufwies. (Beachte die Seuche!) 


Versuch 2. 


Nach 15'. 

Nach 15'. 

Nach 15'. 

20. III. 

20. III. 

20. III. 

M. 3789. 

M. 3796. 

M. 3799. 

t 27. IV. Meer- 

t 22. V. Typischer 

t 24. V. Typischer 

schweinchenseuche T.B.— 

Tb-Befund. 

Tb-Befund. 

M. 8794. 

M. 3797. 

f 5. VI. Schwere Tb. 

M. 3800. 

t 18. IX., geschlachtet. 

T. B.— 

t 6. VI. Typischer 
Tb-Befund. 

M. 3795. 

M. 3798. 

M. 3801. 

t 31. V. T. B.— Meer¬ 

t 17. V. Typischer 

f 29. IV. Typischer 

schweinchenseuche T.B.— 

Tb-Befund. 

Tb-Befund. 


Versuchsergebnis: 60° warme 10% Antiforminlösung tötete in allen 
3 Fällen T. B. innerhalb 15' im Sputum ab. 60° warmes Wasser tötete in keinem 
Falle innerhalb 15' T. B. im Sputum ab. Eine 10% Antiforminlösung tötete 
bei Zimmertemperatur innerhalb 15' T. B. im Sputum nicht ab. 


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<* 7 ! 


-5 


Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten. 307 

der Meerechweinchenseuche zu kurze Zeit p. inj. eingingen. Anders da¬ 
gegen waren die Befunde bei den Kontrolltieren, denen die Bodensätze der 
mit zimmerwarmem lOproz. Antiformin versetzten Sputa injiziert waren; 
sie gingen größtenteils an einer typischen Impftuberkulose ein. 


Tabelle 8. (Fortsetzung.) 
Versuch 3. 


a) 225 ccm 60* warmes Wasser 
25 ccm Antiformin 
-t- 10 ccm Sputum 

20' lang. 

b) 250 ccm 60* warmes Wasser 
-J- 10 ccm Sputum ! 

20' lang. 

c) 225 ccm kaltes Wasser 

25 ccm Antiformin 
f 10 ccm Sputum 

20' lang. 

25. IV. 

M. 3851. 

1 10 . V. Sektion o. B. 

T. B. — Zu früh ein- 

25. IV. 

M. 3854. 

f 6 . VI. Typischer 

Tb-Befund. 

25. IV. 

M. 3857. 

t 14. VII. Sektion o. B. 

gegangen. 

i 


M. 3852. 

t 22 . V. Sektion o. B. 
T.B.— 

M. 3856. 

t 30. IV. Sektion o. B. 

Zu früh eingegangen. 

M. 3858. 

f 10. V. Sektion o. B. 

Zu früh gestorben. 

M. 8868 . 

f 18. IX., geschlachtet. 

T. B.— 

M. 3855. 

t 27. V. Typischer 

Tb-Befund. 

M. 3859. 

f 31. V. Beiderseits Knie¬ 
faltendrüsen vergrößert 
und verkäst mit positiven 
T.B.-Befund. Organe frei 
von T. B. 


Versuchsergebnis: 60° warme 10 % Antiforminlösung tötete T. B. im 
Sputum innerhalb 20 ' ab. 60° warmes Wasser tötete T. B. im Sputum inner¬ 
halb 20' nicht ab. 10% Antiforminlösung bei Zimmertemperatur tötete in 
einem Falle (M. 3857) die T. B. im Sputum ab, während in einem anderen 
Falle (M. 3852) der Tierversuch positiven T. B.-Befund ergab. 


Versuch 4. 


20 ' lang. 

13. V. 

M. 8878. 

f 24. IX., geschlachtet. 

T. B.— 

20 'lang. 

13. V. 

M. 3880. 

114. V. Meer- 
sc h wei nche nseuche. 

20 ' lang. 

13. V. 

M. 3876. 

126. V. Meer¬ 
schweinchenseuche T.B.— 

M. 3873. 
f 14. V. Meer¬ 
schweinchenseuche T.B.— 
Zu früh eingegangen. 

M. 3881. 

119. V. Meer¬ 
schweinchenseuche. 

M. 3877. 

118. V. Meer¬ 
schweinchenseuche. 

M. 3874. 
t 20 . V. Meer¬ 
schweinchenseuche T.B.— 

M. 3882. 

f31.V. Sektion o. B. 

11* QftTÄ 

115. VII.‘Sektion o. B. 

M. 3875. 
f 14. V. Meer¬ 
schweinchenseuche T.B.— 

M. 3883. 
t 31. V. Meer¬ 
schweinchenseuche. 

U 00*70 

t 2. VI. Sektion o. B. 


Versuchsergebnis: Kaum verwertbar, da 8 der gespritzten Tiere bald 
nach der Injektion an Meerschweinchenseuche eingingen. Nur bei dem M. 3872 
ergab der Versuch, daß eine 10 % Antiforminlösung von 60 # C. ausgereicht 
hatte, um die T. B. im Sputum innerhalb 20 ' abzutöten, sodaß der Tierver¬ 
such den Nachweis der T. B. nicht mehr erbrachte. 


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308 


Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 


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Diese Beobachtungen legten den Gedanken nahe, die Temperatur¬ 
grenze festzustellen, bis zu welcher eine Abtötung der Sputumtuberkel¬ 
bazillen in lOproz. Antiforminlösungen innerhalb verhältnismäßig kurzer 
Zeit mit Sicherheit erfolgte. 


Tabelle 8. (Fortsetzung.) 
V e !*S u c li 5. 


a) 225 ccm 60* warmes Wasser 
25 ccm Antiformin 
- 10 ccm Sputum 

20' lang. 

b) 250 ccm 60* warmes Wasser 
t 10 ccm Sputum 

20' lang. 

| c) 225 ccm kaltes Wasser 

25 ccm Antiformin 
-j- 10 ccm Sputum 

20 ' lang. 

24. V. 

M. 3906. 

t 30. V. Sektion o. B. 
T.B.— 

24. V. 

M. 3910. 

t 2. VI. Sektion o. B. 

24. V. 

M. 3914. 

118- IX., geschlachtet. 
Sektion o. B. 

M. 3907. 

115. VI. Sektion o. B. 

T. B.— 

M. 3911. 

| 25. VI. Typischer 
Tb-Befund. 

M. 3915. 

i f 28. V. Meer¬ 

schweinchenseuche. 

M. 3908. 

t 30. V. Sektion o. B. 

T. B.— 

M 3 CM 9 

113. IX. Sektion <». B. 
T.B.— 

M. 3916. 

flO. VI. Sektion o. B. 

M.,8909. 

115. IX., geschlachtet. 
T. B.— 

M. 3913. 

f 28. V. Sektion o. B. 

M. 3917. 

t 27. V. Pneumonie dos 
linken Unterlappens. 


Versuchsergebnis: getrübt durch den vorzeitigen Tod von 7 Versuchs¬ 
tieren ohne jeglichen pathologischen Befund bei der Sektion. In einem Falle 
(M. 3909) ließ der Tierversuch erkennen, daß 60° warmes 10% Antiformin die 
T. B. im Sputum abgetötet hatte, wohingegen in einem anderen Falle 60° 
warmes Wasser die Sputum-T. B. nicht abtötete. In einem 3. Falle (M. 3914) 
hatte eine zimmerwarme 10% Antiforminlösung ausgereicht, um die T. B. im 
Sputum innerhalb 20' abzutöten (M. 3914). 


Versuch 6. 


25' lang. 

25' lang. 

25' lang. 

6 . VI. 



M. 3972. 

M. 3969. 

M. 3975. 

t 24. VI. Sektion u.B. 

t 9. VII. Typischer 

t umgebracht 8. X. 

T.B.— 

[ Tb-Befund. 

Typischer Tb-Befund. 

M. 8978. 

M. 3970. 

M. 3976. 

t 7. VII. Sektion o. B. 

t umgebracht 8. X. 

t umgebracht 8. X. 

Frei von T. B. — 

j Typischer Tb-Befund. 

M. 3974. 

M. 3971. 

M. 3977. 

f 26. VI. Sektion o. B. 

117. VII. Sektion o. B. 

T. B.— 

| uingebr. 8. X. Drüßen r. 

1 vergr. und verkäst. T. B.-f- 


Versuchsergebnis: einwandsfrei, 60° warme 10% Antiforminlösung tötete 
innerhalb 25' die Sputum T. B. ab. 60° warmes Wasser hat die T. B. im Sputum 
innerhalb 25' nicht abgetötet. Zimmerwarme 10% Antiforminlösung hat bei 
einem Tier (M. 3975) noch virulente T. B. nachweisen lassen, während bei einem 
2. Tier (M. 3976) der T. B. Nachweis nicht mehr gelang, das 3. Tier warschon 
20 Tage nach der Injektion eingegangen, bei dem der T. B. Nachweis gleich¬ 
falls negativ ausfiel. 


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THE OHIO STATE UNIVERS 

_ . _ .-;s£3 




Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozenl Dr. Jotteh. 30'J 


Tabelle 8. (Fortsetzung.) 
Versuch 7. 


a) 225 ccm 60* warwes Wasser 
25 ccm Antiformin 

4- 10 ccm Sputum j 

20' lang. 

I b) 250 ccm 60 # warmes Wasser i 
• 10 ccm Sputum 

20 ' lang. 1 

| 

c) 225 ccm kaltes Wasser 

4 25 ccm Antiformin 

4 10 ccm Sputum 
| 20' lang. 

4. VII. 

M. 70. 

t 7. X. umgebracht T.B.— 

4. VII. 

M. 67. 

t 7. X. Typischer 
Tb-Befund. T. B. + 

4. VII. 

M. 73. 

t 7. X., umgebracht. 
Sektion o. B. T. B. — 

M. 71. 

f 29. VII. Sektion <>. B. 
T.B.— 

M. 68 . 

t 4. VIII. Tb-Befund. 

| In Leber und Milz T. B. + 

M. 74. 

t 7. X., umgebracht. 
Sektion o. B. T. B. — 

M. 78. 

1 7 . X., umgebracht T.B.— 

i M. 69. 

t 7. X., umgebracht. 
Typischer Tb*Befund. In 
Lungen, Leber, Milz 
T.B.+ 

M. 75. 

t 7. X., umgebracht. 
Sektion o. B. T. B.— 


Versuclisergebnis: Eine 60® warme 10®/ 0 Antiforminlösung reichte aus, 
um innerhalb 20 ' die T. B. im Sputum abzutöten. Tierversuche alle negativ 
(M. 70, 71, 72.) 60° warmes Wasser tötete die T. B. nicht ab. Tierversuche 
alle positiv (M. 67. 68 , 69.) Eine zimmerwarme 10 % Antiforminlösung tötete 
innerhalb 20 ' die T. B. im Sputum ab. T. B. waren im Tierversuch nicht mehr 

nachweisbar (M. 73, 74, 75.) 

Wie aus der Tabelle 9 hervorgeht, war bei Verwendung von 50° 
warmen lOproz. Antiforminlösungen eine Abtötung der T.B. in allen Ver¬ 
suchen in 30 Minuten erfolgt 1 ), wenigstens ließen sich solche vermittels 
Tierimpfungen nicht mehr nachweisen. Dagegen konnten, wie ausTabellelO 
zu ersehen ist, bei Verwendung 45° warmen lOproz. Antiformins in der 
1. Versuchsreihe einmal noch ganz vereinzelte, virulente T.B. in der r. Knie¬ 
faltendrüse eines Tieres festgestellt werden, während die beiden anderen 
Tiere, die mit demselben Sputumbodensatz gespritzt und erst 3% Monate 
p. inj. geschlachtet waren, keinerlei tuberkulöse Krankheitsformen und 
T.B. aufzuweisen hatten. Die Kontrolliere waren alle tuberkulös er¬ 
krankt. 

Unsere Versuche hatten somit gezeigt, daß 250 ccm 50 bis 
60° warmer lOproz. Antiforminlösungen in allen Fällen aus¬ 
gereicht haben, um die Tuberkelbazillen in 10 ccm Sputum 
innerhalb von 20—30 Minuten mit Sicherheit abzutöten. 

Diese Ergebnisse sind besonders deshalb interessant, weil es selbst 
mit starken Antiforminlösungen und längerer Einwirkungszeit bis zu 
10 und 12 Stunden nicht gelingt, T.B. im Sputum bei gewöhnlicher 
Temperatur abzutöten. 

Dieselben günstigen Abtötungsergebnisse bekamen wir einige Male 
auch bei praktischen Versuchen mit etappenweisem Zusatz von Sputum, 
wenn wir in Spucknäpfe, die auf elektrischem Wege auf ca. 63° gehalten 

*) Auch in 50® warmefi Antiforminlösungen waren K u 11 uraufschwem- 
iinnigen von T.B. schon na&h 15 Minuten abgetötet; in 50° warmem Wasser 
gelang die Abtötung in 15 Minuten nicht. (Tabelle 9 Versuch 2 .) 


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310 Die Ablötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 

Tabelle 9. 


Versuch I. 


a) 225 ccm 50° warmes Wasser 

4- 25ccm Antiformin 

10 ccm Sputum 

30' lang 

b) 250ccm 50• warmes Wasser 

10 ccm Sputum 

30' lang 

12. IX. 

M. 4108, bis 20. VII. 
überlebt glatt und dann zu Sypliilis- 
versuchen genommen. 

12. IX. 

M. 4111. 

f 25. XI. Sehr schwere Tuberkulose. 
T. B. -|- in verkäster Sternaldrüse. 

M. 4109. 

f 29. X. 1920. Keine Tuberkulose. 

M. 4112. 

f 5. XI. Tuberkulose, nur in Drüsen 
T. B. +. 

M. 4110. 

f 7. V. Drüse links?, sonst glatt T. B. 
nicht nachweisbar. 

M. 4113. 

f 15. XII. Schwere Tuberkulose T. B.-f- 

Versuch 2. 

Versuch mit 

Reinkultur. 

12. IX. 5mgr Typ.-hum. T. B. • 115« 

-f 9 ccm Aq. dest. 50 # C. 

-f- 1 ccm Antiformin 

15' lang 

12. IX. 5 mgr Typ.-hum. T. B. »115« 

t-10 ccm Aq. dest. 50*C. 

15' lang 

12. IX. 

M. 4104. 

f 17. V. T. B.—. Tier war mit Weil 
infiziert. 

12. IX. 

M. 4105. 

f 20. XII. Typische Tuberkulose T. B. + * 

M. 3965. 

t 23. VIII. In Drüse und Milz T. B. +. 
(Tier war mit Weil geimpft.) 

M. 4106. 

f 29. VII. Schwere Tuberkulose T. B. -{-• 

M. 3966. 

f 19. XII. 1919. Keine Spur von Tub. 
Keine T. B. 

M. 4107. 

f 16.11. AJlgeineineTuberkuloseT. B.-{— 



Fig. i. 


Gck igle 


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Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privaldozent Dr. Jölten. 311 

Tabelle 10. 


Versuch 1. 


a) 225 ccm 45® warmes Wasser 
25 ccm Antiformin ! 

4- 10 ccm Sputum 

30'lang 

b) 250 ccm 45 • warmes Wasser ; 
4- 10 ccm Sputum 

30' lang 

c) 225 ccm kaltes Wasser 

25 ccm Antiformin 

4- 10 ccm Sputum 

30' lang 

19. VI. 

M. 3987. 

f umgebracht7. X.T. B.—. j 

19. VI. 

M. 3990. 

t4. VII.Meerschweinchen- 
seuche. 

19. VI. 

M. 3993. 

f 7. X. Typischer 
Tb-Befund T. B. +. 

M. 3988. 

f 13. VIII. 2 vereinzelte 1 
T. B. in der Drüse. Pneu¬ 
monie rechts. 

M. 3991. 

f 8. VII. Meerschweinchen¬ 
seuche. In Drüse und 
Milz T. B. -f. 

M. 3994. 

f 7. X. umgebracht. 
Typischer Tb-Befund 
T.B.+. . 

M. 3489. 

f umgebracht 7. X. T. B.—. 

1 

M. 3992. 

t 28. VIII. Typischer 
Tb-Befund. 

M. 3995. 

t 7. IX. umgebracht. 

1 Linke Drüse T. B. +• 
Pleuritis sin. mit Käse¬ 
herd. T. B. +. 

Versuchsergebnis: 45° warmes Wasser tötete T. B. im Sputum inner¬ 
halb 30' nicht ab. 45° warme 10% Antiforminlösung ließ nach 30' 
langer Einwirkungszeit T. B. im Sputum im Tierversuch in einem Falle (M. 3988) 
noch nachweisen, während bei 2 weiteren Fällen (M. 3987, 3989,) die T. B. 
innerhalb 30' abgetötet waren. Zimmerwarme 10% Antiforminlösung 
tötete innerhalb 30' die T.B. im Sputum nicht ab. 


Versucli 2. 


30' lang. 

27. IX. 

M. 4161. 

f 27. III. getötet, keine 
Spur von Tb. 

i 

30' lang. 

27. IX. 

M. 4164. 

t 5. XII. schwere Tuber¬ 
kulose aller Organe. 

T. B. +. 

30' lang. 

27. IX. 

M. 4162. 

f 1. VI. glatt, keine Spur 
von Tuberlulose. 

M. 4165. 

f 31. XII. schwere Tuber¬ 
kulose. In Lunge und 
Milz zahlreiche T. B. 


M. 4163. 

f 21. V. keine Spur von 
Tuberkulose. 

M. 4166. 

t 29. XII. schwere Tuber¬ 
kulose aller Organe und 
Drüsen. In Lunge, Leber 
Milz T. B. +. 



werden konnten (s. Abb. 1), 500 ccm lOproz. Antiforminlösung einfüllten 
und in bestimmten Zeitabständen kleinere Sputummengen — insgesamt 
50—55 ccm — zusetzten und nach der letzten Zugabe die Desinfektions¬ 
flüssigkeit noch %—2 Stunden einwirken ließen (s. Tabelle 11). Während 
nämlich die Kontrollen mit kaltem Antiformin an typischer Tbc. eingingen, 
war dieses nicht der Fall bei den anderen Tieren, die mit den Bodensätzen 
von mit warmem Antiformin vorbehandeltem Sputum gespritzt waren. 
In einem weiteren Versuche (Tabelle 12) dagegen konnten wir hierbei 



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THE OHIO STATE UNtVERSITY 




312 


Die Ablötung (Jur TuberkelbaziUen im Sputum usw. 


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TabeUe 11. 

Etappen versuche. 

Versuch I. 22. X. 1919. 

.'>00ccm 10% Antiforminlösung werden bei 63° mit Sputum beschickt, 
um 12h 16 — 20ccin Sputum, nach 5' totale Lösung 
um 12 h *9 — 15 ccm Sputum, nach 20' alles gelöst 
um lh 40 — lOccm Sputum, nach lh alles gelöst 
um 2h 60 — lOccm Sputum, nach 50' alles gelöst 
um 4 h wird der Temperaturkontakt ausgeschaltet, 
am 23. X. morgens 10h Temperaturkontakt wieder eingeschaltet, 
um 11h 16 — 10 ccm Sputum zugesetzt, die nach lVgSt. homogenisiert sind, 
um 1 h 15 — (nach 2 h) wird Gesamtflüssigkeit abzentrifugiert und Bodensatz 
3X gewaschen mit physiologischer NaCl-Lösung. 

M. 4265. I M. 4266. I M. 4267. 

t 7. V. 4920. Keine Spur Überlebt. f 13. XII. Keine Tuber- 

von Tuberkulose. | Hat gar keine Zeichen kulose. Drüsen negativ, 
(Zu Weil-Versuchen I tuberkulöser Erkrankung keine Tuberkelbazillen, 

benutzt) ! erkennen lassen. | 

Kontrolle: lOccm Sputum werden mit 10% Antiformin verdaut, sodann 
abzentrifugiert und 3mal mit NaCl. gewaschen. Bodensatz s. e. gespritzt. 

M. 4268, f 1. XI. Pneumonie sonst o. B. 


Versuch 2. 24. X. 1919. 

500cem 10% Antiforinin bei 63° werden mit 50ccm Sputum in Intervallen 
beschickt, 10h 35 — lOccm, 11h 80 — lOccm, 11 h 45 — lOccm, 12h 10 — 12ccm, 
12h 40 — 8ccm. Um 1 h 20 (40'später) ist alles gelöst und wird %St. zentri¬ 
fugiert und Bodensatz 3 mal mit physiolog NaCl-Lösung gewaschen und Meer¬ 
schweinchen s. c. injiziert. 


M. 4269. 

M. 4270. 

! M. 4271. 

f 29. V. Keine Spur von 

f 31. V. Keine Spur von 

| f 18.XII. interkurrento.B. 

Tuberkulose. 

Tuberkulose. 

' Keine Spur von Tuber¬ 
kulose. 


Kontrolle: lOccm desselben Sputums mit 25ccm Antiformin verdaut und 

abzentrifugiert. 


t 


M. 4272. 

27. X. Tier scheint schon 1919 ander¬ 
wärts im Versuch gewesen zu sein. 


M. 4273. 

f 11. XII 1919. Tb. der Lungen, Leber 
und Milz. T. B. +. 


schon einen Mißerfolg konstatieren, indem nämlich das Desinfiziens aller¬ 
dings in der kürzeren Zeit U Stunde nach der letzten Sputumzugabe die 
T.B. noch nicht abgetötet hatte. 

Als wir aber nun daran gingen, diese Desinfektionsversuche mit warmen 
Lösungen in Spuckflaschen anzustellen, wo man wie in der Praxis mit 
kleineren Mengen Desinfektionsflüssigkeit verhältnismäßig viel größere 
Sputummen^en desinfizieren mußte, zeigte es sich, daß hierzu auch die 60° 
warmen lOproz. Antiforminlösungen nicht ausreichten. Wie aus den 
Tabellen 13—16 hervorgeht, wurden die Spuckflaschen vor Versuchsbeginn 
zur Hälfte mit lOproz. Antiforminlösung gefüllt und dann entweder im 
Wasserbad bei 60° oder in besonders konstruierten, nach außen gut 
abgedichteten und mit japanischer Heizkohle auf 60—70° erwärmbaren 


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THE OHIO STATE UNIVERSITY 



Tabelle 12. Vergleichende praktische Versuche bei 60° mit 10*/ o Antiformin, Wasser und 5% K-Lysol. 1 ) 29. und 30. XI. 1919. 



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THE OHIO STATE UNIVERSITY 



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314 Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 


Tabelle 13. 

Versuche in Spuckflaschen, die bei 60° im Wasserbad gehalten werden. 

18. XI. 1919. 


I. 50 ccm 10% Anti¬ 
formin (68) 

-- 5 ccm Sputum 10 35 
-- 5 ccm » 10 40 

- - 5 ccm » 11 10 

— 5 ccm * ll 25 

+ 5 ccm » 11®° 

40 Min. später 12*° Ver¬ 
suchsschluß. Abzentri¬ 
fugiert u. 3 X mit NaCl 
gewaschen. 

Je 2 ccm Bodensatz s. c. 


II. 50 ccm 60° warmes 
Wasser 

-j- 25 ccm Sputum 
wie I. 


Behandlung wie I. 


^ III. 50ccm kaltes Wasser. 

I -|-25 ccm Sputum 
wie I. 

Behandlung wie I. 


M. 3. 

115. III. Schwere Tuber¬ 
kulose aller Organe und 
Drüsen. T.B. 


M. 1. 

t 2.1.1920. Typischer 
Tuberkulosebefund in 
Lungen, Leber, Milz u. 
Drüsen. T. B. + 


M. 4. 

113. I. Tuberkulose aller 
Organe u. Drüsen T. B. -f- 


M. 2. 

113.1. Starke Tuber¬ 
kulose der Organe und 
Drüsen. T. B. + 


M. 5. 

t 30. XII. Schwere Tuber¬ 
kulose der Lungen, Leber 
u. Milz T. B.+ 


M. 7. 

f 8.1. Schwere Tuber¬ 
kulose. T. B. + 


M. 6. 

t 8. I. Ausgesprochene 
Tbc. der Lungen, Leber, 
Milz u. Drüsen. T. B. + 


M. 8. 

| 13. I. Tuberkulose der 
Lungen, Leber, Milz u. 
Drüsen. T. B. + 


M. 9. 

113. I. Schwere Tuber¬ 
kulose. T. B. + 


Tabelle 14, 

Spuckflaschenversuch bei 60°. 
22. XI. 1919. 


I. 50 ccm 10% Antiformin (60°) 


— 5 ccm 

— 5 ccm 

— 5 ccm 
-- 5 ccm 

— 5 ccm 


Sputum IO* 5 
» 10 46 
» ll 1 ® 
» 12°® 
i 12 40 


stark 

positives 

Sputum 


O ber Mi t tag s tehen gelassen vo n 4 10 —3 8° 
Versuchsschluß 6 h. 5°°—60° 

Zentrifugiert u. 3 X gewaschen, 

je 2 ccm s. c. 6°°—60° 


II. 50 ccm 10% Antiformin 
+ 25 ccm Sputum wie 1. 


Behandlung wie I. 


M. 11. 

t 20. III. 1920. Sektion o. B. T.B.— 
M. 12. 

t 19. 11.1920. Sektion o. B. T. B.— 
M. 13. 

t 15. III. An Gärtner-Stallseuche 
T. B. - 


M. 10. 

t 26. XII. Keine Tuberkulose. T. B.— 
M. 14. 

t 16. III. Sektion o. B. Keine T. B .— 
M. 15. 

t 26. 1. Alle Organe o. B. T.B.— 


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Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten. 


315 


Tabelle 15. 

Versuche mit erwärmter Spuckflasche u. 10% Antiformin. 
30. XI. 1919. 


Zeit 

Tem¬ 

peratur 

50 ccm 10 •/• Anti¬ 
formin um 9 99 ein¬ 
gefüllt. 

9 40 

40° 

5 ccm Sputum 
zu gesetzt. 

9 :, "‘ 

50° 

5 ccm Sputum 

957 

51° 

5 ccm Sputum 

IO * 4 

59° 

10 u 

60° 


10 1 » 

62° 

5 ccm Sputum 

10* 4 

62° 

10» 1 


5 ccm Sputum 

10 3S 

53,5° 


10« 

55* 

| 

IO 4 * 

63* 


10« 

69« 


10 11 

75« 


10*® 

75« 


10" 


5 ccm Sputum 

10« 

72« 


HO* 

78* 


11« 

74« 


HJO 

1 

Versuchsschluß. 


Die ganze Sputummenge wird abzentri¬ 
fugiert und 2 X gewaschen mitphysiol. 
NaCl-Lösung. 

M. 4356. 

t 18. II. 1920. Tuberkulose der Lunge, 
Leber. Milz und Drüsen. T. H. + in 
Lungen und Drüsen. 


M. 4357. 

j 7. XII. Sektion nicht ausgeführt. 


Taschenspuckflaschen (b. Abb. 2) gehalten. Dann wurden sie in bestimmten 
Zeitabständen mit je 5 ccm Sputum, insgesamt mit 25—30 ccm beschickt. 
Wirkten nun diese warmen lOproz. Antiforminlösungen noch ca. % Stunden 
nach der letzten Sputumzugabe ein (Tabelle 13 und 15), so waren die 
T.B. im Sputum ebenso wie in den Kontrollen mit 60° warmem Wasser 
allein noch nicht abgetötet im Gegensatz zu den früheren Versuchs¬ 
ergebnissen, wo bei 250 ccm 50—60° warmem lOproz. Antiformin und 
10 ccm Sputumzusatz eine Abtötung der T.B. schon nach 15—30 Minuten 
erfolgt war. 

Der Unterschied in diesen Versuchsergebnissen ist auf die verschie¬ 
dene Versuchsanordnung zurückzuführen, indem nämlich bei diesen Spuck¬ 
flaschenversuchen viel weniger Desinfektionsflüssigkeit und im Verhältnis 
dazu vielmehr Sputum zugesetzt wurde. Während wir bei den ersten 
günstigen Versuchsergebnissen (siehe Tabelle 7—9) auf 10 ccm Sputum 
250 ccm Antiforminlösung — also auf 1 Teil Sputum 25 Teile Antif. — 
10' — 1 Stunde einwirken ließen und eine Abtötung erreichen konnten, 
war dieses bei den späteren Versuchen, die in den Tabellen 17—24 zu¬ 
sammengestellt, zum Teil in kleinerenMengen in zugeschmolzenen Röhren 
unter Wasser untergetaucht vorgenommen und bis zu 1 Stunde ausge¬ 
dehnt worden sind, keineswegs der Fall. Es war eben die zugesetzte 
Sputummenge größer gewählt und schwankte zwischen gleichen Teilen 
Sputum und Desinfiziens einerseits und 1 Teil Sputum und 12 Teilen 
Desinfiziens andererseits bei Einwirkungszeiten bis zu 1 Stunde. Nur 
in einem einzigen Versuche, und zwar bei 8 ccm Sputum und 100 ccm 


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THE OHIO STATE UNIVERSITY 







Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw 


Tabelle 16. 22. XI. 1919 


50 rem Desinfektions¬ 
flüssigkeit 
10 ccm Sputum 
Beginn 10 h 10 
10 h 40 —36° 

10 h 47 — 40° 

10 h 50 — 5 ccm Sputum 
H h ° 5 —60° 

11 h 12 —58° 

11 h u — 5 ccm Sputum 
11 h 30 — 58° 

11 h 50 — 5 ccm Sputum 

12 h 10 —68° 

12h“ — 65° 

1 h — 60° 

4 h — 62° 

4 h 05 — 5 ccm Sputum 
4h 10 — 03° 

5 h — 56° 

5h 40 - 55° 

Versuchsschluß. 


III. 50 ccm 15°/ ( 
KOH Zimmer¬ 
temperatur 
+ 10 ccm Sput, 


Je 2 ccm s. c 


M 62. 

t 10. I. Seuche 


20' zentrifugiert u. ' 
gewaschen. 

Je 2 ccm Bodensatz s 
gespritzt. 


Seuche 


M 64. 

t 8. III. Tbc 
der Lungen u 
Drüsen. T. B. +, 


Japanische 

Heizkohle 


Drahthülse 


b) Längsschnitt. 


a) äußere Ansicht 


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I. 50 ccm 10% 
Antiform., warm 
+ 10 ccm Sput. 

II. 50 ccm 15% 
KOH, warm 
+ 10 ccm Sput. 

Temper, u. Sputumzus. (staffelweise) 

Je 2 ccm Boden¬ 
satz s. c. 

Je 2 ccm s. c. 

M 48. 

t 9. II. Stall¬ 
seuche. Keine 
T. B. 

M 47. 

t 2. I. Seuche. 

M 49. 

t 5. I. Stall¬ 
seuche. 

M 51. 
t 26. XII. 
Seuche. 

M 50. 

t 6. II. Stall¬ 
seuche. Keine 
Spur v. Tuber- 

M 52. 

t 27. I. Seuche. 
Keine Tuberkul. 





Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten. 


317 


Tabelle 17. 

9. I. 20. 

Versuche hei 50*. 


100 ccm 10% Anti - 
formin 50° 

+ 8 ccm Sputum 


II. 100 ccm 
3% K-Lysol 50°*) 
-1- 8 ccm Sputum 


III. 100 ccm 
5% Carbo l 50° 
4- 8 ccm Sputum 


IV. Kontrolle. 
5% Antiformin 
+ 8 ccm Sputum 



I. 100 ccm 10% Anti- 
„ formin 

+ 25 ccm Sputum 


i Einwirkungszeit 1 St. 
'Zähflüssig, nichtgelöst. 
Abzentrifugiert u. 

2 + gewaschen. 

Je 2 ccm Bodensatz 
► s. c. gespritzt. 

M. 4559. 

f 28. V. Schwere Tuber¬ 
kulose T. B. + 

i M. 4560. 

fll. VI. Tuberkulose. 
In Drüsen T. B. + 


II. 100 ccm 10% Anti¬ 
formin 

+ 25 ccm Sputum 


Einwirkungszeit 1 St. Einwirkungszeit 1 St. 

Noch sehr zähflüssig. . 

Behandlung wie bei I. Behandlung wie bei I 


III. 100 ccm 
3 % K-Lysol 
+ 10 ccm Sputum 


Je 2 ccm Bodensatz 
s. c. gespritzt. 

M. 4561. 
t 26. VI. 

Keine Tuberkulose. 

M. 4562. 
fl. VII. 

Keine Tuberkulose. 


Je 2 ccm Bodensatz 
s. c. gespritzt. 

M. 4563. 
t 24. II., o. B. 

M. 4564. 
f 4. IX. Keine 
Tuberkulose. 


IV. 100 ccm !%NaOH. 


+ 10 ccm Sputum 


Einwirkungszeit 1 St. 
Behandlung wie I. 

Je 2 ccm Bodensatz 
s. c. gespritzt. 

M. 4565. 

t 7. II. Pneumonie. 
In Drüsen T. B. + 

M. 4566. 

118. II. Leichte 
Drüsenschwellung 
T.B.+ 


50° warmem lOproz. Antiformin — 1 Stunde lang — war eine Abtötung 
der T.B. erfolgt, während die Desinfektion in allen anderen versagte (siehe 
Tabelle 17). Auch Versuche, mit stärkeren Konzentrationen bis zu 30 
und 50proz. 60° warmen Antiforminlösungen zum Ziele zu kommen, 
schlugen fehl (s. Tabelle 24). Derartige konzentrierte Antiforminlösungen 
sind auch schon an und für sich wegen ihrer stark ätzenden Wirkung und 
ihres hohen Preises wegen für die Desinfektion in der Praxis nicht geeignet. 

*) Die hier und im folgenden mitaufgeführten Versuche mit K-Lysol, 
F-Lysol, Carbol werden in einer späteren Mitteilung näher besprochen. 


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318 


Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 


Tabelle 19. 


Versuche bei 60°. 


5. II. 1920. 


II. 100 ccm 

3 % K-Lysol 
+ 25 ccm Sputum 

III. 100 ccm 

3% K-Lysol, kalt, 
+ 25 ccm Sputum 

IV. 100 ccm 

10% Antiformin, kalt, 
+ 25 ccm Sputum 

Einwirkungszeit 1 St. 

Einwirkungszeit 1 St. 

Einwirkungszeit 1 St. 

Behandlung wie bei I. 

Behandlung wie bei I. 

Behandlung wie bei I. 

Je 2 ccm Bodensatz 
s. c. injiziert. 

Je 2 ccm Bodensatz 
s. c. injiziert. 

Je 2 ccm Bodensatz 
s. c. injiziert. 

M. 4569. 

f 2. VIII. Keine Spur 
von Tuberkulose. 

M. 4571. 
t 18. II., o. B. 

M. 4573. 

t 25. III. Tuberkulös». 

der Lunge, Milz u. 
Drüsen. T. B. in Lunge, 
Milz u. Drüsen +. 

M. 4570. 

t 4. VIII. Keine Spur 
von Tuberkulose. 

M. 4572. 

|1.X., getötet. Keine 
Spur von Tuberkulose. 

M. 4574. 

t 28. IV. Schwert* 
Tuberkulose T. B. in 
Lunge, Leber, Milz 
u. Drüsen +. 

Tabelle 20. 

Versuche bei 63°. 


10. II. 

1920. 



I. 100 ccm 10 % Anti¬ 
formin (T. B. +) 

-f- 25 ccm Sputum 
Einwirkungszeit 1 St. 
Noch fadenziehend. 
Abzentrifugiert u. 

2 X gewaschen. 

Je 2 ccm Bodensatz 
s. c. injiziert. 

M. 4567. 

f 4. VI. Tuberkulose 
der Drüsen u. Milz. 
In Lungen T. B. + 


M. 4568. 
t 3. V. Schwere 
Tuberkulose. T. B. + 


I. 10 ccm 10% Anti¬ 
formin 

+ 2,5 ccm Sputum 


Einwirkungszeit 1 St. 
Halb homogenisiert. 
Zentrifugiert u. 2 X 
gewaschen. 

Je 2 ccm Bodensatz 
s. c. gespritzt. 

M. 4583. 

f 1. X. Keine Spur 
von Tbc. 

M. 4584. 
t 11. II., o. B. 


II. 10 ccm 3% K-Lysol 
+ 2,5 ccm Sputum 


Einwirkungszeit 1 St. 
Behandlung wie bei 1. 

Je 2 ccm Bodensatz 
s. c. gespritzt. 

M. 4585. 

t 16. II. Pseudo¬ 
tuberkulose. 

M. 4586. 

11. X. Keine Spur 
von Tuberkulose. 


III. 10 ccm Wasser 
+ 2.5 ccm Sputum 


Einwirkungszeit 1 St. 

Einzelne Ballen 
herausgofischt. 

Je 2 ccm Bodensatz 
s. c. gespritzt. 

M. 4589. 
f 12. II., o. B. 

M. 4590. 

t 9. III. Keine Spur 
von Tuberkulose. 


IV. 10 ccm 
3% K-Lysol kalt. 
+ 2,5 ccm Sputum 


Einwirkungszeit 1 St 

Behandlung wie bei i. 

Je 2 ccm Bodensatz 
s. c. gespritzt. 

M. 4587. 
tll. IL, o. B. 

M. 4588. 
t 12. II., o. B. 


Da bekanntlich die gute homogenisierende Wirkung des Antiformins 
auf dem Zusammenwirken von Hypochlorit und Alkali beruht, so versuchten 
wir, ob nicht mit Alkalien allein bei Verwendung warmer Lösungen eine 
Abtötung der Sputumtuberkelbazillen zu erreichen wäre. Herangezogen 
wurden frisch bereitete 1—15proz. Natron- und Kaiilaugenlösungen, die 
gleichfalls zunächst in derselben großen Menge (250—500 ccm) auf 10 ccm 
Sputum 30'—1 Stunde lang bei 37—60° einwirkten; ebenso wurden dann 
auch weitere Versuchsreihen mit weniger Desinfiziens und mehr Sputum 


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r 


Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten. 


319 


Tabelle 21. 

Versuche mit 10% Antiformin 60°. 
17. II. 1920. 


I. 100 ccm 10% An¬ 
tiformin 60° 

-|- 50 ccm Sputum 
1 St. Einwirkungszeit. 

Abzentrifugiert 
und 2x gewaschen. 
Je 2 ccm Bodens, s. c. 


M. 85. 
t P- inj- 

M. 86. 

f 10. III. Sektion o. B. 
Seuche. T. B. — 

M. 87. 

f 10. III. Sektion o. B. 
Seuche. T. B. — 


II. 100 ccm 10% An¬ 
tiformin 60° 

+ 50 ccm Sputum 
1 St. Einwirkungszeit. 
| Behandlung wie I. 


M. 88. 

f 23. III. Stallseuche. 
M. 89. 

f 22. IV. Tuberkulose 
T. B. + 

M. 90. 

f 15. III. Seuche 
In Drüse. T .B. + ? 


III. 100 ccm 10% Antiformin 
60° + IQ ccm Sputum 
8 Min. später 10 ccm Sputum. 
35 Min. später 10 ccm Sputum. 
50 Min. später 10 ccm Sputum. 
60 Min, später 10 ccm Sputum. 
Darauf noch 1 St. Einwirkungsd. 
Abzentrifugiert u.3X gewaschen. 
Je 2 ccm Bodensatz s. c. 

M. 91. 

t 13. III. Sektion o. B. 
Seuche. T. B. — 

M. 92. 

f 19. III. Sektion o. B. 
Seuche. 

M. 93. 

f 23. IV. Tuberkulose(Typ.-Bef.) 
T. B. + 


angesetzt und zu beiden Serien Kontrollen bei Zimmertemperatur. 

Wie man aus den beigegebenen Versuchsprotokollen (s. Tabelle 25 
bis 32) ersieht, waren hierbei die Versuchsergebnisse wesentlich schlechtere 
als wie in den früheren Reihen mit dem warmen 10proz. Antiformin; selbst 
bei Verwendung von großen Mengen von 10 und 15% NaOH oder KOH 
und nur 10 ccm Sputumzusatz bei 60° — 1 Stunde lang — war eine Abtötung 
der T.B. nicht festzustellen, während dieses beim lOproz. 60° warmen Anti¬ 
formin sogar schon bei 20—30' langer Einwirkungszeit der Fall war. 


Tabelle 22. 

Versuche bei 60° 
2. III. 1920. 


I. 10 ccm 3% K-Lysol 
+ 2,5 ccm Sputum 
Einwirkungszeit 1 St. 
In Röhrchen einge¬ 
schmolzen unt. Wasser 
gebracht. Zentrifugiert 
und 2X mit NaCl ge¬ 
waschen. 

.! e 2 ccm Bodensatz s.c. 

II. 10 ccm 3°ooK-Lysol, 
Zimmertemperatur 
+ 2,5 ccm Sputum 
Einwirkungszeit 1 St. 
Behandlung wie bei I. 
Je 2 ccm Bodensatz s.c. 

III. 10 ccm 10% Anti¬ 
formin + 2,5 ccm Sput. 
1 St. Einwirkungszeit. 
Behandlung wie bei I. 
Je 2 ccm Bodensatzs.c. 

IV. 10 ccm 10%Antif. 

(kalt) + 2,5 ccm Sput. 

1 St. Einwirkungszeit. 
Behandlung wie bei I. 

Kontrolle. 

Je 2 ccm Bodensatz s.c. 

M. 4610 

f 23.III.Pseudotuberk. 
Diplostäbchen; T. B.-— 

M. 4612. 
f 23. VIII. 

Keine Tuberkulose. 

M. 4607. 
f 23. VIII. 

Keine Tuberkulose. 

M. 4609. 

fl. V. schwere Tuberk. 
der Lunge, Leber, Milz. 

M. 4611. 

f 3. V. Pneumonie 
Abszess an Inj.-Stelle. 
Keine T. B. 

M. 4613. 
f<23. VIII. 

Keine Tuberkulose. 

M. 4608. 

f 1. XII. getötet. 
Keine Tuberkulose 


Archiv -für Hygiene. Bd. 90, 


21 

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THE OHIO STATE UNIVERS1TY 





320 


Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 


Tabelle 28. 

Versuche bei 60° (in zu- 


I. 10ccm 3°/ 0 K-Lysol 

II. 10 ccm 3°/ 0 F-Lvsol 

III. 10 ccm 3% Anti formin 

+ 5 ccm Sputum 

-f- 5 ccm Sputum 

-+ 5 ccm Sputum 

1 Stunde zentrifugiert und 

1 Stunde 

1 Stunde 

2X gewaschen. 

wie 1. 

wie I. 

Je 2 ccm Bodensatz s. c. 
gespritzt. 

Je 2 ccm s. c. 

Je 2 ccm s. c. 

M. 4620. 

M. 4624. 

M. 4630. 

t 13. X. n. Weil. 
Keine Tuberkulose. 

t 25. X. o. B. 

t 29. VII. (n. Weil) 
Keine Tuberkulose. 

M. 4621. 

M. 4625. 

M. 4631. 

| 4. X. getötet. 

t 15. VII. 

t 29. 8. getötet. 

Keine Tuberkulose. 

Keine Tuberkulose. 

Keine Tuberkulose. 


Die gleichen negativen Resultate ergaben Versuche mit 10—20% 
Salzsäure bei 50 und 60° selbst nach 1—2 ständiger Einwirkung. Mithin 
waren also sowohl Natron- wie Kalilauge (neben schlechterer Homogenisie¬ 
rung des Sputums) noch weniger zur Sputumdesinfektion geeignet als 
das Antiformin, das doch immerhin bei Verwendung 50—60° warmer 
lOproz. Lösungen innerhalb der sehr kurzen Zeit von 20—30' in Mengen* 
von 250 ccm die T.B. in 10 ccm Sputum mit Sicherheit abtötete. 

Die schlechteren Ergebnisse bei der der Praxis entsprechenden Ver¬ 
suchsanordnung, vor allem aber hei etappenweiser Sputumzugabe sind 
wohl darauf zurückzuführen, daß die oxydierende Wirkung des Hypo¬ 
chlorits bei höherer Temperatur, der das Keimtötungsvermögen gegen¬ 
über T.B. in warmen Antiforminlösungen zuzuschreiben sein wird, bei 
den zuerst zugesetzten Mengen Sputum schon voll zur Geltung kommt, 
und sich erschöpft, so daß sie dann zur Desinfektion des später zuge- 

Tabelle 24. 


Versuche bei 60° in zugeschmolzenen Röhren. 
31. III. 1920. 


1. 10 ccm 50°/o Anti- 

II. 10 ccm 30%, Anti- 

III. 10ccm 50°/ o Anti- 

IV. 10 ccm 30% Anti- 

formin 

formin 

formin, kalt. 

formin, kalt. 

+- 10 ccm Sputum 

+ 10 ccm Sputum 

+ 10 cm Sputum 

-f-10 ccm Sputum 

1 St. 

1 st. 

1 St. 

1 St. 

Abzentrifugiert u. 2X 

Abzentrifugiert etc. 

Wie I. 

Wie I. 

mit NaCl gewaschen. 
Je 2ccm Bodensatz s. c. 

Wie I. 

Je 2 ccm s. c. 

Je 2 ccm s. c. 

Je 2 ccm s. c. 

M 4633. 

M 4637 

M 4635. 

M 4639. 

f 16. IV. Pseudo tuber¬ 

t 22. IV. Tuberkulose 

t 14. V. Tuberkulose. 

t 17. IV. Tuberkulose. 

kulöse, keine T.B. 

T.B. + in Drüse, Leber, 
Lunge, Milz. 

In Milz T.B. + 

In Drüse T.B.+. 

M 4634. 

M 4638. 

M 4636. 

M 4640. 

t 5. VII. Tuberkulose. 

t 7. V. Interkurrent 

t 7. VI. Tuberkulose. 

t 7. VI. Tuberkulose. 

ln Lunge, Leber, Milz 
und Drüse T.B.-)-. 

T. B.+. In Drüsen, 
Leber, Lunge u. Milz. 

In 1 >rüs. u. MilzT. B.+-. 

T. B.+. In Leber, Mil?, 
und Drüse. 


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Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten. 


321 


Tabelle 23. 


geschmolzenen Röhren) 30. III. 1920. 


IV. 10 ccm 3% K-Lysol 
kalt 

+ 5 ccm Sputum 

V. 10 ccm 3% F-Lysol 
kalt 

+ 5 ccm Sputum 

VI. 10 ccm 5%Antiformin 
kalt 

+ 5 ccm Sputum 

1 Stunde 
wie I. 

Je 2 ccm s. c. 

1 Stunde 
wie I. 

Je 2 ccm s. c. 

1 Stunde 
wia I. 

Je 2 ccm s. c. 

M. 4622. 
t 8. VI. o. B. 

Keine Tuberkulose. 

M. 4626. 

t 7. VI. In Drüse T. B. + 
Tuberkulose. 

M. 4628. 

t 11. V. Tuberkulose 
in Drüse T. B. + 

M. 4623. 

t 29. VIII. o. B. 

M. 4627. 
t 23. IV. o. B. 

M. 4629. 

f22.VI. schwere Tuberk. 
In Drüse und Milz. T. B. + 


setzten Sputums nicht mehr ausreichen. Das geht auch schon rein 
äußerlich daraus hervor, daß die Homogenisierung nicht mehr so voll¬ 
ständig erfolgt. 

Es fällt also dann auch noch die die Abtötung der T.B. unterstützende 
homogenisierende Wirkung fort; die später hereingebrachten Sputura- 
ballen unterliegen so gewissermaßen nur noch der Wirkung des warmen 
(Fortsetzung des Textes S. 327.) 


Tabelle 25. 

Versuche mit 37° warmer Flüssigkeit. 
8. XII. 1919. 


1. 250 ccm 10% Anti* 

formin 37° 

+ 10 ccm Sputum 
Einwirkungszeit 25' 
Abzentrifugiert und 3X 
mit NaCl gewaschen. 
Je 2 ccm Bodensatz s. c. 


II. 250 ccm 15% KOH 37 
+ 10 ccm Sput um 
Einwirkungszeit 25' 

Behandlung wie I. 


III. 250 ccm 10% Anti¬ 
formin, kalt. 

+ 10 ccm Sputum 
'Einwirkungszeit 25' 

J Behandlung wie I. 


M 19. 

t 9. II. Tuberkulose der 
Lungen, Leber, Milz und 
Drüsen T.B.+. 


M 16. 

f 12. I. 1920. Tuberkulose. 
T.B.+ 


M 22. 

f 14. I. Drüsen bds. ge¬ 
schwollen u. verkäst. Milz 
stark vergrößert mit Knöt¬ 
chen durchsetzt, ebenso 
Leber. T.B.+. 


M. 20. 

f 22. 111. Sektion* o. B. 


M 17. 

f 21. XII. KeineTuberkul. 


M 23. 

f 16. I. Drüsen geschwoll., 
Milz vergrößert und von 
Knötch. durchsetzt, eben¬ 
so Leber. T.B.+. 


M 21. 

t 22. IV. Typischer Tb.- 
befund. T. B. + 


M 18. 

t 31. XII. Leistendrüsen 
stark vergrößert u. ver¬ 
käst. Tb-Knötchen in 

Milz. T.B.+. 


M 24. 

22. I. Typischer Tb-Be¬ 
fund der Lungen, Leber, 
Milz, Leistendrüs. T. B. +. 

21 * 


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322 


Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 

Tabelle 26. 

Versuche bei 40°. 

13. XII. 1919. 


I. 250 ccm 10% Anti- 

II. 250 ccm 15% KOH 

III. 250ccm 10% Anti- 

IV. 250 ccm 15°/ 0 KOH 

formin 

+ 10 ccm Sputum 

formin. Kalt. 

Kalt. 

+ 10 ccm Sputum 

.30' 

+ 10 ccm Sputum 

+ 10 ccm Sputum 

30 Min. eipgewirkt 


30' 

30' 

Abzentrifugiert u. 3X 



1 

gewaschen. 

Behandlung wie I. 

Behandlung wie I. 

Behandlung wie I. 

Je 2 ccm s. c. 



1 

M 25. 

M 28. 

M 29. 

M 33. 

f 8. I. Stallseuche. 

t 10. I. Stallseuche. 
In Milz kleinste Knöt¬ 
chen mit T. B.+. 

t 7. I. Seuche. T.B.— 

f 9. II. Typisch.Tb-Be- 
fund. T.B.+. 

M 26. 

M 31. 

M 30. 

M 34. 

t 13. I. Stallseuche. 
In Drüsen und Milz 
T.B.+. 

M 27. 

t 14. I. Seuche. In 

f 15. XII. Seuche. 

M 32. 

f 15. VII. Seuche. 

t 9. 1. Seuche. 

f8.1. Tuberkel in Lun¬ 
ge, Leber und Milz. 
Drüsen bds. verkäst. 
T.B.+. 

Milz Knötchen mit 
T.B.+. 




Tabelle 27. 


2 Versuche bei 45° — 50®—60° mit demselben Sputum und 15®/ 0 Kalilauge. 
15. XII. 1919. 16. XII. 1919. 


1.250ccml5%KOH45° 

+ 10 ccm Sputum 

11. 250 ccml5%KOH 
kalt 

+ 10 ccm Sputum 

III. 250ccm 15%KOH 
50° 

+ 10 ccm Sputum 

IV. 250ccm 15*/oTS8lf 
60« 

+ 10 ccm Sputum 

v 2 St. Einwirkungszeit 
Abzentrifugiert und 
3X gewaschen. 

Je 2ccm Bodensatzs.c. 

1 / 2 Stunde 
| Behandlung wie 1. 

V, Stunde 
| Behandlung wie I. 

V* Stunde 

| Behandlung wie I. 

M. 35. 

| 16. XII. Peritonitis. 

M. 38. 

t 15. III. Tuberkulose 
aller Organe. 

T. B. + 

M. 41. 

t 19.1. 1920. Leisten¬ 
drüse etwas geschwoll., 
sonst o. B. T. B. — 

M. 44. 

t 19. I. o. B. 
Keine Tuberkulose. 

M. 36. 

t 8. I. Seuche. 
Keine T. B. 

M. 39. 

fl7. I. Drüsen beider¬ 
seits verkäst. T. B. + 

M. 42. 

16.1. Keine Spur v.Tu- 
berkulose, Stallseuche. 

M. 45. 

t 8. I. Stallseuche. 

M. 37. 

| 16. XII. Peritonitis. 

M. 40. 

110.1. Abszess an Inj.- 
Stelle, o. B. 

M. 43. 

f22. I. Knötchen in der 
Milz, Leistendrüse r. ge- 
schw.u.verkäst.T. B.+ 

M. 46. 

t 10. II. Sect. o. B. 
Keine Tuberkulose. 


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Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötlen. 


323 


Tabelle 28. 

Versuch mit 10% NaOH bei 50* 19. XII. 1919. 


I. 200 ccm 10% NaOH 

+ 10 ccm Sputum 
30 Min. Einwirkungszeit 
Abzentrifugiert und 3X 
mit NaCl gewaschen. 

Je 2 ccm s. c. injiziert. 


II. 200 ccm 10% Anti¬ 
formin 50° 

+ 10 ccm Sputum 
30 Min. Einwirkungszeit. 

1 Behandlung wie 1. 


III. 200 ccm 10% NaOH 
kalt 

+ 10 ccm Sputum 
30 Min. Einwirkungszeit. 

1 Behandlung wie I. 


M. 59. 

110. II. Typischer Tuber¬ 
kulosebefund T. B. + 


M. 56. 

117. Il.Vereinz. Knötchen 
i. Leber u. Milz mit T.B. + 


M. 60. 

t 21. I. Knötchen in Milz M. 57. 

und Leber mit T. B. + t 30. XII. Stallseuche. 
Verkäste Leistendrüsen. 


M. 53. 

130.1. Tubk. aller Organe. 
Leistendrüsen vergrössert 
und verkäst. T. B. + 

M. 54. 

t23. II. Typischer Tuber¬ 
kulosebefund. In Drüsen 
und Organen. T. B. + 


M. 61. 
t 4. I. 1920. 
Pseudotuberkulose. 


M. 58. 

21. I. Knötchen in Milz. 
T. B. — Leistendrüseno.B. 


M. 55. 

f 17. I. Typischer Tuber¬ 
kulosebefund T.B. i. Leber, 
Milz und Lunge. + 


Tabelle 29. 

Versuche mit Kalilauge. 


9. XII. 

I. 200 ccm 15% KOH (50°) 
+15 ccm Sput.T.B.(++) 


Einwirkungsdauer 30 Min. 

Gute Lösung. 

Alles wird zentrifugiert in 
Zentrifuge mit 4000 Um¬ 
drehungen und 2X mit 
physiolog. NaCl- Lösung 
gewaschen. 
Bodens, s.c. gespritzt. 

M. 4504. f 19. I. 

In d. Leistendrüsen T.B.+ 

M. 4505. 

t 15. XII. Sepsis. 


M. 4506. 

t 26. III. Schwere Tuber¬ 
kulose der Lunge, Leber 
und Milz und der Drüsen. 
In Lungen T. B. + 


II. 200 ccm Wasser (50°) 

+ 15 ccm Sput. (T.B.-]—[") 
Einwirkungsdauer 30 Min. 
Behandlung wie bei I. 


Bodensatz s. c. injiziert. 
M. 4507. 

t 13. XII. Sepsis. 

M. 4508. 

t 17. XII. Sepsis. 


M. 4509. 

f 13. XII. Sepsis. 


III. 200ccm 15% KOH 
(Zimmertemperatur) 

+ 15ccm Sput. (T.B.-H“) 


Einwirkungsdauer 30 Min. 

Ziemlich gute Lösung, 
doch noch fadenziehend. 
Behandlung wie bei I. 


Bodensatz s. c. injiziert. 

M. 4501. 
t 15. XII. Sepsis. 

M. 4502. 

f9. II. In Milzu. Leber tub. 
Veränd. Leistendrüse boh¬ 
nengross. InDrüsenT.B.+ 

M. 4503. 

t 15. XII. Sepsis. 


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Original fro-m 

THE OHtO STATE UNSVERS1TY 






324 


Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 


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Tabelle 80. 


Versuch mit Natronläuge. 


10. XII. 

200 ccm 10% NaOH (50°) 

+ 20 ccm Sputum (vom 9. XII.) 

200 cm 10% NaOH (Zimmertemper.) 
+ 20 ercm Sputum (vom 9. XII.) 

Einwirkungsdauer 30 Minuten 

Gute Lösung. 

Behandlung wie am 9. XII. Sputum I. 
Bodensatz s. c. injiziert. 

Einwirkungsdauer 30 Minuten. 
Noch etwas fadenziehend. 
Behandlung wie am 9. I. Sputum 1. 
Bodensatz s. c. injiziert. 

M.4510. 

t 15. XII. Sepsis. 

M. 4513. 

t 7. 11. Schwere Tuberkulose der Milz, 
Leber, Lungen uud Drüsen, die alle 
T. B. + enthalten. 

M.4511. 

f 16. XII. Sepsis. 

M. 4514. 

t 26. III. Schwere Tuberkulose der 
Lungen, Leber, Milz und Drüsen, die 
alle T. B. -f- enthalten. 

M.4512. 

t 15. XII. Sepsis. 

M.4515. 

f26.1. SchwereTuberkulosederLungen, 
Leber, Milz und Drüsen. T. B. + 

Tabelle 81. 

Versuche mit Natronlauge. 


16. XII. 1919. 

1.200 ccm 10% N aOH (50°) 
-[-25 ccm Sputum 
Einwirkungsdauer 30 Min. 

ziemlich gelöst. 

Alles wird zentrifugiert 
und 3X mit physiolog. 
Na Gl gewaschen. 

Bodensatz s. c. injiziert. 
M 4516. 

t 6. I. 1920. Pneumonie. 
Leistendrüsen rechts stark 
geschwoll. in ihnen T. B.+. 
Ebenso in Lunge. 

M 4517. 

t 1. II. Tuberkulose der 
Drüsen, Leber, Milz. In 
Drüsen und Milz T. B. 


M 4518. 

t 3. II. 1920. Tuberku¬ 
lose der Lunge, Leber u. 
Drüsen. In Leber und 
Drüsen T. B.-f. 


II. 200 ccm 10% Anti- 
formin 50° 

-(-25 ccm Sputum 
Einwirkungsdauer 30 Min. 
gut gelöst. 

Behandlung wie bei 1. 


Bodensatz s. c. injiziert. 
M 4519. 

t 28. XII. Sektion o. B. 


M 4520. 

t 30. III. 1920. (Mit Weil- 
Kultur behandelt). Tu¬ 
berkeln in Lungen, Milz 
und Drüsen. In Drüsen 
T.B.+. 

M 4521. 

t 24. II. 1920. Tuber¬ 
kulose der Lunge, Leber, 
Milz. In Lungen, Milz 
und Drüsen T.B.+. 


III. Kontrolle. 

100 ccm 10% Na OH Zim¬ 
mertemperatur. 

-|-12,5ccrn Sputum 
Einwirkungsdauer 30 Min. 
noch fadenziehend. 

Behandlung wie bei I. 
Bodensatz s. c. injiziert. 
M 4522. 

t 2. II. 1920. Tuberkulose 
der Lungen, Milz u. Drü¬ 
sen. T.B.+. 

M 4523. 

t 18. XII. 1919. Inter¬ 
kurrent. 


M 4524. 

t 9. I. 1920. Eitriger Be¬ 
lag auf der Milz. Drüsen 
stark geschwollen mit 
T.B.+. 


Gck igle 


Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 




Von Prof. Dr. (Jhlenhuth und Privatdozent Dr. Jotten. 


325 


Tabelle 32. 

Versuche mit Natronlauge und Antiformin 50°. 
21. I. 1919. 


I. 100 ccm 10°/ 0 Anti- 

11. 100 ccm 10°/° Anti- 

III. 100ccm l°/°NaOH 

IV. Kontrollen. 

formin 

form in 

+ 10 ccm Sputum 

100 ccm Wasser 

+ 25 ccm Sputum 

+ 10 ccm Sputum 

Einvvirkungszeit 1 St. 

+ 10 ccm Sputum 

Einwirkungszeit 1 St. 

Einwirkungszeit 1 St 

Noch fadenziehend u. 

Einwirkungszeit 1 St. 

Noch fadenziehend u. 

ungelöste Ballen. 
Abzentrifugiert u. 2x 
gewaschen. 

Fadenziehend. 

Behandlung wie bei I. 

Flocken. 

Behandlung wie bei I. 

Ballen herausgefischt 
u. s. c. 

Je 2 ccm Bodensatzs.c. 
gespri tzt. 

Je 2 ccm Bodensatz 
s. c. gespritzt. 

Je 2 ccm Bodensatz 
s. c. gespritzt. 

Je 3 ccm gespritzt. 

M 4551. 

M 4553. 

M 4555. 

M 4557. 

t 5. VII. Tuberkulose 
T. B. + i. Lungen, Leb. 
und Milz. 

t 27. II. Erbsengroße 
verkäste Drüsen. In 
Milz, Lungen u. Drüsen 
T.B.+. 

t 3. V. schwere Tuber¬ 
kulose. In Lungen 

T. B.+. 

t 2. 11. o. B. 

M 4552. 

M 4554. 

M 4556. 

M 4558. 

t 27. I. o. B. 

t 23. I. o. B. 

t 28. 4. schwere Tuber- 
kul. In Drüsen, Leber, 
Lunge T.B.+. 

f 6. V. schwere Tuber¬ 
kulose. In Lungen, 
Leber, Milz u. Drüsen 
T.B.+. 


Tabelle 38. 


Versuche mit 50° Wasser. 
31. XII. 1919. 


I. 500 ccm Wasser 50° 

+ 40 ccm Sputum 

Dasselbe Gemisch 

^ j Dasselbe Gemisch 

nach 2 St. 50 ccm ent¬ 
nommen. 

nach 4 St. weitere 50 ccm 
entnommen. 

nach 6 St. weitere 50 ccm 
entnommen. 

Abzentrifugiert u. Boden¬ 
satz 3X mit Na CI ge¬ 
waschen. 

Behandlung wie I. 

Behandlung wie I. 

Je 1 ccm Bodensatz s. c. 



M 74. 

t 16. I. Seuche. 

M 77. 

t 23. I. Leistendrüsen 
geschwollen, links verkäst. 
In Drüsen u. Milz T. B.+. 

M 80. 

t 7. II. Tuberkel in Lun¬ 
gen und Milz. Drüsen 
geschwollen und verkäst. 
T.B.+. 

M 75. 

t 7. I. Seuche. 

M 78. 

t 23. I. Knötchen in der 
Leber. Leistendrüsen ge¬ 
schwollen. In den Drüsen 
und Milz T.B.+. 

M 81. 

t 7. I. Seuche. 

M 76. 

t 13. I. Seuche. 

M 79. 

t 7. I. Seuche. • 




Original from 

THE OHIO STATE UNIVERSITY 


326 


Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum 


usw. 



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THE OHIO STATE UNIVERSITÄT. 




Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten. 


327 


Tabelle 86. 

Versuche mit 60® Wasser (untergetaucht.) 
12. II. 20. 


I. 10 ccm Wasser 60° 

+ 5 ccm Sputum 
2 St. unter Wasser fast 
homogen, milchig trübe. 
Zentrifugiert. 

Bodensatz mit 4,0 NaCl 
aufgeschwemmt und s. c. 
gespritzt. 

M. 4595. 

Überlebt, Keine Tuberk. 
t 24. I. 1921. Getötet. 
Keine Spur von Tuberk. 

M. 4596. 

t 10. III. Keine Drüsen. 
Keine T. B. 

In Milz Doppelstäbchen. 


II. 10 ccm Wasser 60° 
+ 5 ccm Sputum 
4 St. unter Wasser fast 
homogen, milchig. 
Zentrifugiert 

Bodensatz mit 4,0 NaCl 
aufgeschwemmt und s. c. 
gespritzt. 

M. 4593. 

t Getötet 24. I. 1921. 
Keine Spur von Tuberk. 

M. 4594. 

11. X. getötet, keine Tu¬ 
berk. nachweisbar. T. B.— 


III. Kontrolle. 

10 ccm 10% Antiformin, 
kalt -f- 5 ccm Sputum 
bis zur Homogenisierung. 
Zentrifugiert 
und 2X gewaschen. 
Bodensatz mit 4,0 NaCl 
aufgeschwemmt und s. c. 
gespritzt. 

M. 4591. 

t 7. VI. Schwere Tuberk. 
T. B. + in Lungen und 
Drüsen. 

M. 4592. 

t 22. V. Schwere Tuberk. 


Wassers, das eine Koagulation der in dem Sputum enthaltenen Eiwei߬ 
massen herbeiführt und eine direkte Beeinflussung der darin eingeschlos¬ 
senen T.B. sehr erheblich erschwert, so daß die kurze Einwirkungsdauer 
von 1 Stunde selbst bei 50 und 60° zur Abtötung nicht mehr ausreicht. 


Tabelle 87. 

Versuche mit 60° Wasser. 
30. XII. 1919. 


I. 500 ccm Wasser 60° 

-f- 40 ccm Sputum 
(T.B. +++) 

n. | 

> Dasselbe Gemisch 

in. | 

> Dasselbe Gemisch 

n. 2 Stunden 50ccm 
entnommen. 

nach 4 Stunden weitere 
50 ccm entnommen. 

n. 6 Stunden weitere 

50 ccm entnommen. 

Abzentrifugiert u. Boden¬ 
satz 3 X mit NaCl gewasch. 
Je 2 ccm Bodensatz s. c. 

| Behandlung wie I. 

| Behandlung wie I. 

M. 71. 

t 14. I. Stallseuche. 

M. 65. 

112. II. In Milz Knötchen. 
Leistendrüse geschwollen 
und verkäst. T. B. -+- 

M. 68. 

f 16. I. Stallseuche. 

M. 72. 

t 31. I. Tuberkulose der 
Milz, Leber, Lunge und 
Drüsen. T. B. -f- 

M. 66. 

t 22. III. Sektion o. B. 
T.B.— 

M. 69. 

f 9.1. Abszeß an Inj.- Stelle. 
Leistendrüse vergrössert 
mitT. B. +. Stallseuche. 

M. 73. 

t 6. I. Stallseuche. 

M. 67. 

f 17. I. Stallseuche. 

M. 70. 

f 9. I. Leistendrüse ver- 
grössert mit T. B. + 
Stallseuche. 


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328 


Die Abtötung der Tubcrkelbazillen im Sputum usw. 


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Tabelle 88. 

Etappenversuch mit Antiformin-Chlorkalk. 
13. X. 1920. 


1. 100 ccm 20°/o Antiformin. 
10“ 

10 » 

10 44 


II. Kontrolle: 100ccm20% Antiformin. 


II 00 je 5ccm Sputum zugesetzt 
11 30 —10 ccm Sputum 

H54 


ebenso insgesamt 50 ccm Sputum 
wie bei I. 


12 18 —10 ccm Sputum 
12» I insgesamt 50 ccm 


4 u + 50 ccm Wasser mit 10 g Chlor¬ 
kalk (75% CI.) 

5 50 90 ccm in 3 Zentrifugengläser ab¬ 
zentrifugiert und 3 X mit NaCl ge¬ 
waschen. 

Je 3,0 Bodensatz s. c. 


5 60 60 ccm in 3 Zentrifugenglasern ab¬ 
zentrifugiert und 3 X mit NaCl ge¬ 
waschen. 

Je 3,0 Bodensatz s. c. 


M. 88. 

1. XII. Abszeß an InjektionsstelJe 
t 30. XII. Sektion o. B. 

Keine Spur von Tuberkulose. 

M. 89. 

1. XII. Großes Abszeß an Inj.-Stelle. 
111. I. Stallseuche. An Inj.-Stelle 
narbige Infiltration. 

Keine Spur von Tuberkulose. 


M. 90. 

f 12. XI. Tuberkulose der Milz und 
verkästen Drüsen T. B. + 

M. 91. 

10. XI. Drüsen r. stark geschwollen. 

t 3. I. 21. Typischer Tb-Befund. 

In Lungen, Leber,Milz u. DrüsenT. B.-f- 


Von der Richtigkeit dieser Annahme haben wir uns dann in ent¬ 
sprechenden Versuchen mit warmem Wasser allein überzeugen können. 
Wurden z. B., wie man aus den Tabellen 33—37 ersieht, 40 oder 50 ccm 
tbc-haltigen Sputums selbst große Mengen warmen Wassers zugesetzt, 
das im Wasserbad dauernd auf 50 oder 60° gehalten wurde, so reichte die 
50° warme Flüssigkeit selbst bei östündiger Einwirkungszeit nicht aus, 
um die T.B. des Sputums zum Absterben zu bringen. Etwas günstiger waren 
die Ergebnisse bei 60°, indem hierbei die T.B. innerhalb 6 Stunden fast 
immer abstarben (ausgenommen Versuch III, Tabelle 37), während kürzere 
Zeiten, wie 4 und 2 Stunden, niemals ausreichten. 

Nachdem alle diese Versuche, die bakterizide Kraft des Antiformins zu 
steigern, auch bei Anwendung der Wärme für die praktischen Verhältnisse 
gescheitert waren, versuchten wir schließlich noch eine Erhöhung der 
bakterientötenden Komponenten, des freien Chlors und des naszierenden 
Sauerstoffes, durch Zusatz eines möglichst reinen hochwertigen Chlor¬ 
präparates zu erreichen. Als solches stand uns der von Bayer & Co. zur 
Trinkwassersterilisation empfohlene Chlorkalk zur Verfügung, der im 
Gegensatz zu den sonstigen Chlorkalksorten des Handels etwa 75% 
actives Chlor enthält und sehr haltbar ist, wie auch Jötten 1 ) in früheren 
Versuchen über Sterilisation und Trinkwasser feststellen konnte. Durch 


1) Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. 81, 1916. 


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Von Prof. Dr. Ulilenhuth und Privatdozent Dr. Jötten. 


329 


Tabelle 89. 

Desinfektions versuch am Krankenbette. 14./15. X. 1920. 


I. 14. X. 

Sputumgefäß mit 100 ccm 
*20% Antiformin. 

Dazu über Nacht ca. 50 ccm 
Sputum (T. B. ++) 
bis 9 Uh r früh 
Um ll 60 Uhr (2 l / i St.) später 
50 ccm Wasser mit 10 g 
Calc. chlor. (75% Gl) 
zuges. und 1 Vs St. eingewirkt. 
Abzentrifugiert und 4X mit 
NaCl gewaschen. 

Je 5 ccm Bodensatz s. c. 


II. 15. X. 

Sputumgefäß mit 250 ccm 
20% Anti formin 
Dazu über Nacht ca. 50 ccm 
Sputum (T. B. ++) 

bis 8 Uhr früh _ 

9" Uhr 50 ccm Wasser mit 
10 g Calc. chlor, (pur.) zu¬ 
gesetzt, eingewirkt 2 St. bis 
11 ". 

Abzentrifugiert und 4X mit 
NaCl gewaschen. 

Je 5 ccm Bodensatz s. c. 


III. Kontrolle. 

Vor Einfüllen des Chlorkalks 
werden 50 ccm Sputumflüs¬ 
sigkeit entnommen und ab¬ 
zentrifugiert und 3x mit 
NaCl gewaschen. 


Der Bodensatz 2 Meer¬ 
schweinchen s. c. injiziert. 


M. 92. 

t 21. XI. Die ganze injizierte 
Masse ist absorbiert u. Unter¬ 
hautzellgewebe sulzig infiltr. 
Alle Organe o. B. frei v. T. B. 


M. 98. 

j 17. I. Schwere Tuberkulose. 
T. B. + 


M. 93. 

t 22. XI. Befund wie bei 92. 
Keine Spur von Tuberkulose. 


M. 99. 

t 27. XII. Milz stark ver¬ 
größert und von Knötchen 
durchsetzt, ebenso Lunge und 
Leber. Drüsen verkäst.T.B.-f- 


M. 100. 

10. XI. Abszeß und Drüsen 
beiderseits. 

f 16. XI. Überaus typischer 
Tb-befund. T. B. + 

M. 101. 

10. XI. Abszeß und Drüsen 
beiderseits geschwollen, 
t 16. XI. Schwere Tuberkul. 
T. B. + 


Zusatz dieses viel Chlor enthaltenden Präparates hofften wir die 
bakterizide Wirkung wesentlich erhöhen zu können. Die Zugabe des 
Chlorkalks erfolgte, nachdem das Sputum in 100—250 ccm 20proz. 
Antiforminlösung entweder direkt am Krankenbett über Nacht auf¬ 
gefangen oder im Laboratorium in Etappen zugesetzt und gut homo¬ 
genisiert war. 

Es wurden 10 g Chlorkalk-Bayer, in 50 ccm Wasser gut verrieben, dem 
Sputumantiformingemisch zugesetzt und gut umgeschüttelt. Es resul¬ 
tierte eine milchig-getrübte Flüssigkeit, an deren oberen Spiegel starke 
Schaumbildung entstand. Nach IV 2 1 —2stündiger Einwirkung wurde ein 
großer Teil des Sputumantiforminchlorkalkgemisches in Zentrifugengläser 
abgefüllt und % Stunde scharf zentrifugiert, Die Bodensätze wurden 
schließlich dreimal mit phys. Kochsalzlösung je 10' gewaschen und je 
2 Meerschweinchen s. c. injiziert. Wie aus den beigegebenen Tabellen 38 
bis 40 ersichtlich, konnten in keinem derartig vorbehandelten Sputum 
vermittels Tierimpfungen lebende T. B. mehr nachgewiesen werden, 
während dieses in den Sputen, die mit 20% Antiformin allein vorbehandelt 
waren, immer der Fall war. Wurden aber (s. Tabelle 39) an Stelle dieses 
hochprozentigen Präparates 10 g gewöhnlichen Chlorkalks verwendet, so 
erfolgte keine Abtötung der T.B., trotzdem* dieser 2 Stunden lang hatte 
einwirken können, während in derselben Versuchsreihe nach Zugabe 
von 10 g ChlorkalkBayer schon nach 1% Stunden die T.B. unschädlich 
gemacht waren. 


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330 Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 

Tabelle 40. 

Desinfektionsversuche am 



I. Sputumgefäß m.250ccm 
10% Alkali-Lysol. 
Über Nacht dazu ca. 
160ccm Sput. (T.B. ++) 
bis 9 h 80 früh 
3 St. stehen gelassen 
Ga. 50 ccm Sputumballen 
entnommen, abzentrifu¬ 
giert und 3X mit Na CI 
gewaschen. 


Je 5 ccin Bodensatz s. c. 
M 102. 

1. XII. o. B. f 17. XII. 
Sektion o. B. Drüsen u. 
Organe frei von Tuber¬ 
kulose. 

M 103. 

1. XII. o. B. t 16. XII. 
Sektion o. B. Keine Tu¬ 
berkulose. 


II. Sputumgef. m. 250 ccm 
10% .ukali-Lysol 
Über Nacht dazu ca. 
30 ccm Sputum (T.B.-)—|-) 
bis 9 h 80 früh 
3 St. stehen gelassen 
Ca. 30 ccm Sputumballen 
entnommen, abzentrifu¬ 
giert und 3X mit Na CI 
gewaschen. 


Je 5 ccm Bodensatz s. c. 

M 104. 

1. XII. o. B. t 16. XII. 
o. B. Keine Tuberkulose. 


M 105. 

1. XII. Strang links, 
f 16. XII. o. B. Keine 
Tuberkulose. 


III. Sputumgef. m. 200ccm j 
20% Antiformin j 
+ 20 ccm Sputum 
über Nacht 
um 11 hfrüh 
100 ccm entnommen 
+ 50 Aq. dest. mit 10 g 
Calc. chlor. (75% CI) 


1% St. bis 12 h 80 einge¬ 
wirkt. 

Abzentrifugiert und 3 X 
mit Na NI gewaschen. 
Je 5 ccm Bodensatz s. c. 

M 106. 

1. XII. o. B. f 8- I. 1921. 
Alle Organe, Drüsen frei 
o. B. Keine Spur von 
Tuberkulose. 

M 107. 

1. XII. Eiternder Abszeß 
an Inj.-Stelle, f 17. XII. 
Sektion o. B. Drüsen u. 
Organe frei von Tuber¬ 
kulose. 


Es lag nun der Gedanke nahe, daß dieser Chlorkalk allein die T.B. 
schon abgetötet hätte, zumal ja Bofinger 1 ) in früheren Versuchen ge¬ 
legentlich eine Abtötung der Sputum-T.B. beobachten konnte und 
Muse hold 2 ), wenn auch nur in stärkeren Konzentrationen, den Chlorkalk 
zur Abtötung in Sputumflöckchen eingeschlossener T.B. der Kläranlagen 
empfohlen hat. Bei ad hoc angestellten Desinfektionsversuchen (s. Ta¬ 
belle 41—43) mit 1,5- und 10%-Chlorkalk-Bayer-Lösungen, in doppelter oder 
dreifacher Menge Sputum zugesetzt und 2—6stündiger Einwirkungsdauer, 
war bei Anwendung von 1- und 5%-Lösungen selbst nach 6 Stunden kein 
Absterben der T.B. festzustellen, ebenso bei der lOproz. nicht nach 2 Stunden; 
dagegen konnten in dem gewaschenen Sputumbodensatz, der 5 Stunden 
lang 10 pi oz. Chlorkalk ausgesetzt war, keine lebenden Bazillen mehr nach¬ 
gewiesen werden; die damit eingespritzten Tiere 64 und 65 zeigten bei der 
Sektion keine tuberkulösen Erkrankungsformen, auch waren T.B. nicht nach¬ 
zuweisen, während bei Anwendung des gewöhnlichen Chlorkalks selbst 
nach 6stündiger Einwirkung noch infektionsfähige T.B. bei den Tieren 166 
und 167 in den erkrankten Organen gefunden werden konnten. Der Vor¬ 
zug dieses reinen hochwertigen Chlorkalks vor dem gewöhnlich im Handel 


1) Bofinger, Arbeiten a. d. kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 20. 

2) Musehold, desgl., Bd. 17. 


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331 



Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozenl Dr. Jötten. 

Tabelle 40. 


Krankenbett. 29. X. 

1920. 


> Kontrolle. 

IV. Sputumgefäß mit 
200 ccm 20% Antiformin 
-(- 20 ccm Sputum 
über Nacht 

> Kontrolle 

um 11h früh 

100 ccm entnommen, ab¬ 
zentrifugiert und 3X mit 
Na CI gewaschen. 

um 11h früh 

Ca. 100 ccm entnommen 
-(-50 Aq. dest. mit 10 g 
Calc. chlor. (75% CI) 

um 11 h früh 

100 ccm entnommen, ab¬ 
zentrifugiert und 3X mit, 
Na CI gewaschen. 

Je 5 ccm Bodensatz s. c. 

1V 2 St. bis 12h*° einge¬ 
wirkt 

Abzentrifugiert und 3 X 
mit Na CI gewaschen. 

Je 5 ccm Bodensatz s. c. 

Je 5 cem Bodensatz s. c. 

M 110. 

1. XII. Drüsen r. ge¬ 
schwollen. f 6. XII. Tu¬ 
berkulose der Milz und 
der Drüsen T. B. +. 

M 108. 

1. XII. Eiternder Abszeß. 

112.1. Stallseuche. Keine 
Spur von Tuberkulose. 

M 112. 

1. XII. Drüsen bds. ge¬ 
schwollen. f 4. XII. Tu¬ 
berkel in Lunge u. Milz. 
Drüsen verkäst m. T.B.-(-. 

M 111. 

1. XII. Drüsen bds. ge¬ 
schwollen. f 14- XII. Tu¬ 
berkulose der Drüsen, 
Leber und Milz. Tuberkel 
in Lungen. 

M 109. 

1. XII. Großer Abszeß, 
t 2. XII. Abszeß an Inj.- 
Stelle. Pericarditis. Keine 
Spur von Tuberkulose. 

M 113. 

1. XII. Drüsen bds. ge¬ 
schwollen. t 17. XII. 
Typisch.Tbbefund T.B.-|— 


befindlichen ging eindeutig aus diesen Versuchen hervor. Leider konnte 
uns von der Firma Bayer & Co. nichts mehr von diesem Präparat zur 
Verfügung gestellt und eine Wiederholung der Versuche infolgedessen 
nicht mehr vorgenommen werden. Es ließ sich aber aus den bisherigen 
Ergebnissen schon mit Sicherheit schließen, daß die günstigen Versuchs¬ 
ergebnisse bei kombinierter Anwendung von 20proz. Antiformin und 
10 g Chlorkalk-Bayer nicht dem Chlorkalk allein zukommen, da ja selbst 
nach 2 Stunden langem Aufenthalt von Sputum in 10% Lösung eine Ab¬ 
tötung der T.B. nicht erfolgt war. Es dürfte vielmehr wohl mit Recht 
eine kombinierte Wirkung von Antiformin und Chlorkalk 
durch die Vermehrung des freien Chlors und des naszierenden Sauerstoffs 
anzunehmen sein. 

Wenn auch dieses Sputumdesinfektionsverfahren mit Antiformin 
und Chlorkalk 1 ) einmal wegen des zu hohen Preises und dann auch wegen 
der schweren Beschaffbarkeit des reinen hochwertigen Chlorpräparates 


1) Das von Wolff auf dem Tub.-Kongreß in Bad Elster bekannt ge¬ 
gebene Verfahren der Sputum-Desinfektion mit Chlorkalk und Staßfurter Salz 
(nach Simon) ist nach unsern mit Hailer angestellten Versuchen unzuver¬ 
lässig. Die Protokolle bringen wir in einer der nächsten Mitteilungen. Da¬ 
gegen haben Versuche mit Chlor am in (Heyden) gute Ergebnisse gezeitigt 
(Uhlenhuth und Hailer). 


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Tabelle 41. 

Versuche mit Chlorkalk (Bayer u. Co.) 75% freies Chlor. 4./5. X. 1920. 


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332 


Die Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 



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THE OHtO STATE UNIVERSSTY 




Von Prof. Dr. Uhlenhuth und Privatdozent Dr. Jötten. 


333 


Tabelle 48. 

Versuche mit gewöhnlichem Chlorkalk (35% freies Chlor). 


22. XII. 1920. 

1. 30 ccm 10% Chlorkalk 
+ 10ccm Sputum (T.B.+) 

6 Stunden. 

Abzentrifugiert u. 3 X 
mit NaCl gewaschen. 

Je 2,0 Bodensatz s. c. 

II. 30 ccm 10 % Chlorkalk 
+ 10 ccm Sputum (T.B.-)-) 
6 Stunden. 

Abzentrifugiert u. 3 X 
mit NaCl gewaschen. 

Je 2,0 Bodensatz s. c. 

III. 30ccm 10%Chlorkalk 
+ 10 ccm Sputum (T.B. +) 
6 Stunden. 

Abzentrifugiert u. 3 X 
mit NaCl gewaschen. 

Je 2,0 Bodensatz s. c. 

M. 162. 

t 27. XII. Gift! 

M. 164. 

Stallseuche. Abszeß an 
Inj.-Stelle. tlM. 1921. 
Organe frei von Tbc. 
Drüsen r. etwas ge¬ 
schwollen T. B. — 

M. 166. 

Stallseuche, f 14. 1.1921. 
ln Drüsen u. Milz T. B. + 

M. 163. 

f 27. XII. Gift! 

M. 165. 

t 12. I. 1921. Seuche. 
Organe frei von Tbc. 
Drüsen r. geschwollen 
mit T. B. + 

M. 167. 

Stallseuche, f 12. 1. 1921. 
Milz von Knötchen durch¬ 
setzt. Drüsen r. ge¬ 
schwollen u. verkäst. 

T. B. + 


für die Praxis wohl kaum in Frage kommen dürfte, so waren diese Ver¬ 
suchsergebnisse doch insofern bedeutungsvoll, als sie gezeigt haben, daß 
die bakterizide Kraft des Antiformins durch geeigneten chemischen 
Zusatz sich steigern läßt, ähnlich wie das uns in den früheren Versuchen 
bei Verwendung von erwärmten Lösungen gelungen war. 

Bevor wir über unsere weiteren Beobachtungen berichten, möchten 
wir noch kurz auf ein Verfahren eingehen, das nach dem Vorgang von 
Kaiser von Schuster im Flüggeschen Institut ausgearbeitet ist und 
auch nach vorhergehender Homogenisierung des Sputums mit Kalkmilch 
die Abtötung der T.B. durch Wärme, die durch Zugabe von Ätzkalk her¬ 
vorgerufen wird, herbeiführen soll (s. Flügge, Grundr. der Hygiene, 
neueste Auflage und Schuster, Ztschr. f. Hyg. u. Inf.-Kr., Bd. 92, H.3). 

Das Sputum wird dabei in 20proz. Kalkmilch aufgefangen und nach 
erfolgter Homogenisierung wird ungefähr die doppelte Menge gute un¬ 
gelöschter Kalk (Ätzkalk) in Stücken zugesetzt, sodaß dieselben den oberen 
Flüssigkeitsspiegel überragen. Unter starker Wärmeentwicklung nimmt 
dann das ganze Sputum- und Kalkgemisch eine derartige Hitze an, daß 
sie ausreichen soll, um alle T.B. abzutöten. 

Das Verfahren hat den Vorzug der Einfachheit, nur ist, wie wir 
uns in mehreren eigenen Versuchen überzeugen konnten, die Homo¬ 
genisierung wenig befriedigend und leider häufiger auch mit einem Springen 
der Speigläser (selbst aus Jenaer Glas!) zu rechnen; weiter läßt sich ein 
Umherspritzen der Kalksputummassen bei der Hitzeentwicklung schwer 
verhüten. Der Hauptübelstand besteht aber darin, daß die Wärmeentwick¬ 
lung nicht immer so vor sich geht, wie Schuster sie für die Abtötung 
der T.B. verlangt. Wie aus den beigegebenen Protokollen (Tabelle 44) 
hervorgeht, wurden selbst bei Verwendung ganz frisch im Platin- 


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334 


Oie Abtötung der Tuberkelbazillen im Sputum usw. 


Tabelle 44. 

Versuche mit Ätzkalk nach Schuster. 
5. und 7. X. 1920. 



5. X. 

I. 50 ccm Kalkmilch 
-|-25ccmSput.(T.B. | f - [ +) 
7 St. stehen gelassen 
Dann geglühter Weißkalk in 
Stücken zugesetzt (5 h). 
5h 1 — 60° 

5h 2 — 80° 

5h 2 —85° 

5 h 4 — 88 ° 

5h 6 — 88 ° 5 h 22 —54° 

5 h 4 — 87° 5 h 28 — 52° 

5h 2 —82° 5h 22 —50° 

5 h 10 —80° 

5 h 17 — 68 ° 


7. X. 

II. 100 ccm Kalkmilch 
-f- 50 ccm Sput. (T. B.-|—f—f-) 

67t St. stehen gelassen 
Dann Zusatz von frisch ge¬ 
glüht. Weißkalk i. Stück. 4 h 61 
4 61 —17° 

4 62 — 68 ° 

4 64 — 85° 

4 m_ 930 

4 64 — 97° 5h 14 — 74° 

4 68 — 99° 5 h 21 — 66 ° 

5 01 _ 930 

5 04 — 90° 

5 u — 83° 


7. X. 

III. Kontrolle. 
Sputum von II. mit 10% 
Antiformin homogenisiert, 
zentrifugiert und 3X mit 
Na CI gewaschen. 


Kalkgemisch m. NaCl 250 ccm 
verrieben u. die überstehende 
Flüssigkeit abgehebert und 
zentrifugiert. Je 5 ccm Boden¬ 
satz s. c. T. B. -f. 


M 76. 

10 . XI. Großer Abszeß an 
Inj.-Stelle. f 22 . XI. Sektion 
o. B. Organe und Drüsen 
frei. Abszeß an Inj.-Stelle. 
T. B.—. 

M 77. 

Inj. i. p. gegangen, t r >. X. 
Peritonitis. 


5 h 20 . Kalkmenge in ca. 
150 ccm Na Gl verrieben u. 
1 St. absitzen gelassen. Über- 
stehendeFlüssigkt. 10 ' scharf 
zentrifugiert u. der Bodensatz 
2 Tieren s. c. injiziert. 

M 84. 

t 20 . X. Pneumonie bds. 
Die eingespritzte Masse hat 
sich abszediert. 

M 85. 

10 . XI. Großer Abszeß an 
Inj.-Stelle, f 10 . XI. Abszeß 
an Inj .-Stelle. Drüsen und 
Organe frei. Keine Tuber¬ 
kulose. 


Je 2,0 Bodensatz s. c. 


M 86 . 

10 . XI. Drüsen bds. ge¬ 
schwollen. t 10 . XI. Überaus 
typisch. Tb.-Befund. T. B. -f. 

M 87. 

t 10 . XI. Großer Abszeß an 
Inj.-Stelle. Tuberkel in Lun¬ 
gen bds. Milz von Tuberkel 
durchsetzt. Drüsen bds. ver¬ 
käst. T. B. 


Versuch vom 6 . X. 


50 ccm Kalkmilch 
+ 25 ccm Sputum (T.B.-J- + ) 
67a St. stehen gelassen 
Dann geglühter Weißkalk in 
Stücken zugesetzt. (4 h 24 ) 

4 h 24 —17° 4 h 22 —62,5° 

4 h 24 — 70° 4 h 24 —69° 

4 h 28 — 73° 4 h 86 — 57° 
4h 20 — 70° 4 h 42 — 48° 

4 h“— 65° 


Verarbeitet 5 h. 
Zunächst im Mörser mit 
NaCl verrieben und dann 
insgesamt in 100 ccm NaCl 
aufgeschwemmt. Stehen u. 
absitzen lassen und die über¬ 
stehende Flüssigkeit abzentri¬ 
fugiert und der Bodensatz 
2 Tieren s. c. injiziert. 


M 82. 

10 . XI. Großer Abszeß an 
Inj.-Stelle. Drüsen ? f 23. XI. 
Typisch. Tb.-Befund. T.B.-k 

M 83. 

10 . XI. Großer Abszeß und 
Drüsen bds. geschwollen, 
t 23. XI. Typischer Tb.-Be- 
fund. T. B.+. 


tiegel geglühten Weißkalks nicht immer die gewünschten Temperaturen 
von 80—90° und höher erzielt, die erforderlich sind, da die Hitzeeinwirkung 
doch immerhin eine nur verhältnismäßig kurze ist. (In mehreren Ver¬ 
suchsreihen wurden nur Temperaturen von 50—60° erreicht.) 


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Von Prof. Dr. Uhlenhutli und Privatdozont Dr. Jötten. 


335 


Dementsprechend fielen auch die von Dr Jötten angestellten prak¬ 
tischen Desinfektionsversuche aus, die genau nach den Schuster sehen 
Vorschriften (nach Mitteilung durch Herrn Geh.-Rat Flügge an 
Dr. Jötten) ausgeführt waren. 

Der ganze Testierende ziemlich feste Kalkklumpen, der sich nur schwer 
aus den Gläsern herausheben oder -schaben ließ, wurde im Mörser mit 
phys. NaCl-Lösung verrieben und 1—2 Stunden stehen gelassen. Die Kalk¬ 
massen hatten sich daraufhin zu Boden gesetzt und darüber stand eine 
leicht milchig getrübte Flüssigkeit, die, abgehebert und zentrifugiert, einen 
Bodensatz lieferte, der reichlich T.B. enthielt. Diese Bodensätze wurden 
Meerschweinchen s. c. injiziert. Wie man der Tabelle 44 entnehmen 
kann, wurden in den Sputen, die einer Wärmeentwicklung von 80—90° 
und mehr Grad ausgesetzt waren, die T.B. abgetötet, während dieses bei 
geringeren Temperaturen nicht der Fall war. 

Würde man also einen derartigen, hohe Temperaturen entwickelnden 
Ätzkalk stets zur Verfügung haben, so wäre die Methode als zuverlässig 
anzusehen, wenn auch mit dem Springen der Gläser und dem nicht un¬ 
gefährlichen Umherspritzen der sich explosionsartig erhitzenden Sputum¬ 
kalkmassen zu rechnen sein dürfte. Ob sie sich daher für die Praxis 
in der Hand des Laien eignet, müssen weitere Erfahrungen lehren, sofern 
überhaupt die Bereitstellung größerer Mengen sicher einwandsfreien, 
d. h. genügende Hitze entwickelnden, längere Zeit haltbaren Ätzkalks 
möglich ist. 


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Beitrag zur Frage der Invasionsfähigkeit der im amerika¬ 
nischen Speck enthaltenen Trichinen nebst Versuchen über 
den Einfluß der Trockenpökelung auf die Lebensfähigkeit 

der Muskeltrichinen. 

Von 

Dr. med. vet. Erich Süskind. 

(Bef der Redaktion eingegangen am 27. Juni 1921.) 



Die Zweifel, die betreffs der Gesundheitsschädlichkeit der 1919 und 
1920 eingeführten, häufig stark durchgepökelten amerikanischen Schweine¬ 
fleischwaren laut wurden, veranlaßten mich, Versuche über die Lebens¬ 
fähigkeit der Trichinen in derartigen Waren auszuführen und im Verfolg 
dieser Versuche den Einfluß von Kochsalz in Substanz auf die Lebens¬ 
fähigkeit eingekapselter Muskeltrichinen zu prüfen. 


I. Die Invasionefähigkeit der im amerikanischen Speck enthaltenen 

Trichinen. 

Betreffs der Häufigkeit der Trichinen in den amerikanischen Schweine¬ 
fleischwaren der Jahre 1919 und 1920 ist zu bemerken, daß von 2566310 Stück 
Schinken, Speckseiten und Fleischstücken, die in den Beschaustellen zu Ham¬ 
burg, Dresden, Pirna, Hof, München, Stuttgart und Mannheim 
insgesamt zur Untersuchung gelangten, 0,058% Trichinen aufwiesen. Bei der 
Höhe der Stückzahl (ca. 2,5 Millionen), aus der dieser Prozentsatz berechnet ist, 
darf man diese Zahl als Durchschnittswert für den Gehalt sämtlicher in 
Deutschland damals untersuchter amerikanischer Pökelfleischsendun^en an 
trichinösen Stücken betrachten. Es finden sich daher in amerikanischem 
Schweinefleisch ungefähr 14,5mal häufiger Trichinen wie im ein¬ 
heimischen, wenn man den zuletzt im Jahre 1912 in Deutschland für ein¬ 
heimische Schweine ermittelten Prozentsatz von 0,004 zugrunde legt. Dieser 
große Unterschied in der Häufigkeit der Trichinenfunde ist dem Fehlen einer 
Trichinenschau in Amerika, wie auch dem häufigeren Vorkommen von Trichinen 
bei amerikanischen Schweinen zuzuschreiben. 

Die Versuche über die Invasionsfähigkeit der in ameri¬ 
kanischem Fleische enthaltenen Trichinen habe ich 1919 und 1920 an 15 
ausgewachsenen Meerschweinchen mit gepökelten, trichinösen amerikani¬ 
schen Schinken- und Speckseiten am Schlachthofe zu Stuttgart an¬ 
gestellt, ohne ein einziges positives Resultat zu er¬ 
halten. Zur Vorbereitung für die Fütterung wurden, um ein vorzeitiges 
Verenden der Tiere an Magen-Darmentzündung zu verhüten, von Fett und 


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Beitrag zur Frage der Invasionsfähigkeit usw. 


337 


Bindegewebe befreite Fleischstücke von Talergröße ca. 6 Stunden gewässert. 
Die Stücke wurden dann, klein zerschnitten, mit der Pinzette den Tieren 
in den Rachen geschoben, wobei ich mich immer davon überzeugte, daß 
sie alles geschluckt hatten. Keines der Meerschweinchen zeigte nach den 
Fütterungen irgendwelche Krankheitssymptome. Fünf Tiere fütterte ich 
mit Fleischproben, die aus den innersten Schichten je eines stark trichinösen, 
gepökelten Schinkens unmittelbar am Knochen entnommen worden waren. 
Die Entfernung der innersten Schichten von der 
Oberfläche der 5 Schinken betrug entsprechend der Größe derselben 
8 b i s 10 cm. Ihr Kochsalzgehalt in dieser Tiefe schwankte 
zwischen 16,61 und 18,99%. Trotz dieses hohen Kochsalzgehaltes 
führte ich die Fütterungen durch, da B ö h m 1 ) Trichinen aus einem 
Fleischstücke „mit starkem Salzgehalte“ zur Weiterentwicklung bringen 
konnte. Die Proben nahm ich immer aus den Abschnitten der Schinken, 
deren Oberfläche mit Schwarte bedeckt war. Die Zahl der Trichinen in 
den verabfolgten Fleischmengen berechnete ich nach dem Trichinengehalte 
des betreffenden Schinkens. Dieser Gehalt wurde aus dem Gewicht von 
30 von verschiedenen Stellen des Schinkens genommenen Quetschprä¬ 
paraten und der Zahl der in den Präparaten enthaltenen und unter dem 
Kompressorium abgezählten Trichinen ermittelt. Ich verwandte nur 
Fleisch mit Trichinen, deren Zellkörper und Darm gut erhalten waren und 
deren Kapsel sich deutlich konturiert zeigte. Das erste Meerschweinchen 
erhielt Ptoben von einem Schinken aus 8 cm Tiefe im Gewichte von 
23,487 g mit 27902 Trichinen. Beim zweiten Meerschweinchen und zweiten 
Schinken lauten die entsprechenden Zahlen: Tiefe 9 cm, Proben 13,910 g, 
Trichinen 19557 Stück, beim dritten Meerschweinchen und dritten Schin¬ 
ken: Tiefe 9 cm, Proben 56,791 g, Trichinen 9900 Stück, beim vierten 
Meerschweinchen und vierten Schinken: Tiefe 10 cm, Proben 13,231 g, 
Trichinen 22347 Stück, beim fünften Meerschweinchen und fünften 
Schinken: Tiefe 10 cm, Proben 9,169 g, Trichinen 27360 Stück. 

Da Johne 2 ) von einem 1880 durch N e u m a n n ausgeführten 
und positiv ausgefallenen Versuche an einem Kaninchen mit amerikani¬ 
schem Bauchspeck berichtet, so machte ich gleichzeitig mit den Schinken¬ 
versuchen 10 Fütterungsversuche mit gepökelten, stark trichinösen ameri¬ 
kanischen Speckseiten an 10 Meerschweinchen. Hiezu wurden die nach 
innen dem Speck auf lagernden Muskelschichten benutzt. Diese Versuche 
wurden geradeso und unter denselben Bedingungen ausgeführt wie die¬ 
jenigen mit Schinken. Die 10 Meerschweinchen wurden in 3 Gruppen ein¬ 
geteilt, je nach dem Abstand der am weitesten von 
der Oberfläche entfernten Muskelschichten von 
derselben. Von der ersten Gruppe, bestehend aus 3 Meerschweinchen, 
erhielt jedes derselben Proben im Gewichte von 30,60 bis 41,51 g mit 25431 
bis 28670 Trichinen aus je einer Speckseite, deren Muskelschichte 
4 cm dick war. Bei der zweiten Gruppe (3 Meerschweinchen) waren die 

1) Böhm, Fütterungsversuche mit trichinösem amerikanischem Schweine¬ 
fleisch. Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene, X. Jahrg., Dez. 1899. 

2) Johne, Beiträge zur Kenntnis der Trichinosis bei Schweinen. Deutsche 
Zeitschrift für Tiermed. u. vergl. Path. 1884, S. 281. 

Archiv für Hygiene. Bd. 90. 22 


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338 Beitrag zur Frage der Invasionsfähigkeit usw. 

entsprechenden Zahlen: Proben 18,930 bis 26,243 g, Trichinen 20785 bis 
26112 Stück, D i c k e 5 cm, bei der dritten Gruppe (4 Meerschweinchen): 
Proben 14,788 bis 19,373 g, Trichinen 17564 bis 24256 Stück, D i c k e 6 cm. 

Da vergebliches Suchen nach Darmtrichinen noch kein sicherer Beweis 
für deren Abwesenheit ist und selbst deren Auffinden nur ein Beweis für 
die Lebens-, nicht aber für die Invasionsfähigkeit der Trichinen bildet, so 
untersuchte ich die Meerschweinchen nur auf Muskeltrichinen. Dies ge¬ 
schah frühestens 42 Tage nach der ersten Fütterung, da nach dieser Zeit 
die Muskeltrichinen ausgewachsen sind, daher nicht mehr übersehen werden 
können. Aus der Muskulatur jedes Tieres fertigte ich im Kompressorium 
170 zehnpfennigstückgroße Quetschpräparate an, die der Bauch-, Zwerch¬ 
fell-, Zwischenrippen-, Kau-, Kehlkopf-, Zungen- und Extremitätenmus¬ 
kulatur entnommen wurden. 

Meine 15 Versuche wurden nur mit stark gesalzenen amerikanischen 
Speckseiten und Schinken angestellt, da mir schwach gesalzene nicht zur 
Verfügung standen. Irgend ein positives Ergebnis war, wie schon 
erwähnt, nicht zu erzielen. Zu dem gleichen Ergebnis kirnen auch 
Feuereißen 1 ), Junack 2 ) und H i e n t z s c h 3 ), von denen die beiden 
letzteren gleichzeitig mit mir im Berliner Schlachthoflaboratorium Füt- 
terungsversuche ausgeführt haben. 

2. Versuche Ober den Einfluß der Trockenpökelung auf die Lebens¬ 
fähigkeit der Muskeltrichinen. 

Sieben Stücke sehr stark trichinösen Meerschweinchenfleisches von 
ungefähr gleicher Dicke wurden mit käuflichem Speisekochsalz in ver¬ 
schiedener, jeweils bestimmter Menge trocken gepökelt. Die 7 Stücke 
wurden in 3 Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe bestand aus 3 Stücken 
mit Trichinen im Alter von 6, die zweite aus 2 Stücken mit 
Trichinen im Alter von 8 und die dritte aus 2 Stücken mit 
solchen im Alter von 10 Wochen. Um das Alter der Muskel¬ 
trichinen annähernd richtig zu erhalten, wurde jedes Meerschweinchen, 
dessen Fleisch ich pökeln wollte, vom Tage der Infektion an gerechnet, 
11 Tage länger am Leben gelassen als dem jeweils von mir gewünschten 
Alter der Trichinen entsprach, da erst 9 bis 10 Tage nach der Infektion 
die Embryonen in großer Zahl in den Muskelfasern sieh finden. Die Infek¬ 
tionsfähigkeit 6 Wochen alter Muskeltrichinen kann keinem Zweifel unter¬ 
liegen. Denn nach den Versuchen yon v. Ü s t e r t a g 4 ) tritt sie ein, 

1) Feuereißen, Erfahrungen mit trichinösem Fleisch. Übertragbare 
Trichinen im amerikanischen Gefrierfleisch. Zeitschrift für Fleisch- und Milch¬ 
hygiene, 30. Jahrg., 1920, S. 251. 

2) Junack, Zur Invasionstüchtigkeit der Trichinen im zubereiteten ameri¬ 
kanischen Schweinefleisch. Deutsche Schlacht- und Viehhofzeitung, 20. Jahrg., 
1920, S.318. 

3) Hientzsch, Untersuchung über die Lebens- und Invasionsfähigkeif 
der Trichinen, die in den zurzeit aus Amerika eingeführten Fleischwaren nach¬ 
zuweisen sind. Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., 31. Jahrg., 1921, S. 99. 

4) v. Ostertag, Vermögen Darmtrichinen und wandernde Trichinen auf 
einen neuen Wirt überzugehen? Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., 3. Jahrg., 
1893, Heft 3. 


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Von Dr. Erich Süskind. 


339 


wenn die jungen Trichinen, vom Tage ihrer Geburt an gerechnet, ein Alter 
von 17 bis 18 Tagen erreicht haben, ein Alter, wo ihre Geschlechtsorgane 
sich eben angelegt haben. Vor der Pökelung wurde jeder Meerschweinchen¬ 
körper nach Entfernung des der Muskulatur aufsitzenden Fettes kurze 
Zeit an einem kühlen, luftigen Orte aufgehängt, bis die Oberfläche des 
Fleisches etwas abgetrocknet war. Sodann wurde die hintere Körperhälfte 
abgetrennt und immer nur dieses Fleischstück benutzt, weil hier die dicksten 
Muskelmassen des ganzen Rumpfes sich befinden. Die 6 gesalzenen 
Fleischstücke wiesen an der dicksten Stelle ihrer Muskulatur, 
in der Reihenfolge der Versuche aufgezählt, einen Durchmesser 
von 2,0; 1,9; 1,6; 1,9; 2,1 und 2,3 cm auf. Hierauf wurde jede Hinter¬ 
hälfte gewogen. Trockenpökelung wurde deshalb angewandt, weil die seit 
1919 nach Deutschland eingeführten amerikanischen Schweinefleisch¬ 
waren in der Regel in dieser Weise gepökelt sind. Das eine Fleischstück 
aus jeder Gruppe wurde schwach gepökelt, indem 5gSalz auf je 100 g 
Fleischgewicht genommen wurden wie bei der in Deutschland 
üblichen Trockenpökelungsmethode, wo auf 1000 g Fleischgewicht 500 g 
Salz gerechnet werden, das andere wurde stark gepökelt, indem j e 100 g 
Fleischgewicht 10g Salz zugesetzt wurden, in der Erwartung, 
daß jugendliche Trichinen bei diesem Pökelungsgrad frühzeitig absterben. 
Das dritte Stück der ersten Gruppe wurde in Gestalt des ganzen Meer¬ 
schweinchenkörpers zur Kontrolle ungesalzen aufbewahrt und in einer 
Kühlzelle bei + 3 bis 4° C aufgehängt. Das auf das Fleisch gestreute Salz 
wurde durch Reiben gleichmäßig über die Gesamtoberfläche desselben 
verteilt. Jedes gesalzene Fleischstück kam für sich in ein weites, zylin¬ 
drisches Glasgefäß auf einen durchbrochenen Holzboden zu liegen, damit 
das infolge der hygroskopischen Wirkung des Salzes aus dem Fleische aus¬ 
tretende Wasser ablaufen konnte. Durch die vorhergehende, leichte Ab¬ 
trocknung der ziemlich feuchten Fleischoberfläche erreichte man, daß das 
Kochsalz nicht von der an der Oberfläche befindlichen Flüssigkeit zusammen 
mit austretendem Wasser gelöst weggeschwemmt wurde, noch ehe es zur 
vollständigen Entfaltung seiner austrocknenden Wirkung gelangte. Die 
Abtrocknung des nicht gesalzenen Fleisches geschah, um die Lebenstätig¬ 
keit der Fäulnisbakterien zu hemmen. Die Glasgefäße samt Inhalt wurden 
unbedeckt in einem Raume der Kühlhalle aufbewahrt, dessen Temperatur 
sich ständig auf + 3 bis 4° C hielt und in dem die Luft immer einen solchen 
Feuchtigkeitsgehalt aufwies, daß das Fleisch nicht ausgetrocknet werden 
konnte. Aus den inneren Muskelschichten eines jeden Fleischstückes ver¬ 
fütterte ich sodann nach bestimmten Zeitabschnitten ungefähr eine Stunde 
lang gewässerte Muskelstückchen an je ein Meerschweinchen oder eine 
Maus, was von beiden Tierarten gerade bei dem damals herrschenden 
Mangel an Versuchstieren zu erhalten war. Obwohl V e 1 k e e n 1 ) 1913 
fand, daß beim Meerschweinchen schon 15 bis 20 Muskeltrichinen genügen, 
um es zu trichinisieren, und nach den Ermittlungen der Berliner 
Städtischen Fleischbeschau 2 ) 1902 bei einer Ratte bzw. 

1) Velkeen, Inaug.-Diss. Berlin 1913. Ref.-Zeitschrift für Fleisch- u. Milch- 
hyg., 24. Jahrg. 1914. 

2) Bericht der Berliner Städtischen Fleischbeschau für das Etats- 

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340 


Beitrag zur Frage der Invasionsfähigkeit usw. 


bei einer Maus hiezu nur mindestens 5 bis 7 Trichinen notwendig sind,- 
wurde doch die Zahl der verfütterten Muskeltrichinen so hoch bemessen, 
daß selbst bei einer großen Zahl unter der Salzwirkung abgestorbener 
Parasiten doch noch soviele lebende aufgenommen wurden, daß die Tiere 
infiziert werden konnten. Daher erhielt jede Versuchsmaus 150 bis 300 
Trichinen, jedes Meerschweinchen 200 bis 450 Trichinen. Die Feststellung 
der Zahl der Trichinen geschah mit Hilfe des Mikroskops. Die mit der 
Pinzette bis in den Schlund der Versuchstiere eingebrachten Fleischstück¬ 
chen wurden, wovon ich mich jedesmal überzeugte, von ihnen verschluckt. 
Die gefütterten Tiere wurden frühestens 6 Wochen nach der Infektion 
untersucht. Die aus der Muskulatur der Meerschweinchen angefertigten 
Quetschpräparate waren nach Zahl und Verteilung dieselben wie bei meinen 
Übertragungsversuchen mit trichinösem amerikanischem Fleische. Bei 
den Mäusen wurden 117 Quetschpräparate aus denselben Muskelgruppen 
wie bei den Meerschweinchen entnommen. 

Die Versuche gingen im einzelnen folgendermaßen vor sich und ergaben 
nachstehende Resultate: 

Die Trichinen der Fleischstücke der ersten Gruppe von am 15. Fe¬ 
bruar 1920 gefütterten und am 9. April desselben Jahres untersuchten 
Tieren stammend, waren in Aufrollung begriffen, dabei teils noch nicht 
enzystiert, teils nur mit einer dünnen Kapsel umgeben. Zwei dieser Fleisch¬ 
stücke im Gewichte von 141,310 und 144,965 g wurden mit 7,065 bzw. 
14,496 g Kochsalz gepökelt. Das dritte Fleischstück wurde, wie erwähnt, 
unvorbehandelt gelassen. Mikroskopisch zeigte sich bei den beiden ge¬ 
salzenen Stücken schon nach dreitägiger Konservierung an dem Aussehen 
der Muskeltrichinen deutlich die Wirkung des Kochsalzes: Bei dem schwach 
gesalzenen Fleische fanden sich in der oberflächlichen Fleischschichte nur 
bei wenigen enzystierten Trichinen vollständige Kapseln. Bei allen übrigen 
Trichinen dieser Art waren die Kapseln nur noch in schwachen Resten zu 
erkennen. Von den Trichinen selbst waren die inneren Organe entweder 
ganz aufgelöst, so daß bloß noch die geschrumpfte Kutikula vorhanden 
war, oder der Zellverband der Organe war gelockert und die einzelnen Zellen 
waren voneinander getrennt und abgerundet. In den inneren Fleischschich¬ 
ten waren derartige Veränderungen seltener und weniger stark ausgeprägt. 
In dem stark gesalzenen Fleisch traf man selten Parasiten an, die von den 
genannten Mazerationserscheinungen nicht ergriffen gewesen wären. Im 
weiteren Verlauf der Trockenpökelung machte sich auf alle Trichinen der 
Einfluß des Kochsalzes in der geschilderten Art so rasch geltend, daß in 
dem schwach gepökelten Fleische schon nach 30 Tagen und in dem stark 
gepökelten schon nach 25 Tagen die Trichinen nicht mehr zu erkennen 
waren. Daher wurde mit ersterem Fleische nach 3, 7, 14, 21 und 25 und mit 
letzterem nach 3, 7, 14 und 21 Tagen je ein Meerschweinchen gefüttert. 
Bei der von Zeit zu Zeit vorgenommenen mikroskopischen Untersuchung 
des ungesalzenen Fleisches dagegen zeigten sich selbst nach 35tägiger Auf¬ 
bewahrung die Trichinen vereinzelt noch intakt, so daß durch einen nach 


jahr 1902. Wieviel Trichinen sind erforderlich, um Tiere trichinös zu machen? 
Ref.-Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 15. Jahrg. 1905. 


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Ürigmal frorri 

THE OHIO STATE UNIVE 



Von Dr. Erich Süskind. 


341 


dieser Zeit wie auch durch einen nach 21 Tagen vorgenommenen Fütterungs¬ 
versuch an zwei Mäusen Muskeltrichinose hervorgerufen werden konnte. 
Bei der Sektion zeigten bei sorgfältiger mikroskopischer Untersuchung 
nur diejenigen Meerschweinchen zahlreiche Trichinen in ihren Muskeln, 
denen 3 und 7 Tage lang schwach und 3 Tage hindurch stark gepökeltes 
Fleisch gegeben worden war. 

Es sterben daher durchschnittlich 6 Wochen 
alte Muskeltrichinen in ca. 2 cm dicken Fleisch- 
stücken zwischen 7 und 14 Tagen ab,' wenn diese 
mit einer dem 20.Teil ihres Gewichtes entsprechen¬ 
den Kochsalzmenge trocken gepökelt werden, und 
zwischen 3 und 7 Tagen, wenn dies mit der doppel¬ 
ten Kochsalzmenge geschieht. Im unvorbehandelten Flei¬ 
sche waren die 6 Wochen alten Muskeltrichinen nach 35 Tagen noch inva¬ 
sionsfähig. 

Die Trichinen der beiden Fleischstücke der zweiten Gruppe, aus am 
15. Februar 1920 gefütterten und am 23. April desselben Jahres getöteten 
Tieren herrührend, besaßen in der Mehrzahl eine ausgebildete Kapsel, bei 
den übrigen war sie in der Vollendung begriffen. Die beiden Stücke im 
Gewicht von 107,880 und 130,604 g wurden mit 5,394 bzw. 13,060 g Koch¬ 
salz bestreut. Die bei den beiden vorhergehenden Versuchsreihen bespro¬ 
chenen regressiven Veränderungen der Trichinen und ihrer Kapseln ge¬ 
langten hier wesentlich langsamer zum Abschluß, so daß beim schwach 
gesalzenen Fleisch erst nach 40tägiger und beim stark gesalzenen Fleisch 
nach 30tägiger Pökelung die Kutikula der Würmer sich gefaltet und ge¬ 
schrumpft und die Kapselmembran sich aufgelöst zeigte. Daher wurde 
schwach gesalzenes Fleisch erst nach 7 und dann wieder nach 14, 21, 25, 30 
und 35 Tagen und stark gesalzenes Fleisch nach 3, 7, 14, 21 und 25 Tagen 
an je ein Versuchstier (Maus oder Meerschweinchen) verfüttert. Die ein¬ 
gehende mikroskopische Untersuchung aller Versuchstiere ließ nur bei 
denjenigen Trichinen auffinden, denen 7, 14, 21 und 25 Tage hindurch 
schwach oder 3 Tage lang stark gesalzenes Fleisch verabreicht worden war. 

Somit sterben durchschnittlich 8 Wochen alte 
M.u skeltrichinen in ca. 1,7 cm dicken Fleischstücken 
zwischen 25 und 30 Tagen ab, wenn diese mit einer 
dem 20.Teil ihres Gewichtes entsprechenden Koch¬ 
salzmenge trocken gepökelt werden, und zwischen 
3 und 7Tagen, wenn dies mit der doppelten Koch¬ 
salzmengegeschieht. 

Die Trichinen in den beiden Fleischstücken der dritten Gruppe, die 
sich in am 15. Februar 1920 gefütterten und am 7. Mai desselben Jahres 
getöteten Tieren entwickelt hatten, zeigten eine gute Ausbildung ihrer 
Kapseln, an deren Polen häufig schon Fettzellen zu sehen waren. Beide 
Fleischstücke wogen 157,640 und 170,725 g und wurden mit 7,882 bzw. 
17,072 g Kochsalz behandelt, pa hier der Mazerationsprozeß ungefähr mit 
derselben Schnelligkeit und in derselben Stärke vor sich ging wie bei den 
beiden vorhergehenden Versuchsreihen, so wurde mit schwach gesalzenem 


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342 Beitrag zur Frage der Invasionsfähigkeit usw. ' 

Fleisch gleichfalls nach 7, 14, 21, 25, 30 und 35 Tagen und mit stark ge¬ 
salzenem Fleisch ebenfalls nach 3, 7, 14, 21 und 25 Tagen je eine Maus ge¬ 
füttert. Der mikroskopische Befund ergab trotz genauester Untersuchung 
nur bei denjenigen Mäusen Muskeltrichinen, die 7, 14, 21 und 25 Tage hin¬ 
durch schwach oder 3 Tage lang stark gepökeltes Fleisch erhalten hatten. 

Folglich sterben durchschnittlich 10 Wochen 
alte Muskeltrichinen in ca. 2,2 cm dicken Fleisch- 
stücken zwischen 25 und 30 Tagen ab, wenn diese 
mit einer dem 20. Teil ihres Gewichtes entsprechen¬ 
den Kochsalzmenge trocken gepökelt werden, und 
zwischen 3 und 7 Tagen, wenn dies mit der doppel¬ 
ten Kochsalzmenge geschieht. 

Die Resultate der Versuche lassen sich in folgender Tabelle zusammen¬ 
stellen. 

10 Wochen 
2.2 cm 
5 % 2o % 

pos 
pos 
pos 
pos 
neg 
neg 

Wie aus der Tabelle hervorgeht, hat bei junge n, durchschnittlich 
6 bis 10 Wochen alten Muskeltrichinen im Falle der 
starken Pökelung (10%) das Alter derselben einen höchstens 
ganz geringen Einfluß auf den Zeitpunkt des Ab¬ 
sterbens, während im Falle der schwachen Pökelung (5%) 
das Alter insofern eine Rolle spielt, als die durchschnittlich 6 W o c h e n 
alten Muskeltrichinen infolge der noch mangelhaften Aus¬ 
bildung ihrer Kapseln nur etwa halb so lange lebensfähig 
bleiben als die sich im übrigen auch der schwachen Pökelung 
gegenüber gleich verhaltenden durchschnittlich 8 u n d 10 
Wochen alten Muskeltrichinen. Das gleiche Verhalten 
durchschnitttlich 8 und 10 Wochen alter Muskeltrichinen gegen schwache 
nud starke Trockenpökelung (5% und 10%) läßt sich nur durch die An¬ 
nahme erklären, daß die Ausbildung der Trichinenkapsel, die ca. 4 Wochen 
nach der Infektion beginnt und nach 13 Wochen beendet ist, in der 5. bis 
7. Woche ihrer Entstehung — die Muskeltrichinen sind in dieser Zeit 
durchschnittlich 8 bis 10 Wochen alt — keine wesentlichen Fortschritte 
macht. Altere Muskeltrichinen, also Trichinen im Alter von mindestens 
12 bis 13 Wochen, mit völlig ausgebildeter Kapsel werden wahrscheinlich 
bis zum Beginne der Verkalkung der letzteren in ihrem Verhalten gegen 
Kochsalz keine großen Unterschiede nach ihrem jeweiligen Alter aufweisen. 


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Von Dr. Erich Süskind. 


343 


Das Verhalten von Trichinen mit verkalkten Kapseln gegenüber der 
Trockenpökelung ist noch nicht bekannt. Solche Trichinen werden wahr¬ 
scheinlich dem Kochsalzeinflusse viel länger widerstehen. In den in Stutt¬ 
gart untersuchten amerikanischen Fleischwaren wurden verkalkte Tri¬ 
chinenkapseln nicht beobachtet. Denn weitaus die Mehrzahl der Schweine, 
von denen die Fleischwaren stammten, können Trichinen mit verkalkten 
Kapseln nicht besessen haben, da sie bei der Schlachtung lebend nur etwa 
160 bis 180 Pfund wogen, also ca. 7 bis 10 Monate alt waren. Dagegen 
gelangen Fettmastschweine erst in einem Alter von \ l 2 / 2 und Mutterschweine 
in einem solchen von 6 und mehr Jahren zur Schlachtung; es kann daher 
jederzeit der Fall eintreten, daß in amerikanischen Fleischwaren verkal¬ 
kende oder verkalkte Trichinenkapseln festgestellt werden. Die Verkalkung 
kann nach L e u c k a r t 1 ) schon im 6. Mobat nach der Infektion beginnen 
und B 1 o m n 1 ) fand bei zwei Schweinen im Alter von 9 und 12 Monaten 
schon völlig verkalkte Kapseln. 

Was die Höhe des Kochsalzgehaltes der Fleischstucke zur Zeit des 
Absterbens der Trichinen anbelangt, so ermittelte Nothwang*) bei Trocken¬ 
pökelungsversuchen, in denen er je 100 g Kochsalz für Fleischstücke von 309. 
407, 402 und 410 g, also 32. 24, 25 und 24 g Salz auf je 100 g Fleisch ver¬ 
wendet hatte, nach 8 Tagen schon 8,4% und nach 28 Tagen 10,3% Kochsalz 
im Pökelfleisch. Somit beträgt der für Muskeltrichinen im Alter 
von 6—10 Wochen tötlich wirkende Salzgehalt jedenfalls nicht 
mehr als 8,4%, nachdem in meinen Versuchen bei Verwendung von viel 
kleineren Salzmengen, das heißt nur je 5 bzw. 10 g Kochsalz auf 100 g Fleisch, 
der sicher geringere Salzgehalt sich schon als tötlich erwiesen hatte. 


3. Zusammenfassung. 

Die in d-en gepökelten amerikanischen Schweine¬ 
fleischwaren enthaltenen Trichinen mit u n - 
verkalkten Kapseln sind abgestorben, sofern die 
Waren stark gepökelt sind. 

Umfangreiche Fütterungsversuche mit schwach gepökelten, trichi¬ 
nösen amerikanischen Fleischwaren wären zur vollständigen Klärung der 
Frage noch anzustellen. 

Ebenso bleibt noch die Invasionsfähigkeit von in den amerikanischen 
Fleischwaren etwa vorhandenen Trichinen mit verkalkten Kapseln zu 
untersuchen. 

Aus meinen Trockenpökel versuchen ergibt sich fol¬ 
gendes: 

Junge, durchschnittlich 8 bis 10 Wochen alte Muskel¬ 
trichinen erlahmen bei einer starken Pökelung (10 Teile 
Kochsalz auf 100 Teile Fleisch) überraschend schnell in ihrer 
Widerstandsfähigkeit, so daß sie schon innerhalb der 1. Pökel¬ 
woche abgetötet werden; dagegen zeigen sie bei einer schwachen 
Pökelung (5 Teile Kochsalz auf 100 Teile Fleisch) eine für ihr Alter 

1) v. Ostertag, Handb. d. Fleischbeschau, 6. Aufl. 1913, II. Bd., S. 144. 

2) Nothwang, Der Salpetergehalt verschiedener Fleischwaren und der 
Pökelprozeß. Arch. f. Hyg. Bd. 16, 1893, S. 122. 


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Beitrag zur Frage der Invasionsfähigkeit usw. 


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hohe Widerstandsfähigkeit, so daß sie erst nach der 3. Pökel¬ 
woche absterben. Durchschnittlich 6 Wochen alte Muskeltri¬ 
chinen werden weniger durch die Stärke der Pöke¬ 
lung in ihrer Resistenz beeinflußt als vielmehr schon difrch die 
Pökelung an sich und büßen daher selbst bei schwacher Salzung 
schon in der 2. Pökelwoche ihre Lebensfähigkeit ein. 

Somit läßt sich die Abtötung junger, mit noch 
unvollkommener oder frisch ausgebildeter Kap¬ 
sel versehener Muskeltrichinen (Muskeltrichinen im Alter 
von 6 bis 10 Wochen) noch vor Ablauf der ersten Pökel¬ 
woche erreichen, wenn 10 Teile Kochsalz auf 100 
Teile Fleisch und die Angriffsflächen des Flei¬ 
sches für Kochsalz sehr groß genommen werden, 
so daß die ganze Masse des Fleisches in kurzer 
Zeit von dem Salze durchdrungen wird. 


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